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Full text of "Deutsch-amerikanische Monatshefte für Literatur, Kunst, Wissenschaft und öffentliches Leben 3.1866, Band 1 (Jan-Jun)"

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Jlcntfd) - ^mcrikonlf^c JHonöts^fte 

für 

Jlikrafitr, JutttH, m& 

öfcntfidj« cScßen. 

HfceMgfet »on 

III. jJaljrgang. L llanir. 1866. <3anuar-$eft. 

öas J)ublihum. 

Sffie bie 2efer bereits aus bem lebten $efte beS vorigen Jahrgangs tt* 
fefjen ^aben , »erben bie „2)eutf<h 55 Slmerifanifcben Monatshefte" fortan nicht 
mehr in Chicago, fonbem in ÜRe»*2)or!, unb j»ar unter einer neuen 9tebaftion, 
erscheinen. S)ie größeren gacilitdten, »eiche bie Metropole ber neuen 2Belt 
in jeber SBejiehung einem litecarifchen Unternehmen biefer 2lrt bietet, lieferten 
ben beftimmenben ©nmb §u ber SBerdnberung. SBdbrcnb £err GaSpar 
f«h burch bie ©rünbung ber einigen beutfch * ameritanifcben 2JtonatSfchrift ein 
nicht hoch genug §u fchdfcenbeS SBerbienft unb burch feine Leitung berfelben im 
bottften 3Jtaße bie allgemeine Slnerfennung erworben, »irb bie neue Mebaftion 
bemüht fein, gleichfalls baS Vertrauen ber Seferoelt für ft<h $u gewinnen unb 
bie in ihre $änbe übergegangene 3«tfchrift in immer großartigerem ÜDtaßftabe |u 
enttoicfeln. 2)ie „Seutfd^&merilanifchen äJtonatShefte" follen baS fein, »aS ihrem 
begabten ©rünbet t>orf<h»ebte — ein literarifcher Sammelpunft ber beutfch* 
amerüanifchen Snteüigen^ ein SDtittel, bie Gmmgenfchaften beS beutfehen ©elftes 
auf bem 23obett Hmerifa’S $u erhalten, fie mit Siebe §u pflegen, jur (Seltung ju 
bringen, fte ben 2)eutf<h*2lmerifanem eigen unb fruchtbar ju machen, unb in 
biefem Streben »erben nicht nur «&err GaSpar 23ufc unb bie h^orragenbften 
beutfehen Siteraten 2lmerifa 7 S mit ber SHebattion jufammenmirlen, fonbem eS 
batf mit Sicherheit auch auf bte Unterftübung namhafter literarifcher Ärdfte im 
alten Sßaterlanbe unb in ber S<h»ei§ gerechnet »erben, $u bereu ®e»innung 
bereits bie Ginleitungen getroffen finb. 





2 


UMJlmt 

Sott ^ermann Raffer. 

Sott hier Schwelle bet fchönften Kathebrale in Wew*?)or!, welche in bet 
Sorftellung bet Eingeborenen eine fo wichtige ©teile einnimmt, toie in bet beS 
Sßariferg bie Notre dam© Kirche, big nach bem bie 9Wanbattan*3nfel non Song 
gslanb trennenben 9)teeregarm erftredtt ftch eine laurn 2000 gufc lange ©trabe, 
beten -Warne in ben gelfeneinöben non 2Jtontana, toie in ben ©aoannen oon 
gloriba, in ben £annenwälbern oon üötaine, toie auf ben Slanog oon Xepag ge* 
lannt ift unb alg gleühbebeutenb mit Kapitalmacht, hoh« ginanj, öffentlichem 
. Erebit, aber auch mit böbmm unb böchftem ©chwinbel, Sörfenfpiel unb Agio¬ 
tage gebraucht wirb. Eg ift bie ffiallftreet, — bie Wtouerftrafje, toelche ihren 
ÜRamen baoon hat, bab fte früher bie nörbliche ©ten^e beg Dörfchens Weu* 
Amfterbam bejeichnete. £eute hübet bag oon ihr begrenze ©ewirr enger unb 
frummer ©traben einen fo Keinen Xheil ber groben Wtetropole, bab man eg auf 
einem $lane, toelcher bie Sänge ber ©tabt auf jtoanjig unb bie Sreite auf fünf 
Soll barftellt, mit einem 2)aumengliebe oollftänbig bebeefen fann. 

Som ©roabtoap big §u ber erften mit ihm parallel laufenben Ouerftrafce 
ift bie SBallftreet eng unb unanfefcnlich, bo<h ftnb hier oiele«|>unberte oonSBechfeU 
comptoiren, Süreaug oon Aftiengefellfchaften aller Art, Wotariatggefchäften, 
Eypebitionen oon Aboolaten tc. in mächtigen, oier big fünf ©toef hohen Käufern 
mit fchmalen ©ranit* ober 2Jtarmorfacaben jufammengebrängt. gür fo toerth* 
Ooll gilt bie Sage, bab fetbft Keine Saupläfce Kapitalien repräfentiren, gröber alg 
mancheg beutfehe Wittergut. Ein taum 1500 Guabratfufj grober Sauplap toarb 
bereitg oor acht ober $ehn gahren $u einem greife oerlauft, welcher ber ©umme 
Oon 1J üDKüionen 3)ollarg für einen Acre entfprach. 

An ber Worboftecfe ber erften Ouerftrajje fteht bag aug toeibem SWarmor 
in gonifchem Sauftpl errichtete ehemalige 3oüamtggebäube, jefctalg Unterfchafc* 
amt oertoenbet. Ueber ben ©efepmaä ober bie ©efchmadlofigleit, welche in ber 
Senupujtg altgriechifcher SSempelformen §u ©ebäuben oon fo moberner Senbenj 
liegt, ift fchon oiel ©eiftreicheg, ober auch Abgefchmadteg gefagt worben; — 
aber eg hat mit bem Seben unb ©eben ber Wtenfchen, bie in biefen ©ebäuben 
häufen, nicht mehr §u thun, alg fchlechte ober gute 2Bifce über bie Kleibertracht 
eineg Seitalterg mit ber Seurtheilung ber Eharaltere, welche bie ©efchichte beg* 
feiben geftalteten. Sig ^ur äfthetifeben Auffaffung ber Saufunft ift man in 
Amerifa noch nicht gelangt; man hat baju noch feine DWufje gehabt. Erft wenll 
ein Soll bie Sßeriobe beg raftlog thätigen ©chaffeng unb ©eftalteng hinter fleh 
hat unb in bie eiher freiwilligen ober unfreiwilligen Sefchaulichleit getreten ift, 
oertieft eg fnh in bie ©ebantenwelt unb beftillirt aug $em, wag frühere ©e* 
fchlechter ohne befonbere Abftcht, nur ihrem lebenbigen Xhatenbrange gehorchenb, 
gefchaffen haben, philofophifche ober äfthetifche ©pfteme. 2)eutf<hlanb ift nach 
bem breifngjährigen Kriege in biefeg ©tabium getreten, aber Amerifa ift $u 



gutem ©lud noch feh* meit baOon entfernt. ©5 m a <h t erjt ©efchichte unb §tebt 
»och nicht bie Atoral barauS. 3)arum ift e3 auch ungereimt unb ungerecht, an 
fein gelegentliches ^ineinpfufcfeen in ba£ ©ebiet ber bilbenben fünfte bie Atafj* 
ftdbe SBintelmannS ober SeffingS |u legen. SBährenb in ©uropa bie ibeale 
äfthetifche Auffajfung ber Vaufunft oft genffg auf fehr unangenehme Steife bie 
AüfcUchteit bei Seite brängt, berrfcbt biefe in Amerifa faft unumfchränlt. 
5 a ft, bodb nicht ganj. Vefchräntt mirb fte burch bie 2)1 o b e. 3n biefer Ve- 
jiehung fteht hier bie Verfertigung oon Vehaufungen mit ber Verfertigung oon 
Kleibgrn auf gleicher Stufe; — nur bah bie aus ©ranit, SJtarmor ober Sanb- 
ftein angefertigten ©emdnber langer halten, als bie oon Xuch ober Seibe. S)ie 
antifen Xempelfonneu ber öffentlichen ©ebdube in Amerita fmb lebiglich 2)enf* 
mdler ber 9Äobe, Pie )u Anfang biefed SahrhunbertS auch in ©uropa herrfchte 
unb bort freilich, mo eS mentger folche ©ebdube ju errichten gab, fleh mehr auf 
ben Schnitt ber Kleiber unb auf bilbliche 3)arftellungen, als auf Vaumerle 
richtete. 

5)em marmornen ©elblaften ber Aepublif gegenüber meitert fi<h bie Duer- 
[trabe, au beten ©de er ftebt, |ur Vroabftreet aus, melche feit einigen fahren an 
bie SJallftreet aunectirt ift. 3a, mie ber Sifc beS Königreiche Vreufjen langft 
aus bem flaoifchen fianbe biefeS AamenS nach Vranbenburg gemanbert ift, fo 
thront heute b i e SBaUftreet, bie als gleichbebei^enb mit bem Vörfenleben genannt 
mirb, nicht mehr in SBallftrcet fefcft, fonbern in Vroabftreet, ©jebange ^lace unb 
einem Steile oon SUUiamftreet. Auf bem meftlichen Trottoir ber Vroabftreet 
mürben mährenb beS Krieget jene benfmütbtgen Vörfenfchlachten über „^arlem", 
# ©rie", „ Aod 3elanb" geliefert, in melden AliUionen über ÜMionen Oerloren 
unb gemonnen mürben, aus melchen mancher KröfuS als oerfdjämter Armer unb 
mancher unoerfchämte Arme als KröfuS heroorging. 3 e fet erhebt ft<h bort im 
öoUen ©lanje meinen AtarmorS mit einer oon torinthifchen Säulen getragenen 
gagabe bie neue Vörfe, in melche fleh bie mit bem©intritte beS griebenS nüchter- 
«er unb beS müjten Sebent unter freiem $immel überbrüffig gemorbene Agio¬ 
tage jurüdgejogen hat. — An ber ©de oon ©pchange Vlace unb SBilliornftreet 
aber, oor bem Kohlenloch, einem büjtern Souterrain, in melchem bie ©uerilla- 
börfe häufte, hatte oor §mei unb brei Sohren bie rohefte Art oon Vörfenfpiel, bie 
fuh in AichtS mehr oom garo ober Aoulette unterfcheibet, ihr Vioouac aufge- 
fchlagen. Raufen oerbdchtig auSfehenber ©eftalten, in bereu VUden unb Ve- 
megungen fleh jenes milbe, unheimliche 3uden geigte, baS ben noch nicht gänzlich 
abgeftumpften £afarbfpieler tennjeichnet; elegant gelleibete ©auner, unbeholfene 
l&mbleute, beren Vlide Aeugier, Süftemheit unb Scheu zugleich oerriethen; f<hä- 
big auSfehenbe ©efchäftsleute ohne ©efchdft, Opfer beS VörfenfpielS, bie fleh hoch 
bem SHeige beffelben nicht entziehen tonnten unb, in ©rmangelung eigener Mit¬ 
tel, fuh menigftenS als Unterhdnbler unb 3mif<henträger — „Aegotianten" — 
einen fümmerlichen ©rmerb fuchten; bajmifchen hie unb ba ein hochftehcnber 
Kaufmann, ber fich in folchet ©efellfchaft bekommen §u fühlen fchien unb dngft- 
Uch um fuh fpdhte, ob mohl ein Velannter ihn bemerte — bieS mar SWonate, 




$onb$, Slctien, ©rioritäten, 3nterim&f<heme tmb wa$ fonft für Effecttn hn 
©tarfte ftnb, an, laffen bie gewünfchten Rapiere an ber ©örfe burch einen ber 
Senfafe erfteigern unb beleihen Re gegen mäßigen 3tn^, ber aber bet. taffem 
Umfaß burch $romftonunb Courtage bebetiienb gefteigert wirb. betfit, bet 
Käufer befahlt nur 10 ober 12 ©ro^ent be3 greife« baar nnb läßt bem SBedteler 
bie ertauften Rapiere ate ©fanb für beu SReft be£ £aufgelbe$. Steigt nun bet 
Eour3 ber Rapiere unb berSpecutaut miß auäoerlaufen, fo jat)It ibm berffiedte* 

Ier ben ©ewinn betaut. Sinft ber Eour$, fo muß entmeber ber ©eftßer fo biel 
nachjahlen, baß bie Summe, bie er bem ©Wechsler noch barauf fchulbtg bleibt, 
toieber 10 ober 20 fßro$ent unter bem nun nichtigeren Steife ber Rapiere iß, 
ober, wenn er ba$ nid&t lann, uerfauft ber SBedj&er ba$ ©fanb, beett ß<h «nb 
gahlt einen etma noch rerbleibenben Ueberfchuß an ben gewefenen ©eftßer ber* 
au£. 3 n gleicher SZBeife mürbe früher bie Spefutation tn ©olb betrieben, aber 
eine 3lnjabl gefeßlichet ©eftimmungen, worunter namentli^b bie, baß ©olb nur 
bte jur £öße feinet Slominalmertheä belieben »erben barf unb baß bei jeber 
2xan3action wirtliche Ablieferung ßattfinben muß, hat fte feßmieriger uub um* 
ftänblicßer gemacht. ®enn nichtö weiter, ift bamit menigftenS- bie ©ertreibnng 
ber tleinen Sßfufchfpelulanten unb Schwinbler, bie mit wenigen bwnbert Malern 
in ber £af<he ©efchäfte machten, welche Reh in bie 3 eh«taufenbe non 3Marä be* 
liefen, bewirft worben. 

3 nbeffen ftnb feine3meg£ alle ©efchäfte, welche in Jenen, ©tehfctcomptoiren 
betrieben werben, bloßes ©örfenfpid. Eä finbet aud> reellerÄapitalumfaß ftatt, 
nnb ^war in großartigem ©taßftabe. ©efonberä ftarl war in ben fahren 1864 
unb 65 ber Umfaß in SRationalanleihefcheinen, ber Xaufenbe Don braben £anb* 
Icuten, £anbmerfern unb Arbeitern in bie borher wohl nie bon ihnen betretene 
Sallftreet 30 g. * 

kleben bem alten Saflßaufe fteht ba§ tmfeheinbar, aberfolib auSfehenbe ©e* 
bäube, in welchem ftch früher ba$ Unterfdßaßamt befanb unb jeßt baä Schmelj* 
amt befinbet. $ier werben für ©itüionen unb aber 2 Rill?onen $ollar& ©olb , 
unb Silber, bie Ausbeute bon Kalifornien, Stoaba, Colombo, Qbaho unb 
2 Rontana, rafftnirt, in baeffteinförmige ©arten umgefchmoljen, geaicht uub gc* 
ftempelt, um im ©roßhanbel §u Salbungen berwenbet gu werben. $ie ©orfeh* 
rungen gegen Siebftahl, welche hier, wie in bem anftoßenben ©dbocrfcfeluß be4 
Unterfchaßamteä angebracht ftnb, würben ben jahrelangen Anftrengungen ber 
geübteren Einbrecher troßen. 3)ie ©runbmauern ftnb fo tief, baß an ein Un* 
term.niren nicht ju benfen ift. $ie hoppelten Stein* unb Eifenmänbe ftnb in 
einer $icfe bon 18 Qoü mit 2 Ru§tetenhigeln gefüllt, bie, wem» eine Oeffnung 
burch bie äußere SBanb gebohrt würbe, nachrutfchen würben. $ie gegen jebe 
Sprengung bitreh ©utoer gefieberten biefen eifemen Xhüren haben jebe ihren be* 
fonbern Schlüffelbewahrer, fo baß 5 ober 6 ber höchftßehenben ©eamten perfön* 
lieh jugegen fein ntüffen, ehe ba$ AHerheiligfte eröffnet werben fann. Qu allem 
Ueberflujfe ftnb auch $ag unb stacht noch alle Eingänge burch Pächter behütet. 
3£enn man bebenft, baß fchon feit 3ahr unb äag im Äaffengewölbe beä Unter* 


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fchafcamteS über 30 -Üftilltonen Dollars in ®otb unb eine noch gt&here Summe 
in $apiergelb bermahrtftub, fo wirb man biefe SicherheitSmahregeln nicht über¬ 
trieben finben. SBährenb ber SchrectenStage tm guli 1863 trug mtm ftd? mit 
bet Sefürchtung, bah bie Slufrührer nach SBaüftreet Rieben unb baS Unterfcpafc- 
amt erftfirmen mürben. Selbft menn fte baS getpan hätten, mürbe es ihnen 
menig geholfen haben. Stiebt einmal mit ben gemöpnlichen Kanonen leichten 
Kalibers, bie fte allenfalls hotten berbeifebaffen tönnen, Ratten fte bie SBänbe 
unb SPanjerthüren beS ®emölbeS einfepiehen tönnen. 

Santen, geuer-, See- unb SebenSaffefuranjgefeUfchaften, SuteauS bon 
allen möglichen SlctiengefeUfchaften, bon ©fenbapnen, Sergmerfen, Oel- unb 
Kohlenminen, GomptoirS bon hattet- uub ^ampffcpifflinien uub bon gmport- 
banblungen füllen alle (Selen unb SBinlel ber ©ebäube bis jur- Sßearlftreet hinab. 
25ajmifchen ftnb als SBürje bie unentbehrlichen Slbbofaturgefcpäfte berftreut; 
SBaaren-, Sörfen-, Schiffs- unb 3ollmafler hoben ihre tleinen GomptoirS, — 
oft blobe (Säen unb SBinfel; in einem ober bem anbern Souterrain hat ftch noch 
eine Schreibmaterialienhanblung gegen ben Slnbrang behauptet, unb in einem 
©fgebäube, baS in feiner Slrt eine SUterfmürbigfeit ift, benn baS ganje £auS hat 
nur bie £>icfe einer foliben SJtauer in Seutfcplanb, figurirt ein fehr breitmäuliger 
grlänber als „Italiener", b. p. olS Sertäufer bdn Sübfrüchten. 

£art baneben tritt an bie Stelle beS eigentlichen ©elbgefcpäftS, meinem bie 
SOallftreet ihren Stuf unb ihr Slnfepen berbantt, baS SBaarengefcpäft. STtit 
Saummollenballen hoch belabene graeptmagen fahren bort in Seaber- uub Söater- 
ftreet ein. Sin einer Steipe bon genftern im ©bgefcpoh bemertt man Heine 
flache Siechpfannen mit Kaffeebohnen, Sucter, (Sacao, Pfeffer. $iefe Keinen 
Pfannen repräfentiren £unberte, menn nicht Jaufenbe bon Sdden ober Oyhof* 

' ten, melche in ben groben Sollfpeichern in ftcherer Sermahrung liegen, lebiglich 
nach jenen Keinen groben bertauft merben unb oft brei-, biermal ihren Seftfcer 
mechfeln, ohne bah biefer fte jemals ju fehen befommt. ©nige Schritte meiter- 
hin befinben ftch bie (Somptoire ber groben Spee-gmporthäufer. SllleS, maS man 
ba, mo möchentlich für «gunberttaufenbe bon Dollars 3pee umgefeft mtrb, §u 
fehen befommt, ftnb [Reihen fauberer ©laSfläfchcpen, bie auf [Regalen umperftepen, 
jebeS bie $robe einer ganzen Serie bon Kiften enthaltenb. Silier Umfa| gefchieht 
auf $reu unb ©lauben, bah bie berlaufte SBaare bem ^robegut entfpricht, unb 
menn biefeS Sertrauen je getäufcht mirb, fo gefchieht baS in unenblich felteneu 
galten abftchtlich. @S befteht noch biel ©brlicpfeit im — ©rofjpanbel; — menn 
man nur bom Kleinpanbel baffelbe fagen fönnte! 

Sluf ber Storbfeite, ben Soloniaimaaren-®efchäften gegenüber, befinben ftch 
(Somptoire für ben Umfafc bon importirten grüepten, Stöffen, ©emürjen, S)ro- 
guen, £anf, fpanifch IRopr, Kautfcpuf, ©fen, Slei, bann einige Segel- unb 
£afelage-£anblungen unb bie ünbermeiblicpe Schanfmirthfchoft an ber ©!e ber' 
Uferftrahe. 2)ocp bieS hot mit bem fpejififchen (Sparatter ber SBallftreet nichts 
mehr ju thun. Sluf bem breiten $lape, ju melchem ftch iri ber Stahe beS SBaf- 
ferS bie Strahe auSmeitet, fiept man häufig £unberte bon Oytmften Sftelaffe 

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^ ober Suwp neben, einanbe* lieget^ Me bort bet Scrftelgetttng batten. Sn ben 
offenen Spunblfobew fteden lange h&df*rne Keßen, bennittelft beten fi<b jebet 
Äauffuftige obet an(b jebtr SRäfcfeer eine Vtobe berauSbolen unb mit 3uJ^ülfe^ 
i nähme feinet ginge# oblegen tonn« [Riebt wenige Straßenjungen machen bon 
Mefet Ginlabung ©ebtauT, unb mit feiten giebt fub ein SBäcbtet bie 2Rübe, fie 
SU berjagem Stoß fu ihre ginget als Söffel benu|en müjfen, .ift in biefem gaße 
1 Wafcrfeberolicb Strafe genug. 

j $ou ben mannigfaltigen (Jemen Snbuftriejweigcn, welche in eutopäifcben 
($ioßftäbten bie Stoßen beleben, ift in bet VMftreet nicht biel su feben. £ie 
unb ba ein Obftweib; — ein an <3efi$t unb ginget« fcbwarsbtauner Qtaliener, 

; bet tagaus, tagein Süffeln bä(ft r bon benen et fub wobt °bne Vermittelung bon 

( Käufern ernten muß, benn niemals bemertt man eine feinem ftummen Angebot 

| entfbteebenbe Vorfrage; — ein grants, bet in ben jahlreicben Schubfächern 

1 eines [RaritätenfcbtanteS alle möglichen unb unmöglichen Sorten bon Karamellen 

; unb VonbonS halt; — auf bet greitreppe beS UnterfcbabamteS ein unternehmen* 

! bet fliegenbet Vucbbänbler, ber fleätge pbotograpbifcbe fßortraitS für 3 Gents baS 

Stüd feilbietet; — ebenbafelbft ein Vapageno auS grlanb, bet eine Slnjabl 
; tdubiger toeiblidbet einäugiger Stiegliße als SpottbögeJ loSjumerben fucbt; — 

I bot bem Sollbaufe ein Gnglänber, bet bei Sonnenftbein Seife, Schwefelbäder 

! uub Stiefellne<bte, bei [Hegenwetter Schirme berlauft; — enbli<b unweit beS 

Vtoabmap ein Verlaufet bon grellbemalten „nationalen", b. b- mit gräßlichen 
j Slßegorieen eingetabmten ßanblarten, bet aber jefet auch (SelbwechSler geworben 
! ift, benn et berlauft GonföberirteS ?kpiergelb, baS bolle Slffortiment fdmmtlicbet 
2lppoint3 ju 1 Dollar; — baS ftnb fo siemlidb alle perennitenben Al fresco- 
! Kaufleute ber ffiaßftreet [Reben ihnen tauben in betriebenen gabreSjeiten 
botübergeßenbe StraßemSpelulationen auf. gm grübjabr bietet häufig ein als 
ehrlicher Vauer berlleibeter Stdbter eine „neumilcbenbe" Kub ncbft obligatem 
Slboptiblalb feil unb finbet ohne SHübe Hbuebmer unter, ben Kaufleuten, welche 
in bem flüchtigen fentimentalen VaroyiSmuS, ben bie warme 2ßaifonne aü<b bei 
ben troäenften 3ahlenmenfcben ßerborruft, bon ben ©enüjjen beS Sanblebens, 
einer naturgemäßen 3)iät unb frifcbet üölilcb fcbwämten. 2Benn ber Kaufet feine 
äcquifitio* bat nach «&aufe bringen laffen, finbet er su feiner Ueberrafcbung, baß 
baS baße Guter bet braben Kub baS mübfam aufgefparte $robuct einer ganzen 
SBocbe enthielt unb baß ihre Grinnerungen an bie greuben bet Vtutterfcbaft in 
eine ferne Vergangenheit surüdteüben. 3a, eS ift ber gaß borgelommen, baß 
ein glüdßcbet Käufer in feinem ueuerworbenen £auS* unb §ofgencffen ftatt 
einer ÜRutter — einen Oheim fanb. Gin anberer fporabifd? ftch in Sßaßftreet sei* 
genber Kaufmann, beflen Gomptoir baS Straßenpflafter, ift ber Verläufer bon 
jungen Volognefet*|mnbcben, welibe bie Gigentbümlicbleit beftßen, f«b Ju Rubeln 
SU entwickln, unb bon jungen [ßeufunblänbent, beten Stammbaum fo bersweigt 
ift, wie ber beS dlteften GbelmatmS. Söenn bie 3agbfaifon lomrat, berlegt jt<b 
ber einäugige Gnglänber bpn Schwefelbädern unb Stiefellnecbten auf tobte [Heb* 
bübnevVutee uub£af#n* unb beim ^etanitahenber SBeibnacbtStage werben bie 



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breiten ©ronitpfeiler beegteifceppe beS neuen 3*K^mfe8 p einet SRetmbahn, 
auf meldet blecherne Xrofcßfen unb Äremfer, gleich einem auf bürtet 
haibe, von einem böfen ©eift in ©eftalt eines Ußt»etfS im fimS braun geführt 
»erben, auch einblecherner ^rlänber, bewein avß bemfelben ungenießbaren Stoffe 
gebilbeteS Scß»ein an ber Verlängerung beS heiligenbeinS feftßaltenb, fich unter 
bem gleichen unmiberfteßlidw im engen 3irfeftanfr breßt* Sang feiten, 

»ie ein dornet, erfcßeint ber gungengemanbte Vorläufer von Aäbnabel*©infäblem 
unb finbet bann immer eine Angaßl anbäcßtiger 3uhörer, »eiche ihren grauen 
bie fcßon von beten ©roßmüttern. benagte „Dftafcßiae" als einen neuen Xriumpß 
beS ametifanifchen ©rfmbungSgeifteS nach häufe bringen. Xer biebere Seiet* 
faftenmann meibet ben Tempel VtammonS ober betritt ißn »enigftenS nur in 
außerorbentlicßet Lüftung. 2Benn er mit bem redeten üUtunbmintel bie $an3« 
pfeife, mit bem linlen bie glöte bläfh mittelft eines gußriemenS*baS Xambouri» 
fcßlägt, burcß gelegentliches Oiuden mit bem $opfe ben Triangel ertlingen unb 
mit frampf haften Audftößen beS ArmS eine Vaule beu Xaft fchlagen läßt/ mäh* 
renb feine männliche Diecßte bie Kurbel beS haftend breht, fo fann er allenfalls 
auch in SBallftreet pod? ein Vublitum um ftdh betfammeln. Aber er finbet gu 
feinem Seibmefen, baß eS gum größten Xheil aus greibilletten befteht, unb fomrnt 
nicht balb »iebet. 

2)aS bafttge kennen unb Xretben, »elcßeS non VtorgenS bis gegen 4 Uhr 
AachmittagS in SBallftreet ßerrfcßt, bietet feine anbere ©igentbümlidhfeiten bar, 
als bie im Aationalcharafter begrünbeten. 2)ie Sicherheit, Äürge unb Veftimmt* 
heit, »ornit ber amerifantfcße ©efcßäftSmann auftritt, hat er mit bem englifcßen 
gemein; ber beutfcße ift breiter, bebenflicßer, »entger tafcß entfcßlojfen unb mehr 
gut Argumentation geneigt. ©S hat Semanb gefagt: „Äein 2Bunber, baß bie 
©nglänber reich »erben; ihre Sprache ift fo furg, baß fte baran jeben Xag g»et 
Stunben fparen." S)cr Amerifaner fpgrt noch mehr als ber ©nglänber. ©r 
verfcßludt mehr Silben, inbem er bie betonten fcßärfer accentuirt, benft rafcßet 
unb barf in ben meiften gälten bei bem anbern ein rafdbeS, intuitives Verftänbniß 
vorauSfeßen, baS ihm geftattet, fuß auf Anbeutungen gu. befcßtänfen, »o ber 
©ngtänber fcßmerfällige ©rünbe entmidelt. Xie von europäifcßen Xouriften viel 
verfcßrieene gormloftgfeit beS AmerifanerS ift gum größten Xßeile gäbet. £>en 
$ut auf bem ßopfe gu behalten, »enn man in ©efcßäften in ein ©efcßäftslofal 
tritt, ift aüerbingS in SBallftreet ebenfo Vtobe, »ie anberSmo in Amerifa; — 
eS ift eben SanbeSfttte. Aiemanb f u <h t et»aS barin, unb baßer finbet auch 
Aiemanb et»aS barin. XerßöflicßfteXeutfdhe obergtangoS fann ingapan feinen 
hut bis gum Voben abneßmen, »enn er in ein £auS tritt; — gießt er nicht 
gugleicß feine Stiefel aus, gilt er bocß für einen groben glegel. Aber fo »enig 
er felbft ficß barum für grob halten »irb, fo »enig braucht baS ber Amerifaner 
ju tßun, »eil er über bie Vegießung ber fl:pfbefleibung gut höflichfeit fo mit 
bem ©uropäer bifferirt, »ie biefer mit bem gapanefen in Vetreff ber gußbeflei* 
bung. $ie »efentlicßen ©rforbemiffe ber £ öflicßfeit fmb: Aüdfußt auf bie An** 
flehten Anbeter, ©ebulb in Anhörung berfelben, ©eltenbmacßung ber eigenen 



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1Ö 


in Wäret, äße unnßtbigen Quengeleien abfebneibenber, aber boeb mafsPoUer urtb 
ben 5lnbem nicht oerlepenber 2Beije, — unb biefe bat ber Slmerifaner in böb^rem 
©rabe als ber (Snglänber, ober 2)eutfcbe. ©ot bern fttanjofen jeiebnet er fid? 
bureb ©ermeibung beS läftigen UebermafjeS niebtsfagenber ^öflidjfeitspbrafen 
aus. 

Hbgefeben Pon ben Umgangformen, bricht nicht feiten bureb baS anfebeinenb 
fo falte unb felbftfücbtige Treiben unb Sagen nach ©eminn, beffen £ummelplafc 
bie SBallftreet ift, bie ebelfte ©genfebaft beS amerifanifeben 9totionalcbarafters3, 
ber uneigennützige, opferfreubige ©emeinftnn, in überrafebenber Stärfe brroor. 
3n ben erften Stabien beS ©ürgetfriegeS, als bie Paterlänbifcbe ©egeifterung in 
mächtigen glammenfäulen jum ßimmel emporloberte, mürben auch bie Gomp- 
toirS unb Scbreibftuben ber SBattftreet baoon burebglübt. S)ie 3abl ber jungen 
©anfierS, ßaufmannSföbne, ©ucbbalter uub Sommis, melcbe bamalS ju ben 
SBaffen griffen, ift nicht gering, unb ber 9tame feines ooii ihnen ift mit Unebre 
genanht morben, mäbrenb manche fleh bureb Xapferfeit unb gäbigfeit 2lcbfel- 
Wappen mit bem filbemen ober golbenen 2lbler ober gar mit bem Stern errun¬ 
gen haben. Unb maS bie ©eifteuem in (Selb betrifft, fo bat ffiattftreet pottauf 
fo piel unb pietteiebt mehr gegeben, als auf feinen Xbeil fiel. 2Iu<b ju 
ben büfterften 3*iten bjer mit ber Rebellion Perbünbeten Agiotage brauchte man 
in SBaUftreet niemals nach aufrichtigen unb energifdjen Patrioten $u fueben. Un- 
pergeblicb aber in ber ©efebiebte nicht blofj ber Stabt 9tem*2)ort, fonbern ber 
SHepublif mirb jener 3. Slpril 1865 fein, als tie Nachricht Pon ber ©nnabme 
©iebmonbS eine ©erfammlung Saufenber pon ©anüerS, SRbebem, SBecbSlern, 
Äaufleuten, (SommiS, ttRaflem, 2lboofaten Por bem alten ©örfengebäube in ber 
SBallftreet $ufammen§auberte, bie ber amtlichen Slntünbigung beS groben Sieges 
her Nation mit betäubenbem Subelgefehret antmortete, aber als eine mächtige 
Stimme jenes Sieb anftimmte, melcbeS für bie ©npftnbungen beS SlmerifanerS 
benfelben Sinn bat, mie für bie beS $eutf<bcn SutberS emiger Gboral, im feier¬ 
lichen, taufenbftimmigen 2)tännergefange einfiel: „Praise God, from whom 
all blessings flow.“ 


ras 


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11 : 


'Heber b$0 lieber. 

Von ®r; SB. ©etttam. 


2>iefer 2tu3brudt tä&t ftdb bis in’S 12te Sabrbunbert äurüdtfübren, tn bte 
Seit, mo fitöfter bie Vflan^ftdtten be^ gelehrten SBiffend bitbeten, mo ^eibnifcbeS 
ftdb unb ©brijtlidbeS in enger Vermifdbung befanben unb wo Virgil unb $ora§ 
inben geiftlidben Spulen neben VtofeS unb SobanneS gepflegt mürben. üDtit 
bem s Jtomani3muS, ber unfer nationales Seben fo bielfadb gefdlfd^t bat, fant 
•auch baS 2Bort lieber aus bem Satein §u uns herüber. 2)enn baS lateinifdbe 
SBort febris (Sieber), melcbeS burdb eine Verfepung ber Vudbftaben, aus forbis 
entftanben ift, ftammt non ferveo, ich glühe, i(b matte, unb fdblieht ftcb fomit 
an baS griedbifebe 2Bort pyretos an, metdbeS, non pyp (baS S^uer) abgeleitet, 
ben 3uftanb ber Seuerglutb auSbrüdtt. Sonberbar genug nimmt ftdb baber für 
$>en, meldbem bie ©efdbidbte ber Spradbe unb bie Söuqeln ber 2Sorte offen liegen, 
unfer falteS gieber aus. 2lber es ift au(b ein fonberbareS $ing, bieS (alte Sieber! 
2fleint man bodb mirtlicb, bah erftarrenbe fialte unb glübenber ©raub barin mit 
einanber gemifdbt feien; mdbrenb $anb unb Suh unb ©tim eiftg anjuf übten, 
fmb, jebrt ©lübbifce an ben ßingemeiben. SBeldber ©mpfinbung foll Titan glau* 
ben, ber äuberlidben, bie Seber mit fühlen fann, ober ber innerlichen, bie nur ber 
gemarterte firanfe mabr nimmt? — SBeldje Vejeidbnung ift bie richtigere, bie 
germanifdbe, melcbe ben febmeren Anfang beS SeibenS feftbatt, ober bie betlenifdbe, 
meldje bie Störung in ihrem Verlauf mieber giebt? 2ttebr als jmei Sabrbunberte 
ftnb baruber bingegangen, ebe biefe Sragen enbgültig beantmortet merben tonn*« 
ten. 2)a3 Veoba<bten ber Vatur ift gar ferner, unb bie blofjen Sinne fmb oft 
febr trügerifibe SBerfjeuge. Sehr langfam, burdb bie Slrbeit oieter, einanber ab* 
töfenber ©efdbtedbter, merben bie Mittel unb 2Bege gefunben, meldbe ein fpdteS, 
menigftenS in ber (Srtenntnih glüdflidbereS ©efdblecbt gum 3iele führen. 3u allen 
3eiten haben bie befferen Slerjte ftdb eifrig bemüht, bie medbanifdben Vlittel, 
meldbe bie fortfdbreitenbe £e<bnit jebem (SinfiCbtSoollen §ur Verfügung ftellt, für 
ihre 3tuedte, bie (Srforfdjung unb Teilung bon firanfbeiten, §u benupen. — SRic^t 
menig b^ben fie burdb eigene (Srfinbung bergeftellt. 2lber ber ©ebraudb führt 
audb febr teidbt jum ÜJtifjbraudb, ber ©eminn verleitet oft §um 58ertuft! So ge* 
fdbab e$ juerft mit ber Uhr. — Sdbon lange batte man ben *ßuls gefühlt 
unb gejdbtt, unb man muhte, bah er in fieberhaften firantbeiten bon grober Ve* 
beutung fei. 2113 man in ber Uhr ein fo ftcbereS SBerfjeug fanb, um bie 3abt 
ber VulSfdjtägt in einer beftimmten 3*iteinbeit ftdber feftjuftellen, unb eine ju* 
berldfftge Vergleichung jmifdben früheren unb fpdteren VulSbeftimmungen §u 
madben, ba berlor ftdb mehr unb mehr ber ©ebanle, bah baS Sieber eine ur* 
fprünglidbe unb mefentlidbe Vejiebung ju ber SBdrme beS fiörperS habe. Viele 
begnügten ftdb bamit, bie $anb be3 firanten $u faffen, mit ernftbafter SDtiene bie 
Uhr ju jieben unb ben VulS §u fühlen. S^ fl* fear Sieber gleidbbebeutenb mit 
Vermehrung ber $uföfcbldge, unb ba nun jeher SßulSfdblag einer 3ufammen* 


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jiehung beS ^er^enS entfpricht, fo feiert lern Schlup natürlicher, als baf* ba£ 
gieber feinen wefentlichen Sip iw «geqe* unb tu ben Gefaben habe.—®eraume 
Beit ging bin, ebe wan ju ber \Wß b»S Thermometer fügen tonnte. Slber faum 
war baS Thermometer burch bie ^Bemühungen unfeteS-SanbSmannS g ahren- 
btit hergefteßtj, als eä auch Won bie 2let#e gut (Srfocfchung bet Äßrpertempe* 
ratur in H«me*h*ng jogen. Tab fo enblich *Hüerläffige Thatfachen §ufammen- 
getragen würben, weWw bie gieberftage ihrer (Erlebigung ^führten, ift roefent* 
Itd) ein SBerbienft bet beutWen SBiffenfchaft. SBir wiffen je|t, bah au<b im gie* 
berftoft bet körbet glüht, unb bah nur bie Oberfläche jene (Erfältung erfährt, 
welche ben Äranlen felbft unb noch mehr feine Umgebung tauften lann. 3Bir 
miffen je$t, bah bie mittlere Äornertemperatur gefunber üRenfchen jmifeben 
36 unb 37 ®rab beS hunberttheiligen Thermometers W^antt 

3[n ber (Erzeugung unb (Erhaltung biefer Temperatur ift berfiörper nur jum 
Theil abhängig oon ber äußeren SBärme, »eiche ihm als foldbe unmittelbar ju** 
tommt. Tie umgebenbe Suft fann fuh upt oiele ®rabe erhifcen ober erfälten, 
unb hoch ift ber Körper im Staube, feine (Eigenwärme §u behaupten. 30 Grab 
mehr ober weniger in ber Atmosphäre änbem bie (Eigenwärme beS ÄorperS oft 
nicht um | Grab. TaS Gefühl beS Äalfe ober SBarmfeinS ift gar fein Riabftab 
für «bie mirflicbe Temperatur beS Körpers; eS bejeichnet nur ben augenblicflicben 
3nftanb ber fautneroen, am häufigften bie (Empfrnbung ber Tifferenj, unb 
Won fo begreifen wir eS, bah ber gieberfranfe bei berfelben SBlutmärme baS 
eine Rial groft, baS anbere Rial £ipe empfinben fann.— So fehlest ift eS 
mit unferem SBewubtfein beftettt, bah wir häufig ben äuftanb unfere» eigenen 
SeibeS ohne tecbnifcbe ^iilfSmittel nicht abjufchä^en miffen. UnoollfommeneS 
Gefchopf, wenn eS fuh auf feine Gefühle, feine Ahnungen, fein blofceS SBemubt* 
fein oerlajfen will! Unb boch wie ooüfommen, wenn bie Won georbnete 
Rtechanif feinet Seiber ohne fein eigenes SÖiffen in regelmähiger Arbeit ift, 
wenn alle Regulatoren wirten! Sinft bie äuhere Thätigteit, fo beginnt bie innere 
Thätigteit ber Organe. 2Bie in einem Ofen, oerbrennen bie Stoffe; bur<h bie 
Sungen bringt baS ^hlogifton, bie brennenbe £uft, ber fogenannte Sauerftoff, 
ein, unb ebenfo entweicht bur<h fie ber größere Theil ber uerbraynten Stoffe, in 
gotm bon lohlenfäure, wie fie aus bem Ofen entweicht nachbem baS ^plj in 
£uft oerwanbelt ift. — So erwärmt fich ber üorper. — Steigt bagegen bie 
äuhere Temperatur, fo treten bie Regulatoren in Sßirlfamfeit, um bie innere 
(Erbifcung nicht überhanb nehmen $u laffen. Tie£aut beginnt feucht $u werben,, 
bie oerbampfenbe geuchtigfeit binbet Spänne, ber Körper lühlt fich trofc ber 
heiheren Umgebung ab. Ter Turft erwacht, wir nehmen fühle# Getrauf, 
welches nicht nur burch feine niebere Temperatur.wohltätig einwirft, fonbern 
auch ber $aut neue SBerbampfungSflüffigfeit jur Verfügung, ftellt, So bollfcm* 
men arbeiten biefe unb anbere Regulatoren, bah jenes Gleichgewicht ber gunf* 
tionen, welches baS ®efühl beS SEBohlfeinS erzeugt, auch unter ben ungünftigften 
SSerhältniffen eine ziemlich lange 3«t erhalten werben fann. Tie natürliche 
(Eigenwärme ift alfo feineSwegS, wie hielten meinten, eine eingeborene, gleich* 


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fcmt eine SRltgift ber ©ötter, «ttb formt felbft ; fte ift auch nicht ein tm* 
aufßörlich erneuertes ©efhenf bet Sonne, jenes guten ©effenS, baS unferet 
©rbe als unentbehrliche Wärmequelle bient, fonbem fie ift ein felbftftänbigeS 
©rjeugniß beS Körpers, ein Arbeitslohn thätiger Organe. — Unb nicht allein 
bie Vßärnte beS gefunben SeibeS ift es; auh biegiebergluth beS trauten Körpers 
bat feine äußere OtteHe; auh fte ift ein ©r^eugniß innerer (bemifeber ttmfeßun* 
gen ber Stoffe, ber AuSbruä eines tt>trflid^ctt inneren, VranbeS. Ttiefer ©raub 
aber oerjehtt nicht bloS bie oon außen mit ber Nahrung eingefübrten Stoffe, 
fonbent er ergreift bie ©etoebe beS Körpers felbft; Je fdjtoerer baS gieber, um 
fo fcbneller jebrt eS, um fo früher fommt jene fo erfcbrectenbe Abmagerung, 
toelche ben lange anbauemben giebern beu tarnen ber gehr* ober heftifhen 
gieber gegeben bat. 

2Benn man treib, baß ber SRenfh in bet eißgeu ©olarjone, too baS Quecf* 
ßlber gefriert, unb in ber bömnben ©luth ber Stoßen, too bie Sonne ihre 
Strahlen {entrecht auf ben Scheitel wirft— feine mittlere 2&ärme behaupten 
fann, fo fhlteßt man leidet, bab in bem gieber ni#t fo febr bie Temperatur* 
grabe beS Körpers abtretd^enb fein fönnen, als vielmehr, bab bie Regulatoren 
eine Störung erfahren haben müffen. Unb in ber That lehrt uns baS Thermo* 
meter, bab in ber Rtehrgahl baS gieber bie Körpertemperatur nur bis 38 unb 39 
©rab beS h«nberttheiligen Thermometers, alfo um beiläufig 2 ©rab, fteigert unb 
bab nur in ben fhwerften Reroen* unb &>e<bfelftebem, fotrie in manchen ©nt* 
jünbungS* nnb AuSfchlagSfiebem bie Temperatur beS ©luteS 40 unb 41 ©reib 
erreicht, alfo 3 bis 4 ©rab über baS natürliche Mittel ftd? erhebt, S)emto<h ift 
febon tine fo geringe Steigerung ber inneren Temperatur faft unerträglich; ber 
Turft rnirb unftillbar, bie ©ruft hebt ftch immer fchneller, um tühlere £uft ein-pt* 
fangen, baftig arbeitet baS $er$, unruhig toirb ber Körper hin nnb her geworfen, 
ber ©eift toirb- aufgeregt, toibettoillige ©ebanfen erheben ftch in immer unge* 
ftümerem ©ebränge, immer mehr ber Selbftbeftimmung endogen, unb enblih 
erfchöpft ftdb ber organifche ©au in feinen innerften ©eftanbtheilen, toeil bie 
Regulatoren nicht auSreichen, bem fortfehteitenben Verbrauch ber Körpergetoebe 
genugenb ©inhalt §u tßun. 

liefern Verbrauche fo früh als möglich entgegenjutoirfen, ift bringenb unb 
nichtig. Sutoeilen gefchieht bieS fchon freitoillig. ©in folcheS ©reigniß hat man 
bie ©ntfeheibung (KrifiS) genannt, unb als ©eifpiel bafür bient namentlich baS 
falte gieber. 3p biefem nämlich feßt fuh jeber gieberanfall aus brei regelmäßigen 
Stabien ptfammen. ßuerft empfinbet ber Körper bie eingetretene Störung als 
groft; bann fommt bie ©luth su freier ©rfheinung; enblich folgt ber Schmeiß, 
unb mit ihm bie Ktife, unb barauf oft eine lange ßeit beS RacßlaffeS, bis in einem 
neuen Anfall berfelbe Verlauf ber Stabien ftch toieberbolt. T)a nun aber ben 
meiften giebern ettoaS oom Söechfelfieber anhaftet, unb bie meiften ein beftimm* 
teS regulatorifcheS Stabium erfennen laffen, fo mußte fuh natürlich ben alten 
Kerzen bie große ©ebeutung ber Krifen, toie fte biefelben einmal aufgefaßt hat* 
ten, immer toiebex oor klugen (teilen. Rur ift ber Schmeiß nicht immer baS 

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Seiten eines wirffuhen !Rad^laffe^. 3n ben Be^rftebctn bauert ber innere 3**- 
ftörungsproseß fort; auch währenb ber kraule in Stfociß jerfliefjt, unb in 
ben SRerbenfiebem folgt einem Stüttelfroft oft wotenlange £iße mit abwedh- 
felnbem Steigen unb galten ber Temperatur; unb wenn nat langer, langer 3eit 
bie tritiften 2luSfteibungen fommen, fo fmb fte nicht fowohl bie DRittel ber 
©efferung nie bie folgen berfelben. — Ueberßaupt labt fit bie berwidelte 9Re- 
tanil beS gieberS nur begreifen nenn man bie eigentümliche 2Retanif beS 
ßörpcrS erftaut.. ÜRan barf ftch ben Körper nicht benten als eine in fit tobte 
SRaffe, in weite, nie bie ©rieten fagen, ber #aut (baS Sßneuma), ober nie 
Pie alten 3uben eS auSbrüden, ber lebenbige Obern eingebt, um ^lUeS in Thä* 
tigfeit ju feßen. 9lut barf man fit ben Körper nicht Dorftellen nie eine 
eigentliche ÜRaftine, nelche bie Seele nach ihrer Slbficht unb ÜBüifür regiert, 
©tan muß im ©^gentbeil ben Seih als einen bielgliebrigen, burt unb burcp be- 
lebten Organismus auffaffen, beffen einzelne Theile allerbingS mechanifch arbei¬ 
ten, bon benen aber hoch jeher einseine sugleich ben ©runb feiner Tßätigleit, 
baS Sehen, in fleh felbft hat. ©iele Sehen fmb hier §u einem ©efammtleben ber¬ 
einigt, biele Sonbereyiftensen, mit unabhängiger Sehens- unb SBirfungSfäbigleit, 
fmb in eine' genteinfame Sibbängigfeit §u einanber gefeßt, unb in biefer 
Slbhängigleit nerben bie einen bon ben anbem beeinflußt, jebe nach 
ihrer Elrt unb ber Slrt ber anbem. ©tante fmb höher auSgeftattet nub 
barurn ebler unb mittiger in bem großen ©emeinwefen, anbere fmb 
ftwäter, dein, arm unb bereinselt, bon fehr geringer ©ebeutung fteinbar, unb 
bot tu fielen gälten ber ©otb ftwer ju entbehren. — So ift ber Seih beS 
SDienften, beS Stieret’ober ber Sßflanse überhaupt nur ju bergleiten mit or- 
ganiften Ginrittungen, wo lebenbige, mit eigener Selbftbeftimmung begabte 
Ginselwefen mit einanber in ©esießung treten, alfo nur mit ber gamilie, bem 
Staate, ber ©efellftaft. 2lut hier flehen ja bie kleinen unb Unmättigen — 
neben ben ©roßen unb Ginflußreiten — alle als lebenbige ©lieber eines großem 
©ansen — bot jebeS mit eigenem Sehen unb ÜEBefen, mit befonberm inbibibuel= 
len SluSbrud. 5lut im Sehen ber Staaten unb ber ©efellftaft fpritt man 
beSßalb bon giebern unb bereu Irifen, um fo häufiger aber, je mehr bie natür* 
liten regulatoriften Kräfte gefeffelt fmb. 

2Bo liegen nun in ber gefellftaftliten 3nfammenfügung beS menftliten 
SeibeS bie großen regulatoriften Ginrittungen ? — Sie liegen junätft im 
©lute unb im ©tagenfbftem. 2)aS ©lut ift baS Mittel beS ©erteßrS ber Stoffe; 
in feinen ©efäßen, ben ©erfeßrSabern, ftrömt eS §u allen Theilen unb lehrt nach 
langem Umlauf, bielfat beränbert, surüd jum fersen, um bon ba wieber burt 
bie Sungen, baS große Gmporium beS ©aSauStaufteS, getrieben §u werben, 
©on bort bringt es ben Sauerftoff mit, weiter bie Stoffe berbrennt, unb baßin 
führt eS bie iloßlenfäure surüd, weite aus ber ©erbrennung herborgegangen 
ift. 2luS bem ©lute ftöpft jeber Theil feinen 3lntheü an Stoffen, an baS ©lut 
giebt jeber surüd, was für ihn unbrautbar geworben ift.' $ann man ftt ba. 
not wunbem, baß baS ©lut eine Quelle allgemeiner Storung, ber ©tittelpunft 


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tonftitutioneüer ©rfrantungen werben lann ? Sttuf oerfcfeiebenen Vkgen bringen 
fdfedblidfee Stoffe ins Vlut unb werben, inbem fie in bie einzelnen Steile gelan* 
gen, ein mddfettgeä germent für innere Serfefcung. So entfielen bie gnfettionä* 
fieber, bei benen baä Vlut ftdfe gunddfeft oerunreint, burcfe allerlei oerborbene 
Subftangen, ber ÜUiebrgabl nadfe dbemifcfee Stoffe, bie au3 ber Serfepung organi* 
fdfeer, pflanzlicher ober tfeierifcfeer Körper entftanben ftnb. der ©rbboben, bie 
2Bobnungen, bie Vabrung unb ba$ bewerbe tonnen (Gelegenheit gu folgen 3er* 
fefcungen bieten — aber auch bei: eigene Äörper tann ba£ Material bergeben, 
unb fo gu ber fcblimmften, weil gebeimniboollftengnfettion—gur Selbftinfettion, 
Veranlaffung werben. dagu geboren oiele ber fogenannten 2Bunb* unb ©nt* 
|ünbung»fieber, wie man fte befonbetö in überfüllten «§ofpitälern unb im (befolge 
grober Sdfeladfeten ftcb aulbilben ftebt. gnbeffen nidfet jebe gnfection be$ 
VlutS bringt gieber beroor. Gbolera g. 93., eine ber fdfelintmften gnfettion£* 
tranfbeiten, ift nid^t fieberhaft, bebingt oielmebr eine erbeblidfee Slbnabme ber 
©gentüärme. — die Verunreinigung beä VlutS bringt nur bann gieber, wenn 
gugleidfe ba$ -fteroenfpftem in feinen widfetigften feilen mit ergriffen wirb, wenn 
alfo oom Vlute auä bie fdfeablidfeen Stoffe in gewiffe nerböfe dbeile erbringen. 
$Run giebt e£ aber biele SBege gum ÜReroenfpftem — unb fo giebt c3 benn audfe 
mandfee£ gieber, bei bem ba3 Vlut gang unbeteiligt unb eine Vereinigung auf 
biefe 2£cife auSgefdfeloffen bleibt, dahingegen ift bagjogenannte SReroenfieber— 
ber dppbuä — gerabe eine fo auägemaepte 3t\fectionsfranteit, bafc .ocrgug§** 
weife bei ibm ber Verbadfet auf wirtlidfee Vergiftung nabe liegt. Urfprüng* 
lidfee gieber be3 ÜReroenfpftemä fmb in populärer SBeife betannt genug, dabin 
gehört oor Ment ba3 Siebesfieber — oon bem bie ©efdfeidfete ber ÜDiebigin gar 
wunberüolle Veifpiele unb ©efdfeicpten tennt. dabin tönnte man oielleidfet mit 
einigem SHedfet ba§ ©elb*, baä Kanonen*, ja fogar ba3 demotratenfieber gdblen, 
wenn bie demperaturerböbung babei pofttio naefegewiefen wäre, ©ang ftdfeer 
aber tann manbabin jenes 3eb*fieber redfenen, weldfeeS burd? überrmäbige unb 
anbaltenbe Mftrengung, fei eS törperlidfe ober geiftig, beroot$erufen wirb, nadfe* 
bem bie ßonftitution oorber erfdfeöpft, baS SReroenfpftem gefdfewddfet ift. denn 
in allen gallen tonftitutioneller Sdfewddfee, bei urfprünglidfe fdfewddfelidfeer Anlage, 
bei mangelhafter Grndbrung, bei ©rfdfeöpfung burdfe Arbeit, ift baä ÜRer* 
benfpftem gu febriler Aufregung geneigt. 2Bir fmb gewohnt gu fagen — Mf* 
regung. darunter barf man ftdfe aber burdfeau3 nidfet oorftellen, bafj im gieber 
eine gröbere Äraftentfaltung oon Seiten beS. ÜReroenfpftemä alä Siegel oor« 
tommt. gm ©egentbeil, alle gröbere ßraftentwictelung gefefeiebt nur ftobweibe — 
für febr befdferdntte 3eit — unb ift oielmebr auf eine gefteigerte DReigbarteit gu 
beziehen* ©ine foldfee ift aber oielnjebr ein Seidfeen oon Sdfewddfee ate oon 
Starte. Von oorn herein geigt ftdfe häufig ein febr auägefprocfeeneä ©efübl oon 
©rmübung unb Äraftloftgfeit. die 9RuSteln gebordfeen nur f&fer trage 1>en an 
fte gemadfeten Mforberungen, man bebnt unb ftreett ftcb wie»nach grober tör* 
perlicber Mftrengung, man ift unluftig gu jebem ©enub, man fröftelt oor bem 
leifeften Suftbaudfe, furg, man nimmt in allen feinen dfeeilen eine lebhafte Stö* 






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Tuttg wahr, meläje nicht fo fehr bie Dbeife tat ihrem eigentlichen ffiefen unb 
Sein, als nielmehr in ihren Ziehungen gu einanber trifft. DaS allgemeine 
©leichgemicht ber £h*ile ift aufgehoben, unb bamit baS ©efühl bet inneren 
Disharmonie gegeben. Diefe Disharmonie tritt halb noch ftärlct hrroor. 
Die Sufammengiehungen beS $ergenS fteigem f«h, ber ©uls wirb häufiger, 
mährenb alle anberen 2ttuS!eln träger ftnb. Jteufjerer groft fteöt fich ein, mäh* 
renb bie innere SBärme immer glühenber mirb. ffiir tömten auch leicht begrei« 
fen, marum bie Oberfläche beS ÄörperS lalt mirb, obfchon baS ©lut heiher als 
gewöhnlich ift, benn bie ©lutgefäfje ber $aut giehen fkh gufammen, oerengern 
fuh, bis nur noch fo menig ©tut in fte einftrömt, bah bie 3uftrbmung bie Dem« 
peratur ber Oberfläche nicht einmal auf ber normalen $öhe erhalten (ann. Unb 
hoch ift bie 3ufammengiehung ber ©efäfje eine Erfcpemung, koolche, toie bie oer« 
mehrte Dhätigteit beS £ergen$, auf ungewöhnliche Arbeit ber gufammengiehenben 
Dheile hinweift. 2ßie lann man barin ein Somptom ber Schwäche erlernten ? 
Unb hoch ift eS ein folcpes! Denn im natürlichen ©ange beS Gebens wirlt baS 
Neroenfpftem überall als ein üBtoberator. ES iftbiejenige Einrichtung, welche 
in bem organifchen ©emeinwefen nicht nur gwifchen ben Dpeilen oermittelt, fon* 
bent auch bie 3ufuhr beS ©luteS regulirt, inbem eS femohl bie©ewegungen beS 
£ergenS als auch bie SQöette ber ©efäjie oeränbert. ©erüerteS bie gäpigtett, 
biefe oermittelnbe ober biefe regulatorifche Dhätigfeit gu üben, wirb es in 
feinen eigentlichen centralen Elementen gelähmt, fo tnögen immerhin 
eingelne Dpeüe beS Körpers, ja fogar eingelne 3U>fcbmtte eine gesteigerte 
Dhätigleit entfalten; bie Dpatfacpe wirb baburch nicht geänbert, bah ber 
Äörpet in feinen wichtigften Dheilen, gleichfam in feinem ßern, eine 

gefährliche Schwächung erfahren hat! — 3e beutlicher ftch biefe Ueber« 
geugung bei ben Slergten ber neueren 3*it feftgeftetlt hat, um fo mehr 
ift eine ©orftelhmg gurüdgebrängt worben, welche noch oor wenigen Decennien 
bie größte Nnerfetwung fanb, nämlich bie, bah baS gieber an fuh eine heilfame 
Neaction beS Körpers gegen irgenb eine in ihn eingebrungene ober in ihm ent« 
ftanbene Störung fei, unb bah biefe Neaction in ber ßrife ihren natürlichen 
fchtuh — gleichfam ihren Sieg—erringe! Diefe ©orftellung hat nicht wenig bagu 
beigetragen, bie Slergte an baS fogenannte eyfpectetige ©erfahren, manche an baS 
blofee Sufehen, an baS 2lbwehren neuer Schäblichleiten gu gewöhnen, unb ob« 
wohl auch biefer Nihilismus fein ©uteS gehabt hat, inbem er Slberlaffen unb ber 
übe^nähigen Häufung ^ufammeugefepter gefährlicher Nrgneimittel Schränlen ge« 
fept hat, lägt ftch hoch nicht leugnen, bah er ebenfalls oiel beigetragen, bie ei« 
gentlicpe Äunft in 2Jtihlrebit gu bringen. 

©om Stanbpunlte beS gefammten Organismus, ber flörpereinhett, ober 
beffer ©emeinfamfeit aus betrachtet, ift baS gieber Weber eine Neaction noch 
Slction, fonbern oielmehr eine ©afften, ein Seiten. Diefem Seiten wirb ein 
8iel gefegt burch bie £erfteüung beS ©leichgewichtS tn ben gunftionen. Die 
oermehrte Verbrennung ber Organtheile, bie gefteigerte Dhätigleit beS $ergenS 
müjfen herabgefept, bie Schwächung beS NeroenfpftemS, bie Oerminberte Dhä« 




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17 


tiflfcit ber SecretionSorgane müffen gehoben merben. S)ic Snbtbfbualitdt beS 
firanfen, ber befonbere 3uftanb feiner Organe, bie Statut ber gieber erzeugen» 
ben Urfadje, bie 3eit ber itranfheit unb bieleS, bieleS Anbete entfcheiben über, 
bie SBabl ber ÜDtittel, melche baju bienlidh ftnb, unb melche ganz berfchieben ge¬ 
griffen merben müffen, je nach ben Umftdnben. 5)aS eine -Dtal menben mir 
uns bireft gegen bie £ifce, baS anbere 2TlaI gegen baS £erz, unb lieber in an- 
bern gatten ftdrten mir baS Sterbenfpftem ober dnbem bie Blutmifchung, ober 
erregen bie SecretionSorgane. — 2)aS ift maS man bie bipbotratifdjc Btethobe 
nennt. Snbibibualifitung beS galleS, Analpfe beffelben mit allen £ülfSquetten 
ber £e<hnit, mit aller Anftrengung ber Sinne unb beS ©eifteS, SEBahl ber Mit¬ 
tel nicht nach bem ÄranlheitSnamen, ber mit ber 3^tt mechfelt, fonbem nach ber 
(Eigentümlichkeit beS galleS. $)ie ^ippofratifd^e Btethobe bon heute gleißt in 
ben (Einzelheiten ihrer Ausführung, in ber eigentlichen ^rayiS, ber bon £ippo- 
frateS felbft geübten, überaus menig, aber in ihren ©runbfdpen ift fie biefelbe 
geblieben. Sie ift bie ©runblage ber miffenfchaftlichen ÜDtebicin, unb menn mir 
für unfere Nation baS Vorrecht in Anfprud? nehmen können, bah fte trofc ihrer 
3erfplitterung unb ber baburch auch* für bie SBiffenfchaft herborgehenben Hem¬ 
mung, audb in biefem Streben biSborberfte geblieben ift, fo bürfen mir bietteicht 
hoffen, bah eS ihr noch belieben fein merbe, auch ben praftifdhen (Etnflub, mel¬ 
den gelauterte (Erfahrungen über Seben unb Äranfheit auf bie innere Berbeffe- 
rung beS BolkslebenS auSüben tonnen, pottftdnbiger burchjuführen, als eS bor 
unferer $tit ber gatt mar. 


Jlur €rinnfrun0. 

Bon Knbolnb 


3n ben lebhafteren Strafen unferer Stabt begegnet man jefct häufig einem 
ältlichen Btanne, in einer fileibung, bie bon bitterer Armuth zeugt, ben Äopf mit 
einer alten Solbatenmüfce bebedt, beren Schirm meit über bie Augen herab- 
gebrütft ift. Seine Sinke umfafct bie $anb feiner fteten Begleiterin, eines noch 
nicht bem ßhtbeSalter entmachfenen SJläbdhenS, mdhrenb er mit ber Rechten bie 
Bleifebern, baS Rapier unb bie Briefcouberte, bie er in einem burch Stiemen ge- 
haltenfft haften auf ber Bruft tragt, ben Botübergehenben feil bietet. (Er fpricht 
babei in leifer, taum bemehmbarer Stimme, unb SBenige nur merben burch ft* 
berlocft, ihm etmaS abjufaufen. (Erft menn man ihn im ©eben beobachtet, menn 
tnan feinen fchüchtemen Schritt fleht, menn man ben forglichen Blid bemerlt, 
mit bem baS kleine Btdbchen ihn halb rechts, halb IintS zieht, um bem gleichgültig 
gegen bie ©liebmafjen Anbeter bahinfchreitenben Safttrdger auSzumeichen, ober 
bie feibene Stöbe einer $)ame bor Berührung mit bem fchäbigen Stod beS BaterS 
§u fdjüfeen, meifc man, bafj er erblinbet ift. 


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Srüge er fein ttn^TüdP mehr girr Schau, fo mürben tfmt bie unter bem Sot* 
manb eines Anlaufs gemalten ©aben reichlicher gufallen, bo<b inmitten feiner 
3totb bemabrt er bie Selbftacbtimg unb ben Stolg eines Solbaten. Hber nicht 
immer fommt er mit leeren $dnben beim. Sein braoeS Seib, baS, mdhrertb 
er bie Straften burchfehteitet, halb hier, halb bort um Arbeit naebfuebt unb 
häufig einen recht bübfeben Sohn nach $aufe bringt, gdblt bann bie ßaffe nach, 
unb finbet gumeilen günfgig«*Gent**3ettel, bie ibr üDiartin für ein paar Sehern er«* 
hoben, bin unb'mieber gar einen Dollar, ber ihm für ein $8u<b Rapier in bie 
#anb gebrüdt ift, ünb einmal begab eS fi<b, baft eine 3ebnoollarnote biebt in bie 
Gde beS ßaftenS gebrüdt mar, ohne baft ber SUnbe ober baS ÜJidbchen muftten, 
mie fte babin gefbmmen. SaS mar ibm nur paffirt an biefem benfmürbigen 
Sage, meinem Umftanb batte er biefe Sleufterung ber greigebigleit unb beS 
■DlitgefüblS eines gremben gu oerbanlen? Gr baebte lange barüber na<b, ohne 
bie grage gu löfen. Sie fo häufig, mar er auch an biefem Sage oon Mehreren 
angefproeften. ÜRicbt fein leifeS geilbieten ber bon ihm getragenen Saaren, 
mobl aber fein fcftücbterner stritt, ber forglidfte iölict beS 3Rdb<benS unb bie 
alte Solbatenmüpe riefen biefe Slnfpracben beroor. Sbeugragen unb Slntmorten 
maren faft immer biefelben — meSbalb follte benn bie Grgablung feiner Grfab* 
tungen gerabe an biefem Sage foldje grüßte getragen haben? ©ang genau er«* 
innerte er fub noch beS ©efprdcbeS, baS er am borgen, gegen baS ©itter ber 
sßaulslirdbe gelehnt, gepflogen. 

„gbr feib Solbat gemefen, unb emdbrt Gud? jept auf biefe Seife?" 
batte ihn eine Stimme aus bem ihn umringenben Sunfel gefragt. 

„ga, idb mar Solbat unb mürbe meiner S3linbheit halber entlaffen." 
„93linb! Sie, gbr feib blinb ? Sarurn fagtgbr baS benn nicht, bamit 
man’S meift ? batte ber grembe faft berbrieftlich geantmortet. „SaS ift ja ent** 
feplicb hart. Sie tarnt gbr benn gu biefem Uttglüd?" — 

„GS ift fchon lange, lange bet* 3<b ftanb auf Sache bei Gitp $oint, als 
bie Gjplofton bort ftattfanb, unb ba oerlor ich meine Gingen." — 

„Unb bieS ift Guer eingigeS Äinb ? — 

„3a, jefct ift fie mein GingigeS. geh batte einen guten, brauen gungen, 
aber er mürbe mir genommen." 

U W), er ift geftorben. Unb mfe lange ift er fchon tobt?" — 

„Gr fiel in ber lepten Schlacht beS groftenÄriegeS, bort unten in SSirginien. 
GS ift fchon lange, lange her, aber ich fann eS nie bergeffen." — 

Ser grembe fpracb nicht meiter. SaS ÜDtäbchen fab ihn in bie Safche 
greifen unb etmaS ©elb in ben haften legen, nachbem er fub ein gartet 33rief= 
louuerte auSgemäblt. Ob er aber bie 3*bnbollarnote in bie Gde gefeboben, baS 
muftte fte nkbt. 

„GS ift fchon lange, lange bet! aber mir tonnen es nie bergeffen! — hätte 
fte ben gremben noch flüftern, als er mit mitleibSoollem ßopffcbütteln feinen 
©ang fortfefcte. 


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{fr fiel m bet festen Btyafyt beB grofka StiegeB. Ifl j$on lauge, 
tätige ^er! 

Unb fo fchetnt tB nicht bem Ungtüfffichen allein, bet in ber Qmigtelt ber 
8m untgebenben Stacht fuh ber %ek unbemufjt ift, bie an ihm bahinflitfct, unb 
nach ber non ihm empfunbeneu Sauet biefer Stacht bie©eriobe feiueB ßkntö 
mifjt, foubem fo fcheint eB auch Zubern, bie nicht non einer folgen Prüfung 
betroffen feib. ©B ntufj fchon tauge, lange ^er fein. Sehen fielen mehrere ber 
Staaten* bie ft<h mit gemaffneter«fjanb mibec bie Slutorität beBVunbeB erhoben, 
abermalB mit faft ihren fdramtlichen (3ezed)tfamen belleibet ba, ja, eBgiebt bereu 
einige, bereu bamalB gebeugter rebeüifcher Sinn fdbon triebet ermaßt ift, unb 
bie nuferen beföeibenen gorberungen ber ©arantie luuftigen ©utberhaltenB 
einen menn auch nur paffieen Söiberftanb entgegenfefcen. 3* mie meitex 
Vergangenheit liegenb muj* ben ©eroohnetn biefer Staaten baB non ihnen 
begangene Verbrechen fcheinen, trenn fte jefct fchon bem faum feineB $arnifdheB 
entfleibeten Sieget trogen börfen! Sange mujj eB h<* fein, feigem bet firieg 
beeubei mürbe, benn lebt nicht bie gnbuftrie mit ungeahnter Äraft, fehen mit 
nicht täglich bie mohlbelannten Dampfer, beren gahtten bie Vebeöton unter** 
brach, alB nach ben Orten abgegangen berietet, bte unB biBhet berfdjloffeue 
geftungen marett — nach Sharlefton, nach Saranttah, nach Vt^monb unb nach 
SBilmmgton ? Erhalten mir nicht ftünblich Sepefchen auB bem ^erjen ber 
rebellifchen Staaten über Sftärlte unb geuerBbrünfte unb lobeBfäüe, mie eB 
früher ber galt mar? $6ten mir nicht heut ju Sage mehr bon Monifationen 
in 9iorb**©arolina, ron 3^ctsrpiantagen in Souifkroa unb ©aumwoüenpflan* 
lungen in ÜÄifftfftppi, alB früher rrn bem ©olbftebet ©aliforaienB unb ber 
üupferepibemie am Superior? 3a, lange mufj eB her fein, benn wo ift bie 
SMiou unferer Solbaten geblieben, mo ftnb unfere ftoljen gleiten, non benen 
jebeB Schiff jt<h einen Vamen in ber ©efchichte erfampfte, unb mer ficht in bem 
elaftifchen, fteabigen üffieftn ber VolfBmenge bie Sputen ber SSunben, bie ihr 
gefchlage» mürben? 

Ser blinbe SJtartin t>at riecht. ©B ift fehon lange, lange her, aber wir 
töiraen eB nie oergejfen. Sin manchem #etb fteht eB noch traurig auB. Ser 
Kummer hocö ba noch in ebenfo büfterm ©emanbe, mie am Sage bet Stach** 
rieht, ba| ber Vater auf bem gelbe ber ©bte geblieben fei. Manche Sippe bebt 
noch, menn man oon bem Sohne, bem ©ruber fpricht. Sort, in bet SBerfftatt, 
regt fuh nichtB, benn ben Stomen, melcher auf bem Schilbe braunen bezeichnet 
ift, trdgtauch ein fchlithtcB ©rett in ber grofjen Sobtenftabt oon ©etipBburg. Sluf 
jenem gelbe muchert baB ttnfraut, benn bie £anb, melche früher ben ©flug hier 
führte, erlaltete in ben Schanjgräben oon ©eterBburg. £ier eine ©taut im 
Stauergemanbe, bort eine Scbmefter, bie ber Kummer gebeugt. Slber in ber 
Sttitie beB lebenBftdftigen, frifchen SirlenB, in bem elaftifchen Slufförnung, ben 
bte ©efammtheit erfahren, nerfchminbet biefer Kummer beB ©meinen. Sem 
©tofktrtigeft gegenüber, baB man errungen, fragt man nicht mehr na$ bem 
Umfang ber gebrachten Opfer. SaB post calamitatem memoria estalia 


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calamitas gehört ben «men an, beten Herjen burb inbtoibueUe Setlupe be* 
fcbwett fmb. $a« Soll al« ein ©anje« bat nur bie Grinnerung be3 Sbanbfled«, 
»on bem e« frühen behaftet war, nur bie Gtimtetung bet $emütbigutigen, bie e« 
frübet »on bem Süben etfabten, unb fagt ftb, bab ba« Slut ni*t umfonft ge» 
flojjen, auf beffen Strömen bie greibeit übet unfet ganje« 2anb getragen 
mürbe. 

3ft e8 benn fo lange b«? 

Klocb fmb nicht neun «Sonate »etfloffen, feitbem ©tantö eiferne Sauft bei 
Slppomatoj Gourtbaufe bie Serrätber nieberfcblug, nicht jrnölf, feitbem biefe ficb 
nob bem trügerifb*« ©lauben bingaben, bab fte eä »ermödjten, ihre Selbft* 
ftdnbigleit burdb baä Scbmert ju fiebern. 3ft benn bet büftere Ginbrud fbon 
»ermifbt, bet ftb ber ganjen Station mit bem Seginn bei Sabre« bemächtigte, 
atö Sutler unb SBeifcel Sott gifbet unoerriebteter Sache ben Süden lehrten unb 
beä Sübenä ftolje Uebetjeugung regelrecht unb bolumentarifch beftätigten, bab 
SBilmington auch fortan ben englifchen Slotabebrebern ein fwhereä Slfal bieten 
merbe ? Steilicb, ber Ginbrud »etlot an Stärle bureb bie ihm »orangegangen, 
beten lein gia«lo, leine Säufbung unferet Hoffnungen un« entließen 
lonnte. Sbeman mar mit feinen madem Sungen burb ©eorgia fpajiert, 
batte »on ben Legionen, mit benen Hampton unb SBbeelet unb anbere Äorppbäen 
beä Sorben« ihn ju umfbtoirren »orgaben unb ihm fbmere Sblabten geliefert, 
haben moüten, leine gefeben, batte in ©eorgia aufgeräumt, bajj ben Spaniern bie 
Slugen übergingen, bi« Seauregatb bei bem Satte feine« Sater« fbmut, ber» 
gleiben lönne nur burbOceane »on Slut gefübnt m?rben, batte enblib unferem 
Sincoln ba« ariftotratifbe Saoannab ium SEeibnabtäpräfent gemabt unb fab 
bort je|t sufrieben unb ungefäbrbet. 3a, mehr nob, brühen, im »errätberifben 
Senneffee, mar Hoob, nab See ber ©röfite unter ben ©toben, »on 2boma« arg 
mitgenommen, mar böflibft eyfubt, Pb »on Safbüiße ju entfernen unb mit ber* 
ben dritten regalirt, bi« et ben breiten Slub, bet ben Samen be« illoyalen 
Staate« führt, jmifben fib «nb feinen Serfolger gelegt. Sur ein Srittbeil bet 
rebellifben Slrmee erreichte ba« fbüfcenbe Ufer, unb ber Sblag, melber Hoob 
»emibtete, lertrümmerte aub bie Snfurreftion im fffieften. 3n frifben, ja in 
feurigen Subftaben follten biefe Greignijfe »or Sebermamt« Slugen fteben, benn 
fte maren bie grübte ber gröbten Opfer, bie fib je ein Soll aufgelaben, bie 
Srübte be« SSutbe«,ber Slu«bauer unb ber Selbftoerleugnung einer Sation, bie, 
imgtieben gemiegt, bet Sehren mehrerer Sabre beburfte, be»or fte ben Grnft be« 
Kriege« etmeffen tonnte. 3ft e« fo lange her, feit Sherman unb Sboma« ftb 
um ba« Saterlanb »erbient mabten, bab bre Sbaten nibt länget lebenbig in 
unferm ©ebäbtnib f***b ? 

QA ift un« al« trüge felbft jefct nob ba« Gbo un« ben Sonnet ber ©e* 
fbü|e iu, ber bie erfte grobe Xbat be« neuen Sabre« bejeibnete. ©runten, an 
bet norbtarolinifben ßüfte, pobte e« abemal« mäbtig an bie 2hore »on gort 
gifbet. S Dr ter lag brauben auf bem erzürnten SSeer ; Serrp ftanb mit feinet 
Hanbboll filmte auf ber Sanbbüne, »on melber au« ein halbe« ©ufcenb gört« 



2t 


bie ©nfahrt nach ©ilmington beherrfchten. 3W<ht$ mehr bon gigantifätn $oU 
lenmafchinen, burch bie 33utler bem geinb gu imponiren berfuchte; fort 
mit ben Regeln ber ÄriegSfunft, bcnen gufolge 3Bei^e( baS gort als unein* 
nehmbar begegnete. Unb bift bu mit Äetten an ben Fimmel gefejfelt, bu follft 
unfer fein, hieb eS, unb mancher 93rabe lieb bort fein Hergblut, aber baS gort 
loarb unfer. Seht nur, knie bie gähne fuh port fenft, unb mie eine anbere, baS 
Sternenbanner, emporfteigt, um ber ©eit gu fagen,bab auch hier bie Macht ber 
fRebeQen gebroden, unb bab Ontel Sam ben Schlüffel gu ©ilmington in ber 
£af<he fragt, ja um ber ©eit auch gu fagen, bab eiferne bergen bie auf bie 
Erfahrung bergahrhunberte geftüfcten Regeln ber SriegStunft umgeftürgt haben. 

So ftanben bie Sachen gleich nach Slnfang beS neuen gahreS. Sie SU 
tuatiou mar berheibenb, bo<h nicht ohne ihre Schattenfeiten. ©dhrenb ber 
SRorben nach beenbeter fprdfibententoahl einmüthig baS föefultat acceptirte, unb bie 
in ihr berfplitterte Energie toieber ungeteilter gortfepung beS Krieges toibmete, 
todhrenb überall in ben greiftaaten fich bie frdftigfte Sttegfamlett entfaltete, unb 
ber burdh bie StuSfuht einer Aushebung unterftüfcte SRuf nach greitoiHigen toie* 
herum ettoaS bon ber alten Shätigfeit in biefer Dichtung hetborrief, mar auch 
ber Süben nicht trage, trugen fuh auch bie Gebellen nicht mit einem falfchenSU 
djerheitSgefühl. «&ier hieb eS • 9iur noch ein frdftiger Stob, unb bie 
Autorität beS SBunbeS ift toieber über unfer gangem, toeiteS 2anb ^ergefteUt; 
bort: 9tur noch <5ine entfehiebene ÜRiebexlage beS JtorbenS, unb bie Gonföbera* 
tion hat ihre Unabhdngigfeü errungen. 

ßrftereS hat fuh als toahr ertoiefen; für Se^tereS toar toenigftenS bie Mög* 
tichleit borhanben, bab eS fuh bertoirfli$en lonne. Sie gähtgfeit beS JtorbenS 
toar niemals fchtoerer geprüft toorben als todhrenb ber acht Monate, bie (Srant 
mit ^Beginn bon 1865 auf feine birginifche Campagne bertoenbet hatte; acht 
Monate mit gehnmal acht blutigen Schlachten, unb gehntaufenbmal acht lobten 
unb SBertounbeten. ©ohl toar biefer berhangnifjbolle unb ereignibreiche Seit* 
raum ein harter Sßrobirftein für bie SluSbauer beS Porten5 getoefenl ©ie biele 
Hoffnungen hatte er getdufcht, toie biele geregte (Ermattungen betrogen! 23alb 
foHte baS feinbliche Heer umgingelt, halb gar pernichtet fein, unb föichmonb toar 
nach jebem touchtigen Schlag in unferer £anb. So hieb e$. Slber tro^bem 
fah mau aus bem ßampfgemühl ben geinb in georbneten Leihen herborgehen, 
fah feine gelichteten Schaaren ein Gibraltar berlaffen, um ein gmciteS gu begie* 
hen, fah ihn am jeben gubbreit 2aubeS lampfen mit bem unerfchütterlichen 
©egner, bis, beS ©ürgettS mübe, greunb unb geinb ft<h hinlegten auf ben 33o* 
ben, um ben fte fchon fo biel Hergblut bergoffen. Ueber ftebengig Meilen er* 
ftredte fuh biefer toilbe, fürchterliche $ampf unb entbrannte aufs -fteue unter ben 
©allen ber Stabt, um bereu toillen SRorb unb Süb ihre befteit Sohne geopfert, 
konnte man ba bie Hoffnung beS geinbeS eine gu fanguinifche nennen, bab 
ber Soeben, toenn er fein Heer nach folgen Prüfungen unb folchen ^erluften 
«ine gewichtige SZieberlage bor föichmonb erleiben fehe, toenn er erfahre, bab 



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alte 0)}-er betge&Iich gebracht feien. 2HkS lieber bon Säuern angefangen merben 
muffe, feine Aufgabe als unausführbar anfeben unb ih* entfagen mürbe ? 

So hotte beim, in biefen golbenen Xtdumen fich miegenb, auch bet 
Süben gerüftet. Gr hatte bie lebten ^uffSinittei ecfchJpft, hotte 2UleS auf’S 
Spiel gefept, benn eS maren bon ihm einem Element Waffen angeboteit, mekheS 
er bisher nur mit SRifctrauen betrachtet unb häufig eine leicht crtldrikhe gimh* 
bor ihm gedujjert hotte ■— ben Sflaben. GS mar ein Gyperiraent, bejfcu Sie* 
fultate nicht mit öeftimmtheit oorauS^ufehen maren. mtjfeti mir, maS 

eS gefrustet, »iffen; bafi taum eine ÄorporafSgorbe bon Säaben für bie Silo» 
berei iämpfte, aber bamalS muhte man ba$ nicht 2Benn logifdjen Folgerungen 
i bertraut merben tonnte« fo muhte baS Gyperiment nicht allein fehlfchiagen, fon* 
bern ftch fogar jum Skuhtheil ber SHebeUen geftalten, aber logifdjen golgerungco 
mar mdbrenb beS Krieges burch unleugbare Slbatfacben fo häufig <&ob« gefpro* 
dhen, ba6 man fich nur ungern auf fie betliep. 2£ie, menn bie Sflaben 
ihrem ^ntereffe unb ber gefunben Vernunft ebenfo in’S Gefich* fd&lucjen^ mie bie 
Stlabenhal t er eS gethan, als fie fich miber ben öunb auflehnten, mie, 
menn fich ein grobes Stegerheer mährenb biefer SJtonate geftaltete wnb fich mit 
berfeiben £obeSöerachtung für bie Gonföberatiou fhlug, mie Siegerregimenter 
eS für beniöunb gethan? 

Unb biefer, menn and? fehr entfernt liegenben SJtögJtchfeit, mie auch ber 
abfoluten Sicthmenbigfcit, bie gtage bet Ueberlegenheit in turgefter 3^t gu ent 
fcheiben, muhten bie Lüftungen für ben gelbgug bon 1865 entsprechen. 2£aS 
bisher gefchehen, muhte tleinlich erfcheinen neben ben SBorbereitungen beS jepi* 
gen SJiomentS. Giner SJtillion — fo hotte Grant gejagt — einer SMiliion 
SJtenfchen beburfte eS, um bie' Gonfoberätion ju ftürgen, unb fchon ftanb fie faft 
bottgdhlig unter ben Söaffen. Gine SJiiliicnl gaft jebe gamil e uuferer grofreti 
StepubUf mar in ihr bertreten, faft in jebem $aufe fehlte Gatte, Sötuber ober 
Sohn. SBie gigantifch baS ÄombinationSbermögen* baS eine folche SJtaffe 
birigiren tonnte, um fie auf allen fünften ber Sache beS iBaterlanbeS nüfclich $u 
machen l 2)enn an Arbeit anallett Junten fehlte eS nicht, nur bah eS, mie 
ber blinbe Martin fagt, fchon fo lange, lange her ift, bah man eS bielleicht fchon 
bergeffen hot, maS noch $*■ thun übrig blieb. 

SBir hotten nicht nur ben geinb ju befdmpfen, fonbem mir hotten ihn auch 
gu untermerfen. £atte Shernun’S SJhrfh burh- Georgia bieS ergielt, unb 
mar nicht bielmehr ber $ah ber bortigen SBemohner gegen bie 55unbeScegierung 
burch bie nothmenbigen SSermüftungen, melcher biefer gelbgug mit fich brachte, 
bis jur mahnfinnigften SBath gefteigert morben? Söx hielten bon Georgia nur 
Sabannah unb bejfen nachfte Umgebung, buch ber übrige $heil beS Staate 
‘ fpottete unferer Autorität. 2$on SBirginien befahen mir bie $dlfte feines $ctrU 
toriumS, hoch nur in unb um Gity $oint erfreuten mir uns eines behaglichen 
Sicherheitsgefühls, mährenb mir im Shenanboahthal, baS Sheriban fo glänjenb 
gemonnen, trofc breifacher Stieberlagen beS geinbeS als.berhajste Ginbringlinge, 
nicht als fraget beS GefefceS unb ber Orbnung, betrachtet mürben. 3n Storbcaro^ 

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litja Ratten mir gegen ben S#Iu| beS S a b^ 1864 biet Terrain mieber frei¬ 
mütig geopfert, baS mir früher bur# fernere Kampfe genommen, unb Sübcaro- 
lina, menn au# bur# Sherman bon Sabamtab aus bebrobt, mieS ftolg auf ben 
93cft| bon Gbarlefton, auf fein in Krümmern liegenbeS Sumter als ein ÜDto- 
nument ber Obnma#t beS EorbenS bin, bet biet Sabre binbup# ft#* abgemübt, 
eS gu bemältigen. 2Bar benn ba ni#t Erbeit genug für 3*bn*, ja für £unbert- 
taufenbe, trenn grojje £eere f#on bergebli# aufgerieben mären, um biefe Staa¬ 
ten gu begmingen ? 

Eber eS gab beren nö# mehr, glotiba mar mit EuSnabnte beS Stäbt- 
#enS Sadfonbiüe gdngli# in geinbeS Rauben, unb au# bort bitten mir f#on 
£eere umfonft geopfert, um ben Keinen, f#md#li#en Staat ber SBunbeSautori- 
tdt gu untermerfen. SSor ÜDtobile lag no# ber alte Seelome garragut; er 
batte bort f#on gar lange gelegen, benn S#iffe buben nun einmal e\ne Enti- 
patbie gegen baS fefte Sanb, fonft batte er fte f#on beraufgebra#t unb mit ihnen 
bie Strafen per Stabt bur#fegelt. Sßon Eem-DrleanS aus batten mir f#on 
berf#iebene gdufte im Sad gegen bie ftarf befeftigte Stabt gema#t, ohne eine, 
biefer Trübungen gu betmir!li#en, unb f#on befangen ritterli#e Elabamier ihr 
Mobile als ben „lebten ©raben". Sn Souiftana tonnten mir nur Eem-Orleattö * 
unb ben oftli# bom 2Riffiffippi liegenben SLbeil beS Staates als unfer anfeben, 
benn im meftli#en batten mir uns nur gu Saton Eouge unb Eat#eg feftgefefcfc 
unb fühlten uns bort ebenfo ft#er mie ber gu#S bor bem So#, baS ber Säger 
bema#t. SSon SDUfftfftppi befaßen mir nur bie glufjfeftungen, non ErfanfaS* 
bie ^auptftabt beS Staates, ober au# ein menig mehr. Sn TeyaS, bem ge- 
maltigen, aus beffen Territorium man faft fe#S Staaten bon ber ©röfse $enn- 
fploanienS ma#en tann, batten mir nur ben Keinen gled am Eio ©rattbe, baä 
ärmli#e SöromnSbille. £eere unb glottiUen tparen au# ba unnüfc geopfert 
morben, um bie Snfurgenten gu untermerfen* 

Unb menn man jefct bon SBunbeSgenerälen hart, bie längs biefeS 9Uo 
©ranbe einen neuen geinb in ber Uniform beS grangofen bema#en, menn man 
bie bor a#t OJtonaten no# tbatigen gübrer ber Eebellen als Beamte ÜJiafU 
milian’S genannt hört, menn Mobile uns feine ßabungen Söaummolle, baS 
meftli#e Souiftana uns feinen 3nder gufenbet, menn baS politif#e Sehen ber 
fecebirten Staaten ft# jefct f#on faft ebenfo mieber äufeert mie bor Sab^n* 
als ber ©ebante an eine 3ertrümmerung ber Union nur ungläubige^ Sd#etn 
beroorrief, f#eint eS ba m#t, bafi ein meiter 3*itraum uns bon ber ^eriobe 
beS 93ürgkrfriegeS trennt, bafi eS lange, lange her ift, feitbem bieS EtleS fo ganj 
anberS mar ? 

2Bie ein 2fldr#en Hingt fe|t f#on bie ©ef#i#te ber großen Tage, 
in benen bie gigantif#e Aufgabe gelöf t mürbe, bie mir gu gei#nen berfu#t. 
Kombinationen, beren S#auplafc ft# über «gunberttaufenbe bon öuabratmeilen 


I 


erftredt, unb §u beten SluSfOrtung eine SDlittion unter ben Stoffen Mt, entfal¬ 
ten fid> mit einet ©efdjroinbigteit, afö ob biefe SMilUon nur aus wenigen gigu« 
ten befiele, bie eines SleifterS §anb burcb Ställe je nach feinem Süllen lentt. 


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24 


2)ort brunten regt fi<b Sherman, flree!t, bon Sabannab borgebenb, ItnlS unb 
rechts feine gewaltigen Slrme aus, unb umfafjt baS gittembe Sübcarolina in 
feuriger Umfeblingung. SBergeblicfe ift eS, bafj Peauregarb ftd& in feinen Slbobo* 
montaben ergebt, bie ihn beS enblicfyen Siegel als fidler febilbern, bcrgeblieb, 
bafj bon Sllabanta, bon ÜDtifftfftppi, bon Soutfiana, ja bon SlrtanfaS unb SeyaS 
§u ihm ftö&t wag bort bem geinbe an Material gur Verfügung ftebt. Umfonft 
fteHten aueb bie lleinen Ueberrefte beS £oob T fcben $eereS ftcb ihm gu ©ebote — 
Sberman gebt weiter unb weiter, PranebbiHe fällt, ©olumbia gebt in gtammen 
auf, unb bann ftebt ©barlefton ftcb feiner Pefapung enttleibet, bamit biefe nicht 
abgefebnitten werbe, unb beugt ben ftolgen Staefen bor bem PunbeSbanner, baS 
Sebimmelpfennig in bie berrätberifebe Stabt trägt. Unb bamit fängt bie 
Stunbe ber Stotb beS geinbeS gu f(blagen an. Seine beiben $eere — benn 
auf gwei bat fteb bureb bie Stotbwenbigfeit ber ©oncentration jefct faft bie ge* 
fammte SJtaebt ber ©onföberation rebucirt — ftnb gwifeben Sberman unb ©rant, 
b^r nb<b bor Petersburg ftebt, eingegwängt; jeber Sag bringt ibm bie StemefiS 
jjffiber. ©S giebt no<b SluSwege gur Sinten unb gur Steebten, aber f<bon geigen ft<b 
^anbere Kombinationen, um biefe gu berfperren. SluS bem jept fixeren Senneffee 
[ v abberufen, eilt Sebofielb nach Stewbent, unb tritt ben SJtarfeb na<b Kinfton in 
baS £erg bon Storbcarolina an, wäbrenb Serrp, ber febon SBilmington begwun* 
gen unb Pragggum Stüefguge genötigt bat, aus füböftlieber Sliebtung bemfelben 
Siele gu maf(birt. Stur bem ©rftern wirft ftcb Sobnfton, beS SübenS tüchtiger 
©eneral, ber ben ©barlatan Pcauregarb abgelöft bat, in ben 2Beg, aber 
btrmag ibn nicht aufgubalten. Pom Slorbweften enblieb giebt Stoneman 
heran, wirft ftcb, aus Ofttennejfee lommenb, in baS fübweftlifte Pirginien, unb 
führt bort enblicb bureb bie 3ecftörung ber ©ifenbabn ben Schlag, ber fahre* 
lang oerfuebt würbe, aber immer mißlang. 5Do<b felbft babei läjit ©rant eS 
nicht bewenben. $at er boeb noch bem febneibigen Sberiban eine Sftiffton an* 
gubertrauen, bureb welche er baS febon morfebe ©ebäube ber Stebellion bis in 
feine ©runboeften erfebüttem will. SJtit fedjStaufenb Peitem giebt Sberiban 
auf grunblofen SBegen bureb baS Shenanboahthal unb fuebt ben geinb. ©arlp 
ift aufgerieben. Seine in bunbert Kämpfen ftegreieben Veteranen, auf hoben 
Pergrüden oerfebanjt, ftnb bort bon SberibanS Leitern angegriffen unb ber* 
fprengt. ©arlp felbft entlommt nur mit genauer Stotb unb Sberiban rettet 
weiter, fprengt hinauf bis biebt bor Spnebburg, erfebeint ebenfo ploplieb wieber 
in ber Stäbe bon Stiebmonb; aber wo er geritten, ba bietet ftcb ein Pilb ber Per* 
Wüftung, unb bie £auptftabt ber ©onföberation ftebt ihre reiebften Probiantfam* 
mem berfcbloffen. Unb wie im Often, fo im SBeften. SBilfon ift bon (Saftport 
in Senneffee auSgerüeft. Sllabama unb PKfftfftppi ftnb ber Sebauplap feines 
ffiirlenS. ©r trifft auf gorreft unb belegt ihn, unb SJtoribian, Selma, SDtacon 
unb üütontgomerp fallen in feine $änbe. SldeS, was ben Stebellen treuer,. 
SllleS, worauf fte ihre 3ulunftSpläne ftüpten, fällt ihm gum Opfer, ©in feuriger 
Kreis umgiebt bieinfurgirten Staaten, benn au<b bon Stew*OrleanS ftnb febwere 
#eereSmaffen auSgerüdt, biefteb öftlieb gieben naeb STtobile, welches unferer Kraft 


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fo lange gefpottet. $ie gepangerte $anb bei Punbel liegt auf ihren Sebenl* 
abern unb bonnert gegen i^re geftungen. 2)ie 6tunbe bet ©ntfeßeibung ift 
nicht mehr fern. 

Sie ift feßon ba. Sherman bat Storbcarofina bureßtobt, unb mit <Sd&ofteIb 
unb £errp ftch vereinigenb, ftebt et bei SRaleigb, bet $auptftabt. goßnfton bat 
ibm blutige Schlachten geliefert, bat Uebermenfchlidbel geleiftet, aber ift gefcßla* 
gen unb fueßt jeßt erf(böpft unb entmutigt eine fiebere Stellung für fein #eet. 
Momente ber unfdglicßen Spannung geben an uni vorüber, benn no<b vermag 
ein tüßner, genialer Schlag ben geinb gu retten, ober bo<b ibn aul ber gaHe gu 
befreien, in welche er fub bineingejmängt ftebt. ©nblidb atbmet man wieber freiet. 
See bat not Petersburg bie geffeht, welche ©rant für ibn gefebmiebet, 
bureß ben Sturm auf gort Steabman, buteß bal 3erreißen unferer Sinie gu 
brechen gefügt, unb el ift ibm umfangen. SDann folgen $age ber wilbeften 
Aufregung, ©rant, beißt el, fei vorgegangen unb bal Plut unferer jungen 
bünge abermall ben ©oben Pirginienl. SGBirb er erfolgreich fein, wirb bet 
©ott.ber Schlachten bielmal ber guten Sache lächeln? Pur ©erüdbte, nur bange 
SUutbmaßungen fallen unter bal Polt. ©üblich erfüllt ein gubelfcßrei bal Sanb. ' 
„3lul breitdgigem, fernerem Kampfe fmb unfere Armeen überall fiegreicb hervor* 
gegangen!" ruft bet unvergeßliche Sincoln ber Nation gu, unb je^t fühlt man, 
baß bal ©nbe nicht mehr fern. 

Peteriburg ift erftürmt, Picßmonb gerdumt. 3)er erfte unb leßte Prdftbent 
ber ßonföberation flieht bet Pacht unb ^Zebel bie «jpauptftabt. £ißig wie bet 
ßampf mit feinen woblorganifirten feeren gewefen, ift auch jeßt bie Perfol* 
gung ber Ueberrefte von See’l Prmee, bie eine Pereinigung mitgobnfton fucht. 
gebet £ag bringt eine Schlacht, jebe Stunbe einen Strauß mit ben glücßtUngen, 
bil ber gebnte Ppril fte bei Pppomatoy ©ourtßaufe verfammelt ßnbet, abge* 
fchnitten von allen SBegen, bie gu goßnfton fußten, umzingelt von ben ftegel* 
bewußten Gruppen bei Punbel, erfeßöpft unb entmutbigt, unb bort legen fte 
ihre SBaffen nieber. 

©I ift biefer $ag, ber bal ©nbe bei Kriege! begeießnete. 2Bir hören noch 
von ben ßreug* unb öuergügen gobnfton’S bil er fwh Sherman ergab, hören 
noch von bem ßantpf um Mobile, aber ber eigentliche $rieg ift vorbei, ©in 
. lutger, ungeftümer greubenraufch — bann wieber bie tieffte Trauer. Sincoln 
war ben Ptärtprertob geftorben. 2)ie verruchte £anb, welche ftch gegen bal 
Seben ber Station erhoben, gudte, all fte ftch gu fcbwach fanb, bie Ptorb Waffe 
gegen ben beften, reinften ihrer Söhne. ©I mag lange, bet fein feit er ftarb, 
fagen wir mit bem blinben Ptartin, aber wir fönnen ihn niemall vergeben. 

©r ift nicht vergeben. Sein ©eift lebt in jebem Schritt, ber uni ber enb* 
liehen SBiebetvereinigung entgegenfübrt, in bet greibeit, beten gitticbe ftdb balb 
* über jebel menfcßlicbe Siefen in unferm Sanbe erftreden werben. Sein 2ltt* 
benfen lebt in jebem bergen, fein Ptonument ift bie große, ftarle Pepublif, bir 
er gerettet, bie burdb feinen greißeitlruf gu ungeahnter Ptacßt unb ©röße empor* 
blühen wirb, unb für bie er gelitten. 


Praudßen wir noch weiter bie ©reigniffe bei jeßt beenbeten gaßrel aufgu* 
geichnen ? $ie betdubenben Pegebniffe ber erften vier Ptonate- verwifchen faft 
ben ©inbrud, ben bie rußigeren ber acht folgenben auf bal Polt gemacht, unb 
bodb waren biefe nicht minber bebeutungSvotf all fte. 2)er Uebergang von faft 
einer PUlUon aul bem triegerifeben Seben gu ben fünften unb ©ewerten bei 



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26 


griebcng; bie Statonftruttion unter ber «ganb einer halb ftarten, balb fd&ücbtemen 
(Sjetutibe; ber SBiebcranfang ber politifchen gunttionen ber abtrünnigen Staatg* 
törper; uufere Schiebungen $u bem Sluglanbe unb enblich noch bagföefultat ber 
Stabembermablen im korben, aUcS bieg gab $u ben ernfteften Setrachtungen unb 
fogar $u Sefürdbtungen Slnlajs, bie jefct übermunben ftnb. [Rüftig fcfcreitet bie 
Diepublit auf ber ihr non ber 2Rebrhaf)l ihrer Bürger borgejeidbneten Sahn bor* 
mävtg. S5en inneren geinb bat fte übermunben, benn fte bat fub für emige 3eiten 
beg 3antapfelg entlebigt, ber bie geinbfebaft gebar. $en äußern fürchtet 
fte nicht, benn fte mill nur ibr SRecht, unb (Europa ift §u tlug, eg bem Starten 
$u bermeigern. ©egenüber ben fegengreichen golgen, bie eg gebracht, mögen 
mirbegbalb bag gegen unfere (Eyiftenj gerichtete Sittentat bergeben, aber bet* 
geffen bürfen mir eg nicht, galten mir bielntebr in frifchem Slnbenten ben 
Semeig, ber in ben testen hier berhängnifjbollen gabren liegt, bafj ein SBoll ftch 
nidbt gegen bie greibeit, nicht gegen bie ÜERwtfchenrechte berfünbigen barf, ohne 
bafc biefe £bat ftch furchtbar rächt, galten mir eg in ber großen 3utunft, meldbe 
ber IRepublit beborftebt, in ben ungeheuren ^anbelgrebolutionen, meldbe biefe 
3ufunft mit ftdb bringt, ftetg bor Slugen, bab $artitular*3ntere(fen nicht foldben 
Sluffdbmung nehmen bürfen, bafj bag 2Bobl unb SBebe ber ©efammtbeit baburdh 
beeinflußt unb ber gemeinfdjaftlicbe goitfcbrittbaburdb gehemmt merben tonnen, 
2Bir bürfen bergeben, aber niematg bergeffen, bamit audb mir nicht bei ben rie* 
ftgen Umgeftaltungen, bie ber Schoofc ber Seit in ftdb birgt, ber gehler fdbulbig 
merben, bie ber Süben jept fo bitter ju bereuen bat. 

Unb bürfen mir ber Scanner bergeffen, meldbe bie Stunbe ber Statb unter 
ung erfteben lieb, um ftdb für bag Saterlanb in bie Srefche p merfen? 
Sinb bie tarnen eineg ©rant, eineg Sherman, Sberiban ober £bomag nicht 
ju tief in unfer «ßeq eingegraben, alg bajj fte »erlöfdbt merben tonnten? 
Sinb nicht bie$baten eineg garragut, eineg goote in ju frifchem ©ebddbtnib, aö 
bab mir bon ihnen ju erjablen brauchten? Sebarf eg unferer Mahnung, bab 
man ftdb auch ber beutfdben SDtanner erinnere, bon benen fo Mancher bem 
Sanbe feiner SBabl bie mertbbollften Sienfte leiftete? 3ft Sohlen bergeffen, tro$* 
bem er ben £elbentob ftarb für bie Sache ber greibeit ? Segrub man bag 2ln* 
benten Slenter’g mit feiner Setdbe, obgleich er ber (Erfte mar, ber ein Sunbeg* 
beer rettete ? Sebt ber Stame Sdbintntelpfennigg nicht länger unter ung, trofc* 
bem feine jefct ertaltete «£janb eg mar, bie bag Sunbegbanner nach ©barlefton 
trug ? (Erinnert man ftch' ber Späten Sigelg nicht mehr, meil größere Späten 
feitbem bollbracht ftnb unb Unbant bie (Errungenfchaften lohnte, bie er ber üftation 
brachte? 2Biüi<h unb Ofterbaug, bie (Einigen, bie big ang (Enbe hoher (Ehren 


tbeilbaftig ftnb, Stabei, Schürf 2£eber,'Steinmebr, graut unb ©ilfa, lauter beutfche 
tarnen, bie ftch Sluejeichnung auf bem gelbe ertämpften, finb fte nicht länger 
an jebem £erbe betannt, meil ber JUrieg borüber ift ? 

(Eg mag lange, lange her fein, feit 3b* ©uch um bag Saterlanb berbient 
machtet, aber 3b* feib nicht bergeffen. 


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Gin Sßätdjen mit norbif<fc*t SJeBiunfli 

Sen Starte 9B*fllat»b. 


cfiinfeitung. 

SSon SPcrflcttS fchönem SBunberlanb, bem ferne«; 

SGßitl ich berichten, mag ft<h gugetragen 
3)ort bermaleinft bor ungegählten Sagen. — 

D fchütfeft nicht tag «gaupt! — Son Sonn unb Sternen 
©rglangtber Fimmel bort mie hier .... Ünb $ergen, 

. Sie fchtagenbort mie hier in Suft nnb Schmerlen; 

S)ie Siebe brennt mie hier in reinen flammen, 

Unb. führt mie hier Sfermanbteg ftetg gufammen; 

Unb Sehnfitdbtöbrang bie ÜRenfchenbruft burdbfdbauert 
5Ra<h Schönheit,. bie bag Sehen überbauert. — 

Unb 3eit? mag ift ein 3ahr, unb ein 3abrhunbert, 

SBag bie SRinute, mag auch bie Sefunbe — 

2Rit einer groben ©oigfeit im Sunbe —? 

So fragen-mir ung fmnenb unb bermunbert... • 

2)fl® ©nft unb Seht, bag künftig ober borgen, 

3ft’g ni<ht gleich einem 9Beer bon fo biel Stellen? 

Stetg merben 2Renfcben lieben, leben, forgen, 

Unb fämpfenb fiegen, ober auch — gerfcheUe«* 

I. 

3« Schönheit ftrablte fie, in anmuthreicher, 

SBon Sugenbglang berflärt unb SReicbtbumg*$ra<ht, 
$ringeffm Saba! ßeine £anb fchlug meiner 
Ster Spra Saiten, feiner Stimme SPtacht 
Sännt’ je beg £örerg Seele fo bemegen 
Sag Saba’g, bie ihr Steter „^immelg^Segen 11 
Unb „SBunberperl*" unb „Sauberblume" nannte. 

2)och feltfam mar’g! Schon hatten achtgehn Senge 
Um Saba’g $aupt gerauft bie S3lüthenfränge, 

Unb immer noch in ihrem bergen brannte 

Ster Siebe geuer nicht.... ©n $eer bon gretern 

Sog jährlich cm ben #of, bag £erg boU hoffen. — 

Sie fühlten fleh bon ihrem iReig getroffen, 

Unb mühtert ft<h, ihr f<hma<htenb borguleiem. 

S)o<h ach, berbannt bon ihrem Hngefuhte — 

SBieQeidht in eineg ßerferg bunflen 3Rauem — 

SBerbüfcten fie — o f<hre<fli<heg ©erichte — 

3hr fühneg SBagnifc bann in em’gem Srauem. 


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28 


S)en Sogei Sttu tonnte fte; ihr Sekret, 

Gin meifer SWann, ergäbt* ihr einft bie Sogt; 
Serirrter äJtenfchen beilenber Selebrer, 

Serftänbiger Serbanner monier $lage, 

SBünfcht* er auch ihr nur fonnenbette Sage. 

S)o<h ba fte bat, bie Deutung ihr gu fagen, 
Äopffchüttelnb bat er ft<h rem Sifc erhoben —: 

„2BaS mär* baS Sehen, trenn nicht föätbfelfragen 
Uns blieben, unfre firaft bran 311 erproben —?* 
SBobl mannen Sraum bat fte barauS gefponnen, 

Unb Sag unb ÜRacht bat fte barob gefonnen .. ♦ ♦ » 
3)er Sogei 2lbu alfo.flog gum $imntel 

— ©cfc^redt non Sünbe, — über Salm unb Gebern. 
$ 0 $ aus ber SBolfen gldngenbem ©etrimmel 

äßarf er berab brei fchimmemb bette gebem. 

Unb trer fte finbet, fefs an 2ReereSborbeu, 

Sei’S in beS £o<hgebirgS nerborgnen Geblühten, 

3m 2 Büftenfanb, auf Klippen ober Suchten, — 

S)er ift ber ©ötter SieblingSünb geworben! — 

Unb Saba fpracb, ütbefj ein Sächeln fonnig * 

Um ihre Sippen fpielt’: „3teb aus, Sen Gben, 

— So biejj ber greier je^t, befe’ Slugen toonnig 
Gntgegenleuchteten ber gürftin Zeigen, — 

„ÜRit meiner $ulb tritt ich nicht länger geigen — 
Sieb aus für mich, auf Sterben ober Seben! 

(3trar Serge rott ron leuchtenben Sutrelen, 

Unb Slbem, bie ron (Mb unb Silber brechen 

— So hieb es — fottten feinem Sanb nicht fehlen/ 
2)o<h Saba’S Siebe lieb ftch nicht beftechen.) 

„Sieb aus, unb bringft bu eine geber triebet 
SluS Sogei 2lbu’S herrlichem ©efteber. 

So fottft bu ftegreich ror mir nieberftnlen 
Unb aus bem Welche meiner Sippen trinfen!" 

Sie #anb aufs #erg gelegt, gelobt er’S triUig, 

S)en Sehnfuchtsrollen fcheint eg leicht gu ftreben, 

Unb fei’S auch nach bem Schtrerften; hoch trie billig/ 
Serfpricht auch Saba, barrenb auf Sen Gben, 

3n Ginfamleit beS SchtrurS nur gu gebenfen, 

3 bm, trenn er trieberlebrt, ihr £erg gu fchenlen. 


Sie fchieben! — Unermüblich fchritt ber SEattet 
Bergauf, bergab .... SBie fott ich ihn beftngen 



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29 


Sen wunberbaten SReij bei Schönheit aller 
Set Silber, bie ihn Sag unb Stacht umfingen —? 

SBenn mit bei Sonne elftem $urpurftrahle 
3n ©Intb gebabet lagen Serg unb Shale — 

SBenn SlbenbS SDtonb« unb Stemenfchein baS fahle* 
®eheimnibvolIe Sicht ergoffen über fable, 
fled wilbe gelfen, — ober im ®ewitter 
Sie SBaffer toften unb bie ©ho’S fprachen ... 

Unb «nenn im Sturm, gebracht in taufenb Splitter, 

Sie ißalmen unb bie Splamoren brachen? — 

3m SRotb beS SlbenbS fonnten ft<b bie Scbaaren 
Ser Sögel, an beS gluffeS grünem SRanbe, 

Sluf [Riffen unb auf §öb’n, allein, ju paaren — 

— Sann flob’n fte — aufgefcheucht — jum anbern Straube. 
Unb beS ®efieberS bunte garben ftrablten 

So jauberifbb, balb liebt unb halb im Schatten, 

Sa| fie ft<b tief in 6ben3 Seele malten, — 

Unb fpdt noch weilt er fmnenb auf ben SDlatten. 

SBobl fanb er gebetn auch von felt’nem Stimmet 

— Orange unb purpurfarb unb grün — am ®runbe, 

— Sluch weib unb violett — bodj fanb er nimmer 
SeS Slbu gebern je ju günft’ger Stunbe. — 

Unb enblich, ach! ermübet, tounben gubeS, 

Sehnt et jurüd fuh ju ber Königstochter — 

Unb bebenb hoch gebenft er ihres ®rubeS, 

Senn ihr @ebot ju halten nicht vermocht’ er. 

Sa plöfclich — herrlich SBunber bet ®ebanlenl 
Kommt ihm bie rechte Seutung jener Sage .. 
ßrfrifebt macht er ein (Snbe adern SBanfen. 

3hm fchien bab ihn ber gub beflügelt trage! — 

m. 

Ob er auf bunflent, vielverfchlung’nem Sfabe 
Sich auch verirrt mit ungebulb’gem Sinne, 

Ob er bie Stacht bunhwacht am SReergeftabe — 

®leid>viet, er forgt, bab er baS 3iel gewinne. 

Salb hielt fein IRob er an beim gürftenfchlojfej 
groh feiner frohen SDliene, eilt entgegen 
®in #eer von Sienem ihm, unb von bem Stoffe 
Sdbt et ft<h leiten auf ben fchneUften ffiegen 
8u ber Srinjefftn prunfenbem ®ema<he. 

Sie ruht auf ihres SivanS weichen Riffen, 

Unb holbefte SJiuftl leiht fie ber Sprache, 


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Senn faft fd&on ängfifich regt fnh tht (SemffTeit* 
w 2Billtommen, tapfrer $elb, fei hoch roilltommen 
gn bet Sßringeffht Saba fettem fallen ! 

SWit 2Jiuth i)aft bu bie 3rrfafyrt unternommen, 

6rgdh*e mir nun auch non beinern f 2Batlen. 

„„^rinjeffin, o bergeih’, wenn ich Sertünber 
©ang ungeahnter Antwort bin — gefunben 
£ab* ich bie-gebet nicht — oergieb bem Sünbet! 

3u bemen güfcen hoff ich gu genefen 
SSon banget Sehnfucht, benn bon (Schönheit tarnten, 
ganb ich auf meinem SBanbergug — bie Sich tun gl 
SaS war in meines 3*rgang3 stacht bie Sid^tungl 4 * 

6t fptach’S — ba war fte ihm an’S £erj gefunfen. 

„Su hftft errathen jener gebet Meinung! 

3a, bu follft mein fein, Saba bein auf 6rben, 

Surch unf rer ßerjen innige Vereinung 
Soli alles SBöft hn Reiche glüdlich werben \ n 
Unb alfo mar’Sl Unb laute gubetfldnge 
©rfchollen im $alaft unb in ben ©drten;. ♦ * 
ffiermifcht mit jenen tönten bie ©efdnge 
Sen ©benS, ben fte hoch als Sichter ehrten. — 

D wollet nicht, bafi ich ©uch frei enthülle, 

SBie ihre Seelen für einanbet glühen — 

SaS ffiort iff machtlos, wo in ©lüdeSfulIe 
3wei gleichgeftnnte ©eifter gunten fprühen. 

Sticht will ich'Saba’S Siabem unb Södnber, 

Stoch ih^eS StugeS wunberhelle Strahlen, 

Stoch @beCftem > unb prangenbe ©ewänber, 

Sen Sinnen fchmeichelnb, tunftgerecht 6uch malen; 

Segt immerhin in holben ^hantafteen 
Um ihre fchwatgen Soden golb’ne Spangen, 

Saht Stof unb Silie auf ben garten SBangen 
SDtit ihrem tßnlSfchlag tommen unb entfliehen . . ♦. 

.. . 6ntgüdt hing jebeS Slug’ an ihren Schritten, 

6in gebet ntb<hf um eine ©nabe bitten. 

Sa tritt ein Steuer ein, ftd? tief bemeigenb: 
f ,3um hohen geft maßt 3hr nicht gndbig achten 
Ser beiben ^ringen, bie im Shurrn noch fchmachten? —* 
Unb 5lÜe fab’n ftch an, beftürgt unb fchweigenb . . ♦ 

Unb inne hielten fie beim buft’gen SKahle, 

3n ihren £dnben bebten bie fötale . . . 

6r fpricht bie ®ahrheit! bei ber greube ©hören 
Soll uns beS UnglüdS Seafgerhauch nicht ftörenl 




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31 


©an fQbfe fie heraus in meine litten, 

©efibmftdten Säle! fpracb ba SabcrVSatet. 

SBö^l ju erfüBen weift ich meine Pflichten, 

Unb Seibenben bin gern i<b ein ©eratber. 

6 ie lamen fteUbig! — 0 bet©unbetbinge!!... 
3« ihrer Äetterbaft gejohlten Sttmben, 

Sa batten fie gebeftnt beS ©elftes Schwinge, 

« Unb Slbu’s anb’te gebem auch gefnnben!.— 

Siiibt elenb waten fie; mit beitem ©fitfe 
Sob’n fie ft<b um tir bem gefcftmüdten Steife. 

Stob boten fie oemubtenbem ©efdbtde, 

3 rei, ftarl unb ftolj, in ihrer dg’nen ©eife. 
©erüftrt, befdjämt, bat Saba fie, 3 U weiten, 

Unb tbe biete Sage noch enteilen, 

4 >at ©net fcbon mit Sßinfel unb ©atette 
Ser gürftin SBilb gemalt, gtei<b nadb bem Sebenj 
Ser Slnb’re brüht ben Stein aus feinem Sette, 

Unb meiftelt bie ©eftalt beS ebe(n ©ben. — 

3br werbt ju fpdt! bocft für bertor’ne Siebe, 

©0 gab’ eS beffem Sroft, als foltbe ffierfe ? 

Srum forg’, wem fte gebricht, baft ibm berbtiebe 
Ser ©enfdjenfeele eingebor’ne Starte. — 

SBobt ift’S bequem, gemeine ©ege wanbetn, 

Sodb ©ueb, 3 br ©ägblein, wahrlich ift ju ratben, 
3br nähmt ein Seifpiet ©u<b an Saba’S fjanbeln: 
.Spornt (Sure Siebften an ju ©eifteStftatcn!“ 


^onoatöfat. 

Sftjje »oit 

©8 war am 24. ©ätj 1844. 3 m Äopenbagetter Stabttbeater würbe bfe 
' „©rifelbiS" aufgefübrt. ©ie häufig, waren in einer Soge mehrere bet ©an« 
net berfammelt, weiche baS Weine Sänemart nicht ficb felbjt, fonbetn ber ©eit 
\ gegeben, unb auf bie e 8 mit »echt ftotj ift. Sa haßte aus Debtenfchläget’S 
©unbe plöftlüb ber Schrecten 8 ruf burch ba 8 §au 8 : „Sborwalbfen ftirbt!" Un* 
bermerft, imfreunblichftet ©eftalt, war ber Sob an ben @rei 8 berangetreten unb 
batte bie gadel gefenft. 3 nmitten eines ßunftgenuffeS war ber Mnftler, wet« 
«her wie fein Unberer bie ©rajie be 8 Wafftfchen älltertbumS wieber belebt, aus 
bem irbifdhen Safein gef (hieben. SSon ber ©lite feines ©otteS umringt, war et, 
ber gamilienlofe, wie im Scboofte feiner gamüie frieblkb entfehtummert. ©in 
fdjSner Stbftbluft eines fchßnen Sehens. 



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32 


SBoßl nie bat (3 eine liebenSwürbigere Grfchetnung gegeben, als Sttbert 
SBertel Sßotwalbfen. Ades an ibm war »ollenbete Harmonie, unb bodj trat et 
leinet bon Senen, welche bie ©ötter fcßon in bet ÜEBiege liebten, bocß blieb ibm 
leinet bet Kämpfe, leinet bet quälenben 3t»eifcl erfpart, burcß welche bet ©eniuS 
ftcb )um Süßt empotjufdbmingen bat. Set Soßn eines atmen islänbifdjen 
Steinmeßen, würbe et am 9. Aobember 1770 an fflorb eines Schiffes geboren, 
mit welchem feine Gltem »on 3Slanb nach fiopenßagen überftebelten. Schon 
früh machte ftcb fein Salent geltenb. 3 n golge einflußreicher ©roteltion 36g* 
Iing bet Hopenßagener Atabemie geworben, erwarb er ftcb nach ehtanbet ade 
Auszeichnungen unb juleßt bie golbene 2JtebaiHe> welche ibn p einem Stipen* 
bium berechtigte. (Sr ging nach SRom, wo et bei weitem ben größten Sßeil 
feines SebenS jubringen follte. Seine Stiftungen beftiebigten ibn nidßt, unb 
ba fte autb bei Anbern leine Anertennung fanben, begann et an feinem lünftle* 
tifcßen ©eruf ju zweifeln. 3m SEBacßen wie im Sraum fdjwebte ibm bie ibeale 
©eflalt eines 3afon mit bem golbenen Sßließ »or. 6t fucbte baS 3beal ju bet* 
lörpem, aber was er fcbuf, genügte ibm nicht, unb zehnmal würbe baS oollen* 
bete ©loben »on ber,ßanb beS JlünftlerS wiebet zertrümmert. Stoch einmal machte 
et fuh anS SBetl, unb bieSmal wagte er es, bie in loloffaler©rößemobellitte Statue 
auSjufteUen. Gano»a ging »orüber, ftußte, blieb flehen, fragte nach bem Stamen 
unb fagte: „Siefet junge Säne wirb ein grober Äünftler werben." SaS SEort 
war gefprochen, unb entjüdten JßerjenS batte bet laufdjenbe 3üngling es gehört. 
Sein 3»eifel war befeitigt, baS bem Poeten unentbehrliche Selbftoertrauen ge* 
Wonnen. £atte et »erber mit bet bitterften Armuth gerungen, fo öffnete 
fnb ihm jeßt eine beffere Bulunft, benn ein reicher Gnglänbet übertrug ihm bie 
Ausführung bet Statue in ©tarmor, ein Auftrag, bem noch weitere ©eftellungen 
folgten. ©Bäte (Sanoba bamalS nicht in Slom gewefen, hätte er bie Statue nicht 
gefeben ober nicht getobt, hätte ficb ber Snglänbet ßope nicht bafüt begeiftert, 
fo wäre vielleicht ber größte bilbenbe Mnftler ber Sleujeit in Slrmutb unb Glenb 
untergegangen. SGBie manches junge ©enie mag unerlannt unb unentwidelt 
Petlümmern, weil fuh ihm lein fotcher ©lüdsfall bietet! 

6S folgte jefct Schöpfung auf Schöpfung. Sie 3been, welche ftch in bem 
jungen Jßirn gebrängt unb ju beren Ausführung ©luth unb SDiittel gefehlt 
batten, gewannen nunmehr eine nach bet anbern ©eftalt, unb »on 3ahr ju 
3ahr flieg ber 9tuhm beS jungen Säuen, beffen ©robulttoität ans ©Bunbetbare 
grenjte unb in ber alten wie neuen flunflgefcßichte ohne auch nur einigermaßen 
annähernbeS Seifpiel bafteht. Um ben Sefetn einen ©egriff »on Sh°twalbfen'S 
3beenreid)thum ju geben, möge hier ein unooHftänbigeS ©erzeüßniß ber »et* 
fchiebenen Situationen folgen, in welchen er uns ben lleinen Amgr gießt. ©iele 
ber reijenben AeliefS werben wohlthuenbe Grinnerungen wach rufen. Sie 
fittliche unb poetifeße Sebeutung eines jeben geht aus ber Bezeichnung ßeröor. 
1) Amor wedt bie ohnmächtige ©fpcße. 2) Amor giebt £pgieenS Schlange 
Slaßrung. 3) Amor »on ben ©rajien gebunben. 4) Amor bittet 3upiter, baß 
bie SRofe bie Königin bet Slumenfein möge. 5) Amor wirft ein Step jum See* 






Jettfang. 6) Stator ttebfcft ben treuen $#nb; 7) iSJmotrafc 85ftettbejtohtger. 
<8) Stator trinlt beim StaccbuaSöein. 9) Stator hdtfdbttt tuten Sdjttxm. 10) 
Stator unb ber junge Saccftuä, Stauben ieUemb. II) Stator ata ©aft be$ SIna- 
hoeon. 12) 2Rar3 tmb Stator. 13) Stator ruft ^tarnen aad beit 6teingrunb 
Verbot. 14) Stator fammett SOtafcheta ju -einem Schmud. 15) Stator beflogt 
jub bei SktutS überben Stidj einet Sftene. 16) SenuS, Stator turtb 2ßat8 m 
ber SBerlftatt be8 SMfan. 17) Stator «mb Ahnten. 18) Stator anf entern 
Shtoatu 19) Stator fchieht *etnen ^feil oom Mden be$ ßötoen ab. 20) Sinter 
fdjreibt Supitert ©efefce. 21) ^)er lrium^taettbe Stator, tote er bte Spifce 
feinet SßfeileS prüft. 22) Stator’8 $ettföa$i über bie oier Zemente. 23) 
Stator unb ©atfpmeb .toünftlnb. 24) Stator unb $pnten iphxnen bin geben*- 
laben. 25) Stator reitet eine SSofe bar, tnbetntr bie Bornen oerbirgt. 26) 
2 kt fortfliegenbe Stator. 27) Sta»t auf ber ßpra fpielenb (Statue.) 28) 
5)ie Graften bem ©efange Slmotta kufihenb. — (S* ift pt bebanem, bah jur 
Sieto«2)orfer SBeltauäfteltang fo »eilige bon föhdrtoalbfenta unbefd)ttibit$ liebtt- 
djen töetteta gefanbt tourbetu Sie bitten mehr jur ÜRacbbilbung «ufgeforbeti 
tmb folglich m\)t «nf bk ©ntttudtang bea Sd^önbeitöftnnS ht Staterifa ringe* 
birft, ata bie GbriftaSsGhiuppc, taeldk «otr bann ptr ootten Geltung fommt, 
toenn man fte in bem Staunte fteht, für »eichen fte urfprünglich beftimmt toat, 
nämlich in ber Kopenbagcner gwaieirlitxbe. 

Shortoolbfen, ber Sohn be* Sletbeita, war ein oeüenbeter @rie$e. Seine 
Religion, ferne Siebe, fein geben, fein SUJeS war bie Sdjönheit, unb ba, too er 
biefe am reicbttdjften fanb, weilte er am ttebften. Starunt toar er lieber in 3tom 
als »Kopenhagen, unb barum »ähfte er P<h liebet ©egenftänbe au* ber grie- 
bifeb^mtf^ben, ata au* ber <briftli$en SWpthdtogie- SeinSefn* ift oieüeicht bie 
fhbnfte plaftifdpe S4?äpfang ber ÜReupit, unb feinen 3o|anni* ben Käufer farm 
man nicht oft genug betrauten; aber ba* Gbriftentbum wettt ju fe$t imSlbftra!- 
ten, Ueberfhtnlicben, unb ber achte Künfflet tratf* ein ächtet $eibe fein. 3Me 
Kenner haben fldb langft barüber geeinigt, bab ^hortoalbfett^ Sch&pfuHgen in feiner 
ffieife bem nachftehen, »a* ©ricchenlanb un* an Sfulpturen htnterlajfen hat, ja bafs 
beibe ftch laust oon einanber unterftheiben taffen. Uta $etoeta, tme ooHftänbig 
er in ben ©eift ber antifen Knttfi eingebnmgen toar, toirb angeführt, bah er ben 
fcblenben-Jtapf einer au*gegtabenen Statue anfertigte, unb birfer faft bi* aufs 
Kleinfte mit bem fpätetaufgefunbenen achten fibereinfthnrnte. 5£)amit tft nicht ge* 
fagt, bah rr ein Statbahmer ber ©rieten toar, fonbetn bah et bie Bebhtgungen 
plaftifcher Schönheit gerabe fo tote biefe erfaht hotte. $e* Sladjataneng beburfte 
er nicht, beim er hatte mehr fefbfteigene Sbeen ata er au^nführen oermochte. 
Slllein bie Figuren feinet berühmten ffleltefd : „2)er Sriumphsug Slleyanbet^ be£ 
' ©rohen in IBabploit 41 bieten bem Künftler eine unerfchbpfüche Oueüe bed Stu* 
biumd. 

SIber obgleich $eüette, hütte Shortoodbfen nie auf, fein Satertanb innig pt 
Heben, unb toar auch Statten ihm ^tr §toeiten ^etmath getoorben, fo gog ihn 
boh am fötbe bie Seh^ucht na4 2)dttemarf judkf. 9Bo er erlogen toar, ba 


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64 


woßte er auch fterben. Sie Saute, welche bei feiner SBtege getönt, foßten bero 
! ©rei« ba« lebte Sebcmobl nachrufen. Slttj 17. September 1838 traf er lieber 

i in Äopenbagen ein, wo ba« Soll ibm einen Sriumpbjug bereitete, welcher biefen 

; Sag §u bem fünften feine« Sehen« machte. 35a« ©elfiute aller ©liefen bet 

£auptftabt begrüßte ben größten Sohn be« Saterlanbe«. Seit längerer 3«t 
| b^tte er ftch mit einer 3bee getragen, bie bem Stenfdjen ebenfo febr wie bem 

! üünftler gut ©bre gereichte. 25a er nie oerbeiratbet mar unb auch fonft teine 

| Serwanbten batte, foßte feine Saturn fein ©rbe fein. Sße«, wa« er befaß, 

j woßte er bem Saterlanb binterlaffen, nnb fogarfein Staub faßte bauen teine 

2Iu«nabme bilben. Regierung unb Soll gingen natürlich mit greuben barauf 
! ein, unb bie Fregatte „ibeti«" würbe abgefanbt, um bie Skrle unb Schwebe« 
Äünftler« au« Stalien ju holen. So entftanb Xborwalbfen^^Jtufeum, ein ©ebäube, 

I welche« Siemanb betreten lann ohne ftch gerührt unb non einer böbem SÖeibe 

• angehaucht §u fühlen. Saumeifter beffetben ift ber Srcbiteft Sinbe«böfl; ber $lan 

i aber ging non $borwalbfett felbft au«. 2)a« feuerfefte ©ebdube, in feinem Seußern 

' jugleich ben ©baralter eine« Stufeum« unb ben eine« antilen Staufoleum« tra« 

genb, hübet ein Ouarree, welche« einen nieredigen [Raum umfchließt, unb in ber 
I Stitte biefe« Saume« {eben wir ein einfache« ©rab mit bem Samen be« Äünft« 

| ler«. 

j 3n ben weiten ©orrtbor«, bem fogenannten ©briftu«faal unb jwei unb 

1 toierjig 3iatmern finben wir nicht nur bie SBerfe $b*>rwalbfen«, fo weit fte bi« 
j eßt ju erlangen waren, fonbem auch aße flunft« unb 2lltertbum«f<häße, bie er 
; wdbrenb feine« tbaten* unb erfabrung«reichen Sehen« gefammelt. 25ie Statuen, 
©ruppen unb Selief« müßte man bei $unberten, bie giguren bei Xaufenben 
! jdblen, wenn man ftch überhaupt $um 3äbfen aufgelegt fühlen fömtte. 2Ba« 

! aber ba« ©emütb am meiften ergreift unb begeiftert, ift bie poetifebe 3bee, ber 

1 barmonifche ©inbrud be« ©anjen. 3)er Zünftler inmitten feiner Sßerle unb 

alle« bejfen, wa« ihm lieb unb wertb war, fchlummernb. 2Babrli<h, ba« ift ein 
' Ort, ju bem man ftch flüchten muh, wenn bie 3)i«barmonieen ber 2Belt ba« $er§ 
jerreißen. 

; ' Sefonber« intereffant ift ber Saal, in welchem bie Stobeße nnb Stilen 

aufbewabrt fmb. 35a feben wir geifijfermaßen ba« ©enie an ber Arbeit. 2ötr 
feben, wie bie buntle Qbee ftch nach unb nach in ihm jur noßen Klarheit ent« 
midelte. ©rft ein gan§ tleine« Stobefl, ba« non ben £änben be« Äünftler« fpielenb 
angefertigt würbe, bann gröber unb gröber, immer noßtommener. 3ebe biefer 
Keinen Stilen ift ein £eiligtbum, benn wir wißen, bab bie £anb be« Steiften« 
felbft fte oerfertigte, wdbrenb un« in ben Starmorwerfe unb Sbgüffen immer« 
1 bin nur bie Sachbßbungen be« Original« entgegentreten. 

. 3)ur<h bie 3iwmer fchreitenb, crbliden wir eine Stenge non SBerten, beren 

jebe« weltberühmt ift: ben oerbdngnibooßen Safon, ben loloffalen Star«, Slpoß, bie 
1 brei ©rajien, welche benen Sanooa*« oorgejogen werben, Stercur al« Srgu«« 
töbter, ©anpmeb unb $ebe, Sulcan, Senu« mit bem Spfel, bie loloffale ©brt« 

* ftu«« unb bie 3obanni«*©ruppe, ben ^irtentnaben, Spron, ben Stainer ©Uten« 



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SWneri;*fagen fein mag. ffi ja bet Sorjufl, melden berßQnfUervot bem 
(Stlthrten bat, «af» ba« SJott ihn mit bem #er$en oerftebt unb in f«h auf« 
nimmt, roiebie Sonne, be« OTonb, bie Sterne unb ben grühling. „2BaS finb 
$oeten?" (agt bet ffianWhtder ©ote. „ |>e[le, reine Äiefdfieine, an »ekbe ber 
liebe $tmntel unb bie fcfebne föbe unb bie heilige Stetig*«* «nföfagpn, bah Sun* 
len h«att3jMegen.* 3a wohl, unb biefe Junten jänben i« ben §erjen ber 
ÜRenfchen, ba| eine heilige, l&uternbe ©luth baraul entfteht. Stenn man bo<h 
ttheraf bie SBecfung tmb ©flege beä @ch5nheitäjmn« aU unentbehrlichen SBe* 
ftanbtheü bet Sotteertiehung erlennen «mittet 


C&fofct t* eine 00m &elymt nnaMjiuifligf 

Son t. 9t«ne, 


Stuf biefe grage giebt e« vergebene Hntworten; eS tommt ganj barauf 
<m, mtematt ba« ffiort „unabhängig" verfteht. 

Steint unabhängig fo viel crt« : frei, für f tcb befte^enb, obn« 
Serbtnbung mit bem ©eh*tu? Ober meinte: bie SU gl ich* 
leit eine« f ebftftänbfgen 3«ftanbe« bet Seele, «etrennt 
vom Seibe? Ober meinte« cnblicb: ©lebt e« überhaupt ein vom 
Seibe ober ©ehltn »efentlidfc vetf chiebene« 2>iug, 6eele 
genannt? 

SBenn bie lebte Sebeutung verneint »erben mit?, fo etfebigen frh bamit 
auch ade anbern gtagen, meü ein 3)ing, ba« nidht ift, rneber in Serbin«* 
b u n g mit bem ©ehirn, noch getrennt bavon gebaut »erben tarnt. 

$ie näcbfte grage ift alfe biefe: ©iebt e« ein vom Selbe »ber vom ©eb’rn 
»efentlich verfchiebene« $ing, ba« bie 5)eutf<hen feit geraumer &eit „Seele" |u 
nennen beliebt haben ? 

Sogt ift bamit fünf fertig; ber tagt: nefot! $cnn meä bie fftewn «ine 
gunttion haben, beten Mefultat Urin ift, fo muh natürlich muh ba« ©ehim eine 
gunftron haben, beten Sefuftat bie Gehanten ftnb; fa, man tonn biefen Ser* 
gleich fogar noch »eiter foctfefcen unb fagen: biefe ©ebanten mitten jutoeilen 
no(h peftilenjialifcber. Unb hoch giebt c« noch hrnner oerftodte Sünber, bie bie 
Sünbigfeit eine« fo fcb&nen Sergleiche« nicht begreifen »öden! 2Bir muffen «Ifo 
nothgebrungener ffleife auf unfere oben geftedte britte grage nähet eingeben, 
©inb Seele unb Selb |»ei »efentlich von etnanber 
verfehl ebene $>inge? 9Benn bem fo ift, fo muh fub’ä au« bet ßr* 
f a h t u n g betoeifen laffen, fmt# gilt*« Sicht«. 

2>a« neugeborne Äinb nimmt Sahrung ju fuhr unb toädjf’t. greilidh 
rniffen bie ^hbftologen noch immer ni<ht recht, toie ba« ffiachfen fo eigentlich 
geht; aber toa« ber Erfahrung für gebermann vorliegt, ift biefe«: ftetige 3u»ahme 
be«fieibe« an Umfang urtb ©erntet in golge heftäubigen ©teffmechfel«: 


rj 


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Sufuhr, SSetbammg, Shteignung tmb SfuSftofiung beSSfctbCtauchttn. 3« heffer 
baS Äinb gebeizt, befto gr&her unb feueret wirb «*, bis etfelicb nach 
(Mcmgung b&bflet leiblicher SBottfommenbeit, ehi geobweif« Setfall mietet 
elntritt. 

SEdbrenb biefe Skrflnberangen mit bemSeibe boS SUenfcben vergeben, 
bieten ficb bem aufmetlfümen Seobacbt« auch noch anbere Gtfchemungeu bar. 
Jet ttmbet ©lief ijf juecft m’i Hnbeflimmfe gerietet; «nt jum Sichle lehrt et 
fub, wie bie Slumen jut Sonne. ©erdufcbe (feinen baS ftinb wenig pt et« 
regen, unb e* nimmt fogat bittet« Slrjntien, wenn noch gaU| Hein, ebne nie! ju 
„maulen". 

S>aS Sitte? mitb abet anbet* in gat ftttjer 3t>& Sein ©litt rnbt halb auf 
be|iintmten ©egenftänben; nach unb nach fdngt e* anju„f re'trtbeiu",- 
b. es unterfcbeibet ftembe SJetfonen »on SngebäWgeH unb ©efaitnten; eS 
brebt ben ttopf nach bet ©egenb, von wobet tin©erduf<b fommt, unb lennt halb* 
feint ©tutttr an ©ang unb Stimmt; auch bettete Mtjnei ijt 1 ihm nicht fo leidet 
mehr beijubringen: furj, ba$ Äinb gebeibt nidbt HoS leiblich, fonbetn, feit man 
fagt, auch g e ifti g. C8a& feil ba* beiden ?' 

Süßehn baS' Äinb jutrft fogat feine SRutfet nitttlannte, von bet eS bo# 
geboten würbe, nad> einiget Seit aBet biefefbe fcbott an ©ang 1 unb Stimme »on 
allen SAibent unterfcbeibet 1 , fu muh eS böcb bei biefet Seit ein S8 e w uh t« ; 
fei n erlangt haben, bas es 1 vorher n i cb t batte. Sie fam eS ju biefem Se« 
wu&tfein? Slntroort: Sie' fbmmen wit jum ©emufjtfein eine* JingeS, baS 
Wit bisbei noch nicht fennen? Sir muffen foldb ein Jing entwebet feben ober 
bBren, ober tiecben ober f<bme<fen, ober betafben, ftttj, butch einen ober einige, 
ober alle unfere Sinnt mabmtbnten, unb je Bftet wir baStbun, ein befto SarereS 1 
©etou&tfein erhalten wir »on biefem Jiinge. $enn ffeon Slug, Äopiftt» fagt: 
„Sa* man jura etfteU SKal erficht, lennt feiten mfeb bet ÄKgfte nicht." @an| 
fo ging’* auch beim flinbe ju. @S fab unb hörte feine SKutter täglich, ttflnbttcb, 
immer wiebet unb wicbet, tmbbaS©ewuhtfein mm ibt wutbe fidrtet unbftötler. 
Sit Tönnten baS auch, nattj ©ogt'fdjer flanier, fo ausbtfittrtt: Ja* Äinbvet» 
jebtte gteichfam feine SKuttet mit ben-Säugen, Obren, müfafe, Stunb nnb $dn» 
ben nnb w u cb 8 babutth in © < Fe n n t n i jj feiner Mutter. Hm wie viet ldn» 
get, breiler, bittet unb fttjwetet ift 1 * baburdj geworben? Ober vielmehr unb ge¬ 
nauer: wie lang, breit, bitt unb fchwer ift babutcb bie ©orftelfung von 
feinet fluttet geworben? Sie lang, breit, bitt unb fchwer fmb unfett ©orftel» 
lungen, bie wir uns im Saufe bet 3'it angceignet haben? @s muh bo<h ein g* 
hbrige* Jiatibet fbichet SSorfiellungen im .ttopfe eine* auch nur gewöhnlich ent« 
witteiten'ÜRenfeben geben, unb gat etft in bemfiopfe eine* aubetotbentlichen 
ttüenfcben! Slber e* fibemt nicht, bah itgenb ©inet ftbwer baran ttfige, Obee 
hat fte fdhonSemanb gemeffen, biefe Siorftettungen ? unb wer hat fk gewogen ? 
Sftie*, was wir w i f f en, aber gerabe fo unbebingt unb genau hrifftn, wie ber 
ÜRathematiter weih, bah 2 mal 2 gleich 4 ift, ittbiefeStbahunfeteSotftettungcti 
um fv flat er b efe u| t werten, je mehr fit wachfenc. Ja* weih ein3ebe* 



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au* eigener Grfahtung, mtb wer ftdj fo weit noch nicht fetbft beobachtet buben 
follte, bet iann e* auf bet ©teile ptobiren. Gr erinnere ftch s* 33. au* feinet 
Qugenb, ebe et lefen fomtte, welch ungeheuerliche giguren ibm im 2Ibo33uche 
entgegenglopten unb wie erft na<b unb nach burch bieffach wieberholte 2lnfchauun* 
gen 11 a t e 33 o r fte 11un g en bon ben berfdjiebenen 33u<bftaben fub in ibm 
' entwidelten unb bttanmudtfen. Slbet non einet räumlichen 2lu*behnung 
folget 33orfteUungen giebt un* unfet ©elbftbewu&tfeiu aud) nicht bie Ieifefte 
Slnbeutung. 

2)ie Grfahtung lebrt alfo biefe*; 3)er fub entwidelnbe Wenfch geigt ein 
zwiefache* 2Ba<h*thum; 

1) er gewinnt an tättmli<hetSlu*behiiung unb 
©<hmete,unb 

2) et gewinnt ein immer Uarere* 33ewujit.* 
f ein, 

ÜRun fragt ft#*/ ift biefe zwiefache Gntwicfelung be* Wenfchen eine, 
gtabmei* ober a r t w e i * berfchiebene, ober mit anbern ©orten: 

1 ä fj t f i ch ba* rdumlicb2lu*gebebnte unb Stirere 
ju flatem 33ewufjtfein poten$iren unb flare* 
33ewufjtfein }u wägbarer Waffe berbichten, ober 
n i <b t ? $)a* ift bie Stage, bi* jefct no<b non feinem ^hbftologen gelöst. G* 
ift noch ÜRiemanbem gelungen, au<b nur ben Schatten einer 33orfteQung au* bem 
©ehirn betau* )u beftilliren ober ju concentriren, ober irgenbwie al* ettoa* 
gefte*, glufftge* ober ©aftge* barjufteden; ebenfo wenig ift e* gelungen, räum»* 
lieh 2lu*gebebnte* unb SBdgbare* in 33orfteHungen ju betwanbeln; unb e* wirb 
auch nie gelingen, benn ba* räumlich 2lu*gebebnte fann nie etwa* Slnbere* 
geben, al* räumlich 2Iu*gebebnte*, auch wenn e* noch fo vielfältig betbunben ober 
jerfdjunben, ober butch alle nur möglichen mechanifchen ober <hemif$en $ro* 
geffe burchgeplagt würbe; e* bleibt räumlich 2lu*gebebnte*, nach wie bor, unb 
jwar nach pbpftfalifchen ©efepen; unb be*gleichen bleiben bie 33orfteüungen, 
33 o t ft ellu n g en, bie wir bermehten fönnen in’* Unenbliche unb bie wir 
berftärfen fönnen jum böchften unb flarften S3ewuj}tfeht, bie aber trop aUebem 
unb aUebem nie eine r ä u ml ich e 2lu*bebnung gewinnen, laut bem 3ettgniffe 
unfere* ©elbftbewujjtfein*. 2Bir haben e* hier alfo in bet $bat mit einer 2lr t * 
berfchiebenheit im 2Bach*tbum be* Wenden ju thun, einem 2Ba<h*tbum, ba* 
täumli<he2lu*behnung probucirt, unb einem ©a<h*tbum, ba* 33 e • 
W u fj t f e i n fdjafft, jwei $robufte, w e f e n 11 i ch bon einanber berfchieben. 

2)ie Gntmicfeiung be* Wenfcheit in räumlicher 2lu*behnung nennen wir 
feinen 2 eib, unb feine Gntwicfelung jum 33ewufjtfein feine ©eeie, $wei 
wefentlieh bon einanber berfchiebene 2)inge; ba* erfte wahrnehmbar ben ©innen, 
ba* jweite wahrnehmbar nur ft<h felbet. 

©iebt e* alfo ein bom Seibe ober ©ebim wefentlich berfchiebene* 2>ing, 
Seele genannt? ©erabe fo gewifj, al* e* eine Gntwicflung be* Wenfchen in 7 * 
räumlich 3iu*gebebnte giebt, bie wir feinen Seib nennen. — Stun fommen wir 


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gur gmeiten möglid&en Deutung bet als S^entot geflößten grage:g ft bie 
Seele ein 5)ing, baS frei für fi<b befielt, ohne Serbin« 
bung mit bem©ebitn? 

3)iefe grage führt uns auf baS intereffante ©ebiet beS Setbült n i f« 
feS gwifchen Seib unb Seele. 

2)iefeS Serbdltnib ift fogar, laut bet ©rfabtung, ein febt innige*, wie baS 
Grrötben bot Scham, baS ©rblaffen bot 3*>tn, ©onoulfionen in golge bon 
Schred, ober Setlangfamung beS Qbeenfluffe* in golge bon lörperlicbef ©rmü* 
bung, Serbtiefilicbfeit, Sfergerlicbfeit iu golge bon betriebenen leiblichen Stö* 
tungen, beutlid? genug beweifen. Unb wenn nicht ein innerer 3nfammenbang 
gwifefeen beiben beftdnbe, wie tonnte bann überhaupt bie Seele ftd? beS SeibeS 
als eine* ÜBerfgeugeS bebtenen, ober wie tönnten bannbureb ben Seib ©inbrüde 
auf bie Seele gefebeben ? 5)aS ift an ficb Kar ; es ift aber fine anbere grage, 
wie biefeS Serbältnifc |tt>ifdben beiben gu benlenfei. 

£ier müffen wir wieber ben 2Beg bet ©rfabrung geben. 2)iefe lehrt: SBaS 
wir g e f e b e n unb g e b ü r t haben, bleibt fefter, als was wir burch bie anbem 
Sinne wabmebmen; barurn finben wir auch alle SBiffenfcbaft auf biefe gwei 
Sinne, ben ©eftchtS* unb ©ebörSfmn, baftrt. 3)ur<b bie niebern Sinne : ©e* 
rueb, ©efebmad unb ©efübl, erhalten wir lange fein fo Kare* Sewujjtfein, unb 
b?Sbalb ift’* auch noch 92iemanbem, felbft bem groben Sinnee nicht, gelungen, 
eine wiffenfcbaftlicbe ©intbeilung g. S. ber Sangen nach ©erücben aufgubauen. 
SRocb tiefer in SRüdficbt ber gabigfeit, baS Sewujjtfein auSgubilben, fteben bie 
fogenannten Sitalftune ber SefpirationS* unb ©irculationSorgane, bet Ser« 
bauungSorgcme, beS gangen ÜDtuSfelapparateS, welche nur bann in ihren $bd* 
tigfeiten Sewujjtfein ergeugen, wenn fie febr ftarf angeregt werben, wie 3eber 
wohl weife, ber einmal an 9lftbma, gieber, fioKt ober ftarfer ©mtübung gelitten 
bat, bie aber fonft ihre normale $bdtigfeit ohne SewufjtfeinSentwidelung poH* 
gieben. 2)ie ©rfabrung geigt alfo eine grabweife Serminbetung ber feelifcfeen^Ser« 
mögen ober Sinne in Segug auf ihre gabigfeit, baS Sewubtfein auSgubilben, eine 
gabigfeit, bie in ben böcbften Sinnen in SBiffenfchaft unb fiunft refultirt, wdb* 
renb fte in ben niebrigften im normalen aftioen 3nftanbe gar fein Sewubtfein, 
unb im franfbaft erregten nur unflare Schmergempfinbungen beroorgubringen 
Permag. 

2luf bet anberen Seite müffen wir aber auch noch bie l e i b l i <b n flrdfte, 
bie burchßntmidlung an r du m l i <b e r SluSbebnung gewinnen unb ben 2eib 
bilben, in näheren Setracht gieben. 3<h fage mit gleib, bie leiblichen Prüfte,; 
benn eine tobte SWaterie giebt es nirgenbS, unb Kräfte für fleh, i n ber ÜDtaterie, 
bat man gur 3*it auch noch nicht aufgefunben. firaft unb Stoff ift ei n *, unb 
Wa3 wir S to f f nennen, ift nichts SlnbereS, als Äraft, ober eine Sereinigung 
bon Kräften, bie ben Sinnen erfcheint als etwas Sanges, SreiteS, 3)ideS, 
Schweres, SfepenbeS, SlilbeS, SrennenbeS, fiüblenbeS ober wie fonft noch. $er 
Seib ift bemgufolge ebenfalls ein Spftem Pon Perfehiebenen leiblichen firäften, 
bie feine Knochen, SDtuSfeln, ©efäfa, Serben, fein Slut unb feine ©afe bilben, 


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tthb ttt fbfcnt bUbct cr lehr fdnrofftS ffltgent^cit jtt ben feeRfäett flrdflen, foiu 
bem bietet als.tötoft bie. SRßgH^fcit! einet ßrttdnmg feine« 3 uf<nmnen|ange$ 
unb feiner SBedfelmirtung mit ben feelifden jtrAften, bie i|retfeitS gfeidfo«S> 
tote mir gefe|ai laben, grabmeife lecabßnfen in bet fpecißfden gä|igfett, baS 
93emußtfein auSjubilben. So betradtet, mirfen beim Kräfte «uf Äräße, unb 
je nadbem biefdben biec ober ba im ttebetmaß ober mangelhaft gegeben ftnb, 
mitb in golge beS allgemeinen SfuSglddungSgefeieS bet eine ober bet anbete 
Shell proßtiren ober Schaben, erleibetw 

Sold ein 3ufammen|ang jmifden Seele unb Seib befielt t|atfädßd; bie 
©cfldmng biefer S|atfade, bie id nur in furjen Umtiffen oerfndt labe, ge|5ct 
Er. ßbuarb 93enele, unb fdeint mit eine in bet inneren mfe* äußern (Erfahrung 
begrünbete; met aber eine beffere meiß, bet läffe fle löten. 

gd tommenun jur britten mögliden Deutung ber oben gefaßten grage, 
ndmlid: Soß bamit bie ßftöglidfeit eine« fefbßftänbtgen 3«* 
ßan&eS bet Seele, getrennt bom Seibe, in gtage gefteßt mer* 
ben ? Söenn fö, fo bringt uns biefelbc grage julept aud nod auf baS X|ema 
ber gottbauer ber Seele nad bem Sobe. 

SBhr laßen |ier aße ©rünbe, melde in ©efü|len unb fflünfden beS einjet» 
nen 1 gnbibibuumS murjetn, gan 3 außer 93etradt; benn menn aud ber ©ebanfe, 
mit bem Sobe aufjulören, gebermann gegen ben Strid ge|t; menn man aud, 
ber tiefen Unflulänglidfeiten, 2Jerte|rt|eiten, meinetmegen aud Sdinbereien hn 
trbifden Seben megen eint complementdre, meitere unb jmar inbimbueße gort»* 
bauer anne|men jn müßen glaubt, fo ßnb baS aßerbingS ganj adtungSmert|e 
fubjectite Ueberjeugungen, bie ttna|rfdemlid nod ßliemanbem etmaS gefdabet 
laben, aber aflgemetn gültige, objectibe 93egtönbungen fmb e$ feineSmegS. ©S 
lönnte bod troß aße« SBünfdenS unb £oßenS ganj anberS fommen, mie’S ja 
im Seben häußg genug gefdielt, unb fo märe baS ganje £oßen unb $arren 
julelt* bod eine- ßledming o|ne ben 2 Birt|. gm ©egentheil, menn mir ©tiinbe 
füt bfe SWöglid^it eines felbftftdnbigen ®efte|en« ber Seele, getrennt bom 
Seibe, fuden moßen, fo mäßen mir ße in ber Seele felbß, in i|rem SBefen, 
i|rem 2 £ad$thum, in i|ren ©igenthümlidfeiten außuden, um ju fe|en, ob ßd 
barauS etma&SebenSfä|igeS ergiebt obetnidt 1 . SBir müßen alfo mieber 3 Ut 
(Erfahrung unfere Suffodt nehmen, benn gerabe auf bfe (Erf a| ru ng 
baßrt ßd bet materiuKßifdt ©laubl, baß eS' mit bet gortbauer ber Seele nad 
tem Sobe «idt$ fei. Äuf melde©tfa|tung? 3tnf biefe : baß alte Seute 
m lebet finbifd met ben, ober g a t i n 931 ö b f t n tt 
b e t f a n e n , baß folglid augenfdeinlid bie Seele> ober maS fo genannt 
metbe> Trtit bem Äötper mfebet berfaße, unb auflöte menn et aus bem Seime 
ge|e. (SS iß bieS o|ne greifet bet ßärtße ©runb, ber gegen bie gottbauet 
bet Seele borgebradt merben ! arm, menn et m a 1 1 iß. 9Jtan hätte ja bann 
baS gtabmeife Verfaßen ber Seele genau fo oot ßd, mie baS beS ÄörperS, eS 
todte, fo 3 U fagen, ad oculos bemonßrirt, unb rneht fönnte man bod ßderlid 
nidt bedangen. 2)enn aud ber ©nmanb/ baß biele Seute im SHter feine 


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folchem gatte beit ÜBiHen )u .fjülfe, unb manchmal gebt*« bamit auch gan§ nor« 
trefflich; allein ein anbermal tbut’8 aud? bet befte ffiüle nicht, wie j. 9. in ben 
Suftänben gröjtter Grmübung. Sa fehlt’« alfo an Gtwa«, ba« biefe ßrregung 
febafft, unb ba« fmb bie elementaren Sermögen bet Seele, bie ft<b in golge Bon 
äußern EReijen butch Serfcbmeljung bamit ju fmnlicben ©mpfinbungen unb 
SBabmebmungen auSbilben, ober aber Von Seelengebilb ju Seelengebilb 
überftiefsen, unb fo bie innere ©rregung nach bem ©efefce bet 2lu«glei<bung be* 
Wirten. Sie ftnb bie ©rreget, unb wo fie fehlen, tann natürlich auch leine ©r» 
regung ober Sewufitbeit ftattfinben, wie ftarl auch bie ju etregenben ©ebilbe an 
ftch fein mögen. Sie« erflärt benn voUfidnbig bie vorübergebenben Schwächen, 
ober StumvftnnSjuftänbe, in jeber SebenSveriobe; fie treten in golge be« Ser« 
brauch« unb confecutiven SÄangel« elementarer Vermögen ein, unb fie hören 
wiebet auf fobalb biefe elementaren Vermögen wieber erfefct ftnb, wo« gewöhn« 
lieh mähtenb eine« gefunben Schlafe« gefchieht; fte finb alfo burchau« nicht eine 
Schmähung ber bereit« beftebenben Seelengebilbe felbet, fonbern blofieStodun* 
gen in ber 58 e w u ft t w e r b u n g biefer Seelengebilbe Hn golge beS-3Jtan« 
gel« an elementaren Sermögen ober SemufjtfeinSelementen. — Siebe ftch nun 
beweifen, baf} im gortfebritte be« Seben« nach unb nach ebenfall« ein ÜRangcl 
an folgen SewufjtfeinSelementen eintreten mübte, fo würbe bamit jugteich auch 
bie 3;batfa<he be« Slöbftnn« im 3llter erflärt unb beroiefen fein, bab berfelbe 
nicht in einer Schwächung, in einem SerfaH ber Seelengebilbe feIb e r, 
ober b e« inn ern Seelenfein«, fonbern eben nur in einer SW a n « 
gelbaftigleit ber Sewu&twerbung biefer Seelen« 
gebilbebeftdnbe. 

So lange nur wenig fefte ©ebilbe norbanben ftnb, fo lange werben auch 
hur wenig elementare Setmögen gebraucht werben, um biefe ©ebilbe jur nötbi« 
gen (Srregtbeit ju fteigern; bie meiften Sermögen bleiben frei jur Aneignung 
duberer SReije, b. b. jur Silbung von ftnnlichen ©mpfinbungen unb aBabrneb» 
mungen. 3n folchem galle befinbet fuh ba« fiinb, ba« fuh noch ganj ben du» 
bem ©inbtüden überläbt unb nur aufnimmt. Ser Jüngling fängt fchon an, 
ba« Slufgenommene mehr felbftftänbig ju verarbeiten, b. b. höhere unb höbe« 
ffiegriffe ju bilben, unb in ben mannigfachften Urtbeilen, Schlüffen tc. ju ver* 
wertben. Sei ihm werben alfo fchon weit mehr biefer elementaren Sermögen 
jur inneren ©rregung be« bereit« Geworbenen verbraucht. 3« noch höherem 
3Rabe ift bie« im 3Banne«alter bet gaH. Ser gereifte 3Wann befchäftigt fi<h 
am liebften mit bem, wa« er bereit« errangen, unb e« hält fchwer, ihn au« bem 
gewohnten ©eleife feiner bisherigen Gntwidlung in neue gächer ber Unterfu« 
ebung hinüber ju leiten, jumal wenn er baburch mit feinen bisherigen Ueber« 
jeugungen in Gonflict geratben follte. Saturn finben wir auch in biefem Sllter 
ein oft fo bartnädige« Sebatren im gewohnten Scblenbrian. Seim ©reife ift 
bie« 2lHe« noch bei weitem mehr ber galt, bem ift faum mehr mit etwa« Steuern 
beijutommen; er umfruftet ftch gleichfam gegen bie Slujjegwelt, unb lebt mehr 
in ber Sergangenbeit, ai« in ber 3ulunft. SluSnabmen werben jugeftanben. 



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SBie erfldten fidf nun biefe (Srfcbeinungen? 

©Denn Volitifer jufammen lontmen, fo brebt ftcb ihre Untergattung um 
$olitif; SBafcbweiher erjählen ft<b »on biefer ober jener Vafe, nnb toie biefe 
ober jene biefeS ober jenes gejagt habe; üaufteute fprecben oom geftrigen (Mb» 
courS, unb bie Solbaten non ben 6<bla<bten, bie fte mitgemacht haben. 3 n 
Ulten tnirb baS »orjugsweife bewubt, was am jt&rljten 
in ihnen begtünbet ift, unb ba ,ju fotdjet Vewubtwetbung immer 
elementare Vermögen nöthig ftnb, fo tann man auch fo fagen : Sie 
elementaren Vermögen merben am meiften non.ben 
ftärlften Seelengebilben angejogen. So erltärt fidh’S, bab 
ber ©reis mehr in bet Vergangenheit als in ber ©egenmart lebt, bab bet ge» 
reifte SDtann ftcb auf bie Verarbeitung unb Slnwenbung beS non ihm (Stiemten 
befcbrdntt unb nur mit größerer 211% etwas 9teue3 ftcb aneignet, tnährenb ber 
Jüngling unb noch mehr baS Äinb mit Seicbtigfeit ftcb neuer (Sinbrüde bemei» 
ftern; benn hi« pub bie elementaren Veftnögen frei für fotcbe Stneignung, 
todbrenb in ben erftem gälten biefetben jum groben ©heile jur (Srregung bet 
bereits erworbenen Seelengebitbe »erbraudjt werben. GS; bewirft fo» 
mit bleim gortfchritte beSSebenS junehmenbe 
Starte berSeetengebitbe eine Stb nähme in bet 
Vilbung neuer (Smpfinbungen unb SBahr n e hmun» 
gen. ©arauS folgt aber noch mehr. Sold) eine Slbnahme in ber Vilbung 
neuer (Smpfinbungen unb SEBabtnebmungen tann nämlitb nicht ohne (Sinflub auf 
bie Slnbilbung jener elementaren Vermögen fetbft bleiben. 9lun ift jwar bet 
VilbungSptojeb biefer Vermögen fowohl unferer inneren wie äubem SBabmeb» 
mung entjogen, wir Riffen butdjauS 9M<bt8 barübet, wie biefe elementaren 
Vermögen ftcb bilben; aber aus betfcbiebenen ©batfadben fönnen wir wenigftenS 
fchtieben, bab ber $erb für bie Slnbilbung neuer Vermögen getabe bie ftifthen, 
neuerjeugten fntnlichen (Smpfinbungen unb SBabmebmungen feien. 

Solcher ©hatfachen giebt eS biete, gebet weib, bab ber erfte ©ag einet 
gubreife biel mebr ermübet, als bie barauf folgenben. Silier Slnfang ift ferner, 
fagt baS Sprichwort. Vtan benfe an bie anftrengenben Veobachtungen mancher 
Staturforfdher. 3Bie balb würbe ber Sieuling ermüben, unb hier ft|t bet ©eübte 
unb betaufdht Stunben unb ©age lang bie felnften unb Harften Vorgänge unb 
guftänbe biefer ober jener Staturerfcheinungen. Vlit ber Uehung wächf’t bie 
Jfraft. ©3 fcheint bentnacb, bab gerabe ba bie meiften neuen Vermögen fidp an» 
hilben, wo bie. meiften ju ftnnlicben (Smpfinbungen unb SBabmebmungen »er* 
braucht worben fmb. SBenn nun aber, wie wir gefeben, im gortfchritte beS 
SebenS in golge beS-innem SBadhStbumS ber Seetengebilbe an Stdrle, gerabe 
\ biefe Vilbung »on neuen (Smpfinbungen unb SBahmehmungen befdbränft 
wirb, fo folgt, bab hierdurch auch eine Verminberung in ber Slnbilbung neuer 
Vermögen eintreten müffe. 

gubern lehrt bie (Erfahrung, bab alte Seute fetten b a 8 lange behalten, 
WaS fte fo eben ober oorßurjem gefeben ober gehört haben, bab fte bagegen mit 



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großer Seichttgleit a&ed beffenffch entfernten, unb j»ar bid ja ben ttdnften 
JUetnigteiten herab, »ad fie i» i^oer Sugenb edebt haben» Ed fdjeint bemnach 
bie Slnbübungneuer Bennögen, ft »ett fte überhaupt noch gefehlt, auch nicht 
mehr in ber f t fcb er n & t d f t i g t e it ja erfolgen» Sonach »erben im 3ort* 
dritte bed Sehend ber elementaren Vermögen immer wenigere unb bie neuan= 
gebilbeten merbcn immer fcfc»d<het. ( Beruht auf ihnen aber bl» Erregtheit ober 
Bewußtheit ber Seefengebi&e, bürfei* mir und bamt.tto<jh »umbern, wenn 
bei ihrer Abnahme auch bet; ®eba*tenlau$ minber rafch, minber umfangreich er* 
folgt unb gulefct auch bin griftoeiChfte Seele. nur einzelner wattige ©ebilbe in ber 
Bewußtheit erhält? 

Urnb bariit befielt bet Blöbfinn bed SUterd. 

Er ift bemnach burchaud nicht ein Verfall, eine Abnahme 
ber befrehenben Seelen geh i Ibe felber, fonbern nur eine 
Stocfung in ber Bewußtwe?bang btefer Seelengebilbe 
in golge bed 2Rangeld an Bewußtfeindelementen, welcher 2Jlangel gerabe burdh 
bad ßetige Söaebdthum biefer ©ebilbe an innerer Starte bebingt ift» 

3)er Blöbßttn bed SUterd ift bemnach oollftdnbig analogmit jenen borüber* 
gehenben Schwddueguftänben, bie mir in jeber Sebendperiobe gu beobachten ©e^ 
bgenheit! haben, nur baß er anbauetnb ift, »eit feine Urfacbe — bad 
SDachdthum bed inneren Seelenfeind au Starte — fuh nidht tütfgängig machen 
laßt, fonbern ftetig fortfehreitet. 2Bte »eit aber jene Bewußtfeindelemente aud* 
reichen, fo »eit bringen fte auch immer »ieber gerabe folche ©ebilbe in bie 
Bewußtheit^ bit oetmöge ihrer inwohnenben Starte auch bie lebten elementaren 
Vermögen noch an ftch reißen» S)ted ftimmt bollftdnbig mit ber Erfahrung 
iberehu So »irb. bon Amt erjählt: baß er in ben Suftänben feiner hochften 
6ch»d<he, »o er fich über bie gemeinten 5)inge nicht berftänb ließ audbtücfeti 
tonnte r über ©egenfiänbe ber pbbftfchßn ©eographiß, BaturgefchiChte unb Che¬ 
mie, fowte überhaupt über gelehrte ©egenftänbe, gunt Erftaunen richtige unb be* 
ftimmte 2tnt»orten gegeben habe» 2ßare bad möglich gewefen, »enn fein in* 
nered Seelenfem, bie erworbenen Seelengebilbe felber, bem Verfall Breid gege* 
ben gewefen wären ? 

S)ie materialiftifche Slnfuht, baß bie Seele mit bem Selbe berfaUe, »eil 
cdte Seute »ieber tinbifch »erben ober gar in Blöbftnn oerftnfeit, gehört bem* 
nach gu ben unboüfommenen Beobachtungen unb ift folglich nicht »a$r. 
©ne genaue Beobachtung lehrt: 3)ie Seele verfällt nicht mit bem 
Seihe, fonbern ift in ft et i gern SBadjdthum an innerer 
Starte bid an’d Sebendenbe hiaaud begriffen. 5)ad tft’d, 
»ad ich gu beweifen hatte. 

SBad ftch bataud für bie üUlögltchfeit eined felbftftdnbigen 3uftanbed ber 
Seele, getrennt bom Selbe, folgern laffe, bad »olle ftch ein 3eber gefdlligft fei® 
ber gurecht legen. 

Schließlich erlaubeich mir-nur noch hingugufügen, baß Berfcßtebened, »ad 
ald ©lieb gut Be»wdfiUpung ; nöthig. war, in biefem Ertitel nur oberflächlich be* 


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Tort, »obie ©drge reben, Jebet ©tefn 
Ten SRubm, bie ©röjje eines ©olfs nerfünbei* 

©or meinem Huge lagen !(ar unb b*H 
Tie ftebenbunbert nun begrab’nen 3afcre 
©eitbem bet erfte Ouaberftein gefügt 
ßinft »arb §um Tempel hier beS böcbften ©oüeS} 
ßu Settern, fteftg fab ich ringsum »erben 
Tie Sarcopbage, bie in Stein unb Starmo* 

$iet eingebaut bie STOufe ber ©ef<bi$te. 

3n langen ©eiben »allen fte borüber, 

Tie lobten ber 3abt*bunberte, ber 9Jtöncbe 
Unb ber Tecbanten üppig ftotye Schaar, 

3« jebem ßug bie »anbelnbe ©rabenbe; 

2lu<h manches ÄönigS reicher £ei<hen$ug, 

Ter Tempelritter ernfte, tapfre Schaar, 

2Rit ©annern, »ebenb, unb mit Schmettern, Hirrenb, 
Tie ihren Heinrich an bie ©ruft begleiten. 

TeS britten ©buarbS Schilb unb Sch»ert ergldnjt 
3n altem blut’gen Schein auf feinem ©rabe, 

5US trdf mit güfcen noch ber Seoparb 
TeS ftoljen granfreichS bebte Driflamme. 

TeS fünften Heinrichs löniglic&er ßug 
ßur ©ruft »aüt bort borbei, ben Sllepanber 
^Britanniens in’S enge ©rab ju betten, 

Ter ftolj entfchlief im lebten SiegeSraufche; 

2Rir beucht, als »anble galftaff mit einher, 

Tet fchnbb Verbannte, beibe Tbrdnen »einenb. 

Unb jenes ©atafalfeS reiche Fracht: 

©S birgt fein Sarg baS gröfjte ffieib ber ©ritten} 
Turnpf murmeln bie Techanten bie ©ebete 
Ter Tobten um ben Staub ber Königin; 
ßum ©rachtbau Heinrich TuborS gebt ber ßug, 

TaS ©rab ift offen, in bie Tiefe fteigt 
Ter Sarg, bie Stricte tnarren; bßtft bu nicht 
SluS jener naben ©ruft ein tiefes Seufzen, 

HuS jener ©ruft ber Schottentönigin? 

TaS Opfer bei&t bie 2Rörberin »illfommen 
ßum langen Schlaf an ihrer S<h»efter Seite, 

Ter blutigen tatbolifchen Staria! 

