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Jlcntfd) - ^mcrikonlf^c JHonöts^fte
für
Jlikrafitr, JutttH, m&
öfcntfidj« cScßen.
HfceMgfet »on
III. jJaljrgang. L llanir. 1866. <3anuar-$eft.
öas J)ublihum.
Sffie bie 2efer bereits aus bem lebten $efte beS vorigen Jahrgangs tt*
fefjen ^aben , »erben bie „2)eutf<h 55 Slmerifanifcben Monatshefte" fortan nicht
mehr in Chicago, fonbem in ÜRe»*2)or!, unb j»ar unter einer neuen 9tebaftion,
erscheinen. S)ie größeren gacilitdten, »eiche bie Metropole ber neuen 2Belt
in jeber SBejiehung einem litecarifchen Unternehmen biefer 2lrt bietet, lieferten
ben beftimmenben ©nmb §u ber SBerdnberung. SBdbrcnb £err GaSpar
f«h burch bie ©rünbung ber einigen beutfch * ameritanifcben 2JtonatSfchrift ein
nicht hoch genug §u fchdfcenbeS SBerbienft unb burch feine Leitung berfelben im
bottften 3Jtaße bie allgemeine Slnerfennung erworben, »irb bie neue Mebaftion
bemüht fein, gleichfalls baS Vertrauen ber Seferoelt für ft<h $u gewinnen unb
bie in ihre $änbe übergegangene 3«tfchrift in immer großartigerem ÜDtaßftabe |u
enttoicfeln. 2)ie „Seutfd^&merilanifchen äJtonatShefte" follen baS fein, »aS ihrem
begabten ©rünbet t>orf<h»ebte — ein literarifcher Sammelpunft ber beutfch*
amerüanifchen Snteüigen^ ein SDtittel, bie Gmmgenfchaften beS beutfehen ©elftes
auf bem 23obett Hmerifa’S $u erhalten, fie mit Siebe §u pflegen, jur (Seltung ju
bringen, fte ben 2)eutf<h*2lmerifanem eigen unb fruchtbar ju machen, unb in
biefem Streben »erben nicht nur «&err GaSpar 23ufc unb bie h^orragenbften
beutfehen Siteraten 2lmerifa 7 S mit ber SHebattion jufammenmirlen, fonbem eS
batf mit Sicherheit auch auf bte Unterftübung namhafter literarifcher Ärdfte im
alten Sßaterlanbe unb in ber S<h»ei§ gerechnet »erben, $u bereu ®e»innung
bereits bie Ginleitungen getroffen finb.
2
UMJlmt
Sott ^ermann Raffer.
Sott hier Schwelle bet fchönften Kathebrale in Wew*?)or!, welche in bet
Sorftellung bet Eingeborenen eine fo wichtige ©teile einnimmt, toie in bet beS
Sßariferg bie Notre dam© Kirche, big nach bem bie 9Wanbattan*3nfel non Song
gslanb trennenben 9)teeregarm erftredtt ftch eine laurn 2000 gufc lange ©trabe,
beten -Warne in ben gelfeneinöben non 2Jtontana, toie in ben ©aoannen oon
gloriba, in ben £annenwälbern oon üötaine, toie auf ben Slanog oon Xepag ge*
lannt ift unb alg gleühbebeutenb mit Kapitalmacht, hoh« ginanj, öffentlichem
. Erebit, aber auch mit böbmm unb böchftem ©chwinbel, Sörfenfpiel unb Agio¬
tage gebraucht wirb. Eg ift bie ffiallftreet, — bie Wtouerftrafje, toelche ihren
ÜRamen baoon hat, bab fte früher bie nörbliche ©ten^e beg Dörfchens Weu*
Amfterbam bejeichnete. £eute hübet bag oon ihr begrenze ©ewirr enger unb
frummer ©traben einen fo Keinen Xheil ber groben Wtetropole, bab man eg auf
einem $lane, toelcher bie Sänge ber ©tabt auf jtoanjig unb bie Sreite auf fünf
Soll barftellt, mit einem 2)aumengliebe oollftänbig bebeefen fann.
Som ©roabtoap big §u ber erften mit ihm parallel laufenben Ouerftrafce
ift bie SBallftreet eng unb unanfefcnlich, bo<h ftnb hier oiele«|>unberte oonSBechfeU
comptoiren, Süreaug oon Aftiengefellfchaften aller Art, Wotariatggefchäften,
Eypebitionen oon Aboolaten tc. in mächtigen, oier big fünf ©toef hohen Käufern
mit fchmalen ©ranit* ober 2Jtarmorfacaben jufammengebrängt. gür fo toerth*
Ooll gilt bie Sage, bab fetbft Keine Saupläfce Kapitalien repräfentiren, gröber alg
mancheg beutfehe Wittergut. Ein taum 1500 Guabratfufj grober Sauplap toarb
bereitg oor acht ober $ehn gahren $u einem greife oerlauft, welcher ber ©umme
Oon 1J üDKüionen 3)ollarg für einen Acre entfprach.
An ber Worboftecfe ber erften Ouerftrajje fteht bag aug toeibem SWarmor
in gonifchem Sauftpl errichtete ehemalige 3oüamtggebäube, jefctalg Unterfchafc*
amt oertoenbet. Ueber ben ©efepmaä ober bie ©efchmadlofigleit, welche in ber
Senupujtg altgriechifcher SSempelformen §u ©ebäuben oon fo moberner Senbenj
liegt, ift fchon oiel ©eiftreicheg, ober auch Abgefchmadteg gefagt worben; —
aber eg hat mit bem Seben unb ©eben ber Wtenfchen, bie in biefen ©ebäuben
häufen, nicht mehr §u thun, alg fchlechte ober gute 2Bifce über bie Kleibertracht
eineg Seitalterg mit ber Seurtheilung ber Eharaltere, welche bie ©efchichte beg*
feiben geftalteten. Sig ^ur äfthetifeben Auffaffung ber Saufunft ift man in
Amerifa noch nicht gelangt; man hat baju noch feine DWufje gehabt. Erft wenll
ein Soll bie Sßeriobe beg raftlog thätigen ©chaffeng unb ©eftalteng hinter fleh
hat unb in bie eiher freiwilligen ober unfreiwilligen Sefchaulichleit getreten ift,
oertieft eg fnh in bie ©ebantenwelt unb beftillirt aug $em, wag frühere ©e*
fchlechter ohne befonbere Abftcht, nur ihrem lebenbigen Xhatenbrange gehorchenb,
gefchaffen haben, philofophifche ober äfthetifche ©pfteme. 2)eutf<hlanb ift nach
bem breifngjährigen Kriege in biefeg ©tabium getreten, aber Amerifa ift $u
gutem ©lud noch feh* meit baOon entfernt. ©5 m a <h t erjt ©efchichte unb §tebt
»och nicht bie Atoral barauS. 3)arum ift e3 auch ungereimt unb ungerecht, an
fein gelegentliches ^ineinpfufcfeen in ba£ ©ebiet ber bilbenben fünfte bie Atafj*
ftdbe SBintelmannS ober SeffingS |u legen. SBährenb in ©uropa bie ibeale
äfthetifche Auffajfung ber Vaufunft oft genffg auf fehr unangenehme Steife bie
AüfcUchteit bei Seite brängt, berrfcbt biefe in Amerifa faft unumfchränlt.
5 a ft, bodb nicht ganj. Vefchräntt mirb fte burch bie 2)1 o b e. 3n biefer Ve-
jiehung fteht hier bie Verfertigung oon Vehaufungen mit ber Verfertigung oon
Kleibgrn auf gleicher Stufe; — nur bah bie aus ©ranit, SJtarmor ober Sanb-
ftein angefertigten ©emdnber langer halten, als bie oon Xuch ober Seibe. S)ie
antifen Xempelfonneu ber öffentlichen ©ebdube in Amerita fmb lebiglich 2)enf*
mdler ber 9Äobe, Pie )u Anfang biefed SahrhunbertS auch in ©uropa herrfchte
unb bort freilich, mo eS mentger folche ©ebdube ju errichten gab, fleh mehr auf
ben Schnitt ber Kleiber unb auf bilbliche 3)arftellungen, als auf Vaumerle
richtete.
5)em marmornen ©elblaften ber Aepublif gegenüber meitert fi<h bie Duer-
[trabe, au beten ©de er ftebt, |ur Vroabftreet aus, melche feit einigen fahren an
bie SJallftreet aunectirt ift. 3a, mie ber Sifc beS Königreiche Vreufjen langft
aus bem flaoifchen fianbe biefeS AamenS nach Vranbenburg gemanbert ift, fo
thront heute b i e SBaUftreet, bie als gleichbebei^enb mit bem Vörfenleben genannt
mirb, nicht mehr in SBallftrcet fefcft, fonbern in Vroabftreet, ©jebange ^lace unb
einem Steile oon SUUiamftreet. Auf bem meftlichen Trottoir ber Vroabftreet
mürben mährenb beS Krieget jene benfmütbtgen Vörfenfchlachten über „^arlem",
# ©rie", „ Aod 3elanb" geliefert, in melden AliUionen über ÜMionen Oerloren
unb gemonnen mürben, aus melchen mancher KröfuS als oerfdjämter Armer unb
mancher unoerfchämte Arme als KröfuS heroorging. 3 e fet erhebt ft<h bort im
öoUen ©lanje meinen AtarmorS mit einer oon torinthifchen Säulen getragenen
gagabe bie neue Vörfe, in melche fleh bie mit bem©intritte beS griebenS nüchter-
«er unb beS müjten Sebent unter freiem $immel überbrüffig gemorbene Agio¬
tage jurüdgejogen hat. — An ber ©de oon ©pchange Vlace unb SBilliornftreet
aber, oor bem Kohlenloch, einem büjtern Souterrain, in melchem bie ©uerilla-
börfe häufte, hatte oor §mei unb brei Sohren bie rohefte Art oon Vörfenfpiel, bie
fuh in AichtS mehr oom garo ober Aoulette unterfcheibet, ihr Vioouac aufge-
fchlagen. Raufen oerbdchtig auSfehenber ©eftalten, in bereu VUden unb Ve-
megungen fleh jenes milbe, unheimliche 3uden geigte, baS ben noch nicht gänzlich
abgeftumpften £afarbfpieler tennjeichnet; elegant gelleibete ©auner, unbeholfene
l&mbleute, beren Vlide Aeugier, Süftemheit unb Scheu zugleich oerriethen; f<hä-
big auSfehenbe ©efchäftsleute ohne ©efchdft, Opfer beS VörfenfpielS, bie fleh hoch
bem SHeige beffelben nicht entziehen tonnten unb, in ©rmangelung eigener Mit¬
tel, fuh menigftenS als Unterhdnbler unb 3mif<henträger — „Aegotianten" —
einen fümmerlichen ©rmerb fuchten; bajmifchen hie unb ba ein hochftehcnber
Kaufmann, ber fich in folchet ©efellfchaft bekommen §u fühlen fchien unb dngft-
Uch um fuh fpdhte, ob mohl ein Velannter ihn bemerte — bieS mar SWonate,
$onb$, Slctien, ©rioritäten, 3nterim&f<heme tmb wa$ fonft für Effecttn hn
©tarfte ftnb, an, laffen bie gewünfchten Rapiere an ber ©örfe burch einen ber
Senfafe erfteigern unb beleihen Re gegen mäßigen 3tn^, ber aber bet. taffem
Umfaß burch $romftonunb Courtage bebetiienb gefteigert wirb. betfit, bet
Käufer befahlt nur 10 ober 12 ©ro^ent be3 greife« baar nnb läßt bem SBedteler
bie ertauften Rapiere ate ©fanb für beu SReft be£ £aufgelbe$. Steigt nun bet
Eour3 ber Rapiere unb berSpecutaut miß auäoerlaufen, fo jat)It ibm berffiedte*
Ier ben ©ewinn betaut. Sinft ber Eour$, fo muß entmeber ber ©eftßer fo biel
nachjahlen, baß bie Summe, bie er bem ©Wechsler noch barauf fchulbtg bleibt,
toieber 10 ober 20 fßro$ent unter bem nun nichtigeren Steife ber Rapiere iß,
ober, wenn er ba$ nid&t lann, uerfauft ber SBedj&er ba$ ©fanb, beett ß<h «nb
gahlt einen etma noch rerbleibenben Ueberfchuß an ben gewefenen ©eftßer ber*
au£. 3 n gleicher SZBeife mürbe früher bie Spefutation tn ©olb betrieben, aber
eine 3lnjabl gefeßlichet ©eftimmungen, worunter namentli^b bie, baß ©olb nur
bte jur £öße feinet Slominalmertheä belieben »erben barf unb baß bei jeber
2xan3action wirtliche Ablieferung ßattfinben muß, hat fte feßmieriger uub um*
ftänblicßer gemacht. ®enn nichtö weiter, ift bamit menigftenS- bie ©ertreibnng
ber tleinen Sßfufchfpelulanten unb Schwinbler, bie mit wenigen bwnbert Malern
in ber £af<he ©efchäfte machten, welche Reh in bie 3 eh«taufenbe non 3Marä be*
liefen, bewirft worben.
3 nbeffen ftnb feine3meg£ alle ©efchäfte, welche in Jenen, ©tehfctcomptoiren
betrieben werben, bloßes ©örfenfpid. Eä finbet aud> reellerÄapitalumfaß ftatt,
nnb ^war in großartigem ©taßftabe. ©efonberä ftarl war in ben fahren 1864
unb 65 ber Umfaß in SRationalanleihefcheinen, ber Xaufenbe Don braben £anb*
Icuten, £anbmerfern unb Arbeitern in bie borher wohl nie bon ihnen betretene
Sallftreet 30 g. *
kleben bem alten Saflßaufe fteht ba§ tmfeheinbar, aberfolib auSfehenbe ©e*
bäube, in welchem ftch früher ba$ Unterfdßaßamt befanb unb jeßt baä Schmelj*
amt befinbet. $ier werben für ©itüionen unb aber 2 Rill?onen $ollar& ©olb ,
unb Silber, bie Ausbeute bon Kalifornien, Stoaba, Colombo, Qbaho unb
2 Rontana, rafftnirt, in baeffteinförmige ©arten umgefchmoljen, geaicht uub gc*
ftempelt, um im ©roßhanbel §u Salbungen berwenbet gu werben. $ie ©orfeh*
rungen gegen Siebftahl, welche hier, wie in bem anftoßenben ©dbocrfcfeluß be4
Unterfchaßamteä angebracht ftnb, würben ben jahrelangen Anftrengungen ber
geübteren Einbrecher troßen. 3)ie ©runbmauern ftnb fo tief, baß an ein Un*
term.niren nicht ju benfen ift. $ie hoppelten Stein* unb Eifenmänbe ftnb in
einer $icfe bon 18 Qoü mit 2 Ru§tetenhigeln gefüllt, bie, wem» eine Oeffnung
burch bie äußere SBanb gebohrt würbe, nachrutfchen würben. $ie gegen jebe
Sprengung bitreh ©utoer gefieberten biefen eifemen Xhüren haben jebe ihren be*
fonbern Schlüffelbewahrer, fo baß 5 ober 6 ber höchftßehenben ©eamten perfön*
lieh jugegen fein ntüffen, ehe ba$ AHerheiligfte eröffnet werben fann. Qu allem
Ueberflujfe ftnb auch $ag unb stacht noch alle Eingänge burch Pächter behütet.
3£enn man bebenft, baß fchon feit 3ahr unb äag im Äaffengewölbe beä Unter*
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fchafcamteS über 30 -Üftilltonen Dollars in ®otb unb eine noch gt&here Summe
in $apiergelb bermahrtftub, fo wirb man biefe SicherheitSmahregeln nicht über¬
trieben finben. SBährenb ber SchrectenStage tm guli 1863 trug mtm ftd? mit
bet Sefürchtung, bah bie Slufrührer nach SBaüftreet Rieben unb baS Unterfcpafc-
amt erftfirmen mürben. Selbft menn fte baS getpan hätten, mürbe es ihnen
menig geholfen haben. Stiebt einmal mit ben gemöpnlichen Kanonen leichten
Kalibers, bie fte allenfalls hotten berbeifebaffen tönnen, Ratten fte bie SBänbe
unb SPanjerthüren beS ®emölbeS einfepiehen tönnen.
Santen, geuer-, See- unb SebenSaffefuranjgefeUfchaften, SuteauS bon
allen möglichen SlctiengefeUfchaften, bon ©fenbapnen, Sergmerfen, Oel- unb
Kohlenminen, GomptoirS bon hattet- uub ^ampffcpifflinien uub bon gmport-
banblungen füllen alle (Selen unb SBinlel ber ©ebäube bis jur- Sßearlftreet hinab.
25ajmifchen ftnb als SBürje bie unentbehrlichen Slbbofaturgefcpäfte berftreut;
SBaaren-, Sörfen-, Schiffs- unb 3ollmafler hoben ihre tleinen GomptoirS, —
oft blobe (Säen unb SBinfel; in einem ober bem anbern Souterrain hat ftch noch
eine Schreibmaterialienhanblung gegen ben Slnbrang behauptet, unb in einem
©fgebäube, baS in feiner Slrt eine SUterfmürbigfeit ift, benn baS ganje £auS hat
nur bie £>icfe einer foliben SJtauer in Seutfcplanb, figurirt ein fehr breitmäuliger
grlänber als „Italiener", b. p. olS Sertäufer bdn Sübfrüchten.
£art baneben tritt an bie Stelle beS eigentlichen ©elbgefcpäftS, meinem bie
SOallftreet ihren Stuf unb ihr Slnfepen berbantt, baS SBaarengefcpäft. STtit
Saummollenballen hoch belabene graeptmagen fahren bort in Seaber- uub Söater-
ftreet ein. Sin einer Steipe bon genftern im ©bgefcpoh bemertt man Heine
flache Siechpfannen mit Kaffeebohnen, Sucter, (Sacao, Pfeffer. $iefe Keinen
Pfannen repräfentiren £unberte, menn nicht Jaufenbe bon Sdden ober Oyhof*
' ten, melche in ben groben Sollfpeichern in ftcherer Sermahrung liegen, lebiglich
nach jenen Keinen groben bertauft merben unb oft brei-, biermal ihren Seftfcer
mechfeln, ohne bah biefer fte jemals ju fehen befommt. ©nige Schritte meiter-
hin befinben ftch bie (Somptoire ber groben Spee-gmporthäufer. SllleS, maS man
ba, mo möchentlich für «gunberttaufenbe bon Dollars 3pee umgefeft mtrb, §u
fehen befommt, ftnb [Reihen fauberer ©laSfläfchcpen, bie auf [Regalen umperftepen,
jebeS bie $robe einer ganzen Serie bon Kiften enthaltenb. Silier Umfa| gefchieht
auf $reu unb ©lauben, bah bie berlaufte SBaare bem ^robegut entfpricht, unb
menn biefeS Sertrauen je getäufcht mirb, fo gefchieht baS in unenblich felteneu
galten abftchtlich. @S befteht noch biel ©brlicpfeit im — ©rofjpanbel; — menn
man nur bom Kleinpanbel baffelbe fagen fönnte!
Sluf ber Storbfeite, ben Soloniaimaaren-®efchäften gegenüber, befinben ftch
(Somptoire für ben Umfafc bon importirten grüepten, Stöffen, ©emürjen, S)ro-
guen, £anf, fpanifch IRopr, Kautfcpuf, ©fen, Slei, bann einige Segel- unb
£afelage-£anblungen unb bie ünbermeiblicpe Schanfmirthfchoft an ber ©!e ber'
Uferftrahe. 2)ocp bieS hot mit bem fpejififchen (Sparatter ber SBallftreet nichts
mehr ju thun. Sluf bem breiten $lape, ju melchem ftch iri ber Stahe beS SBaf-
ferS bie Strahe auSmeitet, fiept man häufig £unberte bon Oytmften Sftelaffe
._ 5
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^ ober Suwp neben, einanbe* lieget^ Me bort bet Scrftelgetttng batten. Sn ben
offenen Spunblfobew fteden lange h&df*rne Keßen, bennittelft beten fi<b jebet
Äauffuftige obet an(b jebtr SRäfcfeer eine Vtobe berauSbolen unb mit 3uJ^ülfe^
i nähme feinet ginge# oblegen tonn« [Riebt wenige Straßenjungen machen bon
Mefet Ginlabung ©ebtauT, unb mit feiten giebt fub ein SBäcbtet bie 2Rübe, fie
SU berjagem Stoß fu ihre ginget als Söffel benu|en müjfen, .ift in biefem gaße
1 Wafcrfeberolicb Strafe genug.
j $ou ben mannigfaltigen (Jemen Snbuftriejweigcn, welche in eutopäifcben
($ioßftäbten bie Stoßen beleben, ift in bet VMftreet nicht biel su feben. £ie
unb ba ein Obftweib; — ein an <3efi$t unb ginget« fcbwarsbtauner Qtaliener,
; bet tagaus, tagein Süffeln bä(ft r bon benen et fub wobt °bne Vermittelung bon
( Käufern ernten muß, benn niemals bemertt man eine feinem ftummen Angebot
| entfbteebenbe Vorfrage; — ein grants, bet in ben jahlreicben Schubfächern
1 eines [RaritätenfcbtanteS alle möglichen unb unmöglichen Sorten bon Karamellen
; unb VonbonS halt; — auf bet greitreppe beS UnterfcbabamteS ein unternehmen*
! bet fliegenbet Vucbbänbler, ber fleätge pbotograpbifcbe fßortraitS für 3 Gents baS
Stüd feilbietet; — ebenbafelbft ein Vapageno auS grlanb, bet eine Slnjabl
; tdubiger toeiblidbet einäugiger Stiegliße als SpottbögeJ loSjumerben fucbt; —
I bot bem Sollbaufe ein Gnglänber, bet bei Sonnenftbein Seife, Schwefelbäder
! uub Stiefellne<bte, bei [Hegenwetter Schirme berlauft; — enbli<b unweit beS
Vtoabmap ein Verlaufet bon grellbemalten „nationalen", b. b- mit gräßlichen
j Slßegorieen eingetabmten ßanblarten, bet aber jefet auch (SelbwechSler geworben
! ift, benn et berlauft GonföberirteS ?kpiergelb, baS bolle Slffortiment fdmmtlicbet
2lppoint3 ju 1 Dollar; — baS ftnb fo siemlidb alle perennitenben Al fresco-
! Kaufleute ber ffiaßftreet [Reben ihnen tauben in betriebenen gabreSjeiten
botübergeßenbe StraßemSpelulationen auf. gm grübjabr bietet häufig ein als
ehrlicher Vauer berlleibeter Stdbter eine „neumilcbenbe" Kub ncbft obligatem
Slboptiblalb feil unb finbet ohne SHübe Hbuebmer unter, ben Kaufleuten, welche
in bem flüchtigen fentimentalen VaroyiSmuS, ben bie warme 2ßaifonne aü<b bei
ben troäenften 3ahlenmenfcben ßerborruft, bon ben ©enüjjen beS Sanblebens,
einer naturgemäßen 3)iät unb frifcbet üölilcb fcbwämten. 2Benn ber Kaufet feine
äcquifitio* bat nach «&aufe bringen laffen, finbet er su feiner Ueberrafcbung, baß
baS baße Guter bet braben Kub baS mübfam aufgefparte $robuct einer ganzen
SBocbe enthielt unb baß ihre Grinnerungen an bie greuben bet Vtutterfcbaft in
eine ferne Vergangenheit surüdteüben. 3a, eS ift ber gaß borgelommen, baß
ein glüdßcbet Käufer in feinem ueuerworbenen £auS* unb §ofgencffen ftatt
einer ÜRutter — einen Oheim fanb. Gin anberer fporabifd? ftch in Sßaßftreet sei*
genber Kaufmann, beflen Gomptoir baS Straßenpflafter, ift ber Verläufer bon
jungen Volognefet*|mnbcben, welibe bie Gigentbümlicbleit beftßen, f«b Ju Rubeln
SU entwickln, unb bon jungen [ßeufunblänbent, beten Stammbaum fo bersweigt
ift, wie ber beS dlteften GbelmatmS. Söenn bie 3agbfaifon lomrat, berlegt jt<b
ber einäugige Gnglänber bpn Schwefelbädern unb Stiefellnecbten auf tobte [Heb*
bübnevVutee uub£af#n* unb beim ^etanitahenber SBeibnacbtStage werben bie
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breiten ©ronitpfeiler beegteifceppe beS neuen 3*K^mfe8 p einet SRetmbahn,
auf meldet blecherne Xrofcßfen unb Äremfer, gleich einem auf bürtet
haibe, von einem böfen ©eift in ©eftalt eines Ußt»etfS im fimS braun geführt
»erben, auch einblecherner ^rlänber, bewein avß bemfelben ungenießbaren Stoffe
gebilbeteS Scß»ein an ber Verlängerung beS heiligenbeinS feftßaltenb, fich unter
bem gleichen unmiberfteßlidw im engen 3irfeftanfr breßt* Sang feiten,
»ie ein dornet, erfcßeint ber gungengemanbte Vorläufer von Aäbnabel*©infäblem
unb finbet bann immer eine Angaßl anbäcßtiger 3uhörer, »eiche ihren grauen
bie fcßon von beten ©roßmüttern. benagte „Dftafcßiae" als einen neuen Xriumpß
beS ametifanifchen ©rfmbungSgeifteS nach häufe bringen. Xer biebere Seiet*
faftenmann meibet ben Tempel VtammonS ober betritt ißn »enigftenS nur in
außerorbentlicßet Lüftung. 2Benn er mit bem redeten üUtunbmintel bie $an3«
pfeife, mit bem linlen bie glöte bläfh mittelft eines gußriemenS*baS Xambouri»
fcßlägt, burcß gelegentliches Oiuden mit bem $opfe ben Triangel ertlingen unb
mit frampf haften Audftößen beS ArmS eine Vaule beu Xaft fchlagen läßt/ mäh*
renb feine männliche Diecßte bie Kurbel beS haftend breht, fo fann er allenfalls
auch in SBallftreet pod? ein Vublitum um ftdh betfammeln. Aber er finbet gu
feinem Seibmefen, baß eS gum größten Xheil aus greibilletten befteht, unb fomrnt
nicht balb »iebet.
2)aS bafttge kennen unb Xretben, »elcßeS non VtorgenS bis gegen 4 Uhr
AachmittagS in SBallftreet ßerrfcßt, bietet feine anbere ©igentbümlidhfeiten bar,
als bie im Aationalcharafter begrünbeten. 2)ie Sicherheit, Äürge unb Veftimmt*
heit, »ornit ber amerifantfcße ©efcßäftSmann auftritt, hat er mit bem englifcßen
gemein; ber beutfcße ift breiter, bebenflicßer, »entger tafcß entfcßlojfen unb mehr
gut Argumentation geneigt. ©S hat Semanb gefagt: „Äein 2Bunber, baß bie
©nglänber reich »erben; ihre Sprache ift fo furg, baß fte baran jeben Xag g»et
Stunben fparen." S)cr Amerifaner fpgrt noch mehr als ber ©nglänber. ©r
verfcßludt mehr Silben, inbem er bie betonten fcßärfer accentuirt, benft rafcßet
unb barf in ben meiften gälten bei bem anbern ein rafdbeS, intuitives Verftänbniß
vorauSfeßen, baS ihm geftattet, fuß auf Anbeutungen gu. befcßtänfen, »o ber
©ngtänber fcßmerfällige ©rünbe entmidelt. Xie von europäifcßen Xouriften viel
verfcßrieene gormloftgfeit beS AmerifanerS ift gum größten Xßeile gäbet. £>en
$ut auf bem ßopfe gu behalten, »enn man in ©efcßäften in ein ©efcßäftslofal
tritt, ift aüerbingS in SBallftreet ebenfo Vtobe, »ie anberSmo in Amerifa; —
eS ift eben SanbeSfttte. Aiemanb f u <h t et»aS barin, unb baßer finbet auch
Aiemanb et»aS barin. XerßöflicßfteXeutfdhe obergtangoS fann ingapan feinen
hut bis gum Voben abneßmen, »enn er in ein £auS tritt; — gießt er nicht
gugleicß feine Stiefel aus, gilt er bocß für einen groben glegel. Aber fo »enig
er felbft ficß barum für grob halten »irb, fo »enig braucht baS ber Amerifaner
ju tßun, »eil er über bie Vegießung ber fl:pfbefleibung gut höflichfeit fo mit
bem ©uropäer bifferirt, »ie biefer mit bem gapanefen in Vetreff ber gußbeflei*
bung. $ie »efentlicßen ©rforbemiffe ber £ öflicßfeit fmb: Aüdfußt auf bie An**
flehten Anbeter, ©ebulb in Anhörung berfelben, ©eltenbmacßung ber eigenen
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1Ö
in Wäret, äße unnßtbigen Quengeleien abfebneibenber, aber boeb mafsPoUer urtb
ben 5lnbem nicht oerlepenber 2Beije, — unb biefe bat ber Slmerifaner in böb^rem
©rabe als ber (Snglänber, ober 2)eutfcbe. ©ot bern fttanjofen jeiebnet er fid?
bureb ©ermeibung beS läftigen UebermafjeS niebtsfagenber ^öflidjfeitspbrafen
aus.
Hbgefeben Pon ben Umgangformen, bricht nicht feiten bureb baS anfebeinenb
fo falte unb felbftfücbtige Treiben unb Sagen nach ©eminn, beffen £ummelplafc
bie SBallftreet ift, bie ebelfte ©genfebaft beS amerifanifeben 9totionalcbarafters3,
ber uneigennützige, opferfreubige ©emeinftnn, in überrafebenber Stärfe brroor.
3n ben erften Stabien beS ©ürgetfriegeS, als bie Paterlänbifcbe ©egeifterung in
mächtigen glammenfäulen jum ßimmel emporloberte, mürben auch bie Gomp-
toirS unb Scbreibftuben ber SBattftreet baoon burebglübt. S)ie 3abl ber jungen
©anfierS, ßaufmannSföbne, ©ucbbalter uub Sommis, melcbe bamalS ju ben
SBaffen griffen, ift nicht gering, unb ber 9tame feines ooii ihnen ift mit Unebre
genanht morben, mäbrenb manche fleh bureb Xapferfeit unb gäbigfeit 2lcbfel-
Wappen mit bem filbemen ober golbenen 2lbler ober gar mit bem Stern errun¬
gen haben. Unb maS bie ©eifteuem in (Selb betrifft, fo bat ffiattftreet pottauf
fo piel unb pietteiebt mehr gegeben, als auf feinen Xbeil fiel. 2Iu<b ju
ben büfterften 3*iten bjer mit ber Rebellion Perbünbeten Agiotage brauchte man
in SBaUftreet niemals nach aufrichtigen unb energifdjen Patrioten $u fueben. Un-
pergeblicb aber in ber ©efebiebte nicht blofj ber Stabt 9tem*2)ort, fonbern ber
SHepublif mirb jener 3. Slpril 1865 fein, als tie Nachricht Pon ber ©nnabme
©iebmonbS eine ©erfammlung Saufenber pon ©anüerS, SRbebem, SBecbSlern,
Äaufleuten, (SommiS, ttRaflem, 2lboofaten Por bem alten ©örfengebäube in ber
SBallftreet $ufammen§auberte, bie ber amtlichen Slntünbigung beS groben Sieges
her Nation mit betäubenbem Subelgefehret antmortete, aber als eine mächtige
Stimme jenes Sieb anftimmte, melcbeS für bie ©npftnbungen beS SlmerifanerS
benfelben Sinn bat, mie für bie beS $eutf<bcn SutberS emiger Gboral, im feier¬
lichen, taufenbftimmigen 2)tännergefange einfiel: „Praise God, from whom
all blessings flow.“
ras
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11 :
'Heber b$0 lieber.
Von ®r; SB. ©etttam.
2>iefer 2tu3brudt tä&t ftdb bis in’S 12te Sabrbunbert äurüdtfübren, tn bte
Seit, mo fitöfter bie Vflan^ftdtten be^ gelehrten SBiffend bitbeten, mo ^eibnifcbeS
ftdb unb ©brijtlidbeS in enger Vermifdbung befanben unb wo Virgil unb $ora§
inben geiftlidben Spulen neben VtofeS unb SobanneS gepflegt mürben. üDtit
bem s Jtomani3muS, ber unfer nationales Seben fo bielfadb gefdlfd^t bat, fant
•auch baS 2Bort lieber aus bem Satein §u uns herüber. 2)enn baS lateinifdbe
SBort febris (Sieber), melcbeS burdb eine Verfepung ber Vudbftaben, aus forbis
entftanben ift, ftammt non ferveo, ich glühe, i(b matte, unb fdblieht ftcb fomit
an baS griedbifebe 2Bort pyretos an, metdbeS, non pyp (baS S^uer) abgeleitet,
ben 3uftanb ber Seuerglutb auSbrüdtt. Sonberbar genug nimmt ftdb baber für
$>en, meldbem bie ©efdbidbte ber Spradbe unb bie Söuqeln ber 2Sorte offen liegen,
unfer falteS gieber aus. 2lber es ift au(b ein fonberbareS $ing, bieS (alte Sieber!
2fleint man bodb mirtlicb, bah erftarrenbe fialte unb glübenber ©raub barin mit
einanber gemifdbt feien; mdbrenb $anb unb Suh unb ©tim eiftg anjuf übten,
fmb, jebrt ©lübbifce an ben ßingemeiben. SBeldber ©mpfinbung foll Titan glau*
ben, ber äuberlidben, bie Seber mit fühlen fann, ober ber innerlichen, bie nur ber
gemarterte firanfe mabr nimmt? — SBeldje Vejeidbnung ift bie richtigere, bie
germanifdbe, melcbe ben febmeren Anfang beS SeibenS feftbatt, ober bie betlenifdbe,
meldje bie Störung in ihrem Verlauf mieber giebt? 2ttebr als jmei Sabrbunberte
ftnb baruber bingegangen, ebe biefe Sragen enbgültig beantmortet merben tonn*«
ten. 2)a3 Veoba<bten ber Vatur ift gar ferner, unb bie blofjen Sinne fmb oft
febr trügerifibe SBerfjeuge. Sehr langfam, burdb bie Slrbeit oieter, einanber ab*
töfenber ©efdbtedbter, merben bie Mittel unb 2Bege gefunben, meldbe ein fpdteS,
menigftenS in ber (Srtenntnih glüdflidbereS ©efdblecbt gum 3iele führen. 3u allen
3eiten haben bie befferen Slerjte ftdb eifrig bemüht, bie medbanifdben Vlittel,
meldbe bie fortfdbreitenbe £e<bnit jebem (SinfiCbtSoollen §ur Verfügung ftellt, für
ihre 3tuedte, bie (Srforfdjung unb Teilung bon firanfbeiten, §u benupen. — SRic^t
menig b^ben fie burdb eigene (Srfinbung bergeftellt. 2lber ber ©ebraudb führt
audb febr teidbt jum ÜJtifjbraudb, ber ©eminn verleitet oft §um 58ertuft! So ge*
fdbab e$ juerft mit ber Uhr. — Sdbon lange batte man ben *ßuls gefühlt
unb gejdbtt, unb man muhte, bah er in fieberhaften firantbeiten bon grober Ve*
beutung fei. 2113 man in ber Uhr ein fo ftcbereS SBerfjeug fanb, um bie 3abt
ber VulSfdjtägt in einer beftimmten 3*iteinbeit ftdber feftjuftellen, unb eine ju*
berldfftge Vergleichung jmifdben früheren unb fpdteren VulSbeftimmungen §u
madben, ba berlor ftdb mehr unb mehr ber ©ebanle, bah baS Sieber eine ur*
fprünglidbe unb mefentlidbe Vejiebung ju ber SBdrme beS fiörperS habe. Viele
begnügten ftdb bamit, bie $anb be3 firanten $u faffen, mit ernftbafter SDtiene bie
Uhr ju jieben unb ben VulS §u fühlen. S^ fl* fear Sieber gleidbbebeutenb mit
Vermehrung ber $uföfcbldge, unb ba nun jeher SßulSfdblag einer 3ufammen*
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jiehung beS ^er^enS entfpricht, fo feiert lern Schlup natürlicher, als baf* ba£
gieber feinen wefentlichen Sip iw «geqe* unb tu ben Gefaben habe.—®eraume
Beit ging bin, ebe wan ju ber \Wß b»S Thermometer fügen tonnte. Slber faum
war baS Thermometer burch bie ^Bemühungen unfeteS-SanbSmannS g ahren-
btit hergefteßtj, als eä auch Won bie 2let#e gut (Srfocfchung bet Äßrpertempe*
ratur in H«me*h*ng jogen. Tab fo enblich *Hüerläffige Thatfachen §ufammen-
getragen würben, weWw bie gieberftage ihrer (Erlebigung ^führten, ift roefent*
Itd) ein SBerbienft bet beutWen SBiffenfchaft. SBir wiffen je|t, bah au<b im gie*
berftoft bet körbet glüht, unb bah nur bie Oberfläche jene (Erfältung erfährt,
welche ben Äranlen felbft unb noch mehr feine Umgebung tauften lann. 3Bir
miffen je$t, bah bie mittlere Äornertemperatur gefunber üRenfchen jmifeben
36 unb 37 ®rab beS hunberttheiligen Thermometers W^antt
3[n ber (Erzeugung unb (Erhaltung biefer Temperatur ift berfiörper nur jum
Theil abhängig oon ber äußeren SBärme, »eiche ihm als foldbe unmittelbar ju**
tommt. Tie umgebenbe Suft fann fuh upt oiele ®rabe erhifcen ober erfälten,
unb hoch ift ber Körper im Staube, feine (Eigenwärme §u behaupten. 30 Grab
mehr ober weniger in ber Atmosphäre änbem bie (Eigenwärme beS ÄorperS oft
nicht um | Grab. TaS Gefühl beS Äalfe ober SBarmfeinS ift gar fein Riabftab
für «bie mirflicbe Temperatur beS Körpers; eS bejeichnet nur ben augenblicflicben
3nftanb ber fautneroen, am häufigften bie (Empfrnbung ber Tifferenj, unb
Won fo begreifen wir eS, bah ber gieberfranfe bei berfelben SBlutmärme baS
eine Rial groft, baS anbere Rial £ipe empfinben fann.— So fehlest ift eS
mit unferem SBewubtfein beftettt, bah wir häufig ben äuftanb unfere» eigenen
SeibeS ohne tecbnifcbe ^iilfSmittel nicht abjufchä^en miffen. UnoollfommeneS
Gefchopf, wenn eS fuh auf feine Gefühle, feine Ahnungen, fein blofceS SBemubt*
fein oerlajfen will! Unb boch wie ooüfommen, wenn bie Won georbnete
Rtechanif feinet Seiber ohne fein eigenes SÖiffen in regelmähiger Arbeit ift,
wenn alle Regulatoren wirten! Sinft bie äuhere Thätigteit, fo beginnt bie innere
Thätigteit ber Organe. 2Bie in einem Ofen, oerbrennen bie Stoffe; bur<h bie
Sungen bringt baS ^hlogifton, bie brennenbe £uft, ber fogenannte Sauerftoff,
ein, unb ebenfo entweicht bur<h fie ber größere Theil ber uerbraynten Stoffe, in
gotm bon lohlenfäure, wie fie aus bem Ofen entweicht nachbem baS ^plj in
£uft oerwanbelt ift. — So erwärmt fich ber üorper. — Steigt bagegen bie
äuhere Temperatur, fo treten bie Regulatoren in Sßirlfamfeit, um bie innere
(Erbifcung nicht überhanb nehmen $u laffen. Tie£aut beginnt feucht $u werben,,
bie oerbampfenbe geuchtigfeit binbet Spänne, ber Körper lühlt fich trofc ber
heiheren Umgebung ab. Ter Turft erwacht, wir nehmen fühle# Getrauf,
welches nicht nur burch feine niebere Temperatur.wohltätig einwirft, fonbern
auch ber $aut neue SBerbampfungSflüffigfeit jur Verfügung, ftellt, So bollfcm*
men arbeiten biefe unb anbere Regulatoren, bah jenes Gleichgewicht ber gunf*
tionen, welches baS ®efühl beS SEBohlfeinS erzeugt, auch unter ben ungünftigften
SSerhältniffen eine ziemlich lange 3«t erhalten werben fann. Tie natürliche
(Eigenwärme ift alfo feineSwegS, wie hielten meinten, eine eingeborene, gleich*
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fcmt eine SRltgift ber ©ötter, «ttb formt felbft ; fte ift auch nicht ein tm*
aufßörlich erneuertes ©efhenf bet Sonne, jenes guten ©effenS, baS unferet
©rbe als unentbehrliche Wärmequelle bient, fonbem fie ift ein felbftftänbigeS
©rjeugniß beS Körpers, ein Arbeitslohn thätiger Organe. — Unb nicht allein
bie Vßärnte beS gefunben SeibeS ift es; auh biegiebergluth beS trauten Körpers
bat feine äußere OtteHe; auh fte ift ein ©r^eugniß innerer (bemifeber ttmfeßun*
gen ber Stoffe, ber AuSbruä eines tt>trflid^ctt inneren, VranbeS. Ttiefer ©raub
aber oerjehtt nicht bloS bie oon außen mit ber Nahrung eingefübrten Stoffe,
fonbent er ergreift bie ©etoebe beS Körpers felbft; Je fdjtoerer baS gieber, um
fo fcbneller jebrt eS, um fo früher fommt jene fo erfcbrectenbe Abmagerung,
toelche ben lange anbauemben giebern beu tarnen ber gehr* ober heftifhen
gieber gegeben bat.
2Benn man treib, baß ber SRenfh in bet eißgeu ©olarjone, too baS Quecf*
ßlber gefriert, unb in ber bömnben ©luth ber Stoßen, too bie Sonne ihre
Strahlen {entrecht auf ben Scheitel wirft— feine mittlere 2&ärme behaupten
fann, fo fhlteßt man leidet, bab in bem gieber ni#t fo febr bie Temperatur*
grabe beS Körpers abtretd^enb fein fönnen, als vielmehr, bab bie Regulatoren
eine Störung erfahren haben müffen. Unb in ber That lehrt uns baS Thermo*
meter, bab in ber Rtehrgahl baS gieber bie Körpertemperatur nur bis 38 unb 39
©rab beS h«nberttheiligen Thermometers, alfo um beiläufig 2 ©rab, fteigert unb
bab nur in ben fhwerften Reroen* unb &>e<bfelftebem, fotrie in manchen ©nt*
jünbungS* nnb AuSfchlagSfiebem bie Temperatur beS ©luteS 40 unb 41 ©reib
erreicht, alfo 3 bis 4 ©rab über baS natürliche Mittel ftd? erhebt, S)emto<h ift
febon tine fo geringe Steigerung ber inneren Temperatur faft unerträglich; ber
Turft rnirb unftillbar, bie ©ruft hebt ftch immer fchneller, um tühlere £uft ein-pt*
fangen, baftig arbeitet baS $er$, unruhig toirb ber Körper hin nnb her geworfen,
ber ©eift toirb- aufgeregt, toibettoillige ©ebanfen erheben ftch in immer unge*
ftümerem ©ebränge, immer mehr ber Selbftbeftimmung endogen, unb enblih
erfchöpft ftdb ber organifche ©au in feinen innerften ©eftanbtheilen, toeil bie
Regulatoren nicht auSreichen, bem fortfehteitenben Verbrauch ber Körpergetoebe
genugenb ©inhalt §u tßun.
liefern Verbrauche fo früh als möglich entgegenjutoirfen, ift bringenb unb
nichtig. Sutoeilen gefchieht bieS fchon freitoillig. ©in folcheS ©reigniß hat man
bie ©ntfeheibung (KrifiS) genannt, unb als ©eifpiel bafür bient namentlich baS
falte gieber. 3p biefem nämlich feßt fuh jeber gieberanfall aus brei regelmäßigen
Stabien ptfammen. ßuerft empfinbet ber Körper bie eingetretene Störung als
groft; bann fommt bie ©luth su freier ©rfheinung; enblich folgt ber Schmeiß,
unb mit ihm bie Ktife, unb barauf oft eine lange ßeit beS RacßlaffeS, bis in einem
neuen Anfall berfelbe Verlauf ber Stabien ftch toieberbolt. T)a nun aber ben
meiften giebern ettoaS oom Söechfelfieber anhaftet, unb bie meiften ein beftimm*
teS regulatorifcheS Stabium erfennen laffen, fo mußte fuh natürlich ben alten
Kerzen bie große ©ebeutung ber Krifen, toie fte biefelben einmal aufgefaßt hat*
ten, immer toiebex oor klugen (teilen. Rur ift ber Schmeiß nicht immer baS
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Seiten eines wirffuhen !Rad^laffe^. 3n ben Be^rftebctn bauert ber innere 3**-
ftörungsproseß fort; auch währenb ber kraule in Stfociß jerfliefjt, unb in
ben SRerbenfiebem folgt einem Stüttelfroft oft wotenlange £iße mit abwedh-
felnbem Steigen unb galten ber Temperatur; unb wenn nat langer, langer 3eit
bie tritiften 2luSfteibungen fommen, fo fmb fte nicht fowohl bie DRittel ber
©efferung nie bie folgen berfelben. — Ueberßaupt labt fit bie berwidelte 9Re-
tanil beS gieberS nur begreifen nenn man bie eigentümliche 2Retanif beS
ßörpcrS erftaut.. ÜRan barf ftch ben Körper nicht benten als eine in fit tobte
SRaffe, in weite, nie bie ©rieten fagen, ber #aut (baS Sßneuma), ober nie
Pie alten 3uben eS auSbrüden, ber lebenbige Obern eingebt, um ^lUeS in Thä*
tigfeit ju feßen. 9lut barf man fit ben Körper nicht Dorftellen nie eine
eigentliche ÜRaftine, nelche bie Seele nach ihrer Slbficht unb ÜBüifür regiert,
©tan muß im ©^gentbeil ben Seih als einen bielgliebrigen, burt unb burcp be-
lebten Organismus auffaffen, beffen einzelne Theile allerbingS mechanifch arbei¬
ten, bon benen aber hoch jeher einseine sugleich ben ©runb feiner Tßätigleit,
baS Sehen, in fleh felbft hat. ©iele Sehen fmb hier §u einem ©efammtleben ber¬
einigt, biele Sonbereyiftensen, mit unabhängiger Sehens- unb SBirfungSfäbigleit,
fmb in eine' genteinfame Sibbängigfeit §u einanber gefeßt, unb in biefer
Slbhängigleit nerben bie einen bon ben anbem beeinflußt, jebe nach
ihrer Elrt unb ber Slrt ber anbem. ©tante fmb höher auSgeftattet nub
barurn ebler unb mittiger in bem großen ©emeinwefen, anbere fmb
ftwäter, dein, arm unb bereinselt, bon fehr geringer ©ebeutung fteinbar, unb
bot tu fielen gälten ber ©otb ftwer ju entbehren. — So ift ber Seih beS
SDienften, beS Stieret’ober ber Sßflanse überhaupt nur ju bergleiten mit or-
ganiften Ginrittungen, wo lebenbige, mit eigener Selbftbeftimmung begabte
Ginselwefen mit einanber in ©esießung treten, alfo nur mit ber gamilie, bem
Staate, ber ©efellftaft. 2lut hier flehen ja bie kleinen unb Unmättigen —
neben ben ©roßen unb Ginflußreiten — alle als lebenbige ©lieber eines großem
©ansen — bot jebeS mit eigenem Sehen unb ÜEBefen, mit befonberm inbibibuel=
len SluSbrud. 5lut im Sehen ber Staaten unb ber ©efellftaft fpritt man
beSßalb bon giebern unb bereu Irifen, um fo häufiger aber, je mehr bie natür*
liten regulatoriften Kräfte gefeffelt fmb.
2Bo liegen nun in ber gefellftaftliten 3nfammenfügung beS menftliten
SeibeS bie großen regulatoriften Ginrittungen ? — Sie liegen junätft im
©lute unb im ©tagenfbftem. 2)aS ©lut ift baS Mittel beS ©erteßrS ber Stoffe;
in feinen ©efäßen, ben ©erfeßrSabern, ftrömt eS §u allen Theilen unb lehrt nach
langem Umlauf, bielfat beränbert, surüd jum fersen, um bon ba wieber burt
bie Sungen, baS große Gmporium beS ©aSauStaufteS, getrieben §u werben,
©on bort bringt es ben Sauerftoff mit, weiter bie Stoffe berbrennt, unb baßin
führt eS bie iloßlenfäure surüd, weite aus ber ©erbrennung herborgegangen
ift. 2luS bem ©lute ftöpft jeber Theil feinen 3lntheü an Stoffen, an baS ©lut
giebt jeber surüd, was für ihn unbrautbar geworben ift.' $ann man ftt ba.
not wunbem, baß baS ©lut eine Quelle allgemeiner Storung, ber ©tittelpunft
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tonftitutioneüer ©rfrantungen werben lann ? Sttuf oerfcfeiebenen Vkgen bringen
fdfedblidfee Stoffe ins Vlut unb werben, inbem fie in bie einzelnen Steile gelan*
gen, ein mddfettgeä germent für innere Serfefcung. So entfielen bie gnfettionä*
fieber, bei benen baä Vlut ftdfe gunddfeft oerunreint, burcfe allerlei oerborbene
Subftangen, ber ÜUiebrgabl nadfe dbemifcfee Stoffe, bie au3 ber Serfepung organi*
fdfeer, pflanzlicher ober tfeierifcfeer Körper entftanben ftnb. der ©rbboben, bie
2Bobnungen, bie Vabrung unb ba$ bewerbe tonnen (Gelegenheit gu folgen 3er*
fefcungen bieten — aber auch bei: eigene Äörper tann ba£ Material bergeben,
unb fo gu ber fcblimmften, weil gebeimniboollftengnfettion—gur Selbftinfettion,
Veranlaffung werben. dagu geboren oiele ber fogenannten 2Bunb* unb ©nt*
|ünbung»fieber, wie man fte befonbetö in überfüllten «§ofpitälern unb im (befolge
grober Sdfeladfeten ftcb aulbilben ftebt. gnbeffen nidfet jebe gnfection be$
VlutS bringt gieber beroor. Gbolera g. 93., eine ber fdfelintmften gnfettion£*
tranfbeiten, ift nid^t fieberhaft, bebingt oielmebr eine erbeblidfee Slbnabme ber
©gentüärme. — die Verunreinigung beä VlutS bringt nur bann gieber, wenn
gugleidfe ba$ -fteroenfpftem in feinen widfetigften feilen mit ergriffen wirb, wenn
alfo oom Vlute auä bie fdfeablidfeen Stoffe in gewiffe nerböfe dbeile erbringen.
$Run giebt e£ aber biele SBege gum ÜReroenfpftem — unb fo giebt c3 benn audfe
mandfee£ gieber, bei bem ba3 Vlut gang unbeteiligt unb eine Vereinigung auf
biefe 2£cife auSgefdfeloffen bleibt, dahingegen ift bagjogenannte SReroenfieber—
ber dppbuä — gerabe eine fo auägemaepte 3t\fectionsfranteit, bafc .ocrgug§**
weife bei ibm ber Verbadfet auf wirtlidfee Vergiftung nabe liegt. Urfprüng*
lidfee gieber be3 ÜReroenfpftemä fmb in populärer SBeife betannt genug, dabin
gehört oor Ment ba3 Siebesfieber — oon bem bie ©efdfeidfete ber ÜDiebigin gar
wunberüolle Veifpiele unb ©efdfeicpten tennt. dabin tönnte man oielleidfet mit
einigem SHedfet ba§ ©elb*, baä Kanonen*, ja fogar ba3 demotratenfieber gdblen,
wenn bie demperaturerböbung babei pofttio naefegewiefen wäre, ©ang ftdfeer
aber tann manbabin jenes 3eb*fieber redfenen, weldfeeS burd? überrmäbige unb
anbaltenbe Mftrengung, fei eS törperlidfe ober geiftig, beroot$erufen wirb, nadfe*
bem bie ßonftitution oorber erfdfeöpft, baS SReroenfpftem gefdfewddfet ift. denn
in allen gallen tonftitutioneller Sdfewddfee, bei urfprünglidfe fdfewddfelidfeer Anlage,
bei mangelhafter Grndbrung, bei ©rfdfeöpfung burdfe Arbeit, ift baä ÜRer*
benfpftem gu febriler Aufregung geneigt. 2Bir fmb gewohnt gu fagen — Mf*
regung. darunter barf man ftdfe aber burdfeau3 nidfet oorftellen, bafj im gieber
eine gröbere Äraftentfaltung oon Seiten beS. ÜReroenfpftemä alä Siegel oor«
tommt. gm ©egentbeil, alle gröbere ßraftentwictelung gefefeiebt nur ftobweibe —
für febr befdferdntte 3eit — unb ift oielmebr auf eine gefteigerte DReigbarteit gu
beziehen* ©ine foldfee ift aber oielnjebr ein Seidfeen oon Sdfewddfee ate oon
Starte. Von oorn herein geigt ftdfe häufig ein febr auägefprocfeeneä ©efübl oon
©rmübung unb Äraftloftgfeit. die 9RuSteln gebordfeen nur f&fer trage 1>en an
fte gemadfeten Mforberungen, man bebnt unb ftreett ftcb wie»nach grober tör*
perlicber Mftrengung, man ift unluftig gu jebem ©enub, man fröftelt oor bem
leifeften Suftbaudfe, furg, man nimmt in allen feinen dfeeilen eine lebhafte Stö*
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Tuttg wahr, meläje nicht fo fehr bie Dbeife tat ihrem eigentlichen ffiefen unb
Sein, als nielmehr in ihren Ziehungen gu einanber trifft. DaS allgemeine
©leichgemicht ber £h*ile ift aufgehoben, unb bamit baS ©efühl bet inneren
Disharmonie gegeben. Diefe Disharmonie tritt halb noch ftärlct hrroor.
Die Sufammengiehungen beS $ergenS fteigem f«h, ber ©uls wirb häufiger,
mährenb alle anberen 2ttuS!eln träger ftnb. Jteufjerer groft fteöt fich ein, mäh*
renb bie innere SBärme immer glühenber mirb. ffiir tömten auch leicht begrei«
fen, marum bie Oberfläche beS ÄörperS lalt mirb, obfchon baS ©lut heiher als
gewöhnlich ift, benn bie ©lutgefäfje ber $aut giehen fkh gufammen, oerengern
fuh, bis nur noch fo menig ©tut in fte einftrömt, bah bie 3uftrbmung bie Dem«
peratur ber Oberfläche nicht einmal auf ber normalen $öhe erhalten (ann. Unb
hoch ift bie 3ufammengiehung ber ©efäfje eine Erfcpemung, koolche, toie bie oer«
mehrte Dhätigteit beS £ergen$, auf ungewöhnliche Arbeit ber gufammengiehenben
Dheile hinweift. 2ßie lann man barin ein Somptom ber Schwäche erlernten ?
Unb hoch ift eS ein folcpes! Denn im natürlichen ©ange beS Gebens wirlt baS
Neroenfpftem überall als ein üBtoberator. ES iftbiejenige Einrichtung, welche
in bem organifchen ©emeinwefen nicht nur gwifchen ben Dpeilen oermittelt, fon*
bent auch bie 3ufuhr beS ©luteS regulirt, inbem eS femohl bie©ewegungen beS
£ergenS als auch bie SQöette ber ©efäjie oeränbert. ©erüerteS bie gäpigtett,
biefe oermittelnbe ober biefe regulatorifche Dhätigfeit gu üben, wirb es in
feinen eigentlichen centralen Elementen gelähmt, fo tnögen immerhin
eingelne Dpeüe beS Körpers, ja fogar eingelne 3U>fcbmtte eine gesteigerte
Dhätigleit entfalten; bie Dpatfacpe wirb baburch nicht geänbert, bah ber
Äörpet in feinen wichtigften Dheilen, gleichfam in feinem ßern, eine
gefährliche Schwächung erfahren hat! — 3e beutlicher ftch biefe Ueber«
geugung bei ben Slergten ber neueren 3*it feftgeftetlt hat, um fo mehr
ift eine ©orftelhmg gurüdgebrängt worben, welche noch oor wenigen Decennien
bie größte Nnerfetwung fanb, nämlich bie, bah baS gieber an fuh eine heilfame
Neaction beS Körpers gegen irgenb eine in ihn eingebrungene ober in ihm ent«
ftanbene Störung fei, unb bah biefe Neaction in ber ßrife ihren natürlichen
fchtuh — gleichfam ihren Sieg—erringe! Diefe ©orftellung hat nicht wenig bagu
beigetragen, bie Slergte an baS fogenannte eyfpectetige ©erfahren, manche an baS
blofee Sufehen, an baS 2lbwehren neuer Schäblichleiten gu gewöhnen, unb ob«
wohl auch biefer Nihilismus fein ©uteS gehabt hat, inbem er Slberlaffen unb ber
übe^nähigen Häufung ^ufammeugefepter gefährlicher Nrgneimittel Schränlen ge«
fept hat, lägt ftch hoch nicht leugnen, bah er ebenfalls oiel beigetragen, bie ei«
gentlicpe Äunft in 2Jtihlrebit gu bringen.
©om Stanbpunlte beS gefammten Organismus, ber flörpereinhett, ober
beffer ©emeinfamfeit aus betrachtet, ift baS gieber Weber eine Neaction noch
Slction, fonbern oielmehr eine ©afften, ein Seiten. Diefem Seiten wirb ein
8iel gefegt burch bie £erfteüung beS ©leichgewichtS tn ben gunftionen. Die
oermehrte Verbrennung ber Organtheile, bie gefteigerte Dhätigleit beS $ergenS
müjfen herabgefept, bie Schwächung beS NeroenfpftemS, bie Oerminberte Dhä«
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tiflfcit ber SecretionSorgane müffen gehoben merben. S)ic Snbtbfbualitdt beS
firanfen, ber befonbere 3uftanb feiner Organe, bie Statut ber gieber erzeugen»
ben Urfadje, bie 3eit ber itranfheit unb bieleS, bieleS Anbete entfcheiben über,
bie SBabl ber ÜDtittel, melche baju bienlidh ftnb, unb melche ganz berfchieben ge¬
griffen merben müffen, je nach ben Umftdnben. 5)aS eine -Dtal menben mir
uns bireft gegen bie £ifce, baS anbere 2TlaI gegen baS £erz, unb lieber in an-
bern gatten ftdrten mir baS Sterbenfpftem ober dnbem bie Blutmifchung, ober
erregen bie SecretionSorgane. — 2)aS ift maS man bie bipbotratifdjc Btethobe
nennt. Snbibibualifitung beS galleS, Analpfe beffelben mit allen £ülfSquetten
ber £e<hnit, mit aller Anftrengung ber Sinne unb beS ©eifteS, SEBahl ber Mit¬
tel nicht nach bem ÄranlheitSnamen, ber mit ber 3^tt mechfelt, fonbem nach ber
(Eigentümlichkeit beS galleS. $)ie ^ippofratifd^e Btethobe bon heute gleißt in
ben (Einzelheiten ihrer Ausführung, in ber eigentlichen ^rayiS, ber bon £ippo-
frateS felbft geübten, überaus menig, aber in ihren ©runbfdpen ift fie biefelbe
geblieben. Sie ift bie ©runblage ber miffenfchaftlichen ÜDtebicin, unb menn mir
für unfere Nation baS Vorrecht in Anfprud? nehmen können, bah fte trofc ihrer
3erfplitterung unb ber baburch auch* für bie SBiffenfchaft herborgehenben Hem¬
mung, audb in biefem Streben biSborberfte geblieben ift, fo bürfen mir bietteicht
hoffen, bah eS ihr noch belieben fein merbe, auch ben praftifdhen (Etnflub, mel¬
den gelauterte (Erfahrungen über Seben unb Äranfheit auf bie innere Berbeffe-
rung beS BolkslebenS auSüben tonnen, pottftdnbiger burchjuführen, als eS bor
unferer $tit ber gatt mar.
Jlur €rinnfrun0.
Bon Knbolnb
3n ben lebhafteren Strafen unferer Stabt begegnet man jefct häufig einem
ältlichen Btanne, in einer fileibung, bie bon bitterer Armuth zeugt, ben Äopf mit
einer alten Solbatenmüfce bebedt, beren Schirm meit über bie Augen herab-
gebrütft ift. Seine Sinke umfafct bie $anb feiner fteten Begleiterin, eines noch
nicht bem ßhtbeSalter entmachfenen SJläbdhenS, mdhrenb er mit ber Rechten bie
Bleifebern, baS Rapier unb bie Briefcouberte, bie er in einem burch Stiemen ge-
haltenfft haften auf ber Bruft tragt, ben Botübergehenben feil bietet. (Er fpricht
babei in leifer, taum bemehmbarer Stimme, unb SBenige nur merben burch ft*
berlocft, ihm etmaS abjufaufen. (Erft menn man ihn im ©eben beobachtet, menn
tnan feinen fchüchtemen Schritt fleht, menn man ben forglichen Blid bemerlt,
mit bem baS kleine Btdbchen ihn halb rechts, halb IintS zieht, um bem gleichgültig
gegen bie ©liebmafjen Anbeter bahinfchreitenben Safttrdger auSzumeichen, ober
bie feibene Stöbe einer $)ame bor Berührung mit bem fchäbigen Stod beS BaterS
§u fdjüfeen, meifc man, bafj er erblinbet ift.
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^Google
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Srüge er fein ttn^TüdP mehr girr Schau, fo mürben tfmt bie unter bem Sot*
manb eines Anlaufs gemalten ©aben reichlicher gufallen, bo<b inmitten feiner
3totb bemabrt er bie Selbftacbtimg unb ben Stolg eines Solbaten. Hber nicht
immer fommt er mit leeren $dnben beim. Sein braoeS Seib, baS, mdhrertb
er bie Straften burchfehteitet, halb hier, halb bort um Arbeit naebfuebt unb
häufig einen recht bübfeben Sohn nach $aufe bringt, gdblt bann bie ßaffe nach,
unb finbet gumeilen günfgig«*Gent**3ettel, bie ibr üDiartin für ein paar Sehern er«*
hoben, bin unb'mieber gar einen Dollar, ber ihm für ein $8u<b Rapier in bie
#anb gebrüdt ift, ünb einmal begab eS fi<b, baft eine 3ebnoollarnote biebt in bie
Gde beS ßaftenS gebrüdt mar, ohne baft ber SUnbe ober baS ÜJidbchen muftten,
mie fte babin gefbmmen. SaS mar ibm nur paffirt an biefem benfmürbigen
Sage, meinem Umftanb batte er biefe Sleufterung ber greigebigleit unb beS
■DlitgefüblS eines gremben gu oerbanlen? Gr baebte lange barüber na<b, ohne
bie grage gu löfen. Sie fo häufig, mar er auch an biefem Sage oon Mehreren
angefproeften. ÜRicbt fein leifeS geilbieten ber bon ihm getragenen Saaren,
mobl aber fein fcftücbterner stritt, ber forglidfte iölict beS 3Rdb<benS unb bie
alte Solbatenmüpe riefen biefe Slnfpracben beroor. Sbeugragen unb Slntmorten
maren faft immer biefelben — meSbalb follte benn bie Grgablung feiner Grfab*
tungen gerabe an biefem Sage foldje grüßte getragen haben? ©ang genau er«*
innerte er fub noch beS ©efprdcbeS, baS er am borgen, gegen baS ©itter ber
sßaulslirdbe gelehnt, gepflogen.
„gbr feib Solbat gemefen, unb emdbrt Gud? jept auf biefe Seife?"
batte ihn eine Stimme aus bem ihn umringenben Sunfel gefragt.
„ga, idb mar Solbat unb mürbe meiner S3linbheit halber entlaffen."
„93linb! Sie, gbr feib blinb ? Sarurn fagtgbr baS benn nicht, bamit
man’S meift ? batte ber grembe faft berbrieftlich geantmortet. „SaS ift ja ent**
feplicb hart. Sie tarnt gbr benn gu biefem Uttglüd?" —
„GS ift fchon lange, lange bet* 3<b ftanb auf Sache bei Gitp $oint, als
bie Gjplofton bort ftattfanb, unb ba oerlor ich meine Gingen." —
„Unb bieS ift Guer eingigeS Äinb ? —
„3a, jefct ift fie mein GingigeS. geh batte einen guten, brauen gungen,
aber er mürbe mir genommen."
U W), er ift geftorben. Unb mfe lange ift er fchon tobt?" —
„Gr fiel in ber lepten Schlacht beS groftenÄriegeS, bort unten in SSirginien.
GS ift fchon lange, lange her, aber ich fann eS nie bergeffen." —
Ser grembe fpracb nicht meiter. SaS ÜDtäbchen fab ihn in bie Safche
greifen unb etmaS ©elb in ben haften legen, nachbem er fub ein gartet 33rief=
louuerte auSgemäblt. Ob er aber bie 3*bnbollarnote in bie Gde gefeboben, baS
muftte fte nkbt.
„GS ift fchon lange, lange bet! aber mir tonnen es nie bergeffen! — hätte
fte ben gremben noch flüftern, als er mit mitleibSoollem ßopffcbütteln feinen
©ang fortfefcte.
^Google
{fr fiel m bet festen Btyafyt beB grofka StiegeB. Ifl j$on lauge,
tätige ^er!
Unb fo fchetnt tB nicht bem Ungtüfffichen allein, bet in ber Qmigtelt ber
8m untgebenben Stacht fuh ber %ek unbemufjt ift, bie an ihm bahinflitfct, unb
nach ber non ihm empfunbeneu Sauet biefer Stacht bie©eriobe feiueB ßkntö
mifjt, foubem fo fcheint eB auch Zubern, bie nicht non einer folgen Prüfung
betroffen feib. ©B ntufj fchon tauge, lange ^er fein. Sehen fielen mehrere ber
Staaten* bie ft<h mit gemaffneter«fjanb mibec bie Slutorität beBVunbeB erhoben,
abermalB mit faft ihren fdramtlichen (3ezed)tfamen belleibet ba, ja, eBgiebt bereu
einige, bereu bamalB gebeugter rebeüifcher Sinn fdbon triebet ermaßt ift, unb
bie nuferen beföeibenen gorberungen ber ©arantie luuftigen ©utberhaltenB
einen menn auch nur paffieen Söiberftanb entgegenfefcen. 3* mie meitex
Vergangenheit liegenb muj* ben ©eroohnetn biefer Staaten baB non ihnen
begangene Verbrechen fcheinen, trenn fte jefct fchon bem faum feineB $arnifdheB
entfleibeten Sieget trogen börfen! Sange mujj eB h<* fein, feigem bet firieg
beeubei mürbe, benn lebt nicht bie gnbuftrie mit ungeahnter Äraft, fehen mit
nicht täglich bie mohlbelannten Dampfer, beren gahtten bie Vebeöton unter**
brach, alB nach ben Orten abgegangen berietet, bte unB biBhet berfdjloffeue
geftungen marett — nach Sharlefton, nach Saranttah, nach Vt^monb unb nach
SBilmmgton ? Erhalten mir nicht ftünblich Sepefchen auB bem ^erjen ber
rebellifchen Staaten über Sftärlte unb geuerBbrünfte unb lobeBfäüe, mie eB
früher ber galt mar? $6ten mir nicht heut ju Sage mehr bon Monifationen
in 9iorb**©arolina, ron 3^ctsrpiantagen in Souifkroa unb ©aumwoüenpflan*
lungen in ÜÄifftfftppi, alB früher rrn bem ©olbftebet ©aliforaienB unb ber
üupferepibemie am Superior? 3a, lange mufj eB her fein, benn wo ift bie
SMiou unferer Solbaten geblieben, mo ftnb unfere ftoljen gleiten, non benen
jebeB Schiff jt<h einen Vamen in ber ©efchichte erfampfte, unb mer ficht in bem
elaftifchen, fteabigen üffieftn ber VolfBmenge bie Sputen ber SSunben, bie ihr
gefchlage» mürben?
Ser blinbe SJtartin t>at riecht. ©B ift fehon lange, lange her, aber wir
töiraen eB nie oergejfen. Sin manchem #etb fteht eB noch traurig auB. Ser
Kummer hocö ba noch in ebenfo büfterm ©emanbe, mie am Sage bet Stach**
rieht, ba| ber Vater auf bem gelbe ber ©bte geblieben fei. Manche Sippe bebt
noch, menn man oon bem Sohne, bem ©ruber fpricht. Sort, in bet SBerfftatt,
regt fuh nichtB, benn ben Stomen, melcher auf bem Schilbe braunen bezeichnet
ift, trdgtauch ein fchlithtcB ©rett in ber grofjen Sobtenftabt oon ©etipBburg. Sluf
jenem gelbe muchert baB ttnfraut, benn bie £anb, melche früher ben ©flug hier
führte, erlaltete in ben Schanjgräben oon ©eterBburg. £ier eine ©taut im
Stauergemanbe, bort eine Scbmefter, bie ber Kummer gebeugt. Slber in ber
Sttitie beB lebenBftdftigen, frifchen SirlenB, in bem elaftifchen Slufförnung, ben
bte ©efammtheit erfahren, nerfchminbet biefer Kummer beB ©meinen. Sem
©tofktrtigeft gegenüber, baB man errungen, fragt man nicht mehr na$ bem
Umfang ber gebrachten Opfer. SaB post calamitatem memoria estalia
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calamitas gehört ben «men an, beten Herjen burb inbtoibueUe Setlupe be*
fcbwett fmb. $a« Soll al« ein ©anje« bat nur bie Grinnerung be3 Sbanbfled«,
»on bem e« frühen behaftet war, nur bie Gtimtetung bet $emütbigutigen, bie e«
frübet »on bem Süben etfabten, unb fagt ftb, bab ba« Slut ni*t umfonft ge»
flojjen, auf beffen Strömen bie greibeit übet unfet ganje« 2anb getragen
mürbe.
3ft e8 benn fo lange b«?
Klocb fmb nicht neun «Sonate »etfloffen, feitbem ©tantö eiferne Sauft bei
Slppomatoj Gourtbaufe bie Serrätber nieberfcblug, nicht jrnölf, feitbem biefe ficb
nob bem trügerifb*« ©lauben bingaben, bab fte eä »ermödjten, ihre Selbft*
ftdnbigleit burdb baä Scbmert ju fiebern. 3ft benn bet büftere Ginbrud fbon
»ermifbt, bet ftb ber ganjen Station mit bem Seginn bei Sabre« bemächtigte,
atö Sutler unb SBeifcel Sott gifbet unoerriebteter Sache ben Süden lehrten unb
beä Sübenä ftolje Uebetjeugung regelrecht unb bolumentarifch beftätigten, bab
SBilmington auch fortan ben englifchen Slotabebrebern ein fwhereä Slfal bieten
merbe ? Steilicb, ber Ginbrud »etlot an Stärle bureb bie ihm »orangegangen,
beten lein gia«lo, leine Säufbung unferet Hoffnungen un« entließen
lonnte. Sbeman mar mit feinen madem Sungen burb ©eorgia fpajiert,
batte »on ben Legionen, mit benen Hampton unb SBbeelet unb anbere Äorppbäen
beä Sorben« ihn ju umfbtoirren »orgaben unb ihm fbmere Sblabten geliefert,
haben moüten, leine gefeben, batte in ©eorgia aufgeräumt, bajj ben Spaniern bie
Slugen übergingen, bi« Seauregatb bei bem Satte feine« Sater« fbmut, ber»
gleiben lönne nur burbOceane »on Slut gefübnt m?rben, batte enblib unferem
Sincoln ba« ariftotratifbe Saoannab ium SEeibnabtäpräfent gemabt unb fab
bort je|t sufrieben unb ungefäbrbet. 3a, mehr nob, brühen, im »errätberifben
Senneffee, mar Hoob, nab See ber ©röfite unter ben ©toben, »on 2boma« arg
mitgenommen, mar böflibft eyfubt, Pb »on Safbüiße ju entfernen unb mit ber*
ben dritten regalirt, bi« et ben breiten Slub, bet ben Samen be« illoyalen
Staate« führt, jmifben fib «nb feinen Serfolger gelegt. Sur ein Srittbeil bet
rebellifben Slrmee erreichte ba« fbüfcenbe Ufer, unb ber Sblag, melber Hoob
»emibtete, lertrümmerte aub bie Snfurreftion im fffieften. 3n frifben, ja in
feurigen Subftaben follten biefe Greignijfe »or Sebermamt« Slugen fteben, benn
fte maren bie grübte ber gröbten Opfer, bie fib je ein Soll aufgelaben, bie
Srübte be« SSutbe«,ber Slu«bauer unb ber Selbftoerleugnung einer Sation, bie,
imgtieben gemiegt, bet Sehren mehrerer Sabre beburfte, be»or fte ben Grnft be«
Kriege« etmeffen tonnte. 3ft e« fo lange her, feit Sherman unb Sboma« ftb
um ba« Saterlanb »erbient mabten, bab bre Sbaten nibt länget lebenbig in
unferm ©ebäbtnib f***b ?
QA ift un« al« trüge felbft jefct nob ba« Gbo un« ben Sonnet ber ©e*
fbü|e iu, ber bie erfte grobe Xbat be« neuen Sabre« bejeibnete. ©runten, an
bet norbtarolinifben ßüfte, pobte e« abemal« mäbtig an bie 2hore »on gort
gifbet. S Dr ter lag brauben auf bem erzürnten SSeer ; Serrp ftanb mit feinet
Hanbboll filmte auf ber Sanbbüne, »on melber au« ein halbe« ©ufcenb gört«
2t
bie ©nfahrt nach ©ilmington beherrfchten. 3W<ht$ mehr bon gigantifätn $oU
lenmafchinen, burch bie 33utler bem geinb gu imponiren berfuchte; fort
mit ben Regeln ber ÄriegSfunft, bcnen gufolge 3Bei^e( baS gort als unein*
nehmbar begegnete. Unb bift bu mit Äetten an ben Fimmel gefejfelt, bu follft
unfer fein, hieb eS, unb mancher 93rabe lieb bort fein Hergblut, aber baS gort
loarb unfer. Seht nur, knie bie gähne fuh port fenft, unb mie eine anbere, baS
Sternenbanner, emporfteigt, um ber ©eit gu fagen,bab auch hier bie Macht ber
fRebeQen gebroden, unb bab Ontel Sam ben Schlüffel gu ©ilmington in ber
£af<he fragt, ja um ber ©eit auch gu fagen, bab eiferne bergen bie auf bie
Erfahrung bergahrhunberte geftüfcten Regeln ber SriegStunft umgeftürgt haben.
So ftanben bie Sachen gleich nach Slnfang beS neuen gahreS. Sie SU
tuatiou mar berheibenb, bo<h nicht ohne ihre Schattenfeiten. ©dhrenb ber
SRorben nach beenbeter fprdfibententoahl einmüthig baS föefultat acceptirte, unb bie
in ihr berfplitterte Energie toieber ungeteilter gortfepung beS Krieges toibmete,
todhrenb überall in ben greiftaaten fich bie frdftigfte Sttegfamlett entfaltete, unb
ber burdh bie StuSfuht einer Aushebung unterftüfcte SRuf nach greitoiHigen toie*
herum ettoaS bon ber alten Shätigfeit in biefer Dichtung hetborrief, mar auch
ber Süben nicht trage, trugen fuh auch bie Gebellen nicht mit einem falfchenSU
djerheitSgefühl. «&ier hieb eS • 9iur noch ein frdftiger Stob, unb bie
Autorität beS SBunbeS ift toieber über unfer gangem, toeiteS 2anb ^ergefteUt;
bort: 9tur noch <5ine entfehiebene ÜRiebexlage beS JtorbenS, unb bie Gonföbera*
tion hat ihre Unabhdngigfeü errungen.
ßrftereS hat fuh als toahr ertoiefen; für Se^tereS toar toenigftenS bie Mög*
tichleit borhanben, bab eS fuh bertoirfli$en lonne. Sie gähtgfeit beS JtorbenS
toar niemals fchtoerer geprüft toorben als todhrenb ber acht Monate, bie (Srant
mit ^Beginn bon 1865 auf feine birginifche Campagne bertoenbet hatte; acht
Monate mit gehnmal acht blutigen Schlachten, unb gehntaufenbmal acht lobten
unb SBertounbeten. ©ohl toar biefer berhangnifjbolle unb ereignibreiche Seit*
raum ein harter Sßrobirftein für bie SluSbauer beS Porten5 getoefenl ©ie biele
Hoffnungen hatte er getdufcht, toie biele geregte (Ermattungen betrogen! 23alb
foHte baS feinbliche Heer umgingelt, halb gar pernichtet fein, unb föichmonb toar
nach jebem touchtigen Schlag in unferer £anb. So hieb e$. Slber tro^bem
fah mau aus bem ßampfgemühl ben geinb in georbneten Leihen herborgehen,
fah feine gelichteten Schaaren ein Gibraltar berlaffen, um ein gmciteS gu begie*
hen, fah ihn am jeben gubbreit 2aubeS lampfen mit bem unerfchütterlichen
©egner, bis, beS ©ürgettS mübe, greunb unb geinb ft<h hinlegten auf ben 33o*
ben, um ben fte fchon fo biel Hergblut bergoffen. Ueber ftebengig Meilen er*
ftredte fuh biefer toilbe, fürchterliche $ampf unb entbrannte aufs -fteue unter ben
©allen ber Stabt, um bereu toillen SRorb unb Süb ihre befteit Sohne geopfert,
konnte man ba bie Hoffnung beS geinbeS eine gu fanguinifche nennen, bab
ber Soeben, toenn er fein Heer nach folgen Prüfungen unb folchen ^erluften
«ine gewichtige SZieberlage bor föichmonb erleiben fehe, toenn er erfahre, bab
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alte 0)}-er betge&Iich gebracht feien. 2HkS lieber bon Säuern angefangen merben
muffe, feine Aufgabe als unausführbar anfeben unb ih* entfagen mürbe ?
So hotte beim, in biefen golbenen Xtdumen fich miegenb, auch bet
Süben gerüftet. Gr hatte bie lebten ^uffSinittei ecfchJpft, hotte 2UleS auf’S
Spiel gefept, benn eS maren bon ihm einem Element Waffen angeboteit, mekheS
er bisher nur mit SRifctrauen betrachtet unb häufig eine leicht crtldrikhe gimh*
bor ihm gedujjert hotte ■— ben Sflaben. GS mar ein Gyperiraent, bejfcu Sie*
fultate nicht mit öeftimmtheit oorauS^ufehen maren. mtjfeti mir, maS
eS gefrustet, »iffen; bafi taum eine ÄorporafSgorbe bon Säaben für bie Silo»
berei iämpfte, aber bamalS muhte man ba$ nicht 2Benn logifdjen Folgerungen
i bertraut merben tonnte« fo muhte baS Gyperiment nicht allein fehlfchiagen, fon*
bern ftch fogar jum Skuhtheil ber SHebeUen geftalten, aber logifdjen golgerungco
mar mdbrenb beS Krieges burch unleugbare Slbatfacben fo häufig <&ob« gefpro*
dhen, ba6 man fich nur ungern auf fie betliep. 2£ie, menn bie Sflaben
ihrem ^ntereffe unb ber gefunben Vernunft ebenfo in’S Gefich* fd&lucjen^ mie bie
Stlabenhal t er eS gethan, als fie fich miber ben öunb auflehnten, mie,
menn fich ein grobes Stegerheer mährenb biefer SJtonate geftaltete wnb fich mit
berfeiben £obeSöerachtung für bie Gonföberatiou fhlug, mie Siegerregimenter
eS für beniöunb gethan?
Unb biefer, menn and? fehr entfernt liegenben SJtögJtchfeit, mie auch ber
abfoluten Sicthmenbigfcit, bie gtage bet Ueberlegenheit in turgefter 3^t gu ent
fcheiben, muhten bie Lüftungen für ben gelbgug bon 1865 entsprechen. 2£aS
bisher gefchehen, muhte tleinlich erfcheinen neben ben SBorbereitungen beS jepi*
gen SJiomentS. Giner SJtillion — fo hotte Grant gejagt — einer SMiliion
SJtenfchen beburfte eS, um bie' Gonfoberätion ju ftürgen, unb fchon ftanb fie faft
bottgdhlig unter ben Söaffen. Gine SJiiliicnl gaft jebe gamil e uuferer grofreti
StepubUf mar in ihr bertreten, faft in jebem $aufe fehlte Gatte, Sötuber ober
Sohn. SBie gigantifch baS ÄombinationSbermögen* baS eine folche SJtaffe
birigiren tonnte, um fie auf allen fünften ber Sache beS iBaterlanbeS nüfclich $u
machen l 2)enn an Arbeit anallett Junten fehlte eS nicht, nur bah eS, mie
ber blinbe Martin fagt, fchon fo lange, lange her ift, bah man eS bielleicht fchon
bergeffen hot, maS noch $*■ thun übrig blieb.
SBir hotten nicht nur ben geinb ju befdmpfen, fonbem mir hotten ihn auch
gu untermerfen. £atte Shernun’S SJhrfh burh- Georgia bieS ergielt, unb
mar nicht bielmehr ber $ah ber bortigen SBemohner gegen bie 55unbeScegierung
burch bie nothmenbigen SSermüftungen, melcher biefer gelbgug mit fich brachte,
bis jur mahnfinnigften SBath gefteigert morben? Söx hielten bon Georgia nur
Sabannah unb bejfen nachfte Umgebung, buch ber übrige $heil beS Staate
‘ fpottete unferer Autorität. 2$on SBirginien befahen mir bie $dlfte feines $ctrU
toriumS, hoch nur in unb um Gity $oint erfreuten mir uns eines behaglichen
Sicherheitsgefühls, mährenb mir im Shenanboahthal, baS Sheriban fo glänjenb
gemonnen, trofc breifacher Stieberlagen beS geinbeS als.berhajste Ginbringlinge,
nicht als fraget beS GefefceS unb ber Orbnung, betrachtet mürben. 3n Storbcaro^
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litja Ratten mir gegen ben S#Iu| beS S a b^ 1864 biet Terrain mieber frei¬
mütig geopfert, baS mir früher bur# fernere Kampfe genommen, unb Sübcaro-
lina, menn au# bur# Sherman bon Sabamtab aus bebrobt, mieS ftolg auf ben
93cft| bon Gbarlefton, auf fein in Krümmern liegenbeS Sumter als ein ÜDto-
nument ber Obnma#t beS EorbenS bin, bet biet Sabre binbup# ft#* abgemübt,
eS gu bemältigen. 2Bar benn ba ni#t Erbeit genug für 3*bn*, ja für £unbert-
taufenbe, trenn grojje £eere f#on bergebli# aufgerieben mären, um biefe Staa¬
ten gu begmingen ?
Eber eS gab beren nö# mehr, glotiba mar mit EuSnabnte beS Stäbt-
#enS Sadfonbiüe gdngli# in geinbeS Rauben, unb au# bort bitten mir f#on
£eere umfonft geopfert, um ben Keinen, f#md#li#en Staat ber SBunbeSautori-
tdt gu untermerfen. SSor ÜDtobile lag no# ber alte Seelome garragut; er
batte bort f#on gar lange gelegen, benn S#iffe buben nun einmal e\ne Enti-
patbie gegen baS fefte Sanb, fonft batte er fte f#on beraufgebra#t unb mit ihnen
bie Strafen per Stabt bur#fegelt. Sßon Eem-DrleanS aus batten mir f#on
berf#iebene gdufte im Sad gegen bie ftarf befeftigte Stabt gema#t, ohne eine,
biefer Trübungen gu betmir!li#en, unb f#on befangen ritterli#e Elabamier ihr
Mobile als ben „lebten ©raben". Sn Souiftana tonnten mir nur Eem-Orleattö *
unb ben oftli# bom 2Riffiffippi liegenben SLbeil beS Staates als unfer anfeben,
benn im meftli#en batten mir uns nur gu Saton Eouge unb Eat#eg feftgefefcfc
unb fühlten uns bort ebenfo ft#er mie ber gu#S bor bem So#, baS ber Säger
bema#t. SSon SDUfftfftppi befaßen mir nur bie glufjfeftungen, non ErfanfaS*
bie ^auptftabt beS Staates, ober au# ein menig mehr. Sn TeyaS, bem ge-
maltigen, aus beffen Territorium man faft fe#S Staaten bon ber ©röfse $enn-
fploanienS ma#en tann, batten mir nur ben Keinen gled am Eio ©rattbe, baä
ärmli#e SöromnSbille. £eere unb glottiUen tparen au# ba unnüfc geopfert
morben, um bie Snfurgenten gu untermerfen*
Unb menn man jefct bon SBunbeSgenerälen hart, bie längs biefeS 9Uo
©ranbe einen neuen geinb in ber Uniform beS grangofen bema#en, menn man
bie bor a#t OJtonaten no# tbatigen gübrer ber Eebellen als Beamte ÜJiafU
milian’S genannt hört, menn Mobile uns feine ßabungen Söaummolle, baS
meftli#e Souiftana uns feinen 3nder gufenbet, menn baS politif#e Sehen ber
fecebirten Staaten ft# jefct f#on faft ebenfo mieber äufeert mie bor Sab^n*
als ber ©ebante an eine 3ertrümmerung ber Union nur ungläubige^ Sd#etn
beroorrief, f#eint eS ba m#t, bafi ein meiter 3*itraum uns bon ber ^eriobe
beS 93ürgkrfriegeS trennt, bafi eS lange, lange her ift, feitbem bieS EtleS fo ganj
anberS mar ?
2Bie ein 2fldr#en Hingt fe|t f#on bie ©ef#i#te ber großen Tage,
in benen bie gigantif#e Aufgabe gelöf t mürbe, bie mir gu gei#nen berfu#t.
Kombinationen, beren S#auplafc ft# über «gunberttaufenbe bon öuabratmeilen
I
erftredt, unb §u beten SluSfOrtung eine SDlittion unter ben Stoffen Mt, entfal¬
ten fid> mit einet ©efdjroinbigteit, afö ob biefe SMilUon nur aus wenigen gigu«
ten befiele, bie eines SleifterS §anb burcb Ställe je nach feinem Süllen lentt.
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2)ort brunten regt fi<b Sherman, flree!t, bon Sabannab borgebenb, ItnlS unb
rechts feine gewaltigen Slrme aus, unb umfafjt baS gittembe Sübcarolina in
feuriger Umfeblingung. SBergeblicfe ift eS, bafj Peauregarb ftd& in feinen Slbobo*
montaben ergebt, bie ihn beS enblicfyen Siegel als fidler febilbern, bcrgeblieb,
bafj bon Sllabanta, bon ÜDtifftfftppi, bon Soutfiana, ja bon SlrtanfaS unb SeyaS
§u ihm ftö&t wag bort bem geinbe an Material gur Verfügung ftebt. Umfonft
fteHten aueb bie lleinen Ueberrefte beS £oob T fcben $eereS ftcb ihm gu ©ebote —
Sberman gebt weiter unb weiter, PranebbiHe fällt, ©olumbia gebt in gtammen
auf, unb bann ftebt ©barlefton ftcb feiner Pefapung enttleibet, bamit biefe nicht
abgefebnitten werbe, unb beugt ben ftolgen Staefen bor bem PunbeSbanner, baS
Sebimmelpfennig in bie berrätberifebe Stabt trägt. Unb bamit fängt bie
Stunbe ber Stotb beS geinbeS gu f(blagen an. Seine beiben $eere — benn
auf gwei bat fteb bureb bie Stotbwenbigfeit ber ©oncentration jefct faft bie ge*
fammte SJtaebt ber ©onföberation rebucirt — ftnb gwifeben Sberman unb ©rant,
b^r nb<b bor Petersburg ftebt, eingegwängt; jeber Sag bringt ibm bie StemefiS
jjffiber. ©S giebt no<b SluSwege gur Sinten unb gur Steebten, aber f<bon geigen ft<b
^anbere Kombinationen, um biefe gu berfperren. SluS bem jept fixeren Senneffee
[ v abberufen, eilt Sebofielb nach Stewbent, unb tritt ben SJtarfeb na<b Kinfton in
baS £erg bon Storbcarolina an, wäbrenb Serrp, ber febon SBilmington begwun*
gen unb Pragggum Stüefguge genötigt bat, aus füböftlieber Sliebtung bemfelben
Siele gu maf(birt. Stur bem ©rftern wirft ftcb Sobnfton, beS SübenS tüchtiger
©eneral, ber ben ©barlatan Pcauregarb abgelöft bat, in ben 2Beg, aber
btrmag ibn nicht aufgubalten. Pom Slorbweften enblieb giebt Stoneman
heran, wirft ftcb, aus Ofttennejfee lommenb, in baS fübweftlifte Pirginien, unb
führt bort enblicb bureb bie 3ecftörung ber ©ifenbabn ben Schlag, ber fahre*
lang oerfuebt würbe, aber immer mißlang. 5Do<b felbft babei läjit ©rant eS
nicht bewenben. $at er boeb noch bem febneibigen Sberiban eine Sftiffton an*
gubertrauen, bureb welche er baS febon morfebe ©ebäube ber Stebellion bis in
feine ©runboeften erfebüttem will. SJtit fedjStaufenb Peitem giebt Sberiban
auf grunblofen SBegen bureb baS Shenanboahthal unb fuebt ben geinb. ©arlp
ift aufgerieben. Seine in bunbert Kämpfen ftegreieben Veteranen, auf hoben
Pergrüden oerfebanjt, ftnb bort bon SberibanS Leitern angegriffen unb ber*
fprengt. ©arlp felbft entlommt nur mit genauer Stotb unb Sberiban rettet
weiter, fprengt hinauf bis biebt bor Spnebburg, erfebeint ebenfo ploplieb wieber
in ber Stäbe bon Stiebmonb; aber wo er geritten, ba bietet ftcb ein Pilb ber Per*
Wüftung, unb bie £auptftabt ber ©onföberation ftebt ihre reiebften Probiantfam*
mem berfcbloffen. Unb wie im Often, fo im SBeften. SBilfon ift bon (Saftport
in Senneffee auSgerüeft. Sllabama unb PKfftfftppi ftnb ber Sebauplap feines
ffiirlenS. ©r trifft auf gorreft unb belegt ihn, unb SJtoribian, Selma, SDtacon
unb üütontgomerp fallen in feine $änbe. SldeS, was ben Stebellen treuer,.
SllleS, worauf fte ihre 3ulunftSpläne ftüpten, fällt ihm gum Opfer, ©in feuriger
Kreis umgiebt bieinfurgirten Staaten, benn au<b bon Stew*OrleanS ftnb febwere
#eereSmaffen auSgerüdt, biefteb öftlieb gieben naeb STtobile, welches unferer Kraft
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fo lange gefpottet. $ie gepangerte $anb bei Punbel liegt auf ihren Sebenl*
abern unb bonnert gegen i^re geftungen. 2)ie 6tunbe bet ©ntfeßeibung ift
nicht mehr fern.
Sie ift feßon ba. Sherman bat Storbcarofina bureßtobt, unb mit <Sd&ofteIb
unb £errp ftch vereinigenb, ftebt et bei SRaleigb, bet $auptftabt. goßnfton bat
ibm blutige Schlachten geliefert, bat Uebermenfchlidbel geleiftet, aber ift gefcßla*
gen unb fueßt jeßt erf(böpft unb entmutigt eine fiebere Stellung für fein #eet.
Momente ber unfdglicßen Spannung geben an uni vorüber, benn no<b vermag
ein tüßner, genialer Schlag ben geinb gu retten, ober bo<b ibn aul ber gaHe gu
befreien, in welche er fub bineingejmängt ftebt. ©nblidb atbmet man wieber freiet.
See bat not Petersburg bie geffeht, welche ©rant für ibn gefebmiebet,
bureß ben Sturm auf gort Steabman, buteß bal 3erreißen unferer Sinie gu
brechen gefügt, unb el ift ibm umfangen. SDann folgen $age ber wilbeften
Aufregung, ©rant, beißt el, fei vorgegangen unb bal Plut unferer jungen
bünge abermall ben ©oben Pirginienl. SGBirb er erfolgreich fein, wirb bet
©ott.ber Schlachten bielmal ber guten Sache lächeln? Pur ©erüdbte, nur bange
SUutbmaßungen fallen unter bal Polt. ©üblich erfüllt ein gubelfcßrei bal Sanb. '
„3lul breitdgigem, fernerem Kampfe fmb unfere Armeen überall fiegreicb hervor*
gegangen!" ruft bet unvergeßliche Sincoln ber Nation gu, unb je^t fühlt man,
baß bal ©nbe nicht mehr fern.
Peteriburg ift erftürmt, Picßmonb gerdumt. 3)er erfte unb leßte Prdftbent
ber ßonföberation flieht bet Pacht unb ^Zebel bie «jpauptftabt. £ißig wie bet
ßampf mit feinen woblorganifirten feeren gewefen, ift auch jeßt bie Perfol*
gung ber Ueberrefte von See’l Prmee, bie eine Pereinigung mitgobnfton fucht.
gebet £ag bringt eine Schlacht, jebe Stunbe einen Strauß mit ben glücßtUngen,
bil ber gebnte Ppril fte bei Pppomatoy ©ourtßaufe verfammelt ßnbet, abge*
fchnitten von allen SBegen, bie gu goßnfton fußten, umzingelt von ben ftegel*
bewußten Gruppen bei Punbel, erfeßöpft unb entmutbigt, unb bort legen fte
ihre SBaffen nieber.
©I ift biefer $ag, ber bal ©nbe bei Kriege! begeießnete. 2Bir hören noch
von ben ßreug* unb öuergügen gobnfton’S bil er fwh Sherman ergab, hören
noch von bem ßantpf um Mobile, aber ber eigentliche $rieg ift vorbei, ©in
. lutger, ungeftümer greubenraufch — bann wieber bie tieffte Trauer. Sincoln
war ben Ptärtprertob geftorben. 2)ie verruchte £anb, welche ftch gegen bal
Seben ber Station erhoben, gudte, all fte ftch gu fcbwach fanb, bie Ptorb Waffe
gegen ben beften, reinften ihrer Söhne. ©I mag lange, bet fein feit er ftarb,
fagen wir mit bem blinben Ptartin, aber wir fönnen ihn niemall vergeben.
©r ift nicht vergeben. Sein ©eift lebt in jebem Schritt, ber uni ber enb*
liehen SBiebetvereinigung entgegenfübrt, in bet greibeit, beten gitticbe ftdb balb
* über jebel menfcßlicbe Siefen in unferm Sanbe erftreden werben. Sein 2ltt*
benfen lebt in jebem bergen, fein Ptonument ift bie große, ftarle Pepublif, bir
er gerettet, bie burdb feinen greißeitlruf gu ungeahnter Ptacßt unb ©röße empor*
blühen wirb, unb für bie er gelitten.
Praudßen wir noch weiter bie ©reigniffe bei jeßt beenbeten gaßrel aufgu*
geichnen ? $ie betdubenben Pegebniffe ber erften vier Ptonate- verwifchen faft
ben ©inbrud, ben bie rußigeren ber acht folgenben auf bal Polt gemacht, unb
bodb waren biefe nicht minber bebeutungSvotf all fte. 2)er Uebergang von faft
einer PUlUon aul bem triegerifeben Seben gu ben fünften unb ©ewerten bei
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griebcng; bie Statonftruttion unter ber «ganb einer halb ftarten, balb fd&ücbtemen
(Sjetutibe; ber SBiebcranfang ber politifchen gunttionen ber abtrünnigen Staatg*
törper; uufere Schiebungen $u bem Sluglanbe unb enblich noch bagföefultat ber
Stabembermablen im korben, aUcS bieg gab $u ben ernfteften Setrachtungen unb
fogar $u Sefürdbtungen Slnlajs, bie jefct übermunben ftnb. [Rüftig fcfcreitet bie
Diepublit auf ber ihr non ber 2Rebrhaf)l ihrer Bürger borgejeidbneten Sahn bor*
mävtg. S5en inneren geinb bat fte übermunben, benn fte bat fub für emige 3eiten
beg 3antapfelg entlebigt, ber bie geinbfebaft gebar. $en äußern fürchtet
fte nicht, benn fte mill nur ibr SRecht, unb (Europa ift §u tlug, eg bem Starten
$u bermeigern. ©egenüber ben fegengreichen golgen, bie eg gebracht, mögen
mirbegbalb bag gegen unfere (Eyiftenj gerichtete Sittentat bergeben, aber bet*
geffen bürfen mir eg nicht, galten mir bielntebr in frifchem Slnbenten ben
Semeig, ber in ben testen hier berhängnifjbollen gabren liegt, bafj ein SBoll ftch
nidbt gegen bie greibeit, nicht gegen bie ÜERwtfchenrechte berfünbigen barf, ohne
bafc biefe £bat ftch furchtbar rächt, galten mir eg in ber großen 3utunft, meldbe
ber IRepublit beborftebt, in ben ungeheuren ^anbelgrebolutionen, meldbe biefe
3ufunft mit ftdb bringt, ftetg bor Slugen, bab $artitular*3ntere(fen nicht foldben
Sluffdbmung nehmen bürfen, bafj bag 2Bobl unb SBebe ber ©efammtbeit baburdh
beeinflußt unb ber gemeinfdjaftlicbe goitfcbrittbaburdb gehemmt merben tonnen,
2Bir bürfen bergeben, aber niematg bergeffen, bamit audb mir nicht bei ben rie*
ftgen Umgeftaltungen, bie ber Schoofc ber Seit in ftdb birgt, ber gehler fdbulbig
merben, bie ber Süben jept fo bitter ju bereuen bat.
Unb bürfen mir ber Scanner bergeffen, meldbe bie Stunbe ber Statb unter
ung erfteben lieb, um ftdb für bag Saterlanb in bie Srefche p merfen?
Sinb bie tarnen eineg ©rant, eineg Sherman, Sberiban ober £bomag nicht
ju tief in unfer «ßeq eingegraben, alg bajj fte »erlöfdbt merben tonnten?
Sinb nicht bie$baten eineg garragut, eineg goote in ju frifchem ©ebddbtnib, aö
bab mir bon ihnen ju erjablen brauchten? Sebarf eg unferer Mahnung, bab
man ftdb auch ber beutfdben SDtanner erinnere, bon benen fo Mancher bem
Sanbe feiner SBabl bie mertbbollften Sienfte leiftete? 3ft Sohlen bergeffen, tro$*
bem er ben £elbentob ftarb für bie Sache ber greibeit ? Segrub man bag 2ln*
benten Slenter’g mit feiner Setdbe, obgleich er ber (Erfte mar, ber ein Sunbeg*
beer rettete ? Sebt ber Stame Sdbintntelpfennigg nicht länger unter ung, trofc*
bem feine jefct ertaltete «£janb eg mar, bie bag Sunbegbanner nach ©barlefton
trug ? (Erinnert man ftch' ber Späten Sigelg nicht mehr, meil größere Späten
feitbem bollbracht ftnb unb Unbant bie (Errungenfchaften lohnte, bie er ber üftation
brachte? 2Biüi<h unb Ofterbaug, bie (Einigen, bie big ang (Enbe hoher (Ehren
tbeilbaftig ftnb, Stabei, Schürf 2£eber,'Steinmebr, graut unb ©ilfa, lauter beutfche
tarnen, bie ftch Sluejeichnung auf bem gelbe ertämpften, finb fte nicht länger
an jebem £erbe betannt, meil ber JUrieg borüber ift ?
(Eg mag lange, lange her fein, feit 3b* ©uch um bag Saterlanb berbient
machtet, aber 3b* feib nicht bergeffen.
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Gin Sßätdjen mit norbif<fc*t SJeBiunfli
Sen Starte 9B*fllat»b.
cfiinfeitung.
SSon SPcrflcttS fchönem SBunberlanb, bem ferne«;
SGßitl ich berichten, mag ft<h gugetragen
3)ort bermaleinft bor ungegählten Sagen. —
D fchütfeft nicht tag «gaupt! — Son Sonn unb Sternen
©rglangtber Fimmel bort mie hier .... Ünb $ergen,
. Sie fchtagenbort mie hier in Suft nnb Schmerlen;
S)ie Siebe brennt mie hier in reinen flammen,
Unb. führt mie hier Sfermanbteg ftetg gufammen;
Unb Sehnfitdbtöbrang bie ÜRenfchenbruft burdbfdbauert
5Ra<h Schönheit,. bie bag Sehen überbauert. —
Unb 3eit? mag ift ein 3ahr, unb ein 3abrhunbert,
SBag bie SRinute, mag auch bie Sefunbe —
2Rit einer groben ©oigfeit im Sunbe —?
So fragen-mir ung fmnenb unb bermunbert... •
2)fl® ©nft unb Seht, bag künftig ober borgen,
3ft’g ni<ht gleich einem 9Beer bon fo biel Stellen?
Stetg merben 2Renfcben lieben, leben, forgen,
Unb fämpfenb fiegen, ober auch — gerfcheUe«*
I.
3« Schönheit ftrablte fie, in anmuthreicher,
SBon Sugenbglang berflärt unb SReicbtbumg*$ra<ht,
$ringeffm Saba! ßeine £anb fchlug meiner
Ster Spra Saiten, feiner Stimme SPtacht
Sännt’ je beg £örerg Seele fo bemegen
Sag Saba’g, bie ihr Steter „^immelg^Segen 11
Unb „SBunberperl*" unb „Sauberblume" nannte.
2)och feltfam mar’g! Schon hatten achtgehn Senge
Um Saba’g $aupt gerauft bie S3lüthenfränge,
Unb immer noch in ihrem bergen brannte
Ster Siebe geuer nicht.... ©n $eer bon gretern
Sog jährlich cm ben #of, bag £erg boU hoffen. —
Sie fühlten fleh bon ihrem iReig getroffen,
Unb mühtert ft<h, ihr f<hma<htenb borguleiem.
S)o<h ach, berbannt bon ihrem Hngefuhte —
SBieQeidht in eineg ßerferg bunflen 3Rauem —
SBerbüfcten fie — o f<hre<fli<heg ©erichte —
3hr fühneg SBagnifc bann in em’gem Srauem.
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S)en Sogei Sttu tonnte fte; ihr Sekret,
Gin meifer SWann, ergäbt* ihr einft bie Sogt;
Serirrter äJtenfchen beilenber Selebrer,
Serftänbiger Serbanner monier $lage,
SBünfcht* er auch ihr nur fonnenbette Sage.
S)o<h ba fte bat, bie Deutung ihr gu fagen,
Äopffchüttelnb bat er ft<h rem Sifc erhoben —:
„2BaS mär* baS Sehen, trenn nicht föätbfelfragen
Uns blieben, unfre firaft bran 311 erproben —?*
SBobl mannen Sraum bat fte barauS gefponnen,
Unb Sag unb ÜRacht bat fte barob gefonnen .. ♦ ♦ »
3)er Sogei 2lbu alfo.flog gum $imntel
— ©cfc^redt non Sünbe, — über Salm unb Gebern.
$ 0 $ aus ber SBolfen gldngenbem ©etrimmel
äßarf er berab brei fchimmemb bette gebem.
Unb trer fte finbet, fefs an 2ReereSborbeu,
Sei’S in beS £o<hgebirgS nerborgnen Geblühten,
3m 2 Büftenfanb, auf Klippen ober Suchten, —
S)er ift ber ©ötter SieblingSünb geworben! —
Unb Saba fpracb, ütbefj ein Sächeln fonnig *
Um ihre Sippen fpielt’: „3teb aus, Sen Gben,
— So biejj ber greier je^t, befe’ Slugen toonnig
Gntgegenleuchteten ber gürftin Zeigen, —
„ÜRit meiner $ulb tritt ich nicht länger geigen —
Sieb aus für mich, auf Sterben ober Seben!
(3trar Serge rott ron leuchtenben Sutrelen,
Unb Slbem, bie ron (Mb unb Silber brechen
— So hieb es — fottten feinem Sanb nicht fehlen/
2)o<h Saba’S Siebe lieb ftch nicht beftechen.)
„Sieb aus, unb bringft bu eine geber triebet
SluS Sogei 2lbu’S herrlichem ©efteber.
So fottft bu ftegreich ror mir nieberftnlen
Unb aus bem Welche meiner Sippen trinfen!"
Sie #anb aufs #erg gelegt, gelobt er’S triUig,
S)en Sehnfuchtsrollen fcheint eg leicht gu ftreben,
Unb fei’S auch nach bem Schtrerften; hoch trie billig/
Serfpricht auch Saba, barrenb auf Sen Gben,
3n Ginfamleit beS SchtrurS nur gu gebenfen,
3 bm, trenn er trieberlebrt, ihr £erg gu fchenlen.
Sie fchieben! — Unermüblich fchritt ber SEattet
Bergauf, bergab .... SBie fott ich ihn beftngen
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Sen wunberbaten SReij bei Schönheit aller
Set Silber, bie ihn Sag unb Stacht umfingen —?
SBenn mit bei Sonne elftem $urpurftrahle
3n ©Intb gebabet lagen Serg unb Shale —
SBenn SlbenbS SDtonb« unb Stemenfchein baS fahle*
®eheimnibvolIe Sicht ergoffen über fable,
fled wilbe gelfen, — ober im ®ewitter
Sie SBaffer toften unb bie ©ho’S fprachen ...
Unb «nenn im Sturm, gebracht in taufenb Splitter,
Sie ißalmen unb bie Splamoren brachen? —
3m SRotb beS SlbenbS fonnten ft<b bie Scbaaren
Ser Sögel, an beS gluffeS grünem SRanbe,
Sluf [Riffen unb auf §öb’n, allein, ju paaren —
— Sann flob’n fte — aufgefcheucht — jum anbern Straube.
Unb beS ®efieberS bunte garben ftrablten
So jauberifbb, balb liebt unb halb im Schatten,
Sa| fie ft<b tief in 6ben3 Seele malten, —
Unb fpdt noch weilt er fmnenb auf ben SDlatten.
SBobl fanb er gebetn auch von felt’nem Stimmet
— Orange unb purpurfarb unb grün — am ®runbe,
— Sluch weib unb violett — bodj fanb er nimmer
SeS Slbu gebern je ju günft’ger Stunbe. —
Unb enblich, ach! ermübet, tounben gubeS,
Sehnt et jurüd fuh ju ber Königstochter —
Unb bebenb hoch gebenft er ihres ®rubeS,
Senn ihr @ebot ju halten nicht vermocht’ er.
Sa plöfclich — herrlich SBunber bet ®ebanlenl
Kommt ihm bie rechte Seutung jener Sage ..
ßrfrifebt macht er ein (Snbe adern SBanfen.
3hm fchien bab ihn ber gub beflügelt trage! —
m.
Ob er auf bunflent, vielverfchlung’nem Sfabe
Sich auch verirrt mit ungebulb’gem Sinne,
Ob er bie Stacht bunhwacht am SReergeftabe —
®leid>viet, er forgt, bab er baS 3iel gewinne.
Salb hielt fein IRob er an beim gürftenfchlojfej
groh feiner frohen SDliene, eilt entgegen
®in #eer von Sienem ihm, unb von bem Stoffe
Sdbt et ft<h leiten auf ben fchneUften ffiegen
8u ber Srinjefftn prunfenbem ®ema<he.
Sie ruht auf ihres SivanS weichen Riffen,
Unb holbefte SJiuftl leiht fie ber Sprache,
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Senn faft fd&on ängfifich regt fnh tht (SemffTeit*
w 2Billtommen, tapfrer $elb, fei hoch roilltommen
gn bet Sßringeffht Saba fettem fallen !
SWit 2Jiuth i)aft bu bie 3rrfafyrt unternommen,
6rgdh*e mir nun auch non beinern f 2Batlen.
„„^rinjeffin, o bergeih’, wenn ich Sertünber
©ang ungeahnter Antwort bin — gefunben
£ab* ich bie-gebet nicht — oergieb bem Sünbet!
3u bemen güfcen hoff ich gu genefen
SSon banget Sehnfucht, benn bon (Schönheit tarnten,
ganb ich auf meinem SBanbergug — bie Sich tun gl
SaS war in meines 3*rgang3 stacht bie Sid^tungl 4 *
6t fptach’S — ba war fte ihm an’S £erj gefunfen.
„Su hftft errathen jener gebet Meinung!
3a, bu follft mein fein, Saba bein auf 6rben,
Surch unf rer ßerjen innige Vereinung
Soli alles SBöft hn Reiche glüdlich werben \ n
Unb alfo mar’Sl Unb laute gubetfldnge
©rfchollen im $alaft unb in ben ©drten;. ♦ *
ffiermifcht mit jenen tönten bie ©efdnge
Sen ©benS, ben fte hoch als Sichter ehrten. —
D wollet nicht, bafi ich ©uch frei enthülle,
SBie ihre Seelen für einanbet glühen —
SaS ffiort iff machtlos, wo in ©lüdeSfulIe
3wei gleichgeftnnte ©eifter gunten fprühen.
Sticht will ich'Saba’S Siabem unb Södnber,
Stoch ih^eS StugeS wunberhelle Strahlen,
Stoch @beCftem > unb prangenbe ©ewänber,
Sen Sinnen fchmeichelnb, tunftgerecht 6uch malen;
Segt immerhin in holben ^hantafteen
Um ihre fchwatgen Soden golb’ne Spangen,
Saht Stof unb Silie auf ben garten SBangen
SDtit ihrem tßnlSfchlag tommen unb entfliehen . . ♦.
.. . 6ntgüdt hing jebeS Slug’ an ihren Schritten,
6in gebet ntb<hf um eine ©nabe bitten.
Sa tritt ein Steuer ein, ftd? tief bemeigenb:
f ,3um hohen geft maßt 3hr nicht gndbig achten
Ser beiben ^ringen, bie im Shurrn noch fchmachten? —*
Unb 5lÜe fab’n ftch an, beftürgt unb fchweigenb . . ♦
Unb inne hielten fie beim buft’gen SKahle,
3n ihren £dnben bebten bie fötale . . .
6r fpricht bie ®ahrheit! bei ber greube ©hören
Soll uns beS UnglüdS Seafgerhauch nicht ftörenl
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©an fQbfe fie heraus in meine litten,
©efibmftdten Säle! fpracb ba SabcrVSatet.
SBö^l ju erfüBen weift ich meine Pflichten,
Unb Seibenben bin gern i<b ein ©eratber.
6 ie lamen fteUbig! — 0 bet©unbetbinge!!...
3« ihrer Äetterbaft gejohlten Sttmben,
Sa batten fie gebeftnt beS ©elftes Schwinge,
« Unb Slbu’s anb’te gebem auch gefnnben!.—
Siiibt elenb waten fie; mit beitem ©fitfe
Sob’n fie ft<b um tir bem gefcftmüdten Steife.
Stob boten fie oemubtenbem ©efdbtde,
3 rei, ftarl unb ftolj, in ihrer dg’nen ©eife.
©erüftrt, befdjämt, bat Saba fie, 3 U weiten,
Unb tbe biete Sage noch enteilen,
4 >at ©net fcbon mit Sßinfel unb ©atette
Ser gürftin SBilb gemalt, gtei<b nadb bem Sebenj
Ser Slnb’re brüht ben Stein aus feinem Sette,
Unb meiftelt bie ©eftalt beS ebe(n ©ben. —
3br werbt ju fpdt! bocft für bertor’ne Siebe,
©0 gab’ eS beffem Sroft, als foltbe ffierfe ?
Srum forg’, wem fte gebricht, baft ibm berbtiebe
Ser ©enfdjenfeele eingebor’ne Starte. —
SBobt ift’S bequem, gemeine ©ege wanbetn,
Sodb ©ueb, 3 br ©ägblein, wahrlich ift ju ratben,
3br nähmt ein Seifpiet ©u<b an Saba’S fjanbeln:
.Spornt (Sure Siebften an ju ©eifteStftatcn!“
^onoatöfat.
Sftjje »oit
©8 war am 24. ©ätj 1844. 3 m Äopenbagetter Stabttbeater würbe bfe
' „©rifelbiS" aufgefübrt. ©ie häufig, waren in einer Soge mehrere bet ©an«
net berfammelt, weiche baS Weine Sänemart nicht ficb felbjt, fonbetn ber ©eit
\ gegeben, unb auf bie e 8 mit »echt ftotj ift. Sa haßte aus Debtenfchläget’S
©unbe plöftlüb ber Schrecten 8 ruf burch ba 8 §au 8 : „Sborwalbfen ftirbt!" Un*
bermerft, imfreunblichftet ©eftalt, war ber Sob an ben @rei 8 berangetreten unb
batte bie gadel gefenft. 3 nmitten eines ßunftgenuffeS war ber Mnftler, wet«
«her wie fein Unberer bie ©rajie be 8 Wafftfchen älltertbumS wieber belebt, aus
bem irbifdhen Safein gef (hieben. SSon ber ©lite feines ©otteS umringt, war et,
ber gamilienlofe, wie im Scboofte feiner gamüie frieblkb entfehtummert. ©in
fdjSner Stbftbluft eines fchßnen Sehens.
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SBoßl nie bat (3 eine liebenSwürbigere Grfchetnung gegeben, als Sttbert
SBertel Sßotwalbfen. Ades an ibm war »ollenbete Harmonie, unb bodj trat et
leinet bon Senen, welche bie ©ötter fcßon in bet ÜEBiege liebten, bocß blieb ibm
leinet bet Kämpfe, leinet bet quälenben 3t»eifcl erfpart, burcß welche bet ©eniuS
ftcb )um Süßt empotjufdbmingen bat. Set Soßn eines atmen islänbifdjen
Steinmeßen, würbe et am 9. Aobember 1770 an fflorb eines Schiffes geboren,
mit welchem feine Gltem »on 3Slanb nach fiopenßagen überftebelten. Schon
früh machte ftcb fein Salent geltenb. 3 n golge einflußreicher ©roteltion 36g*
Iing bet Hopenßagener Atabemie geworben, erwarb er ftcb nach ehtanbet ade
Auszeichnungen unb juleßt bie golbene 2JtebaiHe> welche ibn p einem Stipen*
bium berechtigte. (Sr ging nach SRom, wo et bei weitem ben größten Sßeil
feines SebenS jubringen follte. Seine Stiftungen beftiebigten ibn nidßt, unb
ba fte autb bei Anbern leine Anertennung fanben, begann et an feinem lünftle*
tifcßen ©eruf ju zweifeln. 3m SEBacßen wie im Sraum fdjwebte ibm bie ibeale
©eflalt eines 3afon mit bem golbenen Sßließ »or. 6t fucbte baS 3beal ju bet*
lörpem, aber was er fcbuf, genügte ibm nicht, unb zehnmal würbe baS oollen*
bete ©loben »on ber,ßanb beS JlünftlerS wiebet zertrümmert. Stoch einmal machte
et fuh anS SBetl, unb bieSmal wagte er es, bie in loloffaler©rößemobellitte Statue
auSjufteUen. Gano»a ging »orüber, ftußte, blieb flehen, fragte nach bem Stamen
unb fagte: „Siefet junge Säne wirb ein grober Äünftler werben." SaS SEort
war gefprochen, unb entjüdten JßerjenS batte bet laufdjenbe 3üngling es gehört.
Sein 3»eifel war befeitigt, baS bem Poeten unentbehrliche Selbftoertrauen ge*
Wonnen. £atte et »erber mit bet bitterften Armuth gerungen, fo öffnete
fnb ihm jeßt eine beffere Bulunft, benn ein reicher Gnglänbet übertrug ihm bie
Ausführung bet Statue in ©tarmor, ein Auftrag, bem noch weitere ©eftellungen
folgten. ©Bäte (Sanoba bamalS nicht in Slom gewefen, hätte er bie Statue nicht
gefeben ober nicht getobt, hätte ficb ber Snglänbet ßope nicht bafüt begeiftert,
fo wäre vielleicht ber größte bilbenbe Mnftler ber Sleujeit in Slrmutb unb Glenb
untergegangen. SGBie manches junge ©enie mag unerlannt unb unentwidelt
Petlümmern, weil fuh ihm lein fotcher ©lüdsfall bietet!
6S folgte jefct Schöpfung auf Schöpfung. Sie 3been, welche ftch in bem
jungen Jßirn gebrängt unb ju beren Ausführung ©luth unb SDiittel gefehlt
batten, gewannen nunmehr eine nach bet anbern ©eftalt, unb »on 3ahr ju
3ahr flieg ber 9tuhm beS jungen Säuen, beffen ©robulttoität ans ©Bunbetbare
grenjte unb in ber alten wie neuen flunflgefcßichte ohne auch nur einigermaßen
annähernbeS Seifpiel bafteht. Um ben Sefetn einen ©egriff »on Sh°twalbfen'S
3beenreid)thum ju geben, möge hier ein unooHftänbigeS ©erzeüßniß ber »et*
fchiebenen Situationen folgen, in welchen er uns ben lleinen Amgr gießt. ©iele
ber reijenben AeliefS werben wohlthuenbe Grinnerungen wach rufen. Sie
fittliche unb poetifeße Sebeutung eines jeben geht aus ber Bezeichnung ßeröor.
1) Amor wedt bie ohnmächtige ©fpcße. 2) Amor giebt £pgieenS Schlange
Slaßrung. 3) Amor »on ben ©rajien gebunben. 4) Amor bittet 3upiter, baß
bie SRofe bie Königin bet Slumenfein möge. 5) Amor wirft ein Step jum See*
Jettfang. 6) Stator ttebfcft ben treuen $#nb; 7) iSJmotrafc 85ftettbejtohtger.
<8) Stator trinlt beim StaccbuaSöein. 9) Stator hdtfdbttt tuten Sdjttxm. 10)
Stator unb ber junge Saccftuä, Stauben ieUemb. II) Stator ata ©aft be$ SIna-
hoeon. 12) 2Rar3 tmb Stator. 13) Stator ruft ^tarnen aad beit 6teingrunb
Verbot. 14) Stator fammett SOtafcheta ju -einem Schmud. 15) Stator beflogt
jub bei SktutS überben Stidj einet Sftene. 16) SenuS, Stator turtb 2ßat8 m
ber SBerlftatt be8 SMfan. 17) Stator «mb Ahnten. 18) Stator anf entern
Shtoatu 19) Stator fchieht *etnen ^feil oom Mden be$ ßötoen ab. 20) Sinter
fdjreibt Supitert ©efefce. 21) ^)er lrium^taettbe Stator, tote er bte Spifce
feinet SßfeileS prüft. 22) Stator’8 $ettföa$i über bie oier Zemente. 23)
Stator unb ©atfpmeb .toünftlnb. 24) Stator unb $pnten iphxnen bin geben*-
laben. 25) Stator reitet eine SSofe bar, tnbetntr bie Bornen oerbirgt. 26)
2 kt fortfliegenbe Stator. 27) Sta»t auf ber ßpra fpielenb (Statue.) 28)
5)ie Graften bem ©efange Slmotta kufihenb. — (S* ift pt bebanem, bah jur
Sieto«2)orfer SBeltauäfteltang fo »eilige bon föhdrtoalbfenta unbefd)ttibit$ liebtt-
djen töetteta gefanbt tourbetu Sie bitten mehr jur ÜRacbbilbung «ufgeforbeti
tmb folglich m\)t «nf bk ©ntttudtang bea Sd^önbeitöftnnS ht Staterifa ringe*
birft, ata bie GbriftaSsGhiuppc, taeldk «otr bann ptr ootten Geltung fommt,
toenn man fte in bem Staunte fteht, für »eichen fte urfprünglich beftimmt toat,
nämlich in ber Kopenbagcner gwaieirlitxbe.
Shortoolbfen, ber Sohn be* Sletbeita, war ein oeüenbeter @rie$e. Seine
Religion, ferne Siebe, fein geben, fein SUJeS war bie Sdjönheit, unb ba, too er
biefe am reicbttdjften fanb, weilte er am ttebften. Starunt toar er lieber in 3tom
als »Kopenhagen, unb barum »ähfte er P<h liebet ©egenftänbe au* ber grie-
bifeb^mtf^ben, ata au* ber <briftli$en SWpthdtogie- SeinSefn* ift oieüeicht bie
fhbnfte plaftifdpe S4?äpfang ber ÜReupit, unb feinen 3o|anni* ben Käufer farm
man nicht oft genug betrauten; aber ba* Gbriftentbum wettt ju fe$t imSlbftra!-
ten, Ueberfhtnlicben, unb ber achte Künfflet tratf* ein ächtet $eibe fein. 3Me
Kenner haben fldb langft barüber geeinigt, bab ^hortoalbfett^ Sch&pfuHgen in feiner
ffieife bem nachftehen, »a* ©ricchenlanb un* an Sfulpturen htnterlajfen hat, ja bafs
beibe ftch laust oon einanber unterftheiben taffen. Uta $etoeta, tme ooHftänbig
er in ben ©eift ber antifen Knttfi eingebnmgen toar, toirb angeführt, bah er ben
fcblenben-Jtapf einer au*gegtabenen Statue anfertigte, unb birfer faft bi* aufs
Kleinfte mit bem fpätetaufgefunbenen achten fibereinfthnrnte. 5£)amit tft nicht ge*
fagt, bah rr ein Statbahmer ber ©rieten toar, fonbetn bah et bie Bebhtgungen
plaftifcher Schönheit gerabe fo tote biefe erfaht hotte. $e* Sladjataneng beburfte
er nicht, beim er hatte mehr fefbfteigene Sbeen ata er au^nführen oermochte.
Slllein bie Figuren feinet berühmten ffleltefd : „2)er Sriumphsug Slleyanbet^ be£
' ©rohen in IBabploit 41 bieten bem Künftler eine unerfchbpfüche Oueüe bed Stu*
biumd.
SIber obgleich $eüette, hütte Shortoodbfen nie auf, fein Satertanb innig pt
Heben, unb toar auch Statten ihm ^tr §toeiten ^etmath getoorben, fo gog ihn
boh am fötbe bie Seh^ucht na4 2)dttemarf judkf. 9Bo er erlogen toar, ba
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woßte er auch fterben. Sie Saute, welche bei feiner SBtege getönt, foßten bero
! ©rei« ba« lebte Sebcmobl nachrufen. Slttj 17. September 1838 traf er lieber
i in Äopenbagen ein, wo ba« Soll ibm einen Sriumpbjug bereitete, welcher biefen
; Sag §u bem fünften feine« Sehen« machte. 35a« ©elfiute aller ©liefen bet
£auptftabt begrüßte ben größten Sohn be« Saterlanbe«. Seit längerer 3«t
| b^tte er ftch mit einer 3bee getragen, bie bem Stenfdjen ebenfo febr wie bem
! üünftler gut ©bre gereichte. 25a er nie oerbeiratbet mar unb auch fonft teine
| Serwanbten batte, foßte feine Saturn fein ©rbe fein. Sße«, wa« er befaß,
j woßte er bem Saterlanb binterlaffen, nnb fogarfein Staub faßte bauen teine
2Iu«nabme bilben. Regierung unb Soll gingen natürlich mit greuben barauf
! ein, unb bie Fregatte „ibeti«" würbe abgefanbt, um bie Skrle unb Schwebe«
Äünftler« au« Stalien ju holen. So entftanb Xborwalbfen^^Jtufeum, ein ©ebäube,
I welche« Siemanb betreten lann ohne ftch gerührt unb non einer böbem SÖeibe
• angehaucht §u fühlen. Saumeifter beffetben ift ber Srcbiteft Sinbe«böfl; ber $lan
i aber ging non $borwalbfett felbft au«. 2)a« feuerfefte ©ebdube, in feinem Seußern
' jugleich ben ©baralter eine« Stufeum« unb ben eine« antilen Staufoleum« tra«
genb, hübet ein Ouarree, welche« einen nieredigen [Raum umfchließt, unb in ber
I Stitte biefe« Saume« {eben wir ein einfache« ©rab mit bem Samen be« Äünft«
| ler«.
j 3n ben weiten ©orrtbor«, bem fogenannten ©briftu«faal unb jwei unb
1 toierjig 3iatmern finben wir nicht nur bie SBerfe $b*>rwalbfen«, fo weit fte bi«
j eßt ju erlangen waren, fonbem auch aße flunft« unb 2lltertbum«f<häße, bie er
; wdbrenb feine« tbaten* unb erfabrung«reichen Sehen« gefammelt. 25ie Statuen,
©ruppen unb Selief« müßte man bei $unberten, bie giguren bei Xaufenben
! jdblen, wenn man ftch überhaupt $um 3äbfen aufgelegt fühlen fömtte. 2Ba«
! aber ba« ©emütb am meiften ergreift unb begeiftert, ift bie poetifebe 3bee, ber
1 barmonifche ©inbrud be« ©anjen. 3)er Zünftler inmitten feiner Sßerle unb
alle« bejfen, wa« ihm lieb unb wertb war, fchlummernb. 2Babrli<h, ba« ift ein
' Ort, ju bem man ftch flüchten muh, wenn bie 3)i«barmonieen ber 2Belt ba« $er§
jerreißen.
; ' Sefonber« intereffant ift ber Saal, in welchem bie Stobeße nnb Stilen
aufbewabrt fmb. 35a feben wir geifijfermaßen ba« ©enie an ber Arbeit. 2ötr
feben, wie bie buntle Qbee ftch nach unb nach in ihm jur noßen Klarheit ent«
midelte. ©rft ein gan§ tleine« Stobefl, ba« non ben £änben be« Äünftler« fpielenb
angefertigt würbe, bann gröber unb gröber, immer noßtommener. 3ebe biefer
Keinen Stilen ift ein £eiligtbum, benn wir wißen, bab bie £anb be« Steiften«
felbft fte oerfertigte, wdbrenb un« in ben Starmorwerfe unb Sbgüffen immer«
1 bin nur bie Sachbßbungen be« Original« entgegentreten.
. 3)ur<h bie 3iwmer fchreitenb, crbliden wir eine Stenge non SBerten, beren
jebe« weltberühmt ift: ben oerbdngnibooßen Safon, ben loloffalen Star«, Slpoß, bie
1 brei ©rajien, welche benen Sanooa*« oorgejogen werben, Stercur al« Srgu««
töbter, ©anpmeb unb $ebe, Sulcan, Senu« mit bem Spfel, bie loloffale ©brt«
* ftu«« unb bie 3obanni«*©ruppe, ben ^irtentnaben, Spron, ben Stainer ©Uten«
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SWneri;*fagen fein mag. ffi ja bet Sorjufl, melden berßQnfUervot bem
(Stlthrten bat, «af» ba« SJott ihn mit bem #er$en oerftebt unb in f«h auf«
nimmt, roiebie Sonne, be« OTonb, bie Sterne unb ben grühling. „2BaS finb
$oeten?" (agt bet ffianWhtder ©ote. „ |>e[le, reine Äiefdfieine, an »ekbe ber
liebe $tmntel unb bie fcfebne föbe unb bie heilige Stetig*«* «nföfagpn, bah Sun*
len h«att3jMegen.* 3a wohl, unb biefe Junten jänben i« ben §erjen ber
ÜRenfchen, ba| eine heilige, l&uternbe ©luth baraul entfteht. Stenn man bo<h
ttheraf bie SBecfung tmb ©flege beä @ch5nheitäjmn« aU unentbehrlichen SBe*
ftanbtheü bet Sotteertiehung erlennen «mittet
C&fofct t* eine 00m &elymt nnaMjiuifligf
Son t. 9t«ne,
Stuf biefe grage giebt e« vergebene Hntworten; eS tommt ganj barauf
<m, mtematt ba« ffiort „unabhängig" verfteht.
Steint unabhängig fo viel crt« : frei, für f tcb befte^enb, obn«
Serbtnbung mit bem ©eh*tu? Ober meinte: bie SU gl ich*
leit eine« f ebftftänbfgen 3«ftanbe« bet Seele, «etrennt
vom Seibe? Ober meinte« cnblicb: ©lebt e« überhaupt ein vom
Seibe ober ©ehltn »efentlidfc vetf chiebene« 2>iug, 6eele
genannt?
SBenn bie lebte Sebeutung verneint »erben mit?, fo etfebigen frh bamit
auch ade anbern gtagen, meü ein 3)ing, ba« nidht ift, rneber in Serbin«*
b u n g mit bem ©ehirn, noch getrennt bavon gebaut »erben tarnt.
$ie näcbfte grage ift alfe biefe: ©iebt e« ein vom Selbe »ber vom ©eb’rn
»efentlich verfchiebene« $ing, ba« bie 5)eutf<hen feit geraumer &eit „Seele" |u
nennen beliebt haben ?
Sogt ift bamit fünf fertig; ber tagt: nefot! $cnn meä bie fftewn «ine
gunttion haben, beten Mefultat Urin ift, fo muh natürlich muh ba« ©ehim eine
gunftron haben, beten Sefuftat bie Gehanten ftnb; fa, man tonn biefen Ser*
gleich fogar noch »eiter foctfefcen unb fagen: biefe ©ebanten mitten jutoeilen
no(h peftilenjialifcber. Unb hoch giebt c« noch hrnner oerftodte Sünber, bie bie
Sünbigfeit eine« fo fcb&nen Sergleiche« nicht begreifen »öden! 2Bir muffen «Ifo
nothgebrungener ffleife auf unfere oben geftedte britte grage nähet eingeben,
©inb Seele unb Selb |»ei »efentlich von etnanber
verfehl ebene $>inge? 9Benn bem fo ift, fo muh fub’ä au« bet ßr*
f a h t u n g betoeifen laffen, fmt# gilt*« Sicht«.
2>a« neugeborne Äinb nimmt Sahrung ju fuhr unb toädjf’t. greilidh
rniffen bie ^hbftologen noch immer ni<ht recht, toie ba« ffiachfen fo eigentlich
geht; aber toa« ber Erfahrung für gebermann vorliegt, ift biefe«: ftetige 3u»ahme
be«fieibe« an Umfang urtb ©erntet in golge heftäubigen ©teffmechfel«:
rj
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Sufuhr, SSetbammg, Shteignung tmb SfuSftofiung beSSfctbCtauchttn. 3« heffer
baS Äinb gebeizt, befto gr&her unb feueret wirb «*, bis etfelicb nach
(Mcmgung b&bflet leiblicher SBottfommenbeit, ehi geobweif« Setfall mietet
elntritt.
SEdbrenb biefe Skrflnberangen mit bemSeibe boS SUenfcben vergeben,
bieten ficb bem aufmetlfümen Seobacbt« auch noch anbere Gtfchemungeu bar.
Jet ttmbet ©lief ijf juecft m’i Hnbeflimmfe gerietet; «nt jum Sichle lehrt et
fub, wie bie Slumen jut Sonne. ©erdufcbe (feinen baS ftinb wenig pt et«
regen, unb e* nimmt fogat bittet« Slrjntien, wenn noch gaU| Hein, ebne nie! ju
„maulen".
S>aS Sitte? mitb abet anbet* in gat ftttjer 3t>& Sein ©litt rnbt halb auf
be|iintmten ©egenftänben; nach unb nach fdngt e* anju„f re'trtbeiu",-
b. es unterfcbeibet ftembe SJetfonen »on SngebäWgeH unb ©efaitnten; eS
brebt ben ttopf nach bet ©egenb, von wobet tin©erduf<b fommt, unb lennt halb*
feint ©tutttr an ©ang unb Stimmt; auch bettete Mtjnei ijt 1 ihm nicht fo leidet
mehr beijubringen: furj, ba$ Äinb gebeibt nidbt HoS leiblich, fonbetn, feit man
fagt, auch g e ifti g. C8a& feil ba* beiden ?'
Süßehn baS' Äinb jutrft fogat feine SRutfet nitttlannte, von bet eS bo#
geboten würbe, nad> einiget Seit aBet biefefbe fcbott an ©ang 1 unb Stimme »on
allen SAibent unterfcbeibet 1 , fu muh eS böcb bei biefet Seit ein S8 e w uh t« ;
fei n erlangt haben, bas es 1 vorher n i cb t batte. Sie fam eS ju biefem Se«
wu&tfein? Slntroort: Sie' fbmmen wit jum ©emufjtfein eine* JingeS, baS
Wit bisbei noch nicht fennen? Sir muffen foldb ein Jing entwebet feben ober
bBren, ober tiecben ober f<bme<fen, ober betafben, ftttj, butch einen ober einige,
ober alle unfere Sinnt mabmtbnten, unb je Bftet wir baStbun, ein befto SarereS 1
©etou&tfein erhalten wir »on biefem Jiinge. $enn ffeon Slug, Äopiftt» fagt:
„Sa* man jura etfteU SKal erficht, lennt feiten mfeb bet ÄKgfte nicht." @an|
fo ging’* auch beim flinbe ju. @S fab unb hörte feine SKutter täglich, ttflnbttcb,
immer wiebet unb wicbet, tmbbaS©ewuhtfein mm ibt wutbe fidrtet unbftötler.
Sit Tönnten baS auch, nattj ©ogt'fdjer flanier, fo ausbtfittrtt: Ja* Äinbvet»
jebtte gteichfam feine SKuttet mit ben-Säugen, Obren, müfafe, Stunb nnb $dn»
ben nnb w u cb 8 babutth in © < Fe n n t n i jj feiner Mutter. Hm wie viet ldn»
get, breiler, bittet unb fttjwetet ift 1 * baburdj geworben? Ober vielmehr unb ge¬
nauer: wie lang, breit, bitt unb fchwer ift babutcb bie ©orftelfung von
feinet fluttet geworben? Sie lang, breit, bitt unb fchwer fmb unfett ©orftel»
lungen, bie wir uns im Saufe bet 3'it angceignet haben? @s muh bo<h ein g*
hbrige* Jiatibet fbichet SSorfiellungen im .ttopfe eine* auch nur gewöhnlich ent«
witteiten'ÜRenfeben geben, unb gat etft in bemfiopfe eine* aubetotbentlichen
ttüenfcben! Slber e* fibemt nicht, bah itgenb ©inet ftbwer baran ttfige, Obee
hat fte fdhonSemanb gemeffen, biefe Siorftettungen ? unb wer hat fk gewogen ?
Sftie*, was wir w i f f en, aber gerabe fo unbebingt unb genau hrifftn, wie ber
ÜRathematiter weih, bah 2 mal 2 gleich 4 ift, ittbiefeStbahunfeteSotftettungcti
um fv flat er b efe u| t werten, je mehr fit wachfenc. Ja* weih ein3ebe*
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au* eigener Grfahtung, mtb wer ftdj fo weit noch nicht fetbft beobachtet buben
follte, bet iann e* auf bet ©teile ptobiren. Gr erinnere ftch s* 33. au* feinet
Qugenb, ebe et lefen fomtte, welch ungeheuerliche giguren ibm im 2Ibo33uche
entgegenglopten unb wie erft na<b unb nach burch bieffach wieberholte 2lnfchauun*
gen 11 a t e 33 o r fte 11un g en bon ben berfdjiebenen 33u<bftaben fub in ibm
' entwidelten unb bttanmudtfen. Slbet non einet räumlichen 2lu*behnung
folget 33orfteUungen giebt un* unfet ©elbftbewu&tfeiu aud) nicht bie Ieifefte
Slnbeutung.
2)ie Grfahtung lebrt alfo biefe*; 3)er fub entwidelnbe Wenfch geigt ein
zwiefache* 2Ba<h*thum;
1) er gewinnt an tättmli<hetSlu*behiiung unb
©<hmete,unb
2) et gewinnt ein immer Uarere* 33ewujit.*
f ein,
ÜRun fragt ft#*/ ift biefe zwiefache Gntwicfelung be* Wenfchen eine,
gtabmei* ober a r t w e i * berfchiebene, ober mit anbern ©orten:
1 ä fj t f i ch ba* rdumlicb2lu*gebebnte unb Stirere
ju flatem 33ewufjtfein poten$iren unb flare*
33ewufjtfein }u wägbarer Waffe berbichten, ober
n i <b t ? $)a* ift bie Stage, bi* jefct no<b non feinem ^hbftologen gelöst. G*
ift noch ÜRiemanbem gelungen, au<b nur ben Schatten einer 33orfteQung au* bem
©ehirn betau* )u beftilliren ober ju concentriren, ober irgenbwie al* ettoa*
gefte*, glufftge* ober ©aftge* barjufteden; ebenfo wenig ift e* gelungen, räum»*
lieh 2lu*gebebnte* unb SBdgbare* in 33orfteHungen ju betwanbeln; unb e* wirb
auch nie gelingen, benn ba* räumlich 2lu*gebebnte fann nie etwa* Slnbere*
geben, al* räumlich 2Iu*gebebnte*, auch wenn e* noch fo vielfältig betbunben ober
jerfdjunben, ober butch alle nur möglichen mechanifchen ober <hemif$en $ro*
geffe burchgeplagt würbe; e* bleibt räumlich 2lu*gebebnte*, nach wie bor, unb
jwar nach pbpftfalifchen ©efepen; unb be*gleichen bleiben bie 33orfteüungen,
33 o t ft ellu n g en, bie wir bermehten fönnen in’* Unenbliche unb bie wir
berftärfen fönnen jum böchften unb flarften S3ewuj}tfeht, bie aber trop aUebem
unb aUebem nie eine r ä u ml ich e 2lu*bebnung gewinnen, laut bem 3ettgniffe
unfere* ©elbftbewujjtfein*. 2Bir haben e* hier alfo in bet $bat mit einer 2lr t *
berfchiebenheit im 2Bach*tbum be* Wenden ju thun, einem 2Ba<h*tbum, ba*
täumli<he2lu*behnung probucirt, unb einem ©a<h*tbum, ba* 33 e •
W u fj t f e i n fdjafft, jwei $robufte, w e f e n 11 i ch bon einanber berfchieben.
2)ie Gntmicfeiung be* Wenfcheit in räumlicher 2lu*behnung nennen wir
feinen 2 eib, unb feine Gntwicfelung jum 33ewufjtfein feine ©eeie, $wei
wefentlieh bon einanber berfchiebene 2)inge; ba* erfte wahrnehmbar ben ©innen,
ba* jweite wahrnehmbar nur ft<h felbet.
©iebt e* alfo ein bom Seibe ober ©ebim wefentlich berfchiebene* 2>ing,
Seele genannt? ©erabe fo gewifj, al* e* eine Gntwicflung be* Wenfchen in 7 *
räumlich 3iu*gebebnte giebt, bie wir feinen Seib nennen. — Stun fommen wir
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gur gmeiten möglid&en Deutung bet als S^entot geflößten grage:g ft bie
Seele ein 5)ing, baS frei für fi<b befielt, ohne Serbin«
bung mit bem©ebitn?
3)iefe grage führt uns auf baS intereffante ©ebiet beS Setbült n i f«
feS gwifchen Seib unb Seele.
2)iefeS Serbdltnib ift fogar, laut bet ©rfabtung, ein febt innige*, wie baS
Grrötben bot Scham, baS ©rblaffen bot 3*>tn, ©onoulfionen in golge bon
Schred, ober Setlangfamung beS Qbeenfluffe* in golge bon lörperlicbef ©rmü*
bung, Serbtiefilicbfeit, Sfergerlicbfeit iu golge bon betriebenen leiblichen Stö*
tungen, beutlid? genug beweifen. Unb wenn nicht ein innerer 3nfammenbang
gwifefeen beiben beftdnbe, wie tonnte bann überhaupt bie Seele ftd? beS SeibeS
als eine* ÜBerfgeugeS bebtenen, ober wie tönnten bannbureb ben Seib ©inbrüde
auf bie Seele gefebeben ? 5)aS ift an ficb Kar ; es ift aber fine anbere grage,
wie biefeS Serbältnifc |tt>ifdben beiben gu benlenfei.
£ier müffen wir wieber ben 2Beg bet ©rfabrung geben. 2)iefe lehrt: SBaS
wir g e f e b e n unb g e b ü r t haben, bleibt fefter, als was wir burch bie anbem
Sinne wabmebmen; barurn finben wir auch alle SBiffenfcbaft auf biefe gwei
Sinne, ben ©eftchtS* unb ©ebörSfmn, baftrt. 3)ur<b bie niebern Sinne : ©e*
rueb, ©efebmad unb ©efübl, erhalten wir lange fein fo Kare* Sewujjtfein, unb
b?Sbalb ift’* auch noch 92iemanbem, felbft bem groben Sinnee nicht, gelungen,
eine wiffenfcbaftlicbe ©intbeilung g. S. ber Sangen nach ©erücben aufgubauen.
SRocb tiefer in SRüdficbt ber gabigfeit, baS Sewujjtfein auSgubilben, fteben bie
fogenannten Sitalftune ber SefpirationS* unb ©irculationSorgane, bet Ser«
bauungSorgcme, beS gangen ÜDtuSfelapparateS, welche nur bann in ihren $bd*
tigfeiten Sewujjtfein ergeugen, wenn fie febr ftarf angeregt werben, wie 3eber
wohl weife, ber einmal an 9lftbma, gieber, fioKt ober ftarfer ©mtübung gelitten
bat, bie aber fonft ihre normale $bdtigfeit ohne SewufjtfeinSentwidelung poH*
gieben. 2)ie ©rfabrung geigt alfo eine grabweife Serminbetung ber feelifcfeen^Ser«
mögen ober Sinne in Segug auf ihre gabigfeit, baS Sewubtfein auSgubilben, eine
gabigfeit, bie in ben böcbften Sinnen in SBiffenfchaft unb fiunft refultirt, wdb*
renb fte in ben niebrigften im normalen aftioen 3nftanbe gar fein Sewubtfein,
unb im franfbaft erregten nur unflare Schmergempfinbungen beroorgubringen
Permag.
2luf bet anberen Seite müffen wir aber auch noch bie l e i b l i <b n flrdfte,
bie burchßntmidlung an r du m l i <b e r SluSbebnung gewinnen unb ben 2eib
bilben, in näheren Setracht gieben. 3<h fage mit gleib, bie leiblichen Prüfte,;
benn eine tobte SWaterie giebt es nirgenbS, unb Kräfte für fleh, i n ber ÜDtaterie,
bat man gur 3*it auch noch nicht aufgefunben. firaft unb Stoff ift ei n *, unb
Wa3 wir S to f f nennen, ift nichts SlnbereS, als Äraft, ober eine Sereinigung
bon Kräften, bie ben Sinnen erfcheint als etwas Sanges, SreiteS, 3)ideS,
Schweres, SfepenbeS, SlilbeS, SrennenbeS, fiüblenbeS ober wie fonft noch. $er
Seib ift bemgufolge ebenfalls ein Spftem Pon Perfehiebenen leiblichen firäften,
bie feine Knochen, SDtuSfeln, ©efäfa, Serben, fein Slut unb feine ©afe bilben,
m
40
tthb ttt fbfcnt bUbct cr lehr fdnrofftS ffltgent^cit jtt ben feeRfäett flrdflen, foiu
bem bietet als.tötoft bie. SRßgH^fcit! einet ßrttdnmg feine« 3 uf<nmnen|ange$
unb feiner SBedfelmirtung mit ben feelifden jtrAften, bie i|retfeitS gfeidfo«S>
tote mir gefe|ai laben, grabmeife lecabßnfen in bet fpecißfden gä|igfett, baS
93emußtfein auSjubilben. So betradtet, mirfen beim Kräfte «uf Äräße, unb
je nadbem biefdben biec ober ba im ttebetmaß ober mangelhaft gegeben ftnb,
mitb in golge beS allgemeinen SfuSglddungSgefeieS bet eine ober bet anbete
Shell proßtiren ober Schaben, erleibetw
Sold ein 3ufammen|ang jmifden Seele unb Seib befielt t|atfädßd; bie
©cfldmng biefer S|atfade, bie id nur in furjen Umtiffen oerfndt labe, ge|5ct
Er. ßbuarb 93enele, unb fdeint mit eine in bet inneren mfe* äußern (Erfahrung
begrünbete; met aber eine beffere meiß, bet läffe fle löten.
gd tommenun jur britten mögliden Deutung ber oben gefaßten grage,
ndmlid: Soß bamit bie ßftöglidfeit eine« fefbßftänbtgen 3«*
ßan&eS bet Seele, getrennt bom Seibe, in gtage gefteßt mer*
ben ? Söenn fö, fo bringt uns biefelbc grage julept aud nod auf baS X|ema
ber gottbauer ber Seele nad bem Sobe.
SBhr laßen |ier aße ©rünbe, melde in ©efü|len unb fflünfden beS einjet»
nen 1 gnbibibuumS murjetn, gan 3 außer 93etradt; benn menn aud ber ©ebanfe,
mit bem Sobe aufjulören, gebermann gegen ben Strid ge|t; menn man aud,
ber tiefen Unflulänglidfeiten, 2Jerte|rt|eiten, meinetmegen aud Sdinbereien hn
trbifden Seben megen eint complementdre, meitere unb jmar inbimbueße gort»*
bauer anne|men jn müßen glaubt, fo ßnb baS aßerbingS ganj adtungSmert|e
fubjectite Ueberjeugungen, bie ttna|rfdemlid nod ßliemanbem etmaS gefdabet
laben, aber aflgemetn gültige, objectibe 93egtönbungen fmb e$ feineSmegS. ©S
lönnte bod troß aße« SBünfdenS unb £oßenS ganj anberS fommen, mie’S ja
im Seben häußg genug gefdielt, unb fo märe baS ganje £oßen unb $arren
julelt* bod eine- ßledming o|ne ben 2 Birt|. gm ©egentheil, menn mir ©tiinbe
füt bfe SWöglid^it eines felbftftdnbigen ®efte|en« ber Seele, getrennt bom
Seibe, fuden moßen, fo mäßen mir ße in ber Seele felbß, in i|rem SBefen,
i|rem 2 £ad$thum, in i|ren ©igenthümlidfeiten außuden, um ju fe|en, ob ßd
barauS etma&SebenSfä|igeS ergiebt obetnidt 1 . SBir müßen alfo mieber 3 Ut
(Erfahrung unfere Suffodt nehmen, benn gerabe auf bfe (Erf a| ru ng
baßrt ßd bet materiuKßifdt ©laubl, baß eS' mit bet gortbauer ber Seele nad
tem Sobe «idt$ fei. Äuf melde©tfa|tung? 3tnf biefe : baß alte Seute
m lebet finbifd met ben, ober g a t i n 931 ö b f t n tt
b e t f a n e n , baß folglid augenfdeinlid bie Seele> ober maS fo genannt
metbe> Trtit bem Äötper mfebet berfaße, unb auflöte menn et aus bem Seime
ge|e. (SS iß bieS o|ne greifet bet ßärtße ©runb, ber gegen bie gottbauet
bet Seele borgebradt merben ! arm, menn et m a 1 1 iß. 9Jtan hätte ja bann
baS gtabmeife Verfaßen ber Seele genau fo oot ßd, mie baS beS ÄörperS, eS
todte, fo 3 U fagen, ad oculos bemonßrirt, unb rneht fönnte man bod ßderlid
nidt bedangen. 2)enn aud ber ©nmanb/ baß biele Seute im SHter feine
m
folchem gatte beit ÜBiHen )u .fjülfe, unb manchmal gebt*« bamit auch gan§ nor«
trefflich; allein ein anbermal tbut’8 aud? bet befte ffiüle nicht, wie j. 9. in ben
Suftänben gröjtter Grmübung. Sa fehlt’« alfo an Gtwa«, ba« biefe ßrregung
febafft, unb ba« fmb bie elementaren Sermögen bet Seele, bie ft<b in golge Bon
äußern EReijen butch Serfcbmeljung bamit ju fmnlicben ©mpfinbungen unb
SBabmebmungen auSbilben, ober aber Von Seelengebilb ju Seelengebilb
überftiefsen, unb fo bie innere ©rregung nach bem ©efefce bet 2lu«glei<bung be*
Wirten. Sie ftnb bie ©rreget, unb wo fie fehlen, tann natürlich auch leine ©r»
regung ober Sewufitbeit ftattfinben, wie ftarl auch bie ju etregenben ©ebilbe an
ftch fein mögen. Sie« erflärt benn voUfidnbig bie vorübergebenben Schwächen,
ober StumvftnnSjuftänbe, in jeber SebenSveriobe; fie treten in golge be« Ser«
brauch« unb confecutiven SÄangel« elementarer Vermögen ein, unb fie hören
wiebet auf fobalb biefe elementaren Vermögen wieber erfefct ftnb, wo« gewöhn«
lieh mähtenb eine« gefunben Schlafe« gefchieht; fte finb alfo burchau« nicht eine
Schmähung ber bereit« beftebenben Seelengebilbe felbet, fonbern blofieStodun*
gen in ber 58 e w u ft t w e r b u n g biefer Seelengebilbe Hn golge beS-3Jtan«
gel« an elementaren Sermögen ober SemufjtfeinSelementen. — Siebe ftch nun
beweifen, baf} im gortfebritte be« Seben« nach unb nach ebenfall« ein ÜRangcl
an folgen SewufjtfeinSelementen eintreten mübte, fo würbe bamit jugteich auch
bie 3;batfa<he be« Slöbftnn« im 3llter erflärt unb beroiefen fein, bab berfelbe
nicht in einer Schwächung, in einem SerfaH ber Seelengebilbe feIb e r,
ober b e« inn ern Seelenfein«, fonbern eben nur in einer SW a n «
gelbaftigleit ber Sewu&twerbung biefer Seelen«
gebilbebeftdnbe.
So lange nur wenig fefte ©ebilbe norbanben ftnb, fo lange werben auch
hur wenig elementare Setmögen gebraucht werben, um biefe ©ebilbe jur nötbi«
gen (Srregtbeit ju fteigern; bie meiften Sermögen bleiben frei jur Aneignung
duberer SReije, b. b. jur Silbung von ftnnlichen ©mpfinbungen unb aBabrneb»
mungen. 3n folchem galle befinbet fuh ba« fiinb, ba« fuh noch ganj ben du»
bem ©inbtüden überläbt unb nur aufnimmt. Ser Jüngling fängt fchon an,
ba« Slufgenommene mehr felbftftänbig ju verarbeiten, b. b. höhere unb höbe«
ffiegriffe ju bilben, unb in ben mannigfachften Urtbeilen, Schlüffen tc. ju ver*
wertben. Sei ihm werben alfo fchon weit mehr biefer elementaren Sermögen
jur inneren ©rregung be« bereit« Geworbenen verbraucht. 3« noch höherem
3Rabe ift bie« im 3Banne«alter bet gaH. Ser gereifte 3Wann befchäftigt fi<h
am liebften mit bem, wa« er bereit« errangen, unb e« hält fchwer, ihn au« bem
gewohnten ©eleife feiner bisherigen Gntwidlung in neue gächer ber Unterfu«
ebung hinüber ju leiten, jumal wenn er baburch mit feinen bisherigen Ueber«
jeugungen in Gonflict geratben follte. Saturn finben wir auch in biefem Sllter
ein oft fo bartnädige« Sebatren im gewohnten Scblenbrian. Seim ©reife ift
bie« 2lHe« noch bei weitem mehr ber galt, bem ift faum mehr mit etwa« Steuern
beijutommen; er umfruftet ftch gleichfam gegen bie Slujjegwelt, unb lebt mehr
in ber Sergangenbeit, ai« in ber 3ulunft. SluSnabmen werben jugeftanben.
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SBie erfldten fidf nun biefe (Srfcbeinungen?
©Denn Volitifer jufammen lontmen, fo brebt ftcb ihre Untergattung um
$olitif; SBafcbweiher erjählen ft<b »on biefer ober jener Vafe, nnb toie biefe
ober jene biefeS ober jenes gejagt habe; üaufteute fprecben oom geftrigen (Mb»
courS, unb bie Solbaten non ben 6<bla<bten, bie fte mitgemacht haben. 3 n
Ulten tnirb baS »orjugsweife bewubt, was am jt&rljten
in ihnen begtünbet ift, unb ba ,ju fotdjet Vewubtwetbung immer
elementare Vermögen nöthig ftnb, fo tann man auch fo fagen : Sie
elementaren Vermögen merben am meiften non.ben
ftärlften Seelengebilben angejogen. So erltärt fidh’S, bab
ber ©reis mehr in bet Vergangenheit als in ber ©egenmart lebt, bab bet ge»
reifte SDtann ftcb auf bie Verarbeitung unb Slnwenbung beS non ihm (Stiemten
befcbrdntt unb nur mit größerer 211% etwas 9teue3 ftcb aneignet, tnährenb ber
Jüngling unb noch mehr baS Äinb mit Seicbtigfeit ftcb neuer (Sinbrüde bemei»
ftern; benn hi« pub bie elementaren Veftnögen frei für fotcbe Stneignung,
todbrenb in ben erftem gälten biefetben jum groben ©heile jur (Srregung bet
bereits erworbenen Seelengebitbe »erbraudjt werben. GS; bewirft fo»
mit bleim gortfchritte beSSebenS junehmenbe
Starte berSeetengebitbe eine Stb nähme in bet
Vilbung neuer (Smpfinbungen unb SBahr n e hmun»
gen. ©arauS folgt aber noch mehr. Sold) eine Slbnahme in ber Vilbung
neuer (Smpfinbungen unb SEBabtnebmungen tann nämlitb nicht ohne (Sinflub auf
bie Slnbilbung jener elementaren Vermögen fetbft bleiben. 9lun ift jwar bet
VilbungSptojeb biefer Vermögen fowohl unferer inneren wie äubem SBabmeb»
mung entjogen, wir Riffen butdjauS 9M<bt8 barübet, wie biefe elementaren
Vermögen ftcb bilben; aber aus betfcbiebenen ©batfadben fönnen wir wenigftenS
fchtieben, bab ber $erb für bie Slnbilbung neuer Vermögen getabe bie ftifthen,
neuerjeugten fntnlichen (Smpfinbungen unb SBabmebmungen feien.
Solcher ©hatfachen giebt eS biete, gebet weib, bab ber erfte ©ag einet
gubreife biel mebr ermübet, als bie barauf folgenben. Silier Slnfang ift ferner,
fagt baS Sprichwort. Vtan benfe an bie anftrengenben Veobachtungen mancher
Staturforfdher. 3Bie balb würbe ber Sieuling ermüben, unb hier ft|t bet ©eübte
unb betaufdht Stunben unb ©age lang bie felnften unb Harften Vorgänge unb
guftänbe biefer ober jener Staturerfcheinungen. Vlit ber Uehung wächf’t bie
Jfraft. ©3 fcheint bentnacb, bab gerabe ba bie meiften neuen Vermögen fidp an»
hilben, wo bie. meiften ju ftnnlicben (Smpfinbungen unb SBabmebmungen »er*
braucht worben fmb. SBenn nun aber, wie wir gefeben, im gortfchritte beS
SebenS in golge beS-innem SBadhStbumS ber Seetengebilbe an Stdrle, gerabe
\ biefe Vilbung »on neuen (Smpfinbungen unb SBahmehmungen befdbränft
wirb, fo folgt, bab hierdurch auch eine Verminberung in ber Slnbilbung neuer
Vermögen eintreten müffe.
gubern lehrt bie (Erfahrung, bab alte Seute fetten b a 8 lange behalten,
WaS fte fo eben ober oorßurjem gefeben ober gehört haben, bab fte bagegen mit
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großer Seichttgleit a&ed beffenffch entfernten, unb j»ar bid ja ben ttdnften
JUetnigteiten herab, »ad fie i» i^oer Sugenb edebt haben» Ed fdjeint bemnach
bie Slnbübungneuer Bennögen, ft »ett fte überhaupt noch gefehlt, auch nicht
mehr in ber f t fcb er n & t d f t i g t e it ja erfolgen» Sonach »erben im 3ort*
dritte bed Sehend ber elementaren Vermögen immer wenigere unb bie neuan=
gebilbeten merbcn immer fcfc»d<het. ( Beruht auf ihnen aber bl» Erregtheit ober
Bewußtheit ber Seefengebi&e, bürfei* mir und bamt.tto<jh »umbern, wenn
bei ihrer Abnahme auch bet; ®eba*tenlau$ minber rafch, minber umfangreich er*
folgt unb gulefct auch bin griftoeiChfte Seele. nur einzelner wattige ©ebilbe in ber
Bewußtheit erhält?
Urnb bariit befielt bet Blöbfinn bed SUterd.
Er ift bemnach burchaud nicht ein Verfall, eine Abnahme
ber befrehenben Seelen geh i Ibe felber, fonbern nur eine
Stocfung in ber Bewußtwe?bang btefer Seelengebilbe
in golge bed 2Rangeld an Bewußtfeindelementen, welcher 2Jlangel gerabe burdh
bad ßetige Söaebdthum biefer ©ebilbe an innerer Starte bebingt ift»
3)er Blöbßttn bed SUterd ift bemnach oollftdnbig analogmit jenen borüber*
gehenben Schwddueguftänben, bie mir in jeber Sebendperiobe gu beobachten ©e^
bgenheit! haben, nur baß er anbauetnb ift, »eit feine Urfacbe — bad
SDachdthum bed inneren Seelenfeind au Starte — fuh nidht tütfgängig machen
laßt, fonbern ftetig fortfehreitet. 2Bte »eit aber jene Bewußtfeindelemente aud*
reichen, fo »eit bringen fte auch immer »ieber gerabe folche ©ebilbe in bie
Bewußtheit^ bit oetmöge ihrer inwohnenben Starte auch bie lebten elementaren
Vermögen noch an ftch reißen» S)ted ftimmt bollftdnbig mit ber Erfahrung
iberehu So »irb. bon Amt erjählt: baß er in ben Suftänben feiner hochften
6ch»d<he, »o er fich über bie gemeinten 5)inge nicht berftänb ließ audbtücfeti
tonnte r über ©egenfiänbe ber pbbftfchßn ©eographiß, BaturgefchiChte unb Che¬
mie, fowte überhaupt über gelehrte ©egenftänbe, gunt Erftaunen richtige unb be*
ftimmte 2tnt»orten gegeben habe» 2ßare bad möglich gewefen, »enn fein in*
nered Seelenfem, bie erworbenen Seelengebilbe felber, bem Verfall Breid gege*
ben gewefen wären ?
S)ie materialiftifche Slnfuht, baß bie Seele mit bem Selbe berfaUe, »eil
cdte Seute »ieber tinbifch »erben ober gar in Blöbftnn oerftnfeit, gehört bem*
nach gu ben unboüfommenen Beobachtungen unb ift folglich nicht »a$r.
©ne genaue Beobachtung lehrt: 3)ie Seele verfällt nicht mit bem
Seihe, fonbern ift in ft et i gern SBadjdthum an innerer
Starte bid an’d Sebendenbe hiaaud begriffen. 5)ad tft’d,
»ad ich gu beweifen hatte.
SBad ftch bataud für bie üUlögltchfeit eined felbftftdnbigen 3uftanbed ber
Seele, getrennt bom Selbe, folgern laffe, bad »olle ftch ein 3eber gefdlligft fei®
ber gurecht legen.
Schließlich erlaubeich mir-nur noch hingugufügen, baß Berfcßtebened, »ad
ald ©lieb gut Be»wdfiUpung ; nöthig. war, in biefem Ertitel nur oberflächlich be*
Die by LjOOQle
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Tort, »obie ©drge reben, Jebet ©tefn
Ten SRubm, bie ©röjje eines ©olfs nerfünbei*
©or meinem Huge lagen !(ar unb b*H
Tie ftebenbunbert nun begrab’nen 3afcre
©eitbem bet erfte Ouaberftein gefügt
ßinft »arb §um Tempel hier beS böcbften ©oüeS}
ßu Settern, fteftg fab ich ringsum »erben
Tie Sarcopbage, bie in Stein unb Starmo*
$iet eingebaut bie STOufe ber ©ef<bi$te.
3n langen ©eiben »allen fte borüber,
Tie lobten ber 3abt*bunberte, ber 9Jtöncbe
Unb ber Tecbanten üppig ftotye Schaar,
3« jebem ßug bie »anbelnbe ©rabenbe;
2lu<h manches ÄönigS reicher £ei<hen$ug,
Ter Tempelritter ernfte, tapfre Schaar,
2Rit ©annern, »ebenb, unb mit Schmettern, Hirrenb,
Tie ihren Heinrich an bie ©ruft begleiten.
TeS britten ©buarbS Schilb unb Sch»ert ergldnjt
3n altem blut’gen Schein auf feinem ©rabe,
5US trdf mit güfcen noch ber Seoparb
TeS ftoljen granfreichS bebte Driflamme.
TeS fünften Heinrichs löniglic&er ßug
ßur ©ruft »aüt bort borbei, ben Sllepanber
^Britanniens in’S enge ©rab ju betten,
Ter ftolj entfchlief im lebten SiegeSraufche;
2Rir beucht, als »anble galftaff mit einher,
Tet fchnbb Verbannte, beibe Tbrdnen »einenb.
Unb jenes ©atafalfeS reiche Fracht:
©S birgt fein Sarg baS gröfjte ffieib ber ©ritten}
Turnpf murmeln bie Techanten bie ©ebete
Ter Tobten um ben Staub ber Königin;
ßum ©rachtbau Heinrich TuborS gebt ber ßug,
TaS ©rab ift offen, in bie Tiefe fteigt
Ter Sarg, bie Stricte tnarren; bßtft bu nicht
SluS jener naben ©ruft ein tiefes Seufzen,
HuS jener ©ruft ber Schottentönigin?
TaS Opfer bei&t bie 2Rörberin »illfommen
ßum langen Schlaf an ihrer S<h»efter Seite,
Ter blutigen tatbolifchen Staria!
©orüber »aHten immer neue Schaaren;
©S gab baS 3)lcer bie Tobten »ieber, bie
gür ©nglanbS ©ubm im ©ulnerbampfe fanlen
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8ur 33efe nteber; eine lange JReibe
3)et Slbmirale, beten glagge Sieg
3n jebem Sfteere einft uerlünbet; gelben,
2) te beS GarnatidS flotte gürften fähigen,
5)er dritten gabne pflanzen auf ben SBaH
SeringapatuamS unb SJtiforeS, bie
©n Sieicb erobert, baS einft toiberftanben
5)eS üDtacebonierS lampfgeübter $^atan;«
Unb $alaoeraS, SalamancaS Sieger,
$iet ruben fte im Sßantbeon beS gelben ;
S)er Ouebedftürmer, ben ber $ob entrafft,
SllS bie Trompeter bie Victoria bliefen;
3) ie ftoljen Sdjlacbtennamen, Gbtentage
2)er britt’fdjen SBaffen, non ber Vlenbeimfcbfcubt
3}iS bin ju jenem SRiefenfturj, ber ft<b
3ta<b Waterloo benennt.
3a ! §ier ift ©iglanb!
Sluf feinem Sodel fifct ber grobe 3faw,
$)er einft bie Sonne mog auf feiner SBaageJ
S)ort in ber greibeit Slrrne fterbenb fmlt,
S)eS langen Kampfes mübe, goy, ibm rubt
gu guben ber befreite Silane; SBUberforce
SluS jenem Söinlel lächelt $u bem gteunbe.
Unb um fte ber bie gelben beS ©ebanlenS;
Vor Sillen ftrablt in marmorglei<ber Schöne
S)er grobe Sßilliam mit bem flogen Säcbeln,
gu beffen güben mich ber Sraum umfponnen
3m üDtaufoleum einer Station.
3a ! $ier ift Gnglanb !
$aS meerumgürtete, baS feinen SJreijad fdbmingt
Sluf allen Dceanen, beffen Sßfabe
S)ie SBogen lübn burebfurtben, beffen $eimatb
Stolj auf bfcr SLiefe, beffen freier Voben J
Stets baS Slfpl beS glücbt’gen unb Verbannten/'
25aS feine betten lennt unb leine ©eifjel,
Starin bie greibeit ibre glügel fcbtoingtl
3)o<b a<b!
®n S)onnerf<blag burebfebüttert jab SBeftminflerl
©S ift, als bebt in feinem tiefften ©runbe
Ster Ouaberbau, als löf’ten ftcb bie geften
S)et ©be, unb als fcbmanle auf ben SBogen,
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ffion intern Änlergtunbe loSgeriffen,
Die ftolje 3nfel in bcn Sturm brnuuS.
ffiermorr’ne Stimmen Hingen am ®en>5lbe:
Der filageruf jertret’ner Stationen,
Dämonie ftl&be, ^o^te Sterbefeuf jer,
Der 6$aU ber ©eiM auf bem nadten Rüden
DeS untermorpnen SnbierS; au« aßen liefen
Del DceanS,au3 SMionen ©rdbem
Die halb erftidte Stimme einer nun
©egrab’nen 3eit, bie auf jur greibeit ftrebte
Unb fdbeiterte an jenen flreibefelfen,
GnglanbS lalt glifcernb eifge ShtrmeStoebre;
Des eig’nen ©olfeS fieibens tiefer Don,
Der marlburdjbringenbfte ber Sammerlaute,
Unb GnglanbS Glenb jümenb trat heran
Sin GnglaubS Ruhm.
Da
ffierbüHt fein Knttifc tief, ad>! Silberforce,
3m Sdboob ber gefeit fd?liefjt baS Äuge gof,
Unb über Panning« höbe Stirne siebt,
Sie Sdjatten, leis ba$ nabenbe ©erbängnij»;
. Dodb unerfdjüttert ftebt ber jmeite ©itt,
Halt ift fetn 2Ratmor, mie fein £erj im Sebcit.
v Unb nun
Gin falber ©tife burcbleucbtet ba$ ©ebäube,
Die Dbür bon Grj fpringt auf, ein £au$ beS Sebent
. Dringt in bie Dobtenlammer, fummenb brauft
Siel taufenbftimmig ein gemalt’ger Qfyot
ffion Stimmen bin unb mieber, wie ein 9Jtee? #
Stocb obn’ be$ Sturmes taute Dominante;
Unb tief beroor bprt tritt ein büftrer Rtann,
GS gittern in ber ©ruft bie Könige,
Unb in beS ftebenten £etnri<bs ©radjtcapelle
ffiirft er ein JtönigSbaupt, unb bumpf erbrobneno
$a(lt’ feine Stimme tmeber an ben SJiauem,
ÄlS jenes eine 3Bort er rief, baS einjt
ffion einem ©lutgerufte nieberltang,
DaS eine*2Bortt Eemember!
SobTbetannt toar mir
Der SWann; in meine Drdume mar er oft
$inabgefttegen; ja! ba$ bittre Äntlty,
Die SBarjc über feinen ©rauen, Grnft
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merben, baS fuh an feine ®efchi<hk fnüpfte. ©isher, unb §mar feit bem langen
Seitraum, ber feit bet Abntiniftratiou SMabifon’S verfioffen ift, mürbe ben
Offtcieten, bie nach einanber ju ©Ämtern beS Unglüdlichen gemacht maren, baS
©hrenmort abgenommen, bab fte nichts über ibn fagen, nichts über ihn berieten
toodten. 2BaS über ibn na$ ffiafbington rapportirt mürbe, tbeilte baS SooS
bet übrigen Archive, als 5Ho^ bie öffentlichen ®ebdulichleiten ber ©unbeS*
bauptftabt verbrannte, ©net ber tüdjtigften Seeleute jener 3eit — cS mag
Suder ober ÜEBatfon gemefen fein — mar bamals Solang £ütet; aber als er
nach ffiafbington jurüdfehrte unb bem dJtorineminifter feinen ©ericht erftattete,
fanb er, bab man bort KolanS Angelegenheit gänzlich ignorire. Ob man mir!«
ti<b nichts Von ihr muftte, ober nichts von ihr miffen modle, baS ift mir unbe*
lannt. So viel ift aber gemib, bab feit 1817, unb vielleicht febon feit einigen
Sabren vorher, lein glottenofficier ben Kamen KolanS in feinem Kapport
nannte.
Aber, mie oben gefagt, bie Sache braucht nicht Idnger geheim gehalten
|u merben. Kun Kolan tobt ift, mag feine ©efcbichte nupbringenb fein, unb
fo miH ich benn erzählen von bem Ktanne, ber lein ©aterlanb befab.
©n recht frifchet unb verfprechenber ©urfch mar ©hilipp Kolan, als er
fuh ber „ÜEBeftlichen Segion" anfchlob, mie bamals bie meftliche Sioifton un*
ferer Armee genannt mürbe. Als Aaron ©urr jum erften ÜJtol ben Süben
befuchte — eS mag 1804 ober 5 gemefen fein — rnodte ber 3ufad es fo fügen,
bab er Kolan’S ©elanntfchaft machte unb an bem fchmuden, intelligenten jungen
Dfficier ®efaden fanb. © näherte ftep ihm, ging viel mit ihm um, nahm ihn
mit fuh aus unb gemann baburch fein £etj. 2)aS flafernenleben mar für Kolan
fortan unertrdglich. häufig fchrieb er an ©urr, benn baS mar ihm von bem groben
$erm gndbigft geftattet morben. Sange, fcpmülftige ©riefe fchrieb er, lorri*
girte fie forgfdltig unb übertrug fte bann ins Keine, um auf ©urr nur
ben beften ©nbrud §u machen. Aber niemals erhielt er eine Antmort von
feinem ©rotettor. Sie anbem Officiere nedten ihn, meil er feine 3«t folcben
Äunbgebungeit unermfeberter Anhdnglichleit für einen von ihnen eben nicht fehr
geachteten ©olitifer opferte, mdhrenb fte biefe dJhtbeftunben burch Äarten* unb
SBürfelfpiel auSfüdten; aber eines SageS feierte Kolan hoch ben lang erhofften
Sieg. Koch einmal erfchien ©urr unter ihnen, hoch bieSmal nicht als ©olittter
ober harmlofer Keifenber, fonbern als ber Söme beS SageS. Kachbem er ade
möglichen Anfechtungen überftanben, mar er jept ba — hinter ihm ein grobes
£eer, mie bie Santa fagte, Vor ihm ein äaiferreich. SBohl mar bieS ein
grober, ein bebeutungSvoder Sag für ©btüpp Kolan. ©urr mar laum ange*
lommen, als et ihn fchon holen lieb. AbenbS fpeifte Kolan bei ihm unb fpater
gingen bie ©eiben im beden Ktonbenfcpein fpajieren. Als fte jurüdlamen, mar
©pdipp Kolan ein verlorner SKann, gehörte mit Seib unb Seele bem argen
©erführet, mar bamals fchon, obgleich er eS nicht mubte, beimatploS.
2EaS ©urr eigentlich im Schilbe führte, meib ich fo menig mie bu, lieber
Sefer. Aber als bie grobe äataftrophe enblich erfolgte, als ©rdfibent Sefferfon
mit gebarnifchter $anb barein fuhr unb jenen großen $o<htewutbSprogeb gu
Richmonb ab^alten lieh, ba folgte man auch bort unten am SRifftfftppi bie*
fern Veifptel burch eine Reihenfolge oon Kriegsgerichten über bie minbet
prominenten Verfönlichfeiten, melche an Vurr’S Programm mit gearbeitet. (Sin
Ober ft mürbe nach bem anbem progefftrt, unb um bie 3ubl ooß gu machen, gog
man auch Philipp Rolan gur Verantmortung. ©ott meih, eS mar 3eugnih genug
gegen ihn oorbanben. 5)afj er beS 2)ienjteS fatt, bafi er ihn gern oetlaffen, bah
er ber Fimmel meih mobin marfebirt märe, um fuh in Stüde bauen )u laffen,
menn,eS nur gebieten hätte: Ruf Vefebl Seiner (Syceßeng Raron ©urr’S, aßeS
bie3 mar Har mie baS Tageslicht. 2)ie berborragenberen Rnrü(bigen mürben 1
frcigefprochen, bie unbebeutenberen oerurtbeilt. So au(b Rolan. 2)o<h man mürbe
mobl niemals mieber oon ihm gehört haben, menn er nicht in einem RnfaH oon
Vergmeiflung über baS ihm SBiberfabrene auSgerufen butte, als baS KriegSge»
rieht bie übli(be grage an ihn fteßte, ob er burch fein früheres Verhalten im
S)ienft ber 58er. Staaten ein milbereS Urtbeil gu beanfpruchen gebenfe:
„3um Teufel mit Suren bereinigten Staaten! 3$ moKte, i(b hätte nie oon
ihnen gehört, fdhe fte niemals mieber.* — (Sr muhte nicht, mie bem Votfiben»
ben beS Berichts, bem alten Oberften Rtorgan, biefe SBorte ins #erg fuhren. Tie
meiften ber Ofpgiere, bie bort im ©ericht bei ihm fafcen, hatten ben Repolu»
tionstrieg mitgemaebt unb ihren $als für baS Sanb ristirt, melcheS Rolan
eben oerflucht butte. (Sr babingegen mar auf einer Plantage ergogen, bort im
Sübmeften, mo baS „fpanifche (Komplott" unb baS „Orleans Komplott* bie
#auptepochen in bem Sehen ber Veoölferung bilbeten, mo er höchftenS gumeilen
einen frangöftfehen ober fpanifchen Offigier fab, unb mo ber Rame „Tic 58er*
einigten Staaten" bamals faurn noch gu einer Realität gemorben mar. (SS ift
mahr, biefe „Vereinigten Staaten" hatten ihn genährt feitbem er in bie Rrmee
getreten, ihnen hatte er Treue gefdjmoren, ihnen gehörte bie Uniform, melche er
trug; uub baS Schmert an feiner Seite, ja, es mar nur metl bie „Vereinigten
Staaten" ihn gu einem Vertrauens» unb ©brenpoften erhoben, bah Raron
Vurr fleh für ihn mehr interefftrt hatte als für ben Vootfübrer, ber ihn ben
Rlifftffippi herabgebracht. 3<b miß Rolan nicht in Schub nehmen ober ent»
fcbulbigen; ich miß nur geigen, mie er bagu tarn, fein Vaterlanb gu oerfluchen,
unb ben SBunfch gu duhern, bah er niemals mieber oon ihm hören möge.
' Unb nur einmal in feinem Sehen hörte er mieber oon ihm. Von'jenem
SWorftent bis gum Tage, mo er ftarb, traf ber Rame feines VaterlanbeS nur ein»
mal mieber fein Ohr. Ueber ein halbes 3ab*bunbert mar er ein £eimatb*
• lofer,
Ter alte SRorgan mar tief erfchüttert. (Sr lieh bte Rtitglieber beS Kriegs»
gerichts in fein Vrioatgimmer treten, um ft<h bort gu berathen. RlS fte gurücf»
tarnen, mar Rtorgan’S ©eftcht meih mie bie 2Banb, unb er fagte :
„Rolan, hören Sie baS Urtbeil beS Kriegsgerichts. (SS ift bieS, bah
menn ber Vrdftbent bagu feine ©enebmigung giebt, niemals mieber ben Ramen
ber 58er. Staaten hören foßen."
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SRolanlacbte butt auf, aber Jtiemanb tackte mit ihm. $er alte 2Jlorgan
fptöd) gu feierlich, unb mdbrenb feine bebenben Sippen ba3 Urtbeil bertünbeten,
batte man eine Kabel gu ©oben fallen hören iönnen. 2H3 ba3 belachter bei
23erurtbeilten erftorben, fuhr SWorgan.fort:
»Klan führe ben befangenen nach Kem*0rlean3 unb übergebe ibn bem
bort tommanbirenben Sl°ttenofftsier."
Kolan mürbe fortgefübrt. 2113 er ben Saal berlaffen, rief ber Oberfi ben
hxnbebabenben Offizier ^urüd.
„©3 barf Kiemanb ben -Kamen ber bereinigten Staaten in ber ©egenmart
beS befangenen nennen", fagte er. „br ift fofort auf ein firiegSfchiff gu brin*
gen, unb c3 barf nicht gu ibm gefprochen merben bis fcbriftlicbe befehle für bie
bebanblung biefeS ÜKenfchen eintreffen."
3<h glaube, bah Oberft SWorgan perföntich nach ffiafbington ging, um
über ba3 Urtbeil Kolan’3 genauen 23eri<ht gu geben, ©enug, ber $rafibent
billigte e3 unb gab feine Unterfcbrift. 23ebor ber „KautiluS", auf ben ber
SBerurtbeilte gebracht, bon Kem*Orlean3 bie norbatlantifche üfte erreicht, batte
Noian lein 23aterlanb mehr.
2113 ich breifjig Sabre fpdter gmeiter Sieutenant auf bem Sntrepib mar, fab
ich ba3 Original ber Snftrultionen, bie auf Kolan 23egug batten. Sch baba
immer bebauert, bafi ich nicht gleich eine 2lbfcbrift nahm, hoch lauteten fte fol-
genbermaben:
3ftont*gomerp, 9. 2>ecember 1807.
Klein £err!
Sieutenant Keale mirb einen gemiffen $bilipp Kolan, früher Offigier in
ber 2lrmee ber 23er. Staaten, Sb^r Obhut überliefern.
Serfelbe bat, mäbrenb ein Kriegsgericht über ihn abgebalten mürbe, ben
mit einem $lu<h über fein 23aterlanb begleiteten SBunfch geäußert, bafj er nie*
mal3 mieber bon ben 23er. Staaten hören möge, unb ba3 bericht bat e3 für gut
befunben, biefem SBunfch benüge gu leiften.
2)em Ktarineminifterium ift bie 2tu3fübrung be3 babin gielenben 23efebfe
be3 $rafibenten gemorben.
Sie merben baber ben befangenen auf Sh* Schiff nehmen unb ihn bort mH
allen 23orfi<ht3mabregeln gegejtt einen gluchtberfuch umgeben. S)ie einem Offt*
der feines früheren langes gulommenben Kationen ftnb ihm gu berab*
reichen, mie auch bie nötige Reibung. S)te Offigiere 3b*e3 Schiffes lönnen,
fo meit e3 ein gefelligeS 3nfammen!ommen mit bem befangenen betrifft, gang
ihren-Neigungen folgen, hoch ift es ber SBunfch beS Jßrdfibenten, bafc ihm"
leine entebrenbe 23ebanblung metbe, unb bafc man ihn nicht unnötiger SBeife
baran erinnere, bab er ein befangener ift.
2iber unter leinen Umftdnben barf in feiner ©egenmart bon ben23eteinig*
ten Staaten gefprochen, Ober ihm 2lu3funft trgenb melcher 2lrt über fein frühem
reS SBaterlanb ertbeilt merben, unb Sie merben bie SchiffSofpgiere nicht allein
m
WM
beauftragen, btefe Siegel unter leinet ©ebtngung ju fiherfchteittn, fottbem
ihnen au* ein buwh Ghtentport oerbürgteS ©er[pte*en ju biefem 3»ed abnelj*
men.
®ie ©egierung wirb bafür forgen, ba& ©olan fein ßeimathlanb niemals
wieberfebe. ©eoor Sie oon 3b«* jefcigen Senbung jutüdlebren, werben Sfcnen
©»fehle iutcmmen, wel*e biefe 3lbf«bt in ©uSfühtung bringen »erben.
gür ben ©icmnetninifter
SJL © outbatb.
SBenn i* bie übrigen biefem ©tiefe angebefteten ©aptere hätte butibfeben
tonnen, fo würbe ft* leine 2üde in meinet ©ef*i*te einftellen. 3* fann
aber je|t nur bie ©ermutbung .auSfpte*en, ba& ber Jtapitain beS ©autiluS
benfelben ©rief beS ©latineminiftetiumS feinem ©a*folgereinbänbigte, unbbaS
Schreiben bem unglüdlühen ©olan auf jebeS Schiff fotzte, auf baS er Perfekt
würbe. ®er gühter beS Sepant mag eS wohl noch jefet beftpen.
Slber auch baS Softem ber ©ebanbtnngSweife beS (gefangenen perpflanjte
»on Schiff $u Schiff. Äeine ber Sif*genofienf*aften, in welche baS Df»
•fjiercorps fub tbeilte, mochte ihn als ©aft bei fub f«ben, benn in feinet ©egen»
wart burfte man nicht Pon ber £etmatb fpte*en, nicht Pon ©olitil ober ©tiefen,
nicht Pon geieben ober Stieg, ©egenftänbe, bie hoch faft allein ben Stoff jur
Unterhaltung auf hoher See abgeben. »ber fte mochten ihn auch nicht fo ifo»
litt, fo neriaffen baftehen taffen, unb fo lara man, benn auf ein Spftem überein.
JßcntagS fpeifteer in beS SapitaiuS Safüte unb an ben anbem Sagen mit einet
heftimmten £if*genoffenf*aft. Buweileu luben ihn au* bie SRatrofen ju einer
ihrer Beinen geftli*leiten ein, unb er ging bann in ©egleitung eines DffoierS
bahin, na*bem eS ben Seuten noch ootbet eingefchdrft war, nicht Pon ber £ei»
math ju fpreeben. Gr war f*ü*tern unb jurüdbaltenb gegen bie SWciften,
boch batte er fpätcr auch feine Sieblinge, unb non biefen war ich per Pon ihm am
meiften ©eoorjugte.
©alb nachbem ich auf bie gregatte tommanbirt war, gingen einige ber
Unfrigen mit mehreren Offneren beS ©ranbpwine, ben wir Por SUejanbria an»
getroffen batten, ans Sanb, um einen längeren Urlaub jum ©efuch bet ©pra»
miben ju benufcen. ffiaS ©efprä* lam auf ©olan, btt, weil eS ihm niemals
erlaubt watbaS Sanb ju betreten, auch iefct jurüdgeblieben war, unb bem man
bafür baS innigfte ©ebauern fchenlte. SRan fptach Pon bem ftarten, unbeug»
famen Spftem, baS feiner ©ebanbl«ng ?u ©runbe tag, erjagte Pon ben ©ü»
ehern, bte man ihm leihen burfte, wenn fte nur nicht in ©merila gebrudt waren unb
nichts über unfet ©aterlanb enthielten, oon ben europäif*en Bettungen, bie man
ihm jufommen lie| nachbem fie erft einet grünblichen Genfur unterworfen wag¬
ten unb man febe Beile juoor auSgefchnitten hatte in welker Pon bem ©ater»
tetianbe bte Siebe war. ©echt in bet ©litte Pon ben »eriebten übet ©apoteon’S
grof,e Schlachten, ober auch in ben intereffanteften »heilen ber ©eben GanningS
hatte ber arme ©otan bähet juwtilen ein So* gefunben, weil auf ber ©üdfeite
oielleicht ber Slawe feines fjeimatblanbeS genannt, ober bie ©a*ri*ten oon
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jenfettd bed groben Dceand, bie ein angefommened Schiff gebraut, bort ge*
brueft waren. 5)ted war bad erfte ÜDtal, bah ich 9töhtttö über bie Sebanb* '
lungdwetfe, welche üRolan erlitt, ^örte. 3<h erinnere mich beffen um fo beutlrchcr,
ald ShiHippd, ber bie Partie mitmachte, und bet btefer Gelegenheit einen Sorfafl,
ber 5Rolan betraf, mittheilte, welker ftch om Gap ber guten Hoffnung jugetra*
gen, wohin ber Gefangene auf bem ÜRautifud feine erfte SReife machte. Unfere
Sorbette war bort mit englifchen Äriegdfchiffen jufammengetroffen, unb bie Df»
fixere hatten eine fo enge flamerabfehaft gefchloffen, bah bei ber Abfahrt einer
ber Gngldnber bem guten ShiHipP^ eine Strahl Sücher oerehrte, etnd ber
Iiebften Gefchenle, bie einem Seemann gemalt werben fönnen. Sfout wollte
ber leibtge 3ufall ed aber, bah barunter auch einige oon SBalter Scottd SBerfen
waren, namentlich auch „$ed 2Rinnefängerd lefcter Sang," welcher für bie Gng*
lanber feine Bonität, für unfere jungen aber gan$ neu war. Shaw lad bie
Sucher in höchjteigner Serfon oon 21 bid 3 burch, benn er muhte wohl, bah fte
fpdter in 5Rolan’d $dnbe fallen Würben, meinte aber, fie feien gan$ harmlod,
obgleich ShiHippd mir einft unter oier 2lugen jufchmor, bah berfelbe Shaw bem
Shafefpeare'fchen Sturm ald Genfor fütf ÜRolan oerwarf, weil, wie er fagte, „bie -
Sermuben eigentlich und gehören mühten, unb bei allen ^eiligen, auch einft uit*
fer werben würben." Gd war üRolan baher ftidfehweigenb geftattet, fich bei un»
fern Offneren auf bad Serbecf hinjufehen ald fte gurüdlehrten unb fldh bur<h
Sorlefen ber neuen 2Ber!e unterhielten. $eut S u 3^9* utag ed auf unfern
Schiffen anberd jugehen, bamald aber hielt man ed nicht für unpaffenb, ftch auch
etwad auherbalb bed gachftubiumd ju halten. Gut; enbtich fam benn bie JReihe
bed Sorlefend an 9tolan. deiner oon ben Unfrigen fannte bad Such; nur bad
muhte man, bah ed pure giftion war unb über eine 3eit hanbelte, bie wir um
jehntaufenb 3ahre hinter und hatten. Gr lad unb lad, nahm einen £ruof
SBaffer unb lad bann wieber, bid er auf folgenbe Stelle fam:
So leer wirb hoch ein $er$ nicht fchlagen,
Sah nimmer foHt* ed §u ftch fagen.
Und, benen biefoStrophen fo heimifch Hingen, fcheint ed pofttio unmöglich,
bah man fte überhaupt sum erften 2Ral gehört haben lönne, aber fo war
ed bennoch mit ben Offneren bed SRautilud. 2luch Ulolan fuhr mechanifch
lefen fort, ald miffe er taum um mad ed ftch hanbele:
„2)ied ift mein theured Saterlanb!"
3tun fühlte 3eber, bah bahtnter noch mehr ftanb. SCber 3tolan, obgleich
er etwad blaffer würbe, fuhr bennoch fort:
„255em Hopfet ftürmifch nicht bad £er$,
SBenn er bie Schritte heitnathw&rtd
Gewenbet hat oom fremben Stranb ?
Giebt’d einen Solchen, merft ihn Guchl
SCId er fo weit getommen, hätten 2Ule ben $ald barum gegeben, wenn ber
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Slrmc mir eilt paar Setten fiterftttagen, aber bagu batte er nicht ©eifteSgegen*
matt genug, unb mit ftoefenber Stimme bub er abermals |u le)en an:
„3bu freuet nittt ber 33ne SReitt.
Ob £itel ibn unb tarnen fttmüden,
* S)er (Erbe ©ttäfee ibn beglüden,
Ob 9tang unb Sfteitttbum ibn erbebt —
(Ein 2Bid)t, ber nur ficb fetter lebt!"
•gier erftorb feine Stimme. (Er fprattg tritt erregt empor, toarf baS
Vud? in bie See unb ftürmte in feine Äajüte. ffidbrenb »oder |mei atonale
bat man ibn nittt triebet gefeben.
2Ran fagte mit, baf$ ÜRolan, als er gnerU 1 auf ben -Nautilus gebraut trurbe,
fein Urtbeil für einen guten 2Bip anfab, ron bem Vergnügen fpradb, baS ibm
auf feinen Reifen berorftebe, unb bie Satte überhaupt febr leittt nabrn. Von
bem Slugenblid biefeö Vorfalls bei bem ßap aber trurbe er ein anberer Vtenftt.
2lton fab ibu feiten lefen, nott treniger fttt ben Offizieren lamerabfttaftlitt an*
fttliefcen. Settft als itt ibn fennen lernte, Wte feine Sttüttternbeit nittt natt*
gelaffen, unb er fpratt menig trenn er nittt angerebet trurbe, aujier gu ©nigen,
benen eS gelungen mar, ficb ibnt gu näbern.
2IIS ber -Nautilus auf ber ßeimteife begriffen mar, freugte (Eapt. Sbam
einige Sage auf ber #öbe her meftinbiftten Snfelgruppe, unb bie 2Jtatrofen
fagten fttt bereite, bafi bie Offigiere beS VöfelfleiftteS fatt mdren unb fttt mit
Sttittfröten »erforgen mollten, ate eines VtorgenS ber ffiarren berangefegelt
tarn unb Signale mit ibm mettfeite. Valb ertldrte fitt baS Vdtbfel. (ES mürbe
Volan bebeutet, bafj er feine Satten in ein Voot gu bringen babe, benn ber
SGBantn, natt bem ÜNittelmeer beftimmt, merbe ibn auf nehmen. ViSber mottte
er auS bem (EourS beS Sttiff^ geahnt haben, bafj eS „beimmdrtS" gebe, unb
um fo herber trat bie (Enttdufttung. © fab jefct, bafi eS für ihn feine #ei*
matb gebe, felbft fein ©efängnifj in ber #eimatb. ©nige gmangig 3M ift er
feitbem ron Sttiff gu Sttiff Derfefct morben, bott niemals fam er bem Vater*
lanbe nabe.
Vielleicht mar eS auf biefer gmeiten fjabrt, {ebenfalls aber trug eS fttt
innerhalb ber erften Sabre feines (EyilS gu, bafi ber 3ufaU ihn in bie -Nähe
ber ihrer Schönheit megen berühmten grau ©raff brattte. S)aS Sttiff batte
ftton lange in ber Vai Don Neapel gelegen unb bie Offigiere maren fo freunblitt
Don ber bort ftationirten flotte aufgenommen, bafi fte enblitt auf ben ©nfaH
tarnen, bie ihnen ermiefenen $öflittfeiten burtt einen VaH auf ihrem Sttiff« gu
ermiebern. !Nun aber brauttten fte Volan’S ßajüte gu einem *2htfleibegtmmer
unb mottten eS nittt tbun ohne ihn felbft eingulaben, unb fo baten fte benn ben
(Eapitain um bie (Erlaubnis, es tbungu bürfen,maS er ihnen auch gern geftattete,
DorauSgefept bah man ihn nittt mit Leuten fpretten laffe, bie über Derbotene
©egenftdnbe mit ihm reben tonnten. 2>ie Satte mürbe alfo gemacht unb bie
geftlittteit ging mit bem großen ©lat Dor fttt# benn eS hielten fttt gu ber 3eit
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U
föon riefe amerifanifebe gantilien Int bertflehen gtaßeft auf, unb was Wefe nicht
an tarnen aufmeifen tonnten, eiferten bie anmefenben ©ngldnbet unb ble
haute volöe non Neapel.
Son ben Offizieren f<hlo& ftch unter bem Sotwanbe eines freunbfehaft*
liehen ©efptdd&S ©inet nach bem Slnbem !Rolanan, batnii fein Uneingeweihter
mit ihm fpredje; aber halb bernachlafftgte man biefe SorftcbtSmafjregel, benn
ÜRientanb febien ftd? um Man p belümmem. Slöfclich ging et quer übet baS
Serbed auf grau ©raff p, bie er, als fte noch unoerbeiratbet mar, häufig auf
Saßen in 9fem*DrleanS gefeben batte. Sebor Sbubrid, bet in bet ÜRdbe ftanb
unb ibn tommen gefeben, eS berbinbem tonnte, butte Man bie feböne grau
angerebet.
„geh hoffe, bah Sie ftch meinet no<b erinnern, SJtijj Mlibge," fagte et."
„ÜBoßen Sie mit bie ©bre beS nd(bften Sanges erweifen ?" —
„Ob, ich bin freilich nicht langer 9Jtih SRußibge," antwortete fie, „aber baS
macht nichts aus, 2Rr. Man; idb werbe bo<b mit gbnen tangen." —
Unb mit einem Slid auf Sbubiid, bet ibm fagte, bah bon et ibt nichts ju
befürchten habe, nahm fte feinen 2Irm.
9iolan mar überglüdli#. $)ur<b btefen StaatSftreich feinen ^Beobachtern
entrüdt, fab er ftdb jept bie (Gelegenheit geöffnet, ettoaS übet baS p hören, maS
feinem bergen fo nabe lag. 3lber borfuhtig begann er bie Sonbe anjulegen.
©r fprach bon bet Steife bet liebenSmürbigen grau, bon bem Sefub, bon bet
©efeßfehaft in Neapel, unb als er fte fo recht rebfelig gemacht, ba brachen feine
©ebanten auS ihrem Serfted betbot. grau ©raff fagte mit biele gabre fpdter,
als fte mir bieS 3ufammentreffen fchßberte, bah feine Stimme plöfclich einen ge*
bdmpften, gitternben %on annabm, als et fragte: t
„Unb toaS giebt es -ReueS in bet $eimatb, grau ©taff — buben Sie fürj*
lieh Stiefe bon braufcen gehabt?" —
Sbubrid behauptet noch heutzutage, bah bie 2lugen beS fchönen SBeibeS
Man förmlich p burchbobren fchienen, als fte ihm ihren 2lrm entzog unb
antwortete:
w 2luS bet ©eimatb, §err -Rolan ? SBte, ich bube immer gehört, bah Sie
leine $ekitatb hätten, unb bah SieJbon bet, bie Sie einft gehabt, niemals wie«
bet zu hüten münfehten!"
2)amit menbete fie ftch bon ihm ab unb zu ihrem ©atten, unb Slotan Wat
abermals aßetn wie et es immer mar.
©t tanzte nicht triebet.
©ine georbnete Sufammenfteßung feiner ©efchichte bermag ich nicht §u
geben. 3BaS ich bon ihm erzähle, ftnb Xrabitionen, welche ftch bon Schiff ga
Schiff betpflanzt buben. ©S ftnb lutge Sruchftüde aus einet $etiobe beS Äum*
merS unb bet Sergmelflung, bie ftch übet biele, biele gabte erftredte. $o<h mat
biefe auch nicht gang ebne ihre Sichtblide. 3)er ßrieg, welcher balb nach bem
oben befchtiebenett gntermezjb auSbtach, lieh SRrian in einer gang anbetn SRoße
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Sabre nach bcm flriege cm, unb jur 3*it al$ Ich noch Gäbet mar. G)amat8
berbrehte ba8 immer noch über mein Raterlanb regierenbe „#au8 bon SBirginicn"
fromm bie Augen, menn bom überfeeifeben Stlabenhanbel bie SRebe mar, unb er*
mannte fub bin unb mieber auch mobl einmal jufchüchternen Schritten, ihm Gin*
halt ju tbun. Stuf eine berartige Rtiffton mürben mir' auch gefanbt, unb e8
mährte nicht lange, bB mir einen portugieftf(hen Scbooner antrafen, ber Stta*
ben am 93orb hatte. Gin Öftrer mürbe hingefchidt, um ihn in ©efifc ju neh*
men. $ocb halb lieb er unä mifTen, baf* er 3emanben haben müffe, ber pot*
tugiefifch fprechen tönne. Run mubte aber unter ben Unfrigen deiner mehr bon
biefer Sprache aB bon ber hebräifchen, unb fchon moUte ber Kapitän aufB Ror*
berbed fehiefen, um ju fehen, ob unter ben SRatrofen einer fei, ber ben 2)oßmet*
(eher fpielen fönne, aB Rolan bortrat unb fich ju biefem 3med jur Verfügung
fteßte. $a3 Anerbieten mürbe angenommen, ein SBoot auägerüftet, unb in
biefe3 93oot mürbe auch ich fommanbirt.
AB mir an ben Schooner tarnen, bot fuh un3 eine Scene bar, mie ich ftc
nie gefehen, niemaB mieber ju fehen münfehe. Schmup ohne Gnbe, unb GbaoS
inmitten biefeä Schmupe^. G3 maren jmar nicht biele Reger am Söorb, aber
um fi<h berftänblich ju machen, hatte Raughan, unfer Lieutenant, ihnen bie
4)anbfcheßen abgenommen unb fie ber Reränberung megen ben $ortugiefen an*
gelegt, unb jefct fchmärrnten bie Schmarren auf „ba$ Rerbed", umringten
SBaughan unb rebeten ihn in allen Rtunbarten an, bom^atoB be$ 3nlu bB jum
tlafjifchen Söelebeljereebfchen.
„Um be^^immeB mitten", rief SBaugban bon einem 0?hoft au§, beffen er
ftch jum 3med einer Tribüne bebient hatte, tann Giner bon Gu<h mir aiBhel*
fen ? $ie Äerle haben fchon Rum getarnten mie 2Baffer, aber ba$ macht fie
nur noch jungenfertiger, unb biefem groben Reger bab* ich fchon jmei üfltal ben
Schabet einjufchlagen berfucht, aber felbft baä beruhigt ihn nicht/ 4
Rolan fagte, er tonne portugiefifd) fprechen, unb ein paar £atbblut*Reger,
bie im 2)ienft ber $efapung beä Schooner^ mährenb be3 Labend bei gemanbo
$o geftanben hatten, mürben borgeführt, um ba3 berboßmetfchteGnglifch mieber
ju berboßmetfehen.
„Sagt ihnen, baf$ fie frei ftnb," rief Raughan au3, „unb bah biefe $erle
unb auch 3h* aufgetnüpft merben foüt fobatb mir baju Stricte genug haben."
$ann erfolgte ein Grüßen, Subeln unb^ühetüffen, bah SSaughan für einen
Augenblid jmeifelhaft mar, ob e3 mit ihm felbft nicht gefährlicher ftänbe aB mit
ben Sßortugiefen.
„Sagt ihnen", rief er mieberum, „bah ich fie Aße nach Gap $ßalma3 brtn*
gen merbe."
$ie3 fanb nicht fo marmen Antlang. Gap $atma3 lag ungefähr fo
meit pon ber 4>eimath biefer Uuglüdlkhen, mie Rio 3aneiro ober Rem*0rlean3,
unb fie mürben bon bort niemaB nach £aufe tommen lönnen. S)ie $oßmet*
fcher magten e3 baher augenblidlich, burdhein leifeä „4b nonPalmas”, gegen
biefe Abficht ju proteftiren, unb Raugban, erftaunt barüber, bah feine Abficht
)
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*9
ben Negern ntd&t glet'4 überfefct würbe, fragte Slotan, was 3ene ihm gefagU
Sie tropfen ftanben auf beS 4>eimathlofen Stint, als et bet Sftenge bur4 ein
Seiten S4meigen gebot unb SBaughan antwortete*
„Sie Sollmetf4er bitten, bab man bie Seute ni4t nad? SßalmaS bringe' 1 ,
agte er. „Senbet ftc beim, flehen fte im Stauten biefet Sieget, beim ju ihren
SBeibem unb ihren Äinbern."
3nämif4en hatten bie SoHmetf4er mit ber SJtenge gefpro4en. 34 be*
oba4tete fte genau. #ier ein Sluge ood Spänen, bort ein 93lid büfterer 93er*
jtoeifCung. Mehrere bet S4^ar§en fprachen, unb waS fte fagten, würbe Stolan
überfept. I
Unb bann fuhr biefet, ju SBaughan gemenbet, fort:
• „(Einer bittet im tarnen feiner alten (Eltern, bab man ihn heimfenbe, benn
fonft mürben biefe oerhungern. (Ein Slnberet fagt, bab er in einem üanoe ben
gernanbo $o herabgelommen, um ben meiben Soltor ju holen für fein IranfeS
fiinb, als biefe Teufel ftch feiner bemä4tigten unb ihn auf baS S4iff brauten,
unb bab et Stiemanben aus l)er ^cimath feitbem gefehen, unb ni4t miffe, ob
baS $int> no4 lebe. Unb ein dritter, fügte Stolan hinju, hat f4on fe43
Monate in ber Söatracoon beg StlaoenhänblerSgefeffen, unb mährenb aU r biefet
3eit nidjtS oon ju £aufe gehört."
Sie Soltergualen, wel4e Stolan mährenb biefer Scene erlitt, fpiegelten fi4
fo ftürmifch auf feinen dienen ab, bab 93aughan immer no4 behauptet, baS
SDlitleib, mel4eS er für ihn empfunben, habe ihm bie erften grauen $aare ge*
madbt. 34 ftfbft, obgleich mir bie ©ef4i4te Stolan'S bamalS nur no4 in ben
bürftigften Umriffen betannt mar, fühlte mich fo ergriffen burch fein Seibcn, bab
i4 raf4 in baS 33oot fprang, um nur nicht no4 länger 3onge feines SthmerseS
ju fein.
„Sagt ihnen", hörte i4 SBaughan noch rufen, „fagt ihnen, bab fte in
?hre ^eimath gef4idt werben foUen. Sagt ihnen, bab wenn id) au4 mein Sdhiff
bur4 bie grobe SBüfte führen-foHte, na4 £aufe geht’S, baS ift nun einmal ftd>er—
aber jefct au<h lein SBort mehr."
Stolan überfefcte fo gut et lonnte; bann aber bermodjte et es nidjt länget
in ertragen unb fprang ju mir ins 93oot herab, währenb ein Sturm oon Se*
genSwünfdhen in allen Sialelten SlfrifaS ihm. folgte.
„Siehft Su, finabe", fprach er ju mir, inbem et meine $anb ergriff unb
mir in'S Sluge blidte, „ftehft Su, baS ift baS 2ooS Neffen, bet ohne Sreunbe,
ohne £etmath ift. Unb wenn Su Si4 jemals öerfucht fühlft, ein SBort ju
fpre^en, baS Si4 auf ewig Seiner gamilie, Seinem £erb unb Seinem Sßater*
lanb entfremben lann, bann flehe $u ©ott, bab er in feinet SWgüte Sidh
abrufen möge beoor ber SJtoment ber Sieue ba ift."
34 war tief erf4üttert bur4 bie SBilbheit ber Aufregung, bie fi4 feinet
bemä4tigte, unb ftotterte baS $8erfpre4en heroor, bem SSaterlanbe immer treu
bleiben su wollen. (Er f4ien meiner laum §u a4tcn, aber bebot wir unfere
(Sorbette meldeten, bon beten SRafffptpe bag Sternenbanner fo flolj unb
freünblich flatterte, hörte ich ihn noch bot ft4 bin flüftem:
„2Benn mir 3emanb fo gefprochen, alg üb bon biefeS Anaben SQter matt
SJMe glüälich Knute i4 bann fein!"
34 glaube, e^ mar biefer Vorfall,, bent ich bgg nähere SSeshältmh guf4tei*
ben !ann, melcheg ftcb fpdter gmifd^en ung entfparoj. (Sr mar mir fortan ein
freunbtiefeer ©efährte. 5Bar eg meine SBacbt nach üroitternacht, fo !am auch er
auf’g Herbert unb unterhielt ftch mit mir, big üb abgelpft mürbe. Qx lehrte
mich Sllleg, mag er muhte, unb felbft in ber Seemanngtunbe bermochte. er mir
an bie £anb gu geben. $8on ficb felbft aber fprach er mäbrenb unferer langen
• Unterhaltungen niemalg; auf. feine ©efchichte beutete er in leinet Seife bin.
dag Scheiben bon ihm bei 6t. dhontag mürbe mir fernerer, alg bag bon
meinen Aameraben, unb ich fühlte mich ho4beglüc!t, alg i4 im 3ab*e 1830
noch einmal in feine -Wabe laut. Später, alg ich bon Stufe gu Stufe ftieg unb
einigen ©influh in Safhington gu haben glaubte, fefcte xd) $immel unb ©pbe
in Semegung, um -Man’g ©egnabigung gn ermirlen, aber ebenfo leicht märe
eg gemefen, einen ©eift aug ber £ölle gu erlöfetu 3 m Sftarineminifterium
behauptete man fteif unb feft, bah eg leinen ÜRolan gebe unb bah & niemalg
einen gegeben habe, ber eine folcbe Strafe erlitten. So fagt man bort biel«
leicht nodb jefct. ©g mag fein, bah bag ÜJtinifteriHm nichtg bon ihm meih; er
märe mahrlidb nicht ber ©rfte, bon bem man bort nichtg mühte.
34 lernte nur einSoog, bag noch unerträglicher ift alg bag fetnige—bag
$oog derjenigen, bie ftdb freimütig bon ihrem SBaterlanbe getrennt haben, nadb«
bem fie berfudbt, eg gu berberben. der SBunfch beg „armen SRolan", benn fo
nannten mir ihn 2llle, nicht meü feine Strafe fo groh, fonbern meil feine SHeue
fo aufrichtig — mar auch ber ffiunfdb eineg 33ragg unb eineg ©eauregarb, bie
ben dreufchmur eineg Solbaten brachen, unb eineg 2ftaurp unb 93arron, bie ben
eineg Seemanneg berieten. 34 meih nicht, ob auch fte bereuen; idb meih nur,
bah fte 3llleg thaten, mag in ihren Aräftten ftanb,um ihren 2Bunf<h, bag SSerberben
ibreg SSaterlanbeg, gu forbern. 34 meih auch, bah ihre Strafe in ben
Sänbern, mo fte begetiren unb mo fte einanber big gum lebten Sebenghauch mit
ffiormürfen überhäufen merben, no4 f4merer ift alg bie Folterqualen, bie 9tolan
erlitt, denn mer fte fennt, mirbfteberachten, ja berabf4euen. 3h r ®nnf<h mirb
erfüllt merben, mie ber feinige eg marb.
©r bereute fein Vergeben, aber er ertrug bie Strafe mit männlichem
SRuth. Niemalg erf4merte er abftchtlich bie fo taftbod unb nadbfichtig über ihn
auggeübte Kontrolle. Senn bag ©ebtet, auf bem man fi<h in feiner ©egen«
mart nicht bemegen burfte, bennoch berührt mürbe, fo gef4<4 eg nie mieber
bur4 feine S4ulb, feitbem er in Neapel eine fo tiefe demütbigung erlitt. Sieu«
tenant drujton ergäblt mir, bah nach ber 2lnerlennung bon deyag eine feierlübe
Serathung unter ben Dffigieren über bie Frage gehalten mürbe, ob man jefct
ni4t aug bem merthbollen Sltlag, ben -Man befah, bie Aarte bon deyag ent«
fernen, b, h* fte aug ber SBelttarte unb ber bon üDtejilo heraugf4neiben folle,
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wie bie bet Ser. Staaten fdfort aus ihm entfernt mürbe, als man ben AtlaS
juerft für Aolan taufte. Aber man fam bahin fibefcrin, bah ein fotcheS Ser*
fahren gerabe baS betragen mürbe, maS man ihm §u verheimlichen fu<hte, ober,
tote ber muntere $arrp (Sole fagte, eS mürbe ihn glauben machen, bah Aaron
Surr enblich hoch erfolgreich gemefen fei. Unb fo mar eS benn mirHich nicht
Aolan’S Sthulb, bah bie folgenbe Heine Affaire auf ber fübamerilanifchcn Sta*
tion ftattfanb, too ich für lurje &it ben ©eorge SEafhington befehligte. (Einige
unferer jungen mären am £anb gemefen unb erzählten uns bon ihren Sßrüfun*
gen auf ben halbmilben fßferben bon SuenoS ApreS, als Aolan, ber fwh in
guter Stimmung befanb, burch biefe ©efchichten an feine eigenen Abentheuer in
SeyaS erinnert mürbe, too er häufig mit feinen Sruber auf ben gang milber
$ferbe gegangen. SBdhrenb ber Saufe, bie fo häufig bei $if<he einer intereffan*
ten Stittheilung folgt, fragte er plöfclich:
„Aber maS ift benn eigentlich aus $eyaS gemogen ? Aachbem bie 9Reyi**
laner ihre Unabhängigleit erfämpften, glaubte ich, bah eS mit £eyaS fehr rafch
boran gehen merbe. (ES ift mirllich .eine ber fchönften [Regionen ber (Erbe, baS
gtalien beS amerüanifchen Kontinents, nub eS munbert mich/ bah i<h feit $man*
|tg Sahren nicht ein SEort über £eyaS gehört habe."
GS befanben {ich §mei $eyaner unter ben Sifchgäften, unb fte toaren Dffi*
jicre meines Schiffes. 2)afj Aolan nichts bon £eyaS gehört, beruht einfach
barauf, bah feitbem Auftin feine Aieberlaffungen bort grünbete, jeher barcrnf be*
jügliche Paragraph aus ben ihm gegebenen 3eitungen gefchnitten mar. , 5EeyaS
hatte für ihn $u eyiftiren aufgehört SEaterS unb SBilliamS, bic beiben Seyaner,
fahen einanber bebeutungSvoK an; Sieutenant 2RorriS fpielte eifrig mit bem
Saljnäpfchenunbber Gäbet SBgtrouS belamplöfclich einen heftigen ^uftenanfaH.
Aolan bemerlte mohl, bah etmaS im Anjuge fei, aber ich rih fchneÖ ben gaben
ab inbem ich fagte: „SeyäS fteht nicht länger auf ber Sanblarte, 2Rr. Aolan.
SEie fchmedt Sbnen biefer Aothmein, meine Herren ?"
Aachbem ich mein äommanboan ber fübamerilanifchen Station auf gab, fah
ich Aolan nicht mieber. 3Ran fagte mir, bah er rafch alterte, aber mit berfelben
füllen (Ergebung fein ÄooS ju tragen fortfuhr, mie bamals als ich ihm nahe mar.
Gr mochte mehr §urüähaltenb neuen Anfömmlingen gegenüber fein, aber ben
fabelten mar er ein väterlicher greunb unb ermübete niemals in feiner Sorge
um fte. Unb jefet ift ber Arme benn erlöft; er h<tf eine £eunath gefunben,
menn auch lein Saterlanb.
Settbemtch DbigeS fchrieb unb no$ in meinem (Sntfchluh manlte, ob ich eS
ber Deffentlichteit übergeben foße, lam mir.ein Srief bon Stanforth ju, ber Aä*
hereS über bie lebten Stunben Aolan’S enthielt. SAeine lebten ßmeifel über bie
Smechnähigteit ber Atittheilung feiner ©efchichte merben baburch befeitigt. £ier
ift bet Srief:
»SS
m
62
Siebet $reunb»
Sn SJorb beS Sebant.
Ster gute, liebe ÜRolan bat enblich auSgelitten. ffiir ftonbeit einanbet
wäbrenb biefer Steife febr biel nabet als je gubor, unb ich begreife je^t bie
HBärrne, mit bet S)u S)ich feinet immer annabmft unb bon ibm fprachfl. Seit
längerer 3eit bemerfte icb bie Sngeichen ungewohnter Schwäche, wenn ni(bt ge*
tabeäu ßranfbeitSfpmptome, an ibm; icb butte habet ben 9lrgt beauftragt, ibn
genau gu beobadbten, unb geftern Vtorgen ma(bte biefer mir bie SMbung, bab
Solan unwohl fei unb feine Äajüte nicht berlaffen lönne, was mich natürlich fo*
fort babin führte. 2)a lag benn ber alte ßttabc in feiner ßoje unb ftrecfte mir
Iächelnb bie £anb entgegen. (Sin Vlid burch bie ßajüte, — bie er, wie 3)u
weibt, niemals bon Slnbern betreten lieb, waS unS namentlich als wir auf bem
Sntrepib gufammen waren, fo biel Stoff gu geheimnibbollen ©efdjichten lie*
ferte — fagte mir, weshalb er fein Heines $eiligtbum fo eiferfüchtig gegen Gin*
bringlinge fchüpte. lieber ber Thür hing unfere glagge, unter ihr ein Vilb
bon SBafhington unb baneben unfer 2Bappen, ber Sbler. Solan fah meinen
überrafchten ©lief unb fagte mit trübem Sachein: „Sie feben, Gapitain, ich mag
gegen bie Regeln berftoben buben, aber hier wenigftenS mubte ich mich in bie
^eimath gurüdbenfen tönnen." Snbem er bieS fagte, wies er auf bie Schiffs*
wanb, welche bie Südfeile feines VetteS bilbete, unb ba fanb ich eine gigantifche
Harte* unfereS VaterlanbeS hingegei^net, bie Solan nach bem ©ebächnib ent*
worfen butte. Sonberbare alte tarnen fanb ich bort in groben Vuchftaben
bergeiebnet. „Snbiana Territorium," SDtifflffippi Territorium" unb „Souiftana
Territorium," wie unfere Väter eS gelernt butten; aber TeyaS butte ber alte
finabe, wabrf<beinli<h feit jenem Keinen Sntermeggo bei VuenoS SlpreS, mit
hineingeflidt^ unb baS ©ebiet ber Union reichte bis an bie pagififdhe Hüfte; bort
aber waren bie Sinien feiner ©rengen berwifcht.
„Stonfortb," fagte er, „ich merbe halb fterben. S<b weib, eS ift beinahe bot*
bei mit mir. $aben Sie mir benn nicht je$t noch etwas gu fagen — wollen
Sie mit mir nicht fpreeben bon ber.... ber $eimatb? Storten Sie bis ich
auSgerebet bube. GS ift an Vorb .biefeS Schiffes deiner, bem fein Vaterlanb
theurer ift als mir, deiner, ber bie alte glagge beiber liebt unb inbrünftiger für
fte betet als ich. Sie hat jefct hier unb breibig Sterne, unb bafür banfe ich
-©ott, wenn ich auch nicht weib was biefe Sterne bebeuten. ©lauben Sie benn
nicht, 2)anfortb, bab eS mir £öllenqual war, wenn idh bon Schiff gu Schiff
berfefct würbe, unb im Sauf ber get Stern auf Stern anunferet glagge er*
fcheinen fah, unb* boch nicht fragen burfte, waS bieS bebeute, nach welcher Seite
hin mein Vaterlanb fuh bergröbert? Sagen Sie eS mir, Tanfortb — ergab*
len Sie mir bon ber £eimatb, bebor ich fterbe."
Sch fühlte wirtlich, als ob ich ein fchwereS Verbrechen begangen, bab idh
ihm nicht früher SlüeS mitgetbeilt butte, was feinem armen bergen wohl thun
lonnte. „Solan," fagte ich, bem fo natürlichen SmpulS ©ehorfam leiftenb, ber
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ftd? nicht an Segeln unb $epartentent$befehle fehrt, „t<h n?iH Sbnen Alles er*
|d^Cen; nun, wo füll ich anfangen ?"
Ob, ber3ug unauSfprechlicher greube, ber über fein ©eftcht flog! Sr
brüdfte mir bie £anb unb ftüfterte: „$et Himmel fegne Sie, flapitain." —
2)ann geigte er auf bie flagge, auf bie bierunbbrei&ig Sterne.
„Sagen Sie mir, was bie ba bebeuten," flüfterte er, „biefe bieten Sterne
ba. 5)er lebte, bon bem icb weift, ift Ohio. Stein 33ater lebte inÄentucfp, unb
fo ift mir Obio noch erinnerlich* Saft SUcpigan, 3nbtana unb SRifflfflppi
feitbem Staaten geworben ftnb, lann i(b mir benfen, benn fo pieften bie Territo¬
rien. 2)aS macht gtoanjig. Aber bie anbem biergepn, wo fommen bie per ?
Stau hat boeb feine bon ben alten geteilt V"
3<h nannte ibm bie Samen ber Staaten, unb er bat mich, bie flarte bon
ber 2Battb gu nehmen unb bie ©rengen biefer neuen Sterne fo gut tcp’S formte
barauf gu geichnen. (Sr war auber fub borKntgüden über £eyaS, benn jept rubte bie
Slfcbe feinet $ruberS Stepban, ber bort geftorben, in ber (Erbe beS groben 33a*
terlanbeS. Auch Kalifornien unb Oregon regten ibn mächtig an, obgleich er
eS geahnt hatte, bab bie 33unbeSflagge bahin berpflangt fei, benn bie Schiffe,
auf benen er geroefen, waren gu häufig in jene ©ewäffer beorbert. Unb bann
ging er gurücf, über ein halbes gahrhunbert gurücf, unb fpracb bon bem alten
Kpefapeafe, unb fragte was man 33arron gethan, weil er jenen bem Sepparb
überliefert, ob 33urr noch einmal progeffirt worben fei, unb bab bieS nicht gefepe*
ben, berurfaepte ihm ben eingigen Kummer. Aber in einem Augenblicf war er
fepon roieber ber Sitte. „Stöge man ihm bergeiben wie ich ihm fo gern ber*
geibe/' fagte er, unb ich fab, bab eS aufricht g gemeint war. Kr fragte auch
nach ben golgen beS ÄriegeS mit Knglanb, erfunbigte fich nach porter, ben er
wie feinen 33ater liebte, unb bann fchwieg er, um mich in einer Stunbe bie ©e*
fchichte bon fünfgig gapren ergdhlen gu laffen.
SBaS hätte ich barum gegeben, in biefen furgen Augenbliden bie Kr*
eigniffe eines halben SaprpunbertS auf faftlicpe Sßeife ibm mittheilen gu fönnen!
$ie Aufgabe berwirrte mich. 3<b fprach halb bon ben biergiger, halb bon ben
gwangiger gapren, balb bon ©rant unb bann wieber bon ben Ausbeutungen ber
Krfinbung gultonS. 3ßer ©rant fei? Kin grober Solbat, ber im SBeften fom*
ntanbire. Oh, bie „Segion beS SBeftenS," meinte ber Sterbenbe, ber auch ich
angehört habe; unb fommanbirt er auch gu gort AbamS? — Sein, er hat eben
fein Hauptquartier bor SicfSburg aufgefcplagen. — Siefsburg! $en Ort fannte
. er nicht. KS müjfe wohl in ber Sähe bon gort AbamS liegen, bielleicht fei eS
nach einer $lantage benannt, beten KigenthümerS, Sief, er fich noch S u erinnern
glaube. Unb fo fpraepen wir fbrt. 3<h ergäplte ihm bon bem gigantifepen Stuf*
fchwung ben unfer 33aterlaub genommen, bon bem Seichthum, mit bem eS ge*
fegnet ift, bon ben Kifenbahnen, ben Kanälen, bon ben Stillionen, bie baS Sternen*
bannet jefct beft&t — ich fagte ihm Alles, greunb, nur bon ber SebeUion, bie
jefct unfer 2anb gu gerftören fuept, wagte ich ihm nichts gu fagen.
Kr hörte mir fcpweigenb gu. 3<h fah, bah eine grobe Seränberung in
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ifan »orgegaitgen toar. Sehte totit geöffneten SCugen ftanteit mid> tmt einem
feltfamen 9lu$bru<! an. Seine Sippen maren blutlos; ein leifett Sdbauer bureb*
riefelte 4n bin unb lieber. 2)er Sltbem mürbe lürjer unb bef^merli^er. 34
fab, bafj er int Sterben lag.
34 f4tt?ieg unb beugte mi<b über ibn. Seine fraftlofen £änbe umfaßten
«ni4 — jagen mich ju ibrn binab. (Er tübte midj.
„Senn i<jb tobt bin, 3)anfortb, fo fu4en Sie in meiner ®ibel na<b", bat er
mich flüftemb.
IWodb ein leifer Stauer, unb er bauebte feinen lefcten Seufzer.
34 fu4te feine ©ibel. Sluf ein Studien ©apier, ba$ i<b smifdben ben
Slättern fanb, traten folgenbe Sorte gefebrieben:
„Safet baö 2Jteer mein ©rab fein. (ES ift meine $eimatb getoefen unb als
fol<be liebe i4 Slber toiH ni<bt 3emanb mir ein einfadbeS ÜJtonument bei
gort SlbamS fefcen, bamit bie S4madb, toeldbe an meinem tarnen haftet, uidbt
größer fei als idb eS oerbiene ? fiafjt golgenbeS bie 3nf4*ift fein:
3ur (Erinnerung an
PbWpP Holan,
Sieutenant in ber tlrmee ber bereinigten Staaten.
(Er liebte fein baterlanb rnie fein Slnberer eS geliebt, unb deiner
toar beffelben minber toürbig.
pa« <3aljr 1865 für Amerika unk Europa.
Bon Bfctot Grs#
©aä 3!abr 1865 wirb in bet ©efebiebte bet äteujeit eine ebenfo prominente
Stellung einnefymen wie bös 3al;r 1848. ©leid; biefem, büßet eö einen 2lb*
fdjnitt, welcher eine neue ?ßeriobe eröffnet. 2BaS bahntet liegt, gehört einem
übetmunbenen Stanbpuntt an unb toitb unö febt balb frembattig oortommen.
©amal3 lag bet $etb bet ©teigniffe in ßuropa, jept liegt er in älmerita. 2ßa8
ftcb bamafö jenfeite beS Oceanö ereignete, bat feine iHüdroirfung auf unfern
SBelttbeil nicht »erfeblt; ebenfo wenig wirb ba3, waä bi« gefebaffen, ohne ©in«
flufs auf Guropa bleiben. Slbet ganj anberS beginnen wir je|t baö neue 3^br,
afe öor fecbäjebn fahren. 1848 begartn al« Jubiläum bet Sööllet unb fcblofj
mit einem Sieg ber dürften. 3efct ift baö SSerbdltniß umgelebrt. älmerita bat
feine Sache beffer gemalt afe Guropa.
©ie betoorragenben Greigniffe beä oerfloffenen 3abre3 Iaffen ft<b f<bndl
jufammenfaffen, fmb aber, fo weit eö älmerita betrifft, von ber unenblicbften
©tagweite. 3 n bem wir jurüdblicten, fdjreiten bie großartigen friegerifdjen $e»
gebenbeiten, welche }um ^ufammenbrueb ber [Rebellion führten, an un3 bot»
über, unb oergleicben wir bamit bie jefcigen 3uftdnbe, fo tommt 2lHe3 unö »or
wie ein ©raum, ©ann baä büftere ©rama be3 $räfibentenraorbe8, unb wa$
1 _:_•
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mit thm jufcmtmeuhing; ber Amtsantritt eine« ueuen Präftbenten; baS Stelon*
jtruftionS*(Sjpetiment; bie (Sntlaffung bet Armeen; ber attmälige Uebergang »om
Suftanbe beS »erheerenbften Krieges ju bem beS aufbauenben griebenS; bie
SBahlen; bie (Eröffnung beS 39ften (SongrejfeS, »on bem gerabe fo biel abhängty
tote bon bem, meldet bie StepubUl fchuf, unb enblich — bie Grotte bon Sittern
— bie conftitutionetteAbfchaffung ber.SIlaoerei int ganjen, toeitert ©ebiete bet
großen Stepublil.
2Bir haben bie (Sreignijfe JU beurteilen nach Abgabe ihres SnhaltS,
bet butcb fte geraffenen Stefultate, bet bon ihnen gebotenen Sehren, Abraham
Sincoln brauchen mir hier feine ©rabrebe ju halten; baS amerifanifche Bolf
unb bie SBelt haben ihm langft bie Slpotheofe ertheilt; als ein Wann, welcher an
naturwüchfiger SBeiShett, an Feinheit beS £erjenS, an Steblichleit beS SBittenS,
an glühenbem Patriotismus, an aufrichtiger Siebe gut greiheit unb felfenfeftem
Pertrauen jum Polle nie übertroffen worben ift unb nie übertroffen werben
lann, wirb er ewig in bet ©efchichte leben. 3ft eS bie hat fte Satgenb beS Bür*
gerS, nie, nie an ber Stepublil ju »erjweifeln, nie, nie ben SJtuth s u »edieren
— nun, fo »ergebt Alles, was (Such an ihm nicht gefiel, unb legt ihm bie
Bürgerfrone aufs ©rab. S)ieS ©rab aber wirb f<hon beShalb ewig eine heilige
Stätte bleiben, weil ftch an ihm bie .republilaniftbe Sugenb eines BolleS in
ihrer hötften ©lorie entfaltet hat. i
$ie ©rmorbung SincolnS war bie lefcte Schanbthat ^ er Rebellion wiber bie
greiheit, unb ihr SJteifterwerl; um biefe Behauptung §u motioiren, bebarf eS
leinet juribifchen AuSeinattberfefcung, leineS BeweifeS bafür, bafj liefet ober
3enet birelt ober inbirelt batdn betheiligt war. Aber ber ftnftere ©eift bet
©flauere* hanbelte blinb, inbem er fwh bieS Opfer erlor, benn aus bem Blut beS
SJiärtprerS fottten bie herrlichften Blüthen unb größte ber greiheit fpriefcen.
S)ie SJtörber unb ihre SJtitfchulbigen hatten barauf gerechnet, bab fwh hei bet
Nachricht »om £obe beS Präftbenten ringsum bie galtionen erheben würben;
aber bie galtionen fchwiegen; wo fie Suft hatten, fich ju regen, ba »erlrochen
fie fah »or ber gewaltigen Offenbarung beS BollSgeifteS. 5>aS erwählte £aupt ber
Station fiel unter bem Siüdenfchufj beS SJiörberS; bie Station aber war über baS, was
fte ju thun hatte, leinen Augenbltcf im 3weifel. Sie lieb ftch nicht ju leiben**
fchaftlichen Ausbrüchen hinreiben, aber ihr (Sntfchlub ftanb feft, bab StncolnS
SDtonument nur bie im ganzen Bereich ber Union jur Söahrheit geworbene grei-
heit fein bürfe. 2)ur<h baS furchtbarfte ßreignib, welches Alles in grage ju
(teilen fchien, würbe bie Stepublil nicht auf einen SJtoment in ihrer Organifation
erfchüttert; fte geigte ftch ftärler als eine Sttonarchie jemals gewefen. $aS
ift eine nie ju beftreitenbe Shatfache, unb eS liegt barin ein unberechenbarer
©ewinn, nicht für Amerila allein, fonbetn für bie SJtenfchheit.
3ur 3^t ber Kapitulation See’S war baS BunbeSbeer ftärler als man fwh’S
hn Allgemeinen »orgeftettt hatte; eS jählte übet eine Sttittion. S)iefe loloffale
Streitmacht ift jefct auf 175,000 STtann rebucirt worben. Ueber 800,000 Krie*
get ftnb nach unb nach, faft unmerflüh, in bie Sphäre beS bürgerlichen fiebenS
jurfldgetretert. ofntc IBangen fab Inan fyier bet Sfufföfung btefer loloffatett
{>eereSmajfen entgegen, unb brüben galt «S für unmöglich, baß bie SHafcregel
ins SBerf gefegt werben töune ohne baß fjeiüofe guftänbe barauS erwücbfen,
fiaum ift baS Sanb barum gewahr geworben ; jebenfattS waren bie ©tö*
rungen fo unbebeutenber Strt, baß fie fanm in betracht fantenunb ben ©ang ber
ßreigniffe in feiner SBeife beeinflußten. Sitt ßier unb bort bie öffentliche
Sicherheit, fo trat bieS ju erwarten unb eS batte fuh in feinem Sanbe vermeiben
Iajfen. ©S gtebi in (§uropa außerhalb $eutf<hlanbS feine Slrmee, welche nicht
mehr jügeflofe Elemente enthält als eS bei ber unfrigen ber galt war. $a$
große gaftum aber fteßt feft, baß bie fRepublif einen vierjährigen ^ürgerfrieg
burcßmachen lonnte ohne baß ftcß eine 2Jtilitär*35iftatur, ein ^rätoriancrtßum,
eine SolbateSfa im eutopäifcben Sinne entwidelte. Unter allen ben Regimen*
tem befanb fein einjigeS, welche^ nicht aufgelöst ?u werben wünfchte,
beffen SWitglieber ftch nicht barauf freuten, wieber nach #aufe §u fommen.
5>aß eS uns an großen ©enerälen gebrach, wirb fein vernünftiger 2Jtenf<h be*
baupten; aber unter ben ruhmgefrönten gelben befanb fi<h fein ©inniger, wel*
eher bet Freiheit gefährlich werben fonnte, fein ©inniger, ben es nach ber Stoße
eines ©äfar ober Napoleon gelüftete. $ie Station bat auch bergleichen nicht er*
wartet, weil fie wußte, baß eine 9Wilitär*$iftatur nicht möglich fei, ba es eine
foldje nie bnIben würbe, ©in vierjähriger flrieg ift jurn fiegteichen ©nbe
geführt ohne baß bie bürgertid?e Freiheit barunter litt! 2)aS ift baS erhabene
SSeifpiel, welches bie große Stepubtif ber SBelt gegeben, unb tief wirb es in ©u*
ropa empfunben.
$aS ©yperrment ber Sfefonjhultton brauchen wir nicht burch feine einjel*
nen* ©tabien ju verfolgen, bie Stefultate ber SÖahlen nicht im ©meinen aufju*
führen. 2ßaS bei ©rfterem ber ^räfibent beabfuhtigte, hat er angebeutet inbem
er bie von fßalmerfton mit Söejug auf baS vorfiegenbe Problem gebrauchten
SBorte citirte: „geh toeiß feßr wohl, baß gebet im Stanbe ift, ein Sßferb an bie
Xränfe ju führen,, baß aber Stiemanb eS jwingen fann, ju t r i n f e n." Swingen
tonnte $err gohnfon bie ©üblänber auch nicht, aber er wollte fie jum Printen
verloden, unb um gerecht ju fein, muß man geftehen, baß es ihm
wenigstens, einigermaßen gelungen ift. 3)ie ©toljeften fmb ju ihm wie 3 U einem
$afcha hmgetrochen unb haben ben emporgefommenen „armen SBeißen" um
©nabe angefleht. Sitte fübftchen Staaten haben bie Slutorität ber Union bur<h
bie $hat wieber anertannt unb ft<b i^r gebeugt. Sluf baS 25iftat beS Sßräfiben*
ten fmb StaatSfonvente unb SegiSlaturen jufammengetreten. ©ie haben auf
allerhöchften Befehl neue SSerfaffungen gefthaffen unb bamit eingeftanben> baß
bte a!ten verwirft waren, baß fie burch ben Slttber Stebettion jebe Staatliche Or*
ganifation eingebüßt. Sitte haben ber ©Haverei, für welche fie gefämpft, baS
SobeSurtheil gefprodjen, unb mehrere Staaten fogar burch ihre SegiSlaturen
baS greiheitS*Slmenbement jur ©onftitution ber bereinigten Staaten ratipeirt.
Surch Slnnuttirung ber 3 u©unften ber Stebettion fontrabirten ©chulben haben fie
auf befehl einen Sftt ber ©elbfterniebrtgung vottjogen, welcher ihiten Vielleicht
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itt geworben fein Wörbe wenn er aU!e:genem ttntrceb ^efbttgegdwgÄ tbdre;
(Ü giebf faum einen bitteren ßelch bet 3)emüthigung,ben bet 6 übea nicht geleert
bat, unb wör* bie! bet einige 3 to«<*r fo hätte bet fprdfibent einen gldn§enben
Sieg feinet $olitif ailfjuweifen, Aber e! ift bem fokalen SSotfe, nicht um bie
©efttebigung be! ^nebegefübf^ fonber» um ©arantieert für bie 3 ufunft, nicht
um bie SBeftrafung bet Uebelthäter, fonberrt um ihre $Bef ferung §u thun,
unb baf* biefe ©arantieen bereit! »erliegen, baj* biefe SSefferung »orhanben ift,
»erfu^t ^obnfon fi<b ! felbft »ergeben! einjimben« 3Ba!»om Süben »et*
uünftigerweife ju erwarten Wat, ba! bat er geleiftet UebermenfchUche! barf
man nicht »on ibm »erlangen. Silan barf nicht fotbent/baf} et auf einmal ft<|
au! bem Ädmpfet bet Sflaoeret in einen @ntbuf<aften bet Freiheit »erwanbett,
baji et hreute bie Union aufrichtig liebt, bie ih» geftern befiegt unb gebemüthigt,
bab et ben Sieger, weTchen et ftet! nur al! SSub behanbelt, auf einmal getnunb
mit »oHet Ueberjeugung al! gleichberechtigten SBtubet anerfemtt Auf nach
unb nach fann eine fblehe Ummcntblung, eine fo grünbliche SHetamorplfofo »ot
ftch geben, wöhrenb e! bem Sorbett nicht jugemuthet werben fann, ein Element
wiebet mit »oller üötacht 3 U beleihen, welche! in feiltet jefcigen Stimmung unb
SBetfaffung nur- üpiifibraucb bamit treiben würbe, 6 ntwidlung!bro§effe gehen
hier fchneüer öor fid) al! anber!wo, unb füllte berEongrejj befhliefjen, ben
Süben nicht wieber al! »ollberechtigt aufjunehmew be»ot beweibe ba! 2Betf bet
SBiebergeburt gtünblMj att fich »otogen, fo würbe er bamit bie 9}e!onftrultion
nicht in unabfehbare gerne hinau!tüffen. „SSit machen ttberrafchenb fdjnetle
gortfc&ritte*, fagt «gert gebnfon mit Stecht Sparten wir noch einige SJtonate,
allenfall! noch ein gahr, unb ba! Aerbättnif* wirb fdfort gan$ anber! liegen.
SUle! hat feine Schattenfeiten, unb an folehen fehlt e! auch bet Haltung
be! Aorben! nicht 3« allen loyalen Staaten, weihe übet bie Serleihung be!
Stimmrecht! an bie Sieget »otirten, fiel ba! Aefultat gegen biefen Aft ber ©e*
rechtigteit au!. 25a! ^rurtbeil gegjn bie unterbrüefte Aace ift affo auch im
Aorben noch immer präbomiuitenb, unb ba! ift ehte traurige Erfheinung.
Stenen, welche ba! wahre SBefeU bet greiheit in bet ©leichberedjtigung Alle*
unb in bet praftifcheu |>umanitat etfennen, ift hiermit ihre n&hfte Pflicht flat
»orgejeidjnet ‘ 2 >ie SBercinigten Staaten werben erft battn eine SHuftttremibltf,
Werben erft bann — wenn Wir nn! fo au!brücfen bfitfen — ihrer eignen ^hadert
toütbig fein, wenn e! in ihrem ganzen Bereich feinen Unterfhieb mehr giebt awtfhen
«Burger unb Bürger. <5! hierhin 3« bringen, ift »orjugömeife bet Seruf unb
bic ©eftiramung bet 25 ent f chetf, welche, iftbemfie hier bie greiheit $ur »ollen
SBahrheit machen, zugleich ber beutfäfon AepUbtif »orarbeiten*
25ie europaifche Ißoliiitbot im »etfloffenen gahre nur einefehr ge*
ringe Ai*!beutt gn bie beutfdfo Alifere Woüert mirun! hie* nicht»ertiefen.
E! ift ein Uebergang, buvch ben man fi<h nicht irre machen taffen barf unb bei
bem bet gortfcfyrit fehr wohl ju erlernten ift 35a! Öeftehenbe hat f«h ©erlebt;
Äer iöuUbe!tdg unb bie SBielfürfterei fmb unhaltbar geworben. Angenehmer wdte
e!, wenn ba! SBolf ba!fflerf ber Erneuerung in bie $anb genommen \)ÜU; ba
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6a *
e$ fi<h ober hiergu noch nid^t entfchfießenfann, mögen tngmifdßen anbcrc flräfte baS
&obtengräberamt auSüben; i^re Art unb SBeife forgt bafür, baß ihnen
auf bie Sänge lein Segen barauS ermädhf t, mährenb bem SBolte ber ©eminn
nicht gu entreißen ift. 3 m ®wßen unb ©angen genommen, hat eigentlich bie
europäifiße Sßolitif bei lebten SahteS für und nur ein 3ntereffe infofem baS
IBerhältniß ber einzelnen Staaten gut amerifanifchen Sßolitif in betracht
fcmmt, unb aus biefem ©efichtspunft moUen mir fie beleuchten.
9Bir buben unfere SWonroeboftrin unb toerben fie gur ©eltung bringen,
b. b. mir toerben feiner europäifchen 2Jia<ht geftatten, auf beftimmenbe SEßeife ameri*
lanifche Angelegenheit gu beeinflujfen ober gar ficb auf amerilanifchem ©ebiet feft*
gufefcen. ©uropa aber ift nicht im Staube, fleh Amerifa öom Seihe gu halten; gäbe
es bort eine 2Ronroeboftrin, fo liebe fte ft<b n i <h t burchführen, obgleich aller*
bingS ber beftimmenbe ©influß Amerifa’S auf europäifche Angelegenheiten nur
ein geiftiger, pringipieller, ift. 3)ur<h ben Ausfall beS JtriegeS fmb mir ber
alten SEelt unenblich oiel näher gerüdt morben. $ie bereinigten Staaten
haben ftch gu einer 2RiUtairma<ht entmidelt, bie eä als ein gerabegu mahnftnnigeS
Unterfangen erfeßeinen läßt, in Amerifa etmaS gu unternehmen, mogegen fie ihr
beto einlegen, unb fte haben fich eine glotte geraffen, meldße eS unmöglich
macht, fte bei einer großartigen ©ombination außer Acht gu taffen, grüher nahm
man brühen laum Aüdftcht auf bie Union; jefct muß man, mag man mollen l
ober uicht, fortmährenb an fte benfen. 2)ie gurdßt oor ben bereinigten Staaten
macht, bis grantreich ft<h aus 2Reyifo gurüdgegogen hat, bie AUiang gmifchen
biefem Staate unb ©nglanb gur abfoluten üRotbmenbigfeit für beibe; ift bie
[Räumung erfolgt, fo mirb fleh ©nglanb in fortmährenber Angft oor einem
bünbniß ber anbern beiben großen Seemächte beßnben unb Alles aufbieten
muffen, ein folcßeS gu hintertreiben, beibe OJiächte gufammen tonnten je^t fei*
neu neuen ßrimfrteg beginnen, um nicht etma oon einem geinb im büden
überrafcht gu merben. bringipiell mar unfere bepublit Oor bem Kriege ben eu*
ropäifchen Dbonarchieen burdßauS nicht gefährlich, fonbem im ©egentheil förber*
lieh, meil fte als abfchredenbeSbeifpiel biente; iefct aber ift es bamit anberS ge*
morben. 3)er gntpuls, melchen ber Sieg ber Union ben republifanifchen be*
ftrebungen jenfeitS beS OceanS gegeben hat, tritt überall unb bei jeber ©elegen*
heit heroor. SBeber in ©nglanb, noch in granfreich, noch in 5)eutf<hlcmb ober
irgenb einem anbern europäifchen fianbe fann eine oolfsthüntlicße berfammlung
abgehalten merben ohne baß bie [Rebe auf Anterifa lommt unb beS hier errun*
gene Triumphs ber greiheit jubelnb gebacht mirb. 2Ran barf bie bebeutung
biefer Shatfacße nicht unterfchäpen. 3)ie 2Jia<ht beS beifpiels hat fich in ber
©efeßiehte noch nie oerleugnet. S)aß baS republifanifche bringip SebenSfähig*
feit beftpt unb baß eS bie ©lemente ber ftrengften Orbnung in fich trägt, ift hier
fo flar bemiefen morben, baß 3eber es oerfteht. S)aß bie republifanifche [Re*
gierunSform bie hefte ift, mirb mit ooller Uebergeugung nirgenbS mehr in Ab*
rebe geftellt. ©S hat fuh brühen im bolfsbemußtfein feftgefeßt, unb bei bem
nächften großen europäifchen 3ufammenbruch, bei ber nächften bölferfriftS,
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Welche über Sladjt betetnbredben lantt, wirb bie fo gewonnene ©rlenntnih fl#
unbebingt geltenb machen. Sem Scharfblid Soute Stapoleon« muh man jum
Sobe nacbfagen, bafs er »on Anfang an muhte, um ma« e« ftcb hier banbte.
Site Slepräfentant be« Gäfartemu« bat er gar leine Saft« unter ben gäben,
wenn bie feinem Spftem ju ©runbe Kegenbe gittion fchmhtbet. Sur# bie
mefitanifche Grpebitioti unb burcb bie mit Gnglanb bereinbarte Sleutralitätöer*
llärung fudjte er ben SluSfaU be« Kampfe« }u beeinflujfen. 63 entftanb babur#
eine Situation, welche jut Seit nicht Har ertannt würbe unb auch jefet im
Sillgemeinen noch ’ nicht in ihrer »ollen Tragweite gewärbigt wirb. © 8
banbeite fi<b bie* um ben groben Sßrojef» jwifchen Sie*
publil unb Monarchie, unb bie Slepublit bat ihn ge*
wonnenl
Unfet SSerbältnib ju ben lontinentalen Mächten ©utopa«, mit SluSnabme
granlreicb«, war mäbtenb be« Krieges ein febr erfreuliche«, ifkeuben nnb Oe*
fterrekb jurnal machten au« ihrer Spmpatbte für ben Störten lein |>ebt. Man
barf barau« inbeffen nicht fehlten, bab fte ftcb für bie greibeif entbuftaSmir*
ten. Sie »on aller SSBelt anerlannte Union war ihnen bie legitime Macht, unb
fte fpmpatbtfirten mit ihr au« Slbneigung gegen bie Sleoolution in jeglicher
©eftalt 3n 2ßien fowohl wie in SSerlin würbe bie« häufig au«gefprochen.
Spanien wubte, bab bie ©twerbung ©uba’« immer nur"»om Süben angeftrebt
Worten, unb erblictte be«balb fein £eil im Siege be« Störten«, ©igenthümlich,
aber in ber Statur ber Sache begrünbet, ifi ba« jwifchen Slublanbunb ben äßet*
einigten Staaten entftanbene Serbältnifj. Ser natürliche 5Bunbe«genoffe
ber Union märe gtanlreich gemefen; ba aber Soui« Stapoleon ber Triumph
be« monardhifche» Sßrinjip« über ba« ^ntereffe be« »on ihm regierten Sanbe«
ging, mubte unfere Slegierung fi«h für alle gälte nach einem anbem 9knbe«ge*
noffen umfeben, unb biefer fonnte nur bie Macht fein, welche ft<h in berfelben
Sage befanb. So feben wir benn bie Slbfolut*Monarchie im SJunbe mit ber
bemotratifdhen Stepublil.' ©in merlmürbige« Schaufpiel, ba« aber ben grei»
beitefreunb nicht ju beunruhigen braucht. Stublanb ift bie einjige Monarchie,
welch« bei bem SUbungäftanbe ihrer Skuölletung bte Slepublit nicht ju fürchten
bat; unb bin J« fianbe brauchen wir wahrlich nicht »or bem 8lnftedung«ftoff
be« 3lbfoluti«mu3 ju jittem. ‘Pringipiell buben bie beiben Mächte mit einanber
gar nicht« ju febaffen; wohl aber liegt e« in ihrem beiberfeitigen gntereffe, bah
fte anf bem Meere al« mögliche SSerbünbete erfcheinen. gn ber Sage,
in welcher fte ft<b befanben, mürben bie bereinigten Staaten febr tböriebt ge*
banbeit haben, wenn fte einen foldjen Sltliirteu »on bet £anb gewiefen hätten.
Sie ©tenjen biefer StUianj taffen ftdj übrigen« abfeben. S3i« jefjt ift e«
noch eine Unmöglichleit, bah bie fpanbel«* unb Ma<bt*gntereffen Sluhlanb« unb
ber bereinigten Staaten mit einanber todibiren. Steffen fte aber einjt am Stil«
len Meere jufammen, fo wirb auch jwifchen ihnen bie in folgen gällen unau«*
bleiblich« Siicalität erwachfen, unb bi« bahin wirb fuh hoffentlich ein repu*
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blifantfchel granfreüh all unerf<hütter{?<ber Verbündeter ber Union gur
/Seite fteöen. Sin fokber Vunb mürbe bie SEelt bebcrrfdjen.
Unfere$i7ferengpunttemitbem laiferlicben Jranfreicb und mit SngTanb find
fo bringender 2lrt, baß jeder einzelne fich gttm casus belli eignet. S3eibe ba*
ben don ber augenblidlicben Scbmdche ber Union prrfitirt um ihr ben empfind*
ftchften Schöben gugufügen, unb bol fann nie bergeben nnb dergeffen m erben,
granfreiih banbeite bwaulforbernb, Snglanb perfid bil gur underbüllten ©e*
«neinbeit. Vur dal üJtißtrauen gegen einander derbinberte fie, gemernfam über
ben lämpfenben Siefen belaßen, all er ficb eben in ber fihUmmften Sage be*
fand. Veibe gittern je# dor ben folgen ibver Handlungen. 2Bir !5nnen uni
füglich ib*« Slngft freuen. ÜRapoleon ber ©ritte, ift all Vertreter bei monar*
<hifcben V^ngipl gefd&lagen unb mirb feine Stoppen mrl 3Jleyilo entfernen
müffen; für England aber mirb unaulbletbiicb ein Sag ber Vergeltung laut*
men. 2JUt giemltcber ©emutb^rube tonnen bie Vereinigten Staaten gmei ©rei$*
niffen entgegen)*eben, melcbe einen großartigen Sriumpb ibw fßolitit in ficb
fchUeßen, unb gmar aller 2Babrf<bemlid?teit nach ohne baß fie eine Hand dafür
gu rubren braunen. SQßir meinen bie SBieberberftellung ber nrefitamfeben 9$e>*
publif und bie Slnnepon Sanaba'l. Sal Uebrige findet ficb bann. Sfie Sagje
ber Uebergriffe ^bel 2Ronanbentbuml find gegablt, febr bald mirb der $epu*
blifanilmul ben angreifenben Sbeil bilden, unb bann entftebt da, mo fo oft
auf Soften ber Voller froblodt mürbe, ein Sntfefcen, mie bie 2Bett noch feml
gebort unb gefeben. 2Bal im lefcten 3abre 2imerifa gdeiftet, bietet der fiebern*
gebnjdbrigen europdifchen Veaftion ein mehr all buwdbenbe! ©egengemiebt.
®r beginnen bal^ab^ dom 3K»<h ber SUaderei erlöf't,
frei und ftarf im 3nnem, Siebtet, geliebt unb gefürchtet im Slullanbe, Oe**
fegnet mar dal 1365. 2Jlöge ihm in 1866 ein toürbiger 3Äa<h?oiget
erftebenl
plttfihattfdjc Ucoue.
s/ou $agen.
SJal mufitalifebe Seben Stmerital, fo meit el onbieDeffentEchfeit tritt, be*
f<hrän!t ficb felbftderftänblicberroeife auf die Hauptftdbte ber Union. Unb unter
biefen ift el doch nur Vem*?)orl, dal ein bauernbel fünftlerifchel ^ntereffe in
Elnfptuch nimmt. &mar mirb bann unb mann Vofton all Viöalin 9tem*2)0tfl
m mufüalifdber Hinfuht begegnet; aber ein einfacher Hinblid auf bie Statiftil ber
dortigen, in biefel ©ebiet einßhlagenben Sreigniffe dürfte bie Unbaltbarteit einel
folchen 2lnfprucbel bemeifen. 2ßie bedeutend bie mufitalifchen Hülflmitte!
Vem*$orfl fmb, möchte oielkicht am beften aul ber Sbatfache gu erfeben fein,
baß, all der Sutgem in ber italienißhen Oper „S)ie Äfrifanerin* mit einem
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fcerftärften Orcheftet gegeben »utbe> $txr 2$tebpr Dbomnd bem Pubti&m all
bemfelben Slbenbe eine feiner 6bmpbonie^6oireen mit gleich ftarlem Dnhefter bie¬
ten tonnte. 2Benn man berwdftcbtigt, bah i u beibett Sluffübnwge» nur tüchtige
SKufifer nermenbet »erben tonnten, unb bah an oemfelben Slbenbe in ben ner#
fcbiebenen Diätem über hundert Drcheftermitgliebei ihrem Berufe nachtamen,
fo ftellt fi<h allerdings ein böcbft Sichtung gebietenbed [Refultat beraub, da#
nicht blo| alle Slnftrengnngen anberer Stabte in Slmerita »eü überflügelt, fett*
bern bad fleh auch recht gut an bie Seite befjett [teilen tann, »ad bie meiften
Stabte Guropa'd in biefer $infnht ju bieten vermögen. «
©erüdftchtigen »ir nun junäcbft bie mufitalifchen Grfcbcinungen -iRe»*Portd,»ie
fte und bieSaifon norfübr, fo treten und nor allen Gingen bie großen Drchefter*
concerte entgegen, bie non ber bieftgen Pbiibarmonifcben ©efellfdpaft unb non ber-
jenigen 23rooflpn r d, fo»ie auch üon^erm3:beobor ^bomad gegeben »erben. 3n
tiefen Goncerten »altet unbebingt ber beffere ©efcbmac! ob. 3^ar »erben bann
unb »ann (namentlich in 23rooflpn) Gonceffumen an bad grobe Publitum ge*
macht, »eiche bie rein tünftlerifchen 3ntereffen ct»ad ftart anher Slugen laffen ;
aber im ©rohen unb ©ati^en müffen bo<h alle biefe Goncerte ald bie Pflanjfdjule
ber hohem tünftlerifchen Seftrebungen auf bem mufitalifchen gelbe betrachte f
»erben. HUerbingd bürfte eine noch gröbere. SRannigfaltigteit in ben Programmen
cbmalten, 5 umal »enn man bebenft, bah bie Goncerte non nerfebiebenen Per#
fönlichfeiten audgeben. So fcheint bie Skootlpner ©efellfchaft in ber $orfüb*
rung ihrer gröhern 3nftrumentalcompofitionen nur ein SRefle? ber 9te»*2)orfer
§u fein, inbem fie febr oft bie Spmpbonieen »ieberbolt, »eiche non biefer
aufgefübrt »erben. So batten »ir auch in ber j»eiten Spmpbonie-Soiree bed
£errn Dbeobor Dbomad biefel be Ounertüre, »eiche im erften Pbiibarmonifcben
Goncerte gefpielt toorben »ar. $mx »ar bied bie britte 2enoren*Dunertüre
Peetbooen’d eine ber grohartigften gnfprcationen, »eiche je für bad Drdjefter
gefch rieben find; aber eine andere SBabt in bem einen ober anbern Goncerte
»dre hoch »obl |»edtmahiger gemefen, jumal gerabe biefe Dunertüre mehr ge*
fpielt »irb, ald irgend eine andere. SGBir finden überhaupt, bah tn allen Drehe*
jterconcerten hier ju Sande eine ju grohee 9Jtonotonie inPetreff ber norgefübrte»
Dunertüren obmaltet. Gd ift immer bie Dannbäufer* ober bie Gurpan^ ober
bie £enoren*Dunertüre, mit denen »ir regalirt »orben. 2Bir fmb »obl mit
ber 2Ragerteit bed ÜJtateriald nertraut, »eiche ben Dirigenten in biefer $Be$it*
bung entgegentreten; aber bie SRübrigteit, melcbe man hier gerade auf
anderen gelbem der mufitalifchen Gompofitionbartbut, liehe fid? doch »obl,
»enn auch in einem »eit geringem ©rabe, auf bie Sludtoabl unb Sludfübnmg
non Dunertüren übertragen.
Gd Iaht fi<h nämlich nicht leugnen, bah »ir im SlUgemeinen mit allen
neuen bernorragenben Grfcbeinungen der mufitalifchen Siteratur febr febneü per*
traut gemacht »erben, fiaum taucht irgend et»ad non Bedeutung in Europa
auf, fo »irb ed und auch fchon hier norgefübrt. 2Bir erinnernund, hier die SBag*
ner’fche ,gauft*Duuertüre" gehört |u haben nachdem fte blöd an einem Orte
In $eutf<hlanb gefpieft morben mar. So fönnten mir mehrere (Sompofitionen
bon £ibt, IRaff unb Verliöj nennen, bre meber in Verlin, SBien unb München,
noch in ben meiften anberen Stabten aufgeführt, mdhrenb mir hier fchon bölltg
bamit bertraut gemalt morben ftnb. Von Schumann lennt man heute noch fo*
mohl in SßariS mie Sonbon fo gut mie gar nichts, mdhrenb hier feine hauptfad)*
liehen 3nftrumentalcompofttionen fortmdhrenb auf bem SHepertoir ftnb. So
gab uns baS hieftge Sßhüharmonifche ßoncert feine D-moll-Spmphonie, in
Vrootlpn mieberholt, fb erfreute uns £err £heobor $fyoma£ in feiner jmeiten
Soiree mit ber B-dur-Spmphonie, ber erften unb auch ber frifcheften unb genial*
ften $hat, bie ft<h Schumann in ber Spmphonie*gorm ju Selben fomnten
lieb*
So malten uns auch bie Herren Vergmann unb Ü^omaS mit Sifct’S
„Majeppa" belannt, einem 2Berfe, baS heute noch in ben meiften
Stdbten (Europas eine terra incognita ift, tro^bem bafj eS in hohem ©rabe
berbient, gehört $u merben. (SS gönbete hier gemaltig, unb auch mit IHecht; benn
trobbem bab eS in ben Motiben nicht fo originell ift, mie 3 . V. bie erfte
biefer fogenanten fpmphonifchen 3)icht ungen „Les Preludes ,, > fo ift eS boch
gleich biefer höcbft lebenbig gehalten, unb be rüdfichtigt in gldnjenben garben
bie für unfete 3eit fo notbmenbige Steigerung beS 5luSbrudS. So führte
uns auch ber ßlabierfpielet Mills in ber jmeiten Soiree beS $errn &heobor
ShornaS baS Es-dur-^onjert bon 2ibt bor, ein 2Bert, baS fchon bor mehreren*
fahren tomponirt mürbe, aber hier fo menig mie in ben meiften Stabten (Europas
gehört morben ift. 3)aS (Sondert befteht aus einem Safce unb ift boH ber rei* #
jenbften (Sffette, ohne aber auf ^iefe ber ©ebanfen Slnfpruch machen §u tonnen.
5)ie tflangfinale ber ^ianofortes ift mit ber beS OrcpefterS fo gut bermebt, mie
eS überhaupt möglich ift, unb baS ©anje m acht, menn auch feinen tiefen, boch
einen freunblichen (Sinbrudt.
2)affelbe ^rinjip, baS hei biefer fdhrfellen Vorführung aller biefer SBerte
obmaltet, unb baS mohl mit fRecht al£ ein günftigeS SRefultat beS amerifanifchen
60 ahead-SpftemS auf baS beutfche Äünftlerthum angefehen merben tann,.
Idfjt füh natürlich auch auf bie $rometheuS*0ubertüre Vargief S anmenben, bie
mir in bem jmeiten $hilharmonif<hen (Soncerte ju hören befamen. Unter ben
neueren (Somponiften ber beutfchen Schule nimmt 2B. Vargiel, tropbem er fein
$eutf<her ift, bielleicht bie herborragenbfte Stellung ein. (Sr lehnt fich &mar
ftarfan Schumann an, hat aber boch in feinen neueften SBerfenbiel Selbftftdn*
^igfeit-eine grobe inbibibuelle Äraft entmidelt. — 3 n bemfelben (So^erte mürbe
UnS unb auch Veethoben’S heitere unb in mancher Vejiehüng bolfsthümliche achte
Spmphonie, DJtenbelfohn’S flare unb immer frifche Mufti jum „Sommernachts*
tcaum" unb beffen Vtolinconcert, bon £errn Sßrume gefpielt, geboten.
$er Septere, ein belgifcher Zünftler unb Veffe feines berühmten 0 n*
telS, beffen „Melancholie" einft bie Okinbe burch bie £auptftabte (Europas machte,
mar feiner ganzen tünftlerifchen Dichtung nach faum geeignet, bem Men*
belfobn’fchen 2 Berfe ©enüge ju thun.
0 ’
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Die $erbflfaifon ber italienifchen Oper if l gefchloffen, unb bte Gruppe
menbet fuh bor ber $anb nach Baltimore unb SBBafhingtonr unb fpdter nach
löofton. 3m grühjahr wirb fte mohl gu ung gurüdfehren, um noch bte Seiben
unb greuben einer Saifon gu burchleben. Unb eg bat au<b in ber foeben be*
dtfojfenen nicht an biefen gefehlt. £err Niarefcef mürbe namentlich im Anfänge
burchaug nicht auf Nofen gebettet; aber er !ann mit SRecht fagen: „Gnbe gut,
SlUeö gut," benn bag Gnbe mar für ihn mirTtlich febr gut. Schon bie alten
Opern brachten ihm gute Ginnahme, aber mit ben neuen, „II Crispino e la
Comare“ unb „Die 2lfrifanerin", hat er ein mirflich fehr befriebigenbeS
pecunidreg Nefultat erreicht. Unb mag noch beffer ift, er hat in ben 2luffüh*
rungen beiber Opern auch fünftlerifch Slnerfennengmertheg geleiftet. Die Dar*
ftellung ber fomifchen Oper ber ©ebrüber Nicci mar bie abgerubetfte, bie mir
feit manchen 3ab*en in ber Academy of Music genojfen haben, unb auch
bie ber 21 f r i l a n e r i n mar fehr lobengmerth, namentlich menn man bie großen
Scpmierigfeiten berüdfichtigt, melche bag lebte 2Berf 9)teperbeer 7 g bietet.
23eibe Opern haben fehr gefallen, tro^bem bafj fte. hüchft berfchiebenen
Gharafterg ftnb. „II Crispino“ gieht burch ben rein menfchlichen 3«balt an,
ben ber Seyt im ©egenfape gu bem bielen romantifchen Unftnn ber meiften ita*
lienifchen. Opern hatt. Dafj ein 6<hufter ein berühmter Doftor mirb, lann auch
heut gu Sage noch borfommen, nur bebürfen mir bagu feiner geen, mie eg in
bem SRiccifchen 2ßerfe gefchieht. Die SDRufif, ungefähr gmifchen breijjig unb biergig
Sabre alt, erinnert ibremStple nach an bieDonigettffcpen fomifchenOpern, hat aber
bei meitem nicht bie ©ebanfenfülle ber Sefcteren. 2lber fte ift im 2lugbrude
gragiög unb im ©angen ohne abfolute Strimalitdt. gräulein Kellogg alg
bie grau beg Schuftet, Signor Nobere alg ber lebtere felbft, Signor Fellini
alg ber Doftor bon „Nechtg megen" maren borgüglich. 3ht* ^omif mirtte eben
be^halb fo au&erorbentlich, meil fte ftch in ben ©rengen beg Natürlichen hielt,
ßeiber ift ung ein ©lieb auä biefem ^ünftlerberbanbe burch einen plöplichen Sob
entriffen morben. Signor Nobere, ber alte mohlbemdhrte 23uffo, ein Gpigon
ber alten großen 33uffo*S<hule, ftarb im hörigen 2Jtonat nach einer Äranfheie
bon nur menigen Sagen.
Die SNuftf ber ütöeperbeer’fchen Oper appeHirte natürlich bei meitem
meniger an bag allgemeine 23erftänbnifj, fcheint aber bo<h fd)on feften
gub unter unfern Dilettanten gefaxt gu haben. Dab bie Scenerie, ber
Speftafel, ber mit jeber SNeperbeer’fchen Oper mehr ober meniger berbun*
ben ift, feinen geringen 2lntheil an ber gftnftigen 2lufnahme biefer Oper hat,
berfteht ftch bon felbft. Dag Schiff, bei bie len ^rogefftonen, bie Nmagonen unb
ihre merfmürbigen Sumiere, ber noch merfmürbigere 23aum, beffen Sölüthe blog
an bie Nafe gehalten gu merben braucht, um nicht nur ber festeren, fonbem auch
ben übrigen Söeftanbtheilen beg menfchlichen flörperg ben Sobegfcplag gu ber*
^en, mag bie £elbin beg Stüdeg benn auch (natürlich am Schluffe) heran*
djauli^ht — Sllleg bieg ift mohl geeignet, um Spannung, Neugierbe, ja Shell*
nähme unter bem gröberen ^ublitum gu erregen.
74
v $aß bet 5tcft ber Oper albern ift, brauchen mir mobt nach biefen ment*
gen Blnbeutungen nicht weiter gu ermähnen. 2lbet er bietet effetoolle £ableau?,
unb gmar in brei bW bramatifdjen Situationen, unb an biefem mußte ©teper*
beer oor Billern gelegen fein. Qx bat non jeber bie ffiabrbeit bem (Sffelt geopfert,
marum füllte er in „S)ie Blfrifanerin" eine BluSnabme machen? @r mußte fich
um fo weniger hietgu beranlaßt fühlen, als er beim Schaffen feiner Partitur
noch einen gemiffen ©rab bon griffe bet ©mpfmbung, noch eine gemiffe
(SrftnbungSgabe batte, über bie er in feinen freiem, aber früher gegebenen Opern
nicht betfügen lonnte. *2)ie Blfrifanerin" muh fchon bor bielen fahren,
bielieicht unmittelbar nachbem er „3)ie Hugenotten" gefdjtieben batte, fliggirt
fein. Sie ftebt ber letztgenannten Oper im Söerthe biel näher, als „$er $ro*
pbet" unb bie barauf folgenben Opern, fchon obgleich fte eine febr gefdjmäcbte
©telobieenlraft offenbart. Sie giebt mieberum bon bem großartigen Kombina*
tionSbermogen ©teperbeer'S Seugniß, unb ift auch triebet in ber ©tacbe bol
feiner geiftreicher 3üge. $aS ginale beS erften BlfteS, ber gange bierte Bltt,
unb auch bie Hauptmomente im britten Bllt geben uns b&<hft bramatifche ©tupf,
boll neuer unb intereffanter Gffefte. 3u biefen rechnen toir namentlich bie
meifterbafte Kombination, bie uns in ber Orchefteratim entgegentritt. Hier
fmb toirllich retgenbe Details, gu benen namentlich ber Huftier gern gurücf*
lehrt 2)aS berühmte Unisono-Solo ber GclloS unb SBioline im lebten Bllt
bat uns weniger gefallen. 3)ie febr bübfehe ©telobie, bieHeicbt bie originellfte
ber gangen Oper, mürbe unferer Blnftdbt nach, fein harmoniert, mie eS ©teper*
beer recht gut berfteht, biel ergreifenber mirfen. Oftaben flingen immer leer,
unb jeber ©ebanle, ber mit biefen febr beliebten Mitteln gu $age gebracht mirb,
ift nichts meitcr, 'als ein Stelett ohne gleifch unb 33lut. BWerbingS lann bie
©inftimmigfeit im bolalen 2)uett bann unb mann bon großer SBirfung fein, mie
SBerbi uns oft genug gegeigt, unb ©teperbeer ihm merlmürbigermeife in feiner
lebten Oper (im SiebeSbuette beS bierten BlfteS) nachgemacht bat; aber ber
©ffelt ift hoch nur ein padenbet für bie ©taffe, baS feinere ©emütb menbet fleh
berlebt ab.
„$ie Blfrifanerin" erforbert mie bie meiften ©teperbcer’fchen Opern in ber
Sluffübrnug ©taffen, um gut rechten ©eltung gu lommen. 3m erften Blft fmb eS
in ^kiris mehrere bunbert Sang«, bie fich an.ber93eratbung ber ©ranben betbei*
Kgen. $\tx fallen felbftberftänblichermeife biefe ©taffen fort, unb bie BBirfung
ift beShalb auch eine tleinere. Biber berüdjicbtigt man bie gu ©ebote ftebenben
©tittel, fo mar ber ©ffeft boch ein gang tüchtiger, unb bie Soliften (bie Herren
©taggoleni unb Söeüini unb bie tarnen 3nccbi unb Ortelini) leifteten böchft Bich*
tungSmertbeS. Namentlich geichnete fuh baS Orcbefier unter Henn JBergmann'S
geübter Leitung auS.
S)ie Berichte über bie italienifchen OpemoorfteHungen, melche erft in 6bi»
cago unb jefet in St. SouiS unter $mn ©rau’S Seituttg ftattfinben, lauten
febr miberfprechenb. So Piel fcheint fejtgufteben, baß ber (Erfolg bis jefct nur ein
geringer mar.
cs
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3n ^Betreff ber beutfdjen Oper lägt ftch wenig ©uteS lagen. $err ©rau
fcheint bot ber #anb fein ©lüd auf furje 3eil mit ber OJtarcheffchen Gruppe
besuchen §u wollen, unb bie AuSftchten für ein balbigeS 3uftaubetommen eines
Unternehmens ber Art haben fuh fehr wefentlich berringert. 2)ah übrigens bie DJhtfe
'trofcbem nicht ruht, unb bah ft<h baS mufifalifche Seben in SBofton, Phüabelphia,
Ghteago unb 6t. SouiS auch in biefem SBinter in gewohnter Steife regt, bebarf
wohl nicht erft ber Erwähnung. S5ie bewegenbe jfraft atf biefeS SebenS geht wie*
herum bon $eutf<hen aus, in 6t. SouiS bon $errn 6obolewSü, in (Chicago bon
£erm SBluhetta, in ®ofton bon Herren ßreiSmann, 3*r*ahn unb Snbern, unb
in Sßhilabelphia namentlich bon £errn Sari SCBolffohn, ber in biefer 6aifon bie
!ühne 3bee hatte, bie fämmtlichen 93eethoben’f<hen 6onaten öffentlich §u interpre*
tiren, unb ber bereits einen fehr erfolgreichen Anfang mit biefem guten Sterte
gemacht hat. #
Sffiir werben fpdter wohl noch ©elegenheit haben, ber Shätigteit nicht bloS
biefer Herren, fonbern anberer tüchtiger Kräfte in ben berfchiebenen 6tabten ber
Union im 3ntereffe ber görberung eines guten mufttalifchen ©efchmads in fbejiel*
lerer Steife ju gebenfen, unb wollen fchliefclich nur noch erwähnen, bap baS hi«
in $Rew*?)ort ju ©unften ber gamilie beS berftorbenan Sdmponiften 2Bm«
Sincent SBallace ftattgefunbene Sonjert, an welchem fi<h bie tüchtigften mufita*
lifchen Grafte ber 6tabt betheiligt hatten, nicht bon bem gldnjenbeu pecunidreu
Erfolge gefrönt würbe, bejfen bie greunte beS Somponiften fo gewifi ju fein
fchienen. SinerfeitS modbten wohl bie fehr hohen SintrittSpreife (fünf Dollars
für einen Sogenftfc) barem 6chulb fein, anbererfeits war aber auch baS Pro¬
gramm ju monoton, um eine allfeitige Sheilnahme $u erzeugen. 6o achtungS*
Werth auch baS SompofitionStalent ’oeS .§errn JEßallace war, fo tonnte eS ben-
noch nicht genügen^ um baS publitum einen ganzen Sbenb ju feffeln, BefonberS
nachbem es im Anfänge beS Soncerts Seethoben’ö Sobtenmarfch aus bei
„Sroica" genoffen hatte.
SR a <h f 4 r i f t. 2Bie wir foeben hören, fmb bie ©ebrüber gormeS, welche
bor einigen Stechen nach £abana gingen, bereits ju unS jurüdgefehrt. gh*
Aufenthalt in £abana muh ein fehr turjfcc gewefen fein; vielleicht bau £tant*
heitSjuftdnbe beS einen ober anbem biefer 6dnger bie £auptberanla}n ng $u
fchneller Südtehr Waren. SS wäre wohl $u wünfehen, bah bie £emn jefct
bem 3uftanbebringen einer beutfehen Oper ihre ürdfte fchentten. 6ie tonnten
bann noch manches Süchtige leiften.
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litcrarifdj-artillifdjcs/fuUltton.
S3on 3. SB.
SJtit ber Stomanliteratur geht eg ^eut gu £age wie mit ben SWoben — fte
hat leinen fcharf ausgeprägten Gbarafter mehr. geber wunberliche Ginfall,
jebe bigarre Saune ruft eine Sßeränberung bcrbor in ber Art unb ©eife, wie wir
äußerlich auftreten, wie wir unS galten unb fleiben; ade ©eit, b. h. wag gur
tnobifdhen ©eit geregnet fein will, eignet fi<h bic Steuerung an unb beftrebt
ftch, eine 3^ lang eg genau ebenfo gu machen, big wieber ein Studt nach einer
anbent, oielleicht gcrabe entgegengefe&ten Stiftung bie SJtaffe bortbin treibt.
Aehnlich in ber ergäblenben Literatur. GS ift ein unabläfpgeg Schwanfen bin*
über unb herüber, ein Gjperünentirftt mit ben oerfchiebenartigften Stoffen unb
ber oerfchiebenartigften SöehanblungSmeife, ein ewigeg Umbertaften unb Suchen
nadb Steuern, Aufierorbentlichem, Gffeftootlem. Gffeft im äußern SJtenfchen, Gffeft
in $anbel unb ©anbei, Gffeft in ber $unft, auf ber 23übne, in ber Siteratur,
}a fogar in ber ©iffenfdhaft — bag ift beut gu £age bie Sofung, bag oberfte
©ebot. Seit unfere Literatur für bie ©egenwart fo effeftooll geworben, bat fie
für bie 3utunft ben Gffeft oerloren, b. bv bat aufgebört, claffifch gu fein.
$>er beutfdbe Vornan oon beute ift gefahrener, unbeftimmter an garbe unb
©epräge, locferer in feiner gangen Gompofition, alg gu irgenb einer früheren
$eriobe. $ftan würfelt etlidbe $>ufcenb ber abenteuerlidbften Scenen bunt burch*
einanber, geidbnet pfpd&ologifcb unmögliche ober burchaug auf bie Spi&e geftellte
Gbaraftere, lleibet bag ©ange in eine fofette, babei aber boch giemlidb faloppe
gorm — unb ber moberne Vornan, ber unter allen Umftänben fein Sßublifum
finbet, ift fty unb fertig. Stur e i n 3ug gebt burdb faft alle biefe Schöpfungen:
bie Sucht nach bem Abenteuerlichen, Zigarren, nadb ftnneblenbenben unb oer*
Wirrenben Gffeften. Sehr wenige Schriftfteller fmb eg, bie fidb weigern, mit
bem Strom gu fdbwimmen unb bem 3eitgef<hmacf Gongeffionen gu machen. $ie
begabteren unb ©eiftoolleren bieten alle ßunft ber SDarftellung auf, um bie mit
febem Augenblidf in ber Grgäblung wedbfelnben lanbfchaflichenScenerteen allerSän*
ber unb 3onen fo plaftifch unb anfchaulich, bie wie im bunten Garneoalgreigen
ftch brängenben ©eftalten fo fcharf unb lebengooll wie möglich heroortreten gu
laffen; aber fie werfen ben Sefer ebenfo unftät bin unb her, führen ihn mit ber®
feiben ©efchwinbigfeit aug ber Sropenwelt nach bem Storbpol, aug ben feinften
©efellfchaftgfreifen europäifdber £auptftäbte nach ben Steppen Afteng ober ben
Urwälbern Amerifa’S, wie ihre mehr hn.^anbwerfsftpl unb nach ber Schablone
arbeitenben Gollegen, bie, auf jene feineren Ausmalungen unb brillanteren
Sichteffefte oergidjtenb, fich mit flüchtigen Umriffen unb grellen garbencon*
traften begnügen. Sajfen wir bie Stomanergeugnijfe ber beiben lebten gabre
bie Steoue pafftren, fo fmb eg faft nur gwei, oon benen ft<h mit Gntfdbiebenheit
behaupten läjjt, bafj fie, oon biefem unaufhörlichen £afthen nach Gffeften frei,
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jtcb aui ftcb felbjt heran« ju abgefcbloffenen, lunftooK geglieberten Schöpfungen
enttritfeln: bai eine ein Sittenroman bet ©egemrart, ein ©onterfei unferer
mobemen ©efeßfdjaft, bai anbete ein biftorifdKomantif(bci ©emdlbe in toeitem
Stammen unb großartigem ©iaßftab, ein meifterhaftei ©ilb einet culturgefdpicbt*
lieb bo<b»i<btigen 3eitepocbe— greptag’i „©erlorene ^an&fcbrift" unb
2aub e ’i „Seutfcber Ätieg." ©eibe fflerle, namentüd?bai erfte, ftnb fo riel*
faltig befprodpen trorben, unb fo rielen unfetet 2efet au« eigenet Prüfung be*
lannt, baß mit uni jebet toeiteten Iritifcben SBürbigung betfelben enthalten
linnen. Ser greptag’fdpe Vornan, beteiti in’« granjöftfcbe, £olldnbifcbe unb
jungft auch bon ©tri. ©talcotm in’i ©nglifebe übertragen, ift in biertet 5litf(age
erfdpienen, trai bei einem beutfeben mebrbänbigen Vornan, bet übcrbici nur
für bai gebtlbete ©ublilum beregnet ift, getniß ettrai beißen toiü. 2aube’i
„Seutfeber ßrieg,* bejfen Scblußbanbe bii jurn 1. Januar 1866 besprochen
ftnb, umfaßt btei Abteilungen. Sie erfte, „gunler #ani", in 4 ©dnben, lag
febon in betriebenem ffiinter bot; bie jmeite, „©öalbftein", in 3 ©dnben, er*
ftbien im 2auf bei Sommeri unb führt ben 2efer bii jut ©rmorbung bei grieb*.
lanbeti unb jut Schlacht am meißen ©erge. Sie Scblußabtbeilung, in 2 ©änben,
trirb ben Xitel „^erjog ©embarb" führen, ©in Vornan in‘neun ftarlen ©an*
ben ift nidbt gebermanni ©efdpmad, unb trie'trit offen geftehen: au<b nicht bet
unfrige; bem biftorifeben Vornan jebodp, trenn er anberi mehr fein foU ali ein
bloßer 2lb!latf<b aui ^anbbüdpern bet ©efebiebte, mit etwa« Sichtung bermifebt,
muß notbtrenbig ein größerer ©aum gut ©erfügung gefteilt trerben. Auch ift
ei fteber nicht ali berlorene 3eit ju betrachten, bon ber £anb eine« folgen ©tei*
fteri bet Sarftellung rnie 2aube f«b ein bollftdnbigei ©emdlbe jener er*
eignißreüben 3eit entwerfen ju laßen, beren golgen unb ©aebtreben noch bi«
auf ben heutigen Sag im beutfeben ©aterlanbe allettnegen ju Sage treten.
Auch biefer Vornan finbet einen toeiteren 2efelreii unb trirb, trenn erft rollenbet,
fteber nodb populdrer trerben.
©odp ein anberet SdpriftfteHer trdblte unldngft bai 2eben AMenßeini
ober trenigfteni eine ©pifobe aui bemfelben jum ©egenftanb einei größeren
©oman’i: Suliui b. SBidebe, ber einen „^erjog ben SGBallenftein in
©tedlenburg" gefebrieben hat. SBtdebe ertrarb ftd> bureb feine nobelliftifcben
Säuberungen aui bem ©tilitairleben einen geachteten ©amen. 3>nbem er uni
auch in biefem ©oman eine bunte ©efellfdpaft bon Kroaten, #ufaren, Sägern,
traUonifcben Äüraffteren zc. borführt, ift er ganj in feinem ©lement unb liefert
recht anf(bauliche ©ilber; auch bie £o!alfcbilberungen mecflenburgifcber 2anb*
febaften unb 3uftdnbe finb fehr gelungen, man fleht, ber ©erfaffer betregt ficb
hier auf heimtfebem ©oben unb in troblbelannten Greifen, dagegen lann bet
©oman ali trirllicbei biftortfdpei ©emdlbe mit ber 2aube’fcben Schöpfung leinen
©ergleicb auihalten. ©i ift nicht« ali ©enremalerei in treitem ©ahmen, ber
nicht bafür geeignet ift.
Sie STOittel, burch »ebbe greptag unb 2aube auf ihr ©ublilum trirlen, er*
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fch einen ben metpen nnferer gegenwärtigen SlobefliP«» ungenügettb, pe greifen
ftach fraftigeren unb ihrer Aleimmg nach wirlfameren. ^Betrachten »it einige
ber ncueften Romane, wie pe und gerabe in bie $anb tommen unb ohne
befonbere Sorgfalt in ber Attdwahl. Da ift „Dgarogp," ein Vornan bon (Srnjt
5rl)rn. non SB i b r a, bem belannten Aeifenben unb glüdlühen <S<hilberer }ub*
amertfanifcher Scenerieen. Der ©ecfaffer hat ed pdj gewip recht fauer »erben
laffen, biefen Stoff gu pnbett, ber bem SBebütfrop bed nwbemen Senfatiend*
Aomand oortrefflkh entfpricht. Xgarogp ift eine mppifche $erfönlid?feit k la
©agliopro, unb nkhtd ift bei unferen Aomanbichteni bet ©egenwart gefugter ald
folche buntle ©haraftere. Qu Anfang bed laufenben Qahrhunbertd. trieb ftch ein
Abenteurer unter bem tarnen eined ©rufen Dgarogp inSKittelbeutfilanb umber
unb machte namentlich bie Stabte am SAatn §utn Schauplap feiuer SWauipula*
tionen, bie gewöhnlich auf alterlei ^Betrügereien, bei benen Siebedabenteuer eine
Stolle fpielten, hmaudliefen.* Später nerfchwanb er; Aiemanb wupte gu fagen,
»ad aud ihm gemorben. 3»angig Sabre fpater fanb man ihn »ieber, freilich unter
»eit befdjeibneren SBerhältniffen: er »ar Direftor einer »anbernbeu Schaufpieler*
truppe, welche in ben. ßanbftäbtchen polend umhergog. Diefe gigur bilbet
ben Aiittelpuntt bed SBibra’fchen Jemand, wenn auch nicht gerabe beffen gelben,
ba Stgarogp nur benupt »irb, bie im SBorbergrunb hunbelnben Sßerfoften in fort*
toährenber ^Bewegung gu erhalten. Die oorgeführten ©haraftere fmb faft fämmt*
lieh eycentrifch, auf bie Spipe getrieben; ba jeboch SBibta ein feiner 2Belt* unb
Sfienfdbeulenner ift, auch ald Darfteller feltene ©ewanbtheit unb ©laftiatät be*
ppt, uerfteht er Alled fo gefchitft eingutleiben, gu matmiren unb audgulegen, bap
felbft bet tritifcbe Sefer ber Zahlung mit Snterejfe folgt unb fte gulept nicht
gang unbefriebigt aud ber £anb legt. „Xgarogp" ift offenbar nichtd weiter ald
em Senfationdtoman; bod> gehört er jebenfaüd gu ben beffent ber ©gttung,
unb ber Autor mutbet bem Sefer niemald gu, ben lünplerifchen Stanbpuntt
gänglich aud bem Auge gu berlieren.—Da ift ein anberer Aoman, ber ben $iteb
# A a p l o d! " führt, ©inen treffenberen hätte ber Autor gar nicht wählen tön*
neu. Aaftlod geht ed non Scene gu Scene, bon ©reignip gu ©reignip. Ao<h
nicht bie Hälfte bed erften SBanbed braucht man burdhlefen gu haben, um fchon
gang fchwinbelig im ßopfe gu fühlen unb ft<h ermattet gu fragen: 3a, wohin in
aller Sßelt foll benn biefe Sßarforcejagb, biefed Aeifen per Dampf non Station gu
Station eigentlich führen? 2Boh*n? Der Autor fcheint ftch felber nicht Har bar*
über gu fein; fechd parle SBänbe bur<h foll ed raftlod fofortgehen, unb wir pehen
laum in ber üUtitte bed erftenl Da pnb gürften, Atinifter, Abenteurer, ©eiplicpe,
Diplomaten, fdböne grauen ber öerfcfyiebenften Stänbe, ©eheimpoligiften, SoU
baten, SBerfdpwörer, S&fuiten — man fühlt ftch wie auf bem Atadlenball, ringd
ifmgeben bon ben bunteften brachten unb feltfamften giguren. Dabei fehlt ed
nicht an Angeichen, bap ber Aoman aud einer wirflich talentvollen gebet pop;
bie üAache ift jebenfalld bewunberungdwürbig. 9Jtancpmal fcheint ed bem Autor
felber gu arg gu werben, er fehnt ftch nach einem Auhepuntt, er nimmt
einen Anlauf gu behaglicherem fünftlerifchem Schaffen — ba fällt ihm ploplich
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eht, baßer „Maßte* fördbe» muß, er laßt bteSocemottoc triebet bampfen
unb fcßnanben —-
„Unb ^um, fyare, ßop, h<>ri ßri>,
©eßt’S fort im faufenbem ©alopp, ,
Daß Moß unb Leiter fcßnoben,
Unb üieS unb gunten ftoben!“
©er bie fe<ß$ betßeißenen Sänbe mit ihren »tiefen ©eheimniffrtt beS heu¬
tigen SebenS, berborgenften Dtiebfebem, Scenen aus bent Familienleben non
dürften, gdnjtidb unbetannten Documenten, eigentümlichen Muftlarungen über
gemiffe geheime ©efeßßßaften" ac. ac. bnreßgepeitfeßt hat ohne fuß eine heftige
Migräne juge^ogen §u haben, ben beneiben mir um feine gefunbe Gonftilution.
3IIS Verfaffer nennt fuß $. Sftarcotin, bermuthluß ein Vfeubonpm.
SBenn feine ÜEBerfe Beifall ftnben, toirb balb ein Vfeubo*2Äarcotin erftehen, roie
eS in ber Dßat bereits riet SHetctiffe giebt, bereu einer feßaurigere unb padenbere
©efeßießten gu febreiben bemüht ift als ber anbete. Einer biefer eblen Sit
goßris hat fogar feßon Sehen unb Dob Slbraham SincolnS in einer 2In$aßl non
fflänben romantifch berarbeitet. What next ?
Der riel fihreibenbe Mrmanb, ber einjhnals eine Meife naeß 2lmetifa
gethan unb in golge baoon etrnaS erjdhlen meiß, bat triebet einen mebrban*
bigen Vornan fertig, ben er bieSmal „3n Mtejito" betitelt; o£
course, SJlejifo Ift jeßt ein fehr interejfanteS Sanb, unb ein in biefem Sanbe
fpielenber Montan muß feßon non born herein in getmjfen Greifen Senfatirit
machen, ©er nun etroa glaubt, baß biefer Montan in ganj eigentümliche«
Spanier gefchrieben fei, bab barin ein frembartiger tropifeßer $aiuß meße, ber
bem Sefet neue Silber, nie gehabte Einbrüde jufüßre, ber bepnbet ftch hoch eini¬
germaßen im 3rrtbum. greunb Elrmanb bleibt überall berfelbe, mögen nun
feine bunten ©efeßießten am (5rie=» ober am Oberen See, am £ubfon ober £om*
Tbtgbee, am ©ifftftppi ober Mio ©raube fpielen. gagb* unb 3nbianer*2lben*
teuer, romantifche SiebeSgefcßicßten, mit Entführung, Vergiftung ober Erbat*
<hung enbtgenb, Säger*, Drinf* unb $lofar* Scenen, Ueberfalle, Diebereien,
Spielhöllen unb maS ber bekömmlichen padenben gngrebienjen mehr ftnb, bar*
aus fefct Slrmanb ein für äße 2Jtal feine Montane jufammen unb beobachtet
nur bie Vorfußt, heute mehr bon biefer, morgen Weniger non jener Subftanj ju
nehmen, roobureß jmar täufeßenb dßnlicße, für aße praftifeßen 3»ede unb ben ©e*
feßmad beS großen VublifumS jeboeß ßinldnglkß betfeßiebene 3Äifcßungen §u
Stanbe tommen. Diesmal bot fuß eine ganj bortreffließe ©elegenßeit, bie
©efeßießte bon Mtepito bon ben Urjeiten an, namentlich aber bie beS mejifanifiß*
amerifantfeßen Krieges eirtjuflecßten, unb ba fuß barnit feßon ein Sanb füßen
labt, ber bom Verleger prompt ßonorirt mirb, ßat fie ber auf ©rünblicßfrit ßal*
tenbe Verfallet natürlich beim Scßopf gefaßt. Da bie ©efeßießte gut borgetra*
gen rnirb, ift fte am Enbe für Sefer, bie meber Suft no^h ©elegenßeit haben, fie
anbermeitig nacßjuftubiren, eine ganj annehmbare Bugabe.
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m
Snbem roh eg ung für beute am Äornan genügen taffen, mödbten mir nodb
SRaum gewinnen gur (Erwähnung einiger Iiterarifdber ©rfdbeinungen erntetet
unb gebiegener ©attung. ©3 beftätigt fteb, bafi wir ben biel betrauerten DJiei-
fter beg ©efangg, unferen im £ergen beg beutfeben SBolfeg ewiglebenben Sub-
w ig U b lanb bemnädbft bon einer wefentlidb neuen ©eite, nämlidb alg pro-
faifeben ©dbriftfteUer unb Siterarbiftoriler, tennen lernen foHen. ©edbg big fte-
ben 93änbe profaifeber ©Triften Subwig Ublanbg, betitelt: „SurÖefdbiebte
ber $ i <b t u n g u n b © a g e ", fmb nabegu brudtfertig unb werben bermutb-
lieb in rafeber golge auggegeben werben. S)ie #erauggabe berfelben berbanlt
man ben Sßrofefforen |jollanb, bon Äetler unb grang Pfeiffer, benen ber
Siebter {einen profaifdben SRaeblafj augbrüdttieb übemfaebte. ©ingelne ber Auf-
fäfce fmb bereitg in ber 3eitf<brift „©ermania" erfdbienen. Ublanb war einer
ber grünbli(bften Kenner ber älteren beutfeben Sßoefie, wegbalb feine Abbanb-
lungen über bag SBoltglieb, ben Sfltinnegefang, bie beutfebe £elbenfage, norbi-
fdbe, beutfdbe unb romantifebe ©agengefebtebte, gang befonberg aber über bag
3fäebelungenlieb für b&<bft bebeutunggboll erachtet werben müffen. 2)ag fin*
nigfte poetifebe ©emütb unb ber feurigfte ^atriotigmug, eine burdb unb burdb
nationale ©efinnung bereinigen ft<b ^icr mit tiefer ©elebrfamfeit gu einer in ib-
rer Art eb$nfo claffifdben Seiftung, wie eg bie unterblieben Sieber beg febwäbi-
feben ©ängerg ftnb.
$)afj man in $)eutf<blanb für literarifebe Belehrung empfänglich ift unb
eine mit ©aebfenntnijj unb in guter Meinung abgefafete ßritit, fei fte auch fonft
etwag einfebneibenb unb äfcenb, gu febä&en berftebt, beweift bie türglieb erfebie-
nene fünfte Auflage bon 3 u l i a n © <b m i b t ’ g ,,©ef<bi<bte ber beutfeben
Siteratur feit Seffingg $obe." ©eiten ift ein Söudb heftiger angegriffen wor-
ben alg biefeg, aber gerabe bie erbitterten Angriffe febeinen äufjerft conferbirenb
fu wirlen unb ihm eine lange Sebengbauer gu berbei&en.
©in für bie 2Biffenfebaft febr bebeutenbeg SBert berfpriebt bie „ © e f <b i <b t e
ber Aftronomie" gu werben, welche ber bodbberbiente AftronomQo-
bann Heinrich SWäbler, ebemalg ^rofeffor ber Aftronomie unb 2)i*
reftor ber ©temwarte gu 2)orpat, bermalen in 2)eutf<blanb pribatiftrenb, gu
febreiben im begriff ftebt. 2)ag 2Bert wirb einen 5Lbeil ber unter Webatiion
ber biftorifeben ©ommiffton in TOneben erfebeinenben, , burdb ben beworbenen
unb je^igen fiönig bon Saiern in freigiebiger SBeife untersten „allgemeinen
©efdbiebte ber 2Biffenfebaften" bilben. beiläufig möge bemertt werben, bat bie
biftorifebe ©omntifjion in ihrer fiebenten $lenarberfammlung im Ottober be-
fdblob, bafc bie bon ibr auggefefcten greife für ein gelebrteg £anbbu<b ber beut¬
feben ©efdbiebte (10,000 ©ulben) unb ein $anbbu<b ber beutfeben Altertümer
(2000 ©ulben) borläufig nidbt ertbeilt werben folleu, ba bie eingelaufenen Ar¬
beiten ben gu ftellenben Anfofderungen nicht entfpreeben.
Aug Amerita ift bor Bürgern ber alten $eimatb - ein redbt wertbbodeg ©e-
fdbent ^ugefommen. ®ag ©efebent bringt in ©rinnerung, bafj ba brüben über
bem SBaffer audb no<b ©öbne ber alten -©ermania häufen, bie bag biele ©ute
m
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unb Herrlidbe, ma$ fte einft bon bcr fernen ÜJlutter empfangen, moht gu f (bäten
unb gu nüpen miffen, bie ftcb reblicb bemühen, jenen ebelften 23eruf ber beut*
feben Nation gu erfüllen: als Präger ber Kultur über ben ganzen (ErblreiS gu
toirfen. 2)iefeS. ©efebenf ift ein 23u<b bon madigem Umfang, melcbeS ben
bieloerfprecbenben Sittel trägt: „SluS Slmerifa über Schule, beut*
f<be Sd?ule, amerü anifdje Schule unb beut j<b *amer i*
tanifebe Sdbule, bon SH ub o I f $ulon." (Seipgig unb Heibelberg.
Sßinter’fdbe SBerlagSbanblung.) Ueber Slmerifa gu fdbreiben, mürbe im Sauf beS
lebten halben gabrgehnteS in $eutfcblanb ftarf gur 'JJtobefacbe. $er giganti*
febe ßrieg bat baS gntereffe, melcbeS man mohl febon früher an bem munberba*
ren Sanbe nahm, bebeutenb gefteigert, aber er hat auch ben Stanbpunft, bon
bem man es gu betradbten gemohnt mar, total berrüdft unb einen hartnäefigen
SBiberfpruch ber Meinungen unb gbeen berborgerufen, gu bejfen enblidber So*
fung es fehr erfahrener unb gemanbter Schieb Sechter bebürfen mirb. Site ei*
nen biefer Septeren begrüben mir mit grei&en IRubolf S)ulon, ber baS hoch 3 »
miebtige Ztyma beS amerifanifeben (ErgiebungSmefenS in ermähntem 33u<be mit
nicht genug gu rühmenber Schärfe, Unbefangenheit unb Klarheit, gugleicb aber
in fo gefälliger unb burdbauS populärer SBeife behanbelt, bafj jeber gebilbete Sefer
in beiben Hemisphären, hätte er früher auch nie barüber gehört, auf T S ©rünb*
liebfte unterrichtet unb gu eigenem Urtheil befähigt mirb. $aS 33ucb ^erfüllt in
oier burdbauS felbftftänbige Slbfcbnitte, bie eben nur in fofern mit einanber in
SBerbinbung ftehen, als fte fämmtlicb über Schule unb (Ergiebung hanbeln.
2BaS bcr SSerfaffer im erften Slbfcbnitte über Schule unb gugenbergiehung
im Sltlgemeinen fagt, mag gmar üfltancbem nicht gang neu erfcheinen, ift
aber fo bureb unb bureb mabr, fo treffenb auSgebrüdtt unb gemeinfafjlicb borgetra*
gen, bafc eS (Eltern unb Sehrern—marum follte nicht auch ein Sehrer bon einem be*
mährten UHeifter feines Berufes lernen fönnen ? — gum Stubium unb gur 93ebergi*
gung nicht genug empfohlen merben lann. 2)er gmeitc Slbfchnitt gollt ber beut*
feben Schule unb ihrem fegenSboUen ffiirfen ben fdbulbigen Tribut, gür beut*
fche Sefer bietet mohl ber britte Slbfhnitt, melcher über bie amerilanifcbe Schule
banbett, baS meifte gntereffe. 3n bünbiger, überaus lichtboller SBeife mirb
SlüeS, maS über amerifanifcbeS (ErgiebungSmefen ju fagen ift, gufammengefafit;
bie SBorgüge unb munberbaren SHefultate beffelben merben mit ber größten Unbe*
fangenheit, ja mit GnthuftaSmuS anerfannt, bagegen auch bie mancherlei ©ebred&en
nicht berfchmiegen. 2JHt Söegug auf Sefctere mirb angebeutet, mie fte unter S3eibülfe
beS beutfehen ©eifteS nach unb nach befeitigt, unb auf biefe 2Beife eine SDtofter*
fchule gur (Erhebung mahrer SWenfeben gefebaffen merben möchte, mie bie 2Belt
bis babin noch feine gefehen. $>er bierte Slbfcbnitt gilt ber beutf<b*amerifani*
feben Schule. Hier betritt ber Söerfaffer ein ©ebiet, auf bem er felbft lange
3ahre mit glängenbem (Erfolg gearbeitet hat; er fpriebt pro domo unb hält ge*
mifiewtafjen eine Sobrebe auf* ftcb felbft unb feine Schöpfung. 3)aS ift ihm
bon manchen Seiten bitter berbacht njorben. (Er entfcbulbigt fein Verfahren
bamit, baji ber ©egenftanb ein gu michtiger fei, um unerörtert gu bleiben. Sa
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nun Subete, !aum befähigt feien, ihm geregt ju werben, ober, trenn fte bie«
otfdb feien, be« guten 2öißen« baju ermangelten, fo habe er ftcb betrogen gefun*
ben, felber ba« Wort §tt ergreifen. Un« fdbeint ba« natürlich genug unb !aum
einer öntfchulbigung bebörfenb; freilich hätten auch trir e« lieber gefeben, trenn
ber Berfaffer in biefem fonft febr intereffanten Ubfcßnitt eine größere Objectibi*
tat betrabtt unb auf bie ausführliche Bebanblung fleinlidber Bribatberhältniffe
berichtet hätte. 3)o<h er febrieb fein Buch, trie au« ber SBibmung berrorgebt,
in einer &\t fchmerer Kämpfe unb #eimfu<hung, „abgebefct unb bi« in ben
Sob ermübet," nachbem er bie Stätte eine« langjährigen SBirlen« batte rerlaffen
müjfen; er fdbrieb es „umfidb ju farnmeln, um bie Ueberbleibfel feine« frühe*
ren ÜJtenfdhen leibtidb jufammen flidten unb in eine brauchbare ga§on ju brin*
gen." 3)a« erttärt, ba« entfcßulbigt Blanche«. (SS ift ein barte« 3)ing, mit
fdbtrerer Sorge unb unenblicber Btübfal eine Schöpfung aufjuriebten, um fte bann
in frömmer faßen unb fuß um bie Jrudbt feiner Arbeit betrogen ju feben. $odb
trie bem auch fei: bie beutfch*ameritanifcbe Schule lebt unb gebeibt, fte bat eine
hohe Btfffton &u erfaßen. SBäre ihrem erften Begrünber auch gar nicht« ge**
blieben alS ba« ftolje Bemufitfein: 6« trat bein 2Ber!! — er möchte ftcb ge*
troft fagen, bah er nicht umfonft gelebt.
Unfete 9lem*?jorfer Saifon 1865—1866 ift für lünftterifche Unterbaitun*
gen eine überau« glänjenbe unb erfprießliche. 35er erfte ffiinter nach
glüdßidber Beenbigung be« Kriege« feßt bie fdbönen fünfte in ihre roßen ßteeßte
ein; nie mär ber Shtbrang ju unfern* Sweatern ein fö mächtiger mie mäbrenbber
lebten SMonate; nie mar rom gefcßaftlichen Stanbpunft ba« Xßcatermefen in
höherem Slot. 35er aße Berechnung unb BorauSfeßung übertreffenbe Erfolg
medte bie Spefttlation, unb fchon feben mir in ben oberen Steilen Üßem 2)orf«
ein halbe« 35ufcenb neuer üßtufentempel erfteben, mäbrenb ju einem meiteren
halben 3)ufcenb menigften« bie entmorfen ftnb. ffiir merben in unferen
fpäteren BionatSbericßten turje Ueberfuhten ber Seiftungen ber bauptfäcßUcßften
englifdben Bühnen Bem*?)orf« liefern unb roerfen für beute nur noch einen
Blidt auf unfere beutfehe Bühne, ron ber ftcb gemiß nicht in Hberbe fteßen labt,
baß fte im Sauf ber lebten Sabre bebeutenbe gortfehritte gemacht bat unb ben
Bühnen größerer Brorinjialftäbte 35eutfdblanb« in jeber Begebung gleich ftebt.
3)a« große dreigniß be« Stabttßeater« mäbrenb ber lebten Btonate mar
ba« ©aftfpict Ottilie ©enee’3, ber fchon feit geraumer 3eit in ganj
3)eutfchlanb mohlbefannten lomifchen Scßaufpieletin unb Soubrette. 3>iefe«
©aftfpiel, etliche jmanjig Borfteßungen umfaffenb, bat bom pecuniären Staub*
j)un!t ein mabrbaft gtänjenbe«, in Beäug auf Anregung für beutfdbe« Theater*
mefen im aßgemeinen ein recht günftige«, in rein lünftlerifcber ^infteßt ein ^iem*
lieh mittelmäßige« fßefultat ergeben. Ottilie ©ente ift unjmeifelßaft eine febr
tüchtige Bertreterin ihre« mit glänjenben firäften leine«meg« überfüßten föoßen*,
fache«; ißr 6piel, fprubelnb bon Seben, Btunterleit unb origineßer grifeße,
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fiberraföte bißt nm Jo mehr, t>a wir feit SiegTlhtbnng einer beutfeßert SBö^tte
etwa« 2lebnft<b e« nicht faben, unb ba auf b tt englifth*ametifaniftb ew Öübft* in bie*
fec 3$ejiebnng noch ungleich weniger geleiftei wirb als auf bec beutfeßen. lüitt
bera öinberniß eine« etwa« Ratten, felbft für beit ©efangSuortrag leichter ©ou*
plet« Saum anSreichenbeu Organ« fämpfenb, bat ftc e«f fw ©ebraüä* beleihen
boA §n bebeutenber Jertigfeii, namentficb auch p erftaiinlicbßr SWnbilität bet
3*nge gebracht 3^re SJtirait ift tebeubig, obwohl nicht immer f<ho«, ißre ©e*
Wegnngen finb entmutbig, «oft aber auch febr hart an bet ©renje be« Schidli*
<he* binftreifenb aber fie fefrft übeefebreiteub. Offenbar bat fi<h OttlCie ©ende
tuebr nach franjöSftbßu af« nach beutfebeu SKußern ge&Hbet; fk bemüht fuh
ein gemijfßS <ftmaS tu bie beutfebe SAaufaißSimßbinetnptragen, ma« becfelben
ftemb ift «nb nur mH 2Diber (heben »en i|r anfgenornnten wirb. 50ie franpß*
f<be ©luette, bet Solofcß&k ba« ©attbemtte ift ibt eigentliche« ©ebiet; fyac weiß
fie ihre ©abe* in ber nortbeübafteften SBeife pt>ettbenben; ibren Seißmtge« in ber
höheren fiomöbie unb bera feineren ÖuftfpieX fcheint fie ftfber nicht recht p trauen,
bt fie un« fo feiten ©elegenbeii bot, barübet p utthdle*. 9H« fie in
einem felbftgebicßteten ©pilog non bem Kem^orfer ©«Witinn, ba« fie fo
berjüdb aufgenomtnen nnb ftet« mit ©eifafltebejeugunge« überhäuft b^e, 3lb*
fchieb nahm, ftelUe fie bie $tage: *£abe ieft 3bne« benu auch ehr wenig ge*
fallen ? ^ <§in bonnernber SeifaGtefturm bilbete bie nicht mifjpbeütenbe Änt*
wort barauf. Kun, auch un« bat bet Beine necftfdje Äobolb mit feiner mit*
unter nnwiberfteblichen Srollerie unb ftet« etfrif(beitben SKunterfeit gefallen,
reibt jebr gefallen, aber — ba« bürfen mir ftler, wo e« eine Hrtparteiifcbe ßtitil
gilt, nicht »erfchweigeu — biefe« ©efatteti wäre ein noch nubebingtec« unb
tntenfioere« gemefeu, Wenn, befonbet« in ben lebten Sörftdlungen, bie Farben
nicht manchmal etwa« gar p grell unb mit p breitem ^pmfel aufgeWagen wer*
beu wären. 21 e <b te Äunftleiftnngen, wie §. ©. jene Scene ber leicht befpt#*
ten Patrone in bem am lebten ©aftfpielabenb gegebenen Suftfpiel„©roß*
mutter eben unb ©ulel* unb »oA- ft manche anbere, bie Ottilie ©en$c un« bor*
führte, behalten immer ihren 2Bertb unb abein ben SarfteUer, auch wenn fie
augenblicklich niiht »on bonnernben ©eifatt«äußerungen unb »crf<hmenberif<hen
©lumenfpenben gefolgt wären. Söennbie geehrte ßüftTtlmn htbemfelben ßpilog
ihr öftere« 2luftreten in gebaltlofen Kleinigkeiten bamit entfchulbigte, ba| e« ber
beutfehen bramatifdben Siteratur an wertboollen ©rjeugniffen ber fomifdjen
üBufe, in benen gerabe eine Soubrette ihre tünftlerifcb« Sidfeifigfett §« jeigen
im Stanbe fei, fehle, gefteben mit offen, baß un£ btefer ©runb ni^t gahj fiidj*
haltig febeint Sie beutfebe SuftfpiellUeratur älteren nnb ueueren Saturn« bat
gar manche^ brauchbare Stücf aufjuwelfen, worin ßch recht banlbare Köllen für
fomifche Scbaufpielerinnen finben. freilich »ertragen biefelben noch blel »e*
niger ein attp grelle« ©olorit, fönbem etbeifchen feinere Ausmalung. Sa«
aber iß gerabe bie wütbige Aufgabe Wahrer Äunß. 2Bir haben nicht« gegen ba«
gelegentliche Sorfübren folcher an unb füt‘ßch nnbebeutenber SSittuofenftücfdhen )
man fle^t fie bin unb wieber eintnal gartj getn mit an unbiäßt bönf SKrtnofen^
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bum ©erechtigleit »Verfahren, aber Immer eine unb biefelbe floß, ton-
jour8 perdrix — baS nerbirbt ben SJtagen unb ftfcelt gulefct laum mehr ben
©aumen.
2luf bie SBeiterentmidelung unferer beutfehen 93üfcne »irb baS ©ende*
©aftfpiel {ebenfalls eine febr günftige SBirfung äufjern. 35aS Sntereffe an ber*
felbcn bat babur(b einen lebhaften Hnftojj erbalten, unb gmar gang öorgugStoeife
in Greifen, bie bis babin bem beutfehen $b*ater fern ftanben unb taum einmal
fcorübergebenb Stetig bon ibm nabmen. $)ie übetboden Raufer geigten
gur ©enüge, ba& baS gemöbnliche Xbeaterpublitum bürch ein anbereS $ ublifum
berftdrtt »orben mar, »elcheS eines fräftigeren SJtagneteS bebarf, um gu bramati*
f<ben ^unftleiftungen berangegogen gu »erben, unb »et<beS feine ©mpfänglich*
feit für festere allmdlig gang berlieren möchte, »enn nicht bon 3cit gu Seit ein
berartiger Magnet in SBirlfamleit gefegt »irb. 2)a& baS tünftig häufiger ge*
fchiebt, bafür bürgt ber Erfolg beS erften GyperimentS.
2)ie $irection beS StabttbeaterS »irb eben fo begierig fein, ßünfller bon
Stuf für ihr Theater gu geminnen, »ie bie $unftgrö&en 2)eutfchlanbS ben ihnen
hier gebotenen SBortbeilen nicht »iberfteben »erben, ©runert, 35a»ifon unb
Slnbere »aren fchon feit 3ab*en nicht abgeneigt, ihre !ünftlerif<hen SluSflüge ge*
legentlich einmal bis über ben Sltlantifchen Ocean auSgubebnen; eS banbeite ftch
babei nur um ben ©elbpunft unb bie ©rlebigung ber grage, ob bie anf einen
folgen SluSflug bermenbete 3*tt für fie leine berlorene fein »erbe. Stach bem
ßrfolg ber ©ende lann hierüber auch nicht ber leifefte 3meifel obmalten. Unb
nicht nur einjelne berühmte ©äfte, auch tüchtige ftdnbige SJtitglieber »irb unfere
beutfehe 93übne hinfort aus bem alten SBaterlanb in beliebiger SluSmabl begieben
lonnen, fo bafi, »enn eS anberS in ben leitenben Greifen nicht an ©inficht unb
gutem SBiUen fehlt, ibte SBirlfamleit eine immer fegenSreichere gu »erben ber*
fpricht.
ntro-^arktr Carrtfponbfn?.
Ste»*2)orf,tm S)ecember. Ste»*?)or! ift eine SBelt für fich, unb mit nt<h tS
Slnberm gu bergleichen. 3)er europäifchen Kultur naher ftebenb als anbere
amerilanifche 6tdbte, berleugnet es bo<h nirgenbS ben amerilanifchen ©baralter.
5)ie böchfte ®lütbe ber Kultur entfaltet ftch neben ihren erften f<bü<btemen Sin«
fangen, $ier ftebt ber Sßalaft beS SMionärS, bicht baneben bie bölgeme
£ütte, »eiche ftch ber irifthe Arbeiter auf ben lablen gels gebaut bat. pilgern
»ir burch ben Gentralparl, fo glauben mir uns in einer europäifchen Stabt gu
befinben; rings umher aber entfaltet fid) baS Squatterrecht mit berfelben Unge*
nirtbeit »ie in ben $inter»älbem beS SBeftenS, unb Keine in Sumpen gehüllte >
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$dmone protefliren baburch, bab fie floth auf bic gepufcten Snfaffcn
ber oorüberraffelnben Gifenbahnmagen merfen, gegen bie Uebergriffe bet Gioi*
lifation. 3)aS fortmdhrenbe 3lb* unb 3uftrömen ber Seoölferung macht, bab *
«tan nie geregelte 3 u f^ nfee erteilt, bab «tan nie gut Muhe fommt, immer im
Ptioiforium bleibt, bab bie Sermaltung fortmäh^enb eyperimentirt nnb ein @f*
periment nach bem anbern bermirft. 2)ie fraffeften focialen ©egenfdfce f (hieben
neben einanber empor unb muffen mit einftnber auSgufommeu fuchen, maS nur
baburch möglich mirb, bab Seber ben 5lnbem gemdhren labt, ^ier befinben
mir uns in einem ©etüramel, melcheS uns bei jebem Schritt in SebenSgefahr
oerfefct; bort, nicht meit oom Tumult entfernt, herrfcht bie ibpHifche Muhe eines
SanbftäbtchenS. Maubanfaöe auf offener Strabe tommen bdufig oor, unb hoch,
toenn mir bie fömflkh gum Ginbrechen aufforbembe Sauart ber Raufer in
Setracht giehen, müffen mir fagen, bab.bie öffentliche Sicherheit gröber ift, als fie
unter ähnlichen Serhaltniffen in einer europdifchen Haupt* unb $afenftabt fein
mürbe. S)er Glaube an bie 3toedmdbigfeit ber Setbftregierung unter allen
• Umftanbcn mirb nirgenbS auf eine härtere Probe geftellt als hier — unb hoch,
fteht man bie Mem^orfet bei öffentlichen Slufgügen, mo ^unberttaufenbe ftch
brdngen ohne bab bie geringfte Unorbnung entfteht, mo 3^er bem Slnbem
baS Mecht giebt, ihm ungeftraft auf bie Hühneraugen gu treten, unb auch ber
berbfte 3ufammenftob burch einen gutmütigen Scherg befeitigt mirb — bann
mub man mieber bieS Soll bemunbem, unb fagen, bab feine europdifche Popu*
lation ira Stanbe mdre, ftch in biefer SBeife felbft gu beherrfchen unb gu regie*
$et fchrofffte SMaterialiSmuS paart fi<h mit bem gröbten Dpfermuth, eine
gerabegu oerrdtherifche ©eftnnung mit bem glüheribften Patriotismus. MirgenbS
mirb auf gemijfenlofere SBeife Gelb gufammengerafft, nirgenbS aber bereitmiUiger
für mohlthdtige 3»ede beigefteuert, unb gmar feineSmegS immer mit Dftentation,
fonbern oft mit einer 2)elifateffe, melche nur bie reinfte Mtenfchenliebe als 2WotuT
oorauSfefcen Idbt SBdhrenb beS ÄriegeS galt Mem*5S)orl als ein gmeiteS Mich*
monb, unb gmar mit Mecht; bennoch hat feine gmeite Stabt mit folcher Sereit*
milligteit Millionen auf ben Slltar beS SaterlanbeS niebergelegt unb immer
neue Xaufenbe gu ben Heeren geliefert. (Einen merfrnürbigen SunbeSgencffen
hatten bie Mebellen an einer Stabt, melche, menn heute ber Mothruf aus 2Ba*
fhington erfchoH, morgen 10,000 9Mann gur Sefchüfcung ber Hauptftabt mar*
fchiren lieb, unb einen merfrnürbigen Helfer hatte mieberum bie Megierung an
einer Gommüne, melche bei jeber ffiahl bie ungeheuerfte Mtajoritdt gegen fte ab*
gab unb nur bie entfdjiebenften greunbe beS SübenS in ben Gongreb fdjicfte.