©orüber »aHten immer neue Schaaren; 

©S gab baS 3)lcer bie Tobten »ieber, bie 
gür ©nglanbS ©ubm im ©ulnerbampfe fanlen 


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8ur 33efe nteber; eine lange JReibe 
3)et Slbmirale, beten glagge Sieg 
3n jebem Sfteere einft uerlünbet; gelben, 

2) te beS GarnatidS flotte gürften fähigen, 

5)er dritten gabne pflanzen auf ben SBaH 
SeringapatuamS unb SJtiforeS, bie 

©n Sieicb erobert, baS einft toiberftanben 
5)eS üDtacebonierS lampfgeübter $^atan;« 

Unb $alaoeraS, SalamancaS Sieger, 

$iet ruben fte im Sßantbeon beS gelben ; 

S)er Ouebedftürmer, ben ber $ob entrafft, 

SllS bie Trompeter bie Victoria bliefen; 

3) ie ftoljen Sdjlacbtennamen, Gbtentage 

2)er britt’fdjen SBaffen, non ber Vlenbeimfcbfcubt 
3}iS bin ju jenem SRiefenfturj, ber ft<b 
3ta<b Waterloo benennt. 

3a ! §ier ift ©iglanb! 

Sluf feinem Sodel fifct ber grobe 3faw, 

$)er einft bie Sonne mog auf feiner SBaageJ 
S)ort in ber greibeit Slrrne fterbenb fmlt, 

S)eS langen Kampfes mübe, goy, ibm rubt 
gu guben ber befreite Silane; SBUberforce 
SluS jenem Söinlel lächelt $u bem gteunbe. 

Unb um fte ber bie gelben beS ©ebanlenS; 

Vor Sillen ftrablt in marmorglei<ber Schöne 
S)er grobe Sßilliam mit bem flogen Säcbeln, 
gu beffen güben mich ber Sraum umfponnen 
3m üDtaufoleum einer Station. 

3a ! $ier ift Gnglanb ! 

$aS meerumgürtete, baS feinen SJreijad fdbmingt 
Sluf allen Dceanen, beffen Sßfabe 
S)ie SBogen lübn burebfurtben, beffen $eimatb 
Stolj auf bfcr SLiefe, beffen freier Voben J 
Stets baS Slfpl beS glücbt’gen unb Verbannten/' 
25aS feine betten lennt unb leine ©eifjel, 

Starin bie greibeit ibre glügel fcbtoingtl 

3)o<b a<b! 

®n S)onnerf<blag burebfebüttert jab SBeftminflerl 
©S ift, als bebt in feinem tiefften ©runbe 
Ster Ouaberbau, als löf’ten ftcb bie geften 
S)et ©be, unb als fcbmanle auf ben SBogen, 



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ffion intern Änlergtunbe loSgeriffen, 

Die ftolje 3nfel in bcn Sturm brnuuS. 
ffiermorr’ne Stimmen Hingen am ®en>5lbe: 

Der filageruf jertret’ner Stationen, 

Dämonie ftl&be, ^o^te Sterbefeuf jer, 

Der 6$aU ber ©eiM auf bem nadten Rüden 
DeS untermorpnen SnbierS; au« aßen liefen 
Del DceanS,au3 SMionen ©rdbem 
Die halb erftidte Stimme einer nun 
©egrab’nen 3eit, bie auf jur greibeit ftrebte 
Unb fdbeiterte an jenen flreibefelfen, 

GnglanbS lalt glifcernb eifge ShtrmeStoebre; 

Des eig’nen ©olfeS fieibens tiefer Don, 

Der marlburdjbringenbfte ber Sammerlaute, 

Unb GnglanbS Glenb jümenb trat heran 
Sin GnglaubS Ruhm. 

Da 

ffierbüHt fein Knttifc tief, ad>! Silberforce, 

3m Sdboob ber gefeit fd?liefjt baS Äuge gof, 

Unb über Panning« höbe Stirne siebt, 

Sie Sdjatten, leis ba$ nabenbe ©erbängnij»; 

. Dodb unerfdjüttert ftebt ber jmeite ©itt, 

Halt ift fetn 2Ratmor, mie fein £erj im Sebcit. 

v Unb nun 

Gin falber ©tife burcbleucbtet ba$ ©ebäube, 

Die Dbür bon Grj fpringt auf, ein £au$ beS Sebent 
. Dringt in bie Dobtenlammer, fummenb brauft 
Siel taufenbftimmig ein gemalt’ger Qfyot 
ffion Stimmen bin unb mieber, wie ein 9Jtee? # 

Stocb obn’ be$ Sturmes taute Dominante; 

Unb tief beroor bprt tritt ein büftrer Rtann, 

GS gittern in ber ©ruft bie Könige, 

Unb in beS ftebenten £etnri<bs ©radjtcapelle 
ffiirft er ein JtönigSbaupt, unb bumpf erbrobneno 
$a(lt’ feine Stimme tmeber an ben SJiauem, 

ÄlS jenes eine 3Bort er rief, baS einjt 
ffion einem ©lutgerufte nieberltang, 

DaS eine*2Bortt Eemember! 

SobTbetannt toar mir 
Der SWann; in meine Drdume mar er oft 
$inabgefttegen; ja! ba$ bittre Äntlty, 

Die SBarjc über feinen ©rauen, Grnft 


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50 


merben, baS fuh an feine ®efchi<hk fnüpfte. ©isher, unb §mar feit bem langen 
Seitraum, ber feit bet Abntiniftratiou SMabifon’S verfioffen ift, mürbe ben 
Offtcieten, bie nach einanber ju ©Ämtern beS Unglüdlichen gemacht maren, baS 
©hrenmort abgenommen, bab fte nichts über ibn fagen, nichts über ihn berieten 
toodten. 2BaS über ibn na$ ffiafbington rapportirt mürbe, tbeilte baS SooS 
bet übrigen Archive, als 5Ho^ bie öffentlichen ®ebdulichleiten ber ©unbeS* 
bauptftabt verbrannte, ©net ber tüdjtigften Seeleute jener 3eit — cS mag 
Suder ober ÜEBatfon gemefen fein — mar bamals Solang £ütet; aber als er 
nach ffiafbington jurüdfehrte unb bem dJtorineminifter feinen ©ericht erftattete, 
fanb er, bab man bort KolanS Angelegenheit gänzlich ignorire. Ob man mir!« 
ti<b nichts Von ihr muftte, ober nichts von ihr miffen modle, baS ift mir unbe* 
lannt. So viel ift aber gemib, bab feit 1817, unb vielleicht febon feit einigen 
Sabren vorher, lein glottenofficier ben Kamen KolanS in feinem Kapport 
nannte. 

Aber, mie oben gefagt, bie Sache braucht nicht Idnger geheim gehalten 
|u merben. Kun Kolan tobt ift, mag feine ©efcbichte nupbringenb fein, unb 
fo miH ich benn erzählen von bem Ktanne, ber lein ©aterlanb befab. 

©n recht frifchet unb verfprechenber ©urfch mar ©hilipp Kolan, als er 
fuh ber „ÜEBeftlichen Segion" anfchlob, mie bamals bie meftliche Sioifton un* 
ferer Armee genannt mürbe. Als Aaron ©urr jum erften ÜJtol ben Süben 
befuchte — eS mag 1804 ober 5 gemefen fein — rnodte ber 3ufad es fo fügen, 
bab er Kolan’S ©elanntfchaft machte unb an bem fchmuden, intelligenten jungen 
Dfficier ®efaden fanb. © näherte ftep ihm, ging viel mit ihm um, nahm ihn 
mit fuh aus unb gemann baburch fein £etj. 2)aS flafernenleben mar für Kolan 
fortan unertrdglich. häufig fchrieb er an ©urr, benn baS mar ihm von bem groben 
$erm gndbigft geftattet morben. Sange, fcpmülftige ©riefe fchrieb er, lorri* 
girte fie forgfdltig unb übertrug fte bann ins Keine, um auf ©urr nur 
ben beften ©nbrud §u machen. Aber niemals erhielt er eine Antmort von 
feinem ©rotettor. Sie anbem Officiere nedten ihn, meil er feine 3«t folcben 
Äunbgebungeit unermfeberter Anhdnglichleit für einen von ihnen eben nicht fehr 
geachteten ©olitifer opferte, mdhrenb fte biefe dJhtbeftunben burch Äarten* unb 
SBürfelfpiel auSfüdten; aber eines SageS feierte Kolan hoch ben lang erhofften 
Sieg. Koch einmal erfchien ©urr unter ihnen, hoch bieSmal nicht als ©olittter 
ober harmlofer Keifenber, fonbern als ber Söme beS SageS. Kachbem er ade 
möglichen Anfechtungen überftanben, mar er jept ba — hinter ihm ein grobes 
£eer, mie bie Santa fagte, Vor ihm ein äaiferreich. SBohl mar bieS ein 
grober, ein bebeutungSvoder Sag für ©btüpp Kolan. ©urr mar laum ange* 
lommen, als et ihn fchon holen lieb. AbenbS fpeifte Kolan bei ihm unb fpater 
gingen bie ©eiben im beden Ktonbenfcpein fpajieren. Als fte jurüdlamen, mar 
©pdipp Kolan ein verlorner SKann, gehörte mit Seib unb Seele bem argen 
©erführet, mar bamals fchon, obgleich er eS nicht mubte, beimatploS. 


2EaS ©urr eigentlich im Schilbe führte, meib ich fo menig mie bu, lieber 
Sefer. Aber als bie grobe äataftrophe enblich erfolgte, als ©rdfibent Sefferfon 





mit gebarnifchter $anb barein fuhr unb jenen großen $o<htewutbSprogeb gu 
Richmonb ab^alten lieh, ba folgte man auch bort unten am SRifftfftppi bie* 
fern Veifptel burch eine Reihenfolge oon Kriegsgerichten über bie minbet 
prominenten Verfönlichfeiten, melche an Vurr’S Programm mit gearbeitet. (Sin 
Ober ft mürbe nach bem anbem progefftrt, unb um bie 3ubl ooß gu machen, gog 
man auch Philipp Rolan gur Verantmortung. ©ott meih, eS mar 3eugnih genug 
gegen ihn oorbanben. 5)afj er beS 2)ienjteS fatt, bafi er ihn gern oetlaffen, bah 
er ber Fimmel meih mobin marfebirt märe, um fuh in Stüde bauen )u laffen, 
menn,eS nur gebieten hätte: Ruf Vefebl Seiner (Syceßeng Raron ©urr’S, aßeS 
bie3 mar Har mie baS Tageslicht. 2)ie berborragenberen Rnrü(bigen mürben 1 
frcigefprochen, bie unbebeutenberen oerurtbeilt. So au(b Rolan. 2)o<h man mürbe 
mobl niemals mieber oon ihm gehört haben, menn er nicht in einem RnfaH oon 
Vergmeiflung über baS ihm SBiberfabrene auSgerufen butte, als baS KriegSge» 
rieht bie übli(be grage an ihn fteßte, ob er burch fein früheres Verhalten im 
S)ienft ber 58er. Staaten ein milbereS Urtbeil gu beanfpruchen gebenfe: 

„3um Teufel mit Suren bereinigten Staaten! 3$ moKte, i(b hätte nie oon 
ihnen gehört, fdhe fte niemals mieber.* — (Sr muhte nicht, mie bem Votfiben» 
ben beS Berichts, bem alten Oberften Rtorgan, biefe SBorte ins #erg fuhren. Tie 
meiften ber Ofpgiere, bie bort im ©ericht bei ihm fafcen, hatten ben Repolu» 
tionstrieg mitgemaebt unb ihren $als für baS Sanb ristirt, melcheS Rolan 
eben oerflucht butte. (Sr babingegen mar auf einer Plantage ergogen, bort im 
Sübmeften, mo baS „fpanifche (Komplott" unb baS „Orleans Komplott* bie 
#auptepochen in bem Sehen ber Veoölferung bilbeten, mo er höchftenS gumeilen 
einen frangöftfehen ober fpanifchen Offigier fab, unb mo ber Rame „Tic 58er* 
einigten Staaten" bamals faurn noch gu einer Realität gemorben mar. (SS ift 
mahr, biefe „Vereinigten Staaten" hatten ihn genährt feitbem er in bie Rrmee 
getreten, ihnen hatte er Treue gefdjmoren, ihnen gehörte bie Uniform, melche er 
trug; uub baS Schmert an feiner Seite, ja, es mar nur metl bie „Vereinigten 
Staaten" ihn gu einem Vertrauens» unb ©brenpoften erhoben, bah Raron 
Vurr fleh für ihn mehr interefftrt hatte als für ben Vootfübrer, ber ihn ben 
Rlifftffippi herabgebracht. 3<b miß Rolan nicht in Schub nehmen ober ent» 
fcbulbigen; ich miß nur geigen, mie er bagu tarn, fein Vaterlanb gu oerfluchen, 
unb ben SBunfch gu duhern, bah er niemals mieber oon ihm hören möge. 

' Unb nur einmal in feinem Sehen hörte er mieber oon ihm. Von'jenem 
SWorftent bis gum Tage, mo er ftarb, traf ber Rame feines VaterlanbeS nur ein» 
mal mieber fein Ohr. Ueber ein halbes 3ab*bunbert mar er ein £eimatb* 

• lofer, 

Ter alte SRorgan mar tief erfchüttert. (Sr lieh bte Rtitglieber beS Kriegs» 
gerichts in fein Vrioatgimmer treten, um ft<h bort gu berathen. RlS fte gurücf» 
tarnen, mar Rtorgan’S ©eftcht meih mie bie 2Banb, unb er fagte : 


„Rolan, hören Sie baS Urtbeil beS Kriegsgerichts. (SS ift bieS, bah 
menn ber Vrdftbent bagu feine ©enebmigung giebt, niemals mieber ben Ramen 
ber 58er. Staaten hören foßen." 



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52 


SRolanlacbte butt auf, aber Jtiemanb tackte mit ihm. $er alte 2Jlorgan 
fptöd) gu feierlich, unb mdbrenb feine bebenben Sippen ba3 Urtbeil bertünbeten, 
batte man eine Kabel gu ©oben fallen hören iönnen. 2H3 ba3 belachter bei 
23erurtbeilten erftorben, fuhr SWorgan.fort: 

»Klan führe ben befangenen nach Kem*0rlean3 unb übergebe ibn bem 
bort tommanbirenben Sl°ttenofftsier." 

Kolan mürbe fortgefübrt. 2113 er ben Saal berlaffen, rief ber Oberfi ben 
hxnbebabenben Offizier ^urüd. 

„©3 barf Kiemanb ben -Kamen ber bereinigten Staaten in ber ©egenmart 
beS befangenen nennen", fagte er. „br ift fofort auf ein firiegSfchiff gu brin* 
gen, unb c3 barf nicht gu ibm gefprochen merben bis fcbriftlicbe befehle für bie 
bebanblung biefeS ÜKenfchen eintreffen." 


3<h glaube, bah Oberft SWorgan perföntich nach ffiafbington ging, um 
über ba3 Urtbeil Kolan’3 genauen 23eri<ht gu geben, ©enug, ber $rafibent 
billigte e3 unb gab feine Unterfcbrift. 23ebor ber „KautiluS", auf ben ber 
SBerurtbeilte gebracht, bon Kem*Orlean3 bie norbatlantifche üfte erreicht, batte 
Noian lein 23aterlanb mehr. 

2113 ich breifjig Sabre fpdter gmeiter Sieutenant auf bem Sntrepib mar, fab 
ich ba3 Original ber Snftrultionen, bie auf Kolan 23egug batten. Sch baba 
immer bebauert, bafi ich nicht gleich eine 2lbfcbrift nahm, hoch lauteten fte fol- 
genbermaben: 

3ftont*gomerp, 9. 2>ecember 1807. 

Klein £err! 

Sieutenant Keale mirb einen gemiffen $bilipp Kolan, früher Offigier in 
ber 2lrmee ber 23er. Staaten, Sb^r Obhut überliefern. 

Serfelbe bat, mäbrenb ein Kriegsgericht über ihn abgebalten mürbe, ben 
mit einem $lu<h über fein 23aterlanb begleiteten SBunfch geäußert, bafj er nie* 
mal3 mieber bon ben 23er. Staaten hören möge, unb ba3 bericht bat e3 für gut 
befunben, biefem SBunfch benüge gu leiften. 

2)em Ktarineminifterium ift bie 2tu3fübrung be3 babin gielenben 23efebfe 
be3 $rafibenten gemorben. 

Sie merben baber ben befangenen auf Sh* Schiff nehmen unb ihn bort mH 
allen 23orfi<ht3mabregeln gegejtt einen gluchtberfuch umgeben. S)ie einem Offt* 
der feines früheren langes gulommenben Kationen ftnb ihm gu berab* 
reichen, mie auch bie nötige Reibung. S)te Offigiere 3b*e3 Schiffes lönnen, 
fo meit e3 ein gefelligeS 3nfammen!ommen mit bem befangenen betrifft, gang 
ihren-Neigungen folgen, hoch ift es ber SBunfch beS Jßrdfibenten, bafc ihm" 
leine entebrenbe 23ebanblung metbe, unb bafc man ihn nicht unnötiger SBeife 
baran erinnere, bab er ein befangener ift. 

2iber unter leinen Umftdnben barf in feiner ©egenmart bon ben23eteinig* 
ten Staaten gefprochen, Ober ihm 2lu3funft trgenb melcher 2lrt über fein frühem 
reS SBaterlanb ertbeilt merben, unb Sie merben bie SchiffSofpgiere nicht allein 


m 


WM 



beauftragen, btefe Siegel unter leinet ©ebtngung ju fiherfchteittn, fottbem 
ihnen au* ein buwh Ghtentport oerbürgteS ©er[pte*en ju biefem 3»ed abnelj* 
men. 

®ie ©egierung wirb bafür forgen, ba& ©olan fein ßeimathlanb niemals 
wieberfebe. ©eoor Sie oon 3b«* jefcigen Senbung jutüdlebren, werben Sfcnen 
©»fehle iutcmmen, wel*e biefe 3lbf«bt in ©uSfühtung bringen »erben. 

gür ben ©icmnetninifter 
SJL © outbatb. 

SBenn i* bie übrigen biefem ©tiefe angebefteten ©aptere hätte butibfeben 
tonnen, fo würbe ft* leine 2üde in meinet ©ef*i*te einftellen. 3* fann 
aber je|t nur bie ©ermutbung .auSfpte*en, ba& ber Jtapitain beS ©autiluS 
benfelben ©rief beS ©latineminiftetiumS feinem ©a*folgereinbänbigte, unbbaS 
Schreiben bem unglüdlühen ©olan auf jebeS Schiff fotzte, auf baS er Perfekt 
würbe. ®er gühter beS Sepant mag eS wohl noch jefet beftpen. 

Slber auch baS Softem ber ©ebanbtnngSweife beS (gefangenen perpflanjte 
»on Schiff $u Schiff. Äeine ber Sif*genofienf*aften, in welche baS Df» 
•fjiercorps fub tbeilte, mochte ihn als ©aft bei fub f«ben, benn in feinet ©egen» 
wart burfte man nicht Pon ber £etmatb fpte*en, nicht Pon ©olitil ober ©tiefen, 
nicht Pon geieben ober Stieg, ©egenftänbe, bie hoch faft allein ben Stoff jur 
Unterhaltung auf hoher See abgeben. »ber fte mochten ihn auch nicht fo ifo» 
litt, fo neriaffen baftehen taffen, unb fo lara man, benn auf ein Spftem überein. 
JßcntagS fpeifteer in beS SapitaiuS Safüte unb an ben anbem Sagen mit einet 
heftimmten £if*genoffenf*aft. Buweileu luben ihn au* bie SRatrofen ju einer 
ihrer Beinen geftli*leiten ein, unb er ging bann in ©egleitung eines DffoierS 
bahin, na*bem eS ben Seuten noch ootbet eingefchdrft war, nicht Pon ber £ei» 
math ju fpreeben. Gr war f*ü*tern unb jurüdbaltenb gegen bie SWciften, 
boch batte er fpätcr auch feine Sieblinge, unb non biefen war ich per Pon ihm am 
meiften ©eoorjugte. 

©alb nachbem ich auf bie gregatte tommanbirt war, gingen einige ber 
Unfrigen mit mehreren Offneren beS ©ranbpwine, ben wir Por SUejanbria an» 
getroffen batten, ans Sanb, um einen längeren Urlaub jum ©efuch bet ©pra» 
miben ju benufcen. ffiaS ©efprä* lam auf ©olan, btt, weil eS ihm niemals 
erlaubt watbaS Sanb ju betreten, auch iefct jurüdgeblieben war, unb bem man 
bafür baS innigfte ©ebauern fchenlte. SRan fptach Pon bem ftarten, unbeug» 
famen Spftem, baS feiner ©ebanbl«ng ?u ©runbe tag, erjagte Pon ben ©ü» 
ehern, bte man ihm leihen burfte, wenn fte nur nicht in ©merila gebrudt waren unb 
nichts über unfet ©aterlanb enthielten, oon ben europäif*en Bettungen, bie man 
ihm jufommen lie| nachbem fie erft einet grünblichen Genfur unterworfen wag¬ 
ten unb man febe Beile juoor auSgefchnitten hatte in welker Pon bem ©ater» 
tetianbe bte Siebe war. ©echt in bet ©litte Pon ben »eriebten übet ©apoteon’S 
grof,e Schlachten, ober auch in ben intereffanteften »heilen ber ©eben GanningS 
hatte ber arme ©otan bähet juwtilen ein So* gefunben, weil auf ber ©üdfeite 
oielleicht ber Slawe feines fjeimatblanbeS genannt, ober bie ©a*ri*ten oon 



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64 



jenfettd bed groben Dceand, bie ein angefommened Schiff gebraut, bort ge* 
brueft waren. 5)ted war bad erfte ÜDtal, bah ich 9töhtttö über bie Sebanb* ' 
lungdwetfe, welche üRolan erlitt, ^örte. 3<h erinnere mich beffen um fo beutlrchcr, 
ald ShiHippd, ber bie Partie mitmachte, und bet btefer Gelegenheit einen Sorfafl, 
ber 5Rolan betraf, mittheilte, welker ftch om Gap ber guten Hoffnung jugetra* 
gen, wohin ber Gefangene auf bem ÜRautifud feine erfte SReife machte. Unfere 
Sorbette war bort mit englifchen Äriegdfchiffen jufammengetroffen, unb bie Df» 
fixere hatten eine fo enge flamerabfehaft gefchloffen, bah bei ber Abfahrt einer 
ber Gngldnber bem guten ShiHipP^ eine Strahl Sücher oerehrte, etnd ber 
Iiebften Gefchenle, bie einem Seemann gemalt werben fönnen. Sfout wollte 
ber leibtge 3ufall ed aber, bah barunter auch einige oon SBalter Scottd SBerfen 
waren, namentlich auch „$ed 2Rinnefängerd lefcter Sang," welcher für bie Gng* 
lanber feine Bonität, für unfere jungen aber gan$ neu war. Shaw lad bie 
Sucher in höchjteigner Serfon oon 21 bid 3 burch, benn er muhte wohl, bah fte 
fpdter in 5Rolan’d $dnbe fallen Würben, meinte aber, fie feien gan$ harmlod, 
obgleich ShiHippd mir einft unter oier 2lugen jufchmor, bah berfelbe Shaw bem 
Shafefpeare'fchen Sturm ald Genfor fütf ÜRolan oerwarf, weil, wie er fagte, „bie - 
Sermuben eigentlich und gehören mühten, unb bei allen ^eiligen, auch einft uit* 
fer werben würben." Gd war üRolan baher ftidfehweigenb geftattet, fich bei un» 
fern Offneren auf bad Serbecf hinjufehen ald fte gurüdlehrten unb fldh bur<h 
Sorlefen ber neuen 2Ber!e unterhielten. $eut S u 3^9* utag ed auf unfern 
Schiffen anberd jugehen, bamald aber hielt man ed nicht für unpaffenb, ftch auch 
etwad auherbalb bed gachftubiumd ju halten. Gut; enbtich fam benn bie JReihe 
bed Sorlefend an 9tolan. deiner oon ben Unfrigen fannte bad Such; nur bad 
muhte man, bah ed pure giftion war unb über eine 3eit hanbelte, bie wir um 
jehntaufenb 3ahre hinter und hatten. Gr lad unb lad, nahm einen £ruof 
SBaffer unb lad bann wieber, bid er auf folgenbe Stelle fam: 

So leer wirb hoch ein $er$ nicht fchlagen, 

Sah nimmer foHt* ed §u ftch fagen. 

Und, benen biefoStrophen fo heimifch Hingen, fcheint ed pofttio unmöglich, 
bah man fte überhaupt sum erften 2Ral gehört haben lönne, aber fo war 
ed bennoch mit ben Offneren bed SRautilud. 2luch Ulolan fuhr mechanifch 
lefen fort, ald miffe er taum um mad ed ftch hanbele: 

„2)ied ift mein theured Saterlanb!" 

3tun fühlte 3eber, bah bahtnter noch mehr ftanb. SCber 3tolan, obgleich 
er etwad blaffer würbe, fuhr bennoch fort: 

„255em Hopfet ftürmifch nicht bad £er$, 

SBenn er bie Schritte heitnathw&rtd 
Gewenbet hat oom fremben Stranb ? 

Giebt’d einen Solchen, merft ihn Guchl 


SCId er fo weit getommen, hätten 2Ule ben $ald barum gegeben, wenn ber 



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55 


Slrmc mir eilt paar Setten fiterftttagen, aber bagu batte er nicht ©eifteSgegen* 
matt genug, unb mit ftoefenber Stimme bub er abermals |u le)en an: 

„3bu freuet nittt ber 33ne SReitt. 

Ob £itel ibn unb tarnen fttmüden, 

* S)er (Erbe ©ttäfee ibn beglüden, 

Ob 9tang unb Sfteitttbum ibn erbebt — 

(Ein 2Bid)t, ber nur ficb fetter lebt!" 

•gier erftorb feine Stimme. (Er fprattg tritt erregt empor, toarf baS 
Vud? in bie See unb ftürmte in feine Äajüte. ffidbrenb »oder |mei atonale 
bat man ibn nittt triebet gefeben. 

2Ran fagte mit, baf$ ÜRolan, als er gnerU 1 auf ben -Nautilus gebraut trurbe, 
fein Urtbeil für einen guten 2Bip anfab, ron bem Vergnügen fpradb, baS ibm 
auf feinen Reifen berorftebe, unb bie Satte überhaupt febr leittt nabrn. Von 
bem Slugenblid biefeö Vorfalls bei bem ßap aber trurbe er ein anberer Vtenftt. 
2lton fab ibu feiten lefen, nott treniger fttt ben Offizieren lamerabfttaftlitt an* 
fttliefcen. Settft als itt ibn fennen lernte, Wte feine Sttüttternbeit nittt natt* 
gelaffen, unb er fpratt menig trenn er nittt angerebet trurbe, aujier gu ©nigen, 
benen eS gelungen mar, ficb ibnt gu näbern. 

2IIS ber -Nautilus auf ber ßeimteife begriffen mar, freugte (Eapt. Sbam 
einige Sage auf ber #öbe her meftinbiftten Snfelgruppe, unb bie 2Jtatrofen 
fagten fttt bereite, bafi bie Offigiere beS VöfelfleiftteS fatt mdren unb fttt mit 
Sttittfröten »erforgen mollten, ate eines VtorgenS ber ffiarren berangefegelt 
tarn unb Signale mit ibm mettfeite. Valb ertldrte fitt baS Vdtbfel. (ES mürbe 
Volan bebeutet, bafj er feine Satten in ein Voot gu bringen babe, benn ber 
SGBantn, natt bem ÜNittelmeer beftimmt, merbe ibn auf nehmen. ViSber mottte 
er auS bem (EourS beS Sttiff^ geahnt haben, bafj eS „beimmdrtS" gebe, unb 
um fo herber trat bie (Enttdufttung. © fab jefct, bafi eS für ihn feine #ei* 
matb gebe, felbft fein ©efängnifj in ber #eimatb. ©nige gmangig 3M ift er 
feitbem ron Sttiff gu Sttiff Derfefct morben, bott niemals fam er bem Vater* 
lanbe nabe. 

Vielleicht mar eS auf biefer gmeiten fjabrt, {ebenfalls aber trug eS fttt 
innerhalb ber erften Sabre feines (EyilS gu, bafi ber 3ufaU ihn in bie -Nähe 
ber ihrer Schönheit megen berühmten grau ©raff brattte. S)aS Sttiff batte 
ftton lange in ber Vai Don Neapel gelegen unb bie Offigiere maren fo freunblitt 
Don ber bort ftationirten flotte aufgenommen, bafi fte enblitt auf ben ©nfaH 
tarnen, bie ihnen ermiefenen $öflittfeiten burtt einen VaH auf ihrem Sttiff« gu 
ermiebern. !Nun aber brauttten fte Volan’S ßajüte gu einem *2htfleibegtmmer 
unb mottten eS nittt tbun ohne ihn felbft eingulaben, unb fo baten fte benn ben 
(Eapitain um bie (Erlaubnis, es tbungu bürfen,maS er ihnen auch gern geftattete, 
DorauSgefept bah man ihn nittt mit Leuten fpretten laffe, bie über Derbotene 
©egenftdnbe mit ihm reben tonnten. 2>ie Satte mürbe alfo gemacht unb bie 
geftlittteit ging mit bem großen ©lat Dor fttt# benn eS hielten fttt gu ber 3eit 


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U 


föon riefe amerifanifebe gantilien Int bertflehen gtaßeft auf, unb was Wefe nicht 
an tarnen aufmeifen tonnten, eiferten bie anmefenben ©ngldnbet unb ble 
haute volöe non Neapel. 

Son ben Offizieren f<hlo& ftch unter bem Sotwanbe eines freunbfehaft* 
liehen ©efptdd&S ©inet nach bem Slnbem !Rolanan, batnii fein Uneingeweihter 
mit ihm fpredje; aber halb bernachlafftgte man biefe SorftcbtSmafjregel, benn 
ÜRientanb febien ftd? um Man p belümmem. Slöfclich ging et quer übet baS 
Serbed auf grau ©raff p, bie er, als fte noch unoerbeiratbet mar, häufig auf 
Saßen in 9fem*DrleanS gefeben batte. Sebor Sbubrid, bet in bet ÜRdbe ftanb 
unb ibn tommen gefeben, eS berbinbem tonnte, butte Man bie feböne grau 
angerebet. 

„geh hoffe, bah Sie ftch meinet no<b erinnern, SJtijj Mlibge," fagte et." 
„ÜBoßen Sie mit bie ©bre beS nd(bften Sanges erweifen ?" — 

„Ob, ich bin freilich nicht langer 9Jtih SRußibge," antwortete fie, „aber baS 
macht nichts aus, 2Rr. Man; idb werbe bo<b mit gbnen tangen." — 

Unb mit einem Slid auf Sbubiid, bet ibm fagte, bah bon et ibt nichts ju 
befürchten habe, nahm fte feinen 2Irm. 

9iolan mar überglüdli#. $)ur<b btefen StaatSftreich feinen ^Beobachtern 
entrüdt, fab er ftdb jept bie (Gelegenheit geöffnet, ettoaS übet baS p hören, maS 
feinem bergen fo nabe lag. 3lber borfuhtig begann er bie Sonbe anjulegen. 
©r fprach bon bet Steife bet liebenSmürbigen grau, bon bem Sefub, bon bet 
©efeßfehaft in Neapel, unb als er fte fo recht rebfelig gemacht, ba brachen feine 
©ebanten auS ihrem Serfted betbot. grau ©raff fagte mit biele gabre fpdter, 
als fte mir bieS 3ufammentreffen fchßberte, bah feine Stimme plöfclich einen ge* 
bdmpften, gitternben %on annabm, als et fragte: t 

„Unb toaS giebt es -ReueS in bet $eimatb, grau ©taff — buben Sie fürj* 
lieh Stiefe bon braufcen gehabt?" — 

Sbubrid behauptet noch heutzutage, bah bie 2lugen beS fchönen SBeibeS 
Man förmlich p burchbobren fchienen, als fte ihm ihren 2lrm entzog unb 
antwortete: 

w 2luS bet ©eimatb, §err -Rolan ? SBte, ich bube immer gehört, bah Sie 
leine $ekitatb hätten, unb bah SieJbon bet, bie Sie einft gehabt, niemals wie« 
bet zu hüten münfehten!" 

2)amit menbete fie ftch bon ihm ab unb zu ihrem ©atten, unb Slotan Wat 
abermals aßetn wie et es immer mar. 

©t tanzte nicht triebet. 

©ine georbnete Sufammenfteßung feiner ©efchichte bermag ich nicht §u 
geben. 3BaS ich bon ihm erzähle, ftnb Xrabitionen, welche ftch bon Schiff ga 
Schiff betpflanzt buben. ©S ftnb lutge Sruchftüde aus einet $etiobe beS Äum* 
merS unb bet Sergmelflung, bie ftch übet biele, biele gabte erftredte. $o<h mat 
biefe auch nicht gang ebne ihre Sichtblide. 3)er ßrieg, welcher balb nach bem 
oben befchtiebenett gntermezjb auSbtach, lieh SRrian in einer gang anbetn SRoße 


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Sabre nach bcm flriege cm, unb jur 3*it al$ Ich noch Gäbet mar. G)amat8 
berbrehte ba8 immer noch über mein Raterlanb regierenbe „#au8 bon SBirginicn" 
fromm bie Augen, menn bom überfeeifeben Stlabenhanbel bie SRebe mar, unb er* 
mannte fub bin unb mieber auch mobl einmal jufchüchternen Schritten, ihm Gin* 
halt ju tbun. Stuf eine berartige Rtiffton mürben mir' auch gefanbt, unb e8 
mährte nicht lange, bB mir einen portugieftf(hen Scbooner antrafen, ber Stta* 
ben am 93orb hatte. Gin Öftrer mürbe hingefchidt, um ihn in ©efifc ju neh* 
men. $ocb halb lieb er unä mifTen, baf* er 3emanben haben müffe, ber pot* 
tugiefifch fprechen tönne. Run mubte aber unter ben Unfrigen deiner mehr bon 
biefer Sprache aB bon ber hebräifchen, unb fchon moUte ber Kapitän aufB Ror* 
berbed fehiefen, um ju fehen, ob unter ben SRatrofen einer fei, ber ben 2)oßmet* 
(eher fpielen fönne, aB Rolan bortrat unb fich ju biefem 3med jur Verfügung 
fteßte. $a3 Anerbieten mürbe angenommen, ein SBoot auägerüftet, unb in 
biefe3 93oot mürbe auch ich fommanbirt. 

AB mir an ben Schooner tarnen, bot fuh un3 eine Scene bar, mie ich ftc 
nie gefehen, niemaB mieber ju fehen münfehe. Schmup ohne Gnbe, unb GbaoS 
inmitten biefeä Schmupe^. G3 maren jmar nicht biele Reger am Söorb, aber 
um fi<h berftänblich ju machen, hatte Raughan, unfer Lieutenant, ihnen bie 
4)anbfcheßen abgenommen unb fie ber Reränberung megen ben $ortugiefen an* 
gelegt, unb jefct fchmärrnten bie Schmarren auf „ba$ Rerbed", umringten 
SBaughan unb rebeten ihn in allen Rtunbarten an, bom^atoB be$ 3nlu bB jum 
tlafjifchen Söelebeljereebfchen. 

„Um be^^immeB mitten", rief SBaugban bon einem 0?hoft au§, beffen er 
ftch jum 3med einer Tribüne bebient hatte, tann Giner bon Gu<h mir aiBhel* 
fen ? $ie Äerle haben fchon Rum getarnten mie 2Baffer, aber ba$ macht fie 
nur noch jungenfertiger, unb biefem groben Reger bab* ich fchon jmei üfltal ben 
Schabet einjufchlagen berfucht, aber felbft baä beruhigt ihn nicht/ 4 

Rolan fagte, er tonne portugiefifd) fprechen, unb ein paar £atbblut*Reger, 
bie im 2)ienft ber $efapung beä Schooner^ mährenb be3 Labend bei gemanbo 
$o geftanben hatten, mürben borgeführt, um ba3 berboßmetfchteGnglifch mieber 
ju berboßmetfehen. 

„Sagt ihnen, baf$ fie frei ftnb," rief Raughan au3, „unb bah biefe $erle 
unb auch 3h* aufgetnüpft merben foüt fobatb mir baju Stricte genug haben." 

$ann erfolgte ein Grüßen, Subeln unb^ühetüffen, bah SSaughan für einen 
Augenblid jmeifelhaft mar, ob e3 mit ihm felbft nicht gefährlicher ftänbe aB mit 
ben Sßortugiefen. 

„Sagt ihnen", rief er mieberum, „bah ich fie Aße nach Gap $ßalma3 brtn* 
gen merbe." 

$ie3 fanb nicht fo marmen Antlang. Gap $atma3 lag ungefähr fo 
meit pon ber 4>eimath biefer Uuglüdlkhen, mie Rio 3aneiro ober Rem*0rlean3, 
unb fie mürben bon bort niemaB nach £aufe tommen lönnen. S)ie $oßmet* 
fcher magten e3 baher augenblidlich, burdhein leifeä „4b nonPalmas”, gegen 
biefe Abficht ju proteftiren, unb Raugban, erftaunt barüber, bah feine Abficht 



) 


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*9 


ben Negern ntd&t glet'4 überfefct würbe, fragte Slotan, was 3ene ihm gefagU 
Sie tropfen ftanben auf beS 4>eimathlofen Stint, als et bet Sftenge bur4 ein 
Seiten S4meigen gebot unb SBaughan antwortete* 

„Sie Sollmetf4er bitten, bab man bie Seute ni4t nad? SßalmaS bringe' 1 , 
agte er. „Senbet ftc beim, flehen fte im Stauten biefet Sieget, beim ju ihren 
SBeibem unb ihren Äinbern." 

3nämif4en hatten bie SoHmetf4er mit ber SJtenge gefpro4en. 34 be* 
oba4tete fte genau. #ier ein Sluge ood Spänen, bort ein 93lid büfterer 93er* 
jtoeifCung. Mehrere bet S4^ar§en fprachen, unb waS fte fagten, würbe Stolan 
überfept. I 

Unb bann fuhr biefet, ju SBaughan gemenbet, fort: 

• „(Einer bittet im tarnen feiner alten (Eltern, bab man ihn heimfenbe, benn 
fonft mürben biefe oerhungern. (Ein Slnberet fagt, bab er in einem üanoe ben 
gernanbo $o herabgelommen, um ben meiben Soltor ju holen für fein IranfeS 
fiinb, als biefe Teufel ftch feiner bemä4tigten unb ihn auf baS S4iff brauten, 
unb bab et Stiemanben aus l)er ^cimath feitbem gefehen, unb ni4t miffe, ob 
baS $int> no4 lebe. Unb ein dritter, fügte Stolan hinju, hat f4on fe43 
Monate in ber Söatracoon beg StlaoenhänblerSgefeffen, unb mährenb aU r biefet 
3eit nidjtS oon ju £aufe gehört." 

Sie Soltergualen, wel4e Stolan mährenb biefer Scene erlitt, fpiegelten fi4 
fo ftürmifch auf feinen dienen ab, bab 93aughan immer no4 behauptet, baS 
SDlitleib, mel4eS er für ihn empfunben, habe ihm bie erften grauen $aare ge* 
madbt. 34 ftfbft, obgleich mir bie ©ef4i4te Stolan'S bamalS nur no4 in ben 
bürftigften Umriffen betannt mar, fühlte mich fo ergriffen burch fein Seibcn, bab 
i4 raf4 in baS 33oot fprang, um nur nicht no4 länger 3onge feines SthmerseS 
ju fein. 

„Sagt ihnen", hörte i4 SBaughan noch rufen, „fagt ihnen, bab fte in 
?hre ^eimath gef4idt werben foUen. Sagt ihnen, bab wenn id) au4 mein Sdhiff 
bur4 bie grobe SBüfte führen-foHte, na4 £aufe geht’S, baS ift nun einmal ftd>er— 
aber jefct au<h lein SBort mehr." 

Stolan überfefcte fo gut et lonnte; bann aber bermodjte et es nidjt länget 
in ertragen unb fprang ju mir ins 93oot herab, währenb ein Sturm oon Se* 
genSwünfdhen in allen Sialelten SlfrifaS ihm. folgte. 

„Siehft Su, finabe", fprach er ju mir, inbem et meine $anb ergriff unb 
mir in'S Sluge blidte, „ftehft Su, baS ift baS 2ooS Neffen, bet ohne Sreunbe, 
ohne £etmath ift. Unb wenn Su Si4 jemals öerfucht fühlft, ein SBort ju 
fpre^en, baS Si4 auf ewig Seiner gamilie, Seinem £erb unb Seinem Sßater* 
lanb entfremben lann, bann flehe $u ©ott, bab er in feinet SWgüte Sidh 
abrufen möge beoor ber SJtoment ber Sieue ba ift." 

34 war tief erf4üttert bur4 bie SBilbheit ber Aufregung, bie fi4 feinet 
bemä4tigte, unb ftotterte baS $8erfpre4en heroor, bem SSaterlanbe immer treu 
bleiben su wollen. (Er f4ien meiner laum §u a4tcn, aber bebot wir unfere 







(Sorbette meldeten, bon beten SRafffptpe bag Sternenbanner fo flolj unb 
freünblich flatterte, hörte ich ihn noch bot ft4 bin flüftem: 

„2Benn mir 3emanb fo gefprochen, alg üb bon biefeS Anaben SQter matt 
SJMe glüälich Knute i4 bann fein!" 

34 glaube, e^ mar biefer Vorfall,, bent ich bgg nähere SSeshältmh guf4tei* 
ben !ann, melcheg ftcb fpdter gmifd^en ung entfparoj. (Sr mar mir fortan ein 
freunbtiefeer ©efährte. 5Bar eg meine SBacbt nach üroitternacht, fo !am auch er 
auf’g Herbert unb unterhielt ftch mit mir, big üb abgelpft mürbe. Qx lehrte 
mich Sllleg, mag er muhte, unb felbft in ber Seemanngtunbe bermochte. er mir 
an bie £anb gu geben. $8on ficb felbft aber fprach er mäbrenb unferer langen 
• Unterhaltungen niemalg; auf. feine ©efchichte beutete er in leinet Seife bin. 
dag Scheiben bon ihm bei 6t. dhontag mürbe mir fernerer, alg bag bon 
meinen Aameraben, unb ich fühlte mich ho4beglüc!t, alg i4 im 3ab*e 1830 
noch einmal in feine -Wabe laut. Später, alg ich bon Stufe gu Stufe ftieg unb 
einigen ©influh in Safhington gu haben glaubte, fefcte xd) $immel unb ©pbe 
in Semegung, um -Man’g ©egnabigung gn ermirlen, aber ebenfo leicht märe 
eg gemefen, einen ©eift aug ber £ölle gu erlöfetu 3 m Sftarineminifterium 
behauptete man fteif unb feft, bah eg leinen ÜRolan gebe unb bah & niemalg 
einen gegeben habe, ber eine folcbe Strafe erlitten. So fagt man bort biel« 
leicht nodb jefct. ©g mag fein, bah bag ÜJtinifteriHm nichtg bon ihm meih; er 
märe mahrlidb nicht ber ©rfte, bon bem man bort nichtg mühte. 

34 lernte nur einSoog, bag noch unerträglicher ift alg bag fetnige—bag 
$oog derjenigen, bie ftdb freimütig bon ihrem SBaterlanbe getrennt haben, nadb« 
bem fie berfudbt, eg gu berberben. der SBunfch beg „armen SRolan", benn fo 
nannten mir ihn 2llle, nicht meü feine Strafe fo groh, fonbern meil feine SHeue 
fo aufrichtig — mar auch ber ffiunfdb eineg 33ragg unb eineg ©eauregarb, bie 
ben dreufchmur eineg Solbaten brachen, unb eineg 2ftaurp unb 93arron, bie ben 
eineg Seemanneg berieten. 34 meih nicht, ob auch fte bereuen; idb meih nur, 
bah fte 3llleg thaten, mag in ihren Aräftten ftanb,um ihren 2Bunf<h, bag SSerberben 
ibreg SSaterlanbeg, gu forbern. 34 meih auch, bah ihre Strafe in ben 
Sänbern, mo fte begetiren unb mo fte einanber big gum lebten Sebenghauch mit 
ffiormürfen überhäufen merben, no4 f4merer ift alg bie Folterqualen, bie 9tolan 
erlitt, denn mer fte fennt, mirbfteberachten, ja berabf4euen. 3h r ®nnf<h mirb 
erfüllt merben, mie ber feinige eg marb. 

©r bereute fein Vergeben, aber er ertrug bie Strafe mit männlichem 
SRuth. Niemalg erf4merte er abftchtlich bie fo taftbod unb nadbfichtig über ihn 
auggeübte Kontrolle. Senn bag ©ebtet, auf bem man fi<h in feiner ©egen« 
mart nicht bemegen burfte, bennoch berührt mürbe, fo gef4<4 eg nie mieber 
bur4 feine S4ulb, feitbem er in Neapel eine fo tiefe demütbigung erlitt. Sieu« 
tenant drujton ergäblt mir, bah nach ber 2lnerlennung bon deyag eine feierlübe 
Serathung unter ben Dffigieren über bie Frage gehalten mürbe, ob man jefct 
ni4t aug bem merthbollen Sltlag, ben -Man befah, bie Aarte bon deyag ent« 
fernen, b, h* fte aug ber SBelttarte unb ber bon üDtejilo heraugf4neiben folle, 



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wie bie bet Ser. Staaten fdfort aus ihm entfernt mürbe, als man ben AtlaS 
juerft für Aolan taufte. Aber man fam bahin fibefcrin, bah ein fotcheS Ser* 
fahren gerabe baS betragen mürbe, maS man ihm §u verheimlichen fu<hte, ober, 
tote ber muntere $arrp (Sole fagte, eS mürbe ihn glauben machen, bah Aaron 
Surr enblich hoch erfolgreich gemefen fei. Unb fo mar eS benn mirHich nicht 
Aolan’S Sthulb, bah bie folgenbe Heine Affaire auf ber fübamerilanifchcn Sta* 
tion ftattfanb, too ich für lurje &it ben ©eorge SEafhington befehligte. (Einige 
unferer jungen mären am £anb gemefen unb erzählten uns bon ihren Sßrüfun* 
gen auf ben halbmilben fßferben bon SuenoS ApreS, als Aolan, ber fwh in 
guter Stimmung befanb, burch biefe ©efchichten an feine eigenen Abentheuer in 
SeyaS erinnert mürbe, too er häufig mit feinen Sruber auf ben gang milber 
$ferbe gegangen. SBdhrenb ber Saufe, bie fo häufig bei $if<he einer intereffan* 
ten Stittheilung folgt, fragte er plöfclich: 

„Aber maS ift benn eigentlich aus $eyaS gemogen ? Aachbem bie 9Reyi** 
laner ihre Unabhängigleit erfämpften, glaubte ich, bah eS mit £eyaS fehr rafch 
boran gehen merbe. (ES ift mirllich .eine ber fchönften [Regionen ber (Erbe, baS 
gtalien beS amerüanifchen Kontinents, nub eS munbert mich/ bah i<h feit $man* 
|tg Sahren nicht ein SEort über £eyaS gehört habe." 

GS befanben {ich §mei $eyaner unter ben Sifchgäften, unb fte toaren Dffi* 
jicre meines Schiffes. 2)afj Aolan nichts bon £eyaS gehört, beruht einfach 
barauf, bah feitbem Auftin feine Aieberlaffungen bort grünbete, jeher barcrnf be* 
jügliche Paragraph aus ben ihm gegebenen 3eitungen gefchnitten mar. , 5EeyaS 
hatte für ihn $u eyiftiren aufgehört SEaterS unb SBilliamS, bic beiben Seyaner, 
fahen einanber bebeutungSvoK an; Sieutenant 2RorriS fpielte eifrig mit bem 
Saljnäpfchenunbber Gäbet SBgtrouS belamplöfclich einen heftigen ^uftenanfaH. 
Aolan bemerlte mohl, bah etmaS im Anjuge fei, aber ich rih fchneÖ ben gaben 
ab inbem ich fagte: „SeyäS fteht nicht länger auf ber Sanblarte, 2Rr. Aolan. 
SEie fchmedt Sbnen biefer Aothmein, meine Herren ?" 

Aachbem ich mein äommanboan ber fübamerilanifchen Station auf gab, fah 
ich Aolan nicht mieber. 3Ran fagte mir, bah er rafch alterte, aber mit berfelben 
füllen (Ergebung fein ÄooS ju tragen fortfuhr, mie bamals als ich ihm nahe mar. 
Gr mochte mehr §urüähaltenb neuen Anfömmlingen gegenüber fein, aber ben 
fabelten mar er ein väterlicher greunb unb ermübete niemals in feiner Sorge 
um fte. Unb jefet ift ber Arme benn erlöft; er h<tf eine £eunath gefunben, 
menn auch lein Saterlanb. 


Settbemtch DbigeS fchrieb unb no$ in meinem (Sntfchluh manlte, ob ich eS 
ber Deffentlichteit übergeben foße, lam mir.ein Srief bon Stanforth ju, ber Aä* 
hereS über bie lebten Stunben Aolan’S enthielt. SAeine lebten ßmeifel über bie 
Smechnähigteit ber Atittheilung feiner ©efchichte merben baburch befeitigt. £ier 
ift bet Srief: 


»SS 


m 



62 


Siebet $reunb» 


Sn SJorb beS Sebant. 


Ster gute, liebe ÜRolan bat enblich auSgelitten. ffiir ftonbeit einanbet 
wäbrenb biefer Steife febr biel nabet als je gubor, unb ich begreife je^t bie 
HBärrne, mit bet S)u S)ich feinet immer annabmft unb bon ibm fprachfl. Seit 
längerer 3eit bemerfte icb bie Sngeichen ungewohnter Schwäche, wenn ni(bt ge* 
tabeäu ßranfbeitSfpmptome, an ibm; icb butte habet ben 9lrgt beauftragt, ibn 
genau gu beobadbten, unb geftern Vtorgen ma(bte biefer mir bie SMbung, bab 
Solan unwohl fei unb feine Äajüte nicht berlaffen lönne, was mich natürlich fo* 
fort babin führte. 2)a lag benn ber alte ßttabc in feiner ßoje unb ftrecfte mir 
Iächelnb bie £anb entgegen. (Sin Vlid burch bie ßajüte, — bie er, wie 3)u 
weibt, niemals bon Slnbern betreten lieb, waS unS namentlich als wir auf bem 
Sntrepib gufammen waren, fo biel Stoff gu geheimnibbollen ©efdjichten lie* 
ferte — fagte mir, weshalb er fein Heines $eiligtbum fo eiferfüchtig gegen Gin* 
bringlinge fchüpte. lieber ber Thür hing unfere glagge, unter ihr ein Vilb 
bon SBafhington unb baneben unfer 2Bappen, ber Sbler. Solan fah meinen 
überrafchten ©lief unb fagte mit trübem Sachein: „Sie feben, Gapitain, ich mag 
gegen bie Regeln berftoben buben, aber hier wenigftenS mubte ich mich in bie 
^eimath gurüdbenfen tönnen." Snbem er bieS fagte, wies er auf bie Schiffs* 
wanb, welche bie Südfeile feines VetteS bilbete, unb ba fanb ich eine gigantifche 
Harte* unfereS VaterlanbeS hingegei^net, bie Solan nach bem ©ebächnib ent* 
worfen butte. Sonberbare alte tarnen fanb ich bort in groben Vuchftaben 
bergeiebnet. „Snbiana Territorium," SDtifflffippi Territorium" unb „Souiftana 
Territorium," wie unfere Väter eS gelernt butten; aber TeyaS butte ber alte 
finabe, wabrf<beinli<h feit jenem Keinen Sntermeggo bei VuenoS SlpreS, mit 
hineingeflidt^ unb baS ©ebiet ber Union reichte bis an bie pagififdhe Hüfte; bort 
aber waren bie Sinien feiner ©rengen berwifcht. 

„Stonfortb," fagte er, „ich merbe halb fterben. S<b weib, eS ift beinahe bot* 
bei mit mir. $aben Sie mir benn nicht je$t noch etwas gu fagen — wollen 
Sie mit mir nicht fpreeben bon ber.... ber $eimatb? Storten Sie bis ich 
auSgerebet bube. GS ift an Vorb .biefeS Schiffes deiner, bem fein Vaterlanb 
theurer ift als mir, deiner, ber bie alte glagge beiber liebt unb inbrünftiger für 
fte betet als ich. Sie hat jefct hier unb breibig Sterne, unb bafür banfe ich 
-©ott, wenn ich auch nicht weib was biefe Sterne bebeuten. ©lauben Sie benn 
nicht, 2)anfortb, bab eS mir £öllenqual war, wenn idh bon Schiff gu Schiff 
berfefct würbe, unb im Sauf ber get Stern auf Stern anunferet glagge er* 
fcheinen fah, unb* boch nicht fragen burfte, waS bieS bebeute, nach welcher Seite 
hin mein Vaterlanb fuh bergröbert? Sagen Sie eS mir, Tanfortb — ergab* 
len Sie mir bon ber £eimatb, bebor ich fterbe." 

Sch fühlte wirtlich, als ob ich ein fchwereS Verbrechen begangen, bab idh 
ihm nicht früher SlüeS mitgetbeilt butte, was feinem armen bergen wohl thun 
lonnte. „Solan," fagte ich, bem fo natürlichen SmpulS ©ehorfam leiftenb, ber 



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ftd? nicht an Segeln unb $epartentent$befehle fehrt, „t<h n?iH Sbnen Alles er* 
|d^Cen; nun, wo füll ich anfangen ?" 

Ob, ber3ug unauSfprechlicher greube, ber über fein ©eftcht flog! Sr 
brüdfte mir bie £anb unb ftüfterte: „$et Himmel fegne Sie, flapitain." — 
2)ann geigte er auf bie flagge, auf bie bierunbbrei&ig Sterne. 

„Sagen Sie mir, was bie ba bebeuten," flüfterte er, „biefe bieten Sterne 
ba. 5)er lebte, bon bem icb weift, ift Ohio. Stein 33ater lebte inÄentucfp, unb 
fo ift mir Obio noch erinnerlich* Saft SUcpigan, 3nbtana unb SRifflfflppi 
feitbem Staaten geworben ftnb, lann i(b mir benfen, benn fo pieften bie Territo¬ 
rien. 2)aS macht gtoanjig. Aber bie anbem biergepn, wo fommen bie per ? 
Stau hat boeb feine bon ben alten geteilt V" 

3<h nannte ibm bie Samen ber Staaten, unb er bat mich, bie flarte bon 
ber 2Battb gu nehmen unb bie ©rengen biefer neuen Sterne fo gut tcp’S formte 
barauf gu geichnen. (Sr war auber fub borKntgüden über £eyaS, benn jept rubte bie 
Slfcbe feinet $ruberS Stepban, ber bort geftorben, in ber (Erbe beS groben 33a* 
terlanbeS. Auch Kalifornien unb Oregon regten ibn mächtig an, obgleich er 
eS geahnt hatte, bab bie 33unbeSflagge bahin berpflangt fei, benn bie Schiffe, 
auf benen er geroefen, waren gu häufig in jene ©ewäffer beorbert. Unb bann 
ging er gurücf, über ein halbes gahrhunbert gurücf, unb fpracb bon bem alten 
Kpefapeafe, unb fragte was man 33arron gethan, weil er jenen bem Sepparb 
überliefert, ob 33urr noch einmal progeffirt worben fei, unb bab bieS nicht gefepe* 
ben, berurfaepte ihm ben eingigen Kummer. Aber in einem Augenblicf war er 
fepon roieber ber Sitte. „Stöge man ihm bergeiben wie ich ihm fo gern ber* 
geibe/' fagte er, unb ich fab, bab eS aufricht g gemeint war. Kr fragte auch 
nach ben golgen beS ÄriegeS mit Knglanb, erfunbigte fich nach porter, ben er 
wie feinen 33ater liebte, unb bann fchwieg er, um mich in einer Stunbe bie ©e* 
fchichte bon fünfgig gapren ergdhlen gu laffen. 

SBaS hätte ich barum gegeben, in biefen furgen Augenbliden bie Kr* 
eigniffe eines halben SaprpunbertS auf faftlicpe Sßeife ibm mittheilen gu fönnen! 
$ie Aufgabe berwirrte mich. 3<b fprach halb bon ben biergiger, halb bon ben 
gwangiger gapren, balb bon ©rant unb bann wieber bon ben Ausbeutungen ber 
Krfinbung gultonS. 3ßer ©rant fei? Kin grober Solbat, ber im SBeften fom* 
ntanbire. Oh, bie „Segion beS SBeftenS," meinte ber Sterbenbe, ber auch ich 
angehört habe; unb fommanbirt er auch gu gort AbamS? — Sein, er hat eben 
fein Hauptquartier bor SicfSburg aufgefcplagen. — Siefsburg! $en Ort fannte 
. er nicht. KS müjfe wohl in ber Sähe bon gort AbamS liegen, bielleicht fei eS 
nach einer $lantage benannt, beten KigenthümerS, Sief, er fich noch S u erinnern 
glaube. Unb fo fpraepen wir fbrt. 3<h ergäplte ihm bon bem gigantifepen Stuf* 
fchwung ben unfer 33aterlaub genommen, bon bem Seichthum, mit bem eS ge* 
fegnet ift, bon ben Kifenbahnen, ben Kanälen, bon ben Stillionen, bie baS Sternen* 
bannet jefct beft&t — ich fagte ihm Alles, greunb, nur bon ber SebeUion, bie 
jefct unfer 2anb gu gerftören fuept, wagte ich ihm nichts gu fagen. 

Kr hörte mir fcpweigenb gu. 3<h fah, bah eine grobe Seränberung in 


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ifan »orgegaitgen toar. Sehte totit geöffneten SCugen ftanteit mid> tmt einem 
feltfamen 9lu$bru<! an. Seine Sippen maren blutlos; ein leifett Sdbauer bureb* 
riefelte 4n bin unb lieber. 2)er Sltbem mürbe lürjer unb bef^merli^er. 34 
fab, bafj er int Sterben lag. 

34 f4tt?ieg unb beugte mi<b über ibn. Seine fraftlofen £änbe umfaßten 
«ni4 — jagen mich ju ibrn binab. (Er tübte midj. 

„Senn i<jb tobt bin, 3)anfortb, fo fu4en Sie in meiner ®ibel na<b", bat er 
mich flüftemb. 

IWodb ein leifer Stauer, unb er bauebte feinen lefcten Seufzer. 

34 fu4te feine ©ibel. Sluf ein Studien ©apier, ba$ i<b smifdben ben 
Slättern fanb, traten folgenbe Sorte gefebrieben: 

„Safet baö 2Jteer mein ©rab fein. (ES ift meine $eimatb getoefen unb als 
fol<be liebe i4 Slber toiH ni<bt 3emanb mir ein einfadbeS ÜJtonument bei 
gort SlbamS fefcen, bamit bie S4madb, toeldbe an meinem tarnen haftet, uidbt 
größer fei als idb eS oerbiene ? fiafjt golgenbeS bie 3nf4*ift fein: 

3ur (Erinnerung an 

PbWpP Holan, 

Sieutenant in ber tlrmee ber bereinigten Staaten. 

(Er liebte fein baterlanb rnie fein Slnberer eS geliebt, unb deiner 
toar beffelben minber toürbig. 


pa« <3aljr 1865 für Amerika unk Europa. 

Bon Bfctot Grs# 


©aä 3!abr 1865 wirb in bet ©efebiebte bet äteujeit eine ebenfo prominente 
Stellung einnefymen wie bös 3al;r 1848. ©leid; biefem, büßet eö einen 2lb* 
fdjnitt, welcher eine neue ?ßeriobe eröffnet. 2BaS bahntet liegt, gehört einem 
übetmunbenen Stanbpuntt an unb toitb unö febt balb frembattig oortommen. 
©amal3 lag bet $etb bet ©teigniffe in ßuropa, jept liegt er in älmerita. 2ßa8 
ftcb bamafö jenfeite beS Oceanö ereignete, bat feine iHüdroirfung auf unfern 
SBelttbeil nicht »erfeblt; ebenfo wenig wirb ba3, waä bi« gefebaffen, ohne ©in« 
flufs auf Guropa bleiben. Slbet ganj anberS beginnen wir je|t baö neue 3^br, 
afe öor fecbäjebn fahren. 1848 begartn al« Jubiläum bet Sööllet unb fcblofj 
mit einem Sieg ber dürften. 3efct ift baö SSerbdltniß umgelebrt. älmerita bat 
feine Sache beffer gemalt afe Guropa. 

©ie betoorragenben Greigniffe beä oerfloffenen 3abre3 Iaffen ft<b f<bndl 
jufammenfaffen, fmb aber, fo weit eö älmerita betrifft, von ber unenblicbften 
©tagweite. 3 n bem wir jurüdblicten, fdjreiten bie großartigen friegerifdjen $e» 
gebenbeiten, welche }um ^ufammenbrueb ber [Rebellion führten, an un3 bot» 
über, unb oergleicben wir bamit bie jefcigen 3uftdnbe, fo tommt 2lHe3 unö »or 
wie ein ©raum, ©ann baä büftere ©rama be3 $räfibentenraorbe8, unb wa$ 

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mit thm jufcmtmeuhing; ber Amtsantritt eine« ueuen Präftbenten; baS Stelon* 
jtruftionS*(Sjpetiment; bie (Sntlaffung bet Armeen; ber attmälige Uebergang »om 
Suftanbe beS »erheerenbften Krieges ju bem beS aufbauenben griebenS; bie 
SBahlen; bie (Eröffnung beS 39ften (SongrejfeS, »on bem gerabe fo biel abhängty 
tote bon bem, meldet bie StepubUl fchuf, unb enblich — bie Grotte bon Sittern 

— bie conftitutionetteAbfchaffung ber.SIlaoerei int ganjen, toeitert ©ebiete bet 
großen Stepublil. 

2Bir haben bie (Sreignijfe JU beurteilen nach Abgabe ihres SnhaltS, 
bet butcb fte geraffenen Stefultate, bet bon ihnen gebotenen Sehren, Abraham 
Sincoln brauchen mir hier feine ©rabrebe ju halten; baS amerifanifche Bolf 
unb bie SBelt haben ihm langft bie Slpotheofe ertheilt; als ein Wann, welcher an 
naturwüchfiger SBeiShett, an Feinheit beS £erjenS, an Steblichleit beS SBittenS, 
an glühenbem Patriotismus, an aufrichtiger Siebe gut greiheit unb felfenfeftem 
Pertrauen jum Polle nie übertroffen worben ift unb nie übertroffen werben 
lann, wirb er ewig in bet ©efchichte leben. 3ft eS bie hat fte Satgenb beS Bür* 
gerS, nie, nie an ber Stepublil ju »erjweifeln, nie, nie ben SJtuth s u »edieren 

— nun, fo »ergebt Alles, was (Such an ihm nicht gefiel, unb legt ihm bie 

Bürgerfrone aufs ©rab. S)ieS ©rab aber wirb f<hon beShalb ewig eine heilige 
Stätte bleiben, weil ftch an ihm bie .republilaniftbe Sugenb eines BolleS in 
ihrer hötften ©lorie entfaltet hat. i 

$ie ©rmorbung SincolnS war bie lefcte Schanbthat ^ er Rebellion wiber bie 
greiheit, unb ihr SJteifterwerl; um biefe Behauptung §u motioiren, bebarf eS 
leinet juribifchen AuSeinattberfefcung, leineS BeweifeS bafür, bafj liefet ober 
3enet birelt ober inbirelt batdn betheiligt war. Aber ber ftnftere ©eift bet 
©flauere* hanbelte blinb, inbem er fwh bieS Opfer erlor, benn aus bem Blut beS 
SJiärtprerS fottten bie herrlichften Blüthen unb größte ber greiheit fpriefcen. 
S)ie SJtörber unb ihre SJtitfchulbigen hatten barauf gerechnet, bab fwh hei bet 
Nachricht »om £obe beS Präftbenten ringsum bie galtionen erheben würben; 
aber bie galtionen fchwiegen; wo fie Suft hatten, fich ju regen, ba »erlrochen 
fie fah »or ber gewaltigen Offenbarung beS BollSgeifteS. 5>aS erwählte £aupt ber 
Station fiel unter bem Siüdenfchufj beS SJiörberS; bie Station aber war über baS, was 
fte ju thun hatte, leinen Augenbltcf im 3weifel. Sie lieb ftch nicht ju leiben** 
fchaftlichen Ausbrüchen hinreiben, aber ihr (Sntfchlub ftanb feft, bab StncolnS 
SDtonument nur bie im ganzen Bereich ber Union jur Söahrheit geworbene grei- 
heit fein bürfe. 2)ur<h baS furchtbarfte ßreignib, welches Alles in grage ju 
(teilen fchien, würbe bie Stepublil nicht auf einen SJtoment in ihrer Organifation 
erfchüttert; fte geigte ftch ftärler als eine Sttonarchie jemals gewefen. $aS 
ift eine nie ju beftreitenbe Shatfache, unb eS liegt barin ein unberechenbarer 
©ewinn, nicht für Amerila allein, fonbetn für bie SJtenfchheit. 

3ur 3^t ber Kapitulation See’S war baS BunbeSbeer ftärler als man fwh’S 
hn Allgemeinen »orgeftettt hatte; eS jählte übet eine Sttittion. S)iefe loloffale 
Streitmacht ift jefct auf 175,000 STtann rebucirt worben. Ueber 800,000 Krie* 
get ftnb nach unb nach, faft unmerflüh, in bie Sphäre beS bürgerlichen fiebenS 




jurfldgetretert. ofntc IBangen fab Inan fyier bet Sfufföfung btefer loloffatett 
{>eereSmajfen entgegen, unb brüben galt «S für unmöglich, baß bie SHafcregel 
ins SBerf gefegt werben töune ohne baß fjeiüofe guftänbe barauS erwücbfen, 
fiaum ift baS Sanb barum gewahr geworben ; jebenfattS waren bie ©tö* 
rungen fo unbebeutenber Strt, baß fie fanm in betracht fantenunb ben ©ang ber 
ßreigniffe in feiner SBeife beeinflußten. Sitt ßier unb bort bie öffentliche 
Sicherheit, fo trat bieS ju erwarten unb eS batte fuh in feinem Sanbe vermeiben 
Iajfen. ©S gtebi in (§uropa außerhalb $eutf<hlanbS feine Slrmee, welche nicht 
mehr jügeflofe Elemente enthält als eS bei ber unfrigen ber galt war. $a$ 
große gaftum aber fteßt feft, baß bie fRepublif einen vierjährigen ^ürgerfrieg 
burcßmachen lonnte ohne baß ftcß eine 2Jtilitär*35iftatur, ein ^rätoriancrtßum, 
eine SolbateSfa im eutopäifcben Sinne entwidelte. Unter allen ben Regimen* 
tem befanb fein einjigeS, welche^ nicht aufgelöst ?u werben wünfchte, 
beffen SWitglieber ftch nicht barauf freuten, wieber nach #aufe §u fommen. 
5>aß eS uns an großen ©enerälen gebrach, wirb fein vernünftiger 2Jtenf<h be* 
baupten; aber unter ben ruhmgefrönten gelben befanb fi<h fein ©inniger, wel* 
eher bet Freiheit gefährlich werben fonnte, fein ©inniger, ben es nach ber Stoße 
eines ©äfar ober Napoleon gelüftete. $ie Station bat auch bergleichen nicht er* 
wartet, weil fie wußte, baß eine 9Wilitär*$iftatur nicht möglich fei, ba es eine 
foldje nie bnIben würbe, ©in vierjähriger flrieg ift jurn fiegteichen ©nbe 
geführt ohne baß bie bürgertid?e Freiheit barunter litt! 2)aS ift baS erhabene 
SSeifpiel, welches bie große Stepubtif ber SBelt gegeben, unb tief wirb es in ©u* 
ropa empfunben. 

$aS ©yperrment ber Sfefonjhultton brauchen wir nicht burch feine einjel* 
nen* ©tabien ju verfolgen, bie Stefultate ber SÖahlen nicht im ©meinen aufju* 
führen. 2ßaS bei ©rfterem ber ^räfibent beabfuhtigte, hat er angebeutet inbem 
er bie von fßalmerfton mit Söejug auf baS vorfiegenbe Problem gebrauchten 
SBorte citirte: „geh toeiß feßr wohl, baß gebet im Stanbe ift, ein Sßferb an bie 
Xränfe ju führen,, baß aber Stiemanb eS jwingen fann, ju t r i n f e n." Swingen 
tonnte $err gohnfon bie ©üblänber auch nicht, aber er wollte fie jum Printen 
verloden, unb um gerecht ju fein, muß man geftehen, baß es ihm 
wenigstens, einigermaßen gelungen ift. 3)ie ©toljeften fmb ju ihm wie 3 U einem 
$afcha hmgetrochen unb haben ben emporgefommenen „armen SBeißen" um 
©nabe angefleht. Sitte fübftchen Staaten haben bie Slutorität ber Union bur<h 
bie $hat wieber anertannt unb ft<b i^r gebeugt. Sluf baS 25iftat beS Sßräfiben* 
ten fmb StaatSfonvente unb SegiSlaturen jufammengetreten. ©ie haben auf 
allerhöchften Befehl neue SSerfaffungen gefthaffen unb bamit eingeftanben> baß 
bte a!ten verwirft waren, baß fie burch ben Slttber Stebettion jebe Staatliche Or* 
ganifation eingebüßt. Sitte haben ber ©Haverei, für welche fie gefämpft, baS 
SobeSurtheil gefprodjen, unb mehrere Staaten fogar burch ihre SegiSlaturen 
baS greiheitS*Slmenbement jur ©onftitution ber bereinigten Staaten ratipeirt. 
Surch Slnnuttirung ber 3 u©unften ber Stebettion fontrabirten ©chulben haben fie 
auf befehl einen Sftt ber ©elbfterniebrtgung vottjogen, welcher ihiten Vielleicht 

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itt geworben fein Wörbe wenn er aU!e:genem ttntrceb ^efbttgegdwgÄ tbdre; 
(Ü giebf faum einen bitteren ßelch bet 3)emüthigung,ben bet 6 übea nicht geleert 
bat, unb wör* bie! bet einige 3 to«<*r fo hätte bet fprdfibent einen gldn§enben 
Sieg feinet $olitif ailfjuweifen, Aber e! ift bem fokalen SSotfe, nicht um bie 
©efttebigung be! ^nebegefübf^ fonber» um ©arantieert für bie 3 ufunft, nicht 
um bie SBeftrafung bet Uebelthäter, fonberrt um ihre $Bef ferung §u thun, 
unb baf* biefe ©arantieen bereit! »erliegen, baj* biefe SSefferung »orhanben ift, 
»erfu^t ^obnfon fi<b ! felbft »ergeben! einjimben« 3Ba!»om Süben »et* 
uünftigerweife ju erwarten Wat, ba! bat er geleiftet UebermenfchUche! barf 
man nicht »on ibm »erlangen. Silan barf nicht fotbent/baf} et auf einmal ft<| 
au! bem Ädmpfet bet Sflaoeret in einen @ntbuf<aften bet Freiheit »erwanbett, 
baji et hreute bie Union aufrichtig liebt, bie ih» geftern befiegt unb gebemüthigt, 
bab et ben Sieger, weTchen et ftet! nur al! SSub behanbelt, auf einmal getnunb 
mit »oHet Ueberjeugung al! gleichberechtigten SBtubet anerfemtt Auf nach 
unb nach fann eine fblehe Ummcntblung, eine fo grünbliche SHetamorplfofo »ot 
ftch geben, wöhrenb e! bem Sorbett nicht jugemuthet werben fann, ein Element 
wiebet mit »oller üötacht 3 U beleihen, welche! in feiltet jefcigen Stimmung unb 
SBetfaffung nur- üpiifibraucb bamit treiben würbe, 6 ntwidlung!bro§effe gehen 
hier fchneüer öor fid) al! anber!wo, unb füllte berEongrejj befhliefjen, ben 
Süben nicht wieber al! »ollberechtigt aufjunehmew be»ot beweibe ba! 2Betf bet 
SBiebergeburt gtünblMj att fich »otogen, fo würbe er bamit bie 9}e!onftrultion 
nicht in unabfehbare gerne hinau!tüffen. „SSit machen ttberrafchenb fdjnetle 
gortfc&ritte*, fagt «gert gebnfon mit Stecht Sparten wir noch einige SJtonate, 
allenfall! noch ein gahr, unb ba! Aerbättnif* wirb fdfort gan$ anber! liegen. 

SUle! hat feine Schattenfeiten, unb an folehen fehlt e! auch bet Haltung 
be! Aorben! nicht 3« allen loyalen Staaten, weihe übet bie Serleihung be! 
Stimmrecht! an bie Sieget »otirten, fiel ba! Aefultat gegen biefen Aft ber ©e* 
rechtigteit au!. 25a! ^rurtbeil gegjn bie unterbrüefte Aace ift affo auch im 
Aorben noch immer präbomiuitenb, unb ba! ift ehte traurige Erfheinung. 
Stenen, welche ba! wahre SBefeU bet greiheit in bet ©leichberedjtigung Alle* 
unb in bet praftifcheu |>umanitat etfennen, ift hiermit ihre n&hfte Pflicht flat 
»orgejeidjnet ‘ 2 >ie SBercinigten Staaten werben erft battn eine SHuftttremibltf, 
Werben erft bann — wenn Wir nn! fo au!brücfen bfitfen — ihrer eignen ^hadert 
toütbig fein, wenn e! in ihrem ganzen Bereich feinen Unterfhieb mehr giebt awtfhen 
«Burger unb Bürger. <5! hierhin 3« bringen, ift »orjugömeife bet Seruf unb 
bic ©eftiramung bet 25 ent f chetf, welche, iftbemfie hier bie greiheit $ur »ollen 
SBahrheit machen, zugleich ber beutfäfon AepUbtif »orarbeiten* 

25ie europaifche Ißoliiitbot im »etfloffenen gahre nur einefehr ge* 
ringe Ai*!beutt gn bie beutfdfo Alifere Woüert mirun! hie* nicht»ertiefen. 
E! ift ein Uebergang, buvch ben man fi<h nicht irre machen taffen barf unb bei 
bem bet gortfcfyrit fehr wohl ju erlernten ift 35a! Öeftehenbe hat f«h ©erlebt; 
Äer iöuUbe!tdg unb bie SBielfürfterei fmb unhaltbar geworben. Angenehmer wdte 
e!, wenn ba! SBolf ba!fflerf ber Erneuerung in bie $anb genommen \)ÜU; ba 




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e$ fi<h ober hiergu noch nid^t entfchfießenfann, mögen tngmifdßen anbcrc flräfte baS 
&obtengräberamt auSüben; i^re Art unb SBeife forgt bafür, baß ihnen 
auf bie Sänge lein Segen barauS ermädhf t, mährenb bem SBolte ber ©eminn 
nicht gu entreißen ift. 3 m ®wßen unb ©angen genommen, hat eigentlich bie 
europäifiße Sßolitif bei lebten SahteS für und nur ein 3ntereffe infofem baS 
IBerhältniß ber einzelnen Staaten gut amerifanifchen Sßolitif in betracht 
fcmmt, unb aus biefem ©efichtspunft moUen mir fie beleuchten. 

9Bir buben unfere SWonroeboftrin unb toerben fie gur ©eltung bringen, 
b. b. mir toerben feiner europäifchen 2Jia<ht geftatten, auf beftimmenbe SEßeife ameri* 
lanifche Angelegenheit gu beeinflujfen ober gar ficb auf amerilanifchem ©ebiet feft* 
gufefcen. ©uropa aber ift nicht im Staube, fleh Amerifa öom Seihe gu halten; gäbe 
es bort eine 2Ronroeboftrin, fo liebe fte ft<b n i <h t burchführen, obgleich aller* 
bingS ber beftimmenbe ©influß Amerifa’S auf europäifche Angelegenheiten nur 
ein geiftiger, pringipieller, ift. 3)ur<h ben Ausfall beS JtriegeS fmb mir ber 
alten SEelt unenblich oiel näher gerüdt morben. $ie bereinigten Staaten 
haben ftch gu einer 2RiUtairma<ht entmidelt, bie eä als ein gerabegu mahnftnnigeS 
Unterfangen erfeßeinen läßt, in Amerifa etmaS gu unternehmen, mogegen fie ihr 
beto einlegen, unb fte haben fich eine glotte geraffen, meldße eS unmöglich 
macht, fte bei einer großartigen ©ombination außer Acht gu taffen, grüher nahm 
man brühen laum Aüdftcht auf bie Union; jefct muß man, mag man mollen l 
ober uicht, fortmährenb an fte benfen. 2)ie gurdßt oor ben bereinigten Staaten 
macht, bis grantreich ft<h aus 2Reyifo gurüdgegogen hat, bie AUiang gmifchen 
biefem Staate unb ©nglanb gur abfoluten üRotbmenbigfeit für beibe; ift bie 
[Räumung erfolgt, fo mirb fleh ©nglanb in fortmährenber Angft oor einem 
bünbniß ber anbern beiben großen Seemächte beßnben unb Alles aufbieten 
muffen, ein folcßeS gu hintertreiben, beibe OJiächte gufammen tonnten je^t fei* 
neu neuen ßrimfrteg beginnen, um nicht etma oon einem geinb im büden 
überrafcht gu merben. bringipiell mar unfere bepublit Oor bem Kriege ben eu* 
ropäifchen Dbonarchieen burdßauS nicht gefährlich, fonbem im ©egentheil förber* 
lieh, meil fte als abfchredenbeSbeifpiel biente; iefct aber ift es bamit anberS ge* 
morben. 3)er gntpuls, melchen ber Sieg ber Union ben republifanifchen be* 
ftrebungen jenfeitS beS OceanS gegeben hat, tritt überall unb bei jeber ©elegen* 
heit heroor. SBeber in ©nglanb, noch in granfreich, noch in 5)eutf<hlcmb ober 
irgenb einem anbern europäifchen fianbe fann eine oolfsthüntlicße berfammlung 
abgehalten merben ohne baß bie [Rebe auf Anterifa lommt unb beS hier errun* 
gene Triumphs ber greiheit jubelnb gebacht mirb. 2Ran barf bie bebeutung 
biefer Shatfacße nicht unterfchäpen. 3)ie 2Jia<ht beS beifpiels hat fich in ber 
©efeßiehte noch nie oerleugnet. S)aß baS republifanifche bringip SebenSfähig* 
feit beftpt unb baß eS bie ©lemente ber ftrengften Orbnung in fich trägt, ift hier 
fo flar bemiefen morben, baß 3eber es oerfteht. S)aß bie republifanifche [Re* 
gierunSform bie hefte ift, mirb mit ooller Uebergeugung nirgenbS mehr in Ab* 
rebe geftellt. ©S hat fuh brühen im bolfsbemußtfein feftgefeßt, unb bei bem 
nächften großen europäifchen 3ufammenbruch, bei ber nächften bölferfriftS, 

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Welche über Sladjt betetnbredben lantt, wirb bie fo gewonnene ©rlenntnih fl# 
unbebingt geltenb machen. Sem Scharfblid Soute Stapoleon« muh man jum 
Sobe nacbfagen, bafs er »on Anfang an muhte, um ma« e« ftcb hier banbte. 
Site Slepräfentant be« Gäfartemu« bat er gar leine Saft« unter ben gäben, 
wenn bie feinem Spftem ju ©runbe Kegenbe gittion fchmhtbet. Sur# bie 
mefitanifche Grpebitioti unb burcb bie mit Gnglanb bereinbarte Sleutralitätöer* 
llärung fudjte er ben SluSfaU be« Kampfe« }u beeinflujfen. 63 entftanb babur# 
eine Situation, welche jut Seit nicht Har ertannt würbe unb auch jefet im 
Sillgemeinen noch ’ nicht in ihrer »ollen Tragweite gewärbigt wirb. © 8 
banbeite fi<b bie* um ben groben Sßrojef» jwifchen Sie* 
publil unb Monarchie, unb bie Slepublit bat ihn ge* 
wonnenl 

Unfet SSerbältnib ju ben lontinentalen Mächten ©utopa«, mit SluSnabme 
granlreicb«, war mäbtenb be« Krieges ein febr erfreuliche«, ifkeuben nnb Oe* 
fterrekb jurnal machten au« ihrer Spmpatbte für ben Störten lein |>ebt. Man 
barf barau« inbeffen nicht fehlten, bab fte ftcb für bie greibeif entbuftaSmir* 
ten. Sie »on aller SSBelt anerlannte Union war ihnen bie legitime Macht, unb 
fte fpmpatbtfirten mit ihr au« Slbneigung gegen bie Sleoolution in jeglicher 
©eftalt 3n 2ßien fowohl wie in SSerlin würbe bie« häufig au«gefprochen. 
Spanien wubte, bab bie ©twerbung ©uba’« immer nur"»om Süben angeftrebt 
Worten, unb erblictte be«balb fein £eil im Siege be« Störten«, ©igenthümlich, 
aber in ber Statur ber Sache begrünbet, ifi ba« jwifchen Slublanbunb ben äßet* 
einigten Staaten entftanbene Serbältnifj. Ser natürliche 5Bunbe«genoffe 
ber Union märe gtanlreich gemefen; ba aber Soui« Stapoleon ber Triumph 
be« monardhifche» Sßrinjip« über ba« ^ntereffe be« »on ihm regierten Sanbe« 
ging, mubte unfere Slegierung fi«h für alle gälte nach einem anbem 9knbe«ge* 
noffen umfeben, unb biefer fonnte nur bie Macht fein, welche ft<h in berfelben 
Sage befanb. So feben wir benn bie Slbfolut*Monarchie im SJunbe mit ber 
bemotratifdhen Stepublil.' ©in merlmürbige« Schaufpiel, ba« aber ben grei» 
beitefreunb nicht ju beunruhigen braucht. Stublanb ift bie einjige Monarchie, 
welch« bei bem SUbungäftanbe ihrer Skuölletung bte Slepublit nicht ju fürchten 
bat; unb bin J« fianbe brauchen wir wahrlich nicht »or bem 8lnftedung«ftoff 
be« 3lbfoluti«mu3 ju jittem. ‘Pringipiell buben bie beiben Mächte mit einanber 
gar nicht« ju febaffen; wohl aber liegt e« in ihrem beiberfeitigen gntereffe, bah 
fte anf bem Meere al« mögliche SSerbünbete erfcheinen. gn ber Sage, 
in welcher fte ft<b befanben, mürben bie bereinigten Staaten febr tböriebt ge* 
banbeit haben, wenn fte einen foldjen Sltliirteu »on bet £anb gewiefen hätten. 


Sie ©tenjen biefer StUianj taffen ftdj übrigen« abfeben. S3i« jefjt ift e« 
noch eine Unmöglichleit, bah bie fpanbel«* unb Ma<bt*gntereffen Sluhlanb« unb 
ber bereinigten Staaten mit einanber todibiren. Steffen fte aber einjt am Stil« 
len Meere jufammen, fo wirb auch jwifchen ihnen bie in folgen gällen unau«* 
bleiblich« Siicalität erwachfen, unb bi« bahin wirb fuh hoffentlich ein repu* 




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blifantfchel granfreüh all unerf<hütter{?<ber Verbündeter ber Union gur 
/Seite fteöen. Sin fokber Vunb mürbe bie SEelt bebcrrfdjen. 

Unfere$i7ferengpunttemitbem laiferlicben Jranfreicb und mit SngTanb find 
fo bringender 2lrt, baß jeder einzelne fich gttm casus belli eignet. S3eibe ba* 
ben don ber augenblidlicben Scbmdche ber Union prrfitirt um ihr ben empfind* 
ftchften Schöben gugufügen, unb bol fann nie bergeben nnb dergeffen m erben, 
granfreiih banbeite bwaulforbernb, Snglanb perfid bil gur underbüllten ©e* 
«neinbeit. Vur dal üJtißtrauen gegen einander derbinberte fie, gemernfam über 
ben lämpfenben Siefen belaßen, all er ficb eben in ber fihUmmften Sage be* 
fand. Veibe gittern je# dor ben folgen ibver Handlungen. 2Bir !5nnen uni 
füglich ib*« Slngft freuen. ÜRapoleon ber ©ritte, ift all Vertreter bei monar* 
<hifcben V^ngipl gefd&lagen unb mirb feine Stoppen mrl 3Jleyilo entfernen 
müffen; für England aber mirb unaulbletbiicb ein Sag ber Vergeltung laut* 
men. 2JUt giemltcber ©emutb^rube tonnen bie Vereinigten Staaten gmei ©rei$* 
niffen entgegen)*eben, melcbe einen großartigen Sriumpb ibw fßolitit in ficb 
fchUeßen, unb gmar aller 2Babrf<bemlid?teit nach ohne baß fie eine Hand dafür 
gu rubren braunen. SQßir meinen bie SBieberberftellung ber nrefitamfeben 9$e>* 
publif und bie Slnnepon Sanaba'l. Sal Uebrige findet ficb bann. Sfie Sagje 
ber Uebergriffe ^bel 2Ronanbentbuml find gegablt, febr bald mirb der $epu* 
blifanilmul ben angreifenben Sbeil bilden, unb bann entftebt da, mo fo oft 
auf Soften ber Voller froblodt mürbe, ein Sntfefcen, mie bie 2Bett noch feml 
gebort unb gefeben. 2Bal im lefcten 3abre 2imerifa gdeiftet, bietet der fiebern* 
gebnjdbrigen europdifchen Veaftion ein mehr all buwdbenbe! ©egengemiebt. 

®r beginnen bal^ab^ dom 3K»<h ber SUaderei erlöf't, 
frei und ftarf im 3nnem, Siebtet, geliebt unb gefürchtet im Slullanbe, Oe** 
fegnet mar dal 1365. 2Jlöge ihm in 1866 ein toürbiger 3Äa<h?oiget 
erftebenl 


plttfihattfdjc Ucoue. 

s/ou $agen. 


SJal mufitalifebe Seben Stmerital, fo meit el onbieDeffentEchfeit tritt, be* 
f<hrän!t ficb felbftderftänblicberroeife auf die Hauptftdbte ber Union. Unb unter 
biefen ift el doch nur Vem*?)orl, dal ein bauernbel fünftlerifchel ^ntereffe in 
Elnfptuch nimmt. &mar mirb bann unb mann Vofton all Viöalin 9tem*2)0tfl 
m mufüalifdber Hinfuht begegnet; aber ein einfacher Hinblid auf bie Statiftil ber 
dortigen, in biefel ©ebiet einßhlagenben Sreigniffe dürfte bie Unbaltbarteit einel 
folchen 2lnfprucbel bemeifen. 2ßie bedeutend bie mufitalifchen Hülflmitte! 
Vem*$orfl fmb, möchte oielkicht am beften aul ber Sbatfache gu erfeben fein, 
baß, all der Sutgem in ber italienißhen Oper „S)ie Äfrifanerin* mit einem 

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fcerftärften Orcheftet gegeben »utbe> $txr 2$tebpr Dbomnd bem Pubti&m all 
bemfelben Slbenbe eine feiner 6bmpbonie^6oireen mit gleich ftarlem Dnhefter bie¬ 
ten tonnte. 2Benn man berwdftcbtigt, bah i u beibett Sluffübnwge» nur tüchtige 
SKufifer nermenbet »erben tonnten, unb bah an oemfelben Slbenbe in ben ner# 
fcbiebenen Diätem über hundert Drcheftermitgliebei ihrem Berufe nachtamen, 
fo ftellt fi<h allerdings ein böcbft Sichtung gebietenbed [Refultat beraub, da# 
nicht blo| alle Slnftrengnngen anberer Stabte in Slmerita »eü überflügelt, fett* 
bern bad fleh auch recht gut an bie Seite befjett [teilen tann, »ad bie meiften 
Stabte Guropa'd in biefer $infnht ju bieten vermögen. « 

©erüdftchtigen »ir nun junäcbft bie mufitalifchen Grfcbcinungen -iRe»*Portd,»ie 
fte und bieSaifon norfübr, fo treten und nor allen Gingen bie großen Drchefter* 
concerte entgegen, bie non ber bieftgen Pbiibarmonifcben ©efellfdpaft unb non ber- 
jenigen 23rooflpn r d, fo»ie auch üon^erm3:beobor ^bomad gegeben »erben. 3n 
tiefen Goncerten »altet unbebingt ber beffere ©efcbmac! ob. 3^ar »erben bann 
unb »ann (namentlich in 23rooflpn) Gonceffumen an bad grobe Publitum ge* 
macht, »eiche bie rein tünftlerifchen 3ntereffen ct»ad ftart anher Slugen laffen ; 
aber im ©rohen unb ©ati^en müffen bo<h alle biefe Goncerte ald bie Pflanjfdjule 
ber hohem tünftlerifchen Seftrebungen auf bem mufitalifchen gelbe betrachte f 
»erben. HUerbingd bürfte eine noch gröbere. SRannigfaltigteit in ben Programmen 
cbmalten, 5 umal »enn man bebenft, bah bie Goncerte non nerfebiebenen Per# 
fönlichfeiten audgeben. So fcheint bie Skootlpner ©efellfchaft in ber $orfüb* 
rung ihrer gröhern 3nftrumentalcompofitionen nur ein SRefle? ber 9te»*2)orfer 
§u fein, inbem fie febr oft bie Spmpbonieen »ieberbolt, »eiche non biefer 
aufgefübrt »erben. So batten »ir auch in ber j»eiten Spmpbonie-Soiree bed 
£errn Dbeobor Dbomad biefel be Ounertüre, »eiche im erften Pbiibarmonifcben 
Goncerte gefpielt toorben »ar. $mx »ar bied bie britte 2enoren*Dunertüre 
Peetbooen’d eine ber grohartigften gnfprcationen, »eiche je für bad Drdjefter 
gefch rieben find; aber eine andere SBabt in bem einen ober anbern Goncerte 
»dre hoch »obl |»edtmahiger gemefen, jumal gerabe biefe Dunertüre mehr ge* 
fpielt »irb, ald irgend eine andere. SGBir finden überhaupt, bah tn allen Drehe* 
jterconcerten hier ju Sande eine ju grohee 9Jtonotonie inPetreff ber norgefübrte» 
Dunertüren obmaltet. Gd ift immer bie Dannbäufer* ober bie Gurpan^ ober 
bie £enoren*Dunertüre, mit denen »ir regalirt »orben. 2Bir fmb »obl mit 
ber 2Ragerteit bed ÜJtateriald nertraut, »eiche ben Dirigenten in biefer $Be$it* 
bung entgegentreten; aber bie SRübrigteit, melcbe man hier gerade auf 
anderen gelbem der mufitalifchen Gompofitionbartbut, liehe fid? doch »obl, 
»enn auch in einem »eit geringem ©rabe, auf bie Sludtoabl unb Sludfübnmg 
non Dunertüren übertragen. 

Gd Iaht fi<h nämlich nicht leugnen, bah »ir im SlUgemeinen mit allen 
neuen bernorragenben Grfcbeinungen der mufitalifchen Siteratur febr febneü per* 
traut gemacht »erben, fiaum taucht irgend et»ad non Bedeutung in Europa 
auf, fo »irb ed und auch fchon hier norgefübrt. 2Bir erinnernund, hier die SBag* 
ner’fche ,gauft*Duuertüre" gehört |u haben nachdem fte blöd an einem Orte 


In $eutf<hlanb gefpieft morben mar. So fönnten mir mehrere (Sompofitionen 
bon £ibt, IRaff unb Verliöj nennen, bre meber in Verlin, SBien unb München, 
noch in ben meiften anberen Stabten aufgeführt, mdhrenb mir hier fchon bölltg 
bamit bertraut gemalt morben ftnb. Von Schumann lennt man heute noch fo* 
mohl in SßariS mie Sonbon fo gut mie gar nichts, mdhrenb hier feine hauptfad)* 
liehen 3nftrumentalcompofttionen fortmdhrenb auf bem SHepertoir ftnb. So 
gab uns baS hieftge Sßhüharmonifche ßoncert feine D-moll-Spmphonie, in 
Vrootlpn mieberholt, fb erfreute uns £err £heobor $fyoma£ in feiner jmeiten 
Soiree mit ber B-dur-Spmphonie, ber erften unb auch ber frifcheften unb genial* 
ften $hat, bie ft<h Schumann in ber Spmphonie*gorm ju Selben fomnten 
lieb* 

So malten uns auch bie Herren Vergmann unb Ü^omaS mit Sifct’S 
„Majeppa" belannt, einem 2Berfe, baS heute noch in ben meiften 
Stdbten (Europas eine terra incognita ift, tro^bem bafj eS in hohem ©rabe 
berbient, gehört $u merben. (SS gönbete hier gemaltig, unb auch mit IHecht; benn 
trobbem bab eS in ben Motiben nicht fo originell ift, mie 3 . V. bie erfte 
biefer fogenanten fpmphonifchen 3)icht ungen „Les Preludes ,, > fo ift eS boch 
gleich biefer höcbft lebenbig gehalten, unb be rüdfichtigt in gldnjenben garben 
bie für unfete 3eit fo notbmenbige Steigerung beS 5luSbrudS. So führte 
uns auch ber ßlabierfpielet Mills in ber jmeiten Soiree beS $errn &heobor 
ShornaS baS Es-dur-^onjert bon 2ibt bor, ein 2Bert, baS fchon bor mehreren* 
fahren tomponirt mürbe, aber hier fo menig mie in ben meiften Stabten (Europas 
gehört morben ift. 3)aS (Sondert befteht aus einem Safce unb ift boH ber rei* # 
jenbften (Sffette, ohne aber auf ^iefe ber ©ebanfen Slnfpruch machen §u tonnen. 

5)ie tflangfinale ber ^ianofortes ift mit ber beS OrcpefterS fo gut bermebt, mie 
eS überhaupt möglich ift, unb baS ©anje m acht, menn auch feinen tiefen, boch 
einen freunblichen (Sinbrudt. 

2)affelbe ^rinjip, baS hei biefer fdhrfellen Vorführung aller biefer SBerte 
obmaltet, unb baS mohl mit fRecht al£ ein günftigeS SRefultat beS amerifanifchen 
60 ahead-SpftemS auf baS beutfche Äünftlerthum angefehen merben tann,. 
Idfjt füh natürlich auch auf bie $rometheuS*0ubertüre Vargief S anmenben, bie 
mir in bem jmeiten $hilharmonif<hen (Soncerte ju hören befamen. Unter ben 
neueren (Somponiften ber beutfchen Schule nimmt 2B. Vargiel, tropbem er fein 
$eutf<her ift, bielleicht bie herborragenbfte Stellung ein. (Sr lehnt fich &mar 
ftarfan Schumann an, hat aber boch in feinen neueften SBerfenbiel Selbftftdn* 
^igfeit-eine grobe inbibibuelle Äraft entmidelt. — 3 n bemfelben (So^erte mürbe 
UnS unb auch Veethoben’S heitere unb in mancher Vejiehüng bolfsthümliche achte 
Spmphonie, DJtenbelfohn’S flare unb immer frifche Mufti jum „Sommernachts* 
tcaum" unb beffen Vtolinconcert, bon £errn Sßrume gefpielt, geboten. 

$er Septere, ein belgifcher Zünftler unb Veffe feines berühmten 0 n* 
telS, beffen „Melancholie" einft bie Okinbe burch bie £auptftabte (Europas machte, 
mar feiner ganzen tünftlerifchen Dichtung nach faum geeignet, bem Men* 
belfobn’fchen 2 Berfe ©enüge ju thun. 

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. >ogle 


73 


Die $erbflfaifon ber italienifchen Oper if l gefchloffen, unb bte Gruppe 
menbet fuh bor ber $anb nach Baltimore unb SBBafhingtonr unb fpdter nach 
löofton. 3m grühjahr wirb fte mohl gu ung gurüdfehren, um noch bte Seiben 
unb greuben einer Saifon gu burchleben. Unb eg bat au<b in ber foeben be* 
dtfojfenen nicht an biefen gefehlt. £err Niarefcef mürbe namentlich im Anfänge 
burchaug nicht auf Nofen gebettet; aber er !ann mit SRecht fagen: „Gnbe gut, 
SlUeö gut," benn bag Gnbe mar für ihn mirTtlich febr gut. Schon bie alten 
Opern brachten ihm gute Ginnahme, aber mit ben neuen, „II Crispino e la 
Comare“ unb „Die 2lfrifanerin", hat er ein mirflich fehr befriebigenbeS 
pecunidreg Nefultat erreicht. Unb mag noch beffer ift, er hat in ben 2luffüh* 
rungen beiber Opern auch fünftlerifch Slnerfennengmertheg geleiftet. Die Dar* 
ftellung ber fomifchen Oper ber ©ebrüber Nicci mar bie abgerubetfte, bie mir 
feit manchen 3ab*en in ber Academy of Music genojfen haben, unb auch 
bie ber 21 f r i l a n e r i n mar fehr lobengmerth, namentlich menn man bie großen 
Scpmierigfeiten berüdfichtigt, melche bag lebte 2Berf 9)teperbeer 7 g bietet. 

23eibe Opern haben fehr gefallen, tro^bem bafj fte. hüchft berfchiebenen 
Gharafterg ftnb. „II Crispino“ gieht burch ben rein menfchlichen 3«balt an, 
ben ber Seyt im ©egenfape gu bem bielen romantifchen Unftnn ber meiften ita* 
lienifchen. Opern hatt. Dafj ein 6<hufter ein berühmter Doftor mirb, lann auch 
heut gu Sage noch borfommen, nur bebürfen mir bagu feiner geen, mie eg in 
bem SRiccifchen 2ßerfe gefchieht. Die SDRufif, ungefähr gmifchen breijjig unb biergig 
Sabre alt, erinnert ibremStple nach an bieDonigettffcpen fomifchenOpern, hat aber 
bei meitem nicht bie ©ebanfenfülle ber Sefcteren. 2lber fte ift im 2lugbrude 
gragiög unb im ©angen ohne abfolute Strimalitdt. gräulein Kellogg alg 
bie grau beg Schuftet, Signor Nobere alg ber lebtere felbft, Signor Fellini 
alg ber Doftor bon „Nechtg megen" maren borgüglich. 3ht* ^omif mirtte eben 
be^halb fo au&erorbentlich, meil fte ftch in ben ©rengen beg Natürlichen hielt, 
ßeiber ift ung ein ©lieb auä biefem ^ünftlerberbanbe burch einen plöplichen Sob 
entriffen morben. Signor Nobere, ber alte mohlbemdhrte 23uffo, ein Gpigon 
ber alten großen 33uffo*S<hule, ftarb im hörigen 2Jtonat nach einer Äranfheie 
bon nur menigen Sagen. 

Die SNuftf ber ütöeperbeer’fchen Oper appeHirte natürlich bei meitem 
meniger an bag allgemeine 23erftänbnifj, fcheint aber bo<h fd)on feften 
gub unter unfern Dilettanten gefaxt gu haben. Dab bie Scenerie, ber 
Speftafel, ber mit jeber SNeperbeer’fchen Oper mehr ober meniger berbun* 
ben ift, feinen geringen 2lntheil an ber gftnftigen 2lufnahme biefer Oper hat, 
berfteht ftch bon felbft. Dag Schiff, bei bie len ^rogefftonen, bie Nmagonen unb 
ihre merfmürbigen Sumiere, ber noch merfmürbigere 23aum, beffen Sölüthe blog 
an bie Nafe gehalten gu merben braucht, um nicht nur ber festeren, fonbem auch 
ben übrigen Söeftanbtheilen beg menfchlichen flörperg ben Sobegfcplag gu ber* 
^en, mag bie £elbin beg Stüdeg benn auch (natürlich am Schluffe) heran* 
djauli^ht — Sllleg bieg ift mohl geeignet, um Spannung, Neugierbe, ja Shell* 
nähme unter bem gröberen ^ublitum gu erregen. 




74 


v $aß bet 5tcft ber Oper albern ift, brauchen mir mobt nach biefen ment* 
gen Blnbeutungen nicht weiter gu ermähnen. 2lbet er bietet effetoolle £ableau?, 
unb gmar in brei bW bramatifdjen Situationen, unb an biefem mußte ©teper* 
beer oor Billern gelegen fein. Qx bat non jeber bie ffiabrbeit bem (Sffelt geopfert, 
marum füllte er in „S)ie Blfrifanerin" eine BluSnabme machen? @r mußte fich 
um fo weniger hietgu beranlaßt fühlen, als er beim Schaffen feiner Partitur 
noch einen gemiffen ©rab bon griffe bet ©mpfmbung, noch eine gemiffe 
(SrftnbungSgabe batte, über bie er in feinen freiem, aber früher gegebenen Opern 
nicht betfügen lonnte. *2)ie Blfrifanerin" muh fchon bor bielen fahren, 
bielieicht unmittelbar nachbem er „3)ie Hugenotten" gefdjtieben batte, fliggirt 
fein. Sie ftebt ber letztgenannten Oper im Söerthe biel näher, als „$er $ro* 
pbet" unb bie barauf folgenben Opern, fchon obgleich fte eine febr gefdjmäcbte 
©telobieenlraft offenbart. Sie giebt mieberum bon bem großartigen Kombina* 
tionSbermogen ©teperbeer'S Seugniß, unb ift auch triebet in ber ©tacbe bol 
feiner geiftreicher 3üge. $aS ginale beS erften BlfteS, ber gange bierte Bltt, 
unb auch bie Hauptmomente im britten Bllt geben uns b&<hft bramatifche ©tupf, 
boll neuer unb intereffanter Gffefte. 3u biefen rechnen toir namentlich bie 
meifterbafte Kombination, bie uns in ber Orchefteratim entgegentritt. Hier 
fmb toirllich retgenbe Details, gu benen namentlich ber Huftier gern gurücf* 
lehrt 2)aS berühmte Unisono-Solo ber GclloS unb SBioline im lebten Bllt 
bat uns weniger gefallen. 3)ie febr bübfehe ©telobie, bieHeicbt bie originellfte 
ber gangen Oper, mürbe unferer Blnftdbt nach, fein harmoniert, mie eS ©teper* 
beer recht gut berfteht, biel ergreifenber mirfen. Oftaben flingen immer leer, 
unb jeber ©ebanle, ber mit biefen febr beliebten Mitteln gu $age gebracht mirb, 
ift nichts meitcr, 'als ein Stelett ohne gleifch unb 33lut. BWerbingS lann bie 
©inftimmigfeit im bolalen 2)uett bann unb mann bon großer SBirfung fein, mie 
SBerbi uns oft genug gegeigt, unb ©teperbeer ihm merlmürbigermeife in feiner 
lebten Oper (im SiebeSbuette beS bierten BlfteS) nachgemacht bat; aber ber 
©ffelt ift hoch nur ein padenbet für bie ©taffe, baS feinere ©emütb menbet fleh 
berlebt ab. 

„$ie Blfrifanerin" erforbert mie bie meiften ©teperbcer’fchen Opern in ber 
Sluffübrnug ©taffen, um gut rechten ©eltung gu lommen. 3m erften Blft fmb eS 
in ^kiris mehrere bunbert Sang«, bie fich an.ber93eratbung ber ©ranben betbei* 
Kgen. $\tx fallen felbftberftänblichermeife biefe ©taffen fort, unb bie BBirfung 
ift beShalb auch eine tleinere. Biber berüdjicbtigt man bie gu ©ebote ftebenben 
©tittel, fo mar ber ©ffeft boch ein gang tüchtiger, unb bie Soliften (bie Herren 
©taggoleni unb Söeüini unb bie tarnen 3nccbi unb Ortelini) leifteten böchft Bich* 
tungSmertbeS. Namentlich geichnete fuh baS Orcbefier unter Henn JBergmann'S 
geübter Leitung auS. 

S)ie Berichte über bie italienifchen OpemoorfteHungen, melche erft in 6bi» 
cago unb jefet in St. SouiS unter $mn ©rau’S Seituttg ftattfinben, lauten 
febr miberfprechenb. So Piel fcheint fejtgufteben, baß ber (Erfolg bis jefct nur ein 
geringer mar. 


cs 




75 


3n ^Betreff ber beutfdjen Oper lägt ftch wenig ©uteS lagen. $err ©rau 
fcheint bot ber #anb fein ©lüd auf furje 3eil mit ber OJtarcheffchen Gruppe 
besuchen §u wollen, unb bie AuSftchten für ein balbigeS 3uftaubetommen eines 
Unternehmens ber Art haben fuh fehr wefentlich berringert. 2)ah übrigens bie DJhtfe 
'trofcbem nicht ruht, unb bah ft<h baS mufifalifche Seben in SBofton, Phüabelphia, 
Ghteago unb 6t. SouiS auch in biefem SBinter in gewohnter Steife regt, bebarf 
wohl nicht erft ber Erwähnung. S5ie bewegenbe jfraft atf biefeS SebenS geht wie* 
herum bon $eutf<hen aus, in 6t. SouiS bon $errn 6obolewSü, in (Chicago bon 
£erm SBluhetta, in ®ofton bon Herren ßreiSmann, 3*r*ahn unb Snbern, unb 
in Sßhilabelphia namentlich bon £errn Sari SCBolffohn, ber in biefer 6aifon bie 
!ühne 3bee hatte, bie fämmtlichen 93eethoben’f<hen 6onaten öffentlich §u interpre* 
tiren, unb ber bereits einen fehr erfolgreichen Anfang mit biefem guten Sterte 
gemacht hat. # 

Sffiir werben fpdter wohl noch ©elegenheit haben, ber Shätigteit nicht bloS 
biefer Herren, fonbern anberer tüchtiger Kräfte in ben berfchiebenen 6tabten ber 
Union im 3ntereffe ber görberung eines guten mufttalifchen ©efchmads in fbejiel* 
lerer Steife ju gebenfen, unb wollen fchliefclich nur noch erwähnen, bap baS hi« 
in $Rew*?)ort ju ©unften ber gamilie beS berftorbenan Sdmponiften 2Bm« 
Sincent SBallace ftattgefunbene Sonjert, an welchem fi<h bie tüchtigften mufita* 
lifchen Grafte ber 6tabt betheiligt hatten, nicht bon bem gldnjenbeu pecunidreu 
Erfolge gefrönt würbe, bejfen bie greunte beS Somponiften fo gewifi ju fein 
fchienen. SinerfeitS modbten wohl bie fehr hohen SintrittSpreife (fünf Dollars 
für einen Sogenftfc) barem 6chulb fein, anbererfeits war aber auch baS Pro¬ 
gramm ju monoton, um eine allfeitige Sheilnahme $u erzeugen. 6o achtungS* 
Werth auch baS SompofitionStalent ’oeS .§errn JEßallace war, fo tonnte eS ben- 
noch nicht genügen^ um baS publitum einen ganzen Sbenb ju feffeln, BefonberS 
nachbem es im Anfänge beS Soncerts Seethoben’ö Sobtenmarfch aus bei 
„Sroica" genoffen hatte. 

SR a <h f 4 r i f t. 2Bie wir foeben hören, fmb bie ©ebrüber gormeS, welche 
bor einigen Stechen nach £abana gingen, bereits ju unS jurüdgefehrt. gh* 
Aufenthalt in £abana muh ein fehr turjfcc gewefen fein; vielleicht bau £tant* 
heitSjuftdnbe beS einen ober anbem biefer 6dnger bie £auptberanla}n ng $u 
fchneller Südtehr Waren. SS wäre wohl $u wünfehen, bah bie £emn jefct 
bem 3uftanbebringen einer beutfehen Oper ihre ürdfte fchentten. 6ie tonnten 
bann noch manches Süchtige leiften. 





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76 


litcrarifdj-artillifdjcs/fuUltton. 

S3on 3. SB. 


SJtit ber Stomanliteratur geht eg ^eut gu £age wie mit ben SWoben — fte 
hat leinen fcharf ausgeprägten Gbarafter mehr. geber wunberliche Ginfall, 
jebe bigarre Saune ruft eine Sßeränberung bcrbor in ber Art unb ©eife, wie wir 
äußerlich auftreten, wie wir unS galten unb fleiben; ade ©eit, b. h. wag gur 
tnobifdhen ©eit geregnet fein will, eignet fi<h bic Steuerung an unb beftrebt 
ftch, eine 3^ lang eg genau ebenfo gu machen, big wieber ein Studt nach einer 
anbent, oielleicht gcrabe entgegengefe&ten Stiftung bie SJtaffe bortbin treibt. 
Aehnlich in ber ergäblenben Literatur. GS ift ein unabläfpgeg Schwanfen bin* 
über unb herüber, ein Gjperünentirftt mit ben oerfchiebenartigften Stoffen unb 
ber oerfchiebenartigften SöehanblungSmeife, ein ewigeg Umbertaften unb Suchen 
nadb Steuern, Aufierorbentlichem, Gffeftootlem. Gffeft im äußern SJtenfchen, Gffeft 
in $anbel unb ©anbei, Gffeft in ber $unft, auf ber 23übne, in ber Siteratur, 
}a fogar in ber ©iffenfdhaft — bag ift beut gu £age bie Sofung, bag oberfte 
©ebot. Seit unfere Literatur für bie ©egenwart fo effeftooll geworben, bat fie 
für bie 3utunft ben Gffeft oerloren, b. bv bat aufgebört, claffifch gu fein. 

$>er beutfdbe Vornan oon beute ift gefahrener, unbeftimmter an garbe unb 
©epräge, locferer in feiner gangen Gompofition, alg gu irgenb einer früheren 
$eriobe. $ftan würfelt etlidbe $>ufcenb ber abenteuerlidbften Scenen bunt burch* 
einanber, geidbnet pfpd&ologifcb unmögliche ober burchaug auf bie Spi&e geftellte 
Gbaraftere, lleibet bag ©ange in eine fofette, babei aber boch giemlidb faloppe 
gorm — unb ber moberne Vornan, ber unter allen Umftänben fein Sßublifum 
finbet, ift fty unb fertig. Stur e i n 3ug gebt burdb faft alle biefe Schöpfungen: 
bie Sucht nach bem Abenteuerlichen, Zigarren, nadb ftnneblenbenben unb oer* 
Wirrenben Gffeften. Sehr wenige Schriftfteller fmb eg, bie fidb weigern, mit 
bem Strom gu fdbwimmen unb bem 3eitgef<hmacf Gongeffionen gu machen. $ie 
begabteren unb ©eiftoolleren bieten alle ßunft ber SDarftellung auf, um bie mit 
febem Augenblidf in ber Grgäblung wedbfelnben lanbfchaflichenScenerteen allerSän* 
ber unb 3onen fo plaftifch unb anfchaulich, bie wie im bunten Garneoalgreigen 
ftch brängenben ©eftalten fo fcharf unb lebengooll wie möglich heroortreten gu 
laffen; aber fie werfen ben Sefer ebenfo unftät bin unb her, führen ihn mit ber® 
feiben ©efchwinbigfeit aug ber Sropenwelt nach bem Storbpol, aug ben feinften 
©efellfchaftgfreifen europäifdber £auptftäbte nach ben Steppen Afteng ober ben 
Urwälbern Amerifa’S, wie ihre mehr hn.^anbwerfsftpl unb nach ber Schablone 
arbeitenben Gollegen, bie, auf jene feineren Ausmalungen unb brillanteren 
Sichteffefte oergidjtenb, fich mit flüchtigen Umriffen unb grellen garbencon* 
traften begnügen. Sajfen wir bie Stomanergeugnijfe ber beiben lebten gabre 
bie Steoue pafftren, fo fmb eg faft nur gwei, oon benen ft<h mit Gntfdbiebenheit 
behaupten läjjt, bafj fie, oon biefem unaufhörlichen £afthen nach Gffeften frei, 



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77 



jtcb aui ftcb felbjt heran« ju abgefcbloffenen, lunftooK geglieberten Schöpfungen 
enttritfeln: bai eine ein Sittenroman bet ©egemrart, ein ©onterfei unferer 
mobemen ©efeßfdjaft, bai anbete ein biftorifdKomantif(bci ©emdlbe in toeitem 
Stammen unb großartigem ©iaßftab, ein meifterhaftei ©ilb einet culturgefdpicbt* 
lieb bo<b»i<btigen 3eitepocbe— greptag’i „©erlorene ^an&fcbrift" unb 
2aub e ’i „Seutfcber Ätieg." ©eibe fflerle, namentüd?bai erfte, ftnb fo riel* 
faltig befprodpen trorben, unb fo rielen unfetet 2efet au« eigenet Prüfung be* 
lannt, baß mit uni jebet toeiteten Iritifcben SBürbigung betfelben enthalten 
linnen. Ser greptag’fdpe Vornan, beteiti in’« granjöftfcbe, £olldnbifcbe unb 
jungft auch bon ©tri. ©talcotm in’i ©nglifebe übertragen, ift in biertet 5litf(age 
erfdpienen, trai bei einem beutfeben mebrbänbigen Vornan, bet übcrbici nur 
für bai gebtlbete ©ublilum beregnet ift, getniß ettrai beißen toiü. 2aube’i 
„Seutfeber ßrieg,* bejfen Scblußbanbe bii jurn 1. Januar 1866 besprochen 
ftnb, umfaßt btei Abteilungen. Sie erfte, „gunler #ani", in 4 ©dnben, lag 
febon in betriebenem ffiinter bot; bie jmeite, „©öalbftein", in 3 ©dnben, er* 
ftbien im 2auf bei Sommeri unb führt ben 2efer bii jut ©rmorbung bei grieb*. 
lanbeti unb jut Schlacht am meißen ©erge. Sie Scblußabtbeilung, in 2 ©änben, 
trirb ben Xitel „^erjog ©embarb" führen, ©in Vornan in‘neun ftarlen ©an* 
ben ift nidbt gebermanni ©efdpmad, unb trie'trit offen geftehen: au<b nicht bet 
unfrige; bem biftorifeben Vornan jebodp, trenn er anberi mehr fein foU ali ein 
bloßer 2lb!latf<b aui ^anbbüdpern bet ©efebiebte, mit etwa« Sichtung bermifebt, 
muß notbtrenbig ein größerer ©aum gut ©erfügung gefteilt trerben. Auch ift 
ei fteber nicht ali berlorene 3eit ju betrachten, bon ber £anb eine« folgen ©tei* 
fteri bet Sarftellung rnie 2aube f«b ein bollftdnbigei ©emdlbe jener er* 
eignißreüben 3eit entwerfen ju laßen, beren golgen unb ©aebtreben noch bi« 
auf ben heutigen Sag im beutfeben ©aterlanbe allettnegen ju Sage treten. 
Auch biefer Vornan finbet einen toeiteren 2efelreii unb trirb, trenn erft rollenbet, 
fteber nodb populdrer trerben. 

©odp ein anberet SdpriftfteHer trdblte unldngft bai 2eben AMenßeini 
ober trenigfteni eine ©pifobe aui bemfelben jum ©egenftanb einei größeren 
©oman’i: Suliui b. SBidebe, ber einen „^erjog ben SGBallenftein in 
©tedlenburg" gefebrieben hat. SBtdebe ertrarb ftd> bureb feine nobelliftifcben 
Säuberungen aui bem ©tilitairleben einen geachteten ©amen. 3>nbem er uni 
auch in biefem ©oman eine bunte ©efellfdpaft bon Kroaten, #ufaren, Sägern, 
traUonifcben Äüraffteren zc. borführt, ift er ganj in feinem ©lement unb liefert 
recht anf(bauliche ©ilber; auch bie £o!alfcbilberungen mecflenburgifcber 2anb* 
febaften unb 3uftdnbe finb fehr gelungen, man fleht, ber ©erfaffer betregt ficb 
hier auf heimtfebem ©oben unb in troblbelannten Greifen, dagegen lann bet 
©oman ali trirllicbei biftortfdpei ©emdlbe mit ber 2aube’fcben Schöpfung leinen 
©ergleicb auihalten. ©i ift nicht« ali ©enremalerei in treitem ©ahmen, ber 
nicht bafür geeignet ift. 

Sie STOittel, burch »ebbe greptag unb 2aube auf ihr ©ublilum trirlen, er* 



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78 


fch einen ben metpen nnferer gegenwärtigen SlobefliP«» ungenügettb, pe greifen 
ftach fraftigeren unb ihrer Aleimmg nach wirlfameren. ^Betrachten »it einige 
ber ncueften Romane, wie pe und gerabe in bie $anb tommen unb ohne 
befonbere Sorgfalt in ber Attdwahl. Da ift „Dgarogp," ein Vornan bon (Srnjt 
5rl)rn. non SB i b r a, bem belannten Aeifenben unb glüdlühen <S<hilberer }ub* 
amertfanifcher Scenerieen. Der ©ecfaffer hat ed pdj gewip recht fauer »erben 
laffen, biefen Stoff gu pnbett, ber bem SBebütfrop bed nwbemen Senfatiend* 
Aomand oortrefflkh entfpricht. Xgarogp ift eine mppifche $erfönlid?feit k la 
©agliopro, unb nkhtd ift bei unferen Aomanbichteni bet ©egenwart gefugter ald 
folche buntle ©haraftere. Qu Anfang bed laufenben Qahrhunbertd. trieb ftch ein 
Abenteurer unter bem tarnen eined ©rufen Dgarogp inSKittelbeutfilanb umber 
unb machte namentlich bie Stabte am SAatn §utn Schauplap feiuer SWauipula* 
tionen, bie gewöhnlich auf alterlei ^Betrügereien, bei benen Siebedabenteuer eine 
Stolle fpielten, hmaudliefen.* Später nerfchwanb er; Aiemanb wupte gu fagen, 
»ad aud ihm gemorben. 3»angig Sabre fpater fanb man ihn »ieber, freilich unter 
»eit befdjeibneren SBerhältniffen: er »ar Direftor einer »anbernbeu Schaufpieler* 
truppe, welche in ben. ßanbftäbtchen polend umhergog. Diefe gigur bilbet 
ben Aiittelpuntt bed SBibra’fchen Jemand, wenn auch nicht gerabe beffen gelben, 
ba Stgarogp nur benupt »irb, bie im SBorbergrunb hunbelnben Sßerfoften in fort* 
toährenber ^Bewegung gu erhalten. Die oorgeführten ©haraftere fmb faft fämmt* 
lieh eycentrifch, auf bie Spipe getrieben; ba jeboch SBibta ein feiner 2Belt* unb 
Sfienfdbeulenner ift, auch ald Darfteller feltene ©ewanbtheit unb ©laftiatät be* 
ppt, uerfteht er Alled fo gefchitft eingutleiben, gu matmiren unb audgulegen, bap 
felbft bet tritifcbe Sefer ber Zahlung mit Snterejfe folgt unb fte gulept nicht 
gang unbefriebigt aud ber £anb legt. „Xgarogp" ift offenbar nichtd weiter ald 
em Senfationdtoman; bod> gehört er jebenfaüd gu ben beffent ber ©gttung, 
unb ber Autor mutbet bem Sefer niemald gu, ben lünplerifchen Stanbpuntt 
gänglich aud bem Auge gu berlieren.—Da ift ein anberer Aoman, ber ben $iteb 
# A a p l o d! " führt, ©inen treffenberen hätte ber Autor gar nicht wählen tön* 
neu. Aaftlod geht ed non Scene gu Scene, bon ©reignip gu ©reignip. Ao<h 
nicht bie Hälfte bed erften SBanbed braucht man burdhlefen gu haben, um fchon 
gang fchwinbelig im ßopfe gu fühlen unb ft<h ermattet gu fragen: 3a, wohin in 
aller Sßelt foll benn biefe Sßarforcejagb, biefed Aeifen per Dampf non Station gu 
Station eigentlich führen? 2Boh*n? Der Autor fcheint ftch felber nicht Har bar* 
über gu fein; fechd parle SBänbe bur<h foll ed raftlod fofortgehen, unb wir pehen 
laum in ber üUtitte bed erftenl Da pnb gürften, Atinifter, Abenteurer, ©eiplicpe, 
Diplomaten, fdböne grauen ber öerfcfyiebenften Stänbe, ©eheimpoligiften, SoU 
baten, SBerfdpwörer, S&fuiten — man fühlt ftch wie auf bem Atadlenball, ringd 
ifmgeben bon ben bunteften brachten unb feltfamften giguren. Dabei fehlt ed 
nicht an Angeichen, bap ber Aoman aud einer wirflich talentvollen gebet pop; 
bie üAache ift jebenfalld bewunberungdwürbig. 9Jtancpmal fcheint ed bem Autor 
felber gu arg gu werben, er fehnt ftch nach einem Auhepuntt, er nimmt 
einen Anlauf gu behaglicherem fünftlerifchem Schaffen — ba fällt ihm ploplich 




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eht, baßer „Maßte* fördbe» muß, er laßt bteSocemottoc triebet bampfen 
unb fcßnanben —- 

„Unb ^um, fyare, ßop, h<>ri ßri>, 

©eßt’S fort im faufenbem ©alopp, , 

Daß Moß unb Leiter fcßnoben, 

Unb üieS unb gunten ftoben!“ 

©er bie fe<ß$ betßeißenen Sänbe mit ihren »tiefen ©eheimniffrtt beS heu¬ 
tigen SebenS, berborgenften Dtiebfebem, Scenen aus bent Familienleben non 
dürften, gdnjtidb unbetannten Documenten, eigentümlichen Muftlarungen über 
gemiffe geheime ©efeßßßaften" ac. ac. bnreßgepeitfeßt hat ohne fuß eine heftige 
Migräne juge^ogen §u haben, ben beneiben mir um feine gefunbe Gonftilution. 
3IIS Verfaffer nennt fuß $. Sftarcotin, bermuthluß ein Vfeubonpm. 
SBenn feine ÜEBerfe Beifall ftnben, toirb balb ein Vfeubo*2Äarcotin erftehen, roie 
eS in ber Dßat bereits riet SHetctiffe giebt, bereu einer feßaurigere unb padenbere 
©efeßießten gu febreiben bemüht ift als ber anbete. Einer biefer eblen Sit 
goßris hat fogar feßon Sehen unb Dob Slbraham SincolnS in einer 2In$aßl non 
fflänben romantifch berarbeitet. What next ? 

Der riel fihreibenbe Mrmanb, ber einjhnals eine Meife naeß 2lmetifa 
gethan unb in golge baoon etrnaS erjdhlen meiß, bat triebet einen mebrban* 
bigen Vornan fertig, ben er bieSmal „3n Mtejito" betitelt; o£ 
course, SJlejifo Ift jeßt ein fehr interejfanteS Sanb, unb ein in biefem Sanbe 
fpielenber Montan muß feßon non born herein in getmjfen Greifen Senfatirit 
machen, ©er nun etroa glaubt, baß biefer Montan in ganj eigentümliche« 
Spanier gefchrieben fei, bab barin ein frembartiger tropifeßer $aiuß meße, ber 
bem Sefet neue Silber, nie gehabte Einbrüde jufüßre, ber bepnbet ftch hoch eini¬ 
germaßen im 3rrtbum. greunb Elrmanb bleibt überall berfelbe, mögen nun 
feine bunten ©efeßießten am (5rie=» ober am Oberen See, am £ubfon ober £om* 
Tbtgbee, am ©ifftftppi ober Mio ©raube fpielen. gagb* unb 3nbianer*2lben* 
teuer, romantifche SiebeSgefcßicßten, mit Entführung, Vergiftung ober Erbat* 
<hung enbtgenb, Säger*, Drinf* unb $lofar* Scenen, Ueberfalle, Diebereien, 
Spielhöllen unb maS ber bekömmlichen padenben gngrebienjen mehr ftnb, bar* 
aus fefct Slrmanb ein für äße 2Jtal feine Montane jufammen unb beobachtet 
nur bie Vorfußt, heute mehr bon biefer, morgen Weniger non jener Subftanj ju 
nehmen, roobureß jmar täufeßenb dßnlicße, für aße praftifeßen 3»ede unb ben ©e* 
feßmad beS großen VublifumS jeboeß ßinldnglkß betfeßiebene 3Äifcßungen §u 
Stanbe tommen. Diesmal bot fuß eine ganj bortreffließe ©elegenßeit, bie 
©efeßießte bon Mtepito bon ben Urjeiten an, namentlich aber bie beS mejifanifiß* 
amerifantfeßen Krieges eirtjuflecßten, unb ba fuß barnit feßon ein Sanb füßen 
labt, ber bom Verleger prompt ßonorirt mirb, ßat fie ber auf ©rünblicßfrit ßal* 
tenbe Verfallet natürlich beim Scßopf gefaßt. Da bie ©efeßießte gut borgetra* 
gen rnirb, ift fte am Enbe für Sefer, bie meber Suft no^h ©elegenßeit haben, fie 
anbermeitig nacßjuftubiren, eine ganj annehmbare Bugabe. 



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Snbem roh eg ung für beute am Äornan genügen taffen, mödbten mir nodb 
SRaum gewinnen gur (Erwähnung einiger Iiterarifdber ©rfdbeinungen erntetet 
unb gebiegener ©attung. ©3 beftätigt fteb, bafi wir ben biel betrauerten DJiei- 
fter beg ©efangg, unferen im £ergen beg beutfeben SBolfeg ewiglebenben Sub- 
w ig U b lanb bemnädbft bon einer wefentlidb neuen ©eite, nämlidb alg pro- 
faifeben ©dbriftfteUer unb Siterarbiftoriler, tennen lernen foHen. ©edbg big fte- 
ben 93änbe profaifeber ©Triften Subwig Ublanbg, betitelt: „SurÖefdbiebte 
ber $ i <b t u n g u n b © a g e ", fmb nabegu brudtfertig unb werben bermutb- 
lieb in rafeber golge auggegeben werben. S)ie #erauggabe berfelben berbanlt 
man ben Sßrofefforen |jollanb, bon Äetler unb grang Pfeiffer, benen ber 
Siebter {einen profaifdben SRaeblafj augbrüdttieb übemfaebte. ©ingelne ber Auf- 
fäfce fmb bereitg in ber 3eitf<brift „©ermania" erfdbienen. Ublanb war einer 
ber grünbli(bften Kenner ber älteren beutfeben Sßoefie, wegbalb feine Abbanb- 
lungen über bag SBoltglieb, ben Sfltinnegefang, bie beutfebe £elbenfage, norbi- 
fdbe, beutfdbe unb romantifebe ©agengefebtebte, gang befonberg aber über bag 
3fäebelungenlieb für b&<bft bebeutunggboll erachtet werben müffen. 2)ag fin* 
nigfte poetifebe ©emütb unb ber feurigfte ^atriotigmug, eine burdb unb burdb 
nationale ©efinnung bereinigen ft<b ^icr mit tiefer ©elebrfamfeit gu einer in ib- 
rer Art eb$nfo claffifdben Seiftung, wie eg bie unterblieben Sieber beg febwäbi- 
feben ©ängerg ftnb. 

$)afj man in $)eutf<blanb für literarifebe Belehrung empfänglich ift unb 
eine mit ©aebfenntnijj unb in guter Meinung abgefafete ßritit, fei fte auch fonft 
etwag einfebneibenb unb äfcenb, gu febä&en berftebt, beweift bie türglieb erfebie- 
nene fünfte Auflage bon 3 u l i a n © <b m i b t ’ g ,,©ef<bi<bte ber beutfeben 
Siteratur feit Seffingg $obe." ©eiten ift ein Söudb heftiger angegriffen wor- 
ben alg biefeg, aber gerabe bie erbitterten Angriffe febeinen äufjerft conferbirenb 
fu wirlen unb ihm eine lange Sebengbauer gu berbei&en. 

©in für bie 2Biffenfebaft febr bebeutenbeg SBert berfpriebt bie „ © e f <b i <b t e 
ber Aftronomie" gu werben, welche ber bodbberbiente AftronomQo- 
bann Heinrich SWäbler, ebemalg ^rofeffor ber Aftronomie unb 2)i* 
reftor ber ©temwarte gu 2)orpat, bermalen in 2)eutf<blanb pribatiftrenb, gu 
febreiben im begriff ftebt. 2)ag 2Bert wirb einen 5Lbeil ber unter Webatiion 
ber biftorifeben ©ommiffton in TOneben erfebeinenben, , burdb ben beworbenen 
unb je^igen fiönig bon Saiern in freigiebiger SBeife untersten „allgemeinen 
©efdbiebte ber 2Biffenfebaften" bilben. beiläufig möge bemertt werben, bat bie 
biftorifebe ©omntifjion in ihrer fiebenten $lenarberfammlung im Ottober be- 
fdblob, bafc bie bon ibr auggefefcten greife für ein gelebrteg £anbbu<b ber beut¬ 
feben ©efdbiebte (10,000 ©ulben) unb ein $anbbu<b ber beutfeben Altertümer 
(2000 ©ulben) borläufig nidbt ertbeilt werben folleu, ba bie eingelaufenen Ar¬ 
beiten ben gu ftellenben Anfofderungen nicht entfpreeben. 

Aug Amerita ift bor Bürgern ber alten $eimatb - ein redbt wertbbodeg ©e- 
fdbent ^ugefommen. ®ag ©efebent bringt in ©rinnerung, bafj ba brüben über 
bem SBaffer audb no<b ©öbne ber alten -©ermania häufen, bie bag biele ©ute 




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unb Herrlidbe, ma$ fte einft bon bcr fernen ÜJlutter empfangen, moht gu f (bäten 
unb gu nüpen miffen, bie ftcb reblicb bemühen, jenen ebelften 23eruf ber beut* 
feben Nation gu erfüllen: als Präger ber Kultur über ben ganzen (ErblreiS gu 
toirfen. 2)iefeS. ©efebenf ift ein 23u<b bon madigem Umfang, melcbeS ben 
bieloerfprecbenben Sittel trägt: „SluS Slmerifa über Schule, beut* 
f<be Sd?ule, amerü anifdje Schule unb beut j<b *amer i* 
tanifebe Sdbule, bon SH ub o I f $ulon." (Seipgig unb Heibelberg. 
Sßinter’fdbe SBerlagSbanblung.) Ueber Slmerifa gu fdbreiben, mürbe im Sauf beS 
lebten halben gabrgehnteS in $eutfcblanb ftarf gur 'JJtobefacbe. $er giganti* 
febe ßrieg bat baS gntereffe, melcbeS man mohl febon früher an bem munberba* 
ren Sanbe nahm, bebeutenb gefteigert, aber er hat auch ben Stanbpunft, bon 
bem man es gu betradbten gemohnt mar, total berrüdft unb einen hartnäefigen 
SBiberfpruch ber Meinungen unb gbeen berborgerufen, gu bejfen enblidber So* 
fung es fehr erfahrener unb gemanbter Schieb Sechter bebürfen mirb. Site ei* 
nen biefer Septeren begrüben mir mit grei&en IRubolf S)ulon, ber baS hoch 3 » 
miebtige Ztyma beS amerifanifeben (ErgiebungSmefenS in ermähntem 33u<be mit 
nicht genug gu rühmenber Schärfe, Unbefangenheit unb Klarheit, gugleicb aber 
in fo gefälliger unb burdbauS populärer SBeife behanbelt, bafj jeber gebilbete Sefer 
in beiben Hemisphären, hätte er früher auch nie barüber gehört, auf T S ©rünb* 
liebfte unterrichtet unb gu eigenem Urtheil befähigt mirb. $aS 33ucb ^erfüllt in 
oier burdbauS felbftftänbige Slbfcbnitte, bie eben nur in fofern mit einanber in 
SBerbinbung ftehen, als fte fämmtlicb über Schule unb (Ergiebung hanbeln. 
2BaS bcr SSerfaffer im erften Slbfcbnitte über Schule unb gugenbergiehung 
im Sltlgemeinen fagt, mag gmar üfltancbem nicht gang neu erfcheinen, ift 
aber fo bureb unb bureb mabr, fo treffenb auSgebrüdtt unb gemeinfafjlicb borgetra* 
gen, bafc eS (Eltern unb Sehrern—marum follte nicht auch ein Sehrer bon einem be* 
mährten UHeifter feines Berufes lernen fönnen ? — gum Stubium unb gur 93ebergi* 
gung nicht genug empfohlen merben lann. 2)er gmeitc Slbfchnitt gollt ber beut* 
feben Schule unb ihrem fegenSboUen ffiirfen ben fdbulbigen Tribut, gür beut* 
fche Sefer bietet mohl ber britte Slbfhnitt, melcher über bie amerilanifcbe Schule 
banbett, baS meifte gntereffe. 3n bünbiger, überaus lichtboller SBeife mirb 
SlüeS, maS über amerifanifcbeS (ErgiebungSmefen ju fagen ift, gufammengefafit; 
bie SBorgüge unb munberbaren SHefultate beffelben merben mit ber größten Unbe* 
fangenheit, ja mit GnthuftaSmuS anerfannt, bagegen auch bie mancherlei ©ebred&en 
nicht berfchmiegen. 2JHt Söegug auf Sefctere mirb angebeutet, mie fte unter S3eibülfe 
beS beutfehen ©eifteS nach unb nach befeitigt, unb auf biefe 2Beife eine SDtofter* 
fchule gur (Erhebung mahrer SWenfeben gefebaffen merben möchte, mie bie 2Belt 
bis babin noch feine gefehen. $>er bierte Slbfcbnitt gilt ber beutf<b*amerifani* 
feben Schule. Hier betritt ber Söerfaffer ein ©ebiet, auf bem er felbft lange 
3ahre mit glängenbem (Erfolg gearbeitet hat; er fpriebt pro domo unb hält ge* 
mifiewtafjen eine Sobrebe auf* ftcb felbft unb feine Schöpfung. 3)aS ift ihm 
bon manchen Seiten bitter berbacht njorben. (Er entfcbulbigt fein Verfahren 
bamit, baji ber ©egenftanb ein gu michtiger fei, um unerörtert gu bleiben. Sa 

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nun Subete, !aum befähigt feien, ihm geregt ju werben, ober, trenn fte bie« 
otfdb feien, be« guten 2öißen« baju ermangelten, fo habe er ftcb betrogen gefun* 
ben, felber ba« Wort §tt ergreifen. Un« fdbeint ba« natürlich genug unb !aum 
einer öntfchulbigung bebörfenb; freilich hätten auch trir e« lieber gefeben, trenn 
ber Berfaffer in biefem fonft febr intereffanten Ubfcßnitt eine größere Objectibi* 
tat betrabtt unb auf bie ausführliche Bebanblung fleinlidber Bribatberhältniffe 
berichtet hätte. 3)o<h er febrieb fein Buch, trie au« ber SBibmung berrorgebt, 
in einer &\t fchmerer Kämpfe unb #eimfu<hung, „abgebefct unb bi« in ben 
Sob ermübet," nachbem er bie Stätte eine« langjährigen SBirlen« batte rerlaffen 
müjfen; er fdbrieb es „umfidb ju farnmeln, um bie Ueberbleibfel feine« frühe* 
ren ÜJtenfdhen leibtidb jufammen flidten unb in eine brauchbare ga§on ju brin* 
gen." 3)a« erttärt, ba« entfcßulbigt Blanche«. (SS ift ein barte« 3)ing, mit 
fdbtrerer Sorge unb unenblicber Btübfal eine Schöpfung aufjuriebten, um fte bann 
in frömmer faßen unb fuß um bie Jrudbt feiner Arbeit betrogen ju feben. $odb 
trie bem auch fei: bie beutfch*ameritanifcbe Schule lebt unb gebeibt, fte bat eine 
hohe Btfffton &u erfaßen. SBäre ihrem erften Begrünber auch gar nicht« ge** 
blieben alS ba« ftolje Bemufitfein: 6« trat bein 2Ber!! — er möchte ftcb ge* 
troft fagen, bah er nicht umfonft gelebt. 


Unfete 9lem*?jorfer Saifon 1865—1866 ift für lünftterifche Unterbaitun* 
gen eine überau« glänjenbe unb erfprießliche. 35er erfte ffiinter nach 
glüdßidber Beenbigung be« Kriege« feßt bie fdbönen fünfte in ihre roßen ßteeßte 
ein; nie mär ber Shtbrang ju unfern* Sweatern ein fö mächtiger mie mäbrenbber 
lebten SMonate; nie mar rom gefcßaftlichen Stanbpunft ba« Xßcatermefen in 
höherem Slot. 35er aße Berechnung unb BorauSfeßung übertreffenbe Erfolg 
medte bie Spefttlation, unb fchon feben mir in ben oberen Steilen Üßem 2)orf« 
ein halbe« 35ufcenb neuer üßtufentempel erfteben, mäbrenb ju einem meiteren 
halben 3)ufcenb menigften« bie entmorfen ftnb. ffiir merben in unferen 

fpäteren BionatSbericßten turje Ueberfuhten ber Seiftungen ber bauptfäcßUcßften 
englifdben Bühnen Bem*?)orf« liefern unb roerfen für beute nur noch einen 
Blidt auf unfere beutfehe Bühne, ron ber ftcb gemiß nicht in Hberbe fteßen labt, 
baß fte im Sauf ber lebten Sabre bebeutenbe gortfehritte gemacht bat unb ben 
Bühnen größerer Brorinjialftäbte 35eutfdblanb« in jeber Begebung gleich ftebt. 

3)a« große dreigniß be« Stabttßeater« mäbrenb ber lebten Btonate mar 
ba« ©aftfpict Ottilie ©enee’3, ber fchon feit geraumer 3eit in ganj 
3)eutfchlanb mohlbefannten lomifchen Scßaufpieletin unb Soubrette. 3>iefe« 
©aftfpiel, etliche jmanjig Borfteßungen umfaffenb, bat bom pecuniären Staub* 
j)un!t ein mabrbaft gtänjenbe«, in Beäug auf Anregung für beutfdbe« Theater* 
mefen im aßgemeinen ein recht günftige«, in rein lünftlerifcber ^infteßt ein ^iem* 
lieh mittelmäßige« fßefultat ergeben. Ottilie ©ente ift unjmeifelßaft eine febr 
tüchtige Bertreterin ihre« mit glänjenben firäften leine«meg« überfüßten föoßen*, 
fache«; ißr 6piel, fprubelnb bon Seben, Btunterleit unb origineßer grifeße, 



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fiberraföte bißt nm Jo mehr, t>a wir feit SiegTlhtbnng einer beutfeßert SBö^tte 
etwa« 2lebnft<b e« nicht faben, unb ba auf b tt englifth*ametifaniftb ew Öübft* in bie* 
fec 3$ejiebnng noch ungleich weniger geleiftei wirb als auf bec beutfeßen. lüitt 
bera öinberniß eine« etwa« Ratten, felbft für beit ©efangSuortrag leichter ©ou* 
plet« Saum anSreichenbeu Organ« fämpfenb, bat ftc e«f fw ©ebraüä* beleihen 
boA §n bebeutenber Jertigfeii, namentficb auch p erftaiinlicbßr SWnbilität bet 
3*nge gebracht 3^re SJtirait ift tebeubig, obwohl nicht immer f<ho«, ißre ©e* 
Wegnngen finb entmutbig, «oft aber auch febr hart an bet ©renje be« Schidli* 
<he* binftreifenb aber fie fefrft übeefebreiteub. Offenbar bat fi<h OttlCie ©ende 
tuebr nach franjöSftbßu af« nach beutfebeu SKußern ge&Hbet; fk bemüht fuh 
ein gemijfßS <ftmaS tu bie beutfebe SAaufaißSimßbinetnptragen, ma« becfelben 
ftemb ift «nb nur mH 2Diber (heben »en i|r anfgenornnten wirb. 50ie franpß* 
f<be ©luette, bet Solofcß&k ba« ©attbemtte ift ibt eigentliche« ©ebiet; fyac weiß 
fie ihre ©abe* in ber nortbeübafteften SBeife pt>ettbenben; ibren Seißmtge« in ber 
höheren fiomöbie unb bera feineren ÖuftfpieX fcheint fie ftfber nicht recht p trauen, 
bt fie un« fo feiten ©elegenbeii bot, barübet p utthdle*. 9H« fie in 
einem felbftgebicßteten ©pilog non bem Kem^orfer ©«Witinn, ba« fie fo 
berjüdb aufgenomtnen nnb ftet« mit ©eifafltebejeugunge« überhäuft b^e, 3lb* 
fchieb nahm, ftelUe fie bie $tage: *£abe ieft 3bne« benu auch ehr wenig ge* 
fallen ? ^ <§in bonnernber SeifaGtefturm bilbete bie nicht mifjpbeütenbe Änt* 
wort barauf. Kun, auch un« bat bet Beine necftfdje Äobolb mit feiner mit* 
unter nnwiberfteblichen Srollerie unb ftet« etfrif(beitben SKunterfeit gefallen, 
reibt jebr gefallen, aber — ba« bürfen mir ftler, wo e« eine Hrtparteiifcbe ßtitil 
gilt, nicht »erfchweigeu — biefe« ©efatteti wäre ein noch nubebingtec« unb 
tntenfioere« gemefeu, Wenn, befonbet« in ben lebten Sörftdlungen, bie Farben 
nicht manchmal etwa« gar p grell unb mit p breitem ^pmfel aufgeWagen wer* 
beu wären. 21 e <b te Äunftleiftnngen, wie §. ©. jene Scene ber leicht befpt#* 
ten Patrone in bem am lebten ©aftfpielabenb gegebenen Suftfpiel„©roß* 
mutter eben unb ©ulel* unb »oA- ft manche anbere, bie Ottilie ©en$c un« bor* 
führte, behalten immer ihren 2Bertb unb abein ben SarfteUer, auch wenn fie 
augenblicklich niiht »on bonnernben ©eifatt«äußerungen unb »crf<hmenberif<hen 
©lumenfpenben gefolgt wären. Söennbie geehrte ßüftTtlmn htbemfelben ßpilog 
ihr öftere« 2luftreten in gebaltlofen Kleinigkeiten bamit entfchulbigte, ba| e« ber 
beutfehen bramatifdben Siteratur an wertboollen ©rjeugniffen ber fomifdjen 
üBufe, in benen gerabe eine Soubrette ihre tünftlerifcb« Sidfeifigfett §« jeigen 
im Stanbe fei, fehle, gefteben mit offen, baß un£ btefer ©runb ni^t gahj fiidj* 
haltig febeint Sie beutfebe SuftfpiellUeratur älteren nnb ueueren Saturn« bat 
gar manche^ brauchbare Stücf aufjuwelfen, worin ßch recht banlbare Köllen für 
fomifche Scbaufpielerinnen finben. freilich »ertragen biefelben noch blel »e* 
niger ein attp grelle« ©olorit, fönbem etbeifchen feinere Ausmalung. Sa« 
aber iß gerabe bie wütbige Aufgabe Wahrer Äunß. 2Bir haben nicht« gegen ba« 
gelegentliche Sorfübren folcher an unb füt‘ßch nnbebeutenber SSittuofenftücfdhen ) 
man fle^t fie bin unb wieber eintnal gartj getn mit an unbiäßt bönf SKrtnofen^ 


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bum ©erechtigleit »Verfahren, aber Immer eine unb biefelbe floß, ton- 
jour8 perdrix — baS nerbirbt ben SJtagen unb ftfcelt gulefct laum mehr ben 
©aumen. 

2luf bie SBeiterentmidelung unferer beutfehen 93üfcne »irb baS ©ende* 
©aftfpiel {ebenfalls eine febr günftige SBirfung äufjern. 35aS Sntereffe an ber* 
felbcn bat babur(b einen lebhaften Hnftojj erbalten, unb gmar gang öorgugStoeife 
in Greifen, bie bis babin bem beutfehen $b*ater fern ftanben unb taum einmal 
fcorübergebenb Stetig bon ibm nabmen. $)ie übetboden Raufer geigten 
gur ©enüge, ba& baS gemöbnliche Xbeaterpublitum bürch ein anbereS $ ublifum 
berftdrtt »orben mar, »elcheS eines fräftigeren SJtagneteS bebarf, um gu bramati* 
f<ben ^unftleiftungen berangegogen gu »erben, unb »et<beS feine ©mpfänglich* 
feit für festere allmdlig gang berlieren möchte, »enn nicht bon 3cit gu Seit ein 
berartiger Magnet in SBirlfamleit gefegt »irb. 2)a& baS tünftig häufiger ge* 
fchiebt, bafür bürgt ber Erfolg beS erften GyperimentS. 

2)ie $irection beS StabttbeaterS »irb eben fo begierig fein, ßünfller bon 
Stuf für ihr Theater gu geminnen, »ie bie $unftgrö&en 2)eutfchlanbS ben ihnen 
hier gebotenen SBortbeilen nicht »iberfteben »erben, ©runert, 35a»ifon unb 
Slnbere »aren fchon feit 3ab*en nicht abgeneigt, ihre !ünftlerif<hen SluSflüge ge* 
legentlich einmal bis über ben Sltlantifchen Ocean auSgubebnen; eS banbeite ftch 
babei nur um ben ©elbpunft unb bie ©rlebigung ber grage, ob bie anf einen 
folgen SluSflug bermenbete 3*tt für fie leine berlorene fein »erbe. Stach bem 
ßrfolg ber ©ende lann hierüber auch nicht ber leifefte 3meifel obmalten. Unb 
nicht nur einjelne berühmte ©äfte, auch tüchtige ftdnbige SJtitglieber »irb unfere 
beutfehe 93übne hinfort aus bem alten SBaterlanb in beliebiger SluSmabl begieben 
lonnen, fo bafi, »enn eS anberS in ben leitenben Greifen nicht an ©inficht unb 
gutem SBiUen fehlt, ibte SBirlfamleit eine immer fegenSreichere gu »erben ber* 
fpricht. 


ntro-^arktr Carrtfponbfn?. 


Ste»*2)orf,tm S)ecember. Ste»*?)or! ift eine SBelt für fich, unb mit nt<h tS 
Slnberm gu bergleichen. 3)er europäifchen Kultur naher ftebenb als anbere 
amerilanifche 6tdbte, berleugnet es bo<h nirgenbS ben amerilanifchen ©baralter. 

5)ie böchfte ®lütbe ber Kultur entfaltet ftch neben ihren erften f<bü<btemen Sin« 
fangen, $ier ftebt ber Sßalaft beS SMionärS, bicht baneben bie bölgeme 
£ütte, »eiche ftch ber irifthe Arbeiter auf ben lablen gels gebaut bat. pilgern 
»ir burch ben Gentralparl, fo glauben mir uns in einer europäifchen Stabt gu 
befinben; rings umher aber entfaltet fid) baS Squatterrecht mit berfelben Unge* 
nirtbeit »ie in ben $inter»älbem beS SBeftenS, unb Keine in Sumpen gehüllte > 



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$dmone protefliren baburch, bab fie floth auf bic gepufcten Snfaffcn 
ber oorüberraffelnben Gifenbahnmagen merfen, gegen bie Uebergriffe bet Gioi* 
lifation. 3)aS fortmdhrenbe 3lb* unb 3uftrömen ber Seoölferung macht, bab * 
«tan nie geregelte 3 u f^ nfee erteilt, bab «tan nie gut Muhe fommt, immer im 
Ptioiforium bleibt, bab bie Sermaltung fortmäh^enb eyperimentirt nnb ein @f* 
periment nach bem anbern bermirft. 2)ie fraffeften focialen ©egenfdfce f (hieben 
neben einanber empor unb muffen mit einftnber auSgufommeu fuchen, maS nur 
baburch möglich mirb, bab Seber ben 5lnbem gemdhren labt, ^ier befinben 
mir uns in einem ©etüramel, melcheS uns bei jebem Schritt in SebenSgefahr 
oerfefct; bort, nicht meit oom Tumult entfernt, herrfcht bie ibpHifche Muhe eines 
SanbftäbtchenS. Maubanfaöe auf offener Strabe tommen bdufig oor, unb hoch, 
toenn mir bie fömflkh gum Ginbrechen aufforbembe Sauart ber Raufer in 
Setracht giehen, müffen mir fagen, bab.bie öffentliche Sicherheit gröber ift, als fie 
unter ähnlichen Serhaltniffen in einer europdifchen Haupt* unb $afenftabt fein 
mürbe. S)er Glaube an bie 3toedmdbigfeit ber Setbftregierung unter allen 
• Umftanbcn mirb nirgenbS auf eine härtere Probe geftellt als hier — unb hoch, 
fteht man bie Mem^orfet bei öffentlichen Slufgügen, mo ^unberttaufenbe ftch 
brdngen ohne bab bie geringfte Unorbnung entfteht, mo 3^er bem Slnbem 
baS Mecht giebt, ihm ungeftraft auf bie Hühneraugen gu treten, unb auch ber 
berbfte 3ufammenftob burch einen gutmütigen Scherg befeitigt mirb — bann 
mub man mieber bieS Soll bemunbem, unb fagen, bab feine europdifche Popu* 
lation ira Stanbe mdre, ftch in biefer SBeife felbft gu beherrfchen unb gu regie* 


$et fchrofffte SMaterialiSmuS paart fi<h mit bem gröbten Dpfermuth, eine 
gerabegu oerrdtherifche ©eftnnung mit bem glüheribften Patriotismus. MirgenbS 
mirb auf gemijfenlofere SBeife Gelb gufammengerafft, nirgenbS aber bereitmiUiger 
für mohlthdtige 3»ede beigefteuert, unb gmar feineSmegS immer mit Dftentation, 
fonbern oft mit einer 2)elifateffe, melche nur bie reinfte Mtenfchenliebe als 2WotuT 
oorauSfefcen Idbt SBdhrenb beS ÄriegeS galt Mem*5S)orl als ein gmeiteS Mich* 
monb, unb gmar mit Mecht; bennoch hat feine gmeite Stabt mit folcher Sereit* 
milligteit Millionen auf ben Slltar beS SaterlanbeS niebergelegt unb immer 
neue Xaufenbe gu ben Heeren geliefert. (Einen merfrnürbigen SunbeSgencffen 
hatten bie Mebellen an einer Stabt, melche, menn heute ber Mothruf aus 2Ba* 
fhington erfchoH, morgen 10,000 9Mann gur Sefchüfcung ber Hauptftabt mar* 
fchiren lieb, unb einen merfrnürbigen Helfer hatte mieberum bie Megierung an 
einer Gommüne, melche bei jeber ffiahl bie ungeheuerfte Mtajoritdt gegen fte ab* 
gab unb nur bie entfdjiebenften greunbe beS SübenS in ben Gongreb fdjicfte. 
SJtan mub Mem*?)otl gürnen unb es bo<h lieben, man mub es berbauimen unb 
hoch bemunbem, man münfeht ihm oft gu entfliehen unb mirb hoch unmiberfteh* 
lieh gu ihm ht n Ü e 3°9 en J als Mem*potfer fchamt man ftch unb fühlt ftch bo<h 
ftolg. GS bleibt babei, Mem*?)orf ift eine Seit für ftch, fo grobartig, fo über* 
mdltigenb infereffant, bab eS faurn in einer europdifchen, gefchmeige benn in 
einer amerifanifchen, 3eitfcferift unoertreten fein barf. 2)em Gorrefponbenten 


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f et URmtatöbefte wirb»* OMregm, baJ Sehen uftb Ireiben ber amtritanifhen 
SRetroftole ju öerfelgcn, unb fomobl bie 2iht» miebie Shatleafeiten mit ftsenger 
9Ba^vfteitS|ie6e beroortreten ju (affe». 

giften btt bunldfttn Schatten bttbet unbebtngt ba& Borteitreibeu mW ti 
fid} in SRem*B©rf entwicfdt bat Ohne Parteien lägt fth leine üiepublit, lein 
bclitifdjei Stengen, lein gortfhritt benlen ; aber *S [oU ph beim bod> bahei «ift 
Brinjibien baubdn, nnb namentlih mnh eä fclbft ist Öffentliche» Sebe» 
eine ©rtnje geben, rtdcfje bie politifhe Setbenfhaft nicht Oberfhreiten barf. ßine 
folhe Scbmnle ift b<er «bet nicht wthanbe». 2Rit bet Berwaltung einer Stabt 
bat bie $o(iti! wenig ober nihtO ju tbun, meil tote groben prinjipießen fragen, 
weihe bie Station bewegen, babei gelten ober nie in Betraht tommen. SRan 
muff oertangeft, bafi bet SRaftor ober Aiberman $ at r io t fei, aber weiter barf 
man aueb nicht geben. SRan barf ibn nicht jum fwlitifhen gunuhentbum Bei* 
bamnten, aber auch feine potitifhe Ud)erjeugu«g — ftetö «orauägefebt ba& et 
ein $ a t r i o t ift — nicht jum entfdjeibenben Biotin für feine grmäbiung 
ober Betwerfung machen. 3)cr Beamte begebt eine Staftlofigteit, wem « otf 
folcber ben Barteimann beroortreten labt, benn er ift bet Dtebtäfentant unb 3>ie* 
ner bet ganzen (Swnmüne; roirb er aber aU Barteimann gewählt, fo bringt 
man ibn fofort in eine falfcbe Sage, welche taum bet SRßglihteit einer gemiffenbaiten 
unb taltöoHen BWtetfüllung Aaum giebt. 9tem*0ort bat bittere drfabiunge» 
Aber bie folgen be^Borteiregimentö im Gemmunalleben gemacht, «nb hätte füg* 
lieh jur giufubt tommen tönnen; bet Verlauf bet im Beginn biefeä- SRonatg 
ftattgefunbenen URaoorämabl geigt aber, ba& eg noch weit ba»on entfernt ift. 
giften Berfuch J»t SRefotm mähte bie ©itijenä Affociation; bisjefct bat.fie aber 
noch wenig ©lüct gehabt unb faft noch weniger Berftanb entmicldt 3b* Äan* 
bibat War 3°bn fetter, ber B*to unter ben Blulletn, ein ebrenwertber 2Ran» 
im Bnoatleben. Seine Anmartfhaft beftanb barin, bah «* Wb im Vorige» 
3abre jum ^Reformator anfwarf nnb jum 3tatrt bafttr bon iiifhen Arbeitern 
faft jemffen worben wärt. Um eine beffere Sttafjenteiuigungsu ergeben, bewirlte 
er nämlich, bah ben ©affenlebretn ihr Sohn ftorentbalten würbe, gr rechnete bawuif, 
bah hh bie SEutb betagter BefenfObrer gegen ben Strahentommiffär alb morctlifcben 
Urbeber ihrer Stotb richten würbe; fte bähten aber niht fo weit unb hielten fkb an’g 
Slähfte, wab fjerr £eder als SRenfhenlenner wohl hätte wraubfeben tonnen, 
nnb bat Slefultat war, bah bie Straften womöglich noh fhmnbiger würben. 3) e 
an£ biefer Affaire erwahfenben Anfbrühe waren alfo minbeftenä jwtifdbaftet 
Art. lluherbem mar bie SBabl ber Affodation h» fofern eine jiemlih unglact» 
liehe, als #err £eder fth mäbrenb beS ÄriegeS tdneSwegS vatriottfh gegeigt, fon« 
bern offen mit feiner Sympathie für bie geinte bei BaterlanbeS geprahlt batte. 
3m ©anjen aber war baä Arrangement niht übel. Siebt nur getnonbo SBoob 
unb feine Bartei, fpnbem auch •&oract ©rede» unb bie SRebattion ber goening 
Boft mähten mit bei Affociation gemdnfhaftlihe Sähe, bie lefctern Beiben weil 
fte ber Anftht waren, bah dn wpttblitanifdber flapor m Sew«Bort boh 
mahtloß fein würbe. 3>ie gasge boffnimgiOoHe Cfpuibination tonnte ihrem 



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SuSttfotmn hMbt mehr afe ^xng«fä^c 10,000^Strnimen nutet 80,000berffljaf* 
fen. Unter ben üanbibaten befanb fuh ßiner, welker für eine 3 b ee tämpfte. 
Ser bisherige Anbabet beS Amtes, $err ©üntber, ertlärte nämlich in einem ge* 
brucften Manifeft, er halte eS für feine als Äanbibat aufeutreten, ba 

bie gkinsipien, »egen beren er »erfolgt »erbe, bon feinem ber anberen Herren 
in folget Aeiubeit betreten mürben. Such B^eifle er, im Vertrauen auf bie 
Anteiligen* unb Sugenb beS SBolfeS, nicht im ©eringften an feinem Siege. Sie 
äBäbler »übten jebocb biefe $bee md^t *u »ürbigen, »aren ber Anjicht, bab 
£errn ©üntber’S ^rinjipien in ber Stabtbermaltung hinfort lieber unbertreten 
bleiben follten, unb gaben ibm nur 6000 unter ben 80,000 Stirn* 
men, »orauS er tonfequenter SGßeife ben Schluf* sieben mub, bab baS boll 
bon Ae»«#jrf »iber alles ßrmarten entfliehen ftupib unb lafterbaft ift. 
6$ lafjen fich aus biefer bittern Erfahrung mancherlei ^eilfame Sehren fliehen. 
Sie anbem beiben ^offnungSbollen »aren ber bisherige Aecorbcr $offmann, 
Äanbibot bon Sammcrap £aU, unb $err Roberts, Hanbibat ber republitani* 
fdhen Partei Grfterer belegte feinen Aebenbublet nur mit geringer Majorität, 
unb nimmt man an, bab Sribune unb ß&cnmg Sßoft sufammen über 2000 
Stimmen berfügten, fo haben biefe beiben republifani)<hen Organe bie Sefriebi* 
gung, bie Srmäblmtg beS £anbibaten N ibrer eigenen Partei berhinbert unb bem 
©egner, ber ihnen unb ber Partei gemeinfam »ar, flum Sieg »erhoffen flu ha* 
ben. Grflätte bie SimeS, »eiche noch am Sage ber 2Bahl £errn ^offmann beS 
gemeinen SiebftablS beflüchtigt hatte, ihn am Sage nachher für einen unbe* 
fcholtenen Gbtöunann, fo bürfen »ir »ohl annehmen, bab bie Stabt fub unter 
feiner betmaliung leiblich »ohl hefinben »irb. hoffen »ir »enigftenS, bab 
er fein Amt nicht burdh politifchen SBahnftnn proftituirt, »ie man eS hier leiber 
gemohnt ift. AIS $ a tr i o i ift £ert ^offmann betannt, unb alfo in biefer be* 
fliehung nichts gegen ihn einjumenben. 

Allgemeineres Antereffe als baS Schaufptel ber MapotSmahl, meines, »ie 
pifani bie Agitation fuh auch geftaltet, immerhin aüe s»ei Aahre »iebertehrt, 
möchte eine Grfchemung bedienen, »eiche fo leicht nicht »ieberfehren »irb. 
Staran, bab in Amerifa bie Staaten aus ber ®rbe »achfen, ift man gemohnt; 
bab aber in einer Stabt über Stacht eine Aepublit entfteht, ift benn hoch felbft 
hier etmaS fliemlidj UngemöhnlicheS, unb ein .folcheS Phänomen hat fuh in Ae»* 
Dort sugetragen ohne bab man fuh forderlich barübet fntfepie ober »unberte. 
fiein Sehers, fonbern bitterer ober heiterer Grnft. An bem burch bie Sumter* 
Serfammhung tlaffifch gemorbenen Union Square erhebt ft<h unter bieten $al&* 
ften einer, über bem bie grüne gähne mit ber gotbenen $arfe flattert. Siefe 
gähne ift baS ©anner, biefer Sßalaft baS fiapitol ber irifchen AepubliL 
©efagte Aepublit hat ihren ^räfibenten, ihre Mintfter, ihren fiongreb, ihren 
StaatSfchap. Ähre Organe befinben fich in fo »oller Operation »ie bie eines 
anertannien StaaiStörperS. Sie erhebt ihre Abgaben, erläßt ihre Setrete, giebt 
ihre Obligationen aus, unb führt firieg mit einer Macht, bon »eichet bie bunfle 
Sage gebt, bafi fie ben bereinigten Staaten befreunbet fei. Aa noch mehr; bie 



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irifdje Rcpublt! bat ficb nicht allein nach bem SWufter bet Unten, In beten Sdjooh 
fte fteb entwidelt, organiftrt, fonbetn fte ahmt ihr auch in anbetet Seife nach. 
Sie führt bereits im Siebten baffelbe 2)rama auf, metcbeS mit fo eben im ©ro¬ 
hen ju ©nbe gefpielt, toenn auch in ettoaS oeränberter gorm. Obgleich erft 
toenige Soeben alt, bat fte febon ibre innem Kämpfe, ihre Seccffion unb Re¬ 
bellion. ßineS fcb&nen £ageS labet bet aus SBiftualienbänblem unb anbem 
Rotabilitäten gufammengefe&te Senat ben burebbenfenifdjenSongreh lonftitutio- 
nell gewählten fßräftbenten O’Rtobonep »egen RtihbraucbS bet RmtSgetoalt oor 
fein Tribunal. O’üDtahonep beftreitet bie Sompetenj beS ©ericbtSbofeS unb er- 
febeint ttiebt, »orauf er in contumaciam febulbig erlannt, feines hoben SlmteS 
oerluftig erfldrt unb ber Oberft Roberts jum fßräfibenten ber Republi! gemäblt 
toirb. 2Hit O'ÜRabonep »erben auch feine SRinifter angellagt, unb gugleicb 
beruft b.er Senat eine ©jtraftpung beS ©ongreffeS naeb Re»-?)or!. O’Rtabonep 
unb fein Sabinet taffen fteb aber bureb bteS SlüeS nicht beirren. Sie erttdren bie 
Senatoren für Ufurpatoren, behaupten, nur ber ^räftbent habe naeb ber SonftU 
tution ber Republi! baS Recht, ben Senat ju berufen, unb bleiben ruhig im Ca¬ 
pitol am Union Square. So bat benn bie irifebe Republi! in Reto-2)or! jtoei 
Regierungen, $mti $rdfibenten, gmei Kabinette.' So lange D’ÜRabonep nidfct 
mit £ift ober ©etoalt aus bem RegierungSgebdube entfernt ift, toirb er fteb im 
SBortbeil beftnben, unb überhaupt febeint eS als ftdnbe bie Majorität ber eblen 
irifeben Republilaner auf feiner Seite. SaS ift nun aber ber Sern aller tiefer 
Scrtoürfniffe ? ©infacb ber $un!t, bei toelcbem bie ©emütbliebleit aufbört; eS 
banbeit fteb um T S ©elb. 2)em ^rdftbenten O’Mabonep toirb §üm SBortourf ge¬ 
macht, bah er einen ^alaft für 12,000 Dollars im gabr gemietbet, todbrenb 
fteb bie Republi! für T S ©rfie toobl mit einem befebeibenem fiotql batte 
behelfen fönnen, bah er bem ©igentbümer aus bem StaatSfebap 5000 S)ollarS 
Saution für ben galt einer 93ef<bäbigung beS ©ebdubeS geleiftet unb überbieS 
Saufenbe §ur fürftlieben RuSftattung ber heiligen fallen ausgegeben bat. 2lu<b 
toirb er berüchtigt, eigenmächtig Obligationen mit feiner Unterfcbrift^auSgegeben 
$u haben. $er ginanjminifter, SiUian, toirb befebulbigt, bah er baS ihm an- 
Oertraute ©elb gebraucht too^u er ioiü, nicht tooju er foll. Slnbererfeits rieb* 
ten O’DRabonep, SiUian unb Sonforten ähnliche SlnUagen toiber ben Senat, 
gebe Partei febeint in fofern Recht ju haben, als laum baran $u jtoeifeln ift, 
bah geber, toelcber an einen SLbeil ber gufammengebraebten ©elbmittel lommen 
lonnte, fteb ben äSortbeil ju Rupe machte, toobei bie ginanjen ber Republi! eben. 
nicht profitirten. ©ne fehr emfte Rnfebulbigung liegt gegen $errn üReeban 
Oom grifh American Oor. S)iefer tourbe mit einem auf 500 $funb Sterling 
lautenben Secbfel als Rgent nach grlanb gefebieft, too er fteb tangere 3eit auf- 
bielt. ©r behauptete ben Secbfel oerloren ju haben, brachte aber bei feiner 
Rüdtebr angeblich mehr ©elb als Sßrioateigentbum mit als er Jemals befeffen. 
Roch eigenthümlicber toar eS, bah, »äbrenb er unbeldftigt blieb, alle bie $ar- 
teigenoffen, mit benen er oerbanbeln füllte, oerbaftet tourben. ©S toirb barauS 
gejd)lofjen, bah. er nicht nur baS ihm für^arteijtoede anoertraute ©elb ^für fteb 


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bettelt, fonbem auch als 5?crr5tT>cr ^attbclte. S3ct btefer Gelegenheit erfährt 
man benn auch, baft ber ebrenwertbe Patriot gobn Nittchell als Gefanbter ber 
Nepublif nach $aris gegangen ift unb 28,000 Scaler mitgenommen bat. Gr- 
Wähnt werben muh enblich noch, baft neben ber „fenifchen SBrftberfd^aft" eine „fe- 
ttifebe Schwefterfchaft" beftebt, beren Oberhaupt, Glien #. 2Jtabonep, bie „iri- 
f(ben tarnen", b. b* bie Tienftmäbchen biefer Nationalität, aufforbert, ibr 
Gelb für bie Sache beS NaterlanbeS b^ugeben, wogegen bie Pfaffen, welche 
bieS (Selballein beanfpruchen, heftig proteftiren werben. 

60 ift eS um bie irifebe Nepublif beftedt. ^öffentlich wirb Niemanb bie 
öemerfung übel nehmen, baft bie Gelbwirren unb gegenfeitigen 8 nfcbulbigun- 
gen an ähnliche Tifferengen erinnern, welche einft unter ben Patrioten einer 
anbem Nationalität entftanben. Sewunbem muft man einerfeitS ben Gemein** 
fmn, welcher über eine NliHion für folgen Schwinbet beifteuert, unb anberer- 
feitS bie Sefchränftbeit, welche ben Scbwinbel nicht burchfchaut. ' gft aber bie 
gange Grfcbeinung nicht einzig in ihrer 2lrt? Nubig labt man eine Organifation 
ftch entwickeln, welche fein $ebl barauS macht, bab fie Ärieg gegen Gnglanb 
führen wiH. Ntan labt fte ungebinbert Gelber fammeln, SBaffen anfaufen, 
Stunition anbäufen, Negimenter bilben, Gongreffe abbalten, bie gunftionen 
einer Negierung ausüben. So lange fte nidht gur feinbfeligen S^bat übergebt, 
ftebt fte unter bem Schuft ber Gefefte biefeS SanbeS. UebrigenS wubte man 
auch, mit wem rnan’S gu tbun batte, unb baS Gnbe, welches jeftt bie Sache nimmt, 
war borbergufeben. Tief unb ächt ift ber §aft gegen ben brittifchen Uebermutb, 
unb man münfeht ihm jebe Temütbigung; bennoch bat ber genianiSmuS bie* 
nirgenbS Spmpatbie, unb in ber treffe faum irgenb welche gürfprache ge- 
funben. Seit ben SchrecfenStagen beS guli 1863 weift man, wie man mit 
ben irifchen Patrioten baran ift, unb bebauert nur, ftch ibter nicht auf fummarifche 
SBeife entlebigen gu tönnen. S)ie grlänber ftnb bis jeftt, mit wenigen SuSnab* 
men, bie $eft beSbieftgenGefellfchaftSlebenS, bergluch bonNew-?)orl unb gang 
Slmerifa. ,*,S5aSift baS Nobmaterial eines graften SolfeS!" fagte lürglich ein 
grangofe beim Slnblicf eines $aufenS irlänbifcher Ginwanberer. üWag fein, aber 
Wär’S nur erft »erarbeitet! S)aS ÜNaterial ift bergwetfelt tob, unb aus feiner 
numerifeben Stärfe erflärt ftch mancherlei, waS fonft an New^orf uncrtlärlich 
fein würbe. Siebe gum Saterlanbe haben bie Söhne unb Töchter Grins im 
bollften Stufte; aber was ift biefe löbliche Gigenfdjaft wenn ihr nicht S3ilbung 
unb Sittlichfeit gur Seite fteben? 

Gingig in ihrer 8 rt ift auch bie Gypebition beS bon ber Negierung betge¬ 
gebenen SchtaubenbampffchiffeS „Gontinental". Nie würbe ben Sßlanfen 
eines Schiffes eine toftbarere gracht anbertraut. 2ln 700 grauen unb gung- 
frauen, jung unb mittelalterlich, bübfeh unb mittelmäftig, groft unb Hein, geben 
mit bem „Gontinental" unter ber Obhut eines SlenfchenfreunbeS Namens 8 . S. 
*3)lercer nach bem Territorium Stofbington, um bort gwar nicht baS Nobmaterial, 
Wohl aber bie Stammmütter eines groften SolfeS gu werben. gn Guropa würbe man 
bagu bie Nafe rümpfen. £ter, wo ber ©lief weiter reicht unb bie Serbältniffe 



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befannt fmk, welche eine fotd^e Senkung »»flnföendwerth unb nothtnenbig ma* 
d)cu, lautet bad Urteil anberd. $at £err Kercer, »nie ed fchetnt, enblich beul 
Siel eines jahrelangen, rauhe* unb täuf<hungd»oUen Strebend erreicht, fo mu& 
wan ihm nachfagen, bah erid an nichtd fehlen läßt, um fuh ber auf ihmlaftenben 
ferneren Verantwortung in »oürbiger SBeife ju enttebigen. S)er lange Auffchub 
hatte nicht etwa in ben Kapricen ber Schönen feinen Grunb, fonbern war jut 
Ginrichtung bed Sdjiffed nothwenbig, welche jefct nichtd mehr jw wünfehen übrig 
läf 3 t. Gine Anjahl »on Kajüten ift mit ber grüßten Sorgfalt audgerüftet utü) 
bafur geforgt, bah bad wad jufammen paßt, auch jufammen lomrnt. Außerbem 
ift für Speifefalond, Uuterhaltungd* unbVerfamralungdjiraraer geforgt, welche ade 
mit ber äußerften Gleganj audgeftattet fmb. Sin ben gußboben befeftigte 9Mh* 
mafchinen laben jurn Arbeiten, eine Sßibliothe! labet $ur Seetüre ein, unb bem 
rauftlalifchen Sirtn ift ebenfo wie jebern anbern Vebürfniß Rechnung getragen» 
Untabelhaft fmb bie für ben gall einer geuerdgefahr getroffenen Ginrichtungen, 
Wäßrenb jugteich Voote genug »orhanben fmb, um alle an Vorb Seftnblichen 
bequem aufeunehmen — eine Ginrichtung, welche leiber auf beutfeben Vaffagtet* 
fchiffen noch immer bermiht wirb. SCuf bie geuerfprifcen rechnet man auch na* 
mentlich für ben nicht unbentbaren gaH einer Keuterei. Uebrigend fmb 
bie männlichen Angehörigen ber tarnen unb fonftige junge Seute, bie im fernen 
Golblanbe ihr Glüdt»erfucben wollen, nicht audgefcßloffen; nur bürfen fte unter 
leinen Umftänben bie Väume betreten, bie ber audf<hliehti<hen Venufcung bet 
grauen referbirt fmb. Aut in Amerifa lonnte ein folcher $1 an gefaht unb aud* 
geführt Werben, greilich ift nicht recht einjufehen, wie §err Kercer wiebet 
ju feinem Gelbe lommen will, falls bad Territorium, für weld^d er ftdh aufopfert, 
ihn nicht fchablod hält; benn eine Gntfchäbigung burch feine Schufcbefohlenen 
ober 2)ie, welche fuh an Ort unb Stelle ihrer annehmen, möchte hoch nicht ohne 
eine Art Sflauenhanbet, wenn auch in ber aHeruerblümteften unb jarteften 
gorm, ju realiftren fein. 

Kehr ald mit biefer wirtlich intereffanten Grfcheinung befchäftigt fuh ein gro* 
|er Theit bed ^uHifumd »on Aew*?)orf unb ben Aachbarftäbten mit bem 
Strong’fchen Ghefcheiburfgdproaeß. geh will bie Sefer ber Monatshefte bamit 
»erf (honen; ed hieße bie Seiten befubcln, wollte ich eine^Analpfe ber etelhafte* 
ften filagen unb Gegentlagen, ©eweife unb Gegenbeweife liefern, geboch 
möchte ed nicht unpaffenb fein, einige Aeflerionen baran au Inüpfen. gn T)eutf<h* 
lanb würbe ber galt unbebingt unter Audfchluß ber Oeffentlichteit berhanbelt 
»»erben; hier baffelbe §u »erlangen, wäreinfonfequent. Aber immerhin bilbet bie 
Oeffentlichteit babei nur ein nothwenbiged Uebel, welche# man nicht »erfchlimmem 
follte. Tag für Tag bringt bie Vrejfe fpaltenlange Berichte barüber, wie ber 
Kann feine grau eined unerlaubten Verhältniffed mit feinem eigenen ©ruber 
befchulbigt, wie bie Spuren biefed Verbältniffed auf »erbrecherifche SBeife be* 
feitigt werben, wie anbererfeitd ber Ghemann längft barum wußte, feiner grau 4 
perjieh, wieber mit ihr Rammen lebte, unb fie jefct nur »erflagt hat um fich 
»»egen einer Jtlage, bie fie gegen ihn anhängig machte, *u rächen. Äurj bie 

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Unfcttlichfeit in ißtet empörenbften ©eftalt macht ftch in ben Spalten ber QeU 
tungen breit, welche bieg ©emälbe nicht etwa bei abfchredenben ffiharatterö me« 
gen liefern, fonbern weil fie wißen, bajj ber ©aumen eines gemiffen BublilumS 
babutcb gelißelt Wirb, 3ft ein folcheS (Sntgegenlommen auf Seiten ber ißreffe 
gerechtfertigt? 3<h wage baS ©egentheil ju behaupten. 3n einem Sanbe, 
welches fuh beS vollften Segens bet SfJrehfräheit erfreut, ift es traurig, wenn 
baS töftli^e ©ut gemißbraucßt wirb. Bon ben folgen einer folchen BloS» 
fteHung wtffeu bie ©erühtshöfe ju erjählen. 

£armIofer ift bet noch immer wüthenbe Ärieg beS fieralb gegen bie Bergnü» 
gungS*(StablijfementS, welche einen Kartell gefchloffen haben um nicht in feinen 
Spalten anjujetgen. #eute erllärt er bie Oper für eine' Grßnbung beS Teufels 
unb ben Pionier beS Despotismus, morgen ftreut er bem Opemmternehmet 
©rau Seihtauch unb ernennt ihn jum „wanbemben Dpern«Sentrum", nur um 
Biareßel bamit ju ärgern. 3» einet Kummer verwirft et fämmtlicbe Dheater, in 
bet näcbften lünbigt er mit $omp ein neues itheaterunternehmen an, welches 
fiib unter feine hohe flroteftien fteHt. ^ebenfalls jieht er bei bet Bffaitt 
ben .fiürjem, benn eS ift ber Beweis geliefert, baß feine Dilta her nur in ber 
ßinbilbung beftanb. SMarefeel feierte, inbem er, troß ber wütbenben Singriffe 
feines füt allmächtig gehaltenen @egnetS,bie Saifon in ber „groben Scheune“, 
wie ber „fieralb" bie Blabentie nennt, fiegreich jn <Snbe führte, einen großartigen 
Triumph unb entfaltete im ©enuß beffelben lein Uebetmaß von Befcheibenßeit. 
3n ber lefcten BhenbvorfteHung ber „Hfrilanerin“ würbe er auf bie Bühne ge» 
rufen unb ihm, natürlich ganj unerwartet, ein loftbareS Silberferbice mit einet 
fchmeichelbaften Shtfprache überreicht. Der „fieralb" behauptet boshafter Seife, 
baS Service fei nur füt biefe feierliche ©elegenheit geliehen unb am näcbften 
Sage retournirt worben, Blareßet würbe pflidßtfchulbigft von feinen ©efüßlen 
überwältigt, faßte ficb aber mit wunberbarer Schnelligleit unb hielt eine Diebe, 
in weichet et ben beffegten geinb mit Spott unb fioßn überfchüttete. ©Bnnen 
wir ihm von fjerjen feine fietbeern. 6r ift bet ©rünber ber Opet in Smerila, 
hat feit jmanjig fahren im fiampf mit taufenb Schwierigleiten DHeftgeS gelei* 
ftet unb ftch in feinet Slrt große Berbienfte erworben, hoffen wir, baß 
feine ^rofperität von Dauer fein unb bet Berbienft ftets gleiten Schritt halten 
wirb mit ben Berbienften. Bur möge er fi<h feines Sieges über ben fieralb nicht 
mehr als fehidlich freuen« DaS SBanifeft, mit bem er von Bewert Slbfchieb 
genommen, ift faft i u geiftreiih. Uebermuth thut niemals gut. 

Stuf bem ©ebiet beS beutfehen BereinSlebenS ßnb jwei neue © e m e i n » 
ben hervor,yubeben. 3n Roboten (bie Bachharftäbte rechne ich eben ju Kiew» 
Dort) befteht eine „greie ©emembe", welche an jebem Sonntag Borträge be* 
gabter Bebner veranftaltet unb ß<b fhon fo ßcher fühlt, baß fie ein fjauS bauen 
will, ju welchem Bwed türjlidh eine gait abgehalten würbe. Hm Barnen 
wirb hier unb bort Slnftoß genommen, gegen bie Sache aber weiß fein Ber» 
nünftiger etwas einjuwenben, benn baS Streben btr ©emeinbe ift ber humanen 
Huftlärung, bet Beteblung beS Blenfcßen burch bie feuchte ber SBiffenfchaft 




m 


92 


getotbmet. Sobann ift in Seto-?)orl unter ben Slufpicten beS $r. $)ulon eine 
„Seue beutfebe ©emeinbe" enfftanben, roeld^e ftcb atoar nicht frei nennt, aber 
e$ ebenfo febr i ft mie bie juerft genannte, ES febeint ft(b neuerbingS baS Be- 
bürfnifc geltenb gu machen, ein Äontpromift stoifeben ber lieben alten Srabition 
unb ber fortgefebrittenen Erfenntnifj ^crjufteUen, unb leibet nur barunter 
bie geiftige greibeit nicht, fo lann man ftcb im Sanbe ber Äomprontiffe auch 
b i.eS Streben febon gefallen laffen. Ein bemertenSioertbeS unb intereffanteS 
S)ofument ift in biefer Begebung ein bureb bie Seue beutfebe ©emeinbe.oerbrei- 
teted glugblatt, aus bem einige cbaralteriftifcbe Brucbftüdte hier gen# am $lape 
fmb. 


„$)ie neue beutf<be ©emeinbe ift eine r eli g i 5 f e ©emeinfebaft. Sie er- 
!ennt bie Berechtigung beS ©emütbeS unb bie ÜJtacbt ber ©efüble." — „$er 
©ebanfeninbalt ihrer Seligion ift baS toiffenfcbaftlicb berechtigte 3citbemubt- 
fein." — „2)ie ©emeinbe toid bie toiffenfcbaftlicb ertannte SBabrbeit in populä¬ 
rer gorm jum allgemeinen Berftänbnip bringen." — „Sie nennt ftcb eine ©e- 
meinbe, »eil fte bie Söobltbat gemeinfcbaftlicben Strebend erfennt." — 
„Sie nennt ftcb eine b e u t f <b e ©emeinbe, toeil 5)eutfcbe eS toaren, bie ber gei¬ 
zigen greibeit ben enblicben Sieg errungen haben."—„Sie nennt^ftcb eine neue 
©emeinbe, toeil fte in ben neueften Eroberungen ber toiffenfcbaftlicben Erlennt- 
nifc baS ftolge SubtneSbenfmal einer Seit finbet, bie ftcb mit Secht bie neue 3eit 
nennt." — „$ie neue beutfebe ©emeinbe bulbet fein ©laubenSgefep, mißbilligt 
jebeS ©laubenSbefenntnifj, baS ber greibeit beS Einzelnen ju nahe tritt, unb 
toertoirft jeben ©laubenSartifel, ber mit ben Sefultaten ber toiffenfcbaftlicben Er- 
lenntnifj im ^Biberfprueb fteht." — „2l(S Banb ber ©emeinfebaft betrachtet bie 
©emeinbe gundebft ben Broteft gegen Srrthum, £üge, Heuchelei unb Slnma- 
fjung."—„Sie oertpirft bie 2lnmafjung ber Briefter. Slber fte oertoirft auch bie 
Slnmabung jener gorfeber, bie in irgenb einem Stücf ber Erfenntnifj ihrer 2luf- 
faffung ba£ alleinige Secbt oinbiciren, ben £ppotbefen, bie ihnen begrünbet 
erfebeinen, baS Seebt toiffenfcbaftlicber Sbatfacben jufprecbetiy unb ben ©tau¬ 
ben auch ba §u debten fueben, too er toiffenfcbaftlicb guläffig unb 
praftifcb h^tlfam ift."— „Sie oertoirft ben ©otteSglauben als ©efefc unb ebenfo 
entfebieben ben SltbeiSmuS als feftftebenbeS 2)ogma." — „Sie oertoirft baS 
Ehriftenthum.ber Bräfto* baS bureb einen unberechtigten DrientaliSmuS ben hei¬ 
teren ©eift beS froh geniefsenben Slben blanbeS §u oerbrängen gefuebt hat; aber 
fte oertoirft nicht toeniger jene geinbfebaft gegen baS Ehriftenthum, toelcbe ber 
©efebiebte unb ber täglichen Erfahrung gum £rofc bie ÜJtocbt oerlennt, bie baffelbe 
noch heute in ber ÜJtenfcbemoelt auSübt, bie groben Berbienfte, bie eS ftcb einft 
um bie Enttoidtelung ber Stenfcbbeit $ur geiftigen greibeit ertoorben bat, unb 
, bie bebeutenben Stomente ber SSenfcbenbilbung, bie eS ohne grage in ftcb 
birgt. 2llS Banb ber ©emeinfebaft betrachtet bie ©epteinbe ferner ben ßampf 
gegen ben ibeenlofen JDtoterialiSmuS beS täglichen 2ebenS, toelcber ber Satnr 
unb SBiffenfcbaft jutoiber bie Sinnlicbfeit als bie alleinige Stacht ber Belegung 
unb beS Strebend geltenb macht. Sie will bie hob« Bebeutung ber ©ebanfen 



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93 


anerfannt wiffen, in betten bie SBürbe unb ba$ fc^önfte ©lüdf ber 2 Wenfd&en ihre 
SBegrünbung finben. 25a8 SBaterlanb, feine greiheit, fein 2 Bohl unb feine 
aüfeitige 93lüthe; bie ©eredhtigleit in Staat, ©emeinbe unb $au3 w 
ihrer Serftärung burdh Siebe; bie SBahrheit atö Tochter ber ernften 
wiffenfdhaftlidhen gorfd&ung in ihrer SBerbinbung mit ber SBahrhaftigleit be 3 tag* 
liehen Sebent ; bie S ch 5 n h e i t in allen Offenbarungen b& reichen 
•ütenfdbeniebenä in ihrer SBerwirflidhung burdh bie fiunft; bie gr e i * 
heit, bie wahre greibeit, bie auf bem ©runbe ber richtig erfannten SBirl* 
tidhfeit fleht, in ber Sitttichfeit ihre flraft ftnbet,. in ber ©erechtigfeit ju ftdb 
felbft fommt unb in ben SBerfett ber Äunft ihren 2 lbel bocumentirt: ba 3 futb 
bie ©ebänfen, in benen bie ©emeinbe JU einer ©emeinfdhaft ernft ftrebenber 
SDtenfdhen luirb." 

60 forgfältig bieä Programm audh auägearbeitet ift, leibet e3 bodh an ge* 
wiffen Schwächen. SBoneinem wiff enfdhaf tlidh juläffigen ©tauben 
tann wohl nicht bie SHebe fein. 2 )er ©taube ift an unb für ft(b ba$ ©egentheil 
be3 SBiffenS; bie SÖBiffenfchaft aber, ba3 Streben nach ©rfenntnifj, refpeftirt feine 
Sdbranfe, unb fann üfliemanbem baä Sftedbt jugeftehen, §u glauben, b. h* 
n i ch t 1 u wiffen unb nicht nach ber ©rfenntnifj ju ft r e b e n. $er ©taube 
bebingt einen 3 uftanb be$ ©enügenä, ber ^Huhe; bie SBiffenfchaft lann ein fol* 
<he3 geiftigeä Sichgehcntaffen nimmermehr alä berechtigt anerfennen. 2Rit 
biefem Söiberfprudh ift auch jugletdb angebeutet, ba& e3 bem ©fperiment ber 
3ßeuen beutfehen ©emeinbe nicht an Klippen fehlt, welche fte hoffentlich ftegreich 
umfehiffen wirb ohne auf ber gahrt ein Stücf SBiffenfdhaft nadh bem anbern als 
luftigen 33allaft über 93orb gu werfen. © i n Sa$ beS Programms ift befon* 
ber 3 ju beherzigen. w $ie ©emeinbe lehrt unb lernt." 3 b* 
Sehren foH fidh borjugSweife auf bie heranwachfenbe ©eneration begehen. 
2ln ihrer Spifce fteht ber tüdhtigfte beutf che Schulmann Slnteri* 
l a * S. Sie hat bamit eine Äraft gur Verfügung, welche nicht brach liegen barf. 
©iebt fie uns eine beutfdb*amerifanif<he 2 Wufterfdhule 
unter SRubolph 3)ulon’$ Seitung, fa wirb iht Streben 
gefegnet fein. UncaS. 






frem Gebiete Öer €l)cmit. 

JBott Vrofeffor «bolf Ott, 


8Bo|U bag Petroleum bienli<& ifl« 

Tag Steinöl ob« Petroleum, ein ©emenge berfepiebener floplenwaff«* 
ffoffe, fdjwanft in feinem fpeciftfd&en ©etoiepte non 0 . 73 3 « 0 , 878 unb ift 
nicht fo feuergefährlich tote Steuer unb Scbwefelfoplenftoff. 93ei bet Teftiüation 
grigt ft<b guerft bag Aaphtpa, fein fpee. ©ewiept ift 716. 

©g ift 3 um Garbonifiren bet farftlofen SBafferftoffflamme unb gut 35 er* 
befferung eineg aug fcplecptem 2 Jtaterial ^crgcftcllten Seucptgafeg borgefcplagen 
worben; in mannen gäden bient eg alg Surrogat für Terpentinöl; eg ift ein 
borgüglicpeg Söfunggmittel für £autfcpu<f unb fann aud? gur girni&bereitung 
berwenbet werben; ferner ift eg attwenbbar gum ©ntfenten bon gettfleden, unb 
fpielt eine AoHe in ber Tampfroäfcperei. ©g bient 3 ur ©ytraction fetter Oele 
ftatt Scpwefelfioffg, 3 ut Tarftellung täglicher ©emflvje; wenn fette Sbele in 2ö* 
fung enthalten^ 3 um SBafferbitptmacpen uon Öeber. Auch 3 ur Anfertigung bon 
Sampenfcpwarg ift bag Naphtha nüfclicp, toeil eg mit ftarf ruffenber Jlarnme ber* 
brennt, auch 5 ur 33ereitung ch'inefifchet Tufche, fowie gur gabrifation bon 33ucp* 
brutferfepwärge. Seiner $arblofigleit berbanft eg bie Anwenbung gum ©on* 
ferbiren anatomifeper Präparate, unb burep Sufafc bon ^artgporngeift unb 
Spiritug wirb bag Mustang ‘Liniment — ein in ber 2Rebicin bei groftbeulen 
unb 3Serrenfungen mit ©rfolg angewanbteg Wittel — baraug bereitet, unb 
fcpliefjlich biertt bag Aapptpa in ©nglanb unter bem Aamen Sherw’ood Oil alg 
Anäffcticum für bie imm« mehr in Aufnahme tommenben Snhalatümg* 
luren. — 

2 Bag bie n a <h bem Naphtha übergehertben, im fpeetfifepen ©ewiept bon 
0. 80 gu 0 82 fcpwanfenben Oele anbetrifft, fo ift ihre ©nfjüttbbarfeit unge* 
fäht fo wie bei SBehtgeift unb T«pentinM . 3 m #anbel gehen biefe Oele rnttet 
ben üftamen: SRectificirteg Petroleum, ßerofine unb fßitt* 
j Del. 3P* bebeutenbfter 35erbraucp ift ber gu Seucptmaterial; borgüglicp fmb fte 
) gur ©agbeleuchtung, weilfte frei fmb oon Schwefel. Wan hat fte alg^eigmittel 
für Dcean*Tampfer anempfohlen, fowie — man bergeihe ung biefen Sprung — 
gur Anfertigung bon Toilettefeifen unb gur Subereitung ber ©runbirfgrbe für 
Slecpartifel. 

; SchwereOete (dead oils) werben biejenigen genannt, welche bei 

} ber SOeftillation beg rohen Steinölg gwifchen 410 unb 600 ©rab F übergehen. 

Wan braucht fte alg 3 u f a 6 gu fieucptmaterialien unb alg Schmiermaterialien 
! für Tampfmafcpinen mit überhiptem Tampf, weil fte Paraffin, einen waepg* 
artigen, biel gu bergen berwenbeten Körper, enthalten. 

! Tiefeg Paraffin tomnit aber pauptfächlicp im Aetortenrüdftanbe 

ber, unb eg wub baher biefeg, wo eg fiep lohnt, noch gu JÜergen verarbeitet; bie 

t 



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95. 



batjon abtropfenben Oete geben wteberum ein guteg Lubrieating Oil ab* 
Paraffin ift im pennfplöanlfdjen Erböl m>n 0* 7 big jit 8 s 4lrocent gefunben 
worben. 

2Bag bie Bereitung oon 2en<htgag aug Petroleum anbetrifft, fo giebt 
1 ißfunb roheg Del 15—16 ^ubiffufj ©ag. Sag pcnnfploanifche Petroleum* 
©ag enthält nach Sfkofeffor SBollep in 3u*i(h 31. 5— 33. 4 $rocent 
fernere ßoblenwaffeTftoffe, 40 — 45. 7 Sßrocent leiste unb 25. 6—32. 7 
9irocent SBafferftoffgag. 

Schließlich mag angeführt werben, baß bie Bereitung bon garbefioffen aug 
Petroleum, wooon fo piel gefafelt worben ift, nach Client, mag bie Hernie über 
bie 3ufammenfefcung &i e fer © u bftan$ weiß, ju ben Unmöglidbfeiten gehört, unb 
baft foldje garbeftoffe noch gar nicht im £ani>el Oorbanben waren. 


«Bur ^Utengeftfjidjte. 


$ artg, 2. Secember. gräulein 2*ontbe 2eManc, gugleidb Sdjaufpie* 
lernt unb Schriftftellerin, ift feit einigen Sagen aug bem SBaubeoille berfchmun* 
ben unb burch eine anbere Same erfefct worben. SJian hatte geglaubt, fie fei 
in golge ber fcanbalöfen Scenen, bie ftch in Eompiegne nach Sluffübrung ber 
„gamilie Söenoiton" jutrugen unb bei welcher ©elegenheit fie ftch faft ebenfo an* 
ftößig betrug wie jwet £ofherren, bon ber 93ühne bcg SBaubeoille berbannt 
worben. SBßenn man ber „Epogue" glauben freuten barf, ift biefeg aber fei* 
negmcgg ber gaQ, fonbern bie Seblanc hat bgg genannte Sheater einfach beg* 
halb berlaffen, weil fte mit einem orientalifchcn Proben, ber fuh bei feiner 2ln* 
wefenbeit in $arig in fie oerliebt hatte, ein Engagement ganj fonberbarer 2lrt 
eingegangen ift. Sie Slrtifel beg fiontraftg lauten nach ber „Epogue" wie 
folgt: 1) Sie Schaufpielerin unb Sdmltftelierin Seblanc (2eonibe) wirb ben 
#arent beg Surften fünf Sabre bewohnen. 2) Sie muß fich ben Sitten unb 
©ebräuchen gnbieng fügen unb ben Hnforberungen beg mufelmännifchen ©e* 
fefceg nachfommen. |) Shre Sehltritte, wenn fie bercn begeht, werben mit 
berfelben Strenge beftraft, Wie an ihren ©efährtiunen. 4) 3h*e Eigenfdßaff 
alg gran3öf»r. wirb fie in feiner SBeife Oor bem Säbel ber fdßwarjen Eunuchen 
ficherftellen. 6) 2flan rechnet auf bie SnteUigenj bor Engagirten, bah fte bie 
Obliegenheit ihreg ^ofteng begreifen wirb. 6) SEenn Semoifeüe Seblanc fuh 
währenb fünf 3ah*e ben eben auggefprochenen S3ebingungen unterwirft, wirb 
fte bei ihrer SRüdfehr nach gt an frc t driine oon~heu*e ab bei £erm -ftotar S. . . ( 
ju *ßarig beponirte Summe bon 500,000 granfen unb bie Eigentbumgtitel 
eineg ebenfaUg heute für fte gngefauften £otelg auf bem SBouleoarb Bourbon 



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96 


borftnben. 7) $ie$ Engagement lann nicht angefocbten toetben. — SBefannt* 
id? (bemerft ber ^ßarifer Gorrefponbent bet „Äöln. 3*" bi^gu) haben bie ©rob* 
machte barauf hingearbeitet, ben Slnfauf non Sflabinnen im Orient gu erfd^me* 
ren, unb es ift faft eine ä3erböbnung berfelben, bab [xd) bie orintalifchen ©roben 
jept $ariS, bie £auptftabt ber ciüilifirten 2Belt, fo nennt man fie toenigftenS, 
gu ihrem 9Jtarfte auSerfeben haben. 5)aS Äaufen ift übrigens nichts -HeueS, 
unb fein 2Jtenfcb mirb biefeS leugnen, greilid) giebt es einen Unterfcbieb: im 
' Orient föirb man »erlauft unb bißt »erlauft man ft<b felbft. 

— 3n eape l macht eine Entführung en gros nicht geringes 2luf* 
feben. $er Sohn eines reifen gabrilbefifcerS, ÜRamenS SQBenner, nebft feiner 
augenblidlicben Umgebung fmb bie Entführten. $er Zauber 2ftonga bat bem 
SBater beS jungen SBenner fagen lajfen, wenn man Gelb genug habe um ft<b 
ein fchöneS SanbbauS gu bauen, fönne man au(b toobt 100,000 $ucati gablen 
um ben Sohn mieber gu befommen. 3»ci (Mbfenbungen ftnb an ben 2Jlen* 
fcbenräuber bereits abgegangen; fie mürben aber nicht gureidjenb befunbeiu $er 
Entführten ftnb fünf, barunter ber Sebrer beS jungen SBenner, ferner ber 3ei<h* 
ner ber SBenner’fcben gabril, ein EommiS beS ©efchäfteS unb ein Sluffeber. 
fflenner ift ei reicher Scbmeiger, ber bei Salerno eine grobe gabrif betreibt. 

— SSon bem panifchen Schreden, melchen bie 2Bei&en auf Qamaica bei 
ber Nachricht »on bem Slegeraufftanbe in 9Jtoran SBap befiel, bat ein rafch ent* 
fdjloffener ganfee f<hon feinen SBortbeil gu gieben gemuht. Er batte in SRaffau 
einen groben SBorratb »on SHeooloern febr gmeifelbafter ©üte gum Verlaufe 
liegen, unb fobalb er »on ben SRubeftürungen auf Jamaica bürte, fegelte er 
ohne SBergug nach Kingston, mo er feine SGßaare gu fabelhaften greifen an bie 
für ihr Sieben gittemben Ginmobner abfefcte. Ohne SSergug »erlieb er auch bie 
3nfel mieber, unb bemerfte gegen einen greunb, als er fich nach Sßaffau ein* 
fchiffte, bab bie eingigen Seute, benen »on feinen 3fte»ol»em®efabr brobe, 2)ie* 
jenigen feien, bie fie gebrauchen mürben. 


Ankündigung. 


$a8 nädjfie^eft wirb eine lutj gefaxte, !titifc&e Sufant» 
menft'ellung be8!3n&att3 fämmttidjet an ben Gongtefj 
eingefanbter 3a&te8beric&te bringen, womit wir einem ÜBebürfnijj 
be8 beutfiben $ublilunt8, bi« fowobl wie in Gutopa, ja entfpre<ben glauben. 






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Ptntfd) - ^mcriltantf^t JRonatetytftt 

für ■ ' 

Literatur, Jutnfl, ^ttflenfdjaft ltnö 
v öffentfidjes cScßcn 


95cbtgtrl bon 


9t«ßo(pß Segotv» 

III. ffafrrgang. I. f awb. 1866. 

Me fefer. 


3Frbruar-#eft. 


2luS ben beiben jept borliegenben erften $eften beS britten Jahrgangs 
merben bic Sefer fub ein Urtbeil über bie ^tincipien bilben fönnen, bon benen 
bie neue SRebaftion bet Monatshefte geleitet mirb. 23ei bet 2luSmabl beS $n* 
balts mitb fte bon bem 2Bunfd?e befeelt, mornöglicb jebem ©efdbmad ©tmaS, 
aber untet aßen Utnflänben nut b a S JU bieten, maS in eblern Sinne antegenb 
ober belehrenb mirfen geeignet ift. SBitb no<b mancherlei bermifit, {o möge 
man bie SBerficberung hinnebmen, bafi eine fortmährenbe ©ntmidlung gutn 
©effern unb SBollfommnem unfet unabläfftgeS SSeftreben fein mitb. Unmittel* 
bar berantmortlidb halt bie SRebaftion ft<b für bie 21 u Sm ab l beS Stoffs unb 
für bie in ben Monatsheften entmidelten politifcben SÜnftcbten, falls fte 
ni<bt, beS ibr als notbmenbig erfcbeinenben MeinungSauStauftbeS megen, au<b 
einet bon bet ihrigen abmeicbenben Meinung ©ebör geben foßte, in meinem 
§aß fte fub batübet auSfprecben mirb. 3»n bet Statut bet Sache liegt eS, bafs 
miffenf<baftli<be ^beotieeif bon 2)em bertreten merben, bet fte ent* 
toidelt; moßte man in biefet ^infubt eine Uebercinftimmung erzielen, fo mürbe 
eine Monotonie entfteben, mit melcber bem $ublifum nicht gebient märe, unb 
bie ben $Rufcen bet 3«üf<btift bon born herein auf ein Minimum bef<bränlte. 
-■Rur ba !ann ein gortfcbritt gebaut merben, mo ben betriebenen ^nbibibuali* 
täten unb 3)enfmeifen innerhalb bet bom guten ©eftbmad gebotenen Scbranfen 
bollet Spielraum geftattet mitb. Unter biefem ©eftcbtspunft ftnb bie Monats* 
hefte baS, maS bie 2!merifaner ihre periobifdhen 3eitf(briften nennen — ein 
Magazin für bie fHefultate geiftiger 2lrbeit. GS ift urtfet inniger Munfdh, 
bie betriebenen S<bi<bten bet beutfcben 23ebölferung in 2lmerifa einanber gei* 
ftig nähet ju bringen. 2)er©elebrte ift eS feinen 3eitgenoffen fcbulbig, baS, maS 
er ftnbet unb erbenlt, bem 23ol!e in einet gotm gu geben, bie eS bemfelben 
$ugängli<b unb nufcbar macht. Sßofür arbeitet, mofüt mirlt unb lebt 
er, menn nicht für baS 25olf ? 2lbet ni<bt aße Genfer, nicht aße literarifeben 
Kräfte ftnb gelehrt, unb nicht feiten ift eS Ungelehrten bergönnt, als $ro* 
butt ihres geiftigen ßebenS ©ebanfen unb Gmpftnbungen berOeffentltchfeit gu über* 
geben, meldbe feinen geringem SSBerth beftfcen, als bie 2Irbeiten beS profefftonel* 
len 3otf<bafe* ®in Organ für bie 3ntelligen$ ber S)eutf<ben 
in 2lmerifa foßen bie Monatshefte fein; unb mir rechnen bertrauenSboß 
auf bie Mitmirtung 2lßer, met<be ftd? bafür interefftren, bah bie 5)eutf<ben in 
biefem Canbe auf bem ©ebiet geiftigen StrebenS gleiten Schritt halten mit ben 
trübem jenfeits beS OceanS. 


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93 


<£uropäifd)t /töct^idjnungctt. 

- ©on Karl ©U»t. 

I. (England, ier tyof uni Me Waßlreform. 

Seit ©almerfton'S $ob l?at ftch in ben englifchen ©arteioerhältniffen mehr 
geänbert, als fi<h auf ben erften ©Itd erlernten läßt. „GS ift oergeblich," fagte 
Sohn ©right in einem oor wenigen Alonaten geriebenen öffentlichen ©riefe, 
„in ber StimmrechtSfrage einen großen Schritt oorwärts thun ju wollen/ fo 
lange biefer Alann am Sehen ift. 2Bir müffen unfere 3«t ab warten." Qn 
biefer Aeußerung lag ein bemüthigenbeS, aber leiber wahres ©eftänbniß, unb 
eine nur ju richtige Schalung ber finiffe unb ©raltilen, mit benen ber gewiffen* 
lofe Premier feinen Gegnern ein ©ein ju fteden mußte. 

©almerfton liegt jefct in ABeftminfter Abtei. ©ne einfache, pappbedelne 
fiarte mit feinem tarnen zeigt, in ©Wartung eines 35enfmalS, borerft ben Ort 
an, wo ber Gewaltige ruht, ber bie oerfaffungSmäßigen ©efugniffe ber Königin 
ufurpirte; ber rittlings auf bem Aaäen fowoht ber SorieS wie ber liberalen 
fab; ber bie innere Gntmiäelung ©tglanbS ftetS bur<h Anzettelung äußerer 
Hänbet aufzuhalten wußte; ber eine bonapartiftrenbe Abentheurerpolitilunter ber 
AlaSle ber 3ohn*©ullif<hften Sooialität fpielte; ber mit falfchen harten trumpfte 
unb fleh auf eigenmächtige Aabirungen bon StaatSbolumenten berftanb; ber 
ft<h bem £of töbtlich berhaßt unb zugleich Z u eine* unabweiSlichen politifdjen 
Aotßwenbigleit machte; bem es fogar einmal gelang, Gobben unb ©right 
' um ihre ©arlamentsftfce zu bringen; ber mit ©nein SBort baS auf feine 
Stätigleit unb Honnetetät fo ftolze ©iglanb nach ben Aegeln ber berworfenften 
politifchen Scßwarzlunft lenfte. © ift jefct tobt, unb für bie treibenben Kräfte 
in ber Aation, fo weit fie eben borhanben fmb, ergiebt fich nunmehr ein freierer 
Spielraum, ©on Manchem ift bie geffel nun genommen; bie Trägerin ber 
ärone ift ftch ebenfowohl bewußt, einen ^errifcfeen, nach ©rioatzmeefen unb 
©rioatgutbünlen hanbelnben AtajorbomuS loS zu fein, wie bie Führer ber 
Agitationspartei ftch freuen, baß ihnen biefer gehaßte „alte Alann" nicht mehr 
^ mit fnochiger ßraft auf ben Schultern ftfct. 

S)ie Aüdleh* ber fiönigin zum öffentlichen Sehen 
fteht unzweifelhaft auch mit biefem ©eigniß in ©erbinbung. Aicht ber Stob 
ihres Gemahls allein hat biefe, ohnehin zum fchwermüthigen ^inbrßteu geneigte, 
perfönlich etwas ftarrftnnige, ftolze unb gelegentlich heftig aufbraufenbe grau 
oeranlaßt, fo lange in tieffter SBittmentrauer zu oerharren. Auch ber Gntfchluß, 
fo wenig als möglich mit ©almerfton zu oerlehren, nicht f e i n e n 3wecfen, 
feiner ©olitil als bloßes Sprachrohr zu bienen, hat fte in bie ©nfamleit 
Zuriidgefcheucht. 3n allen Hauptfragen ift bie flrone mit bem Ghef beS Alini* 
ftcriumS feit 3ahren uneinS gewefen. Aeußeren 3mang hat bie Königin ben 
©lanen beS ©remierS bienftbar gemacht. .GS fei bieS nicht gefagt um bie 
Atonarchin im Sichte beS SiberaUSmuS- erföeinenzu laffen; feineSwegS. S)ie 


^Google 




99 


gamilienoerbinbung mit ben Orleans machte fte bem napoleontfChen Empor* 
lömmling abgeneigt. $ie ÄöburgifChe Starwanbtfchaft unb bie fonftigen beut* 
fchen Erinnerungen gaben ben SluSfChlag in ber fd)leSwigtolfteinif<hen Singe* 
legenheit, wie benn auch foeben eine bon ber Königin bireftberanlafite Sluguften* 
burgifche Verlobung in’S SSBert gefefct worben ift, wdhrenb bie ßeirath beS 
^ringen bon Orleans mit ber fog. „battffdjen Stafe" baS SGBerl^almetfton’S 
war. gn ber amerifanifchen grage Ratten gleichfalls beutfche Erinnerungen 
ihren Einflufj. gür bie Eefmnungen ber Königin war inbeffen ber Umftanb 
wohl befttmmenb, bab SJ&atmerfton, wenn er auch feine fftdnfe im Eeheinten 
fpann, unb ber $ring bon SBaleS, obwohl er nach bem brühen in Slmetila ihm 
geworbenen Empfajtg nur in feiner nddjften Umgebung bösartige üEBinfe aus* 
teilte, bodh 93eibe entfchtebene gteunbe ber Stabelfion waren. So wie bie Star* 
hdltnijfe am §of Vtdmlidh liegen^ fann man mit giemliCher Sicherheit barauf re<h s 
nen, bah bie Königin ftets am b e r e r Meinung fein wirb, als ihr ungerathener 
Sohn, ber $ring. ES ift „wenig Siebe gwifchen ben JBeibett berloren". gn 
Eememfdhaft mit ^almerfton hat ber $ring nach bem £obe feines SSaterS, mit 
bem er befanntlit auih nicht auf bem heften gube ftanb, bie Slbbanfung feiner 
SRutteiyu erzwingen gefugt. -Ulan fteHte Der reizbaren grau bie SUternatibe 
beS beftdnbigen engen StartehrS mit bem ihr töbtlich begabten Premier, ober 
ber £bronentfagung. Sillen Singriffen in ber treffe gum $rop, gog fie es jeboch 
bor, fuh baS eigene Sehen nicht bur<h folche wiberwärtige Berührung gu ber* 
finden, bielmehr lieber auf ben £ob $almerftonS gu warten. SeuT^htgang 
hat ben SBiebereintritt ber Königin in 7 S öffentliche Sehen gur golge. Sie Span* 
nung ift gwifchen ihr unb bem ^ringen je$t wo möglich noch gröber. Sin ben 
Sefcteren ift nunmehr bie State beS' fC&lecht berwunbenen SlergerS gefommen. 
Sluf bem EeburtStag ber ^ringeffm bon SBaleS prdfentirte ber „$ailp Stele* 
graph"—ein in ber groben Sonboner Sagespreffe unerhörtes SBagnibl — 
bem ^ringen eine nichts weniger als fcbmeicbelhafte Schilberung feiner felbft, ; 
worin er ber SSergnügungSfudjt, beS unwürbigften luftigen Sehens, ber £erg* j 
lofigleit hei Srauerfällen, bie bie Station berührten, u. f. w. hefChulbigt war. 

$o<b laffen wir ben $of, unb wenben wir uns gut Sßarteientmidelung. ; 
§ier tritt uns baS eigentümliche Schaufpiel entgegen/ bab baS Starfcheiben beS' 
ÜDtanneS, ber als baS ^aupthtnbemib gegen eine frdftige Slgitation in Sachen ! 
beS Stimmrechts begeichnet würbe, gu einer auffadenben Schwentung gohn , 
Sright’S, beS hebeutenbften SSolfSführerS, Slnlab gegeben hat. Sängft ; 
gwar war eS aus 93right’S Staben erfichtlich, bab hie „fünf bis fechS Sftilliouen . 
ni<ht*reprdfentirtet englifcher Scanner,'' bie er in rhetorifchem Schwung einft an 
ben Pforten ber SSerfaffung bonnem lieb, wach feiner Slnfuht nicht atte fofort 
gulab erhalten foßten. Sluch lonnte, fo lange in Englanb lein gewaltfamcr 
Umfturg ber feubalen Erunb* unb 93obenberhdltniffe erfolgt war, ein plaufibler 
Erunb bafür angeführt werben. Selbft 9tabifat*9taformer haben gelegentlich 
ben Eegnern beS allgemeinen Stimmrechts gugeftanben, bab für ben Slnfang 
bie Einführung beleihen wahrfteinlich eher einen Politiken ftüdfehtitt ergeugen 



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mürbe, meit eben ber 2tbel imb bie Jobe ©eiftlidbfeit namentlich unter ber im* 
miffenben UJtenge auf bem Sanbe großen Einffub üben, unb bab baber bie 
©egner beg attgemeineh Stimmrecbtg fchon bag Experiment magen tonnten. 
2)ieg ift natürlich eine jmeifdbneibige SRotibirung, bie einen 2Jtann mie Vrigbt 
mobl beranlaffen tonnte, ft<h bie grage nicht blog bon ber principiellen, fonbem’ 
auch bon ber praftifdjen Seite gu befeben. Er bat benn auch in feiner beim 
Vanfett gu Vladbum gehaltenen [Rebe runb beraub ertldrt, bab er fi<betli<b 
ni(bt fo tböriebt fein mürbe, bag Stimmrecht für Qemanben gu berlangen, memt 
er miffe, bab biefer Semanb in bem Sinne jener $orp*$artei ftimmen merbe, 
bie feit biergig fahren ber §emmf<hub gegen allen gortfdbatt gemefen fei. 

2ftit biefer Änficbt tann man f(bon einberftanben fein; fo hoch auch bag 
allgemeine Stimmrecht ftebt, bie Sache ber mirflichen Freiheit ftebt noch b%*. 
Snbeffen mub eg bodb auffallen, bab $ri<ibt, inbem er fub gu Vladburn für bie 
Sfuffell’fcbe Veform*VilI bon 1860 erfldrte unb>biefe Erlld* 
rung mit einer bei ibm fonft ni<bt üblichen marnten Sobrebe auf IRujfefl aug* 
fdjmüdte, bon feiner bigber eingenommenen Stellung ftarf gurüdgemidben ift. 
Eg mag hier am Sßlafce fein, über bie bur<b bie SReform*Vill bon 1862 ge* 
fchaffenen 3uftänbe ein SÖort gu fagen unb baran eine Erörterung über bie 
bermutbliche Sragmeite ber Sill bon 1860 gu fnüpfeii, bie gufolge ber bon. 
SBrigbt getbanen Heuberung jept mieber aufgenommen merben foll. 

$ie Veform*23ill bon 1882, VuffeH’g grobe politifdbe £bat, fepte einen 
betrddbtlU&en 2beil ber englifeben SUtitteltlaffe in ben ©enub ber politifchen 
[Rechte ein, mdbrenb big babin ber ©runbabel nebft feinem Slnbang borberr* 
febenb bei ben SBablen gum Parlament reprafentirt mar. Snbeffen üben audj 
beut noch, nadbbem jene bamalg bielgerübmte 93ill bereite über breibig 3abre 
in Operation ift, nur eine ÜRi Ilion breimalbunberttaufenb SDMnner bag 
SBablrecbt aug, mdbrenb bie 3abl ber ermaebfenen 9Rdnner auf fedjg big 
f i e b e n ÜftiUionen gefärbt mirb. Von jener einen ÜUtillion unb breimalbun* 
berttaufenb fallen b^ebft mabrfcbetnlidb, ftreng genommen, fogar bie 300,000, 
menn nicht mehr, noch meg; benn ba bag SBablredbt ft<h an ben Veftfc tnüpft, 
fo mäblen biele Sßerfonen hoppelt, gugleich in ben Stabten unb auf bem Sanbe. 
SJerHrbeiterftanb bat unter biefen Umftdnben nabegu teine Vertretung. 9teun* 
unbfireibig Sünfgigftel ber Arbeiter fmb, nach 3öbn Stuart ütRitTg Slnnabme, 
Pom SBablredjt auggefdblojfen. $ie beften Vorfdmpfer ber Vürgerflaffe, Eobben 
u. 21. nodb furg bor feinem £ob, haben fogar mieberbolt öffentlich anerfannt, 
ba| bie [Reform*Vitt bon 1832 bie Sage ber Arbeiter in biefer Vegiebung eher 
b erfdblimmert bat, benn big babht gab eg menigfteng ba unb bortnoch 
bie fog. „Scot-and-lot Yoters“ — eine ittaffe bon Unbefteuerten, bie tbat* 
fddbKcb bag 2Bablre<ht augübte. S)ie [Reform*Vtll ftridb biefelbe unb mit ibr faft 
ben lebten [Reft einer SReprdfentation ber Unbemittelten. 2lnbererfeitg mub man 
nicht glauben, bab ber gefammte Vürgerftanb burch jene Vill gum SEablrecht 
gelangt ift. 5Roch big beute ift bie unter e Schichte ber englifcben SWittelflaffe 
ebenfaUg ohne bag Stimmrecht. 

f -i 


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Diefe SSerh^tntffe ntu& man im Sluge behalten, um 3 . S. bie Stellung 
Englanbg ju ber amerifanifchen grage §u begreifen. Die Sflaffe bet arbeitenben 
klaffen, ja ein Dheil heg Pürgerftanbeg, mar auf Seiten ber Union, Eine 
■Sttitumtät, beftehenb aus ben „oberen gehntaufenb," bem Stob ber Slriftofratie 
♦unb ben ^ö^er befteuerten Bürgern, ftanb auf Seiten toon Qefferfon Daoig. 
Slugnahmen gab eg allerbingg auf beiben Seiten. Unter ben gebilbeten unb 
mohlhabenben Älaffen fanben ftch einige freibentenbe Männer, bie mit ber 
Uniong* unb Emancipationgfache fpmpathifirten, wie eg unter bem „beweglichen 
Raufen" eine SUtjahl fRebeHenfreunbe gab. 3m ©rofjen unb ©anjen lag aber 
bie Sache fo, baf$ bie 2 Jt i n o r i t d t g r e g i e r u n g ber henfehenben unb ftimm* 
berechtigten klaffen — ihre Staatsmänner, ihre SBortführer, ihre Prefcorgane— 
fübli<b*gefmnt waren, währenb weitaug pie üDtajorität ber Stdbtebemohner — 
unb inEnglanb wohnt etmag über bie Hälfte ber Sepölferung in ben Stdbten 
— ber Sache beg Sftotbeng gugethan war; freilich ohne ihre ©eftnnungen anberg 
geltenb machen §ü fönnen, alg burch gelegentliche Sfteetingg, bie alg Droh* unb 
Schredmittel bienten. Die Sanbbeböllerung in ihrer groben üUiehrjahl mag hier 
unerwähnt bleiben. Sie ift in folgen fragen leiber politifch tobt. 

Ein SBort nun über bie berfchiebenen öeftrebungen ju ©unften ber Slug* 
behnung beg SBahlfreifeg. Seit bem Mißlingen ber chartiftifchen 23e* 
rnegung, bie befannlid) 1848 burch Poltgeigewalt gefprengt würbe, ift fte big 
heute nicht wieber ftarl geworben. Palmerfton, wie fchon erwähnt, mubte, wenn 
bie betreffenben gorbetungen unbequem gu werben brohten, ftetg einen Slugweg. 
©labftone jeboch, nächft föuffell ber £auptminifter im neuen ßabinet unb 
ber Premier ber 3 nlunft, hat ftch bereite bor anberthalb Sahten theoretifch für 
bag allgemeine S t i m m r e <ht ertlärt, inbem er eg augfprach, bab „ber 
Jöeweig ber Siothwenbigfeit ber Slugfchliebuttg eineg SÄanneg bom Stimmrecht 
&on ben ©egnern erbracht werben müffe; principiell fei 3*b*rmann gut Slug* 
Übung beffelben berechtigt." S3ergeffen barf übtigeng nicht werben, bab ©lab* 
ftone biefe Sicherung, alg er feine Stebe in glugfchriftenform beröffentlichte, 
burch ein Vorwort bebeutenb abwdfferte. Die Etflärung felbft hatte er in einem 
Slugenblid gegeben, alg feine Popularität in gotge ber häbK<hea IRoUe, bie er 
bei ©aribalbi’g Entfernung aug Englanb gefpielt hatte, Schiffbruch gu leiben 
brohte. Eg foüte, wie mir fpecietl belannt, eine ihn betreffenbe, oernichtenbe 
Publilation bamalg erfolgen. Eine 3lrbeiter*Deputatiori trat auberbem bei ihm 
bor, unb biefe Deputation beftanb aug Seuten, welche gleichseitig im ©aribalbi* 
Eomitö faben unb im Slugfchuf? ber Siga, bie für bag allgemeine Stimmrecht 
agitirte. ©labftone 50 g fich aug ber ©aribalbi*S3erlegenheit, inbem er bie 
gähne beg „SRanhoob Suffrage" aufhi^te — gum Erftaunen unb Schreden 
feiner bisherigen greunbe, gut größten Ueberrafchung oon 2 orb Palmerfton 
felbft. 

Durch ©labftone’g tarnen gebedt, tonnten bie Stimmre<htg*9teformer nach 
Palmerfton’g Dob einen bebeutenben Schritt borwärtg thun, wenn gröbere 
Einigfeit unter ihnen felbft geherrfcht hätte. Diefe Einigfeit fehlt jeboch. Eg 


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flieht in6nglcmb bret »ergebene ©efeHfchaften: bie„National Reform 
Union", bie „Sorthern Union", unb bie „Seform Seague", 
tüeld^e alle auf eine Veränberung ber Verfajfung3guftänbe au3gehen, aber äße 
mit einem anberen Programm* 3a, felbft innerhalb btefer einzelnen ©efeü* 
f^aften giebt ftch gelegentlich Swiefpalt !unb. Stan madjt in biefem Slugen* 
bliäe Bemühungen gut 6rgielung größerer Harmonie, bo<h ftofjen biefelben auf 
nicht geringe Schmierigfeiten. die hier £auptricbtungen, bie neben einanber 
herlaufen, ftnb folgenbe: 

I. 63 giebt Reformer, welche ben 6enfu3 auf bem fianbe bon £50 auf 
jßlO, in ben Stabten Don J210 auf M hetabgefefct wiffcn wollen. 

II. Snbere »erlangen ba3 Stimmrecht für jeben $au3eigenthümer ohne 
irgenb welche Befchrdnhmg. 

III. Snbere wieberum Wollen baffelbe unter gewijfen Bebingungen auch 
auf diejenigen übertragen fehen, bie in Stiethe wohnen. 

IV. 6nblich »erlangt eine »ierte Dichtung ba3 „Stanhoob Suffrage", 
Wobei nur Segiftration unb eine gewiffe 2lufenthalt3geit erforberlich fein foU. 

die erwähnten ©efellfhaften nun bringen biefe »erfchiebenen Sichtungen gum 
ungefähren 2lu3brud. die fog. 2Jtan<hefter^artei geht mit No. I ober II. 
63 liegen babei »erfchiebene Stotibe gu ©runbe. die 6inen ftnb engherzig, Don 
filaffen*3ntereffe bewegt, die Snbem furchten, wie fchon oben angebeutet, bajj 
bei ber Unbilbung ber acferbauenben Staffe unb ihrer Sbhängigfeit Dom Squire 
unb Dom Pfaffen, für ben Sugenbltd leine burchgreifenbere Stabregel eingeführt 
werben lönne ohne bie beftehenben greiheit3errungenfchaften fogar noch gu 
. fchäbigen. Sur läfct fuh bann nicht einfehen, warum nicht wenigften3 für bie 
Stäbte, wo mit wenigen 2lu3nahraen bie Verhältnis günftig liegen, ein fo eng 
gegriffene3 Stimmrecht gelten foU. 

Sicht fchlagenber lonnte bie Sbhängigfeit, in welcher fleh bie länbliche Be* 
boKerung 6nglanb3 befinbet, gefchilbert werben, al3 e3 burch ben Bericht be3 
englifchen ©efanbtf<haft3felretär3, £errn ©rep in ^?ari3, gefchehen ift, inbem 
biefer Bericht gu Vergleichungen aufforbert, bie für 6nglanb nicht ungünftiger 
au3faden lönnten. Qm eigentlichen 6nglanb (Schottlanb unb Urlaub äü3ge* 
nommen, wo bie Verhältniffe einigermaßen anber3 liegen), beläuft ftch bie 3ahl 
ber freien Sanbeigenthümer, gufolge authentifdjen ftatiftifchen Angaben, auf 
nicht mehr al3 30,766. doch repräfentiren biefe dreibigtaufenb im ©runbe 
Wohl,^ wenngleich bie Statiftif hier Saum für einen Steifet läßt, etwa 150,000 
ßopfe, bie gamilie gu fünf gerechnet. $n granfreich bagegen ift bie gefammte 
3ahl ber freien 6igenthümer (b. h. bie gamilien mit ihren Stännern, grauen unb 
ßinbern gufammengerechnet) nach ©rep’3 Bericht über neun Stillionen, 
die genaue 3iffer ift 9,310,412. gn 6nglcutb befinben ftch ferner 605,349 garmer 
unb 1,188,786 dagelöhnet; in granlreich 4,543,673 garmer unb 5,353,299 
gelbarbeiter, welch Septere gefeUfchaftlich unb ölonomifch gewib über bem englifchen 
„ßlobhoppet“ ftehen. Sun hat man gwar in ©nglanb bie befannte national 
öfonomifche dßeorie, welche auf einen frangöftfehen ober fübweftbeutßhen Bauern 



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mit Betastung ^erabfte^t, unb tm SScrrjlctdb $u einem englifchen ©runbbeftfcer 
bürfte bie Sage eines folgen feine beneibenSmerthe fein, ©leichmohl bleibt es 
richtig, ba£ ein armer 3Jtann m i t Sanb, fei eS auch ein noch fo fleineS Stüd, 
immerhin beffer baran ift, als ein armer 9Jlann ohne Sanb. Sluf alle gälle 
tft ble in ©tglanb immer nochmeiter fortfehreitenbe Sluffaugung beS freien Hei* 
nen ©genthnmS ein febt §u beflagenbeS Uebel, baS auf bie geiftige unb mora* 
lifd^e ©ttmidelung bet barunter leibenben klaffe ^öcfcft nachteilig eingemirlt 
bat unb fortmahrenb einmirlt. -Dkn befirtbet ftch aber hier, mie fo oft bei ähn* • 
lidben Berhältniffen, in einem fehlerhaften Sirfel. So lange bie beftehenben 
StnrnnredbtSrerbaltniffe in Äraft finb, ift hier nicht bie minbefte Hoffnung auf 
Befferung, mährenb baS ^erehtjieben ber leibenben klaffe felbft in ben fireis 
ber Stimmberechtigten feineStoegS bie Sicherheit einer mirflichen Befferung bie* 
tet. gn einer Seit beS revolutionären SlnfturmS läge bie grage natürlich an* 
berS. 2)a fönnte eine butch entfeheibenbe (Sreignijfe in ben Stabten fiegreiche 
2)emofratie raf ch bie 2)efretirung non ©runbeigentbumSgefe|en ermirlen, bie 
bem gortfehritt auf bemßanbe Suft fchaffen mürben; mit entfprechenber Beleh¬ 
rung mdrebann balb nachgebolfen. Slber ber gegenmdrtige ©harafter GnglanbS 
ift folchem Verfahren abholb, unb fo haben fub bie Suftänbe fojufagen vertnöchert 
Würbe nun bie SRuffelffche BcformbiH von 1860 mieber aufgenommen, fo 
mdre baS Dtefultat bie ^infuföguttg Von etma einerbalben 2JtilUov, 
bielleicht einer 3toetbrittelS*2Rillion neuer Wähler. ©nefolche ÜDtabregel hatte 
fchon ben Bortbeil, bah fte enblich einmal bie Sachen mieber in glnfi unb fri* 
fcheS Blut in ben Staatsorganismus braute. 5lu<h mdre bamit ber BemeiS 
geliefert, bah eine Slenberung ein tiefgefühltes Bebürfnifj ber Seit ift, unb fangt 
man mit einer Slenberung einmal an, fo ergiebt fi<b Weiteres fchon bon felbft. 

©o mögen bie ©nen argumentiren. 3)ie Slnberen merben fagen, bie Berbeffe* 
rung fei gar §u-gering, benn noch blieben bann ja unter ben fieben Btillionen 
ermadhfener englifcheräftänner, hier bis fünf ÜDHllionen ohne baS 
SBabitecht (SS bliebe alfo auch fernerhin meitauS bie Majorität ohne 
SRepräfeniation, mdbrenb bo<h, mie alle Welt miffe, baS ^afFtren einer Beform* 

Bill auf längere Seit hinaus bie Bemegung für ©Weiterung beS Wahlrechts 
lahm lege. 2)iefe Untere Bemerlung ift gemifc richtig. SJtan muh aber leiber 
gefteben, bafc’ bis je$t bie Bemegung nicht ftarf genug ift, um bie Delegierung ju 
einem gröberen Sugeftdnbnih &n jmingen. Unter ber Sanbbevölferung berrfit 
gar leine Agitation in ber Sache. 2ftit ber ßuräfuhtigfeit, melche ftäbtifchen 
Sfteformern oft eigen ift — eine ßurjfuhtigteit, an ber jurn Sheil unfer beutfeher 
Bauernfrieg §u ©runbe ging, bie auch ber franjofifchen Bepublil oon 1848 
unheilvoll mürbe, unb bie in Belgien bie belannten enblofen unb erfolglofen 
Kämpfe unaufhörlich miebereqeugt — hat man in (Snglanb eS unterlaßen, fuh 
mit bem Bauern, bem $euerling, birect in Berhinbung $u fefeen, um ihn für 
baS greiheits*3ntereffe §u geminnen. gn ben Stabten aber ftehen fuh Bürger* 
thum unb Arbeiter vielfach entgegen, unb ber Mangel an Uebereinftimmung 
hier fchmdcht natürlich bie firaft ber (ganzen Bemegung. 


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AuS bcnt Umftanb, bafj 3o^n Srigbt in Stadbum bon einer burdb baS 
ÜJtinifterium gemalten „Sufag e" gefprodben bat, fcfeliefet man auf unmittel* 
bar smifdben ihm unb föuffeH eingeleitete 23esiebungen. GS fdbeint feinem 3»ei* 
fei §u unterliegen, bafe folcbe ©esiebungen bur(b einen ÜDWttelSmann bon „pbi* 
lofophifcb^rabifafer" gdrbung, ber bereits einen 6ip int SWinifterium bat, einge* 
leitet morben fmb, unb bafi audb anbere Anerbietungen auf biefem SGßege über* 
mittelt mürben. Ueber ihre bermutbltcbe Annahme ober Aidbt*Annahme fei hier 
leine $ropbeseibung gemagt. 3°b*t 93rigbt ? S Aatur festen bisher eine ddbt bemo* 
fratif(be, wenn audb burdb mandberlei ©onberbarfeiten ftdb ebarafteriftrenbe. Gr 
galt als ber SBolfStribun, ber bie Ariftofratie mit tiefem, glübenbem, bie Ärone 
faum mit minberem #affe ba&te. Gin öudfer unb griebenSfreunb, sog ihn 
fein £er| §u ber ©eite ber Union in bem Aiefenlampfe, ben fte gegen baS ffla* 
oenbaltenbe Oligardbentbum fdmpfte. §örte man ihn auf 3)teetingS, fo mürbe 
man bon bem Ginbrud erfüllt, als febe er im SBetterfcbein ber amerilanifcben 
©dbMten bie aufbdmmernbe greibeit Guropa’S leuchten, als höre er in bem 
Traufen beS atlantifcben SBogenfdblagS bie SulunftSmufif ber europdtfdhen Te* 
mofratie. 2Jtan lonnte mit ihm anberer Meinung fein über Aufclanb, über bie 
fransöfifdhen Sßerbdltniffe, über bie Ai<bt-3nteroention, u. bgl. mehr; aber man 
lonnte ben republilanif(ben 3«9 feiner SBorte nicht berfernten. Gin foldher 
2ftann mdre, im Amte unter einer töniglidben #errf<baft, in feiner Söebeutung 
geminbert; fein Gbaralter mdre gefalfdht, fein Ginflug gelahmt. 

S5rigbtunbGobben haben 93eibe mdbrenb beS amerilanifdhen Krieges 
GrKdrungen im ©inne einer Vorliebe für bie freiftaatlidbe [Regierungsform ab* 
gegeben, ©einem ©runbmefen nadh mar übrigens Gobben eher ber 2Rann ber 
conftitutioneUen 2Ronar<bije. TaS energifebe Temperament ging ihm ab. Ter 
Ariftofratie mollte er mobl an ben Seib, um fte niebersumerfen; allein er sog 
bie llug beredhneten Keinen Mittel bem offenen Angriff bor; er mollte ben 
Grunbabel lieber auSldufen, „abmaiern", mit fdheinbarunfdhulbigenGrbfdhaftS* 
gefefcen allmdlig bie 3ortbeilung ber ©üter befoerfftellige«, lieber als bafi er ber 
Ariftofratie offene ©<bla<bt angeboten batte. Ueber bie continentalen Aebolu* 
tionen gab er nodb in ben fündiger Sahnen bodhft fonberbare Anftdbten bon ftdh. 
Ter amerifanifdhe Urieg übte bei ihm in biefer Sesiebung eine flarenbe, reini* 
genbe SBirfung aus. An bem ©eifpiel biefeS bon ber furdhtbarften ©efabr er* 
griffenen, mit eiferner iBebarrlidhleit f#nen 2Beg burdbfampfenben greiftaateS 
richtete Gobben’S ©efutnung ftcb mehr unb mehr auf, bis er fürs bor feinem 
Tobe bie unsmeibeutigften prinsipieH republifanifchen Grfldrungen gab, — aller* 
bingS mit ÄaufmannSfdblaubeit burdb eine f<bersbafte Söenbung in Sejug auf 
Gnglanb gemilbert. 

Srigbt feinerfeitS, mie in anberen gragen gejoöbnlidb Gobben um einen 
©dhritt borauS, batte audb in biefem Sßunft febon früher garbe geseigt. Auf 
einem ber UnionS*©bmpatbie*2ÄeetingS bonnerte er bie Ariftofratieen mit ben 
fronen nieber. ßurs borber batte er audb mit beradhtungSbollem ©dbmeigen 
bie Anflage ber „Times", als prebige er ©r aedb ifdbe $olitif, über ft(b erge* 



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hen (affen, währenb Eobben fuh gegen benSormurfmit Ecwtoerungen wehrte. 
2 )afj nun SBright, nach all biefen Vergangen, bereit fein follte, in eine Wegie« 
rung einjutreten, in welcher baju noch awei ber früheren bitterften geinbe ber 
Union bie $auptftetlungen entnehmen, baS mühte billig SBunber nehmen. 
, WuffeH fagte einft: „Wichts Schlimmerem tonnte für ben gortfehritt ber ÜWenfch* 
heit, nichts SchßmmereS für bie fchwaräe Wace gefchehen, als wenn ber Worben 
ben Süben unterjochte!" ©tabftone rief Softanna, bah gefferfon $aoiS eine 
Nation gefdhaffen! Sright als College biefer Wlinipter: $ie Wnomalie 
tönnte nicht größer fein. Unb bo<b tonnte heute Wiemanb fagen, bah ber Ein« 
tritt beS Agitators in bie Regierung gegenwärtig noch <ine Unmöglichfeit fei. 
Wur mit Sebauem würbet* wir „Sohn SBright, of Englanb", wie Lincoln ihn 
nannte, in eine fürftliche WegierungSmafchinerie eingereiht fehen. 

ES ift im Sntereffe ber allgemeinen greiheit, bah EnglanbS Einrichtungen 
ft<h a m e r i t a n i f i r e n ! 2hatfä<hlt<h eyiftirt baS „amerifanifche" Element 
hier bereits in ber ©eftalt ber arbeitenben Ülaffen, infofern biefe ft<h ju traitS« 
atlantifchen Einrichtungen am meiften hingejogen fühlen. $ßon ben grlanbern 
unb bem genierthum fei hier nicht eingehenb gefprodhen ; benn objwar oon bie« 
fer Seite her bem englifchen Staatsbau bei etwaigen SSerwidlungen febwere 
Schläge beigebracht werben tonnen, fo ift eS bodh nichts weniger als gewijj, bah 
für bie greiheit unter allen Umftänben etwas ErfprieblidheS barauS erfolgen 
Würbe. SlnberS fteht es mit ben Wrbeiter«Elementen in Englanb. 2)ur<h eine 
eigentümliche Sßertehrung ber SBerhältnijfe ift freilich biefer wichtige 23eoölferungS« 
theil bisher nicht im Stanbe gewefen, ftch felbft politifch ju helfen, währenb er 
gerabe währenb ber ßriegS«$riftS gan§ unjweifelhaft ftarf genug war, in baS 
rollenbe Wab ber antUatnerifanifcben ho<hariftofratif<hen $olitif einen Stab 
gu werfen, ber es jum Inhalten unb fchliejjlich faft jum galten brachte. 

Sßürbe bie Weform«[8itl in’S £eben gerufen, welcher Sohn 2}right pim 
SSorauS feine Unterftüfcung jugefagt hat, fo erhielte ein 5Lheil ber Wrbeiterbe« 
uölferung wohl baS SBahlrecht; aber biefer $heil wäre nicht genügenb, um ben 
©ang ber [Regierung irgenbwie ju controlliren. 3wif<hen ber ^Bright'fchen 
Dichtung unb ben ÜWännern ber Wefotm«2eague, bie „allgemeines 
Sßahlrecht unb geheime Wbftimmung" auf ihre gähne gefchrieben haben, fann 
ntan jefct, nach ber Erflärung ju S3laäburn, eine mehr ober minbet offene gehbe 
erwarten. Stuf ben beiben großen Meetings, bie [Witte 2)ecember in SBirming« 
harn gehalten werben follen^unb bei beren einem SSright fprechen wirb, wäh« 
renb bei bem anberen lauter Arbeiter bie Webner fein werben, erfolgt wahr« 
fcheinlich eine StuSeinanberfefcung, bie für bie nächfte Sutunft entfeheibenb fein 
wirb* 


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Pit Ittliaicma-pijUofojjl)« 

erläutert am 2ten Steile beS gauft. 

, Bott $r. ©. ©I5t»e. 

3 feber höberftehenbe Kenf 4 bat feine eigene Ketapbpftl, b. b. feine mehr 
ober meniger felbftgebilbete, mehr ober toeniger llare Sbeorie Aber bie „gött* 
luben Singe", feine fpefulatioen 2tnfi4ten über „Seben", ,,©ott" gort» 
bauet". Siefe Ketapbpftf enthält bie Summe feines SefenS, fein eigenes 
( befte3 Selbft, fo ju fagen bie 3orm bei geiftigen 3nbibibuum8. 3e bBber baS 
. 9e '^ 9c Snbibibuum ftebt, befto auSgebilbeter, fefter, mir möchten fagen, pla* 
ftifcber, bilbetfub baS Spftem feiner Ketapbpftl heraus. 3n ben flögen 
Wer ©eifter, bie mir borjugsmeife p h U o f o p h i f <h e nennen, nimmt es bie 
©eftalt eines förmlich 'ausgebauten ©ebcmlengebäubeS an. Sie ©eföidjte bet 
iPhilofophie, bie ber Siffenf4aft beS ©Bttli4en, ift einem »egräbnifsplafc »oll 
erhabener Saufoteen oerglei<hbar. Sir manbeln ba jmif4en Senfmälem aller 
Seiten unb aller 3°nen, bon bem Sempel beS »ubbha unb Ofirö, burch bie 
Hafflföben Säulenhallen beS Dlpmpif4en 3eu3, baS Sltterbeiltgfte 3eho»a’S, bie 
finfteren ßrppten beS erften GhnftenthumS, bieftoljen, bimmelanftrebenbenSom 
ber „allemfeligmachenben Jtir4e" bis ju ben lüblen £Brfäälen ber ©egenmart 
auf beren glatten unb reinlidhen Sänben baS Kort „5ti4tS," ftebt. (Sin Sort 
bas - 3 ufall ober 5lotbmenbigleit? - entftanben fcheint ÄuS bem emig cen* 
tralen, unabmenbbaren „34", bem negirenben „51" un b ber fäcblicben 

©nbung — SffiaS n i 4 1 3 4 ift, ift 51 i 4 1 S ! 

• »ei Bielen großen©eifternerf4eint ihre Stetapbpfil, fo ju fagen, f4am* 
haftoerhüllt, g(ei4 ben Kpfterien ber Siebe, ©er meif unb roer lann faaen, 
mas3lle ? anber bon$umbolbt glaubte, unb ma 8 ni 4 t? Gr mar ein»rie» 
fter beS Sltterbeiligflen, aber et fpra4 beffen Slamen ni4t aus. Sir mögen aus 
feinen S4riften 31 nbeutungen über feine Slnfubten bom ©öttluben ( ben 
leiten Singen") fammeln; aber bieS ift Silles. Kit ftehenoor bem berf4Ieierten 
»ilbe berlffiahrheit, mir mB 4 ten benS 4 leiet heben, aber er ift—bonStein» 
fölehr als irgenb ein 3lnberet hat ber Keifter«©eniu 8 ©Bthe bie Mit- unb 
5la4melt in 3lthem erhalten mit gelungen, »ermuthungen, Spefulationen 
über feine 5leligibn3=»bit<>fopbie. Kar ©öthe ein Ehrift, ein £eibe, ein Kuba* 
mebaner, ein moberner »bilofopji, Katerialift, 3bealift, Spiritualift? Sitte biefe 
. guten Singe hat man ihm ber 5ieihe na4 angebuhtef, für jebeS berfelben bie »e» 
legein feinen Serien gefunben. 5latürli4, bei einem fo reühen ©eifte mie 
©Bthe’S, ber bie £i4tftrablen ber ganjen Seit in feinem gocuS auffänqt 
nnb fte bann hauptfä4K4 in baS glänjenbe garbenfpiel ber »oefie jerlegt, laffen fub 
»emeife für bie entgegengefefcteften 5(i4tungen beibringen. 3 lm beliebteren mar 
eSjebo4 ju ben Seiten ber hB4ften ©Bthemanie, ihn halb bemunbernb halb 
bebauemb, „ben groben Reiben" ju nennen, b. h. ihn beS a u s f 41 i e & l (4 e n 
Kultus beS S4 önen — mie eS bor 3lttem bie Slntile berlörpert_unb 


JIVST 


107 


ein«, Wenn ni*t feinbfeligen, bo* jebenfatlä glei*güttigen unb abweifenben 
fRi*tuitg gegen baä.GhrifteBthum, wie bie moberne Sßbilofopbie gu begü*tigen. 
Saft fi*‘9klege für b i e f e Sluffaffung bet 2Beltanf*auung beä groben Si^terl 
rri*li* auä feinen SBerlen gufanunentragen taffen, wirb wohl Jiiemanb in 316= 
tebe fteüen wollen. ©ötbe repräfentirt faft alle ^B^afen bet Gntwictelung beä 
mobemen 3Jtenf*en — aber ein Sehen fo lang unb fo tei* an Slufgenom* 
menent unbSöiebergegebenero wie baä feinige, beffen ©tunbneigung 
bo*wefentli*bief*önen©enuffe3blieb,beffenStrebenäri*tungauf bie 
©eftafomg beä gangen Sebenä ju einem Sun ft wert ging, mufjte notbwenbig 
oon bet t e i n nt e n f * l i * e n S*önbeit beä Mafftf*en Slltertbumä, bie felbft 
6 *iHeriä SWufe beberrf*te, »orgugäweife angejogen unb gefeffelt werben. 

äbet ©ö*e war auch barin ni*tä weniger afö einfeitig; et wenbete ft* 
mit bemfelben Gifet bet *riftli*en Äunft beä SWittelalterä gu, unb felbft bie iüo= 
betne Dtomantil blieb bur*anä ni*t ohne Ginfluft auf feine Gntwidelung, wenn 
au<b fein ©Raffenttotjugäweife nach bem SDlaftftabe tubiget 11af f if *et 
©cb5nbeit gerichtet Wat, beffen ÜDtafie in bet unä umgebenben 
©innenweit liegen. 

Slbet baä Seben bet ftnitli* Wabtnebmbaten, natürlichen 3lu|enwelt (beten 
ibealet Sluäbtud eben baä Hunftwerl ift) umfaftt ni*t baä gange SBefen 
beä 2Äenf*en. SDieä behaupten gwat bie mobemen SDtaterialiften; allein wir 
Ibnnen: biefe ©ehauptung bet Selbftfritit ihrer Urheber fibetlaffen, bie butch 
ihr eigeneä ©rieben biefelbe fcrtiodhrenb Sögen ftrafen. Sie behaupten gwar, 
nur mit bet Grfenntnifi unb Gtfotfchung beä finnli* SBabrnebmbaren 
bef*äftigt ju fein, allein eä würbe unf«bwer na*guweifen fein, bah au<b ihnen 
bie Spelul«11on, baä waä „nach unb hinter bem $bpfif*en" lomrnt, 
nwbtä weniger aläfrembift. Sllleä Sinnli*e ift nur Spmbol. 

Ser höhere 2Jlenf* weih bieä, ober ahnet eä wenigftenä, unb bie 
g-tage nach bem SBarum? (b. i. bie Spefutation ihrem SBefen unb Siele na*) 
ift bem 2Renf*en angeboren; fte ift ein 3eugni& feineä göttlichen Urfprungä, 
gehört gum heften Sheile feineä SBefenä, ift nicht ein Jlinb beä Stangeä muffiger 
ober wu*ember ^hantafte, fanbem eine gorberung feiner ©er * 
n u n f t. Sie bö*fte firaft beä ©eifteä ift nicht mehr ccnalpfirenb, fonbern 
combinirenb. ffientt bie größtenSlftronomen, na*bem fte bur*ihre mühe« 
»ollen 3ahtenbe«e*ttungen ben Sriumpb ber ejacteften 2Bifferif*aft : geführt, ft* 
mit ber dptftehung unfereä Sonnenfpftemä, ber Gyifteng einer Gentralfonne, ber 
SBewohnbarleit unb ©etoohnheit ber Rimmelslorper bef*äftigen, fo betreten fie 
baä ©ebiet bet Spelulation, ber hö*ften Shätigleit ber ©ernunjt, bie auä Shat< 
fachen nicht immer bbl f * l i e ft t, fonbern au* ahnet. Sie Spelulation ift 
bie ©ernähr unfereä 3ufammenhangeä mit einet höheren Orbnung ber ©eifter, 
fie webt bie Slnlnüpfungäfäben mit einet 2Belt, bie fenfeitä (ober hinter) ber 
fu-nli* wahrnehmbaren liegt, a h e r ebenfo witlli* unb naturge« 
fehlt* ift wie bi efe. , • 

SerSi*ter höheren SHangeä ift ehenfowohl ©bilofoph» wie ber 


«US 1 


M 


108 


iriffenfchaftlühe Senfer Don $rofeffton. SBcr torttte bte$ Don £omer unb bcn 
griecbifchen Stagifem leugnen, in benen fuh Die ttteligionS* unb Seltenanfchauun* 
gen ihrer Nation unb ihres 3tüaltecS abfpiegelten? 2Ber trollte Don Sante’S 
„göttlicher Äomöbie" behaupten, bah fte nur eine ®ilberfamwlung bichterifch 
febaffenber Sßhantafte enthält, bah ihr Töpfer unb feine Seit feinen £immef, 
fein gegefeuer, unb ferne-§5Ue nicht für trahr hielten? ffiet jtreifelt, baS STOilton 
unb Shafefpeare bie Summe ber SBeltanfchauung ihrer Seit bieten ? SSer tann 
Schillers holbe ÜBtufe Don ber nüchternen ^hilofophie Äant’S trennen? 2Ber 
trirb Demeiuen, bah ©öthe, ber ächtefte SichtergeniuS, ber feit gahrhunberten 
erfchienen, unabläffig mit ber gorfchung nach ben häuften Söahtheiten 
befchäftigt trar, unb bah er bie ©rgebniffe biefer gorfchung in 
feinen bichterifchen SBerlen nieberlegte? SerJBetreiS biefer 
lefcteren Behauptung foll uns hier in ber ilürje befchäftigen* 

2>aS ffierl, in meinem ©öthe bie Summe feiner SBeltanfchauung 
(^hilofophie) niebergelegt hat, ift ber g a u ft, unb §mar in feiner © an § h e i t, 
bem jtr eiten wie bem erften Xheile. 53 e i b e Steile gehören, fo Diel ben fß'hilo* 
fophen ©öthe anlangt, jufammen, fo trie ber Süngling unb ber ©reis §u* 
fammen gehören, trenn man ben g a n j e n e n f ch e n Derftehen tritt, inbem 
man ben ©reis nicht ohne ben güngling rerftehen tann, unb ber güngling 
rücfträrts burch ben ©reis ertlart trirb. 2llS poetifcheS unb brama* 
tifcheS itunftirerl mag man ben erften $heil beS gauft für felbft* 
ft an bi g ertlären. 9ia<h einer Saufbahn Doll Srrthum unb Schulb, „tpilttgem 
©eifte aber fchmachein gleifche“, holt ben „Soctor gauftuS“ ber Seufel, Don 
©reichen aber, ber nur aus S i e b e fehlenben, berfünbet „(Sine Stimme Don 
Oben", bah f i e gerettet i ft! Sie poetifebe ©erechtigteit, mit ber mota* 
lifchen jufammenfattenb, hat ihr Blecht, baS ©etrijfen feine 53efriebigu«g, ber 
Slbftblufj ift roüftänbig. 

Allein ©öthe’S gaujt ift nicht bloS unb fottte nicht bloS fein eine brama* 
tifch^poetifche 53ehanblung ber altbeutfchen BoltSfage Dom Schtrar^tünftler guft, 
ben na$ einem Sehen Doll Sünben unb ©ottloftgteit (benn Sllcbpmie trar ja auch 
gegen bie ©ebote ©ottes!) julefct ber Teufel holt — fonbern ©öthe entbedte mit 
ber Intuition beS ©eniuS in biefem Stoffe, neben feinem Dolfsthümlich* 
poetifchen ©ehalte, zugleich baS ©efäfj für Stieberlegung unb Hufbetrahrung 
beS ÄerneS feiner 5öeltanf<h auung unb Bhilofophie, 

Bon biefem ©efichtspuntte — ber bem Sichter übrigens felbjt trohl erft 
im Saufe ber Seit tlar mürbe — trar ihm natürlich mit bem erften Sheile beS 
gauft nicht genügt, bem erften muhte ein Streiter folgen, biefer muhte ein 
DorjugStreife philofophifcheS ©ebicht trerben, unb tonnte, toie auch trirtlich ge* 
fchehen, nur mit beS greifen Si<hter*SenterS eigenem Grbenbafein abfchliehen, 
unb erft nach feinem Sobe erfdjeinen. SieS ift trohl bie richtig! unb beS groben 
©eifteS einzig trütbige Sluffaffung biefeS einft fo Diel befprochenen, fo üielfach 
angefochtenen Opus posthumum. Sie jum Sheil uttDerftänbliche Allegorie 
unb oft ungeniehbare 3Jtpftif biefer Sichtung hat ihrer 3eit eine SÄenge ©rtlärer 

? 



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109 


unb dommentatcren in Sbätigleft gefegt,, unb unterben aahtreidhen ©egnem 
laben fetbft Sie nicht gefeilt, bie barin nur eine äJlpftijilation etWiden wollten: 
abgefehen Pon ben ja|lreit|en unb erhabenen poetifchen Schönheiten" biefeä 
aSermfitbtniffe* beä „Sicbterfürften" eine beä groben SManneä oöllig «nroürbige 
Sluffaffungl 3m ©egenfage baju wollen wir im golgettben ben 9t«hwei8 »er* 
fu«|en, bab er unä im äweiten $|eile beä 3®uft bie Ouinteffenj feiner 
philofop|ifc|en unb religiöfen SBelta.nfchauung, alfo baä 
Sefte waä ein Sfftenfdjengeift feinen SRebengeiftern überhaupt gewähren lann, 
niebergelegt bat. 

3Jlan erlaube mir junädjft Borauäjufdjiäcn, maä mich Meuerbingä jur 33e» 
f<|äftigung mit bem aweiten Sheile beä Sauft oeranlajjte. Sltä berfelbe }uerft 
i erfdjien, hielt ich e3, gleich jebem anberen gebildeten Seutfchen, für meine 
Sßflicht, ba8 Opus posthumum beä gröbten beutfdjen Joelen au lefen. Saä 
ßrgebnib war, bab ich mich 8»»« an einigen poetifchen Schönheiten erfreute, 
baä ©anje aber alä ungenießbar bei Seite legte, unb mir bie Theorie bildete, 
bab «ö einer gortfegungbesi Sauft gar nicht beburft habe, ber erfte- Sheil 
bbffelben cm fleh »ollenbet unb abgefchloffen fei. Seitbem warf ich nie wieber 
ehten SBticJ in biefen aweiten Xheil- Sa foUte ich im »erfloffenen SEBinter burch 
einett Slmeri tan et oon Sleuem auf biefen aufmertfam gemacht unb hingelerttt 
werben, ©aparb Saplor, ein feltener Kenner unb ©erehrer ber beutfdjen 
Spraye tinb öteratur, laä in einem befreunbeten Steife bie trefflich gelungene 
Ueberfegung einiger ber tprifdjen ©erlen beä aweiten Sheilä beä Sauft oot, na=> 
mentlich beä herrlichen Gtjoreä auä ber erften Scene: 

„Sßenn ftch lau bie Süfte füllen" ec. 

Saä ©efpräch lam babei oon ber Schwierigleit btefer Aufgabe auf ben 
SBertb biefeä aweiten Sheilä beä Sauft überhaupt. Sa ich babei mit meiner 
eigenen Slnjlcht auf lebhaften 2Biderfpru<h oon Seiten-beä Sluälänberä traf, 
ber baä 2Bert unfereä großen SJteifterä genauer lattnte unb ftubirt hatte alä ich, 
fo oeranlafite mich bieä au einem nochmaligen genaueren Stubium beffclben, 
beffen dtgebniffe ich im S°lgenbeii in ber Sttrje aufammenaufaffen oerfuchen 
will. 

Ser Sifer foH mir babei nicht buch bie oft bunlelen unb labprinthifchen 
SBinbüngen ber erften 4 Siete beä aweiten Sheileä folgen. 2Ber biefe nichtfennt 
unb nicht fetbft lefen will, ber tonn in aäljtreichen „(Srtlärungen", „Gommenta» 
ren", „Schlüffen" «. ftch über ben Inhalt berfelben unterrichten, ober, will et 
grttnb U «h auSBerle gehen, in Sünger’ä unlängft erfdjienenentumfangreichen 
©ommentar au beiben Sheilcn beä Sauft mehr alä hinreichenbe Belehrung fin= 
ben. dbenfo wenig erferberteä meine Slufgabe, ben teligiöä*philofophif<hen ©e= 
' halt beä aweiten Sheileä feftaufteUen, bei ben jahlreichen poetifchen ©eichthümern, 
bei ben Schägen an SEBig unb fjupiot, fdjarfer Sritif unb -fchneibenber Satire 
über SBelt unb 3Jlenf<h«n au oerweilen, welche jene 4 Siete enthalten. ©leine 
Aufgabe lägt fiel burch nähere Betrachtung beä 5. Slcteä allein löfen. 

Slath ben Shaten unb Grfagrungen Sauft’ä am #ofe beä Saiferä, 'feinen 



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110 


©Säuberungen unb Etlebniffen in bet clafflfchen Uutetwelt imb bei „ben SJtüt* 
tem" »erben wtr im fünften Siete burch ben „SBanberet" in bieÄehenSbefifcung 
unb Schöpfung beS greifen f?auft eingeführt. $er „©Sauberer", bet vor 
Sauren an ben unwirklichen 6 tranb einer notbifchen Seelüfte geworfen unb 
non $^ilemon unb ©auete in ihrer $ütte gepflegt worben war, finbet jwar 
biefe wieber, aber um fte herum eine neue ©Seit: 

So erblidft bu in ber ©Seite 
(Erft beä SJteereä blauen Saum, 

©e$t3 unb linte in aller ©reite 

SHchtg ebrdngt bewohnten Staunt. 

/ Sauft höt mit raftlofer Slrbeit bem SBaffer baS Sanb abgewonnen. Shn 
felbft erbliden wir in hohem Sllter ate Bewohner eme&©alafte3 in ©litten eineg 
weiten 3 iergarten§, in ber Stäbe eines banales, auf welchem ein fd#neS Schiff 
mit reicher Sabung aus fernen Sänbern anlomm*. Segen ber menf # * 
liehen Sirbeit, bte bie Statur befiegt. Stur Ein es ftürt ben 
Schöpfer biefer neuen ©Seit, unb vergällt ihm ben @enu£ berfelben. E3 ift 
baSfiircheneigenthum auf bem SJünenhügel, auf bem ein $ir<blem unb 
bie $ütte beS Sßbilemon unb ber ©auete ftehen, welche beim Sehen bes ßaifers 
bie „ßireb e" ft<h Vorbehalten. Sauft muh ju feinem Slerger täglich baS ©im* 
mein beS ßircbenglöcfleinS hören, baS ihn an bie S ehr an! e feiner Stakt er* 
innert: 

r ,$eS Slttgewalt’gen SBillenStür , 

©rieht fich an biefem Sanbe hier! 

©Me fchaff ich mir baS vom Eemüthe? 

S)aS Elödlein läutet — unb ich Wüthe ! Ä 

Slber SJtepbifto, beffen nie veraltenber £umor fich über baS „verfluchte 
©im, ©um, ©immei" ber Äirche auSläfjt, weih mit feiner ebenfalls nie vprab* 
tenben £üde Stak* ®r fchidt feine brei „gewaltigen ©efellen" aus, bie auS 
bem fchönen Schiffe SBaaren auSgelaben hüben, unb halb bemerlt ber ^horwäch* 
ter SpnceuS, Verfiel? auf ber hohen SBarte „ber ewigen 3*er ber ©Seit 
unter ihm" erfreut, bteSlummengluthr welche auch bete SJtooShüttchen von 
©hüemon unb ©auete vermehrt, baS mit bem Egpellken in Slfche jerfällt. 2Jte* 
Phifto unb bie brei ©efelleu berichten: 


? 


„$a3 $aar hat fleh nicht viel gequält, 

©or Schaden fielen fie entfeelt! 

Ein S^ember, ber fleh bort verftedt (ber ©5änberer) 
Unb fechten wollte, warb geflredt 
3 n Wilben Kampfes lurjer Seit; 

©on Sohlen, rings umher geftreut, 

Entflammte Stroh; nun lobertte frei 
Site Scheiterhaufen biefer 2>rei!" 


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in 


Sauft oerbriebt bie ungebufbige Sbat: 

„SGBart 3b* für meine SBorte taub ? 

Sauf <h mottf ich, Sollte teinen aub I 
Sem unbefonnen tüilben Streif, 

3 t)m fluch’ ich! tbeilt el unter euch!" 

SWit einer ©emalttbat, bie er nicht gemollt, (ber Sfuch ber 
unbefchrdnften ©emalt!) fchliebt Sauft 7 ! irbifche Saufbabn unb Sbdtigfeit. Cf! 
ift Mitternacht. SSter „graue SBeiber" treten auf; fie beiden: ber „Mangel", 
bie „Schulb", bie „Sorge", bie „5totb M * Sie fielen an ber SEßobnung be! 
e i <h e n, fie mögen ni(bt hinein, nur: 

„Sie Sorge, fie fehlest fub burch’l Schlüffettoch ein." 

Sie brei Slnberen fpreeben: 

„Cf! sieben bie Sßolfen, e! fchminben bie Sterne! 

Sa hinten, ba hinten, bon ferne, oon ferne, 

Sa fommt er, ber 33rub er, ba fommt er — ber Sob J 
Sauft blidtt mit Sebauern auf fein Seben surud: 

„Stünb i(b, Statur! bor bir ein Ü)tann allein, 

So mär’l ber 3Jlühe mertb, ein Menfch su fein!" 

5Run folgt eine Scene boll erhabener 2Bei!beit unb $oefte smifchen Sauft 
unb ber Sorge. 3n Sauft bauert noch immer ber 3miefpalt feiner (bei Men* 
fiben) Soppelnatur fort, no<b immer hält bie ßrbe ihn mit „berben ®anben" : 

Ser ©rbfrei! ift mir nun genug begannt; 
üftach b r ü b e n ift bie Slulftcbt uni berramtt! 

Shor ! mer borthin bie Slugen Minjcnb richtet, 

6 i(h über SBolfen Seinei ©letchen bichtet! 

(Sr ftehe feft, unb febe bie* fob um! 

Sem Süchtigen ift biefe 2Belt nicht ftumm. 

2 B*! braucht er in bie ©migfeit ju fchmeifen ? 

2 Bal er ertennt, labt fich begreifen! 

5lber bie „Sorg e" (b. b* ba! etoige Sehnen, ba! Diichtbefriebigtfein) 
Idbt nicht oon Sauft ab, unb all er fpriebt: 

„Sdmonen, meifj ich, mirb man fchmerlich toi, 

Sa! geiftig ftrenge ®anb ift nicht ju trennen, 

Soch beine Macht, o Sorge, fchteichenb grob, 

Sch »erbe fie nicht anerfettnen !" * - 
Sa menbet fich bie Sorge mit 2Jermünf<hung oon ihm t 

„Sie 2Jtenf<hen fmbimganjen Sebenblinb 
9hm, Sanfte, merbe bu’l am ©nbe!" 

Sie haucht ihn an unb Sauft — erbtinbet. 

Slber feine 93linbheit erfcheint ihm all bette! Sicht, 

„Mein im 3 n n e r n leuchtet bette! Sicht!" 


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112 


Sie Sßtdne ferner Stanneljabre »a#en toteber au#, er ruft: 

Som Säger auf, #r flne#te! Stann für Staun! 

Safjt glüdli# f#auen, mal i# lübn erfann, 

©rgreift bal SBerfyeug ! Schaufel ri#rt unb Spaten l 
Sal 2 lbgefte<fte mufj foglei# geraden! 

Sluf ftrengel Orbnen, raf#en 3lei&, 

©rfolgt ber allerf#önfte Sreil. 

Safe ft# bal größte 2Berl bollenbe, 

©enügtein ©eift fürSaufenb £änbe!" 

Stepbiftopbelel erf#eint mit ben Semurett all feinen ©ebülfen, aber all 
biefe bom Slbfteden unb Steffen fpre#en, meint er bebeutunglooH fpottenb : 

„#ier gilt lein fünftlerif# Semübn { 

Serfabret nur na# eignen. Staben l 
Ser Sängfte lege längelang fi#>btn, 1 
3 b* 5lnbern lüftet rhtgl umber ben Safen l 
2Bie man’l für unfere Sätet #at, 

Vertieft ei» längli#el Ouabrat! 

2 lul bem ^alaft hfl enge £aul, 

60 bumm läuft el am ©nbe bo# binaul!" 

Sie Semuren, unter einem ©efange im ä#ten Solllliebton, graben „mit 
nedif#en ©eberben" gauffl ©rab. Sauft, ber Slinbe, er g ö fc t ft# am ©e=‘ 
flirr ber Spaten, er treibt $ur Arbeit an, er blicft in bie 3ulunft, er fiebt ben 
Sumpf, „ben faulen Sfubl", bertoanbelt in Säume für biele Stiüionen, 

„Si#t ft#er jmar, bo# tbätig frei ju toobnen t" 
er erblidt grüne ©efilbe, Stenf# unb beerbe, parabieftf# Sanb, bur# ,,©e* 
meinbrang" ber Slu# abgejmungen unb berf#lojfen ; er bri#t in bie begeifter^ 
ten SBorte aul: 

„3a ! biefem Sinne bin i# ganj ergeben, 

Sal ift ber SB eil beit lefcter S #lufe : 

Nu ^ #"irb ber b*t bient f i # gr e i ^ e it mie bol 8 eben, 

Ser tägli# fre erobern mufe; 

1 ■ > i, fo berbringt, umrungen non ©efabr, 

|jier flinbbeit, Stan» unb ©reil fein tü#tig 3<#** 

Sol# ein ©emimmel mö#f i# febit, 

Sluffreiem ©runb mit freiem Solle ftebn. 

3 um 3lugenblide bürff i# fagen ; 

Sermeile bo# ! Su bift fo f#ön ! 

©I lann bie Spur bon meinen ©rbentagen 
$Jti#t in Sleonen untergebn. 7 — 

SmSorgefübloon fol#em hoben ©lüd 
©entefe’ i# jefctben bö#ften Sugenblidt^ 


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$amtt hat gauft bie berhängtufjooDen SBorte auggefprochen, mit ben^n 
ct ftd? einft bern Teufel berfchrieb : 

„SBerb* ich gutn Slugenblide fagen,: 

Ver»eile bo<b, bu bift fo fdjön! 

$ann magft bu mich in geffeln fragen, 

S)ann MTtdh gern ju ©runbe gchix, u. f. ». 

1. Sbeil. 

fjauft fm!t jurücf, bie Semurett faffeft ihn auf unb legen ihn auf ben 
©oben* *gauft ift tobt unb unter einet Strt SBedbfelgefang 3 »if<ben Sftephifto 
unb ben Semuren, einfach unb erhaben -*• f. unten — erfolgt bie „©rable* 
gung^ ^SBäre.ßtäthe’g ^^ilofopbne eine materialiftifdhe getoefen, unb hätte er 
un& int atoeiten Xheil nur eine »eitere Erfüllung unb Slbrunbung ber bramatiftrten 
Voltgfage geben »ollen/fb »äre hiermit auch ber Schluß beg $»eiten $heile3 
gegeben*ge»efen. $)ag factum, »eldheg er im erften %\)äk mit bem Teufel 
macht: 

' Äannft bu mich fchmei(helnb je belügen ic. 

S. 62 beg 1. Steiles. 

laut im erften ibeile nubtjur Erfüllung ; ber 3ufd?auer mag j»ar — »ie »ir 
eöbn angebeutet haben — glauben, ba£ gguft im Perlet ©reichend bon ber 
ÜRemefig in ©eftalt beg Sftephifto ereilt unb jur Strafe abgeführt »urbe; allein 
bieg »äre gerabeju gegen bag^actum, SJiephifto erfaßt unb entführt bielmehr 
ben 2)octor in SJtittenbeg Scbmer^eg tief fiter $eue, anftatt im Momente hofftet 
S3ef riebigung, in meldet er gum Slugenblid fagen »ürbe: „S$er»eile bo<h, bu 
bift fo fdjön!" Sluch alg bramatifdjeg SBerl beburfte baher gauft eineg jmeiten 
’ Xhcileö unb enbli(hen Slbfd^luffe^ im ©eifte tragifcher Vergeltung. Sllletnjekt, 
nämlich an ber Stelle beg feiten 2:heile^, big ju »elcher »ir gefommen, hot 
gauft joirflich jefteH Stugenblicf erlebt, »enn auch nur in einer Slrt Selbfttäu* 
fdbung, in ber V o r a u g f i <h t ber f ü n f t i g e n grüßte feiner Arbeit, feineg 
Schaff eng ; er »ieberholt bie SBorte tm erften Siete, ruft begeiftert: 

,,©g fanrt bie Spur bon meinen ©rbentagen 
9li<ht in Leonen untergehn", 

unb belennt, bah er „jefct ben hüchften Slugenblicf genieße". 

©r hat bag Siel irbifchen, materialiftifben Strebeng erreicht/ er ftirbt in 
beu;©e»i(htit bet ir’btf <hen Unfterblichf eit, beten ©runbibee 
bag Slufgehen beg gnbibibuumg im Mgemeinen unter gortmirlung beg bon ihm 
©efdhaffenen ifc 

Sludh lünftlerifdh fdhlt)h hier ber s»eite Sbeil prachtbeU unb er* 
haben (an eine Symphonie ©eethoben’g erinnernb, bie harmonifch mit bem 
SBieberanlUngen beg ©rnnbthemag fehltest) tnbem bie eigenen SBorte beg gauft 
beim factum im erften Xheife »ieberholt »erben: 

SKephifto: 

f „$)ie Seit »irb §err, ber ©teig hier liegt im Sanb. 

„2>ie Uhr fteht füll/' 



114 


©bot: 

„S t c b t ft i 11! Sie f<btreigt wie SDlitternadbt, 

„3)er 3eiget fdllt!" 

ÜJtepbifto: 

„ßt fdllt!" ßs ift rollbta$t! 
ßbor: 

„ßS ift „rotbei"!" 

$dtte ©ötbe ben Vorhang ^ t er fallen taffen, fo wftrbetvbie üftateriatiften 
ein Ve<bt haben, ihn als ben Sb^sen ju beanftmuben. 2)aS i#b i f <b e Schau* 
fpielenbigt mit bem £obe beS gelben, unb trenn biefer, wie \)kx, in bem 
Vetmtfctfein unb bem Vorgefühle ber irbif eben Unfterblidjleit abtritt, fo ift 
ber bramatifeben @ered)ti$teit völlige ©enüge gegeben. Slber ©fobe lieb ben 
Vorhang ron feinet grdfjten Schöpfung (beibe Xbeile gufammen genommen) 
hier noch nicht fallen, et wollte uns eine beutf<be “Divina comedia” geben, 
bie üuinteffeng feinet rollenbeten gauftibee follte jefct erft, in biefem lebten, tuet!* 
würbigften %\)t\k beS ©ebicbteS, betoortreten, iw welchem bie Vbantafie beS 
2)i<bterS ft<b gum trüb coloffallen mpftifeben Schwünge 5)ante’S erbebt, in wel* 
(bem et, unfetet Slnftdjt nach, bie böcbften ßrrungenfebaften feines 2)enfenS, He 
©etoibbeit bet inbiribueüen gottbauet beS ©elftes unb bet Rettung bureb baS 
böcbfte $ringip beS SBeltaUS, bie Siebe, niebetlegte. 

(Schlup folgt) f 


Per priefkaßen fror IHaöanna. 


Bon Sultan «Berner« 


1. Santa ßSquina. 

$ie Sonne taudjte in bie glutben beS Stillen DceanS, mit ihren febeiben* 
ben Strahlen baS mit stecht fo genannte „Zfyal beS ^arabiefeS" lüffenb, irelcbeS 
fub gwifeben Valparaifo unb ber $auptftabt ßbiß’S, Santiago, auSbebnt $ie 
tropifebe Vegetation ber ron fleinen Sanbfeen unb frpftallbellen glüpeben bureb* 
febnittenen ßbene geigt bie üppigfte griffe unb buntefte äÄannigfaltigleit; bie 
Suft ift erfüllt oom meinen 2lrom munbetbaret Vlurnen unb töftlicber trauter; 
£immel unb ßrbe erftrablen in golbenet Sidjtfülle, bie ihre magifeben Vefleye 
butch bie ben #intergrunb bet parabiefifeben Sanbfcbaft wie ein fub in ben üffiol* 
len rerlierenber gewaltiger Vorhang abfcbliepettbe Slnbenlette erhalt* 

2luS bem bunlelften Schatten ber SBeingeldnbe unb Dbftgdrten, in benen 
SPfufub unb Vtanbel blühen, ßitronen unb ©ranaten prangen, lugen bie treiben 
Raufer Santiagos berror; einen malerif(ben ßontraft gu ben fpifcen, alterS* 
grauen Stürmen ber Kirchen unb ßlöfter hüben bie in ben ©arten rerein^eft em* 


ü 


/GoogLe 


11 £ 


portagenbeu Halmen mit ihren balbacbinartig gewölbten Saubfronen. 3 fr ta* 
fdjem Saufe walst bei Wapacho feine gelblichen gluthen bicht an bei #auptftabt 
(Shili’S herüber ; ei ift ein gai tollet, ungeftümei ©efeH, bet feinen Urfprung 
aus bem oullanifchen Schoojie bet Slnbejt nicht betleugnet, unb wenn bie unge* 
heuten Schncemaffen auf ben unteren ^erraffen beS ©ebirgeS fdjmefsen ober 

* fchwere ©ewittergüffe fuh übet jene gerllüfteten gelfengtpfel entlaben, ba fchäumt 
er in milber ©luth einher, SllleS bemi^tenb, was fuh feinem Saufe entgegen* 
ftemmt Qm Schuh bet Stabt gegen foldje Saunen ihres gefährlichen $Ra<h* 
bars bient ein aus gewaltigen Quabern aufgeführter üua^ Sajamat genannt, 

• übet eine Stunbe lang, mit prächtigen, pappelartigen 3llamo*^aufo*Söäumen 
beplankt, liefet. Xajamar unb bie batan fto|enben, bie Stabt non brei Seiten um* 
fchiiefjenben, jietlich angelegten SItemebaS (^romenaben) bilben, bornehmlich in 
ben fühlen Slbenbftunben, ben £ummelplafc bet SBebölfetung, bie hier |u gu&, 
SU {Roh unb s u Söagen ihren Unterhaltungen nad&geht. '{ffieüh* bunter, baS 
2luge beftechenbet Slnblid l SBetch’ fröblüheSA©etümmet! SBel#’ warm pulft* 
renbeS Seben l 2)a luftmanbeln ftolge ^ibalgoS jfiit frönen SennoritaS am 
Sltra; abentheiterlich aufgepufcte ©au<ho£, ben bunten $on$o lofe um bie 
Slchfeln geworfen, ben fpifcen ^utmit ben hetabgesogenen Krempen tief in bie Stirn 
gebrüdt, fobahnurbieunftät wanbetnben, bunfügluhenbenSingenhemorMi|en; 
elegante (Europäer mit ihren nach ben neueren ^arifer Woben geKeibeten ta¬ 
rnen; ftämmige Slraufanerunb fonftige (Eingeborene beS ebibenifeben SanbeS, oer* 
eingelte Sieger, olibenfarbige ßhinomäb^en mit ben manbelförmig gefehlten, 
fchwärmerifch blißenben Slugen — ein bunter Wenfchentroh, bie oetfehieben* 
ften iRacen unb SöilbungSftufen tepräfentirenb. ^agUDifdhen etföeinen bunt 
bemalte, reich oergolbete Satoffen, mit fechS fehettenbebangenen Waulthieren be* 

« fpannt; auf ben weichen Sammetpolftern f(hanteln ftch berfchleierte 2)onnaS, * 
bie aus ihrem fieberen SBerfted bie munter brängenbe Wenge muftern unb burch 
ihr unaufhörliches Sichern unb Sachen beuÄich genug su erfennen geben, bah 
fte an ihrer Umgebung ben lebbafteften*3lntbett nehmen. Sluf flüchtigen [Hoffen, 
bie ihre ©efcbwrabtgleit in ben enblofen $ampaS erprobt, jagen elegante [Heiter 
Vorüber; eht feuriger Jölid, ein Scbwenfen beS ^uteS beweift, bah baS 
geübte Singe beS GauaKerS bie neibifche Umhüllung bet Schönen burchbrungen, 
unb über ben S#ag beS ffiagenS beugt ftch ein niebücheS Söpfchen, um 
bem betwegenen* {Reiter nad^ubliden, bis er in; einer bon ben §ufen ber 
Sloffe aufgewirbelten Staub wolle berfchwinbet. 2)i<ht hinter bet prachtvollen 
Saroffe folgt eine h^brabrige, mit $mti mächtigen Ocbfen befpemnte Garreta, 
über ber nieberen 2)ei<hfel ber Xropero mit feiner gamilie thronenb, bie bon ber 
gelbarbeit jurüdfehrt, unb als gruebt ihres gleifieS eine Sabnng faftiger We* 
Ionen ober mehliger Bataten ju Warfte bringt. 

^oeb* fo feffefnb auch biefe ganje lanbfebdftlicbe Scenerie unb ihre lebenbe 


Staffage etfcbeittt, ben grofjartigften Slnbftd gewährt hoch immer bie ben £in* 
terglunb etfüHenbe Sette beS mächtigen ©ebirgStiefen bet Grbe, bet GorbilleraS 
be loS ÄlnbeS. Ungeheure, ftols übet einanbet gethürmte Waffen, eine uner* 



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mefiltdfe Garoebtfebreibmb, gtebeniuib am&origont (in. SRatt glaubt eine 
fRfefenfcewe-oot fi$ gu fe(tn, toel<(e hie ©tbe mit bau i©tmmel Berbinbet. Sit 
einjetnett Stufen triefet Kuppen gebäbet non gadigen gelblanten unb übet ein« 
anbet get(ä*mten öfefeh», triejkb in bet »unterbot Haxen Suft fdferf abbeben, 
bejeicbrnnebenfo nide, gänglid) Betriebene 8onen. Stuf btt niebtigften geigt 
fe# noch eine mannigfaltige SBalbbegetation ; (ß(et (inauf tohb bieftlbe itnmet 
faget unb berHhanuttet, bib St enbfctb Berfcbtmnbet; bann folgt bet nadtf 
$elf«n, unb an biefenriiefjtnfidj gulefct bie eangen ©äfdbet> bie Menbenb »eiben 
®Ietftbettoänbe, bie, Bora Dollem 8«(t betiSonne bedienen, einen ©lang ent« 
feiten, ben bab Singe nidbt gn ertragen Betmag. 

Sott, »* bie. Sllemebab btn Sajamat berübten, betrfät um Sonnenkulten« 
gang bab bicbtefte Sebränge. sing betStabt ergibt fn( ein unabfebbatetSRem« 
ftbenfttom, Stile? fucbtin bet abeablicbtn Änble, ittber.etfrifcbenben SJtife, bie 
um biefe 3e>t Don bet nidjt aügu fernen Seelüfte (erftberoebt, ©enufi unb 
Stbolungi Set SlnMid btt ßcrbtllere, fe&t Com Beilen Siebt bet Spnne. 
bedienen, ift unbefcbreiblitb praibtoott; bab gii$ett unb funtelt bort oben 
$ie eitel ©elb unb Siamanten, tuib febnftt<bt3op(l blidtbab Singe in bab «nee» 
raefjli<(e Stau beb.i&mmelb» btn alb föwatgen $&nit$en fübtbaten ßpnbotejt 
folget», bie in Schauten bie bbcbÜen ®totf(fce#fi)i(en uraheife» unb übet bteftl* 
ben biwoeg nach beit$amii4b. bet SablotaeStaaten, ja natb bet fernen ßprbii* 
lere ükafUienb ftoeifen, , 

3twf<ben®e(egenBon ftadjeligen Gacleenunb bet bpeitblättetigen Suna« 
leb, aufwelcbet bie SotbeniQefcbifelaub lebt, bet totclfamften aller ©nfrfebigun« 
gen, ba eb oäHig unmöglich fein mürbe, fie gu butchbtingen ober ohne befon« 
bete jrifefbmtifel gu überfteigen, gelangt man Bon jenem Sferi&nmgbbwuft beb 
' Sajamat unb bet SHemebab nadj einem öffentlichen ©arten, bet einen beträgt» 
Itcben Xbeil bet oergnügungbluftigen SRenge anjiebt. ©läfer Hingen unb lau« 
leb Stimmgetoftbl febaOt baraub (ert»r> oetmifcbt mit be» ©eHimper etli^et 
Subenb $atfe# unb ©ititatren unb bei» Äfappern bet begleitenden ßaftagnet« 
ten; aucb ©efang läftt feb rBetnebmen, männliche unb weibliche Stimmen fiu* 
gen in geräufchPeBem Sutcheinanber jene fcbmätneenftben unb nedifcben £«>* 
dben, wie fte bet Säfclänber fe fe(r liebt. 

: Sab Snmbftftd, ebemalb ber SBohnftb einet nach bet neuen 3Mt «hecgefie« 
beiten feanif^en Slbelbfamüie, wo* fpäter gu äBwtbf^aftbäipeden Berwietbet 
motben.- Sa.eb an bet Äreugung mehrererStsafien; gelegen Bar,führte.eö ben 
3Jamen Santa Gbguina. Set giewlicb auögebefmte ©arten ift nicht ebenmit 
grober Sunft angelegt. Sab bebarf eb auch bet Äunft, too ÜRuttet 3latur.,mit 
fo Berf<h»enberif<her gülle ft^afft ? Ueppige fRafenpläfge, befchattet Bon Betein« 
gelten Sßaltnen unb fcbön belaubten Salabäumen, bieten bet ilttenge ©elcgen« 
(eit, fi<b»eibli<hgu tunweis; Uebetalt fmb Sdnle xuib Siftbe angebracht, an 
t»ebben ben ©äffen, neben tJtücbten unb Saduert gum ^mbib,, ©blimonabe, 
Otangeabe unb Slguatbiente, Bon fiinfen ©(inomäbcben hebengt »itb. ^in 
unb toibev fmb Sieete mit buftenber Stebol, bet toilb mcubfenben Refeba bet 


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$fait$e> bie mttthrem mürsigenStrom tön Süft erfüllt. Hn flewtWöttrigert 
SWbttftenftrdudben, biervetemaelt auf^ bett »eetc« ftiblängelt fWb bfe 

prächtige passionaria, bie finnige $affton*blume, empor, berenßelcbe unab» 
läfftg vort bembeja flor, bto Söhiroenfitffer, rnie ber Heine fiabtbfcme ÄoBbri 
pcetifcb benannt mirb r umftbmätmt fmb< Sitten ber £a!abäume ftnb 
anverfdbiebenen Steden bes^tensfleine, mit btmten&rternen begangene 
Sühnen errubtet, auf benen Sänget urtb Sängerinnen unter ©itber» ober $ar* 
fenbegfeitung ihre Siebet fingen, ^ai|abore« (^ptbmfatoreh) gereimte ©rsäbtun» 
gen vertragen, ©außer ihre ^unftftütfe probuciren, ober ein Sänjerpaat unter 
©uitarrefpiel unb ©aftagnettengeKappet jene feurigen, hinteifjettben Sänje auf» 
fubrb mekbe bie anbaluftfdbe Dtace au« Sprtmenttadb ben ffibanterrtänif^en 
©otonieen Verpflanze, nacbbem fie urfprünglidb von jenem rätbfelbaften BUattm 
bet Statttiter, ber balb in SJfrila/tylb.tn Slften feine $eimatb Men foH> nach 
©uropai gebraut toorben mären* Sßkr biefe getJäufdbooden Unterbaltungen nicht 
liebt, bem bieten bte entlegenem ^artieen beS ^ar(en$ binlängBdben 9)mmt jU 
$tomeuaben ober §u Spielen in engerem ©efettfdbaftSfteife; $rttt<be$ätiben 
maitbel» %xm in 2lrm jtoifdben Zitronen» unb Oranat»©eftrcU«ben f unb mofctb 
bi<bt verklungenen Otanfen beSmilben äöetnftoäs buufle Sauben bilben> ba 
vernimmt man gleichfalls verliebtet Äofen unb, nedtifcheS ©eplauber. 

2 )o<fr nicht immer fmb es verliebte Ißätdben, bte fidb in biefen füllen ®e^ 
begen ber ©Squraa ergeben* Sort, wo baS untere ©nbe beS ©atfenS von ben 
gelben SBogen beS üütapacho befpült totrb, erbebt ft<b fteileS gelSgefteiw, fftöen* 
toetfe bidbt mit SUgarobufcben beroctthfen. Um Ufer beSjJluffeS, jebodb vom 
©ebüfcb fo voUftänbig verbeut, bah fein neugieriges Sluge fürsten ift, ge»- 
trabten mit ein fdtfameS $aar f baS in eifriger UnterbalWng begriffen ember* 
fcbreitet. $er ältere ber beiben Scanner, von bobet, magerer ©bfialt, trägt bte 
Äutteunb XonfutehteS SriefterS ; baS fchmale, abgejebrte @*fl<ht ift Von auf» 
faßenber jöläffe, erhält jeboch bur$ bie ftarf vorfpringenbe Sfelernafe unb bte 
givar fetten geöffneten, bann aber halb mit jugenbßdbet Sebbaiftigteit blifcenben, 
halb unheimlich lauernben ;2lugen einen 2lnSbeuc! geifhger Ueberlegenbeit, bet 
fub unmill!ürli<b ein Qeber beugen muh, Sein Begleiter ift mmbeftens uni 
jmanjig 3abre junger unb trägt bie Reibung eines ©aucho aus ben an bie 
©wbillere ftofjenben ^rovingen ber argentmtf$ert Staaten, ©in fptfcer giljbut 
mit breiter, niebergebogenet ürempe bebecft feinen Äopf; baS fdbtoarje, fd&fichte 
$aar fällt bis über benSftacfen bmmter. ©in meiter ^Vndbo Von buntem 
SBoBenffoff bängt um feine Schuitem, im ©ürtel ftecffc ein breites Keffer, unb 
bie braune Seberb^fe reicht nicht mettübet baS Unie, fo bab ber untere 5Lbeil beS 
deines unbebedt bleibt, mäbrenb bie ^ubbetleibung nach Hrt ber ^nbtaner aus 
bunten DJtocafftnS beftebt, bie mit Sdbnüren §ufammengebatten merben. S5er 
argenün^cbe ©audbo, bervorgegangcn aus einer IBetmtfd&üng emgetoanberter 
Slnbalufter mit ben eingeborenen gnbianerftärnmen, vereinigt ben Stoty unb 
unbänbigen ©btgei| beS ädbten ^ibalgo mit ber ttogebünbenbeit, bem SSanber» 
trieb unb ber Selbitgenügfamfeft be^SnbianserS ; er bält fkb für baS vottlom» 


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118 


menße febifdje ffiefen, et lennt -Jtiemanben über ß<h, tft energifch, letbenfd^aft^ 
lieh, impulßb, fonft freilich ohne jegliche ©Übung, aber auch ohne ©ebürfnijfe, 
unb glüdlidb in feiner $lrmutb» ©er junge Sftann an ber ©eite b'eS ©rießerS 
tragt butchmeg ben XppuS jene« eigenthümlichen ©tenfhenfchlagS. Sein ©e^ 
ß<ht, gehoben bureh ben gefb*bräunli<hen ©eint unb einen wobt gepflegten 
fchmgrgeu Schnurrbart, märe f#ön gu nennen, menn nicht SBHbheit unb unge« 
gügelte Seibenfchaft §u beutlicb barauf ausgeprägt mären. 2)aS hochfahtenbe 
-Sefen, melcheS ihm fonft eigen fein mag, tritt in ©egenmatt feines geistlichen 
Begleiters minbet gu Sage, ba ber ächte ©aucßo, ähnlich bem neapolitanifchen 
Sggjatoni, bem er auch nt mancher anberen ^inftcbt gleicht, ein ftrenger ©eob* 
achter religiofer formen ift unb ben ©rießer jjeber^ert mit großer ©hrerbietung 
behanbelt. 

„$)on ©Scobebo betrachtet fleh emig ^ls ©uren Schulbner, ebrmürbiger 
©ater", fagte ber ©aucho, ber bem ©rießer immer ben ©ortritt ließ unb nur 
mit gebeugtem Raupte gu ihm fprad?. „Sie taufenb ©ilberthaler, bie er bem 
heiligen Stifte de la compania gugemiefen, unb baS meitere Saufenb, melcheS 
er gu ©uret pcrfönlicßen ©erfügung geftellt, ftnb nur ein Heines 3ei<ben feiner 
©rlenntlichleit für ben großen Sienft ber ©ermittlung, ben 3h* ihm in feiner - 
^eiratßSangelegenheit bei ber heiligen ÜDtobonna geleiftet. ©rft am heutigen 
borgen, ehe er bie f<h&ne Seontica gurn Slltare führte, geftanb er mir offen, 
baß es ihm trofc all feiner *Hei<hthümer nie gelungen märe, biefe ©etle gu er* 
merben, menn nicht 3h* .. 

„Ser griebe ©ottcS unb bie ©nabe ber heiligen 3ungfrau fei mit ihm unb 
mit bit, mein ©ohn ©il ©ereg!" fiel ber ©rießer heftig ein. „SaS ich für 
Son ©Scobeb^thcd,'mürbe ich mich ffa leben frommen ©ohn ber ßireße gu thun 
berpßichtet führen." 

„©ang Santiago preift ©Ute grömmigleit, ©ner menfthenfreunblidjeS 
Sefen mie ©ute Sienftfertigleit, ehrmürbiger ©ater. Senn es fein fünbücheS 
©erlangen eines gang unmürbigen ©liebes unferer chrißlichen ©emeinfehaft 
märe, fo möchte ich mohl mißen, ©hrmfirbigßet, mie es ßch eigentlich be* 
giebt, baß 3ho bie (Such anbet trauten ©riefe ber heiligen 3ungfrau übermittelt 
unb beten Slntmorten barauf in ©mpfang nehmt ? ©rßheint ©u<h bie Rimmels* 
fönigin in fötperlicher ©eßalt, ober ßnb es auSermählte ©ngel ber himmlifchen 
$eerf<haaren, bie ©u<h ben ©erfeht mit ihr bermitteln ? " 

©il ©ereg, ber ©autho, fteßte biefe* grage im Sone gläubiger ©aibetät; 
gleichmohl lag etmaS in feinen Sorten, maS ben ©rießer mißtrauifch gu machen 
fdjien. ©inen Slugenblid bebedte ftch feine Stirn mit ßnßeren galten, bo<h 
fchon im nächßen mar ße miebet geglättet, *unb baS gemöhnliche milbe Sächeln 
fchmebte um feine Sippen. 

„$aS ßnb ÜWpßeriew, mein ©ohn, bie nur bem gemeinen Wiener ©otteS 
offenbart merben Iönnen", berfeßte ber ©ater. 

„So baCht’ tch’S mir, unb nur mein Unberftanb ließ mich eine folche 
grage an ©u<h richten", ermiberte ber ©aucho entßhulbigenb. 




„Sott etmaS Anberent, ©tl SPetej", begann bet Später,' fchetnbat gleichgül* 
tig, nach furjer Spaufe. „ßennft 2 )u bie neue SBallerina, bie feit einer 2 Bo<he 
bißt in ber ©Squina tanjt, unb erft feit äußern non ©opiapo unb SBalparaifo 
herüber !am ?" ; : 

©il $ere§ finalste mit ber Suttge. „$ie fd&one Spepa meint ehr* 
toürbiger Spater, bie allen ©aballeroS bie ßöpfe berbrebt?" 

„SMefelbe, mein Sohn." 

„3<h hörte non ihrer Schönheit unb bube mich mit biefen meinen Auger 
überzeugt, baji man eher gu menig als §u biel non ibr gefagt." 

„ 3 $ meine, ob fte $ir non früher her belannt, ob 3)u fte in deiner §eU 
matb fcbon gefeben." 

„spepa ? — 3 <h ? — Sn meiner £eiinatb ?" 

„SRun ja, fte ift, mie 2 )u,' ein fiinb ber SpampaS jenfeit* ber Anben." 

„©efegnet fei ©ure 2Bi{fenfchaft, ©brmürbigfter!" tief ber ©aucho mit einem 
Aufleuchten feiner bellen Augen. „diamanten unb sperlen giebt es nur brühen 
in ber Argentina!" ' 

„2)ie Heine 2anb£mdnnin fcheint deinem ßerjen gefährlich ju merben, ©il," 

r ,S<h fab fte beute jum erften ÜDtat. 3bt Antlifc ift bimmlifch fchön mie 
ba§ unferer Atabonna be loS ©bacraS; ihre Söemegungen ftnb gierlidb mie bie 
ber Antilope oben in ben bergen, 6 ie mu& caftilif^eS Sölut in ihren Aberrt 
haben, fonft fönnte fte fo nicht tanken," 

„Ueber ihrer £erfunft fchmebt ein ©ebeimnife", berfefcte ber ^rieftet, „ 2 )ie 
alte grau, melche fte ju ©achicuco in ber ^roninj ©atatttarca erjog, mar nicht 
ihre Atutter. Sbre ©Item bat fte nie gelannt, hoch ging in ihrer §eimatb ein 
©erücbt, bafc ihr SBater. ein reicher angefebener Atann fei, ber jenfeitS ber ©on* 
filiere lebe. Sie manberte nach ©bili herüber, um eine Spur ihrer ©Item gu 
finbett. Seit brei Atonaten burchjiebt fte als £anjerin baS 2anb, ohne ihren 
3 med erteilen §u fömten." 

„$ie arme SöaKerina! Sie hätte ft<h baS borbet überlegen füllen. Reiche 
©Item, bie ftch ihrer ßinber einmal entäufjert, ftnb gemöbnlich febr fchmer 
5 u finben," 

„SBenigftenS bebarf eS baju eines lunbigen gübretS. 35BaS meinft $u, 
mein Sohn, menn S)u biefen Amt übemdbmft?" 

„3<h/ ebrmürbigfter spater? SBeifj ich hoch bon ben Sßerbdltniffen ber 
fchonen Spepa noch biel meniger als fte felbet." 

f „25u mei&t in biefem Augcnblid mehr babon als irgenb ein Atenfch in, 
ganj Santiago. ©S mirb binreichen, -Sich bei bem Aidbchen einjufübren, S)ir 
ihr SBertrauen ju ermerben; bann — hoch bift S)u nicht ©il sperej, bet 
fd&mucfefte imb gemanbtefte SJurfch im &bal bon Sßalparaifb, bem alle Atabchen* 
perjen jufliegen? brauche ich $ir Unterricht ju erteilen, mie man eine fchmude 
$ime geminnt?" 

„3)ie retjenbe SBaHerina mein? ^eilige Atutter ©ottteS! SEBclch ein 
©ebanle!" 





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120 


„9hm, nun, erförid nur md&t, mem 3Nnge", fugte ber Hefter lädhelnb. 
„SBarurn nicht bein fo gut rote eines 2lnberen?" 

„$>aS ift mahr, ^rroftrbigfter", entgegnete ber ©au<ho. „$ie prächtigfte 
SRofe ber Sßrairie roirb gepflüdt, um einen Vufen au fchmüden; roarum follte 
b i e f e fRofe nicht an meiner Vruft ihren Sfttft aushauchen ?" 

„Siehft $u, baS ift vernünftig gebaut, mie es ber munteren, leben Sfrifchen 
gugenb geaiemt. 3)u wirft 3)ir bie toftbarfte $erle erringen unb unferer heiligen 
Kirche einett groben $)ienft leiften, ber nicht unbelotmt bleiben füll. 3^eihun- 
bert Silberthaler ftnb bein, wenn bu mir, eb $epa bon hier fcheibet, 2lÖeS*mit* 
.tbeilen fannft, toaS iht fetber über baS©eheimnifnhrer©eburt befannt'ift. SGöir 
Veibe, benP ich, ftnb bann fchon im Stanbe, bie »eiteren SRa$forfdmngen mit 
befferem Erfolg au betreiben, als baS dritte, in biefem Sanbe fcinfam ftebenbe $inb." 

„£opp! 3h* füllt, tote immer, mit mir aufrieben fein!'' rief bet junge 
©audjo, in bie ihn bargebotene §anb beS ^riefterS einfchlagenb. „3<h tann Cud? 
fagen, ehrmürbigfter $ater, bafj ich mich noch leinem Curer Aufträge mit 
fold&er ^erjenSfreube, freilich auch mit fotcher gurcht, unterjogen habe. 3<b tonnte 
Unglüd haben, unb bann — maS mürbe auS meinem £eraen? S)ie Ballerina 
foE fo fpröbe unb fittfam fein, mie fte fchört ift. 3n ber Ergentina roerfen ftch 
bie 3Ädbdhcn nicht fo bem erften Veften entgegen, mie biefe leichtfertigen 
Chileninnen." ' 

„Vift S)u ber Crfte, fo bift 2)u auch ber 23eftc, ©it", entgegnete ber $ater. 
„3<h baute (Such, Chrmürbigfter, für Cure gute ÜJteinnng. 3BaS an mir 
liegt, »erbe ich fie ju rechtfertigen fudhen. 9tur CineS labt mich noch fragent 
mürben mir nicht rafcher unb ftcherer jum 3iele fommeiv roenn mir Veibe oeretnt 
bem 3Jtäb<hen unfern S<hufc unb unfere £ülfe*antrügen? Cuer heiliger Veruf, 
Cure erhabene Stellung mürbe ihr fogleich Vertrauen einflöfien, fte mürbe uns 
ohne fRüdhalt 2Ule3 mtttheilen, maS 3h* au miffen münfeht" 

„$aS ift mieber einer beiner naioen Cinfälle, ©il", fagte ber $riefter unb 
unterbrüdte mit 2Rühe ein Sach ein, meines über feine mürbebolle Sbtiene flog. 
„SöoUte ich baS, fo mürbe ich beiner Vermittelung iaurn bebürfen, obmohl ich 
S)ir gern einräume, bab 5)u ganj ber 2Jtann bift, um einem fchönen ÜÄdbchen 
alle feine ©eheimniffe ju entloden. Cben meine Stellung erlaubt mir nicht, 
offen als $epa’S Vefchüper aufjutreten, fo fehr mich ment bäterlicheS £er$ baju 
treibt. Sie hat bie heilige 2ftabonna burch Vermittlung unferer fiirdhe um einen 
aufrichtigen greunb in biefem fremben Sanbe angefleht, unb mirb 3)i<b als folgen 
gern empfangen, mährenb mein perfönlicheS $erbortreten fte bedngftigen, ihr 
bielleicht felbft üRijjtrauen einftöfjen möchte. Um 2>ir ihr bolleS Vertrauen au er- 
merben, mirb es genügen, menn S)u ihrSllleS erjahlft, maS ich 5)it borhin über 
fte mittheilte, unb hingufügft, bie Vtutter ©otteS habe es $tr im Traume offen¬ 
bart." 

„2Birb mir bie ©ebenebeite biefe 2üge beleihen tonnen V" 

„$u rebeft bie Wahrheit, ©il $erea, benn fte offenbürt eS Xit burch wei¬ 
nen übiunb." ' i 1 




121 


„So ifnte i$ nfl<b Surent fflefebl, ©brwürbigftet." 

„3)c^ ^immete ©egen tregleitcr S)i^ wein 

Set Sßater ftredte beibe|>dnbe and un» wanbte fidb feitw&rtl tn’l ©ebüfdb, 
W 0 ein tteinel, nicht »etfdbleffenel ^örtdben aul betn ©arten nadb bem Sajamar 
führte. Sa bie Sdmmerung mittlerweile »oüftänbig berewqebrodhen, tonnte er 
p<b branfien anf »en belebteren ©egen, ben eiden, ber SBorübergebenben leidet 
entheben* Audbber junge ©andbo »erweilte nicht langer in # ber ©nfamfeit 
§tüif<ben ben tablen gellwdnben. 1 Stuf fdbmalen Sßfaben, bie non ben 23efucbem 
bei ©artenl feiten -betreten würben, teerte er nadb bem »orberen Sbe.il ber 
(Slquifia jurfid, »on wo bal laute ©ummea unb luftige ftuben ber Stenge, »er** 
»ifdjt mit ©itbetttang unb (kftagnettenfcball, an fein Dbr fdblug, unb bie im 
bunflen ©tön ber ©itronen unb ©ranatbüfdbe fdjimmernben bunten fiaternen 
ihm entgegenleucbteten. 4 

2. Sal Sallet. 

$or ber Tribüne, auf weldber ein Sänjerpaar bie (Sadhuca unb ben SBofero 
aulfübrte, brdngte fidb faft bie gan|e in ber ßlquina »erfammelte Oftenge. Ser 
San| ift ber bödhfte ©enufc, bie liebfte ©bolung bei Chilenen, wie bei ©üb* 
amerifanerl überhaupt, ©al im angelfädbftfd&en korben bie ßunft ber Aebe 
unb bei münbUdhen SBortragl, bal ift im romanifd^en ©üben bie bei San|el. 
Ser kaltblütige Aorbldnber bebarf ber ©orte, um feinen ©mpftnbungen unb 
$)een Aulbrud |u »erleiben, ber leibenfdbaftlidbe ©üblänber |iebt bie ©pradfje 
berAttmit unb rbptbntif eben ©lieberbewegungen »or; ein trefflidberSan|er ift für 
Settern in bemfelben ©rabe ©egenftanb ber Sewunberung unb Aul|ei<b* 
mmg, wie für (öfteren ein grober Oiebner. ^olitifdhe Agitationen werben im 
Aorben butdb bie ÜDtadbt bei ©ortel ber»orgerufen, im ©üben wedt unb nährt 
fle ber £an$, ber unter Umftänben ebenfo wobl aufregenb unb entflammenb, wie 
erbeiternb unb befebwidfotigenb wirten tann. 3fn ben fpanifdben [Republifen 
Sübamerital ift febon mehr benn eine Dtootution — berbei getanjt worben. 

2Bennjugenblidbe©dbönbeitunb Anmutb,*>erbunbenmit bödhfter gertigteit, eine 
toir!li(b »oUenbete Seiftung in ber ßunft belSanjel erbeten, lenntbal @nt|üden 
bei Sübameritanerl teine ©ren|en. Sal war gan| entfliehen bei $epita ber gatt, 
bie feit a<bt Sagen bie Glquina |um ©djaupla» ihrer Sriumpbe gemalt unb fid? 
in ebenfo hohem ©rabe bie ©unft ber ©aoaliere erworben, wie bie ®ewunbe* 
tung, »ieüeidbt audb ben ftillen ÜReib ber ©ennorital erregt. Pepita, ein ©ngel 
an 2iebrei|, »on jener mabonnenbaften SRegelmäpigfeit ber Qtyt nnb buntein 
©lutb ber »on langen, feibenartigen ©impern überfebatteten Augen, wie fte faft 
nur hn fpanifdben Amertfa »ortommt, tanjte mit einer ©rajie unb ©efdbidlid^ 
ttit, bie felbft in bem an trefflid)e Sanier gewöhnten ©antiage Auffeben erregen 
®«*bte. Sabel war bal Söenebmen bei jungen SOtdbdbenl in hohem ©rabe 
anfpredbenb unb burdb eine in ihrem ©tanbe feltene ©efdbeibenbeit unb ©itt* 
fwntcit gewinnen»; über Ihr ganjel ffiefen war bei aller greunblicbfeit unb 






122 


unfchulbigen Äofetterie eine hohe SBürbe, eine fo dcht meibliche 3artheit aus* 
gebreitet, bah felbft bie bornehmen jungen 2Rou6S ber Stabt, melche eine 93al* 
lerina jebergeit als leichte 93eute betrachteten, fcheu bor ihr gurüdmichen unb fte 
nicht burch ihre 3ubringli<hfeit gu beläftigen magten. . Sßepita hatte in ber tut* 
gen fjrift bon acht Sagen Santiago im Ȋhren Sinne beS SEBorteS erobert* * 

SaS 93aUet nahte feinem ©nbe. SHafcher mürben bie Saiten ber ©uitarren 
gefchlagen, lauter fchallten bie ©aftqgnetten, fchneller unb immer fhneller brehte 
fich baS Sängerpaar. Sie Ballerina geigte feine Spur bon ©rmübung, ihre 
Söemegungen maren noch eben fo behenb unb gefchmeibig mie beim Söeginn beS 
Sanges, mährenb ihr ©efährte unbertennbare 3e«fcen bon ©rfchlaffung ber* 
rieth; er mar ber Aufgabe, einer folgen ÜDteifterin berfiunft gu fecunbiren, 
offenbar ijicht gemachten* $lö(jli<h lieh ftch ber Sänger auf ein finie nieber, 
marf ben £opf gurüd unb richtete feine feurigen iöliefe auf bie ©allerina, bie 
auf ben äufjerften Spieen ihrer nieblichen güfjhen mie eine ©Ife naher fchmebte 
unb, bon ben ©luthbltden beftridt, ftch über ben Sänger neigte, ber fogleich ihre 
SaiUe umfehtang unb fte feberleicht in bie $öhe fchneUte, um fte für einige ÜBti* 
nuten fdjmebenb über feinem Raupte empor gu halten. ©uitarren unb ©aftag* 
netten fchlugen furge, fräftige Slccorbe, bie Sänger fprangen auf baS $obium, 
berneigten ftch bor bem in bonnemben SöeifellSftunn auSbrechenben $Publifum 
unb eilten bann hinter bie im $intergrunb auSgefpannte ©arbine. 

Samit mar ingmifchen baS ©efchäft ber Sänger noch nicht erlebigt* Ser 
für fte gerttbe michtigfte 2lft folgte noch nach: fte muhten baS Honorar für ihre 
taftleiffungen bon ben 3«f<hauern in eigener $erfon erheben* ©inen Slugett* 
blief fpäter erfchieu bie reigenbe Ballerina am 5lrm ihres Sängers mitten unter 
ber üUtenge, in ber #anb ein aus $almblättern gierlich geflochtenes Körbchen 
tragenb, meines gur Aufnahme ber Spenben beftimmt mar* 2Jttt güchtig gu 
Söoben gefchlagenen 23liden fchmebte fte über ben ebenen Jftafenplan babin, unb 
bon allen Seiten regnete es Heine Äupfermüngen in ihr Körbchen, baS halb fo 
ferner mar, bah ih? Begleiter feine £anb unterfchteben unb ihr beim Sragen 
beffelben behülflich fein muhte. 3efct ftanb fte neben ©il Sßereg, bem ©aucho, 
ber noch rechtgeitig erfchienen mar, um ben Schluh beS $3aUetS mit angufehen. 
Saftig fuhr er in bie Safche unb marf baS erfte fernere Silberfiücf unter ben 
Raufen Äupfermünge* Sie Ballerina erröthete unb tonnte nicht umhin, bem 
©eber einen S3lid aus ihren munberbollen Slugen gu fchenlen. 

„Sanfe, Sennor!" flüfterte fte, ftch leicht berneigenb. „SKabomta lohne 
©ure ©rohmuth l" 

„9ln mir ift'S, ihr gu banten, bah fte mir auf frembem $8oben bie herrlichfte 
SHofe unferer heimifchen SßatnpaS entgegen fproffen lieh", berfefcte ©il Sßereg, 
bie Sippen bi<ht an ihrem Ohr* r/ $eif unferer Hrgentina!" 

„2Boher miht 3hr, Sennor, bah bort meine £eimath ift?" fragte baS 
2Jtäb<hen bermunbert. 

„3<h meij* ™<h wehr, W ne $ e b a / un b toiH es 2)ir fugen, menn Su 


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123 


mit geftatfeP, Sich heute Slbetib aüf bem Heimwege bon Santa GSquina nach 
ber Stabt ju begleiten." 

„3hr feib mein SanbSmann — um bie neunte Stunbe werbe ich Guter bat* 
ren", fchloft bie Sänserin bie fuqe Unterhaltung, welche m bem allgemeinen 
Gebränge unb bei bet fdfton »eit borgefdjrittenen Sämmerung laum bemetft 
würbe. 

Pepita fdbritt weiter, unb überall öffneten ft<b willig bie Sötfett, um ihrer 
Schönheit unb fiunftfertiglect einen Keinen Tribut $u sotten. 

Unter ber fchauluftigen Stenge hatten fuh swei nach eutopäifebem Schnitt 
gelleibete Herren befunben, bie fich auch in ihrem ganjen SBefen leicht als 2luS= 
länber ertennen liefen. Ser Gine, ein auffattenb fchöner junger Stann bon 
faum 25 fahren, war bem £anj mit lebenbigfter Sheilnaftme unb unauSgefeft* 
ter Bufmerffamleit gefolgt, bie fleh in ben lauten Seifattsfpenben unb entftupa* 
ftifchen StuSrufen su erlennen gab; ber Slnbere, wohl um mehr als jehn gahte 
älter unb fchon in feinem Keupern bonetwa&trocfenem, fchulmeifterlichem 9luS* 
feften, theilte wohl biefe Segeifterung nicht, harrte aber um feines greunbeS 
willen gebulbig aus unb hatte fehr facftlunbig hinter feinen großen runben 
Srillengtäfern nach ber Sühne hinübergefchaut, als ob er ben Seiftungen ber 
tanjer eine recht ausführliche unb funftgelehrte ßriti! ju wibmen beabfuhtige. 
Einige Stale hatte fleh atterbingS fein etwas grober Stunb geöffnet, freilich nicht 
8 u SeifattSfpenben unb Sobpreifungen, fonbern sum—©ahnen, eine Bnwanb* 
lung, bie er jebodft ftets gewiffenhaft unterbrüäte, um nicht etwa bei feinem Se* 
gleiter ober ber fonftigen Umgebung Bnftoft su erregen 

geftt näherte p<h bie SaHerina mit ihrem Körbchen ben beiben gremben. 
Ser güngere*berfelben griff haftig in feine Safche unb 50 g eine wohl gefußte 
Sörfe herbor. „Solche Jtunft berbient golbenen Söhnt" rief er begeiftert. 
„ffienn biefeS reijenbe ßinb auf ben Sühnen europäifcher §auptftäbte tanste, 
würbe man leinen $reis für ihre Seiftungen su hoch pnben." 

Gin glänsenbeS ©olbftüd flog in baS ßörbchen unb fchimmerte beim Sicht 
bet bunten Satemen hell unter ben fiupfermüjnsen herbot. Sie Sänserin hatte 
bie reiche ©abe fogleich wahrgenommen unb bemeigte ftch bor bem. ©eher. 
„Sanle — 0 baute, Seintor Gabattero!" flöfteute fte. 2llS fte jeftt bie großen 
Bugen auffchlug unb ihr leuchtenber Sli<J auf ben jungen gremben fiel, er* 
bleichte pe plöftlich, ihre Hänbe begannen su jittern unb eine Shtäne perlte in 
ben langen SBhnpem.* 

„GS ift su biel, Sennor Gabattero!" hauchte fte mit ber liebttchften, füfteften 
Stimme, bie wie <£tlberKang an baS Ohr beS gremben fchlug. 

„Glicht su biel, ntein Äinb", berfe^te biefer rafch, unb mit einem Slccent, ber 
gleich berrieth, bap bie fpgnifche Sprache ni<£t feine Stutterfprache war. „geh 
Würbe alle Schäfte beiber Hemisphären su Seinen güpen nieberlegen, wenn fte 
mir sur Verfügung ftänben. Su fottteft auf ber Sühne, in ben Sempeln ber 
fiunp Seine ©efchidlichfeit ^ctgen, nicht hier unter freiem Himmel unb bor ber 
gropen Stenge, bie folche Sorsüge nicht su würbigen weift." _ 



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„®feto fohht mir teidhfldh u«tb überhatfft mich mit SBemeifen beS SBohte 
wolIenS", »erfebte fte, unb ihre Stimme ftang habet fdhßchtem unb ängfUidh. 
„$kv W mich heimifdh unb tarnt tanjpn, wieldheS von gugenb auf that; 
für bie gldngenben [Raume, »on betten 3ftt fpredht, Senhor GabaKeto, wütbe 
tdh Wenig’paffem" 

„$u toärft eine 3ferbe für fte, mein ßinb, unb glaub’ es mir, Su 
wohl, einen Vetfucb ju wagen.* 

Sie VaUerina fchüttelte »erlegen baS ßöpfdhen unb »erneigte ft<h aber* 
rnalS, 3hr Begleiter führte fte weiter. 

„ültein ©ott, welche Sattheit! Welcher Siebreij!" rief ber junge SUtann, 
bieSmal in beutfdher Spraye. ,,©n fo herrliches SBefen gebeizt nur unter biefem 
glücfltchen $imtnel!" 

„Saturn beeilten Sie ftdh auch fo febr, ju ihm gurücfgufehren", »erfefcte fein 
älterer begleitet. „SüleS in JUlem: ich bin herzlich froh, baß Sie wieber bet 
uns ftnb, lieber $err Jammer, 3hre flinle gebet hat uns in ben lebten gehn 
2Jtonaten gar fehr auf bem Gomptoir gefehlt. 3<h bi» wohl in ben Vmhern u»b, 
auf ben SBaarenfpeichew giemlich babeim, bie Gorrefponbeng aber war immer 
meine fdjwadhe Seite. Sen beiben anberen jungen fetten will’« auch nicht re$t 
fliegen; fo lag benn baS ©efchaft nothwenbig banieber. Renten fte ft<h: feit, 
acht 2öo<hen ftnb circa hunbert Säcfe Qnbigo, gpecacuanha unb 2Uoe auf Saget, 
ohne baß eS mir möglich gewefen, ( fie einer genauen 3»fpection gu unter* 
werfen." 

„£abenSie fie früher fdhongefehen?" fragte bet 2lnbere, beffenSlugen un* 
»erwanbt ber bitrdh bie SDtenge Wanbelnben Ballerina folgten. « * 

„Gh fie auf Säger fame*? behüte, $err Jammer, bie Staaten würben 
»on unfern Agenten aufgelauft unb hatten eigentlich fthon weiter fpebirt werben 
follen, wenn es nicht fo fehr an 3«it unb Rauben fehlte.'' 

„Vefter üftagel, Sie reben »on SBaaren unb ©efdjäften — unb ich habe 
feinen Sinn bafür! Silur biefen einen Sag gönnen Sie mir hoch, ben meiner 
SHüdfehr nach gehnmonatlicher Slbwefenheit in ber alten $eimath; morgen ar* 
beiten wir wieber gufammen im Gomptoir unb auf ben Speichern, unb bann 
foH e§ mit bem :3nbigo, ber gpecacuanha unb was Sie fonft an ähnlichen guten 
Singen aufgehäuft haben, fdhon in Orbnung fommen. Semerften Sie nicht, baß 
baS reigenbe $inb bei meirfem 2lnblid einigermaßen in* Verwirrung gerieth? 
2BaS mag fte nur fo erfchrecft haben?" # 

„Solche Verfonen haben mitunter fein gutes ©ewiffen", »erfefcte ber ©e* 
fdhäftSmann trocfen. 

„3<h bitte Sie, SHagel, welch ein Argwohn! Sie Unfd&ulb felber, unh 
fein gutes ©ewiffen l" 

„GmtUnfdhulb, bie fdhon wdhrenb beS SangeS ein SCuge auf Sie geworfen 
unb unabläfftg nach bem .Vtafce herüberfdhielte, wo wir Jtanben." 

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125 


„glauben fyabtn?“ 

* „ES war offenbar genug. Sie haben ein unmenfdhlabßS @JU bei ben 
©eibeta, fittv Watjtncr. 3ßSSie meggingen, fefcte es Sommer unb £h*£nen, 
imb läum lehren Bk §urü<f, fe ftöegeu Qhne» audh bic ^erjen f&an mie* 
* ber au." .- 

„gaumtet imb tränen? Sie fd&et^en mohl, 3tagel? Sie Einige, bie ba* 
malS um n&b meinen fofiie,, blieb febt ruhig unb gleichmütig, mieSiemtr 
felber brieflich mittheilten." 

„ES ift mähr, i<b habe nicht gebölt, bajj fleh gerabe Scnnora ßeontica, Don 
bet Sie boefy mobl reben, attaufebr gebannt batte", ermiberte 9togeJ> inbem et 
etwgS oerlegen {eine Wanb$ rieb unb fi<h mit bem Safchentiuh übet bie Stirn 
wifebt# 

. >,Uttb bo<h liebt fte mich mäht unb treu, mennfte es auch bamals nicht 
wagte, ihren Empftnbungen SluSbrutf gu oerleihen!" rief ber junge Kaufmann 
mit ftrablenben Slugen unb im Sone unerfc$uiterli<hen iBertrauenS. 

„Sie grauen fmb mettermenbifdh, $err Jammer, hüten Sie ftcb, irgenb 
®ner biefeS gefährlichen Q5ei<SIeibtäÄBiiinteI Vertrauen au fchenlen." 

„Waben Sie fchlimme Erfahrungen gemalt, Sftagel?" 

„3<b ? O nein, maS follte aus unferer hieftgen Eommanbite ber hodjacht* 
baren girma WanuteVSäng Serbin, wenn iih auch noch anfangen 

wollte, folche Erfahrungen ju madhen ? -Kein,, nein — ich lümmere mich nicht 

um begleichen — eS liegt nicht in meiner EefchdftSlinie-Sie miffen, 

§err Jammer, i<b bin nun einmal ein erjptofaifcher 2Renfch, tote Sie immer ju 
fagen beliebten — unb eben beShatb . . . ." 

„Sinb Sie hoch eine braoe, treue Stele — ein aufrichtiger greunb, oor 
bem ich leine ©eheimniffe habe, unb ber alle meine $ldne für bie gulunft fennen 
fol flommertSie, 9tdgel, fefcen mir mtS bort gemftthlich bei einer glafche SBein 
jufammen. SBennman.ftcb fo lange nicht gef eben, giebt eS mancherlei au erzählen 
unbmit3Uthetlen, ma§ nicht’gerabe ftreng aumEtefchäft gehört unb tooju auf ben 
Seberftühlen be3 Ebmutote, stotfehen Sroguc^ unb Eolonialmaaren, laum ber 
geeignete $la$ mare. Es geht nichts übet einen gemütlichen WeraenSergufj bei 
einet glafche perlenben SBeineS. SaS 'bleibt in allen Seiten unb unter allen 
WimmelSftrichen mahr, abfonberlich aber unter uns Seutfchen, mo mit auch 
»eile» mögen." 

WertWatraner, ber juttge Äaufman», fcfctitt Ooran, fein greunb Stagel 
folgte ibm r aüerbingS etmaS ^ögemb unb mit einer gemiffen Slengftlkhteit in 
feiner SRiene, bie -au bet ftöbiiehen Umgebung, mte §u ber«forglofen Weiterleit 
beSi SInbere» i» feltfamem Eontraft * ftanb. Unter einer mit golbgelbeu grüchten 
belabeneu Eitronenhede, etmaS abfeits non bem; freien auf meinem ftch 
bit SÄeiigß' tummelte,* mar ein Sifch fret geblieben, Wammer fchritt ?af<h batauf 
|u unb nahm , auf ber aus rohen Brettern glimmerten S3anllßla$, inbem < er 
feinen Segleüer einlub, baffribe p thun* iEin 2lufmdtter eito fogleidh mit amei 



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126 


bunten Samten herbei, bie auf ben Sijcb ^ingeftellt mürben, unb erhielt ben 
Auftrag, eine glafd?e GbaiWaanw gu bringen, Sie Herren günbeten fidb Gigat* 
ren an, unb balb {(bäumte ber Saft ber gallifcben SRebe in b^n hoben Stangen» 
gläfern, bie gu feiner Aufnahme unter allen $immellftricben unb in allen 2Mt» 
tbeilen gleidbmäjjig benujjt merben. ^ 

SRagel erhob bal gefüllte ©lal mit einer gemiffen geierKdbfeit unb braute, 
inbem er ftch gegen feinen jungen Begleiter refpeftootl »emeigte, mit falbungl* 
»oller Stimme ben Soaft aul: 

„Sb^er glüdlidben AKeberlebr, $err Jammer, fomie %hxtx Aufnahme in 
bie bo<ba<btbare girma. Sang' lebe Jammer, Sung u. Gornp!" - 

„Unb möge el meinem madeten greunbe Aagel not) für minbeftenl ein 
balbel gabrbunbert »ergönnt fein, biefer bo<ba<btbaren girma ben mabifn £alt 
gu »erleiben!" ftimmte ber junge Kaufmann ein, unb Beibe leerten ihre 
©läfer. 

(gortfefcung folgt.) 


$it lOüfte uni> ifjrc #affn. 

JBon &l€t0t <£rttfl. 


(SMit Benufcung einer frangöjtfäen föeifebefcbreibung »on Gbartel OTartin.) 

Sie SBüfte Sabara ift »on Orientalen mit einer Sßantberbaut »erglitben 
morben. Sein auf bal äußerere ©rfdbeinen baflrtcr Bergleid? tönnte treffenber 
gemäblt fein, ©elb ift ber Sanb ber SBüfte, unb bie Oafen bilben bie fdjmargen 
glede, benn im Vergleich gu bem im Sonnenftrabl glibemben Sanbe erf(beint 
bal buntle ©rün ber Halmen all tiefel Sdbmarg. *9Ran fteHt fi<b bie Sabara 
im Allgemeinen all eine monotone glädbe »or, auf ber man »or Sangermeile 
fterben tönnte. Aber bie 2Jton$onie ift nur eine febeinbare; bem Sentenben 
bietet fid? felft im SBüftenfanbe »ollauf Stoff gur anregenben Beföäftigurig bei 
©eiftel. 

2 ßie ift bie SBüfte entfianben ? 2Bar biefe ungeheure ©inöbe, über ber 
ein glu<b gu ruhen fdbeint, »om Anbeginn bal, mal fte jefct ift? ASeit gefehlt. 
Sa, mo jefct bie Sürre »orberrfdjenb ift, übte einft bal A5ajfer bal alleinige 
Regiment, (Sl gab bamall nidjt eine Sßüfte Sahara, fonbern einen Sabari* 
fd&en Ateerbufen, mo jejjt ber glugfanb »om AMnbe bin» unbj&ergetriebenmirb, 
tbürmten ftch bie ASogen, me(bfelte bal barmonifebe Spiel »on (Ebbe unb glutb, 
unb mo jefct bal böderige „Schiff ber Aföfte", bal Sameel, feine Saften trägt, 
tummelten ft<b muntere Selpbine, 

Sie ftattgefunbene Bertoanblung ift ein geologifcbel ©rrignih »erbältnifc 


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127 


mäßig neuen SatumS, launt hunberi Saufenb 34 « her, obgleich fußallerbingä 
ber Seitpunlt nicht genau beftimmen lägt. Ser »ibelgläubige möge fuß baburcß 
ni<^t Berftimmen laßen; bie ffiiffenfchaft bat ja.längft mit ben fecßstaufenb Saß« 
ren ber SBettef iftenj unb ben geben Sagen ber Schöpfung furzen »rozeß gemacht. 
Sie Sahara war ein ©olf beS »littellänbifchen »leeres; noch je|t ßnbet man 
auf ihrem Sanbe ju »lillionen bie Staaten berfelben »lufcheltßiere, welche baS 
»littelmeer aulwirft, unb ber »oben ift überall Born Seefalz getränft, ja ein 
großer Shell zeigt biefelben gppö« unb tallarti'gen »blagerungen, welche man 
nach beh chemifchen »eftanbtßeilen beS SeemafferS am »leeteSgrunb BorauS« 
feßen muß. ©inen fdharf abgegrenzten Sheil berSBüfte, baS fogenannte »lateau, 
bebedt eine bide, aus biefen Subftanjen gebilbete Prüfte, welche unter bem Sritt 
ber »ferbe unb ßameele tönt als befänbe fuh ein Hbgrunb barunter. Sie 
Saljfeen ober fogenannten „Schotten" fmb bie Ueberrefte beS ehemaligen ©olfs. 
Unter bem »ioeau beS »littellänbifchen »leeres Kegenb, erftreden fte fidß mit 
Unterbrechungen bis bicht jum ©olf Bon ©abeS, an ber Sunefifchen Äüffe. 
SBürbe ber bort beßnbliche fchmale SftßmuS burcßbrochen, fo träte baS Sffiaffer 
.wieber in feine früheren »echte, unb bie SEBüfte märe wieberum ein »leer. SaS- 
»erfchminben beS Seßtern läßt fuß übrigens leicht erftären. Unjäßlige glüffe, bie 
fleh jeßt im Sanbe Berlieren, ftrömten Dom ©ebirg herab unb führten Sanb», 
Äal!=, ©ppS* unb fiiefelmajfen mit fuh. Siefe lagerten ft<h an ber »lünbung beS 
• »teerbufenS ab unb es entftanb baburdj eine »atre, welche fuh immer Bergrö« 
ßerte unb zuleßt bie SBirlung non ©bbe unb glutf) hemmte. So bilbete geh ber 
oben erwähnte 3ßh»nuS. Sowie ber ©olf leinen Sufluß mehr Born »leere er* 
hielt, mußte er immer flacher werben. Sie ©ebirge ftnb nur butch eijten Keinen 
Sheil bei 3aßreS mit Schnee bebedt, unb lonnten leine genügende SBaffermaffe 
liefern um bem fortwährenben »erbampfen unter ber aftilanifdhen Sonne butch 
immer neuen Sufluß entgegenjuwirlen. Schon bieS erllärt baS »ßänomen, 
.ohne baß man auch noch eine anbere Urfache herbeijujiehen braucht, welche Biel« 
leicht gleichfalls thätig wdr. SBir meinen bie allmälige §ebung beS »oben®, 
wofür eS in ber Gegenwart ein »eifpiet giebt. Seit Saßtßunberten ergeben bie 
Sonberungen eine fortwäßrenbe »erfladjung beS»othnifcßen»leerbufenS, b. h. 
eine allmälige, ununterbrochen fortfehreitenbe ©tßößung feines ©runbeS. Ser 
3eitraum läßt fuh mit ziemlicher Sicherheit berechnen, nah beffen Slbtauf eS 
leinen »otßnifcßen »leetbufen mehr geben wirb. GS wirb ft<h alSbann zwifchen 
Schwöen unbginnlanb eiue nörblicße Saßora erftreden, eine ungeheure Steppe 
wirb Stodholm Bon Sornea trennen, unb bie jeßigen SllanbSinfeln werben als 
oereinjelte »erge zwifchen ber ehemaligen fcanbinaBifcßen ^albinfel unb bem euro« 
päifchen©ontinent'erfcheinen. $ätte.ber2ltlaS bie.§öbe bet »tpen ober beS^ima« 
lapa, fo würbe er ewig ©letfcßer unb Schnee auf feinen Häuptern tragen, Ströme 
mit unnetfieglichem Quell würben in bie Siefe tofen, bie Born Sübweftwinb her* 
beigetriebenen »Jollen beS »littelmeerS würben, Born ©ebirg aufgehalten, ftch 
in »egen auflöfen, bie »erbunftung würbe mehr als ßinreichenb erfeßt, unb bie 
Sahara ejiftirte ni$t. Sie »leere haben gleich organifeßen sffiefen ihre »ebin« 


KM 


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gütigen beß Safeinß. 'galten tiefe fort^ fo »erbampft bie 'See, unb bie SBftfte 
tritt an ihre ©teile. 

Sie Oafen, reelle eß allein möglich tgad&en, bie SGBufte ju burchreifen, finb 
breiertei 2lrt. Stuf b?n ^lateauß, reelle wohl alß bas ehemalige Ufer beß Sa» 
harifcheh ©olfß ju betrauten fmb, werben, fte burch glüffe ober üppig fpru» 
belnbe Ouellen, im ehemaligen Stromgebiet, b. b> in ben Setten ber früheren 
ÜJteereßftrömungen, burdj natürliche ober tünftliche Srunnen genährt, unb im 
fpeciell fanbigen Shell fteht man gar lein SEaffcr an ber Oberfläche; bie 
Sßalmen finb jn tünftliche Höhlungen gepflanzt, unb ihre SBurjeln erreichen 
bie unterirbifche geuchtigleit. gebe Oafe befteht jum größten 2heil auß einet» 
SBalbe Don Sattelpalmen, welche ein Gl)aoß ju bilben fcheine», aber in »on 
einanber abgetrennten Härten reihenweife gepflanjt finb unb einer forgfältige» 
fßflege bebürfen. Sie ©arten finb burch Slauern »on einanber gefchieben. Sa, 
wo baß SBaffer an ber Oberfläche ift, gefchieht.bie Sewäfferung burch lünftliche 
fieitungen ; baß orientalifche Phlegma läfst aber bie Sufcbarmachung beß nath 
Sräntung ber ©ärten abfliehenben SBaffetß nicht gu, unb fo entftehen Sümpfe, 
welche »erbeerenbe gieber erzeugen, gebe Oafe ift eine geftung, jebeß umhegte 
©arten»Oüarree eine Seboute. Sieht man biefe Grbwälle, mit $almbäumett, 
»on benen jebe einem Kämpfer alä Schuhwehr bienen lann, fo wunbert man 
fich nicht barüber, bah im getbjug »on 1849 bie Groberung einer einjigen bie» 
fer Oafen, ber »on gaatfchar, eine Sehgerung »on 52 Sagen, ein Opfer »on 
900 SDtann unb 60 Offizieren nothwenbig machte. Sie Sßrfer,/welche fich 
meifteflß im SDtittelpunlt ber Oafe, häufig aber auch an ihrem Saube, befinben, 
fmb »on mit Stürmen flanlirten Sßällen umgeben unb rufen baß ganze maleri» 
fche Sertheibigungßfpftem beß SSittelafterß inß ©ebächtnih jurüd. 

Sie Sattelpalme ift ber grofie Grnährer ber Sffiüfte — ber einjige Saum, 
welcher unter biefem $immelßftri<b unb biefen Sebingungen grüßte reift. Ohn« 
fte wäre bie Sahara unbewohnbar. Sie $oefte ber Slraber macht auß ihr ein 
felbftbemufjteß 2ße(en, welcheß ©ott am fechßten Sage<jufammen mit bem SWen» 
fchen fchuf. Sn ihrer bilberreichen Seife jagen fte: „Siefer üönig ber SBüfte 
muh feinen guh in’ß SBaffer unb fein $aupt in baß geuet beß £immelß tau» 
chen." Gß bebarf einer in acht IWonaten jufammengehäuften .gt&e »on 500 
©raben Seaumür über ber Surchfchnittß»Semperatur, um bie Sattel »ollftänbig 
ju reifen. Sft bie Summe geringer, fo fefct bie gcucht allerbiugß an, bleibt 
aber Hein, ift herb »on ©efchmad unb nur »on geringem Sudergebalt. 

Saß filima ber Sahara bietet alle für baß ©ebenen ber Sattel unerläh» 
liehe Sebingungen. Sie mittlere Semperatur fchwanlt je nach ber Sofalität 
jwifeben 20 unb 24 ©raben. Sie #ifce beginnt im Slprit unb bauert biß junt 
Oltober. Sßährenb beß Sommerß fteigt baß Ouedftlber oft biß auf 45,. ju» 
weilen fogar auf 52 ©rab im Schatten. Ser Sinter ift »erhälrnihmähig falt ; 
in Sißlra hat man oft im gebruar jwei biß brei ©rab fiälte. Sicht feiten friert 
eß in ber Sacht, wäbrent» am Sage bie Sänne biß. auf 20 ©rab ftwgt , Sie 
Sattelpalme erträgt mit Seidjtigleit eine trodne Mle »on 6 tgtb eine £i|e »on 


2 . 

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Go( *e 



50 ©raben. 3)er ftart auSftrablenbe SBBüftenfanb bewahrt in geringer $iefe 
eine gewiffe griffe, weihe fth benSGBurjeln ber Säume mittbeilt. Siegen giebt 
e3 in ber Samara feiten ; er fällt im hinter unb ruft bann fofort bie unter ber 
SonnenbiSe berfengte Vegetation wieber betoor. git gewiffen ©egenben ber*« 
[treiben mehrere Qabre, ohne baß ein topfen liegen fällt, 3ft ba nicht bie 
Sietät ber Hraber für einen Saum ertlärlih, melier mit feinen geäußerten 
grüßten im Sanbe gebeibt, bem baS anbem Silanen töbtlihe ftart falgbaltige 
Sßajfer berSBüftenquellen juträglidb ift, ber üppig grün bleibt wäßrenb alles 2ln* 
bere um ibn her berborrt, beffen tone Dom Sturm jur (Erbe gebeugt wirb, 
ber aber burh unlösbare, bom Stamme nieberlaufenbe Sanben an ben Soben 
gefnüpft ift? Ob«« Uebertreibung !ann man fagen: ein einziger Saum bat bie 
SBüfie bebölfert, bat eine im Vergleich mit bet unfern allerbings unbollfomm .ne, 
Derbältnißmäßig aber weit borgefhtittene, nur auf ibn geftüfcte Gibilifation ge* 
fchaffen. Seine überall begehrten grüßte genügen ni(bt allein als tofhmit* 
tel, fonbern berbreiten fogar einen gewiffen SBoblftanb, ja [Reichtbum. gn 
beit breihunbert fetbSjig Oafen, weihe ju grantreih gehören, wirft burhfhnitt* 
lieb jeber S)attelbaum, nach ber Sage ber Cafe, einen 3oll bon 20 bis 40 
(EentimeS jährlich ab, unb ber mittlere (Ertrag jeber Salme beträgt ungefähr 3 
grauten, 

üttacb ber Stnjabl her $attelbäume richtet ft<b ber IReihtbum einer Dafe; 
aber nicht alle tragen grüßte, eS giebt unter ihnen männliche unb weibliche, 
©rftere buben Slütben mit, leitete ohne Staubfäben, unb bie einen ntüffen bie 
attbern befruhten. Um bieS su erzielen unb nicht ju biele männliche, unpro* 
buttibe Säume pftonjen ju müffen, fteigen bie Araber jur Slütbejeit, um bie „ 
SWitte beS Slpril, auf bie weiblichen Säume, befeftigen in ber tone männliche, 
in boller Slütbe beftnblichen 3meige, welche ben jungen Saamenftocf unfehlbar 
befruchten. 2)ie Datteln wahfen in Süfheln, welche ein ©ewicht bon gwanjig 
bis ju bierjig Sfunben erreichen. Um nicht in bie ©efabr ju tomnien, aus to* 
neu lauter männliche Säume gu sieben, nimmt man Schößlinge bon weiblichen 
(gjemplaten, welche nach acht gabren fruchttragenb werben. 

UeberbieS liefert bie Salme einen milhäbnlihen, ftart gucterbaltigen Saft, 
welcher, wenn er gäbrt, einen weinartigen ©efhmadf annimmt. üDtan fhneibet 
gu biefem Sebuf oben bie tone ab unb berfchont nur bie unteren Slätter. 
3)ann bohrt man ein fRobr in bie SHinbe unb läßt ben Saft in ein bängenbeS 
©efäß fließen. ®er Saum erholt ftch nach unb nach bon biefem Slberlaß, 
lann ihn aber nur breimal auSbalten. 

5)aS $aupt ber Salme erbebt fich bis gut $öbe bon fünfzig guß. Unter 
biefem gewaltigen Schirm cirtulirt baS Sicht unbebinbert, bie Scunenftrablen 
aber bringen nicht bmburch. Schatten, Sicht unb geuchtigteit, baS fmb bie 
bret (Elemente, weihe unter bem Shufc ber Salme in ber Oafe trofc ber brennen* 
ben Sonnenbifee bie mannigfaltigfte Sobentultur ermögühen. 2Ran finbet 
hier bie geigen, ben ©ranat*, ben Slprifofen* unb Oelbaum, fowie bie [Hebe, 
guweilen auch, bo<h feltener, ben SMih^ unb Orangenbaum, ©emüfe 

9 



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fönnen nur tut UBinter angebaut gerben, flarotten, 3 bJiebeIn/ Salat, not 
2tUem aber ber Sßhnent, »elcher ber bom ©ebraucb geifrtger ©etränfe abfebenben 
Vebölferung jur Erhöhung ber VerbauungSfraft unentbehrlich ift. gm 2Binter 
wirb man rings um bie'Öafe oft bon üppig grünenben gelbem überragt; es 
fpriebt auf ihnen bie ©erfte unb oft auch eine anbere.©etreibeart. $er Vaurn* 
»ollenbau befinbet ftch noch im Stabium beS K^perimentS ; jeboch ftebt ihm in * 
©egenben, »eiche leicht mit et»aS falj^altigem 2Baffer überflutbet »erben fön* 
nen, eine grobe 3 ufunft bebor. 