SJtan mub Mem*?)otl gürnen unb es bo<h lieben, man mub es berbauimen unb
hoch bemunbem, man münfeht ihm oft gu entfliehen unb mirb hoch unmiberfteh*
lieh gu ihm ht n Ü e 3°9 en J als Mem*potfer fchamt man ftch unb fühlt ftch bo<h
ftolg. GS bleibt babei, Mem*?)orf ift eine Seit für ftch, fo grobartig, fo über*
mdltigenb infereffant, bab eS faurn in einer europdifchen, gefchmeige benn in
einer amerifanifchen, 3eitfcferift unoertreten fein barf. 2)em Gorrefponbenten
m
f et URmtatöbefte wirb»* OMregm, baJ Sehen uftb Ireiben ber amtritanifhen
SRetroftole ju öerfelgcn, unb fomobl bie 2iht» miebie Shatleafeiten mit ftsenger
9Ba^vfteitS|ie6e beroortreten ju (affe».
giften btt bunldfttn Schatten bttbet unbebtngt ba& Borteitreibeu mW ti
fid} in SRem*B©rf entwicfdt bat Ohne Parteien lägt fth leine üiepublit, lein
bclitifdjei Stengen, lein gortfhritt benlen ; aber *S [oU ph beim bod> bahei «ift
Brinjibien baubdn, nnb namentlih mnh eä fclbft ist Öffentliche» Sebe»
eine ©rtnje geben, rtdcfje bie politifhe Setbenfhaft nicht Oberfhreiten barf. ßine
folhe Scbmnle ift b<er «bet nicht wthanbe». 2Rit bet Berwaltung einer Stabt
bat bie $o(iti! wenig ober nihtO ju tbun, meil tote groben prinjipießen fragen,
weihe bie Station bewegen, babei gelten ober nie in Betraht tommen. SRan
muff oertangeft, bafi bet SRaftor ober Aiberman $ at r io t fei, aber weiter barf
man aueb nicht geben. SRan barf ibn nicht jum fwlitifhen gunuhentbum Bei*
bamnten, aber auch feine potitifhe Ud)erjeugu«g — ftetö «orauägefebt ba& et
ein $ a t r i o t ift — nicht jum entfdjeibenben Biotin für feine grmäbiung
ober Betwerfung machen. 3)cr Beamte begebt eine Staftlofigteit, wem « otf
folcber ben Barteimann beroortreten labt, benn er ift bet Dtebtäfentant unb 3>ie*
ner bet ganzen (Swnmüne; roirb er aber aU Barteimann gewählt, fo bringt
man ibn fofort in eine falfcbe Sage, welche taum bet SRßglihteit einer gemiffenbaiten
unb taltöoHen BWtetfüllung Aaum giebt. 9tem*0ort bat bittere drfabiunge»
Aber bie folgen be^Borteiregimentö im Gemmunalleben gemacht, «nb hätte füg*
lieh jur giufubt tommen tönnen; bet Verlauf bet im Beginn biefeä- SRonatg
ftattgefunbenen URaoorämabl geigt aber, ba& eg noch weit ba»on entfernt ift.
giften Berfuch J»t SRefotm mähte bie ©itijenä Affociation; bisjefct bat.fie aber
noch wenig ©lüct gehabt unb faft noch weniger Berftanb entmicldt 3b* Äan*
bibat War 3°bn fetter, ber B*to unter ben Blulletn, ein ebrenwertber 2Ran»
im Bnoatleben. Seine Anmartfhaft beftanb barin, bah «* Wb im Vorige»
3abre jum ^Reformator anfwarf nnb jum 3tatrt bafttr bon iiifhen Arbeitern
faft jemffen worben wärt. Um eine beffere Sttafjenteiuigungsu ergeben, bewirlte
er nämlich, bah ben ©affenlebretn ihr Sohn ftorentbalten würbe, gr rechnete bawuif,
bah hh bie SEutb betagter BefenfObrer gegen ben Strahentommiffär alb morctlifcben
Urbeber ihrer Stotb richten würbe; fte bähten aber niht fo weit unb hielten fkb an’g
Slähfte, wab fjerr £eder als SRenfhenlenner wohl hätte wraubfeben tonnen,
nnb bat Slefultat war, bah bie Straften womöglich noh fhmnbiger würben. 3) e
an£ biefer Affaire erwahfenben Anfbrühe waren alfo minbeftenä jwtifdbaftet
Art. lluherbem mar bie SBabl ber Affodation h» fofern eine jiemlih unglact»
liehe, als #err £eder fth mäbrenb beS ÄriegeS tdneSwegS vatriottfh gegeigt, fon«
bern offen mit feiner Sympathie für bie geinte bei BaterlanbeS geprahlt batte.
3m ©anjen aber war baä Arrangement niht übel. Siebt nur getnonbo SBoob
unb feine Bartei, fpnbem auch •&oract ©rede» unb bie SRebattion ber goening
Boft mähten mit bei Affociation gemdnfhaftlihe Sähe, bie lefctern Beiben weil
fte ber Anftht waren, bah dn wpttblitanifdber flapor m Sew«Bort boh
mahtloß fein würbe. 3>ie gasge boffnimgiOoHe Cfpuibination tonnte ihrem
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SuSttfotmn hMbt mehr afe ^xng«fä^c 10,000^Strnimen nutet 80,000berffljaf*
fen. Unter ben üanbibaten befanb fuh ßiner, welker für eine 3 b ee tämpfte.
Ser bisherige Anbabet beS Amtes, $err ©üntber, ertlärte nämlich in einem ge*
brucften Manifeft, er halte eS für feine als Äanbibat aufeutreten, ba
bie gkinsipien, »egen beren er »erfolgt »erbe, bon feinem ber anberen Herren
in folget Aeiubeit betreten mürben. Such B^eifle er, im Vertrauen auf bie
Anteiligen* unb Sugenb beS SBolfeS, nicht im ©eringften an feinem Siege. Sie
äBäbler »übten jebocb biefe $bee md^t *u »ürbigen, »aren ber Anjicht, bab
£errn ©üntber’S ^rinjipien in ber Stabtbermaltung hinfort lieber unbertreten
bleiben follten, unb gaben ibm nur 6000 unter ben 80,000 Stirn*
men, »orauS er tonfequenter SGßeife ben Schluf* sieben mub, bab baS boll
bon Ae»«#jrf »iber alles ßrmarten entfliehen ftupib unb lafterbaft ift.
6$ lafjen fich aus biefer bittern Erfahrung mancherlei ^eilfame Sehren fliehen.
Sie anbem beiben ^offnungSbollen »aren ber bisherige Aecorbcr $offmann,
Äanbibot bon Sammcrap £aU, unb $err Roberts, Hanbibat ber republitani*
fdhen Partei Grfterer belegte feinen Aebenbublet nur mit geringer Majorität,
unb nimmt man an, bab Sribune unb ß&cnmg Sßoft sufammen über 2000
Stimmen berfügten, fo haben biefe beiben republifani)<hen Organe bie Sefriebi*
gung, bie Srmäblmtg beS £anbibaten N ibrer eigenen Partei berhinbert unb bem
©egner, ber ihnen unb ber Partei gemeinfam »ar, flum Sieg »erhoffen flu ha*
ben. Grflätte bie SimeS, »eiche noch am Sage ber 2Bahl £errn ^offmann beS
gemeinen SiebftablS beflüchtigt hatte, ihn am Sage nachher für einen unbe*
fcholtenen Gbtöunann, fo bürfen »ir »ohl annehmen, bab bie Stabt fub unter
feiner betmaliung leiblich »ohl hefinben »irb. hoffen »ir »enigftenS, bab
er fein Amt nicht burdh politifchen SBahnftnn proftituirt, »ie man eS hier leiber
gemohnt ift. AIS $ a tr i o i ift £ert ^offmann betannt, unb alfo in biefer be*
fliehung nichts gegen ihn einjumenben.
Allgemeineres Antereffe als baS Schaufptel ber MapotSmahl, meines, »ie
pifani bie Agitation fuh auch geftaltet, immerhin aüe s»ei Aahre »iebertehrt,
möchte eine Grfchemung bedienen, »eiche fo leicht nicht »ieberfehren »irb.
Staran, bab in Amerifa bie Staaten aus ber ®rbe »achfen, ift man gemohnt;
bab aber in einer Stabt über Stacht eine Aepublit entfteht, ift benn hoch felbft
hier etmaS fliemlidj UngemöhnlicheS, unb ein .folcheS Phänomen hat fuh in Ae»*
Dort sugetragen ohne bab man fuh forderlich barübet fntfepie ober »unberte.
fiein Sehers, fonbern bitterer ober heiterer Grnft. An bem burch bie Sumter*
Serfammhung tlaffifch gemorbenen Union Square erhebt ft<h unter bieten $al&*
ften einer, über bem bie grüne gähne mit ber gotbenen $arfe flattert. Siefe
gähne ift baS ©anner, biefer Sßalaft baS fiapitol ber irifchen AepubliL
©efagte Aepublit hat ihren ^räfibenten, ihre Mintfter, ihren fiongreb, ihren
StaatSfchap. Ähre Organe befinben fich in fo »oller Operation »ie bie eines
anertannien StaaiStörperS. Sie erhebt ihre Abgaben, erläßt ihre Setrete, giebt
ihre Obligationen aus, unb führt firieg mit einer Macht, bon »eichet bie bunfle
Sage gebt, bafi fie ben bereinigten Staaten befreunbet fei. Aa noch mehr; bie
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irifdje Rcpublt! bat ficb nicht allein nach bem SWufter bet Unten, In beten Sdjooh
fte fteb entwidelt, organiftrt, fonbetn fte ahmt ihr auch in anbetet Seife nach.
Sie führt bereits im Siebten baffelbe 2)rama auf, metcbeS mit fo eben im ©ro¬
hen ju ©nbe gefpielt, toenn auch in ettoaS oeränberter gorm. Obgleich erft
toenige Soeben alt, bat fte febon ibre innem Kämpfe, ihre Seccffion unb Re¬
bellion. ßineS fcb&nen £ageS labet bet aus SBiftualienbänblem unb anbem
Rotabilitäten gufammengefe&te Senat ben burebbenfenifdjenSongreh lonftitutio-
nell gewählten fßräftbenten O’Rtobonep »egen RtihbraucbS bet RmtSgetoalt oor
fein Tribunal. O’üDtahonep beftreitet bie Sompetenj beS ©ericbtSbofeS unb er-
febeint ttiebt, »orauf er in contumaciam febulbig erlannt, feines hoben SlmteS
oerluftig erfldrt unb ber Oberft Roberts jum fßräfibenten ber Republi! gemäblt
toirb. 2Hit O'ÜRabonep »erben auch feine SRinifter angellagt, unb gugleicb
beruft b.er Senat eine ©jtraftpung beS ©ongreffeS naeb Re»-?)or!. O’Rtabonep
unb fein Sabinet taffen fteb aber bureb bteS SlüeS nicht beirren. Sie erttdren bie
Senatoren für Ufurpatoren, behaupten, nur ber ^räftbent habe naeb ber SonftU
tution ber Republi! baS Recht, ben Senat ju berufen, unb bleiben ruhig im Ca¬
pitol am Union Square. So bat benn bie irifebe Republi! in Reto-2)or! jtoei
Regierungen, $mti $rdfibenten, gmei Kabinette.' So lange D’ÜRabonep nidfct
mit £ift ober ©etoalt aus bem RegierungSgebdube entfernt ift, toirb er fteb im
SBortbeil beftnben, unb überhaupt febeint eS als ftdnbe bie Majorität ber eblen
irifeben Republilaner auf feiner Seite. SaS ift nun aber ber Sern aller tiefer
Scrtoürfniffe ? ©infacb ber $un!t, bei toelcbem bie ©emütbliebleit aufbört; eS
banbeit fteb um T S ©elb. 2)em ^rdftbenten O’Mabonep toirb §üm SBortourf ge¬
macht, bah er einen ^alaft für 12,000 Dollars im gabr gemietbet, todbrenb
fteb bie Republi! für T S ©rfie toobl mit einem befebeibenem fiotql batte
behelfen fönnen, bah er bem ©igentbümer aus bem StaatSfebap 5000 S)ollarS
Saution für ben galt einer 93ef<bäbigung beS ©ebdubeS geleiftet unb überbieS
Saufenbe §ur fürftlieben RuSftattung ber heiligen fallen ausgegeben bat. 2lu<b
toirb er berüchtigt, eigenmächtig Obligationen mit feiner Unterfcbrift^auSgegeben
$u haben. $er ginanjminifter, SiUian, toirb befebulbigt, bah er baS ihm an-
Oertraute ©elb gebraucht too^u er ioiü, nicht tooju er foll. Slnbererfeits rieb*
ten O’DRabonep, SiUian unb Sonforten ähnliche SlnUagen toiber ben Senat,
gebe Partei febeint in fofern Recht ju haben, als laum baran $u jtoeifeln ift,
bah geber, toelcber an einen SLbeil ber gufammengebraebten ©elbmittel lommen
lonnte, fteb ben äSortbeil ju Rupe machte, toobei bie ginanjen ber Republi! eben.
nicht profitirten. ©ne fehr emfte Rnfebulbigung liegt gegen $errn üReeban
Oom grifh American Oor. S)iefer tourbe mit einem auf 500 $funb Sterling
lautenben Secbfel als Rgent nach grlanb gefebieft, too er fteb tangere 3eit auf-
bielt. ©r behauptete ben Secbfel oerloren ju haben, brachte aber bei feiner
Rüdtebr angeblich mehr ©elb als Sßrioateigentbum mit als er Jemals befeffen.
Roch eigenthümlicber toar eS, bah, »äbrenb er unbeldftigt blieb, alle bie $ar-
teigenoffen, mit benen er oerbanbeln füllte, oerbaftet tourben. ©S toirb barauS
gejd)lofjen, bah. er nicht nur baS ihm für^arteijtoede anoertraute ©elb ^für fteb
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bettelt, fonbem auch als 5?crr5tT>cr ^attbclte. S3ct btefer Gelegenheit erfährt
man benn auch, baft ber ebrenwertbe Patriot gobn Nittchell als Gefanbter ber
Nepublif nach $aris gegangen ift unb 28,000 Scaler mitgenommen bat. Gr-
Wähnt werben muh enblich noch, baft neben ber „fenifchen SBrftberfd^aft" eine „fe-
ttifebe Schwefterfchaft" beftebt, beren Oberhaupt, Glien #. 2Jtabonep, bie „iri-
f(ben tarnen", b. b* bie Tienftmäbchen biefer Nationalität, aufforbert, ibr
Gelb für bie Sache beS NaterlanbeS b^ugeben, wogegen bie Pfaffen, welche
bieS (Selballein beanfpruchen, heftig proteftiren werben.
60 ift eS um bie irifebe Nepublif beftedt. ^öffentlich wirb Niemanb bie
öemerfung übel nehmen, baft bie Gelbwirren unb gegenfeitigen 8 nfcbulbigun-
gen an ähnliche Tifferengen erinnern, welche einft unter ben Patrioten einer
anbem Nationalität entftanben. Sewunbem muft man einerfeitS ben Gemein**
fmn, welcher über eine NliHion für folgen Schwinbet beifteuert, unb anberer-
feitS bie Sefchränftbeit, welche ben Scbwinbel nicht burchfchaut. ' gft aber bie
gange Grfcbeinung nicht einzig in ihrer 2lrt? Nubig labt man eine Organifation
ftch entwickeln, welche fein $ebl barauS macht, bab fie Ärieg gegen Gnglanb
führen wiH. Ntan labt fte ungebinbert Gelber fammeln, SBaffen anfaufen,
Stunition anbäufen, Negimenter bilben, Gongreffe abbalten, bie gunftionen
einer Negierung ausüben. So lange fte nidht gur feinbfeligen S^bat übergebt,
ftebt fte unter bem Schuft ber Gefefte biefeS SanbeS. UebrigenS wubte man
auch, mit wem rnan’S gu tbun batte, unb baS Gnbe, welches jeftt bie Sache nimmt,
war borbergufeben. Tief unb ächt ift ber §aft gegen ben brittifchen Uebermutb,
unb man münfeht ihm jebe Temütbigung; bennoch bat ber genianiSmuS bie*
nirgenbS Spmpatbie, unb in ber treffe faum irgenb welche gürfprache ge-
funben. Seit ben SchrecfenStagen beS guli 1863 weift man, wie man mit
ben irifchen Patrioten baran ift, unb bebauert nur, ftch ibter nicht auf fummarifche
SBeife entlebigen gu tönnen. S)ie grlänber ftnb bis jeftt, mit wenigen SuSnab*
men, bie $eft beSbieftgenGefellfchaftSlebenS, bergluch bonNew-?)orl unb gang
Slmerifa. ,*,S5aSift baS Nobmaterial eines graften SolfeS!" fagte lürglich ein
grangofe beim Slnblicf eines $aufenS irlänbifcher Ginwanberer. üWag fein, aber
Wär’S nur erft »erarbeitet! S)aS ÜNaterial ift bergwetfelt tob, unb aus feiner
numerifeben Stärfe erflärt ftch mancherlei, waS fonft an New^orf uncrtlärlich
fein würbe. Siebe gum Saterlanbe haben bie Söhne unb Töchter Grins im
bollften Stufte; aber was ift biefe löbliche Gigenfdjaft wenn ihr nicht S3ilbung
unb Sittlichfeit gur Seite fteben?
Gingig in ihrer 8 rt ift auch bie Gypebition beS bon ber Negierung betge¬
gebenen SchtaubenbampffchiffeS „Gontinental". Nie würbe ben Sßlanfen
eines Schiffes eine toftbarere gracht anbertraut. 2ln 700 grauen unb gung-
frauen, jung unb mittelalterlich, bübfeh unb mittelmäftig, groft unb Hein, geben
mit bem „Gontinental" unter ber Obhut eines SlenfchenfreunbeS Namens 8 . S.
*3)lercer nach bem Territorium Stofbington, um bort gwar nicht baS Nobmaterial,
Wohl aber bie Stammmütter eines groften SolfeS gu werben. gn Guropa würbe man
bagu bie Nafe rümpfen. £ter, wo ber ©lief weiter reicht unb bie Serbältniffe
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befannt fmk, welche eine fotd^e Senkung »»flnföendwerth unb nothtnenbig ma*
d)cu, lautet bad Urteil anberd. $at £err Kercer, »nie ed fchetnt, enblich beul
Siel eines jahrelangen, rauhe* unb täuf<hungd»oUen Strebend erreicht, fo mu&
wan ihm nachfagen, bah erid an nichtd fehlen läßt, um fuh ber auf ihmlaftenben
ferneren Verantwortung in »oürbiger SBeife ju enttebigen. S)er lange Auffchub
hatte nicht etwa in ben Kapricen ber Schönen feinen Grunb, fonbern war jut
Ginrichtung bed Sdjiffed nothwenbig, welche jefct nichtd mehr jw wünfehen übrig
läf 3 t. Gine Anjahl »on Kajüten ift mit ber grüßten Sorgfalt audgerüftet utü)
bafur geforgt, bah bad wad jufammen paßt, auch jufammen lomrnt. Außerbem
ift für Speifefalond, Uuterhaltungd* unbVerfamralungdjiraraer geforgt, welche ade
mit ber äußerften Gleganj audgeftattet fmb. Sin ben gußboben befeftigte 9Mh*
mafchinen laben jurn Arbeiten, eine Sßibliothe! labet $ur Seetüre ein, unb bem
rauftlalifchen Sirtn ift ebenfo wie jebern anbern Vebürfniß Rechnung getragen»
Untabelhaft fmb bie für ben gall einer geuerdgefahr getroffenen Ginrichtungen,
Wäßrenb jugteich Voote genug »orhanben fmb, um alle an Vorb Seftnblichen
bequem aufeunehmen — eine Ginrichtung, welche leiber auf beutfeben Vaffagtet*
fchiffen noch immer bermiht wirb. SCuf bie geuerfprifcen rechnet man auch na*
mentlich für ben nicht unbentbaren gaH einer Keuterei. Uebrigend fmb
bie männlichen Angehörigen ber tarnen unb fonftige junge Seute, bie im fernen
Golblanbe ihr Glüdt»erfucben wollen, nicht audgefcßloffen; nur bürfen fte unter
leinen Umftänben bie Väume betreten, bie ber audf<hliehti<hen Venufcung bet
grauen referbirt fmb. Aut in Amerifa lonnte ein folcher $1 an gefaht unb aud*
geführt Werben, greilich ift nicht recht einjufehen, wie §err Kercer wiebet
ju feinem Gelbe lommen will, falls bad Territorium, für weld^d er ftdh aufopfert,
ihn nicht fchablod hält; benn eine Gntfchäbigung burch feine Schufcbefohlenen
ober 2)ie, welche fuh an Ort unb Stelle ihrer annehmen, möchte hoch nicht ohne
eine Art Sflauenhanbet, wenn auch in ber aHeruerblümteften unb jarteften
gorm, ju realiftren fein.
Kehr ald mit biefer wirtlich intereffanten Grfcheinung befchäftigt fuh ein gro*
|er Theit bed ^uHifumd »on Aew*?)orf unb ben Aachbarftäbten mit bem
Strong’fchen Ghefcheiburfgdproaeß. geh will bie Sefer ber Monatshefte bamit
»erf (honen; ed hieße bie Seiten befubcln, wollte ich eine^Analpfe ber etelhafte*
ften filagen unb Gegentlagen, ©eweife unb Gegenbeweife liefern, geboch
möchte ed nicht unpaffenb fein, einige Aeflerionen baran au Inüpfen. gn T)eutf<h*
lanb würbe ber galt unbebingt unter Audfchluß ber Oeffentlichteit berhanbelt
»»erben; hier baffelbe §u »erlangen, wäreinfonfequent. Aber immerhin bilbet bie
Oeffentlichteit babei nur ein nothwenbiged Uebel, welche# man nicht »erfchlimmem
follte. Tag für Tag bringt bie Vrejfe fpaltenlange Berichte barüber, wie ber
Kann feine grau eined unerlaubten Verhältniffed mit feinem eigenen ©ruber
befchulbigt, wie bie Spuren biefed Verbältniffed auf »erbrecherifche SBeife be*
feitigt werben, wie anbererfeitd ber Ghemann längft barum wußte, feiner grau 4
perjieh, wieber mit ihr Rammen lebte, unb fie jefct nur »erflagt hat um fich
»»egen einer Jtlage, bie fie gegen ihn anhängig machte, *u rächen. Äurj bie
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Unfcttlichfeit in ißtet empörenbften ©eftalt macht ftch in ben Spalten ber QeU
tungen breit, welche bieg ©emälbe nicht etwa bei abfchredenben ffiharatterö me«
gen liefern, fonbern weil fie wißen, bajj ber ©aumen eines gemiffen BublilumS
babutcb gelißelt Wirb, 3ft ein folcheS (Sntgegenlommen auf Seiten ber ißreffe
gerechtfertigt? 3<h wage baS ©egentheil ju behaupten. 3n einem Sanbe,
welches fuh beS vollften Segens bet SfJrehfräheit erfreut, ift es traurig, wenn
baS töftli^e ©ut gemißbraucßt wirb. Bon ben folgen einer folchen BloS»
fteHung wtffeu bie ©erühtshöfe ju erjählen.
£armIofer ift bet noch immer wüthenbe Ärieg beS fieralb gegen bie Bergnü»
gungS*(StablijfementS, welche einen Kartell gefchloffen haben um nicht in feinen
Spalten anjujetgen. #eute erllärt er bie Oper für eine' Grßnbung beS Teufels
unb ben Pionier beS Despotismus, morgen ftreut er bem Opemmternehmet
©rau Seihtauch unb ernennt ihn jum „wanbemben Dpern«Sentrum", nur um
Biareßel bamit ju ärgern. 3» einet Kummer verwirft et fämmtlicbe Dheater, in
bet näcbften lünbigt er mit $omp ein neues itheaterunternehmen an, welches
fiib unter feine hohe flroteftien fteHt. ^ebenfalls jieht er bei bet Bffaitt
ben .fiürjem, benn eS ift ber Beweis geliefert, baß feine Dilta her nur in ber
ßinbilbung beftanb. SMarefeel feierte, inbem er, troß ber wütbenben Singriffe
feines füt allmächtig gehaltenen @egnetS,bie Saifon in ber „groben Scheune“,
wie ber „fieralb" bie Blabentie nennt, fiegreich jn <Snbe führte, einen großartigen
Triumph unb entfaltete im ©enuß beffelben lein Uebetmaß von Befcheibenßeit.
3n ber lefcten BhenbvorfteHung ber „Hfrilanerin“ würbe er auf bie Bühne ge»
rufen unb ihm, natürlich ganj unerwartet, ein loftbareS Silberferbice mit einet
fchmeichelbaften Shtfprache überreicht. Der „fieralb" behauptet boshafter Seife,
baS Service fei nur füt biefe feierliche ©elegenheit geliehen unb am näcbften
Sage retournirt worben, Blareßet würbe pflidßtfchulbigft von feinen ©efüßlen
überwältigt, faßte ficb aber mit wunberbarer Schnelligleit unb hielt eine Diebe,
in weichet et ben beffegten geinb mit Spott unb fioßn überfchüttete. ©Bnnen
wir ihm von fjerjen feine fietbeern. 6r ift bet ©rünber ber Opet in Smerila,
hat feit jmanjig fahren im fiampf mit taufenb Schwierigleiten DHeftgeS gelei*
ftet unb ftch in feinet Slrt große Berbienfte erworben, hoffen wir, baß
feine ^rofperität von Dauer fein unb bet Berbienft ftets gleiten Schritt halten
wirb mit ben Berbienften. Bur möge er fi<h feines Sieges über ben fieralb nicht
mehr als fehidlich freuen« DaS SBanifeft, mit bem er von Bewert Slbfchieb
genommen, ift faft i u geiftreiih. Uebermuth thut niemals gut.
Stuf bem ©ebiet beS beutfehen BereinSlebenS ßnb jwei neue © e m e i n »
ben hervor,yubeben. 3n Roboten (bie Bachharftäbte rechne ich eben ju Kiew»
Dort) befteht eine „greie ©emembe", welche an jebem Sonntag Borträge be*
gabter Bebner veranftaltet unb ß<b fhon fo ßcher fühlt, baß fie ein fjauS bauen
will, ju welchem Bwed türjlidh eine gait abgehalten würbe. Hm Barnen
wirb hier unb bort Slnftoß genommen, gegen bie Sache aber weiß fein Ber»
nünftiger etwas einjuwenben, benn baS Streben btr ©emeinbe ift ber humanen
Huftlärung, bet Beteblung beS Blenfcßen burch bie feuchte ber SBiffenfchaft
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getotbmet. Sobann ift in Seto-?)orl unter ben Slufpicten beS $r. $)ulon eine
„Seue beutfebe ©emeinbe" enfftanben, roeld^e ftcb atoar nicht frei nennt, aber
e$ ebenfo febr i ft mie bie juerft genannte, ES febeint ft(b neuerbingS baS Be-
bürfnifc geltenb gu machen, ein Äontpromift stoifeben ber lieben alten Srabition
unb ber fortgefebrittenen Erfenntnifj ^crjufteUen, unb leibet nur barunter
bie geiftige greibeit nicht, fo lann man ftcb im Sanbe ber Äomprontiffe auch
b i.eS Streben febon gefallen laffen. Ein bemertenSioertbeS unb intereffanteS
S)ofument ift in biefer Begebung ein bureb bie Seue beutfebe ©emeinbe.oerbrei-
teted glugblatt, aus bem einige cbaralteriftifcbe Brucbftüdte hier gen# am $lape
fmb.
„$)ie neue beutf<be ©emeinbe ift eine r eli g i 5 f e ©emeinfebaft. Sie er-
!ennt bie Berechtigung beS ©emütbeS unb bie ÜJtacbt ber ©efüble." — „$er
©ebanfeninbalt ihrer Seligion ift baS toiffenfcbaftlicb berechtigte 3citbemubt-
fein." — „2)ie ©emeinbe toid bie toiffenfcbaftlicb ertannte SBabrbeit in populä¬
rer gorm jum allgemeinen Berftänbnip bringen." — „Sie nennt ftcb eine ©e-
meinbe, »eil fte bie Söobltbat gemeinfcbaftlicben Strebend erfennt." —
„Sie nennt ftcb eine b e u t f <b e ©emeinbe, toeil 5)eutfcbe eS toaren, bie ber gei¬
zigen greibeit ben enblicben Sieg errungen haben."—„Sie nennt^ftcb eine neue
©emeinbe, toeil fte in ben neueften Eroberungen ber toiffenfcbaftlicben Erlennt-
nifc baS ftolge SubtneSbenfmal einer Seit finbet, bie ftcb mit Secht bie neue 3eit
nennt." — „$ie neue beutfebe ©emeinbe bulbet fein ©laubenSgefep, mißbilligt
jebeS ©laubenSbefenntnifj, baS ber greibeit beS Einzelnen ju nahe tritt, unb
toertoirft jeben ©laubenSartifel, ber mit ben Sefultaten ber toiffenfcbaftlicben Er-
lenntnifj im ^Biberfprueb fteht." — „2l(S Banb ber ©emeinfebaft betrachtet bie
©emeinbe gundebft ben Broteft gegen Srrthum, £üge, Heuchelei unb Slnma-
fjung."—„Sie oertpirft bie 2lnmafjung ber Briefter. Slber fte oertoirft auch bie
Slnmabung jener gorfeber, bie in irgenb einem Stücf ber Erfenntnifj ihrer 2luf-
faffung ba£ alleinige Secbt oinbiciren, ben £ppotbefen, bie ihnen begrünbet
erfebeinen, baS Seebt toiffenfcbaftlicber Sbatfacben jufprecbetiy unb ben ©tau¬
ben auch ba §u debten fueben, too er toiffenfcbaftlicb guläffig unb
praftifcb h^tlfam ift."— „Sie oertoirft ben ©otteSglauben als ©efefc unb ebenfo
entfebieben ben SltbeiSmuS als feftftebenbeS 2)ogma." — „Sie oertoirft baS
Ehriftenthum.ber Bräfto* baS bureb einen unberechtigten DrientaliSmuS ben hei¬
teren ©eift beS froh geniefsenben Slben blanbeS §u oerbrängen gefuebt hat; aber
fte oertoirft nicht toeniger jene geinbfebaft gegen baS Ehriftenthum, toelcbe ber
©efebiebte unb ber täglichen Erfahrung gum £rofc bie ÜJtocbt oerlennt, bie baffelbe
noch heute in ber ÜJtenfcbemoelt auSübt, bie groben Berbienfte, bie eS ftcb einft
um bie Enttoidtelung ber Stenfcbbeit $ur geiftigen greibeit ertoorben bat, unb
, bie bebeutenben Stomente ber SSenfcbenbilbung, bie eS ohne grage in ftcb
birgt. 2llS Banb ber ©emeinfebaft betrachtet bie ©epteinbe ferner ben ßampf
gegen ben ibeenlofen JDtoterialiSmuS beS täglichen 2ebenS, toelcber ber Satnr
unb SBiffenfcbaft jutoiber bie Sinnlicbfeit als bie alleinige Stacht ber Belegung
unb beS Strebend geltenb macht. Sie will bie hob« Bebeutung ber ©ebanfen
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anerfannt wiffen, in betten bie SBürbe unb ba$ fc^önfte ©lüdf ber 2 Wenfd&en ihre
SBegrünbung finben. 25a8 SBaterlanb, feine greiheit, fein 2 Bohl unb feine
aüfeitige 93lüthe; bie ©eredhtigleit in Staat, ©emeinbe unb $au3 w
ihrer Serftärung burdh Siebe; bie SBahrheit atö Tochter ber ernften
wiffenfdhaftlidhen gorfd&ung in ihrer SBerbinbung mit ber SBahrhaftigleit be 3 tag*
liehen Sebent ; bie S ch 5 n h e i t in allen Offenbarungen b& reichen
•ütenfdbeniebenä in ihrer SBerwirflidhung burdh bie fiunft; bie gr e i *
heit, bie wahre greibeit, bie auf bem ©runbe ber richtig erfannten SBirl*
tidhfeit fleht, in ber Sitttichfeit ihre flraft ftnbet,. in ber ©erechtigfeit ju ftdb
felbft fommt unb in ben SBerfett ber Äunft ihren 2 lbel bocumentirt: ba 3 futb
bie ©ebänfen, in benen bie ©emeinbe JU einer ©emeinfdhaft ernft ftrebenber
SDtenfdhen luirb."
60 forgfältig bieä Programm audh auägearbeitet ift, leibet e3 bodh an ge*
wiffen Schwächen. SBoneinem wiff enfdhaf tlidh juläffigen ©tauben
tann wohl nicht bie SHebe fein. 2 )er ©taube ift an unb für ft(b ba$ ©egentheil
be3 SBiffenS; bie SÖBiffenfchaft aber, ba3 Streben nach ©rfenntnifj, refpeftirt feine
Sdbranfe, unb fann üfliemanbem baä Sftedbt jugeftehen, §u glauben, b. h*
n i ch t 1 u wiffen unb nicht nach ber ©rfenntnifj ju ft r e b e n. $er ©taube
bebingt einen 3 uftanb be$ ©enügenä, ber ^Huhe; bie SBiffenfchaft lann ein fol*
<he3 geiftigeä Sichgehcntaffen nimmermehr alä berechtigt anerfennen. 2Rit
biefem Söiberfprudh ift auch jugletdb angebeutet, ba& e3 bem ©fperiment ber
3ßeuen beutfehen ©emeinbe nicht an Klippen fehlt, welche fte hoffentlich ftegreich
umfehiffen wirb ohne auf ber gahrt ein Stücf SBiffenfdhaft nadh bem anbern als
luftigen 33allaft über 93orb gu werfen. © i n Sa$ beS Programms ift befon*
ber 3 ju beherzigen. w $ie ©emeinbe lehrt unb lernt." 3 b*
Sehren foH fidh borjugSweife auf bie heranwachfenbe ©eneration begehen.
2ln ihrer Spifce fteht ber tüdhtigfte beutf che Schulmann Slnteri*
l a * S. Sie hat bamit eine Äraft gur Verfügung, welche nicht brach liegen barf.
©iebt fie uns eine beutfdb*amerifanif<he 2 Wufterfdhule
unter SRubolph 3)ulon’$ Seitung, fa wirb iht Streben
gefegnet fein. UncaS.
frem Gebiete Öer €l)cmit.
JBott Vrofeffor «bolf Ott,
8Bo|U bag Petroleum bienli<& ifl«
Tag Steinöl ob« Petroleum, ein ©emenge berfepiebener floplenwaff«*
ffoffe, fdjwanft in feinem fpeciftfd&en ©etoiepte non 0 . 73 3 « 0 , 878 unb ift
nicht fo feuergefährlich tote Steuer unb Scbwefelfoplenftoff. 93ei bet Teftiüation
grigt ft<b guerft bag Aaphtpa, fein fpee. ©ewiept ift 716.
©g ift 3 um Garbonifiren bet farftlofen SBafferftoffflamme unb gut 35 er*
befferung eineg aug fcplecptem 2 Jtaterial ^crgcftcllten Seucptgafeg borgefcplagen
worben; in mannen gäden bient eg alg Surrogat für Terpentinöl; eg ift ein
borgüglicpeg Söfunggmittel für £autfcpu<f unb fann aud? gur girni&bereitung
berwenbet werben; ferner ift eg attwenbbar gum ©ntfenten bon gettfleden, unb
fpielt eine AoHe in ber Tampfroäfcperei. ©g bient 3 ur ©ytraction fetter Oele
ftatt Scpwefelfioffg, 3 ut Tarftellung täglicher ©emflvje; wenn fette Sbele in 2ö*
fung enthalten^ 3 um SBafferbitptmacpen uon Öeber. Auch 3 ur Anfertigung bon
Sampenfcpwarg ift bag Naphtha nüfclicp, toeil eg mit ftarf ruffenber Jlarnme ber*
brennt, auch 5 ur 33ereitung ch'inefifchet Tufche, fowie gur gabrifation bon 33ucp*
brutferfepwärge. Seiner $arblofigleit berbanft eg bie Anwenbung gum ©on*
ferbiren anatomifeper Präparate, unb burep Sufafc bon ^artgporngeift unb
Spiritug wirb bag Mustang ‘Liniment — ein in ber 2Rebicin bei groftbeulen
unb 3Serrenfungen mit ©rfolg angewanbteg Wittel — baraug bereitet, unb
fcpliefjlich biertt bag Aapptpa in ©nglanb unter bem Aamen Sherw’ood Oil alg
Anäffcticum für bie imm« mehr in Aufnahme tommenben Snhalatümg*
luren. —
2 Bag bie n a <h bem Naphtha übergehertben, im fpeetfifepen ©ewiept bon
0. 80 gu 0 82 fcpwanfenben Oele anbetrifft, fo ift ihre ©nfjüttbbarfeit unge*
fäht fo wie bei SBehtgeift unb T«pentinM . 3 m #anbel gehen biefe Oele rnttet
ben üftamen: SRectificirteg Petroleum, ßerofine unb fßitt*
j Del. 3P* bebeutenbfter 35erbraucp ift ber gu Seucptmaterial; borgüglicp fmb fte
) gur ©agbeleuchtung, weilfte frei fmb oon Schwefel. Wan hat fte alg^eigmittel
für Dcean*Tampfer anempfohlen, fowie — man bergeihe ung biefen Sprung —
gur Anfertigung bon Toilettefeifen unb gur Subereitung ber ©runbirfgrbe für
Slecpartifel.
; SchwereOete (dead oils) werben biejenigen genannt, welche bei
} ber SOeftillation beg rohen Steinölg gwifchen 410 unb 600 ©rab F übergehen.
Wan braucht fte alg 3 u f a 6 gu fieucptmaterialien unb alg Schmiermaterialien
! für Tampfmafcpinen mit überhiptem Tampf, weil fte Paraffin, einen waepg*
artigen, biel gu bergen berwenbeten Körper, enthalten.
! Tiefeg Paraffin tomnit aber pauptfächlicp im Aetortenrüdftanbe
ber, unb eg wub baher biefeg, wo eg fiep lohnt, noch gu JÜergen verarbeitet; bie
t
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95.
batjon abtropfenben Oete geben wteberum ein guteg Lubrieating Oil ab*
Paraffin ift im pennfplöanlfdjen Erböl m>n 0* 7 big jit 8 s 4lrocent gefunben
worben.
2Bag bie Bereitung oon 2en<htgag aug Petroleum anbetrifft, fo giebt
1 ißfunb roheg Del 15—16 ^ubiffufj ©ag. Sag pcnnfploanifche Petroleum*
©ag enthält nach Sfkofeffor SBollep in 3u*i(h 31. 5— 33. 4 $rocent
fernere ßoblenwaffeTftoffe, 40 — 45. 7 Sßrocent leiste unb 25. 6—32. 7
9irocent SBafferftoffgag.
Schließlich mag angeführt werben, baß bie Bereitung bon garbefioffen aug
Petroleum, wooon fo piel gefafelt worben ift, nach Client, mag bie Hernie über
bie 3ufammenfefcung &i e fer © u bftan$ weiß, ju ben Unmöglidbfeiten gehört, unb
baft foldje garbeftoffe noch gar nicht im £ani>el Oorbanben waren.
«Bur ^Utengeftfjidjte.
$ artg, 2. Secember. gräulein 2*ontbe 2eManc, gugleidb Sdjaufpie*
lernt unb Schriftftellerin, ift feit einigen Sagen aug bem SBaubeoille berfchmun*
ben unb burch eine anbere Same erfefct worben. SJian hatte geglaubt, fie fei
in golge ber fcanbalöfen Scenen, bie ftch in Eompiegne nach Sluffübrung ber
„gamilie Söenoiton" jutrugen unb bei welcher ©elegenheit fie ftch faft ebenfo an*
ftößig betrug wie jwet £ofherren, bon ber 93ühne bcg SBaubeoille berbannt
worben. SBßenn man ber „Epogue" glauben freuten barf, ift biefeg aber fei*
negmcgg ber gaQ, fonbern bie Seblanc hat bgg genannte Sheater einfach beg*
halb berlaffen, weil fte mit einem orientalifchcn Proben, ber fuh bei feiner 2ln*
wefenbeit in $arig in fie oerliebt hatte, ein Engagement ganj fonberbarer 2lrt
eingegangen ift. Sie Slrtifel beg fiontraftg lauten nach ber „Epogue" wie
folgt: 1) Sie Schaufpielerin unb Sdmltftelierin Seblanc (2eonibe) wirb ben
#arent beg Surften fünf Sabre bewohnen. 2) Sie muß fich ben Sitten unb
©ebräuchen gnbieng fügen unb ben Hnforberungen beg mufelmännifchen ©e*
fefceg nachfommen. |) Shre Sehltritte, wenn fie bercn begeht, werben mit
berfelben Strenge beftraft, Wie an ihren ©efährtiunen. 4) 3h*e Eigenfdßaff
alg gran3öf»r. wirb fie in feiner SBeife Oor bem Säbel ber fdßwarjen Eunuchen
ficherftellen. 6) 2flan rechnet auf bie SnteUigenj bor Engagirten, bah fte bie
Obliegenheit ihreg ^ofteng begreifen wirb. 6) SEenn Semoifeüe Seblanc fuh
währenb fünf 3ah*e ben eben auggefprochenen S3ebingungen unterwirft, wirb
fte bei ihrer SRüdfehr nach gt an frc t driine oon~heu*e ab bei £erm -ftotar S. . . (
ju *ßarig beponirte Summe bon 500,000 granfen unb bie Eigentbumgtitel
eineg ebenfaUg heute für fte gngefauften £otelg auf bem SBouleoarb Bourbon
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borftnben. 7) $ie$ Engagement lann nicht angefocbten toetben. — SBefannt*
id? (bemerft ber ^ßarifer Gorrefponbent bet „Äöln. 3*" bi^gu) haben bie ©rob*
machte barauf hingearbeitet, ben Slnfauf non Sflabinnen im Orient gu erfd^me*
ren, unb es ift faft eine ä3erböbnung berfelben, bab [xd) bie orintalifchen ©roben
jept $ariS, bie £auptftabt ber ciüilifirten 2Belt, fo nennt man fie toenigftenS,
gu ihrem 9Jtarfte auSerfeben haben. 5)aS Äaufen ift übrigens nichts -HeueS,
unb fein 2Jtenfcb mirb biefeS leugnen, greilid) giebt es einen Unterfcbieb: im
' Orient föirb man »erlauft unb bißt »erlauft man ft<b felbft.
— 3n eape l macht eine Entführung en gros nicht geringes 2luf*
feben. $er Sohn eines reifen gabrilbefifcerS, ÜRamenS SQBenner, nebft feiner
augenblidlicben Umgebung fmb bie Entführten. $er Zauber 2ftonga bat bem
SBater beS jungen SBenner fagen lajfen, wenn man Gelb genug habe um ft<b
ein fchöneS SanbbauS gu bauen, fönne man au(b toobt 100,000 $ucati gablen
um ben Sohn mieber gu befommen. 3»ci (Mbfenbungen ftnb an ben 2Jlen*
fcbenräuber bereits abgegangen; fie mürben aber nicht gureidjenb befunbeiu $er
Entführten ftnb fünf, barunter ber Sebrer beS jungen SBenner, ferner ber 3ei<h*
ner ber SBenner’fcben gabril, ein EommiS beS ©efchäfteS unb ein Sluffeber.
fflenner ift ei reicher Scbmeiger, ber bei Salerno eine grobe gabrif betreibt.
— SSon bem panifchen Schreden, melchen bie 2Bei&en auf Qamaica bei
ber Nachricht »on bem Slegeraufftanbe in 9Jtoran SBap befiel, bat ein rafch ent*
fdjloffener ganfee f<hon feinen SBortbeil gu gieben gemuht. Er batte in SRaffau
einen groben SBorratb »on SHeooloern febr gmeifelbafter ©üte gum Verlaufe
liegen, unb fobalb er »on ben SRubeftürungen auf Jamaica bürte, fegelte er
ohne SBergug nach Kingston, mo er feine SGßaare gu fabelhaften greifen an bie
für ihr Sieben gittemben Ginmobner abfefcte. Ohne SSergug »erlieb er auch bie
3nfel mieber, unb bemerfte gegen einen greunb, als er fich nach Sßaffau ein*
fchiffte, bab bie eingigen Seute, benen »on feinen 3fte»ol»em®efabr brobe, 2)ie*
jenigen feien, bie fie gebrauchen mürben.
Ankündigung.
$a8 nädjfie^eft wirb eine lutj gefaxte, !titifc&e Sufant»
menft'ellung be8!3n&att3 fämmttidjet an ben Gongtefj
eingefanbter 3a&te8beric&te bringen, womit wir einem ÜBebürfnijj
be8 beutfiben $ublilunt8, bi« fowobl wie in Gutopa, ja entfpre<ben glauben.
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Ptntfd) - ^mcriltantf^t JRonatetytftt
für ■ '
Literatur, Jutnfl, ^ttflenfdjaft ltnö
v öffentfidjes cScßcn
95cbtgtrl bon
9t«ßo(pß Segotv»
III. ffafrrgang. I. f awb. 1866.
Me fefer.
3Frbruar-#eft.
2luS ben beiben jept borliegenben erften $eften beS britten Jahrgangs
merben bic Sefer fub ein Urtbeil über bie ^tincipien bilben fönnen, bon benen
bie neue SRebaftion bet Monatshefte geleitet mirb. 23ei bet 2luSmabl beS $n*
balts mitb fte bon bem 2Bunfd?e befeelt, mornöglicb jebem ©efdbmad ©tmaS,
aber untet aßen Utnflänben nut b a S JU bieten, maS in eblern Sinne antegenb
ober belehrenb mirfen geeignet ift. SBitb no<b mancherlei bermifit, {o möge
man bie SBerficberung hinnebmen, bafi eine fortmährenbe ©ntmidlung gutn
©effern unb SBollfommnem unfet unabläfftgeS SSeftreben fein mitb. Unmittel*
bar berantmortlidb halt bie SRebaftion ft<b für bie 21 u Sm ab l beS Stoffs unb
für bie in ben Monatsheften entmidelten politifcben SÜnftcbten, falls fte
ni<bt, beS ibr als notbmenbig erfcbeinenben MeinungSauStauftbeS megen, au<b
einet bon bet ihrigen abmeicbenben Meinung ©ebör geben foßte, in meinem
§aß fte fub batübet auSfprecben mirb. 3»n bet Statut bet Sache liegt eS, bafs
miffenf<baftli<be ^beotieeif bon 2)em bertreten merben, bet fte ent*
toidelt; moßte man in biefet ^infubt eine Uebercinftimmung erzielen, fo mürbe
eine Monotonie entfteben, mit melcber bem $ublifum nicht gebient märe, unb
bie ben $Rufcen bet 3«üf<btift bon born herein auf ein Minimum bef<bränlte.
-■Rur ba !ann ein gortfcbritt gebaut merben, mo ben betriebenen ^nbibibuali*
täten unb 3)enfmeifen innerhalb bet bom guten ©eftbmad gebotenen Scbranfen
bollet Spielraum geftattet mitb. Unter biefem ©eftcbtspunft ftnb bie Monats*
hefte baS, maS bie 2!merifaner ihre periobifdhen 3eitf(briften nennen — ein
Magazin für bie fHefultate geiftiger 2lrbeit. GS ift urtfet inniger Munfdh,
bie betriebenen S<bi<bten bet beutfcben 23ebölferung in 2lmerifa einanber gei*
ftig nähet ju bringen. 2)er©elebrte ift eS feinen 3eitgenoffen fcbulbig, baS, maS
er ftnbet unb erbenlt, bem 23ol!e in einet gotm gu geben, bie eS bemfelben
$ugängli<b unb nufcbar macht. Sßofür arbeitet, mofüt mirlt unb lebt
er, menn nicht für baS 25olf ? 2lbet ni<bt aße Genfer, nicht aße literarifeben
Kräfte ftnb gelehrt, unb nicht feiten ift eS Ungelehrten bergönnt, als $ro*
butt ihres geiftigen ßebenS ©ebanfen unb Gmpftnbungen berOeffentltchfeit gu über*
geben, meldbe feinen geringem SSBerth beftfcen, als bie 2Irbeiten beS profefftonel*
len 3otf<bafe* ®in Organ für bie 3ntelligen$ ber S)eutf<ben
in 2lmerifa foßen bie Monatshefte fein; unb mir rechnen bertrauenSboß
auf bie Mitmirtung 2lßer, met<be ftd? bafür interefftren, bah bie 5)eutf<ben in
biefem Canbe auf bem ©ebiet geiftigen StrebenS gleiten Schritt halten mit ben
trübem jenfeits beS OceanS.
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<£uropäifd)t /töct^idjnungctt.
- ©on Karl ©U»t.
I. (England, ier tyof uni Me Waßlreform.
Seit ©almerfton'S $ob l?at ftch in ben englifchen ©arteioerhältniffen mehr
geänbert, als fi<h auf ben erften ©Itd erlernten läßt. „GS ift oergeblich," fagte
Sohn ©right in einem oor wenigen Alonaten geriebenen öffentlichen ©riefe,
„in ber StimmrechtSfrage einen großen Schritt oorwärts thun ju wollen/ fo
lange biefer Alann am Sehen ift. 2Bir müffen unfere 3«t ab warten." Qn
biefer Aeußerung lag ein bemüthigenbeS, aber leiber wahres ©eftänbniß, unb
eine nur ju richtige Schalung ber finiffe unb ©raltilen, mit benen ber gewiffen*
lofe Premier feinen Gegnern ein ©ein ju fteden mußte.
©almerfton liegt jefct in ABeftminfter Abtei. ©ne einfache, pappbedelne
fiarte mit feinem tarnen zeigt, in ©Wartung eines 35enfmalS, borerft ben Ort
an, wo ber Gewaltige ruht, ber bie oerfaffungSmäßigen ©efugniffe ber Königin
ufurpirte; ber rittlings auf bem Aaäen fowoht ber SorieS wie ber liberalen
fab; ber bie innere Gntmiäelung ©tglanbS ftetS bur<h Anzettelung äußerer
Hänbet aufzuhalten wußte; ber eine bonapartiftrenbe Abentheurerpolitilunter ber
AlaSle ber 3ohn*©ullif<hften Sooialität fpielte; ber mit falfchen harten trumpfte
unb fleh auf eigenmächtige Aabirungen bon StaatSbolumenten berftanb; ber
ft<h bem £of töbtlich berhaßt unb zugleich Z u eine* unabweiSlichen politifdjen
Aotßwenbigleit machte; bem es fogar einmal gelang, Gobben unb ©right
' um ihre ©arlamentsftfce zu bringen; ber mit ©nein SBort baS auf feine
Stätigleit unb Honnetetät fo ftolze ©iglanb nach ben Aegeln ber berworfenften
politifchen Scßwarzlunft lenfte. © ift jefct tobt, unb für bie treibenben Kräfte
in ber Aation, fo weit fie eben borhanben fmb, ergiebt fich nunmehr ein freierer
Spielraum, ©on Manchem ift bie geffel nun genommen; bie Trägerin ber
ärone ift ftch ebenfowohl bewußt, einen ^errifcfeen, nach ©rioatzmeefen unb
©rioatgutbünlen hanbelnben AtajorbomuS loS zu fein, wie bie Führer ber
Agitationspartei ftch freuen, baß ihnen biefer gehaßte „alte Alann" nicht mehr
^ mit fnochiger ßraft auf ben Schultern ftfct.
S)ie Aüdleh* ber fiönigin zum öffentlichen Sehen
fteht unzweifelhaft auch mit biefem ©eigniß in ©erbinbung. Aicht ber Stob
ihres Gemahls allein hat biefe, ohnehin zum fchwermüthigen ^inbrßteu geneigte,
perfönlich etwas ftarrftnnige, ftolze unb gelegentlich heftig aufbraufenbe grau
oeranlaßt, fo lange in tieffter SBittmentrauer zu oerharren. Auch ber Gntfchluß,
fo wenig als möglich mit ©almerfton zu oerlehren, nicht f e i n e n 3wecfen,
feiner ©olitil als bloßes Sprachrohr zu bienen, hat fte in bie ©nfamleit
Zuriidgefcheucht. 3n allen Hauptfragen ift bie flrone mit bem Ghef beS Alini*
ftcriumS feit 3ahren uneinS gewefen. Aeußeren 3mang hat bie Königin ben
©lanen beS ©remierS bienftbar gemacht. .GS fei bieS nicht gefagt um bie
Atonarchin im Sichte beS SiberaUSmuS- erföeinenzu laffen; feineSwegS. S)ie
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gamilienoerbinbung mit ben Orleans machte fte bem napoleontfChen Empor*
lömmling abgeneigt. $ie ÄöburgifChe Starwanbtfchaft unb bie fonftigen beut*
fchen Erinnerungen gaben ben SluSfChlag in ber fd)leSwigtolfteinif<hen Singe*
legenheit, wie benn auch foeben eine bon ber Königin bireftberanlafite Sluguften*
burgifche Verlobung in’S SSBert gefefct worben ift, wdhrenb bie ßeirath beS
^ringen bon Orleans mit ber fog. „battffdjen Stafe" baS SGBerl^almetfton’S
war. gn ber amerifanifchen grage Ratten gleichfalls beutfche Erinnerungen
ihren Einflufj. gür bie Eefmnungen ber Königin war inbeffen ber Umftanb
wohl befttmmenb, bab SJ&atmerfton, wenn er auch feine fftdnfe im Eeheinten
fpann, unb ber $ring bon SBaleS, obwohl er nach bem brühen in Slmetila ihm
geworbenen Empfajtg nur in feiner nddjften Umgebung bösartige üEBinfe aus*
teilte, bodh 93eibe entfchtebene gteunbe ber Stabelfion waren. So wie bie Star*
hdltnijfe am §of Vtdmlidh liegen^ fann man mit giemliCher Sicherheit barauf re<h s
nen, bah bie Königin ftets am b e r e r Meinung fein wirb, als ihr ungerathener
Sohn, ber $ring. ES ift „wenig Siebe gwifchen ben JBeibett berloren". gn
Eememfdhaft mit ^almerfton hat ber $ring nach bem £obe feines SSaterS, mit
bem er befanntlit auih nicht auf bem heften gube ftanb, bie Slbbanfung feiner
SRutteiyu erzwingen gefugt. -Ulan fteHte Der reizbaren grau bie SUternatibe
beS beftdnbigen engen StartehrS mit bem ihr töbtlich begabten Premier, ober
ber £bronentfagung. Sillen Singriffen in ber treffe gum $rop, gog fie es jeboch
bor, fuh baS eigene Sehen nicht bur<h folche wiberwärtige Berührung gu ber*
finden, bielmehr lieber auf ben £ob $almerftonS gu warten. SeuT^htgang
hat ben SBiebereintritt ber Königin in 7 S öffentliche Sehen gur golge. Sie Span*
nung ift gwifchen ihr unb bem ^ringen je$t wo möglich noch gröber. Sin ben
Sefcteren ift nunmehr bie State beS' fC&lecht berwunbenen SlergerS gefommen.
Sluf bem EeburtStag ber ^ringeffm bon SBaleS prdfentirte ber „$ailp Stele*
graph"—ein in ber groben Sonboner Sagespreffe unerhörtes SBagnibl —
bem ^ringen eine nichts weniger als fcbmeicbelhafte Schilberung feiner felbft, ;
worin er ber SSergnügungSfudjt, beS unwürbigften luftigen Sehens, ber £erg* j
lofigleit hei Srauerfällen, bie bie Station berührten, u. f. w. hefChulbigt war.
$o<b laffen wir ben $of, unb wenben wir uns gut Sßarteientmidelung. ;
§ier tritt uns baS eigentümliche Schaufpiel entgegen/ bab baS Starfcheiben beS'
ÜDtanneS, ber als baS ^aupthtnbemib gegen eine frdftige Slgitation in Sachen !
beS Stimmrechts begeichnet würbe, gu einer auffadenben Schwentung gohn ,
Sright’S, beS hebeutenbften SSolfSführerS, Slnlab gegeben hat. Sängft ;
gwar war eS aus 93right’S Staben erfichtlich, bab hie „fünf bis fechS Sftilliouen .
ni<ht*reprdfentirtet englifcher Scanner,'' bie er in rhetorifchem Schwung einft an
ben Pforten ber SSerfaffung bonnem lieb, wach feiner Slnfuht nicht atte fofort
gulab erhalten foßten. Sluch lonnte, fo lange in Englanb lein gewaltfamcr
Umfturg ber feubalen Erunb* unb 93obenberhdltniffe erfolgt war, ein plaufibler
Erunb bafür angeführt werben. Selbft 9tabifat*9taformer haben gelegentlich
ben Eegnern beS allgemeinen Stimmrechts gugeftanben, bab für ben Slnfang
bie Einführung beleihen wahrfteinlich eher einen Politiken ftüdfehtitt ergeugen
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mürbe, meit eben ber 2tbel imb bie Jobe ©eiftlidbfeit namentlich unter ber im*
miffenben UJtenge auf bem Sanbe großen Einffub üben, unb bab baber bie
©egner beg attgemeineh Stimmrecbtg fchon bag Experiment magen tonnten.
2)ieg ift natürlich eine jmeifdbneibige SRotibirung, bie einen 2Jtann mie Vrigbt
mobl beranlaffen tonnte, ft<h bie grage nicht blog bon ber principiellen, fonbem’
auch bon ber praftifdjen Seite gu befeben. Er bat benn auch in feiner beim
Vanfett gu Vladbum gehaltenen [Rebe runb beraub ertldrt, bab er fi<betli<b
ni(bt fo tböriebt fein mürbe, bag Stimmrecht für Qemanben gu berlangen, memt
er miffe, bab biefer Semanb in bem Sinne jener $orp*$artei ftimmen merbe,
bie feit biergig fahren ber §emmf<hub gegen allen gortfdbatt gemefen fei.
2ftit biefer Änficbt tann man f(bon einberftanben fein; fo hoch auch bag
allgemeine Stimmrecht ftebt, bie Sache ber mirflichen Freiheit ftebt noch b%*.
Snbeffen mub eg bodb auffallen, bab $ri<ibt, inbem er fub gu Vladburn für bie
Sfuffell’fcbe Veform*VilI bon 1860 erfldrte unb>biefe Erlld*
rung mit einer bei ibm fonft ni<bt üblichen marnten Sobrebe auf IRujfefl aug*
fdjmüdte, bon feiner bigber eingenommenen Stellung ftarf gurüdgemidben ift.
Eg mag hier am Sßlafce fein, über bie bur<b bie SReform*Vill bon 1862 ge*
fchaffenen 3uftänbe ein SÖort gu fagen unb baran eine Erörterung über bie
bermutbliche Sragmeite ber Sill bon 1860 gu fnüpfeii, bie gufolge ber bon.
SBrigbt getbanen Heuberung jept mieber aufgenommen merben foll.
$ie Veform*23ill bon 1882, VuffeH’g grobe politifdbe £bat, fepte einen
betrddbtlU&en 2beil ber englifeben SUtitteltlaffe in ben ©enub ber politifchen
[Rechte ein, mdbrenb big babin ber ©runbabel nebft feinem Slnbang borberr*
febenb bei ben SBablen gum Parlament reprafentirt mar. Snbeffen üben audj
beut noch, nadbbem jene bamalg bielgerübmte 93ill bereite über breibig 3abre
in Operation ift, nur eine ÜRi Ilion breimalbunberttaufenb SDMnner bag
SBablrecbt aug, mdbrenb bie 3abl ber ermaebfenen 9Rdnner auf fedjg big
f i e b e n ÜftiUionen gefärbt mirb. Von jener einen ÜUtillion unb breimalbun*
berttaufenb fallen b^ebft mabrfcbetnlidb, ftreng genommen, fogar bie 300,000,
menn nicht mehr, noch meg; benn ba bag SBablredbt ft<h an ben Veftfc tnüpft,
fo mäblen biele Sßerfonen hoppelt, gugleich in ben Stabten unb auf bem Sanbe.
SJerHrbeiterftanb bat unter biefen Umftdnben nabegu teine Vertretung. 9teun*
unbfireibig Sünfgigftel ber Arbeiter fmb, nach 3öbn Stuart ütRitTg Slnnabme,
Pom SBablredjt auggefdblojfen. $ie beften Vorfdmpfer ber Vürgerflaffe, Eobben
u. 21. nodb furg bor feinem £ob, haben fogar mieberbolt öffentlich anerfannt,
ba| bie [Reform*Vitt bon 1832 bie Sage ber Arbeiter in biefer Vegiebung eher
b erfdblimmert bat, benn big babht gab eg menigfteng ba unb bortnoch
bie fog. „Scot-and-lot Yoters“ — eine ittaffe bon Unbefteuerten, bie tbat*
fddbKcb bag 2Bablre<ht augübte. S)ie [Reform*Vtll ftridb biefelbe unb mit ibr faft
ben lebten [Reft einer SReprdfentation ber Unbemittelten. 2lnbererfeitg mub man
nicht glauben, bab ber gefammte Vürgerftanb burch jene Vill gum SEablrecht
gelangt ift. 5Roch big beute ift bie unter e Schichte ber englifcben SWittelflaffe
ebenfaUg ohne bag Stimmrecht.
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Diefe SSerh^tntffe ntu& man im Sluge behalten, um 3 . S. bie Stellung
Englanbg ju ber amerifanifchen grage §u begreifen. Die Sflaffe bet arbeitenben
klaffen, ja ein Dheil heg Pürgerftanbeg, mar auf Seiten ber Union, Eine
■Sttitumtät, beftehenb aus ben „oberen gehntaufenb," bem Stob ber Slriftofratie
♦unb ben ^ö^er befteuerten Bürgern, ftanb auf Seiten toon Qefferfon Daoig.
Slugnahmen gab eg allerbingg auf beiben Seiten. Unter ben gebilbeten unb
mohlhabenben Älaffen fanben ftch einige freibentenbe Männer, bie mit ber
Uniong* unb Emancipationgfache fpmpathifirten, wie eg unter bem „beweglichen
Raufen" eine SUtjahl fRebeHenfreunbe gab. 3m ©rofjen unb ©anjen lag aber
bie Sache fo, baf$ bie 2 Jt i n o r i t d t g r e g i e r u n g ber henfehenben unb ftimm*
berechtigten klaffen — ihre Staatsmänner, ihre SBortführer, ihre Prefcorgane—
fübli<b*gefmnt waren, währenb weitaug pie üDtajorität ber Stdbtebemohner —
unb inEnglanb wohnt etmag über bie Hälfte ber Sepölferung in ben Stdbten
— ber Sache beg Sftotbeng gugethan war; freilich ohne ihre ©eftnnungen anberg
geltenb machen §ü fönnen, alg burch gelegentliche Sfteetingg, bie alg Droh* unb
Schredmittel bienten. Die Sanbbeböllerung in ihrer groben üUiehrjahl mag hier
unerwähnt bleiben. Sie ift in folgen fragen leiber politifch tobt.
Ein SBort nun über bie berfchiebenen öeftrebungen ju ©unften ber Slug*
behnung beg SBahlfreifeg. Seit bem Mißlingen ber chartiftifchen 23e*
rnegung, bie befannlid) 1848 burch Poltgeigewalt gefprengt würbe, ift fte big
heute nicht wieber ftarl geworben. Palmerfton, wie fchon erwähnt, mubte, wenn
bie betreffenben gorbetungen unbequem gu werben brohten, ftetg einen Slugweg.
©labftone jeboch, nächft föuffell ber £auptminifter im neuen ßabinet unb
ber Premier ber 3 nlunft, hat ftch bereite bor anberthalb Sahten theoretifch für
bag allgemeine S t i m m r e <ht ertlärt, inbem er eg augfprach, bab „ber
Jöeweig ber Siothwenbigfeit ber Slugfchliebuttg eineg SÄanneg bom Stimmrecht
&on ben ©egnern erbracht werben müffe; principiell fei 3*b*rmann gut Slug*
Übung beffelben berechtigt." S3ergeffen barf übtigeng nicht werben, bab ©lab*
ftone biefe Sicherung, alg er feine Stebe in glugfchriftenform beröffentlichte,
burch ein Vorwort bebeutenb abwdfferte. Die Etflärung felbft hatte er in einem
Slugenblid gegeben, alg feine Popularität in gotge ber häbK<hea IRoUe, bie er
bei ©aribalbi’g Entfernung aug Englanb gefpielt hatte, Schiffbruch gu leiben
brohte. Eg foüte, wie mir fpecietl belannt, eine ihn betreffenbe, oernichtenbe
Publilation bamalg erfolgen. Eine 3lrbeiter*Deputatiori trat auberbem bei ihm
bor, unb biefe Deputation beftanb aug Seuten, welche gleichseitig im ©aribalbi*
Eomitö faben unb im Slugfchuf? ber Siga, bie für bag allgemeine Stimmrecht
agitirte. ©labftone 50 g fich aug ber ©aribalbi*S3erlegenheit, inbem er bie
gähne beg „SRanhoob Suffrage" aufhi^te — gum Erftaunen unb Schreden
feiner bisherigen greunbe, gut größten Ueberrafchung oon 2 orb Palmerfton
felbft.
Durch ©labftone’g tarnen gebedt, tonnten bie Stimmre<htg*9teformer nach
Palmerfton’g Dob einen bebeutenben Schritt borwärtg thun, wenn gröbere
Einigfeit unter ihnen felbft geherrfcht hätte. Diefe Einigfeit fehlt jeboch. Eg
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flieht in6nglcmb bret »ergebene ©efeHfchaften: bie„National Reform
Union", bie „Sorthern Union", unb bie „Seform Seague",
tüeld^e alle auf eine Veränberung ber Verfajfung3guftänbe au3gehen, aber äße
mit einem anberen Programm* 3a, felbft innerhalb btefer einzelnen ©efeü*
f^aften giebt ftch gelegentlich Swiefpalt !unb. Stan madjt in biefem Slugen*
bliäe Bemühungen gut 6rgielung größerer Harmonie, bo<h ftofjen biefelben auf
nicht geringe Schmierigfeiten. die hier £auptricbtungen, bie neben einanber
herlaufen, ftnb folgenbe:
I. 63 giebt Reformer, welche ben 6enfu3 auf bem fianbe bon £50 auf
jßlO, in ben Stabten Don J210 auf M hetabgefefct wiffcn wollen.
II. Snbere »erlangen ba3 Stimmrecht für jeben $au3eigenthümer ohne
irgenb welche Befchrdnhmg.
III. Snbere wieberum Wollen baffelbe unter gewijfen Bebingungen auch
auf diejenigen übertragen fehen, bie in Stiethe wohnen.
IV. 6nblich »erlangt eine »ierte Dichtung ba3 „Stanhoob Suffrage",
Wobei nur Segiftration unb eine gewiffe 2lufenthalt3geit erforberlich fein foU.
die erwähnten ©efellfhaften nun bringen biefe »erfchiebenen Sichtungen gum
ungefähren 2lu3brud. die fog. 2Jtan<hefter^artei geht mit No. I ober II.
63 liegen babei »erfchiebene Stotibe gu ©runbe. die 6inen ftnb engherzig, Don
filaffen*3ntereffe bewegt, die Snbem furchten, wie fchon oben angebeutet, bajj
bei ber Unbilbung ber acferbauenben Staffe unb ihrer Sbhängigfeit Dom Squire
unb Dom Pfaffen, für ben Sugenbltd leine burchgreifenbere Stabregel eingeführt
werben lönne ohne bie beftehenben greiheit3errungenfchaften fogar noch gu
. fchäbigen. Sur läfct fuh bann nicht einfehen, warum nicht wenigften3 für bie
Stäbte, wo mit wenigen 2lu3nahraen bie Verhältnis günftig liegen, ein fo eng
gegriffene3 Stimmrecht gelten foU.
Sicht fchlagenber lonnte bie Sbhängigfeit, in welcher fleh bie länbliche Be*
boKerung 6nglanb3 befinbet, gefchilbert werben, al3 e3 burch ben Bericht be3
englifchen ©efanbtf<haft3felretär3, £errn ©rep in ^?ari3, gefchehen ift, inbem
biefer Bericht gu Vergleichungen aufforbert, bie für 6nglanb nicht ungünftiger
au3faden lönnten. Qm eigentlichen 6nglanb (Schottlanb unb Urlaub äü3ge*
nommen, wo bie Verhältniffe einigermaßen anber3 liegen), beläuft ftch bie 3ahl
ber freien Sanbeigenthümer, gufolge authentifdjen ftatiftifchen Angaben, auf
nicht mehr al3 30,766. doch repräfentiren biefe dreibigtaufenb im ©runbe
Wohl,^ wenngleich bie Statiftif hier Saum für einen Steifet läßt, etwa 150,000
ßopfe, bie gamilie gu fünf gerechnet. $n granfreich bagegen ift bie gefammte
3ahl ber freien 6igenthümer (b. h. bie gamilien mit ihren Stännern, grauen unb
ßinbern gufammengerechnet) nach ©rep’3 Bericht über neun Stillionen,
die genaue 3iffer ift 9,310,412. gn 6nglcutb befinben ftch ferner 605,349 garmer
unb 1,188,786 dagelöhnet; in granlreich 4,543,673 garmer unb 5,353,299
gelbarbeiter, welch Septere gefeUfchaftlich unb ölonomifch gewib über bem englifchen
„ßlobhoppet“ ftehen. Sun hat man gwar in ©nglanb bie befannte national
öfonomifche dßeorie, welche auf einen frangöftfehen ober fübweftbeutßhen Bauern
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mit Betastung ^erabfte^t, unb tm SScrrjlctdb $u einem englifchen ©runbbeftfcer
bürfte bie Sage eines folgen feine beneibenSmerthe fein, ©leichmohl bleibt es
richtig, ba£ ein armer 3Jtann m i t Sanb, fei eS auch ein noch fo fleineS Stüd,
immerhin beffer baran ift, als ein armer 9Jlann ohne Sanb. Sluf alle gälle
tft ble in ©tglanb immer nochmeiter fortfehreitenbe Sluffaugung beS freien Hei*
nen ©genthnmS ein febt §u beflagenbeS Uebel, baS auf bie geiftige unb mora*
lifd^e ©ttmidelung bet barunter leibenben klaffe ^öcfcft nachteilig eingemirlt
bat unb fortmahrenb einmirlt. -Dkn befirtbet ftch aber hier, mie fo oft bei ähn* •
lidben Berhältniffen, in einem fehlerhaften Sirfel. So lange bie beftehenben
StnrnnredbtSrerbaltniffe in Äraft finb, ift hier nicht bie minbefte Hoffnung auf
Befferung, mährenb baS ^erehtjieben ber leibenben klaffe felbft in ben fireis
ber Stimmberechtigten feineStoegS bie Sicherheit einer mirflichen Befferung bie*
tet. gn einer Seit beS revolutionären SlnfturmS läge bie grage natürlich an*
berS. 2)a fönnte eine butch entfeheibenbe (Sreignijfe in ben Stabten fiegreiche
2)emofratie raf ch bie 2)efretirung non ©runbeigentbumSgefe|en ermirlen, bie
bem gortfehritt auf bemßanbe Suft fchaffen mürben; mit entfprechenber Beleh¬
rung mdrebann balb nachgebolfen. Slber ber gegenmdrtige ©harafter GnglanbS
ift folchem Verfahren abholb, unb fo haben fub bie Suftänbe fojufagen vertnöchert
Würbe nun bie SRuffelffche BcformbiH von 1860 mieber aufgenommen, fo
mdre baS Dtefultat bie ^infuföguttg Von etma einerbalben 2JtilUov,
bielleicht einer 3toetbrittelS*2Rillion neuer Wähler. ©nefolche ÜDtabregel hatte
fchon ben Bortbeil, bah fte enblich einmal bie Sachen mieber in glnfi unb fri*
fcheS Blut in ben Staatsorganismus braute. 5lu<h mdre bamit ber BemeiS
geliefert, bah eine Slenberung ein tiefgefühltes Bebürfnifj ber Seit ift, unb fangt
man mit einer Slenberung einmal an, fo ergiebt fi<b Weiteres fchon bon felbft.
©o mögen bie ©nen argumentiren. 3)ie Slnberen merben fagen, bie Berbeffe*
rung fei gar §u-gering, benn noch blieben bann ja unter ben fieben Btillionen
ermadhfener englifcheräftänner, hier bis fünf ÜDHllionen ohne baS
SBabitecht (SS bliebe alfo auch fernerhin meitauS bie Majorität ohne
SRepräfeniation, mdbrenb bo<h, mie alle Welt miffe, baS ^afFtren einer Beform*
Bill auf längere Seit hinaus bie Bemegung für ©Weiterung beS Wahlrechts
lahm lege. 2)iefe Untere Bemerlung ift gemifc richtig. SJtan muh aber leiber
gefteben, bafc’ bis je$t bie Bemegung nicht ftarf genug ift, um bie Delegierung ju
einem gröberen Sugeftdnbnih &n jmingen. Unter ber Sanbbevölferung berrfit
gar leine Agitation in ber Sache. 2ftit ber ßuräfuhtigfeit, melche ftäbtifchen
Sfteformern oft eigen ift — eine ßurjfuhtigteit, an ber jurn Sheil unfer beutfeher
Bauernfrieg §u ©runbe ging, bie auch ber franjofifchen Bepublil oon 1848
unheilvoll mürbe, unb bie in Belgien bie belannten enblofen unb erfolglofen
Kämpfe unaufhörlich miebereqeugt — hat man in (Snglanb eS unterlaßen, fuh
mit bem Bauern, bem $euerling, birect in Berhinbung $u fefeen, um ihn für
baS greiheits*3ntereffe §u geminnen. gn ben Stabten aber ftehen fuh Bürger*
thum unb Arbeiter vielfach entgegen, unb ber Mangel an Uebereinftimmung
hier fchmdcht natürlich bie firaft ber (ganzen Bemegung.
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AuS bcnt Umftanb, bafj 3o^n Srigbt in Stadbum bon einer burdb baS
ÜJtinifterium gemalten „Sufag e" gefprodben bat, fcfeliefet man auf unmittel*
bar smifdben ihm unb föuffeH eingeleitete 23esiebungen. GS fdbeint feinem 3»ei*
fei §u unterliegen, bafe folcbe ©esiebungen bur(b einen ÜDWttelSmann bon „pbi*
lofophifcb^rabifafer" gdrbung, ber bereits einen 6ip int SWinifterium bat, einge*
leitet morben fmb, unb bafi audb anbere Anerbietungen auf biefem SGßege über*
mittelt mürben. Ueber ihre bermutbltcbe Annahme ober Aidbt*Annahme fei hier
leine $ropbeseibung gemagt. 3°b*t 93rigbt ? S Aatur festen bisher eine ddbt bemo*
fratif(be, wenn audb burdb mandberlei ©onberbarfeiten ftdb ebarafteriftrenbe. Gr
galt als ber SBolfStribun, ber bie Ariftofratie mit tiefem, glübenbem, bie Ärone
faum mit minberem #affe ba&te. Gin öudfer unb griebenSfreunb, sog ihn
fein £er| §u ber ©eite ber Union in bem Aiefenlampfe, ben fte gegen baS ffla*
oenbaltenbe Oligardbentbum fdmpfte. §örte man ihn auf 3)teetingS, fo mürbe
man bon bem Ginbrud erfüllt, als febe er im SBetterfcbein ber amerilanifcben
©dbMten bie aufbdmmernbe greibeit Guropa’S leuchten, als höre er in bem
Traufen beS atlantifcben SBogenfdblagS bie SulunftSmufif ber europdtfdhen Te*
mofratie. 2Jtan lonnte mit ihm anberer Meinung fein über Aufclanb, über bie
fransöfifdhen Sßerbdltniffe, über bie Ai<bt-3nteroention, u. bgl. mehr; aber man
lonnte ben republilanif(ben 3«9 feiner SBorte nicht berfernten. Gin foldher
2ftann mdre, im Amte unter einer töniglidben #errf<baft, in feiner Söebeutung
geminbert; fein Gbaralter mdre gefalfdht, fein Ginflug gelahmt.
S5rigbtunbGobben haben 93eibe mdbrenb beS amerilanifdhen Krieges
GrKdrungen im ©inne einer Vorliebe für bie freiftaatlidbe [Regierungsform ab*
gegeben, ©einem ©runbmefen nadh mar übrigens Gobben eher ber 2Rann ber
conftitutioneUen 2Ronar<bije. TaS energifebe Temperament ging ihm ab. Ter
Ariftofratie mollte er mobl an ben Seib, um fte niebersumerfen; allein er sog
bie llug beredhneten Keinen Mittel bem offenen Angriff bor; er mollte ben
Grunbabel lieber auSldufen, „abmaiern", mit fdheinbarunfdhulbigenGrbfdhaftS*
gefefcen allmdlig bie 3ortbeilung ber ©üter befoerfftellige«, lieber als bafi er ber
Ariftofratie offene ©<bla<bt angeboten batte. Ueber bie continentalen Aebolu*
tionen gab er nodb in ben fündiger Sahnen bodhft fonberbare Anftdbten bon ftdh.
Ter amerifanifdhe Urieg übte bei ihm in biefer Sesiebung eine flarenbe, reini*
genbe SBirfung aus. An bem ©eifpiel biefeS bon ber furdhtbarften ©efabr er*
griffenen, mit eiferner iBebarrlidhleit f#nen 2Beg burdbfampfenben greiftaateS
richtete Gobben’S ©efutnung ftcb mehr unb mehr auf, bis er fürs bor feinem
Tobe bie unsmeibeutigften prinsipieH republifanifchen Grfldrungen gab, — aller*
bingS mit ÄaufmannSfdblaubeit burdb eine f<bersbafte Söenbung in Sejug auf
Gnglanb gemilbert.
Srigbt feinerfeitS, mie in anberen gragen gejoöbnlidb Gobben um einen
©dhritt borauS, batte audb in biefem Sßunft febon früher garbe geseigt. Auf
einem ber UnionS*©bmpatbie*2ÄeetingS bonnerte er bie Ariftofratieen mit ben
fronen nieber. ßurs borber batte er audb mit beradhtungSbollem ©dbmeigen
bie Anflage ber „Times", als prebige er ©r aedb ifdbe $olitif, über ft(b erge*
:ed by LjOOQle
hen (affen, währenb Eobben fuh gegen benSormurfmit Ecwtoerungen wehrte.
2 )afj nun SBright, nach all biefen Vergangen, bereit fein follte, in eine Wegie«
rung einjutreten, in welcher baju noch awei ber früheren bitterften geinbe ber
Union bie $auptftetlungen entnehmen, baS mühte billig SBunber nehmen.
, WuffeH fagte einft: „Wichts Schlimmerem tonnte für ben gortfehritt ber ÜWenfch*
heit, nichts SchßmmereS für bie fchwaräe Wace gefchehen, als wenn ber Worben
ben Süben unterjochte!" ©tabftone rief Softanna, bah gefferfon $aoiS eine
Nation gefdhaffen! Sright als College biefer Wlinipter: $ie Wnomalie
tönnte nicht größer fein. Unb bo<b tonnte heute Wiemanb fagen, bah ber Ein«
tritt beS Agitators in bie Regierung gegenwärtig noch <ine Unmöglichfeit fei.
Wur mit Sebauem würbet* wir „Sohn SBright, of Englanb", wie Lincoln ihn
nannte, in eine fürftliche WegierungSmafchinerie eingereiht fehen.
ES ift im Sntereffe ber allgemeinen greiheit, bah EnglanbS Einrichtungen
ft<h a m e r i t a n i f i r e n ! 2hatfä<hlt<h eyiftirt baS „amerifanifche" Element
hier bereits in ber ©eftalt ber arbeitenben Ülaffen, infofern biefe ft<h ju traitS«
atlantifchen Einrichtungen am meiften hingejogen fühlen. $ßon ben grlanbern
unb bem genierthum fei hier nicht eingehenb gefprodhen ; benn objwar oon bie«
fer Seite her bem englifchen Staatsbau bei etwaigen SSerwidlungen febwere
Schläge beigebracht werben tonnen, fo ift eS bodh nichts weniger als gewijj, bah
für bie greiheit unter allen Umftänben etwas ErfprieblidheS barauS erfolgen
Würbe. SlnberS fteht es mit ben Wrbeiter«Elementen in Englanb. 2)ur<h eine
eigentümliche Sßertehrung ber SBerhältnijfe ift freilich biefer wichtige 23eoölferungS«
theil bisher nicht im Stanbe gewefen, ftch felbft politifch ju helfen, währenb er
gerabe währenb ber ßriegS«$riftS gan§ unjweifelhaft ftarf genug war, in baS
rollenbe Wab ber antUatnerifanifcben ho<hariftofratif<hen $olitif einen Stab
gu werfen, ber es jum Inhalten unb fchliejjlich faft jum galten brachte.
Sßürbe bie Weform«[8itl in’S £eben gerufen, welcher Sohn 2}right pim
SSorauS feine Unterftüfcung jugefagt hat, fo erhielte ein 5Lheil ber Wrbeiterbe«
uölferung wohl baS SBahlrecht; aber biefer $heil wäre nicht genügenb, um ben
©ang ber [Regierung irgenbwie ju controlliren. 3wif<hen ber ^Bright'fchen
Dichtung unb ben ÜWännern ber Wefotm«2eague, bie „allgemeines
Sßahlrecht unb geheime Wbftimmung" auf ihre gähne gefchrieben haben, fann
ntan jefct, nach ber Erflärung ju S3laäburn, eine mehr ober minbet offene gehbe
erwarten. Stuf ben beiben großen Meetings, bie [Witte 2)ecember in SBirming«
harn gehalten werben follen^unb bei beren einem SSright fprechen wirb, wäh«
renb bei bem anberen lauter Arbeiter bie Webner fein werben, erfolgt wahr«
fcheinlich eine StuSeinanberfefcung, bie für bie nächfte Sutunft entfeheibenb fein
wirb*
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Pit Ittliaicma-pijUofojjl)«
erläutert am 2ten Steile beS gauft.
, Bott $r. ©. ©I5t»e.
3 feber höberftehenbe Kenf 4 bat feine eigene Ketapbpftl, b. b. feine mehr
ober meniger felbftgebilbete, mehr ober toeniger llare Sbeorie Aber bie „gött*
luben Singe", feine fpefulatioen 2tnfi4ten über „Seben", ,,©ott" gort»
bauet". Siefe Ketapbpftf enthält bie Summe feines SefenS, fein eigenes
( befte3 Selbft, fo ju fagen bie 3orm bei geiftigen 3nbibibuum8. 3e bBber baS
. 9e '^ 9c Snbibibuum ftebt, befto auSgebilbeter, fefter, mir möchten fagen, pla*
ftifcber, bilbetfub baS Spftem feiner Ketapbpftl heraus. 3n ben flögen
Wer ©eifter, bie mir borjugsmeife p h U o f o p h i f <h e nennen, nimmt es bie
©eftalt eines förmlich 'ausgebauten ©ebcmlengebäubeS an. Sie ©eföidjte bet
iPhilofophie, bie ber Siffenf4aft beS ©Bttli4en, ift einem »egräbnifsplafc »oll
erhabener Saufoteen oerglei<hbar. Sir manbeln ba jmif4en Senfmälem aller
Seiten unb aller 3°nen, bon bem Sempel beS »ubbha unb Ofirö, burch bie
Hafflföben Säulenhallen beS Dlpmpif4en 3eu3, baS Sltterbeiltgfte 3eho»a’S, bie
finfteren ßrppten beS erften GhnftenthumS, bieftoljen, bimmelanftrebenbenSom
ber „allemfeligmachenben Jtir4e" bis ju ben lüblen £Brfäälen ber ©egenmart
auf beren glatten unb reinlidhen Sänben baS Kort „5ti4tS," ftebt. (Sin Sort
bas - 3 ufall ober 5lotbmenbigleit? - entftanben fcheint ÄuS bem emig cen*
tralen, unabmenbbaren „34", bem negirenben „51" un b ber fäcblicben
©nbung — SffiaS n i 4 1 3 4 ift, ift 51 i 4 1 S !
• »ei Bielen großen©eifternerf4eint ihre Stetapbpfil, fo ju fagen, f4am*
haftoerhüllt, g(ei4 ben Kpfterien ber Siebe, ©er meif unb roer lann faaen,
mas3lle ? anber bon$umbolbt glaubte, unb ma 8 ni 4 t? Gr mar ein»rie»
fter beS Sltterbeiligflen, aber et fpra4 beffen Slamen ni4t aus. Sir mögen aus
feinen S4riften 31 nbeutungen über feine Slnfubten bom ©öttluben ( ben
leiten Singen") fammeln; aber bieS ift Silles. Kit ftehenoor bem berf4Ieierten
»ilbe berlffiahrheit, mir mB 4 ten benS 4 leiet heben, aber er ift—bonStein»
fölehr als irgenb ein 3lnberet hat ber Keifter«©eniu 8 ©Bthe bie Mit- unb
5la4melt in 3lthem erhalten mit gelungen, »ermuthungen, Spefulationen
über feine 5leligibn3=»bit<>fopbie. Kar ©öthe ein Ehrift, ein £eibe, ein Kuba*
mebaner, ein moberner »bilofopji, Katerialift, 3bealift, Spiritualift? Sitte biefe
. guten Singe hat man ihm ber 5ieihe na4 angebuhtef, für jebeS berfelben bie »e»
legein feinen Serien gefunben. 5latürli4, bei einem fo reühen ©eifte mie
©Bthe’S, ber bie £i4tftrablen ber ganjen Seit in feinem gocuS auffänqt
nnb fte bann hauptfä4K4 in baS glänjenbe garbenfpiel ber »oefie jerlegt, laffen fub
»emeife für bie entgegengefefcteften 5(i4tungen beibringen. 3 lm beliebteren mar
eSjebo4 ju ben Seiten ber hB4ften ©Bthemanie, ihn halb bemunbernb halb
bebauemb, „ben groben Reiben" ju nennen, b. h. ihn beS a u s f 41 i e & l (4 e n
Kultus beS S4 önen — mie eS bor 3lttem bie Slntile berlörpert_unb
JIVST
107
ein«, Wenn ni*t feinbfeligen, bo* jebenfatlä glei*güttigen unb abweifenben
fRi*tuitg gegen baä.GhrifteBthum, wie bie moberne Sßbilofopbie gu begü*tigen.
Saft fi*‘9klege für b i e f e Sluffaffung bet 2Beltanf*auung beä groben Si^terl
rri*li* auä feinen SBerlen gufanunentragen taffen, wirb wohl Jiiemanb in 316=
tebe fteüen wollen. ©ötbe repräfentirt faft alle ^B^afen bet Gntwictelung beä
mobemen 3Jtenf*en — aber ein Sehen fo lang unb fo tei* an Slufgenom*
menent unbSöiebergegebenero wie baä feinige, beffen ©tunbneigung
bo*wefentli*bief*önen©enuffe3blieb,beffenStrebenäri*tungauf bie
©eftafomg beä gangen Sebenä ju einem Sun ft wert ging, mufjte notbwenbig
oon bet t e i n nt e n f * l i * e n S*önbeit beä Mafftf*en Slltertbumä, bie felbft
6 *iHeriä SWufe beberrf*te, »orgugäweife angejogen unb gefeffelt werben.
äbet ©ö*e war auch barin ni*tä weniger afö einfeitig; et wenbete ft*
mit bemfelben Gifet bet *riftli*en Äunft beä SWittelalterä gu, unb felbft bie iüo=
betne Dtomantil blieb bur*anä ni*t ohne Ginfluft auf feine Gntwidelung, wenn
au<b fein ©Raffenttotjugäweife nach bem SDlaftftabe tubiget 11af f if *et
©cb5nbeit gerichtet Wat, beffen ÜDtafie in bet unä umgebenben
©innenweit liegen.
Slbet baä Seben bet ftnitli* Wabtnebmbaten, natürlichen 3lu|enwelt (beten
ibealet Sluäbtud eben baä Hunftwerl ift) umfaftt ni*t baä gange SBefen
beä 2Äenf*en. SDieä behaupten gwat bie mobemen SDtaterialiften; allein wir
Ibnnen: biefe ©ehauptung bet Selbftfritit ihrer Urheber fibetlaffen, bie butch
ihr eigeneä ©rieben biefelbe fcrtiodhrenb Sögen ftrafen. Sie behaupten gwar,
nur mit bet Grfenntnifi unb Gtfotfchung beä finnli* SBabrnebmbaren
bef*äftigt ju fein, allein eä würbe unf«bwer na*guweifen fein, bah au<b ihnen
bie Spelul«11on, baä waä „nach unb hinter bem $bpfif*en" lomrnt,
nwbtä weniger aläfrembift. Sllleä Sinnli*e ift nur Spmbol.
Ser höhere 2Jlenf* weih bieä, ober ahnet eä wenigftenä, unb bie
g-tage nach bem SBarum? (b. i. bie Spefutation ihrem SBefen unb Siele na*)
ift bem 2Renf*en angeboren; fte ift ein 3eugni& feineä göttlichen Urfprungä,
gehört gum heften Sheile feineä SBefenä, ift nicht ein Jlinb beä Stangeä muffiger
ober wu*ember ^hantafte, fanbem eine gorberung feiner ©er *
n u n f t. Sie bö*fte firaft beä ©eifteä ift nicht mehr ccnalpfirenb, fonbern
combinirenb. ffientt bie größtenSlftronomen, na*bem fte bur*ihre mühe«
»ollen 3ahtenbe«e*ttungen ben Sriumpb ber ejacteften 2Bifferif*aft : geführt, ft*
mit ber dptftehung unfereä Sonnenfpftemä, ber Gyifteng einer Gentralfonne, ber
SBewohnbarleit unb ©etoohnheit ber Rimmelslorper bef*äftigen, fo betreten fie
baä ©ebiet bet Spelulation, ber hö*ften Shätigleit ber ©ernunjt, bie auä Shat<
fachen nicht immer bbl f * l i e ft t, fonbern au* ahnet. Sie Spelulation ift
bie ©ernähr unfereä 3ufammenhangeä mit einet höheren Orbnung ber ©eifter,
fie webt bie Slnlnüpfungäfäben mit einet 2Belt, bie fenfeitä (ober hinter) ber
fu-nli* wahrnehmbaren liegt, a h e r ebenfo witlli* unb naturge«
fehlt* ift wie bi efe. , •
SerSi*ter höheren SHangeä ift ehenfowohl ©bilofoph» wie ber
«US 1
M
108
iriffenfchaftlühe Senfer Don $rofeffton. SBcr torttte bte$ Don £omer unb bcn
griecbifchen Stagifem leugnen, in benen fuh Die ttteligionS* unb Seltenanfchauun*
gen ihrer Nation unb ihres 3tüaltecS abfpiegelten? 2Ber trollte Don Sante’S
„göttlicher Äomöbie" behaupten, bah fte nur eine ®ilberfamwlung bichterifch
febaffenber Sßhantafte enthält, bah ihr Töpfer unb feine Seit feinen £immef,
fein gegefeuer, unb ferne-§5Ue nicht für trahr hielten? ffiet jtreifelt, baS STOilton
unb Shafefpeare bie Summe ber SBeltanfchauung ihrer Seit bieten ? SSer tann
Schillers holbe ÜBtufe Don ber nüchternen ^hilofophie Äant’S trennen? 2Ber
trirb Demeiuen, bah ©öthe, ber ächtefte SichtergeniuS, ber feit gahrhunberten
erfchienen, unabläffig mit ber gorfchung nach ben häuften Söahtheiten
befchäftigt trar, unb bah er bie ©rgebniffe biefer gorfchung in
feinen bichterifchen SBerlen nieberlegte? SerJBetreiS biefer
lefcteren Behauptung foll uns hier in ber ilürje befchäftigen*
2>aS ffierl, in meinem ©öthe bie Summe feiner SBeltanfchauung
(^hilofophie) niebergelegt hat, ift ber g a u ft, unb §mar in feiner © an § h e i t,
bem jtr eiten wie bem erften Xheile. 53 e i b e Steile gehören, fo Diel ben fß'hilo*
fophen ©öthe anlangt, jufammen, fo trie ber Süngling unb ber ©reis §u*
fammen gehören, trenn man ben g a n j e n e n f ch e n Derftehen tritt, inbem
man ben ©reis nicht ohne ben güngling rerftehen tann, unb ber güngling
rücfträrts burch ben ©reis ertlart trirb. 2llS poetifcheS unb brama*
tifcheS itunftirerl mag man ben erften $heil beS gauft für felbft*
ft an bi g ertlären. 9ia<h einer Saufbahn Doll Srrthum unb Schulb, „tpilttgem
©eifte aber fchmachein gleifche“, holt ben „Soctor gauftuS“ ber Seufel, Don
©reichen aber, ber nur aus S i e b e fehlenben, berfünbet „(Sine Stimme Don
Oben", bah f i e gerettet i ft! Sie poetifebe ©erechtigteit, mit ber mota*
lifchen jufammenfattenb, hat ihr Blecht, baS ©etrijfen feine 53efriebigu«g, ber
Slbftblufj ift roüftänbig.
Allein ©öthe’S gaujt ift nicht bloS unb fottte nicht bloS fein eine brama*
tifch^poetifche 53ehanblung ber altbeutfchen BoltSfage Dom Schtrar^tünftler guft,
ben na$ einem Sehen Doll Sünben unb ©ottloftgteit (benn Sllcbpmie trar ja auch
gegen bie ©ebote ©ottes!) julefct ber Teufel holt — fonbern ©öthe entbedte mit
ber Intuition beS ©eniuS in biefem Stoffe, neben feinem Dolfsthümlich*
poetifchen ©ehalte, zugleich baS ©efäfj für Stieberlegung unb Hufbetrahrung
beS ÄerneS feiner 5öeltanf<h auung unb Bhilofophie,
Bon biefem ©efichtspuntte — ber bem Sichter übrigens felbjt trohl erft
im Saufe ber Seit tlar mürbe — trar ihm natürlich mit bem erften Sheile beS
gauft nicht genügt, bem erften muhte ein Streiter folgen, biefer muhte ein
DorjugStreife philofophifcheS ©ebicht trerben, unb tonnte, toie auch trirtlich ge*
fchehen, nur mit beS greifen Si<hter*SenterS eigenem Grbenbafein abfchliehen,
unb erft nach feinem Sobe erfdjeinen. SieS ift trohl bie richtig! unb beS groben
©eifteS einzig trütbige Sluffaffung biefeS einft fo Diel befprochenen, fo üielfach
angefochtenen Opus posthumum. Sie jum Sheil uttDerftänbliche Allegorie
unb oft ungeniehbare 3Jtpftif biefer Sichtung hat ihrer 3eit eine SÄenge ©rtlärer
?
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unb dommentatcren in Sbätigleft gefegt,, unb unterben aahtreidhen ©egnem
laben fetbft Sie nicht gefeilt, bie barin nur eine äJlpftijilation etWiden wollten:
abgefehen Pon ben ja|lreit|en unb erhabenen poetifchen Schönheiten" biefeä
aSermfitbtniffe* beä „Sicbterfürften" eine beä groben SManneä oöllig «nroürbige
Sluffaffungl 3m ©egenfage baju wollen wir im golgettben ben 9t«hwei8 »er*
fu«|en, bab er unä im äweiten $|eile beä 3®uft bie Ouinteffenj feiner
philofop|ifc|en unb religiöfen SBelta.nfchauung, alfo baä
Sefte waä ein Sfftenfdjengeift feinen SRebengeiftern überhaupt gewähren lann,
niebergelegt bat.
3Jlan erlaube mir junädjft Borauäjufdjiäcn, maä mich Meuerbingä jur 33e»
f<|äftigung mit bem aweiten Sheile beä Sauft oeranlajjte. Sltä berfelbe }uerft
i erfdjien, hielt ich e3, gleich jebem anberen gebildeten Seutfchen, für meine
Sßflicht, ba8 Opus posthumum beä gröbten beutfdjen Joelen au lefen. Saä
ßrgebnib war, bab ich mich 8»»« an einigen poetifchen Schönheiten erfreute,
baä ©anje aber alä ungenießbar bei Seite legte, unb mir bie Theorie bildete,
bab «ö einer gortfegungbesi Sauft gar nicht beburft habe, ber erfte- Sheil
bbffelben cm fleh »ollenbet unb abgefchloffen fei. Seitbem warf ich nie wieber
ehten SBticJ in biefen aweiten Xheil- Sa foUte ich im »erfloffenen SEBinter burch
einett Slmeri tan et oon Sleuem auf biefen aufmertfam gemacht unb hingelerttt
werben, ©aparb Saplor, ein feltener Kenner unb ©erehrer ber beutfdjen
Spraye tinb öteratur, laä in einem befreunbeten Steife bie trefflich gelungene
Ueberfegung einiger ber tprifdjen ©erlen beä aweiten Sheilä beä Sauft oot, na=>
mentlich beä herrlichen Gtjoreä auä ber erften Scene:
„Sßenn ftch lau bie Süfte füllen" ec.
Saä ©efpräch lam babei oon ber Schwierigleit btefer Aufgabe auf ben
SBertb biefeä aweiten Sheilä beä Sauft überhaupt. Sa ich babei mit meiner
eigenen Slnjlcht auf lebhaften 2Biderfpru<h oon Seiten-beä Sluälänberä traf,
ber baä 2Bert unfereä großen SJteifterä genauer lattnte unb ftubirt hatte alä ich,
fo oeranlafite mich bieä au einem nochmaligen genaueren Stubium beffclben,
beffen dtgebniffe ich im S°lgenbeii in ber Sttrje aufammenaufaffen oerfuchen
will.
Ser Sifer foH mir babei nicht buch bie oft bunlelen unb labprinthifchen
SBinbüngen ber erften 4 Siete beä aweiten Sheileä folgen. 2Ber biefe nichtfennt
unb nicht fetbft lefen will, ber tonn in aäljtreichen „(Srtlärungen", „Gommenta»
ren", „Schlüffen" «. ftch über ben Inhalt berfelben unterrichten, ober, will et
grttnb U «h auSBerle gehen, in Sünger’ä unlängft erfdjienenentumfangreichen
©ommentar au beiben Sheilcn beä Sauft mehr alä hinreichenbe Belehrung fin=
ben. dbenfo wenig erferberteä meine Slufgabe, ben teligiöä*philofophif<hen ©e=
' halt beä aweiten Sheileä feftaufteUen, bei ben jahlreichen poetifchen ©eichthümern,
bei ben Schägen an SEBig unb fjupiot, fdjarfer Sritif unb -fchneibenber Satire
über SBelt unb 3Jlenf<h«n au oerweilen, welche jene 4 Siete enthalten. ©leine
Aufgabe lägt fiel burch nähere Betrachtung beä 5. Slcteä allein löfen.
Slath ben Shaten unb Grfagrungen Sauft’ä am #ofe beä Saiferä, 'feinen
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©Säuberungen unb Etlebniffen in bet clafflfchen Uutetwelt imb bei „ben SJtüt*
tem" »erben wtr im fünften Siete burch ben „SBanberet" in bieÄehenSbefifcung
unb Schöpfung beS greifen f?auft eingeführt. $er „©Sauberer", bet vor
Sauren an ben unwirklichen 6 tranb einer notbifchen Seelüfte geworfen unb
non $^ilemon unb ©auete in ihrer $ütte gepflegt worben war, finbet jwar
biefe wieber, aber um fte herum eine neue ©Seit:
So erblidft bu in ber ©Seite
(Erft beä SJteereä blauen Saum,
©e$t3 unb linte in aller ©reite
SHchtg ebrdngt bewohnten Staunt.
/ Sauft höt mit raftlofer Slrbeit bem SBaffer baS Sanb abgewonnen. Shn
felbft erbliden wir in hohem Sllter ate Bewohner eme&©alafte3 in ©litten eineg
weiten 3 iergarten§, in ber Stäbe eines banales, auf welchem ein fd#neS Schiff
mit reicher Sabung aus fernen Sänbern anlomm*. Segen ber menf # *
liehen Sirbeit, bte bie Statur befiegt. Stur Ein es ftürt ben
Schöpfer biefer neuen ©Seit, unb vergällt ihm ben @enu£ berfelben. E3 ift
baSfiircheneigenthum auf bem SJünenhügel, auf bem ein $ir<blem unb
bie $ütte beS Sßbilemon unb ber ©auete ftehen, welche beim Sehen bes ßaifers
bie „ßireb e" ft<h Vorbehalten. Sauft muh ju feinem Slerger täglich baS ©im*
mein beS ßircbenglöcfleinS hören, baS ihn an bie S ehr an! e feiner Stakt er*
innert:
r ,$eS Slttgewalt’gen SBillenStür ,
©rieht fich an biefem Sanbe hier!
©Me fchaff ich mir baS vom Eemüthe?
S)aS Elödlein läutet — unb ich Wüthe ! Ä
Slber SJtepbifto, beffen nie veraltenber £umor fich über baS „verfluchte
©im, ©um, ©immei" ber Äirche auSläfjt, weih mit feiner ebenfalls nie vprab*
tenben £üde Stak* ®r fchidt feine brei „gewaltigen ©efellen" aus, bie auS
bem fchönen Schiffe SBaaren auSgelaben hüben, unb halb bemerlt ber ^horwäch*
ter SpnceuS, Verfiel? auf ber hohen SBarte „ber ewigen 3*er ber ©Seit
unter ihm" erfreut, bteSlummengluthr welche auch bete SJtooShüttchen von
©hüemon unb ©auete vermehrt, baS mit bem Egpellken in Slfche jerfällt. 2Jte*
Phifto unb bie brei ©efelleu berichten:
?
„$a3 $aar hat fleh nicht viel gequält,
©or Schaden fielen fie entfeelt!
Ein S^ember, ber fleh bort verftedt (ber ©5änberer)
Unb fechten wollte, warb geflredt
3 n Wilben Kampfes lurjer Seit;
©on Sohlen, rings umher geftreut,
Entflammte Stroh; nun lobertte frei
Site Scheiterhaufen biefer 2>rei!"
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in
Sauft oerbriebt bie ungebufbige Sbat:
„SGBart 3b* für meine SBorte taub ?
Sauf <h mottf ich, Sollte teinen aub I
Sem unbefonnen tüilben Streif,
3 t)m fluch’ ich! tbeilt el unter euch!"
SWit einer ©emalttbat, bie er nicht gemollt, (ber Sfuch ber
unbefchrdnften ©emalt!) fchliebt Sauft 7 ! irbifche Saufbabn unb Sbdtigfeit. Cf!
ift Mitternacht. SSter „graue SBeiber" treten auf; fie beiden: ber „Mangel",
bie „Schulb", bie „Sorge", bie „5totb M * Sie fielen an ber SEßobnung be!
e i <h e n, fie mögen ni(bt hinein, nur:
„Sie Sorge, fie fehlest fub burch’l Schlüffettoch ein."
Sie brei Slnberen fpreeben:
„Cf! sieben bie Sßolfen, e! fchminben bie Sterne!
Sa hinten, ba hinten, bon ferne, oon ferne,
Sa fommt er, ber 33rub er, ba fommt er — ber Sob J
Sauft blidtt mit Sebauern auf fein Seben surud:
„Stünb i(b, Statur! bor bir ein Ü)tann allein,
So mär’l ber 3Jlühe mertb, ein Menfch su fein!"
5Run folgt eine Scene boll erhabener 2Bei!beit unb $oefte smifchen Sauft
unb ber Sorge. 3n Sauft bauert noch immer ber 3miefpalt feiner (bei Men*
fiben) Soppelnatur fort, no<b immer hält bie ßrbe ihn mit „berben ®anben" :
Ser ©rbfrei! ift mir nun genug begannt;
üftach b r ü b e n ift bie Slulftcbt uni berramtt!
Shor ! mer borthin bie Slugen Minjcnb richtet,
6 i(h über SBolfen Seinei ©letchen bichtet!
(Sr ftehe feft, unb febe bie* fob um!
Sem Süchtigen ift biefe 2Belt nicht ftumm.
2 B*! braucht er in bie ©migfeit ju fchmeifen ?
2 Bal er ertennt, labt fich begreifen!
5lber bie „Sorg e" (b. b* ba! etoige Sehnen, ba! Diichtbefriebigtfein)
Idbt nicht oon Sauft ab, unb all er fpriebt:
„Sdmonen, meifj ich, mirb man fchmerlich toi,
Sa! geiftig ftrenge ®anb ift nicht ju trennen,
Soch beine Macht, o Sorge, fchteichenb grob,
Sch »erbe fie nicht anerfettnen !" * -
Sa menbet fich bie Sorge mit 2Jermünf<hung oon ihm t
„Sie 2Jtenf<hen fmbimganjen Sebenblinb
9hm, Sanfte, merbe bu’l am ©nbe!"
Sie haucht ihn an unb Sauft — erbtinbet.
Slber feine 93linbheit erfcheint ihm all bette! Sicht,
„Mein im 3 n n e r n leuchtet bette! Sicht!"
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Sie Sßtdne ferner Stanneljabre »a#en toteber au#, er ruft:
Som Säger auf, #r flne#te! Stann für Staun!
Safjt glüdli# f#auen, mal i# lübn erfann,
©rgreift bal SBerfyeug ! Schaufel ri#rt unb Spaten l
Sal 2 lbgefte<fte mufj foglei# geraden!
Sluf ftrengel Orbnen, raf#en 3lei&,
©rfolgt ber allerf#önfte Sreil.
Safe ft# bal größte 2Berl bollenbe,
©enügtein ©eift fürSaufenb £änbe!"
Stepbiftopbelel erf#eint mit ben Semurett all feinen ©ebülfen, aber all
biefe bom Slbfteden unb Steffen fpre#en, meint er bebeutunglooH fpottenb :
„#ier gilt lein fünftlerif# Semübn {
Serfabret nur na# eignen. Staben l
Ser Sängfte lege längelang fi#>btn, 1
3 b* 5lnbern lüftet rhtgl umber ben Safen l
2Bie man’l für unfere Sätet #at,
Vertieft ei» längli#el Ouabrat!
2 lul bem ^alaft hfl enge £aul,
60 bumm läuft el am ©nbe bo# binaul!"
Sie Semuren, unter einem ©efange im ä#ten Solllliebton, graben „mit
nedif#en ©eberben" gauffl ©rab. Sauft, ber Slinbe, er g ö fc t ft# am ©e=‘
flirr ber Spaten, er treibt $ur Arbeit an, er blicft in bie 3ulunft, er fiebt ben
Sumpf, „ben faulen Sfubl", bertoanbelt in Säume für biele Stiüionen,
„Si#t ft#er jmar, bo# tbätig frei ju toobnen t"
er erblidt grüne ©efilbe, Stenf# unb beerbe, parabieftf# Sanb, bur# ,,©e*
meinbrang" ber Slu# abgejmungen unb berf#lojfen ; er bri#t in bie begeifter^
ten SBorte aul:
„3a ! biefem Sinne bin i# ganj ergeben,
Sal ift ber SB eil beit lefcter S #lufe :
Nu ^ #"irb ber b*t bient f i # gr e i ^ e it mie bol 8 eben,
Ser tägli# fre erobern mufe;
1 ■ > i, fo berbringt, umrungen non ©efabr,
|jier flinbbeit, Stan» unb ©reil fein tü#tig 3<#**
Sol# ein ©emimmel mö#f i# febit,
Sluffreiem ©runb mit freiem Solle ftebn.
3 um 3lugenblide bürff i# fagen ;
Sermeile bo# ! Su bift fo f#ön !
©I lann bie Spur bon meinen ©rbentagen
$Jti#t in Sleonen untergebn. 7 —
SmSorgefübloon fol#em hoben ©lüd
©entefe’ i# jefctben bö#ften Sugenblidt^
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$amtt hat gauft bie berhängtufjooDen SBorte auggefprochen, mit ben^n
ct ftd? einft bern Teufel berfchrieb :
„SBerb* ich gutn Slugenblide fagen,:
Ver»eile bo<b, bu bift fo fdjön!
$ann magft bu mich in geffeln fragen,
S)ann MTtdh gern ju ©runbe gchix, u. f. ».
1. Sbeil.
fjauft fm!t jurücf, bie Semurett faffeft ihn auf unb legen ihn auf ben
©oben* *gauft ift tobt unb unter einet Strt SBedbfelgefang 3 »if<ben Sftephifto
unb ben Semuren, einfach unb erhaben -*• f. unten — erfolgt bie „©rable*
gung^ ^SBäre.ßtäthe’g ^^ilofopbne eine materialiftifdhe getoefen, unb hätte er
un& int atoeiten Xheil nur eine »eitere Erfüllung unb Slbrunbung ber bramatiftrten
Voltgfage geben »ollen/fb »äre hiermit auch ber Schluß beg $»eiten $heile3
gegeben*ge»efen. $)ag factum, »eldheg er im erften %\)äk mit bem Teufel
macht:
' Äannft bu mich fchmei(helnb je belügen ic.
S. 62 beg 1. Steiles.
laut im erften ibeile nubtjur Erfüllung ; ber 3ufd?auer mag j»ar — »ie »ir
eöbn angebeutet haben — glauben, ba£ gguft im Perlet ©reichend bon ber
ÜRemefig in ©eftalt beg Sftephifto ereilt unb jur Strafe abgeführt »urbe; allein
bieg »äre gerabeju gegen bag^actum, SJiephifto erfaßt unb entführt bielmehr
ben 2)octor in SJtittenbeg Scbmer^eg tief fiter $eue, anftatt im Momente hofftet
S3ef riebigung, in meldet er gum Slugenblid fagen »ürbe: „S$er»eile bo<h, bu
bift fo fdjön!" Sluch alg bramatifdjeg SBerl beburfte baher gauft eineg jmeiten
’ Xhcileö unb enbli(hen Slbfd^luffe^ im ©eifte tragifcher Vergeltung. Sllletnjekt,
nämlich an ber Stelle beg feiten 2:heile^, big ju »elcher »ir gefommen, hot
gauft joirflich jefteH Stugenblicf erlebt, »enn auch nur in einer Slrt Selbfttäu*
fdbung, in ber V o r a u g f i <h t ber f ü n f t i g e n grüßte feiner Arbeit, feineg
Schaff eng ; er »ieberholt bie SBorte tm erften Siete, ruft begeiftert:
,,©g fanrt bie Spur bon meinen ©rbentagen
9li<ht in Leonen untergehn",
unb belennt, bah er „jefct ben hüchften Slugenblicf genieße".
©r hat bag Siel irbifchen, materialiftifben Strebeng erreicht/ er ftirbt in
beu;©e»i(htit bet ir’btf <hen Unfterblichf eit, beten ©runbibee
bag Slufgehen beg gnbibibuumg im Mgemeinen unter gortmirlung beg bon ihm
©efdhaffenen ifc
Sludh lünftlerifdh fdhlt)h hier ber s»eite Sbeil prachtbeU unb er*
haben (an eine Symphonie ©eethoben’g erinnernb, bie harmonifch mit bem
SBieberanlUngen beg ©rnnbthemag fehltest) tnbem bie eigenen SBorte beg gauft
beim factum im erften Xheife »ieberholt »erben:
SKephifto:
f „$)ie Seit »irb §err, ber ©teig hier liegt im Sanb.
„2>ie Uhr fteht füll/'
114
©bot:
„S t c b t ft i 11! Sie f<btreigt wie SDlitternadbt,
„3)er 3eiget fdllt!"
ÜJtepbifto:
„ßt fdllt!" ßs ift rollbta$t!
ßbor:
„ßS ift „rotbei"!"
$dtte ©ötbe ben Vorhang ^ t er fallen taffen, fo wftrbetvbie üftateriatiften
ein Ve<bt haben, ihn als ben Sb^sen ju beanftmuben. 2)aS i#b i f <b e Schau*
fpielenbigt mit bem £obe beS gelben, unb trenn biefer, wie \)kx, in bem
Vetmtfctfein unb bem Vorgefühle ber irbif eben Unfterblidjleit abtritt, fo ift
ber bramatifeben @ered)ti$teit völlige ©enüge gegeben. Slber ©fobe lieb ben
Vorhang ron feinet grdfjten Schöpfung (beibe Xbeile gufammen genommen)
hier noch nicht fallen, et wollte uns eine beutf<be “Divina comedia” geben,
bie üuinteffeng feinet rollenbeten gauftibee follte jefct erft, in biefem lebten, tuet!*
würbigften %\)t\k beS ©ebicbteS, betoortreten, iw welchem bie Vbantafie beS
2)i<bterS ft<b gum trüb coloffallen mpftifeben Schwünge 5)ante’S erbebt, in wel*
(bem et, unfetet Slnftdjt nach, bie böcbften ßrrungenfebaften feines 2)enfenS, He
©etoibbeit bet inbiribueüen gottbauet beS ©elftes unb bet Rettung bureb baS
böcbfte $ringip beS SBeltaUS, bie Siebe, niebetlegte.
(Schlup folgt) f
Per priefkaßen fror IHaöanna.
Bon Sultan «Berner«
1. Santa ßSquina.
$ie Sonne taudjte in bie glutben beS Stillen DceanS, mit ihren febeiben*
ben Strahlen baS mit stecht fo genannte „Zfyal beS ^arabiefeS" lüffenb, irelcbeS
fub gwifeben Valparaifo unb ber $auptftabt ßbiß’S, Santiago, auSbebnt $ie
tropifebe Vegetation ber ron fleinen Sanbfeen unb frpftallbellen glüpeben bureb*
febnittenen ßbene geigt bie üppigfte griffe unb buntefte äÄannigfaltigleit; bie
Suft ift erfüllt oom meinen 2lrom munbetbaret Vlurnen unb töftlicber trauter;
£immel unb ßrbe erftrablen in golbenet Sidjtfülle, bie ihre magifeben Vefleye
butch bie ben #intergrunb bet parabiefifeben Sanbfcbaft wie ein fub in ben üffiol*
len rerlierenber gewaltiger Vorhang abfcbliepettbe Slnbenlette erhalt*
2luS bem bunlelften Schatten ber SBeingeldnbe unb Dbftgdrten, in benen
SPfufub unb Vtanbel blühen, ßitronen unb ©ranaten prangen, lugen bie treiben
Raufer Santiagos berror; einen malerif(ben ßontraft gu ben fpifcen, alterS*
grauen Stürmen ber Kirchen unb ßlöfter hüben bie in ben ©arten rerein^eft em*
ü
/GoogLe
11 £
portagenbeu Halmen mit ihren balbacbinartig gewölbten Saubfronen. 3 fr ta*
fdjem Saufe walst bei Wapacho feine gelblichen gluthen bicht an bei #auptftabt
(Shili’S herüber ; ei ift ein gai tollet, ungeftümei ©efeH, bet feinen Urfprung
aus bem oullanifchen Schoojie bet Slnbejt nicht betleugnet, unb wenn bie unge*
heuten Schncemaffen auf ben unteren ^erraffen beS ©ebirgeS fdjmefsen ober
* fchwere ©ewittergüffe fuh übet jene gerllüfteten gelfengtpfel entlaben, ba fchäumt
er in milber ©luth einher, SllleS bemi^tenb, was fuh feinem Saufe entgegen*
ftemmt Qm Schuh bet Stabt gegen foldje Saunen ihres gefährlichen $Ra<h*
bars bient ein aus gewaltigen Quabern aufgeführter üua^ Sajamat genannt,
• übet eine Stunbe lang, mit prächtigen, pappelartigen 3llamo*^aufo*Söäumen
beplankt, liefet. Xajamar unb bie batan fto|enben, bie Stabt non brei Seiten um*
fchiiefjenben, jietlich angelegten SItemebaS (^romenaben) bilben, bornehmlich in
ben fühlen Slbenbftunben, ben £ummelplafc bet SBebölfetung, bie hier |u gu&,
SU {Roh unb s u Söagen ihren Unterhaltungen nad&geht. '{ffieüh* bunter, baS
2luge beftechenbet Slnblid l SBetch’ fröblüheSA©etümmet! SBel#’ warm pulft*
renbeS Seben l 2)a luftmanbeln ftolge ^ibalgoS jfiit frönen SennoritaS am
Sltra; abentheiterlich aufgepufcte ©au<ho£, ben bunten $on$o lofe um bie
Slchfeln geworfen, ben fpifcen ^utmit ben hetabgesogenen Krempen tief in bie Stirn
gebrüdt, fobahnurbieunftät wanbetnben, bunfügluhenbenSingenhemorMi|en;
elegante (Europäer mit ihren nach ben neueren ^arifer Woben geKeibeten ta¬
rnen; ftämmige Slraufanerunb fonftige (Eingeborene beS ebibenifeben SanbeS, oer*
eingelte Sieger, olibenfarbige ßhinomäb^en mit ben manbelförmig gefehlten,
fchwärmerifch blißenben Slugen — ein bunter Wenfchentroh, bie oetfehieben*
ften iRacen unb SöilbungSftufen tepräfentirenb. ^agUDifdhen etföeinen bunt
bemalte, reich oergolbete Satoffen, mit fechS fehettenbebangenen Waulthieren be*
« fpannt; auf ben weichen Sammetpolftern f(hanteln ftch berfchleierte 2)onnaS, *
bie aus ihrem fieberen SBerfted bie munter brängenbe Wenge muftern unb burch
ihr unaufhörliches Sichern unb Sachen beuÄich genug su erfennen geben, bah
fte an ihrer Umgebung ben lebbafteften*3lntbett nehmen. Sluf flüchtigen [Hoffen,
bie ihre ©efcbwrabtgleit in ben enblofen $ampaS erprobt, jagen elegante [Heiter
Vorüber; eht feuriger Jölid, ein Scbwenfen beS ^uteS beweift, bah baS
geübte Singe beS GauaKerS bie neibifche Umhüllung bet Schönen burchbrungen,
unb über ben S#ag beS ffiagenS beugt ftch ein niebücheS Söpfchen, um
bem betwegenen* {Reiter nad^ubliden, bis er in; einer bon ben §ufen ber
Sloffe aufgewirbelten Staub wolle berfchwinbet. 2)i<ht hinter bet prachtvollen
Saroffe folgt eine h^brabrige, mit $mti mächtigen Ocbfen befpemnte Garreta,
über ber nieberen 2)ei<hfel ber Xropero mit feiner gamilie thronenb, bie bon ber
gelbarbeit jurüdfehrt, unb als gruebt ihres gleifieS eine Sabnng faftiger We*
Ionen ober mehliger Bataten ju Warfte bringt.
^oeb* fo feffefnb auch biefe ganje lanbfebdftlicbe Scenerie unb ihre lebenbe
Staffage etfcbeittt, ben grofjartigften Slnbftd gewährt hoch immer bie ben £in*
terglunb etfüHenbe Sette beS mächtigen ©ebirgStiefen bet Grbe, bet GorbilleraS
be loS ÄlnbeS. Ungeheure, ftols übet einanbet gethürmte Waffen, eine uner*
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mefiltdfe Garoebtfebreibmb, gtebeniuib am&origont (in. SRatt glaubt eine
fRfefenfcewe-oot fi$ gu fe(tn, toel<(e hie ©tbe mit bau i©tmmel Berbinbet. Sit
einjetnett Stufen triefet Kuppen gebäbet non gadigen gelblanten unb übet ein«
anbet get(ä*mten öfefeh», triejkb in bet »unterbot Haxen Suft fdferf abbeben,
bejeicbrnnebenfo nide, gänglid) Betriebene 8onen. Stuf btt niebtigften geigt
fe# noch eine mannigfaltige SBalbbegetation ; (ß(et (inauf tohb bieftlbe itnmet
faget unb berHhanuttet, bib St enbfctb Berfcbtmnbet; bann folgt bet nadtf
$elf«n, unb an biefenriiefjtnfidj gulefct bie eangen ©äfdbet> bie Menbenb »eiben
®Ietftbettoänbe, bie, Bora Dollem 8«(t betiSonne bedienen, einen ©lang ent«
feiten, ben bab Singe nidbt gn ertragen Betmag.
Sott, »* bie. Sllemebab btn Sajamat berübten, betrfät um Sonnenkulten«
gang bab bicbtefte Sebränge. sing betStabt ergibt fn( ein unabfebbatetSRem«
ftbenfttom, Stile? fucbtin bet abeablicbtn Änble, ittber.etfrifcbenben SJtife, bie
um biefe 3e>t Don bet nidjt aügu fernen Seelüfte (erftberoebt, ©enufi unb
Stbolungi Set SlnMid btt ßcrbtllere, fe&t Com Beilen Siebt bet Spnne.
bedienen, ift unbefcbreiblitb praibtoott; bab gii$ett unb funtelt bort oben
$ie eitel ©elb unb Siamanten, tuib febnftt<bt3op(l blidtbab Singe in bab «nee»
raefjli<(e Stau beb.i&mmelb» btn alb föwatgen $&nit$en fübtbaten ßpnbotejt
folget», bie in Schauten bie bbcbÜen ®totf(fce#fi)i(en uraheife» unb übet bteftl*
ben biwoeg nach beit$amii4b. bet SablotaeStaaten, ja natb bet fernen ßprbii*
lere ükafUienb ftoeifen, ,
3twf<ben®e(egenBon ftadjeligen Gacleenunb bet bpeitblättetigen Suna«
leb, aufwelcbet bie SotbeniQefcbifelaub lebt, bet totclfamften aller ©nfrfebigun«
gen, ba eb oäHig unmöglich fein mürbe, fie gu butchbtingen ober ohne befon«
bete jrifefbmtifel gu überfteigen, gelangt man Bon jenem Sferi&nmgbbwuft beb
' Sajamat unb bet SHemebab nadj einem öffentlichen ©arten, bet einen beträgt»
Itcben Xbeil bet oergnügungbluftigen SRenge anjiebt. ©läfer Hingen unb lau«
leb Stimmgetoftbl febaOt baraub (ert»r> oetmifcbt mit be» ©eHimper etli^et
Subenb $atfe# unb ©ititatren unb bei» Äfappern bet begleitenden ßaftagnet«
ten; aucb ©efang läftt feb rBetnebmen, männliche unb weibliche Stimmen fiu*
gen in geräufchPeBem Sutcheinanber jene fcbmätneenftben unb nedifcben £«>*
dben, wie fte bet Säfclänber fe fe(r liebt.
: Sab Snmbftftd, ebemalb ber SBohnftb einet nach bet neuen 3Mt «hecgefie«
beiten feanif^en Slbelbfamüie, wo* fpäter gu äBwtbf^aftbäipeden Berwietbet
motben.- Sa.eb an bet Äreugung mehrererStsafien; gelegen Bar,führte.eö ben
3Jamen Santa Gbguina. Set giewlicb auögebefmte ©arten ift nicht ebenmit
grober Sunft angelegt. Sab bebarf eb auch bet Äunft, too ÜRuttet 3latur.,mit
fo Berf<h»enberif<her gülle ft^afft ? Ueppige fRafenpläfge, befchattet Bon Betein«
gelten Sßaltnen unb fcbön belaubten Salabäumen, bieten bet ilttenge ©elcgen«
(eit, fi<b»eibli<hgu tunweis; Uebetalt fmb Sdnle xuib Siftbe angebracht, an
t»ebben ben ©äffen, neben tJtücbten unb Saduert gum ^mbib,, ©blimonabe,
Otangeabe unb Slguatbiente, Bon fiinfen ©(inomäbcben hebengt »itb. ^in
unb toibev fmb Sieete mit buftenber Stebol, bet toilb mcubfenben Refeba bet
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$fait$e> bie mttthrem mürsigenStrom tön Süft erfüllt. Hn flewtWöttrigert
SWbttftenftrdudben, biervetemaelt auf^ bett »eetc« ftiblängelt fWb bfe
prächtige passionaria, bie finnige $affton*blume, empor, berenßelcbe unab»
läfftg vort bembeja flor, bto Söhiroenfitffer, rnie ber Heine fiabtbfcme ÄoBbri
pcetifcb benannt mirb r umftbmätmt fmb< Sitten ber £a!abäume ftnb
anverfdbiebenen Steden bes^tensfleine, mit btmten&rternen begangene
Sühnen errubtet, auf benen Sänget urtb Sängerinnen unter ©itber» ober $ar*
fenbegfeitung ihre Siebet fingen, ^ai|abore« (^ptbmfatoreh) gereimte ©rsäbtun»
gen vertragen, ©außer ihre ^unftftütfe probuciren, ober ein Sänjerpaat unter
©uitarrefpiel unb ©aftagnettengeKappet jene feurigen, hinteifjettben Sänje auf»
fubrb mekbe bie anbaluftfdbe Dtace au« Sprtmenttadb ben ffibanterrtänif^en
©otonieen Verpflanze, nacbbem fie urfprünglidb von jenem rätbfelbaften BUattm
bet Statttiter, ber balb in SJfrila/tylb.tn Slften feine $eimatb Men foH> nach
©uropai gebraut toorben mären* Sßkr biefe getJäufdbooden Unterbaltungen nicht
liebt, bem bieten bte entlegenem ^artieen beS ^ar(en$ binlängBdben 9)mmt jU
$tomeuaben ober §u Spielen in engerem ©efettfdbaftSfteife; $rttt<be$ätiben
maitbel» %xm in 2lrm jtoifdben Zitronen» unb Oranat»©eftrcU«ben f unb mofctb
bi<bt verklungenen Otanfen beSmilben äöetnftoäs buufle Sauben bilben> ba
vernimmt man gleichfalls verliebtet Äofen unb, nedtifcheS ©eplauber.
2 )o<fr nicht immer fmb es verliebte Ißätdben, bte fidb in biefen füllen ®e^
begen ber ©Squraa ergeben* Sort, wo baS untere ©nbe beS ©atfenS von ben
gelben SBogen beS üütapacho befpült totrb, erbebt ft<b fteileS gelSgefteiw, fftöen*
toetfe bidbt mit SUgarobufcben beroctthfen. Um Ufer beSjJluffeS, jebodb vom
©ebüfcb fo voUftänbig verbeut, bah fein neugieriges Sluge fürsten ift, ge»-
trabten mit ein fdtfameS $aar f baS in eifriger UnterbalWng begriffen ember*
fcbreitet. $er ältere ber beiben Scanner, von bobet, magerer ©bfialt, trägt bte
Äutteunb XonfutehteS SriefterS ; baS fchmale, abgejebrte @*fl<ht ift Von auf»
faßenber jöläffe, erhält jeboch bur$ bie ftarf vorfpringenbe Sfelernafe unb bte
givar fetten geöffneten, bann aber halb mit jugenbßdbet Sebbaiftigteit blifcenben,
halb unheimlich lauernben ;2lugen einen 2lnSbeuc! geifhger Ueberlegenbeit, bet
fub unmill!ürli<b ein Qeber beugen muh, Sein Begleiter ift mmbeftens uni
jmanjig 3abre junger unb trägt bie Reibung eines ©aucho aus ben an bie
©wbillere ftofjenben ^rovingen ber argentmtf$ert Staaten, ©in fptfcer giljbut
mit breiter, niebergebogenet ürempe bebecft feinen Äopf; baS fdbtoarje, fd&fichte
$aar fällt bis über benSftacfen bmmter. ©in meiter ^Vndbo Von buntem
SBoBenffoff bängt um feine Schuitem, im ©ürtel ftecffc ein breites Keffer, unb
bie braune Seberb^fe reicht nicht mettübet baS Unie, fo bab ber untere 5Lbeil beS
deines unbebedt bleibt, mäbrenb bie ^ubbetleibung nach Hrt ber ^nbtaner aus
bunten DJtocafftnS beftebt, bie mit Sdbnüren §ufammengebatten merben. S5er
argenün^cbe ©audbo, bervorgegangcn aus einer IBetmtfd&üng emgetoanberter
Slnbalufter mit ben eingeborenen gnbianerftärnmen, vereinigt ben Stoty unb
unbänbigen ©btgei| beS ädbten ^ibalgo mit ber ttogebünbenbeit, bem SSanber»
trieb unb ber Selbitgenügfamfeft be^SnbianserS ; er bält fkb für baS vottlom»
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menße febifdje ffiefen, et lennt -Jtiemanben über ß<h, tft energifch, letbenfd^aft^
lieh, impulßb, fonft freilich ohne jegliche ©Übung, aber auch ohne ©ebürfnijfe,
unb glüdlidb in feiner $lrmutb» ©er junge Sftann an ber ©eite b'eS ©rießerS
tragt butchmeg ben XppuS jene« eigenthümlichen ©tenfhenfchlagS. Sein ©e^
ß<ht, gehoben bureh ben gefb*bräunli<hen ©eint unb einen wobt gepflegten
fchmgrgeu Schnurrbart, märe f#ön gu nennen, menn nicht SBHbheit unb unge«
gügelte Seibenfchaft §u beutlicb barauf ausgeprägt mären. 2)aS hochfahtenbe
-Sefen, melcheS ihm fonft eigen fein mag, tritt in ©egenmatt feines geistlichen
Begleiters minbet gu Sage, ba ber ächte ©aucßo, ähnlich bem neapolitanifchen
Sggjatoni, bem er auch nt mancher anberen ^inftcbt gleicht, ein ftrenger ©eob*
achter religiofer formen ift unb ben ©rießer jjeber^ert mit großer ©hrerbietung
behanbelt.
„$)on ©Scobebo betrachtet fleh emig ^ls ©uren Schulbner, ebrmürbiger
©ater", fagte ber ©aucho, ber bem ©rießer immer ben ©ortritt ließ unb nur
mit gebeugtem Raupte gu ihm fprad?. „Sie taufenb ©ilberthaler, bie er bem
heiligen Stifte de la compania gugemiefen, unb baS meitere Saufenb, melcheS
er gu ©uret pcrfönlicßen ©erfügung geftellt, ftnb nur ein Heines 3ei<ben feiner
©rlenntlichleit für ben großen Sienft ber ©ermittlung, ben 3h* ihm in feiner -
^eiratßSangelegenheit bei ber heiligen ÜDtobonna geleiftet. ©rft am heutigen
borgen, ehe er bie f<h&ne Seontica gurn Slltare führte, geftanb er mir offen,
baß es ihm trofc all feiner *Hei<hthümer nie gelungen märe, biefe ©etle gu er*
merben, menn nicht 3h* ..
„Ser griebe ©ottcS unb bie ©nabe ber heiligen 3ungfrau fei mit ihm unb
mit bit, mein ©ohn ©il ©ereg!" fiel ber ©rießer heftig ein. „SaS ich für
Son ©Scobeb^thcd,'mürbe ich mich ffa leben frommen ©ohn ber ßireße gu thun
berpßichtet führen."
„©ang Santiago preift ©Ute grömmigleit, ©ner menfthenfreunblidjeS
Sefen mie ©ute Sienftfertigleit, ehrmürbiger ©ater. Senn es fein fünbücheS
©erlangen eines gang unmürbigen ©liebes unferer chrißlichen ©emeinfehaft
märe, fo möchte ich mohl mißen, ©hrmfirbigßet, mie es ßch eigentlich be*
giebt, baß 3ho bie (Such anbet trauten ©riefe ber heiligen 3ungfrau übermittelt
unb beten Slntmorten barauf in ©mpfang nehmt ? ©rßheint ©u<h bie Rimmels*
fönigin in fötperlicher ©eßalt, ober ßnb es auSermählte ©ngel ber himmlifchen
$eerf<haaren, bie ©u<h ben ©erfeht mit ihr bermitteln ? "
©il ©ereg, ber ©autho, fteßte biefe* grage im Sone gläubiger ©aibetät;
gleichmohl lag etmaS in feinen Sorten, maS ben ©rießer mißtrauifch gu machen
fdjien. ©inen Slugenblid bebedte ftch feine Stirn mit ßnßeren galten, bo<h
fchon im nächßen mar ße miebet geglättet, *unb baS gemöhnliche milbe Sächeln
fchmebte um feine Sippen.
„$aS ßnb ÜWpßeriew, mein ©ohn, bie nur bem gemeinen Wiener ©otteS
offenbart merben Iönnen", berfeßte ber ©ater.
„So baCht’ tch’S mir, unb nur mein Unberftanb ließ mich eine folche
grage an ©u<h richten", ermiberte ber ©aucho entßhulbigenb.
„Sott etmaS Anberent, ©tl SPetej", begann bet Später,' fchetnbat gleichgül*
tig, nach furjer Spaufe. „ßennft 2 )u bie neue SBallerina, bie feit einer 2 Bo<he
bißt in ber ©Squina tanjt, unb erft feit äußern non ©opiapo unb SBalparaifo
herüber !am ?" ; :
©il $ere§ finalste mit ber Suttge. „$ie fd&one Spepa meint ehr*
toürbiger Spater, bie allen ©aballeroS bie ßöpfe berbrebt?"
„SMefelbe, mein Sohn."
„3<h hörte non ihrer Schönheit unb bube mich mit biefen meinen Auger
überzeugt, baji man eher gu menig als §u biel non ibr gefagt."
„ 3 $ meine, ob fte $ir non früher her belannt, ob 3)u fte in deiner §eU
matb fcbon gefeben."
„spepa ? — 3 <h ? — Sn meiner £eiinatb ?"
„SRun ja, fte ift, mie 2 )u,' ein fiinb ber SpampaS jenfeit* ber Anben."
„©efegnet fei ©ure 2Bi{fenfchaft, ©brmürbigfter!" tief ber ©aucho mit einem
Aufleuchten feiner bellen Augen. „diamanten unb sperlen giebt es nur brühen
in ber Argentina!" '
„2)ie Heine 2anb£mdnnin fcheint deinem ßerjen gefährlich ju merben, ©il,"
r ,S<h fab fte beute jum erften ÜDtat. 3bt Antlifc ift bimmlifch fchön mie
ba§ unferer Atabonna be loS ©bacraS; ihre Söemegungen ftnb gierlidb mie bie
ber Antilope oben in ben bergen, 6 ie mu& caftilif^eS Sölut in ihren Aberrt
haben, fonft fönnte fte fo nicht tanken,"
„Ueber ihrer £erfunft fchmebt ein ©ebeimnife", berfefcte ber ^rieftet, „ 2 )ie
alte grau, melche fte ju ©achicuco in ber ^roninj ©atatttarca erjog, mar nicht
ihre Atutter. Sbre ©Item bat fte nie gelannt, hoch ging in ihrer §eimatb ein
©erücbt, bafc ihr SBater. ein reicher angefebener Atann fei, ber jenfeitS ber ©on*
filiere lebe. Sie manberte nach ©bili herüber, um eine Spur ihrer ©Item gu
finbett. Seit brei Atonaten burchjiebt fte als £anjerin baS 2anb, ohne ihren
3 med erteilen §u fömten."
„$ie arme SöaKerina! Sie hätte ft<h baS borbet überlegen füllen. Reiche
©Item, bie ftch ihrer ßinber einmal entäufjert, ftnb gemöbnlich febr fchmer
5 u finben,"
„SBenigftenS bebarf eS baju eines lunbigen gübretS. 35BaS meinft $u,
mein Sohn, menn S)u biefen Amt übemdbmft?"
„3<h/ ebrmürbigfter spater? SBeifj ich hoch bon ben Sßerbdltniffen ber
fchonen Spepa noch biel meniger als fte felbet."
f „25u mei&t in biefem Augcnblid mehr babon als irgenb ein Atenfch in,
ganj Santiago. ©S mirb binreichen, -Sich bei bem Aidbchen einjufübren, S)ir
ihr SBertrauen ju ermerben; bann — hoch bift S)u nicht ©il sperej, bet
fd&mucfefte imb gemanbtefte SJurfch im &bal bon Sßalparaifb, bem alle Atabchen*
perjen jufliegen? brauche ich $ir Unterricht ju erteilen, mie man eine fchmude
$ime geminnt?"
„3)ie retjenbe SBaHerina mein? ^eilige Atutter ©ottteS! SEBclch ein
©ebanle!"
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„9hm, nun, erförid nur md&t, mem 3Nnge", fugte ber Hefter lädhelnb.
„SBarurn nicht bein fo gut rote eines 2lnberen?"
„$>aS ift mahr, ^rroftrbigfter", entgegnete ber ©au<ho. „$ie prächtigfte
SRofe ber Sßrairie roirb gepflüdt, um einen Vufen au fchmüden; roarum follte
b i e f e fRofe nicht an meiner Vruft ihren Sfttft aushauchen ?"
„Siehft $u, baS ift vernünftig gebaut, mie es ber munteren, leben Sfrifchen
gugenb geaiemt. 3)u wirft 3)ir bie toftbarfte $erle erringen unb unferer heiligen
Kirche einett groben $)ienft leiften, ber nicht unbelotmt bleiben füll. 3^eihun-
bert Silberthaler ftnb bein, wenn bu mir, eb $epa bon hier fcheibet, 2lÖeS*mit*
.tbeilen fannft, toaS iht fetber über baS©eheimnifnhrer©eburt befannt'ift. SGöir
Veibe, benP ich, ftnb bann fchon im Stanbe, bie »eiteren SRa$forfdmngen mit
befferem Erfolg au betreiben, als baS dritte, in biefem Sanbe fcinfam ftebenbe $inb."
„£opp! 3h* füllt, tote immer, mit mir aufrieben fein!'' rief bet junge
©audjo, in bie ihn bargebotene §anb beS ^riefterS einfchlagenb. „3<h tann Cud?
fagen, ehrmürbigfter $ater, bafj ich mich noch leinem Curer Aufträge mit
fold&er ^erjenSfreube, freilich auch mit fotcher gurcht, unterjogen habe. 3<b tonnte
Unglüd haben, unb bann — maS mürbe auS meinem £eraen? S)ie Ballerina
foE fo fpröbe unb fittfam fein, mie fte fchört ift. 3n ber Ergentina roerfen ftch
bie 3Ädbdhcn nicht fo bem erften Veften entgegen, mie biefe leichtfertigen
Chileninnen." '
„Vift S)u ber Crfte, fo bift 2)u auch ber 23eftc, ©it", entgegnete ber $ater.
„3<h baute (Such, Chrmürbigfter, für Cure gute ÜJteinnng. 3BaS an mir
liegt, »erbe ich fie ju rechtfertigen fudhen. 9tur CineS labt mich noch fragent
mürben mir nicht rafcher unb ftcherer jum 3iele fommeiv roenn mir Veibe oeretnt
bem 3Jtäb<hen unfern S<hufc unb unfere £ülfe*antrügen? Cuer heiliger Veruf,
Cure erhabene Stellung mürbe ihr fogleich Vertrauen einflöfien, fte mürbe uns
ohne fRüdhalt 2Ule3 mtttheilen, maS 3h* au miffen münfeht"
„$aS ift mieber einer beiner naioen Cinfälle, ©il", fagte ber $riefter unb
unterbrüdte mit 2Rühe ein Sach ein, meines über feine mürbebolle Sbtiene flog.
„SöoUte ich baS, fo mürbe ich beiner Vermittelung iaurn bebürfen, obmohl ich
S)ir gern einräume, bab 5)u ganj ber 2Jtann bift, um einem fchönen ÜÄdbchen
alle feine ©eheimniffe ju entloden. Cben meine Stellung erlaubt mir nicht,
offen als $epa’S Vefchüper aufjutreten, fo fehr mich ment bäterlicheS £er$ baju
treibt. Sie hat bie heilige 2ftabonna burch Vermittlung unferer fiirdhe um einen
aufrichtigen greunb in biefem fremben Sanbe angefleht, unb mirb 3)i<b als folgen
gern empfangen, mährenb mein perfönlicheS $erbortreten fte bedngftigen, ihr
bielleicht felbft üRijjtrauen einftöfjen möchte. Um 2>ir ihr bolleS Vertrauen au er-
merben, mirb es genügen, menn S)u ihrSllleS erjahlft, maS ich 5)it borhin über
fte mittheilte, unb hingufügft, bie Vtutter ©otteS habe es $tr im Traume offen¬
bart."
„2Birb mir bie ©ebenebeite biefe 2üge beleihen tonnen V"
„$u rebeft bie Wahrheit, ©il $erea, benn fte offenbürt eS Xit burch wei¬
nen übiunb." ' i 1
121
„So ifnte i$ nfl<b Surent fflefebl, ©brwürbigftet."
„3)c^ ^immete ©egen tregleitcr S)i^ wein
Set Sßater ftredte beibe|>dnbe and un» wanbte fidb feitw&rtl tn’l ©ebüfdb,
W 0 ein tteinel, nicht »etfdbleffenel ^örtdben aul betn ©arten nadb bem Sajamar
führte. Sa bie Sdmmerung mittlerweile »oüftänbig berewqebrodhen, tonnte er
p<b branfien anf »en belebteren ©egen, ben eiden, ber SBorübergebenben leidet
entheben* Audbber junge ©andbo »erweilte nicht langer in # ber ©nfamfeit
§tüif<ben ben tablen gellwdnben. 1 Stuf fdbmalen Sßfaben, bie non ben 23efucbem
bei ©artenl feiten -betreten würben, teerte er nadb bem »orberen Sbe.il ber
(Slquifia jurfid, »on wo bal laute ©ummea unb luftige ftuben ber Stenge, »er**
»ifdjt mit ©itbetttang unb (kftagnettenfcball, an fein Dbr fdblug, unb bie im
bunflen ©tön ber ©itronen unb ©ranatbüfdbe fdjimmernben bunten fiaternen
ihm entgegenleucbteten. 4
2. Sal Sallet.
$or ber Tribüne, auf weldber ein Sänjerpaar bie (Sadhuca unb ben SBofero
aulfübrte, brdngte fidb faft bie gan|e in ber ßlquina »erfammelte Oftenge. Ser
San| ift ber bödhfte ©enufc, bie liebfte ©bolung bei Chilenen, wie bei ©üb*
amerifanerl überhaupt, ©al im angelfädbftfd&en korben bie ßunft ber Aebe
unb bei münbUdhen SBortragl, bal ift im romanifd^en ©üben bie bei San|el.
Ser kaltblütige Aorbldnber bebarf ber ©orte, um feinen ©mpftnbungen unb
$)een Aulbrud |u »erleiben, ber leibenfdbaftlidbe ©üblänber |iebt bie ©pradfje
berAttmit unb rbptbntif eben ©lieberbewegungen »or; ein trefflidberSan|er ift für
Settern in bemfelben ©rabe ©egenftanb ber Sewunberung unb Aul|ei<b*
mmg, wie für (öfteren ein grober Oiebner. ^olitifdhe Agitationen werben im
Aorben butdb bie ÜDtadbt bei ©ortel ber»orgerufen, im ©üben wedt unb nährt
fle ber £an$, ber unter Umftänben ebenfo wobl aufregenb unb entflammenb, wie
erbeiternb unb befebwidfotigenb wirten tann. 3fn ben fpanifdben [Republifen
Sübamerital ift febon mehr benn eine Dtootution — berbei getanjt worben.
2Bennjugenblidbe©dbönbeitunb Anmutb,*>erbunbenmit bödhfter gertigteit, eine
toir!li(b »oUenbete Seiftung in ber ßunft belSanjel erbeten, lenntbal @nt|üden
bei Sübameritanerl teine ©ren|en. Sal war gan| entfliehen bei $epita ber gatt,
bie feit a<bt Sagen bie Glquina |um ©djaupla» ihrer Sriumpbe gemalt unb fid?
in ebenfo hohem ©rabe bie ©unft ber ©aoaliere erworben, wie bie ®ewunbe*
tung, »ieüeidbt audb ben ftillen ÜReib ber ©ennorital erregt. Pepita, ein ©ngel
an 2iebrei|, »on jener mabonnenbaften SRegelmäpigfeit ber Qtyt nnb buntein
©lutb ber »on langen, feibenartigen ©impern überfebatteten Augen, wie fte faft
nur hn fpanifdben Amertfa »ortommt, tanjte mit einer ©rajie unb ©efdbidlid^
ttit, bie felbft in bem an trefflid)e Sanier gewöhnten ©antiage Auffeben erregen
®«*bte. Sabel war bal Söenebmen bei jungen SOtdbdbenl in hohem ©rabe
anfpredbenb unb burdb eine in ihrem ©tanbe feltene ©efdbeibenbeit unb ©itt*
fwntcit gewinnen»; über Ihr ganjel ffiefen war bei aller greunblicbfeit unb
122
unfchulbigen Äofetterie eine hohe SBürbe, eine fo dcht meibliche 3artheit aus*
gebreitet, bah felbft bie bornehmen jungen 2Rou6S ber Stabt, melche eine 93al*
lerina jebergeit als leichte 93eute betrachteten, fcheu bor ihr gurüdmichen unb fte
nicht burch ihre 3ubringli<hfeit gu beläftigen magten. . Sßepita hatte in ber tut*
gen fjrift bon acht Sagen Santiago im Ȋhren Sinne beS SEBorteS erobert* *
SaS 93aUet nahte feinem ©nbe. SHafcher mürben bie Saiten ber ©uitarren
gefchlagen, lauter fchallten bie ©aftqgnetten, fchneller unb immer fhneller brehte
fich baS Sängerpaar. Sie Ballerina geigte feine Spur bon ©rmübung, ihre
Söemegungen maren noch eben fo behenb unb gefchmeibig mie beim Söeginn beS
Sanges, mährenb ihr ©efährte unbertennbare 3e«fcen bon ©rfchlaffung ber*
rieth; er mar ber Aufgabe, einer folgen ÜDteifterin berfiunft gu fecunbiren,
offenbar ijicht gemachten* $lö(jli<h lieh ftch ber Sänger auf ein finie nieber,
marf ben £opf gurüd unb richtete feine feurigen iöliefe auf bie ©allerina, bie
auf ben äufjerften Spieen ihrer nieblichen güfjhen mie eine ©Ife naher fchmebte
unb, bon ben ©luthbltden beftridt, ftch über ben Sänger neigte, ber fogleich ihre
SaiUe umfehtang unb fte feberleicht in bie $öhe fchneUte, um fte für einige ÜBti*
nuten fdjmebenb über feinem Raupte empor gu halten. ©uitarren unb ©aftag*
netten fchlugen furge, fräftige Slccorbe, bie Sänger fprangen auf baS $obium,
berneigten ftch bor bem in bonnemben SöeifellSftunn auSbrechenben $Publifum
unb eilten bann hinter bie im $intergrunb auSgefpannte ©arbine.
Samit mar ingmifchen baS ©efchäft ber Sänger noch nicht erlebigt* Ser
für fte gerttbe michtigfte 2lft folgte noch nach: fte muhten baS Honorar für ihre
taftleiffungen bon ben 3«f<hauern in eigener $erfon erheben* ©inen Slugett*
blief fpäter erfchieu bie reigenbe Ballerina am 5lrm ihres Sängers mitten unter
ber üUtenge, in ber #anb ein aus $almblättern gierlich geflochtenes Körbchen
tragenb, meines gur Aufnahme ber Spenben beftimmt mar* 2Jttt güchtig gu
Söoben gefchlagenen 23liden fchmebte fte über ben ebenen Jftafenplan babin, unb
bon allen Seiten regnete es Heine Äupfermüngen in ihr Körbchen, baS halb fo
ferner mar, bah ih? Begleiter feine £anb unterfchteben unb ihr beim Sragen
beffelben behülflich fein muhte. 3efct ftanb fte neben ©il Sßereg, bem ©aucho,
ber noch rechtgeitig erfchienen mar, um ben Schluh beS $3aUetS mit angufehen.
Saftig fuhr er in bie Safche unb marf baS erfte fernere Silberfiücf unter ben
Raufen Äupfermünge* Sie Ballerina erröthete unb tonnte nicht umhin, bem
©eber einen S3lid aus ihren munberbollen Slugen gu fchenlen.
„Sanfe, Sennor!" flüfterte fte, ftch leicht berneigenb. „SKabomta lohne
©ure ©rohmuth l"
„9ln mir ift'S, ihr gu banten, bah fte mir auf frembem $8oben bie herrlichfte
SHofe unferer heimifchen SßatnpaS entgegen fproffen lieh", berfefcte ©il Sßereg,
bie Sippen bi<ht an ihrem Ohr* r/ $eif unferer Hrgentina!"
„2Boher miht 3hr, Sennor, bah bort meine £eimath ift?" fragte baS
2Jtäb<hen bermunbert.
„3<h meij* ™<h wehr, W ne $ e b a / un b toiH es 2)ir fugen, menn Su
^Google
123
mit geftatfeP, Sich heute Slbetib aüf bem Heimwege bon Santa GSquina nach
ber Stabt ju begleiten."
„3hr feib mein SanbSmann — um bie neunte Stunbe werbe ich Guter bat*
ren", fchloft bie Sänserin bie fuqe Unterhaltung, welche m bem allgemeinen
Gebränge unb bei bet fdfton »eit borgefdjrittenen Sämmerung laum bemetft
würbe.
Pepita fdbritt weiter, unb überall öffneten ft<b willig bie Sötfett, um ihrer
Schönheit unb fiunftfertiglect einen Keinen Tribut $u sotten.
Unter ber fchauluftigen Stenge hatten fuh swei nach eutopäifebem Schnitt
gelleibete Herren befunben, bie fich auch in ihrem ganjen SBefen leicht als 2luS=
länber ertennen liefen. Ser Gine, ein auffattenb fchöner junger Stann bon
faum 25 fahren, war bem £anj mit lebenbigfter Sheilnaftme unb unauSgefeft*
ter Bufmerffamleit gefolgt, bie fleh in ben lauten Seifattsfpenben unb entftupa*
ftifchen StuSrufen su erlennen gab; ber Slnbere, wohl um mehr als jehn gahte
älter unb fchon in feinem Keupern bonetwa&trocfenem, fchulmeifterlichem 9luS*
feften, theilte wohl biefe Segeifterung nicht, harrte aber um feines greunbeS
willen gebulbig aus unb hatte fehr facftlunbig hinter feinen großen runben
Srillengtäfern nach ber Sühne hinübergefchaut, als ob er ben Seiftungen ber
tanjer eine recht ausführliche unb funftgelehrte ßriti! ju wibmen beabfuhtige.
Einige Stale hatte fleh atterbingS fein etwas grober Stunb geöffnet, freilich nicht
8 u SeifattSfpenben unb Sobpreifungen, fonbern sum—©ahnen, eine Bnwanb*
lung, bie er jebodft ftets gewiffenhaft unterbrüäte, um nicht etwa bei feinem Se*
gleiter ober ber fonftigen Umgebung Bnftoft su erregen
geftt näherte p<h bie SaHerina mit ihrem Körbchen ben beiben gremben.
Ser güngere*berfelben griff haftig in feine Safche unb 50 g eine wohl gefußte
Sörfe herbor. „Solche Jtunft berbient golbenen Söhnt" rief er begeiftert.
„ffienn biefeS reijenbe ßinb auf ben Sühnen europäifcher §auptftäbte tanste,
würbe man leinen $reis für ihre Seiftungen su hoch pnben."
Gin glänsenbeS ©olbftüd flog in baS ßörbchen unb fchimmerte beim Sicht
bet bunten Satemen hell unter ben fiupfermüjnsen herbot. Sie Sänserin hatte
bie reiche ©abe fogleich wahrgenommen unb bemeigte ftch bor bem. ©eher.
„Sanle — 0 baute, Seintor Gabattero!" flöfteute fte. 2llS fte jeftt bie großen
Bugen auffchlug unb ihr leuchtenber Sli<J auf ben jungen gremben fiel, er*
bleichte pe plöftlich, ihre Hänbe begannen su jittern unb eine Shtäne perlte in
ben langen SBhnpem.*
„GS ift su biel, Sennor Gabattero!" hauchte fte mit ber liebttchften, füfteften
Stimme, bie wie <£tlberKang an baS Ohr beS gremben fchlug.
„Glicht su biel, ntein Äinb", berfe^te biefer rafch, unb mit einem Slccent, ber
gleich berrieth, bap bie fpgnifche Sprache ni<£t feine Stutterfprache war. „geh
Würbe alle Schäfte beiber Hemisphären su Seinen güpen nieberlegen, wenn fte
mir sur Verfügung ftänben. Su fottteft auf ber Sühne, in ben Sempeln ber
fiunp Seine ©efchidlichfeit ^ctgen, nicht hier unter freiem Himmel unb bor ber
gropen Stenge, bie folche Sorsüge nicht su würbigen weift." _
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„®feto fohht mir teidhfldh u«tb überhatfft mich mit SBemeifen beS SBohte
wolIenS", »erfebte fte, unb ihre Stimme ftang habet fdhßchtem unb ängfUidh.
„$kv W mich heimifdh unb tarnt tanjpn, wieldheS von gugenb auf that;
für bie gldngenben [Raume, »on betten 3ftt fpredht, Senhor GabaKeto, wütbe
tdh Wenig’paffem"
„$u toärft eine 3ferbe für fte, mein ßinb, unb glaub’ es mir, Su
wohl, einen Vetfucb ju wagen.*
Sie VaUerina fchüttelte »erlegen baS ßöpfdhen unb »erneigte ft<h aber*
rnalS, 3hr Begleiter führte fte weiter.
„ültein ©ott, welche Sattheit! Welcher Siebreij!" rief ber junge SUtann,
bieSmal in beutfdher Spraye. ,,©n fo herrliches SBefen gebeizt nur unter biefem
glücfltchen $imtnel!"
„Saturn beeilten Sie ftdh auch fo febr, ju ihm gurücfgufehren", »erfefcte fein
älterer begleitet. „SüleS in JUlem: ich bin herzlich froh, baß Sie wieber bet
uns ftnb, lieber $err Jammer, 3hre flinle gebet hat uns in ben lebten gehn
2Jtonaten gar fehr auf bem Gomptoir gefehlt. 3<h bi» wohl in ben Vmhern u»b,
auf ben SBaarenfpeichew giemlich babeim, bie Gorrefponbeng aber war immer
meine fdjwadhe Seite. Sen beiben anberen jungen fetten will’« auch nicht re$t
fliegen; fo lag benn baS ©efchaft nothwenbig banieber. Renten fte ft<h: feit,
acht 2öo<hen ftnb circa hunbert Säcfe Qnbigo, gpecacuanha unb 2Uoe auf Saget,
ohne baß eS mir möglich gewefen, ( fie einer genauen 3»fpection gu unter*
werfen."
„£abenSie fie früher fdhongefehen?" fragte bet 2lnbere, beffenSlugen un*
»erwanbt ber bitrdh bie SDtenge Wanbelnben Ballerina folgten. « *
„Gh fie auf Säger fame*? behüte, $err Jammer, bie Staaten würben
»on unfern Agenten aufgelauft unb hatten eigentlich fthon weiter fpebirt werben
follen, wenn es nicht fo fehr an 3«it unb Rauben fehlte.''
„Vefter üftagel, Sie reben »on SBaaren unb ©efdjäften — unb ich habe
feinen Sinn bafür! Silur biefen einen Sag gönnen Sie mir hoch, ben meiner
SHüdfehr nach gehnmonatlicher Slbwefenheit in ber alten $eimath; morgen ar*
beiten wir wieber gufammen im Gomptoir unb auf ben Speichern, unb bann
foH e§ mit bem :3nbigo, ber gpecacuanha unb was Sie fonft an ähnlichen guten
Singen aufgehäuft haben, fdhon in Orbnung fommen. Semerften Sie nicht, baß
baS reigenbe $inb bei meirfem 2lnblid einigermaßen in* Verwirrung gerieth?
2BaS mag fte nur fo erfchrecft haben?" #
„Solche Verfonen haben mitunter fein gutes ©ewiffen", »erfefcte ber ©e*
fdhäftSmann trocfen.
„3<h bitte Sie, SHagel, welch ein Argwohn! Sie Unfd&ulb felber, unh
fein gutes ©ewiffen l"
„GmtUnfdhulb, bie fdhon wdhrenb beS SangeS ein SCuge auf Sie geworfen
unb unabläfftg nach bem .Vtafce herüberfdhielte, wo wir Jtanben."
\
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„glauben fyabtn?“
* „ES war offenbar genug. Sie haben ein unmenfdhlabßS @JU bei ben
©eibeta, fittv Watjtncr. 3ßSSie meggingen, fefcte es Sommer unb £h*£nen,
imb läum lehren Bk §urü<f, fe ftöegeu Qhne» audh bic ^erjen f&an mie*
* ber au." .-
„gaumtet imb tränen? Sie fd&et^en mohl, 3tagel? Sie Einige, bie ba*
malS um n&b meinen fofiie,, blieb febt ruhig unb gleichmütig, mieSiemtr
felber brieflich mittheilten."
„ES ift mähr, i<b habe nicht gebölt, bajj fleh gerabe Scnnora ßeontica, Don
bet Sie boefy mobl reben, attaufebr gebannt batte", ermiberte 9togeJ> inbem et
etwgS oerlegen {eine Wanb$ rieb unb fi<h mit bem Safchentiuh übet bie Stirn
wifebt#
. >,Uttb bo<h liebt fte mich mäht unb treu, mennfte es auch bamals nicht
wagte, ihren Empftnbungen SluSbrutf gu oerleihen!" rief ber junge Kaufmann
mit ftrablenben Slugen unb im Sone unerfc$uiterli<hen iBertrauenS.
„Sie grauen fmb mettermenbifdh, $err Jammer, hüten Sie ftcb, irgenb
®ner biefeS gefährlichen Q5ei<SIeibtäÄBiiinteI Vertrauen au fchenlen."
„Waben Sie fchlimme Erfahrungen gemalt, Sftagel?"
„3<b ? O nein, maS follte aus unferer hieftgen Eommanbite ber hodjacht*
baren girma WanuteVSäng Serbin, wenn iih auch noch anfangen
wollte, folche Erfahrungen ju madhen ? -Kein,, nein — ich lümmere mich nicht
um begleichen — eS liegt nicht in meiner EefchdftSlinie-Sie miffen,
§err Jammer, i<b bin nun einmal ein erjptofaifcher 2Renfch, tote Sie immer ju
fagen beliebten — unb eben beShatb . . . ."
„Sinb Sie hoch eine braoe, treue Stele — ein aufrichtiger greunb, oor
bem ich leine ©eheimniffe habe, unb ber alle meine $ldne für bie gulunft fennen
fol flommertSie, 9tdgel, fefcen mir mtS bort gemftthlich bei einer glafche SBein
jufammen. SBennman.ftcb fo lange nicht gef eben, giebt eS mancherlei au erzählen
unbmit3Uthetlen, ma§ nicht’gerabe ftreng aumEtefchäft gehört unb tooju auf ben
Seberftühlen be3 Ebmutote, stotfehen Sroguc^ unb Eolonialmaaren, laum ber
geeignete $la$ mare. Es geht nichts übet einen gemütlichen WeraenSergufj bei
einet glafche perlenben SBeineS. SaS 'bleibt in allen Seiten unb unter allen
WimmelSftrichen mahr, abfonberlich aber unter uns Seutfchen, mo mit auch
»eile» mögen."
WertWatraner, ber juttge Äaufman», fcfctitt Ooran, fein greunb Stagel
folgte ibm r aüerbingS etmaS ^ögemb unb mit einer gemiffen Slengftlkhteit in
feiner SRiene, bie -au bet ftöbiiehen Umgebung, mte §u ber«forglofen Weiterleit
beSi SInbere» i» feltfamem Eontraft * ftanb. Unter einer mit golbgelbeu grüchten
belabeneu Eitronenhede, etmaS abfeits non bem; freien auf meinem ftch
bit SÄeiigß' tummelte,* mar ein Sifch fret geblieben, Wammer fchritt ?af<h batauf
|u unb nahm , auf ber aus rohen Brettern glimmerten S3anllßla$, inbem < er
feinen Segleüer einlub, baffribe p thun* iEin 2lufmdtter eito fogleidh mit amei
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bunten Samten herbei, bie auf ben Sijcb ^ingeftellt mürben, unb erhielt ben
Auftrag, eine glafd?e GbaiWaanw gu bringen, Sie Herren günbeten fidb Gigat*
ren an, unb balb {(bäumte ber Saft ber gallifcben SRebe in b^n hoben Stangen»
gläfern, bie gu feiner Aufnahme unter allen $immellftricben unb in allen 2Mt»
tbeilen gleidbmäjjig benujjt merben. ^
SRagel erhob bal gefüllte ©lal mit einer gemiffen geierKdbfeit unb braute,
inbem er ftch gegen feinen jungen Begleiter refpeftootl »emeigte, mit falbungl*
»oller Stimme ben Soaft aul:
„Sb^er glüdlidben AKeberlebr, $err Jammer, fomie %hxtx Aufnahme in
bie bo<ba<btbare girma. Sang' lebe Jammer, Sung u. Gornp!" -
„Unb möge el meinem madeten greunbe Aagel not) für minbeftenl ein
balbel gabrbunbert »ergönnt fein, biefer bo<ba<btbaren girma ben mabifn £alt
gu »erleiben!" ftimmte ber junge Kaufmann ein, unb Beibe leerten ihre
©läfer.
(gortfefcung folgt.)
$it lOüfte uni> ifjrc #affn.
JBon &l€t0t <£rttfl.
(SMit Benufcung einer frangöjtfäen föeifebefcbreibung »on Gbartel OTartin.)
Sie SBüfte Sabara ift »on Orientalen mit einer Sßantberbaut »erglitben
morben. Sein auf bal äußerere ©rfdbeinen baflrtcr Bergleid? tönnte treffenber
gemäblt fein, ©elb ift ber Sanb ber SBüfte, unb bie Oafen bilben bie fdjmargen
glede, benn im Vergleich gu bem im Sonnenftrabl glibemben Sanbe erf(beint
bal buntle ©rün ber Halmen all tiefel Sdbmarg. *9Ran fteHt fi<b bie Sabara
im Allgemeinen all eine monotone glädbe »or, auf ber man »or Sangermeile
fterben tönnte. Aber bie 2Jton$onie ift nur eine febeinbare; bem Sentenben
bietet fid? felft im SBüftenfanbe »ollauf Stoff gur anregenben Beföäftigurig bei
©eiftel.
2 ßie ift bie SBüfte entfianben ? 2Bar biefe ungeheure ©inöbe, über ber
ein glu<b gu ruhen fdbeint, »om Anbeginn bal, mal fte jefct ift? ASeit gefehlt.
Sa, mo jefct bie Sürre »orberrfdjenb ift, übte einft bal A5ajfer bal alleinige
Regiment, (Sl gab bamall nidjt eine Sßüfte Sahara, fonbern einen Sabari*
fd&en Ateerbufen, mo jejjt ber glugfanb »om AMnbe bin» unbj&ergetriebenmirb,
tbürmten ftch bie ASogen, me(bfelte bal barmonifebe Spiel »on (Ebbe unb glutb,
unb mo jefct bal böderige „Schiff ber Aföfte", bal Sameel, feine Saften trägt,
tummelten ft<b muntere Selpbine,
Sie ftattgefunbene Bertoanblung ift ein geologifcbel ©rrignih »erbältnifc
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mäßig neuen SatumS, launt hunberi Saufenb 34 « her, obgleich fußallerbingä
ber Seitpunlt nicht genau beftimmen lägt. Ser »ibelgläubige möge fuß baburcß
ni<^t Berftimmen laßen; bie ffiiffenfchaft bat ja.längft mit ben fecßstaufenb Saß«
ren ber SBettef iftenj unb ben geben Sagen ber Schöpfung furzen »rozeß gemacht.
Sie Sahara war ein ©olf beS »littellänbifchen »leeres; noch je|t ßnbet man
auf ihrem Sanbe ju »lillionen bie Staaten berfelben »lufcheltßiere, welche baS
»littelmeer aulwirft, unb ber »oben ift überall Born Seefalz getränft, ja ein
großer Shell zeigt biefelben gppö« unb tallarti'gen »blagerungen, welche man
nach beh chemifchen »eftanbtßeilen beS SeemafferS am »leeteSgrunb BorauS«
feßen muß. ©inen fdharf abgegrenzten Sheil berSBüfte, baS fogenannte »lateau,
bebedt eine bide, aus biefen Subftanjen gebilbete Prüfte, welche unter bem Sritt
ber »ferbe unb ßameele tönt als befänbe fuh ein Hbgrunb barunter. Sie
Saljfeen ober fogenannten „Schotten" fmb bie Ueberrefte beS ehemaligen ©olfs.
Unter bem »ioeau beS »littellänbifchen »leeres Kegenb, erftreden fte fidß mit
Unterbrechungen bis bicht jum ©olf Bon ©abeS, an ber Sunefifchen Äüffe.
SBürbe ber bort beßnbliche fchmale SftßmuS burcßbrochen, fo träte baS Sffiaffer
.wieber in feine früheren »echte, unb bie SEBüfte märe wieberum ein »leer. SaS-
»erfchminben beS Seßtern läßt fuß übrigens leicht erftären. Unjäßlige glüffe, bie
fleh jeßt im Sanbe Berlieren, ftrömten Dom ©ebirg herab unb führten Sanb»,
Äal!=, ©ppS* unb fiiefelmajfen mit fuh. Siefe lagerten ft<h an ber »lünbung beS
• »teerbufenS ab unb es entftanb baburdj eine »atre, welche fuh immer Bergrö«
ßerte unb zuleßt bie SBirlung non ©bbe unb glutf) hemmte. So bilbete geh ber
oben erwähnte 3ßh»nuS. Sowie ber ©olf leinen Sufluß mehr Born »leere er*
hielt, mußte er immer flacher werben. Sie ©ebirge ftnb nur butch eijten Keinen
Sheil bei 3aßreS mit Schnee bebedt, unb lonnten leine genügende SBaffermaffe
liefern um bem fortwährenben »erbampfen unter ber aftilanifdhen Sonne butch
immer neuen Sufluß entgegenjuwirlen. Schon bieS erllärt baS »ßänomen,
.ohne baß man auch noch eine anbere Urfache herbeijujiehen braucht, welche Biel«
leicht gleichfalls thätig wdr. SBir meinen bie allmälige §ebung beS »oben®,
wofür eS in ber Gegenwart ein »eifpiet giebt. Seit Saßtßunberten ergeben bie
Sonberungen eine fortwäßrenbe »erfladjung beS»othnifcßen»leerbufenS, b. h.
eine allmälige, ununterbrochen fortfehreitenbe ©tßößung feines ©runbeS. Ser
3eitraum läßt fuh mit ziemlicher Sicherheit berechnen, nah beffen Slbtauf eS
leinen »otßnifcßen »leetbufen mehr geben wirb. GS wirb ft<h alSbann zwifchen
Schwöen unbginnlanb eiue nörblicße Saßora erftreden, eine ungeheure Steppe
wirb Stodholm Bon Sornea trennen, unb bie jeßigen SllanbSinfeln werben als
oereinjelte »erge zwifchen ber ehemaligen fcanbinaBifcßen ^albinfel unb bem euro«
päifchen©ontinent'erfcheinen. $ätte.ber2ltlaS bie.§öbe bet »tpen ober beS^ima«
lapa, fo würbe er ewig ©letfcßer unb Schnee auf feinen Häuptern tragen, Ströme
mit unnetfieglichem Quell würben in bie Siefe tofen, bie Born Sübweftwinb her*
beigetriebenen »Jollen beS »littelmeerS würben, Born ©ebirg aufgehalten, ftch
in »egen auflöfen, bie »erbunftung würbe mehr als ßinreichenb erfeßt, unb bie
Sahara ejiftirte ni$t. Sie »leere haben gleich organifeßen sffiefen ihre »ebin«
KM
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gütigen beß Safeinß. 'galten tiefe fort^ fo »erbampft bie 'See, unb bie SBftfte
tritt an ihre ©teile.
Sie Oafen, reelle eß allein möglich tgad&en, bie SGBufte ju burchreifen, finb
breiertei 2lrt. Stuf b?n ^lateauß, reelle wohl alß bas ehemalige Ufer beß Sa»
harifcheh ©olfß ju betrauten fmb, werben, fte burch glüffe ober üppig fpru»
belnbe Ouellen, im ehemaligen Stromgebiet, b. b> in ben Setten ber früheren
ÜJteereßftrömungen, burdj natürliche ober tünftliche Srunnen genährt, unb im
fpeciell fanbigen Shell fteht man gar lein SEaffcr an ber Oberfläche; bie
Sßalmen finb jn tünftliche Höhlungen gepflanzt, unb ihre SBurjeln erreichen
bie unterirbifche geuchtigleit. gebe Oafe befteht jum größten 2heil auß einet»
SBalbe Don Sattelpalmen, welche ein Gl)aoß ju bilben fcheine», aber in »on
einanber abgetrennten Härten reihenweife gepflanjt finb unb einer forgfältige»
fßflege bebürfen. Sie ©arten finb burch Slauern »on einanber gefchieben. Sa,
wo baß SBaffer an ber Oberfläche ift, gefchieht.bie Sewäfferung burch lünftliche
fieitungen ; baß orientalifche Phlegma läfst aber bie Sufcbarmachung beß nath
Sräntung ber ©ärten abfliehenben SBaffetß nicht gu, unb fo entftehen Sümpfe,
welche »erbeerenbe gieber erzeugen, gebe Oafe ift eine geftung, jebeß umhegte
©arten»Oüarree eine Seboute. Sieht man biefe Grbwälle, mit $almbäumett,
»on benen jebe einem Kämpfer alä Schuhwehr bienen lann, fo wunbert man
fich nicht barüber, bah im getbjug »on 1849 bie Groberung einer einjigen bie»
fer Oafen, ber »on gaatfchar, eine Sehgerung »on 52 Sagen, ein Opfer »on
900 SDtann unb 60 Offizieren nothwenbig machte. Sie Sßrfer,/welche fich
meifteflß im SDtittelpunlt ber Oafe, häufig aber auch an ihrem Saube, befinben,
fmb »on mit Stürmen flanlirten Sßällen umgeben unb rufen baß ganze maleri»
fche Sertheibigungßfpftem beß SSittelafterß inß ©ebächtnih jurüd.
Sie Sattelpalme ift ber grofie Grnährer ber Sffiüfte — ber einjige Saum,
welcher unter biefem $immelßftri<b unb biefen Sebingungen grüßte reift. Ohn«
fte wäre bie Sahara unbewohnbar. Sie $oefte ber Slraber macht auß ihr ein
felbftbemufjteß 2ße(en, welcheß ©ott am fechßten Sage<jufammen mit bem SWen»
fchen fchuf. Sn ihrer bilberreichen Seife jagen fte: „Siefer üönig ber SBüfte
muh feinen guh in’ß SBaffer unb fein $aupt in baß geuet beß £immelß tau»
chen." Gß bebarf einer in acht IWonaten jufammengehäuften .gt&e »on 500
©raben Seaumür über ber Surchfchnittß»Semperatur, um bie Sattel »ollftänbig
ju reifen. Sft bie Summe geringer, fo fefct bie gcucht allerbiugß an, bleibt
aber Hein, ift herb »on ©efchmad unb nur »on geringem Sudergebalt.
Saß filima ber Sahara bietet alle für baß ©ebenen ber Sattel unerläh»
liehe Sebingungen. Sie mittlere Semperatur fchwanlt je nach ber Sofalität
jwifeben 20 unb 24 ©raben. Sie #ifce beginnt im Slprit unb bauert biß junt
Oltober. Sßährenb beß Sommerß fteigt baß Ouedftlber oft biß auf 45,. ju»
weilen fogar auf 52 ©rab im Schatten. Ser Sinter ift »erhälrnihmähig falt ;
in Sißlra hat man oft im gebruar jwei biß brei ©rab fiälte. Sicht feiten friert
eß in ber Sacht, wäbrent» am Sage bie Sänne biß. auf 20 ©rab ftwgt , Sie
Sattelpalme erträgt mit Seidjtigleit eine trodne Mle »on 6 tgtb eine £i|e »on
2 .
$
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Go( *e
50 ©raben. 3)er ftart auSftrablenbe SBBüftenfanb bewahrt in geringer $iefe
eine gewiffe griffe, weihe fth benSGBurjeln ber Säume mittbeilt. Siegen giebt
e3 in ber Samara feiten ; er fällt im hinter unb ruft bann fofort bie unter ber
SonnenbiSe berfengte Vegetation wieber betoor. git gewiffen ©egenben ber*«
[treiben mehrere Qabre, ohne baß ein topfen liegen fällt, 3ft ba nicht bie
Sietät ber Hraber für einen Saum ertlärlih, melier mit feinen geäußerten
grüßten im Sanbe gebeibt, bem baS anbem Silanen töbtlihe ftart falgbaltige
Sßajfer berSBüftenquellen juträglidb ift, ber üppig grün bleibt wäßrenb alles 2ln*
bere um ibn her berborrt, beffen tone Dom Sturm jur (Erbe gebeugt wirb,
ber aber burh unlösbare, bom Stamme nieberlaufenbe Sanben an ben Soben
gefnüpft ift? Ob«« Uebertreibung !ann man fagen: ein einziger Saum bat bie
SBüfie bebölfert, bat eine im Vergleich mit bet unfern allerbings unbollfomm .ne,
Derbältnißmäßig aber weit borgefhtittene, nur auf ibn geftüfcte Gibilifation ge*
fchaffen. Seine überall begehrten grüßte genügen ni(bt allein als tofhmit*
tel, fonbern berbreiten fogar einen gewiffen SBoblftanb, ja [Reichtbum. gn
beit breihunbert fetbSjig Oafen, weihe ju grantreih gehören, wirft burhfhnitt*
lieb jeber S)attelbaum, nach ber Sage ber Cafe, einen 3oll bon 20 bis 40
(EentimeS jährlich ab, unb ber mittlere (Ertrag jeber Salme beträgt ungefähr 3
grauten,
üttacb ber Stnjabl her $attelbäume richtet ft<b ber IReihtbum einer Dafe;
aber nicht alle tragen grüßte, eS giebt unter ihnen männliche unb weibliche,
©rftere buben Slütben mit, leitete ohne Staubfäben, unb bie einen ntüffen bie
attbern befruhten. Um bieS su erzielen unb nicht ju biele männliche, unpro*
buttibe Säume pftonjen ju müffen, fteigen bie Araber jur Slütbejeit, um bie „
SWitte beS Slpril, auf bie weiblichen Säume, befeftigen in ber tone männliche,
in boller Slütbe beftnblichen 3meige, welche ben jungen Saamenftocf unfehlbar
befruchten. 2)ie Datteln wahfen in Süfheln, welche ein ©ewicht bon gwanjig
bis ju bierjig Sfunben erreichen. Um nicht in bie ©efabr ju tomnien, aus to*
neu lauter männliche Säume gu sieben, nimmt man Schößlinge bon weiblichen
(gjemplaten, welche nach acht gabren fruchttragenb werben.
UeberbieS liefert bie Salme einen milhäbnlihen, ftart gucterbaltigen Saft,
welcher, wenn er gäbrt, einen weinartigen ©efhmadf annimmt. üDtan fhneibet
gu biefem Sebuf oben bie tone ab unb berfchont nur bie unteren Slätter.
3)ann bohrt man ein fRobr in bie SHinbe unb läßt ben Saft in ein bängenbeS
©efäß fließen. ®er Saum erholt ftch nach unb nach bon biefem Slberlaß,
lann ihn aber nur breimal auSbalten.
5)aS $aupt ber Salme erbebt fich bis gut $öbe bon fünfzig guß. Unter
biefem gewaltigen Schirm cirtulirt baS Sicht unbebinbert, bie Scunenftrablen
aber bringen nicht bmburch. Schatten, Sicht unb geuchtigteit, baS fmb bie
bret (Elemente, weihe unter bem Shufc ber Salme in ber Oafe trofc ber brennen*
ben Sonnenbifee bie mannigfaltigfte Sobentultur ermögühen. 2Ran finbet
hier bie geigen, ben ©ranat*, ben Slprifofen* unb Oelbaum, fowie bie [Hebe,
guweilen auch, bo<h feltener, ben SMih^ unb Orangenbaum, ©emüfe
9
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fönnen nur tut UBinter angebaut gerben, flarotten, 3 bJiebeIn/ Salat, not
2tUem aber ber Sßhnent, »elcher ber bom ©ebraucb geifrtger ©etränfe abfebenben
Vebölferung jur Erhöhung ber VerbauungSfraft unentbehrlich ift. gm 2Binter
wirb man rings um bie'Öafe oft bon üppig grünenben gelbem überragt; es
fpriebt auf ihnen bie ©erfte unb oft auch eine anbere.©etreibeart. $er Vaurn*
»ollenbau befinbet ftch noch im Stabium beS K^perimentS ; jeboch ftebt ihm in *
©egenben, »eiche leicht mit et»aS falj^altigem 2Baffer überflutbet »erben fön*
nen, eine grobe 3 ufunft bebor.
£ö<hft intereffante Krfcheinungen bietet in ber Sffiüfte baS SBaffer. Oft
ift eS fo bicbt unter ber bünnen Oberfläche borbanben, bafc man nur mit einem
ftarfen Stod bie bünne Steinfrufte §u burchftoben braucht, um bie frpftallene
glutb berborfpringen $u feben. Sa b^en »ir ben 3auberftab 2lronS> bie Kt>
fcheinung, »eiche bem frommen ©tauben ber gSraeliten ein SBunber »ar ! Sie
Vbantafte eines noch im 3uftanbe ber ßinbbeit beftnblichen VolfeS erblidt über*
baupt in Ellern ein SBunber, unb jumal gilt bieS noch jefct bon ben Orientalin
fchen Völferfhaften. Sem Araber ift nur UebernatürlicheS borbanben, üRatürli*
<heS giebt eS für ibn nicht, UeberaH erblidt er- baS unmittelbare SBalten ber
©ottbeit. gn ber Sahara fnüpftftch eine Sage an jeben £ügel, an jebe
Vertiefung, jebe gontäne, jeben Sumpf, jeben einzeln ftebenben Vaum. Sie
SBüfte »immelt bon SBunbem unb Offenbarungen,
Sie Ve»obner ber Oafflt ftnb oft mit bem Vrunnenbau befchäftigt. ÖS
ift eine mübfelige Arbeit. Veim ©raben »erben bie SBänbe burch Saub unb
Valmbolj geftüfct. gft bie gehörige Siefe erreicht unb fpringt baS
SBajfer empor, fo ift ber Vrunnen noch uoll bon Sanb. Sauchet
laffen fich an einem Strid mit einem $orb hinab, unb bringen fo ben
Sanb heraus ; fte fönnen j»ei bis brei Minuten unter bem Vktffer bleiben,
unb giebt ber Vetreffenbe in biefer 3eit fein 3ei<hen bon ftch, fo fpringen 21 n*
bere hinab um ihn ju retten. Von 2lbgaben befreit, bilben biefe Saueber eine
eigene, in hohem 2 lnfeben ftebenbe Korporation, erfreuen ftch jeboch nur eines
furjen SafeinS. Sie fo entftanbenen Vrunnen bauern nicht lange. Verfault
baS $ 0 ( 3 , fo ftürjt ber Sanb nach, baS SBaffer hört auf ju fließen, unb aus
Vtangel an geuchtigleit fterben bie Valmen ab. Sann »erben bie Dörfer nach
unb nach geräumt, bie Dafe »irb Heiner, oerfch»inbet julefct gan$, unb bie
SBüfte nimmt »ieber Veftfc bon bem Terrain, »eldjeS bie 2lrbeit beS übtenfchen
ihr entriffen batte. Vor ber franjöftfcben Offupation »ar bieS baS Schidfal
bieler Oafen. Sie eine batte bereits aufgebört ju eyiftiren, anbere flechten
fümmerlich babin, unb feine breitete ftch aus. Ser ©eneral SeSbauy, bamalS
npch Oberft, fommanbirte bie Subbioifton bon Vatoa. Kr erfannte bie 2totb s
»enbigfeit ber fünftlichen-Vrunnen unb befehlet, fte ju bermebren. Ser 2)ti*
nen*gngenieur Subocq batte bereits in einem 1863 erfchienenett »iffenfhaftli*
eben SEBerfe nachge»iefen, ba& in ge»iffen ©egenben ber Sahara baS ffiaffer
nicht febr tief unter ber Oberfläche borbanben fein müffe. gm gabre 1855
[teilte Kb* Saurent auf Vefebl beS ©enerals SeSbaup Vachforfchungen an,
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meid# bie «gppothefe betätigten. 3m Elprif 1856 trafen Saurent unb ber
dibilingenieur 3uS mit einem Sohr*Elpparat in ^^UippebUie ein. Me Schmie*
rigfeiten beS Transports. mürben übermunben. Ueber Serge, burch Ströme
unb Sanbmeere mürbe ber gemichtige Apparat, ^unberte bon teilen meit, bis
nach Tamerna gebraut, Sie erfte Sohrung begann im Einfang beS EMai 1856;
fdbon am 19, guni fchofj ein förmlicher glufc, meiner 4000 SitreS SBaffer in bjr
UJtinute lieferte, aus. ben dingemeiben ber drbe empor, Sie greube ber din*
geborenen lannte feine ©renzen. Sie'Äunbe bon bem ©efchehenen berbreitete
ft<h mit zauberhafter SchneHigfeit, unb bon meit unb breit ftrömte man herbei,
um baS 2B u n b e r zu flauen, geierlich mürbe bie neue gontäne gemeint unb
ihr ber Same „Quell beS griebenS" gegeben,
dine Oafe, bie bon Sibi*Sa<heb, nicht meit bon Tamerna, ftarb zufehenbS
ab,* Sie Srunnen maren berftegt, unb feiner glugfanb erftidte bie Elnpflan*
Zungen, 3ftan fah im Sanbe Sattelbäume, meid# nur noch mit ber tone
herborf(hauten, unb anbere begehrten nur noch fümmertich. Umfonft errichteten
bie dinmohner Sßallifaben ; ber Sanb rüdte immer meiter bormärts, unb bie
Oafe fchien unrettbar berloren, Sie dinmohner hatten einen neuen Srun*
nen zu graben berfucht, aber in einer Tiefe bon 120 guf* maren fte auf eine
©ppSbanl gefto&en, melche fte nicht burchbringen fonnten. # Ser franzöftfche
Apparat langte an, an ber Stelle beS berlaffenen SrunnenS mürben bie Soh*
Hingen begonnen, Sie ©ppSbede mürbe burchbrochen, unb f<hon nach hier
Sagen fchofj ein Strahl bon 4,300 Sitre^ in ber Minute — eine föftUche
SGBohlthat — empor. Sofort gemannen bie ^almeri neues Seben, bie burch
Samarinbenpflanzungen aufgehaltenen Sünen ftanben ftill, bie Oafe mar
gerettet. ÜUian fann fich bie greube ber Elraber borftellen; aber als unheilbare
gataliften banften fie bem ©otte StahomebS bafur, baf 3 er ben granzofen ge*
ftattet habe, bie Srunnen, melche unter ben gdnben ber ©laubigen nicht gebeU
hen moHten, zu bollenben. Sie bilbeten ftch ein, bab megen einer begangenen
€>ünbe ber $otn MahS auf ihnen geruht habe, unb bab ohne biefe Sünbe baS
SBaffer ihnen auch ohne bie $ülfe ber Ungläubigen, bie fie als Strafe betrachte*
ten, gegeben fein mürbe. ~SaS ift bie Scgif beS mohamebanifchen ganatis*
«tuS.
• SKehtere biefer artefifchen Srunnen zeigen eine drfd&einung, melche bis
toahtn felbft bon ben Saturforfchern als Eftpthe belächelt mürbe. Seim erften
J^erborfpringen beS SBajferS bei EIin*Tola, aus einer Siefe bon 44 Metern, fah
ber ßapitain 3*del fleine gifche, bie am Sanbe beS SrunnenS im Sanbe zap*
gelten, unb baffelbe bemerfte man auch an anbern Orten. Sie Elugen biefer
gifche maren fehr gut entmidelt, obgleich fie einen Theil ihrer dyiftenz im Sunfet
Zugebracht hatten, unb eS mar biefelbe Elrt, melche man in ben Seen bei SiSfra
ftnbet. SaS Phänomen fteht übrigens nicht bereinzelt ba. $err Elpme, ©ou*
berneur ber Oafen bon Theben unb ©arbe in dgppten, fchrieb im gah* 1849
an £emt Saurent, bafj ein alter, 300 gufc tiefer artefifcher Srunnen,, ben er
reinigen lief*, ihm gifche für feine Tafel lieferte, melche nur bom Sil fommen
treten mtb ba£ burch biefen Berfebt ermittelte Berbältniff 3 tt>if<^en bem Angebot
unb ber ©adhfrage ben $rei$ befftmmt. Sie B5tfe tft alfo an fleh nichts ©e*
$eimraffMÖcte& ober SRetlWürbigereS, als ein ©tarft, auf bem gleifdh, Kartoffeln,
Kafe unb ©er bon forgfamen Hausfrauen eingetauft werben; — nur baff bie
©egenftänbe beS BerfaufS Befcheinigungen über oerzinSlich angelegte ©elber
{StaatSpapiete, ftdbtrfd^e 6<hülboerf<hreibungen, Hppotbefen :c.) ober Slntffeile
an gewerblichen Kapitalanlagen (Slftien bon ©fenbaffnen, BergwerfSuntemeb*
mengen, gabeifen u»), ober eble SJtetaHe ftnb, bie ft<h als Kapitalanlagen ber*
toenben (offen. 9Bie fi<h zur Beftimmung ber greife bon Steift, ©tebl, Obft
unb ©emüfb feffr berfdbiebene Bebhtgungen mit emanber bereinigen, fo au$
bei ber Beffintmung ber Börfennotirungen, welche nichts SlnbereS, als ein 93er*
fcichniff bou greifen (©ourfen) ber auf ber 58örfe zum Betfauf gefommenen
©Baaten (Rapiere) ftnb. Ob bie ©nte gut ober fehlest ausgefallen, ber ©onfum
ftart ober gering, bie bertäuflube ®aare im Befip bteler Berfdufer ift, bie ft<h
einanber in ihren gorbernngen herunterbieten, ober in ben «ganben weniger,
bie butch seitweilige SluSfchlieffmtg ber Konfurrenj ben ©Zarlt beherrf(hen, ob
bie ©Baare raffhem Betberben auSgefept ift unb haper loSgefchlagen werben muff,
ober ob fie in ©Wartung höherer greife jurüdfgehalten werben tann, — baS
SltteS hat ebenfo biel ober mehr ©nfluff auf bie Beftimmung ber greife bon
SWarttwaaren, als ber ^robuttionSpreiS. daneben bebingt bann noch ber
Unterfcffieb in ber ©fite einer unb berfelben SBaare einen oft beträchtlichen Unter*
fe^teb im greife. Sie auf folche ©Beife entfteffenben SchWanfungen muff geber*
mann als etwas SelbftoerftdnbluheS hinnehmen, ©ft wenn burch gefliffentlich
oerbreitete Äug $n über ben 6tanb ber ©nte, ber 3ufuhren unb beS am Blape
beftnblüben BorratpS btc natürliche SBechfelwirfung jwifdhcn Nachfrage unb
Angebot beeinträchtigt wirb, hört man bittere Klagen über Huffäuferet, Korn*
Wucher, habgierige Spetulanten unb bergleichen. greilich giebt eS oiele National*
Monomen unb Kaufleute, welche bte Berechtigung folget Unterfcheibung jwtfchen
rechtmäfftgem Hanbel unb berwerf lieber Spelulation gänjlidh leugnen—unb
es ift in ber Spat ferner, unter ber BorauSfepung eines BerfeprSlebenS, welches
auf ber 9tothwenbigfeit einer Sifferenz jwifchen bem bom ©zeuget einer ©ßaare
empfangenen unb bem bom Bekehrer berfelben SGBaare gezahlten greife be*
ruht ic. f für biefe Sifferenz irgenb eine ©ren§e feftjuftellen, bereu Ueberfchrei*
tmtg als eine Ungebühr bezeichnet werben müffte. Allein für baS natürliche ©e*
fühl ber groffen ©tenge befteht eine folche ©renje bennoep. Sucht man btefeS
©efüpl ju ergrünben, fo finbet man, baff es ben Unterfcpteb jwifchen berechtigtem
Raubet unb ungebührlicher Spefulation borzugSwetfe auf ben ftttlichen ©Bertp
ber $um ftwtd beS ©ewinnS angewenbeten ©Uttel bqgrünbet. Beim rebltchen
unb aufrichtigen 'HanbelSberf epr gewinnen beibe Speile, Käufer wie Berfdufer,
beim 3ener erhalt baS Quantum SBaare, beffen er bebarf, wohlfeiler, als er felbft
es ffch bon bem-Brobujenten hetbeifdhaffen fönnte, unb biefer erhalt einen fol*
d>en Ueberfdhuff über ben gezahlten Breis, ber ihn für feine ©tühe, feine 2luS*
lagen, ©efahren, Berlüfte unb Unloften bet ber Hetbeifdhaffung reichlich ent*
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fchdbigt. Vber bei pem, wal bie öffentliche Meinung all SBucher, ungebührliche
©peluiation unb Scbwtnbel bezeichnet, ift ba! Veftreben bei Verläufer! nicht
fowobl, eine für alle Steile oortbeilbafte Vermittelung ju bewirlen, all fxch unter
ber g o r m einer folgen bureb ben Verluft, fei el bei ^robujenten ober Äon*
fumenten, gu bereichern.
Sroß Slllem, wal in ben lepten fahren, fo oft bie gefefcgebenbe ©ewalt
bem #afarbfpiele ein Gnbe $u machen fuchte, pon fogenannten ginanjmämura
über bie Votbwenbigleit unb Vüplicbteit ber ungejügdten Vörfenfpetulation
gefagt worben ift, beftebt ber eben bezeichnte fittliche Unterfchieb jmifchen bem
ehrlichen Vörfen g e f ch ä f t unb bem Vörfen f <h w i n b e l, zmifchen bem reellen
Umfap Pon Äapitalien mit ben burch natürliche Vebingungen bewirlten Schwan*
lungen ber greife, unb bem unter ber äußerlichen gorm folchel Umfafcel be*
triebenen ©lüdlfpiel. S)er Unterfchieb ift fo beutlich, wie ber jloifchen Gbe unb
Vroftitution, zwifdjen S)iltontobanl unb garobanl.
SBenn ftch Semanb mit 1000 SLbalern am Vau einer Gifenbabn betbeiligt
bat, fei e! weil er einen guten 3in3 für fein Äapital ju erlangen, ober ben
SBertb fonftigen Gigentbuml bqfmrcb ju fteigern hoffte, unb aul itgenb welchem
©runbe fein Äapital anberweit Perwenben will, fo muß er feine gehn Slttien §u
©elbe machen. Gr gebt bamit an bie Vörfe. Stort ftnb biele, ober wenige,
ober gar leine anberweite Verläufer berfelben Slltien, — piele, Wenige, ober
gar leine Ääufer bafür. S)a! bot feinen natürlichen Ginfluß auf ben Vreil ;
aber e| beftimmt ihn nicht aulfchließlich. S)ie wichtige grage ift: wal ift ber
wirtlich,e SBertb ber Äapitalanlage ? Gr wirb am ftcherften beftimmt burch bie
#öbe bei 3 i n f e I, ben fte bereit! abgeworfen bat, ober ber mit Sicherheit ba*
Pon erwartet werben lann ; burch ben höbest ober geringem ©rab bei Ver*
trauen! auf bie Verwaltung, ben Grfolg Pon anbern Verlebrlabern, welche bie
Gintrdglichleit ber urfprünglichen erhöben (3weig*Gifenbabnen), ober berabfepen
(Gonlurrenjeifenbabnen), unb ähnliche Umftänbe. Slul biefen Glementen bilbet
ftch ber ungefähre wirtliche SBertb ber Slttie; bie Differenz gmifchen biefem
uub bem greife bezeichnet bie SBirtung bei oon Sage zu Sage ftch oeränbem*
ben Verbältniffel §n>ifchen bem Angebot unb ber Vachfrage. 2Bemt alfo in
bem angeführten gälte ber Veftper für feine zehn Slttien, weil ftch ber SBertb
ber Gifenbabn Perboppelt bat, 2000, ober weil fte nur halb fo biel einbringt,
all man erwartete, 500 Scaler erhält, ruhig in bie Safche fteeft unb nach «ßaufe
gebt, fo ift bal ein glattel, ehrliche!-Vörfengefchäft, ooHtommen fo ehrlich, wie
ba! eine! SJtannel, ber fein #aul, je nachbem el in feinem Veftfce an SBerth ge*
Wonnen ober Perloren hat, um! Stoppelte, ober um bie Hälfte ber Summe, für
welche e r e! getauft bat, Peräußert. Sluch in biefem ©efchäfte lann e! große
Verlufte unb ©ewinne geben. S)ur<h’bunberterlei Urfachen lann,ber SBerth einer
Äapitalanlage erhöbt ober oerringert werben. S)ie Gntbecfung pon SRineral*
fchäpen in ber Stäbe einer Gifenbabn, beren Sranlportgefchäft baburch einen
großen Slnffchwung nimmt; bie Goncefftonitung einer Vabn, burch welche neuö
SBaarengebiete bem Vertebr einer fchon beftebenben Gifenbahn eröffnet werben.
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Dber in bcc entgegengefefcfen föittung bie 3«p5rung ber 33abn, ober ihres
SBetriebSmaterialS, burt 9iatureretgnijfe, ober ©ewalttbat. (Sntbecfung bon Un*
reblidtfeit in ber 33erwaltung unb unzählige anbere Tinge benrirfen ein Steigen
ober Sinfen ber©ntrdglitfeit, ober ber Meinungen in betreff ber Einträglich-
# liebfeit einer Kapitalanlage. (Sin ftarfer 33Ucf, ein flareS, richtige^ Urtbeil über
bie SBebingungen beä 33erlebrS* unb 3nbuftrieleben§, mutbigeS Vertrauen auf
folteS Urtbeil gegenüber nachteiligen ®erütten unb 33orfteHungen, Siterbeit
unb ScbwUigfeit beS ©ttpbluffeS in ber Senu&ung günftiger ©elegenbeiten
bringen bi&bei, b. b- beim reellen Urnfafc bon Kapitalwertben, bem glüäliten
SBeftfcer jener ©gen*taften ebenfo hoben unb rebliten ©ewinn, tote beim Um*
fab non ffiaaren für ben Gonfum. — 33eim 33örfengeftdft in Staatspapieren,
b. b. bon Kapitalien, weite gegen einen gewiffen 3w3 bem Staate bargetie*
ben worben ftnb, fommen gur 33eftimmung ber $reisftmanlungen not anbere
Glemente bingu. Ta£ wittigfte barunter ift bie richtige ^Beurteilung ber
Steuerfraft be£ SanbeS, benn nat biefer, unb nicht nach bem gefammten Kapi*
talbeft ber ©nwobner beS SanbeS, ift bie reale Siterbeit beS StaatSgldubi*
gerS, b. b- bie 3ablungS f ä bigle i t beS StulbnerS, gu bemeffen. Tie ibeale
(Sicherheit wirb burt baS größere ober geringere 2Wafe beS 33ertrauenS auf bie
Gbrlitfeit (3ablungS w i 11 i g f e i t) ber Regierung beftimmt. Tie erftere, bie
reale Sicherheit follte ft<b bei ben großen gortftritten, weiter ftt bie berglei*
chenbe Statiftif unb 33ollSwirtbftaft rühmen, mit gtemliter ©enauigleit beftim*
men laffen, aber in ber SBirflitfeit haben bie gefteuteften Seute barin bie
> größten 9)übgriffe gematt unb maten fte fortwährend Tie ibeale Siterbeit,
in bem (Glauben an bie Dieblitleit beS Staate beftebenb, weiter ber Stulbner
ift, ift Säte ber Meinungen unb ftwanft mit biefen. 3ur 3eit großer,' bie
(Syiftenj bon Staaten gefäbrbenber Kriege ift ber ©laube an bie Sablungäfäbig*
feit unb SBiUigteit gewaltigen Stmantungen auSgefefct, unb eS ift baS baber
, für Seute bon fanguiniftem ober toleriftem Temperamente eine febr ungün*
füge 3eit gur Anlegung ihrer Kapitalien in Staatspapieren. Tagegen fann
ftt gerabe in folter 3eit ein fefter, guberftttliter Patriotismus ober ein burt
leine ungünftigen SBetfelfdile gu erftütternbeS Vertrauen auf ben 33eftanb beS
StulbnerS glängenb belohnen. Teutftlanb bat baS erfahren, inbem eS bor
§wei3abren für ^unberte bon Millionen ToHars fet^progentige Stulbber*
ftreibungen ber 33er. Staaten gum greife bon 38 ober 40 TollarS für baS
^unbert taufte, ohne bem betfcenben £obn unb Spott, womit bie engtifte 3i*
nangwelt eS überftüttete, 33eattung gu ftenfen.—Ter SQBertb biefer Kapitalan*
tage bat ftt feitbem beinahe berboppelt, b. b- für 100 üPtillionen Tbaler, weite
beutfte Kapitalien an bie Ehre unb 3ablungSfäbigfeit ber 33er. Staaten ge*
wagt haben, bepfcen fte jept für 190 ÜPtillionen Tbaler berfdufliter SBertbe.
©n ftöner ©ewinn, unb, was mehr ift, ein ebrliter ©ewinn. @s war
ein reblüheä 33örfengeftäft: SEertb um SBertb. Tie feitbem eingetretene 33er*
dnberung beS SEßertbS ift eS, bie ben ©ewinn bebingt; aber Ptiemanb bat ein
Sfteth Pt über biefen Gewinn gu beflagen, benn ber Staat bat für feine
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Schulbfchetne jufl fo Diel empfangen all fte jur 3^it bei Serfaufl merth mären,
unb brauchte el nid^t anäune^me)* menn el ihm nicht genug beugte
SBeit berfchieben Don bern ehrlichen Sörfengefcbäft, ift bet Sörfen {ch m i n -
bet, ober, mie er ft<h lieber nennen hört: bie Sörfenfpefuiation.
Sei biefer befielt bie 3bee bei mirflichen Umfafcel Don ßapitalmerthen gar*
ni<bt. 6ie ift einfadb eine SBette, unb Der fittliche SBerth bei Sörfenfpefulanten t
Don $rofeffton ift nicht um einel §aarel Sreite größer, all bie eine! $afarb*
fpielerl Don ^janbmerf. Seiber ift biefe 2lrt Don Spefulation Don Der offene
lieben Meinung berjenigen Greife, melche ihr nabe fteben, ebenfo gebutbet, mte
bie feinere ober gröbere Sroftitution, bal Spiet, ober mie ht früheren 3eiten
bie Srunffucht unb Sößcrei. 2luch Seute, bie hohe Stellungen in ber ©efett*
fchaft unb in ber Sichtung ihrer Mitbürger einnehmen, bilden mit tüftemem
SBohtmollen ober toohlmoßenber Süfternheit auf bie SReiäe bei Sörfenfpiell unb
geben nur ju oft ben Serfuchungen beffelben nach. Sal grobe uneingemeibte
Sublifum mirb burdj eine gemiffe ehrfurcbtlooße Scheu bor ben hoben SBerth*
betrögen, bie in jenem Spiele figuriren, auch mobl Durch Unfenntnifj bei fremb*
artigen uqb unberftänblichen ßiothmelfch, melcbel bie Spieler fpreeben, Derbin*
bert, fub eine recht flare Sorfteßung Don ber Sermorfenheit biefel ©lüdlfpiefl
§u machen, bei meinem in unzähligen galten ber mühfant erfparte Sefifc ehrli*
lieber $anbmerfer, Säuern unb Slrbeiter, ober bie #abe Don SBittmen unb
Sßaifen ber (Sinfafc ift; — Denn aul bem, mal urfprünglid? eine SBette auf bie
natürlichen Scbmanfungen ber greife mar, ift allmötig bie fiunft gemorben,
burch unreblicbe SWittel, bureb Sug unb Srug unnatürliche Scbmanfungen ber*
felben herborsurufen. Sie rohen unb blutigen gauftfämpfe einel Saperl unb *
«geenan futb mürbigere unb mannhaftere @rgöfcungen, all bie Schlachten,
meldje fub bie Sären unb Stiere ber Sörfe liefern, unb ber jerlumpte Strafen*
junge, ber mit eifemen Gingen nach einem mit ÜRägeln befcblagenen Srett mer*
fen läfet, ftebt moralifcb höher, all ber Sörfenfpefulant, Denn er bezahlt menig*
ftenl unter aßen Umftänben bem glüdlichen Söerfer bie besprochenen 10 (Eentl,
unb menn er bie Summe nicht bat, labt er gar nicht merfen.
• Ser Sörfenfpefulant befifct meber bie Rapiere, bie er Derfauft, noch münfht
er bie -gu beßfcen, bie er lauft* ÜRomineß jmar ßnbet mobl Sieferung ftatt, be*
fonberl mo gefefcliche Seftimmungen fte Dorgefchrieben haben, um bal einfache
Spiel ju erfahrneren. Siber in ben meiften gäßen ift el nur auf bie St ff e *
rens abgefeben. 21 Derfauft an S 100 Slftien ber SReabing*®fenbabn su 1Ö5
“seller 60”, ober genauer : “sellers Option 60”. Sal heißt: innerhalb
60 Sagen fann % menn el ihm beliebt, bie lOOSlftien abliefern unb S muß
ihm 10,500 Soßarl bafür sablen; fpäteftenl am fechsigftenSage nt u ß bie Sie*
ferung erfolgen. — Son nun an ift S ein Stier unb 21 ein Sär, gener fucht
auf jebe mögliche SBeife ben $reil ber ßleabinger Slftien in bie $öbe su treiben,
fo baß fte nicht unter 105 ftnfen ; 21 Dagegen ift bemüht, ihren fßreil fo tief
all möglich unter 105 su brüden. ©elingt ihm bal, ftnb fte fo tief, baß er
fte nicht noch meiter brüden su lönnen hofft, fo lauft er su bem niebrigen
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greife — betfptelsmeife 95 — bie Rapiere, liefert fte an SB unb erhält non ij
biefem 105 bafür, macht alfo an ben hunbert Glitten taufenb Shaler ©ewittn.
Umgefehrt, geben bie 2lltfen h$<h unb immer b%V bat 21 ben günfttgen
punft perfdumt, ficb zu #,beden", unb fteben am fedbgigflen ^age bie Rapiere auf
125, fo bat er, ber SBerldufet, an jeber 2tltie zwanzig Shaler »erloren. Sfn ben
meinen gdßen, in Europa wenigftenS, wirb »on ber wirtlichen Sieferung ber
Rapiere ganz abgegeben unb nur bie Siffetenz als S3erluft ober Gewinn
ausbezahlt, genau wie bei einer SBette. 3« bem erfien ber angeführten gaffe
würbe alfo 33 an 211000 Shaler, in bem zweiten 21 an 33 2000 Shaler zahlen,
unb feiner non 33eiben brauste jemals bie Rapiere, welche »ethanbeit würben,
gefeben zu haben.
2Bie auf “sellers opf.ion ,, verlauft wirb, fo wirb auch auf “buyers
Option” getauft. $n biefem gaße fleht eS bem Käufer frei, innerhalb ber an«*
gegebenen grift bie Rapiere gu bem bebungenen greife zu f o r b e r n, unb wenn
bie grift um ift, muh er fte nehmen. Qm 2lßgemeinen laufen unb »erlaufen
foldbe Spefulanteij, bie nicht zum eigentlichen £anbwerf gehören (outsiders),
auf “option”; es fcheint bei ihnen bie bunlle SBorfteßung zu beftehen, bafe fte
baburdh ihr 6cfeidfal beffer in ber ^anb behalten, unb erft bittere Erfahrung pflegt
fte über ihren Qrrthum zu belehren. 3n ben 9iew*2)orlet 33örfenberi(hten ftnb
bie Britgefdhafte burch einfache 33uchftaben unb 3iffem bezeichnet; b bebeutet
buyers Option, 8 ßellers Option. 2llfo: „100 SR.*?). Zentral b 10 96g
heibt; GS hat Sernanb 100 2lltien ber 9t.*?). Zentral *33ahn in ber 2öeife ge*
lauft, bafe er fte innerhalb gehn Sagen jeber Seit »om Verläufer ju bem greife
non 96| SoßarS einforbern lann, aber fpdteftenS am zehnten Sage fte gu
biefem greife nehmen raufe." Ser Käufer ift Stier (bull), b. fe* er rechnet
barauf, bafe innerhalb zehn Sagen bie 2lftien ber (Sentralbahn fteigen, unb ber
Verläufe» ift 33dr, benn er lann nur gewinnen wenn bie 2lltien innerhalb jener
gehn Sage unter 96g ftnlen. ©ne anbere üftotirung: „100 ©hie. 2b 9®. s S
34|" h#t: (SS hat ftdh Semanb »erpflichteb binnen-brei Sagen 100 Jlltien ber
ehicago^orth^Beftern^eifenbahn zum greife »on 34| z u liefern. ©S ift fomit
fein 3ntereffe r ben SßreiS biefer 2lltien zu brüden, bamit et fte zu niebrigerem
greife entlaufen lamt, als ber, zu welchem er fte liefern mufe. Senn noch hat
et bie Rapiere nicht; er ift, wie es helfet, “short of Chic. & W.” —* Sie
“shorts” ftnb in ber 33ßrfenfpcacfee Siejenigen, welche Rapier »erlaufen, bie
fte nuht beftpen, in ber Hoffnung, fte wohlfeiler laufen zu lönnen ehe ber Siefe*
rungStermin eintritt. Sie ftnb alfo fo lange, als- ihr Sieferungsfontratt lauft,
baS, waS man in $aris* bie “b&issiers,” in33erlin giyer unb hißt 33dren
nennt. 2öer 2lÖien lauft/ in ber Erwartung, bafe fte fteige» werben, ift „long
— §. 33. “long of Brie,” b. h» er hat 2lttien ber ©ie*©fenbafen in ber «£joff*
nung, an ihrem Steigen zu gewinnen, getauft. '
6S giebt Seute, bie ihrer SemperamentSanlage nach geborene Stiere ober
SBdren ftnb. Sanguiniler, bie 2lßeS waS gefchieht ober be»orfteht, in roftgem
fiiehje fehen, Vertrauen zu aßen neuen Unternehmungen feaben> an aßen Singen
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unb ©eignijfen bie Sichtfeite berauSftnben, fmb bon Statur ©auffterS, tote an*
beverfeits gelbfüchtige Sdjtoargfeher, bie bon Stöem toaS befielt, nicht bloS mei*
men, bab eS toertb fei, gu ©runbe gu gehen,* fonbem ftch auf bem gerabeften
Sßege bagu befinbe, einet naturtoüchftgen iöaiffe gehören. Slber ber ©örfenfpieler
bon ga<h ift toeber Käufer noch SBertdufer, toeber long noch short aus Sßringip,
fonbem nach benUmftdnben unb ©lüdSchancen baS ©ne ober baS Stnbere. ©
lauft eine Slngahl berfchiebener Rapiere unb fucht fte hinaufgutreiben; gugleüh
aber ift er “short” an einer Slngahl anberer Rapiere unb fucht beren CtourS gu
brüdcn. $eute getoinnt er mit ber £auffe an ©ie, morgen berliert er mit ber
Söatjfe an Zentral, übermorgen häuft er toieber unter ben Stieren, bie Ladern
ober Stod 3$(anb in bie #öhe gu toerfen fuchen:— turg, bie betriebenen
SBerthpapier fmb ihm nichts SlnbereS, als bie harten bem garofpieler. Ob er
auf S)ame, fiönig ober SIS getoinnt, ober gu ben untergeorbneten Sieben unb
Sichten hinabfteigt, gilt ihm gang gleich. 3» ben meiften gdHen ereilt ihn früher
ober fpdter baS Schidfal aller Spieler. Seine ©ntralte laufen ab, er fann bie
S)ifferengen nicht begahlen unb — macht SSanterutt? 3a *toohl, aber toenn er
nur gur 3unftgenoffenfchaft gehört, hat baS nicht biel gu fagen. Seine ©lau*
biger im öptel laffen ft<h billig ftnben, ein „SBergleich" toirb gefchloffen, ber un*
glüdlid&e ßumpan gahlt 3 ober 5 ober 10 ©ntS für jeben Dollar, ben er fchul*
bet, unb bie „lahme Gnte" ift toieber feil, ©ner ber berühmteften 23örfenfpetu*
lanten, 3atob Sittle, machte auf folche SBeife ein halbes ober ganges S)upenb
SJtal Sknterutt, ohne feinem SRufe befonberS gu fchaben. Slber SBehe bem ,,©rü*
nen", bem “outsider”, ber ftch an ben Spielttfchkgetoagt hat. SBenn er gur
lahmen ©ite toirb, toerben ihm unbarmhergig alle Sehern bom Seibe gerupft.
$ie Meinung, bab eS grober ßapialien bebürfe, um an bem 33örfenfpiel
$bdl gu nehmen, ift eine irrige. Sticht ben $ r e i S ber Rapiere, bie er tauft,
braucht ber augehenbe Spieler gu beftfcen, fonbem nur ben ungefähren betrag
ber auf bem Spiele ftehenben $iffereng. S)ie SBechSler beleihen ihm bie Rapiere
mit 90 $rogent beS ^reifes; b. h* fte taufen auf feine Rechnung eine Slttie gu
100 ^haler, toenn er ihnen 10 Scaler baar gahlt unb für bie anbem 90 ihnen
baS Rapier felbft als $fanb labt. 3^ne 10 $hafer fmb ber “margin”, auf
ben er loSfpielt. Steigt baS Rapier auf 110, fo gahlt ihm ber SBechSler bie
10 $hafo ©etoinn aus; fmft eS, fo toirb ber SSerluft bon bem margin abge*
gogen unb ber Spieler muj$ fo biel nachf<hie&cn, bab ber “margin” toieber ein
3cbntel beS berminberten SBertheS betragt. SBenn freilich grobe unb getoaltige
©urSfchtoantungen ftattfinben, toie oft todhrenb beS Krieges, fo bab bie greife
binnen 24Stunben um 10,20 ober gar 50 Sßrogent hinauf» ober heruntergehen,
fo ftellt ftch ber SBechSler baburch ftcher, bab er einen gröbern “margin”
(20$rogent) nimmt. — dr getoinnt fo ftcher unb regetmdbig, toie ein Stoulette*
halter burch ben SBortheil ber einfachen unb bopppelten SM. 2)enn abgefehen
bon bem 3inS für fein bargeliehenes ©elb, erhalt er Sßrobifton unb SJtatlergebühr,
bie, obfchon nur nach 33ru<htheilen eines SßrogentS berechnet, bei ben hohen Sin*
tragen beS UmfapeS enorme Summen erreichen. 3ur 3dt ber toilbeften Sjpetu*
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lation, im gabre 1864, all bal Seben unb Treiben in bet SBaQfhreet an Die
Seiten 3ean Sawl unb bet 9tue Ouincampoiy erinnerte, bereinnahmte ein
2Bechfelmafler im durchfchnitt 5000 doHarl täglich an Sßrobifton, unb ein £aul
fefete in einem Sage 4 Millionen um.
dal war eine 3eit, welche diejenigen, bie (Gelegenheit bitten, bal Seben
unb Sreiben im Sörfenbiertel gu beobachten, nicht leicht »ergeben »erben. ©I
bettfdbte eine förmliche Ptaferei. SBohin inan ging unb »o man ftanb, horte
man ben Satgon bei 93örfenfpiell. dal grobe Sßublifum beachtete börguglweife
bie gluftuationen im greife bei ©olbel, unb bie Spefulation in ©olb gog auch
bie meiften Saien in ben Kreil bei Spiell. ©olb »at ihnen et»al ©reifbarel,
SSerftdnblichel, et»al, bon beffen SBerth fte eine flarere SßorfteHung hatten, all
»on bem bet Slftien einer unentbeeften ©olbgrube in ©olorabo ober einel bie 2lul*
ficht auf Del bietenben Kartoffeladerl in Sßennfplbanien. Slber unter ben ein*
geweihten Spielern fanben ©rie, $atlem, 9tod gllanb unb anbere 2lrten bon
©ifenbahnpapieren gröbere Beachtung all ©olb. ©I ift unglaublich, welche
fabelhafte Summen bamal! an folgen papieren „berbient", b. h* gewonnen
unb berloren würben, die ©ourfe bet #arlem*©ifenbabn*2lftien g. 93. ftiegeri
unb fielen unaufhörlich, ohne bie aHerminbefte 93egiehung auf ben wirtlichen
SBertb bet Kapitalanlage, bon einigen 80 bil auf 280 ^rojent, um fpdter wiebet
auf bie #alfte heruntergufatlen. 3111 fte um 40, 50 Sßrogent geftiegen waren,
würben biete bet balbwegl befonneneren Spefulanten bange; in bet Meinung,
bafj nun ein IRüdfchlag unbermeiblich fei, gogen fte ihre ©infäpe bon biefer Karte.
gurüd. die dummften unb aul dummbeit Sollfühnften fpietten weiter unb ge*
wannen fortmdbrenb. 2lrme Schluder würben binnen acht Sagen reich: — auf
wie lange, batubet febweigt bie ©efchichte.
£in unb wiebet einmal, in groben 3wif<bentdumen, fommt el wohl bot,
bab bie §omburger 93anf burch einen glödlichen Slbentheurer gefprengt wirb,
unb noch feltener, bab ein folcher, nachbem et feinen ©ewinn eingeftrteben, ftch
behaglich gur föuhe fept, bem Spiel für immer SBalet fagenb. So giebt el auch
gdUe, wo ein nicht fowobl gefcheiter all glüdlicher Spefulant m wenigen
SBochen ober Monaten ein ober ein paar mal hnnberttaufenb Shaler macht,
ftch bamit feitwdrtl in bie 93üf<be fchldgt unb für ffiaHftreet betfchoHen ift. Slbet
bie gdUe ftnb feht feiten. $duftger fommt el bot, bab ein ©lüdlpilg, mit
wenigen hunbert ober taufenb Shalem irr bet Safche anfangenb, burch fabeU
haftel ©tüd in, furger 3eit gum bewunberten Sbnangeber einel gasreichen 2ln*
hangl wirb; bab feine Spefulatiopen bal Signal für bie bon hunbert Slnbern
bilben unb fein me mit bem ÜRhnbul bet Untrüglichfeit umgeben wirb, gilt
eine futge 3eit finb folche ©lüdlpilge, unter beten fanben ftch, wie unter benen
bei Königl ütftibal, 2lUel in ©olb berwanbelt, bie Könige ber SBaUftreet. Allein
einel fchönen Sagel getanen fte auf bie unglüdliche Qbee, bab Pc ihre ©rfplge
nicht ben Saunen bei 3nfaUl, fonbetn ihrem Schatfblid berbanfen, berfuchen
gu „falfuliten", gu benlen, unb bamit ift beraubet gebrochen. Sie ftürgen, um
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f«h «*« »«*« P ergeben. 2Ble fiometen ftnb fie gelommen, lote flemeten »et»
f^tmnöen fl« iwebet^ ;
Sie lünftlidbe Steigerung aßet SEertbe bur«b bie Giftfflbtung ber «Papier*
»atuta gab wäbrenb beS ÄricgeS bem SBörfenfpiele einen fotoffalen Sluffcbttung.'
Qabrelang regierte bie Raufte: Sebermann febien ju gewinnen, «Tciemanb ju
»erlieren. «ötan bat berechnet, bt&ber Unterfchieb in bem greife ber gefamm« i
ten Staatspapiere unb ©(fetten, welche im Sommer 1862 an ber «Remitier
SBörfe umgefe&t mürben, unb bem berfelben «Papiere im Sommer 1864 nicht
weniger als 250 «Millionen Dollars betragen bat, biefe Summe alfo in jmei
Sabren »on ben Spielern „gemacht" worben ift. Ser «Preis mancher «Papiere
»eroierfachte ft<b. So ftanben im Hnfang beS Krieges bie Slttien ber ©riebabn
30, ftiegen auf 130 unb fitib feitbem wieber auf 96 gefallen. IReabinget 6U
fenbabnattien tofteten im Sommer 1861 nur 55, ftiegen bis auf 160 unb wer»
ben jefct mit 105 notirt. „Solebo" ftieg »on 28 auf 160 unb ging bann wie* •
ber bis unter pari. „«Rod Sslanb“ fing 1861 bei 40 an, ftieg bis 150, fanf
bis auf 82 unb ftebt je^t wieber 108. ’ «ÖUcbigan Sübbabn ftanb in ben »er*
febiebenen fahren beS Krieges : 30,118, 61 unb 73 ; «Pittsburg Sahn ftieg
»on 22 auf 129 unb ftebt jefct 82. — ©ine furchtbare Stifts erfolgte, als eines
febönen SageS im 2lptil 1864 ber ginanjminifter ©bafe für einige «Killionen
SollarS ©Solb auf bie SBörfe warf unb babureb bie ©ourfe beS ©olbeS, wie alter
©{fetten um 20 unb mehr «Projent binabfchleuberte. Sa jerfdbmoljen alle
• „tnärgins”, wie SButter an ber Sonne, bie «EßecbSler mußten bie beliebenen
«Papiere um jeben «Preis losfdblagen, um ftch }tf bedien, £unberte, ja Saufenbe
»on Spielern »erloren ihr StBeS, unb glänjenbe Vermögen waten fo febneß jer*
rönnen, als fte gewonnen worben waten.
Sie fübetfte Slrt »on Spetulation, bie aber nur »on groben fiapitaliften
gewagt werben tann, beftebt in bem, was man einen “corher” nennt. Sabei
werben bie “shorts” (Verläufer, SaiffterS) in einen äöfnfel, eine Sadlgaffe
getrieben, aus welcher fein ©ntrinnen ift, unb bann' regelrecht abgefcbladbtet;'
©in einseiner, reicher Spetulant, ober, was häufiger »orfommt, eine Keine
GUque tauft alle »orbanbenen SPapiere »on einer gewiffen Sorte auf unb legt
fte in ben Scbrant. Sarauf gebt er ober fte an bie !Sörfe unb nimmt aße 35er*
laufSanträge auf biefelbe Sesife ah. Sie shorts, bie leime »bnung ba»on haben,
bap bie Rapiere/ ju beten Stefemtng fte, ftdb berpflichten, überhaupt nicht mehr
im ÜJtarlte ftnb, arbeiten mit SeibeSfräften auf bie Saiffe, aber ber ©nbtermin
ihres ©ontrattS nabet bttan pe müffen ftch betfen, unb flehe bn, — was fte
fudben, finben fte nicht. Ober »ielmebr, fk finben eS enblidb, aber in be«
$änbfn »on Seuten, bie su ber comer-Slique gehören unb bie ihnen gattf
bortenbe greife aboerlangeu. 3ft ein “corner” gut angelegt, fo giebt eS faum
eine ©tenje für bie Operation. SaS oben erwähnte fabelhaft febtteße Steigen
ber £>arkm*a«tien war sie Söirtung eines “cornär”, ben ber woblbetannt*
aknberbilt angelegt unb an toeld&em er aus peinlicher ßiebbaberei auch bem
fjauftfömpfer «Dlotriffep einen Slntbeil gemährt batte, hierbei lam es por, bajs
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Verläufer, bie ftch oerpflichtet Ratten, hartem px 110 gu liefern, 280 bafür ju
Ratten, alforan jeber 2lftfel70 peeterem 2Ran ifchde# ben ©efammt*
teta<j,,bcn : .an bteiet* “oomer” • bie^Setföufe* *edbm,.’a«f 3 SRiilionen.’
aber bet ©min# für äSonberbitt unb ©enoffen mt benn b©$ ni^t fo grob.'
f ^nn als ©rgebniß ber Operation batten ftefaft ba$ gan$e Slttientapital ber
Harlent=93abn, bie wenig ober feine $)t»ibenben ergiebt, auf bem Hälfe, unb
wenn fte eS loSfchlagen wollen, muffen fte (Berlufte tragen, bie non jenem ©e*
wtnn nicht biel übrig (affen. 3tut bann ift ein “corner” als ein großer ©lüds*
coup ju betrachten, wenn bie S^^eil^aber beffelben ein Rapier, baS eine gute jnb
foltbe Kapitalanlage bilbet, unb welche^ fte erforberliebenfalls mit (Bottbeil be**
J halten lönnen, $u mäßigen greifen eingelegt haben.
S)ie SBXüt^e^eit ber ©olbfpeWtatidn war in ben gabren 1863 itnb 1864.
gür bie regelmäßigen Spieler war baS ©olb eine Karte, wie jebe anbere; bei ben
gelegentlichen Spetulanten gefeilten fidb politifebe Stimmungen, (ffiunfebe unb
Hoffnungen gu ben (Dtottoen. Sieferiigen, welche.ben Sieg ber fftebellion
tpünfdbten, trieben baS ©olb in bie Höbe, bie Patrioten fugten eS ju brüden.
Mein oon biefer allgemeinen (Regel gdb es UadbbeibenlRi^twtgen bin gabt*
reiche MSnabmen. 2)er (Berfudbung, aus einem ©olbboUar btittebalb Rapier*
bollarS in machen, wiberftanben SBenige, ber 93atter, bet feine flebn, fünfzig
ober bunbert 5tbaler ©olb im Strumpfe aufbemabtt batte, ebenfo wenig, wie ber
| Importeur, ber für feine Söaaren ©olb junt ©ourfe non 200 emfttirt batte unb bem
| ! ftdb bie 2luSft<ht bot, fte jum ©ourfe non 250 ab^ufe^en. gm ©ntnbe genommerf
’ ] burfte man ftdb barüber nicht wunbern, ba ber ©ongreß burdb bie (Beftimmung,
baß bie fech^P^entige 5lationalfdbulb in ©olb ner^nft werben folle, bem Streben
noch eine Steigerung beS 2ljjpS einen ftarlen gmpulS gegeben batte, gebermann,
J ber für feine 100 (Dollars Rapier, bie er ber (Regierung bargelieben batte, 6
j (Dollars ©olb ginfen erhielt, blicfte mit faum nerbebltem ffioblgefaüen auf baS
Treiben ber Spefulanten, baS ihm ohne fein gutbun biefe 6 in 15 ober 17
(Dollars nerwanbelte. $)er burdb bie gteic^geitige Steigerung beS $reifeS ber
SebenSbebürfniffe bewirfte (Berluft machte ftch, ba eine entfpredbenbe Steigerung
beS ©rwerbs baS ©Eichgewicht hielt, nur in ben befebränften Kretfen Solcher
) j fühlbar, bie auf ein fefteS ©inlomnten angewiesen waren.
2Rit bem ©intritt beS griebenS bat bie ©olbfpefulation für bie (Börfenfpie*
ler faft allen (Rei i oerloren unb ift größtenteils ber Kauf unb Verlauf beS ©ob*
i beS unter bie H^rrfchaft ber baS rechtmäßige (Börfengefdbäft beberrfchenben na*
; . türlichen ©efefce gurüdgetreten. gn faft brei (BierteUgabren ftnb bie ©ftreme
j beS ©olbcourfeS faunt um 10 (ßro$ent oon einanber entfernt gewefen, unb feine
(Bewegungen nach aufwärts ober abwärts ftnb nach, Viertel** ober halben (ßro*
Renten öor ftdb gegangen. Sludb bie Spefulation in Slltien unb Staatspapieren
ift foliber geworben, als fte wäßrenb beS Krieges war. (Daß* baS Hafarbfpiel
f an ber (Börfe jemals ganj aufbören werbe, ift miebtanpmebmen, fo lange über
• ben unftttUchen ©barafter beffelben nodb fo la?e:öorfte8unigc» befteben, wie es
je# ber gall ift. ©in ©ewinn wäre eS fdßon, wenn bie öffentliche Meinung
_ • _____ ; 1
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bafnn gelangte, e$ unbebingt in bie Aetbe berjenigen Saftet ju bettneifen,
meldje als unbetmeiblicbe gefeHf<baftli<be Uebel betrautet merben. 3n bet
©efdßicbte beS ^etü^otfer 23ßrfenlebenS rnetben bie beiben gabre \1863
unb 1864 nod? fange als eine Seit bet tiefften ©rniebrigung beS SJörfenge*
ftbüftS §um nublofeften üBörfenfdjtoirtbel genannt merben.
■ pie roo()Uttd)enk
Bon SIbo ©rad)t>og«I.
(CEmamtri ©eibel ^geeignet.)
SRacbt mar’S. $Bor mit bie iterje ftanb,
S)ie mit bie greunbin überfanbt;
S)aS 2Ba<bS, aus meinem fte gegojfen,
2Bat bont ^pmettus felbft erttfproffen.
Au<b batte Ambra btein gebannt
3)ie bolbe fönftlerif<be #anb>
Unb nie genoffner, ftembet 2)uft
3)ur<bfättigte beS 3«nmerS Suft.
5)ie SBimpem fielen. 2)aS Atom
SBermanbelte in einen 2)om
S)em 5)ämmemben baS Keine Sintmet;
3<b fab im gtauen D)tptbenf<bimmer*
AuS meiner ^bantajieen 6cba<bt
Auffteigen jene alte $rad?t,
S)abon baS @<bo feie ©ebet
Um auSgegtabne iempel mebt.
$ur<b beS ©uyinuS 33ranbung Hang'
$et Argonauten SBeibgefang,
Unb unter aller gurien glammen
S3ra<b ädjjenb $riamS 93urg gufammen;
$afät entftanb bollenbet febön
Athen mit feinen ÜUtarmorböb’n,
Sfliit feiner eb’men ©ötter §eer
Unb mit bem £immel beS #omer.
S5em Säbeln bet Saibion
®ntf<böpft ©efang Analreon,
©§ riefelte bureb SßinbarS Sieber
$erjblut aus £clbenbrüften nieber,
m
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143
Unb mdbrenb Sopbofleä ber [Radbt
S)c§ OebipuS nodb 2i<bt entfacht,
[Raubt 21efdbplu§ gum gmeiten 5Ral
S)en S3ti$ für be3 $ßrometbeu$ dual.
Staub wirbelt auf. 2)er 3>i§fu3 fliegt,
Sieb, Wie ft<b jener Jüngling biegt!
@3 füfct SBoUenbung biefe ©lieber,
SBie er |i<b lacbelnb neigt bernieber.
Söeldb eine gorm! 3ft e3 ein ©ott ?
S)odb übermütiger, beUer Spott
. UmfcbaUt ben gragenben im ©bor, —
3)enn ein noch Sdbön’rer trittberbor.
Staub wirbelt auf. sp^UippuS nabt;
SReineib fein SBort, gludb feine —
SBo, Jupiter, fmb beine Sölifce ?
2t<b, bon Sltbenen^ [Rebnerftfce
ffiie ©ötter^ocbeln baßte e§,
3m Bonner be3 $)emoftbene3
SerbaUte es, auffdßaumt ba£ 2Reer,
Unb ber Olpmp ftürgt brüber ber.
So lagft bu, febimmernb ©ried&enlanb,
©efd&leift in ©bdrondai Sanb,
2)ie Trägerin ber SdbönbeitSflamme,
2)er URenfcbbeit unb ber greibeit Slmme!
Unb noch aus beinern Schutte wanb
2) e3 äBelterqbrer [Römern §anb
gür feiner Stirne erg’nen ©lang
S)er ©ragie weichen [Rofenfrang. ?
2>o<b bu bliebft tobt. 2Ba3 foUte bir
_ ©rborgten Sebenä glittergier ?
S)em «gerrlidben ift nur gegeben
SBoUfommnei; £ob, boUfommneS Seben.
2lu3 beiner URarmortrümmer Sdboofi
SRingt buntel ft<b ber Sorbeer lo3.
3) er ift gum ©rabftein bir gefteUt,
Unb opfemb liegt an ibm bte SGBelt.
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$as verlorene JlaraMcs.
©ott <5. Sfibeftttg.
2)ie biblifche Sage bon einem glüdlichen Urguftanbe be« erften SDlenfd^en«
paare« finbet befonber« in ber perftfehen tmb gried^ifd&en ihre'entfpre«
chenbe Sorau«fepung unb parallele. 2)a« „golbene geUalter" bir ©riechen
verlebten bie erften ÜUtenfchen unter ber $errfdjaft be« ürono« in ungetrübtem
Seben«genufe, frei bon ben Sorgen ber -Wahrung, ben Sefchmerben ber Arbeit
unb ber Siirbe be« Alter«. „Unb fte lebten tote ©ötter, mit ftet« unfcrfjfamer
Seele. Son wirbelten entfernt unb Sefümmernife. Selber be« Alter« Seiben
mar nicht; nein, immer ft<h gleich an $äitben unb güfeen, freuten fte ftch ber
©elage, bon jebem Uebel entäufeert. [Heid? an beerben ber glur unb geliebt
bon ben feligen ©ßttern. Unb mie im Schlaf binfinlenb, berfchieben fte." 2)a«
golbene 3*itatter, ba« £eftob in biefen SBorten beftngt, entfpricht bem f. g. „er*
ften Spalter" beg perftfehen Abefta, ber guten alten 3eit, ba Skater Cr*
mugb noch allein auf ©rben regierte, unb bie erften 9Wenf<hen an ber $anb be«
guten Sichtgotte« bie blumigen Sßfabe ber Sorgloftgfeit unb be« gtieben« man*
beiten, ©in Regiment gleich bem be« alten Saturnu«, „fehltet unb gerecht.«.
2)a mar e« heute mie morgen. S)a lebten bie Ritten, ein harmlo« ©efchlecfet,
unb brauchten für gar nicht« gu forgen. Sie liebten unb thaten meiter nicht«
mehr. $ie ©rbe gab Alle« freimütig her.''
Sie jübifche $arabiefe«fage bilbet nur eine Setfton ber älteren perftfehen,
bie fo eben berührt mujbe. Sie guben lernten biefelbe im fech«ten gahrfeunbert
b. ©hr. Mhrenb ihre« Aufenthalte« im f. g. babplonifchen ©$ile lennen unb
nahmen biefelbe fammt ber Sehre bom „Teufel" (Ahriman) au« bem Serft«mu«
herüber. ghr gufolge pflangte „gehobafe ©lohint" einen ©arten in ©ben gegen
DWorgen unb fepte ben ÜWenfchen baretn, ben er gemacht hatte. Unb liefe auf«
machfen au« ber ©rbe allerlei Säume, luftig ait 3 ufehen unb gut gu effen, ben
Saum be« Seben« mitten im ©arten unb ben Saum ber ©vfemttnife/ Unb
fprach gum Stenfchen! „Su follft effen bon allen Säumen be« ©arten«, aber
bom Saum ber ©rfenntnife follft bu nicht effen. Senn melcfee« Sage« bu babon
iffeft, mirft bu be« Sobe« fterben." Unb bie Schlange („Ahriman") mar lifti*
ger, al« alle Shiere auf bem gelbe, unb fprach gum Sßeibe: „ghr merbet mit
nichten be« Sobe« fterben, fonbern, melche« Sage« ghr babon effet, merben ©ure
Augen aufgehen unb merbet fein mie „©lofeün", unb mijfen, ma« gut uub bofe
ift." Unb ba^ 2Beib nahm bon ber gru#t unb afe, unb gab ihrem ÜDtanne ba«
bon unb er afe. Sa mürben ihre Augen aufgetfean unb mürben gempfer, bafe fte
naeft maren, unb fochten geigenblätter jufammen unb machten ft<h Schürgen.
Unb fte horten bie Stimme „gehobah«", ber im ©arten ging, ba ber Sag fühl
gemorben mar. Unb fte berbargen ftd). unter ben Säumen. Sa fprach „ge*
hobah" gur Schlange : „Serflucht feift bu bor allem Sieh, auf bem Sauche
follft bu gehen unb ©rbe freffen bein Sebenlang ! geinbfehaft foU fein gmifchen
bir unb bem ÜJienfchen, berfelhe foU bir ben ßopf gertreten nnb bu mirft ihn in
r*ei
m
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bie gerfe ftechen." Unb gum SBeibe fprach er: „Sttit Schmergen foUft bu ge* •
baren" ! Unb 311 „bern ÜDlenfchen" fprach er: „Sftit Kummer fodft bu bi<h nah*
ten auf,beinen Släer, im Schweifte beineS SlngeftchteS bein 33rob effen ! $u
bift ©rbe unb follft gu ©rbe werben"! Unb „3ehobah" machte „bern SJtenfchen"
unb feinem SBeibe Stöcfe bon gellen unb 30 g fte ihnen an unb fprach: „Siehe,
ber Sltenfch ift geworben wie unfer ©iner, unb weift, was gut unb böfe ift."
Unb trieb ihn aus bern ©arten ©ben, baft er baS gelb bauete, bon bern er ge*
ntmmen ift.
2 )er finbifdpe ©nfall, ber ben thöridjten ÜJtenfchen unter ber Mühe unb
Stoth beS SebenS wohl überlommen mag, wie fchön boch ein Seben ohne £ob,
ein Sllter ohne Krantheit, eine ©eburt ohne Schmerg, ein ©enuft ohne Slrbeit,
ein gtiebe ohne Kampf, ein ©lüä ohne Sorgen fein muffe, hat bern KinbeSalter
ber SJtenfchhcit bie Sage biltirt, baft einft wirtlich foldfte parabiefifd^e guftdnbe,
foldhe golbene Seiten bagewefen, bie unwieberbringlich berloren feien. £rage
Stube, langet Seben unb ftnnlichet ©enuft ftnb noch heute bern Staturmenfchen
bie haften ©uter; was bagegen unb was barüber geht, ift für ihn bom Uebel.
©r beneibet baS Ztytx „beS } gelbem", weil eS Weber bie Slrbeit unb ben Kampf
mit ber Statur, noch bie Sorge um Stabrung, Reibung unb Sßoftnung fennt,
unb überbieS Weber bon ben Schmergen ber Krantfteit, noch ben Schrecfen beS
SobeS, noch ben Söehen ber ©eburt berührt wirb, ©r flucht ber ©bilifation,
bie ihn au S feinem tragen behagen aufrüttelt unb ihn gum Kampfe um feine
©yifteng unter berdnberten unb fchwierigeren ©ebingungen aufruft, er ber*
wünfeht eine ©ultur, bie baS ParabieS ber weiten Qagbgrünbe hinter ihm
fcblieftt, unb ihm ben tleinen Sltfer guweift, bamit er im Schweifte feines Singe*
fichts fein £3rob baue.
Obgleich bie ParabiefeSfage bie „©rtenntnift" feiert, inbem fte bon ber
©iferfucht „^ehobahV' auf ben SJtenfchen rebet, ber nun „geworben wie .unfer
©iner, p wiffen, was gut unb bofe ift", berwünfdjt fte biefelbe boch, als gu
theuer erlauft, unb branbmarlt fte, bie ben ©öttern gleich macht, in bemfelben
Sltbemguge als „berbotene grucht". Sebhaft erinnert bie ©ferfucht, mit ber
„Sehobah ©lohim" ben Menfchen gur ©rlenntnift reifen fleht, an bie Stäche beS
griechifchen 3euS, ba Prometheus baS geuer bom $tmmel ftiehlt, um eS ben
Menfcben mifgutheilen unb fte bie fünfte p lehren, bie baS Seben ber Sterb*
liehen göttergleich machen. Sluch ftnbet ber ParabiefeSapfel, ber gleiftenbe, mit
bem unheilbollen Inhalt, ben baS SB eib bern „üStenfchen" reicht, eine Parallele
in ber berführerifchen ©abe ber P a n b 0 r a, bie; bon ben auf bie Mengen eifer*
füchtigen ©öttern mit allen Steifen auSgeftattet wirb, um fte gur Sinnahme eines
©efchenteS gu bewegen, welches baS gange, bisher nicht gebannte §eer ber Stoth
• unb Krantfteit, beS Jammers unb ber Schmergen einfchlieftt.
Offenbar entfpringen alle biefe Sagen bern erften KinbeSalter beS Men*
fd?en, als er bon ber fo mühfarn errungenen, nieberften Stufe beS Kulturlebens
noch fehnfüchtigen SlugeS in ben Sftierparl gurücfbliäte, ben er, bon ber duftem
Stoth gefpornt, eben erft burchbrochen hatte. Sie ftantmen auS einer Seit, ba
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„bie ©rfenntnife" beS 2ftenf<hen bereite wett genug gebieten war, um ben Meib
ber „©otter" wach gu rufen, nicht aber, um feine Bhantafie bor einem Müdfalle
in bie „golbene" 2>t\t ber Beftialitdt gu bemalen, bon ber er fich eben erft los*
gerungen. 2)ie Slrbeit am eigenen Mder, gu ber bie 3^itur ben Blenfchen rief,
um ihn als höhere Orbnung umgugeftalten unb fo ber nieberen Stufe beS £f>ier*
lebenS gu entreißen, erfdfeien ber Sftyantafte, wenn fte auf ihren 2luSf(ügen in
„baS berlorene SßarabieS? baS $hier gewahrte, baS ftch nicht „mit Kummer auf
feinem Slder nähren" mufe, ctlS ein heillofer gtuch für bie Btenfchheit. $>te
Sorge für Bebedung unb Reibung, welche bie Matur bem gum Btenfchen tranS*
formirten Spiere als Schuft gegen feine flimatifefee Umgebung auferlegte, wdh*
renb baS £hier biefer Sorge überhobeu ift, erfchien fo überaus brüdenb, bafe fie
nur bie leibige 3?olge beS mit ber „Sünbe" ermatten Schamgefühls fein
tonnte —, wdhtenb hoch unb (Erfahrung gur ©enüge geilen, bafe baS
©cfühl ber Scham bor ©ntblöfeung erft burd) bie Sitte, bie ©ewohnheit ber
Befleibung, ber BerhüUung erwedt unb burdfe bie Begleichung beS fthmeichel*
haften ©egenfafteS auSgebilbet würbe, in bem ber b e!le i b e t e Mturmenfch
gum unbelleibeten SBilbenftebt, ber höchftenS feine Bl öfeen bedt. $er
ßampf beS 9Jlenfchen mit ber Matur, bie fiegreicbe Unterwerfung nnb 2)ienftbar*
ntachung ihrer wiberfpenftigen Ürafte galt bem tragen, frieblichen Maturmenfd;en,
wieberum weil baS „glüdliche" £hier babon Nichts weife, als heillofe Unter*»
brechung einer allgemeinen «Harmonie, bie ebebem im Barabiefe, im golbenen
Zeitalter gewaltet haben mufete. $ie Schmergen, unter benen ber SMenfch gu*
folge feiner natürlichen höheren Organifation gum Sehen geboren wirb, erfchicncn <
ihm als berwünfehte Abweichung bon einer urfprünglichen belferen ©inrid)tung,
lurg Dilles, waS ihm in ber Matur als fhablid?, bdfelich/ feinblich gegenübertrat,
mufete, wie bie Sdjlange, bie auf bem Bauche frieren unb < Staub freffen niufe,
ihr Sehen lang als berfluchte 2)tifegeftalt gelten, bie ben BarabiefeSgarten noch
nicht berungierte. S)afe bie Matur, als fte in ber $f(angen* unb SLbiermelt bie Meihe
ihrer ©rfebeinungen nach bem ©efefte ber Mothwenbigfett entwidelte, ben 9Men*
fchen, ber bamalS noch nicht ejiftirte, nicht um feine Stimmung befragen
lonnte, bafe bie Singe überhaupt nicht um beS Mtenfchen, fonbern ihrer felbft
willen eyiftiren, unb feines an feiner Berechtigung etwas baburch berliert, bafe
eS bem 9Menf<hen gufdllig feinblich, berberblich, häfelich ift/ bieS Alles uiufete ber
Bhantafie beSÄinbeS fern bleiben, welches Alles nur um feinctwillen „gemacht"
fich borftellte.
So fommt es benn, bah nw bie religiöfe Sage Uebel unb Unheil, gluch
unb Berberben in ben ©rfd&einungen ber Matur unb ©rtltur beflagt, bie ©e^
fd)i<hte Bernunft unb Segen, 3ufammenhang unb Drbnung nachweift, bafe,
was jene als gall, als Berluft betrauert, h^r als Sieg unb ©ewinn begrüfet
.wirb, unb bafe berfelbe 3uftanb, ber bort als „ein golbener" gefeiert wirb, ben
man wiebergewinnen müffe, hier im Sichte ber Gultur als ein fehr gegenteilig
ger erfcheint, gu beffen Ueberwinbung man ber Mtenfchheit gratuliren mufe.
SaS ©nbe beS BarabiefeS mar baS ©nbe beS MaturguftanbeS ber üDtenfcftheit
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unb ber Anfang ber Kulütrentwidfelung. $er Sertuft bcr f.g. parabieftfchen
Unfd&ttlb mar ber ©emhtn ber menfchlichen Freiheit bon ber $errf<haft beS bunf*
ten 3nfttn!teS, baS Srcchen oom oerbotnen Saunte ber (Erfenntnifc — ber erfte
2lft eines felbftbemufjten §anbeln3. (Einmal gunt Selbflbemujjtfein oorgebrun*
gen, hatte ber 97tenf<h baS ©ängelbanb beS SnftinlteS, an bem eine mütterliche
ERatur ihn btS bahin geleitet, gerriffen; baS SßarabieS beS thierifchen 3uftanbeS
war hinter ihnt gefchloffen; bie Statur felbft wehrte ihm mit bem gangen $eere
ihrer feinblichen Kräfte bie [Rücffehr, rief ihn gunt Kampfe beraub, um bie-firdfte
ihres ilinbeS gu entwidfelh, lehrte ihn, bur<h Krfenntnifj ihrer Kräfte unb (Er*
fdjeinungen ihrer Saunen ftch gu erwehren, burdh Sernunft ihr Ungeftüm gu
bänbigen *—> um fo in bem münbig geworbenen Sohne fleh ben $errn unb
(Sebieter ihres Haushaltes gu ergiehen, unb in bem benlenben Sftenfdben ftch
einen Spiegel ihres eignen SßefenS, einen SluSbruc! ihres eignen Kentens gu
Waffen. — ; •
SBenn bie Söiffenfdhaft, bon fofeher Slnfchauung auSgehenb, in ber ©c*
fdhichtc ber 2ftenf(htMt eine fortf<breitenbe Kntwicflung, einen organifchen 3u*
fammenhabg, eine bom fieberen jum Roheren äuffteigenbe Stufenreihe nach*
weifen !ann, unb bon einem (Erbteile ber (Eultur, einer forterbenben (Eultur
rebet, bie mit bem Scrlufte beS SarabiefeS angehoben, behauptet bie ßirche int
biametralen ©egenfape eine gunehmenbe Serfchlechterung, ein fortfchreitenbeS
Serberbnifc ber 2Jtenfchheit, welchem bur<h geitmeilige (Eingriffe einer höheren
ÜSHllfär nicht mehr als gefteuert Werken tonnte. $ie forterbenbe Kultur wirb
bon ber ßirche als (Erbfünbe. berworfen, uttb mährenb bie 2Biffenf<haft nach*
Weift, ba|j nur burd) bie (Eultur ber Sernunft bie Stenfchheit im ©angen unb
(Eingelnen befferen, ^tödlicheren 3uftänben entgegengeführt wirb, berflucht bie
Kirche bie (Erlenntnifc als Stutter alles Unheils unb führt, getreu ber biblifchen
Sage, bie „Uebel ber (Erbe" im Mgemeinen unb befonberS bie Kalamitäten beS
SageS: $rieg, Seft, $ungerSnoth unb begleichen „9IccibentS", auf bie „um
ftch greifenbe Hufflärung", ben überhanbnehmenben Unglauben, als „höhere
Strafen" gurüd. freilich. Wenn fchon bie „©ötter" geterten: „Siehe, ber
9Renfch ift geworben ♦wie uttfer (Einer unb weijt WaS gut urib boS ift," wenn
fchon fxe babor bangte, ber 2Renf<h werbe ihnen über ben Äopf warfen, fo ift
eS ben Wienern, ben Seamten biefer „©ötter" nicht gu berargen, wenn fie bem
Saume ber (Erfenntnijj fluten, ber „llug macht wie fte felbft ftnb, unb ben
SaumbeS SebenSgenuffeS preifen, ber buntm erhalt, unterthäbig. 3hren ©ot^
tem nach, eifern bie Sriefter ftets für niebere (Eulturguftänbe, bie Vergangen
ober im Vergehen begriffen ftnb; fte pflangen ben Saum ber Krfenntnifj unb
wehren bem „3Jtenfchen" feinen ©enup, fte hegen ben Saum ber Kultur für:
ftch unb taffen bem „Stcnfdpen" baS bewunbernbe Slnfchauen feiner gldngeftbett
grüchte, fte fotbern ©ehorfam unb fegnen ben golgfamett, fte unterbrüden bie *
Sernuttft unb fluchen bem freien. $ie Kirche ift baS SaräbieS. „ßein #eit
anper ber $ir<he"l
Stlbet fo bie ^tirabiefeSfage ben ©runbteyt gur Dtomantif ber Kirche, fo
giebt fle jugleüh auch bett ©runbton aller Vomanti! an, beten SBefeti barm be*
fteht, haft fie ihre Q\dt unb 3u>ede, ÜWufter unb Sbeale nicht na# ben ©e*
fefeen bet ©rfenntnift aul bet ©egenwart aufbaut, fonbern na# ben ©ngebun*
gen bei ©eniüthl bet Vergangenheit entlehnt. 2)et religiöfe Vomantifer,
wel#er einfa# ben 2Jtenf#en ben [Rath ertheilt, wiebet jut ßinbheit jurüdju*
tebren, um [Nahrung unb Reibung fi# nicht $u tümmern, ba ja au# bie
„Vögel unter bem Fimmel" ni#t atbeiten, unb bie „Sitten bei gelbel" ni#t
fpinnen, unb benno# genährt unb betleibet werben, bet fociale Vomantifer, bet
ben SBilben jegli#er Kultur all gbeal gegenüberftellt, ju bem bie 2Jtenf#heit
jurüdtehren müjfc, bet einfach anräth, bal $inb bem ©influjfe aller unb jeher ©ultur
ju entreißen unb in bie ßinöbe bei SBalbel bet erjiehenben §anb bet Statut §u*
rüdjugeben, bet poKtif#e [Romantifer, bet, na#beni bet Sturm einet „weiter*
f#üttemben" ßrifil bie'©runboeften bei alten Staatlgebäubel umgeftürjt unb
bal Sölatt bei alten ©runbgefebel betweht hat, — all ob Vichtl borgefallen
Ware, — bie [Reftauration bei Sitten (“as it was”) ju feinem tyhxk macht,
bet Vomantifer bet Sunft, bet bal Veraltete wtebet auffcifcht, bal $obte mit
bet garbe bei Sebenl f#müdt, bet in bem ©ben biefet ober jener „tlaffif#en"
Vergangenheit feine §eimath hat, wie bet [Romantifer *bel phtttfaafw Sebenl,
bet bal Stedenpferb einet altfränfif#en Sitte reitet, welchel bie Kultur einet
Jüngeren (Generation in ben SCBinlel gefteltt hat, fie Sille ftnb nur Variationen
bei alten Siebei bom berlorenen [ßarabiefe. Slbgeftoften bon bem „nüchternen",
beftrultiben, unprattif#en, ober „ungemütlichen" mobernen ©eifte, flüchtet bet
Vomantifer in bie [Regionen bet Vergangenheit, in welchen feine [ßhantafie be*
liebig f#alten unb fein ©emütb befchautt# weilen barf. Sin fich bem ©eifte bet
©egenwart nicht feinb, bet borwdrt! treibt, wirb bet SRomantiter erft bann
realtiondr, wenn bie ©egenfäfce fich Karen unb bet offene ©onflilt ihn jur ©nt*
f#eibung jwingf. ©iferfu#t unb gur#t ergreifen ihn, einem ©eifte gegenüber,
bet nach 2fta#t unb §errf<haft ftrebt; er fühlt, bah er mit biefem, ber eine neue
SBelt in feinem $opfe trägt, nicht in grieben jufammen wohnen fann, unb
fraft bei Vechtl, bal ihm burch Uebermacht unb Ueberjahl oerliehen ift, ftöftt '
er ben ungefügigen Sohn ber neuen 3*it hwaul unb wehrt ihm mit bem
„Schwerte" bie Vüdfehr jur alten Herrlichkeit, liefern aber wirb bet Verluft
©ewinn, ber gluch, mit bem ihn bie alte ©ultut pon fich abgeftoften, wanbeit
fich jum Segen. Sßenn auch im Schweifte feinel 3lngefi<htl,»baut et auf bem
felbfterwdhlten, neuen Voben ben ©arten einer neuen, felbftftdnbigen ©ultut,
genieftt bie grüchte einet felbfterrungenen ©rlenntnift, unb wdhrenb feine $fton*
jung wdchft unb in bie unabfebbare SBeite bet Sulunft entgegen reift, fchlieftt
fich bal [ßarabie! ber alten ©ultur in ben feftgeftellten ©renjen ab unb erftarrt
in ben oererbten gönnen bet Vergangenheit.
So wirb bie ©ntwidelung ber menf#li#en ©ultur mit ihren oerf#iebenen
Orbnungen unb Stufen, bereu bie ©efchichte erwähnt, ein treuel ^Ibbilb bet
©ntwidelung bei organifcben Sebenl mit feinen Orbnungen unb Stufen, wie
fie bie 3taturgef#i#te in $flan§en* unb Sh^welt aufjdhlt. Hier, wie bort,
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baut ftdh bte f. g. neue, Ootlenbetere Orbnung bic höhere Stufe aus ber oorauf*
gebenben, alteren, unooMommneren, nieberen auf, unb obgleich bte eine in ber
anbent ihre borauSfepung, ihren 2luSgang bat, fteben beibe boeb, in fdheinbar
unoermitteltem ©eaenfafce, einanoer frentb gegenüber. 2lber audb nur fdheitt*
bar, ba hier, toie bort bie ÜÜtittelglie^er, toeldhe todbrenb ber ©nttoitfelung felbft
bie leifeften Uebergäng$ oon borauSfepung unb fjolge beseitigten, ausgefallen
finb, unb bie ©efebiebte baS SBadhStbum beS Raumes ber Kultur ebenfo toie
ber organifdhen Sftatur nur nadb beit großen SabreScingeu beftimmt, bie ba*
3 tütf<ben liegenben 3eden aber, toeldhe fte beroortrieben, nicht oerjeiebnet bat.
üEBie in ber ©nttoitielung ber organifdhen Statur bie alte betrftijenbe „Dehnung"
bie oor ibr auS^egangene abtoeidhenbe 2lbart feinblid) Oon fub fttejj, unb $au*
fenbe ber filteren ju ©runbe gingen ehe es ©iner gelang, als „neue Orimung" 4
umgeftaltet, ftdh ftegreidh ju behaupten, fo beseitiget ber Uebergang oon einer
^ulturorbnung jur anbern eine ßette ttamenlofer ÜDtittelSperfonen, bie enttoeber
als 2lpoftaten auf halbem SBege umfebrten, ober als ddärtprer ber ©iferfudht
unb gurdht ber.berrf<benben Orbnung jum Opfer fielen, ober als Pioniere auf
bem toeiten 2Bege na<b bem bunllen 3iele einer neuen Kultur su ©runbe gingen,
bis eS enblidh ber immer ftdrter unb entfdhiebener auftretenben Sfctoegung ge*
lang, bie alte Orbnung ju burdjbrechen unb ihre ©leidhberedhtigung ftegreidh su
behaupten*
y '
£ttt JJcutfdjcn in Amerika.
bött gfrieferid) 2e*ou>, '
©rfter 2irtifeL
SGßaS baS Seben in 2lmerifd fo anjiebenb^madht, toaS ibm ben eigetttbüm*
lidhen 3auber oerleibt, melier ben $enfenben untoiberfteblidh feffelt unb, falls
er ju ben ©ingetoanberten gehört, baS ©efübl beS «geimtoebS feiten in ihm auf*
tommen labt, — baS ift bie ©rofiartigfeit ber ©nttoidflung, bie dftannigfaltigfeit
ber ©rfdbeinungen, toeldhe $ag für £ag ftdh ber Beachtung aufbrdngen. ©S be*
burfte nidht einer gigantifdhen ßriftS, nidht ber betoaffnung oon dMionen, nidht
ber ^unberte oon Sdhladhten, um es einleudhfenb su madhen, baf$ 2lmeri!a ein
grobes 2anb ift. 2ludh unter getoöbnlidhen berbdltniffen übertrifft baS, toaS baS
taglidje geben ber bereinigten Staaten an ^ntereffantem unb ^mpofantem ge*
biert, 2llleS, toaS bie tübnfte bbantafte ftdh oorjujaubern im Stanbe toare.
^Drüben ftebt man alterSfdhtoadhe Staaten oergeben, hier ruft faft jebeS Qafyr ein
neues, traftigeS ©emeintoefen, toeldhem oielleicht in ber ©efdbidbte bet>3u!unft
bie toidhtigfte bolle oorbebalten ift, aus bem bidhtS beroor. 2Bie bie bilbet eines
S)ioramaS {eben mir bie oerfdhiebenen Stabien ber gefellfdhaftlidhen ©ntfaltung
in turjer 3eit — oon ben erften 2lnfdngen bis sunt oollfommen auSgebilbeten
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ftaatlidjen Drgantdmud — an und borübergtehen, unb bergegenmärtigen und
habet, t>a|3 bieferSßrogefj anberdmo Qahrhunberte beanfprucbte. Unter ben Staaten
her Union bat noch feiner ald ^otc^er fein hunbertjdhriged ©eburtdfeft feiern
fönnen, einige gahlen ihr Sitter noch ni<bt nach Secennien, unb botb befinbet ftcb
unter ihnen feiner, melcber in feinen Seiftungen unb feiner Sebeutung für bad
Slllgemeinmobl ben SBergleüb mit einem europäifcben Staate bon gebnfgcber S3e*
böllerungdgahl gu (ebenen batte, mäbrenb fte in ihrer SSerbinbung eine ©efammfc
beitbilben, mit ber fub eben Sticbtd vergleichen lä&t. Stetten mir und bie
betriebenen Elemente ber 33ebölferung bor, fo finben mir bie Urbemohuer
bed Sanbed, melcbe Stritt für Stritt, «lämpfenb bid gum lebten 2Jtann, bor
ber ©bilifation gurücfmeicben, mit ber fte fleh nicht befreunben fInnen unb bon
ber fte bemühtet merben. SBir mögen ihr tragifdjed Stbidfal betlagen, aber
helfen fönnen mir ihnen nicht, meil fte ftd? nicht helfen taffen motten. 2Ber nicht
bem gortfebritt bulbigt, mer nicht im Scbmeifie feined Slngeftcbtd gur allgemeinen
Söeglüdung beitragen mill, ift unrettbar bem Untergang gemeibt, unb fein ©ott
fönnte bad SSerbangnifj bon ihm abmenben. SBir erblicfen ferner eine tttace,
melcbe nicht freimillig hierher fam, fonbern ald graebtgut in Schiffe berpadt,
über bad ttfteer gefcbleppt unb bid bor Burgern in betten unb 33anben gehalten
mürbe, gür bad biefem ©ement gugefügte Unrecht haben bie Scbulbigen febmer
büfjen müffen. 2)ie Seiten ftnb gerbroeben, ber Sflabe ift gum freien SJtenfcben
gemorben, aberbamit noch feinedmegd bad natürliche SSerbältnifj bergeftellt. 2)ie
^Befreiten gahlen nach SJtittionen, fte taffen fub nicht ignoriren, fte forbern ihr bolled,
ganged Siecht ald ©ngebome biefed Sanbed, unb man mirb ed ihnen gemabren
müffen. Slber mie biel merben mir noch erleben, mie biel tämpfen unb bietteicht
leiben müffen, bebor bad eingemurgelte SSorurtheil febminbet unb Sliemanb mehr
aH bie Hautfarbe 2)effen b&tt, mit bem er gu thun hat! So gemift bad Starre
unb gaule gu ©runbe geht, fo gemifi mirb bad felbftbemu&t tätige ftcb (Mtung
berfebaffen unb jtüher ober fpater bie Stellung einnehmen, auf melcbe ed fraft
feined SBertbed gerechten Slnfprucb hat. Slmerita ift beftimmt, ber ©bilifation
in ben Sifrifanetn ein neued ©erneut guguführen; bad ift bie Sühne, melcbe ber
©eniud ber ttftenfebbeit ihm für bad begangene Unrecht auferlegt, unb ber
SBottgug biefed Scbidfaldfprucbd bilbet nicht ben am menigften intereffanten Xheit
beffen, mad fub hier bor unfern Slugen entmicfelt. — Sin ber*$üfte bed Stillen
üttteered fehen mir ein neued, frembartig:d Element erfebeinen. 3>ie Singehörigen
einer alten, abgelebten ©bilifation, bie untergeht meil fte ftcb felbft gum emigen
Stittftanb berurtheilte, nahen ftcb bort febüebtern ber aufblübenben ©efittung, bie
fie noch nicht begreifen, beren Segnungen fte aber ahnen. Sie fühlen ftcb in
ber neuen Umgebung fo fremb, bafj fte noch nicht einmal ben ©ebanfen ertrag*
lieb finben, ihre lobten in bem fremben S3oben ruhen gu (affen, unb bad SUiifi*
trauen, melcbed fte ben raftlod SSormdrtdftrebenben gollen, mirb ihnen bon biefen
reichlich gurüägegablt. 2öer bermag gu ermeffen, melcbe Stolle im Saufe ber Seit
bie mongolifebe Siace hier fpielen mirb, melcbe Slufgabe ihr beftimmt ift, mie fte
auf bie ©eftaltung bed hieftgen Sehend einmirfen, melcbe folgen ihr ßrfebeinen
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an unfercn ©eftaben für baS fpdtere Verbaltnifc gwetet Sßeltiberle gu einanbcr
na« ft« gieben wirb ? — Unb enbli« feigen koir no« tief im Ämtern beS San*
beS ein Vötf«en bon ganatifern ft« geftalten — bie ÜUtormonen, wel«e wahr*
f«eiitli« na« unb na« unbemerft im gewaltigen Strom fre«eitli«er Gut*
widelung untergeben, biellei«t aber au« no« gu ernfien Störungen Slnlafs
geben werben,
Slber bie groftartigfte unb intereffantefte Grf«einung bon allen bietet ft«
uns wenn wir ben Ölicf auf bem berweilen laffen, was uns am nd«ften liegt
uno am unmittelbarften berührt. uns felbft wohl immer bie Vebeutung
hoffen gegenwärtig, waS wir tägli« ber uns feben ? SHtnbmanbem wir bie
'Straften unferer §afenftäbte, fo ftoften wir faft gu jeber Stunbe auf S«aaren
bcu Stawanberern, wel«e eben erftgelanbet ftnb, unbbenen ft« hier eine neue
SBelt, ein neues Safein eröffnet. Ser Slnblid ift ein fo gewöbnli«er, baft wir
ihn faum nc« bea«ten, unb bo« ift er Wohl ber Sca«tung wer«. So wie
je^t, gebt eS feit einem gabvbunbert unb barüber hinaus, unb fo wirb eS bur«
fernere Sabvbunberte geben. GS ift eine Vroceffton, bie allerbingS einen Sin*
fang batte, für bie ft« aber fein Gnbe benfen läftt, eine glu«, SBette auf SBeHe,
SQßoge auf SBoge, halb ftärfer, balb f«wd«er, aber ruhe* unb f«rantenlbS wie
baS unenbli«e üUteer. GS ift eine Völferwanberung, ni«t berbeerenb unb ber*
wüftenb wie bie, wel«e einft über Guropa babin braufte, fonbern bauenb, be*
lebenb, unermüblt« f«affenb. Senfen wir an baS, WaS bie erften Spi&en
biefer Sßrccefjfon .hier antrafen, wie fte ba, wo jefet SSBeltftdbte fteben, bem Ur*
walb ben $lafc für «re $ütte abgewinnen muftten, wie bie 9ia«fommenben
ft« weiter unb weiter wälgten, wie fte fdmpften, wie fte rangen, wie fte arbei*
toten, um ft« felbft bie Gyifteng gu ft«ern unb immer neuen Slnfömmlingen bie
SEege gu bahnen. Unb fo gebt eS fort, Sag für Sag, weiter unb weiter.
SBeftwärtS, weftwdrts gebt ber 3ug ber 27tenf«beit, getrieben bur« einen
Snftmft, bur« einen ifrang, fo. unfehlbar unb unwiberftebli«, wie ber beS
SuguogelS. So grünben bie Söhne ber alten Sßelt hier eine neue, unb'
no« immer ift eS nur ber Anfang, no« wohnen ba erft breiftig Millionen, wo
einft #unberte bon üUtillionen ihr SBefen treiben unb weitere na« ft« giebett
werben.
Vergegenwärtigen wir uns für einen Slugenblidt bie Vebeutung biefer
2Jtenf«enwogen. SüleS, was hier ber gleiß gef«affen, ift bur« Slnfömmlinge
aus Europa ober «re bireften Sla«fommen berborgebra«t, unb alle #offnun*
gen ber bie* SBeilenben beruhen barauf, baft bie Ginwanberung ni«t ab*, fon*
bern eher no« gunimmt. Grgcbt ber Slmeriraner ft« in Spefulationen über
bie glorrei«e 3^funft feines VaterlanbeS, über ben hoben Veruf feiner Nation,
fo ntüfete er mabnftnnig fein, wenn er ft« einbilbete, baft bas, was ihm bor*
f«webt, ohne bie £ülfe beS unüntevbro«enen 3“tMeS aus Guropa gur SBabr*
beit werben fönnte. SaS ameritanif«c Voll ift ein £inb ber 2Jienf«beit, auf
baS, was «m aus ben übrigen Stfelt«eilen an fräftigen Sinnen unb bellen
ßöpfen guftrömt, ift es für lange 3eit angewiefen, unb barum gehört baS Ser*
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ritorium b*r bereinigten ©tönten feinem beftimmten Stamme, barum batf ftdb
hier deiner, ber fein £ 00 $ mit bem Amerifa’S verbtnben miß, fremb füblen,
barum ift 3 *ber, welcher am großen SBerfe mit arbeitet, hier vollberechtigt
$aS ©ebiet ber Union gehört nicht ben Angelfachfen, fonbern bem groben
bolfe, meldheS fuh aus ben Angehörigen aller hier vertretenen bacen unb bol*
fetfcbaften bilDct.
tiefer Wahrheit müffen namentlich mir 2 )eutf<hen eingebenl fein. 3 u
bem, maS ift, haben mir unfern $heil reblich beigetragen, unb bem, maS fein
mirb, merben mir ebenfo menig fremb bleiben, ©eit bem UnabhängigfeitS*
friege hat hier leine politifd&e unb feine materielle dntmicfelung ftattgefunben,
bei ber fidb nicht ber Ginflufc unb bie thätige üDlitroirfung ber 2 )eutf<hen flar er*
fennen liebe. 5)aS angelfächftfche dlement hatte ben borfprung unb ift noch
jefct geneigt, hier alles Anbere als fremb flu betrachten, bor vier fahren
mochte bieS noch einigermaben entfchulbbar fein. 2Jtit einigem A n f <b e i n von
beredjtigung, menn auch feineSmegS mit Aecht, fonnte man uns fagen : „3hr
©ohne eines gefnechteten bolfeS empfangt hier bie Segnungen einer Freiheit
als ©efchenf, melche nicht du er Aterf ift." 3 $Jt aber ift ein folcher bormurf
nicht mehr guldfftg. 2 >ie neugeborene, neu im blut ber gelben getaufte grei*
heit ift unfer SBerf nicht minber als baS ber Angeifachfcn. A3aS mir hier ge*
niefcen, baS haben mir verbient, baS blut unferer gelben hat
uns bieS 2anb §ur £eimath erfauft. 2ßir fmb in Amerifa feine
gremblinge, beanfprudhen, inbem mir uns ben dingeborenen völlig gleich ftellen,
nur baS, maS uns jufommt, unb ftnb Aiemanbem S)anl fchulbig. Unfere di*
genheit, unfere Snbivibualität unb Sitte hat hier ganj biefelbe berechtigung
mie bie aller Anbern, unb fragt eS ftdb, maS mir ablegen ober maS mir von
Anbern uns aneignen foUen, fo haben mir babei einfach ju berücfftchtigen, roaS
einetfeits bie ©elbftadhtung unb anbererfeitS bie Pflicht gegen baS 2anb unb
. bolf unferer SGßahl von uns verlangt, maS mir uns felbft unb maS mir ber
©efammtheit, von melcher mir einen $heil bilben, fchulbig fmb.
Suchen mir uns über bie Stellung, melcbe mir hier einnehmen unb fünftig
einjunehmen beftimmt fmb, flar gu merben. $*aS Uebergemicht beS Angel*
fadhfenthumS, beffen Slerbienfte nic^t hoch genug angefdhlagen merben fönnen,
hat offenbar feinen MminationSpunft überfchritten. Stellenmeife befinbet eS
fidb in ber Minorität, unb an ben meiftftt Orten — au^er in ben Aeueng*
lanbftaaten — mirb ihm von ben übrigen dlementen fo ziemlich WS ©leid?*
gemidbt gehalten. 3 u ber jährlichen dinmanberung liefert eS nur einen verhält*
nifjmäfjig unbebeutenben öruchtheil, nicht viel mehr als granfreich, Stalien ober.
bie ffanbinavifchen Sänber. dS läfjt fidh nicht ermarten, ba& in ber Sufunft
baS Aerhältnib ein anbereS fein mirb. 5)er Ueberfchufj ber Aevölferung Alteng*
lanbS fällt gum übermiegenben $heil ben verfchiebenen brittifchen ßolonieen 5 U.
Albion ftredtt feine Arme über alle.Atelttheile aus. d& fchiclt feine Söhne nach
Aufträgen, nach bem dap ber guten Hoffnung, nach Oft* unb Akftinbien.
grüher lag bie Schmerfraft feiner £hätigfeit als MonifationSvolf hier; jept 3 er*
^Google
fplittert ftch biefelbe fo feßr, baß fte hier !aum noch tn Seiracht lommt, unb fo
tt)trb eS au<h in ber golge fern- Sie bereinigten Staaten erhalten bie ülftaffe
ihres 3uma<hfe3 aus Seutfrßlanb unb Srlanb. £eßterc0 hat feßon fo btel ge*
liefert, baß fein Kontingent halb abnfhmen muß, unb bie ffllajorität mirb ben
3)eutf<hen gufaUen. Somit ergiebteS ftch, baß bem beutfdjen ©(erneut in Slrne*
tila eine übermiegenbe bebeutung borbeßalten ift.
SaS ©yperiment, aus ben hier gufammengernürfelten bacen unb Böller*
fünften eine Nation gu bilben, feßt auf allen Seiten ein milligeS ©ntgegenlom*
men, ein freubigeS ©eben unb (Impfangen borauS. SBaS gufamnten leben unb
fortmährenb mit einanber berühren foH, barf ftch nicht bon einanber abfcßließen.
gebet muß bem Slnbem baS mitthetlen, maS er an ©utern gu geben bat, unb
gern baS in ftch aufnebmen, trag bie Slnbern ibm an SchdßenSmerthem bie*
ten fonnen. Sie £auptfa<he bleibt babei, baß auf allen Seiten nur baS ©ute
mitgetbeilt unb beibebalten, nur auf baS minber ©ute ober Scble<bte bergießtet
mirb. •
üffiir Seutfchenhaben, menn mir hierher lommen, biel gu geben, biel ab*
gutegen unb biel gu empfangen. $Bon einer richtigen Sluffaffung ber uns in bie*
fet Söegießung obliegenben Pflichten bängt nid^t nur unfere Stellung, fonbern
gum groben Sßeil auch bie 3ulunft SlmeritaS ab.
gortgumerfen haben mir bor allen Singen baS leibige ^bilifterium, mel*
<heS unS im alten SBaterlanbe anliebte, gort b'amit, unb tretet eS in ben Staub,
bamit lein Slnberer in ©efabr lomme, ben Spiimber aufgußeben ! gortgumerfen
haben mir baS Phlegma, meines gern SllleS einer hohem gügung, merbe fte nun
bom «jpimmel, bom Sßron ober bom ^rdftbentenftußl ermartet, itberldßt, unb baS,
maS heute unbequem ift, auf morgen unb itbermorgen berfeßiebt. gortgumerfen
haben mir ben bermfinfeßten SlutoritdtSglauben, bieS Sßrobult befcbrdnlter $8er*
haitnijfe unb politifcßer Unfreiheit, fortgumerfen ben SßartilulariSmuS, baS ber*
tradteipfahlbürgerthum! £ilf birfelbft! SöormdrtS! SaS ftnb bie lonfequent in
bie SßrayiS übergefüßrtenSchlagmörter beS SlngelfachfenthumSjj unb mohl tbun mir
baran, fte aufgugreifenunb gleichfalls banach gu hanbeln,benn mirfönnen in jebet
^Begießung babei nur geminnen, b. ß.beffer merbenuttb uns bejferbefinben. Selbft
bon ben gtldnbem, melche in mancher Begießung fo tief unter unS fteben, Ion*
neu mir lernen unb profitiren. 33ei ihnen heißt es : „©iner für SlHe, Sille für
©inen !" unb eS ift ihnen ein Selbftgefühl eigen, bor bem man mahrlich $e*
fpelt haben muß.. ÜJlögen auch periobifch Stöiftigtciten unter ihnen auSbrechen,
fie fmb ftolg auf baS 2anb ihrer ©eburt, unb hanbelt eS ftch um ihre ©ßre als
grlänbet, ba fchminbet jebe S’tffereng, mdhrenb uns leiber ber Teufel ber 3mie*
tracht überall berfolgt. Schämen mir unS bei Seibe nicht, bon Slnbern gu ler*
neu ! Ser Süd merbe hier freier, baS enge $erg öffne ftch bem Slllgetneinen,
ber freubige Opfermutß, melier hier fo reichlich bertreten ift, gieße auch in
unfere bergen ein ! Unb unfere Pflicht ift eS aUerbingS auch, uns bie Sprache
igen gu machen, melche bie 2ftajörität unferer Mitbürger rebet unb fchreibt,
unb ohne bereu Kenntniß mir hier nie heimifch merben, nie gu ber uns gebüß*
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renben ©eltung gelängen fönnen. ©S !ann uns Seutfdjen benn and? in bet
$l;at 9tiemanb mit Died^t ben ©ormurf machen, baß mit uns nicht gern grem*
beS ancignen, Schmer mirb eS bem gnbibibuunt, bie ©eränberung gu berfol*
gen, bie mit ihm felbft borgest, ßommt aber ein Seutfdber nadb längerem
Slufenthalt in Slmerita gut alten 4>eimath gutüd, fo mirb ihm bort ein Spie*
gel borgehalten, in ben et mit Ueberrafdbung blidt, Sie alten greunbe haben
ÜDtühe, ihn mieber gu erfennen, unb er feinerfeitS !ann laum glauben, baß er
baS gemefen ift, maS biefe greunbe jefet finb, ßr rnerft, baß er für bie bortigen
©erhältniffe nidbt mehr paßt, unb fann fidb getroft fagen, baß baS Safein, in ,
bem er fidb ^etmifdb fät;lt, im 2lllgemeinen ntenfdbenmürbiger ift, Ser Seutfdbe,
meldber hier ©uteS empfängt ohne baS dbte, meldbeS er mit fid? hwüberge*
fcrad^t^ aufgugeben, beränbert fidb fehr gu feinem ©ortheil. Sie ©efaßr liegt
eben nur barm, baß er in bem ©eftreben, ftdb ben neuen ©erbältniffen, in bie er
uerfefct ift, gu aHommobiren, leidet auch Singe in ftdj aufnimmt, meldbe ben
ÜDtenfcbenmertb n i db t erhöben, -
Ueber baS, maS mir beijubebalten unb gu geben, fomie über baS, mobor
mir uns gu buten buben, mirb ber nädbfte 2irti!el ftcb berbreiten.
$tt ,Sal)re0bcrtd)tc,
Sou ftubolpb fiejotO«
#aft bu jemals eine Suftfabrt mitgemadbt, guter Sefer, unb ift bir mäh*
renb berfelben ber etmaS befdbränfte ©emiß gemorben, über einer groben Stabt
gu fdjmeben unb ben SBohnfifc einer Million aus ber ©ogelperfpeltioe gu beob*
achten? Sie ©inbrüde, mel(bebu aus beruhe mit bir fortgebradbt, fmb meber
llar nodb angenehm. Sie Söeltftabt mar einem groben Slmeifenbaufen gletdb,
beffen gefdbäftige ©emobner ftcb bödbftenS burdb fo unb fo biele fdbmarge ©untt*
dben abgeidbneten. Sie freiliegenben Monumente ber üunft maren nur burdb
unbeutlidbegledtereprafentirt; ßirdben unb Sßaläfte gingen trofc ihrer gigantifdben
Proportionen in ben oerfdbmommenen Umriffen ihrer Umgebung auf, unb grobe
glüffe gogen fub mie ein Silberfaben burdb baS brunten liegenbe (EhaoS. üftodb
ein menig höher hinauf, unb felbft biefe ©inbrüde gingen berloren, 9Jtan glaubte
nur bie £anb auSftreden gu brauchen, um bie gange Metropole umfaffen unb
fte unter baS ©tifroSfop bringen gu fönnen, um burdb beffen ^ülfe.bie gnfuftonS*
thierdben mieber aufgufinben, meldbe man bor menigen ©tinuten noch bie ber«
febiebenen gunltionen einer 2Jiillion menfdblidber SBefen auSüben fah-
Sie minifteriellen Berichte über bie. gührung unb ©efdbaffenbeit unfereS
großen nationalen Haushalts geben uns ebenfalls nur einen ©lid aus ber
©ogelperfpeftibe. SaS oiele ©roße unb ©rbabene, meldbeS fie unS bor Slugen
gu bringen beabfidbtigen, berfdbminbet in bem noch großartigeren ©angen. S)ic
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Motten, bon benen fte forechen — Millionen bon Menfcbett tmb Scmfenbe
»on Millionen au Schäden — erheifhen bie Erbringung eines SabbrinthS non
3ahlett, über baS man beS gacits faft »ergibt, Sie bebren Monumente, meldhe
bem ©olle in biefen ©erlebten burdh feine eigenen Siener gefegt merben, bie ge*
waltigen ©ulsfdhläge beS nationalen Sehens, non meldhen fte 3engnib tragen,
erlennt man nur unbeutlidb auf bem fernen ©ilb, tro&bem eine Meifterbanb es
entmorfeit* SaS Ungeheuere, meldheS bie Nation nollbradbt, fiebt uns jeijt, tno
e§ auf blofje Qcfyhn rebugirt ift, niel frembartiger aus, als gur 3*it, tno man
fub mitten barin befanb* Suchen tnir baber es uns ettnaS naher $u bringen,
etwas heimlicher erftbeinen gu laffen.
Sie Seridhte, non benen tnir foredjen, ftnb bie, meldhe ber ©unbesiegte*
latur gu Anfang ihrer iefeigen Sifcung übermittelt mürben. Sie ginerng*, Kriegs*
unb MarinefelretairS ftnb bie ©erfaffer. Sie ftnb ni<bt allein ein getreues
Saguerreotyp ber Seiftungen unb 6rrungenfdhaften beS lebten QabreS, fonbern
mehrere non ihnen liefern auch einen Siüäblid auf eine entlegnere ©eriobe.
3 hr SBieberabbrud mürbe bie „Monatshefte" gmeintal non ber erften bis gyr
lebten Seite füllen, unb unfete Aufgabe mub ftdh baber barauf befdhrdnlen,
but(b gragmente bie 3ei<bttung ber ©rohe beS ©ollbradhten gu ncreinfadjen
unb bo<h fo beutlich bmguftelien, mie ein aufmevlfameS Sefen ber noüeit ©e*
rihte es gu tbun nerntag.
Ser ©eriebt beS ginangminifterS ift mohl ber miebtigfte, menn nicht gu*
gteidh auch ber intereffantefte. Ser leftte Sbaler giebt in bem Kriege ben Aus*
fölag, fagt Semanb, unb ein Slnberer fügt hingu, bah bie ßunft beS DiedhnenS
gang non felbft lomrne, menn man nur erft einmal (Selb im Sacf habe. ©eibeS
hat fuh bei uns bemdbrt; menigftenS bürften, fo rneit es ben erftern (Srunbfah
betrifft, bie Sadhen noch gang anberS flehen, menn es ben Aebellen gelungen mdre,
ben Stein ber SBeifen ebenfo leidet gu eittbeden, mie £err Ghafß ihn fanb, ober
boh, gleich ihm, .ihn nor totaler (Entmerthung gu fcbü&en. 2BaS aber bie&tnft
beS AehnenS anlangt, fo gilt ba lein SBenn unb lein SXber mehr. 6s fleht
felfenfeft, bah mir, nachbem mir burdb bie gebulbige Srudpreffe unfer Safdheit*
gelb um oerfdbiebene ^unbert Millionen bermehrt haben, famofe ©edhenmeifter
geworben ftnb.' Unb unter uns Sillen ift §ugb Mcßullocb ber hefte. Aber
was er in biefet Dichtung Ieiftet,* ift um fo überrafebenber, als bie in ber gönn
bon Argumenten, £bpotl;efen unb Uebergeugungen feinem ©echenejempel hingu*
gefugten fonftigen Sunbgebungcn leineSmegS bie fiogil berrathen, meldhe feine
Schien reprdfeutireu. Seinen ßrrungenfdbaften gegenüber fühlt man häufig
ben Smeifel in. ftdb auffteigen, ob fte bie beffelben Mc6ullodb ftnb, bon beffen
Porten unb Sbaten man ftdb fo frembartig berührt finbet. Man lönnte fuh »er*"
fucht fühlen, angunehmen, bah iw ihm gmei »ollftdnbig getrennte geiftig* brga*
nifationen oertreten ftnb, beren eine ihn als großen Mann, bie anbere als fon*
ber&aren Saug ftempelt. hinter ber linlen Schäbelhdlfte ftedt mohl ber ©eniuS,
Welche ihn gu bem bebeutenbften ginancier AmerilaS macht, hinter ber
rechten fpudt ber fiobolb, burdh beffen Aeuherungen man anbent ©eftfcer beiber
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Hälften irre Wirb. KcSitlloch ift burd? unb burch Patriot, aber baS ^inbert
ihn nicht, im Schatzamt «Rebellen anzuftellen, bie Weber ber Slmneftie theilhaftig
geworben, noch ben Sreueib leiften wollen, weil — er, ndmlicb Kc©ullo<h,
biefen für oerfaffungSwibrig hält. (Sr ift au<b burch unb burch Stechenmeifter
unb will bie Station zu ihrer früheren SProfperitat jurüdfübren, will ihr jefct
nur anfcheinenbeS SBohlergehen auf eine feile VafiS [teilen, will all ihren 3ah s
lungsoerfprechen, all ihrem (Selbe ben boUen SBerth verleihen, unb fangt bieS
bamit an, ba& er eS f (h l e <b t ma(ht. SaS Vefte ift nur, bajj eS ihm trob biefer
Salti! gelingeu wirb,SllleS ju erzielen, was er fnh borgenommen.
Sticht anberS labt ji(h baS auffaffen, was §err Kc©uUoch über unfer
©ourant fagt, baS, ber Steoolutionen halber, bie eS im $anbel heroorgebracht,,
für bie ©egenwart einen ungleich wichtigeren Sbeil unferer Stationalfchulb aus*
macht, als bie um baS Vierfache gröbere Summe unferer Schulbfcheine. 2Bir feiern
©hafe als ben Vater ber ©reenbaäS, benn trobbem 3fahre berfloffen, ift immer
noch ber Kann nicht gcfunben, ber bie Stufgabe gelöf’t haben lönnte, bie unge*
heuren Summen, welche ber ßrieg berührte, auf bnberem SBege hcrbeijufchaf«*
fen, als ©hafe eS that. fRichtS freilich war leichter als biefen Sriumph Z u er¬
ringen, wenn fein SBefen fi<h auf ben Srucf ber Stoten unb ihre Segaliftrunc}
als SilgungSmittel einer Schulb befchrdnfte; aber ©bafe’S ©rrungenfchaft be*
ftanb barin, bajj er angeftchts ber ungünftigften Verhältniffe beS SahreS 1862
burch ein freimüthigeS, offenes unb babei fefteS Stuftreten baS Vertrauen beS
Volles fo zu bewahren wufcte, baf? bie ßabale, welche geinbeS*$anb zur ©nt*
werthung unferer Schulbpapiere fpann, nicht ben gänzlichen 3ufammenfturz
unfereS ginanjfpftemS bewirkte, wie es im Süben auch ohne folche #ülfe unb
Vermittelung ber fjall war. SBir feiern ©hafe als ben Slutor eines SpftemS,
baS, wie brüdenb eS jept auch auf uns nachwirlen mag, uns befähigte, baS*
jenige zu oollbringen, was einer ganjert SBelt j[e^t ben Stuf ber Vewunberung
abzwingt, unb wir werben jefct Kc©ullocb zu feiern aufgeforbert, weil er bie
Kittel zu ber Vewertftedigung biefeS Vollbrachten als unter falfchen Vorwän*
ben erhoben bezeichnet, unb fleh laurn einer leibenfchaftlofen SarfteUung zu be*
fleißigen oermag, wenn er Oon ben ßinbern ©hafe'S fpricht. Kc©udoch aber
war, wdhrenb ©hafe baS Portefeuille ber Finanzen inne hatte, ber Veauffichtiger
beffelben ©ourantfpftemS (Comptroller of Ciirrency), beni er jept ben Stab
bricht. Kelche golterqualen mufi er aUSgeftanben haben, als er Killion
auf Killion biefeS fdjlechten ©elbeS' aus feinen $änben herborgehen fah !
Sßir fagten, bab ber ginanzminifter unfer ©ourant fehl echt mache, unb
er thut bieS fo rüdhaltloS, bab er eS felbft bis auf ben lebten Dollar oerbammt,
unb fuh mithin wohl h«tet, fid) bem geiftreichen Slrgument berjenigen ginancierS
anzufdjlieben, bie ba behaupten, bab eS ber SBerthpapiere zu oiele .gebe, unb fte
beShalb an Kerth Oerloren hdtten, bab aber, wenn über Stacht eine «gälfte oer*
fchwdnbe, bie anbere §älfte ebenfo urplöplich ihren oollen Stennwerth haben,
• alfo bem ©olbe gleich Men würbe. SieS zu beftdtigen, fällt, wie gefagt,
$errn Kc©ulloch nicht ein. 6r tritt oielmehr als ©yponent ber Veftimmun*
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gen unferer Verfaffung auf, unb folgert aus ihnen, trofc aßer ba^iber fpredben*
ben ßntfdbeibungen unferer fyödtften ©ertöte, bafj ber ßongrefj fein Vedbt
hatte, $apiergelb gu febaffen, noch eS gu einem gef etlichen SilgungSmittel
einer ©dbulb gu ergeben, ßr weift in beutlidben SBorten barauf bin, bafj bieS
wiberrechtlidb eingefübrte ginangfpftem Verfudbungen mit ft<h führe, eS gu
gang anbern Sweben als bem ber ©idberung beS ©emeinwobls attSgubeuten,
unb bafj man eS gum großen Vadbtbeil ber ©efammtbeit gu einem ftebenben
politifdben ©treitpunlt machen fönne. ßr fagt mit großem ©tolg, bafj baS
furchtbare Drbeal, welchem* bj^e föepublif untergogen, fpurloS an unferer Dtegie*
rung norübergegangen fei, bafj fte in feiner [Richtung baS Verlangen gu erfen*
neu gegeben, ihre ÜIRadbtbefugniffe gu erweitern, ober bie legitimen IRedbte ber
eingelnen ©taaten gu befchrdnfen — was alfo mit anbern Sßorten hei£t, bafj
$err ÜIRcßußodb, mit alleiniger SluSnabme ber ©flaberei, bie Union wie fie
war als fein J^beal auffteßt, unb mit ihr natürlich baS [Jktngip ber ©taatSrecbte
unb ber ©taatSfouberainitdt, bon ber uns fo bübfdbe Sßröbdben borliegen. Slber
aßeS bteS finb nur bie Äunbgebungen beS ßobolbS, ber hinter feiner red)teu
©dhdbelhdlfte fein 2Befen treibt, unb wir haben bafür faum ein SBort beS ßom*
mentarS. SBir braudben nur gu fagen, bafj aße biefe Sehren, aße biefe Stnftch*
ten, bor SahreSfrift nodb einem Vaßanbigham ßbre gemadbt haben würben,
bafj fte als bie $unbgebungen berratherif^er ©efutnuttgen auf genommen wor*
ben waren; jefct aber forbert man .für fte bie Vißtgung beS Patrioten. 2£ie
<habe nur, bafj baS baroefe Vilb nidbt berboßftdnbigt wirb burdb ßbafe, inbera
er als Vorftpenber beS OberbunbeSgeridbtS fein (Gutachten bahin abgiebt, bafj
^odbberrath ber Verfaffung gegenüber, ein Unbing war unb alfo nicht geftraft
werben fonnte, burdb gbbnfon, bafj er bie Vergewaltigung gegen ben ©üben für
ein ftcafbareS Unterfangen halt, unb burdb ©rant, bafj er ftdb ber [Roße fdbdmt,
bie er in biefer Vergewaltigung gefpielt. r
Klopfen wir aber an bie 1 1 n f e ©dhdbelhalfte beS ginangminifterS, fo
flingt eS bort fo rein'wie 2Retaß. ßr weift nadb, bafj wir uns gu bi et
Sxifchengelb gugelegt, unb barin hat er boßfommen [Recht. Vei boßen Staffen '
galten wir überboße greife, ergo, lafjt mich ßure Xafdben etwas angapfen.
3pr werbet gewahr werben, bafj eS ftdb bann biel bißiger unb babei auch biel
ungenirter leben Idfct,. bafj £anbel unb (bewerbe aßerbingS einen tüchtigen ©tofj
erleiben, ftdb aber ebenfo ra*db wieber erholen werben, wenn bie ©rube, bie jept
gwifdben bem ©olb unb bem Rapier liegt, auSgefüßt ift. S)aS ift bie richtige
Slnfdbauung unferer gegenwärtigen ©elbberhdltniffe unb ber ßRafjregeln, welche
fte erheifchen. 2)aS Urbilb beS berfdhwenberifdhen ©oljneS fann nicht beutlidber
gegeidhnet werben, als burdb baS Verhalten ber amerifanifdben [Ration wdhrenb
ber lebten paar gabre. Unb felbft jefet, nach beenbigtem Kriege, nadb bem
Verftegen ungeheurer ©rwerbSgueßen, fteuert fte ihrem Seichtftnn nicht. 2)er
SuyuS gieht nach wie bor in feinem flatternben ©ewanbe burdb baS Sanb unb
überfdbreitet felbft bie fanabifche ©renge, wo er ben ©dbönen ©eibenhüte auf*
brdngt, aber ihre gufje unbefleibet lafjt, weil eS ber ©dbube unter bem [Reifrodt
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nicht bebarf. ÜEir feufsen nach feie bor unter bem go<h bet Spctulation nnb
beg Qftonopofg, unb jaulen bei gleichem gbü unb gleitet Steuer höhere
greife 311 t 3 eit roo man einhunbert 2 )otlarg in ©olb für einhunbert bierjig
2)ollarg in Rapier tauft, alg 51 t ber Sßeriobe, mo biefclbe Summe ©elbeg faft
breimal fo biel in, legerem foftete. SBorin liegt ber ©runb biefer ©rfcheinung,
menn nicht, mie 2 )tc©ullo<h fagt, barin, ba(j mir beg 5Laf(hengelbeg gu biel be*
fipen, unb baburch ber ©ebote bep Sparfamfeit entmöhnt fmb, ohne beren Vea<h*
tung feine Nation, mie reich fie immer fein möge, ihren ßrebit im Schoof^ ber
eignen gamili£ gefchmeige bem Sluglanbe gegenüber, aufrecht galten fann ?
2)ie Vörfe mufj alfo gesogen merben, unb $err 9Jtc©ullodh fucht bemnächft
barsutl^un, baf} bieg. ohne mefentliche ©efährbung ber öffentlichen gntereffen,
fo meit biefe burch. ben $anbel, bie gnbuftrie unb ben öffentlichen Ärebit bertreten
fmb, gefchefyen tönne. gnbem er ben Vorfchlag macht, unfer ©ourant in fed?g*
procentige Obligationen 311 funbiren, fagt er fehr richtig, halber allju raffen
Verniinberung beg ißapiergelbeg baburch borgegriffen mürbe, benn ein fnapper
©elbmarft merbe bem Soll ben Slnfauf ber Obligationen nicht geftatten. ©r be*
gegnet anbern ©inmürfen in erfdjöpfenber Seife, unb überall gudt ber tüchtige
Genfer unb ber fertige SHechenmeifter herbor, ber mit bem Spurt, melier «jperrn
ü)tc©ullocb alg Staatgmann unb ^olitifer auftreten labt, nühtg gemein hat.
Um feinem Vorfchlag, unfere 2egal*£enber*;ftoten ju funbiren, etmag mehr
praftifcheg ©emicht $u geben unb zugleich bag bormurfgfreiefte Mittel, bag
^ublifum ju einem ©ntgegenfommen §u 3 m ing en, in Slnmenbung ju brin*
gen, mill er, bafc ber ©ongrefc einen Vefchlufs faffe, ben 3tnfeg*3ing*37oten
(Compound interest notes) mit bem Verfalltage ber ©eltung alg gefe$*
licheg £ilgunggmittel einer Schulb gu enttleiben. Sie reprafentiren eine Summe
bon 175 2Mionen unb merben in ben fahren 1867 unb 68 fällig, ©el&ngte
biefer Vorfchlag §ur Steife, fo mürbe mithin bie genannte Summe, meil fie
Sßapiergelb borftellt, melcheg bann nur ferner Vertrieb fittben mürbe, bem
Verfehr entzogen merben; boch nuif* anbererfeitgbebaut merben, baj$ biefe üftoten
niemalg fuh einer hohen ©unft im ©elbmarft erfreuten unb bag Volumen beg
im Umfa| befinblichen ©elbeg nicht mefentlich berftärften.
Vig fo meit ftellt ber Veridjt beg Schapfefretairg ein blofceg ißlänfeln, ein
Vorpoftengefecht,-bar. gept aber rürtt er bem geinbe bor bie &hür. Sein
fdbmereg ©efchüfc, bie 9Jiitlionen, mirbaufgefahren. Siebenunb 3 man 3 ig £unbert
ÜDtiUionen, bag ift bag finansieUe Sßrobuft eineg bierjährigen Äriegeg bom ©e*
fichtgpunft eineg ginansminifterg aug. 2 Bir brauchen fie nicht ju jergliebern,
nicht in ermübenber Oieihe bie Sohlen aufjufteden, meldje biefe Summe alg
gacit auf 3 eigen. Sir befchränten ung lieber auf bie Vogelperfpeftibe, bon, mo
aiig biefe gigantifche Summe mie eine £anbboH augfieht. ©nglanbbeburfte bieler
gahre, um eine ähnliche Schulb ju tontrahiren, unb Slmerifa hat eg in hier he*
merfftelligt. Siebenunbjmansig £unbert 9Mionen! Unb boch finb fie noch
nicht bag foftfpieligfte Sonument, melcheg'bie Nation fich gefegt.
S)iefe Summe abjutragen, bag ift bie grage, bie |>err 2ftc©ulIo(h ebenfo
t
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ruhig in ©rmägung gie^t, all hiebe e! bie Mittel für einen Accommobationl-
toed^fel aufzubringen. 2)amit tritt ber Rechenmeifter ferner, ©ebt mir bie
Atachtbefugnih, bie nach einigen gahren f<hon fälligen 6iebenbreihiger-Dbliga-
tionen, hebor fie noch fällig ftnb, ju funbiren, unb berbollfommnet bal Steuerfpftcm
fo, bah el o^ne gehl einen Ueberfchuh non hunbert 2Mionen per gabt bringt,
unb je nach bem 3w3fufj A ben ich beim gunbiren zu jaulen habe, tüirb bie Schulb
in einem Seitraum non ftebenunbzmanzig bil zmeiunbbreihig Sauren fammt
gntereffen getilgt feinl 5)a! mag feine Richtigfeit haben; feinenfalll fühlen mir
unä berfucht, e! nachzurechnen. (El munbert un! nicht, bah AtcGulloch Rechner
genug ift, biefe grage erlebigen zu fönnen, fonbern bah er ben Atuth befi&t, fich
ihr zu nähern. Aeltere Nationen, beren «ganbel in allen Söelttbeilen feften guj$
gefaxt, beren gnbuftrie gefiebert ift unb beren Steuerfpftem bem Sßrobirftein
langjähriger Erfahrung uniermorfen mürbe, hatten baäu nicht bie ©ourage. 5)ie
Schäle, mit melden pe bie 2)anaibenfäffer ihrer Regierungen zu füllen nerfuchten,
maren ihnen für immer nerloren. (Ein langer griebe rief nicht einmal bie $off-
nung in ihnen mach, bah ba! ©eliebene gurücfgegahlt merben mürbe. Sie be¬
gnügen {ich mit einer ärmliche# 3iu$Z a blung unb banten ihrem Schöpfer, bah
c! ihnen nicht nodh fcblecbter ergangen.
Aber unfere Scbulb foll gurüdgejahlt merben, unb trifft e! nicht auf £ag
unb gabt zu, mal Rtcßullodb bemirfen zu tonnen glaubt, fo mirb Dodhbie Tilgung
nicht um biel meiter binaulgefcboben merben. Aber felbft menn fte biel mürbe,
thäte bal meber ber ©rofjartigfeit, noch ber finanziellen Kühnheit ber gbee Ab¬
bruch, bie einen folgen $lan zur Kennzeichnung ber ©rohe unferer $ülfl mitte
ünb zur Vefcbämung ber alten 2Belt in’l Scben rief. Sei el un! borläufig
genug, bah faum »tet Monate nach bem Schluß bc! Krieget, nach hunbert
Sagen, bom Aufbören ber mirtlichen geiubfeligfeiten an gerechnet, mährenb brei
Viertel-Atittionen unferer Gruppen berabfchiebet, ui\b ber Regierung anbermeitige
unermefeliche Koften bereitet mürben, mährenb bie gnbuftrie noch burch ben
plöfclicben Umfchmung ber ©elbberhältniffe gelähmt mar, ber £anbel au! gleichem
©runbe bie fchlimmften Anfechtungen erlitt, bah mährenb biefer 3eit, fagen
toir, nicht allein an bie Verminberung ber Scbulb gebaut, fonbern auch ein
toenr. auch bergleichlmeife Keiner $beil bon ihr faftifch getilgt mürbe. 5)iei
ift bie (Errungenfchaft, bie grohe £batfacbe, beren man in bem ©emirr ber 3ah*
len faum gemäht mirb, unb bie Doch ben begabten §au£balter unferer Volflfamilie
als ben Atann ftempelt, bon bem man biel Auherorbentlicberel noch ermatten
fann all er felbft in Aulfuht ftellt.
3)ie nationalen (Einfünfte merben bon ihm all über ein Viertbeil bei gan¬
zen (Eigentbuml bargefteUt, unb e! ift auf biefe Vrämiffe, meldhe ber Senful
boUfommen beftätigt, biu> bah er bie Steuerfäbigfeit bei Sanbel abfdbäfct. Sie-
fert bie Vergangenheit ben richtigen Rtahftab zu einer Aufhellung über ben
§ortj$ritt bei SBerthel bon (Eigentum, fomie be! unfere! (Ermerbl, fo mirb ber
bei £e$teren in folchem SRahe fteigeit, bah felbft bal 3urücflegen bon $mei-
’hunbert Atillionen per gabr, im gahre 1880 nur eine Vürb/bon einem
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Procent beS ©efammterwerbS, im Sabre 1890 nur 3toeibrittet Prozent beffel*
ben ausmachen, bie Scpulb aber in entfprecpenb fürjerer Seit auSgelöfcpt wer*
ben mürbe.' 2ln biefe Slujftellung fnüpft er Pergleicpe mit ber Stellung ©ng*
lanbS nach ber ©ontrapirung feiner ungeheuren Scpufb. 3wanzig Procent beS
©rwerbS ber englifcpen Nation waren nach gunbirung ferner Scpulb erforber*
lieh, um bie Soften ber föeicpSoermaltung unb bie 3infen aufzubringen, unb
biefe [Rate ift jept bur(b ben Meprermerb auf elf Procent ermäßigt. Die ame*
rifanifepe Nation beginnt babingegen, wenn bie PorfdplägeMcßullocb’S aboptirt
werben, mit einer Saplung pon nur fünf Procent ihres ©rwerbS, unb beoor bie
Sdpulb erlofcpen, wirb fie nur etwas mehr als ein halbes Procent beffelben bc*
tragen. Unb um bieS zu Perwirflidpen, bebarf es feiner rareren ©ntmicfelung
ber ^ülfSquellen unferer Oiepublif, als bie, welche fiep mäprenb ber lebten
zwanzig Sabre, inmitten häufig geftörter ©elboerpultniffe unb eines oerpeeren*
ben ÄriegeS, entfaltet bat!
Der übrige unb febr ooluminofe Dpeil beS ginanzbericbtS banbeit nterftenS
über bie Routine ber perfepiebenen 3^9* beS Departements, baS 'Münzwefen
unb ben £anbel mit ben früher infurgirten Staaten. Ueber jeben biefer fünfte
fpridjt ficb «&err Mcßullocp mit -eminenter Sacpfenntnifj aus unb befürwortet
Dieformen, beren Stoecfmäpigfeit audb bem Saien einleuthtenb ift. Ueber bie
©rtragungSfäpigfeit ber Nation, foweit eS bie 93efteuerung angebt, tritt er
eher als ihr Anwalt, benn als ehrgeiziger Einander auf, in welcher [RoUe er
wohl ben lepten Deut zu erpreffen fuepen würbe, um nur beS Ruhmes tpeilpaf*
tig zu werben, bie Scpulb in unglaublich furzer Seit getilgt zu haben, ©r bat
ein ©omite, welches nicht allein alle probuftioen ©lemente ber Nation, fonbern
auch bie politifcpe Parteiftellung Pertritt, ernannt, um baS ganze Steuerwefen
ZU rePibiren unb als baS ©rgebnip ber Unterfudbung bem ©ongrefi folcpe 33or*
fdbläge zu unterbreiten, burdb weldbe bie Pielen aller PolfStpümlicpfeit entbeb*
renben fünfte beS jepigen (spftemS auSgemerzt werben unb ber häufigen De*
fraubation in ben 3Beg getreten wirb.. Drop ber Aufhebung mancher" jept getra*
genen unb duperft • unpopulären Saft, glaubt |>err Mc©ullocb bodb burdb er*
höhte Scharfe gegen Diejenigen, welche baS Steu*rgefep immer nodb zu umgeben
wijfen, einen Mehrbetrag oon 50 bis 60 Millionen per Sab* Z u erzielen, löei
einem um minbeftenS bunbert Millionen unterfebdpten ©rtrag ber Steuer zeigt
baS.93ubget.beS MinifterS für baS nddbfte gisfaljapr bodb einen reinen Ueber*
fdbufi Pon 112 Millionen. ©in folcpeS ütefultat mit Ablauf beS zweiten SabreS
nach Pollenbetem Kriege würbe abfölut .unglaublich erfepeinen, wenn nic^t 3ap*
len, Pon beren SHidptigfeit S^ber fiep überzeugen fann, bie Angabe alles 3»eifelS
entfleibeten. Obgleich er es nicht auSfpridbt, bürften bodb bie Pon £errrt
Mc©ullodb gemachten 93orfdbldge zur gunbirung beS ©ourantS unb allmäligen
Dilgung ber [Rationalfcpulb bie 93ebingungetr repräfentiren, unter welchen er
fein Portefeuille behalten will. Sie raumen ihm eine faft majjgebenbe unb ba*
per gefährliche ©ewalt über ben ©elbmarft unb ben mit biefem fo innig perrno*
benen £anbel ein; fte fepaffen eine Macht, bie fup Piel fraffer zum ^acptpeil
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ber ©efammtbeit nerwenben Iäfit unb bie oiel tiefer auf bie politifcben SSer^att**
nijfe einfluwirten oermag als bie, bon ber £err 2Jtc©utlocb felbft im Sericbte
fprid&t, unb bennoeb möchten wir, trofc beS früher beregten Dualismus, in
welchem er ft<h bewegt, befürworten, bafj fte ihm eingeräumt werbe. 2llS
Staatsmann unb Kolititer urtbeilt er befangen, als Secbenmeifter aber tft er
grob, unb als folgen nur braunen wir ihn. ♦
9Bir geben jefct flu bem Sericbt beS ßriegSminifterS über, welchem ber beS
©eneral'QuartiermeifterS binflugefügt ift.
6b win 27t. 6tant on, ber ßriegSminifter, ftanb ber Station einmal
biel näher, als $ngb 2Jic©uHocb, trofc ber groben 33erbicnfte, welfije biefer fi<b
erworben bat unb noch erwerben mag, ibr jemals fteben !ann. ©r trat fein
Portefeuille flu einer Seit an, wo Simon ©ameron baS ßriegStninifterium mit
bem übelften ©erueb umgeben batte, flu einer 3eit, too ber fcbleppenbe ©ang
beS Krieges unb bie Serfabrenbeit unferer gübrer baS Sol! faft mit SerflWeif*
lung erfüllten* Stanton würbe als ein fetter begrübt. Unter feiner energifeben
$anb würbe Orbnung aus bem ©baoS, würben unfere. «geere lebenbig unb Siege
fronten unfere gähnen. $lber balb batte fein ©lanj ben ßulminationSpunlt
erreicht. S)er ©rfolg febien ihm ben $opf flu oerbreben. Statt jicb bem Solle
flu nähern, woflu fi<b ihm fo mannigfache (Gelegenheiten boten, wieS er mit einer
an Schroffheit grenjenben ßälte jebeS ©ntgegtfntommen jurüd. $ie babureb
beroorgerufene ©ntfrembung würbe, ohne fein Scrfcbulben, burch bie Obliegen*
beiten feines SlmteS erhöbt. Sein 9tome als ÄriegSminifter war eS, ben jebe
Slnfünbigung einer neuen ©onfeription trug, unb byi man auch unter ben Ser*
baftsbefeblen gegen oerbäebtige unb anrüchige gnbimbupn fanb, welche
baS Sol! felbft inmitten beS allgemeinen UnficberbeitSgefübl nicht bulben
wollte unb bureb bie Skalen »on 1862 beSaoouirte. #err Stanton bat ftdh
bie ©unft ber Sation niemals wieber erwerben fönnen. üDtan mufj eS
ihm nachfagen, bafj er auch nie um fie gebuhlt bat. Sielmebr ftieg fein Se*
nehmen an Schroffheit in bem 27tafje, wie er fab, bafj bieS ihm feine Popula*
rität lofte. ©r lieb fi<b nie herbei, bie unflätigen ungerechten Sorwürfe, bie
wiber ihn erhoben würben, flu entfräften. ©r war gleich berrifcb bem 2Jiä<b*
tigen Wie bem ©influfjlofen gegenübef, bis gegen ©nbe beS Krieges ber einft ge*
feierte unb bewunberte töriegSminifter ber unbeliebtefte unter unfern beroorra*
genben gübrern war. .
®ie (Gefehlte wirb* nicht bie ©igentbümlichleit feines StefenS unb nicht
feine Saunen aufbewabren, wohl aber ihm in ber Seurtbeilung ber SluSfübrung
feiner Amtspflichten einen Sorbeer winben. Sie wirb auch nicht oetgeffen, bafj
einft, als nach großen ©rfolgen unferer $eere ber griebe burch bie gurücfnabme
ber ©mancipationS*Pro!lamation erlauft werben tonnte, Stanton allein eS war,
ber Slbraham Sincoln in feiner Steigerung unterftüfcte, bafj er es auch war, ber
fpäter, burch bie Anwerbung garbiger in ben reboltirten Staaten,
ben SBiberruf ber Protlamation unmöglich machte. Unb batte er weiter nichts
getban, fo würbe beSbalb fchon bie Sachwelt fein Slnbenten heilig halten.
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162
Saffen wir un§ burch bfe rauhe Slubenfeite biefe« ehernen ©harafter« nicht im
machen. Schäden wir ben SJtann, welker felbft auf ben Sohn ber Popularität
belichtete, unb nur in bem Sewubtfein, bem Saterlanbe treu zu bienen, feine
Sefriebigung fanb. Sie Stepublif hat nie einen ebleren Sohn gehabt, ate
(Ebwin Stanton. Site ber Garnot Slmerifa’«, ate gewaltiger Organifator be«
ßfege«, wirb er ewig in ber ©efchichte leben.
Sein Sericht ift, wie ber ©rant«, eine Sefdjreihung unfere« großen Arie*
ge«. Gr fpricht in einfachen, ungefchmüdten SBorten; er zeichnet in treibe, ftatt,
wie Slnbere* in glühcnben Farben §u malen. Seine friegerifchc Salti! ift jeboch
nicht bie bejte, benn ftatt ber piänfler fchidt er in feinem Rapport gleich bie
fchwerfte ßanone boran. Voriges 3ahr, fagt er, wie« ba« Subget für ba«
firieg«minifterium eine Summe bon 516 SJtillionen auf, bie« gahr forbert e«
nur 33 Millionen. $n biefer Keinen Stubfchaale liegt ber äern ber feit acht
SJtonaten entwidelten Greignijfe. L’empire, c’est la paix n , fagt Napoleon,
unb rebucirt feine halbe Million Sruppen auf gwei Srittel* SJtillionen; ber
Triebe ber Stepublif ift ba« Stefultat ber gänzlichen Unterwerfung ihrer geinbe,
fagt Stanton, unb fchlägt bor, ba« au« einer halben Million beflanbene $eet
auf — fünfzig Saufenb zu rebuciren. ßeine Sefchreibung ber gefehlten |mnb*
habung unferer Slrmee, feine gerborhebung ber gigantifchen Slnftrengungen,
welche biefe Station gemacht, fein #inwete auf bie ©rö&e be« errungenen
Sriumph«, fönnte ein berebtere« 3eugnib geben, ate jene einfachen 3ahlen.
2Bir wollen #errn Stanton baher tra<h nicht auf benfireuz*unbGuerzügen
begleiten, welche er unfe* Armeen machen labt. Stur wenige fünfte be*
burfen ber «gerborhebung, um bie ©röbe be« ©angen würbigen §u fönnen. So
mag e« z* nur SBenigen befannt fein, bab bie Gffectibmacht unferer £eere
im Sahre 1864 bebeutenb gröber (um 60,000 SJtann) war, ate im gruh*
fahr 1865. Sie SJtufterroUen in beiben fahren wiefen refp. neunhunbertjleb*
gig Saufenb unb neunhunbert fünfunbfe<h«zig Saufenb SJtann auf. Sieb
aber ba« lefcte Qahr fo fehr biel weniger SJiannfchaft auf bem gelbe erfchei*
nen, fo würbe felbftoerftänblich ein um fo gröbere« (Kontingent zu bem Sienft
berwenbet, ben bie inzwifchen ftattgehabte Erwerbung neuer unb grober Serri*
torien crheifchte. Ueber bie Anwerbung biefer 'gigantifchen Slrmee theilt £ert
Stanton bfe intereffanteften Sata mit. S3efchäftigt un« jefct bie grage, in
Wie furger 3eit ein #eer auf bie Seine gebracht werben fönne, um gnfnrreftionen
im Süben ober gnbafionen bon brauben zu begegnen/fo antwortet ber itrieg«*
minifter barauf, bab 1862, nach ber fiataftrophe auf ber oirginifchen «gjalbinfel,
achtzig Saufenb SJtann i n hier SBochen angeworben, organifirt, bewajf*
net, au«gerüftet unb in« gelb gefchidt würben, bab berfdjiebene SJtale in SJto*
nat«frift #eere bon fe<h«gig Saufenb SJtann Stärfe in ähnlicher SBeife au«
bem Soben gedampft würben, unb bab Me Staaten Ohio, gnbiana, SJtiffouri,
$owaunb SBteconfin einmal neung'ig Säufutb SJtann innerhalb
Zwanzig Sagen nach ftattgefunbenem Aufruf in« gelb ftellten. Gg $
auf biefe (Erfahrung hin, auf biefe ßunbgebungen be« patrioti«mu« unb bet
163
iS
Öpferwilligleit, fomie auch auf ba« Pottenbete Spftem unfeter S8erbinbung«mege,
baff bet $rieg«mtniftet bie rdfd&e unb fabelbatt gto&artige Sitebuttion be« $eere«
al« mit unfeter Sicherheit burebau« öertrdgUd) anftebt. ©eine Uuffaffung ift nicht
ju fanguinifcb. $a« Stufftellen Meiner ©arnifonen an jablreicben fünften bet
iufurgirten Staaten bttrfte ben Slnfotberungen be« Schule« bet farbigen, bet
Stfinbeln ber Station, botttommen genügen, toenn nur bie ^Befehlshaber biefer
©arnifonen ihrer Pflicht nachfomtnen motten.