£ö<hft intereffante Krfcheinungen bietet in ber Sffiüfte baS SBaffer. Oft 
ift eS fo bicbt unter ber bünnen Oberfläche borbanben, bafc man nur mit einem 
ftarfen Stod bie bünne Steinfrufte §u burchftoben braucht, um bie frpftallene 
glutb berborfpringen $u feben. Sa b^en »ir ben 3auberftab 2lronS> bie Kt> 
fcheinung, »eiche bem frommen ©tauben ber gSraeliten ein SBunber »ar ! Sie 
Vbantafte eines noch im 3uftanbe ber ßinbbeit beftnblichen VolfeS erblidt über* 
baupt in Ellern ein SBunber, unb jumal gilt bieS noch jefct bon ben Orientalin 
fchen Völferfhaften. Sem Araber ift nur UebernatürlicheS borbanben, üRatürli* 

<heS giebt eS für ibn nicht, UeberaH erblidt er- baS unmittelbare SBalten ber 
©ottbeit. gn ber Sahara fnüpftftch eine Sage an jeben £ügel, an jebe 
Vertiefung, jebe gontäne, jeben Sumpf, jeben einzeln ftebenben Vaum. Sie 
SBüfte »immelt bon SBunbem unb Offenbarungen, 

Sie Ve»obner ber Oafflt ftnb oft mit bem Vrunnenbau befchäftigt. ÖS 
ift eine mübfelige Arbeit. Veim ©raben »erben bie SBänbe burch Saub unb 
Valmbolj geftüfct. gft bie gehörige Siefe erreicht unb fpringt baS 
SBajfer empor, fo ift ber Vrunnen noch uoll bon Sanb. Sauchet 
laffen fich an einem Strid mit einem $orb hinab, unb bringen fo ben 
Sanb heraus ; fte fönnen j»ei bis brei Minuten unter bem Vktffer bleiben, 
unb giebt ber Vetreffenbe in biefer 3eit fein 3ei<hen bon ftch, fo fpringen 21 n* 
bere hinab um ihn ju retten. Von 2lbgaben befreit, bilben biefe Saueber eine 
eigene, in hohem 2 lnfeben ftebenbe Korporation, erfreuen ftch jeboch nur eines 
furjen SafeinS. Sie fo entftanbenen Vrunnen bauern nicht lange. Verfault 
baS $ 0 ( 3 , fo ftürjt ber Sanb nach, baS SBaffer hört auf ju fließen, unb aus 
Vtangel an geuchtigleit fterben bie Valmen ab. Sann »erben bie Dörfer nach 
unb nach geräumt, bie Dafe »irb Heiner, oerfch»inbet julefct gan$, unb bie 
SBüfte nimmt »ieber Veftfc bon bem Terrain, »eldjeS bie 2lrbeit beS übtenfchen 
ihr entriffen batte. Vor ber franjöftfcben Offupation »ar bieS baS Schidfal 
bieler Oafen. Sie eine batte bereits aufgebört ju eyiftiren, anbere flechten 
fümmerlich babin, unb feine breitete ftch aus. Ser ©eneral SeSbauy, bamalS 
npch Oberft, fommanbirte bie Subbioifton bon Vatoa. Kr erfannte bie 2totb s 
»enbigfeit ber fünftlichen-Vrunnen unb befehlet, fte ju bermebren. Ser 2)ti* 
nen*gngenieur Subocq batte bereits in einem 1863 erfchienenett »iffenfhaftli* 
eben SEBerfe nachge»iefen, ba& in ge»iffen ©egenben ber Sahara baS ffiaffer 
nicht febr tief unter ber Oberfläche borbanben fein müffe. gm gabre 1855 
[teilte Kb* Saurent auf Vefebl beS ©enerals SeSbaup Vachforfchungen an, 



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meid# bie «gppothefe betätigten. 3m Elprif 1856 trafen Saurent unb ber 
dibilingenieur 3uS mit einem Sohr*Elpparat in ^^UippebUie ein. Me Schmie* 
rigfeiten beS Transports. mürben übermunben. Ueber Serge, burch Ströme 
unb Sanbmeere mürbe ber gemichtige Apparat, ^unberte bon teilen meit, bis 
nach Tamerna gebraut, Sie erfte Sohrung begann im Einfang beS EMai 1856; 
fdbon am 19, guni fchofj ein förmlicher glufc, meiner 4000 SitreS SBaffer in bjr 
UJtinute lieferte, aus. ben dingemeiben ber drbe empor, Sie greube ber din* 
geborenen lannte feine ©renzen. Sie'Äunbe bon bem ©efchehenen berbreitete 
ft<h mit zauberhafter SchneHigfeit, unb bon meit unb breit ftrömte man herbei, 
um baS 2B u n b e r zu flauen, geierlich mürbe bie neue gontäne gemeint unb 
ihr ber Same „Quell beS griebenS" gegeben, 

dine Oafe, bie bon Sibi*Sa<heb, nicht meit bon Tamerna, ftarb zufehenbS 
ab,* Sie Srunnen maren berftegt, unb feiner glugfanb erftidte bie Elnpflan* 
Zungen, 3ftan fah im Sanbe Sattelbäume, meid# nur noch mit ber tone 
herborf(hauten, unb anbere begehrten nur noch fümmertich. Umfonft errichteten 
bie dinmohner Sßallifaben ; ber Sanb rüdte immer meiter bormärts, unb bie 
Oafe fchien unrettbar berloren, Sie dinmohner hatten einen neuen Srun* 
nen zu graben berfucht, aber in einer Tiefe bon 120 guf* maren fte auf eine 
©ppSbanl gefto&en, melche fte nicht burchbringen fonnten. # Ser franzöftfche 
Apparat langte an, an ber Stelle beS berlaffenen SrunnenS mürben bie Soh* 
Hingen begonnen, Sie ©ppSbede mürbe burchbrochen, unb f<hon nach hier 
Sagen fchofj ein Strahl bon 4,300 Sitre^ in ber Minute — eine föftUche 
SGBohlthat — empor. Sofort gemannen bie ^almeri neues Seben, bie burch 
Samarinbenpflanzungen aufgehaltenen Sünen ftanben ftill, bie Oafe mar 
gerettet. ÜUian fann fich bie greube ber Elraber borftellen; aber als unheilbare 
gataliften banften fie bem ©otte StahomebS bafur, baf 3 er ben granzofen ge* 
ftattet habe, bie Srunnen, melche unter ben gdnben ber ©laubigen nicht gebeU 
hen moHten, zu bollenben. Sie bilbeten ftch ein, bab megen einer begangenen 
€>ünbe ber $otn MahS auf ihnen geruht habe, unb bab ohne biefe Sünbe baS 
SBaffer ihnen auch ohne bie $ülfe ber Ungläubigen, bie fie als Strafe betrachte* 
ten, gegeben fein mürbe. ~SaS ift bie Scgif beS mohamebanifchen ganatis* 
«tuS. 

• SKehtere biefer artefifchen Srunnen zeigen eine drfd&einung, melche bis 
toahtn felbft bon ben Saturforfchern als Eftpthe belächelt mürbe. Seim erften 
J^erborfpringen beS SBajferS bei EIin*Tola, aus einer Siefe bon 44 Metern, fah 
ber ßapitain 3*del fleine gifche, bie am Sanbe beS SrunnenS im Sanbe zap* 
gelten, unb baffelbe bemerfte man auch an anbern Orten. Sie Elugen biefer 
gifche maren fehr gut entmidelt, obgleich fie einen Theil ihrer dyiftenz im Sunfet 
Zugebracht hatten, unb eS mar biefelbe Elrt, melche man in ben Seen bei SiSfra 
ftnbet. SaS Phänomen fteht übrigens nicht bereinzelt ba. $err Elpme, ©ou* 
berneur ber Oafen bon Theben unb ©arbe in dgppten, fchrieb im gah* 1849 
an £emt Saurent, bafj ein alter, 300 gufc tiefer artefifcher Srunnen,, ben er 
reinigen lief*, ihm gifche für feine Tafel lieferte, melche nur bom Sil fommen 









treten mtb ba£ burch biefen Berfebt ermittelte Berbältniff 3 tt>if<^en bem Angebot 
unb ber ©adhfrage ben $rei$ befftmmt. Sie B5tfe tft alfo an fleh nichts ©e* 
$eimraffMÖcte& ober SRetlWürbigereS, als ein ©tarft, auf bem gleifdh, Kartoffeln, 
Kafe unb ©er bon forgfamen Hausfrauen eingetauft werben; — nur baff bie 
©egenftänbe beS BerfaufS Befcheinigungen über oerzinSlich angelegte ©elber 
{StaatSpapiete, ftdbtrfd^e 6<hülboerf<hreibungen, Hppotbefen :c.) ober Slntffeile 
an gewerblichen Kapitalanlagen (Slftien bon ©fenbaffnen, BergwerfSuntemeb* 
mengen, gabeifen u»), ober eble SJtetaHe ftnb, bie ft<h als Kapitalanlagen ber* 
toenben (offen. 9Bie fi<h zur Beftimmung ber greife bon Steift, ©tebl, Obft 
unb ©emüfb feffr berfdbiebene Bebhtgungen mit emanber bereinigen, fo au$ 
bei ber Beffintmung ber Börfennotirungen, welche nichts SlnbereS, als ein 93er* 
fcichniff bou greifen (©ourfen) ber auf ber 58örfe zum Betfauf gefommenen 
©Baaten (Rapiere) ftnb. Ob bie ©nte gut ober fehlest ausgefallen, ber ©onfum 
ftart ober gering, bie bertäuflube ®aare im Befip bteler Berfdufer ift, bie ft<h 
einanber in ihren gorbernngen herunterbieten, ober in ben «ganben weniger, 
bie butch seitweilige SluSfchlieffmtg ber Konfurrenj ben ©Zarlt beherrf(hen, ob 
bie ©Baare raffhem Betberben auSgefept ift unb haper loSgefchlagen werben muff, 
ober ob fie in ©Wartung höherer greife jurüdfgehalten werben tann, — baS 
SltteS hat ebenfo biel ober mehr ©nfluff auf bie Beftimmung ber greife bon 
SWarttwaaren, als ber ^robuttionSpreiS. daneben bebingt bann noch ber 
Unterfcffieb in ber ©fite einer unb berfelben SBaare einen oft beträchtlichen Unter* 
fe^teb im greife. Sie auf folche ©Beife entfteffenben SchWanfungen muff geber* 
mann als etwas SelbftoerftdnbluheS hinnehmen, ©ft wenn burch gefliffentlich 
oerbreitete Äug $n über ben 6tanb ber ©nte, ber 3ufuhren unb beS am Blape 
beftnblüben BorratpS btc natürliche SBechfelwirfung jwifdhcn Nachfrage unb 
Angebot beeinträchtigt wirb, hört man bittere Klagen über Huffäuferet, Korn* 
Wucher, habgierige Spetulanten unb bergleichen. greilich giebt eS oiele National* 
Monomen unb Kaufleute, welche bte Berechtigung folget Unterfcheibung jwtfchen 
rechtmäfftgem Hanbel unb berwerf lieber Spelulation gänjlidh leugnen—unb 
es ift in ber Spat ferner, unter ber BorauSfepung eines BerfeprSlebenS, welches 
auf ber 9tothwenbigfeit einer Sifferenz jwifchen bem bom ©zeuget einer ©ßaare 
empfangenen unb bem bom Bekehrer berfelben SGBaare gezahlten greife be* 
ruht ic. f für biefe Sifferenz irgenb eine ©ren§e feftjuftellen, bereu Ueberfchrei* 
tmtg als eine Ungebühr bezeichnet werben müffte. Allein für baS natürliche ©e* 
fühl ber groffen ©tenge befteht eine folche ©renje bennoep. Sucht man btefeS 
©efüpl ju ergrünben, fo finbet man, baff es ben Unterfcpteb jwifchen berechtigtem 
Raubet unb ungebührlicher Spefulation borzugSwetfe auf ben ftttlichen ©Bertp 
ber $um ftwtd beS ©ewinnS angewenbeten ©Uttel bqgrünbet. Beim rebltchen 
unb aufrichtigen 'HanbelSberf epr gewinnen beibe Speile, Käufer wie Berfdufer, 
beim 3ener erhalt baS Quantum SBaare, beffen er bebarf, wohlfeiler, als er felbft 
es ffch bon bem-Brobujenten hetbeifdhaffen fönnte, unb biefer erhalt einen fol* 
d>en Ueberfdhuff über ben gezahlten Breis, ber ihn für feine ©tühe, feine 2luS* 
lagen, ©efahren, Berlüfte unb Unloften bet ber Hetbeifdhaffung reichlich ent* 



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fchdbigt. Vber bei pem, wal bie öffentliche Meinung all SBucher, ungebührliche 
©peluiation unb Scbwtnbel bezeichnet, ift ba! Veftreben bei Verläufer! nicht 
fowobl, eine für alle Steile oortbeilbafte Vermittelung ju bewirlen, all fxch unter 
ber g o r m einer folgen bureb ben Verluft, fei el bei ^robujenten ober Äon* 
fumenten, gu bereichern. 

Sroß Slllem, wal in ben lepten fahren, fo oft bie gefefcgebenbe ©ewalt 
bem #afarbfpiele ein Gnbe $u machen fuchte, pon fogenannten ginanjmämura 
über bie Votbwenbigleit unb Vüplicbteit ber ungejügdten Vörfenfpetulation 
gefagt worben ift, beftebt ber eben bezeichnte fittliche Unterfchieb jmifchen bem 
ehrlichen Vörfen g e f ch ä f t unb bem Vörfen f <h w i n b e l, zmifchen bem reellen 
Umfap Pon Äapitalien mit ben burch natürliche Vebingungen bewirlten Schwan* 
lungen ber greife, unb bem unter ber äußerlichen gorm folchel Umfafcel be* 
triebenen ©lüdlfpiel. S)er Unterfchieb ift fo beutlich, wie ber jloifchen Gbe unb 
Vroftitution, zwifdjen S)iltontobanl unb garobanl. 

SBenn ftch Semanb mit 1000 SLbalern am Vau einer Gifenbabn betbeiligt 
bat, fei e! weil er einen guten 3in3 für fein Äapital ju erlangen, ober ben 
SBertb fonftigen Gigentbuml bqfmrcb ju fteigern hoffte, unb aul itgenb welchem 
©runbe fein Äapital anberweit Perwenben will, fo muß er feine gehn Slttien §u 
©elbe machen. Gr gebt bamit an bie Vörfe. Stort ftnb biele, ober wenige, 
ober gar leine anberweite Verläufer berfelben Slltien, — piele, Wenige, ober 
gar leine Ääufer bafür. S)a! bot feinen natürlichen Ginfluß auf ben Vreil ; 
aber e| beftimmt ihn nicht aulfchließlich. S)ie wichtige grage ift: wal ift ber 
wirtlich,e SBertb ber Äapitalanlage ? Gr wirb am ftcherften beftimmt burch bie 
#öbe bei 3 i n f e I, ben fte bereit! abgeworfen bat, ober ber mit Sicherheit ba* 
Pon erwartet werben lann ; burch ben höbest ober geringem ©rab bei Ver* 
trauen! auf bie Verwaltung, ben Grfolg Pon anbern Verlebrlabern, welche bie 
Gintrdglichleit ber urfprünglichen erhöben (3weig*Gifenbabnen), ober berabfepen 
(Gonlurrenjeifenbabnen), unb ähnliche Umftänbe. Slul biefen Glementen bilbet 
ftch ber ungefähre wirtliche SBertb ber Slttie; bie Differenz gmifchen biefem 
uub bem greife bezeichnet bie SBirtung bei oon Sage zu Sage ftch oeränbem* 
ben Verbältniffel §n>ifchen bem Angebot unb ber Vachfrage. 2Bemt alfo in 
bem angeführten gälte ber Veftper für feine zehn Slttien, weil ftch ber SBertb 
ber Gifenbabn Perboppelt bat, 2000, ober weil fte nur halb fo biel einbringt, 
all man erwartete, 500 Scaler erhält, ruhig in bie Safche fteeft unb nach «ßaufe 
gebt, fo ift bal ein glattel, ehrliche!-Vörfengefchäft, ooHtommen fo ehrlich, wie 
ba! eine! SJtannel, ber fein #aul, je nachbem el in feinem Veftfce an SBerth ge* 
Wonnen ober Perloren hat, um! Stoppelte, ober um bie Hälfte ber Summe, für 
welche e r e! getauft bat, Peräußert. Sluch in biefem ©efchäfte lann e! große 
Verlufte unb ©ewinne geben. S)ur<h’bunberterlei Urfachen lann,ber SBerth einer 
Äapitalanlage erhöbt ober oerringert werben. S)ie Gntbecfung pon SRineral* 
fchäpen in ber Stäbe einer Gifenbabn, beren Sranlportgefchäft baburch einen 
großen Slnffchwung nimmt; bie Goncefftonitung einer Vabn, burch welche neuö 
SBaarengebiete bem Vertebr einer fchon beftebenben Gifenbahn eröffnet werben. 


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Dber in bcc entgegengefefcfen föittung bie 3«p5rung ber 33abn, ober ihres 
SBetriebSmaterialS, burt 9iatureretgnijfe, ober ©ewalttbat. (Sntbecfung bon Un* 
reblidtfeit in ber 33erwaltung unb unzählige anbere Tinge benrirfen ein Steigen 
ober Sinfen ber©ntrdglitfeit, ober ber Meinungen in betreff ber Einträglich- 
# liebfeit einer Kapitalanlage. (Sin ftarfer 33Ucf, ein flareS, richtige^ Urtbeil über 
bie SBebingungen beä 33erlebrS* unb 3nbuftrieleben§, mutbigeS Vertrauen auf 
folteS Urtbeil gegenüber nachteiligen ®erütten unb 33orfteHungen, Siterbeit 
unb ScbwUigfeit beS ©ttpbluffeS in ber Senu&ung günftiger ©elegenbeiten 
bringen bi&bei, b. b- beim reellen Urnfafc bon Kapitalwertben, bem glüäliten 
SBeftfcer jener ©gen*taften ebenfo hoben unb rebliten ©ewinn, tote beim Um* 
fab non ffiaaren für ben Gonfum. — 33eim 33örfengeftdft in Staatspapieren, 
b. b. bon Kapitalien, weite gegen einen gewiffen 3w3 bem Staate bargetie* 
ben worben ftnb, fommen gur 33eftimmung ber $reisftmanlungen not anbere 
Glemente bingu. Ta£ wittigfte barunter ift bie richtige ^Beurteilung ber 
Steuerfraft be£ SanbeS, benn nat biefer, unb nicht nach bem gefammten Kapi* 
talbeft ber ©nwobner beS SanbeS, ift bie reale Siterbeit beS StaatSgldubi* 
gerS, b. b- bie 3ablungS f ä bigle i t beS StulbnerS, gu bemeffen. Tie ibeale 
(Sicherheit wirb burt baS größere ober geringere 2Wafe beS 33ertrauenS auf bie 
Gbrlitfeit (3ablungS w i 11 i g f e i t) ber Regierung beftimmt. Tie erftere, bie 
reale Sicherheit follte ft<b bei ben großen gortftritten, weiter ftt bie berglei* 
chenbe Statiftif unb 33ollSwirtbftaft rühmen, mit gtemliter ©enauigleit beftim* 
men laffen, aber in ber SBirflitfeit haben bie gefteuteften Seute barin bie 
> größten 9)übgriffe gematt unb maten fte fortwährend Tie ibeale Siterbeit, 
in bem (Glauben an bie Dieblitleit beS Staate beftebenb, weiter ber Stulbner 
ift, ift Säte ber Meinungen unb ftwanft mit biefen. 3ur 3eit großer,' bie 
(Syiftenj bon Staaten gefäbrbenber Kriege ift ber ©laube an bie Sablungäfäbig* 
feit unb SBiUigteit gewaltigen Stmantungen auSgefefct, unb eS ift baS baber 
, für Seute bon fanguiniftem ober toleriftem Temperamente eine febr ungün* 
füge 3eit gur Anlegung ihrer Kapitalien in Staatspapieren. Tagegen fann 
ftt gerabe in folter 3eit ein fefter, guberftttliter Patriotismus ober ein burt 
leine ungünftigen SBetfelfdile gu erftütternbeS Vertrauen auf ben 33eftanb beS 
StulbnerS glängenb belohnen. Teutftlanb bat baS erfahren, inbem eS bor 
§wei3abren für ^unberte bon Millionen ToHars fet^progentige Stulbber* 
ftreibungen ber 33er. Staaten gum greife bon 38 ober 40 TollarS für baS 
^unbert taufte, ohne bem betfcenben £obn unb Spott, womit bie engtifte 3i* 
nangwelt eS überftüttete, 33eattung gu ftenfen.—Ter SQBertb biefer Kapitalan* 
tage bat ftt feitbem beinahe berboppelt, b. b- für 100 üPtillionen Tbaler, weite 
beutfte Kapitalien an bie Ehre unb 3ablungSfäbigfeit ber 33er. Staaten ge* 
wagt haben, bepfcen fte jept für 190 ÜPtillionen Tbaler berfdufliter SBertbe. 
©n ftöner ©ewinn, unb, was mehr ift, ein ebrliter ©ewinn. @s war 
ein reblüheä 33örfengeftäft: SEertb um SBertb. Tie feitbem eingetretene 33er* 
dnberung beS SEßertbS ift eS, bie ben ©ewinn bebingt; aber Ptiemanb bat ein 
Sfteth Pt über biefen Gewinn gu beflagen, benn ber Staat bat für feine 



136 


Schulbfchetne jufl fo Diel empfangen all fte jur 3^it bei Serfaufl merth mären, 
unb brauchte el nid^t anäune^me)* menn el ihm nicht genug beugte 

SBeit berfchieben Don bern ehrlichen Sörfengefcbäft, ift bet Sörfen {ch m i n - 
bet, ober, mie er ft<h lieber nennen hört: bie Sörfenfpefuiation. 

Sei biefer befielt bie 3bee bei mirflichen Umfafcel Don ßapitalmerthen gar* 
ni<bt. 6ie ift einfadb eine SBette, unb Der fittliche SBerth bei Sörfenfpefulanten t 
Don $rofeffton ift nicht um einel §aarel Sreite größer, all bie eine! $afarb* 
fpielerl Don ^janbmerf. Seiber ift biefe 2lrt Don Spefulation Don Der offene 
lieben Meinung berjenigen Greife, melche ihr nabe fteben, ebenfo gebutbet, mte 
bie feinere ober gröbere Sroftitution, bal Spiet, ober mie ht früheren 3eiten 
bie Srunffucht unb Sößcrei. 2luch Seute, bie hohe Stellungen in ber ©efett* 
fchaft unb in ber Sichtung ihrer Mitbürger einnehmen, bilden mit tüftemem 
SBohtmollen ober toohlmoßenber Süfternheit auf bie SReiäe bei Sörfenfpiell unb 
geben nur ju oft ben Serfuchungen beffelben nach. Sal grobe uneingemeibte 
Sublifum mirb burdj eine gemiffe ehrfurcbtlooße Scheu bor ben hoben SBerth* 
betrögen, bie in jenem Spiele figuriren, auch mobl Durch Unfenntnifj bei fremb* 
artigen uqb unberftänblichen ßiothmelfch, melcbel bie Spieler fpreeben, Derbin* 
bert, fub eine recht flare Sorfteßung Don ber Sermorfenheit biefel ©lüdlfpiefl 
§u machen, bei meinem in unzähligen galten ber mühfant erfparte Sefifc ehrli* 
lieber $anbmerfer, Säuern unb Slrbeiter, ober bie #abe Don SBittmen unb 
Sßaifen ber (Sinfafc ift; — Denn aul bem, mal urfprünglid? eine SBette auf bie 
natürlichen Scbmanfungen ber greife mar, ift allmötig bie fiunft gemorben, 
burch unreblicbe SWittel, bureb Sug unb Srug unnatürliche Scbmanfungen ber* 
felben herborsurufen. Sie rohen unb blutigen gauftfämpfe einel Saperl unb * 
«geenan futb mürbigere unb mannhaftere @rgöfcungen, all bie Schlachten, 
meldje fub bie Sären unb Stiere ber Sörfe liefern, unb ber jerlumpte Strafen* 
junge, ber mit eifemen Gingen nach einem mit ÜRägeln befcblagenen Srett mer* 
fen läfet, ftebt moralifcb höher, all ber Sörfenfpefulant, Denn er bezahlt menig* 
ftenl unter aßen Umftänben bem glüdlichen Söerfer bie besprochenen 10 (Eentl, 
unb menn er bie Summe nicht bat, labt er gar nicht merfen. 

• Ser Sörfenfpefulant befifct meber bie Rapiere, bie er Derfauft, noch münfht 
er bie -gu beßfcen, bie er lauft* ÜRomineß jmar ßnbet mobl Sieferung ftatt, be* 
fonberl mo gefefcliche Seftimmungen fte Dorgefchrieben haben, um bal einfache 
Spiel ju erfahrneren. Siber in ben meiften gäßen ift el nur auf bie St ff e * 
rens abgefeben. 21 Derfauft an S 100 Slftien ber SReabing*®fenbabn su 1Ö5 
“seller 60”, ober genauer : “sellers Option 60”. Sal heißt: innerhalb 
60 Sagen fann % menn el ihm beliebt, bie lOOSlftien abliefern unb S muß 
ihm 10,500 Soßarl bafür sablen; fpäteftenl am fechsigftenSage nt u ß bie Sie* 
ferung erfolgen. — Son nun an ift S ein Stier unb 21 ein Sär, gener fucht 
auf jebe mögliche SBeife ben $reil ber ßleabinger Slftien in bie $öbe su treiben, 
fo baß fte nicht unter 105 ftnfen ; 21 Dagegen ift bemüht, ihren fßreil fo tief 
all möglich unter 105 su brüden. ©elingt ihm bal, ftnb fte fo tief, baß er 
fte nicht noch meiter brüden su lönnen hofft, fo lauft er su bem niebrigen 



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137 


greife — betfptelsmeife 95 — bie Rapiere, liefert fte an SB unb erhält non ij 
biefem 105 bafür, macht alfo an ben hunbert Glitten taufenb Shaler ©ewittn. 
Umgefehrt, geben bie 2lltfen h$<h unb immer b%V bat 21 ben günfttgen 


punft perfdumt, ficb zu #,beden", unb fteben am fedbgigflen ^age bie Rapiere auf 
125, fo bat er, ber SBerldufet, an jeber 2tltie zwanzig Shaler »erloren. Sfn ben 
meinen gdßen, in Europa wenigftenS, wirb »on ber wirtlichen Sieferung ber 
Rapiere ganz abgegeben unb nur bie Siffetenz als S3erluft ober Gewinn 
ausbezahlt, genau wie bei einer SBette. 3« bem erfien ber angeführten gaffe 
würbe alfo 33 an 211000 Shaler, in bem zweiten 21 an 33 2000 Shaler zahlen, 
unb feiner non 33eiben brauste jemals bie Rapiere, welche »ethanbeit würben, 
gefeben zu haben. 

2Bie auf “sellers opf.ion ,, verlauft wirb, fo wirb auch auf “buyers 
Option” getauft. $n biefem gaße fleht eS bem Käufer frei, innerhalb ber an«* 
gegebenen grift bie Rapiere gu bem bebungenen greife zu f o r b e r n, unb wenn 
bie grift um ift, muh er fte nehmen. Qm 2lßgemeinen laufen unb »erlaufen 
foldbe Spefulanteij, bie nicht zum eigentlichen £anbwerf gehören (outsiders), 
auf “option”; es fcheint bei ihnen bie bunlle SBorfteßung zu beftehen, bafe fte 
baburdh ihr 6cfeidfal beffer in ber ^anb behalten, unb erft bittere Erfahrung pflegt 
fte über ihren Qrrthum zu belehren. 3n ben 9iew*2)orlet 33örfenberi(hten ftnb 
bie Britgefdhafte burch einfache 33uchftaben unb 3iffem bezeichnet; b bebeutet 
buyers Option, 8 ßellers Option. 2llfo: „100 SR.*?). Zentral b 10 96g 
heibt; GS hat Sernanb 100 2lltien ber 9t.*?). Zentral *33ahn in ber 2öeife ge* 
lauft, bafe er fte innerhalb gehn Sagen jeber Seit »om Verläufer ju bem greife 
non 96| SoßarS einforbern lann, aber fpdteftenS am zehnten Sage fte gu 
biefem greife nehmen raufe." Ser Käufer ift Stier (bull), b. fe* er rechnet 
barauf, bafe innerhalb zehn Sagen bie 2lftien ber (Sentralbahn fteigen, unb ber 
Verläufe» ift 33dr, benn er lann nur gewinnen wenn bie 2lltien innerhalb jener 
gehn Sage unter 96g ftnlen. ©ne anbere üftotirung: „100 ©hie. 2b 9®. s S 
34|" h#t: (SS hat ftdh Semanb »erpflichteb binnen-brei Sagen 100 Jlltien ber 
ehicago^orth^Beftern^eifenbahn zum greife »on 34| z u liefern. ©S ift fomit 
fein 3ntereffe r ben SßreiS biefer 2lltien zu brüden, bamit et fte zu niebrigerem 
greife entlaufen lamt, als ber, zu welchem er fte liefern mufe. Senn noch hat 
et bie Rapiere nicht; er ift, wie es helfet, “short of Chic. & W.” —* Sie 


“shorts” ftnb in ber 33ßrfenfpcacfee Siejenigen, welche Rapier »erlaufen, bie 
fte nuht beftpen, in ber Hoffnung, fte wohlfeiler laufen zu lönnen ehe ber Siefe* 
rungStermin eintritt. Sie ftnb alfo fo lange, als- ihr Sieferungsfontratt lauft, 
baS, waS man in $aris* bie “b&issiers,” in33erlin giyer unb hißt 33dren 
nennt. 2öer 2lÖien lauft/ in ber Erwartung, bafe fte fteige» werben, ift „long 
— §. 33. “long of Brie,” b. h» er hat 2lttien ber ©ie*©fenbafen in ber «£joff* 
nung, an ihrem Steigen zu gewinnen, getauft. ' 

6S giebt Seute, bie ihrer SemperamentSanlage nach geborene Stiere ober 
SBdren ftnb. Sanguiniler, bie 2lßeS waS gefchieht ober be»orfteht, in roftgem 
fiiehje fehen, Vertrauen zu aßen neuen Unternehmungen feaben> an aßen Singen 


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unb ©eignijfen bie Sichtfeite berauSftnben, fmb bon Statur ©auffterS, tote an* 
beverfeits gelbfüchtige Sdjtoargfeher, bie bon Stöem toaS befielt, nicht bloS mei* 
men, bab eS toertb fei, gu ©runbe gu gehen,* fonbem ftch auf bem gerabeften 
Sßege bagu befinbe, einet naturtoüchftgen iöaiffe gehören. Slber ber ©örfenfpieler 
bon ga<h ift toeber Käufer noch SBertdufer, toeber long noch short aus Sßringip, 
fonbem nach benUmftdnben unb ©lüdSchancen baS ©ne ober baS Stnbere. © 
lauft eine Slngahl berfchiebener Rapiere unb fucht fte hinaufgutreiben; gugleüh 
aber ift er “short” an einer Slngahl anberer Rapiere unb fucht beren CtourS gu 
brüdcn. $eute getoinnt er mit ber £auffe an ©ie, morgen berliert er mit ber 
Söatjfe an Zentral, übermorgen häuft er toieber unter ben Stieren, bie Ladern 
ober Stod 3$(anb in bie #öhe gu toerfen fuchen:— turg, bie betriebenen 
SBerthpapier fmb ihm nichts SlnbereS, als bie harten bem garofpieler. Ob er 
auf S)ame, fiönig ober SIS getoinnt, ober gu ben untergeorbneten Sieben unb 
Sichten hinabfteigt, gilt ihm gang gleich. 3» ben meiften gdHen ereilt ihn früher 
ober fpdter baS Schidfal aller Spieler. Seine ©ntralte laufen ab, er fann bie 
S)ifferengen nicht begahlen unb — macht SSanterutt? 3a *toohl, aber toenn er 
nur gur 3unftgenoffenfchaft gehört, hat baS nicht biel gu fagen. Seine ©lau* 
biger im öptel laffen ft<h billig ftnben, ein „SBergleich" toirb gefchloffen, ber un* 
glüdlid&e ßumpan gahlt 3 ober 5 ober 10 ©ntS für jeben Dollar, ben er fchul* 
bet, unb bie „lahme Gnte" ift toieber feil, ©ner ber berühmteften 23örfenfpetu* 
lanten, 3atob Sittle, machte auf folche SBeife ein halbes ober ganges S)upenb 
SJtal Sknterutt, ohne feinem SRufe befonberS gu fchaben. Slber SBehe bem ,,©rü* 
nen", bem “outsider”, ber ftch an ben Spielttfchkgetoagt hat. SBenn er gur 
lahmen ©ite toirb, toerben ihm unbarmhergig alle Sehern bom Seibe gerupft. 

$ie Meinung, bab eS grober ßapialien bebürfe, um an bem 33örfenfpiel 
$bdl gu nehmen, ift eine irrige. Sticht ben $ r e i S ber Rapiere, bie er tauft, 
braucht ber augehenbe Spieler gu beftfcen, fonbem nur ben ungefähren betrag 
ber auf bem Spiele ftehenben $iffereng. S)ie SBechSler beleihen ihm bie Rapiere 
mit 90 $rogent beS ^reifes; b. h* fte taufen auf feine Rechnung eine Slttie gu 
100 ^haler, toenn er ihnen 10 Scaler baar gahlt unb für bie anbem 90 ihnen 
baS Rapier felbft als $fanb labt. 3^ne 10 $hafer fmb ber “margin”, auf 
ben er loSfpielt. Steigt baS Rapier auf 110, fo gahlt ihm ber SBechSler bie 
10 $hafo ©etoinn aus; fmft eS, fo toirb ber SSerluft bon bem margin abge* 
gogen unb ber Spieler muj$ fo biel nachf<hie&cn, bab ber “margin” toieber ein 
3cbntel beS berminberten SBertheS betragt. SBenn freilich grobe unb getoaltige 
©urSfchtoantungen ftattfinben, toie oft todhrenb beS Krieges, fo bab bie greife 
binnen 24Stunben um 10,20 ober gar 50 Sßrogent hinauf» ober heruntergehen, 
fo ftellt ftch ber SBechSler baburch ftcher, bab er einen gröbern “margin” 
(20$rogent) nimmt. — dr getoinnt fo ftcher unb regetmdbig, toie ein Stoulette* 
halter burch ben SBortheil ber einfachen unb bopppelten SM. 2)enn abgefehen 
bon bem 3inS für fein bargeliehenes ©elb, erhalt er Sßrobifton unb SJtatlergebühr, 
bie, obfchon nur nach 33ru<htheilen eines SßrogentS berechnet, bei ben hohen Sin* 
tragen beS UmfapeS enorme Summen erreichen. 3ur 3dt ber toilbeften Sjpetu* 


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lation, im gabre 1864, all bal Seben unb Treiben in bet SBaQfhreet an Die 
Seiten 3ean Sawl unb bet 9tue Ouincampoiy erinnerte, bereinnahmte ein 
2Bechfelmafler im durchfchnitt 5000 doHarl täglich an Sßrobifton, unb ein £aul 
fefete in einem Sage 4 Millionen um. 

dal war eine 3eit, welche diejenigen, bie (Gelegenheit bitten, bal Seben 
unb Sreiben im Sörfenbiertel gu beobachten, nicht leicht »ergeben »erben. ©I 
bettfdbte eine förmliche Ptaferei. SBohin inan ging unb »o man ftanb, horte 
man ben Satgon bei 93örfenfpiell. dal grobe Sßublifum beachtete börguglweife 
bie gluftuationen im greife bei ©olbel, unb bie Spefulation in ©olb gog auch 
bie meiften Saien in ben Kreil bei Spiell. ©olb »at ihnen et»al ©reifbarel, 
SSerftdnblichel, et»al, bon beffen SBerth fte eine flarere SßorfteHung hatten, all 
»on bem bet Slftien einer unentbeeften ©olbgrube in ©olorabo ober einel bie 2lul* 
ficht auf Del bietenben Kartoffeladerl in Sßennfplbanien. Slber unter ben ein* 
geweihten Spielern fanben ©rie, $atlem, 9tod gllanb unb anbere 2lrten bon 
©ifenbahnpapieren gröbere Beachtung all ©olb. ©I ift unglaublich, welche 
fabelhafte Summen bamal! an folgen papieren „berbient", b. h* gewonnen 
unb berloren würben, die ©ourfe bet #arlem*©ifenbabn*2lftien g. 93. ftiegeri 
unb fielen unaufhörlich, ohne bie aHerminbefte 93egiehung auf ben wirtlichen 
SBertb bet Kapitalanlage, bon einigen 80 bil auf 280 ^rojent, um fpdter wiebet 
auf bie #alfte heruntergufatlen. 3111 fte um 40, 50 Sßrogent geftiegen waren, 
würben biete bet balbwegl befonneneren Spefulanten bange; in bet Meinung, 
bafj nun ein IRüdfchlag unbermeiblich fei, gogen fte ihre ©infäpe bon biefer Karte. 
gurüd. die dummften unb aul dummbeit Sollfühnften fpietten weiter unb ge* 
wannen fortmdbrenb. 2lrme Schluder würben binnen acht Sagen reich: — auf 
wie lange, batubet febweigt bie ©efchichte. 

£in unb wiebet einmal, in groben 3wif<bentdumen, fommt el wohl bot, 
bab bie §omburger 93anf burch einen glödlichen Slbentheurer gefprengt wirb, 
unb noch feltener, bab ein folcher, nachbem et feinen ©ewinn eingeftrteben, ftch 
behaglich gur föuhe fept, bem Spiel für immer SBalet fagenb. So giebt el auch 
gdUe, wo ein nicht fowobl gefcheiter all glüdlicher Spefulant m wenigen 
SBochen ober Monaten ein ober ein paar mal hnnberttaufenb Shaler macht, 
ftch bamit feitwdrtl in bie 93üf<be fchldgt unb für ffiaHftreet betfchoHen ift. Slbet 
bie gdUe ftnb feht feiten. $duftger fommt el bot, bab ein ©lüdlpilg, mit 
wenigen hunbert ober taufenb Shalem irr bet Safche anfangenb, burch fabeU 
haftel ©tüd in, furger 3eit gum bewunberten Sbnangeber einel gasreichen 2ln* 
hangl wirb; bab feine Spefulatiopen bal Signal für bie bon hunbert Slnbern 
bilben unb fein me mit bem ÜRhnbul bet Untrüglichfeit umgeben wirb, gilt 
eine futge 3eit finb folche ©lüdlpilge, unter beten fanben ftch, wie unter benen 
bei Königl ütftibal, 2lUel in ©olb berwanbelt, bie Könige ber SBaUftreet. Allein 
einel fchönen Sagel getanen fte auf bie unglüdliche Qbee, bab Pc ihre ©rfplge 
nicht ben Saunen bei 3nfaUl, fonbetn ihrem Schatfblid berbanfen, berfuchen 
gu „falfuliten", gu benlen, unb bamit ift beraubet gebrochen. Sie ftürgen, um 


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f«h «*« »«*« P ergeben. 2Ble fiometen ftnb fie gelommen, lote flemeten »et» 
f^tmnöen fl« iwebet^ ; 

Sie lünftlidbe Steigerung aßet SEertbe bur«b bie Giftfflbtung ber «Papier* 

»atuta gab wäbrenb beS ÄricgeS bem SBörfenfpiele einen fotoffalen Sluffcbttung.' 
Qabrelang regierte bie Raufte: Sebermann febien ju gewinnen, «Tciemanb ju 
»erlieren. «ötan bat berechnet, bt&ber Unterfchieb in bem greife ber gefamm« i 
ten Staatspapiere unb ©(fetten, welche im Sommer 1862 an ber «Remitier 
SBörfe umgefe&t mürben, unb bem berfelben «Papiere im Sommer 1864 nicht 
weniger als 250 «Millionen Dollars betragen bat, biefe Summe alfo in jmei 
Sabren »on ben Spielern „gemacht" worben ift. Ser «Preis mancher «Papiere 
»eroierfachte ft<b. So ftanben im Hnfang beS Krieges bie Slttien ber ©riebabn 
30, ftiegen auf 130 unb fitib feitbem wieber auf 96 gefallen. IReabinget 6U 
fenbabnattien tofteten im Sommer 1861 nur 55, ftiegen bis auf 160 unb wer» 
ben jefct mit 105 notirt. „Solebo" ftieg »on 28 auf 160 unb ging bann wie* • 
ber bis unter pari. „«Rod Sslanb“ fing 1861 bei 40 an, ftieg bis 150, fanf 
bis auf 82 unb ftebt je^t wieber 108. ’ «ÖUcbigan Sübbabn ftanb in ben »er* 
febiebenen fahren beS Krieges : 30,118, 61 unb 73 ; «Pittsburg Sahn ftieg 
»on 22 auf 129 unb ftebt jefct 82. — ©ine furchtbare Stifts erfolgte, als eines 
febönen SageS im 2lptil 1864 ber ginanjminifter ©bafe für einige «Killionen 
SollarS ©Solb auf bie SBörfe warf unb babureb bie ©ourfe beS ©olbeS, wie alter 
©{fetten um 20 unb mehr «Projent binabfchleuberte. Sa jerfdbmoljen alle 
• „tnärgins”, wie SButter an ber Sonne, bie «EßecbSler mußten bie beliebenen 
«Papiere um jeben «Preis losfdblagen, um ftch }tf bedien, £unberte, ja Saufenbe 
»on Spielern »erloren ihr StBeS, unb glänjenbe Vermögen waten fo febneß jer* 
rönnen, als fte gewonnen worben waten. 

Sie fübetfte Slrt »on Spetulation, bie aber nur »on groben fiapitaliften 
gewagt werben tann, beftebt in bem, was man einen “corher” nennt. Sabei 
werben bie “shorts” (Verläufer, SaiffterS) in einen äöfnfel, eine Sadlgaffe 
getrieben, aus welcher fein ©ntrinnen ift, unb bann' regelrecht abgefcbladbtet;' 

©in einseiner, reicher Spetulant, ober, was häufiger »orfommt, eine Keine 
GUque tauft alle »orbanbenen SPapiere »on einer gewiffen Sorte auf unb legt 
fte in ben Scbrant. Sarauf gebt er ober fte an bie !Sörfe unb nimmt aße 35er* 
laufSanträge auf biefelbe Sesife ah. Sie shorts, bie leime »bnung ba»on haben, 
bap bie Rapiere/ ju beten Stefemtng fte, ftdb berpflichten, überhaupt nicht mehr 
im ÜJtarlte ftnb, arbeiten mit SeibeSfräften auf bie Saiffe, aber ber ©nbtermin 
ihres ©ontrattS nabet bttan pe müffen ftch betfen, unb flehe bn, — was fte 
fudben, finben fte nicht. Ober »ielmebr, fk finben eS enblidb, aber in be« 

$änbfn »on Seuten, bie su ber comer-Slique gehören unb bie ihnen gattf 
bortenbe greife aboerlangeu. 3ft ein “corner” gut angelegt, fo giebt eS faum 
eine ©tenje für bie Operation. SaS oben erwähnte fabelhaft febtteße Steigen 
ber £>arkm*a«tien war sie Söirtung eines “cornär”, ben ber woblbetannt* 
aknberbilt angelegt unb an toeld&em er aus peinlicher ßiebbaberei auch bem 
fjauftfömpfer «Dlotriffep einen Slntbeil gemährt batte, hierbei lam es por, bajs 



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Verläufer, bie ftch oerpflichtet Ratten, hartem px 110 gu liefern, 280 bafür ju 
Ratten, alforan jeber 2lftfel70 peeterem 2Ran ifchde# ben ©efammt* 
teta<j,,bcn : .an bteiet* “oomer” • bie^Setföufe* *edbm,.’a«f 3 SRiilionen.’ 
aber bet ©min# für äSonberbitt unb ©enoffen mt benn b©$ ni^t fo grob.' 
f ^nn als ©rgebniß ber Operation batten ftefaft ba$ gan$e Slttientapital ber 
Harlent=93abn, bie wenig ober feine $)t»ibenben ergiebt, auf bem Hälfe, unb 
wenn fte eS loSfchlagen wollen, muffen fte (Berlufte tragen, bie non jenem ©e* 
wtnn nicht biel übrig (affen. 3tut bann ift ein “corner” als ein großer ©lüds* 
coup ju betrachten, wenn bie S^^eil^aber beffelben ein Rapier, baS eine gute jnb 
foltbe Kapitalanlage bilbet, unb welche^ fte erforberliebenfalls mit (Bottbeil be** 

J halten lönnen, $u mäßigen greifen eingelegt haben. 

S)ie SBXüt^e^eit ber ©olbfpeWtatidn war in ben gabren 1863 itnb 1864. 
gür bie regelmäßigen Spieler war baS ©olb eine Karte, wie jebe anbere; bei ben 
gelegentlichen Spetulanten gefeilten fidb politifebe Stimmungen, (ffiunfebe unb 
Hoffnungen gu ben (Dtottoen. Sieferiigen, welche.ben Sieg ber fftebellion 
tpünfdbten, trieben baS ©olb in bie Höbe, bie Patrioten fugten eS ju brüden. 
Mein oon biefer allgemeinen (Regel gdb es UadbbeibenlRi^twtgen bin gabt* 
reiche MSnabmen. 2)er (Berfudbung, aus einem ©olbboUar btittebalb Rapier* 
bollarS in machen, wiberftanben SBenige, ber 93atter, bet feine flebn, fünfzig 
ober bunbert 5tbaler ©olb im Strumpfe aufbemabtt batte, ebenfo wenig, wie ber 
| Importeur, ber für feine Söaaren ©olb junt ©ourfe non 200 emfttirt batte unb bem 
| ! ftdb bie 2luSft<ht bot, fte jum ©ourfe non 250 ab^ufe^en. gm ©ntnbe genommerf 
’ ] burfte man ftdb barüber nicht wunbern, ba ber ©ongreß burdb bie (Beftimmung, 
baß bie fech^P^entige 5lationalfdbulb in ©olb ner^nft werben folle, bem Streben 
noch eine Steigerung beS 2ljjpS einen ftarlen gmpulS gegeben batte, gebermann, 

J ber für feine 100 (Dollars Rapier, bie er ber (Regierung bargelieben batte, 6 

j (Dollars ©olb ginfen erhielt, blicfte mit faum nerbebltem ffioblgefaüen auf baS 

Treiben ber Spefulanten, baS ihm ohne fein gutbun biefe 6 in 15 ober 17 
(Dollars nerwanbelte. $)er burdb bie gteic^geitige Steigerung beS $reifeS ber 
SebenSbebürfniffe bewirfte (Berluft machte ftch, ba eine entfpredbenbe Steigerung 
beS ©rwerbs baS ©Eichgewicht hielt, nur in ben befebränften Kretfen Solcher 
) j fühlbar, bie auf ein fefteS ©inlomnten angewiesen waren. 

2Rit bem ©intritt beS griebenS bat bie ©olbfpefulation für bie (Börfenfpie* 
ler faft allen (Rei i oerloren unb ift größtenteils ber Kauf unb Verlauf beS ©ob* 
i beS unter bie H^rrfchaft ber baS rechtmäßige (Börfengefdbäft beberrfchenben na* 

; . türlichen ©efefce gurüdgetreten. gn faft brei (BierteUgabren ftnb bie ©ftreme 
j beS ©olbcourfeS faunt um 10 (ßro$ent oon einanber entfernt gewefen, unb feine 
(Bewegungen nach aufwärts ober abwärts ftnb nach, Viertel** ober halben (ßro* 
Renten öor ftdb gegangen. Sludb bie Spefulation in Slltien unb Staatspapieren 
ift foliber geworben, als fte wäßrenb beS Krieges war. (Daß* baS Hafarbfpiel 
f an ber (Börfe jemals ganj aufbören werbe, ift miebtanpmebmen, fo lange über 
• ben unftttUchen ©barafter beffelben nodb fo la?e:öorfte8unigc» befteben, wie es 
je# ber gall ift. ©in ©ewinn wäre eS fdßon, wenn bie öffentliche Meinung 

_ • _____ ; 1 


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142 


bafnn gelangte, e$ unbebingt in bie Aetbe berjenigen Saftet ju bettneifen, 
meldje als unbetmeiblicbe gefeHf<baftli<be Uebel betrautet merben. 3n bet 
©efdßicbte beS ^etü^otfer 23ßrfenlebenS rnetben bie beiben gabre \1863 
unb 1864 nod? fange als eine Seit bet tiefften ©rniebrigung beS SJörfenge* 
ftbüftS §um nublofeften üBörfenfdjtoirtbel genannt merben. 


■ pie roo()Uttd)enk 

Bon SIbo ©rad)t>og«I. 

(CEmamtri ©eibel ^geeignet.) 

SRacbt mar’S. $Bor mit bie iterje ftanb, 
S)ie mit bie greunbin überfanbt; 

S)aS 2Ba<bS, aus meinem fte gegojfen, 

2Bat bont ^pmettus felbft erttfproffen. 

Au<b batte Ambra btein gebannt 
3)ie bolbe fönftlerif<be #anb> 

Unb nie genoffner, ftembet 2)uft 
3)ur<bfättigte beS 3«nmerS Suft. 

5)ie SBimpem fielen. 2)aS Atom 
SBermanbelte in einen 2)om 
S)em 5)ämmemben baS Keine Sintmet; 

3<b fab im gtauen D)tptbenf<bimmer* 

AuS meiner ^bantajieen 6cba<bt 
Auffteigen jene alte $rad?t, 

S)abon baS @<bo feie ©ebet 
Um auSgegtabne iempel mebt. 

$ur<b beS ©uyinuS 33ranbung Hang' 
$et Argonauten SBeibgefang, 

Unb unter aller gurien glammen 
S3ra<b ädjjenb $riamS 93urg gufammen; 
$afät entftanb bollenbet febön 
Athen mit feinen ÜUtarmorböb’n, 

Sfliit feiner eb’men ©ötter §eer 
Unb mit bem £immel beS #omer. 

S5em Säbeln bet Saibion 
®ntf<böpft ©efang Analreon, 

©§ riefelte bureb SßinbarS Sieber 
$erjblut aus £clbenbrüften nieber, 


m 




i 



143 


Unb mdbrenb Sopbofleä ber [Radbt 
S)c§ OebipuS nodb 2i<bt entfacht, 

[Raubt 21efdbplu§ gum gmeiten 5Ral 
S)en S3ti$ für be3 $ßrometbeu$ dual. 

Staub wirbelt auf. 2)er 3>i§fu3 fliegt, 
Sieb, Wie ft<b jener Jüngling biegt! 

@3 füfct SBoUenbung biefe ©lieber, 

SBie er |i<b lacbelnb neigt bernieber. 

Söeldb eine gorm! 3ft e3 ein ©ott ? 

S)odb übermütiger, beUer Spott 
. UmfcbaUt ben gragenben im ©bor, — 

3)enn ein noch Sdbön’rer trittberbor. 

Staub wirbelt auf. sp^UippuS nabt; 
SReineib fein SBort, gludb feine — 

SBo, Jupiter, fmb beine Sölifce ? 

2t<b, bon Sltbenen^ [Rebnerftfce 
ffiie ©ötter^ocbeln baßte e§, 

3m Bonner be3 $)emoftbene3 
SerbaUte es, auffdßaumt ba£ 2Reer, 

Unb ber Olpmp ftürgt brüber ber. 

So lagft bu, febimmernb ©ried&enlanb, 
©efd&leift in ©bdrondai Sanb, 

2)ie Trägerin ber SdbönbeitSflamme, 

2)er URenfcbbeit unb ber greibeit Slmme! 

Unb noch aus beinern Schutte wanb 

2) e3 äBelterqbrer [Römern §anb 
gür feiner Stirne erg’nen ©lang 

S)er ©ragie weichen [Rofenfrang. ? 

2>o<b bu bliebft tobt. 2Ba3 foUte bir 
_ ©rborgten Sebenä glittergier ? 

S)em «gerrlidben ift nur gegeben 
SBoUfommnei; £ob, boUfommneS Seben. 

2lu3 beiner URarmortrümmer Sdboofi 
SRingt buntel ft<b ber Sorbeer lo3. 

3) er ift gum ©rabftein bir gefteUt, 

Unb opfemb liegt an ibm bte SGBelt. 


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144 


$as verlorene JlaraMcs. 


©ott <5. Sfibeftttg. 

2)ie biblifche Sage bon einem glüdlichen Urguftanbe be« erften SDlenfd^en« 
paare« finbet befonber« in ber perftfehen tmb gried^ifd&en ihre'entfpre« 
chenbe Sorau«fepung unb parallele. 2)a« „golbene geUalter" bir ©riechen 
verlebten bie erften ÜUtenfchen unter ber $errfdjaft be« ürono« in ungetrübtem 
Seben«genufe, frei bon ben Sorgen ber -Wahrung, ben Sefchmerben ber Arbeit 
unb ber Siirbe be« Alter«. „Unb fte lebten tote ©ötter, mit ftet« unfcrfjfamer 
Seele. Son wirbelten entfernt unb Sefümmernife. Selber be« Alter« Seiben 
mar nicht; nein, immer ft<h gleich an $äitben unb güfeen, freuten fte ftch ber 
©elage, bon jebem Uebel entäufeert. [Heid? an beerben ber glur unb geliebt 
bon ben feligen ©ßttern. Unb mie im Schlaf binfinlenb, berfchieben fte." 2)a« 
golbene 3*itatter, ba« £eftob in biefen SBorten beftngt, entfpricht bem f. g. „er* 
ften Spalter" beg perftfehen Abefta, ber guten alten 3eit, ba Skater Cr* 
mugb noch allein auf ©rben regierte, unb bie erften 9Wenf<hen an ber $anb be« 
guten Sichtgotte« bie blumigen Sßfabe ber Sorgloftgfeit unb be« gtieben« man* 
beiten, ©in Regiment gleich bem be« alten Saturnu«, „fehltet unb gerecht.«. 
2)a mar e« heute mie morgen. S)a lebten bie Ritten, ein harmlo« ©efchlecfet, 
unb brauchten für gar nicht« gu forgen. Sie liebten unb thaten meiter nicht« 
mehr. $ie ©rbe gab Alle« freimütig her.'' 

Sie jübifche $arabiefe«fage bilbet nur eine Setfton ber älteren perftfehen, 
bie fo eben berührt mujbe. Sie guben lernten biefelbe im fech«ten gahrfeunbert 
b. ©hr. Mhrenb ihre« Aufenthalte« im f. g. babplonifchen ©$ile lennen unb 
nahmen biefelbe fammt ber Sehre bom „Teufel" (Ahriman) au« bem Serft«mu« 
herüber. ghr gufolge pflangte „gehobafe ©lohint" einen ©arten in ©ben gegen 
DWorgen unb fepte ben ÜWenfchen baretn, ben er gemacht hatte. Unb liefe auf« 
machfen au« ber ©rbe allerlei Säume, luftig ait 3 ufehen unb gut gu effen, ben 
Saum be« Seben« mitten im ©arten unb ben Saum ber ©vfemttnife/ Unb 
fprach gum Stenfchen! „Su follft effen bon allen Säumen be« ©arten«, aber 
bom Saum ber ©rfenntnife follft bu nicht effen. Senn melcfee« Sage« bu babon 
iffeft, mirft bu be« Sobe« fterben." Unb bie Schlange („Ahriman") mar lifti* 
ger, al« alle Shiere auf bem gelbe, unb fprach gum Sßeibe: „ghr merbet mit 
nichten be« Sobe« fterben, fonbern, melche« Sage« ghr babon effet, merben ©ure 
Augen aufgehen unb merbet fein mie „©lofeün", unb mijfen, ma« gut uub bofe 
ift." Unb ba^ 2Beib nahm bon ber gru#t unb afe, unb gab ihrem ÜDtanne ba« 
bon unb er afe. Sa mürben ihre Augen aufgetfean unb mürben gempfer, bafe fte 
naeft maren, unb fochten geigenblätter jufammen unb machten ft<h Schürgen. 
Unb fte horten bie Stimme „gehobah«", ber im ©arten ging, ba ber Sag fühl 
gemorben mar. Unb fte berbargen ftd). unter ben Säumen. Sa fprach „ge* 
hobah" gur Schlange : „Serflucht feift bu bor allem Sieh, auf bem Sauche 
follft bu gehen unb ©rbe freffen bein Sebenlang ! geinbfehaft foU fein gmifchen 
bir unb bem ÜJienfchen, berfelhe foU bir ben ßopf gertreten nnb bu mirft ihn in 


r*ei 


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145 


bie gerfe ftechen." Unb gum SBeibe fprach er: „Sttit Schmergen foUft bu ge* • 
baren" ! Unb 311 „bern ÜDlenfchen" fprach er: „Sftit Kummer fodft bu bi<h nah* 
ten auf,beinen Släer, im Schweifte beineS SlngeftchteS bein 33rob effen ! $u 
bift ©rbe unb follft gu ©rbe werben"! Unb „3ehobah" machte „bern SJtenfchen" 
unb feinem SBeibe Stöcfe bon gellen unb 30 g fte ihnen an unb fprach: „Siehe, 
ber Sltenfch ift geworben wie unfer ©iner, unb weift, was gut unb böfe ift." 
Unb trieb ihn aus bern ©arten ©ben, baft er baS gelb bauete, bon bern er ge* 
ntmmen ift. 

2 )er finbifdpe ©nfall, ber ben thöridjten ÜJtenfchen unter ber Mühe unb 
Stoth beS SebenS wohl überlommen mag, wie fchön boch ein Seben ohne £ob, 
ein Sllter ohne Krantheit, eine ©eburt ohne Schmerg, ein ©enuft ohne Slrbeit, 
ein gtiebe ohne Kampf, ein ©lüä ohne Sorgen fein muffe, hat bern KinbeSalter 
ber SJtenfchhcit bie Sage biltirt, baft einft wirtlich foldfte parabiefifd^e guftdnbe, 
foldhe golbene Seiten bagewefen, bie unwieberbringlich berloren feien. £rage 
Stube, langet Seben unb ftnnlichet ©enuft ftnb noch heute bern Staturmenfchen 
bie haften ©uter; was bagegen unb was barüber geht, ift für ihn bom Uebel. 
©r beneibet baS Ztytx „beS } gelbem", weil eS Weber bie Slrbeit unb ben Kampf 
mit ber Statur, noch bie Sorge um Stabrung, Reibung unb Sßoftnung fennt, 
unb überbieS Weber bon ben Schmergen ber Krantfteit, noch ben Schrecfen beS 
SobeS, noch ben Söehen ber ©eburt berührt wirb, ©r flucht ber ©bilifation, 
bie ihn au S feinem tragen behagen aufrüttelt unb ihn gum Kampfe um feine 
©yifteng unter berdnberten unb fchwierigeren ©ebingungen aufruft, er ber* 
wünfeht eine ©ultur, bie baS ParabieS ber weiten Qagbgrünbe hinter ihm 
fcblieftt, unb ihm ben tleinen Sltfer guweift, bamit er im Schweifte feines Singe* 
fichts fein £3rob baue. 

Obgleich bie ParabiefeSfage bie „©rtenntnift" feiert, inbem fte bon ber 
©iferfucht „^ehobahV' auf ben SJtenfchen rebet, ber nun „geworben wie .unfer 
©iner, p wiffen, was gut unb bofe ift", berwünfdjt fte biefelbe boch, als gu 
theuer erlauft, unb branbmarlt fte, bie ben ©öttern gleich macht, in bemfelben 
Sltbemguge als „berbotene grucht". Sebhaft erinnert bie ©ferfucht, mit ber 
„Sehobah ©lohim" ben Menfchen gur ©rlenntnift reifen fleht, an bie Stäche beS 
griechifchen 3euS, ba Prometheus baS geuer bom $tmmel ftiehlt, um eS ben 
Menfcben mifgutheilen unb fte bie fünfte p lehren, bie baS Seben ber Sterb* 
liehen göttergleich machen. Sluch ftnbet ber ParabiefeSapfel, ber gleiftenbe, mit 
bem unheilbollen Inhalt, ben baS SB eib bern „üStenfchen" reicht, eine Parallele 
in ber berführerifchen ©abe ber P a n b 0 r a, bie; bon ben auf bie Mengen eifer* 
füchtigen ©öttern mit allen Steifen auSgeftattet wirb, um fte gur Sinnahme eines 
©efchenteS gu bewegen, welches baS gange, bisher nicht gebannte §eer ber Stoth 
• unb Krantfteit, beS Jammers unb ber Schmergen einfchlieftt. 

Offenbar entfpringen alle biefe Sagen bern erften KinbeSalter beS Men* 
fd?en, als er bon ber fo mühfarn errungenen, nieberften Stufe beS Kulturlebens 
noch fehnfüchtigen SlugeS in ben Sftierparl gurücfbliäte, ben er, bon ber duftem 
Stoth gefpornt, eben erft burchbrochen hatte. Sie ftantmen auS einer Seit, ba 

rf ’ 10 


•8 



„bie ©rfenntnife" beS 2ftenf<hen bereite wett genug gebieten war, um ben Meib 
ber „©otter" wach gu rufen, nicht aber, um feine Bhantafie bor einem Müdfalle 
in bie „golbene" 2>t\t ber Beftialitdt gu bemalen, bon ber er fich eben erft los* 
gerungen. 2)ie Slrbeit am eigenen Mder, gu ber bie 3^itur ben Blenfchen rief, 
um ihn als höhere Orbnung umgugeftalten unb fo ber nieberen Stufe beS £f>ier* 
lebenS gu entreißen, erfdfeien ber Sftyantafte, wenn fte auf ihren 2luSf(ügen in 
„baS berlorene SßarabieS? baS $hier gewahrte, baS ftch nicht „mit Kummer auf 
feinem Slder nähren" mufe, ctlS ein heillofer gtuch für bie Btenfchheit. $>te 
Sorge für Bebedung unb Reibung, welche bie Matur bem gum Btenfchen tranS* 
formirten Spiere als Schuft gegen feine flimatifefee Umgebung auferlegte, wdh* 
renb baS £hier biefer Sorge überhobeu ift, erfchien fo überaus brüdenb, bafe fie 
nur bie leibige 3?olge beS mit ber „Sünbe" ermatten Schamgefühls fein 
tonnte —, wdhtenb hoch unb (Erfahrung gur ©enüge geilen, bafe baS 

©cfühl ber Scham bor ©ntblöfeung erft burd) bie Sitte, bie ©ewohnheit ber 
Befleibung, ber BerhüUung erwedt unb burdfe bie Begleichung beS fthmeichel* 
haften ©egenfafteS auSgebilbet würbe, in bem ber b e!le i b e t e Mturmenfch 
gum unbelleibeten SBilbenftebt, ber höchftenS feine Bl öfeen bedt. $er 
ßampf beS 9Jlenfchen mit ber Matur, bie fiegreicbe Unterwerfung nnb 2)ienftbar* 
ntachung ihrer wiberfpenftigen Ürafte galt bem tragen, frieblichen Maturmenfd;en, 
wieberum weil baS „glüdliche" £hier babon Nichts weife, als heillofe Unter*» 
brechung einer allgemeinen «Harmonie, bie ebebem im Barabiefe, im golbenen 
Zeitalter gewaltet haben mufete. $ie Schmergen, unter benen ber SMenfch gu* 
folge feiner natürlichen höheren Organifation gum Sehen geboren wirb, erfchicncn < 
ihm als berwünfehte Abweichung bon einer urfprünglichen belferen ©inrid)tung, 
lurg Dilles, waS ihm in ber Matur als fhablid?, bdfelich/ feinblich gegenübertrat, 
mufete, wie bie Sdjlange, bie auf bem Bauche frieren unb < Staub freffen niufe, 
ihr Sehen lang als berfluchte 2)tifegeftalt gelten, bie ben BarabiefeSgarten noch 
nicht berungierte. S)afe bie Matur, als fte in ber $f(angen* unb SLbiermelt bie Meihe 
ihrer ©rfebeinungen nach bem ©efefte ber Mothwenbigfett entwidelte, ben 9Men* 
fchen, ber bamalS noch nicht ejiftirte, nicht um feine Stimmung befragen 
lonnte, bafe bie Singe überhaupt nicht um beS Mtenfchen, fonbern ihrer felbft 
willen eyiftiren, unb feines an feiner Berechtigung etwas baburch berliert, bafe 
eS bem 9Menf<hen gufdllig feinblich, berberblich, häfelich ift/ bieS Alles uiufete ber 
Bhantafie beSÄinbeS fern bleiben, welches Alles nur um feinctwillen „gemacht" 
fich borftellte. 

So fommt es benn, bah nw bie religiöfe Sage Uebel unb Unheil, gluch 
unb Berberben in ben ©rfd&einungen ber Matur unb ©rtltur beflagt, bie ©e^ 
fd)i<hte Bernunft unb Segen, 3ufammenhang unb Drbnung nachweift, bafe, 
was jene als gall, als Berluft betrauert, h^r als Sieg unb ©ewinn begrüfet 
.wirb, unb bafe berfelbe 3uftanb, ber bort als „ein golbener" gefeiert wirb, ben 
man wiebergewinnen müffe, hier im Sichte ber Gultur als ein fehr gegenteilig 
ger erfcheint, gu beffen Ueberwinbung man ber Mtenfchheit gratuliren mufe. 
SaS ©nbe beS BarabiefeS mar baS ©nbe beS MaturguftanbeS ber üDtenfcftheit 


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unb ber Anfang ber Kulütrentwidfelung. $er Sertuft bcr f.g. parabieftfchen 
Unfd&ttlb mar ber ©emhtn ber menfchlichen Freiheit bon ber $errf<haft beS bunf* 
ten 3nfttn!teS, baS Srcchen oom oerbotnen Saunte ber (Erfenntnifc — ber erfte 
2lft eines felbftbemufjten §anbeln3. (Einmal gunt Selbflbemujjtfein oorgebrun* 
gen, hatte ber 97tenf<h baS ©ängelbanb beS SnftinlteS, an bem eine mütterliche 
ERatur ihn btS bahin geleitet, gerriffen; baS SßarabieS beS thierifchen 3uftanbeS 
war hinter ihnt gefchloffen; bie Statur felbft wehrte ihm mit bem gangen $eere 
ihrer feinblichen Kräfte bie [Rücffehr, rief ihn gunt Kampfe beraub, um bie-firdfte 
ihres ilinbeS gu entwidfelh, lehrte ihn, bur<h Krfenntnifj ihrer Kräfte unb (Er* 
fdjeinungen ihrer Saunen ftch gu erwehren, burdh Sernunft ihr Ungeftüm gu 
bänbigen *—> um fo in bem münbig geworbenen Sohne fleh ben $errn unb 
(Sebieter ihres Haushaltes gu ergiehen, unb in bem benlenben Sftenfdben ftch 
einen Spiegel ihres eignen SßefenS, einen SluSbruc! ihres eignen Kentens gu 
Waffen. — ; • 

SBenn bie Söiffenfdhaft, bon fofeher Slnfchauung auSgehenb, in ber ©c* 
fdhichtc ber 2ftenf(htMt eine fortf<breitenbe Kntwicflung, einen organifchen 3u* 
fammenhabg, eine bom fieberen jum Roheren äuffteigenbe Stufenreihe nach* 
weifen !ann, unb bon einem (Erbteile ber (Eultur, einer forterbenben (Eultur 
rebet, bie mit bem Scrlufte beS SarabiefeS angehoben, behauptet bie ßirche int 
biametralen ©egenfape eine gunehmenbe Serfchlechterung, ein fortfchreitenbeS 
Serberbnifc ber 2Jtenfchheit, welchem bur<h geitmeilige (Eingriffe einer höheren 
ÜSHllfär nicht mehr als gefteuert Werken tonnte. $ie forterbenbe Kultur wirb 
bon ber ßirche als (Erbfünbe. berworfen, uttb mährenb bie 2Biffenf<haft nach* 
Weift, ba|j nur burd) bie (Eultur ber Sernunft bie Stenfchheit im ©angen unb 
(Eingelnen befferen, ^tödlicheren 3uftänben entgegengeführt wirb, berflucht bie 
Kirche bie (Erlenntnifc als Stutter alles Unheils unb führt, getreu ber biblifchen 
Sage, bie „Uebel ber (Erbe" im Mgemeinen unb befonberS bie Kalamitäten beS 
SageS: $rieg, Seft, $ungerSnoth unb begleichen „9IccibentS", auf bie „um 
ftch greifenbe Hufflärung", ben überhanbnehmenben Unglauben, als „höhere 
Strafen" gurüd. freilich. Wenn fchon bie „©ötter" geterten: „Siehe, ber 
9Renfch ift geworben ♦wie uttfer (Einer unb weijt WaS gut urib boS ift," wenn 
fchon fxe babor bangte, ber 2Renf<h werbe ihnen über ben Äopf warfen, fo ift 
eS ben Wienern, ben Seamten biefer „©ötter" nicht gu berargen, wenn fie bem 
Saume ber (Erfenntnijj fluten, ber „llug macht wie fte felbft ftnb, unb ben 
SaumbeS SebenSgenuffeS preifen, ber buntm erhalt, unterthäbig. 3hren ©ot^ 
tem nach, eifern bie Sriefter ftets für niebere (Eulturguftänbe, bie Vergangen 
ober im Vergehen begriffen ftnb; fte pflangen ben Saum ber Krfenntnifj unb 
wehren bem „3Jtenfchen" feinen ©enup, fte hegen ben Saum ber Kultur für: 
ftch unb taffen bem „Stcnfdpen" baS bewunbernbe Slnfchauen feiner gldngeftbett 
grüchte, fte fotbern ©ehorfam unb fegnen ben golgfamett, fte unterbrüden bie * 
Sernuttft unb fluchen bem freien. $ie Kirche ift baS SaräbieS. „ßein #eit 
anper ber $ir<he"l 


Stlbet fo bie ^tirabiefeSfage ben ©runbteyt gur Dtomantif ber Kirche, fo 



giebt fle jugleüh auch bett ©runbton aller Vomanti! an, beten SBefeti barm be* 
fteht, haft fie ihre Q\dt unb 3u>ede, ÜWufter unb Sbeale nicht na# ben ©e* 
fefeen bet ©rfenntnift aul bet ©egenwart aufbaut, fonbern na# ben ©ngebun* 
gen bei ©eniüthl bet Vergangenheit entlehnt. 2)et religiöfe Vomantifer, 
wel#er einfa# ben 2Jtenf#en ben [Rath ertheilt, wiebet jut ßinbheit jurüdju* 
tebren, um [Nahrung unb Reibung fi# nicht $u tümmern, ba ja au# bie 
„Vögel unter bem Fimmel" ni#t atbeiten, unb bie „Sitten bei gelbel" ni#t 
fpinnen, unb benno# genährt unb betleibet werben, bet fociale Vomantifer, bet 
ben SBilben jegli#er Kultur all gbeal gegenüberftellt, ju bem bie 2Jtenf#heit 
jurüdtehren müjfc, bet einfach anräth, bal $inb bem ©influjfe aller unb jeher ©ultur 
ju entreißen unb in bie ßinöbe bei SBalbel bet erjiehenben §anb bet Statut §u* 
rüdjugeben, bet poKtif#e [Romantifer, bet, na#beni bet Sturm einet „weiter* 
f#üttemben" ßrifil bie'©runboeften bei alten Staatlgebäubel umgeftürjt unb 
bal Sölatt bei alten ©runbgefebel betweht hat, — all ob Vichtl borgefallen 
Ware, — bie [Reftauration bei Sitten (“as it was”) ju feinem tyhxk macht, 
bet Vomantifer bet Sunft, bet bal Veraltete wtebet auffcifcht, bal $obte mit 
bet garbe bei Sebenl f#müdt, bet in bem ©ben biefet ober jener „tlaffif#en" 
Vergangenheit feine §eimath hat, wie bet [Romantifer *bel phtttfaafw Sebenl, 
bet bal Stedenpferb einet altfränfif#en Sitte reitet, welchel bie Kultur einet 
Jüngeren (Generation in ben SCBinlel gefteltt hat, fie Sille ftnb nur Variationen 
bei alten Siebei bom berlorenen [ßarabiefe. Slbgeftoften bon bem „nüchternen", 
beftrultiben, unprattif#en, ober „ungemütlichen" mobernen ©eifte, flüchtet bet 
Vomantifer in bie [Regionen bet Vergangenheit, in welchen feine [ßhantafie be* 
liebig f#alten unb fein ©emütb befchautt# weilen barf. Sin fich bem ©eifte bet 
©egenwart nicht feinb, bet borwdrt! treibt, wirb bet SRomantiter erft bann 
realtiondr, wenn bie ©egenfäfce fich Karen unb bet offene ©onflilt ihn jur ©nt* 
f#eibung jwingf. ©iferfu#t unb gur#t ergreifen ihn, einem ©eifte gegenüber, 
bet nach 2fta#t unb §errf<haft ftrebt; er fühlt, bah er mit biefem, ber eine neue 
SBelt in feinem $opfe trägt, nicht in grieben jufammen wohnen fann, unb 
fraft bei Vechtl, bal ihm burch Uebermacht unb Ueberjahl oerliehen ift, ftöftt ' 
er ben ungefügigen Sohn ber neuen 3*it hwaul unb wehrt ihm mit bem 
„Schwerte" bie Vüdfehr jur alten Herrlichkeit, liefern aber wirb bet Verluft 
©ewinn, ber gluch, mit bem ihn bie alte ©ultut pon fich abgeftoften, wanbeit 
fich jum Segen. Sßenn auch im Schweifte feinel 3lngefi<htl,»baut et auf bem 
felbfterwdhlten, neuen Voben ben ©arten einer neuen, felbftftdnbigen ©ultut, 
genieftt bie grüchte einet felbfterrungenen ©rlenntnift, unb wdhrenb feine $fton* 
jung wdchft unb in bie unabfebbare SBeite bet Sulunft entgegen reift, fchlieftt 
fich bal [ßarabie! ber alten ©ultur in ben feftgeftellten ©renjen ab unb erftarrt 
in ben oererbten gönnen bet Vergangenheit. 

So wirb bie ©ntwidelung ber menf#li#en ©ultur mit ihren oerf#iebenen 
Orbnungen unb Stufen, bereu bie ©efchichte erwähnt, ein treuel ^Ibbilb bet 
©ntwidelung bei organifcben Sebenl mit feinen Orbnungen unb Stufen, wie 
fie bie 3taturgef#i#te in $flan§en* unb Sh^welt aufjdhlt. Hier, wie bort, 



149 


baut ftdh bte f. g. neue, Ootlenbetere Orbnung bic höhere Stufe aus ber oorauf* 
gebenben, alteren, unooMommneren, nieberen auf, unb obgleich bte eine in ber 
anbent ihre borauSfepung, ihren 2luSgang bat, fteben beibe boeb, in fdheinbar 
unoermitteltem ©eaenfafce, einanoer frentb gegenüber. 2lber audb nur fdheitt* 
bar, ba hier, toie bort bie ÜÜtittelglie^er, toeldhe todbrenb ber ©nttoitfelung felbft 
bie leifeften Uebergäng$ oon borauSfepung unb fjolge beseitigten, ausgefallen 
finb, unb bie ©efebiebte baS SBadhStbum beS Raumes ber Kultur ebenfo toie 
ber organifdhen Sftatur nur nadb beit großen SabreScingeu beftimmt, bie ba* 
3 tütf<ben liegenben 3eden aber, toeldhe fte beroortrieben, nicht oerjeiebnet bat. 
üEBie in ber ©nttoitielung ber organifdhen Statur bie alte betrftijenbe „Dehnung" 
bie oor ibr auS^egangene abtoeidhenbe 2lbart feinblid) Oon fub fttejj, unb $au* 
fenbe ber filteren ju ©runbe gingen ehe es ©iner gelang, als „neue Orimung" 4 
umgeftaltet, ftdh ftegreidh ju behaupten, fo beseitiget ber Uebergang oon einer 
^ulturorbnung jur anbern eine ßette ttamenlofer ÜDtittelSperfonen, bie enttoeber 
als 2lpoftaten auf halbem SBege umfebrten, ober als ddärtprer ber ©iferfudht 
unb gurdht ber.berrf<benben Orbnung jum Opfer fielen, ober als Pioniere auf 
bem toeiten 2Bege na<b bem bunllen 3iele einer neuen Kultur su ©runbe gingen, 
bis eS enblidh ber immer ftdrter unb entfdhiebener auftretenben Sfctoegung ge* 
lang, bie alte Orbnung ju burdjbrechen unb ihre ©leidhberedhtigung ftegreidh su 
behaupten* 

y ' 


£ttt JJcutfdjcn in Amerika. 

bött gfrieferid) 2e*ou>, ' 


©rfter 2irtifeL 

SGßaS baS Seben in 2lmerifd fo anjiebenb^madht, toaS ibm ben eigetttbüm* 
lidhen 3auber oerleibt, melier ben $enfenben untoiberfteblidh feffelt unb, falls 
er ju ben ©ingetoanberten gehört, baS ©efübl beS «geimtoebS feiten in ihm auf* 
tommen labt, — baS ift bie ©rofiartigfeit ber ©nttoidflung, bie dftannigfaltigfeit 
ber ©rfdbeinungen, toeldhe $ag für £ag ftdh ber Beachtung aufbrdngen. ©S be* 
burfte nidht einer gigantifdhen ßriftS, nidht ber betoaffnung oon dMionen, nidht 
ber ^unberte oon Sdhladhten, um es einleudhfenb su madhen, baf$ 2lmeri!a ein 
grobes 2anb ift. 2ludh unter getoöbnlidhen berbdltniffen übertrifft baS, toaS baS 
taglidje geben ber bereinigten Staaten an ^ntereffantem unb ^mpofantem ge* 
biert, 2llleS, toaS bie tübnfte bbantafte ftdh oorjujaubern im Stanbe toare. 
^Drüben ftebt man alterSfdhtoadhe Staaten oergeben, hier ruft faft jebeS Qafyr ein 
neues, traftigeS ©emeintoefen, toeldhem oielleicht in ber ©efdbidbte bet>3u!unft 
bie toidhtigfte bolle oorbebalten ift, aus bem bidhtS beroor. 2Bie bie bilbet eines 
S)ioramaS {eben mir bie oerfdhiebenen Stabien ber gefellfdhaftlidhen ©ntfaltung 
in turjer 3eit — oon ben erften 2lnfdngen bis sunt oollfommen auSgebilbeten 



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ftaatlidjen Drgantdmud — an und borübergtehen, unb bergegenmärtigen und 
habet, t>a|3 bieferSßrogefj anberdmo Qahrhunberte beanfprucbte. Unter ben Staaten 
her Union bat noch feiner ald ^otc^er fein hunbertjdhriged ©eburtdfeft feiern 
fönnen, einige gahlen ihr Sitter noch ni<bt nach Secennien, unb botb befinbet ftcb 
unter ihnen feiner, melcber in feinen Seiftungen unb feiner Sebeutung für bad 
Slllgemeinmobl ben SBergleüb mit einem europäifcben Staate bon gebnfgcber S3e* 
böllerungdgahl gu (ebenen batte, mäbrenb fte in ihrer SSerbinbung eine ©efammfc 
beitbilben, mit ber fub eben Sticbtd vergleichen lä&t. Stetten mir und bie 
betriebenen Elemente ber 33ebölferung bor, fo finben mir bie Urbemohuer 
bed Sanbed, melcbe Stritt für Stritt, «lämpfenb bid gum lebten 2Jtann, bor 
ber ©bilifation gurücfmeicben, mit ber fte fleh nicht befreunben fInnen unb bon 
ber fte bemühtet merben. SBir mögen ihr tragifdjed Stbidfal betlagen, aber 
helfen fönnen mir ihnen nicht, meil fte ftd? nicht helfen taffen motten. 2Ber nicht 
bem gortfebritt bulbigt, mer nicht im Scbmeifie feined Slngeftcbtd gur allgemeinen 
Söeglüdung beitragen mill, ift unrettbar bem Untergang gemeibt, unb fein ©ott 
fönnte bad SSerbangnifj bon ihm abmenben. SBir erblicfen ferner eine tttace, 
melcbe nicht freimillig hierher fam, fonbern ald graebtgut in Schiffe berpadt, 
über bad ttfteer gefcbleppt unb bid bor Burgern in betten unb 33anben gehalten 
mürbe, gür bad biefem ©ement gugefügte Unrecht haben bie Scbulbigen febmer 
büfjen müffen. 2)ie Seiten ftnb gerbroeben, ber Sflabe ift gum freien SJtenfcben 
gemorben, aberbamit noch feinedmegd bad natürliche SSerbältnifj bergeftellt. 2)ie 
^Befreiten gahlen nach SJtittionen, fte taffen fub nicht ignoriren, fte forbern ihr bolled, 
ganged Siecht ald ©ngebome biefed Sanbed, unb man mirb ed ihnen gemabren 
müffen. Slber mie biel merben mir noch erleben, mie biel tämpfen unb bietteicht 
leiben müffen, bebor bad eingemurgelte SSorurtheil febminbet unb Sliemanb mehr 
aH bie Hautfarbe 2)effen b&tt, mit bem er gu thun hat! So gemift bad Starre 
unb gaule gu ©runbe geht, fo gemifi mirb bad felbftbemu&t tätige ftcb (Mtung 
berfebaffen unb jtüher ober fpater bie Stellung einnehmen, auf melcbe ed fraft 
feined SBertbed gerechten Slnfprucb hat. Slmerita ift beftimmt, ber ©bilifation 
in ben Sifrifanetn ein neued ©erneut guguführen; bad ift bie Sühne, melcbe ber 
©eniud ber ttftenfebbeit ihm für bad begangene Unrecht auferlegt, unb ber 
SBottgug biefed Scbidfaldfprucbd bilbet nicht ben am menigften intereffanten Xheit 
beffen, mad fub hier bor unfern Slugen entmicfelt. — Sin ber*$üfte bed Stillen 
üttteered fehen mir ein neued, frembartig:d Element erfebeinen. 3>ie Singehörigen 
einer alten, abgelebten ©bilifation, bie untergeht meil fte ftcb felbft gum emigen 
Stittftanb berurtheilte, nahen ftcb bort febüebtern ber aufblübenben ©efittung, bie 
fie noch nicht begreifen, beren Segnungen fte aber ahnen. Sie fühlen ftcb in 
ber neuen Umgebung fo fremb, bafj fte noch nicht einmal ben ©ebanfen ertrag* 
lieb finben, ihre lobten in bem fremben S3oben ruhen gu (affen, unb bad SUiifi* 
trauen, melcbed fte ben raftlod SSormdrtdftrebenben gollen, mirb ihnen bon biefen 
reichlich gurüägegablt. 2öer bermag gu ermeffen, melcbe Stolle im Saufe ber Seit 
bie mongolifebe Siace hier fpielen mirb, melcbe Slufgabe ihr beftimmt ift, mie fte 
auf bie ©eftaltung bed hieftgen Sehend einmirfen, melcbe folgen ihr ßrfebeinen 


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151 


an unfercn ©eftaben für baS fpdtere Verbaltnifc gwetet Sßeltiberle gu einanbcr 
na« ft« gieben wirb ? — Unb enbli« feigen koir no« tief im Ämtern beS San* 
beS ein Vötf«en bon ganatifern ft« geftalten — bie ÜUtormonen, wel«e wahr* 
f«eiitli« na« unb na« unbemerft im gewaltigen Strom fre«eitli«er Gut* 
widelung untergeben, biellei«t aber au« no« gu ernfien Störungen Slnlafs 
geben werben, 

Slber bie groftartigfte unb intereffantefte Grf«einung bon allen bietet ft« 
uns wenn wir ben Ölicf auf bem berweilen laffen, was uns am nd«ften liegt 
uno am unmittelbarften berührt. uns felbft wohl immer bie Vebeutung 
hoffen gegenwärtig, waS wir tägli« ber uns feben ? SHtnbmanbem wir bie 
'Straften unferer §afenftäbte, fo ftoften wir faft gu jeber Stunbe auf S«aaren 
bcu Stawanberern, wel«e eben erftgelanbet ftnb, unbbenen ft« hier eine neue 
SBelt, ein neues Safein eröffnet. Ser Slnblid ift ein fo gewöbnli«er, baft wir 
ihn faum nc« bea«ten, unb bo« ift er Wohl ber Sca«tung wer«. So wie 
je^t, gebt eS feit einem gabvbunbert unb barüber hinaus, unb fo wirb eS bur« 
fernere Sabvbunberte geben. GS ift eine Vroceffton, bie allerbingS einen Sin* 
fang batte, für bie ft« aber fein Gnbe benfen läftt, eine glu«, SBette auf SBeHe, 
SQßoge auf SBoge, halb ftärfer, balb f«wd«er, aber ruhe* unb f«rantenlbS wie 
baS unenbli«e üUteer. GS ift eine Völferwanberung, ni«t berbeerenb unb ber* 
wüftenb wie bie, wel«e einft über Guropa babin braufte, fonbern bauenb, be* 
lebenb, unermüblt« f«affenb. Senfen wir an baS, WaS bie erften Spi&en 
biefer Sßrccefjfon .hier antrafen, wie fte ba, wo jefet SSBeltftdbte fteben, bem Ur* 
walb ben $lafc für «re $ütte abgewinnen muftten, wie bie 9ia«fommenben 
ft« weiter unb weiter wälgten, wie fte fdmpften, wie fte rangen, wie fte arbei* 
toten, um ft« felbft bie Gyifteng gu ft«ern unb immer neuen Slnfömmlingen bie 
SEege gu bahnen. Unb fo gebt eS fort, Sag für Sag, weiter unb weiter. 
SBeftwärtS, weftwdrts gebt ber 3ug ber 27tenf«beit, getrieben bur« einen 
Snftmft, bur« einen ifrang, fo. unfehlbar unb unwiberftebli«, wie ber beS 
SuguogelS. So grünben bie Söhne ber alten Sßelt hier eine neue, unb' 
no« immer ift eS nur ber Anfang, no« wohnen ba erft breiftig Millionen, wo 
einft #unberte bon üUtillionen ihr SBefen treiben unb weitere na« ft« giebett 
werben. 

Vergegenwärtigen wir uns für einen Slugenblidt bie Vebeutung biefer 
2Jtenf«enwogen. SüleS, was hier ber gleiß gef«affen, ift bur« Slnfömmlinge 
aus Europa ober «re bireften Sla«fommen berborgebra«t, unb alle #offnun* 
gen ber bie* SBeilenben beruhen barauf, baft bie Ginwanberung ni«t ab*, fon* 
bern eher no« gunimmt. Grgcbt ber Slmeriraner ft« in Spefulationen über 
bie glorrei«e 3^funft feines VaterlanbeS, über ben hoben Veruf feiner Nation, 
fo ntüfete er mabnftnnig fein, wenn er ft« einbilbete, baft bas, was ihm bor* 
f«webt, ohne bie £ülfe beS unüntevbro«enen 3“tMeS aus Guropa gur SBabr* 
beit werben fönnte. SaS ameritanif«c Voll ift ein £inb ber 2Jienf«beit, auf 
baS, was «m aus ben übrigen Stfelt«eilen an fräftigen Sinnen unb bellen 
ßöpfen guftrömt, ift es für lange 3eit angewiefen, unb barum gehört baS Ser* 


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152 


ritorium b*r bereinigten ©tönten feinem beftimmten Stamme, barum batf ftdb 
hier deiner, ber fein £ 00 $ mit bem Amerifa’S verbtnben miß, fremb füblen, 
barum ift 3 *ber, welcher am großen SBerfe mit arbeitet, hier vollberechtigt 
$aS ©ebiet ber Union gehört nicht ben Angelfachfen, fonbern bem groben 
bolfe, meldheS fuh aus ben Angehörigen aller hier vertretenen bacen unb bol* 
fetfcbaften bilDct. 

tiefer Wahrheit müffen namentlich mir 2 )eutf<hen eingebenl fein. 3 u 
bem, maS ift, haben mir unfern $heil reblich beigetragen, unb bem, maS fein 
mirb, merben mir ebenfo menig fremb bleiben, ©eit bem UnabhängigfeitS* 
friege hat hier leine politifd&e unb feine materielle dntmicfelung ftattgefunben, 
bei ber fidb nicht ber Ginflufc unb bie thätige üDlitroirfung ber 2 )eutf<hen flar er* 
fennen liebe. 5)aS angelfächftfche dlement hatte ben borfprung unb ift noch 
jefct geneigt, hier alles Anbere als fremb flu betrachten, bor vier fahren 
mochte bieS noch einigermaben entfchulbbar fein. 2Jtit einigem A n f <b e i n von 
beredjtigung, menn auch feineSmegS mit Aecht, fonnte man uns fagen : „3hr 
©ohne eines gefnechteten bolfeS empfangt hier bie Segnungen einer Freiheit 
als ©efchenf, melche nicht du er Aterf ift." 3 $Jt aber ift ein folcher bormurf 
nicht mehr guldfftg. 2 >ie neugeborene, neu im blut ber gelben getaufte grei* 
heit ift unfer SBerf nicht minber als baS ber Angeifachfcn. A3aS mir hier ge* 
niefcen, baS haben mir verbient, baS blut unferer gelben hat 
uns bieS 2anb §ur £eimath erfauft. 2ßir fmb in Amerifa feine 
gremblinge, beanfprudhen, inbem mir uns ben dingeborenen völlig gleich ftellen, 
nur baS, maS uns jufommt, unb ftnb Aiemanbem S)anl fchulbig. Unfere di* 
genheit, unfere Snbivibualität unb Sitte hat hier ganj biefelbe berechtigung 
mie bie aller Anbern, unb fragt eS ftdb, maS mir ablegen ober maS mir von 
Anbern uns aneignen foUen, fo haben mir babei einfach ju berücfftchtigen, roaS 
einetfeits bie ©elbftadhtung unb anbererfeitS bie Pflicht gegen baS 2anb unb 
. bolf unferer SGßahl von uns verlangt, maS mir uns felbft unb maS mir ber 
©efammtheit, von melcher mir einen $heil bilben, fchulbig fmb. 

Suchen mir uns über bie Stellung, melcbe mir hier einnehmen unb fünftig 
einjunehmen beftimmt fmb, flar gu merben. $*aS Uebergemicht beS Angel* 
fadhfenthumS, beffen Slerbienfte nic^t hoch genug angefdhlagen merben fönnen, 
hat offenbar feinen MminationSpunft überfchritten. Stellenmeife befinbet eS 
fidb in ber Minorität, unb an ben meiftftt Orten — au^er in ben Aeueng* 
lanbftaaten — mirb ihm von ben übrigen dlementen fo ziemlich WS ©leid?* 
gemidbt gehalten. 3 u ber jährlichen dinmanberung liefert eS nur einen verhält* 
nifjmäfjig unbebeutenben öruchtheil, nicht viel mehr als granfreich, Stalien ober. 
bie ffanbinavifchen Sänber. dS läfjt fidh nicht ermarten, ba& in ber Sufunft 
baS Aerhältnib ein anbereS fein mirb. 5)er Ueberfchufj ber Aevölferung Alteng* 
lanbS fällt gum übermiegenben $heil ben verfchiebenen brittifchen ßolonieen 5 U. 
Albion ftredtt feine Arme über alle.Atelttheile aus. d& fchiclt feine Söhne nach 
Aufträgen, nach bem dap ber guten Hoffnung, nach Oft* unb Akftinbien. 
grüher lag bie Schmerfraft feiner £hätigfeit als MonifationSvolf hier; jept 3 er* 


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fplittert ftch biefelbe fo feßr, baß fte hier !aum noch tn Seiracht lommt, unb fo 
tt)trb eS au<h in ber golge fern- Sie bereinigten Staaten erhalten bie ülftaffe 
ihres 3uma<hfe3 aus Seutfrßlanb unb Srlanb. £eßterc0 hat feßon fo btel ge* 
liefert, baß fein Kontingent halb abnfhmen muß, unb bie ffllajorität mirb ben 
3)eutf<hen gufaUen. Somit ergiebteS ftch, baß bem beutfdjen ©(erneut in Slrne* 
tila eine übermiegenbe bebeutung borbeßalten ift. 

SaS ©yperiment, aus ben hier gufammengernürfelten bacen unb Böller* 
fünften eine Nation gu bilben, feßt auf allen Seiten ein milligeS ©ntgegenlom* 
men, ein freubigeS ©eben unb (Impfangen borauS. SBaS gufamnten leben unb 
fortmährenb mit einanber berühren foH, barf ftch nicht bon einanber abfcßließen. 
gebet muß bem Slnbem baS mitthetlen, maS er an ©utern gu geben bat, unb 
gern baS in ftch aufnebmen, trag bie Slnbern ibm an SchdßenSmerthem bie* 
ten fonnen. Sie £auptfa<he bleibt babei, baß auf allen Seiten nur baS ©ute 
mitgetbeilt unb beibebalten, nur auf baS minber ©ute ober Scble<bte bergießtet 
mirb. • 

üffiir Seutfchenhaben, menn mir hierher lommen, biel gu geben, biel ab* 
gutegen unb biel gu empfangen. $Bon einer richtigen Sluffaffung ber uns in bie* 
fet Söegießung obliegenben Pflichten bängt nid^t nur unfere Stellung, fonbern 
gum groben Sßeil auch bie 3ulunft SlmeritaS ab. 

gortgumerfen haben mir bor allen Singen baS leibige ^bilifterium, mel* 
<heS unS im alten SBaterlanbe anliebte, gort b'amit, unb tretet eS in ben Staub, 
bamit lein Slnberer in ©efabr lomme, ben Spiimber aufgußeben ! gortgumerfen 
haben mir baS Phlegma, meines gern SllleS einer hohem gügung, merbe fte nun 
bom «jpimmel, bom Sßron ober bom ^rdftbentenftußl ermartet, itberldßt, unb baS, 
maS heute unbequem ift, auf morgen unb itbermorgen berfeßiebt. gortgumerfen 
haben mir ben bermfinfeßten SlutoritdtSglauben, bieS Sßrobult befcbrdnlter $8er* 
haitnijfe unb politifcßer Unfreiheit, fortgumerfen ben SßartilulariSmuS, baS ber* 
tradteipfahlbürgerthum! £ilf birfelbft! SöormdrtS! SaS ftnb bie lonfequent in 
bie SßrayiS übergefüßrtenSchlagmörter beS SlngelfachfenthumSjj unb mohl tbun mir 
baran, fte aufgugreifenunb gleichfalls banach gu hanbeln,benn mirfönnen in jebet 
^Begießung babei nur geminnen, b. ß.beffer merbenuttb uns bejferbefinben. Selbft 
bon ben gtldnbem, melche in mancher Begießung fo tief unter unS fteben, Ion* 
neu mir lernen unb profitiren. 33ei ihnen heißt es : „©iner für SlHe, Sille für 
©inen !" unb eS ift ihnen ein Selbftgefühl eigen, bor bem man mahrlich $e* 
fpelt haben muß.. ÜJlögen auch periobifch Stöiftigtciten unter ihnen auSbrechen, 
fie fmb ftolg auf baS 2anb ihrer ©eburt, unb hanbelt eS ftch um ihre ©ßre als 
grlänbet, ba fchminbet jebe S’tffereng, mdhrenb uns leiber ber Teufel ber 3mie* 
tracht überall berfolgt. Schämen mir unS bei Seibe nicht, bon Slnbern gu ler* 
neu ! Ser Süd merbe hier freier, baS enge $erg öffne ftch bem Slllgetneinen, 
ber freubige Opfermutß, melier hier fo reichlich bertreten ift, gieße auch in 
unfere bergen ein ! Unb unfere Pflicht ift eS aUerbingS auch, uns bie Sprache 
igen gu machen, melche bie 2ftajörität unferer Mitbürger rebet unb fchreibt, 
unb ohne bereu Kenntniß mir hier nie heimifch merben, nie gu ber uns gebüß* 


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154 


renben ©eltung gelängen fönnen. ©S !ann uns Seutfdjen benn and? in bet 
$l;at 9tiemanb mit Died^t ben ©ormurf machen, baß mit uns nicht gern grem* 
beS ancignen, Schmer mirb eS bem gnbibibuunt, bie ©eränberung gu berfol* 
gen, bie mit ihm felbft borgest, ßommt aber ein Seutfdber nadb längerem 
Slufenthalt in Slmerita gut alten 4>eimath gutüd, fo mirb ihm bort ein Spie* 
gel borgehalten, in ben et mit Ueberrafdbung blidt, Sie alten greunbe haben 
ÜDtühe, ihn mieber gu erfennen, unb er feinerfeitS !ann laum glauben, baß er 
baS gemefen ift, maS biefe greunbe jefet finb, ßr rnerft, baß er für bie bortigen 
©erhältniffe nidbt mehr paßt, unb fann fidb getroft fagen, baß baS Safein, in , 
bem er fidb ^etmifdb fät;lt, im 2lllgemeinen ntenfdbenmürbiger ift, Ser Seutfdbe, 
meldber hier ©uteS empfängt ohne baS dbte, meldbeS er mit fid? hwüberge* 
fcrad^t^ aufgugeben, beränbert fidb fehr gu feinem ©ortheil. Sie ©efaßr liegt 
eben nur barm, baß er in bem ©eftreben, ftdb ben neuen ©erbältniffen, in bie er 
uerfefct ift, gu aHommobiren, leidet auch Singe in ftdj aufnimmt, meldbe ben 
ÜDtenfcbenmertb n i db t erhöben, - 

Ueber baS, maS mir beijubebalten unb gu geben, fomie über baS, mobor 
mir uns gu buten buben, mirb ber nädbfte 2irti!el ftcb berbreiten. 


$tt ,Sal)re0bcrtd)tc, 

Sou ftubolpb fiejotO« 


#aft bu jemals eine Suftfabrt mitgemadbt, guter Sefer, unb ift bir mäh* 
renb berfelben ber etmaS befdbränfte ©emiß gemorben, über einer groben Stabt 
gu fdjmeben unb ben SBohnfifc einer Million aus ber ©ogelperfpeltioe gu beob* 
achten? Sie ©inbrüde, mel(bebu aus beruhe mit bir fortgebradbt, fmb meber 
llar nodb angenehm. Sie Söeltftabt mar einem groben Slmeifenbaufen gletdb, 
beffen gefdbäftige ©emobner ftcb bödbftenS burdb fo unb fo biele fdbmarge ©untt* 
dben abgeidbneten. Sie freiliegenben Monumente ber üunft maren nur burdb 
unbeutlidbegledtereprafentirt; ßirdben unb Sßaläfte gingen trofc ihrer gigantifdben 
Proportionen in ben oerfdbmommenen Umriffen ihrer Umgebung auf, unb grobe 
glüffe gogen fub mie ein Silberfaben burdb baS brunten liegenbe (EhaoS. üftodb 
ein menig höher hinauf, unb felbft biefe ©inbrüde gingen berloren, 9Jtan glaubte 
nur bie £anb auSftreden gu brauchen, um bie gange Metropole umfaffen unb 
fte unter baS ©tifroSfop bringen gu fönnen, um burdb beffen ^ülfe.bie gnfuftonS* 
thierdben mieber aufgufinben, meldbe man bor menigen ©tinuten noch bie ber« 
febiebenen gunltionen einer 2Jiillion menfdblidber SBefen auSüben fah- 

Sie minifteriellen Berichte über bie. gührung unb ©efdbaffenbeit unfereS 
großen nationalen Haushalts geben uns ebenfalls nur einen ©lid aus ber 
©ogelperfpeftibe. SaS oiele ©roße unb ©rbabene, meldbeS fie unS bor Slugen 
gu bringen beabfidbtigen, berfdbminbet in bem noch großartigeren ©angen. S)ic 


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155 


Motten, bon benen fte forechen — Millionen bon Menfcbett tmb Scmfenbe 
»on Millionen au Schäden — erheifhen bie Erbringung eines SabbrinthS non 
3ahlett, über baS man beS gacits faft »ergibt, Sie bebren Monumente, meldhe 
bem ©olle in biefen ©erlebten burdh feine eigenen Siener gefegt merben, bie ge* 
waltigen ©ulsfdhläge beS nationalen Sehens, non meldhen fte 3engnib tragen, 
erlennt man nur unbeutlidb auf bem fernen ©ilb, tro&bem eine Meifterbanb es 
entmorfeit* SaS Ungeheuere, meldheS bie Nation nollbradbt, fiebt uns jeijt, tno 
e§ auf blofje Qcfyhn rebugirt ift, niel frembartiger aus, als gur 3*it, tno man 
fub mitten barin befanb* Suchen tnir baber es uns ettnaS naher $u bringen, 
etwas heimlicher erftbeinen gu laffen. 

Sie Seridhte, non benen tnir foredjen, ftnb bie, meldhe ber ©unbesiegte* 
latur gu Anfang ihrer iefeigen Sifcung übermittelt mürben. Sie ginerng*, Kriegs* 
unb MarinefelretairS ftnb bie ©erfaffer. Sie ftnb ni<bt allein ein getreues 
Saguerreotyp ber Seiftungen unb 6rrungenfdhaften beS lebten QabreS, fonbern 
mehrere non ihnen liefern auch einen Siüäblid auf eine entlegnere ©eriobe. 
3 hr SBieberabbrud mürbe bie „Monatshefte" gmeintal non ber erften bis gyr 
lebten Seite füllen, unb unfete Aufgabe mub ftdh baber barauf befdhrdnlen, 
but(b gragmente bie 3ei<bttung ber ©rohe beS ©ollbradhten gu ncreinfadjen 
unb bo<h fo beutlich bmguftelien, mie ein aufmevlfameS Sefen ber noüeit ©e* 
rihte es gu tbun nerntag. 

Ser ©eriebt beS ginangminifterS ift mohl ber miebtigfte, menn nicht gu* 
gteidh auch ber intereffantefte. Ser leftte Sbaler giebt in bem Kriege ben Aus* 
fölag, fagt Semanb, unb ein Slnberer fügt hingu, bah bie ßunft beS DiedhnenS 
gang non felbft lomrne, menn man nur erft einmal (Selb im Sacf habe. ©eibeS 
hat fuh bei uns bemdbrt; menigftenS bürften, fo rneit es ben erftern (Srunbfah 
betrifft, bie Sadhen noch gang anberS flehen, menn es ben Aebellen gelungen mdre, 
ben Stein ber SBeifen ebenfo leidet gu eittbeden, mie £err Ghafß ihn fanb, ober 
boh, gleich ihm, .ihn nor totaler (Entmerthung gu fcbü&en. 2BaS aber bie&tnft 
beS AehnenS anlangt, fo gilt ba lein SBenn unb lein SXber mehr. 6s fleht 
felfenfeft, bah mir, nachbem mir burdb bie gebulbige Srudpreffe unfer Safdheit* 
gelb um oerfdbiebene ^unbert Millionen bermehrt haben, famofe ©edhenmeifter 
geworben ftnb.' Unb unter uns Sillen ift §ugb Mcßullocb ber hefte. Aber 
was er in biefet Dichtung Ieiftet,* ift um fo überrafebenber, als bie in ber gönn 
bon Argumenten, £bpotl;efen unb Uebergeugungen feinem ©echenejempel hingu* 
gefugten fonftigen Sunbgebungcn leineSmegS bie fiogil berrathen, meldhe feine 
Schien reprdfeutireu. Seinen ßrrungenfdbaften gegenüber fühlt man häufig 
ben Smeifel in. ftdb auffteigen, ob fte bie beffelben Mc6ullodb ftnb, bon beffen 
Porten unb Sbaten man ftdb fo frembartig berührt finbet. Man lönnte fuh »er*" 
fucht fühlen, angunehmen, bah iw ihm gmei »ollftdnbig getrennte geiftig* brga* 
nifationen oertreten ftnb, beren eine ihn als großen Mann, bie anbere als fon* 
ber&aren Saug ftempelt. hinter ber linlen Schäbelhdlfte ftedt mohl ber ©eniuS, 
Welche ihn gu bem bebeutenbften ginancier AmerilaS macht, hinter ber 
rechten fpudt ber fiobolb, burdh beffen Aeuherungen man anbent ©eftfcer beiber 




156 



Hälften irre Wirb. KcSitlloch ift burd? unb burch Patriot, aber baS ^inbert 
ihn nicht, im Schatzamt «Rebellen anzuftellen, bie Weber ber Slmneftie theilhaftig 
geworben, noch ben Sreueib leiften wollen, weil — er, ndmlicb Kc©ullo<h, 
biefen für oerfaffungSwibrig hält. (Sr ift au<b burch unb burch Stechenmeifter 
unb will bie Station zu ihrer früheren SProfperitat jurüdfübren, will ihr jefct 
nur anfcheinenbeS SBohlergehen auf eine feile VafiS [teilen, will all ihren 3ah s 
lungsoerfprechen, all ihrem (Selbe ben boUen SBerth verleihen, unb fangt bieS 
bamit an, ba& er eS f (h l e <b t ma(ht. SaS Vefte ift nur, bajj eS ihm trob biefer 
Salti! gelingeu wirb,SllleS ju erzielen, was er fnh borgenommen. 

Sticht anberS labt ji(h baS auffaffen, was §err Kc©uUoch über unfer 
©ourant fagt, baS, ber Steoolutionen halber, bie eS im $anbel heroorgebracht,, 
für bie ©egenwart einen ungleich wichtigeren Sbeil unferer Stationalfchulb aus* 
macht, als bie um baS Vierfache gröbere Summe unferer Schulbfcheine. 2Bir feiern 
©hafe als ben Vater ber ©reenbaäS, benn trobbem 3fahre berfloffen, ift immer 
noch ber Kann nicht gcfunben, ber bie Stufgabe gelöf’t haben lönnte, bie unge* 
heuren Summen, welche ber ßrieg berührte, auf bnberem SBege hcrbeijufchaf«* 
fen, als ©hafe eS that. fRichtS freilich war leichter als biefen Sriumph Z u er¬ 
ringen, wenn fein SBefen fi<h auf ben Srucf ber Stoten unb ihre Segaliftrunc} 
als SilgungSmittel einer Schulb befchrdnfte; aber ©bafe’S ©rrungenfchaft be* 
ftanb barin, bajj er angeftchts ber ungünftigften Verhältniffe beS SahreS 1862 
burch ein freimüthigeS, offenes unb babei fefteS Stuftreten baS Vertrauen beS 
Volles fo zu bewahren wufcte, baf? bie ßabale, welche geinbeS*$anb zur ©nt* 
werthung unferer Schulbpapiere fpann, nicht ben gänzlichen 3ufammenfturz 
unfereS ginanjfpftemS bewirkte, wie es im Süben auch ohne folche #ülfe unb 
Vermittelung ber fjall war. SBir feiern ©hafe als ben Slutor eines SpftemS, 
baS, wie brüdenb eS jept auch auf uns nachwirlen mag, uns befähigte, baS* 
jenige zu oollbringen, was einer ganjert SBelt j[e^t ben Stuf ber Vewunberung 
abzwingt, unb wir werben jefct Kc©ullocb zu feiern aufgeforbert, weil er bie 
Kittel zu ber Vewertftedigung biefeS Vollbrachten als unter falfchen Vorwän* 
ben erhoben bezeichnet, unb fleh laurn einer leibenfchaftlofen SarfteUung zu be* 
fleißigen oermag, wenn er Oon ben ßinbern ©hafe'S fpricht. Kc©udoch aber 
war, wdhrenb ©hafe baS Portefeuille ber Finanzen inne hatte, ber Veauffichtiger 
beffelben ©ourantfpftemS (Comptroller of Ciirrency), beni er jept ben Stab 
bricht. Kelche golterqualen mufi er aUSgeftanben haben, als er Killion 
auf Killion biefeS fdjlechten ©elbeS' aus feinen $änben herborgehen fah ! 

Sßir fagten, bab ber ginanzminifter unfer ©ourant fehl echt mache, unb 
er thut bieS fo rüdhaltloS, bab er eS felbft bis auf ben lebten Dollar oerbammt, 
unb fuh mithin wohl h«tet, fid) bem geiftreichen Slrgument berjenigen ginancierS 
anzufdjlieben, bie ba behaupten, bab eS ber SBerthpapiere zu oiele .gebe, unb fte 
beShalb an Kerth Oerloren hdtten, bab aber, wenn über Stacht eine «gälfte oer* 
fchwdnbe, bie anbere §älfte ebenfo urplöplich ihren oollen Stennwerth haben, 
• alfo bem ©olbe gleich Men würbe. SieS zu beftdtigen, fällt, wie gefagt, 
$errn Kc©ulloch nicht ein. 6r tritt oielmehr als ©yponent ber Veftimmun* 



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157 


gen unferer Verfaffung auf, unb folgert aus ihnen, trofc aßer ba^iber fpredben* 
ben ßntfdbeibungen unferer fyödtften ©ertöte, bafj ber ßongrefj fein Vedbt 
hatte, $apiergelb gu febaffen, noch eS gu einem gef etlichen SilgungSmittel 
einer ©dbulb gu ergeben, ßr weift in beutlidben SBorten barauf bin, bafj bieS 
wiberrechtlidb eingefübrte ginangfpftem Verfudbungen mit ft<h führe, eS gu 
gang anbern Sweben als bem ber ©idberung beS ©emeinwobls attSgubeuten, 
unb bafj man eS gum großen Vadbtbeil ber ©efammtbeit gu einem ftebenben 
politifdben ©treitpunlt machen fönne. ßr fagt mit großem ©tolg, bafj baS 
furchtbare Drbeal, welchem* bj^e föepublif untergogen, fpurloS an unferer Dtegie* 
rung norübergegangen fei, bafj fte in feiner [Richtung baS Verlangen gu erfen* 
neu gegeben, ihre ÜIRadbtbefugniffe gu erweitern, ober bie legitimen IRedbte ber 
eingelnen ©taaten gu befchrdnfen — was alfo mit anbern Sßorten hei£t, bafj 
$err ÜIRcßußodb, mit alleiniger SluSnabme ber ©flaberei, bie Union wie fie 
war als fein J^beal auffteßt, unb mit ihr natürlich baS [Jktngip ber ©taatSrecbte 
unb ber ©taatSfouberainitdt, bon ber uns fo bübfdbe Sßröbdben borliegen. Slber 
aßeS bteS finb nur bie Äunbgebungen beS ßobolbS, ber hinter feiner red)teu 
©dhdbelhdlfte fein 2Befen treibt, unb wir haben bafür faum ein SBort beS ßom* 
mentarS. SBir braudben nur gu fagen, bafj aße biefe Sehren, aße biefe Stnftch* 
ten, bor SahreSfrift nodb einem Vaßanbigham ßbre gemadbt haben würben, 
bafj fte als bie $unbgebungen berratherif^er ©efutnuttgen auf genommen wor* 
ben waren; jefct aber forbert man .für fte bie Vißtgung beS Patrioten. 2£ie 
<habe nur, bafj baS baroefe Vilb nidbt berboßftdnbigt wirb burdb ßbafe, inbera 
er als Vorftpenber beS OberbunbeSgeridbtS fein (Gutachten bahin abgiebt, bafj 
^odbberrath ber Verfaffung gegenüber, ein Unbing war unb alfo nicht geftraft 
werben fonnte, burdb gbbnfon, bafj er bie Vergewaltigung gegen ben ©üben für 
ein ftcafbareS Unterfangen halt, unb burdb ©rant, bafj er ftdb ber [Roße fdbdmt, 
bie er in biefer Vergewaltigung gefpielt. r 

Klopfen wir aber an bie 1 1 n f e ©dhdbelhalfte beS ginangminifterS, fo 
flingt eS bort fo rein'wie 2Retaß. ßr weift nadb, bafj wir uns gu bi et 
Sxifchengelb gugelegt, unb barin hat er boßfommen [Recht. Vei boßen Staffen ' 
galten wir überboße greife, ergo, lafjt mich ßure Xafdben etwas angapfen. 
3pr werbet gewahr werben, bafj eS ftdb bann biel bißiger unb babei auch biel 
ungenirter leben Idfct,. bafj £anbel unb (bewerbe aßerbingS einen tüchtigen ©tofj 
erleiben, ftdb aber ebenfo ra*db wieber erholen werben, wenn bie ©rube, bie jept 
gwifdben bem ©olb unb bem Rapier liegt, auSgefüßt ift. S)aS ift bie richtige 
Slnfdbauung unferer gegenwärtigen ©elbberhdltniffe unb ber ßRafjregeln, welche 
fte erheifchen. 2)aS Urbilb beS berfdhwenberifdhen ©oljneS fann nicht beutlidber 
gegeidhnet werben, als burdb baS Verhalten ber amerifanifdben [Ration wdhrenb 
ber lebten paar gabre. Unb felbft jefet, nach beenbigtem Kriege, nadb bem 
Verftegen ungeheurer ©rwerbSgueßen, fteuert fte ihrem Seichtftnn nicht. 2)er 
SuyuS gieht nach wie bor in feinem flatternben ©ewanbe burdb baS Sanb unb 
überfdbreitet felbft bie fanabifche ©renge, wo er ben ©dbönen ©eibenhüte auf* 
brdngt, aber ihre gufje unbefleibet lafjt, weil eS ber ©dbube unter bem [Reifrodt 


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nicht bebarf. ÜEir feufsen nach feie bor unter bem go<h bet Spctulation nnb 
beg Qftonopofg, unb jaulen bei gleichem gbü unb gleitet Steuer höhere 
greife 311 t 3 eit roo man einhunbert 2 )otlarg in ©olb für einhunbert bierjig 
2)ollarg in Rapier tauft, alg 51 t ber Sßeriobe, mo biefclbe Summe ©elbeg faft 
breimal fo biel in, legerem foftete. SBorin liegt ber ©runb biefer ©rfcheinung, 
menn nicht, mie 2 )tc©ullo<h fagt, barin, ba(j mir beg 5Laf(hengelbeg gu biel be* 
fipen, unb baburch ber ©ebote bep Sparfamfeit entmöhnt fmb, ohne beren Vea<h* 
tung feine Nation, mie reich fie immer fein möge, ihren ßrebit im Schoof^ ber 
eignen gamili£ gefchmeige bem Sluglanbe gegenüber, aufrecht galten fann ? 

2)ie Vörfe mufj alfo gesogen merben, unb $err 9Jtc©ullodh fucht bemnächft 
barsutl^un, baf} bieg. ohne mefentliche ©efährbung ber öffentlichen gntereffen, 
fo meit biefe burch. ben $anbel, bie gnbuftrie unb ben öffentlichen Ärebit bertreten 
fmb, gefchefyen tönne. gnbem er ben Vorfchlag macht, unfer ©ourant in fed?g* 
procentige Obligationen 311 funbiren, fagt er fehr richtig, halber allju raffen 
Verniinberung beg ißapiergelbeg baburch borgegriffen mürbe, benn ein fnapper 
©elbmarft merbe bem Soll ben Slnfauf ber Obligationen nicht geftatten. ©r be* 
gegnet anbern ©inmürfen in erfdjöpfenber Seife, unb überall gudt ber tüchtige 
Genfer unb ber fertige SHechenmeifter herbor, ber mit bem Spurt, melier «jperrn 
ü)tc©ullocb alg Staatgmann unb ^olitifer auftreten labt, nühtg gemein hat. 
Um feinem Vorfchlag, unfere 2egal*£enber*;ftoten ju funbiren, etmag mehr 
praftifcheg ©emicht $u geben unb zugleich bag bormurfgfreiefte Mittel, bag 
^ublifum ju einem ©ntgegenfommen §u 3 m ing en, in Slnmenbung ju brin* 
gen, mill er, bafc ber ©ongrefc einen Vefchlufs faffe, ben 3tnfeg*3ing*37oten 
(Compound interest notes) mit bem Verfalltage ber ©eltung alg gefe$* 
licheg £ilgunggmittel einer Schulb gu enttleiben. Sie reprafentiren eine Summe 
bon 175 2Mionen unb merben in ben fahren 1867 unb 68 fällig, ©el&ngte 
biefer Vorfchlag §ur Steife, fo mürbe mithin bie genannte Summe, meil fie 
Sßapiergelb borftellt, melcheg bann nur ferner Vertrieb fittben mürbe, bem 
Verfehr entzogen merben; boch nuif* anbererfeitgbebaut merben, baj$ biefe üftoten 
niemalg fuh einer hohen ©unft im ©elbmarft erfreuten unb bag Volumen beg 
im Umfa| befinblichen ©elbeg nicht mefentlich berftärften. 

Vig fo meit ftellt ber Veridjt beg Schapfefretairg ein blofceg ißlänfeln, ein 
Vorpoftengefecht,-bar. gept aber rürtt er bem geinbe bor bie &hür. Sein 
fdbmereg ©efchüfc, bie 9Jiitlionen, mirbaufgefahren. Siebenunb 3 man 3 ig £unbert 
ÜDtiUionen, bag ift bag finansieUe Sßrobuft eineg bierjährigen Äriegeg bom ©e* 
fichtgpunft eineg ginansminifterg aug. 2 Bir brauchen fie nicht ju jergliebern, 
nicht in ermübenber Oieihe bie Sohlen aufjufteden, meldje biefe Summe alg 
gacit auf 3 eigen. Sir befchränten ung lieber auf bie Vogelperfpeftibe, bon, mo 
aiig biefe gigantifche Summe mie eine £anbboH augfieht. ©nglanbbeburfte bieler 
gahre, um eine ähnliche Schulb ju tontrahiren, unb Slmerifa hat eg in hier he* 
merfftelligt. Siebenunbjmansig £unbert 9Mionen! Unb boch finb fie noch 
nicht bag foftfpieligfte Sonument, melcheg'bie Nation fich gefegt. 

S)iefe Summe abjutragen, bag ift bie grage, bie |>err 2ftc©ulIo(h ebenfo 

t 


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ruhig in ©rmägung gie^t, all hiebe e! bie Mittel für einen Accommobationl- 
toed^fel aufzubringen. 2)amit tritt ber Rechenmeifter ferner, ©ebt mir bie 
Atachtbefugnih, bie nach einigen gahren f<hon fälligen 6iebenbreihiger-Dbliga- 
tionen, hebor fie noch fällig ftnb, ju funbiren, unb berbollfommnet bal Steuerfpftcm 
fo, bah el o^ne gehl einen Ueberfchuh non hunbert 2Mionen per gabt bringt, 
unb je nach bem 3w3fufj A ben ich beim gunbiren zu jaulen habe, tüirb bie Schulb 
in einem Seitraum non ftebenunbzmanzig bil zmeiunbbreihig Sauren fammt 
gntereffen getilgt feinl 5)a! mag feine Richtigfeit haben; feinenfalll fühlen mir 
unä berfucht, e! nachzurechnen. (El munbert un! nicht, bah AtcGulloch Rechner 
genug ift, biefe grage erlebigen zu fönnen, fonbern bah er ben Atuth befi&t, fich 
ihr zu nähern. Aeltere Nationen, beren «ganbel in allen Söelttbeilen feften guj$ 
gefaxt, beren gnbuftrie gefiebert ift unb beren Steuerfpftem bem Sßrobirftein 
langjähriger Erfahrung uniermorfen mürbe, hatten baäu nicht bie ©ourage. 5)ie 
Schäle, mit melden pe bie 2)anaibenfäffer ihrer Regierungen zu füllen nerfuchten, 
maren ihnen für immer nerloren. (Ein langer griebe rief nicht einmal bie $off- 
nung in ihnen mach, bah ba! ©eliebene gurücfgegahlt merben mürbe. Sie be¬ 
gnügen {ich mit einer ärmliche# 3iu$Z a blung unb banten ihrem Schöpfer, bah 
c! ihnen nicht nodh fcblecbter ergangen. 

Aber unfere Scbulb foll gurüdgejahlt merben, unb trifft e! nicht auf £ag 
unb gabt zu, mal Rtcßullodb bemirfen zu tonnen glaubt, fo mirb Dodhbie Tilgung 
nicht um biel meiter binaulgefcboben merben. Aber felbft menn fte biel mürbe, 
thäte bal meber ber ©rofjartigfeit, noch ber finanziellen Kühnheit ber gbee Ab¬ 
bruch, bie einen folgen $lan zur Kennzeichnung ber ©rohe unferer $ülfl mitte 
ünb zur Vefcbämung ber alten 2Belt in’l Scben rief. Sei el un! borläufig 
genug, bah faum »tet Monate nach bem Schluß bc! Krieget, nach hunbert 
Sagen, bom Aufbören ber mirtlichen geiubfeligfeiten an gerechnet, mährenb brei 
Viertel-Atittionen unferer Gruppen berabfchiebet, ui\b ber Regierung anbermeitige 
unermefeliche Koften bereitet mürben, mährenb bie gnbuftrie noch burch ben 
plöfclicben Umfchmung ber ©elbberhältniffe gelähmt mar, ber £anbel au! gleichem 
©runbe bie fchlimmften Anfechtungen erlitt, bah mährenb biefer 3eit, fagen 
toir, nicht allein an bie Verminberung ber Scbulb gebaut, fonbern auch ein 
toenr. auch bergleichlmeife Keiner $beil bon ihr faftifch getilgt mürbe. 5)iei 
ift bie (Errungenfchaft, bie grohe £batfacbe, beren man in bem ©emirr ber 3ah* 
len faum gemäht mirb, unb bie Doch ben begabten §au£balter unferer Volflfamilie 
als ben Atann ftempelt, bon bem man biel Auherorbentlicberel noch ermatten 
fann all er felbft in Aulfuht ftellt. 

3)ie nationalen (Einfünfte merben bon ihm all über ein Viertbeil bei gan¬ 
zen (Eigentbuml bargefteUt, unb e! ift auf biefe Vrämiffe, meldhe ber Senful 
boUfommen beftätigt, biu> bah er bie Steuerfäbigfeit bei Sanbel abfdbäfct. Sie- 
fert bie Vergangenheit ben richtigen Rtahftab zu einer Aufhellung über ben 
§ortj$ritt bei SBerthel bon (Eigentum, fomie be! unfere! (Ermerbl, fo mirb ber 
bei £e$teren in folchem SRahe fteigeit, bah felbft bal 3urücflegen bon $mei- 
’hunbert Atillionen per gabr, im gahre 1880 nur eine Vürb/bon einem 



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160 


Procent beS ©efammterwerbS, im Sabre 1890 nur 3toeibrittet Prozent beffel* 
ben ausmachen, bie Scpulb aber in entfprecpenb fürjerer Seit auSgelöfcpt wer* 
ben mürbe.' 2ln biefe Slujftellung fnüpft er Pergleicpe mit ber Stellung ©ng* 
lanbS nach ber ©ontrapirung feiner ungeheuren Scpufb. 3wanzig Procent beS 
©rwerbS ber englifcpen Nation waren nach gunbirung ferner Scpulb erforber* 
lieh, um bie Soften ber föeicpSoermaltung unb bie 3infen aufzubringen, unb 
biefe [Rate ift jept bur(b ben Meprermerb auf elf Procent ermäßigt. Die ame* 
rifanifepe Nation beginnt babingegen, wenn bie PorfdplägeMcßullocb’S aboptirt 
werben, mit einer Saplung pon nur fünf Procent ihres ©rwerbS, unb beoor bie 
Sdpulb erlofcpen, wirb fie nur etwas mehr als ein halbes Procent beffelben bc* 
tragen. Unb um bieS zu Perwirflidpen, bebarf es feiner rareren ©ntmicfelung 
ber ^ülfSquellen unferer Oiepublif, als bie, welche fiep mäprenb ber lebten 
zwanzig Sabre, inmitten häufig geftörter ©elboerpultniffe unb eines oerpeeren* 
ben ÄriegeS, entfaltet bat! 

Der übrige unb febr ooluminofe Dpeil beS ginanzbericbtS banbeit nterftenS 
über bie Routine ber perfepiebenen 3^9* beS Departements, baS 'Münzwefen 
unb ben £anbel mit ben früher infurgirten Staaten. Ueber jeben biefer fünfte 
fpridjt ficb «&err Mcßullocp mit -eminenter Sacpfenntnifj aus unb befürwortet 
Dieformen, beren Stoecfmäpigfeit audb bem Saien einleuthtenb ift. Ueber bie 
©rtragungSfäpigfeit ber Nation, foweit eS bie 93efteuerung angebt, tritt er 
eher als ihr Anwalt, benn als ehrgeiziger Einander auf, in welcher [RoUe er 
wohl ben lepten Deut zu erpreffen fuepen würbe, um nur beS Ruhmes tpeilpaf* 
tig zu werben, bie Scpulb in unglaublich furzer Seit getilgt zu haben, ©r bat 
ein ©omite, welches nicht allein alle probuftioen ©lemente ber Nation, fonbern 
auch bie politifcpe Parteiftellung Pertritt, ernannt, um baS ganze Steuerwefen 
ZU rePibiren unb als baS ©rgebnip ber Unterfudbung bem ©ongrefi folcpe 33or* 
fdbläge zu unterbreiten, burdb weldbe bie Pielen aller PolfStpümlicpfeit entbeb* 
renben fünfte beS jepigen (spftemS auSgemerzt werben unb ber häufigen De* 
fraubation in ben 3Beg getreten wirb.. Drop ber Aufhebung mancher" jept getra* 
genen unb duperft • unpopulären Saft, glaubt |>err Mc©ullocb bodb burdb er* 
höhte Scharfe gegen Diejenigen, welche baS Steu*rgefep immer nodb zu umgeben 
wijfen, einen Mehrbetrag oon 50 bis 60 Millionen per Sab* Z u erzielen, löei 
einem um minbeftenS bunbert Millionen unterfebdpten ©rtrag ber Steuer zeigt 
baS.93ubget.beS MinifterS für baS nddbfte gisfaljapr bodb einen reinen Ueber* 
fdbufi Pon 112 Millionen. ©in folcpeS ütefultat mit Ablauf beS zweiten SabreS 
nach Pollenbetem Kriege würbe abfölut .unglaublich erfepeinen, wenn nic^t 3ap* 
len, Pon beren SHidptigfeit S^ber fiep überzeugen fann, bie Angabe alles 3»eifelS 
entfleibeten. Obgleich er es nicht auSfpridbt, bürften bodb bie Pon £errrt 
Mc©ullodb gemachten 93orfdbldge zur gunbirung beS ©ourantS unb allmäligen 
Dilgung ber [Rationalfcpulb bie 93ebingungetr repräfentiren, unter welchen er 
fein Portefeuille behalten will. Sie raumen ihm eine faft majjgebenbe unb ba* 
per gefährliche ©ewalt über ben ©elbmarft unb ben mit biefem fo innig perrno* 
benen £anbel ein; fte fepaffen eine Macht, bie fup Piel fraffer zum ^acptpeil 


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ber ©efammtbeit nerwenben Iäfit unb bie oiel tiefer auf bie politifcben SSer^att** 
nijfe einfluwirten oermag als bie, bon ber £err 2Jtc©utlocb felbft im Sericbte 
fprid&t, unb bennoeb möchten wir, trofc beS früher beregten Dualismus, in 
welchem er ft<h bewegt, befürworten, bafj fte ihm eingeräumt werbe. 2llS 
Staatsmann unb Kolititer urtbeilt er befangen, als Secbenmeifter aber tft er 
grob, unb als folgen nur braunen wir ihn. ♦ 

9Bir geben jefct flu bem Sericbt beS ßriegSminifterS über, welchem ber beS 
©eneral'QuartiermeifterS binflugefügt ift. 

6b win 27t. 6tant on, ber ßriegSminifter, ftanb ber Station einmal 
biel näher, als $ngb 2Jic©uHocb, trofc ber groben 33erbicnfte, welfije biefer fi<b 
erworben bat unb noch erwerben mag, ibr jemals fteben !ann. ©r trat fein 
Portefeuille flu einer Seit an, wo Simon ©ameron baS ßriegStninifterium mit 
bem übelften ©erueb umgeben batte, flu einer 3eit, too ber fcbleppenbe ©ang 
beS Krieges unb bie Serfabrenbeit unferer gübrer baS Sol! faft mit SerflWeif* 
lung erfüllten* Stanton würbe als ein fetter begrübt. Unter feiner energifeben 
$anb würbe Orbnung aus bem ©baoS, würben unfere. «geere lebenbig unb Siege 
fronten unfere gähnen. $lber balb batte fein ©lanj ben ßulminationSpunlt 
erreicht. S)er ©rfolg febien ihm ben $opf flu oerbreben. Statt jicb bem Solle 
flu nähern, woflu fi<b ihm fo mannigfache (Gelegenheiten boten, wieS er mit einer 
an Schroffheit grenjenben ßälte jebeS ©ntgegtfntommen jurüd. $ie babureb 
beroorgerufene ©ntfrembung würbe, ohne fein Scrfcbulben, burch bie Obliegen* 
beiten feines SlmteS erhöbt. Sein 9tome als ÄriegSminifter war eS, ben jebe 
Slnfünbigung einer neuen ©onfeription trug, unb byi man auch unter ben Ser* 
baftsbefeblen gegen oerbäebtige unb anrüchige gnbimbupn fanb, welche 
baS Sol! felbft inmitten beS allgemeinen UnficberbeitSgefübl nicht bulben 
wollte unb bureb bie Skalen »on 1862 beSaoouirte. #err Stanton bat ftdh 
bie ©unft ber Sation niemals wieber erwerben fönnen. üDtan mufj eS 
ihm nachfagen, bafj er auch nie um fie gebuhlt bat. Sielmebr ftieg fein Se* 
nehmen an Schroffheit in bem 27tafje, wie er fab, bafj bieS ihm feine Popula* 
rität lofte. ©r lieb fi<b nie herbei, bie unflätigen ungerechten Sorwürfe, bie 
wiber ihn erhoben würben, flu entfräften. ©r war gleich berrifcb bem 2Jiä<b* 
tigen Wie bem ©influfjlofen gegenübef, bis gegen ©nbe beS Krieges ber einft ge* 
feierte unb bewunberte töriegSminifter ber unbeliebtefte unter unfern beroorra* 
genben gübrern war. . 

®ie (Gefehlte wirb* nicht bie ©igentbümlichleit feines StefenS unb nicht 
feine Saunen aufbewabren, wohl aber ihm in ber Seurtbeilung ber SluSfübrung 
feiner Amtspflichten einen Sorbeer winben. Sie wirb auch nicht oetgeffen, bafj 
einft, als nach großen ©rfolgen unferer $eere ber griebe burch bie gurücfnabme 
ber ©mancipationS*Pro!lamation erlauft werben tonnte, Stanton allein eS war, 
ber Slbraham Sincoln in feiner Steigerung unterftüfcte, bafj er es auch war, ber 
fpäter, burch bie Anwerbung garbiger in ben reboltirten Staaten, 
ben SBiberruf ber Protlamation unmöglich machte. Unb batte er weiter nichts 
getban, fo würbe beSbalb fchon bie Sachwelt fein Slnbenten heilig halten. 



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162 


Saffen wir un§ burch bfe rauhe Slubenfeite biefe« ehernen ©harafter« nicht im 
machen. Schäden wir ben SJtann, welker felbft auf ben Sohn ber Popularität 
belichtete, unb nur in bem Sewubtfein, bem Saterlanbe treu zu bienen, feine 
Sefriebigung fanb. Sie Stepublif hat nie einen ebleren Sohn gehabt, ate 
(Ebwin Stanton. Site ber Garnot Slmerifa’«, ate gewaltiger Organifator be« 
ßfege«, wirb er ewig in ber ©efchichte leben. 

Sein Sericht ift, wie ber ©rant«, eine Sefdjreihung unfere« großen Arie* 
ge«. Gr fpricht in einfachen, ungefchmüdten SBorten; er zeichnet in treibe, ftatt, 
wie Slnbere* in glühcnben Farben §u malen. Seine friegerifchc Salti! ift jeboch 
nicht bie bejte, benn ftatt ber piänfler fchidt er in feinem Rapport gleich bie 
fchwerfte ßanone boran. Voriges 3ahr, fagt er, wie« ba« Subget für ba« 
firieg«minifterium eine Summe bon 516 SJtillionen auf, bie« gahr forbert e« 
nur 33 Millionen. $n biefer Keinen Stubfchaale liegt ber äern ber feit acht 
SJtonaten entwidelten Greignijfe. L’empire, c’est la paix n , fagt Napoleon, 
unb rebucirt feine halbe Million Sruppen auf gwei Srittel* SJtillionen; ber 
Triebe ber Stepublif ift ba« Stefultat ber gänzlichen Unterwerfung ihrer geinbe, 
fagt Stanton, unb fchlägt bor, ba« au« einer halben Million beflanbene $eet 
auf — fünfzig Saufenb zu rebuciren. ßeine Sefchreibung ber gefehlten |mnb* 
habung unferer Slrmee, feine gerborhebung ber gigantifchen Slnftrengungen, 
welche biefe Station gemacht, fein #inwete auf bie ©rö&e be« errungenen 
Sriumph«, fönnte ein berebtere« 3eugnib geben, ate jene einfachen 3ahlen. 

2Bir wollen #errn Stanton baher tra<h nicht auf benfireuz*unbGuerzügen 
begleiten, welche er unfe* Armeen machen labt. Stur wenige fünfte be* 
burfen ber «gerborhebung, um bie ©röbe be« ©angen würbigen §u fönnen. So 
mag e« z* nur SBenigen befannt fein, bab bie Gffectibmacht unferer £eere 
im Sahre 1864 bebeutenb gröber (um 60,000 SJtann) war, ate im gruh* 
fahr 1865. Sie SJtufterroUen in beiben fahren wiefen refp. neunhunbertjleb* 
gig Saufenb unb neunhunbert fünfunbfe<h«zig Saufenb SJtann auf. Sieb 
aber ba« lefcte Qahr fo fehr biel weniger SJiannfchaft auf bem gelbe erfchei* 
nen, fo würbe felbftoerftänblich ein um fo gröbere« (Kontingent zu bem Sienft 
berwenbet, ben bie inzwifchen ftattgehabte Erwerbung neuer unb grober Serri* 
torien crheifchte. Ueber bie Anwerbung biefer 'gigantifchen Slrmee theilt £ert 
Stanton bfe intereffanteften Sata mit. S3efchäftigt un« jefct bie grage, in 
Wie furger 3eit ein #eer auf bie Seine gebracht werben fönne, um gnfnrreftionen 
im Süben ober gnbafionen bon brauben zu begegnen/fo antwortet ber itrieg«* 
minifter barauf, bab 1862, nach ber fiataftrophe auf ber oirginifchen «gjalbinfel, 
achtzig Saufenb SJtann i n hier SBochen angeworben, organifirt, bewajf* 
net, au«gerüftet unb in« gelb gefchidt würben, bab berfdjiebene SJtale in SJto* 
nat«frift #eere bon fe<h«gig Saufenb SJtann Stärfe in ähnlicher SBeife au« 
bem Soben gedampft würben, unb bab Me Staaten Ohio, gnbiana, SJtiffouri, 
$owaunb SBteconfin einmal neung'ig Säufutb SJtann innerhalb 
Zwanzig Sagen nach ftattgefunbenem Aufruf in« gelb ftellten. Gg $ 
auf biefe (Erfahrung hin, auf biefe ßunbgebungen be« patrioti«mu« unb bet 




163 


iS 


Öpferwilligleit, fomie auch auf ba« Pottenbete Spftem unfeter S8erbinbung«mege, 
baff bet $rieg«mtniftet bie rdfd&e unb fabelbatt gto&artige Sitebuttion be« $eere« 
al« mit unfeter Sicherheit burebau« öertrdgUd) anftebt. ©eine Uuffaffung ift nicht 
ju fanguinifcb. $a« Stufftellen Meiner ©arnifonen an jablreicben fünften bet 
iufurgirten Staaten bttrfte ben Slnfotberungen be« Schule« bet farbigen, bet 
Stfinbeln ber Station, botttommen genügen, toenn nur bie ^Befehlshaber biefer 
©arnifonen ihrer Pflicht nachfomtnen motten. 

Ueber bie SanitätlPetbätnif[e ber -jjeere be« Sunbe« liefert ber SDtebicinal* 
®irettor intereffante Stuffdjlöffe. »n ^ofpitdlem batten mir mdbrenb ber leb« 
bafteften ÄriegSperiobe jmeibunbert unb Pier, bie jufammen einbünbert fe<b« 
unb breiig Sdufenb SBetten aufmtefen. Unter ben m e i jj e n gruppen merben 
mdbrenb be« ganzen Krieges über eine SDtittion JtratifbeitSfälle beruhtet; aber 
bie pflege unb S^banblung mar trog ber faft unauSgefefcten SBeroegungen ber 
£eere fo gut, bafs ft<b bie ®ur<bf<bnitt«=Sterblicbfeit nur auf a<bt Sßrocent be* 
lief. Ueber oie SanitätSoerbältniffe mit SBejug auf bie f a r b i g e n 3*uppen 
liegen in bem Sericbt leine Ungaben »or. SDtan meijr nur, bab #on ben ein* 
bunbert unb achtzig Jaufenb Siegern, melehe unter bie gabne be« SJünbe« tra» 
ten, über ein Srittbeil ben Xob auf bem gelbe ober im fjoSpital fanb. 2lu<h 
bier liefern bie einfachen 3ablen mieber ein 3eugnib, beffen Starte unb ©ül« 
tigleit auch mobl ber erbittertfte ©egner ber unglit etlichen Sltace nicht beftreiten 
mirb. 


Sprint Stanton oon bem SBlut, melehe« oie Station »ergoffen, fo liefert 
ba« ihm untergeorbnete SBureau be« 3abtmeifter3 ben Stacbmei« über einen 
Sbeil be« Permenbeten Schabe«. ®reibunbert unb acht SJtittionen binnen gab* 
reäfrift, unb nur für Solb, ba« ift eine Summe, melehe ba« ganje jährliche 
Subget ©nglanb«, mit feinen IjoctjbegaEjlten Sinecuren, feiner über alle SBelt* 
tbeile ficb erftredenben Golonialoermaltung, feiner glotte, feinem §eer unb feinem 
flönigtbum, unb nebenbei bie 3infen für eine aus Piertaufenb kltitttonen be* 
ftebenbe Scbulb bedt. Unb bodj ift bie« nur ein Sbeil ber UuSgaben be« 
ßriegStninifterium«, bettn bie fonft permenbeten Summen öerboppeln faft jenen 
«nfab, ober erbeben ihn bo<b auf fünfbunbertoierunbjmanjig SJtittionen! Qft 
jeboch ber ©mbrud biefer btofjen Summe noch nicht genügenb, um bie aufser* 
orbentlitben Seiftungen be« lebten ßriegSjabre« ju fennjeiebnen, fo fchbpfen mir 
ihn f«betli<b au« ben ®etail« ber SBerroenbung eine« ®beil« bet nach Slbjug 
be« Solbe« bleibenben SJtittionen butdj ba« ©eneral*Ouartiermeifter*Slmt, beffen 
Bericht wobt bie überrafchenbften SBelege ju ben £ülf«mitteln liefert, bie mir 
Wäbrenb bet Stunben unferet Prüfungen beanfprudjen tonnten. ®ie ®arftel* 
Iung be« gortfebreiten« unfeter §eere butch ein feinbliche« unb Pon feinen Semob* 
nern permüftete« Sanb bebingt bie Slufjäblung ber unter-biefen Umjtänben jur ©r* 
baltung bet Unfrigen Permenbeten SStittel, fomie jur Sicherung unb Sefcbleuni* 
gung ihre« SJtarfebe«, bie abfolut an ba« Unglaubliche grenjt, mdbrenb anbererfeit« 
bie Uebertragung be« JtriegSfcbauptabe« auf entfernte Sßuntte ©rrungenfebaften 
berponief, bie benen unfeter militairifcben gübrer mürbig jur Seit fteben, ja, 


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tydufig fte übertreffen. Ttohbem j. $.,bet in ©eotgia jutüdweßhenbe geinb bi« 
Gifenbahne« hinten fich abgebrochen, würben fte boch fo fchnell »ieber erbaut; 
bab Sherman niemals länger als fünf Tage auf mit Gruppen unb SBorräthen 
angefüllte SBagtnjüge ju »arten brauchte. SechShunbert Stann beS Ingenieur» 
Gorps bauten bie »erbrannte 740 gufc lange unb 90gu| hob« Stüde über bett 
Gbattahoochee in »iet unb ein halb Sagen toieber auf, unb baffelbe Deta« 
gement errichtete eine 625 gujj lange unb 75 gufj hob« «Stüde über ben 
Gtowah in fechS Sagen, mo eS jur Seit gänjlich at% bera nötigen Staterial 
fehlte. SSährenb Sherman rech bur$ ben »errätherifchen Süben marfchirte unb 
Stiemanb muhte, toohin bie mögliche Goncentration feinblidjer firäfte ihn jmingen 
»erbe fub |u werfen, »utbeft jroet grobe TtanSportflotten füt ihn in ber Stitte 
beS SBinterS auSgerüftet, eine nach $enfacola, bie anbere nach Litton <§eab ge* 
fanbt. DaS »ar baS einjige Stal, »o baS Gommiffariat, burd) bie Sßerhältniffe 
gejwungen, im Tuntein tappen muffte. Haum war Sherman in ©aöannap an* 
gefonpnen, fo »übte eS »ieber »aS ju thun. 2Bo immer baS SunbeSheer fpäter 
erfihien, ba fanb es 5J5ro»iant, SEBaffen, ßleiber unb Schuhe. Niemals fehlte eS 
an Transportmittel ober Sorräthen. Stach bem fernen ©olf, bem unwirthbaren 
Sßeften unb in baS 4?erj ber reooltirten Staaten »äljten ft<h unaufbaltfam bie 
SJkobutte beS StorbenS, bamit unfere jungen »erforgt »ürben. Uniformen, 
Ueberröde, Strümpfe, Deden, Schuhe, Sloufen, §üte, Stüpen, ^emben, Tor* 
nifter unb gelbflafcpen, alle biefe 3lrtitel »erben in bem Serich't nach Millionen 
gejählt, unb boch jeigt bet 2lbf<bluf>, bab mit Gnbe beS Krieges ehre noch gröbere 
Stenge biefet Sachen in unfern Seughäufem aufgeftapelt »at. 2llS Transport« 
mittel auf bem Steere allein benupte baS Departement 783 Schiffe, »on einer 
SierteUStiUion Tonnengehalt, unb auf ben glüffen beS SßeftenS 600 gaprjeuge. 
Sin Sßferben, hauptfäthlich für bie Gaoallerie, taufte eS burchfcpnittlich 150 Tau« 
fenb baS Saht an, unb eine faft gleiche 3®bl b»n Staulthieren als 3ug»ieb. 
Die mititairifchen Gifenbahnen erftredten fuh über 1789 Steilen, unb )u ihrfcc 
Befahrung »ermenbete mati 365 Socomotioen unb 4200 SBagen. Sin militai«- 
rifchen Telegraphen »ar 1864 eine fiänge »on 4900 Steilen bergejteHt, unb in 
bem lebten SriegSjahre »urben biefe um 3200 Steilen »ermebrt. gut baS Train* 
»efen mürben im Sabre 1864 14,500 SBagen angelauftunb 1220 neue Slmbu« 
lancen ben feeren beigegeben. DaS gabt 1865 bis jum Gnbe beS Krieges 
jnachte miebetum ähnliche 2lnf$affungen nöthig, unb noch hunberttaufenb ©e» 
fchirre »urben angetauft. Die Stationen für bie Truppen,, namentlich aber baS 
guttet für bie GavaKerie*$ferbe unb 3ug»ieh »erben burch fabelhafte 3ahlen 
repräfentirt, aber währenb SUleS in einem Dupenb Stichtungen $u gleicher 3eit unb 
über Taufenbe »on Steilen tranSportirt »erben mubte, tarn eS »ährenb beS 
lepten ÄriegSjabrcS nur äuberft feiten »or, bab bie Stationen auf einen ober 
3»ei Tage getürjt »urben. Das ganje Spftem bet SBerforgung unb Verpflegung 
fcheint ben pöcbften ©tab ber VoMommenheit erreicht §u haben, unb »eber bie 
Kühnheit ber feinblichen ©uerillaS, noch ber burch bie ftarle Senupung heroor* 
gebracht« fcpWhte 3uftanb mancher Sahnen tcrtntc ihm Slbbrucp thun. 


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9toeb em ®ort über bteVerfebmtg Don feeren m<k entfernt liegenden 
Sßimften. fluf bem ÜReete maren unfere #ülfgmittel felbftoerftdnblicb ber 
^ringlicbfeit ber Sage ooHfommen angemeffen, ba bie $anbelgflotte ber Sie* 
gierung ju jebet Qtit bie reiften £ülf3mittel z bot. 2Bre grofc biefe mären, 
gebt barattä b^bor, bafj nicht menfger aB ad^tgig Jaufenb DRann Stubben mit 
©epäd, Vorrdthen, Söaffen, ©efebüp, Munition wnb Jrain fub ju einer nnb 
berfeiben 3«t auf bem üReere befänden. kleine £eeregtorper bon 20 big 
30,000 2ftamt mürben fehr häufig an Jaufenb 2JteiCen über 6ee gebracht, «nb 
faft alle im ©olf*2)epartement erforderlichen GabaHerie* unb Sngbfetbe mürben 
fcon nörbH^en $äfen bortbin gefanbt. 3)er Sanbtrangport mar jeboeb unglei<b 
febmieriger. greilieb mürben bie unb ba neue Vabnen erbaut, unb febon bot* 
banöene durch S^eigbabnen mit einanber berbunben, boeb hielt man fte im 
großen ©anjen für niebtg meniger aB ben Huforberungen ber Situation ent* 
fpredjenb. Söenn eg bennod? bem öuartiermeifteramt gelang, bie bem ©eneral 
$ooter bon ber $otomac*2lrmee jugetbeilten Gorpg (23,000 SWann) in meni* 
ger aB acht Jagen bon ®afbington nach Jenneffee §u berfefcett, unb Sdjofielb 
nach ber Vertreibung ^oobB bon 9tafbbiHe in elf Jagen mit 15,000 2Rann 
ben Jennejfee unb Ohio hinauf über bie fdjneebebedten 2lHegbannen — auf 
biefem trummen ®ege im ©anjen eineStrede bon 1400 teilen— na<b 
SBafbington ju übertragen, fo dürfte man mobl umfönft in ben Kriegen ber 
IReujeit na<b einem Veifpiel fudjen, bag ber bier entfalteten Jbatfraft unb ber 
biefigen fpftematifeben Organifation beg Veförberunggmefeng bie Spifce bieten 
!ann. Gnglanb unb granlreicb, alte im Kriege geübte Nationen, merben biefen 
Grfolgen gegenüber bag elenbe giagfo no<b lebhafter empfinden müffen, melcbeg 
fte trpfc aller ihrer £ülfgmittel mit ihrem Jrangportfpftem im ßrimfrieg* 
malten. 

SBir fommen jefct ju bem lebten ber bor ung liegenbenben Verlebte, bem 
beg •Sßtarineminifterg ©ibeon 2Meg. 

$err ®eüeg ift ber -Ration fautn mehr alg bem tarnen nach betannt. 
2Ui<b bebor er bei bem Vegierunggantritt Sincolng bag glottenportefeuille 
übernahm, erfreute er ft<b feiner frommen* alg Volitifer, Staatgmann ober 
©elehrter. So mentg mufjte man bon ihm, bah manche unferer Sefer ft<b mobl 
beg etmag profanen ®ipeg erinnern merben, ber bamalg mit Vejug auf ihn bie 
SHunbein berOppofttiongpreffe machte. SRan mollte ihm in feinem $eimatbftaat 
naebgeforfebt haben, unb entbedte, bah er f<bon bor mehreren fahren geftorben; 
bo<b hatte man noch an bem früher bon ihm bemohnten £aufe bag Spmbot 
feineg ©emerbeg, ein S$ilb mit einem rieftgen Stiefel, gefunben. SBeghalb 
#err Sincoln gerabe ihn mdblte, mdhrenb boeb anbere in bem SJtarinefaeb be* 
manberte, prominente 2Ritglieber feiner Partei Slnmartfebaft auf ben $often er* 
heben tonnten, ift nie in befriedigender SQBeife ertldrt morben. $errn SBeüeg* „©* 
fenpanjer" lieb ®ip unb SRaiice jeboeb ju Schanden merben. ©r nahm fo 
ruhig bie Verantmortliebfeit ber Rührung etneg ihm jugleieb unbetannten unb 
fo überaug miebtigen Slmteg auf feine Schultern, alg handelte eg ficb um bie ge* 


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Wöhnlichfle ©eföäftäfach«. ©lüdt unb Ungemach Derfelgten ihn ahwefhfelnb. 
Sie Siege hei .gattera« unb Ritten $ eab »Daten feine Siege, infofern et ate 
iDtarmeminifter bie SRittel ju beten Erringung Jbefchafft. Sie Srent»2lffaire 
warf einen fftimhul beS Dtuhme« auf feinen Scheitel, trofjbeni Pille« fie auf 
eigene gauft eingeleitet. Slbet bet SDierrimac nahm ihm alle ©lorie. Pährenb bie 
Stebellen mit ihten getingen Steffourcen ein Schiff ^ergeftcUt, welche« fich un* 
gefähtbet unter bie Kanonen bet unftigen legen unb enblich biefe wie ein Sar» 
tenhau« jerttümmern tonnte, hotte et, $ett Pelle«, ben Schlaf eine« Slip Dan 
Pinfle gefchlafen. gtetlich wat eä'bem genialen Gridfon gelungen, fuh fo weit 
Sehör ju oerfchaffen, bah *« ihm geftattet wutbe, ba« erfte Experiment mit bet 
£erfteHung eine« SRonifot« burchjuführew, uub ba« Don ihm gebaute Schiffchen 
rettete noch int entfeheibenben Sötoment bie Ghre ber Station; aber Pelle« wat 
als. au«gel5fcbt ju betrachten. Gr geriet!» nicht in SBergeffenbeit, benn bie Sba» 
ten febe« rebellifchen Äaper«,.baS Grfheinen febe« ißiratenbarapferä an unfetet 
Äüfte, bie Störung febe« ßauffabrer« wutbe ihm aufgebürbet, weit man bo<h 
einen Sünbenboct haben muhte; aber webet 9!ew»DrIean«, noch SJtobile, webet 
gort gifber noch prt t&ubfon lieh ihm auch nut ben ileinften Sbeil be« bott 
errungenen unterblieben Stubme« jugute lommen. Sie Station lohnte einem 
betoährten, treuen Siener mit Unbant. ©ibeon Pelle« hat gtohe gehler be» 
gangen, unb noch gröbereUnterlaffungSfünben barf man ihm jut Saft legen; hoch 
fie fmb taum be« Siennen« Werth in Skrgleich ju benjenigen feinet GoUegen. 
Seine Siech tfertigung, ju bet et niemal«, wenn ihn Vorwürfe Don allen Seiten 
beftürmten, ein Port geäuhert, liegt in bem Pirten unferet glotten. gnftintt» 
mähig ertannte er bie DerbienftDollften Offnere, unb gab ihnen trog lautet 
potefte bie hö»hft*n SSertrauenSpoften. goote, porter, garragut, ba« ftnb 
bie SRännet, welche Pelle« Senjenigen Dorjog, beten IBefötberung bet um», 
faffenbfte Ginfluh Don ihm forbette, unb wir Sille rniffen, wa« fie geleiftet 
haben. 

Sluch fein Bericht jeichnet bie groben Segebniffe be« lebten firiegSjabre«, 
wenn auch nur mit befonberer Serüdfidjtigung bet Stolle, welche bie g l o 11 e 
in ihnen {hielte, gm Uebrigen ift er ein Stefume be« gortfehritt« ber legten Dier 
gabre im SWarinebepartement, unb in biefer Gigenfdjaft empehlt er ftch bem 
Saien wie bem gadjtenner. Ser S3au einer tfrieg«»glotte ift bi«her al« ein«, 
bet fchwierigften unb jectraubenbften Unternehmen angefehen worben. Sie 
maritimen ©rofsmächte Europa’«: Stuhlanb, grantreich «nb Gnglanb, beren 
Perften- unb ScbiffSbauböfe ju jeber Seit mit' bem reichften SRaterial für ben 
Söau neuer Schiffe auSgeftatret waren, unb bie mit ben geühteften Slrheitern 
reichlich Detfehen, hielten e§ bennoch nie für möglich, in lurjer Seit eine bebeu» 
tenbe.SSergröherung ihrer glotte ju hewertftelligen. Sto& ber bringenben 2ln» 
forberungen friegerifchet prioben war ba« Gtfiheinen einiger neuer Sinienfchiffe 
bort immer ein Gteignih, unb Gnglanb bewachte mit eiferfüchtigen Slugen bie 
SRatinehäfen granfreich«, um, fall« biefe« ben Siel. $u neuen Schiffen legte, 
nifht hinter i^m iurüdjubleiben, bamit man im Slugenhlict bet ©efabr eine ahn» 



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lidbc SJermebrung oufguweifen int Stanbe fef. Mit bet $erbeif$affung bet 
Mannfdbaft unb bet Ferattbilbung bet Dfftciere war man bort nicht minberun- 
günftig geftcHt. Um ftdb Mgtrofen gu betfdbaffen, madbte föufjlanb eS wie bie 
übrigen norbifdben Mädbte — es tonffribirte unter' ben feefabrenben Unterta¬ 
nen, unb baS teilte in ber SHegeX bolltommen aus, wenn audb baS Material 
nidbt immer baS befte mar. Gngtanb, bejfcn ©efe^e baS üonffribiren nidbt gu- 
gaben, wanbte baS bort wohl humaner erfdbeinenbe Mittel beS MenfdbenraubS 
(pressgang) an, um feine Skiffe gu öerfeben, unb gußriegSgeiten war bort 
Stiemanb ftdber baoor, in nädbfter ÜRadbt in bie $beerjadte geftedtt gu werben. Sritbem 
than fidb aber biefe^ $ülf^mittel§ entflogen, haperte eS gewaltig in bet Be¬ 
mannung bon Sdbiffen, unb wäbrenb beS ßrüulriegeS lagen belanntücb biete 
berfelben füll, weil bie Matrofen nicht aufgubringen waren. 2BaS bie Feran- 
bilbung ber Offtciere betrifft, bon beren Südbügfeit felbfitoerftänblidb bie SBirl- 
famleit einer glotte gdnglicb abbängt, fo bat namentlich granfreidb barin biebit- 
terften Grfabrungen gemacht, inbem es ftdb über gwei Sabrgebnte, nadbbem bie 
Sleoolution bie meiften ber glottenofftciere bertrieben, burdb ben Mangel an Gr- 
fabrung bei ben Buborn feiner ßriegSfdbiffe bie tiefften SBunben gefdblagen fab. 
SBaS nun Slmerifa geteiftet bat, um bißf e GrfabrungSlebren gu entfräften, 
baS gefdbab wäbrenb ber SlbminiftrationSperiobe beS MarinewefenS burdb 
Ferrn SBelleS. Grböbte bie Ginfübtnng beS GifenpanjerS für ßriegSfdbiffe noch • 
bie 6<bwierigfeiten beS Baus berfelben, fo gebührt ihm audb eine um fo höhere 
Slnerlennung für bie nach ber burdb ben Merrimac erlittenen Schlappe aufgu- 
weifenben unglaublichen Grrungenfdbaften in biefer Ridbtung. 3»eibunbert 
unb adbt Sdbiffe, barunter »iele, -bie es gu jjeber Seit mit ben ftärlften Banger¬ 
fregatten ber alten Söelt aufnebmen fönnen, fmb wäbrenb beS Krieges erbaut, 
bierhunbert unb breigebn aus ber Äauffabrerflotte angelauft unb gu armirten 
Schiffen umgeftaltet. Unfere aus über ftebengig Sdbiffen beftebenbe Ranger- 
flotte bat Aufgaben gelßf’t, bte Guropa mit Berounberung erfüllte. F fl t fte eine 
SBiberftanbSfäbigteit entfaltet, bie eS febr fragltdb madbt, ob nidbt ein Montau! 
eS mit einem Minotaur, ein Monabega mit einem Marengo erfolgreidb aufneb* 
dben fönne, fo liegen je^t burdb bie Senbung bon fedbS biefer Sdbiffe nadb bem 
Stillen Meere Beweife über eine Seetüdbtigfeit berfelben bor, gu weldber ftdb 
Weber bon Seiten GnglanbS nodb’ SfcanfreidbS ein Bertrauen in bie ihrigen 
äujjert Unfere Buritan, 2)ictator unb 2)unberberg werben, wenn bie nodb eyi- 
fürenben Mängel beftigt ftnb, bie ftärlften Sdbiffe ber Sßelt fein, unb unfere 
b ö l g e r n e n ÄriegSbatnpfer fmb namentlidb in ihrer Slrmirung ben englifeben 
fo weit borauS, baf? man nur auf benfiampfgwifdbenbem ßearfarge unb ber Ala¬ 
bama gurüdfgumeifen braudbt, um unfere Suprematie feftguftetlen. Sin Matro- 
fen beftfcen wir ein Material, mefdbeS nidbt ber Bluttaufen, meldbe eS bor Mo¬ 
bile, 9tew-0tfeanS, BidfSburg, Bart Fubfon unb auf bem £enneffee unb Gum- 
berlanb erlitt, beburfte, um ftdb 3 U ftäblen, benn niemals wanlte es in einem 
biefer feurigen Orbeale. SluS ben fteben Saufenb $beerja<fen würben einunb- 
fünfgig Saitfenb, unb wie baS F eer / fa fmb auch fte mit bem Sdblujs beS ßrie- 





- 168 


geS ihren fcü^erctt Greifen jurüigegeben. Obgleich, wie fn granfreitb »or bet 
Peoolution, auch bi« bie glotte eine SSerforgungSanftalt für ben 2tbet beS 6ü« 
benS war, unb über breibunbert Offeriere ibre GpaulettS abßreiften, als Sumter 
fiel, gebrach eS uns niemals an ben nötigen gubrern. Sie ßaufmannSflotte 
gab unä auch in biefent ga<h, was SlunapoliS nicbt ju fteHen »«mobbte. Sie 
Flamen ber auSgejetcbnetften unferer.Seebelben fmb nicht allein ben Siften ber 
2Jlarine»2llabemie entnommen, garragat, Supont, porter, goote, SBinSlow 
unb Sufbing füllten bie SBlätter unfeter ®ef<ht<hte mit unerlöfchlichem SRubm, 
aber 93ogg§ unb Graben unb glemmtng unb SDliller ftanben ihnen nicht nach an 
ättutb unb Patriotismus, unb auch ihre Sbaten werben ewig leben. 

®S ift ein ftotjeS Senhnal, welches ©ibeon SBelleS burch biefen Sericbt 
fub fefct, ftoljer noch weil bie natürliche »efebeibenbeit biefeS 2Jlanne3 ihn feines 
ber Drittel jur Selbftoerberrlicbung benu&en läßt, welche bie ©efchichte unfe» 
rer glotte ihm in fo reichem Plafje bietet. Gr mag als Gbaraft« unfebeiribar 
neben ber gigantifchen ©eftalt ©tanton’S fein; aber er War ein treu« Patriot, 
ein fleißiger Arbeiter unb ein gewiffenbafter Siener beS PolfeS. - 




Sott <Sa»pa* ©u$. 




3u Slmfterbam auf ber §eerengra<bt, 

3n feines ^ßalafteS Saale, 

Ser büft’re SBürger bei ftnfenber -Wacht 
6ifct einfam beim Hbenbmahle. / 

3m ©lafe ber rothe ©ein bon Surgunb, 

& nippet ihn nicht ber gefchlojfene 2Kunb, 

<k fteht nicht bie Stöffeln, bie uollen ; 

Qx hält in ber §anb non Simancaä ben SJrtef, 
(£r ftarret hinein mit ben Slugen, bie tief 
Unter bufchigen Stauen rollen. 

f/ Unb ba$ ift ber San! aus ÄonigeS §anb!" 
Seginnt er unb Inittert ba3 Schreiben; 

3$ trug bie gatfel burch’S ftieberlanb, 

3$ heftte beim ßefcertreiben. 

Sßilb mar bie 3agb, ber §immel glühroth, 
Soran ritt 2llba, ber grimme Sob, 

Sie Senfe 3 um -Blähen gefebmungen. 

SSßer bie 2Jte(fe nicht hötet, fein @rab ift bereit; 
So !nic!t man bie Slüthen ber neuen Seit, 

Sie auf ßefcerboben entfprungen." 


/Göogle 




169 




„3$ traf pe inte |>etg, bie Piebellenbrut, 

9WiS tcnnen bie Stabte unb gluten. 

S8on ber Staaten Sdjilbe roufdf? iS mit ®lut 
®ie bePedfenben Äefcerfouren; 

SWein -Warne »irb leben im Wieberlanb, 

3m Strbennenforft unb an SeelanbS Stranb, 

Unb nimmermehr »irb er Derballen. 

Unb nun! ba gebügelt ba§ »ilbe föofj 
gür ben Leiter fern in Simancal SSfop, 

®uj$ Sllba, bet SJtöStige, fallen !" 

Sr pmtet, brütet unb murmelt bann 
®om Unbanl fürftliSer Saffen; 

3m gangen 3abrbunbert ber einzige SWann,. 

3hir er, ber au£ Sifen geraffen! 

3htr er, bem nie ba§ get} in ber ®rup 
Slufgudtte in ÜUtitleib, in SSmerg ober 2up, 

S)er genfer beä SWenfSengefSleSteä! 

Site bor feinem (Seifte PS breitet fein $bun, * 
3)a ladbet er grimmig: „9hm lann üb tub’n, 

3db fab ba3 Snb’ be3 ©efpSteä \ u 

®a flingtte in ber #aHe »ie SporengeWrr, 

Sluf fliegt bie oergolbete Pforte. 

Sin bumpfeS ©emurmel, ein Stimmengewirr 
Sin biefem gefürsteten Orte! 

„2öer Sagt e3?" fo bonnert be3 gelbberm SJlunb* 
„ w ®etgeibt, #err #ergog, bie bofe Äunb’, 

SBIe febr pe bie ®ruft auS belafte! 

®raf ®offu gefangen unb Sllfmaar befreit, 

$ie glotte ber ©eufen gehn 9Men nur »eit, 

3WU Oranieite glagge am 2Jtofte!"" 


Sin Ritter foriStte, ber in SbrfurSt PS büdtt, 
Unb barret be3 Sßorte beä ®epegten; 

Sein $amifS DoH ®eulen, $utfebern gelnidft, 
Sie jüngft noS tm Seeminb p<$ »iegten. 
®utSbobrenb auf ibn ift ber ®lic! gebannt, 
Sen Stiemanb noS aitebielt im Wieberlattb, 
Site »off er bie SBabrbeit befS»ören 
„Son 3uan b’Stoila", fo berrfSt er ibn an, 
„®ift fabnenflüStig bu, »ebe bir, SWann! 
3hm rebe, bein gelbben »iU boren!" 


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1 


170 


Unb mieber bemeigt p<b ber bittet Mitb fpxid&t: 
„Verfahret mit mir nach bcm Siechte. 

SBir trafen bie ©eufen im 5)ämmerli$t, 

5)e3 SJtoigen^, bereit jum ©efec^te* 

SBo ber «gupberfee feine SBogen feblägt 
Sin bie 2>ei<be bei £otn, fo fturmgefegt, 

2)a lag pe, ber Äeper glotte; 

Stuf bem 3)ecf fdjon ber Sinter, bie Segel gefpannt, 
S3ootbafen unb Speere in nerbtger £anb 
So [türmte heran nun bie Slotte." 

„& fmb Teufel, §err £erjog, nic&t ©Triften mehr, 
S)ie milb’fien ber SBafiergeufen; 

3iu3 SeelanbS ©achten fuhren fie her, 

©in Strom, bem geöffnet bie Sdtfeufen. 

Sin ber UJtüfce ben #albmonb, baä freche Spmbol, 

/ „Sieber $ürP als Sßapft!" Hang rauh e£ unb hohl 
Ueber be£ DJieereS bemegte SBellen. 

* Stur eine Saloe bon iliel ju äiel, 

SBie bie SBinbSbraut bann pnb pe f#on am $*1, 
S)ap bie planten an planten jerfdbellen." 

„©alb Pog unfre glotte mie Spreu bor bem Sturm, 
©ebiafen in jebe SBeite; 

Socb'immer no(h ragte, ein fefter £hurm, 

5)aS Sibmiralfdpff im Streite. 

Stoch meht bon ber ©affei ber „Snquiption" 

5)a§ %uch bon ©aftüien unb Seon 
^ernteber auf SBogen unb Seiten; 

©ter Hämmerten feft p(h am hohen ©orb, 

©ier ©eufenfd^iffe, nie rafte ber SJtorb 
So fur(htbar in Spaniens Leithen.' 

/ 

„®n 2öme im Kampfe, fo ftanb ber ©raf, 

©iS bap ihm ber Scbmertarm erlahmet; 

©ier &iger belämpften mir matter unb brab, 

.S’ mar ein S<bla<btbilb, bon 3)ünen umrahmet. 
$aS Steuer hing müpig in Siuh unb Staft, 

S)ie Patternben Segel, pe fchlugen ben SJtaft, 

SBir trieben jum Stranb im ©ef echte. 

2>ocb hüben bie £iger uns übermannt, 

.$en Sömen gefangen — ich tarn noch an’S Sanb, 
£err $erjog, nun thut na<b bem Siechte." 




171 

Unb ftnfler hört Sllbabie UnglüdSmäbt, 

Sein Saut entfährt feinem «Wunbe; 

^ein ”No es nada!“ *) murmelt et mehr 
Sei biefer blutigen fiuttbe.. 

6r »intet berit «Ritter, ju »eiben ben Saal; 

3» bem $erjen »on eifen ipütbet bie Qual, 

Sie Qual ber »ernidjteten SLräume; 

Sefiegt unb erobert, bie „3nquifiti«n", 

Stuf bem Siede tanjen bie ©eufen, »oll 
»rauf’t ringsum beS «WeereS ©efdjäume. 

er ftarrt in ber Simpel rötbliiben Strahl, 

SBie 58lut erfebeint ihm Ihr Seudtfen.. 
es faßt ihn ein Sdjauber, jum erften «Wal 
Slngfttröpfen bie Stirne ihm feudbten. 

»ereit febon bet »Sagen jur gabrt in’S ©fit. 
©efebeitert am blutig erftrebetenSiel, 

Süblt er, »ie bie lobten ihn paden; 

»efiegt »on ber Seit, fpriebt ber greife «Wann: 
„WequefenS mag beugen nach mir, »enn er lann, 
Siefe ftörrifb germanifeben. «Raden." 


*> »®f ifl »tta’S SDort bei» ©npfeng fäUtytx ftu<$ri<bttn. 




«Ülufilialifdje fttmtf. 

©au %f). #agttt. 


®er 3abre8»ecbfel, »ie auch bie Sage, bie ihm unmittelbar »orangingen 
unb folgten, boten »ie immer febr »entge muftfalifcbe SlnbaitSpunfte für bie 
«Befprecbung. Slm «BeibnmbtSabenbe »urbe ßänbel’S „«Wefffos" in ber übti» 
eben SBeife »on ber Harmonie Societp aufgefübrt. $ert 3. S. Witter birigirte. 
Saß er uns nidit baS ganje SBert gab, war »ofrfgetban. ©3 f m b bie gtoßar» 
tigen ©böte, joele^e biefe Schöpfung, »ie bie meiften «Berte auf biefem ©ebiete, 
ja felbftauf bem bar Oper, noch lange hinaus übet bie Seit ihrer-Qntftehung er» 
halten. Sn ben Soloftüden unterliegen bie meiften Jtompimiffen bem berr* 
Wenbat ©infiuffe ber Seit, in »eichet fie ihre SBerte febaffen. «Wan »irb «Dlo» 
jart’S „Saubetflöte" no<b lange geben, felbft »enn man bie «Pa»agettogef<hi<hte 
unb bie Gapriolen ber „fiönigin bei «Raiht' ungenießbar finbe» »irb. 

3)ie Stuppe. beS^errn fflateman lehrte na<b einer febt erfolgreichen Wunb» 
reife im ffleften unb Dften ju uns iutüd. Sie gab auch hie« ,»ieber brei febt 


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172 


ftarf befugte doncerte in ber^cabemp of SOTuftc. ®tan b5rte ben flünftlern 
an, bafj ihre Kräfte febr ftarf angefpannt worben fein müffen. üRamentlicb 
fd&ien ung bag Organ ber grau Sarepa febr angegriffen zu fein, Sie leiftete 
in fünftlerifcher ^Beziehung bei SBeitem (Seringereg, alg bei ihrer erften Slrnve* 
fenbeit in unferer ÜHitte. 3ftr Slntyp mar lange nicht beftlmmt genug, man 
hörte oft bie beliebten 2)oppeltöne, bie ung namentlich bei eiher fo gebilbeten 
Sängerin überrafchten. 3br föepertoir bat ft<b wenig verärtbert. freilich 
war bag woblbelannte Sroch’fche „Sllpenbom" eine 3ugabe; über bieg fcheint ung 
benn bo<h eine etwag ju ftarfe donceffion an ben ©efhmact ber ÜDtaffe ju fein. 
Ueberbieg war bag Slrrangement für bag dornetnur genügenbumbag 2)ingno<h 
gemeiner zu ma<ben. |>err 2evp fpielte wie immer mit großer Sravour. Slber 
wag er fpielt, bat, vom fünftlerifchen Stanbpunft aug betrautet, gar feinen 
SBertb. Unb über bag 2Bie liebe ftd? auch ttVch SJiandjeg jagen. Sein &on 
ift nicht ebel, unb fein Sortrag erinnert fo ganz unb gar an bie in ben gebilbe* 
ten Greifen duropa’g febon längft überwunbene Sßeriobe beg reinen Sirtuofen* 
tbumg. S)ag Snftrument ift febon an unb für fld) nicht genügenb, tiefe Spm* 
patbieen ju erregen, aber wir in 5Rew=2)ort wiffen aug eigener (Erfahrung, bafj 
eg unter fünftlerifcben £änben unb unter bem dinfluffe eineg gebilbeten de* 
fchmacfg'bon Seiten beg Sortragenben freunblicbe, ja fogar fünftlerifcbe Stirn* 
mungen bervorrufen fann. 

£err JRofa ift nach wie vor ber Siolinift ber Gruppe. S)er noch febt 
junge SJtann bat tüchtige Stubien gemacht; aber wir glauben nicht, bab fte in 
biefer £ebjagb beg doncertireng, wie er fte jefct anftellen mub,. erfreulichen 
SHefultaten führen fönnen. 2Bag bie Sorträge beg ^ianiften $emt S. 53. 
ültillg anbetrifft, fo zeichneten fie ft<b wie immer burch Solibität unb grobe $e<hntf 
aug; eg bürfte übrigeng einmal 3eit fein, bab ber wirflich bebeutenbe Zünftler 
etwag Slnbereg fpielte, alg feine „£arantelle" unb Sifzt’g ,,$acofzp*2Karfch".— 
#err Hnfcbüfc birigirte bag Orchefter tu feiner tüchtigen Sßeife; eine etwag 
beffere Hugmabl in ben Ouvertüren hätte wohl nicht fchaben fönnen. 

Sluch ber $ianift §err 2Bebli ift zu ung $urücfgefebrt, unb wabrfcheinlich 
um manche Erfahrung reicher. 9Jtan fpricht von feiner üUtttmirfung in einem 
ber Sßbilbarmonifchen doncerte in ÜRem*?)orf, auch will er felbft doncerte geben. 
Seine eigenen dompofttionen, von benen jefct mehrere bei Srainarb in dleve* 
lanb unb Sitfon in Softon erfchienen finb, geben ihm wenigfteng Gelegenheit, 
feine eigentümliche £e<hnif anjuwenben. 2Bag bie Sachen felbft anbetrifft, fo 
fpiegeln fie bie Slmbition beg Serfafferg aufg detreuefte wieber, bie feine an* 
bere ift, alg $u amüfiren. dr ift eine 2lrt .dottfchalcf, nur bei weitem nicht fo 
gut unb abgerunbet. 

$ie franjöfifche gruppe, welche augenbliälich b^r weilt unb mit Scbnfucht 
ber dröffnung beg neuen für fte jept im 53au begriffenen Xbeaterg in ber vier* 
Zehnten Strafe entgegenfiebt, bat fub auch an bie SDarfteHung einer fomifchen 
Oper gewagt, unb zwar einer ber beften, bie in ben lebten breiig fahren für bie 
franzöfifdbe Sühne gefchrieben fmb. £alevp’g “I/sclair’* war bie erfte erfolg* 



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173 


reiche Oper, melche etfür bie Opera comique in Paris fchrieb, unb in einem 
griffen Sinne ift fte feine einige. £ier tritt feine.utfprünglidbe Spröbigfeit, fein 
fteifeS ©ebneren im dMobifdjen, feine gorcirtheit unb ©efchraubtheit, bie uns na* 
mentlich in feinen großen Opern (bie„3übin" natürlich ausgenommen) entgegen* 
teuftet, auf eine mohlhuenbe SBeife aurücf. ©r mirb barin populär ohne trioial §u 
fein, ©inige -Wummern in ber Partitur ftnb bon einer auberorbentlithen ©rajie, unb 
über bem ©anjen liegt ein $au<h ber Poefte, ben mir in feinen übrigen Sßerfen 
bergebenS fudhen. ©igentbürnlichermftife überlieferte er ber SSBelt btefeS 2Rei* 
ftermer! ber fomifchen Oper, mie auch feine „Sübin", ein anbereS ÜBteiftermerl 
ber franjoftfehen groben Oper, meinem Sabre (in 1835). Sn biefen beiben 
SBerlen erreichte feine fc&öpferifd&e Äraft ihren £öhepunft, unb fte allein ftellen 
ihn in bie [Reihe ber groben 2Reifter unferer fiunft. S)ie anbere Oper, an beren 
2 )arftellung fuh bie granjofen magten, mar “Les Noces de Joannette” bon 
Victor 2Ruffe, eip liebenSmürbigeS 2Berf, mit bem uns Ullmann fdjon oor eiiti* 
gen Sahnen befannt machte. Sn ber ©rfinbung nicht immer frifch unb leben* 
big, fejfelt baS SBerl namentlich burdh eine geiftbolle gaftur unb eine höchft lie* 
benSmürbige uttb lofette SluSbrudtSweife. greilich, alles bieS muh berloren ge* 
ben menn bie SarfteHer fo menig fähig fmb, ihre Aufgabe ju lofen, mie es bei 
biefer ©elegenbeit ber gall mär. 2Bir haben feiten fo biel Prätention mit fo 
geringem können bereinigt gefehen. Unb baju gefeilte ftdb noch eine Stimm* 
loftgleit, bie man fchon im PaubebiUe unerträglich ftnben mürbe. S)ie fomifebe Oper 
fteüt befanntlich an bie 2)arfteller biel höhere Slnforberungen als bie tragifdje. 
Sn ber Sefctem fann eine, ftarfe Stimme fdbon einigermaben ©ff eit machen, 
in ber fomifchen Oper hilft bie Stimme nichts, menn fte nicht tüchtig gefchult 
morben ift. UeberbieS mub eine feine, gemanbte $5arftedung hin^utrelen, 
meldhe anbeutet, bab fte bon einem gebilbeten 2Renf<hen auSgebt.' S)ie fomifche 
Oper erforbert alfo ganj befonberS tüchtige flräfte für bie SluSführung, unb fo 
lange biefe nicht $u haben ftnb, follte man an eine Sntrobuftion berfelben hier 
nicht benfen. 

2Bir müffen noch eines tüchtigen OrgelfpielerS gebenlen, ber hier tödlich 
mehrere Proben feiner ©efchidtlichteit abgelegt hat. 2)er junge 3Rann heibt 
SBarren, unb hat in $eutf<hlanb ftubirt. 9öoher mag eS mohl fomtnen, bab mir hier 
fo menige bebeutenbe b e u tf ch e Organiften haben? 2)ie muftfalifche ©r^iehung 
beS beutfdben fiünftlerS fcheint mirtlich baS Orgelfpiel mehr ju bernachläfftgen, 
als tm Sntereffe einer allfeitigen tüchtigen ©rjiehung münfchenSmetfh ift* 2Rän 
übt in ber Siegel baS Planier, ober bie Pioline, ober baS ©ello, aber an ein 
eigentliches ©tgrünben ber grobartigenSReffourcen ber Orgel unb ber Söerfe, bie 
bafür gefchrieben finb, benfen bie meiften jungen Schüler nicht. ©S fcheint ein 
ÜDtangel an Spiupathie ob 3 umalten, ber melleicht in ber Schulerjiehung feine 
Pegrünbung finbet. SXber ber angehenbe fiünftler follte nie oergeffen, bab bie 
Mtitr beS OrgelfptelS eine rein muftfalifche grage ift, bie mit ber [Religion ober 
mit ber Schule gar nichts px thun hat. 2Ran fann ein tüchtiger Orgelfpieler, 
unb braucht bemtodh fein religiöfer 2)udtraäufer ju fein. 


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174 


Die Herren SJtafon unb ft&omaS haben ihre Soireen fürflamntertnufif be* 
gönnen. 3« ber erften fd&on boten fte uns ein recht feffelnbeS Programm:. 


Oüartett in ©, ÜRo. 1 .ÜJlo$art 

(gefpielt non Herrn Dh^tor DhomaS, 9Jtofenthal, SUta^ta unb 53ergner.) 

Drio in D, op. # 70, SRo. 1 .Söeethooen 

(ÜJiafon, DhowaS, 93ergner.) 

Sejtett in 93, op. 18..SBrahmS 


(Xbomaä, ütftofentbal, 2Tla^fa # 93ergner, 3. £e& unb H 2Jtodenbauer.) 

Das Quartett würbe oorjdglich gefpielt, unb machte einen böchft erfrifchen* 
ben dinbrud, wie 2IlleS, was oon ber anmutigen 3Jtufe ÜUtojartS auSflie&t. 
DaS Drio oon 93eetbooen ift in ber SluSbrudroeife boebft bramatifch, unb teilet* 
tirt bie mannigiaebften Seelenjuftänbe, bie aber nicht immer in ihrer ganzen 
Söebeutung $ur ©eltung tarnen, unb jwar in golge einiger Unebenheit in ber 
Ausführung, namentlich bon Seiten beS Sßianiften. — DaS feeytett mu& $err 
SBrabmS fchon bor längerer Seit gefebrieben haben, eS ftebt in ber Durchführung 
burchauS nicht auf ber #öbe, bie er 3 . 93. in feinen Serenaben für Orchefter 
innehält* dS hat eine gewiffe Sebenbigteit unb Sßärme im AuSbrude, benen 
wir in ber Siegel nicht 3 U oft in ben SBerfen biefeS domponiften begegnen; 
aber baS ©au^e ift ju wenig ausgearbeitet. Die groben Hoffnungen, welche 
Schumann einft für biefen auf jeben galt genialen Äünftler anregte, haben ftch 
noch immer nicht bermirflicht 

2Bir tonnen unferen Bericht nicht beffer, als mit einer ÜRotij über bie Sprn* 
pbonie*Soiree beS §mn Dheobor DhomaS fchlieben, welche nicht bloS eine ber 
beften ber bieSjäbrigen Saifon, fonbern überhaupt eine fo gute war, wie Herr 
DhomaS fie uns noch wicht geboten hat. DaS Programm namentlich War ein 


muftergültigeS, wie unfere Sefer fofort feben werben. 

Spmphonie in d, op. 30..... .93argid 

Arie“Ah! perfido”.... .öeethooen • 

( 2 JtHe. Sßarepa.) 

gantafte in F-moll, op. 49. Gbopi» 

(Hendarl SBolffohn.) 

S3oItSlieb, gef ungen Pont.ßiebertranj 

2 Jteloftnen*Oubertüre.SWenbelSfobn 

Arie “If guiltless blood be your inten t” (Sufanna).Hünbel 

( 2 )tlle. $ar epa.) 

gantafie. gür Sßiano, dhor unb Orchefter. 93eetbooen 


(Herr darl SBolffoh«, Sieberfranj unb Orchefter.) 

Die Spmphonie würbe hier gum erften ’SWale gefpielt, unb wir lönnen beS* 
halb nur über ben allgemeinen dinbrud fprechen, ben fte machte. Diefer war 
ein günftiger. SBenn irgenb etwas, fo ift eS bie 3Jteifterhanb, bie uns fofort 
aus ber 93ebanblung unb Durchführung ber Dhemen entgegentritt. So für 
grobes Orchefter ju fchreiben, ift nur wenigen domponiften ber ©egenwart ge* 



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175 


geben. ©S liegt etmaS MftigeS, ©efunbeS in biefer 2Jtupt, bie, wenn pe auch 
ben melobifdhen 9ftei$ ber großen üfteifter ber Spmphonieentünft entbehrt, bodh 
ourdh einen gemijfen ©rnft, eine gemiffe SBürbe, bann unb mann burch einen ge* 
lüiffen Sßomp zu imponiren meip. SaS üflotib beS erften SapeS ift etmaS 
trodten, aber Sargiel berfteht bie mamtigfadhften ©ebilbe ju gehalten. greilicp, 
menn man bebenft, maS Seethooen mit ben paar SBnen im erften Sap ber 
C-moll-Spmphonie zu machen mupte, fo^ muffen bie Sargieff<h«t ©ebilbe nur 
imbebeutenb erfdheinen. Ser 3auberftab Seethoben’S tonnte berühren maS er 
mollte, unb Sehens* unb ©eifteSfrifcpe fprangen barauS herbor. Hber mir follten 
uns mopl hüten, an bie SBerte unferer Sage ben Seethoben’fcpen SKappab zu 
legen. Sargicl, mie bie meiften feiner ©enoffen, ift unb tann nichts HnbereS 
als ein ©pigone Seethobcn’S fein, unb auch barin liegt fchon ein Serbienft. 
Huf jeben galt aber ift etmaS bon bem Seethoben’fcpen ©elfte audh in biefer Spm* 
phonie Sargiel’S, unb bieS ftempelt ben ©omponiften zu benbeften feiner Seit. 

Sie Söeethoben’fcpe Hrie mirb hier feiten gefungen, bermuthlidh meil pe 
eine grobe Äünftlerin erforbert, um bamit beim groben ^ublitum ©ffect 5 U 
machen. Unb eine foldhe ßünplerin mar an bem Hbenbe biefeS ©onjerts gefunben. 
Ser langen unb fepmierigen Hrie mürbe non ihr in jeber 93ezUhung ©enüge ge* 
than. ^2JUle. $arepa zeigte im SBortrage biefer, mie audh ber ^änbeFfcpen Hrie, 
maS fie audh mit ber Sofung mirtlidher ßunftaufgaben effeftuiren tarnt. Ser 
$ianift be&HbenbS mar $err ©arl SEBolffopn aus *Pbilabelpbia, ber fepon mit 
. ber 2 Bapl ber bon ihm borgetragenen ©ompoptionen pep felbft unb bie fiunft 
ehrte, ber er fein Sehen gemibmet hat. ©S mar eine gute 3bee, einmal mieber 
bie Söeethoben’fcpe gantape in bie Deffentficpteit zu Gingen. üftau fönnte pe 
ben |tften SBerfucp SB.eetpoben’S nennen, bie Obe an bie greube zu fdhreiben. 
2BaS er fpäter in ber neunten Spmphonie geliefert hat, mirb hier angebeutet. 
©S pnb SSariationen über baffelbe Spema, freilich bei mcitem nicht fo großartig 
mie in ber Spmphonie. Ob baS ©labicr bie Hufgabe löfen tonnte, namentlich 
in biefer ©ombination, ift eine „anbere grage. Seethoben mup mohl felbft 
baS Unzulängliche biefer 3ufammenfteUung ($iano, ©hör linb Ordhefter) 
empfunben haben; ber lepte Sap feiner neunten Spmphonie fpridht bafür. 

#err SBolffopn I5fte bie fchmierige Hufgabe, bie er pdh an oiefem Hbenbe 
geftedt hatte, als ber tüchtige, befcheibene unb ftrebfame Zünftler, als meldhen 
mir ihn fennen gelernt haben, ©r bocumentirte nicht blop genügenbe Sechnit, 
fonbem auch eine feine Huffaffung. Hür fein Hnfcplag, namentlich in ben gorte* 
Stellen ber ©hopin'fcpen gantape, gepel uns nicht immer. 


Ir 



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jTtterarifdHttifdjtö /nrillcton. 

Bon 3. «ö. 


ÜBenben wir uns heute äurbeutfcbenScbaubübuef fo begegnet 
uns ba faft ganj biefelbe örfdheinung, mcld^e mir neulich auf bent ©ebiete ber 
Aoman*Siteratur ju beobachten (Gelegenheit batten. Sie $rob^ftion ift aufjeror* 
bentlidh ftar!, bo<h bie unenblicbe Mehrzahl ber Stüde taucht nur auf, um fofort 
wieber in Bergeffenheit gu gerathen. Selten baf* ein beutfcheS Original, trenn es 
nidbt bon einem fcbr renommirten Autor berrübrt, auf mehr benn jwei bis brei • 
Bühnen gegeben wirb; aber felbft bie Stüde biefer renommirten Autoren, welche 
bie Bunbe über ein Sugenb ober mehr kühnen machen, berrathen nur hochft aus* 
nahmSWeife einige SebenSfähigfeit. günftigften gatle behaupten fie ftdb für bie 
Sauer einer ganzen Saifon; in ber nächften fpricht Miemanb mehr bon ihnen. 
Mer an biefem für bie beutfd&e bramatifdbe Bübnenliteratur gewifj febr wenig 
erfpriefslichen 3uftanbe bie Sdbulb tragt, bie Siebter, baS Sßublifum ober bie 
allerbingS gang eigentümlichen Sheaterberhältniffe, tonnen mir hier, nicht unter* 
fuchen. SBabrfdbeinlicb fallt baS beflagenSwerthe Aefultat allen Sreien jur Saft. 
Seit H e b b e l unb 2 u b w i g mit Sobe abgegangen, © u g f o w berftimmt ber 
Bühne ben Büden gemanbt unb julegt in tiefe Melancholie berfallen, Sa u b e 
enblich in bem mit ber praftifchen Seitung einer großen Bühne bertnüpften ©e* 
fchäftSbranije baS geiftige Schaffen gänjlidb bergeffen, gebridbt eS ber beutfehen 
bramatifdben Sicgtfunft ganj an herborragenberen Seitern unb allgemein refpef* ’ 
tirten Vertretern. 3mar-bat eS nicht an Bewerbern um bie batanten Öhren* 
plage gefehlt, bramattfehe Sichter toaren immer im Ueberflufj borhanben — 
teinem gelang eS injwifchen, ftch für bie Sauer in ber bielleicht burdh einen au* 
genblidlichen (Erfolg eroberten Stellung ju behaupten. Unter ben beutfehen 
Sramatitern jüngeren SatumS, b. b» benjentgen, bie erft feit bem Sabre 1848 
wenn auch nicht gerabe für bie Bühne ju ftreiben begannen, fo hoch erft feit 
biefer 3eit 3U SÄuf gelangten, ftebt © u ft ab greptag obenan. 3u Anfang 
ber fünfjiger Sabre bcrfprach man ftch bon ihm grofje Singe. Seine „Baien* 
tine", feine r ,Soumaliften", 4 ganj befonberS aber fein „(Graf ÜBoIbemar" toaren 
bebeutenbe örfcheinungcn, wie feit ben um 10 — 14 3<*bre früher ans Sicht 
getretenen bramatifdpeft örftlingSwerfen ©ugfow’S unb Saube’S nichts BeffereS 
gefchaffen toorben. Mit Spannung erwartete man wettere Arbeiten greptag’S 
unb wartet heute noch, ba er feine Bühnenthätigfeit gan$ ploglich abbrach. 
AllerbingS trat er bor 4 bis 5 S^ren noch einmal mit einer Sragöbie: „Sie 
gabier", herbor, ber biel Buhmgefpenbet würbe, unb bie fogar ben bont Könige 
bon Vreufen auSgefegten SchillerpreiS erhielt, leiber aber faum als praftifdhe 
Bereicherung beS BühnenrepertoirS anjufehen fein bürfte,« ba ftch uur wenige 
Hofbühnen an ihre Aufführung heranwagten unb baS SHefultat biefer Auffüh* 
rungen ein feineSwegS ermuthigenbeS war. V o b e r t $ r u g, ber mit feinem 
„Morig bon Sadgfen" einftenS fehöne Hoffnungen wedte, hat ftch langft bon 



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177 



jeber 93übnentbätigleit jurüdgejogen; bielleidbt mochte ihm fein fdbarfer fritifdber i 
JÖlid fagen,«bafi ihm bo<h manche midbtige (Eigenfchaften beg Sramatiferg abge* 
ben. SWinber unbefangen in ber Selbftbeurtbeilung jeigt ft<h ein anberer her* 
borragenber ßritifer unb Siterarbiftorifer, di u b o t f © o 11f <h a II, ber feit 12 
bi§ 15 fahren unoerbroffen für bie 23übne arbeitet, in jeber Saifon ein ober 
felbft mehrere Stüde jut 2luffüf)rung bringen läfct, ohne big jefct auch nur mit 
einem einigen einen burchgreifenben (Erfolg erhielt ju haben. $abei laffen fi<h 
ben ©ottfchalTfcben 2)ramen bebeutenbe SSorgüge nicht abfpredben; fte ftnb 
mitunter großartig angelegt, geigen eine adfrtunggebietenbe Sauberfeit unb 
Sachfenntnifiin ihrer Slugfübrung;— nur (Eineg fehlt ihnen: jener marme 
Hauch ber Sßoefie, ber unmiberftehlich ergreift unb fortrei&t. 3$on Ringel* 
ftebt, |)em einft biel gerühmten cogmopolitifcben üRachtmädbter, Jbraudben mir 
hier taum ju reben, ba feine beiben bramatifcben Sßerfud^e: „3)ag ©efpenft ber 
d&re" unb „StogHaug ber 33ameoelbi" eigentlich in bie bormdrjlic&e Qtit fallen 
unb nur bon mäßigem (Erfolg mären. 3>njmifchen berfchafften fie hoch %em 
Urheber eine Stellung, in melcfcer er auf bie (Entmidelung unferer neueften bra* 
matifdben Literatur einen großen (Einflufi üben fonnte unb mirflich übte. 2)ie 
Weimarer üUtufterborftellungen fiaffifcber 2)ranten unb bie SBorfübrung ber Heb* 
berfchen „ $Kib et ungen" ffnb bie ehrenbollften Monumente, melche 3)in* 
gelftebt feinem tarnen ju fefcen bermochte. 

2llg erfebnter ÜJiefftag ber beutfcben Schaubühne marb bei feinem erften $luf** 
treten 93raebb ogel begrübt. Sein „9iarcij$" feblug faft ebenfo gemittet 
mächtig in bie bon franjöfifcbem ©iftbaueb beworbene s iltmofpbäre beg mober* 
nen (Eonberfationgbramag, mie einftmalg ©ötbe’g fernbeutfdber ,,©öfc" unter 
bie Slfterprobulte einer in ber beutfeben Sühnen* mie ittomanliteratur ftdb breit 
macbenben bpperfentimentalen Witter* unb 9täuber*$oefie. Slber mit bem erften 
jünbenben Slifc fchien auch feine ßraft erfeböpft; mag nachfolgte, maren nur 
falte Schläge. Sradbbogel liefert faft für jebe Saifon ein neueg 2)rama, moju 
er ben Stoff häufig feinen eigenen Lobelien entnimmt; ein „-ftarciji" mollte 
big jefet nicht mieberfommen. — (Eine ähnliche gigantifdbe ßcaft, bie aber faft 
noch meniger jur (Entmidelung gefommen, mar©riepenferl, beffen „9to** 
begpierre" feiner %i\t fo gemaltigeg Sluffeben machte. $ag Stüd fam nur 
feiten jur Aufführung; mo man eg jeboch unberftümmelt barfteüte, mar ber (Er** 
folg ftetg ein au&erorbentlicber. Seiber batte eg bei ber einen reifen grucht fein 
Seroenben. ©riepenferl ftarb, menn mir nicht irren, bor einigen fahren, ohne 
bie einft auf ihn gefegten Hoffnungen gerechtfertigt gu haben. 

2 Bie fich bie öfterreidbtfchen dichter unb Sdbriftfteller bon benen beg übrU 
gen $eutf<blanb immer burch befonbere (Eigentbümlichfeiten fdbarf unterfdbie* 
ben haben, fo auch bie 2)ramatifer. Aachbem ber mirflidb geniale unb hoch 
poetifche ©rillparjer berftummt, maren eg bauptfächlidb in ben hiesiger 
unb fünfziger fahren brei öfterreichifche S)ramenbichter, beren Aubm bie engen 
©renjen ber Heimatb überfchritt: Halm .{greiberr bon -UftünchsSellingbaufen), 
üJtofenthal unb $r eitler. Halm bat burdb feine „©rifelbig" unb 


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feinen „Sohn bet SBilbnifj" eine Popularität erlangt, bie gum ffierth biefbr 
franfpaft fentimentalen Sichtungen in gar feinem Serpältniffe ftept. (Entfchie* 
ben beffer ift ber „gelter oon Slaoenna", boep liegt beffen Starte eigentlich 
auch nur in aufcerorbentlichem Aufpufc unb tenbengiöfem Pbrafengefiingel; fo 
gewaltiges Auffepen er gur 3eit feines (ErfcpeinenS machte, hat er fiep heute, wo 
man bie SebeutungSlofigfeit ber polittfcpen pprafe mehr unb mehr eingufepen 
beginnt, faft fchon überlebt. 2BaS Halm feitbem für bie Sühne gefchrieben, ift 
oöHig unbebeutenb unb rechtfertigt oollfommen bie Anfupt, bah ber (Erfolg jener 
früheren Sichtungen großenteils einer bettehrten 3eitftimmung gugufepreiben mar. 
HJtofenthal hat burch feine auf bie frangöfifepe, englifche, amertfanifepe unb italie* 
nifche Sühne gemanberte „Seborap" in höherem ©rabe einen Sßeltruf erworben, 
als irgenb eii^anberer beutfeher bramatifcher Sichter ber ©egenwart. SaS Stüd 
oerbinbet mit unleugbarem poetifepem Schwung unb tbeilmeife fehr gelungener 
ßharaftergeiepnung eine oollenbete Süpnenmacpe, unb fein- (Erfolg tann als fein 
gang ünoerbienter angefehen werben. Seiber lieh *S auch üftofentpal bei bem einen 
glüdlicpen 2Burf bewenben, benn maS er fonft, felbft einfchliehlich beS „Sonn* 
menbpofS", für bie Sühne fchrieb, würbe ihm faum ben Auf eines bebeutenben 
SramatiferS berfepafft haben. Ser lebte biefer brei öfterreichifchen Sichter, 
Otto Prechtler, ift ein anmuthigeS IprifcpeS Salent, baS jeboch auch in feinen 
bramatifchen Schöpfungen ben Ipriftpen Son oorwalten Iaht., prechtler hat 
ziemlich biel für bie Sühne gefchrieben, hoch außerhalb DefterreicpS ift faum 
eines ober baS anbere feiner Probufte je gur Aufführung gelangt. 

3 n ben lepten Sahnen waren eS hauptfä<hli<h 5tt»ei fübbeutfehe Sichter, bie 
, fiep auf ber beutfehen Sühne (Eingang berfepafft, unb auf bie man, wohl nicht 
ohne ©ri*nb, für bie 3ufunft bebeutenbe Hoffnungen fc^t: P a u l £ e: b f e unb 
.3 o f e p h 2B e i l e n. 3m ©egenfafc gu fo manchen anbem Sramenbichtern, 
bie bieloerfprecpenb begannen, bann aber plöfclicp in ihrer Äraft erlahmten ober 
güngUcp oerftummten, geigt £epfe in feinen bisherigen bramatifchen Arbeiten 
meinen ftetigen gortfepritt. „Sie Sabinerinnen", in München mit einem Preife 
gefrönt, waren wohl eine fchöne Sichtung, jeboep ohne bramatifchen (Erfolg, ba 
fuh ber Autor mit ben praftifchen Sühnenbebürfniffen noch gu wenig befannt 
gemacht, „(Elifabctp Charlotte" hatte fchon, was ben „Sabinerinnen" fehlte; . 
boch in feinem Semühen, ber Sühne gerecht gu werben, patte Jt(p ber Sichter 
auf Abwege oerloren unb war allju fehr in’ S 3*rfährene, Anefbotenbafte ge* 
rathen. Auch biefen gehler wieberum bermieb er in „£anS Sange", ber als 
treffliches 3«t* «ab ßparaftergemälbe, mit einheitlicher, acht beutfeher £anb* 
lung unb Senbeng, unfer lebhaftes gaterejfe erregt unb allenthalben bie ge* 
bührenbe SBürbigung gefunben. 3^igt baS jüngfte £epfe T fche Probuft: „ßol* 
berg", mit bem befannten Patrioten Aettelbed als Hauptfigur, wieber einen 
ähnlichen gortfchritt, fo mag ft<h bie beutfehe Sühne gur ©ewinnung eines folgen 
toiepterifepen SalentS wahrhaft ©lücf wünfehen. Auch 3<>fcph SBcilen ift 
ÄÖem Anfchein nach ein Sichter, ber nicht auf bem einmal gewonnenen Stanb* 
punlt fiepen bleibt, unb noch weniger gurücffchreitet. Seine erften bramatifchen 


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Serfüdje, ttantfntiUh „Sriftan unb Sfolbe", Betriebe« fchon baS achtungS* 
joert^e Silent, litten jeboch an mancherlei Sängen unb Unebenheiten, bie ihren 
erfolg auf ber Sühne beeinträchtigten. Sagegen ift fein neues Stama ,,©bba" 
ein ganj prächtiges farbenreiches ©emälbe, baS uns marfige, lebenSoolle ©haraf» 

^ tere unb eine ungewöhnlich fpannenbe Hanblung mit gut gefchttrjtem unb na* i 
tätlich gelßf’tem knoten bietet. Auch Sßeilen’S jüngfteS ^robuft: „Am Sag non' 
Oubenarbe-, ein geftfpiel, jur geier ber eintneihung beS ißrin} <Sugen*Senf* 
malS in Sßien aufgeführt, hat ungemein angefptocben unb jeigt in Anlage wie 
Ausführung ben finnigen Sichter unb gewannen Sramatifer. i 

3»ei anbere braraatifche Sichter jüngeren SatumS, auf bie man gleich* j 
falls bebeutenbe Hoffnungen fe|te, fcheinen biefelben nicht rechtfertigen ju wol* 
len. Sempeltep, beflen „ßlptemnäftra" fo grofjeS Auffehen machte unb , 
bem barnals noch fehr jugenblidhen, bie Serlinet alabemifchen Hörfäle frequen* 
tirenben Serfaffet allerlei fchmeichelhafte Ausdehnungen jujog, läfct eS fich je^t 
als tprinatfelretär beS HerjogS non ©oburg*@otha wohl fein unb geigt nicht län*. 
ger nach bramatifchen Sorbeeren. 3Jlehr 3eug ju einem tüchtigen Sramatiler 
befiht offenbar H a n S ß ö ft e r, aber auch ihm hat bie fürftlidjeSßrotettion in 
SAündhen nicht fonberlich wohl gethan, benn et fteht im ©runbe genommen mit 
feiner .neueften Arbeit „Ulrich Bon Hutten" noch auf betreiben Stanbpunft 
’ wie mit feinem bramatifchen (SrftlingSwerf „GolumbuS." ©bler Stpl, fchwung* 

Botte Sprache, SReicbthum an ©ebanlen, bahingegen feine einheitliche tragifdje 
Hanblung, fein regelrechter Sau, feine Steigerung unb befriebigenbe Söfung! 

©in bramatifcher Sichter Bon nicht gewöhnlicher Segabung wat SB il * 
heim ffiolffohn, ber fi<h auSfchliefelich an ruffifchen unb israelischen 
Stoffen Berfuchte unb namentlich mit feinem Srama „Slur eine Seele" ©lücf 
'• machte, SBären feine äufceren Serhältniffe günftiger gewefen, hätten ihn nicht 
firanfheit unb Sob in ben heften SJJanneSjahren ereilt, er hätte wohl bie gä* 
bigfeit befefferv bet beutfchen Sühne noch manche werthoolle ©abe jujumenben. • 
©inet günftigeren, ja burdjauS unabhängigen SebenSftettung erfreuen (ich bie bei* 

■ ben Sichter 5» e b w i fc unb S u 11 i h, bie ab unb ju in ber bramatifchen SEBelt 
Bon pch reben machen, ohne getabe als befonberS hell leuchtenbe Sterne gelten ju 
fönnen. DScar Bon Aebwifc, als Iprifeher Sichter fchon früher Borth«lhaft be* 
fannt, machte mit feinet „ShttiWnne SBelfer", einem oft behanbelten Stoffe, Biel 
©lücf, ohne bah f«h behaupten liehe, er habe ihm wefentlich neue Seiten 
abgewonnen, ober ihn bureh ungewöhnlich glänjenbe poetifche Strahlen ju oerflä* „ , 
ren gewuht. SaS Stama ift nicht frei bon jener himmelsfchmachtenben Sen¬ 
timentalität, welche bei SHebwi&’fchen $oefie überhaupt anflebt, aber gerabe 
biefer Umftanb mag in gemijfen Augen ju feiner ©mpfehlung gebient haben. 

Sie neueren bramatifchen Arbeiten ftnb jwar in feiner engeren Heimath, Saiern, 
jur Aufführung gefommen, Bermochten aber nicht einmal hier entfchieben burch» 
jugreifen. ^fruchtbarer ift ©. Bon Süilifc, ber ftch früher befonberS mit ber Ab* 
faffung fleinerer Suftfpiele befdjäftigte, bie ihm mitunter ootjüglicb gelangen, 
bann aber auch baS ©ebiet bes höheren SramaS betrat, ju welchem Gnbe er 



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bauptfdchlicb Stoffe aus ber branbenburgifchen ©efcbidbte benupte. Seine 
Stellung als Sntenbant einer norbbeutfehen $ofbübne gewahrt ibm für bie 
Verbreitung feiner Stüde allerlei gacilitdten, wie fic altbern $ramenbtd?tern 
fetten betrieben fmb; gleichwohl ift ibm noch fein 2£urf fo entfliehen gelun* 
gen, bafc fi<h baran begrünbete Hoffnungen für bie 3ufunft fnüpfen lieben. 
$aS neuefte Suftfpiel: „Um bie ßrone", nach 2lrt ber frangöfijeben 3ntriguen* 
ftüde gearbeitet, berbient übrigens bie bollfte Veacbtung uub gebürt in feiner 
2lrt immerbin gu ben befferen oeutfeben Originalen, ©inem jungen 2Beimarer 
Siebter, 2lleyanber 9t o ft, fmb einjelne SJramen aus ber tbüring’fdb?n 
©efebiebte nidbt übel gelungen; neuerbingS bat erfleh an einem „Vootbroell" 
berfmbt. H* bewies in feinem „Heinrich bon Schwerin", baj$ er 

bie politifebe Vb*afe bramatif(b §u berwertben berftebt, licS eS aber bei bem ein* 
maligen Verfucb bewenben. 9Jt. S olitair e, ber geifioolle Kobellift unb 
glüdliche SDtaler in Hoffmann^aHot'fdber üJJtanier, bat eS gu betriebenen 9Ka* 
len mit ber bramatifchen Schriftftellerei berfudjt, ohne bajj bie Vübne bis jefct 
biel -Kotig bon ibm genommen batte. Vor einiger Seit warb gemeloet, bab er 
eine feiner gelupgenften ürgdblungen gu einem fünfaltigen 5>rama: „$aS 
ffiirtbSbauS im SBalbe" umgeftaltet habe. © e r ft d d e r, ber biel ©ewanberte' 
unb mit bergeber wohl Veroaiiberte, fdbrieb früher unb auch mieber neuerbingS 
bliebe Dramen, bon benen jeboeb mabrjdjeinlich feines fobiel bon ber SBelf feben 
toirb wie ber Verfaffer. — ©buarb 9t ü f f e r bat mehrere SJramen gefchrie* 
ben, neuerbingS einen „lebten 9tömer" (Gonftantin VoldologoS), bodb ift eS 
ihm noch mit feinem feiner SBerfe gelungen, bei ben Vübnen burtbgubringen. 

Von bem bebeutenben Ginflufj, welchen noch wdbrenb beS lebten gabqebnts 
bie bureb bie SJtddbtigfeit unb Vielfeitigfeit ihrer feböpferifeben ßraft immerhin 
böcbft merlmürbige S3irdH=*Spfeiffer auf bie ©eftaltung ber beutfeben Vübne 
gedu&ert bat, brauchen wir an biefer Stelle faum gu reben. Koch bat fie bie 
geber nicht gang aus berHanb gelegt, fie bewegt fte / nur langfamer; gleichwohl 
erfebeinen ibr$ Stüde fefeon. etwas feltner auf bem 9tepertoir, unb ber einft in 
ber Sbeatermelt fo boebgefeierte Kante tritt allmdlig in ben Hintergrund $n 
.gehn bis gmangig gabren. werben, mit wenigen SluSnabmen, bie Stüde ber 
Virtb^feiffer gu ben abgetanen 3)ingcn gehören, wie heute bie beS einftmals 
gleich mächtigen $o|$ebue ober feines KadbfolgerS Kaupad). S)er aufjerorbent* 
liebe ©folg berVirch feuerte gu mancherlei Kadbabmungen an; freilich fehlte ben 
meiften ber treffenbe Schnitt unb bie ftetS fattelgeredbte Ktacbe beS Originals. 
3wei jüngere Schriftsteller befonberS geben ftcb grobe Ktübe, ber ÜDteifterin 
etwas abguternen. 21. ßrüger in Hamburg brachte eS babin, baj$ man 
mehrere feiner anonpm in bie Söelt gefebidten Dramen längere 3*it ber Vircb* 
Pfeiffer gufdbrieb. ©ang offenbar unter Virdb^ßfeiffer'fdbem Ginflujj arbeitete 
ferner 2lrtbur SKüller, ber wdbrenb ber lebten 8—10 gabre biftorifche 
Schau* unb Suftfpiele nur fo aus bem 2letmel fcbüttelte. Vatrioti)<be, meift fpe* 
gififcb*preuftif<be Stoffe, eine gewiffe £eid)tigfeit, um nicht gu fagen Seichtfertig*, 
feit ber Vebanblung, eine in herben, greifbaren Umrijfen gehaltene Gbarafteriftif, 

f i 


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enblicp ein fliefjenber, freilich auch giemlicp hausbackener, pointenarmer Sialog 
öerhalfen ben SDlüCIer’fc^en Staden rafcp gu bebeutenber Popularität unb machten 
fie in ben 3lugen ber Süpnenoorftdnbe gu gefugter SBaare. Socp Arthur 
SJtüHer überfepapte baS ihm beritebene Pfunb unb trieb bamit gu har.bgreiflicpen 
SBucper. Seine Stüde mürben immer gasreicher. aber auch immer fcbaler unb 
flacher, bis fte felbft einem an’S Srioiale unb Snftaglicpe gemßbnten Publifum 
nicht mehr recht munben mollten. (Erft bie oehninberte Nachfrage unb mach* 
fenbe (Gleichgültigkeit tbat biefer bramatifchen Sünbflutb einen febr mopltbdtigen 
(Einhalt. 

Sen oben ermahnten öfterretepifeben Sramenbicptern reihen ftch einige jün* 
gere (Eoöegen an, bie allerbingS eine etmaS berfchiebene SHicptung berfolgen. Ser 
talentbollfte unter ihnen ift ber bereite genannte Sofef SBeiler, ein Pfeubonpm, 
hinter melchem fuh ein öfterreiepifeper Offigier berbirgt/ (EbuarbÜötautner, 
betannt als SRobellift, fchrieb einige Sramen, unter melden namentlich „(Eglan* 
tine" einen hübfehen, hoch, mie eS fcheint, auch nur borübergehenben Erfolg 
errang, ber big jefct nidpt burch fpdtere ebenbürtige Arbeiten berbollftdnbigt mürbe. 
£. 2o r m, gleichfalls ein finniger SRobellift, berfuchte eS öfters mitbem Srama, 
boeb nur mit madigem ©lüd. 2lu<b $anS£opfen, ber Serfajfer beS Dto* 
manS „ißeregretta", gehört gu biefen jüngeren öfterreidhifdhen Richtern, bie eS 
auf ber Sühne gu etmaS bringen möchten. Sefcterem hüben ingmifepen bislang 
feine bramatifchen Serfucpe noch menig $uhm, bon Seiten ber firitif fogar berbe 
ßurcchtmeifungen eingetragen. 

üfteben ber öfterreiepifchen giebt eS auch eine 2lrt 9flün<penet ober bairifche 
' bramatifdpe Sicpterfchule. SaS bemühen beS berftorbenen fiönigS bon Saiern, 
burch ^reiSauSfchreibungen bie bramatifche Literatur gu heben, blieben nicht 
ohne (Einflup. Mehrere ber begabteften bairifeben ScbriftjteHer menbeten auf 
biefe Seranlajfung hi» ihre firdfte ber Sühne gu. Saul £epfe marb guerft burch 
biefe SreiSauSfchreibungen. angeregt, für bie Sühne tbdtig gu fein. Sehnlich 
Hermann Schmieb unb (E. S cp l e i cp. Sefitere mdhlten bormiegenb 
bairifche Stoffe, bie ftch an Drt unb Stelle auch bann noch bantbar bemiefen, 
menn ihre Searbeitung biefe ober jene tleinen Schwächen gur Schau trug. 
(Ein gemifc fehr achtbares Salent iftSuliuSörojje in ÜUtüncpen, ber fi<h 
gleichfalls guerft bei jenen ^reisbemerbungen peroortpat, obmohl er nicht g?rabe 
als gefrönter Säet barauS peroorging. (Ein fünfaftigeS Srama aus feiner geben 
„Ser lefcte ©rieche" ift oor Äußern im Srud erfchienen. Ser jugenblicpe Äönig 
Submig II. bon Saiern cultioirt neben ber Sa^unftSmufi! oorgugSmeife baS 
beutjehe flafftfcpe Srama. 2öenn er babei gelegentlich einen Strahl feiner ©unft 
auf bie einheimifepe bramatifche Originalprobuftion fallen Id&t, bie übrigens 
fpon burch baS neu errichtete Stüncpener SolfStpeater bebeutenben SHüdpalt ge* 
minnt, mirb ber bon feinem Sater auSgeftreute Saanien ficher mit ber 3eit fepöne 
Früchte tragen. 

(ES bleibt uns jept noch übrig bie Seiftungen beS beutfepen Suftfpiels ber 
©egenmart Dleoue paffiren gu laffen. Serfparen mir uns bieS für unfer ndcpfteS 
Feuilleton. 




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HtinfyoUi Folger. 

©Ott ftricbrtc* $tapp. 


3)ie STOonatSbefte haben ftcb baS fcböne 3-^ gefaßt, „einen titerarifdben 
Sammelpunft ber beutf<b*amctifanif<ben Snteßigeng gu bilben; fle moßen ein 
SWittel fein, bie (Errungenfcbaften beS beutfeben ©eifteS auf bern ©oben Hmeri* 
faS gu erbalten, mit Siebe gu pflegen unb gur ©eltung gu bringen." 9t ein * 
bolb 6olg er mar hier gu Sanbe einer ber bebeutenbften £rdger biefeS ®ei* 
fas, ja mehr als baS, er fd?uf fogar in engtifeber Spraye beutfdjer 2Bijfenf<baft 
unb firitil eine betmiföe Statte unter ben gebilbeten Hmerifanern. SBegen 
biefer feiner 3)oppelfaßung bat er gang befonbem Hnfprud? auf bie bantbare 
Hnertennung jebeS $eutf$en unb auf-einen ebrenben Hadjruf in ben Spalten 
biefer 3eitfd?rift, gu bereu SWitarbeitern er non Anfang an gehört bat. 

3)aS Seben unb geiftige Streben eines ÜDtonneS non feiner ©ebeutung unb 
feinen Talenten labt f«b natürlich nicht auf ein paar Seiten erfcböpfenb bebau* 
beln; bie folgenpen üßtittbeilungen, flüchtig bingemorfen bei bem (Empfang ber 
Hacbrid&t non feinem $obe, moßen beSbalb auch nur als ein befdbeibener ©au* 
ftein gu einer grobem (Ebaratteriftit beS ©erftorbenen betrachtet fein. 

9leinbolb Solger marb am 5. $uli 1817 in Stettin geboren, mo fein 
©ater bamals OberregierungSratb mar. Seine gamilie gehörte ben bohrten 
preufsifeben ©eantten* unb ©elebrtentfeifen an. Sein eingiger ©ruber ift 
gur 3eit OberregierungSratb in Gängig. Hm betannteften non feinen ©er* 
manbten ift fein Ontel, ber berühmte ©hßofopb unb .©erliner ©rofejfor, ge* 
morben. $aum neun Sabre alt, nerlor Solger feinen ©ater, ein hoppelt grobes 
Unglücf für ben begabten Knaben, ba er fortan bei ber ©titteßoftgfeit feiner 
Butter non ber ©unft unb Unterftüfcung feiner ©ermanbien abbing unb fdbon 
in früher Sugenb in brüdenben ©erhdltniffen nielfacb bin unb her gefdfaubert 
mürbe.*) 2>ie lebten Schuljahre verbrachte Solger auf bem ©äbagogium in 
3üHi<bau, nonmo er im grühjabr 1837 bie Uninerfttdt §aßebegog, bieerfpdtet 
mit ©reifsmalb unb' gulept mit ©erlin nertaufebte. Sn £aße fcblob er f«b Vor* 
gug&oeife an ben anregenben unb geiftig bebeutenben Sreis an, melcber bamals 
unter ber gührerfebaft non Hmolb 9luge bie §aßifcben Sabrbücber in’S Seben 
rief unb bie dufserfa Sinfe ber «gjegeffeben Schule bilbete. Huf ber einen Seite 
baS Stubentenleben mit noßen 3ßgen geniefjenb, auf ber anbem geiftig gebo* 
ben burch bie bebeutenben Scanner, mit melcben er nerfehrte, trat Solger guerjt 
an baS Stubium ber ©bilofopbie heran unb legte ben ©runb gu feiner gefehlt* 


*) 3m £anS ». Äapenftngen febitbert er jum 3^etl feine eigene 3ngenb, unb in ber @e* 
betm-Hdtbin Huf, gefcorne ». St., feine Schwägerin, bie fldp feiner (Srgiebung annimmt, in ben 
SBorten: 

w $an31 abnft 2)u wohl ? Äennft £)u baS SBort „©rgiebn* ? 

Ünglüdlther! 2)u folijt erlogen »erben! 

Um 5Deine 3ugenb bift 2>n Won betrogen: 

3efct wirft SDu obenbrein noch „ w o b 1 e r g o g e n \ 



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liehen unb clafftfdjen Bilbung.. Obwohl als gurift unbßamerift immatrilulirt, 
wibmete er ftch auSfd^Iiegüd^ ber Vbilofophie unb Philologie, unb verfuchte fuh 
nebenbei in verfebiebenen Iprifcben Sichtungen, bereu einzelne in bera Buge’fchen 
2Äufenalmana<h für 1839 veröffentlicht würben. gn ©reifswalb unb Berlin holte 
Solger bie verfäumten Brobftubien balb nach. Slfö er, baS Gyamen als Vegie* 
rungSreferenbar gemalt batte, war gerabe ber berü(btigte Gichhorn preuhifcher 
fiultuSminifter geworben, tiefer nahm als alter greunb unb College von 
Solger’S Bater befonbern 2lntheil an bem gortloramen beS talentvollen Soh* 
neS unb brang in biefen, ftch gur Uebernabme einer Brofeffur an ber lanb* 
wirthfehaftlichen Schule m Glbena bei ©reifswalbe vorgubereiten. Solger !am 
aber nie über baS Stabium biefer Vorbereitung hinauf unb arbeitete einige 3eit 
bei ber Regierung in BotSbam, ^ cr inbeffen, angeefelt vom geiftlofen 
bureautratifdhen Treiben unb 4m Stich gelaffen von feinen Verwanbten, nicht 
lange halten fonnte. Gr befchlojj alfo, fein ©lüd im HuSlanfcvgu verfugen. 

Solger wollte birelt über Gnglanb nach Slmerüa gehen, fam bamals, 
1843, aber nur bis Siverpool. Gtn 9Jta!ler hatte ihm nämlich ein gefälfchteS, 
toerthlofeS gahrbiHet aufgehängt, für welches Solger fein lefcteS (Selb hin= 
gegeben hatte, Gr muhte alfo nothgebrungen bleiben. 3u feinem ©lüd er* 
hielt er eine Stelle als Hauslehrer bei einem Sanbebelmann, in beffen garailie 
er faft vier gafyre lang blieb. 3« äu&erft forgenlofen unb äußerlich angenehm 
men unb reichen Verhältnijfen lebenb, fanb er hier bie hinreichenbe 2Jtuhe, fleh 
nicht allein bie volle ^enntnih unb Veherrfchuitg ber englifhen Sprache angu* 
eignen, fonbern auch feine früheren hiftorifchen unb philofophifchen Stubien 
mit verboppeltem Gifer wieber aufgunehmen unb fuh ber Boefie inniger als in 
einer früheren Beriobe feines SebenS guguwenben. Slujser verfchiebenen 2luf* 
fäfcen, wie ber Slbhanblung über ben Ginfluh beS SheaterS auf bie Gnglänber, 
entftanben in jener 3eit bie groei erften ©efänge feines fomifchen GpoS „HanS 
von ^a^enfingen", einer geiftvollen Satire auf baS preuhifche Militär* 
gunferthum. geine Beobachtung, freier politifcher unb geiftiger Blid vereinig 
gen fuh in biefem ©ebichte mit bem übermütbigften SBi|e, bem UebenStoürbig* 
ften £umor unb ber gragiöfeften gorm. 2flan gerbrach Ph lange in Seutfh* 
lanb ben $opf über ben Verfaffer. Gütige hielten Sfrufc bafür, ber gu jener 
3eit gerabe bie „Bolitifhe SBochenftube" gebichtet hatte., tiefer antwortete, er 
würbe fuh freuen, wenn er einer fo groben Seiftung fähig wäre, er vermöge nichts 
bem Jfabenftngen GbenbürtigeS gu f<haffen. Seiber blieb er bei ben erften beiben 
©efängen fteheu. „GS gehöre ber leberibige ©egenfafc gwifeben ber engen BotSba* 
mer Sltmofphäre unb ber freien englifchen Suftbagu, umberartige ©eftalten her* 
vorgubringen", meinte Saiger fpäter mit Becht, unb gerabe weil ber gweite ©e* 
fang fpäter als'ber erfte gefchrieben war, wo fuh biefer ©egenfafc febon mehr 
verwifcht hatte, hielt er von ihm auch viel weniger als vom erften. ßs ift 
<haratteriftif<h für Solger unb feinen gänglichev Mangel an jeber Schriftsteller* 
eitelteit, bah er in Slmerifa lein G^emplar beS $afcenfingen befaß. „Huch fo 
eins ber ante*biluvianif<hen ßinber meiner 2Jiufe", pflegte er farfaftifh lächelnb 



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in antworten, wenn man ibn banadb fragte, „bem idb ?,ulc(}t tm gabre 1848 in 
Serlin begegnet." ©ne anbere, nicht minber bebeutente Schöpfung feinet 
Sufentbalts i;: (Snglanb ift bie ©egie „SerUntergan g", mit bem ben gn* 
halt beS ©anjen relapitulirenbenScbluffe: „§ier gehft bu unter, Siebt, auf fteigft 
bu ba: Guropaftirbt— $eit 2)ir, 2imert!a!" 2lrnolb SRuge fagt non biefer 
©egie, bie hier gänzlich unbefannt: „?$xe pbilofopbifdbe greibeit unb tiefere 
SBeltaufidbt ift in ber beutfcben Sprif neu. 2)ie Sbanmfie beS Unterganges ber 
europdifdben SBelt erweitert ben Slidl unb baS gnterejfe ju gleicher &it; bie 
gorm ift erhaben unb fe|t bi* ©eifteSbe»regung ber neueften &\t oorauS." 

Solger oerlieji Gngfanb im gvübjabr 1847 unb ging, nadbbem ec einige 
SKpnate mit Satan in, «ßergen, $ertbegb, Setnaps u. 21. in Saris Perlebt ^atte, 
nadb ^eutfdblanb, befugte gunädbft Submig geuerbadb, mit bem er fortan in 
lebhaftem geiftigem Sertebr blieb, unb toanbte ftdb bann nadb Serlin. gnbeffen 
wollten bovt feine Uterarifdben unb perfönlidjen $ldne nicht gelingen, weshalb 
er benn auch gegen Gnbe beS gabreS nach Saris jurüdtebrte. $ier überrafdbte 
ihn bie gebruarreoolitticn ein paar 2ag<* nach feiner £o<bseit mit einer Sßarifer 
jungen Staute, bie ihm jejt.als 2Bittwe famtnt Pier Äinbern überlebt. Seine an 
bie ©gdnjungSbßfte beS ffiiganb’fdbtfn GonoerfationSsSepiconS gefcbriebenen 
Scrnbte über bie gebruartage ftnb bie fpannenbfte unb lebenbigfte Säuberung 
jener halb poetifcben, I;alb pclitifdben IReoolution. gm 2lpril 1848 febrteSolger 
' noch einmal nadb Serlin §urüdt. Gr fdblofj ftdb b^r als eifriges SDiitglieb ber 
republifanifdben Partei au unb betätigte ftdb mehr als 2lgitator unb SHebnet 
an ber politifdben Sewegung. Gitbe 2luguft ftebelte er nadb granffurt a. 
über, wo er feine literarifdbe unb politifcbe Sbätigfeit in Serbinbung mit ber 
dujjerften hinten bis gum 2luSbrucb ber babifdben IHePolution fortfefcte. Seiber 
fanb er in Karlsruhe leine Sermenbung für fein eigentlidbeS Talent, baS fleh 
. im 2Jtinifterium beS 2luSwartigen am Portbeilbaftften Perwertbet bdtte, unb fo 
muffte er fidb bamit begnügen, lebiglidb wegen feiner Spradbfenntniffe unb ($e* 
wanbtbeit als 2lbjutant unb Ueberfeper 2UieroSlawSfi 7 S ju bienen. 

•Jtadb furzen jwei Stonaten ging Solger im guli 1849 bann mit ber retiriren* ‘ 
ben 2lrmee in bie Schmeiß wo er juerft in Sern unb fpdtcr in 3üridb lebte, gn ber 
erftgenannten Stabt hielt er wdbrenb beS 2BinterS 1849—50 eine SReibe Pon 
Sortragen über englifdbe Literatur, in 3üridb war ex einer ber Segrünber unb 
fleifjigften 9)iitarbeiter ber beutfcben 3RonatSfdbrift, berauSgegeben Pon 8. Äo* 
latfdbe!, eines Organs ber bemofratifcben granffurterunb bamalS fdbon eyiftirenben 
Sinfen. Solger’S unb G. Sogt 7 S Seitrdge fieberten bot allen biefer 3eüf$tift 
eine geartete Stellung in ber £ageS*Siteratur unb einen groben SeferfreiS. 
Son feinen fritifeben 2luffdpen fei ^ier bie 2lbbanblung „ SB i r " erwdbnt, in 
welcher er bie gefdblagene Partei gleidbfam anatomifdb jerglieb&t unb ftreng 
hritifirt; Pon feinen poetifdben Schöpfungen ift aus jener $eriobe nur „5)er 
IReidbStagSprofeffor", $offe in einem 2lft, anjufübren, bie ja audb 
ben Sefetn ber üJtonatSbeftc auS^ bem 2lbbrudt im Septemberbefte Pon 1864 be* 
tarnt ift. SBie jener 2luf)afc gegen bie eigene Partei gerietet war, fo Perböbnt 



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biefe Me bie ©stßaer, tie beften, bie ebeljten Sännet bcS «BolfeS, wie fte fuß 
felbft nannten. Set feige berliner SPßilifter, §err geuler f< ber not febem Schuh» 
wann in bie (SdEe friert unb bafüt ja gaufe ben graniten fpiclf, bet große 
Staatsmann tprofefjor Sufelmann, bet fuß etwas barauf einbilbet, baß er be« 
wußt unb unbewußt bet SReaftion in bie gänbe arbeitet, ber gegen bie ibm 
applijirten gußtritte proteftirt unb triebet proteftirt, im ©runb feines SffiefcnS 
aber ebenfo hobt unb feig, aber äußerlich gebilbeter als Heuler ift, baS. feßnip« 
pifhe unb freche Sienftmäbcßen ganne (ein wenig ju ftarl anfgetragen), fmb bie 
gauptträger biefer ?offe; ber eigentliche .gelb, ber bemofratifhe Stöaeorbnete 
Oertcl unb feine töraut, treten ein wenig ju febr in ben gintergrunb. Ser Sialog 
ift gewannt, feßarf unb noll fprubelnbcn SBigeS, bie ganblung natürlich unb baS 
®ar,je eine tperftflage ber bamalS tonangebenben politifhen.Sreife. SaS ©ebießt 
war ein fiabfal unb Sr'oft für bie jablreihcn glüchtlinge in ber Shtoeij, bie es 
HbenbS in ihren Sneipen lafen unb ftcb über bie glühe unb giebe freuten, mit 
welchen ber Sichter bie erfolgreichen (Segnet ßeimfuhte. Seine SBitfung unb 
fein ©eift fann nur richtig gewürbigt werben, wenn man ben 3ufammenf)ang 
mit feiner geit im Sluge behält. 

Stach bem StaatSftreih blieb Solger nicht lange mehr in 3üri<h. 3m 
Sommer 1852 ging er über $atis nach Sonbon, wo er ben SHnter verbrachte 
unb wenig in beutfhen, bagegen befto mehr in ben alten ihm befreunbeten eng« 
lifhen Steifen oerfehrte. Siefens, Garlple unb SBulmer, bie ihn non feinem erften 
Aufenthalte in (Snglanb her noch tannten unb hoch fhägten, fuchten ihm burch 
(Impfehlungen bie SBege ju ebnen; allein ein SutfuS non SBorlefungen, ju 
benen, SicfenS felbft mit einlub, hatte trogbem nicht ben gewünfehten Grfolg, 
überhaupt waren bie Schwierigfeiten bei bem foloffalcn Slnbrange non glüht» 
Ungen größer aß ju gewöhnlichen Seiten. So entfcßlcß fuh Solger im grüß» 
ling 1853, nach ben herein. Staaten auSjuwanbern. dt lanbete in Sßhilabel» 
Phia, non wo er im gerbfte 1853 bereits nach 93ofton üherßebelte. gier, refp. 
in SRojburp behielt et feinen SBoßnort bis jum grüßling 1861, wo er nah Stern» 
Dorf fam, baS er im hinter 1862—63, jum Shagamtsbeamten ernannt, mit 
ffiafhington nertaufhte. dr hatte bort — um in biefer Stelle gleich feine 
äußeren 2ebenSfcßi<ffale ju dnbe ju erjählen — befanntlih ein gaßr lang als 
güljSregiftrator gearbeitet, als ihn IDlitte 3lpril 1864 ein Shlagfluß auf ber 
ganjen rechten Seite lähmte unb bem ©rabe nahe brachte, drft allmälig er» 
holte fth Solger wieber; inbeffen genas er nur tßeilweife, unb auh eine län» 
gere Sur, ber er fth »om ganuar bis guni 1865 in SBofton unterwarf, blieb 
erfolglos. Sen ©ebrauh ber Sprache fanb er nur tßeilweife unb höhft mangel» 
haft wieber. granjöfifh unb dnglifh, jwei (tpraeßen, bie er natürlich fth fpätcr 
etß angeeignet hatte, aber noHfommen beßerrfhte, Vergaß-er ganj; er uermohte 
feit April 1864 nur furje beutfhe Sorte ju fpreeßen. Am 11. ganuar b. g. 
traf Solger um 10 Ußr AbenbS ein erneuerter Shlaganfatt, ber feinem 2eiben 
ein dnbe mähte. Slm 13. ganuar haben fte unfern greunb in Safßington 
begraben. . . 



186 


Solger hatte, um gum Schluffe feine wiffenfchaftliche unb politifche 
Sh&igleit in ein paar SBorten gufammengufaffen, einen großen SBorgug bor ben 
übrigen beutfehen glüchtlingen: er laS, fprach unb fdprieb baS Englifche ebenfo 
fliefjenb unb elegant, wie bie Eingebornen beS SanbeS. ,r He uses the Eng- 
lish language — meinte ein bebeutenber Siebter 5Reu*EnglanbS — with 
an idiomatic correctness, power and elegance, unusual even among 
those born and bred to it.“ Er mar beShalb auch bon feinem erften 2luf* 
enthalt in 2lmerita an im Stanbe, bie [Refultate feiner Stubien unb 33eoba<htun* 
gen Dem biefigen gebilbeten [ßublifum borgutragen. Solger machte auS biefem 
©runbe unb innerm33eruf bie öffentlichen 33orlefungen gu feiner SebenSaufgabe, 
in welchen ihm namentlich in ben erften fahren feines SBirlenS ein feltener Qx* 
folg gur Geite ftanb. .Sen SImerifanem wqren noch nie bon einem ihrer SanbS* 
leute, gefdpweige benn einem HuSlänbet, bie Errungenfchaften beutfdper $hüo* 
fophie unb hiftorifdper gorfchung unb ßriti! in einer fo fejfelnben gorm bärge* 
legt worben. Slufjer biefen Shematen laS er über Ethnographie unb eingelnegra* 
gen ber SageSgefehicbte, wie g. 33.1854 unb 1855 über ben ßrimfrieg. Er 
wanbte ftch bor Mem an bie Jhieftgen Sräger ibealen StrebenS unb freierer 
33ilbung, bie ©eiftlichen ber aufgeflärten Gelten, burdp welche feine Sehren in 
bie weiteften Greife brangen. Sie ^Bereinigten Staaten ftehen in biefer 33egie* 
hung noch auf bem Gtanbpunlte, ben Seutfchlanb bor 200 gahren einnahm, 
als bie £anb*$aftoren bie Stufen ber Siteratur waren. Solger’S wiffenfehaft* 
liehe 33orlefungen gälten feiten mehr als 60—100 guhörer, allein unter biefen 
befanben fi<h ftets bie geiftigen $apagitäten beS betreffenben OrteS. 2Benn er 
g. 33. in Eambribge laS, fo waren bie ^rofefforen beS #arbarb Eollege, ihren 
[ßräfibenten an ber Spifce, feine begeifterten guhörer. „geh habe erft aus beS 
SoctorS 33orlefung gelernt, was bie römifche ©efebidpte ift unb bebeutet", fagte 
mir am Schluffe eines feiner 33ortrage über baS finfenbe [Römerreidp ber [ßräfi* 
bent einer hohem SRew*2)orter UnterrichtSanftalt, ber felbft 10 gahre lang 
römifche ©efdpidpte gelehrt hatte. Ein flicht gering angufdplagenbeS 33erbienft er* 
warb ftch Solger enblid? baburch, bah er ben Slmerilanem ben EntmidlungS* 
gang unb bie 3iele ber beutfehen philofophifchen Bewegung Har machte, bah er 
an ben ^roteftantiSmuS, als ben erften Anfang mobernen, freien SentenS bie 
geiftige Entwidelung Europa^ anlnüpfenb, bie Eroberungen unb ben SiegeSgug 
beS freien ©ebanfenS in ben beutfehen philofophifchen Schulen nadpwieS unb 
bie 33efreiung unb fittlidpe Slutonomie beSgnbtoibuumSalS mehr benn ben gleich* 
berechtigten galtor neben bie äufserlidpe politifche greiheit Slmerila’S ftellte. gn 
33ofton würbe ihm bie feltene Ehre gu Sheil, bah er groei SBinter hinter einanber 
eine [Reihe bon 33orlefungen in b|p fog. Lowell course hielt* - Sein lefcteS 
öffentliches Auftreten J)afelb‘ft fanb beim 2luSbrud? ber [Rebellion im grühjahr 
1861 ftatt, wo er, in Sheobor [Jtorfet’S ßiräpe unb gu beffen ©emeinbe rebenb, 
bie Erhebung beSameri!anifchen33olleSmitberienigen beS preuhifdpen bon 1813 
bergtidp unb feinen Suhörern in mächtigen gügen baS SBilb eines grohartigen 



187 


©tgfift gefdjrieben bat Solger hier gü 8anbe wenig. Seine bebeutenbfte 
Seifhtng finb feine Briefe über ben Krimtrieg, bie er 1865 im SR. g. Snbepen* 
bent veröffentlichte; fxe bilben einen ber wertbvollften Beiträge gur JageSge* 
feßiehte jener Seit unb getanen ftcb ebenfo febr bureß großartige politifcße ©e*~ 
ficßtSpuntte, als pßilofopbifcße £iefe unb wahrhaft claffifcßen Stpl aus. $ie 
Okbaltion jenes Blattes banorirte jeben [Brief mit 25 SJollarS, ein beutlicber 
^Beweis, melden Merth fie barauf legte, Solger gu.ihren Mitarbeitern gu gab** 
len. 3m3abrel860 überfefcte unb übertrug er feinen [ReicßStagSprofeffor 
hier in'S ©nglifcße unter bem £itel: “The Hon. Anodyne Humdrum or 
the Union shall and must be preserved , \ Statt beS ©othaerS mürbe 
jefct ber SBeU*©verett*9Rann unb ber 3)ouglaS*3)emotrat verhöhnt. 3)er SBer* 
faffer beabfießtigte, baS Stüd auf bie [Bühne gu bringen unb auf biefe üffieife in 
bem gfcdfibentenmablfampf politifcß gu mitten. Sie bebeutenben $heaterbiret* 
tionen lehnten aber — ebarafterifeb für bie 3eit! — bie Sinnahme ber gelun* 
genen Sßoffe ab, weil ein [Reger, barin mit Meißen auftretenb, bebeutenb mehr 
fei als biefe. ©inem burcbauS anbern ©ebiete angehörenb, aber mit großer 
©eleßrfamfeit, ©eift unb Schärfe gefchrieben ift Solger’S 2)entf<ßrift über 
SchleSmig^^olftein, bie er 1861 auf Antrieb' einiger [Remitier greunbe für 
ben bamals nach Kopenhagen neu ernannten amevitanifchen ©efanbten SB. 
SBoob feßrieb. ©S tarn barauf an, ben Slmeritanern bie beutfehe Slnftcßt non 
ber Sible3mig*#olfteinij<ßen grage beigubringen. Solger löfte bie Aufgabe 
febr gut unb mirtte namentlich gwei 3<t*e fpäter, als ber Sob beS Königs von 
Sänemart biefe grage mieber in benJöorbergrunb brängte, auch in weiteren 
Kreifen für bie beutfeßen ©efuhtSpunfte. 3a ber ameritanifeßen $olitit nahm 
Solger natürlich in ben [Reiben ber republitanijcßen Partei non ihrem erften 
Siuftreten an eine entfeßiebene Stellung ein. © beteiligte fnh lebhaft an ber 
Campagne von 1856 unb 1860, hielt in vergebenen Staaten [Reben, 
„ftumpte" fogar für Sincoln in gang 3«biana (wofür ißm bie Partei nie einen 
geller feiner SluSlagen begaßlt ßat), hatte aber auf biefem gelbe verhältnißmä* 
ßig geringen ©folg, weil er nicht populär fpradß unb bie [IRafjen nicht gu ent* 
günben vermochte. Solger würbe in jeinet SJoltSverfammlung nicht warm, bet 
Katßeber liebte ihm gu febr an, er wollte übergeugen, belehren unb wußte nicht 
ßingureißen, er war gu abftratt, gu emft troden unb in feiner ©fcheinung gu 
ariftofratift» 2)aS SSolf nahm ben fartaftifeßen 3ug um feine SIRunbminfel für 
£oßn ober gar SBeracßtung, ja es tüßlte fuß noeß meßr ab wenn er einmal eine 
populäre Menbung gebrauchte, tyeil fie wie bie ^erablaffung eines vornehmen 
©önnerS auSfaß. 

Unter ben ßiefigen Seutfcßen würbe Solger allgemein bureß fein vom 
9tem*2)or!er ©omite gefröntes SßreiSgebicßt gu Scßiller’S ßunbertjährigem ©e^ 
burtStag betannt. ©S ift eines ber beften, wenn nießt baS befte, baS hüben 
unb brüben bei jener ©elegenheit veröffentlicht würbe, unb nimmt als 2eßrge* 
bießt einen hoben [Rang ein. Meniger unbebingte Hnertennung verbient fein 
„Slnton in Slmerifa", jener [Roman, welcher vor viergig fcßwächeren [Bewerbern 




188 

als bcr refatto befte beit Preis erhielt. So alt uttb abgenufct aber bie gäbet, 
fomie Schücgung unb Söfung beS Knotens fein mag, einzelne flapitel, tote g. SB. / 
bte SBefcbreibung bes neuenglifcben SanblebenS, bie Ebaratteriftit Sufan’S unb 
ber SlttertöeltSbelferin (Solger’S fpätere treue Ärantenpflegerin, Ütttib P-), bte 
Schilberung.beS SJtorbeS in bem einfamen garmbaufe ftnb reigenb, mabr unb 
fpannenb imb geugen Don ebenfo grober bitterifcber Äraft als pfpchologifcher 
Einfuht. 

Solger toar einer Don ben geiftDotlen SRännem, bie eigentlich ib^n SBeruf 
oerfeblt haben. 3n Dielen Satteln gerecht, Derfucbte er ftcb in gu Dielen gädjem, 
unb fo gemamt fein Seben unb Treiben oft ben Slnfcbein beS $ilettantif<hen. 
$agu fam feine unftchere Stellung, ber Mangel an einem feften (Eintommen, 
ftete StabrungSforgen unb bie baburcb bebingte Stotbmenbigteit, geiftig gu tage* 
löbnem unb jebe Slrt literarifeben SJerbienfteS mitgunebmen. So gelang eS - 
ihm nur auSnabmSmeife in eingelnen Perioben feines Sehens, feine reichen 
• Kräfte auf einen Puntt, auf ein Qid gu concentriren. 2)iefeS fein 3tel 
mar bie ®ef<hichtsf<hreibung; noch in ben lefcten Sagen feines SebenS malte er 
pch als böcbfteS ©lüct bte Aufgabe aus, etn^e SRömif^e ©efchicbte gu fchreiben. 
Sille feine Stubien, feine SBeobachtungen unb (Erfahrungen manbten ftch ihr gu. 
Solger mar einer ber menigen (Mehrten, melche bie brei für einen groben £i* 
ftoriter unerläßlichen Eigenf cbaften: gelehrte gorfchung, bichterifche Slbnung unb 
philofophif<be3 Renten, in eminenter Seife in ftch bereinigten. Seiber mar es ihm 
nicht mehr Dergönnt, fein reiches Valentin einer gröberen Schöpfung gufammengu* 
faffen unb gu Deremtgen„ „3<b habe grünbliche Duettenftubien gemacht/' 
meinte er einmal, als auf bieten plan bie SRebe tarn, „unb habe auch 3been. 
2Tiit meinen Erfahrungen republifanifchen SebenS mub ich noch einen gang an* 
beren Effett beroorbring*en als ttttommfen, ber, fei es hiermit gefagt, in Sittern, 
auber ber Philologie, bbcbft oberflächlich geiftreich ift unb in ber alten Seife 
feinen SBifc an ben Parallelen.lyjchten labt, ftatt einen mirtlichen ©ebanten gu 
Derfolgen." ES tonnte taum einen Schriftftetter geben, ber meniger eitel unb 
ftch. über fein können ober ÜRichtfönnen fo tlar gemefen märe mie Solger. Er 
befab eine Slufrichtigteit gegen ftch fclbft, bie oft an Slaioetät grengte. 

Solger mar unftreitig ber begabtefte, gelebrtefte unb in ben meiteffen Steifen 
geiftig mirtenbe $eutf<he unter ben fog. Stchtunboiergigem. S)er frübgeitige Sob 
eines folchen SJtanneS ift ein SBerluft für feine gasreichen greunbe unb ein Un* 
glücf für baS 2anb, in melcbem mir Seutfdben menige ihm Ebenbürtige aufgumei* 
fen haben* Eh« feinen Seiftungen unb feinem Slnbenten! 




OT-- 





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189 


Utw-^orhtr Corrcfpanknj. 


9tem*2)orf, im ganuar.» 2 )ie feit ber Hbfaffung meinet oorigenBriefes 
betroffene griff hat uni bal SBeibnachtl* unb bal 9ieujahrlfe)t, eine neue 
Staate unb Stabtoermaltung, einen fenifchen ©ongreg, eine barbarifebe Mte 
unb oerfebiebene anbete fchöne S5inge gebracht. 2)ie SBeibnachtlfeier, oon bet 
bot jebn gahren in -:ftem* 2 )orf faurn noch bie SRebe mar, iff jefct ju einer ffebenben 
gnffitution gemorben, unb ber 25fte SDecember in bemfelben ©rabe einSag 
bet ffiube unb greube ex officio wie bet 4te guli. ©briffbäume, bie fonff 
eine Seltenheit mären, fanb man jefct ju Steufenben auf jebem üDtarft unb an 
jeher Stragenecfe, menige blieben unoerfauft, unb biele maitberten in amerifa* 
nifche gamiüen, morin mir allerbingl eine Eroberung bet heutigen Sitte be* 
grüben bütfen. Steraul &u fcbliegen, baff- bie 3lmerifanei?- bie SBeibnacbt auf 
b e u t f <h e SCBeife, mit beutfehem Sinn unb ©emütge feiern, mdre jeboch oer* 
meffen. ©I gehört ba 3 u noch etroal Slnberel als bie Slboptirung einel Spin* 
boll, roelchel megen feiner Sieblicbfeit gebet gern annimmt, bet el einmal ge* 
feben. ©I gehört baju bie gnnigfeit bei beutfCben gamilienlebenl unb greunb* 
fcbaftloerhältniffel, bie gähigfeit, in ßleinigfeiten ben hoben Sinn $u ernennen, 
ft* an hamtlofem Sehers 3 U freuen unb in bet greube bei 2 lnbernj u leben. 
61 gehört baju bie Suff am trauten ©eheimnig, bie halb mebmütbige ©rinne* 
rung an frühere greuben ähnlicher 2 lrt, bie finbiiehe Pietät, bie felbft im ©reife 
noch lebenbig iff, fürs bal poetifche ©emüthlleben, ^melcbel oorsugimeife unter 
uni Xeutfcbcn oorhanben unb bal mir all heiligel ßleinob im neuen SBater* 
lanbe hegen unb pflegen müffen, menn mir nicht ben fchönffen Sgeil unferec 
©igentbümlichfeit einbügen moüen. 2 Jtit ber 3 eit mag bal hier 2 ingebeu* 
tete auch unter ben Slmerifanern ©ingang finben, aber baju gehört eine tief* 
greifenbe SBeräuberung im SBolflcharafter. 3)er Anfang, ben mir hier oor uni. 
feben, iff eben ber gnbioibualität Steirer entfprechenb, bei benen er fich geigt. 
Uni itinber unb ©rroadbfene su beliebigen, müffen groge ©efebente gemalt mer* 
ben, unb el iff erffaunlich, mal oon reichen Slmerifanern für bie ©briffbefebee* 
rung ihrer $inbet aulgegeben mirb, melcbe eben belbalb immer mehr oerlan* 
gen, unb meil ihren ©rroartungen nicht genügt mirb, fich eigentlich n i e freuen, 
oon ben ©abeaul ber ©rmaebfenen gar nicht su reben. daneben fpielt natür* 
lieb bal ©ffen bie Hauptrolle. — labern fleh bei ber SBeihnachtlfeier, fo meit el 
ihnen bei ihrem 33ilbunglffanbe möglich iff, bie SImerifaner ben Steutfcben, fo 
merben bie Steutfcben am Neujahr su 3lmerifanern,unb bal iff su bebauern. S)ie 
unaulffehliche, hierbiljurStupibitdt aulgeartete Sitte bei ©ratuliren! bei ben 
Sternen follten bieSteutfchcn, fo meit el i h r e Greife betrifft, menigffenl nur inner¬ 
halb oemünftiger Schranlen aboptiren. gn ein e r Hinffcbt aber fönnen uni 
bie Slmerifaner all Stuftet Oorfcbmeben. geh meine ben Sug ber SBobltbätig* 
feit, melcher bei Settern ffetl bie geftelfreube burebringt. 2Ba! oon Vereinen 
unb gnbioibuen an ben geiertagen getban mirb, um Slrmen eine greube ju be* 
reiten unb Siotb su linbern, oerbient bie höcbffe Slnerfennung, unb bie ©erecb* 
tigfeit forbert bal # ©effänbnig, bag bie Steutfcben hierin meit hinter ben ©inge* 
borenen surüdffeben. SBefennen mir’l uni nur, bag bie allgemeine 9Renfcben* 
liebe bei uni oiel mehr in ber Theorie all in ber $rajril Oorhanben iff. Selbft 
mo fte fich in beutfehen Greifen betätigt, fehlt ber rechte ©ifer, melcher ben in 
grage ffebenben fttotd all etmal erfcheinen lagt, mal an Söichtigfeit oon nichtl 
Slnberm übertroffen mirb, ber aulbauernbe ©ntbuffalmul, melcher nicht ruht be* 
oor bal Biel erreicht iff. Stel projeftirte beutjehe Hofpital liefert hierfür ben 
fchlagenbffen ^fiemeil. üein beutfeher 33emohner 3cem^5Jorfl fann an biel feit 




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länger als gehn 3ah*en ben trägen ©eifern borfcßmebenbe Suftgebilbe ohne 
©rrötben benten. 2)er bon ber Stabt gefdßentte Bauplap ift nun enblidß eine 
Realität, ©elb genug gunt Anfang ift borhanben, bie Agitation fcheint auch 
einen neuen Auffdßwung neunten gu wollen, unb eS herrjcht bie Abficht, im 
grühjahr mit beut Bau gn beginnen. Aber glichen bie SDeutfchen ÜRew*2)or!S 
als Atenfchenfreunbe im 2Borte uno in ber $hat ihren ameritanifchen BtiKmrgern, 
fo wäre baS Hofpital fchon feit einer ütei^e bon gahren in boller SBirtfamfeit. 
$er gebier mag weniger im 2Jtangel an gutem SBillen als in anbern ©tünben 
liegen, aber baS Aefultat bleibt baffelbe. 

S)aß ber SBohlthätigfeitSftnn unter ben bieftgen 2)eutf<ben gar nid^t ber* 
treten fei, foll teineSwegS behauptet werben. gn Heineren Äreifen ge* 
{(hiebt unenblidb biel, was, auf ein größeres gelb übertragen, ben Bor* 
Wurf berhältnißmäßiger Setbargie auf einmal hinfällig machen würbe. 
5)ie $eutf<he ©efeüfcbaft bon 5Rew * ?)orf ftiftet mit ben befchränlten 
Bütteln, welche ihr gur Verfügung fteben, manches ©ute, unb bie Btitglieber 
beS BBobltbätigfeitSauSfchuffeS taffen ftdb fein^ Blühe berbrießen, um bie ber* 
borgene, berfcpämte, ber Unterftüpung am meiften wertbe unb bebürftige Ar* 
mutb aufgufpüren. ©ine Berbinbung, bie wenig befannt ift, aber in aller 
Befcheibenßeit biel Segen bereitet, ift ber beutfche grauenoerein in Roboten, 
welcher beftimmte jährliche Beiträge unb anbere SiebeSgaben entgegennimmt imb 
bafür -Naturalien an dürftige bertheilt ober ihnen gur Begaßlung beS BiietbginfeS ’ 
beßülflich ift. Segen einer fo füll bef(beibenen Sirffamfeit, welche eS bielleicht 
bedeut, baß fte hier an bie Oeffentlichteit gezogen wirb! 

Unter ben im ©ingang erwähnten BeujahrSgefcbenfen erregt bie neue, 
Stabtberwaltung Befürchtungen, währenb ftch an bie in Albanp gufammenge* 
tretene fiegislatur Hoffnungen tnüpfen. 2)aran, baß ftch bie Stabt unter jebem 
neuen Btapor unb Stabtrath immer fehlerer beftnbet, ift man fo fehr 
• gewöhnt, baß auf eine bon ber Stabt felbft auSgehenbe Befferung längft nicht 
mehr gehofft wirb. Xit AuSficht auf geringere Steuern unb eine gewiffenhaftere 
Berwenbung berfelben pnbet ihre Stüpe allein'in ber StaatSgefepgebung, welche 
ftch in brmgenben gälten über bie Stabt erbarmt unb fte gegen ihre eigene 
$horheit in Schuß nimmt, welche SBohlthat Seßtere ftch brummenb, proteftirenb 
unb Bache fchnaubenb gefallen läßt. S)a fommett wir nun wieber auf einen fon* 
berbaren ©harattergug ber Bew*2)orter. Sie hoffen unb bedangen, unb wirb 
ihr Hoffen erfüllt, ihr Bedangen befriebigt, fo fchimpfen fte. Aew*?)ort berlangte 
gum Beifpiel einen großen ©entralpart, er würbe ihm ben ber Segislatur ge* 
geben, unb jeßt, ba es ihn hat unb ftch barüber freut, bermünfeht eS ben ©eher 
als böswilligen Ufurpator, unb tann eS ihm nicht beleihen, baß edS ber Stabt 
nicht geftatten will, bie feßöne Anlage burch ihre eigene Berwaltung wieber ju 
ruiniren. gebt erwarten wir bon ber Segislatur ein ©efunbheitSgefeß, welches 
allem Anfchein nach bie Stabt allein bor ber Hdmfuchung ber ©holera retten 
ober fte wenigftenS befähigen lann, bem böfen geinb einigermaßen Stanb gu 
halten. gft aberbaS ©efeß paffirt, fo wirb ber Btapor Hoffmann in feiner 
nächften Botfchaft beweifen, baß eS unoerantwortlich bon ber SegiSlatur gewefen 
fei, ftch gwifchen bie große, reiche, blühenbe Btetropole unb ihre eigene ©holera 
gu {teilen. Aber noch etwas AnbereS wirb bon ber SegiSlatur in Albanp er* 
wartet, nämlich bie ©rntächtigung gut Anlage einer unterirbifchen ©ifenbahn. 
Bew* s |)orf tann ftch an ber Oberfläche nicht mehr behelfen; eS muß ftch in bie 
£iefe flüchten, um nicht bon feinem ©ebränge erftidt gu werben. S)em Bern* 
2)ort über ber ©rbe muß ein Bew*?)orf unter ber ©rbe gu Hülfe fommen, wenn 
überhaupt ber Aufenthalt hier noch erträglich fein foll. $aS ift buchftäbliche 
BBahrheit. Sie Ueberhanbnahme beS BerfebrS überfteigt alle Begdffe unb ift 


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191 


in ber $bat bebrobßdb. ©ne Surdbfreugung be§ Vroabwap ift gu Jebcr 5£ageS* 
Seit mit ßebenSgefabr berbunben, unb Venjamm granfUn, meldet bic weife 
SebenSregel aufftetlte, baß man über feine Strafe geben bürfe ohne bollauf 
Seit gum bequemen Vieberfallen unb Sluffteben gu buben, fonnte nie, wenn 
nidbt etwa gwifdben ütfiittemadbt unb gwei Uhr -Morgens, über ben Vroabwap 
ober eine anbere^ ber frequenteften Strafen Vew*?)orfS gelangen. (SS mürbe 
borgefdjlagen, über ben jefcigen Vroabwap nodb einen gweiten gu bauen, aber ba* 
gegen proteftirten bie Sabenbefifcer, welche babei gu lurg gu fommen fürchteten. 
Um ben Verfeßr gu tbeilen, baute man in ben mit ber $auptaber parallel lau* 
fenben Strafen eine ©fenbabn nad? ber anbevn. 2)iefe Vabnen buben mehr 
Sßaffagiere ab fie felbft mittelft gweier SBagen in ber Minute beförbem lönnen, 
aber bem Vroabwap ift bamit nidbt geholfen. Sb bleibt benn nichts SlnbereS 
übrig, als fid? in ben Slbgrunb gu flüchten, einen unten bei ber Batterie begin* 
nenben, feis teilen langen Samnel mit Stationen gu bauen, helfen Soften auf 
acht bis neun SWillionen — gewiß biel gu gering — beranfcßlagt werben, ©n 
foloffaleS Unternehmen, faft grauenerregenb, wenn man bebenft, baß auf biefem 
Xunnel, beffen 2)ecfe nur bureßfebnitflidb neun guß bnf fein wirb, bie gigantifeßen 
^anbelSpaldfte mit ihrem Snbult ruhen werben. ©Was ejtrabagant ift wohl 
ber Vorfcßlag, mit biefer unterirbifdben Vabn nodb eine überirbifebe — b. b* 
über bem Vroabwap angelegte, gu berbinben, fo baß bie $auptberfebrSaber 
eine breifache fein würbe. 

5)er fenifebe ©ongreß hielt, fedbSbunbert SJtann ftarf, feitfe Veratbungen 
in ©inton $all. 2BaS er berbanbelte/ war ein Staatsgeheimnis bewaffnete 
Sdbilbwacben fdbüfeten ben Eingang bor ben Subriugltdben, unb bor bem ©e* 
bdube butte ein Vataillon non ^olijiften bie Aufgabe, bie ruhigen (Einwohner 
bor bem Slreopag, beffen bürgerlicher Siugenb fein grobe» Vertrauen gefdbenft 
würbe, gu feßüpen. 2)ie natürliche golge beS ©ebeimniffeS war, baß man tag* 
lieh giemlidb genau wußte, waS brinnen borgegangen, gm Anfang entftanb 
einige Störung bureß baS ©erüdbt, baß unter ben Vertretern ber irifeßen Vepu* 

. blif brittifeße Spione feien, woran wohl nicht gu zweifeln war. geber — wenn 
er nidbt etwa felbft ber Scßulbige — bliefte feine Sollegen mibtrauifdb an 
uub legte fieß bie grage bor: SBer unter biejen Sillen wirb mich berrathen ? 
gebodb gelang eS nidbt, bie gfebariot ßS gu entbeden, uub man fepte fuß über 
baS Unbermeibücße hinweg. S)a O’SJtoßonep ben (Songreß berufen, ift eS 
faum befremblidb, bab biefer eine entfdbieben O^abouep’lcbe gdrbung trug. 
$er Senat würbe bor baS Tribunal ber irifeßen VolfSoertretung gelaben, um 
fleh wegen feiner anardbifdben ©elüfte gu berantworten, hielt eS aber nidbt für 
geratben, bem Stuf gu folgen, machte fuß unfidbtbar unb würbe friegsge* 
r i cb tlicß in contumaciam gum ftaatSbürgerlidben $obe nadb fenifchen Ve* • 
griffen berurtheilt. Um bie Slbfonberlicßfoit biefeS fummarifeßen Verfahrens 
warbigen gu lönnen, ftelle'man fuß nur bor, bab baS VeprdfentantenßauS in 
Söafbington fuß als SriegSgecicbt organifirte, ben Senat bor. fein gorum lübe, 
ihn nicht finben fonnte unb in contumaciam berbonnerte. S)efto bereit* 
williger folgte ber „^rdftbent" O’Vtaßonep bem an ihn ergangenen Vuf. gn 
einer gu feiner Veitfertigung gehaltenen Vcbe, V 0 1 f <b a f t genannt, ber* 
fieberte er, gerabe feiklfeS bereit gewefen, unb nur ber ^rdtenbent VobertS unb 
fein Senat trügen bie Scßulb baran, bab baS Vteer jept nicht bon irifeßen Sreu* 
gern bebedtt, ber £anbel (EnglanbS vernichtet unb in grlanb fiegreich bie Vepu* 
blif prollamirt fei. $ie VecßenfcßaftSablage, aus ber beroorgebt, baß fuß nur 
30,000 Dollars in ©reenbadS im $taatS)ßab ber Vepublif befinben, macht 
biefe fübne Veßauptung etwas problematifdb. 8um Schluß feierte O’Vhßonep, 
naßbem er in feiner ^rdfibentenwürbe beftdtigt worben, noch einen großartigen 


m 



192 


Triumph burcb einen gerabe rechtzeitig eingetröffenen, hoffentlich ächten iörief 
bed unficfctbacen Ofccrpräfibcnten Stepbend, morin biefer geftebt, einft ungu* 
frieben mit ihm geroefen gu fein, ftch aber jefct gang mit feinem Vorfahren einoer* 
ftanben erflärt unb ibn in einer ^rottamation förmlich gum Uteprdfentanten 
uitb ginangagenten ber irifdjen Diepublif für Slmerifa ernennt. $a £err 
Stepbend in biefent Briefe furchtbar jebimpft unb eine Sprache führt, mie man 
fte eben nur an eblen grlanbern gemobnt ift, fann man Pon feiner ftaatdman* 
nifeben SBürbe unb ©rohe feinen hohen begriff haben. 

$a meteorologifcbe Beobachtungen in biefen Briefen ni(ht am B^be fmb, 
mürbe ich Pon ber barbarifchen fiälte, bie und beimgefuebt, feine Stetig neb* 
men, toenn fte mir nicht bie Gelegenheit böte, burch einen fchlagenben on* 
traft bie Sliebertracbt in hoppelt febmargem, bie Sfugenb in hoppelt ftrablcnbem . 
Gemanbe berportreten 511 lafjen. SBdhrenb bie Pom Scbidfal Begünftigten fkh 
im behaglichen gimmer frierenb um ben marmen 0fen Prangten unb in unge* 
beiden Dtäumen bie Gjnfteng fauut möglich mar, mußte am Borb bed eben pon 
Sioerpool angefontmenen amerifanifeben Gmigrantenfdjiffd „Sieptune" eine 
arme grau buchftdblich Perfommen. SJtan ließ fte im groifebenbeef ohne 
geuerung, ohne hinreichenbe Umhüllung, ohne Bffeg* liegen. Slld fie bem 
Sdjiffdargt flagte, baß ihre Gliebmaßett erfroren feien, mürbe ihr geantwortet, 
fte möge bie bie erftarrten güße mit ben erftarrten Rauben reiben. Unb 
jo ging fte nach einer grübgeburt gu Grunbe. SBäßrenb ber Steife mttrben auf 
bemfelben Schiffe gmei SJtatrofen auf Berattlaffung bed ßapitaind faft gu £obe 
geprügelt. $em Ginen mürben, naebbem er in golge erlittener Sttißbaitblun* 
gen beroußtlod gemorben unb mieber gu ftch gefommen mar, mit einer eifernen 
Stange noch ßinnlabe unb Sinn geschlagen* 2>er Kapitän Gnoch 2B. 
Beabobp, ber Scbiffdar;t ^errief. Beibe ftnb unter knflage geftellt. 0h 
ihnen bie Perbiente Strafe gu £l)eil mirb ? $er Kapitän ber „Biltafranca*', 
melcber ftd) nidht Piel beffer benahm, mürbe gleidbfalld angeflagt, gog aber 
triuntpbirenb pon bannen, nachbent bad Gericht ftch Pon ihm batte infultiren 
laffen., 

Unb nun gum Sichtbilbe. SBäßrenb bad Oueäftlber fünfgehn Grabe unter 
gero ftanb unb ein 0 rfan über bie SBogen .brauf’ie, ber gelfenriffe erbeben 
lieb, mar an her Btünbung bed §afend Pon Stero^orf ein Keiner Propeller 
geftranbet, an beffen Borb'ftch breigehn Sperfoiten befanben. Schon hatten 
petfebiebene Sampffhiffe Pergebend Pcrfudjt, ben Uttglüdlichen gu helfen, unb 
fte fdjienen unrettbar oertoren. SDa befcbloffen gmei Sootfen — £>enrp 
S e g u i n e unb Step ben g. goned — bie Dtettung gu pollbringen ober 
in bem Berfudh untergugehen. Gm Stiefenfampf Pon mehr ald gmei Stunben 
. mar erforberlid), um fie in bie Stäbe bed SBradd gu bringen, unb ald fte endlich 
ihr 3 iel erreicht gu haben glaubten, «mürben fte ein über bad anbere SM pon 
ber Branbung gurüdgefcbleubert. Slber fte ließen ftch nicht abfehreefen. Xxtu - 
mal machten fie bie gäbet, bid bie Seiten gerettet maren. S)ad Boot, bie 
Siuber, fte felbft bilbeten nur noch eine Gidmaffe. 2Bie garragut’d Bgvole mar; 
„Giferne bergen in hölgernen Sdjiffen !" fo lagt ft<b hier behaupten, baß bie 
innere Gluth bed $eroidmttd bie arftifebe Mte ber Sltmofphdre, ber fte fonft 
hatten unterliegen ntüffcit, bcTtegte. Sollte ftch nicht ein Bürger fmben, 
ber bad£obelieb biefer braPen Scanner fingt? 

Schließlich fei mir noch eine Bemerfung geftattet. Gin fehr geachteted 
Blatt mirft mir oor, baß ich einen Schulmann gepufft, geh bin ber SJteU 
nung, baß bie Slnerfennung eitted unleugbaren Berbienfted fein Baff, fonbern 
literarifche Bflichterfüllung ift. Sonft hatte ich ja auch bie beiben Sootfen ge^ 
pufft* Uncad. 



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|tHtfd)- ( Süiurilianifd)t «Jttonatsttefte 

für 

cStferdur, Jiunft, piflenfdjaft mtb 
öffettfftdies Jeßcn. 

Sfcebtöirt »Ott 

StnOplpb £e$ott>. 

III. j?a()rgang. I. $anir. 1866. 


$tar Krfpruno her germaniltynt Ha«. 

»Ott 9Ibolp!> £>ott<ii. 


2 )ic wahrhaft erft amtliche ßßenge neuer Ergebniffe, »eiche ber Sammet* 
unb gorföerfleif} ber lefcten 3 »ei Fab^bnte über ben Urfprung ber ßßenfehbeit, 
unb befonberS ber »eiben 9tace, gu Sage gefdrbert bat, bebarf ber enblidjen 
3ufammenfteßung unb Sichtung, wenn man ft(b ni(bt in ben Edelheiten ber* 
Keren »iß. 5ta<h allen ben grobartigen Sprach* unb 2lltertbumSforf<hungen 
eines Eb. ßtötb/ 93opp, ber ©ebrüber ©rimrn, ßuhn’S, Otfrieb 
•Btüller’S u. 21., na(b ben überrafchenben Entbedungen über periobifche 
Hebungen unb Sentungen ber Erboberfläche unb bie baburch berbeigefübrten 
»eranberungen in ber ©eftalt ber Seftlänber, tote fte neuerbingS bon » o g t 
unb 3) e f o r gemalt worben ftnb, unb nach ben Ermittelungen ber ifrtnbe 
frember »ölfer, toie toir fte burch eine lange ßteihe ßieifenber beftfcen, enblich 
nach ben glan^enben 2 lufbedungen alter JMturbenfmäler unb alter Ueberrefte 
bon üßtenfehen unb ihren SBohnungen in ben toidjtigften Steilen ber SBelt, be* 
fonberS aber ber Pfahlbauten in 2l(penfeen unb anberwärtS; nach adebem tbut 
Eines notb — bie 2luffteßung einer $ p V o tb e f e, einer auf triftige ©rünbe 
gefügten »ermuthung über ben Urfprung unb 3ufammenhang ber üßtenfehen* 
racen unb SBölfer, burch toeltbe alle jene bereinjelten Ergebniffe in ein ©e* 
fammtergebnifc berfchmolsen »erben. Eine fol<be ^ppothefe, mit gehöriger 
Sachfenntnifj unternommen, bürfte nicht als unnüfce Erfinbung eines müßigen 
ßopfeS gu betrachten fein, fonbem tonnte, »ie fchon manche in anberen buffen* 
fchaftlichen ©ebieten aufgefteßte, ben Pfab 3 U neuen überrafchenben Erfennt* 
niffen ebnen, »erfuchen toir beShalb eine folche über ben Urfprung ber germani* 
fchen ßtace ju liefern, unb foßte fte nur baju bienen, anbere fachfunbigere 2 Kän* 
ner an eine Aufgabe beranjuloefen, welche nicht füglich lange mehr unterlaffen 
»erben fann,»ba fte, einmal geleiftet, .ungemein wichtige Folgerungen unb 
Folgen für aße SebenSgebiete bespricht. 2)eS ßlaumeS halber befchränten toir 
bie für unfere ^ppothefe fprechenben ©rünbe auf baS ÜRotbbürftigfte. 

S)ie ältefte aßerßJtenfchenracen ift bie f <h » ar 3 e. 2luS ben entwideltften 
ihrer Stamme ift bureb Serfefcung auf einen anberen SBoben, nachbem bie tro* 

f 13 



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pifche 2Belt überoöllert mar, unb bur<h bte ©nflüffe eineg anberen fllhnag, 
anberer $obenergeugniffe unb Sebengweife im Saufe tum 3»ahrhunberttaufenben 
bie gelbe ober mongolif(h*amerifamf<he entftanben, unb ^at alle nörblichen 
gemäßigten unb felbft bie falten $immelgftriche beoölfert unb tßeilweife über* 
bollert, wie in Süb*(Shina unb $interinbien, wo fie bie fchwarge fteUeniüei^ 
tiefer in bie tropifchen Sauber gurüclgebrdngt bat, Slug ber gelben ift oiel fpd* 
ter bie m e i ß e atlmdlig entftanben, unb gmar burch bie umbilbenben ©nflüffe 
eineg anberen SBobeng, filimag, ihrer ^robufte, fomie ber ©efd^id&te, oerbunben 
mit abftchtlicher, planmäßiger Stacenoereblung unb ©pmnaftif. Srei ©rünbe 
fprechen hierfür, welche fuh fehler miberlegen lafjan bürften: 1, Sie gunbe 
dltefter Menfchenüberrefte. Sie anerfannt alteften big jeßt aufgefunbenen 
Menfchengebeine, welche auf ein Sllter oon 300,000 fahren fließen laffen, 
gehören augnahmglog einer 9kce an, welche ber jeßigen Stegerrace nahe 
lommt, nur noch tiefer auf ber (Stufenleiter ber Öntmitfelung geftanben haben 
muß, Siefe SRace hat auch in Mitteleuropa gelebt. Sa too, wie in ben 
$fahlbau*S<hi<hten, breierlei Dkcen untereinanber begraben liegen, ift bie un* 
terfte entweber eine fchwarge, ober eine gelbe gewefen. Ser SBetoeife aber, baß 
ehemalg bie gelbe bag gange Europa, nörblich Oon ben Sllpen, innehatte, fmb 
oiele oorhanben. 2. Sie weiße Stace erfcheint au<b im beginn ber Sage unb 
©efchichte überall guleßt, überall gwar alg bie erobembe, aber bo<h gugleich alg 
eine wenig gasreiche. 3. Maren. bie brei $auptracen gleichgeitig, ober gar bie 
Weiße guerft, aufgetreten, fo hatte bie leßtere, alg bie lörperli(h unb geiftig 
ftdrlfte, langft bie beiben anbern entweber $om ©tbboben oertilgt, ober aber 
allenthalben gelne<hte.t, wie fte eg in ber Shat überall gethan, too fte mastig 
genug bagu toar — mag ihr aber nur auf einem Keinen Sheile ber bewohnten 
©rbe gelungen ift 

©g ift alfo ©runb genug oorhanben, angunehmen, baß bie toeiße 9kce, alg 
fte ihre urfprünglichen Mohnftße, oon Ueberoöllerung gebrdngt, theiltoeife oer* 

,laffen mußte, bie gange ©be fchon oon Menfchen eingenommen, gum Sheil 
bicht betoohnt fanb, unb baß ihr 3ug nach neuen Mohnftßen ein fteter ßampf, 
unb gmar theiltaife ein ©oberunggfampf, theilmeife ein föücfgug oor ber an 
3 ahl .übermächtigen, an Sapferleit nicht oerä<htli<ben gelben SRace war. $n 
ber Shat beftdtigt alle alte Sage unb ©efchichte, baß bie Meißen g e g w u n * 
g e n cutg bem Ämtern SIfteng weftwdrtg gemanbert fmb, gebrdngt oon ihren 
alten ©bfeinben, ben Mongolen, welche Oon jeher alg eine aug Millionen be* 
rittener Jrieger beftehenbe ©oberer* unb 3wftörerf<haar gefchilbert werben. 
Sie Meißen, oon £aug aug wenig gasreich, muß ten erobern, wag ihnen 
weftwdrtg lag, weil fte oom Often her burch ftete Uebermacht ber ©eiben wei* 
tergefchoben würben; babei überwältigten fte aUerbingg mit Seichtigfeit bie auf 
ihrem Mege oorgefunbenen Schwargen unb bie, je weiter weftwdrtg, befto bün* 
ner angeftebelten ©eiben. 

Sie Miege ber weißen Stace ift bag finotengebirge &inbu*tu h int 
IRorbmefteu Snbieng. M<ht nur weift alle alte Sage auf biefen $unft alg 



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195 


ihre SEBiege t»in, Bon weiter aus fie ftch nach brei £tmmelSgegenben bin aus» 
gebreitet bat, »dbrenb bie Bierte, bet Offen, % burcb bie Uebermacbt ber 
Mongolen Berfd&tofTen blieb; fonbern bort allein ftnb alte günfiigen «Boben» 
unb «imatifiben SSebingungen jur Grjeugung einer auSerlefenen «Wenfdbenrace 
Bereinigt, unb bort allein wadbfen faft alle ßulturpflanjen toilb unb lommen 
aDe £auStbiere noch jefct toilb Bor, burcb beten Ausbeutung unb Sereblung bie 
wei|e SRace bie BorjugSweiS aderbauenbe, Kultur unb ©efdbidbte fdbaffenbe ge» 
worben ift. 35on bort fmb bie einjelnen Stämme ju febr oerfdbiebenen 3eiten 
auSgewattbert, fo oft UeberBölferung eintrat. 

3 uerft wanbetten bie Sem i t e n aus, b. b- jene SBölferfamilie, welche 
ftcb nachher in Ajfprer, Stirer, 3uben, «Pbönijier, Araber unb eine «Wenge 
SBSlter ßleinaftenS gerfpalten bat. Sie butdbjogen baS mittlere ober füblidbe 
Werften (beute ßabuliftan unb Afgbaniftan), unb bejwangen bie fd&watjen Ur» 
einwobner ber EigtiS» unb ©npbrat»(Sbene, Bon wo aus fte ftcb bann bis jum 
Schwaben», «Wittel» unb «Rotben «Weere ausbreiteten. .gier berührten fte jum 
erften «Wale bie See unb*befubren fte ben Üüften entlang. So erteilten fte 
Bom «Perftfdben «Weetbufen aus Bor etwa 6 — 7000 fahren ^abefftnien unb 
Wubien, unb Bon ba aus Ggppten, welkes fte eroberten unb burcb eine ben 
fdbwarjen Ureinwohnern aufgejwungene Äaften»(SintbeiIung unterwürfig er» 
hielten. 

dS müffen wenigftenS ein paar Sabrtaufenbe jtoifcben btefer erften unb 
ber fogleidj ju erwäbnenoen §weiten AuSmanbetung ber weiten «Race Berfloffen 
fein, unb jwar aus jwei .gauptgrünben: 1. Sie femitifdben Sprayen, obwohl 
mit ben inbogermanifdben barin übereinftimmenb, ba| fte beiberfeitS eine boH» 
ftänbig auSgebilbete ©rammatif aufweifen, wäbrenb bie Utfpradben ber Schwär» 
jen nur e i n e Art »Örter (Seitwörter), unb bie ber ©eiben nur j w e i Arten 
O&aupt» unb SeitwBrter) tennen: bie femitifchen Sprachen fmb gleichwohl Bon 
ben inbogermanifcben burcb eine gro|e 5ßerfchiebenbeit ber SBurjel» unb Stamm» 
Wörter getrennt; 2) Eie beiben weiten gamilien unterfcheiben ftdh burdh ihren 
Körperbau ganj bebeutenb. Eie Semiten ftnb lurjbeinig, fo bajj ihre Äopf» 
länge nur etwa ftebenmal in ber ßörpetlänge aufgebt; bie 3fnbogermanen ftnb 
langbeinig, fo ba| ber Äopf etwa achtmal in ber ßörperlänge enthalten ift. Eie 
Semiten ftnb Borwiegenb Sanglöpfe, bie Snbogermanen Jfurjlßpfe. Audb in 
ben ©efubtslinien ftnben fub tiefgehenbe Familien»Unterfchiebe. Eiefe Unter» 
fchiebe, wie beträ<htti(h audh immer, ftnb gleidhwobl leidbter ju erflären unter ber 
Annahme gemeinfamer Abftammung, als Betriebener. EaS ©emeinfame in 
Sprache, SEBeltanfdbauung, alter Sage unb flßrperbau überwiegt bei weitem bas 
Aerfdhiebene. 3»ei gabrtaufenbe, Bon jwei engnerwanbten Stämmen unter 
»eit auSeinanbergebenben ©ulturbebingungen jugebra^t, haben nad&weislicb in 
mehreren gefdhidhtlidhen gälten eine ebenfo bebeutenbe SBerfdbiebenbeit ber fiör* 
per» unb Spradbenentwidetung herBorgebracht, als wir fte jwifdjen 3nbogerma» 
neu unb Semiten gegeben finben. 

Eie nächfte AuSWanberung 28ei|er Bom #inbu»fuh trat bie ber S i n b h 


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ober £inbu, welche SBorberinbien eroberten unb burdb eine ßaPen*ßintbeilung 
ber fcbmaqen ©ngebornen p<h unterworfen hielten unb jefct noch als 33rabminen 
bie oberften haften bilben* Sa ihre Spraye, baS SanScrit, ben Sprachen ber 
Warfen, $elleno*3taler, Germanen unb Slawen, enblich ber Sitthauer nabe 
oerwanbt ift, fo !ann jeber biefer Stämme nur furje 3eit nach bem anbern 
auSgewanbert fein. Ser [Reibe nadb tarnen bie 3üge wie folgt: guerft bie 
Warfen (Sfltperfer) mit ihren Stammgenoffen, ben Söattriem, 9Rebern, 
Supanern — §ufammen 3 e« b * SBölter genannt, welche baS Safellanb awifd&en 
©bruS,.£inbu*tub, Soliman*©ebirge unb bem perftf<ben Sdbeibegebirge füllten. 
Ser 3eitpuntt ift auf etwa 2500 o. Gbr. au fefcen. Sbnen folgten, etwa um 
2000, bie £ e 11 e n o * 31 a l e r, welche, am [Rorbabbange beS ©IbruS entlang 
aiebenb, bie Sänber füblich Pom ßaufafuS erreichten unb bort einige 3abrbunbet1e 
gewohnt au buhen fcheinen, ehe pe über ben [Rorbranb ßleinapenS ober au Schiffe 
über baS Schwarae 3Reer bie grie<hif<he unb italifche ^albinfel erreichten. Sen 
pon ihnen leergelajfenen Sßlafc nahmen nun bie ©ermanen ein, welche p<h 
im Verlauf beS nächfter. 3ub*bunbertS (awifchen 1500 unb 500 p. 6br.) au bei- 
ben Seiten beS ßautafuS PomSlralfee bis aur Sonau, ja, Pon biefer am Schwär* 
aen 2Reere abwärts bis nach Sb^ien ausbreiteten, damals führten pe ben 
tarnen S f p tb e n, b. b» Schüpen, waren ein [ReiterPoll, weldbeS bie Steppen 
am Schwaben unb fiaSpifdben 9Reere bünn beftebelte unb Sldferbau nur an 
bejfer bewäfferten Stellen ber Steppe trieb. 3bnw nörblidb wohnten bamals 
bieSarmaten, mit welchem ©efammtnamen bie Hellenen ben flawifcben 
unb littbauifchen Stamm begeid&neten. Sie Sarmaten ober Slawen tonnen 
alfo ihren 2Beg Pom £inbub*fub nach Europa nur über baS heutige Surteftan, 
ben Ural* unb SEBolgaPup genommen buben, ba alle anberen SGßege Pon ben 
©ermanen befefct waren, unb ba man unter ben Pielen Perfchiebenen im ßauta* 
fuS ftfcen gebliebenen [Reften europäifcher Stämme wohl Slbfömmlinge Pon ben 
©ermanen (bie Offeten), aber teine Pon ben Slawen unb Sittbauern pnbet. 3n 
allen biefen Sänbern werben bie frübeften ©nwobner, bie 2Rongolen, unb baS 
aus gemifcht mongolifdbem unb inbogermanifchem S3lute entftanbene $8olt ber 
ginnen, pon ben Snbogermanen unter heftigen Kämpfen norbwärtS getrie* 
ben, nehmen aber noch bis um baS 3>abr 1000 nach Gbr. ©. bie ganae [Rorb* 
hälfte beS heutigen [RufilanbS ein. 

ßura Por bem Sabre 500 Por (£br. mögen bie ©ermanen auerft bie Oftfee 
erreicht buben, unb at&ur a^ifchen ber Ober* unb üffieidbfelmünbung, wäbrenb 
gleidbaeitig mit ihnen bie 2 i 11 b u u e r unb 2 e 11 e n bie ßüfte Pon ber 2Bei<hfel* 
bis aur Sünamünbung befefcten* wo pe feitbem wohnen geblieben pnb. Sennin 
biefen Qertlidbfeiten pnben wir bie genannten SBölfer fdbon bei £erobot unb 
^ptbiaS Pon 2Rafplia. 

2öie bie ginnen, fo pnb bie $ e 11 e n ein weipgelbeS -äRifchPolt Pon äufjerp 
oerfdbiebener 3ufammenfefeung in ben Perfchiebenen Sänbern SBefteuropaS. 2llS 
SSortrab ber ©ermanen unb offenbar, ihr nächftältefter Söruberftamm, aber mit 
weit weniger Abneigung Por 3Ripbeiratben auSgeftattet, als ben alten ©er* 




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ntanen eigen mar, unb nodb nidbt, mie biefe, int 33efife ber ©ifen*, fonbern nur 
ber öronje^Snbuftrte, müffen fte jmtf^en ben 3abren 500 u. 1000 bor ©br. ©. 
■Dttttel* unb SGBefteuropa befefct itnb bort tbeite mit ben negerartigen ködern ber 
Ureinmobner pdb berfdbntol$en, ober aber an anberen Stellen fte auSgerottet ober 
betrieben haben. 3n Spanten trafen fte mit negerabnlidben SBölfern, ben 
3b er er n, §ufammen, meldbe bor ihnen in baS norbmeftUdbe drittelbeS SanbeS 
äurüdfroidben, mdbrenb fte felbft baS fütöftltdbe drittel befefcten, unb tn ber 
ÜRitte jmifdben beiben baS 2Rifdbbolf ber Ä e 11 i b e r e r entftanb. 3m heutigen 
Sfcanfreidb bemobnten negerartige Stamme ben Süben, ©elbe ben -Worben, ein 
©ernifdb bon beiben bie üDtitte. 3)ie Gelten untermarfen unb jibiliftrten beibe in 
ihrer SBeife, bte fte ftdb mit ihnen bemtifdjten, morauf fte erobernb in 3talien 
einbrangen unb bent’nörblidben ^eüe biefeS SanbeS unter bem tarnen ber 
£ i g u r e r ben ©runbftodt feiner 93eboljferung lieferten* 2)ie brittifc^en 3nfeln 
batten urfprünglidb, ba pe bon HlterS mit ©aHien gufammenbingen, mit biefem 
aufjer benfelben unb SPffanjenarten audb biefelben -iRenfdbenftämmsfges 
mein. 2)er SGßeften bon 3rlanb mie bon ©nglanb fdbeint ben bunfelfarbigen, 
ber Often beiber 3nfeln ben gelblidben SBölfern angebört, in ber SWitte gmifdben 
beiben JRacen eine 2Hif(^race ftd? gebübet $u haben. 2lte bie Gelten einbradben, 
erfolgte nadb ben erften 3ab*bunberten ber ßnedbtung eine innigere SBermifcbung 
aller brei Wacen. 3 n bem, maS b^ute 2)eutf<blanb ift, fdbeinen bie ßelten'nur 
bie ncrblidben SUpenabbänge bauernb innegebabt, baS Sanb fdbeint ihnen, ate 
$u raub, im Uebrigen nur ate £eerftrape gum milberen Sübmeften gebient ju 
haben. 2)ie Spraye ber ßeltenlänber blieb feltifdb (inbogerntanifdb), aber mit be* 
beutenbem ©infTuffe ber einbeimifcben Spradben barauf; bie Stammberfaffung 
blieb bormiegenb mongolifdb, bie SebenSmeife nomabiftrenb mit laum nennend 
mertber Httebebnung beS 2l<ferbaueS; eS !am ju feiner Staatenbilbung, bie 
Gelten fanfen halb auf bie niebrigere Stufe ber ©ingebornen b^ab unb be* 
toabrten bon ihrem ebleren Urfprunge aufjer ihrer berunftalteten Spradbe nur 
nodb burftige Ptefte ihrer alten ©ötterlebre unb ©ebrdudbe unb bas ©emujitfein 
ihrer ©robererbeftimmung. So mürben fte ein geeignetes Material für bie halb 
barauf beginnenbe fftomaniprung. 

So mar bie SGßelt um baS 3abr 500 bor ©br. bertheilt. * 3n ben nddbften 
taufenb 3ab^n bringen bie ©erntanen, bon ben Mongolen SnneraftenS bon 
Seit 3 U 3eit aufte -Neue gebrdngt, mtebentm meftmdrtS bor. Sange bor ©br. ©e* 
burt haben pe Sdbmeben, -Wormegen, SDdnemarf ben eingebornen üJtongolen ab* 
gerungen, meldbe fte tbeite gu Sflaben madben, tbeite meit in ben üRorben ber 
ffanbinabifdhen ^albinfel berbrängen. 2)aS blutige $eutfdblanb ift mtnbeftenS 
100 3ab« bor ©br. ©eb. bon ihnen bebölfert, unb fte beginnen ben SHbein unb 
bie 2)ottau bon ÜRorboften her gu überfdbreiten. $ann halt baS neu erftarfenbe 
SRönterreidb unter ben ßaifern fte bierhunbert 3ab*e lang an biefen beiben ©renj* 
Püffen feft, bte bie eigentliche SSölfermanberung beginnt unb mit 3«ftörung 
beS IRömerreidbeS unb Eroberung beffelben burdb bie ©ermanen enbet, meldbe 
babei bie ganje öftUdbe §älfte beS heutigen SDeutfdblanbS unb baS füblidbe SRufj* 

! 


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' lanb räumen. 3>n btefe leergelaffenen SBohnftße gtc^en nunmehr bte Staben 
au.3 ber farmatifchen ©bene herein, toeld^e ebenfaßS baä oftrömifc^e Beich be* 
branden unb fchließlich neu beböltern. Bierhunbert 3ahre fpdter erinnern ft<h 
bie (Germanen beften, baß bte leergelaffenen Sänber eigentlich ihnen gehören, 
unb mdtyrenb ihrfünfterfeefahrenberStamm,bie Normannen, einen^beit 
grantreidb, Qtalien^ unb felbft ©riedßenlanbä erobert unb ©roßbrittannien erft 
afö Seerduber au3plünbert, bann bejwingt unb befefet, bringen Normannen 
unb ©ermatten au<b wieber oftwärts bor unb unterwerfen ftcb bie borgebrun* 
genen Slawen, ja, bie Normannen geben ben Bußen ihr $errf<herhau3, ihren 
Slbel unb fogar ihren -Hamen. Bon ba ab f(beitem äße Berfuche ber mongo* 
tifdben Dotter, bie ©ermanen weiter weftwärtä ju berbrdngen (933,955,1240, 
1530, 1689) Europa ift entwilbert, ber burdb fern gemäßigtes ßlima unb 
größte fiüftenentwtcfelungen für höhere, fortf(brittlicbe Kultur gönftigfte ©rbtßeil 
ift germanifdh geworben; erft auf b i e f e m Stoben tonnte bte germanifche Bace 
bie *afle £öhe ihrer Slnlage erlangen, tonnte fte bon aßen bie jabefte, bielfeitigfte, 
trdftigfte unb tüdßtigfte, bie unbergdngßd&e gortfdßrittSrace werben, bie Bace, 
welche leinen bauemben Verfaß tennt, fonbem ft<h aus jeber Bieberlage ber* 
jungt unb geftärtt wieber aufrid&tet, bie Sehrerm unb ba£ Borbilb ber SBelt, bie 
Trägerin ber wahren ßJtenfchlicbfeit gu werben beftimmt ift. 

2Bie fte baS hat werben müßen, ertldrt ft<b naturgefefclidß aus ihrer hppo* 
tbetif<ben Urgefdbi(bte. Bei ihrer Sluswanberung aus ber Urbeimatb fanb fte 
bie ganje SBelt beböltert unb bie rei^enbfteit, ütyngften Sänber beS gemäßigten 
©rbgürtels für ftdb berfdßloßen, in melden ihr gwar ein rafcheS Slufblühen §u 
hoher Kultur, aber bafür au(b ein fchleuniger unb tiefer Verfaß in bie Elfter* 
tultur unb^albbarbarei jurüdt beborgeftanben hätte, wie ihren Bermanbten, ben 
Semiten unb $eßeno=*Bomanen. Bein, eS gehört ein langfameS Söachsthum un* 
ter fteter grabweifer Steigerung ber Arbeit unb Saft wefentlich baju, wenn eine 
borjugSweiS tüchtige Batur ft<h bilben foß. 3>nbem bie ©ermanen Schritt für 
Schritt in Sänber rauheren ßlimaS berbrdngt würben, aus Steppengegenoen 
in bie bichten SBätber ber farmatifch*beutf<hen Tiefebene, beren ©ntwictelung für 
bloße Stlabenarbeit unmöglich unb für bie freie Arbeit ein würbiger Sporn war, bon 
ben Binnenmeeren herauf an bie Äüften beS SBeltmeereS, baS ben höchften ©rab 
ber Unerfchrodtenheit, beS UnternehmungSgeifteS unb £elbenftnneS erwedft, aus 
ber triegerifchen Berührung mit Mongolen in ftetB furchtbarer wachfenbe ©r* 
oberungStämpfe mit ben SBeltreidßen ber fßerfer, Matebonier unb Börner — 
inbem fte fo mit macbfenber Abhärtung ihrer Kräfte immer fdhwerere Aufgaben 
erhielten, würben fte sur Söeltherrfchaft burch SelbftbeherrfchungStunft erlogen 
unb erwarben eine UnberwüftUchfeit ber Einlage wie teine anbere Bace. Unb 
inbem fte, mit bem gemeinfamen ©rbgut inbogermanifcher Urtultur auSgerüftet, 
nach einanber mit ben Mturen ber B**f^ «geßenen unb Börner jwar in Be* 
rührung tarnen, aber weil fte auf ihrer ßftlichen ©renje ftetS bie Mongolen ab** 
juwehren hatten, burch biefe ftete Äampfbereitf(haft bor Sinnahme ber Safter 
biefer Kulturen bewahrt unb ftolje Berächter ber cibiliftrten SluSfchweifung blie- 

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199 


ben; inbern fie baher btc Mtur ber Sllten ffielt erft bann fid^ aneignen lernten, 
als. fie Selbftbeherrfchung berftanben, mürben fie bie SBiebergebarer ber RuU 
tur, einer höheren, meil allfeitigen, ftttlicheren, auf freie Arbeit unb ©enügfam** 
leit begrünbeten fiultur, mürben fie bie ©rfinber ber freien Slrbeit, ber mähren 
©he unb beS Selfgovernments, biefer brei ©runblagen aller mähren 6itt* 
lidtfeit, mürben fie bie SBeltftürmer ber Söiffenfdjaft, bie lühnen teuerer unb 
§uglei<h bie gebulbigen Neubauer aller ihrer Steige, unb bie Schöpfer einer 
neuen, bergeiftigten ßunft. 

Sille ©ntmidelung unb SSerboHfommnung befteht barin, bah fi(h ein fleim, 
eine Slnlage in neue unb immer neue Unterf (hiebe, ©egenfdpe, felbft Söiber*» 
fprüdje auSeinanbertegt, mel<be tropbem ein ©anjeS, «in Körper, ein Organes 
muS bleiben, an meinem jene ©egenfdpe ju ©liebem fuh auSbilben, meldfye ihn 
in ihrem 3ufamtoenmirfen ebenfo fehr beftimmen, als fie burd? ihn beftimmt 
merben, unb fo mechfelfeitige görberung — 2eben — erzeugen. Äeine Stace 
hat fich reifer in ©egenfdpe auSeinanberlegen unb fie gur organifdjen ©inbeit 
berarbeiten muffen als bie germanif(he, inpem fte bie betriebenen Stufen ihrer 
Saufbahn übermanb. Sin alle Mturbölfer, mit benen fie in ©renjberührung 
lam, gab fie ihres Stammes ab, mel<be, mit biefen Äulturbolfern ber* 
fchmeljenb unb anfeheinenb für baS ©ermanentbum berloren, bo<h auf ben 
Stamm anregenb aurütfmirften. So gab fie an bie $erfer ben germanischen 
SSollSjmeig ber SJta gier, an bie Hellenen bie Zfyxacitt, ©piroten unb 
Sllprier, an bie Körner bie ©othen, SBanbalen, Surgunber, 
granlenunbSongobarben ab unb colonifirte als Gelten unb Storman* 
nen früher unb fpdter biefe unb japlreiche anbere Stationen, Sille biefe gernta* 
nifeben Stamme fchienen jundchft ib* berloren, inbem fie in ber SBermifchung 
mit ben Stadjbarn faft gänalich als ©ermanen untergingen, allein fie erzeugten 
babei aus ben beralteten, unfortbilbfamen neue, Irdftige Stationen, aus beren 
gerichtlicher ^Berührung mit ben in 2)eutf<hlanb fefibaft gebliebenen ©ermanen 
biefen ftetS neue, bielfeitige Slnregung ermud&S. So mürben bie ©ermanen 
2)eutf<hlanbS, bie mittelften bon allen, eben baS bielfbitigfte unb bo<h babei na** 
turmdchtigfte SBolf bon allen, baS mabre SBolf ber SJtitte, ber emig berjüngenbe 
©eift ber in’S ©ytreme fchiefienben dufjeren ©lieber, bie auf ben £albinfeln 
unb Snfeln ©uropaS mohnen, bon ihnen lernenb, um fofort ihr Sehrer im 
gortf<hritt ju merben, in ihnen feine !ulturhiftorif<hen ©jperimente anfteüenb, 
unb biefe bann fritifch Iduternb unb ihre ©rfolge feftftellenb. unb auSbreitenb. 
©emifc, ganj ©uropa (unb Slmerifa) ift f<hon g e r m a h i-f <h, mie ja bie ganje 
ßrbe ju merben beftimmt ift; bie granjofen, bie Staliener, Spanier, Sßortugie* 
fen, ©ngldnber, bie $dnen, Stormeger unb Schmeben fmb ni<htS als in’S ©in* 
feitige gefdjoffene ©ermanen, benen $eutf<hlanb immer unb immer mieber SJtafj 
unb 3iel giebt, unb bon benen es ftth immer neue ©rfahrungen unb Stupan* 
menbungen erobert! 2Ber leugnet, bajj alle SBiffenfchaft unb ßunft ber SBelt, 
melche biefen Stamen berbient, germanifch ift, bafj alle Mturbolfer ber SDelt 
germanif(heS SBlut in fwh tragen unb baS 3iel germanifcherßultur: immer boH* 



200 


fommnereS Selfgovernment in allen SebenSgebieten, bor Äugen unb in 
ftchrer ÄuSfuht baten ? 

3)te beutfehen fmb alfo Spätlinge in ber ©ntwiäelung; fte reifen fpät 
unb altem fpät, unb nur ju immer neuer gugenb. Verflochten in bie politi* 
fehen ©efehiefe aller ihrer üRachbam ringsum, blieben fte am längften äinber in 
ber Volitif unb »erben ihren £ag ber botlen Politiken Selbftregierung erft er* 
/ leben nachbem alle ihre $albinfel*ÜRa<hbam ihn auf ihre Äoften erlebt haben 
»erben. 2)ann aber »erben mir auch baS Äeich beS ewigen griebenS unb 
Völfer*S<hieb§geri<htS angebrochen fehen. S)ie $eutf<hetrftnb ber |jerfule3 ber 
antifen Sage, ber jwar fchon in ber SBiege bie Schlangen rechte unb linls er* 
würgt, aber hoch fein Sebenlang berbammt ift, als Wiener Änberer bie fchwer* 
ften aller Arbeiten jur Reinigung ber 3Belt bon Ungeheuern §u berrichten, um 
gulefct unter bie ©otter aufgenommen gu »erben, 

■JHcht baS »enigft äflerfwütbige babei ift ber Umftanb, baf* bie germanU 
ftrten Slawen, »eiche bie öftliche $älfte $eutfch(anb3 bewohnen, baS Mittel 
haben »erben roüffen, bie beutfehen auf ber Saufbahn politifcher ©inbeit, gtei* 
heit unb ©rß&e fo lange gurütfäuhalten. $ie Slawen, biefer jüngfte, pafftpfte 
unb »eiblichfte aller inbogermanifchen Stämme, »elcher nie erobernb aufgetre* 
ten ift, au&er »o borübergehenb ent»eber religiöfer ganatiSmuS ober Orientalin 
fcher Despotismus ihn gegen bie Nachbarn hefete; bie Slawen, »eiche ftets im 
©efolge ber ©ermatten babeqiebenb, »ie ber Schafal in bem beS Sowen, mit ben 
Ueberreften gemtanifcher Siegesbeute hoch jufriebett, fi<h ftets in bie bon ben 
©ermanen bei ihren ©roberungSsügen leergelaffenen »armen Hefter eingebettet 
haben; »eiche ihre £errf<her, ihren Äbel, ihre $riefter, ihre gnftitutionen ftets 
importirenb bon fräftigeren Nationen bezogen unb in beren geiftlofer -ftachab* 
mung ohne eigene 3eugungSf:aft ft<h gebläht haben: — bie Slawen — unb 
3 »ar junächft bie im Often DeutfchlanbS — haben ftch bafür, bap fie feit bem 
zehnten gahrhunberte mehr ober weniger gewaltfam germaniftrt »urben, an 
ben Deutfchen bitter gerächt. üftur auf flawifchem ©runb unb Voben, nur unter 
einer borwiegenb beutfeh g e m a <h t e n flawifchen Vebölferung mit ihrer laut* 
ofen ©ebulb unb Sch»eigfam!eit fonnten jene beiben beutfehen ©rofemächte 
Defterreich unb freuten entftehen, »eiche baS 3«ftanbe!ommen ber beutfehen 
©inbeit unb greibeit fo unfäglich erfchweren. So fxnb bie politifchen Schicffalc 
beS beutfehen Kolleg ihm felbft unb allen Vollem, »eiche fehen »ollen, gum 
lehrreichen unb »amenben Veifpiele geworben, bafc Ungerechtigfeit unb Unter* 
brüefung ftch an ÜRiemanbem f<h»erer rächt, als an ben Unterbrücfern felber. 
fiofbare Sehre—»ie lange wirft bu noch vergeblich geprebigt »erben muffen ? 

ÜDUt ber borftehenb auSgefubrten #ppotbefe bom Urfprung ber germani* 
fehen Vace ftimrnt bie alt*germanif<he ©otterlehre. unb ^elbenfage merfwürbig 
jufammen. Dem Scharfftnn neuerer gorfcher ift eS gelungen, brei ©ntwiä* 
IungSperioben in ber germanifchen UJlpthologie nachjuweifen. gn ber erften, 
älteften, entfernt fte ftch noch fehr wenig bon ber ©otterlehre ber berwanbten 
femitifchen, $inbu*, 3onb* unb beHeno*italif<hen Voller, fowohl »aS allgemeine 


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201 


2BeItanfdßauung, al§ wa§ bte Namen unb Slmtsoerrldhtungen ber großen zwölf 
(Sötter betrifft $auptgottheit ift Spr ober Sp 3 (3iu), ber ©ott be§ $im* 
metö unb be3 SBetterä, ber Sonne unb be3 £i<hte§, ber SBärme unb be3 
geuetö, alfo ber 8eu3*Sjoni3, Si3 ber «geltenos^taler, ber Orrnuzb ber $er* 
fer :c. 3n ber zweiten, nädhftfpäteren, entfernt ftd) bte üffielt* unb ©otte^an* 
fdhauung ber ©ermanen fdhon beträdhtlidh bon ber urfprünglidhen. Spr berbleidht 
jurn ©ott be3 Krieges, Sh o r, ber ©ott bei Söli^e^ unb ©ewitterS, wirb $im* 
mefäfönig, wa3 er in Sdhweben audh geblieben ift, jum S3ewei3, baß bie weft* 
Kdhften Stamme ber ©ermanen bantate fd&on bie Oftfee erreicht unb überfdhrit* 
ten haben mußten. 3>n ber britten $eriobe gebt bie Sefonberung" ber germä* 
nifdhen Ntpthologie nodh weiter: SB o b a n (SBuotan, 0 bin, flawifd) Ob i n), 
ber ©ott ber Sonne, wirb oberfter unb Nationalgott unb beginnt feine w i 1 be 
3 agb. Siefe wilbe ift ein hoppeltet Sinnbilb: einmal für bie SSertrei* 
bung ber ginfterniß unb SRad&t unb be§ grauenhaften norbifdhen SBinterä mit 
feinen Sdhredten unb Gefahren burdh ben Sag, ben Sommer, bie ftegreidje 
Sonne, weldhe SBoban auf feinem SBagen bon Norboften nadh Sübweften führt; 
ba3 anbere 30tal ba£ Sinnbilb ber Eroberung Sübweft*©uropa3 burdh 
bie bon Norboften her unter SBobanä Sannem ftegreid) borbrin* 
genben ©ermanen. 1 Siefer 3ug, ober biefe 3üge müffen alfo bon Norb* 
often gefommen fein, bon ber JDftfee nadh bem k Nheine, bon ber SBeidhfel 
na<b ber oberen, bom Snjepr nadh ber unteren Sonau, wie audh bie ©efdhidhte 
unb bie SBolföfage in betreff ber toilben gagb bezeugt. S3iS bahin waren bie 
©ermanen immer norbweftlidh gezogen, borwärtS gebrängt in biefer Stiftung, 
weil fte nodh ju jerftreut wohnten unb zw wenig gahlreidh waren. S$oit nun 
an bringen fte nach eigner SBahl al3 ©roherer, wie bie SBelt leine weiter gefe* 
hen, nadh offenbarer SJerabrebung unb Nerbinbung unter einanber, alfo atö 
gefdhloffene Nationalität, wenn audh nodh nidht ate Nation, fübweftlid? bor. 
Mn SBunber, wenn biefer SBenbepunlt in ihrer ©efdhidhte burdh einen ©nt* 
toiälungäpunlt in ihrer Ntpthologie bezeichnet wirb, burdh Obin’3 Eintritt ber 
^immel§h«trfdhaft. Ntit jeber Sßeriobe wirb übrigen^ bie germanifdhe Ntptho* 
Iogie wilber unb abentheuerlidher. Sie S3efanntf<haft mit bem Weltmeere, ben 
gelfenlabprinthen unb ©letfdherriefen, ben ©tebergen unb SBinterftürmen, ben 
bidhten Nebeln unb ber jauberifdhen Sommernadhtöbämmerung, wie ber furdht* 
baren langen SBinternadht, SBinterlälte unb Oebe be§ Norbenä brüdfte je langer 
Je mehr ber germanifdhen SBeltanfdhauung ihre Spuren auf. Sa.§ warme, ja 
glühenb heiße Ntuäpelhetm b e 3 SübenS, au§ weldhem fte hergefom* 
tuen waren, tritt juerft in ber ©rinnerung gegen eine tn’3 Nieftge gefteigerte 
3Nadht N tflh eim 3, be§ Nebelreidhä be3 NorbenS, mit feinen ©Briefen, 
fjelfenreden, ber Ntibgaarbäfdhlange unb bem fdhauerlidhen SBeltenbe bei ber 
©otterbämmerung. Sie urfprünglidh heitere SBeltanfdhauung ber ©ermanen 
tüirb büfterer, ernfter, unruhiger, raftlofer. Sie ©ötter werben fterblidh, bom 
unergrünblidhen Sdhidlfale abhängiger, follen im Kampfe mit ben wilben Natur* 
mädhten untergehen, um einer befferen, erneuerten SBelt $ta& zu madhen, unb 




202 


erwehren ftch fchon üorber betreiben nur burch Wahrhaft ungeheure Kampfe. 
3uglei<b wirb bie 3ei<bnunß bet ©ötterperfonen unb ber Schaupldfce ihrer 
%t)aten unbeftimmter unb üerfchwimmenber, formlofer unb unllarer, tüte bie 
Untriffe norbifcher Sanbfchaften eS ftnb, unb tüte bie ßinbilbungSlraft eines auf 
norbifchen Leeren unb in bitten Urwdlbem lebenben norbifchen SolleS es 
toerben rnufj, unb ein üerworreneS ©efled&t heiteren wie büfteren Aberglaubens 
bangt (ich an bie ©ötterlebre unb ‘.gelbenfage. ©inen groben Sorjug aber bat 
biefe abenteuerlich formlofe ffieltanfchauung üor aßen anberen: in biefen 
2Jtäbr<ben unb Sagen fpielt ber SR e i ch t b u m leine fo grobe Noße wie in 
benen ber üerwanbten, befonberS ber femitifdben Söller. SaS ©olb erf<beint 
geringgef<ha|t, auber als Schmud, es wirb als 3unber ber fchlechteften Seiben* 
fd^aften beS menfd&lichen ^erjenS gezeichnet, als ein glifcernber, treulofer Ser« 
fübrer unb Serberber. 

Keine anbere Nationalität erfcheint fchon üon Anbeginn ihrer Sage unb 
©efchichte an fo abelsftolj, fo eiferfüchtig auf Neinbeit ber Nace, fo erpicht auf 
Kaften*©inri<htungen, als bie germanifdbe. Sie © b b a, baS einige uns tto<b 
ganz erhaltene fchriftliche Senlmal unferer alten ©ötter* unb «gelbenfage (um 
1000 nach ©br. auf Sslanb abgefafct), heiligt fogar bie Kaften*©intbeilung burdh 
eine Sage üon beren uralter göttlicher ©infefcung. Nach ihr bat zwar ein unb 
berfelbe ©ott $ eimballr (unter bem Namen Nigr) bie brei haften ber 
© b e l i n g e, ber g r e i e n unb bet S b * ä l e (#auSfllaüen üon mongolifcher 
Abftammung, ober Kriegsgefangene, bie als Sllaüen arbeiteten) felbft erzeugt 
— bie niebrigfte zuerft, bie mittlere zuzweit, bie ebelfte gulefet — aber er bat fte 
gleichzeitig als ewig gefdjieben bingeftellt. Saß trofcbem bie ©ermanen nichts 
wie ihre Stammüerwanbten, bie antilen Kulturüöller, baS eigene Arbeiten über 
bem galten gabireicher Sllaüen üerlernten, unb baß fie baburdb üor ber größten 
aßer ©efabren, bie ein Soll befaßen lann, ber Seracbtung freier Arbeit, bewahrt 
blieben, lag wohl nur baran, bah bie Seurbarung germanifdHarmattfcber Ur* 
walber jebeS SNanneS §anb in Anfpruch nahm, baß bie bienenbe Klaffe wenig 
gabireich War unb auSfchließlich ben wenigen ©belingen gehörte. Siefer Abel* 
unb NacenreinbeitSftolz mag uns im Sichte unferer Sage nodb fo üerdchtlidb unb 
unmenfchlich erfcheinen: — in jenen Seiten, ba eS mefentlid? auf ©qeugung 
neuer, Irdftigerer Nacen anlam, welche bie ©rbfcbaft ber antilen Kultur antreten 
foßten, wirlte er überwiegenb wobltbatig. Sie AuSbilbufig fd&öner, Irdftiger, 
gewanbter unb furchtlofer Ntenfchen burch Nacenüereblung unb ütele ©pmnaftil, 
welche unfern Sorfabren für fo wichtig galt, bat ihren Nachlommen nicht bloS 
bie gefunbe SeibeSüerfaffung üerlieben, welche fte fo üielen unb fchweren Auf* 
gaben gewachfen madbte, fonbern bat auch ber hoben Sichtung üor bem SGßeibe 
unb ber §eiligbaltung ber ©be Sorfchub geleiftet, burch welche unfere Sorfabren 
fchon bem großen Nömer % a c i t u S imponirten. ©ewiß ift ferner, baß fte 
ber bemolratifchen NechtSgleichbeit jwifchen ben greigebomen leinen ©intrag tbat, 
unb baß ber ©beling üor bem einfach Speien; ber fein eignes gelb baute, lein 
Sorrecht in Anfpruch nahm, als welches ihm freiwiflig jugeftanben würbe. 




203 


SluS biefem angebomen bemolratifchen gnftinlte ift es ju erllären, bafs, als in 
ben faufttedjtlidjen 3eiten beS «WittelalterS auf bem blatten Sanbe bie perfön* . 
liehe greiheit unb bet ©runbbefifc beS greien Betloren ging, beibeS gleichseitig 
in ben aufblühenben ©tobten mittelft bet freien, zünftigen, waffenfähigen $anb* 
werler»5Berbänbe wieberauflebte, ja felbft auf bem Sanbe an gefehlten ©teilen, 
wie in bet Schweiz unb am Worbfeeftranbe, ju glüdllichen Söauetnlriegen unb 
33auem»greiftaaten fübtte. 

3)a3 SPtinjib enblidh bet freiwilligen SßetgefeDung (Stffociation) ju ©njeU 
jWecten, bei benen aber feber Sheilnehntenbe in jeber anbetn £infuht ungebun* 
ben unb fein eigener §err bleibt — biefeS $rinjip, bem bie neuefte Beit fo Biele 
großartige Unternehmungen unb gortfehritte Berbanlt — es war in unfern alt» 
Borbem burih bie gügungen ihrer älteften ©efchichte für alle fpäteren ©ef(hle<hter 
begrünbet unb muh beShalb eine ä<ht«germanif<he ßrfinbung heilen, gn ihren 
unabläfftgen Kämpfen mit ben leichten Weiterhorben ber «Wongolen war baS 
frühzeitige ©Uftehen einer Sattel geboten, welche ebenfo febr BoUlommen aus* 
gebilbete ©njellämpfer, als Sufammenmirlen in gefdjloffenen «Waffen — fe 
nach ben Umftänben — anwanbte, ebenfo fehr ben fiampf jü gu|e (unb ben 
angriff im fcbnellften Saufe) als jn SRojfe Berlangte. 6 in beriet (©njel» 
lämpfer) ift beShalb ein (Ehrenname jebeS alten ©ermanen, unter welchem er in 
bie SEßalhalla aufgenommen wirb. Wut wenn jeber (Einzelne boUftänbig „feinen 
«Wann ftanb", ebenfo gut wie bie gefcbloffene «Waffe, war ber ©ermane ein 
wahrer «Wann. 2)aS ©efübl ber ©elbftoerläfslichteit gab ihm eben jenen «Wutb, 
fuh in jerftreuten SBeilern, jeber getrennt Born Wachbar, inmitten feines ©runb* 
jtiicfs anzubauen unb baS Seben in ©täbten ju Berabf«heuen; es gab ihm früh« 
Zeitig ben Srieb, ftch nie einer ©emeinfehaft ganj unb unbebingt hinjugeben, 
fonbern burch ©efeUung bloß ju beftimmten Beeden alles zu erreichen, was 
gemeinfame ßraft erforberte. ©o feben wir im anfange ber römifchen fiaifet* 
jeit WBIterbünbe unter ihnen entftehen, welche halb, wie ber ber «Warlomannen, 
nach erreichtem 3»ede f«h wieber auflöf’ten, halb, wie ber ber granlen, alle* 
mannen, »urgunber, angelfachfen auf erobertem ©oben jurn 3wede neuer 
©taatengrünbung Bereinigt blieben, immer fo, baß ber (Einzelne urfprünglicf 
babei feine Unabhängigleit möglich! wenig einbüßte. SEßie eben bie auSwärti* 
gen (Eroberungen fcßließlicb hoch jum aUmäligen Uebergange ber affociation in 
ben SehenSBerbanb führten, baS ju ertlären, führt uns bieSmal ju weit; es ge* 
nügt ju wiffen, baß in folgen germanifchen Sänbent, welche nie erobert worben 
fmb, wie Sheile »on 3)eutfchlanb, ©«hweben, Worwegen unb in ©tglanb Bor 
ber normannifchen (Eroberung, baS SehenSwefen n i <h t aufgelommen ift, weil es 
bem germanifchen ©eifte juwiberlief. 

«Wan fteht, baß unfere $ppothefe — wie jebe gute $ppothefe foH — mit 
ben Borhanbeneti Sßatfachen im ©nllange ift, fie ungezwungen erllärt unb fi«h 
bemgemäß bei ber «ßrobe bewährt, ©ie wirb freilich nie zur Bollen ©ewißheit 
erhoben werben lönnen, weil wir in ber älteften ©efchichte über leine äugen» 
Zeugen z« »«fügen haben, aber fie gewährt bennodh ungefähr benfelben 




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SRufcen, toetchen t>olTe gef<hi<htK<he ©emi^cit bringen mürbe, meil fie tn allen 
einjelnen 3ügen einen ^o^cn ©rab bon 2Babrf<heinlt<hfeit an ber Stinte tragt. 
Sie begrünbet bie urfprün gliche ©inbeit be§ !2Ren}<hengef(hle<ht3 beffer al§ bie 
biblifche unb jebe anbere Sage über beffen unb ber SRacen Urfprung. Sie er* 
Hart bie mirflidjen unb unleugbaren SBoqüge einjelner SRaren unb Stämme oor 
ben anberen nach ÜRaturgefefcen, ohne belegen ben urfprünglid? benachteilig- 
ten bie 2lu£ft<ht, bafc fte ben beborjugten auf ber Seiter ber ©ntmidelung nach- 
Himnten merben, ju benehmen; benn fte erflärt jeben SSorjug unb Segler als 
natürliche^ ©rjeugnifc beä 23oben§ unb filintaS mit ihren Sßrobuften unb berba- 
bur'ch bebingten ©efd^td&te, alfo al3 folche, bie ftch mit SBerbefferung biefer 2e- 
benäbebingungen bon felbft berbeffern unb unter smecfmäftigem Sufammemoir- 
fen ber 2Renfchen fünftlich noch foeiter berbeffert, aber auch in golge berfchlech- 
terter 2eben§bebingungen berfd^led^tert merben fonnen. SBüften laffen ft<h frucht¬ 
bar machen, Stegen fönnen bem Slderbau bienftbar merben, Sümpfe ber- 
fchminben bor bem ©rabfcheit, ber $)antpf berringert bie ©ntfentung ©infamer 
bon ßulturquellen — !urj, felbft bie am meiften jurücfgebliebenen bunfleren 
fttocen mögen unter ber Anleitung ber fulturbringenben ©ermanen ohne allen 
Smang allmälig berebelt unb gehoben merben, fo gemifc ate bie ebelften 2Ren- 
ftenftämme aulefct hoch bon ben bunfleren h^rgefommen fein müjfen. Sie 
befeitigt mirffarn jenen unberechtigten £ochmuth, ber bie fttacenunterfchiebe für 
ettrig unb gottgegeben anfieht, um ft<h ein fcheinbareä 9te<ht ber Unterbrücfung 
ber bon ÜRatur Schmäleren ju erfchleichen, — biefe Quelle hö<hfter Unftttlich* 
feit unb ©ntartung, ohne bie gerechte 2Berthf<häfcung angeborner S3oräüge, für 
melche üRiemanb etma§ fann, ju fchmächen. Sie forbert bielmehr ben ©eft&er 
angeborner SBor^üge auf, bamit sum SBeften ber menfchlichen ©efeUfchaft ju 
muchern, auf bereu Schultern jeber ©injelne unb jeber Stamm fteht. ©3 ift 
mit einem SBorte bie einzig m e n f ch l i <h c ©ef<hi<ht3anf<hauung, möge fie auch 
in eingelnen üRebenjügen noch einmal miberlegt merben fonnen. 

£eil ben ©ermanen, bah fte bie Spätlinge unb eben barum bie SBoUenber 
be§ SRiefenbaueä menfchlicher SBerboHfommnung fein fonnen! §etl befonberä 
$en $eutf<hen, ben ju fpät bei ber SBeltbertheilung gefommenen ^oeten; benn 
fte merben auä bem «gimmel be3 3eu3 bie rechten ©ebanfen unb ©runbriffe 
jum 93au ber menfchheitlichen SBalhalla mitbringen unb barin bie erfte Stelle 
einnehmen! $eil aber auch ber 2Belt, bah bie 2Beltherrf<haft ber ©ermanen bie 
fchltefcliche SBeltbefreiung unb allgemeine Grlöfung bebeutet! 




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/raiun Jier Mcnoluticnt, 

(9la$ einer Slb^anbluttg non 6aint*2lrmant.) 

Statt SJictor <£rttft. 


Sie erfle franjBftfdje SReoolution ift ein eroig fprubelnber S8om, 
Wetter noch in weiter Seme fiänber befragtet unb SSölfer beglüeft. Sie 
SBaffer fmb Kon S3Iut gerötbet, aber jugleidß burd? ©lut geweiht unb Berebelt. 
SSHr $ittern beim SRüefblidC auf jene Sabre; aber wie Bbe, wie troftlog würbe eg 
in ber SBelt augfehen, wenn fte unb alle ihre folgen aug ben Slnnaten ber 
SJlenfchheit geftrießen werben JBnnten! Ser Sag, an welkem ein ßönigghaupt 
unter bem Seile ber SReooIution fiel, wirb jefct in gtattfreich als Srauertag be* 
gangen; aber in bemfelben granfreidj tann fogar eine beäpotifdje SRegierung 
nur unter betgaßnebetip r i n c i p i e n berfelben SReootution, weld?e_bic3 Opfer 
forberte, auftreten. Sie gaßre beg gubelg unb beg ©ntfeßeng, ber Hoffnung 
unb ber Setjweiflung, ber glübenben Siebe unb beg brennenben $affeg haben 
moralif dje Ungeheuer erzeugt, jugleicß aber ©ßarattere ang Sicht geförbert, welche—. 

. mochten fie banbelnb ober leibenb auftreten, pegen ober untergeben—ewig ihren 
Sßlafc im Pantheon ber ©efebießte einnebmen werben. 

3wei fo eben erfdjienene Sßerle — ba§ Such SSegcure’g über bie ißrinjef« 
ftn fiamballe unb bag ©ßeron be SSiUier’S über Charlotte ©orbap—haben bie 
(Erinnerung an jwei grauen wieber aufgefrifdjt, welche, obgleich ben oerfeßie* 
benften Greifen angebörenb unb äujierlich Berfcßiebenften Strebeng, all 
Scßweftern im ©eifte unb ©emütb neben einanber geftellt ju werben Betbie* 
wen unb ber ©poche, in welcher fee lebten, bag ebelfte Seifpiel tnoralifcßer 
Starte gaben. Selbe mit ben IReijen äußerer 2lnmutb unb inneren SBertßeg 
auggeftattet, fchienen fte nur für bag rubigfte, glüdlicßfte Sehen beftimmt ju fein,, 
afö fte plößlich inmitten einer furchtbaren tfataftropße aug ihrer befeßeibenen 
Sphäre auf bie bomenooHe Sahn beg Heroigmug gefeßteubert würben. Sie 
©ine opferte ftch willig ber greunbfehaft, um babureß ben gom beg Himntelg 
ju befänftigen; bie Slnbere glaubte burch ihren Sob bag Saterlanb Bon einer 
blutigen Sprannei erlöfen ju tBnnen. 

©g war eine 3*it entjüdenber Sräume unb feßredtießen ©rwaeßeng. Süßer* 
fen wir einen Slid auf bie Sage, welche ber firijtg Botauggingen. Unter ber 
SBourgeoifte fowobl wie in ben Greifen beg Slbelg, in ganj granlreich wie in 
Sßarig, in ißarig wie am £ofe Bon Serfailleg, führte man nur bie Süßorte ©e* 
rechtigteit, ©hre, ÜJtenfcßenrecßt unb greiheit im SDtunbe. ©g war ein fBrtnlU 
dheg Selirium beg allgemeinen SBoßlwotleng unb ibealer Hoffnungen. SBie ber 
Slftrolog in ber gäbet, ftürjte man, bie Sterne betrachtenb, in einen Slbgrunb 
hinab, unb bie ifkinjeffin fiamballe ju Srianon, ©harlotte Gorbap ju ©aen 
gaben ftch berfelben fchönen gHufton über bie Sutunft hin, ©g fchien bie 3eit 
getommen ju fein, wo alle Sorurtheile, alle Schanbe unb alleg ©lenb feßwinben 
foUten. Sie Sßrinjefftn war ©roßmeifterin einer greimaurerloge, Bon welcher 


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Marie Antoinette faxtet ,,©ott ift bort in Aller Munbe, unb man tbut oiel 
©uteg. Man ergebt bie Sinber ber armen ober geftorbenen Mitglieber unb 
oerbeiratbet ihre Söcbter. Mir fcbeint aßerbingg alg tonnte man mit meniger 
Geremonietn ©uteg tbun; aber mag liegt baran, trennt nur gef (hiebt ?" — 
Gbarlotte Gorbap, meldje mit bemfelben Gntgücfen bie 2Berfe Slutardjg unb 
3ean 3acqueg Aouffeaug in fi<h aufnabm, träumte nur oon einer Aepublil 
ooß ftrenger Sugenb, erhabener Aufopferung unb bo^berjiger Sbaten.-— 
Ohne etmag oon ihrer Anmutb eingubüfjen, breite fi<h bie frangöfifche Gonoer** 
fation um bie emfteften unb michtigften fragen. Ueberaß geigten fid? bie pi* 
lanteften ßontrafte. 3m gelblager fprad? man, mie Sägur in feinen Me- 
moiren fagt, oon Unabhängigst; ber Abel fchmdrmte für bie Semofratie ; 
auf ben Sailen pbßofopbirte man, unb im Souboir mürbe moraliftrt. SDlit 
Aecbt bemertt bie Staeß: „2Ber in jener 3*it lebte, mirb gefteben müffen, bajj 
bie Menfchen nie geiftooller unb nie beffer gemefen fmb." Aie batte ber jün- 
gere Abel mehr ©lang entfaltet; bie Gonferoirung mittelalterlicher Sitten bin- 
berte ibn aber nicht baran, fich für bie plebejifche ©leichbeit gu begeiftem. Aller** 
bingg tarn babei oiel 2$&ri<bteg gum Sorfchein, unb mie menig ftichbaltig ber 
Gntbufiagmug mar, geigte bag fpdtere Senebmen beffefben Abelg, alg ber fronen 
^beorie bie Sßrayig gur Seite treten foßte; aber für ben Augenblicf mar ber 
Aaufd? oorbanben, ein feuriger ©taube an ben gortfchritt, eine bobe Artung 
oorber Aßgemalt ber $bitofopbie unb oor ben SGßerlen ber ©eiftegbdupter 
mobnte in ben bergen Serer, melche ben gortfchritt unb bie Siege beg ©eban** 
teng am meiften gu fürchten batten. Selbft bag ßönigtbum hafte bie Gtiquette, 
unb bie Höflinge forberten ben alten feubalen ^ochmutb tn bie Scbranfen. 

Unter ben grauen beg bamaßgen frangöfifc^en §ofeg mar feine beliebter 
unb adjtunggmürbiger alg bie ^ringeffm Sambaße. Am 8. September 1749 
in Surin geboren, bteatbete DJtarie Sberefe Souife Oon Saoopen*Garignan 
fdbon in ihrem fiebgebnten 3ab*e ben neungebnjabrigen «gergog oon Sambaße, 
Sobn beg $ergogg oon $entbieore unb lebten Spröfsling ber ißegitimen Aach* 
fommenfdbaft Submigg beg Siergebnten. Schon menige Monate nadb ihrer 
Serbeiratbung SBittme gemorben, meibte fie fidb fortan ber pflege ibreg Sehnte- 
geroaterg. S<bön, reich unb geartet, bie Trägerin gmeier berühmter Aamen, 
batte fie leidet mieber eine ber gldngenbften Serbinbungen eingeben lönnen; 
aber fie gog eg oor, einem Anbenfen treu gu bleiben, unb bemeinte einen ©atten, 
ber ihrer .feinegmegg mürbig mar, alg mdre er ber befte aßer Männer gemefen. 
3bre Sefriebigung fanb fie in einer fortmdbrenben Selbftaufopferung. Segcure 
entmirft ein rübrenbeg Silb oon biefer $eriobe im Seben ber Sringeffm, unb 
man begreift banadb leidet bie Spmpatbie, melche fie ber Königin empören 
mufte. gn ben Augen ber beutfdb trdumerifchen Marie Antoinette befafj bie 
Melancholie ber jungen SBittme einen unmiberftebßchen Aeig, eine fotche greun** 
bin in ihrer Adbe gu haben erfchien ihr alg ein ©lüd, unb fie ernannte bie 
junge Attttme gur Dberintenbantin ibteg 4>augbaltg. 

Mittlermeile batte ber £origont ftch fchneß oerbüftert. Sie Sringeffut, 



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Wet4e, wdhrenb bie ^otignacg in ber ho4ftet ©unfl ffonben, fi4 auf bie 
©üter ihreg S4wiegerbaterg gurüdgog, eilte augen^>lidli4 wieber gur Königin 
alg biefe in ©efahr f4webte. Sie Sta4ri4t bon bem, wag fi4 am 5ten Dfto* 
ber 1790 in SSerfaißeg’ ereignet, traf fte in ©u, unb fie rief aug: „34 mufj 
fofort abreifen !" 64 m am na4ften Sage traf fte bei ber Königin in beit gum 
©efdngtiip geworbenen Suißerien ein. SBei ber glu4t beg ßöniggpaareg na4 
SSarenneg begab fie fi4 na4 ©nglanb. SBergebeng f4rieb ihr am 22ften 
Sluguft 1791 bie Königin: „$ei biefem f4*edß4en 6tanb unferer Singelegen** 
feiten geretöt eg mir gur Beruhigung, ba{3 Sie, liebe Sambaße, in 6i4erbeit 
fmb. ßefren Sie um ©otteg willen ni4t gurüd. 34 fenne 3h* treuem $erg 
unb mo4te 6ie um feinen spreiz in unfer ©lenb berwideln; aßen Senen, 
Wel4ß i4 liebe, bringe ^^ur Unglüd. gügen fte ni4t meinen eigenen Seiben 
no4 bie Unruhe um Sie htogu. 0 über bie glüdli4en Seiten, wo wir gu* 
fammen promeniren unb plaubem lonnten ohne bon wüthenben Bolfgmajfen 
umbeult gu werben ! Sio4 einmal, bleiben Sie wo Sie fmb; ftürgen Sie fi4 
ni4t in ben 9ta4en beg Sigerg l" Slber bie Bringeffin horte nur bie Stimme 
ihreg £ergeng. Sie ma4te ihr Seftament, unb im Stobember 1791 war fie wieber 
bei ber greunbin. Seitbem berlief} fie ben Sßoften ber ©efahr nur um gu fter** 
ben. So würbe bieg f4wd4li4e, garte SBefen, wel4eg ben Suft eineg Beil* 
4en*Bouquetg für4tete unb wegen feiner häufigen Obnma4ten Siedereien un* 
terworfen war, bur4 bie ©efahr geftdhlt unb geigte guglei4 mehr ©inft4t unb 
mehr d4te Energie alg ber Slbel, wel4er unter bem Borwanb, ben fiönig ber** 
theibigen gu woßen,- ihn im Sti4 liefe. 3e bitterer bie Königin fi4 über 
bag Benehmen ber ©migrirten beflagte, wel4e, wie fie fi4 augbrüdte, na4bem 
fie fi4 fclbft ruinirt, jefct au4 no4 bem Könige ben Untergang bereiten mußten, 
befto tiefer empfanb fie bie Setbftberleugnung ber Sambaße, unb in einem Sin** 
flug enthufiaftif4er Sanfbarleit f4rieb pe an biefe: „2ßel4eg ©lüd, um 
feiner felbft wißen geliebt gu werben! 3n 3h*er 3lnhdngli4feit unb in ber einU 
ger anberen greunbe wurgett meine Äraft. Stein, gfauben Sie ni4t, bafe eg 
mir an SJluth fehlt. 3hnen gehört mein £erg big gum lebten Sltfeemguge." 
Sie Bringefpn felbft f4rieb an SRabame be la Sto4ejacquelein: „3e mehr bie 
©efahr Wd4ft, befto ftdrfer fühle i4mi4. 3<h bin bereit gu fterben, unb für4te 
Sli4tg/' Slm 2Öften 3uni, alg bie Sftenge in bie Suißerien brang unb bie 
Königin fi4 mit ben SBorten: „üßtein $lafc ift beim Könige!" in bie $ifen 
pürgen woßte, rief eine fanfte Stimme: „3 h * B l a fc ift beighrenßin* 
ber n!" ©g war bie Stimme ber Sßringefpn bon Sambaße. Sie treue greun* 
bin folgte ber fönigli4en gamßie in benSemple, unb berliefe fie nur um in ben 
Werter bon la gorce geworfen gu werben, wo bie genfer ihrer harrten. SRan 
befahl iht, ber greiheü unb ©lei4heit Sreue, bem Könige unb bem Äonigfhum 
$afe gu f4w5ren. Stuhiß antwortete fie: „Sen erften S4wur Ieifte i4 gern; 
ben gweiten fann i4 «i4t ablegen, benn er liegt ni4t in meinem bergen." 
©inSlfpffcnt flüfterteihr gu: „S4wörenSie bo4! ©g rettet3hnen bag Sehen!" 
Sie antwortete ni4t, hob bie £änbe gu ben Slugen empor, unb ging auf bag 


rgpii 




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Sförtchen ju. (Sitte Stimme rief: „Sagt Rtabame hinaus!" 3)iefer Ruf mar 
baS Signal ju ihrer Rieberme&elung burch bie SeptembrifeurS. 

2)ie Srinaeffm Sambaüe unb (S^arlotte ©orbap fielen im Heroismus unb 
in ber Selbftberleugnung auf gleicher Stufe. 2)ie ©ne hatte fuh ber Königin 
unb greunbin, bie Slnbere bem Saterlanbe gemeibt. Stürze bie Sßrinaeffm 
fuh freimillig in ben Sibgrunb, ber fie berfchlingen mupte, fo gab ©barlotte 
©orbap, gleich Subith „mit ber munberbaren Schönheit gefchmüdt, melche ber 
Herr ihr verliehen", freubig ihre Schönheit, ihre Sugenb unb ihre Hoffnungen 
hin. SilS Rtörberin mag man fie tabeln,man mag ben ©runbfafc aufrecht erbat* 
ten, ba& ber ©njelne nicht berechtigt ift, fich aum dichter für bie ©efammtbeit 
aufjumerfen, unb bafj bieS am menigften bem SBeibe gejiemt. 2Ran mag in 
Slbrebe ftellen, bab ber Rtorb jemals etmaS ©uteS ins fieben rufen !ann, bab 
er jemals bie Sache förbert, ber er bienen foll. Slber fühlt ber falte Serftanb 
fuh aufgelegt, baS SerbammungSurtbeil über ©barlotte ©orbap ju fällen, fo 
mirb baS Hera pe immer freityrechen müffen. Sn ber Sibel unb in ben lieber* 
tieferungen beS beibnifchen SlltertbumS, melche ihr bie geiftige Nahrung liefen 
ten, fanb fte eine fo bielfältige, eflatante Rechtfertigung beS fcprannenmorbeS, 
fie folgte einer fo heiligen, gemijfenbaften Ueberjeugung, einem fo reinen 3m* 
puls, fie mar fo einfach unb befcheiben, unb benahm fuh enblich fo mutl;ig im 
Slngefuht beS SobeS, bap man es begreiflich pnbet, menn Äbam £uy felbft bor 
ben Heufem ihr ben Tribut ber Semunberung Rollte, unb für biefen beroifcben 
©ntbufiaSmuS freubig fein Haupt auf ben S3locf legte. 2)en ©ngel beS 2Reu* 
chelmorbS nennt Samartine bie ÜRörberin Rtarat’S. ßann bie ÜRorbmaffe je* 
malS gemeibt merben, fo mürbe pe’S in biefer Hanb. 

Rtarie Sinne ©barlotte be ©orbap b’Slrmont mürbe am 27. Sali 1768 
in Saint^Saturnin beS SignerieS bei Slrgenton geboren. Shre gamilie gehörte 
ju bem ätteften Sibel ber Rormanbie unb leitete ihren Ramen bon ber Sefifcung 
©orbap her. ©inft reich unb mächtig, mar fie jefct ihres ©langes entfleibet, 
unb als ©barlotte geboren mürbe, bemobnten ihre ©Item ein ftrobbe&ecfteS 
Häuschen, mie bie meiften Säuern ber Rormanbie, mit einem Hafraum, einem 
Srunnen unb bon einer epbeubebecften Rtauer umhegt. Shr Sater mar fo 
arm, bab er fuh bon mehreren feiner ßinber trennen mufjte, um fie mphlhaben* 
bem Sermanbten anaubertrauen, bie unentgeltlich für ihre ©Tagung forgten. 
©barlotte mürbe nach SBicque au ihrem Onlel, bem Slbbe be ©orbap, Pfarrer 
beS 2)orfeS, gefanbt. 2)ort berlebte fie mebtere Sabre in bem Sfarrbaufe, 
metcheS noch jefct am 2Bege bon Sät nach SRorteau* au feben ift. Jgbre erften 
fiefeübungen mürben an einem alten ©jemplar ber üffierfe ©orneille’S bor* 
genommen. 3hr Urgrobbater hatte eine Richte bom Serfaffer beS „©inna" ge* 
beiratbet, unb jenes ©yemplar mar ein gamilien*Sermä<htnif5. 2)ie erften ©in* 
brüäe, melche ©barfottenS H^a empfing,- maren bie ber Religion unb beS 
Heroismus, unb nie follte fie biefelben bergeffen. 3 m Älter bon bieraehn gab* 
ren berlor fie ihre ÜRutter unb mürbe bon ber Slebtifpn SRabame be Selfunce 
gratis in bie Slbbape auf 2)ameS §u ©aen aufgenommen. S)er Reffe ber 



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Slebtifftn, §ert t>. SBelfunce, SMajor int Infanterieregiment iöourbon, Verliebte 
ftdb in Gburlotte unb marb um ihre $anb, bie ibm audb gugefagt mürbe; aber 
al! eben ber 93unb gefdbloffen merben follte, fiel ber Bräutigam in einem 
Kampfe feinet Stegiment! mit ben Sieoolutionär!. ©ein $opf mürbe auf 
einer $ife umbergetragen, fein £erg uu! ber 93ruft geriffen unb auf glübenben < 
Noblen oerbrannt. 33alb nadbbetn fte ihren Verlobten auf biefe SBeife einge* 
bubt butte, faßte fte audb nodb ib^e§ Slfpl! beraubt merben. die Klafter mur* 
ben aufgehoben unb fte mufjte bie 2ibtei, oerlaffen. Unermartet trat fte bei 
einer alten SBermanbten, Sßtabame be 23retteoiße, ein, meldbe in Gaen ein bü* 
ftere!, in halb gotbifdbem ^tpl gebaute! §au! bemobnte, unb ba! Grftaunen 
ber alten dante, meldbe bon biefer Siidbte nie ein ©terben!mörtdben gehört, 
lannte feine ©rengen. dennodb gemährte fte ihr bie erbetene ©aftfreunbfdbaft, 
unb Gburlotte foßte bie! $au! nur oerlgjfen um bie ^at gu begeben, bie ihr 
ba! Sehen foftete unb f\e unfterblidb madbte. 