Ueber bie SanitätlPetbätnif[e ber -jjeere be« Sunbe« liefert ber SDtebicinal*
®irettor intereffante Stuffdjlöffe. »n ^ofpitdlem batten mir mdbrenb ber leb«
bafteften ÄriegSperiobe jmeibunbert unb Pier, bie jufammen einbünbert fe<b«
unb breiig Sdufenb SBetten aufmtefen. Unter ben m e i jj e n gruppen merben
mdbrenb be« ganzen Krieges über eine SDtittion JtratifbeitSfälle beruhtet; aber
bie pflege unb S^banblung mar trog ber faft unauSgefefcten SBeroegungen ber
£eere fo gut, bafs ft<b bie ®ur<bf<bnitt«=Sterblicbfeit nur auf a<bt Sßrocent be*
lief. Ueber oie SanitätSoerbältniffe mit SBejug auf bie f a r b i g e n 3*uppen
liegen in bem Sericbt leine Ungaben »or. SDtan meijr nur, bab #on ben ein*
bunbert unb achtzig Jaufenb Siegern, melehe unter bie gabne be« SJünbe« tra»
ten, über ein Srittbeil ben Xob auf bem gelbe ober im fjoSpital fanb. 2lu<h
bier liefern bie einfachen 3ablen mieber ein 3eugnib, beffen Starte unb ©ül«
tigleit auch mobl ber erbittertfte ©egner ber unglit etlichen Sltace nicht beftreiten
mirb.
Sprint Stanton oon bem SBlut, melehe« oie Station »ergoffen, fo liefert
ba« ihm untergeorbnete SBureau be« 3abtmeifter3 ben Stacbmei« über einen
Sbeil be« Permenbeten Schabe«. ®reibunbert unb acht SJtittionen binnen gab*
reäfrift, unb nur für Solb, ba« ift eine Summe, melehe ba« ganje jährliche
Subget ©nglanb«, mit feinen IjoctjbegaEjlten Sinecuren, feiner über alle SBelt*
tbeile ficb erftredenben Golonialoermaltung, feiner glotte, feinem §eer unb feinem
flönigtbum, unb nebenbei bie 3infen für eine aus Piertaufenb kltitttonen be*
ftebenbe Scbulb bedt. Unb bodj ift bie« nur ein Sbeil ber UuSgaben be«
ßriegStninifterium«, bettn bie fonft permenbeten Summen öerboppeln faft jenen
«nfab, ober erbeben ihn bo<b auf fünfbunbertoierunbjmanjig SJtittionen! Qft
jeboch ber ©mbrud biefer btofjen Summe noch nicht genügenb, um bie aufser*
orbentlitben Seiftungen be« lebten ßriegSjabre« ju fennjeiebnen, fo fchbpfen mir
ihn f«betli<b au« ben ®etail« ber SBerroenbung eine« ®beil« bet nach Slbjug
be« Solbe« bleibenben SJtittionen butdj ba« ©eneral*Ouartiermeifter*Slmt, beffen
Bericht wobt bie überrafchenbften SBelege ju ben £ülf«mitteln liefert, bie mir
Wäbrenb bet Stunben unferet Prüfungen beanfprudjen tonnten. ®ie ®arftel*
Iung be« gortfebreiten« unfeter §eere butch ein feinbliche« unb Pon feinen Semob*
nern permüftete« Sanb bebingt bie Slufjäblung ber unter-biefen Umjtänben jur ©r*
baltung bet Unfrigen Permenbeten SStittel, fomie jur Sicherung unb Sefcbleuni*
gung ihre« SJtarfebe«, bie abfolut an ba« Unglaubliche grenjt, mdbrenb anbererfeit«
bie Uebertragung be« JtriegSfcbauptabe« auf entfernte Sßuntte ©rrungenfebaften
berponief, bie benen unfeter militairifcben gübrer mürbig jur Seit fteben, ja,
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tydufig fte übertreffen. Ttohbem j. $.,bet in ©eotgia jutüdweßhenbe geinb bi«
Gifenbahne« hinten fich abgebrochen, würben fte boch fo fchnell »ieber erbaut;
bab Sherman niemals länger als fünf Tage auf mit Gruppen unb SBorräthen
angefüllte SBagtnjüge ju »arten brauchte. SechShunbert Stann beS Ingenieur»
Gorps bauten bie »erbrannte 740 gufc lange unb 90gu| hob« Stüde über bett
Gbattahoochee in »iet unb ein halb Sagen toieber auf, unb baffelbe Deta«
gement errichtete eine 625 gujj lange unb 75 gufj hob« «Stüde über ben
Gtowah in fechS Sagen, mo eS jur Seit gänjlich at% bera nötigen Staterial
fehlte. SSährenb Sherman rech bur$ ben »errätherifchen Süben marfchirte unb
Stiemanb muhte, toohin bie mögliche Goncentration feinblidjer firäfte ihn jmingen
»erbe fub |u werfen, »utbeft jroet grobe TtanSportflotten füt ihn in ber Stitte
beS SBinterS auSgerüftet, eine nach $enfacola, bie anbere nach Litton <§eab ge*
fanbt. DaS »ar baS einjige Stal, »o baS Gommiffariat, burd) bie Sßerhältniffe
gejwungen, im Tuntein tappen muffte. Haum war Sherman in ©aöannap an*
gefonpnen, fo »übte eS »ieber »aS ju thun. 2Bo immer baS SunbeSheer fpäter
erfihien, ba fanb es 5J5ro»iant, SEBaffen, ßleiber unb Schuhe. Niemals fehlte eS
an Transportmittel ober Sorräthen. Stach bem fernen ©olf, bem unwirthbaren
Sßeften unb in baS 4?erj ber reooltirten Staaten »äljten ft<h unaufbaltfam bie
SJkobutte beS StorbenS, bamit unfere jungen »erforgt »ürben. Uniformen,
Ueberröde, Strümpfe, Deden, Schuhe, Sloufen, §üte, Stüpen, ^emben, Tor*
nifter unb gelbflafcpen, alle biefe 3lrtitel »erben in bem Serich't nach Millionen
gejählt, unb boch jeigt bet 2lbf<bluf>, bab mit Gnbe beS Krieges ehre noch gröbere
Stenge biefet Sachen in unfern Seughäufem aufgeftapelt »at. 2llS Transport«
mittel auf bem Steere allein benupte baS Departement 783 Schiffe, »on einer
SierteUStiUion Tonnengehalt, unb auf ben glüffen beS SßeftenS 600 gaprjeuge.
Sin Sßferben, hauptfäthlich für bie Gaoallerie, taufte eS burchfcpnittlich 150 Tau«
fenb baS Saht an, unb eine faft gleiche 3®bl b»n Staulthieren als 3ug»ieb.
Die mititairifchen Gifenbahnen erftredten fuh über 1789 Steilen, unb )u ihrfcc
Befahrung »ermenbete mati 365 Socomotioen unb 4200 SBagen. Sin militai«-
rifchen Telegraphen »ar 1864 eine fiänge »on 4900 Steilen bergejteHt, unb in
bem lebten SriegSjahre »urben biefe um 3200 Steilen »ermebrt. gut baS Train*
»efen mürben im Sabre 1864 14,500 SBagen angelauftunb 1220 neue Slmbu«
lancen ben feeren beigegeben. DaS gabt 1865 bis jum Gnbe beS Krieges
jnachte miebetum ähnliche 2lnf$affungen nöthig, unb noch hunberttaufenb ©e»
fchirre »urben angetauft. Die Stationen für bie Truppen,, namentlich aber baS
guttet für bie GavaKerie*$ferbe unb 3ug»ieh »erben burch fabelhafte 3ahlen
repräfentirt, aber währenb SUleS in einem Dupenb Stichtungen $u gleicher 3eit unb
über Taufenbe »on Steilen tranSportirt »erben mubte, tarn eS »ährenb beS
lepten ÄriegSjabrcS nur äuberft feiten »or, bab bie Stationen auf einen ober
3»ei Tage getürjt »urben. Das ganje Spftem bet SBerforgung unb Verpflegung
fcheint ben pöcbften ©tab ber VoMommenheit erreicht §u haben, unb »eber bie
Kühnheit ber feinblichen ©uerillaS, noch ber burch bie ftarle Senupung heroor*
gebracht« fcpWhte 3uftanb mancher Sahnen tcrtntc ihm Slbbrucp thun.
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9toeb em ®ort über bteVerfebmtg Don feeren m<k entfernt liegenden
Sßimften. fluf bem ÜReete maren unfere #ülfgmittel felbftoerftdnblicb ber
^ringlicbfeit ber Sage ooHfommen angemeffen, ba bie $anbelgflotte ber Sie*
gierung ju jebet Qtit bie reiften £ülf3mittel z bot. 2Bre grofc biefe mären,
gebt barattä b^bor, bafj nicht menfger aB ad^tgig Jaufenb DRann Stubben mit
©epäd, Vorrdthen, Söaffen, ©efebüp, Munition wnb Jrain fub ju einer nnb
berfeiben 3«t auf bem üReere befänden. kleine £eeregtorper bon 20 big
30,000 2ftamt mürben fehr häufig an Jaufenb 2JteiCen über 6ee gebracht, «nb
faft alle im ©olf*2)epartement erforderlichen GabaHerie* unb Sngbfetbe mürben
fcon nörbH^en $äfen bortbin gefanbt. 3)er Sanbtrangport mar jeboeb unglei<b
febmieriger. greilieb mürben bie unb ba neue Vabnen erbaut, unb febon bot*
banöene durch S^eigbabnen mit einanber berbunben, boeb hielt man fte im
großen ©anjen für niebtg meniger aB ben Huforberungen ber Situation ent*
fpredjenb. Söenn eg bennod? bem öuartiermeifteramt gelang, bie bem ©eneral
$ooter bon ber $otomac*2lrmee jugetbeilten Gorpg (23,000 SWann) in meni*
ger aB acht Jagen bon ®afbington nach Jenneffee §u berfefcett, unb Sdjofielb
nach ber Vertreibung ^oobB bon 9tafbbiHe in elf Jagen mit 15,000 2Rann
ben Jennejfee unb Ohio hinauf über bie fdjneebebedten 2lHegbannen — auf
biefem trummen ®ege im ©anjen eineStrede bon 1400 teilen— na<b
SBafbington ju übertragen, fo dürfte man mobl umfönft in ben Kriegen ber
IReujeit na<b einem Veifpiel fudjen, bag ber bier entfalteten Jbatfraft unb ber
biefigen fpftematifeben Organifation beg Veförberunggmefeng bie Spifce bieten
!ann. Gnglanb unb granlreicb, alte im Kriege geübte Nationen, merben biefen
Grfolgen gegenüber bag elenbe giagfo no<b lebhafter empfinden müffen, melcbeg
fte trpfc aller ihrer £ülfgmittel mit ihrem Jrangportfpftem im ßrimfrieg*
malten.
SBir fommen jefct ju bem lebten ber bor ung liegenbenben Verlebte, bem
beg •Sßtarineminifterg ©ibeon 2Meg.
$err ®eüeg ift ber -Ration fautn mehr alg bem tarnen nach betannt.
2Ui<b bebor er bei bem Vegierunggantritt Sincolng bag glottenportefeuille
übernahm, erfreute er ft<b feiner frommen* alg Volitifer, Staatgmann ober
©elehrter. So mentg mufjte man bon ihm, bah manche unferer Sefer ft<b mobl
beg etmag profanen ®ipeg erinnern merben, ber bamalg mit Vejug auf ihn bie
SHunbein berOppofttiongpreffe machte. SRan mollte ihm in feinem $eimatbftaat
naebgeforfebt haben, unb entbedte, bah er f<bon bor mehreren fahren geftorben;
bo<b hatte man noch an bem früher bon ihm bemohnten £aufe bag Spmbot
feineg ©emerbeg, ein S$ilb mit einem rieftgen Stiefel, gefunben. SBeghalb
#err Sincoln gerabe ihn mdblte, mdhrenb boeb anbere in bem SJtarinefaeb be*
manberte, prominente 2Ritglieber feiner Partei Slnmartfebaft auf ben $often er*
heben tonnten, ift nie in befriedigender SQBeife ertldrt morben. $errn SBeüeg* „©*
fenpanjer" lieb ®ip unb SRaiice jeboeb ju Schanden merben. ©r nahm fo
ruhig bie Verantmortliebfeit ber Rührung etneg ihm jugleieb unbetannten unb
fo überaug miebtigen Slmteg auf feine Schultern, alg handelte eg ficb um bie ge*
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m
Wöhnlichfle ©eföäftäfach«. ©lüdt unb Ungemach Derfelgten ihn ahwefhfelnb.
Sie Siege hei .gattera« unb Ritten $ eab »Daten feine Siege, infofern et ate
iDtarmeminifter bie SRittel ju beten Erringung Jbefchafft. Sie Srent»2lffaire
warf einen fftimhul beS Dtuhme« auf feinen Scheitel, trofjbeni Pille« fie auf
eigene gauft eingeleitet. Slbet bet SDierrimac nahm ihm alle ©lorie. Pährenb bie
Stebellen mit ihten getingen Steffourcen ein Schiff ^ergeftcUt, welche« fich un*
gefähtbet unter bie Kanonen bet unftigen legen unb enblich biefe wie ein Sar»
tenhau« jerttümmern tonnte, hotte et, $ett Pelle«, ben Schlaf eine« Slip Dan
Pinfle gefchlafen. gtetlich wat eä'bem genialen Gridfon gelungen, fuh fo weit
Sehör ju oerfchaffen, bah *« ihm geftattet wutbe, ba« erfte Experiment mit bet
£erfteHung eine« SRonifot« burchjuführew, uub ba« Don ihm gebaute Schiffchen
rettete noch int entfeheibenben Sötoment bie Ghre ber Station; aber Pelle« wat
als. au«gel5fcbt ju betrachten. Gr geriet!» nicht in SBergeffenbeit, benn bie Sba»
ten febe« rebellifchen Äaper«,.baS Grfheinen febe« ißiratenbarapferä an unfetet
Äüfte, bie Störung febe« ßauffabrer« wutbe ihm aufgebürbet, weit man bo<h
einen Sünbenboct haben muhte; aber webet 9!ew»DrIean«, noch SJtobile, webet
gort gifber noch prt t&ubfon lieh ihm auch nut ben ileinften Sbeil be« bott
errungenen unterblieben Stubme« jugute lommen. Sie Station lohnte einem
betoährten, treuen Siener mit Unbant. ©ibeon Pelle« hat gtohe gehler be»
gangen, unb noch gröbereUnterlaffungSfünben barf man ihm jut Saft legen; hoch
fie fmb taum be« Siennen« Werth in Skrgleich ju benjenigen feinet GoUegen.
Seine Siech tfertigung, ju bet et niemal«, wenn ihn Vorwürfe Don allen Seiten
beftürmten, ein Port geäuhert, liegt in bem Pirten unferet glotten. gnftintt»
mähig ertannte er bie DerbienftDollften Offnere, unb gab ihnen trog lautet
potefte bie hö»hft*n SSertrauenSpoften. goote, porter, garragut, ba« ftnb
bie SRännet, welche Pelle« Senjenigen Dorjog, beten IBefötberung bet um»,
faffenbfte Ginfluh Don ihm forbette, unb wir Sille rniffen, wa« fie geleiftet
haben.
Sluch fein Bericht jeichnet bie groben Segebniffe be« lebten firiegSjabre«,
wenn auch nur mit befonberer Serüdfidjtigung bet Stolle, welche bie g l o 11 e
in ihnen {hielte, gm Uebrigen ift er ein Stefume be« gortfehritt« ber legten Dier
gabre im SWarinebepartement, unb in biefer Gigenfdjaft empehlt er ftch bem
Saien wie bem gadjtenner. Ser S3au einer tfrieg«»glotte ift bi«her al« ein«,
bet fchwierigften unb jectraubenbften Unternehmen angefehen worben. Sie
maritimen ©rofsmächte Europa’«: Stuhlanb, grantreich «nb Gnglanb, beren
Perften- unb ScbiffSbauböfe ju jeber Seit mit' bem reichften SRaterial für ben
Söau neuer Schiffe auSgeftatret waren, unb bie mit ben geühteften Slrheitern
reichlich Detfehen, hielten e§ bennoch nie für möglich, in lurjer Seit eine bebeu»
tenbe.SSergröherung ihrer glotte ju hewertftelligen. Sto& ber bringenben 2ln»
forberungen friegerifchet prioben war ba« Gtfiheinen einiger neuer Sinienfchiffe
bort immer ein Gteignih, unb Gnglanb bewachte mit eiferfüchtigen Slugen bie
SRatinehäfen granfreich«, um, fall« biefe« ben Siel. $u neuen Schiffen legte,
nifht hinter i^m iurüdjubleiben, bamit man im Slugenhlict bet ©efabr eine ahn»
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lidbc SJermebrung oufguweifen int Stanbe fef. Mit bet $erbeif$affung bet
Mannfdbaft unb bet Ferattbilbung bet Dfftciere war man bort nicht minberun-
günftig geftcHt. Um ftdb Mgtrofen gu betfdbaffen, madbte föufjlanb eS wie bie
übrigen norbifdben Mädbte — es tonffribirte unter' ben feefabrenben Unterta¬
nen, unb baS teilte in ber SHegeX bolltommen aus, wenn audb baS Material
nidbt immer baS befte mar. Gngtanb, bejfcn ©efe^e baS üonffribiren nidbt gu-
gaben, wanbte baS bort wohl humaner erfdbeinenbe Mittel beS MenfdbenraubS
(pressgang) an, um feine Skiffe gu öerfeben, unb gußriegSgeiten war bort
Stiemanb ftdber baoor, in nädbfter ÜRadbt in bie $beerjadte geftedtt gu werben. Sritbem
than fidb aber biefe^ $ülf^mittel§ entflogen, haperte eS gewaltig in bet Be¬
mannung bon Sdbiffen, unb wäbrenb beS ßrüulriegeS lagen belanntücb biete
berfelben füll, weil bie Matrofen nicht aufgubringen waren. 2BaS bie Feran-
bilbung ber Offtciere betrifft, bon beren Südbügfeit felbfitoerftänblidb bie SBirl-
famleit einer glotte gdnglicb abbängt, fo bat namentlich granfreidb barin biebit-
terften Grfabrungen gemacht, inbem es ftdb über gwei Sabrgebnte, nadbbem bie
Sleoolution bie meiften ber glottenofftciere bertrieben, burdb ben Mangel an Gr-
fabrung bei ben Buborn feiner ßriegSfdbiffe bie tiefften SBunben gefdblagen fab.
SBaS nun Slmerifa geteiftet bat, um bißf e GrfabrungSlebren gu entfräften,
baS gefdbab wäbrenb ber SlbminiftrationSperiobe beS MarinewefenS burdb
Ferrn SBelleS. Grböbte bie Ginfübtnng beS GifenpanjerS für ßriegSfdbiffe noch •
bie 6<bwierigfeiten beS Baus berfelben, fo gebührt ihm audb eine um fo höhere
Slnerlennung für bie nach ber burdb ben Merrimac erlittenen Schlappe aufgu-
weifenben unglaublichen Grrungenfdbaften in biefer Ridbtung. 3»eibunbert
unb adbt Sdbiffe, barunter »iele, -bie es gu jjeber Seit mit ben ftärlften Banger¬
fregatten ber alten Söelt aufnebmen fönnen, fmb wäbrenb beS Krieges erbaut,
bierhunbert unb breigebn aus ber Äauffabrerflotte angelauft unb gu armirten
Schiffen umgeftaltet. Unfere aus über ftebengig Sdbiffen beftebenbe Ranger-
flotte bat Aufgaben gelßf’t, bte Guropa mit Berounberung erfüllte. F fl t fte eine
SBiberftanbSfäbigteit entfaltet, bie eS febr fragltdb madbt, ob nidbt ein Montau!
eS mit einem Minotaur, ein Monabega mit einem Marengo erfolgreidb aufneb*
dben fönne, fo liegen je^t burdb bie Senbung bon fedbS biefer Sdbiffe nadb bem
Stillen Meere Beweife über eine Seetüdbtigfeit berfelben bor, gu weldber ftdb
Weber bon Seiten GnglanbS nodb’ SfcanfreidbS ein Bertrauen in bie ihrigen
äujjert Unfere Buritan, 2)ictator unb 2)unberberg werben, wenn bie nodb eyi-
fürenben Mängel beftigt ftnb, bie ftärlften Sdbiffe ber Sßelt fein, unb unfere
b ö l g e r n e n ÄriegSbatnpfer fmb namentlidb in ihrer Slrmirung ben englifeben
fo weit borauS, baf? man nur auf benfiampfgwifdbenbem ßearfarge unb ber Ala¬
bama gurüdfgumeifen braudbt, um unfere Suprematie feftguftetlen. Sin Matro-
fen beftfcen wir ein Material, mefdbeS nidbt ber Bluttaufen, meldbe eS bor Mo¬
bile, 9tew-0tfeanS, BidfSburg, Bart Fubfon unb auf bem £enneffee unb Gum-
berlanb erlitt, beburfte, um ftdb 3 U ftäblen, benn niemals wanlte es in einem
biefer feurigen Orbeale. SluS ben fteben Saufenb $beerja<fen würben einunb-
fünfgig Saitfenb, unb wie baS F eer / fa fmb auch fte mit bem Sdblujs beS ßrie-
- 168
geS ihren fcü^erctt Greifen jurüigegeben. Obgleich, wie fn granfreitb »or bet
Peoolution, auch bi« bie glotte eine SSerforgungSanftalt für ben 2tbet beS 6ü«
benS war, unb über breibunbert Offeriere ibre GpaulettS abßreiften, als Sumter
fiel, gebrach eS uns niemals an ben nötigen gubrern. Sie ßaufmannSflotte
gab unä auch in biefent ga<h, was SlunapoliS nicbt ju fteHen »«mobbte. Sie
Flamen ber auSgejetcbnetften unferer.Seebelben fmb nicht allein ben Siften ber
2Jlarine»2llabemie entnommen, garragat, Supont, porter, goote, SBinSlow
unb Sufbing füllten bie SBlätter unfeter ®ef<ht<hte mit unerlöfchlichem SRubm,
aber 93ogg§ unb Graben unb glemmtng unb SDliller ftanben ihnen nicht nach an
ättutb unb Patriotismus, unb auch ihre Sbaten werben ewig leben.
®S ift ein ftotjeS Senhnal, welches ©ibeon SBelleS burch biefen Sericbt
fub fefct, ftoljer noch weil bie natürliche »efebeibenbeit biefeS 2Jlanne3 ihn feines
ber Drittel jur Selbftoerberrlicbung benu&en läßt, welche bie ©efchichte unfe»
rer glotte ihm in fo reichem Plafje bietet. Gr mag als Gbaraft« unfebeiribar
neben ber gigantifchen ©eftalt ©tanton’S fein; aber er War ein treu« Patriot,
ein fleißiger Arbeiter unb ein gewiffenbafter Siener beS PolfeS. -
Sott <Sa»pa* ©u$.
3u Slmfterbam auf ber §eerengra<bt,
3n feines ^ßalafteS Saale,
Ser büft’re SBürger bei ftnfenber -Wacht
6ifct einfam beim Hbenbmahle. /
3m ©lafe ber rothe ©ein bon Surgunb,
& nippet ihn nicht ber gefchlojfene 2Kunb,
<k fteht nicht bie Stöffeln, bie uollen ;
Qx hält in ber §anb non Simancaä ben SJrtef,
(£r ftarret hinein mit ben Slugen, bie tief
Unter bufchigen Stauen rollen.
f/ Unb ba$ ift ber San! aus ÄonigeS §anb!"
Seginnt er unb Inittert ba3 Schreiben;
3$ trug bie gatfel burch’S ftieberlanb,
3$ heftte beim ßefcertreiben.
Sßilb mar bie 3agb, ber §immel glühroth,
Soran ritt 2llba, ber grimme Sob,
Sie Senfe 3 um -Blähen gefebmungen.
SSßer bie 2Jte(fe nicht hötet, fein @rab ift bereit;
So !nic!t man bie Slüthen ber neuen Seit,
Sie auf ßefcerboben entfprungen."
/Göogle
169
„3$ traf pe inte |>etg, bie Piebellenbrut,
9WiS tcnnen bie Stabte unb gluten.
S8on ber Staaten Sdjilbe roufdf? iS mit ®lut
®ie bePedfenben Äefcerfouren;
SWein -Warne »irb leben im Wieberlanb,
3m Strbennenforft unb an SeelanbS Stranb,
Unb nimmermehr »irb er Derballen.
Unb nun! ba gebügelt ba§ »ilbe föofj
gür ben Leiter fern in Simancal SSfop,
®uj$ Sllba, bet SJtöStige, fallen !"
Sr pmtet, brütet unb murmelt bann
®om Unbanl fürftliSer Saffen;
3m gangen 3abrbunbert ber einzige SWann,.
3hir er, ber au£ Sifen geraffen!
3htr er, bem nie ba§ get} in ber ®rup
Slufgudtte in ÜUtitleib, in SSmerg ober 2up,
S)er genfer beä SWenfSengefSleSteä!
Site bor feinem (Seifte PS breitet fein $bun, *
3)a ladbet er grimmig: „9hm lann üb tub’n,
3db fab ba3 Snb’ be3 ©efpSteä \ u
®a flingtte in ber #aHe »ie SporengeWrr,
Sluf fliegt bie oergolbete Pforte.
Sin bumpfeS ©emurmel, ein Stimmengewirr
Sin biefem gefürsteten Orte!
„2öer Sagt e3?" fo bonnert be3 gelbberm SJlunb*
„ w ®etgeibt, #err #ergog, bie bofe Äunb’,
SBIe febr pe bie ®ruft auS belafte!
®raf ®offu gefangen unb Sllfmaar befreit,
$ie glotte ber ©eufen gehn 9Men nur »eit,
3WU Oranieite glagge am 2Jtofte!""
Sin Ritter foriStte, ber in SbrfurSt PS büdtt,
Unb barret be3 Sßorte beä ®epegten;
Sein $amifS DoH ®eulen, $utfebern gelnidft,
Sie jüngft noS tm Seeminb p<$ »iegten.
®utSbobrenb auf ibn ift ber ®lic! gebannt,
Sen Stiemanb noS aitebielt im Wieberlattb,
Site »off er bie SBabrbeit befS»ören
„Son 3uan b’Stoila", fo berrfSt er ibn an,
„®ift fabnenflüStig bu, »ebe bir, SWann!
3hm rebe, bein gelbben »iU boren!"
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1
170
Unb mieber bemeigt p<b ber bittet Mitb fpxid&t:
„Verfahret mit mir nach bcm Siechte.
SBir trafen bie ©eufen im 5)ämmerli$t,
5)e3 SJtoigen^, bereit jum ©efec^te*
SBo ber «gupberfee feine SBogen feblägt
Sin bie 2>ei<be bei £otn, fo fturmgefegt,
2)a lag pe, ber Äeper glotte;
Stuf bem 3)ecf fdjon ber Sinter, bie Segel gefpannt,
S3ootbafen unb Speere in nerbtger £anb
So [türmte heran nun bie Slotte."
„& fmb Teufel, §err £erjog, nic&t ©Triften mehr,
S)ie milb’fien ber SBafiergeufen;
3iu3 SeelanbS ©achten fuhren fie her,
©in Strom, bem geöffnet bie Sdtfeufen.
Sin ber UJtüfce ben #albmonb, baä freche Spmbol,
/ „Sieber $ürP als Sßapft!" Hang rauh e£ unb hohl
Ueber be£ DJieereS bemegte SBellen.
* Stur eine Saloe bon iliel ju äiel,
SBie bie SBinbSbraut bann pnb pe f#on am $*1,
S)ap bie planten an planten jerfdbellen."
„©alb Pog unfre glotte mie Spreu bor bem Sturm,
©ebiafen in jebe SBeite;
Socb'immer no(h ragte, ein fefter £hurm,
5)aS Sibmiralfdpff im Streite.
Stoch meht bon ber ©affei ber „Snquiption"
5)a§ %uch bon ©aftüien unb Seon
^ernteber auf SBogen unb Seiten;
©ter Hämmerten feft p(h am hohen ©orb,
©ier ©eufenfd^iffe, nie rafte ber SJtorb
So fur(htbar in Spaniens Leithen.'
/
„®n 2öme im Kampfe, fo ftanb ber ©raf,
©iS bap ihm ber Scbmertarm erlahmet;
©ier &iger belämpften mir matter unb brab,
.S’ mar ein S<bla<btbilb, bon 3)ünen umrahmet.
$aS Steuer hing müpig in Siuh unb Staft,
S)ie Patternben Segel, pe fchlugen ben SJtaft,
SBir trieben jum Stranb im ©ef echte.
2>ocb hüben bie £iger uns übermannt,
.$en Sömen gefangen — ich tarn noch an’S Sanb,
£err $erjog, nun thut na<b bem Siechte."
171
Unb ftnfler hört Sllbabie UnglüdSmäbt,
Sein Saut entfährt feinem «Wunbe;
^ein ”No es nada!“ *) murmelt et mehr
Sei biefer blutigen fiuttbe..
6r »intet berit «Ritter, ju »eiben ben Saal;
3» bem $erjen »on eifen ipütbet bie Qual,
Sie Qual ber »ernidjteten SLräume;
Sefiegt unb erobert, bie „3nquifiti«n",
Stuf bem Siede tanjen bie ©eufen, »oll
»rauf’t ringsum beS «WeereS ©efdjäume.
er ftarrt in ber Simpel rötbliiben Strahl,
SBie 58lut erfebeint ihm Ihr Seudtfen..
es faßt ihn ein Sdjauber, jum erften «Wal
Slngfttröpfen bie Stirne ihm feudbten.
»ereit febon bet »Sagen jur gabrt in’S ©fit.
©efebeitert am blutig erftrebetenSiel,
Süblt er, »ie bie lobten ihn paden;
»efiegt »on ber Seit, fpriebt ber greife «Wann:
„WequefenS mag beugen nach mir, »enn er lann,
Siefe ftörrifb germanifeben. «Raden."
*> »®f ifl »tta’S SDort bei» ©npfeng fäUtytx ftu<$ri<bttn.
«Ülufilialifdje fttmtf.
©au %f). #agttt.
®er 3abre8»ecbfel, »ie auch bie Sage, bie ihm unmittelbar »orangingen
unb folgten, boten »ie immer febr »entge muftfalifcbe SlnbaitSpunfte für bie
«Befprecbung. Slm «BeibnmbtSabenbe »urbe ßänbel’S „«Wefffos" in ber übti»
eben SBeife »on ber Harmonie Societp aufgefübrt. $ert 3. S. Witter birigirte.
Saß er uns nidit baS ganje SBert gab, war »ofrfgetban. ©3 f m b bie gtoßar»
tigen ©böte, joele^e biefe Schöpfung, »ie bie meiften «Berte auf biefem ©ebiete,
ja felbftauf bem bar Oper, noch lange hinaus übet bie Seit ihrer-Qntftehung er»
halten. Sn ben Soloftüden unterliegen bie meiften Jtompimiffen bem berr*
Wenbat ©infiuffe ber Seit, in »eichet fie ihre SBerte febaffen. «Wan »irb «Dlo»
jart’S „Saubetflöte" no<b lange geben, felbft »enn man bie «Pa»agettogef<hi<hte
unb bie Gapriolen ber „fiönigin bei «Raiht' ungenießbar finbe» »irb.
3)ie Stuppe. beS^errn fflateman lehrte na<b einer febt erfolgreichen Wunb»
reife im ffleften unb Dften ju uns iutüd. Sie gab auch hie« ,»ieber brei febt
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172
ftarf befugte doncerte in ber^cabemp of SOTuftc. ®tan b5rte ben flünftlern
an, bafj ihre Kräfte febr ftarf angefpannt worben fein müffen. üRamentlicb
fd&ien ung bag Organ ber grau Sarepa febr angegriffen zu fein, Sie leiftete
in fünftlerifcher ^Beziehung bei SBeitem (Seringereg, alg bei ihrer erften Slrnve*
fenbeit in unferer ÜHitte. 3ftr Slntyp mar lange nicht beftlmmt genug, man
hörte oft bie beliebten 2)oppeltöne, bie ung namentlich bei eiher fo gebilbeten
Sängerin überrafchten. 3br föepertoir bat ft<b wenig verärtbert. freilich
war bag woblbelannte Sroch’fche „Sllpenbom" eine 3ugabe; über bieg fcheint ung
benn bo<h eine etwag ju ftarfe donceffion an ben ©efhmact ber ÜDtaffe ju fein.
Ueberbieg war bag Slrrangement für bag dornetnur genügenbumbag 2)ingno<h
gemeiner zu ma<ben. |>err 2evp fpielte wie immer mit großer Sravour. Slber
wag er fpielt, bat, vom fünftlerifchen Stanbpunft aug betrautet, gar feinen
SBertb. Unb über bag 2Bie liebe ftd? auch ttVch SJiandjeg jagen. Sein &on
ift nicht ebel, unb fein Sortrag erinnert fo ganz unb gar an bie in ben gebilbe*
ten Greifen duropa’g febon längft überwunbene Sßeriobe beg reinen Sirtuofen*
tbumg. S)ag Snftrument ift febon an unb für fld) nicht genügenb, tiefe Spm*
patbieen ju erregen, aber wir in 5Rew=2)ort wiffen aug eigener (Erfahrung, bafj
eg unter fünftlerifcben £änben unb unter bem dinfluffe eineg gebilbeten de*
fchmacfg'bon Seiten beg Sortragenben freunblicbe, ja fogar fünftlerifcbe Stirn*
mungen bervorrufen fann.
£err JRofa ift nach wie vor ber Siolinift ber Gruppe. S)er noch febt
junge SJtann bat tüchtige Stubien gemacht; aber wir glauben nicht, bab fte in
biefer £ebjagb beg doncertireng, wie er fte jefct anftellen mub,. erfreulichen
SHefultaten führen fönnen. 2Bag bie Sorträge beg ^ianiften $emt S. 53.
ültillg anbetrifft, fo zeichneten fie ft<b wie immer burch Solibität unb grobe $e<hntf
aug; eg bürfte übrigeng einmal 3eit fein, bab ber wirflich bebeutenbe Zünftler
etwag Slnbereg fpielte, alg feine „£arantelle" unb Sifzt’g ,,$acofzp*2Karfch".—
#err Hnfcbüfc birigirte bag Orchefter tu feiner tüchtigen Sßeife; eine etwag
beffere Hugmabl in ben Ouvertüren hätte wohl nicht fchaben fönnen.
Sluch ber $ianift §err 2Bebli ift zu ung $urücfgefebrt, unb wabrfcheinlich
um manche Erfahrung reicher. 9Jtan fpricht von feiner üUtttmirfung in einem
ber Sßbilbarmonifchen doncerte in ÜRem*?)orf, auch will er felbft doncerte geben.
Seine eigenen dompofttionen, von benen jefct mehrere bei Srainarb in dleve*
lanb unb Sitfon in Softon erfchienen finb, geben ihm wenigfteng Gelegenheit,
feine eigentümliche £e<hnif anjuwenben. 2Bag bie Sachen felbft anbetrifft, fo
fpiegeln fie bie Slmbition beg Serfafferg aufg detreuefte wieber, bie feine an*
bere ift, alg $u amüfiren. dr ift eine 2lrt .dottfchalcf, nur bei weitem nicht fo
gut unb abgerunbet.
$ie franjöfifche gruppe, welche augenbliälich b^r weilt unb mit Scbnfucht
ber dröffnung beg neuen für fte jept im 53au begriffenen Xbeaterg in ber vier*
Zehnten Strafe entgegenfiebt, bat fub auch an bie SDarfteHung einer fomifchen
Oper gewagt, unb zwar einer ber beften, bie in ben lebten breiig fahren für bie
franzöfifdbe Sühne gefchrieben fmb. £alevp’g “I/sclair’* war bie erfte erfolg*
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reiche Oper, melche etfür bie Opera comique in Paris fchrieb, unb in einem
griffen Sinne ift fte feine einige. £ier tritt feine.utfprünglidbe Spröbigfeit, fein
fteifeS ©ebneren im dMobifdjen, feine gorcirtheit unb ©efchraubtheit, bie uns na*
mentlich in feinen großen Opern (bie„3übin" natürlich ausgenommen) entgegen*
teuftet, auf eine mohlhuenbe SBeife aurücf. ©r mirb barin populär ohne trioial §u
fein, ©inige -Wummern in ber Partitur ftnb bon einer auberorbentlithen ©rajie, unb
über bem ©anjen liegt ein $au<h ber Poefte, ben mir in feinen übrigen Sßerfen
bergebenS fudhen. ©igentbürnlichermftife überlieferte er ber SSBelt btefeS 2Rei*
ftermer! ber fomifchen Oper, mie auch feine „Sübin", ein anbereS ÜBteiftermerl
ber franjoftfehen groben Oper, meinem Sabre (in 1835). Sn biefen beiben
SBerlen erreichte feine fc&öpferifd&e Äraft ihren £öhepunft, unb fte allein ftellen
ihn in bie [Reihe ber groben 2Reifter unferer fiunft. S)ie anbere Oper, an beren
2 )arftellung fuh bie granjofen magten, mar “Les Noces de Joannette” bon
Victor 2Ruffe, eip liebenSmürbigeS 2Berf, mit bem uns Ullmann fdjon oor eiiti*
gen Sahnen befannt machte. Sn ber ©rfinbung nicht immer frifch unb leben*
big, fejfelt baS SBerl namentlich burdh eine geiftbolle gaftur unb eine höchft lie*
benSmürbige uttb lofette SluSbrudtSweife. greilich, alles bieS muh berloren ge*
ben menn bie SarfteHer fo menig fähig fmb, ihre Aufgabe ju lofen, mie es bei
biefer ©elegenbeit ber gall mär. 2Bir haben feiten fo biel Prätention mit fo
geringem können bereinigt gefehen. Unb baju gefeilte ftdb noch eine Stimm*
loftgleit, bie man fchon im PaubebiUe unerträglich ftnben mürbe. S)ie fomifebe Oper
fteüt befanntlich an bie 2)arfteller biel höhere Slnforberungen als bie tragifdje.
Sn ber Sefctem fann eine, ftarfe Stimme fdbon einigermaben ©ff eit machen,
in ber fomifchen Oper hilft bie Stimme nichts, menn fte nicht tüchtig gefchult
morben ift. UeberbieS mub eine feine, gemanbte $5arftedung hin^utrelen,
meldhe anbeutet, bab fte bon einem gebilbeten 2Renf<hen auSgebt.' S)ie fomifche
Oper erforbert alfo ganj befonberS tüchtige flräfte für bie SluSführung, unb fo
lange biefe nicht $u haben ftnb, follte man an eine Sntrobuftion berfelben hier
nicht benfen.
2Bir müffen noch eines tüchtigen OrgelfpielerS gebenlen, ber hier tödlich
mehrere Proben feiner ©efchidtlichteit abgelegt hat. 2)er junge 3Rann heibt
SBarren, unb hat in $eutf<hlanb ftubirt. 9öoher mag eS mohl fomtnen, bab mir hier
fo menige bebeutenbe b e u tf ch e Organiften haben? 2)ie muftfalifche ©r^iehung
beS beutfdben fiünftlerS fcheint mirtlich baS Orgelfpiel mehr ju bernachläfftgen,
als tm Sntereffe einer allfeitigen tüchtigen ©rjiehung münfchenSmetfh ift* 2Rän
übt in ber Siegel baS Planier, ober bie Pioline, ober baS ©ello, aber an ein
eigentliches ©tgrünben ber grobartigenSReffourcen ber Orgel unb ber Söerfe, bie
bafür gefchrieben finb, benfen bie meiften jungen Schüler nicht. ©S fcheint ein
ÜDtangel an Spiupathie ob 3 umalten, ber melleicht in ber Schulerjiehung feine
Pegrünbung finbet. SXber ber angehenbe fiünftler follte nie oergeffen, bab bie
Mtitr beS OrgelfptelS eine rein muftfalifche grage ift, bie mit ber [Religion ober
mit ber Schule gar nichts px thun hat. 2Ran fann ein tüchtiger Orgelfpieler,
unb braucht bemtodh fein religiöfer 2)udtraäufer ju fein.
m
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174
Die Herren SJtafon unb ft&omaS haben ihre Soireen fürflamntertnufif be*
gönnen. 3« ber erften fd&on boten fte uns ein recht feffelnbeS Programm:.
Oüartett in ©, ÜRo. 1 .ÜJlo$art
(gefpielt non Herrn Dh^tor DhomaS, 9Jtofenthal, SUta^ta unb 53ergner.)
Drio in D, op. # 70, SRo. 1 .Söeethooen
(ÜJiafon, DhowaS, 93ergner.)
Sejtett in 93, op. 18..SBrahmS
(Xbomaä, ütftofentbal, 2Tla^fa # 93ergner, 3. £e& unb H 2Jtodenbauer.)
Das Quartett würbe oorjdglich gefpielt, unb machte einen böchft erfrifchen*
ben dinbrud, wie 2IlleS, was oon ber anmutigen 3Jtufe ÜUtojartS auSflie&t.
DaS Drio oon 93eetbooen ift in ber SluSbrudroeife boebft bramatifch, unb teilet*
tirt bie mannigiaebften Seelenjuftänbe, bie aber nicht immer in ihrer ganzen
Söebeutung $ur ©eltung tarnen, unb jwar in golge einiger Unebenheit in ber
Ausführung, namentlich bon Seiten beS Sßianiften. — DaS feeytett mu& $err
SBrabmS fchon bor längerer Seit gefebrieben haben, eS ftebt in ber Durchführung
burchauS nicht auf ber #öbe, bie er 3 . 93. in feinen Serenaben für Orchefter
innehält* dS hat eine gewiffe Sebenbigteit unb Sßärme im AuSbrude, benen
wir in ber Siegel nicht 3 U oft in ben SBerfen biefeS domponiften begegnen;
aber baS ©au^e ift ju wenig ausgearbeitet. Die groben Hoffnungen, welche
Schumann einft für biefen auf jeben galt genialen Äünftler anregte, haben ftch
noch immer nicht bermirflicht
2Bir tonnen unferen Bericht nicht beffer, als mit einer ÜRotij über bie Sprn*
pbonie*Soiree beS §mn Dheobor DhomaS fchlieben, welche nicht bloS eine ber
beften ber bieSjäbrigen Saifon, fonbern überhaupt eine fo gute war, wie Herr
DhomaS fie uns noch wicht geboten hat. DaS Programm namentlich War ein
muftergültigeS, wie unfere Sefer fofort feben werben.
Spmphonie in d, op. 30..... .93argid
Arie“Ah! perfido”.... .öeethooen •
( 2 JtHe. Sßarepa.)
gantafte in F-moll, op. 49. Gbopi»
(Hendarl SBolffohn.)
S3oItSlieb, gef ungen Pont.ßiebertranj
2 Jteloftnen*Oubertüre.SWenbelSfobn
Arie “If guiltless blood be your inten t” (Sufanna).Hünbel
( 2 )tlle. $ar epa.)
gantafie. gür Sßiano, dhor unb Orchefter. 93eetbooen
(Herr darl SBolffoh«, Sieberfranj unb Orchefter.)
Die Spmphonie würbe hier gum erften ’SWale gefpielt, unb wir lönnen beS*
halb nur über ben allgemeinen dinbrud fprechen, ben fte machte. Diefer war
ein günftiger. SBenn irgenb etwas, fo ift eS bie 3Jteifterhanb, bie uns fofort
aus ber 93ebanblung unb Durchführung ber Dhemen entgegentritt. So für
grobes Orchefter ju fchreiben, ift nur wenigen domponiften ber ©egenwart ge*
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geben. ©S liegt etmaS MftigeS, ©efunbeS in biefer 2Jtupt, bie, wenn pe auch
ben melobifdhen 9ftei$ ber großen üfteifter ber Spmphonieentünft entbehrt, bodh
ourdh einen gemijfen ©rnft, eine gemiffe SBürbe, bann unb mann burch einen ge*
lüiffen Sßomp zu imponiren meip. SaS üflotib beS erften SapeS ift etmaS
trodten, aber Sargiel berfteht bie mamtigfadhften ©ebilbe ju gehalten. greilicp,
menn man bebenft, maS Seethooen mit ben paar SBnen im erften Sap ber
C-moll-Spmphonie zu machen mupte, fo^ muffen bie Sargieff<h«t ©ebilbe nur
imbebeutenb erfdheinen. Ser 3auberftab Seethoben’S tonnte berühren maS er
mollte, unb Sehens* unb ©eifteSfrifcpe fprangen barauS herbor. Hber mir follten
uns mopl hüten, an bie SBerte unferer Sage ben Seethoben’fcpen SKappab zu
legen. Sargicl, mie bie meiften feiner ©enoffen, ift unb tann nichts HnbereS
als ein ©pigone Seethobcn’S fein, unb auch barin liegt fchon ein Serbienft.
Huf jeben galt aber ift etmaS bon bem Seethoben’fcpen ©elfte audh in biefer Spm*
phonie Sargiel’S, unb bieS ftempelt ben ©omponiften zu benbeften feiner Seit.
Sie Söeethoben’fcpe Hrie mirb hier feiten gefungen, bermuthlidh meil pe
eine grobe Äünftlerin erforbert, um bamit beim groben ^ublitum ©ffect 5 U
machen. Unb eine foldhe ßünplerin mar an bem Hbenbe biefeS ©onjerts gefunben.
Ser langen unb fepmierigen Hrie mürbe non ihr in jeber 93ezUhung ©enüge ge*
than. ^2JUle. $arepa zeigte im SBortrage biefer, mie audh ber ^änbeFfcpen Hrie,
maS fie audh mit ber Sofung mirtlidher ßunftaufgaben effeftuiren tarnt. Ser
$ianift be&HbenbS mar $err ©arl SEBolffopn aus *Pbilabelpbia, ber fepon mit
. ber 2 Bapl ber bon ihm borgetragenen ©ompoptionen pep felbft unb bie fiunft
ehrte, ber er fein Sehen gemibmet hat. ©S mar eine gute 3bee, einmal mieber
bie Söeethoben’fcpe gantape in bie Deffentficpteit zu Gingen. üftau fönnte pe
ben |tften SBerfucp SB.eetpoben’S nennen, bie Obe an bie greube zu fdhreiben.
2BaS er fpäter in ber neunten Spmphonie geliefert hat, mirb hier angebeutet.
©S pnb SSariationen über baffelbe Spema, freilich bei mcitem nicht fo großartig
mie in ber Spmphonie. Ob baS ©labicr bie Hufgabe löfen tonnte, namentlich
in biefer ©ombination, ift eine „anbere grage. Seethoben mup mohl felbft
baS Unzulängliche biefer 3ufammenfteUung ($iano, ©hör linb Ordhefter)
empfunben haben; ber lepte Sap feiner neunten Spmphonie fpridht bafür.
#err SBolffopn I5fte bie fchmierige Hufgabe, bie er pdh an oiefem Hbenbe
geftedt hatte, als ber tüchtige, befcheibene unb ftrebfame Zünftler, als meldhen
mir ihn fennen gelernt haben, ©r bocumentirte nicht blop genügenbe Sechnit,
fonbem auch eine feine Huffaffung. Hür fein Hnfcplag, namentlich in ben gorte*
Stellen ber ©hopin'fcpen gantape, gepel uns nicht immer.
Ir
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jTtterarifdHttifdjtö /nrillcton.
Bon 3. «ö.
ÜBenben wir uns heute äurbeutfcbenScbaubübuef fo begegnet
uns ba faft ganj biefelbe örfdheinung, mcld^e mir neulich auf bent ©ebiete ber
Aoman*Siteratur ju beobachten (Gelegenheit batten. Sie $rob^ftion ift aufjeror*
bentlidh ftar!, bo<h bie unenblicbe Mehrzahl ber Stüde taucht nur auf, um fofort
wieber in Bergeffenheit gu gerathen. Selten baf* ein beutfcheS Original, trenn es
nidbt bon einem fcbr renommirten Autor berrübrt, auf mehr benn jwei bis brei •
Bühnen gegeben wirb; aber felbft bie Stüde biefer renommirten Autoren, welche
bie Bunbe über ein Sugenb ober mehr kühnen machen, berrathen nur hochft aus*
nahmSWeife einige SebenSfähigfeit. günftigften gatle behaupten fie ftdb für bie
Sauer einer ganzen Saifon; in ber nächften fpricht Miemanb mehr bon ihnen.
Mer an biefem für bie beutfd&e bramatifdbe Bübnenliteratur gewifj febr wenig
erfpriefslichen 3uftanbe bie Sdbulb tragt, bie Siebter, baS Sßublifum ober bie
allerbingS gang eigentümlichen Sheaterberhältniffe, tonnen mir hier, nicht unter*
fuchen. SBabrfdbeinlicb fallt baS beflagenSwerthe Aefultat allen Sreien jur Saft.
Seit H e b b e l unb 2 u b w i g mit Sobe abgegangen, © u g f o w berftimmt ber
Bühne ben Büden gemanbt unb julegt in tiefe Melancholie berfallen, Sa u b e
enblich in bem mit ber praftifchen Seitung einer großen Bühne bertnüpften ©e*
fchäftSbranije baS geiftige Schaffen gänjlidb bergeffen, gebridbt eS ber beutfehen
bramatifdben Sicgtfunft ganj an herborragenberen Seitern unb allgemein refpef* ’
tirten Vertretern. 3mar-bat eS nicht an Bewerbern um bie batanten Öhren*
plage gefehlt, bramattfehe Sichter toaren immer im Ueberflufj borhanben —
teinem gelang eS injwifchen, ftch für bie Sauer in ber bielleicht burdh einen au*
genblidlichen (Erfolg eroberten Stellung ju behaupten. Unter ben beutfehen
Sramatitern jüngeren SatumS, b. b» benjentgen, bie erft feit bem Sabre 1848
wenn auch nicht gerabe für bie Bühne ju ftreiben begannen, fo hoch erft feit
biefer 3eit 3U SÄuf gelangten, ftebt © u ft ab greptag obenan. 3u Anfang
ber fünfjiger Sabre bcrfprach man ftch bon ihm grofje Singe. Seine „Baien*
tine", feine r ,Soumaliften", 4 ganj befonberS aber fein „(Graf ÜBoIbemar" toaren
bebeutenbe örfcheinungcn, wie feit ben um 10 — 14 3<*bre früher ans Sicht
getretenen bramatifdpeft örftlingSwerfen ©ugfow’S unb Saube’S nichts BeffereS
gefchaffen toorben. Mit Spannung erwartete man wettere Arbeiten greptag’S
unb wartet heute noch, ba er feine Bühnenthätigfeit gan$ ploglich abbrach.
AllerbingS trat er bor 4 bis 5 S^ren noch einmal mit einer Sragöbie: „Sie
gabier", herbor, ber biel Buhmgefpenbet würbe, unb bie fogar ben bont Könige
bon Vreufen auSgefegten SchillerpreiS erhielt, leiber aber faum als praftifdhe
Bereicherung beS BühnenrepertoirS anjufehen fein bürfte,« ba ftch uur wenige
Hofbühnen an ihre Aufführung heranwagten unb baS SHefultat biefer Auffüh*
rungen ein feineSwegS ermuthigenbeS war. V o b e r t $ r u g, ber mit feinem
„Morig bon Sadgfen" einftenS fehöne Hoffnungen wedte, hat ftch langft bon
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jeber 93übnentbätigleit jurüdgejogen; bielleidbt mochte ihm fein fdbarfer fritifdber i
JÖlid fagen,«bafi ihm bo<h manche midbtige (Eigenfchaften beg Sramatiferg abge*
ben. SWinber unbefangen in ber Selbftbeurtbeilung jeigt ft<h ein anberer her*
borragenber ßritifer unb Siterarbiftorifer, di u b o t f © o 11f <h a II, ber feit 12
bi§ 15 fahren unoerbroffen für bie 23übne arbeitet, in jeber Saifon ein ober
felbft mehrere Stüde jut 2luffüf)rung bringen läfct, ohne big jefct auch nur mit
einem einigen einen burchgreifenben (Erfolg erhielt ju haben. $abei laffen fi<h
ben ©ottfchalTfcben 2)ramen bebeutenbe SSorgüge nicht abfpredben; fte ftnb
mitunter großartig angelegt, geigen eine adfrtunggebietenbe Sauberfeit unb
Sachfenntnifiin ihrer Slugfübrung;— nur (Eineg fehlt ihnen: jener marme
Hauch ber Sßoefie, ber unmiberftehlich ergreift unb fortrei&t. 3$on Ringel*
ftebt, |)em einft biel gerühmten cogmopolitifcben üRachtmädbter, Jbraudben mir
hier taum ju reben, ba feine beiben bramatifcben Sßerfud^e: „3)ag ©efpenft ber
d&re" unb „StogHaug ber 33ameoelbi" eigentlich in bie bormdrjlic&e Qtit fallen
unb nur bon mäßigem (Erfolg mären. 3>njmifchen berfchafften fie hoch %em
Urheber eine Stellung, in melcfcer er auf bie (Entmidelung unferer neueften bra*
matifdben Literatur einen großen (Einflufi üben fonnte unb mirflich übte. 2)ie
Weimarer üUtufterborftellungen fiaffifcber 2)ranten unb bie SBorfübrung ber Heb*
berfchen „ $Kib et ungen" ffnb bie ehrenbollften Monumente, melche 3)in*
gelftebt feinem tarnen ju fefcen bermochte.
2llg erfebnter ÜJiefftag ber beutfcben Schaubühne marb bei feinem erften $luf**
treten 93raebb ogel begrübt. Sein „9iarcij$" feblug faft ebenfo gemittet
mächtig in bie bon franjöfifcbem ©iftbaueb beworbene s iltmofpbäre beg mober*
nen (Eonberfationgbramag, mie einftmalg ©ötbe’g fernbeutfdber ,,©öfc" unter
bie Slfterprobulte einer in ber beutfeben Sühnen* mie ittomanliteratur ftdb breit
macbenben bpperfentimentalen Witter* unb 9täuber*$oefie. Slber mit bem erften
jünbenben Slifc fchien auch feine ßraft erfeböpft; mag nachfolgte, maren nur
falte Schläge. Sradbbogel liefert faft für jebe Saifon ein neueg 2)rama, moju
er ben Stoff häufig feinen eigenen Lobelien entnimmt; ein „-ftarciji" mollte
big jefet nicht mieberfommen. — (Eine ähnliche gigantifdbe ßcaft, bie aber faft
noch meniger jur (Entmidelung gefommen, mar©riepenferl, beffen „9to**
begpierre" feiner %i\t fo gemaltigeg Sluffeben machte. $ag Stüd fam nur
feiten jur Aufführung; mo man eg jeboch unberftümmelt barfteüte, mar ber (Er**
folg ftetg ein au&erorbentlicber. Seiber batte eg bei ber einen reifen grucht fein
Seroenben. ©riepenferl ftarb, menn mir nicht irren, bor einigen fahren, ohne
bie einft auf ihn gefegten Hoffnungen gerechtfertigt gu haben.
2 Bie fich bie öfterreidbtfchen dichter unb Sdbriftfteller bon benen beg übrU
gen $eutf<blanb immer burch befonbere (Eigentbümlichfeiten fdbarf unterfdbie*
ben haben, fo auch bie 2)ramatifer. Aachbem ber mirflidb geniale unb hoch
poetifche ©rillparjer berftummt, maren eg bauptfächlidb in ben hiesiger
unb fünfziger fahren brei öfterreichifche S)ramenbichter, beren Aubm bie engen
©renjen ber Heimatb überfchritt: Halm .{greiberr bon -UftünchsSellingbaufen),
üJtofenthal unb $r eitler. Halm bat burdb feine „©rifelbig" unb
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feinen „Sohn bet SBilbnifj" eine Popularität erlangt, bie gum ffierth biefbr
franfpaft fentimentalen Sichtungen in gar feinem Serpältniffe ftept. (Entfchie*
ben beffer ift ber „gelter oon Slaoenna", boep liegt beffen Starte eigentlich
auch nur in aufcerorbentlichem Aufpufc unb tenbengiöfem Pbrafengefiingel; fo
gewaltiges Auffepen er gur 3eit feines (ErfcpeinenS machte, hat er fiep heute, wo
man bie SebeutungSlofigfeit ber polittfcpen pprafe mehr unb mehr eingufepen
beginnt, faft fchon überlebt. 2BaS Halm feitbem für bie Sühne gefchrieben, ift
oöHig unbebeutenb unb rechtfertigt oollfommen bie Anfupt, bah ber (Erfolg jener
früheren Sichtungen großenteils einer bettehrten 3eitftimmung gugufepreiben mar.
HJtofenthal hat burch feine auf bie frangöfifepe, englifche, amertfanifepe unb italie*
nifche Sühne gemanberte „Seborap" in höherem ©rabe einen Sßeltruf erworben,
als irgenb eii^anberer beutfeher bramatifcher Sichter ber ©egenwart. SaS Stüd
oerbinbet mit unleugbarem poetifepem Schwung unb tbeilmeife fehr gelungener
ßharaftergeiepnung eine oollenbete Süpnenmacpe, unb fein- (Erfolg tann als fein
gang ünoerbienter angefehen werben. Seiber lieh *S auch üftofentpal bei bem einen
glüdlicpen 2Burf bewenben, benn maS er fonft, felbft einfchliehlich beS „Sonn*
menbpofS", für bie Sühne fchrieb, würbe ihm faum ben Auf eines bebeutenben
SramatiferS berfepafft haben. Ser lebte biefer brei öfterreichifchen Sichter,
Otto Prechtler, ift ein anmuthigeS IprifcpeS Salent, baS jeboch auch in feinen
bramatifchen Schöpfungen ben Ipriftpen Son oorwalten Iaht., prechtler hat
ziemlich biel für bie Sühne gefchrieben, hoch außerhalb DefterreicpS ift faum
eines ober baS anbere feiner Probufte je gur Aufführung gelangt.
3 n ben lepten Sahnen waren eS hauptfä<hli<h 5tt»ei fübbeutfehe Sichter, bie
, fiep auf ber beutfehen Sühne (Eingang berfepafft, unb auf bie man, wohl nicht
ohne ©ri*nb, für bie 3ufunft bebeutenbe Hoffnungen fc^t: P a u l £ e: b f e unb
.3 o f e p h 2B e i l e n. 3m ©egenfafc gu fo manchen anbem Sramenbichtern,
bie bieloerfprecpenb begannen, bann aber plöfclicp in ihrer Äraft erlahmten ober
güngUcp oerftummten, geigt £epfe in feinen bisherigen bramatifchen Arbeiten
meinen ftetigen gortfepritt. „Sie Sabinerinnen", in München mit einem Preife
gefrönt, waren wohl eine fchöne Sichtung, jeboep ohne bramatifchen (Erfolg, ba
fuh ber Autor mit ben praftifchen Sühnenbebürfniffen noch gu wenig befannt
gemacht, „(Elifabctp Charlotte" hatte fchon, was ben „Sabinerinnen" fehlte; .
boch in feinem Semühen, ber Sühne gerecht gu werben, patte Jt(p ber Sichter
auf Abwege oerloren unb war allju fehr in’ S 3*rfährene, Anefbotenbafte ge*
rathen. Auch biefen gehler wieberum bermieb er in „£anS Sange", ber als
treffliches 3«t* «ab ßparaftergemälbe, mit einheitlicher, acht beutfeher £anb*
lung unb Senbeng, unfer lebhaftes gaterejfe erregt unb allenthalben bie ge*
bührenbe SBürbigung gefunben. 3^igt baS jüngfte £epfe T fche Probuft: „ßol*
berg", mit bem befannten Patrioten Aettelbed als Hauptfigur, wieber einen
ähnlichen gortfchritt, fo mag ft<h bie beutfehe Sühne gur ©ewinnung eines folgen
toiepterifepen SalentS wahrhaft ©lücf wünfehen. Auch 3<>fcph SBcilen ift
ÄÖem Anfchein nach ein Sichter, ber nicht auf bem einmal gewonnenen Stanb*
punlt fiepen bleibt, unb noch weniger gurücffchreitet. Seine erften bramatifchen
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Serfüdje, ttantfntiUh „Sriftan unb Sfolbe", Betriebe« fchon baS achtungS*
joert^e Silent, litten jeboch an mancherlei Sängen unb Unebenheiten, bie ihren
erfolg auf ber Sühne beeinträchtigten. Sagegen ift fein neues Stama ,,©bba"
ein ganj prächtiges farbenreiches ©emälbe, baS uns marfige, lebenSoolle ©haraf»
^ tere unb eine ungewöhnlich fpannenbe Hanblung mit gut gefchttrjtem unb na* i
tätlich gelßf’tem knoten bietet. Auch Sßeilen’S jüngfteS ^robuft: „Am Sag non'
Oubenarbe-, ein geftfpiel, jur geier ber eintneihung beS ißrin} <Sugen*Senf*
malS in Sßien aufgeführt, hat ungemein angefptocben unb jeigt in Anlage wie
Ausführung ben finnigen Sichter unb gewannen Sramatifer. i
3»ei anbere braraatifche Sichter jüngeren SatumS, auf bie man gleich* j
falls bebeutenbe Hoffnungen fe|te, fcheinen biefelben nicht rechtfertigen ju wol*
len. Sempeltep, beflen „ßlptemnäftra" fo grofjeS Auffehen machte unb ,
bem barnals noch fehr jugenblidhen, bie Serlinet alabemifchen Hörfäle frequen*
tirenben Serfaffet allerlei fchmeichelhafte Ausdehnungen jujog, läfct eS fich je^t
als tprinatfelretär beS HerjogS non ©oburg*@otha wohl fein unb geigt nicht län*.
ger nach bramatifchen Sorbeeren. 3Jlehr 3eug ju einem tüchtigen Sramatiler
befiht offenbar H a n S ß ö ft e r, aber auch ihm hat bie fürftlidjeSßrotettion in
SAündhen nicht fonberlich wohl gethan, benn et fteht im ©runbe genommen mit
feiner .neueften Arbeit „Ulrich Bon Hutten" noch auf betreiben Stanbpunft
’ wie mit feinem bramatifchen (SrftlingSwerf „GolumbuS." ©bler Stpl, fchwung*
Botte Sprache, SReicbthum an ©ebanlen, bahingegen feine einheitliche tragifdje
Hanblung, fein regelrechter Sau, feine Steigerung unb befriebigenbe Söfung!
©in bramatifcher Sichter Bon nicht gewöhnlicher Segabung wat SB il *
heim ffiolffohn, ber fi<h auSfchliefelich an ruffifchen unb israelischen
Stoffen Berfuchte unb namentlich mit feinem Srama „Slur eine Seele" ©lücf
'• machte, SBären feine äufceren Serhältniffe günftiger gewefen, hätten ihn nicht
firanfheit unb Sob in ben heften SJJanneSjahren ereilt, er hätte wohl bie gä*
bigfeit befefferv bet beutfchen Sühne noch manche werthoolle ©abe jujumenben. •
©inet günftigeren, ja burdjauS unabhängigen SebenSftettung erfreuen (ich bie bei*
■ ben Sichter 5» e b w i fc unb S u 11 i h, bie ab unb ju in ber bramatifchen SEBelt
Bon pch reben machen, ohne getabe als befonberS hell leuchtenbe Sterne gelten ju
fönnen. DScar Bon Aebwifc, als Iprifeher Sichter fchon früher Borth«lhaft be*
fannt, machte mit feinet „ShttiWnne SBelfer", einem oft behanbelten Stoffe, Biel
©lücf, ohne bah f«h behaupten liehe, er habe ihm wefentlich neue Seiten
abgewonnen, ober ihn bureh ungewöhnlich glänjenbe poetifche Strahlen ju oerflä* „ ,
ren gewuht. SaS Stama ift nicht frei bon jener himmelsfchmachtenben Sen¬
timentalität, welche bei SHebwi&’fchen $oefie überhaupt anflebt, aber gerabe
biefer Umftanb mag in gemijfen Augen ju feiner ©mpfehlung gebient haben.
Sie neueren bramatifchen Arbeiten ftnb jwar in feiner engeren Heimath, Saiern,
jur Aufführung gefommen, Bermochten aber nicht einmal hier entfchieben burch»
jugreifen. ^fruchtbarer ift ©. Bon Süilifc, ber ftch früher befonberS mit ber Ab*
faffung fleinerer Suftfpiele befdjäftigte, bie ihm mitunter ootjüglicb gelangen,
bann aber auch baS ©ebiet bes höheren SramaS betrat, ju welchem Gnbe er
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bauptfdchlicb Stoffe aus ber branbenburgifchen ©efcbidbte benupte. Seine
Stellung als Sntenbant einer norbbeutfehen $ofbübne gewahrt ibm für bie
Verbreitung feiner Stüde allerlei gacilitdten, wie fic altbern $ramenbtd?tern
fetten betrieben fmb; gleichwohl ift ibm noch fein 2£urf fo entfliehen gelun*
gen, bafc fi<h baran begrünbete Hoffnungen für bie 3ufunft fnüpfen lieben.
$aS neuefte Suftfpiel: „Um bie ßrone", nach 2lrt ber frangöfijeben 3ntriguen*
ftüde gearbeitet, berbient übrigens bie bollfte Veacbtung uub gebürt in feiner
2lrt immerbin gu ben befferen oeutfeben Originalen, ©inem jungen 2Beimarer
Siebter, 2lleyanber 9t o ft, fmb einjelne SJramen aus ber tbüring’fdb?n
©efebiebte nidbt übel gelungen; neuerbingS bat erfleh an einem „Vootbroell"
berfmbt. H* bewies in feinem „Heinrich bon Schwerin", baj$ er
bie politifebe Vb*afe bramatif(b §u berwertben berftebt, licS eS aber bei bem ein*
maligen Verfucb bewenben. 9Jt. S olitair e, ber geifioolle Kobellift unb
glüdliche SDtaler in Hoffmann^aHot'fdber üJJtanier, bat eS gu betriebenen 9Ka*
len mit ber bramatifchen Schriftftellerei berfudjt, ohne bajj bie Vübne bis jefct
biel -Kotig bon ibm genommen batte. Vor einiger Seit warb gemeloet, bab er
eine feiner gelupgenften ürgdblungen gu einem fünfaltigen 5>rama: „$aS
ffiirtbSbauS im SBalbe" umgeftaltet habe. © e r ft d d e r, ber biel ©ewanberte'
unb mit bergeber wohl Veroaiiberte, fdbrieb früher unb auch mieber neuerbingS
bliebe Dramen, bon benen jeboeb mabrjdjeinlich feines fobiel bon ber SBelf feben
toirb wie ber Verfaffer. — ©buarb 9t ü f f e r bat mehrere SJramen gefchrie*
ben, neuerbingS einen „lebten 9tömer" (Gonftantin VoldologoS), bodb ift eS
ihm noch mit feinem feiner SBerfe gelungen, bei ben Vübnen burtbgubringen.
Von bem bebeutenben Ginflufj, welchen noch wdbrenb beS lebten gabqebnts
bie bureb bie SJtddbtigfeit unb Vielfeitigfeit ihrer feböpferifeben ßraft immerhin
böcbft merlmürbige S3irdH=*Spfeiffer auf bie ©eftaltung ber beutfeben Vübne
gedu&ert bat, brauchen wir an biefer Stelle faum gu reben. Koch bat fie bie
geber nicht gang aus berHanb gelegt, fie bewegt fte / nur langfamer; gleichwohl
erfebeinen ibr$ Stüde fefeon. etwas feltner auf bem 9tepertoir, unb ber einft in
ber Sbeatermelt fo boebgefeierte Kante tritt allmdlig in ben Hintergrund $n
.gehn bis gmangig gabren. werben, mit wenigen SluSnabmen, bie Stüde ber
Virtb^feiffer gu ben abgetanen 3)ingcn gehören, wie heute bie beS einftmals
gleich mächtigen $o|$ebue ober feines KadbfolgerS Kaupad). S)er aufjerorbent*
liebe ©folg berVirch feuerte gu mancherlei Kadbabmungen an; freilich fehlte ben
meiften ber treffenbe Schnitt unb bie ftetS fattelgeredbte Ktacbe beS Originals.
3wei jüngere Schriftsteller befonberS geben ftcb grobe Ktübe, ber ÜDteifterin
etwas abguternen. 21. ßrüger in Hamburg brachte eS babin, baj$ man
mehrere feiner anonpm in bie Söelt gefebidten Dramen längere 3*it ber Vircb*
Pfeiffer gufdbrieb. ©ang offenbar unter Virdb^ßfeiffer'fdbem Ginflujj arbeitete
ferner 2lrtbur SKüller, ber wdbrenb ber lebten 8—10 gabre biftorifche
Schau* unb Suftfpiele nur fo aus bem 2letmel fcbüttelte. Vatrioti)<be, meift fpe*
gififcb*preuftif<be Stoffe, eine gewiffe £eid)tigfeit, um nicht gu fagen Seichtfertig*,
feit ber Vebanblung, eine in herben, greifbaren Umrijfen gehaltene Gbarafteriftif,
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enblicp ein fliefjenber, freilich auch giemlicp hausbackener, pointenarmer Sialog
öerhalfen ben SDlüCIer’fc^en Staden rafcp gu bebeutenber Popularität unb machten
fie in ben 3lugen ber Süpnenoorftdnbe gu gefugter SBaare. Socp Arthur
SJtüHer überfepapte baS ihm beritebene Pfunb unb trieb bamit gu har.bgreiflicpen
SBucper. Seine Stüde mürben immer gasreicher. aber auch immer fcbaler unb
flacher, bis fte felbft einem an’S Srioiale unb Snftaglicpe gemßbnten Publifum
nicht mehr recht munben mollten. (Erft bie oehninberte Nachfrage unb mach*
fenbe (Gleichgültigkeit tbat biefer bramatifchen Sünbflutb einen febr mopltbdtigen
(Einhalt.
Sen oben ermahnten öfterretepifeben Sramenbicptern reihen ftch einige jün*
gere (Eoöegen an, bie allerbingS eine etmaS berfchiebene SHicptung berfolgen. Ser
talentbollfte unter ihnen ift ber bereite genannte Sofef SBeiler, ein Pfeubonpm,
hinter melchem fuh ein öfterreiepifeper Offigier berbirgt/ (EbuarbÜötautner,
betannt als SRobellift, fchrieb einige Sramen, unter melden namentlich „(Eglan*
tine" einen hübfehen, hoch, mie eS fcheint, auch nur borübergehenben Erfolg
errang, ber big jefct nidpt burch fpdtere ebenbürtige Arbeiten berbollftdnbigt mürbe.
£. 2o r m, gleichfalls ein finniger SRobellift, berfuchte eS öfters mitbem Srama,
boeb nur mit madigem ©lüd. 2lu<b $anS£opfen, ber Serfajfer beS Dto*
manS „ißeregretta", gehört gu biefen jüngeren öfterreidhifdhen Richtern, bie eS
auf ber Sühne gu etmaS bringen möchten. Sefcterem hüben ingmifepen bislang
feine bramatifchen Serfucpe noch menig $uhm, bon Seiten ber firitif fogar berbe
ßurcchtmeifungen eingetragen.
üfteben ber öfterreiepifchen giebt eS auch eine 2lrt 9flün<penet ober bairifche
' bramatifdpe Sicpterfchule. SaS bemühen beS berftorbenen fiönigS bon Saiern,
burch ^reiSauSfchreibungen bie bramatifche Literatur gu heben, blieben nicht
ohne (Einflup. Mehrere ber begabteften bairifeben ScbriftjteHer menbeten auf
biefe Seranlajfung hi» ihre firdfte ber Sühne gu. Saul £epfe marb guerft burch
biefe SreiSauSfchreibungen. angeregt, für bie Sühne tbdtig gu fein. Sehnlich
Hermann Schmieb unb (E. S cp l e i cp. Sefitere mdhlten bormiegenb
bairifche Stoffe, bie ftch an Drt unb Stelle auch bann noch bantbar bemiefen,
menn ihre Searbeitung biefe ober jene tleinen Schwächen gur Schau trug.
(Ein gemifc fehr achtbares Salent iftSuliuSörojje in ÜUtüncpen, ber fi<h
gleichfalls guerft bei jenen ^reisbemerbungen peroortpat, obmohl er nicht g?rabe
als gefrönter Säet barauS peroorging. (Ein fünfaftigeS Srama aus feiner geben
„Ser lefcte ©rieche" ift oor Äußern im Srud erfchienen. Ser jugenblicpe Äönig
Submig II. bon Saiern cultioirt neben ber Sa^unftSmufi! oorgugSmeife baS
beutjehe flafftfcpe Srama. 2öenn er babei gelegentlich einen Strahl feiner ©unft
auf bie einheimifepe bramatifche Originalprobuftion fallen Id&t, bie übrigens
fpon burch baS neu errichtete Stüncpener SolfStpeater bebeutenben SHüdpalt ge*
minnt, mirb ber bon feinem Sater auSgeftreute Saanien ficher mit ber 3eit fepöne
Früchte tragen.
(ES bleibt uns jept noch übrig bie Seiftungen beS beutfepen Suftfpiels ber
©egenmart Dleoue paffiren gu laffen. Serfparen mir uns bieS für unfer ndcpfteS
Feuilleton.
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HtinfyoUi Folger.
©Ott ftricbrtc* $tapp.
3)ie STOonatSbefte haben ftcb baS fcböne 3-^ gefaßt, „einen titerarifdben
Sammelpunft ber beutf<b*amctifanif<ben Snteßigeng gu bilben; fle moßen ein
SWittel fein, bie (Errungenfcbaften beS beutfeben ©eifteS auf bern ©oben Hmeri*
faS gu erbalten, mit Siebe gu pflegen unb gur ©eltung gu bringen." 9t ein *
bolb 6olg er mar hier gu Sanbe einer ber bebeutenbften £rdger biefeS ®ei*
fas, ja mehr als baS, er fd?uf fogar in engtifeber Spraye beutfdjer 2Bijfenf<baft
unb firitil eine betmiföe Statte unter ben gebilbeten Hmerifanern. SBegen
biefer feiner 3)oppelfaßung bat er gang befonbem Hnfprud? auf bie bantbare
Hnertennung jebeS $eutf$en unb auf-einen ebrenben Hadjruf in ben Spalten
biefer 3eitfd?rift, gu bereu SWitarbeitern er non Anfang an gehört bat.
3)aS Seben unb geiftige Streben eines ÜDtonneS non feiner ©ebeutung unb
feinen Talenten labt f«b natürlich nicht auf ein paar Seiten erfcböpfenb bebau*
beln; bie folgenpen üßtittbeilungen, flüchtig bingemorfen bei bem (Empfang ber
Hacbrid&t non feinem $obe, moßen beSbalb auch nur als ein befdbeibener ©au*
ftein gu einer grobem (Ebaratteriftit beS ©erftorbenen betrachtet fein.
9leinbolb Solger marb am 5. $uli 1817 in Stettin geboren, mo fein
©ater bamals OberregierungSratb mar. Seine gamilie gehörte ben bohrten
preufsifeben ©eantten* unb ©elebrtentfeifen an. Sein eingiger ©ruber ift
gur 3eit OberregierungSratb in Gängig. Hm betannteften non feinen ©er*
manbten ift fein Ontel, ber berühmte ©hßofopb unb .©erliner ©rofejfor, ge*
morben. $aum neun Sabre alt, nerlor Solger feinen ©ater, ein hoppelt grobes
Unglücf für ben begabten Knaben, ba er fortan bei ber ©titteßoftgfeit feiner
Butter non ber ©unft unb Unterftüfcung feiner ©ermanbien abbing unb fdbon
in früher Sugenb in brüdenben ©erhdltniffen nielfacb bin unb her gefdfaubert
mürbe.*) 2>ie lebten Schuljahre verbrachte Solger auf bem ©äbagogium in
3üHi<bau, nonmo er im grühjabr 1837 bie Uninerfttdt §aßebegog, bieerfpdtet
mit ©reifsmalb unb' gulept mit ©erlin nertaufebte. Sn £aße fcblob er f«b Vor*
gug&oeife an ben anregenben unb geiftig bebeutenben Sreis an, melcber bamals
unter ber gührerfebaft non Hmolb 9luge bie §aßifcben Sabrbücber in’S Seben
rief unb bie dufserfa Sinfe ber «gjegeffeben Schule bilbete. Huf ber einen Seite
baS Stubentenleben mit noßen 3ßgen geniefjenb, auf ber anbem geiftig gebo*
ben burch bie bebeutenben Scanner, mit melcben er nerfehrte, trat Solger guerjt
an baS Stubium ber ©bilofopbie heran unb legte ben ©runb gu feiner gefehlt*
*) 3m £anS ». Äapenftngen febitbert er jum 3^etl feine eigene 3ngenb, unb in ber @e*
betm-Hdtbin Huf, gefcorne ». St., feine Schwägerin, bie fldp feiner (Srgiebung annimmt, in ben
SBorten:
w $an31 abnft 2)u wohl ? Äennft £)u baS SBort „©rgiebn* ?
Ünglüdlther! 2)u folijt erlogen »erben!
Um 5Deine 3ugenb bift 2>n Won betrogen:
3efct wirft SDu obenbrein noch „ w o b 1 e r g o g e n \
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liehen unb clafftfdjen Bilbung.. Obwohl als gurift unbßamerift immatrilulirt,
wibmete er ftch auSfd^Iiegüd^ ber Vbilofophie unb Philologie, unb verfuchte fuh
nebenbei in verfebiebenen Iprifcben Sichtungen, bereu einzelne in bera Buge’fchen
2Äufenalmana<h für 1839 veröffentlicht würben. gn ©reifswalb unb Berlin holte
Solger bie verfäumten Brobftubien balb nach. Slfö er, baS Gyamen als Vegie*
rungSreferenbar gemalt batte, war gerabe ber berü(btigte Gichhorn preuhifcher
fiultuSminifter geworben, tiefer nahm als alter greunb unb College von
Solger’S Bater befonbern 2lntheil an bem gortloramen beS talentvollen Soh*
neS unb brang in biefen, ftch gur Uebernabme einer Brofeffur an ber lanb*
wirthfehaftlichen Schule m Glbena bei ©reifswalbe vorgubereiten. Solger !am
aber nie über baS Stabium biefer Vorbereitung hinauf unb arbeitete einige 3eit
bei ber Regierung in BotSbam, ^ cr inbeffen, angeefelt vom geiftlofen
bureautratifdhen Treiben unb 4m Stich gelaffen von feinen Verwanbten, nicht
lange halten fonnte. Gr befchlojj alfo, fein ©lüd im HuSlanfcvgu verfugen.
Solger wollte birelt über Gnglanb nach Slmerüa gehen, fam bamals,
1843, aber nur bis Siverpool. Gtn 9Jta!ler hatte ihm nämlich ein gefälfchteS,
toerthlofeS gahrbiHet aufgehängt, für welches Solger fein lefcteS (Selb hin=
gegeben hatte, Gr muhte alfo nothgebrungen bleiben. 3u feinem ©lüd er*
hielt er eine Stelle als Hauslehrer bei einem Sanbebelmann, in beffen garailie
er faft vier gafyre lang blieb. 3« äu&erft forgenlofen unb äußerlich angenehm
men unb reichen Verhältnijfen lebenb, fanb er hier bie hinreichenbe 2Jtuhe, fleh
nicht allein bie volle ^enntnih unb Veherrfchuitg ber englifhen Sprache angu*
eignen, fonbern auch feine früheren hiftorifchen unb philofophifchen Stubien
mit verboppeltem Gifer wieber aufgunehmen unb fuh ber Boefie inniger als in
einer früheren Beriobe feines SebenS guguwenben. Slujser verfchiebenen 2luf*
fäfcen, wie ber Slbhanblung über ben Ginfluh beS SheaterS auf bie Gnglänber,
entftanben in jener 3eit bie groei erften ©efänge feines fomifchen GpoS „HanS
von ^a^enfingen", einer geiftvollen Satire auf baS preuhifche Militär*
gunferthum. geine Beobachtung, freier politifcher unb geiftiger Blid vereinig
gen fuh in biefem ©ebichte mit bem übermütbigften SBi|e, bem UebenStoürbig*
ften £umor unb ber gragiöfeften gorm. 2flan gerbrach Ph lange in Seutfh*
lanb ben $opf über ben Verfaffer. Gütige hielten Sfrufc bafür, ber gu jener
3eit gerabe bie „Bolitifhe SBochenftube" gebichtet hatte., tiefer antwortete, er
würbe fuh freuen, wenn er einer fo groben Seiftung fähig wäre, er vermöge nichts
bem Jfabenftngen GbenbürtigeS gu f<haffen. Seiber blieb er bei ben erften beiben
©efängen fteheu. „GS gehöre ber leberibige ©egenfafc gwifeben ber engen BotSba*
mer Sltmofphäre unb ber freien englifchen Suftbagu, umberartige ©eftalten her*
vorgubringen", meinte Saiger fpäter mit Becht, unb gerabe weil ber gweite ©e*
fang fpäter als'ber erfte gefchrieben war, wo fuh biefer ©egenfafc febon mehr
verwifcht hatte, hielt er von ihm auch viel weniger als vom erften. ßs ift
<haratteriftif<h für Solger unb feinen gänglichev Mangel an jeber Schriftsteller*
eitelteit, bah er in Slmerifa lein G^emplar beS $afcenfingen befaß. „Huch fo
eins ber ante*biluvianif<hen ßinber meiner 2Jiufe", pflegte er farfaftifh lächelnb
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in antworten, wenn man ibn banadb fragte, „bem idb ?,ulc(}t tm gabre 1848 in
Serlin begegnet." ©ne anbere, nicht minber bebeutente Schöpfung feinet
Sufentbalts i;: (Snglanb ift bie ©egie „SerUntergan g", mit bem ben gn*
halt beS ©anjen relapitulirenbenScbluffe: „§ier gehft bu unter, Siebt, auf fteigft
bu ba: Guropaftirbt— $eit 2)ir, 2imert!a!" 2lrnolb SRuge fagt non biefer
©egie, bie hier gänzlich unbefannt: „?$xe pbilofopbifdbe greibeit unb tiefere
SBeltaufidbt ift in ber beutfcben Sprif neu. 2)ie Sbanmfie beS Unterganges ber
europdifdben SBelt erweitert ben Slidl unb baS gnterejfe ju gleicher ⁢ bie
gorm ift erhaben unb fe|t bi* ©eifteSbe»regung ber neueften &\t oorauS."
Solger oerlieji Gngfanb im gvübjabr 1847 unb ging, nadbbem ec einige
SKpnate mit Satan in, «ßergen, $ertbegb, Setnaps u. 21. in Saris Perlebt ^atte,
nadb ^eutfdblanb, befugte gunädbft Submig geuerbadb, mit bem er fortan in
lebhaftem geiftigem Sertebr blieb, unb toanbte ftdb bann nadb Serlin. gnbeffen
wollten bovt feine Uterarifdben unb perfönlidjen $ldne nicht gelingen, weshalb
er benn auch gegen Gnbe beS gabreS nach Saris jurüdtebrte. $ier überrafdbte
ihn bie gebruarreoolitticn ein paar 2ag<* nach feiner £o<bseit mit einer Sßarifer
jungen Staute, bie ihm jejt.als 2Bittwe famtnt Pier Äinbern überlebt. Seine an
bie ©gdnjungSbßfte beS ffiiganb’fdbtfn GonoerfationSsSepiconS gefcbriebenen
Scrnbte über bie gebruartage ftnb bie fpannenbfte unb lebenbigfte Säuberung
jener halb poetifcben, I;alb pclitifdben IReoolution. gm 2lpril 1848 febrteSolger
' noch einmal nadb Serlin §urüdt. Gr fdblofj ftdb b^r als eifriges SDiitglieb ber
republifanifdben Partei au unb betätigte ftdb mehr als 2lgitator unb SHebnet
an ber politifdben Sewegung. Gitbe 2luguft ftebelte er nadb granffurt a.
über, wo er feine literarifdbe unb politifcbe Sbätigfeit in Serbinbung mit ber
dujjerften hinten bis gum 2luSbrucb ber babifdben IHePolution fortfefcte. Seiber
fanb er in Karlsruhe leine Sermenbung für fein eigentlidbeS Talent, baS fleh
. im 2Jtinifterium beS 2luSwartigen am Portbeilbaftften Perwertbet bdtte, unb fo
muffte er fidb bamit begnügen, lebiglidb wegen feiner Spradbfenntniffe unb ($e*
wanbtbeit als 2lbjutant unb Ueberfeper 2UieroSlawSfi 7 S ju bienen.
•Jtadb furzen jwei Stonaten ging Solger im guli 1849 bann mit ber retiriren* ‘
ben 2lrmee in bie Schmeiß wo er juerft in Sern unb fpdtcr in 3üridb lebte, gn ber
erftgenannten Stabt hielt er wdbrenb beS 2BinterS 1849—50 eine SReibe Pon
Sortragen über englifdbe Literatur, in 3üridb war ex einer ber Segrünber unb
fleifjigften 9)iitarbeiter ber beutfcben 3RonatSfdbrift, berauSgegeben Pon 8. Äo*
latfdbe!, eines Organs ber bemofratifcben granffurterunb bamalS fdbon eyiftirenben
Sinfen. Solger’S unb G. Sogt 7 S Seitrdge fieberten bot allen biefer 3eüf$tift
eine geartete Stellung in ber £ageS*Siteratur unb einen groben SeferfreiS.
Son feinen fritifeben 2luffdpen fei ^ier bie 2lbbanblung „ SB i r " erwdbnt, in
welcher er bie gefdblagene Partei gleidbfam anatomifdb jerglieb&t unb ftreng
hritifirt; Pon feinen poetifdben Schöpfungen ift aus jener $eriobe nur „5)er
IReidbStagSprofeffor", $offe in einem 2lft, anjufübren, bie ja audb
ben Sefetn ber üJtonatSbeftc auS^ bem 2lbbrudt im Septemberbefte Pon 1864 be*
tarnt ift. SBie jener 2luf)afc gegen bie eigene Partei gerietet war, fo Perböbnt
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biefe Me bie ©stßaer, tie beften, bie ebeljten Sännet bcS «BolfeS, wie fte fuß
felbft nannten. Set feige berliner SPßilifter, §err geuler f< ber not febem Schuh»
wann in bie (SdEe friert unb bafüt ja gaufe ben graniten fpiclf, bet große
Staatsmann tprofefjor Sufelmann, bet fuß etwas barauf einbilbet, baß er be«
wußt unb unbewußt bet SReaftion in bie gänbe arbeitet, ber gegen bie ibm
applijirten gußtritte proteftirt unb triebet proteftirt, im ©runb feines SffiefcnS
aber ebenfo hobt unb feig, aber äußerlich gebilbeter als Heuler ift, baS. feßnip«
pifhe unb freche Sienftmäbcßen ganne (ein wenig ju ftarl anfgetragen), fmb bie
gauptträger biefer ?offe; ber eigentliche .gelb, ber bemofratifhe Stöaeorbnete
Oertcl unb feine töraut, treten ein wenig ju febr in ben gintergrunb. Ser Sialog
ift gewannt, feßarf unb noll fprubelnbcn SBigeS, bie ganblung natürlich unb baS
®ar,je eine tperftflage ber bamalS tonangebenben politifhen.Sreife. SaS ©ebießt
war ein fiabfal unb Sr'oft für bie jablreihcn glüchtlinge in ber Shtoeij, bie es
HbenbS in ihren Sneipen lafen unb ftcb über bie glühe unb giebe freuten, mit
welchen ber Sichter bie erfolgreichen (Segnet ßeimfuhte. Seine SBitfung unb
fein ©eift fann nur richtig gewürbigt werben, wenn man ben 3ufammenf)ang
mit feiner geit im Sluge behält.
Stach bem StaatSftreih blieb Solger nicht lange mehr in 3üri<h. 3m
Sommer 1852 ging er über $atis nach Sonbon, wo er ben SHnter verbrachte
unb wenig in beutfhen, bagegen befto mehr in ben alten ihm befreunbeten eng«
lifhen Steifen oerfehrte. Siefens, Garlple unb SBulmer, bie ihn non feinem erften
Aufenthalte in (Snglanb her noch tannten unb hoch fhägten, fuchten ihm burch
(Impfehlungen bie SBege ju ebnen; allein ein SutfuS non SBorlefungen, ju
benen, SicfenS felbft mit einlub, hatte trogbem nicht ben gewünfehten Grfolg,
überhaupt waren bie Schwierigfeiten bei bem foloffalcn Slnbrange non glüht»
Ungen größer aß ju gewöhnlichen Seiten. So entfcßlcß fuh Solger im grüß»
ling 1853, nach ben herein. Staaten auSjuwanbern. dt lanbete in Sßhilabel»
Phia, non wo er im gerbfte 1853 bereits nach 93ofton üherßebelte. gier, refp.
in SRojburp behielt et feinen SBoßnort bis jum grüßling 1861, wo er nah Stern»
Dorf fam, baS er im hinter 1862—63, jum Shagamtsbeamten ernannt, mit
ffiafhington nertaufhte. dr hatte bort — um in biefer Stelle gleich feine
äußeren 2ebenSfcßi<ffale ju dnbe ju erjählen — befanntlih ein gaßr lang als
güljSregiftrator gearbeitet, als ihn IDlitte 3lpril 1864 ein Shlagfluß auf ber
ganjen rechten Seite lähmte unb bem ©rabe nahe brachte, drft allmälig er»
holte fth Solger wieber; inbeffen genas er nur tßeilweife, unb auh eine län»
gere Sur, ber er fth »om ganuar bis guni 1865 in SBofton unterwarf, blieb
erfolglos. Sen ©ebrauh ber Sprache fanb er nur tßeilweife unb höhft mangel»
haft wieber. granjöfifh unb dnglifh, jwei (tpraeßen, bie er natürlich fth fpätcr
etß angeeignet hatte, aber noHfommen beßerrfhte, Vergaß-er ganj; er uermohte
feit April 1864 nur furje beutfhe Sorte ju fpreeßen. Am 11. ganuar b. g.
traf Solger um 10 Ußr AbenbS ein erneuerter Shlaganfatt, ber feinem 2eiben
ein dnbe mähte. Slm 13. ganuar haben fte unfern greunb in Safßington
begraben. . .
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Solger hatte, um gum Schluffe feine wiffenfchaftliche unb politifche
Sh&igleit in ein paar SBorten gufammengufaffen, einen großen SBorgug bor ben
übrigen beutfehen glüchtlingen: er laS, fprach unb fdprieb baS Englifche ebenfo
fliefjenb unb elegant, wie bie Eingebornen beS SanbeS. ,r He uses the Eng-
lish language — meinte ein bebeutenber Siebter 5Reu*EnglanbS — with
an idiomatic correctness, power and elegance, unusual even among
those born and bred to it.“ Er mar beShalb auch bon feinem erften 2luf*
enthalt in 2lmerita an im Stanbe, bie [Refultate feiner Stubien unb 33eoba<htun*
gen Dem biefigen gebilbeten [ßublifum borgutragen. Solger machte auS biefem
©runbe unb innerm33eruf bie öffentlichen 33orlefungen gu feiner SebenSaufgabe,
in welchen ihm namentlich in ben erften fahren feines SBirlenS ein feltener Qx*
folg gur Geite ftanb. .Sen SImerifanem wqren noch nie bon einem ihrer SanbS*
leute, gefdpweige benn einem HuSlänbet, bie Errungenfchaften beutfdper $hüo*
fophie unb hiftorifdper gorfchung unb ßriti! in einer fo fejfelnben gorm bärge*
legt worben. Slufjer biefen Shematen laS er über Ethnographie unb eingelnegra*
gen ber SageSgefehicbte, wie g. 33.1854 unb 1855 über ben ßrimfrieg. Er
wanbte ftch bor Mem an bie Jhieftgen Sräger ibealen StrebenS unb freierer
33ilbung, bie ©eiftlichen ber aufgeflärten Gelten, burdp welche feine Sehren in
bie weiteften Greife brangen. Sie ^Bereinigten Staaten ftehen in biefer 33egie*
hung noch auf bem Gtanbpunlte, ben Seutfchlanb bor 200 gahren einnahm,
als bie £anb*$aftoren bie Stufen ber Siteratur waren. Solger’S wiffenfehaft*
liehe 33orlefungen gälten feiten mehr als 60—100 guhörer, allein unter biefen
befanben fi<h ftets bie geiftigen $apagitäten beS betreffenben OrteS. 2Benn er
g. 33. in Eambribge laS, fo waren bie ^rofefforen beS #arbarb Eollege, ihren
[ßräfibenten an ber Spifce, feine begeifterten guhörer. „geh habe erft aus beS
SoctorS 33orlefung gelernt, was bie römifche ©efebidpte ift unb bebeutet", fagte
mir am Schluffe eines feiner 33ortrage über baS finfenbe [Römerreidp ber [ßräfi*
bent einer hohem SRew*2)orter UnterrichtSanftalt, ber felbft 10 gahre lang
römifche ©efdpidpte gelehrt hatte. Ein flicht gering angufdplagenbeS 33erbienft er*
warb ftch Solger enblid? baburch, bah er ben Slmerilanem ben EntmidlungS*
gang unb bie 3iele ber beutfehen philofophifchen Bewegung Har machte, bah er
an ben ^roteftantiSmuS, als ben erften Anfang mobernen, freien SentenS bie
geiftige Entwidelung Europa^ anlnüpfenb, bie Eroberungen unb ben SiegeSgug
beS freien ©ebanfenS in ben beutfehen philofophifchen Schulen nadpwieS unb
bie 33efreiung unb fittlidpe Slutonomie beSgnbtoibuumSalS mehr benn ben gleich*
berechtigten galtor neben bie äufserlidpe politifche greiheit Slmerila’S ftellte. gn
33ofton würbe ihm bie feltene Ehre gu Sheil, bah er groei SBinter hinter einanber
eine [Reihe bon 33orlefungen in b|p fog. Lowell course hielt* - Sein lefcteS
öffentliches Auftreten J)afelb‘ft fanb beim 2luSbrud? ber [Rebellion im grühjahr
1861 ftatt, wo er, in Sheobor [Jtorfet’S ßiräpe unb gu beffen ©emeinbe rebenb,
bie Erhebung beSameri!anifchen33olleSmitberienigen beS preuhifdpen bon 1813
bergtidp unb feinen Suhörern in mächtigen gügen baS SBilb eines grohartigen
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©tgfift gefdjrieben bat Solger hier gü 8anbe wenig. Seine bebeutenbfte
Seifhtng finb feine Briefe über ben Krimtrieg, bie er 1865 im SR. g. Snbepen*
bent veröffentlichte; fxe bilben einen ber wertbvollften Beiträge gur JageSge*
feßiehte jener Seit unb getanen ftcb ebenfo febr bureß großartige politifcße ©e*~
ficßtSpuntte, als pßilofopbifcße £iefe unb wahrhaft claffifcßen Stpl aus. $ie
Okbaltion jenes Blattes banorirte jeben [Brief mit 25 SJollarS, ein beutlicber
^Beweis, melden Merth fie barauf legte, Solger gu.ihren Mitarbeitern gu gab**
len. 3m3abrel860 überfefcte unb übertrug er feinen [ReicßStagSprofeffor
hier in'S ©nglifcße unter bem £itel: “The Hon. Anodyne Humdrum or
the Union shall and must be preserved , \ Statt beS ©othaerS mürbe
jefct ber SBeU*©verett*9Rann unb ber 3)ouglaS*3)emotrat verhöhnt. 3)er SBer*
faffer beabfießtigte, baS Stüd auf bie [Bühne gu bringen unb auf biefe üffieife in
bem gfcdfibentenmablfampf politifcß gu mitten. Sie bebeutenben $heaterbiret*
tionen lehnten aber — ebarafterifeb für bie 3eit! — bie Sinnahme ber gelun*
genen Sßoffe ab, weil ein [Reger, barin mit Meißen auftretenb, bebeutenb mehr
fei als biefe. ©inem burcbauS anbern ©ebiete angehörenb, aber mit großer
©eleßrfamfeit, ©eift unb Schärfe gefchrieben ift Solger’S 2)entf<ßrift über
SchleSmig^^olftein, bie er 1861 auf Antrieb' einiger [Remitier greunbe für
ben bamals nach Kopenhagen neu ernannten amevitanifchen ©efanbten SB.
SBoob feßrieb. ©S tarn barauf an, ben Slmeritanern bie beutfehe Slnftcßt non
ber Sible3mig*#olfteinij<ßen grage beigubringen. Solger löfte bie Aufgabe
febr gut unb mirtte namentlich gwei 3<t*e fpäter, als ber Sob beS Königs von
Sänemart biefe grage mieber in benJöorbergrunb brängte, auch in weiteren
Kreifen für bie beutfeßen ©efuhtSpunfte. 3a ber ameritanifeßen $olitit nahm
Solger natürlich in ben [Reiben ber republitanijcßen Partei non ihrem erften
Siuftreten an eine entfeßiebene Stellung ein. © beteiligte fnh lebhaft an ber
Campagne von 1856 unb 1860, hielt in vergebenen Staaten [Reben,
„ftumpte" fogar für Sincoln in gang 3«biana (wofür ißm bie Partei nie einen
geller feiner SluSlagen begaßlt ßat), hatte aber auf biefem gelbe verhältnißmä*
ßig geringen ©folg, weil er nicht populär fpradß unb bie [IRafjen nicht gu ent*
günben vermochte. Solger würbe in jeinet SJoltSverfammlung nicht warm, bet
Katßeber liebte ihm gu febr an, er wollte übergeugen, belehren unb wußte nicht
ßingureißen, er war gu abftratt, gu emft troden unb in feiner ©fcheinung gu
ariftofratift» 2)aS SSolf nahm ben fartaftifeßen 3ug um feine SIRunbminfel für
£oßn ober gar SBeracßtung, ja es tüßlte fuß noeß meßr ab wenn er einmal eine
populäre Menbung gebrauchte, tyeil fie wie bie ^erablaffung eines vornehmen
©önnerS auSfaß.
Unter ben ßiefigen Seutfcßen würbe Solger allgemein bureß fein vom
9tem*2)or!er ©omite gefröntes SßreiSgebicßt gu Scßiller’S ßunbertjährigem ©e^
burtStag betannt. ©S ift eines ber beften, wenn nießt baS befte, baS hüben
unb brüben bei jener ©elegenheit veröffentlicht würbe, unb nimmt als 2eßrge*
bießt einen hoben [Rang ein. Meniger unbebingte Hnertennung verbient fein
„Slnton in Slmerifa", jener [Roman, welcher vor viergig fcßwächeren [Bewerbern
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als bcr refatto befte beit Preis erhielt. So alt uttb abgenufct aber bie gäbet,
fomie Schücgung unb Söfung beS Knotens fein mag, einzelne flapitel, tote g. SB. /
bte SBefcbreibung bes neuenglifcben SanblebenS, bie Ebaratteriftit Sufan’S unb
ber SlttertöeltSbelferin (Solger’S fpätere treue Ärantenpflegerin, Ütttib P-), bte
Schilberung.beS SJtorbeS in bem einfamen garmbaufe ftnb reigenb, mabr unb
fpannenb imb geugen Don ebenfo grober bitterifcber Äraft als pfpchologifcher
Einfuht.
Solger toar einer Don ben geiftDotlen SRännem, bie eigentlich ib^n SBeruf
oerfeblt haben. 3n Dielen Satteln gerecht, Derfucbte er ftcb in gu Dielen gädjem,
unb fo gemamt fein Seben unb Treiben oft ben Slnfcbein beS $ilettantif<hen.
$agu fam feine unftchere Stellung, ber Mangel an einem feften (Eintommen,
ftete StabrungSforgen unb bie baburcb bebingte Stotbmenbigteit, geiftig gu tage*
löbnem unb jebe Slrt literarifeben SJerbienfteS mitgunebmen. So gelang eS -
ihm nur auSnabmSmeife in eingelnen Perioben feines Sehens, feine reichen
• Kräfte auf einen Puntt, auf ein Qid gu concentriren. 2)iefeS fein 3tel
mar bie ®ef<hichtsf<hreibung; noch in ben lefcten Sagen feines SebenS malte er
pch als böcbfteS ©lüct bte Aufgabe aus, etn^e SRömif^e ©efchicbte gu fchreiben.
Sille feine Stubien, feine SBeobachtungen unb (Erfahrungen manbten ftch ihr gu.
Solger mar einer ber menigen (Mehrten, melche bie brei für einen groben £i*
ftoriter unerläßlichen Eigenf cbaften: gelehrte gorfchung, bichterifche Slbnung unb
philofophif<be3 Renten, in eminenter Seife in ftch bereinigten. Seiber mar es ihm
nicht mehr Dergönnt, fein reiches Valentin einer gröberen Schöpfung gufammengu*
faffen unb gu Deremtgen„ „3<b habe grünbliche Duettenftubien gemacht/'
meinte er einmal, als auf bieten plan bie SRebe tarn, „unb habe auch 3been.
2Tiit meinen Erfahrungen republifanifchen SebenS mub ich noch einen gang an*
beren Effett beroorbring*en als ttttommfen, ber, fei es hiermit gefagt, in Sittern,
auber ber Philologie, bbcbft oberflächlich geiftreich ift unb in ber alten Seife
feinen SBifc an ben Parallelen.lyjchten labt, ftatt einen mirtlichen ©ebanten gu
Derfolgen." ES tonnte taum einen Schriftftetter geben, ber meniger eitel unb
ftch. über fein können ober ÜRichtfönnen fo tlar gemefen märe mie Solger. Er
befab eine Slufrichtigteit gegen ftch fclbft, bie oft an Slaioetät grengte.
Solger mar unftreitig ber begabtefte, gelebrtefte unb in ben meiteffen Steifen
geiftig mirtenbe $eutf<he unter ben fog. Stchtunboiergigem. S)er frübgeitige Sob
eines folchen SJtanneS ift ein SBerluft für feine gasreichen greunbe unb ein Un*
glücf für baS 2anb, in melcbem mir Seutfdben menige ihm Ebenbürtige aufgumei*
fen haben* Eh« feinen Seiftungen unb feinem Slnbenten!
OT--
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Utw-^orhtr Corrcfpanknj.
9tem*2)orf, im ganuar.» 2 )ie feit ber Hbfaffung meinet oorigenBriefes
betroffene griff hat uni bal SBeibnachtl* unb bal 9ieujahrlfe)t, eine neue
Staate unb Stabtoermaltung, einen fenifchen ©ongreg, eine barbarifebe Mte
unb oerfebiebene anbete fchöne S5inge gebracht. 2)ie SBeibnachtlfeier, oon bet
bot jebn gahren in -:ftem* 2 )orf faurn noch bie SRebe mar, iff jefct ju einer ffebenben
gnffitution gemorben, unb ber 25fte SDecember in bemfelben ©rabe einSag
bet ffiube unb greube ex officio wie bet 4te guli. ©briffbäume, bie fonff
eine Seltenheit mären, fanb man jefct ju Steufenben auf jebem üDtarft unb an
jeher Stragenecfe, menige blieben unoerfauft, unb biele maitberten in amerifa*
nifche gamiüen, morin mir allerbingl eine Eroberung bet heutigen Sitte be*
grüben bütfen. Steraul &u fcbliegen, baff- bie 3lmerifanei?- bie SBeibnacbt auf
b e u t f <h e SCBeife, mit beutfehem Sinn unb ©emütge feiern, mdre jeboch oer*
meffen. ©I gehört ba 3 u noch etroal Slnberel als bie Slboptirung einel Spin*
boll, roelchel megen feiner Sieblicbfeit gebet gern annimmt, bet el einmal ge*
feben. ©I gehört baju bie gnnigfeit bei beutfCben gamilienlebenl unb greunb*
fcbaftloerhältniffel, bie gähigfeit, in ßleinigfeiten ben hoben Sinn $u ernennen,
ft* an hamtlofem Sehers 3 U freuen unb in bet greube bei 2 lnbernj u leben.
61 gehört baju bie Suff am trauten ©eheimnig, bie halb mebmütbige ©rinne*
rung an frühere greuben ähnlicher 2 lrt, bie finbiiehe Pietät, bie felbft im ©reife
noch lebenbig iff, fürs bal poetifche ©emüthlleben, ^melcbel oorsugimeife unter
uni Xeutfcbcn oorhanben unb bal mir all heiligel ßleinob im neuen SBater*
lanbe hegen unb pflegen müffen, menn mir nicht ben fchönffen Sgeil unferec
©igentbümlichfeit einbügen moüen. 2 Jtit ber 3 eit mag bal hier 2 ingebeu*
tete auch unter ben Slmerifanern ©ingang finben, aber baju gehört eine tief*
greifenbe SBeräuberung im SBolflcharafter. 3)er Anfang, ben mir hier oor uni.
feben, iff eben ber gnbioibualität Steirer entfprechenb, bei benen er fich geigt.
Uni itinber unb ©rroadbfene su beliebigen, müffen groge ©efebente gemalt mer*
ben, unb el iff erffaunlich, mal oon reichen Slmerifanern für bie ©briffbefebee*
rung ihrer $inbet aulgegeben mirb, melcbe eben belbalb immer mehr oerlan*
gen, unb meil ihren ©rroartungen nicht genügt mirb, fich eigentlich n i e freuen,
oon ben ©abeaul ber ©rmaebfenen gar nicht su reben. daneben fpielt natür*
lieb bal ©ffen bie Hauptrolle. — labern fleh bei ber SBeihnachtlfeier, fo meit el
ihnen bei ihrem 33ilbunglffanbe möglich iff, bie SImerifaner ben Steutfcben, fo
merben bie Steutfcben am Neujahr su 3lmerifanern,unb bal iff su bebauern. S)ie
unaulffehliche, hierbiljurStupibitdt aulgeartete Sitte bei ©ratuliren! bei ben
Sternen follten bieSteutfchcn, fo meit el i h r e Greife betrifft, menigffenl nur inner¬
halb oemünftiger Schranlen aboptiren. gn ein e r Hinffcbt aber fönnen uni
bie Slmerifaner all Stuftet Oorfcbmeben. geh meine ben Sug ber SBobltbätig*
feit, melcher bei Settern ffetl bie geftelfreube burebringt. 2Ba! oon Vereinen
unb gnbioibuen an ben geiertagen getban mirb, um Slrmen eine greube ju be*
reiten unb Siotb su linbern, oerbient bie höcbffe Slnerfennung, unb bie ©erecb*
tigfeit forbert bal # ©effänbnig, bag bie Steutfcben hierin meit hinter ben ©inge*
borenen surüdffeben. SBefennen mir’l uni nur, bag bie allgemeine 9Renfcben*
liebe bei uni oiel mehr in ber Theorie all in ber $rajril Oorhanben iff. Selbft
mo fte fich in beutfehen Greifen betätigt, fehlt ber rechte ©ifer, melcher ben in
grage ffebenben fttotd all etmal erfcheinen lagt, mal an Söichtigfeit oon nichtl
Slnberm übertroffen mirb, ber aulbauernbe ©ntbuffalmul, melcher nicht ruht be*
oor bal Biel erreicht iff. Stel projeftirte beutjehe Hofpital liefert hierfür ben
fchlagenbffen ^fiemeil. üein beutfeher 33emohner 3cem^5Jorfl fann an biel feit
m
m
190
länger als gehn 3ah*en ben trägen ©eifern borfcßmebenbe Suftgebilbe ohne
©rrötben benten. 2)er bon ber Stabt gefdßentte Bauplap ift nun enblidß eine
Realität, ©elb genug gunt Anfang ift borhanben, bie Agitation fcheint auch
einen neuen Auffdßwung neunten gu wollen, unb eS herrjcht bie Abficht, im
grühjahr mit beut Bau gn beginnen. Aber glichen bie SDeutfchen ÜRew*2)or!S
als Atenfchenfreunbe im 2Borte uno in ber $hat ihren ameritanifchen BtiKmrgern,
fo wäre baS Hofpital fchon feit einer ütei^e bon gahren in boller SBirtfamfeit.
$er gebier mag weniger im 2Jtangel an gutem SBillen als in anbern ©tünben
liegen, aber baS Aefultat bleibt baffelbe.
S)aß ber SBohlthätigfeitSftnn unter ben bieftgen 2)eutf<ben gar nid^t ber*
treten fei, foll teineSwegS behauptet werben. gn Heineren Äreifen ge*
{(hiebt unenblidb biel, was, auf ein größeres gelb übertragen, ben Bor*
Wurf berhältnißmäßiger Setbargie auf einmal hinfällig machen würbe.
5)ie $eutf<he ©efeüfcbaft bon 5Rew * ?)orf ftiftet mit ben befchränlten
Bütteln, welche ihr gur Verfügung fteben, manches ©ute, unb bie Btitglieber
beS BBobltbätigfeitSauSfchuffeS taffen ftdb fein^ Blühe berbrießen, um bie ber*
borgene, berfcpämte, ber Unterftüpung am meiften wertbe unb bebürftige Ar*
mutb aufgufpüren. ©ine Berbinbung, bie wenig befannt ift, aber in aller
Befcheibenßeit biel Segen bereitet, ift ber beutfche grauenoerein in Roboten,
welcher beftimmte jährliche Beiträge unb anbere SiebeSgaben entgegennimmt imb
bafür -Naturalien an dürftige bertheilt ober ihnen gur Begaßlung beS BiietbginfeS ’
beßülflich ift. Segen einer fo füll bef(beibenen Sirffamfeit, welche eS bielleicht
bedeut, baß fte hier an bie Oeffentlichteit gezogen wirb!
Unter ben im ©ingang erwähnten BeujahrSgefcbenfen erregt bie neue,
Stabtberwaltung Befürchtungen, währenb ftch an bie in Albanp gufammenge*
tretene fiegislatur Hoffnungen tnüpfen. 2)aran, baß ftch bie Stabt unter jebem
neuen Btapor unb Stabtrath immer fehlerer beftnbet, ift man fo fehr
• gewöhnt, baß auf eine bon ber Stabt felbft auSgehenbe Befferung längft nicht
mehr gehofft wirb. Xit AuSficht auf geringere Steuern unb eine gewiffenhaftere
Berwenbung berfelben pnbet ihre Stüpe allein'in ber StaatSgefepgebung, welche
ftch in brmgenben gälten über bie Stabt erbarmt unb fte gegen ihre eigene
$horheit in Schuß nimmt, welche SBohlthat Seßtere ftch brummenb, proteftirenb
unb Bache fchnaubenb gefallen läßt. S)a fommett wir nun wieber auf einen fon*
berbaren ©harattergug ber Bew*2)orter. Sie hoffen unb bedangen, unb wirb
ihr Hoffen erfüllt, ihr Bedangen befriebigt, fo fchimpfen fte. Aew*?)ort berlangte
gum Beifpiel einen großen ©entralpart, er würbe ihm ben ber Segislatur ge*
geben, unb jeßt, ba es ihn hat unb ftch barüber freut, bermünfeht eS ben ©eher
als böswilligen Ufurpator, unb tann eS ihm nicht beleihen, baß edS ber Stabt
nicht geftatten will, bie feßöne Anlage burch ihre eigene Berwaltung wieber ju
ruiniren. gebt erwarten wir bon ber Segislatur ein ©efunbheitSgefeß, welches
allem Anfchein nach bie Stabt allein bor ber Hdmfuchung ber ©holera retten
ober fte wenigftenS befähigen lann, bem böfen geinb einigermaßen Stanb gu
halten. gft aberbaS ©efeß paffirt, fo wirb ber Btapor Hoffmann in feiner
nächften Botfchaft beweifen, baß eS unoerantwortlich bon ber SegiSlatur gewefen
fei, ftch gwifchen bie große, reiche, blühenbe Btetropole unb ihre eigene ©holera
gu {teilen. Aber noch etwas AnbereS wirb bon ber SegiSlatur in Albanp er*
wartet, nämlich bie ©rntächtigung gut Anlage einer unterirbifchen ©ifenbahn.
Bew* s |)orf tann ftch an ber Oberfläche nicht mehr behelfen; eS muß ftch in bie
£iefe flüchten, um nicht bon feinem ©ebränge erftidt gu werben. S)em Bern*
2)ort über ber ©rbe muß ein Bew*?)orf unter ber ©rbe gu Hülfe fommen, wenn
überhaupt ber Aufenthalt hier noch erträglich fein foll. $aS ift buchftäbliche
BBahrheit. Sie Ueberhanbnahme beS BerfebrS überfteigt alle Begdffe unb ift
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in ber $bat bebrobßdb. ©ne Surdbfreugung be§ Vroabwap ift gu Jebcr 5£ageS*
Seit mit ßebenSgefabr berbunben, unb Venjamm granfUn, meldet bic weife
SebenSregel aufftetlte, baß man über feine Strafe geben bürfe ohne bollauf
Seit gum bequemen Vieberfallen unb Sluffteben gu buben, fonnte nie, wenn
nidbt etwa gwifdben ütfiittemadbt unb gwei Uhr -Morgens, über ben Vroabwap
ober eine anbere^ ber frequenteften Strafen Vew*?)orfS gelangen. (SS mürbe
borgefdjlagen, über ben jefcigen Vroabwap nodb einen gweiten gu bauen, aber ba*
gegen proteftirten bie Sabenbefifcer, welche babei gu lurg gu fommen fürchteten.
Um ben Verfeßr gu tbeilen, baute man in ben mit ber $auptaber parallel lau*
fenben Strafen eine ©fenbabn nad? ber anbevn. 2)iefe Vabnen buben mehr
Sßaffagiere ab fie felbft mittelft gweier SBagen in ber Minute beförbem lönnen,
aber bem Vroabwap ift bamit nidbt geholfen. Sb bleibt benn nichts SlnbereS
übrig, als fid? in ben Slbgrunb gu flüchten, einen unten bei ber Batterie begin*
nenben, feis teilen langen Samnel mit Stationen gu bauen, helfen Soften auf
acht bis neun SWillionen — gewiß biel gu gering — beranfcßlagt werben, ©n
foloffaleS Unternehmen, faft grauenerregenb, wenn man bebenft, baß auf biefem
Xunnel, beffen 2)ecfe nur bureßfebnitflidb neun guß bnf fein wirb, bie gigantifeßen
^anbelSpaldfte mit ihrem Snbult ruhen werben. ©Was ejtrabagant ift wohl
ber Vorfcßlag, mit biefer unterirbifdben Vabn nodb eine überirbifebe — b. b*
über bem Vroabwap angelegte, gu berbinben, fo baß bie $auptberfebrSaber
eine breifache fein würbe.
5)er fenifebe ©ongreß hielt, fedbSbunbert SJtann ftarf, feitfe Veratbungen
in ©inton $all. 2BaS er berbanbelte/ war ein Staatsgeheimnis bewaffnete
Sdbilbwacben fdbüfeten ben Eingang bor ben Subriugltdben, unb bor bem ©e*
bdube butte ein Vataillon non ^olijiften bie Aufgabe, bie ruhigen (Einwohner
bor bem Slreopag, beffen bürgerlicher Siugenb fein grobe» Vertrauen gefdbenft
würbe, gu feßüpen. 2)ie natürliche golge beS ©ebeimniffeS war, baß man tag*
lieh giemlidb genau wußte, waS brinnen borgegangen, gm Anfang entftanb
einige Störung bureß baS ©erüdbt, baß unter ben Vertretern ber irifeßen Vepu*
. blif brittifeße Spione feien, woran wohl nicht gu zweifeln war. geber — wenn
er nidbt etwa felbft ber Scßulbige — bliefte feine Sollegen mibtrauifdb an
uub legte fieß bie grage bor: SBer unter biejen Sillen wirb mich berrathen ?
gebodb gelang eS nidbt, bie gfebariot ßS gu entbeden, uub man fepte fuß über
baS Unbermeibücße hinweg. S)a O’SJtoßonep ben (Songreß berufen, ift eS
faum befremblidb, bab biefer eine entfdbieben O^abouep’lcbe gdrbung trug.
$er Senat würbe bor baS Tribunal ber irifeßen VolfSoertretung gelaben, um
fleh wegen feiner anardbifdben ©elüfte gu berantworten, hielt eS aber nidbt für
geratben, bem Stuf gu folgen, machte fuß unfidbtbar unb würbe friegsge*
r i cb tlicß in contumaciam gum ftaatSbürgerlidben $obe nadb fenifchen Ve* •
griffen berurtheilt. Um bie Slbfonberlicßfoit biefeS fummarifeßen Verfahrens
warbigen gu lönnen, ftelle'man fuß nur bor, bab baS VeprdfentantenßauS in
Söafbington fuß als SriegSgecicbt organifirte, ben Senat bor. fein gorum lübe,
ihn nicht finben fonnte unb in contumaciam berbonnerte. S)efto bereit*
williger folgte ber „^rdftbent" O’Vtaßonep bem an ihn ergangenen Vuf. gn
einer gu feiner Veitfertigung gehaltenen Vcbe, V 0 1 f <b a f t genannt, ber*
fieberte er, gerabe feiklfeS bereit gewefen, unb nur ber ^rdtenbent VobertS unb
fein Senat trügen bie Scßulb baran, bab baS Vteer jept nicht bon irifeßen Sreu*
gern bebedtt, ber £anbel (EnglanbS vernichtet unb in grlanb fiegreich bie Vepu*
blif prollamirt fei. $ie VecßenfcßaftSablage, aus ber beroorgebt, baß fuß nur
30,000 Dollars in ©reenbadS im $taatS)ßab ber Vepublif befinben, macht
biefe fübne Veßauptung etwas problematifdb. 8um Schluß feierte O’Vhßonep,
naßbem er in feiner ^rdfibentenwürbe beftdtigt worben, noch einen großartigen
m
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Triumph burcb einen gerabe rechtzeitig eingetröffenen, hoffentlich ächten iörief
bed unficfctbacen Ofccrpräfibcnten Stepbend, morin biefer geftebt, einft ungu*
frieben mit ihm geroefen gu fein, ftch aber jefct gang mit feinem Vorfahren einoer*
ftanben erflärt unb ibn in einer ^rottamation förmlich gum Uteprdfentanten
uitb ginangagenten ber irifdjen Diepublif für Slmerifa ernennt. $a £err
Stepbend in biefent Briefe furchtbar jebimpft unb eine Sprache führt, mie man
fte eben nur an eblen grlanbern gemobnt ift, fann man Pon feiner ftaatdman*
nifeben SBürbe unb ©rohe feinen hohen begriff haben.
$a meteorologifcbe Beobachtungen in biefen Briefen ni(ht am B^be fmb,
mürbe ich Pon ber barbarifchen fiälte, bie und beimgefuebt, feine Stetig neb*
men, toenn fte mir nicht bie Gelegenheit böte, burch einen fchlagenben on*
traft bie Sliebertracbt in hoppelt febmargem, bie Sfugenb in hoppelt ftrablcnbem .
Gemanbe berportreten 511 lafjen. SBdhrenb bie Pom Scbidfal Begünftigten fkh
im behaglichen gimmer frierenb um ben marmen 0fen Prangten unb in unge*
beiden Dtäumen bie Gjnfteng fauut möglich mar, mußte am Borb bed eben pon
Sioerpool angefontmenen amerifanifeben Gmigrantenfdjiffd „Sieptune" eine
arme grau buchftdblich Perfommen. SJtan ließ fte im groifebenbeef ohne
geuerung, ohne hinreichenbe Umhüllung, ohne Bffeg* liegen. Slld fie bem
Sdjiffdargt flagte, baß ihre Gliebmaßett erfroren feien, mürbe ihr geantwortet,
fte möge bie bie erftarrten güße mit ben erftarrten Rauben reiben. Unb
jo ging fte nach einer grübgeburt gu Grunbe. SBäßrenb ber Steife mttrben auf
bemfelben Schiffe gmei SJtatrofen auf Berattlaffung bed ßapitaind faft gu £obe
geprügelt. $em Ginen mürben, naebbem er in golge erlittener Sttißbaitblun*
gen beroußtlod gemorben unb mieber gu ftch gefommen mar, mit einer eifernen
Stange noch ßinnlabe unb Sinn geschlagen* 2>er Kapitän Gnoch 2B.
Beabobp, ber Scbiffdar;t ^errief. Beibe ftnb unter knflage geftellt. 0h
ihnen bie Perbiente Strafe gu £l)eil mirb ? $er Kapitän ber „Biltafranca*',
melcber ftd) nidht Piel beffer benahm, mürbe gleidbfalld angeflagt, gog aber
triuntpbirenb pon bannen, nachbent bad Gericht ftch Pon ihm batte infultiren
laffen.,
Unb nun gum Sichtbilbe. SBäßrenb bad Oueäftlber fünfgehn Grabe unter
gero ftanb unb ein 0 rfan über bie SBogen .brauf’ie, ber gelfenriffe erbeben
lieb, mar an her Btünbung bed §afend Pon Stero^orf ein Keiner Propeller
geftranbet, an beffen Borb'ftch breigehn Sperfoiten befanben. Schon hatten
petfebiebene Sampffhiffe Pergebend Pcrfudjt, ben Uttglüdlichen gu helfen, unb
fte fdjienen unrettbar oertoren. SDa befcbloffen gmei Sootfen — £>enrp
S e g u i n e unb Step ben g. goned — bie Dtettung gu pollbringen ober
in bem Berfudh untergugehen. Gm Stiefenfampf Pon mehr ald gmei Stunben
. mar erforberlid), um fie in bie Stäbe bed SBradd gu bringen, unb ald fte endlich
ihr 3 iel erreicht gu haben glaubten, «mürben fte ein über bad anbere SM pon
ber Branbung gurüdgefcbleubert. Slber fte ließen ftch nicht abfehreefen. Xxtu -
mal machten fie bie gäbet, bid bie Seiten gerettet maren. S)ad Boot, bie
Siuber, fte felbft bilbeten nur noch eine Gidmaffe. 2Bie garragut’d Bgvole mar;
„Giferne bergen in hölgernen Sdjiffen !" fo lagt ft<b hier behaupten, baß bie
innere Gluth bed $eroidmttd bie arftifebe Mte ber Sltmofphdre, ber fte fonft
hatten unterliegen ntüffcit, bcTtegte. Sollte ftch nicht ein Bürger fmben,
ber bad£obelieb biefer braPen Scanner fingt?
Schließlich fei mir noch eine Bemerfung geftattet. Gin fehr geachteted
Blatt mirft mir oor, baß ich einen Schulmann gepufft, geh bin ber SJteU
nung, baß bie Slnerfennung eitted unleugbaren Berbienfted fein Baff, fonbern
literarifche Bflichterfüllung ift. Sonft hatte ich ja auch bie beiben Sootfen ge^
pufft* Uncad.
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|tHtfd)- ( Süiurilianifd)t «Jttonatsttefte
für
cStferdur, Jiunft, piflenfdjaft mtb
öffettfftdies Jeßcn.
Sfcebtöirt »Ott
StnOplpb £e$ott>.
III. j?a()rgang. I. $anir. 1866.
$tar Krfpruno her germaniltynt Ha«.
»Ott 9Ibolp!> £>ott<ii.
2 )ic wahrhaft erft amtliche ßßenge neuer Ergebniffe, »eiche ber Sammet*
unb gorföerfleif} ber lefcten 3 »ei Fab^bnte über ben Urfprung ber ßßenfehbeit,
unb befonberS ber »eiben 9tace, gu Sage gefdrbert bat, bebarf ber enblidjen
3ufammenfteßung unb Sichtung, wenn man ft(b ni(bt in ben Edelheiten ber*
Keren »iß. 5ta<h allen ben grobartigen Sprach* unb 2lltertbumSforf<hungen
eines Eb. ßtötb/ 93opp, ber ©ebrüber ©rimrn, ßuhn’S, Otfrieb
•Btüller’S u. 21., na(b ben überrafchenben Entbedungen über periobifche
Hebungen unb Sentungen ber Erboberfläche unb bie baburch berbeigefübrten
»eranberungen in ber ©eftalt ber Seftlänber, tote fte neuerbingS bon » o g t
unb 3) e f o r gemalt worben ftnb, unb nach ben Ermittelungen ber ifrtnbe
frember »ölfer, toie toir fte burch eine lange ßteihe ßieifenber beftfcen, enblich
nach ben glan^enben 2 lufbedungen alter JMturbenfmäler unb alter Ueberrefte
bon üßtenfehen unb ihren SBohnungen in ben toidjtigften Steilen ber SBelt, be*
fonberS aber ber Pfahlbauten in 2l(penfeen unb anberwärtS; nach adebem tbut
Eines notb — bie 2luffteßung einer $ p V o tb e f e, einer auf triftige ©rünbe
gefügten »ermuthung über ben Urfprung unb 3ufammenhang ber üßtenfehen*
racen unb SBölfer, burch toeltbe alle jene bereinjelten Ergebniffe in ein ©e*
fammtergebnifc berfchmolsen »erben. Eine fol<be ^ppothefe, mit gehöriger
Sachfenntnifj unternommen, bürfte nicht als unnüfce Erfinbung eines müßigen
ßopfeS gu betrachten fein, fonbem tonnte, »ie fchon manche in anberen buffen*
fchaftlichen ©ebieten aufgefteßte, ben Pfab 3 U neuen überrafchenben Erfennt*
niffen ebnen, »erfuchen toir beShalb eine folche über ben Urfprung ber germani*
fchen ßtace ju liefern, unb foßte fte nur baju bienen, anbere fachfunbigere 2 Kän*
ner an eine Aufgabe beranjuloefen, welche nicht füglich lange mehr unterlaffen
»erben fann,»ba fte, einmal geleiftet, .ungemein wichtige Folgerungen unb
Folgen für aße SebenSgebiete bespricht. 2)eS ßlaumeS halber befchränten toir
bie für unfere ^ppothefe fprechenben ©rünbe auf baS ÜRotbbürftigfte.
S)ie ältefte aßerßJtenfchenracen ift bie f <h » ar 3 e. 2luS ben entwideltften
ihrer Stamme ift bureb Serfefcung auf einen anberen SBoben, nachbem bie tro*
f 13
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pifche 2Belt überoöllert mar, unb bur<h bte ©nflüffe eineg anberen fllhnag,
anberer $obenergeugniffe unb Sebengweife im Saufe tum 3»ahrhunberttaufenben
bie gelbe ober mongolif(h*amerifamf<he entftanben, unb ^at alle nörblichen
gemäßigten unb felbft bie falten $immelgftriche beoölfert unb tßeilweife über*
bollert, wie in Süb*(Shina unb $interinbien, wo fie bie fchwarge fteUeniüei^
tiefer in bie tropifchen Sauber gurüclgebrdngt bat, Slug ber gelben ift oiel fpd*
ter bie m e i ß e atlmdlig entftanben, unb gmar burch bie umbilbenben ©nflüffe
eineg anberen SBobeng, filimag, ihrer ^robufte, fomie ber ©efd^id&te, oerbunben
mit abftchtlicher, planmäßiger Stacenoereblung unb ©pmnaftif. Srei ©rünbe
fprechen hierfür, welche fuh fehler miberlegen lafjan bürften: 1, Sie gunbe
dltefter Menfchenüberrefte. Sie anerfannt alteften big jeßt aufgefunbenen
Menfchengebeine, welche auf ein Sllter oon 300,000 fahren fließen laffen,
gehören augnahmglog einer 9kce an, welche ber jeßigen Stegerrace nahe
lommt, nur noch tiefer auf ber (Stufenleiter ber Öntmitfelung geftanben haben
muß, Siefe SRace hat auch in Mitteleuropa gelebt. Sa too, wie in ben
$fahlbau*S<hi<hten, breierlei Dkcen untereinanber begraben liegen, ift bie un*
terfte entweber eine fchwarge, ober eine gelbe gewefen. Ser SBetoeife aber, baß
ehemalg bie gelbe bag gange Europa, nörblich Oon ben Sllpen, innehatte, fmb
oiele oorhanben. 2. Sie weiße Stace erfcheint au<b im beginn ber Sage unb
©efchichte überall guleßt, überall gwar alg bie erobembe, aber bo<h gugleich alg
eine wenig gasreiche. 3. Maren. bie brei $auptracen gleichgeitig, ober gar bie
Weiße guerft, aufgetreten, fo hatte bie leßtere, alg bie lörperli(h unb geiftig
ftdrlfte, langft bie beiben anbern entweber $om ©tbboben oertilgt, ober aber
allenthalben gelne<hte.t, wie fte eg in ber Shat überall gethan, too fte mastig
genug bagu toar — mag ihr aber nur auf einem Keinen Sheile ber bewohnten
©rbe gelungen ift
©g ift alfo ©runb genug oorhanben, angunehmen, baß bie toeiße 9kce, alg
fte ihre urfprünglichen Mohnftße, oon Ueberoöllerung gebrdngt, theiltoeife oer*
,laffen mußte, bie gange ©be fchon oon Menfchen eingenommen, gum Sheil
bicht betoohnt fanb, unb baß ihr 3ug nach neuen Mohnftßen ein fteter ßampf,
unb gmar theiltaife ein ©oberunggfampf, theilmeife ein föücfgug oor ber an
3 ahl .übermächtigen, an Sapferleit nicht oerä<htli<ben gelben SRace war. $n
ber Shat beftdtigt alle alte Sage unb ©efchichte, baß bie Meißen g e g w u n *
g e n cutg bem Ämtern SIfteng weftwdrtg gemanbert fmb, gebrdngt oon ihren
alten ©bfeinben, ben Mongolen, welche Oon jeher alg eine aug Millionen be*
rittener Jrieger beftehenbe ©oberer* unb 3wftörerf<haar gefchilbert werben.
Sie Meißen, oon £aug aug wenig gasreich, muß ten erobern, wag ihnen
weftwdrtg lag, weil fte oom Often her burch ftete Uebermacht ber ©eiben wei*
tergefchoben würben; babei überwältigten fte aUerbingg mit Seichtigfeit bie auf
ihrem Mege oorgefunbenen Schwargen unb bie, je weiter weftwdrtg, befto bün*
ner angeftebelten ©eiben.
Sie Miege ber weißen Stace ift bag finotengebirge &inbu*tu h int
IRorbmefteu Snbieng. M<ht nur weift alle alte Sage auf biefen $unft alg
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ihre SEBiege t»in, Bon weiter aus fie ftch nach brei £tmmelSgegenben bin aus»
gebreitet bat, »dbrenb bie Bierte, bet Offen, % burcb bie Uebermacbt ber
Mongolen Berfd&tofTen blieb; fonbern bort allein ftnb alte günfiigen «Boben»
unb «imatifiben SSebingungen jur Grjeugung einer auSerlefenen «Wenfdbenrace
Bereinigt, unb bort allein wadbfen faft alle ßulturpflanjen toilb unb lommen
aDe £auStbiere noch jefct toilb Bor, burcb beten Ausbeutung unb Sereblung bie
wei|e SRace bie BorjugSweiS aderbauenbe, Kultur unb ©efdbidbte fdbaffenbe ge»
worben ift. 35on bort fmb bie einjelnen Stämme ju febr oerfdbiebenen 3eiten
auSgewattbert, fo oft UeberBölferung eintrat.
3 uerft wanbetten bie Sem i t e n aus, b. b- jene SBölferfamilie, welche
ftcb nachher in Ajfprer, Stirer, 3uben, «Pbönijier, Araber unb eine «Wenge
SBSlter ßleinaftenS gerfpalten bat. Sie butdbjogen baS mittlere ober füblidbe
Werften (beute ßabuliftan unb Afgbaniftan), unb bejwangen bie fd&watjen Ur»
einwobner ber EigtiS» unb ©npbrat»(Sbene, Bon wo aus fte ftcb bann bis jum
Schwaben», «Wittel» unb «Rotben «Weere ausbreiteten. .gier berührten fte jum
erften «Wale bie See unb*befubren fte ben Üüften entlang. So erteilten fte
Bom «Perftfdben «Weetbufen aus Bor etwa 6 — 7000 fahren ^abefftnien unb
Wubien, unb Bon ba aus Ggppten, welkes fte eroberten unb burcb eine ben
fdbwarjen Ureinwohnern aufgejwungene Äaften»(SintbeiIung unterwürfig er»
hielten.
dS müffen wenigftenS ein paar Sabrtaufenbe jtoifcben btefer erften unb
ber fogleidj ju erwäbnenoen §weiten AuSmanbetung ber weiten «Race Berfloffen
fein, unb jwar aus jwei .gauptgrünben: 1. Sie femitifdben Sprayen, obwohl
mit ben inbogermanifdben barin übereinftimmenb, ba| fte beiberfeitS eine boH»
ftänbig auSgebilbete ©rammatif aufweifen, wäbrenb bie Utfpradben ber Schwär»
jen nur e i n e Art »Örter (Seitwörter), unb bie ber ©eiben nur j w e i Arten
O&aupt» unb SeitwBrter) tennen: bie femitifchen Sprachen fmb gleichwohl Bon
ben inbogermanifcben burcb eine gro|e 5ßerfchiebenbeit ber SBurjel» unb Stamm»
Wörter getrennt; 2) Eie beiben weiten gamilien unterfcheiben ftdh burdh ihren
Körperbau ganj bebeutenb. Eie Semiten ftnb lurjbeinig, fo bajj ihre Äopf»
länge nur etwa ftebenmal in ber ßörpetlänge aufgebt; bie 3fnbogermanen ftnb
langbeinig, fo ba| ber Äopf etwa achtmal in ber ßörperlänge enthalten ift. Eie
Semiten ftnb Borwiegenb Sanglöpfe, bie Snbogermanen Jfurjlßpfe. Audb in
ben ©efubtslinien ftnben fub tiefgehenbe Familien»Unterfchiebe. Eiefe Unter»
fchiebe, wie beträ<htti(h audh immer, ftnb gleidhwobl leidbter ju erflären unter ber
Annahme gemeinfamer Abftammung, als Betriebener. EaS ©emeinfame in
Sprache, SEBeltanfdbauung, alter Sage unb flßrperbau überwiegt bei weitem bas
Aerfdhiebene. 3»ei gabrtaufenbe, Bon jwei engnerwanbten Stämmen unter
»eit auSeinanbergebenben ©ulturbebingungen jugebra^t, haben nad&weislicb in
mehreren gefdhidhtlidhen gälten eine ebenfo bebeutenbe SBerfdbiebenbeit ber fiör*
per» unb Spradbenentwidetung herBorgebracht, als wir fte jwifdjen 3nbogerma»
neu unb Semiten gegeben finben.
Eie nächfte AuSWanberung 28ei|er Bom #inbu»fuh trat bie ber S i n b h
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ober £inbu, welche SBorberinbien eroberten unb burdb eine ßaPen*ßintbeilung
ber fcbmaqen ©ngebornen p<h unterworfen hielten unb jefct noch als 33rabminen
bie oberften haften bilben* Sa ihre Spraye, baS SanScrit, ben Sprachen ber
Warfen, $elleno*3taler, Germanen unb Slawen, enblich ber Sitthauer nabe
oerwanbt ift, fo !ann jeber biefer Stämme nur furje 3eit nach bem anbern
auSgewanbert fein. Ser [Reibe nadb tarnen bie 3üge wie folgt: guerft bie
Warfen (Sfltperfer) mit ihren Stammgenoffen, ben Söattriem, 9Rebern,
Supanern — §ufammen 3 e« b * SBölter genannt, welche baS Safellanb awifd&en
©bruS,.£inbu*tub, Soliman*©ebirge unb bem perftf<ben Sdbeibegebirge füllten.
Ser 3eitpuntt ift auf etwa 2500 o. Gbr. au fefcen. Sbnen folgten, etwa um
2000, bie £ e 11 e n o * 31 a l e r, welche, am [Rorbabbange beS ©IbruS entlang
aiebenb, bie Sänber füblich Pom ßaufafuS erreichten unb bort einige 3abrbunbet1e
gewohnt au buhen fcheinen, ehe pe über ben [Rorbranb ßleinapenS ober au Schiffe
über baS Schwarae 3Reer bie grie<hif<he unb italifche ^albinfel erreichten. Sen
pon ihnen leergelajfenen Sßlafc nahmen nun bie ©ermanen ein, welche p<h
im Verlauf beS nächfter. 3ub*bunbertS (awifchen 1500 unb 500 p. 6br.) au bei-
ben Seiten beS ßautafuS PomSlralfee bis aur Sonau, ja, Pon biefer am Schwär*
aen 2Reere abwärts bis nach Sb^ien ausbreiteten, damals führten pe ben
tarnen S f p tb e n, b. b» Schüpen, waren ein [ReiterPoll, weldbeS bie Steppen
am Schwaben unb fiaSpifdben 9Reere bünn beftebelte unb Sldferbau nur an
bejfer bewäfferten Stellen ber Steppe trieb. 3bnw nörblidb wohnten bamals
bieSarmaten, mit welchem ©efammtnamen bie Hellenen ben flawifcben
unb littbauifchen Stamm begeid&neten. Sie Sarmaten ober Slawen tonnen
alfo ihren 2Beg Pom £inbub*fub nach Europa nur über baS heutige Surteftan,
ben Ural* unb SEBolgaPup genommen buben, ba alle anberen SGßege Pon ben
©ermanen befefct waren, unb ba man unter ben Pielen Perfchiebenen im ßauta*
fuS ftfcen gebliebenen [Reften europäifcher Stämme wohl Slbfömmlinge Pon ben
©ermanen (bie Offeten), aber teine Pon ben Slawen unb Sittbauern pnbet. 3n
allen biefen Sänbern werben bie frübeften ©nwobner, bie 2Rongolen, unb baS
aus gemifcht mongolifdbem unb inbogermanifchem S3lute entftanbene $8olt ber
ginnen, pon ben Snbogermanen unter heftigen Kämpfen norbwärtS getrie*
ben, nehmen aber noch bis um baS 3>abr 1000 nach Gbr. ©. bie ganae [Rorb*
hälfte beS heutigen [RufilanbS ein.
ßura Por bem Sabre 500 Por (£br. mögen bie ©ermanen auerft bie Oftfee
erreicht buben, unb at&ur a^ifchen ber Ober* unb üffieidbfelmünbung, wäbrenb
gleidbaeitig mit ihnen bie 2 i 11 b u u e r unb 2 e 11 e n bie ßüfte Pon ber 2Bei<hfel*
bis aur Sünamünbung befefcten* wo pe feitbem wohnen geblieben pnb. Sennin
biefen Qertlidbfeiten pnben wir bie genannten SBölfer fdbon bei £erobot unb
^ptbiaS Pon 2Rafplia.
2öie bie ginnen, fo pnb bie $ e 11 e n ein weipgelbeS -äRifchPolt Pon äufjerp
oerfdbiebener 3ufammenfefeung in ben Perfchiebenen Sänbern SBefteuropaS. 2llS
SSortrab ber ©ermanen unb offenbar, ihr nächftältefter Söruberftamm, aber mit
weit weniger Abneigung Por 3Ripbeiratben auSgeftattet, als ben alten ©er*
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ntanen eigen mar, unb nodb nidbt, mie biefe, int 33efife ber ©ifen*, fonbern nur
ber öronje^Snbuftrte, müffen fte jmtf^en ben 3abren 500 u. 1000 bor ©br. ©.
■Dttttel* unb SGBefteuropa befefct itnb bort tbeite mit ben negerartigen ködern ber
Ureinmobner pdb berfdbntol$en, ober aber an anberen Stellen fte auSgerottet ober
betrieben haben. 3n Spanten trafen fte mit negerabnlidben SBölfern, ben
3b er er n, §ufammen, meldbe bor ihnen in baS norbmeftUdbe drittelbeS SanbeS
äurüdfroidben, mdbrenb fte felbft baS fütöftltdbe drittel befefcten, unb tn ber
ÜRitte jmifdben beiben baS 2Rifdbbolf ber Ä e 11 i b e r e r entftanb. 3m heutigen
Sfcanfreidb bemobnten negerartige Stamme ben Süben, ©elbe ben -Worben, ein
©ernifdb bon beiben bie üDtitte. 3)ie Gelten untermarfen unb jibiliftrten beibe in
ihrer SBeife, bte fte ftdb mit ihnen bemtifdjten, morauf fte erobernb in 3talien
einbrangen unb bent’nörblidben ^eüe biefeS SanbeS unter bem tarnen ber
£ i g u r e r ben ©runbftodt feiner 93eboljferung lieferten* 2)ie brittifc^en 3nfeln
batten urfprünglidb, ba pe bon HlterS mit ©aHien gufammenbingen, mit biefem
aufjer benfelben unb SPffanjenarten audb biefelben -iRenfdbenftämmsfges
mein. 2)er SGßeften bon 3rlanb mie bon ©nglanb fdbeint ben bunfelfarbigen,
ber Often beiber 3nfeln ben gelblidben SBölfern angebört, in ber SWitte gmifdben
beiben JRacen eine 2Hif(^race ftd? gebübet $u haben. 2lte bie Gelten einbradben,
erfolgte nadb ben erften 3ab*bunberten ber ßnedbtung eine innigere SBermifcbung
aller brei Wacen. 3 n bem, maS b^ute 2)eutf<blanb ift, fdbeinen bie ßelten'nur
bie ncrblidben SUpenabbänge bauernb innegebabt, baS Sanb fdbeint ihnen, ate
$u raub, im Uebrigen nur ate £eerftrape gum milberen Sübmeften gebient ju
haben. 2)ie Spraye ber ßeltenlänber blieb feltifdb (inbogerntanifdb), aber mit be*
beutenbem ©infTuffe ber einbeimifcben Spradben barauf; bie Stammberfaffung
blieb bormiegenb mongolifdb, bie SebenSmeife nomabiftrenb mit laum nennend
mertber Httebebnung beS 2l<ferbaueS; eS !am ju feiner Staatenbilbung, bie
Gelten fanfen halb auf bie niebrigere Stufe ber ©ingebornen b^ab unb be*
toabrten bon ihrem ebleren Urfprunge aufjer ihrer berunftalteten Spradbe nur
nodb burftige Ptefte ihrer alten ©ötterlebre unb ©ebrdudbe unb bas ©emujitfein
ihrer ©robererbeftimmung. So mürben fte ein geeignetes Material für bie halb
barauf beginnenbe fftomaniprung.
So mar bie SGßelt um baS 3abr 500 bor ©br. bertheilt. * 3n ben nddbften
taufenb 3ab^n bringen bie ©erntanen, bon ben Mongolen SnneraftenS bon
Seit 3 U 3eit aufte -Neue gebrdngt, mtebentm meftmdrtS bor. Sange bor ©br. ©e*
burt haben pe Sdbmeben, -Wormegen, SDdnemarf ben eingebornen üJtongolen ab*
gerungen, meldbe fte tbeite gu Sflaben madben, tbeite meit in ben üRorben ber
ffanbinabifdhen ^albinfel berbrängen. 2)aS blutige $eutfdblanb ift mtnbeftenS
100 3ab« bor ©br. ©eb. bon ihnen bebölfert, unb fte beginnen ben SHbein unb
bie 2)ottau bon ÜRorboften her gu überfdbreiten. $ann halt baS neu erftarfenbe
SRönterreidb unter ben ßaifern fte bierhunbert 3ab*e lang an biefen beiben ©renj*
Püffen feft, bte bie eigentliche SSölfermanberung beginnt unb mit 3«ftörung
beS IRömerreidbeS unb Eroberung beffelben burdb bie ©ermanen enbet, meldbe
babei bie ganje öftUdbe §älfte beS heutigen SDeutfdblanbS unb baS füblidbe SRufj*
!
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' lanb räumen. 3>n btefe leergelaffenen SBohnftße gtc^en nunmehr bte Staben
au.3 ber farmatifchen ©bene herein, toeld^e ebenfaßS baä oftrömifc^e Beich be*
branden unb fchließlich neu beböltern. Bierhunbert 3ahre fpdter erinnern ft<h
bie (Germanen beften, baß bte leergelaffenen Sänber eigentlich ihnen gehören,
unb mdtyrenb ihrfünfterfeefahrenberStamm,bie Normannen, einen^beit
grantreidb, Qtalien^ unb felbft ©riedßenlanbä erobert unb ©roßbrittannien erft
afö Seerduber au3plünbert, bann bejwingt unb befefet, bringen Normannen
unb ©ermatten au<b wieber oftwärts bor unb unterwerfen ftcb bie borgebrun*
genen Slawen, ja, bie Normannen geben ben Bußen ihr $errf<herhau3, ihren
Slbel unb fogar ihren -Hamen. Bon ba ab f(beitem äße Berfuche ber mongo*
tifdben Dotter, bie ©ermanen weiter weftwärtä ju berbrdngen (933,955,1240,
1530, 1689) Europa ift entwilbert, ber burdb fern gemäßigtes ßlima unb
größte fiüftenentwtcfelungen für höhere, fortf(brittlicbe Kultur gönftigfte ©rbtßeil
ift germanifdh geworben; erft auf b i e f e m Stoben tonnte bte germanifche Bace
bie *afle £öhe ihrer Slnlage erlangen, tonnte fte bon aßen bie jabefte, bielfeitigfte,
trdftigfte unb tüdßtigfte, bie unbergdngßd&e gortfdßrittSrace werben, bie Bace,
welche leinen bauemben Verfaß tennt, fonbem ft<h aus jeber Bieberlage ber*
jungt unb geftärtt wieber aufrid&tet, bie Sehrerm unb ba£ Borbilb ber SBelt, bie
Trägerin ber wahren ßJtenfchlicbfeit gu werben beftimmt ift.
2Bie fte baS hat werben müßen, ertldrt ft<b naturgefefclidß aus ihrer hppo*
tbetif<ben Urgefdbi(bte. Bei ihrer Sluswanberung aus ber Urbeimatb fanb fte
bie ganje SBelt beböltert unb bie rei^enbfteit, ütyngften Sänber beS gemäßigten
©rbgürtels für ftdb berfdßloßen, in melden ihr gwar ein rafcheS Slufblühen §u
hoher Kultur, aber bafür au(b ein fchleuniger unb tiefer Verfaß in bie Elfter*
tultur unb^albbarbarei jurüdt beborgeftanben hätte, wie ihren Bermanbten, ben
Semiten unb $eßeno=*Bomanen. Bein, eS gehört ein langfameS Söachsthum un*
ter fteter grabweifer Steigerung ber Arbeit unb Saft wefentlich baju, wenn eine
borjugSweiS tüchtige Batur ft<h bilben foß. 3>nbem bie ©ermanen Schritt für
Schritt in Sänber rauheren ßlimaS berbrdngt würben, aus Steppengegenoen
in bie bichten SBätber ber farmatifch*beutf<hen Tiefebene, beren ©ntwictelung für
bloße Stlabenarbeit unmöglich unb für bie freie Arbeit ein würbiger Sporn war, bon
ben Binnenmeeren herauf an bie Äüften beS SBeltmeereS, baS ben höchften ©rab
ber Unerfchrodtenheit, beS UnternehmungSgeifteS unb £elbenftnneS erwedft, aus
ber triegerifchen Berührung mit Mongolen in ftetB furchtbarer wachfenbe ©r*
oberungStämpfe mit ben SBeltreidßen ber fßerfer, Matebonier unb Börner —
inbem fte fo mit macbfenber Abhärtung ihrer Kräfte immer fdhwerere Aufgaben
erhielten, würben fte sur Söeltherrfchaft burch SelbftbeherrfchungStunft erlogen
unb erwarben eine UnberwüftUchfeit ber Einlage wie teine anbere Bace. Unb
inbem fte, mit bem gemeinfamen ©rbgut inbogermanifcher Urtultur auSgerüftet,
nach einanber mit ben Mturen ber B**f^ «geßenen unb Börner jwar in Be*
rührung tarnen, aber weil fte auf ihrer ßftlichen ©renje ftetS bie Mongolen ab**
juwehren hatten, burch biefe ftete Äampfbereitf(haft bor Sinnahme ber Safter
biefer Kulturen bewahrt unb ftolje Berächter ber cibiliftrten SluSfchweifung blie-
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ben; inbern fie baher btc Mtur ber Sllten ffielt erft bann fid^ aneignen lernten,
als. fie Selbftbeherrfchung berftanben, mürben fie bie SBiebergebarer ber RuU
tur, einer höheren, meil allfeitigen, ftttlicheren, auf freie Arbeit unb ©enügfam**
leit begrünbeten fiultur, mürben fie bie ©rfinber ber freien Slrbeit, ber mähren
©he unb beS Selfgovernments, biefer brei ©runblagen aller mähren 6itt*
lidtfeit, mürben fie bie SBeltftürmer ber Söiffenfdjaft, bie lühnen teuerer unb
§uglei<h bie gebulbigen Neubauer aller ihrer Steige, unb bie Schöpfer einer
neuen, bergeiftigten ßunft.
Sille ©ntmidelung unb SSerboHfommnung befteht barin, bah fi(h ein fleim,
eine Slnlage in neue unb immer neue Unterf (hiebe, ©egenfdpe, felbft Söiber*»
fprüdje auSeinanbertegt, mel<be tropbem ein ©anjeS, «in Körper, ein Organes
muS bleiben, an meinem jene ©egenfdpe ju ©liebem fuh auSbilben, meldfye ihn
in ihrem 3ufamtoenmirfen ebenfo fehr beftimmen, als fie burd? ihn beftimmt
merben, unb fo mechfelfeitige görberung — 2eben — erzeugen. Äeine Stace
hat fich reifer in ©egenfdpe auSeinanberlegen unb fie gur organifdjen ©inbeit
berarbeiten muffen als bie germanif(he, inpem fte bie betriebenen Stufen ihrer
Saufbahn übermanb. Sin alle Mturbölfer, mit benen fie in ©renjberührung
lam, gab fie ihres Stammes ab, mel<be, mit biefen Äulturbolfern ber*
fchmeljenb unb anfeheinenb für baS ©ermanentbum berloren, bo<h auf ben
Stamm anregenb aurütfmirften. So gab fie an bie $erfer ben germanischen
SSollSjmeig ber SJta gier, an bie Hellenen bie Zfyxacitt, ©piroten unb
Sllprier, an bie Körner bie ©othen, SBanbalen, Surgunber,
granlenunbSongobarben ab unb colonifirte als Gelten unb Storman*
nen früher unb fpdter biefe unb japlreiche anbere Stationen, Sille biefe gernta*
nifeben Stamme fchienen jundchft ib* berloren, inbem fie in ber SBermifchung
mit ben Stadjbarn faft gänalich als ©ermanen untergingen, allein fie erzeugten
babei aus ben beralteten, unfortbilbfamen neue, Irdftige Stationen, aus beren
gerichtlicher ^Berührung mit ben in 2)eutf<hlanb fefibaft gebliebenen ©ermanen
biefen ftetS neue, bielfeitige Slnregung ermud&S. So mürben bie ©ermanen
2)eutf<hlanbS, bie mittelften bon allen, eben baS bielfbitigfte unb bo<h babei na**
turmdchtigfte SBolf bon allen, baS mabre SBolf ber SJtitte, ber emig berjüngenbe
©eift ber in’S ©ytreme fchiefienben dufjeren ©lieber, bie auf ben £albinfeln
unb Snfeln ©uropaS mohnen, bon ihnen lernenb, um fofort ihr Sehrer im
gortf<hritt ju merben, in ihnen feine !ulturhiftorif<hen ©jperimente anfteüenb,
unb biefe bann fritifch Iduternb unb ihre ©rfolge feftftellenb. unb auSbreitenb.
©emifc, ganj ©uropa (unb Slmerifa) ift f<hon g e r m a h i-f <h, mie ja bie ganje
ßrbe ju merben beftimmt ift; bie granjofen, bie Staliener, Spanier, Sßortugie*
fen, ©ngldnber, bie $dnen, Stormeger unb Schmeben fmb ni<htS als in’S ©in*
feitige gefdjoffene ©ermanen, benen $eutf<hlanb immer unb immer mieber SJtafj
unb 3iel giebt, unb bon benen es ftth immer neue ©rfahrungen unb Stupan*
menbungen erobert! 2Ber leugnet, bajj alle SBiffenfchaft unb ßunft ber SBelt,
melche biefen Stamen berbient, germanifch ift, bafj alle Mturbolfer ber SDelt
germanif(heS SBlut in fwh tragen unb baS 3iel germanifcherßultur: immer boH*
200
fommnereS Selfgovernment in allen SebenSgebieten, bor Äugen unb in
ftchrer ÄuSfuht baten ?
3)te beutfehen fmb alfo Spätlinge in ber ©ntwiäelung; fte reifen fpät
unb altem fpät, unb nur ju immer neuer gugenb. Verflochten in bie politi*
fehen ©efehiefe aller ihrer üRachbam ringsum, blieben fte am längften äinber in
ber Volitif unb »erben ihren £ag ber botlen Politiken Selbftregierung erft er*
/ leben nachbem alle ihre $albinfel*ÜRa<hbam ihn auf ihre Äoften erlebt haben
»erben. 2)ann aber »erben mir auch baS Äeich beS ewigen griebenS unb
Völfer*S<hieb§geri<htS angebrochen fehen. S)ie $eutf<hetrftnb ber |jerfule3 ber
antifen Sage, ber jwar fchon in ber SBiege bie Schlangen rechte unb linls er*
würgt, aber hoch fein Sebenlang berbammt ift, als Wiener Änberer bie fchwer*
ften aller Arbeiten jur Reinigung ber 3Belt bon Ungeheuern §u berrichten, um
gulefct unter bie ©otter aufgenommen gu »erben,
■JHcht baS »enigft äflerfwütbige babei ift ber Umftanb, baf* bie germanU
ftrten Slawen, »eiche bie öftliche $älfte $eutfch(anb3 bewohnen, baS Mittel
haben »erben roüffen, bie beutfehen auf ber Saufbahn politifcher ©inbeit, gtei*
heit unb ©rß&e fo lange gurütfäuhalten. $ie Slawen, biefer jüngfte, pafftpfte
unb »eiblichfte aller inbogermanifchen Stämme, »elcher nie erobernb aufgetre*
ten ift, au&er »o borübergehenb ent»eber religiöfer ganatiSmuS ober Orientalin
fcher Despotismus ihn gegen bie Nachbarn hefete; bie Slawen, »eiche ftets im
©efolge ber ©ermatten babeqiebenb, »ie ber Schafal in bem beS Sowen, mit ben
Ueberreften gemtanifcher Siegesbeute hoch jufriebett, fi<h ftets in bie bon ben
©ermanen bei ihren ©roberungSsügen leergelaffenen »armen Hefter eingebettet
haben; »eiche ihre £errf<her, ihren Äbel, ihre $riefter, ihre gnftitutionen ftets
importirenb bon fräftigeren Nationen bezogen unb in beren geiftlofer -ftachab*
mung ohne eigene 3eugungSf:aft ft<h gebläht haben: — bie Slawen — unb
3 »ar junächft bie im Often DeutfchlanbS — haben ftch bafür, bap fie feit bem
zehnten gahrhunberte mehr ober weniger gewaltfam germaniftrt »urben, an
ben Deutfchen bitter gerächt. üftur auf flawifchem ©runb unb Voben, nur unter
einer borwiegenb beutfeh g e m a <h t e n flawifchen Vebölferung mit ihrer laut*
ofen ©ebulb unb Sch»eigfam!eit fonnten jene beiben beutfehen ©rofemächte
Defterreich unb freuten entftehen, »eiche baS 3«ftanbe!ommen ber beutfehen
©inbeit unb greibeit fo unfäglich erfchweren. So fxnb bie politifchen Schicffalc
beS beutfehen Kolleg ihm felbft unb allen Vollem, »eiche fehen »ollen, gum
lehrreichen unb »amenben Veifpiele geworben, bafc Ungerechtigfeit unb Unter*
brüefung ftch an ÜRiemanbem f<h»erer rächt, als an ben Unterbrücfern felber.
fiofbare Sehre—»ie lange wirft bu noch vergeblich geprebigt »erben muffen ?
ÜDUt ber borftehenb auSgefubrten #ppotbefe bom Urfprung ber germani*
fehen Vace ftimrnt bie alt*germanif<he ©otterlehre. unb ^elbenfage merfwürbig
jufammen. Dem Scharfftnn neuerer gorfcher ift eS gelungen, brei ©ntwiä*
IungSperioben in ber germanifchen UJlpthologie nachjuweifen. gn ber erften,
älteften, entfernt fte ftch noch fehr wenig bon ber ©otterlehre ber berwanbten
femitifchen, $inbu*, 3onb* unb beHeno*italif<hen Voller, fowohl »aS allgemeine
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201
2BeItanfdßauung, al§ wa§ bte Namen unb Slmtsoerrldhtungen ber großen zwölf
(Sötter betrifft $auptgottheit ift Spr ober Sp 3 (3iu), ber ©ott be§ $im*
metö unb be3 SBetterä, ber Sonne unb be3 £i<hte§, ber SBärme unb be3
geuetö, alfo ber 8eu3*Sjoni3, Si3 ber «geltenos^taler, ber Orrnuzb ber $er*
fer :c. 3n ber zweiten, nädhftfpäteren, entfernt ftd) bte üffielt* unb ©otte^an*
fdhauung ber ©ermanen fdhon beträdhtlidh bon ber urfprünglidhen. Spr berbleidht
jurn ©ott be3 Krieges, Sh o r, ber ©ott bei Söli^e^ unb ©ewitterS, wirb $im*
mefäfönig, wa3 er in Sdhweben audh geblieben ift, jum S3ewei3, baß bie weft*
Kdhften Stamme ber ©ermanen bantate fd&on bie Oftfee erreicht unb überfdhrit*
ten haben mußten. 3>n ber britten $eriobe gebt bie Sefonberung" ber germä*
nifdhen Ntpthologie nodh weiter: SB o b a n (SBuotan, 0 bin, flawifd) Ob i n),
ber ©ott ber Sonne, wirb oberfter unb Nationalgott unb beginnt feine w i 1 be
3 agb. Siefe wilbe ift ein hoppeltet Sinnbilb: einmal für bie SSertrei*
bung ber ginfterniß unb SRad&t unb be§ grauenhaften norbifdhen SBinterä mit
feinen Sdhredten unb Gefahren burdh ben Sag, ben Sommer, bie ftegreidje
Sonne, weldhe SBoban auf feinem SBagen bon Norboften nadh Sübweften führt;
ba3 anbere 30tal ba£ Sinnbilb ber Eroberung Sübweft*©uropa3 burdh
bie bon Norboften her unter SBobanä Sannem ftegreid) borbrin*
genben ©ermanen. 1 Siefer 3ug, ober biefe 3üge müffen alfo bon Norb*
often gefommen fein, bon ber JDftfee nadh bem k Nheine, bon ber SBeidhfel
na<b ber oberen, bom Snjepr nadh ber unteren Sonau, wie audh bie ©efdhidhte
unb bie SBolföfage in betreff ber toilben gagb bezeugt. S3iS bahin waren bie
©ermanen immer norbweftlidh gezogen, borwärtS gebrängt in biefer Stiftung,
weil fte nodh ju jerftreut wohnten unb zw wenig gahlreidh waren. S$oit nun
an bringen fte nach eigner SBahl al3 ©roherer, wie bie SBelt leine weiter gefe*
hen, nadh offenbarer SJerabrebung unb Nerbinbung unter einanber, alfo atö
gefdhloffene Nationalität, wenn audh nodh nidht ate Nation, fübweftlid? bor.
Mn SBunber, wenn biefer SBenbepunlt in ihrer ©efdhidhte burdh einen ©nt*
toiälungäpunlt in ihrer Ntpthologie bezeichnet wirb, burdh Obin’3 Eintritt ber
^immel§h«trfdhaft. Ntit jeber Sßeriobe wirb übrigen^ bie germanifdhe Ntptho*
Iogie wilber unb abentheuerlidher. Sie S3efanntf<haft mit bem Weltmeere, ben
gelfenlabprinthen unb ©letfdherriefen, ben ©tebergen unb SBinterftürmen, ben
bidhten Nebeln unb ber jauberifdhen Sommernadhtöbämmerung, wie ber furdht*
baren langen SBinternadht, SBinterlälte unb Oebe be§ Norbenä brüdfte je langer
Je mehr ber germanifdhen SBeltanfdhauung ihre Spuren auf. Sa.§ warme, ja
glühenb heiße Ntuäpelhetm b e 3 SübenS, au§ weldhem fte hergefom*
tuen waren, tritt juerft in ber ©rinnerung gegen eine tn’3 Nieftge gefteigerte
3Nadht N tflh eim 3, be§ Nebelreidhä be3 NorbenS, mit feinen ©Briefen,
fjelfenreden, ber Ntibgaarbäfdhlange unb bem fdhauerlidhen SBeltenbe bei ber
©otterbämmerung. Sie urfprünglidh heitere SBeltanfdhauung ber ©ermanen
tüirb büfterer, ernfter, unruhiger, raftlofer. Sie ©ötter werben fterblidh, bom
unergrünblidhen Sdhidlfale abhängiger, follen im Kampfe mit ben wilben Natur*
mädhten untergehen, um einer befferen, erneuerten SBelt $ta& zu madhen, unb
202
erwehren ftch fchon üorber betreiben nur burch Wahrhaft ungeheure Kampfe.
3uglei<b wirb bie 3ei<bnunß bet ©ötterperfonen unb ber Schaupldfce ihrer
%t)aten unbeftimmter unb üerfchwimmenber, formlofer unb unllarer, tüte bie
Untriffe norbifcher Sanbfchaften eS ftnb, unb tüte bie ßinbilbungSlraft eines auf
norbifchen Leeren unb in bitten Urwdlbem lebenben norbifchen SolleS es
toerben rnufj, unb ein üerworreneS ©efled&t heiteren wie büfteren Aberglaubens
bangt (ich an bie ©ötterlebre unb ‘.gelbenfage. ©inen groben Sorjug aber bat
biefe abenteuerlich formlofe ffieltanfchauung üor aßen anberen: in biefen
2Jtäbr<ben unb Sagen fpielt ber SR e i ch t b u m leine fo grobe Noße wie in
benen ber üerwanbten, befonberS ber femitifdben Söller. SaS ©olb erf<beint
geringgef<ha|t, auber als Schmud, es wirb als 3unber ber fchlechteften Seiben*
fd^aften beS menfd&lichen ^erjenS gezeichnet, als ein glifcernber, treulofer Ser«
fübrer unb Serberber.
Keine anbere Nationalität erfcheint fchon üon Anbeginn ihrer Sage unb
©efchichte an fo abelsftolj, fo eiferfüchtig auf Neinbeit ber Nace, fo erpicht auf
Kaften*©inri<htungen, als bie germanifdbe. Sie © b b a, baS einige uns tto<b
ganz erhaltene fchriftliche Senlmal unferer alten ©ötter* unb «gelbenfage (um
1000 nach ©br. auf Sslanb abgefafct), heiligt fogar bie Kaften*©intbeilung burdh
eine Sage üon beren uralter göttlicher ©infefcung. Nach ihr bat zwar ein unb
berfelbe ©ott $ eimballr (unter bem Namen Nigr) bie brei haften ber
© b e l i n g e, ber g r e i e n unb bet S b * ä l e (#auSfllaüen üon mongolifcher
Abftammung, ober Kriegsgefangene, bie als Sllaüen arbeiteten) felbft erzeugt
— bie niebrigfte zuerft, bie mittlere zuzweit, bie ebelfte gulefet — aber er bat fte
gleichzeitig als ewig gefdjieben bingeftellt. Saß trofcbem bie ©ermanen nichts
wie ihre Stammüerwanbten, bie antilen Kulturüöller, baS eigene Arbeiten über
bem galten gabireicher Sllaüen üerlernten, unb baß fie baburdb üor ber größten
aßer ©efabren, bie ein Soll befaßen lann, ber Seracbtung freier Arbeit, bewahrt
blieben, lag wohl nur baran, bah bie Seurbarung germanifdHarmattfcber Ur*
walber jebeS SNanneS §anb in Anfpruch nahm, baß bie bienenbe Klaffe wenig
gabireich War unb auSfchließlich ben wenigen ©belingen gehörte. Siefer Abel*
unb NacenreinbeitSftolz mag uns im Sichte unferer Sage nodb fo üerdchtlidb unb
unmenfchlich erfcheinen: — in jenen Seiten, ba eS mefentlid? auf ©qeugung
neuer, Irdftigerer Nacen anlam, welche bie ©rbfcbaft ber antilen Kultur antreten
foßten, wirlte er überwiegenb wobltbatig. Sie AuSbilbufig fd&öner, Irdftiger,
gewanbter unb furchtlofer Ntenfchen burch Nacenüereblung unb ütele ©pmnaftil,
welche unfern Sorfabren für fo wichtig galt, bat ihren Nachlommen nicht bloS
bie gefunbe SeibeSüerfaffung üerlieben, welche fte fo üielen unb fchweren Auf*
gaben gewachfen madbte, fonbern bat auch ber hoben Sichtung üor bem SGßeibe
unb ber §eiligbaltung ber ©be Sorfchub geleiftet, burch welche unfere Sorfabren
fchon bem großen Nömer % a c i t u S imponirten. ©ewiß ift ferner, baß fte
ber bemolratifchen NechtSgleichbeit jwifchen ben greigebomen leinen ©intrag tbat,
unb baß ber ©beling üor bem einfach Speien; ber fein eignes gelb baute, lein
Sorrecht in Anfpruch nahm, als welches ihm freiwiflig jugeftanben würbe.
203
SluS biefem angebomen bemolratifchen gnftinlte ift es ju erllären, bafs, als in
ben faufttedjtlidjen 3eiten beS «WittelalterS auf bem blatten Sanbe bie perfön* .
liehe greiheit unb bet ©runbbefifc beS greien Betloren ging, beibeS gleichseitig
in ben aufblühenben ©tobten mittelft bet freien, zünftigen, waffenfähigen $anb*
werler»5Berbänbe wieberauflebte, ja felbft auf bem Sanbe an gefehlten ©teilen,
wie in bet Schweiz unb am Worbfeeftranbe, ju glüdllichen Söauetnlriegen unb
33auem»greiftaaten fübtte.
3)a3 SPtinjib enblidh bet freiwilligen SßetgefeDung (Stffociation) ju ©njeU
jWecten, bei benen aber feber Sheilnehntenbe in jeber anbetn £infuht ungebun*
ben unb fein eigener §err bleibt — biefeS $rinjip, bem bie neuefte Beit fo Biele
großartige Unternehmungen unb gortfehritte Berbanlt — es war in unfern alt»
Borbem burih bie gügungen ihrer älteften ©efchichte für alle fpäteren ©ef(hle<hter
begrünbet unb muh beShalb eine ä<ht«germanif<he ßrfinbung heilen, gn ihren
unabläfftgen Kämpfen mit ben leichten Weiterhorben ber «Wongolen war baS
frühzeitige ©Uftehen einer Sattel geboten, welche ebenfo febr BoUlommen aus*
gebilbete ©njellämpfer, als Sufammenmirlen in gefdjloffenen «Waffen — fe
nach ben Umftänben — anwanbte, ebenfo fehr ben fiampf jü gu|e (unb ben
angriff im fcbnellften Saufe) als jn SRojfe Berlangte. 6 in beriet (©njel»
lämpfer) ift beShalb ein (Ehrenname jebeS alten ©ermanen, unter welchem er in
bie SEßalhalla aufgenommen wirb. Wut wenn jeber (Einzelne boUftänbig „feinen
«Wann ftanb", ebenfo gut wie bie gefcbloffene «Waffe, war ber ©ermane ein
wahrer «Wann. 2)aS ©efübl ber ©elbftoerläfslichteit gab ihm eben jenen «Wutb,
fuh in jerftreuten SBeilern, jeber getrennt Born Wachbar, inmitten feines ©runb*
jtiicfs anzubauen unb baS Seben in ©täbten ju Berabf«heuen; es gab ihm früh«
Zeitig ben Srieb, ftch nie einer ©emeinfehaft ganj unb unbebingt hinjugeben,
fonbern burch ©efeUung bloß ju beftimmten Beeden alles zu erreichen, was
gemeinfame ßraft erforberte. ©o feben wir im anfange ber römifchen fiaifet*
jeit WBIterbünbe unter ihnen entftehen, welche halb, wie ber ber «Warlomannen,
nach erreichtem 3»ede f«h wieber auflöf’ten, halb, wie ber ber granlen, alle*
mannen, »urgunber, angelfachfen auf erobertem ©oben jurn 3wede neuer
©taatengrünbung Bereinigt blieben, immer fo, baß ber (Einzelne urfprünglicf
babei feine Unabhängigleit möglich! wenig einbüßte. SEßie eben bie auSwärti*
gen (Eroberungen fcßließlicb hoch jum aUmäligen Uebergange ber affociation in
ben SehenSBerbanb führten, baS ju ertlären, führt uns bieSmal ju weit; es ge*
nügt ju wiffen, baß in folgen germanifchen Sänbent, welche nie erobert worben
fmb, wie Sheile »on 3)eutfchlanb, ©«hweben, Worwegen unb in ©tglanb Bor
ber normannifchen (Eroberung, baS SehenSwefen n i <h t aufgelommen ift, weil es
bem germanifchen ©eifte juwiberlief.
«Wan fteht, baß unfere $ppothefe — wie jebe gute $ppothefe foH — mit
ben Borhanbeneti Sßatfachen im ©nllange ift, fie ungezwungen erllärt unb fi«h
bemgemäß bei ber «ßrobe bewährt, ©ie wirb freilich nie zur Bollen ©ewißheit
erhoben werben lönnen, weil wir in ber älteften ©efchichte über leine äugen»
Zeugen z« »«fügen haben, aber fie gewährt bennodh ungefähr benfelben
m
m
SRufcen, toetchen t>olTe gef<hi<htK<he ©emi^cit bringen mürbe, meil fie tn allen
einjelnen 3ügen einen ^o^cn ©rab bon 2Babrf<heinlt<hfeit an ber Stinte tragt.
Sie begrünbet bie urfprün gliche ©inbeit be§ !2Ren}<hengef(hle<ht3 beffer al§ bie
biblifche unb jebe anbere Sage über beffen unb ber SRacen Urfprung. Sie er*
Hart bie mirflidjen unb unleugbaren SBoqüge einjelner SRaren unb Stämme oor
ben anberen nach ÜRaturgefefcen, ohne belegen ben urfprünglid? benachteilig-
ten bie 2lu£ft<ht, bafc fte ben beborjugten auf ber Seiter ber ©ntmidelung nach-
Himnten merben, ju benehmen; benn fte erflärt jeben SSorjug unb Segler als
natürliche^ ©rjeugnifc beä 23oben§ unb filintaS mit ihren Sßrobuften unb berba-
bur'ch bebingten ©efd^td&te, alfo al3 folche, bie ftch mit SBerbefferung biefer 2e-
benäbebingungen bon felbft berbeffern unb unter smecfmäftigem Sufammemoir-
fen ber 2Renfchen fünftlich noch foeiter berbeffert, aber auch in golge berfchlech-
terter 2eben§bebingungen berfd^led^tert merben fonnen. SBüften laffen ft<h frucht¬
bar machen, Stegen fönnen bem Slderbau bienftbar merben, Sümpfe ber-
fchminben bor bem ©rabfcheit, ber $)antpf berringert bie ©ntfentung ©infamer
bon ßulturquellen — !urj, felbft bie am meiften jurücfgebliebenen bunfleren
fttocen mögen unter ber Anleitung ber fulturbringenben ©ermanen ohne allen
Smang allmälig berebelt unb gehoben merben, fo gemifc ate bie ebelften 2Ren-
ftenftämme aulefct hoch bon ben bunfleren h^rgefommen fein müjfen. Sie
befeitigt mirffarn jenen unberechtigten £ochmuth, ber bie fttacenunterfchiebe für
ettrig unb gottgegeben anfieht, um ft<h ein fcheinbareä 9te<ht ber Unterbrücfung
ber bon ÜRatur Schmäleren ju erfchleichen, — biefe Quelle hö<hfter Unftttlich*
feit unb ©ntartung, ohne bie gerechte 2Berthf<häfcung angeborner S3oräüge, für
melche üRiemanb etma§ fann, ju fchmächen. Sie forbert bielmehr ben ©eft&er
angeborner SBor^üge auf, bamit sum SBeften ber menfchlichen ©efeUfchaft ju
muchern, auf bereu Schultern jeber ©injelne unb jeber Stamm fteht. ©3 ift
mit einem SBorte bie einzig m e n f ch l i <h c ©ef<hi<ht3anf<hauung, möge fie auch
in eingelnen üRebenjügen noch einmal miberlegt merben fonnen.
£eil ben ©ermanen, bah fte bie Spätlinge unb eben barum bie SBoUenber
be§ SRiefenbaueä menfchlicher SBerboHfommnung fein fonnen! §etl befonberä
$en $eutf<hen, ben ju fpät bei ber SBeltbertheilung gefommenen ^oeten; benn
fte merben auä bem «gimmel be3 3eu3 bie rechten ©ebanfen unb ©runbriffe
jum 93au ber menfchheitlichen SBalhalla mitbringen unb barin bie erfte Stelle
einnehmen! $eil aber auch ber 2Belt, bah bie 2Beltherrf<haft ber ©ermanen bie
fchltefcliche SBeltbefreiung unb allgemeine Grlöfung bebeutet!
i
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205
/raiun Jier Mcnoluticnt,
(9la$ einer Slb^anbluttg non 6aint*2lrmant.)
Statt SJictor <£rttft.
Sie erfle franjBftfdje SReoolution ift ein eroig fprubelnber S8om,
Wetter noch in weiter Seme fiänber befragtet unb SSölfer beglüeft. Sie
SBaffer fmb Kon S3Iut gerötbet, aber jugleidß burd? ©lut geweiht unb Berebelt.
SSHr $ittern beim SRüefblidC auf jene Sabre; aber wie Bbe, wie troftlog würbe eg
in ber SBelt augfehen, wenn fte unb alle ihre folgen aug ben Slnnaten ber
SJlenfchheit geftrießen werben JBnnten! Ser Sag, an welkem ein ßönigghaupt
unter bem Seile ber SReooIution fiel, wirb jefct in gtattfreich als Srauertag be*
gangen; aber in bemfelben granfreidj tann fogar eine beäpotifdje SRegierung
nur unter betgaßnebetip r i n c i p i e n berfelben SReootution, weld?e_bic3 Opfer
forberte, auftreten. Sie gaßre beg gubelg unb beg ©ntfeßeng, ber Hoffnung
unb ber Setjweiflung, ber glübenben Siebe unb beg brennenben $affeg haben
moralif dje Ungeheuer erzeugt, jugleicß aber ©ßarattere ang Sicht geförbert, welche—.
. mochten fie banbelnb ober leibenb auftreten, pegen ober untergeben—ewig ihren
Sßlafc im Pantheon ber ©efebießte einnebmen werben.
3wei fo eben erfdjienene Sßerle — ba§ Such SSegcure’g über bie ißrinjef«
ftn fiamballe unb bag ©ßeron be SSiUier’S über Charlotte ©orbap—haben bie
(Erinnerung an jwei grauen wieber aufgefrifdjt, welche, obgleich ben oerfeßie*
benften Greifen angebörenb unb äujierlich Berfcßiebenften Strebeng, all
Scßweftern im ©eifte unb ©emütb neben einanber geftellt ju werben Betbie*
wen unb ber ©poche, in welcher fee lebten, bag ebelfte Seifpiel tnoralifcßer
Starte gaben. Selbe mit ben IReijen äußerer 2lnmutb unb inneren SBertßeg
auggeftattet, fchienen fte nur für bag rubigfte, glüdlicßfte Sehen beftimmt ju fein,,
afö fte plößlich inmitten einer furchtbaren tfataftropße aug ihrer befeßeibenen
Sphäre auf bie bomenooHe Sahn beg Heroigmug gefeßteubert würben. Sie
©ine opferte ftch willig ber greunbfehaft, um babureß ben gom beg Himntelg
ju befänftigen; bie Slnbere glaubte burch ihren Sob bag Saterlanb Bon einer
blutigen Sprannei erlöfen ju tBnnen.
©g war eine 3*it entjüdenber Sräume unb feßredtießen ©rwaeßeng. Süßer*
fen wir einen Slid auf bie Sage, welche ber firijtg Botauggingen. Unter ber
SBourgeoifte fowobl wie in ben Greifen beg Slbelg, in ganj granlreich wie in
Sßarig, in ißarig wie am £ofe Bon Serfailleg, führte man nur bie Süßorte ©e*
rechtigteit, ©hre, ÜJtenfcßenrecßt unb greiheit im SDtunbe. ©g war ein fBrtnlU
dheg Selirium beg allgemeinen SBoßlwotleng unb ibealer Hoffnungen. SBie ber
Slftrolog in ber gäbet, ftürjte man, bie Sterne betrachtenb, in einen Slbgrunb
hinab, unb bie ifkinjeffin fiamballe ju Srianon, ©harlotte Gorbap ju ©aen
gaben ftch berfelben fchönen gHufton über bie Sutunft hin, ©g fchien bie 3eit
getommen ju fein, wo alle Sorurtheile, alle Schanbe unb alleg ©lenb feßwinben
foUten. Sie Sßrinjefftn war ©roßmeifterin einer greimaurerloge, Bon welcher
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Marie Antoinette faxtet ,,©ott ift bort in Aller Munbe, unb man tbut oiel
©uteg. Man ergebt bie Sinber ber armen ober geftorbenen Mitglieber unb
oerbeiratbet ihre Söcbter. Mir fcbeint aßerbingg alg tonnte man mit meniger
Geremonietn ©uteg tbun; aber mag liegt baran, trennt nur gef (hiebt ?" —
Gbarlotte Gorbap, meldje mit bemfelben Gntgücfen bie 2Berfe Slutardjg unb
3ean 3acqueg Aouffeaug in fi<h aufnabm, träumte nur oon einer Aepublil
ooß ftrenger Sugenb, erhabener Aufopferung unb bo^berjiger Sbaten.-—
Ohne etmag oon ihrer Anmutb eingubüfjen, breite fi<h bie frangöfifche Gonoer**
fation um bie emfteften unb michtigften fragen. Ueberaß geigten fid? bie pi*
lanteften ßontrafte. 3m gelblager fprad? man, mie Sägur in feinen Me-
moiren fagt, oon Unabhängigst; ber Abel fchmdrmte für bie Semofratie ;
auf ben Sailen pbßofopbirte man, unb im Souboir mürbe moraliftrt. SDlit
Aecbt bemertt bie Staeß: „2Ber in jener 3*it lebte, mirb gefteben müffen, bajj
bie Menfchen nie geiftooller unb nie beffer gemefen fmb." Aie batte ber jün-
gere Abel mehr ©lang entfaltet; bie Gonferoirung mittelalterlicher Sitten bin-
berte ibn aber nicht baran, fich für bie plebejifche ©leichbeit gu begeiftem. Aller**
bingg tarn babei oiel 2$&ri<bteg gum Sorfchein, unb mie menig ftichbaltig ber
Gntbufiagmug mar, geigte bag fpdtere Senebmen beffefben Abelg, alg ber fronen
^beorie bie Sßrayig gur Seite treten foßte; aber für ben Augenblicf mar ber
Aaufd? oorbanben, ein feuriger ©taube an ben gortfchritt, eine bobe Artung
oorber Aßgemalt ber $bitofopbie unb oor ben SGßerlen ber ©eiftegbdupter
mobnte in ben bergen Serer, melche ben gortfchritt unb bie Siege beg ©eban**
teng am meiften gu fürchten batten. Selbft bag ßönigtbum hafte bie Gtiquette,
unb bie Höflinge forberten ben alten feubalen ^ochmutb tn bie Scbranfen.
Unter ben grauen beg bamaßgen frangöfifc^en §ofeg mar feine beliebter
unb adjtunggmürbiger alg bie ^ringeffm Sambaße. Am 8. September 1749
in Surin geboren, bteatbete DJtarie Sberefe Souife Oon Saoopen*Garignan
fdbon in ihrem fiebgebnten 3ab*e ben neungebnjabrigen «gergog oon Sambaße,
Sobn beg $ergogg oon $entbieore unb lebten Spröfsling ber ißegitimen Aach*
fommenfdbaft Submigg beg Siergebnten. Schon menige Monate nadb ihrer
Serbeiratbung SBittme gemorben, meibte fie fidb fortan ber pflege ibreg Sehnte-
geroaterg. S<bön, reich unb geartet, bie Trägerin gmeier berühmter Aamen,
batte fie leidet mieber eine ber gldngenbften Serbinbungen eingeben lönnen;
aber fie gog eg oor, einem Anbenfen treu gu bleiben, unb bemeinte einen ©atten,
ber ihrer .feinegmegg mürbig mar, alg mdre er ber befte aßer Männer gemefen.
3bre Sefriebigung fanb fie in einer fortmdbrenben Selbftaufopferung. Segcure
entmirft ein rübrenbeg Silb oon biefer $eriobe im Seben ber Sringeffm, unb
man begreift banadb leidet bie Spmpatbie, melche fie ber Königin empören
mufte. gn ben Augen ber beutfdb trdumerifchen Marie Antoinette befafj bie
Melancholie ber jungen SBittme einen unmiberftebßchen Aeig, eine fotche greun**
bin in ihrer Adbe gu haben erfchien ihr alg ein ©lüd, unb fie ernannte bie
junge Attttme gur Dberintenbantin ibteg 4>augbaltg.
Mittlermeile batte ber £origont ftch fchneß oerbüftert. Sie Sringeffut,
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207
Wet4e, wdhrenb bie ^otignacg in ber ho4ftet ©unfl ffonben, fi4 auf bie
©üter ihreg S4wiegerbaterg gurüdgog, eilte augen^>lidli4 wieber gur Königin
alg biefe in ©efahr f4webte. Sie Sta4ri4t bon bem, wag fi4 am 5ten Dfto*
ber 1790 in SSerfaißeg’ ereignet, traf fte in ©u, unb fie rief aug: „34 mufj
fofort abreifen !" 64 m am na4ften Sage traf fte bei ber Königin in beit gum
©efdngtiip geworbenen Suißerien ein. SBei ber glu4t beg ßöniggpaareg na4
SSarenneg begab fie fi4 na4 ©nglanb. SBergebeng f4rieb ihr am 22ften
Sluguft 1791 bie Königin: „$ei biefem f4*edß4en 6tanb unferer Singelegen**
feiten geretöt eg mir gur Beruhigung, ba{3 Sie, liebe Sambaße, in 6i4erbeit
fmb. ßefren Sie um ©otteg willen ni4t gurüd. 34 fenne 3h* treuem $erg
unb mo4te 6ie um feinen spreiz in unfer ©lenb berwideln; aßen Senen,
Wel4ß i4 liebe, bringe ^^ur Unglüd. gügen fte ni4t meinen eigenen Seiben
no4 bie Unruhe um Sie htogu. 0 über bie glüdli4en Seiten, wo wir gu*
fammen promeniren unb plaubem lonnten ohne bon wüthenben Bolfgmajfen
umbeult gu werben ! Sio4 einmal, bleiben Sie wo Sie fmb; ftürgen Sie fi4
ni4t in ben 9ta4en beg Sigerg l" Slber bie Bringeffin horte nur bie Stimme
ihreg £ergeng. Sie ma4te ihr Seftament, unb im Stobember 1791 war fie wieber
bei ber greunbin. Seitbem berlief} fie ben Sßoften ber ©efahr nur um gu fter**
ben. So würbe bieg f4wd4li4e, garte SBefen, wel4eg ben Suft eineg Beil*
4en*Bouquetg für4tete unb wegen feiner häufigen Obnma4ten Siedereien un*
terworfen war, bur4 bie ©efahr geftdhlt unb geigte guglei4 mehr ©inft4t unb
mehr d4te Energie alg ber Slbel, wel4er unter bem Borwanb, ben fiönig ber**
theibigen gu woßen,- ihn im Sti4 liefe. 3e bitterer bie Königin fi4 über
bag Benehmen ber ©migrirten beflagte, wel4e, wie fie fi4 augbrüdte, na4bem
fie fi4 fclbft ruinirt, jefct au4 no4 bem Könige ben Untergang bereiten mußten,
befto tiefer empfanb fie bie Setbftberleugnung ber Sambaße, unb in einem Sin**
flug enthufiaftif4er Sanfbarleit f4rieb pe an biefe: „2ßel4eg ©lüd, um
feiner felbft wißen geliebt gu werben! 3n 3h*er 3lnhdngli4feit unb in ber einU
ger anberen greunbe wurgett meine Äraft. Stein, gfauben Sie ni4t, bafe eg
mir an SJluth fehlt. 3hnen gehört mein £erg big gum lebten Sltfeemguge."
Sie Bringefpn felbft f4rieb an SRabame be la Sto4ejacquelein: „3e mehr bie
©efahr Wd4ft, befto ftdrfer fühle i4mi4. 3<h bin bereit gu fterben, unb für4te
Sli4tg/' Slm 2Öften 3uni, alg bie Sftenge in bie Suißerien brang unb bie
Königin fi4 mit ben SBorten: „üßtein $lafc ift beim Könige!" in bie $ifen
pürgen woßte, rief eine fanfte Stimme: „3 h * B l a fc ift beighrenßin*
ber n!" ©g war bie Stimme ber Sßringefpn bon Sambaße. Sie treue greun*
bin folgte ber fönigli4en gamßie in benSemple, unb berliefe fie nur um in ben
Werter bon la gorce geworfen gu werben, wo bie genfer ihrer harrten. SRan
befahl iht, ber greiheü unb ©lei4heit Sreue, bem Könige unb bem Äonigfhum
$afe gu f4w5ren. Stuhiß antwortete fie: „Sen erften S4wur Ieifte i4 gern;
ben gweiten fann i4 «i4t ablegen, benn er liegt ni4t in meinem bergen."
©inSlfpffcnt flüfterteihr gu: „S4wörenSie bo4! ©g rettet3hnen bag Sehen!"
Sie antwortete ni4t, hob bie £änbe gu ben Slugen empor, unb ging auf bag
rgpii
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Sförtchen ju. (Sitte Stimme rief: „Sagt Rtabame hinaus!" 3)iefer Ruf mar
baS Signal ju ihrer Rieberme&elung burch bie SeptembrifeurS.
2)ie Srinaeffm Sambaüe unb (S^arlotte ©orbap fielen im Heroismus unb
in ber Selbftberleugnung auf gleicher Stufe. 2)ie ©ne hatte fuh ber Königin
unb greunbin, bie Slnbere bem Saterlanbe gemeibt. Stürze bie Sßrinaeffm
fuh freimillig in ben Sibgrunb, ber fie berfchlingen mupte, fo gab ©barlotte
©orbap, gleich Subith „mit ber munberbaren Schönheit gefchmüdt, melche ber
Herr ihr verliehen", freubig ihre Schönheit, ihre Sugenb unb ihre Hoffnungen
hin. SilS Rtörberin mag man fie tabeln,man mag ben ©runbfafc aufrecht erbat*
ten, ba& ber ©njelne nicht berechtigt ift, fich aum dichter für bie ©efammtbeit
aufjumerfen, unb bafj bieS am menigften bem SBeibe gejiemt. 2Ran mag in
Slbrebe ftellen, bab ber Rtorb jemals etmaS ©uteS ins fieben rufen !ann, bab
er jemals bie Sache förbert, ber er bienen foll. Slber fühlt ber falte Serftanb
fuh aufgelegt, baS SerbammungSurtbeil über ©barlotte ©orbap ju fällen, fo
mirb baS Hera pe immer freityrechen müffen. Sn ber Sibel unb in ben lieber*
tieferungen beS beibnifchen SlltertbumS, melche ihr bie geiftige Nahrung liefen
ten, fanb fte eine fo bielfältige, eflatante Rechtfertigung beS fcprannenmorbeS,
fie folgte einer fo heiligen, gemijfenbaften Ueberjeugung, einem fo reinen 3m*
puls, fie mar fo einfach unb befcheiben, unb benahm fuh enblich fo mutl;ig im
Slngefuht beS SobeS, bap man es begreiflich pnbet, menn Äbam £uy felbft bor
ben Heufem ihr ben Tribut ber Semunberung Rollte, unb für biefen beroifcben
©ntbufiaSmuS freubig fein Haupt auf ben S3locf legte. 2)en ©ngel beS 2Reu*
chelmorbS nennt Samartine bie ÜRörberin Rtarat’S. ßann bie ÜRorbmaffe je*
malS gemeibt merben, fo mürbe pe’S in biefer Hanb.
Rtarie Sinne ©barlotte be ©orbap b’Slrmont mürbe am 27. Sali 1768
in Saint^Saturnin beS SignerieS bei Slrgenton geboren. Shre gamilie gehörte
ju bem ätteften Sibel ber Rormanbie unb leitete ihren Ramen bon ber Sefifcung
©orbap her. ©inft reich unb mächtig, mar fie jefct ihres ©langes entfleibet,
unb als ©barlotte geboren mürbe, bemobnten ihre ©Item ein ftrobbe&ecfteS
Häuschen, mie bie meiften Säuern ber Rormanbie, mit einem Hafraum, einem
Srunnen unb bon einer epbeubebecften Rtauer umhegt. Shr Sater mar fo
arm, bab er fuh bon mehreren feiner ßinber trennen mufjte, um fie mphlhaben*
bem Sermanbten anaubertrauen, bie unentgeltlich für ihre ©Tagung forgten.
©barlotte mürbe nach SBicque au ihrem Onlel, bem Slbbe be ©orbap, Pfarrer
beS 2)orfeS, gefanbt. 2)ort berlebte fie mebtere Sabre in bem Sfarrbaufe,
metcheS noch jefct am 2Bege bon Sät nach SRorteau* au feben ift. Jgbre erften
fiefeübungen mürben an einem alten ©jemplar ber üffierfe ©orneille’S bor*
genommen. 3hr Urgrobbater hatte eine Richte bom Serfaffer beS „©inna" ge*
beiratbet, unb jenes ©yemplar mar ein gamilien*Sermä<htnif5. 2)ie erften ©in*
brüäe, melche ©barfottenS H^a empfing,- maren bie ber Religion unb beS
Heroismus, unb nie follte fie biefelben bergeffen. 3 m Älter bon bieraehn gab*
ren berlor fie ihre ÜRutter unb mürbe bon ber Slebtifpn SRabame be Selfunce
gratis in bie Slbbape auf 2)ameS §u ©aen aufgenommen. S)er Reffe ber
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209
Slebtifftn, §ert t>. SBelfunce, SMajor int Infanterieregiment iöourbon, Verliebte
ftdb in Gburlotte unb marb um ihre $anb, bie ibm audb gugefagt mürbe; aber
al! eben ber 93unb gefdbloffen merben follte, fiel ber Bräutigam in einem
Kampfe feinet Stegiment! mit ben Sieoolutionär!. ©ein $opf mürbe auf
einer $ife umbergetragen, fein £erg uu! ber 93ruft geriffen unb auf glübenben <
Noblen oerbrannt. 33alb nadbbetn fte ihren Verlobten auf biefe SBeife einge*
bubt butte, faßte fte audb nodb ib^e§ Slfpl! beraubt merben. die Klafter mur*
ben aufgehoben unb fte mufjte bie 2ibtei, oerlaffen. Unermartet trat fte bei
einer alten SBermanbten, Sßtabame be 23retteoiße, ein, meldbe in Gaen ein bü*
ftere!, in halb gotbifdbem ^tpl gebaute! §au! bemobnte, unb ba! Grftaunen
ber alten dante, meldbe bon biefer Siidbte nie ein ©terben!mörtdben gehört,
lannte feine ©rengen. dennodb gemährte fte ihr bie erbetene ©aftfreunbfdbaft,
unb Gburlotte foßte bie! $au! nur oerlgjfen um bie ^at gu begeben, bie ihr
ba! Sehen foftete unb f\e unfterblidb madbte.
SBeldbe 3^it mubte e! fein, in ber ein foldje! üßtäbepen ben ßßörberboldb
ergreifen fonnte, unb meiner ©türm ber Gmpörung mubte in biefejn garten,
nur für bie Siebe gefdbaffenen bergen toben! SDiefelbe Gburlotte, meldbe nur *
bon einer ibealen SiJpublif träumte unb ftdb im Sabre 1791, meigerte, auf ba!
SBobl be! Äönig! gu trinfen, meil er gmar tugenbhaft, aber al! fdbmadber Äö*
nig, ber bie Seiben feine! SBolfe! ungelinbert lajfe, nidbt gut fein iönne —
biefelbe Gburlotjte mürbe bom tiefften ©dbmerg übermältigt, al! fte bom dobe
be!, minbeften! ebenfo unglüdflidben mie fdbulbigen ßftonardben hörte. 3um
crjien ßßalmirb hier bon §errn SBißier! ein 23rief ber Deffentlidbfeit übergeben,
ben fte am 28. Simi 1793 an eine ihrer greunbinnen fdbrieb. G! beifct bar**
in: „du buft bie fdbredßidbe Stadbridbt bernommen, liebe Stofa; dein $er£ mirb
.mie ba! meinige bor Gntrüftung gebebt buben, ©o ift benn unfer arme!
granfreicb bößig ben Glenben preügegeben, bie un! fdbon fo biel Seib guge*
fügt, ©ott mag rniffen, mie ba! enben mirb. 2lße!, ma! man ftcb an ©nt*
fefclidbem benfen tann, liegt in ber 3ufunft, meldbe foldbe Greigniffe un!
in 2lu!ftcbt fteßen. gdb fonnte, faft diejenigen unter unferen SBermanbten be*
neiben, meldbe ben beimifdben 33oben berlaffen buben, fo febr bergmeifle idb an
ber Söieberfebr ber Stube, auf bie -idb nodb bor Bürgern buffte, die SJtenfdben,
meldbe un!4ne greibeit geben faßten, buben ihn ermorbet; fte ftnb nidbtö meiter
al! genfer. 93emeine.mit mir ba! Unglüdf unfere! armen granfreidb."
dämmerte bamal! fdbon ber ©ebanfe in ihr, meldber fpäter gur dbat merben
foßte? gaft mufs man e! glauben, benn in bemfelben Briefe fügt fte bingu:
„2lße meine greunbe merben berfolgt^ üßteine dante ift, feit man erfahren,
bafj fte delpbin auf feiner Steife nudb Gnglanb ein Dbbadb gegeben, fortmäb*
renben $la<fereien au!gefefct. gdb mürbe baffelbe tbun mie er, menn idb*!
fönnte; aber ©ott bult un! hier gurüdt meil er un! für
Slnbere! beftimmt bat."
SSon biefem SJtoment bi! gur entfdbeibenben ©tunbe bemerfte man an
Gbarlotte eine fortmäbrenbe ©teigerung be! ©dbmerge! unb 3orne!. ©dbon
kn
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r*
leimte in ihrer Seele bie 3bee beS DpfertobeS für’S Vaterlanb. 3Jtan ftirbt
ja nur einmal, fagte fte in einem Vriefe, unb mag mich in ben Schredntflen
unferer Situation beruhigt, ift ber ®ebanle, bajj SRiemanb etmaS an mitberlie*
ten mirb. Site bie ©ironbiften in ßaen eine 3uflucht fugten, glaubte fte in
ihnen bie Vetter beS VaterlanbeS ju erbliden. 2)ab fie, mie bielfach behauptet
mirb, Varbarouy liebte, mar nicht ber galt; aber bie glübenben SBorte biefeS
SRebnerS begeifterten fte. ßS bemächtigte jt<h ihrer Vhautafte unb ihres £er*
ZenS bie Vorftellung, bab ber Vurgertrieg burdh eine grauenhanb beenbigt mer*
ben lömte. SllleS ßntf etliche auf einen ÜRann zurüdführenb, rief fte aus:
„Stein, eS foU nicht gefagt merben lömten, bab ein 2Rarat über grantreich ge*
herrfcht hat!" 3m Slugenblic! als fte bie [Reife nach VariS antrat, fchrieb fte
an ihren Vater, bab fte ftch nach ßnglanb begebe, „geh fchulbe $ir ©ehor*
fam, lieber Sßaptt; bennoch fcheibe ich ohne Seine ßrlaubnib unb ohne Sich
ZUbor gefehen ju haben, benn es mürbe mich zu fehr fchmerjen. 3<h gehe nach
ßnglanb, meil ich glaube, bab man für lange Seit in granlreich nicht glüdlich
unb ruhig mirb leben lömten. Vei ber Slbreife bringe ich biefen Vrief auf bie
' Sßoft, unb menn Su ihn empfängft, merbe ich baS 2anb bereits bertaffen haben.
Ser §immel bermeigert uns baS ©lüd, beifammen zu leben, mie er eS fo bielen
Slnbem borenthält. Vielleicht mirb er gegen unfer Vaterlanb barmherziger
fein als gegen uns." Sie in biefem Vriefe enthaltene ÜRothlüge erllärt ftch aus
bem ffiunfeh, einer Verfolgung unb baburch einer Vereitelung ihres planes
borjubeugen.
SaS Vaterlanb! SaS mar fortan ihr einziger ©ebanle. Sie gmeifeite leinen
Slugenblid an ber Verewigung ber Sthat, melche auszuführen fte im Vegriff
ftanb. „Vin ich fdjulbtg", fchrieb fte, bebor fte ben Stob führte, „fo mar eS
auch SttcibeS, als er bie Ungeheuer bemichtete; gab eS mohl jemals fdjeublif
<here als bie unfern ?" [Richte fchien liefern ©elbengeifte natürlicher als bie
4)inopferung beS eigenen SebenS für einen groben unb heiligen 3m$d. Sie
Vemunberung, melche fte, als. bie $hat boUbracht mar, bermanbten Seelen ein*
flöbte, fe^te fte in ein naibeS ßrftaunen. SRie mar ihr fchöneS ©eftcht ruhiger
unb heiterer als in bem üftoment nach ber ßrmorbung DRarat’S. 3 n baS ©e*
Jängntb ber Slbtei unb bie bor ihr bon ÜRabame Volanb bemohnte 3eüe ge*
führt, zeigte fte eine folche Veftgnation, eine folcheSlnfpruchSloftgleit unb Sanft*
.nwtb, bab felbftbie ßerlermeifter baburch gerührt mürben. „3<h beftnbe mich
im ©efängnib bolltommen mohl", fchrieb fte am Sage nach 2Jtarat’S Sobe.
„2)ie ©efangenmärter ftnb bie beften 2Re*tf<hen bon ber SBelt. 3<i geniebe
einer löblichen [Ruhe; eS giebt leine Eingebung, melche nicht gröbere 3ufrie*
bettheil bereitet, als eS Schmerzen loftet, ftch ju ihr zu entfchlieben." Ohne Ve*
bauern, ohne SRurren entfagt fte bem Seben; fte miU nicht bemitleibet, fonbem
ttui fo {chnell mie möglich bergeffen fein. 3 n ihren Slugen mürbe bie Srauer
ibttr.gretptbe ihr Slnbenlen entehren.
.So ruhig mie fte ftch im ©efängnib zeigte, fo ebel unb ftolj trat fte ihren
SRuhtem gegenüber. „Schon bor ber Veboluiibn mar ich Stepublitanerin", fagte
«d _
211
fte, „unb nie fehlte ed mfr an Gnergte." — 2Bad berfteben Sie unter Gnergie?
— „$en üßtutb, bad eigene 3ntereffe ^inienansufeben, trenn ed gilt, ft<b für
bad SSaterlanb gu opfern." — S)ie einzige gurcbt, treibe fte befeelte, toar, ba{$
ihr 93ertbeibi(jer, Gbaubeau*2agarbe, bie Gntfcf?ulbigung bed SBabnftnnd bor*
bringen m5<bte. Sie toill nid^t entftbulbigt fein; bor ®ott unb borben
ÜRenfd&en übernimmt fte bie SSerantmortung für ihre $bat. Site fte gurn £obe
berurtheilt toar, toenbete fte ftcb gu ihrem SSertbeibiger mit benSB orten: „3#
banfe 3bnen für ben SJtutb, mit treuem Sie mich auf eine 3faer fomobl toie
meiner toürbige Slrt bertbeibigt buben. 2)ad SBenige, toad i<b befifce, toerben
biefe Herren confteciren; i<b miß 3bnen aber meine $antbarteitbabur<b geigen,
bafc i<b Sie bitte, bie Keinen Scbulben gu benötigen, toel<be i<b im Werfer rna*
<ben rnufcte. 3<b * e<bn* babei auf 3b*e ©rofmtutb."— 3« bud rofte ©etoanb ber
äJtörber gebüßt, befteigt fte feften Säjritted ben Xobedtarren. ,„S)er SBeg
fommt 3bnen toobl lang bor", fagte ber S(barfri<bter Samfon. „Seiriedtoegd",
ertoiberte fte. „2Bir lommen immer no(b früh genug an £)rt unb Stelle."
Site bie Sonne eben hinter ben Söäumen ber Glpfeifcben gelber untergebt, langt
ber Darren auf bem ßtebolutiondplafce an. Samfon miß fub bor fte fteßen,
um bie ©uißotine bor ibr gu berbergen; aber fub gu ibm borbeugenb, fagt fte:
„3<b bube toobl badßiecbt, neugierig gu fein, benn idj febe begleichen beut*
gurn erften üß^gle." Site fte, ruhiger, heiterer benn je gubor, bäd Sc^affott be*
ftejgt, t5nt ed ringsum: „2Bie fdjube! So jung unb fo ftbön!" Sie grüftt
bie SJtenge mit freunbli(bem Säcbeln, unb unaufgeforbert bietet fte bad $aupt
bem Xobedftreid? bar. Sie bringt und ben Sob, fagte SSergniaub, aber fte lehrt
und toie man fterben rnuft.
plager unti Jtil Urfadjtn Mefer <3ujiän&t mb
Pefcitigtntg frtrfeltitn.
Jöon f. Siebematus.
Sa8 ja grobe ober ju geringe ©emic&t be3 menfriidjen ßörfeera ift ein 916*
treiben öon bet Norm, welche beftimmt wirb bur<6 ein SBer^dltni^, baa gwifdben
©eroidjt unb Sänge beä Körpers beftebt. SNan tnujj fagen lonnen: Gin Sibx*
per, ber f o grofs ift, muff f o ferner fein. 3ft bemnacf) ein Heiner SBenfdj fo
ferner ober fdjwetet, alä ein grober, fo barf man f(blieben, bab Grfterer entweber
fcbweter ober bab Sefetecer leister ift, afö er fein foHte. Ga giebt alfo ein Slot*
nwlgewkbt für bie Sänge jebeä Äötbera unb umgelebrt, wie jablreicbe Ntejfun*
gen unb Nbwägungen »on Ntenf<ben bartbun.
Sie Normallänge eine8 Neugeborenen wirb auf 16 bia 18 3oH, beffen
Notmalgewi<bt auf 7 bia 8 ißfunbe feftgefefct. Sie Normallänge einea 2lu3*
geworfenen nimmt man ju 60 bi8 70 3°Den, bejfenrNormalgewirt ju 120
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212
bis 180 ^funben an. Nähme matt cm, baß bic Sange beS Körpers im $8er«
bältniß gum ©emid&te beffelben im Steigen begriffen fei bis gum 25. SebenS«
fahre, wo ber ÜNcnfcb feine bolle normale Sänge unb Schwere in ber Siegel er*
reicht bat, fo fönnte man verleitet werben, gu fdbtrejäen, baß Sänge unb ©ewiebt
g. f8. born nieberften ©afce, 16 3oH unb 7 Sßfunbe bei bet ©eburt, bis gum
böcbften Safce, 70 Qoü unb 180 Sßfunbe, bureb eine regelmäßige febrittbältenbe
ftufenweife 3unabme ber Sänge unb beS ©ewicbteS erlangt fei. $em ift nicht
fo. ©S tritt bielmebr ein umgefebrteS SBerbältniß ein, inbem bei bem Neuge«
borenen bie 3&bl ber Soöe fld^ büreb bie 3abl ber Sßfunbe ungefähr
fo oft tbeilen läßt, als beim ©rwaebfenen bie 3&bl ber ißfunbe bureb bie 3abl
ber 3°tfe Qctbcilt werben !ann, fo baß bei ©rfterem auf ein $funb ©cbwere
über gwei 3*>tt Sänge !ommen, bei Sefcterem hingegen auf ein 3oll Sänge über
3 Wei $funb Schwere. SBäre baS Sängen« unb ©cbweren«$Berbältniß 'beS
Neugeborenen Norm für baS gange Seben, fo müßte ein AuSgewacbfener bon
70 3oß Sänge faum 30 Sßfunbe wiegen; unb wäre baS Sängen« unb ©cbwe«
ren«58erbältniß beS AuSgewacbfenen Norm für ben Neugeborenen, fo müßte
berfelbe bei 16 Qoü Sänge faft 40 Sßfunbe ferner fein. 2)aS ©ewiebt beS Kör«
perS nimmt bemnacb fcbneller gu als beffen Sänge, unb eS muß eine 3eit ber
Körperentwidelung geben, wo einem jeben 3oH Sänge ein $funb Schwere ent«
fpriebt unb bon wo an bie Sänge unb Schwere in ihrem Nerbältniffe ftcb freügen
unb le&tere mehr gunimmt, als erftere. 2)iefe Seit muß bei normaler Körpeient«
Widelung in bie"frühe Kinbbeit fallen.
Sn unferen cibiliftrten Suftänben ift eS fdjwierig, bieHeicbt unmöglich,
enbgültige Sängen« unb ©emiebtsbeftimmungen gu erlangen, ba bie füm«
merlicben ober gu üppigen SebenSoerbältniffe, ererbte Kraßheiten, fehr ber«
fdßiebene geiftige unb förperlicbe Anlagen unb S3efcbäftigungen unb thorichte
©rgiebung bie rein primäre (Entfaltung ber Sänge unb beS ©ewicbteS beS Nten«
feben in ben berfebiebenen AlterSftufen wefentlieb beeinfkiffen, wie eS über«
baupt febwer fallen wirb, in unferen cibiliftrten ober übercibilifirten Verhält«
niffen Normal« ober 2Mobell«3Nenf<ben gu finben.
S)ie Abwägungen unb Abmeffungen ber Neugeborenen mögen noch an«
nehmbar fein, obwohl biefelben meiftenS in öffentlichen Anwälten bon eifrigen
AnfangSpraftifanten borgenommen werben unb man nicht behaupten fann,
baß in biefen Anftalten bieüNütter, unb ehe fte in biefelben fommen, in ben ange«
nebmften SJerhältniffen leben, Was gewiß nicht günftig auf bie ©ntwide«
lung ber Kinber wirft. ®ie Nefultate biefer Nteffungen unb Abwägungen ftnb
baher nur annähernb richtig.
©benfo unguberläfftg wären bie Sängen« unb ©ewi<btS«Angaben für bie
folgenben Sabre bis gut ©rlangung ber größten Normallänge unb beS febwer«
ften Normal«©ewicbteS. Ntenfcben, bie wie namentlich hier gu Sanbe fo häufig
lörperlicbe unb geiftige SreibbauSpflangen, ober ©i bilifationS« unb ArbeitS«Krüppel
ober jugenbliche ©reife ftnb, würben fub gu folgen Unterfucbungen fo wenig
eignen, als bie in bieten ^heilen ®eutfcbianbS mit Kartoffeln ober Noggenbrob
m
Ueberfütterten, ober bie in gabriten Serbarbtjn ober burh beseitige geiftige
Nnftrengung Serfümmerten.
Solche Meffungen unb Nbwägungen lönnten, vorüber mancher gähnte
©eburtS^elfer erfhreden mag, nur bei toilben Sölfern oorgenomnten werben,
wo bal gange Sol! in feinen SebenSoerhältniffen auf gleichem guße fleht. 3m*
bejfen mürben bie Nefultate auh biefer Unterfuhungen nicht für bie gange
Menfhheit gelten fönnen, ba bie Menfhen in anberen Sreiten ein oerfhiebe*
neS Serhältnifj ber Sange gur Schwere geigen muffen, weil baffelbe bebingt iffc
burh baS iUima, bie SebenSmittel unb SebenSmeife; wie gum Seifpiel bei ben
f(hlan!en Sübfee*3nfulanent, ben hageren unb bidtbauebigen Nuftraliern, ben
unterfe^ten Sappen, ben maffioen, utuSfußfen Negern, ben langbeinigen Sa*
tagoniem, ben gierlihen Malapen, u. f. m.
Sei uns geftattet man einen Spielraum für bie normale Sdnge unb
Schwere beS Körpers fomohl für Neugeborene als Grmahfene, unb was brunter
ober brüber ift, wirb als unregelmäßig angefehen.
Tie Temperatur, bie Sefdbaffenpeit ber Suft, beS SobenS unb SBafferS,
baS Sonnenlicht, bie Reibung, (Erziehung, Nahe, Shlaf, förperlihe unb gei*
ftige Sefchdftigung, fociale, politifhe unb religiöfe Serhältniffe, ererbte Nnla*
gen, Mirtung oon ßranfheiten unb Heilmitteln, Glectricität unb Magnetismus
bebingen außer ber Nahrung baS ©ebeihen ober Mißrathen beS Körpers unb
©eifteS/fowohl bei ganzen Nacen unb SolfSftämmen, als in gamilien unb bem
einzelnen gnbioibuum.
NUe biefe -ober hoch eine größere Nngahl biefer Ngentien müffen in gün*
ftiger ÜBetfe auf ben Körper toirfen, um bejfen ©ebeihen gu förbern, welches
hauptfählih burh ben fogenannten Stoffmecpfel in allen Thetlen beS ÄörperS
bebingt wirb. Stoffmecpfel ift übrigens ein unrichtiges 2Bort, um einen Sor*
gang im Körper gu begeihneri, ber fth baburh hara!teriprt, baß bie Neuergelt*
gung ober Serjüngung ber Theile baS Nbfterben unb bann bie Nbftoßung ber
burh baS Seben alt geworbenen Tpeile oeranlaßt. — Man foUte einem 2Ball=*
ftreetfönig mit folgen 2Be<hfelgefhäften fommen, er würbe ben ©elehrten gei*
gen, was „SBehfeln" heißt*
SBirfen bie obengenannten Ngentien in gu hohem ober gu nieberm©rabe
auf ben fiörper unb in bemfelben, fo muß ber Stoffwehfel, welches SGBort
ich als gang unb gäbe beibehalte, gu fehr gefteigert ober oerminbert werben,
unb erfolgt ein Mißoerhältniß gmifhen Ginnahme unb NuSgabe, gmifhen Ser«
jüngung unb Nbfterben. Tiefes Mißoerhältniß muß früher ober fpdter baS
©ebeihenbeS üörperS unb ©elftes unb felbft beren Gyifteng gefährben. Ter
entartete Stoffwehfel ift gewiß minbeftenS ebenfo oft Urfahe als 2Bir!ung
ber ineiften ßranfpeiten unb Urfahe beS Sterbens.
Ter Stoffwehfel geht bei oerfhiebenen Menfhen oerfhieben- rafh unb
OoWommen oor fth. ©n Menfh, ber fih anftrengenbeSemegungbeim ©eben,
ober beim Neiten, ober bei ber Nrbeit mäht, oerbrauht bie burh bie Nahrung
gugefühtten Stoffe fhneller, als ber, welcher fth geiftig abmüht, oiet ber Nuhe
f f
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pflegt unb nicht in freier Suft fih »aufhält. Sergnügte Slenfhen in frBblftbet
Unterhaltung Derbrauchen ihre ©toffe fchneUer unb oolllommenet, afö flopf»
hänget unb 2Jludet. SEDürbc man einen Säuern, einen gäger, einen £olj»
ßader, einen ©olba'ten im gelbe, einen ©robfhmieb nähren tote einen ©huü
meifter ober phantaficreihen ©höngeift, einen grttbelnben Shitofophen, einen
Süherrourm, Seifner ober Schreiber ober umgefehtt, nahheilige golgen wüt*
ben fuh halb einfteHen. Setliebte treffen salva venia mit einanbet tote
SEBölfe; glüdlihe ©pefulanten feßen flühe unb fleller 31 t, unb fo toitb tio<h
manheä ©lüd gefeiert Durch flauen, Serfchlingen, Kagenbeläftigen ic. Ur=
fprünglih toaren biefe ©hmaufereien gemijj nur Sebürfniß butdj bie
Dermehrte (Sßluft, melhe bie glüdlihe Stimmung beä ©ernütbä erregte;
fpäter entftanben bie obligaten “Sonoenienj» unb 3t®ed»dffeteien, too Seute, bie
fuh gar nicht‘freuten, miteffen unb mittrinfen muhten, uno mitgegangen, mit»
gefangen unb mitgehangen s ift toohl oft Dorgelommen. 9Bie herrlich pnb bage»
gen bie gamiGenfchmaufereieit, too SCtteä mitißt, mitlacht, mitfherjt unb mit»
Derbauet.
3m Sorben unb ©üben ift ber ©toffoerbrauh gleihfaHä Derfchieben; bet
meift Sflanjenftoffe genießenbe Sropenbemohner mürbe bei bet animalifchen
floft ber Solaraienfcben unb ebenfo biefer bei ber floft gener ju ©runbe gehen.
Sie Kenfhen Derfdjiebener Sreiten unb fjößen unb Sefchäftigungen menben
fuh Don felbft ben Speifen ju, weihe ihnen juträglih, unb wenn man ’fo toiO,
naturgemäß ftnb. Kan hat bie gafelei aufgeftellt, baß bie Satur bem Ken«
fdjen immer baä liefere, toaä Ihm juträglich fei, afö ob bie Kenfdjen in ben
fürforglicßen Schuß bet Salut genommen mären unb afö ob nicht auch befö
©häbliche auä ber Satur tomme. Ser Kenfh nimmt Dielmebt auä ber gto»
ßen Sorrathälammer bet Satur, in ber baä Süßliche unb ©djäblihe unterein»
anber angehäuft liegt, baä, maä et braucht, mobei ihm böhftenä juerft bie dr»
fahrung, fpäter ber Serftanb behülflich mar.
Such in ben Derfhiebenen Sebenäaltern ift ber ©toffoerbrauh Derfchieben.
Ser madjfenbe Kenfh, baä in unermübtiher Semeglicßteit unb bem glüdtihen
finblicßen Seichtfenn, bem toftgen Sichte für baä ©ebeihen beä Kenfhen, bahin
lebenbe flinb, Derbrauht mehr ©toffe afö ein Suägemahfenet. Saä SBadfö»
thum beä flBrperä, bie fuh fpäter einfteHenbe gähigteit, ben flBrper ju Der»
mehren, unb Die Sefeftigung Der flörperlraft »erlangt baä, unb um eä ju ©taube
3 U bringen, fann baä flinb faft beftänbig effen. ©eine Siebe unb fein flummer
finb SSBaffer in ein Sieb gegojfen; eä hat Sahen unb Keinen in einem
©ädhen.
3m hohen SHter nimmt ber ©toffmehfel ab,'unb hier fragt eä fuh: ob ber
Derminberte ©toffmehfel baä Slter, ober ob biefeä jenen erjeugt.
3n ber drholungäjeit Don flrantheiten effen bie Kenfhen mehr, um bie
mährenb ber flranlheit unb toohl auh bie buth bieSehanblung übermäßig per»
brauhten ©toffe ju erfeßen.
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\ 2)a8 SStißberhältniß jwifchen Stufnaßme unb SBetbtaucß bet Stoffe beran*
laßt ju ftarle Slbnahme ober Sunahme beS JtörpergewühtS, 3uft&nbe, welche
' gewiß beunruhigen bürfen unb ben £ftatl? eines SlrjteS erforbern. Ser Simert»
lanet, bet {)ier wie überall burcß feine nafewelfl öberflächlichteit ftcb auSjeicß*
net, wägt ficß feßt häufig, unb eine unbebeutenbe Slbnaßme beS ©ewicßtS er»
regt bie Sefürdjtung, bie fchtedlidhe consumption — eine hier häufig burdj
fßatentmebicinen geheilte ßranlßeitl — fei im Slnjuge; aus bet unhebeutenben
3unahme beS ©ewidßtS bagegen conftruirt er ftih bie gurcßt bot bet ©affer»
fucßt. — SDtan hdti häufig, baß ein bidet Slmeritaner biefen ober jenen 33abe»
bläh ober Sommeraufenthalt rühmt, weil er bort in berSEBoche einige Sßfunb
abgenommen, ober ein bünner empfiehlt feinen ©ewichtScoltegen einen Ort, an
bem et mScbentlich fo unb fo biel fßfunbe jugenommen habe, unb biefe Orte
finb oft biefelben, too ber ©ine leichter, ber Slnbere fernerer tnutbe. SJeibe
toiffen nicht unb benlen nicht batan, ihre ärjtlichen Stathgeber aber oft ebenfo
wenig, bah bie »eränSerte SebenSweife, bie Entfernung bom ©efdjäfte unb bon
ben fcblemtnenben Glubftßungen u. f. t». bie Sktänberung bei ©ewttßteS her*
borbringen. Set amerilanifche Slrjt weiß wenig bon ©efunbheitS» ober Jtran*
ten*Siätetit, unb bet Saie fcßöpft fein SEBiffen aus ben jährlich unter bie $au3*
tbür geflohenen $atentmebicinen»3llmanach3 unb ben leiiht jngänglichen, jum
Seitbertreih befugten SSorlefungen wanbernber Slerjte, bie mit anjießenben
aeSculapifcßen Stäubergefchichten bas SjSublilum amüftren unb anjießen, unb
bann nimmt fuh ber Slmerilaner heraus, mit bem Slrgtc, wie et fleh aus»
brüdt, ju argumentiren. SBehe bem Slrjte, bet nicht fein SBiffen minbeftenS
auf bie gleiche $latform ober nicht fogar unter bie SUbernheit beS ©lienten
fehl! _
Sie ffiiffenfdßaft hat an bet $anb gufhtS bon Siebig’S ben Slnfang ge*
ma^t, bemünftige Sluffchlüffe über bie ©rnäßrung beS fiörperl ju geben, unb
bann war es befonberS SMefchott mit jum Shell entgegengefefeten ijlnficbten,
ber weiteres Sicht oerbreitete. Senlenbe Ülerjte haben Schlüffe barauS gejogen,
bie jum Sheil gute SRefultate lieferten. 4 Geht bie ©rnähtung regelmäßig, baS
hei|t fo bot füh, bafj bie Slufnaßme ber Stoffe bem Sßerbraucße entfpricht, fo
befteht ein normales SBerhättniß jwifeßen Sänge unb ©ewicht beS Körpers,
©eht aber bie ©rnäßrung nicht regelmäßig bon' Statten, fo entfielt entweber
ju großes ober ju geringes ©ewicht besorget! im SBerßältniß jutSänge. Siefe
abnormen Suftänbe ftnb eS, welche ber Slrjt heben foU.
SaS ju große ober ju geringe ©ewicht beS flbrperS ift burch ju große ober
ju geringe SRenge beS getteS bebingt. ©he nun bie Urfache ber abnormen
SBetmeßrung ober SSerminberung beS getteS unb wie biefe 3uftänbe ju he»
ben feien, befprodßen wirb, ift eS nötßig, bie Statur bet StahrungSmittel nähet
lennen ju lernen, weil biefe unter gegebenen gleichen SBebingungen jnnächft
Schulb haben an ber Sßerminberung ober SBermehrung beS getteS.
St a h tun g 3 m i 11 e l finb alte Stoffe, welche einen, ober wie meiftenS,
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mehrere ©eftanbthetle enthalten, aug toelcben bet tnenfölidje Körper bejteht.
2)ie ÜRahrunggmittef fontmen enttoeber — toie feiten — in einem folgen 3u*
ftanbe not, baf} file unmittelbar jur ©ndhrung oertoenbet toerben tönnen, ober
fie toerben, toie meifteng, burch ben Hergang ber Verbauung unb bie SBIutbe*
reitung $u folcben Stoffen oertoanbelt.
2)er menfehliche Körper ift aug unorganifchen unb organifchen Stoffen $u*
fammengefefct;baher müffen bie SRahrunggmittel felbft unorganifche unb organi*
fche fein, unb man hat biefelben bemgemdfj eingekeilt; Sefctere verfielen bann
toieber in pflanjliche unb thierifche. S)iefe ©ntheilung, nach&em man bie Sehre
oon ber ©nahrung genauer tennen gelernt hat, entfpricht inbeffen nicht mehr
bem Stanbe ber Biffeufchaft, unb man theilt biefelben jefct jtoeämdfjiger in
jtoei grobe klaffen, ndmlich 1) in folche, toelche bag gett, unb 2) in folche,
toelche bie anberen SBeftanbtheile beg Körperg, toie gleifch, $dute, Knochen
u. f. to. erjeugen, unb bat ©rftere gettbilbn er, Sefctere gleif<bbiIb -
n.er genannt.
1. $ie gettbilbner toerben auch Slthntunggmittel genannt,
toeil fie in ben Sungen burch ben Sauerftoff in ber eingeatbmeten Suft Noblen**
fdure unb Baffer erzeugen, toelche burch bag Slugathmen unb bie $aut toieber
aug bem Körper entfernt toerben. gettbilbner ftnb bie oerfchiebenen Wirten oon
( getten, 3uder, .Starte, ©ummi, unb oiele baraug bereitete
Stoffe, toie S3ier, Bein, Beingeift,, 23rob u. f. to.; bterber gehören baber
auch Kartoffeln, SRei0, S&go, Slrtotoroot, oiele ©ernüfe, oiele Obftarten, meift
toegen ihreg ©ehalteg an 3uäer, Stdrfe unb ©ummi.
2. $>ie gleif<b* ober Körper*33ilbner (^roteinftoffe) begrün*
ben ihre Birfung bauptfachlich auf ihren ©ioeif}*Sti<!ftoff*©ebalt, toooon be*
fonberg bag gleifcb, ber Kafe, bie Gier unb ber Kleber beg
© e t r e i b e g unb namentlich bi e .£> ü 1 f e nf r ü <h t e reidb ftnb; ferner ge*
hören hierher oiele junge Söldtter unb ©emügftengel unb bie meiften Salat*
pflanzen.
Sille anbem Stoffe, toelche bie Erhaltung beg Körperg bebtngen, ftnb ne*
benbei ift ben gettbilbnern unb namentlich in ben gleifchbilbnern unb im Baffer
enthalten, toelcheg eineg ber toichtigften Stahrungg* unb ©haltunggmittel beg
Körperg, faft in allen Speifen enthalten ift unb alle ©etrdnte eigentlich ju
©etrdnten macht»
Slngenomnten, jtoei ertoachfene Benfchen, ber ©ne abnorm bief, ber Sin*
bere abnorm mager, tarnen ju einem 2lr$te unb oerlangten natürlich einen
entgegengefefcten «Rath. $er Slrgt toürbe einen grofjen Schnijer begehen,
toollte er ohne Beitereg bem ©fteren bie gleifcbbilbner uub bem Sefcteren bie
gettbilbner empfehlen; benn eg giebt aufier ben Speifen noch anbere Urfachen
für bag Bager* unb gett*Berben, ba man Benfchen finbet, toelche in gleichen
duneren SSerhdltniffen unb bet berjelben Koft mager ober bid toerben.
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93on ber Soft alfo abgefeben, liegen bie Urfachen für ba3 SJtager* ober
gettwerben
1) in bem gnbioibuum felbft, unb
2) fte wirfen oon Aufjen auf baffetbe.
3u 1) geböten förperliche unb geiftige Anlagen unb SBefchdftigung.
SJtenfchen mit anftrengenber förperlicher ober geiftiger Arbeit/ lebhaftem (Seifte,
beweglichem ßörper, probuttioer ^bantafie, heftigem Temperamente, Schwär*
mer, ganatifer ftnb mehr jurn Sflagerwerben geneigt, wabrenb geiftige unb
förperliche gaulbeit, gnbifferentiSmuä, Phlegma, mel Sifcen, riel Stube unb
Schlaf baä TÜdwerben begünftigen.
3u 2) geboren flimatifcbe unb atmoSpbdrifche ©nflüffe, bie Temperatur,
bie 93efcbaffenbeit be3 23oben3, ber Suft, be3 £i<ht3, ©eftricitdt unb ÜJtagnetiS*
muä, welche teuere beibe Agentien, obgleich bie Art ibre3 ©nfluffeä auf ben
Körper in btefer Skjtebung noch nicht gehörig erlannt unb gewürbigt ift, auf
bie ©Währung wirfen m\$ten, ba alle organifchen £örper*©fcbeinungen biefel*
ben fomobl acigcn als annebmen.
* Au3 Obigem gebt hinlänglich beroor, bafi ber Statb, welcher gegen abnor*
nteä gett* ober SJtagevfein gegeben werben foll, weiter geben mufj, alä auf bie
Ouantität unb Oualität ber Speifen. 2BaS tbut ein übermäßig Tider bei ber
ftrengften SSermeibung ber gettbilbner mit bem Statbe, ftch au3|<bliebli(b an
gleifchbilbner §u halten, trenn er förperlicb unb geiftig faul unb untbätig
bleibt ? © toirb bid bleiben unb oermutblich noch bider toerben. Ober lann
tSr bem SJtagern nü&en, fleh an gettbilbner au halten, trenn er fub förperlich unb
geiftig ju febr anftrengt, trenn er leine Stacbtrube bat unb ftch in lümmerlichen
SJerbältniffen abbdrmt ?
JEßer hier ratben will, mufj ftreng inbioibnaliftren, unb barf ben Schmer*
bauch unb bie Stedenbeine nicht blo3 auf Rechnung be3 SpeifejetteB bringen.
© barf nicht blo3 ben Körper, er mufj auch ben (Seift unb ba3 (Semütb beban*
beln, worauf Aerjte fo fetten gehörige Stüdfuht nehmen, als ob (Seift unb Kör¬
per in fränten SJtenfchen getrennt unb ihr gegenfeitiger ©nflufc aufgehoben
werben tonnte. Siebte, bie nur ben fiörper unb nicht auch ben (Seift bei ihrer
Öebanblung berüdfiebtigen, fcheinen ohne (Seift nur mit bem Körper ju
practiciren. ©n gute§ ©u<h, SBeränberung ber SSefchäftigung, ber Suft, ber
Umgebung, be£ Umgangs, tbun oft mehr, als SJtiyturen unb Tbee, Ritten, $ul*
Oer unb Salben. Stur ber Unfug mit ben Heilmitteln bat bie Homöopathie er*»
jeugt, weil e3 ber gluch ber böfen Tbat ift, fort unb fort 93öfe0 ju jeugen. Stur
bie weife Söerwenbung ber Heilmittel wirb bie Homöopathie wieber ju (Srunbe
richten.
<£ntftef)ung unb Srfcfjetmtng trer $UagerheU unb ber ^ettfudjt unb bte
ISehanblung berfelben.
1) SJt a g e r t e i t. ® -iji hier* wie fchon erwähnt, nicht bie Siebe Oon ber
Abmagerung burch ßranfbeiten, welch« oon heftigen, ben Stoffwecbfel über«
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mflfjtg fteigemben fiebern begleitet fmb, fonbetit nur »ott bet Abmagerung,
welche ohne allgemeine ober örtliche JlranlbeitS*©rfteinungen eintritt.
Sie Abmagerung, ober, im ©egenfafc jur. gettfutt, bie
S ttoinb fu 11 lann fit unter fortbauemb giinftigen Umftänben bis ju bem
©rabe fteigern, wo man Atenften lebenbe Sletette nennt, unb wo enblit bet
körbet unb ©eift auf einen erbarmenswerten ©rab hetabgefunlen ftnb, fo wie
wir mit einem gludje auf bie fübtühen Witter, ihre Reifet unb Helfershelfer,
ihre 3>nftituttonen unb ihre Alotal, Alenfchen aus bet fübliten ©efangenftaft
unb befonbetS »on AnberfonoiHe haben jurüdlomtnen feben. Ser .Raifer Bon
Ch'tta unb ber Rönig »on Sahomei foHten Aliffwnäre in bie Weiche ber ßimften
ft'den unb lehren laffen, bah es menftliter unb barmhetjiget ift, firiegSge*
fangenen bie Äöpfe abjuftlagen ober in Abgrünbe ju ftleubern, als fte fo ju
behanbeln, wie eS Seute taten, weite baS SEBort ©otteS in ben Saften her»
umtragen.
Sie oerftieben raft junehmettbe Abmagerung matt erjt in ben höhern
ober hbtfien ©toben untauglit für bie Verrittung ber weiften gewöhnliten
©eftüfte.
SaS Schwinben ber Sör»erlräfte ift golge »on mangetafter ober unbaffen»
ber ©rndbrung, »on ju ftarlem Stoffoerbraut, ftletter Selleibung, ju grober
Hte ober Mte, ju grober geiftiger Anftrengung, bebrimirenben unb }u lange
anhaltenben ©rftütterungen beS ©emütbS, Atangel an Wuhe unb Stlaf.
SBürben ober lönnten unter bem Srud ber Uebel, weite bie Gtoilifatio n
begleiten, alle Alenften naturgemdb unb jwedmdfsig leben, bie Abmagerung
ohne föanteit läme nitt »or. Sie ©amifonSfolbaten haben in gleiten We»
gimentem neben ber gleiten Höh« faft Alle anjtähemb baffete ©ewitt, weil
fte biefelbe Roft, gleite törberlite unb geiftige Veftäftigung haben, gut ge»
tleibet, tut} weil Alle gleit gehalten ftnb. SEBenn man eS bahin bringen tann,
bab Saufenbe »on c o n f u m i re n b e n Atenften gut gebeten, foDte ber Staat eS
nitt aut bahin bringen tönnen ober müffen, bab bie Saufenbe »on»tobuciren«
ben Atenften gut gebeten? Ser unglüdKte Arbeiter, beffenVerbältniffe ihn
nötigen, fo viel als rnöglit ju arbeiten, bamit er fit unb bie ©einigen butt»
bringt, bamit et bie Abgaben erftwingt unb ben Arbeitgeber für elenben Sohn
um fo ftneUet reit matt, lann freilit nitt gebeten. Sa liegt ein Uebel ju
©runbe, beffen Hebung eine höhere Aufgabe wdte, als bie ^Belehrung bet Hei*
ben. — 2Bie aber leben bie meiften Atenften, unb wie finb fte genötigt }U
leben ? *
SSeim Alagerwerben ftwinbetjuerft baS gett unter ber Haut unb jwiften
ben Organen, fpdter erft in ben Organen, befonberS im gteifte. Sie S3eftim=
mung beS getteS ift, burt Verbrennung beim Athmen in ben Sungen bie
SBdrme beS Körpers ju erzeugen; bann beförbert eS bie Vewegfitleit bet Or»
gane, benen eS aut Stufc gewährt unb ihnen eine wdrmenbe Umhüllung ift.
©in unbebeutenbeS Schwinben beS getteS, beffen normale Atenge im Äörpet
not nitt angegeben ift, beeinträttigt Weber bie gunctionen ber Organe nod>
219
m
bie ©efunbhett. ,S<h»inben aber bie gettyolfter unter ber Haut unb g»if<hen
ben Organen unb bie gettlager in ben Organen in höherm ©rabe, fo tritt bei
ediger gorm ber ©lieber, hwoorftehenben ßn*hen, unter ber Haut gekannten
Sehnen unb fehr fi<htbaren Aenen Starrheit ein, unb Unthätigleit ber bergan
mentartig trodenen Haut, Schwäche ber ^Bewegungen, berminberte Semperatur,
fchlechte Verbauung unb berminberte $3lutbereitung, geftörte Ab* unb AuSfon*
berungen, förderliche unb geiftige Trägheit folgen, ba3 $entbermögen ift beein*
trächtigt, ba§ ©ebächtniß f<h»inbet, Sinneötäufchungen unb §aUucinationen
treten ein; SBlöbfinn ober SBdbnjtnn ftnb bie Schlußafte biefeS 3i|ftanbe3.
2)ie geringeren ©rabe bon Abmagerung finbet man bei übermäßiger för*
berliner unb geiftiger Anftrengung unb mangelhafter Ernährung, bei längs»
bauemben heftigen ©emüthöbewegungen unb häufig geftörter Aachtruhe; bie
höheren ©rabe, »emt bei fchlechter Ernährung ober Entgiehung ber Aaßrung
bie nachtheiligen Einflüffe bon Außen gu lange bauern*
2BiH man einem-überaus Abgemagerten einen guten Aath erthcilen, fo
müffen bie Urfachen be§ UebelS aufgefucht unb befeitigt »erben, fonft ift alle
biätetiföe SBehanblung erfolglos, eine mebicinifche aber gerabegu fchäblich.
Einem nerböö aufgeregten magern Atenfchen, ber in ber Aegel immer neue*
Aufregungen fucht, »eil bie folgenbe Aufregung bie Entfernung ber borßerge*
henben be»irtt, »irb man leine Atohlthat erroeifen, »enn man mit ben foge*
nannten Aerben beruhigenben Atitteln ihm unb feiner Umgebung »eiß macht,
er ruhe, »eil man feinen Aerben bie gäßigteit nimmt, unruhig gu »erben, unb
burch ba3 Heilmittel bie Aerben noch mehr maltraitirt. 2)a3 Erwachen bon ber
Atebicinalwirfung »irb ein trauriges fein* Atagere Atenfchen leiben meiftenS
an Stuhloerhaltung; bie bagegen gebräuchlichen Atittel müffen ben burch bie
fchlechte Ernährung heruntergelommenen Körper nur noch mehr ßerunterbrin*
gen* Solcher Schienbrian ift fehr üblich, unb oft bon ben Sranlen geforbert,
unb leiber giebt es Aergte genug, »eichen ber ßranle fagen muß, »aS fte thun
follen, unb bie Aergte thun eS, um einen günftigen Einbrud gu machen.
Schlaflofigleit, nerböfe Aufregung erforbem Schlafmittel; baS liegt ja auf ber
$anb! unb Stuhloerhaltung: Abführmittel. D heiUofe Heilfunbe!
Aerorbnet man einem übermäßig aufgeregten magern Atenfchen eine ©ei*
fteSbefchäftigung, »eiche ruhige^ Genien erforbert, giebt man ihm eine erßei*
tembe, leichte fieltüre, bringt man ihn in ©efellfchaft mit geiftig gemütlichen
unb geiftig georbneten," ruhig heitern Atenfchen, fo muß mit ber 3eit fein
unnatürlich aufgeregter 3«ftanb ftch legen, ©egen bie Stuhloerhaltung rna*
gerer Atenfchen hilft nur beränberte SebenSweife unb beränberte Soft. S)iefe
beiben Anbeutungen müffen jebem Saien einleuchten.
S)ie SS o r f ch r i f t e n, »eiche man einem fehr abgemagerten Atenfchen ge*
ben muß, begiehen fleh auf beffen gange SebenSweife, bie fileibung, SBoßnung,
förderliche unb geiftige SBefchäftigung, nebft Aüdfuht auf baS Älima, unb be*
fonberS auf bie Steifen unb ©etränfe. Er muß baher womöglich in einer
mehr als gemäßigt »armen ©egenb »ohnen, »eil bort bie SLhätigfeit ber Haut
•8
220
Sü
bcfßcbcrt wirb ohne übetmäbig gefteigert ju werben, unb baa Uthemgeftäft
leistet, baher »olllommener »on Statten gebt; ea muff bort Weitthum an
SEBaffer unb eine üppige SBegetatio», befonbetö ÜBalb, fein, bet »on bet Sonne
bedienen, wie belannt, reiflich ben junt Uthmen nötigen Sauetftoff fpenbetr
bie Wattluft mub »ermieben werben, weil bie bann au3 ben Sßflanjen fttömenbe
Kohlenfäure bet ©lutbereitung nachteilig ift; bie Reibung muff warm unb
bequem fein, bantit bie £aut betätigt unb bie freie ©ewegung bea Kötpera
befonbet« beim Uthmen erleittert wirb; bie SBohnung mub jut görbetung be3
Sltbmungägeftäfteä unb ©rheiteruug beä ©emütbe« luftig unb fonnig fein;
ßrpetlicbe unb geiftige ©eftäftigung bürfen mit jwedbienlicber Ubwetälung
mäbig unb nut angenehm fein; ^Bewegung unb Uufenthatt in bet freien Suft
finb anjutaten; leichte gpmnaftifte Hebungen füllten »orgenommen werben,
wobutt bie Thätigleit bet §aut unb bet «WuSleln, beten ©ntmidelung unb bie
«Refpiration beförbert werben; übermäbige Temperatur mub gemieben Werben,
weite bie fjautthätigteit ju fehr fteigert, ba3 Uthmen unb bie Uuäfteibung
butt bie «Bieren ftött; Kälte unb Wäffe müjfen gemieben werben, weil ffe bie
^auttbätigleit - unterbrächen unb baa Utbemholen erftweren. Ter Umgang
' mub erbeiternb fein, bie Sorge entfernt unb baa ©emüth geftont bleiben,
woburt bie gunltionen nitt allein bea ©eiftea, fonbern aut bea Körpera an*
genehm erregt werben. .
2)ie Wahrung mub hauptfätlit au3 ben gettbilbnern befteben, weite
alle Urten »on g e tt in fit begreifen, Del, ©utter, Wüffe, «Wanbein u. f. w.,
ferner alle Urten »on 3u i et — Wohr*, Saum», Trauben* unb «Wittjuder,
aut £onig; ferner Stärle in Kartoffeln, Wei3, ffielftforn, Sago, Urrorn»
root, ©bocotabe jc., enblit © umm i im ©etreibe, in »ielem Obft unb ©emü*
fen; bann bie au8 obigen Stoffen bereiteten gegorenen ©etränle: ©ier, SBein,
Siqueure re.
©I ift aber erffttKt, bab eine Kofi, weite auäfttieblit au3 gettbilbnern
beftebt, bem Sebürfnib einea überaua Ubgemagerten nitt entfpreten würbe, ba
e8 ihm nitt bloa an gett, fonbern aut an Kräften fehlt, weite er burt bie
Körper ober gleift bilbenben Stoffe erhält; bähet mub er aut Steift, Käfe,
(gier, Uuftern, £ütfenfrütte :c. genieben.
2Bie biefe Wahrungamittel im fpecieüen gatte gegeben werben müffen, ift
wohl »ön felbft einleuttenb unb mub nur batauf geattet werben, bab im
übermäbigen ©ifer, ben «Wagen aufäufüttern, ben ©erbauungaorganen nitt ju
»iel jugemuthet werbe, ©in fotter «Patient foUte nie effen ata bia fft bie
©bluff eingefteltt hat, unb nie fo »iel effen, bab ber «Wagen beläftigt unb bet
ganje Körper butt baä ©erbauungageftäft angegriffen wirb.
©r ibt am beften nitt ju ben regelmäbigen «Wahljeiten, wo oft gegeffen
wirb weil ea ©ffenajeit ift, ober wegen ber man oft baa ©ffen länger hinaua*-
ftiebt ala ea einem folten Patienten juträglit. Wat bem ©ffen foB er fft
eine halbe ober ganje Stunbe jur Wuhe begeben, weil irgenb eine ©eftäftigung
•8
ober felbft Bewegung flrdfte erforbert, »eiche bem BerbauungSgefchdft entgegen
»erben.
BochmalS »ieberhole ich, bafc bie Beobachtung ber Tiät ohne Begulirung
ber gangen 2ebenS»eife nichts helfen fann, unb bafj auf ben (Seift unb baS
©ernüth fo gut töte auf ben ßörper Büdftcht genommen »erben mufj.
2) g e 11 f u djt. — TaS ©etöicht beS ßöiperS lann ft<h unter begünfti*
genben Umftdnben auf 600 bis 800 Bfunbe fteigern, ein 3uftanb, ber felbft
tu ben nicht fo ^oh?en ©raben ber Abhülfe bebarf. Tie SBiffenfchaft bat fotöobl
.bie Urfache biefeS abnormen BuftonbeS, als auch bie Büttel gegen bettfelben
mit ziemlicher Sicherheit aufgefunben.
TaS anfangenbe Ticfmerben ift bon feinen unangenehmen ober ftörenben
(Empfinbungen begleitet, ift fogar oft ©egenftanb beS 5Reibe0 unb beS SBoblge*
faüenS, »eil eS ben Schein guter ©efunbheit hat. gn höherrn ©rabe töirb eS
nicht nur luftig, fonbern erregt auch oft ©elächter unb Spott, unb in ben hoch*
ften ©raben macht eS gu.jeber Befchäftigung untauglich unb erregt Btitleib.
T i e g e 11 f u <h t e n t ft e h t 1) im Allgemeinen bur<h übermä&ige (Er *
ndhrung, unb fpecieU burch Speifen, »eiche bie Settablagerung begünftigen;
2) überhaupt burch gü günftige SebenSberhältniffe; 3) burch (Einflüffe beS
ÄlimaS; 4) burch ungureichenbe förperliche unb geiftige Befchäftigung; 5) gu
langet Schlafen unb gu biel Buhe; 6) inbifferenteS Temperament unb gleich*
gültiges ©ernüth ic.; 7) ohne 3tt>cifel burch eine ererbte Anlage.
Tie gettfudjt ift eine Bermehrung beS getteS in allen Theilen, »b über*
haupt gett borfommt; guerft int Bellgetöebe, unter bebaut unb g»if<hen ben
Organen, bann in ben Organen felbft, befonberS ben SBuSfeln, fo bafc fte
enblich bom gette bollig burchtöachfen ftnb. Bur baS Berbenfpftem, baS
hauptsächlich aüS gett unb (Ei»eif$ befteht, nimmt feinen Theil am getttöerben,
»ie eS auch aus unbefannten ©rünben bom Btagertöerben berfchont bleibt.
Sie bom gett gebrüäten unb mit gett burchtöachfenen üBuSfeln berlieren ihre
(Eontraftilität, baher Trägheit unb enblich Unmöglichkeit ber Bewegung; baS
mit gett bur<h»a<hfene #erg »irb aus bemfelben ©runbe unfähig, bie Bewe*
gung beS BluteS gu unterhalten, unb S<h»erathmigfeit unb unbollfommene
Blutbereitung ftnb bie golge; bie Berbauung »irb träger, weil auch bie 9BuS*.
fein beS TarmfanalS leiben; bie Berben fönnen bie berfetteten Organe nicht
mehr reigen unb erhalten bön ihnen nur unbollfommene Beige; bie SinneSor*
gane ftumpfen ab, baS Tenfen »irb erfchtöert, baS ©ebächtnifj, bann ber SBide
unb enblich alle (Energie geht gu ©runbe, unb bamit aßmälig meift mit Söaffer*
fucht ber Btenfch felbft.
Soll bem getten ge helfe nwerben, fo müffen bie Urfachen
ber gettfucht ergrünbet nnb »o möglich gehoben »erben. 9Ban hört oft fagen,
Tiefer ober Sener »erbe nicht bom (Ejfen fo fett, berücfftchtigt aber babei nur
bie Quantität, nicht bie Qualität ber Speifen, unb unterfucht nicht, ob nicht
fanft (Einflüffe ftattftnben, »eiche baS getttöerben begünftigen. Btenfchen,
»eiche ein bequemes, forgenfreieS Sehen führen, in angenehmem, »armem ßlirna
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mit reiner 2uft leben, fuh gut lleiben wnb ben 2Bitterung3*Ginflüjfen ftch ent*
jiehen fönnen, fuh förderlich unb geiftig fronen, beten ©emüth ungeftört ift,
bie effen »a§ fte £uft haben unb ihnen zuträglich ift, diel ruhen unb lange
fchlafen, bon inbifferentem ©emüthe ftnb unb in heiterer ©efeUfchaft fuh be»e*
gen, müffen fett »erben* Ta3 gettmerben ift bemma<b nicht bloS bur(h ben
©enufj ber gettbilbner unb bg3 (Effen überhaupt deranla&t; ja man ftnbet oft,
bah bie größten greffer mager ftnb*
Tem gettf ü<htigen muh bähet gerathen »erben 1) fuh
ni(ht §u »arm zu Heiben, in fühlet 2uft, in nötblichent filima ober auf hohen
©ebirgen fuh aufguhalten, bamit bie Tbdtigfeit ber Haut berminbert, bie ber
Sungen hingegen bermehrt unb babut(h bie reichliche Serbrennung beS getteä
begünftigt »erbe; 2) er barf »eniger ruhen unb fchlafen, bamit bie Girculation
be£ ^Blutes unb alle 2lb* unb 2lu3fonberungen befördert »erben; 3) zu glei(hem
3»edfe muh er ftarfe förderliche Semegung fuh machen: gehen, reiten, Serge
befteigen, im gelbe arbeiten, £ol§ baden tc.; 4) er muh ft<b ernftli<h unb an*
ftrengenb geiftig bef<hdftigen, bamit but(h bie rege gehaltenen Sterben bie Tbä-
tigfeit be3 ÄörperS nicht au§f<bliefjli<b auf bie (Ernährung unb getteqeugung'
ber»enbet »erbe; 5) er muh falte Sdber gebrauten, bamit bie Temperatur
be$ Sluted betabgeftimmt »erbe; 6) er muh bie gettbilbner meiben unb fuh
bor^üglüh an bie gleifdhbilbner halten: baher gleifch, 2Jtil<h, Gier,
$dfe,$ülfenfrü<hteunb bie me ift en Salat pflanzen ge*
niehen.
gettfucht entfteht eher beim Sßhlegmatifer, afö beim Sanguinifer, unb
bana<h muh au<h bie Sehanblung eingerichtet »erben, »ie überhaupt, »orauf
. hier nicht eingegangen »erben fann, ber fpecieUe galt eine fpecieHe SWobifica*»
tion ber Sehanblung erforbert. SefonberS betrifft bieä ben ©ebraudh beä
SBafferä, »eichet allein burch bie Gonftitution be3 gettfü(htigen beftimmt »irb*
Tie obige SJUttheilung »irb bem 2aien einleuchtenb unb au(h belehrenb
fein* 2Bet »eitere Selehrung fu<ht, ftnbet fte bei Siebig, 2Jtolef<hott, Sogei,
Stoor, To»n, Taniel, Smith u* 21.
Unter ben Heilmitteln gegen gettfucht ift gob meift ohne Grfolg ange»en*
bet »orben; ber Liquor Potassae, »eichet oertheilenb, aber ge»ih nur auf bie
im Setbauuttgäfanal befinbluben gette »irft, bringt bie ©efunbheit herunter.
Tr. TucbeSne Tupau unb nach ihm Tr. STtamnHe empfehlen, freilich bei gleich¬
zeitiger gleifdjtoft, ba8 Gftract beä Slafentangl (Fucus vesicularis).
Tie gettfucht fdme ge»ih nicht fo oft oor, »enn nicht fo diele angenehme
Urfachen biefelbe deranlafjten, unb »ürbe leichter gehoben »erben fönnen,
»dren bievSRittel bagegen nicht fo unangenehm,
ißhilabelphia, ganuar 1866.
r
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'Jtor btt Jftatotraa,
Xton Sultan KBertter.
(gortfebung.)
^ 3. SBermäbltl
„®ie 3la#riibt, bat mein guter Onlel mich jum 3Jtitglieb be* girma er*
nannt, tut ©ie wobt recht überrafcbt, lieber Hagel ?" fragte ber junge ^ert
Kammer, nachbem tote ©läfer aufs Heue gefüllt traten.
;,©bre bem ©bre gebührt, £ett Rammet! ©ie habe» feit gehn gabten mit
ebenfo biel gleit »ie ©efcbid im bieffeitigen ©efchäft gearbeitet; gbtem lln*
ternebmungSgeift unb ©chatfblid berbantt baffelbe bauptfäcbliib feinen Huf*
fdjmung. Ster ©ettiot*$artner unferer hochachtbaren girma bollgog babernur
einen Sttt ber ©erechtigleit, tnbem er gbnen einen felbftftänbigen Hntbeil ge*
»dbrt an bem, »aS ©ie fcbaffen halfen."
„3Jlein guter Onlel, bem ich meine ©tgiebung, ja HtleS berbante,
»aS ich bin unb hübe, bat bamit feinem mir ftets bemiefenen SBoblwcHen bie
ßrone aufgefegt. geh »erbe ihn Seitlebens als meinen grölten äßobltbdter gu
betrachten haben. Gr forgte nämlich nicht nur in ber ebeljinnigften SEBeife für
meine Sulunft, nein, er giebt fogar lang gehegte SieblingSpläne auf, um bas
©lüd meines $ergen3 ju begrünben unb mir in ber Sbat leinen SEBunfch übrig
gu taffen. SBaS mich am glüdlicbften macht, mochte ich bem Rapier nicht an*
bettrauen, ich behielt eS ber münblichen Htittbeilung bot. gebt feilen ©ie
SlHeS böten, Hagel.“
£etr Rammet leerte baftig fein ©taS, unb nötbigte ben (»löblich noch ber*
legener toerbenben greunb, ein ©leicheS ju thun. SESäre er nicht in fo freubig
erregtet ©timmung getoefen, er hätte eS bemerlen müffen, bat 9lagel bon
irgenb einer innem Unruhe gepeinigt mürbe.
„©ie wijfen", fuhr baS HtitgKeb ber girma Jammer, 3a«g unb ©omp.
fort, „»ie »it feit fahren hier gufammen gearbeitet unb gewirlt haben, ©ie
alS erfter Söucbbalter unb ©efcbdftsfübrer, ich als ©orrefponbent unb Vertreter
ber girma. Hübmten ©ie borbin meinen Grfolg, fo »erbe ich jeberjeit bereit*
»iüig eingefteben, bat et gum groten Sbeil auf gbre. Hechnung gu feben
ift, befter 3lagel. SBon gbnen habe ich gleit, 5ßünltli<hleit, Drbnung, ©par*
famleit, Iura, alle jene taufmännifchen Sugenben erlernt, ohne bie »»Hiebet
Grfolg im ©efchdft fcblecbterbingS unmöglich ift."
„$err Jammer, ich bitte, $err Jammer! äßaS »iß mein bischen pralti*
fche Houtine gegen gbt merlantileS ©enie befagen!"
„©ehr biel, mein greunb. ©dfon manches ©enie ift in bet ©efdjäftS*
»eit plöbtich gu ©runbe gegangen, »eil ihm Houtine unb ©rfabrung nicht gut
©eite ftanben. 3)o<b »eitet in meiner 3)tittbeilung. Hach gebnjäbriger Hb*
»efenbeit bon unferer beutfehen £>eimatb hegte ich ben lebhaften SBunfcb, auf
lurge Srit bortbin gutüdgulebten, um greunbe unb Hngebörige noch einmal gu
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feben, unb gugteich einige gefchäftliche Hngelegenheiten gu erlebigen, bie meine
perfönliche Slntoefenbeit erbeifchten. 3)ie girma fam meinem SBunfche bereit*
toillig entgegen unb erteilte mir einen einjährigen Urlaub, $aS ©efc^dft
lonnte ich ruhig oerlaffen, benn eS blieb unter ber Obhut meines erprobten
greunbeS unb lunbigen SebrerS, ber mich nicht nur erfe&te, fonbern in gar
mancher $infi<ht übertraf."
„$err Jammer, Sie haben eS heute, am Sage unfereS 2Bieber[ehenS, auf
meine Befchämung abgefeben."
„3<h habe heute mehr benn je Beranlaffung, 3bnen Gerechtigfeit toiber*
fahren gu laffen", berfefcte ber junge Principal. „Btachte mir baS Gefchäft
toenig Sorge, fo fchieb id? in anberer Begebung mit fernerem $ergen."
„3a, ja, baS !ann ich 3hnen begeugen, bie fpröbe Sennorita hat 3bnen
manchen Seufger, manche Sbräne gefoftet Unfer Hauptbuch, baS Sie bei
3brer Gorrefponbeng gu benupen pflegten, geigt hiu unb toieber gierten, bie
oiel gu toäjfetig ftnb, um felbft non ber fchlechteften Sinte herrühren gu
lönnen."
„Seit ich bie fdjöne Seontica lennen gelernt, toar eS um meine Bube,
meinen «gärgenSfrieben gefcheben", fuhr £>err Jammer fort. „0 biefe begau*
bernbe Schönheit, biefe tounberbare Bereinigung aller irbifchen Beige! 3ft eS
benlbar, ein folcbeS Bteiftertoerl ber Schöpfung gu fehen unb nicht gu lieben?
3* liebte Seontica, liebte fte mit ber gangen ®lutb eines biefer befeligenben
Seibenfchaft gum erftenüBal erfchloffenen £ergenS, unb burfte mich ber Hoffnung
überladen, toieber geliebt gu fein, toenn auch ihr halber Btunb baS Geftänbnijj
biefer Gegenliebe nicht abgulegen toagte."
„£err Jammer", unterbrach ber Buchhalter ben oott ber drinnerung an
feine Siebe gang bingcriffenen jungen Kaufmann, „Sie ntüffen es mir nicht
oerargen, toenn ich 3hnen — unb toahrlich mit gutem Grunb — heute gang
benfelben Gintoanb ‘erhebe, ben ich f<hon oor 3b re * Streife geltenb machen
mu&te. SBenn mir ein Schulbner nicht ein fthriftlitheS, ober unter befonbern
Umftänben toenigftenS ein münblicheS Besprechen giebt, baf$ er binnen ber
unb ber grift gahlen toill, pflege ich uie mit Beftimmtheit auf folche Sahlung gu
rechnen."
„Bteln Gott, Bagel, toaS hat bie Siebe mit folgen taufmännifchen Be*
rechnungen gu fchaffent"
„3$ meine, toaS ftch im GefchäftSleben betoährt hat, ift auch auf anbere
Berhältniffe antoenbbar."
„Slber SeonficaS Stellung toar eine fo eigentümliche — fte hatte
Büdftcbten gu nehmen — ihrer Siebe gu mir [teilten ft<h mächtige £inberntffe
entgegen. 2llS lepte Sprofftn einer altabeligen gamilie, bie einftmals gu ben
mächtigften ber Kolonie gehört, im Saufe ber 3«hre freilich Oerarmt unb gurürtge*
lomnten toar, lag ihr, nach ber Uebergeugung unb ben unaufhörlichen Borftellun*
gen ihrer Blutter, bie Pflicht ob, ben Glang ihrer 2tbnen burch bie Berbtnbung
mit .einem reichen unb angefebenen Grben beS SanbeS gu erneuern. S)er junge,
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frembe Kaufmann, ber nicht einmal imBeftfc einer felbftftdnbigen unb unabhdn*
gigen Stellung mar, oermochte ihr nichts ju bieten, ma§ ihren geregten gor*
berungen an baS Seben genügt haben mürbe. 2lu<h ber Unterfchieb beS reit*
gißfen ©laubenS fiel ferner in bie 2Bagf<hale. ÜUtutter unb Softer, in ben
ftarren ©runbfdpen ber fatholifchen Kirche erlogen unb giftige Befennerinnen
berfelben, fürsteten bie Slnnaherung eines SlnberSgldubigen, ber nach ben
Sehren ihrer ^Priefter nie jener Segnungen thetlhaftig merben lann, bie fte für
ftch felber mit frommer 3uPerft<ht in Slnfprudh nehmen. Seontica hat es mir
oft gu oerftehen gegeben, bafj ihr eigenes #erj an biefem Unterfchieb beS ©lau*
benS leinen Slnftojs neunte; burfte fte aber ber Ueberjeugung ber Butter fo
ohne SBeitereS entgegen hanbeln ? Unb bei biefer mürben bie mdchtigften ©in*
flüjfe geltenb gemalt, um jenes finftere Borurtheil beS ©laubenS aufrecht ju
erhalten. Donna Uraca’S Beichtoater, ber in Santiago allmächtige Bater
Ugarte, hafit uns Brotejtanten unb ganj befonberS bie fremben jfaufleute biefeS
©laubens, bie hier burch Umftcht unb gleifc su Vermögen unb©influj3 gelangen,
©r erblidt in ihnen gefährliche finalen, bie ihn in ber 3ufunft eines DheileS
feines ©nfluffeS auf baS chilenifche Bolf unb beffen Regierung berauben fonn*
ten, unb bie er baher bei Seiten unf<häbli<h ju machen fudhen muf5. durfte ich
mich unter fold&en Umftdnben bellagen, menn Seontica, aufs Reffte bemegt,
ja gänzlich aufgerieben burch ben unabldfftgen $ampf jmifchen Siebe, ©lauben
unb Pflicht, mit ihrer ©ntfdheibung jßgerte ? Sah ich eS nicht beutlich genug,
mie fte ftch in unnennbarem Schmer* unb Kummer begehrte, unb es babei bo<h
nicht magte, ben ihr 3**nereS erregenben ©efühlen HuSbrud *u berieten ?
Sprach nicht ihr thrdnenfeudhteS Sluge, ihre gitternbe #anb, auch menn bie
Sippen gefdbloffen blieben, mit berebter 2Wgemalt, unb tonnte ich, ber Urheber
aller ihrer Seiben, biefe ftumme Sprache mifjoerftehen ?"
„Sieber #err Jammer", meinte -Jtogel, als fein greunb einen Slugenblid
inne hielt, f ,eS ift eben baS alte Sieb, bafj Siebe blinb macht. Sie haben ein*
mal 3h* *&erj an bie fdhöne Donna berloren, unb mürben fte ju entfdhulbigen
fudhen, menn fte 3hnen auch noch etmaS mett Schlimmeres jufügte."
Ueber bie falte, gefdhäftSmäfjige ÜDUene beS Buchhalters flog bei biefen
SBorten ein recht fchmerjlicher 3ug, er brehte fogar ben ßopf etmaS bei Seite
unb mifdhte ftch mit bem Schnupftuch bie Slugen, als ob ihm plßplidh etmaS Bei*
jenbeS hineingeflogen. Kammer mar oiel *u fehr mit feiner ^erjenSangele*
genheit befdhdftigt, um eS *u bemerlen; er fdhenlte bie geleerten ©Idfer mieber
Poll, unb fuhr bann in feiner ©rjählung fort:
„3<h lann an Seontica’S Berhalten bei reiflichem Bachbenlen feinen Dabei
finben, obmohl ich bamalS, burdh bange S^eifel unb erfolglofeS hoffen auf*
gejehrt unb zerrüttet, in ihrer SRahe nicht Idnger *u leben Permochte. Die
Sehnfudht nach ber $eimath trat immer mdchtiger heroor; fern Pon ihr, hoffte
ich oon einer firanfheit *u genefen, für bie es unter bem milben £immel ©hüte
leine Reifung gab. Doch mie menig tannte ich noch bie Sldmacht ber Siebe!
3e meiter bie räumliche ©ntfemung, meldhe uns trennte, um fo inniger fchmiegte
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ftdh mein $etj att baS irrige. Sa3 SBilb bet ©eliebten begleitete mich übet ben,
Dcean, unb als ich nach gehnjähriger Abmefenheit ben SSoben SeutfcblaubS be*
ttat, fühlte ich eS nur gu beutlidh, bah all mein ©lud, all mein hoffen an bet
fernen fiüfte bet ©übfee gutüdgeblieben, bah ich im heimifcben Sanbe ein grem*
bet unter gremben geworben. Salb foHte ich eä bollenbä inne werben, wie eS
ohne Seontica für ■ mich leine Sutunft gab. SERettt gütiger Onlel, bet Ghef
unfereS Hamburger Kaufes, empfing mich mit offenen armen. Gr, bet bon
Bugenb auf als gmeiter Sätet an mir gebanbelt, wollte nun fein ebleS SBerl
hönen, unb mir eine felbftftönbige SebenSfteHung oetfRaffen, ©ein alter
greunb unb ©efchäftötbeilnehmer, fperr 3ang, befifct eine eingige Softer, ein
gutes, braoeS Stäbchen, beten §anb, nach einem fdhon bor fahren getroffenen
Uebereinlommen ber beiben Gompagnon’S mir gugebacht war; -mit ihrer |>anb
foHte ich mir baS Anrecht auf Sheilhaberfdbaft an ber blühenben, in allen SBelt*
theilen refpeltirten girma erwerben. Ser $lan war bon meinem Onlel aus*
gegangen; er hatte ft<b fo gang in ihn hineingelebt, bah er mir ihn bereits als
feftftehenbe Sbatfadje oorttug unb feft übergeugt war, ich würbe f(hleunigft gu
feiner Ausführung fdhreiten. Ser braue Staun ftanb wie bom Sonnet gerührt,
als idh ihm runb heraus etllären muhte, ba| idh *eipe folche Serbinbung un*
möglich fcblie&en IBnne, ba mein $erg nidbt mehr frei fei.' ©chmeigenb hörte
er mich an, lein SBort beS SorwurfS, leine Ginfptadhe lam über feine Sippen. ■
SBäbrenb bet folgenben Sage begehrten mit fteunblidb wie immer, jenes SßlanS
warb nidht weiter gebadht. Acht Sage fpäter befdhieb er mich auf fein ißribat*
gimmet. „Gugen, fagte er in ernftem, bodh liebeboHem Sone, Su glaubft alfo
nur mit jener jungen Chilenin glüdlich werben gu lönnen ?" Natürlich bejahte
ich biefe grage. Seontica erfüllte ja meine gange Seele. ghte Sorfidht, lieber
Stagel, in Bhren Sriefen an mich beS Stäbchens fo wenig wie möglich gu er*
wähnen, that eine gerabe entgegengefe&te SBirlung: idh befdhäftigte mich int
©eifte nur nodh mehr, ja faft auSfchliehlich mit ihr. „ffienn bem fo ift, fuhr
ber Dntel fort, fo berfudhe eS, fte gu ber Seinigen gu machen. GS war mein
SieblingSgebante, Sich mit ber Sochter meines alten ©efchäftSfreunbeS berhei*
rathet unb als boHberedhtigter Gompagnon in bie girma eintreten gu feben.
Sa er ftdh einmal nicht erfüllen tann, foH wenigftenS Seine Butunft nicht bar*
unter leiben. Su trittft als Sheilnehmer beS fübameritanifdhen ©efdhäfteS ein,
unb lehrft als foldher auf Seinen Sßoften nach Santiago gurüd. geh foHte ben«
len, ba| ®onna Seontica, unb fei fte bon noch fo erlauchter Ablunft, bie fjanb
eines SUtgliebS ber girma Jammer, 3ang unb Gomp. nidht gu berfdhmähen
brauche — borauSgefefct, bah ihr $erg biefem Stitgtiebe bereits gehört, gu
Guter AuSftattung unb erften Ginridhtung flehen 25,000 Shalet aus meinem
$ribatbermögen, unb als Ahfdhlag beffen, was Su bereinft bon mit gu hoffen
haft, gu Seiner Verfügung. Steife mit ©ott, mein Bunge, unb Iah midh
wiffen, bah Su mit ber ©attin Seiner SBahl wahrhaft glüdlich bift!" @o
fptach mein trefflicher Onlel; ich aber fanl befdhämt unb gerührt in feine Arme,
unfähig, meinen Sani burdh Sffiorte auSgubrüden. SBie mit einem 3aubet*
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fdjlage Wat eS in meinem §erjen fteH unb frol> geworben, unb bie 3ulunft lag
in rofigem Sichte Por mir auSgebreitet. ©ern wäre ich gleich ju Schiff gegan*
gen, um bortbin jurüdjufebren, wo mein ©lüd fo herrlich aufblüben foHte, bo<h
bie $eimatb, bieälngeträrigen forberten auch ihre Seihte; übetbieS wünfcbtebet
Dnlet, mich noch für einige SJlonate bei fnh ju bebalten, um ibm Perfcftiebene
©efdjäftSangelegenheiten grünblich erlebigen }u Reifen. Gnblicb lam ber Sag
bet Slbreife, ich fagte ber Seimatb, ben greunben für lange 3cit, pieHeicht für
ewig, Sebewobl, bantte bem Wadern Onlel taufenb, taufenb 2üal, unb eilte, ooU
ber freubigften Hoffnung, ben ©eftaben ber neuen SBelt entgegen. $eute mit
Sageäanbtudb fuhr unfer Kämpfer in ben $afen ©alparaifoS ein, bie ©fenbabn
braute mich in wenigen ©tunben herüber unb — ba bin ich nun wieber bei
(Sudj, mein lieber Sagel, ein neuer, glüdlicherer 2Jtenf<h, beffen SebenSfcftiff enb*
lieb feften Slnfergrunb gefunben!“
„$aS rnuft wahr fein, ein waderer §ert, unfer alter Hamburger S«rr
Jammer, ein ©btentnann wie man fte in biefer eigennüftigen SBelt feiten finben
wirb", bemerfte ber ©uchbalter, beffen ©erlegenheit unb gebrüdteS Sffiefen
immer jujunebmen fehlen.
„©ein Same ift mir heilig fo lang ich atfrnte! Sieht« fehlt ju meinem
©lüde, ba mich fein ©egen begleitet. 2>o<h nun jur Sauptfache, Sagel, wie
ftebt eS mit Seontica ? .gaben Sie pon ihr gehört ? Storgen mit bemgrübeften
eile i<h nach ber Sacienba hinüber. Sa« $erj will mir fpringen bei bem @e=
banfen, fte wiebetjufeben!"
,,©ie haben in ben jehn Stonaten gbrer Sttwefenbeit in feinem ©erlebt
mit ihr geftanben, ihr niemals getrieben ?" forfchte Sagel.
„SBürbe ich eS hinter Sbtem Süden gethan haben, mein gteunb ? geh gab
ghnen bei unferer Trennung baS ©etfprechen, baff alle Briefe, bie i<h an fte richten
möchte, burcb 3hre $änbe laufen foKten. ©iS jum Sugenblid jener Untern*
bung mit meinem Dnfel hatte ich auf jeben ©erlebt mit ihr perjühtet. Un*
mittelbar barauf fchrieb ich j»at an fte, pernichtete aber ben ©rief wieber eh’
bie nächfte ©oft abging, ba ich mich ber gteube nicht berauben wollte, felber
ber Ueberbringer meiner glüdlichen ©otfftaft ju fein. 2Bas wiffen ©ie alfo
poniht? fiaben ©ie Seontica injwifcben gefehen ? gft fte öfter« jur ©tabt
getommen ? Sat fte ftch nach mir erlunbigt?"
„3<h fab f«e nicht, Sert Sammet, fte lieh auch nicht nachSbnen fragen—
Sonna Utaca mag eS wohl Perhinbert haben."
„3fa, ja, Sonna Utaea! S)a wirb eS noch einen Keinen Äampf feften! Sun,
fei eS barum! geh hoff*/ bie glüdliche ©etänberung meiner dufteren Sehens*
umftänbe wirb bei ber alten, auf. dufteten ©lanj haltenben Same einigermaften
in’S ©ewieftt fallen."
„Unb wenn auft nicht, machen ©ie {ich bestraft feinen flammet, S*rr
Sammet, ©iebt eS nicht ber jungen, fdjönen Samen hier in Stenge, bie jeftt
mit greuben jugreifen würben, wenn ein folcher Sewerber um iftte Sattb auf¬
träte? Sur nicht blöbe, S«rr Sammet, als SBitglieb ber ghetna, mit einet
! .. X
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haaren Augfteuer in bet £af<he, mögen Sie getroft bei gebet anflopfen, unb
wenn e§ bei bet Tochter beg ©räfcbenten wäre!"
,.30'iein $erj gehört 2)onna Seontica; wie feilte ich baran benlen, meine
|ianb einet Sinteren anjutragen?" entgegnete bet junge Kaufmann be*
frembet.
„ga,bag §erj, bag 4?erj !" »erfe|te Sflagel niebergefchlagen. „SBunber»
liebe Saune bet Statur, baff fie auch einem fonft fo tüchtigen Kaufmann eintet;
geben mufi! Sehen Sie, $ett |iammet, i<b barf eg ghnen nicht »erbebten, -
Sie »erben in biefer Angelegenheit auf manche Schwierigleiten ftofjen.
Sonna Uraca geht fleifjiger benn je bei ben frommen patres öon della com-
pania jur ©teffe, unb Später Ugarte ift ein faft wöchentlicher ©aft auf ihrer
^acienba."
„greilich nicht bag hefte Seichen", fagte ber junge Kaufmann feufjenb;
„injwifchen — wag »ermögen ©igotterie unb ©gennug im tlampf mit wahrer
Siebe ? ©omta Seontica ift feit einigen ©lonaten münbig; ihr £erj hat tängft
ju meinen ©unften gefprodjen — Weicheg fjinbernifj träte am Gnbe gewaltig
genug, unfern gemeinfamen SBünfchen, bem ernften Streben unferer »ereinten
Kräfte ju begegnen ?"
SBährenb ber Unterrebung ber beiben 3)eutf<hen war eg braubett auf ben
bei ber ©gquina »otüberfübrenben Alemebag fehr lebhaft geworben, ©ine
lange SReihe »on Sichtern blifcte feitlich bur<h bie ©üfche, unb SRafeten fliegen
hoch in bie Süfte; jugleich »emahm man bag Summen unb gauchjen einer
groben SJlenge, untermifcht mit ben klängen einer noch fernen ©luftl, bie lu»
ftige ©Seifen auffpielte. An einem bem ©ergnügen unb ber gefedigen Unterbai»
tung gewibmeten Ort hatte bieg injwifchen fo wenig Auffallenbeg, bafj bie »on
ganj anberen ©ebanlen in Anfpruöb genommenen greunbe !aum barauf achte»
ten, unb auch nicht wahrnahmen, bab bie in ber ©gqnina »erfammelte ©lenge,
wie in ©Wartung eineg fehengwerthen Sdjaufpielg, »löblich nach bem ©in»
gang hinbrängte, fo bab eg auf bem freie« ©lab »ot ber tleinen Schaubühne,
wo einige Augenblick »orher noch bag bichtefte ©ebränge geherrfcht, ganj leer
würbe.
„Steldjeg $inberniji, $err Rammet ?"-fragte ber ^Buchhalter. ,,$m,
fehen Sie — ich will nicht getabe »on £inberni|fen reben, aber — Sie lennen
hoch unfere frommen ©atreg »om ßenoent; — wo eg etwag §u gewinnen
giebt, ftnb biefe ©btwürbigen ganj wunberbat erftnbunggreich, unb währenb
3hrer Abwefenbeit, §err Jammer, ba haben fte benn auch wiebet eine recht
merlwürbige ©rfinbung gemacht, bie ihnen eine ebenfo «nbebingte £errf<haft
über alle jungen gläubigen Sennoritag ftchert, wie fte bie fromme« ©iatronen,
bie ©lütter unb Suennag tängft in ihrer SEafche hatten!"
,,©on welket ©finbung reben Sie ?" fragte Rammet.
,,©g ftnb etwa brei ©lonate her, feit ©ater Ugarte feinen fchönen ©eicht»
linbem, ©täbdjen unb grauen, bie heilige ©flicht auferlegt, ftch mit ber ©lütter
©otteg in birefte ßorrefponbenj ju fefcen, ihr bie geheiniften galten ihreg 4?er»
229
IS
3 eng, in* bie felbft ber Veicbtoater nicht immer 31 t bilden bermag, offen 311 legen,
fte um SRath, Veiftanb unb Vermittelung, felbft in ben lleinen Verlegenheiten
unb Vermidelungen beg täglichen Sebent 3 U erfud&en, fo bab in ber Xfyat nicht
bie leifefte Regung in einem 9Jtäb<ben* ober grauenheqen biefer gefegneten
Stabt aufbämmern barf, ohne bab fofort Vtabonna babon fcbriftlicb in ßenntnib
gefefct mirb."
2 )er junge Kaufmann mar plöfclidh fehr aufmerffatn gemorben, bo<b feine
ungläubige SDltenc oerrieth, bab er in biefe munberlidhe üfteuigfeit erheblichen
3 meifel fefce.
„Veben Sie imS(her 3 , ÜRagel?" rief er bermunbert, unb fefcte bann, als
bag Slntlifc feines greunbeg ben gemöbnlicben ernften unb gefcbüftgmäbtgen
Slugbrud beibehielt, lebhaft hinju: „Vei meiner Seele, mie mirb benn biefer
originelle Verlehr bermittelt ?"
„ 3 n bolllommen regelrechter unb georbneter ©eife. 2 )ag huumlifcbe
Voftamt ber Vtabonna mirb biel beffer bermaltet alg manche irbifd&e $oftan*
ftalt, nur foH bei ihm ber ©runbfafc gelten, bab franfirte Vriefe, b. h* foldhe*,
bie mit einigen Sßiaftern befchmert fmb, meit fuherer beforgt merben un*
franlirte."
„5lber mer nimmt bie Vriefe in ©rnpfang, mag gefehlt mit ihnen ?"
fragte Jammer neugierig.
„2lm Seitenpförtcben ber ßirdje de la compania, an jener ©de, mo bie
enge Strape de los ladrones in bie plaza Colombo einmünbet, hängt ein
Vrieffaften, ber in bergolbeten Settern bie Huffcbrift trägt: Buzon de la
Virgen. $ort hufeben in abenblicber $unfelheit berfchleierte ©eftalten bor*
über, um ihre ber Vtabonna anbertrauten ©eheimniffe 3 ur ©eiterbeförberung
ab 3 ugeben. ©ag bann mit ben Vriefen gefchieht? Vefter #err Jammer, bag
ift mehr alg ich SU fagen meib* Vermuthlich merben fie auf einem nur ben
frommen Sßatreg befannten ©ege nach ben bintmlifcben Legionen fpebirt, aug
benen in bringenben fällen immer eine Slntm^rt 3 urüd!ommen foU, bie ben
febönen ©orrefponbentinnen burch ben Vtunb ihreg Veichtigerg offenbart .mirb."
Jammer fonnte ftcb eineg belieben Sadpeng nicht erme^ren. ift
ein toftlicher Spab! Gtmag $übf<hereg hätten bie frommen Väter mirflitb nicht
erftnnen fönnen."
„Sachen Sie nicht, befter £err Jammer, lachen Sie nicht! $ie Sache tft
ernfter alg Sie benfen, unb für Manchen, ber fie in Sachen aufnahm, hat fte
fchon in Srübfal geenbet."
,,©ie ? Sie mollen mich bo<b nicht glauben machen, üttagel, bab eg mit
biefer ©orrefponben 3 ernftlich gemeint fei, bab bie gebilbeten grauen nnb 2 Jtäb*
eben Santiagog fleh bon folchem ©aulelfpiel bethören lieben ?"
„©enn Sie erft mieber acht Xage in unferer Vtitte ftnb, merben Sie ©r*
fahrungen genug gemacht haben, um bie ernften Seiten biefeg neueften Pfaffen*
trugg 3 U begreifen."
„9tein, nein !" rief ber junge Kaufmann lebhaft, „©ine junge 2 )ame
m
Ifpa
bon bet Bilbung unb bcm Berjtanbe Sonna SeonticaS mirb nimmermehr folch
plumper Sdufchung ©ehör geben. SBenn $ater Ugarte unb fein ©onbent
nichS BeffereS jn erpnnen meib, burd? Mittel b i e f e § Schlags foUen fte mir
mein ©lud nicht ftreitig machen. So<h fehen Sie borthin, Nagel! 2BaS be*
beutet bie gldnjenbe gadelprozeffton, bie ba eben in ben ©arten einjie^t ? ©3
fcheint, mir foUen heute gar noch 3*ugen eines ganz befonberen gefteS
merben."
Jammer mar bei ben lebten SBorten Saftig bon feiner Ban! aufgefprun*
gen, ben Blid nach bem #aupteingang beS ©artenS gerietet. Naget folgte
feinem Beifpiel, er eilte fogar einige Stritte borauS, als fud?e er mo*
möglich noch b o r feinem ©efdbrten bte Beranlaffung beS fefttidjen Umzugs inne
gu merben. ©ine lange Sfiei^e bon gadeln, getragen bon jungen Ntdnnern,
beren runbe $üte mit breiten brntben Bdnbern berjiert maren, bemegte ftd?
unter ben luftigen Stangen einer boranziehenben ganitfcharenmuftf burch bie
$auptattee ber ©Squina. Mehrere niebere Srofchten, jebe bon hier fchellenbe*
hangenen, mit butjten SRofetten unb Banbfchleifen gefchmüdten Ntaulthieren
gezogen, folgten bid?t hinter bem NtuftlcorpS. Naleten unb Seucbtlugeln ftie*
gen unablafftg zu bem bunfelblauen, mit unzähligen Sternen befdeten Nacht*
himrnel empor. Sie fchautuflige Ntenge brdngte bon allen Seiten herzu, fp
bab es bem 3uge ferner hielt/ ft<h Sahn zu brechen. Schattenbe Bibatrufe
unb fröhXid&eS gauchzen erfüllten bie Suft.
* 2luS ben entfernteren Sheilen beS ©artenS eilten betriebene ©ruppen
Neugieriger herbei.
„©ine Hochzeit! ©ine Hochzeit!" riefen mehrere Stimmen zugleich.
„SaS trifft ft<h herrlich!" meinte Jammer. „2Benn mir uns fputen,
fönnen mir mohl noch am Sdjmaufe thetlnehmen. ©leid? am erften Sage
meiner Nüdlehr ein $o<hzeitSgaft — ich bdcfyte, baS mdre ein gutes Omen."
„Sehren mir lieber zur Stabt zurüd, $err Jammer", fiel Nagel rafd? ein.
„Sie ftnb gemib ermübet bon ber Neife unb bebürfen ber Nuhe. Saffen Sie
uns bort bur<h baS Heine Seitenpförtdjen nach bem Sajamar biuübergeben.
SiefeS gerdufchboUe Sreiben mürbe auf 3hre überreizten Nerben fehr nachtheu*
lig mirlen."
„2BaS fallt 3hnen ein, Nagel, bab Sie ft<h um meine Nerben fo biele
Sorgen machen ? SBübte ich hoch nicht, bab fte mich je tut Sehen incom**
mobirt hätten, marum foE ich gerabe heute fo zarte Nüdficht auf fte neh*
men ?"
„2lber ber SpphuS grafftrt je&t hier fehr ftarl. ©erabe unter ben jun*
gen frdftigen Seuten forbert er bie meiften Opfer."
„Unb beShalb foUen mir uns baS Vergnügen berfagen, biefe $od?zeitS*
luftbarleiten mit anzufehen ? ©eben Sie, Nagel, mie fommen Sie mir nur
heute bor l"
Jammer eilte mit rafchen Schritten über ben ebenen Nafenplan, ber fchon
ganz nahe gerüdten gadelprozeffton entgegen. Ser Buchhalter Nagel, jfefet
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ein leibhaftiges SHb beS SdhredenS, heftete ficb totest an feine getfen unb 30 g
ihn mit beiben §änben an ben Wodfcböjjen jurüd.
„©uter befter $err Jammer", fiebte er mit jitternber Stimme, „taffen
Sie uns nad) #aufe geben! 3<h weif? nicht wie e§ lommt, aber — icb fübte
midb febr fchledbt — mir rnirb febr unroobt --icb--icb werbe einen
2 )ottor haben muffen!"
Jammer fab bem greunbe beim Schein ber nabenben gadetn ins ©eftcbt
unb erfdbtaf über beffen 33taffe. „2BaS fehlt Sbnen, lieber «Raget ? SBaS ift fo
Olöpcb mit gbnen ootgegangen? Sie fmb wirlticb febr bläh — bide Schweift*
tropfen fteben auf 3bret Stirn-
„3a — ich — ich habe baS gieber— muh fcbleunigft ju 33ette....
Soffen Sie uns bort hinaus nach ber Stabt geben, $etr Jammer!“
„tpiab, «ßtafe, SennoreS SabaHeroä! ©ebt SRaum für Son ©ScobeboS
#o<h}eitSjug!" tief ber erfte ber gadeltrdger ben in ber «Witte beS fflegeS ft**
benben greunben ju, unb fchob fie fanft auf bie Seite.
Jammer befdEjäftigte fub mit bem plöpdb febr beunrubigenben guftanbe
feines ©efäbrten, ben et mirtti<b für ferner erlranft hielt, unb febidte fub
an, feitlidb mit betreiben abjubiegen, um auf bem oorgefcblagenen Sßege fo
taf<b als möglich jur Stabt jurüdjulebren. ®a tonnte er nicht umhin, no<b
einen 33 lid auf bie fffrojeffion ju werfen. ©i<ht oon gadelträgem umringt,
fuhr eben ber mit Stdnjen unb »tumenguirlanben reich gefcbmüdte «EBagenbeS
S3rautpaareS ootübet. ©S muhte ein febr reicher «Wann fein, ber feine ^oebjeit
auf fo pruntooHe Sßeife feierte; jung unb fchön war er freilich nicht mehr; baS
tunbe aufgebunfene Stnttib, bem übrigens ber SluSbrud ariftotratifeber SEBütbe
ni«bt fehlte, batte leinen «Wangel an galten unb rotben gleden, bie eben nicht
ju feinet Sßerfcbönerung bienten; bie augenfcbeinlich hohe ©eftalt war fchon
etwas gebeugt, unb baS unter bem §ut fubtbare fpärlicbe Haupthaar »on ehr»
würbigem Silberreif bebedt. Sin feiner Seite, in loftbare Spifcengewdnbet ge«
hüllt, fah bie 33raut, ben «Wbrtbentranj mit bem reidb geftidten SBrautfcbteier
in ben üppig bis über bie Schultern bcrnieberwaltenben fcbwaqen Soden, ein
oon eblen Steinen funtelnbeS Sliabem auf ber alabafterweifjen Stirn. Sa§
Siuge beS jungen beutfdhen Kaufmanns heftete fuh neugierig auf bie wunbetooll
fdhönen, bodb marmorbleichen güge — ba plö&tidb lieh er ben am Slrm erfahten
greunb fahren, mit ber linten ®anb griff er nadb feinem ^erjen, wdbrenb er,
oorwärtS gebeugt, mit bet Wedhten eine Bewegung nach bem SEBagen bin machte,
als wollte er benfelben aUfjubatten oetfueben.
„Seontiea! Sie — oermäblt!" rief et im Slone böchfter 33er«
jWeiflung, nnb fant bann rüdwärtS in bie geöffneten Strme beS eben noch non
ihm unterftüfcten greunbeS, mit bem er wie butdb einen Sauberfchlag bie Wol«
len oertaufdht ju haben fchien.
„iS ift gefdjeben!" lispelte Wagel, ficb ermannenb unb ben oöttig be«
wuhtlofen greunb feitlidb in baS 33ufdhwert jiehenb. „0 über biefeS fatale
$erj, baS einem redbtfcbaffenen Kaufmann bodh fo entbehrlich wäre!"
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$ie lebten SBorte $ammer§, menn auch bujdh ben Sätnt ting§ untrer
übertdubt, mustert bo<b mohl an ba$ Oh* ber 93raut gebrungen fein. 3hre
fd^Iaffen, gleichgültigen 3üge belebten ftdh ploblidh, ein munberbarer ©lanj ent*
ftrablte bem eben noch fo matten 2luge, fte beugte ftdh au3 bem SBagen unb
ftrecfte beibe Slrme nad? ber Dichtung, aus meldher bie mohlbelannten £öne an
ihr Ohr gefdjlagen — bann aber fanf auch fte rüdling§ in ben SBagen, unb
ber überrafdhte Bräutigam umfing bie böllig Ohnmächtige mit feinen ftarfen
2Irmen. 2löe§ mar bal 2Berf meniger Selunben gemefen; meber bie £f)eib*
nehmet be3 3uge3, noch bie ben $odhseit§magen guttädhfl umbrdngenben $erfo*
nen Ratten oon ben gefdhilberten Vorgängen SRotijj genommen. S)er junge
Kaufmann mar bereite burdh feinen greunb ber neugierigen 3Renge entrüdt,
ber $o<häeit§$ug aber bemegte ftdh ohne Slufenthalt nach ben 2Birthf<baft$ge*
bduben ber GSquina, mo ber geftf<bmau8 bereitet toar.
4. $ie ^actenba in ben $antpaS.
Gin ©emitterfturm braufte über bie graäreidhen Pampas, rneldhe ba§ bon
ber ÜJteereäfüfte bi£ jum gub ber Slnben ftdh erftredenbe £hal non SBalparaifo
im korben begrenzen. ßlatfdhenb fdhlagt ber bon ber milben SBinbäbraut ge*
peitfdhte Sftegen in ba3 tnietiefe ©ra3, ^r$auft bie Slüthenbüfdhel ber üppig
mudjernben Gactuäftrdudher, unb bebedt benS3oben ftellenmeife einige 3oll hoch
mit ben abgetnidtten Blümchen ber Salbei, ber Kamille, ber rotten unb blauen
Sßerbenie. kleine 3nge üon SBecafftnen ftreifen pfeüfdhnell über bie ©raäflddhen
unb ©ebufche bin; an ben fumpfigen Stellen haben ftdh Schaaren bon SBilb*
gänfen gefammelt, beren pfeifenbeä Schnattern felbft unter bem £eulen be3
Sturmes unb bem Lotten beS SonnerS oernehmbar bleibt; bie Keinen
fanindhenartigen SBiScadbaS, bie mit ihren in mäanbrifcpen SBiubmt*
gen ftdh hinjiehenben fohlen ben Jöoben ber Steppe oft nteilen*
meit untertninnen, unb bie fonft bem SBanberer aufbringlich über bie
gübe laufen, haben ftcb in ihre 2öcher surüdgejcgen, nur jumeilen bie fpi&e
Sdbnauje über ben S3oben erbebenb, um su mittern, mie lange mobl
ber Sturm nodb anbalten merbe; ber einige S3emobner ber Steppe, meldher
bem Unmetter mit philofphiföent ©lei(bmutb trofct, ift ber Keine fübanterifqni*
fdbe Straub, ber, ben.Schmanjinbie^öhe gehoben unb bie giügel aufgebaufcht,
ben langen «gals aber glatt in ba£ ©raS gebettet, ben Sturm gebulbig über ftcb
binjieb ln unb ben Siegen oon feinen gebern abtropfen labt, ja in biefem 2luf*
rühr ber Glemente, mo oon feinem geinbe etmaS ju fürsten ift, ftcb gar nicht
unbehaglich §u fühlen fcheint.
$unlleS, bleifdhmereS ©emölt bebedte ben Fimmel, unb fchten ftdh faft
auf bie Grbe hernieber fenfen au motten. 9tur auf eine gan$ fur^e Strede hin
lieben ftdh bie etmaS erhabenen ©egenftänbe — freilich nur 93dume unh.6trdu*
eher — beutlidb erlennen; maS barüber binauSlag, mar Sitten in flüfftgen 9le*
bei gehüllt, ber fuh, menn ein frdftiger SBinbftob einherbrauf te, auf Slugenblide
*
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gu lichten fchien, bann aber lieber um fo bitter gufammenfloß. Schmefelgelbe
33liße gudten burcß bie 2Bolfen, unb brößnenbe $)onnerfchldge, mitunter fnat*
temb mie bie SBreitfeite einer ßriegSfregatte, erfdßütterten bie ßrbe unb rollten
gang aHmdlig berhallenb baßin, ba auf ber unermeßlichen Gbene ber gortpflan*
gung beS Schalles lein ginberniß entgegen faßt.-
gn bem an baS fruchtbare unb ftarf beoölterte $ßat beS SJ3arabiefe^ fto*
ßenben $beil ber cßilenifchen SßampaS liegen gasreiche gactenbaS gerftreut, bie
oon lleinen ©utsbefaern, bereji'ganger fReicßtbum bie SBiebgudßt ausmacht, he**
moßnt metben. IJtach einer biefer gacienbaS, bie fich in ihrer äußeren Bauart
mie inneren ©nrtcßtung meiftenS febr ähnlich fab, toerfeßen mir ben Sefer, ge*
rabe um bie 3«t, ba ber Sturm feinen haften ©rab erreicht hat, unb nacht*
liehe ginfterniß ftch über bie ^arnpaS ßernieberfenft.
$ie gacienba ift ein einftödigeS ©ebäube, bon bem man, aus einiger
(Entfernung gefehen, faft nichts mabmintmt, als baS ungeheuer maffae, oben
fehr fpiß gulaufenbe ©iebelbadß, melcßeS gang aus goßlgiegeln gufammengefeßt
ift* 2)aS 3)a<h ruht auf fehr niebern dauern, aus hart geftampftem fießm ge*
formt, genfter giebt eS nur menige unb gang Heine, bie meift bon außen
nochmals mit eifemem ©ittermerl berfchloffen fab; rnaS bebarf eS auch ber
genfter in einem Sanbe, beffen milbeS, gefegneteS ßlima baS Offentaffen ber
SBoßnungen mdßrenb beS gangen gaßreS geftattet! 3Me £ßüren fab bemge*
maß fehr meit unb hoch, unb ba eine fcßmale bebedte SBeranba rings um baS
gauS lauft, mögen fie felbft bei regnerifeßem SBetter offen ftehen. SDieborbere
gdlfte beS gciufeS, melcße ßücße unb SöotrathSlammern enthalt, liegt um einige
guß tiefer als bie hintere, in meiner fich bie Scßlafgimmer unb, bei moßlßaben*
beren ©utsbefißem, ein mitunter recht elegant, menn auch meift in fcßmerfdlU*
gern ©efeßmad auSgeftatteteS ©aftgimmer befabet. $ie 27taueru entbehren
äußerlich jebeS architeltonifchen 6(hmudeS; nur gumeilen ift neben ber gauS*
tbür eine ÜRifcße angebracht, in metcher ein Grugifa, ein ÜUtuttergotteSbilb ober
bie aus golg giemlich roh gefeßnißte unb bunt angematte Statue eines geiiigen
aufgefteHt ift, ben fi<h ber Söefißer gum fpegiellen gort feines ©gentßumS unb
feiner gamitie auSerfeßen. üftaeß biefen Schußpatronen mirb bann gemöhnlich
bie gacienba felbft benannt. 2lucß ber in rieftger Stdrle machfenbe mitbe
SBein, bie Schlingrofe ober ber cßilenifche ©pßeu, mitunter auch alle brei gu
einer gmeiten unburchbringlichen SBanb oerfatungen, bienen gur äußeren
SBerfcßonerung ber fonft nicht fehr freunbtich auSfehenben Seßmmauer. ginten
fcßließt fich meift ein hübfeh bebautes ©arteßen an bie gacienba, auf beffen
^Blumenflor große Sorgfalt bermenbet mirb. S)er Chilene liebt bie Blumen
unb laßt fich leine ÜBtuße berbrießen, fie in immer neuen Slrten, in üppigfter
gulle unb garbenpracht gu ergeugen, mobei ihn baS herrliche ßlima Iraftigft
unterftüßt. Stalle unb Scheunen, gleichfalls nur aus 2eßm gebaut unb mit
bem riefigen S<ßacßthalm ober ben 53infen ber $ampaS gebedt, liegen feitlidß
ber gacienba; ihre ©röße unb SluSbeßnung geigt am ficßerften ben ©rab beS
SGßohlftanbeS beS ©efißerS an. Gebaute gelber giebt eS menige; man befcßrdnlt
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»en £if<h, aul bem garten gumiHholäe gefertigt, bidjt unter bie Campe gerüdt,
um bei ber airbeit bei SEBäfcheplättenl, ber fie eifrig oblag, beffer fehen ju tön*
nen. Seine leinene Bettmäfche, jum £heil fogar mit Spieen befefct, k lag auf
bem Sifche aulgebreitet, unb im Jtaminfeuer glühten eiferne Stähle, bie Bon
3eit ju 3e*t i« bie Heine $öfitung bei ißlätteifenl eingef(hoben mürben.
Gine Seit lang Ratten bie beiben Sitten fchmeigenb gearbeitet. Stur rnenn
ein befonberl greller Blifc hinter ben nergitterten Scheiben bei Keinen genfter*
djenl judte unb ein bröbnenber SDonnerfchlag bal £aul erbeben mailte,
murmelte ber Sllte, Bon feiner Arbeit aufblidenb, einige SEBorte über bal grau«
liebe SEßetter; bie grau aber trat Bor bal Gruciftf hin, betreujigte (ich unb betete
ein Sine Dtaria.
(gortfefcung folgt.)
Pit IPiiitrrptttdjt in ber iitutfdjcn Politik.
®on * * *
Sill bie Sachen ber amerilanifdjen Stcpublil am fdjlimmften ftanben, ge*
teilten uni bie Sroftmorte bei eutopäifchen Bublijiften an „bal grofie Soll
bal ftd) erhoben" jur Stärlung. 2Bir nahmen fte mit Sanlbarleit entgegen,
unb bebauerten mohl, bah f«h ben fran§5fif<hen, englifeben unb italienifchen
Stimmen nicht auch bie einel Seutfchen jugefellte. 3>er alte $umbolbt hätte
fuh eine fol<he ©elegenheit nicht nehmen laffen. Gine biefet hier gejollten
Anetlennung entfptedjenbe Aufnahme in 2)eutfchlanb für amerilanifche Grßt*
terungen über beutfebe guftänbe ju ermarten, märe ungereimt. Sie neue SEBelt
muh ber alten gegenüber noch auf manche DJtenfcbenalter bie Stelle ber Schülerin
enthalten unb foll ihre Ateifterin nicht mit Belehrungen heimfuchen; haben mit
bem alten Baterlanbe nicht Shatfachen mitjutheilen, fo mögen mir el mit Slath*
fchlägen oerfchonen, beren Uebermafc ihm ohnehin über ben tfopf mächf’t. Biel*
mehr fomrnt el uni ju, Bon ber überlegenen ©eifteltraft ber alten #eimath
für bie Bermaltung unferer eigenen Angelegenheiten Stath unb Beiftanb ju
erbitten.
Unb hoch lann biefe Abfertigung uni Seutf<h*Amerilanern unmöglich ge*
nügen. Sal DJlateriat ber beutfehen Bolitil befchäftigt uni noch immer bal @e*
müth, unb lommt uni in einer Verarbeitung entgegen, bie meber bal Betbor»
bene ©emüth befriebigen, noch ben fchmachen Berftanb befcheiben lann. Gl
geht ben Grörterungen ber beutfehen Bublijiften jene platte ©emeinoerftänblichleit
ab, buteh melche bie fjänbel bei neuen Baterlanbel oft fo unerquidlich merben,
boch aber in ber Siegel ju einem leiblichen Aultrag gelangen. Gl bleibt uni
bal »ebütfnifc, mit biefen gragen in ber lanbtäufigen haulbadenen SEBeife um*
jugehen. Gl geht uni — ber Ameritaner lann bie Anelboten nicht bei Seite
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laffen — wie bem Unterleder, ber ben Vornan beS £errn SßrofefforS fchlecht
fanb, unb bie 3urechtmeifung erhielt: „AHe fönnen Sie ftch uhterftehen, etwas
Zu berbammen, baS ich felber laurn berftehe !" Die 2Jtittelmdßigfeit fd^üfet
bor bem Aormifc nicht.
6 ben in bem bezeichnten 2 Jtanget an Plattheit in ben Politiken 3 been
fehen mir, in unferer 93ef<hrdnftheit, bie Urfacße ber unenblid? langfamen
©ntmidelung ber pofitifchen Saaten in Deutfdßlanb. Da !ommt jeher SSorfc^Xag
fertig, umfaffenb ausgearbeitet, aus ber Scßretbftube beS Urhebers in bie 6 a*
lonS feiner ndcßften sjkrteigenoffen, um hier mit bem 3artgefüßl feingebilbeter
Diplomaten entgegengenommen, weiter ausgebaut, entwiäelt, berfeßonert ju wer*
ben, unb gelangt e r ft b a n n in bie Spalten ber DageSbldtter, bor bie Kammern,
an ben Aerfucß ber praltifcßen Ausführung. $ier zeigen ftcb zum erften 2Jtal bie
inneren SBiberfprüdße, bie aufzuftnben bisher Aiemanb ein Sntereffe butte, unb
bie fofort nicht adein ber Ausführung beS 3$orf<hlagS ein 3iel fcfcen, fonbem
auf 3aßre lang baS getduf(bte unb bestimmte ^ublitum ber $olitif überhaupt
abfpenftig machen, unb bie £errf<haft beS einmal Söefteßenben noch weiter be*
feftigen. 60 folgten ftch einft AeichSberfaffung, preußifche ßinung, würzbur*
ger Konferenzen, SBieberßerftedung beS 93unbeStagS; fo, fpdter Aationalberein,
granlfurter gürftenfongreß, S3egeifterung für S<bleSmig*£olftein. $ie poli*
tifchen Programme haben ganz baS Scßicffal ber philofophifchen Spfteme bon
ehebem: ein jebeS überführt baS borige eines JHecbnungSfeßlerS, unb bereichert
mit menigftenS einer Wahrheit baS ©efammte ber Grfemttniß; aber ein
jebeS begeht auch feinen AechnungSfeßler, unb errichtet barauf Dßurm*
gebaube bon fcßwinbelnber ^öße, beren ßinfturj ben SBeiterbau fauer unb
mübfam macht. 3n Amerita tritt jeoeS ©ebanfenbrucßftücf in einer Waffen*
berfammlung auf, richtet fi<h wthgebrungen an baS Aerftdnbniß auch ber Un*
gebilbeten, fe&t ftch mit ben robeften $olfSborurtßeilen auSeinanber, unterzieht
ftch ben wortreichen $aarfpaltereien ber 2Bintelabbofaten unb ber ftidfehmeigen*
ben Kritif ber SeitungSlefer, unb gelangt, wenn es nicht fofort ber Aergeffen*
heit anßeimfddt, unberzüglich z um ^erfuch einer praltifcßen Durchführung.
SBemaßrt eS ftch, fo hrnterlä^t es fegenSreiche golgen; erweift es ftch als un*
ftichhaltig, fo giebt eS eine gute Sehre. gu jebem fjall bleibt bem SSolfe bie Suft
ap ber SBeiterbilbung feiner politifcßen Dialefti! unbenommen, unb bie
tobten fünfte, an benen biefe ftoefen müßte, werben glüdlich umgangen.
Ginige biefer tobten fünfte in ber beutfehen SBoüSbiateltif, biefer funba*
mentalen SBiberfprüdße, bie ihrer dfthetifchen Unanfeßnlicßfeit wegen bem Abler*
blid ber beutfehen Sßubliziftif zu entgehen fcheinen, unb bem üfltaulmurfSauge
beS ameritanifeheu Kannegießers, ber ftch in jene (Miete berirrt, begegnen,
füllen nun refpeftswibrig angebeutet werben.
Da ift zu adern Anfang ber Saß: „2Jt an lann nicht auf bem
2 Bege frieblicher Serßanblung erreichen, was gemalt*
fame 93efeitigung beftehenber üfltdchte borauSfeßt" —
bem bie beutfehen Sßotitifer ader Parteien bie Augen bis auf ben
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heutigen Dag oerfdblieben. SBcnrt bie amerilanifdben göberaliften bom
34re 1787 ftdb mit planen getragen Ratten, bie Keinen Staaten, toie
Sftyobe 3Slanb, Delatoare u. f. to., burdb bie groben su berfdblingen, ohne bodb
ben Üfltutb su haben fte mit ßrieg gu Übergaben, fo todre bie grage ber ameri*
lanifdben Union beute noch in einem dbnlidben Stabium tote bie ber beutfdben
(Einheit* 2Bie unenblidb immer bie beutfdbe ber amerifanifdben Diplomatie über*
legen ift, fo toirb eS bodb niemals ben Defterreidbern gelingen, bie ^reuben
ober bie ßleinftaaten gu bereben, gum 93eften ber beutfdben dinbeit eine öfter*
teidbifdbe Sßrobing gu »erben, niemals Sßreuben ober Defterreidb, bie Slnneyation
ber ßleinftaaten bem Slnberen ober ben ßleinftaaten felbft munbgered?t gu ma*
<ben, niemals S3aiem, bie übrigen ßleinftaaten mit dintoilligung berfelben, ober
SßreufcenS, ober OefterreidbS, ftdb einguoerleiben; — ebenfo toenig toie es ein
beutfdbeS Parlament berfteben toirb, bie monardbifeben dingelftaaten in ©üte
unter ben $ut einer bemofratifdben dentralgetoalt gu bringen* blur b ie DranS*
aftionen ftnb möglidb, bie b eiben DranSigenten SSortbeile bringen. Diefe ent*
fefclitb pbiKfterbafte äftayime mürbe in Deutfdblanb fdbtoerlidb ein ^ubligift aus*
gufpreeben toagen; jebenfallS toirb fte bafelbft einmütig bintangefept.
Der gtoeite SBiberfprudb hingegen ift — ein halbes ^abrbunbert nadb bem
SBiener äongreb — als übertounben, beffer gefagt als bebergigt, gu betrachten:
es ift unmöglich, gugleidb auberbeutf<be ©robmadbt
unb integrirenber Dbeit DeutfdblanbS gu fein. Oefter*
reidb toirb ft<b feiner beutfdben dentralgetoalt unterorbnen, fo. lange es feine
Rechnung babei gu finben glaubt, geftüpt auf nidbtbeutfdbe $ülfSmittel nidbt
Deutfdblanb allein, fonbern gang Europa beoormunben gu helfen.
Der britte Sffiiberfprudb: „din rein b eutf db er Staat fann
ntdbt gugleidb für fidb ©robmadbt unb integrirenber
DbeU eines anberen ©emeintoefenS fein", bilbet ben $ern
ber Unflarbeit in ber politifdben Situation beS SlugenblidS. SllS ©robmadbt
»ill ^reuben berrfdben, ben Don angeben; als 33unbeSglieb fod es beratben,
ftdb fügen. 2llS ©robmadbt giebt es mit Oefterreidb, granlreicb, dnglanb unb
Sftublanb bie 3toedmdbigfeit beS gortbeftebenS feiner beutfdben SöunbeSgenoffen
in drtodgung; ttlS ShtnbeSglieb betreibt es ben 93au oon geftungen gur 2lb*
»ehr gegen granfreidb, gelbgugSpldne gegen föublanb, $anbelsfreuggüge
gegen dnglanb, Sdbupmittel gegen babSburgifdbe Uebergriffe. Dab bie gn*
ferejfen ber ©robmadbte unb ber ßleinmddbte barmonirten, ift nidbt benfbar, ba
bie Aufgabe ber ©rojimddbte gerabe im SBerfdbltngen ber ßleinmddbte, bie 2luf*
gäbe ber fileinmddbte im Flandren ber ©robmadbte beftebt. golglidb muh
Sßteuben immer gtoifdben feinen gntereffen als ©robmadbt unb feinen Sßerbinb*
lidbfeiten als SBunbeSglieb todbien — um für drftere gu entfdbeiben, benn eS ift
ja baS SSorredbt eines ©robftaatS, immer in feinem SBortbeil feine Pflicht gu fin*
ben. Sßreubeu als ©robmadbt hilft an ber Sprung DeutfdblanbS, inbeb
Sßreuben als beutfdbeS ©unbeSglieb im 9iatb ber Sertbeibiger DeutfdblanbS bie
erfte Stimme führt.
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SBenn eS nicht ntBgltch ift, biefen SBiberfpruCh gattj außer Augen §u feßen,
fo hilft man ftch burch beigejogene ©erfchiebung jenes juoor begegneten ©e*
genfaßeS gwifChen ©ewalt unb Ueberrebung.
©tan benlt fuß bie 3»üitterfteIIung Preußens als UebergangSguftanb,
burCß ben es ftch ju einer ©roßmacbtftellung, bie aller ©unbeSpflicbten enthoben
ijt, binburcharbeiten foD. Ohne einen einjigen nteyifanifChen Jtrieg ju führen,
foD eS einige unb breißig teyaniföe Anneyationen bemerlfteüigen. Seine
©eftimmung ift hanbgreifliih, aber eS foD fte ohne Dftenber ©tanifefte erfüllen.
®aS Verfahren in ber fChIe8wig*boIfteinifCben Angelegenheit wirb als ©tufter
PorgefCßtagen. Als ©roßmacht geht Preußen einen Vertrag ein, ber Seutfdj*
lanb um gwei Sänbet bringen foD. Als beutfCßer Staat hilft eS btefen ©ertrag
hintertreiben. 3m ©eretn mit DefterreiCh troßt eS SeUtfCßlanb bie güßrung
beS Krieges ab. ©tit $ülfe BfterreiCbtfCber unb beutfcßer Gruppen führt eS ben
fei eg gegen bte SiSpofitionen ber ©roßmäißte unb bie Solbaten eines ®uobej=
ftaats. 3>n herein mit Defterreith vertreibt eS ®eutf<hlanb aus ben erfochtenen
ßanben, unterjocht biefelben, unb theilt ftch mit ben fjabsbutgem barin. 3m
herein mit ©eutfChlanb fuCht eS fjdbsburg um bejfen ©euteantßeil ju prellen.
Als beutfCher Staat erjürnt es ftch über bie in ben feeinftaaten laut toerbenben
©tißbiHigungen feiner $anblungßweife, unb als ©roßftaat macht eS biefem
3om Suft, inbem eS mit granlreiCß unterhanbelt, um biefem baS überrbeinifChe
Seutfchlanb ju fChenlen, baS bieffeitige ju anneltiren, unb OefterreiCb-burCb
Ueberlajfung SübmeftbeutfChlanbS ju IBbem. An biefer Arbeit füllen preußi»
fche ©ürger'unb Patrioten aus beutfcbem ©fet gut einftweiligen SJreitheilung
SieutfChlanbS im frangBfifChen unb babsburgifcben 3"tereffe, nithtpreußifChe
beutfChe Bürger aber mit boCboerrätberifdjen ©eftrebungen gut ©emicßtung bet
©ngelregierungen, naCh feäften mitmirfen; nur baß eS auf bie beutfCßen ©ür«
ger nichtpreußifcher Staaten toeit weniger anlommt, als auf frangBfifCße unb
BfterreiChifChe ©aponnette. 2ßie, toenn biefe Stufe bet Steilung gmifdhen
grantreich, £obengoHem unb #absburg einmal erreicht ift, bie ©nigung
©eutfdjlanbS toeiter befBrbert toerben foH, barübet finben ftch in biefem ©ro»
gramme leine Anbeutungen.
$em unbeholfenen Ameritaner fihtoinbelt ber fepf oh foWbet ©ebanlen*
Pge, nicht wegen ber einlaufenben ©erbreihen, benn in biefer ©egiebung ift er
au<h nicht ohne politifChe ©ilbung, fonbetn wegen ber ©ereChnungen, bie ihm,
wenn er urteilsfähig wäre, als gebiet erfechten würben. Um bie ©IBgliCh*
teit, baß bie übrigen ©roßmäChte nicht bie erwünfCßte ÄurgftChtigteit beweifen,
baß grantreiCh ober DefterreiCh gar ju piel, ©reußen gar gu wenig betommen
bürfte, baß Außlanb ©ttfChäbigung unb ©tglanb $anbelsbegünftigungen per*
langen tSnnte, nicht }u erwähnen, fo läßt ftch ber ©ebattfe nicht abweifen, baß
ja baS projeltirte Äefultat gar nicht ein einheitliches SeutfCßlattb fein würbe.
2Ber fein ibealeS 3>eutfchlanb in ©reußen finbct, baS ohnehin bereits als ©roß*
maCht bafteht, ber hat bereits fein SeutfChlatib, bet tann fChon jeßt nach ©reu*
ßen wanbern, er batf nicht abwarten, bis eS mit fo großer ©tüße um ein paar
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Srooinjen erweitert worben, unb bet gortbeftanb einiger ßleinftaaten ne«
b e n feinem gbeal fann ihm ben ©enufi beS Sefcteren nicht fchmälern; wer
ober fein einiges, freies Seutfchlanb in ber bohen}oHerif<hen Stonarcbie nicht
ertennt, bent wirf baburch ebenfo wenig geholfen, bafj er an tpreufjen, als bafi
et an Oefterreich ober an granfreidj anneltirt wirb.^
Unb wenn bie ©inigung ohne Sreitheilung boih nicht abgehen bann,
fo Iaht fich eine Sreitheilung benlen, bie erftenS ben gran}ofen feine
Srooinjen abtritt, jweitenS feine ©roberung SeutfhlanbS »orauSfefct,
unb brittenS bie weitere Berf<hmel}ung ber refultirenben brei Shetle
Wo nicht anbahnt, boih auf feine Steife erfchwert. ißreufien, wie Oefterreich,
fann auf eine feftere Jfriüpfung beS beutfeben BunbeS aufrichtig nicht eingehen,
ohne ju opfern, was eS, mit IRecht ober Unrecht, fefjr hoch fchäfct, — feine
Stellung als ©rofimacht. Sie übrigen beutfehen Staaten hingegen haben bei
einem innigeren 3ufammenf<hlufj rein Nichts }U verlieren, unb bie herrlichfien
©ewinnfte finb ihnen f«her. Sie freunbnadjbarlichen Begehungen mit Bteu«
|en, mit Oefterreich, mit ber Schwei}, mit $oKanb, würben in feiner erbenHi*
<hen Steife barunter leiben, „beS Seutfdjen Baterlanb" fange fich nach Wie vor,
bie 3oa«, ißoft« unb Stün}»ereine beftänben fort, ber gefchäftliche unb ber gei«
ftige Berfehr würben um nichts gefchm&lert, unb bie Siegelung ber oolfswirth«
fhaftlichen wie ber politifdfen Berhältniffe wäre burch ben Utnftanb nicht er«
fdfwert, ba| mit einer einigen Behötbe oerhanbelt würbe, was bisher mit
Stetigen. Ser unglücffeligen Hoffnung ber Bereicherung auf SeutfchlanbS
fioften Iebig, unb burch ftäftige Sämme — Seutfchlanb unb Italien — ge*
gen frangöfrfche GroberungSfucht gefchüfct, würbe ft<h bie Begehrlichfeit
DefterreichS- unb iftreufienS — jebenfallS btr betriebfame ©hrgei} ihrer S8e»
Wohner — gegen bie flaoifdjen Dtachbam wenben, unb ber Shtafe oom fragen
ber fiultur nach bem Often Sieben unb ©ehalt einhauchen. ©eographifch hat
Seutfchlanb baffelhe Stecht, von einer Bacific«©ifenbabn }u fchwärmen, als Stew*
g)ort, baS }um guten ©lüd an Se;aS unb Stiffouri feine überfchattenben ©roh«
mähte hat. Seutfchlanb, granfreich unb Stufilanb gegenüber beS BeiftanbeS
SftreufjenS unb — nach Bereinigung ber »enetianifhen grage •— DefterreichS wie
gtalienS jicher, fönnte bie SteutraKtät, beren ft<h bie Schwei} ohne eigenes guthun
erfreut, mit äßaffengewalt ergwingen unb erhalten, unb, ohne Spielraum für
irgenb welche Sänbergiet, feine Stellung als $erb ©uropaS unb hohe Schule
ber Sielt in erhöhtem Stajjftab unb mit erweiterten ©efichtSpunften §ur ©el»
tung bringen.