SBeldbe 3^it mubte e! fein, in ber ein foldje! üßtäbepen ben ßßörberboldb 
ergreifen fonnte, unb meiner ©türm ber Gmpörung mubte in biefejn garten, 
nur für bie Siebe gefdbaffenen bergen toben! SDiefelbe Gburlotte, meldbe nur * 
bon einer ibealen SiJpublif träumte unb ftdb im Sabre 1791, meigerte, auf ba! 
SBobl be! Äönig! gu trinfen, meil er gmar tugenbhaft, aber al! fdbmadber Äö* 
nig, ber bie Seiben feine! SBolfe! ungelinbert lajfe, nidbt gut fein iönne — 
biefelbe Gburlotjte mürbe bom tiefften ©dbmerg übermältigt, al! fte bom dobe 
be!, minbeften! ebenfo unglüdflidben mie fdbulbigen ßftonardben hörte. 3um 
crjien ßßalmirb hier bon §errn SBißier! ein 23rief ber Deffentlidbfeit übergeben, 
ben fte am 28. Simi 1793 an eine ihrer greunbinnen fdbrieb. G! beifct bar** 
in: „du buft bie fdbredßidbe Stadbridbt bernommen, liebe Stofa; dein $er£ mirb 
.mie ba! meinige bor Gntrüftung gebebt buben, ©o ift benn unfer arme! 
granfreicb bößig ben Glenben preügegeben, bie un! fdbon fo biel Seib guge* 
fügt, ©ott mag rniffen, mie ba! enben mirb. 2lße!, ma! man ftcb an ©nt* 
fefclidbem benfen tann, liegt in ber 3ufunft, meldbe foldbe Greigniffe un! 
in 2lu!ftcbt fteßen. gdb fonnte, faft diejenigen unter unferen SBermanbten be* 
neiben, meldbe ben beimifdben 33oben berlaffen buben, fo febr bergmeifle idb an 
ber Söieberfebr ber Stube, auf bie -idb nodb bor Bürgern buffte, die SJtenfdben, 
meldbe un!4ne greibeit geben faßten, buben ihn ermorbet; fte ftnb nidbtö meiter 
al! genfer. 93emeine.mit mir ba! Unglüdf unfere! armen granfreidb." 
dämmerte bamal! fdbon ber ©ebanfe in ihr, meldber fpäter gur dbat merben 
foßte? gaft mufs man e! glauben, benn in bemfelben Briefe fügt fte bingu: 
„2lße meine greunbe merben berfolgt^ üßteine dante ift, feit man erfahren, 
bafj fte delpbin auf feiner Steife nudb Gnglanb ein Dbbadb gegeben, fortmäb* 
renben $la<fereien au!gefefct. gdb mürbe baffelbe tbun mie er, menn idb*! 
fönnte; aber ©ott bult un! hier gurüdt meil er un! für 
Slnbere! beftimmt bat." 

SSon biefem SJtoment bi! gur entfdbeibenben ©tunbe bemerfte man an 
Gbarlotte eine fortmäbrenbe ©teigerung be! ©dbmerge! unb 3orne!. ©dbon 


kn 


14 


r* 



leimte in ihrer Seele bie 3bee beS DpfertobeS für’S Vaterlanb. 3Jtan ftirbt 
ja nur einmal, fagte fte in einem Vriefe, unb mag mich in ben Schredntflen 
unferer Situation beruhigt, ift ber ®ebanle, bajj SRiemanb etmaS an mitberlie* 
ten mirb. Site bie ©ironbiften in ßaen eine 3uflucht fugten, glaubte fte in 
ihnen bie Vetter beS VaterlanbeS ju erbliden. 2)ab fie, mie bielfach behauptet 
mirb, Varbarouy liebte, mar nicht ber galt; aber bie glübenben SBorte biefeS 
SRebnerS begeifterten fte. ßS bemächtigte jt<h ihrer Vhautafte unb ihres £er* 
ZenS bie Vorftellung, bab ber Vurgertrieg burdh eine grauenhanb beenbigt mer* 
ben lömte. SllleS ßntf etliche auf einen ÜRann zurüdführenb, rief fte aus: 
„Stein, eS foU nicht gefagt merben lömten, bab ein 2Rarat über grantreich ge* 
herrfcht hat!" 3m Slugenblic! als fte bie [Reife nach VariS antrat, fchrieb fte 
an ihren Vater, bab fte ftch nach ßnglanb begebe, „geh fchulbe $ir ©ehor* 
fam, lieber Sßaptt; bennoch fcheibe ich ohne Seine ßrlaubnib unb ohne Sich 
ZUbor gefehen ju haben, benn es mürbe mich zu fehr fchmerjen. 3<h gehe nach 
ßnglanb, meil ich glaube, bab man für lange Seit in granlreich nicht glüdlich 
unb ruhig mirb leben lömten. Vei ber Slbreife bringe ich biefen Vrief auf bie 
' Sßoft, unb menn Su ihn empfängft, merbe ich baS 2anb bereits bertaffen haben. 
Ser §immel bermeigert uns baS ©lüd, beifammen zu leben, mie er eS fo bielen 
Slnbem borenthält. Vielleicht mirb er gegen unfer Vaterlanb barmherziger 
fein als gegen uns." Sie in biefem Vriefe enthaltene ÜRothlüge erllärt ftch aus 
bem ffiunfeh, einer Verfolgung unb baburch einer Vereitelung ihres planes 
borjubeugen. 

SaS Vaterlanb! SaS mar fortan ihr einziger ©ebanle. Sie gmeifeite leinen 
Slugenblid an ber Verewigung ber Sthat, melche auszuführen fte im Vegriff 
ftanb. „Vin ich fdjulbtg", fchrieb fte, bebor fte ben Stob führte, „fo mar eS 
auch SttcibeS, als er bie Ungeheuer bemichtete; gab eS mohl jemals fdjeublif 
<here als bie unfern ?" [Richte fchien liefern ©elbengeifte natürlicher als bie 
4)inopferung beS eigenen SebenS für einen groben unb heiligen 3m$d. Sie 
Vemunberung, melche fte, als. bie $hat boUbracht mar, bermanbten Seelen ein* 
flöbte, fe^te fte in ein naibeS ßrftaunen. SRie mar ihr fchöneS ©eftcht ruhiger 
unb heiterer als in bem üftoment nach ber ßrmorbung DRarat’S. 3 n baS ©e* 
Jängntb ber Slbtei unb bie bor ihr bon ÜRabame Volanb bemohnte 3eüe ge* 
führt, zeigte fte eine folche Veftgnation, eine folcheSlnfpruchSloftgleit unb Sanft* 
.nwtb, bab felbftbie ßerlermeifter baburch gerührt mürben. „3<h beftnbe mich 
im ©efängnib bolltommen mohl", fchrieb fte am Sage nach 2Jtarat’S Sobe. 
„2)ie ©efangenmärter ftnb bie beften 2Re*tf<hen bon ber SBelt. 3<i geniebe 
einer löblichen [Ruhe; eS giebt leine Eingebung, melche nicht gröbere 3ufrie* 
bettheil bereitet, als eS Schmerzen loftet, ftch ju ihr zu entfchlieben." Ohne Ve* 
bauern, ohne SRurren entfagt fte bem Seben; fte miU nicht bemitleibet, fonbem 
ttui fo {chnell mie möglich bergeffen fein. 3 n ihren Slugen mürbe bie Srauer 
ibttr.gretptbe ihr Slnbenlen entehren. 

.So ruhig mie fte ftch im ©efängnib zeigte, fo ebel unb ftolj trat fte ihren 
SRuhtem gegenüber. „Schon bor ber Veboluiibn mar ich Stepublitanerin", fagte 

«d _ 


211 



fte, „unb nie fehlte ed mfr an Gnergte." — 2Bad berfteben Sie unter Gnergie? 
— „$en üßtutb, bad eigene 3ntereffe ^inienansufeben, trenn ed gilt, ft<b für 
bad SSaterlanb gu opfern." — S)ie einzige gurcbt, treibe fte befeelte, toar, ba{$ 
ihr 93ertbeibi(jer, Gbaubeau*2agarbe, bie Gntfcf?ulbigung bed SBabnftnnd bor* 
bringen m5<bte. Sie toill nid^t entftbulbigt fein; bor ®ott unb borben 
ÜRenfd&en übernimmt fte bie SSerantmortung für ihre $bat. Site fte gurn £obe 
berurtheilt toar, toenbete fte ftcb gu ihrem SSertbeibiger mit benSB orten: „3# 
banfe 3bnen für ben SJtutb, mit treuem Sie mich auf eine 3faer fomobl toie 
meiner toürbige Slrt bertbeibigt buben. 2)ad SBenige, toad i<b befifce, toerben 
biefe Herren confteciren; i<b miß 3bnen aber meine $antbarteitbabur<b geigen, 
bafc i<b Sie bitte, bie Keinen Scbulben gu benötigen, toel<be i<b im Werfer rna* 
<ben rnufcte. 3<b * e<bn* babei auf 3b*e ©rofmtutb."— 3« bud rofte ©etoanb ber 
äJtörber gebüßt, befteigt fte feften Säjritted ben Xobedtarren. ,„S)er SBeg 
fommt 3bnen toobl lang bor", fagte ber S(barfri<bter Samfon. „Seiriedtoegd", 
ertoiberte fte. „2Bir lommen immer no(b früh genug an £)rt unb Stelle." 
Site bie Sonne eben hinter ben Söäumen ber Glpfeifcben gelber untergebt, langt 
ber Darren auf bem ßtebolutiondplafce an. Samfon miß fub bor fte fteßen, 
um bie ©uißotine bor ibr gu berbergen; aber fub gu ibm borbeugenb, fagt fte: 
„3<b bube toobl badßiecbt, neugierig gu fein, benn idj febe begleichen beut* 
gurn erften üß^gle." Site fte, ruhiger, heiterer benn je gubor, bäd Sc^affott be* 
ftejgt, t5nt ed ringsum: „2Bie fdjube! So jung unb fo ftbön!" Sie grüftt 
bie SJtenge mit freunbli(bem Säcbeln, unb unaufgeforbert bietet fte bad $aupt 
bem Xobedftreid? bar. Sie bringt und ben Sob, fagte SSergniaub, aber fte lehrt 
und toie man fterben rnuft. 


plager unti Jtil Urfadjtn Mefer <3ujiän&t mb 
Pefcitigtntg frtrfeltitn. 

Jöon f. Siebematus. 


Sa8 ja grobe ober ju geringe ©emic&t be3 menfriidjen ßörfeera ift ein 916* 
treiben öon bet Norm, welche beftimmt wirb bur<6 ein SBer^dltni^, baa gwifdben 
©eroidjt unb Sänge beä Körpers beftebt. SNan tnujj fagen lonnen: Gin Sibx* 
per, ber f o grofs ift, muff f o ferner fein. 3ft bemnacf) ein Heiner SBenfdj fo 
ferner ober fdjwetet, alä ein grober, fo barf man f(blieben, bab Grfterer entweber 
fcbweter ober bab Sefetecer leister ift, afö er fein foHte. Ga giebt alfo ein Slot* 
nwlgewkbt für bie Sänge jebeä Äötbera unb umgelebrt, wie jablreicbe Ntejfun* 
gen unb Nbwägungen »on Ntenf<ben bartbun. 

Sie Normallänge eine8 Neugeborenen wirb auf 16 bia 18 3oH, beffen 
Notmalgewi<bt auf 7 bia 8 ißfunbe feftgefefct. Sie Normallänge einea 2lu3* 
geworfenen nimmt man ju 60 bi8 70 3°Den, bejfenrNormalgewirt ju 120 



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212 


bis 180 ^funben an. Nähme matt cm, baß bic Sange beS Körpers im $8er« 
bältniß gum ©emid&te beffelben im Steigen begriffen fei bis gum 25. SebenS« 
fahre, wo ber ÜNcnfcb feine bolle normale Sänge unb Schwere in ber Siegel er* 
reicht bat, fo fönnte man verleitet werben, gu fdbtrejäen, baß Sänge unb ©ewiebt 
g. f8. born nieberften ©afce, 16 3oH unb 7 Sßfunbe bei bet ©eburt, bis gum 
böcbften Safce, 70 Qoü unb 180 Sßfunbe, bureb eine regelmäßige febrittbältenbe 
ftufenweife 3unabme ber Sänge unb beS ©ewicbteS erlangt fei. $em ift nicht 
fo. ©S tritt bielmebr ein umgefebrteS SBerbältniß ein, inbem bei bem Neuge« 
borenen bie 3&bl ber Soöe fld^ büreb bie 3abl ber Sßfunbe ungefähr 
fo oft tbeilen läßt, als beim ©rwaebfenen bie 3&bl ber ißfunbe bureb bie 3abl 
ber 3°tfe Qctbcilt werben !ann, fo baß bei ©rfterem auf ein $funb ©cbwere 
über gwei 3*>tt Sänge !ommen, bei Sefcterem hingegen auf ein 3oll Sänge über 
3 Wei $funb Schwere. SBäre baS Sängen« unb ©cbweren«$Berbältniß 'beS 
Neugeborenen Norm für baS gange Seben, fo müßte ein AuSgewacbfener bon 
70 3oß Sänge faum 30 Sßfunbe wiegen; unb wäre baS Sängen« unb ©cbwe« 
ren«58erbältniß beS AuSgewacbfenen Norm für ben Neugeborenen, fo müßte 
berfelbe bei 16 Qoü Sänge faft 40 Sßfunbe ferner fein. 2)aS ©ewiebt beS Kör« 
perS nimmt bemnacb fcbneller gu als beffen Sänge, unb eS muß eine 3eit ber 
Körperentwidelung geben, wo einem jeben 3oH Sänge ein $funb Schwere ent« 
fpriebt unb bon wo an bie Sänge unb Schwere in ihrem Nerbältniffe ftcb freügen 
unb le&tere mehr gunimmt, als erftere. 2)iefe Seit muß bei normaler Körpeient« 
Widelung in bie"frühe Kinbbeit fallen. 

Sn unferen cibiliftrten Suftänben ift eS fdjwierig, bieHeicbt unmöglich, 
enbgültige Sängen« unb ©emiebtsbeftimmungen gu erlangen, ba bie füm« 
merlicben ober gu üppigen SebenSoerbältniffe, ererbte Kraßheiten, fehr ber« 
fdßiebene geiftige unb förperlicbe Anlagen unb S3efcbäftigungen unb thorichte 
©rgiebung bie rein primäre (Entfaltung ber Sänge unb beS ©ewicbteS beS Nten« 
feben in ben berfebiebenen AlterSftufen wefentlieb beeinfkiffen, wie eS über« 
baupt febwer fallen wirb, in unferen cibiliftrten ober übercibilifirten Verhält« 
niffen Normal« ober 2Mobell«3Nenf<ben gu finben. 

S)ie Abwägungen unb Abmeffungen ber Neugeborenen mögen noch an« 
nehmbar fein, obwohl biefelben meiftenS in öffentlichen Anwälten bon eifrigen 
AnfangSpraftifanten borgenommen werben unb man nicht behaupten fann, 
baß in biefen Anftalten bieüNütter, unb ehe fte in biefelben fommen, in ben ange« 
nebmften SJerhältniffen leben, Was gewiß nicht günftig auf bie ©ntwide« 
lung ber Kinber wirft. ®ie Nefultate biefer Nteffungen unb Abwägungen ftnb 
baher nur annähernb richtig. 

©benfo unguberläfftg wären bie Sängen« unb ©ewi<btS«Angaben für bie 
folgenben Sabre bis gut ©rlangung ber größten Normallänge unb beS febwer« 
ften Normal«©ewicbteS. Ntenfcben, bie wie namentlich hier gu Sanbe fo häufig 
lörperlicbe unb geiftige SreibbauSpflangen, ober ©i bilifationS« unb ArbeitS«Krüppel 
ober jugenbliche ©reife ftnb, würben fub gu folgen Unterfucbungen fo wenig 
eignen, als bie in bieten ^heilen ®eutfcbianbS mit Kartoffeln ober Noggenbrob 


m 


Ueberfütterten, ober bie in gabriten Serbarbtjn ober burh beseitige geiftige 
Nnftrengung Serfümmerten. 

Solche Meffungen unb Nbwägungen lönnten, vorüber mancher gähnte 
©eburtS^elfer erfhreden mag, nur bei toilben Sölfern oorgenomnten werben, 
wo bal gange Sol! in feinen SebenSoerhältniffen auf gleichem guße fleht. 3m* 
bejfen mürben bie Nefultate auh biefer Unterfuhungen nicht für bie gange 
Menfhheit gelten fönnen, ba bie Menfhen in anberen Sreiten ein oerfhiebe* 
neS Serhältnifj ber Sange gur Schwere geigen muffen, weil baffelbe bebingt iffc 
burh baS iUima, bie SebenSmittel unb SebenSmeife; wie gum Seifpiel bei ben 
f(hlan!en Sübfee*3nfulanent, ben hageren unb bidtbauebigen Nuftraliern, ben 
unterfe^ten Sappen, ben maffioen, utuSfußfen Negern, ben langbeinigen Sa* 
tagoniem, ben gierlihen Malapen, u. f. m. 

Sei uns geftattet man einen Spielraum für bie normale Sdnge unb 
Schwere beS Körpers fomohl für Neugeborene als Grmahfene, unb was brunter 
ober brüber ift, wirb als unregelmäßig angefehen. 

Tie Temperatur, bie Sefdbaffenpeit ber Suft, beS SobenS unb SBafferS, 
baS Sonnenlicht, bie Reibung, (Erziehung, Nahe, Shlaf, förperlihe unb gei* 
ftige Sefchdftigung, fociale, politifhe unb religiöfe Serhältniffe, ererbte Nnla* 
gen, Mirtung oon ßranfheiten unb Heilmitteln, Glectricität unb Magnetismus 
bebingen außer ber Nahrung baS ©ebeihen ober Mißrathen beS Körpers unb 
©eifteS/fowohl bei ganzen Nacen unb SolfSftämmen, als in gamilien unb bem 
einzelnen gnbioibuum. 

NUe biefe -ober hoch eine größere Nngahl biefer Ngentien müffen in gün* 
ftiger ÜBetfe auf ben Körper toirfen, um bejfen ©ebeihen gu förbern, welches 
hauptfählih burh ben fogenannten Stoffmecpfel in allen Thetlen beS ÄörperS 
bebingt wirb. Stoffmecpfel ift übrigens ein unrichtiges 2Bort, um einen Sor* 
gang im Körper gu begeihneri, ber fth baburh hara!teriprt, baß bie Neuergelt* 
gung ober Serjüngung ber Theile baS Nbfterben unb bann bie Nbftoßung ber 
burh baS Seben alt geworbenen Tpeile oeranlaßt. — Man foUte einem 2Ball=* 
ftreetfönig mit folgen 2Be<hfelgefhäften fommen, er würbe ben ©elehrten gei* 
gen, was „SBehfeln" heißt* 

SBirfen bie obengenannten Ngentien in gu hohem ober gu nieberm©rabe 
auf ben fiörper unb in bemfelben, fo muß ber Stoffwehfel, welches SGBort 
ich als gang unb gäbe beibehalte, gu fehr gefteigert ober oerminbert werben, 
unb erfolgt ein Mißoerhältniß gmifhen Ginnahme unb NuSgabe, gmifhen Ser« 
jüngung unb Nbfterben. Tiefes Mißoerhältniß muß früher ober fpdter baS 
©ebeihenbeS üörperS unb ©elftes unb felbft beren Gyifteng gefährben. Ter 
entartete Stoffwehfel ift gewiß minbeftenS ebenfo oft Urfahe als 2Bir!ung 
ber ineiften ßranfpeiten unb Urfahe beS Sterbens. 

Ter Stoffwehfel geht bei oerfhiebenen Menfhen oerfhieben- rafh unb 
OoWommen oor fth. ©n Menfh, ber fih anftrengenbeSemegungbeim ©eben, 
ober beim Neiten, ober bei ber Nrbeit mäht, oerbrauht bie burh bie Nahrung 
gugefühtten Stoffe fhneller, als ber, welcher fth geiftig abmüht, oiet ber Nuhe 

f f 


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pflegt unb nicht in freier Suft fih »aufhält. Sergnügte Slenfhen in frBblftbet 
Unterhaltung Derbrauchen ihre ©toffe fchneUer unb oolllommenet, afö flopf» 
hänget unb 2Jludet. SEDürbc man einen Säuern, einen gäger, einen £olj» 
ßader, einen ©olba'ten im gelbe, einen ©robfhmieb nähren tote einen ©huü 
meifter ober phantaficreihen ©höngeift, einen grttbelnben Shitofophen, einen 
Süherrourm, Seifner ober Schreiber ober umgefehtt, nahheilige golgen wüt* 
ben fuh halb einfteHen. Setliebte treffen salva venia mit einanbet tote 
SEBölfe; glüdlihe ©pefulanten feßen flühe unb fleller 31 t, unb fo toitb tio<h 
manheä ©lüd gefeiert Durch flauen, Serfchlingen, Kagenbeläftigen ic. Ur= 
fprünglih toaren biefe ©hmaufereien gemijj nur Sebürfniß butdj bie 
Dermehrte (Sßluft, melhe bie glüdlihe Stimmung beä ©ernütbä erregte; 
fpäter entftanben bie obligaten “Sonoenienj» unb 3t®ed»dffeteien, too Seute, bie 
fuh gar nicht‘freuten, miteffen unb mittrinfen muhten, uno mitgegangen, mit» 
gefangen unb mitgehangen s ift toohl oft Dorgelommen. 9Bie herrlich pnb bage» 
gen bie gamiGenfchmaufereieit, too SCtteä mitißt, mitlacht, mitfherjt unb mit» 
Derbauet. 

3m Sorben unb ©üben ift ber ©toffoerbrauh gleihfaHä Derfchieben; bet 
meift Sflanjenftoffe genießenbe Sropenbemohner mürbe bei bet animalifchen 
floft ber Solaraienfcben unb ebenfo biefer bei ber floft gener ju ©runbe gehen. 
Sie Kenfhen Derfdjiebener Sreiten unb fjößen unb Sefchäftigungen menben 
fuh Don felbft ben Speifen ju, weihe ihnen juträglih, unb wenn man ’fo toiO, 
naturgemäß ftnb. Kan hat bie gafelei aufgeftellt, baß bie Satur bem Ken« 
fdjen immer baä liefere, toaä Ihm juträglich fei, afö ob bie Kenfdjen in ben 
fürforglicßen Schuß bet Salut genommen mären unb afö ob nicht auch befö 
©häbliche auä ber Satur tomme. Ser Kenfh nimmt Dielmebt auä ber gto» 
ßen Sorrathälammer bet Satur, in ber baä Süßliche unb ©djäblihe unterein» 
anber angehäuft liegt, baä, maä et braucht, mobei ihm böhftenä juerft bie dr» 
fahrung, fpäter ber Serftanb behülflich mar. 

Such in ben Derfhiebenen Sebenäaltern ift ber ©toffoerbrauh Derfchieben. 
Ser madjfenbe Kenfh, baä in unermübtiher Semeglicßteit unb bem glüdtihen 
finblicßen Seichtfenn, bem toftgen Sichte für baä ©ebeihen beä Kenfhen, bahin 
lebenbe flinb, Derbrauht mehr ©toffe afö ein Suägemahfenet. Saä SBadfö» 
thum beä flBrperä, bie fuh fpäter einfteHenbe gähigteit, ben flBrper ju Der» 
mehren, unb Die Sefeftigung Der flörperlraft »erlangt baä, unb um eä ju ©taube 
3 U bringen, fann baä flinb faft beftänbig effen. ©eine Siebe unb fein flummer 
finb SSBaffer in ein Sieb gegojfen; eä hat Sahen unb Keinen in einem 
©ädhen. 

3m hohen SHter nimmt ber ©toffmehfel ab,'unb hier fragt eä fuh: ob ber 
Derminberte ©toffmehfel baä Slter, ober ob biefeä jenen erjeugt. 

3n ber drholungäjeit Don flrantheiten effen bie Kenfhen mehr, um bie 
mährenb ber flranlheit unb toohl auh bie buth bieSehanblung übermäßig per» 
brauhten ©toffe ju erfeßen. 


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215 


\ 2)a8 SStißberhältniß jwifchen Stufnaßme unb SBetbtaucß bet Stoffe beran* 

laßt ju ftarle Slbnahme ober Sunahme beS JtörpergewühtS, 3uft&nbe, welche 
' gewiß beunruhigen bürfen unb ben £ftatl? eines SlrjteS erforbern. Ser Simert» 
lanet, bet {)ier wie überall burcß feine nafewelfl öberflächlichteit ftcb auSjeicß* 
net, wägt ficß feßt häufig, unb eine unbebeutenbe Slbnaßme beS ©ewicßtS er» 
regt bie Sefürdjtung, bie fchtedlidhe consumption — eine hier häufig burdj 
fßatentmebicinen geheilte ßranlßeitl — fei im Slnjuge; aus bet unhebeutenben 
3unahme beS ©ewidßtS bagegen conftruirt er ftih bie gurcßt bot bet ©affer» 
fucßt. — SDtan hdti häufig, baß ein bidet Slmeritaner biefen ober jenen 33abe» 
bläh ober Sommeraufenthalt rühmt, weil er bort in berSEBoche einige Sßfunb 
abgenommen, ober ein bünner empfiehlt feinen ©ewichtScoltegen einen Ort, an 
bem et mScbentlich fo unb fo biel fßfunbe jugenommen habe, unb biefe Orte 
finb oft biefelben, too ber ©ine leichter, ber Slnbere fernerer tnutbe. SJeibe 
toiffen nicht unb benlen nicht batan, ihre ärjtlichen Stathgeber aber oft ebenfo 
wenig, bah bie »eränSerte SebenSweife, bie Entfernung bom ©efdjäfte unb bon 
ben fcblemtnenben Glubftßungen u. f. t». bie Sktänberung bei ©ewttßteS her* 
borbringen. Set amerilanifche Slrjt weiß wenig bon ©efunbheitS» ober Jtran* 
ten*Siätetit, unb bet Saie fcßöpft fein SEBiffen aus ben jährlich unter bie $au3* 
tbür geflohenen $atentmebicinen»3llmanach3 unb ben leiiht jngänglichen, jum 
Seitbertreih befugten SSorlefungen wanbernber Slerjte, bie mit anjießenben 
aeSculapifcßen Stäubergefchichten bas SjSublilum amüftren unb anjießen, unb 
bann nimmt fuh ber Slmerilaner heraus, mit bem Slrgtc, wie et fleh aus» 
brüdt, ju argumentiren. SBehe bem Slrjte, bet nicht fein SBiffen minbeftenS 
auf bie gleiche $latform ober nicht fogar unter bie SUbernheit beS ©lienten 
fehl! _ 

Sie ffiiffenfdßaft hat an bet $anb gufhtS bon Siebig’S ben Slnfang ge* 
ma^t, bemünftige Sluffchlüffe über bie ©rnäßrung beS fiörperl ju geben, unb 
bann war es befonberS SMefchott mit jum Shell entgegengefefeten ijlnficbten, 
ber weiteres Sicht oerbreitete. Senlenbe Ülerjte haben Schlüffe barauS gejogen, 
bie jum Sheil gute SRefultate lieferten. 4 Geht bie ©rnähtung regelmäßig, baS 
hei|t fo bot füh, bafj bie Slufnaßme ber Stoffe bem Sßerbraucße entfpricht, fo 
befteht ein normales SBerhättniß jwifeßen Sänge unb ©ewicht beS Körpers, 
©eht aber bie ©rnäßrung nicht regelmäßig bon' Statten, fo entfielt entweber 
ju großes ober ju geringes ©ewicht besorget! im SBerßältniß jutSänge. Siefe 
abnormen Suftänbe ftnb eS, welche ber Slrjt heben foU. 

SaS ju große ober ju geringe ©ewicht beS flbrperS ift burch ju große ober 
ju geringe SRenge beS getteS bebingt. ©he nun bie Urfache ber abnormen 
SBetmeßrung ober SSerminberung beS getteS unb wie biefe 3uftänbe ju he» 
ben feien, befprodßen wirb, ift eS nötßig, bie Statur bet StahrungSmittel nähet 
lennen ju lernen, weil biefe unter gegebenen gleichen SBebingungen jnnächft 
Schulb haben an ber Sßerminberung ober SBermehrung beS getteS. 


St a h tun g 3 m i 11 e l finb alte Stoffe, welche einen, ober wie meiftenS, 



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mehrere ©eftanbthetle enthalten, aug toelcben bet tnenfölidje Körper bejteht. 
2)ie ÜRahrunggmittef fontmen enttoeber — toie feiten — in einem folgen 3u* 
ftanbe not, baf} file unmittelbar jur ©ndhrung oertoenbet toerben tönnen, ober 
fie toerben, toie meifteng, burch ben Hergang ber Verbauung unb bie SBIutbe* 
reitung $u folcben Stoffen oertoanbelt. 

2)er menfehliche Körper ift aug unorganifchen unb organifchen Stoffen $u* 
fammengefefct;baher müffen bie SRahrunggmittel felbft unorganifche unb organi* 
fche fein, unb man hat biefelben bemgemdfj eingekeilt; Sefctere verfielen bann 
toieber in pflanjliche unb thierifche. S)iefe ©ntheilung, nach&em man bie Sehre 
oon ber ©nahrung genauer tennen gelernt hat, entfpricht inbeffen nicht mehr 
bem Stanbe ber Biffeufchaft, unb man theilt biefelben jefct jtoeämdfjiger in 
jtoei grobe klaffen, ndmlich 1) in folche, toelche bag gett, unb 2) in folche, 
toelche bie anberen SBeftanbtheile beg Körperg, toie gleifch, $dute, Knochen 
u. f. to. erjeugen, unb bat ©rftere gettbilbn er, Sefctere gleif<bbiIb - 
n.er genannt. 

1. $ie gettbilbner toerben auch Slthntunggmittel genannt, 
toeil fie in ben Sungen burch ben Sauerftoff in ber eingeatbmeten Suft Noblen** 
fdure unb Baffer erzeugen, toelche burch bag Slugathmen unb bie $aut toieber 
aug bem Körper entfernt toerben. gettbilbner ftnb bie oerfchiebenen Wirten oon 
( getten, 3uder, .Starte, ©ummi, unb oiele baraug bereitete 
Stoffe, toie S3ier, Bein, Beingeift,, 23rob u. f. to.; bterber gehören baber 
auch Kartoffeln, SRei0, S&go, Slrtotoroot, oiele ©ernüfe, oiele Obftarten, meift 
toegen ihreg ©ehalteg an 3uäer, Stdrfe unb ©ummi. 

2. $>ie gleif<b* ober Körper*33ilbner (^roteinftoffe) begrün* 
ben ihre Birfung bauptfachlich auf ihren ©ioeif}*Sti<!ftoff*©ebalt, toooon be* 
fonberg bag gleifcb, ber Kafe, bie Gier unb ber Kleber beg 
© e t r e i b e g unb namentlich bi e .£> ü 1 f e nf r ü <h t e reidb ftnb; ferner ge* 
hören hierher oiele junge Söldtter unb ©emügftengel unb bie meiften Salat* 
pflanzen. 

Sille anbem Stoffe, toelche bie Erhaltung beg Körperg bebtngen, ftnb ne* 
benbei ift ben gettbilbnern unb namentlich in ben gleifchbilbnern unb im Baffer 
enthalten, toelcheg eineg ber toichtigften Stahrungg* unb ©haltunggmittel beg 
Körperg, faft in allen Speifen enthalten ift unb alle ©etrdnte eigentlich ju 
©etrdnten macht» 


Slngenomnten, jtoei ertoachfene Benfchen, ber ©ne abnorm bief, ber Sin* 
bere abnorm mager, tarnen ju einem 2lr$te unb oerlangten natürlich einen 
entgegengefefcten «Rath. $er Slrgt toürbe einen grofjen Schnijer begehen, 
toollte er ohne Beitereg bem ©fteren bie gleifcbbilbner uub bem Sefcteren bie 
gettbilbner empfehlen; benn eg giebt aufier ben Speifen noch anbere Urfachen 
für bag Bager* unb gett*Berben, ba man Benfchen finbet, toelche in gleichen 
duneren SSerhdltniffen unb bet berjelben Koft mager ober bid toerben. 

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217 


93on ber Soft alfo abgefeben, liegen bie Urfachen für ba3 SJtager* ober 
gettwerben 

1) in bem gnbioibuum felbft, unb 

2) fte wirfen oon Aufjen auf baffetbe. 

3u 1) geböten förperliche unb geiftige Anlagen unb SBefchdftigung. 
SJtenfchen mit anftrengenber förperlicher ober geiftiger Arbeit/ lebhaftem (Seifte, 
beweglichem ßörper, probuttioer ^bantafie, heftigem Temperamente, Schwär* 
mer, ganatifer ftnb mehr jurn Sflagerwerben geneigt, wabrenb geiftige unb 
förperliche gaulbeit, gnbifferentiSmuä, Phlegma, mel Sifcen, riel Stube unb 
Schlaf baä TÜdwerben begünftigen. 

3u 2) geboren flimatifcbe unb atmoSpbdrifche ©nflüffe, bie Temperatur, 
bie 93efcbaffenbeit be3 23oben3, ber Suft, be3 £i<ht3, ©eftricitdt unb ÜJtagnetiS* 
muä, welche teuere beibe Agentien, obgleich bie Art ibre3 ©nfluffeä auf ben 
Körper in btefer Skjtebung noch nicht gehörig erlannt unb gewürbigt ift, auf 
bie ©Währung wirfen m\$ten, ba alle organifchen £örper*©fcbeinungen biefel* 
ben fomobl acigcn als annebmen. 

* Au3 Obigem gebt hinlänglich beroor, bafi ber Statb, welcher gegen abnor* 
nteä gett* ober SJtagevfein gegeben werben foll, weiter geben mufj, alä auf bie 
Ouantität unb Oualität ber Speifen. 2BaS tbut ein übermäßig Tider bei ber 
ftrengften SSermeibung ber gettbilbner mit bem Statbe, ftch au3|<bliebli(b an 
gleifchbilbner §u halten, trenn er förperlicb unb geiftig faul unb untbätig 
bleibt ? © toirb bid bleiben unb oermutblich noch bider toerben. Ober lann 
tSr bem SJtagern nü&en, fleh an gettbilbner au halten, trenn er fub förperlich unb 
geiftig ju febr anftrengt, trenn er leine Stacbtrube bat unb ftch in lümmerlichen 
SJerbältniffen abbdrmt ? 

JEßer hier ratben will, mufj ftreng inbioibnaliftren, unb barf ben Schmer* 
bauch unb bie Stedenbeine nicht blo3 auf Rechnung be3 SpeifejetteB bringen. 
© barf nicht blo3 ben Körper, er mufj auch ben (Seift unb ba3 (Semütb beban* 
beln, worauf Aerjte fo fetten gehörige Stüdfuht nehmen, als ob (Seift unb Kör¬ 
per in fränten SJtenfchen getrennt unb ihr gegenfeitiger ©nflufc aufgehoben 
werben tonnte. Siebte, bie nur ben fiörper unb nicht auch ben (Seift bei ihrer 
Öebanblung berüdfiebtigen, fcheinen ohne (Seift nur mit bem Körper ju 
practiciren. ©n gute§ ©u<h, SBeränberung ber SSefchäftigung, ber Suft, ber 
Umgebung, be£ Umgangs, tbun oft mehr, als SJtiyturen unb Tbee, Ritten, $ul* 
Oer unb Salben. Stur ber Unfug mit ben Heilmitteln bat bie Homöopathie er*» 
jeugt, weil e3 ber gluch ber böfen Tbat ift, fort unb fort 93öfe0 ju jeugen. Stur 
bie weife Söerwenbung ber Heilmittel wirb bie Homöopathie wieber ju (Srunbe 
richten. 

<£ntftef)ung unb Srfcfjetmtng trer $UagerheU unb ber ^ettfudjt unb bte 
ISehanblung berfelben. 


1) SJt a g e r t e i t. ® -iji hier* wie fchon erwähnt, nicht bie Siebe Oon ber 
Abmagerung burch ßranfbeiten, welch« oon heftigen, ben Stoffwecbfel über« 



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mflfjtg fteigemben fiebern begleitet fmb, fonbetit nur »ott bet Abmagerung, 
welche ohne allgemeine ober örtliche JlranlbeitS*©rfteinungen eintritt. 

Sie Abmagerung, ober, im ©egenfafc jur. gettfutt, bie 
S ttoinb fu 11 lann fit unter fortbauemb giinftigen Umftänben bis ju bem 
©rabe fteigern, wo man Atenften lebenbe Sletette nennt, unb wo enblit bet 
körbet unb ©eift auf einen erbarmenswerten ©rab hetabgefunlen ftnb, fo wie 
wir mit einem gludje auf bie fübtühen Witter, ihre Reifet unb Helfershelfer, 
ihre 3>nftituttonen unb ihre Alotal, Alenfchen aus bet fübliten ©efangenftaft 
unb befonbetS »on AnberfonoiHe haben jurüdlomtnen feben. Ser .Raifer Bon 
Ch'tta unb ber Rönig »on Sahomei foHten Aliffwnäre in bie Weiche ber ßimften 
ft'den unb lehren laffen, bah es menftliter unb barmhetjiget ift, firiegSge* 
fangenen bie Äöpfe abjuftlagen ober in Abgrünbe ju ftleubern, als fte fo ju 
behanbeln, wie eS Seute taten, weite baS SEBort ©otteS in ben Saften her» 
umtragen. 

Sie oerftieben raft junehmettbe Abmagerung matt erjt in ben höhern 
ober hbtfien ©toben untauglit für bie Verrittung ber weiften gewöhnliten 
©eftüfte. 

SaS Schwinben ber Sör»erlräfte ift golge »on mangetafter ober unbaffen» 
ber ©rndbrung, »on ju ftarlem Stoffoerbraut, ftletter Selleibung, ju grober 
Hte ober Mte, ju grober geiftiger Anftrengung, bebrimirenben unb }u lange 
anhaltenben ©rftütterungen beS ©emütbS, Atangel an Wuhe unb Stlaf. 

SBürben ober lönnten unter bem Srud ber Uebel, weite bie Gtoilifatio n 
begleiten, alle Alenften naturgemdb unb jwedmdfsig leben, bie Abmagerung 
ohne föanteit läme nitt »or. Sie ©amifonSfolbaten haben in gleiten We» 
gimentem neben ber gleiten Höh« faft Alle anjtähemb baffete ©ewitt, weil 
fte biefelbe Roft, gleite törberlite unb geiftige Veftäftigung haben, gut ge» 
tleibet, tut} weil Alle gleit gehalten ftnb. SEBenn man eS bahin bringen tann, 
bab Saufenbe »on c o n f u m i re n b e n Atenften gut gebeten, foDte ber Staat eS 
nitt aut bahin bringen tönnen ober müffen, bab bie Saufenbe »on»tobuciren« 
ben Atenften gut gebeten? Ser unglüdKte Arbeiter, beffenVerbältniffe ihn 
nötigen, fo viel als rnöglit ju arbeiten, bamit er fit unb bie ©einigen butt» 
bringt, bamit et bie Abgaben erftwingt unb ben Arbeitgeber für elenben Sohn 
um fo ftneUet reit matt, lann freilit nitt gebeten. Sa liegt ein Uebel ju 
©runbe, beffen Hebung eine höhere Aufgabe wdte, als bie ^Belehrung bet Hei* 
ben. — 2Bie aber leben bie meiften Atenften, unb wie finb fte genötigt }U 
leben ? * 

SSeim Alagerwerben ftwinbetjuerft baS gett unter ber Haut unb jwiften 
ben Organen, fpdter erft in ben Organen, befonberS im gteifte. Sie S3eftim= 
mung beS getteS ift, burt Verbrennung beim Athmen in ben Sungen bie 
SBdrme beS Körpers ju erzeugen; bann beförbert eS bie Vewegfitleit bet Or» 
gane, benen eS aut Stufc gewährt unb ihnen eine wdrmenbe Umhüllung ift. 
©in unbebeutenbeS Schwinben beS getteS, beffen normale Atenge im Äörpet 
not nitt angegeben ift, beeinträttigt Weber bie gunctionen ber Organe nod> 


219 


m 


bie ©efunbhett. ,S<h»inben aber bie gettyolfter unter ber Haut unb g»if<hen 
ben Organen unb bie gettlager in ben Organen in höherm ©rabe, fo tritt bei 
ediger gorm ber ©lieber, hwoorftehenben ßn*hen, unter ber Haut gekannten 
Sehnen unb fehr fi<htbaren Aenen Starrheit ein, unb Unthätigleit ber bergan 
mentartig trodenen Haut, Schwäche ber ^Bewegungen, berminberte Semperatur, 
fchlechte Verbauung unb berminberte $3lutbereitung, geftörte Ab* unb AuSfon* 
berungen, förderliche unb geiftige Trägheit folgen, ba3 $entbermögen ift beein* 
trächtigt, ba§ ©ebächtniß f<h»inbet, Sinneötäufchungen unb §aUucinationen 
treten ein; SBlöbfinn ober SBdbnjtnn ftnb bie Schlußafte biefeS 3i|ftanbe3. 

2)ie geringeren ©rabe bon Abmagerung finbet man bei übermäßiger för* 
berliner unb geiftiger Anftrengung unb mangelhafter Ernährung, bei längs» 
bauemben heftigen ©emüthöbewegungen unb häufig geftörter Aachtruhe; bie 
höheren ©rabe, »emt bei fchlechter Ernährung ober Entgiehung ber Aaßrung 
bie nachtheiligen Einflüffe bon Außen gu lange bauern* 

2BiH man einem-überaus Abgemagerten einen guten Aath erthcilen, fo 
müffen bie Urfachen be§ UebelS aufgefucht unb befeitigt »erben, fonft ift alle 
biätetiföe SBehanblung erfolglos, eine mebicinifche aber gerabegu fchäblich. 
Einem nerböö aufgeregten magern Atenfchen, ber in ber Aegel immer neue* 
Aufregungen fucht, »eil bie folgenbe Aufregung bie Entfernung ber borßerge* 
henben be»irtt, »irb man leine Atohlthat erroeifen, »enn man mit ben foge* 
nannten Aerben beruhigenben Atitteln ihm unb feiner Umgebung »eiß macht, 
er ruhe, »eil man feinen Aerben bie gäßigteit nimmt, unruhig gu »erben, unb 
burch ba3 Heilmittel bie Aerben noch mehr maltraitirt. 2)a3 Erwachen bon ber 
Atebicinalwirfung »irb ein trauriges fein* Atagere Atenfchen leiben meiftenS 
an Stuhloerhaltung; bie bagegen gebräuchlichen Atittel müffen ben burch bie 
fchlechte Ernährung heruntergelommenen Körper nur noch mehr ßerunterbrin* 
gen* Solcher Schienbrian ift fehr üblich, unb oft bon ben Sranlen geforbert, 
unb leiber giebt es Aergte genug, »eichen ber ßranle fagen muß, »aS fte thun 
follen, unb bie Aergte thun eS, um einen günftigen Einbrud gu machen. 
Schlaflofigleit, nerböfe Aufregung erforbem Schlafmittel; baS liegt ja auf ber 
$anb! unb Stuhloerhaltung: Abführmittel. D heiUofe Heilfunbe! 

Aerorbnet man einem übermäßig aufgeregten magern Atenfchen eine ©ei* 
fteSbefchäftigung, »eiche ruhige^ Genien erforbert, giebt man ihm eine erßei* 
tembe, leichte fieltüre, bringt man ihn in ©efellfchaft mit geiftig gemütlichen 
unb geiftig georbneten," ruhig heitern Atenfchen, fo muß mit ber 3eit fein 
unnatürlich aufgeregter 3«ftanb ftch legen, ©egen bie Stuhloerhaltung rna* 
gerer Atenfchen hilft nur beränberte SebenSweife unb beränberte Soft. S)iefe 
beiben Anbeutungen müffen jebem Saien einleuchten. 

S)ie SS o r f ch r i f t e n, »eiche man einem fehr abgemagerten Atenfchen ge* 
ben muß, begiehen fleh auf beffen gange SebenSweife, bie fileibung, SBoßnung, 
förderliche unb geiftige SBefchäftigung, nebft Aüdfuht auf baS Älima, unb be* 
fonberS auf bie Steifen unb ©etränfe. Er muß baher womöglich in einer 
mehr als gemäßigt »armen ©egenb »ohnen, »eil bort bie SLhätigfeit ber Haut 


•8 




220 


Sü 


bcfßcbcrt wirb ohne übetmäbig gefteigert ju werben, unb baa Uthemgeftäft 
leistet, baher »olllommener »on Statten gebt; ea muff bort Weitthum an 
SEBaffer unb eine üppige SBegetatio», befonbetö ÜBalb, fein, bet »on bet Sonne 
bedienen, wie belannt, reiflich ben junt Uthmen nötigen Sauetftoff fpenbetr 
bie Wattluft mub »ermieben werben, weil bie bann au3 ben Sßflanjen fttömenbe 
Kohlenfäure bet ©lutbereitung nachteilig ift; bie Reibung muff warm unb 
bequem fein, bantit bie £aut betätigt unb bie freie ©ewegung bea Kötpera 
befonbet« beim Uthmen erleittert wirb; bie SBohnung mub jut görbetung be3 
Sltbmungägeftäfteä unb ©rheiteruug beä ©emütbe« luftig unb fonnig fein; 
ßrpetlicbe unb geiftige ©eftäftigung bürfen mit jwedbienlicber Ubwetälung 
mäbig unb nut angenehm fein; ^Bewegung unb Uufenthatt in bet freien Suft 
finb anjutaten; leichte gpmnaftifte Hebungen füllten »orgenommen werben, 
wobutt bie Thätigleit bet §aut unb bet «WuSleln, beten ©ntmidelung unb bie 
«Refpiration beförbert werben; übermäbige Temperatur mub gemieben Werben, 
weite bie fjautthätigteit ju fehr fteigert, ba3 Uthmen unb bie Uuäfteibung 
butt bie «Bieren ftött; Kälte unb Wäffe müjfen gemieben werben, weil ffe bie 
^auttbätigleit - unterbrächen unb baa Utbemholen erftweren. Ter Umgang 
' mub erbeiternb fein, bie Sorge entfernt unb baa ©emüth geftont bleiben, 
woburt bie gunltionen nitt allein bea ©eiftea, fonbern aut bea Körpera an* 
genehm erregt werben. . 

2)ie Wahrung mub hauptfätlit au3 ben gettbilbnern befteben, weite 
alle Urten »on g e tt in fit begreifen, Del, ©utter, Wüffe, «Wanbein u. f. w., 
ferner alle Urten »on 3u i et — Wohr*, Saum», Trauben* unb «Wittjuder, 
aut £onig; ferner Stärle in Kartoffeln, Wei3, ffielftforn, Sago, Urrorn» 
root, ©bocotabe jc., enblit © umm i im ©etreibe, in »ielem Obft unb ©emü* 
fen; bann bie au8 obigen Stoffen bereiteten gegorenen ©etränle: ©ier, SBein, 
Siqueure re. 

©I ift aber erffttKt, bab eine Kofi, weite auäfttieblit au3 gettbilbnern 
beftebt, bem Sebürfnib einea überaua Ubgemagerten nitt entfpreten würbe, ba 
e8 ihm nitt bloa an gett, fonbern aut an Kräften fehlt, weite er burt bie 
Körper ober gleift bilbenben Stoffe erhält; bähet mub er aut Steift, Käfe, 
(gier, Uuftern, £ütfenfrütte :c. genieben. 

2Bie biefe Wahrungamittel im fpecieüen gatte gegeben werben müffen, ift 
wohl »ön felbft einleuttenb unb mub nur batauf geattet werben, bab im 
übermäbigen ©ifer, ben «Wagen aufäufüttern, ben ©erbauungaorganen nitt ju 
»iel jugemuthet werbe, ©in fotter «Patient foUte nie effen ata bia fft bie 
©bluff eingefteltt hat, unb nie fo »iel effen, bab ber «Wagen beläftigt unb bet 
ganje Körper butt baä ©erbauungageftäft angegriffen wirb. 

©r ibt am beften nitt ju ben regelmäbigen «Wahljeiten, wo oft gegeffen 
wirb weil ea ©ffenajeit ift, ober wegen ber man oft baa ©ffen länger hinaua*- 
ftiebt ala ea einem folten Patienten juträglit. Wat bem ©ffen foB er fft 
eine halbe ober ganje Stunbe jur Wuhe begeben, weil irgenb eine ©eftäftigung 


•8 



ober felbft Bewegung flrdfte erforbert, »eiche bem BerbauungSgefchdft entgegen 
»erben. 

BochmalS »ieberhole ich, bafc bie Beobachtung ber Tiät ohne Begulirung 
ber gangen 2ebenS»eife nichts helfen fann, unb bafj auf ben (Seift unb baS 
©ernüth fo gut töte auf ben ßörper Büdftcht genommen »erben mufj. 

2) g e 11 f u djt. — TaS ©etöicht beS ßöiperS lann ft<h unter begünfti* 
genben Umftdnben auf 600 bis 800 Bfunbe fteigern, ein 3uftanb, ber felbft 
tu ben nicht fo ^oh?en ©raben ber Abhülfe bebarf. Tie SBiffenfchaft bat fotöobl 
.bie Urfache biefeS abnormen BuftonbeS, als auch bie Büttel gegen bettfelben 
mit ziemlicher Sicherheit aufgefunben. 

TaS anfangenbe Ticfmerben ift bon feinen unangenehmen ober ftörenben 
(Empfinbungen begleitet, ift fogar oft ©egenftanb beS 5Reibe0 unb beS SBoblge* 
faüenS, »eil eS ben Schein guter ©efunbheit hat. gn höherrn ©rabe töirb eS 
nicht nur luftig, fonbern erregt auch oft ©elächter unb Spott, unb in ben hoch* 
ften ©raben macht eS gu.jeber Befchäftigung untauglich unb erregt Btitleib. 

T i e g e 11 f u <h t e n t ft e h t 1) im Allgemeinen bur<h übermä&ige (Er * 
ndhrung, unb fpecieU burch Speifen, »eiche bie Settablagerung begünftigen; 
2) überhaupt burch gü günftige SebenSberhältniffe; 3) burch (Einflüffe beS 
ÄlimaS; 4) burch ungureichenbe förperliche unb geiftige Befchäftigung; 5) gu 
langet Schlafen unb gu biel Buhe; 6) inbifferenteS Temperament unb gleich* 
gültiges ©ernüth ic.; 7) ohne 3tt>cifel burch eine ererbte Anlage. 

Tie gettfudjt ift eine Bermehrung beS getteS in allen Theilen, »b über* 
haupt gett borfommt; guerft int Bellgetöebe, unter bebaut unb g»if<hen ben 
Organen, bann in ben Organen felbft, befonberS ben SBuSfeln, fo bafc fte 
enblich bom gette bollig burchtöachfen ftnb. Bur baS Berbenfpftem, baS 
hauptsächlich aüS gett unb (Ei»eif$ befteht, nimmt feinen Theil am getttöerben, 
»ie eS auch aus unbefannten ©rünben bom Btagertöerben berfchont bleibt. 
Sie bom gett gebrüäten unb mit gett burchtöachfenen üBuSfeln berlieren ihre 
(Eontraftilität, baher Trägheit unb enblich Unmöglichkeit ber Bewegung; baS 
mit gett bur<h»a<hfene #erg »irb aus bemfelben ©runbe unfähig, bie Bewe* 
gung beS BluteS gu unterhalten, unb S<h»erathmigfeit unb unbollfommene 
Blutbereitung ftnb bie golge; bie Berbauung »irb träger, weil auch bie 9BuS*. 
fein beS TarmfanalS leiben; bie Berben fönnen bie berfetteten Organe nicht 
mehr reigen unb erhalten bön ihnen nur unbollfommene Beige; bie SinneSor* 
gane ftumpfen ab, baS Tenfen »irb erfchtöert, baS ©ebächtnifj, bann ber SBide 
unb enblich alle (Energie geht gu ©runbe, unb bamit aßmälig meift mit Söaffer* 
fucht ber Btenfch felbft. 

Soll bem getten ge helfe nwerben, fo müffen bie Urfachen 
ber gettfucht ergrünbet nnb »o möglich gehoben »erben. 9Ban hört oft fagen, 
Tiefer ober Sener »erbe nicht bom (Ejfen fo fett, berücfftchtigt aber babei nur 
bie Quantität, nicht bie Qualität ber Speifen, unb unterfucht nicht, ob nicht 
fanft (Einflüffe ftattftnben, »eiche baS getttöerben begünftigen. Btenfchen, 
»eiche ein bequemes, forgenfreieS Sehen führen, in angenehmem, »armem ßlirna 


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mit reiner 2uft leben, fuh gut lleiben wnb ben 2Bitterung3*Ginflüjfen ftch ent* 
jiehen fönnen, fuh förderlich unb geiftig fronen, beten ©emüth ungeftört ift, 
bie effen »a§ fte £uft haben unb ihnen zuträglich ift, diel ruhen unb lange 
fchlafen, bon inbifferentem ©emüthe ftnb unb in heiterer ©efeUfchaft fuh be»e* 
gen, müffen fett »erben* Ta3 gettmerben ift bemma<b nicht bloS bur(h ben 
©enufj ber gettbilbner unb bg3 (Effen überhaupt deranla&t; ja man ftnbet oft, 
bah bie größten greffer mager ftnb* 

Tem gettf ü<htigen muh bähet gerathen »erben 1) fuh 
ni(ht §u »arm zu Heiben, in fühlet 2uft, in nötblichent filima ober auf hohen 
©ebirgen fuh aufguhalten, bamit bie Tbdtigfeit ber Haut berminbert, bie ber 
Sungen hingegen bermehrt unb babut(h bie reichliche Serbrennung beS getteä 
begünftigt »erbe; 2) er barf »eniger ruhen unb fchlafen, bamit bie Girculation 
be£ ^Blutes unb alle 2lb* unb 2lu3fonberungen befördert »erben; 3) zu glei(hem 
3»edfe muh er ftarfe förderliche Semegung fuh machen: gehen, reiten, Serge 
befteigen, im gelbe arbeiten, £ol§ baden tc.; 4) er muh ft<b ernftli<h unb an* 
ftrengenb geiftig bef<hdftigen, bamit but(h bie rege gehaltenen Sterben bie Tbä- 
tigfeit be3 ÄörperS nicht au§f<bliefjli<b auf bie (Ernährung unb getteqeugung' 
ber»enbet »erbe; 5) er muh falte Sdber gebrauten, bamit bie Temperatur 
be$ Sluted betabgeftimmt »erbe; 6) er muh bie gettbilbner meiben unb fuh 
bor^üglüh an bie gleifdhbilbner halten: baher gleifch, 2Jtil<h, Gier, 
$dfe,$ülfenfrü<hteunb bie me ift en Salat pflanzen ge* 
niehen. 

gettfucht entfteht eher beim Sßhlegmatifer, afö beim Sanguinifer, unb 
bana<h muh au<h bie Sehanblung eingerichtet »erben, »ie überhaupt, »orauf 
. hier nicht eingegangen »erben fann, ber fpecieUe galt eine fpecieHe SWobifica*» 
tion ber Sehanblung erforbert. SefonberS betrifft bieä ben ©ebraudh beä 
SBafferä, »eichet allein burch bie Gonftitution be3 gettfü(htigen beftimmt »irb* 

Tie obige SJUttheilung »irb bem 2aien einleuchtenb unb au(h belehrenb 
fein* 2Bet »eitere Selehrung fu<ht, ftnbet fte bei Siebig, 2Jtolef<hott, Sogei, 
Stoor, To»n, Taniel, Smith u* 21. 

Unter ben Heilmitteln gegen gettfucht ift gob meift ohne Grfolg ange»en* 
bet »orben; ber Liquor Potassae, »eichet oertheilenb, aber ge»ih nur auf bie 
im Setbauuttgäfanal befinbluben gette »irft, bringt bie ©efunbheit herunter. 
Tr. TucbeSne Tupau unb nach ihm Tr. STtamnHe empfehlen, freilich bei gleich¬ 
zeitiger gleifdjtoft, ba8 Gftract beä Slafentangl (Fucus vesicularis). 

Tie gettfucht fdme ge»ih nicht fo oft oor, »enn nicht fo diele angenehme 
Urfachen biefelbe deranlafjten, unb »ürbe leichter gehoben »erben fönnen, 
»dren bievSRittel bagegen nicht fo unangenehm, 
ißhilabelphia, ganuar 1866. 



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'Jtor btt Jftatotraa, 

Xton Sultan KBertter. 

(gortfebung.) 

^ 3. SBermäbltl 

„®ie 3la#riibt, bat mein guter Onlel mich jum 3Jtitglieb be* girma er* 
nannt, tut ©ie wobt recht überrafcbt, lieber Hagel ?" fragte ber junge ^ert 
Kammer, nachbem tote ©läfer aufs Heue gefüllt traten. 

;,©bre bem ©bre gebührt, £ett Rammet! ©ie habe» feit gehn gabten mit 
ebenfo biel gleit »ie ©efcbid im bieffeitigen ©efchäft gearbeitet; gbtem lln* 
ternebmungSgeift unb ©chatfblid berbantt baffelbe bauptfäcbliib feinen Huf* 
fdjmung. Ster ©ettiot*$artner unferer hochachtbaren girma bollgog babernur 
einen Sttt ber ©erechtigleit, tnbem er gbnen einen felbftftänbigen Hntbeil ge* 
»dbrt an bem, »aS ©ie fcbaffen halfen." 

„3Jlein guter Onlel, bem ich meine ©tgiebung, ja HtleS berbante, 
»aS ich bin unb hübe, bat bamit feinem mir ftets bemiefenen SBoblwcHen bie 
ßrone aufgefegt. geh »erbe ihn Seitlebens als meinen grölten äßobltbdter gu 
betrachten haben. Gr forgte nämlich nicht nur in ber ebeljinnigften SEBeife für 
meine Sulunft, nein, er giebt fogar lang gehegte SieblingSpläne auf, um bas 
©lüd meines $ergen3 ju begrünben unb mir in ber Sbat leinen SEBunfch übrig 
gu taffen. SBaS mich am glüdlicbften macht, mochte ich bem Rapier nicht an* 
bettrauen, ich behielt eS ber münblichen Htittbeilung bot. gebt feilen ©ie 
SlHeS böten, Hagel.“ 

£etr Rammet leerte baftig fein ©taS, unb nötbigte ben (»löblich noch ber* 
legener toerbenben greunb, ein ©leicheS ju thun. SESäre er nicht in fo freubig 
erregtet ©timmung getoefen, er hätte eS bemerlen müffen, bat 9lagel bon 
irgenb einer innem Unruhe gepeinigt mürbe. 

„©ie wijfen", fuhr baS HtitgKeb ber girma Jammer, 3a«g unb ©omp. 
fort, „»ie »it feit fahren hier gufammen gearbeitet unb gewirlt haben, ©ie 
alS erfter Söucbbalter unb ©efcbdftsfübrer, ich als ©orrefponbent unb Vertreter 
ber girma. Hübmten ©ie borbin meinen Grfolg, fo »erbe ich jeberjeit bereit* 
»iüig eingefteben, bat et gum groten Sbeil auf gbre. Hechnung gu feben 
ift, befter 3lagel. SBon gbnen habe ich gleit, 5ßünltli<hleit, Drbnung, ©par* 
famleit, Iura, alle jene taufmännifchen Sugenben erlernt, ohne bie »»Hiebet 
Grfolg im ©efchdft fcblecbterbingS unmöglich ift." 

„$err Jammer, ich bitte, $err Jammer! äßaS »iß mein bischen pralti* 
fche Houtine gegen gbt merlantileS ©enie befagen!" 

„©ehr biel, mein greunb. ©dfon manches ©enie ift in bet ©efdjäftS* 
»eit plöbtich gu ©runbe gegangen, »eil ihm Houtine unb ©rfabrung nicht gut 
©eite ftanben. 3)o<b »eitet in meiner 3)tittbeilung. Hach gebnjäbriger Hb* 
»efenbeit bon unferer beutfehen £>eimatb hegte ich ben lebhaften SBunfcb, auf 
lurge Srit bortbin gutüdgulebten, um greunbe unb Hngebörige noch einmal gu 


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feben, unb gugteich einige gefchäftliche Hngelegenheiten gu erlebigen, bie meine 
perfönliche Slntoefenbeit erbeifchten. 3)ie girma fam meinem SBunfche bereit* 
toillig entgegen unb erteilte mir einen einjährigen Urlaub, $aS ©efc^dft 
lonnte ich ruhig oerlaffen, benn eS blieb unter ber Obhut meines erprobten 
greunbeS unb lunbigen SebrerS, ber mich nicht nur erfe&te, fonbern in gar 
mancher $infi<ht übertraf." 

„$err Jammer, Sie haben eS heute, am Sage unfereS 2Bieber[ehenS, auf 
meine Befchämung abgefeben." 

„3<h habe heute mehr benn je Beranlaffung, 3bnen Gerechtigfeit toiber* 
fahren gu laffen", berfefcte ber junge Principal. „Btachte mir baS Gefchäft 
toenig Sorge, fo fchieb id? in anberer Begebung mit fernerem $ergen." 

„3a, ja, baS !ann ich 3hnen begeugen, bie fpröbe Sennorita hat 3bnen 
manchen Seufger, manche Sbräne gefoftet Unfer Hauptbuch, baS Sie bei 
3brer Gorrefponbeng gu benupen pflegten, geigt hiu unb toieber gierten, bie 
oiel gu toäjfetig ftnb, um felbft non ber fchlechteften Sinte herrühren gu 
lönnen." 

„Seit ich bie fdjöne Seontica lennen gelernt, toar eS um meine Bube, 
meinen «gärgenSfrieben gefcheben", fuhr £>err Jammer fort. „0 biefe begau* 
bernbe Schönheit, biefe tounberbare Bereinigung aller irbifchen Beige! 3ft eS 
benlbar, ein folcbeS Bteiftertoerl ber Schöpfung gu fehen unb nicht gu lieben? 
3* liebte Seontica, liebte fte mit ber gangen ®lutb eines biefer befeligenben 
Seibenfchaft gum erftenüBal erfchloffenen £ergenS, unb burfte mich ber Hoffnung 
überladen, toieber geliebt gu fein, toenn auch ihr halber Btunb baS Geftänbnijj 
biefer Gegenliebe nicht abgulegen toagte." 

„£err Jammer", unterbrach ber Buchhalter ben oott ber drinnerung an 
feine Siebe gang bingcriffenen jungen Kaufmann, „Sie ntüffen es mir nicht 
oerargen, toenn ich 3hnen — unb toahrlich mit gutem Grunb — heute gang 
benfelben Gintoanb ‘erhebe, ben ich f<hon oor 3b re * Streife geltenb machen 
mu&te. SBenn mir ein Schulbner nicht ein fthriftlitheS, ober unter befonbern 
Umftänben toenigftenS ein münblicheS Besprechen giebt, baf$ er binnen ber 
unb ber grift gahlen toill, pflege ich uie mit Beftimmtheit auf folche Sahlung gu 
rechnen." 

„Bteln Gott, Bagel, toaS hat bie Siebe mit folgen taufmännifchen Be* 
rechnungen gu fchaffent" 

„3$ meine, toaS ftch im GefchäftSleben betoährt hat, ift auch auf anbere 
Berhältniffe antoenbbar." 

„Slber SeonficaS Stellung toar eine fo eigentümliche — fte hatte 
Büdftcbten gu nehmen — ihrer Siebe gu mir [teilten ft<h mächtige £inberntffe 
entgegen. 2llS lepte Sprofftn einer altabeligen gamilie, bie einftmals gu ben 
mächtigften ber Kolonie gehört, im Saufe ber 3«hre freilich Oerarmt unb gurürtge* 
lomnten toar, lag ihr, nach ber Uebergeugung unb ben unaufhörlichen Borftellun* 
gen ihrer Blutter, bie Pflicht ob, ben Glang ihrer 2tbnen burch bie Berbtnbung 
mit .einem reichen unb angefebenen Grben beS SanbeS gu erneuern. S)er junge, 



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frembe Kaufmann, ber nicht einmal imBeftfc einer felbftftdnbigen unb unabhdn* 
gigen Stellung mar, oermochte ihr nichts ju bieten, ma§ ihren geregten gor* 
berungen an baS Seben genügt haben mürbe. 2lu<h ber Unterfchieb beS reit* 
gißfen ©laubenS fiel ferner in bie 2Bagf<hale. ÜUtutter unb Softer, in ben 
ftarren ©runbfdpen ber fatholifchen Kirche erlogen unb giftige Befennerinnen 
berfelben, fürsteten bie Slnnaherung eines SlnberSgldubigen, ber nach ben 
Sehren ihrer ^Priefter nie jener Segnungen thetlhaftig merben lann, bie fte für 
ftch felber mit frommer 3uPerft<ht in Slnfprudh nehmen. Seontica hat es mir 
oft gu oerftehen gegeben, bafj ihr eigenes #erj an biefem Unterfchieb beS ©lau* 
benS leinen Slnftojs neunte; burfte fte aber ber Ueberjeugung ber Butter fo 
ohne SBeitereS entgegen hanbeln ? Unb bei biefer mürben bie mdchtigften ©in* 
flüjfe geltenb gemalt, um jenes finftere Borurtheil beS ©laubenS aufrecht ju 
erhalten. Donna Uraca’S Beichtoater, ber in Santiago allmächtige Bater 
Ugarte, hafit uns Brotejtanten unb ganj befonberS bie fremben jfaufleute biefeS 
©laubens, bie hier burch Umftcht unb gleifc su Vermögen unb©influj3 gelangen, 
©r erblidt in ihnen gefährliche finalen, bie ihn in ber 3ufunft eines DheileS 
feines ©nfluffeS auf baS chilenifche Bolf unb beffen Regierung berauben fonn* 
ten, unb bie er baher bei Seiten unf<häbli<h ju machen fudhen muf5. durfte ich 
mich unter fold&en Umftdnben bellagen, menn Seontica, aufs Reffte bemegt, 
ja gänzlich aufgerieben burch ben unabldfftgen $ampf jmifchen Siebe, ©lauben 
unb Pflicht, mit ihrer ©ntfdheibung jßgerte ? Sah ich eS nicht beutlich genug, 
mie fte ftch in unnennbarem Schmer* unb Kummer begehrte, unb es babei bo<h 
nicht magte, ben ihr 3**nereS erregenben ©efühlen HuSbrud *u berieten ? 
Sprach nicht ihr thrdnenfeudhteS Sluge, ihre gitternbe #anb, auch menn bie 
Sippen gefdbloffen blieben, mit berebter 2Wgemalt, unb tonnte ich, ber Urheber 
aller ihrer Seiben, biefe ftumme Sprache mifjoerftehen ?" 

„Sieber #err Jammer", meinte -Jtogel, als fein greunb einen Slugenblid 
inne hielt, f ,eS ift eben baS alte Sieb, bafj Siebe blinb macht. Sie haben ein* 
mal 3h* *&erj an bie fdhöne Donna berloren, unb mürben fte ju entfdhulbigen 
fudhen, menn fte 3hnen auch noch etmaS mett Schlimmeres jufügte." 

Ueber bie falte, gefdhäftSmäfjige ÜDUene beS Buchhalters flog bei biefen 
SBorten ein recht fchmerjlicher 3ug, er brehte fogar ben ßopf etmaS bei Seite 
unb mifdhte ftch mit bem Schnupftuch bie Slugen, als ob ihm plßplidh etmaS Bei* 
jenbeS hineingeflogen. Kammer mar oiel *u fehr mit feiner ^erjenSangele* 
genheit befdhdftigt, um eS *u bemerlen; er fdhenlte bie geleerten ©Idfer mieber 
Poll, unb fuhr bann in feiner ©rjählung fort: 

„3<h lann an Seontica’S Berhalten bei reiflichem Bachbenlen feinen Dabei 
finben, obmohl ich bamalS, burdh bange S^eifel unb erfolglofeS hoffen auf* 
gejehrt unb zerrüttet, in ihrer SRahe nicht Idnger *u leben Permochte. Die 
Sehnfudht nach ber $eimath trat immer mdchtiger heroor; fern Pon ihr, hoffte 
ich oon einer firanfheit *u genefen, für bie es unter bem milben £immel ©hüte 
leine Reifung gab. Doch mie menig tannte ich noch bie Sldmacht ber Siebe! 
3e meiter bie räumliche ©ntfemung, meldhe uns trennte, um fo inniger fchmiegte 

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ftdh mein $etj att baS irrige. Sa3 SBilb bet ©eliebten begleitete mich übet ben, 
Dcean, unb als ich nach gehnjähriger Abmefenheit ben SSoben SeutfcblaubS be* 
ttat, fühlte ich eS nur gu beutlidh, bah all mein ©lud, all mein hoffen an bet 
fernen fiüfte bet ©übfee gutüdgeblieben, bah ich im heimifcben Sanbe ein grem* 
bet unter gremben geworben. Salb foHte ich eä bollenbä inne werben, wie eS 
ohne Seontica für ■ mich leine Sutunft gab. SERettt gütiger Onlel, bet Ghef 
unfereS Hamburger Kaufes, empfing mich mit offenen armen. Gr, bet bon 
Bugenb auf als gmeiter Sätet an mir gebanbelt, wollte nun fein ebleS SBerl 
hönen, unb mir eine felbftftönbige SebenSfteHung oetfRaffen, ©ein alter 
greunb unb ©efchäftötbeilnehmer, fperr 3ang, befifct eine eingige Softer, ein 
gutes, braoeS Stäbchen, beten §anb, nach einem fdhon bor fahren getroffenen 
Uebereinlommen ber beiben Gompagnon’S mir gugebacht war; -mit ihrer |>anb 
foHte ich mir baS Anrecht auf Sheilhaberfdbaft an ber blühenben, in allen SBelt* 
theilen refpeltirten girma erwerben. Ser $lan war bon meinem Onlel aus* 
gegangen; er hatte ft<b fo gang in ihn hineingelebt, bah er mir ihn bereits als 
feftftehenbe Sbatfadje oorttug unb feft übergeugt war, ich würbe f(hleunigft gu 
feiner Ausführung fdhreiten. Ser braue Staun ftanb wie bom Sonnet gerührt, 
als idh ihm runb heraus etllären muhte, ba| idh *eipe folche Serbinbung un* 
möglich fcblie&en IBnne, ba mein $erg nidbt mehr frei fei.' ©chmeigenb hörte 
er mich an, lein SBort beS SorwurfS, leine Ginfptadhe lam über feine Sippen. ■ 
SBäbrenb bet folgenben Sage begehrten mit fteunblidb wie immer, jenes SßlanS 
warb nidht weiter gebadht. Acht Sage fpäter befdhieb er mich auf fein ißribat* 
gimmet. „Gugen, fagte er in ernftem, bodh liebeboHem Sone, Su glaubft alfo 
nur mit jener jungen Chilenin glüdlich werben gu lönnen ?" Natürlich bejahte 
ich biefe grage. Seontica erfüllte ja meine gange Seele. ghte Sorfidht, lieber 
Stagel, in Bhren Sriefen an mich beS Stäbchens fo wenig wie möglich gu er* 
wähnen, that eine gerabe entgegengefe&te SBirlung: idh befdhäftigte mich int 
©eifte nur nodh mehr, ja faft auSfchliehlich mit ihr. „ffienn bem fo ift, fuhr 
ber Dntel fort, fo berfudhe eS, fte gu ber Seinigen gu machen. GS war mein 
SieblingSgebante, Sich mit ber Sochter meines alten ©efchäftSfreunbeS berhei* 
rathet unb als boHberedhtigter Gompagnon in bie girma eintreten gu feben. 
Sa er ftdh einmal nicht erfüllen tann, foH wenigftenS Seine Butunft nicht bar* 
unter leiben. Su trittft als Sheilnehmer beS fübameritanifdhen ©efdhäfteS ein, 
unb lehrft als foldher auf Seinen Sßoften nach Santiago gurüd. geh foHte ben« 
len, ba| ®onna Seontica, unb fei fte bon noch fo erlauchter Ablunft, bie fjanb 
eines SUtgliebS ber girma Jammer, 3ang unb Gomp. nidht gu berfdhmähen 
brauche — borauSgefefct, bah ihr $erg biefem Stitgtiebe bereits gehört, gu 
Guter AuSftattung unb erften Ginridhtung flehen 25,000 Shalet aus meinem 
$ribatbermögen, unb als Ahfdhlag beffen, was Su bereinft bon mit gu hoffen 
haft, gu Seiner Verfügung. Steife mit ©ott, mein Bunge, unb Iah midh 
wiffen, bah Su mit ber ©attin Seiner SBahl wahrhaft glüdlich bift!" @o 
fptach mein trefflicher Onlel; ich aber fanl befdhämt unb gerührt in feine Arme, 
unfähig, meinen Sani burdh Sffiorte auSgubrüden. SBie mit einem 3aubet* 



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fdjlage Wat eS in meinem §erjen fteH unb frol> geworben, unb bie 3ulunft lag 
in rofigem Sichte Por mir auSgebreitet. ©ern wäre ich gleich ju Schiff gegan* 
gen, um bortbin jurüdjufebren, wo mein ©lüd fo herrlich aufblüben foHte, bo<h 
bie $eimatb, bieälngeträrigen forberten auch ihre Seihte; übetbieS wünfcbtebet 
Dnlet, mich noch für einige SJlonate bei fnh ju bebalten, um ibm Perfcftiebene 
©efdjäftSangelegenheiten grünblich erlebigen }u Reifen. Gnblicb lam ber Sag 
bet Slbreife, ich fagte ber Seimatb, ben greunben für lange 3cit, pieHeicht für 
ewig, Sebewobl, bantte bem Wadern Onlel taufenb, taufenb 2üal, unb eilte, ooU 
ber freubigften Hoffnung, ben ©eftaben ber neuen SBelt entgegen. $eute mit 
Sageäanbtudb fuhr unfer Kämpfer in ben $afen ©alparaifoS ein, bie ©fenbabn 
braute mich in wenigen ©tunben herüber unb — ba bin ich nun wieber bei 
(Sudj, mein lieber Sagel, ein neuer, glüdlicherer 2Jtenf<h, beffen SebenSfcftiff enb* 
lieb feften Slnfergrunb gefunben!“ 

„$aS rnuft wahr fein, ein waderer §ert, unfer alter Hamburger S«rr 
Jammer, ein ©btentnann wie man fte in biefer eigennüftigen SBelt feiten finben 
wirb", bemerfte ber ©uchbalter, beffen ©erlegenheit unb gebrüdteS Sffiefen 
immer jujunebmen fehlen. 

„©ein Same ift mir heilig fo lang ich atfrnte! Sieht« fehlt ju meinem 
©lüde, ba mich fein ©egen begleitet. 2>o<h nun jur Sauptfache, Sagel, wie 
ftebt eS mit Seontica ? .gaben Sie pon ihr gehört ? Storgen mit bemgrübeften 
eile i<h nach ber Sacienba hinüber. Sa« $erj will mir fpringen bei bem @e= 
banfen, fte wiebetjufeben!" 

,,©ie haben in ben jehn Stonaten gbrer Sttwefenbeit in feinem ©erlebt 
mit ihr geftanben, ihr niemals getrieben ?" forfchte Sagel. 

„SBürbe ich eS hinter Sbtem Süden gethan haben, mein gteunb ? geh gab 
ghnen bei unferer Trennung baS ©etfprechen, baff alle Briefe, bie i<h an fte richten 
möchte, burcb 3hre $änbe laufen foKten. ©iS jum Sugenblid jener Untern* 
bung mit meinem Dnfel hatte ich auf jeben ©erlebt mit ihr perjühtet. Un* 
mittelbar barauf fchrieb ich j»at an fte, pernichtete aber ben ©rief wieber eh’ 
bie nächfte ©oft abging, ba ich mich ber gteube nicht berauben wollte, felber 
ber Ueberbringer meiner glüdlichen ©otfftaft ju fein. 2Bas wiffen ©ie alfo 
poniht? fiaben ©ie Seontica injwifcben gefehen ? gft fte öfter« jur ©tabt 
getommen ? Sat fte ftch nach mir erlunbigt?" 

„3<h fab f«e nicht, Sert Sammet, fte lieh auch nicht nachSbnen fragen— 
Sonna Utaca mag eS wohl Perhinbert haben." 

„3fa, ja, Sonna Utaea! S)a wirb eS noch einen Keinen Äampf feften! Sun, 
fei eS barum! geh hoff*/ bie glüdliche ©etänberung meiner dufteren Sehens* 
umftänbe wirb bei ber alten, auf. dufteten ©lanj haltenben Same einigermaften 
in’S ©ewieftt fallen." 

„Unb wenn auft nicht, machen ©ie {ich bestraft feinen flammet, S*rr 
Sammet, ©iebt eS nicht ber jungen, fdjönen Samen hier in Stenge, bie jeftt 
mit greuben jugreifen würben, wenn ein folcher Sewerber um iftte Sattb auf¬ 
träte? Sur nicht blöbe, S«rr Sammet, als SBitglieb ber ghetna, mit einet 

! .. X 


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228 


haaren Augfteuer in bet £af<he, mögen Sie getroft bei gebet anflopfen, unb 
wenn e§ bei bet Tochter beg ©räfcbenten wäre!" 

,.30'iein $erj gehört 2)onna Seontica; wie feilte ich baran benlen, meine 
|ianb einet Sinteren anjutragen?" entgegnete bet junge Kaufmann be* 
frembet. 

„ga,bag §erj, bag 4?erj !" »erfe|te Sflagel niebergefchlagen. „SBunber» 
liebe Saune bet Statur, baff fie auch einem fonft fo tüchtigen Kaufmann eintet; 
geben mufi! Sehen Sie, $ett |iammet, i<b barf eg ghnen nicht »erbebten, - 
Sie »erben in biefer Angelegenheit auf manche Schwierigleiten ftofjen. 
Sonna Uraca geht fleifjiger benn je bei ben frommen patres öon della com- 
pania jur ©teffe, unb Später Ugarte ift ein faft wöchentlicher ©aft auf ihrer 
^acienba." 

„greilich nicht bag hefte Seichen", fagte ber junge Kaufmann feufjenb; 
„injwifchen — wag »ermögen ©igotterie unb ©gennug im tlampf mit wahrer 
Siebe ? ©omta Seontica ift feit einigen ©lonaten münbig; ihr £erj hat tängft 
ju meinen ©unften gefprodjen — Weicheg fjinbernifj träte am Gnbe gewaltig 
genug, unfern gemeinfamen SBünfchen, bem ernften Streben unferer »ereinten 
Kräfte ju begegnen ?" 

SBährenb ber Unterrebung ber beiben 3)eutf<hen war eg braubett auf ben 
bei ber ©gquina »otüberfübrenben Alemebag fehr lebhaft geworben, ©ine 
lange SReihe »on Sichtern blifcte feitlich bur<h bie ©üfche, unb SRafeten fliegen 
hoch in bie Süfte; jugleich »emahm man bag Summen unb gauchjen einer 
groben SJlenge, untermifcht mit ben klängen einer noch fernen ©luftl, bie lu» 
ftige ©Seifen auffpielte. An einem bem ©ergnügen unb ber gefedigen Unterbai» 
tung gewibmeten Ort hatte bieg injwifchen fo wenig Auffallenbeg, bafj bie »on 
ganj anberen ©ebanlen in Anfpruöb genommenen greunbe !aum barauf achte» 
ten, unb auch nicht wahrnahmen, bab bie in ber ©gqnina »erfammelte ©lenge, 
wie in ©Wartung eineg fehengwerthen Sdjaufpielg, »löblich nach bem ©in» 
gang hinbrängte, fo bab eg auf bem freie« ©lab »ot ber tleinen Schaubühne, 
wo einige Augenblick »orher noch bag bichtefte ©ebränge geherrfcht, ganj leer 
würbe. 

„Steldjeg $inberniji, $err Rammet ?"-fragte ber ^Buchhalter. ,,$m, 
fehen Sie — ich will nicht getabe »on £inberni|fen reben, aber — Sie lennen 
hoch unfere frommen ©atreg »om ßenoent; — wo eg etwag §u gewinnen 
giebt, ftnb biefe ©btwürbigen ganj wunberbat erftnbunggreich, unb währenb 
3hrer Abwefenbeit, §err Jammer, ba haben fte benn auch wiebet eine recht 
merlwürbige ©rfinbung gemacht, bie ihnen eine ebenfo «nbebingte £errf<haft 
über alle jungen gläubigen Sennoritag ftchert, wie fte bie fromme« ©iatronen, 
bie ©lütter unb Suennag tängft in ihrer SEafche hatten!" 

,,©on welket ©finbung reben Sie ?" fragte Rammet. 

,,©g ftnb etwa brei ©lonate her, feit ©ater Ugarte feinen fchönen ©eicht» 
linbem, ©täbdjen unb grauen, bie heilige ©flicht auferlegt, ftch mit ber ©lütter 
©otteg in birefte ßorrefponbenj ju fefcen, ihr bie geheiniften galten ihreg 4?er» 






229 


IS 




3 eng, in* bie felbft ber Veicbtoater nicht immer 31 t bilden bermag, offen 311 legen, 
fte um SRath, Veiftanb unb Vermittelung, felbft in ben lleinen Verlegenheiten 
unb Vermidelungen beg täglichen Sebent 3 U erfud&en, fo bab in ber Xfyat nicht 
bie leifefte Regung in einem 9Jtäb<ben* ober grauenheqen biefer gefegneten 
Stabt aufbämmern barf, ohne bab fofort Vtabonna babon fcbriftlicb in ßenntnib 
gefefct mirb." 

2 )er junge Kaufmann mar plöfclidh fehr aufmerffatn gemorben, bo<b feine 
ungläubige SDltenc oerrieth, bab er in biefe munberlidhe üfteuigfeit erheblichen 
3 meifel fefce. 

„Veben Sie imS(her 3 , ÜRagel?" rief er bermunbert, unb fefcte bann, als 
bag Slntlifc feines greunbeg ben gemöbnlicben ernften unb gefcbüftgmäbtgen 
Slugbrud beibehielt, lebhaft hinju: „Vei meiner Seele, mie mirb benn biefer 
originelle Verlehr bermittelt ?" 

„ 3 n bolllommen regelrechter unb georbneter ©eife. 2 )ag huumlifcbe 
Voftamt ber Vtabonna mirb biel beffer bermaltet alg manche irbifd&e $oftan* 
ftalt, nur foH bei ihm ber ©runbfafc gelten, bab franfirte Vriefe, b. h* foldhe*, 
bie mit einigen Sßiaftern befchmert fmb, meit fuherer beforgt merben un* 
franlirte." 

„5lber mer nimmt bie Vriefe in ©rnpfang, mag gefehlt mit ihnen ?" 
fragte Jammer neugierig. 

„2lm Seitenpförtcben ber ßirdje de la compania, an jener ©de, mo bie 
enge Strape de los ladrones in bie plaza Colombo einmünbet, hängt ein 
Vrieffaften, ber in bergolbeten Settern bie Huffcbrift trägt: Buzon de la 
Virgen. $ort hufeben in abenblicber $unfelheit berfchleierte ©eftalten bor* 
über, um ihre ber Vtabonna anbertrauten ©eheimniffe 3 ur ©eiterbeförberung 
ab 3 ugeben. ©ag bann mit ben Vriefen gefchieht? Vefter #err Jammer, bag 
ift mehr alg ich SU fagen meib* Vermuthlich merben fie auf einem nur ben 
frommen Sßatreg befannten ©ege nach ben bintmlifcben Legionen fpebirt, aug 
benen in bringenben fällen immer eine Slntm^rt 3 urüd!ommen foU, bie ben 
febönen ©orrefponbentinnen burch ben Vtunb ihreg Veichtigerg offenbart .mirb." 

Jammer fonnte ftcb eineg belieben Sadpeng nicht erme^ren. ift 

ein toftlicher Spab! Gtmag $übf<hereg hätten bie frommen Väter mirflitb nicht 
erftnnen fönnen." 

„Sachen Sie nicht, befter £err Jammer, lachen Sie nicht! $ie Sache tft 
ernfter alg Sie benfen, unb für Manchen, ber fie in Sachen aufnahm, hat fte 
fchon in Srübfal geenbet." 

,,©ie ? Sie mollen mich bo<b nicht glauben machen, üttagel, bab eg mit 
biefer ©orrefponben 3 ernftlich gemeint fei, bab bie gebilbeten grauen nnb 2 Jtäb* 
eben Santiagog fleh bon folchem ©aulelfpiel bethören lieben ?" 

„©enn Sie erft mieber acht Xage in unferer Vtitte ftnb, merben Sie ©r* 
fahrungen genug gemacht haben, um bie ernften Seiten biefeg neueften Pfaffen* 
trugg 3 U begreifen." 

„9tein, nein !" rief ber junge Kaufmann lebhaft, „©ine junge 2 )ame 




m 


Ifpa 


bon bet Bilbung unb bcm Berjtanbe Sonna SeonticaS mirb nimmermehr folch 
plumper Sdufchung ©ehör geben. SBenn $ater Ugarte unb fein ©onbent 
nichS BeffereS jn erpnnen meib, burd? Mittel b i e f e § Schlags foUen fte mir 
mein ©lud nicht ftreitig machen. So<h fehen Sie borthin, Nagel! 2BaS be* 
beutet bie gldnjenbe gadelprozeffton, bie ba eben in ben ©arten einjie^t ? ©3 
fcheint, mir foUen heute gar noch 3*ugen eines ganz befonberen gefteS 
merben." 

Jammer mar bei ben lebten SBorten Saftig bon feiner Ban! aufgefprun* 
gen, ben Blid nach bem #aupteingang beS ©artenS gerietet. Naget folgte 
feinem Beifpiel, er eilte fogar einige Stritte borauS, als fud?e er mo* 
möglich noch b o r feinem ©efdbrten bte Beranlaffung beS fefttidjen Umzugs inne 
gu merben. ©ine lange Sfiei^e bon gadeln, getragen bon jungen Ntdnnern, 
beren runbe $üte mit breiten brntben Bdnbern berjiert maren, bemegte ftd? 
unter ben luftigen Stangen einer boranziehenben ganitfcharenmuftf burch bie 
$auptattee ber ©Squina. Mehrere niebere Srofchten, jebe bon hier fchellenbe* 
hangenen, mit butjten SRofetten unb Banbfchleifen gefchmüdten Ntaulthieren 
gezogen, folgten bid?t hinter bem NtuftlcorpS. Naleten unb Seucbtlugeln ftie* 
gen unablafftg zu bem bunfelblauen, mit unzähligen Sternen befdeten Nacht* 
himrnel empor. Sie fchautuflige Ntenge brdngte bon allen Seiten herzu, fp 
bab es bem 3uge ferner hielt/ ft<h Sahn zu brechen. Schattenbe Bibatrufe 
unb fröhXid&eS gauchzen erfüllten bie Suft. 

* 2luS ben entfernteren Sheilen beS ©artenS eilten betriebene ©ruppen 
Neugieriger herbei. 

„©ine Hochzeit! ©ine Hochzeit!" riefen mehrere Stimmen zugleich. 

„SaS trifft ft<h herrlich!" meinte Jammer. „2Benn mir uns fputen, 
fönnen mir mohl noch am Sdjmaufe thetlnehmen. ©leid? am erften Sage 
meiner Nüdlehr ein $o<hzeitSgaft — ich bdcfyte, baS mdre ein gutes Omen." 

„Sehren mir lieber zur Stabt zurüd, $err Jammer", fiel Nagel rafd? ein. 
„Sie ftnb gemib ermübet bon ber Neife unb bebürfen ber Nuhe. Saffen Sie 
uns bort bur<h baS Heine Seitenpförtdjen nach bem Sajamar biuübergeben. 
SiefeS gerdufchboUe Sreiben mürbe auf 3hre überreizten Nerben fehr nachtheu* 
lig mirlen." 

„2BaS fallt 3hnen ein, Nagel, bab Sie ft<h um meine Nerben fo biele 
Sorgen machen ? SBübte ich hoch nicht, bab fte mich je tut Sehen incom** 
mobirt hätten, marum foE ich gerabe heute fo zarte Nüdficht auf fte neh* 
men ?" 

„2lber ber SpphuS grafftrt je&t hier fehr ftarl. ©erabe unter ben jun* 
gen frdftigen Seuten forbert er bie meiften Opfer." 

„Unb beShalb foUen mir uns baS Vergnügen berfagen, biefe $od?zeitS* 
luftbarleiten mit anzufehen ? ©eben Sie, Nagel, mie fommen Sie mir nur 
heute bor l" 

Jammer eilte mit rafchen Schritten über ben ebenen Nafenplan, ber fchon 
ganz nahe gerüdten gadelprozeffton entgegen. Ser Buchhalter Nagel, jfefet 



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ein leibhaftiges SHb beS SdhredenS, heftete ficb totest an feine getfen unb 30 g 
ihn mit beiben §änben an ben Wodfcböjjen jurüd. 

„©uter befter $err Jammer", fiebte er mit jitternber Stimme, „taffen 
Sie uns nad) #aufe geben! 3<h weif? nicht wie e§ lommt, aber — icb fübte 

midb febr fchledbt — mir rnirb febr unroobt --icb--icb werbe einen 

2 )ottor haben muffen!" 

Jammer fab bem greunbe beim Schein ber nabenben gadetn ins ©eftcbt 
unb erfdbtaf über beffen 33taffe. „2BaS fehlt Sbnen, lieber «Raget ? SBaS ift fo 
Olöpcb mit gbnen ootgegangen? Sie fmb wirlticb febr bläh — bide Schweift* 
tropfen fteben auf 3bret Stirn- 

„3a — ich — ich habe baS gieber— muh fcbleunigft ju 33ette.... 
Soffen Sie uns bort hinaus nach ber Stabt geben, $etr Jammer!“ 

„tpiab, «ßtafe, SennoreS SabaHeroä! ©ebt SRaum für Son ©ScobeboS 
#o<h}eitSjug!" tief ber erfte ber gadeltrdger ben in ber «Witte beS fflegeS ft** 
benben greunben ju, unb fchob fie fanft auf bie Seite. 

Jammer befdEjäftigte fub mit bem plöpdb febr beunrubigenben guftanbe 
feines ©efäbrten, ben et mirtti<b für ferner erlranft hielt, unb febidte fub 
an, feitlidb mit betreiben abjubiegen, um auf bem oorgefcblagenen Sßege fo 
taf<b als möglich jur Stabt jurüdjulebren. ®a tonnte er nicht umhin, no<b 
einen 33 lid auf bie fffrojeffion ju werfen. ©i<ht oon gadelträgem umringt, 
fuhr eben ber mit Stdnjen unb »tumenguirlanben reich gefcbmüdte «EBagenbeS 
S3rautpaareS ootübet. ©S muhte ein febr reicher «Wann fein, ber feine ^oebjeit 
auf fo pruntooHe Sßeife feierte; jung unb fchön war er freilich nicht mehr; baS 
tunbe aufgebunfene Stnttib, bem übrigens ber SluSbrud ariftotratifeber SEBütbe 
ni«bt fehlte, batte leinen «Wangel an galten unb rotben gleden, bie eben nicht 
ju feinet Sßerfcbönerung bienten; bie augenfcbeinlich hohe ©eftalt war fchon 
etwas gebeugt, unb baS unter bem §ut fubtbare fpärlicbe Haupthaar »on ehr» 
würbigem Silberreif bebedt. Sin feiner Seite, in loftbare Spifcengewdnbet ge« 
hüllt, fah bie 33raut, ben «Wbrtbentranj mit bem reidb geftidten SBrautfcbteier 
in ben üppig bis über bie Schultern bcrnieberwaltenben fcbwaqen Soden, ein 
oon eblen Steinen funtelnbeS Sliabem auf ber alabafterweifjen Stirn. Sa§ 
Siuge beS jungen beutfdhen Kaufmanns heftete fuh neugierig auf bie wunbetooll 
fdhönen, bodb marmorbleichen güge — ba plö&tidb lieh er ben am Slrm erfahten 
greunb fahren, mit ber linten ®anb griff er nadb feinem ^erjen, wdbrenb er, 
oorwärtS gebeugt, mit bet Wedhten eine Bewegung nach bem SEBagen bin machte, 
als wollte er benfelben aUfjubatten oetfueben. 

„Seontiea! Sie — oermäblt!" rief et im Slone böchfter 33er« 
jWeiflung, nnb fant bann rüdwärtS in bie geöffneten Strme beS eben noch non 
ihm unterftüfcten greunbeS, mit bem er wie butdb einen Sauberfchlag bie Wol« 
len oertaufdht ju haben fchien. 

„iS ift gefdjeben!" lispelte Wagel, ficb ermannenb unb ben oöttig be« 
wuhtlofen greunb feitlidb in baS 33ufdhwert jiehenb. „0 über biefeS fatale 
$erj, baS einem redbtfcbaffenen Kaufmann bodh fo entbehrlich wäre!" 



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232 


1 

$ie lebten SBorte $ammer§, menn auch bujdh ben Sätnt ting§ untrer 
übertdubt, mustert bo<b mohl an ba$ Oh* ber 93raut gebrungen fein. 3hre 
fd^Iaffen, gleichgültigen 3üge belebten ftdh ploblidh, ein munberbarer ©lanj ent* 
ftrablte bem eben noch fo matten 2luge, fte beugte ftdh au3 bem SBagen unb 
ftrecfte beibe Slrme nad? ber Dichtung, aus meldher bie mohlbelannten £öne an 
ihr Ohr gefdjlagen — bann aber fanf auch fte rüdling§ in ben SBagen, unb 
ber überrafdhte Bräutigam umfing bie böllig Ohnmächtige mit feinen ftarfen 
2Irmen. 2löe§ mar bal 2Berf meniger Selunben gemefen; meber bie £f)eib* 
nehmet be3 3uge3, noch bie ben $odhseit§magen guttädhfl umbrdngenben $erfo* 
nen Ratten oon ben gefdhilberten Vorgängen SRotijj genommen. S)er junge 
Kaufmann mar bereite burdh feinen greunb ber neugierigen 3Renge entrüdt, 
ber $o<häeit§$ug aber bemegte ftdh ohne Slufenthalt nach ben 2Birthf<baft$ge* 
bduben ber GSquina, mo ber geftf<bmau8 bereitet toar. 


4. $ie ^actenba in ben $antpaS. 

Gin ©emitterfturm braufte über bie graäreidhen Pampas, rneldhe ba§ bon 
ber ÜJteereäfüfte bi£ jum gub ber Slnben ftdh erftredenbe £hal non SBalparaifo 
im korben begrenzen. ßlatfdhenb fdhlagt ber bon ber milben SBinbäbraut ge* 
peitfdhte Sftegen in ba3 tnietiefe ©ra3, ^r$auft bie Slüthenbüfdhel ber üppig 
mudjernben Gactuäftrdudher, unb bebedt benS3oben ftellenmeife einige 3oll hoch 
mit ben abgetnidtten Blümchen ber Salbei, ber Kamille, ber rotten unb blauen 
Sßerbenie. kleine 3nge üon SBecafftnen ftreifen pfeüfdhnell über bie ©raäflddhen 
unb ©ebufche bin; an ben fumpfigen Stellen haben ftdh Schaaren bon SBilb* 
gänfen gefammelt, beren pfeifenbeä Schnattern felbft unter bem £eulen be3 
Sturmes unb bem Lotten beS SonnerS oernehmbar bleibt; bie Keinen 
fanindhenartigen SBiScadbaS, bie mit ihren in mäanbrifcpen SBiubmt* 
gen ftdh hinjiehenben fohlen ben Jöoben ber Steppe oft nteilen* 
meit untertninnen, unb bie fonft bem SBanberer aufbringlich über bie 
gübe laufen, haben ftcb in ihre 2öcher surüdgejcgen, nur jumeilen bie fpi&e 
Sdbnauje über ben S3oben erbebenb, um su mittern, mie lange mobl 
ber Sturm nodb anbalten merbe; ber einige S3emobner ber Steppe, meldher 
bem Unmetter mit philofphiföent ©lei(bmutb trofct, ift ber Keine fübanterifqni* 
fdbe Straub, ber, ben.Schmanjinbie^öhe gehoben unb bie giügel aufgebaufcht, 
ben langen «gals aber glatt in ba£ ©raS gebettet, ben Sturm gebulbig über ftcb 
binjieb ln unb ben Siegen oon feinen gebern abtropfen labt, ja in biefem 2luf* 
rühr ber Glemente, mo oon feinem geinbe etmaS ju fürsten ift, ftcb gar nicht 
unbehaglich §u fühlen fcheint. 

$unlleS, bleifdhmereS ©emölt bebedte ben Fimmel, unb fchten ftdh faft 
auf bie Grbe hernieber fenfen au motten. 9tur auf eine gan$ fur^e Strede hin 
lieben ftdh bie etmaS erhabenen ©egenftänbe — freilich nur 93dume unh.6trdu* 
eher — beutlidb erlennen; maS barüber binauSlag, mar Sitten in flüfftgen 9le* 
bei gehüllt, ber fuh, menn ein frdftiger SBinbftob einherbrauf te, auf Slugenblide 



* 


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233 



gu lichten fchien, bann aber lieber um fo bitter gufammenfloß. Schmefelgelbe 
33liße gudten burcß bie 2Bolfen, unb brößnenbe $)onnerfchldge, mitunter fnat* 
temb mie bie SBreitfeite einer ßriegSfregatte, erfdßütterten bie ßrbe unb rollten 
gang aHmdlig berhallenb baßin, ba auf ber unermeßlichen Gbene ber gortpflan* 
gung beS Schalles lein ginberniß entgegen faßt.- 

gn bem an baS fruchtbare unb ftarf beoölterte $ßat beS SJ3arabiefe^ fto* 
ßenben $beil ber cßilenifchen SßampaS liegen gasreiche gactenbaS gerftreut, bie 
oon lleinen ©utsbefaern, bereji'ganger fReicßtbum bie SBiebgudßt ausmacht, he** 
moßnt metben. IJtach einer biefer gacienbaS, bie fich in ihrer äußeren Bauart 
mie inneren ©nrtcßtung meiftenS febr ähnlich fab, toerfeßen mir ben Sefer, ge* 
rabe um bie 3«t, ba ber Sturm feinen haften ©rab erreicht hat, unb nacht* 
liehe ginfterniß ftch über bie ^arnpaS ßernieberfenft. 

$ie gacienba ift ein einftödigeS ©ebäube, bon bem man, aus einiger 
(Entfernung gefehen, faft nichts mabmintmt, als baS ungeheuer maffae, oben 
fehr fpiß gulaufenbe ©iebelbadß, melcßeS gang aus goßlgiegeln gufammengefeßt 
ift* 2)aS 3)a<h ruht auf fehr niebern dauern, aus hart geftampftem fießm ge* 
formt, genfter giebt eS nur menige unb gang Heine, bie meift bon außen 
nochmals mit eifemem ©ittermerl berfchloffen fab; rnaS bebarf eS auch ber 
genfter in einem Sanbe, beffen milbeS, gefegneteS ßlima baS Offentaffen ber 
SBoßnungen mdßrenb beS gangen gaßreS geftattet! 3Me £ßüren fab bemge* 
maß fehr meit unb hoch, unb ba eine fcßmale bebedte SBeranba rings um baS 
gauS lauft, mögen fie felbft bei regnerifeßem SBetter offen ftehen. SDieborbere 
gdlfte beS gciufeS, melcße ßücße unb SöotrathSlammern enthalt, liegt um einige 
guß tiefer als bie hintere, in meiner fich bie Scßlafgimmer unb, bei moßlßaben* 
beren ©utsbefißem, ein mitunter recht elegant, menn auch meift in fcßmerfdlU* 
gern ©efeßmad auSgeftatteteS ©aftgimmer befabet. $ie 27taueru entbehren 
äußerlich jebeS architeltonifchen 6(hmudeS; nur gumeilen ift neben ber gauS* 
tbür eine ÜRifcße angebracht, in metcher ein Grugifa, ein ÜUtuttergotteSbilb ober 
bie aus golg giemlich roh gefeßnißte unb bunt angematte Statue eines geiiigen 
aufgefteHt ift, ben fi<h ber Söefißer gum fpegiellen gort feines ©gentßumS unb 
feiner gamitie auSerfeßen. üftaeß biefen Schußpatronen mirb bann gemöhnlich 
bie gacienba felbft benannt. 2lucß ber in rieftger Stdrle machfenbe mitbe 
SBein, bie Schlingrofe ober ber cßilenifche ©pßeu, mitunter auch alle brei gu 
einer gmeiten unburchbringlichen SBanb oerfatungen, bienen gur äußeren 
SBerfcßonerung ber fonft nicht fehr freunbtich auSfehenben Seßmmauer. ginten 
fcßließt fich meift ein hübfeh bebautes ©arteßen an bie gacienba, auf beffen 
^Blumenflor große Sorgfalt bermenbet mirb. S)er Chilene liebt bie Blumen 
unb laßt fich leine ÜBtuße berbrießen, fie in immer neuen Slrten, in üppigfter 
gulle unb garbenpracht gu ergeugen, mobei ihn baS herrliche ßlima Iraftigft 
unterftüßt. Stalle unb Scheunen, gleichfalls nur aus 2eßm gebaut unb mit 
bem riefigen S<ßacßthalm ober ben 53infen ber $ampaS gebedt, liegen feitlidß 
ber gacienba; ihre ©röße unb SluSbeßnung geigt am ficßerften ben ©rab beS 
SGßohlftanbeS beS ©efißerS an. Gebaute gelber giebt eS menige; man befcßrdnlt 



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»en £if<h, aul bem garten gumiHholäe gefertigt, bidjt unter bie Campe gerüdt, 
um bei ber airbeit bei SEBäfcheplättenl, ber fie eifrig oblag, beffer fehen ju tön* 
nen. Seine leinene Bettmäfche, jum £heil fogar mit Spieen befefct, k lag auf 
bem Sifche aulgebreitet, unb im Jtaminfeuer glühten eiferne Stähle, bie Bon 
3eit ju 3e*t i« bie Heine $öfitung bei ißlätteifenl eingef(hoben mürben. 

Gine Seit lang Ratten bie beiben Sitten fchmeigenb gearbeitet. Stur rnenn 
ein befonberl greller Blifc hinter ben nergitterten Scheiben bei Keinen genfter* 
djenl judte unb ein bröbnenber SDonnerfchlag bal £aul erbeben mailte, 
murmelte ber Sllte, Bon feiner Arbeit aufblidenb, einige SEBorte über bal grau« 
liebe SEßetter; bie grau aber trat Bor bal Gruciftf hin, betreujigte (ich unb betete 
ein Sine Dtaria. 

(gortfefcung folgt.) 


Pit IPiiitrrptttdjt in ber iitutfdjcn Politik. 

®on * * * 


Sill bie Sachen ber amerilanifdjen Stcpublil am fdjlimmften ftanben, ge* 
teilten uni bie Sroftmorte bei eutopäifchen Bublijiften an „bal grofie Soll 
bal ftd) erhoben" jur Stärlung. 2Bir nahmen fte mit Sanlbarleit entgegen, 
unb bebauerten mohl, bah f«h ben fran§5fif<hen, englifeben unb italienifchen 
Stimmen nicht auch bie einel Seutfchen jugefellte. 3>er alte $umbolbt hätte 
fuh eine fol<he ©elegenheit nicht nehmen laffen. Gine biefet hier gejollten 
Anetlennung entfptedjenbe Aufnahme in 2)eutfchlanb für amerilanifche Grßt* 
terungen über beutfebe guftänbe ju ermarten, märe ungereimt. Sie neue SEBelt 
muh ber alten gegenüber noch auf manche DJtenfcbenalter bie Stelle ber Schülerin 
enthalten unb foll ihre Ateifterin nicht mit Belehrungen heimfuchen; haben mit 
bem alten Baterlanbe nicht Shatfachen mitjutheilen, fo mögen mir el mit Slath* 
fchlägen oerfchonen, beren Uebermafc ihm ohnehin über ben tfopf mächf’t. Biel* 
mehr fomrnt el uni ju, Bon ber überlegenen ©eifteltraft ber alten #eimath 
für bie Bermaltung unferer eigenen Angelegenheiten Stath unb Beiftanb ju 
erbitten. 

Unb hoch lann biefe Abfertigung uni Seutf<h*Amerilanern unmöglich ge* 
nügen. Sal DJlateriat ber beutfehen Bolitil befchäftigt uni noch immer bal @e* 
müth, unb lommt uni in einer Verarbeitung entgegen, bie meber bal Betbor» 
bene ©emüth befriebigen, noch ben fchmachen Berftanb befcheiben lann. Gl 
geht ben Grörterungen ber beutfehen Bublijiften jene platte ©emeinoerftänblichleit 
ab, buteh melche bie fjänbel bei neuen Baterlanbel oft fo unerquidlich merben, 
boch aber in ber Siegel ju einem leiblichen Aultrag gelangen. Gl bleibt uni 
bal »ebütfnifc, mit biefen gragen in ber lanbtäufigen haulbadenen SEBeife um* 
jugehen. Gl geht uni — ber Ameritaner lann bie Anelboten nicht bei Seite 


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236 




laffen — wie bem Unterleder, ber ben Vornan beS £errn SßrofefforS fchlecht 
fanb, unb bie 3urechtmeifung erhielt: „AHe fönnen Sie ftch uhterftehen, etwas 
Zu berbammen, baS ich felber laurn berftehe !" Die 2Jtittelmdßigfeit fd^üfet 
bor bem Aormifc nicht. 

6 ben in bem bezeichnten 2 Jtanget an Plattheit in ben Politiken 3 been 
fehen mir, in unferer 93ef<hrdnftheit, bie Urfacße ber unenblid? langfamen 
©ntmidelung ber pofitifchen Saaten in Deutfdßlanb. Da !ommt jeher SSorfc^Xag 
fertig, umfaffenb ausgearbeitet, aus ber Scßretbftube beS Urhebers in bie 6 a* 
lonS feiner ndcßften sjkrteigenoffen, um hier mit bem 3artgefüßl feingebilbeter 
Diplomaten entgegengenommen, weiter ausgebaut, entwiäelt, berfeßonert ju wer* 
ben, unb gelangt e r ft b a n n in bie Spalten ber DageSbldtter, bor bie Kammern, 
an ben Aerfucß ber praltifcßen Ausführung. $ier zeigen ftcb zum erften 2Jtal bie 
inneren SBiberfprüdße, bie aufzuftnben bisher Aiemanb ein Sntereffe butte, unb 
bie fofort nicht adein ber Ausführung beS 3$orf<hlagS ein 3iel fcfcen, fonbem 
auf 3aßre lang baS getduf(bte unb bestimmte ^ublitum ber $olitif überhaupt 
abfpenftig machen, unb bie £errf<haft beS einmal Söefteßenben noch weiter be* 
feftigen. 60 folgten ftch einft AeichSberfaffung, preußifche ßinung, würzbur* 
ger Konferenzen, SBieberßerftedung beS 93unbeStagS; fo, fpdter Aationalberein, 
granlfurter gürftenfongreß, S3egeifterung für S<bleSmig*£olftein. $ie poli* 
tifchen Programme haben ganz baS Scßicffal ber philofophifchen Spfteme bon 
ehebem: ein jebeS überführt baS borige eines JHecbnungSfeßlerS, unb bereichert 
mit menigftenS einer Wahrheit baS ©efammte ber Grfemttniß; aber ein 
jebeS begeht auch feinen AechnungSfeßler, unb errichtet barauf Dßurm* 
gebaube bon fcßwinbelnber ^öße, beren ßinfturj ben SBeiterbau fauer unb 
mübfam macht. 3n Amerita tritt jeoeS ©ebanfenbrucßftücf in einer Waffen* 
berfammlung auf, richtet fi<h wthgebrungen an baS Aerftdnbniß auch ber Un* 
gebilbeten, fe&t ftch mit ben robeften $olfSborurtßeilen auSeinanber, unterzieht 
ftch ben wortreichen $aarfpaltereien ber 2Bintelabbofaten unb ber ftidfehmeigen* 
ben Kritif ber SeitungSlefer, unb gelangt, wenn es nicht fofort ber Aergeffen* 
heit anßeimfddt, unberzüglich z um ^erfuch einer praltifcßen Durchführung. 
SBemaßrt eS ftch, fo hrnterlä^t es fegenSreiche golgen; erweift es ftch als un* 
ftichhaltig, fo giebt eS eine gute Sehre. gu jebem fjall bleibt bem SSolfe bie Suft 
ap ber SBeiterbilbung feiner politifcßen Dialefti! unbenommen, unb bie 
tobten fünfte, an benen biefe ftoefen müßte, werben glüdlich umgangen. 

Ginige biefer tobten fünfte in ber beutfehen SBoüSbiateltif, biefer funba* 
mentalen SBiberfprüdße, bie ihrer dfthetifchen Unanfeßnlicßfeit wegen bem Abler* 
blid ber beutfehen Sßubliziftif zu entgehen fcheinen, unb bem üfltaulmurfSauge 
beS ameritanifeheu Kannegießers, ber ftch in jene (Miete berirrt, begegnen, 
füllen nun refpeftswibrig angebeutet werben. 

Da ift zu adern Anfang ber Saß: „2Jt an lann nicht auf bem 
2 Bege frieblicher Serßanblung erreichen, was gemalt* 
fame 93efeitigung beftehenber üfltdchte borauSfeßt" — 
bem bie beutfehen Sßotitifer ader Parteien bie Augen bis auf ben 






237 


heutigen Dag oerfdblieben. SBcnrt bie amerilanifdben göberaliften bom 
34re 1787 ftdb mit planen getragen Ratten, bie Keinen Staaten, toie 
Sftyobe 3Slanb, Delatoare u. f. to., burdb bie groben su berfdblingen, ohne bodb 
ben Üfltutb su haben fte mit ßrieg gu Übergaben, fo todre bie grage ber ameri* 
lanifdben Union beute noch in einem dbnlidben Stabium tote bie ber beutfdben 
(Einheit* 2Bie unenblidb immer bie beutfdbe ber amerifanifdben Diplomatie über* 
legen ift, fo toirb eS bodb niemals ben Defterreidbern gelingen, bie ^reuben 
ober bie ßleinftaaten gu bereben, gum 93eften ber beutfdben dinbeit eine öfter* 
teidbifdbe Sßrobing gu »erben, niemals Sßreuben ober Defterreidb, bie Slnneyation 
ber ßleinftaaten bem Slnberen ober ben ßleinftaaten felbft munbgered?t gu ma* 
<ben, niemals S3aiem, bie übrigen ßleinftaaten mit dintoilligung berfelben, ober 
SßreufcenS, ober OefterreidbS, ftdb einguoerleiben; — ebenfo toenig toie es ein 
beutfdbeS Parlament berfteben toirb, bie monardbifeben dingelftaaten in ©üte 
unter ben $ut einer bemofratifdben dentralgetoalt gu bringen* blur b ie DranS* 
aftionen ftnb möglidb, bie b eiben DranSigenten SSortbeile bringen. Diefe ent* 
fefclitb pbiKfterbafte äftayime mürbe in Deutfdblanb fdbtoerlidb ein ^ubligift aus* 
gufpreeben toagen; jebenfallS toirb fte bafelbft einmütig bintangefept. 

Der gtoeite SBiberfprudb hingegen ift — ein halbes ^abrbunbert nadb bem 
SBiener äongreb — als übertounben, beffer gefagt als bebergigt, gu betrachten: 
es ift unmöglich, gugleidb auberbeutf<be ©robmadbt 
unb integrirenber Dbeit DeutfdblanbS gu fein. Oefter* 
reidb toirb ft<b feiner beutfdben dentralgetoalt unterorbnen, fo. lange es feine 
Rechnung babei gu finben glaubt, geftüpt auf nidbtbeutfdbe $ülfSmittel nidbt 
Deutfdblanb allein, fonbern gang Europa beoormunben gu helfen. 

Der britte Sffiiberfprudb: „din rein b eutf db er Staat fann 
ntdbt gugleidb für fidb ©robmadbt unb integrirenber 
DbeU eines anberen ©emeintoefenS fein", bilbet ben $ern 
ber Unflarbeit in ber politifdben Situation beS SlugenblidS. SllS ©robmadbt 
»ill ^reuben berrfdben, ben Don angeben; als 33unbeSglieb fod es beratben, 
ftdb fügen. 2llS ©robmadbt giebt es mit Oefterreidb, granlreicb, dnglanb unb 
Sftublanb bie 3toedmdbigfeit beS gortbeftebenS feiner beutfdben SöunbeSgenoffen 
in drtodgung; ttlS ShtnbeSglieb betreibt es ben 93au oon geftungen gur 2lb* 
»ehr gegen granfreidb, gelbgugSpldne gegen föublanb, $anbelsfreuggüge 
gegen dnglanb, Sdbupmittel gegen babSburgifdbe Uebergriffe. Dab bie gn* 
ferejfen ber ©robmadbte unb ber ßleinmddbte barmonirten, ift nidbt benfbar, ba 
bie Aufgabe ber ©rojimddbte gerabe im SBerfdbltngen ber ßleinmddbte, bie 2luf* 
gäbe ber fileinmddbte im Flandren ber ©robmadbte beftebt. golglidb muh 
Sßteuben immer gtoifdben feinen gntereffen als ©robmadbt unb feinen Sßerbinb* 
lidbfeiten als SBunbeSglieb todbien — um für drftere gu entfdbeiben, benn eS ift 
ja baS SSorredbt eines ©robftaatS, immer in feinem SBortbeil feine Pflicht gu fin* 
ben. Sßreubeu als ©robmadbt hilft an ber Sprung DeutfdblanbS, inbeb 
Sßreuben als beutfdbeS ©unbeSglieb im 9iatb ber Sertbeibiger DeutfdblanbS bie 
erfte Stimme führt. 


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238 


SBenn eS nicht ntBgltch ift, biefen SBiberfpruCh gattj außer Augen §u feßen, 
fo hilft man ftch burch beigejogene ©erfchiebung jenes juoor begegneten ©e* 
genfaßeS gwifChen ©ewalt unb Ueberrebung. 

©tan benlt fuß bie 3»üitterfteIIung Preußens als UebergangSguftanb, 
burCß ben es ftch ju einer ©roßmacbtftellung, bie aller ©unbeSpflicbten enthoben 
ijt, binburcharbeiten foD. Ohne einen einjigen nteyifanifChen Jtrieg ju führen, 
foD eS einige unb breißig teyaniföe Anneyationen bemerlfteüigen. Seine 
©eftimmung ift hanbgreifliih, aber eS foD fte ohne Dftenber ©tanifefte erfüllen. 
®aS Verfahren in ber fChIe8wig*boIfteinifCben Angelegenheit wirb als ©tufter 
PorgefCßtagen. Als ©roßmacht geht Preußen einen Vertrag ein, ber Seutfdj* 
lanb um gwei Sänbet bringen foD. Als beutfCßer Staat hilft eS btefen ©ertrag 
hintertreiben. 3m ©eretn mit DefterreiCh troßt eS SeUtfCßlanb bie güßrung 
beS Krieges ab. ©tit $ülfe BfterreiCbtfCber unb beutfcßer Gruppen führt eS ben 
fei eg gegen bte SiSpofitionen ber ©roßmäißte unb bie Solbaten eines ®uobej= 
ftaats. 3>n herein mit Defterreith vertreibt eS ®eutf<hlanb aus ben erfochtenen 
ßanben, unterjocht biefelben, unb theilt ftch mit ben fjabsbutgem barin. 3m 
herein mit ©eutfChlanb fuCht eS fjdbsburg um bejfen ©euteantßeil ju prellen. 
Als beutfCher Staat erjürnt es ftch über bie in ben feeinftaaten laut toerbenben 
©tißbiHigungen feiner $anblungßweife, unb als ©roßftaat macht eS biefem 
3om Suft, inbem eS mit granlreiCß unterhanbelt, um biefem baS überrbeinifChe 
Seutfchlanb ju fChenlen, baS bieffeitige ju anneltiren, unb OefterreiCb-burCb 
Ueberlajfung SübmeftbeutfChlanbS ju IBbem. An biefer Arbeit füllen preußi» 
fche ©ürger'unb Patrioten aus beutfcbem ©fet gut einftweiligen SJreitheilung 
SieutfChlanbS im frangBfifChen unb babsburgifcben 3"tereffe, nithtpreußifChe 
beutfChe Bürger aber mit boCboerrätberifdjen ©eftrebungen gut ©emicßtung bet 
©ngelregierungen, naCh feäften mitmirfen; nur baß eS auf bie beutfCßen ©ür« 
ger nichtpreußifcher Staaten toeit weniger anlommt, als auf frangBfifCße unb 
BfterreiChifChe ©aponnette. 2ßie, toenn biefe Stufe bet Steilung gmifdhen 
grantreich, £obengoHem unb #absburg einmal erreicht ift, bie ©nigung 
©eutfdjlanbS toeiter befBrbert toerben foH, barübet finben ftch in biefem ©ro» 
gramme leine Anbeutungen. 

$em unbeholfenen Ameritaner fihtoinbelt ber fepf oh foWbet ©ebanlen* 
Pge, nicht wegen ber einlaufenben ©erbreihen, benn in biefer ©egiebung ift er 
au<h nicht ohne politifChe ©ilbung, fonbetn wegen ber ©ereChnungen, bie ihm, 
wenn er urteilsfähig wäre, als gebiet erfechten würben. Um bie ©IBgliCh* 
teit, baß bie übrigen ©roßmäChte nicht bie erwünfCßte ÄurgftChtigteit beweifen, 
baß grantreiCh ober DefterreiCh gar ju piel, ©reußen gar gu wenig betommen 
bürfte, baß Außlanb ©ttfChäbigung unb ©tglanb $anbelsbegünftigungen per* 
langen tSnnte, nicht }u erwähnen, fo läßt ftch ber ©ebattfe nicht abweifen, baß 
ja baS projeltirte Äefultat gar nicht ein einheitliches SeutfCßlattb fein würbe. 
2Ber fein ibealeS 3>eutfchlanb in ©reußen finbct, baS ohnehin bereits als ©roß* 
maCht bafteht, ber hat bereits fein SeutfChlatib, bet tann fChon jeßt nach ©reu* 
ßen wanbern, er batf nicht abwarten, bis eS mit fo großer ©tüße um ein paar 






239 


Srooinjen erweitert worben, unb bet gortbeftanb einiger ßleinftaaten ne« 
b e n feinem gbeal fann ihm ben ©enufi beS Sefcteren nicht fchmälern; wer 
ober fein einiges, freies Seutfchlanb in ber bohen}oHerif<hen Stonarcbie nicht 
ertennt, bent wirf baburch ebenfo wenig geholfen, bafj er an tpreufjen, als bafi 
et an Oefterreich ober an granfreidj anneltirt wirb.^ 

Unb wenn bie ©inigung ohne Sreitheilung boih nicht abgehen bann, 
fo Iaht fich eine Sreitheilung benlen, bie erftenS ben gran}ofen feine 
Srooinjen abtritt, jweitenS feine ©roberung SeutfhlanbS »orauSfefct, 
unb brittenS bie weitere Berf<hmel}ung ber refultirenben brei Shetle 
Wo nicht anbahnt, boih auf feine Steife erfchwert. ißreufien, wie Oefterreich, 
fann auf eine feftere Jfriüpfung beS beutfeben BunbeS aufrichtig nicht eingehen, 
ohne ju opfern, was eS, mit IRecht ober Unrecht, fefjr hoch fchäfct, — feine 
Stellung als ©rofimacht. Sie übrigen beutfehen Staaten hingegen haben bei 
einem innigeren 3ufammenf<hlufj rein Nichts }U verlieren, unb bie herrlichfien 
©ewinnfte finb ihnen f«her. Sie freunbnadjbarlichen Begehungen mit Bteu« 
|en, mit Oefterreich, mit ber Schwei}, mit $oKanb, würben in feiner erbenHi* 
<hen Steife barunter leiben, „beS Seutfdjen Baterlanb" fange fich nach Wie vor, 
bie 3oa«, ißoft« unb Stün}»ereine beftänben fort, ber gefchäftliche unb ber gei« 
ftige Berfehr würben um nichts gefchm&lert, unb bie Siegelung ber oolfswirth« 
fhaftlichen wie ber politifdfen Berhältniffe wäre burch ben Utnftanb nicht er« 
fdfwert, ba| mit einer einigen Behötbe oerhanbelt würbe, was bisher mit 
Stetigen. Ser unglücffeligen Hoffnung ber Bereicherung auf SeutfchlanbS 
fioften Iebig, unb burch ftäftige Sämme — Seutfchlanb unb Italien — ge* 
gen frangöfrfche GroberungSfucht gefchüfct, würbe ft<h bie Begehrlichfeit 
DefterreichS- unb iftreufienS — jebenfallS btr betriebfame ©hrgei} ihrer S8e» 
Wohner — gegen bie flaoifdjen Dtachbam wenben, unb ber Shtafe oom fragen 
ber fiultur nach bem Often Sieben unb ©ehalt einhauchen. ©eographifch hat 
Seutfchlanb baffelhe Stecht, von einer Bacific«©ifenbabn }u fchwärmen, als Stew* 
g)ort, baS }um guten ©lüd an Se;aS unb Stiffouri feine überfchattenben ©roh« 
mähte hat. Seutfchlanb, granfreich unb Stufilanb gegenüber beS BeiftanbeS 
SftreufjenS unb — nach Bereinigung ber »enetianifhen grage •— DefterreichS wie 
gtalienS jicher, fönnte bie SteutraKtät, beren ft<h bie Schwei} ohne eigenes guthun 
erfreut, mit äßaffengewalt ergwingen unb erhalten, unb, ohne Spielraum für 
irgenb welche Sänbergiet, feine Stellung als $erb ©uropaS unb hohe Schule 
ber Sielt in erhöhtem Stajjftab unb mit erweiterten ©efichtSpunften §ur ©el» 
tung bringen. 

Stenn eS unmöglich ift, bie ßleinftaaten in ber befprochenen Steife }uoer* 
einigen, fo wäre baS bie erfte SranSaction, bie allen Betheiligten Bortheile 
böte unb bo<b nicht au8}ufübren wäre. Bor »ier}ig fahren hätten fonfeffio» 
neOe Berfchiebenheiten binbernb in ben Steg treten fönnen, heute fornmen fle 
nicht mehr in Betragt. Sie politifchen gnftitutionen fönnten nicht gleichartiger • 
fein, unb währenb bei ber Bilbung ber amerifanifchen Union bie Berfchieben« 
heit bet focialen ©ntwidlung baS gröfjte Ifinbemif} abgab, ift in Seutfchlanb 


m 




240 




gerabe bie Uebereinftimmung in biefer Beziehung bet größte Sporn zur näheren 
Berbütbung. 2)ie BunbeSalte überwinbet eine fehr gewichtige Schwierigfeit, 
bie ben amerifanifchen UnionSbätern arges Kopfzerbrechen foftete, inbem fte 
baS Berhältnip ber Stimmfraft ber einzelnen BunbeSglieber numerifch feftfteUte. 
Bor Slllem aber rnüpte ber p^rgeig ber gürften bei biefern Schritt feine Siech* 
nung finben. ©raufarn hat biefen Machthabern baS gahrhunbert mitgefpielt. 3u 
Steuben’S 3eiten war ber Dbethofmarfchatt eines Hohenlohe, ber nach Slmerifa 
überfefcte, noch beS ebrerbietigften ©mpfangeS unb beS ©ntgegentragenS hoher 
Remter unb Mürben gewärtig, unb ein beutfeher ©rbprinz, ber Slmerifa bor bterzig 
fahren bereifte, nahm faft eine Stellung in ber &mbeSgef<hi<hte ein* gept 
ftnb bie beutfdjen gürftenthümer nach Slupen hin wenig furchtbarer als Buppen* 
faften, unb nach gnnen werben fte bon reinen Stepräfentatibbemofrarteen immer 
fernerer zu unterfcheiben. SRichtS ift ben \2)pnaften geblieben als ber leere 
^offtaat, bem ber Sanbtag mit immer fcheelerem Sluge zufteht. Mie würbe ber 
©lanz biefer gefellfchaftlichen Stellung gewinnen, wenn bie breipig ©eftirne zu 
einem Stembilb zufammenträten, unb wenn biefeS ©epränge baburch aus einem 
inhaltlofen Sanb zum SluSbrud einer Sichtung gebietenben Macht würbe ! 
Mie bereitwillig folgten bie Monarchen ber Sabung granz gofepps nach granf* 
furt! Unb bah fte nicht ohne Umftänbe in ben Sad fchlüpften, ben er ihnen 
offen zu halten bie ©nabe hatte, beweift noch nicht, bap fte ben Borfchlag einer 
Bereinigung nicht einer eingehenben Berpanblung werth hielten. 

£ier begegnen wir einem bierten Miberfpruch, ber zmar feit ben Sagen 
ber SteichSberfaffung nur im $intergrunb ber StaatSaftionen ftchtbar würbe, 
aber in bie politifche Slttfchauung beS ganzen BolfeS unenblidp weiter hinein* 
reicht als bie hörigen, gaft nehmen wir unferen amerifanifchen Sefern gegen* 
über Slnftanb, ihn zur Sprache zu bringen: „Menn Monarchen für 
eine Bereinigung gewonnen werben follen, fo barf bie 
Bereinigung nicht eine Stepublif fein." Mer fchlechterbingS 
eine nichtrepublifanifche Stegierung nicht einfepen helfen will unb barf, ber hat 
fleh bon ber beutfdjen grage fern zu halten, bis bie ©inzelftaaten fämmtlich Sie* 
publifen geworben ftnb; fofern hier mit gegebenen ©röpen operirt werben foU, 
mup mit$)pnaftenunb$pnaftieen operirt werben. S)ap baS Bangemachen hier 
nicht gilt, hat fleh 1848 genugfam herauSgefteHt. ©S wäre ungerecht, biefer 
unumwunbenen ©rflärung einen ^Mangel an*republifanif<her ©eftnnungStüch* 
tigfeit unterftellen zu Wollen. Menn man einmal nicht Stebolutüm m a <h e n 
fann, fo erreicht man auch nichts mit Stebolution f <hreiben, ©ine Stebolution 
ift ein politifcheS Munber; wer fte borauSfept, entfernt ftch bon bem Boben ber 
Mirflühfeit. Mer in ber Mirflichfeit ftch bethätigen will, mup ohne Munber 
fertig werben. 

Man hat ftch babei nichts Ungeheuerliches zu benfen. £)ie hohen $äup* 
% ter werben ftch wohl zu einer abermaligen Steife nad? granffurt, auch ohne bie 
Mitwirfung Seret bon Österreich unb Breupen, bewegen laffen. ©inem öffent* 
liehen Sagen, auper bei ceremoniellen Beranlaffungen, würben fte ohne 3u?ei* 




241 


fei Sifcungen Bei gefdhloffenen Spüren boräieben, ba parlamentarifdhe Söerebt^ 
famfeit ohnehin einem orbentlidhen gürften nicht jiemt. 2luS biefen Vera* 
jungen würbe ein VerfaffungSentmurf Verborgenen, ber, um ®efefceSfraft ju 
erlangen, bie ®enehmigung ber Vertretungen ber Ginjelftaaten, beren Verfaf* 
fungen baburdh Slenberung erleiben müßten, — erforbern würbe. 3n ber Re¬ 
gelung ber Verhältniffe ber Ginjelftaaten $u einanber unb jur Gentralgemalt 
todre nichts pon ähnlichen bereits getroffenen Ginridhtungen mefentlidh RbweU 
dhenbeS ju gewärtigen, 3fn ber Organifation ber Gentratgemalt mürbe ftdh 
hingegen biefeS gürftenloßeg bie Gyefutibe mit möglidhft auSgebehnten üRadht* 
befugniffen felbft borbchalten, unb bon ber Einnahme biefer Vebingung 
feilend ber VolfSbertretungen mürbe bie Vereinbarung abhängen. Gine 
lonftitutioneKe gorrn märe bamit burdhauS nicht im 2Biberfpru<h, nur mürbe 
unter allen Umftänben ber Gifer ber gürften unb ihres Anhanges, unb bamit 
bie Goncentrirung beS politifdhen SebenS auf bie neue Stopfung, bon bem ®e* 
minn an perfönlidher Vebeutung abhdngen, ber ben baheim faft entthronten 
gürften im neuen üRittelpunft eingerdumt mürbe. S)ie bemolratifdhe Richtung 
müßte ft(h bagegen in ber Sucht nach Grmeiterung ber Vefugniffe ber ihrem 
Ginfluß immer mehr anheimfallenben Ginjelregierungen gettenb machen. 
SBenn nicht fang bauembe Kriege baS militärifdhe Glement in ben Vor* 
bergrunb brdngten, fo ift auch nicht abjufehen, weshalb eine foldhe erbliche 
gürftenlammer, bie in griebenSjeiten immer im Repräfentiren ihre «gauptauf* 
aufgabe finben mürbe, für bie greiheit beS Volles, baS bie lolalen Vehörben 
lomrollirt, fonberlidh gefahrbringenb werben lönnte, — bei langbauernben ßrie* 
gen aber werben alle politifdhen Sdhußmittel illuforifdh. 

GS lann wohl nicht fein, baß biefe foeben aufgefteUten hier Säße richtig 
ftnb, benn in biefem gaü mürben fle über alle beftehenben politifdhen Parteien 
in $eutf<hlanb baS Urtheil fpredhen; nicht einer einigen wäre eS borbehalten, 
baS Räthfel ber Sphiny gu löfen. Unb bodh will uns bebünlen, baß bie 
Gntmidelung ber politifdhen ®ebanlen, bom SBiener Gongreß bis auf ben ®a* 
fteiner Vertrag, bon Rtetternidh bis auf ViSmard, bon ben Vurfdhenfdhaften 
bis auf ben Rationalerem, ein ®efeß befolgen, baß nur auf foldhe Refultate 
führen lann. GS ift bie Verufung bon bem phantafierei^en ®emüth an ben 
falten, unerbittlichen Verftanb, eine Vemegung,bie bem beutfdhen ®eift 
ebenfo fchmer wirb, als einem pbantaftelofen 2Befen ber höhere Schwung ber 
®ebanfen, ber baS Sßarteileben beS £ageS an Ort unb Stelle täglich in ben 
SEßeg treten läßt; — unb bodh bie unerläßliche Vorbebingung beS ®elingenS. 


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242 


jß t r !Cnt*r0a*«0. 

SJrudhftüd aug einer (Siegte 
ron Weintjolb Folger« 


SBo ift bag $aug mit feinen ginbenbdumen, 

SDWt jenem bunleln, trauten ©ernadh, 

SBo in bie Dämmerung bon Äinberträumen 
©in liebeglanjenb STtutterauge brach? 

SBer forgt ? mer lacht? mer meint in jenen Saunten, 

SBo er gemeint, in beffen Slugen, aöh! 

SBenn greub 7 am Knaben feuchtenb fte burchbrang, 

3)e8 gebend bollfte gaft nid&t eine S^räne jmang ? 

2 ßo ift ber $erb, an bem in 2 lbenbfhtnben 
©in heimifch geuer bie ©efchmifter fanb, 

SBenn oft bag geiben früher gebengmunben 
Sich tbranenbott aug ihrem 23ufen manb, 

Unb hoch, mo ©ram unb Sorg 7 unb Sotb berbunben, 
SSerlaffem^ett, ber Slrmuth 3)rüderhanb, 

Slrn marmen £hau 7 n aug ehteg SJruberg S3liden 
3 ufammenfdhmolj in innigeg ©ntjüden ? 

SBo bift bu, güngling mit ben ^urpurmangen, 

Slug beffen Sluge brennenb geben fuhr, 

SBenn mir ung ernft unb feft unb milb umfchlangen, 

Unb $ag unb Sacht, unb ©ott unb bie Satur, 

3n unfern Stonb ihr himmlich 3eugnifj Hangen, 

SBenn bu mir, ich bir em’ge greunbfehaft fchmur ? 
greunbfehaft, — o heiliger SBahnrmn! — über’m ©rabe! 
SBeifj noch ber SWann, mag er gelobt als Änabe ? 

grr’ um, o SBehmuth, um nadh allen SBinben! 

S)ein troftlog Sluge mag im SlbenbKcht 
S)en SBieberglanj bon taufenb Fächern finben, 

2 >o<h jeneg #aufeg $)a<h, b ag $a<h, bag nicht. — 
Unb big mo ganb unb £iramel fid? berbinben, 

60 meit ber 3 rclel reicht unb mein ©eftcht — 

$a ift lein §aug — unb fort burch alle 3 wen — 

SJtir fchlägt lein $eq bon allen, bie brin mohnen. 

Db ©lüdeg Kargheit ober feine ©aben, 

Db SBeltgemühl, ob ©btt, ob Habgier laß, 

Db giebe marm euch mir entfrembet haben, 

Db euch ber 3*ü berfteinembe ©emalt, 



243 


$E)ag ©rat eudj felbft bag 3ugenbherj begraben, 

2Bag gilt bag mir ? Entfernt, bermittert, alt, 

SSermettlidht unb berhimmett, arm unb reid?, 

SKir feib ihr tobt — unb ich ? mag bin i<h eu<h ? 

£ob ift bte Sofung! ßeine üUtagle läfct 
@r fteh’n, nimmt ßinbheit, 3ugenb, aWanneSfraft, 

Stimmt 2lUeg unb bi<b felber in ben Steft. 

^aft’ feft an Siebe, ©laube, 2Bijfenf<baft, 

^alt’g mo bu fannft, — bo<h mo ftdh’g batten läfjt, 

$a ift e^ enblidb, ift eg manbelhaft! - 
5DWt Sabeln ober Slngft, Suft ober ©rarnen, 

So iffg — unb fo mie’g ift, fo mufjt bu’g nehmen. 

Stimmt, nimm eg benn — au<b bu, mein SBatertanbl 
2lud? bu mirft geh’n, mobin fte alle gingen. 

3n beiner ßirdjen aufgetiffne SBanfc 
SBirb Sta<btminb fdjaurige ßboräle fingen. 

3)er müffge SSanbrer mirb born fernen Stranb 
Sein burftig Stofe bureb beine SBüften gingen, 

Hm auf bem $lafc, loo einft *ßarig gemefen, 

2)eg ßorfen Slufem unb (Snglanbg S<bma<b ju lefen. 

Söerg über 93erg, bu golb’ne ^urpurpradbt, 

Unb tief im Strom, in immer breitem glutfeen, 

3um ÜSteeregbranb bort hinten ongefadjt; — 

2Bag ffeielt ihr Seben, fcfeöne glammengtutfeen ? 

2Bir lennen euch, ife* 93oten naher SZadjt; 

SEßir follen rub’n, mo anb’re SBelten ruhten, 

Seit Sleren — über unfern Seichenfteinen 

Soll nur born SJtonb bie Sonne mieberfdfeeinen.- 

Seht, mie fie finit! unb biefe SGBelt mirb Stacht, 

S)ort über’m SJteer beginnt ber Sag gu fcheinen, 

Unb mag i<h einft geträumt, gehofft, gebaut, — 

Sei’g b’rurn — auf immer fei’g ! unb ohne SBetnen_ 

ffler meint, menn eine SGBelt<n krümmer Iracfet, 

8$or feineg ©lüdg geborenem £aug, bem Keinen ? 

$ier gefe’ft bu unter, Sicht, auf fteigft bu ba: 

Europa ftirbt — eiI bir, Slmerila! 


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,3|l &a* „Grammen“ eine ltdjt- abtv 3d)attaifcitc 
öca amerikanifdjen (irufjljanöds? 

&on 6. Ä. &e?tta$#. 


Sffienn man fid^ übet einen Suftanb unterrichten will, Bon meinem ftetS 
nur im Sofern gefptoChen toirb, fo mu& man fi<h niemals mit bireften gragen 
an ©iejenigen roenben, bie babei eine BernehmliChe Molle fpielen. ©enn bet 
©efragte fühlt, bab er ftcb gegen ben böfen SlitfChein j« Bertbeibigen 
habe; fo werben feine Heujjerungen Biel wabrfcheinliCher jum gemanbten 
Paiboper einer böfen Sache als jur Haren SluSeinanberfefcung eines burdj febr 
erllärlictpe SKotiBe bebingten BerhältniffeS. 2BaS icb baber auch über baS 
„©rummen" jufätlig unb gelegentlich erfuhr, bat einftimmig einen Biel entfebei» 
benberen SBertb als alle StuSeinanberfefcungen, bie mir auf birelte Anfragen 
geworben wären. Unb wie benn in allen Singen ber 3ufatl bem Utjsbegie* 

tigen günftig ift — weil er eben baS ibm ©ienliChe nicht leicht überhört_fo 

Oerbanfe ich auch ganj unBorbergefebenem Begegnen bie reiften unb unmit» 
telbarften SluffChlüjfe über biefen ©egenftanb. Säbt man ft<b auberbem bie 
gehörige Seit, unb erhafcht man felbft in weiteren 3wifChenräumen gelegene 
liehe, ober bo<b nur inbirelt Berantabte Säuberungen, unb bat man felber leine 
Borgefafcte SlnfiCht, fonbem ben wahrhaftigen Pillen, fi<h teblich ju unterrichten, 
fo lann man barauf jählen, baS man baS richtige, unoetfälfehte SDlaterial jur 
Bitbung einer wohlbegrünbeten Uebeqeugung auf biefe Sßeife ohne befonberS 
grobe SJlülie finbet. 

SRach biefer 2Jtafime Berfuhr ich, als ich Bor etwa fe<bS Monaten ben 
©üben burtbteif’te. 

2luS ©aufenb unb aber ©aufenb fpontanen Säuberungen ber nach SHabanta, 
Souipana, astifflfftpfpi unb SlrfanfaS beimlebrenben SRebellenfolbaten Bon Siet 
©aptor’S GorpS, aus jabHofen an mich gerichteten gragen Bon BPanjern, 3j e * 
gern, unb unftät herum itrenben Berarmten Peipen, aus ben Sölienen unb nur 
feiten unb äuberft biptomatifCh gebreChfelten Bhrafen ber fübliCben grauenweit 
erwuchs mir ein Bilb beS Untergangs einer gefellfChaftliChen Orbnung, baS ju 
ben mäChtigften unb wabrbafteften ©nbrüden gehörte, bie mein an Beobachten 
fo Bieter grobartigen Greigniffe gewöhntes Sehen erfüllte. $ätt’ i<b gefragt unb 
gejeigt was iCh wiffen wollte — iCb würbe ein 3errbilb mit naCb £aufe gebracht 
haben, fo unwahr unb carrilirt als bie meiften Berichte ber auf birelte Spähe 
ausgegangenen SRegonftructionSgehülfen. 

©er ©egenftanb, mit bem iCh eS hier ju thun habe, erheifCht eine ähnliche 
©ehanblung. 

geh hotte feit Bielen gahren fChon bie Beobachtung gemacht, bab nur baS 
corporirte Kapital, unb nur bie allergewaltigften in einer einzigen $anb auf» 
geftauten Meichthümer birelt ihre Pacht in bem ©efChäftsleben ber Ber. Staa» 
ten auSüben. ©ie Keinen unb mittetgroben Kapitalien gewinnen nur burCh 



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245 


raftlofc 2^ätig!cit unb bie Eigenthümlichfeit bcr fte hanthierenben Snbbtbuen 
ihre 23ebeutung. 3$ bemerfe babei nur beiläufig, bab bag, mag man im 
®nnenlanb ©robhanbel nennt, meiter nichtg ift alg SBcrfd^Iei^ ober 2)e* 
tailhanbel beim 2)ufcenb, ober in gemiffen runben Quantitäten. ©erabe biefer 
f. g. ©robhanbel beruht biel meniger als bag aßerHeinfte*25etailgef<hdft auf 
ber £öhe beg angelegten ßapitalg, fonbern gang mefentlich auf ber inbtoibuellen 
Stellung ber SSerfaufer gu ihren Slbnehntern. 25er ßleinberfdufer ift auf eine 
faft gahllofe ÜUtenge Heiner Söörfen angemiefen. Er mag fte febr mohl burch rei* 
chere Slugmahl, burch Erebit im [ftothfalle, burch billigere greife angiehen; ber 
f. g. ©robhänbler bat eg mit einer limitirten 2Jtenge bon Käufern unb mit 
größeren SBörfen ober Erebitbebürfniffen gu tbun, — unb auffalienber SBeife — 
auffallenb menigfteng, fo lange man biefe 3uftanbe nid^t ergrünbet, — berbel* 
fenibmni(bt einmal unteräebn feine gröbere Slugmahl, fein Singe* 
bot bon längerem Erebit, feine befannte [Rechtlichfeit, jafelbft feine niebrigeren 
greife gur Ermeiterung feiner ßunbfchaft. 

SBober fommt bieg, unb mag bebeutel eg ? 3# taffe meine Erfahrungen 
felber fprechen, unb biefe foHen borerft ein boUeg Sicht auf ben ©egenftanb 
merfen. 

2llg ich bor ungefähr einem 3ab*e bon Baltimore nach Eintinnati reifte, 
ma(hte i(h bie 33efanntfchaft eineg 2abad*[Reifenben für ein Söaltimorer «gaug. 
Obgleich in ber 33lüthe beg SJtannegglterg, benn ber junge 2Jtann gdhlte etma 
26 big 28 3abre, unb bon einem urfprünglich robuften Körperbau, belunbete 
boch bie gange Erfcheinung meineg neuen S3efannten eine auffällige SRattigfeit 
unb Erfchöpfung, bie mich meg.en beg Eontrafteg mit bem mddhtigen ©erüfte 
um ihre Urfache neugierig machte. Ueber ben mafftben Knochen lag eine 
fchlaffe, bünne SRugfulatur, unb biefe bebedte eine faft leblofe, gelblichmeibe 
£aut. S3uf<hige, fchmarge «gaare auf bem «ginterfopfe lieben ahnen, bab bag 
faft big gur «gälfte fahle £aupt bor noch nicht langer Seit mit bem teilten 
•gaarmuchg be&edt gemefen mar, unb bag bunfle, lebhafte Sluge mar noch meit 
mehr, alg eg bei ben Slmerifanern angelfdchftfchen Urfprungg überhaupt ber 
galt ift, bogelartig aug bem ßopfe getrieben. Unb boch fonnte man nicht fa* 
gen, bab ber junge SRann Iran! fei, benn feine 33emegungen maren rafdj, 
menn auch etmag unftcher, feine Stimme flangboß, menn auch meiner alg 
man fte bei feiner {onifchen SSruft unb feinem mugfulöfen .galfe hatte oermu* 
then foUen, fein Slppertt normal, mobei eg mir jebodg auffiel, bab mein ©e* 
führte trofc eineg 3mifchenraumeg bon biergehn Stunben fejt unferer lefeten 
SWahlgeit biel mdhlerifcher mar, alg ich, ber faft hoppelt, fo alte, in nicht minber 
mohlhabigen SSerhältniffen Srgogene SRann. 

©egen bag Enbe unferer [Reife mürben mir fehr bertraut* miteinanber, 
unb nadhbem ich ben Anfang mit ber Ergählung meiner eigenen Saufbahn ge* 
macht, erfdhlob fuh mir auch mein jüngerer greunb, aug beffen Schidfalen ich 
ihn mit eigenen SBorten bagjenige tytx mid ergählen laffen, mag auf ben 
©egenftanb unb 3med meiner Aufgabe 33egug hat. 



246 


„2lm ßnbe ber großen firife bom 3fabre 1857 mar idb nodb ein febr 
junger ÜUtann. S)te ©efdbäfte gingen bamal« im ganzen fianbe fo fdbledbt, bafj 
idb frob mar, in bem $aba<f«baufe, für ba« idb beute reife, um ein ©ebalt ar* 
beiten gu bürfen, beffen idb mich jefctfaft fdbäme. Qdb mar bamal« ein atbletifdber 
3unge, mie man fte in Jantilien nidbt feiten antrifft, in benen ber JBater ein 
2lmerifaner unb bie UJhttter eine $ennfblbanifdb*$eutfdbeift. ©« gab feine Arbeit, 
bie idb freute, aber audb feine 2lu«fdbmeifung, bon ber id? glaubte, fte. fönne rnidb 
ermatten. Unb 2lu«fdbmeifung aller 2lrt gehörte gerabegu gu ben Söebingungen 
meine« gortfommen«. $ie fiunbfdbaft meine« £aüfe« mgr burdb gabllofe 
SBanferotte unb baburcb entftanbene Slengftlid&feit im Grebitiren auf« Sleufserfte 
rebugirt, tinb mir hier SBerfäufer (salesmen) tbaten baber ba« Ungläubige, 
um unferem $aufe neue, unb gang, befonber« SBaargelbfunben gugufübren. 
SBon allen jungen Seuten mar i(b ber Stärlfte unb ber am fdbledbteften f&t* 
gablte — i<b batte baber ba« aKermd^tigfte 3>ntereffe, bie beften unb meiften 
Slerfdufer bereingubringen, ba xd) rnidb biwburcb für bie 3ufunft nidbt nur 
meinem £aufe unentbehrlich madbte, fonbern audb gang bireft burdb einen flei* 
neu Sßrogentfafc bom betrag meiner Verlaufe ba« gntereffe meine« eigenen ©elb* 
beutel« mabrte. DJtan fonnte rnidb bamal« in allen Strafen, in aßen ©aftböfen, 
gu allen Stunben be« Sage« unb ber ÜRadbt bie gäbrte bon neuen Äunben er* 
fpäben feben. 211« mar 7 idb atlgegenmdrtig, fanb idb rnidb bei ber 2lnfunft aller 
23abngüge unb aller 2)antpfboote an ben entfernteften 2anbung«pläfcen ein. 
3db frübftüdfte in brei berfdbiebenen Sofalen, um gemiffe al« A number 1 be* 
fannte ßunben nidbt gu berfeblen; idb ab oft breimaf gu ÜJIittag, um einen 
baargablenben „Sßefterner" gu fpredben, gu traftiren unb burdb meine SBerfüb* 
rung«fünfte an rnidb gu feffeln. £atte idb ihn ergäbt, bann hielt idb ntidb an 
feine Sßerfon, fpürte inftinftmäpig feine Sdbmädben au«, unb meldje immer fte 
maren, idb madbte fte gu ben meinigen. 2Jtit einem SUtetbobiften ging idb fogar 
einmal in ba« SUteetingbau« feiner Secte, unb abmte ibm gu ©efallen bie 
SJtienen unb ©eftifulatiouen ber grömmften unter ben frommen nadb. 9Jtit bem 
Printer ging idb bon 2öirtb«bau« gu 2Birtb«bau«, bem Spieler geigte idb feie 
Spielböllen, unb e« feauerte nidbt lange, fo mar idb für . bie allerlieberlidbften 
unferer ßunben felbft ein SBegmeifer in bie bermorfenften «£>öblen be« Safter«. 
3db fonnte bamal« Quantitäten ber allerftdrfften ©etrdnfe bertragen, bon benen 
ein mabre« SKinimum mir beute ÜRerbengudungen berurfadjen mürbe. 3$ 
mupte meber ma« ©rmübung nodb ma« Slbfdbeu bor ben robeften ©enüffen fei — 
unb eine foldje Regung, batte idb fte audb empfunben, mürbe burdb ben bi« gur 
bödbften Seibenfdbaft gefteigerten Stolg, bie meiften Äunben eingebradbt gu ba* 
ben, erftidft morben fein. 

ÜRadb Verlauf bon fedb« bi« fteben fahren eine« Seben«, mie e« meiner 
Erfahrung nadb brei anbere gufammen mit ununterbrochenen 2lu«fdbmeifungen 
nidbt au«füKen fonnten, mar icb al« ber befte SBerfäufer im Saltimorer £abacf«* 
gefdbaft renommirt, unb mar mein £au« ba« erfte in feiner 93ran<he.gemorben. 
2Jlein ©ebalt mar bi« auf $4000 per 3»abr geftiegen, uub mdre nidbt gerabe 


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jut Unjeit eingetreten, wo»on ich heute fehr gut weil, bah überhaupt 
meine SRiefennatur eS nur »erfpätet batte, ich würbe jeftt einer ber h°<hften 
©heilhaber meiner gitma fein. 

Slffein felbft meine gelfennatur erlag, unb ich habe feitbem erfahren, bap 
bie 3Rer»enjufäße, bie mi«h faft plöfclich für meine bisherige »efchäftigung 
unfähig malten, nichts SfobeteS als baS Delirium tremens waren. 3mei 
»oße Sabre muhte ich fern »on aßet gewohnten Sefchäftcgung auf bem Sanbe 
jubringen, unb als ich jurüdtam, Wüßte ich ben alten SebenSwanbel nicht mehr 
erneuern, hätte eS auch meine theilweife wieber hergefteßte ©efunbheit 
m8gli<h gemacht, ©eitbem hatten mich Slnbere in meinen fünften »eit übet» 
holt, fo bah ich nicht nur jeben ©ebanten an bie ©heilbaberfchaft ber girma, 
ber ich (für fte toenigftenS) fo erfolgreich gebient hatte, aufgab, fonbem bah «b 
mich glüdlidj fchäfcte, in bie bei weitem weniger ejtraoagante Mittel beanfpru» 
chenbe Steße eines SReifenben für mein altes -gauS eintreten ju tönnen. So 
ift meine Gamete gebrochen, meine SRiefennatur jerftört — unb bieS SlßeS 
einem ©ebrauche ju Siebe, ber ©aufenbe »on jungen Seuten ruinirt, unb ber 
unberechenbare Störungen in unferm ganbel erjeugt, währenb er gang 
unöerbienter SBeife baS eine ober baS anbere ©efchäft in oft fabelhaft furjer 
Seit bis gur höchften »lüthe empor hebt." 

3<h breche h«r bie ©rgäblung meines SReifegefäbrten ab, ba ich, »aS er - 
mir weiter mittheilte, aus bem SDRunbe eines SanbfrämerS (Country Merchant) 
aus gßinoiS, in mancher £inf«ht noch begeichnenbet, beurteilen hörte. 

GS war mir nämlich auffaßenb, bah einer meiner greunbe, ber feit »ielen 
fahren in einem blühenben Sanbftäbtchen in QßinoiS ein f. g. aSarietp»@ef<häft 
betrieben, es plöfclich aufgegeben, um ft<h in ben $et*oleum»S<hminbel gu 


bin eben ruinirt, antwortete er mir, feiner felber fpottenb, auf meine 
beSfaßftge leicht hingeworfene Stage. Unb jefct, ba ich nichts mehr »erlieren 
tann, »erfuche ich baS Sotteriefpiel in Petroleum." 

SDReine SBihbegierbe lehrte mich meinen Unmuth überwinben, unb ich »er» 

mochte meinem alten »elannten bei einem ©lafe Sffiein feine mir nicht wenig 

interejfante »eichte abguloden. 

„So lang ich mein ©efchäft nicht aflgu fehr auSbehnte, fagte et, unb ich 
mit mähigem ©ewinn bei mähigen Verläufen gufrieben war, ging SlßeS gut. 
3<b taufte ben geringen Stod »on «Sßaaren, bejfen ich beburfte, im grühling unb 
ßerbft ftetS bei benfelben Käufern ein, unb was mir in ber 3wif<hengeit aus» 
ging, baS befteflte ich brieflich unb hatte mich niemals über bie SluSfübrung 
meiner Aufträge ju betlagen. ®a wiß eS ber 3ufaß, bah »<h auf bet Ohio» 
2Rifftffippi»Sßahn mit einem jungen ®rpgoobS»SReifenben befannt werbe, ©er 
junge 3Jtann geigte fuh gegen mich äuherft guoortommenb. Sn St. SouiS an» 
getommen, lub er mich ein, mit ihm in'S beutfehe ©heater gu gehen, unb nach 
bem ©heater tränten wir einige glafchen »ortrefflidben SRheinweinS. SBir fpra» 
chen mancherlei über baS ©efchäft, unb ber junge SBlann »erfuherte mir, bah 



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248 


ich, wenn ich in f e i n e m fjaufe meine Gintdufe machen wollte, um minbeften« 
20 ißrojent billiger als irgenbwo fonft einlaufen tönnte. 2 tu<^ bürfte ich we= 
gen be« Grebit«, beffen ich ettoa bebütfe, nicht beforgt fein. 3 <h foHe baat 
bejahen fo oiel ich lönne; für ben Weft b>ätte ein foiiber «Wann, wie ich, 
einen Grebit, ben er abfolut nach Sequemlidjfeit einridjten !5nne. 

Sßerlwürbiger SEBeife wohnte ber junge «Wann in bemfelben ©aftbaufe 
wie ich, unb taum fajj ich beim grübftüd, al« er auch fhon mit bet gröbten 
greunblidjfett neben mir Sßlafc nahm. 

3wat begrüßte mich an bemfelben «Worgen in atter grübe au<b einer ber 
Gierte be« ©efhäfte«, bei bem ih b i S b e r meine ©rpgoob« eingefauft batte, 
unb i<b fagte ibm ju, ba« i<b unfehlbar bei ibm »orfprehen würbe; allein eS 
war mir »ollftänbig unmöglich, na<b fo grober mir erwiefenet Wufmerlfamteit 
»on ©eiten meine« Weggefährten bie Ginlabung, juerft feinen «EBaarenoorratb 
einjufeben ebe i<b irgenbwo anber« einlaufen würbe, abjulelmen. 

Won ba an batirte mein Wuin. ©er junge «Wann bewies mir butcb eine 
unwiberleglicbe Sogil, wie es nur bann möglich fei, »iel ju »erlaufen, wenn 
man groben Worratb habe, wie »iel billiger man bei groben Ginläufen beban« 
beit werbe, unb feine unerfhöpftihe SiebenSwürbigteit lieb mi<b nahezu ba« 
©reif a<he »on bem an SEBinterwaaren einlaufen, wa« ich jemal« ju»or ein« 
gelegt batte. Um jebn Ubr gingen wir jum £un<b, unb fhon fpürte i<b bie 
folgen meiner ungewohnten SebenSart. 3u «Wittag begleitete mich mein un« 
erfhütterliher ©efäbrte ju ©ifh, unb ein paar fjlafdhen Gatawba ertöbteten 
»ollenb« ben legten Weft »on SBiberftanbäfäbigleit in mir. ©er junge «Wann 
»ertaufte mir am Wachmittag fo »iel er wollte, unb wäbrenb e« in ber grübe 
noch mancher rebnerifhenVoSlelit beburft batte, um mir ein ©ufcenb Stüd 
GalKco mehr aufjufhwa&en, brauchte er am Slbenb »on einem Stüd 
«Werino ober einer Schachtel »oll SBänbern, Sifcen, knöpfen ober dämmen, 
SBaaren, bie er lo« fein wollte unb bie ich faum brauchen lonnte, nur noch ju 
fagen: „ 3 <h lege e« ju 3 bren anbetn ©ütern", unb ich lieb ihn »öllig wiber« 
ftanbäunfäbig gewähren. 

3lm 2lbenb machte mich mein neuer greunb mit bem Sobn eine« ©tob* 
bänbler« in Gifenwaaren belannt. 2 Bir gingen jum Siet, fpäter jum «EBein; 
ber junge Gifenbänbler bejahte überall bie 3ehe, unb ba er mir » e t f p r a ch, 
mich morgen in aller grübe abjubolen, um mit fein ©efhäft ju geigen, fo war 
nicht« natürlicher, al« bab ich jufagte, ihn erwarten 311 wollen. 

3 a, e r w a r t e n! Gr war lange » 0 r mir in ber $alle, frübftüdte mit 
mir, laufte mir am ©chenltifch bie heften Gigarren, unb bann ging’«' nach feinem 
©efchäft«baufe, wo mir abermal« für »olle 2000 ©ollar« mehr «Eßaaren auf's 
aHerliebenSwürbigfte aufgefhtoafct würben, al« ich jemal« »orber in einer 
Saifon getauft batte. 

Schanbe halber befuchte ich nun auch noch meine alten Käufer, laufte 
auch bort noch einmal mehr als ich wollte, um baburch ben Umftanb ju be« 
mänteln, bab ich wein haare« ©elb anberäwo angebracht, unb tarn enblich mit 




249 


einem fo großen SSorratb non SBaaren in meinem Keinen Sanbßdbtchen an, 
i^n auS fanget an Eaurn nid^t einmal $ur £dlfte auSpatfen, ge** 
fchweige benn oortßeilhaft bem ^ublifum geigen fonnte. 

•Natürlich fuchte fein 2Jtenf<h eine fo große EuSmahl bei mir, unb ba 
i<h fo plöfclid? mein SBerfaufSlof&l nicht oergrößern fonnte, fo blieb mir ber 
größte £ßetl meiner SBorrdthe bte lange nach ber Seit, als bie bafür auSgeftell* 
ten bloten fd^on fällig waren. 

2)aS grühjahr fam, unb ich foHte wenigftenS 10,000 SoHarS mit nach 
St. Souis nehmen, theilS um langft fällige Eoten ju jahlen, tßeilS um neue 
Sommermaaren einjufaufen. Eun belief ft<h alles ©elb, baS ich flüfßg machen 
fonnte, nicht oöllig auf 5000 Dollars. gn meiner Stotb entfdßloß ich mich, 
biefeS einige 2M meine Einldufe nicht in St. Souis, fonbem in Chicago ju 
machen, unb bort n u r gegen .baar einjufaufen. geh hoffte am Enbe beS 
Sommert bie St. Souifer beliebigen unb fte bis borthin binbalten ju fonnen. 

Ellein in Chicago ging es nahezu wie in St. Souis. Euch bort fiel ich — 
oollfommen frernb unb unbefannt — einem „krummer" in bie $dnbe, unb 
unoerfeßenS hatte ich nicht nur Söaaren für meine 5000 ^Dollars baar, fonbem 
nahezu ebenfo oiel auf furjen Erebit getauft. 

$ 8 on ba an oerfiel ich Oon einem grrthum in ben anbern. geh hatte balb 
einen nahezu unoerfduflichen Stocf oon etwa 7000 bis 8000 Dollars im En* 
faufspreife an $anb. geh begann ihn ju oevfchleubern. Steine ©laubiger 
erfuhren eS, unb flagten, um ft<h su beefen, ihre bloten gegen mich ein. Uno 
fo feben Sie mich beute Oollfommen ruinirt, als einzige Dieffource angewiefen 
auf baS große 8 ooS in ber $etroleum*2otterie. 

geh überlaffe meinen fcßwachen Sanbfrdmer feiner S^eue unb feinen £off* 
nungen unb berichte, ehe ich auf bie tieferen Urfachen biefer Suftdnbe eingehe, 
über meine Begegnung mit einem ber würbigften ÜDtdnner aus bem amerifani* 
fchen $anbelSftanbe. 2>er Kaufherr, beffen Erfahrungen ich hier mittheile, ift 
einer ber reichten ©roßßdnbler in £üten unb SPlü^en nt Eincinnati. Sein 
©efchdft befteht feit oielen fahren unb genießt ben Euf unzweifelhafter Solibi* 
tat. 

EuS einem langen ©efrrdche über bie mächtigen SBerdnberungen, bie feit 
ben lefeten jmanjig gaßren im Eßarafter beS amerifanifchen ©efcßdfteS ernge* 
treten, fdßrieb id? ju fpdterEbenbftunbe alles 2 Befentli<he nieber, um fowoßl ber 
Sache als ber gorm nach ben erften Einbrud feftjuftellen. S)er forcirte 
£anbel, fagte ber würbige Kaufherr, fei nahezu gur Eegel überall in Emerifa 
geworben, gn ben lebten fünfzehn gaßren habe eine ans Sinnlofe grenjenbe 
Eoncurrenj 3uftdnbe heroorgebracht, bie einem ©efchdftSmann aus ber alten 
Schule baS 33lut in bie SSBangen trieben. So fei er felbft 3 . 33. als ein burdß** 
aus redßtfchaffener «ganbelSmann befannt. Er halte mäßige greife, befleißige 
ft<h ftetS, bie neueften dufter unb bie beften Quantitäten zu befdßaffen, unb ge* 
ringere Sorten niemals für bejfere einzulaufen noch feine Seute oerfaufen zu 
laßen. Eber baS EUeS helfe ihm nichts; ja bie 33ortheile an ©üte unb SBoßl* 




250 


feilheit ber ffiaaren ober längere Grebite, bie er feines großen GapitatS wegen 
leidster als feine Goncurrenten geben lönnte, würben ihm leine SunbfChaft 
ntebr bringen, wenn fte ihm nid^t burch bie ntebr ober weniger mit mancherlei 
SluSfChweifungen in Verbinbung ftebenben Vrattilen feiner “salesmen” guge* 
führt würben. Sein GefChäft proSperire, unb jebeS gahr mehre fiCh fein 
SReiChthum. Von bem Stolge, ber ihn aber einft über bie Vlüthe feines £an* 
belS erfüllt, unb oon bem Gefühl ber Vefriebiguttg unb SBürbe eines tü(htigen 
®ef<häftSmanneS, baS burCh auf ®efChi<KtChleit, glängenbe Gombinationen, 
StuSbauer unb SRed^tfd^affenheit begrünbeteS ©ebenen ergeugt werbe, oon ber 
greube am [Ruhm, ber erfolgreiche Ghef eines großen GtabliffementS gu fein, fei 
in ihm SUleS fdjon feit oielen fahren faft SllleS bis auf bie Grinnerung gefChwun** 
ben. Gr fühle fuh nahegu als eine SM in feinem ©efChäfte; eine auSgeftopfte 
Vuppe, irgenb ein beliebiger ®ef<häftsführer, ber bie gtrma repräfentire, ja ein 
©elbfatf, ber auf baS einfache SluSgahlen unb Ginnehmen abgeriChtet fei, lönne 
als Ghef feines Kaufes figuriren, fo lange ihm feine salesmen getreu blieben. 
Verlöre er biefe bagegen plöfcliCh burCh irgenb einen beliebigen Umftanb, ober 
OerfChmähe er es einmal, ihre ans GrftaunliChe reiChenben SlnfprüChe gu befried 
bigen, fo möge er ein £eilanb an Unbefcholtenheit fein unb feine SBaaren 
gegen bie längften Grebite unb bie benfbar niebrigften greife oerlaufen wol* 
len — feine b e ft e n Sunben felbft liefen feinen “salesmen” naCh, währenb 
ftdh bie minber guten oon bem erften beften krummer löbem lieben, ber fte 
burCh ein halb 3)ufcenb Kneipen fChleife, bis fte bergeftalt gemäftet unb 
umnebelt feien, bafc fte bie Soften feines SractementS im erften Sufcenb £üte mit 
3 infen gurüdbegahlten, bie fte oon ihrem generßfen gührer gu laufen „a n ft ä n * 
b i g e r SB e i f e“ ftCh für oerpfliChtet hielten. S)ieS fei nicht nur Oon feinem 
eigenen, fonbem oon fehr oielen anbern GefChäften, namentlich Oon folgen, 
bie oergleiChSweife mit Keinem Kapital eröffnet werben lönnten, eine unleugbare 
SBahrheit, unb eS fei biefe 9lrt beS Veitreibens ber Sunben gerabegu über alle 
©täbte in ber gangen Union auSgebehnt. £in'unb wieber werbe baS „2)rum* 
men“ mit mehr Slnftanb getrieben; ja es gebe fogar oiele GtabliffementS, bei 
benen bie Vrtngipale baS SluSarten biefer ®ebräu<he gur 2;runlfuCht mit größter 
Strenge unb unnaChftChtliCh unterbrüCtten. GS feien ihm jeboCh gälte belannt, 
bie <jn SChamloftgleit unb Verworfenheit bergeftalt alles 3Mab Oon Un* 
ftttliChleit überfChritten, bafc er gur Ghre beS amerilanifChen «ganbelSftanbeS an** 
nehme, bab fte gu ben allerfeltenften Ausnahmen gehörten, unb bafc fte nicht 
nur ohne SBiffen ber $ringipale oorlämen, fonbem fogar Oon ihnen mit eU 
nem SlbfCheu betrachtet würben, gegen ben bie haften ^anbelsoortheile felbft 
nur als ein erbärmliches Sleguioalent angufehen feien. 

Unter btefern „Unfug“ litten fehr häufig felbft redhtfChaffene 
unb folibe Säufer, währenb auf ber anberen Seite auch bie ®rof$hänb* 
ler nicht weniger häufig ihre SBaaren oon ihren GlerlS an Seute wegwerfen 
fähen, oon benen fte niemals ober boCh nur naCh ben wiberwärtigften Sämpfen 
ihr ®elb hereinbetämen. ®robe $anbelslrifen reinigten gwar oon Seit Bu 





251 


Seit bte 4>anbetöatmo8pbäte Bon biefer ©eft, — allem laum fei bie 
©anic Borübet, fo toetbe tuiebet frifdg barauf loS gebrummt, gerabe atö gäbe 
unfer ganjer 4?anbel lein anbeteS gunbament atö — biefen fcgänblicgen um * 
bug 

gdg lomme nun ju ber legten 3luffaffung, bie ich einem Sioiegefpräcg ent* 
nehme, bejfen jufäHiget Dbtenjeuge ith war. (Sin ©reutet ÄaufmannSfobn, 
ber fidg erft feit wenigen SBodgen in ben ©er. Staaten aufbiett, fpratg fug bei 
einem Bertraulidben Stbenbeffen, bet bem i<b mich einfanb, auf’s ©itterfte über 
bie ametilanifdgen .fjanbetSgebräucge aus. ©tan lieg bem gtemben ungeftBrt 
ba§ ©Sott, unb erft nach einem längeren 3»if<benraume ergab fi<b int Saufe 
beS ©efprädgeS ganj natürlich, bafi ein erft Bor wenigen ©Soeben etablirter junger 
©rolbänbler bie gtage an ben ©remer £etm ritbtete, ob eS in ©eutfdglanb ben 
jungen unbemittelten Seuten immer nodj fo fdgwer wie früher faKe, ft<b ju 
etabtiren. 

S)en Sun gen unb ben Sllten., war bie Slntwort. 

©aS ift hier anberS, bemerlte ber Slmerilaner. Sn mtr feben Sie ben 
Dlepräfentanten Bon Bielen SEaufenb armen Glertö, bie atö fte ins ©efdgäft la* 
men, nicht übet fttnfjig ©oKarS commanbiren lonnten, unb bie beute atö ©rin* 
jipale ©efdjäften Borfteben, in welken ^unberttaufenbe per Saht umgefegt 
werben. Sltö abgängige ©lerlS wären wir grau geworben, unb tmfete grauen 
unb ßinber hätten wir atö ©eitler in ber ©Seit jurüddaffen muffen, wenn wir 
bie Bon Sbnen fo hart Iritifitte amerilanifdge ©rayis mit Sbren europäifdgen 
©tajimen hätten oertauftben müffen. deiner Bon uns, ober bodg nur fo äugerft 
feiten ©iner, atö e§ in ©uropa gefdgiegt, hätte in feiner ©rancge eine Selbft* 
ftänbigteit erringen IBnnen, wie fte jeber garmer unb jeber- .§anbwerfer hier er* 
ringt, ober im adetbBdgften gad hätten wir bur<b Farben unb ©ntbegren alles 
beffen, was bie Sugenb erfreut, am ©nbe ein Heines Äapitäldgen erfcgwingen 
lönnen, um in irgenb einem elenben ©orf ober in einer abgelegenen ©orftabt 
ein einjiges, erbätmlidgeS ©etailfrämdgen anjufangen. Ser ©rofcbanbel Wat 
unS für immer Berftbloffen. ©aS Kapital allein, baS talentlofefte fogar, war 
baju auSfdgliefilidb berechtigt; ber energifdge, fadgBerftänbige, redgtfdgaffene unb 
gebilbete, aber unbemittelte junge ©efdgäftSmann burftebaran nidgtben* 
len. 2>aS petf ßnlicg e ©erbienft, baS gier ju Sanbe Sebermann Boran* 
bringt, war ganj allein füt ben jungen ÄaufmannSclert wertgloS, unb wägrenb 
er eS immerhin ju einem grofien Sgeil gewefen, ber ben ©eidgthum feines 
Kaufes Bermegrt, hätte er bis an feiner Sage ©nbe fug mit einem fegt häufig 
nttgt einmal anftänbigen ©egalte begnügen müffen. ©SaS aus unferm 
gefammten ametifanifdgen §anbel überhaupt geworben wäre, wenn igm bet 
Sporn beS perfönlidgen ©oranlommens unfeter Sugenb fehlte, baS begreift 
gier ju Sanbe gebermann. Unb wir, bie babei ;u aHernädgft Snterefftrten, 
hätten aus biefen Umftänben nicht ©ugen siegen follen? Sa, eS ift wagt, 
bag baS Kapital in unfern ©rogganblungen Bon bet Sgätigfeit, Bon bet ©e* 
fdgidKidgleit, Bon ber Unerrattblichfeit bet jungen Seute feine größten Sntereffen 


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252 


bejiebt; aber totes miffen mir auch unb benufcen ei ju unferetn eigenen 
gortfommen. SB i r fmb ei, beren pöialität unb Seutfeligfeit, beren jugenb* 
liehe Gnergie unb raftlofe Arbeit bie ßunben berbeijiebt. SBir fennen ben Gin« 
brud, ben bie herrlichen Gigenfchaften bet jugenb auf jeben Btenfehen, alfo 
au<b auf ben um SBaaren Stacbfragenben, üben. SBir fennen bie Mögliche ©tim» 
mung, roetcbe bie meiften Sanbfrämer befehlest wenn jie in bie ©tabt fommen, 
unb inbem mir fte »erfcheucben, machen mir bie SBerubigten unb Geeiterten 
ju peunben, unb bie greunbe au ßunben. ©ie fmb in ber SCljat u n f r e 
Jtunben. Sluf uni haben fie Sßettrauen, benn uns haben fie im »ertrauli« 
«ben Umgang fennen gelernt, gär alle biefe Sienfte fann uni fein 
Sprinjibal bejablen. ©ie foften uni an SBifc unb febt häufig an forcirter guter 
Saune, an Seit unb ©efunbbeit ein in ©elb abfotut unfebä&barei Slequioalent. 
Unfere bafür in Sluiridbt ftebenbe ©elbftftänbigfeit ift ei ganj allein, bie ben 
Pngling bafür entfcbäbigt, baf er bai SBefte, mai er bat, für jeben beliebigen 
Hunben ali ßöber für bie SBaaren feinei 5ßrin|ipalS megmirft. Unb bai ift 
fein gebeimei ©piet, bai toir mit ben Äunben ober mit unferen Sprinjipalen 
treiben. Sille fennen unfer Verfahren. Sille sieben baraui in ber Siegel ihren 
Stuben. Stur fmb mir felbft, mie biei in Gutopa n i <b t ber galt ift, »on 
biefem Sßortbeile nicht auigefdjloffen, unb biei ift unfer Triumph, nicht aber 
ein Sßotmurf. ' 3ugegeben, bah babei mancher Unfug mit unterläuft, bah bin 
unb teieber ein junger SMann ju unmürbigen SBerlocfun gimitteln greift, bafj 
ft<b ba unb bort ein böfer SBube ober ein fchmacher Gbarafter burch Sluifchmei* 
fungen ruinirt, bah ein gemiffenlofer Giert einen flechten ßunben in bai ©e« 
febaftibaui bei gtrinjipali einfübrt — aber mai mill bai Slllei bebeuten gegen 
bie unermeßlichen Bortbeile, bie bem £anbel burch bie SCnmenbung aller SDto» 
tioe ber gugenb ermacbfen, teenn fte burch ben <§ebel lobnenber, ftcherer Selbft» 
ftänbigfeit in SBemegung gefegt merben ? Sleun Sebntbeile aHei Gapitali, beffen 
mir jum SBetriebe unferei coloffalen $anbeti bebürfen, erfefct bie Gnergie ber 
amerifanifchen pgenb, unb für jebei Opfer, bai biefei ©pftem bisher gefor» 
bert, bat ei bem Sanbe £unberte ber refpectabelften girmen gegeben. 

Unb bamit feien bie SJtittbeilungen aus frembem SKunbe gefchloffen. 
Slui ihnen fteHt fteh bor allen Singen bie Ueberjeugung beraui, bafj bei einem 
' fo allgemeinen unb fo »erfchiebenartig beurteilten Berbältnifj bie fiategorieen »on 
©ut unb S88fe, »on Sicht unb ©Ratten toegfaHen, unb bai SBefentliche, morauf 
ei anfommt, bie Slntmort auf bie grage ift, ob auch biet ben fo mannigfach ge» 
färbten unb »erftanbenen Grfcheinungen ein bem amerifanifchen SBefen ent« 
fpcingenbci bemofratifchei ©efefc 8« ®tnnbe liegt. 

» Unb biei behaupte ich- P allen Singen in unferer bemofratifchen ©e» 
feUfdbaft übermiegt bai SBerbältnifj bei SDtenfchen 8um SDtenfehen bai Berbält» 
nifj ber SDtenfehen su ben Singen. Ser ©runb unb Boben ift mobitifirt, ift 
nicht mehr mie ein geubalftaat bai unbemegliche gunbament ber ©efellfcbaft, 
fonbern nur noch SHaterial ber Slrbeit unb ptelligenj mie aHei Slnbere. Ser 
ßrebit beruht auf ber Sßerfönlichteit bei ©chulbneri meit mehr, ali auf ber 



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Siegelt beS 9teaI»fßfanbeS, baS er etwa geben tonnte. gn unenblich bäufi» 
geren gälten als fonftwo auf ber ganjen ©rbe, intereffirt ftch ber ©laubiger 
nicht allein für bie #5be ber ibm ju ©lite tomraenben ginfen, fonbern 
auch für ben 3wed, ju welchem ber ©chulbnet baS geborgte ©elb üerwenbet. 
3tur in ben europäijlrten Greifen ber ameritanifcben ©efeUfchaft .giebt eS ©elb» 
heirathen, unb bie Slothwenbigteit einer SebenSgefährtin ober wahre 3uneigung 
fmb bei weitem bie bäufigften ©rünbe unferer ©he»- 9tur in ben feltenften 
gällen f.nbet baS hergebrachte, weil eS trabitioneH geworben ift, Slnerteu» 
nung, unb nirgend bebarf baS9leue geringeren ©chufceS gegen baS Sitte als ge» 
rabe hier. SBeniget als hier ift nirgenbS eine SBefchäftigung, ober eine Äunft, 
ober ein ©tanb mit einem mpfteriöfen 9tpmbuS umgeben, unb wo er in ber 
©eftalt Bon humbug auftritt, ift et fo transparent, bajj ihn Änaben wegblafen 
tonnen, ober ift ein nur uneigentlich mit biefem Schimpfnamen belegtes nüfcli» 
<heS SBerbinbungSmittel jwifchen bem Slngebot unb bem Söebatf. Set Stieb, 
fein geben mit mßglichft Bielen greuben ju erfüllen, hat ben ©rwerb jut greube 
unb bie greigebigteit jum SSebürfnip gemacht. SBaS immer ben SReij feiner 
«öefchäftigung erhöhen tann, baS ergreift ber Slmeritaner, fei eS nun ©efahr 
ober birett gebotene 2uft. SSeweglichteit unb bie fretefie, faft ins UnenbUche 
combinirte fhlannichfattigteit petfßnlicher ©ejiehungen fmb feine ©leraente, unb 
bilben bie ©runblagen feiner Unabhängigteit. • 

SieS SltleS auf unfer Shema angewenbet, ertlärt es aufs SBoUftänbigfte. 
gn ber Semotratie gewinnt bet hanbel unb bet Sßerfeht ben ©haratter eines 
perf Bnliehen SBerhältnijfeS. Sie ©lemente, bie ihn beleben, fmb nicht 
mehr ber ©laube an alte girmen unb nicht mehr bet ßapitalwerth beS Jtäu» 
♦ ferS. Sie Shätigfeit unb ber ©haratter Bon löeibenhringen fie in Berührung, unb 
Shätigteit nnb ©haratter beftimmen baS SJtafi beS Vertriebs unb beS ©rebitS. 
©einen ©haratter aufs ©länjenbfte ju entfalten, feiner Shätigteit bie' erfpriejj» 
lichfte Dichtung ju geben, unb bie wechfelsweifen SSejiehungen aufs Singe» 
nehmfte ju geftalten, ift bie fuherfte ßanbelspolitit für S3eibe. 

Sie abfolut freie Soncurrenj öffnet bem Käufer jafjUofe üueHen — er 
fhöpft faft gleich gut aus ber einen wie aus ber anbem. 

SaS naheju gleich hohe Stioeau ber SBilbung unb ©tjiehung, unb bie 
Slehnlichteit aller ©enüffe erleichtert jebe neue SBetanntfchaft. 

3)ie ßeichtigteit beS SBerbienfteS binbet webet ben ©onfumenten an bie 
befonbere ©unft beS SleinuetfäufetS, noch biefen an bie ©nabe eines beftimm» 
ten ©rofhänblerS. • 

' Set Käufer geht beshalbborthin, wohin'et auf bie angenehmfte, einla* 
benbfte SBeife geführt wirb, unb bie bieS gm heften Berftehen, fmb bie jün» 
geren Seute in unferen ©efchäften, 

SaS „Stummen" ift wie baS ameritanifche Slnjeigenfpftem im'Unab» 


hängigteitsfmn ber Slmeritaner begrünbet. deiner hat in irgenb einer SBejie* 
hung ein Unrecht auf ihn. ©egenfeitigteit beS SBortheilS unb beS SßirgnügenS 
im aSertehr beftimmen allein feine SEBege. Ser Äleinhänbler weif es fehr 



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wohl, wie gewaltig bie $tojente pnb, bie namentlich »on ©egenftänben, bie 
jum SEBohlleben unb nicht §ur elften Slothwenbigleit gehören, ber ©ro&hänblet 
»on ihm nimmt. Samit er ihn befuche, unb gerabe ihm unb unb nicht einem 
SlnbembiefeSBortheile julommen laffe, »erlangt et ade bie Stnpreifungen, bie in 
ber Siegel ganj einfeitig bem Verlaufet als Schwinbet ober .guntbug aufgelegt 
werben. Ser Käufer legt auf fte einen wefentlichen äßertb. SBerfteht eS ber 
SBerläufer, baS SBefonbere feiner SBaare, fei eS auf bie barodfte, unoer* 
fdhämtefte SEBeife, her»orjuheben,fo ermüdet barauSbemSlachfragenben hoch ein 
ebenfo großer SSortheil wie bem Anbieter. Ser fcblechtefte Slrtilel mag eine 
befonbere Gigenfchaft befi|en, bie in bem millionenfach fchattirten Sebürfnifj 
ihn gerabe beShalb für gemiffe S^ede leicht »erläuftich macht. Seine bürre, 
trodene, »ebantifch einfache ©twähnung lentt unter ber Unjahl feiner ©efdjwifter 
bie Slufmerlfamleit nicht auf ftch. Äommt nun aber gar ber „Stummer“ 
birelt jum fiunben als eine lebenbige, febeS Ueinfte Setail erwähnenbe Sin» 
jeige, unb »erbinbet er mit ber gefchäftlichen Sßrajrtö ju gleicher 3eit gefeüige 
Salente, bie in jebern SDlenfchen, unb felbft im »ertrodenbften SJabenhütep, 
fchlummernbe SHomantil unb Suft unb ffreube ju weden »erftehen, fe geftaltet 
ftch baburch ein humanes SöechfelBerbältnifc, baS »iet natürtidher unb erfpriefj» 
liehet ift, als baS fteife, pebantifche, auf bem bloS fachlichen begriff »on Sin» 
gebot unb Nachfrage beftehenbe ^erfahren beS Gapitaliften. , 

Sa| im ©efolge biefet neuen Slrt »on SBerlebr mancher Unfug mit unter» 
läuft, fchänbet fte ebenfo wenig, wie bie galftaffs unb £afenfü&e, bie in ben 
ßrieg mitgejogen jinb, ben Solbatenftanb gefchänbet, ober wie bie fßfufdberei 
bie SWebijin unb bie 9efte<hli<bteit bie Sßolitil überhaupt »erächtlich macht. 
SaS SBefen beS „SruntmerS" beruhtauf bem SBertheber Sßerfönlichteit ber ben 
.ganbel »ermittelnben Snbtoibuen; eS liegt in ber Umwanblung beS fachlichen 
unb feubalen ©haraftetS beS £anbelS ju rein perfönlichen SBejiehungen unb 
Sitten beS gegenfeitigen SBertrauenS. Sollten petfönliche Sorberungen nicht 
mehr »or ben ©erühten llagbar fein, fo würbe bet gröfjte Sh«l beS Unfugs 
»erfchwinben, bet bie UebetgangSperiobe aus bem bürgerlich feubaliftifdhen 
Sharalter beS ^anbelS in baS rein perf&nliche SJerhältnifj begleitet, unb baS 
Gapital würbe jur gehotfamen Sienerin beS SertrauenS, ber Energie, beS Sa» 
lenteS unb ber §ugenb. 



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Pit Peutfdjcn in £mmka. 

Sott Stiebti* £ctot». 

3»eit et Slrtilel 

S)ie bol!bete*tigung ber Seutf*en in Slmerila Mafien »ir im etilen Sltti* 
lei heroorgehoben unb muffen au* jefct toieber baS £auptge»i*t batauf legen. 
SBit befinben un§ tjier nicht im fremben Sanbe unb beanfptu*en, inbem 
toit un« allen Slnbeten, au* ben eingeborenen, glei*fteUen, nur baS, »aS 
uns »on SRe*t8 »egen julommt. Sa, »o alles ©rohe unb ©ute unter ltdftiger 
SWitoirlung ber Seutf*en entftanb unb erhalten »urbe unb »o ohne ihre 
fernere #ülfe lein bem SBebürfni& entfpre*enber gortf*ritt geba*t »erben 
lann, barf ft* lein Seutf*er fremb fühlen, unb nur »on nnS felbft hängt 
bie Stellung beS Seutf*thumS in biefem Sanbe, nur »on uns bie Butunft ah, 
»el*e ihm hier blühen fott. GS mö*te ni*t überflüffig fein, bei biefem ©e* 
banlen einen Slugenblid ju »ermeilen. GS »irb häufig über bie Butüd- 
f e fc u n g ber Seutf*en in Slmerila gellagt; »o aber eine fol*e ftattfinbet, ift 
es bie eigene S*ulb ber babur* betroffenen. SBarum l a f f e n fte f<* in ben 
ßintergrunb f*ieben, »ährenb fte bo* traft ihrer Slnjahl, ihrer Seifhingen unb 
ihres SBertheS Slnfpru* barauf haben, mit in erfter Sinie ju ftehen? Bebet 
ift hier eben bet S*öpfer feines eigenen ©lüdeS unb feiner eigenen SKa*t. 
totem wirb näher getreten als er felbft eS erlaubt. Ser toftentwidelung 
PeUen ft* hier in bet gefellf*aftli*en Drganifation leine S*ranlen entgegen, 
unb »o bie jfcafMfö geltenb ma*t, ift Sliemanb geneigt, mit ihr in flonflift ju 
lommen. Sie bem Ginjelnen unb ben Betriebenen Glementen bet beoöl» 
lerung gejoüte SRüdfi*t »irb abgemeffen na* bem ©rabe ber »on ihnen an 
ben Sag gelegten Selb ft a* tung. Beigen »ir, bah »« ««3 in unferet 
3Bürbe f ü h l e n, unb man »irb ihr bie f*ulbige Slnerlennung ni*t »orent* 

halten. . 

hinter uns liegt eine Beit, anbte »tr uns m*t gern erinnern laffen. 

SaS beutf*e SBort »urbe ni*t mit Siebe gehegt unb gepflegt, baS bannet ber 
beutf*en Sitte ni*t ftegeöbewufct emporgehalten. Ser Seutf*e »erleugnete 
in Slmerila feine Slbftammung »o er’S tonnte, bemühte ft*, felbft ju »ergejfen, 
baf er ein Seutf*er fei, unb baS 3*cl feines GhrgeijeS »at baS »oüftdnbige, 
mögli*ft f*neHe Slufgehen .in baS, »aS er unter Slnterilanerthum »erftanb. 
6o »at es ni*t bei «Den, aber bei bieten, ja bei ber blehrjahl. Siefe Beit 
bet Grniebrigung ift überftanben. ©ne beffeve ©lenntnih beffen, »aS uns in 
Slmerila obliegt, hat ft* bahn gebro*en, unb »aS bamalS SRegel war, ift 
iebt |ur »erä*tli*en SluSnahme geworben. Per bie 3la*»ehen jener 
UebergangSperiobe haben ft* no* ni*t ganj »ertöten; »on ihr rührt 
bet gröhte Shell ber S*»ierigleiten her, mit benen »ir no* jefct ju 
tämpfen haben; »on ihr batirt ft* bie ©eringf*äfcung, mit »el*et ein 
SheU ber Slmetilanet no* heute auf bie Seutf*en herabblidt. Set 


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Hngelfachfe fragte ftch, ob eS ibtn jemals möglich fein Würbe, feine 
Nationalität ju Berleugnen, ohne ©ebenfen lonnte er ftd^t toiefe grage mit 
Nein beantworten, unb tt>ol;I burfte et fich berechtigt glauben, Sie ju Beracb* 
ten, welche ftcb ihrer felbft fcbämten. ffier wirb leugnen, baf» es fo gewefen 
iji? SBoblunS, bah «3 anberS, bah eS bejfet geworben, bäh Seutfchlanb nicht 
mehr mit ©rrötben auf feine] auSgewanberten Söhne ju bliden brauet! 2BaS 
aber gewefen, lehrt un?, wie Biel wir nachjuholen, wie Biel wieber gut ju ma« 
eben hohen. * 

@? ift nicht unfere Nbftcht, einer Selbftüberfchä&ung auf ©eiten bet 
Seutf<h=2ltneritanet ©otfehub ju leiften, unb eine heilige Scheu haben wir ba» 
Bor, un§ in? ©ebiet bei: ©brafe $u Berlieren. SDlan braucht nur einen ©lief 
auf bie 3uftänbe be? alten ©aterlanbe? ju werfen, um Bon ber Ueberjeugung 
burchbrungen ju fein, bah am beutfdhc« Nationalebarafter Biel auSjufefcen ift; 
benn all ba? politifdje unb fociale ©enb, welkes bort herrfeht, läht ficb boch 
wohl nicht ben Surften, bem 2lbel unb ben ©faffen jur Saft legen, fonbem bem 
©olle, welche? nicht nur bie Unterbrücfer bulbet, fonbem ftch obenbrein noch ju 
ihren SBerfjeugen hetgfebt. ©ne grembherrfchaft befteht in feinem Sheile 
SeutfcblanbS. ©teuften, Defterreicher, ©aietn, Reffen, Nledlenbutger, SlUe 
werben mit bet ©eifjel gejücbtigt, bie fee ftch felbft winben; ba? ift traurig 
genug, unb eS giebt auherorbentlidj Biel, wa? geeignet ift, un? als Seutfdje 
Bor ber ©efabt bes Ucbermuth» ju bewahren. Slber bie Slfche, welche brühen ber 
Seutfche ftch auf? §aupt ftreut, ibitb bei ber NuSwanberung abgefcbüttelt, ba? 
©üftethemb, in ba? et f«h hüllte, fortgeworfen, unb ift ber Untertan mit allen 
feinen Schwächen befeitigt, fo giebt e? Nicht? mehr, wa? wir am Seutfeben Ber» 
miffen möchten. Sort mit ben Schladen bet ßnechtfchaft; hell unb freubig aber 
lobere bie glamme ber beutfehen Siebe jum ©uten, be? beutfehen ©lauben? an 
bie Sreiheit, ber beutfehen ©Übung unb Sitte! Nicht ba? ©eringfte barf baBon 
Berloren gehen! ©? ift unfere heilige © f l i <h t, e? ju erhalten, mitjutbeilen 
unb unter bem Schufce bürgerlicher Freiheit f onfeguenter in bie % b a t über juführem 
al? es bi? jefct brühen geschehen fonnte. 6? bietet fidh hier ba? grofje ©roblem, 
ein ©olf au? Bielen ©ölfern, eine Kultur au? ben Berfchiebenften tulturelementen, 
ju bilben. Sie ©orjüge aller Nacen unb Nationen follen hier Bereinigt 
werben unb ein ©emeinwefen herfteHen, wie e? noch fein? gegeben. Unb 
babei foUten wir Seutfdben nur bie ©npfangenben, nicht bie ©ebenben fein?. 
2Bir foUten bem großen $au?halt nur al? ^oljhader unb Sßafferträger ange¬ 
hören, foUten in ber ©efammtbeit untergeben unb nur burch unfern Sau« 
fungSprojefs jut allgemeinen ©efruchtung beitragen ? Sffiir fteHen un? bie ©e» 
ftimmung ber Seutfchen in Nmerifa anber? Bor. 

Set Nmerifaner hat, wenn er Born Nufcen ber ©nwanbetung fpriebt, ein 
©empel jur §anb, ba? ftch burch feine Einfachheit empfiehlt. 2lu? ben ftatifti» 
fchen Angaben fu<bt er ftch ein Urtheil über bie Summe ju bilben, welche 
burchfchnittlich ieber Nnfömmling an baarem ©elbe mitbringt. Sann fchlägt 
er für jebe? Snbioibuum 1000 Sollar? — ben ungefähren ©rei? eine« ge» 





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funbcn Stegerffiaben — biuju, multiplicirt bic Summe mit ber gabl ber 
Slrrioirten, unb faßt: ©o unb fo biel buben tpir bteS 3>ab* wieber profitirt. ©o 
weit bie p^pfifc^en Setzungen in Setracht lommen, mag bieg Verfahren einiger* 
mauert gerechtfertigt fein; aber eg ftrömen burch bie (Migration auch noch 
v ©<häfce ing Sanb, bie ftch nicht nach $oHarg unb Renten beregnen taffen, unb 
bon biefen liefert Seutfchlanb ben unberbältnifnuäfng größten Sbeit. fflenn wir 
bon ber ©inmanberung fpredjen, buben wir eg mit ben beiben $aupt*galto* 
ren — ^rlanbem unb Seutfchen —, ju tbun. Ser ©ertb ber (Srftcm labt 
ftch in ber Siegel nur nach ihrer pbbftfhen Äraft abf<bä&en; man erwartet 
nicht, bajj fte etwag Slnbereg mit ftch bringen alg gefunbe Äuglein unb Suft ju 
beren ©ebrauch. Safit Qrianb beute bom ©rbboben berfchwinben, unb auf 
bem ©ebiet beg geiftigen Sebeng wirb leine bemerlbare Süde entfteben. SBir 
Seutfchen aber ftnb, bom Grften big jum Seiten — einer mehr, ber Slnbere 
weniger — bie Stepräfentanten einer Mtur unb ©eftttung, welche in ihrer 
Slrt einzig baftebt, bie bon ung mehr alg bon Slnbem erwarten Idbt unb ung 
$ f l i <h t e n auferlegt, ©o berwabrloft ift lein Seutfcher, bab nicht etwag 
bon ben ©eifteg* unb ©eelenblötben ©ermanieng auch auf ihn überge* 
gangen. Senlt euch Seutfchlanb mit 2Wem, wag eg feit taufenb, ja nur feit 
fünfbunbert Sabren ber SDtenfchbeit gegeben, fort — unb eg wirb auf ber erbe 
wüft unb leer. 

Ser beutfche ©eift, bie beutfche ©itte. eg ift fo btel bon ihnen ge* 
fprochen unb gefchrieben, fte ftnb fo oft gepriefen unb befungen wor* 
ben, bab Wtr ung eine Sobrebe auf fte füglich erfparen lonnen. Slber 
machen wir ung wenigfteng Har, worin fte befteben. Sem Seutfchen ift bon 
Statur eine unenblidje Siebe jur Freiheit eigen, unb er will fte nicht nur für 
ftch felbft, fonbern für alle SJtenfchen. Ser aufrichtige entbuftagmug für bog 
©ute unb Schöne wo eg ftch bilden labt, ift eine borjuggweife beutfche eigen* 
fchaft, nnb fte wurzelt in.bent ganjen ©eifteg* unb Seelenleben ber Station. 
Seutfchlanb wirb bag Sanb ber Denier genannt; aberbagGenien unfern ©ei* 
ftegfoloffe ift ftetg ber Befreiung ber ©eifter ünb ber Seglüdung aller 2Jten* 
fchen gewibmet gewefen. Sie Stichtung beg beutfchen ©emütbg ift eine 
burch unb bur<b poetifhe, unb nicht nur bermag bie Siteratur leineg an* 
bem SSolfeg einen fo reichen poetifchen ©chafc aufeuweifen, fonbern bie gröbten 
Siebter anberer Stationen werben in Seutfchlanb mehr gewürbigt unb tiefer 
erfabt alg unter ihrem eigenen Solle. Ser beutfche ©eift umfangt mit Siebe 
bie ganje 2Jtenf<bbeit unb macht ftch 2Ufeg gu eigen, wag auf ber weiten ©rbe 
an groben unb herrlichen ©eiftegfehöpfungen jum Sorfchein lomrnt SJtöge 
Stiemanb ber beutfchen ©elebrfamleit fpotten; fte forgt bafür, bab nichtg ©u* 
teg, wag jernalg eyifttrte, ber SBelt berloren gebt, bab non 3abr §u Saht 
bag geiftige Kapital ber üUienfchbeit ftch anbäuft, bab Slüeg erhalten bleibt, wag 
beg ©rbalteng »ertb ift, £abt Sichtung borber beutfchen flritill ©ie fonbert bag 
©ute bom Schlechten, bag Schone bom Unfchßnen, bag (Sble bom ©emeinen, 
bag SQabre bom galfchen. Sie unabläfjige Arbeit ber Senler unb ber Siebter, 



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258 


bet ©elebrten unb bet Mnftter übt aber ihren birelten (Einflufj auf baS ganje 
beutf<be Soll unb legt bie ©runblage ju ber ©efittung, welche bie Seutfchen »or 
allen anbern Nationen auSjeiChnet. (ES berrfcbt unter und ein innigeres gamU 
lienleben, eine nötigere Auffaffung beS SSerfjältnifJeS bet ÜDtenfdjen ju ein* 
anbet, ein »odtommnereS ©leiChgemicbt jwifchen Slrbeit unb ©enufj, 
ein feineres fUtlicheS ©efübt, als unter anbern Söllern. Sie Sichtung beS 
beutfcben ©eifteS ift u n i»e r f e 11. ©teile man ft<b »or, bafj ber Angelfadjfe 
hier adein ben Son angeben, bafj er in jebet £infi<bt allein beftimmenb mitten foHte. 
«Klan brauchte nicht }u befürchten, bab bie Sepublil ftch in eine 2Jlonar<bie »er* 
toanble, aber fie würbe berat aben in ©nfeitigleit Betlnöchetn unb berfümmetn, bab 
ber Aufenthalt in ihr unerträglich unb bab ber Same Ametilanet jum AbfCbeu 
würbe. Sie Sepublil ju huntaniftren, fte liebenSwürbig, bie greibeit in ihr 
jut etquidenben, rein menfdjlüb«» ffiahrbeit ju maC&en, baS ift ber Seruf ber 
Seutfchen. 

Unb um biefem SBetuf ju genügen, müjfen wir eben im ebelften 
©ittne b eut f <h bleiben. Unmöglich lönnen wir baS Anbern geben, was wir 
nicht in uns felbft lonfemren, waS wir felbft nicht mehr hefigen. Ametila 
lann mit SeCht »on uns »erlangen, bab »« Ameritaner werben. Aber bamit 
ift nicht gefagt, bab wir aufhßren müffen, SeutfChe }u fein, weil, wie fcbon 
naChgewiefen, lein (Element für feine Art unb SSBeife hier ein Sriöilegium be* 
anfpruchen lann. SEBir werben Ameritaner, aber leine AngelfaCbfen. 2Eir 
fagenuns »ompolitif Chen, ni<ht aber »om g eiftigen Serbanbe bet 
alten ßeimatb loS. SB« üermßgen uns fChleChterbingS nicht »orjufteden, woher 
eine lulturgefcbtcbtlicbe Sebeutung ber beutfcben (Einwanberung lommen foll, 
wenn ber SeutfChe, fobalb er ben ©oben AmerilaS betritt, nur baranbenlt, ficb 
adeS beffen ju entäubern, was ihn als Seutfchen lennjeiChnet. Ser blobe 
©ebante hieran hat fChon etwas (EmpßrenbeS. Set granjofe bleibt noCh in ber 
jehnten ©eneration granjoS, ber Gnglänber ift, wo'et ftch auCh befinben mag, 
ftolj auf fein Saterlanb, ber grlänber hält mit glühenbet Siebe feft an feiner 
grünen gnfel; unb bet Seutfcbe, mit heiligeren Sanben an bie alte ßeimatb 
gelnüpft als ade Anbern, fodte baS, WaS er »on feinem Solle empfangen, 
abwerfen wie ein jerlumpteS ©ewanb ? Unter aden Söllern fodten wir am 
wenigsten ©hrgefübl befifcen ? AdeS Sebenbe hat ben Stieb ber ©elbfterjaltung; 
unb bie Angehörigen beS größten MturPolleS fodten fiCb felbft baS SobeSut* 
theil fpreChen, ftCh felbft bet nationalen Sernichtung weihen ? 

Sßit haben uns Ametila nicht lebigliCh jur #eimatb gewählt ttm unfere ma< 
teriede Sage ju »erbeffern, fonbern »orjugsweife um im ©chu&e ber greibeit eines 
eblern SafeinS ju genießen, um uns frei bewegen, ungebinbert unfere Kräfte 
entfalten ju lönnen. Ser greibeitstrieb hat mit bet SBanberluft ber Seutfchen 
minbeftenS ebenfo »iel ju thun wie bet (ErmerbSfinn. SEBir fühlen baS Se* 
bürfnif, »orwärtS ju f «breiten, uns ju »erebeln, inbem wir anetjogene ©Chwä* 
Chen oblegen unb bafür SeffeteS in uns aufnehmen. Serlieren wir aber 


•8 



269 


1 


«ff 


unfer ©eutfdhthum, fo liegt barin ein gewaltiger ©ücffchritt; wir fleigen ab* 
anftatt aufwärts. deiner braucht weit ju fudjeti, um hierfür lebenbe ©eweife 
ju finben. (SS giebt leibet noch immer ©eutfcfte, welche ftch alle erbenllid&e 
SKfihe geben, nach ihrer SSBeife ©metilanetju werben. 3b* (Srfolg ift 
- ein febr zweifelhafter; fte bringen es hß «hftens ju einem 3witterthum, welches 
©iemanben täufdftt. Sie werben lediglich f<ble<bte Slmerifaner, wäbrenb ©ie, 
non benen fte fub loSfagen, fub ihrer fdhämen müften. ©et in folgern Sinn 
amerilaniftrte ©eutfdfte gehört erfahrungSmäjng nicht ju ben heften ©Argem 
ber ©epublil. ©or fuh felbft emiebrigt, fühlt er ftch nur jum ©iebrigen hinge* 
jogen. Stuf bie Schäfte beS beutfchen SEBefenS Derjidhtenb, nimmt er Don bem 
©ngelfadftfen nur bie Scftwädften unb gehler, nicht bie hefteten ©genfdhaften 
an, unb banbeit eS fi<b um einen .Stampf für bie greiheit, fo geigt feine ©artei* 
nähme, baft er unter ber greiheit nur bie 91 o b h e i t, bie gntoleranj, baS Siecht 
jur* Unterbrüdhmg ©nberer, üerftejht. ©ne ©ationalitüt läfjt ft<h nicht fo ohne 
SBeitereS mit einet anbern Dertaufchen, unb wer ben ©erfudft macht, geht bat* 
über moratifcb ju ©tunbe. 

Unfer ©eftrehen mufj oor allen ©ingen auf bie (Srftaltung ber beut* 
fchenSprache in ihrer ©einheit gerichtet fein, ©ebet ©tglifch wo 3ht’3 
müftt unb fo gut Shr’S tßnnt; aber unter einanber haltet feft am ©eutfchen, 
unb überliefert es unoerfätffht (Suren itinbern! ©ie 
Sprache ift baS ©robult beS ©enf* unb ©efüftlSprojefteS eines ganjen ©ol* 
leS, bie Offenbarung unb baS Organ feines ©eifteS* unb ©emütbSlebenS, ber 
treuefte Spiegel feiner ©genthüralichfeit. ©iemanb lann feine Sprache wecb* 
fein ohne ein anberer ©tenfch ju werben, unb wahrlich, burch ben ©erjidftt auf 
bie b e u t f ch e Sprache wirb man lein b e f f e r e r SUienfcft. Jlürjlidh würbe in 
ber ©reffe bie grage aufgeworfen: „SBürbe bie beutfche Spradjefich hier ohne bie 
©nwanberung erhalten?" unb leibet hat biefe grage ihre ©eredhtigung, Denn 
gewift ift eS, baf> bie aufwadjfenbe ©eneration fuh mit ©orKebe bet bequemeren 
englifdften Sprache juwenbet unb biefcftwerere beutfche nur ungern fpridftt. ©enlt 
man an bie golgen, fo tonnte man allerbingS an ber 3utunft beS ©eutfdhthumS 
in Slmerifa Derjweifeln. 9Wit ber Sprache gehen alle bie fileinobien 
oerloren, welche ben Stotj unfeteS ©olles bilben. SBahrhaft grauenerregenb 
ift ber ©ebanfe, baff bie grucbt ber geiftigert Slrbeit eines gahrtaufenbS hier 
Don unS tudftlofet SSBeife Dergettelt werben foHte, bajj bem ©blßmmling beS 
beutfchen ©nwanberetS fdhon in ber etften ©eneration baS, was bie (Sitte beS 
geiftig am hödhften ftebenben ©olleS ©eneration auf ©eneration gefdftaffen, nur auf 
bem SEBege bet Ueberfeftung jugänglidh fein, bafj et baDon nur baS SEBenige be* 
halten folt, was, beS urfptünglichen 3auberS enttleibet, in bie engtifdfte Siteratur 
übergeht, ©idht ju ertragen ift bie ©orftettung, baft ber bem ©eutfchen eigene 
©ilbungStrieb mit ber Sprache Detloren gehen foK. SSBaS würbe als (Srfaft ge* 
Wonnen ? SEBeldfte Schäfte hat bie englifdfte Siteratur, welche nicht bem ©eutfchen 
jugänglidh ftnb ohne baft er feine ©tutterfptacbe opfert? Säht ftch nicht bei 
$enen, welche Dom beutfchen gbiom nur ein 3errbilb behalten ober, Don 





beutfehen eitern abftammenb, ftch befleißen am liebften gar nicht mehr bebienen, 
fein:beutlich bet 9tüd fd^ritt in jeber ©ejielmng-ertennen? Man lann bie» 
fern ©ebanlen nicht nachhängen ohne Bon bittern ©efühlen fibermannt ju 
werben. Äotnmt eS fo weit, bah beutfcße fiinbet an S)eutf<hlanb nur noch 
wie an ein f r e m b e 3 Sanb benten, bafs fte mit bem Sanbe ihrer SSäter in gar 
leinet geiftigen ©emeinfchaft mehr fteben, bann ift baS Slächfte, baff fte fich 
ihrer eigenen eitern fchämen, unb wir fehen einen ßuftanb 
bet erniebrignng Bor uns, welcher uns baS Stecht giebt, ber 
6tunbe ju fludhen, m welcher jurn erften Mal ein beutfcher gufj ben SSoben 
SlmeritaS betrat. 

$aS Seutfcßthum muh bi« ni<ht nur erhalten werben, fonbetn auch als ein» 
gebürgerte Sßflanje wachfen unb gebeihen. hierfür ju forgen, ftnb wir uns felbft, 
bem alten unb bem neuen SBaterlanbe fdßulbig. liefern SSewufstfein entfprang»ber 
regeeifer, mit welchem man ftch, fpät,aber bodh nicht ju fpät, im lefctengahr» 
jehnt ber Gntwidlung beS beutfehen SBollSfchul» unb SSeteinSwefenS in Stmerila 
gewibmet. £odj ju preifen fmb bie Männer unb grauen. Welche ihre Jhätig» 
leit auf bieS ©ebiet geworfen, freubig anjuertennen bie gortfehritte, welche ge» 
macht worben ftnb. 3)ie beutfdje Kultur muh gleichmäßig tn beiben SBelttheilen 
fich fortentwideln. SEBir muffen mit bem alten SBaterlanbe in ftetiger geiftiger 
SBerbitibung bleiben, unb bort barf man nicht wie bisher oergeffen, bah eS jenfeitS 
beS DceanS Millionen Bon ©eutfchen giebt, welche, Bom gleichen Streben befeclt, 
als ber fehwdehere Shell im geiftigen Stingen beS SeiftanbeS bebürfen. SDom 
Uebel wäre in jeber S3e}ieh un 9 eine SlbfonbrrungbeS beutfehen Element» 
in Stmerila, welche bie SBechfelwirlung ausfeßtiefsen unb ftatt beS 
gortfehrittS nur eine Sefcßräntimg ju fflege bringen würbe; SBer aber Bon 
un§ Bedangt, bah wir bei ber Slnlunft in Stmerila aufhören, Seutfdje ju 
fein, bet muthet uns eine Gntwfirbigung ju, benn eine Schanbe ohne 
©leichen ift es, fich felbft au b erlieten! 


3e mehr baS Seutfchthnm ftch in Slmerila geltenb madjt, befto beffer wirb 
eS für bie Stepublil fein, benn bie Seutfchen bringen gerabe alle bie ©gen» 
f«haften hinju, welche fonft hier fehlen würben, -geilfam ift eS, wenn wir etwas 
Bon bet aroerilanifchen Stfihrigleit annehmen; bie JSeflänbigteit aber 
follen wir bem ametitanifchen SSotlScharatter Berieten. 2>er trdumenbe beut» 
jehe Hamlet mag ftd) hie*/ auf bem SSoben praltifchen StrebenS, aufrfitteln 
taffen; aber baS © e m fi t h, »hne. welches ber Menfcß eben lein ächtet Menfch 
ift, erwartet feine pflege Bon ber beutfehen Sitte. Sajfen wir uns hier 
in bet SßrafiS bet Selhftregierung'unterrichten; bie Sichtung Bor ben 
Siechten Silier wirb aber nur ber Ginfluh ber Seutfcßen ju Söege bringen. 


Selb gute Slmerilaner, aber bleibt gute ©eutfeße! £ängt mit Siebe am 
neuen, aber auch am alten SBaterlanbe! Nehmt an was Guch fehlt, aber be» 
haltet was 3h* habt! Schliefet Guch ben Mitbürgern anberet Nationalität an, 
aber haltet unter einanbet feft jufammen! Grjieht Gure Äinber ju geiftigen 




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261 


^Bürgern swetet SBeftctt! SSerg^t nie, ba& 3$r SanbSleute eines fiepler 
unb 4pumbolbt, eines ßant unb gidjte,. eines ©otbe unb SdfriUer, etneS SWojart 
unb Seettyooen, eines Sufyet unb ©utenberg feibl Söebenft, bafj ©ud? eine 
3Jt i f f i o n obliegt, unb werbet tyr geregt! 33etrad?tet ©udj als baS oerbitt* 
benbe ©lieb gwifdbcn jmei Nationen, weldfee ooHlonunen fein werben wenn jebe 
ber anbern baS mittfceilt, was fte oot ibr OorauS fcatl 2)urdj ©u# giebt 
2)eutfd?lanb bem fronen Emerifa feine geiftigen Scbäfce, unb burdb ©ure Ser« 
mittlung wirb baS oon 3)eutf4lanb berrübrenbe 2)ogma ber greibeitunb Selbft* 
regierung als praftifdje SBabrbeit bem üDtutterlanbe äurütfgegeben. ©in freies 
$eutfcblanb als Sdbwefter eines freien Emerifa — baS fei auf bem ftürmifd&en 
SHeere beS amerifanifc&en SebenS unfer leitenber Stern. 


Pie UcU0ion8-J)l)üofopl)W <& 5 t{ )t% 

erläutert am 2ten 3-^eile be$ gauft. 

Sott St. <9. Slölx. 

_ (S<blu&.) 

3u bem nun fotgenben merlwürbigen Slbfdjnitte beS SrarnaS madjt SMe* 
bfjiftoptjeleä ben Uebergang, ittbem er baS le|te 2Bort beS GborS, „SSurbei", 
auffafit, unb folgenbe »ernidjtenbe Äritit biefeS ©cbiboletbs beS 2Jtate» 
tialiSmuS giebt: ' 

„SBorbei! Gin bumrneS 5ßort. 

SBarum »orb ei? 

üßorbeiunb reines 9lt<btS, »olllommneS Ginetlei. 
5Ba3 foU uns benn baS ewige ©(baffen, 

©efcbaffeneS ju 3ti<btS binwegjuraffen ? 

„$a ift’S Dorbeü" SBaS ift baran ju (efen ? 

©8 ift fo gut als wir’ es nicht gewefen, 

Unb treibt ftdj bodj im ßreiS als wenn es wäre. 

3<b liebe mir bafüt baS Gwigleere!" 

2Jlcpt)tfto, bet in ben folgenben ©eenen wiebet BoUftänbig jum Teufel 
beS alten beutfeben SBoIfSglaubenS unb SJoHSmäbrcbenS wirb, ift mit bem 2 e i b— 
ber „leeren ©cbaa 1 e" — nichts gebient. Gr will ben „Sem", bie 
Seele. 

„Ser fißrpet liegt, unb will ber ©eift entfliebn, 

3<b jeig’ ibm rafcb ben blutgefebriebnen Xitel.“ 

«Kit ädbt biaboliftbem £umot llagt er, baft eS fe&t fo Diele SRittel gebe, 
„bem Xeufel Seelen $u entjieben". 

Gr ruft beSbglb £elfetSbelfer berbei: 




262 


„$ie #emt Dom graben, £errn Dom frummen gorne, 

33on altem SeufelS „Sdjrotunb $orne", 
bie ihm auf baS (Sntmeid&en ber Seele aufpaffen unb juglei<b ben „Zöllen* 
rachen" mit bringen foUen. „$er grauli^e «götlenradjen tbut fub ltnfS auf", 
unb aWepbifto befd&reibt bie S<bredniffe in feinem Qnnem. 2)er Siebter iben* 
' tifi$irt fub ^ier — mie er befanntU<b f<b<w im erften Sbeil getban — no<b ein* 
mal mit ÜDtepbiftopbeleS, inbem er bie gorfdbungen unb ^beorieen ber ©elebrten 
über ben Sifc unb bie Statur ber Seele perftflirt. tiefer ruft ben „$i<fteufeln" 
Su: 

gier unten lauert, ob's mie $boSpbor gleiftt : 

2)aS ift biS Seeld&en, *ßfp cbe mit ben 5 lüg ein; 

2)ie rupft ihr aus, fo ift'S ein garft’ger SBurml 
Stobtaufbieniebern Legionen, 

3b* S<bldu<be l baS ift eure Pflicht! 

Ob's ibr beliebte, ba §u mobnen, 

So accurat meifj ntan baS ni<bt. 

3m üft e b e l ift fte gern gu gauS ; 

ÜRebmt es in Siebt, fte mifd&t eud& bort heraus l 

HuS biefer unb ähnlichen Stellen f<blieben ju tooHen, bab ©ötbe bamit 
Unb mit ben ©anjen, ben ©tauben an eine unterbliebe Seele unb ihre Sren* 
nung Dom Körper überhaupt D e r f p o 11 e n moHte, mürbe menig Äritil Derra* 
tben, meil eine fotebe Slnnabme bureb ben meiteren gortgang beS ©ebiebteS 
Dollftdnbig mibertegt mirb, baS ft<b halb barauf mieber gu ben fünften Werfen 
unb bem erhabenen Sebmunge ber Sßoefte beS Prologs im girnmel (im er* 
ften Sbeile) erbebt* S)aS ©ebiebt vertieft fieb mehr unb mehr in bie ebriftliebe, 
ja felbft latbolifebe SJtpftif, bie ndebften Scenen Derftnnbilblicben ben ßampf jmi* 
feben ghnmel unb «gölte, bem guten unb bem böfen $rinjip, melebeS gum Siege 
beS ©Uten mitgülfeber Siebe auSf<btagt, bie felbft 2flepbifto unb 
feine S(baaren aus bem gebe fdblagt. 2)ieS ift ber Sinn ber folgenben Scenen; 
feine SluSfübrung mirb pbantaftif<b*atlegorif(b, aber Doll (Srbabenbeit unb jum 
Shell lieblicher $oefte. 

3n einer „©lorie Don Oben" nabt ft<b eine „bimmlif(be geerf<baar" mit 
einem ©efange, beffen „garftigeS ©eflimper" ÜDtepbifto fritiftrt. (Sr nennt bie 
bimmlif<ben geerfebaaren au<b „Teufel, unb Derlappt", bie ihn „mit feinen ei* 
genen ffiaffen befriegen", unb fornmen „ihm bie Seelen meg$uf<bnappen !" (Sin 
6bor ber (Sngel ftreut of en, bie „bem iftubenben Sßarabiefe betragen" fol* 
len. SDtepbifto meif t bie Satane, „bie fub buden unb Juden" an, bie föofen 
anjupuften", bamit fte „Derfcbrumpfen". Sie „blafen gu ftarl", bie SRofen 
braunen fub, borren, unb f<btagen felbft in „giftig Haren glammen" aus — 
unb SDtepbifto ruft: 

„$)ie flraft erlifdgt! babin ift aller ÜDtutb! 

$ie Seufel mittern frembe Scbmeicbelglutb 




3)ie Helfershelfer ©tepbifio’S ftnb bcfiegt; „bie Teufel fteben auf ben 
flopfeit' 1 , „fchfagen 9tab auf [Rab",' 

„umftürgen ärfölingS tu bie £ölle". 

Unter ben „IRofen", melcbe bie GngelSfcbaar ftreut, beflimmt, „bem [Rubenben 
$arabiefe gu bringen", ntag eine in’S Gingelne gebenbe Grflärung „$baten 
ber Siebe" verfteben — 

„Slütben, bie feligen, 
glammen, bie fröhlichen, 

Siebe verbreiten fte, 
äBomte bereiten fte tc." — 

toel<be baS „böfe ©rincip" mit feinem ©iftbauch su vernieten ftrebt, tvobureb 
fte ft(b aber nurinvergebrenbeSgeuer vermanbeln, vor bem ba£ S85fe 
felbft bie glucbt ergreift — genni* eine Allegorie, ebenfo poetif<h*f<bön feie tief l 

Slber be^Herr ber Xeufel halt noch aus, er „fefelägt ft<b mit ben 
febmebenben Stofen herum", 2lber aUmälig paefen auch ihn bie StebeSglutben, 
jeboch in feiner SGßeife (bie Siebe ift ber 2Renf<h felbft, ünb toie 
feine Siebe ift, ift au(b er!) er fängt an, bie (Ingel — bie ft(b mehr unb mehr 
um ihn beranbrängen — mit ftnnlicb verliebten ©liefen angufeben unb ver* 
liebte sieben an fte gu richten, $ie (Ingel bringen auf ihn ein, unb 
„nehmen ben ganzen [Raum ein", — 2Repbifto roirb in’S ©rofeenium gebrängt, 
er fcbilt bie Gngel bie „magren Hefenmeifter, bie 9Rann unb SBeib verführen" 
— er fühlt, „toie fein ganger flörper in geuer ftebt", feine lüfterne SiebeSglutb 
toächft, er meint, bie Gngel fönnten „anftänbig naefter geben, baS lange galten* 
bemb ift überftttlicb". 

Unter bem bebeutungSvoHen ©efange ber Gngel: 

SBenbet gur fllarbeit 
Gu<b, liebenbe glammen! 

S)ie ftcb verbammen, 

Heile bie SBabrbeit, 

S)afj fte vom ©Öfen 
grob f«b erlöfen, 

Um in bem SlUverein 
Selig gu fein! 

„fafjt ftch" SWepbifto, er ruft: 

SQBie mirb mtr! HiobSartig, ©eul an ©eule 
S)er gange flerl — 

S)er SiebeSfpul, er toirft ficb auf bte £aut, 

©erettet ftnb bie ebten SeufelStbeüe; 

Schon ausgebrannt ftnb bie verruchten glammen, 

Unb, tvie eS ftch gehört, fluch ich euch adgufammen! 

’SBir haben eS hier toieber mit einer tiefen, aber giemlich fehleren Allegorie 
gu tbun. 6ie fcheint bie nur oberflächliche („ber StebeSfpuf toirft ftch auf bie 



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§aut"), baS 3immer nidht reintgenbe SBirtung bet ftnnlidhen Siebe beS 93Bfen 
erläutern ju f ollen, bie, nadjbem fte „ausgebrannt", wie Sötephifto töftlic^ Bon 
ftcb feCber fagt, „bie eblen Seuf elätheile" unoerfehrt lä&t. 

Unter bem frönen Ghorgcfange: 

„^eilige ©luthen! 

SBen fte umf cbm eben, 

. gubtt ftcb im Sieben 
©elig mit ©Uten. 

Sille Bereinigt, 

$ebt euch unb preij't! 

Suft ift gereinigt, 

SUbme bet ©eift! 

erhebenfich bie Gngel, „kauften's Unterbliebe» entfühtenb". 

SWepbiftopheleS bat baS leere SRachfehen! er Wagt: . 

«Wir ift ein grober,, einiger ©chab entwenbet. 

'Sie bobe 6eele, bie fich mir Berpfänbet, 

Sie haben fie mir pfiffig weggehafcht! 

unb befchutbigt baS „gemeine ©elüft, bie abfurbe Siebfchaft", bie „ben auSge* 
siebten Seufel angewanbelt". 

Ser toilbe SeufelSfpul ift Botbei, aber obgleich bie Gngel „fauften’S Un» 
fterblicheS" himmelwärts „entführt" haben, bat ber Sichter feine Hufgabe noch 
nicht erfchöpft. Sie nächften ©eenen führen uns in eine „Ginöbe mit 93erg= 
fdbluchten, Sffialb unb gelS", „heilige Slnachoreten", „©ebitgauf nertbeilt, ge* 
lagert jwifchen Hüften." Ghor» unb Gütjelgefang ber Hnachoreten. Pater 
ecstaticus („auf* unb abfehwebenb"), Pater profundus („tiefe SRegion"), 
fingen £pmnen auf bie „ewige, allmächtige Siebe", bie SlUeS bilbet, SCUeS 
hegt." Pater seraphicus („mittlere SRegion") fleht, wie 
„Gin SIRorgenwöltchen fchwebet 
Surdj ber Sannen fchwantenb ,§aar!" 

GS ift ein Gbor „feliger Htaben". Ser Spater preif’t fie glücllicb, bah T« 
„Bon fchroffen Grbenwegen leine ©pur haben", unb leib’t ihnen 
„feiner Stugen weit» unb erbgemäfj Organ", 
um ft<b bte ©egenb anjufchauen. Slber bie Knaben „fchüttelt eS mit ©ebred 
unb ©tauen", unb Später ©eraphicuS weift fie ju „höheren Greifen" hinan, 
wo fie immer „unoermerlt wachfen" würben, Bon ©otteS ©egenwart Berftärlt, 
„Senn baS ift ber ©eifter SRahrung, 

„Sie im freisten Sietbet waltet, 

Gw’gen Sieben» Offenbarung, 

Sie jur ©eligteit entfaltet." 

Gngel etfdjeinen „fchwebenb in ber höheren SttmoSpbäre, Rauften’» Un* 
fterblicheS tragenb", unb fingen: 

©erettet ift baS eble ©lieb 
Ser ©eifterwelt Born SJBfen! 


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265 


SBcr immer ftrebenb ftd) bemüht, 

2 )en formen mir erlöfen; 

Unb hat an ihm bie 2 i e b e gar 
SBon oben £heü genommen, 

Segegnet ibm bie felige Schaar 
•Dtit herzlichem Sßidfommen." 

Sn einem 2 Be<hfelgefangc ber „jüngeren Gngel", ber bottenbetern (Sngel" 
unb ber „feligen Knaben" triumphiten 3ene über ihren Sieg über bie «£>öde mit 
ßülfe Stof«*/ #^olIenbeteren (Snget, fpred&en au3, bajs e3 ihnen „pein? 
K<h" fei, „einen (Srbenreft zu tragen." 

„Unb mar’ er bon 2l£beft, 

(Sr ift nicht reinlich*" 

„ffienn ftarfe ©eifteSfraft 

5)ie Elemente 

2 ln fi<h herangerafft" 

fp bermoge fein (Snget „bie innige 3mienatur ber »eiben 311 trennen", 

„$ie einige Siebe nur 
JBermag’ä ju fcheiben." 

Sßorauf bie jüngeren (Sngel gauft’3 „Uufterbli<he3" berfich nahenben „Schaar 
feliger Knaben" übergeben, bie „biefen in »uppenftanb" freubig empfangen 
unb ftngen: 

„Söfet bie gloden lo§, 

2 >ie ihn umgeben! 

6 <hon ift er, fchön unb gro|$, 

»on heiligem Seben." 

$ie „göttliche ßomobie" nähert ftch ihrer Spi|e. $octor dftarianuS „in 
berhödhften, reinlichftenSede", „too bieSu*fi$t frei" unb „ber©eift erhaben", 
fleht „nach oben fchmebenb, grauen borbei^tehen", 

„$ie herrliche mittenin, 

3m Sternenlranje 
®ie «gimmetefönigin." 

(Sr ftimmt „entjücft" eine £pmne auf bie „höchfte £errfcherin ber 2BeÖ" 
an, bie 

„3ungfrau, rein, im hofften Sinn, 
üdutter, ehrentoTfcbig." 

Sie erfdjeint bon einem „»elften" umgeben, „»üfjerinneu" 

„Um ihre Mee 
S)en Slether fchlürfenb, 

©nabe bebürfenb", 

benn ihr, 

„$er Unberührbaren, 

3 ft es ni<ht benommen, 


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m 


266 


Saft bie Scic^tuerfü^rbaren 
Sreulidj ju bis tommen.“ 

„2Ber jettest au! e i g n e r Praft 
Set ©elüfte Pctten?“ u. f. w. 

Sie „Mater gloriosa“ fcbwebt empor, umgeben bom ©bot ber 93ü|e« 
rinnen, bon betten brei, erft 3ebe einjeln in einet frönen acbtjeiligen Stanje, 
bann äße brei jufammen in einem ©borgefange, bie „$immet!tömgin“ um SBer= 
jeibung für eine SBierte anfieben. Sie brei ftttb: bie Magna peccatrix (bie 
©ünberin au! Suca! YII. 36 folg.), welche ©briftu! beim 2Jtable bie pfse 
mufib unb mit ibretn $aar trocfnete, bie Malier Samaritana, bie Samariterin, 
welche nach ©bang. pbann. IV. ©briftu! SBaffer fchöpfte unb ju trinten gab, 
unb bie Maria Aegyptiaca, welche nach ben Actis Sanctorum 40 3abre 
lang in ber ägpptifcben ffififte lebte. Sie Srei bitten für Una Poenitentium, 
„fonft ©retten genannt“, 

„Sie ftcb einmal nur betgeffen, 

Sie nicht ahnte, ba| jie fehle.“ 

Sann erfcheint ©retchen felbft al! glebenbe. 3br ©ebet ift ein SeitenfHW ju 
bem ergreifenben „3tcb neige, bu Scbmetjenfteicbe", be! erften Sbeile!, aber 
betrieben bon biefem wie 4?immel!glücf bon ©rbennotbl Sie fpricbt: 

„Sleige, neige, 

Su ObnegIei<be, 

Su Strablenreicbe, 

Sein 2lntU& gnäbig meinem ©lüd! 

Ser früh ©eliebte, 

9U<ht meb» ©etrübte, 

©r tommt jurüd!“ 

Sie „feligen Knaben, in Preisbewegung ft<b näberob, feben puft bereit! 
fte „überwachen“ „an mächtigen ©liebem“, unb erblidten fchon ihren fünftigen 
Sebrer in ihm. ©reichen fcbilbett be!'„früb ©eliebten“ Suftanb wie benSuftanb 
Neffen, ber ft<b eine! 9leuen aßmälig bewußt wirb; fte fleht, wie er jebem 
©rbenbanbe, 

„Ser alten £üfle fub entrafft, 

Unb au! ätherifdjem ©ewanbe 
^erbortritt erfte 3ugenb!raft!" 

Sie erbittet bon ber „Mater gloriosa“: 

„Vergönne mir, ihn ju belehren! 

9lo<h bienbet ihn ber neue Sag." 

$ie Slntwort lautet bebeutungSboß: 

„Pomm! bebe bi<b ju böbern Sphären, 
sjßenn er bidj ahnet, folgt er nach!" 

ÜRacb einem turjen ©ebete be! Soctor 3)larianu§, bet auf bem Slngefubte 
anbetet, fehltest ba! ©anje mit bem ©efange be! Chorus mysticus, ber in 
acht inbaltfcbweren 3eilen bie ©rnnbeffenj ber gefammten iMtgion!s5Pbilofopbie 



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267 


be? 2)i<hter3 tote in einem ©rennpunit jufammenfalt. 3)ie benlwütbigen Seilen, 
»ieüeictjt baS wichttgfte ©ermäcbtnifs beä grcfsen Sinter» unb Seniet^Seniu^, 
lauten: 

„Silles SBetgdngli dje 
3ft nur ein ® I e i dj n i |; 

2>a3 Un juldnglitht, 

$ier wirb’S d t e i g n i f»; 

3)aS Unbefthreiblich e, 

$ier iffs ge tban. 

©aS dwigweiblidje 
3ieht uni hinan!" 

©)e wir biefen „mpftifcben Gbot" näher in’s Sluge faffcn, wollen wir ju* 
Bor noch bet fthönen SBechfelbejiehung unb drgänjung gebenlen, in weither biefer 
Scblufj beS jweiten feiles ju bem beS elften ftefjt. 3n biefem erblicten wit 
befanntlicb ©reichen im ©efängnifi, nadb bem SuSfprutbe beS SPiep^iftopfjeleS 
„gerietet". Slber fcpcn bott beutet „eine Stimme Bon oben" an, bajt jie 
„gerettet" ift (gerettet, »eit ibr Bor ihrem ©eliebten „graut"), unb ©ret* 
thenS Stuf: „Heinrich! ^einridj!" nathbem Sauft bereits mit SWephifto Ber* 
fdbtounben, beutet weiter an,bafjfte ben©eliebten nt cht aufgiebt, fonbem 
ju ftcb ruft unb nach ftdb jiebt, eine Slnbeutung, bie im Schluffe beS jweiten 
^heiles ihre drfütlung finbet, wo wit ©retchen in feligem ©lüde treffen über 
bie SR ü dt ehr be§ ©eliebten, „nitht mehr ©etrübten", unb wo fte ihn 
„ju harren Sphären" nach ftcb jieht. 

So geftaltet ftcb baS ©anje ju einem erhabenen bramatifchen £pmnu3 auf 
bie Siebe, bie Siebe im höchften Sinne beS SBorteS. Sie erjjheint un8 im 
erften 3-heile, in ber natürlichen SSBelt beä drbenlebenS, junäthft in bem ©ua* 
liSmuS ber Siebe, jwifthen SDtann unb SBeib Berfürpert, in weither fte ber 
Scbulb BerfäHt, aber fdbon mit Slnbeutung ihrer (Erhebung jum höheren 6ha» 
ratter ber SWutt er liebe unb be« SHtutterfthmerjeS ; autb hier wirb 
ihreteinigenbe unb rettenbe töraft, wit wir gefehen haben, in ber 
Stblufsfcene angebeutet. 3m jweiten Steile tritt in ben mpftifdjen „SWüttem", 
bei weiten Sauft bie Helena finbet, bem SSerhältnifj jwifthen biefen unb ihrem 
Sohne dupbonion, bie Sorm ber ©atten* unb dlternliebe in ben 
SSorbergrunb ; wir treffen bort unter Slnberem auf folgenbe fdböne SBerherrlt* 
d)ung biefer ibealeten Sßhafe bet irbifthen Siebe: 

Helena: 

Siebe, m e n f $> l i <b ju beglüden, 

SRähert fte ein ebleS 3 wei, 

©odj ju göttlichem dntjüden 
SBilbet fte .ein t5ftli<h © r e i. . 

Sauft: . 

StUeS ift fobann gefunben : 

3<h hi» bein unb bu bift mein: 


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268 


Unb fo flehen mir uerbunben, 

Surft’ eS bocb nicht anberä fein 1 
Ebor: 

SBoijIgefallen »teler gabre 
3n beS Knaben milbem Schein 
Sammelt fidj auf biefem Sßaare. 

0, tute rübrt mich ber Sßcrein ! 

3tn fünften 2lcte er tu e ite rt ftd), ttjte wir gefeben haben, gauft’S Siebe 
jur liebeuollen, fegenSreüben Stbätigfeit jutn SBcften ber SDlenfchbeit, 

(„2luf freiem ©runb mit freiem Solfe fteben" ic.) 
ber böchften gorra, welche bie itbifdje Siebe annebmen !ann, bie uun ber Selbft« 
fucbt freigelucrbene Ntenfchenliebe, bie ©runbibee beS EbriftentbumS. Slbet als 
foltbe ift fte ni<bt an bie ©renjen bet irbiftben, natürlichen SBBelt gebunben, fte 
Wirb jum © e f e b e b e S SiBeltallS, fte tuirb jur uerföbnenben, alle 
Schulb auSgleidjenben, immer nach Oben siebenten Siebe erhöbt. Sie 
ift in biefet Erhöhung äugleidj ©efeb unb ©etudbr beS ewigen Sehens beS 3n* 
bioibuumä, baS fidf felbft in bem jerftörenben $rinjip ber SRatur auSfpricht — 
«tan uergleicbe bie ftböneStrophe beS Pater profandus ber „in ber t i e f e n 
SR eg i o n" uon biefem ^ßringip noch erfdjredt, um Erleuchtung fleht — unb 
beffen ©ewibbeit im ©lauben uns ber Sinter in „gauft’S Unfterblicbem" giebt, 
baS jum fMmmet getragen unb burcb bie 8 i e b e rafcb entmidelt unb ju „höbe* 
ren Sphären" gejogen tuirb. 

Sßcnn ber Chorus mysticus ftngt: • 

„2llleS SSergänglitbe 
3ft nur ein ©leiebnif»", 

:fu tuirb unS bieS, futuie baS gplgenbe, na<b bem eben $8orauSgef<bidten uerftänb* 
Heber fein. NlleS SBergänglicbe ift nur ein ©leicbnifj. Sffieffen? SeS U n» 
uergänglicben, ober mit anbem ©orten: baS Seitliche, Natürliche ift 
nur ein Spiegelbilb beS Ewigen, Uebernatürlicben (aber barum nicht Unnatür* 
Jicben). Siefer Sab, wie anbeteS notb ju ErtnäbnenbeS, machen eS gftutf, bafs 
©ötbe ben gbeen Swebenborgs eine nähere Söeacbtung gewibmet batte. 2Ber 
mit beffen Sehre uon ber „Sorrefponbenj" aller natürlichen gorm mit einer 
geiftigen belannt ift, bet tuirb biefe in jenem erften Sabe beS mpftifeben EboreS 
mieberfinben. 

Ser nächfte Sab bringt uns eine weitete Erläuterung unb Erweiterung 
beS Erften; 

„SaS Unjulängliche, 

4)iet wirb’S Ereignifs." 

Sab baS „Unjulänglübe" wiebet eine Söejeichnung beS an Naum unb 
Beit gebunbenen „Natürlichen" ift, uerftebt fuh leicht; aber im ©egenfab ju 
ben erften Beilen, im welchen baS Natürliche nur als ein,,© I e i <h n i fs", eine 
Nbfpiegelung eines anberen 38 irfliehen aufgefabt ift, wirb hier uon 


' 



269 


ihm gefaxt, bafj ei „hier" gum ©r c i gn i , b. h- felbfi einem SOBirflichen, 
mirb. Stuf bai SBort „hier" ift befonberer üftachorucf ju legen. eer ©her 
fingt „hier"7unb mir fragen natürlich: mo ift biefei hier? mobin bat uni 
er SHdbter geführt ? 2Bir befinben uni, mie mir früher gefeben, in „höheren 
^Regionen", in „Sphären", in einer Sßelt, bie außerhalb unb oberhalb ber na* 
türli(hen 2Belt liegt, aber ebenfo mirflidh ift mie biefe, bie nur ihr „©leichnijs" 
ift. $ i e r, in biefer SBelt, mirb aber bai „Unzulängliche" (bie vergängliche, 
irbif(he gorm) zugleich zum ©retgnifj, b. h» jum mirilidh ©efdhehenen, 
Zur $h at f a dh e ; hier mirb ei flar, bafc bie vergängliche irbifdhe gorm Slui* 
bruef, 9tepräfentant einei in ihr enthaltenen ©eiftigen ift, bajs bie natürlichen 
gormen in ber ©eiftermelt ihre eorrespondentia finben, bafc biefe, mie fte 
Slbfpielungen bei ©eiftigen ftnb, auch mieber beffen eigene gorm bebingen, bah 
© e i ft unb gormibentifdh ftnb, eine gbee, bie in ber Sehre bei fchme* 
bifdhen SReligioni*Bhifofo£hen bie confequentefte unb auigefprochenfte ©ntmiefe* 
lung gefunben hat, ber bie m en f dh l i dh e © e ft a11 felbft ali ÜRothmenbigfeit 
für alle geiftigen ßjiftenjen im dinjelnen, unb in ben ihm eigentümlichen ©e* 
noffenfehaften, fomie für bai ©anje bei ffieltafli felbft nachmeift. DJtit ben 
Söorten: „eai Unzulängliche, hier mirb’i ©reignt", giebt uni ber Sichter bai 
Befenntnifc feinei ©laubeni an bie Un 3 erftörbarfeit bei geiftigen gnbivibuumi, 
beffen auf ©rben „unzulängliche", b. b- vergängliche, gorm „bort" zum ©r* 
ei g n i fj, zur $ ha t f a <h e mirb, b. h* Z ur unvergänglichen ©eftaltung. 

Sie nadhfte Strophe bei ©hor’i 

’ „Sai Unbefdhreibliche, 

4M er ift’i gethan." 

enthalt eine meitere Betätigung bei Ueherftnnlidhen. Semt bai „Unbefdjreib* 
lidhe" ift eben bai Ueberftnnlidhe, benn befchreiben fann ber 9Jtenf<h nur, mai 
er mit feinen Sinnen mahmehmen fann. 3u bem Unbefdhreiblidhen gehört na* 
mentlidh auch bie Berbinbung ber Seele mit bem Seibe, unb bie biefer entfpre* 
chenbe Trennung Leiber, meldhe nach ber tiefftnnigen Slnbeutung im ©höre ber 
„vollenbetem ©ngel", bie mir oben mittheilten, nur bur<h bie Siebe vor ftdh 
geht, ali fdhöner ©egenfafc baju, bah auch bie Bereinigung von Seib unb Seele 
ehte $hat ber 2 ie be iftt Slber hier—im Steife bei Ueberfmnlidhen—fagt uni 
bereichter, hier ift bai Unbefdbreiblidbe gethan, hier mirb bai Unbefdhreibliche zur 
^hatfadhe, zur Söirflidhfeit, bai Söunber ber Trennung bei ©eiffei vom Stoffe— 
übrigeni fein gröjjerei ali bai ber Bereinigung Beiber — bai SBunber ber 
gortbauer bei ©eiftei in berfelben gorm mirb hier erfüllt. Unb burdh men 
mirb bai Unbefdhreibliche gethan ? bai SBunber erfüllt ? 2Bie uni fdhon jener 
©ngeldhor gefagt: „bie emige Siebe", fo fd^tie^t bereichter hier fein gan^ei 
erhabenei SBerf mit ben inhaltfdhmeren SBorten : 

„Sai ©mig SBeiblidhe 
Sieht uni hinan !" 


eenn baiömig SSeihlidhe ift nidhtiSlnberei ali bie Siebe, ober, noch 



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allgemeiner gefaxt, wie eg nach einer non fünfter angeführten Sleuhetung ©öthe 
felbft aufgefaht fehen wollte, ber bem (^d^eren) ÜJtenfchen eingeborene „3ug 
gurn £öh*ten." 

„2)ag ewig SBeibliche ift bag, mag ewig unberänberlich ben inner** 
ften fiem beg SBeibeg bitbet, bie fi<h hingebenbe aufopfembe Siebe, 
Welche bie SBeiblichleit felbft ift. $iet aber begegnet eg in leister 
Uebertragung auf bag gange Streben beg übtenfchen jenen in ihm Iie*» 
genben 2)rang nach Oben, jenen begeifterten 3ug gurn höheren, ber 
bag 93efte, ber ©btt felbft im SDtenfchen ift." 

2Ber ung big hierher gefolgt ift, ber wirb ung wohl SRecht geben, bah bie 
Annahme einer übtpftiftcation bur<h ben gwciten Xheil beg gauft eine beg großen 
2>i<hterg unb übtenfchen unmürbige ift, bah eg ©öthe mit biefer bollenbetenSra» 
göbie beg gauft heiliger (Srnft war, unb bah er barin bie lefcten SRefultate feineg 
2)i<hteng unb 2)cn!eng nieberlegen wollte, gn biefer 2lnfi<ht werben wir befe» 
ftigt wenn wir ung erinnern, wie biefe gaufcgbee ftd& burch beg 2)i<hterg gan» 
geg Seben gieht, ihn fchon in feiner erften Üßeriobe erfaht, bann in langen 3toi* 
fchenräumen ftücfmeife f«h entmicfelt, lange liegen bleibt, wie er bie Unguläng» 
lichleit beg erften £heileg unb bie btothwenbigfeit einer ©rgängung unb Sollen» 
bung erlennt, wie er bag 2ßerl im hohen 2ilter wieber aufnimmt, unb lurge 
3eit bor feinem $obe bollenbet. 2lKeg bieg berechtigt ung, eg für bie üuint* 
effeng feiner gbeen über menfchliche unb göttliche 2)inge, für fein poetifch'philo» 
fophifthe^ ^eftament gu erlldren. Unb wag fagt ung biefeg £eftament beg um» 
faffenbften unb fchaffenbften ©eifteg, ben ber beutfche ©eniug geboren ? 2)ah 
ber grohe ffrhlajf& r webet ein #eibe noch ein übtateria» 
lift im mobernen Sinne war, bah feine Slnfchauung über göttliche 
S)inge unbinbioibuelle gortbauer bie tranfcenbental»<hriftliche war, 
unb bah, bie fpegielle gorm biefer Slnfchauung anlangenb, biefe ber 
Smebenborg’g fehr nahe ftanb, wie wir algbalb noch näljet barlegen 
werben. 

2Ber bie Si e b e nicht nur gum leitenben üßringipe begübtenfchenle» 
b e n g macht — gauft, bet feine fchönfte Stunbe getommen fleht in bem @r» 
folge ber werfthätigen Arbeit für „ein freieg ÜBoll auf freiem©runb" —, fon» 
bem bie Siebe alg allgemeineg SBeltgefefc erlennt, 

„So ift cg bie allmächtige Siebe, 

2)ie 2lüeg bilbet, Sllleg hegt." 

Pater Profundus* 

alg bie Übtacht, welche felbft noch „bag böfe ^ringip" gu Siebegregungen 
feiner 2lrt gwingt, wer, wenn auch in bunller mpftifcher SBeife, bie „Übtütter" 
feiert, bie betgebenbe Siebe in ber bon SBüherinnen umfchwebten Mater 
gloriosa,bie berebelnbe Siebe in bem ©mig SBeiblühen, welcheg ben 
gauft „hinangieht", berherrlicht, bon bem lann man Wohl mit gug unb üRecht 
behaupten, bah er bag innerfte ffief^n beg ©htiflenthu mg er» 



fannt unb bargefiedt habe. SRocb fpe^ififcb d^riftltd?cr fpricht fld& ©ötbe fclbft 
barüber an einer üon Ständer citirten ©teile aug, mo eg bei&t: 

„gm gauft felber eine immer ^ö^ere unb reinere Sbätigfeit big ang ©nbe, 
unb bon Oben bie ihm gu £ülfe lommenbe emige Siebe. ©g ift bieg 
mit unf e r e r religiöfen Vorftedung burebaug in Harmonie, nach melier mir 
nicht blofj burch eigene firaft felig merben, fonbem burch bie biuäufommenbe gött* 
lid^e ©nabe. 

©ötbe’g ©laube an bie Unfterblicbleit ber Seele mit inbiüibueder gortbauer 
im ädgemeinen, ift noch bureb anbere Steden aug feinen SBerlen unb Briefen 
aufier 3fteifel geftedt. SBir moden nur ei ne fold^e anfübren. ärn 19. Mär§ 
1827 (alfo nur 5 gabre bor feinem Sobe) febreibt ©ötbe an 3elter, ber feinen 
Sohn verloren batte: 

„SBirfen mir fort, big mir, bor ober na<b einanber, bom SB e 11 g e i ft e be. 
rufen, in ben äetber jurüeffebren. Möge bann ber ©miglebenbeung neue 
Sbätigleiten, benen analog, in benenmir ung fdbon erprobt, nid&t berfa* 
gen! gügt er fobann ©rinnerung unb Stad? ge fühl beg Siechten unb 
©Uten, mag mir hier fchon gemodt unb geleiftet, bäterlid? b^u, fo mürben mir 
gemijj nur um befto rafd?er in bie Äämme beg SBeltgetriebeg eingreifen." 

Siefe intereffante Stede — übrigeng nod? baburd? b&<hft (haralterifd?, bafj 
©ötbe bag blutenbe Vaterberj beg greunbeg an ben Sroft „raftXofer Sbätigfeit" 
bermeift — ftedt ben © l ä u b e n an inbibibuede gortbauer au&er 3^>eifeX* 
SBenn.ein ©ötbe im 78. gabre bom „SBeltgeifte", ber ung abberuft, bon ber 
Stüäfebr in „ben äetber" unb ber Hoffnung „neuer Sbätigleiten" mit ©rinnen 
rung" unb „Stachgefübl beg Siechten unb ©Uten" fd?reibt, fo ftnb bag feine 
^btafen, fonbem tieffte Ueber^eugungen. Ueber feine fpe 
gellen Vergeltungen aber bon ber gorm biefer gortbauer erbalten 
mir eben in bem bon ung befproebenen 9. Xbeile beg gauft nähere intereffante 
änbeutungen, auf bie mir nod? einige Vlicfe merfen moden. 

©ötbe mar in feiner P&ilofopbie offenbar ©clectifer, b. b- er febmur auf 
leineg ber befonberen pbdofopbifchen Spfteme, fonbem er eignete aug ädern 
fub bag feinem SBefen ©ntfpre<benbe an. SBie felbft bie <briftli<ben $ird?enbäter 
unb bie Acta Sanctorum fein Senlen nährten, mie bie religiöfe Voefte ber gta* 
Uener unb Spanier feine gbeen mefentli(b beeinflußte, fo meifen bie lebten See* 
nen beg gauft auf feine Vertrautheit mit ben gbeen Smebenborg’g bin. S)ie 
merfmürbigfte Stede in biefer Vejiebung ift ber „©bor ber feligen Knaben'', 
meldte bom Pater Seraphicus aufgeforbert merben, fub* feiner äugen $u be* 
bienen, um natürliche Singe §u feben: 

„Steigt herab in meiner äugen 
SB eit* unberbgemäfj Organ! 

Äönnt fie a l g bie ©uren brauchen; 

Schaut euch biefe ©egenb an." 

Sünfcer, ber neuefte bodftänbigfte gauft*©ommentator, bemerft hierzu 
(S. 780): 


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272 


H 


„Sem ^Dtcf?ter fd&mebte hierbei ber betannte fehmebtfehe Blaturforfcher unb 
©eifterfeherßmanuel Smebenborg (geabelt als bon Smebenborg) (1689r- 1772) 
bor (©öthe $anb 39. S. 359), ber behauptete, mit ©eiftern aller .gimmelS* 
uitb SBelträume itt SJerbinbung gu ftehen, bie ftch, um bic irbifchen Stfnge gu 
fehen, feiner Slugen bebienten, auch in feinen ßopf unb anbere Steife feinet 
ßorperS ubergingen, um auf irbifche SBeife gu fühlen." 

Sollte 3emanb nach allem bisher ©efagten bielleicht noch bie 2lnji<ht 
»ertbeibigen motten, bah es ©öthe mit feinem gmeiten Sheile beS gauft gmar 
©mft gemefen fei, allein bah er bamit nichts weiter gethan, als feinem poetifchen 
SchaffenStriebe genügt, unb ihn anfpred&enben gbeen eine bichterifche gorm ber* 
liehen habe, fo lönnten mir biefe Annahme nicht für haltbar erfldren. ©S fteht 
ihr golgenbeS entgegen. Obgleich ber Srang gu poetifchem Schaffen unb bie 
gähigfeit bagu — als parallele beS törperlichen geugungStriebeS — mie bie 
©rfahrung lehrt, bei eingelnen beborgugten ©eiftern jich bis in baS hohe ©reifen* 
alter hinauf erhalt, fo erleibet bo<h beffen ©ethätigung eine ber ©ntmicfelung beS 
SnbibibuumS felbft entfprechenbe Seranberung. Sie Sßoefte unb baS poetifche 
Sßrobult ift bem greif en Sichter nicht mehr $aupt* unb Selbftgmedf, fonbern 
fte mirb ihm Mittel für bie Sarftellung beS ©ebanfenS, gorm für bie Aufnahme 
ber gbeen, bie feinen ©eift bemegen, mit anberen SBorten: bie Senbeng tritt 
in ben SSorbergrunb, ber philofophifche ©ebanfe geminnt bie Oberhanb 
über ben poetifchen, ber $oet berförpert mehr fein ©ebachteS als 
fein © e f ü h 11 e S. So. mollte auch ©öthe uns im gmeiten Shcile beS gauft 
nicht bie SBollenbung eines bramatifchen ÄunftmertS geben, fonbern er gebrauchte 
benfelbenals bie poetifche gorm, in meld&e er bie3been gofj, bie bie lebten gahre 
feines raftlcS fchaffenben ©eifteS erfüllten. Ser grofje Sichter unb Senter 
lüftet uns ben Vorhang, ber baS SieffeitS oom QenfeitS trennt, er führt uns 
an ber £anb ber Sßoefte in baS Seben nach bem Sobe ein — ein beutfeher Sante an 
ber $anb ber SBeatrice Sßoefte — meil fein Sichten unb brachten felbft biefem 
Seben guftrebte, meil fern ©laube bar an — auf ber ©runblage JDeS ©hriften* 
thumS — feftftanb, unb feine philofophifche Uebergeugung baoon — an bie 
3>been beftimmter Senler 'fuh anlehnenb — feinem innerften SBefen nach eine 
poetifche ©eftaltung annahnu Sünfcer fagt barüber golgenbeS: 

„SaS SBagnib, uns in baS a n b e r e 2 e b e n f e l b ft hinüberguführen, 
fonnte nur einem Sichter gelingen, ber mit tieffmniger ©rfchauung ber Biatur 
in ihrem gangen SBirten unb Schaffen fo biele fmnlidhe Klarheit, unb ein fo 
reines, tiefes ©emüth oerbanb, mie unfer bem jenfeitigen Sichte mit ftiller, bet* 
trauenSbotter [Ruhe, in ftetem, frohem gortmirlen auf ber ihm angemiefenen. 
Söahn entgegenharrenber ©öthe, in beffeir gauft mir in höherem Sinne als 
Statten in feinem Sante eine Divina comedia beftfcen, bie uns "burch bie 
mannichfaltigften menfchlichen Strebungen unb Biegungen hinburch gur höheren 
£eimath, in melcher baS maS hier „ungulängiich" mar, fleh erfüllen foU, ahnungS* 
bott emporhebt. 

SGßir fennen bie Seute fehr mohl, bie für alles bieS nur eine anmafjenb* 




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273 


hoßnlächelnbe Abfertigung bereit haben, bie Seute, bie bcn jweiten Sßeil beS 
gauft nur für ein HuSfcßeibungSprobuft eines alternben, im 9t ücf gange 
begriffenen ©eßirnS erflären »erben; allein fte beirren uns nicht in 
unferer Ueberjeugung »on bet unjerftörbaren Gjiftenj beS geiftigen gnbtoi* 
buumS, nicht in unferer Ueberjeugung »on bem naturgemäßen • grenjenlofen 
gottf<ßritt, bem unfer großer Sinter felbft nur baS Siel im 31 uf geßen in 
ber ewigen Siebe anweif’t: 

„Unb nun bring’ ich alter Orten 
Seichter burcß bie e»’g e n Greife, 

S)ie burcßbrungen finb »on SBorten 
©otteS, rein*lebenb’ger SBeife. 

Ungehemmt, mit heißem Triebe 
Saßt ftch ba fein Gnbe ßnben, 

33i3 im Nnftßau’n ew’ger Siebe 
Sßit»erfcßweben, wir »erfcßwinben! 

©ßthe, 2Beftöftlicher $i»an IY. 149. # 


dittt öfutjdjc Uoröfaljrt. 

©Olt Xljcobor 


tteunje^nte ^afyrfyunbert fd&cint fiel? unter anbertt bie Aufgabe ge* 
fteKt ju haften, bie ©eograpßie bet Grbe »oUftänbig in’S Uleine ju bringen, 
feinen gußbreit SanbeS ober ffiafferS feinem Nachfolger jur Grforfcßung übrig 
ju laffen. Noch ift baS jweite drittel beS gaßrßunbertS nifßt abgelaufen, unb 
»eiche maßenhafte geogtaphifeße Arbeit ift barin fchon »oHbracbt! Gin SSlidf auf 
bie heutigen toten »on 3lmerifa, Slfrifa, Slften unb Sluftralien unb eine 35er* 
gleichung mit ben harten im Anfang beS gaßrßunbertS giebt ben Therebteften 33e* 
weis für baS ©efagte. 2lber eS ift noch mehr geßhehen: bie ©eograpßie ift jur 
wahren SBiffenfcßafft geworben butch unfern totl Ulitter, wir finb für ewig be* 
freit »on bem mechanifchen Gonglomerat »on Sänber*, gluß* unb 33ergnamen, 
baS Detail ift »erbaut, unb wir feßauen auf bie Grbe als auf ein organifcßeS 
©ebilbe. gn ©eutfcßlanb allein fonnte biefe große ©eifteStßat »otogen werben, 
unb bie ©eutfeßen hätten »ielleicht Necßt, fuh mit bem Nußm ju begnügen, bie 
Sheorie berGrbhtnbe gefeßaffen ju haben. Sieftnb jeboeß anberer Meinung unb 
beftreben ftch, ihren »ollen Nntheil an ben praftifeßen Grforfcßungen unb Gnt* 
bedungen bet Grbobetfläcße ju nehmen. ©er Slnfang beS gabrßunbertS faß 
£umbolbt in ben SBälbern beS Drinofo feinen befcßwerlicßen Gntbedtungen nach* 
gehen, gn SÄußlanb war eine große Nnjaßl ©eutfeßer ftetig befcßäftigt, bie 
©renaen unferer totntniß nach Slften §u erweitern, bis fte enblicß in ben legten 

18 t 


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274 


Sauren ben Amur hinunter am Stillen ©eet antamen. SaS umfaffenbe SEßert 
über bie riefige £imalapalette berbanfen mit brei beugen »rübern, beten 

einet _ Abolf S*lagintmeit — fein Seben für bie SSfung bet Aufgabe bin* 

gab. SnAuftralien opferte Sei*arbt fein Seben, na*bem er f<bon bie mich* 
tigften dntbedungen auf bem fo unbelannten Gontinent gemalt batte. Aa** 
bem f*on eine ganje Steife Bon beutf*en gotf*em na*-Afrila gegangen 
mar, mürbe bie drforf*ung DftafritaS gerabeju ju einer Aationalfa*e ge* 
macht, unb mir faben bot menigen gabren eine Gppebition auf Soften ber Aa* 
tion bottbin geben. 3m Augenblid ift nun eine äbnli*e Gjpebition jur Aa* 
tionalfadbe gemorben, übet bie i* im golgenben-einen lutjen »eri*t ju geben 
beabfubtige. 

gg banbeit ft<b jefet um eine gabrt nach bem Aorbpol, um ein mirttubeS 
drrei^en beS AorbpolS, nicfet um traurige, monatelange Schlittenfahrten in bet 
gtäbe beS 80. »reitengrabeS. 2113 rnenn bie $eutf*en ihr gehlen bei ben 
groben geograpbif*en dntbedungen beS 15ten unb 16ten gabrbunbertS gut 
nta*en roottten, bemühen fie ft* jefet, ben no* übrigen größten geograpbif*en 
»reis ju gewinnen. 

3 ilg Bor einem 3abr mehrere englifdje Seeoffijiere eine neue gäbet na* 
bem Aorbpol auf bem alten ©eg jmif*en ©rBntanb unb Amerila anregten, 
f<brieb Sr. 31.»etermann, ber auSgejei*nete dbef oon SPertbeS’ geograpbif*et 
Anftalt in ©o*a, an bie Sonbonet geograpbif*e ©efettf*aft, unb f*lug ben 
gßeg über Spifcbergen Bor, ber unglei* mehr Berfpri*t. Sie alten bottänbi» 
feben 2Baltfif*fän ger motten auf biefem ©ege bis jum »ol getommen fein, unb 
man bat lein Ae*t, ihre 3lngabe ju bejmeifeln. Sott giebt eg na* allen »e* 
timten ein offenes SUleer, nur menig dis, baS für einen S*raubenbampfer gar 
lein £inberni&, unb gar leine Gigberge. Siefer Iebtere Umftanb ift in boppel* 
ter Söejiebung mi*tig. drftenS fällt bamit ein gro&eS fpinbernib ber S*iff* 
fahrt binrneg, unb ä weitenä wirb banflt bemiefen, bah lein Sanb jmif*en Spifc* 
bergen unb bem »ol liegt. GiSbetge ftnb belanntli* Stüde Bon ©letf*ern, bie 
in’S SUleer binabgeftürjt ftnb; menn fie in hoben »reiten fehlen, fo beutet bieS 
natürli* auf 3lbmefenbeit oon Sanbmaffen. 3n dnglanb mar nur eine 2M* 
norität für »etermann’S Sßtan, unb fo bef*lof biefer mit gere*tem Stolj, ben* 
felben beutf*en Seeleuten jur Ausführung ju übergeben. 

®er »tan ber dypebition ift nun folgenber. ©an miH jrnei Heine 
S*raubenbampfer anf*affen, unb mit biefen jeitig im grübjabr Bon Hamburg 
ober »remen aus na* bem Aorben aufbre*en. 3n Spifcbergen finben fr* 
Saget Bon guten Steintoblen, bur* bie man bie bis bortbin aufgebrau*ten 
sßorrdtbe ju erfefcen gebenlt, unb bann fott eS Bon Spifcbergen aus getroften 
©u*e8 na* bem »ol geben. SreibeiS ift für S*ranbenbampfet lein $inber* 
nib mie f*on oft erprobt mürbe, unb anbere £inbernijfe ftnb ni*t belannt. 
SDer alte beutf*»ruffif*e Abmital Sötte, bie b8*fte lebenbe Autorität auf bie» 
fern ©ebiet, giebt bem »tan feine Bottftänbigfte »ittigung; er felbet mar Bor 
40 Sabren in jenen ©egenben unb mürbe Bon Sreibeis an meiterem »orbrin* 


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275 


geit gebinbert. „3e&t, fagt er, mit ber $filfe beS Kampfes, tönnt unb »erbet 
3br Qüngern rneiter tommen, als idb bamals; mein Stccfenbleiben bemeif’t 
Sii^tä." ®er erfte beutfdbe Seemann, Gontmobore SffiüllerStorf, bet Gomman» 
bant ber «HoParaeppebition, greifet mit bem GntbuftaSmuS bet 3ugenb an 
»etermann: „3$ mürbe midb überaus glüdlicb fc^äfcen, meine firäfte, fo meit 
fte reifen mßgen, einer Unternehmung »ie bie Bon 3bnen angeregte, mibmen 
ju tönnen, unb i<b rnödjte mit Stolj unb greube bie gübrtng berfetben, menn 
fie mit annertraut mürbe, übernebmen. Sbättgteit unb guter 2Me, bem beut» 
f(ben «Hamen Gbre ju madben, bürften mir ni<bt abgefptocben merben; i<b fefce 
mit Sreuben mein geben bafür ein." Unterteilen mürbe Gomntobore SBüHerS* 
torf Sfterrei<bif«ber ^anbeföminifter, unb muhte baber auf alle «plane bet ber* 
fßnli(ben 3beilnabme Berjid&ten. ©et talentooHe preuftifcbe Gapitän Sßerner 
bot p<b mit bem Gifer eines feurigen #erjens bie »uSfübrung beS frönen 
PaneS jum 3iel geftedt unb mirb jebenfalls bie gübrung ber Gfpebition übet» 
nehmen. 2HS eS f«b im £erbfte porigen gabreS um eine Botläuftge «Hecog» 
noScirungSfabrt banbeite, gab er baS (Selb aus eigenen «Wittein ber, freilich 
nur um bie Päne beS ebelften beutfeben GntbuftaSmuS auf fdbänblidbe «ffieife 
bur<b englifdbe galftbbeit ju niebte gemalt ju feben. 2Han mu& in bem Gftra» 
beft Bon «Petermann’S «Wittbeilungen, bem mir alles hier «Witgetbeilte entneb» 
men, felber nadbtefen, mie bie Gnglänber ftdb für ein gemietbeteS Sdbiff im 
Voraus bejahten lajfen, unb bann bie «Wafcbine beffelben abfi<btli<b jerbreeben 
um auf türjerem unb leichterem SBege ju bem ©elb ju lommen, bamit man 
Berftebe, mie grob ber GntbuftaSmuS fei, ber bur<b foldbe Sdburtereien ni<bt ju 
erteilten mar. $ie ©eutfeben miffen, maS am «Horbpol für fte ju holen ift, unb 
fie merben alle ^inberniffe ju überminben miffen. 

GS banbeit f«b alletbingS in erfter «Heibe um miffenfdbaftlid&e Grforfcbun» 
gen, aber baran tnüpfen fub meitgreifenbe praftifdbe golgen. GS mar febr 
Berbient, als ber Bcrtrefflidbe Sturj Bor ein paar fahren ben ©eutfeben ju» 
rief: „3b* fpredbt immer bodbmütbig Bon ben faulen, Berlommenen Spaniern 
unb «Portugiefen, bie bie Stfcü&e ihres SanbeS ni<bt ju beben miffen, aber mit 
Gu<b ftebt eS noch Weiter. 3br habt bie reidbfte gunbgrube in ben gif<be» 
reien beS «Horbens por Guter ©bür, unb 3bt beutet fte nic&t aus. 3br Per» 
febmäbt, bie offen batiegenben Schäle ju beben unb Gutem SecBoll bie hohe 
S<bute ber Stbifffabrt ju eröffnen." 3n »etermann’s «plan mirb bie ffiieber* 
Belebung beSbeutfdben SffiaDftfdbfangeS febr pari betont, unb au&erbem no<b auf 
eine anbere reiche SWine bingemiefen, meldbe bie nörblicben »reiten bergen. 
®ieS fmb bie %ger Bon Glfenbein, bi« rieftgen 3äbne Bormeltlicber Glepbantenj 
meldbe an ber JJüfte Sibiriens, in Sdbnee unb GiS gebettet, für eine fpäte «Hach» 
mett aufbemabrt morben ftnb. «Petermann fagt: „»elanntlidb mirb im nBrblicben 
Sibirien, aber ganj befonberS an bet GiSmeertüfte unb auf allen berfelben Borlie* 
genben 3nfeln, mie auf ben «Heu*ftbirif<ben 3nfeln, alfo gerabe im ©ebieteberpor- 
gefdblagenen Worbfabrt, eine ganj erftaunlidbe «Waffe Bon Ueberreften Bormeltli<bet 
SWammutb* unb aitbeter Wiefentbiere gefunben, barunter Bollftänbige, mit ihren 



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276 


2 Beid&t$eifeit, mit $aut imb $aax erhaltene totoffate Körper biefcr munberbaren 
?biere. ÜDtandbe Oertlidbleiten fdheinen gan$ aus ßnodben unb Elfenbein 311 
befielen unb btlben bie midhtigften unb reidhften, allem Rnfdbein nadb uner* 
f<böpflid&en Elfenbeinlager ber SBelt. (Bon funbiger ©eite mirb berjidhert, bab 
biefeS Elfenbein au<b baS borjüglidhfte $ur Bearbeitung fei. 2). B.) ©iefe 
merlmürbigen Raturfdbäfce ftnb ^mar fc^on feit langer materiell nnb mif* 
fenfdhaftlidh auSgebeutet morben unb bilben befonberS feit 200 fahren einen 
bebeutenben Snbuftrie* unb ^anbelSjmeig; allein bie RuSbeutung ift nie in 
irgenb einer Begebung fpftematifdb gefdbehen, — baS mar fdbou bei ber groben 
Entfernung fianbe unb bei bem halb milben Suftanbe ber ©ibirifdben $ü* 
ftengebiete ein S)ing ber Unmöglidbleit." Sollte es baber möglidb fein, einen 
bequemen Seemeg nach jenen ©egenben 3 U öffnen, fo mürbe bamit eine neue' 
Duelle für beutfchen «ganbel unb beutfdhe Sdhifffahrt gemonnen fein. Rber 
meldhe groben Entbectungcn über bie Urgefdjidbte unfereS Planeten, über bie 
erften lebenben üffiefen htüpfen ft<b oielleid# an bie auSgebehntere unb ge** 
nauere Unterfudhung jener 2ftammuth*Ueberrefte! 3)aS Rtammuth ftebt 
belanntlidh soologifdh bem jefct lebenben Elephanten ganj nabe; biefer 
aber bermag feiner üftatur nadb nur in tropifdhen unb fubtropifdhen Sänbent ju 
leben. 2)ie ungeheure Blaffe ber in Sibirien gefunbenen Ueberrefte, unb biel* 
leid# nodb mehr ber Suftanb einiger (man tonnte bei bem berühmten nadb 
^Petersburg gebrauten Btammuth nodb bie Regenbogenhaut beS RugeS unter** 
f<beiben) fdbeinen auf ben gunbort als mabrfdbeinlidbeS Baterlanb ju beuten. 
2BaS für ein in bie Rügen fallenber BemeiS märe baS für bie groben Berän* 
berungen, bie auf unferm Planeten im langen Sauf ber Seiten ftattgefunben 
haben! Rümmer 7 beS genannten £eftS ber Betermann’fdberi Btittheilungen 
enthält bie munberbare #ppotbefe beS 3>t. ®. Säger, 2)ireftorS beS Xhiergar** 
tenS in 2Bien, bab baS Sßarabie^, b. h- ber erfte ffiobnplafc ber Xhiere unb 
Blenfdben, am Rorbpol gemefen fei. 3Ben bei ber erften Rnfünbigung biefer 
#ppothefe friert, oen oermeifen mir gunädhft auf bie Btammuthüberrefte SibU 
rienS unb auf bie ßoblenformation SpifcbergenS, bie bodh mohl beibe für ein 
üiel märmereS früheres ßlirna Sengnib ablegen. 3)r. Säger tann fidh bie 
jefeige Berbreitung ber Xhiere aller Erbteile nur baburdh erflären, bab biefel** 
ben früher um ein „polar gelegenes See*Beden" mohnten, unb bon bort bei 
bem ßältermerben beS fiUrnaS bem Bebürfnib ihter Ratur gemäb ftdb bem 
Requator näherten. Um biefe Sbee mahrfcheinli(h §u madhen, hat er eine neue 
Brojection ber Erboberfläche entmorfen, bie in ber £hat bor^üglidb ift, unbaudh 
fdhon bie berbiente Rnertennung ber Geographen non gadb galten hat. $er 
Soolog löft hier eine Rufgabe beS Geographen nadh bem alten @efe|, bringe* 
mäb ber Grfinber gemöhnlidh einem ganj anbern SebenSlreife angehört als 
feine Erfinbuug, mona(h alfo 3 . B. neue Bomben bon Btebigern erfunben 
merben u. f. m. 

Run aber jur B^jecticm beS 2)r. Säger. Ruf einer Äarte ift belanntlicb 
bie fdbmierige Rufgabe §u löfen, einen £beil einer ßugeloberflädbe, ober bie 


8 


gattje Äugeloberflache, in einer Kbene barguftellen. $ieS ift natürlich nur an*, 
ndhernb möglich, unb man fann Derfchiebene 2ßege einfplagen, Don benen 
Ieber eigentümliche Vorteile bieten mag. Sie gemöhnlichfte Vrojection ift 
bie SJtereator’fche, welche bie ©egenben um ben Vequator Dethdltnifimdbig richtig 
wiebergiebt, bie Volargegenben aber ungebührlich auSbehnt. 2)ie 3dger’f<he 
ißrojection befielt nun barin, bab bie nörbliche Krbhdlfte in befannter Volar* 
projection, b. h« ntit bem Vol als ÜDiittelpunft, bargeftellt wirb, bie füblühe 
Krbhdlfte aber ft<h in ber ©eftalt Don 8 (strahlen eines Sterns anfchliefit. $)ie 
8 feilförmigen Strahlen fmb aber fo placirt, bag bie 3 Kontinente beinahe 
gang continuirlich Don korben nach Süben Derlaufen. ÜUtan wirb Dielleicht 
oerwunbert fragen, feit mann eS brei Kontinente gebe. Kin Blicf auf bie neue 
ßarte unterftüfct bie fdjon öfters aufgeftellte Vnftcht, bafj man eigenst 3 Kon* 
tinente annehmen muffe, bie, alle mit ihrer BaftS um ben Storbpol gelagert, 
Don bort über ben Slecjuator hinaus fleh in fübliche Spipen Derlaufen: Stmeri* 
fa, Kuropa*2lfrifa, 2lfien*2luffratien. 

Stehen biefer goologifchen §ppothefe erwartet eine rein geographifche Don 
ber Kypebüion ihre Söfung. S)r. ^etermann glaubt nach Vergleichung aller 
Vachrichten über Sanb unb üKaffer in ber Vahe beS Vorbpols gu finben, bafj 
©rönlanb eine ungeheure Snfel fei, bie ft<h bis gur Beringftra&e erftrecfe. 2llS 
er bie erfte 3ei<hnung ber hbPot*tifchen gigur ©rönlanbS Deröffentlicht hatte, 
erhielt er gu feinem Krftaunen baS Schreiben eines beutfchen Slftronomen, ber 
aus rein aftronomifchen ©rünben, burch Beobachtung ber Variation beS Krb* 
fchwerpunfteS, gu genau bemfelben Vefultat gelangt war. — So reichten fich 
Krb* unb $immelswiffenf<haft bie £anbe, Don Steuern ein 3eugnifj bafür ab* 
Iegenb, bah eS nur eine, freilich Dielfach geglicberte, SBiffenfchaftgebe. ©eogra* 
phie unb Slftronomie, 3^ologie unb Vofanif, Vhbftf, Khemie unb SJteteorolo* 
gie, alle lönnen beftimmt auf gröbere Bereicherung burch eine folche Kypebition 
rechnen. 3a, eS fteht noch ein anbereS Vefultat in gemiffer SluSficht. Sie 
borliegenben Slftenftücfe geigen, wie $5eutf<he aller Staaten ft<h an ber 2luS* 
führung betheiligen; wir finben ba als thatige Beförberer unb &heilnehmer ben 
öfterreichifchen Kommobore SßüHerStorf neben bem preufnfchen Kapitdn SBerner, 
unb neben bem Wadern Bremer Kapitdn $agemamt. Kine Kypebition nach bem 
Storbpol, in wahrhaft nationalem ©eift unternommen, unb nach bem Bisherigen 
gu urtheilen, in bemfelben ©eift ausgeführt, fann nicht Derfehlen, einen günftU 
gen Kinflufj auf bie Vereinigung ber fo lange getrennten ©lieber beS beutfchen 
VolfeS auSguüben. Obgleich Don unmittelbarer $heilnahme auSgefchloffen, 
werben wir auf ber SBeftfeite beS Sltlantifchen OceanS wohnenben beutfchen 
mit laum geringerem ^ntereffe bie beutfche Storbfahrt begleiten, als bie im 
alten Vaterlanb gebliebenen. 2)er Stuhm ber Unternehmung mag ber Station 
angehören, ber Stufen berfetben gehört fidler ber SJtenfchheit. (Steüeften Stach* 
richten gufolge heit bie preujnfche Regierung bie Sache in bie £anb genommen 
unb 60,000 Shaler aus Staatsmitteln bafür beftimmt. 2). St.) 


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278 


3Ttterarifd)-arti|li|'d)cs Feuilleton. 


»Ott 3. 


Sur SSerboUftdnbigung unferer Stunbfehau bet neuere« beutfdjen bramati» 
fdjen Siteratur haben mir noch baS 2uftfpiet in’S Uuge ju faffen. SaS Suft« 
fpiel, weites bauptfä<bli<h ©efedfcßaftsbilber au3 bem täglichen 2eben liefern, 
©baraftere, Stimmungen unb SSerhältniffe »orfühten foH, wie fte bie wechfeln« 
ben Strömungen bet 3«t an bie Oberfläche treiben, ift »on jeber unb bei allen 
Stationen febt wefentiieb »on ben öffentlichen Suftänben im Slllgemeinen, ganj 
befonberS aber »on bem berrf^enben politifd&en Spftem beeinflußt worben. 
SEBie ungerecht alfo, ben beutfeben Sichtern einig »orjuwerfen, baß ße feine 
Suftfpiele nach Slrt ber auf biefem ©ebiet aHerbingS ganj befonberS betoanber» 
ten granjofen liefern, ba fte bodj eben beutf<be unb nicht franjöfifche Buftdnbe 
ju feßilbem haben. SaS beutfhe Suftfpiel an unb für fub ftebt an innerem ©ebalt 
bem anberer Stationen ganj gewiß nicht nach; bie Pängel, welche ihm anlle» 
ben, fmb nicht auf Ste^nung ber Siebter, fonbem auf bie ber gefellfcbaftlicben 
unb politifdjen Snftdnbe bei 2anbeS ju feßen. SaS beutfehe ©efeBfehaftS», 
GrmerbS» unb SBerlehrSteben bat feit bem Sabre 1848 einen mächtigen Um» 
febwung erfahren unb eine ungleich höhere Stufe ber ©ntwiefelung erreicht; 
baS beutfehe Suftfpiel hat biefen UmgeftaltungSprojeß Schritt »ot Schritt getreu» 
lieh mitgemacht, e3 nimmt feßon heute eine ganj anbere Stettung ein afö »or 
20 fahren. SBenn Seutfcßlanb erft in politifcßer ©ejießung baS geworben, 
was eS ju fein offenbar berufen ift, bann wirb auch bie beutfehe Schaubühne 
ftch »on ben jeßt noch fte umftriefenben SBanben frei machen, unb ganj befon» 
bet? wirb baS beutfehe Suftfpiel jenen hohen ©rab ber 3?oHlommenheit errei» 
eben, ben eS nur bei einer in inteDectueller, ftttlicher unb politifdßer ©ejiehung 
freien Station ju erreichen hn Stanbe ift. 

SBietet bie »ielgepriefene franjöfcfche Jtomöbi/ ber ©egenwart größere Pan* 
nigfaltigleit, jeigt fte ftch pitanter, einfdjneibenber, pridelnber afö unfer beut» 
fcheS Suftfpiel, fo wollen wir fie um jene SSorjüge nicht allju fehr beneiben; — 
erftreden fnh biefelben boch »orjugsweife auf ©ebiete »on mehr afö jweifel» 
haftem ©haralter. SaS 2orettenthum in feinen »ielfältigen Schattirungen, 
bie ©eheimniffe eines »erfeßlten ehelichen 2ebenS, ber 3erfeßungSprojeß im 
Schooß ber gamilie unb ähnliche pitante Shemen werben »on unferen 
beutfehen Suftfpielbid^tem nicht mit folcßer Vorliebe unb »irtuofer ©efchidlidbfeit 
behanbelt, wie »on ben franjöftfchen, weil es ihnen eben an ben SBorbilbem 
baju gebricht, weil unfer beutfcheS SBolfSleben gottlob noch $u gefunb ift, 
um fotche hanlhafte Grfcheinungen anberS benn »ereinjelt unb fporabifch auf» 
treten ju laffen. SaS beutfehe Suftfpiel ift »ielleicßt nicht fo geiftreich, nicht 
fo pridelnb unb lißelnb, aber eS ift harmlos, erheitemb unb »on fledenlofet 
Poralität. 

SBon älteren belannten Sichtern, bie hin unb wicbet noch immer felbft» 


m 




279 


fcßöpferifcß tn bie ©egenwart bereinigen, Mafien tot« © 5 pf er, $ D u 19 unb 
SSauernf elb ju nennen, ©rfteret lägt fuß nur feßr feiten oetnebmen; 
ber 3»eite bringt ber taufte» SBüßne, für bie er fo waefer gearbeitet, jumeiten 
nodb eine Heine ©abe; ber ©ritte allein behauptet als rüftiger Streiter baS gelb, 
auf bem et feßon feit mehr als brei Zehnten manchen Sorbeer errungen! 
Unter ben neuen Suftfpielbicßtern nimmt St oberieß tBenebtp ben erften 
Slang ein. Sein Auftreten batirt »om Gnbe ber breißiget gaßre. ©ine glücf» 
K<he GombinationS» unb ©eftaltungSgabe ertaubte ihm, ohne gerabe mit hohem 
gtug ber iPhantajle ober ungewöhnlichem Sleicßtbum ber gbeen ausgeftattet ju 
fein, im-Sßerlauf eines MierteljabrbunbertS eine gewaltig lange Sleiße oon Sßerlen 
ju feßaffen, bie meift bem poetifeßen »üfmenbebürfniß oortrefflicß angepaßt 
Waren unb f«h baher faft fammt unb fonberS ju brauchbaren Stepertoirftüden 
geftalteten. ©rft gegen baS ©nbe biefeS langen 3eitraumS feßien bie firaft beS 
SlutorS, ber fuß in einem ju befeßräntten Greife bewegte, einigermaßen ju er» 
lahmen. Micßt an grucßtbarleit, wohl aber an GrfinbungSgabe braftifeßer Scenen 
unb Figuren, an unwiberftehlidher vis comica wetteiferte ber gleichfalls feht 
beliebte Selbmann mit bem äBeßerrfcßer beS beutfehen SuftfpielS ber ©egen» 
wart. Sein „Sohn auf Steifen", „®aS «ßortrait ber ©eliebten", „©er «Rech* 
nungSrath unb feine ©öeßter" fmb wahre SRufterluftfpiele, bie fuß bem Sßeften 
anreihen, was bie beutfeße SSüßne überhaupt aufeuweifen hat, unb beutfeße 
©beateröorftänbe würben nur in ihrem eigenftem Qntereffe hanbeln, wenn fie 
biefe gewiffermaßen Haffifcßen Suftfpiele fort unb fort auf bem Stepertoir er» 
hielten. 3n ben legten fahren hat fft ju ben beiben ©enamiten als ©rittet 
im S3unbe ©örner gefeilt. SBie SSenebif oon £aufe aus felbff prattifeßer 
Scßaufpieler, lennt er bie »ebürfniffe ber SBübne unb alle bie jaßlreicßen Keinen 
«Bortheite, bie ber Suftfpielbichter in Stequifition fegen mag, wenn ihm höhere poe» 
tifte Begabung abgeht, ©örner ift noch wehr afö feine beiben genannten 
Gollegen ein Sllann ber fßrajis unb ber Stoutine. ©abei feßreibt er einen 
fließenben, mitunter Wifeigen ©ialog, unb oerfteßt, neben ßeroorßebung aHer 
lomifchen «Momente, einen gemütßlicßen, anheimelnben ©on anjufeßtagen, bet • 
auf ben ©ßeaterbefueßer jeberjeit feine SCßirlung äußert. ' 

©ie3ahlber beutfeßen Suftfpielbichter ift überaus groß. 2Bir lönnen hier nur 
bie Wirlließ »ebeutenberen namhaft machen, ©anj befonbere »erüeffußtigung 
oerbient £ a i I ä n b e r, bem nur etwas oon ber grueßtbarfeit ber oben ge» 
nannten Slutoren ju wünfehen wäre. Sein „©ebeimer Slgent" ift ein feßr 
artiges Suftfpiel, baS bie geuerprobe bereits an oielen «Bühnen beftanben hat, 
unb auch nach längeren 3wifch'enräumen immer wieber gern gefehen wirb. Sin»' 
bere Suftfpiele beffelben SßerfafferS waren nicht oon fo entfeßiebenem ©rfolg be» 
gleitet. SM orig $e pbtieß hat einige Suftfpiele unb hoffen gefeßrieben, 
unter benen „«flrinj SieScßen" am belannteften Jourbe. Sffiarum ? $a, baS 
wiffen wir maßrlicß nießt ju fagen, benn baS Stüdt glänjt Weber burß 2Biß 
nodh bureß Merftanb. Slucß auf bem ©ebiet beS höheren ©ramaS hat ber Ser» 
faffet bebutirt. Gr feßrieb einen „©iberiuS ©raccßuS", bet wenigftenS ben Mußen 


m 



280 


ftiftete, ben bem Serfaffer befreunbeten Siebter Otto Subrnig gu einer gleiten 
Schöpfung ansufpornen, bie uni all gragment aul feiner §interlaffenfcba ft 
mitgetbeilt rnerben foß. Qn glütflichfter SBeife bebutirte «£jermann§erf<h 
mit feiner „Slmta-Siefe", obmo^I mir gefteben, bafc uni ber Succefj biefel mehr 
all einfachen, nach feiner Dichtung bin bebeutenben Stüdchenl immer febr 
rätbfelbaft hortarn. <£jerfch »erfülle ft<h no<b auf herfchiebenen anberen ©ebie* 
ten, fo im Schaufpiet unb Soltlbrama, unb au(b hier nicht ohne einigen Gr* 
folg* Sefferel all er bilber geleiftet, ift mobl unter feinen Umftanben hon 
ibm §u ermarten. 

©n bübfebe! Talent für ßleinigfeiten legt o f er ah ben Sag, ber bal 
Sübnenrepertoir mit einigen aßerliebften einaltigen Suftfpielen bereichert bat* 
2lu<h ßt. § a b n herbient in biefer $inftcbt menigftenl genannt §u toerben* 
Dttoßtoquette,ber Sprifer, bearbeitet feit fiurjem bal gelb bei Senben^ 
luftfpiell, hoch bil jefct faum mit fonberlichem ©folg* Spmpatbifcheitt Saiten 
fchlagt ©ermamer(§. Sömftein) an, ber feit Sermaltung feinel Bremer 
Gonfulatl bie. früher in $ari! begonnene Sbdtigleit für bie beutfebe Sühne 
mieber aufnabm unb bereitl einzelne ganj brauchbare Sachen lieferte. Gin 
febr anmutbige! Talent für bal Heinere Suftfpiel befipt geoborSßebl, bem 
bie beutfehe Sühne eine Slngabl nieblicher Sdchel(hen herbanlt. Seiber fhafft 
‘ auch er nicht hiel Üfteuel. Otto $ o r n ift ein nicht unbegabter Suftfpielbicb* 
ter, beffen neueftel Sßrobuft: „2Ber bie SBelt regiert" aßerbingl bei ber fünft ftatt* 
gehabten Slupbrung in Berlin nur einen febr madigen ©folg gehabt ju haben 
fcheint. 0. © i r n b t unb G* S o b nt in Berlin erfcheinen gelegentlich einmal auf 
bem Dtepertoir ber bortigen Sühnen* Sal jüngfte Serliner Talent für bal Suß* 
fpiel ift S. «£j a b e r, beffen Sluetten: „Gin Stünbchen auf bem Gomptoir" unb 
„Gin Slugenblicf bei ©lücfel" aufcerorbentlichel ©lücf malten, gn Oefterreich 
bat bal Suftfpiel hon jeher eifrige pflege gefunben. Slufcer mehreren ber be* 

. reitl genannten Schriftfteßer maren el in ber hormdr^lichen 3eit bauptfacblidb 
Gafteßi, Slbami, Sduerle unb manche Slnbere, bie unaufhörlich ganje Sdnbe 
hon größeren unb Heineren Suftfpielen in bie SBelt fanbten. 2lu<h in biefem 
Slugenblicf fehlt el bort nicht an Siebtem, bie bem Suftfpiel ihre horjuglmeife 
Sbdtigfeit jumenben. 3ul tuI ßtofen bat eine ^Injabl erfolgreicherer* 
beiten geliefert. Sebererfhuf früher einige brauchbare Suftfpiele, unb bat 
fi(b auch neuerbingl mieber auf biefem gelbe herfuebt* S <h lefin ger, ber 
geiftreiche geuißetonift unb ßritiler, fchreibt aßerliebfte eihaltige Sluetten, bie 
an Suft unb ©rajie ben feinften ^arifer üßtuftem nicht nachfteben* Gin in ber 
Gntmicfelung begriffenel Salent ift Sa(her*2ftofach, Serfaffer mehrerer 
intereffanter ßtomane, beffen biftorifchel Suftfpiel: „Sie Serfe griebrichl bei 
©rofjen" ganj aufierorbentlich gerühmt toirb. 

Ser Soßftdnbigleit halber bürfen mir enblich auch bie fogenannten Sücher* 
Sramaijler nicht gan^ überfeben, b* b» biejenigen bramatifchen Sichter, bie 
nicht ntübe toerben, biefe Sdnbe ihrer SBerfe erfcheinen ju laffen, ohne baf$ auch 
nur je einel berfelben bal Sicht ber Sanken erblidte* Sal ©efdjlecht ber g5e* 




^Google 


ter Sohntanner xft noch nicht auSgeftorben unb wirb auch fo leicht nid^t au^fter^ 
ben. "Sabet labert bic SRacbfotger jenes fruchtbaren berliner SlutorS, ber 
gegen gwölf $8anbe, jeber gu brei Dramen, in bie 2Belt fdhidfte, noch bei weitem 
nicht immer bie refpeftable ©ebiegenheit ihres leudjtenben SBorbilbeS. ©S wirb 
biel bramatifcher Schunb gebruät, gu welchem Qtotd, tft fdjwer abgufehen, 
ba ftch für berartige iöudber !aum Sefer ftnben. Sodb fehlt eS natörli(b auch 
nidjt an tüchtigen ©rfcheinungen auf biefem ©ebiet ber Siteratur. g r i t b r i <h 
9lotter’S erft unldngft im Srucf erfdjieneneS Srama: „Sie gohanniter" 
möchte ftch am ©nbe auch gur Aufführung eignen, wollte ftch ein tüchtiger Ae* 
giffeur ber 9Jtübeuntergiehen, es für bie 23ühne einguridhten. gerbinanb 
b. S adr 1 S fcranren aus ber beutfcben ©efchidbte geugen bon ungewöhnlicher 
^Begabung, unb würben, etwas compalter gefaxt, fogar eine 3ierbe beS beut* 
fchen SBühnenrepertoirS bilben. Huch 2Bilhelm.gofduS wäre wohl im 
Stanbe, ein brauchbares SBühnenftücf gu liefern, wenn auch feine jüngfte Sich* 
tung: „$ring SouiS gerbinanb" noch etwas gu boftrinar unb breitfpurig ge* 
halten tft. Sie beutfchen Srarnen bon Robert ©iefefe ftehen ben Saar’* 
fchen entfchieben nach* SaS nobelliftifche Element waltet in ihnen bor,*unb eS 
ift fchwer gu fagen, weshalb ber SBerfaffer feinen Stoff nicht gleich gu hifton* 
fchen ©rgablungen geftaltete, ba bie in fcbwerfdlliger 2Beife gebanbbabte brarna* 
tifche gorrn gewifc nicht bagu beitragt, biefe Arbeiten populärer gu machen. 
Auch Aicharb Söeilanb labt eS ftch nicht betrieben, beutfche ©e* 
fhichte in bramatifcher gorm borgutragen. @rft fübglich erfchien bon ihm: 
„Äaifer unb $apft", ein Sranta, beffen gelben natürlich wieber Heinrich IV. 
unb ©regor VII. ftnb. ©nblid) gehört noch gu biefen belamtteren SBüdher* 
Sramatifem Subwig SchneeganS, ber ftch burch SBeilen’S „Sriftan 
unb gfotbe" nicht abfchrecfen lieb, abermals einen „Sriftan" in bie SSSelt gu 
fefcen. 

So hätten wir benn, mit alleiniger Ausnahme ber nur noch in 3ßien bon 
Sänger, Serg unb einigen Anbern mit ©Iüd cultibirten, in Serltn jeboch 
offenbar im AuSfterben begriffenen Sofalpoffe, baS ©efammtgebiet ber beutfchen 
bramatifchen Dichtung ber ©egenwart flüchtig burchwanbert unb bie herborra* 
genbften ber auf bemfelben tbdtigen firdfte lernten gelernte 2Benben wir uns 
nunmehr für bie golge gu ben eingelnen ©rfdbeinungen, wie fte im Saufe ber 
Seit gu Sage treten* 


Sie Sebölterung bon SßariS ift befannt wegen ihrer aufcerorbentlichen 
Vorliebe für bramatifche Unterhaltungen; wir Aem*$orter befinben uns in* 
gwifchen auf bem beften SBege, eS auch in biefer SBegiehung, wie in fo mancher 
anberen, unferen tranSatlantifchen SBorbilbern böllig gleich, mit ber 3eit wohl 
noch gar gubor gu thun. SBenn man nur ein eingigeS gahrgehnt gurüäblitft, 
unb bie Stellung, welche bamalS bie amerilanifche Schaubühne einnahm, mit 
ihrer heutigen vergleicht, fo muh man Jtaunen über ben wunberbaren gort* 

? ' 


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282 


föritt. Sirs JU Anfang bet fünfjiger gahre ein berühmt« Sanjelrebner «nb 
gto&e« SirchenliCht fein 2(natf>ema gegen ben Homilet Surton — beiläufig ge* 
fagt, bet gröfjte Zünftler feines gadjeS, ben Hmerifa bis jefct berBorgebracht— 
fCbleuberte, weil berfelbe in bem Suftfpiel: “The Serious Family” (auf bet 
beutfCben Sühne belannt unter bem Jitcl: „(St muff auf’s Sanb") baS HuCter* 
tburn unb bie religiöfe Scheinbeiligleit fo unfterblicb lächerlich gemalt, be* 
bauerte bet Scbaufpieler, bafj er nicht ein Siertetjabrbunbert fpäter jur Heit 
gefommen, um ben Sag erleben ju lönnen, an welkem bie Sühne bet Sanjel 
als ebenbürtige Hacbt gegenüberftebe. liefet Sag fCbeint Biel früher anju= 
brechen, als Surton bamals bachte. «gatte ihn ber Sob nicht in ben träftigften 
HanneSjabren toeggerafft, er würbe ihn ganj fiCber erlebt haben* 3)aS Slot* 
urtheil gegen Sheatermefen unb bramatifcbe Sunft, welches noch Bor einem 
Sahrjehnt fo mächtig war, fhwinbet mehr unb mehr; in immer weiteren Srei* 
fen ertennt man bie Sühne als baS, was fte in Habrbeit fein foH: bie Wirt* 
famfte unb nüfclichfte Schule beS SolteS, welche £anb in £anb mit anberen 
SilbungS* unb 2luftlärung8mitteln an ber (Schiebung ber HenfCbbeit jit arbei* 
ten berufen ift. greitich mag eS noch eine geraume Heile bauern, bis bie 
ametitanifche Sühne biefen Seruf wirtlich erfüllt; ihn richtig ertannt ju haben, 
ift jeboch ber erfte oorbereitenbe Schritt baju. 

Seit Seginn beS laufenben gabreS fmb in Sem*2)orl bereits jtoei neue 
englifche Schaufpielbüfmen eingeweiht worben: Hifc Sucie SufbtonS Heines 
Sheater am Sroabwap, ehemals unter bem tarnen Slthenäum ein betannteS 
Sotal fürSorlefungen unb Schaufteüungen, baS in ber unglaublich turnen grift 
Bon nicht ganj brei Höchen in einen ootlftänbigen Hufentempel umgewanbelt 
würbe, unb Hoob’S Sheater, früher eine fogenannte Hinftrelbübne, auf ber 
angefchwärjte Hei&e ihre tomifchen ©efänge unb groteSten Sänje aufführten, 
nunmehr aber bem legitimen Srama, allcrbingS mit gelegentlicher Seimifdjung 
Bon Pantomimen, gpmnaftifchen Sunftftüden u. bergt, gewibmet. Seine biefer 
neuen Sühnen nimmt bis jefct in tünftlerifcher Sejiehung einen befonberS hohen 
Sang ein; allein ihr blofieS (Sntftehen beweif’t hoch, wie baS Sebürfnijj nach 
befferer bramatifchet Unterhaltung fortwährenb im Hachfen begriffen ift. Sie 
laufenbe Saifon hat ben 9tem*?)orter Sbeaterfreunben Biete. Sorpphäen ber 
engtif<h*ameritanifchen Schaufpieltunft Borgeführt. SaC&bem bie M e a n S mit 
ihrer engtifchen Schaufpietergefeüfchaft ein fehr erfolgreiches ©aftfpiel beenbigt, 
übte ber unoerwüftliche g o r t e ft feine bewährte SnjiehungSlraft. Ser Hil* 
heim Sunft ber ametllanifcben Schaubühne gleicht auch barin feinem beutfchen 
Sunftgenoffen, baji bie burCh bie Borgerüdten gahre bebingte 2lbf<bmä<bung 
feiner pbpfiWen Sräfte, bis jefct aHerbingS leine fehr bebeutenbe, feinen lünftle* 
rifchen (Srfolg nicht beeinträchtigt, im ©runbe fogar noch erhöht. Ser gorreft 
Bon heute gefällt uns beffer als ber Bot 12 — 15 gabren; er ift etwas tubi* 
ger, hauShälterifcher mit feinen Hittein geworben, unb läjst fomit mehr ben 
Sünftter heroortreten. gm Hintergarben hat baS mit bem neuen gahre be* 
gonnene unb noch immer fortgefe|te ©aftfpiel ßbwin Sooth’S enormen (Srfolg 




283 


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gehabt, ein Erfolg, bet bteSmal freilich jut guten £älfte auf SRechnung bet fett 
berwichenem gahre für biele Seute plöfclich fo intereffant geworbenen Sßerjön* 
lichleit ju fefcen ift. Ob 93ooth ben tarntet, ben SRichelieu ober fonft was 
fptelte, galt ben meiften 2t^eaterbefud&em gleich; fte wollten eben nur 93ooth 
unb ÜRühtS als 93ooth fehen. (Sbwin 93ooth ift übrigens, junt Unterf(bieb 
bon gorreft, ber in feiner Sluffaffung burchauS ftationär bleibt, ein wader bor* 
wätsftrebenber Zünftler, unb bie längere 3urüdgejogenheit bon ber 93ühne ift 
bon ihm §u tüchtigen Stubien benufct worben. Sein „Hamlet" war anberS 
unb entfdbieben beffer als int berwicbenen 3abre, wo er ibn ben entjüdten 
üRew*?)orfern nnb namentlich ben ganj babon bezauberten SabieS bunbertmal 
borfpielte, unb noch mit ber bunbertften Slufführung, feiner 93enefizborftetlung, 
ein überboUeS $auS erhielte. 93ooth fcheint bie ausführlichen 93efprcchungen, 
welche englifche Sölatter bem gechter’fcheii „£amlet" wibmeten, fleißig ftubirt, 
unb feinen eigenen $änenprinjen, ber bis babin ben gang unb gäben ameri* 
tanifchen 3uf<hnitt trug, banach umgemobelt ju haben. Sluch .mag ber 93anb* 
mann’fche Hamlet nicht ganz ohne (Sinflufc auf ihn gewefen fein, obwohl er baS 
fo wenig eingefteben wirb wie bie englif<b*ameritanif<be treffe, bie genen nicht 
genug berlefcern fonnte, liefen aber fofort in ben £immel erhob. SluffaUenb 
unparteiifch unb borurtheilSfrei bat fich biefe treffe im gaUe per ÜIRifi 5? a t e 
93 a t e m a n bewiefen, bie zu einem furzen ©aftfpiel aus (Snglanb berüberlam 
unb mit ihrer „Seah" wieber bübfcheS Kapital machte, ohne jeboch bon ber ßritif 
fo übertrieben gebätfcheltgu werben, wie fte es felber wohl erwartet batte. Slmerifa 
will an ben haben ßunftberuf ber ihm bon (Snglanb aufoctropirten „Kachel“ 
nicht recht glauben unb tbut febr Wohl baran, benn zu einem amerilanifchen 
Seitenftüd ber einftigen 93eberrf<herin beS Theatre frangais gehört hoch am 
Gnbe etwas mehr als bie gelungene SarfteHung einer einzelnen, bem Naturell 
ber 3)arfteUerin zufällig in hohem (Srabe entfprechenben «Rolle. Ääthchen 
93ateman ift mit ihrer in (Snglanb bergötterten „Seah", bie übrigens auch ein* 
jelne bewährte beutfche ßunftrichter ganz hingeriffen, hoch am (Snbe nichts wei* 
ter als eine intereffante Spezialität, bie auf bie amerilanifche Schaubühne über* 
haupt ohne nachhaltigen (Sinflufj bleiben wirb. 

Unfer beutfcbeS Stabttheater hat feit 93eenbigung beS ©eneegaftfpielS, 
Wobon uns jeboch für ben Slpril eine jweite Auflage in 2luSft<ht fteht, in ber 
93orführung namhafter ÜRobitäten eine nicht genug an^uerlennenbe fRegfamfeit 
entfaltet. (SS ift baS 93eftreben ber Sireftion, jebeS in $eutf<hlanb mit 93ei* 
fall aufgenommene Stücf bem hioftgen Sßublifum fo raf<h wie möglich bor* 
Zuführen, wobei eS freilich bann nicht ihte Schulb ift, wenn biefe üRobitäten 
nicht gerabe in allen gäden bem ihnen borauSgegangenen [Rufe entfprechen. 
gn ber SluSwahl älterer Stüde, welche hiw neu ftnb, foHte allerbingS mit 
gröberer Sorgfalt zu SGßerle gegangen, unb nichts borgeführt werben, was ftch 
überlebt hat unb bem ©eift ber 3*it nicht mehr angemeffen ift. So war bie 
(Sinftubirung bon $ingelftebtS felbft in $eutf<hlanb bergeffener, conferbatib* 
monarchifch^ Stagöbie: „$aS $auS ber 93arnebelbt" ein ülftifjgriff, unb bie 


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284 


barauf »erwenbete DJlüIje unb Seit würbe [ich in anbetet SEßeife helfet gelohnt 
haben. 2öiU man uns mit einem älteren gebiegenen Srama betannt machen, 
fo Hopfe man liebet bei ©ufctow, Saube, fjebbet, Subwig, HTtofen u. f. w. an, 
unter beten bramatifchen Aktien fi<h noch manches befmbet, was eine Bierbe 
unfereS S3ühnenrepertoirS bilben würbe. SSon burchgreifenbem Erfolg war ba= 
gegen bie SSorführung ber neueften SSofenthal’fchen Ttagßbie: „petra", einet 
bramatifchen Sichtung Pon hohem SBertb unb feltener üraft. gräul. SJohbe, 
bie jugenbüche $elbin unb Siebhaberin, legte mit ber Titelrolle alle Ehre ein. 
Siefe junge Same mit ihren feltenen Mitteln für baß hochtragifdje ga<b lönnte 
mit ber Beit eine flünftlerin erften Sanges werben, wenn fte unter competente 
Seitung täme, unb ihre febßnen ßräfte nicht an folgern ©chunb, wieg. 83. bie Solle 
beS Bad ©hepparb in bem Spifcbubenftüci: „Sie Sitter beS AebelS" ju 
»erfplittern genötigt wäre. Slit ber Aufführung bet in ©eene gefegten So* 
»itäten tonnte man bur<hgängig gufrieben fein, obwohl bie Soltenoertheilung 
nicht immer bie gweämäfiigfte war. fiefctereS hatte wohl feinen ©runb in allet* 
lei Sifferengen unb ©treitigteiten uuter ben SSitgliebem, bie natürlich bem 
Enfemble immer nachtheilig fein müffen. Eine betlagenStoerthe golge biefet 
inneren StijjheHigleiten mag wohl auch baS bereits ftattgehabte gängliche Aus* 
febeiben Pon fjerrn unb grau £opm aus bem hieftgen 83ühnenperbanb fein. 
3n ihnen Perliert baS Theater nicht nur gwei fehltet gu erfefcenbe Stitglieber, 
fonbern au«h gewiffermajjen feine ©dböpfer unb langjährigen erfolgreichen Sei* 
ter. grau .gepmift eine Pielfeitig gebilbete Äünftlerin, bie jebergeit mit feltener 
©elbftoerleugnung unb Aufopferung ihre Kräfte bem ©angen mibmete; ihrer 
Energie, ihrem praltifdjen ©charfblid hatte bie 83ühne gum nicht geringen 
Theil iht Empotblühen gu banten. • $err £>opm war als ©thaufpieler beim 
fßublitum immer in hohem ©rabe beliebt, unb biefe 83eKebtheit ift flehet teine 
gang unPerbiente; fein umgängliches unb ftetS gentileS äßefen erwarb ihm in* 
nerhalb unb außerhalb ber Theatertreife gahlreiihe gteunbe unb erleichterte ihm 
gang wefentlich bie fonft fo febwierige ©tellung eines 83ühnenbirettorS. äßie 
wichtig er für baS Bnftitut war, mit bem er ftch in fo hohem ©rabe ibentifigirt 
hatte, wirb man pielleicht erft nach feinem Abgang inne werben. Sie herglichften 
SBünfche beS gefammten theaterliebenben SJSublilumS folgen bem fcheibenben 
ßünftlerpaare, unb wenn es gu irgenb einer fpäteren Beit, wie wir uns faft ber 
Hoffnung hingeben, auf ben ©chauplafc feines früheren SßirtenS gurüclfehten 
foHte, wirb eS an einem fteubigen SEBiHtommen fuher nicht fehlen. Als Erfafc 
für .gerrn fjomn ift ber Pon oerwichener ©aifon fo Portheilhaft belannte $ert 
$ärting bem ißerfonal beS ©tabttheaterS einperleibt worben, eine SEßahl, bie 
uns allerbingS für baS fernere ©ebeihen beS gnftitutS baS SBefte hoffen 
läfjt. 




285 

Ulttfikalifcljc touf. 

S3on $ag«n. « 


fßox einigen breiig Sauren taufte in ber muftfalifcben SBelt ein ttttann 
auf, ber biel bon ftdb reben machte. 216er leiber mar biel nic^t immer im guten 
Sinne; im ©egentbeil, er mürbe nicht menig berföbnt unb aulgelacht, unb 
feine Äompoptionen begegnete man all bie Aulgeburt einer ungeheuerlichen 
^bantafie, einer franfhaften Seele. Sftamentlidb mar el feine erfte Spmpbos 
nie, bie feine ©nabe bor bem ^ublifum fanb. gn biefcr Spmpbonie butte er 
bie Siebelleiben eine! 9Merl gu fdbilbern berfudjt. 2)erfelbe mitl ficb aul 
SJergmeiflung umbringen, aber borber tobtet er feine ©eliebte. ©lüdflichermeife 
[teilt ftdb am Sdbluffe bal ©ange all ein £raum beraul. Seiber mar el aber 
fein £raum für 2)ie, melcbe gubören mußten. A3ar man audb fcbon bamall in 
Sßaril gemobnt, ftdb bie Heroen an ber Seftüre allerlei gräflicher Romane gu 
teigen, in ber ÜDluftf »erlangte man bodb bamall mie jefct etmal Anberel. gn 
ber grofen Oper mürbe gmar bann unb mann audb etmal muftfalifch graben»* 
baftel gur Aufführung* gebracht; aber man lief ftd? bal einzig unb allein 
in betreff ber gugabe ber Scenerie unb bei fallet! gefallen. gn ber Spn^ 
pbonie hielt man ftdb an 93eetboben, ber in bem alten ©onferbatorium^Saal bon 
£ubene<f unb feinen ©enoffen recht gut interpretirt mürbe. Unb baber fanb 
benn audb 23erliog gar feine ©nabe bor ben ^arifern, unb fein ßomponift 
mufte gröferen Spott erbulben all er. 

Aun, biefelbe Spmpbonie, bie bamall fo arg mitgenommen mürbe, tarn im 
Iefcten $btfbarmonif<hen ©ongert gur Aufführung. Unb mie mar bie Aufnahme ? 
©eladht hat man nicht, berhobnt bat man ben 2fteifter nicht; benn er bat ftdb 
feit feinem erften Auftreten minbeftenl Achtung errungen. Aber gefallen bat 
bal SBerf belbalb bodb nicht, ©ine ©pifobe aul bem Sehen einel Zünftler! in 
bie Spmpbonieform gu gmängen, miberfpricbt auch beute noch bem gebilbeten 
©efchmadf, mie el bor einigen breifig fahren ber gatt mar. 2Bir ftofen uni 
meniger an bie fraffen 2Jtobulationen, mir bermerfen nicht bal $ringip.ber mu* 
ftfalifcben gttuftration ; aber mir motten nicht foldbe 93ilber, mie 23erliog fte uni 
»orfübrt. Ueberbiel haben mir bom rein muftfalifdben ©efidbtlpunft aul 
manche Siebenten gegen bal 2Berf. üJtan bürt bemfelben an, baf ber SSerfaffer, 
all er el fdbrieb, ftch noch nicht lange in grof en gormen bemegt bat. ©I flingt 
fteif unb hart. Auch bal ttftelobifdbe ift unbebeutenb, unb biel ftempelt bie 
. Spmpbonie meb* all irgenb etmal Anberel all ein ©rftlingimerf. ge mehr 
man fomponirt bat, befto leichter unb abgerunbeter geftalten ftdb bie UMobieen. 
S)er Spüler mirb mehr Schmierigfeit haben, eine langatmige üflelobie gu fin* 
ben, all ber üöteifter, boraulgefe&t baf biefer noch in feiner botten ÜDtannel* 
traft ift. Aber mal bem Söerliog’fcben SBerfe bor allen Gingen fehlt, ift 2Bär* 
me, ©emütb/ mirflidbe Seibenftaft, mirflichel ©efübllleben. Allel barin ift 
falt unb gemacht. Unb menn irgenb ©tmal, fo ift el biefer atterbingl grofe 



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■"X 



ÜDtanget, welcher auf wenig wirflidbe muftfalifdbe Vegabung in bent Komponiften 
binbeutet. 5)ie großartige SöillenSfraft biefeS in mancher Vejiebung merf* 
würbtgen granjofen, feine Ambition, fein nicht unbebeutenbeS SBijfen (mufifa* 
lifcheS fowobl wie auch anbereS) haben allerbingS bent ibnt beritebenen ur* 
fprünglidben, fpröben Material manches berborragenbe Kunftwerf abge$mungen; 
aber jebem einjelnen ftebt man ben Krampf an, unb jebeS einzelne ruft unSju: 
„£ier ift AHeS, nur fein ©enie; hier ift AUeS, nur feine ÜWuftf!" — Auch 
Veetbooen tourbe im Anfänge angefodbten; aber es beburfte nur weniger 
Sabre, um alle feine ©egner jum Schweigen ju bringen. Auch Schumann 
tourbe berbobnt; aber toer toagt es jeßt noch ju tbun? 2Bie anberS mit 18er* 
Uoj! Aadb breißig Sabren unauSgefeßten Kampfes ift er als Komponift beute 
no(b fo wenig allfeitig anerfannt, toie er’S bamalS war. ÜSan adbtet ibn als 
muftfalifcben Sdbriftfteller, man erfennt baS Sßerbienft feiner SnftrumentationS* 
lebte an, man bewunbert einige reijenbe Kombinationen ber Klangfarbe unb 
fübne ©ebanfenbliße in feiner «garolb*Spmpbonie, in feiner Seine Stab, in 
feinem ©arnebal Somain; aber man füblt ftdb bon bem ©anjen beute fo wenig 
erregt unb ergriffen, wie man es im Anfänge feiner Karriere war, unb es giebt 
audb beute nodb £unberte unb Saufenbe, bie ibm baS Vräbilai eines großen. 
Komponiften berfagen. 

Sn bemfelben ©onjerte hörten wtr auch eine Spmpbonie; weldbe eine gan§ 
anbere SBirung butte. $ieS war bie weniger befannte, welche Stojart ohne 
Stenuett gefchrieben bat (im Sabre 1786). SBelcheS heitere ©emütbsleben 
trat uns aus btefem SBerfe entgegen, weither gluß ber Stelobie! (felbft wenn 
biefe audb nidbt immer bebeutenb genannt werben fann). Samentlidb seidbnet 
ftdb baS Anbante burdb ein inniges unb fdböneS Stotio aus, bem jwar nidbt 
bie Veetbooen’fdbe Stannigfaltigfeit ber Ausarbeitung abgewonnen ift, baS 
aber btS jurn Schluffe in ben berfdbiebenartigften ©eftalten fprubelt. 3)ie 
Spmpbonie würbe bortrefflidb gefpielt; weniger gut war bie Ausführung ber 
betannten Steluftnenouoertüre non StenbelSfobn. * 

£err 2Bebli, ber befannte KlaoieroirtuoS, madbte einen betrübenben ©n* 
brudf mit feinem Vortrage beS einft febr populären Capriccio oon StenbelSfobn. 
©was £onlofeteS unb UnbebeutenbereS haben wir lange nidbt gehört. Audb 
bie £e<bnif war mangelhaft. Sa, freilich, ein StenbelSfobn’fdbeS Stufifftüdf oer* 
langt eine anbere AuSbilbung ber ginger, als baS Vaffagenwerf ber heutigen 
Salonmuftf. UebrigenS »erfleht §err SBebli baS Seßtere recht gut ju banb* 
haben. 

2)ie Herren SSafpn unb SbomaS feßen baS gute SBerf sur VUbung beS 
©efdbmadts für bie Kammermuftf mit gewohntem ©fer fort. 3b*e zweite Soi* 


ree bot baS folgenbe Programm: 

Strei<h*Seftett in C op. 14.i....Spob*. 

Zxio für Viano, Violine unb Violoncello in G-moll.Schumann. 

Quartett Es-dur op. 74.......©eetbooen. 


$ieS war ein ben Somantifern gewibmeter Abenb. Stoat bfirfte Spobt 



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nur bebtngungSmeife [Romantifer genannt merben, ba ftdb febr oft jmtfdben 
bern romantifdben Snbalte feiner 2Tlufxf unb beffen flafftfd&er SluSbrudfSmeife 
efn Sttfefpnlt berauSftedt; aber feinem mufttalifdben SBefen nach muf$ Spobt 
bodb möbl §u ben [Romantitem gewählt merben. SSieUeicht ift biefer eben be* 
röhrte Smiefpalt bie Urfad&e, toe^alb feine Erfdbeinung bodb non nur norüberge* 
benber ©ebeutung mar. Seine SRuftf bat nie bie Eemütber tief ergriffen; benn 
er mar nie felbft ftar! erregt. Qx liebte bie glatte, gemeffene SluSbrucfSmeife, 
meldbe eine leibenfchaftlidbe Erregtheit auSfdblie&t. (5r empfanb nie tief, unb 
fonnte beSbalb audb feine 3uf<hauer nie tief empfinben machen. SllS Eomponift 
mirb bie Popularität feinet SRantenS halb ihre grenze erreidben, menn er audb 
in feiner 33iplinfdbule nodb lange fortleben mirb. 25aS Seytett, meldbeS an 
biefem Slbenb gefpielt mürbe, fonnte unfere Meinung über biefen fiontponiften 
nurjbefraftigen. ES bat Jluf? unb fdbone Sprache, mie man eS non einem 
foldben SReifter nur ermarten lann, aber es fpridbt febr oft baffelbe. $rofc 
mancher fejfelnben Momente ift ber Einbrudt beS Eanjen bodb ein ermübenber. 
ÜRidbt fo ber beS 2rio non Sdbumann, meldbeS ibm folgte. 25aS tommt non einem 
ächten [Romantifer non EotteS Enaben. Sin $iefe beS EefüblS ftebt biefer Eom* 
ponift audb nidbt ben großen SReiftern aller Seiten nadb. Selbft in biefem £rio in 
G-moll muffte ftdb bieS offenbaren, trofcbentbab eS nur menigeSabrenor feinem 
$obe gefdbrieben ift, §u einer 3eit, mo feine Seele fdbon mit bern 2)ämon 
lämpfte, ber ibn fpdter übermdltigte. ES merben in biefem $rio Saiten ange* 
fdblagen, bie noch lange in ber Seele eines jeben nur einigermaben empfänglU 
eben Syrers nachtönen müffen. 

2)aS freunblidbe Es-dur-Ouartett SBeetbonen’S befdblob auf mürbtge SBeife 
biefe im Eanjen febr intereffante Soiree. 

3fn ber britten Spmpbonie*Soiree beS £erm Sbeobor $bomaS maremeS 
jmet Steuigleiten, freilich bö<hft nerfdbiebenen GbarafterS, meldbe unfer 3ntereffe 
in Slnfprucb nabmen. 2)ie eine mar baS (Sondert in Es-dur für jmei Planiere 
non SRojart, hier nodb nie gefpielt, unb bie Sntrobuction non „Sriftan unb 
Sfolbe" non föidbarb SBagner, hier ebenfalls neu, unb mabrfdbeinlidb audb nur 
in ^met ober brei Stabten 2)eutf<hlanbS gebort. 25em Eonjerte mürbe non ben 
Herren URiUS unb 2Rafon gute [Rechnung getragen, unb es machte einen freunbli* 
eben Einbrudt, menn man fleh audb nicht nerheblen fann, bafc biefe Slrt non Äla* 
oietmuftl ftdb bodb überlebt bat. Seit 1786, in meldbent Sabre 2Ro$art biefeS 
SBerl lomponirt, bat bie ßlanierliteratur fo immenfe Sortfdbritte in tedbnifdber 
mie audb in geiftiger Ziehung gemacht, bafj bie SBerte ber bamaligen 3eit bodb 
nur ein biftotifdbeS Sntereffe für uns haben fönnen. 

ffldbrenb baS Gonjert §u alt ift, bürfte baS Porfpiel SBagner’S für 2Randbe 
ju neu fein, obgleich mir audb für biefe Slrt SRufit fchon lange norbereitet 
morben ftnb. SBagner mieberbolt in bern Stüdfe, maS er uns bereits in feiner 
3ntrobuction §u „Sobengrin" geboten bat. ES ift ein lang auSgefponneneS 
Heines 2Rotin, baS nie sunt Stbfdblufs fommt. SRertmürbig bleibt bie [Raffine* 
rie, mit ber biefeS fiunftftüdt ju Sage gebracht mirb. Oft glaubt man, ber 



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ßpmponift fei am ©nbe, er müffe abf fließen; bo<h plöfclich mit einer fteinen 
SBenbung weiß er bem SSotibe noch eine neue, unb manchmal fogar eine red^t me* 
lobifche Seite afyugewinnen. Ueberhaupt Hingt baS Stücf gefällig, cS ift populärer 
gebalten als baS SBorfpiel gum „Sohengrin". Koftlich inftrumentirt, bat eS 
auf uns einen angenehmen, wenn auch leinen tiefen ©inbruc! gemalt. S?iel* 
leicht würbe ft<h biefer übrigens gan 3 anberS geftalten, wenn man baS Sach* 
fpiel, bie eigentliche Oper, gleich banacb horte. Qm ©runbe feilten beibe auch 
nicht getrennt werben. 

SBaS fonft noch in bem (Sonderte gegeben würbe, ift eben nicht neu, aber 
hoch etwas, was man jum Söeften aller Seiten rechnen lann. SBir fließen 
felbft bie !Btanfreb*Oubertüre bon Schumann nicht auS, bie, wenn man ftch 
einmal mit ber Suffaffung einberftanben erllären lann, gewiß ein 2Jteifterwerf 
genannt werben muß. Natürlich überragte auch bieSmal wieber ©erhoben 
alles Slnbere, gumal ba er ju uns in feiner großartigen C-moll-Spmpbonie 
fprach. 

SBir müffen noch beS gräulein Slbelaibe $bißib3 gebenlen, welche in bem 
SBortrage einer Slrie aus HänbeFS „Samfon" unb beS befannten “Che voi 
sapete” auS „gigaro'S «gochgeit" eine ebrenwertbe Künftlerfchaft bewies. 

$ie neue Saifon ber italienifchen Oper bietet bor ber $anb nur SllteS. 
Sie würbe mit einer eben nicht febr guten SBorftettung ber üfteperbeer’fchen 
„Sfrifanerin" eröffnet. daS SBerf übt nach wie bor große SlnjiehungSfraft 
auS, felbft für ben Huftier, ber immer neue Kombinationen ßerauSfinbet. 3n 
ber lomifchen Oper “II Crispino e la Comare” bertrat «gerr Fellini bie 
Stelle beS beworbenen Buffos Rohere, @r füllte feinen $1afc beffer aus als 
Herr goffati, ber feine Solle übernommen batte unb bamit nur wenig effeftui* 
ren lonnte. SBon ben übrigen Opern, bie noch gegeben würben, nennen wir 
„Sauft" unb bie „Puritaner". 3n ber ©rftern ift. benn bo<h eine größere 
fcböpferifche Kraft als in ber „Slfrifaiterin". Ob „ber Sorbftern" wieber auf* 
geführt werben wirb, wie eS bei&t, muß bie Beit lehren. 2Jlan füllte lieber 
„bie Hugenotten" geben, bie auch heute noch bie befte Oper Sleperbeer’S 
bleiben. 

SSon ©onjerten müffen wir noch baSjenige ber Herren ©ebrüber Sßoj* 
nanSti unb baS $u ©unften beS beutfehen HofpitalS erwähnen. das Sefetere 
hatte wenigftenS ein peluniäreS Sefultat, unb alle diejenigen, welche baju bei, 
getragen haben, Perbienen danf unb ©hre. Ob nicht ein gleich günftigeS fünft* 
lerifcheS Sefultat bamit hätte bereinigt werben fönnen, ift eine anbere «frage, 
bie wir hier nicht weiter unterfuchen wollen. SBir fönnen feboch nicht umhin, 
$u bemerfen, baß ber Schlachtgefang bon Sieh nachgerabe genug gefungen 
worben ift. 

SBaS nun bie ©ebrüber ^ojnanSfi anbetrifft, fo ftehen ihre Seiftungen 
bis jefct noch auf einer höchf* mäßigen Stufe fünftlerifcher SuSbilbung. die 
dechnif beS Sßianiften wie auch bie beS SSioliniften ift burchauS nicht frei bon 
Schwächen, unb bon ©eift lann bot ber Hunb noch wenig bie Sebe fein. Such 



Ml 


tonnte ihr Son trfiftiger feilt. Sluf bet anberett ©eite haben wir in ihren Sei« 
[hingen hier unb ba HJtomente gefunben, bie auf Silent Anbeuten. SiefeS, 
Berbunben mit tüchtiger Selbftfritif, muh auch bei ihnen ju günftigen Kefulta» 
ten führen. 


Hero-IJorhcr Corrwfpon&atf. 


9tew «Dorf, im Februar, ©roh ift ber fettige $atriciu$, benn ju 
feinen ©bren, ober wenigftenS ju ©hren feinet jünger, bie ihm am ißattidstage 
in einer enblofen, gew'öbnlit burt bie reicbften greubenthrdnen beS Rimmels 
uerherrlitten ifJtomenabe ju bulbigen pflegen, fotl in 9tew*3)orf eine partielle 
Straficnreinigung Borgenommen toerben, weites SEßunber bem ^eiligen Bon 
einer bantbaren Schotterung hoch angeretnet wirb. ©röfier aber ift ber Ißrinj 
SanteBal, benn er bat toäbrenb eines ganzen fütonats baS profaifte SWew>=g)ort 
in feftli^em Saumei erbalten unb felbft ben ebrbarften SJianbattanefen auf 
Slugenblide ju feiner närrifcben gähne belehrt. Ser Kultus ging eigentlich 
nur Bon ben Seutfdjen auS; aber immer mehr beteiligen f«b an ihm aut bie 
»meritaner, toenn freilich nur als ftaunenbe, neugierige, erft bebenflit ben 
Äopf ftüttelnbe, bann toiber SEBillen bingetijfene, lacbenbe unb fautjenbe 3u« 
fcbauer. 

3ebe ©etegenbeit jum bereiten Säten ift in Btmerita eine Wahre fjim» 
melsfenbung, unb Bon jebem anftänbigen Vergnügen tann mit fRett gefagt 
werben, bah eS einem bringenb gefühlten ■ Sebürfnih abhilft. SaS Se¬ 
hen ift hier viel ju ernft, Biel ju profaift; es matt ©inen jum ©rbarmen Ber« 
nünftig. Saturn wiltfommen, ebler ^ßring, ber bu beinen Untertanen bie harten» 
tappe aufs ,§aupt brüdft; willtommen baS fröhlite ©etlingel beiner ©teilen; 
willtommen bein nedift er Uebermuth l 

Sie Slmeritaner, unb fpecieH bie 3lew=S)orlet, fmb in ihren Vergnügungen 
eigene fiäuje. SBoHen fie anbere Seute ober fit felbft ehren, fo Beranftalten 
fte einen SaH. Slber foH eS etwas rett ©rofiattigeS geben, fo wirb barauS 
eine grohartige Summbeit, foll eS rett fein hergehen, fo wirb eS rett tnotig, 
unb wollen fie fit amüftren wie nie juoor, fo bringen fie eine entfefclite San* 
geweile ju ©tanbe. SEBuS haben wir ba nitt SldeS erlebt! Ser Sali beS 5J5rin« 
§en Bon fflaleS, ber gapanefenbaK, ber Diuffenball — Sie, ju beren SBerherrli* 
tung biefe loftbaren gefttoitdten arrangirt würben, müjfen bie 9lew»2)orfet 
für Sarbarep halten, unb biefe felbft tonnen nur mit ©tauber batan §utüd* 
benten. Sie Ouinteffenj Bon SlUetn follte bet SaU beS 7ten Regiments fein; 
bie früher begangenen ©twabenftreite würben tief empfunben unb follten bieS* 
mal ggnj beftimmt Bermieben werben. ©S follte fein ©ebrdnge entftehen, 
gebet follte ohne ©twierigteit fit feiner Oberfteiber entlebigen unb fie wieber 


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in (Smtfang nehmen, Seber ohne SebenSgefabr in bcn ©peifefaal gelangen 
uttb bort wirll it etwa? betommen lönneit. 216er eben »eil man biefen ejem, 
planten SiUen batte, »urbe eS not drget als je jubor. Sefer, warft bu 
jemals auf einem folgen amerilaniften »ad jugegen? 3«r Vereiterung 

'beiner Senften» unb SanbeStenntnifc fottteft bu bit »enigftenS einmal in bie 
©efabr begeben, ein ©ebränge ohne Sa&.unb Siel, ein Stoßen unb Slei&en, 
eine förmlite Prügelei um ©peife unb Srant, jerrriffene SltlaSlleiber, mit 
»rübe ober eblem Sein übergojfene Sieben, beulen, ßreiften, Sebllagen, 
glüdbe, allgemeines entfern unb julefet adgemeine glutt — baS ift ein Voll 
ber 9lew*?)orler haute volee, baS ein ameritanifteS Vergnügen ber aller, 

feinften 2lrt. _ , . _ ö 

Ser «ßrinj &ttne»al bat feine ©ate beffer gemacht. Ser fetn ©aft 
war, ging ni<bt getäuftt unb begoutirt, fonbern reit beftenlt nat $auS, unb 
j e |t, ba bie gafttogäjeit hinter uns liegt, freuen wir uns ftonauf baS nätfte 
©tellengellingel. 2lber SlittS ift »oBfommen, unb je »ärmer wir Se. Weit 
»erebren, befto mehr fühlen wir uns berettigt, einige, aBgemeine Siegeln aufju» 
ftellen, weite bei feinem MtuS unabänbertit beobattet »erben follten. 

Sa hier bem europäiften Rafting erft Vabn gebroten »erben muh, 
ijt eS febr löblit, ba& »an babei auf möglitft impofante Seife ju Serie gebt. 
Slur baS Moffate matt hier ©ffelt, unb lolojfal waren bie SaSlenbälle. ©rft 
genügte für fte eine Stäumlitfeit »on befteibenen Simenftonen; jefet werben 
nur bie grüßten in Slnfprut genommen, unb aut Tie entfpreten nitt mehr bem 
Vebürfnifc. Sie ©intrittSpreife waren jum Sbeil eytraoagant; aber eS »urbe 
aut etwas bafür geboten, unb bie grequenj geigte, ba& fte nitt abftredtenb 
»irtten. Stuf bie Setorationen nnb SDlaStengüge war bieSmal auferorbentlit 
oiel oerwenbet, unb febr gmcifel^aft ift eS, ob Siew^orl barin »on europäi, 
ften ©täbten überboten »urbe. 3n biefem Vetreff mötten jebot einige Ve* 

~ merfungen angebratt fein. . 

SaS Sefen beS gaftingStreibenS ift Sifc, ©terj, Saune, §umor. Stet, 
merei. 2llIeS bieS aber muff unmittelbar wirten, eS muff ftt feine ©e, 
genftänbe auS bem tägigen Seben ftöpfen unb bie Vointe fofort oerftänblit 
fein; fonft ift ber ©ffeftöerfeblt unb bie barauf »ermenbete Sübe »erloren. 
©in wibigeS Sort muh jünben wie ber Vli&; foB man erft über bie Vebeutung 
natbenfen, fo ift eS eben lein Si|. Slot mehr gilt bieS »on Verfuten, auf 
anbere Seife bie SatmuSfeln in Vewegung ju feben. Sie Setoration eines 
©aaleS mag not fo fmnreit fein; mu& man fte ftt erft erflären taffen, ober 
SBlptbologie, ©age unb ©eftitte in Stequifition feben um fte ftt felbft SU 
ertlären, fo gebt bie Sirlung »erloren, beim im ©ewimmel beS Summen, 
ftanjeS bat man ju einem folten geiftigen ©pajiergang Weber Stjfje, not 
2uft. Sebe Slnfpielung muff fo birett fein, ba(j man fte im SDioment »erftebt; 
fonft gebt fte fputloS »orüber, ober »erftimmt wohl gar wegen ihrer Un»et* 
ftänblitleit, waS burt ein Veifpiel iUuftrirt werben möge. Stuf einet ©äule 
feben wir bort, gleit einem bü&enben Slnatoreten, ein gnbioibuum ftfcen, 


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metdbel ftdb burdb SRidbtl in bet Settüte einet 3eitung flöten Idfit. 5Det Unglück 
liehe ift berurtheilt, bie SR. ?). Staatlgeitung gu lefen, unb bal Sßublifum *hatte 
bie Sdbmere bei muthmahlidben ^erbredbenl fomohl mie bie $drte bet Strafe 
üoHfommen gu mütbigen getourt, trenn gunt marnenben' ©yempel für geber* 
mann bet Urtheillfprudb burdb Sdulenanfdblag rertünbet tootben träte. 2)al 
hatte man aber leibe® rerfäumt, unb fo ging bet Sdberg oerloren. 

S)er muh nicht nur bireft treffenb, fonbern audh hutrmlol fein, 
f o fcarmloä, bah bet ©etroffene felbft gegtrungen ift, batüber gu lachen, SRie* 
manb hat bal SRedbt, ftdb burdb ben 2Ralfenfdberg beleibigt gu fühlen; bie 9Ralfe 
nimmt unbebingte greiheit für ftdb in Hnfprudb. ©erabe beS^alb batf fte aber 
audb ihre founeraine ©etralt uidbt ntihbraudben. ©ben tregen biefer SRothmen* 
bigfeit bet ©efdbrdnfung ift bet ßarnebal überhaupt nur unter Seuten ange* 
bradht, bie einerfeitl Späh oerftehen, anbererfeitl bon bergen gutmüthiger $Ra* 
tut fmb. ©I bütfen Schlage aulgetheilt, aber cl batf feine Sffiunbe gefdblagen, 
Sdbtrddben bütfen berührt, aber feine mirflidbe Sdhmetgen berurfacht tretben. 
ffiirb bie Sinie bei ftttUdb Erlaubten unb dftbetifdh berechtigten überfdbritten, 
fo entfteht in ben Slnmefenben ein Unbehagen, eine berftimmung, toeldbe 
tote ein ftörenber ßobolb burdb bie geftelfreube fahrt. 2Ran batf beS^alb 
audb nur bie Torheit, nie bal berhredben gum ©egenftanb bei 2Ralfenf<hergel 
mahlen; benn über berabfdbeuunglmürbigel fann man unmöglich lachen, an 
bal pofttib Sdbledbte, SRiebertrddbtige, barf ba, too bie greube allein malten 
foll, gar nidbt gebaut trerben. Surdbaul am $1 ab ift auf StftalfenbdHen ein 
getriffet Uebermuth; aber auch biefer muh ftdb innerhalb genau abgemeffener 
Sdbranfen halten, bamit et nicht l d ft i g trirb. $er §tirlefin mag feine Sßrit* 
fdhe fdhtoingen, bil et merft, bah cl genug ift; afrobatifdbe ^unftftüdfe im ge* 
brdngten Saat, meldbe bie freie bemegung hemmen unb Schredfen um ftdb her 
rerbreiten, fmb aber gemih nidbt angebracht. Ohne SRecfereien feine SUtalfera* 
be; aber man muh ftch nidbt über gefpiette Sßoffen dt gern fönnen. 
SGBenn g. ®., mie el in bet SRdhe SRem^orfl gefdbehen, übet bie ahnungllofe 
©efellfdbaft ein Sadt 2Rehl aulgefdbüttet mirb, um ihr etmal meijj gu rna* 
<h e n, fo ftnben mit bal mebet geiftreidb, nodb hübfdb, benn man dtgert ftdb 
mit SRedbt übet bie gerftörten Toiletten unb anbere bamit oerbunbene unange* 
nehme golgen. 

Sltlel muh feine Slbmedbfelung haben, ©ine ernfte ©efellfdbaft Idht ftdb 
gern einmal burdb tolle Streidbe aul ihrer SRuhe rütteln; ebenfo fehtaber fehnt 
man ftdb im tollen Treiben nach einet ©rbolung, unb ein gut aulgebadbtel Sßro* 
gramm mitb hierauf bebadbt nehmen. Seht gmedtmdfsig ift el, menn auf einet 
■äJtolferabe für einen SRuhepunft geforgt mirb, für itgenb eine borftellung, ober 
ein hübfdhel Tableau, um meldbel <ftch für eine SBeile bie ©efellfdbaft gruppi* 
ten fann. 3toecfmdhig möchte el audb fein, bie gvage in ©rmagung gu giehen, 
ob el nidbt bon fdmmtlidben befudbern einet SDtalferabe »erlangt merben foüte, 
bah fte ftdb malfiren ober bodb imßoftüm—menn auch nur im Domino—erfdbei* 
nen. 3)er ©ffeft mirb gar febr geftört, menn ein grober $beil bet im Saal 



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Stnmefenben nur gefommen ift um bie 2RaSferabe §u f e $ e n, ntd^t um fi<b 
an ihr gu b c t b e i U g e n. $ie 3uf<hauer fönnten fich eben auf bte ©aHerie 
ober bie Sogen befebränfen. Unb fchliefjlich noch eine Slnbeutung. 5)er 
üffiifc ift eine angebotne himmelSgabe, bie fi# nicht mittbeilen läf$t. 2Ber 
biefe himmelSgabe befi|t, bat in ihr einen Sdpafc, um ben mir ibn beglich be* 
neiben unb ben er nach Graften bermertben möge; mer fieuber nicht bat, ber 
ftnbe fich refignirt in fein ©chicffal; er ift barum nic^t fehlerer. URan^er 
glaubt mifcig ju fein, unb irrt fich barin, ÜRiemanb barf ibn be^^atb tabeln, 
benn auch bie ©elbfterfenntnifc ift nicht Sebent gegeben* 2Ben aber bie ÜRatur 
in biefer hinficht nicht beoorjugt, ment fte feinen gefunben, fprubelnben huntor 
oerlieben bat/ ber füllte au<b nicht mit ber Slbfaffung mifciger Programme, bie 
obenbrein für bie Deffentli<bfeit beftimmt ftnb, beauftragt merben. 