Stenn eS unmöglich ift, bie ßleinftaaten in ber befprochenen Steife }uoer*
einigen, fo wäre baS bie erfte SranSaction, bie allen Betheiligten Bortheile
böte unb bo<b nicht au8}ufübren wäre. Bor »ier}ig fahren hätten fonfeffio»
neOe Berfchiebenheiten binbernb in ben Steg treten fönnen, heute fornmen fle
nicht mehr in Betragt. Sie politifchen gnftitutionen fönnten nicht gleichartiger •
fein, unb währenb bei ber Bilbung ber amerifanifchen Union bie Berfchieben«
heit bet focialen ©ntwidlung baS gröfjte Ifinbemif} abgab, ift in Seutfchlanb
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240
gerabe bie Uebereinftimmung in biefer Beziehung bet größte Sporn zur näheren
Berbütbung. 2)ie BunbeSalte überwinbet eine fehr gewichtige Schwierigfeit,
bie ben amerifanifchen UnionSbätern arges Kopfzerbrechen foftete, inbem fte
baS Berhältnip ber Stimmfraft ber einzelnen BunbeSglieber numerifch feftfteUte.
Bor Slllem aber rnüpte ber p^rgeig ber gürften bei biefern Schritt feine Siech*
nung finben. ©raufarn hat biefen Machthabern baS gahrhunbert mitgefpielt. 3u
Steuben’S 3eiten war ber Dbethofmarfchatt eines Hohenlohe, ber nach Slmerifa
überfefcte, noch beS ebrerbietigften ©mpfangeS unb beS ©ntgegentragenS hoher
Remter unb Mürben gewärtig, unb ein beutfeher ©rbprinz, ber Slmerifa bor bterzig
fahren bereifte, nahm faft eine Stellung in ber &mbeSgef<hi<hte ein* gept
ftnb bie beutfdjen gürftenthümer nach Slupen hin wenig furchtbarer als Buppen*
faften, unb nach gnnen werben fte bon reinen Stepräfentatibbemofrarteen immer
fernerer zu unterfcheiben. SRichtS ift ben \2)pnaften geblieben als ber leere
^offtaat, bem ber Sanbtag mit immer fcheelerem Sluge zufteht. Mie würbe ber
©lanz biefer gefellfchaftlichen Stellung gewinnen, wenn bie breipig ©eftirne zu
einem Stembilb zufammenträten, unb wenn biefeS ©epränge baburch aus einem
inhaltlofen Sanb zum SluSbrud einer Sichtung gebietenben Macht würbe !
Mie bereitwillig folgten bie Monarchen ber Sabung granz gofepps nach granf*
furt! Unb bah fte nicht ohne Umftänbe in ben Sad fchlüpften, ben er ihnen
offen zu halten bie ©nabe hatte, beweift noch nicht, bap fte ben Borfchlag einer
Bereinigung nicht einer eingehenben Berpanblung werth hielten.
£ier begegnen wir einem bierten Miberfpruch, ber zmar feit ben Sagen
ber SteichSberfaffung nur im $intergrunb ber StaatSaftionen ftchtbar würbe,
aber in bie politifche Slttfchauung beS ganzen BolfeS unenblidp weiter hinein*
reicht als bie hörigen, gaft nehmen wir unferen amerifanifchen Sefern gegen*
über Slnftanb, ihn zur Sprache zu bringen: „Menn Monarchen für
eine Bereinigung gewonnen werben follen, fo barf bie
Bereinigung nicht eine Stepublif fein." Mer fchlechterbingS
eine nichtrepublifanifche Stegierung nicht einfepen helfen will unb barf, ber hat
fleh bon ber beutfdjen grage fern zu halten, bis bie ©inzelftaaten fämmtlich Sie*
publifen geworben ftnb; fofern hier mit gegebenen ©röpen operirt werben foU,
mup mit$)pnaftenunb$pnaftieen operirt werben. S)ap baS Bangemachen hier
nicht gilt, hat fleh 1848 genugfam herauSgefteHt. ©S wäre ungerecht, biefer
unumwunbenen ©rflärung einen ^Mangel an*republifanif<her ©eftnnungStüch*
tigfeit unterftellen zu Wollen. Menn man einmal nicht Stebolutüm m a <h e n
fann, fo erreicht man auch nichts mit Stebolution f <hreiben, ©ine Stebolution
ift ein politifcheS Munber; wer fte borauSfept, entfernt ftch bon bem Boben ber
Mirflühfeit. Mer in ber Mirflichfeit ftch bethätigen will, mup ohne Munber
fertig werben.
Man hat ftch babei nichts Ungeheuerliches zu benfen. £)ie hohen $äup*
% ter werben ftch wohl zu einer abermaligen Steife nad? granffurt, auch ohne bie
Mitwirfung Seret bon Österreich unb Breupen, bewegen laffen. ©inem öffent*
liehen Sagen, auper bei ceremoniellen Beranlaffungen, würben fte ohne 3u?ei*
241
fei Sifcungen Bei gefdhloffenen Spüren boräieben, ba parlamentarifdhe Söerebt^
famfeit ohnehin einem orbentlidhen gürften nicht jiemt. 2luS biefen Vera*
jungen würbe ein VerfaffungSentmurf Verborgenen, ber, um ®efefceSfraft ju
erlangen, bie ®enehmigung ber Vertretungen ber Ginjelftaaten, beren Verfaf*
fungen baburdh Slenberung erleiben müßten, — erforbern würbe. 3n ber Re¬
gelung ber Verhältniffe ber Ginjelftaaten $u einanber unb jur Gentralgemalt
todre nichts pon ähnlichen bereits getroffenen Ginridhtungen mefentlidh RbweU
dhenbeS ju gewärtigen, 3fn ber Organifation ber Gentratgemalt mürbe ftdh
hingegen biefeS gürftenloßeg bie Gyefutibe mit möglidhft auSgebehnten üRadht*
befugniffen felbft borbchalten, unb bon ber Einnahme biefer Vebingung
feilend ber VolfSbertretungen mürbe bie Vereinbarung abhängen. Gine
lonftitutioneKe gorrn märe bamit burdhauS nicht im 2Biberfpru<h, nur mürbe
unter allen Umftänben ber Gifer ber gürften unb ihres Anhanges, unb bamit
bie Goncentrirung beS politifdhen SebenS auf bie neue Stopfung, bon bem ®e*
minn an perfönlidher Vebeutung abhdngen, ber ben baheim faft entthronten
gürften im neuen üRittelpunft eingerdumt mürbe. S)ie bemolratifdhe Richtung
müßte ft(h bagegen in ber Sucht nach Grmeiterung ber Vefugniffe ber ihrem
Ginfluß immer mehr anheimfallenben Ginjelregierungen gettenb machen.
SBenn nicht fang bauembe Kriege baS militärifdhe Glement in ben Vor*
bergrunb brdngten, fo ift auch nicht abjufehen, weshalb eine foldhe erbliche
gürftenlammer, bie in griebenSjeiten immer im Repräfentiren ihre «gauptauf*
aufgabe finben mürbe, für bie greiheit beS Volles, baS bie lolalen Vehörben
lomrollirt, fonberlidh gefahrbringenb werben lönnte, — bei langbauernben ßrie*
gen aber werben alle politifdhen Sdhußmittel illuforifdh.
GS lann wohl nicht fein, baß biefe foeben aufgefteUten hier Säße richtig
ftnb, benn in biefem gaü mürben fle über alle beftehenben politifdhen Parteien
in $eutf<hlanb baS Urtheil fpredhen; nicht einer einigen wäre eS borbehalten,
baS Räthfel ber Sphiny gu löfen. Unb bodh will uns bebünlen, baß bie
Gntmidelung ber politifdhen ®ebanlen, bom SBiener Gongreß bis auf ben ®a*
fteiner Vertrag, bon Rtetternidh bis auf ViSmard, bon ben Vurfdhenfdhaften
bis auf ben Rationalerem, ein ®efeß befolgen, baß nur auf foldhe Refultate
führen lann. GS ift bie Verufung bon bem phantafierei^en ®emüth an ben
falten, unerbittlichen Verftanb, eine Vemegung,bie bem beutfdhen ®eift
ebenfo fchmer wirb, als einem pbantaftelofen 2Befen ber höhere Schwung ber
®ebanfen, ber baS Sßarteileben beS £ageS an Ort unb Stelle täglich in ben
SEßeg treten läßt; — unb bodh bie unerläßliche Vorbebingung beS ®elingenS.
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242
jß t r !Cnt*r0a*«0.
SJrudhftüd aug einer (Siegte
ron Weintjolb Folger«
SBo ift bag $aug mit feinen ginbenbdumen,
SDWt jenem bunleln, trauten ©ernadh,
SBo in bie Dämmerung bon Äinberträumen
©in liebeglanjenb STtutterauge brach?
SBer forgt ? mer lacht? mer meint in jenen Saunten,
SBo er gemeint, in beffen Slugen, aöh!
SBenn greub 7 am Knaben feuchtenb fte burchbrang,
3)e8 gebend bollfte gaft nid&t eine S^räne jmang ?
2 ßo ift ber $erb, an bem in 2 lbenbfhtnben
©in heimifch geuer bie ©efchmifter fanb,
SBenn oft bag geiben früher gebengmunben
Sich tbranenbott aug ihrem 23ufen manb,
Unb hoch, mo ©ram unb Sorg 7 unb Sotb berbunben,
SSerlaffem^ett, ber Slrmuth 3)rüderhanb,
Slrn marmen £hau 7 n aug ehteg SJruberg S3liden
3 ufammenfdhmolj in innigeg ©ntjüden ?
SBo bift bu, güngling mit ben ^urpurmangen,
Slug beffen Sluge brennenb geben fuhr,
SBenn mir ung ernft unb feft unb milb umfchlangen,
Unb $ag unb Sacht, unb ©ott unb bie Satur,
3n unfern Stonb ihr himmlich 3eugnifj Hangen,
SBenn bu mir, ich bir em’ge greunbfehaft fchmur ?
greunbfehaft, — o heiliger SBahnrmn! — über’m ©rabe!
SBeifj noch ber SWann, mag er gelobt als Änabe ?
grr’ um, o SBehmuth, um nadh allen SBinben!
S)ein troftlog Sluge mag im SlbenbKcht
S)en SBieberglanj bon taufenb Fächern finben,
2 >o<h jeneg #aufeg $)a<h, b ag $a<h, bag nicht. —
Unb big mo ganb unb £iramel fid? berbinben,
60 meit ber 3 rclel reicht unb mein ©eftcht —
$a ift lein §aug — unb fort burch alle 3 wen —
SJtir fchlägt lein $eq bon allen, bie brin mohnen.
Db ©lüdeg Kargheit ober feine ©aben,
Db SBeltgemühl, ob ©btt, ob Habgier laß,
Db giebe marm euch mir entfrembet haben,
Db euch ber 3*ü berfteinembe ©emalt,
243
$E)ag ©rat eudj felbft bag 3ugenbherj begraben,
2Bag gilt bag mir ? Entfernt, bermittert, alt,
SSermettlidht unb berhimmett, arm unb reid?,
SKir feib ihr tobt — unb ich ? mag bin i<h eu<h ?
£ob ift bte Sofung! ßeine üUtagle läfct
@r fteh’n, nimmt ßinbheit, 3ugenb, aWanneSfraft,
Stimmt 2lUeg unb bi<b felber in ben Steft.
^aft’ feft an Siebe, ©laube, 2Bijfenf<baft,
^alt’g mo bu fannft, — bo<h mo ftdh’g batten läfjt,
$a ift e^ enblidb, ift eg manbelhaft! -
5DWt Sabeln ober Slngft, Suft ober ©rarnen,
So iffg — unb fo mie’g ift, fo mufjt bu’g nehmen.
Stimmt, nimm eg benn — au<b bu, mein SBatertanbl
2lud? bu mirft geh’n, mobin fte alle gingen.
3n beiner ßirdjen aufgetiffne SBanfc
SBirb Sta<btminb fdjaurige ßboräle fingen.
3)er müffge SSanbrer mirb born fernen Stranb
Sein burftig Stofe bureb beine SBüften gingen,
Hm auf bem $lafc, loo einft *ßarig gemefen,
2)eg ßorfen Slufem unb (Snglanbg S<bma<b ju lefen.
Söerg über 93erg, bu golb’ne ^urpurpradbt,
Unb tief im Strom, in immer breitem glutfeen,
3um ÜSteeregbranb bort hinten ongefadjt; —
2Bag ffeielt ihr Seben, fcfeöne glammengtutfeen ?
2Bir lennen euch, ife* 93oten naher SZadjt;
SEßir follen rub’n, mo anb’re SBelten ruhten,
Seit Sleren — über unfern Seichenfteinen
Soll nur born SJtonb bie Sonne mieberfdfeeinen.-
Seht, mie fie finit! unb biefe SGBelt mirb Stacht,
S)ort über’m SJteer beginnt ber Sag gu fcheinen,
Unb mag i<h einft geträumt, gehofft, gebaut, —
Sei’g b’rurn — auf immer fei’g ! unb ohne SBetnen_
ffler meint, menn eine SGBelt<n krümmer Iracfet,
8$or feineg ©lüdg geborenem £aug, bem Keinen ?
$ier gefe’ft bu unter, Sicht, auf fteigft bu ba:
Europa ftirbt — eiI bir, Slmerila!
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,3|l &a* „Grammen“ eine ltdjt- abtv 3d)attaifcitc
öca amerikanifdjen (irufjljanöds?
&on 6. Ä. &e?tta$#.
Sffienn man fid^ übet einen Suftanb unterrichten will, Bon meinem ftetS
nur im Sofern gefptoChen toirb, fo mu& man fi<h niemals mit bireften gragen
an ©iejenigen roenben, bie babei eine BernehmliChe Molle fpielen. ©enn bet
©efragte fühlt, bab er ftcb gegen ben böfen SlitfChein j« Bertbeibigen
habe; fo werben feine Heujjerungen Biel wabrfcheinliCher jum gemanbten
Paiboper einer böfen Sache als jur Haren SluSeinanberfefcung eines burdj febr
erllärlictpe SKotiBe bebingten BerhältniffeS. 2BaS icb baber auch über baS
„©rummen" jufätlig unb gelegentlich erfuhr, bat einftimmig einen Biel entfebei»
benberen SBertb als alle StuSeinanberfefcungen, bie mir auf birelte Anfragen
geworben wären. Unb wie benn in allen Singen ber 3ufatl bem Utjsbegie*
tigen günftig ift — weil er eben baS ibm ©ienliChe nicht leicht überhört_fo
Oerbanfe ich auch ganj unBorbergefebenem Begegnen bie reiften unb unmit»
telbarften SluffChlüjfe über biefen ©egenftanb. Säbt man ft<b auberbem bie
gehörige Seit, unb erhafcht man felbft in weiteren 3wifChenräumen gelegene
liehe, ober bo<b nur inbirelt Berantabte Säuberungen, unb bat man felber leine
Borgefafcte SlnfiCht, fonbem ben wahrhaftigen Pillen, fi<h teblich ju unterrichten,
fo lann man barauf jählen, baS man baS richtige, unoetfälfehte SDlaterial jur
Bitbung einer wohlbegrünbeten Uebeqeugung auf biefe Sßeife ohne befonberS
grobe SJlülie finbet.
SRach biefer 2Jtafime Berfuhr ich, als ich Bor etwa fe<bS Monaten ben
©üben burtbteif’te.
2luS ©aufenb unb aber ©aufenb fpontanen Säuberungen ber nach SHabanta,
Souipana, astifflfftpfpi unb SlrfanfaS beimlebrenben SRebellenfolbaten Bon Siet
©aptor’S GorpS, aus jabHofen an mich gerichteten gragen Bon BPanjern, 3j e *
gern, unb unftät herum itrenben Berarmten Peipen, aus ben Sölienen unb nur
feiten unb äuberft biptomatifCh gebreChfelten Bhrafen ber fübliCben grauenweit
erwuchs mir ein Bilb beS Untergangs einer gefellfChaftliChen Orbnung, baS ju
ben mäChtigften unb wabrbafteften ©nbrüden gehörte, bie mein an Beobachten
fo Bieter grobartigen Greigniffe gewöhntes Sehen erfüllte. $ätt’ i<b gefragt unb
gejeigt was iCh wiffen wollte — iCb würbe ein 3errbilb mit naCb £aufe gebracht
haben, fo unwahr unb carrilirt als bie meiften Berichte ber auf birelte Spähe
ausgegangenen SRegonftructionSgehülfen.
©er ©egenftanb, mit bem iCh eS hier ju thun habe, erheifCht eine ähnliche
©ehanblung.
geh hotte feit Bielen gahren fChon bie Beobachtung gemacht, bab nur baS
corporirte Kapital, unb nur bie allergewaltigften in einer einzigen $anb auf»
geftauten Meichthümer birelt ihre Pacht in bem ©efChäftsleben ber Ber. Staa»
ten auSüben. ©ie Keinen unb mittetgroben Kapitalien gewinnen nur burCh
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raftlofc 2^ätig!cit unb bie Eigenthümlichfeit bcr fte hanthierenben Snbbtbuen
ihre 23ebeutung. 3$ bemerfe babei nur beiläufig, bab bag, mag man im
®nnenlanb ©robhanbel nennt, meiter nichtg ift alg SBcrfd^Iei^ ober 2)e*
tailhanbel beim 2)ufcenb, ober in gemiffen runben Quantitäten. ©erabe biefer
f. g. ©robhanbel beruht biel meniger als bag aßerHeinfte*25etailgef<hdft auf
ber £öhe beg angelegten ßapitalg, fonbern gang mefentlich auf ber inbtoibuellen
Stellung ber SSerfaufer gu ihren Slbnehntern. 25er ßleinberfdufer ift auf eine
faft gahllofe ÜUtenge Heiner Söörfen angemiefen. Er mag fte febr mohl burch rei*
chere Slugmahl, burch Erebit im [ftothfalle, burch billigere greife angiehen; ber
f. g. ©robhänbler bat eg mit einer limitirten 2Jtenge bon Käufern unb mit
größeren SBörfen ober Erebitbebürfniffen gu tbun, — unb auffalienber SBeife —
auffallenb menigfteng, fo lange man biefe 3uftanbe nid^t ergrünbet, — berbel*
fenibmni(bt einmal unteräebn feine gröbere Slugmahl, fein Singe*
bot bon längerem Erebit, feine befannte [Rechtlichfeit, jafelbft feine niebrigeren
greife gur Ermeiterung feiner ßunbfchaft.
SBober fommt bieg, unb mag bebeutel eg ? 3# taffe meine Erfahrungen
felber fprechen, unb biefe foHen borerft ein boUeg Sicht auf ben ©egenftanb
merfen.
2llg ich bor ungefähr einem 3ab*e bon Baltimore nach Eintinnati reifte,
ma(hte i(h bie 33efanntfchaft eineg 2abad*[Reifenben für ein Söaltimorer «gaug.
Obgleich in ber 33lüthe beg SJtannegglterg, benn ber junge 2Jtann gdhlte etma
26 big 28 3abre, unb bon einem urfprünglich robuften Körperbau, belunbete
boch bie gange Erfcheinung meineg neuen S3efannten eine auffällige SRattigfeit
unb Erfchöpfung, bie mich meg.en beg Eontrafteg mit bem mddhtigen ©erüfte
um ihre Urfache neugierig machte. Ueber ben mafftben Knochen lag eine
fchlaffe, bünne SRugfulatur, unb biefe bebedte eine faft leblofe, gelblichmeibe
£aut. S3uf<hige, fchmarge «gaare auf bem «ginterfopfe lieben ahnen, bab bag
faft big gur «gälfte fahle £aupt bor noch nicht langer Seit mit bem teilten
•gaarmuchg be&edt gemefen mar, unb bag bunfle, lebhafte Sluge mar noch meit
mehr, alg eg bei ben Slmerifanern angelfdchftfchen Urfprungg überhaupt ber
galt ift, bogelartig aug bem ßopfe getrieben. Unb boch fonnte man nicht fa*
gen, bab ber junge SRann Iran! fei, benn feine 33emegungen maren rafdj,
menn auch etmag unftcher, feine Stimme flangboß, menn auch meiner alg
man fte bei feiner {onifchen SSruft unb feinem mugfulöfen .galfe hatte oermu*
then foUen, fein Slppertt normal, mobei eg mir jebodg auffiel, bab mein ©e*
führte trofc eineg 3mifchenraumeg bon biergehn Stunben fejt unferer lefeten
SWahlgeit biel mdhlerifcher mar, alg ich, ber faft hoppelt, fo alte, in nicht minber
mohlhabigen SSerhältniffen Srgogene SRann.
©egen bag Enbe unferer [Reife mürben mir fehr bertraut* miteinanber,
unb nadhbem ich ben Anfang mit ber Ergählung meiner eigenen Saufbahn ge*
macht, erfdhlob fuh mir auch mein jüngerer greunb, aug beffen Schidfalen ich
ihn mit eigenen SBorten bagjenige tytx mid ergählen laffen, mag auf ben
©egenftanb unb 3med meiner Aufgabe 33egug hat.
246
„2lm ßnbe ber großen firife bom 3fabre 1857 mar idb nodb ein febr
junger ÜUtann. S)te ©efdbäfte gingen bamal« im ganzen fianbe fo fdbledbt, bafj
idb frob mar, in bem $aba<f«baufe, für ba« idb beute reife, um ein ©ebalt ar*
beiten gu bürfen, beffen idb mich jefctfaft fdbäme. Qdb mar bamal« ein atbletifdber
3unge, mie man fte in Jantilien nidbt feiten antrifft, in benen ber JBater ein
2lmerifaner unb bie UJhttter eine $ennfblbanifdb*$eutfdbeift. ©« gab feine Arbeit,
bie idb freute, aber audb feine 2lu«fdbmeifung, bon ber id? glaubte, fte. fönne rnidb
ermatten. Unb 2lu«fdbmeifung aller 2lrt gehörte gerabegu gu ben Söebingungen
meine« gortfommen«. $ie fiunbfdbaft meine« £aüfe« mgr burdb gabllofe
SBanferotte unb baburcb entftanbene Slengftlid&feit im Grebitiren auf« Sleufserfte
rebugirt, tinb mir hier SBerfäufer (salesmen) tbaten baber ba« Ungläubige,
um unferem $aufe neue, unb gang, befonber« SBaargelbfunben gugufübren.
SBon allen jungen Seuten mar i(b ber Stärlfte unb ber am fdbledbteften f&t*
gablte — i<b batte baber ba« aKermd^tigfte 3>ntereffe, bie beften unb meiften
Slerfdufer bereingubringen, ba xd) rnidb biwburcb für bie 3ufunft nidbt nur
meinem £aufe unentbehrlich madbte, fonbern audb gang bireft burdb einen flei*
neu Sßrogentfafc bom betrag meiner Verlaufe ba« gntereffe meine« eigenen ©elb*
beutel« mabrte. DJtan fonnte rnidb bamal« in allen Strafen, in aßen ©aftböfen,
gu allen Stunben be« Sage« unb ber ÜRadbt bie gäbrte bon neuen Äunben er*
fpäben feben. 211« mar 7 idb atlgegenmdrtig, fanb idb rnidb bei ber 2lnfunft aller
23abngüge unb aller 2)antpfboote an ben entfernteften 2anbung«pläfcen ein.
3db frübftüdfte in brei berfdbiebenen Sofalen, um gemiffe al« A number 1 be*
fannte ßunben nidbt gu berfeblen; idb ab oft breimaf gu ÜJIittag, um einen
baargablenben „Sßefterner" gu fpredben, gu traftiren unb burdb meine SBerfüb*
rung«fünfte an rnidb gu feffeln. £atte idb ihn ergäbt, bann hielt idb ntidb an
feine Sßerfon, fpürte inftinftmäpig feine Sdbmädben au«, unb meldje immer fte
maren, idb madbte fte gu ben meinigen. 2Jtit einem SUtetbobiften ging idb fogar
einmal in ba« SUteetingbau« feiner Secte, unb abmte ibm gu ©efallen bie
SJtienen unb ©eftifulatiouen ber grömmften unter ben frommen nadb. 9Jtit bem
Printer ging idb bon 2öirtb«bau« gu 2Birtb«bau«, bem Spieler geigte idb feie
Spielböllen, unb e« feauerte nidbt lange, fo mar idb für . bie allerlieberlidbften
unferer ßunben felbft ein SBegmeifer in bie bermorfenften «£>öblen be« Safter«.
3db fonnte bamal« Quantitäten ber allerftdrfften ©etrdnfe bertragen, bon benen
ein mabre« SKinimum mir beute ÜRerbengudungen berurfadjen mürbe. 3$
mupte meber ma« ©rmübung nodb ma« Slbfdbeu bor ben robeften ©enüffen fei —
unb eine foldje Regung, batte idb fte audb empfunben, mürbe burdb ben bi« gur
bödbften Seibenfdbaft gefteigerten Stolg, bie meiften Äunben eingebradbt gu ba*
ben, erftidft morben fein.
ÜRadb Verlauf bon fedb« bi« fteben fahren eine« Seben«, mie e« meiner
Erfahrung nadb brei anbere gufammen mit ununterbrochenen 2lu«fdbmeifungen
nidbt au«füKen fonnten, mar icb al« ber befte SBerfäufer im Saltimorer £abacf«*
gefdbaft renommirt, unb mar mein £au« ba« erfte in feiner 93ran<he.gemorben.
2Jlein ©ebalt mar bi« auf $4000 per 3»abr geftiegen, uub mdre nidbt gerabe
ICT
jut Unjeit eingetreten, wo»on ich heute fehr gut weil, bah überhaupt
meine SRiefennatur eS nur »erfpätet batte, ich würbe jeftt einer ber h°<hften
©heilhaber meiner gitma fein.
Slffein felbft meine gelfennatur erlag, unb ich habe feitbem erfahren, bap
bie 3Rer»enjufäße, bie mi«h faft plöfclich für meine bisherige »efchäftigung
unfähig malten, nichts SfobeteS als baS Delirium tremens waren. 3mei
»oße Sabre muhte ich fern »on aßet gewohnten Sefchäftcgung auf bem Sanbe
jubringen, unb als ich jurüdtam, Wüßte ich ben alten SebenSwanbel nicht mehr
erneuern, hätte eS auch meine theilweife wieber hergefteßte ©efunbheit
m8gli<h gemacht, ©eitbem hatten mich Slnbere in meinen fünften »eit übet»
holt, fo bah ich nicht nur jeben ©ebanten an bie ©heilbaberfchaft ber girma,
ber ich (für fte toenigftenS) fo erfolgreich gebient hatte, aufgab, fonbem bah «b
mich glüdlidj fchäfcte, in bie bei weitem weniger ejtraoagante Mittel beanfpru»
chenbe Steße eines SReifenben für mein altes -gauS eintreten ju tönnen. So
ift meine Gamete gebrochen, meine SRiefennatur jerftört — unb bieS SlßeS
einem ©ebrauche ju Siebe, ber ©aufenbe »on jungen Seuten ruinirt, unb ber
unberechenbare Störungen in unferm ganbel erjeugt, währenb er gang
unöerbienter SBeife baS eine ober baS anbere ©efchäft in oft fabelhaft furjer
Seit bis gur höchften »lüthe empor hebt."
3<h breche h«r bie ©rgäblung meines SReifegefäbrten ab, ba ich, »aS er -
mir weiter mittheilte, aus bem SDRunbe eines SanbfrämerS (Country Merchant)
aus gßinoiS, in mancher £inf«ht noch begeichnenbet, beurteilen hörte.
GS war mir nämlich auffaßenb, bah einer meiner greunbe, ber feit »ielen
fahren in einem blühenben Sanbftäbtchen in QßinoiS ein f. g. aSarietp»@ef<häft
betrieben, es plöfclich aufgegeben, um ft<h in ben $et*oleum»S<hminbel gu
bin eben ruinirt, antwortete er mir, feiner felber fpottenb, auf meine
beSfaßftge leicht hingeworfene Stage. Unb jefct, ba ich nichts mehr »erlieren
tann, »erfuche ich baS Sotteriefpiel in Petroleum."
SDReine SBihbegierbe lehrte mich meinen Unmuth überwinben, unb ich »er»
mochte meinem alten »elannten bei einem ©lafe Sffiein feine mir nicht wenig
interejfante »eichte abguloden.
„So lang ich mein ©efchäft nicht aflgu fehr auSbehnte, fagte et, unb ich
mit mähigem ©ewinn bei mähigen Verläufen gufrieben war, ging SlßeS gut.
3<b taufte ben geringen Stod »on «Sßaaren, bejfen ich beburfte, im grühling unb
ßerbft ftetS bei benfelben Käufern ein, unb was mir in ber 3wif<hengeit aus»
ging, baS befteflte ich brieflich unb hatte mich niemals über bie SluSfübrung
meiner Aufträge ju betlagen. ®a wiß eS ber 3ufaß, bah »<h auf bet Ohio»
2Rifftffippi»Sßahn mit einem jungen ®rpgoobS»SReifenben befannt werbe, ©er
junge 3Jtann geigte fuh gegen mich äuherft guoortommenb. Sn St. SouiS an»
getommen, lub er mich ein, mit ihm in'S beutfehe ©heater gu gehen, unb nach
bem ©heater tränten wir einige glafchen »ortrefflidben SRheinweinS. SBir fpra»
chen mancherlei über baS ©efchäft, unb ber junge SBlann »erfuherte mir, bah
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248
ich, wenn ich in f e i n e m fjaufe meine Gintdufe machen wollte, um minbeften«
20 ißrojent billiger als irgenbwo fonft einlaufen tönnte. 2 tu<^ bürfte ich we=
gen be« Grebit«, beffen ich ettoa bebütfe, nicht beforgt fein. 3 <h foHe baat
bejahen fo oiel ich lönne; für ben Weft b>ätte ein foiiber «Wann, wie ich,
einen Grebit, ben er abfolut nach Sequemlidjfeit einridjten !5nne.
Sßerlwürbiger SEBeife wohnte ber junge «Wann in bemfelben ©aftbaufe
wie ich, unb taum fajj ich beim grübftüd, al« er auch fhon mit bet gröbten
greunblidjfett neben mir Sßlafc nahm.
3wat begrüßte mich an bemfelben «Worgen in atter grübe au<b einer ber
Gierte be« ©efhäfte«, bei bem ih b i S b e r meine ©rpgoob« eingefauft batte,
unb i<b fagte ibm ju, ba« i<b unfehlbar bei ibm »orfprehen würbe; allein eS
war mir »ollftänbig unmöglich, na<b fo grober mir erwiefenet Wufmerlfamteit
»on ©eiten meine« Weggefährten bie Ginlabung, juerft feinen «EBaarenoorratb
einjufeben ebe i<b irgenbwo anber« einlaufen würbe, abjulelmen.
Won ba an batirte mein Wuin. ©er junge «Wann bewies mir butcb eine
unwiberleglicbe Sogil, wie es nur bann möglich fei, »iel ju »erlaufen, wenn
man groben Worratb habe, wie »iel billiger man bei groben Ginläufen beban«
beit werbe, unb feine unerfhöpftihe SiebenSwürbigteit lieb mi<b nahezu ba«
©reif a<he »on bem an SEBinterwaaren einlaufen, wa« ich jemal« ju»or ein«
gelegt batte. Um jebn Ubr gingen wir jum £un<b, unb fhon fpürte i<b bie
folgen meiner ungewohnten SebenSart. 3u «Wittag begleitete mich mein un«
erfhütterliher ©efäbrte ju ©ifh, unb ein paar fjlafdhen Gatawba ertöbteten
»ollenb« ben legten Weft »on SBiberftanbäfäbigleit in mir. ©er junge «Wann
»ertaufte mir am Wachmittag fo »iel er wollte, unb wäbrenb e« in ber grübe
noch mancher rebnerifhenVoSlelit beburft batte, um mir ein ©ufcenb Stüd
GalKco mehr aufjufhwa&en, brauchte er am Slbenb »on einem Stüd
«Werino ober einer Schachtel »oll SBänbern, Sifcen, knöpfen ober dämmen,
SBaaren, bie er lo« fein wollte unb bie ich faum brauchen lonnte, nur noch ju
fagen: „ 3 <h lege e« ju 3 bren anbetn ©ütern", unb ich lieb ihn »öllig wiber«
ftanbäunfäbig gewähren.
3lm 2lbenb machte mich mein neuer greunb mit bem Sobn eine« ©tob*
bänbler« in Gifenwaaren belannt. 2 Bir gingen jum Siet, fpäter jum «EBein;
ber junge Gifenbänbler bejahte überall bie 3ehe, unb ba er mir » e t f p r a ch,
mich morgen in aller grübe abjubolen, um mit fein ©efhäft ju geigen, fo war
nicht« natürlicher, al« bab ich jufagte, ihn erwarten 311 wollen.
3 a, e r w a r t e n! Gr war lange » 0 r mir in ber $alle, frübftüdte mit
mir, laufte mir am ©chenltifch bie heften Gigarren, unb bann ging’«' nach feinem
©efchäft«baufe, wo mir abermal« für »olle 2000 ©ollar« mehr «Eßaaren auf's
aHerliebenSwürbigfte aufgefhtoafct würben, al« ich jemal« »orber in einer
Saifon getauft batte.
Schanbe halber befuchte ich nun auch noch meine alten Käufer, laufte
auch bort noch einmal mehr als ich wollte, um baburch ben Umftanb ju be«
mänteln, bab ich wein haare« ©elb anberäwo angebracht, unb tarn enblich mit
249
einem fo großen SSorratb non SBaaren in meinem Keinen Sanbßdbtchen an,
i^n auS fanget an Eaurn nid^t einmal $ur £dlfte auSpatfen, ge**
fchweige benn oortßeilhaft bem ^ublifum geigen fonnte.
•Natürlich fuchte fein 2Jtenf<h eine fo große EuSmahl bei mir, unb ba
i<h fo plöfclid? mein SBerfaufSlof&l nicht oergrößern fonnte, fo blieb mir ber
größte £ßetl meiner SBorrdthe bte lange nach ber Seit, als bie bafür auSgeftell*
ten bloten fd^on fällig waren.
2)aS grühjahr fam, unb ich foHte wenigftenS 10,000 SoHarS mit nach
St. Souis nehmen, theilS um langft fällige Eoten ju jahlen, tßeilS um neue
Sommermaaren einjufaufen. Eun belief ft<h alles ©elb, baS ich flüfßg machen
fonnte, nicht oöllig auf 5000 Dollars. gn meiner Stotb entfdßloß ich mich,
biefeS einige 2M meine Einldufe nicht in St. Souis, fonbem in Chicago ju
machen, unb bort n u r gegen .baar einjufaufen. geh hoffte am Enbe beS
Sommert bie St. Souifer beliebigen unb fte bis borthin binbalten ju fonnen.
Ellein in Chicago ging es nahezu wie in St. Souis. Euch bort fiel ich —
oollfommen frernb unb unbefannt — einem „krummer" in bie $dnbe, unb
unoerfeßenS hatte ich nicht nur Söaaren für meine 5000 ^Dollars baar, fonbem
nahezu ebenfo oiel auf furjen Erebit getauft.
$ 8 on ba an oerfiel ich Oon einem grrthum in ben anbern. geh hatte balb
einen nahezu unoerfduflichen Stocf oon etwa 7000 bis 8000 Dollars im En*
faufspreife an $anb. geh begann ihn ju oevfchleubern. Steine ©laubiger
erfuhren eS, unb flagten, um ft<h su beefen, ihre bloten gegen mich ein. Uno
fo feben Sie mich beute Oollfommen ruinirt, als einzige Dieffource angewiefen
auf baS große 8 ooS in ber $etroleum*2otterie.
geh überlaffe meinen fcßwachen Sanbfrdmer feiner S^eue unb feinen £off*
nungen unb berichte, ehe ich auf bie tieferen Urfachen biefer Suftdnbe eingehe,
über meine Begegnung mit einem ber würbigften ÜDtdnner aus bem amerifani*
fchen $anbelSftanbe. 2>er Kaufherr, beffen Erfahrungen ich hier mittheile, ift
einer ber reichten ©roßßdnbler in £üten unb SPlü^en nt Eincinnati. Sein
©efchdft befteht feit oielen fahren unb genießt ben Euf unzweifelhafter Solibi*
tat.
EuS einem langen ©efrrdche über bie mächtigen SBerdnberungen, bie feit
ben lefeten jmanjig gaßren im Eßarafter beS amerifanifchen ©efcßdfteS ernge*
treten, fdßrieb id? ju fpdterEbenbftunbe alles 2 Befentli<he nieber, um fowoßl ber
Sache als ber gorm nach ben erften Einbrud feftjuftellen. S)er forcirte
£anbel, fagte ber würbige Kaufherr, fei nahezu gur Eegel überall in Emerifa
geworben, gn ben lebten fünfzehn gaßren habe eine ans Sinnlofe grenjenbe
Eoncurrenj 3uftdnbe heroorgebracht, bie einem ©efchdftSmann aus ber alten
Schule baS 33lut in bie SSBangen trieben. So fei er felbft 3 . 33. als ein burdß**
aus redßtfchaffener «ganbelSmann befannt. Er halte mäßige greife, befleißige
ft<h ftetS, bie neueften dufter unb bie beften Quantitäten zu befdßaffen, unb ge*
ringere Sorten niemals für bejfere einzulaufen noch feine Seute oerfaufen zu
laßen. Eber baS EUeS helfe ihm nichts; ja bie 33ortheile an ©üte unb SBoßl*
250
feilheit ber ffiaaren ober längere Grebite, bie er feines großen GapitatS wegen
leidster als feine Goncurrenten geben lönnte, würben ihm leine SunbfChaft
ntebr bringen, wenn fte ihm nid^t burch bie ntebr ober weniger mit mancherlei
SluSfChweifungen in Verbinbung ftebenben Vrattilen feiner “salesmen” guge*
führt würben. Sein GefChäft proSperire, unb jebeS gahr mehre fiCh fein
SReiChthum. Von bem Stolge, ber ihn aber einft über bie Vlüthe feines £an*
belS erfüllt, unb oon bem Gefühl ber Vefriebiguttg unb SBürbe eines tü(htigen
®ef<häftSmanneS, baS burCh auf ®efChi<KtChleit, glängenbe Gombinationen,
StuSbauer unb SRed^tfd^affenheit begrünbeteS ©ebenen ergeugt werbe, oon ber
greube am [Ruhm, ber erfolgreiche Ghef eines großen GtabliffementS gu fein, fei
in ihm SUleS fdjon feit oielen fahren faft SllleS bis auf bie Grinnerung gefChwun**
ben. Gr fühle fuh nahegu als eine SM in feinem ©efChäfte; eine auSgeftopfte
Vuppe, irgenb ein beliebiger ®ef<häftsführer, ber bie gtrma repräfentire, ja ein
©elbfatf, ber auf baS einfache SluSgahlen unb Ginnehmen abgeriChtet fei, lönne
als Ghef feines Kaufes figuriren, fo lange ihm feine salesmen getreu blieben.
Verlöre er biefe bagegen plöfcliCh burCh irgenb einen beliebigen Umftanb, ober
OerfChmähe er es einmal, ihre ans GrftaunliChe reiChenben SlnfprüChe gu befried
bigen, fo möge er ein £eilanb an Unbefcholtenheit fein unb feine SBaaren
gegen bie längften Grebite unb bie benfbar niebrigften greife oerlaufen wol*
len — feine b e ft e n Sunben felbft liefen feinen “salesmen” naCh, währenb
ftdh bie minber guten oon bem erften beften krummer löbem lieben, ber fte
burCh ein halb 3)ufcenb Kneipen fChleife, bis fte bergeftalt gemäftet unb
umnebelt feien, bafc fte bie Soften feines SractementS im erften Sufcenb £üte mit
3 infen gurüdbegahlten, bie fte oon ihrem generßfen gührer gu laufen „a n ft ä n *
b i g e r SB e i f e“ ftCh für oerpfliChtet hielten. S)ieS fei nicht nur Oon feinem
eigenen, fonbem oon fehr oielen anbern GefChäften, namentlich Oon folgen,
bie oergleiChSweife mit Keinem Kapital eröffnet werben lönnten, eine unleugbare
SBahrheit, unb eS fei biefe 9lrt beS Veitreibens ber Sunben gerabegu über alle
©täbte in ber gangen Union auSgebehnt. £in'unb wieber werbe baS „2)rum*
men“ mit mehr Slnftanb getrieben; ja es gebe fogar oiele GtabliffementS, bei
benen bie Vrtngipale baS SluSarten biefer ®ebräu<he gur 2;runlfuCht mit größter
Strenge unb unnaChftChtliCh unterbrüCtten. GS feien ihm jeboCh gälte belannt,
bie <jn SChamloftgleit unb Verworfenheit bergeftalt alles 3Mab Oon Un*
ftttliChleit überfChritten, bafc er gur Ghre beS amerilanifChen «ganbelSftanbeS an**
nehme, bab fte gu ben allerfeltenften Ausnahmen gehörten, unb bafc fte nicht
nur ohne SBiffen ber $ringipale oorlämen, fonbem fogar Oon ihnen mit eU
nem SlbfCheu betrachtet würben, gegen ben bie haften ^anbelsoortheile felbft
nur als ein erbärmliches Sleguioalent angufehen feien.
Unter btefern „Unfug“ litten fehr häufig felbft redhtfChaffene
unb folibe Säufer, währenb auf ber anberen Seite auch bie ®rof$hänb*
ler nicht weniger häufig ihre SBaaren oon ihren GlerlS an Seute wegwerfen
fähen, oon benen fte niemals ober boCh nur naCh ben wiberwärtigften Sämpfen
ihr ®elb hereinbetämen. ®robe $anbelslrifen reinigten gwar oon Seit Bu
251
Seit bte 4>anbetöatmo8pbäte Bon biefer ©eft, — allem laum fei bie
©anic Borübet, fo toetbe tuiebet frifdg barauf loS gebrummt, gerabe atö gäbe
unfer ganjer 4?anbel lein anbeteS gunbament atö — biefen fcgänblicgen um *
bug
gdg lomme nun ju ber legten 3luffaffung, bie ich einem Sioiegefpräcg ent*
nehme, bejfen jufäHiget Dbtenjeuge ith war. (Sin ©reutet ÄaufmannSfobn,
ber fidg erft feit wenigen SBodgen in ben ©er. Staaten aufbiett, fpratg fug bei
einem Bertraulidben Stbenbeffen, bet bem i<b mich einfanb, auf’s ©itterfte über
bie ametilanifdgen .fjanbetSgebräucge aus. ©tan lieg bem gtemben ungeftBrt
ba§ ©Sott, unb erft nach einem längeren 3»if<benraume ergab fi<b int Saufe
beS ©efprädgeS ganj natürlich, bafi ein erft Bor wenigen ©Soeben etablirter junger
©rolbänbler bie gtage an ben ©remer £etm ritbtete, ob eS in ©eutfdglanb ben
jungen unbemittelten Seuten immer nodj fo fdgwer wie früher faKe, ft<b ju
etabtiren.
S)en Sun gen unb ben Sllten., war bie Slntwort.
©aS ift hier anberS, bemerlte ber Slmerilaner. Sn mtr feben Sie ben
Dlepräfentanten Bon Bielen SEaufenb armen Glertö, bie atö fte ins ©efdgäft la*
men, nicht übet fttnfjig ©oKarS commanbiren lonnten, unb bie beute atö ©rin*
jipale ©efdjäften Borfteben, in welken ^unberttaufenbe per Saht umgefegt
werben. Sltö abgängige ©lerlS wären wir grau geworben, unb tmfete grauen
unb ßinber hätten wir atö ©eitler in ber ©Seit jurüddaffen muffen, wenn wir
bie Bon Sbnen fo hart Iritifitte amerilanifdge ©rayis mit Sbren europäifdgen
©tajimen hätten oertauftben müffen. deiner Bon uns, ober bodg nur fo äugerft
feiten ©iner, atö e§ in ©uropa gefdgiegt, hätte in feiner ©rancge eine Selbft*
ftänbigteit erringen IBnnen, wie fte jeber garmer unb jeber- .§anbwerfer hier er*
ringt, ober im adetbBdgften gad hätten wir bur<b Farben unb ©ntbegren alles
beffen, was bie Sugenb erfreut, am ©nbe ein Heines Äapitäldgen erfcgwingen
lönnen, um in irgenb einem elenben ©orf ober in einer abgelegenen ©orftabt
ein einjiges, erbätmlidgeS ©etailfrämdgen anjufangen. Ser ©rofcbanbel Wat
unS für immer Berftbloffen. ©aS Kapital allein, baS talentlofefte fogar, war
baju auSfdgliefilidb berechtigt; ber energifdge, fadgBerftänbige, redgtfdgaffene unb
gebilbete, aber unbemittelte junge ©efdgäftSmann burftebaran nidgtben*
len. 2>aS petf ßnlicg e ©erbienft, baS gier ju Sanbe Sebermann Boran*
bringt, war ganj allein füt ben jungen ÄaufmannSclert wertgloS, unb wägrenb
er eS immerhin ju einem grofien Sgeil gewefen, ber ben ©eidgthum feines
Kaufes Bermegrt, hätte er bis an feiner Sage ©nbe fug mit einem fegt häufig
nttgt einmal anftänbigen ©egalte begnügen müffen. ©SaS aus unferm
gefammten ametifanifdgen §anbel überhaupt geworben wäre, wenn igm bet
Sporn beS perfönlidgen ©oranlommens unfeter Sugenb fehlte, baS begreift
gier ju Sanbe gebermann. Unb wir, bie babei ;u aHernädgft Snterefftrten,
hätten aus biefen Umftänben nicht ©ugen siegen follen? Sa, eS ift wagt,
bag baS Kapital in unfern ©rogganblungen Bon bet Sgätigfeit, Bon bet ©e*
fdgidKidgleit, Bon ber Unerrattblichfeit bet jungen Seute feine größten Sntereffen
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bejiebt; aber totes miffen mir auch unb benufcen ei ju unferetn eigenen
gortfommen. SB i r fmb ei, beren pöialität unb Seutfeligfeit, beren jugenb*
liehe Gnergie unb raftlofe Arbeit bie ßunben berbeijiebt. SBir fennen ben Gin«
brud, ben bie herrlichen Gigenfchaften bet jugenb auf jeben Btenfehen, alfo
au<b auf ben um SBaaren Stacbfragenben, üben. SBir fennen bie Mögliche ©tim»
mung, roetcbe bie meiften Sanbfrämer befehlest wenn jie in bie ©tabt fommen,
unb inbem mir fte »erfcheucben, machen mir bie SBerubigten unb Geeiterten
ju peunben, unb bie greunbe au ßunben. ©ie fmb in ber SCljat u n f r e
Jtunben. Sluf uni haben fie Sßettrauen, benn uns haben fie im »ertrauli«
«ben Umgang fennen gelernt, gär alle biefe Sienfte fann uni fein
Sprinjibal bejablen. ©ie foften uni an SBifc unb febt häufig an forcirter guter
Saune, an Seit unb ©efunbbeit ein in ©elb abfotut unfebä&barei Slequioalent.
Unfere bafür in Sluiridbt ftebenbe ©elbftftänbigfeit ift ei ganj allein, bie ben
Pngling bafür entfcbäbigt, baf er bai SBefte, mai er bat, für jeben beliebigen
Hunben ali ßöber für bie SBaaren feinei 5ßrin|ipalS megmirft. Unb bai ift
fein gebeimei ©piet, bai toir mit ben Äunben ober mit unferen Sprinjipalen
treiben. Sille fennen unfer Verfahren. Sille sieben baraui in ber Siegel ihren
Stuben. Stur fmb mir felbft, mie biei in Gutopa n i <b t ber galt ift, »on
biefem Sßortbeile nicht auigefdjloffen, unb biei ift unfer Triumph, nicht aber
ein Sßotmurf. ' 3ugegeben, bah babei mancher Unfug mit unterläuft, bah bin
unb teieber ein junger SMann ju unmürbigen SBerlocfun gimitteln greift, bafj
ft<b ba unb bort ein böfer SBube ober ein fchmacher Gbarafter burch Sluifchmei*
fungen ruinirt, bah ein gemiffenlofer Giert einen flechten ßunben in bai ©e«
febaftibaui bei gtrinjipali einfübrt — aber mai mill bai Slllei bebeuten gegen
bie unermeßlichen Bortbeile, bie bem £anbel burch bie SCnmenbung aller SDto»
tioe ber gugenb ermacbfen, teenn fte burch ben <§ebel lobnenber, ftcherer Selbft»
ftänbigfeit in SBemegung gefegt merben ? Sleun Sebntbeile aHei Gapitali, beffen
mir jum SBetriebe unferei coloffalen $anbeti bebürfen, erfefct bie Gnergie ber
amerifanifchen pgenb, unb für jebei Opfer, bai biefei ©pftem bisher gefor»
bert, bat ei bem Sanbe £unberte ber refpectabelften girmen gegeben.
Unb bamit feien bie SJtittbeilungen aus frembem SKunbe gefchloffen.
Slui ihnen fteHt fteh bor allen Singen bie Ueberjeugung beraui, bafj bei einem
' fo allgemeinen unb fo »erfchiebenartig beurteilten Berbältnifj bie fiategorieen »on
©ut unb S88fe, »on Sicht unb ©Ratten toegfaHen, unb bai SBefentliche, morauf
ei anfommt, bie Slntmort auf bie grage ift, ob auch biet ben fo mannigfach ge»
färbten unb »erftanbenen Grfcheinungen ein bem amerifanifchen SBefen ent«
fpcingenbci bemofratifchei ©efefc 8« ®tnnbe liegt.
» Unb biei behaupte ich- P allen Singen in unferer bemofratifchen ©e»
feUfdbaft übermiegt bai SBerbältnifj bei SDtenfchen 8um SDtenfehen bai Berbält»
nifj ber SDtenfehen su ben Singen. Ser ©runb unb Boben ift mobitifirt, ift
nicht mehr mie ein geubalftaat bai unbemegliche gunbament ber ©efellfcbaft,
fonbern nur noch SHaterial ber Slrbeit unb ptelligenj mie aHei Slnbere. Ser
ßrebit beruht auf ber Sßerfönlichteit bei ©chulbneri meit mehr, ali auf ber
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Siegelt beS 9teaI»fßfanbeS, baS er etwa geben tonnte. gn unenblich bäufi»
geren gälten als fonftwo auf ber ganjen ©rbe, intereffirt ftch ber ©laubiger
nicht allein für bie #5be ber ibm ju ©lite tomraenben ginfen, fonbern
auch für ben 3wed, ju welchem ber ©chulbnet baS geborgte ©elb üerwenbet.
3tur in ben europäijlrten Greifen ber ameritanifcben ©efeUfchaft .giebt eS ©elb»
heirathen, unb bie Slothwenbigteit einer SebenSgefährtin ober wahre 3uneigung
fmb bei weitem bie bäufigften ©rünbe unferer ©he»- 9tur in ben feltenften
gällen f.nbet baS hergebrachte, weil eS trabitioneH geworben ift, Slnerteu»
nung, unb nirgend bebarf baS9leue geringeren ©chufceS gegen baS Sitte als ge»
rabe hier. SBeniget als hier ift nirgenbS eine SBefchäftigung, ober eine Äunft,
ober ein ©tanb mit einem mpfteriöfen 9tpmbuS umgeben, unb wo er in ber
©eftalt Bon humbug auftritt, ift et fo transparent, bajj ihn Änaben wegblafen
tonnen, ober ift ein nur uneigentlich mit biefem Schimpfnamen belegtes nüfcli»
<heS SBerbinbungSmittel jwifchen bem Slngebot unb bem Söebatf. Set Stieb,
fein geben mit mßglichft Bielen greuben ju erfüllen, hat ben ©rwerb jut greube
unb bie greigebigteit jum SSebürfnip gemacht. SBaS immer ben SReij feiner
«öefchäftigung erhöhen tann, baS ergreift ber Slmeritaner, fei eS nun ©efahr
ober birett gebotene 2uft. SSeweglichteit unb bie fretefie, faft ins UnenbUche
combinirte fhlannichfattigteit petfßnlicher ©ejiehungen fmb feine ©leraente, unb
bilben bie ©runblagen feiner Unabhängigteit. •
SieS SltleS auf unfer Shema angewenbet, ertlärt es aufs SBoUftänbigfte.
gn ber Semotratie gewinnt bet hanbel unb bet Sßerfeht ben ©haratter eines
perf Bnliehen SBerhältnijfeS. Sie ©lemente, bie ihn beleben, fmb nicht
mehr ber ©laube an alte girmen unb nicht mehr bet ßapitalwerth beS Jtäu»
♦ ferS. Sie Shätigfeit unb ber ©haratter Bon löeibenhringen fie in Berührung, unb
Shätigteit nnb ©haratter beftimmen baS SJtafi beS Vertriebs unb beS ©rebitS.
©einen ©haratter aufs ©länjenbfte ju entfalten, feiner Shätigteit bie' erfpriejj»
lichfte Dichtung ju geben, unb bie wechfelsweifen SSejiehungen aufs Singe»
nehmfte ju geftalten, ift bie fuherfte ßanbelspolitit für S3eibe.
Sie abfolut freie Soncurrenj öffnet bem Käufer jafjUofe üueHen — er
fhöpft faft gleich gut aus ber einen wie aus ber anbem.
SaS naheju gleich hohe Stioeau ber SBilbung unb ©tjiehung, unb bie
Slehnlichteit aller ©enüffe erleichtert jebe neue SBetanntfchaft.
3)ie ßeichtigteit beS SBerbienfteS binbet webet ben ©onfumenten an bie
befonbere ©unft beS SleinuetfäufetS, noch biefen an bie ©nabe eines beftimm»
ten ©rofhänblerS. •
' Set Käufer geht beshalbborthin, wohin'et auf bie angenehmfte, einla*
benbfte SBeife geführt wirb, unb bie bieS gm heften Berftehen, fmb bie jün»
geren Seute in unferen ©efchäften,
SaS „Stummen" ift wie baS ameritanifche Slnjeigenfpftem im'Unab»
hängigteitsfmn ber Slmeritaner begrünbet. deiner hat in irgenb einer SBejie*
hung ein Unrecht auf ihn. ©egenfeitigteit beS SBortheilS unb beS SßirgnügenS
im aSertehr beftimmen allein feine SEBege. Ser Äleinhänbler weif es fehr
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wohl, wie gewaltig bie $tojente pnb, bie namentlich »on ©egenftänben, bie
jum SEBohlleben unb nicht §ur elften Slothwenbigleit gehören, ber ©ro&hänblet
»on ihm nimmt. Samit er ihn befuche, unb gerabe ihm unb unb nicht einem
SlnbembiefeSBortheile julommen laffe, »erlangt et ade bie Stnpreifungen, bie in
ber Siegel ganj einfeitig bem Verlaufet als Schwinbet ober .guntbug aufgelegt
werben. Ser Käufer legt auf fte einen wefentlichen äßertb. SBerfteht eS ber
SBerläufer, baS SBefonbere feiner SBaare, fei eS auf bie barodfte, unoer*
fdhämtefte SEBeife, her»orjuheben,fo ermüdet barauSbemSlachfragenben hoch ein
ebenfo großer SSortheil wie bem Anbieter. Ser fcblechtefte Slrtilel mag eine
befonbere Gigenfchaft befi|en, bie in bem millionenfach fchattirten Sebürfnifj
ihn gerabe beShalb für gemiffe S^ede leicht »erläuftich macht. Seine bürre,
trodene, »ebantifch einfache ©twähnung lentt unter ber Unjahl feiner ©efdjwifter
bie Slufmerlfamleit nicht auf ftch. Äommt nun aber gar ber „Stummer“
birelt jum fiunben als eine lebenbige, febeS Ueinfte Setail erwähnenbe Sin»
jeige, unb »erbinbet er mit ber gefchäftlichen Sßrajrtö ju gleicher 3eit gefeüige
Salente, bie in jebern SDlenfchen, unb felbft im »ertrodenbften SJabenhütep,
fchlummernbe SHomantil unb Suft unb ffreube ju weden »erftehen, fe geftaltet
ftch baburch ein humanes SöechfelBerbältnifc, baS »iet natürtidher unb erfpriefj»
liehet ift, als baS fteife, pebantifche, auf bem bloS fachlichen begriff »on Sin»
gebot unb Nachfrage beftehenbe ^erfahren beS Gapitaliften. ,
Sa| im ©efolge biefet neuen Slrt »on SBerlebr mancher Unfug mit unter»
läuft, fchänbet fte ebenfo wenig, wie bie galftaffs unb £afenfü&e, bie in ben
ßrieg mitgejogen jinb, ben Solbatenftanb gefchänbet, ober wie bie fßfufdberei
bie SWebijin unb bie 9efte<hli<bteit bie Sßolitil überhaupt »erächtlich macht.
SaS SBefen beS „SruntmerS" beruhtauf bem SBertheber Sßerfönlichteit ber ben
.ganbel »ermittelnben Snbtoibuen; eS liegt in ber Umwanblung beS fachlichen
unb feubalen ©haraftetS beS £anbelS ju rein perfönlichen SBejiehungen unb
Sitten beS gegenfeitigen SBertrauenS. Sollten petfönliche Sorberungen nicht
mehr »or ben ©erühten llagbar fein, fo würbe bet gröfjte Sh«l beS Unfugs
»erfchwinben, bet bie UebetgangSperiobe aus bem bürgerlich feubaliftifdhen
Sharalter beS ^anbelS in baS rein perf&nliche SJerhältnifj begleitet, unb baS
Gapital würbe jur gehotfamen Sienerin beS SertrauenS, ber Energie, beS Sa»
lenteS unb ber §ugenb.
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Pit Peutfdjcn in £mmka.
Sott Stiebti* £ctot».
3»eit et Slrtilel
S)ie bol!bete*tigung ber Seutf*en in Slmerila Mafien »ir im etilen Sltti*
lei heroorgehoben unb muffen au* jefct toieber baS £auptge»i*t batauf legen.
SBit befinben un§ tjier nicht im fremben Sanbe unb beanfptu*en, inbem
toit un« allen Slnbeten, au* ben eingeborenen, glei*fteUen, nur baS, »aS
uns »on SRe*t8 »egen julommt. Sa, »o alles ©rohe unb ©ute unter ltdftiger
SWitoirlung ber Seutf*en entftanb unb erhalten »urbe unb »o ohne ihre
fernere #ülfe lein bem SBebürfni& entfpre*enber gortf*ritt geba*t »erben
lann, barf ft* lein Seutf*er fremb fühlen, unb nur »on nnS felbft hängt
bie Stellung beS Seutf*thumS in biefem Sanbe, nur »on uns bie Butunft ah,
»el*e ihm hier blühen fott. GS mö*te ni*t überflüffig fein, bei biefem ©e*
banlen einen Slugenblid ju »ermeilen. GS »irb häufig über bie Butüd-
f e fc u n g ber Seutf*en in Slmerila gellagt; »o aber eine fol*e ftattfinbet, ift
es bie eigene S*ulb ber babur* betroffenen. SBarum l a f f e n fte f<* in ben
ßintergrunb f*ieben, »ährenb fte bo* traft ihrer Slnjahl, ihrer Seifhingen unb
ihres SBertheS Slnfpru* barauf haben, mit in erfter Sinie ju ftehen? Bebet
ift hier eben bet S*öpfer feines eigenen ©lüdeS unb feiner eigenen SKa*t.
totem wirb näher getreten als er felbft eS erlaubt. Ser toftentwidelung
PeUen ft* hier in bet gefellf*aftli*en Drganifation leine S*ranlen entgegen,
unb »o bie jfcafMfö geltenb ma*t, ift Sliemanb geneigt, mit ihr in flonflift ju
lommen. Sie bem Ginjelnen unb ben Betriebenen Glementen bet beoöl»
lerung gejoüte SRüdfi*t »irb abgemeffen na* bem ©rabe ber »on ihnen an
ben Sag gelegten Selb ft a* tung. Beigen »ir, bah »« ««3 in unferet
3Bürbe f ü h l e n, unb man »irb ihr bie f*ulbige Slnerlennung ni*t »orent*
halten. .
hinter uns liegt eine Beit, anbte »tr uns m*t gern erinnern laffen.
SaS beutf*e SBort »urbe ni*t mit Siebe gehegt unb gepflegt, baS bannet ber
beutf*en Sitte ni*t ftegeöbewufct emporgehalten. Ser Seutf*e »erleugnete
in Slmerila feine Slbftammung »o er’S tonnte, bemühte ft*, felbft ju »ergejfen,
baf er ein Seutf*er fei, unb baS 3*cl feines GhrgeijeS »at baS »oüftdnbige,
mögli*ft f*neHe Slufgehen .in baS, »aS er unter Slnterilanerthum »erftanb.
6o »at es ni*t bei «Den, aber bei bieten, ja bei ber blehrjahl. Siefe Beit
bet Grniebrigung ift überftanben. ©ne beffeve ©lenntnih beffen, »aS uns in
Slmerila obliegt, hat ft* bahn gebro*en, unb »aS bamalS SRegel war, ift
iebt |ur »erä*tli*en SluSnahme geworben. Per bie 3la*»ehen jener
UebergangSperiobe haben ft* no* ni*t ganj »ertöten; »on ihr rührt
bet gröhte Shell ber S*»ierigleiten her, mit benen »ir no* jefct ju
tämpfen haben; »on ihr batirt ft* bie ©eringf*äfcung, mit »el*et ein
SheU ber Slmetilanet no* heute auf bie Seutf*en herabblidt. Set
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Hngelfachfe fragte ftch, ob eS ibtn jemals möglich fein Würbe, feine
Nationalität ju Berleugnen, ohne ©ebenfen lonnte er ftd^t toiefe grage mit
Nein beantworten, unb tt>ol;I burfte et fich berechtigt glauben, Sie ju Beracb*
ten, welche ftcb ihrer felbft fcbämten. ffier wirb leugnen, baf» es fo gewefen
iji? SBoblunS, bah «3 anberS, bah eS bejfet geworben, bäh Seutfchlanb nicht
mehr mit ©rrötben auf feine] auSgewanberten Söhne ju bliden brauet! 2BaS
aber gewefen, lehrt un?, wie Biel wir nachjuholen, wie Biel wieber gut ju ma«
eben hohen. *
@? ift nicht unfere Nbftcht, einer Selbftüberfchä&ung auf ©eiten bet
Seutf<h=2ltneritanet ©otfehub ju leiften, unb eine heilige Scheu haben wir ba»
Bor, un§ in? ©ebiet bei: ©brafe $u Berlieren. SDlan braucht nur einen ©lief
auf bie 3uftänbe be? alten ©aterlanbe? ju werfen, um Bon ber Ueberjeugung
burchbrungen ju fein, bah am beutfdhc« Nationalebarafter Biel auSjufefcen ift;
benn all ba? politifdje unb fociale ©enb, welkes bort herrfeht, läht ficb boch
wohl nicht ben Surften, bem 2lbel unb ben ©faffen jur Saft legen, fonbem bem
©olle, welche? nicht nur bie Unterbrücfer bulbet, fonbem ftch obenbrein noch ju
ihren SBerfjeugen hetgfebt. ©ne grembherrfchaft befteht in feinem Sheile
SeutfcblanbS. ©teuften, Defterreicher, ©aietn, Reffen, Nledlenbutger, SlUe
werben mit bet ©eifjel gejücbtigt, bie fee ftch felbft winben; ba? ift traurig
genug, unb eS giebt auherorbentlidj Biel, wa? geeignet ift, un? als Seutfdje
Bor ber ©efabt bes Ucbermuth» ju bewahren. Slber bie Slfche, welche brühen ber
Seutfche ftch auf? §aupt ftreut, ibitb bei ber NuSwanberung abgefcbüttelt, ba?
©üftethemb, in ba? et f«h hüllte, fortgeworfen, unb ift ber Untertan mit allen
feinen Schwächen befeitigt, fo giebt e? Nicht? mehr, wa? wir am Seutfeben Ber»
miffen möchten. Sort mit ben Schladen bet ßnechtfchaft; hell unb freubig aber
lobere bie glamme ber beutfehen Siebe jum ©uten, be? beutfehen ©lauben? an
bie Sreiheit, ber beutfehen ©Übung unb Sitte! Nicht ba? ©eringfte barf baBon
Berloren gehen! ©? ift unfere heilige © f l i <h t, e? ju erhalten, mitjutbeilen
unb unter bem Schufce bürgerlicher Freiheit f onfeguenter in bie % b a t über juführem
al? es bi? jefct brühen geschehen fonnte. 6? bietet fidh hier ba? grofje ©roblem,
ein ©olf au? Bielen ©ölfern, eine Kultur au? ben Berfchiebenften tulturelementen,
ju bilben. Sie ©orjüge aller Nacen unb Nationen follen hier Bereinigt
werben unb ein ©emeinwefen herfteHen, wie e? noch fein? gegeben. Unb
babei foUten wir Seutfdben nur bie ©npfangenben, nicht bie ©ebenben fein?.
2Bir foUten bem großen $au?halt nur al? ^oljhader unb Sßafferträger ange¬
hören, foUten in ber ©efammtbeit untergeben unb nur burch unfern Sau«
fungSprojefs jut allgemeinen ©efruchtung beitragen ? Sffiir fteHen un? bie ©e»
ftimmung ber Seutfchen in Nmerifa anber? Bor.
Set Nmerifaner hat, wenn er Born Nufcen ber ©nwanbetung fpriebt, ein
©empel jur §anb, ba? ftch burch feine Einfachheit empfiehlt. 2lu? ben ftatifti»
fchen Angaben fu<bt er ftch ein Urtheil über bie Summe ju bilben, welche
burchfchnittlich ieber Nnfömmling an baarem ©elbe mitbringt. Sann fchlägt
er für jebe? Snbioibuum 1000 Sollar? — ben ungefähren ©rei? eine« ge»
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funbcn Stegerffiaben — biuju, multiplicirt bic Summe mit ber gabl ber
Slrrioirten, unb faßt: ©o unb fo biel buben tpir bteS 3>ab* wieber profitirt. ©o
weit bie p^pfifc^en Setzungen in Setracht lommen, mag bieg Verfahren einiger*
mauert gerechtfertigt fein; aber eg ftrömen burch bie (Migration auch noch
v ©<häfce ing Sanb, bie ftch nicht nach $oHarg unb Renten beregnen taffen, unb
bon biefen liefert Seutfchlanb ben unberbältnifnuäfng größten Sbeit. fflenn wir
bon ber ©inmanberung fpredjen, buben wir eg mit ben beiben $aupt*galto*
ren — ^rlanbem unb Seutfchen —, ju tbun. Ser ©ertb ber (Srftcm labt
ftch in ber Siegel nur nach ihrer pbbftfhen Äraft abf<bä&en; man erwartet
nicht, bajj fte etwag Slnbereg mit ftch bringen alg gefunbe Äuglein unb Suft ju
beren ©ebrauch. Safit Qrianb beute bom ©rbboben berfchwinben, unb auf
bem ©ebiet beg geiftigen Sebeng wirb leine bemerlbare Süde entfteben. SBir
Seutfchen aber ftnb, bom Grften big jum Seiten — einer mehr, ber Slnbere
weniger — bie Stepräfentanten einer Mtur unb ©eftttung, welche in ihrer
Slrt einzig baftebt, bie bon ung mehr alg bon Slnbem erwarten Idbt unb ung
$ f l i <h t e n auferlegt, ©o berwabrloft ift lein Seutfcher, bab nicht etwag
bon ben ©eifteg* unb ©eelenblötben ©ermanieng auch auf ihn überge*
gangen. Senlt euch Seutfchlanb mit 2Wem, wag eg feit taufenb, ja nur feit
fünfbunbert Sabren ber SDtenfchbeit gegeben, fort — unb eg wirb auf ber erbe
wüft unb leer.
Ser beutfche ©eift, bie beutfche ©itte. eg ift fo btel bon ihnen ge*
fprochen unb gefchrieben, fte ftnb fo oft gepriefen unb befungen wor*
ben, bab Wtr ung eine Sobrebe auf fte füglich erfparen lonnen. Slber
machen wir ung wenigfteng Har, worin fte befteben. Sem Seutfchen ift bon
Statur eine unenblidje Siebe jur Freiheit eigen, unb er will fte nicht nur für
ftch felbft, fonbern für alle SJtenfchen. Ser aufrichtige entbuftagmug für bog
©ute unb Schöne wo eg ftch bilden labt, ift eine borjuggweife beutfche eigen*
fchaft, nnb fte wurzelt in.bent ganjen ©eifteg* unb Seelenleben ber Station.
Seutfchlanb wirb bag Sanb ber Denier genannt; aberbagGenien unfern ©ei*
ftegfoloffe ift ftetg ber Befreiung ber ©eifter ünb ber Seglüdung aller 2Jten*
fchen gewibmet gewefen. Sie Stichtung beg beutfchen ©emütbg ift eine
burch unb bur<b poetifhe, unb nicht nur bermag bie Siteratur leineg an*
bem SSolfeg einen fo reichen poetifchen ©chafc aufeuweifen, fonbern bie gröbten
Siebter anberer Stationen werben in Seutfchlanb mehr gewürbigt unb tiefer
erfabt alg unter ihrem eigenen Solle. Ser beutfche ©eift umfangt mit Siebe
bie ganje 2Jtenf<bbeit unb macht ftch 2Ufeg gu eigen, wag auf ber weiten ©rbe
an groben unb herrlichen ©eiftegfehöpfungen jum Sorfchein lomrnt SJtöge
Stiemanb ber beutfchen ©elebrfamleit fpotten; fte forgt bafür, bab nichtg ©u*
teg, wag jernalg eyifttrte, ber SBelt berloren gebt, bab non 3abr §u Saht
bag geiftige Kapital ber üUienfchbeit ftch anbäuft, bab Slüeg erhalten bleibt, wag
beg ©rbalteng »ertb ift, £abt Sichtung borber beutfchen flritill ©ie fonbert bag
©ute bom Schlechten, bag Schone bom Unfchßnen, bag (Sble bom ©emeinen,
bag SQabre bom galfchen. Sie unabläfjige Arbeit ber Senler unb ber Siebter,
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258
bet ©elebrten unb bet Mnftter übt aber ihren birelten (Einflufj auf baS ganje
beutf<be Soll unb legt bie ©runblage ju ber ©efittung, welche bie Seutfchen »or
allen anbern Nationen auSjeiChnet. (ES berrfcbt unter und ein innigeres gamU
lienleben, eine nötigere Auffaffung beS SSerfjältnifJeS bet ÜDtenfdjen ju ein*
anbet, ein »odtommnereS ©leiChgemicbt jwifchen Slrbeit unb ©enufj,
ein feineres fUtlicheS ©efübt, als unter anbern Söllern. Sie Sichtung beS
beutfcben ©eifteS ift u n i»e r f e 11. ©teile man ft<b »or, bafj ber Angelfadjfe
hier adein ben Son angeben, bafj er in jebet £infi<bt allein beftimmenb mitten foHte.
«Klan brauchte nicht }u befürchten, bab bie Sepublil ftch in eine 2Jlonar<bie »er*
toanble, aber fie würbe berat aben in ©nfeitigleit Betlnöchetn unb berfümmetn, bab
ber Aufenthalt in ihr unerträglich unb bab ber Same Ametilanet jum AbfCbeu
würbe. Sie Sepublil ju huntaniftren, fte liebenSwürbig, bie greibeit in ihr
jut etquidenben, rein menfdjlüb«» ffiahrbeit ju maC&en, baS ift ber Seruf ber
Seutfchen.
Unb um biefem SBetuf ju genügen, müjfen wir eben im ebelften
©ittne b eut f <h bleiben. Unmöglich lönnen wir baS Anbern geben, was wir
nicht in uns felbft lonfemren, waS wir felbft nicht mehr hefigen. Ametila
lann mit SeCht »on uns »erlangen, bab »« Ameritaner werben. Aber bamit
ift nicht gefagt, bab wir aufhßren müffen, SeutfChe }u fein, weil, wie fcbon
naChgewiefen, lein (Element für feine Art unb SSBeife hier ein Sriöilegium be*
anfpruchen lann. SEBir werben Ameritaner, aber leine AngelfaCbfen. 2Eir
fagenuns »ompolitif Chen, ni<ht aber »om g eiftigen Serbanbe bet
alten ßeimatb loS. SB« üermßgen uns fChleChterbingS nicht »orjufteden, woher
eine lulturgefcbtcbtlicbe Sebeutung ber beutfcben (Einwanberung lommen foll,
wenn ber SeutfChe, fobalb er ben ©oben AmerilaS betritt, nur baranbenlt, ficb
adeS beffen ju entäubern, was ihn als Seutfchen lennjeiChnet. Ser blobe
©ebante hieran hat fChon etwas (EmpßrenbeS. Set granjofe bleibt noCh in ber
jehnten ©eneration granjoS, ber Gnglänber ift, wo'et ftch auCh befinben mag,
ftolj auf fein Saterlanb, ber grlänber hält mit glühenbet Siebe feft an feiner
grünen gnfel; unb bet Seutfcbe, mit heiligeren Sanben an bie alte ßeimatb
gelnüpft als ade Anbern, fodte baS, WaS er »on feinem Solle empfangen,
abwerfen wie ein jerlumpteS ©ewanb ? Unter aden Söllern fodten wir am
wenigsten ©hrgefübl befifcen ? AdeS Sebenbe hat ben Stieb ber ©elbfterjaltung;
unb bie Angehörigen beS größten MturPolleS fodten fiCb felbft baS SobeSut*
theil fpreChen, ftCh felbft bet nationalen Sernichtung weihen ?
Sßit haben uns Ametila nicht lebigliCh jur #eimatb gewählt ttm unfere ma<
teriede Sage ju »erbeffern, fonbern »orjugsweife um im ©chu&e ber greibeit eines
eblern SafeinS ju genießen, um uns frei bewegen, ungebinbert unfere Kräfte
entfalten ju lönnen. Ser greibeitstrieb hat mit bet SBanberluft ber Seutfchen
minbeftenS ebenfo »iel ju thun wie bet (ErmerbSfinn. SEBir fühlen baS Se*
bürfnif, »orwärtS ju f «breiten, uns ju »erebeln, inbem wir anetjogene ©Chwä*
Chen oblegen unb bafür SeffeteS in uns aufnehmen. Serlieren wir aber
•8
269
1
«ff
unfer ©eutfdhthum, fo liegt barin ein gewaltiger ©ücffchritt; wir fleigen ab*
anftatt aufwärts. deiner braucht weit ju fudjeti, um hierfür lebenbe ©eweife
ju finben. (SS giebt leibet noch immer ©eutfcfte, welche ftch alle erbenllid&e
SKfihe geben, nach ihrer SSBeife ©metilanetju werben. 3b* (Srfolg ift
- ein febr zweifelhafter; fte bringen es hß «hftens ju einem 3witterthum, welches
©iemanben täufdftt. Sie werben lediglich f<ble<bte Slmerifaner, wäbrenb ©ie,
non benen fte fub loSfagen, fub ihrer fdhämen müften. ©et in folgern Sinn
amerilaniftrte ©eutfdfte gehört erfahrungSmäjng nicht ju ben heften ©Argem
ber ©epublil. ©or fuh felbft emiebrigt, fühlt er ftch nur jum ©iebrigen hinge*
jogen. Stuf bie Schäfte beS beutfchen SEBefenS Derjidhtenb, nimmt er Don bem
©ngelfadftfen nur bie Scftwädften unb gehler, nicht bie hefteten ©genfdhaften
an, unb banbeit eS fi<b um einen .Stampf für bie greiheit, fo geigt feine ©artei*
nähme, baft er unter ber greiheit nur bie 91 o b h e i t, bie gntoleranj, baS Siecht
jur* Unterbrüdhmg ©nberer, üerftejht. ©ne ©ationalitüt läfjt ft<h nicht fo ohne
SBeitereS mit einet anbern Dertaufchen, unb wer ben ©erfudft macht, geht bat*
über moratifcb ju ©tunbe.
Unfer ©eftrehen mufj oor allen ©ingen auf bie (Srftaltung ber beut*
fchenSprache in ihrer ©einheit gerichtet fein, ©ebet ©tglifch wo 3ht’3
müftt unb fo gut Shr’S tßnnt; aber unter einanber haltet feft am ©eutfchen,
unb überliefert es unoerfätffht (Suren itinbern! ©ie
Sprache ift baS ©robult beS ©enf* unb ©efüftlSprojefteS eines ganjen ©ol*
leS, bie Offenbarung unb baS Organ feines ©eifteS* unb ©emütbSlebenS, ber
treuefte Spiegel feiner ©genthüralichfeit. ©iemanb lann feine Sprache wecb*
fein ohne ein anberer ©tenfch ju werben, unb wahrlich, burch ben ©erjidftt auf
bie b e u t f ch e Sprache wirb man lein b e f f e r e r SUienfcft. Jlürjlidh würbe in
ber ©reffe bie grage aufgeworfen: „SBürbe bie beutfche Spradjefich hier ohne bie
©nwanberung erhalten?" unb leibet hat biefe grage ihre ©eredhtigung, Denn
gewift ift eS, baf> bie aufwadjfenbe ©eneration fuh mit ©orKebe bet bequemeren
englifdften Sprache juwenbet unb biefcftwerere beutfche nur ungern fpridftt. ©enlt
man an bie golgen, fo tonnte man allerbingS an ber 3utunft beS ©eutfdhthumS
in Slmerifa Derjweifeln. 9Wit ber Sprache gehen alle bie fileinobien
oerloren, welche ben Stotj unfeteS ©olles bilben. SBahrhaft grauenerregenb
ift ber ©ebanfe, baff bie grucbt ber geiftigert Slrbeit eines gahrtaufenbS hier
Don unS tudftlofet SSBeife Dergettelt werben foHte, bajj bem ©blßmmling beS
beutfchen ©nwanberetS fdhon in ber etften ©eneration baS, was bie (Sitte beS
geiftig am hödhften ftebenben ©olleS ©eneration auf ©eneration gefdftaffen, nur auf
bem SEBege bet Ueberfeftung jugänglidh fein, bafj et baDon nur baS SEBenige be*
halten folt, was, beS urfptünglichen 3auberS enttleibet, in bie engtifdfte Siteratur
übergeht, ©idht ju ertragen ift bie ©orftettung, baft ber bem ©eutfchen eigene
©ilbungStrieb mit ber Sprache Detloren gehen foK. SSBaS würbe als (Srfaft ge*
Wonnen ? SEBeldfte Schäfte hat bie englifdfte Siteratur, welche nicht bem ©eutfchen
jugänglidh ftnb ohne baft er feine ©tutterfptacbe opfert? Säht ftch nicht bei
$enen, welche Dom beutfchen gbiom nur ein 3errbilb behalten ober, Don
beutfehen eitern abftammenb, ftch befleißen am liebften gar nicht mehr bebienen,
fein:beutlich bet 9tüd fd^ritt in jeber ©ejielmng-ertennen? Man lann bie»
fern ©ebanlen nicht nachhängen ohne Bon bittern ©efühlen fibermannt ju
werben. Äotnmt eS fo weit, bah beutfcße fiinbet an S)eutf<hlanb nur noch
wie an ein f r e m b e 3 Sanb benten, bafs fte mit bem Sanbe ihrer SSäter in gar
leinet geiftigen ©emeinfchaft mehr fteben, bann ift baS Slächfte, baff fte fich
ihrer eigenen eitern fchämen, unb wir fehen einen ßuftanb
bet erniebrignng Bor uns, welcher uns baS Stecht giebt, ber
6tunbe ju fludhen, m welcher jurn erften Mal ein beutfcher gufj ben SSoben
SlmeritaS betrat.
$aS Seutfcßthum muh bi« ni<ht nur erhalten werben, fonbetn auch als ein»
gebürgerte Sßflanje wachfen unb gebeihen. hierfür ju forgen, ftnb wir uns felbft,
bem alten unb bem neuen SBaterlanbe fdßulbig. liefern SSewufstfein entfprang»ber
regeeifer, mit welchem man ftch, fpät,aber bodh nicht ju fpät, im lefctengahr»
jehnt ber Gntwidlung beS beutfehen SBollSfchul» unb SSeteinSwefenS in Stmerila
gewibmet. £odj ju preifen fmb bie Männer unb grauen. Welche ihre Jhätig»
leit auf bieS ©ebiet geworfen, freubig anjuertennen bie gortfehritte, welche ge»
macht worben ftnb. 3)ie beutfdje Kultur muh gleichmäßig tn beiben SBelttheilen
fich fortentwideln. SEBir muffen mit bem alten SBaterlanbe in ftetiger geiftiger
SBerbitibung bleiben, unb bort barf man nicht wie bisher oergeffen, bah eS jenfeitS
beS DceanS Millionen Bon ©eutfchen giebt, welche, Bom gleichen Streben befeclt,
als ber fehwdehere Shell im geiftigen Stingen beS SeiftanbeS bebürfen. SDom
Uebel wäre in jeber S3e}ieh un 9 eine SlbfonbrrungbeS beutfehen Element»
in Stmerila, welche bie SBechfelwirlung ausfeßtiefsen unb ftatt beS
gortfehrittS nur eine Sefcßräntimg ju fflege bringen würbe; SBer aber Bon
un§ Bedangt, bah wir bei ber Slnlunft in Stmerila aufhören, Seutfdje ju
fein, bet muthet uns eine Gntwfirbigung ju, benn eine Schanbe ohne
©leichen ift es, fich felbft au b erlieten!
3e mehr baS Seutfchthnm ftch in Slmerila geltenb madjt, befto beffer wirb
eS für bie Stepublil fein, benn bie Seutfchen bringen gerabe alle bie ©gen»
f«haften hinju, welche fonft hier fehlen würben, -geilfam ift eS, wenn wir etwas
Bon bet aroerilanifchen Stfihrigleit annehmen; bie JSeflänbigteit aber
follen wir bem ametitanifchen SSotlScharatter Berieten. 2>er trdumenbe beut»
jehe Hamlet mag ftd) hie*/ auf bem SSoben praltifchen StrebenS, aufrfitteln
taffen; aber baS © e m fi t h, »hne. welches ber Menfcß eben lein ächtet Menfch
ift, erwartet feine pflege Bon ber beutfehen Sitte. Sajfen wir uns hier
in bet SßrafiS bet Selhftregierung'unterrichten; bie Sichtung Bor ben
Siechten Silier wirb aber nur ber Ginfluh ber Seutfcßen ju Söege bringen.
Selb gute Slmerilaner, aber bleibt gute ©eutfeße! £ängt mit Siebe am
neuen, aber auch am alten SBaterlanbe! Nehmt an was Guch fehlt, aber be»
haltet was 3h* habt! Schliefet Guch ben Mitbürgern anberet Nationalität an,
aber haltet unter einanbet feft jufammen! Grjieht Gure Äinber ju geiftigen
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261
^Bürgern swetet SBeftctt! SSerg^t nie, ba& 3$r SanbSleute eines fiepler
unb 4pumbolbt, eines ßant unb gidjte,. eines ©otbe unb SdfriUer, etneS SWojart
unb Seettyooen, eines Sufyet unb ©utenberg feibl Söebenft, bafj ©ud? eine
3Jt i f f i o n obliegt, unb werbet tyr geregt! 33etrad?tet ©udj als baS oerbitt*
benbe ©lieb gwifdbcn jmei Nationen, weldfee ooHlonunen fein werben wenn jebe
ber anbern baS mittfceilt, was fte oot ibr OorauS fcatl 2)urdj ©u# giebt
2)eutfd?lanb bem fronen Emerifa feine geiftigen Scbäfce, unb burdb ©ure Ser«
mittlung wirb baS oon 3)eutf4lanb berrübrenbe 2)ogma ber greibeitunb Selbft*
regierung als praftifdje SBabrbeit bem üDtutterlanbe äurütfgegeben. ©in freies
$eutfcblanb als Sdbwefter eines freien Emerifa — baS fei auf bem ftürmifd&en
SHeere beS amerifanifc&en SebenS unfer leitenber Stern.
Pie UcU0ion8-J)l)üofopl)W <& 5 t{ )t%
erläutert am 2ten 3-^eile be$ gauft.
Sott St. <9. Slölx.
_ (S<blu&.)
3u bem nun fotgenben merlwürbigen Slbfdjnitte beS SrarnaS madjt SMe*
bfjiftoptjeleä ben Uebergang, ittbem er baS le|te 2Bort beS GborS, „SSurbei",
auffafit, unb folgenbe »ernidjtenbe Äritit biefeS ©cbiboletbs beS 2Jtate»
tialiSmuS giebt: '
„SBorbei! Gin bumrneS 5ßort.
SBarum »orb ei?
üßorbeiunb reines 9lt<btS, »olllommneS Ginetlei.
5Ba3 foU uns benn baS ewige ©(baffen,
©efcbaffeneS ju 3ti<btS binwegjuraffen ?
„$a ift’S Dorbeü" SBaS ift baran ju (efen ?
©8 ift fo gut als wir’ es nicht gewefen,
Unb treibt ftdj bodj im ßreiS als wenn es wäre.
3<b liebe mir bafüt baS Gwigleere!"
2Jlcpt)tfto, bet in ben folgenben ©eenen wiebet BoUftänbig jum Teufel
beS alten beutfeben SBoIfSglaubenS unb SJoHSmäbrcbenS wirb, ift mit bem 2 e i b—
ber „leeren ©cbaa 1 e" — nichts gebient. Gr will ben „Sem", bie
Seele.
„Ser fißrpet liegt, unb will ber ©eift entfliebn,
3<b jeig’ ibm rafcb ben blutgefebriebnen Xitel.“
«Kit ädbt biaboliftbem £umot llagt er, baft eS fe&t fo Diele SRittel gebe,
„bem Xeufel Seelen $u entjieben".
Gr ruft beSbglb £elfetSbelfer berbei:
262
„$ie #emt Dom graben, £errn Dom frummen gorne,
33on altem SeufelS „Sdjrotunb $orne",
bie ihm auf baS (Sntmeid&en ber Seele aufpaffen unb juglei<b ben „Zöllen*
rachen" mit bringen foUen. „$er grauli^e «götlenradjen tbut fub ltnfS auf",
unb aWepbifto befd&reibt bie S<bredniffe in feinem Qnnem. 2)er Siebter iben*
' tifi$irt fub ^ier — mie er befanntU<b f<b<w im erften Sbeil getban — no<b ein*
mal mit ÜDtepbiftopbeleS, inbem er bie gorfdbungen unb ^beorieen ber ©elebrten
über ben Sifc unb bie Statur ber Seele perftflirt. tiefer ruft ben „$i<fteufeln"
Su:
gier unten lauert, ob's mie $boSpbor gleiftt :
2)aS ift biS Seeld&en, *ßfp cbe mit ben 5 lüg ein;
2)ie rupft ihr aus, fo ift'S ein garft’ger SBurml
Stobtaufbieniebern Legionen,
3b* S<bldu<be l baS ift eure Pflicht!
Ob's ibr beliebte, ba §u mobnen,
So accurat meifj ntan baS ni<bt.
3m üft e b e l ift fte gern gu gauS ;
ÜRebmt es in Siebt, fte mifd&t eud& bort heraus l
HuS biefer unb ähnlichen Stellen f<blieben ju tooHen, bab ©ötbe bamit
Unb mit ben ©anjen, ben ©tauben an eine unterbliebe Seele unb ihre Sren*
nung Dom Körper überhaupt D e r f p o 11 e n moHte, mürbe menig Äritil Derra*
tben, meil eine fotebe Slnnabme bureb ben meiteren gortgang beS ©ebiebteS
Dollftdnbig mibertegt mirb, baS ft<b halb barauf mieber gu ben fünften Werfen
unb bem erhabenen Sebmunge ber Sßoefte beS Prologs im girnmel (im er*
ften Sbeile) erbebt* S)aS ©ebiebt vertieft fieb mehr unb mehr in bie ebriftliebe,
ja felbft latbolifebe SJtpftif, bie ndebften Scenen Derftnnbilblicben ben ßampf jmi*
feben ghnmel unb «gölte, bem guten unb bem böfen $rinjip, melebeS gum Siege
beS ©Uten mitgülfeber Siebe auSf<btagt, bie felbft 2flepbifto unb
feine S(baaren aus bem gebe fdblagt. 2)ieS ift ber Sinn ber folgenben Scenen;
feine SluSfübrung mirb pbantaftif<b*atlegorif(b, aber Doll (Srbabenbeit unb jum
Shell lieblicher $oefte.
3n einer „©lorie Don Oben" nabt ft<b eine „bimmlif(be geerf<baar" mit
einem ©efange, beffen „garftigeS ©eflimper" ÜDtepbifto fritiftrt. (Sr nennt bie
bimmlif<ben geerfebaaren au<b „Teufel, unb Derlappt", bie ihn „mit feinen ei*
genen ffiaffen befriegen", unb fornmen „ihm bie Seelen meg$uf<bnappen !" (Sin
6bor ber (Sngel ftreut of en, bie „bem iftubenben Sßarabiefe betragen" fol*
len. SDtepbifto meif t bie Satane, „bie fub buden unb Juden" an, bie föofen
anjupuften", bamit fte „Derfcbrumpfen". Sie „blafen gu ftarl", bie SRofen
braunen fub, borren, unb f<btagen felbft in „giftig Haren glammen" aus —
unb SDtepbifto ruft:
„$)ie flraft erlifdgt! babin ift aller ÜDtutb!
$ie Seufel mittern frembe Scbmeicbelglutb
3)ie Helfershelfer ©tepbifio’S ftnb bcfiegt; „bie Teufel fteben auf ben
flopfeit' 1 , „fchfagen 9tab auf [Rab",'
„umftürgen ärfölingS tu bie £ölle".
Unter ben „IRofen", melcbe bie GngelSfcbaar ftreut, beflimmt, „bem [Rubenben
$arabiefe gu bringen", ntag eine in’S Gingelne gebenbe Grflärung „$baten
ber Siebe" verfteben —
„Slütben, bie feligen,
glammen, bie fröhlichen,
Siebe verbreiten fte,
äBomte bereiten fte tc." —
toel<be baS „böfe ©rincip" mit feinem ©iftbauch su vernieten ftrebt, tvobureb
fte ft(b aber nurinvergebrenbeSgeuer vermanbeln, vor bem ba£ S85fe
felbft bie glucbt ergreift — genni* eine Allegorie, ebenfo poetif<h*f<bön feie tief l
Slber be^Herr ber Xeufel halt noch aus, er „fefelägt ft<b mit ben
febmebenben Stofen herum", 2lber aUmälig paefen auch ihn bie StebeSglutben,
jeboch in feiner SGßeife (bie Siebe ift ber 2Renf<h felbft, ünb toie
feine Siebe ift, ift au(b er!) er fängt an, bie (Ingel — bie ft(b mehr unb mehr
um ihn beranbrängen — mit ftnnlicb verliebten ©liefen angufeben unb ver*
liebte sieben an fte gu richten, $ie (Ingel bringen auf ihn ein, unb
„nehmen ben ganzen [Raum ein", — 2Repbifto roirb in’S ©rofeenium gebrängt,
er fcbilt bie Gngel bie „magren Hefenmeifter, bie 9Rann unb SBeib verführen"
— er fühlt, „toie fein ganger flörper in geuer ftebt", feine lüfterne SiebeSglutb
toächft, er meint, bie Gngel fönnten „anftänbig naefter geben, baS lange galten*
bemb ift überftttlicb".
Unter bem bebeutungSvoHen ©efange ber Gngel:
SBenbet gur fllarbeit
Gu<b, liebenbe glammen!
S)ie ftcb verbammen,
Heile bie SBabrbeit,
S)afj fte vom ©Öfen
grob f«b erlöfen,
Um in bem SlUverein
Selig gu fein!
„fafjt ftch" SWepbifto, er ruft:
SQBie mirb mtr! HiobSartig, ©eul an ©eule
S)er gange flerl —
S)er SiebeSfpul, er toirft ficb auf bte £aut,
©erettet ftnb bie ebten SeufelStbeüe;
Schon ausgebrannt ftnb bie verruchten glammen,
Unb, tvie eS ftch gehört, fluch ich euch adgufammen!
’SBir haben eS hier toieber mit einer tiefen, aber giemlich fehleren Allegorie
gu tbun. 6ie fcheint bie nur oberflächliche („ber StebeSfpuf toirft ftch auf bie
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§aut"), baS 3immer nidht reintgenbe SBirtung bet ftnnlidhen Siebe beS 93Bfen
erläutern ju f ollen, bie, nadjbem fte „ausgebrannt", wie Sötephifto töftlic^ Bon
ftcb feCber fagt, „bie eblen Seuf elätheile" unoerfehrt lä&t.
Unter bem frönen Ghorgcfange:
„^eilige ©luthen!
SBen fte umf cbm eben,
. gubtt ftcb im Sieben
©elig mit ©Uten.
Sille Bereinigt,
$ebt euch unb preij't!
Suft ift gereinigt,
SUbme bet ©eift!
erhebenfich bie Gngel, „kauften's Unterbliebe» entfühtenb".
SWepbiftopheleS bat baS leere SRachfehen! er Wagt: .
«Wir ift ein grober,, einiger ©chab entwenbet.
'Sie bobe 6eele, bie fich mir Berpfänbet,
Sie haben fie mir pfiffig weggehafcht!
unb befchutbigt baS „gemeine ©elüft, bie abfurbe Siebfchaft", bie „ben auSge*
siebten Seufel angewanbelt".
Ser toilbe SeufelSfpul ift Botbei, aber obgleich bie Gngel „fauften’S Un»
fterblicheS" himmelwärts „entführt" haben, bat ber Sichter feine Hufgabe noch
nicht erfchöpft. Sie nächften ©eenen führen uns in eine „Ginöbe mit 93erg=
fdbluchten, Sffialb unb gelS", „heilige Slnachoreten", „©ebitgauf nertbeilt, ge*
lagert jwifchen Hüften." Ghor» unb Gütjelgefang ber Hnachoreten. Pater
ecstaticus („auf* unb abfehwebenb"), Pater profundus („tiefe SRegion"),
fingen £pmnen auf bie „ewige, allmächtige Siebe", bie SlUeS bilbet, SCUeS
hegt." Pater seraphicus („mittlere SRegion") fleht, wie
„Gin SIRorgenwöltchen fchwebet
Surdj ber Sannen fchwantenb ,§aar!"
GS ift ein Gbor „feliger Htaben". Ser Spater preif’t fie glücllicb, bah T«
„Bon fchroffen Grbenwegen leine ©pur haben", unb leib’t ihnen
„feiner Stugen weit» unb erbgemäfj Organ",
um ft<b bte ©egenb anjufchauen. Slber bie Knaben „fchüttelt eS mit ©ebred
unb ©tauen", unb Später ©eraphicuS weift fie ju „höheren Greifen" hinan,
wo fie immer „unoermerlt wachfen" würben, Bon ©otteS ©egenwart Berftärlt,
„Senn baS ift ber ©eifter SRahrung,
„Sie im freisten Sietbet waltet,
Gw’gen Sieben» Offenbarung,
Sie jur ©eligteit entfaltet."
Gngel etfdjeinen „fchwebenb in ber höheren SttmoSpbäre, Rauften’» Un*
fterblicheS tragenb", unb fingen:
©erettet ift baS eble ©lieb
Ser ©eifterwelt Born SJBfen!
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SBcr immer ftrebenb ftd) bemüht,
2 )en formen mir erlöfen;
Unb hat an ihm bie 2 i e b e gar
SBon oben £heü genommen,
Segegnet ibm bie felige Schaar
•Dtit herzlichem Sßidfommen."
Sn einem 2 Be<hfelgefangc ber „jüngeren Gngel", ber bottenbetern (Sngel"
unb ber „feligen Knaben" triumphiten 3ene über ihren Sieg über bie «£>öde mit
ßülfe Stof«*/ #^olIenbeteren (Snget, fpred&en au3, bajs e3 ihnen „pein?
K<h" fei, „einen (Srbenreft zu tragen."
„Unb mar’ er bon 2l£beft,
(Sr ift nicht reinlich*"
„ffienn ftarfe ©eifteSfraft
5)ie Elemente
2 ln fi<h herangerafft"
fp bermoge fein (Snget „bie innige 3mienatur ber »eiben 311 trennen",
„$ie einige Siebe nur
JBermag’ä ju fcheiben."
Sßorauf bie jüngeren (Sngel gauft’3 „Uufterbli<he3" berfich nahenben „Schaar
feliger Knaben" übergeben, bie „biefen in »uppenftanb" freubig empfangen
unb ftngen:
„Söfet bie gloden lo§,
2 >ie ihn umgeben!
6 <hon ift er, fchön unb gro|$,
»on heiligem Seben."
$ie „göttliche ßomobie" nähert ftch ihrer Spi|e. $octor dftarianuS „in
berhödhften, reinlichftenSede", „too bieSu*fi$t frei" unb „ber©eift erhaben",
fleht „nach oben fchmebenb, grauen borbei^tehen",
„$ie herrliche mittenin,
3m Sternenlranje
®ie «gimmetefönigin."
(Sr ftimmt „entjücft" eine £pmne auf bie „höchfte £errfcherin ber 2BeÖ"
an, bie
„3ungfrau, rein, im hofften Sinn,
üdutter, ehrentoTfcbig."
Sie erfdjeint bon einem „»elften" umgeben, „»üfjerinneu"
„Um ihre Mee
S)en Slether fchlürfenb,
©nabe bebürfenb",
benn ihr,
„$er Unberührbaren,
3 ft es ni<ht benommen,
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266
Saft bie Scic^tuerfü^rbaren
Sreulidj ju bis tommen.“
„2Ber jettest au! e i g n e r Praft
Set ©elüfte Pctten?“ u. f. w.
Sie „Mater gloriosa“ fcbwebt empor, umgeben bom ©bot ber 93ü|e«
rinnen, bon betten brei, erft 3ebe einjeln in einet frönen acbtjeiligen Stanje,
bann äße brei jufammen in einem ©borgefange, bie „$immet!tömgin“ um SBer=
jeibung für eine SBierte anfieben. Sie brei ftttb: bie Magna peccatrix (bie
©ünberin au! Suca! YII. 36 folg.), welche ©briftu! beim 2Jtable bie pfse
mufib unb mit ibretn $aar trocfnete, bie Malier Samaritana, bie Samariterin,
welche nach ©bang. pbann. IV. ©briftu! SBaffer fchöpfte unb ju trinten gab,
unb bie Maria Aegyptiaca, welche nach ben Actis Sanctorum 40 3abre
lang in ber ägpptifcben ffififte lebte. Sie Srei bitten für Una Poenitentium,
„fonft ©retten genannt“,
„Sie ftcb einmal nur betgeffen,
Sie nicht ahnte, ba| jie fehle.“
Sann erfcheint ©retchen felbft al! glebenbe. 3br ©ebet ift ein SeitenfHW ju
bem ergreifenben „3tcb neige, bu Scbmetjenfteicbe", be! erften Sbeile!, aber
betrieben bon biefem wie 4?immel!glücf bon ©rbennotbl Sie fpricbt:
„Sleige, neige,
Su ObnegIei<be,
Su Strablenreicbe,
Sein 2lntU& gnäbig meinem ©lüd!
Ser früh ©eliebte,
9U<ht meb» ©etrübte,
©r tommt jurüd!“
Sie „feligen Knaben, in Preisbewegung ft<b näberob, feben puft bereit!
fte „überwachen“ „an mächtigen ©liebem“, unb erblidten fchon ihren fünftigen
Sebrer in ihm. ©reichen fcbilbett be!'„früb ©eliebten“ Suftanb wie benSuftanb
Neffen, ber ft<b eine! 9leuen aßmälig bewußt wirb; fte fleht, wie er jebem
©rbenbanbe,
„Ser alten £üfle fub entrafft,
Unb au! ätherifdjem ©ewanbe
^erbortritt erfte 3ugenb!raft!"
Sie erbittet bon ber „Mater gloriosa“:
„Vergönne mir, ihn ju belehren!
9lo<h bienbet ihn ber neue Sag."
$ie Slntwort lautet bebeutungSboß:
„Pomm! bebe bi<b ju böbern Sphären,
sjßenn er bidj ahnet, folgt er nach!"
ÜRacb einem turjen ©ebete be! Soctor 3)larianu§, bet auf bem Slngefubte
anbetet, fehltest ba! ©anje mit bem ©efange be! Chorus mysticus, ber in
acht inbaltfcbweren 3eilen bie ©rnnbeffenj ber gefammten iMtgion!s5Pbilofopbie
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be? 2)i<hter3 tote in einem ©rennpunit jufammenfalt. 3)ie benlwütbigen Seilen,
»ieüeictjt baS wichttgfte ©ermäcbtnifs beä grcfsen Sinter» unb Seniet^Seniu^,
lauten:
„Silles SBetgdngli dje
3ft nur ein ® I e i dj n i |;
2>a3 Un juldnglitht,
$ier wirb’S d t e i g n i f»;
3)aS Unbefthreiblich e,
$ier iffs ge tban.
©aS dwigweiblidje
3ieht uni hinan!"
©)e wir biefen „mpftifcben Gbot" näher in’s Sluge faffcn, wollen wir ju*
Bor noch bet fthönen SBechfelbejiehung unb drgänjung gebenlen, in weither biefer
Scblufj beS jweiten feiles ju bem beS elften ftefjt. 3n biefem erblicten wit
befanntlicb ©reichen im ©efängnifi, nadb bem SuSfprutbe beS SPiep^iftopfjeleS
„gerietet". Slber fcpcn bott beutet „eine Stimme Bon oben" an, bajt jie
„gerettet" ift (gerettet, »eit ibr Bor ihrem ©eliebten „graut"), unb ©ret*
thenS Stuf: „Heinrich! ^einridj!" nathbem Sauft bereits mit SWephifto Ber*
fdbtounben, beutet weiter an,bafjfte ben©eliebten nt cht aufgiebt, fonbem
ju ftcb ruft unb nach ftdb jiebt, eine Slnbeutung, bie im Schluffe beS jweiten
^heiles ihre drfütlung finbet, wo wit ©retchen in feligem ©lüde treffen über
bie SR ü dt ehr be§ ©eliebten, „nitht mehr ©etrübten", unb wo fte ihn
„ju harren Sphären" nach ftcb jieht.
So geftaltet ftcb baS ©anje ju einem erhabenen bramatifchen £pmnu3 auf
bie Siebe, bie Siebe im höchften Sinne beS SBorteS. Sie erjjheint un8 im
erften 3-heile, in ber natürlichen SSBelt beä drbenlebenS, junäthft in bem ©ua*
liSmuS ber Siebe, jwifthen SDtann unb SBeib Berfürpert, in weither fte ber
Scbulb BerfäHt, aber fdbon mit Slnbeutung ihrer (Erhebung jum höheren 6ha»
ratter ber SWutt er liebe unb be« SHtutterfthmerjeS ; autb hier wirb
ihreteinigenbe unb rettenbe töraft, wit wir gefehen haben, in ber
Stblufsfcene angebeutet. 3m jweiten Steile tritt in ben mpftifdjen „SWüttem",
bei weiten Sauft bie Helena finbet, bem SSerhältnifj jwifthen biefen unb ihrem
Sohne dupbonion, bie Sorm ber ©atten* unb dlternliebe in ben
SSorbergrunb ; wir treffen bort unter Slnberem auf folgenbe fdböne SBerherrlt*
d)ung biefer ibealeten Sßhafe bet irbifthen Siebe:
Helena:
Siebe, m e n f $> l i <b ju beglüden,
SRähert fte ein ebleS 3 wei,
©odj ju göttlichem dntjüden
SBilbet fte .ein t5ftli<h © r e i. .
Sauft: .
StUeS ift fobann gefunben :
3<h hi» bein unb bu bift mein:
m
w
ü
268
Unb fo flehen mir uerbunben,
Surft’ eS bocb nicht anberä fein 1
Ebor:
SBoijIgefallen »teler gabre
3n beS Knaben milbem Schein
Sammelt fidj auf biefem Sßaare.
0, tute rübrt mich ber Sßcrein !
3tn fünften 2lcte er tu e ite rt ftd), ttjte wir gefeben haben, gauft’S Siebe
jur liebeuollen, fegenSreüben Stbätigfeit jutn SBcften ber SDlenfchbeit,
(„2luf freiem ©runb mit freiem Solfe fteben" ic.)
ber böchften gorra, welche bie itbifdje Siebe annebmen !ann, bie uun ber Selbft«
fucbt freigelucrbene Ntenfchenliebe, bie ©runbibee beS EbriftentbumS. Slbet als
foltbe ift fte ni<bt an bie ©renjen bet irbiftben, natürlichen SBBelt gebunben, fte
Wirb jum © e f e b e b e S SiBeltallS, fte tuirb jur uerföbnenben, alle
Schulb auSgleidjenben, immer nach Oben siebenten Siebe erhöbt. Sie
ift in biefet Erhöhung äugleidj ©efeb unb ©etudbr beS ewigen Sehens beS 3n*
bioibuumä, baS fidf felbft in bem jerftörenben $rinjip ber SRatur auSfpricht —
«tan uergleicbe bie ftböneStrophe beS Pater profandus ber „in ber t i e f e n
SR eg i o n" uon biefem ^ßringip noch erfdjredt, um Erleuchtung fleht — unb
beffen ©ewibbeit im ©lauben uns ber Sinter in „gauft’S Unfterblicbem" giebt,
baS jum fMmmet getragen unb burcb bie 8 i e b e rafcb entmidelt unb ju „höbe*
ren Sphären" gejogen tuirb.
Sßcnn ber Chorus mysticus ftngt: •
„2llleS SSergänglitbe
3ft nur ein ©leiebnif»",
:fu tuirb unS bieS, futuie baS gplgenbe, na<b bem eben $8orauSgef<bidten uerftänb*
Heber fein. NlleS SBergänglicbe ift nur ein ©leicbnifj. Sffieffen? SeS U n»
uergänglicben, ober mit anbem ©orten: baS Seitliche, Natürliche ift
nur ein Spiegelbilb beS Ewigen, Uebernatürlicben (aber barum nicht Unnatür*
Jicben). Siefer Sab, wie anbeteS notb ju ErtnäbnenbeS, machen eS gftutf, bafs
©ötbe ben gbeen Swebenborgs eine nähere Söeacbtung gewibmet batte. 2Ber
mit beffen Sehre uon ber „Sorrefponbenj" aller natürlichen gorm mit einer
geiftigen belannt ift, bet tuirb biefe in jenem erften Sabe beS mpftifeben EboreS
mieberfinben.
Ser nächfte Sab bringt uns eine weitete Erläuterung unb Erweiterung
beS Erften;
„SaS Unjulängliche,
4)iet wirb’S Ereignifs."
Sab baS „Unjulänglübe" wiebet eine Söejeichnung beS an Naum unb
Beit gebunbenen „Natürlichen" ift, uerftebt fuh leicht; aber im ©egenfab ju
ben erften Beilen, im welchen baS Natürliche nur als ein,,© I e i <h n i fs", eine
Nbfpiegelung eines anberen 38 irfliehen aufgefabt ift, wirb hier uon
'
269
ihm gefaxt, bafj ei „hier" gum ©r c i gn i , b. h- felbfi einem SOBirflichen,
mirb. Stuf bai SBort „hier" ift befonberer üftachorucf ju legen. eer ©her
fingt „hier"7unb mir fragen natürlich: mo ift biefei hier? mobin bat uni
er SHdbter geführt ? 2Bir befinben uni, mie mir früher gefeben, in „höheren
^Regionen", in „Sphären", in einer Sßelt, bie außerhalb unb oberhalb ber na*
türli(hen 2Belt liegt, aber ebenfo mirflidh ift mie biefe, bie nur ihr „©leichnijs"
ift. $ i e r, in biefer SBelt, mirb aber bai „Unzulängliche" (bie vergängliche,
irbif(he gorm) zugleich zum ©retgnifj, b. h» jum mirilidh ©efdhehenen,
Zur $h at f a dh e ; hier mirb ei flar, bafc bie vergängliche irbifdhe gorm Slui*
bruef, 9tepräfentant einei in ihr enthaltenen ©eiftigen ift, bajs bie natürlichen
gormen in ber ©eiftermelt ihre eorrespondentia finben, bafc biefe, mie fte
Slbfpielungen bei ©eiftigen ftnb, auch mieber beffen eigene gorm bebingen, bah
© e i ft unb gormibentifdh ftnb, eine gbee, bie in ber Sehre bei fchme*
bifdhen SReligioni*Bhifofo£hen bie confequentefte unb auigefprochenfte ©ntmiefe*
lung gefunben hat, ber bie m en f dh l i dh e © e ft a11 felbft ali ÜRothmenbigfeit
für alle geiftigen ßjiftenjen im dinjelnen, unb in ben ihm eigentümlichen ©e*
noffenfehaften, fomie für bai ©anje bei ffieltafli felbft nachmeift. DJtit ben
Söorten: „eai Unzulängliche, hier mirb’i ©reignt", giebt uni ber Sichter bai
Befenntnifc feinei ©laubeni an bie Un 3 erftörbarfeit bei geiftigen gnbivibuumi,
beffen auf ©rben „unzulängliche", b. b- vergängliche, gorm „bort" zum ©r*
ei g n i fj, zur $ ha t f a <h e mirb, b. h* Z ur unvergänglichen ©eftaltung.
Sie nadhfte Strophe bei ©hor’i
’ „Sai Unbefdhreibliche,
4M er ift’i gethan."
enthalt eine meitere Betätigung bei Ueherftnnlidhen. Semt bai „Unbefdjreib*
lidhe" ift eben bai Ueberftnnlidhe, benn befchreiben fann ber 9Jtenf<h nur, mai
er mit feinen Sinnen mahmehmen fann. 3u bem Unbefdhreiblidhen gehört na*
mentlidh auch bie Berbinbung ber Seele mit bem Seibe, unb bie biefer entfpre*
chenbe Trennung Leiber, meldhe nach ber tiefftnnigen Slnbeutung im ©höre ber
„vollenbetem ©ngel", bie mir oben mittheilten, nur bur<h bie Siebe vor ftdh
geht, ali fdhöner ©egenfafc baju, bah auch bie Bereinigung von Seib unb Seele
ehte $hat ber 2 ie be iftt Slber hier—im Steife bei Ueberfmnlidhen—fagt uni
bereichter, hier ift bai Unbefdbreiblidbe gethan, hier mirb bai Unbefdhreibliche zur
^hatfadhe, zur Söirflidhfeit, bai Söunber ber Trennung bei ©eiffei vom Stoffe—
übrigeni fein gröjjerei ali bai ber Bereinigung Beiber — bai SBunber ber
gortbauer bei ©eiftei in berfelben gorm mirb hier erfüllt. Unb burdh men
mirb bai Unbefdhreibliche gethan ? bai SBunber erfüllt ? 2Bie uni fdhon jener
©ngeldhor gefagt: „bie emige Siebe", fo fd^tie^t bereichter hier fein gan^ei
erhabenei SBerf mit ben inhaltfdhmeren SBorten :
„Sai ©mig SBeiblidhe
Sieht uni hinan !"
eenn baiömig SSeihlidhe ift nidhtiSlnberei ali bie Siebe, ober, noch
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allgemeiner gefaxt, wie eg nach einer non fünfter angeführten Sleuhetung ©öthe
felbft aufgefaht fehen wollte, ber bem (^d^eren) ÜJtenfchen eingeborene „3ug
gurn £öh*ten."
„2)ag ewig SBeibliche ift bag, mag ewig unberänberlich ben inner**
ften fiem beg SBeibeg bitbet, bie fi<h hingebenbe aufopfembe Siebe,
Welche bie SBeiblichleit felbft ift. $iet aber begegnet eg in leister
Uebertragung auf bag gange Streben beg übtenfchen jenen in ihm Iie*»
genben 2)rang nach Oben, jenen begeifterten 3ug gurn höheren, ber
bag 93efte, ber ©btt felbft im SDtenfchen ift."
2Ber ung big hierher gefolgt ift, ber wirb ung wohl SRecht geben, bah bie
Annahme einer übtpftiftcation bur<h ben gwciten Xheil beg gauft eine beg großen
2>i<hterg unb übtenfchen unmürbige ift, bah eg ©öthe mit biefer bollenbetenSra»
göbie beg gauft heiliger (Srnft war, unb bah er barin bie lefcten SRefultate feineg
2)i<hteng unb 2)cn!eng nieberlegen wollte, gn biefer 2lnfi<ht werben wir befe»
ftigt wenn wir ung erinnern, wie biefe gaufcgbee ftd& burch beg 2)i<hterg gan»
geg Seben gieht, ihn fchon in feiner erften Üßeriobe erfaht, bann in langen 3toi*
fchenräumen ftücfmeife f«h entmicfelt, lange liegen bleibt, wie er bie Unguläng»
lichleit beg erften £heileg unb bie btothwenbigfeit einer ©rgängung unb Sollen»
bung erlennt, wie er bag 2ßerl im hohen 2ilter wieber aufnimmt, unb lurge
3eit bor feinem $obe bollenbet. 2lKeg bieg berechtigt ung, eg für bie üuint*
effeng feiner gbeen über menfchliche unb göttliche 2)inge, für fein poetifch'philo»
fophifthe^ ^eftament gu erlldren. Unb wag fagt ung biefeg £eftament beg um»
faffenbften unb fchaffenbften ©eifteg, ben ber beutfche ©eniug geboren ? 2)ah
ber grohe ffrhlajf& r webet ein #eibe noch ein übtateria»
lift im mobernen Sinne war, bah feine Slnfchauung über göttliche
S)inge unbinbioibuelle gortbauer bie tranfcenbental»<hriftliche war,
unb bah, bie fpegielle gorm biefer Slnfchauung anlangenb, biefe ber
Smebenborg’g fehr nahe ftanb, wie wir algbalb noch näljet barlegen
werben.
2Ber bie Si e b e nicht nur gum leitenben üßringipe begübtenfchenle»
b e n g macht — gauft, bet feine fchönfte Stunbe getommen fleht in bem @r»
folge ber werfthätigen Arbeit für „ein freieg ÜBoll auf freiem©runb" —, fon»
bem bie Siebe alg allgemeineg SBeltgefefc erlennt,
„So ift cg bie allmächtige Siebe,
2)ie 2lüeg bilbet, Sllleg hegt."
Pater Profundus*
alg bie Übtacht, welche felbft noch „bag böfe ^ringip" gu Siebegregungen
feiner 2lrt gwingt, wer, wenn auch in bunller mpftifcher SBeife, bie „Übtütter"
feiert, bie betgebenbe Siebe in ber bon SBüherinnen umfchwebten Mater
gloriosa,bie berebelnbe Siebe in bem ©mig SBeiblühen, welcheg ben
gauft „hinangieht", berherrlicht, bon bem lann man Wohl mit gug unb üRecht
behaupten, bah er bag innerfte ffief^n beg ©htiflenthu mg er»
fannt unb bargefiedt habe. SRocb fpe^ififcb d^riftltd?cr fpricht fld& ©ötbe fclbft
barüber an einer üon Ständer citirten ©teile aug, mo eg bei&t:
„gm gauft felber eine immer ^ö^ere unb reinere Sbätigfeit big ang ©nbe,
unb bon Oben bie ihm gu £ülfe lommenbe emige Siebe. ©g ift bieg
mit unf e r e r religiöfen Vorftedung burebaug in Harmonie, nach melier mir
nicht blofj burch eigene firaft felig merben, fonbem burch bie biuäufommenbe gött*
lid^e ©nabe.
©ötbe’g ©laube an bie Unfterblicbleit ber Seele mit inbiüibueder gortbauer
im ädgemeinen, ift noch bureb anbere Steden aug feinen SBerlen unb Briefen
aufier 3fteifel geftedt. SBir moden nur ei ne fold^e anfübren. ärn 19. Mär§
1827 (alfo nur 5 gabre bor feinem Sobe) febreibt ©ötbe an 3elter, ber feinen
Sohn verloren batte:
„SBirfen mir fort, big mir, bor ober na<b einanber, bom SB e 11 g e i ft e be.
rufen, in ben äetber jurüeffebren. Möge bann ber ©miglebenbeung neue
Sbätigleiten, benen analog, in benenmir ung fdbon erprobt, nid&t berfa*
gen! gügt er fobann ©rinnerung unb Stad? ge fühl beg Siechten unb
©Uten, mag mir hier fchon gemodt unb geleiftet, bäterlid? b^u, fo mürben mir
gemijj nur um befto rafd?er in bie Äämme beg SBeltgetriebeg eingreifen."
Siefe intereffante Stede — übrigeng nod? baburd? b&<hft (haralterifd?, bafj
©ötbe bag blutenbe Vaterberj beg greunbeg an ben Sroft „raftXofer Sbätigfeit"
bermeift — ftedt ben © l ä u b e n an inbibibuede gortbauer au&er 3^>eifeX*
SBenn.ein ©ötbe im 78. gabre bom „SBeltgeifte", ber ung abberuft, bon ber
Stüäfebr in „ben äetber" unb ber Hoffnung „neuer Sbätigleiten" mit ©rinnen
rung" unb „Stachgefübl beg Siechten unb ©Uten" fd?reibt, fo ftnb bag feine
^btafen, fonbem tieffte Ueber^eugungen. Ueber feine fpe
gellen Vergeltungen aber bon ber gorm biefer gortbauer erbalten
mir eben in bem bon ung befproebenen 9. Xbeile beg gauft nähere intereffante
änbeutungen, auf bie mir nod? einige Vlicfe merfen moden.
©ötbe mar in feiner P&ilofopbie offenbar ©clectifer, b. b- er febmur auf
leineg ber befonberen pbdofopbifchen Spfteme, fonbem er eignete aug ädern
fub bag feinem SBefen ©ntfpre<benbe an. SBie felbft bie <briftli<ben $ird?enbäter
unb bie Acta Sanctorum fein Senlen nährten, mie bie religiöfe Voefte ber gta*
Uener unb Spanier feine gbeen mefentli(b beeinflußte, fo meifen bie lebten See*
nen beg gauft auf feine Vertrautheit mit ben gbeen Smebenborg’g bin. S)ie
merfmürbigfte Stede in biefer Vejiebung ift ber „©bor ber feligen Knaben'',
meldte bom Pater Seraphicus aufgeforbert merben, fub* feiner äugen $u be*
bienen, um natürliche Singe §u feben:
„Steigt herab in meiner äugen
SB eit* unberbgemäfj Organ!
Äönnt fie a l g bie ©uren brauchen;
Schaut euch biefe ©egenb an."
Sünfcer, ber neuefte bodftänbigfte gauft*©ommentator, bemerft hierzu
(S. 780):
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272
H
„Sem ^Dtcf?ter fd&mebte hierbei ber betannte fehmebtfehe Blaturforfcher unb
©eifterfeherßmanuel Smebenborg (geabelt als bon Smebenborg) (1689r- 1772)
bor (©öthe $anb 39. S. 359), ber behauptete, mit ©eiftern aller .gimmelS*
uitb SBelträume itt SJerbinbung gu ftehen, bie ftch, um bic irbifchen Stfnge gu
fehen, feiner Slugen bebienten, auch in feinen ßopf unb anbere Steife feinet
ßorperS ubergingen, um auf irbifche SBeife gu fühlen."
Sollte 3emanb nach allem bisher ©efagten bielleicht noch bie 2lnji<ht
»ertbeibigen motten, bah es ©öthe mit feinem gmeiten Sheile beS gauft gmar
©mft gemefen fei, allein bah er bamit nichts weiter gethan, als feinem poetifchen
SchaffenStriebe genügt, unb ihn anfpred&enben gbeen eine bichterifche gorm ber*
liehen habe, fo lönnten mir biefe Annahme nicht für haltbar erfldren. ©S fteht
ihr golgenbeS entgegen. Obgleich ber Srang gu poetifchem Schaffen unb bie
gähigfeit bagu — als parallele beS törperlichen geugungStriebeS — mie bie
©rfahrung lehrt, bei eingelnen beborgugten ©eiftern jich bis in baS hohe ©reifen*
alter hinauf erhalt, fo erleibet bo<h beffen ©ethätigung eine ber ©ntmicfelung beS
SnbibibuumS felbft entfprechenbe Seranberung. Sie Sßoefte unb baS poetifche
Sßrobult ift bem greif en Sichter nicht mehr $aupt* unb Selbftgmedf, fonbern
fte mirb ihm Mittel für bie Sarftellung beS ©ebanfenS, gorm für bie Aufnahme
ber gbeen, bie feinen ©eift bemegen, mit anberen SBorten: bie Senbeng tritt
in ben SSorbergrunb, ber philofophifche ©ebanfe geminnt bie Oberhanb
über ben poetifchen, ber $oet berförpert mehr fein ©ebachteS als
fein © e f ü h 11 e S. So. mollte auch ©öthe uns im gmeiten Shcile beS gauft
nicht bie SBollenbung eines bramatifchen ÄunftmertS geben, fonbern er gebrauchte
benfelbenals bie poetifche gorm, in meld&e er bie3been gofj, bie bie lebten gahre
feines raftlcS fchaffenben ©eifteS erfüllten. Ser grofje Sichter unb Senter
lüftet uns ben Vorhang, ber baS SieffeitS oom QenfeitS trennt, er führt uns
an ber £anb ber Sßoefte in baS Seben nach bem Sobe ein — ein beutfeher Sante an
ber $anb ber SBeatrice Sßoefte — meil fein Sichten unb brachten felbft biefem
Seben guftrebte, meil fern ©laube bar an — auf ber ©runblage JDeS ©hriften*
thumS — feftftanb, unb feine philofophifche Uebergeugung baoon — an bie
3>been beftimmter Senler 'fuh anlehnenb — feinem innerften SBefen nach eine
poetifche ©eftaltung annahnu Sünfcer fagt barüber golgenbeS:
„SaS SBagnib, uns in baS a n b e r e 2 e b e n f e l b ft hinüberguführen,
fonnte nur einem Sichter gelingen, ber mit tieffmniger ©rfchauung ber Biatur
in ihrem gangen SBirten unb Schaffen fo biele fmnlidhe Klarheit, unb ein fo
reines, tiefes ©emüth oerbanb, mie unfer bem jenfeitigen Sichte mit ftiller, bet*
trauenSbotter [Ruhe, in ftetem, frohem gortmirlen auf ber ihm angemiefenen.
Söahn entgegenharrenber ©öthe, in beffeir gauft mir in höherem Sinne als
Statten in feinem Sante eine Divina comedia beftfcen, bie uns "burch bie
mannichfaltigften menfchlichen Strebungen unb Biegungen hinburch gur höheren
£eimath, in melcher baS maS hier „ungulängiich" mar, fleh erfüllen foU, ahnungS*
bott emporhebt.
SGßir fennen bie Seute fehr mohl, bie für alles bieS nur eine anmafjenb*
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hoßnlächelnbe Abfertigung bereit haben, bie Seute, bie bcn jweiten Sßeil beS
gauft nur für ein HuSfcßeibungSprobuft eines alternben, im 9t ücf gange
begriffenen ©eßirnS erflären »erben; allein fte beirren uns nicht in
unferer Ueberjeugung »on bet unjerftörbaren Gjiftenj beS geiftigen gnbtoi*
buumS, nicht in unferer Ueberjeugung »on bem naturgemäßen • grenjenlofen
gottf<ßritt, bem unfer großer Sinter felbft nur baS Siel im 31 uf geßen in
ber ewigen Siebe anweif’t:
„Unb nun bring’ ich alter Orten
Seichter burcß bie e»’g e n Greife,
S)ie burcßbrungen finb »on SBorten
©otteS, rein*lebenb’ger SBeife.
Ungehemmt, mit heißem Triebe
Saßt ftch ba fein Gnbe ßnben,
33i3 im Nnftßau’n ew’ger Siebe
Sßit»erfcßweben, wir »erfcßwinben!
©ßthe, 2Beftöftlicher $i»an IY. 149. #
dittt öfutjdjc Uoröfaljrt.
©Olt Xljcobor
tteunje^nte ^afyrfyunbert fd&cint fiel? unter anbertt bie Aufgabe ge*
fteKt ju haften, bie ©eograpßie bet Grbe »oUftänbig in’S Uleine ju bringen,
feinen gußbreit SanbeS ober ffiafferS feinem Nachfolger jur Grforfcßung übrig
ju laffen. Noch ift baS jweite drittel beS gaßrßunbertS nifßt abgelaufen, unb
»eiche maßenhafte geogtaphifeße Arbeit ift barin fchon »oHbracbt! Gin SSlidf auf
bie heutigen toten »on 3lmerifa, Slfrifa, Slften unb Sluftralien unb eine 35er*
gleichung mit ben harten im Anfang beS gaßrßunbertS giebt ben Therebteften 33e*
weis für baS ©efagte. 2lber eS ift noch mehr geßhehen: bie ©eograpßie ift jur
wahren SBiffenfcßafft geworben butch unfern totl Ulitter, wir finb für ewig be*
freit »on bem mechanifchen Gonglomerat »on Sänber*, gluß* unb 33ergnamen,
baS Detail ift »erbaut, unb wir feßauen auf bie Grbe als auf ein organifcßeS
©ebilbe. gn ©eutfcßlanb allein fonnte biefe große ©eifteStßat »otogen werben,
unb bie ©eutfeßen hätten »ielleicht Necßt, fuh mit bem Nußm ju begnügen, bie
Sheorie berGrbhtnbe gefeßaffen ju haben. Sieftnb jeboeß anberer Meinung unb
beftreben ftch, ihren »ollen Nntheil an ben praftifeßen Grforfcßungen unb Gnt*
bedungen bet Grbobetfläcße ju nehmen. ©er Slnfang beS gabrßunbertS faß
£umbolbt in ben SBälbern beS Drinofo feinen befcßwerlicßen Gntbedtungen nach*
gehen, gn SÄußlanb war eine große Nnjaßl ©eutfeßer ftetig befcßäftigt, bie
©renaen unferer totntniß nach Slften §u erweitern, bis fte enblicß in ben legten
18 t
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Sauren ben Amur hinunter am Stillen ©eet antamen. SaS umfaffenbe SEßert
über bie riefige £imalapalette berbanfen mit brei beugen »rübern, beten
einet _ Abolf S*lagintmeit — fein Seben für bie SSfung bet Aufgabe bin*
gab. SnAuftralien opferte Sei*arbt fein Seben, na*bem er f<bon bie mich*
tigften dntbedungen auf bem fo unbelannten Gontinent gemalt batte. Aa**
bem f*on eine ganje Steife Bon beutf*en gotf*em na*-Afrila gegangen
mar, mürbe bie drforf*ung DftafritaS gerabeju ju einer Aationalfa*e ge*
macht, unb mir faben bot menigen gabren eine Gppebition auf Soften ber Aa*
tion bottbin geben. 3m Augenblid ift nun eine äbnli*e Gjpebition jur Aa*
tionalfadbe gemorben, übet bie i* im golgenben-einen lutjen »eri*t ju geben
beabfubtige.
gg banbeit ft<b jefet um eine gabrt nach bem Aorbpol, um ein mirttubeS
drrei^en beS AorbpolS, nicfet um traurige, monatelange Schlittenfahrten in bet
gtäbe beS 80. »reitengrabeS. 2113 rnenn bie $eutf*en ihr gehlen bei ben
groben geograpbif*en dntbedungen beS 15ten unb 16ten gabrbunbertS gut
nta*en roottten, bemühen fie ft* jefet, ben no* übrigen größten geograpbif*en
»reis ju gewinnen.
3 ilg Bor einem 3abr mehrere englifdje Seeoffijiere eine neue gäbet na*
bem Aorbpol auf bem alten ©eg jmif*en ©rBntanb unb Amerila anregten,
f<brieb Sr. 31.»etermann, ber auSgejei*nete dbef oon SPertbeS’ geograpbif*et
Anftalt in ©o*a, an bie Sonbonet geograpbif*e ©efettf*aft, unb f*lug ben
gßeg über Spifcbergen Bor, ber unglei* mehr Berfpri*t. Sie alten bottänbi»
feben 2Baltfif*fän ger motten auf biefem ©ege bis jum »ol getommen fein, unb
man bat lein Ae*t, ihre 3lngabe ju bejmeifeln. Sott giebt eg na* allen »e*
timten ein offenes SUleer, nur menig dis, baS für einen S*raubenbampfer gar
lein £inberni&, unb gar leine Gigberge. Siefer Iebtere Umftanb ift in boppel*
ter Söejiebung mi*tig. drftenS fällt bamit ein gro&eS fpinbernib ber S*iff*
fahrt binrneg, unb ä weitenä wirb banflt bemiefen, bah lein Sanb jmif*en Spifc*
bergen unb bem »ol liegt. GiSbetge ftnb belanntli* Stüde Bon ©letf*ern, bie
in’S SUleer binabgeftürjt ftnb; menn fie in hoben »reiten fehlen, fo beutet bieS
natürli* auf 3lbmefenbeit oon Sanbmaffen. 3n dnglanb mar nur eine 2M*
norität für »etermann’S Sßtan, unb fo bef*lof biefer mit gere*tem Stolj, ben*
felben beutf*en Seeleuten jur Ausführung ju übergeben.
®er »tan ber dypebition ift nun folgenber. ©an miH jrnei Heine
S*raubenbampfer anf*affen, unb mit biefen jeitig im grübjabr Bon Hamburg
ober »remen aus na* bem Aorben aufbre*en. 3n Spifcbergen finben fr*
Saget Bon guten Steintoblen, bur* bie man bie bis bortbin aufgebrau*ten
sßorrdtbe ju erfefcen gebenlt, unb bann fott eS Bon Spifcbergen aus getroften
©u*e8 na* bem »ol geben. SreibeiS ift für S*ranbenbampfet lein $inber*
nib mie f*on oft erprobt mürbe, unb anbere £inbernijfe ftnb ni*t belannt.
SDer alte beutf*»ruffif*e Abmital Sötte, bie b8*fte lebenbe Autorität auf bie»
fern ©ebiet, giebt bem »tan feine Bottftänbigfte »ittigung; er felbet mar Bor
40 Sabren in jenen ©egenben unb mürbe Bon Sreibeis an meiterem »orbrin*
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geit gebinbert. „3e&t, fagt er, mit ber $filfe beS Kampfes, tönnt unb »erbet
3br Qüngern rneiter tommen, als idb bamals; mein Stccfenbleiben bemeif’t
Sii^tä." ®er erfte beutfdbe Seemann, Gontmobore SffiüllerStorf, bet Gomman»
bant ber «HoParaeppebition, greifet mit bem GntbuftaSmuS bet 3ugenb an
»etermann: „3$ mürbe midb überaus glüdlicb fc^äfcen, meine firäfte, fo meit
fte reifen mßgen, einer Unternehmung »ie bie Bon 3bnen angeregte, mibmen
ju tönnen, unb i<b rnödjte mit Stolj unb greube bie gübrtng berfetben, menn
fie mit annertraut mürbe, übernebmen. Sbättgteit unb guter 2Me, bem beut»
f(ben «Hamen Gbre ju madben, bürften mir ni<bt abgefptocben merben; i<b fefce
mit Sreuben mein geben bafür ein." Unterteilen mürbe Gomntobore SBüHerS*
torf Sfterrei<bif«ber ^anbeföminifter, unb muhte baber auf alle «plane bet ber*
fßnli(ben 3beilnabme Berjid&ten. ©et talentooHe preuftifcbe Gapitän Sßerner
bot p<b mit bem Gifer eines feurigen #erjens bie »uSfübrung beS frönen
PaneS jum 3iel geftedt unb mirb jebenfalls bie gübrung ber Gfpebition übet»
nehmen. 2HS eS f«b im £erbfte porigen gabreS um eine Botläuftge «Hecog»
noScirungSfabrt banbeite, gab er baS (Selb aus eigenen «Wittein ber, freilich
nur um bie Päne beS ebelften beutfeben GntbuftaSmuS auf fdbänblidbe «ffieife
bur<b englifdbe galftbbeit ju niebte gemalt ju feben. 2Han mu& in bem Gftra»
beft Bon «Petermann’S «Wittbeilungen, bem mir alles hier «Witgetbeilte entneb»
men, felber nadbtefen, mie bie Gnglänber ftdb für ein gemietbeteS Sdbiff im
Voraus bejahten lajfen, unb bann bie «Wafcbine beffelben abfi<btli<b jerbreeben
um auf türjerem unb leichterem SBege ju bem ©elb ju lommen, bamit man
Berftebe, mie grob ber GntbuftaSmuS fei, ber bur<b foldbe Sdburtereien ni<bt ju
erteilten mar. $ie ©eutfeben miffen, maS am «Horbpol für fte ju holen ift, unb
fie merben alle ^inberniffe ju überminben miffen.
GS banbeit f«b alletbingS in erfter «Heibe um miffenfdbaftlid&e Grforfcbun»
gen, aber baran tnüpfen fub meitgreifenbe praftifdbe golgen. GS mar febr
Berbient, als ber Bcrtrefflidbe Sturj Bor ein paar fahren ben ©eutfeben ju»
rief: „3b* fpredbt immer bodbmütbig Bon ben faulen, Berlommenen Spaniern
unb «Portugiefen, bie bie Stfcü&e ihres SanbeS ni<bt ju beben miffen, aber mit
Gu<b ftebt eS noch Weiter. 3br habt bie reidbfte gunbgrube in ben gif<be»
reien beS «Horbens por Guter ©bür, unb 3bt beutet fte nic&t aus. 3br Per»
febmäbt, bie offen batiegenben Schäle ju beben unb Gutem SecBoll bie hohe
S<bute ber Stbifffabrt ju eröffnen." 3n »etermann’s «plan mirb bie ffiieber*
Belebung beSbeutfdben SffiaDftfdbfangeS febr pari betont, unb au&erbem no<b auf
eine anbere reiche SWine bingemiefen, meldbe bie nörblicben »reiten bergen.
®ieS fmb bie %ger Bon Glfenbein, bi« rieftgen 3äbne Bormeltlicber Glepbantenj
meldbe an ber JJüfte Sibiriens, in Sdbnee unb GiS gebettet, für eine fpäte «Hach»
mett aufbemabrt morben ftnb. «Petermann fagt: „»elanntlidb mirb im nBrblicben
Sibirien, aber ganj befonberS an bet GiSmeertüfte unb auf allen berfelben Borlie*
genben 3nfeln, mie auf ben «Heu*ftbirif<ben 3nfeln, alfo gerabe im ©ebieteberpor-
gefdblagenen Worbfabrt, eine ganj erftaunlidbe «Waffe Bon Ueberreften Bormeltli<bet
SWammutb* unb aitbeter Wiefentbiere gefunben, barunter Bollftänbige, mit ihren
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2 Beid&t$eifeit, mit $aut imb $aax erhaltene totoffate Körper biefcr munberbaren
?biere. ÜDtandbe Oertlidbleiten fdheinen gan$ aus ßnodben unb Elfenbein 311
befielen unb btlben bie midhtigften unb reidhften, allem Rnfdbein nadb uner*
f<böpflid&en Elfenbeinlager ber SBelt. (Bon funbiger ©eite mirb berjidhert, bab
biefeS Elfenbein au<b baS borjüglidhfte $ur Bearbeitung fei. 2). B.) ©iefe
merlmürbigen Raturfdbäfce ftnb ^mar fc^on feit langer materiell nnb mif*
fenfdhaftlidh auSgebeutet morben unb bilben befonberS feit 200 fahren einen
bebeutenben Snbuftrie* unb ^anbelSjmeig; allein bie RuSbeutung ift nie in
irgenb einer Begebung fpftematifdb gefdbehen, — baS mar fdbou bei ber groben
Entfernung fianbe unb bei bem halb milben Suftanbe ber ©ibirifdben $ü*
ftengebiete ein S)ing ber Unmöglidbleit." Sollte es baber möglidb fein, einen
bequemen Seemeg nach jenen ©egenben 3 U öffnen, fo mürbe bamit eine neue'
Duelle für beutfchen «ganbel unb beutfdhe Sdhifffahrt gemonnen fein. Rber
meldhe groben Entbectungcn über bie Urgefdjidbte unfereS Planeten, über bie
erften lebenben üffiefen htüpfen ft<b oielleid# an bie auSgebehntere unb ge**
nauere Unterfudhung jener 2ftammuth*Ueberrefte! 3)aS Rtammuth ftebt
belanntlidh soologifdh bem jefct lebenben Elephanten ganj nabe; biefer
aber bermag feiner üftatur nadb nur in tropifdhen unb fubtropifdhen Sänbent ju
leben. 2)ie ungeheure Blaffe ber in Sibirien gefunbenen Ueberrefte, unb biel*
leid# nodb mehr ber Suftanb einiger (man tonnte bei bem berühmten nadb
^Petersburg gebrauten Btammuth nodb bie Regenbogenhaut beS RugeS unter**
f<beiben) fdbeinen auf ben gunbort als mabrfdbeinlidbeS Baterlanb ju beuten.
2BaS für ein in bie Rügen fallenber BemeiS märe baS für bie groben Berän*
berungen, bie auf unferm Planeten im langen Sauf ber Seiten ftattgefunben
haben! Rümmer 7 beS genannten £eftS ber Betermann’fdberi Btittheilungen
enthält bie munberbare #ppotbefe beS 3>t. ®. Säger, 2)ireftorS beS Xhiergar**
tenS in 2Bien, bab baS Sßarabie^, b. h- ber erfte ffiobnplafc ber Xhiere unb
Blenfdben, am Rorbpol gemefen fei. 3Ben bei ber erften Rnfünbigung biefer
#ppothefe friert, oen oermeifen mir gunädhft auf bie Btammuthüberrefte SibU
rienS unb auf bie ßoblenformation SpifcbergenS, bie bodh mohl beibe für ein
üiel märmereS früheres ßlirna Sengnib ablegen. 3)r. Säger tann fidh bie
jefeige Berbreitung ber Xhiere aller Erbteile nur baburdh erflären, bab biefel**
ben früher um ein „polar gelegenes See*Beden" mohnten, unb bon bort bei
bem ßältermerben beS fiUrnaS bem Bebürfnib ihter Ratur gemäb ftdb bem
Requator näherten. Um biefe Sbee mahrfcheinli(h §u madhen, hat er eine neue
Brojection ber Erboberfläche entmorfen, bie in ber £hat bor^üglidb ift, unbaudh
fdhon bie berbiente Rnertennung ber Geographen non gadb galten hat. $er
Soolog löft hier eine Rufgabe beS Geographen nadh bem alten @efe|, bringe*
mäb ber Grfinber gemöhnlidh einem ganj anbern SebenSlreife angehört als
feine Erfinbuug, mona(h alfo 3 . B. neue Bomben bon Btebigern erfunben
merben u. f. m.
Run aber jur B^jecticm beS 2)r. Säger. Ruf einer Äarte ift belanntlicb
bie fdbmierige Rufgabe §u löfen, einen £beil einer ßugeloberflädbe, ober bie
8
gattje Äugeloberflache, in einer Kbene barguftellen. $ieS ift natürlich nur an*,
ndhernb möglich, unb man fann Derfchiebene 2ßege einfplagen, Don benen
Ieber eigentümliche Vorteile bieten mag. Sie gemöhnlichfte Vrojection ift
bie SJtereator’fche, welche bie ©egenben um ben Vequator Dethdltnifimdbig richtig
wiebergiebt, bie Volargegenben aber ungebührlich auSbehnt. 2)ie 3dger’f<he
ißrojection befielt nun barin, bab bie nörbliche Krbhdlfte in befannter Volar*
projection, b. h« ntit bem Vol als ÜDiittelpunft, bargeftellt wirb, bie füblühe
Krbhdlfte aber ft<h in ber ©eftalt Don 8 (strahlen eines Sterns anfchliefit. $)ie
8 feilförmigen Strahlen fmb aber fo placirt, bag bie 3 Kontinente beinahe
gang continuirlich Don korben nach Süben Derlaufen. ÜUtan wirb Dielleicht
oerwunbert fragen, feit mann eS brei Kontinente gebe. Kin Blicf auf bie neue
ßarte unterftüfct bie fdjon öfters aufgeftellte Vnftcht, bafj man eigenst 3 Kon*
tinente annehmen muffe, bie, alle mit ihrer BaftS um ben Storbpol gelagert,
Don bort über ben Slecjuator hinaus fleh in fübliche Spipen Derlaufen: Stmeri*
fa, Kuropa*2lfrifa, 2lfien*2luffratien.
Stehen biefer goologifchen §ppothefe erwartet eine rein geographifche Don
ber Kypebüion ihre Söfung. S)r. ^etermann glaubt nach Vergleichung aller
Vachrichten über Sanb unb üKaffer in ber Vahe beS Vorbpols gu finben, bafj
©rönlanb eine ungeheure Snfel fei, bie ft<h bis gur Beringftra&e erftrecfe. 2llS
er bie erfte 3ei<hnung ber hbPot*tifchen gigur ©rönlanbS Deröffentlicht hatte,
erhielt er gu feinem Krftaunen baS Schreiben eines beutfchen Slftronomen, ber
aus rein aftronomifchen ©rünben, burch Beobachtung ber Variation beS Krb*
fchwerpunfteS, gu genau bemfelben Vefultat gelangt war. — So reichten fich
Krb* unb $immelswiffenf<haft bie £anbe, Don Steuern ein 3eugnifj bafür ab*
Iegenb, bah eS nur eine, freilich Dielfach geglicberte, SBiffenfchaftgebe. ©eogra*
phie unb Slftronomie, 3^ologie unb Vofanif, Vhbftf, Khemie unb SJteteorolo*
gie, alle lönnen beftimmt auf gröbere Bereicherung burch eine folche Kypebition
rechnen. 3a, eS fteht noch ein anbereS Vefultat in gemiffer SluSficht. Sie
borliegenben Slftenftücfe geigen, wie $5eutf<he aller Staaten ft<h an ber 2luS*
führung betheiligen; wir finben ba als thatige Beförberer unb &heilnehmer ben
öfterreichifchen Kommobore SßüHerStorf neben bem preufnfchen Kapitdn SBerner,
unb neben bem Wadern Bremer Kapitdn $agemamt. Kine Kypebition nach bem
Storbpol, in wahrhaft nationalem ©eift unternommen, unb nach bem Bisherigen
gu urtheilen, in bemfelben ©eift ausgeführt, fann nicht Derfehlen, einen günftU
gen Kinflufj auf bie Vereinigung ber fo lange getrennten ©lieber beS beutfchen
VolfeS auSguüben. Obgleich Don unmittelbarer $heilnahme auSgefchloffen,
werben wir auf ber SBeftfeite beS Sltlantifchen OceanS wohnenben beutfchen
mit laum geringerem ^ntereffe bie beutfche Storbfahrt begleiten, als bie im
alten Vaterlanb gebliebenen. 2)er Stuhm ber Unternehmung mag ber Station
angehören, ber Stufen berfetben gehört fidler ber SJtenfchheit. (Steüeften Stach*
richten gufolge heit bie preujnfche Regierung bie Sache in bie £anb genommen
unb 60,000 Shaler aus Staatsmitteln bafür beftimmt. 2). St.)
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3Ttterarifd)-arti|li|'d)cs Feuilleton.
»Ott 3.
Sur SSerboUftdnbigung unferer Stunbfehau bet neuere« beutfdjen bramati»
fdjen Siteratur haben mir noch baS 2uftfpiet in’S Uuge ju faffen. SaS Suft«
fpiel, weites bauptfä<bli<h ©efedfcßaftsbilber au3 bem täglichen 2eben liefern,
©baraftere, Stimmungen unb SSerhältniffe »orfühten foH, wie fte bie wechfeln«
ben Strömungen bet 3«t an bie Oberfläche treiben, ift »on jeber unb bei allen
Stationen febt wefentiieb »on ben öffentlichen Suftänben im Slllgemeinen, ganj
befonberS aber »on bem berrf^enben politifd&en Spftem beeinflußt worben.
SEBie ungerecht alfo, ben beutfeben Sichtern einig »orjuwerfen, baß ße feine
Suftfpiele nach Slrt ber auf biefem ©ebiet aHerbingS ganj befonberS betoanber»
ten granjofen liefern, ba fte bodj eben beutf<be unb nicht franjöfifche Buftdnbe
ju feßilbem haben. SaS beutfhe Suftfpiel an unb für fub ftebt an innerem ©ebalt
bem anberer Stationen ganj gewiß nicht nach; bie Pängel, welche ihm anlle»
ben, fmb nicht auf Ste^nung ber Siebter, fonbem auf bie ber gefellfcbaftlicben
unb politifdjen Snftdnbe bei 2anbeS ju feßen. SaS beutfehe ©efeBfehaftS»,
GrmerbS» unb SBerlehrSteben bat feit bem Sabre 1848 einen mächtigen Um»
febwung erfahren unb eine ungleich höhere Stufe ber ©ntwiefelung erreicht;
baS beutfehe Suftfpiel hat biefen UmgeftaltungSprojeß Schritt »ot Schritt getreu»
lieh mitgemacht, e3 nimmt feßon heute eine ganj anbere Stettung ein afö »or
20 fahren. SBenn Seutfcßlanb erft in politifcßer ©ejießung baS geworben,
was eS ju fein offenbar berufen ift, bann wirb auch bie beutfehe Schaubühne
ftch »on ben jeßt noch fte umftriefenben SBanben frei machen, unb ganj befon»
bet? wirb baS beutfehe Suftfpiel jenen hohen ©rab ber 3?oHlommenheit errei»
eben, ben eS nur bei einer in inteDectueller, ftttlicher unb politifdßer ©ejiehung
freien Station ju erreichen hn Stanbe ift.
SBietet bie »ielgepriefene franjöfcfche Jtomöbi/ ber ©egenwart größere Pan*
nigfaltigleit, jeigt fte ftch pitanter, einfdjneibenber, pridelnber afö unfer beut»
fcheS Suftfpiel, fo wollen wir fie um jene SSorjüge nicht allju fehr beneiben; —
erftreden fnh biefelben boch »orjugsweife auf ©ebiete »on mehr afö jweifel»
haftem ©haralter. SaS 2orettenthum in feinen »ielfältigen Schattirungen,
bie ©eheimniffe eines »erfeßlten ehelichen 2ebenS, ber 3erfeßungSprojeß im
Schooß ber gamilie unb ähnliche pitante Shemen werben »on unferen
beutfehen Suftfpielbid^tem nicht mit folcßer Vorliebe unb »irtuofer ©efchidlidbfeit
behanbelt, wie »on ben franjöftfchen, weil es ihnen eben an ben SBorbilbem
baju gebricht, weil unfer beutfcheS SBolfSleben gottlob noch $u gefunb ift,
um fotche hanlhafte Grfcheinungen anberS benn »ereinjelt unb fporabifch auf»
treten ju laffen. SaS beutfehe Suftfpiel ift »ielleicßt nicht fo geiftreich, nicht
fo pridelnb unb lißelnb, aber eS ift harmlos, erheitemb unb »on fledenlofet
Poralität.
SBon älteren belannten Sichtern, bie hin unb wicbet noch immer felbft»
m
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fcßöpferifcß tn bie ©egenwart bereinigen, Mafien tot« © 5 pf er, $ D u 19 unb
SSauernf elb ju nennen, ©rfteret lägt fuß nur feßr feiten oetnebmen;
ber 3»eite bringt ber taufte» SBüßne, für bie er fo waefer gearbeitet, jumeiten
nodb eine Heine ©abe; ber ©ritte allein behauptet als rüftiger Streiter baS gelb,
auf bem et feßon feit mehr als brei Zehnten manchen Sorbeer errungen!
Unter ben neuen Suftfpielbicßtern nimmt St oberieß tBenebtp ben erften
Slang ein. Sein Auftreten batirt »om Gnbe ber breißiget gaßre. ©ine glücf»
K<he GombinationS» unb ©eftaltungSgabe ertaubte ihm, ohne gerabe mit hohem
gtug ber iPhantajle ober ungewöhnlichem Sleicßtbum ber gbeen ausgeftattet ju
fein, im-Sßerlauf eines MierteljabrbunbertS eine gewaltig lange Sleiße oon Sßerlen
ju feßaffen, bie meift bem poetifeßen »üfmenbebürfniß oortrefflicß angepaßt
Waren unb f«h baher faft fammt unb fonberS ju brauchbaren Stepertoirftüden
geftalteten. ©rft gegen baS ©nbe biefeS langen 3eitraumS feßien bie firaft beS
SlutorS, ber fuß in einem ju befeßräntten Greife bewegte, einigermaßen ju er»
lahmen. Micßt an grucßtbarleit, wohl aber an GrfinbungSgabe braftifeßer Scenen
unb Figuren, an unwiberftehlidher vis comica wetteiferte ber gleichfalls feht
beliebte Selbmann mit bem äBeßerrfcßer beS beutfehen SuftfpielS ber ©egen»
wart. Sein „Sohn auf Steifen", „®aS «ßortrait ber ©eliebten", „©er «Rech*
nungSrath unb feine ©öeßter" fmb wahre SRufterluftfpiele, bie fuß bem Sßeften
anreihen, was bie beutfeße SSüßne überhaupt aufeuweifen hat, unb beutfeße
©beateröorftänbe würben nur in ihrem eigenftem Qntereffe hanbeln, wenn fie
biefe gewiffermaßen Haffifcßen Suftfpiele fort unb fort auf bem Stepertoir er»
hielten. 3n ben legten fahren hat fft ju ben beiben ©enamiten als ©rittet
im S3unbe ©örner gefeilt. SBie SSenebif oon £aufe aus felbff prattifeßer
Scßaufpieler, lennt er bie »ebürfniffe ber SBübne unb alle bie jaßlreicßen Keinen
«Bortheite, bie ber Suftfpielbichter in Stequifition fegen mag, wenn ihm höhere poe»
tifte Begabung abgeht, ©örner ift noch wehr afö feine beiben genannten
Gollegen ein Sllann ber fßrajis unb ber Stoutine. ©abei feßreibt er einen
fließenben, mitunter Wifeigen ©ialog, unb oerfteßt, neben ßeroorßebung aHer
lomifchen «Momente, einen gemütßlicßen, anheimelnben ©on anjufeßtagen, bet •
auf ben ©ßeaterbefueßer jeberjeit feine SCßirlung äußert. '
©ie3ahlber beutfeßen Suftfpielbichter ift überaus groß. 2Bir lönnen hier nur
bie Wirlließ »ebeutenberen namhaft machen, ©anj befonbere »erüeffußtigung
oerbient £ a i I ä n b e r, bem nur etwas oon ber grueßtbarfeit ber oben ge»
nannten Slutoren ju wünfehen wäre. Sein „©ebeimer Slgent" ift ein feßr
artiges Suftfpiel, baS bie geuerprobe bereits an oielen «Bühnen beftanben hat,
unb auch nach längeren 3wifch'enräumen immer wieber gern gefehen wirb. Sin»'
bere Suftfpiele beffelben SßerfafferS waren nicht oon fo entfeßiebenem ©rfolg be»
gleitet. SM orig $e pbtieß hat einige Suftfpiele unb hoffen gefeßrieben,
unter benen „«flrinj SieScßen" am belannteften Jourbe. Sffiarum ? $a, baS
wiffen wir maßrlicß nießt ju fagen, benn baS Stüdt glänjt Weber burß 2Biß
nodh bureß Merftanb. Slucß auf bem ©ebiet beS höheren ©ramaS hat ber Ser»
faffet bebutirt. Gr feßrieb einen „©iberiuS ©raccßuS", bet wenigftenS ben Mußen
m
280
ftiftete, ben bem Serfaffer befreunbeten Siebter Otto Subrnig gu einer gleiten
Schöpfung ansufpornen, bie uni all gragment aul feiner §interlaffenfcba ft
mitgetbeilt rnerben foß. Qn glütflichfter SBeife bebutirte «£jermann§erf<h
mit feiner „Slmta-Siefe", obmo^I mir gefteben, bafc uni ber Succefj biefel mehr
all einfachen, nach feiner Dichtung bin bebeutenben Stüdchenl immer febr
rätbfelbaft hortarn. <£jerfch »erfülle ft<h no<b auf herfchiebenen anberen ©ebie*
ten, fo im Schaufpiet unb Soltlbrama, unb au(b hier nicht ohne einigen Gr*
folg* Sefferel all er bilber geleiftet, ift mobl unter feinen Umftanben hon
ibm §u ermarten.
©n bübfebe! Talent für ßleinigfeiten legt o f er ah ben Sag, ber bal
Sübnenrepertoir mit einigen aßerliebften einaltigen Suftfpielen bereichert bat*
2lu<h ßt. § a b n herbient in biefer $inftcbt menigftenl genannt §u toerben*
Dttoßtoquette,ber Sprifer, bearbeitet feit fiurjem bal gelb bei Senben^
luftfpiell, hoch bil jefct faum mit fonberlichem ©folg* Spmpatbifcheitt Saiten
fchlagt ©ermamer(§. Sömftein) an, ber feit Sermaltung feinel Bremer
Gonfulatl bie. früher in $ari! begonnene Sbdtigleit für bie beutfebe Sühne
mieber aufnabm unb bereitl einzelne ganj brauchbare Sachen lieferte. Gin
febr anmutbige! Talent für bal Heinere Suftfpiel befipt geoborSßebl, bem
bie beutfehe Sühne eine Slngabl nieblicher Sdchel(hen herbanlt. Seiber fhafft
‘ auch er nicht hiel Üfteuel. Otto $ o r n ift ein nicht unbegabter Suftfpielbicb*
ter, beffen neueftel Sßrobuft: „2Ber bie SBelt regiert" aßerbingl bei ber fünft ftatt*
gehabten Slupbrung in Berlin nur einen febr madigen ©folg gehabt ju haben
fcheint. 0. © i r n b t unb G* S o b nt in Berlin erfcheinen gelegentlich einmal auf
bem Dtepertoir ber bortigen Sühnen* Sal jüngfte Serliner Talent für bal Suß*
fpiel ift S. «£j a b e r, beffen Sluetten: „Gin Stünbchen auf bem Gomptoir" unb
„Gin Slugenblicf bei ©lücfel" aufcerorbentlichel ©lücf malten, gn Oefterreich
bat bal Suftfpiel hon jeher eifrige pflege gefunben. Slufcer mehreren ber be*
. reitl genannten Schriftfteßer maren el in ber hormdr^lichen 3eit bauptfacblidb
Gafteßi, Slbami, Sduerle unb manche Slnbere, bie unaufhörlich ganje Sdnbe
hon größeren unb Heineren Suftfpielen in bie SBelt fanbten. 2lu<h in biefem
Slugenblicf fehlt el bort nicht an Siebtem, bie bem Suftfpiel ihre horjuglmeife
Sbdtigfeit jumenben. 3ul tuI ßtofen bat eine ^Injabl erfolgreicherer*
beiten geliefert. Sebererfhuf früher einige brauchbare Suftfpiele, unb bat
fi(b auch neuerbingl mieber auf biefem gelbe herfuebt* S <h lefin ger, ber
geiftreiche geuißetonift unb ßritiler, fchreibt aßerliebfte eihaltige Sluetten, bie
an Suft unb ©rajie ben feinften ^arifer üßtuftem nicht nachfteben* Gin in ber
Gntmicfelung begriffenel Salent ift Sa(her*2ftofach, Serfaffer mehrerer
intereffanter ßtomane, beffen biftorifchel Suftfpiel: „Sie Serfe griebrichl bei
©rofjen" ganj aufierorbentlich gerühmt toirb.
Ser Soßftdnbigleit halber bürfen mir enblich auch bie fogenannten Sücher*
Sramaijler nicht gan^ überfeben, b* b» biejenigen bramatifchen Sichter, bie
nicht ntübe toerben, biefe Sdnbe ihrer SBerfe erfcheinen ju laffen, ohne baf$ auch
nur je einel berfelben bal Sicht ber Sanken erblidte* Sal ©efdjlecht ber g5e*
^Google
ter Sohntanner xft noch nicht auSgeftorben unb wirb auch fo leicht nid^t au^fter^
ben. "Sabet labert bic SRacbfotger jenes fruchtbaren berliner SlutorS, ber
gegen gwölf $8anbe, jeber gu brei Dramen, in bie 2Belt fdhidfte, noch bei weitem
nicht immer bie refpeftable ©ebiegenheit ihres leudjtenben SBorbilbeS. ©S wirb
biel bramatifcher Schunb gebruät, gu welchem Qtotd, tft fdjwer abgufehen,
ba ftch für berartige iöudber !aum Sefer ftnben. Sodb fehlt eS natörli(b auch
nidjt an tüchtigen ©rfcheinungen auf biefem ©ebiet ber Siteratur. g r i t b r i <h
9lotter’S erft unldngft im Srucf erfdjieneneS Srama: „Sie gohanniter"
möchte ftch am ©nbe auch gur Aufführung eignen, wollte ftch ein tüchtiger Ae*
giffeur ber 9Jtübeuntergiehen, es für bie 23ühne einguridhten. gerbinanb
b. S adr 1 S fcranren aus ber beutfcben ©efchidbte geugen bon ungewöhnlicher
^Begabung, unb würben, etwas compalter gefaxt, fogar eine 3ierbe beS beut*
fchen SBühnenrepertoirS bilben. Huch 2Bilhelm.gofduS wäre wohl im
Stanbe, ein brauchbares SBühnenftücf gu liefern, wenn auch feine jüngfte Sich*
tung: „$ring SouiS gerbinanb" noch etwas gu boftrinar unb breitfpurig ge*
halten tft. Sie beutfchen Srarnen bon Robert ©iefefe ftehen ben Saar’*
fchen entfchieben nach* SaS nobelliftifche Element waltet in ihnen bor,*unb eS
ift fchwer gu fagen, weshalb ber SBerfaffer feinen Stoff nicht gleich gu hifton*
fchen ©rgablungen geftaltete, ba bie in fcbwerfdlliger 2Beife gebanbbabte brarna*
tifche gorrn gewifc nicht bagu beitragt, biefe Arbeiten populärer gu machen.
Auch Aicharb Söeilanb labt eS ftch nicht betrieben, beutfche ©e*
fhichte in bramatifcher gorm borgutragen. @rft fübglich erfchien bon ihm:
„Äaifer unb $apft", ein Sranta, beffen gelben natürlich wieber Heinrich IV.
unb ©regor VII. ftnb. ©nblid) gehört noch gu biefen belamtteren SBüdher*
Sramatifem Subwig SchneeganS, ber ftch burch SBeilen’S „Sriftan
unb gfotbe" nicht abfchrecfen lieb, abermals einen „Sriftan" in bie SSSelt gu
fefcen.
So hätten wir benn, mit alleiniger Ausnahme ber nur noch in 3ßien bon
Sänger, Serg unb einigen Anbern mit ©Iüd cultibirten, in Serltn jeboch
offenbar im AuSfterben begriffenen Sofalpoffe, baS ©efammtgebiet ber beutfchen
bramatifchen Dichtung ber ©egenwart flüchtig burchwanbert unb bie herborra*
genbften ber auf bemfelben tbdtigen firdfte lernten gelernte 2Benben wir uns
nunmehr für bie golge gu ben eingelnen ©rfdbeinungen, wie fte im Saufe ber
Seit gu Sage treten*
Sie Sebölterung bon SßariS ift befannt wegen ihrer aufcerorbentlichen
Vorliebe für bramatifche Unterhaltungen; wir Aem*$orter befinben uns in*
gwifchen auf bem beften SBege, eS auch in biefer SBegiehung, wie in fo mancher
anberen, unferen tranSatlantifchen SBorbilbern böllig gleich, mit ber 3eit wohl
noch gar gubor gu thun. SBenn man nur ein eingigeS gahrgehnt gurüäblitft,
unb bie Stellung, welche bamalS bie amerilanifche Schaubühne einnahm, mit
ihrer heutigen vergleicht, fo muh man Jtaunen über ben wunberbaren gort*
? '
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282
föritt. Sirs JU Anfang bet fünfjiger gahre ein berühmt« Sanjelrebner «nb
gto&e« SirchenliCht fein 2(natf>ema gegen ben Homilet Surton — beiläufig ge*
fagt, bet gröfjte Zünftler feines gadjeS, ben Hmerifa bis jefct berBorgebracht—
fCbleuberte, weil berfelbe in bem Suftfpiel: “The Serious Family” (auf bet
beutfCben Sühne belannt unter bem Jitcl: „(St muff auf’s Sanb") baS HuCter*
tburn unb bie religiöfe Scheinbeiligleit fo unfterblicb lächerlich gemalt, be*
bauerte bet Scbaufpieler, bafj er nicht ein Siertetjabrbunbert fpäter jur Heit
gefommen, um ben Sag erleben ju lönnen, an welkem bie Sühne bet Sanjel
als ebenbürtige Hacbt gegenüberftebe. liefet Sag fCbeint Biel früher anju=
brechen, als Surton bamals bachte. «gatte ihn ber Sob nicht in ben träftigften
HanneSjabren toeggerafft, er würbe ihn ganj fiCber erlebt haben* 3)aS Slot*
urtheil gegen Sheatermefen unb bramatifcbe Sunft, welches noch Bor einem
Sahrjehnt fo mächtig war, fhwinbet mehr unb mehr; in immer weiteren Srei*
fen ertennt man bie Sühne als baS, was fte in Habrbeit fein foH: bie Wirt*
famfte unb nüfclichfte Schule beS SolteS, welche £anb in £anb mit anberen
SilbungS* unb 2luftlärung8mitteln an ber (Schiebung ber HenfCbbeit jit arbei*
ten berufen ift. greitich mag eS noch eine geraume Heile bauern, bis bie
ametitanifche Sühne biefen Seruf wirtlich erfüllt; ihn richtig ertannt ju haben,
ift jeboch ber erfte oorbereitenbe Schritt baju.
Seit Seginn beS laufenben gabreS fmb in Sem*2)orl bereits jtoei neue
englifche Schaufpielbüfmen eingeweiht worben: Hifc Sucie SufbtonS Heines
Sheater am Sroabwap, ehemals unter bem tarnen Slthenäum ein betannteS
Sotal fürSorlefungen unb Schaufteüungen, baS in ber unglaublich turnen grift
Bon nicht ganj brei Höchen in einen ootlftänbigen Hufentempel umgewanbelt
würbe, unb Hoob’S Sheater, früher eine fogenannte Hinftrelbübne, auf ber
angefchwärjte Hei&e ihre tomifchen ©efänge unb groteSten Sänje aufführten,
nunmehr aber bem legitimen Srama, allcrbingS mit gelegentlicher Seimifdjung
Bon Pantomimen, gpmnaftifchen Sunftftüden u. bergt, gewibmet. Seine biefer
neuen Sühnen nimmt bis jefct in tünftlerifcher Sejiehung einen befonberS hohen
Sang ein; allein ihr blofieS (Sntftehen beweif’t hoch, wie baS Sebürfnijj nach
befferer bramatifchet Unterhaltung fortwährenb im Hachfen begriffen ift. Sie
laufenbe Saifon hat ben 9tem*?)orter Sbeaterfreunben Biete. Sorpphäen ber
engtif<h*ameritanifchen Schaufpieltunft Borgeführt. SaC&bem bie M e a n S mit
ihrer engtifchen Schaufpietergefeüfchaft ein fehr erfolgreiches ©aftfpiel beenbigt,
übte ber unoerwüftliche g o r t e ft feine bewährte SnjiehungSlraft. Ser Hil*
heim Sunft ber ametllanifcben Schaubühne gleicht auch barin feinem beutfchen
Sunftgenoffen, baji bie burCh bie Borgerüdten gahre bebingte 2lbf<bmä<bung
feiner pbpfiWen Sräfte, bis jefct aHerbingS leine fehr bebeutenbe, feinen lünftle*
rifchen (Srfolg nicht beeinträchtigt, im ©runbe fogar noch erhöht. Ser gorreft
Bon heute gefällt uns beffer als ber Bot 12 — 15 gabren; er ift etwas tubi*
ger, hauShälterifcher mit feinen Hittein geworben, unb läjst fomit mehr ben
Sünftter heroortreten. gm Hintergarben hat baS mit bem neuen gahre be*
gonnene unb noch immer fortgefe|te ©aftfpiel ßbwin Sooth’S enormen (Srfolg
283
w
gehabt, ein Erfolg, bet bteSmal freilich jut guten £älfte auf SRechnung bet fett
berwichenem gahre für biele Seute plöfclich fo intereffant geworbenen Sßerjön*
lichleit ju fefcen ift. Ob 93ooth ben tarntet, ben SRichelieu ober fonft was
fptelte, galt ben meiften 2t^eaterbefud&em gleich; fte wollten eben nur 93ooth
unb ÜRühtS als 93ooth fehen. (Sbwin 93ooth ift übrigens, junt Unterf(bieb
bon gorreft, ber in feiner Sluffaffung burchauS ftationär bleibt, ein wader bor*
wätsftrebenber Zünftler, unb bie längere 3urüdgejogenheit bon ber 93ühne ift
bon ihm §u tüchtigen Stubien benufct worben. Sein „Hamlet" war anberS
unb entfdbieben beffer als int berwicbenen 3abre, wo er ibn ben entjüdten
üRew*?)orfern nnb namentlich ben ganj babon bezauberten SabieS bunbertmal
borfpielte, unb noch mit ber bunbertften Slufführung, feiner 93enefizborftetlung,
ein überboUeS $auS erhielte. 93ooth fcheint bie ausführlichen 93efprcchungen,
welche englifche Sölatter bem gechter’fcheii „£amlet" wibmeten, fleißig ftubirt,
unb feinen eigenen $änenprinjen, ber bis babin ben gang unb gäben ameri*
tanifchen 3uf<hnitt trug, banach umgemobelt ju haben. Sluch .mag ber 93anb*
mann’fche Hamlet nicht ganz ohne (Sinflufc auf ihn gewefen fein, obwohl er baS
fo wenig eingefteben wirb wie bie englif<b*ameritanif<be treffe, bie genen nicht
genug berlefcern fonnte, liefen aber fofort in ben £immel erhob. SluffaUenb
unparteiifch unb borurtheilSfrei bat fich biefe treffe im gaUe per ÜIRifi 5? a t e
93 a t e m a n bewiefen, bie zu einem furzen ©aftfpiel aus (Snglanb berüberlam
unb mit ihrer „Seah" wieber bübfcheS Kapital machte, ohne jeboch bon ber ßritif
fo übertrieben gebätfcheltgu werben, wie fte es felber wohl erwartet batte. Slmerifa
will an ben haben ßunftberuf ber ihm bon (Snglanb aufoctropirten „Kachel“
nicht recht glauben unb tbut febr Wohl baran, benn zu einem amerilanifchen
Seitenftüd ber einftigen 93eberrf<herin beS Theatre frangais gehört hoch am
Gnbe etwas mehr als bie gelungene SarfteHung einer einzelnen, bem Naturell
ber 3)arfteUerin zufällig in hohem (Srabe entfprechenben «Rolle. Ääthchen
93ateman ift mit ihrer in (Snglanb bergötterten „Seah", bie übrigens auch ein*
jelne bewährte beutfche ßunftrichter ganz hingeriffen, hoch am (Snbe nichts wei*
ter als eine intereffante Spezialität, bie auf bie amerilanifche Schaubühne über*
haupt ohne nachhaltigen (Sinflufj bleiben wirb.
Unfer beutfcbeS Stabttheater hat feit 93eenbigung beS ©eneegaftfpielS,
Wobon uns jeboch für ben Slpril eine jweite Auflage in 2luSft<ht fteht, in ber
93orführung namhafter ÜRobitäten eine nicht genug an^uerlennenbe fRegfamfeit
entfaltet. (SS ift baS 93eftreben ber Sireftion, jebeS in $eutf<hlanb mit 93ei*
fall aufgenommene Stücf bem hioftgen Sßublifum fo raf<h wie möglich bor*
Zuführen, wobei eS freilich bann nicht ihte Schulb ift, wenn biefe üRobitäten
nicht gerabe in allen gäden bem ihnen borauSgegangenen [Rufe entfprechen.
gn ber SluSwahl älterer Stüde, welche hiw neu ftnb, foHte allerbingS mit
gröberer Sorgfalt zu SGßerle gegangen, unb nichts borgeführt werben, was ftch
überlebt hat unb bem ©eift ber 3*it nicht mehr angemeffen ift. So war bie
(Sinftubirung bon $ingelftebtS felbft in $eutf<hlanb bergeffener, conferbatib*
monarchifch^ Stagöbie: „$aS $auS ber 93arnebelbt" ein ülftifjgriff, unb bie
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barauf »erwenbete DJlüIje unb Seit würbe [ich in anbetet SEßeife helfet gelohnt
haben. 2öiU man uns mit einem älteren gebiegenen Srama betannt machen,
fo Hopfe man liebet bei ©ufctow, Saube, fjebbet, Subwig, HTtofen u. f. w. an,
unter beten bramatifchen Aktien fi<h noch manches befmbet, was eine Bierbe
unfereS S3ühnenrepertoirS bilben würbe. SSon burchgreifenbem Erfolg war ba=
gegen bie SSorführung ber neueften SSofenthal’fchen Ttagßbie: „petra", einet
bramatifchen Sichtung Pon hohem SBertb unb feltener üraft. gräul. SJohbe,
bie jugenbüche $elbin unb Siebhaberin, legte mit ber Titelrolle alle Ehre ein.
Siefe junge Same mit ihren feltenen Mitteln für baß hochtragifdje ga<b lönnte
mit ber Beit eine flünftlerin erften Sanges werben, wenn fte unter competente
Seitung täme, unb ihre febßnen ßräfte nicht an folgern ©chunb, wieg. 83. bie Solle
beS Bad ©hepparb in bem Spifcbubenftüci: „Sie Sitter beS AebelS" ju
»erfplittern genötigt wäre. Slit ber Aufführung bet in ©eene gefegten So*
»itäten tonnte man bur<hgängig gufrieben fein, obwohl bie Soltenoertheilung
nicht immer bie gweämäfiigfte war. fiefctereS hatte wohl feinen ©runb in allet*
lei Sifferengen unb ©treitigteiten uuter ben SSitgliebem, bie natürlich bem
Enfemble immer nachtheilig fein müffen. Eine betlagenStoerthe golge biefet
inneren StijjheHigleiten mag wohl auch baS bereits ftattgehabte gängliche Aus*
febeiben Pon fjerrn unb grau £opm aus bem hieftgen 83ühnenperbanb fein.
3n ihnen Perliert baS Theater nicht nur gwei fehltet gu erfefcenbe Stitglieber,
fonbern au«h gewiffermajjen feine ©dböpfer unb langjährigen erfolgreichen Sei*
ter. grau .gepmift eine Pielfeitig gebilbete Äünftlerin, bie jebergeit mit feltener
©elbftoerleugnung unb Aufopferung ihre Kräfte bem ©angen mibmete; ihrer
Energie, ihrem praltifdjen ©charfblid hatte bie 83ühne gum nicht geringen
Theil iht Empotblühen gu banten. • $err £>opm war als ©thaufpieler beim
fßublitum immer in hohem ©rabe beliebt, unb biefe 83eKebtheit ift flehet teine
gang unPerbiente; fein umgängliches unb ftetS gentileS äßefen erwarb ihm in*
nerhalb unb außerhalb ber Theatertreife gahlreiihe gteunbe unb erleichterte ihm
gang wefentlich bie fonft fo febwierige ©tellung eines 83ühnenbirettorS. äßie
wichtig er für baS Bnftitut war, mit bem er ftch in fo hohem ©rabe ibentifigirt
hatte, wirb man pielleicht erft nach feinem Abgang inne werben. Sie herglichften
SBünfche beS gefammten theaterliebenben SJSublilumS folgen bem fcheibenben
ßünftlerpaare, unb wenn es gu irgenb einer fpäteren Beit, wie wir uns faft ber
Hoffnung hingeben, auf ben ©chauplafc feines früheren SßirtenS gurüclfehten
foHte, wirb eS an einem fteubigen SEBiHtommen fuher nicht fehlen. Als Erfafc
für .gerrn fjomn ift ber Pon oerwichener ©aifon fo Portheilhaft belannte $ert
$ärting bem ißerfonal beS ©tabttheaterS einperleibt worben, eine SEßahl, bie
uns allerbingS für baS fernere ©ebeihen beS gnftitutS baS SBefte hoffen
läfjt.
285
Ulttfikalifcljc touf.
S3on $ag«n. «
fßox einigen breiig Sauren taufte in ber muftfalifcben SBelt ein ttttann
auf, ber biel bon ftdb reben machte. 216er leiber mar biel nic^t immer im guten
Sinne; im ©egentbeil, er mürbe nicht menig berföbnt unb aulgelacht, unb
feine Äompoptionen begegnete man all bie Aulgeburt einer ungeheuerlichen
^bantafie, einer franfhaften Seele. Sftamentlidb mar el feine erfte Spmpbos
nie, bie feine ©nabe bor bem ^ublifum fanb. gn biefcr Spmpbonie butte er
bie Siebelleiben eine! 9Merl gu fdbilbern berfudjt. 2)erfelbe mitl ficb aul
SJergmeiflung umbringen, aber borber tobtet er feine ©eliebte. ©lüdflichermeife
[teilt ftdb am Sdbluffe bal ©ange all ein £raum beraul. Seiber mar el aber
fein £raum für 2)ie, melcbe gubören mußten. A3ar man audb fcbon bamall in
Sßaril gemobnt, ftdb bie Heroen an ber Seftüre allerlei gräflicher Romane gu
teigen, in ber ÜDluftf »erlangte man bodb bamall mie jefct etmal Anberel. gn
ber grofen Oper mürbe gmar bann unb mann audb etmal muftfalifch graben»*
baftel gur Aufführung* gebracht; aber man lief ftd? bal einzig unb allein
in betreff ber gugabe ber Scenerie unb bei fallet! gefallen. gn ber Spn^
pbonie hielt man ftdb an 93eetboben, ber in bem alten ©onferbatorium^Saal bon
£ubene<f unb feinen ©enoffen recht gut interpretirt mürbe. Unb baber fanb
benn audb 23erliog gar feine ©nabe bor ben ^arifern, unb fein ßomponift
mufte gröferen Spott erbulben all er.
Aun, biefelbe Spmpbonie, bie bamall fo arg mitgenommen mürbe, tarn im
Iefcten $btfbarmonif<hen ©ongert gur Aufführung. Unb mie mar bie Aufnahme ?
©eladht hat man nicht, berhobnt bat man ben 2fteifter nicht; benn er bat ftdb
feit feinem erften Auftreten minbeftenl Achtung errungen. Aber gefallen bat
bal SBerf belbalb bodb nicht, ©ine ©pifobe aul bem Sehen einel Zünftler! in
bie Spmpbonieform gu gmängen, miberfpricbt auch beute noch bem gebilbeten
©efchmadf, mie el bor einigen breifig fahren ber gatt mar. 2Bir ftofen uni
meniger an bie fraffen 2Jtobulationen, mir bermerfen nicht bal $ringip.ber mu*
ftfalifcben gttuftration ; aber mir motten nicht foldbe 93ilber, mie 23erliog fte uni
»orfübrt. Ueberbiel haben mir bom rein muftfalifdben ©efidbtlpunft aul
manche Siebenten gegen bal 2Berf. üJtan bürt bemfelben an, baf ber SSerfaffer,
all er el fdbrieb, ftch noch nicht lange in grof en gormen bemegt bat. ©I flingt
fteif unb hart. Auch bal ttftelobifdbe ift unbebeutenb, unb biel ftempelt bie
. Spmpbonie meb* all irgenb etmal Anberel all ein ©rftlingimerf. ge mehr
man fomponirt bat, befto leichter unb abgerunbeter geftalten ftdb bie UMobieen.
S)er Spüler mirb mehr Schmierigfeit haben, eine langatmige üflelobie gu fin*
ben, all ber üöteifter, boraulgefe&t baf biefer noch in feiner botten ÜDtannel*
traft ift. Aber mal bem Söerliog’fcben SBerfe bor allen Gingen fehlt, ift 2Bär*
me, ©emütb/ mirflidbe Seibenftaft, mirflichel ©efübllleben. Allel barin ift
falt unb gemacht. Unb menn irgenb ©tmal, fo ift el biefer atterbingl grofe
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■"X
ÜDtanget, welcher auf wenig wirflidbe muftfalifdbe Vegabung in bent Komponiften
binbeutet. 5)ie großartige SöillenSfraft biefeS in mancher Vejiebung merf*
würbtgen granjofen, feine Ambition, fein nicht unbebeutenbeS SBijfen (mufifa*
lifcheS fowobl wie auch anbereS) haben allerbingS bent ibnt beritebenen ur*
fprünglidben, fpröben Material manches berborragenbe Kunftwerf abge$mungen;
aber jebem einjelnen ftebt man ben Krampf an, unb jebeS einzelne ruft unSju:
„£ier ift AHeS, nur fein ©enie; hier ift AUeS, nur feine ÜWuftf!" — Auch
Veetbooen tourbe im Anfänge angefodbten; aber es beburfte nur weniger
Sabre, um alle feine ©egner jum Schweigen ju bringen. Auch Schumann
tourbe berbobnt; aber toer toagt es jeßt noch ju tbun? 2Bie anberS mit 18er*
Uoj! Aadb breißig Sabren unauSgefeßten Kampfes ift er als Komponift beute
no(b fo wenig allfeitig anerfannt, toie er’S bamalS war. ÜSan adbtet ibn als
muftfalifcben Sdbriftfteller, man erfennt baS Sßerbienft feiner SnftrumentationS*
lebte an, man bewunbert einige reijenbe Kombinationen ber Klangfarbe unb
fübne ©ebanfenbliße in feiner «garolb*Spmpbonie, in feiner Seine Stab, in
feinem ©arnebal Somain; aber man füblt ftdb bon bem ©anjen beute fo wenig
erregt unb ergriffen, wie man es im Anfänge feiner Karriere war, unb es giebt
audb beute nodb £unberte unb Saufenbe, bie ibm baS Vräbilai eines großen.
Komponiften berfagen.
Sn bemfelben ©onjerte hörten wtr auch eine Spmpbonie; weldbe eine gan§
anbere SBirung butte. $ieS war bie weniger befannte, welche Stojart ohne
Stenuett gefchrieben bat (im Sabre 1786). SBelcheS heitere ©emütbsleben
trat uns aus btefem SBerfe entgegen, weither gluß ber Stelobie! (felbft wenn
biefe audb nidbt immer bebeutenb genannt werben fann). Samentlidb seidbnet
ftdb baS Anbante burdb ein inniges unb fdböneS Stotio aus, bem jwar nidbt
bie Veetbooen’fdbe Stannigfaltigfeit ber Ausarbeitung abgewonnen ift, baS
aber btS jurn Schluffe in ben berfdbiebenartigften ©eftalten fprubelt. 3)ie
Spmpbonie würbe bortrefflidb gefpielt; weniger gut war bie Ausführung ber
betannten Steluftnenouoertüre non StenbelSfobn. *
£err 2Bebli, ber befannte KlaoieroirtuoS, madbte einen betrübenben ©n*
brudf mit feinem Vortrage beS einft febr populären Capriccio oon StenbelSfobn.
©was £onlofeteS unb UnbebeutenbereS haben wir lange nidbt gehört. Audb
bie £e<bnif war mangelhaft. Sa, freilich, ein StenbelSfobn’fdbeS Stufifftüdf oer*
langt eine anbere AuSbilbung ber ginger, als baS Vaffagenwerf ber heutigen
Salonmuftf. UebrigenS »erfleht §err SBebli baS Seßtere recht gut ju banb*
haben.
2)ie Herren SSafpn unb SbomaS feßen baS gute SBerf sur VUbung beS
©efdbmadts für bie Kammermuftf mit gewohntem ©fer fort. 3b*e zweite Soi*
ree bot baS folgenbe Programm:
Strei<h*Seftett in C op. 14.i....Spob*.
Zxio für Viano, Violine unb Violoncello in G-moll.Schumann.
Quartett Es-dur op. 74.......©eetbooen.
$ieS war ein ben Somantifern gewibmeter Abenb. Stoat bfirfte Spobt
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nur bebtngungSmeife [Romantifer genannt merben, ba ftdb febr oft jmtfdben
bern romantifdben Snbalte feiner 2Tlufxf unb beffen flafftfd&er SluSbrudfSmeife
efn Sttfefpnlt berauSftedt; aber feinem mufttalifdben SBefen nach muf$ Spobt
bodb möbl §u ben [Romantitem gewählt merben. SSieUeicht ift biefer eben be*
röhrte Smiefpalt bie Urfad&e, toe^alb feine Erfdbeinung bodb non nur norüberge*
benber ©ebeutung mar. Seine SRuftf bat nie bie Eemütber tief ergriffen; benn
er mar nie felbft ftar! erregt. Qx liebte bie glatte, gemeffene SluSbrucfSmeife,
meldbe eine leibenfchaftlidbe Erregtheit auSfdblie&t. (5r empfanb nie tief, unb
fonnte beSbalb audb feine 3uf<hauer nie tief empfinben machen. SllS Eomponift
mirb bie Popularität feinet SRantenS halb ihre grenze erreidben, menn er audb
in feiner 33iplinfdbule nodb lange fortleben mirb. 25aS Seytett, meldbeS an
biefem Slbenb gefpielt mürbe, fonnte unfere Meinung über biefen fiontponiften
nurjbefraftigen. ES bat Jluf? unb fdbone Sprache, mie man eS non einem
foldben SReifter nur ermarten lann, aber es fpridbt febr oft baffelbe. $rofc
mancher fejfelnben Momente ift ber Einbrudt beS Eanjen bodb ein ermübenber.
ÜRidbt fo ber beS 2rio non Sdbumann, meldbeS ibm folgte. 25aS tommt non einem
ächten [Romantifer non EotteS Enaben. Sin $iefe beS EefüblS ftebt biefer Eom*
ponift audb nidbt ben großen SReiftern aller Seiten nadb. Selbft in biefem £rio in
G-moll muffte ftdb bieS offenbaren, trofcbentbab eS nur menigeSabrenor feinem
$obe gefdbrieben ift, §u einer 3eit, mo feine Seele fdbon mit bern 2)ämon
lämpfte, ber ibn fpdter übermdltigte. ES merben in biefem $rio Saiten ange*
fdblagen, bie noch lange in ber Seele eines jeben nur einigermaben empfänglU
eben Syrers nachtönen müffen.
2)aS freunblidbe Es-dur-Ouartett SBeetbonen’S befdblob auf mürbtge SBeife
biefe im Eanjen febr intereffante Soiree.
3fn ber britten Spmpbonie*Soiree beS £erm Sbeobor $bomaS maremeS
jmet Steuigleiten, freilich bö<hft nerfdbiebenen GbarafterS, meldbe unfer 3ntereffe
in Slnfprucb nabmen. 2)ie eine mar baS (Sondert in Es-dur für jmei Planiere
non SRojart, hier nodb nie gefpielt, unb bie Sntrobuction non „Sriftan unb
Sfolbe" non föidbarb SBagner, hier ebenfalls neu, unb mabrfdbeinlidb audb nur
in ^met ober brei Stabten 2)eutf<hlanbS gebort. 25em Eonjerte mürbe non ben
Herren URiUS unb 2Rafon gute [Rechnung getragen, unb es machte einen freunbli*
eben Einbrudt, menn man fleh audb nicht nerheblen fann, bafc biefe Slrt non Äla*
oietmuftl ftdb bodb überlebt bat. Seit 1786, in meldbent Sabre 2Ro$art biefeS
SBerl lomponirt, bat bie ßlanierliteratur fo immenfe Sortfdbritte in tedbnifdber
mie audb in geiftiger Ziehung gemacht, bafj bie SBerte ber bamaligen 3eit bodb
nur ein biftotifdbeS Sntereffe für uns haben fönnen.
ffldbrenb baS Gonjert §u alt ift, bürfte baS Porfpiel SBagner’S für 2Randbe
ju neu fein, obgleich mir audb für biefe Slrt SRufit fchon lange norbereitet
morben ftnb. SBagner mieberbolt in bern Stüdfe, maS er uns bereits in feiner
3ntrobuction §u „Sobengrin" geboten bat. ES ift ein lang auSgefponneneS
Heines 2Rotin, baS nie sunt Stbfdblufs fommt. SRertmürbig bleibt bie [Raffine*
rie, mit ber biefeS fiunftftüdt ju Sage gebracht mirb. Oft glaubt man, ber
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ßpmponift fei am ©nbe, er müffe abf fließen; bo<h plöfclich mit einer fteinen
SBenbung weiß er bem SSotibe noch eine neue, unb manchmal fogar eine red^t me*
lobifche Seite afyugewinnen. Ueberhaupt Hingt baS Stücf gefällig, cS ift populärer
gebalten als baS SBorfpiel gum „Sohengrin". Koftlich inftrumentirt, bat eS
auf uns einen angenehmen, wenn auch leinen tiefen ©inbruc! gemalt. S?iel*
leicht würbe ft<h biefer übrigens gan 3 anberS geftalten, wenn man baS Sach*
fpiel, bie eigentliche Oper, gleich banacb horte. Qm ©runbe feilten beibe auch
nicht getrennt werben.
SBaS fonft noch in bem (Sonderte gegeben würbe, ift eben nicht neu, aber
hoch etwas, was man jum Söeften aller Seiten rechnen lann. SBir fließen
felbft bie !Btanfreb*Oubertüre bon Schumann nicht auS, bie, wenn man ftch
einmal mit ber Suffaffung einberftanben erllären lann, gewiß ein 2Jteifterwerf
genannt werben muß. Natürlich überragte auch bieSmal wieber ©erhoben
alles Slnbere, gumal ba er ju uns in feiner großartigen C-moll-Spmpbonie
fprach.
SBir müffen noch beS gräulein Slbelaibe $bißib3 gebenlen, welche in bem
SBortrage einer Slrie aus HänbeFS „Samfon" unb beS befannten “Che voi
sapete” auS „gigaro'S «gochgeit" eine ebrenwertbe Künftlerfchaft bewies.
$ie neue Saifon ber italienifchen Oper bietet bor ber $anb nur SllteS.
Sie würbe mit einer eben nicht febr guten SBorftettung ber üfteperbeer’fchen
„Sfrifanerin" eröffnet. daS SBerf übt nach wie bor große SlnjiehungSfraft
auS, felbft für ben Huftier, ber immer neue Kombinationen ßerauSfinbet. 3n
ber lomifchen Oper “II Crispino e la Comare” bertrat «gerr Fellini bie
Stelle beS beworbenen Buffos Rohere, @r füllte feinen $1afc beffer aus als
Herr goffati, ber feine Solle übernommen batte unb bamit nur wenig effeftui*
ren lonnte. SBon ben übrigen Opern, bie noch gegeben würben, nennen wir
„Sauft" unb bie „Puritaner". 3n ber ©rftern ift. benn bo<h eine größere
fcböpferifche Kraft als in ber „Slfrifaiterin". Ob „ber Sorbftern" wieber auf*
geführt werben wirb, wie eS bei&t, muß bie Beit lehren. 2Jlan füllte lieber
„bie Hugenotten" geben, bie auch heute noch bie befte Oper Sleperbeer’S
bleiben.
SSon ©onjerten müffen wir noch baSjenige ber Herren ©ebrüber Sßoj*
nanSti unb baS $u ©unften beS beutfehen HofpitalS erwähnen. das Sefetere
hatte wenigftenS ein peluniäreS Sefultat, unb alle diejenigen, welche baju bei,
getragen haben, Perbienen danf unb ©hre. Ob nicht ein gleich günftigeS fünft*
lerifcheS Sefultat bamit hätte bereinigt werben fönnen, ift eine anbere «frage,
bie wir hier nicht weiter unterfuchen wollen. SBir fönnen feboch nicht umhin,
$u bemerfen, baß ber Schlachtgefang bon Sieh nachgerabe genug gefungen
worben ift.
SBaS nun bie ©ebrüber ^ojnanSfi anbetrifft, fo ftehen ihre Seiftungen
bis jefct noch auf einer höchf* mäßigen Stufe fünftlerifcher SuSbilbung. die
dechnif beS Sßianiften wie auch bie beS SSioliniften ift burchauS nicht frei bon
Schwächen, unb bon ©eift lann bot ber Hunb noch wenig bie Sebe fein. Such
Ml
tonnte ihr Son trfiftiger feilt. Sluf bet anberett ©eite haben wir in ihren Sei«
[hingen hier unb ba HJtomente gefunben, bie auf Silent Anbeuten. SiefeS,
Berbunben mit tüchtiger Selbftfritif, muh auch bei ihnen ju günftigen Kefulta»
ten führen.
Hero-IJorhcr Corrwfpon&atf.
9tew «Dorf, im Februar, ©roh ift ber fettige $atriciu$, benn ju
feinen ©bren, ober wenigftenS ju ©hren feinet jünger, bie ihm am ißattidstage
in einer enblofen, gew'öbnlit burt bie reicbften greubenthrdnen beS Rimmels
uerherrlitten ifJtomenabe ju bulbigen pflegen, fotl in 9tew*3)orf eine partielle
Straficnreinigung Borgenommen toerben, weites SEßunber bem ^eiligen Bon
einer bantbaren Schotterung hoch angeretnet wirb. ©röfier aber ift ber Ißrinj
SanteBal, benn er bat toäbrenb eines ganzen fütonats baS profaifte SWew>=g)ort
in feftli^em Saumei erbalten unb felbft ben ebrbarften SJianbattanefen auf
Slugenblide ju feiner närrifcben gähne belehrt. Ser Kultus ging eigentlich
nur Bon ben Seutfdjen auS; aber immer mehr beteiligen f«b an ihm aut bie
»meritaner, toenn freilich nur als ftaunenbe, neugierige, erft bebenflit ben
Äopf ftüttelnbe, bann toiber SEBillen bingetijfene, lacbenbe unb fautjenbe 3u«
fcbauer.
3ebe ©etegenbeit jum bereiten Säten ift in Btmerita eine Wahre fjim»
melsfenbung, unb Bon jebem anftänbigen Vergnügen tann mit fRett gefagt
werben, bah eS einem bringenb gefühlten ■ Sebürfnih abhilft. SaS Se¬
hen ift hier viel ju ernft, Biel ju profaift; es matt ©inen jum ©rbarmen Ber«
nünftig. Saturn wiltfommen, ebler ^ßring, ber bu beinen Untertanen bie harten»
tappe aufs ,§aupt brüdft; willtommen baS fröhlite ©etlingel beiner ©teilen;
willtommen bein nedift er Uebermuth l
Sie Slmeritaner, unb fpecieH bie 3lew=S)orlet, fmb in ihren Vergnügungen
eigene fiäuje. SBoHen fie anbere Seute ober fit felbft ehren, fo Beranftalten
fte einen SaH. Slber foH eS etwas rett ©rofiattigeS geben, fo wirb barauS
eine grohartige Summbeit, foll eS rett fein hergehen, fo wirb eS rett tnotig,
unb wollen fie fit amüftren wie nie juoor, fo bringen fie eine entfefclite San*
geweile ju ©tanbe. SEBuS haben wir ba nitt SldeS erlebt! Ser Sali beS 5J5rin«
§en Bon fflaleS, ber gapanefenbaK, ber Diuffenball — Sie, ju beren SBerherrli*
tung biefe loftbaren gefttoitdten arrangirt würben, müjfen bie 9lew»2)orfet
für Sarbarep halten, unb biefe felbft tonnen nur mit ©tauber batan §utüd*
benten. Sie Ouinteffenj Bon SlUetn follte bet SaU beS 7ten Regiments fein;
bie früher begangenen ©twabenftreite würben tief empfunben unb follten bieS*
mal ggnj beftimmt Bermieben werben. ©S follte fein ©ebrdnge entftehen,
gebet follte ohne ©twierigteit fit feiner Oberfteiber entlebigen unb fie wieber
m
m
in (Smtfang nehmen, Seber ohne SebenSgefabr in bcn ©peifefaal gelangen
uttb bort wirll it etwa? betommen lönneit. 216er eben »eil man biefen ejem,
planten SiUen batte, »urbe eS not drget als je jubor. Sefer, warft bu
jemals auf einem folgen amerilaniften »ad jugegen? 3«r Vereiterung
'beiner Senften» unb SanbeStenntnifc fottteft bu bit »enigftenS einmal in bie
©efabr begeben, ein ©ebränge ohne Sa&.unb Siel, ein Stoßen unb Slei&en,
eine förmlite Prügelei um ©peife unb Srant, jerrriffene SltlaSlleiber, mit
»rübe ober eblem Sein übergojfene Sieben, beulen, ßreiften, Sebllagen,
glüdbe, allgemeines entfern unb julefet adgemeine glutt — baS ift ein Voll
ber 9lew*?)orler haute volee, baS ein ameritanifteS Vergnügen ber aller,
feinften 2lrt. _ , . _ ö
Ser «ßrinj &ttne»al bat feine ©ate beffer gemacht. Ser fetn ©aft
war, ging ni<bt getäuftt unb begoutirt, fonbern reit beftenlt nat $auS, unb
j e |t, ba bie gafttogäjeit hinter uns liegt, freuen wir uns ftonauf baS nätfte
©tellengellingel. 2lber SlittS ift »oBfommen, unb je »ärmer wir Se. Weit
»erebren, befto mehr fühlen wir uns berettigt, einige, aBgemeine Siegeln aufju»
ftellen, weite bei feinem MtuS unabänbertit beobattet »erben follten.
Sa hier bem europäiften Rafting erft Vabn gebroten »erben muh,
ijt eS febr löblit, ba& »an babei auf möglitft impofante Seife ju Serie gebt.
Slur baS Moffate matt hier ©ffelt, unb lolojfal waren bie SaSlenbälle. ©rft
genügte für fte eine Stäumlitfeit »on befteibenen Simenftonen; jefet werben
nur bie grüßten in Slnfprut genommen, unb aut Tie entfpreten nitt mehr bem
Vebürfnifc. Sie ©intrittSpreife waren jum Sbeil eytraoagant; aber eS »urbe
aut etwas bafür geboten, unb bie grequenj geigte, ba& fte nitt abftredtenb
»irtten. Stuf bie Setorationen nnb SDlaStengüge war bieSmal auferorbentlit
oiel oerwenbet, unb febr gmcifel^aft ift eS, ob Siew^orl barin »on europäi,
ften ©täbten überboten »urbe. 3n biefem Vetreff mötten jebot einige Ve*
~ merfungen angebratt fein. .
SaS Sefen beS gaftingStreibenS ift Sifc, ©terj, Saune, §umor. Stet,
merei. 2llIeS bieS aber muff unmittelbar wirten, eS muff ftt feine ©e,
genftänbe auS bem tägigen Seben ftöpfen unb bie Vointe fofort oerftänblit
fein; fonft ift ber ©ffeftöerfeblt unb bie barauf »ermenbete Sübe »erloren.
©in wibigeS Sort muh jünben wie ber Vli&; foB man erft über bie Vebeutung
natbenfen, fo ift eS eben lein Si|. Slot mehr gilt bieS »on Verfuten, auf
anbere Seife bie SatmuSfeln in Vewegung ju feben. Sie Setoration eines
©aaleS mag not fo fmnreit fein; mu& man fte ftt erft erflären taffen, ober
SBlptbologie, ©age unb ©eftitte in Stequifition feben um fte ftt felbft SU
ertlären, fo gebt bie Sirlung »erloren, beim im ©ewimmel beS Summen,
ftanjeS bat man ju einem folten geiftigen ©pajiergang Weber Stjfje, not
2uft. Sebe Slnfpielung muff fo birett fein, ba(j man fte im SDioment »erftebt;
fonft gebt fte fputloS »orüber, ober »erftimmt wohl gar wegen ihrer Un»et*
ftänblitleit, waS burt ein Veifpiel iUuftrirt werben möge. Stuf einet ©äule
feben wir bort, gleit einem bü&enben Slnatoreten, ein gnbioibuum ftfcen,
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metdbel ftdb burdb SRidbtl in bet Settüte einet 3eitung flöten Idfit. 5Det Unglück
liehe ift berurtheilt, bie SR. ?). Staatlgeitung gu lefen, unb bal Sßublifum *hatte
bie Sdbmere bei muthmahlidben ^erbredbenl fomohl mie bie $drte bet Strafe
üoHfommen gu mütbigen getourt, trenn gunt marnenben' ©yempel für geber*
mann bet Urtheillfprudb burdb Sdulenanfdblag rertünbet tootben träte. 2)al
hatte man aber leibe® rerfäumt, unb fo ging bet Sdberg oerloren.
S)er muh nicht nur bireft treffenb, fonbern audh hutrmlol fein,
f o fcarmloä, bah bet ©etroffene felbft gegtrungen ift, batüber gu lachen, SRie*
manb hat bal SRedbt, ftdb burdb ben 2Ralfenfdberg beleibigt gu fühlen; bie 9Ralfe
nimmt unbebingte greiheit für ftdb in Hnfprudb. ©erabe beS^alb batf fte aber
audb ihre founeraine ©etralt uidbt ntihbraudben. ©ben tregen biefer SRothmen*
bigfeit bet ©efdbrdnfung ift bet ßarnebal überhaupt nur unter Seuten ange*
bradht, bie einerfeitl Späh oerftehen, anbererfeitl bon bergen gutmüthiger $Ra*
tut fmb. ©I bütfen Schlage aulgetheilt, aber cl batf feine Sffiunbe gefdblagen,
Sdbtrddben bütfen berührt, aber feine mirflidbe Sdhmetgen berurfacht tretben.
ffiirb bie Sinie bei ftttUdb Erlaubten unb dftbetifdh berechtigten überfdbritten,
fo entfteht in ben Slnmefenben ein Unbehagen, eine berftimmung, toeldbe
tote ein ftörenber ßobolb burdb bie geftelfreube fahrt. 2Ran batf beS^alb
audb nur bie Torheit, nie bal berhredben gum ©egenftanb bei 2Ralfenf<hergel
mahlen; benn über berabfdbeuunglmürbigel fann man unmöglich lachen, an
bal pofttib Sdbledbte, SRiebertrddbtige, barf ba, too bie greube allein malten
foll, gar nidbt gebaut trerben. Surdbaul am $1 ab ift auf StftalfenbdHen ein
getriffet Uebermuth; aber auch biefer muh ftdb innerhalb genau abgemeffener
Sdbranfen halten, bamit et nicht l d ft i g trirb. $er §tirlefin mag feine Sßrit*
fdhe fdhtoingen, bil et merft, bah cl genug ift; afrobatifdbe ^unftftüdfe im ge*
brdngten Saat, meldbe bie freie bemegung hemmen unb Schredfen um ftdb her
rerbreiten, fmb aber gemih nidbt angebracht. Ohne SRecfereien feine SUtalfera*
be; aber man muh ftch nidbt über gefpiette Sßoffen dt gern fönnen.
SGBenn g. ®., mie el in bet SRdhe SRem^orfl gefdbehen, übet bie ahnungllofe
©efellfdbaft ein Sadt 2Rehl aulgefdbüttet mirb, um ihr etmal meijj gu rna*
<h e n, fo ftnben mit bal mebet geiftreidb, nodb hübfdb, benn man dtgert ftdb
mit SRedbt übet bie gerftörten Toiletten unb anbere bamit oerbunbene unange*
nehme golgen.
Sltlel muh feine Slbmedbfelung haben, ©ine ernfte ©efellfdbaft Idht ftdb
gern einmal burdb tolle Streidbe aul ihrer SRuhe rütteln; ebenfo fehtaber fehnt
man ftdb im tollen Treiben nach einet ©rbolung, unb ein gut aulgebadbtel Sßro*
gramm mitb hierauf bebadbt nehmen. Seht gmedtmdfsig ift el, menn auf einet
■äJtolferabe für einen SRuhepunft geforgt mirb, für itgenb eine borftellung, ober
ein hübfdhel Tableau, um meldbel <ftch für eine SBeile bie ©efellfdbaft gruppi*
ten fann. 3toecfmdhig möchte el audb fein, bie gvage in ©rmagung gu giehen,
ob el nidbt bon fdmmtlidben befudbern einet SDtalferabe »erlangt merben foüte,
bah fte ftdb malfiren ober bodb imßoftüm—menn auch nur im Domino—erfdbei*
nen. 3)er ©ffeft mirb gar febr geftört, menn ein grober $beil bet im Saal
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Stnmefenben nur gefommen ift um bie 2RaSferabe §u f e $ e n, ntd^t um fi<b
an ihr gu b c t b e i U g e n. $ie 3uf<hauer fönnten fich eben auf bte ©aHerie
ober bie Sogen befebränfen. Unb fchliefjlich noch eine Slnbeutung. 5)er
üffiifc ift eine angebotne himmelSgabe, bie fi# nicht mittbeilen läf$t. 2Ber
biefe himmelSgabe befi|t, bat in ihr einen Sdpafc, um ben mir ibn beglich be*
neiben unb ben er nach Graften bermertben möge; mer fieuber nicht bat, ber
ftnbe fich refignirt in fein ©chicffal; er ift barum nic^t fehlerer. URan^er
glaubt mifcig ju fein, unb irrt fich barin, ÜRiemanb barf ibn be^^atb tabeln,
benn auch bie ©elbfterfenntnifc ift nicht Sebent gegeben* 2Ben aber bie ÜRatur
in biefer hinficht nicht beoorjugt, ment fte feinen gefunben, fprubelnben huntor
oerlieben bat/ ber füllte au<b nicht mit ber Slbfaffung mifciger Programme, bie
obenbrein für bie Deffentli<bfeit beftimmt ftnb, beauftragt merben.
Ünb nun nach biefen allgemeinen ©emerMhgen ju einer überft<htli<ben
©dbilberung ber brei bebeutenbften 2RaSteraben, melche biefe ©aifon uns gebraut
bat— berjenigen beS Sltion, beS Teutonia 2Ränner<horS unb beS Sieber*
franseS. Sille in SBetracht gu sieben, ift einfach unmöglich, benn bie SÄonatS*
hefte mürben leinen SRaum bafür haben; bie brei genannten mögen als ©er*
tretet beS ©ansen bingenommen merben. 3uoor aber fei no<b auf bie möchent*
liehen „ÜRarcenabenbe" beS Slrion bingemiefen, melche gleich nach SReujabr be*
ginnen unb anbauern bis in ber großen ÜRaSferabe ber fiulminationSpunft
erregt mirb. $>a bereinigt ftch mirflich SlüeS, maS SRem^orf, „bie britte
beutfehe ©tabt", mie es sumeilen bon ber englifchen ©reffe genannt mirb, ange>
nialen Gottheiten aufsumeifett bat; bie SBifce fliegen mie SRafeten unb Seucht*
fugefn umher, unb ift einmal einer nicht geraden, fo fommt baS ja
auch bei ben geuermerfen ber berübmteften ©protechnifer bot unb ftört nicht
ben ©efemmt^inbrui. ÜRit greuben ift ansuerfennen, bafc biefe „Starren*
abenbe", bei benen jeber ©efucher bie ©(bellenfappe auffefcen uwf$, bon Sabr
ju Sabr angenehmer merben, bafj baS Treiben auf ihnen fleh fortmäbrenb lau**
tert, baft man immer mehr baS Unpaffenbe bom ©affenben fonbem lernt 3)aS
gafchingStreiben fann für bie firitif beS öffentlichen SebenS—belifate ©ribatber*
bältniffe barf eS ni e berühren — gerabe fo mertbbotl fein miebiebumoriftifebe
Siteratur, meldje b^ noch immer nicht gebeiben miH, unb bielleicht fann baS
©ine bem Slnbem ©ahn brechen, 6in ächter gafchingSnatr rnuft bei f ich
f e l b ft a n f a n g e n, unb fchon baburch feine £armloftgfeit belunben. $aS
bat ber Slrion erfannt unb banbeit banacb.
$en Steigen unferer groben ÄarnebalSbdlle eröffnete alfo, mie gemöbnlich,
SCrt on, ber $öne unb beS SöifceS SReifter. $ie erfte Ueberrafchung, metche
bem ©efucher beS ©alles beim ©intritt in ben befannten prächtigen ©aal ber
äcabentp bereitet mürbe, mar bie mirflich pompöfe Seforation. Slrion unb
Sieberfrans, bei beren rühmlichem SBetteifer um bie ©alrne fünftlerifcher Seiftun*
gen unb gefetliger Unterhaltung baS ©ubtifum ftetS ber geminnenbe Gbeil ift,
haben mit ihrer bieSjäbrigen SluSfchmücfung beS ©alllofalS förmlich eine neue
Slera ungebahnt* ©tSber mar man b^r bei ber Seforirung eines ©adfaals
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ftets’auf bern bilettantifchen Stanbpunft ftc^en geblieben; bieSmal fchmang tuan
ft<h 311 m fünftlerifchen empor. Unb folcbe SluSfchmücfung beS ScialeS ift nicht
etma Siebenfache ober gar lappifche Spielerei, mie manchmal behauptet mirb.
übtan erinnere (ich hoch, mie es bei unferem fonft fo gelungenen ÜRem*?)orfer
Sangerfeft beS betmicbenen Sommers ben (Einbrucf unangenebmfter (Enttdu*
fdjung machte, als man beim (Eintritt in ben zur SIbbaltung ber geftconzerte
beftimmten Saat fable, fchmuälofe SBdnbe erblicfte, ohne jebmebe (Embleme ober
. fonftige auf baS geft be^üglid^e Verzierungen. SaS Sluge verlangt nun einmal
bei folgen (Gelegenheiten fein Vecbt, unb mö man es ibm berfürzt, mirb bie
rechte geftftimmung nie $lap greifen. Ser (Ebarafter ber Saalbeforation auf
bem SlrionbaH mar ber ber gebiegenen Fracht; baS Sluge mar förmlich geblen*
bet, bieKeicht etmaS zu febr geblenbet, bon bem bunten garbenfchimmer; boeb
blieb ber Sotaleinbrud ein bur<bauS barmpntfdber, unb bie Slnorbnung aller
Details zeugte bom feinften fünftlerifchen ©efchmad. Nicola Reiftet—nomen
et omen! — hatte in ber unglaublich furzen grift bou 24 Stunben (nodb am
Slbenb borber mar Opernoorftellung gemefen) ein mabreS SReiftermerf gefcbaf*
fen. Von pra<btboller fflirfung mar ein in ber Kuppel beS Saales fdjmebenbpr
rieftger Stern, in bunten garben fchiöernb, bon beffen Spifcen grüne 2aub*
guirlanben nadh ben ©aKerieen hinüber liefen. Sie Sogenbrüftungen maren
fammt unb fonberS mit bunten Sraperieen behängen, morauf Verzierungen im
japantf<ben Stpl angebracht maren; ba ft<h biefelben gleichmäßig über bie brei
Sogenreiben beS mastigen Kaufes erftredten, mar ber Sotaleffeft • ein dußerft
impofanter. Sin ben beiben unteren ®aUerieen zogen fich überaus gefchmacfbotl
gemunbene geftonS bon grünem Saube bin, beren (Enben JebeSmal burdb ßörb*
eben mit prächtigen lebenben Vlumen berbunben maren unb nach unten burdb
fernere ©olbquaften ihren 2lbf<hluß erhielten. Sie Vübne mar, mie gemöbn*
lieh, zeltartig arrangirt. gm Vorbergrunbe febmebten zmei burleSfe giguren
in ber Suft, bie, zeitmeitig in Vemegung gefegt,ihre fomifchen Sprünge machten,
gm $intergrunb ber Vübne erblicfte man einen bübfdb nachgemacbten (Eifenbabn*
magen ber Sritten*2lbenue*(Eompagnie, beffen fpejielle Vebeutung allerbingS
etmaS unftar blieb; fein Sach bilbete baS Sßobium einer Keinen Schaubühne,
auf ber einige £arlefinS gelegentlich ib* SBefen trieben. VecbtS unb linfs
quoUen aus Keinen VafftnS moblriecbenbe.SBaffer unb erfüllten bie 2uft mit
ihrem foftlicben Slrom. Sie Scbaale mit Eau de Cologne — mirflicb achtem
Johann SRaria garina bom gülicbSplap — mar unabldfftg bou tarnen um*
brdngt, bie ihre Bücher in baS föftlicbe Staß tauchten. Sicht babinter befanben
fleh noch zmei größere gontainen mit Springbrunnen, aUerliebft bewert mit
blübenben (EallaS unb üppig grünen Vtofferpflanzen..
2BaS aWaSfenfcberze, mifeig zufammengeftedte 3üge ic. anlangt, genießen
bie (EamebalSbälle beS Slrion einen mobloerbienten Stuf. Sluch bieSmal marb
berfelbe nicht zu Scbanben. $unft gmölf Uhr fefcte ftcb bie grobe Sßrozeffion
in Vemegung. Siefelbe beftanb aus zmei $auptabtbeilungen, ßrieg unb grie*
ben barftellenb. fRömifche Solbaten, SJtarS unb Vetlona geleitenb, eröffneten
(Erftere; ©eneral ©rant, bie unentbehrliche (Eigarre im üFtunb, mürbe auf einem
Keinen Sriumpbmagen umbergefübrt; anbere ©enerale, fomie berfchiebene 35Baf*
fengattungen ber VunbeStruppen folgten. Jjittle Mao — mirKidb berfchmin*
benb little! — miegte fleh ftolz auf feinem fchmarzen Streitbengft, einem nieb*
liehen Schaufelpferbdben. Verfdbiebene (Errungenfcbaften beS ÄriegeS, als ©olb
unb Vountp*Vrofer, ^atentbierfabrifanten :c. fehlten gleichfalls nicht. Sie
griebenSabtheilung eröffnete (Eölumbia, umgeben bon fdmmtlicben Staaten ber
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Union. Samen, toelche Blumen barfteUten, mag freilich ferner ju ertennen
toar, fdhloffen ftch an. 2)lit fcbaUenbem ©eläebter marb unfer auf einem coloffa*
len 3iegenbo(f thronenber föeconftrultor begrubt, ber unermüblidh mit gemalti*
ger Scpneiberfcheere feine ^arbon^etteldben abfdhnitt, unb in ebler greigebigteit
©ott unb alle 3Belt bamit überfchüttete. liefet hinter ihm folgten oerfdhiebene
©ruppen, bie ben SHeconftruttiongprosefj in braftifcher SBeife oeranfdhaulicbten.
liefet ntinbere Weiterleit erregten bie nun fotgenben Vertreter ber irifdhen Die-
publif, ein Raufen SBaffermann’fdher ©eftalten, bie für bie 3ulunft ber befreiten
Smaragbinfel bag 23efte hoffen liefen, Schließlich maren auch unfere beutfehen
griebengbeftrebungen nicht oergeffen. Sag Sängerfeft beg oerioidhenen Sorn*
merg, bie probiantbelaben nach Bremen jiehenben Schüßen — alleg bag
loar berücfftdbtigt. Ser mirtlich coloffale 3ng reichte, bidht an einanber ge*
fcbloffen, gerabe um ben ganzen Saal herum, ©r machte jmeimal bie föunbe,
toorauf er ftch auflöf’te, um ben San^luftigen mieber ben nötigen Spielraum
ju geben. Öbmobl bag Waug in allen feinen Sheilen boUlommen gefüllt toar,
herrfdhte hoch biegmal im Saal felbft lein foldbeg ©ebrdnge, baß bag Sanjoer*
gnügen bar unter gelitten hätte.
Ser S e u t o n i a Mannerchor folgte gunächft tn ber [Reihe. Sllg
93aMotal hatte er ftch bie ©itp Slffemblp [Roomg am 23roabmap augerfehen, mel*
<he leiber unmittelbar barauf abbrennen foUten. Sie 93alle biefeg ftrebfamen
SSereing erfreuen fuh fdhon feit lange eineg guten SRufeg, ben fte burch tattool*
leg Slrrangement oerbienen. Sehr nadhahmunggmerth fcheint ung j. $8» ber
©runbfap ber Teutonia, bei ben Slufeügen ihrer Äarneoalgbälle jebegmal einen
tn ftch abgefchloffenen ©egenftanb, eine beftimmte 3bee jur Slnfchauung §u
bringen, biefe aber auch ganj confequent, erfdhöpfenb unb in gemein oerftänbli*
eher SBeife burchäuführen. So toarb auf bem biegjäbrigen 33aUe ein Sigeuner*
lager bargeftellt. Sie oollftänbig auggerüftete 3igeunerbanbe marfdbirte unter
ben klängen eineg fröhlichen Marfdheg in ben Saal: ooran ber 3igeunerhaupt*
mann mit ben Muftlanten, bann bie oermegenen ©eftalten ber ßeffelflicfer unb
Sanbftreidher, bie alten toahrfageuben 3igeunermütter am Ärüäftocl, bie
grauen mit ben boffnunggoollen Sprößlingen. in ben Slrmen, bag junge
SBoll ber braunen Söurfdhe unb gluthäugigen kirnen; fogar bie mit W un *
ben befpannten 2Bägel<hen jum Srangport ber toenigen ^abfeligfcitcn fehl*
ten nicht. 3m Mittelpunlt beg Saaleg, too ein freier staunt in ^Bereit*
fchaft gehalten toar, toarb Walt gemacht, unb unter charalteriftifchen ©efängen
jum Huffdhlagen be'g fttgerg, §um Slnsünben ber geuer unb jur Bereitung beg
[Radbtmahlg gefehlten. Ser prächtige ©hot: „Sie Sonn’ ermadht!" be*
grüßte ben herannahenben Morgen. Sag junge 3igeuneroolt führte feine
Spiele unb Sänje auf, toährenb bie Sllten umherlagerten unb jufchauten, ober
ftch an ihre gelohnten Sagegarbeiten machten. 23engalifdhe glammen beleuch*
teten ju mieberßolten Malen bie trefflich arrangirten ©ruppen. Unter entfpre*
chenber Muftlbegleitung folgte fdhließlich ber Slufbrucß beg Sagerg unb ber 2tb*
marfch ber S3anbe. Sag ©anje, trefflich eingeübt unb ohne bie geringste
Stoäungjober Störung oon ftatten geßenb, machte einen fehr befriebigenben ©in*
brudf. Sieben ftdh ju folchen unb ähnlichen Slrrangementg, toag am ©nbe nicht allju
fdhtoer fein toürbe, hin unb toieber Sujetg ftnben, bie mehr in bag ung junächft
umgebenbe National* unb SBolfgleben eingreifen unb mifcige Slnfpielungen auf
befannte Sagegereigniffe geftatten, fo tonnten fte ftdherlidh alg in ihrer 2lrt ooH*
enbete Magtenfdherje gelten, bie jur Belebung unb lünftlerifdhen Slugfdbntütfung
unfererÄarneoalgbälle ganj toefentlidh beitragen mürben. Ser größte gehler, in
ben berartige Unterhaltungen leicht oerfallen, ber ber Monotonie unb ©inför*
migteit, toürbe baburdh gerniß am toirlfamften oermieben.
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Ser 93att ber Seutoma geidhnete ftd? auch burch eine berhältnißmäßig große
gahl gut auigeführter Eharaftermaifen unb elegante ßoftüme aui. Sie brei
2lrm in 2lrm wanbelnben Samen, jebe in eine ber färben ber Union gefleibet
unbgufammen bai nationale Woth, 2Beiß unb 33lau repräfentirenb; ein fpani*
fdher Witter in filberfchimmernbem Ueberwurf — biefe unb anbere Straften
nahmen ftch fehr gut aui unb berliehen bent 5Me ©lang unb SWannigfaltigfeit.
Ser glängenbe 23all bei 2i eb e rfra n g e i bilbete einen würbigen 2lb*
fdhluß unferer bieimal fo impofanten SWaifenfefte. Sie Saalbeforation auf
bem 2ieberlrangball hatte ftch bie ^od^poetif^e unb einei ber ßunft gemeinten
iBereini auinehmenb würbige Aufgabe geftellt, in fpmbolifdher SGBeife gewijfe,
gu bem geft tu naher öegiehung fte^enbe gbeen gu beranfchaulidhen. Saß
biefer in fo großartigem SWaßftabe angelegte SBerfuch in ber «gauptfadhe wenig*
fteni ali ein giemlich gelungener begegnet werben barf, gereift bem auifüß*
renben Zünftler, §errn Ertle, gum nicht geringen Wuhme, ba bie babei gu über*
Winbenben Schwierigleiten gewiß fehr bebeutenb finb. Sie 23rüftungen ber
unteren 2ogenreihen toaren mit Sraperieen gefchmüdt, welche carmoiftnrothe unb
golbene gelber geigten* Weun mddbtige Säulen, in red^t lunftreidher, toenn
auch bielkicht etwai gu maffiber SBeife aufgebaut, erhoben ftch gum hohen Som
bei Saalei; ihre garbe war meergrün mit golbenen gelbem, bie Eapitäler
würben bon ben coloffalen SWaifen mpthologifcher giguren gebübet. SRieftgc
Soppelfchwäne, reidb bergolbet, beren, bedungene £älfe eine 2pra bilbeten,
fchwebten über ben giguren. Eine reiche gülle allegorifcber SBergierungen, rie=
pge 2ilien, groteife giguren, SWufcheln :c., burdb 33lumengewinbe unb ®uir*
lanben berbunben, füllten bie Wäume gwifchen ben großen «gauptfäulen; bo<h
beburfte ei längerer Betrachtung ober felbft einer befonberen Erläuterung, um
ben Sinn berfelben gu faffen. Ein fünftlichei Wefcwert bon golbburchwirlten
Striden, bai jeboch bon unten gefeiert bei weitem nicht ben Einbrud machte,
ben man babon erwartet, überfpannte bie Kuppel bei Saalei. gn ber SWitte
fchwebte ein rieftger Ballon mit allerlei Bergierungen, namentlich einer Sarftel*
lung ber befannten Ballonhochgeit bei fpeculatiben Aeronauten $rofeffor 2owe.
Siefer Gallon war ber fdhwächfte Sfjeil ber Setoration, beßinberte ben freien
Ueberblid unb ließ einen Shell ber übrigen Sluifchmüdungen unbebeutenber
erfdßeinen, ali fie in ber Shat waren. Sie Bühne war in ähnlicher SBeife ber*
gerichtet wie auf bem BaH bei 2lrion. Bon ber Sede herab hing ein fliegen*
bei Srapeg, an welchem gpmnaftifche Zünftler ihre ©efchidlühleit geigten. 3wei
gontainen mit Springbrunnen unb SWufdhelbergierung waren recht gefcbmadooll-
aufgebaut; aber bai angebliche Wofenwaffer, weldhei in ihnen fpielte, führte
Wiemanben in Berfuchung, fein etwai berbädhtigei Parfüm im Schnupftuch
bon bannen gu tragen.
Ser Saal wogte bon iFtenfchen, alle ©aderieen waren überfüllt. Reiche
unb gefchmadbode Soiletten, hühfdhe ^oftüme im Ueberfluß, aber audh fehr
biele nicht mailirte, befradte unb berodte ®entfernen, bie gwar gur güUung,
nidht aber gur SBerfchönerung beitrugen. Sie 3Jtuftf war bortrefflich; nur
foHten bei gwei üUtufddbören nicht fo lange Raufen borfommen. 2luf eine
eigentliche DJtailenprogeffion hatte man bergidhtet; bagegen fehlte ei nicht an
Heineren Slufgügen, gefchmadbollen Sängen unb äitaifenf^ergen. U n c a i.
ISeifeitbe Agenten für bie ^onatehffk:
Earl SBielanb*
SW. Eaffirer*
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Wio&s tu Satttefott,
tpl fl»
—ÜDtcßxeerb’S ©ebäube,—
®<fe btt 5» ttttb <$he*imts®tta#e, <&U ScmfS, Wo«,
beforgen ben Äauf uttb 33erfauf »on 2Rtffouri - ßdnbereten uitb btc (Eintreibung unb (EoHeTtion aller
3lnfprü<be gegen bie ©er. StaatensfRegierung ober ben (Staat SWiffouri. Sie geben ebenfalls 3lu$funft
über bie Tttel unb Cage oon Sumpf* 2 änber eien, »elcbe bem (Staate SRiffouri bureb bie 35er. Staaten*
Regierung gefebenft tourben, fo»ie auch über öffentliche ßdnbereien in ben »efilüben (Staaten unb ben
Territorien. I^T ©efonbere Slufmerffamfeit »irb ber ßoeirung von 2anb, unb ber Sejablung »on Taren
auf bur<b 9ticbt*?Rejtt>enten geeignete^ £anb, getoibmet »erben.
Da (Eol (Ebarled (E. 2Ro$d »on bem QJouoerneur ald Staat3*£gent ber Sumpf*2dnbereien (burdb
Scben!ung$afte be$ (EongreffeS am 28. Sept. 1850 bem (Staate SRiffouri übergebpn) ernannt ift, fo b<t*
er bie beften Quellen, um 3fo$funft über biefelben |u erbalten unb $u ertbeilen.
5 v Seine (Er. Tbomae (E. ftletdjer, ©ouo., 3l<btb. 35. ®rafe S3roton, S3.St. Senator
£ ~ • Slcbtb. 3obn 33. £enberfon, 35. St. Senator, „ 3Uonjo Tbombfon, Staatäaubitoro
•c- n SBm 33ifbop, Sdja&meifter, „ örancid ftobman, Staat3*Sefr„
8S „ Stobt. 0f. SBingate, Staat$*3fo»alt, „ 3acob (E. Smitb, 2anb»9tegifbat.
Deutle gegenfettige SebensoerftdjerangsiSefellfdjöft
oon $t. ^ouis.
Dffice: 9Ro. 22 2Jtarft*6t.
SBir übentebmen Je&t ßebenSoerfüberungen ber folgenben öerfebiebentn Strtctt:
Prämien ju japlen, fo lange ber 35erficberte lebt, unb bie oerfüberte
Summe bei beffen Tobe jablbar. (£Ritbt oerfaüenbe Policen.)
5Rur iebn 3abre lang Prämien $u galten, £brt ber 35erfl(berte aber früher auf gu gablen, fo bleibt er ben»
noch für |ebe gejablte Sabrcäprämie gu einem Beitel ber urfprünglicben Summe oerftcperL
SRatb bem Tobe be$ 3Ranned »irb ber SBiffioe ober bem Jfinbe
»äfatttb beren ganger SebenSbauer, eine bejümmte Summe auäbegablt.
Sluägablungeiner beftünmten Summe bei(Erreicbungbed 18., 21. ober
25. 3abre$, mit ober ohne Stütfjablung ber bezahlten Prämie bei früherem Tobe, tiF" SBir gewähren
unferen 2Ritgliebem biefelben 33ortbeile, »ie bie beften anberen ©efeUfcpaften. — SBeitere Sludfunft »irb
bercit»ifligft erteilt.
^ ?B £ont,
(E Tb Ublmann,
(Ebriftopb 31. Stiefel,
3acob Tamm,
Slbolpb Äebr,
(Ebavled £oppe,
Sftbor 33ufdb,
§ranci$ Saler,
33eamte:
5 (Eb<tffc3 SB. #orn, fPräfibent,
\ %, 31. Scbneiber, 33ice=&räfibent,
Sfaguft Ärie<!bau$, Tbeobor 3>late,
©eorg ©ebrfe, Slrtbur OlSpaufen,
€mil ©e&Ier, 3ultu$ ferner,
g. 31. £. Scbueiber, %. SB. 33iebtnger.
Slrtpur Cbl^buufen, S^abmetfter u. Scfretär,
Dr. (Ebarled £aucf, unterfuebenber 3(rgt.
H. A. Homeyer & Co.,
Cmmnilftom» - (»krrijäft,
City Buildings,
Sto. 10 Sommercial=©tra§e,
$t. Jouiö, ^o.
3. SB. SBrefton,
S. 3. ©awfon,
©pruance,
3. SB. $refton,
| St. Soul8.
Sptuance, SJJrefton unb (So
54 2afatle«6tt., Chicago.
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VS I e i tu e i
d u liier- IMcimcif}
ttttb
£el«<S 0 tttp<tgtiie,
fabrijiten utib »erlaufen als »ollftänbig rein garantirteS
23leitt)ei£,
IRed, Lead <fc Lytliarge,
Steine
(£aftor-£>ef,
%
&einfamen*£)ek
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CHAUNCY I. MLLEY,
birefter Importeur unb fjdnbler in
$ot}effon r (Blo^ iittfc 0 teingitf
Maaten,
fftberptattirten unb $rittama4Öaaren, Riegeln,
ftolUenöUVmiipen, £od)ten, latenten «♦ f. t».,
<Eß=3teHecftcn, $a|tljttus = unb Dampf6oot= Waarcn.
Mro. 108 ;Dlain»<Strafse, MJarble Mott», }i»if<$en Socuft» unb 35ine»©tra|e,
©t. Souis, Mio.
Ülffortitte loeifle unb gciootmliAe ®teinguti»aaren in JEBrbcn.
SBit »erteilten birelt mit fremben unb einfceimifc^en gabrilanten, unb ftnb begatt
ftetS im ©tanbe, unfern Junten alle möglichen SSortfyeile ju bieten.
/. Heufi «t €#.,
— ©t. SouiS, Mio., —
(£ommtffiott$r, @pebitum3=unii europtitfdjes 2BedjfeI=©eföi(ift
®töten ^lanbb
Fancy Dying Etablisliement.
SBnrretb & (£ 0 .,
Mo. 5 unb 7 3ofm ©treet, > m . _ „
718 SSroabtoa», f Mendorf.-
Mo. 26» gulton=, Sie »on Stllat» ©treet, Srootlön
unb Mo. 47 8te Strafet, Mfeilabelpfeta,
©artett, ftepfte w £ <£o. t
6 „ u " b l ^L tet ' utt b 718 ®roabt»a», MmSorf,
269 S?ulftm=, ede »on 2in«r» ©treet, SroofltmT
unb 47 Mortg 8te ©tragt, 3>pilabelppia.
3 . ©rfmbcftb SS
9lo. »SO fBroafcwa^,
Merfags» unb ©ortiment^Mlufttfeanblung nebft Mluftfalienteifeanftalt,
bem 9)uMt!um i|r ttcu croffnctc$ S)(|)ot t>ott tttuftfonfcfiitt
geprüfte «nportirter 3 *7* e V" n^”© « ft «Tr e"" 61 t ^
* *r SBtr galten nur Snflrumente befferer Qualität.
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ST. LOXJIS, MO.
^crfciitanO
Sntyorteur bon
etirojmifdjcn y robttf tcn tmb ^Seinen,
fotote Sdjnupftabad bon £o£6ed ©ebr. in Sa^r,
SU. 13 6 üb 3bJettc 6 traf*e, St Soui3, SMo.
X J5d)ottler & €a.,
Verfertiger bon ©l)arte§ ©rat^S patentirter Paraffin
$djfen*unb SOtafdjinen^S^mtere,
g a b r i f :* Glarf 2 lb. gegenüber bom SBaffnngton$arfe, o. cm.
Office: 9 SMarfet 6 tr.,©efe bon ©ommercial Vlleb, wU X5vttu>j üvtO«.
jtoholi piattner, Pptiker,
gabrifant bon ^Barometern unb £$ermometern,
114 SKartet Str.,
@t. Souiö, * « SJitjfourt.
©. 3JMer, #anbter in etntjeimifdjen SÖetnen,
unb
@iö^tttl>Mtncc be§ rtronmtifcftc» <Satatttf>aWtter§.
2)ebot: Vo. 35 2Mnut*6trafje, 6 t. Soui 3, 9)1 o.
Cafefrancais um $f, «Sambcrgcr,
SBein-, S3ter- unb 33tfHarb=@atoon,
f^tanratfoa mtä Att Hart*,
Vor boft *(§:<! e bon fünfter unb (S^eänut * 6 t., 6 t SouiS, SMo.
Sonie SKolf,
Sntyorteur unb ©rojtyänbter bon
Vfeüt-, Vecfar*, fran^bftftyen unb ©atatobasSÖeinen,
Vo. 5 6 üb Steile gyrafee, 6 t. So ui3, SMo.
(£$a$. Setnberger’S „^etntfdje SÖetnbaüe/'
Veifetfbe jtnben bafelbft gut moblirte 3immer unb eine aufmerlfame Vebtenung.
Vo. 3 6 üb 3toeite 6 tra| 3 e,
0t. fipuis, SRiffpiiei.
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1865 +
2Ötnter*$erfäufe.
1865 *
Smporteure, «gänbler unb Sabrifanten* 2 tgenten
©tfetu
unb
ßt a I)l- W a arrn i
9fo, 139 unb 14195?ain=@tröf?e,
ff, Jouis, ^o.
36 nagen!!
<SL unb X. Ofatrbctnfö unb (£o^ ädjte,
bon jeher ©attung, ju gabrif »greifen.
55 r a 11 unb 3 o j, alleinige Agenten für St. Soutö.
SAFES!
Itring & ®o’ 0 . 3 Feuer- unb #iebfe|te Hankiers-^afes,
^a()li»tijltrs-S«f«
ntU bie&G* unb pufoetfcflen ©d&Iöffent.
3« ^ftbrlfprcifcn $u verlaufen.
Vratt 8 %üx,
ftHefnigc Agenten für ©t. Sou!«*
North Western Horse Nail Co.
S Renten»
ferner:
©tt grofiet SSotraty bon letzten unb fermeren ©femnaaren, ju benbttKgften»
•Iftarftyreifen §u öerfaufen.
3 ?ratt & Fox,
^(fc Per 9Wöin=@trofc unb SSafbington 5fo., @t. gimte*
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&üttfHt<f>c kirnte mb Seine*
Selpbo’S patent, 616 Vroab»ap>
Die »iHfommenilen Subftftute für berlorette ©Itebma&eit, mel#e Jemals trfunben »urbett. (Stablfrt
feit 26 Sabren.) tim fl# bollftönbig über ba$ 9l5bere in Äenntniß ju fepen, taffe man fl# ein latent mit
ßcugnifTcn bon Setpbo u. So. Son, 616 Vroabmap, 9?e»*gJorf, bem 9?.-gJ. $otel gegenüber, fenben.
9f.8. Solbaten »erben gegen eine fPromeffe bom ®eneral*Sbirurg ber 5lrmee ber bereinigten
Staaten loftenfrei mit bem geplenben berfebetu
$en*n ©mttebaism. Daoib Z» ©mtubaum. £oui* fttillmattg.
Henry Greenebaum & Co.
$entfdje$
Pank n; JJalTagcgcfdjäft,
Qscfe Safe- unb £afatfe-0trafie,
CHICAGO, ILXHNOIS.
»ecbfel in beliebigen Summen unb Sitten auf alle bebeutenben Stabte Deutf#lanb$, $ranfrei#6
SformegenS, S#»eben$, Dänemark, StalienS unb ber S#»ei$.
»affage per Dampfer nnb Segelf#iff bon Hamburg, Bremen, ^nttterpen, Sfotterbam, £abre,
Sbrijliania, ßiberpool unb QueenStomn.
3 ticafro*@eföfift< »erben bur# unfere auSgebebnten Verhütungen in gan$ (Europa mit S#neIItg-
feit beforgt unb eingejogene (Selber in ©oIb auSbejablt.
©eeenebanm & (So
Sljicago, 30.
HILLEE & CO.,
SSanf. ii.Jiifnffoucfdinft,
9to. 3 Sbamberftr., ^eto^orf,
geben 2Be#fct nnb Srebitbriefe auf alle größeren 5)15fee Suropa’S, berfenben Oelber na# {ebem Orte
Deutf#lanb$ mittelfi be« beutf#en 5)ojberbanbeS, unb beforgen ben Sinjug bon Srbf#afteu unb Vermö¬
gen bermittelfl Vollma#ten auf f#neHfte unb biüigfte SBetfe.
E®* Anfragen aus iem fattbe ftnirn prompte jöeadjtuitg.
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J. B. HOEKER,
PEACTICAL OPTICIAN,
312i FULTON STEEET,
Near Pierrepont, _ BROOKLYN«
Chs. Wellie,
-Attorney, Connsellor at Law
and Solicitor of Patents,
290 Broadway, Boom No. 6, New York, and' 200 Washington St«, Hoboken.
Edward Mehl,
Üßro. 156 unb 158 gulton 6 t,
Sieftaurant unb gmporter
bon
tftyehmetnen unb Gnunentyalet 6 <$foei 5 erfäfe, Sß^olcfale unb Detail ju bcn bföigften
greifen.
Slufträge bon auäroärtö werben prompt au§gefüf)tt
Scfuuibt,
(Wer (L g. unb £. ©. 6$mibt,)
Importeur sott äßem unb 23 rannto>etn ic<>
9lem=?)ort. _ —20 S. Sffiiiliatn=Str. — 3tew*?)or{.
gleifdjntann & tUridjg,
71 vjlm $t., 'glero-'^orß.
Smporteure turn eurojmifdjen $robuften, $riid)ten u. f. tu.,
ßommifftonlgefcfyäft in amerifantfdjen Sßrobuften.
ST. LOTJIS, MO.
Slngelroth & Sartlj,
9JorbweMcfe_$er Btociten unb GheäitukStrafce, 6 t. 2 o u i 8 , 3 Jlo.
@tm>päifcM ÜÖcd»fd-©cKhäft
unb
^onfttlöte für bie beutfdjen $mtbe$jtoaten
(ausgenommen $«mto»tr unb grontfurt a. SW.)
£nir$ unfett birelten Serbinbungen mit btn meiflen ©tobten ®eutf<hlanbS, granfreU&S unb bet
©dbrncij finb mir im ©tanbe, SBeihfel in beliebigen Sehnigen unb ©ichten jum billigten Souri abjugeben.
SIBit nehmen Sehräge non 3 2)olIar$ unb aufnwti «n unb johlen ieberjeit bet Wüdgobe eineb bei uni
gelauften SBed&feli b«i ©elb bofür »hne Slbjug jutüef.
©I. Souii, SWo. Singelrath # Satt*.
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StaatS*$(gentur.
für Jnfprücfje an t>ic ^eneraf-^tegiernng.
St* £ o u i 3, 28. ganuat 1'865.
Der Untergeichnete burch ben ©oupenteur Pon 2JttjTouri gum Spegial* Agenten für Betreibung ber
flnfprüche Pon Staatsangehörigen an bie @eneraT*9legierung ernannt, macht bierbur# befaunt, baß er
mit bem heutigen bie Srunftionen feines SfatteS angetreten hat unb baß eS nach bem ©efefcc pom 13 . Fe¬
bruar 1864 feine befonbere Aufgabe ifi, alle SInfprüche auf ^enfton, Bountpgelb ober rücfgdngigen Solb
Seitens ber SBittmcn unb SBaifen perjlorbener Solbaten pon 2ttiffouri ober Seitens folcher SJiiffourt*
Solbaten, »eiche im 5lriegSbienfle ber Bereinigten Staaten bienjluntauglich tourben, mie fte ihm Pon ben
ßofalägenten in ben eingelnen SountieS Porbereitet gugeh.en, gu unterfuchen, nach Befunb für BerPoUjlän-
btgung Sorge gu tragen, bann nach SBafhington an bie betreffenben Departements gu beförbem unb bort
bi$ jur Qirlebigung gu betreiben, unb bieS gmar unentgeltlich unb frei pon Auslagen, flößen ober
irgenb toelcher Beregnung. ^
Office: 9lo. 65, Säumer 91o. 3, ÜRorbfeite »on ©heSnut,
gtoifhen 3. unb 4. Straße.
_ Stlftert Sigel, <Spe$tak%gent
C. F. ADAE,
cSuropäifdjes 'gftauß- unb ^edjfer-^efcßdft,
©foefonatt,
CONSULAT fuer Preussen, Bayern, Württemberg, Hannover,
Sachsen, Baden, Oldenburg, Grossherzögthum und Kur-
fuerstenthum Hessen, Mecklenburg-Strelitz und Schwerin,
Nassau, Sachsen-Meiningen und Alienburg und
Frankfurt a. M.
C. F. ADAE, Consül.
<§$a$. Sdjlciffartf),
95 aWailt* Strafe, ätnif^ert 3te unb 4te, St. 2oui8, 2Jto.
gabritant unb Qmporteur öon
^riicblhiitbcvn |ttr tabil aleit Reifung,
Unterftü$ungs=Battbflgen unb ©rabeljalter,
Berfertiger öon orthopäbifhen Apparaten für alle Wirten bon BerMtnmungen. — Sille
Slrten ©ummiftrümpfe untb fonftige Banbagen ftet§ borrätßig.
Brüden bott alten ©rßßen.— Aünftlihe Slrnte unb Beine.
HOFFHEIM ER BROTHERS,
DeftiHateure uub gabritanten aller Slrten
einljeimifdjer £8eine, cfiiqueure, reinem Roggen, unb
'§5onrßon-'^l)i0ßep,
90 Süb 3»eite <25 tr., St. £oui*, 8»o. 39 unb 34 3u>tite Str., Cincinnati, Ohio*
SBir haben fietS ein großes Säger pon unfern (Cincinnati SBaaren oorrdthig, g. B.:
JJort, .itlalaga, Sperrt), ^Wabfira, pluacat, datamba unb C§tngfr-H9em,
rntb Perlaufen biefelbcn gu (Etncinnati^eifen, Fracht extra gerechnet* Zugleich erlauben mir unS, auf
unfer ausgezeichnetes
Bavarian Bitters
anfmerlfant gu machen*
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gemieteten in SRiffnntL
dulttvirte, SDtineral* unb andere £änbereien in Sttiffouri, fo wie im 2 Bc|ten überbauet, werben
getauft unb verlauft.
Die Eodrmtg von Sänbereien, nach ben wirtlichen S5ermeffungen, gu 3tegierungSpretfen, wirb in
ollen Weltlichen Staaten burch anfäffige Agenten beforgt; SanbwarrantS werben getauft, verlauft unb
locirt; Steuern begablt? harten unb ©ermeffungen angefertigt nnb ©erlebte über SWineralfchäfce auSge.
arbeitet; ©efifctitel vervoflftänbigt $ patente von ber ^Bereinigten Staaten Stegterung unb alle inbaS
©runbeigentbum unb allgemeine Sanbgefchäft einfchlagenbe Arbeiten beforgt.
Der Untergeichnete, einer ber am längten etablirten ßanbagenten im SQBeften, bat viel Seit unb
SDTübebarauf verwenbet, um lebe auf btefeS ©efchäft begugliche $u$tunft gu fammcln, unb er verjichert aus
Uebergeugung, bafj Stile, welche wertvolle ftarm*. ober 2Kineral=£(lnberelen im 2Be|ten taufen wollen,
nichts ©effereS tbun tonnen, als fub gu wenben an
H. *W. Dunstan,
No. 44 PINB STEEET, ST. LOUIS, MISSOURI.
fit poröftn fflofttr l« fr. JUlrodi.
Dtefe Sßjlafter werben jeben Dag mehr unb mehr befannt. Sebermann, ber
Sdhmergen im fftücfen ober in ber ©ruft bat, wirb na<b
Slnmenbung eine* folgen fofort geheilt.
©in £err tarn beute in bte Office unb erg^lt, baf? er mit Stelen Sehnte rgen ht ber ©ruft geblagt wen
unb mit einem eingigen 9>fla|ter voUfommen geheilt würbe. (Ein Slnberer fagte baffelbe von SweumatiS*
muS in feiner Schulter. Der lejjtere £err tann in 9to. 15 ©eetmamt Street, 9tew=UJort, obenauf, gefehe»
»erben. SöBir beftfcen Seugnifte von Saufenben von Dottoren, welche alle voll £obeS finb.
Teilung einer 3 er q uetfd? ten ©ruft.
Den 7. 2Jtai 1865.
2Jtetnc Herren t — 3m Degember 1863 würbe mein ©rufttnochen son einem fernerem Stiegel ger»
quetfebt unb fcblimm verwunbet. 3cb würbe beftnnungSloS nach £aufe gefchafft, wo ich einige SBocben bea
Dobe nabe lag. f&teine Slergte tonnten febr wenig für mich tbun unb ich muffte unenblidhe Schmergen lei*
ben. Der SSlrgt badete, bafj baS StafenpfTafter, auf bie ©ruft gelegt, mir helfen würbe, idb badjte aber, ba*
für eins von SWcotfS porofen 9>flaftern gu verfuchen. 3cb legte etnS auf meine ©ruft unb Seite, unb von
ba an fühlte ich beffer unb war in einer SBoche gefunb, frei von Schmergen unb fähig, mein ©efchäft wie*
ber gu beforgen. Sebermamf tann tommen uno meine ©ruft fehen, unb ich Witt ihm ein neues SBunber
»on Leitung geigen. *3* ©uef, Sto. 2 South 0ifth Street, SBiHiamSburg, 9t. §)., DboS. SUIcocf *
60 ., 9to. 4 unoin Sqnare. £auptofftce ©ranbreth ©uilbing, 9tew=§)ort. 3u verfaufen in 9to. 4 Union
Square bei allen $änblern unb iebem refpettablen Druggift*
Dupr 6 & Kretz,
9lo. 28 ©roab*Street, Gdte bon ©ydhange^lace,
Hent-^ork.
datier in ©olb* unb $etroieum-Slftien.
©ou»ernement3 = 33onb8 unb ^Bereinigte Staaten Si^er^eiten
»erben in Gommtfjion getauft unb »erlauft.
Saflitt, ©utler $ 6*.,
gabrilanten unb .gänbler tn
(^dtteifc, Drnd* uitfc $a^$a^ier f
'gttnbfaben nnb Rapier-Radien olle? jtrf,
9to. 42 unb 44 State^Strafie, gegenüber bem „ Sitp «£otel,"
CHICAGO, ILL.
gür Surnp en »irb ber ti5c&|te Sfllarltpreiä baar bejaht. * ^p
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Pctttfd» -JLtnrrtKanlf(^e JHjeatsbefle
für
c&iferator, Jtitnfl, g8t([en|cf)aff mt6
öfenffidjcö cScßcn.
S^cbißirt fron *
9lttßpl|)ß £e$Ptt>»
ni. $al)rgang. I. ?§anJ>. 1866. 24ml-$rft.
3panif”d)( ^illjimctUn.
Stotl * * *
Königin SfabeHa II. ift 35 3at)te alt, übet SIRittelgrBfje, bon lichtbrau»
nem ^aat, bat Heine, tunbe, waffetblaue Slugen, eine Iei<bt aufgeftülpte Jlafe,
bübfcb geformten SDtunb, ein Soutbonifcbe« ©oppelfinn, foloffale S3üfte unb
2 lrme; ift, wenn in Toilette, eine impofante Figur, unb macht, namentlich
Wenn fte lächelt ober lebhaft fpricht, einen burchau« angenehmen Ginbrud. Jrop
ihrer ©röfie unb ihre« ©ewicbt« ift fte bocb Itänllich, leibet an einem oft quälen»
ben Slechtenauäfdhlag, ber ftcb häufig an ben Slrmen jeigt unb ft«b bartnädig
allen $eilung«oerfu<hen wiberfebt bat. Sie erfcheint »ortheilhafter wenn fte
ftfet ober fteht, al« wenn fte geht, benn fte hat ben hin unb her wiegenben ©ang,
ben man Subwig XVI. jufcbrieb.
Gine Softer Fetbinanb« VII., wohl eine« ber »erworfenften SDlenfchen,
bie je regiert, unb beffen Gbaralter laum felbft »on Slbolph Stabt ju rehabili*
tiren oerfucbt werben wirb, war ihre OJtutter Gbriftine, Tochter be« Die 93omba.
Gbriftine war 23 3ahre alt, al« fte ben faft fecbäjigjäbrigen fpanifcben Hönig,
ber fchon brei ©emablinnen begraben hatte, heirathete. Sie Wat 26jährige
SEBittwe, al« gerbinanb 1833 ftarb, ober, wie bie Spanier fagten, bei lebeitbi»
gern Seihe berfaulte.
3 )ie europäifcbe SDloralität bon ©ro| unb Hlein hat fuh jur 3eit entfefct
über bie Fehltritte ber IBniglichen SEBittwe. 3)ie STageäblätter an bet Spree, bet
Sbemfe unb ber Seine überftrömten bon Gntrüftung unb Satpre über Gbriftine
unb ihren ©arbiften Sölunnoj. $o<h man bebenle! Gbriftine war SEBittwe eine«
Honig«, SRegentin einet SUlonarchie, beibe« faft unüberfteigliche f?inberniffe für
eine neue ebenbürtige Sßermählung. Sie war eine neapolitanifche $rinjefftn,
in jugenblidjer Hraft. Sie war jubem mit Sennor SDlunnoj (jefct £erjog bon
SRianfatej) Kr<hli«h, obwohl heimlich, getraut, wie ba« eben nicht gut anber«
ging. Sffiet will ba ben erften Stein aufbeben? Iber für ihre beiben Äinber,
SfabeÜa unb SDtaria Souife, jefct £erjogin bon SDlontpenfier, war bie« SBerbält*
nifj bet SRutter eine Quelle groften Uebel«. SBor bem DU^terftuhle, ber Sßer*
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nunft unb bem bet SKotalität »ielleitft geretftfertigt, war es gerabe natf Stufen
fin ein Stanbat.
Sie Hinber maren eigentlidf »om Sobe beS SaterS an hoppelt »ermaif't.
SltS 3fabetta jefn Safre alf war, mürbe ifre SDtutter »ertrieben. ©Spartero
mürbe Regent. Ser berühmte JRebner unb Patriot SlrguelleS unb bie Sffiittroe
beS ©eneralS SDtina mürben ifr ju ©rjiefern gegeben. Stfon nach §met.
Saften mürbe bie SRegentfcfaft geftürjt, 3fabella, faum 13 Safte alt, für »oll*
jäftig erllärt. ©friftine tefrte jurüd. Sfr Ontel granciSco, ein grauer
Sünber, bet erft »or einem Safre ftarb, fotl gefliffentlicf SlUeS aufgeboten
faben, bie jungen üttäbtfcn moratifif ju »erbetben. SieS mag Stabriber
Stanbal fein, allein er ift bort fefr »erbreitet.
3m 16ten Safre mürbe Sfafeda burtf bie betannten Sntriguen SouiS
Sfilipp’S unb ifrer SJtutter an ifren jefigen ©emafl »crfanbelt, burtfauS
gegen ifren SBiHen. Sie bat, fte flefte, fte raf’te, es falf 3ti<f ts. Sie blieb
ifm nicft treu, fo fagt bie SEBelt. Ofne SSater, ofne greunbe, »erratfen fier,
»erratfen bort, bie SMutter in Sffentliifem Sfanbal lebenb, abmefenb in ber
Serbannung gerabe jur 3eit, als baS Äinb jur Sungfrau reifte, ber ©egen*
ftanb »on Sntriguen ber £5fe unb ber ©eiftluffeit, »on ben eigenen Ser»
manbten auf Srrmege geleitet, ©egenftanb Politiker unb militärifcfer Gom*
plotte, fo baf fte nie einen SWinifter fatte, ber nicft fcfon einmal gegen ifr geben
unb ifre ßrone confpitirt,'toer magt eS, möcfte man mieber fragen, ben erften
Stein auf fte ju merfen ? Slber fte ift nitft nur ifrem ©emafl nicft treu, fo
llagt man, fte ift au<f falftf. Sie fdlt es mit allen Parteien unb mit feiner,
mirft man ift »or. Unb mie märe bieS anberS möglicf ? Sn jarter Sugenb
unter ben fjänben ber GfriftinoS, mirb fte im 13ten Safre jur Königin er*
lldrt. 3uerft »on einem progrefftftiftf en Stinifterium umgeben, mufj fte alle
Scfattirungen ber Parteien in »etfcfiebenen SWinifterien burtfmaefen, bis im
Safre 1854 ©Spartero unb O’SonneU baS Stinifterium Sartorius ftürjen,
unb ifre SDtutter nacf längerer Selagerung im Sßalaft »on Steuern bie gludft
natf grantreicf ergreifen muf.. Sie mirb »on einem ÜJUnifterium umgeben,
meltfeS ifre SWutter f<fimpflitf aus bem Sanbe getrieben fatte. O’Sonnell,
baS eigentlicfe £>aupt ber Serfcfmörung, »erbrdngt ©Spartero, ber fte burcf
feinen Stauten fanftionirt fatte, unb mirb mieber »on Staroaej »erbrdngt.
5tar»aej matft O’Sonnell mieber Slaf, biefer, natf manefen UebergangS*2)ti»
nifterien, mirb mieber »on 9tar»aej »erbrdngt, unb fteft jeft mieber an ber
Spife ber Dtegierung. SieS ftnb nur bie eytremen Jtuanchrungen ber »er*
ftfiebenen Äabinette, feitbem SfabeHa bem Samen natf regiert. Sie mefr
temporären ffiecffel ftnb faft unjäflbar gemefen. Seit bem grüf jafr 1863
allein gab es ein Stinifterium O’Sonnell, fDtiraftoreS, Slrrapola, 3Jton*5J}a<f eco,
3tar»aej unb mieberum O’Sonnell. Stile biefe »erfcfiebenen GfefS ftefen fff*
menigftenS jeitmeife, erbittert gegenüber, baS Scfmert faft immer falb aus ber
Stfeibe gejogen. Unb mie fier beim Sräfibentenmetffel, treten bie greunbe ber
gefallenen SWinifter, bie in fofen Staatsdmtem ftefen, faft »Oe jurüd mit bem
m
Stutj ihre? dhef?. Sie matten gar nicht bi? man fte au? ihren Steden ftofst,
unb jeidjnen jtch in biefet §infi<bt febt bortbeilfyaft non unfern republilanifcben
Staat?männem au?.
Sur bie eigentlichen ^ofdbatgen ftnb permanent, obgleich felbft ba oft
biltatorifche Sefeble be? jeweilig bertfchenben Minifterium? au?gefübrt werben
lönnen. Unb unter folgen Serhältniffen folt eine fcbmadje grau treu, ehrlich
unb aufrichtig bleiben! Sie weif), bajs mit ganj wenigen 2tu?nabmen einiger
alten ßofleute, alle biefe ©eneräie, wie O’SonneU, SHaroaej, Serrano, Sulce,
bie beiben doncha?, dcbaque, gabata, Ko? b’Olano, Ißrim, Serfunbi, biefe 5ßo*
lititer wie 23raüo MutiHo, ©onjalej 23raüo, Sacbeco, Mon, ißafaba £ercera,
fie leinen Slugenblid länget baden, al? e? ihr dbtgeij wünfchen?mertb macht.
Mit einem Mort, fie Weib, bab fte oerratben unb oerlauft ift. d? ifl ein
ffiunbet, bab f>* ba? noch 'ft, wa? fie ift. Slatürlicben Scharfftnn bat fte von
Sater unb Mutter her. Sie foll gelegentlich febr fcharfe unb treffenbe Setnet»
hingen machen, wenn nicht Aber Sachen, boch Aber Setfonen. Sie bat nicht
bie hefte Meinung »on ber Melt unb ben Menfcben — unb wie follte fie auch!
Unb bennoch ift fte gutmAtbig, fie tann faft Sticht? abfchlagen, unb labt ftch,
wie man fagt, oon gebermann, bie hohe Slriftolratie nicht au?genommen,
3Ule? abbetteln. Selten unterjeichnet fie ein Sobe?urtbeil, nie wohnt fie
einem Stiergefecht bei, wa? ihr bie foanifcbe “Fancy” unb ber Sptcb? laum
oerjeiben. Sie ift fromm bi? jitm Uberglauben, unb nicht hoch gebilbet. Sa?
rührt oon ihrer drjiebung her. SiebatMutb. SU? ibr im dorribor be? Schlöffe?
ein geifte?oerwirrter ©rieftet ben Solch in bie Seite ftieb, behauptete fte bie
grßbte ©eifte?gegenwart. Sie gebt unter ba? Sßolt ju feber Beit, unb ift gebem
jugänglidb. Sabei ift fie frei oon aller Slffectation, wie fafl alle Spanierinnen,
unb leutfelig im höchften Stabe, Segegnet ihr ber ©riefter_mit bem Yiati-
cum, fo fteigt fie an? unb läfst ihn fahren, unb oft gebt fie mit ihm btei, oiet
hohe Steppen hinauf, jum Ätanlen felbft, in bie ärmlichfte Sadbftube, unb wohnt
ben lebten GSebeten auf ben ßnieen bei.
Unb boch ift fie unter bem ©olle nicht populär. Sa? ©ublilum ift gänj*
lieh inbifferent, wenigften? in bet |>auptftabt. Unb wie Ißnnte fte auch populär
fein! Sie muf» jebem Min! ber Majorität be? dorte? gehorchen, unb ihr Mi«
nifterium bemgemäji änbem. greilicb follte fie bann auch nicht oerantmortlicb
fein fAr bie SAnben biefer Minifterien. Slber ba? Soll macht biefe conftitutio*
neHe Unterfcheibung nicht, gebe? Minifterium, unb wäre t? au? dngeln ju*
fammengefefct, wirb aber gleich unpopulär. Set Spanier ift geborener gron»
beur — jubem ftritter Satteimann, gür ba? ©ute, wa? ein Minifterium
thut, erhält e? leinen Sani, ober wenn e? gefebiebt, madbt ber lleinfte gehler
wiebet SUle? oetgeffen. Sie ÄBnigin muh gulefet für Sille? herhalten, d? ift
noch ein SBunber, bah fie nicht fchon längft unter ber Sünbenlaft ihrer )ahl*
Iofen Minifterien jufammengebroeben ift.
gm Äßnige hat fte leine Stühe, dr ift ihr boppelter doufin erften Stabe?.
JUein unb fehr fdbwächlich, finb feine ®efi<ht?jüge regelntäfiig, Hautfarbe bunlel.
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t£
$ aat ' ® art unb äu 9 en f<t»ar 3 . Sr fpri*t im feinften Si?lant. Raft , e bn
pa^te älter al? bie Äonigin, fiebt er bo*, trofc häufiger fairerer Äranlbeit?an*
fäfte, lugenbli* unb gut erhalten au?. Sbeümeife im College de France
erjogen, bat et eine gemiffe »Übung, unb interefftrt ft* für flunft, Sanbmirtb»
f “* J * * ba fp bem 2iteI na ^ «nb bat als folget feinen conftl
tutionellen ßtnfluft. Ob et inet unb ba auf bie Königin einmirlt, ift eine
Streitfrage. 3m »olle bat er ni^t ben geringften $alt, ebenfo menig in bet
»rmee. (fr foü no<$ beooter al? bie Königin fein, unb no* mehr unter bem
Ginfluft ber »rieftet fteben.
. ’t^V 3 * e ‘ Uan ' ’ ft ie *‘ wiebet «W »e§ Winifterium?.
(fr tft fe*jig 3c*rc alt unb ftebt bur*au? ni*t wie tin Sbaniet au?, obgleich
feine Familie f*on feit bem fpanif*en Grbfolgelrieg ft* im Sanbe nieberge*
laffen haben fott. (ft ift febr fräftigen SSrperbau?, obgleich er anfängt ein
toenig gebeugt ju geben, über fe*3 guft bo*, mit graublauen Singen unb
einer betten ©efi*t?farbe. Sein £aat ift blonb, fängt aber an bebeutenb iu
ergrauen. Seine Slafe ift ftumpf, unb burib irgenb einen Unfall ein menig na*
ber einen Seite gebrüdt. Gr ift eine febr impofante gigur. Qt bat fi* ftet?
in ber ©emalt, unb obgleich fein Wann Don ©enie, bat et bo* gefunben Wen*
f*enoerftanb, unb feine SRube giebt ihm groben »ortbeil über ba? impulftoe
unb manfelmütbige Semperament ber Spanier. Seinen greunben ift er treu
unb gegen ©egner nidjt unoerföbnli*, Gigenf*aften, bie faft immer im Politiken
Sehen einen Grfolg fubern. .
Gr ift jebenfatt«, ohne beftimmte politif*e Ueberjeugungen ju haben, mo*
nar*if(b, unb e? ift mSgli*, ba| er Sfabella für unmögli* hält. Gr mürbe
aber bann für ben»rin ä Don Slfturien fein, mit einer SRegentf*aft, bie nur ihm
jufatten müftte. Gr ift au* mobl ber befte Wann, um in Spanien ju regieren.
Gtgentli* populärift er au* ni*t unter bem SBolfe. Gr ift eben ber Stifter
ber 3ufte«2Jlilieu*»artei, ber Union Siberal, jufammengefe&t au? ben Wöbe*
ritten unb halben aller «Parteien, unb jufammengebalten but* ba? Sntereife
bet Seute. Gr ift ni*t für eptreme Wa®eln, fu*t Spanien bauptfä*li*
materiell } u »erbeffern, unb bie Wittelflaffen fmb fo jiemli* für ihn. Sie
Spaltungen ber anbetn »arteten merben feine eigene immer in ber Webrbeit laffen.
Sie realtionäre »artei ift gefpalten in bie Ultramontan=»riefterli*en
unb in bie eigentli*en Woberabo?, bie mobl au* für Sbron unb Slltat
finb, aber bo* bem 3abrbunbert SRe*nung tragen, unb bem »olle eine
bef*ränfte Summe Don greibeit jugefteben motten. Sie »rogrefftften
eine atterbing? febr jablrei*e unb intelligente »artei, jerfatten in con*
ftitutionette Wonar*iften, mel*e atterbing? ba? Äönigtbum febr einf*ränfen
motten, aber feinen 2Be*fel ber Spnaftie münf*en, unb in Sol*e, bie biefen
®e*fel münf*en, mit bem meiteren »lan bei «Bielen, eine Bereinigung
Spanien? unb »ortugal?, ein Sberien, } u Stanbe ju bringen. G?partero ift
ba? £aupt ber moberirten »rogrefftften, ober Dielmebr ihre gabne Gr ift eine
Slrt fpanif*er Safapette. Seine Uneigennüpigfeit, feine politif*e Gonfegueiy
feine Gharalter*Weinheit unb militärifcpe Süchtigfeit haben ihm, bem $erjog
oon Sictoria, einen großen Ginflufs im S3otCe oerfcpafft. (Sr hat fic£j freilich
überlebt, aber baS weifi baS Soll nicht ober will esi nicht wijfen. SWehrere
SBetfuche, ihn non ber Spifce ber Partei ju oerbrängen, fmb mifsglüdt.
Sie aoancirte Partei ber Srogreffiften ijt Oertreten, was baS ©ehim an*
betrifft, burch Dlojaga, Webner unb Staatsmann »on grofjet Sebeutung. SaS
Schwert biefer graltion ift ©eneral fJJrim.
Son 3uan fßrim p fßrato, (Scnbe be WeuS, SiSconbe bei Sruch, SDlarqueS
be los (SaftiHegiS, ift ber Sohn armer (Sltern, unb oerbanlt AUeS, was er ift,
wie bie meiften bebeutenben Wtänner Spaniens, feinem SWuth unb feinem Sa*
lent. Seine erfte Sporen erwarb er ftcb gegen bie Harliften — befonbern
Wuhm im gelbjug gegen tDiarolto (1859), europaifcpen Wuf in ber meyifanU
fdjen Gfpebition, ober oielmehr im Aufgeben berfelben. Gr ijt Abenteurer in
beS SBorteS ebelfter unb auch oerwegenfter SBebeutung. gaft fünfjig (fahre
alt, ift er mittlerer Grobe, ftarlfchuftrig unb breit über bie SBruft, unb be«h
fcblant wie faft alle Spanier. Sehr blafj ober oielmehr olioenfarbig, 'ift fein
fpaar unb SBart blaufchwarj. Wafe etwas breit, BJtunb grob, unb ein gut*
mütbiger, man möchte faft fagen frbeler, AuSbrud geigt fiep auf feinem Geliebt.
Gr ift febr muthig, unb fdjredt üot Wichts jurüd, wenn es feinen Gprgeij gilt.
Gr ift, aber baS ftnb faft alle Spanier, guter Webner, unb feine Webe im Se*
nat, bie mehrere Sage burepbauerte, unb worin er feine ^anblungSweife in
Wleyilo rechtfertigte, bem fiaifer Wapoleon (helfen greunb er früher war, unb
ber ihm aus einer gewiffen Sympathie für Abenteurer jum li'ommanbo ber fpa*
nifchett Streitmacht oerbolfen hatte) lühn ben Jfjanbfchub in’S Gefuht warf, bie
bereinigten Staaten als baS gröbte unb mächtigfte Soll pinfteHte, welches bie
3Jtonroe*S)olttin ttofc ber jefeigen SBirren (es war im (fahre 1863) oinbiciren
unb bie granjofen aus bem £anb treiben würbe, war in oieler i>inft<ht ein
SWeifterftüd. Sie Härte jwar nicht oiet auf, namentlich oerhüHte fie eher
fßtim’S eigene hochfahrenbe fptäne, aber baS war Wohl eben ihr 3w«d. Gr
fptacb, mit £ülfe oon nur geringen Wotijen, mit Wupe unb gajfung, hier unb
ba mit $umor unb (faonie. Unterbrechungen fchienen ihm erwünfept, unb er
beantwortete fie meift fcperjpaft unb nur leicht hin. Seine ^Bewegungen beim
Weben waren leicht unb grajiöS. Gr erfdjien in elegantem Wlorgen*An}ug,
wie baS hi« üblich in ben öffentlichen Serfammlungen, feine Keinen fjänbe
mit ben untabelpafteften Gtace*§anbfchuhen betleibet, bie um leinen SßreiS
währenb beS WebenS auSgejogen werben bürfen. (Jn ber fpanifdjen Gefefcge*
bung lann fchon aus biefem Grunbe nicht leicht eine Soyetei ftattfinben, wie
baS anbertpärtS wohl fchon Oorgelommen ift.
Srim nahm in ben leiten (fahren eine rüdhaltenbe Stellung gegen bie
£of* unb biplomatifchen Greife ein. Gr erfchien feiten bei ben Aufwartungen,
nahm wenige Ginlabungen an, unb empfing Wiemanben in feinem fjaufe, als
feine gtorteigenoffen. WichtSbeftoweniger fah er bie Königin oft unb ftanb
hoch in ipt« Gunft. Wod> oor jwei (fahren ftanb fie Sßatpe für fein jüngfteS
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ffinb, was fie fonft nur ihren Serwanbten gegenüber thut, unb bie Saufe
nmrbe mit grober Stacht im spalaft felbft abgebalten. Watürlich regnete es
©efd)enfe. p
3n ben Blättern machte bagegen ber ©enerol »iel »on ftch reben. gebe
feiner Bewegungen würbe bem Sßubtifum mitgetheilt. 6t ift ein grober gäger,
unb alle feine 3agbpartieen in ben ©ebirgen »on Solebo, wo er hauptfäthlich
ben ffiilbfhweinen nachflellte, würben in gehöriger gern »on ben 3ournalen
regiftrirt. ©r felbft fpricht faft nie öffentlich, ober fcbreibt, ohne ju »erftehen
ju geben, bab ihm fein Sagen in ben SierraS höher ftehe als alle Solitif unb
jebeö Amt. — ©in bicfeS Such, mit einer Stoffe »on £oljf<hnitten »erfehen,
im 3ahre 1862 erfdhienen, erjdhlt bie gahrten unb Shaten beS Son 3uan
Stim. GS ift burchauS im Stpl unferer amerifanifchen “electioneering
documents” gehalten. Sei SarteUSemonftrationen, Sanierten u. f. w.
fehlt er natürlich nie. 211$ »on ihm im 3ahre 1864 längere 3eit leine Webe
war, »ublicirte et »löblich einige Sriefe in bem $auptorgan bet Srogrefjtften,
3beria, über feinen Aufenthalt in Amerifa, bie SotomaoArmee u. f. w.
welche natürlich wieber baS Auffehen auf ihn Ienlten. Seltfame Weifen unb
»löbliche ©tfdjeinungen hier unb' bort, bie man mit einem AufftanbSoerfuch
eines WegimentS in Salencia in Serbinbung brachte, »eranlabten eine Aus«
weifung »on Seiten beS Waroaej, im 3ahre 1865, bie inbeffen D’Sonnell, als
er an Waroaej Stelle trat, wieber aufhob.
Seine jefcige Schilberhebung ift befannt genug. 2BaS will Stint ? wirb
man fragen, ©r will obenan fein, baS ift ungefähr Alles was man unb w
er felbft weih, ©rhebt ftdj ein bebeutenber Sheit beS SolleS für ihn, fo muh
ihn bie Königin ins Stinifterium rufen; will baS Soll nicht »or bem Shron ber
Königin flehen bleiben, fo wirb er bie Wegentfchaft ambitioniren. An eine
Wepublit benlt er nicht, unb er ift ju gef<heit> um ben Staunt eines 3herien
jut SBahrheit machen ju wollen. Sie Spanier würben jwar gem*Sortugal
attnejiren, »ielleicht felbft unter Seibebaltuftg ber portugieftfdhen Spnaftie.
Aber bie Swtugiefen wollen Durchaus nicht »on Spanien »erfchludt fein. Ser
Spanier habt unb »erachtet ben Sortugiefen, ber Sortugiefe habt unb fürchtet
ben Spanier. Gin folcheS Sberien würbe grantreich ohnehin nicht buloen; eS
hat gerabe f<hon a n einem ftarten Stalien genug, ßnglanb würbe »ielleicht,
um grantreich ju fcbwächen, feine ©inwtHigung geben, aber boch nur ungern
ba Sortugal faft nur englifche Golonie ift, unb baS Königreich 3berien als erfte
SWorgengabe ©ibraltar »erlangen würbe.
Srim’S Aufftanb wirb wohl mifglüden. Sab O’Sonnell, 3a»ala unb
Serrano »ielleicht mit Stint in Ginoerftänbnib treten tonnten, ift möglich;
benn ba in Spanien, wie fdjon SBellington fagte, jwei unb jwei burchauS nicht
öier mäht, ift bort Alles möglich- $och Wahrfheinlich ift es Durchaus nicht.
— Serrano, Sugue be la Sorte, hat felbft eine grobe 3utunft. ©r fteht hoch
in ©unft bei ber Königin, ift ein SWann Don febr glänjenben Planieren, guter
Solbat, nnb man fagt, unermeblich reich. Seine grau, eine ber glänjenbften
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803
Schalheiten Spaniens, hilft feinet Popularität. Gr ift bis ju einem geioiffen
Grabe liberal, namentlich interefprt et fiep für baS SC-opl bet Golonieen. Gr
ift ein feinet flopf, unb rüdfichtslos wenn es fein muß.
SSBenn man non fpanifdjen Größen bet Deujeit fpricßt, fo barf man bie
beiben GondjaS nicht Pergeffen. 3n PuenoS ÜlpreS geboten, ftnb fte noch ge*
wanbter unb glättet als bie Spaniet felbft. SDanuel, bet leitete, SDarqueS
be Suero, ift guter Solbat unb burcßauS talentooHer Politifer; et ift lange
Präfibent beS Senats getoefen. gofe, bet jüngere Pruber, ÜDarqucS be (a
$abana, obgleich auch fDilitär, bat leine große Deputation als fotzet. Gt
War früher GcneraI4tapitain non Guba unb ift ein febr gewanbtet unb fchlauet
Äopf. 3bte SebenSbefchteibungen ftnb fpannenbe Domäne, wie eS benn übet*
baupt in Spanien faft leinen bebeutenben Staatsmann ober ScpriftfteHer giebt,
bet nicht Stoff liefern lönnte ju ben interejfanteften SenfationSnooellen. gaft
Ule waten fchon ein halbes Sußenb SDal jura Jobe »erurtheilt. gaft deiner,
bet nicht wochenlang in Schluchten obet in keltern oerftectt jugebracht, ober feine
gludht aus heilem unb über bie Sicher genommen hätte, .geute SDinifter unb
General, morgen Perlleibeter glücbtling. Sille haben mehr ober weniger in
btt Verbannung gelebt. SEBet nicht gleich in ben erften Sagen eines Slufjtan»
beS bet fiegtnben Partei in bie $änbe fällt, unb bann felbftoetftänblich in
24 Stunben erfchoffen wirb, hat bie heften 2luSfi<hten auf eine SWinifterftelle.
— Pofaba £errena, Salaoeria, bebeutenber ginanjmann, Permubejbe Gaftro,
Galberon GollanteS, faft Pier Sabre SDinifter beS auswärtigen unter 0’Son*
nell’S erfter Slbminiftration, DioS DofaS, ein Debner erfter filaffe, llepanbet
SDon, waten bie Parlamentsgrößen bet Union Siberal. Sie beiben Seßteren,
fowie bie GonchaS, waten aber juleßt mit 0’Sonnell jerfallen unb hatten eine
Upterfchattirung bet Partei gebilbet
Sie ultra=montane Partei hat gat leinen £alt in bet Irmee, ebenfo we*
nig in ben Stäbten, laum noch auf bem Sanbe. Sie Geiftlichleit in Spanien
ift ohne SDittel, ihre Gütet ftnb alle eingejogen, unb bie fungirenben Priefter finb
fcßlecbtbefolbete StaatSbiener. 3lUe DlönchSllöfter unb faft alle DonnenHöfter
ftnb aufgehoben; bie Kirche fucht noch in ben Sehranftalten unb Schulen p
Wirlen, allein bie fehr in Plütße gelommenen greifchuten entjiehen fuß bet
Datur bet Sache nach ihrem Ginfluß. Gigentlidje Staatsmänner jäßlen nur
feht wenige ju biefet Partei. Sie Grjbifchöfe unb Pifcßöfe, bie traft ihres
SlmteS im Senate fißen, repräfentiren faft allein biefe Deaction. Siegüßrerber
SDobetaboS, wie Datoaei, Serfunbi, Piluma,ftnb oiel ju mobern liberal, um
ihr bie ßaftanien aus bem geuet ju holen. Pei $ofe hingegen ift biefe litcß*
liehe Partei immet noch ftarl. Ser päpftlicße DuntiuS, Sorenjo Parili, ift bie
leitenbe Seele bet ÄamariHa. Gr ift ein »ielgereif’ter, feinet fDann, bet lange
in Sübamerila als Pifchof gelebt hat, üon einnehmenben Planieren. Gt führt
bie hefte Safel in Dlabrib, unb ift bei ben Samen feht beliebt. Set Peicht*
pater bet Königin, bet alle ihre Sünben ju Pergeben hat, ift ein Perfchmifcter
Pfaffe, mit einem fehr Pulgären, finnlicben Gefiepte, unb überhaupt Pon unan»
m
genehmem Reu&ern. Gr fott großen Ginflufe auf bie Königin haben. 3hm
jur <Seitc fteht ^oma§ Sgleftaä, ber £itular*Patriarcb bon Snbtcn, ber inbeb «in
feiner 2Belt* unb #ofmann ift. $er Garbinat*Gr 3 bif<bof bon Xelebo, (ber be*
rühmte gratre Giftllo larliftifeben Hnbenler.g) unb ber Garbinal*Grjbif<bof bon
Surgog, feit flurjem Grober beg Prinzen ton Rfturien, eineg f<bioä<bli<ben
Änaben bon 8 Sauren, ftnb bag febtoere ®ef<büfc ber ßirebe. 2)afj aber felbft
biefe Kamarilla bei £ofe nicht mehr allmächtig ift # bat bie Rnerlennung beg
fiönigreidhg Italien betoiefen. Söenn man bon biefer Äamarilla fprid&t, barf
man bie Sdhtoefter Patrocinio nicht bergeffen. Sie lebt in einem Älofter in
Rranjuej, unb obgleich früher febon einmal bon ben ©eriebten toegen angebli*
(ber äBunberthätigleit beftraft, ftebt fte boeb no<b im ®erud? ber #eiligleit. Sie
behauptet bie ffiunbenmale Gbrifti (stigmata), toie ber heilige granciglug,
an ftcb §u tragen* $ie Königin hält grob« Stüde auf fte unb foH fte febr
häufig um geiftli(ben Rath befragen. 2Ug in Rranjuej eineg ber Regimenter
lürjUdb reboltirte, flüchtete fte eiligft nach Rlabrib. S)ag Sollt ba&t unb ber*
fpottet fte. Gg giebt bie pilanteften $arrilaturen auf biefe Rönne, fotoie auf
ben fönigli<ben Seicbtoater, bie febr berbreitet fein müffen, ba fte Photographin
ftnb.
SSie ftarl bie republilanifcbe ober bemo!ratif(be Partei in Spanien ift,
läfct ftdb ni<bt leidbt ermitteln. $er großen Rtebrjabl nach beftebt fte aug
Ridbttoäblern, benn nur Sürger, toel(be 20 Sollarg birelte Steuer jablen, ftnb
Söäbler. Gg ftebt alfo laum in ihrer 9fta<bt, toenige Se§irle auggenommen,
ftdb Repräfentanten in ben Gorteg gu oerfebaffen. 3ubem haben feit ben lepten
brei Qabren bie Progrefftften fotoobl alg bie $emofraten ftdb, ben Sefdhlüffen
ihrer Gentral»Gommitteen gemüb, aller Rbftimmungen enthalten. Son je gab
eg ftarle bemofratif<be Glemente in Spanien, befonberg in Rrragonien, Gata*
lonien unb beh baglif<ben Probin^n. $)ie Gommunal*greibeiten toaren
immer bebeutenb, unb nie bat Spanien ben $rudt einer eigentlichen centralen
Sureaufratie fo gefühlt, toie granfreidb unb mehrere Staaten 3)eutfcblanbg.
3)ie Gonftitution bom 3ahre 12, obgleidh fte eine monarcbifdbe Spifce hatte, toar
bemofratifeber alg bie bieler Republilett. ®ie neue fpanif<be S)emo!ratie ba*
tirt inbeffen bon ber frangöftfd&ert gebruar*Rebolution, unb tourjelt nidbt in
ben alten Fueros (Pribilegien) beg Solleg unb ber Gommünen. Sie ift focia*
Iiftif<b*communiftifdh, unb hat begbalb ihre Stärle in ber Rrbeiterbebollerung
ber großen gabrilftäbte, befonberg in Gatalonien. Sie lebt in Sbeorieen unb
Programmen, unb bat toohl toenig pr^ftifebe Sebengfäbigleit. 3n ben Gafti*
lien (üRabrib auggenommen) unb in Süb*Spanien ober Rnbaluften, hat fte
toenig Anhänger. Rur in ber Probinj ®ranaba hat ber Socialigmttg, ber*
bunbenmit Proteftantigmug, toie toenigfteng bie Regierung behauptet, eine
Stätte gefunben. 2)er republifanifebe Slufftanb bon Soja, nahe bei ber
Stabt ®ranaba, bor einigen 3ahren, an beut biele Sanbbetoohner Zfyil nab*
men, gab ben Setoeig babon.
Seit einigen gahren inbeffen ftrebt bie 2)ento!ratie, ft<b ju einer mehr
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praltif<b*politif<ben hattet gu machen. (Sine Spaltung mar bie ftolge. 3n
ber £auptftabt reprdfentirt bie Discussion unb El Clamor Publico bie fo*
rialiftifcbe £enbenj, unter gübrung bei febr geift* unb talentvollen Libero.
2)ie polüifcbe mirb burd? bie Democracia vertreten, rebigirt Von bern ebenfo
geiftvoHen [Rebner unb Schriftfteller Gmilio (Saftelar. Gaftelar ift Profeffor
ber ßiteratur unb alten Sprayen an ber 2Jtabriber Univerfttdt, Von allen Stu*
benten, bte faft title jur bemofratifchen Partei gehören, vergöttert.
©ne Serenabe, bte man ihm im Slpril lebten 3abre3 bringen mollte, gab
befanntlicb SBeranlaffung §u bem Straben*£umult in 2Rabrib. $ie [Regierung
fdjritt gegen ihre ©emobnbeit brutal ein, unb unfchulbigel 33lut mürbe ver*
goffen. S)er Sturj bei *Rarvae3*2Rinifteriuml mar bie golge biefer Unbefon*
nenbeit, an ber inbeb [Rarvaej perfönlich feinen $beil gehabt haben foH.
Gmilio Gaftelar bat eine grobe 3afunft. Spanien gebt aHerbingl einer
groben [Revolution entgegen; el mirb aber mehr eine [Revolution bei ©eiftel
fein. 2Rilitär*Gmeuten unb 2Rilttär*$iftatur merben nicht mehr lange in
Spanien bie ©efd?i<fe bei Sanbel bebingen. 3bre 3^it ift vorüber. Gin
2anb von Gifenbabnen burchfchmtten, mie el Spanien jefct ift, in bem bie 3nbu*
ftrie in ben lebten 3abwa einen fabelhaften 2luff<hmung genommen bat, beffen
ÜDtittelflaffe fid? ju SBoblbabenbeit unb [Reiibtbum täglich mehr emporbebt; ein
ßanb enblich, in meinem eine folche altive Preffe ihre $bätigfeit entmidelt (in
■JRabtib allein erfreuten breipig tägliche politifche 3ritungen, unb an 90 mif*
fenf<haftli<be unb gemerbliche 3ournale), in bem in ben lebten Qabren bal
Giementar^Schulenfpftem fich über alle Stabte unb Stdbtchen verbreitet bat,
mag mobl ben Summelplafc großer Parlamentarier Kampfe, lann aber
nimmermehr ben Sd&auplafc von gelungenen Äafernen*[Berf<bmörungen abge*
ben.
©eneral Prim mirb biel mobl fchon jefct erfahren haben. — $iefe lebten
3eilen maren eben gefebrieben all bie Nachricht eintraf, bah Print mit einigen
bunbert 2Rann bie SBaffen niebergelegt unb bie Portugiese ©renje über*
febritten habe. $amit ift feine Grbebung am Gnbe. Gl tauchen ©erüchte auf,
er merbe allbalb fein Grfcbeinen in Slrragonien ober Gatalonien machen, unb
bort gemib mehr Grfolg haben. 3)iel ift febr §u bejmeifeln. Prim fonnte
ebenfo gut in Gatalonien ober Slrragonien mit einigen [Bataillonen ben Slufftanb
beginnen, all in ben Gaftilien. Gr mu&te mobl überzeugt fein, bab bal %zx*
rain im [Rorben nid?t für ihn günftig mar. Ohne Gipartero faun er bie grobe
2Rebrbeit ber Progreffiften auberbalb bei $eerel nicht mit fleh fortreiben. 3a
Gatalonien ift jubem bal bemofratifche Glement vorberrfebenb, unb bie $emo*
traten mollen 9lid&tl von Säbelmirtbfchaft miffen. Obgleich bie fpanifebe $e*
mofratie bem $of unb ber [Regierung entfliehen opponirt, bat fie bil jefct noch
nie mit ben progreffiften fraternifirt. Sie vertragt fich beffer mit ber äuber*
ften [Realtion all mit ben bpnaffifch^conftitutioneHen liberalen, bie fie nur
halb ehrlich unb für gefährlicher hält all felbft ben Ultra montanilmul. SBie
überall, berühren fich auch in Spanien bie Gytreme. SBarurn Prim in Slrran*
m
jue$ unb Hütta, beibei Orte, burch ©fenbahnen, ba$ evfle nach Süben, bai
Sweite nach korben, nur 1 ober 2 Stunben üoä SWabrib entfernt, §ur Schilb*
erbebung erwählte, lann nur baburd? erllärt werben, bafr er auf einen 8Uf*
ftanb in ber £auptftabt S^te. 2lu3 bemfelben ©runbe gog er fich, uw 3eit
3 U geben, in bie ©ebirge non $olebo jurüdf, welche nur wenig entfernt bon ben
©fenbahnlinien nach ©tobrib liegen. #ätte er auf Katalonien rechnen tönnen,
ober $lrragonien, fo tonnte er leicht bon $lrranjue$ au« über 3Uta la bie ©fen*
bahnlinien nach Sarragoffa unb Barcelona erreichen. 3« Sfobalufien unb
Kftramabura, baS wujjte er wohl, War fein gelb für ihn. $ie Äönigin ift po*
pulärer bort als irgenb fonftwo in Spanien, unb bie fübfpanifche ©eoölferung
hat ohnehin baS 3eug in fich, einer fteoolution §u wiberftehen. S)ie gegen
©rim gefchictten ©eneräle operirten baher gan$ smectmäjng, inbem fte haupt*
fachlich bie üftöglichfeit oerhinbem wollten, bah fich bie 3nfunettion nach üftor*
ben werfe. Sie waren ficher, bah wenn SJtabrib, ober Sartagojfaunb ©arce*
lona nicht für ©rim aufftänben, feine ©efahr in ©ranaba, Korbooa, Sebilla
ober Kabi§ brohe. ©rim in bie (fnge §u treiben unb gefangen ju nehmen, lag
nicht in ihrem ©lan. 2)ie fpanifche Regierung ift nicht naio genug, fleh einen
3efferfon 2)aoi3 auf ben £als ju laben.
$it j>d)lad)t mf btm «ift.
( 1579 .)
©on Gatpar ®ttp.
ÜDtit fernerem Schlag pocht SllbaS ©fenfauft
2ln jebeS Stabtthor nun in Stonnertone,
Unb eine 3*nne nach ber anbern sauft
(fr aus ©atabiaS alter ÜUtauerfrone.
So lüdenhaft ift fchon ber 3a<fenfrans,
Unb Sllba fliegt oon Siegen noch SU Siegen;
Sfat ©oben labt er ftols bie krümmer liegen,
ffion Stauch gefchwärst, oon ©lut begoffen gems.
©on SRaarben’S £obtenfelb ift fchon bedungen
S)er Sobgefang §u beS Slümächt’gen ©reife;
S)ab burch ©errath bie gefte warb beswungen,
©iebt hob’re SGÖeihe nur ber alten SBeife;
$enn über Seichenhaufen Sobgefang,
3ft ber ©efchichte altgewohnter Älang,
2)er ja noch heute nicht gans auSgefungen.
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Schon bulbigt Stmfterbam bei Stegerd Macht,
Ser Surgerfreibeit lünft’ge Metropole*
Srei Monbe Sommer noch, fein SGBinb »om $ole,
Unb Sllbad SRiefentoerl, ed ift »oHbrachtt
$o$, »er bu bift, unb lag berdrblretd fd^ott
gaft übertounben bir §u güben,
Unb Hängen auch in aller jungen Son
Sie Sieber, bie ald Sieger bi<h begruben,
Socb leinen Sag ringft ber Statur bu ab,
SSBie leinen Stern bem hoben girmamente.
3»ei Singe fpotten beiner Macht: bad ©rab
Unb, ftots auf i b t e Macht, bie Elemente!
Ser ffiiitb ÜRorboft! ein gr&b’rer Sieger hält,
SDer äßinter, ben Sriumpbsug burch bie Sanbe;
Sie gegen bad gabrbunbert fuh gefteHt,
Selbft $lbad Macht fchlägt er in eifge Sanbe.
SBilb tobt ber Sturm; non Senad fernem ©fe
Unb non Sibiriend eifgen ©anberblöcfen,
pfeift er ein feltfam Sieb in fcbarfer SBeife
Surch £ollanbd öbe, raube Sanbedftrecfen.
Sein Sieb toie ed in fchmüler Mitternacht,
Sad #erj beraufchenb, burch bie Süfte siebt,
®n Sieb ber Gbba, bad in 9torbf<heindpra<bt
3n falten Strahlen fo nerjebrenb glüht,
Sie, ©fedpfeile, töbten unb nerberben,
Ser ©cbe enblich Schidfal fchon anfagenb,
Sorbeten fdjon, in Sturmaccorben Hagenb,
Sab alle ©rbenflammen enblich fterben,
Sab auf ber Menf<hb«it Scheitel, ben nicht mehr
Umfragen, acht ambroftfch meidje Soden,
Sich enblich fenlen meibe ©fedfloden,
Sid lalt bie ^erjen toie bad 9torblanbdmeer,
Unb bie Ser]üngungdfräfte etoig ftoden.
Sluf Sllbad £e$r fällt grimm ber falte Siorb,
Soch grimmer noch ift feined Sufend ©rollen.
Sicht in ©ranabad Suft, ber blütbenoollen,
illang berrifcher je fein Gommanbofoort*
Ser ©eufen glotte liegt, umftreut oon ©fe,
©efeffelt, nab* am Stranb in engem Sanbe;
Äein Segel führt binmeg fie mehr oom Sanbe,
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308
SaS ftill gemorb’ne Meer verbot bie Weife.
Sum ©türme ruft bie fpanifdbe Srompete,
Sie £eHebarbe fei ber Gnterbalen,
©efeffelt auf gefrontem SegeHalen
Ser MeereSfalfe jerrt ber Äette Sräbte;
SeS SübenS Ärieger lecken nach ben Sehen,
Sie hier ber Worb in ihre £anb gegeben!
©ie ftürmen.an, ©antiago! tontS im £eer,
Saft ift erteilt bie erfte ©dbtffeSplanfe;
SBer hält bie Reiben an auf eifgetn Meer ?
Sem $erjog fcheint’S, als ob bie Sß^atcntjr manle*
Sie fteben ftill nach erftem Anlauf fdjon,
Gin breiter ©raben §iebt ft<b um bie glotte;
GaftilienS Rector ift baS Üffiilb entflog,
Gin 2Ijap jeber ©eufe, ihm jum Spotte!
Gin fcbntaler GiSmeg, ben fein ©eufenbeil
3erbaun, ber einige 2Beg ju biefen korben.
So<b brauf heran, f(bon fturjt ber ©<blad?tenteil
Ser tobeSlühnen Männer aus bem Worben.
Schnell mie ber SEBinb, in ihrer SBinterrüftung,
Sie Gifen angefchnallt, brauf fchnetl fte gleiten,
SBertaffen ©ie ber Schiffe ftcb’re Srüftung,
Schnell mie ber Sob auf glatter glur ju fchreiten.
Sie nicht gebebt in ©an SotningoS SBälbern,
Sei Mühlberg trofcten fcharfen beutfehen ©peereit,
3>n SuniS ftanben feft auf blut’gen gelbem,
Sie GonquiftaborS beiber £emifpbären:
Gin milber Slnfturm — unb gebroden ftnb
Sie Leihen, Spaniens $elbenf<haaren meinen,
3u Gife frieren ihre blutigen Seichen,
3u fcharf blieS beut’ beS Horbens ©eufenminb!
Hcbtr Mt JJopularifmmg ber mcMrimfdjcn
mifltttMaft
33on ®r. * * * (Hcm^orf.)
SBenn mir bie miffenfchaftliche Sbätigfeit unferer 3eit mit ber ber früheren
Sahrhunberte üergleicben, fo fällt uns eine Grfcheinung alsbalb in bie 2lugcn,
bie bemolratifche £enben$ ber SBiffenfchaft, baS Streben, bie Wefultate aller
äBiffenSgmeige jum ©emeingut 2111er ju machen. SaS Snbimbuum foö mög*
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309
liefe ft frei teilt, im m5gti*ffen ©enufe alle« Slngenefemen, alle« S*8nen, aller
Grrungenf*aften be« 2Renf*engef*le*t«. Sol*e »eftrebungen, iReformatio®
nett, mürben »on jeher »on ber einen Seite »erfefeert, »on bet anberen über®
ftfedjt. Sutfeer maefete bie »ibel jum ©emeingut be« beutf*en »olfe«, unb feit
biefer Seit feat ft* bie «pDputarifation^tenbenj in geometriftfeer «Reifee gefteigert,
fo bafe jefet fotefee »eftrebungen feiner »efürwortung mefer bebürfen. 3m ©e»
gentfeeil, ei wirb halb bie 3eit tommen ober ift »ietleicfet fefeon gefommen, wo
man ifete ©renjen beftimmen, wo man bot ben ©efaferen warnen mufj, bie
gerabe ba« Streben, alle« SBiffen Stilen jum ©gentfeum ju macfeen, ber ©nt«
widelung ber 3Renf*feeit jur greifeeit bringen tann. Sa« »opulariftren förbert
ben Silettanti«mu«, beffen ©efaferen ja genügenb betannt ftnb.
3n feinem 3weige unfere« SBiffen« wirb wofei mefer popularifirt unb mefer
bitettirt als in ber SRebijin, in ber «Bijfenf*aft, bie am innigften mit bem
menf*li*en SBofel unb SBefe »ertnüpft ift, bie tägli* für bie moberne ©oitifa®
tion eine größere SBi*tigfeit erringt unb halb ifere gewichtige Stimme im «Ratfee
bet »öltet wirb ermatten taffen. Sie SRebijin war in iferen Stnfängen eine
»olf«tfeümli*e. gebet gamilien»ater curirte feine ganje gamilie, feine «Rinbet,
Scfeaafe unb »ferbe na* alten gamilientrabitionen, na* feerrftfeenben religio'
fen Slnftcfeten. «Ra* unb naefe jei*nete ft* liefet ober 3ener befonber« in
manuellen $ülf3leiftungen bei tfranffeeiten au«; ei bilbeten ft* gebammen
unb Gfeirurgen, bie natütü* au* bie innere SRebijin »erfafeen. SRefer ober
weniger war bie 2lu«übung ber Teilfunft mit ber «Religion, mit ben Stüfeen
berfelben »etbmtben; bei allen »ölfetn ftnb bie »rieftet Präger mebi|inif*er
©faferungen gewefen ober feaben bafür gegolten. 3m weiteren »erlauf ber
3eit treten bie Slerjte mefer felbftftdnbig auf, unb unfer 3aferfeunbert ftefet bie
Teilfunft, bie ft* jefet mit SRiefenfraft ju einer SBiffenf*aft emporarbeitet, im
offenen Kampfe mit ben Srabitionen ber fiir*e unb beten »ertreter. So* ba«
feilen rufet immer no* jurn großen Sfeeil in ben Tänben be« gamilienoater«
unb bet fotgenben «Kutter, bie je na* iferem »ilbungäftanbe bie ©aben ber
Hygiaea jum SDBofet ober SBefee bet Sferigen »erwenben. Sie 3Biffenf*aft,
taftlo« unb rü<ffi*t«lo« fortf*reitenb, mufete für eine furje 3eit f*einbar ba«
feiten als «Rebenfa*e befeanbeln; ei galt, eine ft*ere »aft« für bie Teilopera¬
tionen ju gewinnen, ft*ere SBege für bie ©tennung ber Jfranffeeityt aufjufin®
ben. 3 n fot*en 3eiten ift natürti* bem Talbwiffen, bem Silettiren faf» etwa!
»ere*tigung gegeben, ft* geltenb ju ma*en, unb unfere 3eit feat barin ©rofe»
artige« geleiftet. Tafenemann füferte unter ber gafene ber »erwäfferten Sojen
Saufenbe »on ©läubigen jum Siege; bie TomBpatfeie errang ft* fogar einen
Seferftufet an einer beutf*en Unioerfttät. »riefen* f*wemmte alle Ärantfeei®
ten au« Sllt unb 3»«9/ Kei* unb .Slrm mit taltem SBajfer feerau«. Sem
Sauet S*rotfe war bie« ein ju falte« »ergnügen, er fubftituirte ba« warme
SBaffer. Strtfeur Sufee, pteufeif*er »efteppebient aufeet Sienften unb Seftfeer
grofeer Teilanftalten in ber SBeltftabt fiötfeen, ftrei*t 2Ragncti«mu«, ben wunber®
baren, unbegreifbar unanftaftbaren, au« feinem »arte in feine 3ucferpül»er*en,
m
hält but<h feinen ffliden ©fenbapnjüge im fchnellpen Jahren ftitt unb bitbet
einen magnetifchen pol für Äupfer, Silber unb ©olbmünjen aul aßen beutfdjen
®auen. 3 « ber alten ßaiferPabt ®o$lar, mit ihren geheimnipbollen, uner*
grünblichen uralten 23ergmerfen, mo ßobolbe unb S^erge ibr heintti<hel SBefen
treiben, häuft ber jefcige Äönigl. £annob. ®ehcime RRebijinalrath, Witter b.
Sange, früher ein Schufterlein, aber bon ®ott mit munberbarer ©npd?t in bie
®ebeimniffe ber Statur begnabigt. ©infam manbelt er an ben alten falben
unb fucht ju heiligen 3 eiten bie beilfamen SJunberlräutlein, braut in ftiHer
ÜÄitternacht unter 33eten unb Saften ben ®efunbheitltranf, unb fpenbet bei
SRorgenl in feinem flurgarten bie glafche $u einem preupifchen Scaler ben
burftigen Äurgäften. 25er [Baumfcbeibt’fcheSebenltoeder medt bie Seichtgläubig*
feit bei leibenben RRenfchengefchlechtl, bal 3ournal für Saumfcheibtilmul giebt
„nnffenfchaftliche 33egrünbung“ ber Sebenlmederei, unb S9aumf<heibt fährt, bon
hier Schimmeln gezogen, lä(helnb an ben Uniberptätlgebäuben, an ben llini*
(eben 5lnjtalten [Bonn’l vorüber. Soll ich bon Hmerita fprechen ? ©n 93fid
in bie 3eitungen rnirb mir bie Säuberung hiepger #eilfünpler bermanbter 2Ctt
erfparen. 25er Unterfchieb jtoifchen alter unb neuer SBelt ift nur ber, bap bie
nadte Profa ber neuen in ber alten noch bon einem poetifchen $audj umgeben
ift.
©ine fo allgemein verbreitete ©rfebeinung, eine fo allgemeine flranlheit
berbient toobl 93ea<htung, ba fie tief in ber menfchlichen [Ratur begrünbet
fein mup. ©8 ift bie Neigung bei 3Renf<hen, bal ihm Slupergetoöhnliche höher
ju fteden als bal, mal fuh ihm alltäglich bietet; je fonberbarer, je frember el
fuh feiner 3 nbibibualität entgegenfteHt, befto geneigter ift er, el $u fdjäfcen. 3 $
brauche nur an bie ®efcbi<bte ber berfchiebenen [Religionen $u erinnern, um
eine unenbliche [Reihe ber treffenbften ©eifpiele bor bie geiftigen Slugen ju füp*
ren. 3 efct, mo nach unb nach ber 3 »eifel an ben pofitiben ©laubenlfäfcen
immer meiter verbreitet toitb, tritt an bie Stelle einer poptiben [Religion etmal
mirffich Poptibel, bie SBiffenfchaft bon ber Statur. UeberaH ihre [Riefenarme
hin aulbreitenb, faft frernb bem gemöhnlichen 33ilbunglgang gegenüber ftehenb,
bietet pe für biele 3»eiflet an ber poptiben Religion bal [Material gum ®lau*
ben an unbegrünbete Phantapeen unb Spielereien, bie $um $heil unbemupte
SGßieberholungen bon Slnfchauungen früherer 3ah*hunberte pnb. 25ie SBiffen*
fchaft hat bie ®efefce ber Bewegung unb gegenfeitigen ©inmirlung ber £tm*
melltörper erfannt unb berechnet; ber ©laubenlftoff fuchenbe 3 &*ifte an ben
poptiben [Religionen lebt in aftrologifchen Jräumereien. ®ie SSBiffenf^aft hat
e$ all pcher bemiefen, bap beftimmte Steile bei ©ehhrnl bepimmten Jbätig*
leiten beffelben §um Sifc bienen. 2>ie Phrenologie ergeht pch in ben aben*
theuerlichften unb tübnften Spetulationen über bie $ebeutung ber berfchiebenen
Änochenborfprünge am Schäbel, bie meiftenl nur all 3Ru3felanfä$e bon 93e*
beutung pnb. 2)ie 2Biffenfd?aft hat mit ©folg ben eleltrifchen Strom bei ber*
fchiebenen Seiben bei menfchltchen Organilmul angemanbt; ber burdp bal
reiche [Material über ©eltricität unb [Magnetilmul bermirrte Dilettant fcbmämtt
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für thierifdben HJtagnetiSmuS, für Somnambulismus, Spiritualismus unb an«
bere 3Smen ähnlicher Slrt.
2)odh belennett mir es frei, nicht btcfe Steigungen beS menfchlichen ©eifteS
allein begünftigen Stflettiren unb (Eharlatanerie in ber £eilmijfenf<haft. Qi n
grober Xheil berSchulb liegt an $enen, bie bie Söiffenfdbaft auSüben, an ben
praftifdhen Slerzten. 3eber frage feine eigene (Erfahrung, befonberS hier in
Slmerifa, unb er mirb leicht bie Slntmort finben. Stur vottftänbige Süchtigfeit
unb Eingebung beS Erstes an feinen ©eruf, vottftänbige SBahrheit über baS,
maS bie ffiiffenfdjaft vermag unb maS fte bis jefct noch nicht leiften fann, mirb
Sicht unb gortfdhritt fdhaffen, unb mirb bem mirflidh gebilbeten Slrjt eine Stel*
lung geben, bie baS Sluffomnten jebet (Eharlatanerie unmöglich macht. Slber
auch bie ©rünber unb Sräger unferer mebicinifchen Sötffenfchaft fmb nicht ganz
frei von Sabel zu fpred&en. Sie verfdhmähten, burch ihren ©influh, ihre Sluto*
rität ben (Errungenfdhaften ihrer gorfchungen auch unter ben Saiett $eimath zu
geben, zum Sheil allerbingS in bem begrünbeten ©emufjtfein, bah fte menig
Vorbereiteten ©oben finben mürben, benn bie mebicinifchen ©rrungenfdbaften
fmb nur $ent verftänblidh, bem bie naturmiffenfchaftlidhen Stefultate nicht fremb
ftnb, unb gerabt bie Slnmenbung ber phpfifalifchen unb dhemifchen ©efefee
unb Unterfudhungsmethoben, bie Slnmenbung ber naturmiffenfchaftlidhen ©eob*
achtung im meiteften Sinne beS SBorteS, bie ©eobachtung beS gefunben unb
franfen SWenfcpen als ein naturmiffenfchaftlicheS Object, mie jebeS Slnbere in
ber unenblidben gormenreihe ber Organismen, haben bie SWebijin auf ben ffieg
gebracht, ber fdhon jefct bie fdbönften erblidten la&t.
SBährenb auf bem ©ebiete ber popularifirenben Staturmiffenfdhaften ©a*
men mie Siebig, ©ogt, ©urmeifter, ütttolefdhott, Schieiben in bem ©tunbe Silier
leben, hat auf bem engeren ©ebiete ber ©tebijin einen allgemeinen befannten
Stameu ftdh vorzüglich ©odt errungen, unb fein ©uch über bie gefunben unb
franfen ©tenfdhen mirb gelefen unb um Stath gefragt in aller Herren Säubern.,
©erbient biefeS ©uch eine foldbe ©ebeutung, erfüllt eS ben 3u>edf, ben Saien
mit ben ©rrungenfdhaften ber mebicinifchen SBiffenfchaft vertraut ju machen?
3dh glaube nicht. SDtan benfe nicht, bah *<b aus ärztlichem gntereffe ein foldheS
©udh, baS jum Sheil als Stellvertreter beS SlrzteS bienen miß, tabele. Sitte
foldbe ©ü<her, bie bem Saien ben Slrzt entbehrlich machen motten, arbeiten bem*
felben nur in bie $änbe. Sn unberufener £anb müffen fehr oft bie £eilungS*
verfuche ©erberbungSverfuche merben. S)o<h maS fott ich meiter einen foldben
unmürbigen ©inmurf miberlegen? ©ocfS ©uch enthält viel SBahreS, aber auch
viel £albmabreS, viele perfönlidhe Slnftchteu, mit benen er fo ziemlich allein in
ber miffenfdhaftlidben SBelt ftehen möchte. Sticht bie (Erfahrung eines
Einzelnen, fonbem bie (Erfahrung Sitter bilbet eine ffiiffenfdbaft. 2)aS
möge man auch bei ber ©eurtbeilung beS ©odffdhen ©udbeS fefthalten. ©odt
trägt ©UeS im Stogmenton vor, unb barunter ©tandheS, morüber bie Unterfu*
dhimgen faum begonnen haben. Saburdh befommt ber Saie ganz falfche Sin*
fohten. er vergibt, bah bie ©tebicin in ihrer jefeigen naturmiffenfdbaftlichen ~
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312
SRicßtung «ne feßt junge ift, baß überall nocß große Süden auSjufüllen fmb,
unb tritt bem SBirlen bes Strjteä, beffen ßöißfteS Streben eS fein muß, jeben
einjelnen ÄranlßeitSfatl ju inbioibualiftren, mit biefen Sogmen, bie bei ißm
GlaubenSfdße geworben ftnb, ßemmenb in ben SEBeg. ©od felbft behauptet in
feinet S<ßlußbemerlung, baß nur wenige Uranlßeiten mit Sicßerßeit ju erlen»
nen feien. 3$ mBcßte baS nic^t als maßt jugeben. Gin großer Sßeil Bon
ßranlßeiten ift jeßt mit Sicherheit ju ertennen; aber freiließ nur mit Aufbietung
aller £ülfSmittel, unb nur Bon einem tü<ßtig geübten unb gebilbeten Arjte.
fflenn es aber nach S8od fo feßwierig ift, jfranlßeiten ju ertennen, wie lann er
ba glauben, baß es bem Saien möglicß fein werbe, bieS mit $ülfe feiner turjen
unb ungenauen Angaben ju tßun, wie lann er benfelben Betleiten, eigener Gin»
fußt ju Bettrauen ? Unbebeutenb erfeßeinenbe Symptome ßnnen für ben erfaß»
renen Arjt fußere Anjeidßen einer gefaßrbroßenben ßranlßeit fein, IBnnen ißn
befdßigen, berfelben Borjubeugen. Sffiie will ber Aicßtarjt wißen, wann biefe
Spmptome wirtlicß unbebeutenb, wann fte bebeutenb ftnb ? Aun, ba wartet er
einige Sage, bis er ben Arjt ruft. SiefeS einige Sage warten lann übet Seben
unb Sob entfißeiben. So<ß eine eingeßenbe ßritil beS ©od’fdßeri ©u<ßeS ju
fdßreiben, liegt nießt im Ißlan biefer ©etradßtung. «DlBgen biefe wenigen ©e»
merlungen genügen, um jum eigenen Aaißbenten über biefeS Bielgelefene SBert
anjuregen, baS, üß wieberßole es no<ß einmal, unftreitig Biel ©erbienftlüßeS
entßdlt.
3a, bann foH woßl ber Saie überhaupt grembling bleiben in ber mebicini»
f^ßen SEBiffenfcßaft! —SunßauS nießt. Gr foU Bielmeßr barin reeßt bewanbert
werben, aber ni<ßt mit ben Ginjelßeiten, fonbem mit ben $auptfa<ßen, mit ben
leitenben Gehanten. Unfer SSBijfen meßrt ftdß täglicß fo ungemein, befonberS
in ben pofttiBen Aaturwiffenfdßaften unb ber SWebicin, baß baS reitße «Material
ftßonjeßt nur mit SDlüße Bon einem Ginjelnen beßerrfeßt werben lann. Saßet baS
Auftreten ber jaßlreiißen Specialiften für Augentranlßeiten, elettrifiße S3eßanb»
lung u. f. w., eine Grftßeinung, bie jum ernften Aadßbenlen aufforbert, ba ße
geigt, wie fdßwierig eS felbft für ben gatßmann ift, fuß alles mebicinifcße äBiffen
anjueignen. Unb boeß muß er eS; benn nur ber Arjt, ber mit ben $eilerfol»
gen unb ^eifoerfaßren in allen einjelnen Specialfdißem ber SWebicin Bertraut
ift, wirb im Stanbe fein, eine gegebene Äranlßeit rießtig unb allfeitig aufju»
faffen in allen ißren Betriebenen ©ejießungen ju bem complicirten menfcßli»
dien Organismus, ju ben biefen Organismus umgebenben Agentien. Sie
Aufgabe bet ÜTOebicin, beS ArjteS, ift eine großartige. GS gilt, bie Mefultate
aller gorftßungen auf bem gefammten Gebiete ber Maturmijfenfeßaften im wei*
teften Sinne beS SBorteS auf ben menf(ßli(ßen Organismus anjuweuben, ju
bem 3»cde ißn mögli<ßft tüdßtig, möglußft Bolllommen ju madßen unb
ju erßalten. 3n folißem Sßun muß ber Arjt Bon bem Saien unterftüßt
werben, unb um bieS ju ermßgliißen, muß bem Saien ein ©erftdnbniß gegeben
werben Bon ber ©eretßtigung, Bon ber Gefeßmdßigleit folcßer Anfcßauungcn.
Gr muß Bertraut gemaeßt werben mit ben ewigen, unwanbelbaren ©efeßen, bie
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in ber ganzen Schöpfung ihre (Geltung haben; er mufs burchbrungen merben
bon bem©ebanfen, bafc ber menfchliche Organismus feine Ausnahme bon ber
allgemeinen Aegel bilbet. 3n groben 3öflen muffen ibm folch! $hatfa<hen
mitgetbeilt merben, nicht in ermubenben Aufzählungen bon Einzelheiten. Am
Kranfenbette fann bann immer ber Ar$t berfuchen, bie Anmenbung ber aHge*
meinen ©efefce im einzelnen gall §u geigen* S)ie populären mebicinifchen
Shatfachen füllen ben Ar$t nicht entbehrlich, fonbern unentbehrlich machen,
follen baS Vertrauen, ben ©laubett einflö&en, ben früher Sie Apoftel für bie
emige Seligfeit anregten, follen bie heitere 9tuhe eines mijfenben 2Renf<hen ge**
ben, bie bis jefct noch feine pofitibe Religion gegeben hat. 3)iefe ©ebanfen,
bie jefct überall $ur lebettbigen merben, follen mich leiten, menn ich eS in
einigen nachfolgenben Auffäfcen berfuchen merbe, ben Aichtarjt etmaS mit ber
mebicinifchen SBiffenfchaft bertraut $u machen, menn ich seige, mit melchen un*
enblichen Schmierigfeiten bie mebicinifche 3orf<hung ju fdmpfen hat, menn ich
enblich auch einen Söli d in bie hoffnungSboUe äufunft unferer herrlichen SBiflen*
fchaft thun laffe.
$kij|tn aus litt (Tourt.
.JBon ®riebrCd> fiRUud». (SWiffourt)
ajliffouri ift eine SBelt für ftc^, mit einer gröberen ■Dtonnigfaltigfeit ber
Scenerie, beS 33obenS unb feiner Erjeugniffe, als bielleicht in irgenb einem an*
beren unferer Staaten $u finben ift. $er Heinere Xheil nörblich bom üftiffouri
ift gleichartiger unb bilbet, bie ^lufmieberungen (bottoms) unb bie hügeligen
$öhen$üge (bluffs) in ber Sftähe ber Ströme abgerechnet, im ©anjen eine mel*
lenförmige Ebene mit ungefähr halb 2Balb* unb halb $rärie*©runb, bom 9Jtif*
ftffippi bis jur ©renje bon KanfaS unb AebraSfa, mobei jeboch £iefe unb ©üte
beS SöobenS im Allgemeinen bon Often nach Sßeften tyn ftetig junehmen.
Aus Mangel an SBerfehrSmitteln mirb jeftt noch ber größte Xfyixl beS trepchen
SöobenS, ber namentlich ungeheure Kornernten $u liefern im Stanbe ift, als
SBiehmeibe benutzt. 2)o<h bieS mirb balb anberS unb beffer merben. Sobalb
bie Aorb*9JtiffourU99ahn fertig ift, mirb ein 3b>eig berfelben (bie $halbabn),
hinlaufenb jmifchen bem nörblichen Ufer beS ÜRifjouri unb ber £annibal*St.
3ofeph s ©ahn, bis jur ©ren$e bon KanfaS gebaut merben, unb fpäter mufs
jmifchen ber julefct genannten S3ahn unb ber 3ama^©renje, bon Often nach
SBeften laufenb, eine SBahn angelegt merben, melche fo leicht ju machen fein
mirb mie bie 3(linoiS*93ahnen, ba ber ganje ©oben eine nur bon Rächen
burchfehnittene mäßige Hochebene bilbet. Alles, maS 3&ma Vorzügliches bietet,
ftttbet fich auch hier — nur um ein paar ©rabe füblicher, maS bie Sßinter
fürjer macht. — SDie EountieS am nörblichen Ufer beS SWiffouri fmb trefflich
bemalbet, haben mehr ober minber reichen Söoben unb eine 9Jtenge ber heften
2agen für Obft** unb SBeinbau.
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SSon ganj ähnlicher Befchaffenbeit mie am Unten Ufer bei Btiffouri ftnb
auch bie ©ountiel am rechten ober {üblichen, mobei jeboch von ber 2Ritte bei
Staatei an bie Bobengüte fid^tli^ nach SBeften bin sunimmt. Stal innere bei
{üblichen Sbeilel unterfcbeibet ft<h bagegen von bem nörblichen mefentlicb, inbem
el faft burcbgeben! ©ebirgllanb ift, auch beutliche Spuren bei vulfanifchen
Urfprungel jeigt. greilich muß man auf 5UIel verjichten, mal etma an bie
Sllpen erinnern fönnte; el giebt teinen Berggipfel, ber mehr all 1000 guß
höher mdre all bie Stelle, mo St. 2oui! liegt, unb gerabe ber meite Büden bei
©ebirgel (bei Ojarl*©ebirge!) ift eine großentbeil! frud&tbare unb $um 2ln*
bau einlabenbe Hochebene. ^öblen fo grob mie bie Btammutbboble in ßen*
tudp, Biefenquetlen, mie el menige in ber SOßelt giebt, prächtige Bergftröme,
meitbin ftcb ftredenbe ©ranitsBiffe, einzelne munbevbare Bergtegel (mie bie be*
tannten ©ifenberge), milbe Schluchten — befonberl an ben füblichen ©ebirgl*
abbdngen —, entyüdenb fchone, partartig von ÜEBalbftreifen burchjogene $rä*
rieen im SBeften, auch anmutbige unbemalbete tleine Sbäler, von ©rlenbächen burdj*
flojfen, unb oerfchiebene anbere erregen bal gntereffe bei Btanbererl. 2)er ÜBU
neralog flebt Spuren verborgener ober auch offen baliegenber Schäle faft über*
all, mdbrenb ber nach einer £eimftätte Sucbenbe von manchem rauben £ügel*
rüden bal 2luge megmenbet, bil er in einem gefchüßten £bale ober auf ber
Hochebene bal ©efucbte finbet. 5)i<ht tann in vielen biefen ©egenben bie Be*
völterung nur bann merben, menn Sanbbau, mit Ob ft* unb SBeinbau verbun*
ben, mit Bergbau unb gabrifmefen gufammen geben. 2)ie unerläßliche Bebtn*
gung baju ift bie Bollenbung ber Sübmeft*Babn, mit melcber fpäter anbere
Bertebrlmege in Berbinbung ju bringen ftnb. ^öffentlich tommt el ba$u recht
halb.
Unter ben von ber Sübfeite bem ÜBiffouri jufließenben ©emdffern ftnb
bauptfacblich ber ©alconabe unb Ofage gu nennen. Star ©rftere bat feine Quel*
len im 03 arf*©ebirge unb burchfließt faft burchmeg eine ©ebirglgegenb, mel*
halb fein SBaffer trpftallbeU ift, mit meiftenl ftarter Strömung unb engem
Sbalgrunbe. Star ©alconabe ift nicht fchiffbar, el merben auf bemfelben je**
hoch im grübling gichtenbretter in großer Btenge ju Sbale gebracht. — S)ie
Quellen bei Ofage beßnben ftch viel meiter meftlid) im gnbianer*©ebiete; er
nimmt aber einen großen Sbeil ber Ojart^©ebirgimaffer auf unb beberrfcht
jmifchen bem ©ebirge unb bem ÜBiffouri ein nicht unbeträchtliche! ©ebiet, in
meinem Sänbereien von allen Slbftufungen bei Bobenmertbel ft<h ftnben, äbn*
lieh mie am üDtoine, ben er jeboch an ©röße übertrifft, tiefer gluß ift für
mehrere ÜBonate bei gabrel einige bunbert ÜBeilen meit fchiffbar.
Bon ber Sübfeite bei ©ebirgel ftrömen alle ©emdffer entmeber bem St.
graneil, ober bem 2Bbite*Biver (meiftenl), ober bem Brlanfal ju, uftb auf
biefe Ströme ftnb bie Bemobner jener ©egenb binftcbtlicb ihre! Berlebrel bi!
jefct bauptfddblidß angemiefen. — S)ie füböftUche ©de bei Staatei beftebt fchon
aul SUluviatlanb, im Berlaufe ber gabrtaufenbe vom SWifftfftppi bortbin getra*
gen — $ur Slulfüllung bei ungeheuren Bteerbufenl, melcher vor unfäglüher
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L
Seit jwiften beit NuSläufen beS DjarJ* unb bei Gumberlanb*©ebirge8 bis an
bi« ©tenje Bon Miffouri ftt erftredte. SDciter nach SEBeften bin bebt fit baS
Sanb auf hohem ©runbe, inbem §öbenjüge Born J?amme beS Djatl*©ebirge8
aus ficb weit naib NrlanfaS bin Berjweigen, fo bafj bie ©renjlinie jmifcben
beibeit Staaten ni<bt eine Bon bet Statut gemachte, fonbem ganj nach SBittfür
gejogene ift.
Slut biefer Sbeil beS Staates ift teicb an Mineralien, namentlicb Gifen,
©lei unb fiupfer, bat mitunter berrlit« gittenmalbungen, babei Biel unwirtb»
bare? Sanb, felfige $ßbenjüge mit tiefen Schluchten, aber auch ftßne, trefflich
bemäfferte Sbalgrünbe, beten ©ewobner, »eil bie Sergrüden Schuf gegen bie
Norbwinbe gewähren unb bocb bie Sage hoch genug ift, fit eines beneibenS* ■
»ertben ÄlimaS erfreuen. Sie SSinter fmb meiftenS fo milb, bafj bie »eiben*
ben Xbiere laum SEBoten lang beS güttemS bebürfen, unb bie Grbaltung beS
SebenS wenig angeftrengten gleifs erforbert.
3 n biefen ©egenben — unb ebenfo im nörblicben unb »eftlicben Slrlan-
faS — »obnte bis jum Nnfang bet Nebellion eine eigentümliche 3lrt Bon
Menften. Man lann fie bie ©efferen bet in ben älteren SllaBenftaaten auf*
gezogenen Slrmeit unb Unwijfenben nennen, bie ftch eben noch fo Biel Gnergie
bewahrt unb fo Biele Mittel errungen batten, um in ber »eftlicben SEßilbnifs eine
glüdlichere 4?eimftätte ju fuchen. 3ln febr begünftigten Stellen lief wohl auch
ein ©ennfploanier, ober fogar ein SflaBenbalter fit niober; aber ju einer Slri*
ftotratie, wie in ben 5ßlantagen*Staaten, lonnte eS hier nicht Jommen. ©in
©lodbauS ift halb errichtet, ein paar 2lder SanbeS fmb fchncll gellärt; bie
wilbe SEBeibe nährt bie Sb»^ faft bas ganje 3abr binburch, bie Schweine mä*
ften fuh an ben Gicheln, unb bie Sanbgrenje eines geben ift faft fo weit wie
et fie haben will, benn baS an baS Sbal ftof enbe ©ebirgSlanb lauft -Wie*
manb. Sie $agb Berforgt nicht nur bie ßüche, fonbem bie SEßilbbäute fmb
auch ber $auptftoff für bie Männerlleibung unb babei ber »ichtigfte Slrtilel
für ben Sauftbanbel. Sie nßtbigfte ßenntnifi ber ©erberei heften bie meiften
Männer, »äbrenb bie grauen bie felbftgejogene ©aummolle Rinnen unb ent*
»eber allein, ober mit SEBoHengarn jufammen §u Berfchiebenartigem Suche »e*
ben. Slut baS nßtbigfte Schubjeug wirb im §aufe gemacht. 3ft eine grßfjere
©elbauSgabe nßtbig, fo tbun fit einige Männer jufammen, ftlagen gitten*
ftämme unb flß&en biefe auf bem SEBbite SHioer ober feinen Nebenflüßen bis ju
ben Sagemühlen; bie beffer Gingerichteten ergeben ficb bagegen nach unb
nach einen ©iebftanb an, unb fenben mit beträchtlichem ©ewinn (weil baS Gr*
jieben faft leine Äoften matt) ihre Maultiere nat ben ©lantagen*Staaten,
unb ihre SRinber unb Stiere nat ©t. Souis unb anberen ©rofjftäbten.
greilit toitb 2lHeS, waS Bon fiaufmannSgütern gebrautt wirb, teuer
burt ben weiten SranSport, bot nitt getabe übertrieben. 3m $erbfte, wenn
bie ffiege trodner fmb, wirb ein SEBagen mit brei 3ot ©tfen befpahnt unb
jum beguemften ^anbelsplafce 100 bis 200 Meilen bin gefahren. 2)er. 3eit*
aufwanb wirb wenig in Slnftlag gebratt,benn man matt eine©ergnügungS*
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reife. 2)ie Spiere unterhalten ftch felbft, inbern man fte Kachtg meiben Idht.
2 )ie Männer günben ihr Lagerfeuer an unb erquiäen fuh an Sped, Srob unb
Äaffee, mag menig foftet. Koch ehe eg eine Gifenbahn in ÜKiffouri gab, machte
ich eine Keife nach 6pringftelb (180 teilen fübrneftlid? bon 6t. Louig), unb
fanb, bah Kaffee bort gerabe nur um einen Gent bag Sfunb theurer mar, alg
mo ich ihn taufte.
Alg bie Kebellion augbrach, maren bie Semohner jener Gegenben in
ihrer Politiken Geftmtung gleich geteilt, unb eg ift begreiflich, bah ber
(Streit bon biefen Katurmenfchen bon Anfang mit erbitterter Leibenfchaft ge*
führt mürbe. gebet ber beiben Parteien galt eg barum, bie anbere gu ber*
nichten, unb babei berfuhr man mit ebenfo menig Küdficht, alg in ber Kegel in
ben Kämpfen gmifchen üffieihen unb gnbianern genommen mirb. $ie Ktdnner
fchoffen einanber nieber mo fte nur immer ftch treffen lonnten, brannten
jugleich bie Raufer ber geinbe ab unb gmangen bie gamilien gur’glucht. $ie
Kebellensgamilien flohen fübmdrtg, bie lopalen nach Korben hi«/ unb in ben
SBälbem bleichten bie Gebeine ber Grmürgten, mo fte noch jefct in üKenge gu
ftnben ftnb. Gin Ktitglieb unfereg Keprdfentantenhaufeg aug jener Gegenb
hat mir gefagt, bah, nachbem man feine eigenen Angehörigen ermorbet hatte,
er 165 Kebellen bafüt habe buhen laffen, Alle einzeln im Sufche erlegt. $ie
3ahl ber auf beiben Seiten Gefallenen mag ungefähr gleich fein. SBdhrenb
jeboch bie Uniongftreiter mit bem fchnellen Abthun ihrer geinbe ftch begnügten,
bebienten fuh bie Leitern in fielen gälien ber graufamften unb bon böllig ent*
menfehtem Sinne geugenben Kttttel, um ihre milbe Kache augguüben. Äein
SBunber, menn meite Segirle auf folche Sffieife faft böUig menfchenleer gemorben
ftnb. Sei einer neulichen SBahl in einem jener Gountieg ftegte ber eine ßan*
bibat baburch, bah er 2 Stimmen mehr alg fein Gegner, nämlich 8 im Ganzen,
erhielt. 2)ie Gountp*0rte unb anbere Stäbtchen mürben gang niebergebrannt,
ebenfo bie Umgdunungen ber gelber, lurg Alleg gerftört.
2)ennod? beginnt auch in jenen Gegenben fchon jefct mieber neueg Leben
fuh gu regen. 2)ie Geflüchteten ftnb meifteng gurüdgefehrt, unb auch an neuem
3uguge mirb eg nicht fehlen. gene Gegenben merben nicht für immer eine Art
bon SBilbnih bleiben; bieten fte hoch nicht menig. beg Angiehenben für $au*
fenbe, bie in biel meniger günftigen Serhaltniffen leben, alg bie man bort ftch
fchaffen laun, mdbrenb bort noch fu* längere 3eitLanb gu ben niebrigften $rei*
fen ftch ermerben Iaht. geh möchte bort nicht alg Gingelner mein £eil berfu*
eben; menn aber mehrere befreunbete gamilien gu gemeinfamer Kieberlaffung
ftch bereinigen, fo mögen fte ftch ein lleineg Sarabieg fchaffen. Aufjer ben ge*
möhnlichen gelbfrüchten unb Gartengemdchfen gebeihen bort Zahad unb Saum*
molle, fomie auch alle Obftarten, befonberg Sfirftche, gu hoher Solllommenheit,
unb am allerbebeutenbften Grfolge beg SGBeinbaueg ift nicht im Geringften gu
gmeifeln; hat hoch ftchtlich bie Katur biefe Gegenben gur ^eimath ber Keben
gemalt. Sebor ber ffieinberg bie eblere grucht liefert, lann man aug ber
milben einen Labetranl in beliebiger Ktenge geminnen, inbem im £erbfte all*
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jährlich bie ©ipfel beS UnterholaeS auf toeitc Streden mit einem Hauen Sache
»on Trauben ganj bebedt ftnb, fo bab man in lutjet 3eit ffiagenlabungen
fammeln tann. 3«» ©anjen ftnb bie Seeren etwas ju bidfdpalig unb troden,
unb ber SHoft enthält mehr SBütje unb Sßeinfäute als et haben foUte. Siefem
Sillen wirb burch baS feg. ©aUiftren abgeholfen; inbem man bem Htofte bie ■
hoppelte UJlenge fflaffer mit 2 Sßfunb 3uder auf jebe ©allone jufejt, lann man
einen trefflichen SEBein gewinnen. $in unb wiebet finben ftch au<b wiloe
Stauben »on fo gro|et Sßorjüglichleit, bab es rathfam ift, bie Stöde in ben
SBeinberg ju »etpflanjen; noch manches werth»oHe Heue mag auf biefe SSBeife
entbedt werben. — Ser haare GtlöS mub noch für längere 3eit burch SSiehjudht
(ißfetbe, SHaulthiere, Hinter unb Scbaafe) gewonnen werben, unb baju ift
»iel weniger SDlühe unb Kapital erforberlich, als ber Sanbwirth in ben lultioir*
teren ©egenben aufjuwenben hat. Ser fiebere hat theuren ©runbbefifc unb
theure ©ebäube ju »erjinfen, hohen Slrbeitslohn ju jahlen, entbehrt bie wilbe
SBeibe meiftenS ganj, unb lann beShalb 3ug= unb Schlad» toieb mit SBortheil
nur bei bo<h ftehenben greifen erjiehen. 3n jenen entlegeneren ©egenben
erjieht man 6 gohlen, Hinber, Schaafe ic. mit weniger Äoften als bei uns
eines biefer SHere. Sie £änblet begeben ftch oft bis in jene ©egenben,
laufen gern bie 3» unb 4jährigen ©tiere auf unb führen bie fetteften fogleidh
ben Schlächtern in ©t. SouiS au, währenb bie übrigen an bie groben ilorn*'
Pächter in ben reichen Hieberungen unb Htärteen »erlauft werben, welche fte
bann nach Hefiger Strt mäften. SEBie in unfern ©rojjftäbten ber SSerbrauch beS
gieifcheS fteigt, wie SBolle unb SlrbeitSthiere mehr gefugt werben, »erbejfert
fith bie Sage jener SJiehaüchtet immer mehr, währenb ber Haturbefchaffenheit
beS SanbeS wegen eine ben SSobenwerth bebeutenb fteigernbe Kultur ihnen nicht
)u nahe rüden lann.
©in gana anbereS SSilb (teilen bie ©egenben bat, welche burch ben SluS«
bau unferer Gifenbahnen jefct mit einem SHale in ben groben SBeltoerlebr ge»
jogen werben. ÜBeld) reges ©efchäftsleben entfaltet ftch befonberS an ber nun
ben ganaen Staat burchlaufenben SJacificbabn! SBährenb neue ©ewerbS» unb
fjanbelSpläfce in Htenge entfielen unb baS anliegenbe Sanb auf bie bödjfte
Stufe ber ftultur gebracht wirb, bilbet ftch befonberS am weftlichften Snbpunlte
ber Sahn, in unb um fianfaS Sit», ein wichtiger neuer EHittelpunlt für ©e«
fchäftsbetrieb aller Slrt. Sie genannte Stabt mub ihrer Sage nach bie arneite
beS Staates, bie nächfte nach ®t. SouiS, werben. 2lm 3ufammenfluffe bes
fianfaS unb beS Htiffouri gelegen (gerabe Her ift auch ber SHiffouri leicht au
übetbrüden), »on einet weithin fruchtbaren unb teiaenben ©egenb umgeben,
ben SSerlehr »on allen Seiten au ftch heranaiehenb, fcheint ßanfaä Sit» baau be»
ftimmt, ber wichtigfte Ort awifchen St. SouiS unb San Francisco au werben,
wie benn überhaupt bie in biefer Breite »om Stillen Hteere bis aum Htlanti»
fchen Dcean hin laufenben Bahnen für ben groben 2Belt»ertebr eine höhere'
SBichtigleit erlangen werben als irgenb anbere, bie angelegt ftnb ober noch ge*
baut werben mögen. Surch baS cpera ber Union, mitten burch Htijfouri, mub
318
notbfoenbig biefer SBertebr geben, uttb berfetbe mu| alle Semobner beS aud^
aufcerbem fo begünftigten Staates $ur hofften ^^tigfeit unb §u allfeitigem
gortfchritte für immer anfpornen.
ÜJtögen bie Sefer biefe Stilen, toelche ich, mit bielen anbern ernften Sin*
gen (©efefcgebungSarbeiten) befchäftigt, jefct nicht toeiter auSfübren fann,
freunblich aufnebmen.
^ttManifdje ?egt«tu«.
©on £>r. SBalbftcint* (SWi^tgait.)
„Sie ihr Hebt ber SBölfer Sagen,
Siebt bie Sieber eines SöolfeS,
Sie feie Stimmen aus ber gerne
Saufdbenb ftilljuftebn uns rufen,
Seren Son fo f(blicbt unb finblich,
Sab baS Obr !aum unterfcheibet,
Ob ©efang fte ftnb, ob Diebe: —
Saufcbt auf biefe Dtotbbautfagen,
5luf ben Sang oon £iamatba!"
(SS frnb jefct ungefähr elf gabre, bafj Songfeflom juerfl ben SagentreiS
ber gnbianer burch feinen prad^tüoUen ^iamatbafang bem gröberen Sßublifum
etmaS näher rüdte unb ihm babur(b 5 U gleicher 3eit einiges Sntereffe für
bie 2Bünf<he, baS Sichten, brachten, ©offen unb deinen, jener bon ben di*
bilifation gebeuten Statten abgeroann, bie man bis babin nur als foanbembe
SBögel betrachtete unb allenfalls bon ihren ©räueltbaten, Dlauben, ÜWorben
unb Sfalpiren ju erzählen toufite, ein ©emütbSleben ihnen aber burchauS
nicht sutraute. SGßaS uns Songfellom nnb fein ©tamat^a mittbeilt, ftnb nur
foldbe Momente, bie bem Sichter aus bem reichen Scgenbencompley, ber ft<h um
jenen Diamen ranft, am poefiereichften borfamen. Sie gelehrten Kenner beS
3 nbianerbolfeS, Ga 11 i n unb S ch o o l c r a f t, bie D3eibe mehrere gabre bei
ben Diotbbüuten $ubra<hten, batten fchon früher eine ÜDlaffe babon gefammelt
unb ihren betriebenen SEBerfen incorporirt, bie aber nur einen febr befchränf*
ten Sefecirfel fanben. Surch ben Erfolg beS „£jiamatba" ermuthigt, ftellte ber
Sefctere fämmtliche barauf einfhlagenbe ©efcbichten unter bem Sitel „The
myth of Hiawatha and other legends“ gufammen unb toibmete biefe
Collection bem glüdlichen $oeten.
Sie beutfche SluSgabe beS Songfelloto'fcben ©ebichteS, bie g r e i l i g*
rath in aller Gile beforgte, haben 93erfaffer tüie SSerleger febr menig ©lüd
gebracht. Obgleich bie Iiterarifcbe $brafe ben Grfteren gewöhnlich als DJteifter
beS UeberfefcenS bezeichnet, fo müffen boch felbft feine aufrichtigen Slnhänger
319
gefielen, baß er fub burch jene Bearbeitung nur compromtttirt bat. (fr bteÖ
ftcb babei Diel gu Diel an ben englif<ben £eyt, überfepte baber ftetS gu mörtlidj,
unb bie golge babon mar, baß er auf fol<be ungangbare üffiorte unb Stabil*
bung berfiel unb babei bennodj fi<h fo häufig gegen baS Metrum berftieß,
baß biefe Uebertragung unmöglich geeignet fein tann, bem beS Gnglifdben
untunbigen Sefer nur eine entfernte 3foee Don ber Schönheit beS Originals
beigubringen. Hauptfächlich trifft ibn biefer Bormurf in ber prachtbollen
©ptfobe „ÜRinnebaba’S $ob".
2)aS Songfellom’fcbe ©ebicht mar aber bem größeren Bublilum nicht
allein beS Spalts, fonbern ber gorm megen neu, bie belanntlich ben finnif<ben
[Runen entlehnt ift, beren bierfüßige Trochäen mit gumeiliger SInmenbung ber
Stiliteration bem gangen 6ang einen folgen anmutbigen [Reig berleiben, baß
mir greiligratb gern [Recht geben, menn er bom dichter fagt, baß ginben in
biefem galle fo gut mie (frfinben fei.
S)ie religiöfen Slnftchten ber gnbianer maren ber 2Raffe bisher noch ein ber*
ftegelteSBuch; menn man fie felbft fragte, mußten fte gar nicht, maS unter bie*
fern SBorte überhaupt gu berfteben fei. @S maren bieS Sachen, über bie fie felbft
nur im Söinter nachbachten, um bie 3eit gu betreiben, menn runbum Sittel in
Schnee unb ©iS lag, ein alter Baumftamm im Sßigmam glomm unb „Baup*
pul*leemiS feine (fmte beimfte". S5ann ging’S mie in ben beutfehen Spinn*
ftuben am [Rhein, mo irgenb ein alter Bauer mit ber großen ßlammbritle auf
ber ÜRafc aus H°m T S gleichnamigem Buche borlaut, baS natürlich bei bem
Snbianer ©ebächtniß unb gantafie erfe$en. 25a merben benn allerlei 9Räbr*
chen unb Schnurren aufgetifcht, bon SIRanito’S, Silftben, [Rajaben, Unge*
heuern, brachen unb [Riefen. 3)ie.fe Gablungen geigen uns nun ben SRann
ber Steppe in einem gang anbern Siebte; fte ftnb ber eingige Spiegel feines
©laubenS, SebnenS, feiner Hoffnungen unb gbeale unb beffen, maS er nach
bem £obe ermartet. Sie fuhren ihn uns bor als Säger, Ouadfalber, Slrg*
neier, Balabin, 2)on Suan, SRelromant, $riegSmann, 2)ellamator, Super*
naturalift unb Sänger, ber SGßatafee, ber geuerfliege, fein Sob fpenbenb. 25enn
ber Snbianer bat SllleS, mgS mir haben, feinen §auptberrgott ©itche 2Ranito,
ben SReifter beS SebenS, ber einft feine Böller gufammen rief unb ihnen einen
ÜDtefftaS, ben Hiamatba, fefeidte; er bat fein BarabieS fo gut mie baS ber
©bnften, unb mit bemfelben Hauptcharacter; jenes „SBobnlanb beS [Rachbie*
fern" mo
„Labor is not known — that thorn
Pricks not there at night and morn.“
Hjiamatba ßgurirt feit feinem Heimgange bafelbft als BetruS.
25er S^taner beft^t außerbem feine Puck-Wudj-Ininees ober 25äum*
Knge, melche einem [Riefen bie Biberfchmänge flehten; er bat feine Halben mit
UReilenftiefeln unb magifchen Booten, bie SlDeS burcbfegeln, fogar ben ©um*
titifee, bon bem auch fchon ein alter [Raturforfcher eine Slbnung gu haben
ne
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föcint, lote tut? bem bot 400 Sauren gebrudften Söerle „Ortus sanitatis“
fcewonjetyt.
»lit bem 2Itün*haufen ift un« ber^nbianer au* f*on betriebene gabte
botauä. gagoo batte biele cutiofe Singe erlebt unb infpicirt. Gr fab einft
eine Schlange mit SWenf*enbörnern unb »fetbefüßen, eine fo große Sßajfet.
lilie, baß ein SBlatt berfelben ju Unterröden für feine grau unb Sö*ter au«,
reichte, unb fing einen 2Ku«lito bon folget Größe, baß er einen glügel babon
als (Segel braunen fomtte.
Sie 3nbianer fmb geborene Spiritualiften, benn 3ttanito« berfpüren ße
überall.
In whatever’s dark or new,
And my senses cannot view,
Coraplex work, appearance stränge,
Art’s advance, or nature’s change,
Fearful e’en of hurt or woe,
I behold a Manito.“
Siefe Geifter toaren bon »ergebener Qualität, unb führten meift mutb-
toiffige unb bösartige Streike au«; feiten, baß fie etwa« Gute« oerübten. 311«
Sofalfpirit« batten fte fpecietle tarnen; fo hießen j. iS. bie Geifter bon Sale
Superior »ud Sßubf Qninee« ober Säumlinge, gebet gnbianer bat feinen
beftimmten SJlahito, unter beffen befonberer 2lufft*t et fteßt. Sie Stürme
waren Operationen biefer Geifter, ebenfo au* bie SBoltenbilber. Illut bie bo*.
fliegenben Sbiere lonnten mit ihnen bireft eerlebren.
Sa« »enbant jum biblif*en Simfon liefert ßmafinb, bet bie Steine au«
bem Kriege jwif*en fjiawatha unb feinem SSater au« bem SBege räumt, unb
mit Grfterem bie SBaffet bon »auwating reinigt. '
Sie Grbe ba*te ft* ber gnbianer al« ein Quabrat, beffen Gden bie hier
SBinbe commanbirten. 3ttubjeteewis ober fiabepun, fjiawatba’« SSater, reprä.
fentirte ben SBeftwinb; er batte früher ben großen 33är erf*lagen unb *m ben
großen Sßampumgürtel abgenommen, woher ft* ba« ßrieg«gef*rei ber Sitten:
„®h« fei bem SUlubjeleewis!" batirt. SBabur, Gatte be« aJlorgenftern«, bet
in einer f*önen Gegenb wohnte, ftellte ben Oftwinb bar. Ser Dlorbwinb hieß
flabinotta; er häufte im Sanbe be« S*nee« unb 2Beißfanin*en«, färbte bie
SBlätter gelb unb ließ Seen unb glüffe erftarren. Sbawonbafee war ber Süb-
winb; er luftwanbelte im f*läfrig träumerif*em Sonnenf*ein; er bra*te
Stauben, SDlelonen unb galt at« SSater be« gnbianerfommer«. ©ein »ruber
bet SRorbwinb, batte ihm einft feine Siebfte meggefif*t, weshalb er ft* ftet« al«
f*wermüthiger unb f*wätmerif*et ßbaralter jeigte.
Sie £auptlegenben ber gnbianer ftnb betanntli* bie Pon jjjiawatba
unb »aupudleewi«, bie wir baher bem Sefer etwa« au«führli*er mittheilen
toollen.
^iawatha, ben bie Sllonquin« SDlanabojho nennen, unb ber au* unter
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eg
beit kanten ggntgorio, ?)oSfifa «nb ÜÖticabo ftgurtrte, mar, wie borher gefaxt,
ber inbianifche HDteffiaS; er mar Sehrer ber fünfte tmb SBiffenfchaften:
„Sehrt* tmb untermieS ben ÜRenfchen,
Sehrte ben Gebrauch ber Äräuter,
SBieS baS ©egengift für ©ifte
Unb bie Teilung aller ßranlheit."
(Sr mar Sßhilofoph tmb $rofchet, ein Söote beS groben ©eifteS. ©r
gli(b ben meiften aller übrigen gnbianer; er muchS als ßinb unter ihnen
auf, baute feine $ütte, nahm fein Sßeib, jagte, ftfd^te, fang .feine firiegSlieber,
batte greunbe unb geinbe, Kummer unb ©lenb mie jeber Slnbere. Slber er
lonnte SBunber tbun, er befafs feine üfteilenftiefel unb fein magifcheS ©anoe,
unb eine folche Miefenftdrle, bab er halb bie ©rbe bon brachen unb feurigen
Schlangen gefäubert batte.
$ie ©efchichte ^iamatha’S fangt mit ber ©eburt ber groben griebenSpfeife
an, burdj beren SRauch ©itche ÜUtanito bie SSölterf (haften gufammenrief, bie alte
©rbfeinbfchaften getrennt beiten. 3 u erft hielt er ihnen nun megen ihres gegen*
feitigen .Benehmens eine berbe ^bWppila unb fährt bann fort:
„Sfltübe bin ich eurer gehben,
ÜUtübe eures 93lutbergiefienS,
2Jtübe eures glehnS um föadpe,
©ureS $aberS, eurer 3mifte.
©ure Starte ift bie ©intracht;
SDBaS eudb fäbrbet, ift bie 3mietra<bt;
galtet griebe brum bon nun an,
Unb als trüber lebt Rammen!"
„5BiU euch fenben einen Seher,
©inen, ber bie SBölter rettet,
S)er euch führen foll unb lehren,
gür eud? fchaffen, mit euch leiben.
SCBenn ihr hört auf feinen Iftathfchlag,
Sollt ihr fruchtbar fein unb glüdlich;
2 Benn fein SBarnmort ihr nicht achtet,
Schminben follt ihr unb ju ©runb gehn!"
darauf bergruben bie gnbianer ihre beulen, machten fich pfeifen aus
JRothftein, rnefche fie burch baS föohr beS gluffeS rauchten, morauf fie bergnügt
heimmärts gogen.
fiurj barauf fiel bie grau ÜftotomiS bom -Utonbe herab, mo fie auf einer
SRebenfchaulel gefeffen, bie bon einem eiferfüchtigen kannten abgefchnitten
morben mar. Sie gebar halb eine Tochter, bie, als fie ermachfen mar, bom
SGBeftminbe »erführt mürbe. S3ei ber ©eburt ^iamatha’S ftarb fie. UtotomiS
Pflegte ben Knaben fehr forgfam unb bemachte ihn auf 2Beg unb Steg, „bamit
ihn ber rnei&e S3är nicht hole."
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5
#iawatba erlernte falb alle Sprachen ber Spiere, unb übertraf Sitte an
SBeiSbeit unb Schlauheit. SBenn es bie Umftdnbe erforberten, fpielte er auch
ben £anS Simpel, unb lieb ftch bon feinen Kameraben jur 3^lf<^eibe ihres
Spottes benufcen. Gr fonnte jebe ©eftalt annebmen, fogar als SJtanito er«
fcheinen. Gr lief fo fchnett, bafi er einen abgefchoffenen «Pfeil wieber einbolte;
mit feinen 3auberbanbf<huben tonnte er bie bärteften gelfen aerfchlagen.
Seine ^ugenbfreunbe waren bie Sänger GbibiaboS unb ber Säger 3agoo, ber
ihm ben erften Sogen machte, womit er einen fo groben £irf<h f<bob, bab fuh
baS ganje Sorf baran fättigen fonnte.
SllS ibm ber Umftanb, bab er Weber Sater noch Siutter batte, einigen
©ram berurfachte, erjählte ibm feine ©rofemama §ur Serubigung, bab fein
Sater, ber SBeftwinb, noch lebe, unb gwar in ber weitentfemten ©egenb bon
Slngabiun wobne. SieS freute ibn fo febr, bab er augenblicftich befcblojj, ben
Sob feiner SJtutter an ibm ju rächen, obgleich berfelbe ebenfalls bon bebeuten«
ber Starte fein follte:
„Sllfo reifet 1 er weftwärtS, WeftwärtS,
Sief boran bem fchneUften ^irfche
Sief bem Glenn bor, bem Sifon;
Ueberfchritt ben GSconawbaw,
Ueberfchritt ben SJtifftfftppi,
Ueberfchritt bie ^öbn ber Steppe,
3og burch’S Sanb ber Kräb’n unb güchfe,
3og burdfS Sßobngebiet ber Schwaräfiijj 7 ,
Kam bann gu ben gelfenbergen,
Kam in’S Königreich beS SöeftwinbS,
SBo auf ben umwebten ©ipfeln
Sab ber alte 27tubje!eewis,
^errfdjer er ber |>immelswinbe."
Sluf einem hoben Serge begegneten fie fuh. Ser Sater rieb ftch bor Ser«
gnügen bie $änbe, baS Gbenbilb feiner Söenonab wiebequfeben. Seibe ber«
lebten mehrere Sage in Suft unb greube. Sa fragte eines SlbenbS ^iawatba
feinen Sater, wobor er fuh überhaupt auf ber 2Belt fürchte. „Sor nichts Sin«
berem als bor jenem fchwaqen Steine, bem.SBawbedf, ber mich töbtlich ber«
wunben würbe, wenn mich Qemanb bamit fchlüge." Sarauf holte fuh ber
Sohn, trofc ber Samentationen feines SaterS, ein Stücf babon. Ser Sater
fuchte fuh nun auch ein Stücf ber 2lpufma«2öuräel, beS einzigen SingeS unter
ber Sonne, baS ^iawatba Sefpeft einflöfcte, wie ihm berfelbe aber nur pro
forma geftanben batte. SieS gab ihm bann bie erwünfehte Seranlaffung jurn
Streite. Gr fragte ihn, ob er bie Urfache beS SobeS feiner Stutter gewefen
fei, waS ber Sater auch bejahte, worauf ftch bann ber fürchterliche Kampf
entfpann. Sie fchleuberten ftch gegenfeitig Säume unb gelfen an bie Köpfe,
wobon ber Säger noch bie Spuren fiebt. „§alt!" rief ba üUtubjeleewiS, „eS ift
unmöglich mich umsubringen, geh lieber jurüd unb wenbe beine Kräfte anher*
weitig an."
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„®eb jurüd ju beinern Stolle,
Sehe mit ihm, fdjaffe mit ihm !
, £Rein Don Sldem, waS fte fcbäbigt,
IDladje bu, mein Sofjn, bie Hebe!
Ääre Strom unb lläte gifdjgruttb,
Söbte Ungebeu’r unb Saubrer,
Sille Schlangen, bie ÄenabeelS,
SBie icb felbft ben 2JtiSbe*9tutroa
Söbtete, ben grojjen SBären!"
£iawatba nahm bann biefen Math auch an unb ging jurüd jur Molo»
miä, bie ibn mit allerlei SDlebicinen triebet berftedte. S3ei ber £eimreife machte
er auch bie Stolanntföaft Bon ÜDlinnebaba, ber Jobbter eines SPfeilfcbmiebeS in
Sacotab, bem Sanbe ber fdbönen SBeiber.
Um feiner ©rojsmutter Del unb gett für ibr auSfadenbeS $aar ju Ber*
fbbaffen, ging et einftenS fif<ben. ©r rief nach bem flönigSfifcbe, ber aber Sin*
fangS ni<bt lommen trollte, fonbern ibn burtb einige feiner Trabanten bbicani*
ren lieb unb ibn julefct mit feinem äabne Berfbblang. ©lüdlibbertneife batte
$iatoatba 5ßfeil unb ©ogert in bemfetben, Womit er bas $erj beS gifdjeS tobt*
libb Bertnunbete. Einige 2Jtöoen babtten barauf Bon aufsen ein fiobb in
ben Müden, tnofür fte £iamatba mit bem Mamen flapofbt ober Araber be*
legte. Ser flSnigSjtfib würbe bann glüdlid? an’S Sanb gebracht, unb MotomiS
fehlte eS nun nidjt mehr an Del unb gett.
Sanatb präparirte ftcb ^iawatba ju einem Kriege mit OTegiffagwon ober
Storlfeber, bem SWanito beS DteicbtbumS, ber ihm gegenüber wohnte. Er follte
früher feinen UrgrojjBater gelobtet haben.
£iawatba mabbte ftbb alfo eine SDtaffe Pfeile unb fing an ju falten. SBon
biefem gaften hing nämlich früher bei ben gnbianern baS JlriegSglüd ab. ©3
bilbeteben SBenbepunlt beSSebenS; deiner begann feine Saufbabn ohne biefem
MituS Meinung getragen ju haben. SaS SDtayimum waren fteben tage. Sie
gmaginationen beS ©eifteS würben babei als gnfpirationen angefeben. $ia*
watba rang babei mit Monbamin, bem greunbe ber 2Jtenfd)en, ber ihn fegnete
unb mit fürdjterlicber Starte auSftattete, unb ftcb bann julefct Bon ihm erfcbla*
gen lieb. SlitS feinem ©rabe wutbs ber SDtaiS. Sa £iawatba feine gaften*
jeit außerhalb ber #ütte abbielt, wollte er gern einmal feben, was eigentlich
feine ©rojjmutter wäbrenb biefer 3«it treibe, ©r fcblicb ftcb alfo einmal herbei
unb fab bann ju feiner größten Metwunberung, bajs fte Bon ihrem Stbafce,
einem Sären, befutbt würbe, ber allerlei Siebeleien mit ihr trieb. Um bem»
felben einen Stoffen ju fpielen, legte er einige Noblen über bie Sbür, woran
ftcb ber 33är bann ganj gehörig baS ged oerbrannte.
9la<bbem alfo §iamatba bie gaftenjeit übcvftanben, feine JfriegSlieber gefun»
gen, gehörig getrommelt unb fpectalelt batte, fejjie er ftcb in fein ©anoe um ben
alten SBampumberrfcber ju erfragen. 3uerft tarn er ba $u ben feurigen
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Schlangen, melche bie $hfa bei Manito’g behüteten. $a ihn !gene nicht
paffiren lieben, erfhob er fie auf eine fchtaue Weife. So !am er bann gurn
£aufe sperlfeberS. $iamatha tommanbirte alg ^Kibe er bie gange Sßotomac*
arrnee hinter fich. $ie Schlacht begann. Gin borbeifliegenber Specht ber*
rieth ihm bie Slchitlegferfe feineg Gegnerg, beffen Stärle mie bei Simfon in
ben Soden lag. 2)iefe fchob nun £iamatha mit feinen brei lebten Pfeilen herab,
unb färbte bann bie Äopffebern beg Spechteg mit bem SBXute beg Ungeheuerg.
Gr nahm ihm ben Wampumgürtel ab, fealpirte ihn unb ging bann gutüd gur
alten ÜRolomig.
ßurgbanachfing #iamatha einen 3if<h bon fotdher ®röbe, bab er gu beffen
SSerfpeifung alle %tym in ber Umgegenb einlaben tonnte. $er $öär fam gu*
erft, bann bag Dpoffum u. f. m., meghalb biefe £biere auch fa fett fmb; £afe
unb Marber tarnen gule^t, mag ung beren Magerleit erflärt. 2110 93ef<hlub
biefer geftibität füllte ein allgemeiner £ang aufgeführt merben. $iamatha fchtug bie
Trommel* bagu. Sämmtlidbe ^hiere hatten fuh in eine [Reihe gu [teilen unb
mit gefchtoffenen Slugen an ihm borbei gn marfchiren. $a mürbe bann eing
nach bem anbem getöpft. Gine Gute merfte bieg unb aHarmirte bie gange ©e*
fetlfchaft #iamatha lief ihr nach unb gab ihr folgen Schlag auf ben [Rüden,
bab ber gange Körper ber Gute heute noch platt gebrüdt ift. S)ie anbem
Shiere hatten fuh ingmifhen unftchtbar gemalt.
Stuf einer SHeife begegnete §iamatha einjt einem Magier in ©eftalt eineg
2 ßolfeg,berfe<hg3ungebei fich hatte. Gr äußerte ben Wunfch,auch folche gigur
gu haben, morin ihm ber alte äauberer auch millfahrte unb ihn ebenfalls in
einem Wolf changirte. Site fte fuh nun gufammen ihre Winterquartiere äug--
gef acht hatten, frajs ber Sitte eineg £ageg bie ßnochen eineg Glennthiereg, mo*
bei $iamatha bie Slugen gugumadjen hatte, bamit ihm lein Stüd babon hineinftog.
#iamatha fchielte jeboch unb bag Wort beg Magierg traf ein. Um fich bafür nun
gu reoanchiren, ab er ebenfaUg einen Knochen, unb alg ber Sllte babeibieSlugen
gefchtojfen hatte, fchlug er ihn lebermeich. darauf trennten fich bie Wölfe mit
Slugnahme eineg jungen bon ihm. Serfelbe ging eineg £ageg aufg Gig unb
brach big tief in bie Wohnungen ber Schlangen hinein, h>o er augenblidlich
alg ©efährte ^iamatha’g erlannt mürbe, unb beghalb gemorbet merben
follte.
^iamatha ftimmte beghalb lange Qeremiaben an unb ging ihn aufgufu*
djen. Gin SBogel fagte ihm, mo fein Siebling mar. darauf bermanbelte er
fich ba, mo gemöhnlith bie Schlangen ihre geheimen Goncilien abhielten, in
einen Söaumftamm, um ben fie fich bann auch gtüdlichermeife nach 23een*
bigung ihrer ©efdjäfte fhlafen legten, darauf erfhob er ben Äönig babon
unb ergriff, bon ben übrigen berfolgt, bag «gafenpanier. 2)a ihn bie Schlangen
nicht einholen tonnten, lieben fie eine mächtige Sünbfiuth lommen, um ihn gu
erfäufen, mag £iamatha nothigte, fhnell eine neue Wett gu fchaffen unb biefe
alg fein 2lfpt gu mähten. 2)afelbft begegnete ihm jeboch fehr halb bie flagenbe
Mutter beg Schlangenlonigg, bie er ebenfaUg mit 2ift tßbtete unb bann in
f
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SBolfSgeftolt wieber tta<3& #aufe eilte, wobei ihn fein SJater, bet SBeftwinb,
tüchtig unterftüfcte.
$ort beiratbete er nun bie Tochter beS SßfeilfcbmiebeS, bie ibm früher fo
ausgezeichnete Spieen geliefert batte. 93alb aber »erlief ihn fein guter ©eift;
feine tpfeiTe trafen nicht mehr; er würbe febr arm unb war genötigt, fein
Srob au§ frember #anb ju effen. 2llS er fo einft bei einer mitleibigen Seele
antlopfte, nahm ber Setter ein Keffer unb fdjnitt bamit feiner grau ein
großes Stüd gieifcb aus bem föüden. 2)ieS reichte er bem hungrigen $ia*
watba b^ unb fagte: „Sieb, baS ift 2WeS, womit wir im SBinter leben."
darauf legte er ein $fläfter<ben auf bie ffiunbe, was biefelbe augenblidlid)
wieber heilte, «giawatba wollte banacb bie gleiche Operation an feiner
SWinnebaba berfuchen, töbtete fle jeboeb beinahe.
danach zeigte fub übrigens fein guter (Seift wieber; er batte wieber
gieifcb in £üUe unb gülle unb gab feinen greunben ein äu&erft fplenbibeS
©aftmabl, uacb welchem er fte Sille in ©tebhömeben berwanbelte. Sein wich*
tigfteS nachberigeS Slbentbeuer bleibt nun fein Streit mit $aup*pud4eewiS,
ber in ben inbianifchen Segenben häufig mit ihm berwecbfelt wirb. Sein
3elt ftanb nabe am ©itebiguma, bem groben giuffe, ber ihm im SBinter Säde
bcU gifdje lieferte. $aup*pud*teeroiS ift baS Seitenftüd §u $iawatba, unb
erfeblug, wie er, bie liefen, 2)ra<ben unb Schlangen ber Umgegenb. ©inft
fab er mehrere 93ibet an einem See unb lieb ftcb augenblidlicb ebenfalls zu
einem folcben 5Lbiere umfebaffen; boeb war er bunbertmal gröber als bie an®
bem, bie ihn beSbalb ju ihrem Oberhaupte wählten, ßutj banacb tarnen
aber einige gnbianer, unb ba er wegen feiner (Sorpulenj nicht fliehen tonnte,
warb er ergriffen unb tobt gefcblagen. SllS man ihm baS gell abjog, wifebte
feine Seele wieber heraus. 3n ©eftalt eines ©lenntbiereS pafflrte ihm baS*
felbe Scbidfal. SllS eine wilbe ©ans enbete er in einem bohlen 93aume fein
Sehen, unb feine Seele ober 3eebi erfebten banacb wieber in menf<bli<ber
gorm. S)a tarn er einft auf einer Steife in einen SBigwam, worin zwei alte
SMänner wohnten, bie er um ben 2öeg fragte. Sie jeigten ihm benfelben,
©r ging fort unb tarn sule&t wieber an bie nämliche £ütte. ©r war alfo
\ im ÄreiS herum gegangen. 2)ocb bie Qnbianer gaben bor, grembe ju fein,
©r ging unb tarn wieber $u berfelben Stelle.' Xa er fub borher eine
©de aus ber $bür gefebnitten batte, war er fxcber, bah er nur zum Darren
gehalten worben war. ©r gab alfo bem ©inen einen berben £ritt unb
bem Slnbern eine grünblicbe Ohrfeige, worauf beibe SJtanitoeS ftarben.
jftacb berfebiebenen ähnlichen Streichen tarn er an bie SBobnung ^iawatba’S,
ber .er früher ftetS auSgewicben war. Xcl ^iawatha gerabe nicht anwefenb
war, jerftörte er SlUeS in feiner £ütte, warf alles ©efebirr bureb einanber unb
brachte alle SSögel um.
„$adt r er um ben $als ben SRaben,
Schwang ihn tunb wie eine SRaffel,
Sftunb wie einen Strjeneifad,
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326
SBürgte Äabgelbopee ben dtaben, '
2 ie& bom ©iebelpfabl bei SBigmaml
lieber Rängen feinen £ei<hnam,
2111 ’nen Schimpf für feinen Steiftet,
©ne Schmach für «giamatba.
£rat er ein berftohf nen Scbrittel,
SBarf ben $aulratb burch einanber,
dlingl burch’S £aul in milbem SBirrmarr,
$duff empor in traufem Stapel
4 Msgef(birr unb irb’ne Reffet,
Vüffeltleiber, Vibertleiber,
ged bon Otter, Suchl ünb 2&efel,
Sill ’nen Schimpf für bie üftotomil,
©ne Schmach für üdinnababa."
©nige Vögel brauten £iamatba halb bie Nachricht bierbon, unb halb mar
er an Ort unb Stelle unb bie Verfolgung ging lol. • © jagte ibn burd? bie
halbe 2Belt, über gelfen, Vetge, Seen unb SBdlber, unb all er ibn enbltch am
Äragen batte, bermanbelte er ftch fchned in einen boblen Vaum unb lieb feine
Seele in ©eftalt einer Schnede betaulfliegen, ©in Vlifc jerfd&lug fie aber unb
fie mürbe mieber jum Vtenfchen. Vaup*puc!4eemil retitfrte barauf in bie
jgoble einel Vergel, toorin ein alter Vtanito häufte, ber fdjned ade $büren
forgfältig berrammelte unb £iamatba braunen fteben lieb. liefet reguirirte nun
Bonner unb Vlifc, unb Veibe mürben in ihren mähten ©eftalten erfragen, fo
bab fie nicht mehr leben fonnten.
$iamatba , l Slbentbeuer enbigen hiermit aber noch nicht; el ift faum ein
Verg in üdorbamerifa, an ben bie gnbianer nid^t meitere £elbentbaten fnüpfen.
2111 er feine vermeintliche 2lufgabe gelöft batte, erfchien ein meiber Vogel born
Fimmel, ber ihn ermahnte, bab feine Uhr bienieben abgelaufen fei, morauf er
fuh bann in fein magifcheS ©anoe fefcte unb unter Älängen niedbnlich gehörter
ÜDtttfit abfubt. 2ia<h feinem £obe fod et bie norbmeftlichen Stamme regieren
unb ben Seelen ber Snbianer bie §immel!pforte öffnen. Sie glauben, er merbe
mieber erfcheinen unb fein unglüdlichel Volt §u neuer ©torie bringen.
©tmalfomifch nimmt ftchba ber Scblub bei Sonfedom’fchen ©ebichtel aul,
mo^iamatba juleftt ben fremben Vtiffiondren fein Söigmam öffnet, bie griebenl*
pfeife mit ihnen raucht, ft<h belehrt, Vrofelpten für bal ©briftentbum §u merben
fudbt unb bann beim 2lbfchiebe bie Vlafsgefuhter feinem ganzen Volte all bei*
lige 2lmbaffaboren bei großen ©eiftel empfiehlt.
m
3 «
327
Pag wrklftgfc pcutldjlatifr.
S5on ©örj üfiimetin* (^cilbronn.)
G3 flieht 3)tenf*en, unb oft fetjr gute 2)tenf*en, bereu SebenSweife jeber
S3ube ba3 9te*t ju haben glaubt, Bor baS gorum ber Deffenttkbfeit ju jiehen,
felbft w^nn ihre jjanblungen ft* gar nicht auf baS Oeffcntlicbe begehen, unb fo
giebt eS au* 33611er, über bie anbere Nationen ftdh toieberholt ein Borf*netle3
Urtbeil anmaften, ohne ft* bie SDtühe §u nehmen, bie Sage berfelben näher ju
prüfen. Unb wie baS polnif*e einftenS ein fol*eS Soll tnar, fo ift baS beut*
f<he eä jefct. So fehr ft* jebo* unfer gnnerfteS gegen bie Siebloftgfeit beS
HuSlanbeS empören follte, fo regt ft* bo* unwillfürli* bie grage: Sinb mir
ni*t felbft f*ulb an biefer oberflächlichen Serurtheilung unfereS SatertanbeS?
£aben wir baffelbe ni*t felbft ohne nähere Prüfung »erllagt ? SBerfen ni*t
wir felbft bie meiften Steine auf baffelbe ? Siefe gragen ftedte i* mir oft,
na*bem i* granjofen, ©nglänbern, 2lmeritanern (mehrmals Seutf*»2tmeri*
tanern), ja au* S*weijern gegenüber $eutf*lanb oertheibigt hatte, unb ba
muffte i* benn belennen, baff, ungere*t toie SluSlänber gegen ©ermanien ftnb,
mir S)eutf*en eS ebenfo unb oft no* mehr ftnb. Unb fo entftanb in mir ber ©e«
bante, Seutf*tanb8 guftänbe felbft genau, unb oergtei*enb mit anbern Sößltern, ju
unterfu*en, babei meine ©ebanlen nieberjuf*reiben unb bie gewonnenen 2lnft**
ten einem beutf*en SeferlreiS mitjutheilen. 2Bo aber lönnte i* meine Webereien
beffer anbringen, als in ben Seutf**amerifanif*en SDtonatS»$eften ? 3iur ba ift
man ja liberal genug, au* flefcer ju^ulaffen! Unb fo folgt hiermit ber toefent*
li*e 2heil biefer meiner 2lnft*ten, mit bem gwed, au* bei Slnberen ein tieferes
©ingehen in bie Serhältniffe unfereS SaterlanbeS ju bewirten, unb 3)eutf*e ju
BeranlafTen, ©ere*tigteit ju üben gegejt ihr eigenes §eimatblanb.
Urtb worin beftehen benn bie Sef*ulbigungen, bie man Scutf*tanb ma*t?
SWan tann fte alle auf bie wenigen SBorte rebujiren: Saffelbe befifct
bem SluSlanbe gegenüber ni*t bie ihm gebührenbe 3ta*
tionallraft, unb es entwidelt imgnnern ni*t ben ge»,
hörigen gortf*ritt. Seiber. Umftänben folt bur* bie ©rri*tung einer '
6 entral*©ewalt abgeholfen werben, bie na* Stuben imponirt unb
na*gnnen r ef or mit t. So hätten wir bie ü r an I h e i t unb au* bie Bor*
gef*riebene Äu r»3Jt e t h o b e!
©rtunbigt man ft* jebo* nun Bot allen Singen na* bem 2Jta|jftab ber
Seurtbeilung, wel*er obigen Sorwürfen ju ©runbe liegt, fo jeigt ft* tneiftens
eine Unflatbeit barüber, w a S unb w ie man eS will. granfrei*s Sationalfraft
f*webt wohl SJtan*em als Sorbitb Bor, 3J!an*em ©nglanb, Slnbern wieber
Slmerita. Stber f*on ber erfte Slid belehrt uns, baff biefe «Rationen f*le*ter»
bingS ni*t als na* 3 uabmenbe Seifpiele für Seutf*lanb bienen tönnen.
SlnberS ift beren geographif*e Sage, unb total Betrieben ftnb bie Politiken
Swecfe biefer Söller, granfrei* treibt feine jc|ige gro&e gSolitif, um ju £ au f e
328
bie SRapoleonifcbeSpnaftie ?u befeftigen. Gnglanb jittert unter feiner coloffalen
Seemacht, weil e« Sßölfer be^errfdfjen mub, bie e« längft beraubt bat, unb
Slmerifa trägt fub mit Begriffen über ein nationale.« SBacbStbum, welche
nur im ganzen Gontinent ihre ©renje ertennen. — Ueberall Singriffs* neben
Bertbeibigung« jwecfen, mäbrenb in ©eutfcbtanb (ift e« fi<b felbft unb
Slnbern gerecht) nur Sefctere in Betracht ju sieben fmb.
Gin ähnliche« Grgebnib ftellt fccb betau« wenn wir bie Slrt unb SBeife be«
gottfchritt« prüfen wollen,- ben man »on ©eutfcblanb »erlangt. Giner weif’t
auf. Slmerifa, ein Slnberet auf granfreicb, ein ©rittet auf Gnglanb. «Bei nä*
berer Betrachtung ergiebt (ich Slmerifa’« gortfchritt al« golge ber gruchtbarfeit
feine« Boben«, »erbunben mit einet ben Beichtbum an liegenben ©ütern ftei»
gernben Ginwanberung unb ben biefer SZBanberluft gebotenen unerfcbßpflicben
Berbienftquetten; benfenigen granfreicb« finben wir als Befultat einer reichern
Baturunb eine« gröberen ßunftfinne«, unb Gnglanb« barin, bab e« in feinen Jiob*
len unb feinen Golonieen fpejielle .plfSquellen bat. Slmerifa ift notbgebrun*
gen erfinberifch in Slrbeit erfparenben unb erleicbternben SKafchinen, unb eine
ähnliche Botbwenbigfeit brängt Gnglanb jur Ber»ielfa<bung. feiner Brobul»
tioität, granfreicb Jur Steigerung feiner ^unft. SEBie ganj anbet« ift’« in
©eutfcblanb! G« bat .feine neuen Sanbgüter für febe« neugeborene ßinb, feine
Batur ift feinesweg« üppig ju nennen, e« beutet anbere Bßlfer nur burcb ebrli« '
«hen ^anbel au«. G« ift mehr al« alle bie anbetn genannten 58611er auf f«b
felbft angewiefen, unb fein gortfchritt liegt in feiner eigenen Slu«bilbung. Unb
»on biefem Stanbpunfte au«, mit billiger Grwägung berSlnfpornungen,
aber auch ber £ i " b e t n i f f e, unter benen bie »erfchiebenen oben angefübr»
ten Sänbet ftch auSbilbetcn, frage ich hier mein SBaterlanb: SBelcbe« 58olf -
batammeiftengeleiftet?
3 » ber Beantwortung biefer grage muh »or SlUem baran erinnert werben,
bab allen jenen Sänbern, beten gröberer gortfchritt ©eutfcblanb jum Borwurf
gereichen foH, beutfche Kräfte in bebeutenbem SDtabe jugute famen, fo bab wir
barau« annäbernb fcblieben fönnen, was unfer SBaterlanb geworben wäre,
wenn e« biefe Kräfte hätte »erwenben fönnen. üffienn auch für bie alte
£eimatb einiger SBorwurf barin liegt, bab überhaupt biefe ihre Söhne unb
©öchter auswanbern mubten, fo »ergeffe man nicht, bab feit unbenHichen 3ei»
ten in unferen SanbeSfinbetn bie Sßanberluft ftecfte, unb bab nicht immer Sfotb,
fonbem ein unbewubter SEBanbertrieb bie SluSwanberung »eranlabte. 2Bie
SBenige »on un« benfen baran, bab unfer Sßeggeben unb SEBegbleiben ein fte»
benber SBorwurf für ba§ $eimatblanb unb ein ftarfe« SBorjugSjeugnib für ben
neuen fflobnftb ift! „SEBarum feib ihr hier?" „SEBarum gebt ihr nicht nach
$aufe?" fragt batfcb ber Slmerifaner, unb er »ergibt, bab auf ihn ebenfo, wie
auf un« Senau’S SEßorte paffen:
„©Bne, SEBanbcr=SDteIobie,
©urcb bie öben Straben.
SEBie fo leicht einanber bo<b
SDtenfcben fcch »erlaffen!"
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329
Seutfche leiften meine im Ruälanb, alä ju feaufe; aber barau3 gegen ba§
Saterlanb Schlüpe $u sieben, ba3 ihnen alle ihre fja^tgfeiten gab, märe boeb
etmaä ftart. Skirum e3 nicht in ben Umgebungen unb Sinterungen fucheit,
bie, anberä als in ber feeimath, fte umfchlieben ? ©ern böte ihnen biefe ihr
Saterlanb, aber ift eS möglich ? ffier geredet ift, ber mirb fagen, bab in febt
nieten gälten eS unmöglich mar. gn Seutfchlanb fehlt, mer fleht eS triefet,
ber Spor n, ber in ungemeffenen SHrhutgSlteifen für ben 2 Jtenf<hen liegt;
aber ift baS £eimathlanb be^fealb ju oerbammen ? $ann es bei allem ffiillen
bieten maS Slmerifd, ©nglanb ober granfreich bietet ? Sie grage beantmortet
fuh felbft.
Mein um gan^ gerecht ^u fein, muffen mir auch (im SBefentlicfeen menig*
ftenS) bie «§inbemiffe aufführen, bie unferem Saterlanbe eine ßntmidelung er*
ferneren, mie mir folcfee ihm als ©efammtoolt, mie audh in feinen ftaatlichen
Serhältnipen, münfehen. Unb juerft non benen, melche nationeU berfelben im
Skge ftehen.
Säfit man §ur Orientirung ben Seelenbltd fefemcifen über ben Sän*
bercompley, ber einft Seutfchlanb bitbete, unb bann benjenigen, ber je&t
für Seutfchlanb gilt, fo rnub es boefe gebem gleich auffallen, bab bemfelben an
ber mefttidjen unb fübmeftlichen ©renje Sollet entzogen morben ftnb, bie eU
gentlich ju Seutfchlanb gehören, bab benfelben aber an ber öftlid?en Seite Sol*
lerfchaften einnerleibt mürben, bie beutfehem Sehen mehr als halb fremb
finb. Sie Sothringer, dlfäffcr unb Schmei^er fehlen, unb bie Söhnten, DJtähren
unb Solen follen fie erfefcen. 2lu<fe bürfte eS am $lafce fein, ju ermähnen, bab
ein grober $heil DftpreubenS urfprünglich nicht germanifch mar, unb erft fpä*
ter bem beutfefeen Reiche untermorfen mürbe; oon.^jermann an gerechnet, oer*
lebte baS beutfefee Sol! ben grobem Xtyil feiner ReichSgefchichte ohne fie. —
Sergeffe man nun nicht, bab bie (Sinoerleibung biefer Söllerfchaften in erfter
Sinie an bie bei ben beutfefeen ©robmächte gefchab, unb bab fte noch immer nicht
recht beutfefe baftehen. Surch biefe Serlufte an ber SBeftgrenje unb 3unahme
an ber Oftgrenje ift SeutfchlanbS politifcheS Sehen ein ganj anbereS geworben.
Sie beiben ©robmächte beftimmen bie Seicht ober SunbeSpolitif, unb tiefe
Regierungen mieber erhalten bie ihrige in ber #auptfa<he burefe Semeggrünbe,
bie aus biefen neubeutfehen Sänbem hetborgehen; unb fo fann man mohl fa*
gen, bab rein beutfefee Rüäftcbten aufgehört haben, baS Schiäjat SeutfchlanbS
5 U beftimn^n. geh meib recht mohl, bab in jenen Sänbem fortmäbrenb ©er*
maniftrungSprocePe im ©ange ftnb; ich n?eib aber auch, bab folgen mitSähig*
feit entgegengearbeitet mirb, unb bab in biefem Streben unb SBiberftreben
oiel beutfehe unb flauifcfee ©eifteSlraft oerbraucht mirb, bie ber allgemeinen Ser*
bePerung oerloren geht. Ruch barf nicht unermähnt bleiben, bab int Glfab unb
Sothringen etn ähnliches Schminben natürlt<feer ©ntmidelung ftattpnbet, meil
eben bort ber beutfehe ©eift ftefe nicht recht in bie gallijche Uniform pnbet, unb
ftefe felbft unb Seutfchlanb oerloren geht.
Rber nicht allein in polittfcher, fonbem auch in oolfsmirthfchaftlicher Se$ie*
^Google
bung iftbte obenermäbnte $batfa<he bon großer SQßicbtigfeit. GS gäbe gemib jefct
eine »olle Steinigung in 2)eutfdblanb, menn bie Schmeis, (Slfajä unb Sotbrin*
gen im beutfehen bunbe, unb bie anbern genannten ßftlichen auberbalb beffel*
ben mären, unb ber Gintritt ber beutfehen Station in bie grobe gamilie ber
banbetefreien bölfer märe bann längft febon bollenbete ^batfad^e.
Gemib ift, mie |>umbolbt im GoSmoS anbeutet, Slmerifa bie bauptfäch*
lichfte Urfache ber Steigerung alles mobernen bolfSlebenS, unb eS mirb Gebern
einleuchten, bab baS berfchieben 2)eutf<hlanbS auf «gunberte bon Stunben in
oftli(ber SUchtung bielfach barait fchulb ift, bab unfere bolfsmirtbfcbaft bie
magnetifdbe $raft ber neuen SBelt in fo befchränftem SJtabe empfanb. —
Sille beftrebungen 2)eutf<hlanbS, au(b feinen $b*il beS fo unermeblicb bergtß*
berten bolfetberfebrS §u erhalten, mürben erfchmert bureb biefe öftlidben Sin*
bängfel. 2)eutf<blanbS SBacbStbum fällt beSmegen Proportionen flein aus,
menn man gan§ 2)eutfcblanb mit anbern Stationen bergleid&t. Glücflidbermeife
lonnten Bremen unb Hamburg unbeirrt bon «gentmfebuben, bie ihnen baS
übrige 2)eutfchtanb gemib bereitet hätte, ihren «ganbel auSbilben, unb bie
beutfdbe Gbre retten; benn menn man biefe £anbeteftäbte als baftS beS ber*
gfeid&S mäblt, fo jeigen fte einen ebenfo groben Sluffchmung, mie anbere rnari*
time Sänber.
GS mar aber ftetS meine Ueberjeugung, bab bie öfonontifdbe £an*
bete* unb 33erfebrS*Ginigung ber politifchen borauSgehen unb fte begleiten mub,
unb eS ift bodb biel leichter, eine foldbe Ginigung in Slltbeutfchlanb ins SBerf su
fejen, als in bent beutfehen bunbe, mie ihn ber SBiener Gongreb aufftellte.
S)iefe Grfenntnib fefeeint uns nun abfolut notbmenbig, um 5)eutf<hlanb gerecht
SU fein.
2)eutfche Seitungen mimmeln bon politifchen Slrmutb^seugniffen für baS
beutfdbe bolf, unb bie Journale beS SluSlanbeS fehreiben eS ihnen nach. $er
beutfdbe mill eben ein* für allemal $ 01 i t i l nicht ber $ 01 i t i! su Siebe
treiben, maS benfelben jeboeh nach meinet Slnfteht nidbt sum politifdb unfähig
gen Sftenfchen ftempelt,. fonbern bloS jum politifcb u n t b ä t i g e n. Unb
marum ift ber Seutfche in 2)eutfchlanb politifdb untbätig? Gr ift eS nidbt in
Slmerifa! Ginfadb meil er nichts für ftdb su tbun finbet! Sßieberbolt bat er ftdb
entbuftaftifdb erhoben, mo immer ftdb eine praftifebe grage geigte, mie noch fürs*
lidb in ber S<hleSmig*§olfteinifchen grage; aber maS ift bem SJeutfdben immer
Sulefct geblieben ? SiicbtS als eine politifdbe $ßb*afe J . Gr bat nun gefunben, bab
2 )ie, bie ihn führen mollen, noch blinber ftnb als er, unb bab auch fte nicht mif*
fen, mo hinaus unb mobin. SBei^man, ber fdbmäbifdbe bolfSbidbter, fagt bon
foldber ^olitif, fte moUe
„ObenauS unb nie boran."
GS fehlt ben beutfehen nicht an GinigfeitSftnn. betrachtet bie berfchie*
bener. bolfsfefte! SJton fribt ftch bort ja fdbier bor Siebe! Sefet bie beutfehen
3eitungen! Sie ftromen über bon GinigfeitS*$atriotiSmuS! Unb bodb ift
2)eutfchlanb fein GinbeitS*, unb nicht einmal ein bunbeS*Staat g^morben!
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SBarunt nicht? SBBeil eben (5m^ctt§* unb fonftiger Bloßer Sß^rafen*»
Tufel noch nie bie groben gragen eineg Stolteg gelöst bat! 2 lu<b in 2 lmerita
fügten 1860 noch bie Stepräfentanten ber Staaten Tennefiee, flentudp, 3 n*
biana unb Ohio pcb alg liebenbe S3unbegbrüber, unb febrieen ftcb beifer in 23er*
pcberungen bet gegenfeitigen Treue! ©in gabt nad&bet ftanben pe ft<b ätg
geinbe gegenüber! SBie tarn bag? SBeil man gefliffentlub bie 2lugen fcblob,
unb Träumereien für SBabrbeit nahm, gn gemiftem Sinne ift bag beutpbe
SBolf ein e i n i g e g, in einem anbern ein u n e i n i g e g, unb eine ßciegg*
ertlärung grantreicbg mürbe bag ©fte §u Tage bringen, ein Ärieg amifeben
Oefterreicb unb ^reupen bag 2lnbere. SBarum pcb berfebmeigen, bab ni<bt mehr
T e u t f <b l a n b alg folcbeg feine ©efdjide in ber $anb hält, unb bab bag
SJefteben jmeier ©robmäebte (^reupen unb Oefterreicb) jebe ©inigung, in ber
eg gleichberechtigte Staaten giebt, jum SBoraug negirt? ©teicheg ehr*
licbeg Blecht beftebt blog, mo ©leiebbeit ber ßraft einigermapen bie SBaage
hält Europa macht, mit oft lä<berli<ber Uebertreibung, aber in ber
£auptfa<be mit Stecht, über fein politifebeg ©leiebgemiebt. ^Braucht Teutfcblanb
gar niebtg ber 2 lrt? ©emip! Unb mo fotl eg fein ©leiebgemiebt bemebmen
Oefterreicb unb ^reupen gegenüber?
Tie ©ef<bi<bte lebrt ung, bab ©nbeitgftaaten, mie 3 . 23. $reupen unb
granfreicb, nur auf bem SBege ber ©emalt ober ber groben $ßolitif, mie 93ig*
mard fie jefct treibt, gefibaffen merben, bab anbererfeitg freie Staaten nie
freimittig in einen ©nbeitgftaat aufgeben. SSerbinben folcbe ficb für einen
gemeinfamen 3 med, fo ift SBabrung ber eigenen Selbftftänbigleit (Autonomie)
erfte» unb le^teg giei. S3ei ©nbeitgftaaten ift Untermerfung, 33 er*
febmelaung unb ftaatlicbeg 21 u f b öre n Sßorbebingung, bei einer 23un*
begregierung ift Gleichberechtigung bag erfte ^rin^ip. SBie nun fott Teutfcb*
lanb einig merben? Tem Einheit g-S t a a t e ift bag Stefteben bon ßönig*
reichen mie 33aiern unb ^reuben unb eineg laiferreicbg mie Oefterveich jumiber,
benn teineg baoon ift auf bie Sange bergeit nntermerf* ober berfdbmeljbar, unb
einem 23unbegrei<be ftebt bie Tbatfadje entgegen, bab bag übrige Teutfch*
lanb ni<ht ftart genug ift, entmeber Oefterreicb ober $reupen jum ©eborfam
gegen 23erorbnungen au amingen, melche bem ©inen ober bem 2 lnbem mibfatten.
2ln ein Untermerfen ber © r o b m ä (b t e unter bag SHeich ift alfo nicht an ben*
len, unb eine Untermerfung beutfeber Staaten entmeber unter Oefterreicb
ober ^reuben hoffentlich ebenfo unbentbar. 2 lug biefen ©rünben miblangen
atte SSerfuche, Teutfcblanb mehr ftaatlicb an einigen. SBirb eg immer fo blei*
ben? Stein! SMgmard märtet auf 3uftänbe, mo bie alten Siecbtgbegriffe in ben
^jintergrunb treten, ©r meib/ mag er mitt! ©r mitt ben ©inbeitgftaat! ©r
meib auch, m i e er ihn mitt! Turcb 2lnnejration unb 23erf<bmelaung. Tag
beutfebe 23otf unb feine gübrer füllten ficb auch tlar merben, mag pe motten,
unb mie pe eg motten. Sie müffen bag S3unbegrei<b mollen
auf bemSBegebergreibcit! SJtan berftänbige p<b hinüber aum S3or*
aug, unb bie näcbfte grobe ober Heine SBeüe ber Staatgummälaungen pnbe
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332
Seutfhlanb« SBoII, unb nicht feine Regenten allein, flat übet bie »ebfirfnijfe
be« groben »aterlanbe«. 3h meine bamit nicht bie erwartete grobe SJJarifet
Siecolution, atö ob wirSeutfhen immer unferen SHteffia« »on jenfeit« be« SRhein«
beforamen mü&ten. «Rein, e« giebt ein beutfhe« »erfaffungäleben, ba« wahr ju
machen unfere »flicht ift.
Ser Sollbetein ift eine Slnftalt, an ber ba« beutfche »oll lernen lann, wie
man frei fth einigt. Qä geht auf biefe SEBeife ein wenig langfam! SSohlan,
man bränge auf bie ©efchleunigung unb SluSbehnung beSfelben übet ganj
Seutfhlanb unb breche bem Streben «JJreu&enä bie Spi&e ab, Defterreih bar»
aus fern ju halten. Sie Solleinigung bringt anbere, wie türjlih noch bie
©ewiht Einigung, unb bei ben jefcigen 5ßerfehr«mitteln werben bann
balb bie ©nigungäpunfte fth mehren, bie (Sntjmeiungen fth minbern. Hebt
fth ber ßanbel auf bem SRittelmeer, unb wirb biefe« wieber ber grobe Hanbel«*
weg nach Oftinbien, fo wirb ba« füböftliche Seutfchlanb, ba« SDfanhe jefct über
bie Sthfel anfeben, »on felbft ben anbern Staaten wichtiger, unb baburch wer*
ben bie »ereinigung«grünbe unb »eteinigungSbanbe ftärler.
(Schlub folgt.)
Per Priefha|Utt kr Utaknita.
SwHan Kerner.
(gortfefcung.)
ßnblich fehlen bie »ähterin mit ihrer Arbeit ju Stanbe gelommen; ba«
feine Sinnen war faramt unb fonber« geplättet .unb forgfältig ju einjelnen
Stöben jufammengelegt. 9lun war e« ber guten Sitten wohl nicht länger mög-
ich, ben Strom ber ©ebanlen, ber währenb ber Slrbeit burd? ihren ßopf ge*
gangen, gewaltfam in fich }u »etfchlieben; fte lannte wohl bie ©nfilbigleit ihre«
©efährten, aber wenn er ihr auch oft bie Antwort fchulbig blieb, fühlte fie fich
fdhon wefentlich erleichtert, fobalb fte nur felber ihren ©efühlen Suft mähen
tonnte.
„So, ba wäre nun ba« Söettjeug im Stanbe, unb fo blüthenweib unb
weih, e« bie junge Sennora baheim bei ber geftrengen grau 2Jtama wohl
niemal« fhöner gehabt hat. Sa« Himmelbett ift frifh mit ©berbaunen ge*
füllt v .. biefe prähtigen Safen übergebreitet — ah, es mub fth barauf fhlafen
wie im Himmel! greilih — um’« Schlafen wirb’« ber jungen gnäbigen Sen*
nora nicht }U tbun fein —per dios, Weib ih boh überhaupt niht, um wa« e«
ihr eigentlich hier in unferer einfamen (Sffannka*), wo fte auber un« »eiben
unb ben ßnehten nur mit bet ©efeUfhaft »on Stieren unb 3iegen »orlieb
*) SJtcJtttrtyföaft.
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333
wirb nehmen möffen^ su tbun fein lönnte. 3$ behaupte auch, es ijt gar nid^t
ihr SBille, bi« b«auS ju fommen, fie mürbe Diel lieber in ihrem prächtigen
Sßalaft in ber Stabt bleiben, wo fte junge febone Herren unb feine Samen fo
Diele fie will jur ©efetlfchaft haben !ann—aber ihr ©emabl, Son GScooebo, bem
pafst eS beffer, wenn fte ftch hier in ber Ginfamfeit langweilt, wo ihm fein mübfam
erworbenes ßleinob ftch« ift, wo er nicht $tt fürchten braucht, bah ihm ein jün*
getet unb fchönerer Nebenbuhler bei feinem reijenben SCBeibchen ben Nang ab*
läuft.... 3a# ja, eS tbut niemals gut mit bem gar su oerfchiebenen Nlter bei
Gbeleuten; 2llt unb Saug sufammengefebmiebet, Gis unb Sonnenglutb an
einem Sage — baS ift gegen bie Negeln ber Natur. 3<b will nicht fagen,
bafj jwifchen Ntann unb SBeib im 2llter gar fein Unterfhteb befteben bürfe,
o nein, aber eS barf nicht fo fein, t>afj baS Gine fchon im Schritt marfchirt
ober gar am warmen Ofen oerfchnaufen mochte, währenb baS Slnbere noch im
©alopp burch bie 2Belt jagt; eS mufj fo fein wie bei uns, Soribo, ber SNann
ein halb Sufcenb Säbrchen mehr als bie grau, baS giebt bann im Sitter bie
befte Harmonie unb Ginigteit."
„Seiner 3unge nterft man {ebenfalls an, bafe fte jünger ift als bie meinige,
SBenturä", fagte ber Ntann, nachbem bie Nebfeligleit ber grau enblidh einen
furjen ^altepunft gefunbeti; „aus bem Uebrigen würbe fieb baS wobt febr
fchwer fhliejjen taffen."
„2öaS ? SaS foll wohl gar beiden, ich wäre eine alte bä&liche #e?e, mäh*
renb ber Ntann ba mit feinen wetten paaren ftch noch für einen güngling
auSgeben fönnte ? Nein, über biefe Unoerfhämtbeit, biefe Unbanfbarfeit ber
ütttänner! SGßenn ich alt bin/'wo bin icb’S benn geworben? Sabiner lang*
»eiligen ©efellfdbaft, bei ber barten Slrbeit, ju ber ich Derurtbeilt würbe, als ich
oor jwanjig gab^n fo thöricht war, Sich S um Ntanne su nehmen!"
„Sachte, fachte, Sllte, wir haben ja immer wartet jufammengearbeitet,
unb ftnb in ben jwansig %a\)xtn auch fo erträglich mit einanber auSgefom*
men", Derfefcte ber Ntann befänjtigenb.
„Sie erfennen es nicht an, was man für fte getban, fte machen Ginem
am Gnbe gar noch Vorwürfe barüber", fuhr bie Suenga, wenn auch noch grol*
lenb, hoch fchon Diel befänftigter fort. „SeShalb bat oielleicbt Sonna Seon*
tica gar nicht fo übel getban, einen alten ÜNann su nehmen, ber ihr bodh nicht
al^u lange mehr Vorwürfe machen fann. 3a, waS ich Don ber jungen gnäbigen
Sonna fagen wollte: — thu nur einmal ben üNunb auf, Soribio, unb lab ein
SBörtchen oerlauten, was Su Don biefem feltfanten 23efu<h hier auf ber einfa*
men ^acienba in ben $ampaS hältft ?"
„Garamba, Sllte, waS foll ich baoon halten, als bafj uns bie Sache Slrbeit
macht!"
.„Slrbeit; wenn es bamit getban wäre! Ser Ntenfch ift jum Arbeiten auf
ber Söett, obwohl cS natürlich beffer ift, er arbeitet für ftch als ewig für Slnbere.
SffiaS mich mehr brürtt als bie getbane unb noch su tbuenbe Slrbeit, baS ift ber
gebeimnifjDoUe ©tunb, ber biefen Söefuch oeranlabt. Sroanjig Sabre lang bat
ras
334
$on ©Scooebo faum hin unt> mieber einmal auf ber £acienba übernachtet, unb
nun, ba er eine junge fdjöne grau hat, trägt er plöplich Verlangen, fciet für
längere Seit §u mohnen."
,,©r mirb bie Sanbluft genießen mollen."
r,2l<h maS, baS fann er mit mehr Vequemlichleit auf feinen prächtigen
^acienbaS nahe bei ber Stabt hüben; baju braucht er nicht in bie entlegenen
^ampaS ju lornmen."
„Vielleicht haben ihm bie Aeqte gefagt, bafj bie Suft hier noch suträglicher
fei."
„Vaperlapap, er ift ein ferngefunber Vtann, ber nicht nach ber Suft ju
fragen hat."
„Aber Sonna Seontica foll unmittelbar nach ber ^ochjeit einige SBochen
recht bebenllich Iran! gemefen fein."
„firanf, ja, heilige Vtutter ©otteS, baS meifj man fchon, maS folche
ßranfheit bei einer jungen grau, bie einen alten Sftann nur um feinet Dieidh^
thumS mitten gebeiratbet, ju bebeuten hat! Sie ßranlheit mirb nicht meit her
gemefen fein, aber baS arme $inb hat mahrfcheinlich SHeue empfunben über
feinen übereilten Schritt.... ber £err ©emahl mag ftch über ihre $älte unb
Surüdthaltung geärgert haben.... bie ©iferfucht mirb bei ihm rege gemorben
fein unb- ihn auf ben ©ebanfen gebracht haben, eS fei hoch beffer, bie fchöne
junge grau an einen einfanten Ort gu fchaffen, mo fte gegen alle Verfügungen ber
•Eßelt geftchert fei, bis fte ftch erft an baS neue Verhältnis gemöhnt, bis ihr aus
purer. Sangemeile in ber fchredtlichen ©infamleit bie ©efellfd?aft ihres bejahrten
©hegemahlS angenehm unb unentbehrlich gemorben."
„Ach, maS! Sßeibergefchmäfc!" brummte ber alte Soribio.
„ga rnohl, SBeibergefcSmäfc! 2BaS füllte benn aus euch Männern merben,
menn mir grauen euch nicht erft in alten Singen baS rechte Sicht auffteäten,
euch ben $opf §ure<ht festen, bamit ihr bann fo erträglich euren 2ßeg einher §u
ftolpern Oermogt ? 5ßaS ich fage, ift mohl ermogen unb aus fieberen Ouellen
entnommen. 4>at uns ber förntmerbiener ^ofe, als er geftern ben Vefuch ber
^errfchaft anlünbigte, nicht beutlich genug oerftehen gegeben, mie ftch bie
ganje Sache eigentlich oerhält ? Sonna Seontica, obmohl fte menig bemittelt,
ihr ©emahl aber ein Sfltillionär ift, hat in bie Verbinbung nur auf baS brin*
genbe Streben ihrer Vtutter gemilligt; fte liebte früher einen Anberen, einen
©arcaman*), ber aber nach ber alten SBelt gegangen unb bie Verbinbung mit
ihr abgebrochen hatte. Siefer Siebhaber ift plc^licS surüdgelehrt; fte fah ihn
unmittelbar nach ihrer $o<häeit unb marb burch feinen Anblid fo heftig erregt,
bafj man fte mehrere Söochen für gefährlich Iran! hielt* $er Aufenthalt auf
unferer ^acienba foll fte nun auf anbere ©ebanlen bringen. SaS arme junge
Sing — mie fte mich oon ©runb beS ^eqenS bauert!"
r ,3<h glaube gar, Alte, Su märft im Staube, Sich sur Suträgerin her$u*
*) Spottname ber Europäer.
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335
geben, bet Sennota Seine Vermittlung junt Verleg mit ihrem Suhlen anju»
bieten."
„SSeinft bu, Soribio? Unb thäf idh etwa bamit ein fo großes Unre«ht?
3<h fage Sir, Son GSrooebo hat fehlest gehanbelt, bah et feinen Seidhthum
benubte, um bie alte Same ju blenben unb bem unerfahrenen tfinbe baS 3a«
Wort abjupreffen."
„(Saramba, halt’ Seine 3unge im Baum! Solche Seben lönnten gefährlich
werben."
„einerlei! 3<h rebe bie SBahrheit, unb baran foH mich Siemanb hinbern.
ein SDtann in Son GScooeboS Bahren unb Verhältniffen brauet fuh nicht
mehr mit greierSgebanfen ju tragen, er war feit fünf Bahren SBittwer unb
hätte es bleiben lönnen. es würbe feinem fperjen »iel mehr ehre gemacht
haben, wenn er fuh bemüht hätte, bie fernere Sünbe früherer Bahre ju fühnen,
was ihm bei Sebjeiten feiner erften ©attin unmöglich war. Statt beffen fügt
er ein neues Unrecht hinju, trennt jwei liebenbe fperjen unb jwingt ein junges,
unerfahrenes Stäbchen ju »erhofftem ehebunbe. *ßfui, über foldhen Gigennub,
fol<he ©ewiffenlofigleit!"
„SEBeib, Su wirft uns noch um fjauS unb $of reben!" rief ber alte Slann
halb aufgebracht, halb ängftlidh. „SBir fihulben Son GScooebo ein bübfcbeS
Sümmchen; wenn er es einforberte unb uns ben Sacht lühbigte, wären wir
ruinirte fieute!"
„ei, baS fehlte noch! Gr oon uns eine Schulb eintreiben? Gr unS ben
Sacht fünbigen? So wahr ich in ber heiligen Saufe ben Samen Ventura em»
pfing, baS füllte bem ftotjen Stanne fchlecht belommen! £ab' idh mich etwa
beShalb jurn SBerfjeug feiner »erbrecherifchen Shaten hergegeben, bah er mir
jefct fo lohnen bürfte? #ab’ ich tnich beShalb ju ber fchweren Sünbe oerleiten
laffen, fein Äinb, fein eigen gleifch unb Vlut, in ber SBilbnih beS ©ebirgeS
auSjufeben, wo eS im nächften ülugenfalicf bie Veute eines gierigen SauboogelS
würbe, ber eS jur Hbung feiner Bungen hoch burch bie Süfte auf unjugäng*
liehe ©letfeher entführte, um jefct in meinen alten Sagen »on ihm ber Slrmuth
unb Sothjiberantmortet ju werben ? Sein, Soribio, fo haben wir nicht gewet«
tet. 3<b fßnnte ihm 3llleS, was ich foeben ju Sit gefprochcn, breift in’S ©e*
fuht fagen, unb er würbe eS nicht wagen, mir auch nur ein §aar beShalb ju
Irümmen. 3<h habe ihm auf’s Salrament Verfchwiegenheit jufchwören
müffen, — biefen Schwur will ich halten; er aber hat bagegen gelobt, für
meine Bulunft ju forgen unb bis an’S Gnbe meiner Sage mich Bor Stängel
ju fchühen — idh fage Sir, er foll biefeS ©elöbniffeS atidh eingebenl fein!"
„2ah baS ©efthehene ruhen, Ventura. Stutter unb ßinb fmb tobt; was
nubt eS, ihre ©eifter herauf ju befhwören ? Son GScooebo that wohl, baS
SInbenfen an jene bunllen Vegebenheiten burch eine fröhliche £o<hjeit auSjulö»
fchen. Sie Sobten lönnte er mit all feinen Seidhtbümern nicht wieber jum
Sehen erweefen."
„SaS äinb ift tobt", fagte bie alte grau ernft unb büfter; „was aus ber
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Stutter geworben, meife mohl nur Son Ggcobebo allein. Gr miß ftchere üRach*
rid&t bon ihrem Sobe empfangen haben; — ich glaube nicht baran. Gin bunt*
leg Gerücht behauptete, bie unglüdliche ^nnocentia fei in ein ßlofter gegangen.
Ser reiche Ggcobebo hat ftch leidet mit feinem Gemiffen abgefunben; bie arme
Ventura fann eg ihm nicht gleich thun. 2Kir flfet ber Stachel tief im ^erjen,
unb feine SReue, feine Vufee mirb bie fernere Vlutfchulb bon meinem Raupte
nehmen. SRicht einmal in ber heiligen Reichte burfte ich fie befennen, um
mir aug bem ÜRunbe beg^riefterg Sbfolutionäuberfchaffen; mein Gib berboteg
mir. 3e|jt enblich bietet ftch eine Gelegenheit, mein feit beinah smanjig fahren
fchmer bebrüdteg Gemiffen ju erleichtern. Sie. frommen SSater bon de ln
compania höhen grauen unb Stäbchen aufgeforbett, ihre $er^en ber heiligen
Stutter Gotteg fchriftlich augjufchütten, unb ftch hei ber Gebenebeiten [Raths ju
erholen in aller !Roth nnb ßütnmernife. Sag ift ein gingerjeig beg £immelg;
mein £erj fagt mir, bafe auch für mich her Sugenblid ber Vergebung enblich
heran naht."
„Vift Su toll, Centura V" fuhr ber Site auf. „$u mirft nichtg bon
jenen Greigniffen ber Vergangenheit bem Rapiere anbertrauen — eg hiefee
unfer Gigenthum unb £eben crttfg Spiel fefcen!"
„ÜRabonna ift berfchmiegen; fte mirb bag Geheimnife in ihrem jungfrduli*
chen Vufen treu bemahren unb mich in meiner Verjmeiflung mit füfeem £im*
melgtroft erquiden."
„geh fage Sir, S5eib", rief Soribio mit einet #eftigfeit, bie ju feiner
bigherigen Gelaffenheit in fchneibenbem Gontrafte ftanb, „3)u mirft biefe
Schreiberei unterlaffen, ober-"
Ser Vriefbote.
Gin heftiger Sonnevfchlag erfchütterte bag £aug; zugleich bernahm man
braufeen bag gcllenbe Skehern eineg $ferbeg.
„2Bag ift bag ?" fragte Soribio, plöfclich in feiner Srohung abbrechenb.
„Gg mar feing bon unferen Shieren, bie fmb .alle ftcher brüben im Stalle ber«
mahrt. Skr follte in biefem Unmetter noch fo fpdt burch bie Sßampag tom*
men ?"
„^eilige 2Rutter Gotteg, fei ung gnäbig!" rief Sonna Ventura erfchredt
„Gg tonnten Sauber fein, fte hörten bielleicht bon Son Ggcooebog Sbftcht
hierher ju fommen, unb haben ftch eingeftellt, ihn $u berauben.''
„Skirum nicht gar, bie Gegenb ift ftcher. ülRan hat lange nichtg bon
SRauberunthaten gehört."
Gin frdftigeg Jochen an bie Shür fefcte bie beiben alten Seute in noch
gröfeere Verlegenheit;
„Gg fönnte ber leibhaftige Gottfeibeiung fein, Soribio", flüfterte bie ge*
dngftigte grau ftch befreu 3 igcnb. „Ser Vöfe foll in folchem SBetter umherfchlei*
chen, um feine Opfer $u fuchen."
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„3)ann fönnte et bei uns nur angeflopft l>aben um $idb gu holen, 2Ilte,
unb baS wäre eigentlich Qar fein fo übler ©tnfall," berfefcte Sloribio ärgerlich
unb fdjob babei ben fetteren Siegel bon bet auf bie SBeranba fübrenben
£bur gurüd.
2llS bie $bür aufging, ftanb braunen eine fdbwarg vermummte, bom 9fe*
gen triefenbe ©eftalt.
„5lue üDtaria!" grüfcte ber grembe mit Hangboller Stimme.
„Sin peccado concebida“,*) antwortete ber Pächter.
„3b* guten Öeute, möchtet ihr wohl einem Wiener ber ßirdbe unb feinem
Begleiter, bem SDlefmer, ein Obbadb für bie üftadbt gewahren ? 2ßir ftnb beute
mit Tagesanbruch bom ßlofter be la IHecol^ta oben in ben bergen aufgebro*
(ben unb wollten auf ber ©ftancia übernachten, um morgen unfern 2ßeg nach
ber Stabt fortgufefcen. Ter ©ewitterfturm überrafchte uns in ben $ampaS;
wir rnüffen wohl bom rechten SBege abgefommen fein, benn bie ©ftancia, bie
Wir fchon bor einer Stunbe hätten erreichen follen, will fuh nirgenbS geigen.
Tie 9la<bt ift gu unwirtlich unb unfere %\)im fmb gu ermübet, um baS Um*
berftreifen burdb bie fumpfreidben $ampaS noch langer fortfefcen gu !5nnen.
©ebt uns ein'RadUquarrier, ihr guten Seute; 2Jtabonna de la compania
wirb eS euch vergelten."
„Toribio weift feinen ©aft bon feiner Schwelle, am wenigften einen Wiener
unferer heiligen Kirche", berfe^te ber Sllte, fub bor bem gremben ebrfurdbtS*
boll uerneigenb.- „2egt (Eure burdbnäfcten ©ewänber ab, ebrwürbiger $err,
unb fefct ©ueb bort gum geuer. Tonna Centura wirb gu (Eurer 23ebie*
nung gern bereit fein. 3<h felber gebe, um (Eurem Begleiter bie 5L^icre in ben
Stall bringen gu helfen."
Tie ^ädbterin fam mit großer greunblidbfeit berbeigefniyt unb half bem
gremben, ftch feinet -äftantels unb ber gleichfalls burdbnäjjten Obergewdnber gu
entlebigen. ©r ftanb jefct in bem bis gu ben Knöcheln bernieberreidbenben,
fchlichten Ueberwurf, um bie Taille mit einer fdbwargen Schnur gehalten, wie
ihn bie $riefter im §aufe ober bei einfachen firdblidben Verrichtungen gu tragen
pflegen. (Er war ein junger 9Dlann bon bödbftenS 25 fahren; baS ©eftdbt war
auffallenb bläh unb butte einen leibenben HuSbrud, aus ben Slugen aber, bie
wirflich fchon unb auSbrudSboll gu nennen waren, blifcte guweilen noch jugenb*
licbeS geuer. Tonna Centura legte bebenb einige frifche Scheite in’S ßamin,
fdbob bann ben gepolfterten 2ebnfeffel bidbt baoor unb nötbigte ben ©aft, auf
bemfelben Vlafc gu nehmen.
„Vtabonna bot fichtbar über ©ueb gewadjt, ebrwürbiger £err, inbem fte
bie Schritte ©urer Tbiere gerabe nach unferer «gacienba lenfte", fagte bie
grau, ftch gugleich anfdbidenb, für bie Vewirtbung ihrer ©dfte burdb §erbeU
fdbaffung ber nötbigen ßüdbengerätbe Sorge gu tragen. „SGBeber in ber ©ftan*
*) „Ohne Sünbe empfangen" — eine Lebensart, bie gur Vennflfomnlnung eines ©et*
fteS gebraucht wirb.
»ms
338
cta, bic 3&r allerbtng! oerfehlt habt, ba fte swct Segual meiter öftlich liegt, noch
fonft mo auf zehn Segual in ber föunbe, gattet 3hr beute ein befferel Aacht*
quartier pnben tonnen, all gerabe bei uni. 2)on dlcooebo, ber digenthümer
biefer $acienba, "bat geftern anfünbigen laffen, bap er mit feiner jungen
grau für längere 3eit jum Sefuch hierher tommen merbe, unb mir Seibe,
mein Alter unb ich/ haben feitbem unabläfftg gearbeitet, um jum dm«
pfang ber £errf<haft Alle! in gehörigen Stanb zu fefcen. $al ©aftjimmer
ift bereit, bie Setten ftnb hergerichtet — 3b* werbet duch felber überzeugen,
dhrmürbigfter, bafc mir e! an nicht! fehlen liehen. 2)ie Unechte ftnb heute
borgen mit beiben üffiagen zur Stabt gefahren, um an Sorrätben unb ©eräth*
fchaften noch herbei zu Waffen, mal uni hier fehlt. Solche oornehme £err*
fchaften haben ja hoch gar manche Sebürfniffe, bie auf ber einfamen $acienba
ohne befonbere Sorfehrungen nicht zu befriebigen finb."
„$on dlcooebo ift ber digentbümer biefer £acienba ?" fragte ber junge
Sßriefter überrafcht.
„$on dlcooebo, ber reichfte Atann in Santiago — 3h* tennt ihn ganz
gemifc, dhrmürben."
„dr ift ein treuer Sohn ber Kirche, ein würbigel ©lieb unferer ©emeinbe
Madonna de la compania."
„Ach, dhrmürbeh gehören zu ber ©efellfchaft frommer Säter, bie unferer
heiligen 3ftuttergotte!*£irche zu Santiago fo oiel Auhm unb ©lanz Perleihen,
beren gottfelige Screbtfamteit bie im ©lauben Starten entzüät unb bie 2Ban*
telmüthigen auf ben rechten 2Beg leitet — — melche dbre, melchel ©lütf für
unfer £aul, einen folgen ©aft unter feinem 2)ache aufzunehmen!"
$onna Sentura tniete nieber unb füfjte bie «£janb bei Sßriefterl, mährenb
ihr biefer feinen Segen fpenbete.
„Steht auf, ftebt auf, gute grau! Sor bem drlöfer unb feiner göttlichen
SAutter, unferer gnabenreicben 3ungfrau, tniet nieber, nicht oor beren unmür*
bigem Wiener. 2>on dlcooebo mirb mit feiner ©attin in biefem #aufe mohnen,
fagtet ihr nicht fo?"
„2Bir ermarten ihn fchon in ben näcbften Sagen."
„din recht einfamer Aufenthalt, mie mich beucht, für eine an bie greuben
bei Sebenl gemahnte junge Same."
„Ach ja, ehrmürbiger «gjerr, ich fürchte auch, bah el ber jungen fchönen
Sennora hier in unferen $ampa! nicht fonberlich behagen mirb. SCBir Seibe,
mein Alter unb ich, haben uni fchon recht bie ßöpfe zerbrochen, mal mohl
ben £errn bemegen mag, gerabe hier bei uni feine glitttermochen zu Per*
bringen."
„$on dlcooebo hat aul mahrer Aeigung gebeiratbet; er mirb nichtl un*
ternehmen, mal nicht bie 3uftimmung feiner ©attin hatte. Seib 3hr mit
Sonna Seontica befannt?"
„3<h habe fte gefehen, dhrmürben, natürlich, man mirb ja hoch bie größte
Schönheit Santiago’! gefehen haben, bie zugleich oon aller SBelt all Atufter
3
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339 J
bcr Sittfamfeit unb grömmigfeit gepriefen mirb — aber lernten ? nein, Gbr*
mürben, mie foUte mobl eine grau meinet StanbeS bagu lomrnen, mit einer fo
bornebnten Same belannt gu fein ? Vor gmangig Qabren, als Sonna BEimena,
Son GScoPebo’S erfte Gattin, noch lebte, unb ich in feinem £aufe als Kammer*
gofe biente — ja, ba mar eS anberS, ba bin ich mobl mit mannen oornebmen
$errf<baften in Verübrung gefommen, ba habe ich bie fünften Samen San*
tiago’S gefannt, meil fte täglich bei uns ein unb aus gingen. 3* bamaliger
3eit hätte i(b mobl au<b manche gute Partie machen fönnen; angefebene Ülflän*
ner marben um meine $anb — nun, eS bat einmal fo fein follen, bab icb ben
armen Soribio nahm, ber burdb meine Vermittelung Pon Son GScoPebo biefe
#acienba in ben VampaS gu billigem Vacht erhielt, unb mit bem ich einen
gmar recht ftillen unb einförmigen, aber boeb im Gangen güfriebenen Gbeftanb
führe."
Ser Geiftliche moUte baS Gefpräch, melcheS für ihn eine intereffante 2Ben*
bung genommen, gern fortfefcen, brach aber hoch rafch ab, als Soribio mit bem
gleichfalls gang burcbnäfjten ^Ulebner ins Sintmer trat unb bie SMoung machte,
bah bie Sbiere ins Srodene gebracht unb für bie ÜKacbt Perforgt feien. Ser
junge Sßriefter fagte ihm feinen Sani, mdbrenb ber Dftefjner ftch’S am geuer be*
quem machte unb bon bem Pächter mit trodener gubbefleibung unb einem mar*
men $on<ho berfehen mürbe. Sonna Ventura trippelte bebenbe bin unb her
unb traf ihre Vorbereitungen gum Slbenbmahle. gn ber Vfanne über bem
geuer brobelten fchon bie auSgefchlagenen Gier, unb in gierlichen GlaSfchüffel*
eben mürben eingemachte grüdjte unb SomatoeS bereit geftellt. Ueber ben
groben runben Sifd? bedte fte ein feines Seintuch unb fcbleppte bann aus einer
anftofjenben Kammer Seiler unb Scbüffeln aus feinem meibem Vorgellan ber*
bei, bie gemib nur bei feierlichen Gelegenheiten benupt mürben, unb beren alt*
mobifebe gorm auf ein febr refpeltableS Sllter fchlieben lieb.
,,3‘ch bebaure, gute grau, bab 3b* @u<h um unferetmillen fo grobe Vtübe
macht", fagte ber junge Vriefter. „Ser einfachfte gmbib, einige Vrobfchnitte
unb ein Scblud Sflatä, mürbe unferem Vebürfnib Pöllig genügt haben."
„ßeine 2ftübe, ebrmürbiger £err!" Perfekte bie Suenga. „2Bir betrachten
es als ein un'perbienteS Glüd, als eine hohe Gunft SDiabonna’S, bab ihre treuen
Siener bie Schmelle biefeS £aufeS überfchritten unb unfere Gaftfreunbfchaft in
Slnfpruch genommen. Gern traten mir mehr, menn eS unfere fchmachen
2Hittel erlaubten; nehmt beSbalb ben guten SBiflen für bie Sbat unb per*
fchmdbt nicht baS SBenige, maS mir Gucb gu bieten Permögen. £ier ftnb
hueros revueltos con tomatoes *), bie*, Pom Vtittag übrig geblieben, noch
einige Stüde osado con caldo**). Vielleicht feib 3b* «in greunb Pon
Sübem — tbut mir bie Siebe unb nehmet etmaS Pon biefen in 3uder gelochten
*) ütübreter mit SomatoeS.
**) ftleifch, am Spicjj gebraten, mit ßmiebeifauce — ba$ ßemöbnlihfte Gericht in ben
siegreichen Säubern Sübftmerifa’S.
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durasnos *), bie Guch hoffentlich munben werben, ^ätte ich atmen tön»
nen, welches ©lüd unferem £aufe heute tiod> belieben fei, 3br battet ein bef»
fereS ©aßl oorfinben feilen.' 1
•„SDtebr als ju Biel, meine Sieben! Saftet uns bem himmlifcben ©ebet alles
©uten San! fagen für baS, was er uns bef (hieben."
. Set ©eiftlicbe fpraeß ein furjeS ©ebet, wdbrenb bie Uebrigen bie Jtniee
beugten unb in Slnbadjt bie £änbe falteten. 2llS baS ©ebet beenbigt war,
fefctc man ftcb ju Stifte, unb bie Suenga lieg es ftcb nicht nehmen, ihren ©äften
fogleidj bie beften SSiffen aus allen Scbüjfeln oorjulegen.
„Sarf ich ben Herren ein ©laS ©enboja»©ein ober unoerfätfehten 2lgu=
arbiente anbieten?" fragte Soribio.
„Ser ©ein ift wirtlich äiht, Cßtmürben", Waltete bie grau ein. „Gin
Gapataj, ber mit feinem Dcßfcngefpann oorüber. tarn, machte uns einige
glafdhen jurn ©efchenf, weil wir ihn einft in einer Iranlßeit gepflegt. Gr
hatte ben ©ein in Gopiapo oon einem Kaufmann erhalten, ber ihn felber über
bie Gorbidere gebracht."
„3<h bante Guch heimlich, HmigoS", Oerfeßte ber »rieftet; „boch es ge»
febiebt nur feiten, bah ich getftige ©etränle ju mir nehme, unb ein ©elübbe
oerbietet mir gerabe jeßt, mich bem Genuß berfelben hinjugeben. 2lu<b »ruber
gelippe trdgt wohl lein »erlangen banach. ©odt 3ßr uns aber mit einer
Safte ©ate erquiden, fo werben wir bie SiebeSgabe mit unferem beglichen
Saute oergelten."
„Ser ©ate ftetjt feßon bereit — hier bie bombillas! **) ffiebient Guch,
langt ju, ehrwürbige Herren, unb geht mir ben »eweiS, baß unfer frugales
©ahl Guren »eifad hat", oerfeßte Sonna SBentura, unb feßob ben ©äften ju»
gleich mit ben oon bem aromatifeßen ©etrdnte bampfenben Saften nochmals bie
gefüdten Scbüffetn ju, um ftcb barauS ju bebienen.
„3dl hätte heute wahrlich nicht an Gurer 6tede fein mögen, ehrwürbige ‘
Herren", nahm Soribio nach einer lurjen »aufe, wdbrenb beren ©irthe unb
©äfte tüchtig jugegriffen, bc« ©ort. „Ser »ampero brauf’t mit feltener §ef»
tigfeit über bie Steppe, unb ber $immel feßeint ade feine Scßleußen geöffnet ju
haben. Solche Sachen, wie fte feit ein paar Stunben braußen um unferet
Üacienba entftanben, waren hier feit gaßren nicht ju feben."
„Sott unb aden ^eiligen Sanf, baß wir noch oor oödigem Ginbruch ber
Stacht ein fcßüßenbeS Obbach fanben", entgegnete »ruber gelippe, ber ©eßnet.
„So lange ich lebe, fod mir biefer SRitt burch bie halb überfchwemmten »am»
paS, in ©itten beS wilbeften Aufruhrs ber Glemente, im ©ebäcbtniß bleiben-
Unb nicht genug, baß Sturm unb Stegen uns heimfuchten, hatten wir auch
noch in beftänbiger gurcht oor ben Angriffen böfer ©enfehen ju fchweben."
*) fPjtrjicbe.
**) Die SBombWa tfi ein fctne<$ 2fletatlröbr<hett, mit bcffcit ^>uXfc ber ©übamerifaner
ferne ßiebttngSöetränfe, namentlich auch ben 3J?at6 ober ^araöua^ee, einjufchlürfen pfTcgt.
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,,9Ber fottte eS tragen, an ©eweibte beS $erm bie tudjlofe $anb jn le*
gen ?“ fragte Sotibio »erwunbert.
„63 gtebt große Uebeitßäter, Slmigo, bie felbft »or ber Sdjänbung beS
^eiligen niibtflUrüdfcbreden. Qm ftlofter be Ia SRecoleta toarnte man un# »or
bem Stäuber ©aSqitale, bejfen ©anbe feit einigen Sagen in ber ©egenb non
©uraca unb ben ©fluchten non lo3 GtujoS ißt Untoefen treibt ©tebrere
Steifenbe finb bort angebalten unb ibre3 ©elbeS beraubt worben. 3 >» Softer
felber hegt man ernftlicbe ©eforgniß cor einem Ueberfall unb bat un3 ben 3luf.
trag gegeben, bie Stegierung in Santiago um Slbfenbung einiger Solbaten jum
Schuß be3 flloftereigentbumS anjugeben."
„Ser Stäuber ©aSquale, fagt 3b* toieberbolte*Soribio erfcbroden. „Ser
wilbe ©aSquale, ber »or }ebn fahren in biefer ©egenb fein SÜßefen getrieben,
feitbem aber fi<b tief in bie Gorbilleten jutüdgejogen, weil e3 ibm hier unten in
bet 6bene nicht mehr gebeuer »orlam ?"
„Serfelbe; fo erjäblte man un3 ju la Steooleta."
„Saun möge ©ott unb bie heilige Jungfrau biefe ©egeub
fcbüßen!" rief ber ©ächtet entfeßt. „6r ift ein Seufel in ©tenfcbengeftalt,
unb »ergeben3 werben bie Solbaten ber Stegierung auf ibn fabnben, benn
feine Schlauheit ift faft noch größer al3 feine ©oSbeit unb ©raufamfeit.“
„Ser ©öfewicbt wirb ber bimmlifcben ©erecbtigteit nicht entgehen, auch
wenn er ber irbifdjen erfolgreich Stoß bieten follte", bemerlte ber junge Sßriefter.
„3njWif<hen mag er fuß Wohl »orfeben. Sie Stegierung Se. GfceUenj unfere3
gegenwärtigen ©räfibenten läßt e3 fi<h angelegen fein, Sehen unb Gigen«
tbum ber ©ärger ju fcbüßen, unb wenn ber Stäuber beute ben ©ebörben in bie
$änbe fiele, möchte er nicht fo leichten itaufeS baoon tommen, wie e3 ihm in
früheren 3eiten gelungen fein fotl."
SaS ©efprädj batte fuh einem Shema jugewanbt, in welchem bet ©ächtet
febr bewanbert ju fein fchien. 6r wußte eine ©tenge ©efcbicßten ju erjäblen
»on ben »erwegenen Sbaten, bie ber wilbe ©aSquale in früheren fahren in
ben ©ampaS unb auf ben nach ber ^jauptftabt führenben Straßen »erübt, wie
et ben Stachftellungen ber ©ebörben erfolgreich Stoß geboten unb mehrmals
entfommen, nachbem man ihn wirtlich eingefangen, einmal fogar au3
bem wobloerwabrten ©efängniß Santiagos, juft am ©Jörgen beS SagS, an
welchem ba3 über ihn »erhängte SobeSurtbeil jur ©ollftredung lommen follte.
63 müffe ein febr gewichtiger ©mnb fein, meinte Soribio, ber ben Stäuber ge»
rabe jeßt wiebet au3 feinem fieberen ©erfted in ben ©ergen heraus in’S offene
fianb führe, wo ihm fo »iel ©efabr brobe.
Unter folgen Unterhaltungen war ba3 ©tabl beenbigt worben. Ser
©eiftliebe fpracb ben Segen unb brüdte barauf ben SEßunfch aus, fuß jur Stube
ju begeben, um am nächften ©torgen noch »or SageSanbruch ben 3Beg nach ber
Stabt fortfeßen ju tönnen, bie er, bringenbet ©efcßäfte halber, am Stacbmittag
•t erreiche» wünfdje.
„Sann müßt 3b* Such atterbingä febr jeitig aufmachen, Gbrwürben",
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Gäffeften be§ $riefter§, bie fie au3 bem SBohnjimmer für tfm mitgenommen, be*
ßutfam baneben. 3)ann machte fxe fid^ an ben Selten }u fdhaffen, bie fle mit
funbiger $anb nochmals auffdhüttelte unb glättete.
/,3b* müßt eben mit bem Sinter borlieb nehmen mie eS ift, ehrmürbiger
$err", fagte fte. „GS fehlt nodh gar manches an ber Ginrichtung, meShalb
mir bie Unechte nach ber Stabt gefcßidtt höben, um eS aus $on GScobeboS im
Ueberfluß auSgeftatteter SBoßnung ^erbeijufd^affen. 25aS neu bermählte Sßaar
mürbe fonft hier manche Sequemlidhfeiten bermiffen, unb auch 3h* müßt heute
noch in mancher Segießung ben guten SBißen für bie 5that nehmen. Seben*
falls feib 3h* hier beffer aufgehoben als auf ber Gftancia, bie gut genug fein
mag für 2*operoS, Staulthiertreiber unb manbernbe (SauchoS, einem geheilig*
ten Wiener ber Kirche aber fein mürbigeS Obbach gu bieten bermag."
„3h* thut gu biel, gute grau", berfeßte ber ^riefter, naebbem er einen
Sltcf burch baS 3iiuwer gemorfen, beffen unermartet glängenbe SuSftattung
ihn ftchtbar überrafchte. „3$ bin nicht gemohnt, in Räumen mie btefeS gu
mohnen, unb muß geftehen, baß ich fie in einer einfamen ^acienba *ber $atn«*
paS gu finben nicht ermartet batte. greilidh — $on GScobeboS Gigenthum
muß in Uebereinftimmung mit ber erhabenen Stellung unb bem unermeßlichen
Seichthum beS SeftßerS auSgcftattet fein."
„Seich, ja, baS ift er; bieffeits ber (Morbidere giebt’S gemiß nicht Siete,
bie ftch mit ihm meffen fönnen", ftimmte bie gefchmäßige 2)uenga ein, unb feßte
bann im$one überlegenen SöiffcnS hiugu: „2>er £err hat eben ©lücf gehabt.
GS mar nicht immer fo, baß er im Ueberfluß lebte mie heute."
„3h* fennt bie Serhältniffe S)oti GScobeboS fehr genau ?" forfchte ber
Sßriefter, ohne ftch jebodß irgenbmie ben Schein ber Seugierbe gu geben.
„Ob ich fte fenne, ehrmürbiger Sater! 3<h habe fchon manchmal gemünzt,
meniger babon gu fennen."
„3h * moßt'bamit nicht fagen, gute grau, baß er fich in Segug auf feine
Sergangenheit einen Sormurf gu machen hatte ?"
„Sein, baS miß ich nicht fagen, Ghrmürbigfter! Seiche Seute fmb ja im«*
mer im Sedßt, unb haben ftch nie Sormürfe gu machen."
„Seine erfte Gße faß nicht bie glüdßichfte gemefen fein."
„Sebet man nodh heute babon ? Sun ja — 2)onna 3Eimena mar eine
jtotge, unbeugfame grau — ber «gerr ging auch immer feinen eigenen 2Beg —
bie 2Bege Seiber liefen auSeinanber-$o<h maS feßmaße ich ba? 2Bie biete
mirflidh glücflidhe Ghen giebt eS benn ? kleine Stißberftänbniffe, Keine Uneinig«*
feiten fommen ja immer bor-"
,,3)ie mahrhaft chriftliche Ghe foß fte bermeiben. 3San fprießt bon einem
früheren Serhaltniß 2)on GScobeboS, baS feiner (Sattin biel Kummer gemacht....
@3 mag mohl SßcS eitet Serleumbung fein, maS man bem maderen Stanne
nadbfagt."
„S)em maeferen Slanne! 3a, ja, ein fehr maeferer SSann! 0, mer ihn
fennt mie ich, ber müßte mohl barüber gu reben", fagte bie Site mit eigenthüm*
-* 344 *
lidher, fafl farfafHfdher Betonung, befann ftd? aber taf<& unb fefete mte eittfd&ul«
- bigenb hi«$u: „Sir fmb ja Me nur füubige 2ftenfdhenfinber, ber IReidhe mie
ber 2ltme, unb.Seber bat feine gebier, nidht wahr, Ghrmürben?"
„©emifs, meine Siebe! 3h r feib eine dhriftlidh gef:nnte grau, unb es füllte
mid? freuen, auch ferner mit (Sud? in SBerbinbung gu bleiben. Senn Gudh Guer
Seg nadh ber Stabt fuhrt, füllt 3hr mit in unferm Gonbent beglich wMfom*
men fein."
„$aS wirb fub fc^n?cr machen, unb bodh mar eS fdhon längft mein in«
nigfter Sunfdh, ben Gonbent ber heiligen SBdter non de la eompania $u be*
fudhen."
„Sirflidh ? Solltet 3h* baS ? So füllte Gudh audh nichts abhalten, ber
frommen Sßflidht ©enüge ju leiften. SaS fonnte Gud? wichtiger fein, als baS
$eil Gurer Seele ? Senn 3hr nach ber Stabt lommt unb im Gonbent bor*
fpredht, fo fragt nach 23ruber Manuel, unb man wirb Gudh an mich weifen."
„3hr, 3h* feib $ater übtanuel?" rief 2)onna Centura überrafcht.
„So* nennt man midh im Gonbent/'
„$er junge ©eiftlidhe, helfen feuriger SBerebtfamfeit unb heiligem Gifer in
SBerfünbigung beS wahren ©otteSmorteS deiner ja wiberftehen bermag ? 3eber
fromme ©laubige, ber aus ber Stabt tomint, ift boH beS IRubmeS Gurer fegenS*
bollen $hätigfeit. ©lüdlidhe Stunbe, welche Gudh über unfere Schwelle
führte!"
Gin flüchtiges IRotb färbte bie blaffen Sangen beSSJJrtefterS; feine Slugen
leuchteten.
„3hr labt meinem fdhmachen SSerbienfl ju grobe Ghre wiberfahren, gute
grau. 3<b liege meinem heiligen ©eruf mit ganzer Seele ob, unb mürbe midh
glüdlidh fdhdjen, wenn ber in Siebe unb- ©ottbertrauen auSgeftreute Saamen
feine grüdhte trüge. Serbe ich Gudh in unferm Gonbent feben ?"
„Senn es fub thun labt, ganj gemib, ehrmürbiger $ater. 2)er 93efu<h
ber ^errfchaft wirb eS freilich mieber ein Seilchen berjögern.... eS giebt ba
alle $änbe boll auf ber £acienba ju thun, unb idh merbe midh am menigften
entfernen bürfen. Slber §u Mer*Seelen, ja, wenn nidhtS SöefonbereS borfäHt,
ba miH idh meinen Sillen burdhfe&en unb $ur Stabt tommen, mag auch ber Me
brummen fo biel eS ihm beliebt/'
„Guer ©atte mirb Gud? nidht an ber Grfüßung frommer Pflichten hi«*
bern."
„SJteint 3h*, Ghrmürben ? 3a, ba lennt 3br ihn fdhledht! D, bie SWdnner
fmb fo tprannifdh; eS ift abfdheulidh, meldhe Mforberungen fie (teilen. MeS
nehmen fie für ft<h allein in Slnfprud?,* unb nidht einmal bet heiligen SKutter
©ottcS foll man fein gepre&teS #era auSfdhütten bürfen."
w $er SDUittcr ©otteS?"
„3a, ich habe an fie gefdhrieben,* mie eS bie frommen SSdter bon de la
eompania empfohlen; allein Soribio ...
w £at er etmaS bagegen?"
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345
w ©r »erbot es mir aufs Strengfte. ©S gäbe ein Ungtüd, wenn er er*
führe, bab ich feinem Verbote trofce, unb trogen mub idh ihm bo<h, ni<ht wahr,
©hrwürben?"
„©otteS ©ebot geht über -Utenfchenwillen.' 4
„60 benF ich auch. IKein irbifdjeS ©lüdl hab* ich ihm längft geopfert,
an meinem Seelenheil foH er mich wenigftenS nicht fchgbigen. Ter ©rief foH
nach ber Stabt, idh Weib nur nicht, wem idh ihn anoertraue. 3<h badhte an
bie Unechte, bodh fie ftehen auf Seiten ihres £errn unb mürben midh »errathen.
^eilige 2Jtutter ©otteS, ba lommt mir ein ©ebanfel"
„2ßaS meint 3h*/ öute grau?"
„TaS ift ein gingerjeig »on oben — ©u<h hat bie £immelSmutter felber
hierher gefanbt! SBollt 3hr mir ben ©rief beforgen?"
,,©on fersen gern."
„£ier ift er; idh trage ihn bei mir auf ber ©ruft, weil er fonft im $aufe
nirgenbS ficher märe. SBoüt 3b* ihn für mich in ben ©rieffaften ©urer fiirdhe
legen, frommer ©ater?"
,,©S foU mein erfteS ©efdhäft nadh meiner ©üdffehr fein."
„Unb glaubt 3hr, ©hrwürben, bafj 2Jtabonna ihre niebere übtagb einer
Antwort würbigen werbe?"
„SBenn ©uer Schreiben eine foldhe erheifdht, ganj gemifj. ©or bem
Thron ber himmlifdhen ©nabe giebt eS leinen Unterfdhieb ber ©erfon."
„So »ergelten ©udb ©ott unb alle ^eiligen ©ure Siebei SHuhet fanft
unter bem Tache unferer £acienba! gdh merbe für ©udh beten, ehrwürbiger.
©ater, unb ber heiligen Sungfrau bauten, bah fie ©ure Schritte hierher ge*
lenlt."
Tie Tuenga lübte bie £anb beS ©rieftet, ber ihr bereitwillig feinen Se*
gen ertbeilte. ßniyenb entfernte fie ft<h bann, nadhbem fie ihrem ©aft noch*
mals wohl §u ruhen gewünfeht, unb »on biefem erfudht worben, ihn unb feinen
©egleiter unfehlbar eine Stunbe »or Tagesanbruch su Weden, ba fie mit bem
erften üftorgengrauen aufbrechen unb ihre Thiere tüchtig in Trab erhalten
müßten, um bis sum Mittag bie Stabt su erreichen.
3HS bie Sllte baS 3immer »erlaffen hatte, ftanb ©ater SDtamrtt einige Slu*
genblidle mit »erfchtänften Slrmen unb wie in tiefes Dkchfinnen »erfunten.
Tann ging er nach ber Thür unb verriegelte biefelbe. ©ine leichte ©öthe be*
bedtte noch immer fein sarteS, burchfichtigeS 2lnt% unb aus feinen auSbrudS*
»ollen 3 ügen fpradh eine mehr als blojj »orübergehenbe ©rregung.
„3<h werbe alle Urfache haben, mit bem Sturm, ber mich gerabe hierher
führte, fehr sufrieben su fein", murmelte er »or fidh hi«/ inbem er mit haftigen
Schritten baS 3immer burchmab. Tie ©elanntfdhaft biefer guten, ftrenggläu*
bigen grau, bie »on Ton ©Sco»ebo’S ©ergangenheit mehr weib als fte jefct noch
»errathen mag, lonnte für mich unter Umftänben überaus werth»oll werben,
©elänge es mir, ben Schleier su lüften, ber jefct noch gewiffe ©eheimnijfe be*
bedtt, »ermodhte ich baS Tunfel su burdhfehauen, in weldheS baS frühere Seben
M MfflionärS gehüllt tp, fo »dre ich bamit meinem Seontica gu gemin*
new, um «nett mächtigen Stritt näher gerüeft. Seontica... .ha, »ie alle
meine Sßutfe fhlagen, »ie p<h meine Sinne oerwirren beim ©ebanfen an bieS
göttliche SBeib! Ser 3ufall, nein, ein gunftigeö ©efhid führt mich in baS
$au^, ben IRaum, bet gu ihrer Slufnahme bereit ift_ich athme bie Suft,
»eldbe pe athmen wirb-rings um'mich her fehe ich bie ©egenflänbe, bie
Phon morgen, übermorgen gu ihrem ©ebrauhe bienen... .ich berühre ba£ Sa*
ger, beffen fhwellenbe Riffen ihre reigenben ©lieber umfangen »erben-
o £err, mein ©ott! e£ ift gu oiel für einen fhtoahen ©rbenfohn, bem bu ein
»arm empflnbenbeS #erg, ein feurigwallenbeS Vlut oerlieben! gühre uns nicht
in Vcrfud&ung, beten mir gu bir — laffeft bu aber bennoch bie Verfuhung
an uns berantreten, »er giebt beinern fcb»a(ben ©efhßpf bie Äraft, ihr gu »U
berfteben?...
3)er junge ^rieftet »ar oor bem Säger in bie Äniee gefuttfen; baS fhneeige
Sinnen fühlte feine heifle Stirn; er atbmete rafdb unb tief, unb feint Sippen
prefjten ftdb frampfbaft auf baS gu Raupten Itegenbe $fübl....
SGBobl gehn Minuten oerharrte er in biefer Stellung; pföfclih erhob er p<h
— fein* 3üge bitten bie frühere SRube, ben StuSbrud ber Vtflbe unb reiflichen
Ueberlegung »ieber gewonnen; aus feinem ^Cuge fpra<h eine fefte ©ntfhlof*
fenbeit. -
„Sein 2Beg ip ooller ©efabren unb Slbgrünbe, Manuel", fprah er mit
gebdmpfter Stimme — „er führt nach einem herrlichen, erhabenen 3»el, bo$
ein eingiger gehltritt, unb eS ift um bich gefchehen! geptthut gaffung, ruhige
Ueberlegung Vothf wenn ber ©rfolg baS SBerf gefrönt, bann mag bie Seiben*
fchaft toälfen, bann will ich fchtoelgen im ©enufj! Ugarte glaubte bie Sache
fehr fein eingefäbeft gu haben, als er biefe Verbinbung gu Stanbe brachte —
hm, ber Meifter »irb oieöeiht noch Veranlagung haben, Oon bem Schüler gu
lernen. Sie jugenblich fchöne Vraut »ar ber ßöber, um ben alten Shoren gu
fangen, ferne ungegdhlten Schäle gum höheren diuhme ©otteS ber Kirche gu*
guführen. So gern ich baS arme Opferlamm gerettet, ich burfte eS nicht, ohne
meine eigene* Stellung, alle meine $luSfl<hten für bie Sufunft gu gefäbrben;
am ©nbe »ar ja auch biefe Verbinbung baS gwecfbienlidhfte Mittel, beS oer*
haflten Seutfhen toS gu »erben, ber in Seontica'S $ergen allgu feften $alt
gu gewinnen brohte. ©3 beburfte für pe eines UebergangSflabiumS, um ftc
meinen Münzen geneigt gu machen — biefe £eirath wirft als folheS. Sie
hat mit ber Vergangenheit gebrohen, bie Sufunft liegt öbe unb hoffnungslos
oor ihr, unb nur wenn pe meinen ©mflüfterungen ©ehör giebt, bleibt ihr noch
eine $luSp<ht, bem 8eben angehören gu fßnnetf. Mag fie flh ftrd*»ben, mag
fkh ihr flolger Sinn bagegen auflehnen — bie gugenb unb ein liebebürftenbeS
$erg forbem ihre Rechte. ©elmgt eS mit erft, ihr ben aufgegwungenen ©at*
ten in fdhem Sihte bargupellen, bafj bie Stimme ber Pflicht in ihrem Vufen
oerpummt — bann ip pe mein! Sann foden bie Shape beS alten ©eefen gum
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elften 9M bent »emünftigen 3»e<* bienen, einem glÖdR^en $aare ben $tm*
mel auf Grbeti ju bereiten!"
SKanuel tüite einen Selfel an ben fleinen St'fcb, auf meinem bie fletje
brannte, unb jog ben SBrief, welchen ibm »orher Sontta Centura eingebänbigt, ;
aus bet Safche feines ©ewanbeS. Gr nahm auf bem Seffel $Ia| unb fcbictte
ft(b an, baS mit einem SEBachSftegel nicht febr lünftlüb »erfchlojfene GouPert ju
öjfnen.
„Km einen Srief beantworten ju IBnnen, mufj man ihn »ör alten Sin*
gen lefen. Ugarte pflegt ftch jwar biefeS ©efcbäft felber »orjubebalten; ich febe
aber nicht ein, weshalb ich ihm nicht gelegentlich meine Unterftü|ung an»
gebeiben laffen foll-2lh, welche 3umutbung fürSWabomta, eine folche
^anbfchrift ja lefen!.... Verfuchen wir, baS Anliegen ber guten 3llten ju
enfjiffern .... mit einiger Hebung in bem ©efchäft wirb eS fchon gelin*
gen." :
Ser ^rieftet htieTt ben entfaltenen SBrief bicht hinter baS Sicht unb ftrengte
fteb an, ben Snhait heraus ju buchftabiren. ge weiter er laS, um fo höbet
flieg feine Slufmerlfamleit.
„§a, baS ift mehr als ich erwartete! Siefer SBrief, in frommer Ginfalt
abgefafjt, enthält ein wichtiges ©eftänbnifs unb leitet auf eine Spur, beren
weitere Verfolgung bie überrafchenbften Grgebniffe liefern möchte. Sie alte
grau (lagt ft<b eines VtorbeS an.... beS VtorbeS eines fiinbeS, baS fte auf
Vefebl feines reichen Vaters in ber SSilbnifi auSgefefct, Wo es ein SRauboogel
getöbtet.... Sie SDtutter beS ÄinbeS, ein tugenbhafteS Vtäbchen aus guter
gamilie, ift »on bem Verführer fchnöbe »erfto&en, piefleicht ermorbet Wot*
ben- Ginmal ging ein ©erücht, fie fei in ein älofter gebracht worben, wo
fte ben Verftanb »erloren-Sie Schreiberin fleht SDtabonna um Vergebung
ihrer ferneren Sünbe.... wenn bie Butter beS äinbeS lebt, bittet fte,- ihr
»iefelbe entgegen $u führen, um ihr SlßeS ju geftehen unb auch beren Verjei*
hung erlangen }u lönnen-Jlamett ftnb nirgettbS genannt.... hier aber
heift eS, bah bie Schreiberin fchon feit jwanjig fahren Pon ben Vorwürfen
ihres ©ewiffenS gemartert werbe.... 3wanjig gabre? Sagte mir nicht bie
grau/baf eS fo lange her fei, feit fie in Sienften SonGScooeboSgeftanben?..
ga, ja, baS fagte fte; auch beutete fte an, bafj bie Vergangenheit ihres ehetna*
ligen $etm feine maleBofe fei.... Sollte eS unter biefen Umftänben befonbere
Schwierigleite« haben, ben Kamen beS reichen Verführers, beS VtörberS feine«
eigenen SmbeS, ju errathen?....
„Sie SDlutter m ein Jttefter gebracht unb in 2Babnjtnn »erfaßen.... Sie
ift mir benn ? $abe ich nicht erft geftem »on einer SBahnfinnigen gehört, bie
feit langen Sahnen in bem unterirbifchen ©ewölb’e eine« JUofterS fchmach*
tet?-©anj recht, ein SBrief an Ugarte-wo ift hoch bet SBrief, ben üb
geftemm 2a Vecoleta empfing?-Sein 3nbalt fcbeint mir pföjlich «ine
eigenthürnftche Vebeutung ju gewinnen—"
®tanuel hatte aus ber Safche feine« Untergewanbe« ein jufantmengebun*
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beneg Portefeuille betoorgebolt, bag er Saftig öffnete. ©g enthielt biele ©riefe
unb Papiere. ©tit oot Ungebulb jitternben $änben müblteer in benfelben_
plöfclich jog er einen bereite erbrochenen ©rief beroor, t>en er rafcß entfaltete
unb mit fieberhaft glänsenbem Sluge überflog.
„©erebrunggmürbiger Pater unb geliebter ©ruber in ©brifto! ©ne trau*
rige ©otfcßaft ift eg, bie ich ju melben habe. Unfer alteg einfameg tötofter
San ©ofario, ein ftarter ©orpoften beg maßren ©laubeng in ber Sßilbniß, liegt
in Krümmern, ©n ©rbbeben bat eg oon ©runb aug jerftört. Seiber haben
mir ben Sob unfereg mürbigen Priorg unb beg frommen ©ruberg ©tateo su
beflagen. 3<h unb ber Pförtner mürben mie bur(h ein SCßunber gerettet. 2lu<h
bie Iranle Schmefter Su^S ift unberfehrt geblieben. Sie befanb ßcß, Seinem
augbrüdlicßem ©efehl gemäß, in ben unterirbifdhen ©emölben eingefcßloffen,
bie ße mäßrenb ber lebten Sahre feiten oetließ; fonft mürbe auch
ße bem ©erßängniß nicht entronnen fein. Sa an biefer unmirthlichen
Statte nicht langer unferg ©leibeng ift, merben mir ung gen Süben
auf ben 2öeg machen. Sag ßlofter Sa ©ecoleta ift unfer &kl. $ieg mürbe
mohl ber ßcßerfte Slufbemaßrunggort für bie unglüdliche Schmefter fein, bie mir
moblbebalten borthin su fcßaffen hoffen, ©ieb Su einftmeilen ©efehl su ihrer
Aufnahme unb ßtheren ©ermahrung. ihrem geiftigen ©eßnben ift feine
Slenberung eingetreten. Sie Stacht beg SBahnßnng halt ße noch immer um*
fangen; nicht einmal bag fdjredfiche ©eigniß, melcheg unfern ©rübern bag
Sehen foftete unb ung unfereg Dbbacßg beraubte, fchien ©nbrud auf ße su
machen; ße lächelte, alg mie ihr bie Stacßricht Oon unferer balbigen Slbreifemit*
theilten. ©löge ©ott ihrer umnachteten Seele gnäbig fein!
Sein treuer unb ftetg geborfamer Siener
Pebro."
Ser Priefter fprang haftig oon feinem Sifc empor. „3a, ja", rief er, ßch
pergeffenb, mit überlauter Stimme, „biefe mahnßnnige 3ne$ unb bie berftoßene
©eliebte beg reichen ©tanneg, ber fein eigeneg äinb gemorbet, eg möchte leicht
eine unb biefelbe Perfon fein! Unb menn ße eg märe, bann bin ich einem ©e*
beimniß auf ber Spur, bag ich mir nicht um alle Schäfte 3ubieng abfaufen
ließe. Ugarte glaubt bag Spiel gemonnen su haben — er möge sufeßen, baß
ich ihm nicht im leftten Slugenblid ben Stumpf aug ben %rten siehe! Ser ©rief
biefeg Pebro mar an ihn gerichtet; hoch ba er alg feßr eilig unb rafcße ©rlebi*
gung ßeif<henb beseidjnet mürbe, erlaubte ich mir, ißn su öffnen. Sie 2ln*
fömmltnge aug San Stofario merben für’g ©fte auf meine Slnorbnung in Sa
©ecoleta Aufnahme ßnben. SBag meiter mit ihnen gefcheßen foH, mag Ugarte
beftimmen; boch mirb eg meine Sorge fein, baß bie ©Babnßnnige nicht aber*
tnalg in einem unterirbifchen ©emolbe oerfcßminbet, ohne baß idh müßte, mo ße
im Stothfad su ßnben fei. 41
Set Sturm hatte auggetobt. Siefe nächtliche Stille berrfcßte auf ben
enblofen Pampag; nur sumeilen ließ ßch bag ©efrächs ber ©ulen ober ber gel*
lenbe Schrei eineg ffiafferoogelg oernehmen. Sag bunfle ©emölf hatte ßch
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jerftreut, unb auf Slugenblide fiel fogar bei fable Schein bei SJtonbel
bernieber unb fpiegelte ficb in ben auf bet gralreidben Steppe jutüdgebliebenen
ßa^en. Still unb buntel lag bie $acienba; nur aul ben nach bem ©arten
fübrenben, bidbt oerbängten genftem bei $<nterjimnterl brang no<b in fpdter
Stacht ein matter Sidbtfdbimmer unb oerlöfcbte erft nachbem bie erfte Stunbe
bei neuen !£agel bereit! angebrochen.
(Sortfefcung folgt).
^ttbrew Jtoljnfon.
S3on 5tubolt>& Secoto.
Treason U a crime, and must be made odioas,
Andrew Johnson,
$te Sefpredbung tritifcber SDtomente in bem Men ber Völler gehört jut
Slufgabe jeber 3eitf<hrift. Sie wirb jur gebieterifchen Pflicht, tpenn, toie
in einer SRepublil, bie Vefeitigung ber ©efabr nidbt in ber #anb bei ©njelnen,
bei Souoetainl, liegt, fonbern oon ber Gonfolibirung bet öffentlichen 3Jtei*
nung unb ber SBefeftigung bei SBillen! ber Nation abbängt.
©n SJtoment bat für unfere SRepublil bie Vebeutung, toelcbe Sabre für bie
äßollet ©tropa’l beftfcen. ©ner plötzlichen ^nitiatioe folgt eine rafebe <8nt*
toidelung. Von neuen Sbeen gepadß, bringen mir fie jur praltiphen Slnmen»
bung, unbfeben ihre SRefultate lange beoor man brüben nur ben Verbadbt gegen
ben'blofien ©ebanlen bemeiftert bat, bet eine Steuerung anftrebt. Vei
biefer ©afticität bei SBirlenl, tiefen unermarteten Situationlmedbfeln wirb oft
bie llarfte Sogil, melcbe bie Veurtbeiluitg ber nädbften Sulunft auf bie ©geh*
niffe ber jüngften Vergangenheit ftüfet, }u Sdbanbe. Vermeffen märe el ba*
ber, mollte ficb eine SDtonatlfdbrift bie Slufgabe ftellen, beten ©Füllung felbft
ber augelprcffc bei biefem fteten SBecbfel, tiefem unaufbaltfamen drängen bet
©eigniffe, fo fhmet mirb. 2Bit begnügen uni baber, eine lurje Schilberung
ber 3ibatfadben jn entmerfen, melcbe bem jefeigen Iritifdben üJtoment ooran gin«
gen. Sinb fie mal mir fte nennen, Sbatfadben, fo mirb ihre Veberjigung
bie poBtifcbe Sltmolpbäre oon ben Scrlidbtern ju fäubern helfen, mit benen bet
Sßarteieifer fte angefüllt, unb fte merben eine fiebere Vrämiffe für bie Schlup«
folgerungen bilben, benen Seber hier früher, bort fpäter am Stimmlaften Slul*
btudl ju geben bot.
Treason is a crime, and must be made odious! So fpracb Sin«
btero Sobnfott, all er ftdb mit ber SBürbe unb Verantmortlidbleit ber Sßräftbentur
belleibet fab. SRicht 3ufaU, mie er fo häufig ftdb aulbrüdt, fonbern ein entfefc«
Hebel Verbrechen batte ihn ju biefem Voften erhoben. Slul ber buntlen,
m»bbefledtten Stacht, bie un! umgab, ging Slnbrcm Sobnfon, einft geehrt unb
gefeiert, bamall aber oon feinen Sßarteigenoffen felbft mit fiälte unb Slrgmobn
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betrachtet, Mn feinen Gegnern aber mit bem Äotb bet unwürbigften Säfterung
bewarfen, befdjeiben, ernft, unb, wie e« fdpien, geläutert, betoor. Jag anf Jag
umringte ibn bie Wenge patrioiifcber Wänner beibet potitifdjen Parteien, um
denjenigen ju (eben unb ju böten, bem burch jene! ©erbrechen bie Wiffiou
geworben, bie ^interlaifenfdpaft Sincoln’« }u orbnen, bie ©unben ber Nation
ju heilen unb bie Siepublif für atte Butunft mit Sdpu&mitteln gegen bie Wie»
betholung eine« Sittentat« ju umgeben, bem fte faft unterlegen wäre. ©a«
meinte Slnbrem Bobnfon mit jenen ©orten, bie er in jebe feiner bamaligen
Sieben einfchaltete unb bie fwb bem ©emütb be« ©olle« fo tief emprägten, bafc
viele feiner beften Wänner mit ©eforgnih bem Woment entgegen faben, tao
jener im finftern Graft gefprodpene ©ab ftfb erfläten mürbe?
©dpmebten ibm ©aipne, Sljerobt unb Surratt »or Slugen, unb foßten
jene brobenbe ©orte ihnen ba« Sdpidfal oertünben, welche« ihrer harrte?
Sletn; ihr ©erbrechen mar nidpt ba« be« ©errath«. Sie hotten bie §änbe in
ba«" ©lut be« Gbelften unb be« JreuejUn unfere« ©olle« getauft unb muhten
bafür bie Strafe be« WörberS erleiben, mie e« auch gefdpab. ©aren feine
.©orte gegen Befferfon da»i« unb beffen ©enoffen, bie ©ermittlet be« groben
©erratb« 'gerichtet, ber unfere nationale Gyiftenj gefäbrbet hotte ? Sin* fo
(jefjen fie fich nicht auffaffen. Befferfon da»i« mar jur Beit Süchtig, hatte ei»
nen weiten ©orfprung »or feinen ©erfolgern, unb nur f dp mache Sluäftcbt war
»orhanben, bah man feiner habhaft werbe. Slicht auf ihn lonnte fidp alfo jene
Äunbgehung eiferner Strenge bejiehen, beten Raffung jebe WSglidpleit au«*
fchlob, bah diejenigen, auf bie fie jielte, fidp ihr entjiehen fönnten. £>atte £etr
Bohnfon fich benn bie militärifchen gührer ber Stebeßen jum ©egenftanb ber
©ühne au«erloren, bie jene ernften ©orteber Station in SluSftdpt fteßten? Slucb
ba« nicht, ©tant hatte ba« Schwert See’« unter bem Bugeftänbnifc in Gm»
pfang genommen, bafc ber Stebeß »om ©eneral bi« jum ©emeinen »on ben
©unbeäbehörben unangefochten bleiben fofle, wenn er nicht auf« Sleue gegen bie
©efefce »erftobe, unb ba« ©ort, welche« noch anbere ©unbe«führer ben ftdp über,
gebenben £eere«maffen gaben, mär un« Sitten heilig, ©ar fein Sltt«fpru<b
beim gegen bie übrigen ©emobner be« Süben« gerichtet, bie, wenn auch nicht
mit ber ©affe in ber £anb, hoch burch anbere Wittel bie Bnfurreftion geförbert
unb unterftüht hatten? ©emib nicht. Unfern $eeren war fdpon währenb ber
erbittertften Stabien be« Kriege« Schonung anempfohlen worben. Stabt» unb
Sanbbemohnet. genoffen fogar be« Schule« ber ©unbeämaffen gegen unfere
eigenen Slacbjügler, unb mit bem Slugenblid, wo bie ffiaffenftredung ben Ärieg
faltifch beenbete, waren unfere Jruppen nur noch gut jalplenbe ©äfte in ben
Staaten, bie fte al« geinbe betreten unb al« Sieger burchfchritten hatten.
Slein, in jenen feierlichen Womenten, wo Slnbrem 3»bnfon au« bem fich
felbft am 4. Wärj bereiteten Sticht« heroorgehenb, ft<h jnr höchften ©ürbe, bie
ein Wenfdp »ragen lann, berufen fab, in jenen Slugenblidcn, wo, wie wir gern
glauben woßen, bie tUffte, aufridptigfte dräuet ft* mit ber Hoffnung paarte,ber
Stepnblit ba« werben ju tonnen, wa« Sincoln ihr aewefen, regte fich in ihm
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nicht bet SDunfcb nach 5Ra<be, bacbte et ntcfet an ba! potttiflbe Schaffet; nicht an
bal djil. Seine ©ebanfen, feine ülbfubten unb Bläne würben non ben dmpfin*
bunten getragen, bie jene Stunben in ihm wach riefen. &ir, bu grofiel, tbat*
träftige! Bolf, ba! bu bein SlUel verloren, inbem man bi<h beinel guhrerl
beraubte, fof( burcb meine ganb eine Scbu|mauer errietet werben wie 8bta*
bam Sincoln fie ju errieten gebaute. S)i<h für immer ber ©efabr ber Stuf*
löfung ju entrüden, für alle Seiten bie Steine bei Slnftofee! ju befeitigen, bie
ben Btuberfrieg unter bir angefadjt, ba! fei meine Aufgabe, bal fei bie erba*
bene Sübne für bal Verbrechen, welkes mich jut 2Jla<ht berief.
$al mar el, Wal Slnbtew 3obnfon vorfcbmebte, all er Sag auf tag bie
SBorte wieberbolte: Troason is a crimo, and mast be made odions.
.gatte er ben SBißen, fo befafi er au(b bie 2)!acht baju. Ser Süben lag
ju ben güfeen bei Siegerl. dt war nicht in ber Sage, noch geigt« er bal Ver*
langen, f«b ben Sßebtngungen ju wiberfefcen, bie ihm vergefcbrieben werben
mochten. Sie dntfcheibung burcb bal Schwert war miber ihn aulgefallen, unb
er fab mit faft ftoifcber Muhe ben folgen entgegen. SBal mosten unter biefen
bie näibftliegenben fein ? 5tmb barüber War man flcb fo §ienilicb einig, ja jum
groben tbeil gleichgültig, fo lange man nur Stube geno|, um jur Orbnung bei
dbaol fcbreiten ju fönnen, bafj ber ßrieg bewwrgerufen. Sal Snftitut ber
Sllaoerei war faftifdb fchon »or bem dnbe bei Stiegel jetfallen. 2>lit bera
tage, wo man bem Sieger bie SBaffe in bie f)anb brüdte, brach man feine
geffeln unb entfagte für immer btt Hoffnung, bie Suftänbe be/ „guten alten
Seit" wieber inl Seben rufen ju fönnen. Schon war man baber auf ben ©e*
banfen vorbereitet, burcb freiwillige .ganblung bal Sflaventbum ber gorm nach
ju ©rabe ju tragen, unb hätten mäbrenb bei erften ÜDlonatl, nachbem bal
Schwert in bie Scheibe geftedt, bie Segillaturen fämmtlid?er abtrünniger Staaten
verfammelt werben fönnen, fo würbe man bamall fchon unaufgeforbert bal 3u«
geftänbnih gemacht haben, welche! mir SJtonate fpäter nur burch gelinben Swang
erjielten. Bon bem tßrinjiv ber Staatenrechte, in bem Sinne, wie man fte
früher aulgelegt unb befürwortet, burfte tdum noch bie drinnerung übrig blei*
ben. 3lu<h feine Berechtigung war burth bal Schwert entfchieben. 3m
Slawen ber Staatenrechte war bie Sejeffion unternommen, bie Ärieglfadel ent*
jünbet, unb ba, wo }ule|t unfere $eere vor benen bei Sübenl ftanben, ba la*
gen fie begraben. SEBie fleinlich, wie baltlo! bo<h biefe Siechte gegenüber ber
SUtacbt, bie fie jetmalmt hatte! Ulan brauchte ihnen nicht ju entfagen, benn
man batte fie fchon verloren. Slocb gegen eine Sffiieberbebauptung in tünftigen,
fräftigem 3eiten muhte geforgt werben — ba! verftanb auch ber Süben. 3lu|
bem vcrbeerenben üampfe, ber 9Jorb unb Süb bi! in’l Snnerfte burchwüblt,
burfte fein lofe jufammenhängenber Staatenhunb, leine von bem blofjen SBillen
jebel einjelnen Xbeileä umftojjbare ©emeinfchaft, fonbern eine unauflöslich ver»
bunbene 31 ation, ein unheilbarer Bunbelftaat bervorgehen. — $ie
©(halben, welche bie Berrätber angebäuft, um ben Berratb ju förbern. Schul*
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beit, bi* bagu noch in baarer SJlünge gum dheil nicht ein daufenbftel beffen
augmachten, »ag fte in Bapiergelb unb in Obligationen repräfentirten,
über fte muhte ein Strich gezogen »erben, berm »ag gur görberung
eineg Berbrecheng gefchehen, bat bor bem ©efefc feine Geltung. die
militärifchen nnb politifcben gührer ber Siebeßion mußten für’g (Srfte ber poli*
tifdjen SJlÜnbigleit entfagen, burften an ber Staate* ober $ommunalber»altung
ni<bt $b*tt nehmen, unb mußten gleichfam einer neuen ^robegeit unter»orfen
»erben, bebor fte in’g öffentliche Sehen gurüätraten. —©ab eg ber fünfte noch
ntebrere, über bereu Bereinigung ber Süben ftcb llar »ar, unb bie ftcb au(b
Slnbre» Sohnfon in ber Slugfübrung feineg Borhabeng, bem Sanbe grieben unb
Stube »iebergugeben unb bie Oueile ber Streitigfeiten auf immer berftegen gu
machen, mächtig aufbrängten ? ga, eg »ar namentlich (Einer noch ba, um beffen
grünbliche (Erlebigung ftch Slßeg brebte. die bem Sieger gegebene greibeit,
»ie foßte fte befrist »erben, »ie ftcb ©eltung unb Sichtung fchaffen ? dag »ar
ber fch»ierigfte Bunft bon aßen. Söenige nur bauten baran, eg ben Be»ob*
nern beg Sübeng gugumuthen, ftch mit (Einem Schlage ber Borurtbeile gu ent*
lleiben, in benen fte gewiegt, unb bie fte fo fpftematifch genährt, bah fte gur
gweiten Slatur geworben. Schwache STlenfchen, »ie biefe Borutlbeile fte gu fein
begeugten, fonnte man bon ihnen noch »eniger forbevn, alg bon bem Starfen.
Ohne einleitenbe Borbereitung eine abfolute ©leichfteßung ber früheren Sfla*
ben mit ihnen alg eine Bebingung ber ihnen gu berleihenben Selbftftänbigfeit
borgufchreiben, erfchien manchem Patrioten alg ein SJlihbraucb ber ©e»alt beg
Siegerg. dennoch berbiente biefer Bunlt bor aßen anbern bie grünblichfte Be*
rüdtfuhtigung, benn er »ar für ung ein (Ebrenpunlt, unb »ir muhten ihn nach
ben ©eboten ber Bflidht unb (Ehre erlebigen, felbft »enn »ir babei bie Borur*
theile beg loyalen (Elemente beg Sübeng gu befämpfen hatten, »elcheg leiber
niemalg bon Bebeutung »ar. Sliicb bieg fahen bie Stebeßen ein. Sie »aren
barauf gefafct, bah »ir eine greibeit, um bie »ir gefämpft, nicht ohne
bie ftcherften Schufcwebren laffen, bah »ir bie Befreiten, ohne bereu £ülfe ber
Sieg ung noch fern ge»efen fein möchte, nicht ftch felbft überlaffen »ürben.
geig unb ehrlog hätten fte felbft ung genannt, »enn »ir demjenigen, ber
unferer gähne gefolgt unb fte bertheibigt hatte, nur mit ber greibeit auf bem
Bapiet gelohnt. Sie »uhten baber, bah biefe greibeiteerflärung bon hier
SJlißionen SJlenfchen ge»iffe Slbänberungen unferer organifdhen ©efefcebebinge;
nur Über bag 2öie »eit ? »ar man ftdb nicht llar, ober »agte ftch barauf mit
$inbliä auf bag fo ber»erfliche, aber hoch burdb bie 3eit nur überwinbbare
Borurtheil gegen ben Sieger leine Slntwort barauf gu geben, der Sieger alfo
muhte für fte antworten, unb er tbat eg. dag bollfteBlafj ber©lei<h*
heit b o r bem © e f e , bag »ar eg, »ag er einftimmig für ben früheren
Stlaben forberte. Ueber bag Weitere möbelten ftch bie gorberungen nach ben*
felben Bartcigrunbfäfcen, bie fchon bor bem Kriege mit Begug auf ben garbi*
gen gepflegt »aren. $ier bieh eg, ber Sieger lönne auf nicht mehr alg jene
fogenannten natürlichen Siechte Slnfpruch machen, unb bie politifcben »aren
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in feiner £anb eine geführte ffiaffe^ bort, bat bie greibeit ein leeres SBort
fei, wenn fte nicht burch baS Stimmrecht befeftigt, nnb bat man 2)ie, welche für
uns gefämpft, auch bebingSloS mit bem Söabljettel betrauen bürfe unb müffe.
(Sine britte Partei [teilte ftch in bie Rtitte ber beiben. Sie beftanb nicht fofort
auf ©ewäbrung beS Stimmrechtes an bie befreiten, fonbern wollte biefe einer
SßrüfungSjeit unterwerfen, ähnlich wie bie ©nwanberung ftch ihr untergeben
muh, ihr 93ilbungS* ober ©gentbumSciualififationen »orfchreiben, tur$ fte war
bereit, bie politifche ©leicbftellung beS Negers 33ebingungenju unterwer*
fen, über beren Rrt unb Umfang bie Partei ftcb wieberum in graftionen jet*
fütterte, unb nur in fo weit feft übereinftimmte, bat wenigftenS ein gewiffer
3 eitpunlt, gleichviel wie fern, unb beftimmte SBebingungen, gleichviel wie fchwer
ju erfüllen, bezeichnet werben müfjten, wo ber Sieger auch ber politifchen Rechte
tbeilbuftig werben füllte. Unb mit biefer Partei, ber größten, benn fte be*
berrfebte faft alle Staaten beS Horbens, ber zu matgebenbem ©nflut berechtig*
ten, benn fte butte erft turj juvor ben spräfibentfcbaftsftubl befefct, war Rnbrew
gobnfon* 3BaS er von ber greitreppe beS ©apitols §u Rafbville erft vor wem*
gen Monaten als ©oubemeur bon Senneffee ben Schwarten zugerufen, baS
gellte noch in ben Obren ber gefallenen Sflavenbalter. (Sr wollte ibr
üRofeS fein, ber fte zur greibeit führte, e r wollte, wenn er bie 2Jta<ht bazu
hätte, ihnen fchon bamalS baS Stimmrecht in Senneffce geben!
2Bit buben bie Situation, wie fte am Schlut beS ÄriegeS war, in ben
fürjeften Umrijfen ju zeichnen berfu<ht. ®ie gorberungen, welche an ben SÜ*
ben geftellt würben, waren nicht bie ber Seibenfchaft; bie SBorte, in welcbenfte
ftch geltenb machten, Waren eher bie eines na<hft<htigen, berföhnlichen öruberS,
als bie eines Siegers. 2)ie ftarle £anb ber (Syelutioe gab biefen gorberungen
prattifche 93ebeutung, inbem fte bie Staatsoberhäupter beS infurgirten ZtyilZ
ber Unionbei Seite brängte unb prooiforifebe ©ouverneurS an bie Stelle jener
feftte; aber felbft in ber Sßabl biefer Rtänner tourte fte ftch gegen jeben $Ber*
bacht zu fchüten, bat fte bie Unterwerfung ber Gebellen burch swedtlofe $emü*
tbigungen ju oervollftänbigen gebenfe, SBäbrenb bie Schüchternheit in ber
SBabl beS prooiforifchen ©ouverneurS leinen Rnftot unter ber Regierungspartei
erregte, gab fte ber Oppofttion DRutb zu einer Agitation ju ©unften beS be*
ZWungenen geinbeS unb zum Rachtbeil beS Siegers. 2)ie ^arteifäfce verfloffe*
ner 3abre patten nicht mehr für bie ©egenwart, unb man mutte ftch nach a\u
bern umfeben, wenn wan überhaupt ben lofe jufammenbdngenben Elementen
ber ©egenpartei geftigfeit, nnb wenn nicht SebenSfäbigfeit, boeb einen ßitt
geben wollte, ber für bie näcbften gabre frifch blieb. $aber jene Agitation,
bie, weil fte unter ben früher ober fpäter zur Selbftftdnbigleit gelangenben Re*
beUenftaaten 93eifad erregen mutte, ber Oppofttion bie Hoffnung einbauchte, burch
£ülfe ber feitberigen gnfurgenten wieber zu politifcher Rtacbt ju gelangen. Ruf
ben Schwingen biefer Hoffnung geftaltete ftch bie juerft in matvcllem ©ewanbe
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auftretenbe Agitation gut Seibenfchaft, unb bie M e l o it ftru 11 i o n S f r a ge
mürbe bet große Saramelplaß ihrer ßrdfte.
das, um melcheS man fich vor menigen äftonaten noch einig mar, mürbe
fortan mit gang aitbern Süden beurteilt. dem Sßrinjip ber Staatenrechte auf
immer entfagen, unb ftatt ihrer bie SunbeSlegiSlatue unb bie ©jrefu*
tive fräftigen, um für immer bie Argumente niebergufchmettertt, bereu
ber Süben fich gur ÜDtotivirung ber Serechtigung gut Segeffion bebtente, um
für emig bie Argumente gu entfrdften, mefohe 3ame$ Sucßanan beanfprueßte
um bie Snfurgenten gemäßren gu taffen ? Schmachvolles 3nrauthen, unheiUget
©ebanle, bie Sttacht beS Siegers fo gu mißbrauchen! — Hebet bie Schuft ber
©onföberation einen Strich sieben? ©efdhrlicheS Unterfangen, benn mer
mußte, mie halb bie fo ergriffene Initiative gum Signal eines gmeitett Striche*
über bie S u n b e $ fchulb vermenbet merben fönnte ? — $olitif<he Unmünbig*
feit über diejenigen verhangen, melcbe bie fHebeüion mit bemaffneter £anb un*
terftüßt ? Unerhörte ©raufanifeit, teuftifeße ßrfinbung beS föabifaliSmuS, beffen
Unverfößnlichfeit jene Unntünbigerlldrten gu neuen rebellifchen Seftrebungen
anftacßeln mürbe* die ©emdßtung politifcßer Rechte an bie Sefreiten, gleich
ober in ferner 3ulunft, bebingungSloS ober unter ben erfcßmetenbften SilbungS*
ober (SigenthumSqualifUationen ? 2Sel<h ein Sturm ber 3ubignation bemdeß*
tigte fich hoch ber bemofratifchen treffe bei bem bloßen ©ebanten an eine
folche Unftat! $ier ift bie ©efeßtafel, bie Serfaffung ber Stepublif,
bie nicht verbeffert merben barf, nicht Derbeffert merben fann! riefen fte bon*
nernb unter baS Soll, auf bie mit (Such vermeifen, unb flnbct 3hr barin ein
eingig 2Bort, baS (Such bie ÜUtacßt giebt, ben öingelftaaten bureb ben Kongreß übet
bie Verleihung beS Stimmrechts innerhalb ihrer ©rengen Sorfcßriften gu machen,
fo thut eS, fonft aber proteftiren mir im tarnen unferer „verirrten Srüber".—
3a, biefe (Sonftitution, bie von ben Diebellen mit ftüßen getreten, riefen fie gu
beren Schuß an, biefe Gonftitution, bie fich, mie Suchanan gu bemeifen fuchte
unb ber Ärieg barthat, mangelhaft ermiefen, mollten fie, Serbefferungen unb
$ingufäße im Programm ber bettf<h*nben Partei mitternb, Don Dornherein
gegen folche Dermaleren.
Dtur bie nadte, aller Schußmittel entbehrenbe Freiheit tooßten fte bem
Jteger geftatten, meil — fie eS nicht gu ßinbern vermochten. SBoßl hat*
ten fie fich bagegen geftemmt. Staaten, in melden bie OppofitionSpartei bie
gahlreichfte mar, hatten baS bahin gielenbe Slmenbement gurüdgemiefen, unb be*
fdmpften eS noch mit ben fchneibigften SBaffen, ben leibenfcßaftlicbften Sorten.
Slber ber Strom ber öffentlichen Meinung riß fie mit fich fort. Sie mußten nachge
ben, mußten baS ©efchebene unb noch Serbenbe als ein unumftoßbareS Urtheil
gegen bie Sllaverei betrachten, doch lein SBort gut Sicherung ber bamit vet*
lünbeten Freiheit, lein Schritt, ber baS große Sert förbern lonnte, denjenigen
gnm nüßlichen DJtitgliebe ber ©efellfchaft, gum felbftbemußten ÜJtenfchen
gu machen, beffen geffeln man gebrochen, mürbe von ißr befürmortet. Äeine
SDtaßregel, baS papierne (fbift gu einem Saßrfpruch gu erheben, ben -Riemanb
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miftoerfleben tonnte, baburch, ba& man ba£ SBefen bet SHa»etei »ertilgte,
tote man ben Statuen aus ben ©efepeSbüdjern »erwifcbt. Stur bie greiheit,
ohne bie Segnungen, welche fte allein gut 2Ba^r^eit machen tonnten, wollte man
bem Sieger gugefteheiu
2ßir brauchen bie Slgitation ber Dppofttion, welche um bie SJtitte beS
lebten Sommert begann, nicht toeiter gu »erfolgen, um bie ßontrafte herborju*»
beben, bie gwifchcn ihr unb ber Partei, bie Stnbrew 3ohnfon in fein hohes
2 lmt berufen, obwalteten. ßr fcbien ber ihn umtobenben Agitation, bie ba*
mals toobl weniger feine perfönliche ©eeinflufjung als bie ©ilbung einer mach*
tigen©artei, burch bie man ihm gu imponiren hoffte unb baburch3ugeftänbniffe
im Qntereffe beS SübenS gewinnen gu tonnen glaubte, wenig gu achten. Seine
Snftruttionen an bie pro»iforif<hen ©ou»erneitrS waren furg unb un»erfängli<h*
ßr legte ihnen gwar nur einen Xbeil ber »orher begeichneten billigen gotberun*
gen im tarnen ber Sieger an’S §erg, unb motioirte bieS feiner Umgebung ge*
genüber baburch, ba& man nicht gu »iel auf einmal forbern bürfe, um ben
Süben nicht gu becouragiren. Stahmen manche Sopaliften an ber gorm feiner
ßtftlingSfcbritte in ber Steconftrultion Slnftofj, fo tröftete man ftch mit bem
©ebanfen, ba& Lincoln ähnliche cingefchlagen habe. SBenig nur trübte baS
Vertrauen beS ©olfeS gu ihm, bis er gu gewiffen Slegimentern »erabfdjiebeter
garbiger fprach. $ier ftiefj man auf SBiberfpruch, auf Unfreunblichfeit. 2)ie,
welche bie Uniform beS ©unbeS tragenb, alfo unter bem heften Seumunb*
geugnifj, »or ihn traten, fprach er als gu einer Slace geborenb an, beren
Schwächen unb £after notorifch feien. Schwang er ftch in einem Moment gu
bem SluSruf empor, bafc fte feine SanbSleute, ba& fte freie Scanner feien, benen
biefer ßöntinent ebenfo gut gehöre wie ben 2£eifjen, fo beutete er im näcbften
bie SJtöglichteit an, bafc man ihnen nicht geftatten werbe, in unferer SHitte
gu bleiben, fonbern fte außerhalb beS ftmbcS coloniftren werbe. 3)aS waren
gewichtige SBorte, benn waren fte, wie behauptet wirb, ohne Vorbereitung ge«
fprochen, fo brüdten fte um fo fieberet ©ebanfen auS,»on benen baS^erg »oll
war. Stur noch eine turge Spanne 3*^ unb ber ©eift, ber jenen SiuSfprucb
burchwehte, äußerte ftch auf anbere SBeife. Slnbrew Sohnfon fprach gu einer
^Deputation aus bem Süben mit einer ©rüberlidhfeit, bie benen beS StorbenS
fremb geblieben war. Seine 2lmneftie*$ocumente fanben ftch halb in ben
Safchen b*r»orragenbet Gebellen; fein Oh* war ihren greunben im Storben
offener als ben Pächtern unb ben Kämpfern für bie Sicherheit beS ©unbeS.
dennoch erregte bieS leine fonberlicbe ©efürchtungen. SJtan hatte ihn im »ol*
len ©ewufjtfein, bah er im Süben geboren, im Süben ergogen, im Süben enb*
lieh gu bebeutenber ©romineng gelangt fei, an bie Seite Sincoln'S geftellt, unb
man muhte ihm baher fchon mehr nachfehen als man eS einem Spröfcling ber
greiftaaten gethan hohen würbe, fo lange er nur treu blieb. Sluch Darf
man namentlich einer äunbgebung »on ihm nicht »ergeffen, welche ba$ ©er«
trauen gu ihm aufrecht hielt — feines Schreibens an ben ©ouoerneur »on
2 Jiif[ijjippi, in welkem er, feine frühem 3nftructionen fcharf wieberholenb, feinen
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lebhaften SBunfcb $u etlennen gab, bafs bet Staat feinen ©enoffen in bet Sie»
betlion mit bem guten Beiipiel »örangeben m6ge, gemiffen filaffen bet Sieget
ba§ Stimmtest ju gemähten. Socb halb finben mit aud} in biefet Sticbtung
einen Slüdfcblag. Sen injmifcben fid? »erfammelnben ßonöenten unb SegiS»
latuten bet infurgirten Staaten mat bet $amm gefebmollen burcb bie offene
Barteinabme bet bemofratifdjen Bteffe beS StorbenS füt fte. 3« ben Spalten
biefet 3eitnngen tafelt fte baS, rnaS »on ibten Sippen als „neuer Berratb"
gegolten batte. SBarutn nicht menigftenS ben Berfucb machen, biefem ©eift,
menn nicht butch Sorte, fo hoch burcb -ganblungen, als ßcbo ju bienen ? Sie
mürben ftürrifeb. SPlit bet Sinnahme beS Slmenbements ging es nur langfam,
mit bet inbitelten ©ntfagung beS tptinjipä bet Staatenrecbte burcb eine SluH»
unb SUcbtigerflärung bet Sejeffion noch langfamet. Siucblofe ^intergebanfen
fpiegelten ftcb in ben mieberholten Berfucben ah, bie ©lekbberecbtigung bet
Befreiten »on bemSefefc ju hintertreiben unb fte als 3eugen in jeber ßlagefadje,
an me leb et SEBei^c betheiligt maren, ju »etmerfen. Slocb bßSmiHigere Slbftcbten
erllärten fnb burcb ben Special»ßooey, tuelcben mehrere bet Staaten jur ferne»
ren Beberrfdbung unb SDlajjregetung bet farbigen Staee entmarfen. Sie ßt»
theilung politifeber Siebte an fte (am laum jur Sprache, ober mürbe, menn an»
geregt, »eräcbtlicb tobtgefebmiegen. Sie Siepubiation bet »on ben Staaten
jum 3*»ed bet görberung bet Stebellion gemalten Sdjulben fanb einen ebenfo
ftörrifdjcn SBiberftanb, unb rief oerrätberifebe Säuberungen hetoor, ähnlich
benen, bie mäbrenb bet ßongtefftgung »on 60 auf 61 ben ßampf »orberei»
teten.
Slnbtem 3ohnfon mar mäbrenb biefer SPeriobe febmeigfatn unb «tfcbeinenb
gleidhgültig. S)ie Oppofttion hatte ihren 3med erreicht. Surcb bie gemaltige
Slgitation für bie £erbftroablen beS lebten SabreS batte fte ihm imponirt,
burcb ihre erheuchelte Sopalität ihn lonfuS gemacht, ßrft als mit bem Oltober
jrnei grobe Staaten ihm burcb ben Stimmlaften fagten, bajt ihr Bolt baS
bünne ©etoebe beS BerratbS burebfebaue, mit melcbem bie gübrer ber Oppo»
fttion bie Sßablen für fed? jit mobein hofften, als biefe Staaten im BorauS baS
Siefultat ber Slbftimmung im 9lo»ember »erlünbeten, als baS Bolt ber Gyecu»
tioe jurief, bab eS baS auf hunbert Scblacbtfelbern (Mämpfte nicht burcb bie
Sift ber Semagogen ober bie Schlaffheit ber Siegierung »erlieren molle, ba
mürbe Bräfibent Sohnfon »on neuem ßifer bejeett, unb noch einmal fehlen aus
feinen ßunbgebungen heroorjuleudjten, bab bie billigen gorberungen beS
StorbenS »on ihm auf baS träftigfte unterftüjjt, unb bab ber Station bie nötigen
©arantieen für ihre lünftige Sicherheit »on ihm erjmungen merben mürben,
menn fte nicht freimütig bargeboten.
Umfonft fudben mit mäbrenb beS lutjen 3eitraumeS, ber jmifeben jener
Betiobe unb ber Eröffnung beS SongreffeS lag, nach ßreigniffen, bie ben ßin»
flub jenes StuSbrudS beS BollSroillenS auf Slnbrem Sohnfon entträftet haben
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Stinten. ®etragen Don feinet auf’S Sleue in einer SHJeife gejtärften Partei,
tote bie politifche ®efchi<bte bet Sepublil faft fein jmeiteS Seifpiel aufweij’t, »on
einet Partei, bie nichts Don ihm Detlangte, was et nic^t fdjon fängft freitoiUig
oerfprochen, nichts Don ibm wollte, was bet nächftliegenben finftern Grllärung
eines SluSfpruchS: Treason is a crime, and must be made odious
glich, lag bet 2Beg geebnet Dor ibm, um baS ju Detwirllicben, was ibm Borge*
fdjmebt batte* Sennoch war er für biefe *3uf(üftetungen btt Pflicht, biefe
Mahnungen beS MärtprerS, biefe mobl fcfeon ju IBorfägen gereiften Regungen,
plöplich abgeftorben. Sie SSotfdjaft, welche et bem Gongrefj bei bet Gröffnung
feinet Sifcung jufanbte, weift feine erfte entfcbiebene »Parteinahme für bie
Staaten auf, beten SSerratb et “odious” ju machen besprochen batte. Set
■gonigfeim bet Sruberliebe für fee flofe Don feinen Sippen. SffiaS fte getban,
fc^ien ibm bet böchften Slnerlennung wettb, was fte in SluSfuht (teilten(!) gab
ibm bie Hoffnung, halb wiebet eine innig Dereinte Station begüjjen ju tonnen.
Sie »Berichte unbefangener, fcbarffichtiger, Don ibm felbft na<b bem Süben ge*
fanbter SJtänner übet bie Buftänbe unb bie Stimmung bafelbft gefliffentlicb
ignotitenb, fcbUbette et fte als Dieloerfprechenb, ja fogat als ju unbebingtera Set*
trauen aufmuntemb, wäbtenb et boch erft jwei Sage jubor bem probiforifchen
®oubetneut Don Slotbfatolina ben Slufttag gegeben, fein Slmt tio| beS neu*
gewählten ©oubetneurS fortjufübren, weil et mit Sorbtarolina nicht jufrieben.
&itj, biefer Sbeil bet Sotjdjaft war nichts als bet unberblümte 2luSfpruch
feiner Uebetjeugung unb feines SffiunfcheS, baj bie Don ben rebellifcben Staaten
erwählten Siepräfentanten unb Senatoren im Gongtejs Slufnabme finben folt*
ten. gn bet »BunbeSlegiSlatur feilten fte Stimme haben, wäbtenb man fte
in ibttn ftaatlicben Slngelegeuheiten nicht ft<b felbft überlaffen burfte. SaS
war bet Stennpunft feines SiaifonnementS, baS bie Sichtung beS ganzen So*
fumentS. ®ab et bet grage biefe grobe frommen}, fo nahm bet Gongte!» ftdj
ihrer mit gebübtenbem Gifet an. SaS günfjebner*Gommittee ging aus ihm
betDot, um, wie <S üblich unb wie bie Südficht auf bie Sicherheit uub bie
SBoblfabtt beS SJolfeS es erbeifcht, baS güt unb Sawibet nach SDJafsgabe bet ibm
unterbreiteten Shatfachen ju erwägen. Slbet baS pabte |>errn gobnfon nicht.
Gr proteftirte unb janlte, wenn auch nur in engeren Steifen, aber biefe Sporte
beS BotneS waten bimmlifche Melobieen füt baS Ohr bet Oppofttion, bie ftdj
ihrer fofott bebiente, um ein jarteS Sep füt ben Spräfibenten ju fpinnen, bet
mit ben SBerttetern feiner Partei unjufrieben geworben. ‘ Unb Slnbtew gohn*
fon lieb frb i» biefem Steh fangen. Set mabDolte Grnft feinet frühem »Par*
teigenoffen berührte ihn nicht fo angenehm, wie bie Scbmeicbelworte bet
bisherigen ®egner. genen ftanb et in bet Gigenfchaft eines Mannes gegenüber*
bet über bie richtig beanfpruebten SBefugniffe bet SPoIlSoertretung unpaffenbe
öemettungen machte, biefen als bie böc^fte »Potenj bet ebelften bemolrati*
fchen $tin)ipien. Mit biefem Slugenblid war Slnbtew gobn»
fon gefallen. »BaS bann folgte, wat nur bie logifche Gonfequenj beS
einleitenben Schrittes. Gine antagoniftifche SUujjetung btängte bie anbete.
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6 ie wutbeit mit Stißfchweigen Bon bett ihn bisher Sefreünbeten, mit Subelruf
Bon ben Glaqueurl bet Dppofition aufgenommen. Seber dag braute bie Utfa«
djen neuer Serftimmung, neuen driumphel mit ficb. Mul bet unerfreulichen
Stellung bei Srdfibenten jum SongteB tuurbe batb eine feinbltcbe, beten fiunb»
gebungen noch in SebermannSGtmnetung liegen, unb bal antagoniftifche Set«
hdltnih erreichte feinen $5hepuntt an bem Sage, wo er jum niebrigen Seite*
fchmeichler hetabfanl unb faft auf bereite SSeife ben $öbel jii ©ewaltthdtigleiten
gegen bie SRepräfentanten bet Mation anjureijen fuchte. Mn btefem Sage
»etlor et bal Settrauen, oerlot er auch bte Mchtung derjenigen, bie mit ihm
bie bunflen Stunben, bie Stufungen bei Saterlanbel erlebt hotten, bie wie
er im Unglüd ihre dteue bewahrten, aber auch Don bem ©lud fi<b nicht be*
thören liehen.
Sffiir finb nur mit lurjen gebetjiigen Aber bie (Sntwidtelung bet Bon Mnbrew
Sohnfon eingefchlagenen bebauerlichen Sichtung gegangen, weil jebem.Sefet
bet Monatshefte bie Ginjelnheiten biefet Seriobe belannt finb. Gin
Weiteret ©runb baffir liegt in ber dhatfache, bah ber ©eift bei Srdfibenten [ich
nicht fo flarl in bem Meinunglconfült, ber jwifchen ihm unb bem Gongreh ob«
waltete, wie in bet Mrt unb SSeife, feinet Meinung unb feinen ffiunfehen ©el»
tung ju fihaffen, tennjeichnete. 60 weit el ben 3»«d unfetel Mrgumentl betrifft,
bleibe el bahingeftcllt, ob bie Bon Mnbtew Sohnfon bejeUhneten ©rünbe für
fein Seto gegen bie greebmen’S Suteau Sill aulreichen ober nicht, ober ob
bie Borgefchtagenen 3ufd|e jur SunbelBerfaffung ben gotberungen bet
Situation entfprachen. Gl ift bet ©eift, ber feine Gntwörfe burchmebt, bal
fibermüthige 3 urßdweifen oen dhatfachen, beren Sermittlet et felbft war, abet
bie er jegt nicht acceptiren lann ohne bie ^aWoftgleit feiner Gmfpradje ju bo*
lumentiren; el ift fein ufurpatorifchel ©ebahren gegenüber ben bisher niemals
in grage gefaßten Sefugnrffen ber Settretet bei Solle!, unb fein gefliffentlich
herbeigeführtes Serwürfnifj mit ben heften Männern bet Sortei, bie ihn mit
Macht belleibete, bal ift el, Wal ihn ebenfo beutfich lennjeidfaet, wie bal jwei«
heutige Serbdltnifj, welche! jwifchen ihm unb denjenigen obwaltet, benen
Bot Sahtelfrift etft bie ffiaffe entriffen würbe, mit ber fie nach bem geben bet
Mation trachteten, diefer ©eift ift el, ber Mnbtew Qobnfon Bon ben Seihen
bet $artei trennt, ber et ein Sannettrdger gewefen unb beren befcbeibenftel:
Mitglieb jefct mehr Mnfpruch auf unfere Mchtung hat afo tr.
Man batf ihn nicht faßen laffen, batf ihn nicht babutch, bhf» »an »hm
ben Müden lehrt, jwingen, fcch rüdhaltlo! denjenigen hinjugeben, bie, umpo»
litifche Macht ju gewinnen, welche nur bie 3“laffung bei Sübenl ihnen brin¬
gen lann, ben Stäfibenten in ber Meeonftruttionlfrage JU jebem 3ugeftänbnij»
Betanlaffen würben, hören mit Bon oielen ©eiten fagen. Mit linnen folche
3wedmdhigleit8rDdji<hten nicht befürworten. 3ohnfon ift ju weit gegangen
jum Ginlenten, hat ju fchwer gefehlt, um bal Sertrauen wiebet gewinnen ja
tonnen. 3hn mit ber Saft, bie er felbft f»«h aufgelaben, ju unfctftüfan, würbe
bie greunbe bet Union, biefe grefa patriotifche Sbalanf, bie in ben bunlelften
©tunben nicßt manfte, ttid&t entmutigt mar, bemoraRftren, unb Ihre 2Ra<ßt
bredjen. Keffer, baß fte bcr ©atßlage gerabe in’S Slntlip fc^aut, baß ftc no<ß
einmal fitß gum Äampfe röftet, no<ß einmal für bie Erhaltung bejfen, ma§ mit
fdßon gewonnen, itnb för bie ©i<ßentng bet 3uhmft unfereS SanbeS ben ©turnt
ber tlgitotion, o ß ne bie Vrüteftion bet ©yelutibe gu genießen, braufen fdßt,
als mit berfelben. da$ ©djilb, mefdßeS bie Verfügungen bet lepten fünf
3 aßte o^ne SWafel ließen, muß au<ß jept tein erßalten werben. ©o rufen un3
aud? bie Stimmen $unbetttaufenber gu. die inbinibuellen ©gentßümRdßfei*
te« btS Vrdfibenten mit ßoßer ©ürbe ignotirenb, galten fte jt<ß an ben 3mie*
fpalt, melcßen et groifcßen fuß unb bem Kongreß ßerborrief, inbem etißnbebot-
munbcn modte. der 3»m, meldet ißn bur<ßftrömt, laßt fte unberüßrt; aßet in¬
bem fte burdß ben 2Runb ißtet Segislaturen ba£ Veneßmen bet Vertreter beS
Volles gutßeißen, fagen fte gu ißm: du magft mit denjenigen geßen, bie gn
Chicago in bet ©tunbe unfetet größten Votß ben $uf erßoben: The war is
a failure! do<ß fo lange mit Stimme unbSltm etßeßen fönnen, fofl e§ unfern
Vertretern nitßt an ©tdrfe mangeln, um bie Vreftße ju behaupten, in bte bet
Verratß fte getufen, unb bafür gu forgen, baß bie ©iebetßerffetfung unferer
SRepublil ni(ßt in einet failure enbe. ©öden ni<ßt aueß b eutf (ß e Vürget
biefem Veifpiel ttatßaßmen, ftatt burtß eine ftßüdßterne Varteiftedung gu erfennen
gu geben, baß man heiliges $Re<ßt unb emige ©aßrßeit nut auf f tum men
©egen fußern lann ?
©oßl mögen mit mit fernerem £etgen auf baS Viele gutüdbliden, maS
bon ben billigen Jotbetungen, bie mir an bie Veftegten ftellten, no<ß unerfüllt
bleibt — benn bie Sgeriobe bet @rrungenf<ßaften unb Reformen ift für lange
3eft als abgeftßloffen gu betraeßten. die Jreißeit bet ©tßwargen, fo meit baS
gebulbige Rapier unb bie bef<ßrdnfte ©emalt beS jepigen JreebmenS Vureau fte
berbfirgt, ißre gögernb gemdßrteunb arg berllaufulhrte ©leicßßeit bot bem ©efep,
bte mieberum bureß' lne(ßtenbe Gontrode beS SnbibibibuuntS entmertßet ift; bie
Vud* unb ftidßtig-Grlldrung ber ©egeffton unb bie Dlepubiation bet gum 3roed
bet Snfurteltion 'fontraßirten ©dßulben — adeS bieS nut in ben menigften
Jaden freimtflig geboten, fonbetn ben Vebeden gleicßfam abgegwungen, baS ift
»des, ma3 mit für bie Opfer eines fünfjährigen ßriegeS, bet uns ©ieger ließ,
aufjumeifen ßaben. Jragen mit meiter, fo finben mit fiberad benfelben tebel-
ttfdßen (Seift fteß offenbaren, ben ©rant bot einem Jaßr ftft gdßmte. Offene
unb notorifeße IRebeden ßaben fteß ßietunb ba ber ©taatSregierungen, faftüber-
ad aber bet Gommunalbetwaltung, bemdeßtigt. ©it finben fte in ben SegiS*
latuten, ben Gonbenten unb ben VolfSberfammlungen eine maßgebenbe
SRode fptelen. ©it ftnben ße als (Eommanbanten ber 3WiItj, ats JriebenSricß-
tet, als ©tabtoberßdupter, finben fte für baS dteprdfentantenßauS unb für ben
Senat gemdßlt, unb biel^fommen na(ß ©afßington mit bem frei auSgefprocße*
dßenen Vorfape, ben ^eueib nießt leiften ju moden, aber bod>
ber Hoffnung lebenb, Slufnaßme gu ßnben. fflie bot bet SRebedion, fo mitb
aueß jept bet Slufcntßalt lo pftktH tt dmu& ua man n en fünften beS ©übenS un*
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360
erträglich unb gefdljrUc^ gemalt; bie bort unter bev Hanb bet Sütger aus ben
greiftaaten erblübenbe gnbuftrie briht unter bem ©iftbauh bet rebellifhen Um¬
gebung nieber, SunbeSbeamte werben »erfolgt, mijibanbelt unb getöbtet, bie
SunbeSuniformen »erbßbnt, unb bev Sefreite ift ber ©egenftanb unoevföbnlihen
paffes, gegen ben et feinen Schüfe beftfet, wenn er ftcb nicht in unmittelbarer
giäfee eineß Seamten beS greebmenS Sureau befinbet.
So ftebt es im ©üben. Maren bieS bie geigen ber Metterie Slnbrew
gofenfon’S mit ben geinben bet SRebellen, fo barf man barauS füglich fhlie*
fjen, wie fehr ft<h biefe 3wftänbe an ßrafiheit fteigern werben, wenn es
befannt ift, bah et f«h ihnen ganj hingegeben. Elber »ielleicht würbe ge»
tabe bieS baS Heilmittel fein. <fs giebt unter uns Viele, beten ©lief erft burch
bie fchroffften Mittel geUärt werben lann; aber fefeen fte einmal, fo behalten
fte auch baS rechte 3'el im Sluge. Unb felbft ber Hülfe biefer bebarf eS nichts
um wenn auch erft fpäter baS burhjufüferen, womit bis jefet nur ber Slnfang
gemalt worben ift. Mögen nur diejenigen treu bleiben, bie unter fhwie*
tigeren Serbältniffen nicht gewanlt, mögen fie jufammenfealten, wie fie eS tfea*
ten als nicht minber fritifhe Momente benn ber jefeige ihre HuSbauer be c
geuerprobe unterwarfen, Menn nur fie fich nicht burch baS wirte ©efeferei über
bie gorberungen beS SRabifaliSmuS bethören, nur fie fich nicht burch bie »lau«
ftbeln Argumente ber ©egner feinreifeen laffen, fo bleibt eine Macht unerfhüt»
tert, bie felbft bann nichts an entfdjeiber.ber Störte »erliert, wenn fie fich
nicht äußert bis Slnbrew gofenfon »on ber Sühne getreten ift.
Ueber biefen felbft noch einige Morte. Ungern ftebt man fich einem
Manne entfrembei, ben man gefehlt, geachtet hat; aber man barf ber Ser
gangenbeit wegen bie ©egenwart nicht anberS beurteilen als fie ift. Stuf lei*
nem Sterblichen bat jemals bie Verpflichtung, feiner Vergangenheit treu ju blei*
ben, mit gröberer Schwere gelaftet als auf Slnbrew gofenfon, unb folgte er
biefem ©ebot nicht, fo foltte ber dabei ihn in gleichem Maße treffen. Sucht
man nach ©ntfcfeulbigungen für ihn, fo finbet man beren »ielleicht in ben ihm
jugefeferiebenen (fycentricitäten feines MefenS, unb giebt eS beren, fo werben
ihre Seußerungen itjn ju (fytremen nach jeber Stiftung führen unb frühere
greunbe nur noch beforglicher mähen, neue greunbe mit wohlberechtigtem
Slrgwohn gegen ihn erfüllen. ©Iaubt er in denjenigen, benen er fich juge»
neigt, bie Partei ber 3ufunft jit crblidcn, unb beeinflußen, trog feiner ©egen*
»erfiherung, efergeijige Hoffnungen feine Hanblungen, fo ift bennoch feine
3ufunft nicht minber bunfel. Mer fich beffen bebienen muß, mag ben Ser*
rath gern hoben, aber ben Serrätber liebt er nicht, daffelbe dunfel, aus
welchem er her»orging, wirb Slnbrew gofenfon wieber in fich aufnehmen,
g h m wirb man jutufen, was feine Sippen »eriünbeten, als wir ihn, nur ihn
hatten, um uns aus ber Saht sum Sicht }u führen :*Treason is a crime
and must be made odious.
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i
H f 11 * r 11*
(ErgSblenbc* ©ebicbt ron fl». »«fWaub. (Breoflpn.)
I.
Kämpfe.
(Ein ärmltb Stufen oBert unterem $a$,
«fte<bt nab beut $immel", faßen bie Poeten.
Ccin S^ranT, ein 2ifö, bk* Stublunb 9tPtenfa<b,
8»et glürtlub Itebenbe 9taa#orctwu
Sie ftrid) bag $aat tym mm ber Reiften Stirn,
SJrüdt’ einen Ieifen ßuf* barauf mit Sdd&eln,
So leife, baf* fein traum*umfponnen £im
SRid^t mujite, mar’g beg Slbenbminbeg gäd&eln,
SBar’g ber ©ebanfen geiftertyafteg Sßcb’n....
3)odj m ag eg mar, fein innerft $erg erquidt’ eg,
$urd&gittert’g mie mit innigem 93erfle^n;
Sein mübeg Sluge, auf gurn £immel blidt eg,
3nbeb er — mie na<b einem S<battenbilb
$ie 2lrme augftredt.... „3a, bu mirft begreifen,
SWein 93oll, mag mdd&tig mir im Bufen quillt —
gür rneineg Sang’g 93erftdnbnifj mirft bu reifen!"....
_So fprj^t er gu fub felbft, — o Seligfeit!
Sie laufet entgüdt! o mödjt* er SBabrbeit reben! ! —
Jtid&t barum, baf* fie barbt — bag reiche ßleib
6<bon Idngft toertaufd&te mit berfdjoffnen gaben —
0 nein! gern birgt bie eig’ne Schönheit fte
3n grauen Söolfen — Seiner nur gebenft fie,
Unb in bie SEBerle boller Harmonie,
3)ie ©r erföuf, bie Seele gang berfenft fte.
„0 ba| er ftegen möge überall,
2) ajj feine S^opferlraft bie #immelgleiter,
©emebt aug ftarfem unb aug fü&etn Sd?aH,
3) aran fein 93olf einft aufftieg’ meit unb meiter!"
©efangen hielt bag ftböne hoffen noch
Erinnerung mit mbftiföen ©emalten.
2l<b, all ihr ©lüd — mie lange mar eg bo<b ?
S3emi<hteten bdmonifdje ©eftalten-
0 fd&redli<b, gmeimal fdjredlidjeg ©efi<bt!
*> Sfoub einem magren SRotfo: fltadfr einer ttalienifäfn Sitte mirb ein mufffaTtf^er
JtftnfUer, beffen Ser! öiaäco gemalt bat, mit Sang unb Spiel, bo$ in Begleitung einer
Babre, na<b $anfe gebraut; bat er bagegen geftegt, fo reroanbett man bieBabre in einen
SbronbimmeL Barteln unb SWuftf bleiben fl# glet<b.
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3» jener 2Ritterna$t — ba ängfiticb laufchenb
Mm genfter fte im feilen SSlonbenticbt
©eftanben, uttb bie Setenabe taufcbenb
£erangebrauft mit grellem gadeljug-
SBeb, toei)! baS SEBetl beS flürtftlerS auf ber SBabte!
Sott tarn beS SatlopbageS SRaSlentrug —
SBerlot’ne Hoffnung unb »erlot’ne Qabre! —
Stiebt batum war’S, ba& fie in SleicbtbumS ©lanj
gortan gelebt, wenn et ettang bie Ärone —
0 nein — nur bafs ein grünet Sorbeerttanj
Sem heilten {Ringen enbticb warb ;um Sohne.
.... 37tit Schauem ftattt fte in bie Sdmmerung,
Sie jefct ft<h fenlt betniebet auf bie Sanbe —
8<h, bamalS jtodt’ ibt IjlutS — nicht alt, nicht jung,
Sßetjweifelnb faft am eigenem SBerftanbc —
Sab fte’S jum} weiten SDtal: mit Sang unb Spiel
©ab man ein S»ott«©eleit bem emften Streben....
„Sie treten in ben Staub bein hohe» Siel —
0 mein ©eliebtet! lannft bu ferner leben ?“ —
So träumt fte fiib jttrüd in jene Stacht,
Sa fcblucbjenb fte in feinen Slrm gefunlen,
3ün grübrotb noch gebetet unb gewagt — ✓
Unb er aus ihren Sbränen Sroft getrunlen. — .
-Gr achtet ihrer nicht — benn ftnnenb noch
SBertoeiit fein Sluge auf ben lebten 3eilen —
Sie gebet ruht, — warb es inbeffen boeb
3u finfter, bei ber Urbeit ju Derweilen.
„3<h bah’8, ich boh’S!" fo ruft er freubig au3,
3um guten SEBert ben heften Schluff gefunbeit! —
©etroft, einft führ’ ich bi<h in’S eig'ne $au3,
Unb fchmüde bich — es beiten alle SBunben.
SBalb lommt ber Sag, es lommt bie ^eil’ge Stacht,
Sa unter präcbtig*golb’nem SBalbacbine
Sie mich jurüdgeteiten — bu bättft SBacht,
Unb flammenb ftrabtt baS ©tüd aus beiner SRiene.*
Sa aber plöblicb tritt ber SJtonb beroor,
Unb wirft ben fahlen Schein auf ihren Scheitel —
Sluf’S Sleu’ erfchredt fte jener gadelcbor —
Unb alles frohe Slbnen fcheint ihr eitel....
SBie eiftg ihre gurebt, wie beifs ihr Schmer},
Sie forgt, ben bangen flleinmutb ju »erbebten}
Gr reicht ibt feine £anb, jiebt fte an'S $er},
3n Gins »erf^meljen liebenb ihre Seelen.
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363
II.
Uurbereitang.
3a, eS gelang ibm, frei fnb |u erbeben;
6r wirft unb fcbafft, unb forgli<b Kräfte wirbt,
Sie neue Stopfung feinem Sott ju geben,
2Jtit bet et leben fott — oieHeübt au<b ftirbt.
3nbefs et in bet SJtufen Sempel ftreitenb
SBlit ungejäbtten geinben Sanjen bricbt,
2>en Sag beS Sieges tapfer »orbereitenb
Unb ttcfcenb auf bet innem Jtraft ©ewicbt, —
SBeicbt Sag um Sag Pon feines SeibeS Sangen
Set blaffe fRofenfdjimmer mebt unb mebt....
es ftbeint ibt ©eift Pon trübem Sabn umfangen,
Stuf ibtet Staue fteb’n gewitterfcbmer
©ebanlen, bie bet äulunft Sidbt Petneinen....
Sodj nimmer mebt Petrietb bet ftumme SJlunb,
Sie Slugen, bie nicht lachen unb nicht weinen,
SaS porging ba auf ibtet Seele ©runb.
3ut 9ta<bt}eit nur, auf ibteS Sägers Äiffen,
Sertünbet fte’S in fieberifchem Staum:
Sie — Pon bet Sogen wilbet Sutb jerriffen —
3bt $etj, ein Stad — treib’ auf beS SeereS Scbaum.
Sie burfb bet Süfte Sanb fie weit gejogen,
Sit wunbem gu|, Pon ©lübburft tobeSlranl,
Sie fie ein ßftlidj SpiegelbUb betrogen
«Bon Quell unb Salmfrucbt, — bis fte niebetfanl....
Unb wenn fie auffubt unb bie golb’nen Sterne
So glänjenb wanbeln fab am ^immelSjelt,
Sebt beS SrometbeuS Sunbetmäbr, bie ferne,
Sen Spinnweb»Steg jutüd jut S<blummerwelt. —
Sobl fab’S bet Seiftet, bocb na<b SanneSfitte
SerbüHt’ et Pot bet Sorge baS ©eficbt;
Slud> wu&t’ et, baS lein Sunf<b unb leine Sitte
©in fdjwadjeS $erj erretten tann, baS briibt....
Socb fpradj et in bet Siebe tiefften SSneit,
Unb fab fie an mit Slugen fonnig Hat —
SaS mochte fie mit ihrem ©tarn oerfbbnen,
Unb leis geftanb fte, ba& fte glüdlicb wat.
UL -
(Sntfcbeibung.
„Selcb raufcbenb Summen? wel# ein ferner Son?
Sie, fcbon uetftummt? unb fcbien bocb »tab’ ju tommen —?*
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364
©efpannten Sinn’b laufet fte feit Stunden fchon —
Salb meint fte Sicht ju feb'n, halb ift’b »erglommen....
Sie ftüfct bab mübe ifaupt auf ihre $anb —
Schon fpät ift’b in ber Stacht, — fte wollte nimmer
— Ob man ibt auch bie Sänfte fchon gefanbt —
Sich felbft berauben in bet Oper glimmet.
Um bann, entfefclitb Gnbe! noch vielleicht
Sieb toben Stoffes 3‘f<hen anjubören,
3« feben, wie ibt eblet gteunb erbleicht,
SBie gift’ge Slatternjungen ibn jerftBren. —
.... SBarunt, fo fmnt fte, fdjafft bet flünftler nicht
3» ftummer Ginfamleit, »ot ©otteb Sbrone —?
©enügt eb nicht, wenn nur bab Sonnenlicht
3b» b®rt unb ftebt? beb Saumeb grüne fltone
3bm SeifaH raufet — ? wenn tief im wilben SBalb
©in flüchtig Dieb verweilt, ein SBglcin fchweigenb
Sieb nieberläfst, wenn SReifterS Sang erfüllt,
Sab üöpftein — wie bab ©rab bie §alme — neigenb — ?
0 warum mu| er ftetb in eitlem Srang
©in 6cho fudfen in ber SDlenfchen Seelen?
Unb lann fcch hoch ber laut’re $immetbt(ang
IDtit irbifefctrüber Schlade nicht »ermäblen —?
So<b muh eb atfo fein, gebt ©öttermuth
Sem ©eniub, fotl nicht beb 3nrbilbb Schreden,
Sab ihm bet Spiegel jeigt, beb fjeqenb ©lutb-
©rftiden, unb ihn läbmenb nieberftreden. —
Unb immer bunllet witb’b »or ihrem ffllid....
SBie feltfam ft<h im ©eift bie Silber reiben!
Sich, fteublob war, bo<b herrlich ibt ©efchid —
Stub Sicht unb Schatten webt fte Sräumereten.
SBie beb Sewufitfeinb $etle fte verlädt,
flehet enblich ihr ein lurjet grieben wieber —
Sab fchlummertrunFne Sluge fchlieft f«h feft,
Seb £aupteb Saft finit auf ben Sufen nieber. —
_£ot<h, horch, jefct lommen fte! lein Zweifel mehr —
Sutch’b genfter blidt fte — gadeln, grelle Sichter!!
Gin Stauetmatfch, bie Sabre hinterher —
Sott mit »erhülltem Slngeficbt ber Sichter!....
SBeb — trod’nen Slugeb ftarrt fte — baftig ringt
Sie ihre weihen ßänbe — gieberfdjauer
Surchrafen ihr ©ebitn — butch’b gtnflet fpringt
Sie rafch hinab »on f^winbelnb»hoh« Stauer!....
_0 Fimmel! wäre wahr bet Sel’gen Sraum?!
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365
Schon jefef — laut# Steifte ffe bie ©rbenhüKe —
Grtönt auä unbegrenjtem, Katern Kaum
©er (Ingel Sang in nie geahnter Sülle! —
ffiaS iS baS? ihrer glügel fühleS SBeh’n
guhlt löftlich ffe um Stuft unb Slntlifc fädeln —
Sie rafft ff<h auf — erwart, unb »or ff<h fteh’n
Sieht fte ein menfc&li# ©ngelsbitb mit Säbeln.
$ie Sog auf — herein ftrömt Sicfet unb ©tanj.
©n flnabe fpridjt, inbeff ganfaren Hangen —:
„Signora, nehmt 3h* fctbft ben Sotbeetfrana,
©er Steiftet will ihn nur »on 6 u dj empfangen, —
ßiet Iniet er, fel>t! —" Evviva! tönt es nach,
©ie Stenge harrt noch unten in ber Straffe —
Sie frönt ihn läcbelnb-bann jufammenbrach
©aS treue SBeib im ©Iü<feS*Uebermaaf)e. —
©aS war ber Sag, baS war bie heil’ge Sacht,
©a unter prä<htig*golb’nem Salbadjine
©aS Soll ihn heimgeleitet — Sie hielt SBadjt,....
fftodh ftrahlt Setllätung auä ber eblen Stiene! —
„Evviva, viva!!” — $ut<h bie ©affen hallt
©er Kuf, bis fern unb ferner er entfdjminbet,
Unb bei ber falten, lieblichen ©eftalt
©er Steiftet ffch in Xhränen mieberffnbet.
S d> lu
Ki^t weijj i<h ob ffe wahr, bie bunlle Stähr’,
©aff et im Sßalbe tief als Siebter lebte,
Unb einfam trug ben Kummer bteiernfchwer,
»iS feine Seele ju ber ihren ffhwebte. — .
Sief lieber folg’ ich einer anbern Spur,
©enn höh« flüt eS mir »om Stann unb ©enfer:
2US er geweint am Sufen ber Statur,
©rieb ihn jutüd bet ©eift, ber groffe Senler,
' 8um öaubertempel feinet eblen ßunft;
3u Harmonie »erllärt, legt Schmer} unb Gualen
g c — unhelümmert um bet Stenge ©unft —
gortan auf ihres SlltarS Opferfchaalen!
ß_
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gortfcbritt uttb bent tabilalett tlmfcbmung, melcher feitbem mit allen $er-
bältniffen be3 Sebent bor ftd? gegangen ift, fo tritt uns mit überjeugenber be¬
malt ber ©egen bet Sollsbilbung entgegen, ©eit ba§ ffiortgiügel
belommen, bat ftch ber gortfdjritt mit EBütbeSeile 33abn gebroden, unb ma3 in
lurjen hier 3abrbunberten geleiftet mürbe, labt uns auf baä fchliehen, maS bie
Qabrtaufenbe bringen merben. Eöobl lönnen mir uns froher 3wberficbt bin¬
geben, menn mir feben, mie in einer berbältnihmähig turnen grift mit bem
SBiffen bie ERacbt, bie greibeit unb baS 2Bablergeben ber
SBölfer fub ununterbrocbeit_gefteigert bat*
[Rach biefer allgemeinen [Reflexion menben mir uns bem in ber Uebet*
f<brift angebeuteten fpecieEen $benta $u. ©eitbem entfcbieben ift, bah Slmerila
fortfabren foE, eine ER acht gu fein, mibmet man ibm in (Surepa eine 3luf-
merlfamleit, bon ber früher feiten bie* [Rebe mar, unb §eigt ftch nicht nur ge¬
neigt, ibm ©erechtigleit miberfabren ju laffen, fonbern fogar «bon ibm §u
lernen, ©eiten nimmt man eine europaifche 3*itf<hrift g U r $anb ohne barin
einen Slrtilel über Eimerita ju finben, unb namentli(b §eichnet jtch burd? eine
zugleich moblmoEenbe unb gerechte Seurtbeilung ber bi^bö^n SBerbältnijfe
bie Kevue des deux mondes aus. GS ift nicht uninterejfant unb aud)
nicht ohne Etüden, bie eigenen 3uftänbe im fremben ©piegel ju fcbauen. ERan
lomrnt baburcb sunt Semuhtfein beffen, maS man bat, unb mirb an baS erin¬
nert, maS noch fehlt.
5)er Elrtilel, melcher uns hier borliegt, banbeit bon ber ameritanifchen
$BoltSfchule. S)er SBerfaffer fagt, bah es nur hier Sanber giebt, bon benen
behauptet merben barf, bah in ihrem [Bereich jeber Bürger lefen lann: [Rorb-
beutfcblanb, Etormegen, bie ©<hmei§ unb bie bereinigten ©taaten, mobei na¬
türlich nur bom korben bie bebe fein lann; aber in Sefcteren lann
nicht nur 3ebet lefen, fonbern er lieft auch mirlltch, um §u lernen, fuh
gu unterhalten, ober in ben öffentlichen Eingelegenbeiten ju orientiren. $ie ©ta-
tifti! ergiebt, bah in Eimerita minbeftenS ein 3*itungS-Elbonnement auf jebe
gamilie lomrnt. Seber Europäer, melcher Eimerita befucht, ftebt mit ©taunen,
mie auberorbentlich biel überaE unbju jeher 3eit gelefen mirb. Äür^lich befugte
unfer Elutor im^afen bon Slntmerpen bie Fregatte „Eiiagara". ElEe ERatrofen,
melche nicht im $ienfte maren, batten ein 33u<h, eine SRebue ober eine 3eitung
§ur £anb. 3»n Efenerila ift bie Settüre eine tägliche ©emobnbeit, bie CueEe
ber aEgemeinen $rofperität unb bie mefentliche Sebingung für ben SBeftanb
ber republilanifchen Snftitutionen.
S)ie EtoltSfcbule ift, mie aEe bmerilaner jugefteben, bie ©runblage beS
Staates, ber Gement beS EhmbeS. ElEe unentgeltlich in ftch aufnebmenb,
bringt ft« bie focialen Unterfchiebe in ^ergeffenbeit, erftidt bie religiöfen Elni-
mofitäten, entmurjelt bie Etorurtbeile unb Elntipatbieen, flöht 3ebem bie Siebe
jum SBaterlanbe unb Eldjtung bor beffen freien 3nftitutionen ein. EBie oft ift
nicht mabrenb beS ÄriegeS borhergefagt morben, bah bie meftlichen ftch bon ben
atlantifcben ©taaten trennen unb bie ©taaten am ©tiEen EReere eine eigene [Re-
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publil bitten mürben! Unb in ber Sbat tonnten fidb bie grcuitbe bei Korbcnl
biefer Sefürcbtung nicht ermebren, benn nahe lag bie Serfucbung, fub auf biefe
SBeife ber Saften bei firiegel unb ber bamit »erbunbenen Kationalfcbulb ju
entlebigen. Slber bennod) haben fit taum baran gebaut. Schon längfl batte
bie Solflfcbule ben fieim ber nationalen Ginbeit in bie Gemütber ber auf«
toaebfenben Generation gelegt, unb fo mar f i e bal unjerreißbare Sanb, melche!
ba! Kiefengebäube jufammenhielt. Guropa bemunbert mit Kecbt bie Gnergie
ber jungen Kation, metebe in »ier fahren jmei DÄidiorien ©olbaten unb Stil«
liarben Gelbe! einet gerechten Sache opferte; noch gröbere »emunberung aber
»erbient el, baß bajfelbe Soll, mäßrenb el taufenb bilßer unbetannte äb«
gaben unb Saften auf fub nehmen mubte, bie Regierung beibebielt, mel«be
biefe Opfer »on ihm forberte unb noch nicht im Stanbe mar, fub bureb ben
Sieg ju rechtfertigen. Gl mar bie! ba! Seichen einer SEBeilbeit unb Selbftüber«
minbung, beren eine un roif f en b e Kation nicht fähig gemefen märe. 3n ber
©(hule lag ba! {teil ber ameritanifeben Semolratie!
G! freut uni, bie! in einer europäifeßen 3eitf<brift anertannt ju feben.
2Bie mabr e! ift, geigt fub am Verhalten bei Korben! unb bei ©übenl. Sffiäre
in Seßterem bie Schule, bie Kuftlärung, eine folcbe Stacht gemefen mie in
Grfterem, fo märe meber ber firieg entftanben, noch hätten jemall bie Grunb*
übel ficb entmictcln tönnen, bie ihn beroorriefen.
flaum maren bie erften 5ßilger»äter gelanbet, all fie febon an ben Unter«
riebt ihrer ftinber baebten. Gin Keglement oom 3aßre .1642 beftimmt: Kie foll
unter uni bie Sarbarei gebulbet merben, melche batin beftebt, baß man bie itinber
nicht lefen lehrt unb nicht mit ben Gefeßen »ertraut macht. Ser auf biefe SBeife
obltgatorifcb gemotbene Unterricht mürbe »on Sebrern erteilt, melche bie gami«
lienoäter mäblten.. Sämmtlicbe nörblicbe Solonieen metteiferten in bet Seför«
berung einer Sache, beren übermiegenbe SSidhtigfeit fie eilannten. Später bräng»
ten bie Snbianerlriege, ber Unabbängigteitltampf, bie Grünbung einer Kation,
bie taufenbfacben materiellen SBeftrebungen, melche nun einmal unausbleiblich mit
bem Snllebenrufen einer neuen 2Belt oerbunben finb, bie Sorge färben öffentli«
eben Unterricht einigermaßen in ben #intergrunb, unb bie Unmiffenbeit gemann
immer mehr Serrain. Sa erhoben »or etma 30 fahren einige belle fiöpfe ben
SEBarnungSruf, unb el erfolgte eine ber Grbebungen, »on beigen man fub in
Guropa leine Sorftellung machen lann. Ueberall hilbeten fub Vereine jur
SBerbeffetung bei öffentlichen Unterricht!, unb maffenmeife etfebienen Seit«
febriften, melche fpejiell biefem Gegenftanbe geroibmet maren. Stebrere ber
beroorragenbften Stänner ber Union, $enr» Sarnarb, §otace Stann, bie $ro«
fefforen Stome unb Sache gingen nach Guropa, um bort bie renommirteften Sp*
fteme ju prüfen. Sei ihrer Küdtlebr »eröffentlichten fie ba! Kefultat ihrer
Kachforfhungen unb [teilten ft<h an bie Spiße ber Agitation. 2Bal bei biefer
Gelegenheit bie inbtoibuetle Gnergie ju Stanbe brachte, ift mabrbaft bemun«
bernimerth. #enrp Sarnarb, melden ber Staat Khobe ftllanb mit ber Se«
treibung ber Kefotm beauftragt batte, veröffentlichte in feinem offijiellen Se«
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S69
rieht bie»on ihm geleiteten ©orarbetten. 3»eimal befugte et fämmtliche
Gommünen beS Staates, bierbunbett £ebtet »ernabm et übet ihre Unterrichts*
metbobe, imb bie 3&glinge fämmtlicher Spulen würben »on ibm perfönlich
geprüft. ©u&erbem richtete et übet taufenb ©riefe an ©erfonen, non benen
et eine Belegung erwarten tonnte. gn jebet Sommüne berief er eine ©er»
fammtung, um bie Sache mit ben Bürgern unb Sebtetn }u befpteeben. 6t
hielt über fünfimnbert ©orträge unb grünbete überall Sotaloereine jur ©etrei»
bung bet Slgitation. Grft nach biefen ungeheuren ©erarbeiten, nadjb'era er
felbjt bureb bie öffentliche ©teinung in mancher Begebung aufgetldrt war unb
toieber feinerfeitS }u ihrer Säuterung beigetragen batte, trat er mit ben ©or»
feblägen ans Sicht, welche »on ber SegiSlatur »on ©höbe gslanb angenommen
würben. gn ben übrigen Staaten fanb eine ähnliche Bewegung ftatt, unb fo
tarn eine im SBefentlicben übereinftimmenbe Organifation ju Stanbe, welche
man feitbem gabt fto 3abr ju »eroollfommen bemüht ift; — gn 6uropa gebt
man anbetS ju SBerte. Bie Regierung ernennt eine Sommiffion, biefe Gom*
miffwn arbeitet im ©erborgenen, unb ihre ©nfuhten bütfen bei Seibe nicht in
bie Oeffentli^teit bringen. Gnblich, nach mehrjährigen, gebeimnifi»olIen
©orarbeiten, wirb ein ©efefc erlaffen, welches, wie »ortrefflich es auch fein
mag, leine grüßte tragen tann, weil bie öffentliche ©teinung nicht barauf »or»
bereitet ift. gn Sachen beS öffentlichen Unterrichts ift nur baS »on ©üben,
waS auf ber Uebereinftimmung ber Bürger beruht.
gn fämmtUchen längft »on ber Stlaoerei befreiten ober nie »on ihr berührten
Staaten ber Union überfteigt bie 3lnjahl ber Schulen bei weitem SlUeS, was
man fich in Europa (wir möchten boch lieber fagen, in granlreich) »orfteöen tann.
gm gahre 1861 tarnen im Staate ©ew*?)orf 11,750 öffentliche Schulen auf
3,880,735 (Einwohner, was eine Schule auf ungefähr 300 Seelen ergiebt;
in ©tajfachufettS 4,605 Schulen auf 1,231,066 6inmohner, alfo eine für'
270. gn ben weftlichen Staaten ift baS ©erbältnifs ein noch günftigereS. gn
Ohio jum ©eifpiel tommt eine Schule auf 160, in gdinoiS eine auf 190, in
©tichigan eine auf 150, in SBiSconfin eine auf 130 Ginwobner. ©ach bem
lebten ftatiftifchen Beriet, im gahre 1865, jählte grantreich 38,386 öffentliche
Schulen auf 37,382,225 6inwobner, alfo eine für 984, fteben ©tal weniger
als in ben erft »or einigen gabren in ben ©rairieen beS fernen SffieftenS ge*
grünbeten Staaten. Um ©merita gleich ju tommen, mühte grantreich 200,*
000 ftatt ber 38,386 Schulen buben, unb wenige europäifebe Staaten tonnen
{ich eines betfern BerbältniffeS rühmen!
Bie Barftedung ber innern Organifation ber ameritanifchen Schule tön*
uen wir hier übergeben, weil wir fte bei unfern Sefern als betannt »orauSfeben
bütfen. Bie Einrichtung ber Schulbäufer in ben gröfern Stäbten, namentlich
in ©ew*|)ort, wirb »om ©erfaffer hoch gepriefen, unb namentlich betoorgebo*
ben, bah leitete Stabt im gahre 1861 nicht weniger als 6,500 BollatS auf
ben Slntauf »on ©ianoS für ihre Schulen »erwenbete. Bie Schulbibliotbeten
beS Staates ©ew*Dort jäblen bereits anbertbalb ©Unionen Bänbe. gn neun
Sagten, oon 1853 big 1861, bat bie Stabt Rem*?)orl 1,472,000 $oHatg
für ben Reu* ober Umbau ihrer öffentlichen Scbulbäufer auggegeben.
£eroorgeboben wirb bie grobe Stnjabl ber in ben Schulen oermenbeten
meiblichen Sebrlräfte. 3n SRaffacbufettg gab eg im Sabre 1861 4000 Sehet*
innen neben 1500 Sehern, im Staat Rem*?)ort 7,583 Seher unb 18,915
Seherinnen, in Vbilabelpbia 1112 Seherinnen unb nur 82 Seher. *3n ber
Stabt -Rem*2)orl lommen unter ben Sehkräften 22 grauen auf 3 SJtänner.
S)ag hierüber gefällte Urtbeil lautet: „$>ieg Spftern bietet jablteicbe Vorteile.
Buerft empfiehlt eg ftdj burch feine ViUigfeit, benn bag ©ebalt einer Seherin
ift um ein 2)rittbeil geringer alg bag eineg Sebrerg, unb bieg ift leine Sieben*
fa<be, ba eg in Slmerila hier ober fünf 9Ral mehr Schulen giebt ate in (Euro*
pa. Ueberbieg bat eg ft(b ergeben, bafj bei gleichen Renntniffen bie grau bag,
mag fte meifj, ben fiinbern beffer mittbeilt alg ber ÜDtann. Sie ift meniger ab*
fto&enb, minbet pebantifd?, bat mehr ©ebulb, (Sinbilbunggfraft unb Sanftmut^
Silit ben gnftinlten ber SDtutter begabt, bemächtigt fie ftch leicht ber Slufmerl*
famfeit ihrer £örer, unb bie gewöhnlich fo bürren Slnfangggrünbe, merben jum
Spiel. Selbft bie tueihliche Slnmutb oerleibt ihrem Unterricht einen geheimen
8auber. 3)ie Schule ift auf biefe SBeife nicht bag oon ben ähtbem gefürchtete^
oon Strafen unb Sangerweile angefüllte ©efängnifj, fonbern mehr eine jmeite
häugüchleit, in welcher ber fanfte gamiliengeift maltet unb mo bie ältere
Schmefter ih« jüngeren ©efchmifter unterrichtet. 3)ie Seherinnen ftnb faft Sille
jung, meil fte feiten länger alg fünf ober fedjg Bahre bem Veruf treu bleiben; faft
immer merben fte halb oerbeiratbet. 2)agiftnun aber bie ©emobnbeit ber Orbnung
unb Slutorität, bie Klarheit ber gbee oerbunben mit ber Seichtigleit ibreg Slug*
bruäg, eine treffliche Vorbereitung auf ben Veruf ber gamilienmutter. 2)aburcb,
bafj fte erft bie Äinber Slnberer ergebt, lernt fte ihre eigenen erjieben." SBir
mollen bieg Urtbeil feiner ßritif untermerfen unb überlaffen eg ben Sefern,
baffelbe je nach iher (Erfahrung $u billigen ober mit ihm ju bifferiren. Rabe
aber liegt eg, bafj bie ungeftüme anterifanifebe Sngenb leichter burch Sanft*
mutb alg burch Strenge, leichter burch ben (Einflufj ber grauen alg burch ben
ber üRätutet §u bänbigen ift, auch abgefeben baoon, bab fchon ber im -Ratio*
nalinftinlt murjelnbe Refpeft oor ben grauen biefen eine bohre Slutorität oer*
leibt.
5)urchaug einoerftanben erflärt ftch ber Verfaffet mit ber ftrengen Scheibung,
melche in Slmerila gmifchen Schule unb Kirche aufrecht erhalten mirb, ober oiel*
mehr mit bem abfoluten Slugfcblub ber Religion oon ber Sdjule. Sllg Verneig
bafür, bab heg Spftern ben teligiöfen Srieb beg Volleg nicht beeinträchtigt,
führt er, ba „3abten teben", golgenbeg an: 2)ie freimilligen Beiträge für bie
Vefolbung ber ©eiftlidben betragen in ben Vereinigten jährlich breimal fo oiel
alg bag ganje Vubget beg geiftltchen 3)epartementg in granlreich. Stuf
biefe SBeifelann ftch bie ©eiftlichleit aUerbingg nicht über bie SBitlung ber be*
ftebenben Vrayig befchtoeren. Sag faft oon allen nörblichen Staaten ange*
nommene Schul*Reglement oon ÜRaffachufettg beftimmt golgenbeg: „Sie 2eh
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371
ter foHen fleh bemühen, bem §erjen bei irrten anoertrauten 3ugenb bie gröm«
migteit, bie ©erechtigteit, Sichtung »or bei SBahrheit, Siebe jum SBaterlanbe unb
SBohlmoUen gegen alle SDtenfchen, 2Räjsigteit, Sufi jut Slrbeit, ßeufchheit,
Selbftbebetrfchung, Gntbaltfamteit unb alle anbetn Sugenben einjuprägen,
loelcbe bie 3ierbe bet ©efellfchaft unb bie Safte einer Stepublif bilben. Sie
foüen ben Böglingen an ihrem SegriffSoermögen faltigen SBeifpielen jeigen,
toie biefe Xugenben geeignet finb jur Slufrechthaltung unb Gntroidelung repu»
blitanifcher 3nftitutionen, »ie fte Stilen bie unfchäfcbaren SBoblthaten bet grei=
beit garantiren, »ie jie baS ©lüd eines 3eben beförbetn, unb wie bie ihnen
entgege ng efefrten Saftet unfehlbar »erbcrbliche folgen nach f«h sieben." Schon
toegen biefer SSeftimmung muh man SDtaffachufettS, mag eS auch bis über bie Ohren
im ißuritaniSmuS fteden unb »om äJtorgen bis jum Stbenb SPfalmen fingen,
»erebren. 2Sie »eit »erben »ir fortgefcbritten fein, »enn einmal im beutfchen
„Staate ber SnteUigenj" bieS SReglernent bie „3t egulatiöe" »er¬
brängt batl
SUä ber SSürgertrieg auSbracb, ate in jebem Slugenblict 6a3 ganje ©ebäube
jufammeujubrecben brohte unb bie ungeheuerften Opfer fub thürmten, ate
ber Süben feine öffentlichen Schulen fchloh unb bie ihm gehörenben ©elber in
SBefchlag nahm, »ermehrte 3te»=Dort, welches ein [Regiment nach bem anbern
organifirte unb bie gamilien bet SluSrüdenben ernährte, jugleich feine SluSga»
ben für bie ©djulen um ein [Beträchtliches, unb mit gerechtem ©tolj tonnte
£err 3tanball, bet Superintenbent beS öffentlichen UuterrichtS für biefe Stabt,
fagen: „2Bir tönnen, befonberS in Slnbetracht ber obmaltenben Umftänbe, ftolj
fein auf bie Opfer, »eiche »ir für unfete Schulen gebracht haben. 2Bel<he
anbere Station tonnte ficb, Ȋhrenb fie alle ihre itraft jur SSertheibigung ber
heiligften Siechte, ja ihrer Gyiftenj aufbot, eine jablreiche Slrmee unterhalten
unb bie fchwerften Saften tragen muhte, je ähnlicher Seiftungen auf bem ©ebiet
beS SSoltSfchultoefenS rühmen ? Unb »aS tonnte uns baju bewegen, »enn
«icht bie Ueberjeugung, bah bie immer junebmenbe Sluftlärung unentbehrlich
ift jum SBeftanb freier Snftitutionen, bah bie SBilbung Silier bie ©runblage ber
herrlichen Gonftitution ift, reelle bie SDtänner bet Steoolution uns hinterliehen ?
®aB SBolt ertannte, bah baS einjige SWittel jur Sicherung beS enblichen Triumphs
ber guten Sache nur in ber fortfehreitenben Sluftlärung ju finben fei/' SBelch
fchöne SBorte — ruft ber franjöhfche Srititer aus — welch «bleS SScrtrauen
jur gjlacht ber SBahrheit! 3“t SBefiegung ber Stla»enhalter-3lebeHion reifte
baS Schwert allein nicht bin; auch baS 93u<h muhte baS ©einige baju beitragen.
Um bie Stiebertradjt ju ftürjen, genügte nicht ber 3»ang allein; eS muhte bie
Stuft l ä r u n g binjutreten.
Selten haben »ir eine Slbhanblung mit folgern Vergnügen gelefen »ie
bie, »on »eichet »ir im Obigen einen Slbrih ju geben fügten. SJtag bem
ftanjBftfchen Gnthufcaften auch mancherlei im ibealen Sicht erfcheinen, »aS
uns kt profaifcheret ©eftalt entgegentritt — »obl »erbient baS ameritanifche
Spftem ber allgemeinen, unentgeltlichen, in jebet SBejiebung freien SBoteerjie-
M
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bung, baß man fid& bafür begeiftert, unb mobl !amt bte Wepublif ftolj barauf
fein. 3)ie Hervorhebung beffen, maS an ben beftebenben SBerbältniffen aus*
§ufeften ift, fei Scannern non gach notbeb alten. $em Saien aber brängt fnb
bie Jöemerlung auf, baß baS ©ebäube ber öffentlichen Schule erft bann vollen*
bet fein mirb, menn man jum urfprünglichen Spftem beS obUgatorif eben
Unterrichts jurüdfebrt, unb bemfelben überall einen nationalen Kbarafter
nerleibt. SBdten bie SBolfSfchulen auch im (Buben feit ©enerationen eine
Sßflanjftätte beS greibeitSftnnS unb Patriotismus gemefen, fo hatte fi<b bor*
bie Seceffum als ebenfo unmöglich berauSgeftellt mie in Kalifornien, unb ber
im Kongreß aufgetau<bte Porfchlag eines n a t i o n a 1 e n UnterrichtSgefefteS
bat baber feine noHe Serechtigung.
3um Schluß no<b einige SBorte über bie amerifanifchen Seherinnen, mie
fie fub uns feftt in einem SBirlungSfreiS §eigen, melcher ber Aufmertfamfeü beS
franjöfifchen ßritilerS entgangen ift. Xöcbter AeuenglanbS feftten fchon vor
bem Kriege ihre greibeit unb ibr Seben baran, bie Söobltbaten ber Gilbung ba
$u verbreiten, mo fie gefeftlich auSgefchloffen mar. Krinnert man fi<b nicht
mehr ber fübnen grauen, melche im Süben Aegerfinber unterrichteten unb ba*
für ins SuchtbauS gefteeft ober förderlich mißbanbclt unb fortgetrieben mürben?
KS maren biefer Hetbinnen nur SBenige; von Söenigen mürben fie bemunbert,
von fielen als ^börinnen betrachtet, von noch Mehreren töbtUch gehaßt. Jlaum
aber entfaltete fich auf füblichem 23oben baS Banner ber greibeit, faurn mar ber
Sieg bei ^tlton £eab erfochten, als f<hon Aeuenglänberinnen ftch bortbin begaben,
unb in ben von ben flüchtigen Sklavenhaltern geräumten Käufern Schulen für
bie ^Befreiten einrichteten. Angenehm mar baS Söerk nicht, bem fie fi<h biuga*
ben. Sie mußten fich Kntbebrungcn aller Art aüferlegen unb allen mit bem
ßriegSleben verbunbenen ©efabren troften. Aber ihren Sohn fanben fie in ber
(Erfüllung einer heiligen Pflicht, eines fchönen Berufs — in ber Krbebung einer
fbftematifch geknechteten unb vertbierten Aace §ur üAenfcbenmürbe. Unb
maS an ber ßüfte von Sübkarolina begonnen mürbe, baS mieber*
holte fleh überall ba, mo baS Sternenbanber triumpbirte. KS giebt
feinen {üblichen Staat, in bem nicht ber #o<hfmn nörblieber grauen
fi<h in biefer Art entfaltete, unb noch jeftt mibrnen fich unter bem Schuft
unferer Gruppen $unberte von ihnen oiefem eblen SBerfe. ©iebt es mobl
etmaS Schöneres unb HerjerfrifcbenbereS ? Krbeben fich Die Söhne unb Töchter
Afrika’S mit faft munberbarer Schnelle aus ihrer ©efunfenbeit, entfalten fie
einen überrafchenben 33ilbungStrieb, unb merben fie fehr balb fich einer ©efit*
tung rühmen lönnett, melche fie in ben Stanb feftt, auf j e b e m ©ebiet bie
unveräußerlichen 2Aenfcbenrecbte für fich unb Anbere jur ©eltung §u briugen—
bann barf ber 3)ank ber 3eitgenojfen unb aller fünftigen ©enerationen ben
eblen grauen nicht vorenthalten merben, melche mit persönlicher Aufopferung,
auS reiner SAenfcbenliebe, bem geiftig Sölinben bie Augen öffneten, ben ©efun*
fenen aufriebteten, ben ©ebaßten unb Verachteten mit fanfter greunbeSbanb in
ben 3auberfreiS humaner ©efittung führten.
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Diarjt 0 %tttt J5taM.
Son ^ermotm ftafter»
©n Keinem ßeimwefen non nietjig StcrcS Sanb, baS ifl ungefähr baS be*
fibeibenfte 3beal itbifdjer ©lüctfeligteit, weites man in ber ametilanifcben
SRepubUt !ennt, — fo befdjeiben, bafs bie ©efefcgebung beS SanbeS es als
SfK<bt betrachtet bat, einem geben bie SerwirHicbung beffelben ju gemähten,
gebet, bet (ich ein £eimwefen but<b Arbeit gtünben will, tonn non nietjig bis
niermal nietjig SWotgen Sanb baju umfonft etballen. GS fcbeint eine fo ge*
tinge ©abe! Millionen non Slnfieblern tönnen fte empfangen, ohne bajj baS
Sanbbeftbtbum, übet meines bie SRepubUl nerfügt, etfcbbpft »itb. 2Bäre eS
bereite überall in Stnmefen non nietjig SBorgen getbeilt unb bemobnt, — wie
bicbt befiebett würbe es erfcbeinen! Senn was ift für ben Sanbmann. ein
gläcbenraum non fünfbunbett Stritt im ©eniert V SBenn et feinen Slbfafc*
marft febt nabe bat unb ©emüfe« unb Obftbau mit bem ©etreibebau netbin*
ben tann, fo mag er mit einem folgen Seübtbum woblbabenb fein,— aber
für bie weit übetmiegenbe SRebrbeit bet ameritanifcben Sanbbenölterung fmb
nietjig 2Äorgen ein febt Heines ©üt<ben, nur eben grob genug, um einet fleifjU
gen Familie, wo nicht ein lümmerlicbeS, bo<b ein übetauS befcbeibeneS 3luS*
Jommen ju gewähren. Sie mag ficb babei behaglich fühlen, aber nur wenn fic
eine Stenge bem Stäbter jut SRotbwenbigleit geworbener ©enüffe bet ©nilifa*
tion entweber nicht lennt, ober ohne Skbauern barauf nerjicbtet.
Siefelben nierjig Storgen ©runbfläcbe, bie am SMiffouri, am SMinnefota
ober ÄanfaS taum einet eittjigen gamilie binreicbenben ©dbogentaum gewäb*
ten, müffen ba, wo bet £ubfon f«b ins Steer ergießt, einet ©eoölletung
SRaum bieten, welche jablteübet als bie manches bet Heineren beutfcben gür*
ftentbümer ift.
3u bet 3«it* «iS bie SBaUftreet bie nbrblicbe ©tenje non 9tem*3)otl be*
jekbnete unb bie ffltaiben Sane (Qungfetnftieg), jefct bet£auptft| beS Ouincail*
lerie*®efcbäftS, ein beliebter Spajiergang not bem Shore war; — als bie
ffieft*, ©teenwüb unb ffiafbingtonftreet auf bet einen, Sbeile »on Söeacer,
South, gront unb SBatetftreet auf bet anbern Seite, ber Stabt noch HReereS»
grunb waren; — alfo noch lange not bet Seit, wo baS breite, feübte ©ewäjfer,
baS non bet heutigen Gentreftreet nach bem £ubfon führte, überbaut unb jut
Ganalftreet gemacht warb, floh non bem fünfjig unb mehr gufs tiefen Seich,
an beffen Stelle je^t in ©eftalt eines büftem ägpptifcben Sempels bie Stern*
Dotier Stabtnoigtei fleht, ein fcbmalet, mit Stbüftobt unb SBinfen halb bebed*
tet SSacb nach bem SDteereSarm, ben bet Sprachgebrauch fälfcblicb als einen
glüh (©ift Miner) bejeiebnet. Ser Sadj burebfebnitt ein Sanbgütcben, non
beffen früheren Söeftgetn bort nut noch bet Marne in bet SRoofeneltftreet geblie*
ben ift, wäbtenb ihre Macblommen, jefet ben „älteften unb beften gamilien"
angebbtenb, Idngft ihre Säten unb Senaten nach ben obetn, atiftotralifcben
374
©tabttbeilen getragen fabelt. Sei* unb ©a*, S*Hf unb SBinfen, Siefe unb
Slderfelb fmb längft »erf*wunben. Sffio »or »ier «Wenf*enaltern bet ©flug
feine gur*en jog unb äübe weibeten, wo Gine Familie in behäbigem Sohl»
ftanbe ibt ©enügen fanb, ba bauten jefjt in einem ©ewirt enget, mit fufjtie*
fern fiotb bebedtet ©affen, in ©ebaufungen, oor beten Unfauberfeit wobt feibft
bie S*meine unb Äüije be.? alten bolIänbif*en ©effbet? erf*redt fein würben,
mehr at? jmanjigtaufenb menf<bli<be Seien. Sie ©ierjig«3lcte?»garm ifiju
bem geworben, wa? für ©etlin ba? ©oigtlanb, ober füt Hamburg bet ©erg
ift.
©ebt man »om gu&e bet Satlftreet in bet föafenftrafse aufwärt?, ben
«Waftenwalb jut We*ten, grobe Sbee» unb ©aumwolIen»©pei*et, ©adbüfe,
©eget« unb £au«Wieberlagen §ur Sinlen, fo gelangt man in fünf« ober fe*?»
bunbert ©*ritten na* bem gu&c bet guttonftreet. fiaum bermag ft* ein
be? ftäbtif*en ©emübl? untunbiger gu&gänget bur* ba? ©ewirt oon gra*t«
farren, Stellwagen, Dmnibu?, ßutf*en unb Gifenbabnwagen ju brängen,
welche? bort »on früher borgen« bi? ju fpätet Slbenbftunbe ben gabtweg be«
bedt. 2Benn bie StrBmungen ber »om ©rootlpner gäbtboote abfabtenben unb
bet babin fteuernben gubnoerte gegen einanbet branben unb baju no* b<>*'
betbürmte©aumwolIen»Sagen ober unter betäubenbem ©ellappet bet lofen Gi«
fenftangen babertaffelnbe Gifen«„Srud?" »on Worb unb ©üb guer in jene
©ranbung bineinfaufen; wenn bie gubrleute unb £utf*er unter gellenbem ©e«
{reif* unb baarfträubenben glü*en ft* einanbet bie ©erft*erung ertbeilen,
bah ihre ©lütter »om einbeutigften «Rufe gewefen feien, ober ft* bet eine 3*ei
bereit erllärt, bem anbem fein f*warje? £erj au? 3 uf*neiben, jeben Sno*enin
feinem ungefegneten ßBrper ju setbre*en, im gälte be? «Wiblingen? biefer Auf¬
gabe aber feibft »erbammt ju fein:—bann lann au* ein ri*tige? Wem»©orfer
®nb in bie Sage lommen, bie $ülfe be? blauißdigen Sootfen anjurufen, beffen
bünne ©erte wie ber Sreijad Weptun? ba? ©raufen unb Sogen biefer brüllen«
ben glutb jum ©*weigen bringt. Gin ©olijeimann ftebt an »et Uebetgang?«
ftelle, wo ängftli*e gu&gänget mit bem 2lu?btud »oUlommenet £offnung?loftg«
leit auf ba? ©ewübl bliden. Sobalb ft* ein bübf*e? ©lüb*en obet eine
ftattlt* au?febenbe grau bet ßarawane anf*tie&t, aber ni*t eher, erbebt bet
Slrm be? ©efefce? feine ©erte: — fämmtli*e ©ferbe werben angebalten; jwi*
f*en ihren ÄBpfen unb ben ©otberwagen brängt ft* bet Sootfe mit btt ©*6«
nen, unbfo bi*t wie mögli* ft* an fte f*lie&enb folgen bie übrigen gu&gänget
na* bem ft*em Ufer. Unmittelbar hinter ihnen wallt unb {lebet unb braufet
unb jif*t bie glutb wiebet itt ihrem unfaubern ©ette. Sehe Sem, ber hier
»on bem 6*aumfpriben ber Sogen getroffen wirb. Senn ber 6*aum ift
f*watj, at? ftammte et au? ber ftpgif*en glutb, bat bie Si*tigteit »on ©le»
taffe unb »erwanbett ft* unter ber Ginwirlung ber ©onne unb Suft in ©arten»
erbe, bie ft* mehr but* gru*tbarleit, al? bur* Soblgeru* au?jei*nei.
So* wir ftnb glüdli* übet bie gefäbtli*e Stelle gelangt. Sen gulton*
«Warft mitfeinen berühmten 3lufternf*enfen für bie?mal linf? liegen taffenb, getan«
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375
gen wir nach einigen weiteren Schritten auf ben Vaum, ber ehemals baS SRoo*
feuelt’fche Out War. ©S ift ein längliches Viered, baS ftch achtbunbert Schritt
lang unb ungefähr halb fo breit am ©aft*9ftioer entlang erftredt. Sie jur $ed
Slip auSgeweiterte gerrpftreet, in welker foloffale ÜRieberlagen Pon Seber unb
£duten einen für Siebpaber Pon Ammonium unb Tannin b^cpft befriebigenben
Suft auSftrßmen, bilbet bie {übliche ©renje biefeS Viertels. Von alter Seit
ber, wo ftatt ber Millionen bon SotlarS untfepenben ©roftgefchdfte in Seber
hier nur bef<beibene (Gerbereien waren, beifst bie ©egenb no(b ber swamp
(Sumpf). SarauS bat biefelbe pbonetifcbe UeberfepungSfunft, bie ben Vroab*
wap in einen Vrobweg, bie ©ffejftreet in eine ©ffigftrafte unb jebe 2l»enue*tn
eine ©bene berwanbelt, einen gebeimniftootlen „Schwamm" gemacht. ©infam
genug ift es ÜRachtS in biefem „Schwamm", baft bie ©eifter ber Scbntaufenbe
bon Vinbern unb Schafen, beren Haute hier aufgetbürmt ftnb, fputen geben
ton nten, benn baS ©efcpdft bat in ber gerrpftreet alle ffiopnungen berbrdngt.
Sie (Gerbereien fmb Idngft aus ber Stabt gewanbert unb befinben ftch jept
weit oben am Hubfon ober an ber nach bem ©rtefee fübrenben ©ifcnbapn, wo
Sannen* ober ©ichenmdlber ben ©erbftoff aus erfter $anb liefern.
3mifcpen ber gerrpftreet unb Vedflip fcpwingt ftch bie Vearlfheet, bie, bom
Vroabwap oftroartS auSgepenb, einen ÄreiSabfcpnitt befchreibt, um eine eng*
liftbe ÜJteile nörblich wieber in benfelben Vroabwap ju münben, nach 9torbwe*
ften b«am. Siefe Strafe macht auf ihrem frummen Saufe bie Perfcpiebenften
Stabien burch. 2Bo fte ben Vroabwap Perlaftt, bietet fte §uerft bem Vrooifto*
nen*, Vtebl* unb ©etreibegefcpdft eine Statte, weiterbin bem VaumwoHe* unb
SBodebanbel, bann bem Xabad*, ©olonialwaaren* unb grü<hte*©ef<hdft, bann
bem Vetroleumbanbel. Von ba, in ber ©egenb ber gultonftreet, giebt fie neben
bem #anbel auch ber gabrifation-eine Stelle. ©S tommen Sampen* unb Sa*
temen*, ©laSwaaren* unb Vürftenfabriten, auch einige ©ifenbanblungen unb
Dfen*Vieberlagen. Sort, wo ftch ber Sogen norbmeftlid? wenbet, brdngt ftch
bie Äleininbuftrie immer ftdrter in bie gabrifation hinein.. ©S tommen noch
einige Vtöbelfabriten, Seberhanblungen, unb es tommt baS toloffale, 5 Stod
hohe unb 150 guft breite eiferne ©ebdube, in welchem ftch bie grobe $arper’f<he
VetlagSbuchbanblung befinbet; aber bajwifchen mehren ftch bie Schuhmacher*
laben, Äramldben, Schenten, bis enblicp, nach einer fur§en Strede mit billigen
Vupwaarengefcpdften auf ber einen, Vtöbelbanblungen auf ber anbern Seite,
bie Strafte ftch in einem ber elenbeften unb fcpmupigften Vroletarieroiertel ber
Stabt verliert unb als »erachtete SBinfelgaffe wieber in bie £auptftrafte ein*
tritt, Pon welcher fte fiep als eine mdchtige VerfeprSaber abgejweigt batte. 3n
ber Vdpe beS „Schwamms" bat fw auf ihrer redeten Seite fchon ein febr per*
bdchtigeS 2tuSfepen. Verfallene, auften unb innen mit einer firufte Pon
Scb’mup bebedte ^dufer, — in beren ßedern ftch Sumpengefchdfte unb Schub*
flidereien, in beren ©rbgefepoft ftch Srßbelbuben befinben unb beren Oberge*
fepoffe Schlafftellen für Vtatrofen ober Hafenarbeiter bieten, laffen bei ÜRieman*
bem bie VorfteUung auftommen, baft er ftch hier in bem ariftofratifchen Stabt*
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theil »oit 1780 befinbet. Stuf beit grell colorirfen alten Steinbrüdfen, ble ntan
in manchen alten Scfenfen finbet unb bie ben ©njug ©afhingtonS i„ bie
Stabt 9lew*2)orl »orfteHen, bilbet ein einfach, aber ftattlidj unb maffi» aus«
fehenbeS brauneä ©ebäube ben #intergrunb. SiefeS ©ebäube, für. bamalS
baS, waS b<«te baS Safarge»£otel, ober baS (Soerett^auS mit ihren £unberten
Don eleganten ©aftjintmern unb riefigen Sälen fmb, es ftebt noch b«ute in bet
Sßearlftreet, aber in welcher Skrfaffung! ©n fünfjig guf breiter SSactfteinta«
ften, mit graubrauner Grbfarbe überfdhmiert, mit »öllig erblinbeten, tbeilweife
burdf alte Seitungen erfeften genfterfdheiben, in bem fcbmufbebectten Grbge*
fchof ein Saben mit alten flleibungSftüden: — baS ift baS alte ©alton*4>oufe,
in welkem »or 83 fahren ber bamalS mit laum weniger als fürftlicfen Ghren
umgebene Sßräfibent ber 35er. Staaten refibirte. SaS Ginjige, was es no<b
»or ben anberen »erfaKenen Skradfen »otauS hat, ift ein halbes ©ufcenb
grob aus Sanbftein gehauener Äarpatibentöpfe unter feinem SimS;
©egenüber bem impofanten #arpet’fchen ©ebäube gebt als Tangente »on
bem Siegen ber fßearlftreet bie Gberrpftreet in norböftlidher Mittung, parallel
mit bem ©affet, ab. $ier enblidj finb wir im eigentlichen SBoigtlanb. GS ift
baS SRechted jwifchen Sßedflip unb Gatberineftreet in bet einen, jwifdben Gherrp*
ftreet unb bem gluffe in bet anbern SRicbtung.
©er bie Strafen biefeS SRecftedS im gebtuar biefeS gahteS burdbwanbert
bat, ber bat eine ©innerung für’S ganje Sehen erworben, aber eine entfe&liche.
3n ber hhperbolifchen SRebeweife, bie bem Slmerifaner eigen ift, ift ber unfau*
bete 3«ftanb »on 9lew»?)otl oft genug übertrieben worben. Slber alle Super»
latioe ber Sptadbe fmb nodb ju fcbwadb, um b e n 3uftanb ju föilbern, in
weldbem ftdf jene Strafen befanben. S8on Diinnftein ju SRinnftein erhob ficf
in unregelmäfigen $ügeln unb $ocbtbäletn eine fcbwarje 2Raf[e, beren tieffte
Stelle immerhin jebn bis jWölf Soll über bem Strafenpflafter war, wäbrenb
bie bödbften ©ipfel eine $öhe »on brei guf unb mehr erreichten. ®iefe ÜRaffe
beftanb aus Strafenloth als 93aftS, jebnmal gefrorenem unb wiebet aufgetbau*
tem Sdbnee, bet burdb bie fortwäbrenbe SBerbidung mit ßotb unb Staub baS
Slnfeben »on Sdblammerbe erhalten batte, aus floblenafcfe unb Sdbladlen, ®e*
müfeabfäHen, ßartoffelfcbalen, gifcbgrätben, Scherben unb Sumpen. Ski
ftrenger Mte bot baS ©anje ben Slnblid einer folojfalen IRelieflarte irgenb ei*
neS gtofen ©ebirgSfpftemS bar, aber fobalb es tfaute, »erwanbelte es fidb in
einen unergrünblidfen Sßeftfumpf, bet jeben eines folcben SlnblidS nicht ©e*
wBbnten mit Sdbaubern unb mit ©rauen erfüllte, ©enn man behauptet, baf
baS SJolumen berflothmajfe, welche in ber Gberrp», ©ater», gront» unb South*
Street unb ben fee rechtwinklig burchfcfneibenben Olioer», gmneS* unb SRoo»
fe»elt*Street baS Strafenpflafter bebedte, jweimalbunberttaufenb äubilfuf, alfo
ungefähr jefntaufenb guber betragen habe, fo bleibt man entfdbieben innerhalb
ber ©renjen ber ©abrbeit.
©eichen Slnblid in folgen Strafen bie Käufer barbieten, baS läft f«f
leidht »orfteden. 3>enn brei Viertel beS fiotfs auf ben Strafen flammt aus
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377
ben £dufern, ohne baß bamit ber ©orratb in biefen erfdhöpft mdre. Stuwer
ben bon ber Uferftraße bis gur grontftreet fcinourd? reidhenben ©ifen* s Jtieber*
lagen unb einigen SBaarenfpeidhern gmifd^en ber gront* unb 2Bater*Street giebt
eS in biefen Straßen nur §irei Sorten bon Raufern. Sie einen fmb niebrige
bölgerne Spelunfen, nach ber Strafe gu faum fo biel gront wie ein ©lodtbauS
bietenb, aber bon beträchtlicher ^iefe; bie anbern ftnb bon brei bis fünf Stocf
hohe fafernenartige ©ebdube — bie berüchtigten tenement houses, gegen
beren ©reuel unb Sdhrecfniffe fdhon feit bielen gabren mit SBort unb Schrift
unb ©ilb erfolglos geeifert worben ift. — Sie Heineren, rneift mit grellbunten
garben, — himmelblau, fmaragbgrün, ober fdhwefelgelb angeftridhenen $olg*
bäufer, fmb Statten ber robeften unb abfdhredfenbften gorm beS SafterS. 3*
jeber SageSgeit fiebt man in ben offenen Sbüren ober bitter ben niebrigen
genftern berfelben grauengimmer im faloppftcn Siuguge, im Sommer meiftenS
barfuß unb mit entblößten ©rüften, bie mit frechen ©ebebrben unb in einer
Sprache, bei welcher felbft ber mit bem $afen*Sialeft ©ertraute errötben muß,
ben ©orübergebenben aufforbem, eingutreten. Siefe Sdbcufale greubenntdb*
dhen gu nennen, ift ein $ohn auf bie Sprache, benn ihr SlnblidE flößt ©rauen
unb Siel, gurdbt unb Kntfe|en ein, ftatt greube. ©ergeblidh wirb man in
biefen groben, tbierifdhen 3&gen, biefen blutunterlaufenen, oft burdh bie Spuren
bon gauftfdbldgen mit blauen unb fchwargen ©ingen umgebenen Slugen, nadb
einem lebten fcbwadhen Oieft jenes gebeimnißbollen SauberS fudhen, ben als baS
„ewig Söeiblidhe" ber Siebter gu einer ben ©lenfdhen beiligenben unb auch ten
©erlorenen nodh rettenben ©lacht erhebt* £ier ift SllleS ftumpfe ©eftialitat
unb bie ftttlidhe ©erwefung Idngjt in baS lebte Stabium ber fauligen ©dbrung
übergegangen.
Sie meiften biefer Safterböblen haben im hintergrunbe einen fogenannten
Sangfaal, b. b. ein fdbmufcigeS, niebrigeS Signier, mit. rohen hölzernen ©dn-
!en an ben SEdnben, in welchem an jebem Slbenb bie ©dfte (in ber ©egel ©ia*
trofen) bei bem Klange einer gibel unb einer Klarinette burch Sang unb Srunf
fich in bie Stimmung gu berfefcen fu<hen, bie fHei^e ber Simen gu würbigen,
— eine Aufgabe, bie felbft fie nicht im nüchternen 3uftanbe löfen fönnten*
Sodh außer ben Spelunfen, in welchen ber Sang nur als ©ebülfe ber ©roftitu*
tion auftritt, giebt eS auch anbere, in benen ber Sang als §auptgwedf unb bie
©roftitution nur als ©eigabe erfdheint. SaS fmb bie berüchtigten Sangbdufer,
bdS Urbilb für bie Kalifomifdhen, welche iabrelang immer frifdhe 3«fub*en
oon ©Idbdhen aus ben beutfehen ©beinlanben bezogen haben unb bielleicht beute
noch begieben. £ier werben bie ©labdhen nicht als Suftbimen, fonbern nur
als Sängerinnen gemietbet. 2US folcbe habende bie ©erpflidhtung, mit gebem,
ber fie aufforbert, gu tanjen. KS berftebt fidh bon felbft, baß bie beflagenS*
werthen ©efdböpfe, auch wenn fie — was bie unb ba borfommt — nicht gu
Opfern ber ©roftitution werben, fidb burch bie bloße fiörperanffrengung
in lurger 3eit gu ©runbe richten, ©efdhiebt baS, fo wirft fie ber Sflabenhalter,
benn anterS ift ber ©eftfcec beS SolalS nicht gu begeidhnen, ohne ©nabe auf
378
bie Strafte, unb tafdb oon Stufe ju Stufe ftnlenb, ftitben fte halb im Spital
ein lldglicfteS ©nbe. 2)ie ©eft&er ber Häufer aber werben reich, erhalten in
ber Hachbarfchaft grobem Hufehen, merben Stabtoerorbnete, ober gar $oli.;ei*
rietet, unb eS ift oorgelommen, bah ftdh einer ber Hecücbtigtften, lange 3abre
als König ber ©herrp*Street belannt, mit feinem Hlutgelbe in einem ^ßalaft im
ariftofratifdjen Stabtoiertel jur Hube gefegt hat.
3)ie gamiltenbdufer,. ober Kafenten, in melden bie IBeoöllerung biefer
©egenb häuft, ftnb Hechtede oon 25 guft Söreite unb 50 bis 75 guft $iefe.
3ebeS ihrer oier ober fünf Stodwerle ift in minbeftenS oier, jumeilen, wenn
baS HebenhauS fo niebrig ift, baft an ber Seitenmanb genfter angebracht wer*
ben lönnen, in fechS bis acht SBohnungen getheilt. ©ine folcbe SBohnung be*
fteht in ber Hegel aus einem jwölf guft im ©eoiert hattenben 3immer unb ei*
ner ober jmei fehlest ober gar nkht erleuchteten Kammern. Hllein in Hun*
berten oon gatten bewohnt eine gamilie auch eine folcbe ©obnung nicht allein,
fonbern hat noch Hftermiether, ober menigftenS Koftgdnger. Her.tilation be*
fteht leine. 3)ie fchmalen unb bunfeln Sreppengebäufe gleichen eher SHaul*
murfSgdngen, als Hausfluren. S)en Hoftaum erfejt ein fechS bis jehn guft
breiter ©ang. S)ie Hbfeitung ber ©jeremente nach ber Straftencloate ift bei
ber Htenge ber SBemobner unb bem geringen gall, welchen bie ©loalen in ber
Habe beS SBafferS haben, fo ungenügenb, baft HauS* unb H°fraum fortmdh*
tenb oon peftilentialifchem ©erudh erfüllt ftnb. Hn b«i&«n Sommertagen
auch nur eilig burch biefe Straften gehen ju muffen, ift eine pofitioe Qual unb
eine ©efahr zugleich. Vorüber man gu ftaunen hat, ift nicht, baft bie Sterbe
Uchleit in biefen Hrutftätten ber Seuche fo groft, fonbern baft fte fo gering ift.
greilich ift hier bie 3aftlber £obeS fälle gröfter, als bie ber ©eburten; aber baft
fte nicht boppelt fo groft ift, baft nicht bei ungünftigen SöitterungSoerhältnijfen
bie ©imuohner ber ©fterrp* unb Htoter*, Hoofeoelt* unb 3ameS)treet $u Xau*
fenben bahingerafft merben, baS ift eS, worüber ftch §u oermunbern man ©runb
hat. ©S legt für bie flimatifeben 3uftanbe ber Stabt baS günftigfte 3«ugnift
ab. 3« ber £hat, HtteS, maS bie Hatur hat thun lönnen, um Hew^ort jur
gefunbeften Stabt HmerilaS ju machen, baS hat fte gethan, unb nur bie Htcn*
f<hen felbft ftnb eS, bie fte jur ungefunbeften machen.
Huch bie Kafernen ftnb noch nicht bie atterniebrigfte klaffe oon ntenfchli*
djen Söeftaufungen. tiefer als fte flehen bie Kellerwohnungen, beren es eine
SHenge giebt. $'m hört alle Spur oon SHenfcftlichleit biS'auf bie ©rinnerung
auf. 2)ie fcroglobpteti ber ©fterrp* unb 2ßater*Street niften in Häumen, für
bie felbft ber Harne Höhlen faft ju anftdnbig ift. ©S ftnb Söcher, finftere, luft*
unb lichtlofe Socfter, an beren tchwarjen SBänben unb 2)eden bie geudbtigteit
herabtrieft, welche ber gar nicht ober nur theilmeife mit Sielen belegte ©rbbo*
ben auSbünftet. Sie 2>ede oieler biefer Socher befinbet ftch auf gleicher Höh«
mit be» Trottoir; wo fte eine Hrt genfter haben, ba geht eS in ein laum jmei
ober bret guft breites Soch hiuauS, welches bem Trottoir abgewonnen ift; aber
oielc erhalten ihr Sicht nur burch ein laum brei guft hoh«3 unb nicht fo breites
379
fhmufcbebedteS genfter, Wethes in ben ober» Sbeit bet Sbür eingelaffen ift.
_Unb in biefen Siebern »ebnen, todjen, eilen, fdjlafen ganje gamilien; hier
»erben üRenfhen geboren unb fterben ÜRenfhen; hier giebt es greube unb
Seib, wenn au<b beibe nur aus ber ©efriebigung ober 9li<btfcetnebigung ber
einfahften «nb robeften lörperlidjen ©ebütfnijfe entfpringen; bis hierhin »er*
fmlt juweilen bU un»etfh«lbete 2lrmutb ebettfo »obl wie baS Saftet; »on hier«
au« erbebt fth bi* «nb ba, »om ©lüde begünftigt, eine fräftige SRaturanlage
unb auSbauernber 2Bille ju einer SebenSfteUung, bie, wenn auch an r«b be*
fheiben, boh weiter »on bem auSgangSpunfte entfernt ift, als bie böhften Siele
bei ©brgeijeS oon bem eine« ÜRenfhen, ber feine gugenb in einer ntenf<bli(beu
$äuSli<bteit unb unter ben »obltbuenben Ginwirtungen ber ©Übung unb ©e*
fittung »erbracht bat.
2Bie bie SRenfhen, bie in ben fiafetnen unb Äetlerlöhern wobnen, ftcb
aQe ernähren, baS ift nicht lei<bt ju fagen. Sie meiften äRänner fmb »obl
arbeitet am $afen unb TOatrofen, anbere fmb als Sagelöbner in Äoblenböfen
ober $ot}bbfen befebäftigt, »Uber anbere Strabenlebrer, Gloatenräumer, ar*
beitet in foleben gabtilen, in welchen bie SRafhine bem SDtenfhen nur noeb bie
einfaebfte unb gebanlenlofefte ©ertihhmg übrig lä&t, fo bab bet arbeitslobn
ein aRinimum beträgt, enblih Gbinefen, bie auf öffentlichen ©läfcen Gigarren
feil ballen.. auf biefen Gtwerb »on auben ber, }u welchem noch bie Söhne ber
ab* unb jugebenben ÜRatrofeu }U regnen fmb, begrünbet f«b nun bie inlänbi*
febe gnbuftrie biefeS ©roletatieroiertelS. Sa ftnb arme Schuftet, arme Schnei*
ber, atme Klempner, bie für bie ebenfo armen ©ewobnet beS ©iertels ein
wenig fliden unb in feltenen gällen auch etwas 9teue3 machen. Sa finb
©äder unb 3Refeger unb apotbeter, bie auf ber Unioerfität ju ffioltenluduts*
beim promonirt haben unb in ihren Grfolgen als £eiltünftler mit bem Dr. Gi*
fenbart wetteifern. Sa fmb-»or aaen Singen ©ranntweinfhenlen, in welchen
bet tärglicbe ©erbienft »erjeebt wirb.
g n benjenigen, bU in bet Uferftrabe liegen, gebt eS oft febr »ilb unb
toll }u, befonbetS in ben-als „5Raht*Saton$" betannten, b. b- in folcben, bie
wäbrenb ber ganjen ©acht offen fmb. Schon mancher 2Rorb ift »on ba aus
begangen worben. GS ift fo leiht unb bie Gntbedung fo ferner. Suftige
G u mp ane, ffllatrofen mit bem Schn für eine lange Steife in bet Safhe, unb
©enoffen, bie fuh ihnen angefhloffen haben, jechen jufammen, würfeln, fmgen
unb fpafjen, bojeen unb ringen fwb im tollen Sherj; — baS ©elb gebt babei
auö bet Safhe beS Sruntenen in bie feines „greunbeS" über; ehe er eS merlt,
tau melt man mitfammen auf bie Strafe hinaus, nach ber SEberfte hinüber, um
ftcb ju erUicbtern; man ftolptrt an bem »Übrigen ©alten, ber baS einjige ©e*
länber bilbet: — ein Stob, ein bumpfer gall ins SBaffer, unb alles ift »orbei.
Ginige Sage fpäter lieft man in bet 3eitung: „Grtrunlen gefunben tin unbe*
lannter 3Rann, bem anfhein nah «in 2Ratrofe :c." ©elegentlih einmal ge*
fhiebt eS wohl, bab ber in» SBaffer ©ewotfene beim auftaueben hinter bie
©rettertoanbung beS OuaiS in eine ber groben SRattenböhlen unter bem
•8
Strafjenpflafter gerät!, fl<^ bort eine Seitlang übet »affet erhält, um £ülfe
ruft; bah man aufien an bet »anbung bis an bie Stelle lommt, hinter welcher
et ftch beftnbet, mit ihm fpric^t, non ihm erfahrt, bah jwei Äerle ihn ins »affet
geworfen haben, unb ihn burch bie allmählich bis an bie 35edte bet $öhle fteigenbe
giuth erfäufen taffen muh, weit leine »ertjeuge jut $anb fmb, um bie »anb
ju jertrümmem. ßiue folche SJerwirllichung eines bet gtaffcften Silber bet
ijjbantafie Gugen Sue’S t ft porgelommen. Ser bieS fchreibt, hat felbft fpä*
tet ben Seidjnam beS Grmorbeten aus bet SHattenböble herauSjiehen taffen unb
oerfucht, bie Sehörbe jut Slachforfchung nach ben »örbern ju beftimmen, hoch
ohne Grfolg. •"*
Snbeffen würbe man bo<h ju weit gehen, wenn man, wie es nicht bloh
unerfahrene Sanbleute, fonbern auch viele Stabtet thun, glauben wollte, bah
in jenem tJ5roletarieroiertel lein „anftänbiger SDtenfch" feines fiebenS fidjer fei.
©erabe baS ©egentheil ift bet Jall. 3ene SDtorbe, bie bort Porlommen, werben
faft immer nur an folchen Seuten Oerübt, bie in ben Scheuten unb Sorbetten
ber ©egenb ©elb haben feben laffen, unb beten Umftänbe ben SMörbern be«
lannt fmb. eigentliche Dtaubanfätle auf friebtich ihres »egeS gehenbe Sür*
ger lommen in ben „anftänbigen" Stabttheilen nicht attju feiten, aber in ben
Sroletarieruierteln faft niemals vor, pietteicht fchon aus. ’bem einfachen
©runbe, weil bort Sliemanb bei einem beliebigen Sorübergehenben einen Bollen
©elbbeutel oermuthet. Sor Raufen Setrunlener, bie lärmenb unb gröhlenb
aus ben Schenten unb Sorbetten tommen, muh man f«b freilich in Sicht neb»
men, unb ihnen barf auch ein mutiger Kann aus bem »ege gehen; fonft aber
ift bie ©efahr auch in tieffter Stacht nicht grofj.
SaS Sehen unb »eben auf ben Straffen ift nicht fo mannigfaltig, wie
man eS bei ber bitten Seoötterung bet ©egenb erwarten fottte. Sthntufcige,
fahl auSfebenbe, aber fonft ganj muntere ßinbet fpielen unb treiben Unfug.
Son bem gebrüllten, tümmerlichen »efen, welches fentimentale Womanfchreiber
ben flinbern ber Slrmutb aHbichten, ift hier nichts ju gewahren. Sluch ift be»
merlenswerth unb phftjftologtfc^ wichtig, bah flrophulöfe Grfcheinungen unb
namentlich Serlrüppelungen, wie fie in Guropa fo häufig porlommen, hier faft
gar nicht ju fehen fmb. Sin beifsen Sommertagen wimmeln bie »berften pon
jerlumpten Sroletarierbuben pon fe<bS bis ju fethSjehn 3ahren, bie bort ein
Slmpbibienleben führen, »enn fte bie Suft antommt, ftreifen ftemit ein ober
jwei ©riffen ihre c&abern ab unb fpringen jauchjenb ins »affet, wo fte ftcb wie
Sterlinge umhertummeln. »er ftch fchwatje ©ebanlen über eine PhPfifche
Serfchlechterung bet SRace in Slmerila burch bie elenbe SebenSweife ber Stofe*
tarier in ben ©rofjftäbten macht, lann aus einer ^Beobachtung biefer Beinen
#pbrioten Sroft unb Seruhigung fchöpfen. Senn er wirb ba faft burchweg
ein treffliches Gbenmafj ber ©lieber, gutgewölbte Sruftlaften, Sehenbigleit
unb Glaftijität ber SDluSlelbewegungen, por allen Singen aber leine Spur Pon
jenen fchtedlicben ftartoffelbäuchen unb bem wellen, fdhwammigen gieifch fin¬
den, baS man bei fiinbern in ben jjabtilgegenben SeutfcblanbS fo häufig an«
381
trifft. — Sluch bie unnatürliche, frühzeitige Gntwidetung gefchlechtlicher £ufte,
bie bort fo »iel Unheil ftiftet, ift hier »eit feltener. (Statt beffen bifbet fich ein £ang
jum »üben ©trafenleben unb ju einer Slrt Von ©peculation, für welche bie
©egriffe SJlein unb Sein nur fehr formlofe ©(battengeftalten ftnb. Sie wei¬
ften jungen, welche ftch am Hafen umbertreiben, ftnb als „Sodratten" ben
ScbiffSablabern unb ben für bie richtige SSfdjung ber gracft verantwortlichen
©teuerleuten ein ©teuel unb Sletgernif. 2Bo fte einige Hänbe Kaffee, SleiS,
Sloftnen, ober auch Stüde Gifen, Tupfer unb WaS immer fonft ju haben ift,
erfaffen lönnen, ftnb fte gewif bei ber §anb. gär ihre ©eute finben fte jletS
Slbfafc in ben Sröbellellern (junk shops), von benen eS in ber ©egenb eine
SJtenge giebt. GS ftnb $öhlen, in wetb&en unglaubliche Quantitäten »on
anfdjeinenb »erthlofen Singen »erftaut werben: altes ©fen, altes Kupfer, jer*
tiffene unb jerfaferte Stüde »on Sauen, hatten, ©egeltucb, Sumpen aller Slrt.
Soib meiftenS bient ber £anbel mit biefem ©<bunb nur als SDlaSle für Siebes*
beblerei. Sie beften Kunben beS SröblerS ftnb bie unter bem Slamen “epe*
culators” gefürchteten ©algenvügel, bie ebenfo bereit ftttb, im SSerein mit
glufpiraten ein auf ber Sthebe liegenbeS ©<biff ju plünbern, ober im ©otbei«
gehen »or einem Raufen Kaffeefäde einen über ben Stanb beS SodS ju werfen,
»o ©piefigef eilen ihn auffangen, wie fte, mit golbener Uhr unb Kette auSgetü«
ftet, einen Kapitän ober Steuermann bereben, ben „Kehricht" »on einer Sa.
bung SleiS ober Kaffee bur<b gufäUigeS.3errei6en ber ©dde ju »ermehren unb
ihn, währenb ber Supercargo bei Sifche -Pht, in einen ftiHen SBinlel beS
Schiffsraums ju bringen. Siefe gnbuftrieUen nennen ftch ebenfo, wie bie
Slittet »om Sohlen loch: „Speculanten". SBarum nicht? ©eiber ©ewerbe
fteht ungefähr auf gleicher ©tufe bet Gfrenhaftigleit.
Sie »örfe beS Viertels ift bet Quai. GS ftnb nicht Kapitalien, welche
bie Sewohner »on ©hertp*, SBBater* unb Sloofeoeltftreet ju »erlaufen haben,
fonbetn Slrbeit. SRorgenS »or acht unb SRittagS fteht man »ot ben Speichern
unb ©rofthanblungen in bet Uferftrafe Hunberte »on Arbeitern, faft immer
gelängt, lehnen, »on benen, wenn eS ftch um einen ©erbienft banbeit, jeber ohne
Ausnahme auf einen beliebigen ber Slamen Qohn, gim, ©at ober SRite hört.
Siefe Seute haben ihren point d’honneur, mit bem nicht ju fpafen ift. Sie
unterbieten ftch nicht, jagen ftch einanber tein ©erbienft ab. SBer Slrbeit er*
hält, hat eben ©lüd, — fein Siebenmann beneibet ihn nicht, fonbern wartet
ruhig bis feine 3eit fommt. Stur ben ©reis »erberben batf feiner, wenn er
nicht aus bet ©enoffenfehaft auSgeftofien fein will. Sie Slrbeit am Hafen hat
ihren GourS (jefct 40 Gents per Stunbe), unb wer fte für geringeren ©reis »er«
lauft, gilt für einen HunbSfott. Ser SluSbrud ift berb, aber burch beutfehe
Glafrtler brudfähig gemacht; — ber englifebe ift jebenfalls noch »iel berber. —
Gharalteriftifch ift eS, bafs in biefem Sheile beS Hafens, ber an baS irifche
©roletarieroiertel ftöfst, Sieger als Hafenarbeiter thatfächlich auSgefchloffen ftnb.
Kein ©<biffs»erftauer (stevedore) lann eS wagen, einen Sieger ju befchäfti»
gen, wenn er nicht alle feine weifen „Hänbe" verlieren will. Sie Sieger
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382
faten ihre Slrbeit«b5rfe in ben swifchen ffiaUfheet unb gultonffreet gelegenen
4>afenfttafien, wo ba« eingeborene ameritanifcbe ©ement ba« itifche über*
wiegt. — Doch wäbrenb bie grlänber bie Weger jurüdftofien, haben fie merl*
würbigermeife gar nicht« gegen bie ©emeinfchaft mit bern Doch Diel frembarti* |
geren unb in mancher Werbung wiberwärtigen chinefifchen ©emente. Sille«,
wa« e« Bon Gbinefen in Wew»?)orl giebt, hauf’t in Gberrb*, SBater», Woofe*
»eit» unb Olioerftreet. Sie fmb friebfertig unb ftiü; — fo febt, bafi fie fich
fogar mit ber gefdhrlichften Sorte Don irifchen grauen »ertragen, benn bie
befte Sorte erhalten fie nicht. Slber baneben fmb fte auch unreinlich bi«
jut Unflätherei, geijig, unb gelten für falfch unb betrügerifch.
Der $anbel«Derlebr in ben Straben bet bietjig Siete« Stabt befcbränlt
fich gröfitentbeilS auf 8eben«mittel. ^anblarren mit abgeftanbenen gifcpen, —
^dringen, glunbern, Stinten unb häuften« Stodfifcb, bie häufig ba« Slu«»
feben unb ben ©erucb eine« Düngerhaufen« haben, fmb ju allen Dage«ftunben
anjutreffen unb finben in ben frommen fatbolifchen $au«frauen gute ßunben.
Sin Sonnabenben ficht man an ben ©den Harren mit bem gleifch Don febr
jungen Halbem, unb {ehr alten Schafen fteben, auf welche« bie Sanitdt«polijei
übel ju fpredjen ift. Schinien, beten garbe ber Don ftarl mit 2Rild> Derbünn»
tem Haffee gleicht, werben ju fabelhaft niebrigen greifen feilgeboten; aber auch
ber niebrigfte ift ju hoch bafür, benn fte befinben fich f<bon im Stabium ber
Sßerwefung.
Den SBroabwap für Htein*3rlanb bilbet bie ftch Don bem Sroabwap ber
Deutfdjen, ber SBowerp, hi« jum gluffe erftredenbe Gatherineftreet, beten Worbfeite
Doll tßuhläben, Schnittwaarenhanblungen SEhee» unb .Haffeeläben ift, währenb
auf ber Sübfeite Hurjwaaren, Wtöbel, Stiefel unb Schuhe, Steingut» unb
©lechgefchin:, Wabler» unb ^ofamentirwaaren ju haben ftnb. gn ben Schnitt*
waarengefchäften unb fPufcläben muh bem Irdftigen irifchen ©efchmad burch
grelle garbencontrafte Meinung getragen unb im ©anjen auf mäßige greife
gehalten werben. 93ei bem Slufruhr im 3uli 1863 würben mehrere Stäben bet
Gatherineftreet Don ben irifchen ^Proletariern, für welche fie ben gnbegriff aller
irbifchen Schäle enthielten, geplünbert.
Unb nun wäre }u guter 2e|t noch Don ber Siteratur unb Hunft ju reben.
Doch ach', bie Siteratur befcbränlt fich auf bie spfennig*2ieber, gebrudt in bie*
fern gahr, unb bie Hunft geht im bucbftäblicbften Sinne be« SBorte« betteln,
benn fie wirb nur burch Seierfaften Dertreten. — Doch halt, ©in Hunftinftitut
giebt e«. SBenige Schritte Don ber Gatherineftreet, einer Weibe fcbwiaimenber
Sluftemleller gegenüber, jeigt eine grobe Seinwanb ba« SBübnifi eine« ©orilla,
ber nach allen Wegein ber sperfpectioe grob genug ift, um au« einem ®ären ein
einjige« grübftüd ju machen, hinter Der Seinwanb h«bor erfchallen täglich
jehn Stunben lang bie Düne eine« Seierlaften«, ber feit acht 3“hren Dolle Dier
SJlelobieen gefpielt hat, nämlich Pop goes the weazel; John Browns
body; When this cruel war is over, unb Tramp, tramp, tramp,
the boys are marching. Da« ©anje bebeutet, bajs hin eine Wtenagerie
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für 10 EentS gu fehen tft. 53tter wenn bidh ber 3ufoH begünftigt, fannft bu
biefe Summe erfparen; benn gumeilen muh bie Menagerie gelüftet werben, unb
fie erfcheint bann in ©eftalt einer 15 3 oH langen fchminbfüdhtigen aHeerfafce,
bie ftch, lebenSntübe unb matt, auf bem Trottoir fonnt, mährenb ber Seierlgften
gur Erläuterung beharrlich berftchert: Pop goes the weazel
#Uewrifd)-attt|Ufd)C0 Feuilleton.
Bm 3. SB.
$er flrieg, ber „Beweger beS [IHenfchengefcbfedhtS", Bat auch in ber ante*
rifanifdhen SageSliteratur eine tief gehenbe, fchon feit 3ahr unb £ag anhaltenbe
unb mofjl noch für geraume 3^1 nachwirfenbe [Bewegung Berborgerufen. Un*
mittelbar nacB feinem SluSbruch gerietB baS gefammte SerlagSgefdhäft in’S
Stödten. 2)aS eine, allgewaltige $heroa naBm bie Slufmerlfamleit fo aus*
fchliehlidh in Slnfprudh, bajs man alle Suft, ftd? mit anberweitigen Gingen 3 U
befchäftigen, berlor. $ie Sucbhänbler wagten nicht, früher begonnene Uit*
terneBmungen fortgufefcen, unb mochten fuB nodh mel weniger auf neue eittlaf*
fen; bie Sdhriftfteller, infofern ihre &hätigfeit nicht bon ber politischen $ageS*
gefehlte in Slnfprudh genommen würbe, legten bie §eber aus ber £anb unb
begnügten ftdh mit ber [Holle aufmertfam beobadhtenber 3nfchauer beS grofjar*
tigen, SllleS in SltBem Baltenben 3eitbrama§. 2)och nicht allgu lange währte
biefe ^eriobe literarifdher Untbätigteit unb pafftben 3ufchauenS. S5c^lb fteHte
ftdh baS 23ebürfnih nach einer bem neuen Stanb ber 3)inge angepafiten Sitera*
tur heraus, bie natürlich einen borwiegenb friegerifchen EBarafter tragen, ober
ftch menigftenS mit foldben ©egenftänben befaffen muhte, bie burdh ben firteg
plöfclidh ein hohes 3 «tereffe gewannen. 2Bo im amerifanifchen 2Har!t ein 33e*
bürfnth entfteht, wirb ihm gewöhnlich fehr rafdh entsprochen; wo eine Nachfrage
ftattpnbet, ift auch baS Slngebot gleich gur $anb. Schon im gmeiten Kriegs*
fahre ftnben wir baS SBerlagSgefchäft wieber in boller SBätigfeit unb eifrig be*
müht, ftdh auf bem neuen Terrain gu orientiren unb günftige EBancen gu er*
fpähen; im britten Berichte eine [Hegfamleit, bie an bie thätigften früheren
$erioben erinnerte; im bierten ergoh ftch über bie gange Sänge unb 93reite beS
SanbeS eine wahre gluth bon Schriften unb $ublifationen aller 3lrt, bie einem
birett ober inbirelt burdh ben ßtieg herborgerufenen 93ebörfnijs gu entfpredhen
beftimmt waren. SBeit entfernt, bah ber ßrieg bie geiftige $robu!tion beS
SanbeS benachteiligt, hatte er ihr bielmehr neue Sahnen erfdhloffen, neue ®e*
fichtSpunfte eröffnet, unb wie auf ben ©ebieten beS materiellen Schaffens, be*
Währte ftdh auch Bier bie Sielfeitigfeit unb Elafticität bei amerifanifchen SBolfeS,
bie ©abe, fuh’S in jebem Sattel halb gerecht gu machen.
©eograpbifdhe unb ethnographifche Säuberungen ber in [Hebellion begrif*
fenen Staaten machten ben Anfang; [Heifeffiggen uns bem Süben, Sdhilberun*
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gen bei Gbaralterl, bet Sitten unb Gigentbümlichlciten feiner Semobner fo»
tooW in ben bet Aebellion »oraulgegangenen Seiten, mie mäbrenb bei Auf*
bruibl betfelben unb furj nach Grünbung bet Gonföberation—"ffltidjcr folcbert
unb ähnlichen Snbaltf mürben jefet mit um fo größerem Sntereffe gelefen ba
man ficb eingefteben mu&te, ba& bie Äenntnifc, treibe man bil babin im Störten
»on ben geograpbifcben unb gefellfchaftlicben Suftänben bei Sübenl gehabt
bocb nur eine febt lügenhafte geioefen. da umgefebrt Born Süben in Seiug
auf ben Störten loobl in noch jebnfacb böbetem Stabe baffelbe galt, haben am
Gnbe bodb diejenigen nicht fo ganj Unrecht, bie ba meinen, bet firieg fei nur
ein blutigel ©i&»erftänbni& geioefen, unb mürbe nie jum Aufbruch gefommen
fein, menn man fnh in beiben Seftionen bei Sanbef gegenfeitig beffer getannt
unb »erftanben bitte. Ob freilich biefel Grlennen unb Serfteben auf literari*
fchem ©ege je ju »ermitteln gemefen märe, bleibt fraglich genug, ©erlen ber
genannten Gattungen folgten halb Säuberungen ber aftioen ßriegfoperatio«
nen ju Sanb unb jur See, Gablungen aul gelb unb Säger, aul bem Saja»
retb, »on Sorb bei Ärieglfchiffel, aul ben feinblichen Sinien unb ben ßriegf*
gefängniffen ber Stebellen. diefe Sücbet fanben ben rei&enbften Abfaf. gbr
Snbalt mar jutn dbeil ein blofjer ©ieberabbruct ber in 3eitungen jerftreuten
Gorrefponbenjen »on ben »erfchiebenen äriegffcbaupläfen, jutn dbeil aber auch
eine forgfältigere Aufarbeitung, eine mefentliche Grmeiterung unb »erooll»
ftänbigung berfelben. Gut gemeint maren aHe, gut gefchricben freilich nur
menige. Snjmifcben befanben fnh unter ber groben ©affe »on ©ittelgut bo<h
einjelne literarifche perlen »om reinften ©affer, bie benn auch bauernben
©ertb behalten, ja fogar mit ber Seit, menn f«b eine fpätcre Generation nach
antbentifcben jeilgenöffifcben Schilberungen bei groben Sürgerfriegcf umtbut,
unenblicb an ©ertb geminnen muffen. Auf einjelne berfelben ausführlicher
etnjugcben, muffen mir »ieUeicbt einer fpäteren Gelegenheit »orbebalten; hier
banbclt el fi<b nur um einen allgemeinen Ueberblicf.
die erjäblenbe Siteratur, Sloman unb Stooelle, fugten fnh auch halb
ben neuen Stanb ber dinge ju Stufe ju machen. Sunäcbft maren natürlich
bte Senfationlnobelliften ber ©ocbenpreffe im gelbe. Schon im jmeiten firiegf*
jabre lieferten einjelne ©odbenblätter Grjäblungen, melche bie Siebeilion felbft
ober bie ihr im Süben unb Störten »oraulgegangencn 3uftänbe jum Gegen»
ftanb ^tten. ©al früher für fte bie Abentheuer bet Säger unb drapperl im
fernen ©eften, ber »ootsleute auf bem ©iffffffppi unb feinen Stebenflüffen
bal eigentbümliche Snftitut bei Sübenl mit feinen golgen, bal ©albleben unb
bie Siaubjiige ber Snbianer, bie kniffe profefftonetter diebe, Gauner unb
galfdbmünjer, mie auch bie Stachtfeiten bei Sebenl unferer groben See- unb
Sanbellftäbte gemefen, bal mart jeft ber firieg mit feinen neuen Sbeen unb
Silbern, feinen mechfelnben Wen unb giguren, bie für ben Augenblic! alle
jene abgenuften dbemaf in ben §intergrunb brängten. Salb maren auch bie
Sücher»etleger jur #anb unb fchiäten Stomane unb Sto»eDen biefer Gattung
in enblofer Saht in bie ©eit. gaft nie umfaßten biefe Siomane mehr all jmei
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53dnbe, in ber Sieget befchrdntteri fte fi<h auf einen einigen, Selbft im bi*
ftorifchen [Roman liebt ber Slmerifaner eine gemiffe ©ebrungenbed unb $rä*
cifton ber gorm; gehn* aber gar fünfzebnbänbige [Romane a la Souife 2Rübl»*
buch geben ibm über ben Horizont feinet SegriffS. Diefe ßürze, bereu fi<b
bie meiften erjdblcnben Schriftfteller unb felbft — mirabile dictu ! — bie
ungleich zahlreicheren SchriftfteUertnnen befleißigen, bat bei einem auf btftorifcber
©runblage berubenben romantifeben ©emälbe freilich auch ihre mi^lidben Sei*»
ten: fte befchräntt ben ©eftcbtSlreiS unb gibt leine (Gelegenheit §ur Einlage non
3ei<hnungen in grasartigem, bercifchem Styl. Sol(be [RebellionS*[Romane
(menn mir uns biefeS SluSbrudS bebienen bürfen) ftnb benn auch bis je^t noch
ni<bt geraffen morben, unb nach biefer [Richtung I;in harrt ber überaus reich»»
baltige, ^odbft banlbare Stoff noch immer feiner Ausbeutung.
2Rebr als ber [Roman bat bie aus bem Kriege ju machen verftan*
ben. Natürlich meinen mir baS „2Rebr" nicht in quantitativer, fonbern in
qualitativer $inftcbt. ÜRan hält bie Amerifaner oft für ein menig poetifcheS
Soll, unb verlennt fte bamit.bocb auSerorbentlicb. 2Rag unfer jüngft beenbig*
ter greibeitSlampf nicht ganz fo viel angefungen morben fein mie ber beutfehe
Söllerfrübling von Anno 1848, er bat ben hoher ober niebriger geftimmten
Seiern ber dichter hoch genug ber Sieber entlodft, unb mollte man fte alle fant*
mein, fo'mürbe barauS ein Sanb entfielen, bef[£n gemiffenbafte Durcblefung
vielleicht als auSreichenbe Strafe für folcbe [Rebellen gelten tonnte, bie leine
20,000 Dollars beftyen unb baber nicht auf bem gemobnlichen SBege parbon*
nirt merben tonnen. Doch ferne fei eS von uns, biefe tyrifchen ©rgüffe in
Söaufch unb Sogen als mertbloS bezeichnen §u mollen. Natürlich fehlt es nicht
an holperigen unb ungelenten, an platten unb geiftlofen Werfen, aber eS fehlt
audb nicht an nach gorm unb Inhalt bochft vollenbeten, fchmungvollen unb
von mabrbaft patriotifchem ©eifte burchbrttngenen Dichtungen, melche ber Site*
ratur beS SanbtS jur bleibenben Bierbe gereichen merben. DaS im amerila*
nifdben Solle entfchiebeneS Dalent für bie tyrifebe Dichttunft ftedt, bemeift ber
Umftanb, baS nicht menige biefer befferen Dichtungen in irgenb einem SBintel
eines unbebeutenben SanbbldttchenS auftauchten unb meift von gänzlich
unbetannten Serfaffern, häufiger noch Serfafferinnen, unterzeichnet maren.
©ine fritifche [Revue biefer ßriegSpoefteen, verbunben mit beutfdber Uebertra*
gung ber gelungenften Stellen unb Sieber, mdre gemiS eine mürbige Aufgabe
für einen unferer beutf<h*amerifanifchen Dichter.
Der legte 3meig enblich am Stamme ber ßriegS*Siteratur umfaßt bie
©efehi^tfehreibung, Sicgrapbie, [IRemoirenliteratur unb Vergleichen, ©r ift ei*
ner ber frifcheften unb trdftigften, ber erft in fpdterer 3utunft ju feiner vollen
©ntmidelung gelangen mirb, gleichmobl aber fchon in früher gugenb reichliche
unb auch gute grüebte getragen bat. Son bem vielbänbigen Rebellion Re-
cord, ber äuSerft gemiffenbaften Sammlung aller mäbrenb beS Krieges er*
fchienenen Attenftüde unb öffentlichen Dotumente, btS herab zu bem für ben
Scbulgebraucb beftimmten htrzen AbriS ber ÄriegSgefchicbte — meiner [Reich*
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t^urn, melche 3Jtonnigfaltigfeit an meift gut unb populär getriebenen, unb
ftetS bortreffüch auSgeftatteten Sßerfen! GS ift mobl noch nicht häufig borge*
lommen, baji ein Vclf einen folgen ärieg geführt unb faft gu gleitet 3eit fo
trefftid&c biflorifche Säuberungen beffelben, einfcbliefilicb ber Viograpbieen ber
ate beworragenbe Sübrer aufgetretenen Banner, geliefert bat. Mehrere biefer
$riegSgefd?id;ten unb SebenSbefcbreibungen ftnb bereits in’S SDeutfdje übertra*
gen morben, unb biefe bcutf<ben Uebertragungen erfreuen ftcb meift eines ber*
bdltni&mdjjig ebenfo guten 2lb)afceS mie bie englif(ben Originale.
SBenben mir uns gunäcbft gu ben mäbrenb ber jüngft berfloffenen Sftonate
aufgetaucbten Grfdjeinungen auf biefem letztgenannten Gebiete, fo begegnen mir
ba einem etmaS foffilen Slutor, beffen 9lame nicht bie angenebmften Grinnerun*
gen mecft. GS ift — Gott fefS geflagt! — f(bon lange, lange ber, feit Hbra*
bam Sincoln ben ©räfibentenftubl gierte, aber ba($ 3 . Vucbanan benfelben inne
batte, baS fliugt faft mie eine bunfle Vtäbr aus urmeltlidjer 3eit. Um uns bie
Shatfache in’S Gebäd)tni& gu rufen unb ftcb an Gbre gu retten maS npcb irgenb
git retten ift, bat ber Gipräfibent ein tleineS Vudj gefebrieben, morin er baS
Verhalten feiner IHegierung mäbrenb beS 2luSbrucbS ber Rebellion gu redjtfer*
ligen fud?t*). 3)aS Sßertcben mar ton unmittelbar nach beS SlutorS SHüdtritt
in’S ©ribatleben brudfertig, mürbe aber einftmeilen gurücfgelegt, um 21. Sin*
colnS Slbminiftration in ber energifeben Verfolgung beS Krieges nicht etma gu
bebinbern. S)aS ift fteber eine febr garte föüdfubt bon einem Spanne, ber ber
SGBelt gern bie Uebergeugung beibringen möchte, bafj er an ber Herbeiführung
beS Krieges fchlechterbingS feine Sd&utb trägt. $er £on beS VucbeS ift ruhig,
gemeffen unb bon biplomatifcher Glätte; feinen 3nbalt noch einer ßefonberen
ßritif gu untermerfen, b^fte ßulen nach 2lthen tragen. S5ie ÜUtitmelt bat in
erfter 3 n fiang gerichtet; fällt baS Urtbeil bei ber Slppellation an bie ÜRacbmclt
anberS aus, fo fann ber Verfaffer nur babei geminnen.
Unter ben bis jefct erfdjienenen gefdjicbtlicben SBerfen über ben Vürger*
frieg nimmt bie illuftrirte Gefehlte bon Sofjing**), bon melier foeben ber
erfte Vanb auSgegeben mürbe, eine ebrenbolle Stelle ein. $aS Such lieft ftcb
recht gut, menn eS auch an Schärf« beS UrtbeilS unb Originalität ber 3been ben
Vergleich mit anberen, baffetbe $bema bebanbelnben ffierfen bielleicht nicht
gang auSbalten fann. $er Sefer erhält ein flareS Silb ber Urfachen,
melche ben Ärieg bcrbeifül;rten, fomie* ber einleitenben 2lfte beffelben. S5ie
militärifche Gefechte beS Krieges mirb in biefem Vanbe bis gur Schlacht bei
©ull SRun im 3uli 1861 geführt. $a baS gange SBerf nur auf gmei Vänbe
berechnet ift (ein britter GrgängungSbanb foll lebiglich Viograpbieen ber burch
ben ßrieg berühmt gemorbenen ©erfönlichfeiten enthalten), fo muf$ ftch ber
Slutor im meiteren Verlauf feiner Slrbeit notbgebrungen einer äürge befleifei*
gen, bon ber mir faft fürchten, ba& fie ben SEertb berfelben beeinträchtigt. 2)ie
*) Mr. Buchanan’n Administration on theEve of the Rebellion. New York. D. Apple*
ton & Comp.
**) Lossisg ? a Pictoral Hißtory of the Civil War. Philadelphia. C. W. Childs«
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Slulftattung biefer ©efcbiihte ift fplenbib. Ser erfte ©anb enthält fiter 400
3Huftrationen, barunter manche roirtiicb lünftlerifcb aulgefübrte.
Sal Selb ber Siogtapbie roirb fortmäbrenb mit ganj befonberem Gifer
angebaut; bauptfächliih bat man feine Slufmerlfamfeit benwagenben Btän*
nem bet Sleootutionl* unb Golonialgefchicbte jugemenbet. Gine Gefehlte
»an Samuel Slbatul, ber tot Slulbruch bet SReoolurfon auf bie Gntmidelung
ber Golonieen groben Ginflub übte, in brei Sänben, »er»oUftänbigt burdj jabl*
rei<be Solumente, ©riefe unb politifcbe Slbbanblungen bei Genannten*), bat
für ben ©efdjicbtöforfcber jebenfalll groben SGBertb- Saffelbe gtlt »on einer
©iogtapbie Qofepb SEBarrenl**), bie ein recht attfcbaulicbel ©ilb ber 3«ftänbe
ber norbamerifanifcben Golonieen in ber Btitte bei »origen ^abrbunbertl ent»
wirft.
Unfete beutfcbe Siteratur ift auf bem anterifanifcben ©Üdjermarlte burdb
Uebetfefjungen einiger namhafter SBerte »«treten. 2Bir führen hier nur bie
jüngft »on 2nb»ig 3lobl betaulgegebene Sammlung SWojart’fiber SBriefe
an, rnelche »on Sab? SBaliace in'l Gnglifdje übertragen unb »on ein« 3lem*
Dörfer girma in gut« Slulftattung, mit Dlojart’l SPortrait unb fyacftmile ge*
fcbmfidt, reprobujirt mürbe. SBei ber eigentümlichen S$reibmeife bei groben
Sonbidjterl, ben man in feinen SBriefen allerbingl nicht immer mieber erfennt,
bat bie Uebertragung berfetben in ein frembel 3biom ganj bebeutenbe Schmie*
rigteiten. Sabp ffiallace bat biefe Aufgabe jiemlicb gefcbicft gelöf’t unb ben
aRojart’fttn ©riefen jenen naio»berben £aucb }u bemabren gemubt, ber fte für alle
Siejenigen, melcbe ben Gbaralter unferel Heroen ber Sonlunft ftubiren mollen,
fo mertb»oll matt. Sab bal Such »on bet groben Blaffe ameritanifcber Sefer
richtig aufgefabt unb beurteilt merbenfönne, will uni freilich tanm einlemhteu.—
3n neuenglänbifchen Steifen, mo bie su Slnfang bei 3abrel »erblichene fcbme»
bifdje SRomanfcbriftfteHerin grieberife © r e m e t »iete perfönlidje greunbe jäblt,
fiebtman bem Grfcheinen einel ©ucbel bet SDlib §omitt: „Gin gabt in
Scbmeben bei grieberile ©remer" mit Spannung entgegen. SDlib $omitt ift
eine Sochter bet belannten Sicbterin Btarp $omitt, melchet man bie erften
Uebertragungen ber ©remer’fchen Romane in’l Gnglifdhe »erbanft; fte mar mit
bet »erftorbenen Schriftftellerin febt genau befannt unb lebte öfterl längere
3«it in b«en ©efellfchaft, fo bab fte jebenfalll am beften befähigt ift, uni ein
»oliftänbige! ©ilb bei in mehrfacher Sejiebung merlmürbigen grauencbarafterl
}u entmerfen.
©eftrebt fit bet amerilanifte ©üdjeroerlag menigftenl bin unb mieber,
intereffante Gtfcheinungen ber beutfchen ober europäifcben Siteratur überhaupt
hier einjubürgern, fo ift el fnbet erfreulich, bab auch ein beutf<h*amerifanifcber
©erleget bamit umgebt, ber groben Blaffe unferel beutfchen Sefepublifuml ge*
«) The Lite and Public Services of Samuel Adams. By William Vs Wells. Boston*
Little, Brown & Comp.
**) Lite and Services of Joseph Warren* By Richard Frothingham. Boston. Little
Brown & Comp»
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btegene Serfe bet englifch*amerifanif<hen Siteratur in guten Ueberfe|ungen
unb ju mäßigen greifen jugängtich ju machen. Sie girmcr <g. Steiger in
9te»*?)orl »UI intereffante unb »erthooile Grfcheinungen auf bem ©ebiete bet
neueren unb neueften ameritanifchen Siteratur, feien fte nun wiffenfchaftlicben,
publijiftifchen, päbagogifchen ober belletriftifchen SnhaltS, burch bie beften jur
«Beifügung ftebenben flräfte in’S Seutfcbe übertragen laffen, biefe Uebcrtragun*
gen in hübfehen SluSgaben »erBffentlichen unb bann für beten Verbreitung in
»eiteften Greifen angemeffene Sorge tragen. Ser «|}t«n ift fidler ein guter unb
»erbient, falls er wirtlich mit ©efchmad unb Gnergie auSgeführt wirb, bie leb*
baftefte Untcrftüfcung beS beutf<h«ameritanifchen VublifumS. 3um harmoni»
f$en gufammenwirten unb innigeren Vetfdjmeljen beS beutfdhen unb
ameritanifchen Siemens, auf welkem jum ni<bt geringen Sheil bie fünftige
Sohlfahrt biefeS Sanbef beruht, gehört not Sittern gegenfeitige Sichtung unb
wedjfelfeitigeS Verftänbnifs. Soburch aber tonnte bieS ftcherer unb »oDftänbi*
ger erjielt »erben als burch einen forgfältig geleiteten unb in richtiger Seife
»ermittelten SluStaufch ber geiftigen Grjeugniffe, butih eine nähere »echfelfeitige
Vetanntfchaft mit ben Siteraturen ber beiben Stationen, bie fuh hier ju einer
Ginheit »erfchmeljen foClen ? Sajs bie Slmerifaner bisher Bon unferer beutfdben
Siteratur »erbältnifsmäfsig Wenig Stotij nahmen, ift für uns feine Gntfchulbi*
gung, auch bie ihrige ju Berna«hlä|Ttgen. Senn wir ihnen in biefer «Begebung
mit gutem SBeifpiel Borangehen unb burch bie Shat beweifen, bah wir einem
Gulturoolf angehören, welches bie geiftigen Schöße aller Stationen aufjufinben
unb ftch anjueignen »erftebt, werben fte ftch half jur Stachahmung angefpornt
fühlen unb auch ihrerfeitS begierig fein, bie Siteratur eines geifiig fo hoch ftebenben
Voltes lennen ju lernen. Sir »ollen an unferer beutfehen Sprache unb Sitte,
bem tbeuerften Vermächtnif} ber alten $eimatb, fefthalten; bo<h was in anberer
3unge Schönes unb Gehobenes gefchaffen würbe, braucht uns beSbalb nicht
fern ju bleiben unb wirb um fo eher auf unfere Sbeilnahme jöhlen bürfen,
wenn eS Bon funbiger £anb in baS anheimelnbe ©ewanb unferer eigenen
fDtutterfprache getleibet würbe.
Sem Vfon ber gebachten gimta ftetlt ftch aüerbingS ein nicht unerhebliches
$inbernijj entgegen, ©erabe bie beften Serfe, auf beten Verbreitung unter
ber beutfch^ameritanifchen Veoölferung eS junächft abgefeben fein bürfte, finb
burch Grwerhung beS fogenannten “Copy-right” unter gefeßlichen Schuß
geftedt, unb möchte eS fchr »ahrfcheinlich fein, bah bie Gigenthümer biefeS
StechtS gegen Stachbrud bie im Sanbe felbft publijirte Uebertragung in eine
frembe Sprache als eine Verlegung ihres 5ßvcoirccjiumS erachten würben. So
man eS mit bem Slutor in eigener Vetfon ju thun hat, läfst fuh Bielleicht ohne
befonbere Schwierigfeit eine Verflänbigung erjielen; in ben meiften gälten aber
ift baS cnpy-right in bie $änbe eines Verlegers, Grben, ober fonfiiger britter
Verfonen fibergegangen, bie leicht Slnfprüdje erheben möchten, benen ber
beutfehe Verleger nicht ju genügen permag, ohne felber Bon Bornherein auf
jeben ©ewinn ju »erjichten. SlllerbingS liegt bereits eine richterliche Gntfchei*
Goog
bung bot, melche fcheinbat Ueberfefcungen freigiebt. Ster Verleger einet beut*
fchen Uebertragung bon „önfet Som’S £ütte" mar einft megen Verlegung bcS
“copy-right” belangt morben, bet liebtet entflieh jeboch ju ©unften beS
Veflagten. Stet galt marb freilich nie bot baS gefammte Vichterfollegium bet
Supreme ©ourt gebraut, beffen ©rfenntnifc mgbrfcheinlicb anberS gelautet ba*
ben mürbe. ©be biefe grage an böcbfter Stelle enbgültig entfliehen ift, bleibt
bie Veröffentlichung bon Ueberfefcungen folget but(b ^acbbrud3*^tibilegien
gefehlten SBerte immerhin ein etmaS mißliches Unternehmen. Um für alle
gdlle fuber $u geben, mürbe man mobt anfänglich SBerfe auSmäblen müffen,
bon benen niebt ju fürchten ftebt, bafj fie als auSfcbtiefjlicheS ©igentbum eines
Slnbern beanfprucht merben. 2llS folcbe empfehlen ftch gan$ entfliehen bie unfereS
glteftenunb genialften beutfefcamerifanifeben ScbriftftetlerS, bet fchon bonunenb*
li<b fielen nadbgeabmt, jeboch noch bon deinem erreicht mürbe, bie 2Berle beS
bot jmei gabten in ber Scbmeij berftorbenen S e a l S f i e l b. S>a& noch lein
beutfcb^amerilanifcber Verleger auf bie gbee fam, eine billige VolfSauSgabe bet
beliebteften Schriften SealSftelb’S $u beranftalten, ift in bet Sbat befrembenb.
©S giebt feinen Slutot, bet uns Steutfcb s 2lmerifanern nabet ftänbe, heffen
Stent* unb S)arfteUungSmeife für uns geeigneter märe, aus bem mit eine reU
<bere Oueüe bet anmutbigften Unterhaltung, bet gebiegenften Velebrung fcbö*
pfen tonnten, als ©hartes SealSftelb, bet Steutf<h s 2lmerifaner, ber bie Vorjüge
ber beiben hochftbegabten Nationen in fnh bereinigt, heffen 2Berfe mir ohne
Vermittelung eines UeberfefcerS gleich im Urteft lefen fönnen, ba er fte felber
beutfeb unb englifch, unb jmat hier mie bort in einer Sprache febrieb, bie bon
ben competenteften Siebtem, einem Sied, £umbolbt, ©rimm, bann einem
genimore ©ooper, Stoniet SBebfter, SBafbington S^ing als flafftfch unb für
alle 3*iten muftergültig anerlannt mürbe. S)ie Steutfchen bet Union tonnten
ihrem groben £anbSmanne, bet eine Saat auSgeftreut, melche fte $u ernten
berufen ftnb, fein mürbigereS Stenfmal fefcen, als bet Verbreitung feinet
Schriften objutiegen, fleh burch eifrige Seftüre berfelben jenen äd?t bu*
manen, uniberfellen, beS VürgerS einet föepubtif auSnebmenb mürbigen ©eift
anjueignen, ber bie Schöpfungen ©hartes Sealfielb’S burchbringt unb ihnen
einen alle Stürme bet &tit überbauetnben Vtertb berleiht.
gür unfete einbeimifche bramatifche ßunft mar bet ÜDionat Vtärj fein befon*
betS erfpriefclicher. S)et faft allju pomphaft gefeierte ©amebal batte eine all*
gemeine ©rfchlaffung jur golge; ber flaue ©ang ber ©efchäfte macht ftch im
Vefuch bet öffentlichen UnterbaltungSlofale febr bemerftich ; enblich mag auch
bie bittere VefonftruttionSmiytur, melche S)t. S)ulcamara*3obnfon feine
giüdlichermeife mit gefunber ©onftitutiom begabte Vatienten fchluden lieb,
Vtandben augenblidlich ben Slppetit für jebe anbere Speife berborben haben. 3«
ben Sbeatern bemerfte man an ben meiften Slbenben bet Üffioche febt biete
Vlä&e, für bie ftch feine Siebbabet ftnben moüten, unb felbft in ben fonft be*
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fudjteften SBroabmapfofafen nerfcbmanben bie noch borllWonatSfriftfaftallabenb*
lieb auSgebdngten $lafate „Standing room on]y°. 2)ie $beaterunterneb*
mer, mögen fie mm im 9ßem*?)ort$eraIb anseigen ober btefe ÜRübe fammt intern
©erbe fparen, murren ttnb flagen über fcbledjte 3 ettcn, unb bo<b buben fie noch
alle Urfacbe jur 3 ufriebenbeit im ©erglcid) mit ihren Kollegen im Sanbe, na*
mentttd) im ffieften, bie in biefer SBmterfaifon burcbuuS nicht auf SRofen fie*
bettet fein foüen.
2lu<b unfer beutfcbeS Stnbttheater in 9tem*?)ort ^atte feit bem Abgänge
beS Herrn Hopm an einer merflicben Sepreffton Ju leiben* ©S tarnen feine intcref*
fanten !Robttdten jum ©orfebein, unb bie Aufführungen traten nur auSnabmS*
toeife fo gerunbet, mie mir es früher gemobnt gemefen. Unter folgen
Uniftdnben fam bie Ernennung eines neuen artiftifeben ©übnenleiterS in ber
©erfon beS Herrn Harting gemifj febr jur rechten Seit. Ob biefelbe ben
beabfubtigten Erfolg buben unb ba^u beitragen mirb, baS gnftitut auf ber
Höbe 3 U erbalten, ju melcber eS ftcb int Sauf ber lebten 3abre emporgefebmungen,
bleibt abjumarten. Moritaten aus bem ©ereicb be^ höheren 3)ratnaS brachte
ber ganje ÜJtonat nur eine einzige: H. Herfcb’ä ©burafterbilb: „ßönig unb
9Mlcr, ober bie ürebSmüble". 2>aS Stüd erroieS ftcb ulS fo überaus
gehaltlos, bajj eS nur ein einiges ÜDtal in Scene ging. ©S ift eine bö<bft
oberfldcblicbe 3)ramatifirung einer betannten Anefbote aus bem Seben
griebricb^ beS ©rofien, bie für preubifebe 3ufcbauer ein gemijfeS 3ntcref)e
beftjen mag, allen übrigen aber nur bann als ©runblage eines fünfaftigen
S)ramaS annehmbar fein mürbe, menn fie gehörig burebgearbeitet unb oom
Siebter mit hinlänglichen Sntbaten unb AuSfcbntüdungen rerfeben morben
mdre. 3)aS aber hielt -ßerfcb nicht ber Ütttübe mertb; er tifebt uns bie Anefbote
fo naeft mie möglich auf unb befleibigt ftcb nicht einmal einer Sprache, bie über
bem Aioeau beS Alltäglichen ftebt. $aS Urtbeil, melcbeS mir neulich über ben
$ramatifer $erfcb fällten, ift bureb biefe „flrebSntüble" bollfommen beftdtigt
morben: — feit feiner „Anna*2iefe" gebt er ben Krebsgang. $ie Hauptrolle
beS StüdS, gebrich ber ©rohe, murce non Herrn granf gegeben* Herr
gtanf ift ein ©butafterbarfteüer unb gntriguant bon entfebiebener Begabung,
ber ftcb nur bor einer gemiffen «Monotonie beS ©ortragS buten follte, bie ihm
febon ftarf jur ©emobnbeit gemorben ju fein febeint. (Sr fpriebt feine meiften
Sollen in einem leifeu, ftngenben, eigentbümlicb accentuirten $one, bet bin
unb mieber angebracht fein mag, jeboeb unter feinen Umftdnben ftcreotpp
merben follte. gn Haltung unb 9Jtintif ift er meift fe*br glüdlicb unb Idfct ben
tüchtig routinirten Scbaufpieler erfennen. Auch fein griebricb ber ©rohe mar
bem Aeufeeren nach bollenbet; im Uebrigen aber hatte ftcb mobl bureb
forgfaltigere ©erüdfubtigung beS ©ilbeS, melcbeS bie allbefannte preubifebe
©olfstrabition oont SGBefen unb ©burafter beS alten grifcen entmirft, ungleich
mehr aus ber Molle machen laffen.
üRit bem ©au eines neuen beutfeben XbeaterS, mobon febon fo fange
gerebet mirb, febeint eS enblicb feine Micbtigfeit $u buben, ©in grober ©au*
mm
m an ber 14. ©trage, jmif*en 2. unb 3. Slüenue, foB bereit? erworben
fern, unb mit ber Aufführung be? ©ebäube? geben« manfofort ju beginnen.
3)ie Sage Ware jebenfall? eine febr geeignete unb liege bem Unternehmen Don
Dorn herein em gute? «ßrognoftiton fteBen. 2«? beftgnirte artiftif*e Seite*
nennt man bie fetten Otto §opm unb SIbolph Kteaubert, jwei Kamen bie in
bet Kew»f)orter Äunftwelt ben heften älang haben. Sa ba? auf ber
SBeftferte bet Uten ©trage gelegene neue franse £beater,wel*e? noch
tm Saufe biefe? grühjagr? feiner Gröffnung entgegenfleht, auch bie franjöfif*e
fomifihe Oper ju luitioiren gebenit, ift e? nicht mehr al? billig, bag ber neue
beutfcge Stufen ternpel ber beutf*en Oper eine ^eimftätte bietet. Ser ©runb
ju beten ©ebeigen ift ja bereit? gelegt; e? bebarf nur, jur Grgänjung ber bereit?
Dorhanbenen, einiger frifchen, tüchtigen Kräfte, fowie eine? geeigneten, nicht
fibermägig tgeuern Solal?, um .-er unter ber beutfcgen ffleDölterung fo
beliebten, unter ber ameritanifchen aber immer mehr jut Popularität gelan.
genben beutfcgen Oper in unferer SDlitte bauernben £alt ju Detleigen.
Klit ben beütf*en Bügnen augergalb Kem^orl’? fteht e? im laufenben
SBinter nicht fo gut, wie man ju Anfang ber ©aifon gehofft hatte, ©ehoben
hat ft* ba? beutfche Sheater nur an jroci Orten : in Baltimore unb Kem*Or.
lean?. Baltimore befifct nicht weniger al? fcrei beutfcge Bühnen, unb alle follen
fug jiemlicher Unterftüfcung ju erfreuen haben. Sa? Goncorbia-Sgeater, unter
ber lunbigen Seitung be? Jpertn Kteaubert, ftrebt nicht ohne ©lüd höheren
Sielen entgegen, unb hat jebenfall? für ein neu begrünbete? gnftitut mäbrenb
bererften ©aifon Diel geleiftet. Ko* jüngft hatte bafelbft ein ©aftfpkl ber
grau Klethua«©*eBer fehr guten Grfolg. 3n Kem.Orlean? ift e? bem Si-
reltor Oftermann gelungen, ein beutf*e? Sgeatcr herjufteBen, wel*e? al? ba?
iioeitbefte in ben Bereinigten Staaten gelten fann. Sa? Perfonal ift jaglrei*
unb Derfügt in £errn Sagwifc unb ben Samen fjaafe unb Sinbemann über
Kräfte, wie wir fte felbft in Kentert ni*t beffer hefigen. $err Oftermann
f*log währenb feiner Dorjährigen Ülnwefengeit in Kem-Dorl ©aftfpiele mit ben
Werten $opm unb Keiffart ab, bie im Sauf be? «Eintet? wirtli* jur 2lu?füh«
rung lamen unb bie beutf*e Beoöllerung Don Kew-Drlean? hö*li* befriebigt
i« haben f*einen. Gin wirlli* elegante?, im fafgionabelften ©tabttheil gele¬
gene? Solal trägt baju bei, ba? Sgeater au* bei ber haute volee im©*wung
|u erhalten.
3« Philabelphia ift im Sauf biefe? Sinter? lein orbentli*e? beutf*e?
Sheater ju ©tanbe gelommen, wa? in 2lnbetra*t ber Stärle unb gnteüigeni
ber bortigen beutf*en Beoöllerung faft unbegreifli* erf*eint. Ginjelne Zünftler
, haben mit $ülfe raf* jufammengeraffter ©efelli*aften ©aftfpiele gegeben, unb
in ber Kegel lonnten fie mit bem Gcfolg jufrieben fein, gn biefem Kugenblid
gaftiren bort fjerr unb grau J&opm, bie man gern für bie Sauer fejfeln unb
?ut Uebemahme ber Sgeaterfeitung bewegen mö*te, ein ffiunf*, ber jebo*
in 2lnbetra*t ber ft* bem ßünftterpaar in Kew-?)orl hietenben Au?fi*ten
taum in GrfüBung gehen bürfte.—©an granji?lo, ba? fi* eine Keige Don
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392
Sauren fcmburdj, unter S. Steaufcertm Seitung, einer recht guten beutfehen Sühne
erfreute, ftefyt gduslic^ berwaif t, feit bie SonntagSmuder bam Verbot aller 5f*
fentlichen Unterhaltungen an ihrem altteftamentUchen Sabbath burchfefcten.
Seuerbingm wollte bie große Stragöbin SeftbalUSunb einen Serfuch machen,
bam bärtige beutfdje Skater aufgurichten, !am aber taum über bie erften Sorbe*
reitungen hinauf, ate ba£ Sßroject fchon »ieber berunglüdte. Sanbmann trat
bei feinem jüngften ©aftfpiel auf ber englifchen Sühne auch einmal in beutfeher
Sprache atm granj SDtoor auf; natürlich fehlte em an Kräften, ihn in angemef*
fener SBeife ju unterftüfcen. Sollte übrigens baS beutfehe Sublifum San gran*
jiSfo’S, baS brei tägliche 3*itungen unterhält, nicht zahlreich genug fein, um
auch mit einem lebiglich an ben SBochenabenben fpielenben Theater reujfiren ju
tönnen ?—3m SBeften herrfcht biel Ungufriebenheit unter ben beutfehen Ztya*.
terunternehmern. gaft fänimtliche Sühnen erfreuten fich bort in früheren
Serioben fchon einem befferen ©ebeihenm alm in biefem Slugenblicf. Ob bie
Urfache lebiglidh in ben fchlechten 3*iten ober »ohl auch in bem geringen Unter*
nehmungSgeift unb ben befchränften Füllmitteln ber S)ireftoren liegt, labt fid)
aum ber gerne ferner beurtheilen. So büfter em auch am beutfehen Theater*
bimmel bem 2Beftenm aumfieht, e i n leuchtenber SCßanbelftern jog barüber hin,
bem man allenthalben gujubelte unb mit größter Sereitwilligteit feinen Tribut
entrichtete. Ottilie @enee toirb fonber 3n>eifel bie beutfehen$heater§uftänbe
Slmerifa’m gang charmant ftnben, benn ihr geigen fie fich »irflich im rofigften
Sichte, für fie giebt em nur bolle Faufer unb bolle Waffen. Son SWabelphia
begab fie fich nach Syburg, Cincinnati, SouiSbille, jBtilwaufie unb Chicago.
Slnfangm 5lpril trifft fie in St. Souim ein, unb bor Schluß ber Saifon wirb
toohl auch 5Re»*2)orf noch einmal bam ©lüd haben, ber Keinen SSBunberthaterin
jinmpflichtig gu »erben. Honi soit qui mal y pense l
^uftkalifdje Ucmtf.
Sott
3n 9le»*|)or! giebt em eine Sehranftalt, bie fuh bem »ohßlingenben Stamenm
„Conferbatorium ber üDtuftt" erfreut. 3« biefer Sflangfchule für bie Cultur
ber äJtufit »irb fehr biel Clabier gefpielt, »eniger gefungen unb h&<hft wenig
SWuftl in irgenb einer anbern 2lrt getrieben. Sttan fönnte bie Slnftalt eine
ungeheure 2Kafchine für bie Cntwidelung unb Kräftigung bem Kno<hen*Spftemm
nennen, fo »eit biefem in ben Fänben unb gingern in Setracht fornrnt. 9Jtan
ftellc fuh taufenb Kabierfpielenbe Fanbe bor, jehntaufenb ginger, bom 2Jtorgen
bis §um Stbenb in Sewegung, um ben ©eift ber Cgernp’fchen ober Sertinifchen
Uebungen gu ergrünben. Cin großartigem Silb ! Slber noch großartiger muß
ber Cinbrudt auf bie ©ehömerben fein. Sielleicht »ar em bie IRüdfuht für
bam SBohl einer leibenben Sienfchheit, »eiche bie 2)ireftoren ber Slnftatt be*
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393
ftimmte, bag Sßublifum minbefteng einen Sßeil jeneg großartigen Söilbeg feßeit
gu laffen. SBieUeid^t mar eg bieg unb nichts Slnbereg, mag SBetanlaffung gu
bem im hörigen DRonate ftattgefunbenen Gongerte beg Gonferhatoriumg ber
SRufit gab. greilitß, bag gange 93ilb tonnte man ung nußt geben, geßntaufenb
ginger tonnten mir nießt arbeiten feßen. Slber mir faßen holle hierunbfeeßg*
gig £dnbe, unb noeß bagu Samenßdnbe. Sie fprangen auf unb ab unb bratß*
ten atterlei Sone ßerhor, ultb gmar Sone, meleße ber Seele ber größten DReifter
beutfeßer DRufit entfprungen ftnb. 64 £dnbe fpielten einen Sßeil ber Sonate
Sßatßetique hon Söeetßohen, ein Stüd, in melcßem ber große Sonbicßter hicl
hon feinem $ergblute getaffen ßat, bag man, mie gemiffe ©ebießte, gang allein
für fuß Iefen fottte, um bem barin maltenben reußen Seelenleben holle ©eretß*
tigteit miberfaßren gu laffen. Unb bie 64 £dnbe arbeiteten barin ßerum, baß
eg eine greube mar. 2Ran tonnte ßier mit SRedßt augrufen : „Sßag nießt
SRenfeßenßanbe Sltteg matßen tonnen !" — Unb am Seßlujfe beg Gongerteg
fpielten biefelben £dnbe bie Situg*Duhertüre hon üRogart. Unb auiß bag mar
gut.. Slußerbem mürbe noeß in bem Gongert gefungen unb Violine gefpielt, aber
mag bie 64 £anbe tßaten, mar boeß bie £auptfacße. So baeßten namentlich
bie Setter ober aueß moßl ber Seiter beg Gongerteg, unb Ser ober Sie müffen eg
moßl miffen.
Unb mdßrenb bag Gonferbatorium ber 2Ruftf biefe Sßat ber ßunft beging,
braeßte 4|r ber fUeine Girfel, melcßer fteß alle hiergeßn Sage in Sobmortß’g
Saal herfj^imelt, um ßammermuftf gu üben unb angußören, ein anbereg Opfer.
Seber naeß feiner SBeife. Sie Zünftler (bie Herren Sßeobor Sßomag, R3erg*
tjer, DRofentßal, DRa^fa unb SRafon) üben bie ßunft im Stillen, unb ißre 3«**
ßörer miffen fte auCß gang im Stillen gu genießen. Sie Soireen biefer Zünftler
bieten einen eigentßümliCßen Slnblief. 2Ran glaubt fuß faum in einen Äon*
gertfaal herfeßt. Sltteg barin ßat einen fo gang anbern SlnftriCß. 3Ran fießt
immer biefelben ©efiCßter, faft Sitte tennen fuß gegenfeitig, gang mie im gami*
Iientreife, unb Sitte hertnüpft ein gemeinfcßaftlitßeg Sntereffe. Ser Gßaratter
ber Äammermuftt fCßeint fuß aueß auf bag Slubitorium übertragen gu ßaben.
2Bie im Ouartett nur bureß bie 3ufammenmirtung Sitter *in tlingenbeg, fünft*
leriftßeg JRefultat ergielt merben fann, fo fallt ßier bag oft ung in anbern Gon*
gerten fo ftörenb entgegentretenbe feßroffe Sluftreten ber 3nbihibualitdt fort.
3eber befeßetbet fuß, 3eber meiß fuß unterguorbnen, benn Sitte miffen, baß nur
fo ber beabfießtigte fünftlerifcße ©enuß ergielt merben fann. SBenn irgenbmo,
fo fann ßter hon einem mufifalifeßen ^ublifum bie Diebe fein. ÜRebenrüCtftCß*
ten, melCße fo oft ben 93efu<ß anberer Gongerte beeinfluffen, fallen ßier fort.
SBdßrenb in ben Sßßilßarmonifeßen Gongerten über bie $alfte ber bort herfam*
meltcn jungen Samen unb Herren ißre eigenen 3toe& herfolgt, mdßrenb bort
bie DRufif nur alg ein feßr bequemer SeCfmantel angefeßen mirb, irgenb eine
fiiebegintrigue angufpinnen, gu herfolgen ober abgumideln, meiß jeber ©efudßer
ber Soireen ber flammermuftf, baß ßier hon allen biefen Singen nießt bie Diebe
fein fann. Ser Saal ift tlein, jebeg gefproeßene SBort mirb gar leießt gcßört,
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felbft ©lide werben leidet aufgefangen unb gebeutet. 6« !a«n ftd> hier um
nichts PnbereS Rubeln als um ben ©enub ber Ptufif. gebet weil baS, unb
gebet will amb nicht* PnbereS als ftch mit ben Stäben Bertram muhen,
bie in biefem fiunftgebiete aufbewabrt liegen, ©er feinen ©efhmad an ber»
gleichen SMufil finbet, gebt gar nicht bin, benn er weih, etwas PnbereS als
eben eint beftimmte Äfaffe Bon Pluftf fonnte er bort nicht haben. Unb beShalb
ift bet fiteis ber 3uböter auch nur ein Heiner, wenn auch in mufilalifchcr ©e»
jiebung gewichtig«, wäbrenb er in ben Pbilbarntonifeben Gonjerten, bie in ihren
Programmen ebenfalls ben gntereffen ber fiunft Pechnung tragen, ein großer
ift, aber mufttaltfcb hoch febt leicht wiegt.
Sie britte unb »ierte Soiree ber Herren Ptafon unb SbontaS brachten ein
Streichquartett Bon £apbn aus G-dur Po. 84, bas Streichquintett Bon Schu*
bert aus C-dur, bie Streichquartette aus C, opus 59 unb A, opus 18 Bon
©eetboBen, baS Pianoquartett aus A, opus 26 Bon ©rabms unb baS 3tio aus
F, opus 6 Bon ©argiet. Sie beiben lebten Serie waren bin neu unb
machten einen böhft Berfchiebenartigen Ginbrud. ©äbrenb baS ©rabm’fche
Quartett nur wenig gefiel, unb mit ©echt, weil es weber in gnbalt noch «form
ben Pnfprüdjen genügte, bie man an ein fiunftwerl biefer Uri heut ju Stage
ftellen mul, würbe baS ©argieffhe 2tio febr gut aufgenommen, unb jwat
Wieberum mit Utecht, weil eS faft burcbgängtg einen lebenbigen, anregenben
©ebantengang, einen gebilbeten ©efchmacf unb abgerunbete gönnen offenbart,
©argiel bewegt {ich |War in bera alten, trabitioneilen Stabmen; aber er giebt
barin Biel SelbftftänbigeS, unb ift auf jrben galt bet bebeutenbfte fiomponijt
nach Schumann, ber augenblidlich biefe ©ahnen wanbeit. Pm Gnbe läfst ftch
in biefen alten gotmen bocb noch etwas PeueS fagen; es muh nur ber
reihte ©eift fommen. Stuf ber anbern Seite fönnen wir nicht Befehlen, baj?
auch bie neuen gotmen, wie fie Bon fiijjt unb SBagnet geübt werben, ihre
©etechügung haben. Puf jeben gall fheint uns bie Bierfägige gorm beS
Quartetts unb ber Symphonie für unfere 3«'t nicht mehr ju genügen.
guten mächtigen Ginbrud machte wieberum in ber legten Soiree baS
Streihauintett Bon Schubert. GS ift oft Bon ben fiünftlern gefpielt worben;
«bet bei jebem erneuten $ßren macht fth ber Peij ber SWelobieen, welche in
biefem ffierte aufgebäuft finb, auf’s Peue geltenb. ffiit wüjjten wenige
©etle biefer Prt ju nennen, in welchen fo oiet fprubelnbe gbeentraft, ein fo
reich«* Phantafieleben Bcrwaltet, wie in biefem Quintett. Puf ber anbern
Seite ftbrt uns allerbingS bie übergroße Sänge unb PuSfptnnung bet gbeen,
bie ©Überholungen, mit einem ©orte ber Ptangel einer fnappen gorm. £ätte
Schubert fe Berftanben, Selbftlritil ju üben, fein Pame würbe höher flehen
benn ber mancher geptiefener fiomponiften, bie feitbem gewirlt haben. Plan
blide auf PlenbelSfofm ! Gr geniefit eines weit gröberen PubmeS, als
Schubert, unb bocb, wie winjig erfheint fein Talent, Berglihen mit bem beS
legtem fiomponiften! gn einem einjigen ©anbe feiner Sieber (beten er bocb
fünf Bolle ffidnbe gefhrieben hat), finb mebt pofitiBe gbeen angehäuft, als m
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allen SBetfen MenbefSfobn'S jufammengenommen. SBemt irgenb etwas, fo
illuftrirt bi« Mattiere biefeS flomponiften bie große Sebeutung, welche «ine
feine, »ielfeitige Grjiebung für einen flomponiften l>at. MenbelSfobn, aufge«
»oad&fen mit ben bebeutenbften Männern feinet 3eit, mußte febr halb be3 gro*
|en ©ebeimniffeS inne ju werben, mit Wenigem £auS ju galten. Unb et bat
«8 teblich getban unb ft<h einen großen Wanten , bamit erworben, müßten»
Säubert, f«b felbft überlaffen, fein« großen ©oben mit »erfeßwenberifeben
^änben um fteß warf, unb faft nie wußte, jur reihten 3eit aufjubören, wie bie
meiften fein« großem Arbeiten bejeugen. Sie golge baoon war, baß er
für eine geraume Seit faum gefannt war. Grft bie neuere 3eit bat ibm feinen
ebrenoollen $laß in ber Äunftgefcßicbte angewiefen ; aber »olle ©ereebtigfeit
ift felbft jeßtnoeß nicht feinem ©eniuS geworben, s
3n bem »ierten $bi<barmonifcben Gonjert börteh wir wieberum bie 3ntro»
bultion ffiagner’S ju „Sriftan unb Sfolbe". SBir fönnen auch beute unfere
Meinung nicht änbern, baß baS Stonftüd nicht in ben ©encertfaal gehört. 63
tommt uns »or, at« wollten wir bloß baS erfte&ipitel eines MomanS fefen.
3e wahret SBagnet feine Aufgabe erfaßt bat, fe beffer er in biefem Sorfpiet
für baS fofgenbe Srama »orbereitet, befto weniger >ann es ohne baS Seßtere
genügen. Man wirft SBagnet »or, baß eS in biefem Sorfpiel ju feiner Sluf*
ßfung fomme, aber man »ergißt, baß bie Sluflöfung erft im Srama erfolgen
faß. flein SBunber, baß bie 3ntrobuftion allein einen unbefriebigenben
ffinbrud binterläßt. 2)aS Goncert würbe mit ber Es-dur-Spmpbonie »on
Schumann eröffnet. $iefe Spmpbonie bat außer ben üblichen »iet Süßen
noch einen fünften, febr furjen. ben Schumann einfchaltete wäßrenb er an bem
SBerfe arbeitete. Uebcr bie Gntftebung biefeS SaßeS, wie überhaupt ber
ganjen Spmpbonie, fagt SBaScelewSfi in feiner Sicgrapbie biefeS MeifierS:
„®ie Spmpbonie in Es-dur, ber Gntftebung nach bie »ierte, fßnnte man
im eigentlichen Sinne „bie rbeinifebe* nennen; benn Schumann erhielt feinen
»«Hßerangen jufolge ben erften Slnftoß ju berfelben burch ben Wn«
bfkf beS Äölner SomeS, fowie tbeilweife auch bie geierlicßfeiten ber in
jene Seit faö«nben ©rhebung beS Kölner GrjbifcßofS ». ©eißler jum tfarbinal
im Baufe ber Ärbeit auf biefelbe influirt haben. 2)em leßteren Umftanbe »er«
banfi bie Spmpbonie woßl gerabeju ben fünften, in formeller £infi<bt
nicht üblichen Saß (nfimlich ben »ierten ber SHeibenfolge nach), urfprüng«
Kd) fiberfchrieben „3m Gbarafter ber Söegleitung einer feierlichen Gereuto«
nie." S9ei SSeröffentlichung beS SBerfeS ftridj Schumann bie beS leichteren Skr«
ftünbniffeS halber ^ingugefögte Sluffchrift; er fagte: „Man muß ben Beuten
nicht baS^erj jeigen, ein allgemeiner Ginbrucf beS ßunftwerfcS tbut ihnen
beffer, fie ftetten bann wenigftenS feinen »erfebrten Vergleich an." 3n Setreff
b«S GßarafterS anberer Säße fügte er binju: „GS mußten »olfstbümlicbe Gle«
mente »orwalten, unb ich glaube, es ift mir gelungen", was auch auf jrnei
Stüde (nämlich baS jweite unb fünfte) in ihrer planen, im guten Sinne, fo weit
baS bet Schumann überhaupt möglich war, populären Haltung minbeftenS
Unwenbung ßnben bürfte."
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2Bir glauben, ©efeumann täufifete ftdfe felbft, ate er mäfente, et feafee eine
oolfstbümlicfee Spmpfeonie gefiferieben. Sßis jefet ift ba$ 2Berl noife niifet in
baS Sßolf, felbft nicht in ben ebeiften Sfeeit beffelben gebrungen, unb es bürfte
lange 3«it mäferen, bis ei biefen Gferenplafe innefeält. Sffienn auife in ber £anb*
feabung beä SßtaterialS bie tunftoollfte, bie er gefiferieben feat, fefelt ifer boefe bas,
»aä allein, wenn auefe niifet für ade Seiten, bo«fe für einen langen Seitraum blei»
benben SEBertfe feat unb Spmpatfeieen erwarb, nämliefe frififee, lebenbige, jünbenbe
3been. SaS iffietl mürbe }u einet 3eit gefiferieben (im SRooember unb 2>e»
jembet 1850), all baS GSeiftesIeben be3 SBerfaffetS fefeon bann unb mann
©puren jener Umnaifetung äufjerte, bie ei naife furjer 3eit für immer »erniifetete.
©efeon am 11. 3uni feferieb er: „©onft Sille leiblidj mofel, i<fe nur mawfe*
mal oon neroöfen Seiben affijirt, bie miife manchmal beforgt maifeen, fo neuliefe
nach 5Rabe<fe’S»0rgelfpiel, bafj iefe beinafee ohnmächtig mürbe." — Slefe biefe
„netoöfen Seiben" mögen ben armen SJleifter felbft beim ©dfeaffen feiner lefeten
©pmpfeonie geplagt feaben. SWeferere ©teilen barin, in benen ber Gomponift
feörbar nadfe einem Sluetoeg fudfet ofene ifen $n finben, beuten barauf fein.
3n biefem Gonjerte feörten mir auife §ettn SRicfearb $offmann baä G-
moll»Gonjert oon 2Renbel§fofen, mit fcfeönem Slnfdfelage unb geläutertem ©e.
fifemaete, oortragen. gür Gompofitionen oon ÜRojart, 2Renbel3fofen unb geller
f(feeint biefer «ßianift eine befonbere Sßorliebe ju feaben. SBaferfifeeinliefe ftefeen
fte feinem Sßerftänbniffe am näcfeften, unb auf feben galt jeigt er in ber 2Bie*
bergebung berfelben ein befonbereS ©efefeid.
Slucfe SRUe. Gardine Sßocfe,- bie neu engagirte Sßrimabonna ber italieni
fefeen Oper, machte bei biefer ©elegenfeeit ifer $ebüt im Gonjertfaal. 3)et Gin.
brud, ben fte feeroorrief, mar ein feöifeft ungenügenber. Uebprfeaupt paffen $oni«
jetti’fcfee unb felbft SRofftni’fifee Strien niifet in ein SßfeilfearmonififeeS Gonjert,
aber menn fte einmal gefungen merben follen, fo muff ifer Sßortrag minbeftenS
bie oodenbete Äünftlerin offenbaren. Gine foldfee ift ÜRUe. Sßoife lange niefet.
2BaS man gertigfeit nennt, feat fte faft gar niifet, unb menn auefe ifere Stimme
ein mofelflingenber, ftarler SRejjofopran genannt merben mufs, fo fefelt eg ifer
bodfe bis jefet an lünftlerififeer StuSbilbung, bie mir oon einer in einem berarti.
gen Gonjerte auftretenben ©ängerin ermatten lönnen. Sfer Grfolg mar beä<
fealb auife ein geringer, mäferenb fte in ber Oper felbft (in Sa gaoorita), in
melifeer ifer bie ©cenerieen ju $ülfe tarnen, fefer gefallen feat.
3n bem jmeiten Gonjerte Ui §etrn SRob. ©olbbed in bem Steinmap’.
fefeen ©aale erfreute uns tiefet Zünftler burefe ben Sßortrag bet Sonate, bie
Sßeetfeooen pastorale betitelt feat. 2)a3 Sffiert mirb feiten gefeört, im Gonjert«
faate faft nie, minbeftens niifet in Slmerita. 3n 3been unb gorm ift eä oiel.
leiifet bie einfeeitlicfefte Sonate, bie Sßeetfeooen gefiferieben feat. 33er ©runbge«
bante ift trofe ber mannigfaefeften Ummanblungen feftgefealten, unb ber Gfearal.
ter ift burifeau« ebenfalls feft bemafert. #err ©olbbed fpielte baS fifeöne ©tüd
mit ju menig lebenbigem SluSbrud, ber Gffeft mar beSfealb ein bem gnfealte
burifeauS niifet ebenbürtiger. SllS Gomponift jeigte fidfe ber fiünftler am Oor*
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tbeitbafteffcn tn feinen Siebern, bie einen fernen fünftlerifcben Sinn, gute Huf*
faffung unb dbarufteriftifdbe HuSfübrung oerratben. Sie mürben tbeilmeife bon
einer jungen Same gefungen, bie eine ber flangoollften Hltftimmen bat, meldbe
wir feit langer fyit gehört haben. Sie Same beißt Sterling, unb ift für bie
93übne beftimmt. otogen ihre greunbe fte bor bem zu frühen Huftreten be*
trabten.
Sie Harmonie Society gab ben „Samfon" bon £änbel, ein großartiges
SBert, bem „HtefftaS" im ©anjen nicht nachftebenb. Hber bie HuSfübrung
mar burdßauS ni(bt genügenb, namentlich bon Seiten ber Soliften, bie jum
großen Sbeile taum mußten, maS fie mit ihrer ^artbie anfangen füllten. 2Jlab.
Hitter machte noch ben bortbeilbafteften ©inbrud, meil fle eben in ben ©barafter
unb ben ©eiji ber Htuftf eingebrungen ju fein fchien. Sie Hecitatioe mürben
am ©laoier begleitet, obgleich bie Huffübrung in einer ßirche ftattfanb, unb bie
Orgel bei ber #anb mar. 2Bir hoffen, baß baS 2Berl mieberbolt merben mirb.
Huf biefem ©ebiete ber üunft fmb mir in Hem*?)orf noch am meiteften zurüd.
SBenben mir uns jefct zu ber Oper, fo finbeu mir baS alte Hepertorire.
„Sie Hfritanerw" behauptet noch immer ihre HnziebungSfraft. HllerbingS
febeint eS, als menn fuh bie neu aufgefrifchte Oper Hkperbeer’S, ben „Horb*
ftern", ebenfalls bie ©unft beS $ublifuntS errungen bat. Sie Oper ift mit
nicht geringem $omp in Scene gegangen, unb bürfte fdbon beSbalb eine ge*
miffe HnjiebungSlraft auSüben. Hteperbeer fdbrieb baS SGßerl für bie fomifebe
Oper in $ariS; aber obgleich eS an bübfeben, gefälligen 3Mobieen nicht arm
ift, fo macht boeb bie fcbmerfällige 93ebanblung berfelbeit feinen günftigen ©in*
brud. ©S fehlt bem SBerfe bie Seichtigfeit unb ©rajie ber fomifeben Oper.
Sie ©höre unb «©nfemblefäfce, bie Ordjeftration — alles bieS ftelU „ber Horb*
ftern" in bie fogenannte große Oper. UeberbieS fmb bie Htelobieen ju un*
gleichmäßig bertbeilt. Ser erfte Hft enthält in biefer ^Beziehung faft HlleS,
bie übrigen Hfte zeigen großartige Sechnit, bemunbcrungSmürbige SBebanblung
ber SHaffen, aber menig gbeen. 3Han merft, baß bie Oper mäbrenb jmei ber*
fchiebener 3eitperioben ccmponirt ift. Ser erfte Hft ift ein mufitalifcher Heffep
beS alten „gelblagerS in Schießen", bie übrigen Hfte mürben 51 t einer ^eit
componirt, mo ber DHelobiequell beS SHeifterS fchon ftarf erfchöpft mar.
Sie Oper bat, mie gefaxt, ausgezeichnete ©höre, bie auch uon ben Sän*
gern ber Hcabemp recht mader gefungen mürben. Sabingegen mar baS Orche*
fter unter ber Seitung beS £errn Sorriaui febr unzurechnungsfähig, unb bie
Soliften tonnten auch nicht genügen. Ser Senor, grfre, bat zu menig
Stimme, unb ber SBaffift Hntonucci bat zu menig bramatifeben HuSbrud für
ÜHeperbeer’fchen Hollen. SHUe. Kellogg bat auch nicht für bie fchmierige $ar*
tbie ber ,,©atberine" Stimmfinale genug. UeberbieS mar ihr Vortrag nicht
fo abgerunbet, mie mir fonft oon biefer fleißigen unb forreften Sängerin ju
hören gemobnt fmb. 3n betreff ber Hebenrollen ließe fich auch eben nidbt
biel ©uteS fagen, mit einem Söorte, bie HuSfübrung zeigte, baß mir z&>ar
Diele Sänger unb Sängerinnen, aber für ein berartigeS SBerf noch nicht bie
HH
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redeten haben. Sffiir moHen jebod) barüber weniger rechten, aiS übet baS Sie*
pertoire felbft. GtmaS mehr SlbmechSlung tonnte mirtlich nichts {(haben. GS
märe febr gu munfehen, ba& bie beutfehen Opemoorftellungen mit ben italieni*
Wen abmechfelten. 3)ieS ift eben bet grofje Bortheil, ben bie ßunftliebhaber
in 2)eutf<hlanb haben. 3 n Berlin hört man in einer 2öo$e ©lud, in einet
anbetn Spontier, in einer britten Btogart u. f. m., tytx hören mit eben nichts
meiter als bie neue Oper, bie eben an bet SageSorbnung ift. greilW ftttb
unfere Mittel hier befchränfter; aber menn eS möglich gemalt merben jtönnte*
bab bie beutfehe Oper mit bet italienifchen $anb in $anb ginge, fo liebe fi<b
bodb {(hon manches ©ute auSfuhren. $mt ift nicht 2illeS, maS brühen Por*
geht, heftet, aber auf jeben gall bieten bie gröberen Stäbte mehr SlbmedjSlung.
SGßenn mir uns bie neueften europäifchen 3eitungen anfehen, fo mirb eS uns
nicht Wmer, fofort bie Betätigung biefer SluSfage gu ftnben.
3n Baris Weint ber flache muftfalifche ©eWntacf, ber ftch bort feit Sahren
in ben Gongerten äuberte, nachgerabe einer beftern Bicbtung gu meiden. 2)ie
©ebrüber Üttüller, bie berühmten Ouartettfpieler, meWe im Anfänge ben Bari*
fern gu natürlich oorfamen, erfreuen ftch jept ihrer befonbern ©unft. 3n
einer ihrer lepten Gongerte fpielten fte fogar baS A-dur-üuartett non Schu*
mann, an baS fW bie Barifer Ouartettfpieler bis bahin noch nicht gemagt
haben. 2luch mürbe in einem ber cruents populaires gum erften 2Me baS
Borfpiel gu „Sohengrin“ auSgefübrt', unb gefiel fo febr, bah eS repetivt mer*
ben mufjtc. Gin gang befonbereS 3nterejfe gemährt noch bie Stachricht, bah
im Theatre lyrique bie Oper „$on 3uan" mit gang befonberer Sorgfalt
in Scene gegangen ift. Btan muh ben Barifer 2>irettoren nachfagen, bah fte
biefe Sorgfalt in ben feltenften fallen Perleugnen. — 3*oangig groben einer
Oper finb burchauS nichts UngemöbnlicheS, unb ber Ginftubirung pon Spmpho*
nieen Wen!t man oerhältni&mäfeig nicht geringere 2lufmerlfamfeit. — 5)ie
lomiWe Oper PerfprWt gmei neue SBerfe, “La Colombe” Pon ©ounob unb
“Zelda^ Pon glotom. „$on GarloS“ pon Berbi foll erft gegen Gnbe beS
3abreS in ber italienifchen Oper gegeben merben.
2)aS größte Sutcrefte Inüpft fW jefct an ©ounob’S neuefte Slrbeit „Borneo
unb Suite.“ BerüdfWtigt man bas Talent beS Gomponiften, fo bürfte biefeS
£h«ina aüerbingS unter feinen «gänben einer febr intereftanten Bearbeitung
gemärtig fein.
2US Beleg über bie eben auSgefprochenc Bemerfung ber in beutfehen Stäbten
gebotenen gröberen Bbmechfelung fügen mir noch bie foeben erfchienene Ueber*
ficht ber im porigen Sabre in 2)reSben gegebenen Bestellungen bingu. „2llS
Bonitäten erfchienen brei tleine Operetten unb bte alte Sluber’We Oper „$er
geenfee.“ Beu einftubirt mürben ferner unter Bnberm bie Opern: „bie
gübin“, „ber üffiafferträger" unb Boielbieu’S „Bothfäppchen." Beethooen’S
„gibelio" mürbe Pier 9M, SJtogart mit fünf Opern 20 SRal, Bleperbeer mit
Pier Opern 17 9Jial, ffiagner mit Pier Opern 13 ÜJtal porgeführt. 3)aS Ballet
marb pertreten burch ©ifela, Blphea unb bie Pier 3ah^Sgeiten.
2luf ber anbern Seite liefert uns gebe erneuerte 3ufcnbüng beutfdjer 3ri*
tungen ben BemeiS, bah mir in ber Berfuherung ber Gpoche machenben muftfa*
lifchen SBerle ber ©egenmart unfern SanbSleuten Potan ftnb. So ift „bie
Bfritanerin“ erft gang lürglich in 2öien unb öeipgig gegeben morben, mährenb
fte bei uns Won oor mehreren Btonaten über bie Bretter ging.
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$tt $reafurt)-<nfrk.
B#n Wugufl« ©eigen. (SBaftington.)
Sßiffen Sic, maS «in SBafßingtoner $reafurp*Gterl ift ?
34 meine nidjt jenen Steafitrt>=»(Slerf, bet, ein tppifdjer 9leu*GngIanb*
Gcbutmeiflcr, beS 2lbenbS mit einet Saterne bie Straßen 2Bafi>ingtonS burch*
ftreift, um »etgebli4 eine Sibliothel elften IRangeS jtt fucben, bie unentgeltlich
Suchet auSleibt.
34 meine au4 nicfct ben 3ireafurp*Glerl, bet, als ewiger “Counter-
hopper”, ohne IHaft unb SRuh’ mit einem großen Horb am Slrme alle ÜJlätfte
unb ©rocerieS ber Stabt probirt, um “bargains” ju ma4en unb gelegentli4
einem obet bem anbern “dealer in provisions” bie Slbreffen befteunbetet
$robucenten jujufteden, wobei mitunter au4 ein ©ef4enl »on Seßteren ein*
Iduft.
Hurj, i4 meine ni4t ben inbioibuellen 3!reafurp=Glerf in bem $eiligthum
feines Ijkioatlebens; i4 meine ben offijiellen, bet, ein Meines 9iäb4en im
großen (betriebe bet ungebeuern, palaftartigen Sreafurp, nebft feinen GoKegen
einet Uniformität anheimfällt, bie unter bemanbten SSerhältniffen ni4t aus*
bleiben fann.
Set £reafutp=Glerl in biefem Sinne ift ein menf4li4eS Sffiefen, baS jmi*
f4en jtoei #auptfütterungen auf bem $laße feinet gef4äftli4en Seftimmung
fieben »olle Stunben hinter einanbet unauSgefeßt jene Sefcbäftigung treiben
muß, mel4e bet beutf4e HJtufenfohn fo 4aralteriftif4 mit „ocßfen“ bejei4net
unb bie nichts SlnbereS ift, als: ftierähnli4 mit bem Hopfe benSrobfatten cor*
wärts ju f4ieben.
Set Xreafurp*Glerf bet jeßigen 3eit ift ein Slnberet als ber frühere, in
«inet Gpo4e f4«ffenbe, too baS ©olb no4 leine Ghimäte geworben war. Set
Steafurp»Glerl »on bantalS war ein eleganter Sanbp im SBergleicß jum heuti*
gen. Dlacp unb na4, mit bem fallen beS ißapiergelbeS, fielen au4 bie gentle*
männif4en füllen in geßen herab.» Set Stolj jebeS SlmeritanerS: baS tabel*
lofe, blüthentoeiße fjemb, t»i4 einet graumollenen Sträflingstra4t. Sie jum
unentbehrli4en “citizens dress” gehörigen feinen UnauSfpte4li4en mürben in
Grmangetung eines paffenben GrfaßeS mit ben tauben, reibeifenähnli4en,
groben, blauen SBeinHeibem ber militärifchen Uniform pro»iforif4 »ertauf4t,
mit bem beftiebigenben Semußtfein: ben Onlel Sam bo4 nun au4 ein wenig
ju behumbugen, — ben alten Herl, bet aus Rapier ©olb f4mieben will! Sie
einft fo brillante Ghaupte mag fi4 gar »ft jeßt mit ihren Sefeften unb gliden
in batmhetjige India rubbers »erfteden. Set früher fo oft erneute £ut
wirb jeßt auf ben Hopfen ber Sßeratmenben attmobif4 — ja fogar „bafferman*
nif4“. 3iur ber Shanghai-shawl bewährt ft4 in feiner praftif4en Sauer*
haftigleit; er bebedt treu unb bislret ben fabenf4einigen D?od »or bem Straßen*
publilum. Sagegen werben fenjitioe ülafen unter Seßterem oft genug beleibigt
•8
bur<$ einen beigenben „fineHer", bet einet Saffe Heiner pfeifen eniquiat
tneld&e nach bet Office ftrömenbe ober oon baber fommenbe Gletfä mit bet buf»
tenben £ananna»Gigarre ju nertaufcben gelungen toaten. 3n bet Sreaücrp
fefbft macht ba® gemeinfame $e<h Bbilofopben, unb deiner brücft fug etwa am
Scbam an ben äBänben bin. 3m ©egentbeil: man bewegt ficb mit Sürbe in
bet Slrmutb.
Ser Safbingtoner Sreafurp»Glerf ift in fanitätlicher Belegung eine übet»
triebene Ausgabe be® berüchtigten ©taat®bämorrgoibariu® unfere® aften ÜBatet'
lanbe§. Sa® mecbfetootle, launifcge ßlima mufi ibm hoppelt fcbaben. Senn
et im glübenben ©ommer fi<b beifi gelaufen bat, tritt et plöglicg in bie feiler»
artige grifd&e bet grogen Säume. Ser Sinter bagegen birgt innen ein Stfcifa
wäbrenb braugen ein afiatifcber Aorbfturm ben £eimfegrenben burcgjittert.
Sein gelber greunb, ber £reafurp»Glerf, batte mich fo oft eingeiaben,
ibn bocb auch einmal in ber ©lorie feiner matgematifcben Sriumpbe ju betracg»
ten, unb ficb babei als Gicerone in ber Sreafutp angeboten, bag ich mich ent»
fcblog, einen prächtigen, frifcben, fonnigen Sorgen be® ganuar® 1865 ju
biefet Gfpebition ju benugen. 3* erfreute mich Bon ^erjen be® falten Set»
terS, ba® mir bie Sinter ber alten $eimatg in’® ©ebäcgtnig brachte, unb off»
nete nach einer angenehmen Aorblanb®promenabe bie Sbüt be® Sübflügefö ber
Sreafurp. Sa brang plöglicg ein beiger Suftftrom auf mich ein, welcher bent
Aeguator anjugegören fdjien, fo bag ich in einer Sinute burch unb burd) er»
Wärmt war. 3cg fanb balb bie mir begegnete numerirte Sgür, öffnete auch fie, i
unb — fühlte mich, wie in einem geboten Bratofen, ohne Barmgerjigfeit in i
Bier Sinuten in Sranspiration gebraut. Sie bebauerte ich all’ bie au®gebörr»
ten Herren mit ihrem fahlen, fränfelnben AuSfegen im Allgemeinen unb
meinen gelben greunb im ©peciellen! Sag fjenfter nicht allein Sicht», fonbern
auch Suftfpenber fein feilen, fegien in ber Sreafurp Siemanb ju ahnen, benn
fie blieben aßejeit wie bermetifeg gefcgloffen. Balb würbe mir ber Aufenthalt in
bem mit Gleganj au®geftatteten ©aale meine® gelben greunbe® fo beengenb
unb unerträglich, bag ich ihn bat, fofort.bie besprochene Sunbe i m ©egag.
amtögebäube mit mir ansutreten.
Sie Gorribore liegen mich wieber aufatbmen, weil ba hoch einiger Surch»
jug Bon frifcher Suft ftattfinben fann. Um bie Sübmeftecfe biegenb, änberte
ficb ber gugboben in glatte®, getäfelte® ©eftein, auf bem ich mich faum auf»
recht halten fonnte. §ier bauien bie Beamtinnen be® ©chagamt®. — it;in
Sunber alfo, wenn bie chronique scandaleuse Safbington® Bon fo Bielen
gällen ju berichten weig, angeregt burch jenen einen, ber burch’® ganje Sanb
battte. Ginige jweifelgafte Gbaraftere machen ben Anftänbigen bie Gfiftenj
gewig nicht unerträglich. Ser grembe betritt biefen Sgeil ber Sreafurp ooU '
Grwartung ber Singe, bie fich ba Bor feinen Augen begeben füllen. Seuaierig
burchfpäht er alle Sir.tcl, ob er nicht eine ber Berfübrevifchen Grfcpeinungen
ju ©efiebt befommen wirb — unb ber gufall wiU e® Bielleicht, bag alle
Sbüten gefchloffen bleiben! geh felbft fab nur eine mittelalterliche Same mit
401
tanger, fpiper, bebrillter üftafe, in ffiittwentracbt, lautlos auS einem 3immer
in’S anbere gleiten*
3ur 3*i* meinet 93efu<heS tonnte man noch ohne 3ittern unb 3agen um
bie Gden biegen, brauste man nicht unruhig nach radjebürftenben Simagonen
auSgufpäben. fUtit aller Seelenruhe erfreute ich mich in ber SUtitte beS glügels
eines reigenben SpielgeugeS. 2)ie Sreafurp, wie fie fein follte, febeint hier
bon einem SIrchiteften auS bem Reiche Oberons unb SlitanienS aufgefübrt,
gleichfam um etwaige fnideriger Senatoren gu erobern unb umguftim*
nten, inbem man an ihren SchönbeitSfinn appellirt unb ben Unterfd)ieb geigt, ber
gwifdhen ber fpmmetrifdhen, ein barmonifcbeS ©angeS bilbenben, fleinen, ibealen
Sreafurp unb ber Sreafurp, wiefte jept ift, ftattfinbet. SllS mir fpäter ben ber*
pönten öftlichen $beil burchwanbelten, fühlte ich, bafj eine fo altmobifche
Schmach fein Utecht gur Gyifteng bat. fiebrige, gewölbte Gorribore erbrüden
Ginen faft, nachbem man bie fplenbiben, weiten fallen im Etüden gelaffen bat.
3)ie an beiben Seiten ficb öffnenben UJtönchSgellen correfponbiren nur mit bem
fleinlicben ©angen. Qeboch mu&te ich mir gefteben, bafj ber bertümmerte
$reafurp*Glerf bon beute weit beffer in biefen alten $beil paßt, als in jene
eleganten, mit reichen Teppichen gefcbmüdten Utäume beS neuen SlnbauS,
bie gar gu graufam au ben Gontraft mit feinem Proletariat babeim erinnern,
in baS er fopfüber berfmtt.
$arum war audh bte $emonftration beS gnbignationSmeetingS gang am
piape, als bie febmuden Offiziere ber $reafurp*2Jtili$ ein Promenabencongert
mit ©all beranftaltet bitten, tbeilS um ihre Uniformen im bellen Sicßt bor
febönen Slugen leuchten gu laffen, tbeilS aber um ein ©efebäfteben für’S Utegi*
ment babei gu machen.
£rop aller Starte ber fräftigften pbrafen ber Snbignirten, wie g. 93.:
“Besolved: When the country is clad in mourning, and the Trea-
sury-clerks are clad in rags”, war ber 93all bodb ein Succefe. $>ie 3n*
bignirten blieben babeim — bie Offiziere briüirten — bte Ouartiermeifter
amüfirten ficb unb — bezahlten. UJtan „machte gut auS" unb tilgte bie Schulb
für bie herrlichen 33laSinftrumente, welche in einem febönen SBanbfchranf, bicht
neben ber UJiiniaturtreafurp, gur Schau gehängt würben.
Utadbbem ich iu ber netten Office eines alten greunbeS gum gweiten 2Jtal
ein tüchtiges Sdbwipbab genommen batte, berabfdhiebete ich mi<h banfbar bon
bem ©eiben auf ber greitreppe ber Oftfront. S3eim «ßinauSgeben batte mich
einer ber gemaltigften norbtfehen Suftgüge gepadt, bie je SlmerifaS Päume
fchüttelten. Scbauernb eilte ich nach $aufe.
2)aS warmein Pefuch in ber Sreafurp. Utädhfte Stachtmadbten alle ßobolbe
bon bort mir ihre ©egenbiftte. Sie tarnen als fleine, grüne Saubfröfcbc, riefelten
mir über ben Etüden, trommelten mir bor ben Obren herum, brüdten meine
armen Augäpfel, gerrten an meinen ©liebem, fo lange, bis ich fühlte, bah fte
gu turg feien, unb ich mich wie befeffen anf meinem Säger wälgte. Ginige fep*
ten fuh auf meine Ukuft mit bem ©ewichte ber liefen.
Gine gieberpbantafte reihte ftch an bie anbere, bis ich ungebulbig auf*
fprang unb am folgenben Slbenb baS gange ©efebmeijj burch ein Senffu&bab
berfagte. SOteine Grfältung fanb barauf in .einem foloffalem Schnupfen ihren
SluSweg*
. • >»■
iSeifenbe Agenten für bie
Garl ffiielanb*
SUt. Gaffirer*
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FASHIONS FOB 1866.
#tx neu* fcetfreuk.
BRADLEY’S DUPLEX ELLIPTIC (or double) SPRING SKIRTS.
[ ’.‘. e !' cn lmb nick wie bie einfachen Steife, fonbttn
bollfommm gorm, wo brei ober »in
gcwobnUibt SRctftbtfc alb tttinüfj fortqc»orfen »erben muffen
feil SRanb flÄ>h Uä ^ fdn fl'« 6 ««'™ ©tablfebern, eng U
bie' 3 h,v i «“< <H " me "8fW»eibt, unb bilbcn fo jugltub
Oll ftarrflen, bie<uamften unb kiciiteften Steife, bie K
auf bef^romrnähe 3 ^ 2 l at übmreffen fie für ben öebrau \
?ct P rl> menatc, im $aufe, in ber fiir*e, im Skater in
(jtienbabju ober anbern SBagcn, im ©ebvdnge k. ic alle onbern
^cquemUdifeU, g>auerbaftiafctt unb SMlligfett terbinben fie mit
™ eleganten gagon, »elcbe duplex elliptic ju bin
Hl - *5 ‘ r * # * « - b « fafbionabem ®llt g"
ÄftÄr" Samen, junge fKäb^en unb Ämter
|tiiO [ie mtt nidbttf vlnberm ju vergleichen,
uragt itacb
SS™ (or doublo) sprino skiet -
WESTS, BRADLEY & CARY,
*»s *»«”{“««3nbabernbeb 9,'atcntb.
Sn »erfaufen in allen gäben erflen Sfangeb in ben bereinigten e"taat'en SC |iao<ma r be'enM C, ®hrico
©ub*2lmerifa, 2öe(i»3nbien unb anbern üänberit. ' ^ ai a ^ crtco '
•Statcn 3 «lont>.
Fancy Dying Etablishement.
Sarrett, & (£o.,
91o. 5 unb 7 Soßn Street, } m _ „
718 »roabnmb, \
9lo. 269 gulton*, ©de »on Sitlart? Street, Sroottfm,
unb Ko. 47 Kortb 8te Straße, Wfabelpßta,
SSSteS^tTg^ «• --■ ■»«*. -
$emnr Me, #©fcn, SBeften u. f. ». 99 mör ' °" nc ÄU T9etrenm su »erben. Sbenjo
wepijew» er ©o, r
5 tmb7 3obn (Street, unb 718 Sroabtm 9iett>*3lorf
269 Öulton*,, (Scfe von £illarv Street, SBrooffotf #
_unb—47 9?ort& 8te Strafe; 9>^Habelp^ia.
C. IE 1 . ADAE,
cSuropätfdjes ^Sanß. unb SMfef-ßefödft
©itwitmaii, mi*.
• CONSULAT fuer Preussen, Bayern, Wuerttemberg, Hannover
Sachsen, Baden, Oldenburg, Grossherzogthutn und Kur- ’
fuerstenthum Hessen, Meeklenburg-Strelitz und Schwerin
Nassau, Sachsen-Meiningen und Altenburg und
Frankfurt a. M.
. C. F. ADAE, Consui*
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/rn|)ltit 8 s- nnb S'oimnct-^ptritnt.
T a. R IiANT’S
jßcibenbe an tranftyaftcm JTovfföMerj,
ßeibeufcc an UimrOaulidjfcit,
Scibcnbc an ncroöfcm Äopffd>mcr$,
effebvesoent
t Ueibcnbc an vcrfauertcm Sttagen,
Scibcnbc an biliöfem Äopfwel},
iicibcnbc an äartlcibigfcit,
SELTZER
i*ribenbe an ©ootbrcnncn,
iicibcntc an $ilcä,
ikibenbc an SccfranT&cit,
APEEIENT.
ßcbcrleibcnbe.
ücibeubß an Snbujcfttonen,
treiben buvd>
Tarrant’s Effervescent Seltzer Aperient
auf fixere, etigenebme unb bauernbe 2Beife Perron jornie oon ä$ulid>cn ßeiben flcJcUt lucrbnu
Stöcin anficfcrti^l bott
TARRANT & CO.,
*78 ©recmoidj^trcct, 9 letv:£)ot{.
fgr 3u $aben m aUen Styottyelett.
BADWAY’S
ready
RELIEF.
<g$ aiebt brei SWetyobett, biefed SWittet anjuwtnbcn, toooott jfbr, für eine tfrantyrit ober einen
@$aben au$fd)lie(jlid) gebraust, btm üeibenben fotorti*« ümberuns »jicbt unb ben flranfen ft^neU beilt.
Grftenä — äujserlidj genommen.
3Ran reibe ben %W ober bie Steile bed Körper*, in tocldjcn bic Kranfbcit ober ber ©ebnter* fifcl, mit bem
<*tx rieten fallen iit «ne emmaliae (Emretbuna mit bem SRcabo 9teliei armta: in
gejitn m weiugeri SRinuttn. g weiten5 _ innerlich genommen.
gn an nehme einen Ibetiöffcl bt« »u einem £efe»«*ff«i »ofl in einem ffieinglnfe MB SBnffer.
©enen uBe Bitten oon SWagettfdjnicrjcn, entwebet GMera, Cholera SWoibu«, Harrt«, Bibmeiiben,
biliöfe Jlolif, Ätämpfe, Spa«men, flcuo&^nltdjed unb neneofe« Jlopfweb, aflgemeine Sdjrcädje unb Btb«
fponnung. Riebet.
Sei faltem Siebet, EBethfelfieber, bi&igem Siebet, Scharlaibficbcr u. f. W. 9 >erfoncn, weligt unae.
mobnte« SBaifet ttinfen unb fd>lcd)t fühlen, foUten flet« emen Sbecloffel #oB bc« Relief« mit btm SBaifcr
mifSben. 3 n «ütn Sitten, »• fcct aunerltcb tft foutc ber Otcltef tn btejer {form gebraucht
werten. dritten« — (Einreibung beä 3 iüdgrat 3 mit bem Diclief.
©« heilt 3tbeumati«mu«, ®icbt, Seiatica, Beuralgia, Sumbago unb anbere Siiitfenfebmerjen.
®et »tofeffot Bleib »on 9 tcw»B)otf empfiehlt brtngcnb ben ©ebtau* bc« SRclicf« füt bitfe Jlrant.
beiten ©an* mertwütbige Äuten finb geniad)t worben. ®te Jfranfen foBtcn nur «erfliegen.
’ SB« Belief, bet in ben Bereinigten Staaten «erfnuft wirb, mug einen 3t»ci.ecnt.Stct>cnucflamg
übet bem Stapf t haben, »ei allen ®tnggtf»en in gaben.
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%
&mtfUtd)c fKtnte tmfc SBeitte*
©elpbo’S patent, 516 23 roat>tt)ap* •
TAt »iHTomntenflen ©ub fit tute für verlorene ©liebmaßen, »cl#e Jemals erfunben »urben. (CEtabliri
fett 26 Sauren.) Um ft# bollflänbig über baS S^^erc in Äennmiß ju fe$en, laffe man ft# ein patent mtj
Seugniffen bon ©elpbo u. <£o. ©on, 516 33roab»ap, 9?c»*§Jorf, bem W.*3J. $otel gegenüber, fenben.
9i.S5. ©olbatat »erben gegen eine 3>romeffc bom ©eneral*(£btrurg ber $rmec ber bereinigten
©tauten foflenfrci mit bem fteblenben berfe$en.
$<ttt 9 ©mnebaum. $öt>ib ®. ©mntbattttt* £oui* 9li«amais n .
Henry Greenebaum & Co.
$eutf#es
Jank u. Jallagcgcfdjäft,
©Je Safe- mtb Safatte-Sttaße,
ohioago, iLLinsroxs.
ttScdjfd in beliebigen ©ummen unb ©t#ten auf alle bebeutenben ©täbte 2)eut[#lonb$, gronfrei#!
Norwegens, ©#»eben$, 2)änemar!$, StaftenS unb ber ©#»et$.
Vaffage per Dampfer unb ©egelf#iff bon Hamburg, Bremen, ^nttterpen, Sfotterbom, $abre,
dbrijliania, Siberpool unb QueenStomn#
3ucaffos©(fcbäfte »erben bur# unfere auSgebe^nten berbinbungen in gon$ (Europa mit ©#neflig-
feitbeforgtunb cingejogene ©elber in ©olb au$be$ablt*
dfrcettclwutit K ®<>-,
(Picago, 3H.
HILLER <fe CO.,
mnb u.^nfaffogefebäft,
9lo. 3 (Eljötnberftr., 9?eU)=9)orl,
geben 2Be#fel unb (Erebitbriefe auf alle größeren SPlöfce (Europas, berfenben ©elber na# iebem Orte
2)eutf#lanbd mittelfl beS beutj#en 3>oflberbanbe6, unb beforgen ben (Einzug bon <£rbf#aften unb S3ermö*
gen bermittelfl boOma#ten auf f#neHfle unb biQigfte SBeife«
ISiF* Anfragen aus bem fattbe ftnben prompte jfeadjtung. *©■
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J. B. HOEKER,
PEACTIOAL OPTIO IAJST,
3121 FULTON STREET,
Near Pierrepont, __ BROOKLYN,
Chs. Wehle,
Auttorney, C onnsellox* at Law
and Solicitox* of’ Patents,
290 Broadway, Boom No. 6, New York, and 200 Washington St., Hoboken.
Edward Mehl,
3lxo. 156 unb 158 guton 6 t., 3lm*tyoxt.
föeftaurant unb Smporter
bon
IR^ciniüctiteu unb (Smmenthaler Schtoeijerfäfe, 2 BI?oUfaIe unb Detail ju ben biHigften
greifen.
Aufträge bon au3n>ärt3 merben prompt auägefübrt.
©djirn&t,
(früher <E. 0f. unb £. &. ©<$mibt,)
Importeur oon 2 Betn unb Sranntttein it. f
ÜRen>~ 2 )ort. # — 20 6 . 2 Bittiam*Str. — ÜRett)=?)or!.
^.leifdjntann & Ulriih*,
71 '§ 3 ten> £t, ^cm-^orR.
Importeure Dort europiiifdjen ^robutten, $ritd)ten u. f. tu.,
$onuniffum£gefc&äft in ameri!anifd?en Sßrobutten.
ST. LOTJIS, MO.
Stngetcotf) & Sarflj,
?Rorbh>eft*G<fe ber 3^citen unb GheänutsStrajje, 6 t. S o u i $, 2Ro.
©urovotfcM 38cd>fcl<@efd>äft
unb
(£onfnlote für bie beutfdjeit Sunbesftooten
(ausgenommen £annooer unb ftranffurt«. 2R.)
3)urdb unfere bireften Serbinbungen mit ben. meijten ©täbten £>eutfchlanb*, 0rranfrei<h* unb ber
©<$»et$ finb toir im ©tanbe, ©echfel in beliebigen Seträgen unb ©idtfen $um biUigften Cour* abjugeben.
©ir nehmen Seträge oon 3 3>oflar* unb aufmärt* an unb johlen jeberjeit bei Stütfgabe eine* bei un*
gelauften ©eehfel* ba* <5)elb bafür ohne Slbjug jurücf.
©t. So ui*, 2Ro. Vtigelroth SS SBarth*
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ßxt i
£)te SWijfcuri
CAPITAL . . . . . ® 500 , 000 .
Office: SR#. 12 SRorb 5 . Straffe,
Ji. Jcmis, ' 3 Sto.
Direktoren:
(E. SB. g ox t bon ber girma Statt unb gor,
SB. $. SW a u r i c c, früher SoOector »on ©t. £ou?« (So.
SWflbtfon SW ille r, gonb*Semmtff<Srbcr^>adftc#*QEtfenba^tt,
SB. $• S3 entert, früher oon bergirma $)omerop unb 33enion,
Sh*«. #. £ot»Unb, ©taat«fenaton
Sba«. £. $o»Unb, Staftbent, %
SB. £. SW ft u r i c e, 33ice=Staftoent,
SWftbifon SW Ul er, öanb*€ow«iiffÄr #
gelir Sofie, ©<ha&met|ler.
%M ÖeJettfÄftg berfauft unb fftnft ©runbftötfc ftHer frt
eie befolgt bte Bähung bon Steuern für Wi<btbe»obner unb befd^ftigt fl# mit ber 9lu«bcutttng
ober bem SSerfauf von
3»ineral,£änberel<n.
©ie bcft&t ftu§erorbentlkbe Borthetfe, um Sapftal in
»tftlidftn fifinbereiett
<m$ulegem
©te Wh* (Selber
auf rentable <5runb-€j0ent^«m9-Süd)erf)eU
ln Stakt ober Sank tu«, je tutd)k<m bit« öewünfdjt wirk.
CUtmattbrrer, fcek$e eine£ei*wth fließen, ober ^Äßenteti für Gplottfeets, Ne große ©tredfen
£<mbe« $u lociren beabfiihtigen, »erben e« in ihrem S3ortheU ftnben, fid& an biefe ©efeUf<baft |u »enben.
SUle Anfragen »erben prompt unb nnenbgeltlith beantwortet.
Ttr rtnterjeid&nete ijt mH ben oben genftttnten Herren perfortTic^ be!«nnt nnb giebt benfelben gern
bö« befte 3eugnijj in betreff ihrer hohen Wefpectabilitfit, S3ertr«uen«»ürbigfcü unb gähigfeit <0« Qfa
f<hdft«leute.
gfriebri* WVktUfy, ©tftftt«-©enft»r.
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£ättfcmctt in Stftffottti.
CTuIttüirtfr SWineral* unb andere ßänbereie« in 3JK|fourf, fo wie !m 2öe|ten überhaupt, »erben
gelauft unb »erlauft
Die ßoeirung »on ßdnbereien, ««I ben »irlli<ben ©enneffungen, gu ftegierungSpreifen, wirb ftt
allen WefUübcn Staaten b*nb anfäffige Slgenten beforgt; ßanbwarrant« »erben getauft, »erlauft unb
befetf tftr u em begablt ? Äarten unb ©ermeffimgcn angefertigt unb ©crf<bte über «Hneralf<b<S&e audge-
arteilet; SBefi^titel »er»oUjiänbigt; patente »on ber bereinigten (Staaten (Regierung unb alle inba$
©runbeigentbum unb allgemeine ßanbgeföfift etnfd^lagcnbe Arbeiten beforgt
Der Untergeübnete, einer ber am langen ctablirten ßanbagenten im SEBcften, bat »iel Beit unb
SRübe barauf »ermenbet um jebe auf biefed ©efd&äft begügliibe SluOfunft §u fammeln, unb er »erficbert aud
Uebergeugung, bafi 3Hle, weld&e »ertb»oße $arm* ober 3Rinerat=ßänbereien im SDeften laufen »ollen,
ni<bt4 SeffcreS tbun tonnen, ab fub gn »enben an
\ H. *W\ Dnnstan,
No. 44 PINE STREET, ST. LOUIS, MISSOURI.
Pie poröfen pflafler iies pr. JUlrodt.
3)iefe ißflafter »erben jeben £ag mehr unb mehr befannt. 3ebermann, ber
Sc^mer^en im [Rüden obet in ber ©ruft bat, »irb nad&
Slnmenbung eines folgen fofort gebellt.
€!n $err lam beute in bie Office unb ergäbt baf er mit »ielen Sterne rgen In ber ©mfl geklagt »m
unb mit einem einjigen fPflafter »oUlommen geteilt »urbe. (Ein Slnberer fagte baffelbe »on äfbeumatig»
mu$ in feiner Schulter. Der leftere £err lami in 9to. 16 Seelmann Street, 9?e»*$ort, obenauf, gefeieu
»erben. 2Bir beft&en 3eugnif|e »on Saufenben »on Doltoren, welche alle »oU ßobeS jinb.
Teilung einer jer q uetfdb ten ©ruft.
Den 7. 3Rai 1865.
SReine Herren! — 3m Dcgembcr 1863 würbe mein ©ruftfnochen »on einem f(b»erem Otiegel ger.
quetfeht unb jcblimm »erwunbet 3<b »ntbe btftnmmgSlo* nach £aufe «efchafft, »o idb einige SÖodjen bem
£obe nabe lag. dReine Slerjte lonnten febr wenig für mich tbnn unb t$ mu§te unenbltche Schmergen lei*
ben. Der &rgt bachtc, ba§ baS 9?afenpflafler r anf bie ©ruft gelegt, mir helfen würbe, ich bachte aber, ba*
für cin$ »on 2lUco<r$ »oröfen fPflaftern iu »erfueben. 3# legte etn$ auf meine ©ruft unb Seite, unb »on
ba an fühlte ich beffer unb war in einer ©oche gefunb, frei »on Scbmergen unb fdbig, mein ©efdtfft wie-
ber gu beforgen. Sebermann lann lommen unb meine ©ruft feben, unb ich »ill ihm ein neues SBunber
»on Teilung geigen. 3. Ä. ©tttf, 9to. 2 South ftifjb Street, gBifiümtäburg, 9t. §)., $boä« SlUcoc! &
Go., 9to. 4 unoin Square. £aupt»ffice ©ranbretb ©utlbrng, 9?e»*2tort. 3u »erlaufen in 9to. 4 Union
Square bei allen £<Snblern unb febem refpcltablen Drnggift.
Duprd & Kretz,
91a. 28 ©roab^Street, öde bon ßjdbangesfßlace,
Hrro-ljork.
Malier in (Mb- unb 9)etroleum-5lltten.
©oubernementS*©onbS unb bereinigte Staaten Sidjcr&eiien
»erben in Gontmiffion getauft unb bertanft.
SafUtt, ©utlcc S> 6 o»,
gabrifanten unb «gänbler in
<§ä>tctb*, ®rud« unb ^ad^aftier,
^iubfaben unb ^apier-fadien aller Jlrf,
3lo.42 unb 44 S täte*© tra & e, gegenüber bem „ Sitb s ^o tet, *
CHICAGO, ILL.
gür 2 u mp en wirb ber b^jfle ÜRavttpreiä baar bejablt. *E p
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gabrifcmten bon
gflägeln unfc Sttfdft>rm»^ttt»ioä.
Serlaufälofal unb gabrif:
»io. B 94 #ubfon=Strcct, 9 ?cü} 4 )orl.
©atatitirt «nf 9 Saljte.
3. ® o c ii g c r,
165 (£ffer-0treet
gntporteur unb gabrifant
»Ott
Pentfdidi Dtrmoniliag,
(SpucertttmS, SSattOptttPttS, föttittKitger,
tttotttft»#, ®ptel&pfett, ©itpertt
unb anbern muftfalifchen 'Snttrnmenten.
Unterricht im Spielen wirb ertpeilt, fo wie Reparaturen gut unb billig gemalt.
Aufträge au$ bern Sanbe werben pünftlicpfi ausgeführt.
E. STEIGER,
Petttfdjer Jeitungs-Jöcnt, Empörter unö 'gBuc^^anöfer,
Herleger imb Jtu&bntdter,
17 ttit& 19 9 £pctp SSiüiams®Cteet, Sfceip-gjprf,
empfiehlt fleh $ur fcpneHen unb billigen Seforgung
aller Bücher unb Beitfdjriften,
gleicpPiel in welcher Sprache unb wo erfepienen.
#5lt ein bottfiänbtges Sag« bittiger amertfmriftyer trab eigener ^nbficationen in heut¬
iger Sprache unb ber hier gangbaren
&$uftüÄer, Sugenbs unb Solftfötiftat, ftalettber,
überhaupt aller S8ü<her, wofür hier SÖebarf ijt 2Öa$ nicht Oorriftpig, wirb fdpnett unb
billig beforgt.
(Kataloge uon jBüc&crn mtb so« 3e*tf$riftett
3mportirt »on Deutfcplaub mit jebem Hamburger unb Srerner Dampfer, unb ift bcmnach im Sianbe
atttuoc&etttlicb
eu liefern.
Uebernimmt für eigene Rechnung ober conumfjienSweife bie $erfWIung unb Verbreitung »on beut-
fchen Suchern, wobei tpm einerfeit« ber Seftp einer mit ben fepönften Xppen auSgefkttefcn IDiutoeL
anbererfeit« aber bie auOgebepntejTen Serbinbungen befonbere Sortpeile biete«.
* liberale Sebingungeu für Agenten mtb $änbler.
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i
9rtttfd)-Jlmtriliagiflij)t ^jHonots^cfte
füt
c&üerdur, Jlun|I, $H|fettfdjaft utt&
öffetrffidjes gießen.
föebiöirt bott
9tußp(pß Scjoit».
m. jfajjrgang. 1.$anb. 1866. jüai-^eft.
Pit JttMancr als Punbtagenofftn kr prutfdjcn int
itoröamertkanijcfjtn Jrdljtttskampff.
©ott ttt*t oon Delfins in SKdmnaen.*)
m im 3ahre 1776 ttad? langer ©dhrung in ben englifdhsnorbantcrifanU
fdhen ©olonieen jener benfroürbige faft ad?tjährige ßrieg gum 2luSbrudh tarn,
nahm befanntlidh baS brittifdhe ©ou»ernement in ber ©ebrdngnijj feine 3ufludht
gu me&reren beutfehen dürften, ihm gegen ©elb unb gute SBorte mit Gruppen
beiguftehen. ©S fanb ©ehör, unb fo entftanben bie befannten, gugleidh aber au<b
»errufenen Subftbientraftate.
Slber nidht nur ber beutfdhen $ülfe bebienten ftdh bie ©ritten in jenem
Kriege, man »erfdhmdhte audh bie ber Qnbianer nidht, unb auf biefe SBeife führte
baS* ©efdhidt ben cultibtrten Deutfcben mit ber milben ©othhaut als nddhfiem
©unbeSgenoffen gufammen. ©emifi eine feltfame Rügung.
2 Wan hat »ielfadh unb mit Stecht nidht begreifen tonnen, rnie bie ©nglän*
ber, al§ eine ber cibiTiftrteften unb freiftnnigften Nationen, ftdh mieberbolt ber
#ülfe ber Qnbianer bebienen tonnten, beren Rohheit, SBilbheit unb ©dhauber
erregenbe ©raufamleit ihnen aus ben »origen Kriegen her, bie fte bereits auf
bem amerifanifdhen ©ontinent geführt unb in benen fte ftetS SBttbe für unb
gegen ftdh hatten, fattfam befannt fein rnufjte.
©in ©dhrei beS ©ntfepenS unb ber ©ntrüjtung brang audh jept bttrdh bie
©e»5l!erung ber feinblidhen, t»ie audh ber nodh befreunbeten ©ro»ingen, nament*
lidh int üRorben, als es belannt mürbe, baf$ bie brittifdhen ©enerdle bie 2Iner*
bietungen mehrerer Snbtanerftdmme, ftdh am Kriege gegen bie ©olonieen mifr.gu
betbeiligen, nidht gurüdfgenriefen hatten. 2Jian tonnte ftdh biefeS SlnfangS um
fo toeniger ertldren, als gerabe bie brittifdhen ©enerdle, bie ftdh guerft in Unter*
hanblungen mit ben SBilben einliejsen, fonft als redhtlidhe unb mohtooHenbe
*) ©erfaffer be6 ©u$e$ „Die betttf^ett $ülf$truppen im norbftmerifanlfdfrcn öe*
freiuiigttricge, 1776 —1788."
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404
EJlanner belannt waren. 2Bir werbende Söfung biefeS SRdtbfefö in bem
golgenben halb pnben.
5)ie Streitfräfte beS brittif<h*beutf<hen,£)eereS, baS nach Slmcrüa bcftimmt
War, tbeilten b<h befannttich gleich Anfangs in gwei Hälften, wobon bic eine, unb
gwar f<hwä<here, nach (5 a n a b a, bie anbere, ftärlere, born $ubfon bis in bie
feinblichen Groningen brünier birigirt würbe. üftach erfterem fianbe famen
auch bie SBraunfchweiger, £effen*§anauer unb fpäter bie 2lnhalt*3«bft«/ in
bie {üblichen ©egenben bie £effen*$affeler, SBalbetfer unb bie 2lnSba<h*93ap*
reutber.
3 n Ganaba batten ftdb bie gnbianer am ftärfften beim Kampfe beteiligt;
ihre 3abl wuchs halb gu einigen £aufenben an. 2)er ©eneral Sir © u p *
G ar I e t o n, ©ouoerneitr ber $ro»ing, galt ni(bt nur als einer ber tüchtigften
unb erfahrenden ©eneräle in ben britischen Slrmeen, fonbern au(b als ein
burchauS »erdänbiger, re(btti(ber unb baS Söefte woEenber EEann, ber ft<b bie
Sichtung ber SanbeSbewobnet Idngft gu erwerben gemußt batte, »ober es auch
lam, bab Ganaba noch bie rubigfte unb bem Könige ergebende Sßrooing in ben
Golonieen geblieben war. 2ßie traf es d<b nun aber, bab gerabe bi« bie
#ülfe ber gnbianer am ftärlften in Slnfpruch genommen würbe ? 2)ie Antwort
liegt naher, als man meinen möchte: baS brittif(be ©ouoernement glaubte
biefe 2Jtafjregel bureb bie Siotbwenbigleit geboten, unb es ertbeüte feinen ©ene*
rdlen bie barauf begügli<ben gnftrultionen. Eftan batte bereits in ben früheren
Kriegen, in benen bie Goloniften noch gemeinfam mit ben Gnglänbern gegen
bie grangofen um ben S3ed& Ganaba’S fochten, bie gnbianer genugfam fennen
gelernt. 2Jian wubte aus ber Erfahrung, bab biefe bei einem abermaligen, in
ihrer unmittelbaren üEäbe ausbrechenben Kriege .nicht müfjige 3uf<hauer bleiben
würben; ihre habgierigen Neigungen, fowie ihre wilben, ungegügelten Seiben*
{(haften lieben de nicht in biefem pafdben 3nftanbe »erharren, $atte man
baber biefe Iriegerifchen unb raubfüd&tigen SBilben nicht als greunbe, fo lonnte
man d$« barauf rechnen, de gegen d$/ nnb fomit eine nicht gu »erachtenbe
©efabr mehr gur Stelle gu haben. 2)iefeS war für bie im Sterben commanbiren*
ben brittifchen ©enerale um fo bebentlidper, dlS eS gleich StnfangS im bieffeiti*
gen Operationsplan lag, mit bem gröberen Sbeil ber canabifdjen Slrmee d<b
am $ u b f o n mit ber anberen, {tarieren gu bereinigen, unb nur bie nötbigften
unb entbebriiebften Gruppen gur 2)ec!ung GanabaS gurücfgulaffen. $ie Streit*
frdfte im Slorben waren ben bort operirenben ©enerdlen obnebieS duberft fpär*
lieh gugemeffen, unb batte man auch noch bie gnbianer gegen f«h gehabt unb
biefe im 3aum halten ntüjfen, fo batte entweber bie Slrmee noch fehwdeher als
de obnebieS fchon war, nach bem Süben gbgeben lönnen, ober bie Sage ber
wenigen gurüägebliebenen Gruppen, fowie bie ber lopalen Bewohner, wäre
noch preedrer geworben, gumal bie OppobtionSpartei SlEeS aufbot, auch (5anaba
gu infurgiren. SJian batte bi« gwifchen gwei Uebeln gu wählen, unb griff in
biefer Situation gu bem anfeheinenb geringeren; wenigftenS fchüfcte man biefe
. SJtotioe »on Seiten beS brittifchen ©oubernementS »or. S)ie SBilben mußten
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bei einet döilifirten unb woßlbiSciplinirten Gruppe läftige ©äfte fein, aber fte
waren au<b Wiebet ju gebrauchen. Sie waren ber wilben, faft unzugänglichen
©egenben lunbig, unb auch in ben ihnen ganj fremben wußten fte ftch »enttSge
ihres fdjärferen, man möchte fagen inftinltmäßigen SpäßerfcnnS beffer ju orien*
tiren, als ber gewanbtefte duropäer. 3h« gefdjärften Sinne unb ihre 2luS*
bauet, fowie ihre JBeßenbigleit, Sift unb SSerfdhlagenheit machten fte befonbetS
jum SSorpoften» unb ^atrouidenbienft geeignet. Üaßen artig wußten fte ft<b
an ben ©egner heranjufchleicben unb über baS überrafd&te Opfer berjufaUen,
ober wie bie Schlange im SBerftecfe baffelbe ju erlauern. Dafür zeigten fte ftch
in offener gelbfcb lacht weniger brauchbar unb muthig, unb ergriffen gewöhnlith
nach bem erften mißlungenen SlnpraH baS £>afenpanier.
Dem geinbe blieben fte aber ftetS ein Schreden. SEBehe Dem, ber in ihre
jjänbe fiel. Das Opfer hatte gewöhnlich bie furcbtbarften unb raffinirteften
Startern ju erwarten. Sieb ober Serftümmelung waren gewiß; baS ©eringfte
war bei ihnen nodß baS Scalpiren.
Die humaneren brittifdben ©eneräle fueßten jwar ben Seiftanb biefer Un*
ßolbe nicht; fte nahmen ihn aber meiftentheilS an wenn er ihnen geboten
würbe, ßurj nach ber Slnlunft ber erften beutfeßen Druppen in Ganaba er*
fchienen Deputationen »on »erfchiebenen 3nbianerftämmen, bie ihre Dlenfte
anboten. dS waren bie berSrolefen, $uronen, Sllgonqui’S,
ber3lnabale’S unb 0utai’S ober 011awa’S.
6 <hon »or Slnfunft ber Deutfchen, im 3aßre 1773, befanben ftch 3nbia*
net bei ber brittifchen Slrmee, unb je mehr ber ßampf entbrannte, befto ja-hlrei*
eher betheiligten fte ftch an bemfelben.
Der erften Slubienj, bie dariet on ben Deputationen ber fünf Stämme
ber grotefen ertßeilte, wohnten bie beutfehen Offnere in Stontreal in ber 3e*
fuitenlirche am 23. 3uni 1776 bei. 3Jtan bemühte ftch offenbar, biefer »on
brittifcher Seite einen mßglichft feierlichen Slnftricß §u geben, ber aber für bie
meiften Deutfchen, bie einer folchen deremonie noch nicht beigewohnt hatten,
mehr SädjerlicheS haben mußte.
3n »oller Uniform, beu betreßten .gut auf bem Raupte, faß ©enerol
Garleton mit feinen höhe«« Offneren in Sebnftüßlen auf bem hohen dßor,
bet mit pracßtoollen bunten Deppicßen belegt unb behängen war. Sian fchien
ben SRothhäuten mit mßgticßftem Sßomp imponiren ju wollen unb ßierju alle
Fracht unb tgerrlkßleit ju entfalten. »Der zahlreichen Deputation, gegen 300
Stann ftarl, bie aus ben SlobiliS ber Stämme beftanb, waren ihre Sßläße im
Schiff ber Kirche, auf ben bortigen 33än!en angewiefen worben. §ier faßen
ober lauerten bie SBilben. Dampf wirbelte »or ihnen auf, aber nicht aus ben
geheiligten SBeihrauchgefäßen, wie fonft an biefer Stätte, fonbem aus bem da*
iumet ober ber gtiebenSpfeife, aus ber fie ein ftinlenbeS Äraut qualmten.
3eber ber fünf Stämme hatte feinen DoHmetfcher, unb nadh einer fehr
teremonißfen Begrüßung »on beiben Seiten begannen bie SJerhanblungeit in
franjßfifcßet Spraye. Der langen unb blumenreichen Siebe furjer Sinn »on
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Seiten bet 3nbianet Wat folgenbet: Die böfen unb unbanfbaren „SReMen*
hätten fiep an intern guten t ,©ro&»ater", Sr. brittifhen Sajeftät, fhwet »et»
gangen, unb fte wären aul biefem ©tunbe }um lieben „Sätet" Gatteton ge»
fommen, beffen Dapferteit fte boh priefen, um ibm beigupeben unb bie empöret
wiebet gum ©eborfam gu bringen. — Sahbem biefe ©eföble mit möglicbfter
Sentimentalität auigefprohen worben waten, »erlangte man »om „guten
SBater" Branntwein, um auf feine unb bei „©ropoater!" ©efunbbeit ttinlen
ju {Innen.
Set ©ou»etneut banlte ihnen für ihre Bereitwilligfeit unb nahm ibte Sin«
erbietungen unter gewiff en Bebingungen an. Darauf gogen fie, bie §äupt»
linge an bet Spifee, eingeln an ibm »orüber, unb reichten ibm, fowie jebem bet
Ofpgiere, bie #anb, all Reichen ihrer Ergebenheit unb greunbfhaft. 6a tle»
ton unb ©eneral $b<(tpp3 würben überbiel noch mit einigen Brahtejem«
platen »on Scalpl befhenlt, bie »ieHeiht einft brittifeben Häuptern gebärt
haben mosten. So enbete biefe mehr lächerliche all erhabene Geremonie.
Garleton lieb ihnen barauf einige SRinber, Schweine unb Branntwein
»erabreidpen, unb nun »erbrachten fte ben Slbenb unb bie Sacht mit Sdjmau«
fen unb Sangen, wobei bet gtafepe nicht wenig gugefproCpen würbe, fo bah el
hier fchon gu mancherlei Slulbrüchen bet leicht übertünCpten Beftialität fam.
Slm 18. 3uli erfchienen abermall Deputationen einiger gnbianerftämme
mit gleichen Slnerbietungen bei G a 1 1 e t o n. Diefer nahm fie gwar in ©e«
genwart bei beutfehen ©enerall ». Siebefel an; aber er banfte biefel 2Ral
für ihre Dienfte unter mancherlei Sorwänben unb lieb pe nach ihrer Seife be»
wirthen. Gr wollte bie greunbfhaft mit ben Söhnen ber Silbnifi offenbar
niCht gu weit geben laffen, el aber anberntbeil! auch nicht gang mit ihnen »er*
berben.
Sill im 3abre 1776 bem ©eneral Bourgopne an Garleton’! Stelle
bie gübrung bet Sorbarmee übertragen worben war, befanben pCb auf bem
3 uge nach Sllbanp herunter einige Saufenb Snbianer bei biefen Sruppen.
Slucb ber btaunfhweig’fhe ©eneral »on Siebefel, ber bie DeutfCpen, weihe
gu einet befonbern Golonne formirt waren, befehligte, butte eine ftarle Slbtbei«
lung 3nbianet bei ph- S3ei bem Gorpl, bal unter Oberft St. Seger
eine Dioerpon nah bem SSobawltbale unternehmen muhte, operirten
^effen*^anauifhe Säger gemeinfhaftlih mit ben Silben, »on benen ph ge»
gen 600 SJtann bei biefem Gorpl befanben.
Soh wäbrenb bei 3ugel fließen Berftärlungen »on ben Silben gut Slrmee.
So erfhienen Deputationen »on ben hriftlihen Stämmen ber Slnabale’l,
Sllgonqui’l unb 3r o Cef en, gegen 400 üöpfe, benen Bourgopne
am21. 3uni im Saget gu Sßoin t au Sable eine feierliche Slubieng gab.
Siefe fanb im gteien ftatt, unb auh bie beutfhen Solbaten lonnten 3eugen
bei wunberlihen Shaufpiell fein.
Der brittifhe ©eneral erfhien mit bem beutfhen, ben fämmtlihen Ober»
Dfpgieren unb einem glängenben Stabe in »oller Uniform unb nahm unter
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einem ©albachin ©tap, ber aul Saubwerl erratet unb mit bunten, ßränjen
unb gähnen bedangen war. 3n einem ihm gegenüberftebenben ßaubjelte
befanben ft d? bie Häuptlinge mit ihren DoUmetf ehern, währenb bie übrigen
Snbianer brum herum lauerten unb aul ihrem ©alumet fcpmauchten.
Stadh ben üblichen ^Begrünungen unb nachbem bie Häuptlinge gefprodhen
unb ihre Dienfte angeboten hatten, nahm ©ourgopne bal Stort. SBir müffen
hierbei bemeilen, bab biefer ©eneral nicht wenig eitet war, unb bei befonberen
©elegenheiten gern (eine vermeintliche ©erebtfamleit leuchten laffen wollte,
©benfo liebte er ©up unb anberen eitlen Danb, um Tluffehen $u erregen. ©t
war —runb peraul gefagt — bei mancherlei nicht $u verlennenben gahig*
leiten, ein © e d. — ©r galt all ein Schöngeist bei ber brittifeben Slobleffe, unb
wubte neben Srmeebefeblen unb Dilpofttionen auch Dramen unb Slomane,
unb vielleicht beffer all jene, §u Schreiben. Such hier lonnte er feine Siebe*
lunft ben Gruppen gegenüber geigen, unb mit vielem ©atbol hielt er fotgenbe
tlnfprache an bie Söhne ber SBilbnib:
„©I ift mir (ehr lieb, baf$ 3hr ©uch hier eingefunben habt, ohne auf ©u*
rem 2ßege Slulfchweifungen 3 u begehen, ober bie ©inwohner su beunruhigen;
el ift ruhmwürbig für ©u<h, bab 3hr Uebelgeftnnten lein ©eher gegeben habt.
SBenn 3b« ©eftnnungen habt wie fte ftch für brave ßrieglleute febiden, fo
werben ©ud> alle mit bem groben fiönige verbunbenen gürften ho<hfd>äpen. ©or
allen Gingen aber mübt 3h* Gud? niemall weigern, ben befehlen §u gehör*
<hen, bie ich ©uch, all ©uer ©ater, mittheilen werbe. Der wiebtigffe von biefen
©efeblen ift, nnb 3h* mübt folchem jeber$ett auf bal ©enauefte nachlommen :
bab 3hr leine ©raufamfeiten begeht unb namentlich wehrlofe ©reife, SBeiber
unb Äinber nicht mibhanbett Dal Scalpiren will ich ©uep nicht ganj unb gar
verbieten; 3h« mübt aber folchel niemall gegen Beute aulüben, welche unbe*
waffnet, verwunbet ober bem Dobe fcape fmb, benn febet : wer ebel benlt, für
Den fchidt el fiep nicht, graufam gegen SBeprlofe §u fein, unb fobalb ©uer
geinb bie Stoffen von fuh wirft, hört er auf, ©uer geinb ju fein, allbann ift
er ©uer Srieglgefangener, ber ftch ©urem Könige unterwirft. SUe folehe ©e*
fangene mübt 3hr, ohne ihnen irgenb Betb jujufügen, in meine Hänbe liefern.
Stur Diejenigen lönnt 36* umbringen, verwunben ober auch fealpiren, welche
ftch ©uch hartnädig wiberfepen unb ftch auf leinerlei SBeife ergeben wollen.
Diefe gebe ich völlig in ©ure Hänbe, unb verfpreche ©uch ©elopnung wenn 3hr
mir bie Haupthaare berfelben bringt. 3hr feib mir all brave Urieglleute
belannt, wir wollen einanber gute ©eifpiete geben. Son ©uch wollen wir
lernen, ben geinb ju übetwinben, babei aber einen Unterfchieb ju machen, ob
el ftch fchidt, ftreng ober grobmüthig gegen ihn $u verfahren. 3e mehr ©rob*
muth 3hr aulübt, befto voUtommener unb rühmlicher wirb unfer Sieg fein.
3um ©eweil, wie fehr ich mit ©uch jufrieben bin, werbe ich Sium unb Dchfen
unter ©uch vertheilen laffen; allein befleibiget ©uch ber ©iäbigleit, bamit 3h«
morgen bereit feib, auf bal erfte 3e ; <hen marfchiren $u lönnen."
SBir haben belwegen bie Siebe hier wörtlich angeführt, weil man am
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beuüichften barauS erfehen lann, mie SBoutgopne unb bie brittifchen Of*
fixiere überhaupt bie Hülfe unb 93räuche ber 3nbianer nahmen. & mujj ge*
ben miberlich berühren, bab ^iet nicht nur ein fcheu&lich graufanter SBrauch, baS
Scalpiren, erlaubt, fonbern unter gemiffen Umftänben auch no<b be* n
lohnt mirb. 2lber auch hi** barf nicht überfeben merben, ba& bie Umftdnbe
oft mastiger maren als ber SBille. 5)ie Sßilben oon bern eingefleifchten «Brauche
abgubtingen, mar biö^cr eine reine Unmöglichteit gemefen ; alle ^Bemühungen
ber brittifchen unb beutfehen ©eneräle mären babei geheitert. $ie hier ber**
fammelten gnbianer hatten ben chriftlicben ©lauben angenommen. ffienn eS
aber ben SJtiffionären unb ©etlichen nicht gelungen mar, biefen ©raufarn*
leiten gu fteuern, feie fonnte man baS bon Saien berlangen ? 2)iefe Statu;*
föhne mären nur bem tarnen nach Gbriften; fte lebten immer noch mehr als
Reiben unb in ihren fortgeerbten ©emobnbeiten. 5)er Scalp beS erlegten
geinbeS mar ihr hö<hfteS SiegeSgeichen, ihre ftoljefte 3ier; je mehr Scalpe
©iner aufmeifen tonnte, befto höher flieg fein Slnfehen unb fein ©inffufc. 2öaS
für ben cibiliflrten ©uropäer ber örben, mar beim gnbianer ber Scalp, unb in
gemijfer SBegiehung noch mehr. 3ubem mar bie Verfügung, bie Scalps gegen
©elb eingulöfen, nicht bon ben ©enerälen, fonbern birect bom brittifchen SJtini*
fterium felbft ausgegangen, beffen SBeifungen fie gu befolgen hatten.
üfltit ©emalt lonnte biefem Unfug am aHermenigften gefteuert merben. $er
ffiilbe mürbe burch bie geringfte SBeleibigung tief beriefet; er lieb nicht eher ab, '
bis er feine Stäche gefühlt, bie bermeintliche Schmach mit SBlut getilgt hatte,
gebet Stamm machte bie Sache beS ©ingelnen gur gemeinfamen, unb fo lam
eS hier unb ba bot, bafi nach einer 3ure<htmeifung ober gelinben SBeftrafung
eines in unfern Slugen nichtsmürbigen gnbioibuumS gleich ^unberte bie Slrmee
»erliefen unb aus greunben erbitterte geinbe mutben. ©ine SBeftrafung ber
©ingelnen lonnte nur burch ih*e Häuptlinge- unb eigenen SchiebSrichter ftatt*
finben, aber auch hier nur in bem galle, bajiber gehlenbe gegen bie beftehenben
«Bräuche beS Stammet gebanbeft hatte.
S)en brittifchen unb beutfehen ^Befehlshabern maren mithin in biefer $Be*
giehung bie Hänbe gebunben, fte hatten eigentlich fo oiel mie leine Strafgemalt
über bie SBilben. deshalb maren hier gütliche, unb beutliche Sorftellungen
angemenbeter, als nufclofe Drohungen.
93rittif<he unb beutfehe Offigiere hofften mit ber 3eit jene SBilbbeit mehr unb
mehr abgufchleifen; aber ber ßrieg ift am menigften geeighet, milbe Seibenfchaf*
ten unb rauhe Sitten gu milbern, bie gerabe bei ben gnbianetn auf ba3 H e f*
tigfte herbortraten. Srofcbem geigten fleh bie Stämme, bie am längften bei
ber Slrrnee aushielten, mit ber 3eit gefügiger unb ben europäifchen Sräuchen
bei ber firiegführung gugänglicher; aber auch bie fonft Sanftmütbigften unb
©rgebenften mürben plö&lich gu milben ^Beftien, menn fie burch Seibenfdjaften
erregt mürben, namentlich im Grünte, bem fie fo fehr ergeben maren. deshalb
mürben auch bie möglichen Slnftalten getroffen, ihnen begleichen mögüchft
gu entgiehen, unb ber ©ouberneur © a r l e t o n hatte fogar ben Hänblem unb
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ÜRarletenbem bet Strafe verboten, 93ratwtmein an bie gnbtaner ju berabreichen.
Hber fte mufften ftch biefen über 2lüeS geliebten geuertranl, fei eS butch Sift
ober ©emalt, immer ju berfchaffen.
3u jener 3eit bemohnten in Ober* unb 9tieber*©anaba betriebene
Stämme bie Sanbftriche, toobin bie Strahlen ber auffleigenben Kultur noch
nicht ober nur fchmach gebrungen rnaren. 2Rand)e lebten noch gan$ in ihren
alten ©emohnheiten unb ©rauchen unb mehr im ^aturjuftanbe. Hnbere, na**
mentlii näher an ben ©rennen ffiohnenbe, maren mit ben meinen Nachbarn
mehr in ^Berührung gelommen, unb hatten etmaS bon bereu Sitten angeitom*
men. 2)ie Stämme, bie ftch c^riftlic^e nannten, hatten nur bunHe, unllare
begriffe bon ber mähren, reinen Sehre, unb legten biefe na<b ihren Gegriffen
aus; bie Reiften lannten nur ©tnigeS bon ben gemöhnlidjen äußern ©räu*
(hen, in’S §erj mar noch Nichts gebrungen. $afür aber lernten fte in golge
ber näheren ©erührung mit ber ©ultur beren Schmähen unb Safter um fo
grünbli(her, unb bte Spüler übertrafen halb barin ihre ÜDieifter. So maren bie
(hriftlichen Snbianer in ber Siegel beworbener unb tüdifcher als bie noch rein
heibnifchen.
3u ben jahmften unb gefügigften Stämmen gehörten bte £uronen,
bie fd&on feit adftjig 3 a h*en ft(h ^urn ©hriftenthum belannten unb für bie auch
einft ber gemütlich* dichter S e u m e fchmärmte, als ihn baS ©efchid hinüber
auf amerilanif<ben ©oben gef(hleubert hatte. Sie bebauten $mar ihre gelber
unb trieben ©ieh$ucbi, hatten aber noch biele ihrer alten ©räudje beibe*
halten, unb baS Sicht beS ©hwftenthumS leuchtete ihnen noch ni<ht Har. „Sie
gehen — f<hrieb ein beutfeher Offner bon bort — in bie 2Jteffe, aber meiter
haben fte noch leine fReligionSbegriffe."
StlS bie milbeften unb graufamftem fRothhäute merbenbie OttamaS
genannt, bie an ber Storbfeite beS St. SoreitjftromeS unb mefllich bonSWontreal
ab bie Sanbftriche bemohnten, bie ber nach ihnen benannte glufc burchftrömt,
ber in ben St. Sorenj münbet. 2)iefe maren in ben borhergehenben Kriegen
bie erbittertften geinbe ber ©nglänber gemefen unb hatten biefen unter ihren
bermegenen gührem Sanglabe unb St. Suc biel ju Waffen gemacht.
3efct hielten fte unter benfelben gührem ju beS KönigsSa(he. St. Suc mar
ein 2Rann bon 60 3ah*en, ein mohlhabenber unb biele liegenbe ©ruubftüde be*
Wenber ©anabier, aber müb unb unftät, menn ber ßrlegSlärm loSging. ©r
felbft hatte eS nicht berfdftnäht, ftch eine nicht unbebeutenbe Jlnjahl bon ScalpS
anjulegen, bie gröfftentheilS englifchen Häuptern entnommen maren. ©r be*
mährte biefe — mie man ftch erzählte — in feiner SBohnung als $ro*
phäen auf, mährenb feine hüben ©enoffen fte als 3ierbe am ©ürtel trugen.
St. Suc mar bon ben Slmerilanern im früheren Kriege gefangen morben unb
hatte lurj bor bem SluSbrud? beS jefcigen feine greiheit mieber erhalten. Unter
ihm biente auch fein Schmiegerfohn, ÜRamenS ÜRaubidre, ebenfalls ein
mohlhabenber, angefeffener ÜRann, ber einen Raufen 3*tbianer führte.
2)ie OttamaS galten fämmtlich noch als Reiben unb Slnthropophagen.
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©rop imb parf gebaut, bet Hörtet bunt bemalt unb auf ihre SBeife fonft b«r*
auSgepufct, habet dro$ unb friegerifche Haltung geigenb, boten fie einen inert*
Würbigen, aber aud? imponirenben, ja gum dbeil fchauberbaften Slnblicf. dem
geinte gegenüber mupte tiefer noch furchtbarer fein, din beutfeher Offizier
macht in einem Sriefe folgente Sefcbreibung oon ihnen:
„Sie fuchen eine befonbere Schönheit barin, ihre ©epchter gu bemalen,
unb ich habe dinige gefeben, welche mit vielerlei garben angeftrichen waren.
Sie bitten oben oon ber Stirn an einen rotben Strich über tie üRafe bis an r S
ßinn, ber auf beiben Seiten mit blauen Streifen eingefapt War. die eine
. $ätfte beS ©epdbtS mar grün, tie anbere gelb bemalt, unb tie klugen rotb ein*
gefaxt.' Sludb ben $alSunb tie Stuft bemalen fte p<h rotb. der gröpte dbeil
bon ihnen gebt gang naeft, unb eine wollene deefe, in welche pe fub einmicfeln,
ift ihre gange Gleitung. Man ftebt deinen unter ihnen, ber nicht einen filber*
nen [Ring burch tie *Rafe trägt, unb ihre Obren pnb mit auperorbentlichen
Saften befdjwert. durch baS grope ©emicht werten bie Obren bis auf tie
Schultern beruntergegogen."
2llS einftmalS darleton tiefe SEiloen mit frönen, neuen wollenen
deefen befdjenfte, batten fie folche fofort mit rotber garbe bief befebmiert.
Slnbere oerftümmelten ihre Obren auf gang befonbere 2lrt, intern pe ben Saum
terfelben fo abgeloft batten, bap er am §alfe berunterbing. diejenigen, bie
feine SRinge in ber üRafe trugen, batten bunte Schoten ober auch nur tiefe
©raSbalme burdbgefteeft. die $aare riffen pe um tie Mitte ber Stirn herum
aus, unb liepen pe nur in ber Mitte beS Scheitels peben, wo pe folche in
einem Süfchel gufammenbanben. der Schäbel mar noch eytra bunt bemalt.
HlS Krieger trugen pe eine lange glinte, einen ©ürtel mit einem däfch*
eben, ben ScalpS unb tem gefürchteten Meffer, hier unb ba auch wohl einen
plumpen ^Rangen, |n ben pe ihre etwaigen SebenSmittel ober ben [Raub mit her*
umtrugen, die 011 a m a S waren im Kampfe furchtbar. Sie gingen tiefem
unter SlbbrüHen ihrer Schlachtlieber mutbig entgegen, unb paeften im £anbge*
menge nicht fetten ben ©egner wie bie wilben dbiere mit ben gähnen, ds
banbette pcb nicht nur um ben pchern dob, fonbern um bie furcbtbarften unb
rafpnirteften Dualen. $ieroon nur einige Seifpiete.
din frangöpfcher 3ngenieur, ber bon Softon fam, pel einem ftreifenben
drupp ber Ottawas in bie $änbe. damals war granfreich noch nicht
gegen dngtanb im Sunbe, unb ba ihn beSbalb bie Milben nicht als einen
Kriegsgefangenen anfaben, fo oermochte St. 2 u c nicht ihn gu reclamiren,
fonbern mupte ihnen folchen überlaffen. diefe gnbianer batten, feitoem pe
mit ben Sritten oerbünbet waren, einen befonbern §ap auf bie grangofen
geworfen, unb ta baS ungtücfliehe Opfer ihnen oerfallen war, fo wollten pe
ihrer ©raufamfeit ein geft, unb ihrem ©aumen gugleich ein befonbereS Mahl
bereiten. Ohne bap eS S t. 2 u c binbetn jfonnte, führten pe ben ©efangenen
abfeitS in einen SBalb, entfleibeten ihn, banben ihn an einen Saum unb
fehlsten ihm an oerfchiebenen Stellen beS fiorperS baS gleifcb auf. 3n biefe
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Schnitte ftedten fte Seine gichtenreifer, unb brannten biefe an» Sdhrenb ber
fo ®emarterte in {einen furchtbaren dualen auffcftrie, tangten # bie Kannibalen
in teuflifcher £uft um ihr Opfer herum. 2)a lamen eben einige britttifche Offi**
giere hingu. 2US fte fahen, baft ber Unglüdliche nicht mehr gerettet werben
tonnte, rift ber Sine bem ndchftftehenben Snbianer bie glinte aus ber $anb^
unb {djoft, um bie Oualen beS Opfert gu enben, biefem eine Kugel in’S #erg.
Erbittert unb mit biehifch« ©ier warfen ftch nun bie Silben auf ihn unb
fcftnitten ftch Stüde beS halbgefchmorten gleifcheS aus. 2)aS £erg würbe bann
auSgeriffen unb ftüdweife bertheilt. 2)ann banb man ben Seicftnam ab, briet
ihn am geuer unb nagte ihn bis auf baS ®erippe ab.
So würbe bie ©efchichte bamals in ameritanifchen Sldttern ergdblt* bie
bei folgen ®elegenheiten freilich gern übertrieben, weshalb wir baS bi« St*
wdbnte nicht in allen feinen ©ngelheiten berbürgen wollen; hoch ift nicht gu
leugnen, baft bie Silben folcher ®rauelthaten fdhig waren unb Unglüdliche
auf biefe furchtbare Seife mehrfach bon ihnen hingeopfert würben.
Ueber bie 2lrt unb Seife, wie bie gnbianer ihre Kriegsgefangenen gu
behanbeln pflegten, ergdblt 2)r. Stobertfon in feiner ®ef<hichte bon
Slmerila golgenbeS:
„Sie führen fofche mit ftd? in ihre Sohnungen, wo bie Seiber beS Dor¬
fes mit ber Sugenb, bie noch nicht im Stanbe ift, bie Saffen gu tragen, ftch
berfammeln unb in gwei Leihen {teilen, burch welche bie ®efangenen gehen
müffen, wobei fte mit Stöden gepeitfcht unb mit Steinen auf eine graufame
Seife beworfen werben. -Hachbem folcheS gefchehen ift, beweinen fte ihre
eigenen Seute, bie im Treffen geblieben ftnb. 3>n einem Slugenblid aber, wenn
baS 3eichen gegeben ift, berwanbelt ftch bie Trauer in greube, unb fte feiern
ihren Sieg mit einem barbarifchen Triumph. S)ie eilten berat^fdhlagen ftch
über bie Sartern ihrer ®efangenen, bie bon Sdnnern, Seibern unb Kinbern
angefallen werben, um alle mögliche Drache an ihnen ausüben. Einige
brennen ihnen bie ©Heber mit glübenben Gifen, Slnbere berftümmeln ihre Körper
mit Seffern, unb Slnbere gerren ihnen baS gleifch bon ben Knochen ab, reiften
ihnen bie -Hagel aus ber Surgel, berbrehen ihnen bie Sehnen, bemühen ftch
aber, bie £aupttbeile gu fchonen, bamit fte bie Sartern berldngern lönnen." —
Sei S a r a t o g a würbe ein amerifanifcher Gapitdn, Samens © o w l e r, bon
ben Silben gefangen. -Hachbem ihm ein Häuptling erlaubt hatte, fein ®ebet
gu berrichten, würbe er mit bem £omahawf niebergefchlagen. darauf würbe
ihm baS $er§ aus ber Sruft unb baS gleifch ftüdweife bom Serbe geriffen, baS
mit gubel bon ben Unmenfchen berfchlungen würbe. 3wei anbere gefangene
ämerilaner würben erft gefotten unb bann aufgefreffen.
Sit ©ntfefcen wenben wir ben Slid bon biefen grauftgen Silbern db, bie
nur burch bie rafftnirtefte ®raufam!eit wilber Sarbaren gefchaffen werben
lonnten; aber fte ftnb hi« nöthig, um ftch einigermaften einen Segriff bon ber
Hrt unb Seife gu machen, wie mit folgen Seftien gemeinfam Krieg geführt
würbe. 3)ie Soloniften fürchteten biefe Schaaren uueh wie bie loSgelaffene
m
$8He, unb bie brittifchen ©enerdle, bte folcheg wohl muhten, fanben ^tct ein
SDlittel, ft<h bie gouragirungen gu erleichtern, ober bei SBorpoftenftethmgen ftch
ben geinb born fieibe gu Ratten, benn ba, wo ^nbianer bie Sorhut bitbeten,
wagte ftch nid^t leidet ein2tmeritaner heran, ba er ftch, wag bie 2ift betraf, ntd^t
mit ber föothhaut meffen lonnte.
Sei anbern ©tdrnmen finbet ntan bie 2uft gu töbten unb gu martern nicht
in fo hohem ©rabe. $anbelte eg ftch barum, ft<b eineg ©efangenen, gegen ben
bet SSßilbe nicht befonberg erbittert mar, fonbern ber ihm mehr täftig fiel, gu
enttebigen, fo »erfuhr er weniger gvaufam, unb na<h feiner 3Beinung fogar
theitnehmenb. ©in beut[<ber Offtgier fchreibt baröber:
,,©g ift bemerfengmerth, bah ber SBilbe barauf ftnnt, wie et ben
Zä> bet ©efangenen, bie ihm Idftig werben, am wenigften fchrecfltch machen
möge, ©r Iaht gewöhnlich denjenigen, ben er töbten will, erft einfdhtafenunb
trbftet ihn »orher, um ihn ruhig gu machen."
©in Slnberer fagt weiter: „Unfere SCBilben, bie wir mit aug ©anaba ge*
bracht unb bie bort entmeber alg chriftliche SGßitbe wohnen, ober wenigfteng
nahe baran ftohen, haben ftch wie bie Schweinigel betragen. Sßlünbem haben
fte recht ehrlich geholfen, unb bie üDteiften ftnb gu © a r a t o g a unb © f e n e g *
b o r o u g h gurudgeblieben. £ier haben fle ftch auch recht beftialifch in Sfcum
»oll getrunlen. ©eit ber fyit fmb nur SBenige ihren Slnfuhrern treu geblieben,
fonbern fte faufen fuh nach gtoriög beenbigter Sampagne wieber nach £aug
unb bringen fo ihre dhaten auf bie Fachwelt."
(©chluh folgt.)
Napoleon »an Aktor Hugo.
ttrterfe&t #on ®«Oa *. [SCJitoaufic.]
I.
Saufenb acbtbunbect elf! — 0 Seit, ido Staaten
Set SSölfer bange jener Stunbe batten,
Safe bet geioalt’ge ©ott erböte fie —
2Bo bwnbettjäbr’ge Staaten ängftlicb gittern,
Sa? 8ou»te bebt — umleucbtet oon ©eroittetn,
SBie einftenS auf bem 33erge Sinai.
S<beu toie ba? SRo|, ba? feinen §ettn gefeben.
So flüftetn leif’ fte: ©rofie? wirb gefdjeben,
©in ©tbe toitb bem ungeheuren 2anb!
2Ba? birgt für ibn ba? S<bictfal in bem Stbooge,
Set, raäcbfget als ©äfat — als Sftom, ba? grobe,
Sa? 2oo? bet 2Jtenf<bbeit I«ntt mit eb’tnet $anb ?
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Sa »löblich, fiel), jertbeilet ftd? baS Setter,
Unb ftarl unb mächtig, wie bie ew’gen ©ötter,
©fdjeint bet 2luSerwäbtte biefer Seit. —
SaS Sol!, baS weiten wogenbe, eS fcbmeiget,
9113 er ficb läcbelnb ju bet ©be neiget,
Sen Sohn in boib erbob’nen Slrmen hält. —
Seim £audj beS fiinb’S ber Som bet 3nbaliben,
Sie SBölbungen unb Säulen, bie fplenbiben,
©jittern wie bie Siebt’ im leifen Sinb —
Unb bie Summen, bie ben ©ngang böten,
©roden wie Sonnet in be» Sturmes SBütben
Seim erften Schrei »on biefem SSnigSlinbl
Unb et — bie lübne Stirne ftolj gehoben,
Sie Slrme, bie fonft auf ber Stuft »erwoben,
(Snblidj einmal geöffnet weit unb gern —
(Sr ftü&t baS ßinb mit »äterlieber dteebte,
Unb geigt »erllärt bem menf<bli<ben ©eföledjte
Sen ftrablenben, ben neu erftanb’nen Stern.
3m hoben ©tüd, ben ©ben feiner fronen
Sem Soll ju jeigen wie ben Stationen,
Sie Sulunft prüfend mit entjüdtem Slid —
Sem Slbler gleich, ber auf jum ©ipfel fcbwebet,
Sief er, »om hoben, innern Stolj burdjbebet:
„Stein ift bie 3utunft — mein ift baS ©efcbid!" —
n.
Sein, Sire, bu lenlft bie 3nfunft nid^t —
©ott ift e3, ber barübet Wadjt!
Sit jeher Stunbe, bie entfliegt,
Sagt uns bie ©be: ,,©ute Sladft!"
Ktie wirb bie 3utunft bir erbedtl
21U’, ade ©eifter biefer Seit:
Set SRubm, baS hiegerifcbe ©lüd,
Set gürften beder' ©lorienfcbein,
Ser Siegesgöttin liebte S<bwingen,
Set löhnen Slane leicht ©elingen,
— Su tannft fte leiten nicht — nicht jwingen,
— Kticbt auf bem Sa<b baS Sögelein! ---
Klein! ob bu no<b fo mächtig bift, — ob Sebmetj bein harret ober ftreub’
3« Sunlel bleibt eS bir gebüdt — unb nie »er ber beftimmten Seit
©ftarrt im Xob bie $anbl
J
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0 Schatten, büftereS Phantom, — bu unerbittlich ftrenger ©aft,
©efpenft, baS einig ft<b oerlarot, unb uns enteilt in milber £aft,
„ÜUiorgen, mirft bu genannt!-
0 borgen! inbaltfchtoereS 93ßort!-
$eut’ fd’ft bu — morgen leimt bie Saat —
Unb morgen fchon reift fte §ur St^at!-
borgen! bu Sölifc in buntler s Jta<ht,
S)u SBolle oor’ ber Sonne Fracht,
Sßerrdtber, ber uns ftreng bemacht —
S)u Sftaurer — ber bie Steine fugt,
Stern, ber ba eilt non 3»n' §u 3oa' —
SßariS — bem folgt baS SBabplon —
SWorgen! Slelett bom Königsthron,
2)’ran beute noch ber Sammt ft<b fcbmiegt!-
SDaS „morgen" ift ein ebleS Stof* — baS fcbdumeitb, tobt jufammenfätlt —
SWorgen, ©roherer, eS ift ein URoSfau, baS bie stacht erhellt
2Kit rotber glammenpracbt!
S)ie alte ©arb’— bie fern auf toeiter ©bene man fab —
2>aS „morgen" ift ein SBaterloo — ift ein St. Helena« —
S)u to i 11 ft, unb fernen Stabten ju
£rdgt bich im glug bein ebleS Siofj —
S)ie 23ürger!riege fchlichteft bu
27iit ScbtoerteSfpifce fcharf unb blof$. —
S)u toillft! —unb o, mein ©eneral,
Serfperret ift ber £bemfe Strahl,
S)eS Kriegers fcharf ge$u<fter Stahl
SSerbeifet ben Sieg bir — bir allein!
2>ir offnen ftd) ber $bore Siegel,
©S fprengt bein SBort bie fchmerften Sieget*
2)en feeren glanzt an beinern SJüget
©in Stern in beiner Sporen Schein!
3)ie S)auer ruht in ©otteS £anb— ©ott ift'S, ber Seit beftimmt unb Kaum—
3)u willft’S — unb bi# umgiebt bie Fracht — ber ©rbe ©lanj unb $uft unb
Schaum! —
3a, unter allen Sterblichen bift bu ber ©rofcte beiner j3eit!-
2)u millft! unb eS »erfchminbet, Sire, einSteich — ein anberel entfielt!
Guropa raubeft bu bem Karl — baS Slften bem 2Jlabomet —
S)o<b niemals reihet beine 2Jta<ht baS borgen aus ber Gmigteit!
III.
0 bitt’re Sehre, trügerifch Phantom!-—
Kaum rnarb bem Kittb jum Spiet ber £bron uon Slot»,
Kaum tont in Sdnbent fern ber Stame fein.
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415
i
Äaum leuchtet feine Stirn int länglichen Schimmer
Sem fyodj erftaunten Soll — toie feib ihr immer, immer
So grob, fo grob — unb bo<h fo Kein! —
Äaum baf* fein SSater Siege ihm getoann
3bn mit lebenb’gm 2Jtauern rings umfpann,
Sie er anlächelte aus meinem glaum —
Kaum bafs mit fefter $anb ber aügetoalt’ge SJteifler
Sie Seit rings umgeformt, bie angeföllt, mie ©eijter,
Sit Hebelbilbern er im Sraum —
Äaum bab bie natürliche §anb ben $fab
Ser ©tobe ihm, beS HubmS geebnet bat,
Sein Seben ihm gefcbmücft in aller $afi —
.Kaum bab man ängftlich fucbt, bem föniglichen ©rben
Sie Pfeiler feiner 9Jtacht tief in bie ©tb' ju lerben,
Sab feft unb ficber fein Sßataft —
Äaum bab an $ranlrei<bS £bot man ihm geftedt
Sie Urne, bie ben £offnungStt>ein enthält —
— Hoch loftete eS nicht oom ©ift, baS Äinb —
Hoch mar es nicht beraubt oom flüchtigen ©ntjüdfen,
HlS ein Äofad erfcheint, bet auf beS SßferbeS Huden
©ntf übtet es burdb Had&t unb Sinb!-
HlS eines SagS ber Har §um Sonnenlichte fchmebte,
3erbrach baS Scbmingenpaar, baS auf jum Hetber ftrebte
3n beS müb braufenben DtlaneS Sutb. —
$a! Hde ftürjten ftcb ju beS ©emalt'gen Hefte,
Sie ©toben raubten ftd? baS ©belfte, baS S3efte!
©nglanb ben Har — unb Oefterreich bie Srut!
3b« Hde lennt fein SooS aus ber ©efchichte Sagen. —
— So hinter Hfrita beS SHeereS Sogen fchlagen,
Söefoacbt oon Äönigen — fcblau unb gemifct —
Sortbin ift er oerbannt! — 3 m traurigen ©ytle,
Hn feiner Seibenfcbaft, an feiner ©tobe 3^lc,
Sifct ftnnenb er — baS £aupt aufs Änie gefügt. -
0 ©ott! ob Hid?tS geliebt auf ©rben bet Säerbannte ?
SieS Sömenbetj ift eS, baS »oder ©lutb entbrannte —
©t liebte feinen Sohn — bet SWann oon ©rj!
3»ei Singe blieben ihm, bie feinen ©eift erhellten —
SeS bolben ÄinbeS Silo, bie Äarte biefer Selten,
Sein ganjer ©eniuS — fein gänjeS £etjl
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©eS StbenbS, metnt fein SBlid m feinet 3eH* irrte,
SEBaS ift’S, baS toiefeä £aupt aus ftarrer Muhe ftörte ?
SEBaS ift es, baS er fucfet in bunüet Macht —
SEBenn feine Reiniger f<hon äitgftlkb ©chilbmacbt flehen.
Um ber ©ebanfen glug füll Iauetnb ju erfpdfjen,
©er auf ber ftoljen ©tim bie Statten jagt ?
Micht immer mären es, ©ire, biefe $elbenfänge,
©ie bi cf) umgautelten mie ferne ©lodenlldnge,
Mtcole, ein SDlontmirail, ein Mufterlife —
Such bie (Srfcheinung nicht ber alten $pramiben,
Kairo’S Sfafcha nicht, bejs Stoffe ber Mumiben
SWit fdharfem 3ah« ber ©einen Stuft greifet. —
Micht immer mat’s ber Särot bet milb empörten ©chlorten,
SEBo manche Söombe fprang, mo bie Kartätfchen halten,
SEBo fdjmatje SBirbel in bie Süfte floh’n.
SEBenn feines MlunbeS $audj bieS milbe Mleer erreichte.
Schauem bie gähnen leidet — unb eine jebe neigte
SBot ihm, bem ©ieger, ftch im SataiHon!
Such mar eS nicht SDtabrib — ber Kreml nicht ber ©jäten,
©iana, bie jut 3>agb laut fchmettert’ bie ganfaten,
©er Sinouac nicht bort unterm Sternenlicht —
Mid)t bie ©ragoner, nicht ber ©tenabiere Miefen,
©ie Sanjenritter nicht — mimmelnb in langen Spielen,
SEBie rothe SBlumen in bem Ko nie bicht.
Mein! — maS bie hohe Stirn befdjattet manche Stunbe,
©3 ift ein fchlummemb Äinb mit halbgefchlojf’nem SDlunbe,
Sieblich unb toftg, mie ber Orient,
Sffiäbtenb ber Slmme Slid in ftoljer greube leuchtet,
©ie mit beS SufenS 3JliIcb bie rothe Sippe feuchtet,
Unb freubig läcbelnb feinen Mamen nennt. —
©et Sßater ftüfet alSbann auf’s Knie bie Urme beibe —
©ein §erj, »on Seufjern »oll, erfchliefeet fich bet gteube,
Cr meint — baS £erj »on füfjer £uft gefchmelltl — —
0 fei gefegnet, Kinb, bejj Üntlife längft erbleichte —
©u emsig SEBefen, baS ben büftern ©raum »erfcheuchte
Sora Königsthron — »on bet »erlor’nen SEBelt! —
Y.
©obt fmb pe Seibe! — ©ott, mie ferner ftraft beine Medjte! —
(Srft ftfirjeft bu ben £elb — ben Sieget im ©efedjte,
Unb raubeft ihm ben ©hron.
©ann jügelt beine #anb beS ftoljen ©eifteS Streben,
gehn 3ahre reichen auS, baS Seichentu ch ju meben
©em Mater unb bem ©ohn!
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Hubnt, 3ugenb, Stola — ibt aff rubt nun im buntein ®rabe!
. SBoW Wiebe gern bet üUtenfd? bei feiner irb’f<ben $abe,
3bm labt ber £ob ni$t 3eit!
(Sin jebe3 Element fm!t in fi<b felbft baniebet,
<S§ nimmt ben #aucb bie Suft — bie (Stb* bie Äfd&e toiebet —
®i<3b bie SSergeffenbeit!
VI.
0 He»olution! nidht id?,
$er fdjtoadhe Sterbliche, begreift,
3Ba§ im Tumulte beiner glutb
3« ©otteä IRaib heran gereift! —
Ob au<b bie ÜUienge bid? »erlaßt,
Seid? Slug’ ermißt, ©ott, beine ÜUtadbt? —
Ser meifj, ob bie bemegte glutb,
$er Strubel an be3 Hbgrunbä Hanb,
Ob be§ ©etoitterS belle ®lutb,
Ob ber Ortan, ber toilb entbrannt,
Ob alles bieS nid?t »or fub gebt,
$amit bie $erf im 2Reer entftebt ? — —
Unb bod? — toie beugt ein Sturm fo fdbtoet
$ie gürften, toie bie Nation!-
0, taub unb blinb ift, toie baS SUteer,
©n $olt ber SRebolution!-
— SaS nüfct bein armes Sieb, .Sßoet ?-
SaS ber ®efang, ber halb »ertoebt? —
So toie bie 2ßoge braufenb gebt,
SBerbaHt bein S<brei in £aft! —
2)ein Sieb »ergebt toie -Rächt unb $raum,
S)er Sinb gerftört ber gebern glaum.
Htm 33ogelein! S)u ftngft im S(baum
Huf beS jerfdbeUten Sdhiffe^ ÜJlaft! — —
0 lange Had?t — o eto’ge Oual!
S)er Fimmel ift »erbüllt im -Ru — .
SWenfdjen unb $inge allzumal
©len bem buntein Hbgrunb $u.-
— HKe3 »ergebt unb fmtt in Had?t,
$er gürften Sieg’, — ber $elb ber S$la<bt,
$a§ graue $aupt — ber Sode $ra<bt,
Haboleon unb HapoleonS Sohn! — —
3« Had&t getauft ift jebeS 93ilb,
(SS ftüqen glutb auf glutben toilb,
$ie buntle Soge — fte »erbüllt
# Se»iatban toie ben Hlc»on!
m
418
<£unjpätfd)C Jtbcrjddjmmgctt.
Sott Jt«rl Slittfc,
. IL Ungarn unb bie eytteme 3RationaUtät$*2:beotie.
©in eigentümliche^ Schaufpiel bietet ftch feit Monaten in Ungarn bar?
2)ie8 Sanb, beffen Unabhängigst unb Selbftregierung fo oft irrtümlicher
Seife auf ©runb ber fog. ^ationalitdtStbeorie geforbert würbe,
fucht fub gegenwärtig wieber gu feinet bifterifcben Staatäejiften g
betauäguringen, unb gwar auf ©runb oon Ueberlieferungen, bfe mit jener
Sbeorie febr wenig gu tun baten.
3)er #auptträger biefer ungarif(bett Bewegung ift auch bieSmal wieber
ber magparifche Stamm, ©in „apatifcber ©inbringling" (wie bie
Sßanflaoiften fid) auäbrücfen), ber „gleich ben dürfen au8 ©uropa oertrieben.
werben mufj", bat biefer magparifche Stamm ein bebeutenbeS ©ephid für
Selbftregierung gegeigt unb baburcb jene 5)oltrin gu Scbanben gemacht, bie
nur ben ©uropäern — b. h* alfo ben älteren ©inwanberern auä STfien! —
eine politifche gähigleit gugefchrieben wiffen ioill. ©in erobernbeS
Streiterooll unb parlamentarif d?e ©in r ich tu n g en: “ber
©egenfab lönnte nicht*auffallenber gebacht werben! Unb hoch haben wir in
Ungarn eine folche ©ntwidelung erlebt — in früherer 3*it aßerbingS nur in
ber ariftolratifchen gorm, 1848 bann auf breiterer bemofratifcher ©runblage.
2ln ber gulünftigen ©eftaltung Ungarns brauet man alfo nicht gu oergweifeln,
wenn gleich ba§ Sanb jenfeitS ber Seitha eine bunte üftufterlarte oon 93511er*
bruchtbeilen bilbet, bie an ber öfterreichifchen Regierung einen ftetS wachfamen
£errn unb SWeifter haben, wäbrenb im Dften unb korben eine grofje flaoifche
9Jta<ht brduenb auf ben magparifchen „©inbringling" hwabfchaut, ber bie
ffcoifchen unb rumdnifchen Stämme feiner Umgebung in einem gegen fRufjlanb
gelehrten StaatSwefen gufammenhält.
SieSpannung gwifchen Oefterreich unb $teufjenwar
ber näcbfte Hnlafj gu ben neueften, oon ber Siener Regierung an bie Ungarn
gemachten 3ug*ftänbnifjen. 2lu$ ber f ch l e S w i g * h 01 ft e i n i f cb e n ©e*
wegung, bie unter ben Üftagparen ftetS mannigfache £b*ilnabme gefunben
batte, ift für biefe, burch einen eigenthümlichen Sauf ber Singe, ein nicht gu
»erlennenber SBortbeil erwachfen. Ueber ben Slulgang etwas oorbergufagen,
unterlaffen wir gern. Schon 1860 waren bie Ungarn auf bem fünfte, ber
#absburgif<hen Regierung bebeutenbe ©oncefftonen abguringen; ein ptöplichet
Umfchlag jeboch — ber Umfcblag oom Oltober*3)iplom gum gebruar*
patent — dnberte bie gange Scene, ©in ©itat au$ einer oon bem SSer*»
faffer biefer 3«ilen bamalS veröffentlichten 93rof<hüre*) mag bagu bienen, bie
©leichartigleit ber Sage oon 186.0 unb 1866 nadhguweifen.
•' *
*) füllen nufere J(terrii<bif<be»SttttbeOprooi«|ttt tbun? -
(ßonboit, ©eubner & ©om*., 1860 .)
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„5Bor bem Grnfl ber ©reigniffe in Stallen", tye| eS in'jenem Schrift.
$en, flunb »or bet bregencen Stimmung in Ungarn ftnb bie milltürlichen
©entralifatiohS-Peftrebungen, bie ben Ungarn mit bem gtaliener, ben ©ali-
jier mit bem Seutfcgen in eine unb biefetbe gorm Rängen mottten, jufom*
mengebroigen. Seit taufenb gagren mar bie ©efchicgte Ungarns bie eines eigen-
gearteten, man fann laum jagen PotleS, aber bodb SanbeS, gemefen.. Ser Per*
fu<b, bie ftaatlicgenUebertieferungen befjelben mit einem Sigmertfcblage unb einem
geberjuge ju »etnicgten unb an beren Steile ben ftraffen gormulariSmuS einer
»aterlanbSlofen »ureautratie ju fegen, muhte früher ober fpäter mißlingen —
mie einfcgneibenb auch bie «Wafsregeln maten, bie ber gbee beS ,öftreichif<ben
©efammtftaateS jum Siege »ergelfen foiiten. ©s lebt in Ungarn — bei aller
»erfchieoenbeit, ja ©iferfucgt, ber «Racen unb Sprayen — ein ©efügl biftori»
feber Seredjtigung, ein ftarier Srieb nah Selbft»ermaltung. Siefer Stieb
lonnte eine Beitlang gebeugt, in feinem «BacbStbum niebergebalten, buch
tünftlidbe $inbetniffe in falfdje Mittung geführt merben. Seine Ausrottung
ift ein ju ferneres «Bert felbft für eine «Regierung gemorben, bie lein «Wittel
jut ©wicgung ihres BtoecleS freute."
Siefe SBorte jeicgnen ganj mieber ben heutigen Buftanb. ©in Schmer¬
ling ’ch eS gntert egnum folgte atterbingS auf bie ©eftrebungen oon
1860. £eute jebodb finb bie obigen «Borte mieber fo mahr, mie bamals.
„6i<b felbft miebergegeben" - hieb es meiter in jenem Schriftchen —
„tairb Ungarn nun fudhen, biejenigen ©runbbebingungen feiner Starte unb
feiner greigeit ju erlangen, bie ihm baS Siplom oom Oltober 1860 noch »or-
enthält. ©S mitb feine alten ©renjen, baS «Recht ber Äontrotte über baS
Söubget, baS Wed&t ber «Rormirujtg beS Sruppenftanbes, unb ben äßahlmobuS
»on 1848 ju erringen ftreben. Sie alten ©renjen ftnb ihm politifth mie mi*
litärifcb eine SebenSbebingung. Ohne fte märe ber magparifihe Äern beS San¬
beS getaiffermafjen »on einem Stacgelring flaoifiger unb maKa<bif<ber $albftaa*
ten umjogen, bie ju gelegener Stunbe als Stügpunlte ber Weattion nnb beS
Angriffs »on ber Peripherie her benügt merben tonnten. SaS Weiht bet
Steuer-Äontrolle unb ber Oberauffubt über bie SruppenauSgebung ift ein altes
SanbeSrecgt in Uebereinftimmung mit ben ©tunbfägen ber Weptäfentati»-Pet»
faffung. ©S bietet bie nStgige ©ürgfcgaft gegen büreaulratifdhe Pergetoalti-
gung nnb b»naftif<be «Wilitärpolitil. Ser «BaglmobuS »on 1848 enblich ift
eine ©arantie gegen gutsherrlichen geubaliSmuS."
SieS Programm, na<h Sage ber ungatifhen Perhäftniffe im gagre 1860
ftijjirt, trifft auch heute, 1866, mieber »otllommen ju.
2BaS enblich bie Stellung jmifcgen Ungarn unb Seutfchlanb betrifft, fo
war in jener ©rofcgüre gejagt: — „SaS gntereffe ber Seutfchen ift es nicht,
baff ben Ungarn bie greigeit gelürjt merbe. Seutfchlanb hat ohne Bmeifet
ein gntereffe an ber ©ntmidlung ber Singe in Ungarn, unb bohl unb »er*
ftanbloS ift bie «Meinung Serer, bte ba glauben, es lönneanunferen, ognebieS
bwch tmffifihe Sßucht bebrohten Oftmarlen gelegen maS ba motte, bie beutfche
f 28
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wohl giebt eS unter benfelben SNdnnem, bie ftch über einen folgen ©ebauten
reooltiren, nicht SBenige, bie non $eutf<hlanb nertongen, bafc eS ein grofieS
Stüd feinet ©ebieteS abgebe, weil ein S^eil bet Ginwohner eine oerfchiebene
Sprache fpricbt, unb bie non Ungarn oerlangen, es foQe feine rechte $anb,
Siebenbürgen, abfchneiben unb eS ber benachbarten SQßaEac^ei geben, fi<h ShP*
lod*gleicb ein ©funb gleifch — baS ©anat — aus ber ©ruft fchneiben, um
£ürKf<h*Serbien bamit §u bereitem, u. f. w-Unb tniffen Sie, meine £er«
ren, »ober biefe abfurbe $h*orie auf hem Kontinent entfprang? Sie bat ih*
ren Urfprung im ©anflaoiSmuS — b. b* in bem ©ebanlen, bafj ber mastige
©runbftoä ber flaoifchen Nacen, gleich ben [Römern, |ur $errf<haft ber Seit
beftimmt ift. GS ift ein r u f f i f <b e S G o m p l o 11, ein finfterer ©lan, aus
nationalen ©efüblen ein SBerljeug für rufftfhe Oberberrfchaft über bie ganje
SSBelt su machen.... So ift ber $ a n f l a n i S m u S bie Duelle einer ©ewe«
gung nicht ber Freiheit, fonbern ber #errf<haft ber Sprache geworben, $aS
SBort „Sprache" erfepte jebeS anbere ©efübl,. unn würbe baburch ju einem
gluch für bie-greibeit."
3>n obigen Säuberungen nertrat fioffutb noch, ben ungarifchen Stanb«
punlt. Seine fpdtere SBenbung, bie bei bem italienifchen Kriege non 1859
|u Sage tarn, feine ©estebungen 2ouiS Napoleon, unb feine bei bem
SReeting in ber Sonboner greemafon’S Saoern getbane Steu&erung, er nehme
bie ruffifche £ülf e an, wenn fte ibm geboten werbe, erfldren sur ©e«
nüge, warum er ftch neuerbingS mit f t a n i f i r e n b e n ©roietten einer $o«
nau*Gonföberation befcbdftigen tonnte,
3n Ungarn felbft finben jeboch berlei ©eftrebungen teinen Entlang, aus«
genommen unter ben Slffiliirten beS NujfentbumS unb, unter ber unwiffen«
ben flonatifchen unb froatifchen 2Raffe. 2)ie freieftgefmnten Ungarn tonnen
unmöglich bie Vernichtung ihrer eigenen Nationalität betretiren, ebenfo wenig
wie eS möglich ift, baS NationalitatSprinsip, fowie eS bie gtaliener für ftch Oer*
flehen, auf bie ©eoölterungen swifchen ben togatben unb ber $onau ansu*
wenben. Oft*Guropa ift einmal ber SlblagerungSplafc non Na«
tiot^ilfragmenten, bie burch bie groben ©ölterwanberungen bort«*
hin oerftreut worben ftnb. S)ie einseinen Stamme, welche Ungarn be*
wohnen, Jxn\> unter einanber fo nerfchieben, wie nur Gürten non «goUdnbern,
[Raffen non Staßenem fein tonnen. SRagparen fmb mit ©eutfchen,
Slanen mit [Rumänen burcheinanber gewürfelt; unb baswifchen finben
ftch tumanifche, albanejifhe unb fonftige ©ölterbruchtbeile, Sille SSBelt ift in
Ungarn fosufagen in ber SNinoritdt; immerhin jebocb ift bie polttifche
Nationalität wefentltch um bie in ber 2Ritte ftfcenbe magparifche Nationa«
tttat gruppirt, bie wieberum, entlang beS SonaulaufeS, nom beutfchen Glement
burchfprengt ift. SDie Slanen ihrerfeitS, obwohl an ©efammtsahl ben 2Ra«
gparen gleichtommenb, fmb bis Jefct taum burch trgenb welches Sprachbanb
nerlnüpft; unb ber Slowat, ber Nais*, ber Sd? o taese, Nu«
thene, SBenbeu. f. w. weichen in SRunbart nielfach nonetnanbejab,
r&pm
422
$um Sheil ebenfo febr, tote ber Seutfcbe unb ber Sdne. Äurg, toaS bte Biel*
fdltigfeit betrifft, fo bilbet Ungarn gewiffermaben ein Oefterreich im kleinen, unb
in bem „Meinen Ungarn" Siebenbürgen wieberholt ftch baffelbe 93ilb abermals
iti Btiniatur. SBoüte man ^ter nach Aationalitäten trennen, fo fdnte man
nicht bloS auf bie engfte Brobhtgial* unb ßircbtbumSpofitif, fonbern in manchen
©egenben auf bie Bolitif ber Stabt* unb Sorfquartiere hinauf.
©lücflicherweife ift Ungarn jeboch, toie im Eingang bemerft, trofc biefer
innern Berfchiebenheiten, bon einem ©efühle hiftorifcher Berechtigung unb bon
einem gemeinfamen politifchen Bewubtfein burchbrungen, unb barin liegt feine
Stdrfe gegen bie herrschen Unterjochung^* unb AeichSeinheitSpläne ber habs*
burgifchen Spnaftie. SaS bielfache Unrecht freilich, baS ben untertoorfenen
flabifchen unb rumdnifchen Bebölferungen bon ben Sagbaren früher gugefügt
tourbe, hat bem öfterreichifchen $ofe es ftets ermöglicht, feinbfelige Spaltungen
in Ungarn felbft angugetteln, toie ja auch bie Erhebung bon 1848 — 1849
nicht allein burch ben Anfturm ber faiferlidjen $eer t bon Defterreidh unb Aub*
lanb, fonbern namentlich auch burch baS ma<hiabelli(iif<h gefchicft betriebene
Anregen einer flotoafifchen, ferbifchen, froatifchen unb walladhifchen Banbeer*
Bewegung im Innern gu gall gebracht tourbe. BergebenS tourbe bamalS burch
bie Aebolution bie politifche ©leichberechtigung aller ungarifchen Bebölferungen
angeboten. Sie Rührer jener Benbeer*Betoegungen, bon benen bie meiften
im rufftfchen unb faif. fön. öfterreichifchen Solbe ftanben,.toollten nichts babon
hören, ebenfo toie bie mit bem St. AnbreaS*örben gegierten Sfchechenführer
in Böhmen nichts bon ben Anerbietungen ber beutfchen Aationalberfammlung
hören wollten. SBdre inbeffen nicht gleichzeitig bon 2Beften unb Offen gegen
bie Ungarn jener hoppelte militdrifche Angriff erfolgt, fo hatten fte ohne3»eifel
leicht bermocht, fuh biefer inneren geinbe gu ertoehren. So wie bie Singe
lagen, biente ber flabifch*rumänif<he AeaftionSfrieg im 3nnem als eine gün*
ftige Siberfion unb ©rmuthigung für bie militdrifchen ©egner auben. Sab
gleichwohl im 3ahre 1860, unb auch heute toieber, baS ungarifche
StaatSbewubtfein fo traftboH toieber erftehen tonnte, ift ein Beweis
bon 3ähi<)feit unb SebenSfraft, wie ihn neuerbingS wenige europaifche Roller
geliefert haben.
Aach ber Schablone ber bloben AationalitdtS*Sbeorie Idbt ftch ©uropa
# nicht gufchneiben. Italien hat, toie bemerft, noch ben beftejt ©runb, biefer
Sehre auSfchlieblich gu hulbigen; feine Bebölterung ift national bie compaltefte
in ©uropa, ba fie in ber Sprache nur m u n b a r 11 i ch auSeinanbergeht —
wenigftenS feitbem baS f r a n g ö f i f ch fprechenbe Sabopen, baS freilich ein
wichtiges BoUwert war, an granfreich abgetreten ift. granfreich felbft, ob*
wohl politifch fo auberorbentlich ftraff centraliftrt, enthält bielerlei Aationalitä*
ten. SaS $o<hfrangöftf<he, obwohl faft ade Stäbte es gleichartig reben, wirb
im ©runbe nur bon einer Btfnberheit gefprochen. Ser gröbere Sheil beS
SübenS bon granfreich nähert ftch bialeftifch eher bem 3talienif<ben. An ben
Bprenden ftpen ferner BaSien, bie, wie bie Albanefen ber Sürfei, „mutter*
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feelenallein" als verlorene Spracbinfel auf beiben Setten jenes ©ebirgeS
mobnen. Sobann ift bie feltifcbe Bretagne gu ermähnen, beren Sprache
leinerlei Segiebung gu ber frangßftfcben bat« ferner baS glämifebe in Norb-
granfreidb, baS 2)eutfcbe in Glfah unb Sotbringen. Gnglanb feinerfeitS bat
neben ber angelfä<bftf<ben Nationalität bie tpmrifcbe in SBaleS, bie gaelifib-
febottifebe neben ber germanif<b*fcbottifcben jenfeits beS $meeb, bie erftfeb-
celtifcbe neben ber englifdH<bottif<ben in grlanb, abgefeben non ber frangßftfcben
auf ben normannifeben gnfeln. Selgien bat eine brei Siertbeile ber Sevßl-
lerung auSmacbenbe flämifcbe Nationalität neben ber mallonif<b*frangßftfcben.
Selbft Scbmeben unb Normegen ftnb ni<bt Von einer Seimifcbung pnnifdber
Sappen frei, unb mürbe, maS fonft gang münfebensmertb erfebeint, ginnlanb
felbft mieber mit Scbmeben bereinigt, fo fßnnte bieS nur im 2Biberfpru<b mit
ber NationalitätS^beorie geftbeben. Nuhlanb gar ift, nur bon feinen 93e-
ftpungen in Guropa gu fpreeben, auS einer SNenge Nationalitäten gufammen-
gefefct, unter benen bie inoStomitifcbe, bie polnifcbe, bie lettif<be, bie
eftbifebe, bie beutfd&e, bie fumifebe, bie fog. fleinrufftfcbe, bie tartarifebe in
vielfachen Nbftufungen, bie rumänifebe u. a. genannt merben fßnnen.
$ie Nnmenbung ber NationalitätStbeorie auf Nuhlanb, unb grnar in ber unbe-
bingteften Sßeife, märe noch am ebeften gu befürmorten. {
Obige NuSfübrungen ftnb lebiglicb in ber Nbftcbt gemalt, einen vielfach
berrfebenben 3frrtbum |u miberlegen, als fei bie „Sßfung ber NationalitätS-
frage" bie bri n ge nb ft e Aufgabe in Guropa, unb als tonne biefelbe über*
baupt nach ber ermähnten $beorte in a 11 e n gäHen gelöst merben« Ungarn
bat in feinem Kampfe gegen baS £auS £abSburg ein gang anbeteS Ne<bt, als
baSjenige, melcbeS auf ber Serfcbiebenbeit ber Nbfunft unb ber Sprache ruht.
2Iu<b bie polnifcben Seftrebungen ftnb uns aus gang anberen ©rünben mertb,
als meil $olen unb Nuffen verfebiebene Slrten votySlaven barftellen. 2)te
Serbältniffe ber eingelnen europäifeben Söller ftnb gu vielfältig, als bah mit
einem Stblagmort NUeS abgetban merben tßnnte. $er ©runbfap ber
greibeit follte in jebem eingelnen galle bei ber Seurtbeilung ben NuSfdblag
geben« Xit Scbmeig, baS freiefte Sanb in Guropa, ift nicht fpradbiieb geeinigt;
neben einer Ntebrbeit von $eutfcben mobnen in ber Gibgenoffenfcbaft grango-
fen, gtaliener unb eigentliche Nomanen« gür einen Sorgug ift es gmar nicht
gerabe gu halten, bah Sielfpracbigfeit in einem Staate berrfebt; ber heraus-
bi l b u n g einer 2i t era tu r ift eS menigftenS ni cb t fßrberlidb; unb ba
bie geifttgen gntereffen borb einmal ihren NuSbrudt in ber Spraye haben
müjfen, fo ergiebt fleh hier immerhin ein Nachteil. Slber baS ftebt feft, bah
ein $bett von Stittel- unb faft gang Oft-Guropa in ein gräuliches GbaoS ver¬
fallen mürbe, menn bie Noten- unb Spracbenmätelei, mie Siele es tbun, gum
Neuherften getrieben meroen follte« Gingelne $artieen unfereS SBelttbeileS/
mie g. S. S)eutfcblanb, ftnb auf bie Silbung einer gefcbloffenenSollS-
e i n b e i t bingemiefen, mobei eine unbebeutenbe t f cb e cb i f <b e ßntgretigung
u. vgl. f<bon mit in ben Jlauf genommen merben muh, um ben feften Seftanb
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be$ ©angen gu ermatten. Slnbere Steile ©uropa’S, alfo g. 33. Ungarn, »erben
im ©rohen unb ©angen, obmohl au§ national ungleichen (Elementen gufarn*
mengefefct, in ihrer bisherigen ©eftalt fortgubeftehen haben, »enn fte nich in
böHige 3errüttung oerfallen follen. 3)ie #auptfa<he bleibt, bah ber r ep u b l i *
lanif che ©eift ftch iit 2)eutfchlanb, grantreich, Italien, Spanien, Ungarn,
$olen, feine gorm fchafft; bie Söfung geringerer SRationalitätSfragen tann
bann einer fpäteren 3utunft borbehalten bleiben.
«tilr märmt.
©et ö<0entt)ättlgc 0 taufe feee dfafeiatiottfe tmb
älbfocptioti&Sefcee.
fHaä) sptcfejfot ^ofcit Si^nboII.
©on $*♦ <9. ©litte in 9>tett>*g)orf.
$ie. jefct auf bem ©ebiete ber -SRaturforfchung herrfchenbe üWethobe, bie
nur bie f i n n U <h e 2Ö a h t n e h nt u n g als einzige Ouetle ber ©rtenntnijj
anertennt, unb fich beS mechanifchen ©yp eriments als ihres £gupt*
»ertgeugeS bebient, ift ohne 3^eifel im SPrin^ip bie richtige. Sie ift zugleich
fruchtbar unb guuerläfftg. Sie hat aber gu einem anberen ©ytrerne geführt:
gur ©eringfehäfcung unb ©ermerfung aller $hätigteit berßinbilbungS*
traft, ber 2Jtutter ber Spetulation in ber Sßiffenfchaft. 5lber nicht äße
großen gorfcher ber ©egenmart billigen biefeS ßytrem. $er berühmte englifche
©eiehrte, bejfen ©orlefung Übersicht* unb $H*ärme*Strablung uns hier be*
fchäftigen foll, legt ber ©inbilbungStraft einen hohen SGBerthfür bie
»ijfenfchaftliche gorfchung bei. 2BaS er barüber unb über ben f p e t u l a t i *
nen $beilber üttaturforfebung fagt, führt uns gugleich am fünften unb
paffenbften in bie ÜIRitte unfereS Stoffes felbft ein. £ören mir feine eigenen
SBorte:
„9Bir haben hier Sltome unb ßMetüle, Schwingungen unb SBetten ge*
malt, bie niemals ein $uge gefehen, noch ein Ohr gehört hat, uub bie elngig
burch bie Shätigteit berßinbilbungStraft unterfchieben »erben tönnen.
S)ieft in ber ift bie gähigteit, »eiche uns in ben Stanb fe&t, bie ©ren*
gen ber Sinne gu überfchreiten, unb bie ©rfcheinungen ber ficht baren
jffielt mit benen ber u n f i ch t b a r e n gu oertnüpfen. Ohne ©nbilbungStraft
hätten n?ir uns niemals gu ben Gegriffen erheben tönnen, bie uns heute hier
befchdftigt haben, unb je mehr Sie im Stanbe ftnb, biefe gähigteit r i ch t i g gu
gebrauchen unb mit ben angemenbeten SluSbrüden beftimmte ©erftanbeSbilber
gu nerbinben, um fo größer »irb baS Vergnügen unb ber ©e»inn fein, ben
Sie aus biefer ©orlefung giehen."
„$ie dufteren $hutfa<hen ber Statur finb unjurei*
cftenb jurSefriebigungbeS®eifteS. Sir fßnnen uns nicht
bamit begnügen, ju wiffen, baft baS Sicht unb bie Särme ber Sonne bie Seit
erleuchten unb erwärmen. Sir werben unwiberftehlich getrieben, ju fragen:
Sa3 ift Siebt, unb WaS ift Särme? unb biefe grage führt uns
fofort au§ ber Legion ber Sinne in bie ber ßinbilbungsfraft!"
3)ieS nennen mir bie ö ch te S if f e if f ch a f t, bie ihre hohe 2Riffton
für bie Senf<hh*it barin erlennt, nicht bloS „bie $hatfachen ber Statur" feftju*
fteHen, fonbern zugleich ben SJt e n f cft e n über biefelben ju erbe*
ben, ihmburch bie ©emiftheit beS Sichtbaren bie ©emift*
heitbeS Unfichtbaren ju geben. $ören mir ben englifchen SJtann
ber ftriften Sijfenfchaft weiter:
„Stuf biefe Seife überlegenb unb fragenb, unb ftrebenb, baSjenige was mir fühlen
unb fehen fönnen, baS aber u n b o 11 ft ä n b i g ift, burch etwas UngefühlteS unb
UngefeheneS, welches §u beffcn Seroollftänbigung nothwenbig ift, §u ergänzen,
haben SJtdnner bon ©enie nicht nur baS Sefen beS Siebtes unb ber Sanne,
fonbern auch burch biefe bie allgemeine Sermanbtfchaft ber Staturerfcheinungen
jum $b*il crlannt. $ie Är af t ber Statur ift bie Ära ft ber Se*
wegung, bon welker alle ihre^rfefteinungen nur be*
fonbere formen finb. Sie giebt ftch tunb in greifbarer unb ungreif*
barer 9)taterie, welche unaufhörlich bon ber einen gorm auf bie Slnbere über«
tragen, unb burch bie Seränberung unabläfftg umgebilbet wirb. Sie ift ebenfo
wirtlich (real) in ben Seilen beS 21 e t h e r S wie in ben Sellen ber S e e —
inbem bie Settern in ber 2hut nichts 2lnbereS ftnb als bie angehdufte Seme,
gung gener. 3)enn eS ftnb bie bon ber Sonne auSgeftrömten Sdrmewellen,
bie unfere Suft erbten, unfere Sinbe erzeugen, unb baburch unferen Ocean
bewegen. Unb ob fte ftch am Stranbe in Schaum brechen, ober fdjweigenb
am Sette beS OceanS reiben, ober burch bie gegenfeitige Reibung ihrer Steile
jur Stuhe tommen, bie Site er eS mellen löfen ftch fcblieftlich in Sellen beS
2letherS auf, unb gebären fo bie Bewegung wieber, ber fte ihr jeit*
weiligeS 2)afein entlehnten. 2)iefe Sechfelbeaiehung ift ©efefc ber Statur.
$ie Statur ift fein 3nfammenhängen unabhängiger 3:heile, fonbern ein
organifdjeS ©an je. Senn bu ein $iano ßffneft unb in baffelbe hin*
ein ftngft, fo wirb eine beftimmte Saite antworten. Seränbere bie $öbe beiner
Stimme, unb bie erfte Seite wirb aufhbren ju fchwingen, aber eine anbere
antwortet. Seränbere bie $5he nochmals — beibe erfte Saiten fchweigen,
wdhrenb eine britte ertönt. gnbern bu bie $öhe ber Stimme oeränberft,
oerdnberft bu nur bie g o r nt berSemegung, welche beine Stimmbän*
ber ber Suft mittheilen, inbem eine Seite ber einen, bie anbere einer anberen
gorm entfpricht. Unb fo fingt bie Statur in ben empfinbenben SJtenfchen
hinein; ber Sehnerb, ber ©ehörnerb unb anbere Sterben beS menfchlichen
ÄBrperS ftnb ebenfo biete berfchieben geftimmte Saiten, welche auf berfchiebene
gormen ber allgemeinen Äraf t 2lntwort geben."
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*
#ie ^Utßenroelt uni iljre Wahrnehmung.
©emegung ift bie ©rfcbeinung bei Sebent. 3)ie ganze Statur — oom
SRenfchen aul fubjectio betrachtet: bie 21 u fj e n m e 11 — ift ©emegung. S)a
ber SRenfch mitten in berfelben ftebt, ein ^heü berfelben ift, fo muf$ auch ibm
ft<h biefe allgemeine ©emegung mittheilen. ©I fragt ft<b, auf meld&e SBeife ?
«3wifcben ber Slufcenmelt unb bem ©eifte bei SRenfchen ftebt bal St eroen*
fpftern bei menfcblicben ßörperl all oermittelnbel ©lieb. Stur burch bie
Serben fommt bie Slu&enmelt bem SRenfchen zur SBabmebmung unb zur
©rfenntnifj." Ohne fte ftdnbe ber SRenfch in einer fürchterlichen Oebe botler
stacht unb Schmeigen, ober richtiger: er wäre gar lein SRenfch, fonbern nicht
mehr all ber Stein, an ben fein 3u& ftöfjt. 2)er SRenfch ift bon einer unge*
beuren SRannichfaltigfeit pbpftfeber Ginfiüffe umgeben, ju beren Sluf*
nabrne unb SBabrnebmung berfchieben geeignete Sternen unb Ster*
oengruppen beftimmt finb, bon benen in ber Siegel feine bie anbere bertreten
fann. SBir feben nicht mit bem Obre, unb hören nicht mit bem Sluge, noch ift
unfere Sunge empfänglich für bie ©inbrüde bei Sichtet ober bei Schallet.
2)er Sebnem (optifche Stero), ber bom ©ebirn aul nach ber hinteren SBanb
bei Slugel läuft unb fuh bort in bie' Stefchaut (retina) aulbreitet, ift trojj
feiner hoben ©mpfinblicbfeit für bie ©Meinungen ber Sichtzahlung (flehe
meiter unten) mertmürbig ftumpf für alle anberen ©inbrüde. ©r umfaßt felbft
nicht ben ganzen ©ereicb ber „(Strahlung", ©inige Strahlen, menn fte ihn
erreichen, finb unfähig, feine ßraft anzuregen; anbere erreichen ihn gar nicht,
ba fte bon ben Jlüfftgfeiten bei Hügel berfchludt merben. 2)ocb fteden mir
§unä<hft — um SUlen berftänblich §u merben — ben begriff ber
fut)U uni Wärmestrahlung (Stabiation)
in ber Äürge feft. Sicht unb SBärme fmb bie beiben £auptformen ber Seme*
gung in ber Statur. SBir [teilen fte uni unter bem ©egriffe oon ftd? oerbrei*
tenben (aulftrablenben) Schmingungenber tleinften3:hcile (Sltome, SRo*
lecüle) ber fiörper bar, bie fuh ihrer Umgebung mittbeilen. Sille Körper
fenben folche ftrabtenbe Schwingungen aul, bie mir, je
nachbem fte bie Stefcbuut unferel Slugel §um ©mpfinben anregen ober untbätig
laffen, all f i <h t b a r e Strahlen (S i ch t ftrablen), ober all u n f i ch t b a r e
ober b u n H e Strahlen (SB ä.r m e ftrablen) bezeichnen. Sille nicht leuchtenbe
Körper fenben Strahlen ber lefcteren 5lrt aul, unb ba fein Körper in ber Statur
ab fo lut fall ift, fo nehmen mir an, bafc jeber Äörper in ber Statur
SB ä r m e ftrablen aulfenbet. 2)amit bie oon einem Körper aulftrablenbe
SBärme ben Sehnero bei menfcblicben Slugel afficiren, b. b* in ihm bie
©mpfinbung bei Si ch t e I beroorbringen fonne, rnufj fte eine gemiffe $empe*
peratur erreichen, ihre Schwingungen müffen — wie wir noch näher feben
merben — eine SchneHigfeit, $eriobicität, annehmen (beren uni mabmebm*
bare ©rfebeinüng wir im gewöhnlichen Sehen mit ben Slulbrüden: ~©lüb'en,
©rennen u. f. m. bezeichnen). 2)ur<b ben $latin*$rabt, burch ben mir einen
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eleftrifcben Strom fenben, »irb bieS am beften erläutert. (Srfcbeint ber Trabt
bem berübrenben Singer juerft falt, fo er»ärmt er ftch allmälig, Je mehr bie
Stärle bei eleftrifcben Strome! »ächft (unb bie Scb»ingungen ber 2 Rolecüle
bei Trabte! junebmen); bie SBärme fteigt, aber noch bleibt fte unfüblbar; »er**
ftärfen »ir ben Strom fort»äbrenb, fo »irb nach unb nach bie $ifee bei
Trabte! bem ginger (b. b* ben © e f ü b 1I neroen) unerträglich, bi! jener
gulefct bet einer beftimmten Temperatur ein f<b»acbel rotbe! Sicht aulftrablt,
»eiche! bei fortgefefcter Sunabme bei eleftrifcben Stromei (unb ber S<h»in*
gungen ber ßftolecüle) bi! &u einem bem Sonnenlichte ähnlichen blenbenben
meinen ©lanj fteigt. 2Be.i fi erfc&eint ben Sebneroen ber glübenbe Patin*
brabt, »eil er bie gleichzeitige Bereinigung aller fteben garbenftrablen bei
pilma ift. Bei allmätigem ßrbifcen bei Trabte! erfebeinen, »ie Tr. Traper
na<bge»iefen bat, äße 7 garben bei pilma, oom SRotb bil jum Biolet (Orange,
©elb, ©rün, ©lau, gnbigo) eine nach ber anbem, bem ©rabe ber ©rbifcung
entfpreebenb. Tiegrage: »al aul ben unfiebtbaren Strahlen »irb,
»eiche ber Patinbrabt, ehe feine Temperaturerhöhung f i <b t b a r »irb, aul*
fenbet? »erben mir fpäter babin beantwortet feben, bafc auch biefe ft<b in ber
Slulftrablung erhalten, unb bie oom Patinbrabte auch bei beffen SBeifjglübbifce
aulgebenbe Babiation ein©emif<h Don fiebtbaren unb unfid&t*
baren Strahlen ift.
jBie fcrri HeftanMbeilr be* Sonnenßrable*.
Ter Spionier in biefem Bereiche ber Sößiffenfcbaft »ar Sir SBtßiam #erf<bel.
@r jerlegte nicht nur juerft ben Sonnenftrabl in feine farbigen Beftanbtbeile
(Sonnen*Spectrum), fonbern entbedte auch mittelft bei Thermometer! ben
SBärmegrab ber ein 3 e l n en farbigen Strahlen, unb bap beren SBärme oom
violetten (bem am ftärfften gebrochenen) ©nbe bei pilina’l nach bem
rot ben (bem am »enigften gebrochenen) ©nbe 3 U zunimmt. Slber feine
Unterfuchungen fortfe&enb, brachte er balThermometer auch in bem bunflen
Baum über bal Botb binaul, unb traf fo auf bie wichtige Tbat*
fache, bap, obgleich bort bal Sicht gänzlich aufgebört butte, bie SBärme
nicht nur nicht berfch»unben, fonbern ftärfer »ar, all in irgenb einem
f i ch t b a r e n Tbeile bei Spectruml. Tamit »ar »iffenfcbaftUch feftgefteUt:
bap bie Sonne auf$er ihren Sichtftrablen eine Btenge anberer mächtiger
Strahlen, Sßärmeftrablen, aulfenbet, »eiche für unfere Sehkraft
uölUg un»abrnebmbar bleiben.
3Xber noch »ar bie Gmtbedung nicht bollfiänbig. Sie »urbe burch ben
berühmten beutfehen gorfcher bitter fortgefept. 6 r fepte bie Unterfucbung bei
Zerlegten Sonnenftrablel auf ber anbem Seite, in bie unftchtbare Begion
jenfeitl bei SB io le tten binaul, fort, unb entbedte hierbei beren ftarle
ch emif ch e ffiirfung. (Beuerbingl oon Sprofeffor Stofe! »eiter fortgefübrt.)
©I ftebt bemnacb jefct feft, bafj bal bottftänbige Sonnenfpectrum (b. b. bal
prilmatifche Söilb bei zerlegten Sonnenftrablel) au! brei beutlieb unterfebiebe*
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nett feilen befteht, nämlich: 1) aus Ultra-DtothsStrahlen (b. h« bet flürje
wegen ftatt: je n feit S beS föothen gelegenen), Strahlen non hoher SBdrme*
traft, aber für baS Sehvermögen ungeeignet; 2) aus leu <h tenb en Strah*
len, weldbe Die f olgenbe garbenfolge mitabnehmenbemSBdrmegrabe
jetgen: SHoth/ Orange, (Selb, ©rün, Blau, 3«bigo, Violett; 3) aus Ultra*Biolet
(b. h* aus eben über baS Violett hinausliegenben) Strahlen, f owohl für baS
Sluge ni<bt wahrnehmbar, als au (h mit fchwacher SBarmetraft verfehen, ba*
für aber mit(hemif<b umftimmenber SBirfung begabt*
Bewegung ber ptolecüle. itlebium ber «Älittbeilung berfelben non
IRorper ju Körper. #rr Reiher.
flommen wir auf ben Blatin*$raht jurüd, ber bur<b ben ele!trif(hen
Strom, bur(h verfchiebene SBärmegrabe binburch bis gu bem bem Sluge fichtba*
ren, bem ©efühle unerträglichen ©lühen erhifct wirb, fo iönnen wir natürlich
ber grage nicht entgehen: SBetche 33 e r dnberungen im Drahte
felbft entfprechen biefem vertriebenen Beth alt en (3u*
ftanbe) bef-feiben?
2)ie ber Vernunft einleuchtenbfte Antwort auf biefe grage war, bafe biefe
Beränberungen burch Bewegung ber ©runbtheilchen (Sltome)
beS Blatin’S bebingt würben. Schon Sode fagte:
„SB ä r m e ift eine febr lebhafte Bewegung ber nicht wahr*
nehmbaren Steile beS ©egenftanbeS, welche in uns jene ©mpfinbung
erregt, nach ber wir biefen h e i b nennen, ba baS, was nach unferer
©mpftnbung §ifce ift, im ©egenftanbe felbft nichts als Berne*
g ungift."
5)ieS führte auf bie Sinnahme von S <h w i n g u n g e n ber $heilchen
eines Körpers, welche, je mehr fte — im Blatinbrabt — an Schnelligteit ju*
nehmen, bie verfchiebenen garben im SßriSma vom SRoth bis jum Biolett her*
Vorbringen.
SUIein, mub man bann weiter fragen, was macht biefe o b j e c t i v e n
Beränberungen im 3)rahte ^ufubjectiv wahrnehmbaren? ober mit
anberen SBorten: was verbinbet bie Schwingungen im 3)rahte
mit bem menfchlichen Sehorgan? S)aS ©efühl ber SBärme
empfangen wir burch wirtliche Berührung beS heibeu ©egenftanbeS mit
unferen Nerven; aber ber ftchtbar glühenbe Blatinbraht berührt unfere Seh*
nerven nicht. ©S mub alfo ein SJlittelglieb (SJtebium) vorhanben fein, welches
feine leuchtenben Schwingungen bem Sluge $ubringt.
S)ie Beantwortung b i e f e r grage führte §u einer BorfteUung, welche
Spnball mit Becht „bielleicht ben wichtigen pbpfttalifcben Begriff nennt,
ju bem ber menfchliche ©eift jemals gelangt fei." ©S ift bie Sinnahme eines
ben SBeltenraum erjüHenben SJtebiumS, welches mechanifch für bie gortbtl*
bun g ber Sicht* unb SBärmefcbwingungen gefchidt ift, wie bie atbmoSphdrifche
Die by L,ooQle
2u f t für bie SBetlen beS 6 i) a II e 8 , unb welche? matt beSroegen „beit liebt«
tragenben Sieger" genannt bat. 3« biefem Sieger — fo baten mir uns bie
(Sache mecbanifdj oorjuftellen — bringt jebet ©tofj eines jeben SltomS unfereS
SJlatin’S eine SBeHe betöor, welche ibn mit bet ©djnelligleit Bon 186>000
SOteilen in bet ©ecunbe burdjeilt. ®a biefer Sietbet allen Staunt im SBeltaU er»
füllt — au<b bie lleinften 3wif<bentäume bet SMecüle aller flBrper, folglich
auch bie bet Berfdjiebenen glüfftgleiten unfeteS SlugeS — fo begreift es ft<by
toie bie SBeHen beS glübenben $(atin’3 an ben ©ebnem unfereS SlugeS an»
fliegen, ttnb in biefem bie ©mpfinbung beS Siebtes bemorrufen tßnnen.
5Bi3 bietbet ift SlUeS meibanifcbeS ©efeb; aber bei bet weiteren
Stage: toie bie jum ©ebirn fortgefefcte ©mpfinbung beS Siebtes bort jum
SBewufitfein be3 Siebtes toirb, fteben mit Bot einem bet Stätbfel bet
Statur, Bon toeliben fte uns ben ©ebleier ju lüften noeb nicht für gut befunben
bat.
fDlan lönnte fomit ginfternifi als Sietbet in Stube, Siebt
als 21 e t b e r in ^Bewegung befiniren. gn SBabrbeit ift aber bet Sietbet
niemals in Stube. SBenn bie 2 i <b t toeHen fehlen, butcbeilen SB ä r m e toeHen
ibn forttoäbrenb. SBeibe klaffen bet SBellenbetoegung Bermifdjen fnb in ben
Stdumen beS SBeltallS unaufbßrlieb, aber ohne Sterwitrung, bie einen burd) bie
anberen binburebgebenb, unb buttb ibr enblofeS ©ebtoingen baS erjeugenb, toaS
tnir bie Semperatur beS StaumeS nennen.
Stabiation ober Strahlung ift bemnacb bie SDtittbeilung bet
febwingettben iBetoegung an ben Stetbet, unb unter Slbforption (Sluffau»
gung, Skrfebludung) bet SCBdrnte oerftebt man bie Uebertragung bet
^Bewegung Born Sletber auf bie SDtolecüle bet Körper. Sie Slblüblung beS
©tafeS einer SBiefe in fternenbeller Stadjt gefdjiebt inbem bie SMecüle beS
©tafeS einen 2beil ibtet ^Bewegung an baS ftebium, in welebem fte febroin*
gen, abgeben. Sille Gtfebeinungen bet SBdtme ftnb auf biefe SBeife auf einen
SluStaufeb bet ^Bewegung jurüdjufübren, unb mir felbft werben uns nur als
©ebet ober ©tttpfänget biefet ^Bewegung bet SBittung bet SBdtme unb flälte
bewujst.
S)ie bisherigen ©etraebtungen leiten uns unabweislidj auf bie
^Uomtn»ytl) rf
jutüef, bie in ihrer jefeigen gönn als Urheber ben Stamen Salton’S trägt.
Stach biefet Sehre ift aller Stoff jurüdfübrbar auf gewiffe elementarifdbe
g ormen, welch* bie Äraft gegenfeitiger Slnjiebung beppen, ttnb
bie unter geeignetenUmftänben juSterbinbungen jufammenwaebfen, wie
jwei Sltome SBafferftoff unb einSltom Sauerftoff ju SBa ff er, ober ©blot, ein
fteebenbeS ©aS, unb ©obium, ein weiebeS SDtetaH, ju unfetem gemeinen fl ü»
djenfalj, u. f. w.
©teilen wir uns bie Sltome als Heine Sphären (flugeiformen) Bor, fo er*
febeinen bie fDtolecüle ober 11 ein ften Z b* i le ber jufammengefebten flßrper
t
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430
wie©ruppenfoleberSpbüten. 3ft mn bie 2ltomenlebre richtig,
unb ift bic Theorie, bafj ein Hetzer aßen Baum erfüllt unb bag SSt^ilel ber
atomiftifeben Bewegung bilbet, begrünbet, fo müffen mir mit ©emib^eit ermar*
ten, bafj bie Schwingungen ber (Elementarforper bureb beren Berbinbun*
gengrünblicb abgeänbert werben, ober mit anberen Worten, bab in
Begug auf Babiation uub 2lbforption,. ober bie ÜBittbeilung ber Bewegung an
ben Sletber unb bag (Empfangen ber Bewegung Oon'biefem, bag Berbalten ber
unberbunbenen Sltome bon bem ber berbunbenen oerfebieben fein
mujj. S)ab bieg fo ift, ift bureb treffliche (Experimente alg wiffenfcbaftliebe
^atfad&e feftgeftellt worben. Tag (Efperiment — welcbeg TpnbaH febon „eine
grage an bie Batur" nennt — ift ber ©langpunlt ber ntobernen Wiffenfcbaft!
Tie mit ber 2lb forption ber Wärmeftrab len bureb Per*
febiebene ©afe angeftellten (Experimente führten gur (Entbeefung ber
auberorbentlicbften Berfebiebenbeit ber gäbigfeit ber Biolecüle berfebiebener
©afe. (Berbinbungen elementarifeber Stoffe), bie fte treffenben Wärmeftrablen
entmeber bureb gulaf f en (weiter gu geben) ober in fub aufgunebmen
(gu berfcbluefen).' Tie bureb biefe Berfuebe gewonnene Scala geigt — bie
Bbforptiongfäbigfeit ber atmogphärifeben Suft alg (Einbeit angenommen —
ben ungeheuren Slbftanb bon 1 für Suft (Sticf^ unb Sauerftoffgemenge),
Sauerftoff, Sticfftoff unb Wafferftoff, big gu 6480 für febmefelige
Säure, mit berfebiebenen Btittelgliebern. Wäbrenb alle in biefer Tabelle
aufgefübrten ©afe für bie Stellen beg £ i cb t e g böllig burebbringbar
ftnb, b. b- biefe ohne ^inbernife b u r <b l a f f e n, oerfeblucfen fte bie Wärme*
ftrablen mit mehr ober weniger Bollftänbigfeit, wogegen eg fleh ergiebt, bafe
bag ©ernifcb bon Stidtftoff unb Sauerftoff, bag wir atmogpbärifcbe Suft nennen,
für bie Wärmeftrablen faft ein bollfommeneg Bacuum ift, b. b- fte ungebinbert
burebläfct. (Ein in jener Scala aufgefübrter Stoff legt babei ben feblagenbften
Beweig für bie Behauptung ab, bab äße Beränberung beg Stoffel bon ber
atomiftifeben Hnorbnung ber (Elemente eineg ßörperg abbängt. (ES ift bieg
bio unter bem -Warnen „2aeb*©a£" fo populär geworbene Berbinbung bon
Sticfftoff unb Sauerftoff (Sticfftoff, Oxpbul, Bitroug Oxibe—N. O.), welebe,
aug benfelben (Elementen beftebenb wie bie Suft, nur in berfebieben Tbeifoer*
bdltnijfen unb nicht im ©emifcb, fonbern in ebemifeber Berbinbung, in Begug
auf feine gäbigfeit, Wärmeftrablen gu abforbiren, ftcb gur atmogpbdrifeben Suft
berbdlt wie 1800 gu 1..
gragen wir: wag wirb aug ber Wellenbewegung ber bon ben ©afen ber*
feblueften Wärmeftrablen? fo haben wir barauf gu antworten: Sie erhöbt bie
Temperatur ber ©agmolecüle — bie Bewegung wirb in Wärme
um gef efc t.
m
431
$tx ^riefhaßnt öcr ptaöoitna.
3uliatt SBcrucr.
(gortfefcung.)
6 , 3m Gonoent.
2 )i<bt bei ber Ambe Mabomta de la compania, nur bur<b eine
enge ©trabe unb hohe 2Jtauer oon ihr gefcbieben, liegt ber Gonüent ber front*
men SBäter oon ber ©efedfcbaft 3 efu. ©g ift ein alterthümlicheg unb mafftoeg,
au3 ber früheften 3eit ber fpanifcben Golonifation ftammenbeg ©ebäube, mäh-
renb bie baju gehörige Aircbe, ju Anfang beg 19. 3ah*bunbertg burcb eine
geuergbrunft gerftort, in leichterem unb mehr mobernem ©tple mieber aufge-
führt mürbe. $urcb eine eifenbefcblagene Pforte gelangt man in einen meiten
4>ofraum, an beffen hinterem Gnbe ft<b bag §meiftöc!ige, aug grauem ©anbftein
erbaute, mit £hürm<bcn unb Grfem üerfehene «gauptgebäube erbebt, melcbeg
bem Oberen unb ben Sörübem ber ©efetlfcbaft jur SBohnung bient, jugleicb aber
ein geiftlicbeS ©eminar enthält, beffen 3 öglinge ebenfalls jum groben ^eil
hier ihre Quartiere haben.
£atte ber Gonbeni ber frommen Später bon 2Jtabbnna de la compania
fdjon faft feit einem Pollen 3&b*bunbert für ben 2Jtittelpunft beg religiöfen 2e-
beng GhiliS gegolten, fo mar bieg in noch erhöhtem ÜJtafje ber gall gemorben
feit $ater Ugarte ftch $ur oberften Seitung beffelben emporgefcbmungen. Alg
junger ©eiftlicber, einem portugieftf(ben Abelggef<ble<bt entfproffen, mie man
miffen modte, mar er nach ber SBeftfüfte ©übamerifag gelommen unb hatte f«b
nach turpem Aufenthalte in einem Alofter fiimäg nach Ghili begeben, mo er alg*
halb im 3 *f«itenconbent ©antiagog Aufnahme gefunben. ©ein tlarer, burcb-
bringenber $erftanb, fein energifdjeg SBefen, feine umfaffenbe 93ilbung unb
fein unermüblidher Gifer für bie 3 *dereffen ber Äircbe unb ingbefonbere bie ©e-
feUfcbaft 3efu, erregten balb bie Aufmerffamfeit feiner ^orgefepten in um fo
höherem ©rabe, ba biefe Gigenfcbaften unter ber ©eiftlid&leit ©übamerifag, bie
ft<b meift au g ben minber tauglichen ©liebem beg fübeuropäifdhen Glerug re*
frutirt, nicht allju häufig anjutreffen fmb. 2 )er junge $ater marb balb oon feinen
älteren Srübern mit ben fehmierigften Aufgaben betraut, bureb 30 g bag 8 anb $mi-
feben ben ©eftaben ber ©übfee unb ber Gorbillere oon Aorb nach ©üb, Port Oft
nach 2 öeft, unb marb mit beffen ürdhlichen unb politif<ben$erbältniffen fo genau
betannt, bah meber in ber einen noch in ber anberen Aidptuug irgenb etmag ohne
fein SBormiffen unb feinen 9tath gefebeben lonnte. 3 mei 2 M reifte er in
mistigen SWifftonen feinet Orbeng nach 9tom, unb auch bort gelang eg ihm,
fub bag Vertrauen feiner SSorgefefcten, fomie ber höcbften lirdhlicben SBürbenträger
gu ermerben. A(g enblicb bie ©teile eineg oberften Seiterg beg Gonpentg $u
©antiago erlebigt mar, marb fßater Ugarte mit berfelben betraut, obmohl ältere
trüber beg Orbeng nähere Anfprücbe barauf gehabt hätten. Ugarte rechtfer¬
tigte bie in ihn gefegten ©Wartungen. Unter feiner Leitung erhob fub bet
•8
432
©onbent wiebet gu ehter Sebeutung, wie et pe bor gwei gahrhunberten, balb
nach Sepfcergreifung beS Sauber burch bie Spanier, befeffen, bann aber,
hauptfädplich burch bie Sdpulb unfähiger unb Idfftget OrbenSglieber, immer
mehr eingebüpt hatte. Ugarte hatte fein geringeres 3tel bor Slugen, als aßen
ßteichthum, äße politifdpe ßßadpt beS SanbeS im Sdpoop ber fiirche gu concen*
triren; bom ßtefeftorium beS ©onbentS aus Wüßte er baS republifanifdpe 6hiU
beherrfdhen, wie nur ein gürft bon (Sottet ®naben fein angeftammteS 9tei<h
beherrfdpen mag. greilich fteßten pdp ihm gar manche £mberniffe in ben SBeg.
3)a er, trofc aßet fonftigen SBorpcht unb Klugheit, getreu einer ©rimbregel beS
OrbenS, in ber 2Babl feiner SWittel nidpt aßgu ffrupulöS war, fanben feine mit
ber 3eit immer gasreicher werbenben ®egner leicht ®elegenheit, ihn an einer
bermunbbaren Steße angugreifen unb feine Autorität gu erfdpüttren. Selbft
im Schoop ber ßirdpe, ja fogar in ber ©emeinfdpaft feines eigenen OrbenS,
fehlte es nicht an Solchen, bie mit ben 9Jtapnahmen beS pterS ungufrieben
waren unb eine SSephränfung feiner 9Jta<ht berlangten. 2)iefe Ungufriebenheit
hatte fich bereits über bie ©rengen beS SanbeS berbreitet, ja fogar an bem Weit
entlegenen Stammpfc ber Äirdpe ©ehör berfdpafft, unb wenn man pdp auch in
SRom noch nicht entfdploffen hatte, einen offenen $abel gegen baS Vorgehen beS
noch immer bodpangefehenen pterS auSgufpredpen, mochte eS bo<h wohl im
Stißen nicht an Tarnungen, bießeidpt felbp an leifen Slnbeutungen beS 2Hip*
trauenS gefehlt haben. pter Ugarte war jebodp nicht ber üßtann, ber p<h burdp
bergleichen anfechten liep. Sein entfdploffener ©harafter, fein herrfchfüchtigeS
SBefen bulbete feinen SBiberfpruch, mochte er bon einer Seite fommen bon
welcher er woßte. ©r hatte pch burch überlegene ©eifteSgaben unb unermüb*
lidpeS [Ringen eine Steßung erobert; — biefe Steßung foßte ihm -Jtiemanb er*
fchüttern, fo lange er nur felber bie ßraft befap, pch in ihr gu behaupten*
$)ie Strahlen ber h^ßen ÜUtittagSfonne faßen burch bie bogenförmigen
genper in ein geräumiges ©emach beS ©onbentS; pe Werben burch bie tbeil*
weife borgegogenen grünen ©arbinen gwar gemifbert, hoch nicht gang gurücfge*
halten. 2luf bem mit weipen Söinfenmatten belegten 93oben geichnen pe aßev*
lei giguren ab, beren Umriffe pch burch jeben bie ©arbinen bewegenben Sufthaudp
beränbern. S)ie ffiänbe beS ©emachs püb mit getäfeltem £olgwert bebecft, unb
bie mit blenbenb weipem fialf übergogene $e<fe ip mfipig gewölbt. 2)ie 2lüS*
Pattung entfpricht ber Seftimmung beS ©ebäubeS; pe ip fern bott jebern
SujuS, boch folib unb gebiegen. 2)en mittleren [Raum nimmt ein mächtiger
SSifch ein, bie Patte mit grünem 2öadpStaffet übergogen. 2luf bem £ifdpe
liegen Bibeln, mit reifem ©inbanb bergierte SlnbadptSbücher unb betriebene
[Kappen, mit papieren gefüllt; auch fehlt es nicht an eleganten unb gefdpmacf*
boßen Schreibmaterialien. 2ln ben üffiänben umher ftehen eine Slngahl grüner
Sebecfeffel. $en wefentlidpften Schmuc! beS Raumes bilbet ein 9Rabonnenbilb,
welches in einer ÜRifdpe ber £auptwanb aufgefteflt ift. ßünftlidpe [Rofenguir*
janben umfdplingen baffelbe, unb bicht babor auf einer Keinen ©prabe brennen brei
geweihte ffiadpsfergen, beren ffimmernbeS Sicht pch bon bem bunfleren hinter*
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grunb beS ©emachs trofc ber auf bcm 93oben fpietenben Sonnenftrablen beutlicb
abbebt, unb einen feierlichen Schein über baS babinter ftebenbe 9RuttergotteS*
bilb mirft. 2)ie gegenüber beftnbliche Aknb mirb jurn groben $beil non einer
mächtigen fiarte SübamerifaS bebedt. 3mei bogenförmig gemölbte, auffallenb
fdbmale $büren liegen in tiefen Üftifcben, unb über jeher berfelben erblicft man
ein ßrucifiy mit bem gefreujigten §eilanb.
3>oct geriefter befinben ft# in bem eben gefcbilberten [Raunt. 3n einem
bubt an ben $if# gerüdten Seffel fxfet ein mobl a#t$igjdbriger ©reis Don über*
aus ebrmürbigem, milb*f«unbli#em Anfeben. Unter bem f#marjen Sammet«
ldpp#en queUen no# einige Silberloden beroor, unb ber f#neemeifje $art
reicht toeit über bie öruft hinab. SDie 3üge ftnb Dermittert, aber baS Auge
ift noch bell unb freunblicb unb Don bejaubernber Sanftmutb. $ie Haltung
beS ©reifes ift nur menig gebeugt, unb ber amif#en feinen ßnieen rubenbe
Ärüdftod febeint mehr ber größeren Sicherheit megen als aus unbebingter Aotb*
menbigleit benufct ju merben. $ater 2)iego, baS dltefte SRitglieb beS ßonDentS,
mürbe febon als fol#eS eines groben AnfebenS genießen, menn er fuh nicht
auch gugleich bur# feine feltene «ger^enSgüte unb ungebeuchelte grönimigfeit,
burch bie aUe SMffonansen auSglei#enbe Harmonie feines SBefenS, burch bieder*
fobnlichfeit feines ßbaralterS bie aufrichtige Siebe aller 2)erer ermorben, bie ihm baS
Schidfal auf feinem meiten SebenSmege entgegengefübrt. ßr mar in biefer 93e*
jiebung baS gerabe ©egentbeil feines baS Sintmer mit über bem [Rüden ge«
freujten £dnben burchmeffenben Oberen, beS $ater Ugarte, beffen dufcere ßr*
fcheinung uns nicht mehr fremb ift, ba mir ibm bereits in einem abgelegenen
Xbeil ber ßSquina begegneten, mo er eine lurje Unterrebung mit bem ©aucho
©il $ere$ pflog. 2)er Diel gemanbte, aber auch Don mablofem ßbrgeij unb
unbefchrdnfter £errf#fu#t befeelte SBorfteber beS ßonoents mürbe fleh laum
feit nun f<hon faft gmanjig 3abren in feiner Stellung ju behaupten Dermo#*
haben, batte er nicht in 23ruber 2)iego einen fo allbeliebten, uneigennüfcigen
greunb unb ©eratber §ur Seite gehabt, beffen unerfchütterliche [Ruhe f#on
manchen beraufjiebenben Sturm befebmoren, beffen unroiberftebli#e greunb»
lichleit manche brobenbe ©efabr binmeg gefächelt.
2>er leibenfchaftliche ßbaralter UgarteS Derleugnete fi# auch in biefem
Augenblid nicht. Seine Schritte maren auffallenb rafch, feine Augen fin*
fter unb mifmtutbig, auf feiner Stirn lagen bi#te Salten, ßr fpra# jiem*
ich laut unb heftig, unb ber Xon feiner Stimme Hang beifer.
„ßr lommt ni#t_er labt auf fuh märten-mir harren DergebenS.
ßS ift lein ©runb für fein langes Ausbleiben — lein ©runb, als bie mobl
überlegte Abft#t mir ju f#aben, mein Anfeben ya untergraben, 2Rifjftdnbe
unb gehler ju entbeden, bie ihm eine 2Baffe gegen mich in bie £dnbe liefern
mögen."
„ßS mar eine ftilrmifche, entfefcenoolle Aa#t", entgegnete ber ©reis.
S)er ©ampero braufte mit unerhörter 2öutb, unb bie fünbflutbartigen [Regen*
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göffc mBgen bie ffiege in ben tiefgelegenen Sampa! gan§ unter ffiaßer ge*»
fefct haben."
„2lber er batte fchon geftern Mittag, lange bor Uu!bru<b be! Sturme!
hier fein muffen, menn er meiner Sffieifung gefolgt mdre. 2)a! ift e! eben:
er trofct meinen jffiißen, er gefallt ftd? in feiner Unabhängigst, er miß mir
jeigen, ba& ich leine Uftacht über ibn habe. 3$ mar berblenbet, gerabe ibn
nach Secoleta $u fenben, mo er ftch einen ®nblic! in meine $ldne berfd&aßen
lann, ber mir leidet berberblich merben mag. $ätte ich nicht felber geben
ober menigften! einen Slnberen mit biefer »ertraulichen SWiffton beauftragen
lönnen?"
„$u burfteft ibn nicht umgeben, nacbbem er felber ben ffiunfcb au!ge*
fprod&en, ba! ßlofter oben in ben Sergen $u befudben."
„3$ burfte nicht ? 3ft meine 2ßacht fchon fo befchrdnlt, baf$ mir nicht
einmal bie Verfügung juftebt, tiefem ober Qenem eine Senbung, einen befon*
beren Auftrag anjubertrauen ? ßßufj ftch ber Sorfteber be! ©onbent! ben Sau«
nen beg jüngften Orben!bruber! fügen ?"
,Manuel ift jung an Qabren, aber reif an ©rlenntnijj unb ftarl im
SBißen."
„6o ftarl, baj$ er bereit! leinen anberen Sffiißen mehr über bem feinigen
anerlennt."
„£at er ftch eigenftnnig ober unerebrbietig ermiefen ? SDticb moßte bisher
immer ba! ©egentbeil bebünlen."
„SBeil S)u ibn nach bem äußeren Schein beurtbeilft. ©r ift ein gleifc
nerifcher Heuchler, ber $onig auf ben Sippen, aber ©ift im ^erjen tragt,
deiner bon ©udb lennt ibn, er täufcht ©ucb 2lße;—ich aßein burchfchaue ibn."
„Sruber, S)u bift ungerecht! 55u begirtnft mit bem barten Urtbeil, ohne
bie begrünbete Hnllage borau^ufchidten."
„2Ba! nufct bie Blnllage? 2Ber foß rieten jmßcben ibnt unb mir? ÜRo$.
habe ich leine banbgretflichen Semeife, nur eine innere Stimme toarnt mich bor ibm
©r ift mein Seinb, er fucht mich ju berberben, aber feine Schlauheit Idfct ibn fo
bebutfam $u SBerle geben, ba6 e! mir nie gelingen mirb, ibn eine! mirlli$en
Vergeben! ju überführen. SBäre er minber fchlau unb borftchtig, ich mürbe
mich feiner fchon längft entlebigt haben."
„ßeine Uebereilung, Ugarte! Sebenle bie bringenben ©mpfebfungen au!
JRom; ÜDtanuel tarn im au!brüdtli<hen Sluftrag be! bochmürbigften Sater*©ene*
ral! hierher. ©! bie|e ber böchften Slutoritdt trogen, moßteft S)u feinem fer*
neren Serbleiben im ©onbent £nnberniße entgegenfteßen."
„S)a! ift e! eben, ma! mir ihn fo berbafct, fo unerträglich macht 1 /' rief
Sater Ugarte. ,,©r ift hierher gefanbt, mich ju übermachen, ein unerfahrener
Jüngling ben gereiften üßann! ßßebr al! brei&ig 3abre habe ich weine beften
Kräfte bem 2)ienft unferer heiligen Kirche in biefem entlegenen SBinlel ber
©rbe gemibmet; treu unb gemißenbaft harrte ich «ater ben fchmierigften Ser«
bdltnißen auf meinem Soften au!, jebe! eigene Qntereße bem groben ©emein*
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tüefen opfernb. 9lun, b a enblidj bic größte meineg unermübtiChen ©Chaffeng
gu reifen beginnen, ba eg mir na(b gahllofen Kämpfen gelungen, ben ©nflub -
ber Kirche auf bie ©efChide biefeg Sanbeg ftcher gu ftellen, mißtraut man
meinem reblichen SBillen, meiner gähigfeit, finbet eg nicht langer ftattbaft,
bab ich nach eigenem ©utbünfen »erfahre, fonbern bemüthigt mich burch Hb*
fenbung eine! überfTüffigen [Rathgeberg, ber ftch fchon im erften gahre feinet
£ierfeing anrnabt, biefeg Sanb unb feine »erhältniffe beffer gu lennen, alg ich
felber, eineg heinttüdifchen ©piong, ber meine Üffiorte unb $anblungen be*
lauert, um fte entftetlt meiter gu tragen unb meinen geinben gefährliche SBaffen
baraug gu fchmieben! D über biefen fchnöben Unbanl, biefeg unnatürliche »e*
»ormunbunggfpftem, bag {eben Mm ber ©elbftachtung, ber ©elbftthätigleit er«
ftidt!"
„[Rieht alfo, »ruber, nicht alfo!" »erfefcte fopffChüttelnb ber ©reig, inbem
er mie mabnenb unb abmehrenb bie gitternbe [Rechte augftredte. „S)u thuft
Manuel Unrecht, S)u »erfünbigft S)iCh gegen unferen heiligen Orben. ©oU i(h,
ber fchlichte, altergfchmaChe Orbengbruber, S)ir, unferem erleuchteten, in ber
güHe ber Äraft ftehenben gührer unb »orbilb, feine erhabenen 3^ede, bie
Mittel unb SEBege, bereu er fi<b gu bebienen pflegt, in’g ©ebächtnib rufen ?
2Bir ftnb nur Htome eineg meltbcmegenben ©angen, ©lieber einer ben ©rbbaU
umfchlingettben $ette; aber ohne bie Shätigfeit beg Htomg fänte ber SBeltlauf
gum ©tillftanb, unb memvein eingigeg ©lieb ft<b loglöfte, märe eg um ben
#a(t ber ßette gefächen. 2)arunt ©ebulb unb Hugbauer, ©eborfam ben
Oberen, $reue bem Orben. geber ftrebe gum ©angen unb erfülle feine Pflicht
getreulich big an’g ©tbe. Gg mirb »on ung bereinft [ReChenfChaft »erlangt, hier
unb bort; — mohl Stern, ber fte mit gutem ©emiffen unb freubigen $ergeng gu
geben »ermag!"
©n hcüeg ©lodChen ertönte. Ugarte trat an’g genfter unb fdhob ben
grünen Vorhang etmag gurüd.
„S)a ftnb fte!'' rief er lebhaft. „SRanuel unb ber 2Jtejsner gelippe reiten
foeben in ben #of.</
„gCh mubte, bab er heute noCh fommen mürbe", »erfefcte S)iego. „[Rimm
ihn freunbliCh auf, befämpfe 2)einen Unmuth unb höre feinen »eriCht. © barf
ben fdhlimmen Hrgmohn nicht ahnen, ber Steine »ruft gegen ihn erfüllt. £hu T
eg mir gu Siebe, Ugarte! Uebe SRaChftcht unb fei »erföhnlich!
S)er $rior beg Gonuentg brüefte bie $anb beg ©reifeg. ,,S)u lennft
mich, S)iego; iCh meib mich gu beherrfchen."
SBenige Hugenblicfe fpäter melbete ein Saienbruber bie Hnlunft beg $ater
ÜJtanuel. Ugarte erklärte ftch gu feinem Empfang bereit. Ster junge »riefter trat
in bag ©emaCh, »erneigte ftcb ehrerbietig »or bem $rior unb fübte $ater
S)iego bie ihm freunbliCh jum ©rub entgegengeftreefte [Rechte.
„Sei mir gegrübt, »ruber SWanuel, S)u bift lange auggebfieben", fagte
Ugarte im $one fühlen ÜEBohlmoUeng.
„SEBir maren S)einetmegen fChon recht in Sorge, mein Sohn", fefcte
29
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iCl
436 •
1
2>iego liebrei$ bin$u. „©emifi but 2)ich ber ©turnt überragt utib teilte Steife
bewert."
,,©o ift eS, mein Bater. ©S mar ein unerhört fdbaurigeS Unmetter, baS
geftern 2Ri(tag über bie BumpaS IcSbracb. 2Bir tarnen Dom regten SBege ab
unb fud&ten ftunbenlang nach ber ©fiancia. 3um ©lüd erteilten mir uor
©nbrudb ber Bacht eine bon 5)on ©Scooebo’S §acienbaS, mo uns bie guten
BdcbterSleute ein treffliches Nachtquartier bereiteten. Sange bor ©onnenauf*
gang braten mir beute mieber auf, mußten aber auf Ummegen bie ©trabe §u
geminnen fuchen, ba bie BumpaS noch auf meite ©tredeit unter SBaffer ftan*
ben."
,,©S mar $on ©ScooeboS £acienba, auf ber 3br bie Nacht ^brachtet ?"
fragte ber Sßrior überrafcht.
„$iefelbe, bie er mit feiner jungen ©attin ju beheben gebeult. 2Ran
traf bereits ade Vorbereitungen ju feinem empfange."
„$aS ift ja ein recht munberbareS 3ufummentreffen", meinte Ugarte,
ben forfcbenben Blicf feft auf ben jungen ^riefter geheftet.
„dRabonna butte ftchtlich unfere ©cbritte gelenft", fuhr biefer unbefangen
fort. „$Bir mürben bfe fcbredenSoode Nacht unter freiem $immel faum
überftanben buben. UeberbteS maren mir nicht ftcber bor rduberifchem
Ueberfad. $ie Banbe BuSqualeS ift aus ben ©ebirgen berborgebrochen unb
treibt in ber Umgegenb bon Sa [Recoteta ihr dßefen, fod ft<b fogar fchon in. bie
BampaS berabgemagt buben. Mehrere Neifenbe ftnb überfallen unb auSge*
ptünbert ober gefangen genommen morben, um ein Söfegelb ju erprejfen. 3 n
Sa Becoteta hegt man emftliche Befürchtungen. 2)er ebrmürbige Buter ©uar*
bian Id&t 3)i<h bitten, bei ber [Regierung auf fofortige ©ntfenbung einer Keinen
$ruppenma<ht jum ©cbu| beS ßlofterS gu bringen, baS, ohne BertbeibigungS*
mittet, bei einem Ueberfad mit adern mertbboden Beftfc eine leichte Beute ber
Banbiten merben müfcte."
„$a ift ©efahr im Befuge", entgegnete Ugarte. „3<h lernte BaSquate;
er mürbe nicht anfteben, feine rduberifche £anb felbft an baS ©igentbum ber
Kirche ju legen. 3cb mufs noch beute mit bem Bruftbenten reben. SGBie ftebt
eS fonft in Sa Becoleta ?"
„Seine Aufträge, ebrmürbiger Buter, ftnb bodfübrt, mie ich buffe, §u
deiner 3ufricbenbeit", fagte ÜRanuet, einige Bupiere aus feiner Brieftafcbe
nebmenb, bie er bem Brior überreichte. „Siefe Briefe unb Socumente merben
Sir bemeifen, baf$ ich mich in 2ltfent beftrebte, deinem 2Biden gentdp su banbeln.
Sie Berbaltnijfe ju Sa Becoleta ftnb in jeber «ginftcht befriebigenb. SaS filoffcer
rnöcbft unb gebeibt; eS geftattet ftch immer mehr $u einer feften 3mingburg
unfereS göttlichen ©laubenS, junt unerfchütterlichen $ort ber heiligen Äirche
unb ihrer ©etreuen. Brüher SUoarej bermaltet baS fchmierige 2lmt eines
Bater ©uarbian mit feltenem (Eifer unb hoher SBeiSbeit; er ift feinen Unterge*
benen ein leuchtenbeS ©jempel, ein unablafftger ©pom, aden ©laubigen aber
ein gütiger Bater unb meifer Berater. ©S mar feine Slbftcbt, in ben ndchften
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SEBochen jur Stabt $u tommen, ba er mit Sir ju reben wünfcht; meine SKiffum
bewog ibn jeboch, biefen Stefuch auf gelegenere 3«t ju öerfchieben."
„Jft ber fd&riftlicbe 5ßerlet>r mit ber SDlutter ©otteS aui in feinem SBejirt
in’8 Sieben gerufen ? $at er bie ibm anempfohlene Sluffotberung an bie grauen
unb Jungfrauen beS ©ebirgSfprengelS erlaff eji ?"
„SaS ift eS eben, ebrwürbiger Sater, worüber et mit Sir ju beratben
wünfchte."
„Setathen ? Gr bat meine Slnotbnung in SoUjug ju fefcen."
„Gr unterließ e§ aus gewichtigen ©rünben, bie et Sit but<b meinen Stunb '
tunb tbun labt."
„Sab böten!"
„Sater Sltoarej begweifett bie Smecftttäjjigteit biefer fDtaßregel; fa et gebt
weiter unb hält fie gerabeju für eine gefährliche, bie baS Slnfeben ber .Kirche
erfcbüttert unb ihr einen Sbeil beS SobenS raubt, ben fie nach ferneren Kam»
pfen in biefem Sanbe errungen."
„Seere Sefürdjtungen, leine Seweife!"
„Stenn eS ficb auch nicht leugnen Iaffe, bab fie unter bem weiblichen Sbeil
ber Sepölferung groben Slntlang unb willigen ©eborfam flnben werbe, ftebe
boch »on Seiten beS männlichen ein ebenfo entfchiebener SBiberftanb in SluS*
ficht. GS würben babei im Schoobe ber gamilien Gonflitte b«tPorgerufen,
welche bie religiöfe ©efmnung beS SolteS untergraben, bet Kirche nachteilig,
bem Orben aber gerabeju oerberblicb werben mübten. Sei ber Sanbbeoölfe*
rung werbe biefe SGBirfung ganj gewib eintreten; eS fei jeboch feine fefte lieber*
jeugung, bab fte auch in ben Stäbten nicht auSbleiben tönne."
„ÜJleine Jbeen! ©anj meine Jbeen!" murmelte leife Sater Siego, ber
bet ruhigen JRebe beS jungen DtbenSbruberS mit grober Slufmertfamteit ge*
laufcht hatte.
„Seine Ginwänbe überjeugen mich nicht," fagte ber ißtior fcharf unb
feft. „Steht bie Autorität bet Kirche bei biefem Solle auf fo fchwadben gäben/
bab f ie nicht einmal in Singen, bie nur ben ©lauben angeben, ihre ©ebote
butchjufehen »ermag ? Sollen wir bie ganje aOlachtftellung, ben unberechen*
baren Gihflub, welchen uns bie Staßregel fichert, opfern, weil ihre Surch*
führung einige Kämpfe toften mag, weil unfere ©egner, bie ftcb burch fie »on
allen Seiten bebrobt fehen, benen wir bie SebenSaber unterbinben, heftigen
ÜJJfberftanb leiften werben ? Sie Kirche unb ihr Stecht — unb wenn bie Grbe
barübet in Stümmet fiele!"
„3<b habe $ater Sltoarej bas 2lHe8 auSeinanber gefefet, habe bie 2Jtaß*
regel träftig »ertheibigt, er aber beharrte auf feinet SDteinung."
„Unb ich auf ber meinigen. ©enug baoon! Jch werbe bem Sätet ©uat»
bian meinen Sffiillen nochmals in entfchiebener Steife tunb thun; er weiß bann,
WaS feines SlmteS ift."
„SBenn Su ihm Seine Sefehle jugehen läffeft, berüdfuhtige jugletch biefen
Stief, ber mir ju Sa Secoteta burch einen auS bem Sorben angelangten Steten
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eingehdnbigt mürbe", fagte Manuel mit fd&einbarer $uhe unb ©leichgültigfeit,
bem Sßrior ein lleined gufammengefalteted Rapier überreid&enb. „2)tan fagte
mir, fein Inhalt er^eifc&e fchleunige drlebigung. 3$ glaubte internem
Sinne gu hanbeln, inbem ich ibn erbrach unb einftmeilen bie nötigen
Verfügungen traf, bie jje^t deiner Veftdtigung harren."
Ugarte ^atte ben ©rief ergriffen. Sie Huffchrift fchien ibn ftufcig gu
machen. <5r rnarf Manuel einen prüfenben Vlidt gu, in meinem fidb ÜJli&trauen
audfprad?. Ser junge ^riefter trug jebod) eine folche Unbefangenheit girr
Schau, bap ber bei bem Sßrior auffteigenbe Slrgmohn aldbalb mieber fchmanb.
©r entfaltete ben ©rief unb lad. Schon bei ben erften 3etlen gerietb er in
bö<bfte Veftürgung.
„£a, eine unermartete Srauerlunbe!" rief er,> mit ber §anb rafdh nach
ber Stirn fabrenb, bie Sippen bebenb, bad 3luge ftarr auf ben Vrief geheftet.
„2Bad giebt ed? 2Bad melbet ber Vrief?" fragte ber greife Vruber
Siego, bem bie plöfcliche Verdnberung im SBefen Ugarted nicht entgangen mar.
„Sie Nachricht mirb Seinem milben$ergen mebe tbun, ebrmürbiger Vw#
ber", verfefcte Vtanuel.’ „6in erbbeben bat bad ßlofter San Vofario gerftört.
Ser Vrior unb einer ber Vrüber haben ihren Sob gefunben. Vebro melbet,
baf* mir er unb ber Pförtner bem Verh^ngnip glücflich entronnen feien. 2luch
eine bem SBabnfmn verfallene Sc&mefter, bie bort verpflegt mürbe, blieb unver*
febrt. Sie ©eretteten, für bie ed in jener unmirthlichen ©egenb lein anbered
Obbach giebt, haben ft<b nach 2a SRecoleta gemenbet, mo fie ftünblidj eintreffen
mögen. 3u ihrer Aufnahme, befonberd gur Verpflegung ber Uranien, mürben von
mir einftmeilen bie nötigen Vorlehrungen getroffen."
Ugarte'd bleichet Slntlifc hatte ft<b mahrenb bed 2efend noch mehr entfärbt.
Obmohl er langft bamit gu Gnbe fein mufjte, ftarrte er noch immer auf bad
Rapier, unb nur gang fchüchtern ftahl fich einer feiner Vlide nach bem Ueberbringer
bed für ihn offenbar fehr mistigen Schreibend hinüber. Manuel befchdftigte
fuh audfchliefjlich mit bem greifen Siego; fein ©efchdft mit bem Vrior mar er#
lebigt, er fchien für biefen leine Slufmerlfamfeit mehr gu haben.
„Su haft' ben 3nbalt bitfed Schreibend bem Vater ©uarbian von 2a
SRecoleta mitgetheilt ?" fragte ber Vorfteher nach lurger Vaufe, wdhrenb melcher
er offenbar einen ©ntfchlufc gefaxt, tn ruhigem Sone, ber laum noch eine Spur
feiner rafch bemeifterten Vemegung verrietb.
„Sollte ich burch Erbrechen biefed Vriefed bie mir ertheilte VoKmadbt
überfchritten haben ?" fragte SJtanuel mit ber ihm eigenen Untermürfigleit.
„3<h mar lange gmeifelhaft; enblich fiegte bad Verlangen, einer Sache von
ÜEBichtigteit nidbt etma burch unnüfcen Vergug gu fchaben. Vater Sllvareg
beftdrlte mich in meinem ©ntfehlufc. 3<h theilte ihm bann bad unglüäliche
©reignifi mit unb ermächtigte ihn gur Aufnahme ber Obbachlofen. Vift Su
ungufrieben mit meinem Verfahren, ehrmürbigfter Vater ?"
„Seicht hoch; ed ift gut, mad Su gethan, Vruber 2ttanuel", fagte Ugarte,
in freilich fehr lühlem Sone unb mit einem laum bemerlbaren SRiden bed
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«gaupteS. „^öffentlich mtrb man ju Sa [Recoleta im Stanbe fein, ber armen
ßranfen bie nötigen SBequemlichfeiten ju oerfdpaffen."
„50er $ater ©uarbian muhte mir besprechen, ihr bie größte Slufmerffam*
feit ju fd&enfen, zugleich aber fte in ftcherem ©emahrfam ju palten, ba ich auS
bem Schreiben SßebroS erfah, bah 2>u lebhaften Slntheil an ihrem Schief fal
nimrnft."
„Sie ift mir fremb", fiel ber SPrior rafch ein; „hoch hWt ich eS für Pflicht
ber 9Renfchli<hfeit, für bie Unglüdtliche $u forgen, ba fte in biefem Sanbe meber
greunbe, noch Singehörige beftfct. S3or einer [Reihe bon fahren lam Schmefter
gnejmit guten Empfehlungen auS Spanien herüber, geh berfchaffte ihr ein Untere
fommen im ßlofter ber Earmeliterinnen $u SBalparaifo. SBalb umbüfterte ftch ihr
©eift, unb nach unb nach berfiel fte in bölligen SBahnftnn. 3 <h mochte fte nicht ber
öffentlichen grrenanftalt überliefern, unb ba ftch bie Siebte bon einem Slufent*
halt in einfamer ©ebirgSgegenb gute üBirfung berfprachen, fanbte ich fte nach
San [Rofario. Seiber fanb fte auch bort nicht bie gehoffte Teilung; ihr S^ftanb
berfchlimmerte ftch, fte berfiel in Sobfudjt-"
„3ch berftehe, eprmürbigfter Spater, eS blieb 3 U ihrer eigenen Sicherheit
nichts SlnbereS übrig, als fte in ben unterirbifchen ©emölben beS ßlofterS ein®
jufperren.... EntfeplicpeS Sd^idfal! SRan meifj nicht, ob man bie munber*
bare [Rettung ber Slermften als ein ©lüdf erachten ober fte beflagen foH!"
//3<h freue mich ihrer", fagte Ugarte mit [Rachbrucf, „unb erblidte barin
ein 3*i<hen beS Rimmels, bah er ftch ber fehler geprüften Schmefter noch gnä*
big ermeifen mill."
Sie Spür beS ©emacpS marb behutfam geöffnet, unb ber Saienbruber trat
mieber herein.
. „ES ftebt ein üRann unten, ber ben eprmürbigften Spater $Prior im tarnen
Son EScobeboS gu fprechen oerlangt. Er nennt ftch ®il SPerej."
„Sah ihn fogleich herein. 3$ Mn bereit, ihn ju empfangen", entgegnete
Ugarte, bem bie Unterbrechung ermünfept $u fommmen fepien.
Ser Saienbruber trat ab.
Sßater SRanuel näherte ftch bem SPrior.
„fßemt Su mir feine meiteren [Befehle ju ertheilen tJaft, ehrmürbigfter
SBruber, fo miH ich nach ber Sacriftei hinüber gehen, um bie [Borbereitungen
für bie abenblicpe SReffe treffen ju helfen."
„3cb heih« Sich nicht gehen, 33ruber SRanuel", fagte Ugarte mit befon*
berer Betonung. „ES ftnb feine ©epeimniffc, bie ich mit bem [Boten beS
reichen 2RanneS ju oerpanbeln habe; menigftenS nicht für einen getreuen J)iener
ber ßirepe, für ein aufrichtig geftnnteS ©lieb unfereS erhabenen OrbenS, beffen
3mecfe mir Sille ju förbern berufen ftnb."
' „Söohl Sem, ber fte gleich Sir *u förbern oerfteht", oerfepte 2Ranuel ein*
fcpmeichelnb. „2Bo ber Sehrer hanbelt, maS bebarf eS ba beS Schülers ?"
„$omm, mein Sohn, geleite mich nach meiner 3eUe", bat Siege, bem
jungen Sßriefter bie £anb entgegenftredienb. „Ser Sag mar heifs, unb ich
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möchte mi4 wohlein ©tiinbdjert bet 9tuf>e überlafien. ©ieb mit Seinen 2Itm,
bamit icf> tni<^ auf ihn ftüge."
ÜDtanuel ftanb fogleid) an bet ©eite beS Steifes, bet fi4 an feine
©pultet lernte «nb mit gtoher SJehutfamleit »on ihm ans bem ©ema4 ge*
leitet umtbe.
7. Ser Sauf4er.
Saum Ratten bie 6eiben an Sagten wie in ihrer ganzen dufferen ©rf4ei*
nung fo »etf^iebenen OtbenSbtüber baS ©ema4 »etlaffen, als burdj bie ent¬
gegengefegte Sbüt ©il Sßerej, bet ßaud;o, eintrat. Ugarte halt? ft4 auf einem bet
©ejfel an bem Sif4e niebergelaffen, unb hefdiäftigte fich mit ben ihm »on 2Jta*
nuel üherreidjten papieren. Ser ©au4o blieb nicht lange anf bet ©4wede
fteben, fonbetn ndbette ft4 bem ^rieftet in jwat ehrerbietiger, bo4 auch jiemlich
Jeder, felbftbewuhter Haltung.
„34 bitte um (Suren ©egen, ehrwürbigftet §err," fagte er, als et fcicht
hinter bem ißatet ftanb unb »on biefem fcheinbat nicht bemerlt würbe.
,,©ott gtüjje Sich, mein ©ohn ©il $etej," »erfegte bet gStior mit einet
freunbli4en $anbbewegung, inbem er bie Rapiere bei ©eite fcbob. „$u haft
lange auf Si4 warten laffen.... i<h hätte in bet Shat gehofft, früher »on Sit
}U hören. ©oKte es wirtlich erft eines beftimmten Auftrags Son GSco»ebo’S
bebürfen, um Sir Sein S3erfpre4en ins ©ebdchtnih $u rufen, ober hat Sich
Seine febene SanbSmdnnin, bie argentinifche Ballerina, fo tief in baS.9teg
ihrer fReije »erftridt, bah Sen batübet »etgiffeft, bem Sn baS ©lüd ihrer
näheren Selanntfdjaft »erbanlft?"
„SBerjeiht, ehrwürbigftet ißater, es war nidjt 3ta4tdffigleit, ni4t Unban!,
WaS mich fern hielt.... 34 f4ämte mi4, Guten ©Wartungen, b« guten
SJteinung, bie 3h* »on mir hegtet, fo wentg entfpre4en ju Jünnen."
„2Bie, ©il, es wäre Sit ni4t gelungen, baS §erj unb bamit baS SJer*
ttauen ber.f4önen Sßepa ju gewinnen?"
„SBenn i4 bie SBahrheit fagen fott: nein, ©bewürben. SaS ift fein SDtdb*
4en gewöhnli4en ©4lagS; »4 wufjte eS glei4: Ca brübtn in bet Sltgentina
ift baS ä4te eble SJtetaH ju §aufe, ni4t gligembeS Tupfer, wie hier in ©hili."
„SaS fagt ©il 5ßereg, bet f4mude, unwiberftehli4e ©il, bem alle weih*
li4en $etjen jufliegen?"
„2mt Ausnahme betet, auf bie et es am meiften abgefehen unb bie ft4
f4on anberweitig öerforgt."
,',Sie holbe Sfepa alfo..,.?"
„§at ihr $erj bereits »ertöten; baS ift fi4er."
„Ohne ba| fte SUtabonna ju ihrer Vertrauten gema4t?"
„0, in gewiffen Singen Jönnen bie 2üäb4en fehr f4weigfam fein."
„Unmbgli4; fie fteht feft im ©lauben unb ift Jinbli4en ©emütbS."
„aSieDeicfet fanb fte es aber bo4 rathfam, SUtabonna nur münbli4 unb nicht
f4tiftli4 »on bief« Heincn $ctjenä Angelegenheit in flenntnijj ju fegen."
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„Unb $)er, beit fte ftch auSerfeabU, lebt in Santiago ?"
„34 habe ©runb, es gu bermutben."
„$u tennft ihn, mein Sohn ?"
„Vun, bie Keine $epa mar in biefem Vunlt gegen tnidb ntd&t biel mit*
tbeilfamer als gegen . ÜDtabomta, obfeobl ich mir fonft fcbmeicheln barf, als
SanbSmann mir ihr Vertrauen erfeorben gu haben, baS ich benn auch um leinen
VreiS ber SBelt tauften möd?te. %a, dbrfeürben, ich liebe Vepa, liebe fte feie
nur ein ©au$o ber argentinifeberi Steppe fein flüchtiges Diofj unb fein füfceS
SDtäbcben lieben fann, unb feenn baS S4iäfal fo graufam fein follte, fte mir
gu rauben, bann-"
„Sadjte, fadste, mein Sohn, ®eine bei&e Siebe, bie meine gange ViHigung
bat, giebt mir bie Hoffnung, bafj no4 2WeS gut feerbe. Sab mich nur gefeäb*
ren, i4 .feerbe für $idj arbeiten!''
„214 ja, ebrfeürbigfter Vater, 3b* habt feunberbaten drfolg in folgen
©efdbäften. $>on dScobebo berbanlt durer Vermittlung bie £anb ber fronen
Seontica; fearjum feiltet 3b* n i4t au4 @urem bemütbigften Wiener, bem armen
©il Sßereg, feine $)kpa berfchaffen ?".
„Vor allen Gingen nenne mir ben Vamen Seines VebenbublerS."
„Oebßrt baS gur Sadbe ?"
„2Bie foH icb fonft für Si4 fehlen ?"
„3a, febt, dbrfeürben, baS ift ein eigen Sing.... ein recht gefdbrlicber
9Jtenf<h ift eS, ber eS barauf abgefeben gu haben fcheint, bergen gu erobern unb
Slnbern in’S ©ebege gu lommen. SBenn mich nicht 2WeS trügt, ift es ber*
felbe, ben Son dScobebo gu fürchten batte — biedeidht noch gu fürchten bat/'
Vater Ugarte fuhr erftaunt empor.
„Ser junge beutfebe Kaufmann ?" fragte er febr lebhaft.
„Per dies! ber berbafjte darcaman."
„Unb tbeilt er $epaS ©efüble ? drfeiebert er ihre Siebe ?"
„2Benn er baS tb&te, ich ftdnbe nicht bhr, eS du<h gu Hagen", rief ber
©audho mit funlelnben 2lugen. „Sein $erg feäre längft gur Scheibe» meines
gfeeifebneibigen Solches gefeorben!"
. „2lb, er liebt fte alfo nicht?" ' *
„34 benle, er ahnt nicht, feaS im bergen ber Sirne borgebt. Unb
bei unferer heiligen ÜDtabonna jje las dbacraS, es ift fein ©lücf, bah er es nt<b*
tbut!"
„2lber Su fagteft felbft, bah Si4 Pepita gu ihrem Vertrauten gemalt*
2BaS erfubrft Su über ihre £erlunft?" forf4te ber SPriefter fee Her.
„2IUeS, feaS fte felber barüber feeifc, dbrfeürbigfter, unb baS ift faurn
mehr, als feaS fte bereits ber heiligen 2Jtabonna bertraute. Sie fearb gu
dba4icuco jenfeits ber dorbiltere bon einer alten grau ergogen, bie fte Vtuttcr
nannte, obfeobl ib* bie Seute im Sorfe f4on als fiinb oft fagten, bie grau
habe leine 2lnfprü4e auf biefe Benennung. 2lu4 fchfeebt ihr aus fAbeftcr
’3ugenb eine drinneruttg bor, ba& fte in anberer Umgebung gelebt, in feilben
©ebirgSgegenben umhergejogen unb Bon einem gtofjen, fchBnen «Wanne erl¬
auf ein fdjneeweifseS $ferb gefegt worben fei, baS immer ftitt wie eine «Wauer
ftanb unb fteunblicb wieherte, fo oft baS Jfinb feinem Wüden ahBertraut würbe.
2llS fte baS Bierjehnte Sah* erreicht hatte, teilte ihr eublich bie alte Wege*
mutter mit, was fie Bon ihrer cfjerfunft wu|3te. Qn einer ftümtifdjen Wacht
war ein ßuartero*) nach ber einfamen ßafa gefommen, welche bie grau mit
ihrem bamalä noch lebenben «Wanne bewohnte. @r ritt ein weijjee Sßferb, Wojj
unb Weiter fchieneit auf b en Hob ermübet. 2llS er in’S 3>mmer getreten unb
am geuet feinen SDtantel abgefegt, bemerften bie Seute, bafj er ein fdjlafenbeS
ßinb in feinen 3lrmen trug. GS war ein etwa breijähriges «Wäbdjen; ber Wei«
fenbe wollte nur fein Sßferb etwas Derfdjnaufen laffen unb p<h felber mit
©peife unb Hranl erquiden, bann aber, tvo| beS über bie «ßampaS braufenben
Unwetters, feinen SEDeg in buntler Wacht fortfefcen. Sie guten Seute gaben
fi<h alle «Wühe, ihn baoon abjubringen; fte ftellten ihm Bor, baf» er unb fein
Xh«et Biel ju ermübet feien, um bem tofenben ©türm bie ganje Wacht hinburdj
hohen ju IBnnen, bah eä aber für bas Iranle flinb fixerer Hob fei, in folget
WaBht }u ipferbe reifen ju muffen. Set grembe war unfchlüffig; ein unser*
' meibli«heS Sßerhängnih fdhien ihn non bannen ju treiben, baS leibenbe ßinb
feffelte ihn au baS wirkliche Dbbacf). (Inblich fragte er bie Seute, ob fie f«h wohl
gegen gute ©ejahlung baju Betftehen würben, baS fiinb bis ju feinet ©enefung
ju beherbergen. Sie ehrlichen Seute hätten eS Bon $erjen gern umfonft ge*
than. Ser grembe übergab ihnen baS ßinb unb ein Heines Rädchen mit
Kleibern unb ©efchmeibe; wenn er nicht jurüdfomme, werbe er nach bem
üinbe fenben. Gr nannte ihnen ein beftimmteS Wafjfoort, baS Serjenige geben
müffe, ben er jut Gmpfangnahme beS ßinbeS unb ber ©egenftänbe abfenbe.
Wu<h beutete er an, baS Sinb ftamme Bon reichen Gltern, bie jenfeitS ber Gor*
bittere wohnten unb, feien fte auch für ben Slugenblid genSthigt, fi<h feiner ju
cntäufjern, bereinft boch ben Pflegern reichlich lohnen würben. Wachbem ber
geheimnihoolle grembe ben armen Seuten gehn BoHroidhtige ©olbftüde auf ben
Sifch gejählt unb baS ßinb noch einmal geherjt unb gefüfjt hatte, fchwang er
fich wieber auf fein ermübeteS fßferb, unb trabte in bie bunfele, fiürmifche Wacht
hinaus. SaS Rädchen enthielt allerlei foftbare Kleiber für baS ßinb, barunter
einen reich mit ©pi|en befehlen Wnjug eines ©äuglingS, ber jeboch an Ber*
fdfiebenen Stellen jerriffen unb mit 58lut befledt war. SaS ©efchmeibe he*
ftanb aus einem Wing unb einem mit eblen ©feinen befehlen ßreuj, beibeS of*
fenbar Bon großem SEBerth- Sem hänfen flinbe thaten Wuheunb pflege wohl.
GS erholte fi<h jufehenbS, warb gefunb unb träftig, unb blühte mit ben Wofen
bet SßampaS um bie SEBette. SaS bejahlte fioftgelb war längft aufgejehrt; ber
grembe fam nicht wieber unb fantote auch Wiemanben, ber baS Sßajjwort gebracht
hätte; bie guten Seute aber, fo arm fie auch waren,.hielten baS ßinb wie Iht
eigenes unb bachten nicht mehr baran, fi<h Bon ihm ju trennen. 2lls bet «Wann
*) SReifenber ju 3>ferb.
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ftorb, marb baS 2Räb<hen eine traftige Stufte ber alten grau. Sie batte früh 5 »
jeitig grofte Anlage jum Zangen gezeigt, nun tanjie fie ben ganbango unb
Sambacueca unter ^Begleitung beS SalJ.crio mit einer gertigfeit, bie SllleS
hinrift unb ihr manches fmbfche Stücf ©clb eintrug, menn fte bann bei ben
3uf<hauem bie Munbe machte unb Heine ©abett einfammelte. $Us pepa ibr
ftebenjehnteS gabr erreicht, mar ber Entfchluft bei ihr aur IReife gelangt, einen
SSerfudft jur Slpfftnbung ihrer (Eltern $u machen; augleich miinfehte fte burch ih*
Zalent eine Heine Summe §u ermerben, um baS ©runbftücf laufen ju tonnen,
melcheS ihre Pflegemutter in Pacht batte, unb von bem fte bureb bie £arther$ig*
leit beS 33eftfterS vertrieben rnerben foflte. £)ie alte grau mollte lange nichts
von einer Trennung miffen; enblicb muhte fte Pepa’S bringenbem Verlangen
nachgeben, verftanb ftch aber unter feiner SBebingung ba^u, ibr bie forgfältig
aufbemahrten Schmuäfachen ju überliefern ober auch nur baS von bem grem*
ben erhaltene Paftmort anjuvertrauen, mobureb baS 9)täb<hen menigftenS einen
fcftmachen SfahaltSpunft jur Entbecfung feiner (Eitern gewonnen haben mürbe«
Sie habe einen heiligen Gib gefchmoren, beibeS ju bemabren, unb menn ber
grembe ni<bt jurüeffehre ober einen gehörig beglaubigten Poten fenbe, fönne fte
nur ber Zob von ihrem (Eib entbinben. So verlieft Pepa bie £eimath unb
manberte junächft gen aftenboja, rno fte ihre £unft mit gutem (Erfolg ausübte unb
ben (Ertrag als erfte Potfdftaft ber alten Pflegemutter jufanbte. aflenbo^a ftebt
in lebhaftem SSerfebr mit bem Zbal von Epili; gröftere ÜDtaulthierfaravanen
freuten faft möchentlich bie (Eonbillere. Pepa machte bie SBefanntfdftaftber ©at*
tin eines 93aqueano*), ber fte ftcb auf ber Oteife nach Eopiapo anfcploft. 2)aS
Uebrige miftt 3b^ ebrmürbiger $8ater. S)ie PaUerina erntete im reichen Ehili
©elb genug, um ber alten Pflegemutter jjebe Sorge für bie leftten gabre ihres
Sehens su verfluchen, von ben gefuchten (Eltern fanb fte bagegen feine Spur.
SBon ber gruchtloftgfeit ihres PemüftenS überzeugt, münfept fte nach ber 2lrgen*
tina jurücfjulehren, um ihre Pflichten gegen bie Pflegemutter $u erfüllen unb
im galle beS Ablebens ber alten grau no<b baS SEBenige in (Erfahrung bringen
§u tonnen, maS ihr jur Enthüllung beS ©ebeünnijfeS ihrer $erfunft behülflich
fein mochte.''
Pater Ugarte hatte ber (Erzählung beS ©aucho fehr aufmerffam jugehört,
fchien aber nach SBeenbigung berfelben leineStvegS befriebigt, benn er fchüttelte
nachbenfüch baS £aupt unb trommelte mit ben gingern heftig auf bem grünen
SGBachStaffetüberjug beS ZifcheS, mie eS feine ©emohnheit mar, menn er ft<h in
unbehaglicher Stimmung befanb.
„Unb hat 2)ir bie kleine feine nähere Sefchreibung gegeben von ben ßleU
bungSftüden unb Schmucffachen, melche bie alte grau als einziges Erbtheil beS
flinbeS aufbemahrt ?" fragte er nach einer Paufe.
*) 2)aS Sßort kbeutet eigentlih Äuptrci&cr, toirb aber hauptfäplih *on benbeSSBe-*
ge$ funbigen Öübrern gebraust, toclcpe btc SBagen* unb SWauItbicrtarauanen bitrdft bie enb*
Iofen Steppen ber argentimfeften 9>rovingcn unb über bie EorbiUere geleiten.
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„SJetjeibung, ©btwürbigfler, ich »erfdumte banach ju fragen; boch foH eS
auf ©uer 33egel)r alsbalb gefiebert."
„Sieb ju, was Su batüber »on ihr erfahren fannft; fetbft ein Heiner
Umftanb tönnte uns bei 2luffmbung ber ©efuchten gute Sienfte Ieiften. SGBic
tie Sache jefct liegt, habe ich freilich wenig Hoffnung, bem armen ßinbe »on
•Jhtben fein ju lötinen. Sie ©Item mögen Idngft tobt ober nach einem anbern
Sanbe gewanbert fein. 2Ba$ ich injwifchen Sir, mein ©ob«, »erfprach, werbe
idj unter allen Uinftänben halten. Sie jweibunbert Silbertbaler finb Sein,
unb wenn bie »aHetina einem guten Kath »on meinet ©eite jugdnglicb ift, foü
fie felber auch noch bie Seinige werben."
„21 dj, wenn Sbt baS über fie vermöchtet, ©bewürben, meine Sanibarleit
würbe nur mit meinem Sehen erlöfdjen !" rief ber ©aucho mit jener ungejügel*
ten £eftigfeit, bie feinem Semperament eigen.
„3efct jur ^auptfacbe, mein Sohn! Sein Auftrag »on Son ©Scoöebo—?"
„2lch, ebrwürbigfter »ater, für mich ift »ep», bie füge, reijenbe »epa, jur
einjigen $auptfa<he geworben !" *
„Ser wahre ©brift, mein Sohn, »ergibt über bem eigenen 2Bohl nie bie
Pflichten gegen feinen ÜRächften."
„@S ift mitunter recht f<bwer, ein wahrer ©brift ju fein."
„Siefe ßrfenntnifi hilft Sir fchon einen großen Sheil ber Schwierigfeit
überwinben. Sod; was ift ber SSunfcb unfereS getreuen »ruberS in Ghrifto,
beS waderen ©Scoöebo ? gühlt er ftcb glüdlich im SBefift feines jungen, reifen»
ben 2BeibeS, ber gefeiertften Schönheit Santiagos ?"
,,©o glüdlich, frommer SSater, bah er, wie eS mir fcheint, laum recht weih,
was mit biefem Uebermafi beS ©lüdeS anjufangen. Sie Stabt mit ihren »ie*
len Serftreuungen unb »erlodungen bünlt ihn fein geeigneter 2lufenthalt für
bie wunberfchöne, mit ben ©efahten ber SBelt noch wenig »ertraute Sonna, unb
baS Sanb — o weh ! bei bem burch eine gute Sofis Sangeweile gewürjten SSer=
lehr mit »lunten unb Kolibris gewinnt ein bejahrter ©begatte auch nicht eben
an »eigen. 'S ift ein Sammet! So ein reicher SDtann hat nun 2WeS, waS
fein $erj begehrt, aber ein bissen Qugenb unb grifche tann’er fich hoch mit
all feinem ©elbe nidht jutüdlaufen !"
„Su willft bamit hoffentlich nicht fagen, mein Sohn, bah $onna Seontica
ihrem würbigen ©atten Utfacbe jur Unjufriebenbeit gäbe l"
„SBchüte! SDtabonna würbemidb ftrafen für folche »erldfterung ! Sennora
ift gewih bie rechtfdjaffenfte, braofte, pflidbtgetreufte ©attin — was fannfiefür
baS SUlihoerhältnih ber Sabre unb ber dufteren ©rfcheinung, welches nun ein»
mal jmifchen ihr unb bem ihr angetrauten ©atten beftebt? Son ©Sco»ebo aber
nimmt ftcb baS fehr ju £erjen, et ift »erftimmt, aufgeregt, »erdnbert in feinem
ganjen SStfen. £eute will er bie Stabt »erlaffen, morgen entfchliefjt er fich
wieber jum »leiben; eS ift recht fcbmer jefet, mit ihm auSjutommen,. fo fehr
auch baS 2luSfomtnen mit einem reichen {Kanne Sebem am $erjen liegt."
„Unb wie lautet ber Sluftrag, ben er Sir ertheilte, ©il ?"
I
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„©r entbietet ©uep feinen ©rufe, ©hrmürbtgftec, unb td|t ©u<p bitten, beS
ihm gegebenen SSerfprecpenS eingeben! 311 fein, 2)onna Uraca fomohl als feine
©attin gur foforttgen Unterzeichnung jenes $ocumenteS zu bemegen, melcpeS
baS gange Vermögen ber beiben SennoraS auf ihn überträgt. ©r fSnne bie
Stabt nicht neriaffen, eh* biefe Slngelegenpeit georbnet fei* Sich felber
bamit zu befajfen, nerbiqte ibm fein 3 artgefüpl unb bie ber ©attin unb
Scpmiegermutter fcpulbige SRüdftcpt; bagegen ift er überzeugt, bajj eS ©uep
bei ©urer Stellung unb bem ©influb, ben 3ftr über bie $onnaS befi§t, ein
Seichtes fein »erbe, bie Sache mit ber nötigen SBeputfamfeit einguleiten, zu*
gleicp aber mit folgern SRacpbrud zu bepanbeln, bab ein befriebigenbeS JHefultat
niept auSbleiben fonne."
später Ugarte ftüfcte benßopf in bie Rechte unb festen nacpgufmnen. „©in
mehr als munberlicpet Auftrag", fagte er, einen forfchenben 93Ii<f auf ben ©auepo
merfenb. „Silur ba er non einem fo erprobten greunb # unb treuen Sohn ber
Äircpe fommt, fühle ich mich geneigt, ihn in ©rmägung z u ziepen. S)on ©Sco*
nebo fpraep mit mir barüber, ich hielt es für eine feltfame Saune. 9iun fepeint
eS ihm bennoep ©rnft zu fein. 2BaS in aller SBelt (ann er bamit begmeden ?
$onna UracaS Vermögen ift gering, es mürbe mie ein tropfen in ben reich
gefüllten Schab beS 2JiillionärS fallen-"
„2Jtan fpriept banon, eS fei ein älterer Sohn oorpanben gemefen-"
„3a, ja, S)onna Uraca hatte einen Sohn, er ftarb als Keines ßinb ober
rnarb ihr geraubt — maS änbert baS an ber Sache ? ©in SDlann non bem
föeicptbum unb ben cpriftlichen ©runbfäfcen 2)on ©SconeboS fann unmöglich bie
Slbftdht haben, biefen Sohn, auch menn er lebte, feines geringen ©rbtheilS zu
berauben. $ier rnüffen anbere ©rünbe obmalten, bie ich jeboch in biefem
Slugenblid nicht zu burchfcpauen oermag."
„©rünbe — 0 gang gemib, ©prmürben", oerfefcte ber ©aucho mit bebeut*
famem Säcpeln. „©in fo reicher unb fluger ÜJtann mie S)on ©Sconebo thut
ficperlich nichts ohne gute, reiflich ermogene ©rünbe."
„£ätte er 2 )ir eine Slnbeutung gegeben ?" forfepte ber Später.
„§Ur? 0 nein, maS er ©uch, bem geiftlipen©eratber,.oerf<hmeigt, mirb
er mir, bem nieberen Wiener, noch uiel meniger annertrauen."
„ 2 lber 5)u lönnteft auf Oberem Söege...."
„©tmaS barüber erfahren haben ? SRun, baS miß ich nicht gang in Slbrebe
ftellen. 2Jtan taufcht feine SDteinungen fo mit tiefem unb Säuern aus, unb
habet ereignet eS ft<h manchmal...."
„Ohne Umfcpmeife, maS meibt 2)u, mein Sohn ?"
„©i, ich mabe mir nicht an, irgenb etmaS gu miffen. * SBieUeicpt fteht eS
in gar feinem 93eguge gu ber Sache, um bie eS fiep hier hanbelt. ©S ift eben fo
eine alte ©efepiepte, mie man fte mitunter burch 3ufaH erfährt, an ber etmaS
fein unb an ber auch nichts fein mag. SDtan follte begleichen gar nicht meiter
ergählen."
„Sprich offen heraus, ©il spereg. $u meibt, ich meine eS moht mit
2)ir unb geige auch nicht mit bem Sohn mie 3)ein $err, S)on ©Scooebo, ber
trofc feines SReicpthumS geleiftete Sienft nicht immer in ber rechten Sßeife aner*
fennt. $omm, nimm hier an meiner Seite Spiap — mogu baS ceremonielle
Sßefen gmifepen greunben ? Sab mich Seine ©efepiepte hören, mein lieber Sohn."
(gortfefcung folgt.)
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446
<3ur Maccnfragc-
Son S&epfcot V5fd?e. (©aftmgtott.)
Touat toünfcbt burcb feinen Sluffafe int STOar^eft eine Tigcuffion über bie
IRacenfrage berbeijufübren. Ta bieg eine ber toicbtigften gragen ift, bie je
non ber äKiffenfcbaft bebanbelt toerben fönnen, unb ba, toie ich glaube, tnebr
Sicht über biefelbe oorbanben, als big je^t in toeitere Greife gebrungen ift, fo
toiU icb 2)ouai T g SBunfcb gemdfj bie Tigcuffion ber grage oaburd? fortfefcen,
bafj icb in Bürgern meine dimoenbungen gegen feine Anficbten barlege*
3und<bft nun fcbeint eg böcbft oertounberlicb, bafs Touai bie non ibm
gehegten Anficbten über bie betreffenbe grage alg eine neue #ppotbefe
auffteUt. Sollte er nicht toiffen, bafj bag augfubrlicbfte etbnograpbifcbe 2Berf,
bag non $Prit<barb, nor 40 gabren bie £>ppotbefe nom fcbtoargen Abarn auffteflte ?
©egemodrtig aber ift biefe grage bur<b Karmin gur bebeutenbften unb amaUge*
meinften bigcutirten Streitfrage in ber ataturmiffenfcbaft getoorben. Tie
dtbnologen ber SBelt liegen im beftigften / erbittertften Streit mit einanber ob
ber grage: e i n Abam ober mehrere Abamg ? Unb toenn bie grage für
einen entfcbieben ift, bann entbrennt bie neue über bie garbe beffelben, ob
er febtoarg, toeifj ober graubraun getoefen. Touai gehört feinen auggefpro*
ebenen Anfi(hten nach offenbar gur Partei beg fcbtoargen Abam, aber nicht gum
rabitalen glügel berfelben ; benn er halt ja, toenn er ben Stammbaum ber
Teutfcben auffteUt, bei ben fcbtoargen üftegerabnen iune, todbrenb Siele ber
Tartoin’fcbsn Schule einen Schritt toeiter geben, unb bie Abftammung
ber SUeger oon ben Affen annebmen.
Huf Heubeit bat alfo Touai’g £ppotbefe, toie gebermann feben fann,
leinen Anfprud? ; ift fte aber richtig ? gaffen mir ben $unft, um toelcben eg
ft<h im gangen Streit banbeit, einmal fcharf ing Auge. gebermann giebt gu,
bafj ein Unterfdjieb unter ben ÜDtenftben beftebt, bafj Sibtoarge ficb oon
SBeifjen unb ©raunen unterfcheiben. Ter ©rab beg Unterfcbiebeg jeboeb toirb
oerfchieben angegeben. Tie dinen feben benfelben nur gering an, nicht gröber
alg g. ©. ben gtoifeben tauben, b. b- fie halten bie oerfebiebenen UJtenfcben*
racen nur für Abarten, Sarietdten berfelben Specieg, toelche fi<b aug oerdn*
berter Suft, Nahrung unb Sebengtoeife erfldren laffen. Touai fpricht ohne
Utüdbalt aug, bab bie Sfteger gang gut einmal Teutfdje toerben lönnen,
oorgüglicb, toie et glaubt, bureb guten Turnunterricht. Tie Dudler ftnb im
Allgemeinen geneigt, bie garbe unb bag gange Augfeben beg ÜRegerg auf
Mangel an Seife uno an 3*it gum 2Baf<ben gu febieben. Tieg ift bie Partei
ber 2Monogeniften, gu ber fo giemlicb bie gange SBelt gehört, bie ihr ©laubeng*
belenntnifj in bem erften Kapitel ber ©ibel niebergelegt finbet, gu toelcbem bie
gelehrten Vertreter dnglanbg, granlreichg unb Teutfdjlanbg nur oariirte
Kommentare fchrieben.
Tie Partei ber $olpgeniften lann fich toeber auf fo ebrtoürbige, noch fo
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meitfcbicbtige, geteerte $olumenteberufen; fie bat nur eine grobe $batfa<be
als SBaftS i^rer Slnfcbauung, aber biefe &batfa<be ift entfebeibenb. ©oll bie (Einheit
beS SJtenfcbengefcblecbtS im ©inn ber ÜDtonogeniften feftgeftetlt »erben, fo
gehört baju ber SRacbweiS, bab einmal, irgenb einmal, eine SB&rietät ber
2Renfcbb«t in bie anbere übergegangenfei, bab einmal au$ einem ©<b»ar$en ein
SBeiber, ober auS einem ÜEBeifjen ein wahrhaft f(b»arjer, rotber ober brauner
2Renf<b geworben fei. 3)ie Saft oiefeS SöeweifeS liegt !lar unb beutticb auf ben
9Ronogeniften. Gr ift nirgenbS geliefert worben. $amit ift bie ©a<be ent*
febieben. 2>a eS aber in ber SRatur oer pofitioen üEBiffenfcbaft liegt, SllleS ju
beachten, was auf eine grage 95egug bat, alle Gbancen in Erwägung ju gieben,
bie mögticberweife ber grage eine anbere Üffienbung geben lönnten, fo ift jeber
gall genau unterfuebt worben, wo eine Diace in biametral berfebiebene natür*
liebe SBerbältniffe gebraut würbe. $ie Antwort war ftetS btefelbe: Äeine,
burcbauS leine SBeränberung ber urfprünglicben IRacencbarattere. S)er
^odänber unb Gnglänber, bie blonbeften ber Germanen, au$ bem feuchten,
falten £otlanb unb Gnglanb na(b bem warmen unb trodenen Gaf) ber guten
Hoffnung unb nach Sluftralien berfefct, bebalten für fub unb ihre ÜRacblommen
(im gaU ber Gaplotonie nach gabrbunberten) alle Gbaraltere ihrer JRace;
nirgenbS tritt eine 2)unfelung ein. Umgefebrt bleibt ber üReger in Ganaba
achter, unberänberter Sieger.
©o febeii wir eine grobe 2 Ranni<bfaltigleit neben einanber beftebenber,
unter ft<b unberwanbter SRacen ; neben bem rotben gnbianer, bem braunen
2Ralaben unb febworjen Sieger bie Gulturbölfer ber 2legbf>ter, 93abblonier,
Gbinefen, Araber unb bor 2Wen unfete eigene IRace, bie Slrier. Unberwanbt
nenne ich biefe IRaceit, weit jebe genealogifebe SBerwanbtfcbaft fehlt; fie fmb
atlerbingS berfebiebene ©pecieS berfelben gamilie, fteben alfo fo §u einanber,
wie 3 . 9$. gucbS, SBolf unb $unb. Gin feit tanger 3eit gegen biefe Slnficbt
besuchter SöeweiS ift entfebieben 3 U ©unften ber *ßotygeniften auSgefcbfagen.
GS würbe nämlich bon ben 3 oologen ber ©ab aufgefteUt, baj? bie ©aftarbe
berfd&iebener ©pecieS ftetS unfruchtbar feien ; ba nun 23aftarbe ber berfebie*
benen 2Renf<benracen fruchtbar fmb, fo febien barauS 3 U folgen, bafi bie
9Renf<benracen leine ©pecieS fmb. 2)aS IRefultat auSgebebnterer iBeobacb*
tungen ift jeboeb, bab ft<b bie IRacen genau wie bie ©pecieS berbalten. GrftenS
ndmlicb liegen 3 ablrei<be gdße fruchtbarer SBaftarbe bor; man bat folcbe bon
SBolf unb £unb, unb bon ©emfe unb 3iege beobachtet. 3 « 9 egeben über, bab
folcbe gälte nicht febr sablreicb fmb, unb bab ben SRacbfommen folcber 93aftarbe
bie rechte, robufte ©efunbbeit abgebt, fo bab fnb biefelben bieHeicht nicht als
eigene SRace erhalten fönnen, fo finbet genau baffelbe bei ben Söaftarben ber
berfchiebenen ÜRenfcbenracen ftatt. $aS Phänomen ift §u berwidett unb
umfangreich, als bab eS an biefem Orte in feinem gansen Umfang bebanbelt
werben lönnte. $ieS foll anberSwo gegeben ; für meinen 3»ed hier genüge
bie 23emerhmg, bab man erftenS jwifeben ftcb näher unb ferner ftebenben
SRacen unterfebeiben muj 3 . 3e näher bie berfchiebenen IRacen fteben, um
m
m
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448
fo fruchtbarer bie Perbinbung, um fo tüchtiger bie Pachlommen. Sblec unb
SRcget erzeugen be^^alb bie fc&le<^tefte Pachfommenfchaft, 2lraber unb Peger,
Seiße unb Mongolen eine biel beffere.
Peben biefem allgemeinen phbfiologifcßen Pemeil, melcher bie grage eben*
falls für bie Polpgeniften entfcheibet, mill ich für einen befonbern gall bie
Entfcheibung unferet groben Philologen cftiren. Pachbent 2)ouai auf leiste
Seife feine Sieger in gelbe ünb biefe in meiße Girier bermanbelt h^ läßt er
einen Xbeil berfelben braune Semiten merben. S)ie Semiten (Pabplonier,
Araber, Phönizier, Quben) fmb ibm bie §uerft aulgemanberten 2lrier, ihre
Sprache ficbt er offenbar afö eine arifd^e Spraye an. 3)al ift fte nicbt. S)er
Äreil ber arifchen Spraye ift genau begrenzt, ihre Pterftnale fmb unoerlenn*
bar, fie finben ftch nicht bei ben femitifd^en Sprachen. 3Ra$ Plüller unb
Punfen tönneft ben Verneig bafür nicht beibringen, fo biel fie fich auch Süße
geben; bie grobe Xtial beutfeher Philologen, gacob ©rintm, Popp unb Pott,
legt mit entfeheibenben ©rünben ihr Peto ein, unb gegen biefeS Peto giebt el
leine 3meibrittefö*9Rajorität, bie barüber ßinmeg helfen fönnte. Stdrlere Pe*
meife afö bie bfö jefct beigebrachten, tonnten allein nüßen.
2)er Paine Slrier, toelchen id? in Perbinbung mit ben anbern Pacen bfö*
her öfter gebraucht, bebarf einer Erläuterung, ba er ziemlich neu in feiner
gegenmärtigen Pebeutung ift. $ie Erlennung unb SeftfteUifhg ber arifchen
Pace ift bal größte Pefultat ber pbilologifchen Stubien ber lebten 80 gaßre.
Sal bal topernitanifche Seltfpftem für bie 2lftronomie, bal ift bal arifche
Spftern für bie ©efchichte; beibe entbeden jum erften SPal für ihre refpectioen
©ebiete mähret Zentrum unb mähren Schmerpunft, um meldße fnh nun in
einem gaH bie Seltlörper, im anbern bie ÜPenfchenracen naturgemäß unb
maßr orbnen; beibe machen juerft bie richtige Einficht in bie genetifche Ent*
midelung ihrer ©ebiete möglich.
21 fö bie Englänber im ooyigen gaßrbunbert gnbien eroberten, mürben fie
mit ben heiligen Sprachen ber gnbier unb alten perfer, bem Sanlfrit unb 3enb,
belannt. Ptit größtem Erftaunen fah man bie überrafchenbe Uebereinftimmung
biefer beiben Sprachen in Sortmur^eln, giejionen unb grammatifchem Pau
mit ber griechifchen, lateinifchen, beutfehen unb ben flabifchen Sprayen,
griebrich Schlegefö Scharfblid erfannte ben mähren 3ufammenhang; er juerft
fprach el aul, baß alle biefe Sprachen Steige teffelben mächtigen Spracßfiam*
mel feien, ber feinen üPittelpunlt in EentraUPften gehabt habe, gebe fpätere
Entbedung betätigte nur biefe 2lnftcht. gm alten Pactrien, an ben 2lbhängen
bei £inbufufcß, hat biefe Pace guerft gemohnt, ohne nachmefölichen genealogi*
fchen 3ufammenbang mit anbern Pacen, bon benen allen fte fich aufl Schärffte
unterfdßeibet* 2)ie arifche Pace ift blonb, blauäugig, mit marfirten ©efichfö*
§ügen, fchon äußerlich afö ftcßtrace, afö Pace bei bellen £agl ber ©efchichte,
gelennjeichnet. 2lHe anbern Pacen ohne 3lu!nahme ftnb bunleläugig
uub bunfelßaarig; mo in ber ganzen Seit fich blaue Slugen unb blonbe £aare
finben, ba fmb fte geerbt bon biefer Pace. Um meine Unparteilichst ober
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menigftenS meine öitligfeit bem Befer batjutbun, mtü ih auSbrütflih bemerten,
baft ih reht mobl meifj, ba& mein obiges Urteil baS-bet Girier übet fth felber
ift, unb miß bem Sefet auh bie dltefte SSerfton beS UrtbeilS mittbeilen, bie bei
ben ÜRahbam bet Stier, ben ©binefen, im Umlauf mar. ©enn mit uns alfo,
bielleiht nicht ebne ©obigefallen, als blonb, blauäugig, mit matlitten^efubt^
jügen, befhreiben, fo fagen bie alten ebineftfeben ©efhihtämerle troden:* „2)ie
Stier fmb rotbbaarig, gtündugig unb haben [ßferbegefthter."
S)ie Stier ftnb bon Snfang an ebel unb Iräftigen, gemaltigen ©eifteS ge«»
mefen, mobutdb fie fchneU bie «ginbetniffe bet Statut übetmanben, bießeiht,
ja mabrfheinlih/ ©ebrauh macbenb bon ben ©ttbedungen unb ©rftnbungen
alteret [Raten, benn ich mu| burhguS mit S)ouai überein ftimmen, menn et bie
Stier als jüngfte aller [Raten betrachtet.
2Ran fpricht feit bunbett Sabren biet bon $erfulanum unb $ombeji, unb
ermattet bon SuSgrabungen bort noh aUetlei Suffhlüffe über’S Sltertbum.
2Ran bemunbert im firpftaUpalaft in Bonbon bie betfdjiebenen hiftorifdhen Sb*
Teilungen, bie uns burh altes ©eratb unb ©affen nah ©abplon ober ©gwten
ju berfefcen fudjen. @S giebt aber eine für uns biel mihtigere Suffhliefhtng
gu mähen, als §et!ulanum unb ^Pompeji, unb eine biftorifh l 9eograbbifhe
Sbtbeilung bet ©be, bie uns bie dlteften Scenen, baS Beben, bie ©emobnbei*
ten, ben erften Shaublafc unfetet SSorfabten, bet erften Stier, mirflih unb
leibhaftig borfüb'ten lönnte. §inbulufh/ an ben Duellen beS 3nbuS, in
bet uralten $ehnatb, mobnen noh beute bie Stier, mie fte bon je bort
gemobnt haben, bie fhäuften, freieften unb tobferften bet dRenfhen, bie burh
ade Qabttaufenbe biubuth gegen griehifhe, atabifhe unb mongolifhe ©eit*
[türmet ihr Sanb ju bertbeibigen mußten. Sie fbtehen noh bie alte Sbtahe,
obfern ben ©Ottern noh in alter ©eife ohne ^rieftet, unb trinfen, an groben
©hentafeln fifeenb, aus ftlbernen Shaalen ©ein, manhmalbieHeihi bet Lettern
gebenlenb, melhe, bie alte $eimatb berlaffenb, in bet meiten ©eit ihr ©lücf
berfuhten.
$ie ©nen gingen ben SnbuS balbmegS hinab, beffen bunteifarbige Ufer*
bemobner fte fth in langmietigen Ädmbfen unterjohten. SSon ba btangen fte
im Sauf bet Sabrbunberte langfam, unter fortmdbrenben ßäntbfen mit ben
§ablteihen ©ngebotnen, nah bem ©angeStbal bot, unb beferen baffelbe „fo
meit bie fhmarje ©ajeHe übet bie £ügel ftreift", b. b* ben oberen unb rnitt*
Ieten $beil beS ©angeStbaleS. Unter biefen flämtfen mit ben „Sffen", b. b*
ben bunfeln ©ngebotnen, burh bie ©oberung fo reihet Sanbftrihe, mitb bie
Sßerfaffung unb baS ganje Beben bet Stier botlftänbig beränbert. ©dbtenb
in bet alten $eintatb aöe Stier frei unb gleich maten, merben je$t* bie #eer*
führet ju Königen, bie Offiziere junt Sbel, ©njelne gu fßrieftetn; eine ißtie*
fter* unb Äriegerfafte fonbett fth bon ben ©emeinfreien ab, bebt fth übet bie*
felben entbot, unb sulefct lommt bie rehtlofe flafte bet ©ngeborenen. $ieS
ftnb bie biet fiaften bet Snbet, bie btei erften utfptünglih arifh, bie bierte
niht*atifh.
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Slm anbetn Slbhang be« ©ebkge« breiten ftch bie Skier über Saltrien,
Werften unb Siebten au«. Selbe bi« jefct genannte legen ftcb ben
kanten ber Slrier bei, toeldber ber Sofitib bon „erft" ift, alfo bornehm, ebel be*
beutet. $ie 3lu«behnung be« ÜRamen« auf bie gange Stace ift mit gug unb
Stecht bon ber neuern Shifofogie gemacht worben. San«kit unb 3enb, bie
heiligen Sprachen be« inbifchen battrif<h*perftfchen 3&>eige«, ftnb nur 3)ialelte
ber älteften arifchen Sprache; mir wollen fte bie öftlichen nennen. Sil« e« bie
Slrier weiter weftlich trieb, bilbeten ßa«pifche« unb Schmarge« SJteet eine Söller*
fcheibe; bie ©inen gogen füblich, bie Slnbern nörbtich bon biefen Leeren. 3)ie
©rftern famen über Slrmenien unb lieben bort einen $heil ihrer ©enoffen
gurüd, bie Uebrigen fliegen bon ben armepifchen Sergen nach Äleinaften hin*
unter, ftebelten ftch bort an unb fdhidften ©olonieen nach ©riechenlanb, Italien,
um ba« Slbriatifche SJteer herum nach Oberitalien, Sübbeutfchlanb, grantreich,
Spanien, ©nglanb. $ie« fmb bie ©riechen, gtaler, Gelten, brei innigft # «
berwanbte arifche Sölterfchaften. Ueberall finben fie bunfelfarbige Urs
einwohner, in ©riechenlanb bie ^Ma«ger, mit benen fte ftch bernti*
fchen. $ie Serfchiebenheit im ©harafter ber griechtfchen Staaten ift gum
groben 5t^eil begrünbet in ber berfchtebenen Sfttfchung. 3)ie Spartaner ftnb
bie alten, beinahe unbermifchten Slrier; bie Slthener im ©egentheil ftnb fehr
ftarl mit Sägern, *>. h* Stichtariem, gemifcht. $er griechifche Slbel ift rein
arifch, unterbrüdt guerft bie (Eingeborenen, bi« biefe ftch langfam gu bürget*
liehet greiheit unb ©leichheit emporarbeiten unb ben alten Slbel bielfadj bie
frühere Unterbrütfung entgelten laffen, alfo gang genau baffelbe Serbältnib,
wie e« ftch fpater gwifchen granlen unb ©alliem wieberfinbet.
2)er anbere arifche 3«g geht langfam nörblid? bom $a«pif<hen 2Reer weft*
wärt«; e« ftnb bie ©ermanen unb Slaben, bie ebenfo eng gufammengehören,
wie ©riechen, Qtaler unb Gelten. 2)ie ©ermanen theilen ftch in Oberbeutfche,
ÜRieberbeutfche, Stanbinabier, bie Slaben in folche im engem Sinn unb
Sitthauer. $ie Slrier auf ihren ferneren 3&gen gu berfolgen, ift nicht bie Slb*
fuht biefe« Sluffafce«. Stur ba« wahrfcheinliche ©nbrefultat aller jener glor*
reichen SBanberungen unb Kämpfe foll noch in’« Sluge gefaxt werben. 2)ouai
glaubt, bah bie gange Söelt einmal arifch ober beutfeh werben wirb.
SBir glauben e« nicht. $ie alten Slrier fagten, fte tarnen au« einem 2anb, in
bem eS gehn SDtonate SBinter unb gwei SRonate Sommer fei. $a« wäre alfo un*
gefäbr ba« arifche üftormaltlima. $ie berfchtebenen HJtenfdjenracen gehören
ihrer Organifation nach betriebenen 3onen an. SU« ber grobe arifche 3ug
ftch am Äafpifchen Sfteer in einen nörblichen unb fübltdhen trennte, wer hätte
ba nicht geglaubt, baf$ bem lefctern ba« beffere Soo« gugefallen fei ? ©« war
gewib ein herrliche« £oo«, in bie Sänber gu fommen, unter beten £immel bie
griedhifr^ömifche Kultur bon ben Skiern gegeitigt werben lonnte. #aben aber
bie ©ermanen Utfadbe, ihre griechifdhen unb römifchen Stüber gu beneiben ?
2Bo ftnb 3ene ? 2Bie abgelebt unb greifenhaft, ma« bon ihnen tyxb übrig,
währenb e« bo<h für un« hier in Slmerifa febeinen will, al« fei bie germanifdbe
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jRace noch ganj jung unb eben batet, ihre fcbönften Kräfte ju entfalten! Scheint
nicht baraug betootjugeben, bafs nur ein lalteä $lima, entweber auf ©ebirgen
ober ben ifolen nabe, ben Stammebarafter ber SRaee treu bewahrt, fte »ot ju
großer SSetmifchung mit anbern SRacen, unb baburch »ot Slugartung befcbüfct?
SBermifcbung mit anbern iRacen bat freilich feit ben älteften Seiten ftattgefunben,
unb man bat lein SRecht, »on rein arifcben SßöKern itgenbwo in ber ©efchichte
>u (preßen; nur einjelne ©ef «blechtet haben ficb ganj rein erhalten, ober im
Sauf ber Seiten jebeS frembe (Element toieber »on ftth auSgefcbieben.
2tlS (Kalifornien »on ben ^Bereinigten Staaten erobert unb Oregon befefct
würbe, unb als fRuhlanb baS Slmurlanb in Söeftö nahm, ba »oUenbete ftth bie
grobe arifcbe 3»»e um bie (Erbe. Sie Eapcolonie, bie beutfdjen Golonieen
©biliS, 2tuftralien unb ÜReufeelanb beuten beutlicb genug bie fübpolare germani»
fthe Sone an. Sajwifchen liegt bie ungeheure Slequatorialjone, hier im weite»
ften Umfang »erftanben, baS alte rechtmäßige (figenthum ber bunleln, nitht»
arifchen IRacen, baS nicht ohne Sthaben für bie Sltier felbft »on ihnen bean»
fprudjt werben lann. „2Ran wanbeit nicht ungeftraft unter Kßalmen", ift ein
5Bort, baS wenigftenS in SSejug auf bie Slrier »ollftänbig wahr ift. SffiaS ift
aus ben ftoljen Ariern beS SnbuS» unb ©angeSthaleS geworben? Sie lonnten
ja nur als 2Rif«blinge fi<h in jenen Sänbern behaupten, ÜRifdjlinge, bie mit
jeber ©eneration ben fchwarjen ÜRüttern ähnlicher werben muhten. Sie
(Englänbet lönnen befannttich gar leine rein englifcbe Araber in Snbien auf»
bringen.
So wären wir benn beim SualiSmuS ber iRacen als ©nbrefultat ber ©e»
fcbichte angetommen, wie er »on Slnfang an geherrfcht hat. Sie alten ©egner,
bie fi<b einft als „ÜRenfchen" unb „3lffen", Sranier unb Suraniet belämpften,
fie ftanben fi<h fpäter als Hellenen unb Barbaren gegenüber, unb fechten
»ielleicht als ©ermanen unb IRomanen bie Kämpfe ber SRenfcbbeit tnnb um ben
©cbball herum, bis an baS (Enbe ber Sage, aus.
Ktber bie Cholera,
Sott ®r. Strtram. (@t, Sofeph.)
Siefer ungebetene, ünmiMommene ©aft, bet auf feiner SReife um bie
ffielt noch »or wenigen SIRonaten jahUofe Opfer in (Europa forberte, ift in lefc«
ter Seit febt viel befprocben unb betrieben worben. — Sa uns aber butcb*
aus nichts ju ber Hoffnung berechtigt, »on bem mehr berüchtigten als he»
rühmten SReifenben auf biefer Seite beS OceanS »erfchont ju bleiben, f» liegt
gewih ein fortwährenbeS (Erinnern, fowie etfcböpfenbe ÜRittbeilung übet ben»
jelberi, im Sntereffe beS lefenben $ühlilum8. —
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Dbftton bie flranfbeit in ihrem Verlauf füt ben Slrjt, wie für ben Saien
noch beute in mancherlei ®unlel gefüllt ift, fo haben bennott in neueret Seit
forgfältige Beobachtungen am Jiranfenbett, unterftüfet burtt naturwifienfebaft»
litte gorfttuttgen überbauet, uns in bem Gbolera* 2 abhrintb ben leitenben ga»
ben ber Slriabne an bie ^ianb gegeben. 58er Mem ift neuerbingS pofitio nach»
gelriefen (namentlich bureb fßettenfoffer), bafj bei berfeiben baS
SBlut äufierft fttnell einen groben Sbeil feines 2 Baf*
ferS, junädfft natt bem Sünnbarm, bann auch nach bem
Sidbarm unbMagen bi"/ »erliert, unb babuteb einge«
bidt, in feinem Sauf unb feiner Sbätigleit »orjüglidj
in Vejug auf Slbfonberung unb Märmeentwidlung
g an j bebeutenb ge ft Btt wirb! — Slnftedenb (man »erftebt unter
Slnftedung bie Uebertragung eines SranfbeitSfeimeS »on einem 3nbi»ibuum
auf ein anbereS, mittel» ober unmittelbar) ift bie ßranfheit nicht. dagegen ift
fte beftimmt rein miaSmatiftt- (MiaSmg ift bie Uebertragung eines IrantbeitS»
feimeSauS ber uns umgebenben Statut j fie fann bureb bie Suft »on Ort ju Ort
getragen werben, ober in einem beftimmten ®rabe ft<b erjeugen.) ©aber tön*
nen namentlich Ejcremente unb $arn eines aus ber gerne tommenben Äran*
ten, in einer »on biefer ßränfbeit noch nicht beimgefuebten, bem Entfteben ber
fetten aber günftigen ®egenb,. bie Gbolera jum SluSbrueb bringen. Sa nun
weiter ber Suft beigemengte luftförmige Gontagien jut Verbreitung binreicben,
fo ift eS anbererfeitS erllärlicb, bafj nicht nur bureb SluSleerungen wirHieb
Jtranter, fonbetn fogar bureb ßleibungSftüde Vicbtangeftedter, unb auf anbere
ähnlich* SSBeife, eine mittelbare Slnftedung ftattfinber. tann. ©leiebjeitig
giebt eS au&er ben eigentlieb trän! maebenben V»tenjen noeb »ielerlei ®elegen»
beitSurfatten. ©o 5 . V. erlrantt ein Menftt in golge anbaltenber SDiätfetjler,
ftarfer Grlältung, ober heftig« ©emütbSbewegung an ber Gbolera, ber fonft
wobt »erfebont geblieben wäre. 3ltS »orjugSweife begünftigenbe Urfaeben fmb
natürlich ©ommerwärme, Mangel an Steintiebleit, UeberfüUung ungenügenber
Stäumliebfeiten mit Menftten unb bie barauS entftebenbe Suftoerberbnifi anju*
{eben. 3m Uebrigen lennt bie Gbolera Weber SllterS», noeb StanbeSunterfebiebe,
unb überfällt ©efunbe wie Jlranfe, am bäufigften aber ©olebe, welebe unreget*
mäbig leben (©äufer 3 . V.), ober bie Stepräfentanten ber Slrmutb, bie unter
Entbehrungen aller Slrt leiben.
©iebete Vorboten bat bie firantbeit nidbt; ber SluSbrueb erfolgt unge»
ahnt, ptöfclicb, ober eS ftedt ftdj böttftenS ftunben* unb tagelang »or ihrem
SluSbrucb Slppetitlopgleit, Uebelleit unb Steigung §um Surebfall ein. Sie
wirtlitten firantbeitSerfebeinungen fmb: Surebfall als baS erfte ©pmptom;
beginnt in ber Stege! beS Statt« unb ift aufjev »on einem febr beängftigenben
©efübl in ber Magengegenib, »on feinem Sebmetj begleitet. SaS Entleerte wirb
febr balb ganj wäffevig,, geruchlos unb reiswafferäbnlieb- Statt wenigen ©tun»
ben, auSnabmSweife autt früher noeb, fteUt fteb Erbretten ein, entleert junäebft
ben gerabe »orbanbenen 3nbalt beS Magens, baS ®enoffene, ©ttleim unb
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©alle, fchlie&lich jeboch ebenfalls eine teiS»afferähnli<he glüffigfeit. gefct mtrb
in ben meiften gällen— bie äufjerfte Grfchöpfung — oft ohnmachtäbnliche
Schuwhe am ßranfen bemerfbar. Gbenfo »erben Schenfet, SBaben, 2trme,
ginget unb SauchmuSfeln bon böd&ft fchmerjhaften ßrämpfen ergriffen. —
2)ie reiS»afferähnti<he glüfftgteit, »eiche, »ie fchon ermahnt, burch Stuhl
unb ©rechen aus Sarmfanal unb 2Wagen entfernt »irb, ftammt aus bem Stute,
enthalt beShalb, aufier SBaffer, ©»eifj unb Sal$e, fo»ie eine grobe SBtenge
bon 2)armfchleimhaut. Safe baS ©lut nun in golge fo groben SBafferberlufteS
fchnell unb bebeutenb einbicfen mub, »ie bieS bei 2lbertaf[en unb Obbuctionen
bon Gboteraletdjen ebibent nachge»tefen ift, »irb jebem unferer Sefer einleuch*
tenb unb flat fein; bab aber bieS eingebidte ©lut nur mit -Blühe burch baS $er$,
bieS ©lutemporium, bor»ärtS getrieben »erben unb burch bie feinen fiaargefäfce
fliehen fann, ift »ieberum berftänblid?. Gbenfo finben »ir ben im Slnfang bet
Äranfbeit fehr befchleunigten ©ulS (bis zu 130 ©plagen per 2ttinute) je nach
bem ©rabe bet SGBafferentleerung unb ©Iuteinbidung aufserorbentlich gef<b»dcbt,
tangfamer auSfeßenb unb faum fühlbar, gn gotge biefer geftorten, faft auf*
gehobenen ©lutcirculation fehlt eS bem Körper natürlich auch an bet nötigen
©gen»ärnte. ;ftafe, Bunge, Ohren, bie £aut überhaupt fühlen ft<h beShalb
ebenfo »ie bie Gftremitäten, falt, gleich ber $aut einer Seiche ober eines
grofcheS, an. Sie auSgeathmete £uft ift merllich fühl, obfchon ber ßranfe
übet innere #ifce flagt; bie bleigraue, mit zäher glüffigfeit bebedte, runzlige
£aut entbehrt jefct ihrer Glafticität, fo bab fuh bie £autfalten nur fehr
langfam an Rauben unb güben auSgleichen; bie -ftägel erfcheinen auffal*
lenb langer unb ebenfalls bläulich grau, liefet SBafferoerluft beS ©luteS macht
fchlieblich jebe Slbfonberung, »oju eS beS SBafferS bebarf, in bem Körper un*
möglich; bähet bie grobe Srodenheit ber Slugen, ÜRafe, Bunge, -Btunbhöhle
(ber grobe Surft), beS ßehlfopfeS, (bie rauhe, h^ifere, fd?»a<he, flanglofe
Stimme), ber ßungen, (baS bef<h»erliche Slthmen mit beängftigenbem Srud auf
ber ©ruft). üötuSfel* unb -Werbenfpftem müffen bei folgern Slutjuftanbe na*
türlüh auch fehr halb ohne -Wahrung unb aubet &hätigfeit fein; baher bie fchon'
erwähnten Stampfe, fehr fühlbar in ben Gytremitäten unb ©auchmuSfeln, bie
bor bau Sobe oft genug in ßdhmung (Paralysis) übergehen.
2 Ran fann bie firanfheit in z»ei ©erioben eintheilen, bon benen bie erfte
bie ber Mte, bie g»eite bie ber ©arme, ber [fleaftion, ift. Bur Gharafteriftif
beS erjten, beS ÄdlteftabiumS gehört nebft bem faft unaufhörlichen, bereits
hinldnglich betriebenen Durchfall unb ©rechen, auffallenber Äräfte* unb
ÜEBärmeberluft beS Körpers, faum fühlbarer, berlangfamter ©ulS (30 bis 40
Schläge per SWinute), graubläuliche gdrbung unb Srodenheit ber £aut. Sie
©eftchtSgüge tragen einen eigenthümlich fchmerjhaften SluSbrud, bie fno*
chigen Sheüe beS Körpers fpringen merflich bor, zahlreiche galten auf Stirn
unb ©er«ht. Sie merf»ürbig trodenen, tiefliegenben 2lugen umgiebt ein
bunfelblauer Sting, bie SRafenflügel er»eitern fich bei bem angeftrengten
Serfud) §u athmen, auf bem »enig be»eglichen ©eficht liegt ber 5luSbrud un*
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befchreiblicher Ermattung. Seht Diele Äranle fierben in btefem 3uftanb, er*
reichen alfo bag [Heactiong* ober ©drmeftabium nicht, melcheg ftch jmidchft
burch bie [Hüdfehr natürlicher ßörpermärme charatterifirt, burch güplbarmerben j
eineg gleichseitig trdftigeren unb fdjneHeren [ßülfeg, bUT<h SRüdfe^r aller j
fonberungen, namentlich beg big babin faft ohne Hugnabme fehtenben £arng. 1
durchfaß unb 93re<hen flöbt ung in biefem 3eitraum fd?on »eit meniger 93e#
forgnib ein, als bie noch fehlenbe $amabfonberung, benn bobon hängt Seben
ober dob unfereg Äranlen abl SQBirb nämlich ber $arn im Slut beg Üranten
jurüdgehalten, fo tritt eine #arnbergiftung unb dob ein.
3 n ber Siegel erholt fuh ber Patient nach bem SSerfchmmben ber cmgege*
benen ßrantheitgfpmptome fehr fchnell, ja oft fdjon in 2 big 3 dagen. Oft
freilich auch ift bie SBerbauung (meift burch berfchmenberifchen ©ebrauch Don
2 ßebicamenten, momit ber arme, gebulbige !Utenfcbenmagen graufam maltratirt
mürbe) fo* fehr gefchmdcht, bafc fuh bie boHlommene ©enefung modhenlang bersö*
gert. ®on ben jahHofen, bisher gegen bie Eholera empfohlenen Schufcmitteln
fmb nur fehr menige mit einem rationell ertldrlichen, nachmeigbaren Erfolg ge*
braucht morben. gebet bernünfttge, gebildete Slr^t, ber mit bem ©efen ber
ßranfheitbertraut, mirb ben ©ebrauch bon Strpchnin, Opium, Ga*
l o m e I u, f. m. ebenfo lächerlich unb bermerflidh finben, mie $e<h unb Schme*
fei, mag noch bor menigen ©odhen (in Stiefel unb Strumpf getragen) alg ganj ;
unfehlbare^ Schupmittel burch amerilanifche 3eitungen empfohlen mürbe. 1
dag SBerlaffen ber bon ber Cholera heimgefuchten ®egenb ift unb bleibt ber
ftdherfte S<hup! \
gür diejenigen aber, benen bie ©ittel jur Hnfchaffung beg genannten ;
$räferbatibg fehlen, bleibt Söermeibung aller didtfehler eine £auptregel; ganj
borjuggmeife mu& man fi<h bor Ertdltung hüten, bie ben 2lugbru<h ber ßrantheit
mehr all alleg Slnbere begünftigt. Ebenfo ift bie forgfdltigfte diginfection
bon Slbjugägruben, fomie aller Behälter ber Ejcrentente, unerläßlich unb notbmen*
big, ba bie in SSermefung unb gdulniß begriffenen thierifchen unb menfchlichen
[Hefte um fo gröberen Schaben anrichten, je mehr fie fuh im Erbboben augbrei*
ten tonnen, mag um fo leichter in loderer, feuchter, tiefliegenber Erbe ber gall
ift. daß fuh bieg mirtlich fo berhdlt, unb mir ung nicht auf $ppothefen ftüpen, ’
bemeif t bie SSerbreitunggmeife ber Cholera (fomie faft aller anberen epibemifchen
Srantheiten) in allen bigher babpn heimgefudhten Sanbem. Sluf h*>$lie*
genbem, trodenem, bichtem unb felfigem ©oben ift fie
pofitib noch nie aufgetreten. Slngefichtg folcher dhatfacßen, füllte
man alfo auber auf größte SHeinlichteit überhaupt, auf ©ruhen, in melden
menfchliche Slugmurfgftoffe aufbemahrt merben, bie ftrengfte Slufmerffamleit
richten, unb follte man moglichft bafür forgen, bab biefe [Hefte nicht in ber
•Habe menfchlichet ©ohnungen im Erbboben oerfidern ober faulen tonnen, da
fich aber biefe SSorfichtgmaßregel namentlich in gröberen Stabten nicht immer
burchführen labt, auf ber anberen Seite aber bie Entleerung flüffiger Ercrement*
theile in feuchtem, loderem 33oben nicht ju berhinbern, fo müffen mir ung na«
i
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türlich nach Mitteln umfehen, mit betten mit bie fchablichen ©afe (©hotera*
ntiaSmen) unfd?dblich machen, gerftören lonnen. Unter allen ©eSinfectionSmüteln
hat ftd& (Sfenmtriol—in gehn feilen SQßaffer aufgelöft— als baS bcfte Mittel
bewährt, womit man öftere unb reichliche Vegießungen ber genannten Orte
bornehmen muß. ©abei ift freilich gu bewerten, baß jebe ©isinfection, bon
ber man -Küßen, ©cbuß erwarten will, borgenommen werben muß ehe bie
©holera ben betreffenben Ort erreicht bat. 3ft baS ©ift (©bolcramiaSnta) be*
reite in ben menfchlichen Korber übergegangen, fo treiben es auch leine ©eSin*
fectionSberfuche mit ©ifenbitriol mehr heraus!
Schließlich sollen wir bie widrige Aufgabe gu lofen fuchen, welche Ve*
banblung bei bereite abgebrochener Kranlheit bie natürlicbfte, erfolgreich^ fei.
Seiber muffen wir geftehon, baß, wo auch immer bie Kranlheit auftrat, allem
wiffenfchaftlichen ©fperimentiren unb gorfchen gum ©roß, ein wirf lieber ©peci*
ficum noch nicht gefunben würbe. Unter einer gahllofen Menge bon Heilmitteln
unb Kurmethoben, bie uns theilS überliefert, theilS neu ftnb, giebt eS wobl lein
einziges, bon bem nicht ber eine ober ber anbere 2lrgt ft<b eines eclatanten % ©r*
folgeS rühmte. 2Bie aber lagt ftch biefer offenbare SBiberfpruch ertlären; wie
ift eine gleich günftige Söirlung ber betoregenften Heilmittel in einer unb ber*
felben Kranlheit möglich ? — ©ie ©rtlärung ift einfach unb liegt nabe genug,
©ie -Katar, biefer guberläfftge, erfahrene Hausarzt b er gangen SBelt, heilt nicht
nur burch uns, fonbern oft, febr oft fogar, unferen fehlerhaften, gefährlichen
©ingriffen gum ©roß. 2Bet möchte begweifeltt, bah biele ©ßoleratranle, bie
reftgnirt Opium, ©alomel unb ©trpehnin berfchludten, biefem dlteften unb
glüdüchften Heillünftler ihre oft wunberbare ©enefung berbanfen ?
©he wir beS einfachen, naturgemäßen HeilberfahrenS erwähnen, wollen
wir furg -Kotij nehmen bon ben Mitteln, bie bisher bie meifte Verbreitung
fanben.
Vlutentgiehungen. Sie tann man bet einem KranlßeitSguftanb,
ber ftch burch alle Seiten äußerfter ©rfchöpfung, ©ehwdehe beS Kreislaufs,
SßulSloftgleit, Kalte, ©ollaps, Seere beS ©efäßfpftemS auSgeicßnet, bom Slberlaß
etwas ©uteS erwarten ?
© a l o m e l, bisher fehr biel unb in hohen ©ofen angemanbt, hat eben*
fo wenig feinen Vuf als ©holeramittel berbient. ©ie Kranlheit ift ja nicht bie
golge abnormer ©atleabfonberung! SBaS hilft uns Galomel als reigenbeS,
. alterirenbeS, wurm* unb entgünbungSwibrigeS Mittel, was lönnte ein ©pei*
chelfluß bei ©holcra helfen ?
Opium unb Vorco tien überhaupt ftnb gebraucht worben, um bie
große Veigbarleit beS perifteltifchen MotuS herabguftimmen. Seiber ftnb biefe
Mittel bon fo üblen Vach* unb Vebenwirtungen begleitet, baß bereu Slnwenbung
minbeftenS fehr befeßräntt werben follte, unb nur in ber neuerbingS ßiu*
länglich unb rühmlichft belannt geworbenen gorm bon fehr fchwachen ©in*
fprißungen in baS Unterhautgellgewebe gu empfehlen wäre.
©amphor, Pfeffer, dtherifche Oele, ©albaniSmuS
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unb eine flegion anberer Stimulentien fmb gepriefen morben. auch bicfe
2Jtittel ftiftcn in bet Siegel mehr Schaben als Slawen, ba fte nur &u häufig eine
fReaction betborrufen, bie baS Sehen beS Uranien bon ÜReuem in einen gefäbr*
lieben 3uftanb bringt.
StrpcbninunbNuxvomica. Speicher gebilbete Slrjt bermöchte
bie günftige Sßirlung biefet SMittel bei Cholera rationell su erllären^ ba ficb beten
$auptmirfung auf bie 23emegungSnerben beS SRüdenntarfS beliebt, unb bie
SRerbenaffeftion ber (Sbolerafranfen, mie fd?on bielfach ermähnt, bie golge beS
burch SBafferberluft jerftörten Ureislaufs be§ SBluteS ift ?
© b i u t n. ©ie Slnftcbt einzelner Sterjte, melcbe bie ©bolera für ein anor*
rnaleS, perniciöfeS SBecbfelfieber ober eine ©umpffranfbeit bitten, ift lange
f<bon unhaltbar gemorben, unb fomit au<b baS Mittel in biefem galt.
©ie naturgemäße, erfolgreiche Söebanblung ber Gbotera bebarf biefer
beroifcben, mehr als zmeifelbaften 2Rittel in ber ©bat nicht. SBergegenmärtigen
mir un§ nochmals biebauptfäcblichften ©rfcbeinungenberUranlbeit, unb
richten mir bann unfere ©ehanblung nach biefen ein.
1. ©roßer SBafferberluft beS 93lutS,Uälte, träge ©reu*
lation beS eingebieften 93luteS. Uann eS mirffamere Mittel gegen biefe ©r*
Meinung geben, als SGBaffer unb 2Bärme ? können mir auch bie mibernatür*
liehe SluSfubr beSSBafferS noch burch fein beftimmteS 2Rittel genögenb
berhinbern, fo ift hoch bie 3 u f u h r 0 o n g l ü f f i g f e i t in baS eingebiefte
93lut als £auptfa<be gu betrachten unb gu ermöglichen. 2Ran bringe alfo ben
Uranien bei eintretenbem ©urchfall fofort ins marme 93ett, lege beiße Um*
febläge auf ben Seih. ©ann ©rinfen beißen ©heeS ober SBafferS, felbft auf bie ©e*
fahr bin, baß ber größere ©heil babon mieber ausgebrochen merben feilte. 2Ber*
ben $änbe, güße, üftafenfpifce unb 3unge bereits falt, mirb ber $uls IraftloS
unb fcbmäcber, fo fe&e man als ©rregungSmittel für bie £eqtbätigfeit bem
©etränl 2Bein, ©ognac, u. f. m. gu.
2. 93ef<bränfung b*er © i a r r b o<e unb beS © r b r e <b e n S. ©ureb eine
bieljährige Erfahrung habe ich f<bma<he 2Rorpbin*©olution, als ©nfprifcung
gebraust, borjüglich mirlfam gefunben.
3 . Söefänf tigun g ber läftigen unb fchmerjbafte n
Urämpfe. häufige, halbftünblich mieberholte ©nreibungen mit Ammonium*
Sinimenten, bie gleichzeitig Olioenöl, Opiumöl unb ©enföt enthalten, merben
{ich jtetS als baS hefte, mirlfamfte SKittel bemäbren.
M
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I
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3d)U0Wt0-^ol|!citttrd)t $ktfttn>
©Ott $ricfcti$ £c(oio*
L
Ob foobl jemall ein Englänber baran benlt, bab el auber feinem ©ater*
lanbe noch ein Anglia, noch ein Sanb ber Engeln, giebt, unb bafj bie fübfchtelmiß*
fd?e Sanbfchaft, toeld^e biefen tarnen führt, einen dttern Slnfpruch barauf bat aß
bal ftol 3 e 3nfellönigrei<h ? Ob toohl unter Saufenben bon Slngelfachfen Einer treib,
bab bon ben niebrigen Eeftaben Schl^toigsHolfteinl Slnno 446 in brei Keinen
Schiffen bie SRdnner abfegelten, meld^e mit $enen, bie ihnen folgten, bie Erün*
ber einel groben ßulturbollel merben foßten, bab bie beutfche ÜRorbmart bal
Stammlanb ber angelfadpftfchen ©ace ift? Ob toohl todhrenb aller ber
Seit, toelche bie.S<hleltoig*Holfteiner bem Gingen um ihre Befreiung bon ber
grembherrfchaft tribmeten, jemals ein Englänber baran bachte, bab bort
gieifdh bon feinem gleifch unb ©lut bon feinem ©lut bertreten fei, bab ftch
bort biefelbe Stanbhaftigleii, biefetbe S^htgteit entfalte, toelche jje i n ©oll fo
grob unb mächtig gemalt unb bie bon bort i b m geworben ? Unb machte bal ©ar*
lament ftch über bie bon ben ©orbalbingiern entfaltete ©ietät für bergilbte ©er*
gamente unb beralteten ©lunber luftig — ob el nie einem ber ehrentoerthen
SDUtglieber einfiel, bab biel biefelbe S <b to d <h e fei, toelche, all SRertmal bei
Slngelfachfenthuml, ber SBelt fo oft auf ßoften Englanbl Stoff jum Sachen
liefert ?
Scbleltoig^olftein ift ein fchonel, intereffantel, bon ber ©atur reicfe ge*
fegnetel Sanb. 2Bunberfd)ön ift bie Oftlüfte, mit ihrem fanft hügeligen £er*
rain, ihren blühenben gluren, ihren prachtboßen Eichen*, ©uchen* unb $an*
nentoalbern, ihren ftiflen, toiefen* unb toalbumlrän^en Seen, ihren herrlichen
SReerbufen. 3>ntereffant ift felbft ber mittlere Haiberücfen, mit feinen hi*'
ftorifchen 3)enlmd(ern unb Hünengräbern. üRicht eben fchön, aber reich ge*
fegnet unb boß anregenben Sntereffel finb bie ©ieberungen ber ©teftlüfte.
ffiohl lein anberel ©oll hat feit einem 3ahrtaufenb unb barüber hinaul mit grö*
beren Schfoierigleiten §u fampfen gehabt, ohne jemall in biefem Kampfe ju er*
matten unb ben Glauben an ftd) felbft $u berlieren, unb nirgenbl ift auf
Keinem Terrain mehr ©lut für bie Freiheit gefloffen, all in Schleltoig*
Holftein. SBenn ßarl ©linb, ber ©epublilaner, fnh mit folchem Eifer bei
„berlaffenen ©ruberftammel" annahm unb ihm ju Siebe im SBuft einel „hi*
ftorifchen ©echt!" herumtoühlte, toelchel ihm nichtl toeniger all ehrtoürbig
borlommen unb lieblich buften mufcte, fo leitete ihn bermuthlich bal Eefühl,
bab bal betreffenbe ©oll einel Opferl- toerth fei, bab «tan nur bei ihm anju^
. Köpfen brauche, um Erinnerungen ju toeden, bie heiliger ftnb all aße ©er*
gamente, ©rioilegien, 2Rannl* unb SBeiberftämme ber SGBelt.
$ie htftorifche Enttoidlung Schleltoig*$olfteinl toar gan§ eigener Slrt.
Eine SRenge betriebener ©öllerfchaften fanb ftch auf ber Halbinfet jufammen.
Singeln, Saufen, SBenben, Briefen, unb all bie ffianberung nach ©ritannien
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Süden oerurfachte, auch noch Säuen, liefen fich bort im engen Utaum nieber,
unb nulten fo gilt wie möglich mit einanber auSgutommen fudben. Utodh jept
finben fich bie.Spuren biefer 3nfammenwürfelung in bei* Stenge oerfchiebener
SanbeStradhten, unb befugt man im SdjleSwigfchen, gumal an ber SBeftfüftc,
einen ^ahrmarft, fo lönnte man fid? gumeilen auf eine ÜDtaSferabe oerfefct
glauben, fo bunt fmb bie oft recht malerifchen unb gej^hmadooHen Äoftüme
burch einanber gemifcbt. £ier unb bort trifft man in einer Keinen Ortfdjaft
ein Völfdhen, welches, nur wenige bunbert Seelen gählenb, auf ben erften Vlid
fich burch ben SppuS fowohl wie burch bie forgfältig beibebattene eigne Fracht
Oon feinen Utachbarn unterfdheibet. (SS mufi hier auf bem Surchgug irgenb
eines Stammet eine Schaar bangen geblieben fein unb eine Kolonie gegrünbet
haben. Sem (Sinologen fann ficb nirgenbS ein banfbareteS gelb bieten, als
im Sanbe gmifchen ber ©be unb ßönigSau. (SS gehörte etwas bagu, aus allen
biefen gum &betl grunboerfchiebenen Elementen ein gufammengehörenbeS Volt
gu bilben, unb bieS toarb nur baburdb möglich, baji jcber Stamm bie feiner
©genthümlidhfeit unb feinen Srabitionen entfprechenbeu ©nrichtungen bebielt,
toaSbenn autybiS auf ben heutigen Sag gefchehen ift. (Sin treffliches Vinbemittel
bilbete ber fortmährenbe&impf gegen ben Uiorben, ben freilich in oielen gälten jeber
Stamm auf eigene $anb führte. £ergöge, (Grafen, Äaifer unb Könige rauften
fich burch einanber unb fchloffeu, loenn fie beS $aberS mübe waren, Verträge
auf ewige Seiten ab, welche bei erfter (Gelegenheit mieber gebrochen mürben.
(SS entftanb baburch ein gefefclicheS Sabprinth, welches ben Sberuf beS guriften
in S<hleSwig*$olftein gu feinem leichten macht. SaS eine Sorf gehörte
Oor fo unb fo oielen bunbert fahren gu biefem, baS anbere gu jenem „Ulntheil",
unb banadb richtete fich baS in jebem geltenbe „Utecht". (SS ift ber Spürfmn
eines 3igeunerS ober 3nbianerS erforberlich, um fich ba hinburchguftnben. Safe
auf folche UBeife im UiechtSbemufjtfein beS Volles eine gewaltige (Sonfufion ent*
flehen muhte, ift begreiflich, unb geräth man gar auf baS (Gebiet beS p o l i t i f <h e n
Rechtes, fo lönnte man oolleitbS oon Sinnen fommen. gern fei es oon uns,
^ben Sefer in biefem Sabprinth fpagieren gu führen. Sohnenber wirb eS fein,
wenn wir uns gu Senen wenben, welche fich nicht mit bem ererbten, fonbern
nur mit bem Utecht befafjten, baS mit ihnen geboren würbe unb in ihrem
SBillen, in ihrem fittlicben Vemufitfein, in ihrem gefunben UJtenfchenoer*
ftanbe unb unabhängigen (Sbarafter wurzelte.
Sie SSeftfüfte wirb oon gmei in ihrer Vergangenheit unb gum Sheil auch
noch in ihrer ©egenwartburch unb burch republifanifchen Völferfdbaf*
ten bewohnt — in Schleswig, gwifchen ©ber unb UBibau, mit-©nf<hlujj ber
Utorbfeeinfeln, oon ben griefen, in §olftein oon ben Sithmarfchern, einem VolfS*
ftamm, welker fich auS Sachfen unb griefen gebilbet hat. SaS Volf ber griefen
erftredt fich an ber gangen beutfchen Utorbfeefüfte entlang, oon ber $ffel bis in
bie Utäbe ber nörblichen ©renge Schleswigs, unb theilt fich in UBeft*, Oft* unb
Utorbfriefen, welche refpeftioe in §ollanb, §annooer, Olbenburg unb Schleswig
oertreten fmb. Sa& wir hier e i n Voll Oor uns haben, welches fich nach ber
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Sanberung Dom Guben bet an biefem weiten HüftenfWi nieberlteb, geigt fion
ein Vlicf auf bie fttnbfarte, ba im nieberldnbifien gtieSlanb biefelben Orts*
namen borfommen wie im Sanbe ber Vorbfriefen. Voi beutliier aber berräth
es fti an bem ihnen Sillen imtewohnenben greiheitsfutn. „ffible, freie griefen.“
Go haben fte fti immer genannt unb mögen aui je$t noi nicht auf tiefen
tarnen bergiiten. 3m elften 3ah*hunbert, als unter ihren ÜRaibarn fi(h
immer mehr baS geubalwefen entfaltete, traten bie griefen in ber 3Ritte ihres
©ebiets, ben Gtebinger SJtarfien im jefcigen Dlbenburg, gufantmen unb leifte*
ten ben Giwur: „Vie Slbel über uns unb nie Unfreie unter uns." S)ie
ÜRorbfriefen wenigftenS haben tiefen Giwur treulich gehalten, benn nie beftanb
unter ihnen bie Seibeigenfiaft, unb wo ber Slbel ihnen nahe lam, ba gab eS
blutige Hopfe* ÜKoi jefct giebt eS in ÜRorbfrieSlanb feinen Slbel, fein ©eburtS*
pribilegium? noi jefct herrfit bort völlige ©leichheit beS Veits. S)affelbe
gilt Don ben 2)ithmarfiern, unb Seiber ©efiiite geigt eine faft ununterbrochene
Veihe non Hämpfen gegen ben Slbel unb baS gürfteuthum.
$aS 2Jteer ift bie Simme ber Freiheit. Geefahrenbe Nationen liefern immer
bie beften Vürger unb bie fileiteften Unterthanen. Ser ftetS mit bem Giranten*
lofen gu thun hat, ift fehr wenig geneigt, ftcb bemunftwibrige Giranten
gefallen gu laffen, unb wer im unabldffigen Hampf mit ben (Elementen fti ber
eigenen Hraft bewußt wirb, ift am wenigften im Stanbe, fti bor einem $errn
gu beugen. 2)ieS bewahrte fti aui an ben Briefen, gortwdhrenb lebten fte
mit ben Sogen ber Vorbfee im Hampf, nnb jeben gubbreit ih^S SanbeS mub*
ten fte gegen ben Slnbrang berfelben bertheibigen. Vetraitet man eine Harte
ber Sefttüfte aus früheren 3«hrhunberten, fo fleht man, welie Verheerungen
baS -Uteer hier angeriitet hat. 2)ie ©eftaltung beS Ufers bor breihurtbert
3ahren war bon ber jefcigen fo oerfiieben, bah man fti niit mehr orienjtiren
fann. 5)ie bielen Keinen Gilanbe, galligen genannt, bildeten neben Pellworm
unb Vorbftranb eine gröbere gnfel, bie in gewaltigen Gturmfluthen bon ben
Sellen gerriffen würbe. % Gin GtudE nai bem anbern würbe fortgeriffen
unb muhte ber Gee gollweife wieber abgewonnen werben. EUlitten im Sanbe
fteht man jefct niebrige 3)ei<he, beren gub einft bon ben Sogen befpült würbe.
$ie gange Seftfüfte ift angefiwemmteS £ano. $aS SBZeer raubte bem üDtem
fien baS Terrain, uni eS nai unb nai in ©eftalt eines fetten GilammeS
wieber angufpülen. Viele Sahrhunberte bauerte es, bebor in biefem fteten
Vingen ber Dftenfi bie Oberhanb gewann. S)ie Ghronif VorbfrieSlanbS weib
bon ungdhligen Ueberfiwemmungen gu melben, bei benen ftetS Saufenbe —
noi im 17ten 3ah*hunbert einmal gehntaufenb 2Renfien —.gu ©runbe gin*
gen. $ie leftte grobe Gturmfluth trat im 3abre 1824 ein. Geitbem hat fti
ber S)eiibau in ber Slrt entwicfelt, bab bei unabldfftger Saifamfeit baS geft*
Ignb fo giemlii ftier ift. Von ben gnfeln fönnen aber nur bie grobem ein*
gebeiit werben; fteigen bie Sogen befonberS hoi, fo überfiwemmen fte bie
Keinen, gunt Ztyil nur bon einer gamilie bewohnten galligen. $ie Garge
werbeu aus ben ©rabern gewühlt, bie Raufer fortgeriffen. Slber gerabe bie
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<SH
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ftete ©efabr macht ben Bewohnern bett heimatlichen Boben hoppelt lieb. So*
lote bie glutb ft<b oerlaufett bat, loirb ba$ $au$ loieber auf ben $ügcl gebaut,
um früher ober fpäter baffelbe Schicffal zu ftnben. Auf unbergleidblich fd&öne
Seife bat Biernafcli, ber einft auf einer ber grobem Unfein Sßrebiger fear, bie
eigentümliche Aomantif jener ©egenben gezeichnet.
3)er ©influb biefeS Kampfes auf ben ©barafter ber fjfriefen labt ftdb in
ihrer ©efcbichte beutlidb erlennen. Auf ba$ Verlangen ber gürften, ihnen Sri*
but zu entrichten, antworteten fte ftetS: „Auf bem Boben, welchen wir $ag
für Sag gegen ba$ Seer oertbeibigen müffett, wollen wir frei unb feinem
Senfehen zinSpflichtig fein." 211$ im gabre 1250 ber $eqog 2lbel mit $ee*
reSmacht ins 2anb rüdtte, um feiner gorberung Aachbrucf ju geben, würbe er
blutig zurüdfgewiefen. 211$ er zwei gabre barauf, naebbem er feinen Bruber
©rieh, ben er in Schleswig al$ ©aftfreunb bei ftdb aufgenommen, ertränlt unb
baburdb Äönig Don Sänemarf geworben, al$ folcber mit bergröberter #eereS*
macht ben Berfudb wieberbolte, würbe in einer §auptf<hla<bt, nabe bei bem jefci*
gen griebrichftabt, fein ganzes £eer aufgerieben unb er felbft auf ber glucht Don
einem griefen Stutens Seffel Rümmer erfdblagen. Ao<h burch mehrere gabr*
bunberte behaupteten bie griefen ihre Unabbdngigfeit gegen alle Anfechtungen.
Am ©nbe mubten fte ft<b ber Uebermacht fügen; förmlich unterworfen aber
haben fte ftdb nie, unb ein bemerfenSwertber Umftanb ift, bab e$ an jeber Ut*
funbe fehlt, auf welche ftdb bie rechtliche Bereinigung AorbfrieSlanbS mit bem
£erzogtbum SdbleSwig zurüdffübren liebe. ©$ ift eben nur ein faltifdb befte*
benbe$, auf bie ©ewalt ber Umftanbe begrünbeteS Berbältnib. Oft wur*
ben, um ben Srofc ber griefen zu beugen, eigentümliche Sittel angewenbet.
gn ben 2)iftriften, wo beute noch frieftfeh gefprochen wirb, bemerft man, bab
an ben älteften Raufern eine niebrige £au$tbür auf ber Aorbfeite, eine höbe
^intertbür auf ber Sübfeite angebracht ift. golgenbeS ift ber ©runb biefer
©rfdbeinung. Al$ ber ßönig Don Sänemavt ft^ jenen Sanbftrich burch Saf*
fengewalt unterworfen, befahl er, bab bie «gauStbür auf ber Aorbfeite ange*
- bracht werben unb nur Dier gub hoch fein folle, bamit jeber griefe, wenn er aü$
bem £aufe trete, fein ftolzeS §aupt gen Aorben, Dor feinem Ädnig unb $errn,
beugen muffe. 3)ie Verfügung lieb ftch-nicht umgeben, aber zum ©rfafc würbe
bie hohe $intertbür (auf grieftfeb ©pperbör) angebracht, unb biefe allein
benufct. San mub hoch wohl einigen Aefpelt Dor bem Schiffer** unb Bauern*
Doll hegen, welches, ohne jemals Don Bbtfofopben gehört unb unter bem ©in*
flub ber Bilbung geftanben zu haben, ben Sabrfprudb: „Sieber tobt als
Sflab" auf feinem Sappen unb Banner führte unb im $erzen trug, ©e*
gen bie Annahme beS ©briftentbumS haben bie griefen ftdb lange gefträubt,
unb bat ficb in biefer Beziehung folgenber 3ug erhalten. ®ie Stfftonäre batten
ben einflubreitbften gübrer, AantenS Aatbob, babin gebracht, bab er ftcb taufen
laffen wollte. Als er aber eben ben gub tn'S Saffer fefct, fällt ihm noch bie
grage ein, ob baS Opfer, welches er zu bringen im Begriff ftebe, .auch feinen
im £eibentbum beworbenen Brübem zugute fomme. 2)ie Antwort lautetf *
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„$ie fmb unb Weiten in ber $ölle." $a joff er f<hnett ben gub jurüd unb
rief: „$ann toitt ich lieber mit ben Peinigen berbammt, als mit ©u<h felig
fein." $ö<hP charalteriftifch ift es, bab bie Briefen, na^bem fie fpdter baS
©hriPenthum angenommen, burchquS leine ebetofe ©eiftlichleit unter p<h bul*
ben moßten, unb hierin fo hartnddig blieben, bab ber $apft fchlechterbingS
nichts mit ihnen anfangen lonnte. 3ftr triftiges Slrgument lautete: „2Bir
moHen grieben in unfern Käufern haben." Üfiie bat auf norbfriefif<hem©oben
ein ülofter geftanben, unb bie Deformation traf beS^alb auch bort auf leine
©chmierigleiten, mdhrenb baS SBerhdltnib in 2)ithmarf<hen anberS lag. S)ie
nddbfte SBepimtnung ber griefen möchte jefct fein, bie beften Seeleute für bie
beutfcbe glotte ju liefern. ffidhrenb beS Krieges bon 1848 — 1860 beftanb
baS Heine f<hleSmig*holpeinifche ©efchmaber an ihrer Äüfte bereits einen
macfern Straub mit einer Slbtheilung ber banifchen glotte.
$en $itbmarf<bem boten fuh für bie ^Behauptung ihrer greiheit Sortheile,
melche ben griefen abgingen, ©ie mohnten auf ihrem Terrain eng jufamtnen,
mdhrenb bie griefen über einen langen ßüftenftrich unb eine Dtenge bon gnfeln
jerftreut maren. 2lu<h mar ihrem Sanbe nur bon einer ©eite beijufonunen, baffelbe
alfo berhdtnibmdbig leidht $u bertheibigen. 2)aS alte 2)ithmarf<hen bilbete eine.
$Bauern*Depublil, beren ©efdjichte fo über bie Dtaben boli romantifchen gnter*
effeS ift, bab fle in biefer öe^ebung eine mahrhaft unerfchöppiche gunbgrube
bilbet. 2)ie Kämpfe, melche bCefeS freie Sauernbol! gegen ben f^leSmig^hW^
fteinifchen Dbel, bie ©rafen, £erjöge unb Könige führte, ftehen in ihrer Slrt
einzig ba. ©S fei hier beifpiclSmeife einer ©pifobe aus bem 14. gahrhunbert
gebaut, ©ine neue gnbafion hatte mit einer furchtbaren Dieberlage beS
SlbelS geenbet. Dicht meit bon ber ©renje entfernt. Meisten bie ©ebeine
bon über breihunbert 2Mblut*Dittern, melche nach ber graupgen ©itte, bie
fich bei ben $ithmarf<hem noch burch gmei gahrhunberte erhielt, ni<bt beerbigt
ober entfernt merben burften, fonbem als marnenbeS ©yempel abligen Ueber*
muths ben Daben jum grab bienen muhten. SBeinenb peilten ft<h bie grauen
unb feebmeftem ber ©efaöenen mit ihren Wienern ein unb Pehten um bie ©r*
laubnib, bie Seichen mit fi<h fortjunehnien. 25ie dauern blieben unerbittlich,
©nbßch aber lam eine Slnjahl bon Donnen in meifjen Schleiern unb pellte
bor, bap es fünblich fei, ben ©efaUenen ein ehrliches SBegrdbnib JU bermeigern.
SBor ben Achtern beS Rimmels hatten bie $ithmarfcher, ungleich ben griefen,
einen gemaltigen Defpeft, unb ihnen bemilligten fie baS^ maS fie ben abKgen
tarnen bermeigert. Qu fpdt erfuhren fie, bab Sefctere fi<h als Donnen berllei*
bet unb burch bie Sßufchung ihren 3mecf erreicht hatten. ^Beging ein
S)ithmarfcher SSerrath am Daterlanbe, fo mürbe bie Sicht über ihn auSgefprochen,
unb jrnei SanbeSfbhne mürben mit ber SSoUftredung beS UrtheilS beauftragt,
©ie mubten ben SBerrather auffpüren, mubten ihm, menn nothmenbig, bon
Sanb ju Sanbe folgen, unb burften nicht heimlehren bebor fie ihre Dtiffion er*
füllt, b. h- ihn umS Sehen gebraut hatten, ©inem bei ben griefen fomohl mie
bei ben S)ithmarfchem herrfchenben brauch anfolge mubte ihnen pets im flampf
eine reine 3ungfrau ba! JBanntr boran tragen. Sie größte greibeitlfchladbt,
tneldje bie Sitbmarfcher geliefert, bie bei $emmingftebt im gabre 1500, ftebt in
ber ©efeßiebte Seutfcßlanb! all Gpocße machenbe! Greigniß ba unb riß ben in
biefem gaH fonberbar berblenbeten Sutber ju einem bonnernben Slnatbema
gegen ba! „freche Söauernpadf" ftn. Ser ßönig S^bann non Sänemarl
batte ftcb mit bem gefammten fcßlelmig * bolfteinifcßen 2lbel berbünbet,
unb bielmal follte ber £ro|j ber dauern grünblich gebrochen merben. Sa!
£eer ber Sänen unb ber Witter gdblte 30,000 Mann, unb all furchtbaren
93unbelgenoffen butte el bie in ganj Seutfcßlanb gefürchtete Sölbner*©arbe
bei Sunferl Schien^ bei ft<ß. Melborf mürbe juerft eingenommen, unb bie
gefammte Mannfcßaft, melcße ftch nicht geflüchtet butte, niebergemacht. 3n
feftlichent Scßmuc! mürbe bon bort meiter gerüdtt; el galt ja nur noch eine
4? e 6iugb, melche bie ©arbe allein bemerfftelligen tonnte, unb am Slbenb follte
nach bottbraeßtem Sagemerf in £eibe über ba! unterjochte Sitbmarfcßen
triumpßirt merben. Slber el tarn anber! all bie Herren ermartet hatten. 5luf
ber feitbem ,,Saufenbs£eufel!*2öerfte'' getauften unb noch beute fo genannten
Grbößung bei £emmingftebt batte fleh eine tapfere Schaar unter ber güßrung
bon 2öulf Sfebranb, beffen ©raut, Jungfrau Steife, bie gaßne trug, gefummelt,
unb bliefte hinter ihren Schaden ruhig ben ^eranrüdenben entgegen. Um
bie ^ofition §u erreichen, mußte ein langer, fcßmaler Santrn, jmifeßen tiefen
©räben, überfchritten merben. „§üte bi<h, Malier, bie ©arbe tommt ! 44
riefen bie beranftürmenben Scute bei Sanier! Scßlenj. Sa! ©ebonner ber
aufgepflanjten gelbfcßlangeii mar bie Slntmort, unb halb geigte el fuh, baß
lein leichter Strauß beborftehe. $lößli<ß ftieg bal Sßaffer in ben ©rdben,
hoher unb höher, unb ringlum murbbn bie SBiefen überflutbet. Man hatte
bie Scßleufen geöffnet. ge(jt fprangen bie dauern aul ihrer Schanje
herbor, unb ihr Schlachtruf lautete: „£üte bich, ©arbe, ber Söauer
lommt!" ein 2Babrfpru<h, ber noch beute in Scßtelmig^olftein ju ben house-
hold words gehört unb mäßrenb bel iebten Kriege! gegen Sänemarl oft genug
auf bem Schlachtfelb bernommen mürbe. Gl entftanb ein grauenbollel ©e*
rnefcel. Sie bei 23oben! luubigen dauern flachen * mit ihren Speeren in bie
Schaaren ber geinbe, bie ftch, überall aulgleitenb, nicht mehr helfen lonnten
unb jämmerlich su ©runbe gingen. 93on ben 36,000 Mann lamen leine
2000 mit bem 2eben babon. Sie ©arbe bei Sanier! Scßlenj mürbe mit ihm
felbft bil auf ben lebten Mann niebergemaeßt. Ser $önig Qohann berlor ein
Sluge unb rettete nur mit Mühe fein Seben. $8on bem ritterlichen ©ef<hle<ht
ber 2lhlefelbl fielen allein jmanjig Mann, unter ihnen £anl bon Slßlefelb,
melcher bie urfprünglicbe, angeblich bom £immel gefallene Sannebroglfaßne
trug. Schere mürbe erbeutet unb im ©eburtlort Seife’! ihr ju Gßren über
bem Slltar aufgehangen. 2Bo fxe feitbem geblieben, ift nicht belannt; jeben*
fall! aber haben bie Säuen fte im Sabre 1559, all Sitbmarfcßen! greibeit
unterlag, nicht jurüdbelommen. .— Sieht man bieSifte aller ber Manfcaul,
Slßlefelbl :c. bureß, meieße in ben gaßllofen gehben mit ben Sithmarfcßern
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fielen, fo begreift man nicht, n>ie noch welche bapon nachgeblieben fein
fönnen. 2lber fte ejiftiren noch immer, unb ftnb, was ihre ©ejinnung be*
trifft, unperänbert.
2ln bie Schlacht bei Hemmingflebt luüpft ftcb eine ©pifobe, welche nicht
unerwähnt bleiben barf. 2llS ber geinb mit fo gewaltiger Uebermacbt heran*
rüdfte, leifteten bie 2)ithmarfcber baS ©elübbe, im gaH bie heilige gungfrau
ihnen ben Steg Perleibe, ihr in 2Mborf ein Donnenllofter, mit SanbeStßcbtern
als Tonnen, gu errichten. Schon oben würbe erwähnt, bafc eS bei ihnen ßlöfter
gab; jeboch waren bie 2ftön<be unb Tonnen imporrtrte SBaare, babie grörn*
migfeit nicht fo weit ging, bafc bie 2)ithmarfcherinnnen felbft ftcb baju hergeben
mochten. 2llS nun ber Sieg errungen war, würben bie Perlegen jaubemben
2)itbmarfcbet burch ben ©rjbifcbof Pon Bremen gebrängt, ihr ©elübbe §u löfen.
2)aS Slofter würbe gebaut; aber woher bie Tonnen nehmen? Dach Pielen Per*
geblichen Bemühungen gelang es enblidj, brei Patronen, welche bie günfjig über*
fchritten hatten, für ben Syrier ju werben, wobei fie ftcb’S jeboch auSbebangen,
bann nnb wann Sonntags $um $an$ gehen ju bürfen. ©neS fronen $ageS
Waren aber bie Himmelsbräute fpurloS Perfchwunben, unb bie abfolute Unmög*
liebfeit befreite bie guten 2)ithmarfcher pon ber Söfung ihres SchwureS. 2)er
Deformation leifteten bie 2)ithmarf<her lange SBiberftanb. 2)er erfte Dpoftel
beS neuen ©taubenS, Heinrich Pon 3ütphen, würbe nach fcbredElidjen ÜDifcbanb*
lungen auf bem SDlarftplafc Pon $eibe Perbrannt. SutberS Sehre brach ftcb
aberfchnell Bahn als man entbedfte, bafc bei 2unben*an ber ©ber ein 3Mßn<hS*
unb ein Donnenflofter bureb unterirbifche ©änge mit einanber in Berbinbung
ftanben. gn einer Dacht würbe bie faubere ©efellfcbaft überrafcht unb nieber*
gemacht, unb bamit hatte ber flatholijiSmuS im S)ithmarf<hen ein ©nbe.
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»iOtt Wtat&ilbe ^frattjUfa 9fttttefe«
Jttaitranh.
Süngft war ich jum ©arten gegangen,
3um buftenben Blüthenhain.
S)a hielt bie Debe umfangen
©olbliebchen, baS SBalbmeifterlein.
Sie haben gar heimlich geplaubert,
3<h habe fte hoch belaufcht.
Sie haben in fchwingenben Dptbmen
Sich Jlüffe um ßüffe getaufcht.
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Sie fabelt gar lieblich gezaubert
SSon lünftiger Seligleit.
Sie baten f«b beibe »erlebet
Sur bie luftige Sßaienjeit.
Sie haben fi<b beibe bereinigt
£iet unter bent frönen Saunt,
3u blühen, ju grünen, ju lieben,
3u träumen ben Sommernad&tltraum.
0 ftiH! ja, bet grübling »in lonunen.
Ser Diebe ^erjblut, bet 2Bein,
SBirb bi<b umflutben, umtaufeben,
£olbfelige8 SiBalbmeifterleinl
II.
CntbäUtrrt.
«Du meine fd&5nt, bunfle Stofe,
Die mir an« $erj fcaä ©^iitfal warf.“
SH8 ber Srübling noch in ber Sffiiege lag,
Unb blütbengefcbmüdt »ar ber junge Sag,
Unb Jfnogpen, nur $no8pen, bie SRofen;
2ll§ Seil#enbuft oon ber £eimatb, ein ©ruh,
herüber lam mit be8 3epbirä ßufj,
2Jlit ben fpielenben äßinben, ben lofen —
Sa »arb mir ’ne Stofe, ’ne bunlle, gefanbt,
2Bie’8 ber Sinter fagte, Bon S<biäfal8banb.
3<b bab’ fie am #er}en getragen.
©8 »ar »obl jut 3eit nicht, jur rechten 3eit,
Sab f«e fub erfchloffen jut greubigleit,
3u wonnigen Dtofentagen.
Sod; bab’ ich gebracht fie jum Sonnenftrabl,
3lm lichten Sage, im SWärj jnmal,
3m tauben SBeften ba brüten.
3cb habe mit meinem fauche lau
©wärmt unb genest fie mit Sbtdnentbau, ,
©efcbüfct fie mit meinem Sieben.
Sann bat fie entfaltet ftcb langfam unb fa^t,
©eleu<btet, bie bunlle, in SBunberpracbt,
Sie »unberfeltfame Stofe.
3<b bab’ fte gehalten am £erjen feft,
So wie man fein Sieben nicht »on fi<b Mflt,
ÜJiit trautem unb treuem ©etofe.
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bcr Civil-Eights-Bill gegen biefe erhob, fo brausten h)ir nur bie gewaltige
[Rebe non gUinoiS ^o^erjigem Sohne, £pman drumbull, nrieber$ugeben, ber
nie fd^Tagenber, nie übergeugenber fprach, niemals bie Sinlelsüge eines SBollS*
fcbmeicbletS mürbevoller unb babei fo berb fennjeid&nete, niemals bie -Kation
in fo begeifterten Sorten an bie Erfüllung non ©b*enpfli<bten mahnte, als in
jener bebeutfamen Stunbe, bie ber Slbftirnmung über baS SBeto noranging.
Slbet eS giebt unter unfern £efem wohl deinen, ber an biefe Sorte erinnert $u
werben brauet, unb in bem fte nicht bie Testen 3meifel über bie lonftitutionelle
[Berechtigung beS gebauten ©efe|eS befeitigt fetten. Uns ift eS habet nur
Vorbehalten, in furzen Umtiffen ben S^eci ber Civil-Eights-Bill, welken
Slnbrew gobnfon butcb feilt 93eto §u bhttertreiben hoffte, bervorjubeben, unb
bie Stellung ndber &u bejeichnen, bie er burch jene 93eanfpru<hung ber ihm
eingeräumten [Prärogative ju ber Partei einnimmt, bie ihn $u feinem jefcigen
Slmte berufen bat.
der zweite Slrtilel beS SlmenbementS gu ber S3unbesnerfaffung,
welches in feinem erften, naebbem es von jwei drittbeilen ber Staaten ratifairt
War, bie Sflaverei über baS ganje ©ebiet unferer [RepubUl für aufgehoben er*
Hart, giebt bem Gongrefi in unverfänglichen Sorten baS [Recht, DRafmabmen
in’S £eben ju rufen, bie biefer greibeitSerllärung praltifcbe Sirlfamleit ju verlei*
ben verbrechen. ©S ift bie fo ertbeilte 93efugnifj, welche benfo häufig genannten
©efe|entwurf bervorrief. Sie Inüpfte leine 93ebingungen an bie auf fte ge*
ftüfcte £anblung beS ©ongreffeS, unb eroffnete alfo baS dbor 31 t ben um*
faffenbften, grünblichften Schritten, gut 93erVoHftänbigung ber burch bie grei*
beitSerllärung angeftrebten Slbfuht. Sener jweite Slrtilel beS 93erfaffungS*
amenbements baucht ber Civil-Eights-Bill auch fein Sefen ein, benn ber
©runbgebanle biefer beftebt barin, bie gleidjfam negative [Richtung beS erftern,
ber bie Sllaverei aufbebt, &u einer ^ofttiven gu erbeben, baburch, bafj fte ben
Status ber [Befreiten feftftellt. Snbem fte biefe auf ben ©runb, bafj fte bi«
geboren, als „[Bürger" anerlennt, erbebt fte über bie bisher gelnechtete [Race
, ben Schul beS SchilbeS ber [Republil, verleibt ihr aber leine weiteren [Rechte
als biejenigen, welche jeber ©ingemanberte mit bem dage feinet Slnlunft an
bem Ufer unfereS £anbeS $u beanfprueben vermag. -Rur mit 93ejug auf bie
©eltenbmachung biefer Rechte betritt fte ein ©ebiet, welches mit ben vor bem
Stiege gangbaren Slnfcbauungen ber Sübftaaten unb ihrer greunbe im [Rorben
in fchroffen ©onflilt tritt. Säht fte ben StaatSgerichtSbofen in allen gätlen,
welche eine [Beeinträchtigung jener bem 95 ü r g e r innewobnenben [Rechte Ion*
ftatiren, fowie in allen gällen, wo ber garbige anbern ©efe$en, 95 erorbnun*
gen ober ©ebräuchen nach projefftrt würbe als bie, welche auf ben Seiten
gleichmäßig Slnwenbung ftnben, baS ©rfenntnijj in erfter gnftanj, fo befähigt
fte hoch ben 93etreffenben, von biefer nicht etwa an einen höheren StaatSge*
richtsbof, fonbern an ein 95 u n b e S geriet ju appeHiren. ®ie übrigen $ara*
grapben beS ©efefceS gewäbrleiften nur bie praltifcbe Sirlfamleit ber fthon be*
zeichneten. ©S werben demjenigen fchwere ©elb* unb ©efängnifjftrafen jtter*
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fannj, bet ff<h bet garbe ober bet früheren unfreiwilligen Sienftoerpflichtung
eines Slnbetn wegen an ben il?m jugefprochenen „bürgerlichen Siechten" »et»
greift; ben PunbeSgericfften wirb bie 2lrt ber Ptocebut »orgefCffrieben, nach
welker fie »on ben ihnen unterbreiteten Älagefahen jienntniff nehmen bürfen,
ihr tßerfonal »ermehrt unb ihre gurisbiftion allen technifchen 'Ginwürfen ent»
rücft; ben Unterbeamten bet PunbeSgerichte wirb eine ©etbftrafe bis ju Jan*
fenb SoUarS in jeber Slagefache, bie jn ©unften beS Klägers »ermenbet werben
foH, auferlegt, wenn fie ben Porlabungen unb Grfenntniffen ber ©erichtshöfe
nicht mit gebübtenbem Gifer ©ettung ju »erraffen fuchen,- unb wo fie nach*
weislich burch ©ewalt baran »erhinbert werben, ba ift es ben PunbeSrichtetn unb -
PunbeSfomtniffätS erlaubt, bie .fjülfe ber nädjften Söürger, beS posse comi-
tatus beS betreffenben Gountp, ober enblicff bie fianb» unb Seemacht bet
^Bereinigten Staaten gut Unterftüfcung anjurufen. Siefen Perorbnungen
fliehen fich noch Strafbebingungen gegen Siejenigen aa bie ffdj ben Plahbaten
bet ©erichtshöfe wiberfeffen, ber glucht »on Peflagten in gälten bie baS ©efefc
betrifft, Porfdjub leiften, ober fie, wenn f<bon in $aft gebradfjt, ben Sienetn
bet ©erehtigfeit ju entreißen fuchen. 3iad) einer geftftellung ber ©ebühten,
bie bei »otfommenben Klagen unter ber Pegibe bet Civil-Bights-Bill ju et»
heben ffnb, folgen bann noch jwei Paragraphen, welche bie Pefugniffe beS
Präffbenten, fo weit eS feiner Ginwirtung bebarf, um biefem ©efeff Sichtung ju
»erfdjaffen, feftftellen. Ser erfte b e»ollmach tig t ihn, um eine energi«
fcffete fjanbbabung ber ©erechtigfeit ju erjielen, baff er ben Picfftern, ben SWarfdjaU
unb öffentlichen Pnflägern beS PunbeSbejitfS, in welchem feinem auf bahin jie*
lenbe Plittheilungen fuh ftüfcenben ©lauben nach Uebertritte beS gebauten ©e»
feffeS ftattgefunben haben ober beabpcfftigt werben, fidj an Ort unb Stelle ju
begeben unb bort ©ericht ju halten; ber jmeite beöollmächtigtihn eben»
falls, bie fianb» unb Seemacht beS PunbeS _ ober bie SWilij jum groecf bet
Sutihführung ber »on uns jerglieberten Perorbnungen ju »erwenben. GS
ftnb nur biefe beiben Paragraphen, welche bem Präffbenten überhaupt einen
Ginfluff auf bie Söirffamfeit ber Civil-Bights-Bill einräumen. Saff in bei*
ben ber PuSbrud bevollmächtigt »erwenbet wirb, fcheint anjubeuten, baff
bie Perfaffer beS GntwurfeS fcffon »on ben Phnungen befcfflicben waren,
welche bie gteunbe Pnbrew gohnfonS jefft »ermitflichen, inbem fie btchenb
uns jurufen, baff er feine »on biefem »erfaffungSwibrigen ©efeff ihm aufge*
bürbete Perpflichtungen erfüllen werbe. GS ftnb ihm beten feine geworben.
Gine Pepollmächtigung fcffliefft ben freien SBillen beS Petreffenben in ftch,
bie ihm an»ertraute Pefugniff in Pnmenbung ju bringen ober fie ruhen ju
laffen. Pber machte bie Pili bem Präffbenten baS jur Pflicht, was fte
feinem SBillen anheimftellt, fo wäre ihre Tragweite, im gall einer Steigerung,
nur wenig gefdjwächt. SffiaS bie Gnbparagraphen ihr fcheinbar an Stärfe
bringen, enthält fie fdffon in ber pofftioften Steife in ben »orhergehenben Pb*
fcffnitten beS ©efeffeS. Sie Civil-Eights-Bill ruft Pnbrew gohnfon mit
f«h fort auf bem Pfab ber Pflicht unb ber Gh«; aber ffe geftattet ihm, mitju*
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geben ober gurüdgubleiben, je nachbetn feine Neigungen barüber entfd&eiben
mögen.
Der SBortlaut ber Bill erllärt ihr SGBefen alfo auf baS Deutlichfte unb giebt
bie engften ©rengen um ihre LuSlegung unb Luffaffung. Snbenvfte bie ^Recfetc
beS Bürgers aufgäblt, fchneibet fte alle bppotbetifchen ab. ßontralte eingu*
geben unb ihre (Erfüllung gu ergwingen; gu Hagen unb »erllagt werben gu
lönnen; 3*ugnib gu geben; bewegliches ober unbewegliches ©igentbum laufen,
mietben, »erlaufen, übertragen unb ererben gu lönnen; eines gleichen Bor*
tbeilSmitbem äBetben allen ©efefcen gegenüber gu genießen, bie gut Sicherung
ber B*rfon unb beS ©gentbumS erlaffen, unb leinen unberen Strafen als benen,
welche bem SBeijien angebrobt, unterworfen werten gu lönnen — baS ift bie
genaue Definition ber Lechte, welche biefer Llt unferer BunbeSlegiSlatur bem
« befreiten »erbürgt. Bon einem p o l i t i f <h e n, »on einem Stimmtest
ift nicht bie Lebe. Drumbull leugnet jeben £intergebanlen mit Begug auf
biefeS ab. Das Argument, mit welchem er bargutbun fucht, ba& baS Bürgerrecht
ber Bereinigten Staaten leine „politifchen ^Privilegien" mit fi<b bringt, bat fich
in ber B*ayiS bereits bewährt, wie baS Beifpiel »on LlaffachufettS geigt, wel*
cheS unter bem ©influfc beS Latinismus leinem ©nwanberer baS Stimmrecht
gugeftanb, wenn er nicht gwei Sabre über ben Seitpunlt hinaus, wo er bie
Bürgerfdjaft ber Lepublif erworben, birr gelebt. Die Beftimmungen ber
BunbeSoerfaffung, wie unlogifch fte auch mit Begug auf ben Barographen fein
mögen, ber eS ben eingelnen Staaten überlast, bie Oualiftlationen ihrer ®äbler
feftgufteHen, ftnb über biefen Bunlt entfeheibenb, unb batte man nicht ben ÜDtutb,
ober war eS nicht möglich, jenen Barographen burch ein Slmenbement gu ent*
Iräften, fo müffen wir uns jept, wohl ober übel, mit ber Uebergeugung gufrieben
geben, bah bie Civil-Eights-Bill ben gelnechteten Llillionen nur bie in ihr
begegneten Lechte oerleibt unb lein Dittelchen weiter.
gern wie er ber Dbeilnabme an ben Beftimmungen über baS SBobl unb
ffiebe ber ©efammtbeit ftanb, ftebt baber ber Leger ihr auch jefct noch- 2BaS
baS neue ©efefc ihm gugeftebt unb oerbürgt, beanfprudjt ber ©inwanberer als
burchauS felbftoerftänblich mit bem Llontent, wo er bie ©eftabe ber Lepublil
betritt. ©S finb bie gewöhnlichen unb immer mit Iräftiger^anb gewäbrleifteten
3 ugeftänbniffe, welche bie ©ioilifation burch bie ©efammtbeit bem ©ingelnen
machen labt. ©S ftnb Sugeftänbniffe, oon beren Berechtigung man fo tief
burchbrungen unb beren Unoerleblichleit uns fo heilig, bafj uns jebe oerfuchte
Befcbränlung gum Lachtbeil beS Schwachen ober Unwiffenben mit ber tiejften
gnbignation erfüllt. ßurg, eS ftnb nur bie in jeber Begebung n a t ü r l i <h en
Lechte, bie bem garbigen burch bie Civil-Eights-Bill werben unb werben
muhten, wenn man nicht nach bem ©rlafc ber greibeitSerllärung fortfabren
wollte, ben 2JI e n f <b e n in ihm gu ignoriren unb mit Danep gu fagen, bah er,
gleichwohl ob frei ober nicht, leine Lechte beftfce, bie ein SBeijjer gu refpel*
tiren brauche.
Unb bieS nach ber Lufbebung ber SHaoerei fo felbftoerftäntliche, fo natür*
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ließe unb weil natürlich, jttgleicb fo bürftige gugeßänbniß wotlfe SlnbteW goßn*
fon, obgleich baS ©emußtfein be§ ganjen loyalen ©ollS es als unabmeislicß er«
fannte, nicht machen. 3wnt hatte er not wenigen Monaten er ft erflärt, bah
bie ©teicßftellung beS Siegers mit bem Seißen vor bem ©efefc eine unerläßliche
©ebingung ber Sieberaufnahme ber Staaten beS SübenS fei; aber Sonate
haben pfpcßologifche Umgeftaltungen in Slnbrem Soßnfon ju Sege gebraut,
bie bei Anberen launt toährenb ber ©eriobe jur ©oHenbung tommen, welche
ben Jüngling Dom ©reifenalter trennt, (frllärt nicht biefer Umfchroung baS
ufurpatorifeße ©ebahren, burch weißes et ben Slepräfentanten unb Senatoren
ber „relonftruirten" Staaten ©nlaß in ben Gongreß ju verfeßaffen fußte?
Seicht märe eS ihm bann gemotben, feinem Sßeto gegen bie ©efßlußnahmen ber
patriotifßen Majorität ©eltung ju feiern. 2roß aUct Streu» unb ©robeeibe
hätte nicht ein einjiget ber Vertreter beS SübenS Maßregeln befürwortet, bie ber
greißeitSerllätung beS verhaßten Siegers Sehen unb Sirffamleit einbaueben
fönnte. M5ge bäS ©efübl unferet Santbarleit gegen bie Männer nie ertalten,
bie fi<h in jenen Iritifßen Momenten in bie SBrefdje matfen unb unfere herrliche
Slepublit vor bem fßmätjeften Sßanbfled bewahrten.
Sir »Überholen, Anbtem Sohnfon wollte bieS 3ugeftänbniß meber bem
©eifte ber 3eit, noch ben gorberungen beS greiheitSamenbementS, beffen natür*
liehet SluSfluß eS mar, machen. Unb boß ßnbet ftch unter ben breißig Mitlio*
nen ©emohnem unferer Slepublit nicht Giner, ber bie abfolute SJothmenbigteit,
wie bie legale ©ereßtigung unb logifße Slißtigleit einer folgen Sicherung beS
ManbatS, welches bie SHaoerei auf hob, beutlicßer ettennen mußte, als et. Selbft
unter S)enen geboten unb auferjogen, gegen beten Uebergriffe bie Civil-Kights-
Bill ben Sieger fßüfcen fotl, jeugten alle von ihm auSgeßenbe üunbgebungen
von bem ©nbrud, welchen bie Selbftüberfßä|ung, baS feftgemurjelte ©orurtheil
unb bie Anmaßung willtürlichet ©emalt feitenS ber Sllabenhalter auf ihn ge
macht hatten, konnte er fc<h Überreben, baß ber Sieger jefct, wo er aus feinem
bienftlißen Status jum freie« Menfßen erhoben, babureb feinem frühem
©eftßer imponiren, b a b u r ß fuh eine ber Sütbe ber greißeit entfpreeßenbe
©eßanblung pchem Wune? durfte er bem tßörißten Saßn fuß ßingcben, baß
ba, wo baS Selbftinterejfe beS Arbeitgebers nicht für ben Sieget fprießt — alfo
hei Sebem, in beffen Soßn et nicht fteßt — baS bloße ffibitt ber greißeit ißm
eine Slefpettirang ber Siebte berfelben erjielen werbe ? konnte er, ber .guter
bet Sleßte jener vier Millionen, ftch bei bem ©lauben beruhigt fühlen, baß
lange genährte ©orurtßeile unb ©ewohnßeiten, benen ber Sflaoenßalter »on
fiinceSbeinen an jum Slachtßeil ber’Sßmarjen gefolgt, burch eine bloße ©to*
Kamation vermifßt werben würben, baß bie Slatur ber Stlaoenßalter, bet nie
gejfeln angelegt worben, fuß mit einem Male verleugnen, baß fte ißre Snbi«
vibualität abftreifen, unb ben Sieger wenn auch nur mit Schonung beßanbetn
würben? Ober mußte er nicht vielmehr anneßmen,baß biegreiheitsprollamation,
welche bem Süben als bie empfinblißfte Strafe jubiltirt würbe, nur bie ge*
ßäfßgften ©efüßle, ja, bie milbefte Erbitterung gegen ben ©egenftanb, beffen
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matt ft« §u btefcr Strafe bebiente, brttorrufen »erbe ? drängte ft« «m btefe
Ueberzeugiing ni«t oon felbft auf, fo ftanben wieberum feinem tnenf«li«eit
SBefett ber £ülfgmittel fo oiele zu ©ebote, bie wabrf«einli«ften ©rgebniffe ber
ttd«ften 3ufunft, wenn ber SReger feinen S«u$ fdnbe, feftjufteüen, toie gerabe
«nt. 2)ie 3Ir«ibe beg greebmen’g fflureau fmb überlaben tnit ben ©emeifen
ber beifpieHog fre«en Uebergriffe, bie ft« ber frühere Sttabenbalter felbft je$t,
too no« bie 9tdbe bon ©arnifonen «nt Sugel anlegt, gegen ben Sieger erlaubt*
SInbrem Sobnfon brau«t fte nur anjufeben, um ft« zu überzeugen, bafj bie
$re«eit bem S«marzen ein gefdbrli«eg ©ut ift, wenn fte ft« auf bag ©ertrauen
Zur 2Ritterli«feit unb ©onbommie beg Süblanberg ftüfct. @r tue«, bafj mehrere
Staaten einen SpeciaMSobej für bie ©eberrf«ung beg ©egergf«ufen, bon
beffen ^raltif«er Hugfübrung f«on f«aubererregenbe ©eifpiele borliegen; er
weift, bafj ba, too bii ni«t zu grobe -Habe beg ÜHiXttdrö eg zuldfit, zügellofe
©anben einen $errori3mu3 über bie ©eger augüben, fte zwingen, gegen einen
nominellen Sohn ba zu bleiben ut\b zu arbeiten, too ber SBille ber Grannen eg
«neu borf«reibt, unb fte im SSBeigerunggfaH erbeuten ober ertrdnfen. $rofc
ber f«mei«elnben Stimmen, bie fein 0b* monopoliftren, bringt bo« bin unb
rnieber eine SBarnung, ein SBebruf zu ihm, bon Souiftana, wo man ft« fagt,
bab/ menn einmal bag greebmen’g ©ureau befeitigt fei, ber Sieger f«on für
feine greibeit hüben folle, bon Xenneffee, Slnbrew ^obnfong eigenem Staat, too *
©anben ©ed«teter ben Negern unb toeiben Sotyaliften f«on ben freunbli«en SBinf
gaben, ft« mit bem abziebenben SWilitär zu entfernen, toenn fte beg Sebent ni«t
überbrüfftgfeien, bon ©irginien, oonSRorb* unb Sübcarolina, furz non alle n
Staaten, bie bag S«wert-gegen ung z°Sen. Sie alle harren nur begübtomentg,
too fte ni«t mehr ber jefctgen f«toa«en Kontrolle untertoorfen fein toerben, um
bann eg bem Sieger zu entgelten, bab — er ft« frei erfldren lieb. $aufenbmal
f«limmer biefe unbef«üfcte greibeit, alg eine Sflaberei, in toel«er ©ütfft«ten
für bag materielle 3nteref[e ben S«u& erzwangen; bertoerfli« unb graufam
biefe S«enfung beg haften menf«U«en ©uteg, toenn man eg ni«t mit
S«u$webren umgiebt.
2lHe bie *?atriotif«en 27Mnner, bereu tarnen mdbrenb beg Äriegeg ©e*
beutung unb ©rojje erlangt, «ra«en fo zu Slnbrew Qobnfon. Sie toarnten
«n gegen eine berfu«te 3urücfziebung 6eg SRilitdrg, toeil fonft toeber ber
üReger, no« ber ffieifie, ber ft« bur« £reue zum ©unbe „fompromittirt" habe,
ber SRube unb Sicherheit ft« erfreuen werbe. Sie «ra«en aug berfonli«er
(Erfahrung, aug eigener ©eoba«tung ber bei bem ©nbe beg firiegeg fo oer*
fpre«enben, jefct fo brobenb enttoidelten ©erbdltitiffe. Unb bo« liefern felbft
fte ni«t bag ftdrffte Argument für bie ÜRotbwenbigfeit beg weiteren S«ufceg,
benn no« berebter «ri«t bag ©ebabren ber furzfi«tigen greunbe beg Sü*
beng, jener Seute, wel«e bie (Eonftitution fortwäbrcnb auf ber 3unge führen.
3)er ÜReger ift frei! ©t bebarf feineg S«u$eg, benn ate ©eprdfentant ber
Slrbeitgfraft ift er bem Süben zu mertbuoll, alg bab man ihn bur« Uebergriffe
Zur 2lugmanberung zwingen bürfte! 3)ag ift fo ber ftebenbe SRebefafr ber ttoeb*
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fid&en greunbe beS SübenS. Slnbere, bie aus ben frönet als ©rengftaaten
begeichncten Stilen bet Union fomraen, fpreeben beutlicher. S)aDiS Don Äen*
tuefp unb SaulSburp Don Delaware freuten ftch nicht, »on einet neuen SÄeDo*
lution gu fprechen, wenn ©efe&e gurn Schub bet greiheit beS VegerS erlajfen
njurben, unb toibmeten ben Öieft ihrer elenben ©pifteng bet Slgitation,
felbft wenn bagu baS Schwert gegogen werben müjjte, um Dies gu hinter«*
treiben. SBaS bebeutet Dies ? 3)arf man hinter btefen Verftcherungen unb Vro*
teften nach reiuen 2Jtotiben fudjen ? 3ft eS ni<ht befannt, bafc bet ©anbertrieb
in bem ÜReger fo fchwach Dertreten ift, bafj er ftch lieber bem gro&ten Ungemach
auSfefct, al§ ba& er feine Scholle »erlabt? Vrauchen wir unfere frühem 2ln*
gaben gu wieberholen, bab baS materielle 3fntereffe beS ©ei&en fub haften«
in ber Vehanblung desjenigen fühlbar machen lann, ber in feinem eigenen Sohne
fteht? 2tber biefe ©uthauSbrüche, biefe drohungen ber beutlicher fprechenben
greunbe ber Gebellen, fte fagen uns, was bie Dorfuhtiger gemöbelten ©inwürfe
ihrer norblichen HelfeShelfer nur anbeuten. Sie Derrathen uns bie ruchlofen
Htntergebanfen, bie ber Süben hegt unb nur hegen l a n n, wenn er in folgen
©orten gegen ben Schub einer Freiheit eifert, §u ber er felbft, wenn auch
gögernb, feine ©inwilligung gegeben. 2luf bem gorutn, Dor welches ber feiner
menfchlichen Habe entlleibete Bewohner beS SübenS ben Schwarten gu führen
gebenlt, wenn biefer ÜDtenfchenredhte gu beanfpruchen ftch erlühnt, thront ber
dichter Spn<h in feinem blutigen ©ewanbe, umgeben Don Schergen, bie nur
feines ©inleS h^en, um ftch auf ihr Opfer gu ftürgen. ©erechtigleit 'für ben
Veger im Süben, wenn bie gorberung nicht burch baS Vaponnett unterftüfct
wirb! SRuht nicht bie ©ahl Der dichter in ben Bewohnern beS SübenS felbft,
unb glaubt man, baj$ fte einen üfltann gu biefem 2lmt erheben werben, ber
nicht ihres Vertrauens würbig ift unb eS bis gurn DoUften Umfange rechtferti*
gen wirb ?
diefe Uebergeugung, bie alle bisherigen ßunbgebungen ber in ber 9le*
conftrultion begriffenen Staaten nur beftdrlen, liegt bem VnrograPhm beS ©e*
fefceS gu ©runbe, ber bie 33 u n b e S gerechte gur gweiten unb lebten Snftang in
allen ©ontrabentionen gegen bie einleitenben Veftimmungen ber Civil-
Rights-Bill erhebt, ©ine weife Vor[i<ht unb ein ebler Humanismus umgaben
biefe Verorbnung mit Schufcwehren fo weitreich enber 2lrt, bafc wir barüber beS
Vetos ber greebmen’S^Vureau^Vill faft Dergejfen, unb ber weiteren ©ntwiefe*
lung ber fReconftruttionSfrage mit [Ruhe entgegenfehen Dürfen. ©S bleibt,
fo weit eS bie ©rlaffung Don ©efefcen gur Regelung ber Durch ben $rieg umge*
ftürgten Verhaltniffe angeht, wenig mehr gu thun übrig, unb wir ftnb ber
Uebergeugung, bab ber ©ongrejj nicht ohne burdh neu ftch entfaltenbe Umftänbe
bagu gegwungen gu fein, ütftajjnahmen anbahnen wirb, Durch bie er mit ber
©pecutioe in abermaligen ©onflüt gerathen würbe. die Aufnahme ober W>*
weifung ber SReprdfentanten unb Senatoren ber infurgirten Staaten ift jeboch
lebiglich ihm anbeimgeftellt, unb er wirb ftch Darin Weber Durch ©infchüchterun*
gen beS Vrdftbenten, noch burch bie impotenten Drohungen ber OppofttionS*
preffe beeinfluffen laffen.
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gfi ättbreto gohnfon bcr politifdhen Äörperfd&aft, bereit 33erfu<he, ft<h ib*
rer $eiligften, unabmeislidhften 58erpf!i<btungen auf eine ebenfo mürbige mie
eble SBeife gu entlebigen> er gu bereitein fucbte, baburdb naher getreten, bafj er
bon ihr begmungen mürbe ? 2ttan übt 3Rad^frc^t gegen ben übermunbenen 2BU
berfad&er, ntan bergeihi felbft bem gebemüthtgten geinbe, aber man mdhlt ihn
fi<h nid&t mieber gum gührer. Siebe man fidb, fo meit es Slnbrem gohnfon be*
trifft, bagu berleiten, fo hiebe man glei<hfam baS gut, moburdb er mdhrenb ber
lebten bter Senate nidbt allein einen burd&auS unprobocirten Streit nüt ben
greunben ber Union herborrief, fonbem au<h, maS biel mehr fagen mill, nahegu
ber SanbeSehre einen tobtlidben Streidh berfegt batte. Sou baS Vertrauen gu
ibm fteigen, toeil bem 9ftibbrau<h biefeS Vertrauens burch ihn Sd&ranfen gefefct
ftnb? 2)arf man ibn jefct für guberlaffiger halten, meil bie Unguberldffigfeit ibm eine
S)emütbtgung braute, bie ber Starrfinn, melden feine Sdbmeidbler dhurafter*
feftigfeit nennen, niemals bergeben mirb ? 2Wr marnen gegen ein fold&eS Vor*
haben, baS ftcb feit jener dpifobe f<hsn bon mehreren Seiten äußert, meil mir
barin eine grobe Gefahr erblicfen. 2lnbrem gohnfon mürbe in ber SRachftcht
eine Sdbmäcbe gu erfennen glauben, unb ihn, ben S<bma<ben, fann nur baS
Starle beeinfluffen. ds mar bie Reattion ber ©efühle, mel(be er im korben im
Slnguge begriffen glaubte, unb babei bie gemiffe SluSftcht, baS £erg ber Gebellen unb
baS ihrer greunbe in ben greiftaaten gu gemimten, maS ihn beranlabte, fuh ih*
neu hingugeben, benn in biefer vereinten ^balany, berftdrft burch baS fchman*
fenbe dlement unter feinen früheren Varteigenoffen, mitterte er bie Partei ber
3ufunft. dr fa'h ft<h getäufdbt unb ift gefallen. Saffe man ihn in ber Sage,
bie er felbft gemdhlt. 2)aS gmponirenbe ber $)emonftration, ber er unterlegen,
mirb ihn leidster bor .fo Iraffen gestritten bemahren als bie, mel<he er begann
gen, als eine -Rachficht, ber er nicht bie leifeften 2lnfprü<he aufgumeifen ber*
mag. dine Unbanfbarfeit gegen alte greunbe, unb ein Verftob gegen ndchft*
Uegenb* IHüdftd^ten, mdren leidet gn berget'hen, aber ein Herrath an bem £ö<h*
ften barf feine milbe Veurtbeüung ftnben. Schon empftnben mir bie bemora*
liftrenbe SBirfung feines VeifpielS. Seine Sreuloftgfeit fanb Radhahmer, beren
SBirfen, mie g. 33. baS beS SenatSborftfcenben in !Rem*gerfep, bem SBillen ber
ÜJlajorität beS VolfeS ebenfo entgegentrat, miebaS beS Rnbrem gohnfon bem
SBillen ber -Ration. SSMt erblichen bie 3ei<hen ber $emoralifation ferner in
bem ungebührlichen dinflub, melden .man ber dyecutibe auf Staats* unb
felbft ßommunalmahlen eingurdumen berfucht. dS fragt fich nicht langer,
mel<he Partei bie richtigften unb fegenSrei(hften ®runbfdfce gur S3afl^ ihrer
Agitation gemadbt, fonbem melche ftch ber Vrotettion beS Vrdftbenten fchmei*
(heln fonne unb meldher er bie Sonne feines SBohlmoUenS ergldngen laffe. 5)aS
ftnb bebrohliche Symptome, benn.fie geben ber dpefutibe eine gröbere ©emalt
als bie, meldhe ihr aus allen bisherigen ©efefceSborlagen entfprieben fonnte,
unb gegen bie man eifert meil fte unfere 33unbeSregierung gu ftarfen geeignet
ift, maS bie drfahrung ber lebten fünf gahre bodh fo nothmenbig macht. $at baS
SRefultat ber SBahlen biefe oetberblid&e 2lrt ber Agitation beSaoouirt, fo ift ba*
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r m
•mit jebo<& bie ©efa^r nur vorläufig befeitigt, benn biefclbe Agitation ttrirb
ft$ in erhöhtem ©rabe tvieber geltenb machen wenn bie |>erbftmonate über bie
politifdhe Stellung vieler unb mafcgebenber Staaten entfd&etben fotlen. Gilbet
bie ©unft Slnbrem Sohttfon’S ben Siebepunft btefer Campagne, fo wirb bie
UntonSpartei in ihr unterliegen, benn na<b bem SSorgefaHenen fann fte ni<bt
ohne fUfc ju entwürbigen unb ft<h in ber bemütbigenbften SBcife ju verleugnen,
bie Sreunbf<baft unb Uebereinfttmmung mit bem $räftbenten beanfprudjen,
beren ft<3& ihre ©egner mit fo vielem ifledjt fdjmetdjeln. 2Ran wirb es leister
finben, bie ibm für feine Fehltritte geworbene Strafe $u motiviren, als biefe
Fehltritte ju entfdjulbigen, leister, baS [Redjt ju befürworten, als baS Unredjt
ju bemänteln. 2ftan fann Slnbrew Fohnfon mitgeben laffen, wenn er nid^t
in 3 tvif<ben auf bem SBege fortgebt, ben er bisher betreten; aber er barf in ben
Reiben ber greibeitsfreunbe g e b u l b e t fein. [Räumt man ibm eine bebeu*
tenbere [Rolle ein, fo wirb er nur fcbaben.
ßcr (üueriUahttf0 in
S5on »ictor (Srttfl.
Obgleich bie (freigniffe in TOepilo baS gntereffe ber bereinigten ©taaten
fo roefentlich berühren unb ihren bewohnern baS ©cbidfat ber ©chwefterre»
publil fo febr am §erjen liegt, ift boch bis jefet nur wenig über bie Gigenthüm»
licbleiten ber bort ftattfinbenben Kämpfe belannt geworben, ©eit bem galt
von buebla jerfplitterten fich bie Kräfte auf beiben ©eiten, unb aus bem ©haoS
roiberfprechenber beriete trat als Stefultat nur baS eine, traurige gaftum
hervor, ba& bie Patrioten im Sillgemeinen ben fiurjern jogen. Sie Slufjeich*
nungen eines franjBfifcben OffijierS fe|en uns jefet in ben ©tanb, eine Slrt
ber Kriegführung ju übetfhauen, welche, in ben Serhältniffen begrünbet, bem
mejifanifcben Kriege einen gan; eigenen ßharafter aufbrüät.
SBo ein 2anb von grober SluSbehnung unb mit bünner beoötferung von
einem übermächtigen geinbe invabirt wirb, entfteht ganj natürlich ber ©uerilla*
Weg, welker, an bie gewöhnlichen Siegeln nicht gebunben, auch aufjergewöhn*
liehe SDtittel »erlangte Hin inoabirenbeS $eer, welchem fcch nirgenbs ein geinb
in offener gelbfehlacht entgegenftellt' unb welches beShalb nicht im ©tanbe ift,
fcch Siuhm unb fiorbeeren ju erwerben, fann burch bie Operationen verborgener
©egner, welche fcch überall ba einftellen, wo man fte am wenigften erwartet,
fchnell ihren Soup auSfühten unb bann ebenfo fchnetl wieber verfchwinben,
jur berjweiflung gebracht werben. 2Bir haben bieS ja in unferm eigenen
Kriege hinlänglich erfahren. Sie granjofen aber griffen in SWepito ju einem
hülfsmittel, auf welches man hier nicht verfiel; um ben ©uerillaS ju begegnen,
bilbeten fte ein ©orpS von Gontre*©ueriüaS, welche, nach benfelben ^rinjipien
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B*1
hanbebtb, «Hein im Staube waren, bem gefährlichen geinbe mit drfolg bU.
Spige ju bieten. 9lacb bem Serrath von Solebab unb bem SCbjug ber dng*
länber unb Spanier trat ba3 Berhältnihmäjüg tleine franjöfifche dppebitiona*
corpa ben SMarfch in3 3nnere an, entfernte fi<h Born beiden fiüftengürtel (terras
calienles), burchfchritt bie fanft anfteigenbe gemäßigte (terras tem-
pladas) unb erregte baa Sßlateau Bon Slnahuac, um fuh am 5ten SDlai 1862
Bor ben dauern Bon $uebla eine Siieberlage ju ijolen. Unmittelbar nachbem
biefe £iob3poft in granlreich eingetroffen war, würbe ein dorpa Bon 30,000
SWann auagerüftet, wel<he8 unter bem dommanbo bea ©enerala gorep baa
Sann« ber QnPafion über ben fallen ber 5Rontejuma3 entfalten foHte.
gm Dftober 1862 traf gorep ein unb übernahm, baä dommanbo. Hber
laum fcbidte er fich auf bem fßlateau jur Selagerung Sßueblaa an, ala ea ihm
fcbon einleucbtenb würbe, bah hinter feinem. SRüden fich eine ©efahr entwidle,
welcher auf gewöhnliche SBeife nicht begegnet werben lönne. Tie SKepublifa«
ner organirirten in ben terras calientes einen ©uerillalrieg, welker butch
baa Terrain begünftigt würbe unb bie jurn ©elingen ber Operationen uner«
läjjliche Slufredhthaltung ber dommunication unmöglich machen muhte.
3lm Slbenb bea 14ten gebruar fanb in ben Salonä bea franjöfifchen
©efanbten, Salignp, ein glänjenber Satt ftgtt. SBähtenb bie jur Unterjochung
bea Sanbeä auagefanbten Offnere fuh mit ben frönen Töchtern beffelben ben
greuben bea Tanjea hingaben, nahm gorep ben Dberften Tupin bei Seite
unb richtete leife folgenbe Sßorte an ihn: „Oberft, bie terras calientes
wimmeln Bon SRdubern. Täglich werben unfere Tranaporte angegriffen,
SReifenbe ermorbet unb geplünbert, unfere dommunifationen unterbrochen. Tem
mu| abgeholfen werben, unb S i e finb ber SfJlann baju. 3<h übergebe 3hnen
baa dommanbo ber dontte»©ueritla3. SBäbrenb ich mich mit Ißuebla befdjäftige,
muh i<h hinter mir SRuhe haben." Ter Oberft bat um 3nftrultionen. da
würbe ihm unbefchrdnlte Sollmacht übergeben, dr fottte baa Sanb Bon ben
©ueriHaa fäubern; wie er’3 anfing, war feine Sache. Ter Sali nahm
feinen gortgang; Bon ben Täterinnen aber würbe wohl SRanche er»
bleicht fein, wenn fie baa ©efprddj Bernommen hätte, unb unter ben anmefen«
ben fDlepifanem befanb ftch mehr alä diner, bejfen jefct im Saufche ber Suft
glühenbeä Hntlifc in golge biefer leifen Unterrebung fpdter bleich unb Berjerrt
Born 3lft einea Saumea h«ab gtinfen follte.
Ter Oberft Tupin blieb bia §um ÜDldtj 1865 an ber Spifce ber dontre*
©ueriHaa. DJtit einem mächtigen Sombrero, rotber ober fdjwarjer £ufaren*
jade, gelben Uteiterftiefetn, bie Stuft mit Orben bebedt, einen 9teBoloer«an ber
Seite, ber Säbel am Sattel hängenb, bllbete er eine romantifche drfcheiuung.
da war ju biefem Ißoften ein Sütann Bon auhergewöhnlicher 2BiHen3fraft erfot*
berlich. Schon beftanben mehrere jerftreute dorpa biefer Slrt, unter ihnen bie
währenb ber djpebition Bon 1862 organifirte Schaar bea Schweijera Stödlin.
Sefcterer war ein Sßarteichef Bon unjweifelhafter Kühnheit unb führte in ben
SEßälbetn Bon Sera druj mehrere glüdliche Unternehmungen auä. Slber ala
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feine Sruppe ft# vergrögerte, war er ber Stellung «i#t mehr gewa#fen.
©nige wi#tige Operationen, in benen et mehr Kühnheit als ©ef#idli#feit ent*
faltete, blieben refultatloS unb f#abeten feinem Nnfehen, unb als er voUenbS
au« feiner Abneigung gegen bie franjdftfd^en Offnere fein $ehl ma#te, blieb
#m ni#ts NnbereS übrig als feinen Nbf#ieb gu forbern, ber #m unter 3uer*»
fennung beS OrbenS ber ^renlegian bewilligt würbe, ©n 3ahr barauf fiel
er, von ben ibm untergebenen 2Ne$ifanern im ©ti# gelaffen, als tapferer ÜNann,
beffen £elbenmuth mehr Nnerfennung gefunben haben würbe, wenn er ft#
einer belfern ©a#e gewibmet batte.
2lm 20ften gebruar traf ber Oberft 3)upin in SNebellitt ein, um ben Ve*
fehl über bie jefct vereinigten unabhängigen (EorpS angutreten. S)ie über biefe
ununiformirte Infanterie unb ÄavaHerie abgehaltene Nevue bot ein merf*
würbigeS ©#aufpiel bar. $)ie zerlumpte, wilbe ©#aar hatte ft# in einem
Vferbe*$fer# (coral) gefammelt. Nile Nationen ber üffielt f#ienen ihrö Ver*
tretet geliefert gu haben, grangofen, ©rie#en, ©panier, 2Jtejifaner,*Norb*unb
©üb*2lmerilaner, (Englänber, gtaliener, fioUänber, S)eutf#e unb ©#weiger,
furg Slbentheurer jeber Nationalität, waren hier vereinigt. $>ag*bie verf#iebe*
nen Völfer babei bur# ihre (Elite vertreten waren, lägt ft# ni#t behaupten;
Sitte gehörten in bie Äloffe ber gertrümmerten (Eyiftengen. ÜNan fanb hier ben
beS ÜNeereS überbrüffigen Niatrofen, ben bur# bie ftrenge Nuffi#t ber $reuger
ruinirten ©flavenhänbler von $avana, ben ehemaligen Äampfgenoffen beS
glibuftierS SBalfer, ben enttäuf#ten ©olbjäger, ben bur#bie „?)anfee«" vertrie*
benen ©flaventreiber Souiftana’S. 2)aS Sleugere biefer bunten Xruppe hätte,
wenn fte bur# eine europäif#e ©tabt beftlirt wäre, fofort ben allgemeinen
©#lug ber Säben gut golge gehabt, (ES war eben — wenn wir uns beS re#«»
ten SluSbrudS bebienen bürfen — Sumpengeftnbel.
Na# wenigeu Xagen fahen biefe fieute f#on anberS au«, ©ie hatten
gegogene Karabiner, Viftolen, ©äbel unbanberebem orbentli#en ©olbaten
unentbehrli#e 2IuSrüftungS*©egenftänbe erhalten. Slber wollte man, als erfte
Seiftung, bie ©trage na# ©olebab fäubern, fo mugte man vor allen Gingen
gute Vferbe haben, unb gum SInfauf berfelben fehlte baS ©elb. S)er Sllcabe
Von Niebettin würbe gum Dberften gerufen unb ihm, unter 3up#erung pünlt*
li#en (ErfafceS, bie f#leunige £erbcif#affung ber nötigen Sßiafter anbefohlen.
(Er antwortete, baS fei ihm f#le#terbingS unmögli#; aber bei ber Nüdfehr na#
feinem £aufe bemerfte er, bag ft# eine (Ehrengarbe von gehn Neitern vor beut*
felbeit aufftellte, beren guhrer ihm höflt# ein Rapier mit bem ©iegel beS (Eom*
manbanten überrei#te. Nur eine ©tunbe würbe ihm gur Vorbereitung beroil*
ligt; na# Slblauf berfelben fodte er ft# auf gwei SNonate in baS gort ©an Suan
b’Uttoa begeben. Vevor no# eine halbe ©tunbe verflogen war, befanben ft#
bie in feinem $aufe verborgenen öffentlichen ©elber in ber Nemonte*flaffe,
Nber bamit war bie ©#wierigfeit no# ni#t überwunben, benn bie ©genthümer
ber bena#barten ßactenbaS wollten ft# um feinen VreiS ihrer Vferbe entäu*
gern, unb entf#loffen ft# nur bagu als man ihnen bie SBahl gwif#en
gwangsweifer gortnahme ohne Vergütung unb Verlauf ftelUe.
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m
Wr Dü
476
SWcbeUin liegt am regten Ufer bei [Rio be 3amapa, brei [Weilen bon
Sera ©ruj, gilt für bie Seiner bei £e|tern in gemöhnlichen Seiten all Ser*
gnügunglorj unb ift bon üppig buftenben, föftlichen Sropenmdlbern umgeben.
3ejt aber war ber Aufenthalt nicht! weniger all angenehm. Allnächtlich mürbe
bie Stabt bon ©ueritlal angegriffen, meldje, burch bie Södlber gefchüfct, hinein*
fäoffen. Somie bie Äugeln ben Seltnem um bie Ohre pfiffen, fchloffen fi<h
alle &hüren, unb bie Heine ©arnifon rührte ft<h nicht bom Slafce. 3)ie [Reor*
ganifation ber ©ontre*©uerillal hatte nunmehr ba! §erau!treten au! ber S)e*
fenfibe jur golge.
Ant 3. ÜWdrj fteüte ft<h beim Anbrnch ber Wacht ein Spanier, Warnen!
Serej Sorenjo, auf ber .gauptmache ein. Seine bleiben SEßangen maren bon
Kranen überftrömt unb feine beirrten 3n<je betrieben einen ungeheuren
S<hmer$. @r berlangte eine Unterrebung mit Dem Oberften unb tourbe in bal
3elt be'ffelben geführt, too er ihn mit folgenben SBorten anrebete: „2BiHft 2)u
mir helfen? 3#‘hatte ein «jpdulchen mit ©arten, beren grüßte ich in Sera
©ruj berfaufte, unb eine junge grau bon achtzehn gahren, bie ich in $abana
tennen gelernt. Seit fechl ÜWonaten mar fie fchmanger. ©eftern brang bie
bon $on 3'uan Sablo commanbirte ©ueriHa*S<haar in meine SBohnung, banb
mich an einen Sfoften, »ergriff ft<h an meiner grau, öffnete ihr barauf ben
Sauch unb marf mir ba! Äinb in! ©eficht. Segreifft $u, Oberft, melhalb ich
feinen Selbftmorb begangen habe ?" 5)a! Auge bei Spanier! mar troden, fein
Slid ftarr gemorben. $er Oberft behielt ihn bi! gegen 2Ritterna<ht in feinem
3elt. Trauben harrten breifjig [Reiter unb ebenfo biele gufjfolbaten ber Se*
fehle bei ©ommanbanten. Sorenjo, bem bie §dnbe auf ben [Rüden gebunben
maren, muhte ihnen, all fie aufbrachen, jurn gührer bienen, unb über bermor*
rene SEßalbpfabe fefete fleh ber Srupp in Semegung. ©I mar eine fchredliche
Wacht. 3)er [Regen ftrßmte bom «gintmel, ©eficht unb £dnbe mürben bon $or*
nen gerriffen. Um brei Uhr 2Rorgenl erreichte unb überfiel man bie Sanbhdufer
([Rancho!), in benen $on 3uan Sueblo fich mit feinen Seuten aufeuhalten pflegte,
Sie maren leer; aber neben einem Sette bemerfte man einen Raufen bon Sei*
nenjeug unb ÜWatrafcen. Um ficher ju gehen, ftach man mit ben Sdbeln hinein,
unb biefe Operation genügte, um ypei Offiziere [pablo’l, feinen Schmager
3uan Sopej unb feinen Setter Omaloa, jum Sorfchein ju bringen. Seibe hat^
ten an ber ©rduelthat im §aufe be! Spanier! %ty\l genommen. 5)ie Wan*
cho! mürben berbrannt, bie beiben ©efangenen auf ber Stelle maffafrirt. 2)a!
mar bie erfte $elbenthat ber ©ontre*©uerillal, unb f<hon biefer SorfaU fenn*
jeichnet bie Aulartungen, ju melchen ber ©uerillafrieg faft unabmeillich führt.
2Bir haben hier ba! 3eugnifc eine! granjofen bor uni; ein Wterifaner mürbe
ohne 3foeifel bon feinen geinben Aehnlichel gu erzählen miffen.
3Bir lohnen ben ©ontres©uerilla! 2)upin! nicht auf allen ihren 3u9en fol*
gen, unb mollen au! ihren Operationen in ben terras calientes nur noch
e i n e ©pifobe herborheben.
Auf einem Strcifjug in ber Wdhe bom©otaftla mürbe ein gemiffer SWolina
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in bcm Augenbltcf jum ©efangenen gemalt, all er bie Sternen ber Rammen*
gefoppelten Sferbe burdtfdjnitt. ÜDtan muhte, bah fein Haul ein Santmel*
plab ber ©ueriHal fei, hielte ihm ihre Seute $u überbringen pflegten. Gr
galt für febr reic& unb pflegte ben erftanbenen Aaub in Sera Gru^ ober Ori*
jaba abjufefcen. 3ftan hielt H au 3fuchuug unb fanb Semeife für feine Serbin*
bung mit ben Sepublifanern. 2)upin berurtheilte SDtolina unb einen feiner
Sermanbten, gegen ben gleichfaltl Semeife borlagen, gur fofortigen (frfd^iefeung.
2)ie ©attin a^olina’l flehte um ©nabe, aber Supin blieb unerbittlich, nnb bie
Unglücklichen mürben bor ihren Augen füfilirt. Starr unb unbemeglich bliefte
fte auf bie Seiten. 2113 aber $upin fortreiten mellte, trat fte ihm ftol$ entge*
gen unb rief, bie $anb brohenb emporgehoben: „Oberft, bebor acht Sage ber*
fliehen, mirft S)u fterben !" 2Benige Sage barauf beggfr ftch ber Oberft nach
Sera Gut^. S)er Gifenbahn^ug, anf meinem er fuh beftnben follte, mürbe bon
ben Schienen gemorfen, unb ©ueritlal ftür$ten aul bem Hinterhalt herbor,
mitbem Suf: ,,2ßo ift ber berfluchte Supin?" $ie SBittme !Utolina , 3 hatte ihr
Stöglichftel gethan um ihre Drohung mahr gu machen. Hätte nicht ber Oberft
bie Sorflcht gebraucht, eine falfche Nachricht über bie Stunbe feiner Abreife
rechtseitig berbreiten $u taffen, fo märe er berloren gemefen. Statt feiner fiel
ber Gommanbant bon Solebab unter ben Hänben ber Fächer.
Aachbem fte in Sera Gruj entbehrlid) gemorben, mürben bie Gontre*
©uerillal im 3Jtärs 1864 nach bem Staate Samaulipal eingefchifft, um bort
Tampico, bie jmeite Hafenftabt ber 9^epxibtil, §u beferen. $iefelbe mar fchon
in franjöjtfchen H^ben, befanb ftch aber in einer fehr preeären Sage, ba bie
Patrioten ihr alle 3ufuhr abfehnitten. Ueberbiel mürbe bal bort garnifonirenbe
Sinieninfanterieregiment bom ©eiben lieber becimirt. Gl mar jefct bie Aufgabe
ber Gontre*©uerillal, biel Regiment absulöfen unb bie Umgegenb bom geinbe
ju fäubern.
Sie fanben fofort nach ihter Sanbung bollauf ju thun. 2)ie 3uftänbe
maren ber Art, bah aul ben nur tn ben äufcern Sejirfen ber Stabt heftnblichen
Srunnen fein Stoffer geköpft merben fonnte ohne bah man fuh ben Äugeln
ber Selagerer aulfe&te, unb bie gmeitmichtigfte Hafenftabt Steyifol mar auf ge*
faljenel gleifch unb falsgefchmängerte fauche befchränft. S)ie Ginmohner hielten
ihre nahe Sefreiung bom 3o<h ber gremben f<hon für aulgemacht, unb all*
nächtlich mürben franjoftfehe Sotbaten auf offener Strahe ermorbet. Auch
maren auf Seiten ber Patrioten Operationen im ©ange, melche, menn man fte
nicht burchfreuäte, jum gall ber Stabt führen muhten.
3mifchen Sera Gruj unb Tampico, fünfzig teilen bon lefctern Orte ent*
fernt, liegt bie Hafenftabt Suypan, burch melche feit smei 3ahren ben Sibera*
len Stoffen unb üUtunition aul ben Sereinigten Staaten unb Habana jugeführt
mürben. Äaum hatte ber meyilanifche Serräther, Oberft Stanuel Slorente,
biefen $lafc in Sefi$ genommen, all ber republifanifdje ©eneral Garbajal fchon
alle bilponibeln Gruppen jufammensog, um ihn baraul ju bertreiben. S)iel
gelang, unb ber ohne Aufenthalt berfolgte Slorente fluchtete ftch mit breihunbert
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ÜDtann nach btm Sotfe Semapacbe im Siftrifte |wafteca, welcher jwifcben
Suypan unb bern gluffe ©anuca liegt unb wegen feinet jugleicb bergigen unb
walbigen ©efebaffenbeit ba3 febroierigfte Xcrtain von ganj ÜHepto b.lbet. §ier
war Garbajal, einer bet tücbtigften mejitanifeben ©eneräle, }u .fjaufe. gebeSmal
wenn e3 iljnt anbet3.no }u beiji würbe, batte et ft<b nach $uafteca jurüdgejogen,
wo et 2öeg unb Steg fannte unb einen unbebingten Ginjlufi über bie meiften»
au3 gnbianern beftebenbe ©eoöllerung befafj. Sie bebeutenbeten Stabte —
§uejutla, Sancanbuifc unb Dluäuama — waten Don ben liberalen befebt.
Slovcnte würbe in Semapacbe belagert unb bat bringenb um £ülfe. 63 burfte
nidjt länget gejögett werben.
Slm 12ten 2lpril würbe jum Slufbtudb geblufen. Sie bisponible Kolonne
war eben nicht grob, b$nn fte beftanb nut au« 400 gufjfolbaten, 125 SReitetn
unb 20 2lrtilleriften mit jwei Meinen ©erg=$aubiben. Sie Uebtigen mußten
jur Sedung bet Stabt jurüdbleiben.
gine ©iertelmeile non Sampico ftrömt bet etwa 2000 gufj breite glüh
Samefi«. Sie Uebetfcbreitung beffelben burdj bie Gontre»©ueriUa8 bot ein
interefjante3 Sdjaufpiel. Sie Sruppen unb ©efcbüfce würben uuf ©ooten
untevgebraebt, bie Sbiere aber mußten hinüber ftbwimmen. Ueber jweibunbett
fpfertoe unb SDlaultbiere würben unter lautem ©efebrei, ohne Sattel unb ©efebirr,
in ben Strom getrieben, unb wiebernb, febnaubenb febwammen fie ben ©ooten
nach. 2lni Ufer angelotnmen, fing gebet fein Sbiet wieber ein, unb in einer
Stunbe war 2llle3 abgemacht.
fülebrete Goutiere waren fdjon an Storente abgefanbt, um ihm anjufünbi*
gen, bafi ©erftärfungen im Slnjuge feien. 63 muhte DorauSgefcfct werben, bah
Garbajal, Dom Slbmar jdj ber granjofen fofort unterrichtet, bie Belagerung aufs
beben unb Olujuama, gleich weit Don Semapacbe unb Sampico entfernt/
befefcen werbe. Siefer auf einer fteilen Slnböbe gelegene Ort beberrfebt bie
ganje Umgegenb, ift lei<bt Don einer ^anbDoll gegen eine SiDifion ju Derlei*
bigen unb bef©t eine SDlenge Don Gifternen, wäbrenb in ber Umgegenb
fein Stopfen Ouellwaffet3 ju belommen ift. 2lber na<b einem forcirten ©larfcb
Don brei Sagen unb Mächten erreichten bie granjofen biefen Ort juerft.. Sie
©efafcung batte ihn fammt ben Ginmobnetn geräumt unb nut bie Ätanfen unb
©ermunbeten }urüdgelaffen. gn ber ©acht wutbe ein Goutier Don GortinaS
an Garbajal aufgefangen, welcher bie Stabt noch in ben §änben ber Seinigen
wähnte. 2Jlan fanb bie ihm anoertraute Sepefdbe in einem Stüd blutigen
gteif<be3, mel<be3 an feinem Sattelfnopf hing- GortinaS befahl Garbajal,
fcbleunigft gegen Sampko ju marfebiten. Grfterer war alfo Dollfommen pon
ben Bewegungen ber granjofen unterrichtet. Ser Goutier würbe mit Striden
gebunben unb wohl Derwabrt; aber am näcbften SDlorgen Wat et fort. Gin
franjöfifcbet Solbat batte fiib Don ihm befteeben laffen unb wutbe bafür febimpf*
lieb au3 bem SRegtment geflohen, mit ber ©ebeutung, bah ihn bie Derbiente
Äugel treffen mürbe wenn er ftcb wieber bei bemfelben bliden liehe, ßietbutcb
glaubte Supin einen gröhern Ginbrud b«tüorjubringen, al3 bureb feine $in«
Dichtung.
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Stuf bem meitem 2Harf<h mürbe eS batb einleuchtenb, baf$ Gatbajal
fortmährenb bor ben granjofen aurüdjog, um fie an einen Sßunft $u loden,
meiner für ihn ber günftigfte mar. tiefer $unlt mar baS 3)orf San Slntonip,
auf einer für bie Sertheibigung mie geraffenen Grhöhung gelegen. 3)en Mittel*
punft beS einen $ügelS bilbete bie folib gebaute, an brei Seiten bon ftarfen
$allifaben unb hinten bon einer hohen Steinmauer gebedte ßirche. 2)er
Abhang mar hier fo fd^roff / baf* ber $unft gerabeju uneinnehmbar fd^ien. 3)ie
benachbarten Raufer maren bicbt berfchloffen unb überall mit Schiefcfcharten
berfehen. $reibunbert ÜUletreS rechts bon biefer $ofition befanb fich auf einem
noch böbetn $ügel ein gleichfalls ftart berpallifabirter Hircbbof. 3nr Sinfen
beS S)orfeS maren Schluchten, aus melden bie Saponnette mie bie Sicheln
aus bem betreibe blintten, unb jerftreute 2lloe*Gebüf<he. 2)ie Gontre*
Guerillas bitten fuh ber ^ofition burch eine gefurchte Gbene ju nahem. 2)aS
mar baS bon Garbajat gemdblte Schlachtfelb.
$ie Sertbeibigung mürbe prächtig geleitet, unb ber ßampf bauerte bom
ajtorgen bis jum Slbenb. 2)ie granjofen machten einen mutigen Singriff nach
bem anbem, aber ftets mürben fie blutig jurüdgemorfen, unb ber Soben mar
bon ihren lobten unb Sermunbeten bebedt. Gnblich aber, gegen Sonnen*
Untergang, führte ihre überlegene $ü<htigfeit bie. Gntfcheibung baburch herbei,
ba& fie ben ßirchbofsbügel ftürmten, bie .jpaubifcen auf berr föüden ben [teilen
Slbhang hinantrugen unb bon bort auS bie *)Mifaben beS ßirchenbügelS ju*
famnienfcbojfen. $)ie Patrioten mußten jefet bem lefcten, berjmeifelten Sturm*
angriff meichen. GS mürbe nur e i n Gefangener gemacht. Unter ben §urüd*
gelaffenen lobten befanben fich brei amerifanifche Äapitaine unb ein franjofi*
fcher $eferteur, melcher gleichfalls einen DffijierSpoften befleibet butte. Stuf
bem ßircbbof lag baS Schlachtroh GarbajalS; am Sattel hing ein langer 2)ol<b,
mit ber Snfdjrift: „Garbajal. gret ober tobt .* Unter ber Seute befanb fi<h
eine 2ln§abl amerifanifcher SHifleS, melche erft füglich aus ber gabrit herborge*
gangen maren. %
Söährenb beS Kampfes fah man ftets auf bem gefährlichften fünfte einen
SKejilaner bon martialifchem Slnftanb, mittlerer Grobe, mit braunem $aar,
hipferiger Hautfarbe, einem groben Sambrero, furjem fchmarjen #ufaren*
SffiammS, gelben, meiten, mit ftlbernen knüpfen befefcten Seinfleibern. GS
mar Garbajal, melcher feine Seute anfeuerte unb mit feinem Sbarp’fchen £ara*
biner mehr als einen franjofifchen Offizier nieberfchofj. Seim lebten Sturm*
angriff hatte er eine SBunbe im rechten Sein erhalten. Son ben franjofifchen
[Heitern berfolgt, fprang er in eine Schlucht unb beriete fich babei bie Sdjul*
ter. Unter unfäglichen Schmerlen hielt er fich bis um 9Hittema<ht in einem
Sumpf berborgen. Gnblich gelang eS ihm, bon gieberfroft gefchüttelt, fich
eines reiterlofen SßferbeS ju bemächtigen; mit SPtühe fchmang er fich in ben
Sattel unb ritt, bie Sßiftole in ber gauft, bon bannen. 2agS barauf erreichte
er Ojuluama, raffte einige glüchtlinge jufammen unb traf acht Sage fpäter an
ber Spifce bon etlichen £unbert 2Hann in Sittoria bei GortiuaS ein. S)icfe
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ßfoifobe würbe bon feinem Setter, £)on Startin be 2eott, bem amerilanifchen
©onfut in ©otto 2a Starina, bei beb £afel einer Sfagahl *frangöfif<her Offnere
ergdhlt. Sßdhrenb fie aber bem ©rga^Ier guhörten, entminte ßarbajal aus
einem Otancho in ber Sähe, wo man ihn hätte überrafchen fomten* 2)ie Gr*
gdhlung hatte ihren 3wed erfüllt.
S)ie 2efer lönnen fich jefet bon ber Sitterleit, mit melier berßrieg in
Steyifö auf beiben ©eiten geführt wirb, einen ungefähren Segriff machen*
GS ift ben Patrioten nicht gelungen, ihr Saterlanb gu befreien, aber ebenfo
wenig lonnten bie (Einbringlinge eS gur S u h e nach ihren Gegriffen bringen,
unb noch immer flattert bie gähne- ber Unabhdngigfeit an ber ©pifce fühner
Parteigänger, welche mit 3«berftcht beS StugenblidfS harren, um gu einer
anbem, regulären ßriegSführung greifen gu lönnen. Unfer ©ewdhrSmann
fchliefet feine ©chilberungen, aus benen wir hier nur einige 3üge in gebrangter
Äürge herborgehoben haben, mit bem ©eftdnbnifj: „2lHe unfern $dm£fe unb
Siege hüben uns nur bie ©ewifcheit bom $affe ber meyifanifchen Sebollerung
mnb bon ber Mte unferer 2anbSleute gebracht, welche fxä) beforgt fragen, was
aus bem 2Wen noch werben foH."
#it(ranfdj-artiltif(l)C9 /emllctim.
»Ott 3. SB.
Sie ©ernennet beS reijenb gelegenen thüringfehen Sanbftäbtdjen Steufeß
waren fchon feit länger benn einem »ollen SDtenfdhenalter gar wohl »ertraut
mit ber impofanten GrfMeinung eines bejahrten <£>errn, ber fi<b in ihrer ©litte
fein SüSculum gebaut unb, ohne ft<h »iel um ben Sauf ber SBelt ju tümmem,
in ber heiteren ©fuße feiner länblidjen Slbgefdjiebenheit bie Qahre an fich »or*
überjiehen lieh. Unb bie fonft ber menf<hli(hen gotm fo unerbittli<h ihr ©lerl»
Seichen aufprägenben Qahre »erfuhren recht glimpflich mit bem alten £errn;
fie hatten fein langes, fchlichteS fjaar jroar etwas »erbünnt unb gebleicht, fte
hatten fein großes, marligeS Slntlifc mit ©unjeln burchfurcht unb bie hohe,
breitfdhulterige ©eftalt etwas gebeugt; im Uebrigen aber hatte fich baS 2luS*
fehen beS DJtanneS fchon feit ©tenfdjengebenlen taum »eränbert, unb trofc ber
fiebenjig Qahre, bie über bem £>aupt beS ©reifes hingejogen, leuchtete fein
bunlleS 2luge noch in bemfelben «euer, fpraeß fich in feinem ganjen Sßefen
noch biefelbe (Jlafticität, ©erftanbeSfdßärfe unb ©ntfcßloffenheit aus, wie ba»
mals, als et inr Iräftigften ©tanneSalter fein Somicil im geliebten thüringer»
lanbe aufgefcßlagen. ©on ber Seit beS erften grühlingSweßenS bis ber SBinter
giur unb SBalb in fein fcßneeigeS ©ewanb ju hüllen begann, lonnte man ihn
in ber grühe unb oft auch beS 2lbenbS gegen Sonnenuntergang bur<h bie
freunbtichen Slnlagen über bie mit grünem ©ehege eingefaßten gelbwege in ber
<mL
^Google
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9Jäbe beS StäbtbenS wanbetn [eben. Sein 2tnjug trat fblcbt, faß abgetra»
gen, bet ßopf ftetS.mit einer SDlüge mit breitem^Sbilbe bebeät, in ber SHebten
trag er einen 3iegenl)ainer. ©c ging fege langfam, aber mit mächtigen, weit
auSgteifenben Stritten; (eine Haltung mar aufreibt unb ber flopf etwas ge«
beugt; bie 2lrtne hielt et meift nab ©ßtbe’fber 3trt über ben SRüden gelreust,
©eine emsigen ^Begleiter auf biefen Spasiergängen maren jmei Heine SEBabtel»
bunbe, an beten luftigen Sprüngen er ftb febr su ergögen fbien. Sebermattn
in ber ©egenb lannte ben alten $ertn unb grüßte ihn mit großer Suöorlom»
menbeit. Gr ermieberte biefe ©rüße rebt freunbtib, ließ ftb aber nur fetten
in ein ©efpräb ein. Sumeilen ribtete et an bie im gelbe arbeiteten 8anb«
leute einige gtagen; aub mit ben beS SEBegeS lommenben üinbetn ptäUberte er
gern unb ftreibette babei ®anb, Sinn unb SEBangen. Oft fab man ißn eine
SBlume, ein Sölatt, einen 3®eig abfbneiben, unb in bie IBetrabtung biefer
®inge lonnte er ftb fo »erliefen, baß er alles 2lnbere, was um ibn »orging, bar»
über »ergaß. ©egen Sonnenuntergang fab man ibn häufig auf einem $ügel
ober S3erg»orfprang fteben, mo er am meftliben fjimtnel baS Spiel ber »on
ben abenbliben hinten gefärbten 3Böllben betrachtete unb bem admälig »et«
glübenben £ageSgeftirn einen legten ©ruß nabfanbte; in folben SDJomentett
trug rnobl fein Slntlig ben Stempel ßimmlifber SBerllärung, überirbifber
©lüdfeligleit, unb met ißn fo betrabtete, ber lonnte nibt länger im Stttei«
fei fein,-baß er einem erhabenen 3)ibter gegenüberftebe, beffen ©ebanlen, ber
näbften Umgebung unb allem irbifben Treiben entrüdt, in bie unenbliben
Oceane beS SBcltaHS fbt»eiften.
Unb ein 2)ibter war eS, einer ber größten unb ebelften, bie baS beutfbe
Sßolt fe befeffen, ber legte Sproffe jenes poetifben SitanengefblebtS, melbeS
ftb einft um SlltBater ©ötbe gefbaart, wie bie SBergriefen ber Sbmeijer Sllpen
um ben gewaltigen SKontblanc. griebrib 31 üdert war eS, ben fte
jüngft in eben jenem Bleufeß, baS ihm jur jweiten §eintatb geworben, ganj
ftill ju ©rabe getragen. SEBaS ®eutfblanb an ißm befeffen, bas wirb man,
wie er felber, trog ber ihm innewoßnenben großen SSefbeibenbeit, mehrmals
geäußert, erft jegt nab feinem £obe erlennen; benn fo weit man ftb aub um»
(baut im beutfben S)ibterwalb, ba ift lein Stamm, ber biefer jegt »om Sturm
ber 3eit gefällten Gibe glibe, lein junges DleiS, »on bem man hoffen bürfte,
baß eS bereinft ju folber Äraft unb güHe erftarfe. SEBie ungerebt erfbeinen
uns beute fbon bie Sleußerungen folber Krittler, bie in Piüdert im gün»
ftigften gälte nibtS SlnbeteS als ein glänjenbeS gormtalent erblidten; wie
angerebt werben fte erft ber fpäteren SRabwett erfbeinen, bie biefe gering ge«
fbägten gormen ebenfo bewunberungSwürbig ftnbet, wie wir beute jene gor»
men bewunbern, butb wetbe bie »ilbbauer beS clafftfben SlltertbumS ihre
SSegriffe »on plaftifbet Sbönbeit »erlörperten. Um SHüdert ribtig ju würbi»
gen, muß man ißn juetft als felbftftänbigen 3)ibter, bann als Spräbfotfber
unb Uebetfeget betrabten, julegt aber bie Ginflüjfe in Setrabt sieben, welbe
eine jebe biefer Sbätigteiten auf bie aubere uotbwenbig auSüben mußte. Gr
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begann feine poetifbbe Saufbabn ju ber 3eit, *18 ©eutfcblanb, bet ihm »on bem
ftanjofiftben eroberet angelegten geffetn überbrüffig, feii\c mäbbtigen ©liebet
fcbüttelte unb ficb }u bent groben ©ntfcbeibungSlampf ju tüften begann, um baS
fremblänbifbbe 3°$ abjumetfen. ©in ebleS bidjterifcbeS ©emütb toie baS
Püdert’S lonnte unter folgen Umftänben für nichts Sinn haben, als für bie
fieiben beS SSaterlanbeS, an nichts benlen, als feine Schmach ju robben.
fRüdert’S erfte ©ebibbte waren pattiotifchen SnbaltS; es waten jene nobb beute
bewunberten, febeS beutfbbe $erj ergteifenben „gebarnifbbten Sonette", bie,
wenn aubb nicht fo unmittelbar auf bie gtofse SDlaffe beS PolleS witlenb wie bie
gleichseitig erfbbienenen Slrnbt’fcben unb fiötner’fdjen Poe|teen, ben gebilbeten
©heil ber -Kation um fo fräftiger anregten unb um fo unwiberfteblibber fort»
rijfen. ©rft nabbbem baS SBaterlanb bie etfebnte Freiheit erlangt, legte et
SfBaffen unb Panjer ab unb entloblte ben Saiten feinet $arfe milbete klänge.
®ot Ment jogen ibn bie teibben poetifchen S<hä&e beS OftenS an, bie er ju
beben unb bem beutfbben 33olle jugänglibb ju ma<ben fubbte. Seine ganj
aufjerorbentlichen fpracbwijfenfchaftlichen Äenntniffe erleibbterten ibm baS Sßot=
bringen auf einem ©ebiet, welches ben SKeiften unfrubbtbar unb laum jugäng»
lieb erfbbeint. Seine „ßftlichen SHofen", „SDtalamen beS §ariri", „9lal unb
©amajanti", „Scbifing“, „SlmritfaiS", „SRoftem unb Subtab", ganj befonberS
aber baS btrrlibbe Spruch» unb Sebrgebibbt „Sie SBeiSbeit beS Srabmanen"
waren theilS Ueberfeßungett, theilS Pabbbilbungen orientalifbber Poefieen, bie
im Menblanbe, wo man laum eine Slbnung »on ihrer ßjiftenj batte, bie
bBcbfte SBewunbetung erregten unb bet beutfbben ©kbtung ein bis babin nobb
»öaig unangebauteS ©ebiet erfcbloffen. ©in namhafter franjßjifcbet Sritiler,
ber übrigens lein #ebl barauS macht, bajj et bem fonfit fo loSmopolitifbb ge»
fmnten, mit allen jungen »ertrauten ©ibbter feine referbirte, faft feinbfelige
Haltung gegen franjßfifcbe Sprache unb Siteratur laum »erjeiben tßnne, fpracb
ficb unldngft in einem SIrtitel ber „Mebue Ploberne“ fotgenbermafien übet
jene poetifche ©hdtigleit Pühtert’S aus:
„Stimmt man ben ©ibbter als ein ©anjeS, fo möchte man SRüdert Wohl für
einen wanbernben ©eift halten, ber feinen SBohnfib jeitweilig auf unferem tfrb»
'ball aufgefcblagen unb bet, begierig, 2lPeS ju erforfb&en unb lennen ju lernen,
eine Sammlung aller erbenlbaren Seltfamleiten anlegt, in ber es mehr beS
fbbillernben ©anbS als ber wirllichen üoftbarteiten giebt. Stuf ben erften ©libl
fbbeint SllleS ein wirres ©urebeinanber; nimmt man aber biefe wunberlicben
Sächelchen einjeln jur §anb, bie Pretiofen, §alsbänber unb Pinge mit ge»
beimni&oollen Seichen bebeett, fo lann man nibbt umhin, bie Sorgfalt unb
unerfeböpflibbe 2Kannigfaltigleit ber Arbeit ju bewuttbern. • ©a ftnb ÄoraHen
aus Slfrila; Statuetten chinefifcher Pagoben aus (Slfenbein unb Perlmutter,
»on unbelannten Zünftlern ausgeführt; SHofenfränge aus ber ©infiebelei eines
alten Sßrahminen; fpmbolifcbe Slmulette unb winjige ©Btterbilber aus feltenem
IDlctaU; inbifbbe Pippfäbbelbben mit allerlei wunberlicbemSierrafb; Feuerwaffen
unb Itumme Säbel aus Perften, reich graoirt unb mit loftbaren Steinen eiHge»
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legt. 3»» ©egenfaß ju biefen nur bet Schau bienenben ©erätben, finbet matt
auch Stoffen unb Süchten von mehr prattifdjer donftrultion, beten fccß bet
Sammlet bet feinen Bagbabentßeuem bebient, unb bie für ibn mit aderlei
drinnetungen an üßerftanbene ©efaßren verfnüpft fmb. SDtit ben ©gen»
tbümlicßleiten im Seben bet Söller ift bet Siebtet fo vertraut, tote mit ben ibn
umgebenben Staturgegenftänben, Seinem Obt ift leine Sprache frernb. ©
iftin adtn ©laubengbetenntniffen bemanbettunb bot feine Slnbacbt an aden
Stltären verrietet; in bet SEBüfte begrüßte et ba 8 aufgebenbe Sageggeftim mit
ben vielftimmigen Sobgefängen ber Karawanen; et Iniete in ben SWofcheen; er
folgte ben pilgern nach ber heiligen Stabt unb babete feinen 2eib im ffiaffer
bet billigen glüffe. Sorurtßeile unb Aberglauben feßreden ibn ni<bt ab,
' fonbetn werben von ibm auSgebeutet. Sag unermeßliche geßeimnißvode Slften
liegt offen vor ibm ba. Sein ©eift bat fnß beffen Steen angeeignet; feine
Sprache bat ft<b unwidlürlicß in bie bort üblichen formen gefdßmiegt; feine
Stimme weiß feben Accent nachjuaßmen, unb mit bet wunbetbarften Seicßtigteil
finbet et ftch in jeber neuen Sage juredjt.*
Sann beißt e 8 weiter: „31 ädert bat e§ ju verfihiebenen SDtnlen augge*
fptoeßen, baß ein 2 anb unb feine Freiheit nur jufammen gerettet werben IBnnen.
3113 feine Hoffnungen getäuf<ht Würben unb Seutfcßlanb ben gürften, ftatt ftcb
felber anßeimfiel, 30 g er fnh vom politifchen Scßauplaß jurüd. Siedeicht batte
et nicht ba 8 B ««3 }« einem öffentlichen dßaralter, viedeießt hielt et e 8 auch
unter feinet SBürbe, ben fiampf weitet fortjufeßen — jebenfadg 30 g et fnh
3 ur rechten Beit 8 urüd unb verharrte in biefer Bmüdgejogenbeit big an fein
Sebengenbe. © erfrifdjte ft<b burch Steifen, wie e§ einem tßätigen ©eifte, bet
ftch von Kummet belaftet fühlt, Sebürfniß ift. Sßir meinen bamit nicht fowobl
bie italienifche Steife, alg feine tübnen Stonberungen butih big babin unjugängliche
©ebiete bet SPoefie. dt forfeßte in Storb unb Süb, Oft unb SBeft, fiberad
mit bemfetben difer, ein Univerfal=Sodmetfcßer, jenen wunbetbaren Sali 8 man
fu<henb,berba3 SCiebererfennunggjeihen ber Söller bilbet, nachbem fte fnh beim
Sßurmbau 3 U Sabel 3 erftreuten. 3 n biefer Stichtung tbat Stüdert mebt füt fein
Saterlanb, alg et eg in potitifeßem Kampfe je vermocht hätte. Seine Stubien'
unb Ueberfeßungen trugen wefentlicß baju bei, jene berrlicbfte Slütbe beg
beutfehen ©eifteg 3 U entwideln: bag Sermögen ber vodftänbigen Aneignung
adeg beffen, wag irgenb ein Soll auf intedeltuedem ©ebiete ©roßeg gefeßaffen.
Sag Sereid) beg beutfdjen ©eifteg gleicht bem Aderßeiligflen, worin ade Steli*
gionen, Citeraturen, pbilofopbifcßen Spfteme ihre Hüllen abftreifen unb ftcb in
bet dtinnerung ibreg gemeinfamen Urfprungg su einet dinbeit geftalten.
Siefeg hob« Biel ä u erteilen, waren wenige Sftänner eifriger unb etfolgreicbet
bemüht alg griebrieß Stüdert.*
' ÜBir haben abficßtlicb biefeg Urtbeil eineg bem Sichtet laum adsu günftig
gefmnten, abet boeß unbefangenen Auglänber 8 citirt um 3 U 3 eigen, wie mit
Seutfcßen übet Stüdert urtßeilen fodten. gür ung bat boeß fein eblet Sa*
ttiotigmug, fein tiefeg, linbdcß teineg ©emüt, fein äeßt vollgtbümlicßet Sinn
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ein« no* ganj anbete «ebeutung unb Tragweite. Ser SBet* SRMertS als Sol»*
bi^tet ift noch lange ni*t na* Gebullt anerlannt, ja man bat i&m fogat mit»
unter bie S 8 ollStbümli*feit ganj abgefpro*en, bat ibn als einen $i*ter gewijfet
^rimlegirter Staffen barjufteßen gefu*t. Unb bo* möge man uns irgenb cm
BoßenbetereS, bem beutj*en SBefen entfpre*enbereS EoIlSlieb jeigen. als 5 . ®.
jenes Sieb Bon J>en „brei ©efeßen", beten ©ner ein Defterrei*er, ber 3weite
ein Sprenge, unb ber dritte —„Bon 2>eutf*lftnb »ater nur!"-
um biefer feiner Slbftammung Witten ben 3lnbern na*fteben foß. Sie Solls»
tbümlübleit IRüdert’S bewährt ft* ferner in feinen fräftigen, f*wungBoßen
Sir*enliebem, feinen ben melobif*ften unb wei*ften Saiten beS -jjerjenS ent»
loctten Siebesliebem, feinen ganj unübertreffli*en Sugenbliebern, bie baS fmb*
li*e ©emütb anfpte*en wie leine anberen unb bie munteren 3lugen unferer
kleinen Bor gteube unb wonnigem SBebagen erftrablen Taffen, fobalb baS Sieb»
*en nom „SBäumlein, baS anbere Slätter gemoßt", ober Born „Süblein, baS
überall bat mitgenommen fein wollen", jum SSortvag gelangt. Sol*e ©folge
Betmag nur ein grober, ein ä*ter Si*ter ju erringen, uno wenn berfelbe ne»
ben bem bo*poetif*en ©eift, ber aUe feine SBerte bur*bringt, juglei* als
Botlenbeter «Weiftet beS SRptbmuS unb ber Sorm erf*eint, fo fli*t bieS fi*et
nur ein weiteres Sorbeerblatt in feinen unoerweltli*en WubmeSfranj.
GS ift ni*t aßgemein befannt, baf Diüctert wobl ber fru*tbarfte unter
aßen neueren beutf*en Spritem genannt werben barf. Seine in ben Sabten
1834 bis 1838 erf*ienenen poetif*en SEBerte, wel*e übrigens no* ni*t bie oben
genannten Ueberfefcungen unb 3la*bilbungen orientalif*er Si*tungen ent»
batten, umfaffen fe*S SBänbe. Seit jener &\l ift aßerbingS, einige ©elegen»
beitsgebi*te ausgenommen, laum irgenb etwas Bon ibm.an bie Deffentli*leit
gelangt; poetif* tbätig aber blieb er bis faft an fein SebenSenbe.. Sein
literarif*er Wa*la| ift jiemli* bebeutenb unb foß, fa*wiffenf*aftli*e 2 lrbeiten
ni*t gere*net, jwei bis brei »änbe fußen, mit beren Verausgabe beS SSer»
ewigten Sobn, ißrofeffot ^cinri* Blüdfert in SBreSlau, bereits eifrig bef*äftigt
ift. 3lu* bie poetif*e aiuSbeute bürfte feineSwegS gering ausfaßen. 3lBeS
in Slßem werben wir eine bi*terif*e 3 ru*tbarfeit unb Sßielfeitigteit ju bewun»
bem haben, wie fte feit ©ötbe, mit wet*em fßüßert als Spoiler überhaupt man*e
Slebnli*teit bat, unb bem er unter ainberem in feiner Hinneigung jur orienta»
fif*en «ßoefte glei*t, in unferer beuf*en Siteratur ni*t wiebertebrte.
3ßäbrenb Seutf*Ianb feinen lebten groben Si*tertorppbäen ju ©rabe
tmg, f*eint ft* ein ni*t minber berühmter unb glei*faßs bo*betagter fran»
$öftf*er Si*ter förmli* ju Berjüngen unb entfaltet eine «ßrobuftionSfraft,
wel*e an bie f*on faft ein £DTenf*enalter hinter unS liegenbe 3eit feines rüftig»
ften S*affenS erinnert. SBi ctor £ug 0 ift 65 Sabre alt, aber gerabe
feit er in bie Se*jiger eintrat, bat er eine neue Gpo*e feiner bi*terif*en
Sbätigteit eröffnet, rubmBoßer unb glättjenber faft als bie beiben BorauSgegan»
genen. Seinen ”Mis 6 rables“, biefem hoben Sieb beS göttli*en ©ebotS ber
gjtenf*cnliebe, folgten im nerwi*enen Sabre bie „Sieber ber Strafen unb
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Sffidlber", uttb !aum fmb biefe burch alle ffielt erllungen, tebenbige 3eugen, ba&
fnh auch ber Sprifer Victor gugo bie gange gnnigfeit, 3Art^ett unb griffe feU
neS ©emüthS bewahrt bat, folgt bereits ein neuer dtoman, ber wieberum jene
ewigen SBabrbeiten prebigen fod, su beren eifrigftem Apoftel Victor gugo non
jeher ftch aufgeworfen. "Les Travailleurs de la Mer“, am treffenbften
wohl mit „gelben beS ddeereS" ju überfein, ein Aoman in etwas engerem
Nahmen, als bie im ©runbe adgu weitf (billigen, gu oft fuh in fleinliche De*
tailS nerlierenben "Miserables“, erftbien am 15. 2fldtg,*unb gleichseitig mit
bem Original würben an bemfel6en Sage auch bie beutfchen, frangöfifchen, eng*
lifchen, fpanifchen, itadenifchen unb ruffifdben Ueberfefcungen in.ben SDtarft ge*
bracht. Victor gugo bat als Sichter bauptfdchlich jene Aufgabe gu löfen
gefucht, welche fchon grau non Stael, bie als eigentliche Segrünberin ber fran*
göftfchen romantifchen Schule gelten !ann, als bie wörbigfte ber Dichtfunft be*
geichnete: „bie menf(blichen Seibenfchaften gu analeren unb fo Irdftig wie mog*
lieh auSgubrüäen; benn baS Seben ber Seele fei niel inhaltlicher, als alle
Sbaten ber ©afaren." gugo gehört nicht, wie g. V. Samartine, gu benjenigen
Sprifern, welche bie confequente Durchführung biefer Vorfchrift eine enblofe
Seufgerliteratur fchaffen lieb, in welcher ewig nur baS arme geh jammernb
wieberllingt; bei ihm hanbelt es fi<h burchgehenbS um bie Ausgleichung gweier
©egenfdfce: er fucht ben gbeadSmuS, ber fich in ben Vrobuftionen ber Aornan*
tifer als „ibealeS geh" fo ungeheuer breit macht, einem gefunben AealiSmuS
gu nermdhlen. 3« feinen Aomanen bemühte ftch gugo gang befonberS, bie
Kämpfe unb Selben gu neranfchaulichen, welche ber SAenfch auf feiner irbifdgen
Saufbahn mit theils in ihm, theils aufcer ihm liegenben feinblidgen ©ewalten
gu beftehen hat. gn "Notre Dame de Paris“ galt eS ben ßampf mit ber
Unwiffenheit, bem SSorurtheil unb bem Aberglauben, gn ben "Miserables“
hanbelt eS fich um fociale Kampfe, um baS titanenhafte Gingen gwifchen göttli*.
eher ÜAenfchenliebe, unb bem blinben, thörichten gab ber ©efellfchaft, ben niebri*
gen Seibenfcbaften ber Alltagswelt. gn ben ^Travailleurs“ enblich fdmpft
ber SDIenfch mit ben (Elementen, mit ber rohen Aaturfraft, unb geht gulefct auch
auS biefem Kampfe ftegreich hervor.
(ES ift baS Seben auf ben britifchen ©analinfeln, unb bor Adern baS
heimathliche ©ueritfep, welkes bem berühmten Verbannten fo biele gahre ein
trauliches Afpl bot, was uns in biefem Aomane gefdgilbert wirb. Die öbe
Düne unb ftarre gelsllippe im bvaufenben ÜAeere birgt ihre eigene Vielt, welche
wefentdeh &on 2Binb unb SBogen beherrfcht wirb. Der ÜAenfch, ber biefeS
armfelige gledfchen (Erbe feine geimat nennt, liegt in itnabldffigem Kampfe
mit ben (Elementen, beneit er feine ©yifteng abringen muh; boch nicht genug
bamit, bereitet er ftdg auch no<h feine eigenen 2eiben unb ©onflifte, unb bie
Stürme beS gergenS, welche bie Vewohner biefeS (EilanbS auSgufdmpfen ha*
ben, toben mitunter oerhangnifwoder, als bie in ber Aatur. gugo liefert in
biefem Aomane eine güde bon Aaturfchilberungen, wie fie bodenbeter mit ber
gebet fuher nicht auSguführen fmb. 3Bir hören baS SAeer, welches faft als
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Hauptfigur beS IRomanS, bejeichnet merben fann, halb Icife murmeln unb ftü*
ftern, einem füfien Scblumnterlieb vergleichbar, baS uns in bie pbantaftifche,
Sraummelt biwüberluttt, halb in milberSButb rotten unb toben, als ob eS ben
©rbbatt verfchlingen unb baS alte ©baoS jurüdfübren motte; mir feben bie
Vorgebirge, bie £anb* unb ©r^ungen, bie mie $agoben ober abgebrochene
Säulen aus bem fchäumenben ©ifcht emporragenben Älippen, mitunter burch
überbängenbe geraden mie bur<b lünftliche Vrüden miteinanber verbunben;
bie von munberbarer SIrchiteftur ftarrenben Sropfftetnböblen; bie mie von 3Rie*
fenbanb in bunter Unorbnung übereinanber getbürniten gelsblöde. Unb
nicht genug mit biefen fid? an ber Oberfläche beS SDleereS unb längs ber
Äüften bietenben ©rfcheinungen, ber Sichter führt uns auf ben ©runb beS
OceanS unb entfchleiert bie verborgenften ©ebeimniffe ber -Natur; er läjst bie
©emäffer jurüdmeichen unb jeigt uns bie feenhafte Vegetation auf bem tiefun*
terften ©runbe, prachtvolle ©arten unb $arfS, erfüllt unb belebt von vielen
Saufenben ber jterlidbfien unb munberbarften ©efchöpfe, gefdhmüdt mit ben
fünftlichften Vaitmerfen aus leuchtenben ©oratlen, bie fuh bis ju fchminbelnber
Hobe erbeben unb burch ib^e äufierften Spifcen unb fiharfen Stifte ben Schiffern
oft fo gefährlich merben.
Sie Hanblung beS StomanS ift bieSmal ziemlich einfach, man mochte fie
faft nur einen Vrobirftein emiger SBabrbeiten nennen. 2lu<h bie 3abl
ber als Sräger ber Höhlung auftretenben Verfonen ift meit befchränlter,
als mir eS fonft bei H u 9° Qemobnt finb. Sitte giguren aber, bie er uns
vorfübrt, lönnen in ihrer Slrt als SNuftertppen gelten unb fmb nicht minber
treffenb, als in ben gerabe um ihrer unvergleichlichen ©barafterfchilberungen
mitten fo hoch gefüllten ''Miserables“. ©S fmb vier Hauptperfonen, auf
melche fich baS 3ntereffe beS SeferS concentrirt: brei gifcher nnb Seeleute, unb
ein junges reijenbeS SNäbchen, bie -Nichte eines jener alten Seevögel, bie mit
ben 2Növen um bie Sßette über bie halb fitbcrgtatte, halb bergeSboch aufge*
tbürmte glutb babin gleiten. Ser Schiffer fietbierrp ift eine urfräftige See*
mannSgeftalt, mie fie nur bie notbifche fiüfte ju erzeugen vermag. 2Nit bem
SNeere gu fämpfen unb ben Stürmen 31 t tropen, 2Jtenf<hen $u retten unb 2Baa*
ren $u bergen, mar fein eigentlicher fiebenSberuf. 2Bo eine ©efabr brohte,
ba mar er bei ber Hanb. „kräftig arbeitete er fich burch Sturm unb SBogen,
ber Stegen ftrömte von ihm bwab, unb fiel hier unb ba ein Sicht auf ihn,
fo fab er aus mie ein £öme, ben eine Schaummette umfäumte." Än fechSjig
Sabre hatte er auf biefe SBeife jugebracht; ba ftettten fich bie ©ebrechen beS
SllterS^in, unb ber StbeumatiSmuS feffelte ihn oft an'S Vett. Stun blieb er
babeim unb befchäftigte fich mit ber Keinen SSirtbfchaft. Uebrigen blieb er
fich völlig gleich. „3 n feinem Sleufiern batte er etmaS vom Stierunb etmaS vom
$inb. Sein ©eficht fab aus als märe eS von ben SBogen aerquetfdjt unb als
hätte fich bie SBinbrofe Vierjig Sabre auf bemfelben berumgebrebt. Seine Stirn
umfchmebten noch förmlich bie Stürme, benen er im geben auSgefept mar, unb
feine ©eficbtsfarbe erinnerte an bie gelfen im offenen SNeere. Sentt ©u<h#
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bafj aus oiefem garten tlntlifc ein gutes Sluge leuchtete, unb ihr habt SBonf.
Setbierrp uor (Such.*
Setbierrp’S Siebte, bie Keine $erudbette, ift mieber eine ä<bt SSictor
$ugo r fcbe ©eftalt, dbnlich ber (SofettenS in ben w SD'liferabte^". SGßie biefe ftebt
auch fte tote ein munteres Sbgtl inmitten büfterer (Srfcbeinungen, unb maS non
Sonnenglang unb [über SJielobie in bem SEßerfe gu finben ift, baS mirb bureb
fte reprafentirt. „‘Seruchette batte bie Jchönften Keinen $anbe unb bie fdbön*
ften Keinen gü&e ber ffielt; hier geenbdnbe, fagte ÜUtonf. Setbierrp. Sie mar
gut unb fanft. 3bw gamilie unb ihren [Reichtbum bilbete ibr Onfel. Sie
lebte, baS mar ihre Slrbeit; fte fang einige Sieber, baS mar ibr Talent; ihre
SBeiSbeit mar ihre Schönheit; ibr (Seift bie Unf<bulb, ibr #erg bie Einfalt. Sie
befaft bie gragiöfe Trägheit ber (Sreolin, oermifebt mit liebenSmürbiger äborbeit
unb Sebbaftigfeit, bie Seidbtigfeit ber 3ugenb, gemäßigt burdb ÜRelandbolie.
Sie Keibete fub etmaS infelartig, elegant, aber unregelmd&ig, trug baS gange
3 (abr b^nburd^ SBlumen auf bem $ute, bie unter bem^aare beruorquollen;
bie meifje #aut geigte einige Spuren beS Sommers, unb ber grobe, gefunbe
2 Wunb lächelte in entgüdenber unb gefährlicher 2Beife. $aS mar Serudbette. 41
(Sin gmeiter Seebelb ift ©illiat, ber einem antifen Barbaren gleicht, babei
aber bodb mehr bübfeh alS»bäblicb ift. (Sr ift frübgeitig gealtert, Sonne unb
Stürme haben ihn fchmarg mie einen Sieger gemalt. (Sr ift ein gutmütiger,
brauer SBurfdbe, ber mie ein iUnb lacht unb babei gmei [Reiben ber fünften
3 dbne bilden labt.
• (Sine originelle gigur ift ber britte Seemann, Sieur (Slubin, Kein, gelb,
aber ftar! mie ein Stier. Sein ©ebddbtnifj ift bemunberungSmürbig; ein©eftdbt,
baS er einmal gef eben, erfennt er immer mieber. „(SS gab feinen beffern
■URatrofen, feinen ehrlicheren, feinen religiöferen 9Renf<hen. (Sin Kaufmann in
Saint 2Ralo fagte: er mdre im Stanbe, fein ©emölbe üon (Slubin baten, gu
laffen. ©n gröberes Sob fonnte biefer ßaufmaun ÜRiemanbem geben, ©ubin
mar SBittmer. Seine grau mar ebenfo brau gemefen mie er. SBenn ©ott in
fte »erliebt gemefen mdre, fo mdre fte im Stanbe gemefen, es bem Pfarrer gu
fagen. grau ©ubin mar ber Sdbman, £err ©ubin ber #ermelitf. (Sr mar
nicht im Stanbe, eine Stednabel gu finben, ohne nach bem ©gentbümet ber*
felben gu forfdben."
3)aS ftnb bie $auptperfonen in SBiftor £ugo T S neueftem Vornan, einem
2Berf, melcheS burdbmeg ben Stempel ber geiftigen Roheit unb acht humanen
3)enfungSart feines berühmten SBerfafjcvS tragt, 2Bie man auch fonft SBiftor
£ugo beurtbeilen, maS man bon feinem öfteren politifdben 2ReinungSmedbfel,
ber ftch bodb fdblieblidb in ben $abren beS gereiften ÜUtanneS gum aufrichtigen
[RepublifaniSmuS geftaltete, halten mag — es ift immer ein grofjeS, reiches
#erg, melcheS ft<b in allen feinen SBerfeu manifeftirt, ein £erg, beffen gemaltige
Schlage alle SßulSfdbmutgungen beS rtngenben 3ab*bunbertS begleiten, ©in
ebler (SntbuftaSmuS, ein reines ©efübl für baS Schöne, SBabte unb ©ute, eine
ben bödbften Realen ber 2Renf<hbeit guftrebenbe Seele geichnen ben 2Raftn
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auS, ber emft ftrebenb irrte, boCb längft boß männlicher GntfChlöffenbeit ben
grrtbum aufrichtig gefü^nt bat, bem er burCß baS bunte SBecbfelfpiel eines ret<b
bewegten Sehens anbeimgefaßen war*
Unfere 9tew*?)orfer Jb*ater entfalten mit bCtfi ^erdrttiabenben grüblmg
wieber etwas größere IHegfamfeit; aud? begegnet ntan aßentbalben comfortablcr
gefußten Käufern als Wäbrenb ber gafcßingSgeit unb ber regelmäßig barauf
folgenben $eriobe ber Slbfpannung unb Ueberfättigung. $aS beutfCbe Stabt*
tbeater behalf ft<b nodb mit einem giemliCb bunt gitfammengewürfelten, bem Be*
bürfniß beS SlugenblidS angepaßten Sßepertoir* 2öäbrenb beS gangen ßJlonatS
ging auf bem Gebiet beS höheren 25ramaS nur eine eingige üftobität in Scene,
unb gwar ein HaffifcbeS $rama, an baS ftCb felbft größere, mit Kräften erften
SßangeS auSgeftattete Bühnen nur feiten Kranwagen: ©bafefpeare’S „guliuS
Gäfar". $err Karting batte baffelbe mit giemltChem GefCbiCt eingerichtet, fo
baß wenigftenS bie $auptfcenen erbalten unb bie Gbataftere in ihren wefent*
lüften Umriffen erfennbar blieben. Gr felbft gab ben üftarc Slnton ;unb tbat
bamit baS Befte bei ber 6a<be. 2)urCb feine Bemühungen gelangten bie beiben
berühmteren ©eenen: im Senat, nach GäfarS Grmorbung, unb auf bem gorum
SRomanum, wo BJarc Slnton bem bon üßtörberbanb gefaßenen greunbe bie
meifterbafte GebäCbtnißrebe hält, gu giemlicber Geltung. #tn unb wieber,
namentlich in biefer ßlebe, batte £errn «gärting’S Bortrag etwas gu GegwungeneS,
GelünftelteS; im Gangen aber bewährte er fi<b boebaueb in biefer febwierigen
Brobe als begabter Zünftler, ber bie natürlichen Mangel feines Organs gefCbicft gu
berbeCfen unb auSgugleicben weiß. 35ie übrigen $artieen batte man nach
Kräften, wenn au(b ben Slnforberungen beS poetifdjen SftefenwerfS lange nicht
entfpredjenb, befefet. 2)ie SLragöbie warb bor mäßig gefüßtem $aufe gegeben,
bo<b Wien baS Bublifum ben bie Borfteßung burCbwebenben ftrebfamen Geift
anguerfennen. Gtne SBieberboluug fanb nicht ftatt. Gin früher öfter gegebenes
Suftfpiel: Gußfow’S „Urbtlb beS £artüffe" ging neu einftubirt unb mit gang*
lieb neuer Befeßung in ©eene. £err Karting war ber ßönig, $err granf
Samaignon, £err gerboni Btoliere unb bie tarnen fftobbe unb BtarCßanb bie
beiben ©Cbaufpielerinnen. gm Gangen genommen warb baS ©tücf ebenfo gut,
wenn nicht beffer, gegeben als in früheren gabren, wo bie beiben erftgenann*
ten SRoßen minber begabten 2)arfteüem anbertraut gewefen. Bor ftets gut
befeßten Raufern gaftirte grau b. Berlel — leiber faft nur in ßtäber'feben
Boffen. SDie 2)ame ift eine gewanbte Soubrette, unb ihre Stimme Hingt noch
immer fo Irdftig unb frifch wie in früheren gabren. GS bat uns oft SBunber
genommeu, baß man am ©tabttbeater nicht bin unb wieber einige brauchbare
GefangSfrdfte engagtrt, unb mit beren §ülfe BaubebißeS, Operetten unb
leidhte fomifCße Opern gur Sluffübrung bringt. $ie beutfChe Bühne bat
ja fo manches aßerliebfte berartige SBerfchen aufguweifen, unb neuerbingS
lieferte ber unerftböpfliche Offenbach einen ©Cßaß, ben feine unternebmenbe
3)ire!tion unauSgebeutet laffen foßte. 2)em Bübnenrepertoir würbe baburch
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eilte hSdhft fdhäfciare SRqnmgfaltigteit berlieben, unb felbfi in mtnber günftigen
S^eaterjeiten mürben bie sablreicben Siebbaber einer heiteren mufifalifd^
bramatifeben Untergattung berartigen ©enüffen nicht 311 mieberfteben ber*
mögen.
2Rit bem neuen fceutfc&en Beater in ber oberen Stabt gebt eS bo<b mobl
noch nicht fo fcbnell. @in $la£, ber ba^u bermenbet merbeu m ö cb t e, ift
borläufig gefiebert; über bem Sau fetber febmebt jeboeb noch bötligeS Dunfel.
$err SReaubert, ber als artiftifeber ÜRitbireftor genannt mürbe, bat in Salti*
ntore erflärt, baf$ er fub für näcbften SBinter bon bem bortigen Goncorbia*Dbea*
ter, melcbeS unter feiner Seitung fo biel berfpredjenb gebieb, nicht trennen
merbe. Seine biefigen greunbe geben jeboeb bie Hoffnung nid?t auf, ihn in
einer ähnlichen Stellung in $Rem*?)arf 311 feb^n unb looden mifjen, bafj er fei*
ner Seit als alleiniger Seiter unfereS neuen 2RufentempelS auftaueben merbe.
(SinS febeint ficber: gür fommenben Sßinter mirb eS noch bei bem bisherigen
beutfeben $b*ater fein Semenben babeu.
Unter ben englifeben Beatern bat baS Olimpic mit bem großen biftori*
feben Scbaubrama: ”The three Guardsmen“, nach ben DumaS’fcben^brei
SRuSfetieren", ober bielmebr nach ber fran 3 öfif<ben Dramatifirung berfetben
bearbeitet, einen febr gtüdlicben ©riff getban. 2luf bie HuSftattuug mürbe
biel bermenbet, namentlich lieben bie Goftume an ßleganj unb biftortfeber Dreue
mirflicb nichts 31 t münfeben übrig. Um bie Sluffübrnng fo bollfommcn als
möglich ju machen, begnügte fuh bie unternebmenbe Diretrice, 2RrS. 2Boob,
ni#t mit ben gemöbnticben Graften ihres gnftituts, fonbern gemann noch einige
ber beliebteften Zünftler unb Äünftlerinnen, mie bie Herren S.oniface, *Rome,
Stublep unb grau 2Retbua*5cbeller. DaS Auftreten ber Sefcteren machte
bie Sorftellungen für baS beutfebe Sßublifum gan 3 befonberS intereffant, ba man
fie feit länger als QabreSfrift nicht auf ber biefigen englifeben Sühne gefeben,
unb fie ficb in ber 3 toif<ben 3 eit auf ihren ßunftreifen im SGßeften auch in ber
amerifanifdben ßunftmelt einen febr geachteten tarnen berfchaffte. 9Ran über*
3 eugte ficb halb, baf$ baS ihr auSmärtS gefpenbete 2ob ein mobt berbienteS ge*
mefen. Seit mir fie nicht gefeben, bat fie ficb in ihrem neuen SBirfungSlreife
böllig beimifcb gemacht, alle Sdjmierigfeiten beS freniben QbiomS finb bon
ihr aufs glän 3 enbfte übermunben morben. 3>u bem genannten Drama gab fie bie
Diolle ber Königin Slnna bon öefterreicb, unb mir fönnen ihr fein gröberes 2 ob
fpenben, als inbem mir fagen: „Seber 3oll eine Königin!" DaS mit ficht
fran^öfifdpen Sübneneffecten reich auSgeftattete Drama bürfte ficb für eine jReihe
boü SBochen auf bem IRepertoir erhalten. Später mirb grau 2Rethua*Scbeßer
auf berfelben Sühne in einigen anberen ^artieen auftreten.
SEBallaä’S Dheater, gemiffermaben bie Comedie francaise bon üRem*
§)orf, in le^ter Seit jeboeb unter ber ftarfen Goncurren 3 etmaS leibenb, bat
feit bem SBieberaufireten feines beliebten GbefS, 2efter SBallad, ber ficb aus
berfebieben angegebenen ©rünben feit einem bollen Sabre bon ber Sühne 3 U*
rücfge 3 ogen, neue Sli^iebung gemonnen. Sefter SBallad ift bei ber feinen
Damenrnelt üRem §)orfS fo beliebt, mie feiner 3eit §enbricbS bei ben Serline*
rinnen, unb fo lange er bie Sühne betritt, mirb eS feinem ilunfttempef nicht
an febönen unb unfebönen Scbuppatroninen fehlen.
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5
P*0 »erklagtc peutfd)lani>.
S3on ®«rI K&meliti^ (£cil&ronn.)
3 $ fü^te mich jefct gedrungen, nach bem SBcrhetgegangenen auch einiget
#inberni|fe p erwähnen, bie bem inneren gortfchritt 3)eutf<hlanb8 im SEBege
fte^en. 3# meine bamit in erfter Sinie unfere teligiöfen SSerhältniffe.
$eutf<hlanb würbe religiös unterjocht, nicht belehrt; bie? war fein
g u ftanb unter Gart bem ©rohen unb ift eS bis auf heute geblieben. 3tie waren
bie ©eutfchen fo ruhige SKitgtieber ber Kirche, wie es bie Staliener, bie Spa*
niet, bie ftranjofen, ja fogar bie Gnglänber finb unb waren. SSoher biefeS
ftete ffiiberftreben? 3<h tann mir nur ei ne Urfache benlen, nämlich, bah baS
GeremonieH bem SJeutfchen etwas 3 r e m b e S ift unb war. Unb noch heutptage
regt eS fi<h in aßen ©auen SJeutfchlanbS, t i r ch l i ch e begriffe loSpwerben, bie
ber Statur beS Deutfchen pwiber fmb. 3« anberen Sänbern ift ber Streit ber
alte jwifchen äßiffen unb ©tauben; in Seutfchtanb gefeilt ficb }U bemfelben
ber nationale ffiiberwilte gegen eine ihm frembe Jtirche. 2>iefer topf be*
fteht mehr in ben latholifchen Staaten SeutfchlanbS als in ben proteftantifchen,
aber eS fehlt auch hier nicht an SBiberftanb gegen ein proteftantifcheS Äirdjen»
wefen, baS gern bie alten Äirchenbegriffe wieber einführen möchte, tiefer
religiöfe 3wiefpalt ©eutfchlanbS wirlt brüdenb auf alle frifche, fiebere Gnt»
widelung, weil eben ein beträchtlicher Sheil ber geiftigen firaft ®eutfchlanbS
fich ber Dffenfioe unb ein ebenfo beträchtlicher ber Sefenftoe in biefem Streit
wibmen muh- 3ortfchritt3*2Jtahregeln werben häufig nur »erbächtigt weil fte
bem einen ober anbern Säger entfpringen, nicht weil man an unb für fich
gegen biefelben ift. 3 w e i fiir<hen»Spfteme hat $eutf<hlanb p tragen, unb
fein ibealeS unb wiffenf^aftlicheS Sehen ift breifpaltig: eines tatholifch, eines
proteftantifch, unb baS britte beiben entgegen, nach beutfchen Urbegrif»
fen philofophifch unb äfthetifch ringenb; benn bie 91 atur, f eine 91 atur
oor allem, fucht ber SJeutfcbe wiebet. GS muh Sebent einteuchten, bah unter
folchen 33erl)ältniffen ber gortfchritt »erlangfamt wirb. 9to<b währt in $eutf<b*
lanb ber topf um licchliche Sßräponberanj unb mifcht fnh ins politifcbe Sehen,
unb Oefterreich befonberS »erliert an gäbigleit, feine rechte Stelle in $eutfch»
lanb einjunehmen, weil eS mit lirchlichen Slbfnhten ibentificirt ift. GS werben
bemfelben auch alle SSerfuche, f«h felbft p reformiren, aus gleichem ©runbe er*
fdjwert.
• SBie »iel geiftige firaft fledt in $eulf<btanb in biefem tbeologifcben 9Un»
gen unb in feinen Sirchen ! 3n granfreicb wirb nur ein Heiner Sheil ber
©eifteS=Stär!e in ber ßircbe begraben, weil »on feinem GleruS nur fcbwäcbete
Kräfte gebraucht werben, währenb in Seutfdjlanb, unb befonberS bem pro»
teftantifeben, ftch fehr oft bie heften ßöpfe ber Kirche pwenben. ülehnlich wie
©iogeneS am hellen Xag mUbrennenber Saterne ehrliche SDlenfchen fuebte, fo
491
fucbt bet $eutf<he tttit bet gacfel be$ ffiiffenS In bet £anb nach feinet [R e*
ltgion. bie Äatbolifen unb ^roteftanten fuchenmit; fte würben ftd&
aUx n«bt fcbr freuen, wenn fte gefunben würbe. 3 n ©datier unb ®ötbe
liegt biefelbe, im ©rften gelleibet in einen SbealiSmuS, ben bet Xeutfö« fo feht
liebt unb ber ibm Stillet fo wertb macht, im 3foeiten entfchleiert, im Äleib bet
falten 3ntelligen§, welche bie Schwärmerei abftßbt unb ©öthe nicht recht po*
pulär werben labt. 2)er 2!eutf<he bebarf immer beiber Ortungen; bie [Refor*
mation fam weil bie bamalige ßirche bie 3 n t e 11 i g e n § erftidcn wollte, unb
bie [Reformation genügt nicht weit ibt ba3 3 b e a l e, S <h ö n e fehlt. Unb fo
fudbt ber 2!cutf<he weiter unb oergeubet manche firaft in biefem ©etriebe.*
2)ie biw bejeicbnete Schwierigleit, bie ben beutfchen gortfchritt hemmt, ift eine
f<bwet ju befeitigenbe. ©ewalt hilft bu nicht oiel, Volentil auch nicht oiel,
wohl aber baä ftete Vorbringen populären SiffenS, woburch bie Kirchen teer
werben, aber leibet nut $u oft auch bie Sirthäbäufer ooH. ©$ ift traurig su
fehen, bab unfere 2anb£leute glauben, nut swifchen SirthähuuS unb Äirche
wählen su lönnen, unb e3 ift feht wichtig, bab 3ntelligengmittel geboten werben,
bei benen nicht getrunfen unb nicht gegeffen wirb, wo aber bennoch bem Volle
geiftige ©enüffe, in beibetlei 3 o r m, wie man fagt, baä hei&t, in intellU
genter unb bo<h ibeater Seife, geboten werben.
einen wichtigen Schritt fönnte man thun, Wenn bie ©rjiebung ©eiftlicher
Don Staate wegen, wie fte in Sürtemberg unb auch in anberen Staaten ftatt*
finbet, abgefchafft würbe unb bann bie Theologen ihre acabemifche ©rsiehuttg
ftch gerabe fo oerfchaffen müßten, wie e3 bie 3uriften, SRebisiner unb Vhifofo*
phen thun. — ©3 ift mit unbegreiflich, bab bie Dielen Denier 3)eutf<hlanb3 biefe
grage nicht anregen, benn ben neueren ©eifte8*[Ricbtungen unb Vegriffen übet
bie Stellung be§ Staates jum StaatSbiener ift folche Veoorjugung ber Äirchen*
Slemter bo<h suwiber. # 3)er Staat ergebt feinen anbern StaatSbiener auf of*
fcntliche Soften. Sarurn bie ©eiftlichen allein ? Sollen bie alten Stiftungen
bie [Rechtfertigung bafür geben V $ie gehören ja, nach ftrengem [Rechte, ben
fiatholilen allein! $ur<h bie gebotene Staat^Unterftüfcung sieht man ftch eine
SRaffe Ganbibaten für baS theologifche Stubium auf ben £als, unb man giebt
ÜRandhem eine gang falfche SebenSridhtung. 2Ran wibme bie alten Stiftungen
bem allgemeinen UniDerfttät3*Sefen, was ja fein gröberer [RechtSbruch wäre,
als ber sur $i\t ber [Reformation oerübte.
3 <h wenbe mich nun su einem noch tiefer liegenben, mehr materiellen, #in*
bemifc beS gortfchrittS in $eutf<hlanb, nämlich ber Xhatfache, bab im Vergleich
mit [Rachbat*. Vollem, bet 2)eutf<he ftch unb feine Vrobulte nicht oollgültig Der*
werthet. Sir berühren ba einen 2Ribftanb (gehler wollen wir eS boch nicht
nennen), bet Voll, gürften unb [Regierungen burdbbringt unb Diel an bet
fcheinbaren Schwäche unb Sahmheit fchulb ift, bie man am beutfchen $anbeln
tabelt. ©in amerilanifchet ÄartenfpieUr fagte einmal su mir: „2)ie 2>eutf<hen
jpielen ihre harten fehlest, fte heben ihre Trümpfe su lange auf!" unb er
fennseichnete in biefen Sorten baS beutfche Sefen. Slber entquillt nicht
m
Goog
biefer ©barafter*3ug einet febr adhtunggwertben ©igenföaft unfereg Sotleg ?
(& bilbet allerbingg bag eine ©jtrem beg iefetgcn Scjcgäitg^Setfebrfj
aber SBinbbeutelei nieft baSa^y Unb Mt Wagt ;ubeftimmen. ob niAi
gerabe üe fomtene beutle ©efcbäftgleben el ift, bag fidb gteie^ fern ^alt
Oon ber $>eutf<ben nur gu oft anbängenben großen Slengftlidbfeit unb ber ju
großen Spelulationg*2Butb ? Slmerila, ©nglanb unb granlreid? ftrofct bie
2Rarttf<breierei auf allen 2Rär!ten, unb fte fällt oft auf bie fred&e 31afe; in
Seutfdblanb ftnb Sieberfeit unb Sicherheit noch Sugenben; man erntet
Heinere (Erträge, aber behält fie aud?. £)ie beutle 3urüäbaltung, fi<b unb
v fein Vermögen ganj bem feierten Strom ber 3eit anguoertraüen, ift burdbaug
nicht Seweig gefcbäftlidber Untücbtigleit, fonbern golge non ibm jur ^weiten
Statur geworbenen Solibitqtgbegriffen. (Er will nicht mehr febeinen, als er
ift, unb fo pafftrt eg ibm, baß man ibm einen Steconto aboerlangt, wo er eine
Prämie oerbient. 3n ben anbern Nationen gebt eg oft umgefebr, bort ftebt
Unoerfcbämtbcit über Sari.
©g ift unferer oollen Seachtung wertb, wie tief biefeg ©rünblrdb*
leitgftrebenim beutfehen SBefen fifct. Schon in ber gamilie unb Schule
fängt eg an. gebeg Äinb muß mehr lernen alg eg nachher braucht, unb ein
©teicheg wiberfäbrt bem $anbwerlertebrling unb bem Stubenteu, unb fteigert
fub beim ©omntig unb beim ©efelten. Unb aug biefen Urfa(ben beftfct Seutfdb*
lanb in allen Sebenglreifen lenntnißreidbere Männer alg fein ©efcbäftgleben eg
oerlangt. 3« i^bem Sorfe wobnt ein iibergelebrter Pfarrer, uno auf jeber
Sicbterbanl fifeen guriften, bie ihrer Stellung weit ooraug fmb, unb fo finben
wir auch in jeber SBerfftätte 2Reifter, bie oieleg machen lönnen, wofür lein 58e*
barf ift, unb auf jebem ©omptoir $aufteute, bereu $anbelglreig befcbränlter ift
alg ihre gäbigleiten. $Rur in ben gabrifen, ben ßinbern ber SReujeit, ift’g in
Seutfdblanb wie in anbern Säubern, nur baß man felbft tyinodb immer Sllleg ju
ftarl macht. So ift’g auch mit bem Vermögen, benn auch bieg wirb nicht oollftänbig
auggebeutet; eg giebtmebr erfparteg Kapital alg Serwenbung bafür, unb bieg gilt
oom Sauer, #anbwerfer, Kaufmann, big jum Sanquier. 2tucb in unferem
Stabte^ unb ©emeinbewefen berrfebt biefer (Ebaralterjug oor, unb nur febr un*
gern überläßt man fidb bem Schutbenmachen.
3 $ habe oft bie grage aufgeworfen, wonach man in unferer 3*ü & cn
gortfdbriU unb bie (Eioilifation mißt, unb je mehr man mir bie Antwort fcbul-
big bleibt, befto mehr fommt eg mir faft Oor, alg ob ber 2Raßftab in unferen
Sagen ber Umfang fei, gu bem ein Soll ftcb anfdbmeHen lann. 2lu<b bie
Söller tragen (Erinolinen, unb bag beutfebe Soll trägt bie tleinfte, ift alfo ni<bt
in ber 9Robe, wag unfer Sluge auf ben erften Sticf oevle&t.
Sei näherem Slnblid rnirb’g üng aber wobler, unb eg gebt img wie bem
guten Sfarrer, beffen grau auch eine befebeibene ©rinoline trug, unb ber
ftufcenb fein 3Beib, im Sergleidb mit anbern, Kein fanb, aber halb gum
tröftenben Schluß tarn, baß oon ber grau Sfarrerin bodb noch 2Weg ba fei,
wag oor ber ©rinoline ba gewefen feiy unb er alfo niebtg oerloren babe^ $er
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gleiche Sroft bleibt auch und Seutfchen über unfer äkterlanb, benn je genauer
man prüft, befto beffer fallt bet SSergteidh aus.
gragen mir in ben untern Siebten ber menf<hti<b&n ©efetlfcbaft an.
SBie ftebt es im gamilienleben ? SBo bat ftcb bie Slrmutb am meiften oerntin*
bert ? 2Bo finb bie toenigften auf ber Arbeit laftenben Steuern ? SBo bie ge*
red^teften Steuerfpfteme ? SBo bie meifte perfonlicbe Sicherheit für uno
<£i 3 entyum? $So hat fty bie Sage ber am meiften gebeffert in
Reibung, SBobnung imb Nahrung ? SBo finb bie fleifcigften 2 Jiänner, too bie
beften Hausfrauen, too bie befterjogenen fiinber? SBo ift bie reguläre Gilbung
am tiefften eingebrungen ? SBo ift baS meifte SBiffen ? SBo finb bie meiften
gacbfcbulen ? SBo bie beften Unioerfitäten ? SBo ber befte Verbau ? SBo baS
gefunbefte gabriftoefen ? SBo ber gebilbetfte HanbelSftanb ? SBo ift bie befte
Stäbte*ßommunaioertoaltung ? SBo bie befte SBaifen* unb SBitttoenpflege ?
SBo toirb auf ©eridbtSböfen baS befte D^ecbt gefproeben ? SBo finb bie ginanjen
am geregeltften ? SBo bie beften ©ifenbabnen ? SBo bie beften fonftigen $Ber*
febrSijtittel ? SBo ift ber ßrebit am fidherfteir? SBo fmb Slltienunternebmungen
am freieften bon Scbtoinbeloperationen ? SBo fmb bie beften Turner unb baS
förperlicb gefunbefte SSolf? SBo baS befte ^ecrtüefcn ? SBo ift bie toenigfte
SBillfür gegen Sßrioate ? SBo fmb bie beften Strafgefefce ? SBo ift baS befte
SRedbtSoerfabren ? SBo ptebigt man auf ber $anjel ben toenigften Unfmn ? SBo
ift toirfliche Gilbung am meiften ©rforbernifj ju böbe*n Staatsämtern ? SBo
fmb bie toenigften ScbafcamtSbetrügereien ? ift man auf bem SBege ber
HanbelSfreiheit am toeiteften ? SBo regiert ber 2)tenfcb am meiften fuhfelbft?
SBo toirb er am meiften regiert ? SBo fmb bie am meiften gebildeten 3eitungS*
febreiber? SBo bie toenigften SeitungSflegel ? SBo ift bie meifte © e f efc l i <b *
feit? SBo bie meifte g r e i b e i t ?
3 <b ftelle biefe gragen an beutfdhe Sefer, naebbent ich mir biefetben oft
geftellt batte. SRicbt in allen fann man ju ©unften SeutjcblanbS antworten,
unb es toar auch gar nicht mein ju einer trtafjlofen ^anegprif ben:
©runb in legen, gm ©egentbeil, ich tooUte bureb biefetben nur ben geneigten
Sefer, toie auch mich felbft auf eine nähere unb febärjere Unterfudhung binfüb*
ren. Sie Prüfung, bie jur ehrlichen Söeanttoortung ber gragen erforberlicb
ift, legt in bem S3ötferleben ber Nationen, bie ich in biefem Slrtifel toieberbolt
oerglichen habe, aderbingS manchen tounben gled bloS; man toirb aber in
golge ber Prüfung toabren gortfebritt bon bloS f(beinbarem $u trennen lernen,
unb bann erft eines gerechten UrtbeilS fähig toerben.
SiefeS Urtbeil toirb ftcb toobl 3eber felbft jurecht legen, toie ich es mir ge*
tban habe, unb ich toerbe ein folcbeS bei 3ebem achten, felbft toenn eS bem
meinigen nicht entfpridjt; nur oorfdbnetleS Urtbeil unb lieblofeS SSerbammcit ift
mir in ber Seele jutoiber. Siefe 3^üen toerben oon Männern gelefen, bie
Seutfcblanb, fotoie bie anbern toieberbolt angeführten fiänber mehr ober toenigei
fennen, alfo ben in meinen gragen liegenben SSergfeicb fo gut toie ich anftellen
fonnen, unb ich bitte bloS, bafj man ftcb bie baburch berührten Singe uor bie
Seele ruft unb oorurtheilsfrei abtoägt.
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Settau fagt übet 9lmerita:
„63 giebt ein 2anb x>otl trdumerif<bem 2rug,
„3tuf ba3 bie g r e i b e i t im Sorüberflug
„Segauberifcben Statten fallen labt,
„Unb ba3 ibn hält in taufenb Silbern fe|h
„Söobin ba3 Uitglüd flöhtet ferneber,
„Unb ba3 Serbredjen gittert über’3 3fleer.
,,2)03 2anb, bei beffen lodenbem Serbei&en
„2)ie Hoffnung oft oorn Sterbelager fprang,
„Unb ibr panier bureb alle Stürme febwang,
„Um e3 am fremben Stranbe gu gerreiben,
„Unb bort ben gweifatb bittern 2ob gu haben.
„$ie fieimatb hätte weicher fte begraben."
©n greunb bat al3 Antwort für 2)eutf <blanb folgenbe $arobie
gefebrieben:
„63 giebt ein Sol! boH altem Sraueb unb SRecbt,
„2)ä3 e3 gu oft nodb jebt al3 halben ßne<bt
„Sor oieler 9Jtenf<ben Slid erfebeinen labt,
„Unb ba3 e3 hält in taufenb Sanben feft,
„Son bem au3 SBanberluft unb üRotb man wanbert fiber3 2Jteer,
„3)a3 emftg 2Sei3beit fammelt ferneber.
„©n Sott mit wenig lodenbem Serbei&en,
1 „2)a3 nicht ft<b überfebäbt, unb ehrlich ehrt
„2)e3 6nfel3 Mt, ni(bt „ o r g e n " — b e u t oergebrt,
„25a3 in bem gebt audj an bie 3«lunft benft.
„ © e f e b unb fR e cb t bünlt ihn fein befte3 .gaben.
„63 bat bie greibeit bodj gu tief begraben."
2)ie lebten 3eilen enthalten nach meiner Slnficbt oiel 2Babre3. Hmerifa braucht
bejfere SRe<bt3begriffe, Seutfcblanb mehr greibeit; bem 6rften
fehlt in ber greibeit mehr ©efeblicbleit, bem 3^eiten in feinen ©efeben mehr
greibeit, wobei ich bauptfäcblicb eine lebenbigere 6ntwidlung aller 2e*
ben3oerbältnijfe meine.
Schließlich beantworte i<b bie am Slnfang biefe3 Slrtilefö geftellte
grage: 2Ber bat am meiften geleiftet? babin, baß 2)eutf<blanb biefer IRubm
gebührt. ©3 bat fkb nicht allein materiell gehoben, — e3 ftebt auch
f it tl i <b bbbe*> unb ihm befonber3 oerbanlt bie SBelt reine3 unb J)ppuläre3
SBiffen. S o I i t i f <b ! ? 9tun ja, gefteben wir’3, ba3 ift ber 2)eutf<be
jjie; er benlt gu tief, bat be3l;alb gu fefte Uebergeugungen unb febwärmt für
fte, wa3 gitrften, Slbet, Pfaffen unb autb Demagogen oft für ihre 3n>ede
benubten. 2)e3 2)eutf<ben fdjönfte Sugenb mirb fo fein größter gebier. Unb
bo<h, wie oieljeitig bat ft<b unfer Saterlanb gur ©inigfeit oerftdnbigt l 2Bie
oiel ift in $anbel3* unb begleichen gragen gefd&ebenl Siele $inberniffe,
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ferner ju befeitigen, nur wenige Slnfpontungen begleiteten ben Teutfehen
auf feinem gortfebritt, unb boch hat er oiel geleiftet. — Sticht Sltnerila
naebgeabmte Selbftlobhubelung ift biefeS Urteil, fonbern geregte Entfd&ei*
bung nach ruhiger Prüfung.
Uero-IJorker CKorrrclponkenj.
9tem*2)orf, im Slpril. 2Ber in Slmerifa ein Steuling ift, mub in
biefern Vtonat ben einer Vermunberung unb Empörung in bie anbere gefallen
fein. 3eber Tag beffelben ift ein ffirinnerungStag, ooll froher ober fdbmer^lid^er
Vebeutung, unb nur ein 3>ahr ift oerfloffen, feit ft<h bie Gegebenheiten gutru*
gen, an melche ft<h bie (Erinnerungen fnüpfen. Sßürben nicht in jebern anbern
Sanbe Silier ©ebanfen baran gehangen unb ft<b in ber Vreffe, mie in offene
liehen ßunbgebungen miebergefpiegelt haben ? Hier aber badete man faum an bie
lebten, furchtbaren Kampfe bor oer Stebelfenhauptftabf, an bie (Einnahme bon
Siichmonb, an bie grimmige Verfolgung bei Tag unb bei Stacht, an bie fiapitu*
lation See’S :c. Stur menige gähnen liefen ftch bliefen, unb faum enthielten
bie 3eitungen ein SBort ber Erinnerung an baS £eil, melcheS bor einem 3ahre
in biefen Stunben ber Station miberfahren. Slm Gharfreitag mürbe nirgenbS
auf bie Tvagöbie biugemiefen, melche an bemfelben Tage beS hörigen Jahres in
gotb’S ^h^ater aufgeführt mürbe, ja felbft am löten erblicfte man nur menige
Trauerfahnen, unb hatten nicht bie Teutfehen irt ber Turnhalle eiue ©ebächt*
nibfeier abgehalten, fo märe ber TobeStag unfereS Sincoln unbemerft borüberge*
gangen. Soll man barauS fchlie&en, bab ben Slmerifanern alle Pietät fehlt,
bab baS, maS fte heute bejubeln ober bemeinen, ihnen fchon morgen gleichgültig
gemorben ift ? Ta mübte man fte für blaftrt halten, unb baS ftnb fie benn boch
nicht. TaS Sehen ift in Slmerifa ju ernft unb inhaltsreich, als bab man nid^t
bon ber ©egenmart botlftänbig in Slnfpruch genommen merben füllte. Sieber
Tag bringt feine Sorge unb Aufgabe, melche gebieterifch berlangt, bab ih* alle
Kräfte gemibmet merben. 27tan buchte an baS Veto unb bie Haltung beS
GongreffeS, ah bie V3ahl in Connecticut, an bie griebensproflamation, an, bie
ginanjpolitil, an baS ©efchäft, an bie Eholera unb taufenb anbere Tinge, unb
über bieS SlüeS fam man nicht jurn ruhigen Stachbenfen. Slber baS tann nur
gut (Entfchutbigung, nicht jur Rechtfertigung einer Slpathte bienen, melche für
ben ^Beobachter etmaS GmporenbeS hatte. Empört unb befchämt mubte man
fuh fühlen, menn man fah/ toie am ^atridstage bie Stabt ftch mit gähnen be*
bedte, mährenb an ben Tagen, melche fo ooil unermeblich« Vebeutung für bie
VepubKt maren, SBenige es für ber SMühe merth beiten ober auch nur bätan
buchten, bie Sterne unb Streifen ben SBinben preiSjugeben.
Stem^orl mübte nicht bie grobe HanbelSmetropole fein, menn nicht in
ihm baS ©efchäft bie Hauptrolle fpielte, unb barurn fei es mir geftattet, auch
l;tcr biefcm ©egenftanb einige üffiorte gu mibmen. $ie ©efd&äfte gehen fchlecht,
unb ba! labt ftch erflären, ba bie Urfachen fehr nahe liegen; weniger erftdrtid&
aber ift e!, bab man’! nicht boraulgefehen hat unb auf! Unangenehmfte ba*
burch überrafcht mirb. Unmittelbar nach ber Beenbigung be! Krieges mürben
bie ungebcuerften Umfdhe gemalt; melche! fRed^t aber batte man, gu ermar*
ten, bab fub bie! im Frühling in berfelben SBeife mieberholen merbe ? S)er
Kaufmann mub Bationalöfononvfein; er mub bie materielle Sage be! Sanbe!
genau fennen unb barauf feine Beregnungen baftren. Hanbelt er furgftchtig
unt> impulfiu, fo ift er ein Stümper in feinem gach. 2)af$ ber non Slllem ent*
blofjte Süben, fobalb ibm ber Werfer geöffnet, ft(b be! erften Btorfte! bebienen
mürbe, um bie ©egenftänbe gu erlangen, beren er bringenb beburfte, mar nor*
bergufeben; aber mit berfelben Sicherheit lieb f«h beregnen,, bab feine ©elb*
mittel haften! gur $ecfung be! augenblicflichen Bebarf! binreicben mürben
unb bab al!bann notbmenbigermeife eine Baufe eintreten müffe. Unfere Qm*
porteur!, erftaunt über bie geleifteten Baargablungen, hielten inbeffen bie fübli*
eben Staaten für einen unerfchöpflichen Oued bei Segen!, melcber mie eine
gontaine fortmäbrenb überfprubeln müffe, unb auf biefe fühne Borau!febung
bauten fie ihre Berechnungen. 25ie Smportationen erreichten eine fabelhafte
Höhe, unb bo<b fürchteten Sille, bab ber Bebarf noch nicht binreicben merbe.
25ie ßunben aber blieben au!, mell fte fein ©elb batten, ba! grühling!gef<hdft,
an melchel man fo grobe Hoffnungen gefnüpft, mürbe faft gang hinfällig, unb
jefct fteben fie mit langen ©eftchtern ba. Biele £dufer f in b, um ihren Ber*
pflichtungen nachfommen gu fönnen, gegmungen, ihre SBaaren unter bem ßo*
ftenpreil gu nerfaufen, Banferotte gehören nicht gu ben Seltenheiten, unb Sille!
fleht einer ßrift! entgegen. 2Ba! bie! betrifft, fo ift gu bebenfen, bab Bem*?)orf
mdbrenb be! Kriege! genug berbient hat, um jefct burch einen Berluft nicht
ruinirt gu merben; aber nie hatte eine ^aufmannfehaft mehr Ucfad^e, fuh gu
fchamen, al! biejenige Bem*?)orf! im feigen Btoment. Saffelbe gilt bon
ben Hanbellleuten be! Süben!, melche bie Berhdltniffe ihrer Seftion hoch am
heften fennen foHten. Sie mubten, bab ber Süben feit hier fahren nur ber*
confumirt unb nicht probucirt, bab in ihnt nur beruhtet unb nicht gebaut
morben, bab allerbing! Einige auf erlaubte ober unerlaubte SBeife fleh bereicher*
ten, bab bie! aber auf Soften ihrer Btitbürger gefchehen unb bie ÜDtenge
blutarm fein müffe. dennoch machten fte fo biele ©infdufe, al! hatten fte’!
mit einer mohlhabenben Bapulation gu thun, bie fub nicht nur ba! Bothmen*
bige, fonbern auch noch ein (£rfle<fli<be! barüber hiaau! erlauben bürfe. Seht
fifcen fte mit ihren SBaaren ba unb finb genötigt, btefelben billiget gu berfau*
fen al! fte in Bem*?)orf gu haben finb. 2Benn nur bie anbern Beoölferungl*
(Elemente bon ber Scheit ber ßaufmannfehaft profttiren unb barau! lernen
mollten, bab man auf feinen eigenen Buin hinarbeitet, menn man bei bem, mal
man thut, nicht mit flugent Bebacht bie Berhdltniffe in Berechnung giebt. Slber
überall tritt un! eine Smpulftbitdt entgegen, melche, mie ein ßranfheit!ftcff, j
in ber Suft gu fchmeben fcheint. Bur ein 3ufammenmirfen nach SBabgabe |
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»ernünftiger ^Berechnungen, ein genaue? Slbwägen gegenfeitiger gorberungen
unb Slnfprücbe, !ann einer ßrift? ootbeugen, welche Sillen jum Staben gereicht.
SBricbt eine fotdjc au?, fo wirb man fte ber eignen Sborbeit ju banten haben,
benn bie SBerbältnijfe be? Sanbe? waren fo günftig, bafj nur ber beitlofefte Seicht»
ftnn eine Sevcöttung beroorbringen tonnte.
Sie ©bolera ift eitt ®egenftanb, an bcn man fub nicht gern erinnern
läbt; mag ber unheimliche ©aft, ber ftch fcbon al? btinber Saffagier auf
jwei Sampfet gefchlichen, un? aber einen SBefudj jugebacbt haben ober
nicht, jebenfatl? fpielt bie furcht »or ihm fcbon jefct in 9tew»j!)orl eine ju wich*
tige Stolle, al? bah e? möglich wäre, mit ©tillfchweigen barüber binwegsugeben.
SSäbrenb man in Guropa, wo man junädjft bebrobt ift, ber $eimfu<hung mit
Stube entgegenfiebt, lebt man hier fchoit feit DDionaten in fortwäbrenber Slngft.
Saran, bah bie ©euche wirtlich ihren ©injug halten wirb, jweifeln nur Sie»
nige, unb bie gludbt auf? Sanb wirb in biefem Sabre toloffale Simenfwnen
annebmen. Sch fürchte, bah 9teW»2)or! febr wenig moralifcben Stttutb entfalten
unb ftch einigetmaben verächtlich geigen wirb. Grbebt fich aber bie grage, woju
eine Gpibemie fm $au?balte bet Statur nüfct, fo ift hier tängft bie Slntwort
gefunben. Ser ©bolera haben wir ein neue? Sanität?gefe&, einen neuen
©efunbbeit?ratb unb ernftliche Slnftalten jur Steinigung ber ©tabt ju »erban»
len, unb batum lönnten wir faft in Serfucbung tommen, ben grimmigen geinb
ju fegnen. Sie »om ©ouoerneur ernannten ©ommiffäre haben teine leiste
unb angenehme Aufgabe. Ser ©cbmufc bat fuh in allen SSerbältniffen ber»
majjen eingebürgert, bab er ein biftorifche? Stecht beanfprucbt unb nicht ohne
ßampf ba? gelb räumt. 23eft&er pon Stietb?lafernen, welche, feit Sabrjebnten
nie gereinigt, im ftrengften ©inne be? Skrte? ißeftbBblen frnb; Suntpenfamm»
ler, bereu SJtagajine mitten in ber ©tabt bie Suft mit SDtia?men erfüllen; gfei»
fdjer unb getttocher, welche in ben beoöltertften Stabttbeilen ihr ©ewerbe trei»
ben; SBiftualienbänbler, bie ihre Skaten auf Storäften feil bieten; ©trabenton»
trattoren, welche feit einem Saht ba? ©etb für bie Steinigung ber ©tabt einge»
ftrichen unb nicht? bafür geleiftet haben — alle biefe unb bunbert anbere Seute
foUen jefct plöfclich jur Staifon gebracht uub geswungen werben, lein freoelbaf»
te? ©piel mit bet ©efunbbeit ihrer SDtitbürger ju treiben. SSor bie ©ommiffäre
citirt, berufen be ft<h auf ihr eigene? törperliche? Skblbefinben, um baburch ju
beweifen, bab ihr Sreiben ba? gefunbefie »on ber Sielt ift. SSiU man bie?
Slrgument nicht gelten laffen, fo berufen fte b<b auf bie Siechte freier Sürger
unb fchreien über Sprannei. Sie pbichtoergeffenen ©ontraltoren haben bie
grecbbeit, ftch barüber ju befchweren, bab fte jefet in einer Sioche mehr tbun
müffen als fl« fonft in einem Sabre getban, ©o ftoben bie ^Beamten überall
auf SMberftanb unb erwerben fuh eine Stenge perfBnlicher geinbe, wäbrenb ba?
Sublitum, ba fte unmöglich auf einmal Sitte? burchfe&en föntten, ihnen taum
bie fchulbige Slnerlennung ju Sbeit werben läbt. ©rft jefct werben wir burch
biefe SBemübungen bet Ungebeuerlichfeiten inne, welche man fi<b hier Sag für
Sag ohne Sturren, gleich al? lönnte e? nicht anbet? fein, gefallen läbt. Sie»
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bettbei werben auch allerlei Cntbedfungen gemalt, wie Wtr zum Beifpiel fc$t
§um erften 9M erfahren, baft hUr f<b*>n feit längerer 3*it eine Seuche unter
ben $ül;en befielt, welche einen ftarlen Berbacht auf bie Oualität ber 2JW<h
wirft. Saffen bie Comntiffäre, benen oom ©efefc ^inreid^enbe ©ewalt gegeben
ift, ftch burch üftichtS einfchüd&tern, fo oerbient in ber £fyat geber non ihnen eine
Bürgerfrone, nnb fd^on jefct tritt uns baS Befultat ihrer Bemühungen in eini*
germaften reinlich gehaltenen Straften unb BMrften entgegen. Bei ber über*
aus gefunben Sage Bero*?)orfS !ann eine Seuche hier feinen feften guft fajfen
wenn bie nötigen BorficfttSmaftregeln getroffen werben, unb gelingt es ber
neuen Behörbe, ben SlugiaSftatI nur einigermaften ju reinigen, fo läftt fich
nicht einfehen, weshalb bie Cholera hier nicht fehr gut follte ganz fern ober me*
nigftenS in engen Schranfen gehalten werben fönnen.
Cine Slenberung zum Beffem ift auch mit ber Bew*?)orfergeuermehroor*
gegangen. $ie nötige, unbezahlte, war bebeutenb romantifcher, bie jefcige,
bezahlte, hat aber bie Borzüge, eyemplarifdfter Soiibitdt unb ftrenger SDiSdplin.
CS giebt feinen frafferen Unterfchieb, als ben zwifchen ben früheren unb ben
jefcigen geuer*Compagnieen. Crftere famen, mit mifbern gnbianergefdhrei, wie
eine rafenbe SUteute, mit ihren £anbfprifcen burch bie Straften geraffelt; alles
wüfte ©eftnbel fc^toft ftch ihnen an, was ihnen in ben Seg fam, würbe über*
fahren ober unter bie güfte getreten, unb nicht feiten war es, baft mährenb
eines geuerS zwei rtoalifirenbe Compagnieen fich eine Schlacht lieferten. Cs
war, wie gefagt, romantifch, aber immerhin ein fteillofer Sfanbal. gefct ift
t>ieS SllleS anbcrS geworben, unb fchon baS duftere Crfcfteinen ber geuerleute
beutet auf ein neues Spftem hin, inbem bie feuerrotften Bloufen einer becenten
blauen Uniform Blafc gemacht haben. Sin bie Stelle ber «ganbfpriften ftnb non
Bferben gezogene $ampfmafchinen getreten, SUleS geht fo ruhig Oonftatten, baft
man fauni barum gewahr wirb, unb SJtitglieber beS Corps, welche fich Unorb*
nungen zu Schulben fontmen laffen, werben augenbMidft auSgeftoften. Cin
geuer in einer ber ^aupt^BerfeftrSabern, 5 . B. am Broabmap, macht einen
ganz fonberbaren Cinbrud. S)ie Strafte wirb abgefperrt, unb mitten in bem
Zu beiben Seiten herrfchenben, burch bie Sperrung noch erhöhten ©etümmel
gewahrt man einen leeren, ftitlen SRaum. SCßte eine Sagenburg, bilben bie
Leiter*, §afen* unb Schlauchwagen einen £albfreiS; hinter biefen aber ftehen
Heine fchnaubenbe, feudftenbe Ungeheuer, welche bann unb wann einen bdmo*
nifchen Schrei als SarnungSruf auSftoften, bichte Sollen oon ßohlenbampf
emporwirbeln unb einen Safferftraftl oon ber 3)icfe eines weiten Ofenrohrs
mit untrüglicher Sicherheit unb nie ermübenber Äraft bis zu jeber beliebigeu
$öbe fdhleubern. 2 )er ßontraft zwifdhen bem ©ebrdng unb ber Seere, zwifchen
bem ©etöS unb ber Stille, in Berbinbung mit ben praffelnben glammen unb
ben bämonenhaften ßraftanftrengungen ber Btafchinen, hat etwas namenlos
Unheimliches, tiährenb guglcidh baS SJtethobifche beS BerfahrenS imponirt unb
Bertrauen ermedft. gebodft wirb behauptet, baft bie Stompffprifcen zu oiel 3eit
Zur Reizung gebrauchen unb baS geuer baburdft einen Borfpmng gewinnt,
Ü
m
meldet bic großen Berlufte ber lefcten 2öochen erfldrt. Ser Sheorie nach fod bie
^ci^ung auf bergahrt nach bem Branbplafce ftattfinben; jebodj fcheinennoch ei*
ntge Berbefferungen crforberlich §u fein, bebor -baS neue Spftern bem '93ebürf«
nij$ boüfommen entfpricht. Ser Bor 3 ug gegen baS frühere ift inbeffen unbef*
fennbat. SBenigftenS brauet man nid^t ju befürchten, bafi bie fetten geuer*
leute felbft Raufer anjünben, um baS Vergnügen beS BöfchenS, BlünbernS unb
Balgens genießen ju fönnen, unb maS bie $auptfa<he ift — bie geuermeht
bat aufgehört, eine Organifation in ben £änben politifcher Bänfefchmi ebe ju
fein.
2ln bie Shatfache, bafc Slmerifa ein grobes Sanb unb Bern*?)orf eine
grobe 6tabt ganj eigener 2lrt ift, bat uns neuerbingS eine ©rfcheinung erinnert,
welche mit nicht geringen Unannehmlichleiten für baS ^ublifum berbunben
mar. ÜBährenb mehrerer Sage batten alle Stabteifenbahnen ihre gahrten
eingeftetlt, meil bie Äutfcher mehr Sohn berlangten unb bie ©ompagnieen biefen
nicht geben moüten. Sie gorberung mar gerecht, bie Steigerung eine ©e*
meinbeit, benn für ben ferneren Sienft mürbe eine etenbe Bergütung gejabtt,
mdbrenb ber (Ertrag ber meiften Bahnen ein enormer ift. Sab aber eine folche 6tö*
rung überhaupt entfteben fann, ift unerhört. Sen betreffenben ©ompagnieen
fmb ©erechtfame berliehen, für welche fie bem Bublifum einen ©rfafc in ©e*
ftalt regelmäßiger gahrten gu einem beftimmten greife fd&ulbig fmb. gür baS
Snnebatten biefer Berpflichtungen mußten fte ftreng berantworilich gemacht
werben. 3m borliegenben galt fagten fie: S3ir fonnten nicht. Sab fie
aber nicht fonnten, mar ihre eigene Schulb. 6efcten fte ihre Angehörigen in
ben Stanb, für ihr ferneres Sagwertanftänbig ju leben, ftatt bei einem Ber*
bienft bon jmei Shalern per Sag mit grau unb ßinbern junger ju leiben, fo
batte ber AuSftanb ftch fchmerlicb ereignet, unb menn bennoch unbillige gor*
berungen geftellt morben, märe eS ihnen ein Seichtes gemefen, mit $ülfe ber
$olijei unb beS interefftrten ^ublilumS bie »afant gemorbenen ©teilen mit ber*
nünftigern Beuten ju befefeen. Sefct fühlte ftch 3sber geneigt,'für bie Arbeiter
Partei §u ergreifen unb biefelben in ber Behauptung ihrer gerechten Sßofition
felbft ba ju unterftüßen, mo fie §u unerlaubten Stitteln griffen. Sen
©ompagnieen, benen ein fo mefentlicher Sheil beS öffentlichen BerlehrS in bie
$anb gegeben ift, follten burch ihre ©efchäftSführung eine moralifche ©arantie
für ben ungeftörten Betrieb leiften. Um baS Ungeheuerliche beS BorfaHS ju
ermeffen, brauchen wir uns nur borjuftellen, baf3 berfelbe ftch mit Be 3 ug auf
bie gdhrboete mieberholte unb baburch Bew*§)orl für mehrere Sage bon aller
©ommunitation mit ben gnfeln unb bem geftlanbe abgefchnitten mürbe. ©S
mdre' im $rin 3 ip gan 3 baffelbe, unb bie golgen mürben gar nicht ju berechnen
fein. SaS IRem^Sorfer Bublilum ift gewohnt, ftch t>iel bon feinen Stonopo*
Iiften gefallen ju taffen; aber b i e S geht benn hoch über bie ©emüthlichfeit.
Ser genianiSmuS berhdlt ftch augenblidlich in Bew*2)orf jiemlich ruhig
unb rumort bafür an ber ©rense BeubramtfchweigS; jeboch machen ftch bie
golgen ber Bewegung in Berhdltniffen geltenb, mo man fte am menigften
f , 33 ]
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erwarten feilte. 3ebet, beffen 2ooS eS ift, fein ^äuStidjeS Seien bür# trifte
Sienftboten »erfchönern ju laffen, weih etwa« bauen §u erjäblen. Allgemein
witb batübet gettagt, baff feit einiget 3eit mit ben bienenben SEöcbtern SrlanbS
nicht mehr auSjufommen ift. 3ebe Don ihnen fühlt fich als bie SChwefter «bet
Siebfte eine« gelben unb ift feft überjeugt, bah fte jw höheren Singen als jut
PerriCbtung »on häuslichen Sltbeiten geboten würbe, hiermit aber noch nicht
genug, wirb jugleich ein höherer Sohn «erlangt, weil eine beftimmte Summe
monatlich an ben gonb jur Befreiung SrlanbS' Don ben „fächfifeben Spran«
nen" abgegeben werben muh. $« Schwinbel geht wahrlich weit, aber be*
wunbern muh man bodj ben Patriotismus unb ©emeinfinn, welcher bem
Sillen ju ©runbe liegt—ben Patriotismus, ber fuh fogar burch bie PnathemaS
ber ©eiftlichleit niefet irre machen läfst, ben ©emeinftnn, bet ben GgoiSmuS
jum Schweigen bringt. Süden wir Seutfchen mit Seiht auf bie 3rlänber als
ein unter uns ftehenbeS ©lement hinab, f o muffen wir bo<b betennen, bah eS
gewiffe ©igenfehaften giebt, in benen fte uns überlegen finb. Slbgefeimte Be*
trüget haben fich beS nobeln SmpulfeS bemächtigt, welcher im Eerjen felbftbeS
Dertommenften 3rlänberS lebt; aber ber 3mpulS an unb für f«h «erliert ba«
burch-nicht an fittlichem SBerth-
Pon ber öffentlichen Sicherheit New=?)otlS ift nicht Diel ©uteS ju fagen;
wo tro& einer trefflichen Poüjei bie freguentirteften Stabtbahnen fich juweilen
buchftäbüch unter ber Kontrolle «on Strahenräubern befinben, ift gewih ©twaS
grünblich faul. Sennoch hat ftch hier ein wahres Gntfefcen über ben achtfachen
«Btorb bei Philabelphia Derbreitet, beffen übet alle Piaffen gtauenDolle ©injelheiten
fich abfolut nur burch bie Sinnahme erflären laffen, bah fte baS Probutt geiftiger
UnjuredjnungSfähigteit waten. ©S giebt ©baten, welche nicht bei gefunbem
Semufstfein begangen werben l innen, unb ju biefen gehört bie Dorliegenbe.
Slbfutb ift eS, wenn beutfehe 3eitungen ju bemonftriren fugten, bah bet Ptörber
lein Seutfcher, fonbern ein granjoS fei, weil er aus Strajjburg ftammen foHte.
^at baS Perbrechen eine Nationalität, unb wirb ein Pernünftiger aus bet ©hat
biefer Peftie einen Schluh auf ben ©haratter einer Nation jiehen ? Nicht «iel
weniger Senfation erregte bie Einrichtung ©bwarb SB. ©reenS in PiaffacbufettS,
welcher, obgleich beS PlorbeS überführt, nicht nach ben Pegeln beS ©efefceS
projeffirt war unb an beffen 3ure<hnungSfähigleit gleichfalls bie begrünbetften
3weifel Dorhanben waren. Selbft Sie, welche am entfehiebenften bem ftreng*
ften Petfahten baS SBort gerebet hatten, würben anbetn Sinnes als fie mit bem
Ptenfchen in Berührung lamen, unb ihr einftimmigeS Urtheil lautete bahin,
bah er nicht hingerichtet, fonbern nur burch -lebenslängliche ©infperrung un»
fchäbliCh gemacht werben bürfe, ba er ganj offenbar feiner geiftigen ©apacität nach
nicht in »ödem Ptahe «erantwortlich gehalten werben lönne. Slbet baS Poll
«erlangte Blut für Blut, unb ber Eenlet «errichtete fein SBerl an Semjenigen, in
beffen gamilie feit Dielen ©enerationen bet SBahn» unb piöbfinn erblich war.
SBaS aber ift bie Summe beS GinbrudS, ben man bei biefer ©elegenheit
empfängt? Perftärlt wirb baburCh bieUeberjeugung «on bet Per werflieh*
riV
501
fett berXobeSftrafe, melche bie Seriehtf gung eines grrthumS unmög*
lieh macht.
Um jeboch biefen Srief nid^t mit fo büftem Ginbrüden }u fchlie&en, fei
je$t noch ein S3ti<f auf fettere Singe geworfen, Herr SDtarebel, meldet gern
überall beh Sioniet macht, oeranftaltete einen SJtaSfenbaß nach bem SMufter
berjenigen in ber groben Oper §u Saris. 2Jtit bem pefunidren Grfolg lonnte
er jufrieben fein, unb geber, bem es barum §u thun mar, fd?5ne ©efuhter unb
Stiletten gu bemunbem, füllte ftch gleichfalls nicht getdufcht. Siber es fehlte bie
£auptfa<he, nämlich ber ffiifc, bie ©enialitdt, ohne melche ein
SMaSlenbaß nur ein Körper ohne ©eele, eine Steife ohne ©emürs, eine Stofe
ohne Suft ijt. Sie feine SBelt SlnterilaS ift noch nicht auf bie ßöhe ber ßultür
angelangf, tneldhe fleh im tollen Uebermuth ergeht ohne bie ©renje beS Schid*
liehen §u uberfehreiten unb ohne baS Erlaubte falfch- aufjufaffen* S5kS «£>err
2Warefcet felbft beigetragen, mar auch nidht fehrju loben; baS ©ute barin mar
nicht neu, fonbern bem Slrion unb Sieberfranj entlehnt, baS Sleue nicht gut.
©maS gan§ SefonbereS follten bie ßarrifaturen öffentlicher Gharaltere fein;
aber bei bem heften SBiHen lieb ftch barin fehr menig SBifetgeS entbeden, unb
ber junge Zünftler, melcher fte angefertigt, hatte ftch auf ein ©ebiet gemagt, bem
er nicht gemachfen mar. ' Seifpielsmetfe fei nur ermahnt, bafj fogar ber alte
Scott jum ©egejtftanb einer h^hltchen ßarrilatur gemacht morben mar, maS
bo<h mohl ber Saftloftgfeit bie Ärone aüffefet. 2Ber !ann fuh aufgelegt
führen, über ben alten, fchon mit einem gub im ©rabe ftehenben gelben gu
lachen, unb mer foßte ftch nicht oerlefct fühlen, menn ibüt bicS jugemuthet mirb ?
©etabeju oermerflich mar es, bab biefe abfcheulichen ÜDHfsgeftalten felbft noch
bei ben nächften Dpernoorfteßungen hängen blieben unb nicht nur ber Slfufti!
fdjabeten, fonbern fogar ben Auftrag erhielten, baS ^ublilum bei ber Sluffüh*
rungber „Hugenotten* in bierechte Stimmung §u »erfefcen. ©nenttnuftfalifchen
©enie mie aJtarefcef hätten mir 2lnbereS jugetraut. Sluf ©eiten beS ^ublilumS
bricht ftch bet her Oper in lefcter &it eine ftörenbe Unfttte immer mehr Sahn.
Stegelmdfjig geht bie Ouoertüre burch baS ©eräufch ber ’gu fpdt ©etommenen
oerloren, unb ber Anfang jeben SlfteS mirb burch bie nach ih*en Slä$en
Surüdeilenben oerborben. Gs foßte hier bamit gehalten fein mie tn Guropa.
Seim Segtnn ber ÜDtuftf foßten bie Spüren gefperrt unb Sliemanbem foßte baS
9le$t eingerdumt merben, älnbere um ihren ©enujj ju bringen.
UncaS.
tm i
l£c£l
4#tofihalifd)e Heime.
$Ott 2f>. $agen.
2>te mufttalif*e Saifon neigt ft* ju (Enbe. 3)ie Statur f*mü<tt ft*, unb
bte fiunft fehnt ft* tta* Stühe. ÜStit betn 2lbf*luf[e be« notigen SJtonat« ftnb
au* bie großen unb {leinen (Eonjertuntemehmungen §u (Enbe getommen. 2)ie
Spmphonie*6oireen be« #errn $h*obor 2*onta«, bie $hilharmonif*en Gon*
jerte, in Brootlpn fowohl tote in 9tew*2)orf, bie Guartettunterhaltungen bet
Werten SJiafon unb £homa«— fte alle ftnb nerflungen, wenn au* ni*t in ben
£erjen nietet äuhörer. £ier toitfen bie $öne no* lange fort,.Vnb wo fte
e« ui*t *un, ba ift eben bie (Empfängli*teit fut ntuftlalif* !ünftlerif*e ©e*
nüffe no* ni*t erfproffen.— $ie legte Spmphonie*Soiree be« gerrn X^eobot
2 *oma« bot btei Or*efterwerfe fe^r nerf*iebenen 3**alt«. 2)a« erfte, tnomit
ba« (Eonjert eröffnet würbe, war bie wenig gehörte Ounertüre Beethonen*«,
toet*e et jur (Eröffnung be« neuen 2*eater« in bet 3pfä*ftabt in SBien am
3ten Oftober 1822 f*rieb, unb gwar §um 5tamen«fefte be« flaijer« granj.
5)a bie (Entftehung biefe« SBerfeö auf beffen muftfalif*en (Eharafter ein b«He«
£i*t wirft, fo möge gier bie folgenbe Siotis feine« Biographen S*inbler
finben:
„(Eine« Sage« gingen wir Srei (Beethonen, fein fReffe unb 6*inbter) in
bem an 9iaturf*önheiten überrei*en #elenentbale bei Baben fpajieren. 2Äit
einem 2Me gie^ un« Beethonen norangeben unb % ihn am 6ommerpalai« be«
(Erjgerjog« $arl erwarten. Sta* einer halben Stunbe ungefähr tarn er unb
fagte, er habe foeben jwei ÜSiotine erfannt, bereu Sßlan er fogtei* näher ent**
wiäelte. Sa« eine 2Rotio folUe in feiner ihm eigentbüntU*en Stplweife au«ge*
arbeitet werben, ba« anbere aber in £änbeff*er. ß* fragte bann, wel*e«
non beiben üttotinen un« $u bem bewußten am beften gefalle. 3* ent*
f*ieb nti* f*nell für ba« im §änbeff*en Stpl ohne 3tüäft*t auf ba« anbere —
au« bem anbem wäre au* ein grobe« SBerf entftanben.*
Beethonen entf*ieb ft* §u (fünften be« 2Bunf*e« feine« greunbe«, unb
f*rieb bie Ounertüre in mä*tigen, fühnen 3ügen, mit einem fugirten 6*luffe,
obgtei* bur*au« ni*t im gänbef f*en (E« ift ein impofante« SBert,
großartig in Einlage unb 2luff übrung, unb in fofern non erhöhtem gntereffe,
at« e« in ber gattut non ber Beethonen eigenthümli*en Behanblung«weife
abwei*t. (E« weht ein ttaffif*er ©eift in biefen Sönen, im ©egenfafce ju bem
, romantif**üppigen ©emüth«* unb $hantafteleben, ba« er in feinen übrigen
Sßerten offenbart. — Unb biefe«, nur in etwa« bef*eibenerer, milberet SBeife,
treffen wir in bem 6*umann’f*en Söerte an, ba« ebenfall« in biefem (Eonjerte
gefpiett würbe, unb unter bem tarnen „Dunertüre, S*erso unb ginale" betannt
ift. (E« gehört ju ben aüererften $robuttionen 6*umann’«, für ein grobe«
Or*efter, unb berüdft*tigt man biefen Umftanb, fo mub man ft* aller*
bing« wunbern, wie ein (Eomponift, ber ft* 3ahw lang in fein Älanier hinein*
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gelebt batte tmb innig mit ibnt berwachfen mar, fieb mit einem SKale fo
frei unb lei<bt auf bem neuen ©ebiete bewegen tonnte. 5)aS SGßert bat einen
freunblichen, polnlät gehaltenen ©harafter nnb entmiäelt ein reifes melobifcheS
Sehen. $aS Schetgo ^dtte Schumann wohl etwas mehr auSarbeiten tönnen —
in feiner jefcigen ©eftalt erfepeint eS faft als ein blofjeS gragment. S)aS SBert
bat für uns no<b babur(b ein befonbereS gntereffe, bab es baS einzige S<hu-
mann’S ift, in weitem fich Spuren beS ©tnfluffeS nadjmeifen laffen, ben
bamals SWenbelSfopn auf bie mufitalifcpe 2Selt 2)eutf<hlanbS auSübte. $ie
SJtenbelSfobn’fche Sanier grafflrte nicht bloS in ben ßöpferi ber jungen ©omponi-
ften, fonbern leibet auch in ihren Arbeiten, unb wenn irgenb etwas, fo mub
bie $hatfa<he baS ©enie Scpumann’S feftfefcen, bab biefer tro$ beS mächtigen
'Stromes ber BienbelSfohn’fchen Dichtung, ber bamals SlUeS bor jt<h her trieb,
unb trobbem bab er faft täglich mitüRenbelSfohn gufammen tarn, fleh feine
Selbft(tänbigteit, feine Originalität unb gnbimbualität gu bewahren göwubt
hat. greiltch, mit ber Settern allein ift eS auch nicht immer gethan, wie
noch in bemfelben ©ongerte aus ber Berliog’fchen Spmpbonie „Hatolb in gta»
lien" perborging. ®iefe Spmphonie ift gewib originell; man tönnte fie faft
ein ungeheures Bratfdpencongert nennen, inbem bie Bratfcpe barin gum leiten-
ben gnftrumente gemacht worben ift. Berliog fagt uns in feinem Programme,
bab ftd) in ben Xönen, welche er ber Bratfcpe gegeben hat, bie Seiben unb
Regungen feines gelben £arolb fongentriren. 2)abur<h betommt aderbingS
MeS, was ünS bie 93ratf<he in bem SBerfe gu fagen hat, eine aubergemöbnliche
Bebeutung. ©S ift gerabe fo, als wenn wir einen Sotofpieler borunS haben,
ber fein Stüd mit Begleitung beS groben DrchefterS borträgt, ©t nimmt ben
gröbten Sheil unferer Slufmerff amleit in Stnfprucp, woher eS benn auch
lommt, bab wir feine gehler leichter merlen, als bie, welche bielleicht im'
Orchefter borfallen. Unb fo ergeht eS auch bem 3upfaer beS BerUog’fchen
SBerleS. Hingewiefen auf bie Bratfcpe, finbet man es halb heraus, bab
fie fehr wenig wirllich Originelles unb HerborragenbeS gu fagen hat* Unferer
Slnficpt nach seht im Orchefter felbft ein biel reicheres ©eifteSleben bot ft<h.
Hier blifct eS unb fprüht unb quillt eS fehr oft fo warm unb lebenbig, bab wir
faft fagen mochten, Berliog war nie fo fehr erregt, wie gu ber 3eit, als er biefe
Spmpponie feprieb. ©r wollte bfaharlicp ein Stücf aus feinem eigenen ©e-
müthSleben geben, unb wenn er babei fleh in einer tnapperen' gorrn gu be¬
wegen gewubt, wenn er gu ftreichen unb auSgumergen berftanben hatte, fo
würbe biefe Harolb-Spmphonie nicht blob fein befteS SBert fein, fonbern einen
gang anberen Blafc in ber Äunftgefcpichte cimiehmen, als fie augenblicKicp imte-
hält.
$ie Italiener in ber Slcabemp of ÜDtufic mubten enblich ben 3)eutfcpen
weichen. 3THt einer fehr mangelhaften BorfteHung ber „Hugenotten" lam ihre
6 aifon gu ©nbe. ©S thut uns leib, bab gerabe biefer Oper nicht bie bolle
©ereeptigteit gu Speit würbe. Bon allen B^buftiönen Bteperbeer’S ift fie
bie gelungenfte; ja wir möchten wohl fagen, bie gange moberne Oper hat ihr
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nichts 2 tebnli<bel an bie Seite ju fteHen. Sie trtufifalifc^e iportraitirung ift
barin mufter^aft, bie Figuren treten uni in martigen, unöertennbaren Sögen
entgegen, unb bal Kolorit ber Situationen ift fo lebenbig unb Wahr, baff wir
uni umoiHlürlifb in bie bamalige 3®*t ber Kämpfe jwifcben ben Satboliten nnb
SProteftanten perfekt glauben. 9Jtan bat Bon ber Superioritätber „Sfrifanerin"
gefprocben, aber mit wie wenig SÖere^tigung! ©n einjiger Ult ber ,,Huge*
notten" ift ibeenreicber, all bie ganje Oper bet (( 2lfri!anerin". SlUel, Wal in
ber Unteren bebeutenb unb berootragenb ift, erfcbeint blol all ein fdjwadjer
gtefley ber erfteren Ober. Slan ftebt, el ift baffelbe Spftem; aber wäbrenb ber
SWeifter in ben „Hugenotten“ noch bie Bolle Sraft geigt, ift er in ber „Slfrila«
netin" fcbon fo erfcböpft, bajj er ftcb febt oft wieberbolt. •
3n bet SarfteHung biefer Oper lonnten nur Herr SWajjoleni unb SDtabame'
Suc^bi genügen, wie benn überhaupt biefe Söeibenall bie Hauptfragen ber ganjen
©aifon betrautet werben müffen. Sie ,im SSerein mit Herrn SJeHini unb grau»
lein SeBogg tarnen faftnie Bon ben SBrettern, wäbrenb bie Herren 3Waffimiliani
unb 3tfre unb bie Samen SBoftfto, BJtarra unb ©rignoli fpajiercn gingen. Swar
würbe bet 95 ab SKntonu(ci au«b oft in Enfptudf genommen, aber in allen hoch*
bram oti ftben ^artieen tonnte man ibn. taum böten. Set SKann gehört all
Sänget noch bet ipetiobe an, in welcher ficb bie italieniftbe Saifon immer in .
bemfelben Steife bewegte — Sucia — Somnambule. —. 9torma — Sucrejia
Söorgia — Sinba u. f. w. Sie Seit ift ©ottlob Borübet. Heut ju Sage müf*
fen bie Herten Staliener au<b SDlepetbeer’fcbe, Haleup’fcbe, 2luber’f<be unb fo*
gar SBagner’fdbe SKupt ju fingen Berfteben. SBie im Men, fo in ber Sanft
ift Bewegung bal leitenbe Sprinjip. SBir bebürfen gefteigerterer Slccente unb
träftigerer Biegungen, all bie früheren Sunftgenerationen, unb in Italien ift el
unbebingt SSerbi, ber biefem geiftigen Sebürfniffe ber Seit Stetbnung getragen
unb-äulbrud gegeben bat. 6 r repräfentirt ben gortfcbritt, unb mag auch
feine SEBeife oft all tob etfcbeinen, auf jeben gaB bat fie Biel 3laturmü<bpgel
unb Ueberjeugenbel.
Herr 3Äare|et bat biel recht gut erfaßt unb belbalb feine Saifon mit
Bielen nidbt italienifcben Opern gefpidt. Stöbert — Hugenotten — Slfrilane*
t j n _giorbftern — gra SiaBolo — gaBoritin — Son Sebaftian waren bie
- Hauptattraltionen unb würben ftcb noch anjiebenber erwiefen haben, hätte er fie
etwal beffet befefcen lönnen. Sein Helbentenor 3Dla§joleni war gut, fein SBari*
ton SBeBini ebenfalll — feine $rimabonna 3uc<bi febr oetwenbbar — feine
Soubrette SeBogg aulgejeitbnet — feine Slltiftin spbilippl tüchtig. Slber fein
SBap war f<bwa<b, fein lprif<ber Senor ftimmlol, unb feine Soloraturfängerin* '
nen waren nur Anfänger. H>>ffentli<b wirb er in bet nädbften Saifon glüdli»
(bete Stefultate treffen. Ser Sern feiner Sruppe ift gut, fein Orcbefter unter
SBergmann’l Seitung aulgejeicbnet, unb feine SBefäbigung all Sirettor unjroeU
felbaft.
SEBenben wir uni je|t ju ber beutfcben Oper, fo glaube man ja ni<bt, ba&
unl-ein befferel SBilb entgegentritt. 3m ©egentbeil, wäbrenb bei ben Statie^
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ttcrn nur einige Soliften nicht ganz am piaße mären, fann hier laum ©ner fünft*
ferifchen Slnfprüchen genügen. @S nüfct nichts, bie Schmähen biefeS Unter*
nebmenS mit bem Sedmantel ber Siebe jubeäen zu motten — baS giebt uns
feine gute beutfche Oper. 2Bir fefcen borauS, baß bie Sefctere mirUicbeS Pebürf*
niß nicht blcS ber bieftgen Seutfhen, fonbern auch beS fianbeS ift. 3ft biefeS
Pebürfniß borbanben (unb baS fann mobt Seiner bezmeifeln), bann muß 3eber
#anb anlegen, bamit mir zu einem tüchtigen föefultat gelangen. SaS fann aber
nicht baburd? gegeben, baß man aus fogenanntem Patriotismus ben Schein
für baS Sein, ben guten SBißen für bie Sbat nimmt. SBenn hier über*
baupt ein patriotif<beS ©efübl in Petracbt fommen fann, fo fodte cS barin be*
fteben, ben Slmerifanem unfere Superiorität and? in unferer Oper zu geigen.
Seit 3abr unb Sag quält man uns hier mit einer fogenannten beutfchen
Oper, bie non oornberein ni(btS meiter als eine Puine mar. 2Bir buben nichts
gegen bie Permenbbarfeit ber ÜDtitglieber, aber non biefer fann gemiß ba nicht
bie Peoe fein, mo Stimme bedangt mirb. SaS barftettenbe Salent einzelner
Sänger ift febr anerfennenSmertb, baS ftngenbe ift in ben meiften Säßen gar
nicht norbanben. @S muß enbtich einmal in ftaren SBorten auSgefprochen
merben — eine ftimmtofere Oper, als unfere fogenannte beutfche Oper, giebt'S
gar nicht. Ser erfte Senor (ein tüdbtiger Sünftter) mürbe fchon nor 3abr unb
Sag in beutfchen Plättern als ftimmtoS bezeichnet, unb bennoch ift et ein
mabrer 2ßißionär (an Stimme) nergtichen mit bem Pariton. 2Bir hätten nie
geglaubt, baß eS möglich märe, eine ganze Oper burcßzuäcbzen unb burcbzu*
ftöbnen; aber ber Pariton berftebt eS, zum Slmüfement ber 3ti<htbeutf<hen unb
Zur Pefchämung unferer SanbSleute. Soßen mir fortfabren, foßen mir über
bie Samen fprechen ? 9iein, im ©runbe meiß jeher nur einigermaßen muftfa*
lifch gebilbete Pefucher ber Oper, mie eS bamit befteßt ift. 3eber fann fi<b
febr balb überzeugen, baß bie Sruppe aus ftimmlofen Sünftlern unb aus
Anfängern beftebt. Unb bie paar ÜDtitglieber, bie bießeicht zu ben SluSnabmen
gezählt merben tönnten, ftnb fchon auf bem beften SBege, baS zu merben, maS.
man als bie Pegel biefer Oper bezeichnen muß. Sie eine ber Primabonnen
bat fchon jept baS PiSchen Stimme berfchrieen, baS fte noch bor ein paa^3abren
batte. * Ptorum ? SQBeil fte a tout prix Poßen fingen miß, bie meber
für ihre Stimme, noch für ihre 3nbibibualität paffen. 2Ber mit fleinent
Material große Slrbeiten unternehmen miß, mirb febr balb ben Seßteren unter*
liegen, unb mer baS üPaterial beftfct unb nicht zu banbbaben meiß, mirb febr
balb bwauSfiuben, baß fein Material bon Sag zu Sag Heiner mirb. Ser
Paß ber Sruppe mirb bießeicht in einigen 3abwn bie SSBabrbeit biefeS SapeS
empftnben.
Unter ben Porfteßungen, melche bieSmal bem Publifum geboten mürben,
nahm bie ber Pofftni’fchen Oper ff 2öilbelm Seß* bie erfte Steße ein. ©S mar
geuer unb Seben barin, unb bie prachtboße ÜPuftf ber beiben erften 2lfte fonnte
beSbalb auch nicht berfeßlen, einen großen ©nbrud §u machen; bie Pütli*
Scene mar in gefänglicher Peziebung recht brab. Sreilich, um ben rechten ©ffeft
m
506
ju machen, tnu& ba§, ma§ bie brei Soliften gu ftngeu haben, gut gu
Gehör fommen, fonft gebt fe^r oft bie Harmonie Verloren. $err SBilbelm
gormeS fang ben „Dell*, ober oielmebr er fprach ihn; für biefe Bartie
fcheinen unä bie Stimmmittel biefeS Sängerä nicht auägureicben. — Die
Herren Zimmer unb ÜEßeinlich Ieifteten in ihren NoUen Dücptigeä, unb
auch bie Nebenrollen tarnen gut ju Gehör. Da3 Orchefter unter Seitung
feinet jungen Dirigenten,, be§ $errn Neuenborff,, fpielte gang offenbar mit
Suft unb Siebe, unb fomit mar ber Dotaleinbruc! ein guter. Ob er aber mit
anbern Kräften nicht noch beffer fein tonnte, ob biefe Kräfte jn buben ftnb, unb
ob e§ nicht möglich gemalt merben tßnnte, fte gu erlangen — bie3 ftnb
fragen, beren Erörterung mir un§ für eine anbere Gelegenheit aufbemabren
mollen. ÜSMr glauben nicht bloä an bie Berechtigung unb Notbmenbigfeit einer
guten beutfchen Oper in Nmerifa, fonbern mir glauben auch an bie Ntöglicbfeit
berfelben, ohne bajj e§ nötbig märe, bie Ntittel be3 gegenmärtigen Bubgetä
berfelben gu überfteigen.
Wvc müffen fcbliefclicb «och ber fünften Soiree ber Herren Ntafon unb
Dbomaä ermähnen, bie aufcer bem ÜNogart’fcben Streichquartett aul E No. 6
unb bem Scbumann’fchen Bianoquartett au§ Es-dur auch ba§ grobe Streichquar*
tett aus g No. 133 non Beetbooen brachte, bal legte, baä ber Nteifter fchrieb,
unb oon feinen mpfteriöfen fegten Ouartetten unbebingt ba§ oerftänbüchfte unb
am populärften gehaltene.
$tnnifd)tc*.
Ntogart’S DriginaU^artitut ber gauberflßte ift
gegenmärtig ber tönigl. Bibliotbet gu Berlin anoertraut. Dem Beftger, einem
geachteten unb begüterten Sßrioatmann in Berlin, ift oon Seiten beS Britifh
Ntufeum eine beträchtliche Summe für ba£ literarifd^e £leinob geboten morben,
allein man hofft baffelbe ben oaterlänbifhen Sammlungen gu erhalten, um fo
mehr aU ber Beftger nicht gefonnen fein foll, ber Bibliotbel gegenüber feinen
Gelboortbeil mabrgunebmen, fonbern bie Ueberlaffung ber Bartitur oon anberen
Bebingungen abhängig macht. Die Bartitur ift in ber muftfalifchen Stbtbeilung
unter Hufficht be£ Euftu§ £errn E f p a g n e beponirt.
E3 mar im 3>abre 1823, aU Noffini auf feiner Neifenach
Sonbon gum erften 2Me nach Batte tarn unb bort einige Soeben ftchaufhielt.
Bei einem Niittag§mabl, melche^ Earafa feinem berühmten Sanb^mann gu
Ehren gab, mar auch 3luber gugegen, ber bei biefer Gelegenheit ben „Schman
Oon Befato" gum erften Niale in unmittelbarer Nähe fab. Nach Difcbe fegte
ber Ntaeftro, auf bie Bitte feinet Nmphitrgon, ftch ante Elaoier unb fang bie
Slrie be§ „gigaro“: ”Largo al fattotum della cita“ aul feinem „Bar*
hier". „Nie merbe ich" — fo ergählte Sluber — „ben Effect oergejfen, ben
biefe Btpbuttion auf mich machte. Nofftni hatte eine febr fchöue Bariton**
ftimnte unb t^ug feine Ntuftf mit einem Esprit unb einer Beroe oor, beiten meber
?
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507
Pellegtini, noch ®alli ober Sablache auch nur nabe lauten. Unb mal feine
2lrt §u accompagniren betrag fo mar biefe gan$ munberbat; nicht auf einer
Elaoiatur, fonbern auf einem Drcbefter fchienen feine ginger einberjugalloppiren.
tlll er geenbet batte, betrachtete ich gan$ unmilltürlich bie haften; e^fehlen mir
all f dbe i<b fie ra u<ben ! 2111 ich nach Haufe fam, hattet<h grobe Suft,
meine Partituren in’l geuer $u merfen. 2)al mitb fte vielleicht etroal ermär*
men, badete ich in meiner Entmutigung. Uno bann, mo 3 U auch überhaupt
JWuftf machen, menn man fte nicht feie IRofftni ju machen verfteht ?" (Oho!)
Eine Epi fobe aul bem Sehen bei öfterreichifchen gelbmarfchalll
Sanbgrafen Philipp ju $effens$omburg oerbient bi« ermähnt $u merben.
SRacb bem Süneoiller grieben, all ftch ber Prinj in feiner Stablftation Semberg
all SJtajor bei bem Infanterieregiment be Signe befanb, fiel ein höchft tragi*
fchel Ereignib oor, melchel bol ©ebäcbtnib bei Prinzen geitlebenl in fchmerj*
lieber Erinnerung feftbielt. El mar im Sommer bei gabrel 1803, all ber
Pring mit einer $ioifton ^el Regiment! aulrüden follte, um bal Eommanbo
bei Solljiebung einer militärifchen Eyecution $u führen. Ein Gemeiner bei
fRegimentl, fieffe oon ©eburt, mar megen ^um britten 9Me mieberholler
fertion jum $obe burch Puloer unb Plei oerurtbeilt. Etn Perfud? bei Priu*
jen, bem Perurtbeilten burch feine gürbitte beim Oberften (gobamt oon 2)al*
mich) bei SHegimentl Pegnabigung $u ermirlen, mar oor ber $attb fruchtlos
geblieben. Lüfter, aber gefaxt fab baber ber laum 24 gabre alte, menfeben*
freunbltche Prinj ber Stunbe entgegen, melcbe ihn gum Eintritte feinel ern*
ften Sienftel rufen mürbe. $a iaht ihn ber !Hegimentl=Eommanbant ju ft<h
entbieten unb übergiebt bem freubig Ueberrafchten bie Pegnabigung bei Per*
urtbeilten, jeboeb mit bem ftrengen Pefebl, ihn Jur Strafe feinel Vergeben!
bie Xobelangft anlfteben $u laffen. Erft im entfebeibenben Slugenblid foU er
bal 2Bort „©nabe" aulfprechen. 2Jtit bem ber$erbebenben Hochgefühl in ber
Prüft, beute burch einen einzigen Saut Seben ftatt £ob §u geben, Sehen einem
Sanblmanne, über ben ber Stab bereitl gebrochen, einem Ptenfcben, beffen Hoff*
nunglfunte oerglommen mar, ftellte ber junge Prinj feine Gruppen an bem
Orte auf, mo bie ftrafenbe ©erechtigfeit ihr Sühnopfer fallen feben follte.
Schon mar ber ben Unglüdlichen auf bie Emigleit oorbereitenbe priefter bei
Seite getreten, bal Earre öffnete ftch, bie ßameraben mit beit fcharf gelabenen
©emebren traten oor — ba gefchab el, bafj biefe, biugeriffen Oon ber 2lufre*
gung bei Slugenblidel unb oon bem übereilten Drange, ber blutigen Pflicht
ftch rafcb 3 U entlebigen, aul unglüdlichem üftifioerftänbniffe trofc bei ©naben*
rufel bei Prinjen geuer gaben. S)er ©etroffene ftürjt oerfcheibenb jufammen,
— faft jugleicb mit ihm finit ber Prinj beftnnungllol oom Pferbe. SBäbrenb
mehrerer SBochen feffelte eine fernere Peroenfranfbeit, bie golge ber erlittenen
©emütblerfcbütterung, ben gürften an bal £ranfenbett. 2)er ©ebanle,. baf*
ber bereitl Pegnabigte burch ein unglüdlicbe! Ptifjoerftänbrnfj, bur$ bal erft
im fritifeben Slugenblid uulgefprochene SBort „©nabe!" Dem $obe überliefert
morben fei, quälte ihn fortmäbrenb. S)ie Erinnerung an biefel Ereignijs
fchmanb nie aul feiner Seele.
Hetfenber £gent für bie ^onateljefte:
Earl SBielanb.
m
m
FASHIONS FOR 1866.
jBer neue «eifrodt.
BRADLEY’S DUPLEX ELLIPTIC (or double) SPRING S KIR TS.
Sic biegen unb bred&en nid&t »ie bie einfad&en Steife, fonbcm
bemalten ibrc anmutige, ooHfommene $orm, »o brei ober vier
aetoobnltAe jftetfrödfc at$ unnüfc fortge»orfcn »erben muffen.
befient oiiä Mn /«»AfYiottafaM ...w
fabricirt Würben. 3n ber'säat «Weffim’jie'fär btn ©ebrautb
im {>aufe, tn bet Jttrdje, im Sweater, in
auf ber fPromenabe, ober i
Ttfer '
tr>h V. ui vh juuirt, uu ui
Ctfenbabn» ober anbern SBagen, im ©ebränge tc. m. afleanbern.
spequemlubfett, ®auet$aftigteit unb SiBigfeit verbinben fie mi
ber eleganten uason, »el#e duplex elliptic *u bet
ber faffjionabeln SBelt ge=
moÄti ft b«L ffto junge tarnen, funge 2Käbd&en unb Ätnbei
finb ße mtt ntd(>t$ Sfoberm ju ocrgleicfcen.
uragt nadb
DUPLEX ELLIPTIC (or donble) SPRING SKIRT.
Slngefertigt allein bei
• WESTS, BRADLEY & CARY,
. , fcen alleinigen 3n$abem be« fPatrnt«.
„ . . , „ o«. „ J* 1 ®^ a " Ä * r *> n “ b *• * 8* »*abe.«tmt, «<u>-.?)ort
^ rt 8u tefotinttOin S»ert erfien Stange« in ben »eremigten Staaten, *$at>ana be Cuba, BRerico
©üb*2lmertfa, SBefbSnbien unb anbern ßänbem.
®taten
Fancy Fying Ftablishement.
Sarrett, $it$m & (£o.,
718 «roabtoap, l ***&*.
9to. 269 gutton», Gde »on StUarti Street, Srooflfm,
«nb Stto. 47 3tor$ 8te Strafe, Wtabctpfria,
faxten fort, «amen. uub «crreneteib*rju färben unb ju reinigen: feibene, ®ommet, BRerino unb
anbete «eibtr, ffltimtel, 1 h f. W. werben mit (Erfolg gereinigt, ohne aufaer. ■ - ■ Bn#
$errenröcfe, $ofen, SBeften u. f. ».
aufgetrennt *u »erben. <£bcnfo
©lacec*$anbfd>u&e unb Gebern gefärbt ober gereinigt Sange @rfabruria unb ©efÄäftdfrmihtiffE
befolgen bie Unterjeid^neteU/ i$re Arbeiten mit GrfolgV betreiben. 2öaaren »erben
unb iurudfoeföuft. v p Ö VVU
«arntt, ffUpfavo 8 Go. t
6 US* £A°^ n ®* eet ' nn V 18 ®wab»an f 9?e»^ort
' ' 269 0rulton==, @cfe oon $tflarp ©treet, SBrooHön,
unb 47 97ort& 8te ©trage, 3>^ilabelp^ia.
O. F. AJDAJE,
oSuropaifdjcs $anß- unö ^e<$fe(-$elW,
€toriöttÄti, ©fcfo.
CONSULAT fuer Preussen, Bayern, Württemberg, Hann over,
Sachsen, Baden, Oldenburg, Grossherzogthum und Kur- '
fuerstenthum Hessen, Mecklenburg-Strelitz und Schwerin,
Nassau, Sachsen-Meiningen und Altenburg und
Frankfurt a. M.
0. F. AD AE, Consül.
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/»llfoga- ttnb Sommer -
t n n ^ ist t 9 s
Seibenbe <m frantyoftem $totff<h»er$, '
Setbenbe an Unterbaulttbfett,
Setbenbe an nertofem ftopfftbmerj,
ETTEEVESOENT
Setbenbe an terfauertem «Wagen,
Setbenbe an btltöfent flotfwep,
Seibenbe an $artleiMgfett,
SELTZER
Setbenbe an ©ootbrennen,
- Setbenbe an 9>tle$,
Seibenbe an ©eefranf.beü,
APERIENT.
Seberleibenbe.
Seibenbe an Snbtgejtfonen,
werben burd)
Tarrant’s Effervescent Seltzer Aperient *
auf fiütxt, attgette&me unb bauerttbe Seife bierton -fottte ton (tynlüben Seibcn geheilt Werben.
SlUetn angeferttgl ton
TARRANT & CO.,
378 ©vcetttt>t$s®trect,
19* 3u b^en in allen $tyothe!en.
RADWAY’S
EEADY
RELIEE.
<£t giebt btei SKetboben, Mrfrt SWtttd amntoenben, »own febe, für eine Jfrantteit ober einen
©(haben anbföttefilfö gebraust, bem Üetbenben foforttge Smberung giebt unb ben ÄranfenföneB Seilt.
Grftenä — äufierli<$ genommen.
SRan reibe ben £Sett ober bie Steile be« S5r|>et«, in »eföen bie flranfbeit ober ber ©tbmcrj (tot, mit bem
SReabp Belief. 3n »ielen gäBen t(l eine einmalige «mretbnna mit bem Beabp Stelicf genug; in hart"
nfitfigen gäflenfoWe e« btetaai Mglfö anaetoanbt »erben, gür rbeumatiföe ©iföterjen, ©trifbeit in
ben ©elenfcn, Sleutalaia, flopfförnetjen, boien Mi, Snfluemo, Bfönförnerjen, Serrenfungen, Ser.
lefiungen, ffiunben, ©<b»föe, Sabmbeit, Strgrogerung ber ©elenfe, ©(Snittwunben, SJuetföunaen
. SRrrBrftnuttaett. SBaudb* unb SRaaeneniiünbunaeit. (MffAtmW dkhimia $al$bräunc*
unb
3»eitenä — innerlich genommen.
Stan nehme einen Sheelöffel bt« |u einem »efertlöffai ooB in einem SBeinglafe soB fflaffer.
©egen ate Sitten pon aRogenförnerjen, enttteber «Solera,Jföolera Storbu«, ©iarrboe abtoeföcn
bilibfe Ko«!, ÄrÄmpfe, ©pabmen, ge»oSnlföe« unb netoofe« Bopföeb, oUgcmeine ©tSnnföe unblb.
fp “- Siebet.
Sei laltem giebet, Sffieibjetfieber, Jibigem gieber, ©«barlcföfieber u. f. w. g)er|oncn, »eföe unae.
»obnteb SBaffer trinien unb fölföt füllen, foSten jietb emen Speelcffet »oH beb Bctiefb mit bem Sfoflee
miföen. 3 n aUen gäBen, »o bet ©(pmerj äugerlfö ff», foBte ber Belief in biefer gorm gebratföt
werben*
drittens — Gtnretbung toeS SRüdgratö mit bem «Relief.
®b beitt gtbenmatibmub, ®föt, ©ciatica, Beuralgia, fiumbago unb anbere Bütfen fömmta
»er »rofeffor Seib oon Be».gort empfreptt bnngenb ben ©ebrmfö beb Beliefb furbiefe JTranf.
beiten. ©anj merftoürbige Äuren flnb gemacht worben. JHe Jtranfen fönten nur perfuiben.
Sitter Belief, bet ht bat Seretmgten Staaten »«lauft tmrb, mug einen S»ei.eent.Bctenucflam>
föetbem©»pfrtS«b«l. Sei aBen »ruggiilen }u laben, ' F
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ÄüttfHi^e #tme tm& Seine»
©et^o 1 ^ patent, 516 53roabn)a9*
Die »ittTommenjlen Subfütute für verlorene ©liebmögen, treidle Jemals erfunben tourbett* (CEta&flrt
feit 26 Sauren.) Um fl# PoUftänbig über ba$ habere tit %nntni§ ju [eben, laffe man ft# ein patent mif.
jBeugniffen Pon Selp$o u. So. Son, 616 S3roab»ap, 9fem*gforf, bem 9L*§J. $otel gegenüber, fenben.
91.23. Solbaten »erben gegen eine fPromeffc Pom ©eneraUGbirurg ber Sirmee ber bereinigten
Staaten fojlenfrei mit bem fteblenben perfeben.
$enr9 ©reencbaiim* Daöib ®. ©reenebattttt« £oui* WuUmats^
Henry Greenebaum & Co.
$eutf(be 3
©tfe £afe* unb ßafa£(e=Strage,
CHIOAG-O, ILLINOIS.
9Be(^fe! iir beliebigen Summen unb Siebten auf alle bebeutenben Stabte Deutf#lanb6, giranfrei#*
9lor»cgen$, S#»eben$, Dänemark, 3talien$ unb ber Sdb»ei$.
Vaffage per Dampfer unb Segelföiff Pon Hamburg, Srernen, $tnt»erpen, Stotterbam, $apre,
Ct^riflfania, Sberpool unb Queen$to»n.
3ncaffo*©efaäft« »erben bur# unfere auSgebeljnten 23erbinbungen in ganj Europa mit ScbneHig-
feit beforgt unb eingejogene ©elber in ©olb au$be$ablt.
<$. ©teencfeaitut SS <&o.,
©jicago, SD.,
HELLER & CO.,
«.^nfaffogefebaft,
9lo. 8 Cbamberftr., fReto^orf,
geben 2Be#fel unb ©rebitbriefe auf alle größeren §)läfce (Europa**, perfenben ©elber na# Jebem Orte
Deutf#lanb* mittelfl be* beutf#en 3>oftoerbanbe«, unb beforgen ben ©intug Pon ©rbf#aften unb Cenub*
gen permittelft 23oHma#ten auf f#nellfle unb bifligfte SBeife.
Anfragen aus-bem ?aitbe fmbrtt prompte jBeadjtimg. *©■
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. ßättöemctt m S&liffouri.
<£ulti»irte, Stineral* unb'anbere Canbereien in SWiffourt fo »ie im ©cflen überhaupt, »eiben
getauft unb »erlauft
Die ßociruug »on ßänbereien, no<b be« »irflicben ©crmeffungen, ;u Segierung$»reifen, wirb in
allen tt>efilieren Staaten bur<b anfaffige Agenten beforgt? 2anb»arrant« »erben getauft, »erlauft unb
lorirt; ©teuern befahlt? flarten unb ©ermeffungen angefertigt unb ©cric&te über Stmeralfcbäfce au$ge-
arbeitet; ©efi&titel »cmlljtänbigt ? patente »on ber ©ereinigten Staaten Regierung unb alle inba«
Orunbeigentbum unb allgemeine ßanbgeföäft einfeptagenbe Arbeiten beforgt
Der Unterjeubnete, einer ber am läitgjten etablirten ßanbagenten im SBejlen, bat »iel Beit unb
Stuße barauf »emenbet, uw iebe auf btefeS ©efd&äft bezügliche'SuOIunft ju fammein, unb er »erfld&ert au«
Ueberjeugung, ba§ 5tüe, mel<be »ertb»otte Barm* ober Stincral*ßänbereien im SBejlen taufen »ollen,
nicht« ©effere« thun tonnen, al« ft<h ju »enben an
H. "W". Dunstan,
No. 44 PINE STEEET, ST. LOUIS,' MISSOURI.
Pit porifen Pflafitt lies Pr. JUlrodt.
S)iefe Sßflaftcr »erben jjeben $ag me 1 ?r unb mehr befannt. gebermann, ber
Schmerlen im [Rüden ober in ber ©ruft bat, »irb na<b
2 In»enbung eine« foldben fofort geheilt.
(Ein £err tarn beute in bie Office unb erjählt, baß er mit »ielen ©cpmerzett in ber ©ruft geplagt »ai
unb mit einem einigen 9>flafter »oUfommen gebeilt »urbe. (Ein Snberer fügte baffeibe $on Sbeumati«*
mu« in feiner ©cpulter. Der lefetere £err tann in So. 15 Seefmann ©trect, Se»=$orf, obenauf, gefebeo
»erben. 2Bir beji&en Beugniffe »on Xaufenben »on Dottoren, »eld^e alle »oU ßobe« fmb.
Teilung einer gerq uetfd? ten ©ruft.
Den 7. Stat 1 865.
Steine Herren! — 3m Dezember 1868 »urbe mein Srufttnochen »on einem fernerem [Riegel gcr«
«uetfeht unb fcpUmm »emunbet. 3<h »urbe bejtnnungdlo« nach £aufe gefepafft, »o td> einige SBocpen bem
iobe nabe lag. Steine Slerjte tonnten febr »enig für miep tbun unb icp mußte unenblicpe ©cpmerzen lei*
ben. Der Slrjt badete, ba§ ba« 5tafen»flauer, auf bie ©ruft gelegt, mir helfen »urbe, icp baebte aber, ba*
für ein« »on SUcocf« poröfen Sflajtern zu »erfuepen. 3tb legte etn« auf meine ©ruft unb ©eite, unb »on
ba an fühlte icp beffer unb »ar in einer SBocpe gefunb, frei »on ©cpmerzen unb fähig, mein ©efepaft »ie*
ber zu beforgen. Sebermann tann fommen uno meine ©ruft feben, unb i<b »iU ibm ein neue« SBunber
»on Teilung »eigen. 3» St. ©udt, So. 2 ©o.utb Biftp ©treet, 2Bifliam«burg, S. §J., 3$o«. SWcoct &
(Eo., So. 4 Unoin ©qnare. $auptofftce ©ranbretb ©uilbing, Se»*2Jort. Bu »erlaufen in So. 4 Union
©quare bei allen $änblem unb jebem refpeftablen Druggift.
Dupr6 & Kretz,
So. 28 ©roab* 6 ireet, ©de oon ©£d?ange*[piace,
Senj-^orh.
Stallet in (Mb- unb $etroleum=Slltien.
©ouner nernent«* ©onb« unb ©ereinigte Staaten Sicherheiten
»erben in ©ommiffion getauft unb uertauft.
£aflin, Söutter & (So.,
gabrifanten unb $änbler in
ttttb tya&tyaptet,
'gSinbfaben itnb ^apier-^ä(ßen aller jrf,
3lo.42unb44 State*©tra&e, gegenttbet bem
CHICAGO, ILL.
güt 2u mp e« wirb bei (Seifte ÜDlatltpreiä baat bejaht. *^a
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6
ßxtx
Die Sttijfouri
m&SmlhtMft.
Ci A 'PTT A . Xj ..... $500,000.
Office: 9*o. 12 9*orb 5. ©trage,
$t. Jouis,
j&irektoren:
<£. SB. ff ox, »on ber fffrma Staut unb 8ror,
SB. £. 2J*aurtce, früher (Mector »on St. fioufg (Ec.
2)1 abifon Etiler, gonb^ommiffär ber SJaciftc^tfenba^n,
SB. $. Senton, früher »on berftirma fPomero» unb Senion,
(£ba^ $. $o»lanb, StaaiSfenator.
<Eb«$* $. $o»Ianb, SMPbent,
SB. $. 27taurtce, S$ice*3>räPbent,
2D*abifon Filter, 2anb*<EommtffÄr,
ffelixGoPe, SdjafcmeiPer.
Die ©efellfibaft »erlauft unb lauft ©runbpMe aller &rt.
(Bit beforgt bie Ballung »on «Steuern für Stubtbemobner unb beföäftigt {!$ mit ber StuSbeutung
ober bem Verlauf »on
!DtineraI»£ätt»ert{cts.
Sie beP&t außerorbcntlicbe SJortbefTe, um Kapital in
»eftUgen Sättbereiett
aniuleßen.
Sie leibt ©elber
auf rentable (Srunb-®igent()um0-5i^erl)eU
in Stobt ober ßanb au$, Je naebbem bie$ ge»wtf<bt wirb*
<$ittit>anbem, treidle eine $eintatb fud^en, ober Slgettteit für Golotsfcett, bie große Streifen
ßanbeä ju lociren beabp<btignt, »erben e$ in ihrem SJortbett ßnben, Pcb an biefe ©efettfibaft *u »enben.
Sille Anfragen »erben Jrompt unb uneubgeltlicb beantwortet.
Der Unterjeubnete ip mit ben oben genannten Herren perfonlidb belamtt unb giebt benfelben ge»
ba$ bepe Beugniß in betreff ihrer hoben StefpectabtlüiSt, $ertrauen$»ürbigfeit unb fltfbigfeft aH Qk»
pbäpgleute.
HtUbtUb WfiUub, Staat^Senator«
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COMPANY.
gabrifanten oott
klügeln itttb
SSerfaufSlotal uttb gabrif:
Ro, 394 $ubfon=6treet, 9teü>=?)orf.
©arantirt auf 5 Sabre.
3. Sacnjcr,
165 @jfer-@tteet, 9!e»-g)otl.
3m}>orteur unb gabrifaut
^*i d!ii^| r ffleittrdmt garitmtrlkaa,
<Sottcet*itt«9, S8ant>emon§, Änitttindec, üJtttn^^ar.
mottifaS, ®ptel&pfett r (Sittern
unb anbern mufifalifdjen Snjlntmentcn,
ttnterridbt im «Spielen wirb eripeiU, fo »ie Reparaturen gut unb billig gemad&t
Aufträge au$ bem 2anbe »erben pünftltipft auSgefütyrt.
E. STEIGER,
ptuffäet S<ifa* 8 ä.#««n(, Smporter unl> SSintöanMtr,
Utrltgcc nult Indrtmtdur,
17 uttb 19 9fprtl> 3©ifliatito®t*eet f
tmpftebtt jl<$ i«r fd&neflen unb billigen ©cforgung
aller IBüc^er unb Beitf^riften,
alei$»iel in weicht ©ptaibe uni) wo erfäienen.
$5ft ein »ottllänbige« Saget billiget atnerilanif<$et unb eigener ^nblicationen in beut»
Wer unb bet hier gangbaren
«*uttü<*>et, Sugenb» unb 2Jol?«f«brtften, Äalenbet,
flbetbaubt aller ©ü$er, Wofür $ier Sebarf ift. 2Sa« ui$t »orratfrig, wirb föneU nnb
billig beforgt«
©ataloge »on »fiebern nnb »ou 3eitf<*riften gratt«.
3mportirt #on Deutfölanb mit iebem Hamburger unb Bremer Dampfet, unb ijl bemnai® im ©lonbe
aflwöcfienilid»
tU I,t?e oebetnimmt für eigene Segnung ober commifflonSweife bie £erfletlung unb Berbreitungpon beut.
f*en Büibern wobei igm einerfeit« bet Befifc einet mit ben fünften SEppen au«ge|iatteten äMutferei.
anbetetfeiW aber bie «u«gebebnte|len Serbinbungen befonbere Sortbette bieten.
Siberate ©ebtngungen für Agenten unb §8nbter.
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9tett)*g$orfer
«J 0 n r oa{.
Erf#etnt »ö#entli# r in großem Format unb eleganter 9lu«flattung. Enthält regelmäfig brei
Ortginate^ooeHen, curopätf#e Eorrefponbenjen, politif#c 9funbf#au, 33efpre#ungen ber XageSereig-
niffe unb focjalen fragen, unb etgnet fiep al$ f#arfer Beobachter ber amertfanif#en Suflänbe, fo»ie
»egen ber
@ef#i#te beS anterifanif#ett Bürgerfriegea
befonbera jur Serfenbung na# (Europa. 3>ret$ $5 pet.Sahrgang, 10 Senta bie etnjelne Kummer.
J. B. HOEKER,
PEACTICAL OPTICIAJST,
312J FULTON STREET,
Near Pierrepont, . BROOKLYN.
Chs. Wehle,
A-ttorney, C oimselloi* at Law
and Solicitor of* Patents,
290 Broadway, Boom No. 6, New York, and 200 Washington St., Hoboken.
Edward Mehl,
9lro. 156 unb 158 gulton 6t v ;Retos§)orf.
IReftaurant unb 3 mp orte r
bou
gQeimoehten unb Emmentaler Sttoeigerfäfe, SOB^otefale unb Detail gu ben billigfien
greifen.
Aufträge bon au§»ärt3 »erben prompt auSgefufyrt.
$leif#mann & Ulri#a,
71 9ten> §U Wm-^oxk
Importeure tum ettropiüfdjen ^robulten, griidjten u. f. üj.,
Äommifilonägeföäft in amerilanifd&en SProbuften.
DalatMtfa fltUett unb Salbe.
(Ein U 9 ort an bie tarnen.
©efunbheit ifl bie Quelle ber ©#5nheit. — ©prüften, Rinnen unb alle £autTranfyettett. — Sine
reine @eft#tafarbe i(l r.i#t nur bie »efentli#jle Bebtngung »eiblt#cn 2iebrei|e$, fonbern au# ein äugen»
f#etnli#er Bemeia ber ©efunbheit, »äprenb eine fable Eomplerion, Rinnen unb alle franfpaften Erup¬
tionen eine ©tbrung beO SWagena unb ber ßeber mrathen. Stuf biefe Organe »irft bad berühmte uuter
bem tarnen HoUottaö’afPiUen be fannte Heilmittel mit einer ©i#erbeit, Sfräcifion unb ©#neüig-
feit, »el#e in ber mebijinif#en SBiftenfdjaft ohne ©let#en'bafferen, »aprenb bie ©albe bie feinen Äanälc
ber Haut reinigt unb biefer garten Umhüllung einen un»etglei#li# f#önen, ruhigen Stopau# »erleiht.
2lfle, »cl#e ©efunbheit unb ©#onbeit fcbäpen, fönten fl# oor Eo$metic$ hüten, inbem biefe ni#t nur'
iujjerli# f#aben, fonbern au# ber ©efunbheit gefährlt# finb. 168
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JHonatslfrftr
für
cSifcrafur, Jtun|I, 'piflettfdjafl unb
öffentfidjes jeßen.
Diebtötrt »ott
ms
$tx ircHtfdje Sonntag in $.tnmha.
23on ©. £. ©erua#*. (ßt Souls.)
SSon bet eiferfüchtigen 3uno »erfolgt, fließt Satona übet Serg urib 2baU
Som Surft gequält, toid fte an einem See hinten. Sie Säuern »erhinbern
fte baran. Safür »ertoanbelt Satona fie in gröfcbe.
2>aS fcbßne ©emätbe non [Rubens, beffen ©egenftanb biefe ©ötterfabel ift,
wirb toobl manchem Sefucher ber SDiüncfjener ©aderie erinnerlich fein. Sie
Säuern, welche ber flüchtigen ©Bttin am nädjften fielen, ftnb fchon »odftänbige
Guacfer. Sie nächft hinter biefen ftebenben haben bereits grofdjgefichter, U nb
ade ihre ©lieber nähern fidh ber Srofhgeftalt. Sie $interften ftnb erft grünlich
angelaufen unb fangen an, bie Stiene in’S großartige ju »erziehen. Sie groß»
Werbung beS 2Jtenf<hen ift in alten Stabien bargefteüt. Sodh ift bas Wl lfS nur
gemalt. 2Jtan ficht nur färben unb bie äujjere ©eftalt. Ob fich wohl bie
Shbfwlogen ber bamaligen Qugenbepoche ber ©rbe auch IRedjenfd&aft gegeben
haben über ben inneren SerwanblungSproaejj Der Stenfchennatur in bie 3la=>
tur ber große ?
SEßir überfptingen einen Seitraum eon 100,000 fahren, ffiir begegnen
ungeheuren 2Jtenf<henfdhwärmen, 200,000 alle Sabre unb mehr, bie ftdb aus
ßuropa, oieHeidht 20,000 alljährlich, bie fxdh aus 2lften nach Slmerifa flüchten.
Ser neue SBelttheit nimmt fte auf, unb »ermanbelt Slngelfadjfen unb ©ermanen
©laöen, ©eiten unb SRomanen in 2lmerifaner. .gaben to i r uns fchon »ode Siechen»
fcbaft gegeben über bie Jlatur biefeS metlroürbigen SrojeffeS ? SBaS ift es, toaS fchon
nach wenigen fahren bie getrümmte äßirbelfäule eines üherfchafften ObentoälberS
gerabe richtet? WaS ben ftarren Sügen ber norbbeutßen Säuern Semeglß»
feit giebt? toaS fchon oor Slblauf beS erften SüftrumS ben fchwäbißen Sauer
antreibt, feine Leitung ju Iefen ? toaS ihn swingt, eine politiße Serfammlung
ju befuchen ? toaS ihn nach gehn Satiren etwa befähigt, baS 2lmt eines
griebenSrßterS su belleiben, ihn, ber niemals eine Seile in einem ©efefcbuch
gelefen, unb beffen leiblicher Setter ju §aufe fünfzehn »öde Sahre auf niebern
!_“ ts
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510
unb Robert Schien augebraht, um fth auf eine ähnliche Würbe borsubereiten ?
Wie gebt cS 51 t, ba& feine hier geborenen ßinber fo leiht ©nglifh fprehen
lernen unb bie englifhe Sprache ber eigenen Munbart borjiehen? bafj ibr
betragen gegen grembe, unter einanber unb ganj befonberS gegen bie grauen*
»eit fo bollfotmnen geänbert erfheint ? Was ift eS, was ihnen baS ihren Eltern
faft gütlich unbefannte UnabhängigfeitSgefühl eingeimpft hat?
©S ift baS bemotratifebe Seben; eS ift ber Umgang mit ftdb ihrer Unab*
hängigfeit bemühten Menfhen; eS ift bie Wahrnehmung, bafj Wohlftanb unb
behagen ber unfehlbare Sohn unb Erfolg bon beharrlicher unb intelligenter
Arbeit finb; eS ift Slmerifa, was ben Europäer unfehlbar über fur$ ober lang
gum Slmerüaner mäht. Mag er fih noch fo ftßrrifh bagegen »ehren; mag er
mit bem ßlirna babern ; »«9 er fih aus Abneigung gegen baS $lima baS
Seben noch fo fehr erfahrneren; mögen auch gieber unb Diarrhoe fich §u 33un*
beSgenoffenfeinet 33orurtheilS machen; mögen eS auch ibeologifcheUeberfhäfcer
beS Sllten unb -Jttchtänu&igen berfuhen, in ihren 3eitungen bie Sehnfuht beS
fleh ©ntpuppenben nach ber alten 2arbe ju beftärfen — 2llleS umfonft! ©egen
bie 2Imerifanifirung ber (Europäer giebt eS fein Mittel, als bon Slmerifa fern
$u bleiben.
(Einer ber »iberfpenftigften Patrone in biefem SlmafgamirungSprojeji ift
berbeutfheSonntag. ©S giebt feinen einigen beutfehen Wo*
ch e n t a g in Slmerifa. 3Som Montag bis gum Samftag ftrdubt fuh deiner
gegen bie gülle, mit ber bie Wochentage in ihrer amerifanifchen ©ntftgfeit ben
Peinigen gremben befhenfen, — ber Sonntag ganj allein »ehrt fi<h für feine
Suftigfeit unb für feine beutfhe religiöfe gnbifferenj gegen feine Metamavpbofe
in ben ernfteren, befhaulihen amerifanifchen Ruhetag. Wirb eS ihm niht
gelingen, fleh unberührt bon amerifanifchen (Einflüffen }u erhalten ?
Selbft »enn bieS 2anb unb SSolf ihren ©runbharafter ber b e u t f h e n
©inwanberung berbanften, Was gu gan$ unfhäpbarem 33ortheil für bie 2)eut*
fhen n i h t ber gall ift, ȟrbe bennoh unfer beutfheS Wefen rabifalcn 33er*
änberungen gerabe fo unterworfen ge»efen fein, als ihnen baS angelfäh*
fifhe Wefen unterworfen »ar. ©in Sanb bon fo »efentlih berfhiebenem
©harafter als eS bie 33er. Staaten im Vergleich mit Mitteleuropa fmb, möbelt
bie Menfhen unb ihre ©ebräuhe unabwenbbar nah feinen ©igentbümlihfeiten
um, unb gegen bi? Kräfte, bie biefen ^ro^ef* burhfepen, berfh»inbet ber
menfhlihe ©igenwille unb berfh»enbet nu&IoS feine $caft.
$ie erfte, bie bireft eingewanberte ©eneration, lebt »ie in fo bielcn
anbern ©egenfäfcen, auh int ©egenfafc beS ameritanifhen unb beS beutfhen
Sonntag^, ge näher fte noch 5 u ber alten £eimath fteht, befto tiefer beefenft
fie fth in SSergleihe. Wo baS unmittelbare gntereffe ins Spiel fomrnt unb uur
ber 33erftanb entfheibet, ba fhlagen fhon in ber erften ©eneration bie 23er*
gleiche ju ©unften ber neuen ©ebräuhe aus. $ie alte 2l$t, bie fh»erfäHigen
$ferbegefhirre, bie gewohnte 23ehanblung beS 2lcferS, bie alle beim erften 53e*
treten beS amerifanifhen 23obenS bom ©inwanberer unenblih beffer gefunben
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511
Waren alg bag neue amerifanifcbe SBerfgeug, alg bie ^ieflge Sefpannunggweife
unb S3obenfultur, weichen guerft. 2)eutfcbe begriffe bon guter $oligei unb
Suftig Ratten fc^on biel langer nach.; — ber beutfebe Sonntag ftirbt faum mit
ber Generation, bie ihn importirte, unb bieweil benn bie Ginwanberung wohl
noch ein gabrbunbert fortbauern mag, unb bie erften Generationen fi<b immer
toieber noch eine giemlicbe SBetle erneuern werben, fo mag eg febr wohl ge*
fcbeben, baß in jener fernen Sufunft ber amerifanifcbe Sonntag einen
Gbarafter angenommen haben mirb, gegen ben bie beut i gen beutfeben SSor*
Würfe biedeiebt grunblog geworben finb, ohne begwegen gegen bie Slugftellun**
gen ber in einem gabrßunbert erft Ginwanbernben gefiebert gu fein*
$n ben 5ßer. Staaten entwicfelt ficb 2iHeg bon ber 33aftg ber 25emofratie
aug. SBenn bie 2)emofratie ber Religion entwarfen fein wirb, bann bat ber
Sonntag feinen religiöfen Gbarafter berloren* 2 ilg ein ber Gefunbbeit beg
Körperg unb beg Geifteg unentbehrlicher Ruhetag, alg ein regelmäßig wieber*
febrenber Safttag bon mehr ober minber fernerer, unfdjöner unb am Gnbe trofc
aller Grleidjterungen notbwenbiger SBeife anbaltenber Slrbeit, wirb ber
Sonntag wohl in alle Gwigteit befteben, unb feine Begebung, wenn fie auch
!raft beg Gefefceg in jebeg Gingelnen freieg Grmeffen gelegt fein wirb, wirb
trofcbem notbwenbiger SBeife einen allgemeinen Gbarafter annebmen,
ber — man fann barauf fdßwören — ben 2 )eutf<be«, bie in bunbert fahren
bon beute einwanbern, auch wieber nicht gefallen wirb.
25er heutige amerilanifcbe Sonntag ift ein bollfommcn confequenteg Ne*
fultat ber gefammten amerifanifeben S3olfganfcbauung. 2)iefer Umftanb bat
ben b e u t f <b en $arteilleppern unenblich biel Kopfbredbeng gemacht. 2 )a ficb
für biefe SNenfcben, gerabe fo wie für bie amerifanifeben ^arteiflepper, Sllleg
nur um bie näcbfte SBabl brebt, unb ba ber beutfebe Sonntag eine SBablpeitfcbe
ift, bie ber beutfebe politifebe lauterer auch nicht eine einige Sefunbe aug ber
£anb legt, unb ba amerifanifcbe Nabifale gerabe fo wie amerifanifebe SDemofra*
ten auf i b* e m Sonntage beharren, fo entftebt jebegmal bie grage, auf welche
SBeife man fteuern müffe, um ben fogenannten Kopfhängern unter ben ameri*
fanifeben Nabifalen gu entgehen ohne ben Kopfhängern unter ben amerifani**
feben 25emofraten.in bie £är.be 3 U fallen. Natürlicher SBeife finben ficb bann
amerifanifeber Seitg immer einige Slemterjäger, bie ihr Slmerifanertbum wenig»*
fteng geitweife, big fie bag Simt haben, gegen beutfebe Stimmen umfefcen, unb
bie perfönlicbe Niebertracbt ober eine SIrt plöfclicber, böcbft inbioibueUer Sinneg**
änberung irgenb eineg Ganbibaten hilft bann bem perplexen ^arteibauterer
über bie Scbfoterigfeit. Gr hat einen Ganbibaten wie er ihn braucht, rabifal,
ober bemofratifcb unb beutfcb s fonntäglicb gugleicb — unb bamit ift feine $ar*
teifeele falbirt. Kein ÜNenfcb wirb eg oon bont herein begweifeln, unb per*
fonlicbe Kenntniß beftätigt bie Sinnahme, baß in ber Negel biejenigen üUten*
feben, bie ficb unter ähnlichen Umftänben bon ber allgemeinen Nicbtung ibreg
SSoUeg logfagen, gu ben untergeorbneten SNenfcben gehören. Gin Slmerifaner,
ber fub in ber Sonntaggfrage auf bie beutfebe Seite ftedt, ift in ber
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SR e g e l ungefdhr ebertfo meit her alg biejenigett Seute im Süben, bic ba be*
haupten, felbft mährenb ber SRebeHion Uniongmdnner gemefen gu fein. 34
habe gefunben, bab bon je gehn fogenannten Uniongmannern im Süben gut
gmei $rittheile erbarmlidheg $ad ftnb, unb gerabe fo conftant ift meine Grfah*
rung, baf$ biejenigen Slmerifaner, bie ft(b bon ihren Sanbgleuten in ber Sonn*
taggfrage trennen, gu ber allergeringffen Sorte bon Hmerifanem geboren.
3um beutf(ben Sonntag gebort ein beutfcber üRenfch, unb ein 2)eutf4er erfter
Generation in biefem Sanbe, ber bern amerifanifdhen Sonntag bag Sffiort rebet,
mirb, memt er nidbt gerabe fd^on in Seutfchlanb gum 2Ru<fer ergogen mürbe,
eben auch nur bie' aHererbdrmlidhften Grünbe für feine 2lbtrünnigfeit hoben.
Gin beutfdher 9Renf4 aber, ber eine genügenbe Seit hier gelebt, um bie % b a t*
f a 4 e beobachtet gu haben, ba& eg nicht nur amerifanifche Seftenmitglieber
ftnb, meldhe ben „Sonntag im 2Birtb§baug" berabfcheuen, fonbern bafj bie
2Ritlionen bon Slmerifanem, bie gu feinem beftimmten ßirdhenberbanbe
gehören unb bie überhaupt faft ntemalg eine ßirdhe befudhen, bennodh am
Sonntag gerduf4boUe öffentliche Vergnügungen bermeiben, unb fi4 lieber —
mer meifj, ob bem fo ift — „gu «gaufe töbtlidh langmeilen", atg in 3Bein* unb
Vierfdhenfen herumguliegen, barf nicht bon ftdh behaupten, er fei audh ein ge*
b i l b e t e r üRenfch, menn er biefer amerifanif(hen Uebung § e u dh e l e i un*
terfdhiebt, unb menn er bafür feinen anberen Grflärungggrunb finbet, alg ge*
rabe biefeg Safter, bag in einem freien Sanbe am allermenigften Veranlagung
gu nationaler Slugbreitung finbet.
3mei Gntmidelungen, im Ganzen nidht mehr berfdhiebener 2lrt alg bie
fatboUf4e unb bie reformirte Hnfchauung überhaupt augeinanber liegen, lau*
fen bfer neben einanber her, big fie ftch in einem .Dritten, SReuen auflöfen. 2)ag,
mag mir h^r ben beutfeben Sonntag beiden, ift fatbolif4en Urfprungg. 3>er
fatboftf4e Sonntag ift in ber gangen SBelt ber heitere Sonntag. Gr bat ftdh
in ben proteftantifdhen Sdnbern 2)eutfdhlanbg felbft über bie SReformation hin*
aug erhalten. $er heitere Sonntag herrfdht in Jranfreidh unb in 3*alien un*
umf4ranft. 2In bie ßirdhen angebaut mie bie S4malbennefter, ftnb Gafe’g
„2Beinfpelunfcn", ttnb mit ben Gloden beg ßird&tburmg gufammen flingen bie
Gldfer um bie SBette. $er $err Pfarrer felber ift gehn 2Rinuten nadb ber
Vegper mitten unter ben Gdften, momögli4 in ben SBeinftuben, gu fehen, unb
erft in ben aUerlefeten Sahnen hat bie gurdht bor Spöttern in Vegug auf ben
fatholif4en Glerug überall eine ftrengere Sonntaggbigciplin herbeigeführt; bie
fatholif4en Geiftli4en trinfen je$t ihren Schoppen am Sonntag meifteng gu
§aufe ftatt im SBirthghaug. Gin ftdherereg Vollmer! gegen bag freie, fritifdhe
Senfen alg bie S4iemmerei unb Völlerei, fonnte ber Glaube nidht um fnb er*
heben; ein angenehmereg 3&4 alg fribole «geiterfeit, fonnte er nidht erftmren.
Vei ben $eutf4en fam ihm bie Anlage gur f4merfdlligen $runffu4t nnb SRo*
mantif gerabe fo gelegen, alg bei ben gtangofen bie leichtfertige, fribolere Sebeng*
anf4auuttg. UeberaH unterftü&te er ben Sinnegtaumel; fogar ber Sentimen*
talitdt mar er fremb, unb bie grellen, bireften Sinneggeitüffe maren feine mädh*
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tigften Tunbeggenoffen gegen ba3 felbftftdnbige Senlen ber Waffen. Ser
I u ft i g e Sonntag mar ber natürliche SJormunb be3 frommen Sonntagg,
ber 2)t u m m e n f <h a n 3 ber Smillinggbruber ber g a ft e n 3 e i t, unb mie ber
Tettel bie eintrdglidhfte ginanjpolitil be£ ©laubeng gemefen, fo maren $Ro*
mantifunbgrioolitat feine unoerfanglicbften unb unfeblbarften $oli*
giften* Ser umnebelte SSerftanb, ber bureb ©enüffe gebrochene ©ille,
bie jtoifdhen fchmere Arbeit unb roben ©enufc geteilte Seit fmb bie un*
feblbaren Teitreiber be$ ©laubeng gemefen unb fmb auch beute bie madhtigften
hülfen beg pplitifdhen Segpotigmug. könnten bie Seutfdhen ihre SRoman*
til, ihr Tier unb ihre ÜDtuftl auf ein einziges gab^ebnt gegen bie blanle
SWünje bon politifdhem Terftanb, bon llarer ©rlenntnifj ihrer Sage, bon ©nt«»
febiebenbeit unb prdeifem ©ollen berfepen, ftatt bafc fie bag ganje neungebnte
gabrbunbert binburdh ib*e nationale Selbftftdnbigleit, ©inbeit unb greibeit 3 U
ertrinlen, ju ereffen, 3 U erfmgen unb ju erfafeln fich beftreben, fie mürben habet
ftdberfidb biel beffer fahren.
Sodh fann bieg einmal nicht fein, unb n e b e n einanber, bermutblidh fü r
eine noch febr lange Sauer, merben bie menigen groben, fidh felbft beberr*
fdhenben beutfehen Senler unb bag bon föomantil unb ©enufjfudht umnebelte
unb beberrfdhte beutfdhe Toll, ohne jebe dubere Terbinbung unb ohne. jebeg
greifbare föefultat, he* laufen. Sie Diomanti! mirb bie beutfehen Tier*
trinler, bie beutfehen Sfoedeffer unb bie beutfehen üUtufilfeftler mit
Stolj auf ihre ßantg, gidhteg unb £egel§ erfüllen; bie Kanonen unb bie
Taponnette aber merben mie bisher bom politifdhen Terftanbe unb bon energi*
<hem ©illen commanbirt fein.
Ser Sonntag ift ber Sag bei; allgemeinen Weiterleit für bie gan-je latbo*
tifdhe ©eit, unb namentlich ift er eg fo für bie arbeitenben klaffen. Sie ganje
ffteligiongpolitil beg ^atbolijilmuS erforbert ben beitem Sonntag, unb menn
immer bie erften, um©enigeg ftrenger gefeierten gefttage auf Sonntage fallen,
bann ift ihnen ein jmeiter geiertag beigegeben, an meldbem eingebolt mirb,
um mag man an Suft unb ©enub am erften Sage etma §u lurj gefommen mar*
Ser Tarifer Sonntag bor ber Karriere, berrömifdhe Sonntag jenfeitg ber Siber
überbieten an Weiterleit unb unmittelbarer greube ben Sonntag jebeg anbern
Tolleg — unb bodb bat ber Seutfdhe am Tarifer Sonntag unenblidj biel aug*
jufefcen. ©arurn ? Ser Tarifer trinlt ©ein unb tan$ ©ancan — ber Seut*
fdhe möchte lieber Tier unb feinen SSBalser haben! ga, menn idh beut in Tern*
beim, ober in Saehfenbaufen, ober auf ber 2Jtaiuluft, ober in ber fdhonen 2lug*
fubt, ober auf bem.SBalbfchlöfjdhen mdre! ruft er gerabe fo mitten unter ben bei*
terften Sonntaggfreuben ber Tarifer aug, alg er fich hier inmitten beg ihn
langmeilig brüdenben amerilanifdhen Sonntagg nach einem Tiergarten mit
feiner fentimentalen Sanimuftl febnt.
Mn Toll ift bei bem anberen bolllommen ju Waufe. ©ebt’g bem grem*
ben noch fo gut, fo ift er mit bem neuen ©uten allein nicht sufrieben, er
mödjte auch noch fcag alte ©ute ba$u haben. Ser Seutfdhe errafft fich an
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bcn Sffiochentagen in Amerifa tuet mehr, all er ftch baheim erfchaffen lonnte —
ift el geraffen, fo möchte er el am liebften fo geniehen, wie er el braunen ge*
nojfen. Stal mehr Berbienen unb bal leister Erwerben an üffiochentagen
lernt ftd? fc3&on leister ertragen — bie gertngfte Entbehrung am Sonntag oer*
fd^merjt ftch nicht fo halb, Ein tüchtiger beutfcher 2Rann in Aew*?)orf — ich
will ihm feine glüäliche Beobachtung nicht fteblen — fagte einft gu mir: Ser
Unterfchieb swifchen einem Amerifaner unb einem Seutfchen beftebt barin, bah
ber Amerifaner ein Spi&bube ift fo lange er erwirbt. 3ft er aber reich ge*
worben, bann macht er gewöhnlich ben generöfeften Gebrauch von feinem ©elbe
für greunbe unb für’! Allgemeine. Ser Seutfche bagegen ift in ber SRegel
ehrlich fo lange er erwirbt. Seine Sumperei fangt gerabe bann an, wenn bie
bei Anterifanerl aufhort. Ser reiche Seutfhe ift theilnahmlol für’l Aßge*
meine; fein Beichthum förbert fein eblel Streben — er bient nur feinem
eigenen 3<h. 3$ laffe el unent fliehen, in wie weit biel Bilb wohlgetroffen
ift; eine Shatfache aber ift el, bah ber Seutfche nicht einen einzigen Schopf
pen Bier am Sonntag ber ameritanifchen öffentlichen Bteinung opfern will,
Währenb ber Amerifaner feinen föeichthum felbft für fpejififch beutfehe
öffentliche Anftalten auf! Bereitwilligfte anbietet. Unter hunbert Beifpielen
biefer Art erwähne ich nur ein einige!. 3$ hatte mir vor etwa brei 3ahren
oorgefefct, einem ber populärften beutfehen Sichtergelehrten eine Bibliothel
amerilanifcher Originalwerfe jum ©efchenf su machen. 3$ wenbete mich um
Beiträge an Amerifaner unb Seutfche gleichmäßig. Bon etwa 400 Bänben
erhielt ich 20 von Seutfchen; ben Beft gaben mir mit größter Bereitwilligfeil
anterifanifche greunbe.
Angefichtl ber unumftöhlichen Wahrheit, bah bie üon ber Hierarchie fo
gefehlt benufcten Eyceffe ber Sinnelgenüffe ben freien ©ebrauch bei Berftan*
bei hemmen, unb, jur ©ewohnheit ganzer Boiler geworben, ihre politifche Ent*
Wicfelung verzögern, wenn nicht gar bollfommen unmöglich machen, fcheint mir
bie B^paganba für Einführung bei beutfehen Sonntagl in Amerifa mit feinem
Appenbiy bon ber hohen Eulturbebeutung bei Bierei ein unverantwortlicher
Unfug su fein. Um biefe Bropaganba vor bem eigenen heften SBiffen plaufibel
ju machen, hat man ben heitern beutfehen Sonntag mit ber beutfehen Bhüofophie
in Sufammenhang gebracht, währenb man bal amerifanifche profeffionelle Sem*
perenjwefen, allerbingl nur all^u fehr ba^u berechtigt, all Aulfchuh engherzig
amerifanifch religiöfer Begriffe unb Anfdjauungen bejeichnete. Sah DJIäßigleit
in Sinnelgenüffen ber größte Segen für biefel 2anb fein mühte, unb bah ntan
barauf hin mit allen Mitteln ber 3nteüigens unb wahren Aufflärung arbeiten
füllte, baoon fprtcht ber beutfehe Sonntagl*$ropaganbift niemall. Statt bah
er Angefichtl ber begreiflichen SBirfunglloftgfeit bei religiöfen Btuderthunil auf
Bereblung ber Sitten, auf ÜDtähigfeit unb Secenj in allen ©enüffen, biefe
3wede aiif rein fittlichem unb oerftanbelmähigem SBege $u erreichen ftrebte,
macht er lieber bie beutfehe Bbifofophie jum Secfmantel gerabe feiner sweifeHo*
feften Schwächen. Sie Religion, bie ihm ben luftigen Sonntag gegeben,
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möchte er loS fern; bie SHeligion, bie ben befcbaulidhen Sonntag einführt,
ba&t er noch mehr. Ohne eine Autorität für feine ihm unentbehrlich gemorbe*
nen (Semohnheiten fann er nid^t fein, unb ba begeht er benn bie unerhörte
Blasphemie, bie beutfcbe Bhifofophie jum Vertreter beS beutfcben Sonntags unb
feiner Bierbumtnelei gu machen. $ie amerifanifcbe SlrbeitStoodhe, gefrönt mit
bem beutfcben Sonntag — toaS fann eS herrlicheres, geben!
2)en beutfcben Sonntag erfüllt baS beutfdbe £rinfen*). Slmerifaner unb
$eutf<be trinfen, unb beibe trinfen gerabe fo auf oetfcfjiebene SEBeife, als fte in
allem Uebrigen oerfcbieben ftnb. 2)er ungemütliche, 3eit toie (Selb mettb*
fcbäfcenbe Slmerifaner meif$ nichts oon bem 3*it unb (Selb raubenben £runf
beS beutfcben. Sein trinfen bat abfcbeulicbe Seiten — aber baS beutfcbe
trinfen bat fte in noch höherem (Srabe. $aS amerifanifcbe trinfen ift ftets
ein inbioibueHeS Safter. GS führt bie §anb an ben Neöoloer, eS ftürgt ben
üopf in’S Delirium. S)aS beutfcbe trinfen ift ein allgemeiner Unfug unb bat ein
Bolf oon Bhiliflern erzeugt. 2)aS Xrinfen macht oiele Xaufenbe oon Slmerifanern
gu NombieS, eS giebt bem gangen beutfcben Bolf feinen fcbmerfällig romantifdben
(Srunbcbarafter. Beibe Golfer, mie alle Bölfer, trinfen um bie abgefpannten
Heroen gu reigen, unb um ftd? fünftlicb in einen 3uftanb höherer Grregung gu
berfefcen. 5)cr beutfcbe »ermenbet bagu größere Quantitäten bon glüffigfeit,
auf bie ber beraufebenbe Sllfohol bertheilt ift; ber Slmerifaner trinft fein Quan*
tum »Ifobol in concentrirterer gorm. 5)aher ift bie Seit, bie ber Slmerifaner
bertrinft, unbebeutenb gegen bie bom Seutfd&en trinfenb confumirte Seit. 2)arum
ruinirt audb baS amerifanifcbe trinfen ben Srinfer rafdb; baS beutfcbe trinfen
oerftmpelt ben Printer fteber. S)arum erfdbeint bem Slmerifaner felbft fein eige¬
ne^ trinfen fo abfebeulieb, bafj eS ihn febr häufig gur plöfclicben SlbfteUung
bringt. $>aS beutfcbe trinfen ift fdbeinbar fo unfcbulbig, ja eS gilt für eine
fo tief im 3)eutf<btbum tourgelnbe Sugenb, baf* ftcb’S faum jemals Giner abgu*
getoöbnen für erfpriefelidh halt. Beim Slmerifaner f<$ jebeSmal ein Gycefc, ift
eS beim beutfcben ein fogar häufig mit Bebanterie begleiteter fpftematifdher
(Sebraudb. 2)aS amerifanifcbe trinfen ift meift ein Safter, baS beutfcbe £rin
fen ift ein Attribut beS beutfcben SebenS. gür ben Grften ftets ein ifolirter,
toenn auch ftdh nur allgu oft mieberholenber Slft, ift eS bei bem Seiten ein gum
Gnfentble feiner Nationalität unb feines gefeüigen SebenS gehöriger (Srunbgug.
2)er beutfcbe uerbinbet baS trinfen mo möglich mit SlUem — er hat einen ent*
febiebenen §ang für baS SBirthf^aftSgefcbdft. Gr trinft mo möglich beim $ur*
nen, beim £efen, beim 2Kufkiren unb beim Bolitifiren — j e b e beutfcbe Sin*
ftalt in Slmerifa, bei ber nicht getrunfen mirb, gerfäHt. S)en freien Sonntag
gang ober gum größten $heil gu oertrinfen — bieS ift ber wahrhaftige gnhalt
beS ber Sß^ilofophie in bie Schuhe gefabenen unb bie Gultur beförbernben
*) J)a$ gilt aber bo<b nur für Slmerifa, unb e« mürbe anberS bamit fein memt, mie in
Deutfölanb, anbere, eblere (Senüffe eneübbar mären, maS eben ber puritaniföe Sonntag rer*
binbert
2>. 9t.
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beutfchen (Sonntags. Sie philofophifchen Spficme, bie hiftorifchen Arbeiten,
bie groben öffentlichen Sehranftalten, bie Scbaufpielhäufer, bie Kunftafabemieen,
bie Sternwarten, bie öffentlichen ©ibliothefen u. f. w., bie unfere fünf bis
fed&S Millionen jdhlenbe beutfche 33et>ölferung in ben Ser. Staaten hergeftellt
hat, fmb ber fprechenbfte beweis für bie Eultur beförbernbe SEirtung beS beut*
fchen Sonntags mit feinem obligaten Sierconfum. 2ßaS hat bagegen bec
langweilige SlmeritaniSmuS unb ber noch biel langweiligere Puritanismus
aufeuweifen? Nichts, gar nichts, als ihren unerträglich langweiligen Sonntag!
üffiahrlich, ich bin ber Iefcte ÜDenfch auf bem Erbboben, ber irgenb einem
Schatten bon gntoleranj baS SBort rebete. 2öenn aber $err Sancroft mit
gug baS Verbrechen fectirerifcher gntoleranj bei ben Puritanern burch bie
JBafter, welche bie 2luSf<hweifung unter ben Eaoalieren erzeugte, für aufgewogen
halt, unb wenn er bann bie ÜDotioe, Veftrebungen unb Defultate Seiber mit
einanber bergleicht, unb ben Puritanern baS grobe 2ob als Ueberfdhub er*
thcilen nutf*, bah fte bie ©rohe biefeS Volles auf bem ©runbfafr allgemeiner
Erziehung aufgebaut, unb bab fte in bie ^erjen ber 2Jtenf<hen bie unjerftör*
baren ©runbfäfce bemofratifcber Freiheit eingepflanjt haben, — bann müffen
mir bie Propaganbiften beS beutfchen Sonntags erft mit gan$ anberen Deful*
taten, als ben bisher erhielten, entgegenfommen, ehe ich ju ihrem Vortheil
baS Spftern oerbamme, baS neben folcher ftaunlichen Schöpfung, wie es biefe
Union ift, aderbingS auch ben mir felbft antipathifchen amerifanifchen Sonntag
heroorgebracht hat.
Sab bte beutfche Pbilofopbie mit bem beutfchen Sonntag in feinem nähe*
ren Verwanbtfchaftsoerhältnih fteht, als bab bie Herren Stelling, gichte, Kant
unb £egel am Sonntag bielleicht einmal in einem Viergarten gewefen ftnb,
baS liegt auf ber £anb. Ser beutfche Sonntag ift immer noch ein Ueberbleibfel
oom religiöfen Sonntag unb burchauS fein Probuft ber Philofophie, beS gn*
bifferentiSmuS ober ber greibenferei; ja ber heitere Sonntag ift orthobof fatho*
lifch geblieben, trofc Philofophie unb Deformation; er wirb bielleicht noch ein
gahrtaufenb lang bie fchönfte Erinnerung an eine Deligion bleiben, bie neben
fo bielen grrthümern hoch ben großen Vorzug hatte, bah fte ben natürlichen
Srieb beS Dtenfchen jur greube unb surn ©enufs, wenn fte ihn auch auSbeutete,
boch nicht in Sentimentalität berheuchelte. Ser fatholifche ©laube hat ftarfe
2Jlenf<heu erzeugt — ftarf im £errf<hen nnb ftarf im Salben; ftarf im©eniehen
unb im Entbehren; ftarf in ber greube unb ftarf in ber Ergebung. Sie
Schmachtlappen, bie SEeltfchmeqler, bie Kopfhänger unb bie Sentimentalen,
bie Siberal* unb bie Dabicalthuer fmb anberen, neueren UrfprungS. Dur bie
Slrmen im ©eifte, bie ba meinen, um ein rechter gortfKrittler ju fein, bürfe
man fein gutes £aar am KatholijiSmuS laffen, nur Sie fmb gezwungen, wenn
fie bem Vier am Sonntag baS l i b er a I e Dläntelchen umhängen, ju behaup*
ten, bah bie beutfche Philofophie ben beutfchen Sonntag gefchaffen habe. Dur
Siejenigen, benen es angeboren unb anerjogen ift, oor gemanbem $u friechen,
unb bie baher baS SBefen ber Semofratie auch nur als ein Kriechen bor ber
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SKajeftdt beS BolleS begreifen, unb bie barum gerabe feinen fchlechteften ©igen*
fchaften, weil fte am oerbreitetften ftnb, am meiften fcbmeic&eln, nur diejenigen
muffen bie permanens beS drinfenS bureb irgenb einen ÜKimbuS oerherrlichen;
unb ba man gunt StimbuS am beften baSjenige oerwenbet, wooon bie SBenig*
ften etwas oerftehen, fo lleiben unfere beutfehen demagogen baS drinlen am
Sonntag in baS ©ewanb ber beutfehen 2Ber nicht mehr ftart im
©lauben ift, ber follte ftart im deuten fein — gum ftarten deuten gehört ein
freier ©eijt — unb frei ift allein ber mäßige üDtenfch* die Bierbumntelei pre*
bigen unb babei ben gortfehritt unb bie Bhilofophie im Btunbe führen, ift wohl
bie bgroctfte ©attung üon Heuchelei, bie eS giebt.
Sinb bie ßategorieen non gut unb böfe auf große ©haraltergüge irgenb
eines Voltes überhaupt anguwenben, fo gehört offenbar baS ftereotppe drinlen
ober baS ©ewohnheit^trinlen bei a 11 e n Böllern gu ben f <h l e ch t e n Singe*
Wohnungen. 3<h tebe hi« nicht pon bem drunte, ber angeblich nur aus ©e*
funbheitSrüdftchten genommen wirb, noch bon ben böfen Söirlungen beS ©e*
mohnheitStrinten, baS ft<h auch nicht einen einzigen dag in ber SBodje nehmen
laffen will. 3<h tann unbefchabet meines SlrgumenteS gugeben, bah ße bei
weitem in bem 3Jtaße, wie bieS religtöfe 2KäßtgteitSprebiger behaupten, nicht
eyiftiren. Offenbar aber haben bie Böller neben bem gewohnheitsmäßigen
©enuß altoholhaltiger ©etränfe auch noch anbere charaltertftifehe Befchäftigun*
gen ober driebe, unb unter biefen giebt eS beffere als baS ©ewohnheitstrinten.
So ftnb g. B. bei bem beutfehen Bolle ber aoenturöfe drieb feiner SluSbreitqxg
über ben ganzen ©rbball, bie ©ewöhnung an fritifdhe Beobachtung, ber £ang
gu ©enüffen tief finniger Slrt, wie gur 2)tuftl unb gur 2ftetaphpftl, baS eigen*
thümlich rafche Berfchmelgen mit fremben (Elementen, baS fchnelle ©rlernen
anberer Sprachen u. f. w. — SllleS ©igenfehaften, bie offenbar weit über bem
gewohnheitsmäßigen drinten flehen; unb bennoch gilt gerabe hier bie Berthei*
bigung oeS BierhauSlebenS als ootlfommen gleichbebeutenb mit ber BertheibU
gung beS tiefften beutfehen SBefenS. ©ine beutfehe wiffenfchaftliche Slnftalt mag
aus ©leichgültigteit gegen höheres Streben untergehen — ein Socal^tem non
fe<h£ 3eilen umfaßt ben gangen Schmerg, ben ein beutfeher 3ournalhauterer
barüber empfinbet; aber bie geringfte poligetliche Ueberwachung ober Befchrän*
lung eines BierhaufeS entloclt ihm Monate lang Ströme inbignirten greiheitS*
gefühte/ Stoßfeufger philofophifcher ßränlung. Um ben rabüalthuerißhen 3ei*
tungShauterer concentrirt fleh fcaS gange f o c i a l e Sehen beS deutfchthumS im
BierhauS_unumfehränfte £errfchaft beS BierS auch am Sonntag ift
Ihm baS ^öchfte, was er lennt. SechShunbert, wenn nicht daufenb beutfehe
Bierhäufer auf fechSgig daufenb beutfehe ©inwohner — baS ift fein ©lement.
2Bo biefeS glorreiche Berhältniß befiehl, ba oergichtet er felbft auf bie leifefte
Slnfpielung, baß biefe 60,000 deutfeben nicht eine eingige gute höhere Knaben*
ober döchter*S<hule, feine eingige wiffenfchaftliche Slnftalt, lein refpeltableS
dheater, leine Bibliothel, lein §ofpital, ja nicht einmal einen eingigen anftän*
bigen ©afthof haben l Qm dafein oon 1000 Bierlolalen ift ihm beutfehe ©e*
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lebrfamfeit unb ^^ilofo^te, beutle ßunft unb beutfche ©siehung genügenb
reprdfentirt; — bafc bic beutle $olittf bort am fünften, am liberalen, am
entfdhiebenften unb bemufsteften rcprdfentirt ijt, baran gu sweifeln, gilt ibm ge*
rabeju all «godhberruth am Deutfchthum unb an ber Union.
3um ©lüd !ennen bic politifdhen lauterer ben mastigen ©nflufj bcr
beutfchen ©nwanberung auf bic Kntwicfelung bei anterifanifdhen dolflcharaf*
terl biel $u wenig; — ftc mürben ibn ohne 3wcifel fhwer geführten, wenn fte
feine Wahrhaftigen ©emente jum ©egenftanb ihrer ^hrafenbrefdherei mach*
ten. Die blofje Slnwefenheit eine! Millionen sahlenben dolflftammel, beffen
praftifdhe Dhätigfeit überall ba! Dahe, ba! Sichere unb ba! bergleidhlmeife
kleine borsiebt, beffen Genien bagegen ftch abfolut gar feine ©renjen gefallen
labt, felbft bann nicht, wenn fte fo weit hinau! geftedEt ftnb, bafj fte noch für
Sahrhunberte einen hinlänglich weiten Spielraum für jebe ©eiftelthdtigfeit
bieten, unter einem dolfe, bal, nahezu gleichgültig gegen baldrmorbene,
für feine Dhätigfeit bie größtmöglichen Kombinationen fucht, ftch in feinem Denfen
aber ftetl sufammenfaßt—bie! allein ift, abgefehen bon ben ftch alltäglich bie*
tenben, beiben dolflftdmmen ununterbrodhen aufgeswungenen dergleichen ihrer
derfchiebenheiten, unenblidb wirffamer, al! ber unaufhörliche dorhalt bei beut*
fcben Sonntag!, in welchem bal fociale beutfche SBefen ftch &u concentriren
borgiebt. Der beutfche ©efchaftlmann unb ber beutfche Slderbauer, ber beutfche
Slrst unb ber beutfche Ingenieur, wirten abftchtllo! unb inbirett wefentlicher
unb taufenbmal wohlthdtiger auf ben Dnterifanilmul, all alle! Sonftige
jufammengenommen. 2Jtit allem U e b r i g e n wirft bal Deutfdhthum faft
aulfchließlich nur auf f i <h felbft surücf. Die Deutfdhen in Slmerifa
haben einen (Eifer unb eine «gartnädfigfeit su ©unften gewiffer national*ameri*
fanifcher Dichtungen bewiefen, welche bie beutfche Dationgur Dutdhfefcung ihrer
eigenen Sache niemal! finbet, — ihr biretter, gewollter unb auf biefe Söeife
erzielter (Einflug auf bal Hmerifanertbum labt ftch beim beften Söiden faurn
in fdhwachen Spuren nadbmetfen. dei bern dewoßnen beffelben Sanbel ift ein
unaufhörliche! Sneinanberftrömen bon ©eift unb Sittlichfeit, gerabe weil e!
burch ein unenblich reiche! unb feine! ©edber gefehlt, abfolut unaulbleib*
lieh — ber pretentiöfe Strom bon Deutfchthümelei unb Deutfchbitfthuerei, ber
ftdh bon unferen wirflidhen unb gebrudften dierhdufern au! über benSlmerifanil*
mul ergiegt, berfehlt feine beabftdhtigte SBirfung burdhaul. 2In einer falben
SKiUion bon Deprdfentanten ber beutfchen doßeme möchte bal Slmerifanerthum
biedeidht berften — ber au! feinem Duin für bie 2ßelt entfpringenbe dortheil
labt ftdh »ohl bor ber $anb noch nicht bilcutiren; eine nach fielen dtiHionen
jdhlenbe beutfche ©nwanberung wirb ben Slmerifanilmu! burch ihre Elnwefen*
heit unb burch ihren Untergang*) mit ©ementen bon Snnerlidhfeit unb Stabili*
tat befruchten, wie fte beffer gewig fein anbere! dolf liefern fönnte.
©erabe fo wie ber luftige beutfche Sonntag ein Defultat ber bie Sinnen*
genüffe aulnu&enben fatholifdhen Sßolitif ift, gerabe fo ift ber befcbauliche
*) Da proteftirett Wir. D. D#
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Sonntag beS 9lmerifanerS ein Sftefuttat beS ernften, fchtoerfälligen fßroteftan*
tiSmuS. SBeibe fielen auf religibfem 93oben, beibe haben ft<h non ihrem reit**
giofen ©harafter gu befreien, unb beibe merben ft<h in einem üerftänbigeren
unb barum fittlidberen unb freubigeren Ruhetag oerfohnen. Dafc ber befchau*
li(he Sonntag mit all feiner uns Deutfche anftarrenben Sangenmeile für Slmerita
uneublich nüfclicber mar, als eS bet luftige Sonntag jemals fürDeutfchlanb ge*
mefen ift, unb als er eS jemals für biefeS £anb fein mirb, barüber gu fprechen
erlaubt mir wohl ber Herausgeber biefer 3*ftf$rift ein anbereS 9M. So
lange beibe auf Diftanj neben einanbet beftehen, pnb beibe Sonntage fehr
wohl erträglich. 2Bo fte ft<h aber im $ampf begegnen, fei cS, bafe baS 23ier*
hauSgetöfe neben einer Kirche baS religiofe (Meier überbieten will, ober fei eS,
ba& fte in ber $teffe ober gar in gefe|gebenben ßörperfhaften aufeinanber fto*»
feen — ber ©ne'täppifch unb lügnerifch auf beutfehe ^hilofophie pochenb, ber
SInbere feine 93löfeen mit bogmatifchen Sumpen bebetfenb, ba erfcheinen Söeibe
als bie efelhafteften Gultur*ßarrifaturen, bie jemals ihre Sanken gefreugt. gür
Slmetila mar ber ^uritaniSmuS einmal bie gmeämäfeigfte Sorialpolitif. DaS
2anb ift ihm nahezu entwarfen. 2Behe, menn auS bem ^uritaniSmuS heraus
ber 2Beg in irgenb ein Deutfchthum unb nicht gu allgemein menfehlichen Sehens*
formen unb gu allgemein menfchlicher greiheit, Gilbung unb ©efittung führte!*)
£)tr Utcara0tta-®ratt(it**)
£ourt(üf<h*ethno 0 raphiWe Sfi&en oon t&eobor itircb&off.
I-
2Ber non San granciSco nach ben Staaten reifen will—“The States”,
mie man in ben (Mblanben bie oftlichen Staaten ber Union nennt, — bem
liegen brei ateiferouten offen: bie eine über bie „$lainS" mit ben Over-Land-
Stages, unb bie beiben anbern gur See, über Manama ober Nicaragua.
w 2Ber bie 2Bahl hat, ber hat bie Cual!" Die Wahrheit biefeS alten
Sprichwortes leuchtete auch mir ein, als ich int ÜDtonat 9tooember 1855 bie SEBahl
gmifchen oben ermahnten brei IHeiferouten hatte, um non ber ©olbftabt am
Stillen ühteer nach ben Staaten gu reifen, mohin bringenbe ©efchäftSangele*
genheiten mich riefen.
*) 3n ber Selbflfritif wirb letzter gu wenig als gu oiel geleiftet. Diefe (Erwägung
oeranlafjte unS gur Aufnahme eines SfrtifelS, mit bem mir nicht burchweg einoerjtanben finb,
nnb ber neben bem trielen SeherjigenSwerthen, baS er enthält, unferer flnfldht nach ht manchen
Stücfen gu weit geht 2>. at.
**) Die in biefer Sffgge angeführten fiatifttfehen nnb geographifehen Stetigen finb einem
gelegenen Sßerfe über (EentraUSimerifa entnommen:
The States of Central America by E. G. Squler,
ein ffierf, baS ich 3ebem, ber ftch über biefe Sänber gu unterrichten wünfcH empfehlen !ann.
mm
^Google
i
520
©cm batte id? bie SHcifc über Sanb gemalt. 2Rit febnaubenben Sedjfet*
gefpannen über bie breiten Sierra! ju bonnern unb bal Silber*Dpbir bei
neunzehnten 3|abrbunbert! mie im Sturmtoinb zu burdhfliegen; bie mptbenbaf*
ten 2)omänen ber ^eiligen zu betreten; über ben Söolfen auf bem gelfen*[Rü(f*
grat be! ©ontinent! ju fteben unb mie eine milbe 3agb über bie enblofen 6a*
bannen be! gro&en SBeften! babin §u braufen — mabrlidj, eine äufeerft berfüb*
rerifdje SRetferoute!
Slber ber ©ebante einer zmei SBocben lang ununterbrochen bauernben Stage*
SReife batte für mich menig ©inlabenbel. Soeben erft batte id? fol<b eine er*
tnübenbe [Reife bon über adbtbunbert teilen zurüdgelegt, bie mi<b in fedbl
Sagen unb [Rächten bon Oregon nach San grancilco gebraut, ©ine SBieber*
bolung ber babei aulgeftanbenen Strapazen in einer berbefferten Auflage bon
etlichen Saufenb teilen fchi$n mir burchau! nicht münfchenlmertb, melbalb t<b
für bielmal auf bal Vergnügen ber romantifdpen [Reife über ben ©ontinent
belichtete.
Von ben zmei Seerouten mar mir bie über ben 3ftbmul bon Manama be*
reit! belannt, unb ba ich oft fchon bon ber munberboden Scenerie bon [Ricara*
gua gehört batte, fo entfcblofj ich mich julept, bie £inie ber „Nicaragua Sranfit
©ompagnie", bie fogenannte *0ppofttion!*£inie", z u mahlen. 2Ran batte mich
allerbingl bor ben Vefchmerlichleiten bei loftfpieligen [Ricaragua*Sranfttl ge*
toamt, auf bem bie ^affagiere ftd) ftlbft belöftigen müßten, unb oft fchon batte
i(b gehört, bafs [Reifenbe modhenlang bort aufgebalten morben unb bielerlei
Unannebtnlichfeiten aulgefefct gemefen mären, ehe fte ben Slranftt batten be*
merlftedigen tonnen; — aber i(b la! in ben San grancilco Bähungen, bie
©ompagnie mürbe für’! 2öobl ber Vaffagiere mufterbaft forgen, unb ber San
3uan glufj fei boU bon 2Baffer, fo ba& untermegl bur<hau£ gar tein Stufent*
halt zu befür(bten märe. innerhalb &ierunbzman 3 ig Stunben mürbe ber Sranftt
gemalt unb — “no extra Charge for board on the Isthmus.”
©enug, i(b badjte, ich tönnte bie [Reife über [Nicaragua fo gut mie bie
anbern ftebenbunbert Vaffagiere, melcbe biefe £inie gemäblt, riltiren, zahlte ber
„©entral American Sranftt ©ompagnie" ©inbunbert unb fündig $oüarl in
©olb für ben beften Vlafc auf ihrem beften Dampfer, ber ,America", unb
machte mich reifefertig.
©I mar ber 13. [Robember 1865, all unfer gute! Sdbiff „America",
mel(bel bor ber Abfahrt noch bon einigen gelbgierigen ©laubigem ber fid? faft
fortmäbrenb in pecuniären Verlegenheiten befinbenben Sranftt*©ompagnie mit
Vefcblag belegt mar unb nur mit 2Rübe eine flleinigleit bon neunzehn Saufenb
Dollar! gezahlt batte, um freien Hfyug zu erhalten, — ber ©olbftabt ein £ebe*
mobl fagte unb unter Dem 3uruf per am [IRiffton Street 2Bbarf bicht gebrdngten
Sufdbauer langfam in bie offene Vai binaulfubr. [Radjbem färamtlicbe Vaffa*
giere noch einer genauen Sicfet*[Rebifton untermorfen morben, bei melier ©e*
legenbeit, mie biefel auf ben ©alifornia*$)ampfcrn ni(bt! Seltene! ift, mehrere
ticfetlofe Subjtfte, melche bie [Reife nach ben Staaten umfonft $u machen beab*
^Google
fldhtigten, per Schub in eines ber uns begleitenben 53oote tranSportirt würben;
nachbem mehrere an 53crb beftnbliche Polijiften fämmtliche Paffagier®Pbpfio 9 tf
itomieen einer fritifchen Elimination unterworfen Ratten, um &u fehen, ob ft<h
nicht ©algentanbibaten unter uns befänben, welche fid? ber fpejiellen gürforge
bon Oncle Sam ju entziehen wünfchten, unb nachbem ber Spotfe uns gfüdlich
burch baS gan 3 in -Hebel gefüllte golbene £hor geleitet: — verlieben uns
ticfetlofe Paffagiere unb Sootfe, unb wir brauften, uns felbft überlaffen, luftig
gen Sübert, bem Sropenfreife entgegeneilenb.
$a eS nicht ber 3 tt>ecf biefer Sfi 33 e ift, eine Sefdjreibung unferer Heife
bon San granciSco nach Eentral®2lmerit« gu geben, fo will ich nur !uq erwäh*
nen, bab biefelbe im ^gemeinen eine recht angenehme, wenn auch febr lang®
fame war. SegtereS hatte feine Urfadje barin, bab unfere 2)ampffeffel bon
2llterSf<hwd<he litten unb nicht biel Sampfbrud auShalten fonnten, weshalb
Wir 3 * 55. gezwungen waren, auf ber $öhe beS EapS EorrienteS einen halben
Sag ftiße ju liegen, bamit eine fdjabhafte Stelle an einem ber £)ampfteffel aus®
gebejfert werben fönne.
Sonft ftörte Hi<htS baS Slngenehme ber Seereife, beren ©emüthlichfeit auf
ben Poftbampfent beS Stillen 2JteereS fprichwortlich geworben ift. (Sine Schau®
fpielergefeßfchaft, bie fid? an 53orb befanb, unterhielt uns mit mimifchen $or®
ftellungen unb Eonccrten; bei Sage hatten wir baS immer wedjifelnbe Schau®
fpiel ber wollengelronten Söergtette ber Eorbilleren, welche fxdh majeftätifch su
unferer Sinten in ben blauen Slether thürmte; auf bem £urrican®$ed würbe,
al§ wir in wärmere SBreiten tarnen, faft jeben Slbenb beim hellem Sichte beS
SMmonbS getagt; bie lauen £ropennä<hte waren himmlifch—Suna fegelte
in ftlbemer Fracht in ben blauen liefen beS unbewölften «jpimmels, unb malte
leuchtenbe Pfabe über bie buntlen gluthen beS frieblichen Stillen 9fteereS, baS
bie glanten unfereS feuerfchnaubenben HennerS mit golbenen gunten umfpielte,
inbeb unterirbifche geuer blifeenbe Sichter an ben fernften Gipfeln beS in $un®
lei gehüllten mejitanifchen §ochgebirgS anjünbeten.
21m frühen SHorgen beS 27. HobemberS 1865 liefen wir, nach einer
gahrt oon 2500 Seemeilen, in bie Heine unb offene, bon walbgefrönten gelfen
umgebene 33u<ht bon San guan (§uan) bei Sur ein, unb anterten inmitten
betfelben. gebermann an 53orb war bor 2Wem begierig, su erfahren, ob ber
an ber Oftfeite beS SfthmuS erwartete Dampfer, ber uns bon Ereptown nach
Hew®?)orf bringen follte, bereits angelangt fei; eS war jeboch unmöglich, irgenb
eine genaue 5luStunft hierüber ju erhalten.
Um baS Schiff fchwärmte eine ÜJtenge bon Huberbooten, worin halb ent®
fleibete Eingeborene uns mit Eefchrei unb lebhaften Pantomimen ju Überreben
fuebten, uns für einen halben Dollar bie Perfon an’S Sanb rubern su laffen.
S)er SBunfch, halb einmal wieber ben gub auf feften 33oben su fegen, war ju
ftart, als bab wir ben Slufforberungen ber Eingebornen lange hatten miberfte,
hen tonnen, obwohl unfer Eapitdn berftcherte, bab bie Seichter beS Dampfers
uns binnen Jtuqem unentgeltlich an’S Sanb bringen würben. ES währte
522
baher nicht lange, bis ein großer Sheil her ^affagiere, worunter auch ich, ftch
mit ihrem Hanbgepäd an*S Ufer rubem lieb, um ben unbefannten Hafenort
etwas näher in Slugenfchein ju nehmen*
San guan bei Sur berbient faum ben tarnen einer Stabt, unb ift weiter
nichts als ein 2anbungS*Sepot ber Sranftt*Eompagnie, in beffen bie
Eingeborenen eine 2tn$ahl bon offenen, mit Ochfenfellen bebedten Suben unb
Faradten, für welche ber Utame Raufer in gut wäre, errietet haben, um ba*
felbft bon ben Surchreifenben für Sedereien, ©etränfe, Eigarrett, ^uriofttäten
unb bergleidhen mehr möglichft biete SimeS unb Halbbollarftude ju er*
haften. Son Slmerilanern unb Seutfchen ftnb mehrere Rotels nnb Stores
erbaut worben, welche recht gute ©efchäfte machen foUen. Wie es möglich ift,
in einem folgen Pafce, ber nur ein Wal im Wonat eine Scrbinbung mit ber
äufjeren cioilifirten Welt hat, eine jufriebene Ejiftenj ju führen, ift ein pfpcho*
logifcheS Ulätbfet. Sa ben in San guan bei Sur wohnenben ?)anleeS unb
Seutfchen ber $(afc jeboch in gefallen fcheint unb fte Utiemanbem etwas in
2eibe thun, fo hat natürlich auch üJiiemanb ein Utecht, etwas gegen ihr Hierfein
einjuwenben.
3ur 3eit unferer Slnlunft in San guan waren nur wenige Eingeborene
im Ort* Sie Wehqahl berfelben waren mit ihren JDtaulefeln unb gubrmerfen
nach ber jrnölf englifche teilen bon San guan entfernten Stabt Virgin Sap
gezogen, wo fie auf bie ^affagiere beS Utew^orter SampferS warteten, um bie*
felben über 2anb nach 6an guan bei Sur ju bringen*
Sie 3^it bis jur Ulnlunft ber ßarabane non Virgin Sap, welche unfer
Eapitän per Selegraph nach San guan beorbert, befrachte ich jum größten
Shcil auf ber Seranba beS Ealifornia Haufe, an beffen ©iebel ein Schilb mit
ben Worten „ScutfdjeS ©afthauS" parabirte. Unfer Wirth, Wr. ©reen, wie
er ftch fchrieb — wahrfcheinlich ein Herr ©rün — fchien ein Unioerfalgenie
unb ein ächtet Weltbürger unb feineSwegS ein ©rüner $u fein* Seit geraumer
Seit war er hier anfäffig unb führte ein einträgliches ©efchäft* 3ur 3*it ber
glibuftier*Eypebition hatte ihm ber “Grey-eyed man of destiny”, wie
Herr Walter ftch gern nennen lieb, faft all fein bewegliches Hab unb ©ut ab*
genommen unb bafür Schapfcheine auf ben neu etablirten Uticatagua*Sflaocn*
ftaat gegeben. Unfer SanbSmann, ber ©ott banfte, bamals baS nadte Sehen
gerettet ju haben, fcheint feine gübuftier*Serlufte burch berboppelte Energie fo
ziemlich wieber erfefct in haben unb m a ch t ©elb, wie er mir erzählte. Seine
gamilie lebt jur &it in Utew^ort. Er hat ben Sibelfpruch: „ES ift nicht gut,
böb man allein fei", jeboch wohl beherzigt, inbem er eine pompös auSfehenbe
(Selbe, mit tohlfchmarjem Haar, hohem Sufcn unb ©luth fchiebenben Slugen
als Haushälterin genommen, welche mit ihm bie Einfamteit theilt unb ihm bie
Trennung bon feiner gamilie weniger bitter erfcheinen läbt.
Sie SluSfnht bon ber Seranba meines Hotels war recht routantifch. ©e*
tabe bor mir lag bie halbmonbförmige Sucht bon San guan mit ihren felftgen,
walbgetrönten Ufern, hinter ihr baS Stille Ulteer, $um tiefblauen Himmel
riv,
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gleichfam emporfteigenb; inmitten bet Vucht unfer gute§ Schiff „Slmerica" mit
bem Sternenbanner am hohen 2Tlaft. Seichte föuberboote fuhren gmifchen Schiff
unb Ufer hin unb her, mel<he§ bie Pom offenen DJleer hereinrotlenben langfchmel®
lenben ÜEBogen jebe halbe Minute mit einem Sdhaumftange mie mit Silber um*
gürteten, mdhrenb ba§ Bonnern ber Vranbung burch bie ftille Stacht erbitterte. Slm
Stranbe hin unb her mogte ba3 (betriebe ber ^affagiere unb Gingebornen, unb
mitunter mifdhten pch bie £öne fröhlichen ©efangeS mit bem . Bonnern ber
nahen Vranbung.
SBdhrenb ich, eine £aoanna*Gigarre bantpfenb, auf ber Veranba be§
Rotels meine Siefta hielt, marb e3 am Ufer immer lebenbiger. 5)ie meiften
unferer ^affagiere befanben ftdb am Sanbe, unb auch unfer Gepdd mar ange®
langt unb in ben Schuppen ber Gompagnie untergebracht. Verein fprengte
bie Sloantgarbe ber 2ftaulefeI®ßaraoane, non Virgin 33ap fonttnenb, im ge**
ftredteu Gaßopp in bie Stabt unb mürbe oon ben Sßaffagieren mit jubelnbem
£urrah begrübt.
Sluf bem Schiffe maren mir oor biefen gelblid^btaunen SWaulefeltreibern
gemarnt morben, melche auf alle nur erbentliche SBeife bon ben ^ajfagieren
©elb erpreffen mürben. G3 mürbe bor unferer Slbfahrt Pom Schiffe befannt
gemacht, bafj mau jetem ^affagier am Sanbe ein £idet geben mürbe, melcheä
ihn je nach feiner Söahl gu einem $lafc in einem ber guhrmerfe ober gu einem
Stitt per Gfel ober $ 0(3 nach Virgin Vap berechtige, gebe Gjtra®@elbforberung
fei Schminbel unb bem Vertrage ber Sranftt* Gompagnie mit ben Gingebornen
gumiber.
Um mir möglichft fehltet! einen guten $lafc gu oerfchaffen, begab ich mich
nach ber $idet®0ffice, gerabe aU ba3 ®rö3 ber 2ßuleteer3 unb guhrleute mit
ber Stofj® unb SJtaulefelarmee in bie Stabt rüdte. $affagiere, melche bereite
pon ber Office gurüdfamen, fuchten fid? bie beften SLhiere aus unb boten ihre
SidetS ben Gingebornen aß 3ahlung an, melche biefe mit Verachtung gurüd®
miefen, unb einen ober gmei £>ottar§ ober noch mehr 3ugahlung Perlangten.
S)er Samt, ba3 ©efchtei unb bie gornigen Geftitulationen fomohl Pon SMeteerS
als ben erbosten Galiforniern maren fehr erheiternb. £in unb mieber fpreng®
ten SJkjfagiere burch’3 ©ebrdnge, melche fuh einen Gfel erobert hatten, ber
hinten unb Pom au^fchlug, rechte unb IxnU nach ben gu&gdngern fchnappte
unb mit flach an’3 $aupt gelegten Ohren aufierft feinbfelig auäfah.
2)ie Gfc® unb Xrinfbuben machten brillante ®ef<hafte. -Keger unb Ginge®
borne beiberlei ©efchledptS — fomohl tarnen als Herren, Sille Gigarren rau®
chenb — maren bie Veftfcer biefer Veftaurationen, mo ben $ajfagieren für
bartet ®elb bie $eticateffen Gentral®Slmerila$ verabreicht mürben, meiftenä
unnennbare Gonfitüren, Kaffee, Ghocolabe, Gier unb braune buchen, 2Ber
ßuriofttdten als Slnbenfen an San guan gu taufen münfehte, ber hatte bie
SBahl gmifchen ßalabafchen, melche mit blumigem Schnifcmerf Pergiert maren,
hmrauf pch bie gnbuftrie ber Gingeborenen 3 U befchrdnfcn febien, unb bunten
Vtufcheln.
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©tit großer ©tübe arbeitete i$ mich butcb’S ©ebränge an bie Office bet
©ranfteGompagnie unb »erraffte mir baS äiemticfe nußfofe Mietet, worauf ich
mich nach bem ©Saaren=S<buppen begab, um nacbjufeben, ob mein ©epäd
gtüdiieb angetangt fei. ©a bie Gompagnie fub nur für floffer »erantmortlicb
etllärt batte, bei benen fünfjig ©funb ©emiebt frei beförbert mürben, ba jebn
GentS in tlingenber ©tünje für jebeS ©funb Uebergemicbt gejablt werben
mufften, unb ^anbloffer, ©tantelfäde unb dbnli<be Heinere badete obne Stuf*
ficht im wilben ©urdjeinanber an’S fianb tranSportirt würben, fo war icb be=
gierig, junäcbft baS ©cßidfal meines herrenlos umbermanbernben Balife ju
erfahren.
Hm SSaarenfcbuppen ftanb eine ©btbeilung »on ©icaragua«8inientruppen
aufmarfebirt, »on benen ber Flügelmann, eine impofante Grfcbeinung in
febmußigen, bis über bie ßniee aufgerollten Seinmanbbofen, welche bie <boco«
labefarbenen »eine in ©atura geigten, in ©cbmalbenfrad, |>idorpbemb unb
©trobbut unb mit bampfenber Gigarre im ©tunbe, mir mit tübnem ©riff baS
Baponnett feine! alten FeuetfcbloßgemebrS entgegenbielt unb mich grimmigen
BlidS in mir un»erftdnbli<bem ©panifcb jurüdbeorberte. ©ie meiften biefer
baarfujj wanbemben ©renabiere waren ähnlich wie mein Flügelmann unifor*
mirt, Feber nach feinem ©efebmad, unb ein Feber »on ihnen mit ber un»ermeib«
lieben langen febmarjen ©icaragua*Gigarre im ©tunbe.
©tögticbft fcbneU »or meinem grimmigen Flügelmann retirirenb, begab
icb mich jwifeben bie ©aefmagen, in beren Stäbe i<b meines ©epddeS ju meiner
Beruhigung anfubtig warb, ©ie in Sticaragua, wie in allen fpanif<b*amerita»
nifeben Sänbetn, gebrducblicben ©admagen haben meiftentbeils ©aber »on un»
gebeuten ©imenftonen, an benen alles Gifenmer! fehlt. ©aS fceifdjen »et
©aber auf ihren Slcbfen, wenn ficb bie Stiere in Bewegung festen, welche »on
nadtbeinigen, »or ben ©bieten marfebirenben, laut febreienben ©reihern »er«
mittelft eifenbefcblagener ©ilen febr gefebidt geleitet würben, war wahrhaft
obrenjerteißenb uno gab bie höheren ©iscantnoten ju bem uns umraufd&enben
©emenge tbierifeber unb menfblicber Söne. ©ie Sangfamleit, mit ber baS
Sluflaben beS ©epddS betrieben warb, überftieg alle Begriffe.
©iebt weit »on ben Badmagen ftanben in langer ©eibe bie ©affagierma«
gen, feinere, unbeholfene Fubrmerle, mit ben fcbdnblicbften Scbinbmdbren be»
fpannt, weldje je bie ©olle »on ßutfebpferben gefpiett hoben, fjaft ein jebet
biefer ©Sagen war gebrdngt »oll »on ©affagieren, ©tännern, Frauen unb ßin«
bem, »on benen bie ©amen nebft ber Fugenb bereits »on »ier bis ju fecbS
©tunben lang bort gefeffen batten unb gebulbig auf bie Slbfabrt Warteten.
©a mir bie ßfel unb ©eitpferbe noch weniger als bie ©Sagen als ©ranS*
portmittel jufagten, fo befcblojj ich juDörberft, mein £eil in einem ber fießteren
ju »etfueben. Fn einem wie mir beuchte giemlicb leichten Fubrwer! eroberte
ich mir einen ©laß auf bem ÄutfcberbodE unb mar froh, als unfer ©Sagen be«
reitS um brei Ußr ©acbmittagS reifefertig war.
©lein ßutfeber, beffen eines Bein um mehrere 3oß targer als fein anbereS
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mar unb ber mie alle üßiearaguer ein brittebalb gu& langet, in einer mit ßupfer*
Inßpfen befcblagenen Seberfdjeibe fteäenbeS breitet üfltejfer am ©ürtel bangen
batte, binfte, eine Gigarre bampfenb unb eine aus bem Urmalb gefebnittene
^eitfebe febmingenb, ein paar 3Jtal um unfere Gquipage betum, fein ©efpann
mit Iritifcben iölicfen mufternb, ebe er auf bem ßutfcherbod neben mir $lafc
nahm* Sann ging’S, mit einem lauten £aUo bie Xbiere aufmunternb, enbtidh
borrodrtS.
Sangfam manöoerirte er unfere ßaroffe burch’S ©ebtdnge, unb t<b fehlte
mich glüdlidh, na(bbem er in ben erften gehn SUtinuten oerfuebt, menigftenS ein
halbes Sufcenb 33dume unwahren, enblidh aus bem ©emirr ber ÜBagen unb
ber unter lautem §urrab auf unb ab reitenben Gfelreiter mit feilen Knochen
berauSgulommen.
2Bir batten ein Smeigefpann üor bem Sßagen, ©fei unb SRofc, bie beibe
aufjerft niebergefcblagen auSfaben nnb meber bur(b Schläge, no(b Bareben aus
bem Stritt gu bringen maren. 2lu<b mar eS ein abfoluteS Sing ber Unmög*
lid&teit, bie ^bicre gu bemegen, gleicbgeitig angugieben. Ser Schimmel nament*
lieb geiebnete ft<b bureb feine Störrigleit aus unb meigerte ft<b öfters entfliehen,
angugieben, menn ber Gfel fein 23efteS tbat. Gin gmeiter Gfel, ber hinten am
SBagen angebunben mar, tbat babei fein üUtöglicbfteS, baS gubrtoerl mit fteifem
üftaden rüdmärts gu gieren.
ÜUteine SReifegefellfcbaft beftanb aus einer 2lmerilaner*gamilie, melcbe aus
ben ©olblanben nach bem Often beimlebrte. Sie grau, eine febmädhtige Süb*
Idnberin mit halb burcbfichtigem, leibenbem Steint, mie er non Slmerüanern fo
febr bemunbert mirb, mar in tiefe Srauer gelleibet. Bmei trüber maren ibr
in ben füblicben Armeen in Sßirginien gefallen. 3b* ©emabl, ein £)anlee non
äebtem Schrot unb $orn, fragte bereits in ben gehn Minuten unferer 23elannt*
febaft meine gange SebenSgefcbicbte non mir aus. ÜDteine Sdhidfale unb 2Ban*
bergöge in beiben $emifpbären febienen ibm bebeutenben fRefpeft nor mir ein*
guflöfeen, unb eS mährte leine meitere gehn SUtinuten, bis auch ich über feine Gr*
lebniffe giemlicb gut unterrichtet mar. Gr batte einen gelbgug auf ber „$enin*
fula" Unter ÜDkGleHan mitgemacht, mar fobann Stiefel*Sieferant in SBafbington
gemefen, fpelulirte in ©olb, mobei all fein mit Stiefeln ermorbener föeicbtbum
mieber nerfebmanb, manberte nach Galifomien unb SBafboe aus, mo er glüdlidh
in Claims unb güben machte, unb ging jefct mieber beim nach ben Staaten.
Sie beiben Söuben, See unb Sherman, oben ÜRicaragua*Ganbp unb freuten ficb
über ben Sdhimmel unb Gfel. 23ob Sherman titulirte feinen jüngeren 23ruber,
ber ben Schimmel beanfprucbte, mit Gebell unb mollte ihm Ganbp megnebmen,
morauf bie Butter mit bem burebfiebtigen Seint ben Keinen See gu ft<b auf ben
Scboob nahm unb ber $apa bem S3ob auf bie Schultern Hopfte.
geh machte ben ftiden Beobachter, mte ficb fo ein Stüdcben üffieltgefdhidhte
neben mir abfpann, unb badete an bie Sbrdnen, melcbe ber eben erft beenbete
Bürgerlrieg in Strömen über mein fonft fo gtüdlidjeS Slboptiobaterlanb er*
goffen. 2Babrli<b, menn ben Slnftiftern biefeS bötlifeben BmiefpaltS, ber £afj
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T
unb blutige geinbfehaft in ben Schoofc ungdbßger gantilien getragen, nicht bet»*
einft ein bitterer £obn mirb, mer moßte noch an bintmlifebe ©erecbtigleit glau*
ben! Ober finb mir nur blinbe ßßerlgeuge, mit benen baS Schidfal fpielt, unb
*ann nur burdb Ströme bon Sbrdnen baS töftltc^e fileinob ber greibeit aller
SBelt tbeilbaftig merben ?
Sangfam fuhren mir burch bie etmaS rüdmdrtS gelegene $auptftrafje bon
San 3uan, too ftch biele unferer ^affagiere berfammelt batten unb fidj tbeilS
mit Speife unb $ranf gu ber beborftebenben [Reife ftdrlten, tbeilS, im Statten
eine! ©ocoSbaumeS lagernb, ben £önen ber ßßanbolinen laufcbten, melcbe nebft
beiterni ©efange aus bem Innern einer naben 2lbobe*2Bobnung*) berborllan*
gen. Mehrere ber «£>dufer an biefer «gmuptftrajje, menn eine [Reibe bon $8ret*
terbuben mit 23ldtterbacbern unb SlbobeS biefen tarnen berbient, maren unbe*
mol;nt. Xbüren unb fjenfter berfelben maren bernagelt, unb bie Strafe batte
trop beS ©etümmelS ber ©alifornia^affagiere ein febr troftlofeS [ßuSfeben.
3m gemöbnlidben MtagSleben, menn lein Dampfer im £afen liegt, möchte
San 3uan bei Sur ein beneibenSmertbeS 2lfpl für einen menfcbenfeinblicben
©iitfiebler abgeben!
Sobalb mir bie lepten Käufer ber Stabt hinter uns batten, bog unfer
2)reigefpann in ben bunllen £ropeumalb ein, burch melden fub bie Sranfit*
Strafte mie ein beßer gaben binfcbldngelte. $in unb mieber ftanben 3nder*
tobt* unb ßttaisfelber am 2Bege, bie oon Ireug unb quer über einanber gemor*
fenen riefigen 93aumftdmmen eingefengt maren, unb aße paar bunbert Schritt
lamen mir an ©ft* unb £rintftanben oorbei, mo bon ben ©ingebornen ober
bon Negern ben [Reifenben 3)elicateffen unb ©etrdnfe gum Verlauf angeboten
mürben.
Unfer gubrmann, ber halb rechte, halb linfS in bie 93üfebe bineinfubr, faft
an jeber ber gasreichen 23rüden SBiertelftunben lang fteden blieb unb uns alle
Slugenblide ber ©efabr beS UmmerfenS auSfepte, mürbe einen 2Bafboe*Stage*
futfeber, ber fein fcbnaubenbeS Sedjfergefpann im geftredten ©allopp über bie
SierraS peirfebt, gur 23ergmeiflung gebracht haben. 2)er langfamen [Reife
berglicb fatt, fähigen ber ?)anlee unb meine 2Benig!eit ftch feitrodrtS in bie 33üfd?e,
mo mir uns ein paar tüchtige Xornenfnittel all $eitf<ben abfehnitten, inbeft
ber ©elbe, ber neben ben Sbieren auf unb ab binlte, biefelben mit fretmblicben
•Jßorten gum SBeitergeben gu überreben fuebte.
3<h b^tte einen befonberen ©roß auf ben Schimmel, ber bereite in ber
Stabt, als ich neben ihm ftanb, mieberbolt nach mir gebiffen, unb ber $anfee
nahm ben ©fei in Arbeit — unb ehe mir eS uns oerfa^n, ging’S in fcblanlem
$rab bormdrtS, inbeft unfere $ornentnittel febneß in gepeit gerfprangen. ©in
halbes 2)upenb ©alifornier, bie mie toß bei uns vorbei gaßoppirten, b^hen
gleichfaßs auf unfere Sbtare ein. liefen fehlen jeboeb ber Späh fehlest gu
*) Die in allen SSnbent be$ fpantfehen 9faterifa gebräuchlichen Käufer, au« in
Sonne getrodneten ungebrannten Siegeln gebaut
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ber
527
Gefäßen. SJJlöfclih bogen fte, über bie fd^dnblid^e Vehanblung entrüftet, fhatf
fn ben SEalb ein, wo unfer 2Eagen in fcfeiefer (Stellung an einem Vananabaume
£alt machte, mährenb ber ©fei, melier hinten am guhrmert angebunben mar,
feinen Stricf gerrifj unb Iangfam gur (Stabt gurücftrabte.
Sa bie Sonne bereits ftar! im üßiebergehen begriffen mar, unb ich befürchtete,
faßS ih mich länger auf unfere ©jrtrapoft berliefje, fpät in ber ßtaht nah Vir¬
gin Vap gu fommen, fo befhlofc ich/ bie Stredfe nach bem nur noch ein paar
ßßeilen entfernten “half way house” gu gujj gurücfgulegen unb mir bort mo
möglich ein gutes ßteitpferb gu berfhaffen. SaS SEetter mar ^errlic^ unb
burdjauS nicht übermäbig marm. Sie ßlegengeit, melhe erft feit einigen
SEohen vorüber mar, lieb bie Vegetation noch im herrlichften ©rün prangen,
unb ein lühler Seeminb raufchte burch ben bunflen SEalb. Sie Sanbftrafje mar
beffer als ich ermartet, unb an Unterhaltung untermegS fehlte es nicht, ba
fomohl ©ingeborne als Vaftagiere faft fortmährenb im mßben Surheinanber
bei mir borbeifprengten.
2Bie ich, rüftig bormärts marfchirenb, bie SBafterfh*ibe jmifchen bem
Stißen Vteere unb bem See Nicaragua erftiegen hatte, gemährte ih plöfclih
bie gemaltige ßegelfuppe beS VulcanS Omotepec, ber, bon ber Slbenbfonne
bergolbet, majeftätifh über bie grünen Vauntmipfel in ben blauen Slether ragte.
©S mar ein herrliches Schaufpiel, eingig in feiner 2lrt, unb !am fo unermartet,
bab ich/ i« Vermunberung berfunfen, mohl eine Viertelftunbe lang mie ange*
mauert ftehen blieb. Selbft in ber an übermältigenben Scenerieen fo reichen
Schmeig habe ich nichts Schöneres gefehen.
gm “half way house” miethete ich nitr, nachbem ich mich bafelbft §u*
bor mit einer Safte bezüglicher ©hocolabe geftärlt, für anberthalb SoßarS eine
feurige ßtoginante, auf ber ich halb mohlgernuth meiter ritt, ©ang unermartet
überrafchte mich bereits nach einer guten halben Stunbe bie flacht, melhe in
biefem Vreitengrabe fehr fhneß hereinbricht.
Ser ßUtt bom “half way house” nach Virgin Vap, gang aßein unb
unbemaffnet mie ich mar, in buntler stacht unb in einem fremben, nur halb
cibilifirten Sanbe, mar einer ber untlugften Streiche, melche ich mir je in
meinem Sehen habe gu Schulben tommen laften. OefterS begegneten mir ©in*
geborne, bie halb betrunten maren unb mit ihren brittehalb gufj langen Vteffern
fehr berbächtig auSfahen. ©iner berfelben machte ben Verfuch, meinem Vferbe
in ben Sügel gu fallen, unb gog, als ich mit einem gemichtigen Stricf, ben ich
als Veitfche benupte, nah ihm ausholte, brohenb fein 2ßefter. Soh fam ih
mit bem bloften Schweden babon, ba mein Shluhtrofj halb im ©aßopp bon
meinem SEiberfaher fortfprengte. Smifhen ben bunflen Vüfhen glängten
öfters bie Sichter bon Srinfftänben, bei benen ih mich jeboh niht aufhielt,
fonbem mein 9lof$ unbarmhergig antrieb, um mo möglich eine mir etma boran*
gegangene SReifegefeDfhaft einguholen.
grob mar ih/ halb barauf mit einer ©efeßfhaft bon fehS ©altforntern
gufammengutreffen, melhe an einem ber Srinfftdnbe $alt gemäht hatten, ge*
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528
tnaprte jeboh ju meinem nicht getingen Slerger, bafe biefetben in leineSmegS
nüchternem 3 uftanbe maren unb alfo fepr flechte Dteifebegleitet fein mürben.
3h liefe nt« ein ©laS aguardiente reifen nnb mollte allein meiter reiten,
als ein Bon mit nicht bemertter, breioiertel angetrunfener IDleftije pW|li<b biept
Bot mir im ©rafe einen ßriegSgefang anftimmte, ber meine Stojinante fo fefer
aufeer Raffung braute, bafe fie mit beiben Hinterbeinen auf einmal auSfcplug —
gerabe in ben Srinlftanb hinein, Dlacp rehts unb nach linfs, burepeinanbet
hin flogen ©läfer unb glafcpen, Orangen, SBactmerf, docoSnüffe unb SBananen,
unb fort fprengte mein ©aul, Bon ben carachos ber ihre IWeffer fhmingen»
gen dingebornen Berfolgt. SBon SBormperjigleit meinerfeitS gegen meine Dio*
jinante mar natürlich feine Diebe, unb munbere i<p mich nur, bafe ich fte nicht
3 « SCobe geprügelt.
SSalb mar ich toieber allein im ginftern unb begegnete Bon fegt an nur
noch einigen 3«gen Bon SDluleteerS, bie mit ihren Spieren Bon SBirgin SBap
nach San 3uan jurüdleprten.
SDleine SfSpantafie beoölferte bie bunflen SBüfcpe rechte unb linfs an ber
Sanbftrafee mit ben ©hatten fdmpfenbet glibuftier, unb man her fepmanfenbe,
naefte Slft napm bie ©eftalt eines rieftgen DieiterS an, ber fiep mir bropenb ent»
gegenfteHte. 3h fprengte hier über gefhihtlihen SBoben, ben SBalfer mit feinen
milben glibuftiern, Dlicaraguer, ©uatemaler unb (Sofia Diicaner, fiep mieber
unb mieber ftreitig gemäht patten. Sort hinter jener Slnpöpe lagen Bielleiht
bie Bermegenen ©<parff<pü|en, melhe mit fiherem Sluge unb fefter $anb ben
Sob aus ihren langen DiifleS in bie Dieipen beS jepnfaep überlegenen geinbeS
fanbten, melhe ben Ärieg aus Suft 3 um Dtbentpeuerticpen trieben, jenem fütanne
blinblingS gepotepenb, ber ein neues ©flaBenreih in dentral»2lmerifa grünben
mollte.
©hon bamalS mürben bie ©aaten ju bem SBürgerlriege gefäet, -ber in ben
le|ten Bier 3apren bie glurert beS fonnigen ©übenS mit SBlutlacpen getränft
pat. Unoerpoplenfprah eS fhon Sffiatfer aus*), bafe bie ©flaBerei, eingebdmmt,
halb in fth felbft Bergepen muffe, bafe bem ©üben, ber ßanfaS Berloren, nur
bie Sffiapl bleibe, fih nah bem Sropenlreife pin auSjubepnen, ober bem Diorben
über fürs ober lang 3 U unterliegen.
®oh ein gerechtes ©hüfal pat ben ftann ereilt, ber unter nihtigen
SBormänben bie gluren beS perrlihen Dlicaragua mit bem SBlute feiner üinber
tränlte; unb ber fonnige ©üben, ju beffen SBorfdmpfer er fth aufmarf, menig
San! mirb er eS ipm miffen, bafe er juerft mit bie gurien beS SBürgerlriegeS
entfeffelte, melcp« feinen SBoplftanb Bernihtete unb fein PlüpenbeS unb meiteS
Sffeih mit ben bleicpenben ©ebeinen feiner © 6 pne unb ben Dhtinen feiner
©täbte unb SEBopnungen überfäete.
grop mar ich/ als ich bie Sichter Bon SBirgin 93ap Bor mir erblicfte unb
bie SBranbung beS napen ©eeS burep bie ftille 9lacpt jn mir perübertönte.
*) The war in Nicaragua, written by General William Walker* Mobile 1860.
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Sachbem i<h mein treue? Soft an ben erften heften Saum gebunben unb bort
feinem Schidfal überlaffen, manberte i<h junäcbft burch bie mit bell erleuchteten
©üben, Store? unb £otel? befe^te unb mit lärmenben ©affagieren unb ©nge»
bornen angefülite lange gauptftrafe be? Ort? nach bem See, um mich an ©otb
be? Stampfer? ju begeben unb bie Stunbe feiner Slbfahrt au?julunbf(haften.
Slm unteren ©nbe eine? langen unb ftattlicben £otjguai?, an bem bet See mit
mutigen SBetten binbrauf’te, fanb ich unfern Stampfer, ber jcbocf) burchau?
leine Sfoftalten jur balbigen Slbteife jeigte. Set Sage?anbru<h toar auch
offenbar hieran gar ni<ht ju benten, ba noch mamhe Stunbe »ergehen muhte/
hi? ba? jahlreidhe ©epdd ber ©ajfagiere anlangen mürbe.
3«b begab mich baher halb mieber in bie Stabt, um bafelbft bie Slnfunft
ber ©epädmagen abjumarten. Sta? lebhafte ©etreibe bafelbft mährenb ber
Sadjt mar fehr unterhaltenb. Sille gefm Minuten langte eine neue ©efeüfchaft
»on ©affagieren »on San guan an, beten ©tfebeinen jebe?mal mit bem
Slingeln unjähliger ©loden unb bem betdubenben ©etöfe ber ©ong? be«
grüjjt mürbe, mornit bie hungrigen ©äfte »on ben ©eroohnern be? »3ung«
frauen-fjafen?" jum Slbenbmahl eingelaben mürben. Sin »ergebenen
Päfceu hatten ftch ©efellf<baften im greien gelagert, melche heitere ©efdnge
»ortrugen. ©ne Slbtheilung SJeutfcher marfefeirte bie £auptftrahe be? Ort?
fmgenb auf unb ab unb erntete ungemeffenen ©eifaü bur<h ihren fräftigen,
»ierftimmigen ©tännergefang, melCher »on bem bumpfen ©aufdjen ber nahen
©ranbung begleitet mürbe.
Sin einem Sifcße, mo »on bunleläugigen Sicaragua«Schönen ©hocotabe
au?gef<hentt marb, nahm ich ©tafc unb beobachtete ba? mich umgebenbe fremb«
artige Sreiben. 3)ie feurigen Slugen, bie regelmäßigen @efi<bt? 3 üge unb ber
f<höne Sßuch? ber Sßchter Sicaragua?, mel<he faft ohne 3lu?nahme etma? fehr
©innehmenbe? fomohl in ©enehmen al? Sleibung hatten, intereffirten mi<h faft
no<h mehr al? bie romantif<h«milbe Umgebung be? Orte?. S)ie f<hßnfte bet
Schönen »on ©itgin Sap »erfah an meinem SifCße ihr Slmt al? ©lunbfchenl
mit fo uiel natürlicher ©rajie, bah ich mich bemogen fühlte, mehrere Soffen
ganj »orjüglicßer Gßocotabe ju trinlen, um nur etma? Idnger in ihrer Sähe »et«
meilen ju fßnnen.
©in infetnalifdjer Särm, ber plßfcliih au? einer ber nahen ©üben erfchoK,
mohin »on allen Seiten mie auf ein gegebene? Signal eine biente ©lenfehen«
menge ftrßmte, bemog mich jeboch, meine ©hocolabe«Spenberin, obgleich un»
gern, ju »erlajfen, um mi<h na<h ber Urfache beffelben ju erlunbigen. ßr
lam au? einer ber »ielen Spielbuben, mo ben ©affagieren mit genialem fpa«
jarbfpiet ihr überflüffige? 9teife«Sleingetb abgenommen mürbe, ©n ©alifor«
nier, ber foeben aChtbunbert Eoltar? »erloren hatte, liagte ben Sanlhalter be?
Scßminbel? an unb fluchte mie nur ein bieberer ©olbgräber ju fluchen »erftebt,
obgleich feine Sungenanftrengung ihm offenbar ju nicht? nüfcte.
Slieauf bem gfthmu? üblidhen ^ajarbfpiele roerben theil? mit Sorten,
heil? mit gingerhüten gefpielt.
üi?__5
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3unt totenfpiel werben brci harten gebraust. . Star S3anfhalter legt fte
guerft alle brei offen bor fich bi«/ fte alSbann unb legt fte gulefct berbedt
bor fnh auf ben $ifch, unb tuet Suft bat, mag wetten, ob er eine ber brei to*
ten nennen lann. Star 93anfhalter macht mit SBorbebacht wie gufällig SRcrfmale
an ben harten, biegt bie (Eden um, bejeic^net fte mit gierten ober begleichen, fo
bab bie 3uf<hauer, welche biefe 3eidtatt bemerlt haben, fcbwören, fte mijfen gang
genau bie tote, welche fte nennen follen. Stber gerabe biefe 3eicben, welche
ber Spieler gefdjidt unb unbemerlt beränbert, ftnb baS Skrführerijche beim
Spiel, unb ber 33anfhalter, ber fo wie fo immer auf gwei gegen eine tote
wettet, gewinnt faft immer.
StaS gingerhutfpiel wirb nach berfelben Theorie mit brei gingerhüten ge*
fpielt, meiftenS. auf einem ber ßntee beS mit ber ebrlichften SRiene
bon ber SEelt ba ftfcenben gingerhut*53efifcerS. S)iefer rollt ein Heines ßügel*
eben mit fabelhafter ©efdjwinbigfeit halb unter ben einen, halb unter ben
anbern gingerhut unb labt eS gulefct unter einem berfelben liegen. S)ie meiften
ber 3uf<hauer nun glauben gang beftimmt, ben gingerhut nennen gu fönnen,
unter bem baS Kügelchen berfchwunben ift. (ES gewinnt aber Stiemanb, auber
ber gingerhut*Spieler labt ^emanben mit SBillen ein paar 2Ral ben richtigen
gingerhut treffen, um ihn hifcig gu machen, auf bab er hach fpiele. (ES ift für
ben Spieler ein Seichtes, bie jfugel beim Stufbeben beS gingerbuts berfchwinben
gu laffen, unb ber betrug babei ift fo offenbar, bab eS SBunber nimmt, wie fich
3emanb berleiten laffen fann, fein ©elb fo fortguwerfen.
3<b erwähne biefe Spiele hier weil bietteicht (Einer ober ber Stnbere, bem
biefe 3eilen gu ©eftebte fontmen, einmal über ben 3f*hmuS bon Nicaragua
reifen fönnte unb bor biefen Schwinblern auf ber «ßut fei, welche fdjon manchen
arglofen ©olbtouriften um feine in ben SRinen fauer erworbenen Dollars ge*
bracht haben. Unfer californifcher greunb, ber feine achthunbert Dollars unter
bem gingerhut berloren, fuhr fort, folch einen Höllenlärm gu machen unb babei
einen gefabenen [Rebolber, ben ginger am Brüder unb bie SRünbung gegen
ben gingerhut*toftler gerichtet, fo unborftchtig in ber$anbgu halten, babbiefer
eS für rathfam fanb, mit feinem [Raube auf turge fttit bont Schauplafce feiner
3nbuftrie in ber S)unfelheit gu berfchwinben. (Er war jeboch halb wieber ba,
unb mub, nach bem ©ebränge unb ben SSerwünfchungen ber Umftehenben gu
urtbeilen, noch manchen Dollar bis SRitternadjt mit feinen gingerhüten ber*
bient haben.
©egen SRitternacht melbeten ft<h enblich bie ©epärtwagen mit ihren frei*
fchenben [Räbern, unb fuhren langfam burch bie Stabt nach bem Stampfer.
3<h folgte ihnen alsbalb, um meines HanbgepädS nicht berluftig gu werben.
S)iefeS würbe bon ben SBagen in wilbem S5urdheinanber auf ben Ouai gewor*
fen, unb 3*ber mubte für baS feinige forgen unb Steht geben, bab ihm nichts
abhanben lomme. S)a bie £ranfit*(Eompagnie, wie bereits früher bemerft, fldh
nicht für Heinere ^artete berantwortlich hält unb an Spifcbuben eben lein
•äRangel war, fo hatte ich gegrünbete Urfache, für mein broenloS geworbenes
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Palife beforgt &u feilt. 3$ toar jeboch fo glüdlich, baffelbe halb int ©ebränge
ju echafchen, unb mar froh, alg ich eg unoerlept an Porb gebraut, mo mehrere
meiner 2 Jtitreifenben, benen ihre üJlantelfdde entmeber aufgefchnitten ober gar
unftchtbar gemorben maren, laut lamentirten.
Sa bereite ade Schlafftellen auf bem Dampfer mit Pefchlag belegt maren,
fo fud^te ich mir ein dtuhepldfcchen auf bem Ouarterbed, mo ich eg mir auf ben
♦Wen Brettern ben llmftdnben nach bequem machte, um bort bag Signal jur
Slbreife in ©ebulb abjumarten.
2Bie herrlich bie laue Sropennacht bort auf bem hoben Perbed beg üftica*
ragua*Sampferg! Sunfel bor mir hob fiep bie gemaltige ßegelfuppe beg Söul*
cang Omotepec aug ben Sogen beg Seeg in bie blaue gerne, unb barüber
gldn^te in Semantpracpt bag ßreu$ beg Subeng in einem ©emirr golbener
Sterne; aug ber Stabt herüber tönten baterlanbifcpe ©efange, unb unter mir
räufelte ber See mir ein Schlummerlieb. 2Bie ich halb traumenb in bie licht*
bdmmernbe gerne hinaugblidte, hob ftd? bom «^orijont im SRorboft plöfclid) eine
blenbenb*glüf>enbe geuertugel, beren fepeinbarer Surcpmeffer bem ber unter ge*
benben Sonne gleich fant. Sangfam erftieg bag Meteor ben Benitp beg fternen*
befdeten ©emölbeg, mo eg plöfclich erlofcp. SBar eg eine* irrenbe ÜEßelt, melcpe,
aug ben unbefannten Siefen beg tgimmelg fommenb, bie Papn unfereg ©rb*
ballg getreust unb, bon beffen Sltntofphdre entjünbet, plöfclich einen geuertob
gefunben? Ober mar eg eine Schöpfung unsrer ©rbe, eing bon jenen uner*
flärbaren eleftrifcben Phänomenen, meld^e, mie bag 9torbli<ht an ben ©rennen'
unfereg Suftfreifeg, ein luqeg, aber blenbenbeg Safein feiern ? DJtir mar eg ein
leucptenber £immel^bote, melcper mir einen ©rufj gebraut über Sdnber unb
Ütteere bon ben Sieben beg fernen Paterlanbeg.
Unbermerlt marb ich im ©eifte ber ©egenmart entrüdt, unb Paterlanb
unb Sropenmelt füllten benfelben mit Bauberbilbern, big plöplicp bag f(hrille
Signal beg Sampferg mich aug einem turjen Schlummer auffepredte, unb alg
bag ßreuj beg Sübeng in bdmmernber ättorgenftunbe erbleichte unb ftch bie
©ebirggufer beg Seeg beutlicher geigten, fmgejt bie fRaber beg Sampferg an,
ftch braufenb &u brehen; hinaug ging’g in bie mogenbe gerne, unb neue Pilber
entrollten ftch oor meinen Pliden.
Ser jefct auggebrannte Pulcan Omotepec, melden ich bereitg Sagg gubor
bon ber Sanbftra&e jmifchen San %mn unb Pirgin Pap bemunbert hatte, 30 g
nebft bem neben ihm ftehenben, etmag niebrigeren 9Jtabeira mehr alg alleg
Slitbere meine 2 lufmer!famfeit auf ftch. $ie regelmdfjige ßegelform biefer ©e*
fchmifterberge, melche bon faft allen Punlten beg Bflpmug unb fogar bom
Stillen UReere aug beutlicb gef eben merben, unb bie ftch bireft aug bem
Schoofse beg Seeg Nicaragua in ben blauen Slether erheben, mar
eingig in ihrer 2 lrt. Schredlich fchön mu& bag Schaufpiel geuefen
fein, menn biefe Perge, mit glühenben Sababdnbern gefepmüdt unb
bon milbtochenben 2 Bogen umbrauf t, ihre bampfenben $dupter mie $mei prnige
Sitanenföpne über bem feuerfarbenen See hoch in ben ftnftern Stoffen fcpüttel*
^Google
532
ten, unb mit höllifd&em Slthem Dlfche unb Eluthmaffen bom Stillen DJteere bil
jur Earaibifchen See über ben jittemben Sfthmul aulfdbütteten. Dlber jene
feiten bei Schrecfenl liegen in buntler Sergangenheit; DJtit feinem Smillingl*
bruber, bem DJtabeira, auf biefelbe 3 >nfel gebaut, liegt ber Dmotepec jept frieb*
lid& ba im Sdhoo&e blauer ©eilen, unb nur noch bie ©ah^eidhen alter Sana*
ftrome, meldhe in fchmarjen gureben bie grünen Dlbhänge biefer Jtegelbergriefen
burdbjicben, mahnen an bie ^odifdben geuer, mel<he unter ihren ©runbbeften
fdhlummern.
Sie aahtreidben Tukane, meldhe ftdb am Stillen DJteere entlang in faft
geraber Sinie bon ber Sai bon gonfecabil 3 U ber bon Dticopa hinjiehen, bilben
nddbft ben groben 3nlanb*Seen — DJtanagua unb Nicaragua — bal £aupt*
dbaralterifticum ber Sobenformation bei Staatei Nicaragua. Seit ber Beit
ber fpanifdhen Eroberung fmb jahlreidbe feuerfpeienbe Serge bort abmedpfelnb
mehr ober minber in Shätigfeit gemefen; gegenmärtig fdbeinen fie jebodh, mit
Slulnahme ber Sulcane oon DJtafapa, Eofeguina, DJtomotombo unb Orofi,
fdmmtlidb erlofdhen 3 U fein*
3ur Beit ber fpanifdhen Eroberung mar ber Sulcan bon DJtafapa, bamal!
bie §ölle bon DJtafapa genannt, ber Sdbrecfen bei Sanbel* 3m 3ahre 1670
fanb ein Dlulbrudh ftatt, bei bem ein Sabaftrom burdb ben nörblidben Abhang
bei Sulcanl bra<h unb faft jman^ig Steilen meit, bi! in bie üRabe bei Seel
DJtanagua, burdb’l Sanb mogte. ©egenmärtig lreu 3 t bie Sanbftrafje, meldhe
bon ©ranaba nach Seon führt, biefel Sabafelb, bal mit feinen 3 erriffenen, pedh*
fdhmar 3 en Sabamaffen, bie in rieftgen tafeln unb Stödten regeUol über unb
burdh einanber baliegen, einen fchredflidh milben Dlnblidt gemdhrt, mie bie leb*
haftefte ^h^ntajie ihn fich faurn fd&redhafter aulmalen fönnte. Solch eine
dhaotifdhe £aba*©üfte, gelegen inmitten ber reiften Sropennatur, mufe bem
Sefdhauer ein Silb entfefclich graufiger Serlaffenheit in bie Seele malen. —
Seit ber 3eü biefel Dlulbrudh! ift ber Sulcan öfter! in Shätigleit gemefen, bal
lefcte DJtal im Bahre 1857, all er ungeheure DJtaffen bon Sanb unb Dlfche au!
feinem Krater fcbleuberte.
Ser Äulbrudh bei Sulcan! bon Eofeguina im 3ahre 1863 mar einer
ber fchredtlidhften in ben DInnalen bultanifcher Eruptionen. Er begann am 30.
Sanuar unb bauerte ununterbrochen brei Sage unb Dtddbte lang. Solch
ungeheure DJtaffen bon Dlfdhe unb Sanb mürben au! bem Krater emporge*
fdhleubert, ber pedhfdhmaqe Dtaudhmolten bärnonifcp meit unb breit burdh bie
Suft rollte, bafc bie Sonne bil auf eine Entfernung bon hunbert DJteilen gänj*
lidh berfinftert mar. Stauer bon Sanb fielen auf einem Surdhmeffer bon
fünfjehn hunbert DJteilen, in Samaica, Santa g© bc Sogata unb DJteyüo, unb
ein Schiff fegelte 3 ur felben B^it eine Stredte bon fünfzig Segual burep
fdhmimmenbe DJtaffen bon Simlftein, meldhe bie Oberfläche bei ©affer! buch*
ftdbüdh berbedtten. Ser Sonner ber Ei^lofionen mar in einer Entfernung bon
adhthunbert DJteilen beutlich 3 U hören. Dlm bietten Sage trat bie Dtupe ebenfo
plöölich mieber ein, mie ber Dlulbrudp unermartet gefommen mar, unb feit jener
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533
3eit geben nur nodb bte bin unb triebet feinen ©ipfel umflattemben Maudbzol*
fen ein Bcuftat, baß bet Briefe nut fdblummert.
Sozoßl bet SSulcan 2Jtomotombo, als bet am füblidben Ufet beS SeeS ge*
legene, 8650 guß hohe SSuIcan Oroft, fmb beut gu Sage in unauSgefefcter
Sßätigfeit.
Slufeet ben genannten Tukanen giebt es «gunberte ron ausgebrannten
firatern in ben bergen, treibe, ron rerbrannten gelSmaffen eingefdbloffen unb
öfters mit SBajfet gefüllt, alSbann Keine Sanbfeen bilben. Ser ni(bt unbe*
beutenbe See ron ÜPiafa^a ift einet biefet ßrater*Seen DftcaraguaS. Sein
Sanb bet ©rbe — bie gnfel gslanb etza ausgenommen — geigt fo t>iel e
ÜDterfmale rulcanifdber Sßätigfeit, zie bet fcbmale Sanbftreifen in üfticaragua,
zeldber ftdb gzifeßen feinen SBinnenfeen unb bem Stillen DJteere bingiebt.'
Ser See üftkaragua, auf bem zir biufubren, bet ©ocibolca bet Uretn*
zoßner, bat eine Sänge ron 110 unb eine SurdbfdbnittSbreite ron 35 engli*
fd?en ülteilen. Sie SBaffet bejfelben nehmen gegen bie Ufer bin allmälig an
Siefe ab, unb nut an trenigen Stellen ionnett gröbere Sdbiffe lanben. Sodb
ift feine SurdbfdbnittStiefe für bie Schifffahrt rollfommen genügenb. SBor bem
Ausfluß beS San guan ift bie Siefe nur ron fünf bis gu gehn guß, an
anbetn Stellen bagegen riergig gaben. ©S ift biefer See rtelleicbt bet fdbönfte
bet Sanbfeen SlmetifaS. Sie in regelmäßiger jfegelform ftcb aus feinem Sdbooße
emporbebenben SBulcane Dmotepec unb üftabeira, bie mit 2Balb bebedften ©e*
birgSlanbe, zeldße fein füblidbeS Ufer umirängen, fotrie bie an feine nörblidße
$üfte fidb lebnenben zellenförmigen grünen Sarannen, bie $eimatb ungäb*
liger iftinberbeerben, bie gablreidßen grünen gnfeln, zeldbe aus feinem Karen
Spiegel emportaueben, unb bte ftdb überall bis hart an’S SBaffet btängenbe
reidbe tropifdbe Vegetation entgüdfen baS 2luge rurd? ihre ntannidbfaltigen, rna*
lerifdben ©ruppirungen.
2im füblidben Ufer beS SeeS lag bie ehemals bebeutenbe, ron $ernanbeg
be ©orbora im gaßre 1522 gegrünbete unb auf Vefeßl SBalferS im Oftober
1856 gerftörte Stabt ©ranaba, einft bie «JpauptßanbelSftabt üfticaraguaS. gm
fiebgebnten gabtbunbert Zar ©ranaba eine ber bebeutenbften Stäbte beS fpani*
feßen Slmerifa. ©S führte einen bireken Raubet mit (Guatemala, §onburaS
unb San Salrabot, mit $eru, Manama, ©artßagena unb Spanien, ©in
bamals baS Sanb bereifenber englifeber ÜDtöndb mit tarnen ©age ergäblt, baß et
an einem Sage adbtgebnbunbert mit gnbigo, ©ocßenille unb häuten belabene
fDtaulefel in bie Stabt gießen fab, unb baß gzei Sage barauf ziehet neunßun*
bert Vadftßiere bafelbft anlangten, ron benen bet britte Sßeil mit ©olb unb
Silber — Sribut beS Königs — belaben zat. 2llS ©eneral §enningfen, bet
unter Malier ein ©ommanbo führte, bie Stabt, zelcße bie glibuftier nidbt gu
halten rermodbten, gerftörte, betrug ihre Verölfetung nodb an fünfgeßn Saufenb
Seelen. ©S befanben ftdb 3 U ber 3eit unter anbern ßerrorragenben ©ebäu*
liebfeiten fteben $ir<ßen, ein «gofpital unb eine Unirerfttät in ber Stabt.
gn ihrer üftäbe tritt ber fegt ausgebrannte, 4480 guß hohe Vulcan ron
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3ftomba<bo fdjarf in bie ©emäffer beg Seeg, aug bern ftdj ihm §u güfjcn ©rup*
pen unseliger Heiner Qnfeln — Sog ©cralcg — in ©eftalt grüner ßegel, bon
Jtoangig big 31 t ^unbert gub $öhe, bie bulcanifchen Urfprung haben, empor*
brdngen.
2ln bemfelben Ufer mit ©ranaba, aber bicr$ig teilen babon entfernt,
liegt bie alte Stabt IRibag, eine ber bebeutenbften Stabte Nicaragua«, mcldhe
mie ©ranaba ber Sdjauplap mehrerer ber beftigften gtibuftier=£dmpfe mar.
3 n ihren dauern mürbe bag ©nbe beg glibuftier*$ramag gefpielt, alg Sßalfer
mit bem S^efte feiner ÜDiannfchaft an ben bereinigten Staaten glottencomman*
beur «§♦ S)abig capitulirte.
Ser £anbel üfticaraguag hat feit ber Vertreibung ber Spanier an be*
beutnng ungeheuer berloren. Saffelbe Sdhaufpiel hat ft(h hie* mie in faft
allen ehemalig fpanifdb*amerifantf<ben ©clonieen mieberholt. Sie bebolle*
rung — jum größten Sheil eine EDtifcfylinggrace — hat ft<h, naibem fte ft<h
nur einmal im befreiungg!ampfe ermannt, barauf mieber ganj ber ihr ange*
bornen Trägheit ergeben, unb bie ebemalg fo blühenben Stabte biefer Sdnber
ftnb aliefammt mehr ober minber in berfall gerathen. Sie ^auptftabt beg
Sanbeg, bag einft fo blühenbe Seon, gur $t\t ber fpanifchen «£>errf<haft eine
Stabt bon Sßaldften, ift gegenmdrtig ein mahveg Sammerbilb beg berfallg.
fHeoolutionen, mel(he geuerebrünfte unb ^lünberungen im ©efolge hatten,
haben ben ehemaligen ©lan§ ber Stabt jerftört. ©an$e Strafen ftnb berlaffen
unb mit Straubem unb Unfvaut übermachfen, aug benen bie Ueberrefte in
Staub ftnfenber Vradbtgebdube traurig h^borragen. innerhalb ftoljer 2)lar*
ntorhöfe ftehen elenbe fHohrhütten, unb bie prächtige ßathebrale ift ringgum
bon ben Ruinen ehemaliger Valdfte umgeben.
So bermerflich audh bie fpanif<be Sprannei tit biefen Säubern gemefen ift,
eg bleibt eine unmiberlegliche Shatfache — alle größeren Unternehmungen, fei eg
in Veförberung bon SBiffenfdhaften unb fünften ober im «£>anbel 0 per in 2ln*
lagen grobartiger bauten, bon Senfmdlern, Straben, Vtabucten, labern 2 c.
febreiben fuh aug ber ber fpanifchen §errf<haft her. Sie untergeorbneten
Diacen fcheitten ber gührung einer höher begabten nicht entbehren ju fönnen,
um ber auf bem ganjen ©rbball mit fRiefenfchritten borf<hteitenben ©ultur ju
folgen. üRidjt einmal möglich ift eg ihnen gemefen, auf bem Stanbpunft be*
reitg errungener ©ultur ftehen ju bleiben, obroohl bie gefegnetften ©rbftriche ih*
nen jugehören*
2
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P« futa int jSonnenfoftcm.
Aach A. Aabcm »on »Ictor CSrnft.
3>n aßen Steigen ber Sißenfchaft begegnen mir ber fieberhaften Ungebulb,
mit meiner bie jefcige ©eneration fleh neue Aufgaben fteßt unb roß ebten Sett«
eiferg bie uorgerüdte ^ßofttion im Sturme nimmt. 2)ie Bbhßt, bie ©bernie unb
bie ^ßbhfiotogie Derbanten ihre größten ©ntbedungen unb fünften Erfolge
ntinbefteng ebenfo febr bem tübnen Auffchmung ber fie beberrfebenbeh aßge*
meinen Sbeen, mie ber ©enauigfeit angefteßter Beobachtungen. 2)ie Aftrono*
mie folgt biefem Qrnpulg. $ag £elegtop genügt ihr nicht mehr, unb in ber
matbematifeben Säuberung bemächtigt fie fleh eineg neuen unb gemaltigen
Btittelg gur $5urchforfcbung beg Seltaßg. S<hon ift eg geftattet, Don einer
Aftronomie beg Unbetannten gu fprechen; Planeten, melche nie ein Augeerblidt,
Sterne, bereu fcbma(beg Sicht bem Spaberblid ber Aftronomen entgangen mar,
mürben auf bem Sege ber Berechnung erft geahnt, bann entfcbleiert. 2)ie Be«
obaebtung tonnte bem burch bie Berechnung mit Sicherheit Belichteten nur
noch Die Seihe ber Beftdtigung ertheilen.
©ine folcbe ©ntbedung, meldje noch biefer Seihe harrt, befchdftigt feit
einigen fahren bie gelehrte Seit. Bad? ben Berechnungen £e Berrier’g eyiftirt
in ben Bemegungen beg Btercur eine Eieine Unregelmdjjigteit, melche fleh Der«
mittelft ber betannten Grafte nicht erflären labt. 3>er planet rüdt in feinem
Umlauf mie eine fehlest regulirte Uhr Dor; feine Bahn ift einer fortmdbrenben
Abmeicbung untermorfen, gu melcher Benug, ©rbe, Biarg, 3upiter unb bie an«
bem betannten Planeten fein Seitenftüd bieten. 3Daraug muß gefchloßen mer«
ben, baß ftch in unmittelbarer Babe ber Sonne planetarifcbe Anhäufungen,
kugeln ober Biitge befinben, beren Angiebunggfraft bem Btercur auf feiner
Bahn hnberlich tft. $iefe noch unbetannten Planeten ober planetarifchen
Blaßen mürben fomit, menn entbedt, fo gu fagen eine Süde im Sonnenfpftem
augfüßen; fte mürben bie Harmonie ber Berechnung unb Beobachtung big in
bie tleinften Detail« oeruoßftdnbigen. ©g möchte nicht unintereßant fein, turg
bie galle befahlen, in melchen bereite heute bie Befultate beg ©eoanteng
burch bie ©ntbedung beftätigt morben ftnb. Schön hat unfer Schiller bag Ber«
haltnifc gmifchen bem Bienfchengeift unb ber Batur in ben Sorten bezeichnet;
„Blit bem ©eniug fteht bie Batur im emigen Bunbe; mag ber eine bespricht,
halt bie anbre gemifc."
®e Alten tannten nur fünf Blaneten: Blercur, Benug, Btarg, Jupiter
unb Saturn, gu melchen im Btolomdifchen Spftern noch 6onne unb Blonb ge«
fügt mürben, um fleh mit ben übrigen um bie ©rbe gu breben. 3ebo<h lafct
ftch bie 3bee einer Btenge non Sanbelfternen, ebenfo mie bie ber ©rbuntbre«
bung, big ing graue Alterthum Perfolgen. Schon ein ^ahrhunbert Dor
©hrifU ©eburt behauptete Artemibor aug ©phefug, bie Angahl ber Blaneten
\z\ unenblich, unb 2)emocrit fagte, eg gebe mehr Planeten alg ung ftchtbar
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feien. Slber erft bureb flehtet gemann biefe Behauptung Eonftftens unb trat
in faßbarer ©eftalt aug bem Greife ba ger Behauptungen berbor.
Surcb freilich noch febr imtlare t^eoretifd^e Spefulationen geleitet, ftetlte
biefer grobe Slftronom bie Behauptung auf, eg müffe ficb jmifeben Marg unb
Jupiter ein unbefannter planet befinben, um bie ^mifd^en jenen Sternen febein*
bar beftebenbe Sftcfe augsufiißen. Siefe £ppotbefe mürbe jeboeb mit folcber
Ungunft aufgenommen, bab er felbft fte mieber fallen lieb. Mit befonberer
*&eftigfeit proteftirte Si^i, ein florentinifd^er Slftronom, gegen biefe Soctrin. Eg
giebt, fagte er, nur fteben £ö<ber im £opf, $mei Slugen, jmei Obren, jmei ÜRa*
fenlocber unb ben Munb; eg giebt nur fteben Metalle, nur fteben Sage bat bie
Sffiocbe, unb nur fteben Planeten famt eg geben. Biel fpater hielt fogarberBhi*
lofopb ßant eg noch für feine $fli<bt, ^u erfldren, megbalb eg feine Planeten
jmifeben Marg unb Jupiter geben fönne. 3m Slnfang ber Singe, fagte er,
Sog ber 3upiter alle nebelhaften Maffen ju ft<b betan, melcbe ben Planeten
jmifeben beiben batten bilben follte. Slug bemfelben ©runbe blieb ber Marg
fo Hein unb befam feinen Monb; ber folojfale 3upiter entriß ihm einen Sbeil
feineg Urftoffg.
Slber bennodb lieb bie 3bee ßepplerg ben ©elebrten feine Stube. Sambert
lenfte mieberum bie Slufmerffamfeit ber Slftronomen auf bie febeinbare Süde
Stoifdben Marg unb 3upiter. Ser Brofeffor Sittug entbeefte ein ©efe^, ober,
toenn man bag lieber miß, eine auffallenbe Slnalogie, melcbe ber beftebenben
Bermutbung ju^ülfe §u fommen febien. (Sr bilbete nämlicb folgenbe 3abienreibe,
morin jebe 3iffer (bie SM abgerechnet) bag Soppelte ber borbergebenben re*
prdfentirt: 0, 3, 6, 12, 24, 48, 96. 3?ber bon biefen 4 binjufügenb, er*
hielt er folgenbe Steibe: 4, 7, 10, 16, 28, 52, 100. Sie smei erften Bahlen
entfpracben, mie bie 6te unb 7te, ber Entfernung ber fed^g §ur 3eitÄepplerg be*
fannten Blaneten bon ber Sonne, mobei man ftcb unter jeber Einheit eine Mil*
lion beutfeber Meilen benfen mub. 4 reprafentirte Mercur, 7 Benug, 10
Erbe, 16 Marg, 52 Jupiter, 100 Saturn. Slber für 28 mar feine Bertretung
borbanben, unb baber bie $ppotbefe, bafj an ber betreffenben Steße noch ein
unbefannter Blanet ejiftiren müffe.
Sieg Sitiug'fche ©efefe mürbe bom Slftronomen Bobe, Sireftor beg Ob*
ferbatoriumg ju Berlin, fo marm ergriffen unb fo biel befproeben, bafj man
ihn am Enbe für ben Urheber beffelben hielt unb bie 3ablenreibe nach ihm be*
nannte. Eine gan$ unermartete Betätigung lieferte im 3ab« 1781 bie Ent*
bedfung beg Uranug bureb SBißiam «gerfcbel, benn biefer Blanet ift 196 beutfebe
Meilen bon ber Sonne entfernt, entfpriebt alfo genau bem angegebenen Ber*
bdltnifj. $ie Ueber^eugung ftanb jefct fo feft, bat Salanbe im 3ab*e 1796
einen Berein bon 24 Slftronomen bilbete, bon benen 3eber ben bierunbjman*
gigften Sbeil beg Sbierfreifeg aufg ©enauefte beobachten foßte; aber umfonft. *
Sofepb Blassi/ Sireftor beg Obferbatoriumg $u Balermo, melcber febon feit
jebn Bahren an einem boßftanbigen Katalog ber fidhtbaren Sterne arbeitete, be*
merfte, bat einer berfelben, ben er am lftert 3anuar 1801 beobachtet batte, ftcb |
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am ndchften Slbenb nid&t mehr an ber Stelle befanb, ben er ihm auf ber ßarte
gegeben; ftatt beffen aber gewahrte er in fuqer (Entfernung baoon einen Stern,
ben er geftern nicht gefeben, unb am 3ten bemerfte er biefelbe Berdnberung.
Sa fonnte fein 3weifel mehr obwalten; er batte einen SBanbelftern entbedt,
ben er jebod? für einen Kometen hielt. (Er »erfolgte ibn bis 311 m 11 . Februar.
Sin jenem Sage unterbrach ber (Eintritt fchledjten SBetterS feine Beobachtungen,
unb eine fchwere Ärdnfheit oerbinberte ibn an beren ffiieberauf nähme.
$ia 3 ji batte f<hon im Januar feine Sntbedung Bobe unb anbem (Mehr*
ten mitgetbeilt; aber feine Briefe trafen erft gwei Monate fpdter ein, als ber
neue Stern ftch bereits in ben Strahlen ber Sonne »erloren batte. Bobe war
fofort übeqeugt, bah eS ftch um einen neuen Planeten banble, unb tyiaföi
ftimmte ihm bei; aber eS war unmöglich, ben Flüchtling wieber aufjuftnben,
unb man muhte ftcb entfliehen, bis gum «gerbft in warten. Ser ©tödliche,
welchem jefct ber firnt) gelang, war ber Bremer SCr^t OlberS, unb geleitet
Würbe er babei burch bie »on ben Slnbern nicht beachteten Berechnungen eines
obffuren aftronomifchen SUettanten, ©aufj in ©öttingen, welcher nach ben bürf*
tigen, »on ^ßia§ 3 t gelieferten Säten bie Bahn beS FremblingS berechnet batte.
Sefct nahm (EereS beftniti» ihren Pafc unter ben Planeten ein, unb ihre (Ent«
fernung entfpradb faft »oHlommen jener 3 ablenreibe. 3 n einige Berlegenbeit
!am man als balb barauf auch 3uno, $aüaS unb Befta entbedt würben —
alfo »ier Paneten für bie Sude, welche bereits ^ur Genüge burch GereS attSge*
füllt würbe; jeboch bienten biefe (Entbedungen nur ba^u, bemSitiuS^Bobe’fchen
©efefc eine neue Beftdtigung &u »erleiben, benn wich GereS um ein SßenigeS
baoon ab, fo betragt bie mittlere (Entfernung jener oier Slfteroiben genau
28. 3m 3ab*e 1845 gab uns ber pftmeifter ju Sriefett in peufien
noch Slftrda ba 3 u, unb jefct bat ftch bie 3abl ber Slfteroiben fdbon bis auf fedjS
unb adbtjig »ermebrt. Sie §t)potbefe, bah fte aus einem gröhern, burch eine
£immelSre»olution serplafcten Planeten entftanben feien, ift nicht fticbbaltig.
Unerwarteter als baS Slufftnben ber Slfteroiben war bie jufaHige Gittbe!«
lung beS groben Paneten Uranus burch SBüliam ^erfchel. Slm 13. Btdrj
1781 gewahrte biefer im gelbe feines SeleScopS einen Stern »on febr betracht«
U<hem Surchmeffer. (Er merlte ftch ben »erbdchtigen grembling unb fonftatirte
am ndchften Sage eine Berdnberung in ber pfttion beffelben. Gr »achte fo we*
nig an einen Planeten, bah er feinen gunb für einen Kometen hielt, aber balb
follte er feines 3rctbumS gewahr werben. GS würbe fogar bewiefen, bah biefer
planet feit 1690 fchon in neu^ebn »erfchiebenen pfttionen in bie Kataloge
eingetragen war. Sie alten Beobachtungen beS Uranus würben mit ben feit
1781 erhaltenen verglichen, unb ba ergab ftch int Saufe ber Seit ein merllicher
SBiberfprud), welcher bie Berechnung fo febr erfchwerte, bah man, um nur ju
einem Ötefultat ju gelangen, ftch an baS Steuefte halten unb baS Frühere ganj ig*
noriren muhte. „ 3 $ überlafie—fagteBouoarb im3abrel821— ber 3 ufunft
bie Aufgabe, in ermitteln, ob bie Sdjwicrigleit oon ber Ungenauigleit ber früheren
Beobachtungen ober oon einem unbefannten Ginflufj berührt, welcher auf bie
Bewegungen beS Planeten influirt bat.*
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>
Schon nach einigen Salden geigte eS fich, baft Bouvarb’S Tabelle nid^t
meor mit ben Bemegungen beS Planeten in Harmonie ftanb, unb offenbar mar
hier ein IRäthfel ju löfen. Schon regte ftch bie 3bee eines Planeten jenfeitS
beS Uranus, melier vielleicht biefen afflciren fonne, in ben ©elftem. Sange
mürbe vergeblich gefucht, bis Se SSerrier un 3nni 1846 ber Afabemie bet 2Bij*
fenfdjaften $u IßariS mittheilte, haft er bie Stellung beS unbefannten Planeten
nach ber (Einmietung, melcbe berfelbe auf ben Uranus duftere, faft genau er*
mittelt habe.
3efct entftanb eine allgemeine Aufregung. UaS Obfervatorium in ©teen*
mich beauftragte $errn (EballiS, ben Planeten nach ben gegebenen Daten
aufäufuchen. (Einige läge fpäter, am 4. Auguft, hatte (EballiS ihn fchon im
gelbe fernes leleSfopen, notirte ihn aber auf ber ßarte als giyftern, unb hatte
feine Ahnung von bem föftlichen SJkeiS, ben er ftch entfchlüpfen lieft* Am 20.
September fanb er ihn noch einmal unb fonftatirte, baft er, mie alle groben
Planeten, einen tKing habe; aber noch errieth er nicht bie SBahrheit, unb am
menigften ahnte er, baft ber planet fchon feit einer ABoche (am 23. Septbr.)
burch §errn ©aller vom Observatorium in Berlin nach ben am 2Jtorgen beffel*
ben lageS bort erhaltenen Anleitungen Se BerrierS erfannt unb notirt fei.
SJlan wirb fleh beS (EnthuftaSmuS erinnern, melchen biefe glanjenbe Beftä*
ttgung ber ßalfulatton burch bie (Entbedfung enegte. 2BaS bie Aftronomen feit
jmanjig fahren geahnt, mar enblicft als Ibatfache ermiefen. ©iebt eS noch
platteten jenfeitS beS Neptun ? (ES fpricht nichts bagegen, aber audb nichts ba*
für. Steptun genügt, um ben SBanfelmuth beS Uranus 3 U erflären.
Dtefer herrliche Steg ber Aßiffenfhaft fanb vor brei fahren fein Seiten*
ftüdt in ber (Entbedfung eines Irabanten vom SiriuS. Die Beobachtung ber
biefem Stern eigentümlichen Bemegungen burch Beffel ergab periobifefte Ab*
meichungen, melche ftch nur burch bie Annahme erflären lieften, baft ber SiriuS
bem (Einfluffe eines jiemlich groften Sßeltförpers unterliege, mit bem er burch
baS ©efejj ber Sdbmere verbunben fei. Ule £ppothefe ftieft auf beträchtlichen
SBibetfpruch, mürbe aber tm gahre 1851 von Meters mieber aufgenommen,
melcher bemteS, baft fte $ur (Erflärung ber nähern Umftänbe beS Phänomens
Vollfommen genüge, unb bie Bahnen beS SiriuS fomohl, mie feines unftchtba*
ren Irabanten, melchem er eine UmlaufSjeit von 50 Qahren gab, genau be*
ftimmte. Sange mürbe ber Begleiter beS SiriuS von ben Aftronomen, melche
über befonberS mächtige gnftrumente verfügen, vergeblich gefucht. Schon
glaubte man, baft es ein bunfler Körper fei, als er im ganuar 1862 burch
$errn Alvan (Elarf in Amerifa entbedft unb feitbem mieberholt beobachtet
mürbe.
2e Berrier miß jept feinen Iriumph von 1854 erneuern, verlegt jeboeft
ben Schauplafc beffelben von ber äufterften ©renje unferS BfonetenfpftemS bis
bicht an bie Sonne. 3m September 1859 fchrieb er an £erm 3äger, baft bie
Bahn beS SJtercur Abmachungen unterliege, melche unerfldrlidh fein mürben,
menn man nicht annehmen moße, baft fleh noch ABeltförper ober Aßeltmaffen
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m
smifcpen iprn unb ber Sonne befdnben. 5 Dxefe Waffen tonnten in einem einjel^
nen Planeten conjentrirt fein, ober eine 2)tenge jerftreuter ^ör^erc^en bilben;
ledere. £ppotpefe habe bie SBahrfcpeinlicbteit für fiep, meil bie Kleinheit biefer
Körper ihre Unfuptbarleit erflären mürbe. „$te «gppotpefe — bemertte $err
fie SSerrier — pat nid^t^ 2Iuffallenbel. 3toif<Pen 2ftarl unb Qupiter befinbet
fiep eine ©ruppe bon Slfteroiben, unb gmeifellopne haben mir bil jept bon bie*
fen nur bie gröberen erblidt. ©I ift fogar ©runb 3u bem ©tauben borbanben,
bab unfer Sonnenfpftem eineUnjapl Keiner Körper entsaft, melcpe um bie
Sonne treifen. Betreffl ber Legion in ber üJMpe unferer ©rbbapn ift biel
u^meifetpaft."
(Siebt el mirtlicp fold^e Planeten, fo muffen fie unter gemöpnlicpen Ber*
pältniffen ftetl unftcptbar bfeiben. Schon ber HJiercur ift ber Sonne fo nabe,
bab er fiep nur ferner beobachten labt. SDteiftenl in ben geuertreil bei
$auptgeftirn! gepüllt, ift er nur bann bem nadten Stuge fnptbar, menn bie Sonne
burcp einen Schirm gebedt mirb, mie 3. 58 . menn fie fiep eben unter bem £ori*
gont befinbet, ober bei einer Sonnenfinfternifj. Soll man ihn bei £agel*
anbruch erbliden, fo mub er noch obenbrein ber Sonne boraulgehen, ober'um*
gefehrt, menn mir ihn am Slbenb jehauen folten, ihr folgen. Ueberbiel ift 311
bebenten, bab gerabe am 2Jiorgen unb Hbenb el fehr -häufig nebelt. 2lul allen
biefen ©rünben fmb bie ©elegenheiten 3ur Beobachtung bei 9 ftercur fo feiten,
bab fr B. ber grobe ©opernilul einel £agl mit tiefem Berbrub bie Bemerlung
fallen lieb, er merbe inl ©rab ftnfen müffen ohne jemall biefen Planeten ge*
fehen 3U haben. «£>eut3utage ift, 2)ant ber Berbolllommnung ber gernrßhrc,
biefe Schmierigleit, melcpe ben berühmten Elftronom fo fehr belümmerte, 311m
Speit buburch gehoben, bab man ben SÜtercur am hellen £age neben ber Sonne
gemahren lann, befonberl menn er fleh aul bem fßrofil, b. p. in berfelben Be*
leucptung 3eigt, mie ber 3Jtoub beim erften unb lepten Biertel.
Körperchen aber, melche ber Sonne noch naher fmb, mirb man unter ben
günftigften Berhdltniffen nur in einem Sali, nämlich bei einer totalen Son*
nenfinfternib, möglicpermeife all fepmaep leueptenbe fünfte in ber unmittelbaren
Umgebung bei berbuntelten Sternl gemahren tonnen. ^nbeffen bleibt noch
eine anbere ÜDtöglicpfeit; bielleicht mirb el tpunlicp fein, fie non hinten, bon ip*
rer buntlen Seite, 311 gemahren, menn fie an ber Sonncnfcpeibe boruber
gehen, gerabe mie el bei bem 'Dlercur, menn er ftep in gleicher fiinie mit
©rbe unb Sonne befinbet, b. p. nur im ÜJtai unb üRobember 3umeilen, geftattet
ift. $er lepte Uebergang biefer 5 lrt mürbe am 12 . Bobember 1861 beobaep*
tet, unb ber näcpfte mirb am 5 . Bobember 1868 ftattfinben. 2 )ie gemutp*
malten fogenannten intra*mercurialen Planeten müfjten fiep gleicpfalll bon
3 eit 3U 3 eit auf ber Sonnenfcpeibe ab3eicpnen, unb 3mar müfjte biel mit ipnen
biel häufiger gefepepen, meil fie eine Heinere Umlauflbapn patten unb rafeper
all ber ÜDtercur 3mifcpen Sonne unb ©rbe 3U ftepen tarnen. Sie mürldn all*
bann am öftlicpen Banbe eintreten unb an ber mefScpen Seite mieber ber*
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2lbet cjriftiren ftc toirtlid), toie gebt eg bann §u, baf? fte nodh nie beobadb*
tet tourben, ba bie Sonne bodh feit fo mieten fahren faft täglidb burdh eine
2Renge non Slftronomen betragt toirb ? hierauf tautet bie 2Inttoort, bajj ntan
fte toirtlid) mehr alg einmal gefeben haben null. fßtofeffor Witter unb Suliug
Sdhmibt haben im Sabre 1857, £id?tenberg unb $ifni$ am 19. ÜRobcmber
1863, £offmann im SUlai 1864 Heine fd^toarse $untte bemeret, bie in ber be*
jeidhneten Stiftung noruberglitten, unb eg giebt audb' nodh eine 3Renge non
SBabmebmungen altern $)atumg, toeldhe laum einen 3toeifel übrig taffen.
•EBerben wir jemalg bie intra*mevcurialen $laneten unter ben offiziell aner*
lannten ftguriren feben ? $ie 3ulunft mub baritber entfdbeiben. [Wfttlertoeile
bleibt bie non Se Terrier ftgnatiftrte £ücte noch unauggefullt.
freu (Ekmcintifn.
■* S5on ®r. 3?wO. Xulon.
$ie b&<bfte SBtütbe ber toiffenfcbaftlidhen ©ultur fällt unter ©rieten unb
[Römern mit bem Untergange ber greifet gufammen. 21 riftote leg toar
2lleyanberg 3^itgeno^, unb alg in [Rom bie [Ridbtung ber S c i p i o n e
über ben alten biberben dato unb feine barbarifdhe Einfalt gefiegt batte, alg
bie römifdje gugenb auf ber ®odhfdhule 2ltbeng in refpeftabler gülle Seigbeit
einäufammeln begann, ftanben Sulla unb ©äfar nor ben Sporen beg
SBeltreicbä. Sn granlreicb ftedften Voltaire, bie b’2l lern ber t, bie
[Rouffeau, bie2Rontegquieu ein Sidht nadh bem anbern an, unb bie
[Reootution brad? fleh 23abn. 2>ie [Reoolution braute ben bluttriefenben Un*
ftnn ber Sdhreäengberrfdhaft beroor, um in bag ßaiferreidb aug 3 ulaufen, bie
[Reftauration ju ermöglichen, Souig fPbüipp^ pbilifterbafter ©emeinbeit ben
2Beg gu bahnen unb bem geiftreichen [Reffen ba, too 2lrago gelehrt batte unb
bie SBtffenfcbaft Siege nadh Stegen errang,, ben $bron einer fdhranfenlofen
$egpotie ju errichten. Sa 25eutf<btanb bonnerten R a n t unb gidbte, fan*
gen S(biHer unb ©ötbe in bie fyit beg tiefften 2$erfaüg hinein, unb fo
ternig unb mastig ber geiftige Erfolg ihrer 2Borte unb Sieber toar, 2)eutfch*
lanb blieb gelnedhtet unb trug feine betten in bünbifdher $emutb. ßg fiegte
bei Seipjig. 5)ie grudjt feineg Siegeg toarf eg brutalen, untoiffenben Unterof*
feieren Oor bie güfje unb begnügte fidh mit ber [Rolle beg Speidhelledferg. Unb
fo mistig unb' glorreidh feine Saaten auf ben ©ebieten ber SBiffenfdhaft getoe*
fen, fo toeit biefe Slbaten mit ihren getoidhtigen ©rfolgen in bie 9Raffen hinein*
gebrungen fein mögen: 35eutfdhlanb geborgt nodh beute brutalen, untoiffenben
Unteroffizieren, ftebt nodh beute bei ber lieberlidhen Sunferberrfdhaft 23 i g *
motd# unb bei jenem testen „«godh lebe ber ilönig", burdh toeldheg ber ge*
lehrte ©raboto eineitoer empörenbften [Rieberträdhtigteiten begangen bat,
oon benen bie ©efdjicbte toeifj.
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3JKt biefen Vemerlungen will ich wahrlich nü)t ber SBürbe ber 2Biffen*
fchaft gu nabe treten. Kbenfo wenig will ich ihre weltgeftaltenbe SUtocht in
3weifel gieren. 2lber ich will bamit anbeuten: bie wiffenfcbaftliche Krfennt*
nifj fann mit ber fchänblichften Despotie unb mit tiefer Kntwürbigung ber Vbl*
ter $anb in $anb geben. Sie ift nicht bie eingige Vtacht, bie ben Tempel ber
greibeit baut unb bie Krfchaffung bei freien Vtenfchen gu Staube bringt. 2Jtän*
ner ber 2Biffenf<haft ftni* oft genug gemeine «gallunfcn gewefen, unb noch am
heutigen Sage ftellen Sütänner ber ffiiffenfchaft ibr reichliche! Kontingent gut
Vanbe ber Sügner, Betrüger, Spifcbuben, Schürfen unb Sumpen aller
2lrt. 3)ie wiffenfcbaftliche Krfenntuifj rnufc bie ©runbfäfce bei freien $anbelnl
fd^affen, mu6 mit ber §eilighaltung jener fittltcben ©ebanfen §anb in «£>anb
geben, bie bie ©runblage eine! fraftoollen 2eben! finb, mub gur Vegeifterung
für ba! gbeal werben, ohne welche ber SUtenfcb bal rechte 3iel feine! Streben!
au! Den Slugen verliert, ohne bie feine SBürbe gum Teufel gebt, unb mit ber
SBürbe bie greibeit, mit ber greibeit bc$ menfchenwürbige ©lücf.
Sch will ben freien ©emeinben bal 2Bort reben. 3)ie freien ©emeinben
»erbienen bie Beachtung jebel benfenben ÜDtenfcben. Sie uerbienen bie £beil*
nähme aller (Mehrten unb aller ^anbellherren, bie jene SBelt fennen, bie hinter
ihren Schriften, ihren Kontobüchern unb Khampagnerflafchen fleh aulbreitet.
Sie forbern biefe Sheilnahme all ein Stecht, unb wer weiter fiebt all feine
3tafe reicht, wer auf ben lanbläuftgen Siteleine! gebilbeten üUtanne! einen
Stechtlanfprucb erheben will, Der mu& fte all Pflicht anerfennen.
Sie freien ©emeinben haben nicht immer biefe Sbeilnabnte unb biefe Ve*
achtung »erbient. 2ll! fie im gabre- 1846* in ben preufjifcben Staaten ent*
ftanben, waren fte nicht ein gortfchritt, fonbern ein Dlütffcbritt, nicht eine mal*
lere Sbat, fonbern ein Verbrechen, unb ber alte Üblich bat Durch ihre
©rünbung bie unleugbaren unb großen Verbienfte feine! früheren SBirfenl gu
Schauben gemalt. %
2Il! bie freien ©emeinben entftanben, begann el tu ^reufsen gu tagen.
2Bar ^reufjen unter griebtich 2Ö i l b e l m III.eineßleinftnberbewabran*
ftalt gewefen, fotoar el unter bem romantifchen Kbampagnerfrib auf bembeften
SBegc, ein 2lfpl für bitnlofe Darren gu werben. Ser fchweigenbe, bemüthige
©eborfam fannte feine ©rengen. Sille! erftarb in tieffter Semutb, unb bie
ÜDlajeftät geruhte allergnäbigft gu thun, Wal ihr Durch ben üopf ging. 3uwei*
len brachten »erbotene Schriften eine angenehme Slbwechllung. $ e i n g e n
plafcte hinein, Venebep feufgte, 9t uge gürnte, §of fman n »on gal*
lerlleben politiftrte in Verfen, SBalelrobe, gacobi, Heinrich
Simon fprachen männliche SBorte. $urg, bie Herren ©eheimräthe rieben
ficb »ergnügt. bie $änbe, lafen mit Kifer, freuten (ich in gebeimnifwoHer Stille
über bie 2öutb ber charmanten Männer, eilten flug! gu ihren Sbombrepartbicen,
oben unb tranfen vortrefflich/ fcbüttelten bie ßöpfe unb gogen all bemüthige
Kfel weiter am Staatlfarren. Vürger unb Vauern fümmerte ha! nicht.
,ßo lange griebridjSBilbelm III. gelebt hatte, war el noch gegan*
gen. Ser alte Wliftet batte immer einige Sief)tung Bor bem bewahrt, mal
griebridb ber ©roße, mag Stein, Sharnborft unb Sllten»
fl ein gefhaffen. Sag Sanbrehit bfieb bie ©runblage eine! Bieffacb Bortreffli»
eben Gioilprojeffeg; bie Stäbteorbnung blieb für bie Stabtgemeinbe eine bebeu»
tungg»olle »orfhute freier Bewegung unb lief felbft no<b in ihrer resibirten
©eftalt ben lübnen unb richtigen ©ebanfen ibreg Urfprungg erfennen; bie 2Ri*
litairoerfaffung mähte bag ganje 5ßott maffengeübt unb warf mertbDolle »roden
ftäbtifdjer »ilbung in bie entlegenften Sorffhaften; bie Schule blieb bberStolj
beg »aterlanbeg unb mirlte alg Seminar unb »olfgfhule fo mächtig, wie ale
UniBerfität unb ©pmnafium. So fcbauerlicb bie »olijeimirtbfhaft, fo miber»
toärtig ber Äamafcbenbienft, fo efelbaft ber erfterbenbe ©eborfam unb bie aller»
untertbänigfte Semutb fein mochten: eg blieb fölancbeS, an ba» fih bie £off»
nung anllammern tonnte, mag alg Slugfaat für eine beffere Jufunft mitten
mußte. Sa ftarb ber alte »urfh, unb fein „geiftreiher" Sohn beftieg ben
Sbron feiner »äter. 2Ber biefen „gereichen" Sohn noch nicht tannte, bem
mürben bie Slugen fcbnell geöffnet. Gr mar ein romantifher Klart unb ein fo
Betbiffener Sefpot, mie je einer gelebt bat. Gr batte feine Slbnung oon bet
»eftimmung »reußeng, feine Slbnung Bon ben »ebingungen feiner IDtacbt, unb
menn er bie ©lanjpunfte einer bebeutunggreihen »ergangenbeit erfannte, fo
gefebab eg nur um an ihnen feine Slngriffe auf bie großen IHefultate ber Ster,
gangenbeit ju concentriren. Gr taftete bie gefieberte Stellung beg SHihterftan»
beg an. Gr burcblöcberte, namentlich ben großen Stäbten gegenüber, bie
Stäbteorbnung. Gr betrachtete bie Schule atg eine ÜJiagb feinet romantifhen
Saune, unb Biel ju oberflächlich gebildet, um bie toabre »ebeutung ber Unioer«
fttäten feineg Sanbeg aufjufaffen unb j. 23. ben ©egenfaß jmifhen »erlin
unb »tünchen richtig ju Berfteben, berief er ben alten Sehe Hing an
ben »laß, auf bem §ege£ geftanben. Gr übte bie empörenbften greoel.
Unb je toller er eg trieb, je unumfhräntter er SUleg antaftete, mag heilig mar,
befto mehr erftarben feine alleruntertbänigften Untertbanen in betrunbernber
Siebe unb »erebtung, befto mehr floffen fie über Bon Sobegerbebungen, beten
©egenftanb feine großartige »egabung, feine tiefe SBeigbeit,« fein unergrünb»
lieber Sharfblid mar. Gr liebte eg, in feinen Sanben berumjureifen. UeberaK,
mobin er tarn, ftrömten (Ebelleute unb ©ebeimrätbe, Shulmeifter unb »aftoren,
»ärger unb »auern in jabüofen Shaaren jufantmen, bie meißgefleibeten
Jungfrauen umringten unb umbrängten ihn, Sllleg jubelte unb jaucbjte, Slüeg
erftarb in Siebe unb »erebtung. Gine Oppofition gab’g ba niht. Sie „®eift>
reihen" maren, mie immer unb überall, elenbe 2Bi<bte. Sie geiftreihen Sa»
long in »erlin, — SDlanher erinnert fih mobl noh beg jfreifeg, in Dem
Souife SDtüblb ad) »br Siht leuhten ließ, — maren efelbaft, efelbaft mar
bag ganje Sehen in ben Grfheinungen feiner bünbifhen Kliebertraht.
Gine Oppofition, bie ben »amen Berbient, gab’g unter ben Mionen
niht. Äein SÜfthen mebte, bag auf eine Oppofition binbeutete. Sie paar
Sitetaten, — mag mollten fie benn nur, fie follten bübfh jn^aufe bleiben unb
S
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bag 3Maut „ung" gtng’g ja gang»ortreffli<b, unb inrUebrigen forgten
Seine HJtajeftät in allerböchfter SEßeigbeit unb ©nabe.
Aber — wag war bag? Vlöfclicb regten ftcb bennocb unebrerbietigc
©ebanlen in ben alleruntertbänigften bergen. $lö blich fd^nilten biefe ge-
borfamen Sß^iUfter in allem ©rnfte faure ©eficbter. Sie brummten unb murr*
ten, unb wagten ftcb an befcbeibene Verfuche, in ber £af<be bie gäufte gu bal-
len! Unb flehe ba, eg regte ftcb enblich ein ©twag, bag mit 3orn unb ©rbit-
terung unuerlennbare Aebnlichteit batte. 3a, unebrerbietige ©ebanlen wagten
ftcb ang Sicht, fräftige SBorte würben laut, gäufle brobten am bellen Xage,
ein wahrhaftiger 3cnm trat mitten in bag bemütbige Staatgleben hinein, ©g
war wirllidb fo. Sie fcbalten unb raifonnirten. 2)ie Aufregung wudbg
unb bebnte ftcb nug. . Von Vrooing gu Sßromng ging ber Aerger, unb bie tu*
genbreicben Vbilifler waren auf bem beften üffiege, gelben gu werben. 3eben*
fallg erwachte bag erfterbenbe ©eftnbel gu menfcblicbem ©efübl. 3)ag war ein
Anfang. S)ag war eine Vtorgenbämmerung, wie frifdber Vtorgenwinb. Unb
eg würbe beffer, träftiger, nachhaltiger. 2Jtein ©ott, — bag war’g ja, beffen
wir beburften, gu allererft unb allermeift beburften, ber erfte Äeirn einer berech¬
tigten Hoffnung. 2Bie War bag gelommen ?
3)ie 2Jtajeftät batte ftcb »errechnet. Sie lieb bem ©idbbo* n bie 3&flel,
unb wollte burcbaug bie Kirche um etliche 3abrbunberte gurüdfchieben. 3)er
berrfchenbe unb mächtige Aationaligmug würbe geächtet, bie Velenntnibfcbriften
florirten, Bürger unb dauern füllten ftch in ben Kirchen, bie fte ehrten, mit
©rbfünbe, 2)reieinig!eit unb Sämmerblut abfuttern laffen. 3)ag ging nicht.
5)a war bag ^eilige angetaftet, bag fte oerftanben unb wofür fte warm waren.
3)ie untertänige 2)emutb tarn in bie Brüche.
3n biefer Seit wtrften bie protcftantifchen greunbe erfolgreich unb fe¬
gengreich. Sie fchürten, Härten auf, entflammten unb goffen Del ing geuer.
U b l i ch eilte bon $rooin^ gu ^rooing, unb fein »erftänbigeg, einbringlicheg
SBort erwedte unb ftäblte £unberttaufenbe. SEiglicenug grofle £bat:
„Ob Schrift, ob ©eift", brachte Klarheit in bie Sache. (Erbitterung batte bie
£unbebemutb berbrängt. 2)ag ©felbaftefte war befeitigt, bag Unentbebrlichfte
war gewonnen*
Seiber gab eg unter ben proteftantifeben greunben, bie behäbige Vfarr-
berren waren, eine grofle 9Jtaffe „getftreicben" ©efmbelg. 2)er üDtutb beg 2Bor-
teg war ihnen banbgereebter alg ber s iUutb ber $bat. Sie weigerten fi<h, ent-
fchloffen gu SBigücenug gu treten unb ben Dtubm feiner$bat auch für ftcb
in Anforucb gu nehmen. An ihrer geigbeit wuchg bem © i ch b o r n unb feinem
romantifeben £errn ber ßamm, unb fte festen Üblich, ffiiglicenug
unb Anbere ab. 2)ag war gut unb in ber Orbnung. Nichtig benufct, lonnte
biefe Abfefcung ber Vorläufer — anberweiter Abfefcungen werben. 2)ie Auf¬
regung muhte ftcb fteigern, bie ©rbitterung muhte wachfen, unb eine beffere
Vorbereitung auf Acbtunooiergig wäre nicht benlbar gewefen.
Xa — tarnen bie freien ©emeinben unb oerbarben Alleg. Üblich
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% muffte aor allen Gingen prebigen. SCenn Uplicp nicht prebigen fonnte, fo
manfte bie Sffielt in ihren 5 u 9 en * So «nietete U p I i <p fcpleunig eine freie
©emeinbe unb prebigte wie er geprebigt patte. 2Ö i 4 li c e n u S machte eS
mie er, unb Slnbere folgten. So maren aus bem braufenben Strom bie bro*
penben ©emäffer in einen parmlofen Eanal geleitet. 2llleS, maS marm, maS
ber Entfcploffenpeit, beS NhttpeS, ber füpnen Xpat gumeift fähig gemefen mar,
ergofc ftep in ben üanal ber freien ©emeinben, unb in ber äirepe mürbe eS ftiU
unb frieblicp, ganj ftill, gang frieblicp. 2Bie mit einem Schlage, legte fiep jebe
Erbitterung. S)ie 3Jlaj[eftät mar flug genug, ben freien ©emeinben anfänglich
ein freunblicpeS ©efiept gu machen, unb fiepe ba, bie ÜNajeftät mar halb mieber
ber bielgeliebte, allbereprte SanbeSbater/ 2l0eS mar mieber ein $erg unb ein e
Seele, unb bie gange ßirepe mit allen ihren Schäden, mit ihrer Ungapl oon
Schülern, mit ihrem ungeheuren Einfluffe, mit ihrem groben, mertpbollen Scpa&
alter 2fnpänglicpfeit unb ©emopnpeit, —bie gange mächtige unb mieptige ßirepe
mar mie im peitern Spiel ben Frömmlern, ben ©leicpgültigen unb Prägen, ben
Feiglingen unb Verrätpern in ben Scpoofj gemorfen.
So maren bie freien ©emeinben allerbingS ba. Sie maren ein Nüdfcpritt
gur finblichen SDemutp, ein SSerrath an ber Freiheit, baS empörenbfte Verbre*
epen, melcpeS bie moplmeinenbe ßurgfieptigfeit mßglicper SBeife begehen lonute.
Sie maren etn Neues nnb — hatten nichts Neues. U p 1 1 cp patte nichts,
als ben alten fäcpftfcpen Nationalismus, ber feit länger als einem Faprpunbert
in ber ßirepe breit getreten mar unb fein gutes Necptbon allen möglichen Eon*
ftftorien unb ßirepenregimenten anerlannt gefepen patte. £ßper als Uplicp
ftanben SöiSlicenuS unbSlnbere. Sie bertraten ben fpeculatiben Nationalist
muS. Sucpte ber alte fäcpfifcpe Nationalismus, feiner 3eit ein bortrefflidher F^eU
peitsfreunb unb FteipeitSfämpfer, bon ben alten ÜNptpen, Sagen unb 2)ogmen fo
biel mie irgenb möglich als ©efepiepte unb 2Baprpeit gu retten, fo biel eS bem pauS-
baefnen Ntenfcpcnberftanbe nur irgenb gelingen mollte opne bem 21 r i ft o t e l e S
unb feiner Sogif allgu empfinblicp anf bie «güpneraugen gu treten: fo nahm ber
fpefulatibe Nationalismus Ntytpen, Sagen unb 2)ogmen als baS, maS fie ma*
ren, hielt aber bie berechtigten Fbeen feft, bie in ihnen ben 2luSbrud gefunben,
unb fanb feine pope 2lufgabe in ber Vermittelung beS religiöfen VemufjtfeinS
mit bem miffenfcpaftlicpen Vemufjtfein ber berechtigten ©egenmart. Er patte
in ber ßirepe eine erfprieplicpe 2lngapl bon Vertretern. Er mar bie F°* m
2lnfcpauung, bie gur «gerrfepaft gebracht, baS 3iel, melcpeS in ber lirepe erreicht
merben mupte, menn bie $ircpe für ben $)ienft ber freien Entmidelung, als
Vermittlerin beS VolflbemuptfeinS mit bem miffenfcpaftlicpen Vemuptiein, bc^
nufct merben unb nicht gur Narrenanftalt perabfinfen follte. $abon gu laufen,
bie ßirepe mit ihrem Einfluß, iprer Ntacpt unb ihren Schulen ben Feinben gu
überlaffen unb in bem «gafen ber freien ©emeinbe eine leiblich gefieberte £eim*
ftätte gu finben, — baS mar maprlicp feine «gelbentpat. $ie Ütteprgapl ber
proteftantifepen unb licptfreunblicpen Nebepelben unb F*Pwfucpfer machte eS
freilich noep bejfer. $ie Herren nahmen baS ©emiffe für baS Ungemiffe unb
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öerfauften ffitffenfdjaft unb Uebcrscugung um ihre ^farrrebenuen. Sie erga¬
ben ftdb 6ic^born unb bem romantiföen fitrdfcenregimente mit^autunb
#aar, beteten unb glaubten auf ©cmraanbo, lehrten ©rbfunbe, besorgten mit
Sammetblut, trieben Teufel au.« unb batten auch* foenn e« verlangt morben
todre, be« Teufels ©rofjmutter abgetrieben. 6ie foaten $eu<bler, Schürfen,
SBcrrdtber, aber febr refpectable ©entfernen. Sie ©emeinben faben bie Sftotb
ber geplagten Banner an unb nabmen ben $ut bor ben entfdbloffenen Sertbei-
tigern ihrer $farrrebenuen ehrerbietig ab.*)
So ftanb e« mit ben freien ©emeinben. 3bre Sünbe mar eine breifacbe.
Sie befdnftigten ben Sturm, al« ber Sturm bie bentbar größte SBobltbat mar
unb bie unerldfjlidbe Aufgabe batte, ben ^eftbaud? l>unbtfd^er Semutb gu ber-
treiben. Sie berliefeen bie Strebe, al« e« galt, innerhalb berfelben ben frdftig
fortfdbreitenben (fnttt>i<flung«gang §u ftefeern unb bie ganje üirdbe je mehr unb
mehr in ben Sienft ber Freiheit bineinsusmingen. Sie glaubten an bie 2Jtög-
*) £crr ®<bünemann = 3)ott, Sprecher ber freien ©emeinbe in 9)bilabel*
Pbia, -bat in feinen »»tattern für freie« rcligiöfe« geben" feinen gefern fürjlicb bie Vergebe-
rung gegeben, ber Schreiber biefer Seilen hätte g<b $ur Seit ber »Übung ber freien ©emeinben
auf bie ©eite ber £ilbebranbt unb Konforten, alfo auf bie ©eite ber Feiglinge unb heueb*
lerifdben Schürfen gefteUt, er batte mie fte in aller (Ebrbarfeit unb ©otifcligfeit ein gemütliche«
geben führen tonnen, menn ihm nicht bie böfe 2>cmofvatte einen Streich gefpielt. £er £crr
S(bünemann^9>ott rnufe bie in 9tebe ftebenbe Seit in ben SBinbetn burcblebt haben. 3#
»erliefe aHerbing« bie Äirdje nicht. 3<b batte ba« Mögliche getban, bie ücbtfreunblicben ^farrberren
ju einem entfcbloffenen ©dritte $u bewegen. 511« meine Vemühwtgen an ihrer ©orge für bie
i)farrre»enuen gefdbeitert maren, trennte ich mich »on ben protejlanüfcben Sreitnben unb fe^te
ben flampf auf eigene gauft entfcploffen fort. 3cb tbat, ma« getban merben mufete. 2)ie
beutfeb-reformirte irebe in 2Ragbeburg, bereu 9>rebtger t$ mar, gehörte ber ganbe«?ircbe
nicht an. liefen Umflanb benufcte ich, um bem (£onfiftorium unb bem SWinlftcr Kicbborn, al«
»eborben einer un« fremben Konfeffton, jebe Autorität in »etreff be« Kulm« unb ber gehre
al$ufpre<ben. 3n Sachen be« Kultu« unb ber gehre ber reformieren flirre fei id) für 0e 5lu*
torität, nicht ge für mich; an meiner ^Belehrung foUte e« ihnen nie fehlen, fofern ge ge münfeb-
ten. 3<b *ermarf bie »efenntnifefebriften al« gefe»orf<brigen unbebingt, fritigrte bie biblifdhen
»ücber mit »oUfommencr Freiheit unb erflärte bie gegierten ütefultate ber SBiffhifcbaft al« bie
einige Autorität, bie üb anerfennen tonne. Diefelbe ©tellung nahm ich fpdter in V r e m e n
ein. 3«b vertrat biefelbe in beftimmten Kvflärungen an bie »ehörben, in Kolloquien unb an*
bermeiten »efpreebungen, in meinen fPrebigten, beren »tele gebrueft mürben, unb in meiner
grofeen Sahl #on Vücbern unb ©Triften, bie meite Verbreitung fanben. ©o hatte ich feine
Veranlaffung, au« ber Ätrcbe ju fetjeiben. 3<b hatte in eigener 2Kcubt»oUfommenbctt bie ©ren¬
nen ber tfirebe fo meit au«gebehnt, mte e« mir erforbcvlicb festen; unb mahrlicb, innerhalb ber
»on mir gejogenen ©renjen hätte ber ganje Schmarrn ber freien ©emeinben »ottfommen
genügenben 9taum gefunben.
2)am al« fanben meine Schriften »eadhtung. Viclleübt gab*« in 2)eutf(blanb bamal«
faum eine Seitung ober eine Seitfcbrift, bie meinen ©dbriften unb meinem tfampf nicht haufege
unb jum ^hcil eifrige ^hei^ahme gefebenft hatte. 5luch ba« 5lu«lanb fanb geh oeranlafet, »on
benfelben S'toüj ju nehmen. 2)er ^err Sprecher »on 9) h i l a b c I p h i a mufe alfo jene Seit
burebau« in ben SBinbeln burebfebt haben. 3cb betheiligte mich aßerbiitg« aui an politifeben
»egrebungen. 2)ie Freiheit ig eine 2flacbt. ^reie ©emeinben im ganbe ber £e«potie
fönnen nicht gebeihen, unb ba« ganb ber Freiheit mirb burch unfreie ©emeinben um feine
feböngen girüchte betrogen. SBa« ich auf bem ©ebicie ber $otitif getban, macht ba«, ma« ich
auf bem ©ebiete ber strebe ergrebt, nicht ungefebehen. % b. V.
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lichteit eines 23ettelbroden$ ber greiheit für fleh «nb ihre burrplofe 28ei3beit,
währenb ba$ 2iuge ber Despotie wachte unb $ol; 3 eibüttel fte begleiteten auf
Stritt unb Stritt*
3« ber 2Jiär33eit hüben Gütige aus ber 3uhl ber freigemeinblidben gelben
i^re. Sünben quitt gemacht, unter ihnen 28 i 3 li c e n u 3. SHe ÜJtebqabl, bie
grofce SDtajfe, ^at nichts gethan, was ben freien ©emeinben 2lbfolution fiebern
fönnte. Sie waren febt freibeitliebenb unb febt Porjtcbtig. Sie hätten gern
bie ßaftanien aus bem geuer geholt, nur wollten fte ftdb als lluge ^auSoäter
fo wenig bie ginger wie bie üRafeit oerbrennen. Siefpieiten oor Schwurgerichten
allerliebft ^elbenrollen, nahmen ben 2Jtunb §uweilen erftaunlidh boll unb erftar*
ben als untertänige Unterthanen in tiefer 2)emuth. Sie waren ©othaer ber
allerfeigften Sorte unb fteben ^eute mit ben !Rational*23ereinlern auf berfel*
ben Stufe. Sie wollen baS Unmögliche. Sie wollen bon ben ©ottbegnabig*
ten bie greibeit erbetteln. Sie wollen aus ber Despotie jur greibeit auf —
gefefclicbem 2Bege! Sie wollen greibeit unter ©enSbarmenbegleitung unb hoch*
obrigteitlidher Gontrolle! 2Benn fte auch heute nur ein fümmerüdheS Scheinleben
führen unb ft<b mit einem GtwaS begnügen rnüjfen, in bem fein SBernünftiger
eine gorm ber greibeit erfennen fann, fo bürfen fte ftch nicht befebweren. GS
ift bie notbwenbige Gonfequen 3 ihrer Stborbeit. 2ln ber nieberen Gntwidlung
ber Kirche $ur gemeinften SeSpotenmagb trägt ber feige SBerrath ber $il*
bebranbt unb Gonforten feinen größeren £bdl ber Sdbulb, als bie
©linbheit beS waeferen Üblich unb feiner fretgemeinbltdhen ©efäbrten.
Schafft greibeit, fo werbet ihr frei fein, aber — fchafft reelle unb wirtliche
greibeit!
2Benben wir uns jefct aus bem Sanbe ber Despotie in baS Sanb ber oiel*
gerühmten greibeit. £ier lagen unb liegen bie Sachen anberS.
Sleufeerlich r mb in Hmerifa aUe fachlichen ©entetnben freie ©emeinben. GS
giebt hier leine romantifebe äirdbenregenten, bie, mit ftaatlicber SlUmacht aus*
gerüftet, bie wiberftrebenben ©emeinben in ihre Saunen binei^ujmingen oet*
fudhen fönnten. 3n flöget 2Jiadhtoollfommenbeit tonnten bie ©emeinben fühn
fortfdhreiten, wenn fte 3 um gortfehritt Suft oerfpürten. 2leufjerlidh ftnb fte frei;
im 3 n uertt freilich, in ihren Slnfchauungen unb 23eftrebungen, ftnb fte befto
unfreier.
^aftoren, geiftigfreie, gebiegene Männer, bie auf ber £öbe ber 23itbung
ihrer 3eit ftänben, giebt eS hier nirgenb in großer 3ubl« S)ie 23 ee ch e r unb
parier ftnb äufjerft bümt gefäet, unb felbft bie 25 ee eher unb parier
bürften noch jiemlidb tief in ber <briftli<hen ©läubigfeit fte dien unb ben fpecula*
tioen SffationaliSmuS unferer theologifch uniformirten ^hilofophen laum gehörig
perbaut buben.*) 3)ie 2Jtaffe ber ^aftoren fteht tief unter einem 28 i S l i c e n u S
unb feinen ©ettoffen. Sie fann nimmermehr auf ben ©ebanlen fornmen, baS fort*
*) £tnjichtlicb eines Dörfer möchten Wir baS bo<b in Bwcifel sieben. Sehr gewagt ift e$,
ibn in gleite Sinie mit S3ee<bcr |u fteflen. 2). 0t.
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SBcfcn giebt, baf* poliiifche greiheit ohne geiftige Srei^eit bochftcnS als leifer
Anfang gut 2ftögli<hfett bet greiheit gelten fann, nun, bet l?at baS Sßuloet
ftcfeer nicht erfunben unb wir wollen uns beS Weiteren nicht mit ihm incommo*
biren.
Seite ftattlichen Kauf* unb .ganbelSherren, bie aus ©efchäftSrücfficbten in
bie Kirche laufen unb ihrer Uebergeugung gum £ohne mit frommet Heuchler*
miene ftngen unb beten, fielen mit Senen auf gleitet Stufe, bie ihres
©elbintereffeS wegen bet bemühten IHebellion bie £anb reiften unb gu
Berrätbern an bet fftepublif würben. S)aj 3 berartige Seute im Sanbe bet greU
beit ©eltung, Sichtung unb ©hre ftnben, ift äufjerft cbarafteriftifh. @3 (baralte*
riftrt bie garbe bon greiheit, bie biet bielfach ibr SBefen treibt.
2)ie 2Biffenf<haft ift eine mächtige SBaffc. Shtr heran mit euren geitungen,
iJeitfcbriften unb non SBiffenfchaft ftrofcenben Büchern ! üftur heran l 3b*
feib baS fcbwete ©efchüfc unb mögt Brefche fchie&en.
Slber reicht bie Sßiffenfchaft mit ihrer logifchen Schärfe, ihren burchfchla*
genben ©rünben, ihren mächtigen ©ebanlen überall unb überall bin ?
£ier fteben §unberitaufenbe, hier flehen Millionen, bie feine miffenfchaft*
lieft gehaltenen Schriften lefen. Umb wenn fie fte läfen, fo berftänben fie fte
nicht. Unb wenn fie manchen Brocfen bekamen SebenSbrobeS auffingen, —
ber erfte befte Bfaff, bet erfte befte, fchlaue SBortberbveher würbe ihnen ben
Sinn gum Unfmn machen unb ben treueften SBahrbeitSfceunb in ihren Slugen
gum Sügner ftempeln. Unb berbienen 3ene bort — gleichfalls DJtiüionen —
leine Beachtung? Sie benfen mehr mit bem «gerben, als mit bem Kopfe. Sie
feben woi;l fo ungefähr, was bie ©lode gefchlagen hat, aber fie wollen angeregt
unb erwärmt fein, wollen immer beffer einfehen, immer flarer erlennen, immer
beutUcher ben ©runb ber Sache berftehen. 3hr §erg ift warm unb ihr ©enuitb
nicht ohne £iefe. Sie müffen fich gepadt unb ergriffen fühlen, fte müffen etwas
haben, was ihren empfinbfamen SJtenfchcn befriebigt, waS fie auf ben Slliat
ihres $ergenS fteUen fönnen, unb fönnen fie nicht anbeten, fo wollen fie hoch
berehren, unb für Sonn* unb gefttage folfs {ebenfalls etwas SlnbereS fein,
ginben fie nichts BeffereS, fo laufen fie in bie Kirchen unb gu ben Sßvebigern
beS ftirntofen S)ogmenframeS. Stur wer fehr furgfichtig unb ein fehr fehlerer
Beobachter ift, fann bie aufcerorbentlich grobe Slngaht biefer tefpeftabeln 2)ten*
fcpenflaffe berfennen. Sie ftellt gu ben gebrängten Schaaren, bie allfonntäg*
lieft bie Kirchen füllen, ein fehr anfehnlicheS Kontingent.
2ffie bie Sachen ftehen unb liegen, fmb in Slmerifa bie freien ©emeinben
eine burchauS unentbehrliche #ülfSma<ht gut Befänipfung ber Kirchen unb gur
görberung ber greiheit, bie ben Stamen berbient. 2Bie fteht es mit ben freien
©emeinben ? 2ßaS wollen fie unb was fönnen fie ?
$ie freien ©emeinben pnben ihren Sehrinhalt in ben gefieberten fRefulta*
ten ber wiffenfchaftlichen (Irfenntnip. 3h*e fHeligion geht mit ber ^ß^itöfoph^,
mit ber gefammten SCßiffenfchaft $anb in §anb, fchreitet in ihrem ©ebanfen*
Snhalte mit biefer fort unb geht mit ihr biefelbe Strafje ber Gntmitfelung.
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2Iber ftc hält ftch bor SWem an bie SRefultate, fteHt fie in populärer gotrn bar,
weift tu populärer gorm ihre Pegrünbung unb ^Berechtigung, ihre SBichtigfeit,
ihren (Einfluß auf alle OffenbarungSfotmen beS Sehens nach. 3b** Seele ift
ber wiffenfcbaffliche ©ebanfe in ber gorm fchöner Popularität nach feiner Pe*
beutung für baS praftifche Sehen. gür biefe Religion unb burch biefc Religion
ergreift bie freie ©enteinbc, bie ihre Aufgabe berfteht, $erg unb ©entüth, unb
giebt fte bem ©eifte fo mel Sicht, wie er hüben will unb aufgufangen im Staube
ift. Sie: freie ©euteinbe, bie ihre Aufgabe berfteht, ift negatib unb befämpft.
Slber bor Slllein ift fte pofitib, fie. giebt unb behauptet. Sie betämpft ben prie*
fterlichen Pater im $imme(, aber fie behauptet bie 3toe ber SBeiSbeit, ©erecbtig*
feit unb Siebe. Sie mtrft bie ©ötterbilber mit ben Altären um, aber ftellt
ben Ptenfchen auf bie leer geworbene Stelle unb bringt ihn nach ber gangen
Schönheit feines SBefenS, nach ber gangen giitle feiner bortrefflichen (Eigen»
fchaften gur 2lnfchauung. Sie befämpft bie Äirche ber Priefter, aber fte ber*
herrlicht ben Staat als ben Präger beS PecbtS, bie gamilie als ben Sempel ber
Siebe, bie Schule als ben Sip ber ©rfenntnifc, bie Äunft als bie Ptacbt ber
erfreuenben, hergerhebenben Schönheit. 3 a / bie freie ©emeinbe giebt, unb
wer mit biefer SBe.lt ber erhabenften 3been bie ©emüther nicht .tief gu ergreifen
berfteht, ber mag fid? getroft fagen, bafc er tro$ allebem noch ein Stümper fei.
SöaS bie freien ©emetnben wollen unb fönnen V Sie wollen bie Heuchler
gum Scufel jagen, unb fte fönnen eS. Sie wollen bie fudbenben Ptenfcben
fangen, unb fte fönnen eS. Sie wollen ber Sieb erlichfeit unb ber Spitzbüberei
einen Stieget borfchieben, unb fie fönnen eS.
Por allen Singen wollen fte Senen, bie ein $erg im Seihe haben unb
für «£>erg unb ©entüth noch eine angemeffene, wohlthucnbe, ihnen gufagenbe
SonntagSfoft bertangen, eine entfprechenbe SonntagSfoft berabreichen* Stur
©ebulb, nur SluSbauer, pur immer in ber rechten Söeife, bah baS £erg ftch in
Pewegung gefefct fühlt unb in ben werden köpfen fich ein Sicht nach bem an»
bern entgünbet, — es wirb ftch febon machen. Sie fommen. Sie fommeu mit
ber 3eit in immer gröberer 3abl» Sie fommen enblich in Schaaren, unb — in
ben Kirchen wirb’S leerer unb leerer. Pleiben aber aus ben Kirchen bie Pten*
fdben weg, fo ftcllcn ftch auch bie Schillinge nicht ein, unb noch biel weniger bie
©reettbacfs. Sann aber — abe, ihr Herren Paftoren!
Senfen wir je$t auch ein wenig an unfere beutfd^amerifamfeben SanbS*
Ieute.
U h t i ch in Seutfdjtanb bie freien ©emeinben ftiftete, lief er, wie wir
oben gefeben haben, tn ©efeüfchaft Serer, bie ftch gu ben greien unb Slbancirten
gählten, gur Kirche hinaus, unb übergab baS Pollmerf, anftatt eS gu bertheibi»
gen, in feinbliche <£>änbe. £ier ftnb bie greien unb Sloancirten längft aus bem
Pcreich ber Kirche heraus. Sie geben feinen Seut tun bie Äitche, unb fragen
nichts nach ben Paftoren.
Söte leben bie greienunb Äbancirten unter unfern beutf<h*amerifantf<ben
SanbSteutcn ?
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©ang bortrefflich. 6ie arbeiten rechtschaffen. sie haben fuh als tüchtige
Arbeiter einen guten tarnen berfchajft. Sie ftnb hoch angefeben in ben ocr*
■fchiebenen Branchen beS ©efebäfKlebens. 3b«* SBicle fammetn unb fparen,
mad)en ein bübfcbeS SBermögen unb arbeiten erfolgreich an einem ber mertbuoll*
ften SHnge, an benen ber 2Jtenfcb arbeiten fann, an ihrer ftnangiellen Unab*
bängigfeit. daneben freuen fte ficb aber reebtfebaffen ihres Sebent; fie fingen
febr feböne Sieber, beranftalten anmutbige $8älle, feiern gar luftige gefte unb
üinfen in reichen 3ügen Sagcrbier, meines gumeilen fct;r gut, gumeilen mifera*
bei fcblecht ift.
2BaS ift bagegen gu fagen ? ©ar fRicht^!
©S ift aber boeb eine eigene Sache. 23loS arbeiten, fparen, fammcln,
fingen, taugen unb trinfen ? ©eiten hohe 3&een, mie fie fonft bie bergen
fcbmellten, gar nichts mehr ? Sinb fie aus ber 2Jtobe gefonimen, fibcrflüjftg
gemorben, nur gut genug für bie föumpelfammer veralteter 3>inge ?
$er ÜDtenfch, ber neben bem mertben 3<h herum läuft, ift balb eine 2Baare,
an ber ich ©elb oerbiene, balb eine -äflafchine, bie für mich arbeitet, balb ein
©eibfaef, aus beffen SBorratb ich fdjöpfe, balb ein ^nftrument, baS meinem
Vergnügen bient, halb ein ©efäbrte, ber mir bie 3eit vertreibt, balb ein £ftlfS*
bebürftiger, an bem ich baS Sicht meiner ©rofmtutb leuchten laffe. 3)er Staat
ift ein beilfameS Suftitut. 3# fann ihn febr gut gebrauchen. 3apft er mich
jeweilig etmaS berb an, je nun, eS fommt febon mieber; mo ich ihn prellen fann,
prelle ich ihn, unb maS gemalt merben fann, mirb gemadbt. Onfel Sam bat
oolle Safchen, gablt febr gut unb fiebt gelegentlich bureb bie Ringer. Unb gar
bie gamiüe! 2Bte angenehm unb mie behaglich; — mie bequem bie orbnungS*
mäpig berlaufenbe Siebe! ©bret bie grauen! Sie plagen fuh maefer; — ich
biene ber Partei, raifonnire für’S Söaterlanb, bominire im herein unb trinfe
ben 9teftar in reichen 3ügen. 3)ic S$ule aber unb bi* ßunft, — mo ift ber
93arbar, ber ihren SEBertb oerfennen fönnte ? 9)teine Äinber müjfen boeb $il*
bung haben, muffen tüchtig fiir’S ©efchäft unb tüchtig für bie oornebmfte ©e*
fellfchaft merben! Unb mie fahl mürbe jene SBanb fein, menn ber golbene
bahnten nicht märe, in bem baS feböne 93ilb bängt; mie langmeilig bie langen
Slbenbe, menn ber grobe Zünftler $ o p m uns nicht baS Stabttheater gurecht
gemacht hätte! 2)er Slrion aber unb ber Sieberfrang, — mie munberfchön fm*
gen fie! Unb mar baS eine 2)tenfchbeit auf ben Fällen ! ©3 fonntc, meijj©ott,
fein Slpfel gur ©rbe fallen, unb mer ohne Quetfchungen nach $aufe fam, fonnte
oon ©lud fagen.
©bret bie $unft, — fie ift beS Rimmels fchönfte Tochter!
$a$ ift nun fehr vortrefflich; — portrefflich, fo meit eS nicht gu meit gebt.
3)er ÜJlenfch, bie gamiüe, ber Staat, bie Schute, bie Äunftballe fallen unb
moUen Wiener beineS mertben 3$ fein, unb magft bu bich in ©otteS 9la*
men als baS ©entruni betrachten, um baS fte, im Greife herumtangen.
SSor allen Gingen ftnb fte aber auch miffenfchaftliche ©ebanten unb fttt»
liehe 3been, uno gmar bie ehrbarften unb beiligften, bie je in eines 2)tcnfchen
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$erj gefommen ftnb. Sie wollen unb muffen bet ©egenftanb einer grünbli*
hen unb utofaffenben ©rfenntniff fein. Sie wollen nnb müffen nah ihrem
2Befen, nah ihrem ungeheuren ©ewiht, nah ben Söebingungen ihres bcglüf*
tenben ©influffeS berftanben unb‘begriffen fein. 3a, bu mufft fte berfteffen
unb begreifen, wenn fte bir bie klugen öffnen unb in bem wunberfebönen unb
überreichen Sehen ein ©lücf offenbaren foden, in beffen heiterem ©lanje man
ftch juft nicht tobtlacbt, aber ftol 3 unb glücflih lebt. Sie wollen unb müffen
bie 3ielpunlte einer anhaltenben, grünblichen, ernft gemeinten Arbeit fein, einer
Arbeit, bie, fo bebeutungSreih fte ift, bodh unfern Offtcen, Stores unb SffopS
feine ber ihnen gebübrenben Stunben ftiehlt. Sie wollen unb müffen bie ©e*
genftänbe eines gewiffenhaften, auSbauernben, begeifterten StrebenS fein, in
bem wir je langer, je mehr baS febönfte, am meiften unb am allfeitigften he*-
friebigenbe ©lücf beS Sehens ftitben, bie ©egenftänbe unferer Siebe, unfereS
Stol 3 eS, unferer ©h*furht, bie fegnenbe Quelle, aus ber baS 3$ im reichten
©enuff ein feligeS SBergeffen trinft.
Sinb fte baS ?
3h glaube, bie freien ©emeinben finben biel Arbeit unb haben eine hohe
unb ernfte Aufgabe.
3h* beftreitet ober bergest, baff ÜUtenfh, gamilie, Staat, Schule, ßunft*
bade erhabene ©ebanfen, ftttlidhe 3been boit ber allerhöhften 33ebeutung fmb. 3h*
faib befriebigt im ©ffen unb Printen, im Arbeiten, Singen unb 3ubeln, unb
baS erforberliche ©ajff ift ber eiit 3 ige ©egenftanb eurer ernften Sorge. So
geht ihr an einem siemlih [teilen Abhang. 3h* fommt ins Saufen. Unten
liegt ber Herrath, fluthet ©emeinheit unb $3eftialität. 2)a ift feine Rettung.
2Ber an biefem Abhänge ins Saufen fommt, ber plumpt in bie ©emeinheit unb
Skftialität hinein bis über bie Ohren.
©S giebt dJtidionen, bie an bem fteilen Abhänge gehen, ©ine gute 3ahl
ift ins Saufen geraden. Sßimmelt eS nicht im Unrath bon ©efadenen ?
SBahrlich/ bie freien ©emeinben haben reiche Arbeit.
3h weiff fehr wohl, bie freien ©emeinben werben feine SButtber thun
unb am wenigften bie ftch aufblähenbe Rohheit unb bie weisheitgefütterte 2)umm*
heit curiren.
$aS Seben ift fo ganj eigentümlich, fo mächtig bewegt, fo reich unb $u*
weilen fo bezweifelt arm. 3t fann’S nicht änbern, ich muff 23eute machen,
ich barf’S fo genau nicht nehmen, ich muff mich in bie 3eit fehiefen unb mit bem
Strome febmimnten. 2BaS Süge hin unb he*, — fte machen es 3lde fo, unb ich
Werbe wahrlich fein fein. $>aS ©afh ift ber wahre 3mecf, unb ih muff*
borwärtS. Safft fte raifonniren unb fchma&en, ich weiff beffer, wo Barthel SWoft
holt.
Unb Söarthel holt 2Boft. ©r lügt, betrügt, predt, beutet aus, wirft ©hre
unb ftttlihe ©ebanfen gunt genfter hinaus, lebt fehr bergnügt, fühlt ffh, wirb
immer behäbiger; immer heder Hingt eS, wenn er felbftbewufft auf feine Safhen
flopft.
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Sag Seben ift gang eigentümlich. ©g ift furchtbar crnft in ber 9Jta<ht
feiner Bcrfudhungen. 3»n feinen fc&auerlic^en Strubeln gehen SRenfdhenabel
unb 2Jtenf<hengtüdl gu ©runbe ohne 2ftab unb 3ahl»
Barthel holt 3Jtoft. 2Bie märe eg, menn gu 3eiten einmal ber fittlidbe
©ebanle in bag Iügenbe unb betrügenbe Seben ^inetnbonnerte; menn bem
©elbfudher einmal ber ©ebanle oor ben ßopf ftiebe, bab SGBahrhaftigleit, ©e*
rechtigleit, föebtidhleit Singe fmb, bie für bag praftifdhe Seben bo»h auch eine
gemiffe unb §mar eine fehr grobe Bebeutung haben; menn ihm 2Renfd^ unb
Staat, gamilie unb Schule einmal in einem anberen Sichte erfdhienen, in einem
Sichte, »on bem ein biel fernerer 2lbglang auch auf fein Seben fallen
lönnte ?
ffiie märe eg ?
©uriren mürbe eg ihn mahrKch nicht, auch ftcher nicht auf ben fiopf [teilen.
Slber nidbt bielleicht ein menig bebenllich machen? gum üftadhbenlen beranlaffen?
gum S^eifel erheben unb aug feiner Sicherheit mach rütteln ?
SBirb ber ftttlidbe ©ebanle feinem Seben gang fremb, fo liegt ber ©rfolg
am Sage. ©r hält feine Brutalität gegen ben ÜDtenfchen, feine Prellereien unb
Betrügereien, feine Sügen unb Sdhurfenftreiche, feine nichtgmürbige Sluffaffung
beg Staateg unb ber gamilie für bag bolilommen Berechtigte, bag Selbftoer*
ftänblidhe unb allein 3uläffige. Oag ber galt, fo brauet er nidht ing Sau*
fen gu gerathen. ©r ift im bollen Saufe ober liegt fd?on im Pfuhle ber ©e*
meinheit unb Beftialität. Sag Schöne im üDtenfcben, bag ©bie im 2)ienfdhen,
bag namentlich, mag ben ÜDtenfdhen auch in Siebe, ©enub unb ©rmerb fo un*
enblich hoch über bag Shier erhebt, ift abgeftorben, ift tobt. Ser Btenfch ift
begraben, nur bie Beftle mühlt noch tm Seben herum.
©g broht eine fürchterliche ©efahr. 3ch fcbilberefte nicht, meil bie ©e*
fdhichte bag ©efdhäft reblich heforgt hat, unb meil fte 3eber fehen rnub, ber
fehen l a n n.
Sie freien ©emeinben ^aben ohne 3^eifel eine grobe, hochmidhtige 2luf*
gäbe.
Sie mürben nicht burchbringen ? Mächtig ift ber ©influb beg Sebeng,
oerführertfdh bie ÜJladbt beg Beifpielg, furchtbar grob bie herrfdhenbe ©emiffen*
lofigleit unb bie Berebfamleit beg triumphirenben Sollarg ?
. Slllerbingg — bag fmb Shatfacben. Beifpiel, ©emiffenloftgleit, Sollar
fmb Shatfachen bon erfchütternber flacht. Allein ift bie Shatfadhe, bab S dh i U
ler, bab ßumbofbt, bab bie ©ebrüber ©rimm, bab Rimberte unb
Saufenbe gelebt haben, beren gangeg Seben eine Bermirllidhung ber erhabenen
Sbee beg mähren 2Kenf<hen gemefen ; ift bie unleugbare Shatfache, bab mir
auch heute, auch in biefen gesegneten Sagen ber fchreienben £abfu<ht nodh
jah^eidhe 9)tenfchenfreife finben, in benen gart befaitete ©emüther unter ber
leifeften Betle&ung ber fittlichen 3bee erbittern unb erbeben; ift bie fernere
Shatfache, bab auch heute noch Männer unb grauen in nicht geringer 3ahl
unb unter allen Sebengoerhältniffen im ftriften ©ehorfam gegen bemährte
553
©runbfdjc alle Befriebigung unb bett reichften SebenSgenuB finben : — ftnb
alle biefe ganj unleugbaren £batfadhen gang »ertblofe Seifenblafen ? SBabr*
lieh, ber ÜDtenfdb ift unb bleibt eine erhabene 3bee, eine 3bee non ergreifenber
SJtacbt unb Schönheit. Unb bie 3bee !ann gur ÜEßirflidbteit »erben, ift in tau*
fenb unb aber taufenb fallen gur SBirtlidbfeit geworben, wirb in immer »eite*
ren Greifen $ur beglüäenben 2Bir!licb!eit »erben, »enn bie $o<h»eifen nicht
Starren »erben unb bie Un»eifen nicht Starren b l e i b e n »ollen.
Unb »enn beute Saufenben ^olitifcf^cr unb unpolitifdber SDtönner ber
Staat nichts »eiter ift, als ein Sftebtfafc, auS bem fxe fuh mit Brob verforgen,
ober einb BorratbStammer, nach beren lederen Biffen fte Iüftern ftnb; »enn
bie gamilie Saufenben von $^iliftern unb SBüftlingen nichts ift, als ein bebag*
lidjeS Stubepolfter ; »enn bie Schule, baS fcbönfte $eiligtbum ber SRenfchbeit,
©elbmenfdhen in bie rudblofen §änbe fällt unb — ber Stuchloftgfeit bie Bahn
bricht : fo änbert baS an ber Berechtigung unferer Sluffaffung gar nichts. Seht
Staat, Familie unb Schule nur genau an. 3b* müht ihre hohe ftttliche Be*
beutung ertennen. 3b* nt ü fc t ben Staat auffaffen als ben Sräger bei
StechtS, ber ©runbbebingung eines menfcbenwürbigen SebenS unb SebenSge*
nuffeS, bie gamilie als jenen fdbönen Stempel ber Siebe, in bem baS allein
ganj unb völlig befriebigenbe ÜDtenfdhenglüd geboren »irb, bie Schule in ihrer
weiteften Bebeutung als ben immer frijch fprubelnben Duell lichtvoller (Er*
lenntnifc unb gebiegener ßraft. So ftnb fte aufgefafct »orben. So »erben fte
in immer »eiteren Greifen aufgefafjt »erben. Unb »eSbalb fodte biefe Stuf*
fajfung nicht eine vorberrfcbenbe, eine allgemeine »erben ? (ES ftebt »abrlich
nidbtS »eitet im SDege, als unfere Trägheit, unfere Blaftrtbeit, unfere
geigbeit.
$ie freien ©emeinben haben eine hochwichtige Aufgabe. Sie tonnen ftcb
nach allen Seiten umfeben, überall ftnben fte Arbeit.
2)ie freien ©emeinben haben bis jefct in Slmerifa »enig ©füd gehabt. 3&,
fte haben faft überall entfliehen giaSco gemacht unb nirgenb einen erheblichen
(Erfolg erjielt.
SBoher tommt baS ?
S)ie Beantwortung btefcr grage ift fdhwerer, als fte fcheint. 2Bir bebak
ten fte uns für einen folgerten Slrtifel vor. f
Goog
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fleh nähet nach ben 3$erbdltniffen ber 3)ame. 34 feilte tbm mit, mad ich
felbet barüber muhte. @r befann ft<b eine 2Me, unb meinte bann, ber 9tame
Mureno fei ibm nicht ftetnb, ba er fefeon bor bielen, bieten 3abren mit einem
©liebe biefer alten Familie befannt gemorben. ©ern batte ich barüber
in ©rfabrung gebracht, hoch gernanbeg mar an biefem Sage nicht febr mittbeil*
fam; ich muhte ed einer fpdtem (Gelegenheit überlaffen, tbm bie 3unge gu löfen.
©lüälicbermeife batte ich ni#t allgu lange barauf gu märten« 2öir trafen und
feit ber erften Begegnung öfter, fchtürften unfer Slguarbiente unb machten auch
gelegentlich ein Spielchen gufammen, mobei ich nie berfdumte, gernanbeg fcharf
auf bie ginger gu feben, obgleich ich überzeugt bin, bah er einem armen Sanbd*
manne gegenüber bon feinen fleiften fünften nie ©ebrauch machen mürbe. $Bot
gmei Sagen—ed mar gegen Sonnenuntergang — fajjen mir bor ber alten fyuU
peria am oberen ©nbe bed Sajamar. Sie Strafe mar mit Spagtergangctn unb
benßaroffenunferer bornebmen 2Belt bebeeft. ©ine meinumranfte Saube machte
und ben 23liden ber Sorübergiebenben unfuhtbar, — mir aber beobachteten
2Uled, mad braunen borging. Sa plöfclicb tarn Son ©dcobebo’d ©quipage bed
2ßegd; an Sonna Seontica’d Seite machte ber reiche Mann feine abenbliche
Spagierfabrt. gernanbeg, ber mdbrenb feined furgen $lufentbaltd in Santiago
noch leine ©clegenbeit gehabt, Son ©dcobebo gu feben, bliefte neugierig binaud.
Sad ©emübl bon Menfchen unb 2öagen geftattete fein rafebed gabren, unb ba
mir felber biebt an ber Strafe fajjen, batten mir bie hefte (Gelegenheit, bie in
ber ©quipage fifcenben ^erfonen fcharf in’d 2luge gu faffen. Natürlich galt ber
erfte SBlid ber reigenben Sennorita, Sabtiagod gefeiertfter Schönheit.
„93ei St. SBincentio", rief er, „eine achte Mureno! Sie gleicht ihrem
unglücflichen Oheim, ben ich 25 fahren fennen lernte. 11
„Unglüdlich — medbalb ? " fragte ich.
gernanbeg antmortete nicht, benn Son ©dcobebo, ber fuh bidber in eifrU
gern ©efprdch feiner jungen ©attin gugemenbet, brebte ben ßopf plöplich nach
und herüber, fo bah wein greunb fein bolled profil feben fonnte.
„©aramba!" rief gernanbeg unb beugte ftch fo baftig über benSifch,bah
biefer bad ©leichgemicht berlor unb unfere beiben gefüllten ©lafer berunterfol*
ferten unb bad feurige :Jtab, bad bem inneren Mengen fo mobl getban haben
mürbe, bon bem Sanbe bed lobend, ftatt bon unferen Sippen aufgefogen
mürbe. „©aramba, ben Mann füllte ich fennen! 3ft ed mirflich ber reiche
©icooebo ? "
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„Sluf Gl?re, Slmigo, trenn man mit 3emanbem tägtidj »eitert, wirb man
ftd; tro^l taum in feinet Sßerfon irren.' SBo ^aft S)u Sion Gäcoüebcä 33e*
lanntfdbaft gemacht ? "
„Gr lann ti nic&t fein .... i<$ »age niefet ju behaupten, bafj er ti
fei-bodj biefe He&nlitfefeit... .trofc ber injroiftfeen oerfloffenen 25 3af>re,
bie fein 2lntli| gerunjelt unb fein $aar gebleicht, biefe ganj überrafefeenbe
Siebnlicbteit
S)er SDagen fuhr »eitet; gemanbej folgte ibm mit ben Slugen fo lange
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er eS nur trgenb betmochte. Gnblich fegte er ftd? mieber unb blicfte mit ber*
^ fbränften Firmen bor fi<h bin* ^tatürlid^ brang ich abermals in ihn, mir mite
gutheifen, melche Semanbtnib eS. mit jenem Sufammentreffen mit einem ©liebe
bet fjamilie -Dtureno habe, gang befonberS aber, mo unb mann er bie 33efannte
fhaft Sen GScobebo'S gemalt. 2lu<h jegt mollte er nicht mit ber’ Spraye
heraus; ich aber ceftürmte ibn, meine-fteugier nicht unbefriebigt gu Taffen*
Gnblich, nachbemich für frifheS STguarbiente gefo rgt unb ibm tüchtig gugefpro*
<ben, geigte er ft<h nachgiebiger.
„GS iftmabr, ®il, maS ich überbiefe $erfonen meib, fönnte Sit früher
ober fpdter bon grobem üftugen fein, unb ba Su mein greunb unb SanbSmann
bift, märe eS am Gnbe unrecht, menn ich es Sir borenthalten. mollte. Sab
Su bei ber herborragenben Stellung ber betreffenben gnbibibuen bon bem,
maS ich Sir gu ergäben im begriff ftebe, einen böcbft borftchtigen unb biScreten
©ebrauch gu machen baft, mirb Sir Sein eigener Serftanb fagen/'
„2Bir 3lrgentiiter ftehen feineSmegS im Suf, unfere fünf Sinne nicht bei*
famnten halten gu Tonnen," berfegte ich, ihm nochmals gutrinfenb.
gernanbeg tbat einige tüchtige 3üge, lächelte moblgefällig unb fuhr bann
fort: „Sor 27—28 fahren, als ich,als junger Surfhe über bie Morbidere ge*
gegen, um an ber Sübfee mein ©lüdf gu oerfuchen, batte ich junächft meinen
SCßohnfig tn Salparaifo aufgefchlagen. Ein SanbSmann aus ber 5lrgen*
Tina hielt an ber Galla ©uinobie ein Kaffeehaus, melcheS bon bielen reifen
•Kaufleuten unb fonftigen angefehenen Semohnern ber Stabt befucht mürbe; er
brauchte gerabe einen ©ehülfen, unb ba baS ©efchäft einem jungen 2Jtanne,
bet ÜJtuttermig unb eine erträglich gefhüfte §anb befaf*, gute Ghancen bot,
nahm ich bie Stellung mit greuben an. 2ln Arbeit fehlte eS nicht, hoch baS
mar gerabe maS ich mollte. geh mar Borgens ber Grfte auf bem Page unb
harrte in ber -Wacht aus bis ber legte ©aft unfer Sofal berlaffen hatte. So er*
matb ich mit bie ©unft meines £errnunb in nicht geringerem ©rabe bie ber
©äfte. Unter Segteren befanb fleh ein Sanfter, Sennor Salgabo, ber giemlich
umfangreiche ©efchäfte betrieb, obmobl man miffen mollte, bab fein Vermögen
eigentlich in feinem Serhältnib gu benfelben ftehe. 33ei uns lieb er biel ©elb
aufgehen* Gr Tarn täglich mehrmals unb blieb oft bis fpätin bie -Wacht, mo er
mit greunben beim Spiele fag. Sie ©äfte, melche er uns guführte, maren faft
immer 2eute, bie biel ©elb befaben unb auch nicht allgu fparfam bamit umgin*
gen. Gr hatte biele 33efannte unter ben fremben SchiffSfapitäncm, unb biete
mieberum oerfchafften ihm bie 33efanntfchaft ber auSgegeichnetften gremben.
Sennor 33algabo galt für einen gang tüchtigen unb erfolgreichen ©efhäftSmann,
bon bem man übrigens annahm, bab er in ber 2Baf)l bbr Drittel um gu bem
erfehnten SHeidbtbunt gu gelangen, nicht eben übertrieben gemijfenhaft fei., GineS
SageS Tarn er in 33egleitng eines gremben, ber erft fürglich *uS Gnglanb. an*
gelangt'mar. Gr hieb Sennor geltppo SJtureno^ mar-Ghilene oon ©eburt, unb
unter ben ©äften unfereS 2ofalS gab eS Siele, bie feine Scrhältniffe genau
tannteni f Gr ftammte <JÜS einer alten caftilifchen gamilie, bie ehemals gu ben
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reitften beS SanbeS gehört, tm Sauf ber gabre aber beit probten Sbeil ihres
©efifceS Perloren butte. Sennor guano üPhtreno, ein tapferer Offner in ber
(biienifdjen 2lrmee, butte auf baS eigene fnappe ©rbtbeil pergittet, um feinen
jüngeren ©ruber gelippe, ber als Kaufmann in ©nglanb lebte, in ben Stanb
gu fefcen, fein ©eftäft gu erweitern unb fit in umfaffenbe mercantile Spelu«
lationen eingulaffen, pon benen er ficb bebeutenben (Erfolg oerfprat. 2>iefe
(Ermattungen erfüllten fit ingmiften nitt, unb guano 2Jtureno, ber Sabre
lang burtauS leine üftatritt Pon feinem ©ruber erbalten, butte fit bereite
mit bem ©ebanlen beS bölligen ©erlufteS feines ©ermögenS bertraut gemadjt.
(Er lebte bon bem geringen (Selbe, melden ibm bie föepublif gablte, unb com«
manbirte gur Seit, bon ber it rebe, eine Heine Sruppenabtbeilung, bie ein ent«
legeneS ©rengfort in ber oben $roPing Slraulania befe|t hielt. 2)a langte
Sennor gelippe 2Jtureno, ber bereite für oerftollen gegolten, gang unerwartet
in ©alparaifo an. 3t weiß nicht, ob er früher }<bon mit ©algabo belannt ge«
wefen; bamalS, als er mit ibm nad? unferem £aufe tarn, was gleit in ben
erften Sagen na<b feiner Slnfunft geftab, beftanb gwiften ©eiben ein febrinti«
meS ©erbältniß. ©S fdhien, baß Sennor 2Jtureno fein jebenfalls beträttüteS
©ermögen, ober wenigftenS einen großen Sbeil beffelben, bei bem ©anlier bepo«
nirt butte, ber nun alle laufenben Ausgaben für ibn beftritt. 2Bir ftloffen
bieS aus eingelnen Sleußerungen, bie uns im ©erlauf ihres ©efprätS gu Obren
lamen, wäbrenb fie fit in unferem Solale aufbielten. 2Bie gefagt, Sennor
©algabo fehlte feiten am garotift, ber jeben Slbenb aufgeftellt mürbe,
©r fpielte mit wetfelnbem ©lud, fo baß ßd? ©eminn unb ©er«
luft gulefct auSgleiten mosten. Sein neuer greunb betbeiligte fid? an bie«
fer Unterhaltung unb fdjten ihr gleichfalls ©eftmad abgugeminnen. Unter
ben regelmäßigen Spielern befanb fit ein Sennor föobriqueg, ein ©tenft bon
albletifdjen ßörperformen unb rauhem, ungeftlattem 2Befen. ©r betrieb fein
©eftäft, butte aber ftetS ©elb im Ueberfluß unb prahlte mit feinen gefüllten
Saften. damals butte ich in bie ©ebeimniffe beS Spiels not leine ©inßtt;
it glaubte, er fpiele mit folgern ©lüde, baß er auf biefe SBeife in ben ©eftfc
feiner ©eitt&nter gelangt fei; jefct weiß it eS beffer: er mar ein ©ebülfe S)e«
rer, bie bie ©anl hielten, nnb arbeitete ihnen burt falfteS Spiel in bie £änbe.
SDtit biefem ©obriqueg mar Sennor ©algabo feit ber Slnlunft üDtureno’S plöfclit
febr bertraut geworben. Sch fab fie einige 9Me in eifriger Unterhaltung be«
griffen, bie jebot fogleid? abgebrochen mürbe, wenn fte fid? beobachtet glaubten.
(ES fiel mir auf, benn bis babin butte idh nicht bemerft, baß gwiften bem ange«
febenen ©anlier unb bem immerhin etwas abenteuerlichen, in gebilbeter ©e«
feüfchaft faum gebulbeten Spieler ein näheres ©erhältniß beftanben hätte, ©U
neS 9tad?tS ging eS an unferer garobanf fehr lebhaft gu. ©algabo unb üftureno
fpielten hoher als gewöhnlich/ namentlich wagte Sefcterer febr bebeutenbe Sum«
men. S>aS ©lüd War ihm fcheinbar nicht günftig, er oerlor einen Sa£ über
ben anbern unb geriet baburd? in einen Suftanb ungemöbnliter Aufregung,
©nblit, als et bie gange Summe, weite erbeißt führte, Perloren butte.
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Wollte er baS Spiel abbrechen unb fich nach £aufe begeben. 5)ie Slnwefenben
beftimmten ihn, $u bleiben. Sogar Sennor Val 3 abo rebete ibm ein, eS febe
aus wie fjeig^city toolUe er fech jefet jurüd^ieben; er möge eS nochmals mit einer
gröberen Summe oerfuchen, baS ©lüd müffe ft<h wenben unb er lönne bann
mit ©inem Schlage ben ganzen früheren Verluft wieber erfepen. 2)iefe Vor*
ftellungen tbaten ibre äBtrlung. HRureno blieb, unb ber Vanlier erflärte fub
fogleicb bereit, für jeben »eiteren betrag, ben er risliren »olle, für ibn einju*
fteben. $aS Spiel begann auf'S [Reue. $er lü^licb jurüdgelebrte @feilen c
gewann bie evften Säpe. Storch biefen ©rfolg lübn gemacht, wagte er gröfeere
Summen, um ben erlittenen Verluft rafcher ju erfeßen. 2)reU, bier*, fünfbun*
bert Dublonen auf eine $arte; — bie harten verloren, bie Vantbalter ftrichen baS
©elb ein. „Saufcnb Dublonen!" rief 2Rureno, ^itternb oor Aufregung, unb
über Sennor Va^abo’S ©eftefet flog ein böfenifcheS ßächeln, wäbrenb ein leichtes
SRiden beS ÄopfeS anbeutete, bafe er auch für biefen betrag feinem greunbe
©rebit gebe. SRe harten würben auSgetbeilt, bie SBürfel rollten_„©ewon*
nen!" tönte es aus bem URunbe beS VanlbalterS, ber mit gefchäftSmäfeiger
©leichgültigleit bie Summe notirte, welche ihm ber Vanlier auf Rechnung feines
greunbeS gu jablen batte. HRureno, ber leinen Vlid öon bem Spiel öerroenbet/
fuhr je&t plöfclich in dufeerfter SButb empor unb padte IHobriquej, ber bie harten
gegeben unb bie SGßürfel geworfen, bei ber fieble. „Schurlei [Räuber!' rief
er, „gieb mir mein ©elb 5 urüd ! geh fab eS mit biefen meinen klugen, bafe
2)u einen falfchen SBürfel unterfefeobft!" gür ben riefenftarlen [Robriquej war
es ein Seichtes, ftcb beS Angriffs $u erwehren. SDltt einem triftigen Stofe ber
Sinlen fchüttelte er ben ©egner ab, wdbrenb feine [Redete pfeilfipnell nach bem
im ©ürtel verborgenen Solche fuhr, hätten fuh bie Slnwefenben nicht rafcb
bajwifchen geworfen, bie blipenbe Schneibe Ware fchon im ndchften Slugenblid
im ^er^en beS ©egnerS begraben gewefen. ÜIRan trennte bie Streitenben unb
f uchte ju vermitteln. gebe Vermittlung erwies fleh injwifcben als fruchtlos/
ba üRureno auf’feiner Vcfcbulbigung bebaute unb [Robriquej wutbfcbnaubenb
©enugtbuung verlangte. ©ine «IperauSforberung war unbermeiblich. 2Ran
tarn überein, fleh augenblidlich $u fchiefeen, unb jwar über baS Schnupftuch, mit
einem einzigen Schritte Siftanj. 3)aS Sßecfefeln ber kugeln füllte fo lange fort*
gefefct werben, bis einer ber beiben ©egner gefallen ober fo febrner verrounbet
worben, bafe eine gortfefcung beS Kampfes unmöglich geworben. 2)aS Stoell
fanb im ©arten hinter bem $aufe ftatt. Sennor Val 3 abo fecunbirte feinem
greunbe unb lub beffen ^iftolen. Veibe batten vorher einige URinuten mit
einanber verteilt; vermutlich galt bie Veratfeung ben [Privatangelegenheiten
HRureno’S. gm Schein beS ben ©arten beftrahlenben VollmonbS ftanben fuh
bie ©egner enblich bicht gegenüber; nur baS bajwifcben gehaltene £ucfe
trennte fte. [Robriquej batte ben erften Schüfe — er ging fehl; llRureno
feuerte unmittelbar barauf mit nicht befferem ©rfolg. [Run war bie [Reibe wie*
ber an SRobrique^; fein [ßiftol luallte — ein leifer Sluffcbrei, bann ein fernerer
galt beutete an, bafe bieSmal bie töbtliche Äugel ihr 3iel nur ju gut erreicht.
,Goo :
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Blureno lag auf ben $ob getroffen, er verfchieb fchon nach wenigen Minuten,
kaltblütig entfernten ftch bie Seugen ber nächtlichen SJtorbfcene, am faltblütig-
ften Bobriqueg, ber eigentliche Urheber berfelben. 3[n feiner Begleitung befanb
ftch Sennor Balgabo, angeblich aus feinem anberen ©runbe, als um bie lebte
Schulb feine§ greunbeS au» bem nodb in feinen §änben beftnblichen Bachiah ge*
wiffenhaft gu tilgen, Bobriqueg verfdjwanb; er hatte vielleicht nicht länger nothig,
feinen Unterhalt am Spieltifche gu verbtenen. 2)te Behörben fteßten eine Un*
terfuchung beS Borfalls an; natürlich lieferte fte, wie gu bamaliger 3eit alle ber*
artigen Unterfuchungen in Ehili, tein Befultut. Situ Sage nadh ber Beerbt*
gung beS unglücfltchen Opfers traf Sennor guano Btureno, ber burch einen
Brief feines BruberS von ber Büdfehr beffelben in kenntnih gefefct worben, in
Balparaifo ein. Statt ben Sßiebergefunbenen gu umarmen, mu|ste er an baS
frifche ©rab beS nun für immer Berlorenen treten. $n bem von bem Bruber
empfangenen Briefe hieh es, bah gelippe, burch bie ©unft beS ©lücfeS reich ge*
fegnet, feinem geliebten Quano nunmehr reichlich vergelten fonne, waS berfelbe
früher an ihm gethan. 2)er tapfere Offizier hatte ftch furg vorher verheiratet;
feine gamilie lebte in Santiago, bo<h ber fnappe Solb ber Bepublif reichte
faum gu beren Unterhalt aus. £3aS fonnte ba erwünfehter fommen als bte
Büderftattung jenes Kapitals, welches er einft grofjmüthig bem Bruber überlaf*
fen ? ©eftü^t auf ben Brief unb feine wohlbegrünbeten Erbrechte, forfchte er
nach ber #interlaffenf<haft gelippo’S. Bur Sennor Balgabo vermochte SIuS*
funft barüber , gu geben. SllS ber Offtgier vor ben Banfier trat, über*
reichte ihm biefer ein Portefeuille, tvelcheS aufjer einigen unbebeuten*
ben Papieren einen SBechfel auf bie Summe von 150 Dublonen enthielt. 5>ie
BeerbigungSfoften unb allerlei fleine Schulben beS Berftorbenen verringerten
biefen Betrag noch um mehr als bie Hälfte; ingwtfchen erflärte ftch Sennor
Balgabo grohmüthig bereit, alle biefe Unfoften aus Büdftcht auf feine aufrich*
tige greunbfehaft für ben unglüdlichen Sennor gelippe aus eigenen Bütteln
beftreiten gu wollen. Quano, erft burch ben Berluft beS BruberS niebergebeugt,
tvarb burch biefe gang unerwartete Enthüllung vollenbS gu Boben gefchlagen.
Bergeblich erhob er Einfprache, vergeblich wenbete er ftch an bie ©erichte —
Balgabo beharrte bei feiner Angabe, unb obwohl SllleS bafür fprach, bah ber
Berftorbene Befi$er eines beträchtlichen BermögenS gewefen, lieh ftch auch nicht
bie geringfte Spur über ben Berbleib beffelben aufftnben. Ein tüchtiger Sin*
Walt, beffen $ülfe Quano in Slnfpruch genommen, richtete feine Bachforfchun*
gen nach Englanb unb ermittelte bort ohne grohe Schwierigfeit, bah gelippo
ÜBureno bei feiner Einfchiffung nach ber fernen |>eimatb an bem ©eftabe ber
Sübfee ein baareS Bermögen von minbeftenS 250,000 Pfb. Sterling bei ftch
geführt habe. 2Bo war baS ©elb geblieben ? geltppe hatte ftch von Sonbon
nach Bio Janeiro begeben, unb war von ba nach einem Slufenthalt von nur
wenigen 2Bo<hen gu Schiff nach Balparaifo gegangen. ES lieh ftch nidjt er*
mittein, bah et in Bio irgenb welche ungewöhnlichen SluSgaben gemacht; auch
fonnte er ftch an Borb beS Schiffes beS ©elbeS nicht entäuhert haben. Seit
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feiner Sfofunft in Salparaifo hatte er jmar als bermögenber SWann gelebt, je*
ba# mit SluSnahme ber berhdltnijjmd&ig unbebeutenben Summen, roel#e er im
Spiel berloren, ft# feiner Serf#menbung f#ulbig gema#t. $er Sanfter Sal*
Sabo, auf ben er 2ße#fel aus Gnglanb mitgebra#t, mar fein einziger näherer
Sefannter gemefen. ©eri#tli# bernommen, fagte biefer aus, bafe er bem 53er*
ftorbenen feine 2Be#feI, bie ft# jebo# nur auf einige taufenb Dublonen be*
liefen, auSbejahlt, im Uebrigen aber ni#t miffe, ob berfelbe no# meitere 9Jftt*
tel befeffen habe ober ni#t, ba ft# ihr Serfehr nur auf ben 2luStauf# gemöbn*
Ii#er £öfli#feiten bef#rdnft unb bur#auS fein bertrauli#er gemefen. 3)ie offene
Ii#e Meinung besü#tigte bamalS ben Sanfter Saljabo, bafj er baS ganje uner*
mefjli#e Vermögen unterf#lagen, ja no# mehr, bafc er ben unnatitrli#en Zok
Sennor geftppe’S beranlafjt habe. Oeffentli# burfte man berglei#en freili#
ni#t behaupten, benn es lag au# ni#t ber S#atten eines SemeifeS bafür
bor. 3ftobriquej mar unb blieb berf#munben; man hat feitbem in Salparaifo
nie mieber bon ihm gehört. 2lu# ber Sanfter — jefct mohl ni#t bloS bem
äufjern 2lnf#ein na# rei# — gab na# einiger Seit fein ©ef#dft auf unb
manbte ft# na# bem korben, mo er in Kupferminen fpefulirt haben foll. 2)er
tapfere Suano ÜUtureno fehrte auf feinen Soften juruef; er blieb arm fein £eben
hinbur# unb fiel etma a#t bis jehn 3ahre fpdter in einem ©efe#t mit ben frie*
gerif#en 2lraucoS beS SübmeftenS. *
gernanbej f#mieg unb bliefte ftnnenb bor ft# hin. Satürli# hingen
meine Slide no# mit gefpannter Neugier an feinen Sippen.
*3ft 3)eine ©ef#i#te ju Gnbe?" fragte i#.
„SiS auf bie üftufcanmenbung, ja."
„Sun, unb biefe?"
„3# halte fte ni#t gerabe für nothmenbig, barf fte aber bo# au# ni#t
umgehen, falls 3)ir bie Sa#e bienli# fein foH. 2#ue alfo bamit na# Selie*
ben. 3$ rebe ju einem bertrauten greunbe unb brau#e baher meine SBorte
ni#t erft auf bie ©olbmage §u legen. $)er ülftann, ber foeben in prd#tiger
Karoffe hier borüber fuhr, unb ben $u mir als ben ©atten bereinigen £o#ter
3uano SturenoS bejei#netcft, hat eine ganj merfmürbige 2lehnli#feit mit jenem
Sanfter in Salparaifo, ben man bamalS im Serba#t gehabt, bajj er ben Sater
ber jungen grau um fein ganjeS #ab unb ©ut gebra#t. SBenn ni#t 2>ein
$err ein in biefer guten Stabt Santiago feit btelen 3ahren fo ha# angefehener
2Jtann mdre, i# mürbe einen förperli#en Gib barauf f#mören, bajj ber bamalS
jugenbli#e Saljabo unb ber jefet auf ber S#melie beS SilterS ftehenbe^on GS*
cooebo eine unb biejelbe Serfon feien."
Sei bem lebten Sorte beS ©au#oS bernahm man in ber «gauptmanb beS
©ema#eS ein leifeS, bumpf*fnarrenbeS ©erdu}#. $ater Ugarte mar erf#recft
emporgefprungen, ob in golge ber überraf#enben Gnthüllung ober beS feltfa*
men ©eräuf#eS, bermögen mir ni#t anjugeben. Sein f#arfes 2luge flog im
9lu gu bem MuttergotteSbilbe in ber Si|#e empor ... .in bemfelben Slugenblicf
bcrlöf#ten §mei ber babor brennenben Kerzen unb bie glamnte bep britten flat*
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terte gittemb nach bcn genftem hinüber, als ob fte bttrd) einen auS ber ffianb
fommenben Suftjug beroegt merbe. Ser Brior entfärbte ftch; er manfte unb
mubte ftch feft auf ben Sifcb ftüpen, um feine aufrechte Haltung su behaupten.
25er Umftanb, bab er gerabe in biefem ÜBoment non ©il Sßerej fcharf beobacht
tet mürbe, (egte ihm einen peinlichen 3n>ang auf. ©r nahm feine ganje ge*
ftigfeit gufammen unb bemühte ft<b fogar, ein Sächeln um feinen ÜBunb fpielen
SU Iajfen.
„Seine ©efdptchte ift non grobem 3ntereffe, mein Sohn, 41 fagte er, „nur
ber 6<hlub fcheint mir etmaS gefucht unb bei ben gaaren herbeigesogen. 2Ber
mochte auf eine gans zufällige Behnlicbfeit hin eine folche Behauptung aufftel*
len ? So<h Sein greunb mar norfichtig genug, bie Sache als vertrauliche 9Bit*
theilung su behanbeln; hüten mir uns, ihr einen anberen ©harafter bei 3 U*
legen, kleines SanfeS unb meiner ©rfenntlichfeit barfft Su gemib fein.
SJtabonna lohnt Sir jeben Sienft, ben Su ihren treuen Wienern erseigeft.
Sefct geh', mein Sohn, entbiete Seinem mürbtgen £errn, Son ©Scobebo,
meinen ©rub unb fage ihm, bab ich feinem SBunfche, fo meit eS in meinen
fchmachen Kräften liege, nachjulommen fuchen merbe."
Ser ©aucho fügte bem $ater bie §anb unb entfernte ftch. ßaum mar
bie Shür hinter ihm sugefallen, als Ugarte mit rafchen Schritten auf bie Bifche
Suging, in melcher baS 2ButtergotteSbilb aufgeftellt mar. Sie Bifcbe mar siem*
lieh tief, nach hinten concab gemölbt unb fchieninben ntafftben Stein eingehauen.
SaS Btabonnenbilb füllte fte nur theilmeife aus. BirgenbS geigte ftch bie Spur
einer öeffnung. 3*net ber babor beftnblichen Fersen maren mirllich erlo*
fchen, bie britte brannte noch.
Ser $rior rücfte einen Seffel an bie SGßanb, ftieg barauf unb betaftete bie
hintere SEßölbung mit grober Borftcht. ©r tonnte nichts UngemöhnlicheS ent*
beeten. Sennodj prägten ftch Slngft unb Schrecfen in feinen Btienen auS.
„2öaS mar baS ?" murmelte er leife bor ftd> hin* „Sie geheime Shür
tnarrte_ein auS ber hintern 2Banb tommenber Suftgug berlöfchte bie $er*
Sen.... Sollte unfer ©efprdch belaufet morben fein unb baS für mich unfehäfc*
bare ©eheimnib je&t noch einem Bnberen angehören ? .... SBelche Unborftch*
tigleit, benSiener©Scobebo 7 S gerabe in biefem Baume su empfangen, ber eigens
mit einer Borrichtung berfehen mürbe, um ©eheimniffe su ergrünben unb bie
barin geführten ©efprdche su belaufchen ! Sie ©onftruftion ber Bifche ift freilich
feinem ber Bemohner beS ©onbentS befannt. .. .auber mir meib nur Siego
barum-Siego — ja, ja, er mirb alt unb gefchmd|ig-er ift nicht mehr
im Stanbe, ein ©eheimnib $u bemahren-SGßer feinen Schmähen su fchmeU
cheln berfteht, fann ihm SllleS entlüden-Btanuel ift fein Siebltng_mit
fflauer Berechnung hat er ftch groben ©influb über ihn berfchafff unb fucht ihn
jefct su meinem Bachtheil auSsubeuten... .SÖßenn üBanuel bort berborgen ge*
mefen_menn er bie ©Zählung peS ©auchoS belaufcht hätte_Bei allen
^eiligen, ich mub ©emibheit habe^j, um meine ÜBabregeln banach nehmen su
fömten!" <
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Unarte ergriff bie Ältngel unb läutete ftorl. (SS mährte nicht lange, fo
trat ber bienenbe Saienbruber ein.
„9Bo ift ©ruber ©tanuel ?"
,,©or menigen ©ugenbliden fchritt er über ben §of burdb bie äußere $forte.
(Sr mirb fi<h nach ber ©acriftei begeben haben, um an ber ©errichtung beS
2lbenbgotteSbienfteS Xheil ju nehmen."
„(Sr lam aus ©ruber SiegoS 3*lle auf bem linlen glügel ?"
„sticht hoch, ehrmürbigfter ©ater, icb fab ihn bie Haupttreppe herunter
lammen unb burch baS ©eftibulum gehen. (Sr mar in (Sile, ba bie ©eSper fchon
geläutet mürbe."
„@ut, ©ruber, ich weil genug.'*
$er bienenbe ©ruber entfernte ftcb.
„ÜJtanuel unb lein ©nberer !" rief Ugarte, als et ft<h mfeber allein fah.
„2BaS in aller SBelt fonnte ihn antreiben, biefe Unterrebung ju belaufchen ?
stimmt er ein geheimes Sntereffe an bem ©chidfat (SScooeboS, ober fpürt er
lebiglidj tpeinen flauen nach, um einen fchmadjen ©unft ju entbeäen, an bem
ficb mirlfame Hebel gu meinem Sturze anfefcen lieben? (Sr oertraut auf feine
©Flauheit unb ©erfteHungSgabe — mohlan, ich mill ihm geigen,' bab er felbft in
biefer ßunft noch ein gemaltiger Stümper ift!"
r 8. Büzon, de la Yibgen.
S)er ©alaft S)on (SScooebo’S mar einer ber prachtoollften Santiagos. $n
maurifchem ©tple erbaut, oon Sluben mit ©tullatur* unb ©ilbhauerarbeit reich
oerjiert, glich er einem jener alterthümlichen ©ebäube aus ber 3*it ber Araber*
herrfchaft, mie mir fie beute noch, menigftenS in einzelnen imponirenben Ueber*
reften, in ben alten ©täbten ©übfpanienS bemunbem. 3)ie innere ©uSfchmül*
Jung ftanb im oollften (Sinllang ju ber munberbaren Slrchiteltur. ©eue unb
alte SEBelt, borgen»* unb ©benblanb hatten ihre reich (len ©djäfce, ihre feltenften
Äoftbarleiten hergeben muffen, um bie oon bem chilenifchenSWillionärbemohnten
©äurne ju fchmüden, fte in eine 3aubermelt um$ufchaffen, melche allen ©innen
fdjmeicbelte unb ber ©hantafie unbefchränlten Spielraum lieb. 2)on (SScooe*
boS HauS glich bem ©alaft eines orientalifchen gürften; man mubte über ben
barin aufgehäuften ©eichthum ftaunen, lonnte aber auch nicht umhin, ben auSer*
lefenen ©efchmad, bie ©norbnung unb Sufammenfteüung ju bemunbem.
gn einem Keinen traulichen ©ernach, beffen SBänbe mit 3)raperieen aus meibem
unb himmelblauem ©eibenftoff bebedt ftnb, aus melchen ft<h bie ferner oergolbeten
©ahmen merthooller fiupferftiche unb ©emälbe effeltooH hcroorhcben, beffen
SDlöbel aus bem feinften ©aliffanbetholj beftehen unb oon ben Hänben mahrer
ßünftler gefchaffen fcheinen, finben mir jmei grauen, beibe reich unb gefchmad*
ooll gelleibet, jeboch an ©Iter unb ©nfehen febr oerfchieben. S)ie ©eitere — fte
jählte mohl nahezu fünfzig 3ahre — Ijatte ein fchmaleS, btaffeS ©e*
ficht, auf bem bie ©türme beS Sehens ihre Sinien gezogen. Sie mochte einfl
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eine blenbenbe Schönheit gemefen fein; menigfteng fpracßen bafür jene leicht gu
erfaffenben SJterfmale, melcfte felbft ba£ ^erannabenbe ©reifenalter nicht
völlig 311 vertilgen oermag. $aS Sluge, mit tiefen Gingen umgogen, batte fein
jugenblicheS geuer unb ben buntein ÜRetaCIglanj nodß nicht gattg berieten; bie
leidet gebogene, aus ben eingefallenen 3 ügen jc^t freilich gu marfirt fceroor*
fpringenbe Stafe beutete auf ein ftolgeg ariftofratifdheS SBefen; bie §aare ma*
ren noch locftg unb üppig wie ehemals, nur bie taftanienbraune gdtbung > batte
bem ©ilberreif beS Sllter^ $lafc machen miiffen. 2 BaS biefe grau einft gerne*
fen, tonnte man fuh leicht burcß einen 33lid auf i^re jugenblidße ©efdbrtin oer*
gegenmdrtigen, beten 3 üge eine überrafdhenbe Slebnlicßfeit mit genet geigten
unb bie, in ber gülle ber gugenb prangenb, bon fo munoerbarer unb eigen#
tbümlidjer Schönheit mar, oaß man bei ihrem Slnbltdf erft recht an eine 33er*
mirfUcbung jener orientalifchen 2 Jidrchenmelt glauben tonnte, in bie man burch
bie 33auart unb 2luSf<hmü<fung < be3 5Palafte§ unb be3 reigcnben SBouboirS jerfefct
mürbe. Seontica ÜDtureno batte feit fahren für baS fdßönfte üStdbdhen ©antia*
go§ gegolten; bie nunmehrige ©attin 3)on ©ScooeboS machte biefem Stuf alle
(§bre unb tonnte mobl felbft ba3 §erg einer fo an §ulbigungen unb Sluggeieb*
nungen gemöbnten Butter, mie 2)onna Uraca, mit gerechtem ©tolg erfüllen*
Sie genfter beS ©emacheS, auf einen mit fteinemer 33rüftung eingefaßten
fflalton führenb, maren meit geöffnet unb ließen bie mürgige Stbenbluft frei
einftrömen. Sie ©onne mar febon gefunten; abenbli(he hinten färbten ben
«Simmel; in bem 33ouboir h)crrfchte trauliche Dämmerung. Sie tarnen butten
ihre ©effel bidht an bie genfter gerüeft unb fächelten ftdh mit ben aus feinem
«Solg gefdhnifcten, mit @olb unb (Elfenbein reich eingelegten gddbern Fühlung
gu. 2luf einem gierigen Stipp tifcßchen, halb Oerbedft oon ben in buftigen 3Bin*
bungen betniebetfallenben ©pifcenoorbdngen, ftanben ftfberne 3$edher mit ©iS*
limonabe. Sie Unterhaltung mar giemlidb lebhaft, mürbe jeboch mit gebdmpf*
ten ©timmen geführt.
„2öaS in aller SBelt, SJlama, ift ber gmedt biefeS SocumentS, gu beffen
Untergeidhnung Son ©Scooebo uns brangt ?" fragte bie jüngere ber tarnen,
beren SlntUfc einen garten Slnflug non Stötbe geigte, meldßer ihr bei bem ntagi*
fchen ©chein be3 HbenblidbteS einen mirtlidh gauberbaften Steig oerlieh. ' „2Bir
follen auf ©üter Oergichten, bie mir nicht beftfcen, füllen etmaS übertragen, mag
nicht oorbanben ift — ich geftehe, ich oermag baS nicht gu faffen unb möchte
mich feiner £anblung fchulbig machen, bie ich felbft all fmntoS unb unnüfc be*
geießnen müßte."
„Sein ©atte thut nichts ohne reiflich ermogenen ©runb, mein fiinb," oer*
fepte bie Suegna. „3ludh biefe gorberung hat gemiß ihren gang beftimmten
Smedf, nur geftebe ich/ baß mir bie ©rgrünbung beffelben noch nicht recht ge*
Iingen moUte."
,,©r behauptet, bie Stüdtficht auf feine gefedfdhaftlidhe Stellung, feinen ©in*
fluß in gefchdftUchen Greifen etheifche es fo."
„Sag mag Siebenfache fein. Ser mähte ©runb ift mobl in anberer
Bi
£
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[Richtung ju fu4en. 34 bin übrigens überzeugt, es ift ein ehrenmertber unb
löblicher, fonft mürbe ihn ber bo^mürbigfte $ater Ugarte, beffen [Rath i4 noch
ftetS bemährt fanb, nicht 5 U bertheibigen unternommen haben."
„2öaS räth Sir ber fromme $ater ?"
dr fteHt bie f<hlief$ttche ©ntfcheibung ganj unferm eigenen ©rmeffen anheim."
„Unb maS merben mir thun, 2Rama ?"
„Sab mich gemäßen, mein iUnb. 34 merbe für Si4 hanbeln unb Seine
3ntereffen mähren."
„Su fügft Sidh feinem Verlangen ?"
„Unter gemiffen Söebingungen, benen er feine 3uftimmung nicht berfa#
gen mirb."
„2Iber bie gan 3 e Sache ift leere gorm; ich lann ihr leine praltif4e Söebeu#
tung beilegen."
„2luch gornten ftnb mi4tig, mo eS fich um ben [Ramen'unb baS Slnfehen
einer V altehrmürbigen gamilie, mie bie unfrige hanbelt."
„Su fagteft mir oft genug, ÜRama, bah biefer ^äme unb biefeS 2ln#
fehen nur burcb ben iöefi^ bcn [Reichthümern mieber ju SBerth gelangen lönnten."
„34 fagte eS unb fage eS noch jefct. gern fei eS aber bon mir, bem
[Reichtum Vorrechte ein^urdumen, ihn über tarnen unb Herkunft ftellen 3 U
mollen. ©incS ift fo nothmenbig mie baS Slnbere, ©ineS ergdnjt baS 2lnbere.
3nbem i4 niich irgenb melcher [Rechte unb S3efugniffe unferer gamilie begebe,
habe i4 [Rüdftchten auf ben lefcten männlichen Sproffen berfelben, auf Seinen
älteren trüber, 3 U nehmen."
„9Rama, er ftarb eh* i4 baS Sicht ber ffielt erblidtc!"
„34 habe feine Seiche nid&t gefehen, fte ruht nicht in ber ©ruft ber 9Jtu#
renoS, an ber Seite feines tapferen, aber unglücklichen SSaterS — für mich lebt
mein 3 uano noch!"
Sie junge grau erhob ftdb bon ihrem Seffcl unb trat an bie Seite ber
üRutter, ber fte lieblofenb bie SBangen ftridb. „3ntmer mieber tiefe feltfame
3bee, mit ber Su Sir felber fo biel Kummer unb üual bereiteft! Su märeft
glücklicher, 2Rama, menn Su ben Sob meines armen S3ruberS ein# für allemal
als eine nicht ju änbernbe Shatfache angenommen, unb Sich mit frommer ©r#
gebung bem SBitlen ber [ßorfehung untermorfen hätteft."
„Sßer fagt Sir, £inb, bah bie SSorfehung etmaS mit feinem SBerfdhminben
$u f 4 affen hatte ?"
„üffienn fte eS nicht jugelaffen, mürbe er feinen Sob in ben gluthen beS
ÜRapacbo gefunben haben ? Su haft mir baS traurige ©reignib oft genug er#
jählt. Ser fech^jährige 3uano fpielte täglich in bem groben ©arten hinter un#
ferer £acienba. 2 ln ben ©arten ftiehen meite SBiefengrünbe, bie ft<h tbalab#
märtS bis ju ben bon S4ilf unb Sumpf umgebenen Ufern beS gluffeS hin 3 o#
gen. Ser ©arten, fo grob er auch mar, bot bem in’S SBeite ftrebenben Knaben
leinen hinlänglichen Spielraum. Sro$ beS ftrengen Verbots, ihn nicht 3 U ber#
laffen, kletterte er jumeilen über bie ©infriebigung unb ftreifte burch bie 2 Bie#
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fengrünbe bil in bic $ftdbe bei gluffel. Einft batte er ft<b wieber bil an bal
Ufer oorgeroagt, wo er Keine Schiffchen, bie er ftcb aul 93aumrinbe gefcbnifct,
bon ben SBellen forttreiben liefj. S)er (Partner, ber ihn aul weiter Entfernung
bemerft, eilte auf ihn 3 U, um ihn oon ber gefährlichen ©teile gu entfernen.
Pöfclicb — er batte noch nicht bte «gdlfte bei SBegel gurüdgelegt — »ernabm
er einen angftlicben Schrei; er blidte empor — ber Änabe war bon feinem
$lafc »erfcbwunben unb tonnte nur in ben glufj geftürgt fein, ba er ibn wenige
Slugenblide borber no(b gang beutlicb gefeben. Sltbemlol unb an allen ©lie*
bern jttternb bor Scbred, langte ber (Partner am Ufer an; ber 2ftapa<bo, bur(b
heftige IRegengüffe oben in ber Eonbillete angefcbwellt, Walkte feine gelben,
fcbaumbebedten glutben mit rafenber Scbnelligteit bahin — ftromauf* unb
ftromabmartl nirgenbl eine Spur bon bem Knaben, nur feine gufjftapfen
geigten ftcb noch im Sanbe; an ber Stelle, wo er berfcbwunben, war bal
Erbreicb frifdb lolgelöft unb offenbar unter feinen güj$en in ben glujj geftürgt,
unb am Ufer lagen noch einige ber bon feiner «ganb gefcbnifcten Schiff*
d&en, bal gefährliche Spielwert, welchel ibm ben £ob gebraut."
„$en £ob in ben SBellen! steinern frönen blonbgelodten finaben, bem
eingigen Erben bei SRamenl ÜDtureno, ben£ob in ben Stellen!" wieberbolte
bie alte 2 )ame bdnberingenb unb mit fcbmerglichem Sluibrud.
„SBobl ihm, üflkma! Er lernte bei Sebenl Scbmergen ni<bt tennen, er
ging in ber 3 ugenb greuben hinüber in ein befferel 2 anb."
2 )ie SJuegna batte ftcb eine £b*äne aul ben Slugen gewif(bt unb fuhr jefct
namentlich mit ber <£janb über bie Stirn. „El ift melleicht tein befferel 2anb,
wohin er ging; er weilt t>iellei<bt noch immer in biefer irbifcben Sphäre,—
bocb ohne greunbe, ohne Scbwefter, ohne ÜUtutter, bie für ihn forgt unb über
ihn wacht!"
„äJtama!"
„Sie haben oergebenl nach feiner Seiche geforfcht; nirgenbl warb fte an’l
Ufer getrieben, fo weit ber Sflapacho feine glutben wdlgt."
„S)er reifcenbe glufj führte bal arme $inb oon bannen, weit, weit hinweg,
bielleicht inl unenblicbe 2 >leer."
„Sn’l ÜJteer ober über bal 2 Ueer! 3 m fernen Oftenunb SBeftengiebt
el ja auch noch mächtige £dnber, bie bem Söerfchwunbenen ein Slfpl bieten
tonnten."
„Slber ber Partner fab ibn felber in ben Strom ftürgen, begegnete genau
bie Stelle, an ber er oerfunten, fanb bie ©egenftanbe, mit benen er ftcb
Sulefet bef(bdftigt!"
„$er ©drtner, ja, bocb ich fagte $ir oft, bafj i(b ben SDlenfcben nicht für
guberldfftg hielt. Er hatte oiele gahre in unferer gamilie gelebt, war ftetl
liebreich behanbelt worben; gleichwohl tonnte er teine innige Steigung gu uni
gefafjt haben, fonft würbe er feine Stellung nicht fo plöfclicb aufgegeben haben.
2Benige 2Jionate nach jenem unglüdiichen Ereignifj nahm er feinen 2ibf<bieb —
i<b fah ihn fpdter nie wieber."
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„Vielleicht machte er fid6 Vormürfe, bafc er feen Änaben nicht feeffer über®
„konnte er, fern bon uns, feie mir nie eilten Sabel gegen ibn auägefpro®
<hen, barauf regnen, biefen Vormürfen gu entgehen ? Su meifct, mein $inb,
bab ich ©runb gum Ki&trauen hatte. E3 gab Seute, feie auf ba3 Erlofchen ber
gamilie Kureno hofften ... Sein Vater hatte bittere geinbe, benen e£
gugutrauen mar, bab fte felbft gu einem fo teuflifd&en Kittel greifen mürben,
um...
„Sab ba3 Vergangene ruhen, Kama! Su mecfft ben Sobten baburch
nicht gum Sehen auf, Sir felber aber bereiteft Su namenlofe Gual. gebe 3eit
hat ihre eigenen Seiben. SieEegenroartbrücft ferner genug; marumben Soleier
ber Vergangenheit lüften, ba er hoch nur fchmergliche Erinnerungen betft?"
„geh bin mit ber ©egenmart gufrieben, meine SToc^ter* Ser Slbenb mei®
ne3 SebenS fcheint ft<b freunblicher gu geftalten, al3 e3 ber trübe Korgen ber®
fprach."
„geh banle Sir für biefe3 ©eftänbnif?, Kama. E3 giebt mir Äraft, bie
Vürbe gu tragen, melche auf meinen Schultern laftet."
„Verfünbige Sich nicht, Seontica. Su nennft eine Vürbe, ma3 Slnberen
al3 grof$e3 ©lücf erfcheint. Vift Su nicht reich unb angefehen ? ginbet nicht
jefeer Seiner SBünfche Erfüllung ? Vimmft Su nicht unter ben Samen biefer
$auptftabt faft ben erften föang ein ? 2öo märe ein Käbchen Seinem 2llter§,
ba3 gortuna fo berfchmenberifch mit ihren löftlichften ©aben überhäuft hätte?"
„Unb in beren £ergen e$ hoch fo obe, fo troftlo3 öbe geblieben märe! Sich
Kama, ftänbe mir noch einmal bie Sßahl frei, mie freubig mollte ich auf biefeS
©lud »erdichten, um mir bafür ein anbereä gu erlaufen !"
„Shörichte Schmärmereien, bie bor bem DUchterftuhl be3 gefunben Ver®
ftanbeä nicht beftehen tonnen ! 2Ba3 Su erreicht, hält Stanb für* 3 gange Se®
ben, ma3 Su aufgegeben, mürbe Sir nur flüchtige Vefriebigung gemährt
haben."
„Ein einziger Slugenblidt mähren ©lüd» — unb mie gern mollte ich für
immer elenb fein!"
„Sa3 ftnb ©ebanten, bie fich für eine grau in Seiner Stellung nicht
giemen, meine Sodjter. Verbanne fte, beherrfche Sich! gd& hoffte, bab Sich
bie überftanbene ßrantheit für immer bon jener gugenbberirrung geheilt."
„gm ©egentheÜ, fte hat mir baö Unrecht, mel<he3 ich beging, erft recht
lebhaft bor Slugen gefteHt"
Sie junge grau fchlang ben runben Slrm um ben $al3 ber Kutter. „Kama,
menn ich i h n nur noch einmal fprechen, ihm Slbbitte leiften, mir feine Ver®
geihung erflehen bürfte!"
,>Vift Su bon Sinnen, Seontica? Ka$ mürbe Sein'©atte gu folchem
beginnen fagen ?"
„Kein ©atte ! gragt er nach ben Kämpfen unb Seiben biefeS #ergen3?"
„Seine Ehre foU Sir heilig fein."
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„ßannfie baruntw leiben, wenn ich ein Unrecht |u fübnen rerfuche?"
„$ie SBett wirb Sich rerbammen."
„Slber mein eigenes ©ewijfen mich freifprechen."
„Sab biefen ©ebanfen fahren, flinb! er ftürjt $i<h ing Unglücf."
„ßann ich unglftcfltcher werben, alg ich eg fdjon bin ?"
„$u frerelft! s i)tabonna wirb $)t<h ftrafen !"
„SJtabonna foH entfcheiben! 3 <h ^abe an bie ©ebenebeite getrieben unb
fte um ein3eichen gebeten. £eute Slbenb nach ber SSefper lege ich bag Schreiben
in ben 93rieffaften unferer SJtabonna de la compania. ©rbarrnt fich bie
$imraelgfönigin ihrer unwürbigen SJtagb, giebt fte bag 3 e i$e n / bann...."
2 )ie 5)amen hatten im ©ifer ihres ©efprdcbs ein letfe^ Jochen an ber
$hür überhört, ©ine ßammerjofe unterbrach burch ihr ©intreten ben Schluß
ber Siebe Seontica’S.
„$on ©Scorebo labt fragen, ob er ben tarnen genehm fei."
„©g bebarf für $on ©Scorebo feiner Reibung, trenn er3utritt tnbiefen
Räumen wünfcht," Perfekte bie junge grau rafch.
S)ie 3 ofe entfernte fich.
,,©r toirb ung baS 3)ocument gur Unterfchrift borlegen," fagte bie$)uegna.
„Sab mich gewähren, mein £inb. 3 <h werbe thun, wag ber Sürbe unfereS
StamenS jiemt, wag ich t>or meinem ©atten, deinem 33ater, in einer anberen
ÜBelt bereinft nerantworten fann."
2 >onna Uraca unb ihre Tochter nahmen ihre früheren Sifce an ben
genftern beS ©emacheg ein. 5)on ©Scorebo trat ein, hinter ihm ein Wiener,
einen ftlbernen Ermlemhtec mit brennenben Äeqen tragenb, ben er auf einen
ber Xifche in ber Stabe ber £hür nieberfefcte, worauf er toieber ging. S)te
SöacbSfcrjen rerbreiteten ein glanjenbeS Sicht im 3immer; brauben im greien
trat eö faft bunfel geworben. $5et SMiondr fügte feiner retjenben ©attin
bie #anb unb erwies bann ber Schwiegermutter biefelbe Slufmerffam*
feit. $er ©inlabung ber tarnen folgenb, rüdte er jich einen Seffel bicht an’S
genfter unb nahm gwifchen ihnen $lafc. 2 )aS ©efprdch bewegte ftch anfangs
im gewöhnlichen ©eleife ber ©onrerfation. 5)on ©Scorebo war trofc feiner ror*
gerücften Qahre unb feines nicht fehr einnebmenben Sleuberen noch immer ein
SJtann ron SBelt unb ein SJteifter in ben gormen beS Umgangs. ©r behan*
bette bie 2 )amen mit ber auSgefudbteften ©atanterie unb Surorfommenheit, unb
feiner Unterhaltung lieb fich ein geroiffer Sieij feinegwegg abfprechen. Stach*
bem er ben ©runb bergeftalt gehörig rorbereitet glaubte, fchritt er enblich gum
SBefteöen beffelben. ©r 50 g ein Rapier aug ber $af<he, faltete eg fpielenb
jwifchen ben gingern unb wenbete fich mit fcheinbar gröbterUnbefangenheit an
feine jugenbliche ©attin.
(gortfefcung folgt.)
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jfid)t un& Marine.
®«t gegenwärtige <5tanb bet SJnbiationö: tmb
Stbfotption&Seftte.
Slacfc Sßrofeffor Qo&it Sijnbatl.
S 3 on Xr. © Slöfct.
(Energie irer U3ärme(tral)len im Sergleid) ju iren #id)t|lral)lcn.
$ag merfmürbige SSer^altert ber elementarifchen ©afe führte gut
Unterfudhung anberer Elementarlörper in Begehung auf föabiation. 9Jtan
fanb, bab Sdjmefel, Sampenfcbmarj, f<^roar 3 e^ ©lag (Äohlenftoff) Scbmefel in
$oppel*Schmefel*£oblenftoff aufgelöf’t, bie SBdrmeftrahlen burcblieben; man
fanb biefe Eigenfcbaft in noch h&herent ©rabe bei ben bunfel gefärbten elernen*
tarifdben Stoffen Brom unb Qob; man fanb, bab eine Sage non Qobauflöfung
(burdh $oppel*Schmefels$ohlenftoff), bunte* genug, um bag beüe Sicht ber
ÜDtittaggfonne abäufebneiben, für bte unftebtbaren SBarmeftrablen faft abfolut
burdbbringlicb mar. Oftittelft biefer ^atfad^e gelang eg Sir 2BiU. $erf<bel
(1862) mit |mlfe non £infen aug Steinfala (©lag berfcbludt einen groben
£beil ber SEBdrmeftrablen) unb eineg 2JtetallfpiegeIg, bie bunflen unfiebtbaren
SBdrmeftrablen ju einem focus (Brennpunft) ju fammeln, in meinem ntc&t
nur bie fabeln eineg groben ©afoanometerg im 2lugenblict heftig augfdjlugen,
fonbern auch ein brennbarer Körper in Branb geftedtt mürbe.
■Dtit benfelben £ülfgmitteln gelang eg auch, bag Berbdltnib ber 2 Bar*
m e! r a f t ber £eucbt* unb ber Södrmeftrablen ju einanber feftjuftellen. $>ie
3 u biefem 3mede angeftellten fttnnrei^en Experimente ergaben alg SRefultat:
„bab menn alle f ich t b a r en Strahlen beg electrifcben £i<bteg ju ei*
nem focus non blenbenber $elle nereinigt maren, beren $ifee gleichmohl
nur ben neunten Xheil ber bureb ben unfidhtbaren focus ber
unfiebtbaren Strahlenberoorgebradhten betrug.
2Jtit $ülfe einer bemeglicben thermo*electrifcben Sdule, meldbe man all*
malig bem Einfluffe ber einzelnen garbenftrahlen beg electrifcben £icbtfpec*
trumg augfefcte, ftetlte man nicht nur feft, bab unter ben farbigen Strahlen ber
r o t h e bie häufte straft beftfct, fonbern bab, menn bie tbermo*electrif<be.
Sdule über bag SRotb hmaug in bie b u n! I e Legion gefeboben mirb, bie
2 Bdrme, anftatt &u nerfdhminben, plöfclidh &u enormer $ohe fteigt, unb nadjbem
fte in gemiffer Entfernung über bag SHoth hinaug ein ÜDiaximum erregt, ebenfo
plßfclüb mieber ftnft, fo bab ein nach biefem Verfahren entmorfeneg Diagramm
ber SBdrmelinie bag 93ilb eineg fteilen maffioen Sfliffg — einer 2lrt oon
2ödrme*9)tatterborn, mie SpnbatI fagt — gemdhrt.
3 n ber $bat lommt man bei Betrachtung biefer „2Bärme*£obentarte" auf
bie 3bee, bab bie 2 e u ch t ft r a h l e n ein blober unbeoeutenber Slnhang $u
ben buntlen Strahlen feien, fo $u fagen uon^ber Statur für ben 3me<! beg ©e*
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fid?t3fmne§ mit hineingeworfen. $ie£ ift ba§ $ia‘gramm be§ electrifcheu
Sichtfpecttumä. $a3 bon Gütler (Brofeffor in greiburg) entworfene, bie
Bertheilung ber SBdrme im Sonnen*Spectrum geigenb, ift bur<hau3 nid&t
fo auffatlenb, wa§ £pnbatl bem 2)ur(hpafftren ber Sonnenftrahlen bur<h bie
2ltmofphdre beimiht, beren wdfferige Beftanbtheile energifch auf bie Strahlen
jenfeitö be3 Both wirten. Buch bie Bergfpifce im Diagramm be§ electrifchen
Sichtet nimmt ab wenn man bie Strahlen burd? eine bünne Sage SBaffer hin*
burchgehen labt.
SBenn e§ wahr ift/ wa3 bie ^albfagen^aftc ©efchichte bon Brchimebel er*
jdhlt, ber bei ber Belagerung bon Spracu§ (im jweiten Bunifchen Kriege, 212
bor Ehr») bie feinblichen Skiffe mit Brennfpiegefn in Branb geftedt haben foß,
fo tönnte er fuh babei nur ber buntlen Strahlen ber Sonne bebient haben.
2)a3 Experiment beä groben MathematiferS tann burch bie bon un3 be*
fdjriebene Borrichtung gur Sammlung-ber itnfuhtbaren SEßärmeftrahlen in einen
ebenfalls unfuhtbaren Brennpunft, in Keinem Mafjftabe bargeftellt werben.
2iu$ einem Stüde «& 0 I 5 , ba§ man in biefen Brennpuntt bringt, erheben fuh
fofort bide Bauchwollen, Blei, Sinn unb 3inf fchmeljen u. f. w.; will man
Metalle berbrennen (in 2 )ampfform berechtigen), fo mub man fte f<bwaqen,
um ihre Beflexion3*itraft ju minbern. So gefchwaqte 3intfolin, Magneftum*
3)raht, w. brennen mit bem ihnen eigenen ^arbenglanj. Stüde bon ßohle,
in Sauerftoff aufgehdngt, werben burd? ba3 ®la§ hinburch noch ent^ünbet; in
luftleerem Baume glühen fie auf ber Stelle, fowie fte in ben focus ber unftcht*
baren SBdrmefirahlen gebraut werben.
SJcfentlidje 3bentität non J id)t unb Wir me.
2)ur<h weitere Experimente (Stotel unb £pnbaH) gelang e§ ferner, bie
fubftantielle Qbentitdt bon Siebt unb ftrahlenber 2ßärme nad^uweifen. 2Bir
tönnen tytx nur bie Befultate biefer intereffanten (Experimente mittheilen.
£pnbatl fteUte bie BerroanblungSfdhigteit (£ranlmutation) ber Strahlen feft, unb
nannte biefe Erfcheinung Ealore<Scen 3 . Mit Benufcung bon Blatinfolin erhöhte
man bieBrechbarfeit (Befrangibilität) ber Ultra* Both*Strahlen, fo bah fte
ftchtbar würben. (Mitanberen Porten, man berwanbelte bie SBärme in Sicht) unb
erhielt bon ihrem Sichte, burch ba» Brtema gefehen, ein neues bollftänbigeS
Spectrum, bon beffen buntlen Strahlen man toieber ein aweiteS unb bon bie*
fern ein britteS Spectrum unb fo fort erhalten tonnte, wenn man Mittel be*
fdfce, bie urfprüngliche OueUe ber Strahlen $u genügenber §öhe ber Tempera*
tur gu erheben.
Bber trofc biefer Sbentitat ber Sicht* unb ©ärmejtrahlen unb ter Berwan*
belbarteit biefer in jene, ift gleichwohl
ber Sehnerb beS SlugeS
für bie Einbrüde biefer mächtigen ’ ffiärnteftrahlen böllig unempfinblicb,. fo ju
fagen tobt. Buh biefe $hatfa<be muhte bon ber unermübiihen gorfdhung
burch Experimente feftgeftedt werben. SDiefe Berfudje mit einer gewaltigen un*
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ftcbtbaren ßraft mären gefd^rltdö; fte fonnten bern SBerfucber baS Euge foften.
SBurben bie bunflen Strafen bon ben glüjfigfeiten beS EugeS in hohem ©rabe
abforbirt, fo fonnte baS in biefem enthaltene Eimeifc (mie biefeS befanntlicb in
£ifce tbut) gerinnen (coaguliren); gelangten bie Strahlen bagegen bis
Sur SRephaut, fo fonnten fie btefe jerftoren. gn beiben gdllen mar Slinbheit
ber Sohn beS gorfdherS. 9ftan ftellte baher guerft SBerfuche mit Sßaffer unb
Elaunlßfung an, melcbe jene Söirfung unmahrfibeinlicb machten. S)ann mürbe
baS Euge bem bunflen 93rennpunfte nahe gebracht, aber bie «gifte beffelben mar
für bie bie Pupille ijmgebenben fcheile beS EugeS unerträglich* 9Ran fcbüftte
biefe baher burcb eine mit einem Soche berfehene 2RetalIplatte, unb brachte fo
erft bie Pupille unb bann bie SRefthaut in ben bunflen gocuS. Äeine Em*
pfinbung bon Siebt, nicht einmal bonSBärme, mürbe auf ben Seh*
nerb herborgebracbt; unb hoch mar bie Sefttere fo grof$, bafj $ l a 1i n f o *
1 in, melcbe man nachher an bie Stelle beS EugeS brachte, alsbalb r o t h*
glühenb murbe!
SBeitere Experimente im Euge eines Ocbfen ergaben, ba& bie bunflen
Strahlen jum Xheil burch bie glüffigfeiten beS EugeS aufgefaugt merben, §um
£heil bie Eeftbaut erreichen, unb jmar baS Sefttere in bem SBerhaltnih bon 18
$ro$ent ber gefammten EuSftrahlung (ftcbtbare unb unficbtbare
Strahlen). Um ftch nun bie munberbare Einrichtung biefeS feinen SRerbenge*
mebeS ju berfinnlichen, fa&te man folgenbe Xhatfachen ins Euge. 3)ie blo*
hen Seuch tftrahlen ber electrifchen Sampe in einen Sörennpunft gefammelt,
mürben bie [Refthaut un mieb erbringlich gerftoren, unb bo<hmürbe
beren SBellenbemegung menig über bie «gälfte berjenigen betragen,
melcbe Die ÜRefthaut int unfuhtbaren gocuS ohne alle Empfinbung er»
4 rägt! $)ie ÜRefthaut entfpricht baher einzig unballein ben ihr bermanb*
ten Schwingungen ber Sicbtäthermellen; aber bon ber unberechenbar
ren Reinheit biefer Eeijempfanglichfeit mirb baS golgenbe eine meitere Enfcbau*
ung gemähten.
Ein gemöhnlicbeS Siebt (ßer$e ober Sampe) fann in llarer Eacbtluft leicht
in ber Entfernung e i n e r SK e i l e (Englifcb) gefehen merben, unb boeb be*
tragt bie Stdrfe biefeS Siebtes in biefer Entfernung nur ben 20 SKillionften
2 heil feiner Stdrfe bei einer Entfernung bon einem gufi. gn berfclben
Entfernung (bon 1 gufc) fommt aber ber £heil ber [Rabiation beS eleftrifcben
Siebtes, melcher bie ÜRefthaut trifft ohne bie ©efubtSempfinbung §u erregen/
1500 üBtat ber leuebtenben Strahlung beS Siebtes gleich* $ieS ergiebt, bafc
(1500 x 20,000,000), ber 30,000 ÜRillionfte £heil ber ÜRabiation bon etef*
trifdjem Siebte, in ber Entfernung bon 1 gu& bon ber Kefthaut aufgefangen,
reichlich genügen mürbe, bie ©eficbtSempfinbung an$uregen! So gro&ijt bic
Empfanglicbfeit beS SeftnerbS fnr ben bermanbten Sicbtreij!
j0rr wahre ürfprung btr #end)tflrahlen.
Weitere ÜBerfucbe mit bem electrifchen Siebt ergaben, baff mit ber Energie
berSeu<btf(h»w 9 ungenbur^Serftdrtung beS electrifchen Stromes auch bie Euer*
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gie ber b u n 11 c n SluSftrahlung (§ifce) in befthnmtem SDZtrße wäcbrt; bafc jebetrt
Strom« blenbenben Siebtel auch ein Strom unftebtbar ftrahlenber SBärme zuge*
{eilt ift, ber baS Sicht an $raft »eit überfteigt—unb bajs bieö pon allen Körpern
gilt, bie in feftem ober gefcbmolzenem Suftgnbe in 2Beifjglübbi$e überzugehen
fähig fmb. Tpnball {flieht barauS — trenn, toie er fagt, es ihm erlaubt fei
ZU f p e I u l i r e n — auf ben wahren Urfprung bet Seucbtftrahlen. „2Bir {eben
fte erfreuten trenn ber auSftrahlenbe Körper eine getrijfe Temperatur erreicht
bat, ober, mit anbern SBorten: trenn bie febwingenben Sltome beS Körpers einen
gewiffen 3eitabftanb (Äür^e) erlangt haben. Sinb nicht bie tafeberen Scbtrin*
gungen baS (Erzeugnis ber langfametn? 3ft nic^t bie gegenfeitige 2Birfung
ber Sltome, trenn fie burch febr treite Släume febtringen, unb fo einanber brän*
gen, waS fie in fürjem Seiträumen zu febtringen perantafjt? Sflifr anbern
Sßorten: Tie liebtgebenben SBeden fmb wabrfebeintieb bie notbwenbige
Siacblommenfcbaft ber SBärrae gebenben Sdbtringungen. „$Bon bem ©lan|e
beS Siebte« einiger giyfterne felbft tonnen trir auf bie Qntenfität ihrer buntlen
SluSftrablung fcbliejjen, treibe bie Vorläuferin uub unzertrennliche ©enofftn
ihrer Sid)tftrablen ift."
Stacbbem man bie 2IbforptionSfäbigfeit ber permanenten ©afe feftgefteUt
—trie trir oben gefehen — behnte man bie Unterfucbung weiter auf biefelbe gä*
higteit ber T u n ft e—trie beS 93enzal, Slmplene, Scbtrefel unb anberer Siethen
arten,— fotrie oerfebiebener effentieller Oele, ©erücbe, aus, unb tarn auch hier
ju ben auffaüenbften Slbftänben ber SlbforptionStraft. SBäbrenb—bie Slbforp*
tion ber trodenen, reinen Suft als (Einheit angenommen — bie SBärmeabforption
beS <pat<houli 30 ift, beträgt bie beS SlnieS 372. „(ES trürbe— fept Tpnball
mit Siecht hinzu — müjjig fein, über bie e n g e beS Stoffes zn fpefu*
liren, bie bei biefen Söirfungeu im Spiele ift."
Tiefe Unterfucbungen felbft aber fmb nichts weniger als mfifcig, benn fte
führten zur geftftellung beS SöerhältnijfeS
ber Stofferbünfte jur ®rbn>ärme.
Tie S a f f e r b ü n ft e, Pon welchen hier bie Siebe ift, barf man nicht, wie
ber Saie geneigt fein mochte, mit ben 2Ö o l f e n ober fichtbaremStebel
oerwechfeln. Ter Tunft, ber ben ©egenftanb biefer Unterfuchung bilbet, iftem
Pöltig untaftbares ©aS, welches felbft an ben tlarften Tagen burch
bie Sltmofpbäre Perbreitet ift. gm SBerbältnijs zum gefammten ©anjen ber Suft
beträgt ber SBafferbunft eine faft unenblicb Heine SDlenge, inbem Pon 100
Theüen bet Sltmofphäre 99£ aus Sauerftoff unb Stiäftojf zufammengefefct
finb, unb ber übrfgbleibenbe £ SBolumtbeil noch Perfchiebene anbere öeimifebun*
gen (wie Ammonium, ßoblenfäure tc.) enthält. Ohne bie befchriebenen @ype*
rimente würben wir niemals baran gebacht haben, bem SBafferbunft, jenem
bürftigen unb wecbfclnben 33eftanbtheile ber Suft, irgenb einen wichtigeren (Ein*
fluf; auf bie Grbwärme beizumeffen. Unb bod? i ft biefer (Ein f lufj mä <h*
tigeralSberbergrofjenSJtaffeberSuft! TieSBirtung beS 2Baf*
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ferbunffeS an einem Sage non TurchfchnittSfeuchtigfeit in (Englanb jurn $un*
bertfachen bet ber 2 uft felbft anjufchlagen, mürbe unter ber SBahrheit bleiben;
bie Slbforption biefeS Stoffes beträgt nielleicht 200 2)tal bie ber £uft, in ber er
fchmebt, unb bie ber ei^elnen ÜDtclecüle beS SöafferbunfteS in Bergleich ju einem
ber beiben $auptbeftonbtheile unfererSItmofphäre allein, nießeiebt mehrere 1000
ÜKale. TieS ift non ber haften Söichtigfeit für baS fieben auf ber (Erbe
2Ran [teile ft<h bie SMecüle ber (Erboberfläche, in ber Bemegung ber SBärme
fchmingenb unb biefe bem umgebenben Slether mitthcilenb, nor, fo mürbe biefe
Bemegung (b. i. 2£ärme) rafcb fortgefübrt merben unb unferem Planeten für
immer nerloren geben, menn bie Sletherfchmingungen bei ihrem Söcftreben nach
auSmärtS feinen anbern BHberftanb fänben als bie 2uft. 2lber biefe 2lether*
fchmingungen merben non bem SBafferbunft aufgenommen, biefer mirb
baburch erhifct unb umhüllt fo bte (Erbe mie ein manneS ßleib unb fchüfct ihre
Oberfläche gegen bie töbtlicbe (Erfüllung, melche fte fonft erfahren mürbe. Tie
Speculationen, melche Te Sauffure, fjourier, ^ouillet, §opfinS unb anbere
Üftaturforfcher über bie atmofphärifche §üüe beS (ErbförperS angeftellt haben,
ftnb alfo nach ben jefcigen (Erfahrungen mefentlieh auf bie 2öaf ferb ünfte
ju übertragen.
Tie Beobachtungen über ben extremen SBechfel ber Temperatur an f eh*
trodenen Orten betätigen baS Obige noüfommen. ge troefener bie
2uft — mie auf ben (Ebenen gnbienS, in ber SBüfte Sahara, auf ben £och*
ebenen beS «gimal'apa u. f. m. —befto fchneller unb tiefer fmftbie Tempe«
ratur ber fiuft nom 9}ta?imum ber £ipe um Tage bis auf ben ©efrierpunft in
ber SRacht.
Slber, fonnte man hier einmerfen, biefelbe £üUe, melche bie (Erbe gegen
(Erfüllung fchüpt, mufj ebenfo gut bie Dtabiation ber Sonne, non meiner mir
unfere SBärme empfangen, a b h a 1 1 e n. tiefer (Einmanb ift mahr, aber nur
jum Theil, meil bie Sonnenftrahlen non ben (Erbftrahlen qualitativ
nerfebieben fmb. Tie Sonnenftrahlen gehen 5 . B. burch eine SGßaffer*
läge non einem 3ehntel 3oü Tiefe mit gietnlicher Seichtigfeit burch, mährenb nicht
ein einiger SBärmeftrahl ber (Erbe burdb eine nur halb fo biefe Sage paffirt;
unb baffelbe gilt non ben SBafferbünften. Tie golge banon ift, baf$ bie mittlere
Temperatur unferS Planeten höher ift, als fie nach feiner (Entfernung non ber
Sonne eigentlich fein follte.
Tiefe Thatfache ber ftarfen 2Bärme*5lbforptionSfraft beS SSafferS unb ber
michtigen gunction ber SBafferbünfte in ber 2uft ift burch meitere (Experimente
mit anbern glüffigfeiten unb beren Tünftcn in Be$ug auf bie Sluffaugung ber
Sßärmeftrahlen ferner beftätigt , morben. 2ftan fanb babei, ba& baS
2Baffer bie b&<bfte 3lbforptionSfähigfeit beftfct, unb bajs 3 . B. eine Suftfpbäre
non 2 3ott Tide, mit bem Tunfte non Schmefeläther gefättigt, unb unmittelbar
bie (Erboberfläche umhütlenb, bie SBärmeftrahlung unenblich meniger nerhinbem
mürbe, als bie Sßirfung beS atmofphärifchen SOBafferbunfteS innerhalb 10 gub
non ber Oberfläche ber (Erbe.
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SDie Vtolecüle bon dafen unb fünften ftnb aber nid^t allein Empfänger
unb Sluffauger ber an fte gelangenben Sellenbemegung, fonbern auch felbft
SluSftrabler unb Urbeber non Sellenbemegung; biefelbe 9Mecular*2lnorbnung,
-bie ein das $u einem frdftigen Sluffauger ber Samte macht, macht es in bem*
felben drabe auch ju einem fräftigen HuSftrabler; ba£ 2 ltom ober Solecüle,
toeldbeS im Stanbe ift, bie Sarmemetlen a u f 3 u f a n g e n, ift in bemfelben
SJtape fdbig, folche 3 U e r § e u g e n, ober mit anbern Sorten: SR a b ia t i 0 n
unb 2 tbforption finb gegenfeitig. 2 luch bieS mürbe burch böchft
ftnnreiche dyperimente mit erbeten dafen unb fünften feftgefteUt, unb ber
gdbigleit folcher, bie in ihnen beroorgerufenen Sdrmefchmingungen bem fte
umgebenben Sletber mitjutbeilen, ober, mit anbern Porten, auch b iefen in eine
auSftrablettbe gorm ju berfefcen, gab man ben tarnen ber „bpnamifchen
Uiabiation".
Vei biefen dyperimenten mit dafen unb fünften — bie burcb bie 3lrbet*
ten beS groben beutfchen ^bpftlerS $ir<bboff, beS £auptentbederl ber Spectral*
Slnalpfe, mefentlich gefifrbert mürben — mürben nur u n ft <b tb a r e Strahlen
angemenbet, unb einige bon jenen gasförmigen Körpern ftnb für biefe fo un*
burchbringlich, bafe fte in ber (Entfernung bon nur menigen gufj jeben Strahl
ber 2lrt fo bollftdubig auffangen, mie eine Sage bon Sßech tbun mürbe, mdb*
renb biefelben Subftanjen für baS Sicht bollftdnbig burcbfuhtig ftnb. S)a nun
bie Sichtftrablen bon ben unftcbtbaren Sdrmeftrablen fleh einzig burch ihre
SchroingungSperioben unterfcheiben, inbem biefe 5 U langfam ftnb,
um bie Vefcbaut 51 t affinen, fo bangt auf irgenb eine SBetfe bie $ur<hft<htigleit
unferer dafe unb fünfte bon ben ScbmingungSperioben ber Sellen ab, bie
auf fte ftofjen. SaS ift baS Seien biefer Slbbangigfeit ? S5ie bemunbernS*
mertben Unterfucbungen ÄirchboffS geben uns Slntmort barauf. S)ie Sltome
unb ÜUtolecüle jebeS dafeS haben gemiffe beftimmte Späten ber Sitterfcbmingung
(OScillation), unb biejenigen Selten beS SletberS merben bon ihnen am reich*
lichften berfchludt, beren ScbmingungSperioben mit benen ber 9Mecüle, an be*
neu fte borbeipaffiren, f b n cb r 0 ni f ch ftnb, b. b- bie gleichen Beitabftdnbe be*
obachten, ober: ber gelange ber Schmingungen nach aufantmenfallen. So
fchliefeen mir, menn mir feben, bah eine Sage bon das bie unftcbtbaren Strab*
len abforbirt, bie ftchtbaren aber burcbldfjt, bafc bie ScbmingungSperioben ber
daSmolecüle mit benen beS unfiktbaren unb nicht mit benen beS ftchtbaren
SpectrumSjufammenfallen. 2JtiteinigerUebung berdinbilbungStraft,
bie mir hier mieber ju £ülfe rufen müffen, ift es möglich, ftch ein HareS Vilb
bon bem betreffenben Vorgänge ju entmerfen. Sie ein fernerer $enbel burch
richtig eingekeilte 2ltbemftöfje allmdlig in Vemegung gefegtmirb,fo,menn
bie Hetbermellen auf biejenigen üRolecüle treffen, bte in gleichen ^erioben mit
ihnen fchmingen, beranlaffen fte eine Enbdufung ber Vemeguug
ber üftolecüle. 3»nbcm nun Xaufenbe bon Millionen Stößen in jeberSecunbe
bon ben Sdrmemellen auSgeben, ift eS nicht fdpmer einjufeben, bafj jebe Seile,
bie eben jur rechten 3eit eintrifft, um bie Sirfung ihrer Vorgängerin ju mie*
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tocctjolcn, bie SDtolecüle fcbliehlicb Bctanlaffen muß, burd) weitere Säume ju
fchwingen, als wenn jene in nicht fo abgetheilten Beiträumen einträfen. SDtan
f»e^t »eitet barauS leidet, bajj eine Sammlung Bon SDloIecülen, auf welche »i*
berftreitenbe SBetlcn (b. h. Sffiellen mit Betriebener ScbwingungSjeit)
einwirten, thatfächlicb in Sufie Berbleiben müffen (wie bet Sßenbel, auf ben un*
jeitige, Berfcbieben eingetbeilte Sltheraftöfje wirten), unb bieS ift wirtlich ber
galt, wenn bie Sffiellen beS ficbtbaren Spectrum» burd? ein transparentes ©aS
ober transparenten Sunft binburcbgeben. $ier pnbet feine ficbibate Uebertra*
gung bet Bewegung Born Sletber auf bie SDtolecüle ober mit anbern Sffiorten
leine fühlbare Slbforption ftatt. .
$urd) Venufcung biefer (frfabrung ift man Bermittelft ber Strahlen ber
fehlen=0ypb=glammeimStanbe, bie Slnwefenbeitber geringften Quantität Äoh»
lenfäure ju entbecten, unb fo 5 . 93. ben £ohtenfäuren*©ehalt beS
menfdhlichen 211 h e m S unb bamit ben Setrag bet in ben Sungen Borge*
benben Verbrennung genau ju beftimmen.
Silber auch bie Sfßeriobicität ber SIBellenbewegung erflärt bie beobachteten
Shatfachen noch nicht oollftänbig; es bleiben noch gewiffe Störungen unb Un*
gleicbbeiten in ber Setheraction übrig, fo bah wir Bor ber §anb a n n e h m e n
müffen, bah auch bie ©eftalt, ©rohe unb Sichtigfeit ber SDtolecüle auf bie Sie*
tberbemegung umftimmeitb einwirften.
Sem Sefer, ber uns aufinerffam bis hierher gefolgt ift, wirb es nicht
unerwünfeht fein, wenn »ir bie £auptergebniffe unferer Setrachtungen noch in
einigen turjen Sähen überfichtlich wieberholenb jufammenftellen:
1) SaS allgemeinfte ©efefc ber Sltatur ift S e»e g u n g.
2 ) Sluch Sicht unb Sffiärm e finb nur gormen ber S ewegung
beS Stoffes.
3) Sie Semegung befteht in B'ttererfdbeinungen.
4) Sille Körper in ber Statur fenben Strahlen, b. h. bie gortfefcung bet
Schwingungen ihrer tleinften Sheile, aus, bie entweber fichtbare (Sicht) ober
unfuhtbare (Sffiärme) finb.
5) fein Körper ift abfolut lalt, alle fenben baher Sffiärmeftrahlen aus.
6 ) Sie SDtaffe ber unfaßbaren Sffiärmeftrahlen ift unenblich gröber als
bie ber unferm Sebnero wahrnehmbar merbenben (ficbtbaren) Sichtftrahlen.
7) Sicht unb Sffiärme finb ihrem Sffiefen nach (SehwingungSbewegung
ber 2 ttome unb SDtolecüle) i b e nti f <h ; ihre Serfchiebenheit liegt in ber Hürje
ber Beitperiobe ihrer Schwingungen. Sie Sffiärmeftrahlen finb bie langfameren,
bie Sichtftrahlen bie fchnelleren.
8 ) Sie Seftanbtheile ber 3luSftrahlung Bon ber Sonne fmb b r e i f a <h.
Sie fenbet Sffiärmeftrahlen, Seu<h tftrahlen unb chemif cbe Strahlen
aus.
9) Sie ferper theilen einanber ihre SDtolecular*Se»egung gegenfeitig mit
unb taufchen fte unter einanber aus.
10 ) SaS SDtebium für biefe SDtittheilung ift ein ben ganjen SBeltenraum unb
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alle Sltom» unb 3Mecular}mif<henräume erfütlenber flötper; bet letzet,
bet bie Sicht» unb Sßärmefcproingungen aufnimmt, burd) Selbftfcpmingen fort»
fefct unb auf anbere Äörpet überträgt (j. S3. auf ben Sehnet» beS SlugeS).
• 11) einige ßBrper »erf^Iuäen bie Sichtmellen unb geben bie SBärmemet*
len treiter; anbere »erfcpluden bie Sffiärmeroellen unb laffen bie Sichtmellen
burdjgehen.
12) ®aS SBer^alten ber sufammengefepten Körper in biefer 39e»
jiepung ift burcpauS ccrfdueben non bem ber einfachen. Sie gähigfeit ber £Bt*
per in SBejug auf Slbforption unb SRabiation ber Siebt* unb ffiärmemetlen mirb
burd? bie 3ufammenfefcung, ©cope, ©eftalt u. f. t». ihrer tleinften Steile be<
bingt.
gügen mir bem SSorftepenben noch als praltifcp eä Grgebnifibet gor«
fepungen über SBärnte binju: baf>
13) für baS Seb en ber ©rbe bie mächtige SHbforptionSfraftbeS übet
ihr feproebenben SBafferbunftes für bie »on ihr felbft auSgepenben 2Bär«
meftraplen eines ber rcicptigften Momente ift, fo haben mir ungefähr bie
Summe beS gegenmärtigen StanbeS biefeS mistigen SheileS ber Pbfit mie»
bergegeben, mie berfelbe »on gopn Spnball in einer am 16. fDtai 1865 »or
ber Unioerfität Gambribge in Gnglanb gehaltenen SSotlefung bargelegt mürbe.
SBer uns bei unferer Sarftellung gefolgt ift, ber mirb geroifc ein ©efühl
ber SSemunberung für bie Grrungenfcpaften ber mobernen ÜBiffenfchaft nicht un«
terbrüden tonnen, bie auf bem mühfamen Sßege bet Scplufsjiehung mit §ülfebeS
GpperimenteS Schritt »or Schritt mehr unb mehr in bie ©epeimniffe ber Ulatur
einbringt. 9tod) größer aber mirb feine ftaunenbe Söemunberung fein für bie
©röjje ber 3iatur felbft, bie mit e i n e r e injigen ßraft, ber ber 93 e *
meg ung , nicht nur in,ben 11 e in fte n £p ei len b eS S t of feS bie
SEBunber beS Siebtes unb ber Sßärme, bie öebingungen «lies Sehens, f(pafft,
fonbern auch SBelten mit einanber in Sßetbinbung fe|t, unb hn bentenben 2Jten*
fepen burd) bie SicptmeUen beS fernen gijfterneS, bie nad) jahrtaufenblanger
Steife feinen Sehnet» treffen, baS Semufjtfein feines unlösbaren 3ufammen*
pangeS mit bem großen äBeltganjen ermedt.
Per pUttncn
S3on 955iUiam GuUen Sryaut» £)eutf$ Von Gatl Sfteobor Gbetu
2)ie trüben Sage ftnb nun ba, bie traurigften im gapr;
©er ©türm burdjtobt ben fahlen Sffialb, bie gluren nadt unb bar;
©aä trodne Saub ber Säumt liegt in Schluchten aufgetpünnt,
Unb burch bie §aine öb unb leer ber Slorbminb fepautig ftürmt;
>©ie Stoffel unb ber Golibti ftnb längft entflohen fpon,
Unb nur bw Äräpe fre^jet noch# als mie tum bittere £opn.
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2)od& fpti$,. wo ftnb bie ®lüm$en benn, bie no$ oor lurger 3^it
SWit ihrem 2)uft, mit ihrer $ra$t ber 2)tenf$en £erg erfreut?
21$, alle ftnb in ihrem ©rab! fte traf beg 3rb’)$en 2oog.
Sie ftarben hin, unb ruben in ber ©rbe füblem S$oo|.
ßg ftrömt ber fRegen Wohl b«ab unb nefcet ihre ©ruft,
2)o$ (ein !ftooemberregen fte in’g Seben wieber ruft.
2)ie ©inbrof unb bag ®eil$en bolb ftnb längft oerblubet f$on,
2lu$ 0r$ig unb 2)orurög$en ftnb geraume 3*it entflobn;
2)o$ 2aufenbf$on$en auf bem 23erg, bie Sonnenblume bo$,
Sie prangten mit ber Elfter gart bor wenden Sagen no$;
2)a traf, glei$ einer Seu$e, fte ber £erbftwinb raub unb !alt,
Unb bin war ihrer 23lütben $ra$t in S^b unb glur unb ©alb.
Unb fommen milbe Sage no$, wie oft bet gerbft fte bringt,
©enn aug bem ©interbau berbor bag ßi$born munter fpringt,
©enn nur ber ÜRüffe bob^n gaH man bßret-in bem 3$al,
Unb in bem S3a$e fpiegelt ft$ ber Sonne matter Strabl,
2)ann lommt ber Sübwinb ber, unb fu$t bie 23lüm$en weil unb ro$,
Unb feufget tief, gu ftnben fte tm ©rabe, wel! unb tobt.
Unb eineg ©efeng benf i$ bann, bag früh bon binnen f$ieb,
2)er 2Hume, bie an meiner 93ruft erblühte unb »erblüht*!
©ir fenlten fte in’g falte ©rab, afg f$on berwelft bag 2aub,
Unb weinten lang*, ba| fte fo früh bem Sobe warb junt fRaub;
S)o$ trßftet ber ©ebanfe mi$, bafj biefeg fü|e £inb
Si$ in ber ßrbe bettet fühl mit 23lüm$en gart unb linb.
Pie JtoMaitcr als punittöjjcnalJcn öer Peutfdjen tm
norbamerikanifdjen fretljeitakampfe.
SJott Wtai oon (Selfing.
(6*Iu6).
Sie ^nbianer benahmen fidj auf bem 3u(fe nach Saratoga, too be-
ianntlich im Ditobet 1777 bie brittif<b*beutf<he 3Irmee unter Sourgopne bie
SBaffen ftreden muffte, febt übel. 3c mebt bie 2lrmee ÜJtangel litt, unb je me«
niget e§ in ben Ginöben ju plünbern, toobl aber mit ben SBaffen mebt su tbun
gab, befto mebt lichteten fid? auch bie 31 ei ben bet Snbianer. Siele entfernten
fidb heimlich, anbere in ganjen XruppS unb Stimmen, »orgebenb, ihre Grnte
cinbringen ju muffen. 3ulc|t toaren bon einigen Saufenben nur noch etiiihe
öunbett ba, bie aber lurj bot bet ßataftropbe auch baoon liefen.
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$)ie 3nbtaner, bie ftch beim beugen (Eorp! mitbcfanben unb gemöhnlich
bie Sorhut unb Seitenbecfung bilbeten, führte ber brittifcbe (Eapitain graf er,
ein 9tebeu be! befannten brittifcpen Srigabier=©eneral! gleiten kanten!, ber
auf biefem 3 uge in einem ©efecht blieb, ©emöhnlich mürben ben SetachementS,
namentlich su ben entfernteren (Eypebitionen, gnbianer beigegeben, fo unter
Slnberem bem Sraunfchmeig’fchen Oberftlieutenant Sauer ju bem berun*
glüdtten 3^9* nad^ Sennington, mobei ber tapfere (Eontmanbeur töbtlich
bermunbet unb ber gröbere $heil be! Detachement! gefangen mürbe. Huch'hier
ftoben bie gnbianer geitig genug auSeinanber, um mit bem geinbe nid^t in alTgu
nabe Serührung ju fommen. Sie ftreiften nun ba* unb bortbin, ber Slrrnee
ober ihrer ^eimatb &u, jefct ganj frei unb ungebunben, untermeg! raubenb
unb morbenb. 3»ei bicfer Unbolbe brangen in ein Hau! unb brachten hier
eine grau mit ihrer Tochter, bie fte barin allein fanben, fcheuhlich um’! 2 eben.
Sie lamen mieber jur Slrmee, unb al! ihre Untbat halb barauf befannt mürbe,
lieb fte Sourgopne feftnebmen, bor ein Kriegsgericht ftetlen unb mollte fte
nach bem SluSfpruche beffelben, ber auf Dob lautete, beftrafen taffen, um enb*
lieh ein Seifpiel ju geben. Da! brachte bie 3nbianer aller Stamme in großen
SUlarm; bie Häuptlinge begaben fir ju Sourgopne unb baten für ba! 2eben
ihrer StammeSgenoffen. Der ©etteral moüte erft nicht! babon hören; al! aber
feine eigenen höheren Offiziere ihm bestellten, bah fdmmtliche 3nbianer bie
Jlrmee nicht nur berlaffen, fonbern ihre ©egner merben mürben, unb ihn eben*»
fall! baten, bie Serurtheilten frei gu laffen, al! ihm auch bie Häuptlinge ber*
fprachen, bafs bergleidpen nicht mehr borfommen foUe, lieb er ftch enblich beme*
gen, biefen Sorftellungen, obmohl ungern, (M;ör $u geben, dennoch banften
ihm bie Sßilben biefe Mubgiebigfeit unb Milbe fehlest genug, benn fie berlie&en
balb barauf, bi! auf etma fünfzig, bie Hrmee unb gingen nach (Eanaba aurüd.
Einige babon ftreiften am M o h a fo! hinauf unb berebeten hier ihre ©enoffen,
bie fwh bei St. 2 e g e r ! (Eorp! befanben, mit ihnen §u jiehen, ma! biefe auch
gröbtentheil! thaten. Da bie 3nbianer bie H^ u P^ftdrte feine! (Eorp! bilbeten,
fo fanb er ftch jeftt fo gefchmächt, bah er nicht! (Entfcheibenbe! mehr unterneh*
men lonnte.
Der Haufe *am, «achbem er auf feinem 3ug unzählige ®räuel an ben
(Eoloniften berübt hatte, in betriebenen %rupp! in (Eanaba an. Die Häupt*
linge begaben ftch &u (Earleton, bem f ,g u t e n S a t e r", unb flagten biefem
ihre 9loth : foie Sourgopne fte 31 t hart gehalten habe; fte mürben ftch gemifi
nicht an biefem gelbjuge betheiligt haben, menn fte gemuht hätten, bah fie
einen „neuen Sater" betemmen füllten. Siele ihrer ©enoffen maren
üBiüenS, ftch &ur anbern Partei $u fragen; fte glaubten aber, biefe nochbe*
fänftigen ju lönnen.
(Earlton fuchie fte 3 U beruhigen, ohne ihnen meitere Serfprechungen $u
machen, unb berebete fie, borläufig nach Haufe ju gehen.
Die SBilben liebten bie Deutschen mehr al! bie Sritten, meShalb fie ftch ihnen
auch ergebener jeigten ; aber in Setreff be! ©ehorfam! unb ber Sucht ber*
^Google
m
mosten gene ebenfo tüentg über bie Störrigen mie bie fieberen. Gin beutfh« <
■Mitdr fhreibt barüber:
„$en SBilbcn ift megen ihrer angeboenen Veftialität nicht zu trauen.
Sie ftnb böhft brat), aber auch böhft jugello^ unb tnüffenbaber mit englifhen
unb canabifheu Offizieren burhffcidt merben. Sie münfhten unabhängig unb
nicht unter bem Gommanbo englifher Generale ober Offiziere all treue Vun*
beigenoffen unb greunbe bei ßönig! zu feebten. Gin grofefe, Dlamenl go*
feph, ber fih fogar einige Seit in Gnglanb aufgebalten hat unb bal gntereffe
ber Gngldnber unb ber SBUben ganz tidbtig fennt, fudjt feinet ÜRamenl Ge*
badbtnib als Gbef einer 2lrmee Sßilber zu beremigen. -Ulan mirb biefel
aber auf alle 2lrt zu becliniren fuhen, bemt Gott fei allbann ben Goloniften
gnäbig, bie ihre Nachbarn ftnb."
Gin anberer ber bamall angefebenften Häuptlinge unter allen Stämmen,
unb zugleich eine eigentümliche Grfheinung, mar ber befannte Gapitän
Vranbt. gn früher gugenb mar er burh bei Gouberneur! Vermittlung
nach Gnglanb gefomnten; ber Äönig fanb SBoblgefallen an ihm, unb lieb ihm
eine möglicbft gute Grziebung mie einem Guropäer bon Stanbe geben.
V r a n b t lernte gut, er fannte bie neueren Sprachen unb Sitten ber bor*
nehmen SBelt; all er aber reifer mürbe, erfaßte ihn unter all ber Herrlichfeit
grofiftäbtifhen unb feinen Sehen! eine Sebnfucht nah feinen milben Sanblleuten,
bie er nicht überminben fonnte. 2111 ber $rieg aulbraeb, eilte er zurücf unb
focht tapfer mit für bie fönigliche Sache.
2 )eutf<he Offiziere afjen einige 9Me mit Vranbt an Garleton’l
Safel, unb famen auch fonft mit ihm in Verübrung. 2Jtan rühmte feine
geinbeit unb fein gute! Venebmen; man mollte baher nicht begreifen, mie ein
üUtann ben folcher Vilbung ft<h unter feinen Sanblleuten behaglich fühlen
fonnte. Vranbt bezog all Gapitain bom Könige eine Gage, unb mar
halb all 2Jtilitair unb halb all gnbianer gefleibet. Gr gehörte bem Stamme
ber üDtobamfsgnbianer an, bie bom üDtohamf nach Ganaba überfiebelten. S)al
Nähere über biefen merfmürbigen ÜDtamt finbet man in ben Vtemoiren ber
Generalin bon Dtiebefel.
3 u jener Seit traf man auch in ben längft cultibirten Sanbgebieten Sftorb*
amerifal noch biele gnbianer, fogar in ber 9iäbe bon SRem^orf, auf Song*
gllanb unb ben anbern benachbarten gnfeln. $iefe gnbianer, mit ben
Guropäern meift zufamnten lebenb unb mit ihnen in ftete Verübrung fommenb,
maren ebenfall! nur bem ÜRamen nah Gbriften, unb boten ein Gemifh bon
angeborener SBilbheit unb etma! europäifher Gultur. Slulnabmlmeife
betrieben bi« bie üUlänner, bie fth fonft niht um ben Haulbalt fümmerten,
etma! 2lcferbau unb Heine Gemerbe, ober berichteten fonft leichte Sienfte. Sluch
batten fie ihre eigenen Gefefce, bie ihre Varbarei etma! mehr im 3aum halten
füllten. $a biefe aber bon ihnen niht niebergefhrieben merben fonnten, fo fam
man hier auf eine originelle Slulbülfe; e! mürben nämlih Ginige unter ihnen,
bie all mit bem heften Gebähtnifi begabt galten, aulermäblt, unb jeber bon
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tiefen rnufite einen beftimmten Safc ober Paragraph auSmenbig lernen wnb fi<h
fo feft einprägen, bafc er ihn auf Slnlafc beS StichterS fcbnell unb richtig
berfagen fonnte. 2Ber baS ©eiernte bergeffen batte ober falfcb fagte, toar bem
£obe berfalten. SDtan batte ftch auf biefe SBeife einen lebenbigen Eobey
geraffen.
$>a au<b unter biefen etmaS abgefdhliffenen gnbianem fein geft ohne böl*
lige Eingabe an ben Srunf abging, mobei eS gemöbnlich SStorb unb $obtf<hlag
gab, fo trafen fie unter fub bie Einrichtung, ba& borher Einer jum Sluffeber
unb ScbiebSrichter ernannt mürbe. Er rnufjte bei allen (Belagen ftetS jugegen
fein unb — maS bie fchmerfte Aufgabe mar — nüchtern bleiben. Um bieS
um fo ftdberer ermöglichen gu lönnen, mufete er ftch alles SrinfenS enthalten, fo
lange er in feiner gunftion mar. gbnt mar bafür ein grobes Slnfeben einge*
räumt, unb er fonnte Qeben, ber ihm nicht fofort gehorchte, mit bem £omabaml
nieberhauen; ein Gleiches brohte aber auch ihm, menn er ben Srinfgelüften nicht
miberftehen fonnte.
So furchtbar bie SBilben bem geinbe maren, fo marm fonnten fle auch
am greunbe hängen, unb man finbet baher auch bei ihnen fchöne 3üge bon
£reue unb Eingebung, bie freilich nur in ber ÜHtinberjabl anjufübren fmb.
Sin ihnen mürbe namentlich bie Gaftfreunbfchaft fehr gerühmt. $aber lommt
eS auch, bab bie Urtbeile bon 2)eutfchen über fie berfchieben lauten. SDie
Stamme maren nicht nur an Sitten unb Gebrauchen bon einanber berfchieben,
fonbern auch baS gnbioibuum geigte auf bie auffallenbfte SBeife gmei berfchie*
bene Seiten. 2)aS gute mie baS böfe ^rin^ip fanb man beim Snbianer auf
baS SJterflichfte ausgeprägt; in bem einen SJtoment mar er ber treuefte unb bin*
gebenbfte Samariter, im nächften ber leibhaftige Satan.
SBenn bie gnbianer Slnbern furchtbare Startern jufügten, fo abftrabirten
fre babei nicht nach unfern Gegriffen, fonbern nach ben ibjigen. 3fb* abgebär*
teter Körper fonnte Unglaubliches auShalten, unb bie beftigften förperlichen fieiben
ertrugen fre mit bemunberungSmerthem StoiciSmuS. «gierbon nur ein S3ei*
fpiel, baS bem Tagebuch bcS braunfchmeig’fchen Slbjutanten bon $apet entnom*
men ift, ber im Sommer 1782 mit feinem Sörigabier eine £our nach ÜDt o n *
treal machte, hierüber erzählt er golgenbeS:
„§eute habe ich gmei EhefS ber SBilben gefeben, mobon ber Sine ber fa*
mofe SSranbt ift, ber bie fechS Stationen commanbirt unb ber oon DSmego
gefommen mar. Er fpridht gut Englifch unb bat ben StebeUen entfefclicb biel
Schaben gugefügt. S)er ift ein junger SJtann, ber im gahre 1778 bon
Sr. Eycellenj *) bei einer SSerfammlung bon beinahe 5000 SBilben in SJton*
treal gum Ehef einer Station erflärt mürbe. SJtan ergä^lt bei biefer Gelegen*
beit folgenbe mabre Gefehlte: SllS ftch nach biefer Erflärung biefer SGilbe ber
Station als Ehef präfentirte, fagte ber einer ahbern, eS fei nicht erlaubt, bafc
ein fo junger SJtann, ber noch nicht hinlängliche groben feines ÜDtutbeS abge*
legt falbe, einer Nation als dbef oorfteben fotle. 3ener, bem biefeS mieberge*
fagt mirb, gebt barauf in*S Säger biefer Nation unb fd&ldgt mit feinem Stoma*
bamf ben alten dbef tobt, -Wad? biefer Slbat gebt er in’S £auS beS SWonfieur
6 t. Suc, mo eben oiele SBilbe oerfammelt fmb, unb fagt ja bem dinen, er
fotle ibm an feinen Slrmen Söcher burchs gleifdb flehen. SSiefeS gefdfaefa.
dr giebt ibm barauf ein rotbeS 23anb, Idfet ft<h foldjeS burch bie beiben Söcher
Rieben unb fo bie 2 lrme hinten gufammen binben. Sn folgern 3 nftanbe prd*
fentirt er fich ber Nation, beren dbef er erfragen batte, belennt ficb als Z\)cl*
ter, giebt bie SBeranlaffung an unb giebt fidb nun beren föaebe preis. 60
aufgebracht auch bie Nation ift, fo erftaunt fie boeb über beS jungen 2Wenf<ben
^übnbeit. dS mirb gmar diner commanbirt, ibm ben Scbdbel eingufchlagen,
aber am dnbe mirb ibm ber Sobtfcfaag boib belieben. S# felbft habe noch
bie beiben -Warben an feinen Slrmen gefeben. SEennod) fagt man, bie beleibigte
•Wation merbe über fürs ober lang ben Sobtfcfaag rädben, benn in biefem
fünfte ift ein SBilber unoerföfailicb."
2Wan follte nach bem bisher SWitgetbeilten faum glauben, ba& ein irgenb
gefitteter Europäer an bem Soben unb Sireiben ber 3nbianer habe ©efallen ftn*
ben tonnen, unb bennoeb gab eS 9Wcbrere, melcbc bieS burch bie drille ber 9to*
mantif befaben unb bafür febroarmten. Selbft ber !Weffe beS ©ouoerneurS,
ber ßapitain unb ©eneral*2lbjutant G a r l e t o n, ein fonft feiner unb gebil*
beter 2Wann, gäblte ju biefen eycentrifchen -Waturen. Wad? ben 2lufgeid?nungen
eines Söraunfcbmeig’fcben OffigierS mar er einer bet tücfaigften WtilitairS in ber
Slrmee. Wacbbem er bie Sitten unb brauche ber SBilben tennen gelernt, ge*
feilte er ftcb ganglid? ju ihnen uno fugte ficb gang ihrer rauben uno un|teten Se*
benSmeife, fo bafj er gmei Sabre unter ihnen auSfaelt. dr bemalte ficb mie fie,
trug Winge in Wafe unb Obren unb fuebte ihnen in Ment ähnlich git merben.
Sehr oft ab er, mie er ergäfat, in mehreren ÜDtonaten nichts als robcS gleifch
unb unreine ©ebdrme. dr felbft fagt, bafj er foIdbeS anfangs ferner habe
überminben tonnen; enblicb habe ihn ber junger bagu gegmungen, unb nach unb
nach batte er ftcb baran gemöbnt, fo bafj eS ihm enblidh gang gut gefchmedt
habe. SCBenn bie Silben ihre meiten Sagbgüge machten, begleitete er fie auf
Slouren oon 400 bis 500 Stunben. Um bem ©angen fcbtiefjUd? bie tone
aufgufefcen, beiratbete er eine junge Snbtanerin, bie dbe blieb aber tinberloS;
er trennte fuh halb mieber bon ber rotbbdutigen ©efdbrtin, meil fie an*
geblich einige ©efebenfe, melche fie oon ihm betommen, einem Wnberen gegeben
batte. SDie Sdjeibung machte nicht melUmftdnbe; er braute feine ehemalige
Siebfte gu ihren Wnoermanbten gurücf, gab bie Urfacbe an, marum er fie nicht
behalten tonne, unb bamit mar bie Sache abgemacht, dapitain d a r l e t o n,
ber auch mdfarenb beS Krieges eine Wbtbeilung Snbianer führte, batte foniit
fattfam ©etegenbeit, ihr $bun* unb Sireiben tennen gu lernen. -Wach feiner
SluSfage übertrafen an Wacbfucbt unb ©raufamfeit gegen ben gefangenen geinb
bie SBeiber noch bie ÜWamter; er fchilbert fie als mabre Spänen. Sie riffen
ober bijfen in ifaer 2öutb baS gteifcb ftüctmeife aus bem noch tebenben Opfer.
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So oiel er ftch auch üfltübe gab, biefem tfannibatigmug §u fteuern, unb
babei all feinen (Einfluß aufbot, fo gelang ihm biefe^ bo<h nicfet immer.
2 )ag £ö<hfte, toa^ er erreichen fonnte, mar, bafj man ihm oon fünf befangenen
brei überlieb, benen er fomit bie greibeit mieber geben fonnte.
(E arleton batte ftch fo an bie SBilben gemöbnt, bafe eg nur ben in*
ftänbigften Bitten feineg Übeintg enblic^ gelang, ibn bon biefen jurüdäurufen.
(Er beiratbete fpäter beffen Schmäge'rin, eine feingebilbete S)ame aug ber brittU
f(ben Slriftofratie. 3)ie bencralin o. SRiebefel, bie mit biefem Sonberling JU*
fammenfam, fchilbert ihn ebenfalls als einen febr artigen, intereffauten 9 )tann,
ber ftch aber immer nach jenem früheren unfteten unb ungebunbenen Seben
jurüdgefebnt habe.
Slber nicht bloS in ben nörblichen ^rooin^en fanben bie Seutfchen an ben
Snbianern iöunbeggenoffen, fonbern au(b in ben füblicben. 2 >ag Regiment
SBalbed fam bon ben beutfcben «gülfgtruppen am meiteften biaunter, big nadb
Söeftfloriba, unb focht hier mit gegen bie Spanier big jurn galle Sßenfacola’g,
mo eg mit ben brittifchen Gruppen gefangen mürbe.
Sn ben bortigen, bamalg noch bitten Salbungen häuften mit ben man*
dbcrlei milben Xbieren au(b mancherlei Snbianerftdmme, beven SBilbbeit unb
©raufamfeit bie ber nörblidben meit übertraf. Sie merben als ftarf unb mobt*
gemadbfen, aber bunfelfarbiger als bie anbcren gefcbilbert, inbem fte ihren $ör*
per mit einer fcbmaqbraunen garbe beftricben. 3 n bem milberen ßlima gin*
gen fie faft ganj nadt, hielten aber babei hoch auch auf ihren eigentümlichen
*ßufc, ber in einem buntbemalten ©eftcbt unb bunten gebern auf bem $opfe,
bie mit perlen unb ÜPtetal^ierratb umfcblungen maren, beftanb. 2 )en oberen
£beil beg Dl^eg batten bie steiften abgefcbnitten, unb am übrig gebliebenen
Sdppdben hing ein SBünbel oon ftlbernen unb golbenen (Gehangen, fomie bunte
Korallen. Sie maren namentlich gute unb abgehärtete Säger unb treffliche
Schüßen.
(Ein $rupp oon einigen £aufenben biefer milben ©äfte erfchien bor bem
Säger ber 93erbünbeten unb ftellte an ben Göouberneur bie grage: ob bie
fremben Krieger alg geinbe ober greunbe gefommen mären, gm lefcteren gaUe
mürben fte für „ihren Sutber jenfettg beg groben SBafferg", mie fte Se. 23rittifche
Sütajeftät nannten, bie SBaffen ergreifen; märe bag nicht, fo möchten bie gremb*
linge fofort mieber abjieben. 3llg nun ber ©ouoerneur ihnen burch ben StoU*
metfdher fagen lieb, bab er ihre greunbfchaft münfcbe unb biefe Krieger nur
gefommen mären, fte gu befänden, fo fchienen fte barüber febr erfreut, inbem fte
folcbeg burch lauteg ($5ef<hrei unb ein greubenfeuer ju erfennett gaben. $5er
Sufall mollte, bab bie guten SBalbecfer in bem SMmetfdher, ber ftch bei ben Sn*
bianern befanb unb mie biefe coftümirt mar, einen Sanbgmann fanben, ber aug
fiöniggbagen gebürtig mar unb alg er miber ^Bitten in ben Solbatenrocf ge*
ftedt mürbe, eineg fchönen £ageg oom Schlöffe 3 U Sßalbecf, bag er bemachen
follte, echappirte. tiefer fonberbare ßauj batte eg big 3 um Häuptling unter
ben SBUben gebracht unb befehligte über einige £aufenb 3Jtann. (Er legitimirte
Goog
I
ft<h burch fein gut malbedifchel $eutf<h, feine ^eHe Hautfarbe unb feinen S5art,
inbem feine Untergebenen fein $aar im ©eficht bulbeten. 2Bie er unter biefe
2ente gefommen unb el ba gum Häuptling gebraut, blieb in ein mpftifche!
Sunfel gehüllt.
$ie Häuptlinge biefer Stamme maren infofern ba! ©egentheil non anbe*
ren, al! fie unter ihren ©cn offen bie meniger bemittelten maren unb mahr*
f<heinlt<h ihren Stolg in ber Slrmuth fuchten, um babur(h ben 9teib ber
SInberen nicht gu erregen unb ihre Stellung nur ihren Saaten beigumeffen.
©efchenfe unb ©eute bertheilten fie meift unter bie fermeren. ©eftrafungen
ihrerfeit! beftanben in ©efthdmung unb ©eringfchdSung gegen ben gehlenben;
©eleibigungen non Slnberen rächten fie jeboch fehr graufam. ©erfprochenel
hielten fie unverbrüchlich unb halten feft an ihren alten Sitten unb brauchen.
2ll! einft ein cnglifcher höherer Offigier bem Stamme ber $rp!l*3nbianer burch
ihren Sollmetfcher ben ©orfchlag machen lieb, ftcb mehr bem Benehmen ber
Ghriften gugumenben, lieben fie ihm fagen: r te fdhen täglich, bab bie chriftti*
eben gremblinge in mehr Saftern lebten all fie, melöalb fie lieber 2Bilbe ohne
folche Untugenben bleiben sollten, bie nicht unter ihnen gebulbet mürben. Siefe
Abneigung mar tiefer unb alter all fie ben 2lnf<hein hatte, unb batirte fnh
nodh non ben erften fpanifdhen Gröberem her, melche bie armen unb ihnen freunblich
entgegenfommenben Dftotbhdute mie ba! SBilb behanbelten unb hefcten unb fich
allerlei ©raufamteiten erlaubten. Siefel hatte fnh trabitionell unter ben 3n*
bianern erhalten.
3n bem Hagebuche eine! SBalbederl (bei gourier! Steuernagel) finben
mir über biefe gnbianer nod? golgenbel angeführt:
„3m Kriege fmb biefe Söilben fürchterlich unt fehr graufam. Sie brin*
gen ihre gefangenen geinbe um, meil fie voraulfeSen, bab biefe fie umbringen
mürben, meun fie bagu gelangen fönnten. Sie rachen übrigen! alle ©eleibi*
gungen, unb forbern ©lut gegen ©lut.
„Sie fingen vor einem Kampfe bie Helbenthaten ihrer Vorfahren auf eine
feftüche 2lrt ab, unb jebelmal ben Sag vor bem Anfang bei Kriege! giehen fie
ben beften ©u$, ben fie haben, mie gu einem gefte an. Sie befifcen eine befon*
bere ©efchidlichteit im Schleubem unb namentlich auch barirt, ben Somahamf gu
merfen.
„9Jtit ihrem geinbe, menn fie eine! habhaft merben fönnen, verfahren fie
fehr graufam. Sie fchneiben ihm vorn über ber Stirn, ober hinten im 9taden,
bie Haut auf unb giehen folche mit ben Sahnen über ben ßopf herunter, ober
öffnen ihm ben ©auch, nageln ein Gnbe bei Gingemeibe! an einen ©aum unb
jagen ihn bann unter fortmdhrenbem ©eifjeln um biefen herum, bi! ba! Ginge*
meibe herau! unb ba! Opfer gu Sobe gejagt ift.
„S)ie grauen ftehen gemöhnliih einige Saufenb Schritt hinter ber Schlacht,
unb ftimmen einen fo entfestigen ©efang an, baf$ bie Suft bavon erbröhnt,
verftümmeln babei auch -bie auf bem ©oben liegenben geinbe unb bringen bie
gerftüdelten ©liebmajjen all Siegelgekhen mit gurüd. 2Benn fie eine Sttngahl
Scalpe haben, fo liefern fie folche ab, ba ihnen für jebel Stüd 3 ©fb. Sterling
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auSbegoblt »erben. Zrf#redli# gufagen! — 3n ^infubt bcffcn
ift eS für einen #riftli#en Solbaten ber f#auberhaftefte ©ebanfe, jemals in
fol#e Hänbe gu gerätsen."
2Im20. üDlärg 1779, als bie Spanier gelanbet maren imb gur Belagerung
Sßenfacola’S f#ritten, faub ein feltfamer Auftritt im bieffeitigen Säger ftatt. ZS
erf#ien nämli# ein drupp Qnbianer, bie mehrere Scalps ron Spaniern brauten*
Slu# führten fte einen gefangenen SJtatrofen mit, ben ein SBilber mit emfter unb
graufamer Zeberbe, gefeffelt unb entfleibet, an einem Strid im Säger- herum**
führte unb babei ron $i\t gu &it ein fur#tbareS ®ef#rei erhob. Sie hatten
bem armen Opfer bie Haare abgef#oren unb ihm baS ®eft#t, rnie bei ihnen
üblich, mit allerlei bunten garben bemalt. So führten fte ben befangenen au#
gum brittifchen ©ourerneur, vorauf fte ihn lebenbig rerbrennen mollten; allein
tiefer unb bie anbern benerale unb Offnere, namentli# bie deutf#en, begeig*
ten ihr SJtttleib für ben U«gludli#en unb fu#ten ihn gu retten. Sie rerfpra*
#en ben gnbianern alles ältöglidbe, trenn fie ihnen ben befangenen überlaffen
trollten; aber lange hatten biefe bafür taube Obren unb beftanben barauf, an
biefent Blut gegen Blut gu rächen, ba au# oon ben 3h*en bur# bie fpanif#en
kugeln Mehrere gefallen traten. Stur bur# baS inftänbigfte Bitten beS bou**
rerneurS Zpefter unb beS ZeneralS Zampbell lieben ft# bie SBilben enbli# be**
tregen unb gaben ben befangenen gegen ein bebeutenbeS bef#enf, jebo# nur
unter ber Bebingung ab, ihn am Seben gu beftrafen. der Unglüdli#e trat
bereite bur# bie Bühhanblungeu mannigfach rermunbet unb beinahe halb tobt.
Hier im Süben fochten ^nbiaiter, aber nur ein geringer dheil, au# mit
ben Spaniern unb grangofen gegen bie Britten unb deutf#en. die grango*
fen fcheinen bie $ülfe ber SBileen ebenfo trenig rerfchmäht gu haben trie bie
Britten, benn in einem Briefe aus Siem*?)ort (rom 1. Sluguft 1779) heijüt eS,
bah bie grangofen bur# Zmiffäre rerfucht hatten, bie gnbianer bur# allerlei
®ef#enfe auf bie Seite ber Hmerifaner herübergugiehen, maS ihnen au# gum
4 SLheil in ber SBeife gelungen fei, bah bereits einige ^unbert gu SB a f h i n g *
ton’S Strrnee geflohen träten. SBohl mögli#, bah biefe SBilben bei ber
amerifanif#en Slrrnee ft# einfanben, aber angenommen mürben fte ni#t.
SB a f h i n g t o n trollte ft#, au# in ber ärgften Bebrängnih, mit biefer Hülfe
ni#t befaffen. 3m gahre 1777 boten gnbianer bem amerifanif#en gelbherrn
ihre dienfte an. SBährenb ber Borgänge am Zhamplain*See melbe*
ten ft# im Säger gu Zambribge, mo SBafhington bamalS ftanb,
Häuptlinge, bie ron mehreren Stämmen oberhalb beS SorengftromeS beauftragt
maren, ihm ihre Hülfe angubieten.
SB a f h i n g t o n empfing fte mit all bem babei übli#en Zeremoniell, lieh
fte bei ft# fpeifen unb tract rte fte fonft na# ihrer Slrt, fu#te aber unter aller*
lei Höflichkeiten unb Bortränben ihre Offerten abgumeifen, ba ber Zongreh au#
porläuftg ni#ts meiter als Steutralität ron ben SBilben trünf#te. die hier
Slbgemiefenen f#einen diejenigen gemefen gu fein, bie fpäter unb no# mäh*
renb beS «a# 6 a r a t o g a bei ber brittif#*beutf#en Slrrnee eintrafen.
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diejenigen SBilben, welche etwa gegen bte brittifchen drüben fochten, bat¬
ten ftch baber jebenfall!, wie bereit! oben bemcrft, ben fra^öftfchen Gruppen
angefchloffen.
SEßa! wir von ben beutfchen ßampfgenoffen in jenem Äriege über bie gn*
btaner vernehmen, labt trofc ber argen ©egenfätje beiber Nationalitäten vor*
au!fefcen, bab fte ftcb unter einanber im Allgemeinen gut vertrugen. SBobl
Waren bie beutfchen Krieger über bie ©raufamfeit unb fonftigen 2 eibenfchaften
ber ÜEBilben empört; ba fte ihnen aber nicht! ju 2 eibe traten, fte ftch im ©egen*
tbeil immer freunblich unb bienftfertig gegen fte zeigten, fo gewöhnte man ftcb
aHmälig an ihren Umgang. 9Nan rühmte namentlich ihre ©aftfreunbfdjaft,
ba! Tbeilen be! lefeten SBiffcn! mit bem hungrigen.
3uweilen malten bie beutfchen Öftere, wohl mehr au! Neugier, ba!
fieben biefer SBilben näher fennen ju lernen, Sefuche in ben nächft gelegenen
tnbianifchen dörfern, unb fte würben hierbei jebe!mal auf ba! greunblidbfte em*
pfangen. Nä(hft ber ©aftlichfeit rühmte man auch ihre grobe Sbrlidbleit, benn
niemal! ift ein galt borgelommen, bab ein gnbiaiter bem greunbe etwa! ent*
wenbet hätte, fo grob auch ihre Naubluft bem geinbe gegenüber war. der
dichter 6 e u m e hat bctanntlich einige biefer Tugenben ber SBilben, mit benen
er gern verfebrt 311 haben fcheint, in feinen ©ebichten verherrlicht.
die gnbianer befaben bamal! auch noch ein Heine! ©ebiet auf Neufchott*
lanb, an ber 93ai von © h e b u c 10 , wo bie dritten 3 U jener Seit, ba! inbia*
nifebe Territorium nicht refpeftirenb, 23efeftigungen anlegen lieben, in bie audj
deutfehe al! 23efa$ung verlegt würben, die gnbianer fühlten, bab man fte
auch von hier verbrängen werbe, gn bem Tagebuch eine! beutfchen Ntilitär!
finben wir folgcnbe! (Schreiben eine! gnbianerhäuptling! an ben bamaligcn
brittifchen ©ouverneur angeführt. ©! lautet:
„Statthalter be! $önig!.
der ^lafc, wo du bift, ber $(afc, wo du wobnft, ber 55 lafc, ben du
befeftigft, ber $ta§, ben du entrichten fuchft, ber $la®, von bem du dich
SNeifter 3 U machen gebenfft, biefer $la£ ift mein.
„geh bin in biefem 2 anbe gleichwie ba! ©ra! entftanben. geh, ber ich
ein ffiilber bin, btn hier geboren, unb meine SBäter vor mir. die! 2 anb ift
mein ©rbtheil. geh fchwore, bab e» ba! 2 anb ift, welche! mir ©ott gegeben
hat, bab e! mein 2 anb fein foll, immer unb ewig."
„geh fage hiermit gan 3 betulich bie ©ebanten meine! fersen! vor dir.
denn wiffe, bab bie SBorte, bie du 3 U ©bebtteto rebeft, mir SSeranlaffung
3 U ernfthaftem Nachbenfen geben. Ntein $önig unb dein flönig jenfeit! be!
groben SBaffer! haben ftch unter einanber wegen ber Sertheilung gewiffer
2änber vereinigt, unb haben baber grieber. mit einanber. SBa! mich betrifft,
fo fann ich mit dir Weber in einen 93unb treten, noch grieben mit dir machen.
3 eige mir hoch, wohin ich al! gnbianer meine 3 uflucht nehmen foll. du haft
biefe! gan 3 e 2 anb in Söefift genommen, fo bab ©hebu cto nach meine lefcte
3 uflu<ht ift, unb bennoch mibgönnft du mir biefen glecf Sanbe! unb wiöft
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bamit bebroht. 2Bir wollen jeboch biefe (StabliffementS ^ier übergeben unb
uns in Kürje nur mit ber IHitterfcbaft befaffen. ©ebilbet ift biefelbe auS ben
Aachtommen 2)erer, welche üon ben griefen unb 2)ithmarf<hern übrig geladen
tourben, unb ben Angehörigen einiger feitbem entftanbenec AbelSgefchlechter.
Sie ift eine feft geglieberte Korporation unb hat bie ©runbfäfce beibehalten,
welche fte einft in ben Kampf führten unb ihr fo oiele Prügel einbrachten; nur oon
ber Aitterlichleit ift wenig übrig geblieben, unb obgleich fte in ihrer SBeife pa*
triotifch war, lieben fuh bodh nur wenige ihrer ÜJtitgüeber im breijährigen
UnabhängigfeitStampfe auf bem Schlachtfelbe blicfen.
gft bie Organifation ber SBefttüfte burch unb burch bemolratifch, fo befielt
an einem groben £betl ber Oftlüfte baS ariftotratifche Vrincip in feiner gröbten
Vollenbung. AirgenbS hat bie Seibeigenfchaft in trafferer ©eftalt epiftirt als
bort, unb felbft jefct fmb ihre Spuren noch nicht oöllig oerwifcht, benn es giebt
Xaufenbe non „porigen", welche ber ©utsherrfchaft §u beftimmten 25ienften
oerpflichtet fmb unb nur ein fehr geringes Aequioalent bafür erhalten. 2)aS
eigentliche AbelSparabieS ift in ber ©egenb ber oberen (über unb beS fchfeSmig*
holfteiitifchen Kanals, ©in prachtoolleS 2anb; aber eS fchwebt ein glug über
bem SßarabieS. Valäfte, in benen bie Herren, ftattliche ©ebäube, in tenen ihre
Sßferbe unb §unbe wohnen; aber rings umher gruppiren fich, gleich ben Sfla*
oenhütten füblicher Plantagen, bie elenben Vehaufungen ber fogenanntcn
„gnften", ber porigen, welche bie Vferbe unb §unbe beS „gnäbigen £errn"
beneiben. Sie werben im galle beS UngehorfamS nicht mehr in bie Vurgoer*
liebe geworfen, welche noch jefct mit allem ihrem barbarifchen 3ubehör unter
ben älteften Vurgen $u fehen ftnb; aber es broht ihnen ©efängnifj bei SBaffer
unb Vrob unb ber Stoä beS Büttels. 2)aS „ Aecht ber erften Aacht" (ein „wohl*
erworbenes Aedjt", welches noch bor einigen 3)ecennien mit ber größten ©e*
wiffenbaftigfeit beobachtet würbe) ift aufcer ©ebrauch gefommen; bafür aber
epiftirt noch jefct bie ^atrimonialgerichtSbarfeit; b. h- ber ©utsherr ift gnhaber
ber ^olijeigewalt unb bebient ftch berfelben auf patriarchalifche Seife. 2)ie
Seele ber f<hleSwig*holfteinif<hen föitterfdhaft war bis Anno 1848 ber $er$og
oon Auguftenburg. Seine nobeln Vaffionen, bie Oon ihm oeranftalteten Klapp*
jagben, bei welchen bie dauern als £unbe baS SHlb auftreiben mußten, wel*
cheS fie nicht auf ihrem eignen gelbe, währenb eS ihre eignen Saaten frajj,
fehlen burften, ftehen noch in frifchem Anbeuten, unb nicht befrembenb ift eS
baher, bah, als im nötigen gahre biefer r ,Angeflammte" feine ehemaligen Un*
terthanen auf Alfen unb ber $albinfel Sunbewitt befuchen wollte, biefelben ihn
baten, fie lieber mit biefem Vefuch ju oerfchonen, nicht befrembenb, bah uacb
ber Vertreibung ber $äu non Alfen ber „rechtmäßige fianbeSherr griebrich
ber Achte", ber boffnungSooHe Sohn beS Alten, in Sonberburg nur non oiet
Verfonen protlamirt würbe. 2)er Apfel foll in biefem gaU weit oom Stamme
gefallen fein; ber Sohn hat fofort beim imaginären Antritt feiner Regierung,
baS StaatSgrunbgefefc befchworen, welches, ein Kinb beS gahreS 1848, mit ben
AbelSprioilcgien tabula rasa machte. S)ah eS ihm bamit ©mft war, wollen
^Google
m.
587,
wir glauben bis bag ©egentbeil erwiefen ift; jener Verleugnung ber ©runb*
fäfce, beren bartnädigfter Vertreter fein ©ater war, bat er eg aber ja oerbanfen,
bah bie fRitterfhaft fih oon hm abgewenbet bat unb für ben Slnfhluh an
©reithen wirft, ©ar gemütlich fifit eg fub für Seute folgen Sdjlageg im
preufjifhen ^errenbaufe, wäbrenb bie dntwidlung 6d?ie3mig=«£joIftein3, fobalb .
eg fi<b felbft überlaffen ift, nur eine rein bemofratif<be fein fann.
Die Seibeigenfhaft eyiftirte noch im Anfänge biefeg. gabthunbertg, unb
ihre Ueberrefte reihen, wie gefagt, big in bie ©egenwart hinein. 2lber man
möge ni(bt glauben, baf$ bie „porigen" ihr 3&h gebulbig trugen.. Schon
lange bor jenen gefegneten gebruar* unb 2Rärgtagen rüttelten fie an ihren
betten. 3ur dbaratterifirung ber Stellung, welche fhon barnalg bie ©auern
ber Oftfüfte gurn Übel einnabmen, biene folgenber 3ug. Dag geiftreihfte,
begabtefte unb liberalfte 2Ritglieb berföitterfhaft, ©raf fReoentlow-©reefc, pflegte
bie ibm untergebenen dauern mit „dr" angureben. Sie wollten ft<h bag nicht
mehr gefallen laffen unb brachten bie Sache in bie 3eitungen. dineg Dageg
lieb nun ber ©raf fdmmtliche ©auernoögte gu fub fomrnen unb fagte gu ihnen:
„3<h höre, bah 3b* mit Sie angerebet fein wollt. Dag ift wiber allen ©rauch
unb fcbtdt fuh nicht 3# werbe duh auch ferner d r nennen unb fage du<h
hiermit, bah eg nicht meine 2lbfi<bt ift, duch bamit gu beleibigen. dg gefchiebt
nur ber Orbnung wegen." Die ©auern antworteten: „§err ©raf, bannmüffen
wir Sie auch dr nennen." „D nein, bag muh ich mir oerbitten!" rief ber
©raf auffabrenb. „ 3 b* oerbtnbet bamit eine ©eleibigung, unb bag ift gang
etwag 2lnbereg!" — „9Rag fein, £err ©raf", erwiberte ber Söortfübrer ber
©auern troden, „aber wir oerfteben’g nun einmal niht anberg, unb wie dr
ung nennt, fo nennen wir 3b«-" tim niht oon feinen ©auern dr titulirt
gu werben, muhte ber eble ©raf nahgeben, unb für ben Spott brauchte er auch
niht gu forgen.
3lm 3(abre 1848 günbete ber gunfe ber greibeit nirgenbg fhneHer unb
Iebenbiger alg bei ben Untergebörigen ber fhlegwig4;)olfteimfhen [Ritter. Die
prooiforifhe Regierung bilbete eine fogenannte Snftensdommiffion, weihe oon
einem ©ut gum anbern reifen unb bie ©erbältniffe genau ermitteln füllte.
Slber bie Sähe bauerte gu lange unb bie Seute merften halb, bah nihtg babei
heraugfommen werbe. Da traten fie, ohne bah bie geringfte Agitation unter
ihnen ftattgefunben, gufammen, fanbten Deputationen gu ben ©olfgführern in
ben Stabten, unb baten, bah man ihnen gu ihrer Organifation bebülflih fei.
Stuf jebem abeligen ©ut entftanb ein Slrbeiteroerein, welcher allfonntäglih oor •
ben Shlöffern unter freiem Fimmel feine Sifcungen hielt, dommiffionen,
| mit benen bie Regierung nihtg gu tbun hatte, reiften jefct oon Ort gu Ort,
| nahmen ©rotofolle auf unb forgten bafür, bah bie SBabrbeit an ben Dag tomme.
• Die bduerlihen Slrbeiteroereine fhloffen fih benen in ben Stabten an, unb fo ent¬
ftanb ein gasreicher, weit oerbreiteter 2lrbeiterbunb, welher fih fehr halb offen
für bie IRepublit erfidrte unb auf bie SBablen gur Sanbegoerfammlung einen
fo beftimmenben dinfluh übte, bah trofc beg fonberbar fonftruirten SBaSgefe&eg
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gulefct nur no<b menige Stimmen an einer republifanif<ben üftajocitätfeblten.
Gjceffe mürben nirgenb! begangen, aber bie Sftenfcbenmürbe oerfdjaffte
fub Geltung. Sa ein Witter an ber Spifce ber Regierung (barnal! StattbaU
terfdjaft genannt) ftanb, fo tonnte bie! natürlich nid^t lange fo fortgeben, unb
el entftanb eine Steife non ^ßro^effen nnb 3u<btbau!oerurtbeilungen, mit benen
bie gegenmärtige preufeif^e Gemaltberrf<baft bi! jefct nur gebrobt bat.
Sie barnal! aulgeftreute Saat ging jebod) ni<^t oerloren. Sie meit bie geiftige
Gmanäpation bereite gebieben, geigte fub unter Slnberm bei einer Sanbtagl*
mahl in$iel, mo ber Diepufclifaner Soctor Safaurie bem ßanbibaten ber 5lrifto«
tratie gegenüber ftanb. Gl mar halb einleud^tenb, ba& Grfterer bie SUtajorität
erlangen mürbe, menn ni(bt bie Gutlbefifcer ber Umgegenb noch SU regier 3eit
ihre porigen all Stimmoieb berbeitrieben. S<bleunigft mürben einige fünfgig
Sagen gemietet, bie gnften unb Sagelöbner bom gelbe unb au! ben Ställen
geholt unb inftruirt, mal fte gu tbun batten. Slber gur groben 23eluftigung bei
SBotfel, gum namenlofen Serbrufc ber Slbligen, ftimmte jeber hörige in ©egen*
mart feine! geftrengen «gerrn für ben Sepublifaner Safaurie, felbft auf bie
Gefahr bin, baburdb broblol unb elenb gu uerben.
Sie biel ber Sa<b)enftamm in Scblelmi g^olftein unter ber £errf<baft
bei Slbell, ber gürfteit unb ber Sßfaffen gelitten bat, ba! offenbart fub au<b in
ben Soltlfagen, melcbe mobl nirgenb! reichlicher bertreten ftnb all bort. Gl
giebt fub burcb biefelben ein tiefer, bitterer Groll, gef nüpft an Erinnerungen, melcbe,
menn auch im Saufe ber gabrbunberteberbiftorifcben Klarheit entfleibet, hoch nie
erlöfdpen tonnen unb im Gemanbe naturmücbftger, tinblicber ^Poefie bon einer
Generation auf bie anbere übertragen merben. Samentlidb in ber Gegenb ber
Stabt S<blelmig, beren majeftätifcber Som ein! ber ebrmürbigften unb intern
effanteften SJiaufoleen ober ÜRufeen bilbet, mimmelt e! bon folgen Sagen,
beren jebe eine pofttibe biftorifcbe Grunblage bat. $ier fei nur eine berborge*
hoben, meil fte fub an bie greibeitlfämpfe ber griefet^ fnüpft. ÜRocb mirb im
Sorne bie ßette gegeigt, momit bor reiflich fed&lbunbert gabren ber äönig ©rieh
gefeffelt mürbe bebor man ihn bon bem Soote, auf melcbe! fein berrätberi*
feber Sruber Slbet ibn gelocft batte, an ben Grunb ber Scblei berfenfte. -Rach*
bem ber Srubermörber unter bem Säcberbeil bei griefen gefallen, mürbe fein
Seicbnam nach mieberbolter Seigerung aulgeliefert unb im Some beigefept.
Sber er fanb, mie bie Sage behauptet, im Grabe teine Ohibe, e! gab allnäcbt*
_ lieh einen Stanbal, ber Sille! mit Graufen erfüllte, unb ba blieb nicht! Slnberel
übrig, all ben Seicbnam ber ßöniglgruft gu entreißen, ihn im Salbe gu beer*«
bigen unb ihm einen SPfabl bureb ben Seih gu rennen. Sie Stelle, mobielge*
febab, beftnbet fub im Sbiergarten, unb ungern nabt man fteb ihr, befonber!
gur Stacbtgcit. Slucb mar ba! SUlittel nicht gang probat, benn alljährlich ftebt
in ber Sacbt, in melier ber Srubermorb gefebab, ber SRorber beunoeb auf, unb
raft mit Senen, bie ihm beigeftanben, all milber gäger burcb bie Suft. Siefer
Sage entjprang eine Sitte, bie ficb bi! auf ben heutigen Sag erhalten bat, ber
fogenannte SJtöbenpreil. Sie 23urg Slbel! befanb fub auf einer gnfel in ber
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Schlei, melche bamali burch eine Nrücfe mit bem geftlanb berbunben mar, bem
SNöoenberg, fo genannt meil fic lebiglich bon Ntöben bemohnt mirb unb bon
oben bii unten mit ben Heftern biefer Nögel bebeeft ift. Unter biefen SNöben
(teilt man ftch bie ©enoffen 2lbeli bor, unb ihr ©efchtei lautet: w £omm mit!"
— ber Nuf, mit meinem ber jattbernbe ©rieh bemogen mürbe, ftch bem Noot
anjubertrauen* jährlich, an einem beftimmten Sage, merben nun biefe SNöben
preiigegeben, b. fe. auf ein gegebene^ Signal bat gebet bai Necht, auf fte ju
fchiefeen. SDa giebt ei ein blinbei, brutalei Söürgen unter ben armen gieren,
unb unentfchulbbar müfete man bie Sitte finben, menn bie Sdbüffe nic^t befn
Slnbenfen bei lönigli(ben Spurten gemeibt mdren, menn nicht jeber bon ihnen
einen glud) gegen bie Sprannei enthielte. 2ln jebe ablige Nurg fnüpfen ftch
fcbauerlidje Sagen über barin begangene ©raufamfeiten. 2Biß man ben ©ha*
rafter einei Nolfei ergrunben unb ftch über bai Har merben, mai unter gege*
benen Umftänben bon ihm $u ermarten ift, fo barf man bie Sagen, in benen
fich fein innerftei Nemufetfein offenbart, nicht unbeachtet taffen.
föein feiftorifch, ohne bie geringfte fagenhafte Neimifchung, ift folgenbe
3ug. ©iner ber beften gürften, melche jemals gelebt haben, mar ßnub Sa*
barb, Äönig ber Sßenben, melcher eine 3eitlang über Schleimig feerrfchte. 2113
einige Witter, melche er megen Seeräuberei moßte auffnüpfen taffen, ftcb auf
ihre hohe ©eburt beriefen, antmortete er ihnen: „gd? miß ©u<h über aße an*
bem Schürfen erhöhen l" unb liefe fte an Ntaftbäume aufhängen. 2)urcb ben
2)änenfönig ©fenftoph mürbe Jfrtub Sabarb nach Seelanb gelocft unb bort in
einem Söalbe ermorbet. $a er UJtitglieb ber Schleimiger Schüfcengilbe mar,
lag biefer nach ihren ©efefcen bie Sühnung feinei Nlutei ob. Ser ßönig
©feriftopfe mufete biei nicht ober glaubte ber ©efahr trofeen ju fönnen, unb be*
gab ftcb ali Nachfolger feinei Dpfeti nach Schleimig, um bort bie «gulbigung in
©mpfang ju nehmen. Sobalb er aber bai 2öe?<hbilb ber Stabt überfchritt,
mürbe er bon ben ©tlbebrübern überfaßen unb erfchlagen.
9Jtan ift gemofent, bie Schleimig*«£>olfteiner ali unberbefferliche Sßhftifter
unb ?ßartifulariften ju betrachten; fcheinbar hat man ein Nedfet baju, aber hoch
tfeut man ihnen Unrecht. 2Bai bie beutfehe Norbmarf in ihrer politif<ben ©nt*
midlung jurüdfgefealten hat, ift ber Nationalitätifampf, biefer gluch jebei ©renj*
lanbei mit gcmifchter Nebölferung. Non Seutfchlanb ihrem Schicffal über*
laffen, mufeten fte aße ©nergie, aße ihre $raft aufbieten, um ben Uebergriffen
bei Sänenthumi Stanb §u halten. Sie Nationalität mürbe burch ihre fort*
mährenbe ©efährbung fo fehr in ben Norbergrunb gebrängt, bafe für bie grei*
heit nur menig Naum übrig blieb, unb ba bie Unterbrücfung fuh gerabe auf
bem ©ebiete ber Nationalität befonberi fühlbar machte, fonnte ei nicht fehlen,
bafe ftch im Nemufetfein bei Nolfei bie Unabhängigfeit bom Nuilanbe mit ber
greiheit ibentificirte. ©inen gluch nennen mir ben Nationalitätifampf, unb er
berbient biefen Namen. 2luf ein ©ut, bejfen ungeftörter Neftfe ftch bon felbft
berftehen foßte, bergeubet man bie ßraft, melche bem ßöchften unb heilig*
ften gemibmet merben müfete. ©i ift biei bie mirffamfte ^anbhabe ber Sefpotie*
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Divide et impera! «f3efet bie Völler gegen einanber, macht ihnen weil, ba|
fte einanber ihre Sprache, ihre Sitten, ihre (Einrichtungen aufbrängen miiffen,
unb fte werben »ergeben, ba| ihre gntereffen ibentifch ftnb, fie werben ftch ge*
genfeitig dhifaniren unb würgen, unb bie $ette an ben eigenen ©liebem wirb
ihnen lieb fein, wenn fie bamit nur bem Nachbar um bie Ohren fchtagen fön*
nen. (Sntgünbet in ber Schweif einen nationalen $aber, unb bie Schwerer
Freiheit wirb feine gehn gahre mehr bauern, bringt bal (Eoangelium ber
, SBölferfolibaritat gur allgemeinen Anerfennung, unb bie greiheit ber SBelt ift ge«
fiebert. Al! bie gikften ftdb im gahre 1848 nidht mehr gu helfen wu|ten,
pflangten fte bie gähne bei Sänenhaffe! auf, unb ba! Mittel erfüllte feinen
3wecf. Unb gegenwärtig laffen ftch bie £)änen ein StudE greiheit nach bem
anbern abfchwinbeln, weil ihnen »om ©lüdElburger »orgehalten wirb, ba| bie
Rettung ber bebrohten Nationalität ba! Opfer »erlange. 5)ie Sdble!mig*§ol*
fteiner mu|ten, fo lange ber Nationalitätlfampf bauerte, im politifchen
^hüifterium »erharren, unb bie Verantwortung bafür trifft bal mächtige |
S)eutfchlanb, welche! ber fleinen Schaar fübner ©rengmädhter nicht gu «giilfe
fam. 2)ie bemoraliftrenbe SBirfung bei Nationalitätlfampfe! lä|t fi<h in Norb*
albingien beutlidh »erfolgen, ge weiter nadh bem Norben, befto weniger fruchte
baren Voben ftnben bie wirflidhen greiheitlbeftrebungen. £olftein, weldhel all
Veftanbtheil bei beutfchen Vunbe! in Vetreff feinel Volflthum! fo giemlidh ge*
fiebert war, unterfdhteb ftch in tiefer Vegiehuug »ortheilhaft »on Schleimig, ttnb
im norblichften Xheile biefel «gergogthuml, wo fein £ag ohne nationale Nei*
bungen »erging, war »ollenbl mit ben Leuten nichtl Vernünftigei angufangen.
gefct, ba*bie grage ber Nationalität beftniti» gelöpt ift, wirb Schlelwig^oiftein ’
in ber Vhalanp ber greiheit nicht bie lefete Stelle einnehmen.
2Bal ben S<hle3wig*«golfteinern mit bem grölten gug gum Vorwürfe ge*
macht wirb, ift bie unaulftehlidhe Nedht!bobeu*Neiterei. 2>ie Schulb hierfür ift
auf Nedhnung ber Leiter ber ehemaligen f<hle!wtg*holfteinif<hen Agitation gu
fchreiben. 2)er 5Lhatfraft bei beutfchen Volfel burihau! fein Vertrauen fchen*
fenb unb bal $eil nur »on ben gürften, ja fogar »om beutfchen Vmtbeltage,
erwartenb, »ermenbeten biefe allen ihren Scbarfftnn barauf, gu beweifen, ba| »or
etlichen hunbert gahren £eute, welche bem Volfe »öllig fern ftanben, befchlojfen I
ober »eriprodtjen hatten, ba| bemfelben auf ewige Seiten beftimmte Necbte ge*
hören feilten. Vom Necbte, ba| mit uni geboren ift, war babei nie bie
grage, unb ba eben bie biftorifche 6 n t widtlung Schlelwig*§olfteinl fo über*
aul »e rwicfelt War, fam man mit ber Argumentation nie gu (Enbe, benn jeber
Veweil fonnte »on einem gefreiten Vierfacher burch gehn ebenfo triftige
©egenbeweife enthaftet werben. Sßollte man ben $ampf auf b i e f e r £inie
aulfechten, fo war el unmöglich, ba| man jemal! gu einem Nefultat gelangte,
unb hätte nicht enblicb ba! Schwert ben knoten burdhhauen — taufenb gahre
hätte man noch ben gelehrteren Sebuftionen wibmen fönnen ohne nur um
einen Schritt weiter gu fornmen. 2)er gelehrte $antpf würbe in fämmtlichen
3eitungen bei £anbe! geführt, unb auch ber gefunbefte Nlenfchenoerftanb
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mußte baburh fonfuä gemacht merben. 2Bir fmb tn ber £ßat ^errn bon 95i3*
ntard $ant bafür fcfeulbig^ baß er eitblih burh feilt Tintenfaß unb ba$ grobe
GefhütJ ber preußiihen SXrttUeric biefeS Büppel geftürmt unb mit bem
gangen Scbtoinbel aufgeräumt bat. Qefct ift ba§ gelb rein, unb bie einzige
Appellation bon biefer Uitterbrüdung tautet an ba3 natürliche Aecßt,
an bie Selbftbeftimmung be3 Volles.
3)ie jefcige Shtoärmerei für ben Auguftenburger muß gebem unerllärtih
fein, metcßer nicht baS 33olt unb bie Verhältniffe fennt. gern fei es bon uns,
biefe fonberbare Verirrung in Shufc nehmen gu roollen; aber geht man ihr apf
ben Grunb, fo ftellt fie ftch minber grabirenb bar. S)ie Vrollamirung „griebrich
beS Achten" fofort nach bem Xobe bcS ßönigS bon Sänentarl gefcbab meil
man bie Aothroenbigleit erfannte, bie Gelegenheit beim Schopf gu ergreifen, unb
fte inbolbirte ben $roteft gegen baS Sonboner $rotololl, b* b* gegen bie An*
maßung ber gürften, über ein Voll gu berfügen ohne baffelbe gefragt gu haben*
Aian fagte: „$er OJtannSftanim beS DIbenburger «gaufeä ift erlofhen", unb
ftellte ftch bamit auf ben alten morfchen AehtSbcben, nur meil man ber Ueber*
geugung mar, nicht anberS hanbeln gu bürfen, unb auf biefe SBeifc ba$ 3iel —
bie beftnitibe Trennung bon Sänemarf — am ficherften gu erreichen hoffte.
3>aß man mirllich in ben Sohn beS Alten bernarrt fein follte, ift unbentbar.
3ut 3ah^e 1848 hatte ber Alte bie größte 2uft, bie SRoUe beS gieSlo gufpieleit;
aber lein Atenfh mollte etroaS bon ihm miffen, unb mo nur barauf angefpielt
mürbe, erfolgte bie alierberbfte 3urechtmeifung. 2>a§ je^ige gefthalten an bem
^rollamirten erllärt ftch einerfeitS aus ber fprihmörtlihen £olftentreue. 2)er
Schte3roig*|>olfteiner bleibt fo feft bei bem, maS er einmal besprochen hat, baß
eS ihm in nicht fehr alten 3eiten noch für eine Scßanbe galt, bei gefchäftlichen
$ran£altionen eine aitbere Vürgfhaft als ben männlichen §anbfhlag gu ner*
‘langen ober gu geben. Aber man braucht nicht auf ben abgcfcbmadtten Alt ber
„§ulbigung" gurüdgugreifen, um baS hartuädige gefthalten am „ Angeftammten"
erllärlich unb entfchulbbar gu finben. S5ie Aepublif fleht ja leiber noch nicht
auf ber £age3erbnung, unb menn baS Aachgeben einen Sieg beS ViSmardfhen
SpftemS in ftch fhloffe, ift es hoch mohl baS Vefte, bis auf Weiteres bei bem
geringem Uebet gu beharren, mofür man ftch einmal entfchieben hat. Ginge*
fleifchte Atonarchiften fmb bie ShleSmig*.golfteiner entfchieben nicht; feit
gmangig gahren hat man fte bei leiner Gelegenheit bagu bringen fönnen, bem
ßönigthum auch nur bie atlereinfacbfie $öflichleit gu ermeifen, mährenb fte eS
an ben ungmeibeutigften Vemeifcn ber Verachtung unb beS grimmigften «gaffet
niht fehlen ließen. $ie beiben lebten Könige bon $änemarf mußten babon
ya ergählen. 2Bar ihr Grfheinen in Hamburg ftctS baS Signal gu einem
Triumph, fo mürben fte auf fhteSmig==holfteimfchem Vobeit bom Aorben bis
gum Sübcn gerabegu en Canaille beßanbelt. S)ie Agitat : on unb ber glttch
beS VerhängniueS haben bie Shlesmig*£o(fteiner gu ganatilern beS AehtSbo*
bcnS gemahn Von ber £eiligfeit biefer Snftitut^ übergeugt unb in ihm
bie Gemäbr ihrer greiheit erbtidenb, bertheibigen fte ihn gegen alle fürftlichen
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Uebergriffe. S3ringt ihnen bie Agitation ober bie bittere Erfahrung bal höhere
SHed^t gum SBemujjtfein, fo merben fte biefem mit nicht geringerer Entfcbiebenheit
unb Slulbauer jugethan fein, unb bie gutunftige beutfcbe Dlepublil mirb nir*
genbl auf meniger Scbmierigfeiten flogen all bei ben üRorbalbingierh.
$en Scblelroig*§olfteinern ^artifularilmul jum SBormurf 3 U machen, ift
bal fcbmählübfte Unrecht, melcbel fub benfen läfjt. $)?ie vermag $eutfcblanb
ben 33emohnern ber üftorbmarf bie £reue §u vergelten, mit ber fie ibm unter ben
fdhmierigften Umftdnben angebangen ftnb. 3 hre Siebe jum groben SBater*
lanbe, melcbel fub boeb fo menig um fte befümmerte unb el auftfct noch gar
juliefj, bab beutfcbe SBaffert fie bem Sanbelfeinb überlieferten, mar rübrenb unb
im haften ©rabe erhebenb. %xo% ber trübften Erfahrungen manfte nie ber
©laube an bal beutfcbe 33olf, nie bal fefte Vertrauen auf bie beffere 3 ufunft
im Scboofse einel einigen, freien ©ermanien, unb in biefem ©lauben mürbe
bureb Sabrbunberte ebne Ermatten gefämpft, in biefem SBertrauen ein breijäb*
riger ßrieg geführt unb nach ber 3ertrümmerung allel ferner Errungenen erft
recht nicht besagt, deinen Slugenblic! mürbe fub Scblelmig*«|)olftein befiitnen,
ju ©unften $eutf<blanbl auf jeoe Spur partifutarer Selbftftänbigfeit ju ber*
jidbten. Sal aber gegen bie Ehre, gegen bal Qntereffe unb bie Freiheit
$eutfchlanbl ift, bal bat in ben üftorbalbingiern feine unverföhnlicbfien geinbe,
unb ein ©lüdt ift el für bal beutfcbe SSolt, bafj gegenmdrtig bal 2 ool bei
berrfJbenben Spfteml in ihren £dnben ruht, benn an ben Eifenföpfen
febeitern alle fünfte einel 23ilmardt.
bie ucrlorctte Krfpradje.
SJon 6, Äübcfing.
2 luf feinem ©ebiete ber gorfebung haben religiöfe ^bantafieen länger ihren
bemmenben unb Idbmenben Einfluß geäußert, auf feinem ©ebiete hat bie Sill*
für unvernünftiger Ueberlieferungen ben gortfebritt vorurtheillfreier Erfennt*
nifj länger aufgehalten, all auf bem ©ebiete ber Spra<bengef<bi<bte, unb nir*
genbl fann uni ber febarfe ©egenfafc heutiger vor klugen geführt merben, ber
jmifeben ben Sßhantafteen einer ein für alle Sal fertigen Schöpfung unb ber
Erfenntnifc einer fortlaufenben Entmicflung befteht, all hier. ÜRirgenbl geigt
ficb ber verberblicbe Einfluß beutlicber, melcben, menn auch in ihren lebten unb
leifeften, unbemufcten Slnfldngen, millfürlicbe SLrabittonen auf bie Unbefangen*
heit bei gorfcberl aulgeübt haben, nirgenbl mehr all hier tritt bie beiüofe
Sacht bei öffentlichen 33oruttbeil! hervor, bie ben ftorfeber angefubt! bei flar
erfannten 3 iele! plöfclicb lähmt unb ihn in bie bunflen ^rrgänge miüfürlicber
SBoraulfefcungen jurüdtmirft, aul benen er fid? fo mühfam heraulgearbeitet.
So fläglicb unb nieberfcblagenb biefel Scbaufpiel aber auch fein mag, in mel*
ehern, mit fchr geringen Slulnahmen, bie ßorpphäen ber Siffenfcbaft ihre grö*
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ßeren unb Heineren Dollem gefielt buben, fo erbebenb ift el auf ber anberen
Seite, menn trofc aller folcber Düdfälle unb Gompromiffe im Vefonberen, bie
allgemeine Gntmidlung bormärtl fchreitet, unbeirrt in ber Verfolgung ihrer
Gonfequenzen. SBo aber butten mir mehr Urfache, mit alleiniger
Dulnabme einiger 3meige ber Daturmiffenfchaft, auf bie glän^enben 3Fte*=
fultate borurtbeillfreier Unterfucbung mit Stolz zu bermeifen, all auf bem ©e*
biete ber allgemeinen Spradhengefcbichte ? 2Bal mußte dal flafftfcbe Dltertbum,
mal ba! cbriftlidhe SDittelalter, mal bie mit ber Deformation angebrochene 2luf*
fldrung bon ibr? ^öcbftenl baß man ficb zu einer fogenannten „begleichen*
ben SPbi^ologte" berftieg, tnbem man in aller Herren Sänberit, bie man aul ben
fabelbafteften Schilderungen beliebiger Deifenber fennen gelernt, fpracbliche
Vruchftüde auflal unb je nach ihrem zufälligen ©leichlaut, bem ©ebör nach
miütürlich unb planlol jufammenftellte, ober baß man ba! Vaterunfer in ben
Sprachen fo unb fo bieler Völfer, bie ber Vefebrungleifer ber Dtifftonäre er*
reicht, bergleichenb aneinanber reihte ? Unberfängliche Vemübungen ber gläu*
bigen DBiffenfchaft, beren Defultate ber £rabition zugutfommen,ba fte, meitent*
fernt, einen gefchichtlichen Sufammenbang, eine regelmäßige Gntmidlung
nachmeifen zu mollen, bielmehr ba! große Sßunber ber Vermirrung ber Spra*
eben itluftrirten unb gleichzeitig im ^intergrunbe in ben millfürlich zufammen*
gemürfelten gleichlautenben Dulbrüden berfcßicbener Sprachen bie fogenannte
Urfprache, bie ber $err im Varabiefe mit Dbam gefprochen, burchfchimmern
ließen* 2>enn fo ftanb el gefchrieben : 2ll! bie £biere bei gelbe! unb bie Vö*
gel bei $immel! non Grbe gemacht maren, brachte fte ber £err, ber fte gemacht,
ju bem Dtenfcben, baß er fäße, mie er fte nennte* Unb ber Dtenfch gab'
jebem Vogel unb Vieh unb £bier feinen Damen. So butte benn alle ffielt
einerlei 3unge unb Sprache* Unb fprachen unter einanber; SBoblauf, laßt
uni eine Stabt unb einen £burm bauen, baß mir un! ein Seichen machen,
benn mir merben bielleicht zerftreut in alle Sänber. 2)a fuhr ber £err nüber
unb fprach: Siebe, el ift einerlei Volf nnb einerlei Sprache, unb buben bal
angefangen zu tbun, unb merben nicht ablaffen, mal fte ftcb borgenommen.
ÜBoblauf, laffet un! ihre Sprache bermirren, baß deiner ben Dnberen berftebe.
Unb fo zerftreute fte ber $err in alle fiänber, unb mußten aufbören bie Stabt
ZU bauen. 2)aber beißt ihr Dame Vabel, ba! beißt Vermirrung.
So miHtürlich unb finbifcb biefe Sage erfcßeint, fo fpiegelt ftch in berfel*
ben ebenfo getreu mie in ber Varabiefelfage, ber Dtaßftab mieber, ben ber
culturlofe Dtenfch noch beute an bie mirflichen ober bermeintlichen Dtiferen ber
Datur unb ber Gibilifation legt, zu melden lederen er natürlich bie Verfcbie*
benbeit ber Sprache, „bie er nicht derfteßt unb bie ihn nicht berftebt," rechnen
muß. 2>a! gremblautenbe unb gremblänbifcße ift il;m alle Dtal ba! geinb*
ließe; er flucht bem unberftänblichen ßaubermelfcb, ob e! ihn auf frember Grbe
ober am büullichen £erbe begrüßt, unb mit allem VMlien !ann er in ba! 2)ur<b*
einanber betriebener 3ungen feinen bernünftigen Sinn bringen, all ben ber
Slbmeicbung bon einer urfprünglicb befferen Orbnung, einer beillofen Vermiß
mmi
^Google
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rung, btc an bie Stelle ber Ginbeit unb «garmonie jufolge ber fuperllugen
$ermeffenbeit ber 9Jtenfcben getreten fei, derfelbe linbifche Ginfall, ber noch
beute ben an bie frembe fiüfte ©emorfenen überfommt, mie febön e! bo<h fein
muffe, menn alte Ntenfchen einerlei, ober noch beffer feine Sprache rebeten, unb
bafc mobt bie alte eine Spraye oertoren gegangen fei, ähnlich mie ^effing'l
„achter Ning", unter ben mibermartigen ©egenfdpen ber 4 ®egenmavt, bat bem
religiöfen Hltertbum bie Sßbantafte Oon einer Urfprache eingegeben, bie in einer
beillofen Gonfufton untergegangen fei; berfetbe linbifche Ginfall, mo bie
Sßbantafieen oon einer oerloren gegangenen Urfprache ebenfo mie biejenigen
bon einer berloren gegangenen Urreligion, bon einem untergegangenen Ur*
menfeben ober Urjuftanb unb bergleicben bem ©runbgefejje einer bernünftigen
Gntmicflung miberfprechen, beren SBefen nid^t in ber Verleitung au! bem Ge*
morbenen, fonbern im SEBerben, nicht in ber Vererbung, fonbern ber Grmer*
bung, nicht in ber Nacbbtlbung einer ein* für allemal beftimmten gorm, fonbern
in ber ewig ftch erneuernben Umbtlbung bei $ 8 orbanbenen in unenblicger 35 er*
febiebenbeit beftebt.
SBenn bie Sagen bon einer Sßeranbernng ber Sprachen unb einer ur*
fprünglichen Ginbett berfelben in ber clannifchen 23efcbrdnftbeit bei Nlterrbum!
murjelten, bal in feiner lleinen Socalitat bie ÜEBelt, in feinem patriarchalifchen
«gertommen bie ffieltorbnung, in feiner Sprache bie Sprache bei Uniberfum!
erblitfte, fo ift bie giyirung einmal hergebrachter Sprachen unb Schriften 5 U
allen Seiten bal gauptaugenmerl derjenigen geblieben, bie ju «giitern unb
•Pachtern bei 23eftehenben in Staat, fiircbe, ©efellfchaft, SBiffenfchaft fleh beru*
fen fanben. 2 öenn bie römifdge fiircbe, trop bei heftigften nationalen SBiber^
ftanbel feiten! ber belehrten Voller, bie lateinifebe Sprache im Gottelbienft
fefthielt unb aufser ber oon ihr autoriftrten Uebertragung, gegen alle Ueberfefcun*
gen ber heiligen Schriften in frembe Sprachen fleh feinbticb unb uibermillig ge*
jeigt hat, fo gefchah bal im felben Qntereffe ber Gonferoirung einer „urfprüng*
lieben* (Einheit, all menn Gjar Hleyanber, nachbem er im Streben, feine $Böl*
!er geiftig &u beben unb eine SBotfllircbe 3 « begrünben, bal Neue deftament in
bie Sprache faft fdmmtlicher Golfer fcinel ungeheuren Neicbe! hatte übertragen
unb oerbreiten laffen, ptöfctich üor ben bebentlichen grüßten nationaler Selbft*
ftanbigleit, bie er baburch gemedt hatte, gurüdbebte unb feine ganje Schöpfung
miberrief, um feinem Nachfolger e! gu überlajfen, aller nationalen unb fprach*
liehen „Sßerroirrung" in feinem Neicbe burch Ginführung bei einen rufftfehen
glauben! unb ber einen rufftfehen Sprache ein Gnbe $u machen. 2Bo immer,
ber oorangefchrittenen Gilbung ber Sprache gegenüber, ber oeraltete Nulbrud
beibehalten mirbunb abfolute gormetn unb 3 eicben cultioirt merben, fei e! in ber
fiirche, ober in ber fianjlei, in ber Soge ober auf ber Verberge, auf berfineipe
ober in ber dumbatle, überall gefdgiegt e! im Qntereffe ber gebanlenlofen Ob*
feroanj auf fioften ber Nernünftigleit, im ^ntereffe ber 3 orm auf fio*
ften bei Inhalt!, im Sntereffe ber Ginerteibeit unb Ginförmigleit auf fio*
ften ber freien Gntmicftuug unb Setbftftänbigleit. „Gine Sprache unb 3unge" 1
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waS barübet binauSgebt, ift »om Uebel unb führt jur ©erwitrung uttb ©uffö*
fitng, jum gerfall unb jur „3erftreuung". Slud) politifche, miffenfcbafttiche
unb anbcre ©liquen profitiren »on biefem Sa|e unb friften burd) bie eintönig»
feit bcrfelben Schlag» unb Kraftworte ihre jeitweife (fyiftens. ©btlof°»bifcbe
©hüten, bie (Spigonen ganjer Siteraturpcrioben jefiren, Dom ©achlah ihrer ©lei»
fter unb werben burch bie Ginoerleibtheit beffelben 3opfeS unb bcffelben StpleS
jufammengehatten. greilich legen alle biefe ©emübungcu, bie Sprache in
feftere formen ju fairen, ben beften ©eweiS für bie unbermüftlicbe SeugungS»
traft berfelben ab, inbem biefe feht halb bie gejogenen ©renjen übcrfpringen
unb diejenigen, welche biefelben gezogen, als gremblinge ihrem eigenen ©e»
fehlest gegenüber hinter ft* taffen, ©erabe bie ©etfuebe, einen porhanbenen
©prachfah ju conferDiren, beweifen am augenfiheinlichften, wie bie Sprache un»
ter unfern 3lugen fi<h wanbeit, wie fie im Saufe bei gabrbunbertS Peraltet unb
einem neuen ©efdjlechte batod unb lächerlich Dorfommt, um nach ©erlauf non
Sahrhunberten ju ben lobten perfammett ju werben, dennoch unb obgleich
gerabe biefe GonferPirungSDerfuch« heiliger unb profaner Spracbreliquien, biefe
baroden ©tplproben Pergangener Seiten fo beutlich geigen, bah bie Sprache
nicht fowobl baS ©robult ber ©ererbung, als ber Um* unb ©cubilbung ift,
hat bie religiöfe Ueberlieferung noch bor einem gabrbunbert einen folgen $rud
auf bie Freiheit ber gorfhung auSgeübt, bah biefelbe nur in fortroäbrenbem
Diiidblid auf jene fich ju bewegen wagte. 6S erfcheint faft unglaublich, bah
man bis babin alles ßrnfteS fid? bemühte, alle Sprachen auf baS §ebräifhe,
als bie heilige Sprache, bie gantilienfprache beS ©arabiefeS, bie Urfprache, ju*
riicfguführett, unb man fi<h höchftenS Perftieg, ben Söhnen Sarahs ju Sieb, oon
benen alles Sanb befefet würbe, Don Sprachen ber Semiten, gapbetiten unb £a»
miten ju reben.
ßtft fpäter ertüljnte man ftch, »on abenblänbifchen unb morgenlänbifchen
Sprachen, unb, was angefichtS beS frommen ©bftammungS» unb ©ererbungS*
bogmaS ja auch unperfänglich genug war, »on ©lütter* unb Sochterfpracben,
pon lebenben unb tobten Sprachen ju reben. SEBenn man bie mobemen Spra*
eben auf gewiffe fpecipfch unterfhiebene gamilien eines untergegangenen germa*
nifchen, ftabifchen, tomanifchen u. f. w. SprachftammeS gurüdführte, fo tarn man
ebenfo wenig in ©überfpruth mit bem alten SdjöpfungS» unb'^crleitungSbogma,
als wenn man bie porhanbenen ©lenfehentppen »on gewiffen, weil burch ihre
garbe u. f. w. fpecififch »erfhiebenen primären gamilien herleitete, wenn man
nur bie Urfprache ruhig in ihrem ©rabe fchlafen unb ben gemeinfamen, »erloren
gegangenen Hbarn einen guten ©lann fein lieh. 2lu<h als bie fortfdireitenbe
gorfchung bie (Sntbedung machte, bah bie bis babin feftgehaltenen Stamm»
fprachen wieber auf einen gemeinfamen Stamm jurüdweifen, würbe Wohl bie
Autorität bis babin beftanbener philologifcher ©rohen berührt, bagegen bie alte
©ererbungStbeorie nichts weniger als beeinträchtigt, ba man ber »erloren ge*
gangenen Urfprache burch »ergleichenbe gufammenftellung ber Elemente ber
alten 3enb* unb SanSlritfprache mit benen ber jüngeren 3»e<ge beS inboeuto»
596
hdifchen Stammes um einen groben Schritt naher gefontmen gu fein glaubte.
(Erft als man beim 3urüdgehen auf fokhe fo genannte Stammfprachen Rer*
gleiche anftellte gmifeben ben 6pra<hf<häfcen biefer unb ihrer Rachtommen, bie
nicht gu (fünften ber Crfieren au^fielen, als man benterlte, bah baS Crbtheil
ber Rtutter unter ben £dnben ber ßinber unb Öntel ins Daufenb* unb £un*
berttaufenbfadhe ftcb vermehrt habe, mürbe baS alte Spftern, bem gufolge bie
gange jefcige SBelt nur eine Degeneration einer Pollfommenen Urfchöpfung, bie
heutigen Rtenfchen nur bie entarteten Rachlommen gemaltiger Urmenfchen, unb
bie heutigen Sprayen nur HuSartungen unb galfchungen ber achten Urfpradje
fein muhten, in feinem ©runbe erfchüttert, unb in ber Regatioe baS Dogma
bon einer fortfehreitenben Cntmidlung, gegenüber bem troftlofen RefftmiSmuS
beS ßhriftenthum^, feftgeftellt. Der Safc, bah bie Sprache ftch bom fieberen
gum Roheren entmidelt, auS ber Slnnuth unb Dürftigfeit gu gülie unb Gleich*
thum emporgearbeitet habe, fteüte bie alte Rnfchauung gerabe fo auf ben &opf,
tote jbie Behauptung eines unbebingten BoranfchreitenS ber menfchlichen Mtur
gegenüber ber Crbfünbe, unb bie Dheorie bon einer gleichgeitig mit ben Bil*
bungSftabien ber (Erbe auffteigenben (Enttoidlung beS organifchen Sebent ge*
genüber ber alten SchöpfungSlehre. 3Ran toieS ben Sprachen aHerbingS be*
ftimmte Greife an, innerhalb beren fte ftch berdnbern unb mobificiren fönnten,
erflärte aber gleichgeitig bie Berfdhiebenheit ber Sprachftdmme, bie man unan*
getaftet ftehen lieh, für ben RuSbrud ber mit ber Seit bon ber unbollfommnen
gur bollfommenen gorm auffteigenben Schöpfcrfraft beS ©eniuS ber Sprache.
2£ie Samard für jebe „primäre" 2lrt beS Rflangcn* unb Dhierreich^ einen be*
fonberen Äeim annahm, aus beren Reihenfolge bie immer bollenbetere
gorm als Rbbition gu ber borangehenben, unooltfommenern fich ftufen*
toetfe enttoidelt habe, fo mochte man ftch nun bie bermeintlich primären Rb*
theilungen ber Sprachftdmme als Offenbarungen eines beliebigen linguiftifchen
©eniuS benfen, ber, an ber §anb ber Seit ooranjebreitenb, feine Reihenfolge
immer reicherer fprachlicher „Rbbitionen" entmidle. So fehr ftch biefe gort*
enttoidlungStheorie auf ben erften Blid empfiehlt, inbem fte nur auf ben mit ber
Kultur machfenben Schafc hingutoeifen braucht, fo toentg fann fte ihre toillfür*
liehe Befcbränfung ber RtobificationSfdbigleit einer Sprache auf beftimmte
©rengen rechtfertigen unb bie neben bem allgemeinen gortjehritt bergebenben
(Erfcbeinungen beS RüdfcbrittS unb Serfattö Pollfontmenec gormen erfldren.
(Ebenfo unhaltbar, tote ftch bie Annahme erroieS, bah bie nieberen unb höheren
gorntationen beS organifchen Sehend unb baS gröbere unb geringere Rlter ber
(Erbfcbichten, in benen jene ihre Spuren hinterlafjen, einanber bebingen, inbem
man in Qahrtaufenbe alteren Schiften, bie, man nur ben unterften gormationen
als Ouartier angetoiefen hatte, plöfclicb auf Ueberrefte toeit oollfommnerer Or*
ganiSmen ftieh, bie man bereite in einem oiel fpdter entftanbenen (Erbquar*
tier einlogirt hatte, ebenfo toettig Iaht ftch bie unbebiitgte RkiterentwicfNng ber
Sprache an ber £anb ber Chronologie nachmeifen. Bergleidmngen beS fov=*
malen (SehalteS ber flafftfchen Sprachen unb beS in feinen Scbriftroerten Pier*
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taufenb 3ahre alten SanSfrit mit ben mobernen Sprachen, g. 93. bem Gngli*
fchen, baS ben großen vererbten grammatifchen gormenreichthum nahegu über
23orb geworfen hat, faden nichts weniger als gu fünften jener Annahme aus.
2Bie widlürlich es fei, bie 2JtobificationSfdhigfeit einer Sprache innerhalb
gewiffer ©rennen gu befchränten, erhellt am heften, wenn wir bie Definition:
„bafj eine Sprache bon Solchen gef proeben werbe, bie einanber berftehen",
ins Auge faffen unb gewahren, bafj in bem fu^en 3eitraum bon Sahrhunberten
jebe ber mobernen Sprachen biefelbe Umwanblung erfahren hat, wie g. 93. unfre
beutfehe, bafc jebe ber mobernen Sprachen in bem Sinne eine anbere, bödig neue
geworben ift, als {einerlei 93erftdnbnijj ber jefcigen Generation mit ihren bar*
barifdben 93oreltern in ber, bem tarnen nach, hoch gleichen Sprache mehr mog*
lieh wäre. Genügen aber gahrhunberte, um bie Umformung einer Sprache in
bie anbere gu bodenben, fo bafj baS 93erftdnbnifi gwifdjen beiben aufhört unb
nur noch bie Sßijfenfchaft im Stanbe ift, ihren elementaren 3ufammenhang
naebguweifen, fo wirb berfelbe $rogefj ber SBanblung, burch Sahrtaufenbe fort*
gefefct, auch bie leifefte Spur eines folchen 3ufammenhangS berwifcht unb ben
wiffcnfchaftlichen Nachweis eines folchen unmöglich gemacht haben. Unterliegt
aber jebe Sprache biefem $rogefj ber Auflöfung unb Umbilbung, unb bennag
felbft geographifche 3foIitung unb ber töbtenbe Ginflufj erftarrter Gultur jte
nicht berfelben gu entgehen, fo erlldrt ftch bie Ungulänglichleit ber obigen DefU
nition, fowie baS £in- unb £erfchwanfen bezüglich ber Angabi unb beS Unter*
fchiebeS bon Sprachen unb Dialecten. Sinb Dialecte, wie man fie genannt
hat, beginnenbe Sprachen, bon benen, je nach ihrer AbaptionSfähigteit an ber*
dnberte äufjere 93erhältniffe, nur wenige ftch behaupten, währenb bie üDtebrgahl
gu Grunbe geht, fo erfcheinen unfere mobernen Sprachen nicht mehr als gemüth*
liehe (Erben, bie ben -iftacblafj einer gemeinfamen iDlutter gefchwifterlich unter
fleh bertheilt unb in grieben ein gemeinfameS Gebe angetreten, fonbern als
gortfefcungen beffelben erlöfchenben SprachftammeS, bie ftch im Kampfe mit
einer Ungahl concurrirenber Dialecte fiegreich erhalten haben. 3e naher bie
eingelnen concumrenben Sbiome einanber berwanbt waten, befto fchärfer war
bie (Eoncurreng, befto eifriger bie diibalität, befto heftiger entbrannte berÄantpf,
fo bafj nach ber rafeben 93eenbigung beffelben bie fiegreich aus bem ßantpf
heroorgegangenen „neuen" Sprachen einanber weit entfrembet gegenüberftan*
ben, ba fte felbft bie bermittelnben Sprachglieber, welche bie leifeften Ueber*
gange begegneten, vernichtet hatten. DaS Gefep einer unbegrengten 23ariabi*
litdt ber Sprachen burch 93dbung neuer SBörter unb Aufgeben veralteter Aus*
brüde, burch Aufnahme frember Sprachelemente unb gormen unb Aufopferung
ber eigenen aus 93equemlicbteit, Aüdficht auf SSohdaut unb ßürge unb bergleU
chen, baneben bie (Erhaltung einzelner weniger unter vielen concurrirenben
AuSbrüden unb gormen, ertldrt ebenfo baS Aufblühen wie bie (Entartung, bie
Aeubilbung toie ben Untergang, bie SSerroanbtfchaft wie bie fcheinbar uftber*
föhnüche Trennung berfchiebener Sprachen. Die Sprache, fonft ein wirrer
£aufe, ein wüfteS Durcheinanber gufammenhanglofer Grfcheinungen, geftaltet
i
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fidb 3 tt einem organifepen ^anjen, helfen gormen, mt toie beS auffteigenben
©flauen* unb SpieUebe nS, fxc& vervielfältigen unb verfeinern; bie Sprachen,
fonft baS wunberlicpe ©efultat einer unbegreiflichen ©erwirrung, werben ju
«ffnotenpunften einer fortlaufenben vernünftigen (futwicflung, beren vermittelnbe
Swifcpenglieber ausgefallen fmb. £>ie „®abe ber Sprache", fonft baS munter*
liebe ©robuct eines ein für alle DM gefepebenen fcpöpferifdben DlcteS, wirb jur
mühevollen, burdb £aufenbe mißlungener SBcrfud^e Vorbereiteten ßrrungenfpaft
beS 511 m Dttenfcpen tranSformirten SpiereS; bie fo genannte Urfpradpe, fonft baS
fi? unb fertig gugefebnittene Dftufter, rebucirt fidb auf baS befepeibene Dftaß ber
erften Dftobiftcationen beS unarticufirten tpierifepen SauteS, wie fie von „DBalb*
menfepen" unb £roglobvten, ben untergegangenen Patriarchen unb (Sqvätem
beS ©tenfcpengefdbtedbtS, mögen verfugt tvorben fein.
2luS ben milben tbierifdben Sauten, bie greube, Schmers, ©erlangen,
furcht auSbrüdften, bilbeten r !<p articulirte Saute unb Sautverbinbungen, bie,
von einer milben ©eberbenfpraepe unterftü^t, in SluSrufen unb befehlen fup
ergingen. Snbem ber DJtenfcp bie Saute, welche aus ber ibn umgebenben -Mut
au fein Dpr fcplugen, baS ©raufen beS ©BinbeS, baS ©äufepen beS Stromes,
baS ©ollen beS Bonners, bie Stimme ber Spiere „naepäffte" unb auf bie
S)inge übertrug, an benen er bie Saute tvabrnabm, bilbete er bie erften UBorte
3 ttr ©e^eidbnung von ($>egenftcinben, Spätigfeiten, ßrfcpeimtngen, Gigenfdpaften.
2)aS ©ebürfniß, gefepäftig, auch für diejenigen Qöegenftänbe einen DIuSbrucf 311
finben, bie nidbt junaebft 311 m Sinne beS ®epörS fpreepen, verlieb jebem 2)inge
eine Sprache, einen ©runbton, bilbete biefen in entfpredbenber Sautverbinbung
nach unb fudbte ben neugewonnenen DluSbrucf 31 m ©ereeptigung 3 U bringen.
Saufenbe von ungenügenben DluSbrucfSformen mögen fo 3 um ©orfepein gefönt* *
men fein, bis es einer gelang, aus ber Sprachverwirrung fidb ftegreiep 3 U erbe*
ben unb, als ber geeignetere, in einem gemiffen Greife fidb 3 U behaupten, unb
^unberte von Saprtaufenben müffen vergangen fein, bis bie Sprache von ber
©eberbe*-unb Sautfpracbe beS ßinbeS unb beS Sßilben 3 ur $öpe ber mobemen
Diebe fuh entmidEelt bat. So gleich nun auch, bem allgemeinen Umfang nah,
bie erften Spradbverfuche beS Spiermenfcpen ausgefallen fein mögen, }o muß
hoch ber SppuS ber Sprache fdbon in biefen feinen robeften, primitivften ©erfu*
dben biefelbe ©erfdbiebenbeit unb Dftannigfaltigfeit ge 3 eigt haben, wie ber $ 9 *
puS ber menfdblidben gorm, bie unter bem Einfluß verfepiebenffer äußerer ©er*
bältniffe unb an bie verfepiebenften ©orauSfepungcn anfnüpfenb, ftcb aufbaute.
Qe nach ber ©erfdbiebenbeit ber umgebenben ©aturerfepeinungen, ber Spiermelt,
nach ber ©erfdbiebenbeit beS ÄümaS, ber geograppifepen Sage, ber ©efepäfti*
gung, ber Ernährung unb ber baburep bebingten verfepiebenen ©uSbilbung ber
Spracporgane, nach ber verfepiebenen inbivibueUen Dluffteüung ber Singe unter
. fonft gleichen äußeren ©erpältniffen, bilbete fiep von vorn herein eine Dttannig*
faltigfeit verfepiebener Spracpformen, bie, weit entfernt, von einer ©runbform,
Urfpracpe unb bergleicpen auS 3 ugepen, vielmehr erft im Saufe jahrtaufenbjäpri*
gen ©ingenS fiep auf eine ©nsapl relativ auSgebilbeter Sprachen rebucirt pa*
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beit, freilich um mieberum in ber SJtannigfaltigleit neuer Varietäten auletnanber
Jtt gehen.
3)ie Vhantafie oon einer uniberfeilen Sßeltfpracbe, in melthe atte fprach*
lieben unb nationalen ©egenfäfce ber ©egenmart aufgelöst merben füllen, eine
Vbantajtc, welche nicht blo! bon bewirten Jlnomnothingl, fonbern aueb bon
ben Slbbotaten einer „allgemeinen Sftenfchbeit" oertheibigt mirb, ift nur bal
Spiegelbilb ber alten abgetanen teligiöfen Srabition. £ier, mie bort, ift ber
finbifebe SBunfdb, bie unbequemen, ftörenben, unb boeb fo bernünftig begrün*
beten ©egenfä(je bei 9tatur* unb ©ulturleben! in eine allgemeine Harmonie
aufgeben $u feigen, ber Vater bei unberftänbigen ©ebanfenl gembfen. 9Rur
ein Söunber üermoebte eine folcbe, allen Vebörfniffen, allen 3°nen, allen GhI*
turftufen geredete Unioerfalfpracbe $u Stanbe unb gur §errf<baft ju bringen,
unb nur ein SEunber üermoebte bie fo gefeftaffene bem Vrojcfs ber unenblicben
3)Zobtficatton ju entwichen, meldher bereitl nach einem ober mehreren 3 abr$ebn*
ten, ben fortmabrenb bor fxdb gebenben SBanblungen ber Gultur, ber geograpbi*
feben unb flintatifeben Sage, ber Vefdjäftigung unb fo meiter entfprecbenb, bie
eine Unioerfalfpracbe in minbeften! ebenfo biele neue Sprachen mürbe aufgelof’t
haben mie bemalen üorbanben finb, unb nur bie SBiffenfibaft mürbe im Stanbe
fein, ben üftadjmei! eincl etpmologifcben 3 ufammenbang! jeitmeife 31 t berfolgen.
$ic fo genannten 2Beltfprad)en merben baruin im Veroufjtfein ihrer eigenen
unb ber SBanbelbarfeit alle! 3rbifd)en auf bie ihnen gitgebachte fmbe SIftiffion
üeqidjten unb ber Vernünftigfeit, nicht bem ganatilniu! ihrer 3lnmälte el über*
laffen müffen, fte über ihre beseitige nationale ©eltung hinauf in meiteren
Greifen all Gulturfpracben gur jeitmeifen Verechtigung unb Slnerfennung 3 U
bringen.
fUtrarifd)-atti|Ufd)C0 /tuiUrton.
33on 3 . 2 ®.
SBenn e! ftch um ein neue! 2 ßerf bei geiftreidjen, bielfeitig gebilbeten
Verfaffer! bei „Sehen! Qefu* banbeit, barf man fd?on 3 um Voraul auf einen
aulerlefenen ©emtfj, auf ein geiftige! Sedermahl gefaxt fein, 3 U bem ftch alle
Verufenen unb ©elabenen mit innigftem Vehagen nieberlaffcn. ©eraume Seit
mar er berftummt; feine geber fchien §u ruhen. $iefe! lange Scbmeigen mar
ein Verluft für bie beutfehe Siteratur, ein «gemmfebub am gortfebritt ber beut*
fchen SnteUigen 3 . SBenn folcbe Slpoftel bei heiligen ©elfte! feiern, mie folt
bie unaufhaltfam fortfehreitenbe Vilbung bei Volle! 311 m Hulbrucf gelangen ?
3 um ©lud mar feine Untbätigfeit nur eine fcheinbare. ©r bachte unb arbeitete
im Stillen, um 5 U gelegener Stunbe bie SBelt mit ben grüßten biefel Renten!
unb Arbeiten! 3 U überrafchen. $er munberbare ©rfofg eine! fransöftfeben
Hutorl, ber im ©runbe nur fein eigener ©rfolg mar, rief ihm bie Pflicht in’l
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©ebächtnib/ baS bor faft zwanzig gahrcn bon ihm begonnene 2Berf unter bet*
dnberten unb ungleich günftigeren Seitumftänben heiter zu führen. ©rneft
Nenan, trag auch fonft feine Vorzüge unb SBerbienfte, fein mögen, ift im ©runbe
boch nur ein Schüler unb Nachahmer bon Sabib griebrich Straub;
fein „Sehen gefu", baS in unferen Sagen fo gewaltiges Sluffehen erregt, märe
ftdjer nie gefchrieben worben, hätte nicht baS gleichnamige SBerf beS beutfehen
SlutorS fchon bor gahrzehnten in ber betreffenben Dichtung Söahn gebrochen.
SHenan0 ©rfolg rnubte Straub überzeugen, bab ber bon ihm auSgeftreute Samen,
o lange er auch im $8cben gelegen, fräftig erblüht war, unb fofort griff auch
er wieber zu» gebet, bie er nun in ben gereiften NtanneSjahren mit becfelben
üMeifterfchaft hanbhabt, welche einft fd?on bie erften fchriftftellerifchen SBerfuche
beS jungen ©eiehrten getennzeichnet.
§8or ^urjern erfchien ber erfte 23anb einer neuen golge ber „kleinen
Schriften bon Sabib griebrich Straub". Unter biefem befcheibenen Sitel giebt
uns ber Slutor eine Neihe gröberer unb fleinerer Huffäfce beS mannigfaltigen
gnhalteS. Siteratur unb Kunft, ©efchichte, Spolitif, gefellfhaftlichcS Sehen,
Söelletriftif unb natürlich auch Religion fmb bie ©ebiete, auf benen er fleh ab*
wechfelnb bewegt, bie er halb nur flüchtig unb in graziöfer SEeife berührt,
halb aber auch mit 2)iube burebwanbert, wobei er uns ben unermeblich reichen
Scha& feines SEtffenS erfchliebt, burch anregenbe, geiftbolle SHefTeyionen über*
rafcht unb ben fittlich erhabenen, acht humanen, bom reinften, geldutertften
©hriftenthum burchwehten ©ebanlengang bewunbern labt. Ueber ben bunten
gnhalt biefer kleinen Schriften' 4 , fowie über ben barin angefchlagenen Son
macht er felber folgenbe überaus treffenbe 23emerfungen : „geh wollte einmal
mein ganzes Drhefter borführen, b. h* *>on ben berfchiebenen gnftrumenten,
bie ich zum Sroft ober zur Kurzweil nach unb nach erlernt, auf jebem ein Stiid*
<hen zum 23eften geben. S8om $iccolo barf man (ein Slbagio berlangen, aber
ber Sag hat mehr als zwölf Stunben, baS Seben unzählige Sagen unb Stirn*
mungen : unb ba ift es manchmal gar nicht übel, wenn man nicht bloS ©in
gnftrument unb ©ine Seiet zu fpielen weifj."
Sie gröbere £älfte beS erften SöanbeS nimmt ein literarifheS gragment ein,
Welches über bie gugenb KlopftocfS hanbelt. Saran reiht fich eine SebenS*
füZ 3 e ber eigenen ÜUtutter beS SBerfafferS, einer bortrefflichen, fein gebilöeten
grau, beren treues ©haralterbilb er feiner mit ber Konfirmation felbftftänbig
geworbenen Sochter entwirft, um fte zur Nacheiferung anzufeuern ; ferner zwei
Nefrologe, ber beS Königs SEilhelm bon 2Eürtemberg unb guftinuS Kerner’S;
zwei Seichenreben, bie eine auf ben Sob beS 1861 in «geilbronn berftorbenen
Sr. Sicherer, bie anbere auf ben feines eigenen 53ruberS, griebrich SEilhelm
Straub, welcher 1863 mit Sobe abging ; weiter finben fleh „©rinnerungen an
SRöhler", einen fchon 1838 in ÜJtünchen berftorbenen ^rofejfor ber latholi*
fdjen Sheologie, ber ben Nuf eines aufgeflärten, borurtheilsfreien SWanneS
genob. Se&tere ftnb angeblich bon etner gleichfalls berftorbenen pro*
teftantifhen Same berfabt, „nicht ohne guthun 44 bon Straub/ wie fuh aller*
m
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btngS an bet ganjen $enf* intb SarftellungSmeife Ictd&t erfennen läßt. GS
folgen nun weiter einige fogenannte „beutfche Gefpräche", b. h- Gefpräche,
«reiche boraugSmeife beutfche fernen beßanbeln, mie j. S. bie fcßleSmigsbot*
fteinifc^c Srage,bie Stellung ber beutfchen Großmächte, bie ber beutfchen 9JHt*
telftaaten, ben Kölner $>om :c. $)iefelben mürben urfprünglich für bie „$eut*
fdßen Slätter", baS Beiblatt ber „Gartenlaube", gefchrieben unb erfcheinen hier
5 um streiten 2ftal im $rudf. Schließlich giebt uns ber Serfaffer noch hier IleU
nere belletriftifche Arbeiten, bie ihn auch auf biefem Gebiete als ükrauS be*
gabten unb gemanbten Scbriftfteller ertennen laffen. „$er alte Schaufpielbi*
re!tor'< behanbelt bie Grlebniffe beS erft bor gan§ ^urjem in $for$eim in ho*
hem Alter beworbenen ScßaufpielbireftorS Qatob SBinter, eines ber lebten
Veteranen aus ber großen S(hiUer*GöthVfcben £unft=Gpoche. „Barbara
Streicherin bon Aalen" mar eine Geliebte SdhubartS, beS Richters ber„gürften*
gruft", beren Silb uns Strauß in einigen fräftigen 3ügen entmirft. 2)er ,,$a*
pier*9teifenbe" ift eine recht artige humoriftifdhe AoreUette, mie mir fte bem ern*
ften $hifofophen faum sugetraut. „$ie Göttin im Gefängniß" enblidß behan*
beit eine toinifdje Gpifobe ber Münchener ßunftgefchicßte. 2)er alte ßönig
Submig bon Saiern, fonft belanntlich nicht übermäßig prübe, hatte in einer
feltfamen Anmanblung pßiliftröfer 9Aoral, „aus SittlichfeitSrüdfichten", bie $ra*
yitelifihe SenuSftatue aus ber ÜDtünchener Glpptothet nehmen unb eine 3*it
lang unter Schloß unb Aiegel legen taffen. 3)iefer Vorfall giebt Strauß
Seranlaffung ju einer fehr artig gefchriebenen «gumoreSle.
$aS intereffante Such märe einer ausführlicheren Sefpredhung unb beS
GitirenS befonberS gelungener Stellen merth; bodh unfere literarifche Aebue
muß fuh innerhalb gemiffer Schranfen halten, unb eS giebt ja berlefenSmertben
Sücher, ber michtigen Grfcheinungen auf ben Gebieten ber Siteratur unb
ßunft noch fo biele! dennoch fönnen mir nicht umhin, bem erftermähnten
Fragment ber SebenSbefchreibung beS AteffiaSbidhterS für einen Augenblid un*
fere Aufmerffamteit gu fdßenlen. Straub beabflchtigte, eine bollftänbige Sio*
graphie ÄlopftodS gu fchreiben, fam aber bis jeßt noch nicht gut Ausführung
biefeS SorhabenS. Gr hatte fogar ben $tan gefaßt, eine ganje Aeihe beutfcher
$i<hterbiographieen ju liefern, mobei er unfere fecbS $i<hterlorpphäen paarmeife
mie folgt jufammenjuftellen gebuchte: ßlopftod — SBielanb, Sefftng—Berber,
Göthe — Schiller. $iefe 3nfantmenfteHung foll nämlich bie gerniß recht
geiftreiche unb originelle Seobachtung Har machen, „mie theils innerhalb ber
sßaare jebeSmal ber streite üAann bie Grgdnjung beS erften ift, theils bie Sßaare
unter ftch in ber Art eine Stufenleiter bilben, baß, nachbem baS erfte^aarburch
baS smeite befeitigt unb ber Grunb tiefer gelegt ift, in bem britten fidb baS erfte
in hohler unb reicherer SBeife mieberholt." ÜAan fann nur bebauern, baß
Strauß ben ermähnten $lan noch nicht §ur Ausführung brachte, benn mahrlidh,
nur SBenige fmb, mie er, befähigt, baS innerfte A3efen unfeter großen dichter
Su erfaffen, uns ein anfchaulidheS, abgerunbeteS Silb ihres SebenS unb 2öhrtenS
bor Augen su führen. Seine ßlopftodbiographie ift nur halb oodenbet, allein
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in ber 3 ugenbgefd)i(bte eine! Sichters liegt ja, tote Straufc fehr richtig be*
merft, ber Schmerpunft feinet gan 3 en Streben». S 8 ei ßlopftod faUt überdies
baS Hauptmerf in biefe 3ugenbpertobe. Sunacbft führt uns ber Serfaffer in
bie Jamilie beS Richters ein. 3n bem alten ©ommifftonSrath ßlopftod, fpd^
terern Pachter beS ©uteS ^riebeburg im ;äJtanSfelbijcben, mo ber dichter feine
frühe Qugenb oerlebte, lernen mir einen eifernen ©harafter, einen ÜJtann non
perfönlichem 2ßuthe, feltener Sieberfeit unb ungeheudbelter ©otteSfurdjt fennen,
ber, als einftmalS in feinem Seilein über religiöfe ©egenftänbe gefpottet
mürbe, an feinen 2)egen fchlagenb, dufjerte: „Steine $erren, mer etmaS miber
ben lieben ©ott fpricht, baS nehme ich als touche gegen mi<h, ber mufj ftch
mit mir fragen!" Seine ©attin, Anna SOlaria Schmibt aus 2 angenfal 3 a, ge«
bar ihm ftebenjehn Äinber, unter denen ber dichter Jriebrid) ©ottlieb als (Erft*
gcborner am 2 . $uli 1724 $u Quedlinburg baS Sicht ber SBelt erblidte. Seine
©Ziehung unb miffenfchaftliche Ausbildung erhielt er ju Schulpforta, unter Sei*
tung beS ©onreftorS Stübel, beffen Anbenfen ber hochbetagte dichter in ftnniger
SBeife ehrte, inbem er 1800, bei Ueberfenbung einer Prachtausgabe beS 9Mef*
ftaS an bie Schulbibliothef ber Pforta, anorbnete, bafj non einem ber S^günge
irgend etmaS, baS ber grühling juerft gegeben, junge 3^^g^ SlüthenfnoSpen
ober Slumen, mit leifer Kennung feines (filopftocfs) KamenS, auf Stübel»
©rab geftreut merben füllten." Sehr intereffant ftnb bie Schilberungen non
ßlopftodS erften poetifdjen Serfuchen, mdhrenb feines Aufenthaltes in Schul*
pforta unb fpater auf ben Uuioerfttdten non Qena unb Seipjig. Schon in
Pforta mar ihm in e ner fchlaflofen Kadjt bie 3bee ju ber „ÜNeiftabe" gefom*
men; in Scipjig gelangte fie jur Ausführung. 3n ben damals in’S fieben
gerufenen „Sremer Seitrdgen" füllten Sruchftüde berfelben 311 m Abbrud forn*
men, bo(h ber dichter mie ber Herausgeber jauberten, ba ber „ÜJieffiaS" in
©eift unb gorm fo grunboerfcbieben non Allem mar, maS bie beutfche Poefie
bis bahin hetnorgebracht. „Aicht bloS ju ei^elnen Ueberfchmdnglichteiten —
fchreibt ßraufj — fonbern 31 t bem galten $on ber ÜDteffiabe mufjte ein ©eitert
ben $opf fchütteln, ein Kabener aber ben ÜJtunb ner^ehen." Um aus ber
Serlegenheit 3 U fontmen, fanbte man Proben beS SBerfeS an Hageborn unb
Sobnter, gmei Autoritäten in ber fritifchen Seurtheilung poetifcher 2Berfe. ©r*
fterer fprach ftch beifällig, aber hoch mit fühler Surüdhaltung aus; Seftterer
mar noller ©nthufiaSmuS unb pries ben jugenblicben dichter als einen beut*
fdjen Ktilton, ber $u ©rofjem berufen fei. darauf hin magte man ben Ab*
brud beS ©ebicbtS, non melchem Anfangs 1748 in ben „Seitrdgen" gleich brei
©efdnge erfchienen. 2>er ©inbrud mar auberordentlidh. 5)aS ©ebidht ent*
fprach in jeber Sejiehung bem ©eift feiner fyit; baher mirfte eS unroiberfteh*
lieh jünbenb. Heute, mo ftch alle Serhdltniffe neränbert haben, ftnb mir faum
noch im Stanbe, uns für biefe Iprifdje (Epopöe ju begeiftern. 2Bir finden, bafj
bie Dichtung nicht frei non Schmulft unb üDtpfticiSmuS ift; mir tönnen biefem
bogmatifdHentimentalen Pathos feinen rechten ©efchntad abgeminnen unb
munbern uns über biefe Häufung non ©leichnijfen, melche bie Starftellung fo
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gcfprcijt unb gefchraubt erfdbeinen laffen. 3 ulefct giebt uns Straufe, gleicbfam
§um 2lbf<blufe beS gugenblebenS feinet Siebtet#, einige interejfante SRotisen
über ÄlopftodS erfte Siebe. 2lucb ber feufefee Siebter beS „SWeffiaS" ^atte febon
eine anbere glamme gehabt, ebe er feine DJteta fanb. ©r liebte feine ©ouftne
ÜDtarie Sophie Schmibt, pon ihm gannp genannt; boeb feine Bewerbungen
würben Pon bem 9Jtäbcben, wohl nur aus ©eborfam gegen bie üttutter, abge*
lehnt. Serniba unb ©ibli im Pierten ©efang ber w 2Jlefftabe" perioniftjiren ben
Siebter unb feine ©eliebte. ©benfo finben fid? in ben Oben unb ©legieen jahl*
reiche Slnfpielungen auf biefeS Berhältr.ife, baS in bem jugenblüben Sü.ter mit
wunberbarer 2Bärme unb Sartheit, babei aber bod? lebenSfrifcb unb mit änmu*
tbenber Söärme, gefdbilbert wirb. Surcb Bollenbung biefer $lopftocf*Biogra*
pbie wirb Straufe ber beutfeben Literatur eines ber am treffenbften gezeichneten
Sicbterleben fdjenfen, welche fte bis je&t auf^uweifen bat.
©in Buch, welcbeä in biefem Slugenblicf in Seutfcblanb Piel gelefen wirb, *
fuhrt ben pifanten Sitel: „© e f p r ä efe e mit einem ©robian". SaS
ift einmal etwas SlparteS, SlufeergewöbnliiheS. gn unfercr Seit ber blaftrten,
niebtsfagenben, conoentionellen «göfliebfeit, wo bie formen beS Umgangs fo
ftreng geregelt ftnb, bafe fie naefegerabe recht'einförmig unb langweilig werben,
ift eS an unb für ftcb febon ein Berbienft, auch einmal als ©robian in gute ©e*
feüfcbaft 5 U treten, ©in ©robian nimmt lein Blatt Por ber ÜJhmb unb fpriebt
nicht burebbie Blume; febon baS empfiehlt ihn in unferem papiernen, parfu*
mitten Seitalter. 3ft eS nun gar, wie in Porliegenben ©efpräcben, ein folget
©robian, ber mit fd?arfem Blief unb fteberer £anb ben Bagel ftets auf ben
ßopf trifft, berjebeS Sing beim rechten Manien §u nennen weife, fo beifeen wir
ihn hoppelt willfommen. Sie ©efpräcbe, welche alle brenneitben fragen ber
3eit behanbeln unb ihren Stoff balb ber $olitif, ber 2Biffenfcbaft, Religion unb
Bbilofopbie, halb ber Literatur unb ben febönen fünften, ber Secbnil unb
Slgrkultur entnehmen, werben oon zwei Berfonen geführt, einem Beffimiften
unb einem Optimiften. ©rfterer, „ein ©robian ber ©ereebtigfeit", wie er ftcb
felber nennt, gebt ben Schäben unferer 3eit febarf zu Seihe, febont nichts unb
will bie Selbftgenügfamleit, bie Dteclame, ben ©igennufcunb baS beucblevifcbe
Scheinwefen unferer Seit mit geuer unb Schwert Pertilgen, bamit eine neue '
unb beffere Sßelt, eine 2£elt ber Wahrheit, Bieberfeit unb BtanneStugenb, aus
ben Srüntmern ber alten erfteben möge. Sefcterer will nichts wijfen pon fol*
eben Dieformplänen unb Umfturzibeen, er bentt mit £egel: „2llleS was ift, ift
gut", er lobt unb befebönigt, er tröftet ficb felbft über baS offenbar Berwerflicbe unb
SDtangelbafte mit ber Behauptung, bafemiruns in einer bebeutungspollen lieber*
gangSperiobe, in einem 2lrt föaupenftabium befinben, aus welchem wir als gldn*
jenbe unb beflügelte Schmetterlinge beroorgeben werben. Siefe ©efprdcbsform,
welche überbieS mit bebeutenber gertigfeit gehanbhabt ift, tragt Piel bazu bei,
baS Buch populär ju machen. 2BaS in ber gewöhnlichen Slbbanblung fo leicht
einen boctrinären, rafonnirenben unb bamit mehr ober weniger ermübenben unb
langweilenben ©fearafter angenommen hätte, baS erfebeint im Sialog fpannenb,
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anregenb unb lebenSfrifch. ©n lerniger, unge^mungener, ädjt boltSthümliOer
©tpl tragt gleichfalls baS ©einige bei, um baS SBerf anziehenb ju machen,
lieber ben Slutor mar man anfangs febr im greife!. 2 )a auf bem £itel fein
Stame genannt ift, rieth man halb auf biefen, halb auf jenen namhaften
©cbriftfteller. ßürjlich brachte bie „SUuftrirte 3 eitung #l bie üttittheilung, bah
bie (Sefpräche non bem befannten SJtünchener Sichter, StobeUiften unb Slefthe*
ttfer Melchior SJt e p r herrühren, ber erft ben ©folg abmarten mollte,
ehe er mit feinem Flamen herbortrat. Scr Slutor hat allen (Srunb, auf biefeS
neuefte ©jeugnih feiner Sltufe ftolz zu fein.
©n ehemals als Sourift unb ©Oilberer frember Sänber unb 3 onen be*
fannter Slutor hat in ben legten fahren feine Shätigfeit auSfchltefelich bem
bcutfchen Söaterlanbe gugemenbet; er läjjt ben burch meite Steifen gefchdrften
*Blicf nicht mehr in ber gerne fchmeifen, fonbern fucht in feiner ndchften Umge*
bung, innerhalb ber ©ren$en ber teutfchen $eimath, nach uerbdltnifcmäfcig un*
erforfOten, feiten betretenen Gebieten unb 3 «ftänben, bie er mit grober Streue
unb anmuthiger Statürlicbfeit ju fcpilbem uerfteht. SBir reben bon 3- ©. üohl,
ber, nrie früher fchon baS romantifche Sb&ringerlanb, jegt ben altehrmürbigen
£arz als ©egenftanb ber Sarfteüung gemählt hat. ©eine „ beut f eben
SBolfSbilber unb Statur anfi öten aus bem «gatz ftnb ein
prächtiges, dd?t beutfcheS SBerf, aus melcbem uns bie frdftige, malbfrifcpe £ 013 *
luft bon jeber ©eite entgegenmeht unb bie mit feinfter ^Beobachtungsgabe auf*
gefaben, trefflich gefolgerten fOüOten ©itten unb ©ebräutpe beS SBolfeS fo
recht herjlich anmuthen. $ohl ift Setailmaler, ber feine garben gern mit brei*
tem $infel aufträgt; biefe ©genfehaft fommtibm gerabe bei ben zulegt gemäht*
ten Shemen bortrefflich ju ©tatten. Söir geftehen, bah »ir ben meiften feiner
früheren Steifemette, bei allen SBerbienften, bie ihnen inne mohnen mögen, nie
ben hohen SBerth beilegen tonnten, ber ihnen bon bielen ©eiten binbicirt mirb.
S)er SSerfaffer mar eben ber ©fte, ber in beutfeher Sprache ziemlich meitfehmeiftg
unb ausführlich, menn auch nicht immer mit erfdjöpfenber ©rünblichfeit, über
einige neuerbingS 3 U befonberer SBebeutung gelangte Sdnber feprieb; feine
SBücper erhielten baburch ein ziemliches Slnfepen unb famen in ben nicht immer
berbienten Stuf unbebingt zuberläfftger Quellen. SlnberS mit biefen beutfepen
Statur* unb SSoltSliebern. «gier fleht man, bah ber Stator feinen ©toff mirtlich
, bis in bie lleinften Details tenntunb bollftänbig beherrfept; hier mirb baS Steetle
unb XhatfdchliOe nie burch ÜDtutbmahungen unb mortreiche $h*afen übermu*
Oert; hier meht ein erfrifchenber, mohlthuenber «gauep, ber uns fogleich baS
©efüpt ber Urfprünglicpfeit unb Unmittelbarteit einflöht. SBer einige ber
herrlichften gleden beutfeper ©be genau tennen lernen miH, ber ftubire biefe
jüngften ßobfiOen SBerte, uttb er mirb fte nicht aus ber «ganb legen ohne ein
©efühl beS ©tolzeS auf unfer fcpöneS SSaterlanb unb fein biebereS SSoIf.
S)a mir bon 3 . ©. ßopl reben: berfelbe lieh bor kurzem ein anbercS flef*
neS Söert erfOeinen, melcheS für Hmerifa ein fegr hohes gefchichtlicheS unb geo*
graphifOeS gatereffe befigt © fmb bieS biebeiben älteften harten
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2lmeritaS, aus ben Sauren 1527 unb 1529 ftammenb, nebft ba$u gehört*
ger 93ef<hreibung. Sie Originale biefer harten, über bereit ^erftammung eini=
geS Sunfel fd^mebt, bie jeboch unzweifelhaft acht fmb unb baS ihnen zugefchrie*
bene Sllter beßfcen, befinben fuh in ber großberjoglichen 33ibliothef ju Söeimar.
toi erhielt bie (Erlaubnis, fte burch ben Stich ju veröffentlichen. Seine bei*
gefugte 23ef<hreibung enthalt manche überaus intereffante unb auch wohl ben
meiften Sefern böllig neue üfts>ti 3 en über bie ältefte ©efchicßte SlmerifaS. Mit
SBerwunberung fteht man auf biefen toten, fowoßl längs ber Oft* wie ber
SBeftlüfte SImerifaS, eine ganze Menge non Stabten unb Slnfteblungen
bezeichnet. SaS Sanb war jebenfaUS Damals fchon feine fo bollftänbige (Ein*
obe mehr, in ber nur wanbernbe gnbianer ihr SBefeu trieben, wie man uns
heute zuweilen eingerebet bat. Ohne Sweifel werben biefe toten auch h^r balb
Zur SBeröffentlichung gelangen; fte finb für bie ©efcßichte beS SanbeS non gro*
Ser S3ebeutung, unb follten fortan in feiner höhnen Unterrichtsanftalt fehlen.
Sßon ben älteften toten SlnterifaS bis zur neueften amerifanifcben Vornan*
literatur ift ein weiter Sprung. 2Bir wagen ihn, ftnbe* aber faum ben gehofft
ten Sohn, benn biefe Siteratur, fo üppig fte auch wuchert, trägt nur wenig reife,
genießbare grüchte. Slmerifa probujirt auf bem (Gebiet beS SRomanS unb ber
SRonelle faft noch wehr als (Englanb, gcanfreich ober Seutfchlanb. Sie 3ahl
ber in ^Buchform erfcheinenbeit erzählcnben Schriften ift überrafcßenb groß; fei*
ten aber begegnet man einem epochemachenben ÜEßerf, baS ben 2lugenblicf über*
bauert unb nicht faft noch rafcher bergeffen als gelefen wäre. gn (Ermangelung
bebeutenber (Erftheinungen müffen wir uns an bie mittelmäßigen, nach ber ein*
mal wirffani befunbenen Schablone arbeitenben berühmten SSerfafferinnen hat**
ten. SaS romanfchreibenbe Kleeblatt ber Samen (Emma S. (E. IR. S o u t h s
worth/*) ÜEBoob**) unb 2lnn S. StephenS***) ift mit neuen
SSßerfen im gelbe, bie vielleicht nicht fchlechter, aber ganz gewiß auch nicht bejfer
fmb als bie oorauSgegangeneit; bor benen ihrer beutfchen fchriftftellernben (Eol*
leginnen haben fte jebenfaUS ben Vorzug, baß fie ftch auf je (Einen 33anb be*
fchrdnfen. 3nr Seit ba wir fchreiben, ftnb bieS wirflich bie neueften ©eifteS*
probufte ber feht fruchtbaren Samen; ob fte eS in vierzehn Sagen, wennunfere
literarifche SRebue ben Sefern ber Monatshefte bor Slugcn fommt, auch noch fein
werben — bafür fönnen wir freilich nicht eiuftehen. gn bem Vorwort zu MrS.
Soutßworth’S Novelle erfahren wir, baS bieS baS zwanzigfte größere SBerf ber
SBerfafferin ift. Sa fie feit ßöchftenS zehn fahren fchreibt unb noch in bem nicht
allzu bergerücften Filter fteht, in welchem bei Samen ein gahr nur 730 Sage
hat, mag fte immerhin noch baS halbe «gunbert ood machen. So fleißig ftch
auch bie brei genannten Samen an’S fRoinanftriden halten, mit ihrer beutfchen
(Eollegin Mühlbach lönnen fte Doch noch lange nicht in (Eonfurrenz treten. HlS
*) The Fortune Seeker. By Mrs, Emma D. E. N. Southworth, Philadelphia, Peter¬
sou & Broth.
**) St. Martins Eve. By Mrs. Henry Wood. ib?d.
***) The Gold Briefe. By Mrs. Ann Stephens, ibid.
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biefe 3)ame lürjlicb eine neue SCBobnung bejog unb bet gubtmann, ber jmei
fernere SBagenlabungen bon SBüchern meggef<hafft,mit ber Reibung jurüdfebrte,
bab nun bm SBibliotbef menigftenS glücflich in’S neue Ouartier geliefert fei, ent*
gegnete bie $ame feufjenb: „ 2 l<h lieber OTamt, es ift ja erft bie £älfte meiner
eigenen Sßerfe!"
2llS nicht in§ ©ebiefber SenfationSnobefliftif geborig begeid&nen mir einen
©pfluS bon brei tobeUen aus bem fieben ShalefpeareS, bon Robert goltftone
2B i U i a m S *), bie {ebenfalls ein recht gelungener SBerfuch auf bem hier nur
fpärlich cultibirten ©ebiet ber ßunftnobeHe genannt merben bürfen. 5£)ie
bellen ftnb nicht neu, fonbern etfdbienen nur in gmeiter Auflage. $ab eine
folcbe nötbig mürbe, liefert übrigens ben 93emeiS, bab baS mirflich ©ebiegene
immerbin au(b bk* noch feine 2 lner!ennung finbet.
*) Shakespeare and hls Frienda, The Youth of Shakespeare» The Seccet Passion*
By Robert Folkstone Williams» Philadelphia, Peterson & Broth.
%
^Uuftkalil'djc tour.
S3ott $öflen.
3Jtit bem fürjlich ftattgefunbenen ©onjerte beS £errn Sbeobor $b<fotaS
!ann bie mufitalifche Saifon füglicb als gefchloffen betrachtet merben. ©S
mar bie lepte fünftlerifche £bat berfelben, eine folcbe, melcber auf alle $e* *
tbeiligten nur baS günftigfte Sicht merfen. !ann. 2)aS Programm enthielt SSie*
leS, maS jmar nicht neu, aber hoch febr gut mar, obgleich eS hier mobl nie ge*
hört mürbe* ©S batte bloS einen gehler, eS mar §u lang, ein gehler, ben
ficb leiber bie meiften unferer ©onjertgeber 3 U Sdjulben fommen laffen. 2Iuch
bie befte üJtufif mirft mehr auf unfern Sinn, als auf unfern ©eift, ja, greift in
bie innerften $bafen unfereS ©emütbSlebenS hinein unb rüttelt unfer Üftemn*
fpftem in einer Stunbe mehr auf, als ftunbenlangeS fiefen eines guten 23u<beS
eS tbun mürbe, ge beffer bie ÜDtuftf, befto meniger follte oon ihr auf einmal (
geboten merben. ©ine ©onsertarte, eine Ouoertüre, eine Spmpbonie unb uiel*
leicht ein gnftrumentalfolo, baS follte füglich jebem gebilbeten 9Rufitbebürfnifs
genügen. 2BaS batte man aber in bem obigen ©onjerte ? $ie ganje SBeetbo*
üenfdje ©gmontmufit, beren SBiebergabe eine gute Stunbe erforbert, bie 9tico*
laifcbe Ouuertüre §u f ,©ine fefte 93utg ift unfer ©ott" mit ©bor unb Orgel, bie
auch nicht bie !ürjefte4ft, baS lange §enfelt’fche ©onjert für Älaoier, noch 3 ro ei
anbere ^ianofortefoloS, eine grobe ©onjertarie, 2Jtarfch unb ©hör aus „3)ie
SRuinen öonHtheit" oon Seethooen, unb gum Scblub noch ben£änbePf<be$al*
ielujab s ©bor. — $rei Stunben 3Jlufif, unb jmar oon ber heften unb fdbmerften
Sorte, müffen am ©nbe benfelben ©ffeft mie gemtffe gefteffen haben, nach be*
nen man in ber Siegel nicht febr feftlicb geftimmt ift.
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$ie OnDertüre Don Nicolai, mit meiner baS ©ongert anfing, rief nicht ben
©inbrud heroor, ben man ber großen 3>bee nach, welche berfelben gu ©runbe ge*
legt ift, wohl ^atte erwarten fönnen. S5ie Urfacbe ift bie, baß ber ©horal als
folcher leine berartige Bearbeitung vertragt. 3hn einjuweben in ein mufilali*
fdjeS $tama gut ©barafterifmmg gewiffer Berfönlichleiten, wie g. B. 2fteper*
beer in ben „Hugenotten" getban bat, ift febon gang recht; aber ben ©ebanten
in eine Art Ouoertürrabmen gu gwängen, beifct ihm feinen ©barafter, feine Be*
beutung nehmen, felbft wenn, wie in biefem gatle, bie Bearbeitung eine tüch*
tige ift.
Unb felbft bie ©gmontsüBuftf, bie in ihrer ©angbeit hier gum erften 2Jtate
Dorgefübrt würbe, machte nicht ben rechten ©inbrnd. 2Bir 2)eutfche, bie wir
mehr ober weniger ©elegenbeit batten, bie SDiuft! in Berbinbung mit bem
S)rama §u hören, I5nnen nur mit inniger greube beS tiefen ©inbrudes geben*
len, ben fie auf uns im Xbeater gemalt bat. 3)ie Ouvertüre unb bie 3roi*
fcbenalte, in welchen ft<h bie Situationen beS2)ramaS gleichfam wieberfpiegeln,
bie erläutern unb ben Slotaleinbrud abfchließen — alles bieS lann im ©on*
gertfaal natürlich nur annäbernb wiebergegeben werben; aber bei biefer ©eie*
genbeit fonnte laum non einer gewöhnlichen Anregung bie Bebe fein. An unb
für ftch paßt überhaupt biefe Bluftf nicht in ben ©ongertfaal; fte fcbließt fuh fo
innig an baS $rama an, baß fie eigentlich Don bem Sefcteren nicht getrennt wer*
ben lann. 2)aS begleitenbe ©ebidjt foll nun allerbingS bem Uebelftanbe ab*
helfen, inbem eS gleichfam baS 3)rama in ben ©ongertfaal gu übertragen Der*
fucht, unb wir erinnern uns einiger ©ongerte in $eutfcplanb, in welchen biefer
3wed tbeüweife erreicht würbe. Aber bei biefen ©elegenbeiten war ber Bor*
tragenbe ein tüchtiger Scßaufpieler, ber ein lebenbigeS Bilb beS ©angen gu ge*
ben wußte. $)ieS fiel in bem ©ongerte beS H err n 2:beobor $bomaS gang fort.
$aS ©ebicht würbe nämlich Don einer 2>ame Dorgetragen ober Dielmebr abge*
lefen, unb gwar in einer fo monotonen SBcife, baß Don einer Steigerung beS
AffeltS gar nicht bie Bebe fein fonnte. $ein Sßunber, bah fnh ber gröbere
Stbeit beS BublifumS babei grünblich langweilte; ja wir glauben fogar, baß bie*
fer ©inbrud ftch nicht auSfcbließlich auf bie anwefenben Amerifaner befebränfte.
$er Sichtpunlt in ber Ausführung mögen für bie Reiften wohl bie beiben Sieber
ßlärdjenS gewefen fein, bie glüdlicher ÜEßeife Don gräulein Brainarb richtig
aufgefaßt unb recht finnig in ihrer ©infachbeit unb Bolfstbümlichleit wieberge*
geben würben. —
$iefelbe S)ame fang auch bie grobe ©ongertarie Non temer araate bene,
£eyt aus „Sbomeneo", welche Btogart im gabre 1786 für bie Sängerin Sto*
race fchrieb, bie bamals auf einigen Hauptbühnen ©uropa’S groüeS Auffeben
madbte. 2)iefe Arie beftebt aus einem BecitatiD unb Bonbo unb erhält ba*
burch ein befonbereS 3»ntcreffe, t, a {$ gegart außer bem Orchefter auch noch
ein Älaoier für bie Begleitung benupt bat, welches gleichfam bie Antworten beS
liebenben SBefenS repräfentirt, mit welchem ftch mutmaßlicher ffieife bie Sän*
gerin unterhält, gräulein Brainarb fang bie Arie gwar nicht mit auSreichen*
m
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ben Stimmmitteln nnb bramatifchem 3lulbrude, aber hoch mit Perftänbnih, unb
ermie! fld& all eine tüchtige Jlünftlerin. Schon bie üffiahl ber Slrie berbient 2ln*
erlennung. SBenn alle unfere fiünftler biefelben tünjtlerifchen Pebenlen bei
ihren Programmen obmalten laffett moHten, mir mürben interejfantere Gonjerte
haben, nnb ber Gefchmad bei Publiluml mürbe ftch noch biel fchneüer läutern,
all el jefct ber Rail ift.
2Bir müjfen noch bei jungen pianiften £errn Peterfilea ermähnen, ber bei
biefer Gelegenheit fein debut machte. derfelbe ift beutfeher Slblunft, mürbe
aber in Pofton geboren. Sein Stubium hat er in deutfchlanb gemalt, unb
Smar unter |>anl bon Pülom. Gr mar augenfcheinlich fehr nerbcl, imb mir
mollen el biefem Umftanbe sufchreibeti, bah feine Kräfte in bem Portrage bei
£enfeltf<hen Gonjertcl nicht aulreichten. diefel 2Ber! ift nicht blol technifch
fehr ferner, fonbern erforbert auch fehr bicle Reinheiten bei Portragel, fehr biele
Nuancen, um §u mirlen. dergleichen Aufgaben fcheint uni £ert Peterfilea
augenblidlich nicht gemachfen §u fein. Rn ber SBiebergabe bei fii^tfehen *Grl»
lönig" unb ber Ghopin’fchen Pergeufe fühlte er f«h fchon freier, unb hier mar
er gleichfam £err ber Aufgabe, mährenb er bei bem £enfeltfd?en ßonjerte ftch
bon bem Septeren beherrfchen lieh. 2lber auch biel mirb er in luqer Reit be»
meiftern lönnen, benn er hat augenfcheinlich biel Talent. Seine dechnil ift gut,
leine Scheintechnil ä la üffiehli unb Gottfchalf, fonbern eine foldhe, in meiner
jeber Ringer mirllich ben Grab ber Slulbilbung erreicht hat, ber nßtbig ift, ben
grohen ßlabiermerlen ber neueren unb älteren üUteifter gerecht ju merben.
Sein Slnfchlag ift, meun auch noch nicht gan$ mal er fein foH, hoch bilbungl»
fähig, unb mit feiner mufifalifchen RnteHigenj febeint el ebenfaül nicht fchlecht
befteUt ivl fein. Sßenn er bor ber £anb noch nid^t RnbibibuaKtät entmidelt,
fo theilt er biefel £ool mit allen ßlabierfpielern im Slnfange ihrer (Karriere,
bielleicht ben einigen Sil$t aulgenommen, Gin Siljt ift er nicht unb mirb
el auch nicht merben; aber er mirb jebenfadl bei fortgefefcten Stubien, mu*
fifalifchen unb anbern, in einiger 3eit eine heroorragenbr Stelle all ßlabier*
fpieler einnehmen.
Gl bleibt uni noch, über bie Grau’fche Operntruppe ju fprechen, bie enb*
|i<h auch bei uni eingejogen ift. diefelbe hat fich mie immer in bem üblichen
SHepertoir bemegt. ÜDiit „drabiata" fing fie an, unb mit irgenb einem ähnli»
chen Probulte mirb ft* mohl aufhören. ®r bemegen uni auf bem Opern»
gebiete ftetl in einem gemiffen Greife, nur mit bem Unterfchiebe, bah biefer
ßrei! fi<h non 3*tt SU 3eit erneuert. Gl ftnb im Grunbe hoch nur ein dupenb
Opern, bie für einen gemiffen 3eitraum bal ganje SRepertoir ber gebilbeten mu»
ficalifchen Sffielt aulmachen, unb aul biefem dufcenb lann laum bie Hälfte ben
hochften tünftlerifdhen 2Infprüd?en genügen. Unter folchen Umftänben tonnen
mir §errn Grau fchon dant mijfen, bah er uni minbeflenl jmei Opern bor»
führte, bie ein höhere! mufilatifchel Rntereffe in Slnfpruch nehmen, die beiben
Opern maren »Rauft" unb bie „Rübin", beibe ber fran^öfifchen Schule ange»
börenb, unb beibe in ihrer 2lrt SReiftermerle. die Sefctere ift infofem bebeu»
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609
tenber, als fie fih mehr in ben gotnten ber eigentlichen großen Oper bewegt,
unb reich an (Shoren unb ©nfembleS ift, währenb bie ©rftere in ^Betreff beS
intenfiben mufifalifhen ©ehalteS, ber Reinheit ber Auffaffung unb ber Origina*
Xitat ber Ausführung biel höh« fteht.
3n „gauft" war es bie 2)avfteHerin beS ©rethenS, weihe einungewöhn«
liheS gntereffe heruorrief. ÜRabame Sojhetti ift fiherlih feine gewöhnliche
©rfheinung. SBir haben feiten auf einer Opernbühne ein feineres, nüancirte«
teS Spiel gefehen. 2)ie ©artenfeene tonnte hrerfeits nicht wahrer, nicht na«
türlicher wiebergegeben werben. 3ebe SPh^fc ber ©emüthSbewegung, welche
©retchen in biefer Scene gu erleben hat, würbe in einer Wahrhaft bewunbetnS«
würbigen Ateife jur Anfhauung gebracht. $aS war Alles fo jungfräulich
fhühtem, fo menfehlich wahr, fo natürlich, unb bennoch nichts als wirtliche
flunft. Als Sängerin ift bie S)ame nicht bebcutenb, obgleich fie eine ziemlich
tüchtige AuSbilbung genoffen hat. Aber bie Stimme ift eben nicht feffelnb ju
nennen, eS fehlt ber Schmelj, ben felbft bie größte ßunft nicht geben tann.
Stänbe ihr ©cfang auf gleicher §öhe mit ihrer $atftellung, fo muhte fie halb
bie erfte Stelle unter ben bramatifhen Sängerinnen ber ©egenwart einnehmen.
5)ie anberen ÜDtitglieber ber Gruppe fmb weniger heroorragenb. S)er Senot
SWufiani hat jwar noh eine ftarfc Stimme unb ift auch ein routinirter Sänger;
aber eS fehlt ihm alle ©ef<hmeibig!eit unb alles geiftige Sehen. 2)er Iprifhe
Senor Anaftafi hat eine hübfhe, frifchc Stimme, aus ber fich fchon etwas rna*
chen liehe. S)er Sänger ift noch jung unb fcheint Talent ju haben, wie feine
Ausführung ber Xenorparthie in w ltn Sallo" bewies. 3n rein italienifchen
Opern macht er fchon je$t einen ganj guten ©inbrud, aber in Opern wie „gauft"
unb „2)ie gübin" ftellt fuh fein üDtangel an grünbliher Schule unb geiftigem
Serftänbnih heraus. UebrigenS war in ber Sorftellung ber „3übin" biefer
■Sbtangel allgemein fühlbar. IDtabame Sofhetti als ^rinjeffm war noh bie
©innige, bie ihrer Aufgabe einigermahen gewahfen war. Atabame ©ajjaniga
als SReha, #err Atufiam als ©leajar unb felbft ©hör unb Orhefter waren herj«
fich fhleht. 2)er Sah ber Gruppe, äJtilleri, welcher bie AoUe beS ßarbinalS
fang, mähte jeboh eine Ausnahme, ©r ift überhaupt ein tüchtiger Zünftler,
helfen Stimme $wat fein tiefer Sah ift, ber aber bennoh einigermahen als
gefhult betrahtet werben lann. Auch bie Altiftin ber Xruppe, SWabame Gafh*
Sßolini, ift eine tüchtige Sängerin unb SDarftcüerin. 3hte Stimme ift niht
groh, unb bürfte auch wohl mehr üftesjofopran als Alt genannt werben, min«
beftenS ber garbe nah; aber fie führt jeoe ihrer Aufgaben mit Äorreftheit unb
Serftänbnih aus, unb bürfte fomit als eine merthuolie Acquifition $u betrachten
fein. Ueberhaupt mäht bie Gruppe im ©anjen einen weit befferen ©inbrud,
als man ben Seriellen aus ben SBeften nah au ifctheilen, erwarten tonnte.
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610
Itatwljcnrker Correfptm&enj.
New* ?)orf, im 2Jtai.
„£eute wiüth fröhlich, fröhlich fein,
kleine Sitt’ unb feine SBeife hören,
SBitt mich nxSljen unb rer ftreube fhret’n,
Unb bet Jtönig foÄ mtr bo$ nicht teeren.
2>enn er tritt mit feiner ftreuben (Schaar
£eute au$ ber aJtorgenrötbe £aUen,
einen Slumenfranj um 33rujt unb £aar,
Unb auf feiner Schulter Nachtigallen."
SBte wirb bir ju Ntutbe, freunblid&er öcfer, inbem ich bir biefe finblich
fronen SBetfe beS guten alten NtattbiaS GlaubiuS ins Gebächtnifc rufe ? 3ft
eS bir nicht als blicfteft bu auf ein berloreneS $arabieS §urü<f ? SB&reft bu
noch im Staube, bi<h im ©tafe &u wä^en, bor greube gu fd^reien, unb ein
SSlütbenreiS als SbprfuS febwingenb, beinern greunbe, bem halben üNai, ent*
gegenjutaumeln? Schwerlich fönnte ein Seutfcber in Nmerifa biefe grage
mit 3a beantworten. Hbgefeben babon, bafj baS ßlirna, meines Weber ben
beutfehen grübling, noch bie Nachtigall fennt, uns nicht jum ungeftörten 58oH=»
genufj ber Natur fommen labt, bringt auch baS Sehen fo biele Sorgen mit ftcb,
bab eS febwer ift, ft<h nur auf einen Nugenbücf bon ihm ju emancipiren, um
wie ein Kolibri im Sölütbenbuft ju leben unb gu fcbwelgen. 2Ber fönnte ftch
ba eines leifen Heimwehs erwehren ? 2Ber ben!t nicht an bie milben Niaien*
abenbe, an bie Nofenbetfen unb 3aSminlauben, an bie Serben unb Nachtigall
len, an ben öberftrßmenben grüblingSjubel beS lieben beutfehen SBaterlaitbeS ?
Nber tröfte bidh, wertber Sefer, wenn eS bir ein Sroft ift, bafj eS Nnbcrn gebt
wie bir. Nicht baS amerifanifebe ßlima, nicht ber forgenboUe Grnft beS SebenS
in Nmerifa allein tbut bem 3auber beS SBonnemonbS Gintrag. Nu<h ben
b e u t f ch e n grübling würbeft bu nicht mieber erfemten, wenn bu ibn noch
einmal mit beleben fönnteft. Nofe unb 3a$min, Lerche unb Nachtigall ftnb
biefelben geblieben; aber bie Ntenfchen ftnb attberS geworben, auch an fte ift
ber Gruft beS SebenS berangetreten, auch fte fönnen nicht mehr mit bem
Sichtet jubeln unb fingen. Sie %t\t fteUt an fte eine grobe grage, unb eS
gebt ihnen wie bem Schulfinbe, welches ftch nicht freuen fann weil es feine
Aufgabe für ben morgenben Sag noch nicht beenbet bat* So fagen Seute, bie
genau unterrichtet fein müffen, ba fte an Ort unb Stelle ftnb ; fte fennen
ben beutfehen grübling bon ebebem nicht mehr. So tröften wir uns benn über
baS, uaS ftch* nun einmal jtid&t änbem labt. Gin $arabieS ift uns berloren,
aber nur bamit wir uns felbft, bamit wir ber SNenfchbeit ein neues grünben.
SBir haben nicht langer ein finblicheS ©emütb ; aber bafür ftnb wir ÜNänner
geworben, ÜNänner, benen jebe Stunbe ihre Pflicht, jeber Sag feine Aufgabe
bat. Unb fönnen wir uns ihr auch nicht g a n $ begehen — bie Natur bleibt
uns hoch immer bie liebfte greunbin, welche uns nie bon ftch weift wenn wir
bei ihr einlebten.
Srofc ber entfefeXidh falten 2Binbe, welche felbft ben Sangmütbigften mit bitte*«
m
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rem ©timm erfüllen wnb felbft ben Sanguiniter jur Sßerjweiflung bringen
tonnten, ift bet grühling bi« nie mit gröberer Fracht aufgetreten. Sie Säume
prangen im üppigften ©rün unb finb mit einer folgen gülle bon Slüthen be»
laftet, bub auch ber eingefleifhtefte .fjppohonber bei ihrem Anblid ein freunb»
liebes ©efubt machen mub. Unb wo hätte man wohl mehr ©elegenbeit §um
Katurgenub, als inKcw»?)orl? SBelcbe Stabt ber SEBelt tonnte flöh einer
Umgegenb »oH mannigfaltiger Katurfchönheit rühmen ? „©in 2anb, fo fchön
wie jemals eines SDlenfchen gub betreten !" fhrieb $enrp §ubfon, als er ben
glub entbedt hatte, weliher fortan feinen -Kamen tragen follte. SÜBährenb ber
fchönen ftonate tönnt ihr hier ieben Sag eine Sour nach einem anbern Sßantt
machen, ben ju fehen es ftcb lohnt. Unb wollt ihr bie Stabt nicht neriaffen —
nun, fo fahrt, ober beffer fo geht, nach bera ©entralparf, welcher non Sag ju
Sag gröbere Keije entfaltet. Sielleicht werbe ich mich bem Sefer einmal
jum SBegmeifer anhieten ; heute muffen wir uns leiber mit ben ft ö r e n b e n
Singen befchäftigen, unb jrnar nehmen mir ben allerunangenehmften ©egen»
ftanb, beS GontrafteS wegen unb um fo {dmeII wie möglich mit ihm fertig ju
werben, juerft.
Sie ©holera! Slögen wir uns noch fo fehr nornehmen, nicht an fte ju
benlen, fie brängt fich uns immer mieber auf, benn non ihrem ©rfheinen ober
gortbleiben hängt für eine grobe Stabt gar ju niel ab. Sor ber .fwrtb ift
bie gurcht wieber einigermaben gewichen. Son ben inficirten Schiffen, bie auf
bet Khebe erfdjienen, non ben armen Sßaffagieren, benen es nicht nergönnt mar,
einen gub ans 2anb ju fehen unb bereu niete n i e wieber feften »oben betreten
follten, hat fic ftch nicht weiter nerbreitet, unb bie paar einjelnen gäHe, welche
in ber Stabt norlamen, waren fehr bubiöfer Katar. Auch hat bie ©infe&ung
beS neuen ©efunbheitSrathS fhon unenblich niel ©uteS geftiftet. Sie gefährlich»
ften SunbeSgenoffen beS geinbeS hat man jum groben Sheil aus bem SBege
geräumt, täglich werben banon anbere hefeitigt, unb man fürchtet eint ©efahr
nicht mehr fobatb man ihr nicht paffin gegenüherfteht, fonbern mit ihr ringt,
gn ber Shat hat Kem»Dorl noch nie fein £auS fo bran in Orbnung gefefct, ift
noch nie fo gut im Stanbe gewefen, ber $eimfuchung mit guoerftcht entgegen»
jufehen, wie je&t. Ser ©efunbheitSjuftanb läbt nichts ju wünfchen übrig.
SBaren bie fcharfen SBeft» unb Korbminbe auch fatal, fo hatten fie hoch bie gute
Sffiirtung, bie Suft ju reinigen, unb bie 2tergte wollen wiffen, bab gerabe bie
bet ©holera oerwanbten ßrantheiten nie fo leicht einer jmecfmäbigen Sehanb»
luiig wichen wie je$t. So wollen wir benn ben Seufel nicht an bie , Sßanb
malen, unb wenn er bennoch uns feine Aufwartung machen follte, ihn ebenfo
refolut empfangen, wie feiner Beit Suther eS in feinem Stubirjimmer auf ber
SBattburg that. Auch ift eS »ielleicht ein ©lüd, bab uns fo »iele anbere Singe
am §erjen liegen unb bie ©emüther bon einem ©egenftanb ablenlen, beffen
blope ©rwähnung fchon bem gaghaften Seibfhmerjen »erurfacbt.
2BaS einen groben Sheil ber beutfcben »eoölletung am meiften in Seme»
gung bringt, ift baS neue äfccifegefeh, welches ben »erlauf geiftiger ©etränle.
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mit ©infchlujs oel eblen ©erftenfaftel, an fehr erfchtrerenbe Sebingungen
tnüpft unb ihn „am crftcn Sage bet ©o<he # Sonntag genannt", gang inhibirt.
©tmal befonberl ©ehäjfigel gewinnt biel ©efep baburch, baf$ el fpejielT auf
Üftetr*2)orf unb Untgegenb gemüngt ift. $flur mit bet Majorität oon einet
Stimme mürbe el in bet ©efefcgebung gu Hlbanp angenommen, unb biefe eine
Stimme — bie bei £ettn Sranbreth — mürbe baburch erhalten, bafj man intern
gnhaber bal 3ugeftänbnifc machte, ben Siftrift, an beffen ©ohlergehen ihm
am meiften gelegen ift— SEBeftc^eftet ©ountp— aulgunehmen, fo bajj bie $af*
ftrung bet Majkegel bireft all ein ©erf bet ©orruption erfcheint. ©al bie
Seutfchen aber mit Dted?t rorgugltreife erbittert, ift bet Umftanb, bafjbie§anb*
Labung bei ©efefeel burch bie bamit Settauten bal ^eftigfte Sorurtheil gegen
f i c Perräth* Mit Spott unb £ohn, ja mit pofttirer ©ehäffigfeit tokb ihnen
Pom ©ornmipr Slcton, meiner fourerän über bie ©rtheilung Pon ©oncejfionen
perfügt, begegnet, bie freuten Seleibigungen trerben ihnen geboten, unb fo
geminnt el ben 2lnf<hein, all trenn porgugltreife f i e chifanirt toetben foüen,
toal bo<h fchmerlich in ber 2lbft<ht bet ©efepgebec lag. Ser ©orrefponbent bet
Monatlhefte ift aüerbingl ber Meinung, baf$ bie gntereffen ber Stauet nicht
allen übrigen porangehen unb bab ber ©onfunt bei Sierl nicht bet höchfte aller
©enüjfe, nicht bet Inbegriff aller ©lüdtfeligfeit, ift ; auch träte el ihm lieb,
trenn b i e f e r ©egenftanb bei ber Dppofttion nicht fo fahr in ben Sorbergtunb
träte. ©ber tret angegriffen trirb, bet mub fuh Pertheibigen, unb tret ©hre
im Seibe hat, batf (ich feine gnfulte gefallen laffen. Sal ©efep ift bet 2lrt,
bab cl fchtrerlich bie geuerprobe juribifcher ßrttif beftehen fönnte. Sßrioat g e*
f eilf (haften ftnb rot bem ©efep naij i^rer gneorporation baffelbe trie
SßriPatperf onen, ihnen barf man alfo ebenfo trenig trie biefenPotfchteiben,
tral fie innerhalb ihrer eigenen Pier Sfähle genieben follen,' unb hoch toirb
gerabe oon ihnen, trenn fte nicht gut gähne abfoluter ©nthaltfamfeit fchtrören,
berhöchfte Pom ©efefe beftimmte Sribut perlangt, hoch ift el Porgefommen, bab
am Sonntag bie $oligei bei ihnen ei n b r a ch unb Serhaftungen rornahm. Sen
Sietbrauern bürfen trir getroftbie ©ahrung ihrer eigenen gntereffen überlaffen ;
fte ftnb bagu poUforamen im Stanbe unb haben bie Mittel bagu, unb auch bie
©efellfchaften tretben fleh i^rcr $aut gu trehren triffen.. Sie in grage ftehenben
$ t in c ip i en aber mögen hier eine furge Sefprechung finben.
•Jtem*?)orf fteht nicht rein trie eine gungfrau ba, unb ber ©ulübung bei
Sormunbfchaftl* unb ©ufftchtlrechtl, trelchel bem Stabt über bie ©ommüite
gufteht, hat el fchon Piel ©utel gu Perbanfen; aber mit b i ef er 3uchtruthe
hatten uni bie Herren in ©Ibanp rerfchonen fönnen. ©ang abgefehen baron,
ob ber ©erftentranf beraufchenb ift ober nicht — gebet fann bal ja an ftd) felbft
probiren —' träte el ein ©lücf, trenn bie 3abl ber ©kthlhäufer — namentlich
ber i r i f ch e n — um ein Seträchtlicfeel rebucirt mürbe, unb hierin liegt
eine gute ©klung bei ©efefcel. ©ber unbegreiflich ift el, trie man in bem
Seftreben, bie öffentliche Moral gu beffern, noch immer gu Mitteln greifen fann,
bie fuh f^hon fo oft all Perfehlt ertriefen haben. 3ugleich chriftlich unb Pemünf*
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jig ift ba! ?Jkincip, Riemanben in 93erfudßung gu führen; aber bie größte S8er^
fudßung liegt im 3 to a n 9 e. Ser, meinem e! »erboten »irb, fuß auf a n*
ftdnbige SBeife gu »ergnügen, »irb feßr leiert ber Sßerfucßung unterliegen,
el auf u n a n ft d n b i g e Seife gu tßun. Sie «gerren Reformatoren mögen
nur fe^t am Sonntag Re»*3erfep befudßen, um gu feßen, mal fte angericßtet
haben. 3^ Rero^orf fcerrfdjt alterbingl am Sage Sabbatbruße; befto toller
gebt e! am entgegengefefcten Ufer bei ^ubfon gu, unb am Slbenb »erben bie
Straßen ber Rtetropole burcb Scbaaren 53etrunfener burcßtaumelt, »elcbe fuß
ihren Raufcß im anbern Staate geholt haben, unb »enn man fte nicht bortßin
getrieben hatte, »ielleicßt nücßtern geblieben wären. Slber »enn felbft auch im
Stabt Re»=3erfeb bie puritanifcße Sonntaglfeier ftreng burcßgefüßrt würbe—
el bliebe bennocß baffelbe, benn immer laffen fuß Mittel unb Sege ftnben, bal
Gefeß gu umgeben, unb gerabe ber ORäßigfeitlg» a n g oerleitet gur Unmäßigfeit.
Gl giebt nur e4 n Mittel, bie öffentliche SRoral gu heben, unb auf a n b e r e
Seife muß bie$8erfucßung entfernt »erben, Gebt benSontttag frei,
unb laßt ihn lebiglicß all Sag ber Ruhe unb fittlicßen Erholung gelten ! Gnt*
reißt ben ifircßen ihr ^rioilegium, unb ftellt el Qebem frei, ben Sonntag auf
feine Seife gu feiern ! Rtacßt nicht ben erften Sag ber Socße gu einem Sage
ber Unfreiheit, gleich all »dre bie Freiheit nur ein notbwenbigel Uebel! Stellt
bal Rolf, »elcße! gewohnt ift, fteß felbft gu regieren, nießt gerabe an bem ein*
gigen Sage, an bem el fuß feine! Sehen! freuen fann, unter ben ^oligeifnittel!
Saßt nießt bie Orgel bie eingige ’Rtuft!, nicht bie ßireße ben ein gigen
Sernpel fein ! Grfennt, baß bie $unf£ bie ebenbürtige Scßwefter ber Religion,
unb ebenfo heilig ift »ie biefe! Geftattetam Sonntag Goncert unb Sßeater, Ge*
fang unb Sang, unb jeglicße ßurgweil, »elrße fließt ber Sittlicßfeit gu naßetritt!
Gebt einer RtannigfaltigfeiteblerGenüffe Raum, »el<ße bie Rufmerffamfeit tbeilt
unb fie »cm Uneblen ablcnft! Sebenft, baß bie Sangeroeile ber Urquell bei Sa*
fter! ift! Rodß Riemanb ift babureß fcßlecßt geworben, baß er Rhijif f»rte, in!
Sßeater ging, Hfrobaten gufeßaute ober fieß im Sange brehte. Qe mehr Rergnu*
gungen fuß bieten, befto weniger »irb geträufen; ba! ift fo fteßer »ie ba! ein*
faeßfte Recßeneyempel, unb ift b:e! einmal erfannt, fo »irb fuß eine gar heil*
fame Reform im ßieftgen Gefellfcßaftlleben geigen. Rtittlermeile mögen aber
bie Seutfcßen, unbefeßabet bei berechtigten Kampfe!, fuß nießt gar gu feßr ber
SBergweiflung ßingeben, fonbern bie noeß bleibenden Gelegenheiten gu einer ßo*
netten Sonntaglfeier benufcen. Sa! Schön fte unb Grßcbenbfte ift unb bleibt
boeß immer ber Raturgenuß, unb ben fann un! Riemanb »erbieten. Rußer*
bem laffen fuß bie Söebürfniffe bei Seibe! gur Rotß befriedigen oßne baß man
mit bem Gefe$e in Gonflift fommt. Sie Sirtße mögen bebenfen, baß bie! eine
treffließe Gelegenheit ift, einer feßr ßübfcßen europäifeßen Ginricßtung—ben Kaffee*
ßdufern — 23aßn gu breeßen. ßann man fein 93ier unb feinen Sein haben —
nun, fo muß man »erfueßen, ben Surft mit flaffee, Sßee, Gßofolabe unb an*
bem ebenfo feßmatfhaften »ieerfrifeßenben Geträufen gu (tillen. Gl fommt nur auf
einen SSerfucß an, unb gelangt bie Sitte gur Geltung, fo »erben Sirtß unb
Gdfte fuß gar nießt übel babei fteßen.
Gine Aufregung anberer 2lrt hat fuß ber irifeßen SJeoölferung bemäeßtigt.
Ser SReffia! Qrlanbl, Same! Stephen!, ift angefommen, um gu richten bie
Sebenbigen unb bie Sobten. Sobt ift ber gemanilmul, tobt fmb feine Seiter,
unb ber „Organifator ber irifeßen Republik ift gu fpdt gefommen, um bem
Gabuner noeß neue! Sehen gu »erleißen. Gine intereffante gSerfönlicßfeit bleibt bie*
fer Stepßenl immerhin; fein Reußere! nimmt für ißnein, unb einebebeutenbe
Gnetgie, eine nießt gu »eraeßtenbe Geiftelfraft muß man bei Sem »oraulfefcen,'
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melcber folgen Elementen zu imponiren oerftebt. Obgleich fein ÜJtonbat nur
ein imagtnaireS ift, beugt ftcb bod? 2lHeS oo£ ibm tute oor einem |>errfcber non
(5>otte0 ©naben. ©leid? nach feiner SXnfunft mufj mobl ein febr ernfteS
©efpräcb gmifeben ibm unb bem £auptcentrum D’iRabonep ftattgefunben haben,
benn $agS barauf fab ficb biefer oeranlabt, feine föeftgnation erreichen unb
fub mit ber Seitung ober 2)ulbung ber lächerlichen Qnoafion ©anaba’S eines
ferneren Vergebens f(bulbig zu befennen. StepbenS autmortete ibm, bab er aller*
bingS f e b t fcbulbtg fei unb bab feine IHeftgnation angenommen merbe. 2lu<b
ber Scbafcmeifter ßiütajt mubte über bie klinge fpringen, ber ©räfibent Roberts
fanb feine ©nabe oor ben 2lugen beS Organif atorS, bitter rügte berfelbe baS ©eneb*
men beS Senats, unb überhaupt fab er gar nichts zu loben. 2lm 15ten fanb ibm $u
©bren in gobnS 2Doob eine 2)emonftration ftatt. Strofe ber 2lnmefenbeit eines ©ä*
taidonS oon ©oliziften unb eines irianbif<ben Regiments mürbe bie ©htfebmörung
oon nicht meniger als 3000 geniem zur Slufrecbtbaltung ber ©ube unter ben
patriotifeben ©rübern als notbmenbig erachtet. S)ic ©etbeiügung blieb nun
allerbtngS hinter ben gehegten ©rmartungen meit zurüdf. Statt ber gehofften
100,000 batten ftch bwbftenS 7000 genier oerfammelt, momit baS ©ntree oon
50 ©entS mobl etmaS zu tbun haben mochte. Slber ber ©ntbufiaSmuS lieg
nichts zu münfehen übrig. 3Jtan fann einer folgen irlänbifcben ©erfammlung
nicht ohne ©rauen beimobneri. 2)ie ©bpftognomieen unb Sitten, meldje ©inem
bort erfebeinen, ftnb binreichenb, ben Schlaf beS ©erechten auf 2Bochen hinaus
§u ftören. 2BaS ift oon folchen ©lementen zu ermarten, menn fie einmal l o S*
gelaffen merben! S)ie Qulitage haben es uns gezeigt. StepbenS betont bei
jeber ©elegenbeit, bab er gefommen ift um ftube unb ©intracht zu ftiften, bab
er nicht bleiben, auch nichts oon einer gnoafion ©anaba’S miffen miß, fonbern
Oon jebem genier oerlangt unb ermartet, bab er auf bem ©oben beS ©aterlan*
beS für beffen greibeit fämpfe, unb zmar noch in biefem Sabre. 3ft eS ihm aber
bamit ©rnft, fo mub baS, maS er hier oorgefunben, feine Suoerftdbt gemaltig er*
febüttern. $er StaatSfchafc ift leer, unb mo baS ©elb geblieben, fann ober miß
Üftiemanb angeben. Sogar ben „genifchen Schmeftern", melche eine gair für
ben 3®ed oeranftalteten, ift ber größte &beil ber erhielten, nicht unbebeutenben
gonbS geftoblen morben. SBerben 2)ie, töelche ftch betrogen feben, bereit fein, noch
einmal ihr fauer oerbienteS ©elb in baS 2)anaibenfafj zu fchütten ? $)ie in
3obnS 2Boob gemachte ©rfobrung labt bieS faum ermarten. Spricht StepbenS
bie Wahrheit, fo bat er nach ber gludjt aus bem ©efängniß fnh in Dublin
faum oerborgen unb fortmäbrenb Sufammenfünfte mit feinen geinben gehalten,
maS allen Streiten febr zur ©bre gereichen mürbe, ba ein höher ©reis auf feinen
Äopf gefegt mar. 2)aS geniertbum in feiner Totalität ift aber ein fo b«n*
oerrüdteS, miberfinnigeS S)ing, bab felbft bie Seitungen, benen an ber ©unft
ber 3*länber befonberS gelegen ift, feinen 2lnftanb nehmen, ihn als ben gtöb*
ften Schminbel beS SabrbunbertS zu bezeichnen. üöaS StepbenS betrifft, fo
fonnte er nichts ©efäbrücbereS tbun, als nach Hmerifa zu reifen. 2BaS er ift,
baS fommt hier ftcherlich zum ©orfebein. Schon mancher grobe SDtann batte
oor ihm ©elegenbeit, ben Schritt zu bereuetv ©S liegt in ber fcharfen grei*
beitsluft, bab fte jeben falfcben Diamant feines trügerifeben ©lanzeS entfleibet
unb ben flechten Stein in feiner ©aeftbeit erfennen labt. U n c a S.
üeifenirer ^gettt für Me
©arl SBielanb.
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FASHIONS FOB 1866.
Per tune «eifrodt.
BRADLEY’S DUPLEX ELLIPTIC (or double) SPEINGr SKIETS.
^ C0ett unb ni ^ *° k bie dnfftd&eit fReife, fonbcrn
^Hfommene gorm, mo bret oberöter
KJ!? 1 * w fortgemorfen toerben muffen.
*? et kbl öearbexteten (Stablfebern, eng unb
JS? pfwmncnßefdNeifl,' unb btlben fo juateicb
Ote ffatfften, blegfamflen unb lefftteftc« «Reife, bte ie
fabnctrt mürben. 3n ber $bat übertreffen (ie für ben ©ebraudj
SÄfTP*' K ober ^ au f e ' m bet Ätrd&e, im Sweater, in
e k. ic. aUe anbern.
SequemiubK |>auer$aftigfeit unb Sifligfeit öerbtnben (ie mit
$£ eleganten #aeon, meldbe duplex elliptic *u ben
a * n *** fafbtonabelit ®elt ge=
Ä? Ä ^ n *' A S U m 1 ? nße ® amett ', iönge SKäbfben unb ßtnber
ft n * Slnberm $u öerglet$en.
DUPLEX ELLIPTIC (or double) SPRING SEIET,
vlngeferttgt allem bet
WESTS, BRADLEY & CARY,
ÄSC” *“ : «““»• *—••«■* «*«.
®ttttat 3 ef<tnb.
Fancy IDying Etablishement.
SBörrett, üftepbeto & (£o.,
f!lo. 5 unb 7 Qofm Street, > ~ „ ,
718 Sroabtcat), \ 9ta&*SJwl.
9lo. 269 Button», Gde Bon SLidarp Street, Srooftyn,
unb 3Io. 47 3?ortf> 8te Strafe, $&itabelt>&ia,
frtrtttfort, ®«M«n.uub«m e ntleit«jufÄt6enunb jureinigent feibene, «ammet Otnh.. m,h
«tbere «lelber, ffltantel, u. f. ft), »erben mit grfola ««einigt, eine aufaettennt «, r
«menrtefe, «oft», sb eiten u. {. w. 8 8 ’ 9nc au T8ettennt ju »erben, «benfo
miattet%anbfäuf)t unb $<b«m gefärbt ober gereinigt Sanae (Erfabruna unb
** mtÜtn mi * etf °‘ ä SW bttXtiitn - ®««en «?«bfu®fffiS"SSß
IB&mtt, fttpfym £ <So.,
6 ? nb L3fo$n Street, unb 718 Sroabmao, 9?em4»orf
269 ffuitortee, (gdfe öon SCUIar^ (Street, Srooflünf '
_ unb ^ortb 8te (Strafe, fPJffabelp#«.
O. F# A.DA.E,
Jtoropdifdjes ^anß- mb '^ecfifet&efödft,
Äinwati, ©bla.
CONSULAT fuer Preussen, Bayern, Wuerttemberg, Hannover
Sachsen, Baden, Oldenburg, Grossherzogthum und Kur-
ftierstenthum Hessen, Mecklenburg-Strelitz und Schwerin,
Nassau, Sachsen-Meiningen und Altenburg und
Frankfurt a. M.
0. F. AD AB, Consül.
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©<i$ gtpfte
/tililings- null Sommer-Jtycricnt.
TAEHANT’S
ßeibenbe an franfpaftem tfopffepmerg,
ßeibenbe an Unoerbaulilfcit,
ßeibenbe an neroofem flopffimerj,
EPFEEVESOENT
fietbenbe an vermauertem 2Ragnt,
ßeibenbe an btltöfem flopfmep,
öetbenbe an £avtleibigfeit,
SELTZEB
ßeibenbe an Sodbrennen,
S*eibenbe an (Pilcä,
Seibenbe an Seefranfpeit,
APEEIENT.
Seberleibeitbe.
Seibenbe an SnbigefHonen,
»erben bitrd)
Tarrant’s Effervescent Seltzer Aperient
auf fiQttt, «ttgeitcbme unb bauernbe ®eife pierm fo»ie Pon äpnliipen ßeibc* gepeilt »erbau
SlUein angefertigl bon
TARRANT & CO.,
378 ©rccntt»id);®tecct, 5 tcto;gorf.
t&" 3n haben in allen Styotheltn.
RADWAY’S
EEADY
RELIEF.
®« giebt brri URettioben, biefe« Mittel anjutoenben, woson jebe, für eine fftanfbeit n»>,,
©^aben au«f<hlicf)l«b flebtauibt, bem Setbenben fofortige «inbernng giebt unb ben Äranfcn f^ntU bcilt #
GiftenS — äufsevitdj genommen.
3Ra* feibe ben Iheil ober bie Ibeile be« flörper«, in weldjcn bie ffranfheit ober ber ©djmcrj fiht mit h f -
«Reabp *'**l* M SCAflpn tü p\r\p Ptnntnltiit* tf inrMhitv»/» m*»a k«». en 7; .. ® l y*# mit 00)1
näcftgi
ben (S
lepungen, «wuuoen, '©tpiewjt, cuymycii, *>ciHiuptiuuö wer umenre, öepnittmunben DiirtfrfmnÄrä
Scrbrennungen, »etbtübungen, Saud». unb ftagenentjünbnngen, ©efdjwüre, Siilbma, Id^dSne'
ftutni 3ttpmcn unb alle letalen ©hmerp, u. f. ns. ift ti ba« beffe <iu§erlid>e SWittet in ©Sriuth «»u
ietjüglitbet al« «Ue Sinimente, 3>fta(ler, llmWtdge u. f. ». in bei 2Bctt. ®ie «iß en ©*mZt 2?
geben in »enigen Almuten. w s
3»etten§ — mnetlitfi genommen,
31tan nehme einen Sbeelijfel bt« ju einem DefertWfM sott in einem SBeinglafe »eH ©alter
©egen atte Steten »en SRagenfärnenen, entmeber <£h?tera, SbBlera SWorbu«, Diartboe abtteiAei.
biliife Äolif, Ärämpfe, ©pabmen, gemobnlube« unb nersofeb Äepfmeb, aOgemeine @<b»ä*e «nb
fpannung. „,
Sieber.
Sei faltem Sieger,
_ _ ; 3Be<pfelfteber, pifcigem lieber, S<parla<pfteber u. f. ». Vertonen mrtA,
»epnteä SBaffer trinfen unb iWt füllen, foUten ftetä einen Teelöffel »oü beä ftclefä mit ]bem OBafier
mtfepen. 3n allen SäUen, m ber Stpmerg dußerlup tft, foüte ber (Relief in biefer ftmTaeS
»erben. ^
— (Einreibung be3 (RutfgratS mit bem (Relief.
<£$ Beilt SRpeumattämuä, ©i<pt, Sciatica, SJeuraljjia, Sumbago unb anbere (RürfenfAmenen
Der 3>rofeffor (Reib »on SRett^Jorf empfiehlt bnngenb ben ©ebrauep beä (Relief* für biefe ifranf-
Beiten. ©anj mer!»ürbige Äuren ftnb gemalt »erben. Dte Üranfen feilten nur »erfueben
Witt (Relief, ber in ben bereinigten Staaten verfauft »irb, mu§ einen 3»ei*(£enukcpcnucflam»
über bem Stöpfcl paben. S3ei allen Druggtften gu paben. ^enoenamu
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ültrne wnfc Seine«
Selppo 7 $ patent, 516 Vroabfoap.
Die toiflfommenjlen Sub führte für verlorene Oüebmaßen, »el$e fcmaft erfunbeu nmrbett. (dtablirt
feit 26 Sauren.) Um fid^ ooGflänbtg über ba$ SWpere in Äenntniß &u fe&en, laffe man fiep ein patent mtj
ßettgniffe* öon Selppo u. So. Sott, 616 Vroabmap, 9fe»*2Jorf, bem 9t.*3K £oteI gegenüber, fenben.
ft.V. Solbaten »erben. gegen eine fPromeffe pom Oeneratdpirurg ber 2lrmee ber Vereintsten
©tonten !of!enfret mit bem fteplenben Pcrfepett,
Qtnt* ©mnebaum* Dat>ib 0. ©reenebaura, £oui* ftuQmaitjg.
Henry Greenebaum & Co.
Seutfdjes
%mk u. paffagegefepäft,
ffiäe Saft- unb Safatte-Strajje,
CHICAGO, ILLINOIS.
«Becpfet in beliebigen Summen unb Sitten auf aüe bebeutenben Stäbte DeutjtylanbS, Shraulrcitpg
9?or»egen$, ScptpebenS, Dänemark, Italiens unb ber Schnei*.
Staffage per Dampfer unb Segelftptff pon Hamburg, Vrernen, Slnttoerpen, Stotterbam, £abre,
dprifüania, ßiperpool unb Ouetn$totttu
3ncaffo*@efjbäfte »erben bur<p unfere au$gebepnten Verbittbungen in gan$ Europa mit Sdpnelüg*
leit beforgt unb eingejogene Oelber in © o Ib au$be$aptt,
«§♦ @eeenebaum SS
dljicago, 3®.
HEILLER & CO.,
Sanf> u.3nfoffoncfcfi«ft,
9h). 3 Pamberfir., 9iett)=?)orf,
geben Sedpfel unb drebitbriefe auf alle größeren 3>Wfee duropa’3, perfenben Oelber na# {ebem Orte
Deutfdplanbü mittelfl bc$ beutfepen 9)oftoerbanbe8, unb beforgen ben dinjug pou drbftpaften unb Verrnö*
gen permittelß VoUmadptcu auf f^nellfle unb biGigJle Seife,
Anfragen aus bttn fanb* ftnbm prompte $tadjtung. “ES
#
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gdtröemctt in S^iffnnti
(Eultitirte, 2Nmerat= unb anbere ßanbercien in SWiffouri, fo tok im SBcjlcn überhaupt, »erben
gefanft unb terfauft.
Die ßoeirung ton ßänbereien, nach bert »trflichen ©ermeffungen, z« 9fcegterung$preifen, »irb in
«Den »efilicpen Staaten bur<$ anfdffige Agenten beforgt; ßanb»arrant$ »erben getauft, terfauft unb
iocirt ? (Steuern bezahlt; Porten unb ©ermeffungen angefertigt ttnb Beriete über 3Jttneralf<bä&e au$ge*
arbeitet; ©efiptitel tertoüjlänblgt; patente ton ber bereinigten (Staaten Regierung unb alle in ba$
©runbetgenthum unb allgemeine ßanbgefchäft eirtfd&lagenbe Arbeiten beforgt
Der Unterzeichnete, einer ber am langjlen ctablirten ßanbagertten im 2Befkn, bat ttel Seit unb
SWübebarauf termenbet, um iebe auf btefeö ©efd&aft bezügliche Sludfunft ju fammein, unb er terfiepert an*
Ueberjeugung, baf 9We, »elcpe »erthtoUe ftarm* ober 2ftineral*ßanbereien im SBcjlen laufen »ollen,
nichts ©effereS tbun fönnen, als fiep ju »enben an
Ti. W. Dunstan,
No. 44 PINB STEEET, ST. LOUIS, MISSOUEL
fit jioröftn Pflafltr lies jlr. JtUroth.
Diefe Sßflafter »erben jeben Dag mehr unb mehr befannt. Sebermann, ber
6<fytnersin im Druden ober in ber ©ruft bat, »irb nadb
Slnmenbung eines folgen fofort gereift.
(Ein #crr fam beute in bie Office unb erzählt ba§ er mit rieten Schmerzen in ber ©rnj! geplagt »ai
unb mit einem einzigen fPflaj!er toUfommen gebellt »urbe. (Ein Slnberer fagte baffelbe ton Sbeumatia*
muS in feiner (Schulter, Der leftere |>err fann in 9?o. 15 ©eefmamt Street, 9le»=3JorF, obenauf, gefepen
»erben. 2Bir beftpen Seugniffe ton Saufenben ton Dottoren, »eüpe alte tbH ßobeS finb.
Teilung einer jerq uetfd? ten ©ruft.
Den 7. 2Rat 1865.
2Retne Herren t — 3m Dezember 1868 »urbe mein Srufünocben ton einem fernerem 8ttegel |er*
quetfeht unb fcplimm termunbet 3<h »urbe beflnnungSloS natb £aufe gefepafft, »o ich einige SBocpen Sem
£obe nabe lag. Sfleine Slerjte lonnten febr »enig für mich tbun unb ich mufSte unenblicpe Schmerzen lei*
ben. Der 3lr&t badete, bafj ba$ ^afenpftafter, auf bie ©ruf! gelegt, mir helfen »ürbe, icb badete aber, ba*
für eins ton SWcocf 6 porofen spflajient zu terfueben. 3(b legte etnS auf meine ©ruf! unb Seite, unb ton
ba an fübUe ich beffer unb »ar in einer SBocpe gefunb, frei ton Schmerzen unb fähig, mein ©efepäft »ie=
ber zu beforgen. Sebermann fann fommen uno meine ©ruf! fehen, unb ich »ill ihm ein neue« SBunbcr
ton Teilung zeigen. 3. $. ©ud, S^o. 2 South ftiftp (Street, SBiUiamSburg, 9t. §)., $bo$. 2Mcod &
€o., 9to. 4 uno in Sqnare. £auptofftce ©ranbreth ©uilbing, 9te»*8J orf. 3u terfaufen in 9to. 4 Union
Square bei allen £ättblern unb jebem tefpeftablen Druggift
D u p r 6 & Kretz,
9to. 28 ©roab*6treet, ©de bon Gpc^ange^Iacc,
Unu-IJork.
Skalier in ©olb- unb 5Jetroleum-2lftten.
©ou»ernement3 = S8onb3 unb SSereinigte Staaten Sidjer^eittn
teerten in ßoiimuffion getauft unb »erlauft.
Safltti, (Butter $ (So.,
gabrifanten unb £änblet in
&ru& wt& tya&tynpict,
'gftnbfaben unb ^apier-^äeßen aller jirt,
Sfto. 42 unb 44 6tate*Stra6 e, gegenüber bem „ Sitlj «^otel, 1 *
CHICAGO, ILL.
K^* ^ür 2u tnf» en »irb ber bbcbfte äJtarltf>reÜ baar bejabU. ^68
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/rei .iHiffauri!
CAPITAL.8500,000.
Office: fRo. 12 föorb 5. Strofie,
$t. cSouiö, Wo.
'y
jBirektoren :
(E. SB. 0or # »0« ber 0hrma 3>ratt unb 0or,
SB. #. Maurice, früher CoIIector »on <St. Souf^ Co.
SJUbifonaRiller, 0onb*Sommtff<5r ber 9)actfic*<Etfenbabtt,
SB. $. SB e tt t o n, früher »on berfttrma 3)omerop unb Bettton,
<&b#** ■$. $o»lanb, ©taatlfenator.
C^aO. $. $ot»lanb, ^räftbent,
SB. #. Maurice, 33ice=3)räjlbent,
2ttabifon SRiUer, 2anb=Commtffdr,
0dir Co(le, ©ebapmeifter.
©efcHfdjaft »erlauft uub lauft ©runbftüde aller Slrt
@ie beforgt bie Ballung »on (Steuern für SKühtbemobner u«b bef<b$ftigt (leb mit ber $fagbetttttttg
ober bem Verlauf »on
flÄineralsfiänbereieti,
eie befl&t au§erorbentti<be Bortbeife, um Capital in
to<ftU$<tt £ätibereiett
«tplegem
eie leibt Oelber
auf rentable (&runb-<figentl)um0-$itd)errett
in etobt ober Soub aug, je na$bem bieg gewünfät wirb.
<5im»anbem, meWpe eine $etmatb fuc^en, ober Agenten für Golottiettt, bie grofe ©treden
ßanbeg p lociren beabfltbtigen, toerbeit eg in t?rem Bortbeil finben, jl<b an btefe ©efeflfdpaft p toenbert.
SlÖe Anfragen »erben prompt unb unenbgeftlüp beantwortet.
£>er ttnterjel<bnete ifl mit ben oben genannten Herren perfönlicb belamtt unb gfebt bettfelben gern
bag bejle Beugnif in Betreff ihrer hoben SRefpectabilität, Bertrauengwürbigfeit unb 0*bigleit alg &$•
Wüftbleute.
»titbriA Otfitu*, ettHMewte.
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JfUdrtJitfdKö Jotmtal.
erf*tint ttöcpentli^ in sttfem fformat unb eleganter «u«flattung. enthält regclmigig frei
Driginale= 9 ?o»eEcn, europätföe (Jorrefponbenjen, politiidjc SRunbfdiau, SBefpretpungen ber Sagctoeig*
niife unb focialen Stagen, nnb eignet fty al« fd&arftt SBeobadjter bet ametifanifdjcn Suftänbe, fwic
»egen ber
©efdjt(bte be$ amerifantfdjen BürgerfttegeS,
befonbet« jut SJerfenbung nad& Europa, gjtei« $5 per Safyrgang, 10 Eentä bie einjetne Kummer.
3. cäaenget,
165 g(ftf=©freet, 9 itm= 3 )ot(.
Smporteur unb gabrilant fcon
'Teutfcftcu «^armontfaS,
Cancertinas, ^anbotiione, .fintttlingcr, JMuttö-
hamontkas, jSptdbofrn, (Eitljcnt
unb anbevn muftTauüben Snjimmenten.
ttnterrid&t im (Spielen tuirb erteilt, fo mte Reparaturen gut unb billig gemalt.
Aufträge au$ bem Saribe »erben pünftltcb au$ge flirrt.
J. B. HOEKER,
PEACTICAL OFTICIALlSr,
312i FULTON STEEET,
Near Pierrepont, BROOKLYN.
Edward Mehl,
3lri>. 156 unb 158 gulton 6t., SReh)*?)orf.
SReftaurant unb Empörter
bon
SRbeintoeuten unb (Smmentbaler Sdjmetierfäfe, SBbolefale unb SRctail ju ben bllttgften
greifen.
Aufträge bon au§tüärt3 merben prompt auggefubet.
loüotDöt)^ filleit.
©er SeidMfinn r ä * t f i 4»
gWt ein ßajier, mtyrt fäon un^pgeS Unheil angcrubtct bat. <Z 4 vergiftet bie Sugcnb,
ruinirt ben Äörper, erfUcft bie ÜRannbeit, ttürbigt ben URenfcpcn unter baä Sbier btnab, ttirb uon <£iuem
auf ben Slnbern übertragen, frijjt tute ein Ä'rebSftbaben bureb ganje <S<bulen, erzeugt ftraftloftgfcit unb
$uiefct Sßabnitmv Rittet (Eu<b bauor, unb bebenft, bajj $oHon> 09 ’? SPiUen biefen gebier entfernen. 150
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