Ünb nun nach biefen allgemeinen ©emerMhgen ju einer überft<htli<ben 
©dbilberung ber brei bebeutenbften 2RaSteraben, melche biefe ©aifon uns gebraut 
bat— berjenigen beS Sltion, beS Teutonia 2Ränner<horS unb beS Sieber* 
franseS. Sille in SBetracht gu sieben, ift einfach unmöglich, benn bie SÄonatS* 
hefte mürben leinen SRaum bafür haben; bie brei genannten mögen als ©er* 
tretet beS ©ansen bingenommen merben. 3uoor aber fei no<b auf bie möchent* 
liehen „ÜRarcenabenbe" beS Slrion bingemiefen, melche gleich nach SReujabr be* 
ginnen unb anbauern bis in ber großen ÜRaSferabe ber fiulminationSpunft 
erregt mirb. $>a bereinigt ftch mirflich SlüeS, maS SRem^orf, „bie britte 
beutfehe ©tabt", mie es sumeilen bon ber englifchen ©reffe genannt mirb, ange> 
nialen Gottheiten aufsumeifett bat; bie SBifce fliegen mie SRafeten unb Seucht* 
fugefn umher, unb ift einmal einer nicht geraden, fo fommt baS ja 
auch bei ben geuermerfen ber berübmteften ©protechnifer bot unb ftört nicht 
ben ©efemmt^inbrui. ÜRit greuben ift ansuerfennen, bafc biefe „Starren* 
abenbe", bei benen jeber ©efucher bie ©(bellenfappe auffefcen uwf$, bon Sabr 
ju Sabr angenehmer merben, bafj baS Treiben auf ihnen fleh fortmäbrenb lau** 
tert, baft man immer mehr baS Unpaffenbe bom ©affenben fonbem lernt 3)aS 
gafchingStreiben fann für bie firitif beS öffentlichen SebenS—belifate ©ribatber* 
bältniffe barf eS ni e berühren — gerabe fo mertbbotl fein miebiebumoriftifebe 
Siteratur, meldje b^ noch immer nicht gebeiben miH, unb bielleicht fann baS 
©ine bem Slnbem ©ahn brechen, 6in ächter gafchingSnatr rnuft bei f ich 
f e l b ft a n f a n g e n, unb fchon baburch feine £armloftgfeit belunben. $aS 
bat ber Slrion erfannt unb banbeit banacb. 

$en Steigen unferer groben ÄarnebalSbdlle eröffnete alfo, mie gemöbnlich, 
SCrt on, ber $öne unb beS SöifceS SReifter. $ie erfte Ueberrafchung, metche 
bem ©efucher beS ©alles beim ©intritt in ben befannten prächtigen ©aal ber 
äcabentp bereitet mürbe, mar bie mirflich pompöfe Seforation. Slrion unb 
Sieberfrans, bei beren rühmlichem SBetteifer um bie ©alrne fünftlerifcher Seiftun* 
gen unb gefetliger Unterhaltung baS ©ubtifum ftetS ber geminnenbe Gbeil ift, 
haben mit ihrer bieSjäbrigen SluSfchmücfung beS ©alllofalS förmlich eine neue 
Slera ungebahnt* ©tSber mar man b^r bei ber Seforirung eines ©adfaals 



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ftets’auf bern bilettantifchen Stanbpunft ftc^en geblieben; bieSmal fchmang tuan 
ft<h 311 m fünftlerifchen empor. Unb folcbe SluSfchmücfung beS ScialeS ift nicht 
etma Siebenfache ober gar lappifche Spielerei, mie manchmal behauptet mirb. 
übtan erinnere (ich hoch, mie es bei unferem fonft fo gelungenen ÜRem*?)orfer 
Sangerfeft beS betmicbenen Sommers ben (Einbrucf unangenebmfter (Enttdu* 
fdjung machte, als man beim (Eintritt in ben zur SIbbaltung ber geftconzerte 
beftimmten Saat fable, fchmuälofe SBdnbe erblicfte, ohne jebmebe (Embleme ober 
. fonftige auf baS geft be^üglid^e Verzierungen. SaS Sluge verlangt nun einmal 
bei folgen (Gelegenheiten fein Vecbt, unb mö man es ibm berfürzt, mirb bie 
rechte geftftimmung nie $lap greifen. Ser (Ebarafter ber Saalbeforation auf 
bem SlrionbaH mar ber ber gebiegenen Fracht; baS Sluge mar förmlich geblen* 
bet, bieKeicht etmaS zu febr geblenbet, bon bem bunten garbenfchimmer; boeb 
blieb ber Sotaleinbrud ein bur<bauS barmpntfdber, unb bie Slnorbnung aller 
Details zeugte bom feinften fünftlerifchen ©efchmad. Nicola Reiftet—nomen 
et omen! — hatte in ber unglaublich furzen grift bou 24 Stunben (nodb am 
Slbenb borber mar Opernoorftellung gemefen) ein mabreS SReiftermerf gefcbaf* 
fen. Von pra<btboller fflirfung mar ein in ber Kuppel beS Saales fdjmebenbpr 
rieftger Stern, in bunten garben fchiöernb, bon beffen Spifcen grüne 2aub* 
guirlanben nadh ben ©aKerieen hinüber liefen. Sie Sogenbrüftungen maren 
fammt unb fonberS mit bunten Sraperieen behängen, morauf Verzierungen im 
japantf<ben Stpl angebracht maren; ba ft<h biefelben gleichmäßig über bie brei 
Sogenreiben beS mastigen Kaufes erftredten, mar ber Sotaleffeft • ein dußerft 
impofanter. Sin ben beiben unteren ®aUerieen zogen fich überaus gefchmacfbotl 
gemunbene geftonS bon grünem Saube bin, beren (Enben JebeSmal burdb ßörb* 
eben mit prächtigen lebenben Vlumen berbunben maren unb nach unten burdb 
fernere ©olbquaften ihren 2lbf<hluß erhielten. Sie Vübne mar, mie gemöbn* 
lieh, zeltartig arrangirt. gm Vorbergrunbe febmebten zmei burleSfe giguren 
in ber Suft, bie, zeitmeitig in Vemegung gefegt,ihre fomifchen Sprünge machten, 
gm $intergrunb ber Vübne erblicfte man einen bübfdb nachgemacbten (Eifenbabn* 
magen ber Sritten*2lbenue*(Eompagnie, beffen fpejielle Vebeutung allerbingS 
etmaS unftar blieb; fein Sach bilbete baS Sßobium einer Keinen Schaubühne, 
auf ber einige £arlefinS gelegentlich ib* SBefen trieben. VecbtS unb linfs 
quoUen aus Keinen VafftnS moblriecbenbe.SBaffer unb erfüllten bie 2uft mit 
ihrem foftlicben Slrom. Sie Scbaale mit Eau de Cologne — mirflicb achtem 
Johann SRaria garina bom gülicbSplap — mar unabldfftg bou tarnen um* 
brdngt, bie ihre Bücher in baS föftlicbe Staß tauchten. Sicht babinter befanben 
fleh noch zmei größere gontainen mit Springbrunnen, aUerliebft bewert mit 
blübenben (EallaS unb üppig grünen Vtofferpflanzen.. 

2BaS aWaSfenfcberze, mifeig zufammengeftedte 3üge ic. anlangt, genießen 
bie (EamebalSbälle beS Slrion einen mobloerbienten Stuf. Sluch bieSmal marb 
berfelbe nicht zu Scbanben. $unft gmölf Uhr fefcte ftcb bie grobe Sßrozeffion 
in Vemegung. Siefelbe beftanb aus zmei $auptabtbeilungen, ßrieg unb grie* 
ben barftellenb. fRömifche Solbaten, SJtarS unb Vetlona geleitenb, eröffneten 
(Erftere; ©eneral ©rant, bie unentbehrliche (Eigarre im üFtunb, mürbe auf einem 
Keinen Sriumpbmagen umbergefübrt; anbere ©enerale, fomie berfchiebene 35Baf* 
fengattungen ber VunbeStruppen folgten. Jjittle Mao — mirKidb berfchmin* 
benb little! — miegte fleh ftolz auf feinem fchmarzen Streitbengft, einem nieb* 
liehen Schaufelpferbdben. Verfdbiebene (Errungenfcbaften beS ÄriegeS, als ©olb 
unb Vountp*Vrofer, ^atentbierfabrifanten :c. fehlten gleichfalls nicht. Sie 
griebenSabtheilung eröffnete (Eölumbia, umgeben bon fdmmtlicben Staaten ber 



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Union. Samen, toelche Blumen barfteUten, mag freilich ferner ju ertennen 
toar, fdhloffen ftch an. 2)lit fcbaUenbem ©eläebter marb unfer auf einem coloffa* 
len 3iegenbo(f thronenber föeconftrultor begrubt, ber unermüblidh mit gemalti* 
ger Scpneiberfcheere feine ^arbon^etteldben abfdhnitt, unb in ebler greigebigteit 
©ott unb alle 3Belt bamit überfchüttete. liefet hinter ihm folgten oerfdhiebene 
©ruppen, bie ben SHeconftruttiongprosefj in braftifcher SBeife oeranfdhaulicbten. 
liefet ntinbere Weiterleit erregten bie nun fotgenben Vertreter ber irifdhen Die- 
publif, ein Raufen SBaffermann’fdher ©eftalten, bie für bie 3ulunft ber befreiten 
Smaragbinfel bag 23efte hoffen liefen, Schließlich maren auch unfere beutfehen 
griebengbeftrebungen nicht oergeffen. Sag Sängerfeft beg oerioidhenen Sorn* 
merg, bie probiantbelaben nach Bremen jiehenben Schüßen — alleg bag 
loar berücfftdbtigt. Ser mirtlich coloffale 3ng reichte, bidht an einanber ge* 
fcbloffen, gerabe um ben ganzen Saal herum, ©r machte jmeimal bie föunbe, 
toorauf er ftch auflöf’te, um ben San^luftigen mieber ben nötigen Spielraum 
ju geben. Öbmobl bag Waug in allen feinen Sheilen boUlommen gefüllt toar, 
herrfdhte hoch biegmal im Saal felbft lein foldbeg ©ebrdnge, baß bag Sanjoer* 
gnügen bar unter gelitten hätte. 

Ser S e u t o n i a Mannerchor folgte gunächft tn ber [Reihe. Sllg 
93aMotal hatte er ftch bie ©itp Slffemblp [Roomg am 23roabmap augerfehen, mel* 
<he leiber unmittelbar barauf abbrennen foUten. Sie 93alle biefeg ftrebfamen 
SSereing erfreuen fuh fdhon feit lange eineg guten SRufeg, ben fte burch tattool* 
leg Slrrangement oerbienen. Sehr nadhahmunggmerth fcheint ung j. $8» ber 
©runbfap ber Teutonia, bei ben Slufeügen ihrer Äarneoalgbälle jebegmal einen 
tn ftch abgefchloffenen ©egenftanb, eine beftimmte 3bee jur Slnfchauung §u 
bringen, biefe aber auch ganj confequent, erfdhöpfenb unb in gemein oerftänbli* 
eher SBeife burchäuführen. So toarb auf bem biegjäbrigen 33aUe ein Sigeuner* 
lager bargeftellt. Sie oollftänbig auggerüftete 3igeunerbanbe marfdbirte unter 
ben klängen eineg fröhlichen Marfdheg in ben Saal: ooran ber 3igeunerhaupt* 
mann mit ben Muftlanten, bann bie oermegenen ©eftalten ber ßeffelflicfer unb 
Sanbftreidher, bie alten toahrfageuben 3igeunermütter am Ärüäftocl, bie 
grauen mit ben boffnunggoollen Sprößlingen. in ben Slrmen, bag junge 
SBoll ber braunen Söurfdhe unb gluthäugigen kirnen; fogar bie mit W un * 
ben befpannten 2Bägel<hen jum Srangport ber toenigen ^abfeligfcitcn fehl* 
ten nicht. 3m Mittelpunlt beg Saaleg, too ein freier staunt in ^Bereit* 
fchaft gehalten toar, toarb Walt gemacht, unb unter charalteriftifchen ©efängen 
jum Huffdhlagen be'g fttgerg, §um Slnsünben ber geuer unb jur Bereitung beg 
[Radbtmahlg gefehlten. Ser prächtige ©hot: „Sie Sonn’ ermadht!" be* 
grüßte ben herannahenben Morgen. Sag junge 3igeuneroolt führte feine 
Spiele unb Sänje auf, toährenb bie Sllten umherlagerten unb jufchauten, ober 
ftch an ihre gelohnten Sagegarbeiten machten. 23engalifdhe glammen beleuch* 
teten ju mieberßolten Malen bie trefflich arrangirten ©ruppen. Unter entfpre* 
chenber Muftlbegleitung folgte fdhließlich ber Slufbrucß beg Sagerg unb ber 2tb* 
marfch ber S3anbe. Sag ©anje, trefflich eingeübt unb ohne bie geringste 
Stoäungjober Störung oon ftatten geßenb, machte einen fehr befriebigenben ©in* 
brudf. Sieben ftdh ju folchen unb ähnlichen Slrrangementg, toag am ©nbe nicht allju 
fdhtoer fein toürbe, hin unb toieber Sujetg ftnben, bie mehr in bag ung junächft 
umgebenbe National* unb SBolfgleben eingreifen unb mifcige Slnfpielungen auf 
befannte Sagegereigniffe geftatten, fo tonnten fte ftdherlidh alg in ihrer 2lrt ooH* 
enbete Magtenfdherje gelten, bie jur Belebung unb lünftlerifdhen Slugfdbntütfung 
unfererÄarneoalgbälle ganj toefentlidh beitragen mürben. Ser größte gehler, in 
ben berartige Unterhaltungen leicht oerfallen, ber ber Monotonie unb ©inför* 
migteit, toürbe baburdh gerniß am toirlfamften oermieben. 



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Ser 93att ber Seutoma geidhnete ftd? auch burch eine berhältnißmäßig große 
gahl gut auigeführter Eharaftermaifen unb elegante ßoftüme aui. Sie brei 
2lrm in 2lrm wanbelnben Samen, jebe in eine ber färben ber Union gefleibet 
unbgufammen bai nationale Woth, 2Beiß unb 33lau repräfentirenb; ein fpani* 
fdher Witter in filberfchimmernbem Ueberwurf — biefe unb anbere Straften 
nahmen ftch fehr gut aui unb berliehen bent 5Me ©lang unb SWannigfaltigfeit. 

Ser glängenbe 23all bei 2i eb e rfra n g e i bilbete einen würbigen 2lb* 
fdhluß unferer bieimal fo impofanten SWaifenfefte. Sie Saalbeforation auf 
bem 2ieberlrangball hatte ftch bie ^od^poetif^e unb einei ber ßunft gemeinten 
iBereini auinehmenb würbige Aufgabe geftellt, in fpmbolifdher SGBeife gewijfe, 
gu bem geft tu naher öegiehung fte^enbe gbeen gu beranfchaulidhen. Saß 
biefer in fo großartigem SWaßftabe angelegte SBerfuch in ber «gauptfadhe wenig* 
fteni ali ein giemlich gelungener begegnet werben barf, gereift bem auifüß* 
renben Zünftler, §errn Ertle, gum nicht geringen Wuhme, ba bie babei gu über* 
Winbenben Schwierigleiten gewiß fehr bebeutenb finb. Sie 23rüftungen ber 
unteren 2ogenreihen toaren mit Sraperieen gefchmüdt, welche carmoiftnrothe unb 
golbene gelber geigten* Weun mddbtige Säulen, in red^t lunftreidher, toenn 
auch bielkicht etwai gu maffiber SBeife aufgebaut, erhoben ftch gum hohen Som 
bei Saalei; ihre garbe war meergrün mit golbenen gelbem, bie Eapitäler 
würben bon ben coloffalen SWaifen mpthologifcher giguren gebübet. SRieftgc 
Soppelfchwäne, reidb bergolbet, beren, bedungene £älfe eine 2pra bilbeten, 
fchwebten über ben giguren. Eine reiche gülle allegorifcber SBergierungen, rie= 
pge 2ilien, groteife giguren, SWufcheln :c., burdb 33lumengewinbe unb ®uir* 
lanben berbunben, füllten bie Wäume gwifchen ben großen «gauptfäulen; bo<h 
beburfte ei längerer Betrachtung ober felbft einer befonberen Erläuterung, um 
ben Sinn berfelben gu faffen. Ein fünftlichei Wefcwert bon golbburchwirlten 
Striden, bai jeboch bon unten gefeiert bei weitem nicht ben Einbrud machte, 
ben man babon erwartet, überfpannte bie Kuppel bei Saalei. gn ber SWitte 
fchwebte ein rieftger Ballon mit allerlei Bergierungen, namentlich einer Sarftel* 
lung ber befannten Ballonhochgeit bei fpeculatiben Aeronauten $rofeffor 2owe. 
Siefer Gallon war ber fdhwächfte Sfjeil ber Setoration, beßinberte ben freien 
Ueberblid unb ließ einen Shell ber übrigen Sluifchmüdungen unbebeutenber 
erfdßeinen, ali fie in ber Shat waren. Sie Bühne war in ähnlicher SBeife ber* 
gerichtet wie auf bem BaH bei 2lrion. Bon ber Sede herab hing ein fliegen* 
bei Srapeg, an welchem gpmnaftifche Zünftler ihre ©efchidlühleit geigten. 3wei 
gontainen mit Springbrunnen unb SWufdhelbergierung waren recht gefcbmadooll- 
aufgebaut; aber bai angebliche Wofenwaffer, weldhei in ihnen fpielte, führte 
Wiemanben in Berfuchung, fein etwai berbädhtigei Parfüm im Schnupftuch 
bon bannen gu tragen. 

Ser Saal wogte bon iFtenfchen, alle ©aderieen waren überfüllt. Reiche 
unb gefchmadbode Soiletten, hühfdhe ^oftüme im Ueberfluß, aber audh fehr 
biele nicht mailirte, befradte unb berodte ®entfernen, bie gwar gur güUung, 
nidht aber gur SBerfchönerung beitrugen. Sie 3Jtuftf war bortrefflich; nur 
foHten bei gwei üUtufddbören nicht fo lange Raufen borfommen. 2luf eine 
eigentliche DJtailenprogeffion hatte man bergidhtet; bagegen fehlte ei nicht an 
Heineren Slufgügen, gefchmadbollen Sängen unb äitaifenf^ergen. U n c a i. 

ISeifeitbe Agenten für bie ^onatehffk: 


Earl SBielanb* 
SW. Eaffirer* 



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Wio&s tu Satttefott, 

tpl fl» 

—ÜDtcßxeerb’S ©ebäube,— 

®<fe btt 5» ttttb <$he*imts®tta#e, <&U ScmfS, Wo«, 

beforgen ben Äauf uttb 33erfauf »on 2Rtffouri - ßdnbereten uitb btc (Eintreibung unb (EoHeTtion aller 
3lnfprü<be gegen bie ©er. StaatensfRegierung ober ben (Staat SWiffouri. Sie geben ebenfalls 3lu$funft 
über bie Tttel unb Cage oon Sumpf* 2 änber eien, »elcbe bem (Staate SRiffouri bureb bie 35er. Staaten* 
Regierung gefebenft tourben, fo»ie auch über öffentliche ßdnbereien in ben »efilüben (Staaten unb ben 
Territorien. I^T ©efonbere Slufmerffamfeit »irb ber ßoeirung von 2anb, unb ber Sejablung »on Taren 
auf bur<b 9ticbt*?Rejtt>enten geeignete^ £anb, getoibmet »erben. 

Da (Eol (Ebarled (E. 2Ro$d »on bem QJouoerneur ald Staat3*£gent ber Sumpf*2dnbereien (burdb 
Scben!ung$afte be$ (EongreffeS am 28. Sept. 1850 bem (Staate SRiffouri übergebpn) ernannt ift, fo b<t* 
er bie beften Quellen, um 3fo$funft über biefelben |u erbalten unb $u ertbeilen. 


5 v Seine (Er. Tbomae (E. ftletdjer, ©ouo., 3l<btb. 35. ®rafe S3roton, S3.St. Senator 

£ ~ • Slcbtb. 3obn 33. £enberfon, 35. St. Senator, „ 3Uonjo Tbombfon, Staatäaubitoro 

•c- n SBm 33ifbop, Sdja&meifter, „ örancid ftobman, Staat3*Sefr„ 

8S „ Stobt. 0f. SBingate, Staat$*3fo»alt, „ 3acob (E. Smitb, 2anb»9tegifbat. 




Deutle gegenfettige SebensoerftdjerangsiSefellfdjöft 
oon $t. ^ouis. 

Dffice: 9Ro. 22 2Jtarft*6t. 


SBir übentebmen Je&t ßebenSoerfüberungen ber folgenben öerfebiebentn Strtctt: 

Prämien ju japlen, fo lange ber 35erficberte lebt, unb bie oerfüberte 
Summe bei beffen Tobe jablbar. (£Ritbt oerfaüenbe Policen.) 

5Rur iebn 3abre lang Prämien $u galten, £brt ber 35erfl(berte aber früher auf gu gablen, fo bleibt er ben» 
noch für |ebe gejablte Sabrcäprämie gu einem Beitel ber urfprünglicben Summe oerftcperL 

SRatb bem Tobe be$ 3Ranned »irb ber SBiffioe ober bem Jfinbe 
»äfatttb beren ganger SebenSbauer, eine bejümmte Summe auäbegablt. 

Sluägablungeiner beftünmten Summe bei(Erreicbungbed 18., 21. ober 
25. 3abre$, mit ober ohne Stütfjablung ber bezahlten Prämie bei früherem Tobe, tiF" SBir gewähren 
unferen 2Ritgliebem biefelben 33ortbeile, »ie bie beften anberen ©efeUfcpaften. — SBeitere Sludfunft »irb 
bercit»ifligft erteilt. 


^ ?B £ont, 


(E Tb Ublmann, 
(Ebriftopb 31. Stiefel, 
3acob Tamm, 


Slbolpb Äebr, 
(Ebavled £oppe, 
Sftbor 33ufdb, 
§ranci$ Saler, 


33eamte: 


5 (Eb<tffc3 SB. #orn, fPräfibent, 

\ %, 31. Scbneiber, 33ice=&räfibent, 


Sfaguft Ärie<!bau$, Tbeobor 3>late, 

©eorg ©ebrfe, Slrtbur OlSpaufen, 

€mil ©e&Ier, 3ultu$ ferner, 

g. 31. £. Scbueiber, %. SB. 33iebtnger. 
Slrtpur Cbl^buufen, S^abmetfter u. Scfretär, 
Dr. (Ebarled £aucf, unterfuebenber 3(rgt. 


H. A. Homeyer & Co., 


Cmmnilftom» - (»krrijäft, 

City Buildings, 

Sto. 10 Sommercial=©tra§e, 

$t. Jouiö, ^o. 


3. SB. SBrefton, 
S. 3. ©awfon, 
©pruance, 
3. SB. $refton, 


| St. Soul8. 

Sptuance, SJJrefton unb (So 

54 2afatle«6tt., Chicago. 


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VS I e i tu e i 


d u liier- IMcimcif} 

ttttb 

£el«<S 0 tttp<tgtiie, 

fabrijiten utib »erlaufen als »ollftänbig rein garantirteS 

23leitt)ei£, 

IRed, Lead <fc Lytliarge, 

Steine 

(£aftor-£>ef, 

% 

&einfamen*£)ek 



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CHAUNCY I. MLLEY, 

birefter Importeur unb fjdnbler in 

$ot}effon r (Blo^ iittfc 0 teingitf 

Maaten, 

fftberptattirten unb $rittama4Öaaren, Riegeln, 

ftolUenöUVmiipen, £od)ten, latenten «♦ f. t»., 
<Eß=3teHecftcn, $a|tljttus = unb Dampf6oot= Waarcn. 

Mro. 108 ;Dlain»<Strafse, MJarble Mott», }i»if<$en Socuft» unb 35ine»©tra|e, 

©t. Souis, Mio. 

Ülffortitte loeifle unb gciootmliAe ®teinguti»aaren in JEBrbcn. 

SBit »erteilten birelt mit fremben unb einfceimifc^en gabrilanten, unb ftnb begatt 
ftetS im ©tanbe, unfern Junten alle möglichen SSortfyeile ju bieten. 


/. Heufi «t €#., 

— ©t. SouiS, Mio., — 

(£ommtffiott$r, @pebitum3=unii europtitfdjes 2BedjfeI=©eföi(ift 

®töten ^lanbb 

Fancy Dying Etablisliement. 

SBnrretb & (£ 0 ., 

Mo. 5 unb 7 3ofm ©treet, > m . _ „ 

718 SSroabtoa», f Mendorf.- 
Mo. 26» gulton=, Sie »on Stllat» ©treet, Srootlön 
unb Mo. 47 8te Strafet, Mfeilabelpfeta, 

©artett, ftepfte w £ <£o. t 

6 „ u " b l ^L tet ' utt b 718 ®roabt»a», MmSorf, 

269 S?ulftm=, ede »on 2in«r» ©treet, SroofltmT 
unb 47 Mortg 8te ©tragt, 3>pilabelppia. 


3 . ©rfmbcftb SS 

9lo. »SO fBroafcwa^, 

Merfags» unb ©ortiment^Mlufttfeanblung nebft Mluftfalienteifeanftalt, 

bem 9)uMt!um i|r ttcu croffnctc$ S)(|)ot t>ott tttuftfonfcfiitt 
geprüfte «nportirter 3 *7* e V" n^”© « ft «Tr e"" 61 t ^ 

* *r SBtr galten nur Snflrumente befferer Qualität. 


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ST. LOXJIS, MO. 

^crfciitanO 

Sntyorteur bon 

etirojmifdjcn y robttf tcn tmb ^Seinen, 

fotote Sdjnupftabad bon £o£6ed ©ebr. in Sa^r, 

SU. 13 6 üb 3bJettc 6 traf*e, St Soui3, SMo. 

X J5d)ottler & €a., 

Verfertiger bon ©l)arte§ ©rat^S patentirter Paraffin 

$djfen*unb SOtafdjinen^S^mtere, 

g a b r i f :* Glarf 2 lb. gegenüber bom SBaffnngton$arfe, o. cm. 

Office: 9 SMarfet 6 tr.,©efe bon ©ommercial Vlleb, wU X5vttu>j üvtO«. 

jtoholi piattner, Pptiker, 

gabrifant bon ^Barometern unb £$ermometern, 

114 SKartet Str., 

@t. Souiö, * « SJitjfourt. 

©. 3JMer, #anbter in etntjeimifdjen SÖetnen, 

unb 

@iö^tttl>Mtncc be§ rtronmtifcftc» <Satatttf>aWtter§. 

2)ebot: Vo. 35 2Mnut*6trafje, 6 t. Soui 3, 9)1 o. 

Cafefrancais um $f, «Sambcrgcr, 

SBein-, S3ter- unb 33tfHarb=@atoon, 

f^tanratfoa mtä Att Hart*, 

Vor boft *(§:<! e bon fünfter unb (S^eänut * 6 t., 6 t SouiS, SMo. 

Sonie SKolf, 

Sntyorteur unb ©rojtyänbter bon 

Vfeüt-, Vecfar*, fran^bftftyen unb ©atatobasSÖeinen, 

Vo. 5 6 üb Steile gyrafee, 6 t. So ui3, SMo. 

(£$a$. Setnberger’S „^etntfdje SÖetnbaüe/' 

Veifetfbe jtnben bafelbft gut moblirte 3immer unb eine aufmerlfame Vebtenung. 

Vo. 3 6 üb 3toeite 6 tra| 3 e, 

0t. fipuis, SRiffpiiei. 


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1865 + 


2Ötnter*$erfäufe. 


1865 * 



Smporteure, «gänbler unb Sabrifanten* 2 tgenten 

©tfetu 

unb 

ßt a I)l- W a arrn i 

9fo, 139 unb 14195?ain=@tröf?e, 

ff, Jouis, ^o. 


36 nagen!! 

<SL unb X. Ofatrbctnfö unb (£o^ ädjte, 

bon jeher ©attung, ju gabrif »greifen. 

55 r a 11 unb 3 o j, alleinige Agenten für St. Soutö. 

SAFES! 

Itring & ®o’ 0 . 3 Feuer- unb #iebfe|te Hankiers-^afes, 

^a()li»tijltrs-S«f« 


ntU bie&G* unb pufoetfcflen ©d&Iöffent. 
3« ^ftbrlfprcifcn $u verlaufen. 


Vratt 8 %üx, 

ftHefnigc Agenten für ©t. Sou!«* 


North Western Horse Nail Co. 

S Renten» 


ferner: 

©tt grofiet SSotraty bon letzten unb fermeren ©femnaaren, ju benbttKgften» 
•Iftarftyreifen §u öerfaufen. 

3 ?ratt & Fox, 

^(fc Per 9Wöin=@trofc unb SSafbington 5fo., @t. gimte* 


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&üttfHt<f>c kirnte mb Seine* 



Selpbo’S patent, 616 Vroab»ap> 

Die »iHfommenilen Subftftute für berlorette ©Itebma&eit, mel#e Jemals trfunben »urbett. (Stablfrt 
feit 26 Sabren.) tim fl# bollftönbig über ba$ 9l5bere in Äenntniß ju fepen, taffe man fl# ein latent mit 
ßcugnifTcn bon Setpbo u. So. Son, 616 Vroabmap, 9?e»*gJorf, bem 9?.-gJ. $otel gegenüber, fenben. 

9f.8. Solbaten »erben gegen eine fPromeffe bom ®eneral*Sbirurg ber 5lrmee ber bereinigten 
Staaten loftenfrei mit bem geplenben berfebetu 


$en*n ©mttebaism. Daoib Z» ©mtubaum. £oui* fttillmattg. 

Henry Greenebaum & Co. 

$entfdje$ 

Pank n; JJalTagcgcfdjäft, 

Qscfe Safe- unb £afatfe-0trafie, 
CHICAGO, ILXHNOIS. 

»ecbfel in beliebigen Summen unb Sitten auf alle bebeutenben Stabte Deutf#lanb$, $ranfrei#6 
SformegenS, S#»eben$, Dänemark, StalienS unb ber S#»ei$. 

»affage per Dampfer nnb Segelf#iff bon Hamburg, Bremen, ^nttterpen, Sfotterbam, £abre, 
Sbrijliania, ßiberpool unb QueenStomn. 

3 ticafro*@eföfift< »erben bur# unfere auSgebebnten Verhütungen in gan$ (Europa mit S#neIItg- 
feit beforgt unb eingejogene (Selber in ©oIb auSbejablt. 

©eeenebanm & (So 

Sljicago, 30. 

HILLEE & CO., 

SSanf. ii.Jiifnffoucfdinft, 

9to. 3 Sbamberftr., ^eto^orf, 

geben 2Be#fct nnb Srebitbriefe auf alle größeren 5)15fee Suropa’S, berfenben Oelber na# {ebem Orte 
Deutf#lanb$ mittelfi be« beutf#en 5)ojberbanbeS, unb beforgen ben Sinjug bon Srbf#afteu unb Vermö¬ 
gen bermittelfl Vollma#ten auf f#neHfte unb biüigfte SBetfe. 


E®* Anfragen aus iem fattbe ftnirn prompte jöeadjtuitg. 


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J. B. HOEKER, 

PEACTICAL OPTICIAN, 

312i FULTON STEEET, 

Near Pierrepont, _ BROOKLYN« 

Chs. Wellie, 

-Attorney, Connsellor at Law 
and Solicitor of Patents, 

290 Broadway, Boom No. 6, New York, and' 200 Washington St«, Hoboken. 

Edward Mehl, 

Üßro. 156 unb 158 gulton 6 t, 

Sieftaurant unb gmporter 
bon 

tftyehmetnen unb Gnunentyalet 6 <$foei 5 erfäfe, Sß^olcfale unb Detail ju bcn bföigften 
greifen. 

Slufträge bon auäroärtö werben prompt au§gefüf)tt 


Scfuuibt, 

(Wer (L g. unb £. ©. 6$mibt,) 

Importeur sott äßem unb 23 rannto>etn ic<> 

9lem=?)ort. _ —20 S. Sffiiiliatn=Str. — 3tew*?)or{. 

gleifdjntann & tUridjg, 

71 vjlm $t., 'glero-'^orß. 

Smporteure turn eurojmifdjen $robuften, $riid)ten u. f. tu., 

ßommifftonlgefcfyäft in amerifantfdjen Sßrobuften. 


ST. LOTJIS, MO. 
Slngelroth & Sartlj, 

9JorbweMcfe_$er Btociten unb GheäitukStrafce, 6 t. 2 o u i 8 , 3 Jlo. 

@tm>päifcM ÜÖcd»fd-©cKhäft 

unb 

^onfttlöte für bie beutfdjen $mtbe$jtoaten 

(ausgenommen $«mto»tr unb grontfurt a. SW.) 

£nir$ unfett birelten Serbinbungen mit btn meiflen ©tobten ®eutf<hlanbS, granfreU&S unb bet 
©dbrncij finb mir im ©tanbe, SBeihfel in beliebigen Sehnigen unb ©ichten jum billigten Souri abjugeben. 

SIBit nehmen Sehräge non 3 2)olIar$ unb aufnwti «n unb johlen ieberjeit bet Wüdgobe eineb bei uni 
gelauften SBed&feli b«i ©elb bofür »hne Slbjug jutüef. 

©I. Souii, SWo. Singelrath # Satt*. 


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StaatS*$(gentur. 
für Jnfprücfje an t>ic ^eneraf-^tegiernng. 

St* £ o u i 3, 28. ganuat 1'865. 

Der Untergeichnete burch ben ©oupenteur Pon 2JttjTouri gum Spegial* Agenten für Betreibung ber 
flnfprüche Pon Staatsangehörigen an bie @eneraT*9legierung ernannt, macht bierbur# befaunt, baß er 
mit bem heutigen bie Srunftionen feines SfatteS angetreten hat unb baß eS nach bem ©efefcc pom 13 . Fe¬ 
bruar 1864 feine befonbere Aufgabe ifi, alle SInfprüche auf ^enfton, Bountpgelb ober rücfgdngigen Solb 
Seitens ber SBittmcn unb SBaifen perjlorbener Solbaten pon 2ttiffouri ober Seitens folcher SJiiffourt* 
Solbaten, »eiche im 5lriegSbienfle ber Bereinigten Staaten bienjluntauglich tourben, mie fte ihm Pon ben 
ßofalägenten in ben eingelnen SountieS Porbereitet gugeh.en, gu unterfuchen, nach Befunb für BerPoUjlän- 
btgung Sorge gu tragen, bann nach SBafhington an bie betreffenben Departements gu beförbem unb bort 
bi$ jur Qirlebigung gu betreiben, unb bieS gmar unentgeltlich unb frei pon Auslagen, flößen ober 
irgenb toelcher Beregnung. ^ 

Office: 9lo. 65, Säumer 91o. 3, ÜRorbfeite »on ©heSnut, 
gtoifhen 3. unb 4. Straße. 

_ Stlftert Sigel, <Spe$tak%gent 

C. F. ADAE, 
cSuropäifdjes 'gftauß- unb ^edjfer-^efcßdft, 
©foefonatt, 

CONSULAT fuer Preussen, Bayern, Württemberg, Hannover, 
Sachsen, Baden, Oldenburg, Grossherzögthum und Kur- 
fuerstenthum Hessen, Mecklenburg-Strelitz und Schwerin, 
Nassau, Sachsen-Meiningen und Alienburg und 
Frankfurt a. M. 

C. F. ADAE, Consül. 

<§$a$. Sdjlciffartf), 

95 aWailt* Strafe, ätnif^ert 3te unb 4te, St. 2oui8, 2Jto. 
gabritant unb Qmporteur öon 

^riicblhiitbcvn |ttr tabil aleit Reifung, 

Unterftü$ungs=Battbflgen unb ©rabeljalter, 

Berfertiger öon orthopäbifhen Apparaten für alle Wirten bon BerMtnmungen. — Sille 
Slrten ©ummiftrümpfe untb fonftige Banbagen ftet§ borrätßig. 

Brüden bott alten ©rßßen.— Aünftlihe Slrnte unb Beine. 

HOFFHEIM ER BROTHERS, 

DeftiHateure uub gabritanten aller Slrten 

einljeimifdjer £8eine, cfiiqueure, reinem Roggen, unb 
'§5onrßon-'^l)i0ßep, 

90 Süb 3»eite <25 tr., St. £oui*, 8»o. 39 unb 34 3u>tite Str., Cincinnati, Ohio* 

SBir haben fietS ein großes Säger pon unfern (Cincinnati SBaaren oorrdthig, g. B.: 

JJort, .itlalaga, Sperrt), ^Wabfira, pluacat, datamba unb C§tngfr-H9em, 
rntb Perlaufen biefelbcn gu (Etncinnati^eifen, Fracht extra gerechnet* Zugleich erlauben mir unS, auf 
unfer ausgezeichnetes 

Bavarian Bitters 

anfmerlfant gu machen* 


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gemieteten in SRiffnntL 

dulttvirte, SDtineral* unb andere £änbereien in Sttiffouri, fo wie im 2 Bc|ten überbauet, werben 
getauft unb verlauft. 

Die Eodrmtg von Sänbereien, nach ben wirtlichen S5ermeffungen, gu 3tegierungSpretfen, wirb in 
ollen Weltlichen Staaten burch anfäffige Agenten beforgt; SanbwarrantS werben getauft, verlauft unb 
locirt; Steuern begablt? harten unb ©ermeffungen angefertigt nnb ©erlebte über SWineralfchäfce auSge. 
arbeitet; ©efifctitel vervoflftänbigt $ patente von ber ^Bereinigten Staaten Stegterung unb alle inbaS 
©runbeigentbum unb allgemeine Sanbgefchäft einfchlagenbe Arbeiten beforgt. 

Der Untergeichnete, einer ber am längten etablirten ßanbagenten im SQBeften, bat viel Seit unb 
SDTübebarauf verwenbet, um lebe auf btefeS ©efchäft begugliche $u$tunft gu fammcln, unb er verjichert aus 
Uebergeugung, bafj Stile, welche wertvolle ftarm*. ober 2Kineral=£(lnberelen im 2Be|ten taufen wollen, 
nichts ©effereS tbun tonnen, als fub gu wenben an 

H. *W. Dunstan, 

No. 44 PINB STEEET, ST. LOUIS, MISSOURI. 

fit poröftn fflofttr l« fr. JUlrodi. 

Dtefe Sßjlafter werben jeben Dag mehr unb mehr befannt. Sebermann, ber 
Sdhmergen im fftücfen ober in ber ©ruft bat, wirb na<b 
Slnmenbung eine* folgen fofort geheilt. 

©in £err tarn beute in bte Office unb erg^lt, baf? er mit Stelen Sehnte rgen ht ber ©ruft geblagt wen 
unb mit einem eingigen 9>fla|ter voUfommen geheilt würbe. (Ein Slnberer fagte baffelbe von SweumatiS* 
muS in feiner Schulter. Der lejjtere £err tann in 9to. 15 ©eetmamt Street, 9tew=UJort, obenauf, gefehe» 
»erben. SöBir beftfcen Seugnifte von Saufenben von Dottoren, welche alle voll £obeS finb. 

Teilung einer 3 er q uetfd? ten ©ruft. 

Den 7. 2Jtai 1865. 

2Jtetnc Herren t — 3m Degember 1863 würbe mein ©rufttnochen son einem fernerem Stiegel ger» 
quetfebt unb fcblimm verwunbet. 3cb würbe beftnnungSloS nach £aufe gefchafft, wo ich einige SBocben bea 
Dobe nabe lag. f&teine Slergte tonnten febr wenig für mich tbun unb ich muffte unenblidhe Schmergen lei* 
ben. Der SSlrgt badete, bafj baS StafenpfTafter, auf bie ©ruft gelegt, mir helfen würbe, idb badjte aber, ba* 
für eins von SWcotfS porofen 9>flaftern gu verfuchen. 3cb legte etnS auf meine ©ruft unb Seite, unb von 
ba an fühlte ich beffer unb war in einer SBoche gefunb, frei von Schmergen unb fähig, mein ©efchäft wie* 
ber gu beforgen. Sebermamf tann tommen uno meine ©ruft fehen, unb ich Witt ihm ein neues SBunber 
»on Leitung geigen. *3* ©uef, Sto. 2 South 0ifth Street, SBiHiamSburg, 9t. §)., DboS. SUIcocf * 
60 ., 9to. 4 unoin Sqnare. £auptofftce ©ranbreth ©uilbing, 9tew=§)ort. 3u verfaufen in 9to. 4 Union 
Square bei allen $änblern unb iebem refpettablen Druggift* 

Dupr 6 & Kretz, 

9lo. 28 ©roab*Street, Gdte bon ©ydhange^lace, 

Hent-^ork. 

datier in ©olb* unb $etroieum-Slftien. 

©ou»ernement3 = 33onb8 unb ^Bereinigte Staaten Si^er^eiten 
»erben in Gommtfjion getauft unb »erlauft. 

Saflitt, ©utler $ 6*., 

gabrilanten unb .gänbler tn 

(^dtteifc, Drnd* uitfc $a^$a^ier f 

'gttnbfaben nnb Rapier-Radien olle? jtrf, 

9to. 42 unb 44 State^Strafie, gegenüber bem „ Sitp «£otel," 
CHICAGO, ILL. 

gür Surnp en »irb ber ti5c&|te Sfllarltpreiä baar bejaht. * ^p 


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Pctttfd» -JLtnrrtKanlf(^e JHjeatsbefle 

für 

c&iferator, Jtitnfl, g8t([en|cf)aff mt6 
öfenffidjcö cScßcn. 

S^cbißirt fron * 

9lttßpl|)ß £e$Ptt>» 


ni. $al)rgang. I. ?§anJ>. 1866. 24ml-$rft. 

3panif”d)( ^illjimctUn. 

Stotl * * * 


Königin SfabeHa II. ift 35 3at)te alt, übet SIRittelgrBfje, bon lichtbrau» 
nem ^aat, bat Heine, tunbe, waffetblaue Slugen, eine Iei<bt aufgeftülpte Jlafe, 
bübfcb geformten SDtunb, ein Soutbonifcbe« ©oppelfinn, foloffale S3üfte unb 
2 lrme; ift, wenn in Toilette, eine impofante Figur, unb macht, namentlich 
Wenn fte lächelt ober lebhaft fpricht, einen burchau« angenehmen Ginbrud. Jrop 
ihrer ©röfie unb ihre« ©ewicbt« ift fte bocb Itänllich, leibet an einem oft quälen» 
ben Slechtenauäfdhlag, ber ftcb häufig an ben Slrmen jeigt unb ft«b bartnädig 
allen $eilung«oerfu<hen wiberfebt bat. Sie erfcheint »ortheilhafter wenn fte 
ftfet ober fteht, al« wenn fte geht, benn fte hat ben hin unb her wiegenben ©ang, 
ben man Subwig XVI. jufcbrieb. 

Gine Softer Fetbinanb« VII., wohl eine« ber »erworfenften SDlenfchen, 
bie je regiert, unb beffen Gbaralter laum felbft »on Slbolph Stabt ju rehabili* 
tiren oerfucbt werben wirb, war ihre OJtutter Gbriftine, Tochter be« Die 93omba. 
Gbriftine war 23 3ahre alt, al« fte ben faft fecbäjigjäbrigen fpanifcben Hönig, 
ber fchon brei ©emablinnen begraben hatte, heirathete. Sie Wat 26jährige 
SEBittwe, al« gerbinanb 1833 ftarb, ober, wie bie Spanier fagten, bei lebeitbi» 
gern Seihe berfaulte. 

3 )ie europäifcbe SDloralität bon ©ro| unb Hlein hat fuh jur 3eit entfefct 
über bie Fehltritte ber IBniglichen SEBittwe. 3)ie STageäblätter an bet Spree, bet 
Sbemfe unb ber Seine überftrömten bon Gntrüftung unb Satpre über Gbriftine 
unb ihren ©arbiften Sölunnoj. $o<h man bebenle! Gbriftine war SEBittwe eine« 
Honig«, SRegentin einet SUlonarchie, beibe« faft unüberfteigliche f?inberniffe für 
eine neue ebenbürtige Sßermählung. Sie war eine neapolitanifche $rinjefftn, 
in jugenblidjer Hraft. Sie war jubem mit Sennor SDlunnoj (jefct £erjog bon 
SRianfatej) Kr<hli«h, obwohl heimlich, getraut, wie ba« eben nicht gut anber« 
ging. Sffiet will ba ben erften Stein aufbeben? Iber für ihre beiben Äinber, 
SfabeÜa unb SDtaria Souife, jefct £erjogin bon SDlontpenfier, war bie« SBerbält* 
nifj bet SRutter eine Quelle groften Uebel«. SBor bem DU^terftuhle, ber Sßer* 



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298 


nunft unb bem bet SKotalität »ielleitft geretftfertigt, war es gerabe natf Stufen 
fin ein Stanbat. 

Sie Hinber maren eigentlidf »om Sobe beS SaterS an hoppelt »ermaif't. 
SltS 3fabetta jefn Safre alf war, mürbe ifre SDtutter »ertrieben. ©Spartero 
mürbe Regent. Ser berühmte JRebner unb Patriot SlrguelleS unb bie Sffiittroe 
beS ©eneralS SDtina mürben ifr ju ©rjiefern gegeben. Stfon nach §met. 
Saften mürbe bie SRegentfcfaft geftürjt, 3fabella, faum 13 Safte alt, für »oll* 
jäftig erllärt. ©friftine tefrte jurüd. Sfr Ontel granciSco, ein grauer 
Sünber, bet erft »or einem Safre ftarb, fotl gefliffentlicf SlUeS aufgeboten 
faben, bie jungen üttäbtfcn moratifif ju »erbetben. SieS mag Stabriber 
Stanbal fein, allein er ift bort fefr »erbreitet. 

3m 16ten Safre mürbe Sfafeda burtf bie betannten Sntriguen SouiS 
Sfilipp’S unb ifrer SJtutter an ifren jefigen ©emafl »crfanbelt, burtfauS 
gegen ifren SBiHen. Sie bat, fte flefte, fte raf’te, es falf 3ti<f ts. Sie blieb 
ifm nicft treu, fo fagt bie SEBelt. Ofne SSater, ofne greunbe, »erratfen fier, 
»erratfen bort, bie SMutter in Sffentliifem Sfanbal lebenb, abmefenb in ber 
Serbannung gerabe jur 3eit, als baS Äinb jur Sungfrau reifte, ber ©egen* 
ftanb »on Sntriguen ber £5fe unb ber ©eiftluffeit, »on ben eigenen Ser» 
manbten auf Srrmege geleitet, ©egenftanb Politiker unb militärifcfer Gom* 
plotte, fo baf fte nie einen SWinifter fatte, ber nicft fcfon einmal gegen ifr geben 
unb ifre ßrone confpitirt,'toer magt eS, möcfte man mieber fragen, ben erften 
Stein auf fte ju merfen ? Slber fte ift nitft nur ifrem ©emafl nicft treu, fo 
llagt man, fte ift au<f falftf. Sie fdlt es mit allen Parteien unb mit feiner, 
mirft man ift »or. Unb mie märe bieS anberS möglicf ? Sn jarter Sugenb 
unter ben fjänben ber GfriftinoS, mirb fte im 13ten Safre jur Königin er* 
lldrt. 3uerft »on einem progrefftftiftf en Stinifterium umgeben, mufj fte alle 
Scfattirungen ber Parteien in »etfcfiebenen SWinifterien burtfmaefen, bis im 
Safre 1854 ©Spartero unb O’SonneU baS Stinifterium Sartorius ftürjen, 
unb ifre SDtutter nacf längerer Selagerung im Sßalaft »on Steuern bie gludft 
natf grantreicf ergreifen muf.. Sie mirb »on einem ÜJUnifterium umgeben, 
meltfeS ifre SWutter f<fimpflitf aus bem Sanbe getrieben fatte. O’Sonnell, 
baS eigentlicfe £>aupt ber Serfcfmörung, »erbrdngt ©Spartero, ber fte burcf 
feinen Stauten fanftionirt fatte, unb mirb mieber »on Staroaej »erbrdngt. 
5tar»aej matft O’Sonnell mieber Slaf, biefer, natf manefen UebergangS*2)ti» 
nifterien, mirb mieber »on 9tar»aej »erbrdngt, unb fteft jeft mieber an ber 
Spife ber Dtegierung. SieS ftnb nur bie eytremen Jtuanchrungen ber »er* 
ftfiebenen Äabinette, feitbem SfabeHa bem Samen natf regiert. Sie mefr 
temporären ffiecffel ftnb faft unjäflbar gemefen. Seit bem grüf jafr 1863 
allein gab es ein Stinifterium O’Sonnell, fDtiraftoreS, Slrrapola, 3Jton*5J}a<f eco, 
3tar»aej unb mieberum O’Sonnell. Stile biefe »erfcfiebenen GfefS ftefen fff* 
menigftenS jeitmeife, erbittert gegenüber, baS Scfmert faft immer falb aus ber 
Stfeibe gejogen. Unb mie fier beim Sräfibentenmetffel, treten bie greunbe ber 
gefallenen SWinifter, bie in fofen Staatsdmtem ftefen, faft »Oe jurüd mit bem 


m 



Stutj ihre? dhef?. Sie matten gar nicht bi? man fte au? ihren Steden ftofst, 
unb jeidjnen jtch in biefet §infi<bt febt bortbeilfyaft non unfern republilanifcben 
Staat?männem au?. 

Sur bie eigentlichen ^ofdbatgen ftnb permanent, obgleich felbft ba oft 
biltatorifche Sefeble be? jeweilig bertfchenben Minifterium? au?gefübrt werben 
lönnen. Unb unter folgen Serhältniffen folt eine fcbmadje grau treu, ehrlich 
unb aufrichtig bleiben! Sie weif), bajs mit ganj wenigen 2tu?nabmen einiger 
alten ßofleute, alle biefe ©eneräie, wie O’SonneU, SHaroaej, Serrano, Sulce, 
bie beiben doncha?, dcbaque, gabata, Ko? b’Olano, Ißrim, Serfunbi, biefe 5ßo* 
lititer wie 23raüo MutiHo, ©onjalej 23raüo, Sacbeco, Mon, ißafaba £ercera, 
fie leinen Slugenblid länget baden, al? e? ihr dbtgeij wünfchen?mertb macht. 
Mit einem Mort, fie Weib, bab fte oerratben unb oerlauft ift. d? ifl ein 
ffiunbet, bab f>* ba? noch 'ft, wa? fie ift. Slatürlicben Scharfftnn bat fte von 
Sater unb Mutter her. Sie foll gelegentlich febr fcharfe unb treffenbe Setnet» 
hingen machen, wenn nicht Aber Sachen, boch Aber Setfonen. Sie bat nicht 
bie hefte Meinung »on ber Melt unb ben Menfcben — unb wie follte fie auch! 
Unb bennoch ift fte gutmAtbig, fie tann faft Sticht? abfchlagen, unb labt ftch, 
wie man fagt, oon gebermann, bie hohe Slriftolratie nicht au?genommen, 
3Ule? abbetteln. Selten unterjeichnet fie ein Sobe?urtbeil, nie wohnt fie 
einem Stiergefecht bei, wa? ihr bie foanifcbe “Fancy” unb ber Sptcb? laum 
oerjeiben. Sie ift fromm bi? jitm Uberglauben, unb nicht hoch gebilbet. Sa? 
rührt oon ihrer drjiebung her. SiebatMutb. SU? ibr im dorribor be? Schlöffe? 
ein geifte?oerwirrter ©rieftet ben Solch in bie Seite ftieb, behauptete fte bie 
grßbte ©eifte?gegenwart. Sie gebt unter ba? Sßolt ju feber Beit, unb ift gebem 
jugänglidb. Sabei ift fie frei oon aller Slffectation, wie fafl alle Spanierinnen, 
unb leutfelig im höchften Stabe, Segegnet ihr ber ©riefter_mit bem Yiati- 
cum, fo fteigt fie an? unb läfst ihn fahren, unb oft gebt fie mit ihm btei, oiet 
hohe Steppen hinauf, jum Ätanlen felbft, in bie ärmlichfte Sadbftube, unb wohnt 
ben lebten GSebeten auf ben ßnieen bei. 

Unb boch ift fie unter bem ©olle nicht populär. Sa? ©ublilum ift gänj* 
lieh inbifferent, wenigften? in bet |>auptftabt. Unb wie Ißnnte fte auch populär 
fein! Sie muf» jebem Min! ber Majorität be? dorte? gehorchen, unb ihr Mi« 
nifterium bemgemäji änbem. greilicb follte fie bann auch nicht oerantmortlicb 
fein fAr bie SAnben biefer Minifterien. Slber ba? Soll macht biefe conftitutio* 
neHe Unterfcheibung nicht, gebe? Minifterium, unb wäre t? au? dngeln ju* 
fammengefefct, wirb aber gleich unpopulär. Set Spanier ift geborener gron» 
beur — jubem ftritter Satteimann, gür ba? ©ute, wa? ein Minifterium 
thut, erhält e? leinen Sani, ober wenn e? gefebiebt, madbt ber lleinfte gehler 
wiebet SUle? oetgeffen. Sie ÄBnigin muh gulefet für Sille? herhalten, d? ift 
noch ein SBunber, bah fie nicht fchon längft unter ber Sünbenlaft ihrer )ahl* 
Iofen Minifterien jufammengebroeben ift. 

gm Äßnige hat fte leine Stühe, dr ift ihr boppelter doufin erften Stabe?. 
JUein unb fehr fdbwächlich, finb feine ®efi<ht?jüge regelntäfiig, Hautfarbe bunlel. 



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t£ 


$ aat ' ® art unb äu 9 en f<t»ar 3 . Sr fpri*t im feinften Si?lant. Raft , e bn 
pa^te älter al? bie Äonigin, fiebt er bo*, trofc häufiger fairerer Äranlbeit?an* 
fäfte, lugenbli* unb gut erhalten au?. Sbeümeife im College de France 
erjogen, bat et eine gemiffe »Übung, unb interefftrt ft* für flunft, Sanbmirtb» 

f “* J * * ba fp bem 2iteI na ^ «nb bat als folget feinen conftl 
tutionellen ßtnfluft. Ob et inet unb ba auf bie Königin einmirlt, ift eine 
Streitfrage. 3m »olle bat er ni^t ben geringften $alt, ebenfo menig in bet 
»rmee. (fr foü no<$ beooter al? bie Königin fein, unb no* mehr unter bem 
Ginfluft ber »rieftet fteben. 

. ’t^V 3 * e ‘ Uan ' ’ ft ie *‘ wiebet «W »e§ Winifterium?. 

(fr tft fe*jig 3c*rc alt unb ftebt bur*au? ni*t wie tin Sbaniet au?, obgleich 
feine Familie f*on feit bem fpanif*en Grbfolgelrieg ft* im Sanbe nieberge* 
laffen haben fott. (ft ift febr fräftigen SSrperbau?, obgleich er anfängt ein 
toenig gebeugt ju geben, über fe*3 guft bo*, mit graublauen Singen unb 
einer betten ©efi*t?farbe. Sein £aat ift blonb, fängt aber an bebeutenb iu 
ergrauen. Seine Slafe ift ftumpf, unb burib irgenb einen Unfall ein menig na* 
ber einen Seite gebrüdt. Gr ift eine febr impofante gigur. Qt bat fi* ftet? 
in ber ©emalt, unb obgleich fein Wann Don ©enie, bat et bo* gefunben Wen* 
f*enoerftanb, unb feine SRube giebt ihm groben »ortbeil über ba? impulftoe 
unb manfelmütbige Semperament ber Spanier. Seinen greunben ift er treu 
unb gegen ©egner nidjt unoerföbnli*, Gigenf*aften, bie faft immer im Politiken 
Sehen einen Grfolg fubern. . 

Gr ift jebenfatt«, ohne beftimmte politif*e Ueberjeugungen ju haben, mo* 
nar*if(b, unb e? ift mSgli*, ba| er Sfabella für unmögli* hält. Gr mürbe 
aber bann für ben»rin ä Don Slfturien fein, mit einer SRegentf*aft, bie nur ihm 
jufatten müftte. Gr ift au* mobl ber befte Wann, um in Spanien ju regieren. 
Gtgentli* populärift er au* ni*t unter bem SBolfe. Gr ift eben ber Stifter 
ber 3ufte«2Jlilieu*»artei, ber Union Siberal, jufammengefe&t au? ben Wöbe* 
ritten unb halben aller «Parteien, unb jufammengebalten but* ba? Sntereife 
bet Seute. Gr ift ni*t für eptreme Wa&regeln, fu*t Spanien bauptfä*li* 
materiell } u »erbeffern, unb bie Wittelflaffen fmb fo jiemli* für ihn. Sie 
Spaltungen ber anbetn »arteten merben feine eigene immer in ber Webrbeit laffen. 

Sie realtionäre »artei ift gefpalten in bie Ultramontan=»riefterli*en 
unb in bie eigentli*en Woberabo?, bie mobl au* für Sbron unb Slltat 
finb, aber bo* bem 3abrbunbert SRe*nung tragen, unb bem »olle eine 
bef*ränfte Summe Don greibeit jugefteben motten. Sie »rogrefftften 
eine atterbing? febr jablrei*e unb intelligente »artei, jerfatten in con* 
ftitutionette Wonar*iften, mel*e atterbing? ba? Äönigtbum febr einf*ränfen 
motten, aber feinen 2Be*fel ber Spnaftie münf*en, unb in Sol*e, bie biefen 
®e*fel münf*en, mit bem meiteren »lan bei «Bielen, eine Bereinigung 
Spanien? unb »ortugal?, ein Sberien, } u Stanbe ju bringen. G?partero ift 
ba? £aupt ber moberirten »rogrefftften, ober Dielmebr ihre gabne Gr ift eine 
Slrt fpanif*er Safapette. Seine Uneigennüpigfeit, feine politif*e Gonfegueiy 


feine Gharalter*Weinheit unb militärifcpe Süchtigfeit haben ihm, bem $erjog 
oon Sictoria, einen großen Ginflufs im S3otCe oerfcpafft. (Sr hat fic£j freilich 
überlebt, aber baS weifi baS Soll nicht ober will esi nicht wijfen. SWehrere 
SBetfuche, ihn non ber Spifce ber Partei ju oerbrängen, fmb mifsglüdt. 

Sie aoancirte Partei ber Srogreffiften ijt Oertreten, was baS ©ehim an* 
betrifft, burch Dlojaga, Webner unb Staatsmann »on grofjet Sebeutung. SaS 
Schwert biefer graltion ift ©eneral fJJrim. 

Son 3uan fßrim p fßrato, (Scnbe be WeuS, SiSconbe bei Sruch, SDlarqueS 
be los (SaftiHegiS, ift ber Sohn armer (Sltern, unb oerbanlt AUeS, was er ift, 
wie bie meiften bebeutenben Wtänner Spaniens, feinem SWuth unb feinem Sa* 
lent. Seine erfte Sporen erwarb er ftcb gegen bie Harliften — befonbern 
Wuhm im gelbjug gegen tDiarolto (1859), europaifcpen Wuf in ber meyifanU 
fdjen Gfpebition, ober oielmehr im Aufgeben berfelben. Gr ijt Abenteurer in 
beS SBorteS ebelfter unb auch oerwegenfter SBebeutung. gaft fünfjig (fahre 
alt, ift er mittlerer Grobe, ftarlfchuftrig unb breit über bie SBruft, unb be«h 
fcblant wie faft alle Spanier. Sehr blafj ober oielmehr olioenfarbig, 'ift fein 
fpaar unb SBart blaufchwarj. Wafe etwas breit, BJtunb grob, unb ein gut* 
mütbiger, man möchte faft fagen frbeler, AuSbrud geigt fiep auf feinem Geliebt. 
Gr ift febr muthig, unb fdjredt üot Wichts jurüd, wenn es feinen Gprgeij gilt. 
Gr ift, aber baS ftnb faft alle Spanier, guter Webner, unb feine Webe im Se* 
nat, bie mehrere Sage burepbauerte, unb worin er feine ^anblungSweife in 
Wleyilo rechtfertigte, bem fiaifer Wapoleon (helfen greunb er früher war, unb 
ber ihm aus einer gewiffen Sympathie für Abenteurer jum li'ommanbo ber fpa* 
nifchett Streitmacht oerbolfen hatte) lühn ben Jfjanbfchub in’S Gefuht warf, bie 
bereinigten Staaten als baS gröbte unb mächtigfte Soll pinfteHte, welches bie 
3Jtonroe*S)olttin ttofc ber jefeigen SBirren (es war im (fahre 1863) oinbiciren 
unb bie granjofen aus bem £anb treiben würbe, war in oieler i>inft<ht ein 
SWeifterftüd. Sie Härte jwar nicht oiet auf, namentlich oerhüHte fie eher 
fßtim’S eigene hochfahrenbe fptäne, aber baS war Wohl eben ihr 3w«d. Gr 
fptacb, mit £ülfe oon nur geringen Wotijen, mit Wupe unb gajfung, hier unb 
ba mit $umor unb (faonie. Unterbrechungen fchienen ihm erwünfept, unb er 
beantwortete fie meift fcperjpaft unb nur leicht hin. Seine ^Bewegungen beim 
Weben waren leicht unb grajiöS. Gr erfdjien in elegantem Wlorgen*An}ug, 
wie baS hi« üblich in ben öffentlichen Serfammlungen, feine Keinen fjänbe 
mit ben untabelpafteften Gtace*§anbfchuhen betleibet, bie um leinen SßreiS 
währenb beS WebenS auSgejogen werben bürfen. (Jn ber fpanifdjen Gefefcge* 
bung lann fchon aus biefem Grunbe nicht leicht eine Soyetei ftattfinben, wie 
baS anbertpärtS wohl fchon Oorgelommen ift. 

Srim nahm in ben leiten (fahren eine rüdhaltenbe Stellung gegen bie 
£of* unb biplomatifchen Greife ein. Gr erfchien feiten bei ben Aufwartungen, 
nahm wenige Ginlabungen an, unb empfing Wiemanben in feinem fjaufe, als 
feine gtorteigenoffen. WichtSbeftoweniger fah er bie Königin oft unb ftanb 
hoch in ipt« Gunft. Wod> oor jwei (fahren ftanb fie Sßatpe für fein jüngfteS 

3 


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ffinb, was fie fonft nur ihren Serwanbten gegenüber thut, unb bie Saufe 
nmrbe mit grober Stacht im spalaft felbft abgebalten. Watürlich regnete es 
©efd)enfe. p 

3n ben Blättern machte bagegen ber ©enerol »iel »on ftch reben. gebe 

feiner Bewegungen würbe bem Sßubtifum mitgetheilt. 6t ift ein grober gäger, 
unb alle feine 3agbpartieen in ben ©ebirgen »on Solebo, wo er hauptfäthlich 
ben ffiilbfhweinen nachflellte, würben in gehöriger gern »on ben 3ournalen 
regiftrirt. ©r felbft fpricht faft nie öffentlich, ober fcbreibt, ohne ju »erftehen 
ju geben, bab ihm fein Sagen in ben SierraS höher ftehe als alle Solitif unb 
jebeö Amt. — ©in bicfeS Such, mit einer Stoffe »on £oljf<hnitten »erfehen, 
im 3ahre 1862 erfdhienen, erjdhlt bie gahrten unb Shaten beS Son 3uan 
Stim. GS ift burchauS im Stpl unferer amerifanifchen “electioneering 
documents” gehalten. Sei SarteUSemonftrationen, Sanierten u. f. w. 
fehlt er natürlich nie. 211$ »on ihm im 3ahre 1864 längere 3eit leine Webe 
war, »ublicirte et »löblich einige Sriefe in bem $auptorgan bet Srogrefjtften, 
3beria, über feinen Aufenthalt in Amerifa, bie SotomaoArmee u. f. w. 
welche natürlich wieber baS Auffehen auf ihn Ienlten. Seltfame Weifen unb 
»löbliche ©tfdjeinungen hier unb' bort, bie man mit einem AufftanbSoerfuch 
eines WegimentS in Salencia in Serbinbung brachte, »eranlabten eine Aus« 
weifung »on Seiten beS Waroaej, im 3ahre 1865, bie inbeffen D’Sonnell, als 
er an Waroaej Stelle trat, wieber aufhob. 

Seine jefcige Schilberhebung ift befannt genug. 2BaS will Stint ? wirb 
man fragen, ©r will obenan fein, baS ift ungefähr Alles was man unb w 
er felbft weih, ©rhebt ftdj ein bebeutenber Sheit beS SolleS für ihn, fo muh 
ihn bie Königin ins Stinifterium rufen; will baS Soll nicht »or bem Shron ber 
Königin flehen bleiben, fo wirb er bie Wegentfchaft ambitioniren. An eine 
Wepublit benlt er nicht, unb er ift ju gef<heit> um ben Staunt eines 3herien 
jut SBahrheit machen ju wollen. Sie Spanier würben jwar gem*Sortugal 
attnejiren, »ielleicht felbft unter Seibebaltuftg ber portugieftfdhen Spnaftie. 
Aber bie Swtugiefen wollen Durchaus nicht »on Spanien »erfchludt fein. Ser 
Spanier habt unb »erachtet ben Sortugiefen, ber Sortugiefe habt unb fürchtet 
ben Spanier. Gin folcheS Sberien würbe grantreich ohnehin nicht buloen; eS 
hat gerabe f<hon a n einem ftarten Stalien genug, ßnglanb würbe »ielleicht, 
um grantreich ju fcbwächen, feine ©inwtHigung geben, aber boch nur ungern 
ba Sortugal faft nur englifche Golonie ift, unb baS Königreich 3berien als erfte 
SWorgengabe ©ibraltar »erlangen würbe. 

Srim’S Aufftanb wirb wohl mifglüden. Sab O’Sonnell, 3a»ala unb 
Serrano »ielleicht mit Stint in Ginoerftänbnib treten tonnten, ift möglich; 
benn ba in Spanien, wie fdjon SBellington fagte, jwei unb jwei burchauS nicht 
öier mäht, ift bort Alles möglich- $och Wahrfheinlich ift es Durchaus nicht. 
— Serrano, Sugue be la Sorte, hat felbft eine grobe 3utunft. ©r fteht hoch 
in ©unft bei ber Königin, ift ein SWann Don febr glänjenben Planieren, guter 
Solbat, nnb man fagt, unermeblich reich. Seine grau, eine ber glänjenbften 


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803 


Schalheiten Spaniens, hilft feinet Popularität. Gr ift bis ju einem geioiffen 
Grabe liberal, namentlich interefprt et fiep für baS SC-opl bet Golonieen. Gr 
ift ein feinet flopf, unb rüdfichtslos wenn es fein muß. 

SSBenn man non fpanifdjen Größen bet Deujeit fpricßt, fo barf man bie 
beiben GondjaS nicht Pergeffen. 3n PuenoS ÜlpreS geboten, ftnb fte noch ge* 
wanbter unb glättet als bie Spaniet felbft. SDanuel, bet leitete, SDarqueS 
be Suero, ift guter Solbat unb burcßauS talentooHer Politifer; et ift lange 
Präfibent beS Senats getoefen. gofe, bet jüngere Pruber, ÜDarqucS be (a 
$abana, obgleich auch fDilitär, bat leine große Deputation als fotzet. Gt 
War früher GcneraI4tapitain non Guba unb ift ein febr gewanbtet unb fchlauet 
Äopf. 3bte SebenSbefchteibungen ftnb fpannenbe Domäne, wie eS benn übet* 
baupt in Spanien faft leinen bebeutenben Staatsmann ober ScpriftfteHer giebt, 
bet nicht Stoff liefern lönnte ju ben interejfanteften SenfationSnooellen. gaft 
Ule waten fchon ein halbes Sußenb SDal jura Jobe »erurtheilt. gaft deiner, 
bet nicht wochenlang in Schluchten obet in keltern oerftectt jugebracht, ober feine 
gludht aus heilem unb über bie Sicher genommen hätte, .geute SDinifter unb 
General, morgen Perlleibeter glücbtling. Sille haben mehr ober weniger in 
btt Verbannung gelebt. SEBet nicht gleich in ben erften Sagen eines Slufjtan» 
beS bet fiegtnben Partei in bie $änbe fällt, unb bann felbftoetftänblich in 
24 Stunben erfchoffen wirb, hat bie heften 2luSfi<hten auf eine SWinifterftelle. 
— Pofaba £errena, Salaoeria, bebeutenber ginanjmann, Permubejbe Gaftro, 
Galberon GollanteS, faft Pier Sabre SDinifter beS auswärtigen unter 0’Son* 
nell’S erfter Slbminiftration, DioS DofaS, ein Debner erfter filaffe, llepanbet 
SDon, waten bie Parlamentsgrößen bet Union Siberal. Sie beiben Seßteren, 
fowie bie GonchaS, waten aber juleßt mit 0’Sonnell jerfallen unb hatten eine 
Upterfchattirung bet Partei gebilbet 

Sie ultra=montane Partei hat gat leinen £alt in bet Irmee, ebenfo we* 
nig in ben Stäbten, laum noch auf bem Sanbe. Sie Geiftlichleit in Spanien 
ift ohne SDittel, ihre Gütet ftnb alle eingejogen, unb bie fungirenben Priefter finb 
fcßlecbtbefolbete StaatSbiener. 3lUe DlönchSllöfter unb faft alle DonnenHöfter 
ftnb aufgehoben; bie Kirche fucht noch in ben Sehranftalten unb Schulen p 
Wirlen, allein bie fehr in Plütße gelommenen greifchuten entjiehen fuß bet 
Datur bet Sache nach ihrem Ginfluß. Gigentlidje Staatsmänner jäßlen nur 
feht wenige ju biefet Partei. Sie Grjbifchöfe unb Pifcßöfe, bie traft ihres 
SlmteS im Senate fißen, repräfentiren faft allein biefe Deaction. Siegüßrerber 
SDobetaboS, wie Datoaei, Serfunbi, Piluma,ftnb oiel ju mobern liberal, um 
ihr bie ßaftanien aus bem geuet ju holen. Pei $ofe hingegen ift biefe litcß* 
liehe Partei immet noch ftarl. Ser päpftlicße DuntiuS, Sorenjo Parili, ift bie 
leitenbe Seele bet ÄamariHa. Gr ift ein »ielgereif’ter, feinet fDann, bet lange 
in Sübamerila als Pifchof gelebt hat, üon einnehmenben Planieren. Gt führt 
bie hefte Safel in Dlabrib, unb ift bei ben Samen feht beliebt. Set Peicht* 
pater bet Königin, bet alle ihre Sünben ju Pergeben hat, ift ein Perfchmifcter 
Pfaffe, mit einem fehr Pulgären, finnlicben Gefiepte, unb überhaupt Pon unan» 


m 


genehmem Reu&ern. Gr fott großen Ginflufe auf bie Königin haben. 3hm 
jur <Seitc fteht ^oma§ Sgleftaä, ber £itular*Patriarcb bon Snbtcn, ber inbeb «in 
feiner 2Belt* unb #ofmann ift. $er Garbinat*Gr 3 bif<bof bon Xelebo, (ber be* 
rühmte gratre Giftllo larliftifeben Hnbenler.g) unb ber Garbinal*Grjbif<bof bon 
Surgog, feit flurjem Grober beg Prinzen ton Rfturien, eineg f<bioä<bli<ben 
Änaben bon 8 Sauren, ftnb bag febtoere ®ef<büfc ber ßirebe. 2)afj aber felbft 
biefe Kamarilla bei £ofe nicht mehr allmächtig ift # bat bie Rnerlennung beg 
fiönigreidhg Italien betoiefen. Söenn man bon biefer Äamarilla fprid&t, barf 
man bie Sdhtoefter Patrocinio nicht bergeffen. Sie lebt in einem Älofter in 
Rranjuej, unb obgleich früher febon einmal bon ben ©eriebten toegen angebli* 
(ber äBunberthätigleit beftraft, ftebt fte boeb no<b im ®erud? ber #eiligleit. Sie 
behauptet bie ffiunbenmale Gbrifti (stigmata), toie ber heilige granciglug, 
an ftcb §u tragen* $ie Königin hält grob« Stüde auf fte unb foH fte febr 
häufig um geiftli(ben Rath befragen. 2Ug in Rranjuej eineg ber Regimenter 
lürjUdb reboltirte, flüchtete fte eiligft nach Rlabrib. S)ag Sollt ba&t unb ber* 
fpottet fte. Gg giebt bie pilanteften $arrilaturen auf biefe Rönne, fotoie auf 
ben fönigli<ben Seicbtoater, bie febr berbreitet fein müffen, ba fte Photographin 
ftnb. 

SSie ftarl bie republilanifcbe ober bemo!ratif(be Partei in Spanien ift, 
läfct ftdb ni<bt leidbt ermitteln. $er großen Rtebrjabl nach beftebt fte aug 
Ridbttoäblern, benn nur Sürger, toel(be 20 Sollarg birelte Steuer jablen, ftnb 
Söäbler. Gg ftebt alfo laum in ihrer 9fta<bt, toenige Se§irle auggenommen, 
ftdb Repräfentanten in ben Gorteg gu oerfebaffen. 3ubem haben feit ben lepten 
brei Qabren bie Progrefftften fotoobl alg bie $emofraten ftdb, ben Sefdhlüffen 
ihrer Gentral»Gommitteen gemüb, aller Rbftimmungen enthalten. Son je gab 
eg ftarle bemofratif<be Glemente in Spanien, befonberg in Rrragonien, Gata* 
lonien unb beh baglif<ben Probin^n. $)ie Gommunal*greibeiten toaren 
immer bebeutenb, unb nie bat Spanien ben $rudt einer eigentlichen centralen 
Sureaufratie fo gefühlt, toie granfreidb unb mehrere Staaten 3)eutfcblanbg. 
3)ie Gonftitution bom 3ahre 12, obgleidh fte eine monarcbifdbe Spifce hatte, toar 
bemofratifeber alg bie bieler Republilett. ®ie neue fpanif<be S)emo!ratie ba* 
tirt inbeffen bon ber frangöftfd&ert gebruar*Rebolution, unb tourjelt nidbt in 
ben alten Fueros (Pribilegien) beg Solleg unb ber Gommünen. Sie ift focia* 
Iiftif<b*communiftifdh, unb hat begbalb ihre Stärle in ber Rrbeiterbebollerung 
ber großen gabrilftäbte, befonberg in Gatalonien. Sie lebt in Sbeorieen unb 
Programmen, unb bat toohl toenig pr^ftifebe Sebengfäbigleit. 3n ben Gafti* 
lien (üRabrib auggenommen) unb in Süb*Spanien ober Rnbaluften, hat fte 
toenig Anhänger. Rur in ber Probinj ®ranaba hat ber Socialigmttg, ber* 
bunbenmit Proteftantigmug, toie toenigfteng bie Regierung behauptet, eine 
Stätte gefunben. 2)er republifanifebe Slufftanb bon Soja, nahe bei ber 
Stabt ®ranaba, bor einigen 3ahren, an beut biele Sanbbetoohner Zfyil nab* 
men, gab ben Setoeig babon. 

Seit einigen gahren inbeffen ftrebt bie 2)ento!ratie, ft<b ju einer mehr 

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praltif<b*politif<ben hattet gu machen. (Sine Spaltung mar bie ftolge. 3n 
ber £auptftabt reprdfentirt bie Discussion unb El Clamor Publico bie fo* 
rialiftifcbe £enbenj, unter gübrung bei febr geift* unb talentvollen Libero. 
2)ie polüifcbe mirb burd? bie Democracia vertreten, rebigirt Von bern ebenfo 
geiftvoHen [Rebner unb Schriftfteller Gmilio (Saftelar. Gaftelar ift Profeffor 
ber ßiteratur unb alten Sprayen an ber 2Jtabriber Univerfttdt, Von allen Stu* 
benten, bte faft title jur bemofratifchen Partei gehören, vergöttert. 

©ne Serenabe, bte man ihm im Slpril lebten 3abre3 bringen mollte, gab 
befanntlicb SBeranlaffung §u bem Straben*£umult in 2Rabrib. $ie [Regierung 
fdjritt gegen ihre ©emobnbeit brutal ein, unb unfchulbigel 33lut mürbe ver* 
goffen. S)er Sturj bei *Rarvae3*2Rinifteriuml mar bie golge biefer Unbefon* 
nenbeit, an ber inbeb [Rarvaej perfönlich feinen $beil gehabt haben foH. 

Gmilio Gaftelar bat eine grobe 3afunft. Spanien gebt aHerbingl einer 
groben [Revolution entgegen; el mirb aber mehr eine [Revolution bei ©eiftel 
fein. 2Rilitär*Gmeuten unb 2Rilttär*$iftatur merben nicht mehr lange in 
Spanien bie ©efd?i<fe bei Sanbel bebingen. 3bre 3^it ift vorüber. Gin 
2anb von Gifenbabnen burchfchmtten, mie el Spanien jefct ift, in bem bie 3nbu* 
ftrie in ben lebten 3abwa einen fabelhaften 2luff<hmung genommen bat, beffen 
ÜDtittelflaffe fid? ju SBoblbabenbeit unb [Reiibtbum täglich mehr emporbebt; ein 
ßanb enblich, in meinem eine folche altive Preffe ihre $bätigfeit entmidelt (in 
■JRabtib allein erfreuten breipig tägliche politifche 3ritungen, unb an 90 mif* 
fenf<haftli<be unb gemerbliche 3ournale), in bem in ben lebten Qabren bal 
Giementar^Schulenfpftem fich über alle Stabte unb Stdbtchen verbreitet bat, 
mag mobl ben Summelplafc großer Parlamentarier Kampfe, lann aber 
nimmermehr ben Sd&auplafc von gelungenen Äafernen*[Berf<bmörungen abge* 
ben. 

©eneral Prim mirb biel mobl fchon jefct erfahren haben. — $iefe lebten 
3eilen maren eben gefebrieben all bie Nachricht eintraf, bah Print mit einigen 
bunbert 2Rann bie SBaffen niebergelegt unb bie Portugiese ©renje über* 
febritten habe. $amit ift feine Grbebung am Gnbe. Gl tauchen ©erüchte auf, 
er merbe allbalb fein Grfcbeinen in Slrragonien ober Gatalonien machen, unb 
bort gemib mehr Grfolg haben. 3)iel ift febr §u bejmeifeln. Prim fonnte 
ebenfo gut in Gatalonien ober Slrragonien mit einigen [Bataillonen ben Slufftanb 
beginnen, all in ben Gaftilien. Gr mu&te mobl überzeugt fein, bab bal %zx* 
rain im [Rorben nid?t für ihn günftig mar. Ohne Gipartero faun er bie grobe 
2Rebrbeit ber Progreffiften auberbalb bei $eerel nicht mit fleh fortreiben. 3a 
Gatalonien ift jubem bal bemofratifche Glement vorberrfebenb, unb bie $emo* 
traten mollen 9lid&tl von Säbelmirtbfchaft miffen. Obgleich bie fpanifebe $e* 
mofratie bem $of unb ber [Regierung entfliehen opponirt, bat fie bil jefct noch 
nie mit ben progreffiften fraternifirt. Sie vertragt fich beffer mit ber äuber* 
ften [Realtion all mit ben bpnaffifch^conftitutioneHen liberalen, bie fie nur 
halb ehrlich unb für gefährlicher hält all felbft ben Ultra montanilmul. SBie 
überall, berühren fich auch in Spanien bie Gytreme. SBarurn Prim in Slrran* 


m 






jue$ unb Hütta, beibei Orte, burch ©fenbahnen, ba$ evfle nach Süben, bai 
Sweite nach korben, nur 1 ober 2 Stunben üoä SWabrib entfernt, §ur Schilb* 
erbebung erwählte, lann nur baburd? erllärt werben, bafr er auf einen 8Uf* 
ftanb in ber £auptftabt S^te. 2lu3 bemfelben ©runbe gog er fich, uw 3eit 
3 U geben, in bie ©ebirge non $olebo jurüdf, welche nur wenig entfernt bon ben 
©fenbahnlinien nach ©tobrib liegen. #ätte er auf Katalonien rechnen tönnen, 
ober $lrragonien, fo tonnte er leicht bon $lrranjue$ au« über 3Uta la bie ©fen* 
bahnlinien nach Sarragoffa unb Barcelona erreichen. 3« Sfobalufien unb 
Kftramabura, baS wujjte er wohl, War fein gelb für ihn. $ie Äönigin ift po* 
pulärer bort als irgenb fonftwo in Spanien, unb bie fübfpanifche ©eoölferung 
hat ohnehin baS 3eug in fich, einer fteoolution §u wiberftehen. S)ie gegen 
©rim gefchictten ©eneräle operirten baher gan$ smectmäjng, inbem fte haupt* 
fachlich bie üftöglichfeit oerhinbem wollten, bah fich bie 3nfunettion nach üftor* 
ben werfe. Sie waren ficher, bah wenn SJtabrib, ober Sartagojfaunb ©arce* 
lona nicht für ©rim aufftänben, feine ©efahr in ©ranaba, Korbooa, Sebilla 
ober Kabi§ brohe. ©rim in bie (fnge §u treiben unb gefangen ju nehmen, lag 
nicht in ihrem ©lan. 2)ie fpanifche Regierung ift nicht naio genug, fleh einen 
3efferfon 2)aoi3 auf ben £als ju laben. 


$it j>d)lad)t mf btm «ift. 

( 1579 .) 

©on Gatpar ®ttp. 


ÜDtit fernerem Schlag pocht SllbaS ©fenfauft 
2ln jebeS Stabtthor nun in Stonnertone, 

Unb eine 3*nne nach ber anbern sauft 
(fr aus ©atabiaS alter ÜUtauerfrone. 

So lüdenhaft ift fchon ber 3a<fenfrans, 

Unb Sllba fliegt oon Siegen noch SU Siegen; 
Sfat ©oben labt er ftols bie krümmer liegen, 
ffion Stauch gefchwärst, oon ©lut begoffen gems. 

©on SRaarben’S £obtenfelb ift fchon bedungen 
S)er Sobgefang §u beS Slümächt’gen ©reife; 

S)ab burch ©errath bie gefte warb beswungen, 
©iebt hob’re SGÖeihe nur ber alten SBeife; 

$enn über Seichenhaufen Sobgefang, 

3ft ber ©efchichte altgewohnter Älang, 

2)er ja noch heute nicht gans auSgefungen. 


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307 


Schon bulbigt Stmfterbam bei Stegerd Macht, 
Ser Surgerfreibeit lünft’ge Metropole* 

Srei Monbe Sommer noch, fein SGBinb »om $ole, 
Unb Sllbad SRiefentoerl, ed ift »oHbrachtt 

$o$, »er bu bift, unb lag berdrblretd fd^ott 
gaft übertounben bir §u güben, 

Unb Hängen auch in aller jungen Son 
Sie Sieber, bie ald Sieger bi<h begruben, 

Socb leinen Sag ringft ber Statur bu ab, 

SSBie leinen Stern bem hoben girmamente. 

3»ei Singe fpotten beiner Macht: bad ©rab 
Unb, ftots auf i b t e Macht, bie Elemente! 

Ser ffiiitb ÜRorboft! ein gr&b’rer Sieger hält, 

SDer äßinter, ben Sriumpbsug burch bie Sanbe; 
Sie gegen bad gabrbunbert fuh gefteHt, 

Selbft $lbad Macht fchlägt er in eifge Sanbe. 
SBilb tobt ber Sturm; non Senad fernem ©fe 
Unb non Sibiriend eifgen ©anberblöcfen, 
pfeift er ein feltfam Sieb in fcbarfer SBeife 
Surch £ollanbd öbe, raube Sanbedftrecfen. 

Sein Sieb toie ed in fchmüler Mitternacht, 

Sad #erj beraufchenb, burch bie Süfte siebt, 

®n Sieb ber Gbba, bad in 9torbf<heindpra<bt 
3n falten Strahlen fo nerjebrenb glüht, 

Sie, ©fedpfeile, töbten unb nerberben, 

Ser ©cbe enblich Schidfal fchon anfagenb, 
Sorbeten fdjon, in Sturmaccorben Hagenb, 

Sab alle ©rbenflammen enblich fterben, 

Sab auf ber Menf<hb«it Scheitel, ben nicht mehr 
Umfragen, acht ambroftfch meidje Soden, 

Sich enblich fenlen meibe ©fedfloden, 

Sid lalt bie ^erjen toie bad 9torblanbdmeer, 

Unb bie Ser]üngungdfräfte etoig ftoden. 

Sluf Sllbad £e$r fällt grimm ber falte Siorb, 
Soch grimmer noch ift feined Sufend ©rollen. 
Sicht in ©ranabad Suft, ber blütbenoollen, 
illang berrifcher je fein Gommanbofoort* 

Ser ©eufen glotte liegt, umftreut oon ©fe, 
©efeffelt, nab* am Stranb in engem Sanbe; 
Äein Segel führt binmeg fie mehr oom Sanbe, 


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308 


SaS ftill gemorb’ne Meer verbot bie Weife. 

Sum ©türme ruft bie fpanifdbe Srompete, 

Sie £eHebarbe fei ber Gnterbalen, 

©efeffelt auf gefrontem SegeHalen 
Ser MeereSfalfe jerrt ber Äette Sräbte; 

SeS SübenS Ärieger lecken nach ben Sehen, 

Sie hier ber Worb in ihre £anb gegeben! 

©ie ftürmen.an, ©antiago! tontS im £eer, 

Saft ift erteilt bie erfte ©dbtffeSplanfe; 

SBer hält bie Reiben an auf eifgetn Meer ? 

Sem $erjog fcheint’S, als ob bie Sß^atcntjr manle* 
Sie fteben ftill nach erftem Anlauf fdjon, 

Gin breiter ©raben §iebt ft<b um bie glotte; 
GaftilienS Rector ift baS Üffiilb entflog, 

Gin 2Ijap jeber ©eufe, ihm jum Spotte! 

Gin fcbntaler GiSmeg, ben fein ©eufenbeil 
3erbaun, ber einige 2Beg ju biefen korben. 

So<b brauf heran, f(bon fturjt ber ©<blad?tenteil 
Ser tobeSlühnen Männer aus bem Worben. 
Schnell mie ber SEBinb, in ihrer SBinterrüftung, 
Sie Gifen angefchnallt, brauf fchnetl fte gleiten, 
SBertaffen ©ie ber Schiffe ftcb’re Srüftung, 

Schnell mie ber Sob auf glatter glur ju fchreiten. 
Sie nicht gebebt in ©an SotningoS SBälbern, 

Sei Mühlberg trofcten fcharfen beutfehen ©peereit, 
3>n SuniS ftanben feft auf blut’gen gelbem, 

Sie GonquiftaborS beiber £emifpbären: 

Gin milber Slnfturm — unb gebroden ftnb 
Sie Leihen, Spaniens $elbenf<haaren meinen, 
3u Gife frieren ihre blutigen Seichen, 

3u fcharf blieS beut’ beS Horbens ©eufenminb! 


Hcbtr Mt JJopularifmmg ber mcMrimfdjcn 

mifltttMaft 

33on ®r. * * * (Hcm^orf.) 


SBenn mir bie miffenfchaftliche Sbätigfeit unferer 3eit mit ber ber früheren 
Sahrhunberte üergleicben, fo fällt uns eine Grfcheinung alsbalb in bie 2lugcn, 
bie bemolratifche £enben$ ber SBiffenfchaft, baS Streben, bie Wefultate aller 
äBiffenSgmeige jum ©emeingut 2111er ju machen. SaS Snbimbuum foö mög* 


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309 


liefe ft frei teilt, im m5gti*ffen ©enufe alle« Slngenefemen, alle« S*8nen, aller 
Grrungenf*aften be« 2Renf*engef*le*t«. Sol*e »eftrebungen, iReformatio® 
nett, mürben »on jeher »on ber einen Seite »erfefeert, »on bet anberen über® 
ftfedjt. Sutfeer maefete bie »ibel jum ©emeingut be« beutf*en »olfe«, unb feit 
biefer Seit feat ft* bie «pDputarifation^tenbenj in geometriftfeer «Reifee gefteigert, 
fo bafe jefet fotefee »eftrebungen feiner »efürwortung mefer bebürfen. 3m ©e» 
gentfeeil, ei wirb halb bie 3eit tommen ober ift »ietleicfet fefeon gefommen, wo 
man ifete ©renjen beftimmen, wo man bot ben ©efaferen warnen mufj, bie 
gerabe ba« Streben, alle« SBiffen Stilen jum ©gentfeum ju macfeen, ber ©nt« 
widelung ber 3Renf*feeit jur greifeeit bringen tann. Sa« »opulariftren förbert 
ben Silettanti«mu«, beffen ©efaferen ja genügenb betannt ftnb. 

3n feinem 3weige unfere« SBiffen« wirb wofei mefer popularifirt unb mefer 
bitettirt als in ber SRebijin, in ber «Bijfenf*aft, bie am innigften mit bem 
menf*li*en SBofel unb SBefe »ertnüpft ift, bie tägli* für bie moberne ©oitifa® 
tion eine größere SBi*tigfeit erringt unb halb ifere gewichtige Stimme im «Ratfee 
bet »öltet wirb ermatten taffen. Sie SRebijin war in iferen Stnfängen eine 
»olf«tfeümli*e. gebet gamilien»ater curirte feine ganje gamilie, feine «Rinbet, 
Scfeaafe unb »ferbe na* alten gamilientrabitionen, na* feerrftfeenben religio' 
fen Slnftcfeten. «Ra* unb naefe jei*nete ft* liefet ober 3ener befonber« in 
manuellen $ülf3leiftungen bei tfranffeeiten au«; ei bilbeten ft* gebammen 
unb Gfeirurgen, bie natütü* au* bie innere SRebijin »erfafeen. SRefer ober 
weniger war bie 2lu«übung ber Teilfunft mit ber «Religion, mit ben Stüfeen 
berfelben »etbmtben; bei allen »ölfetn ftnb bie »rieftet Präger mebi|inif*er 
©faferungen gewefen ober feaben bafür gegolten. 3m weiteren »erlauf ber 
3eit treten bie Slerjte mefer felbftftdnbig auf, unb unfer 3aferfeunbert ftefet bie 
Teilfunft, bie ft* jefet mit SRiefenfraft ju einer SBiffenf*aft emporarbeitet, im 
offenen Kampfe mit ben Srabitionen ber fiir*e unb beten »ertreter. So* ba« 
feilen rufet immer no* jurn großen Sfeeil in ben Tänben be« gamilienoater« 
unb bet fotgenben «Kutter, bie je na* iferem »ilbungäftanbe bie ©aben ber 
Hygiaea jum SDBofet ober SBefee bet Sferigen »erwenben. Sie 3Biffenf*aft, 
taftlo« unb rü<ffi*t«lo« fortf*reitenb, mufete für eine furje 3eit f*einbar ba« 
feiten als «Rebenfa*e befeanbeln; ei galt, eine ft*ere »aft« für bie Teilopera¬ 
tionen ju gewinnen, ft*ere SBege für bie ©tennung ber Jfranffeeityt aufjufin® 
ben. 3 n fot*en 3eiten ift natürti* bem Talbwiffen, bem Silettiren faf» etwa! 
»ere*tigung gegeben, ft* geltenb ju ma*en, unb unfere 3eit feat barin ©rofe» 
artige« geleiftet. Tafenemann füferte unter ber gafene ber »erwäfferten Sojen 
Saufenbe »on ©läubigen jum Siege; bie TomBpatfeie errang ft* fogar einen 
Seferftufet an einer beutf*en Unioerfttät. »riefen* f*wemmte alle Ärantfeei® 
ten au« Sllt unb 3»«9/ Kei* unb .Slrm mit taltem SBajfer feerau«. Sem 
Sauet S*rotfe war bie« ein ju falte« »ergnügen, er fubftituirte ba« warme 
SBaffer. Strtfeur Sufee, pteufeif*er »efteppebient aufeet Sienften unb Seftfeer 
grofeer Teilanftalten in ber SBeltftabt fiötfeen, ftrei*t 2Ragncti«mu«, ben wunber® 
baren, unbegreifbar unanftaftbaren, au« feinem »arte in feine 3ucferpül»er*en, 


m 




hält but<h feinen ffliden ©fenbapnjüge im fchnellpen Jahren ftitt unb bitbet 
einen magnetifchen pol für Äupfer, Silber unb ©olbmünjen aul aßen beutfdjen 
®auen. 3 « ber alten ßaiferPabt ®o$lar, mit ihren geheimnipbollen, uner* 
grünblichen uralten 23ergmerfen, mo ßobolbe unb S^erge ibr heintti<hel SBefen 
treiben, häuft ber jefcige Äönigl. £annob. ®ehcime RRebijinalrath, Witter b. 
Sange, früher ein Schufterlein, aber bon ®ott mit munberbarer ©npd?t in bie 
®ebeimniffe ber Statur begnabigt. ©infam manbelt er an ben alten falben 
unb fucht ju heiligen 3 eiten bie beilfamen SJunberlräutlein, braut in ftiHer 
ÜÄitternacht unter 33eten unb Saften ben ®efunbheitltranf, unb fpenbet bei 
SRorgenl in feinem flurgarten bie glafche $u einem preupifchen Scaler ben 
burftigen Äurgäften. 25er [Baumfcbeibt’fcheSebenltoeder medt bie Seichtgläubig* 
feit bei leibenben RRenfchengefchlechtl, bal 3ournal für Saumfcheibtilmul giebt 
„nnffenfchaftliche 33egrünbung“ ber Sebenlmederei, unb S9aumf<heibt fährt, bon 
hier Schimmeln gezogen, lä(helnb an ben Uniberptätlgebäuben, an ben llini* 
(eben 5lnjtalten [Bonn’l vorüber. Soll ich bon Hmerita fprechen ? ©n 93fid 
in bie 3eitungen rnirb mir bie Säuberung hiepger #eilfünpler bermanbter 2Ctt 
erfparen. 25er Unterfchieb jtoifchen alter unb neuer SBelt ift nur ber, bap bie 
nadte Profa ber neuen in ber alten noch bon einem poetifchen $audj umgeben 
ift. 

©ine fo allgemein verbreitete ©rfebeinung, eine fo allgemeine flranlheit 
berbient toobl 93ea<htung, ba fie tief in ber menfchlichen [Ratur begrünbet 
fein mup. ©8 ift bie Neigung bei 3Renf<hen, bal ihm Slupergetoöhnliche höher 
ju fteden als bal, mal fuh ihm alltäglich bietet; je fonberbarer, je frember el 
fuh feiner 3 nbibibualität entgegenfteHt, befto geneigter ift er, el $u fdjäfcen. 3 $ 
brauche nur an bie ®efcbi<bte ber berfchiebenen [Religionen $u erinnern, um 
eine unenbliche [Reihe ber treffenbften ©eifpiele bor bie geiftigen Slugen ju füp* 
ren. 3 efct, mo nach unb nach ber 3 »eifel an ben pofitiben ©laubenlfäfcen 
immer meiter verbreitet toitb, tritt an bie Stelle einer poptiben [Religion etmal 
mirffich Poptibel, bie SBiffenfchaft bon ber Statur. UeberaH ihre [Riefenarme 
hin aulbreitenb, faft frernb bem gemöhnlichen 33ilbunglgang gegenüber ftehenb, 
bietet pe für biele 3»eiflet an ber poptiben Religion bal [Material gum ®lau* 
ben an unbegrünbete Phantapeen unb Spielereien, bie $um $heil unbemupte 
SGßieberholungen bon Slnfchauungen früherer 3ah*hunberte pnb. 25ie SBiffen* 
fchaft hat bie ®efefce ber Bewegung unb gegenfeitigen ©inmirlung ber £tm* 
melltörper erfannt unb berechnet; ber ©laubenlftoff fuchenbe 3 &*ifte an ben 
poptiben [Religionen lebt in aftrologifchen Jräumereien. ®ie SSBiffenf^aft hat 
e$ all pcher bemiefen, bap beftimmte Steile bei ©ehhrnl bepimmten Jbätig* 
leiten beffelben §um Sifc bienen. 2>ie Phrenologie ergeht pch in ben aben* 
theuerlichften unb tübnften Spetulationen über bie $ebeutung ber berfchiebenen 
Änochenborfprünge am Schäbel, bie meiftenl nur all 3Ru3felanfä$e bon 93e* 
beutung pnb. 2)ie 2Biffenfd?aft hat mit ©folg ben eleltrifchen Strom bei ber* 
fchiebenen Seiben bei menfchltchen Organilmul angemanbt; ber burdp bal 
reiche [Material über ©eltricität unb [Magnetilmul bermirrte Dilettant fcbmämtt 


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311 



für thierifdben HJtagnetiSmuS, für Somnambulismus, Spiritualismus unb an« 
bere 3Smen ähnlicher Slrt. 

2)odh belennett mir es frei, nicht btcfe Steigungen beS menfchlichen ©eifteS 
allein begünftigen Stflettiren unb (Eharlatanerie in ber £eilmijfenf<haft. Qi n 
grober Xheil berSchulb liegt an $enen, bie bie Söiffenfdbaft auSüben, an ben 
praftifdhen Slerzten. 3eber frage feine eigene (Erfahrung, befonberS hier in 
Slmerifa, unb er mirb leicht bie Slntmort finben. Stur vottftänbige Süchtigfeit 
unb Eingebung beS Erstes an feinen ©eruf, vottftänbige SBahrheit über baS, 
maS bie ffiiffenfdjaft vermag unb maS fte bis jefct noch nicht leiften fann, mirb 
Sicht unb gortfdhritt fdhaffen, unb mirb bem mirflidh gebilbeten Slrjt eine Stel* 
lung geben, bie baS Sluffomnten jebet (Eharlatanerie unmöglich macht. Slber 
auch bie ©rünber unb Sräger unferer mebicinifchen Sötffenfchaft fmb nicht ganz 
frei von Sabel zu fpred&en. Sie verfdhmähten, burch ihren ©influh, ihre Sluto* 
rität ben (Errungenfdhaften ihrer gorfchungen auch unter ben Saiett $eimath zu 
geben, zum Sheil allerbingS in bem begrünbeten ©emufjtfein, bah fte menig 
Vorbereiteten ©oben finben mürben, benn bie mebicinifchen ©rrungenfdbaften 
fmb nur $ent verftänblidh, bem bie naturmiffenfchaftlidhen Stefultate nicht fremb 
ftnb, unb gerabt bie Slnmenbung ber phpfifalifchen unb dhemifchen ©efefee 
unb Unterfudhungsmethoben, bie Slnmenbung ber naturmiffenfchaftlidhen ©eob* 
achtung im meiteften Sinne beS SBorteS, bie ©eobachtung beS gefunben unb 
franfen SWenfcpen als ein naturmiffenfchaftlicheS Object, mie jebeS Slnbere in 
ber unenblidben gormenreihe ber Organismen, haben bie SWebijin auf ben ffieg 
gebracht, ber fdhon jefct bie fdbönften erblidten la&t. 

SBährenb auf bem ©ebiete ber popularifirenben Staturmiffenfdhaften ©a* 
men mie Siebig, ©ogt, ©urmeifter, ütttolefdhott, Schieiben in bem ©tunbe Silier 
leben, hat auf bem engeren ©ebiete ber ©tebijin einen allgemeinen befannten 
Stameu ftdh vorzüglich ©odt errungen, unb fein ©uch über bie gefunben unb 
franfen ©tenfdhen mirb gelefen unb um Stath gefragt in aller Herren Säubern., 
©erbient biefeS ©uch eine foldbe ©ebeutung, erfüllt eS ben 3u>edf, ben Saien 
mit ben ©rrungenfdhaften ber mebicinifchen SBiffenfchaft vertraut ju machen? 
3dh glaube nicht. SDtan benfe nicht, bah *<b aus ärztlichem gntereffe ein foldheS 
©udh, baS jum Sheil als Stellvertreter beS SlrzteS bienen miß, tabele. Sitte 
foldbe ©ü<her, bie bem Saien ben Slrzt entbehrlich machen motten, arbeiten bem* 
felben nur in bie $änbe. Sn unberufener £anb müffen fehr oft bie £eilungS* 
verfuche ©erberbungSverfuche merben. S)o<h maS fott ich meiter einen foldben 
unmürbigen ©inmurf miberlegen? ©ocfS ©uch enthält viel SBahreS, aber auch 
viel £albmabreS, viele perfönlidhe Slnftchteu, mit benen er fo ziemlich allein in 
ber miffenfdhaftlidben SBelt ftehen möchte. Sticht bie (Erfahrung eines 
Einzelnen, fonbem bie (Erfahrung Sitter bilbet eine ffiiffenfdbaft. 2)aS 
möge man auch bei ber ©eurtbeilung beS ©odffdhen ©udbeS fefthalten. ©odt 
trägt ©UeS im Stogmenton vor, unb barunter ©tandheS, morüber bie Unterfu* 
dhimgen faum begonnen haben. Saburdh befommt ber Saie ganz falfche Sin* 
fohten. er vergibt, bah bie ©tebicin in ihrer jefeigen naturmiffenfdbaftlichen ~ 



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312 


SRicßtung «ne feßt junge ift, baß überall nocß große Süden auSjufüllen fmb, 
unb tritt bem SBirlen bes Strjteä, beffen ßöißfteS Streben eS fein muß, jeben 
einjelnen ÄranlßeitSfatl ju inbioibualiftren, mit biefen Sogmen, bie bei ißm 
GlaubenSfdße geworben ftnb, ßemmenb in ben SEBeg. ©od felbft behauptet in 
feinet S<ßlußbemerlung, baß nur wenige Uranlßeiten mit Sicßerßeit ju erlen» 
nen feien. 3$ mBcßte baS nic^t als maßt jugeben. Gin großer Sßeil Bon 
ßranlßeiten ift jeßt mit Sicherheit ju ertennen; aber freiließ nur mit Aufbietung 
aller £ülfSmittel, unb nur Bon einem tü<ßtig geübten unb gebilbeten Arjte. 
fflenn es aber nach S8od fo feßwierig ift, jfranlßeiten ju ertennen, wie lann er 
ba glauben, baß es bem Saien möglicß fein werbe, bieS mit $ülfe feiner turjen 
unb ungenauen Angaben ju tßun, wie lann er benfelben Betleiten, eigener Gin» 
fußt ju Bettrauen ? Unbebeutenb erfeßeinenbe Symptome ßnnen für ben erfaß» 
renen Arjt fußere Anjeidßen einer gefaßrbroßenben ßranlßeit fein, IBnnen ißn 
befdßigen, berfelben Borjubeugen. Sffiie will ber Aicßtarjt wißen, wann biefe 
Spmptome wirtlicß unbebeutenb, wann fte bebeutenb ftnb ? Aun, ba wartet er 
einige Sage, bis er ben Arjt ruft. SiefeS einige Sage warten lann übet Seben 
unb Sob entfißeiben. So<ß eine eingeßenbe ßritil beS ©od’fdßeri ©u<ßeS ju 
fdßreiben, liegt nießt im Ißlan biefer ©etradßtung. «DlBgen biefe wenigen ©e» 
merlungen genügen, um jum eigenen Aaißbenten über biefeS Bielgelefene SBert 
anjuregen, baS, üß wieberßole es no<ß einmal, unftreitig Biel ©erbienftlüßeS 
entßdlt. 

3a, bann foH woßl ber Saie überhaupt grembling bleiben in ber mebicini» 
f^ßen SEBiffenfcßaft! —SunßauS nießt. Gr foU Bielmeßr barin reeßt bewanbert 
werben, aber ni<ßt mit ben Ginjelßeiten, fonbem mit ben $auptfa<ßen, mit ben 
leitenben Gehanten. Unfer SSBijfen meßrt ftdß täglicß fo ungemein, befonberS 
in ben pofttiBen Aaturwiffenfdßaften unb ber SWebicin, baß baS reitße «Material 
ftßonjeßt nur mit SDlüße Bon einem Ginjelnen beßerrfeßt werben lann. Saßet baS 
Auftreten ber jaßlreiißen Specialiften für Augentranlßeiten, elettrifiße S3eßanb» 
lung u. f. w., eine Grftßeinung, bie jum ernften Aadßbenlen aufforbert, ba ße 
geigt, wie fdßwierig eS felbft für ben gatßmann ift, fuß alles mebicinifcße äBiffen 
anjueignen. Unb boeß muß er eS; benn nur ber Arjt, ber mit ben $eilerfol» 
gen unb ^eifoerfaßren in allen einjelnen Specialfdißem ber SWebicin Bertraut 
ift, wirb im Stanbe fein, eine gegebene Äranlßeit rießtig unb allfeitig aufju» 
faffen in allen ißren Betriebenen ©ejießungen ju bem complicirten menfcßli» 
dien Organismus, ju ben biefen Organismus umgebenben Agentien. Sie 
Aufgabe bet ÜTOebicin, beS ArjteS, ift eine großartige. GS gilt, bie Mefultate 
aller gorftßungen auf bem gefammten Gebiete ber Maturmijfenfeßaften im wei* 
teften Sinne beS SBorteS auf ben menf(ßli(ßen Organismus anjuweuben, ju 
bem 3»cde ißn mögli<ßft tüdßtig, möglußft Bolllommen ju madßen unb 
ju erßalten. 3n folißem Sßun muß ber Arjt Bon bem Saien unterftüßt 
werben, unb um bieS ju ermßgliißen, muß bem Saien ein ©erftdnbniß gegeben 
werben Bon ber ©eretßtigung, Bon ber Gefeßmdßigleit folcßer Anfcßauungcn. 
Gr muß Bertraut gemaeßt werben mit ben ewigen, unwanbelbaren ©efeßen, bie 


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in ber ganzen Schöpfung ihre (Geltung haben; er mufs burchbrungen merben 
bon bem©ebanfen, bafc ber menfchliche Organismus feine Ausnahme bon ber 
allgemeinen Aegel bilbet. 3n groben 3öflen muffen ibm folch! $hatfa<hen 
mitgetbeilt merben, nicht in ermubenben Aufzählungen bon Einzelheiten. Am 
Kranfenbette fann bann immer ber Ar$t berfuchen, bie Anmenbung ber aHge* 
meinen ©efefce im einzelnen gall §u geigen* S)ie populären mebicinifchen 
Shatfachen füllen ben Ar$t nicht entbehrlich, fonbern unentbehrlich machen, 
follen baS Vertrauen, ben ©laubett einflö&en, ben früher Sie Apoftel für bie 
emige Seligfeit anregten, follen bie heitere 9tuhe eines mijfenben 2Renf<hen ge** 
ben, bie bis jefct noch feine pofitibe Religion gegeben hat. 3)iefe ©ebanfen, 
bie jefct überall $ur lebettbigen merben, follen mich leiten, menn ich eS in 
einigen nachfolgenben Auffäfcen berfuchen merbe, ben Aichtarjt etmaS mit ber 
mebicinifchen SBiffenfchaft bertraut $u machen, menn ich seige, mit melchen un* 
enblichen Schmierigfeiten bie mebicinifche 3orf<hung ju fdmpfen hat, menn ich 
enblich auch einen Söli d in bie hoffnungSboUe äufunft unferer herrlichen SBiflen* 
fchaft thun laffe. 


$kij|tn aus litt (Tourt. 

.JBon ®riebrCd> fiRUud». (SWiffourt) 


ajliffouri ift eine SBelt für ftc^, mit einer gröberen ■Dtonnigfaltigfeit ber 
Scenerie, beS 33obenS unb feiner Erjeugniffe, als bielleicht in irgenb einem an* 
beren unferer Staaten $u finben ift. $er Heinere Xheil nörblich bom üftiffouri 
ift gleichartiger unb bilbet, bie ^lufmieberungen (bottoms) unb bie hügeligen 
$öhen$üge (bluffs) in ber Sftähe ber Ströme abgerechnet, im ©anjen eine mel* 
lenförmige Ebene mit ungefähr halb 2Balb* unb halb $rärie*©runb, bom 9Jtif* 
ftffippi bis jur ©renje bon KanfaS unb AebraSfa, mobei jeboch £iefe unb ©üte 
beS SöobenS im Allgemeinen bon Often nach Sßeften tyn ftetig junehmen. 
Aus Mangel an SBerfehrSmitteln mirb jeftt noch ber größte Xfyixl beS trepchen 
SöobenS, ber namentlich ungeheure Kornernten $u liefern im Stanbe ift, als 
SBiehmeibe benutzt. 2)o<h bieS mirb balb anberS unb beffer merben. Sobalb 
bie Aorb*9JtiffourU99ahn fertig ift, mirb ein 3b>eig berfelben (bie $halbabn), 
hinlaufenb jmifchen bem nörblichen Ufer beS ÜRifjouri unb ber £annibal*St. 
3ofeph s ©ahn, bis jur ©ren$e bon KanfaS gebaut merben, unb fpäter mufs 
jmifchen ber julefct genannten S3ahn unb ber 3ama^©renje, bon Often nach 
SBeften laufenb, eine SBahn angelegt merben, melche fo leicht ju machen fein 
mirb mie bie 3(linoiS*93ahnen, ba ber ganje ©oben eine nur bon Rächen 
burchfehnittene mäßige Hochebene bilbet. Alles, maS 3&ma Vorzügliches bietet, 
ftttbet fich auch hier — nur um ein paar ©rabe füblicher, maS bie Sßinter 
fürjer macht. — SDie EountieS am nörblichen Ufer beS SWiffouri fmb trefflich 
bemalbet, haben mehr ober minber reichen Söoben unb eine 9Jtenge ber heften 
2agen für Obft** unb SBeinbau. 


21 



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314 


SSon ganj ähnlicher Befchaffenbeit mie am Unten Ufer bei Btiffouri ftnb 
auch bie ©ountiel am rechten ober {üblichen, mobei jeboch von ber 2Ritte bei 
Staatei an bie Bobengüte fid^tli^ nach SBeften bin sunimmt. Stal innere bei 
{üblichen Sbeilel unterfcbeibet ft<h bagegen von bem nörblichen mefentlicb, inbem 
el faft burcbgeben! ©ebirgllanb ift, auch beutliche Spuren bei vulfanifchen 
Urfprungel jeigt. greilich muß man auf 5UIel verjichten, mal etma an bie 
Sllpen erinnern fönnte; el giebt teinen Berggipfel, ber mehr all 1000 guß 
höher mdre all bie Stelle, mo St. 2oui! liegt, unb gerabe ber meite Büden bei 
©ebirgel (bei Ojarl*©ebirge!) ift eine großentbeil! frud&tbare unb $um 2ln* 
bau einlabenbe Hochebene. ^öblen fo grob mie bie Btammutbboble in ßen* 
tudp, Biefenquetlen, mie el menige in ber SOßelt giebt, prächtige Bergftröme, 
meitbin ftcb ftredenbe ©ranitsBiffe, einzelne munbevbare Bergtegel (mie bie be* 
tannten ©ifenberge), milbe Schluchten — befonberl an ben füblichen ©ebirgl* 
abbdngen —, entyüdenb fchone, partartig von ÜEBalbftreifen burchjogene $rä* 
rieen im SBeften, auch anmutbige unbemalbete tleine Sbäler, von ©rlenbächen burdj* 
flojfen, unb oerfchiebene anbere erregen bal gntereffe bei Btanbererl. 2)er ÜBU 
neralog flebt Spuren verborgener ober auch offen baliegenber Schäle faft über* 
all, mdbrenb ber nach einer £eimftätte Sucbenbe von manchem rauben £ügel* 
rüden bal 2luge megmenbet, bil er in einem gefchüßten £bale ober auf ber 
Hochebene bal ©efucbte finbet. 5)i<ht tann in vielen biefen ©egenben bie Be* 
völterung nur bann merben, menn Sanbbau, mit Ob ft* unb SBeinbau verbun* 
ben, mit Bergbau unb gabrifmefen gufammen geben. 2)ie unerläßliche Bebtn* 
gung baju ift bie Bollenbung ber Sübmeft*Babn, mit melcber fpäter anbere 
Bertebrlmege in Berbinbung ju bringen ftnb. ^öffentlich tommt el ba$u recht 
halb. 

Unter ben von ber Sübfeite bem ÜBiffouri jufließenben ©emdffern ftnb 
bauptfacblich ber ©alconabe unb Ofage gu nennen. Star ©rftere bat feine Quel* 
len im 03 arf*©ebirge unb burchfließt faft burchmeg eine ©ebirglgegenb, mel* 
halb fein SBaffer trpftallbeU ift, mit meiftenl ftarter Strömung unb engem 
Sbalgrunbe. Star ©alconabe ift nicht fchiffbar, el merben auf bemfelben je** 
hoch im grübling gichtenbretter in großer Btenge ju Sbale gebracht. — S)ie 
Quellen bei Ofage beßnben ftch viel meiter meftlid) im gnbianer*©ebiete; er 
nimmt aber einen großen Sbeil ber Ojart^©ebirgimaffer auf unb beberrfcht 
jmifchen bem ©ebirge unb bem ÜBiffouri ein nicht unbeträchtliche! ©ebiet, in 
meinem Sänbereien von allen Slbftufungen bei Bobenmertbel ft<h ftnben, äbn* 
lieh mie am üDtoine, ben er jeboch an ©röße übertrifft, tiefer gluß ift für 
mehrere ÜBonate bei gabrel einige bunbert ÜBeilen meit fchiffbar. 

Bon ber Sübfeite bei ©ebirgel ftrömen alle ©emdffer entmeber bem St. 
graneil, ober bem 2Bbite*Biver (meiftenl), ober bem Brlanfal ju, uftb auf 
biefe Ströme ftnb bie Bemobner jener ©egenb binftcbtlicb ihre! Berlebrel bi! 
jefct bauptfddblidß angemiefen. — S)ie füböftUche ©de bei Staatei beftebt fchon 
aul SUluviatlanb, im Berlaufe ber gabrtaufenbe vom SWifftfftppi bortbin getra* 
gen — $ur Slulfüllung bei ungeheuren Bteerbufenl, melcher vor unfäglüher 


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315 


L 

Seit jwiften beit NuSläufen beS DjarJ* unb bei Gumberlanb*©ebirge8 bis an 
bi« ©tenje Bon Miffouri ftt erftredte. SDciter nach SEBeften bin bebt fit baS 
Sanb auf hohem ©runbe, inbem §öbenjüge Born J?amme beS Djatl*©ebirge8 
aus ficb weit naib NrlanfaS bin Berjweigen, fo bafj bie ©renjlinie jmifcben 
beibeit Staaten ni<bt eine Bon bet Statut gemachte, fonbem ganj nach SBittfür 
gejogene ift. 

Slut biefer Sbeil beS Staates ift teicb an Mineralien, namentlicb Gifen, 
©lei unb fiupfer, bat mitunter berrlit« gittenmalbungen, babei Biel unwirtb» 
bare? Sanb, felfige $ßbenjüge mit tiefen Schluchten, aber auch ftßne, trefflich 
bemäfferte Sbalgrünbe, beten ©ewobner, »eil bie Sergrüden Schuf gegen bie 
Norbwinbe gewähren unb bocb bie Sage hoch genug ift, fit eines beneibenS* ■ 
»ertben ÄlimaS erfreuen. Sie SSinter fmb meiftenS fo milb, bafj bie »eiben* 
ben Xbiere laum SEBoten lang beS güttemS bebürfen, unb bie Grbaltung beS 
SebenS wenig angeftrengten gleifs erforbert. 

3 n biefen ©egenben — unb ebenfo im nörblicben unb »eftlicben Slrlan- 
faS — »obnte bis jum Nnfang bet Nebellion eine eigentümliche 3lrt Bon 
Menften. Man lann fie bie ©efferen bet in ben älteren SllaBenftaaten auf* 
gezogenen Slrmeit unb Unwijfenben nennen, bie ftch eben noch fo Biel Gnergie 
bewahrt unb fo Biele Mittel errungen batten, um in ber »eftlicben SEßilbnifs eine 
glüdlichere 4?eimftätte ju fuchen. 3ln febr begünftigten Stellen lief wohl auch 
ein ©ennfploanier, ober fogar ein SflaBenbalter fit niober; aber ju einer Slri* 
ftotratie, wie in ben 5ßlantagen*Staaten, lonnte eS hier nicht Jommen. ©in 
©lodbauS ift halb errichtet, ein paar 2lder SanbeS fmb fchncll gellärt; bie 
wilbe SEBeibe nährt bie Sb»^ faft bas ganje 3abr binburch, bie Schweine mä* 
ften fuh an ben Gicheln, unb bie Sanbgrenje eines geben ift faft fo weit wie 
et fie haben will, benn baS an baS Sbal ftof enbe ©ebirgSlanb lauft -Wie* 
manb. Sie $agb Berforgt nicht nur bie ßüche, fonbem bie SEßilbbäute fmb 
auch ber $auptftoff für bie Männerlleibung unb babei ber »ichtigfte Slrtilel 
für ben Sauftbanbel. Sie nßtbigfte ßenntnifi ber ©erberei heften bie meiften 
Männer, »äbrenb bie grauen bie felbftgejogene ©aummolle Rinnen unb ent* 
»eber allein, ober mit SEBoHengarn jufammen §u Berfchiebenartigem Suche »e* 
ben. Slut baS nßtbigfte Schubjeug wirb im §aufe gemacht. 3ft eine grßfjere 
©elbauSgabe nßtbig, fo tbun fit einige Männer jufammen, ftlagen gitten* 
ftämme unb flß&en biefe auf bem SEBbite SHioer ober feinen Nebenflüßen bis ju 
ben Sagemühlen; bie beffer Gingerichteten ergeben ficb bagegen nach unb 
nach einen ©iebftanb an, unb fenben mit beträchtlichem ©ewinn (weil baS Gr* 
jieben faft leine Äoften matt) ihre Maultiere nat ben ©lantagen*Staaten, 
unb ihre SRinber unb Stiere nat ©t. Souis unb anberen ©rofjftäbten. 

greilit toitb 2lHeS, waS Bon fiaufmannSgütern gebrautt wirb, teuer 
burt ben weiten SranSport, bot nitt getabe übertrieben. 3m $erbfte, wenn 
bie ffiege trodner fmb, wirb ein SEBagen mit brei 3ot ©tfen befpahnt unb 
jum beguemften ^anbelsplafce 100 bis 200 Meilen bin gefahren. 2)er. 3eit* 
aufwanb wirb wenig in Slnftlag gebratt,benn man matt eine©ergnügungS* 



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316 


reife. 2)ie Spiere unterhalten ftch felbft, inbern man fte Kachtg meiben Idht. 
2 )ie Männer günben ihr Lagerfeuer an unb erquiäen fuh an Sped, Srob unb 
Äaffee, mag menig foftet. Koch ehe eg eine Gifenbahn in ÜKiffouri gab, machte 
ich eine Keife nach 6pringftelb (180 teilen fübrneftlid? bon 6t. Louig), unb 
fanb, bah Kaffee bort gerabe nur um einen Gent bag Sfunb theurer mar, alg 
mo ich ihn taufte. 

Alg bie Kebellion augbrach, maren bie Semohner jener Gegenben in 
ihrer Politiken Geftmtung gleich geteilt, unb eg ift begreiflich, bah ber 
(Streit bon biefen Katurmenfchen bon Anfang mit erbitterter Leibenfchaft ge* 
führt mürbe. gebet ber beiben Parteien galt eg barum, bie anbere gu ber* 
nichten, unb babei berfuhr man mit ebenfo menig Küdficht, alg in ber Kegel in 
ben Kämpfen gmifchen üffieihen unb gnbianern genommen mirb. $ie Ktdnner 
fchoffen einanber nieber mo fte nur immer ftch treffen lonnten, brannten 
jugleich bie Raufer ber geinbe ab unb gmangen bie gamilien gur’glucht. $ie 
Kebellensgamilien flohen fübmdrtg, bie lopalen nach Korben hi«/ unb in ben 
SBälbem bleichten bie Gebeine ber Grmürgten, mo fte noch jefct in üKenge gu 
ftnben ftnb. Gin Ktitglieb unfereg Keprdfentantenhaufeg aug jener Gegenb 
hat mir gefagt, bah, nachbem man feine eigenen Angehörigen ermorbet hatte, 
er 165 Kebellen bafüt habe buhen laffen, Alle einzeln im Sufche erlegt. $ie 
3ahl ber auf beiben Seiten Gefallenen mag ungefähr gleich fein. SBdhrenb 
jeboch bie Uniongftreiter mit bem fchnellen Abthun ihrer geinbe ftch begnügten, 
bebienten fuh bie Leitern in fielen gälien ber graufamften unb bon böllig ent* 
menfehtem Sinne geugenben Kttttel, um ihre milbe Kache augguüben. Äein 
SBunber, menn meite Segirle auf folche Sffieife faft böUig menfchenleer gemorben 
ftnb. Sei einer neulichen SBahl in einem jener Gountieg ftegte ber eine ßan* 
bibat baburch, bah er 2 Stimmen mehr alg fein Gegner, nämlich 8 im Ganzen, 
erhielt. 2)ie Gountp*0rte unb anbere Stäbtchen mürben gang niebergebrannt, 
ebenfo bie Umgdunungen ber gelber, lurg Alleg gerftört. 

2)ennod? beginnt auch in jenen Gegenben fchon jefct mieber neueg Leben 
fuh gu regen. 2)ie Geflüchteten ftnb meifteng gurüdgefehrt, unb auch an neuem 
3uguge mirb eg nicht fehlen. gene Gegenben merben nicht für immer eine Art 
bon SBilbnih bleiben; bieten fte hoch nicht menig. beg Angiehenben für $au* 
fenbe, bie in biel meniger günftigen Serhaltniffen leben, alg bie man bort ftch 
fchaffen laun, mdbrenb bort noch fu* längere 3eitLanb gu ben niebrigften $rei* 
fen ftch ermerben Iaht. geh möchte bort nicht alg Gingelner mein £eil berfu* 
eben; menn aber mehrere befreunbete gamilien gu gemeinfamer Kieberlaffung 
ftch bereinigen, fo mögen fte ftch ein lleineg Sarabieg fchaffen. Aufjer ben ge* 
möhnlichen gelbfrüchten unb Gartengemdchfen gebeihen bort Zahad unb Saum* 
molle, fomie auch alle Obftarten, befonberg Sfirftche, gu hoher Solllommenheit, 
unb am allerbebeutenbften Grfolge beg SGBeinbaueg ift nicht im Geringften gu 
gmeifeln; hat hoch ftchtlich bie Katur biefe Gegenben gur ^eimath ber Keben 
gemalt. Sebor ber ffieinberg bie eblere grucht liefert, lann man aug ber 
milben einen Labetranl in beliebiger Ktenge geminnen, inbem im £erbfte all* 



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317 


jährlich bie ©ipfel beS UnterholaeS auf toeitc Streden mit einem Hauen Sache 
»on Trauben ganj bebedt ftnb, fo bab man in lutjet 3eit ffiagenlabungen 
fammeln tann. 3«» ©anjen ftnb bie Seeren etwas ju bidfdpalig unb troden, 
unb ber SHoft enthält mehr SBütje unb Sßeinfäute als et haben foUte. Siefem 
Sillen wirb burch baS feg. ©aUiftren abgeholfen; inbem man bem Htofte bie ■ 
hoppelte UJlenge fflaffer mit 2 Sßfunb 3uder auf jebe ©allone jufejt, lann man 
einen trefflichen SEBein gewinnen. $in unb wiebet finben ftch au<b wiloe 
Stauben »on fo gro|et Sßorjüglichleit, bab es rathfam ift, bie Stöde in ben 
SBeinberg ju »etpflanjen; noch manches werth»oHe Heue mag auf biefe SSBeife 
entbedt werben. — Ser haare GtlöS mub noch für längere 3eit burch SSiehjudht 
(ißfetbe, SHaulthiere, Hinter unb Scbaafe) gewonnen werben, unb baju ift 
»iel weniger SDlühe unb Kapital erforberlich, als ber Sanbwirth in ben lultioir* 
teren ©egenben aufjuwenben hat. Ser fiebere hat theuren ©runbbefifc unb 
theure ©ebäube ju »erjinfen, hohen Slrbeitslohn ju jahlen, entbehrt bie wilbe 
SBeibe meiftenS ganj, unb lann beShalb 3ug= unb Schlad» toieb mit SBortheil 
nur bei bo<h ftehenben greifen erjiehen. 3n jenen entlegeneren ©egenben 
erjieht man 6 gohlen, Hinber, Schaafe ic. mit weniger Äoften als bei uns 
eines biefer SHere. Sie £änblet begeben ftch oft bis in jene ©egenben, 
laufen gern bie 3» unb 4jährigen ©tiere auf unb führen bie fetteften fogleidh 
ben Schlächtern in ©t. SouiS au, währenb bie übrigen an bie groben ilorn*' 
Pächter in ben reichen Hieberungen unb Htärteen »erlauft werben, welche fte 
bann nach Hefiger Strt mäften. SEBie in unfern ©rojjftäbten ber SSerbrauch beS 
gieifcheS fteigt, wie SBolle unb SlrbeitSthiere mehr gefugt werben, »erbejfert 
fith bie Sage jener SJiehaüchtet immer mehr, währenb ber Haturbefchaffenheit 
beS SanbeS wegen eine ben SSobenwerth bebeutenb fteigernbe Kultur ihnen nicht 
)u nahe rüden lann. 

©in gana anbereS SSilb (teilen bie ©egenben bat, welche burch ben SluS« 
bau unferer Gifenbahnen jefct mit einem SHale in ben groben SBeltoerlebr ge» 
jogen werben. ÜBeld) reges ©efchäftsleben entfaltet ftch befonberS an ber nun 
ben ganaen Staat burchlaufenben SJacificbabn! SBährenb neue ©ewerbS» unb 
fjanbelSpläfce in Htenge entfielen unb baS anliegenbe Sanb auf bie bödjfte 
Stufe ber ftultur gebracht wirb, bilbet ftch befonberS am weftlichften Snbpunlte 
ber Sahn, in unb um fianfaS Sit», ein wichtiger neuer EHittelpunlt für ©e« 
fchäftsbetrieb aller Slrt. Sie genannte Stabt mub ihrer Sage nach bie arneite 
beS Staates, bie nächfte nach ®t. SouiS, werben. 2lm 3ufammenfluffe bes 
fianfaS unb beS Htiffouri gelegen (gerabe Her ift auch ber SHiffouri leicht au 
übetbrüden), »on einet weithin fruchtbaren unb teiaenben ©egenb umgeben, 
ben SSerlehr »on allen Seiten au ftch heranaiehenb, fcheint ßanfaä Sit» baau be» 
ftimmt, ber wichtigfte Ort awifchen St. SouiS unb San Francisco au werben, 
wie benn überhaupt bie in biefer Breite »om Stillen Hteere bis aum Htlanti» 
fchen Dcean hin laufenben Bahnen für ben groben 2Belt»ertebr eine höhere' 
SBichtigleit erlangen werben als irgenb anbere, bie angelegt ftnb ober noch ge* 
baut werben mögen. Surch baS cpera ber Union, mitten burch Htijfouri, mub 






318 


notbfoenbig biefer SBertebr geben, uttb berfetbe mu| alle Semobner beS aud^ 
aufcerbem fo begünftigten Staates $ur hofften ^^tigfeit unb §u allfeitigem 
gortfchritte für immer anfpornen. 

ÜJtögen bie Sefer biefe Stilen, toelche ich, mit bielen anbern ernften Sin* 
gen (©efefcgebungSarbeiten) befchäftigt, jefct nicht toeiter auSfübren fann, 
freunblich aufnebmen. 


^ttManifdje ?egt«tu«. 

©on £>r. SBalbftcint* (SWi^tgait.) 


„Sie ihr Hebt ber SBölfer Sagen, 

Siebt bie Sieber eines SöolfeS, 

Sie feie Stimmen aus ber gerne 
Saufdbenb ftilljuftebn uns rufen, 

Seren Son fo f(blicbt unb finblich, 

Sab baS Obr !aum unterfcheibet, 

Ob ©efang fte ftnb, ob Diebe: — 

Saufcbt auf biefe Dtotbbautfagen, 

5luf ben Sang oon £iamatba!" 

(SS frnb jefct ungefähr elf gabre, bafj Songfeflom juerfl ben SagentreiS 
ber gnbianer burch feinen prad^tüoUen ^iamatbafang bem gröberen Sßublifum 
etmaS näher rüdte unb ihm babur(b 5 U gleicher 3eit einiges Sntereffe für 
bie 2Bünf<he, baS Sichten, brachten, ©offen unb deinen, jener bon ben di* 
bilifation gebeuten Statten abgeroann, bie man bis babin nur als foanbembe 
SBögel betrachtete unb allenfalls bon ihren ©räueltbaten, Dlauben, ÜWorben 
unb Sfalpiren ju erzählen toufite, ein ©emütbSleben ihnen aber burchauS 
nicht sutraute. SGßaS uns Songfellom nnb fein ©tamat^a mittbeilt, ftnb nur 
foldbe Momente, bie bem Sichter aus bem reichen Scgenbencompley, ber ft<h um 
jenen Diamen ranft, am poefiereichften borfamen. Sie gelehrten Kenner beS 
3 nbianerbolfeS, Ga 11 i n unb S ch o o l c r a f t, bie D3eibe mehrere gabre bei 
ben Diotbbüuten $ubra<hten, batten fchon früher eine ÜDlaffe babon gefammelt 
unb ihren betriebenen SEBerfen incorporirt, bie aber nur einen febr befchränf* 
ten Sefecirfel fanben. Surch ben Erfolg beS „£jiamatba" ermuthigt, ftellte ber 
Sefctere fämmtliche barauf einfhlagenbe ©efcbichten unter bem Sitel „The 
myth of Hiawatha and other legends“ gufammen unb toibmete biefe 
Collection bem glüdlichen $oeten. 

Sie beutfche SluSgabe beS Songfelloto'fcben ©ebichteS, bie g r e i l i g* 
rath in aller Gile beforgte, haben 93erfaffer tüie SSerleger febr menig ©lüd 
gebracht. Obgleich bie Iiterarifcbe $brafe ben Grfteren gewöhnlich als DJteifter 
beS UeberfefcenS bezeichnet, fo müffen boch felbft feine aufrichtigen Slnhänger 




319 


gefielen, baß er fub burch jene Bearbeitung nur compromtttirt bat. (fr bteÖ 
ftcb babei Diel gu Diel an ben englif<ben £eyt, überfepte baber ftetS gu mörtlidj, 
unb bie golge babon mar, baß er auf fol<be ungangbare üffiorte unb Stabil* 
bung berfiel unb babei bennodj fi<h fo häufig gegen baS Metrum berftieß, 
baß biefe Uebertragung unmöglich geeignet fein tann, bem beS Gnglifdben 
untunbigen Sefer nur eine entfernte 3foee Don ber Schönheit beS Originals 
beigubringen. Hauptfächlich trifft ibn biefer Bormurf in ber prachtbollen 
©ptfobe „ÜRinnebaba’S $ob". 

2)aS Songfellom’fcbe ©ebicht mar aber bem größeren Bublilum nicht 
allein beS Spalts, fonbern ber gorm megen neu, bie belanntlich ben finnif<ben 
[Runen entlehnt ift, beren bierfüßige Trochäen mit gumeiliger SInmenbung ber 
Stiliteration bem gangen 6ang einen folgen anmutbigen [Reig berleiben, baß 
mir greiligratb gern [Recht geben, menn er bom dichter fagt, baß ginben in 
biefem galle fo gut mie (frfinben fei. 

S)ie religiöfen Slnftchten ber gnbianer maren ber 2Raffe bisher noch ein ber* 
ftegelteSBuch; menn man fie felbft fragte, mußten fte gar nicht, maS unter bie* 
fern SBorte überhaupt gu berfteben fei. @S maren bieS Sachen, über bie fie felbft 
nur im Söinter nachbachten, um bie 3eit gu betreiben, menn runbum Sittel in 
Schnee unb ©iS lag, ein alter Baumftamm im Sßigmam glomm unb „Baup* 
pul*leemiS feine (fmte beimfte". S5ann ging’S mie in ben beutfehen Spinn* 
ftuben am [Rhein, mo irgenb ein alter Bauer mit ber großen ßlammbritle auf 
ber ÜRafc aus H°m T S gleichnamigem Buche borlaut, baS natürlich bei bem 
Snbianer ©ebächtniß unb gantafie erfe$en. 25a merben benn allerlei 9Räbr* 
chen unb Schnurren aufgetifcht, bon SIRanito’S, Silftben, [Rajaben, Unge* 
heuern, brachen unb [Riefen. 3)ie.fe Gablungen geigen uns nun ben SRann 
ber Steppe in einem gang anbern Siebte; fte ftnb ber eingige Spiegel feines 
©laubenS, SebnenS, feiner Hoffnungen unb gbeale unb beffen, maS er nach 
bem £obe ermartet. Sie fuhren ihn uns bor als Säger, Ouadfalber, Slrg* 
neier, Balabin, 2)on Suan, SRelromant, $riegSmann, 2)ellamator, Super* 
naturalift unb Sänger, ber SGßatafee, ber geuerfliege, fein Sob fpenbenb. 25enn 
ber Snbianer bat SllleS, mgS mir haben, feinen §auptberrgott ©itche 2Ranito, 
ben SReifter beS SebenS, ber einft feine Böller gufammen rief unb ihnen einen 
ÜDtefftaS, ben Hiamatba, fefeidte; er bat fein BarabieS fo gut mie baS ber 
©bnften, unb mit bemfelben Hauptcharacter; jenes „SBobnlanb beS [Rachbie* 
fern" mo 

„Labor is not known — that thorn 

Pricks not there at night and morn.“ 

Hjiamatba ßgurirt feit feinem Heimgange bafelbft als BetruS. 

25er S^taner beft^t außerbem feine Puck-Wudj-Ininees ober 25äum* 
Knge, melche einem [Riefen bie Biberfchmänge flehten; er bat feine Halben mit 
UReilenftiefeln unb magifchen Booten, bie SlDeS burcbfegeln, fogar ben ©um* 
titifee, bon bem auch fchon ein alter [Raturforfcher eine Slbnung gu haben 


ne 


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320 


föcint, lote tut? bem bot 400 Sauren gebrudften Söerle „Ortus sanitatis“ 
fcewonjetyt. 

»lit bem 2Itün*haufen ift un« ber^nbianer au* f*on betriebene gabte 
botauä. gagoo batte biele cutiofe Singe erlebt unb infpicirt. Gr fab einft 
eine Schlange mit SWenf*enbörnern unb »fetbefüßen, eine fo große Sßajfet. 
lilie, baß ein SBlatt berfelben ju Unterröden für feine grau unb Sö*ter au«, 
reichte, unb fing einen 2Ku«lito bon folget Größe, baß er einen glügel babon 
als (Segel braunen fomtte. 

Sie 3nbianer fmb geborene Spiritualiften, benn 3ttanito« berfpüren ße 
überall. 

In whatever’s dark or new, 

And my senses cannot view, 

Coraplex work, appearance stränge, 

Art’s advance, or nature’s change, 

Fearful e’en of hurt or woe, 

I behold a Manito.“ 

Siefe Geifter toaren bon »ergebener Qualität, unb führten meift mutb- 
toiffige unb bösartige Streike au«; feiten, baß fie etwa« Gute« oerübten. 311« 
Sofalfpirit« batten fte fpecietle tarnen; fo hießen j. iS. bie Geifter bon Sale 
Superior »ud Sßubf Qninee« ober Säumlinge, gebet gnbianer bat feinen 
beftimmten SJlahito, unter beffen befonberer 2lufft*t et fteßt. Sie Stürme 
waren Operationen biefer Geifter, ebenfo au* bie SBoltenbilber. Illut bie bo*. 
fliegenben Sbiere lonnten mit ihnen bireft eerlebren. 

Sa« »enbant jum biblif*en Simfon liefert ßmafinb, bet bie Steine au« 
bem Kriege jwif*en fjiawatha unb feinem SSater au« bem SBege räumt, unb 
mit Grfterem bie SBaffet bon »auwating reinigt. ' 

Sie Grbe ba*te ft* ber gnbianer al« ein Quabrat, beffen Gden bie hier 
SBinbe commanbirten. 3ttubjeteewis ober fiabepun, fjiawatba’« SSater, reprä. 
fentirte ben SBeftwinb; er batte früher ben großen 33är erf*lagen unb *m ben 
großen Sßampumgürtel abgenommen, woher ft* ba« ßrieg«gef*rei ber Sitten: 
„®h« fei bem SUlubjeleewis!" batirt. SBabur, Gatte be« aJlorgenftern«, bet 
in einer f*önen Gegenb wohnte, ftellte ben Oftwinb bar. Ser Dlorbwinb hieß 
flabinotta; er häufte im Sanbe be« S*nee« unb 2Beißfanin*en«, färbte bie 
SBlätter gelb unb ließ Seen unb glüffe erftarren. Sbawonbafee war ber Süb- 
winb; er luftwanbelte im f*läfrig träumerif*em Sonnenf*ein; er bra*te 
Stauben, SDlelonen unb galt at« SSater be« gnbianerfommer«. ©ein »ruber 
bet SRorbwinb, batte ihm einft feine Siebfte meggefif*t, weshalb er ft* ftet« al« 
f*wermüthiger unb f*wätmerif*et ßbaralter jeigte. 

Sie £auptlegenben ber gnbianer ftnb betanntli* bie Pon jjjiawatba 
unb »aupudleewi«, bie wir baher bem Sefer etwa« au«führli*er mittheilen 
toollen. 


^iawatha, ben bie Sllonquin« SDlanabojho nennen, unb ber au* unter 



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321 


eg 


beit kanten ggntgorio, ?)oSfifa «nb ÜÖticabo ftgurtrte, mar, wie borher gefaxt, 
ber inbianifche HDteffiaS; er mar Sehrer ber fünfte tmb SBiffenfchaften: 

„Sehrt* tmb untermieS ben ÜRenfchen, 

Sehrte ben Gebrauch ber Äräuter, 

SBieS baS ©egengift für ©ifte 
Unb bie Teilung aller ßranlheit." 

(Sr mar Sßhilofoph tmb $rofchet, ein Söote beS groben ©eifteS. ©r 
gli(b ben meiften aller übrigen gnbianer; er muchS als ßinb unter ihnen 
auf, baute feine $ütte, nahm fein Sßeib, jagte, ftfd^te, fang .feine firiegSlieber, 
batte greunbe unb geinbe, Kummer unb ©lenb mie jeber Slnbere. Slber er 
lonnte SBunber tbun, er befafs feine üfteilenftiefel unb fein magifcheS ©anoe, 
unb eine folche Miefenftdrle, bab er halb bie ©rbe bon brachen unb feurigen 
Schlangen gefäubert batte. 

$ie ©efchichte ^iamatha’S fangt mit ber ©eburt ber groben griebenSpfeife 
an, burdj beren SRauch ©itche ÜUtanito bie SSölterf (haften gufammenrief, bie alte 
©rbfeinbfchaften getrennt beiten. 3 u erft hielt er ihnen nun megen ihres gegen* 
feitigen .Benehmens eine berbe ^bWppila unb fährt bann fort: 

„Sfltübe bin ich eurer gehben, 

ÜUtübe eures 93lutbergiefienS, 

2Jtübe eures glehnS um föadpe, 

©ureS $aberS, eurer 3mifte. 

©ure Starte ift bie ©intracht; 

SDBaS eudb fäbrbet, ift bie 3mietra<bt; 
galtet griebe brum bon nun an, 

Unb als trüber lebt Rammen!" 

„5BiU euch fenben einen Seher, 

©inen, ber bie SBölter rettet, 

S)er euch führen foll unb lehren, 
gür eud? fchaffen, mit euch leiben. 

SCBenn ihr hört auf feinen Iftathfchlag, 

Sollt ihr fruchtbar fein unb glüdlich; 

2 Benn fein SBarnmort ihr nicht achtet, 

Schminben follt ihr unb ju ©runb gehn!" 


darauf bergruben bie gnbianer ihre beulen, machten fich pfeifen aus 
JRothftein, rnefche fie burch baS föohr beS gluffeS rauchten, morauf fie bergnügt 
heimmärts gogen. 

fiurj barauf fiel bie grau ÜftotomiS bom -Utonbe herab, mo fie auf einer 
SRebenfchaulel gefeffen, bie bon einem eiferfüchtigen kannten abgefchnitten 
morben mar. Sie gebar halb eine Tochter, bie, als fie ermachfen mar, bom 



SGBeftminbe »erführt mürbe. S3ei ber ©eburt ^iamatha’S ftarb fie. UtotomiS 
Pflegte ben Knaben fehr forgfam unb bemachte ihn auf 2Beg unb Steg, „bamit 
ihn ber rnei&e S3är nicht hole." 


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322 


5 

#iawatba erlernte falb alle Sprachen ber Spiere, unb übertraf Sitte an 
SBeiSbeit unb Schlauheit. SBenn es bie Umftdnbe erforberten, fpielte er auch 
ben £anS Simpel, unb lieb ftch bon feinen Kameraben jur 3^lf<^eibe ihres 
Spottes benufcen. Gr fonnte jebe ©eftalt annebmen, fogar als SJtanito er« 
fcheinen. Gr lief fo fchnett, bafi er einen abgefchoffenen «Pfeil wieber einbolte; 
mit feinen 3auberbanbf<huben tonnte er bie bärteften gelfen aerfchlagen. 
Seine ^ugenbfreunbe waren bie Sänger GbibiaboS unb ber Säger 3agoo, ber 
ihm ben erften Sogen machte, womit er einen fo groben £irf<h f<bob, bab fuh 
baS ganje Sorf baran fättigen fonnte. 

SllS ibm ber Umftanb, bab er Weber Sater noch Siutter batte, einigen 
©ram berurfachte, erjählte ibm feine ©rofemama §ur Serubigung, bab fein 
Sater, ber SBeftwinb, noch lebe, unb gwar in ber weitentfemten ©egenb bon 
Slngabiun wobne. SieS freute ibn fo febr, bab er augenblicftich befcblojj, ben 
Sob feiner SJtutter an ibm ju rächen, obgleich berfelbe ebenfalls bon bebeuten« 
ber Starte fein follte: 

„Sllfo reifet 1 er weftwärtS, WeftwärtS, 

Sief boran bem fchneUften ^irfche 
Sief bem Glenn bor, bem Sifon; 

Ueberfchritt ben GSconawbaw, 

Ueberfchritt ben SJtifftfftppi, 

Ueberfchritt bie ^öbn ber Steppe, 

3og burch’S Sanb ber Kräb’n unb güchfe, 

3og burdfS Sßobngebiet ber Schwaräfiijj 7 , 

Kam bann gu ben gelfenbergen, 

Kam in’S Königreich beS SöeftwinbS, 

SBo auf ben umwebten ©ipfeln 
Sab ber alte 27tubje!eewis, 

^errfdjer er ber |>immelswinbe." 

Sluf einem hoben Serge begegneten fie fuh. Ser Sater rieb ftch bor Ser« 
gnügen bie $änbe, baS Gbenbilb feiner Söenonab wiebequfeben. Seibe ber« 
lebten mehrere Sage in Suft unb greube. Sa fragte eines SlbenbS ^iawatba 
feinen Sater, wobor er fuh überhaupt auf ber 2Belt fürchte. „Sor nichts Sin« 
berem als bor jenem fchwaqen Steine, bem.SBawbedf, ber mich töbtlich ber« 
wunben würbe, wenn mich Qemanb bamit fchlüge." Sarauf holte fuh ber 
Sohn, trofc ber Samentationen feines SaterS, ein Stücf babon. Ser Sater 
fuchte fuh nun auch ein Stücf ber 2lpufma«2öuräel, beS einzigen SingeS unter 
ber Sonne, baS ^iawatba Sefpeft einflöfcte, wie ihm berfelbe aber nur pro 
forma geftanben batte. SieS gab ihm bann bie erwünfehte Seranlaffung jurn 
Streite. Gr fragte ihn, ob er bie Urfache beS SobeS feiner Stutter gewefen 
fei, waS ber Sater auch bejahte, worauf ftch bann ber fürchterliche Kampf 
entfpann. Sie fchleuberten ftch gegenfeitig Säume unb gelfen an bie Köpfe, 
wobon ber Säger noch bie Spuren fiebt. „§alt!" rief ba üUtubjeleewiS, „eS ift 
unmöglich mich umsubringen, geh lieber jurüd unb wenbe beine Kräfte anher* 
weitig an." 



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323 



„®eb jurüd ju beinern Stolle, 

Sehe mit ihm, fdjaffe mit ihm ! 

, £Rein Don Sldem, waS fte fcbäbigt, 

IDladje bu, mein Sofjn, bie Hebe! 

Ääre Strom unb lläte gifdjgruttb, 

Söbte Ungebeu’r unb Saubrer, 

Sille Schlangen, bie ÄenabeelS, 

SBie icb felbft ben 2JtiSbe*9tutroa 
Söbtete, ben grojjen SBären!" 

£iawatba nahm bann biefen Math auch an unb ging jurüd jur Molo» 
miä, bie ibn mit allerlei SDlebicinen triebet berftedte. S3ei ber £eimreife machte 
er auch bie Stolanntföaft Bon ÜDlinnebaba, ber Jobbter eines SPfeilfcbmiebeS in 
Sacotab, bem Sanbe ber fdbönen SBeiber. 

Um feiner ©rojsmutter Del unb gett für ibr auSfadenbeS $aar ju Ber* 
fbbaffen, ging et einftenS fif<ben. ©r rief nach bem flönigSfifcbe, ber aber Sin* 
fangS ni<bt lommen trollte, fonbern ibn burtb einige feiner Trabanten bbicani* 
ren lieb unb ibn julefct mit feinem äabne Berfbblang. ©lüdlibbertneife batte 
$iatoatba 5ßfeil unb ©ogert in bemfetben, Womit er bas $erj beS gifdjeS tobt* 
libb Bertnunbete. Einige 2Jtöoen babtten barauf Bon aufsen ein fiobb in 
ben Müden, tnofür fte £iamatba mit bem Mamen flapofbt ober Araber be* 
legte. Ser flSnigSjtfib würbe bann glüdlid? an’S Sanb gebracht, unb MotomiS 
fehlte eS nun nidjt mehr an Del unb gett. 

Sanatb präparirte ftcb ^iawatba ju einem Kriege mit OTegiffagwon ober 
Storlfeber, bem SWanito beS DteicbtbumS, ber ihm gegenüber wohnte. Er follte 
früher feinen UrgrojjBater gelobtet haben. 

£iawatba mabbte ftbb alfo eine SDtaffe Pfeile unb fing an ju falten. SBon 
biefem gaften hing nämlich früher bei ben gnbianern baS JlriegSglüd ab. ©3 
bilbeteben SBenbepunlt beSSebenS; deiner begann feine Saufbabn ohne biefem 
MituS Meinung getragen ju haben. SaS SDtayimum waren fteben tage. Sie 
gmaginationen beS ©eifteS würben babei als gnfpirationen angefeben. $ia* 
watba rang babei mit Monbamin, bem greunbe ber 2Jtenfd)en, ber ihn fegnete 
unb mit fürdjterlicber Starte auSftattete, unb ftcb bann julefct Bon ihm erfcbla* 
gen lieb. SlitS feinem ©rabe wutbs ber SDtaiS. Sa £iawatba feine gaften* 
jeit außerhalb ber #ütte abbielt, wollte er gern einmal feben, was eigentlich 
feine ©rojjmutter wäbrenb biefer 3«it treibe, ©r fcblicb ftcb alfo einmal herbei 
unb fab bann ju feiner größten Metwunberung, bajs fte Bon ihrem Stbafce, 
einem Sären, befutbt würbe, ber allerlei Siebeleien mit ihr trieb. Um bem» 
felben einen Stoffen ju fpielen, legte er einige Noblen über bie Sbür, woran 
ftcb ber 33är bann ganj gehörig baS ged oerbrannte. 


9la<bbem alfo §iamatba bie gaftenjeit übcvftanben, feine JfriegSlieber gefun» 
gen, gehörig getrommelt unb fpectalelt batte, fejjie er ftcb in fein ©anoe um ben 
alten SBampumberrfcber ju erfragen. 3uerft tarn er ba $u ben feurigen 



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Schlangen, melche bie $hfa bei Manito’g behüteten. $a ihn !gene nicht 
paffiren lieben, erfhob er fie auf eine fchtaue Weife. So !am er bann gurn 
£aufe sperlfeberS. $iamatha tommanbirte alg ^Kibe er bie gange Sßotomac* 
arrnee hinter fich. $ie Schlacht begann. Gin borbeifliegenber Specht ber* 
rieth ihm bie Slchitlegferfe feineg Gegnerg, beffen Stärle mie bei Simfon in 
ben Soden lag. 2)iefe fchob nun £iamatha mit feinen brei lebten Pfeilen herab, 
unb färbte bann bie Äopffebern beg Spechteg mit bem SBXute beg Ungeheuerg. 
Gr nahm ihm ben Wampumgürtel ab, fealpirte ihn unb ging bann gutüd gur 
alten ÜRolomig. 

ßurgbanachfing #iamatha einen 3if<h bon fotdher ®röbe, bab er gu beffen 
SSerfpeifung alle %tym in ber Umgegenb einlaben tonnte. $er $öär fam gu* 
erft, bann bag Dpoffum u. f. m., meghalb biefe £biere auch fa fett fmb; £afe 
unb Marber tarnen gule^t, mag ung beren Magerleit erflärt. 2110 93ef<hlub 
biefer geftibität füllte ein allgemeiner £ang aufgeführt merben. $iamatha fchtug bie 
Trommel* bagu. Sämmtlidbe ^hiere hatten fuh in eine [Reihe gu [teilen unb 
mit gefchtoffenen Slugen an ihm borbei gn marfchiren. $a mürbe bann eing 
nach bem anbem getöpft. Gine Gute merfte bieg unb aHarmirte bie gange ©e* 
fetlfchaft #iamatha lief ihr nach unb gab ihr folgen Schlag auf ben [Rüden, 
bab ber gange Körper ber Gute heute noch platt gebrüdt ift. S)ie anbem 
Shiere hatten fuh ingmifhen unftchtbar gemalt. 

Stuf einer SHeife begegnete §iamatha einjt einem Magier in ©eftalt eineg 
2 ßolfeg,berfe<hg3ungebei fich hatte. Gr äußerte ben Wunfch,auch folche gigur 
gu haben, morin ihm ber alte äauberer auch millfahrte unb ihn ebenfalls in 
einem Wolf changirte. Site fte fuh nun gufammen ihre Winterquartiere äug-- 
gef acht hatten, frajs ber Sitte eineg £ageg bie ßnochen eineg Glennthiereg, mo* 
bei $iamatha bie Slugen gugumadjen hatte, bamit ihm lein Stüd babon hineinftog. 
#iamatha fchielte jeboch unb bag Wort beg Magierg traf ein. Um fich bafür nun 
gu reoanchiren, ab er ebenfaUg einen Knochen, unb alg ber Sllte babeibieSlugen 
gefchtojfen hatte, fchlug er ihn lebermeich. darauf trennten fich bie Wölfe mit 
Slugnahme eineg jungen bon ihm. Serfelbe ging eineg £ageg aufg Gig unb 
brach big tief in bie Wohnungen ber Schlangen hinein, h>o er augenblidlich 
alg ©efährte ^iamatha’g erlannt mürbe, unb beghalb gemorbet merben 
follte. 

^iamatha ftimmte beghalb lange Qeremiaben an unb ging ihn aufgufu* 
djen. Gin SBogel fagte ihm, mo fein Siebling mar. darauf bermanbelte er 
fich ba, mo gemöhnlith bie Schlangen ihre geheimen Goncilien abhielten, in 
einen Söaumftamm, um ben fie fich bann auch gtüdlichermeife nach 23een* 
bigung ihrer ©efdjäfte fhlafen legten, darauf erfhob er ben Äönig babon 
unb ergriff, bon ben übrigen berfolgt, bag «gafenpanier. 2)a ihn bie Schlangen 
nicht einholen tonnten, lieben fie eine mächtige Sünbfiuth lommen, um ihn gu 
erfäufen, mag £iamatha nothigte, fhnell eine neue Wett gu fchaffen unb biefe 
alg fein 2lfpt gu mähten. 2)afelbft begegnete ihm jeboch fehr halb bie flagenbe 
Mutter beg Schlangenlonigg, bie er ebenfaUg mit 2ift tßbtete unb bann in 

f 


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325 


SBolfSgeftolt wieber tta<3& #aufe eilte, wobei ihn fein SJater, bet SBeftwinb, 
tüchtig unterftüfcte. 

$ort beiratbete er nun bie Tochter beS SßfeilfcbmiebeS, bie ibm früher fo 
ausgezeichnete Spieen geliefert batte. 93alb aber »erlief ihn fein guter ©eift; 
feine tpfeiTe trafen nicht mehr; er würbe febr arm unb war genötigt, fein 
Srob au§ frember #anb ju effen. 2llS er fo einft bei einer mitleibigen Seele 
antlopfte, nahm ber Setter ein Keffer unb fdjnitt bamit feiner grau ein 
großes Stüd gieifcb aus bem föüden. 2)ieS reichte er bem hungrigen $ia* 
watba b^ unb fagte: „Sieb, baS ift 2WeS, womit wir im SBinter leben." 
darauf legte er ein $fläfter<ben auf bie ffiunbe, was biefelbe augenblidlid) 
wieber heilte, «giawatba wollte banacb bie gleiche Operation an feiner 
SWinnebaba berfuchen, töbtete fle jeboeb beinahe. 

danach zeigte fub übrigens fein guter (Seift wieber; er batte wieber 
gieifcb in £üUe unb gülle unb gab feinen greunben ein äu&erft fplenbibeS 
©aftmabl, uacb welchem er fte Sille in ©tebhömeben berwanbelte. Sein wich* 
tigfteS nachberigeS Slbentbeuer bleibt nun fein Streit mit $aup*pud4eewiS, 
ber in ben inbianifchen Segenben häufig mit ihm berwecbfelt wirb. Sein 
3elt ftanb nabe am ©itebiguma, bem groben giuffe, ber ihm im SBinter Säde 
bcU gifdje lieferte. $aup*pud*teeroiS ift baS Seitenftüd §u $iawatba, unb 
erfeblug, wie er, bie liefen, 2)ra<ben unb Schlangen ber Umgegenb. ©inft 
fab er mehrere 93ibet an einem See unb lieb ftcb augenblidlicb ebenfalls zu 
einem folcben 5Lbiere umfebaffen; boeb war er bunbertmal gröber als bie an® 
bem, bie ihn beSbalb ju ihrem Oberhaupte wählten, ßutj banacb tarnen 
aber einige gnbianer, unb ba er wegen feiner (Sorpulenj nicht fliehen tonnte, 
warb er ergriffen unb tobt gefcblagen. SllS man ihm baS gell abjog, wifebte 
feine Seele wieber heraus. 3n ©eftalt eines ©lenntbiereS pafflrte ihm baS* 
felbe Scbidfal. SllS eine wilbe ©ans enbete er in einem bohlen 93aume fein 
Sehen, unb feine Seele ober 3eebi erfebten banacb wieber in menf<bli<ber 
gorm. S)a tarn er einft auf einer Steife in einen SBigwam, worin zwei alte 
SMänner wohnten, bie er um ben 2öeg fragte. Sie jeigten ihm benfelben, 
©r ging fort unb tarn sule&t wieber an bie nämliche £ütte. ©r war alfo 
\ im ÄreiS herum gegangen. 2)ocb bie Qnbianer gaben bor, grembe ju fein, 
©r ging unb tarn wieber $u berfelben Stelle.' Xa er fub borher eine 
©de aus ber $bür gefebnitten batte, war er fxcber, bah er nur zum Darren 
gehalten worben war. ©r gab alfo bem ©inen einen berben £ritt unb 
bem Slnbern eine grünblicbe Ohrfeige, worauf beibe SJtanitoeS ftarben. 
jftacb berfebiebenen ähnlichen Streichen tarn er an bie SBobnung ^iawatba’S, 
ber .er früher ftetS auSgewicben war. Xcl ^iawatha gerabe nicht anwefenb 
war, jerftörte er SlUeS in feiner £ütte, warf alles ©efebirr bureb einanber unb 
brachte alle SSögel um. 

„$adt r er um ben $als ben SRaben, 

Schwang ihn tunb wie eine SRaffel, 

Sftunb wie einen Strjeneifad, 



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326 


SBürgte Äabgelbopee ben dtaben, ' 

2 ie& bom ©iebelpfabl bei SBigmaml 
lieber Rängen feinen £ei<hnam, 

2111 ’nen Schimpf für feinen Steiftet, 

©ne Schmach für «giamatba. 

£rat er ein berftohf nen Scbrittel, 

SBarf ben $aulratb burch einanber, 
dlingl burch’S £aul in milbem SBirrmarr, 

$duff empor in traufem Stapel 
4 Msgef(birr unb irb’ne Reffet, 

Vüffeltleiber, Vibertleiber, 
ged bon Otter, Suchl ünb 2&efel, 

Sill ’nen Schimpf für bie üftotomil, 

©ne Schmach für üdinnababa." 

©nige Vögel brauten £iamatba halb bie Nachricht bierbon, unb halb mar 
er an Ort unb Stelle unb bie Verfolgung ging lol. • © jagte ibn burd? bie 
halbe 2Belt, über gelfen, Vetge, Seen unb SBdlber, unb all er ibn enbltch am 
Äragen batte, bermanbelte er ftch fchned in einen boblen Vaum unb lieb feine 
Seele in ©eftalt einer Schnede betaulfliegen, ©in Vlifc jerfd&lug fie aber unb 
fie mürbe mieber jum Vtenfchen. Vaup*puc!4eemil retitfrte barauf in bie 
jgoble einel Vergel, toorin ein alter Vtanito häufte, ber fdjned ade $büren 
forgfältig berrammelte unb £iamatba braunen fteben lieb. liefet reguirirte nun 
Bonner unb Vlifc, unb Veibe mürben in ihren mähten ©eftalten erfragen, fo 
bab fie nicht mehr leben fonnten. 

$iamatba , l Slbentbeuer enbigen hiermit aber noch nicht; el ift faum ein 
Verg in üdorbamerifa, an ben bie gnbianer nid^t meitere £elbentbaten fnüpfen. 
2111 er feine vermeintliche 2lufgabe gelöft batte, erfchien ein meiber Vogel born 
Fimmel, ber ihn ermahnte, bab feine Uhr bienieben abgelaufen fei, morauf er 
fuh bann in fein magifcheS ©anoe fefcte unb unter Älängen niedbnlich gehörter 
ÜDtttfit abfubt. 2ia<h feinem £obe fod et bie norbmeftlichen Stamme regieren 
unb ben Seelen ber Snbianer bie §immel!pforte öffnen. Sie glauben, er merbe 
mieber erfcheinen unb fein unglüdlichel Volt §u neuer ©torie bringen. 

©tmalfomifch nimmt ftchba ber Scblub bei Sonfedom’fchen ©ebichtel aul, 
mo^iamatba juleftt ben fremben Vtiffiondren fein Söigmam öffnet, bie griebenl* 
pfeife mit ihnen raucht, ft<h belehrt, Vrofelpten für bal ©briftentbum §u merben 
fudbt unb bann beim 2lbfchiebe bie Vlafsgefuhter feinem ganzen Volte all bei* 
lige 2lmbaffaboren bei großen ©eiftel empfiehlt. 


m 


3 « 



327 


Pag wrklftgfc pcutldjlatifr. 

S5on ©örj üfiimetin* (^cilbronn.) 


G3 flieht 3)tenf*en, unb oft fetjr gute 2)tenf*en, bereu SebenSweife jeber 
S3ube ba3 9te*t ju haben glaubt, Bor baS gorum ber Deffenttkbfeit ju jiehen, 
felbft w^nn ihre jjanblungen ft* gar nicht auf baS Oeffcntlicbe begehen, unb fo 
giebt eS au* 33611er, über bie anbere Nationen ftdh toieberholt ein Borf*netle3 
Urtbeil anmaften, ohne ft* bie SDtühe §u nehmen, bie Sage berfelben näher ju 
prüfen. Unb wie baS polnif*e einftenS ein fol*eS Soll tnar, fo ift baS beut* 
f<he eä jefct. So fehr ft* jebo* unfer gnnerfteS gegen bie Siebloftgfeit beS 
HuSlanbeS empören follte, fo regt ft* bo* unwillfürli* bie grage: Sinb mir 
ni*t felbft f*ulb an biefer oberflächlichen Serurtheilung unfereS SatertanbeS? 
£aben wir baffelbe ni*t felbft ohne nähere Prüfung »erllagt ? SBerfen ni*t 
wir felbft bie meiften Steine auf baffelbe ? Siefe gragen ftedte i* mir oft, 
na*bem i* granjofen, ©nglänbern, 2lmeritanern (mehrmals Seutf*»2tmeri* 
tanern), ja au* S*weijern gegenüber $eutf*lanb oertheibigt hatte, unb ba 
muffte i* benn belennen, baff, ungere*t toie SluSlänber gegen ©ermanien ftnb, 
mir S)eutf*en eS ebenfo unb oft no* mehr ftnb. Unb fo entftanb in mir ber ©e« 
bante, Seutf*tanb8 guftänbe felbft genau, unb oergtei*enb mit anbern Sößltern, ju 
unterfu*en, babei meine ©ebanlen nieberjuf*reiben unb bie gewonnenen 2lnft** 
ten einem beutf*en SeferlreiS mitjutheilen. 2Bo aber lönnte i* meine Webereien 
beffer anbringen, als in ben Seutf**amerifanif*en SDtonatS»$eften ? 3iur ba ift 
man ja liberal genug, au* flefcer ju^ulaffen! Unb fo folgt hiermit ber toefent* 
li*e 2heil biefer meiner 2lnft*ten, mit bem gwed, au* bei Slnberen ein tieferes 
©ingehen in bie Serhältniffe unfereS SaterlanbeS ju bewirten, unb 3)eutf*e ju 
BeranlafTen, ©ere*tigteit ju üben gegejt ihr eigenes §eimatblanb. 

Urtb worin beftehen benn bie Sef*ulbigungen, bie man Scutf*tanb ma*t? 
SWan tann fte alle auf bie wenigen SBorte rebujiren: Saffelbe befifct 
bem SluSlanbe gegenüber ni*t bie ihm gebührenbe 3ta* 
tionallraft, unb es entwidelt imgnnern ni*t ben ge», 
hörigen gortf*ritt. Seiber. Umftänben folt bur* bie ©rri*tung einer ' 
6 entral*©ewalt abgeholfen werben, bie na* Stuben imponirt unb 
na*gnnen r ef or mit t. So hätten wir bie ü r an I h e i t unb au* bie Bor* 
gef*riebene Äu r»3Jt e t h o b e! 

©rtunbigt man ft* jebo* nun Bot allen Singen na* bem 2Jta|jftab ber 
Seurtbeilung, wel*er obigen Sorwürfen ju ©runbe liegt, fo jeigt ft* tneiftens 
eine Unflatbeit barüber, w a S unb w ie man eS will. granfrei*s Sationalfraft 
f*webt wohl SJtan*em als Sorbitb Bor, 3J!an*em ©nglanb, Slnbern wieber 
Slmerita. Stber f*on ber erfte Slid belehrt uns, baff biefe «Rationen f*le*ter» 
bingS ni*t als na* 3 uabmenbe Seifpiele für Seutf*lanb bienen tönnen. 
SlnberS ift beren geographif*e Sage, unb total Betrieben ftnb bie Politiken 
Swecfe biefer Söller, granfrei* treibt feine jc|ige gro&e gSolitif, um ju £ au f e 



328 


bie SRapoleonifcbeSpnaftie ?u befeftigen. Gnglanb jittert unter feiner coloffalen 
Seemacht, weil e« Sßölfer be^errfdfjen mub, bie e« längft beraubt bat, unb 
Slmerifa trägt fub mit Begriffen über ein nationale.« SBacbStbum, welche 
nur im ganzen Gontinent ihre ©renje ertennen. — Ueberall Singriffs* neben 
Bertbeibigung« jwecfen, mäbrenb in ©eutfcbtanb (ift e« fi<b felbft unb 
Slnbern gerecht) nur Sefctere in Betracht ju sieben fmb. 

Gin ähnliche« Grgebnib ftellt fccb betau« wenn wir bie Slrt unb SBeife be« 
gottfchritt« prüfen wollen,- ben man »on ©eutfcblanb »erlangt. Giner weif’t 
auf. Slmerifa, ein Slnberet auf granfreicb, ein ©rittet auf Gnglanb. «Bei nä* 
berer Betrachtung ergiebt (ich Slmerifa’« gortfchritt al« golge ber gruchtbarfeit 
feine« Boben«, »erbunben mit einet ben Beichtbum an liegenben ©ütern ftei» 
gernben Ginwanberung unb ben biefer SZBanberluft gebotenen unerfcbßpflicben 
Berbienftquetten; benfenigen granfreicb« finben wir als Befultat einer reichern 
Baturunb eine« gröberen ßunftfinne«, unb Gnglanb« barin, bab e« in feinen Jiob* 
len unb feinen Golonieen fpejielle .plfSquellen bat. Slmerifa ift notbgebrun* 
gen erfinberifch in Slrbeit erfparenben unb erleicbternben SKafchinen, unb eine 
ähnliche Botbwenbigfeit brängt Gnglanb jur Ber»ielfa<bung. feiner Brobul» 
tioität, granfreicb Jur Steigerung feiner ^unft. SEBie ganj anbet« ift’« in 
©eutfcblanb! G« bat .feine neuen Sanbgüter für febe« neugeborene ßinb, feine 
Batur ift feinesweg« üppig ju nennen, e« beutet anbere Bßlfer nur burcb ebrli« ' 
«hen ^anbel au«. G« ift mehr al« alle bie anbetn genannten 58611er auf f«b 
felbft angewiefen, unb fein gortfchritt liegt in feiner eigenen Slu«bilbung. Unb 
»on biefem Stanbpunfte au«, mit billiger Grwägung berSlnfpornungen, 
aber auch ber £ i " b e t n i f f e, unter benen bie »erfchiebenen oben angefübr» 
ten Sänbet ftch auSbilbetcn, frage ich hier mein SBaterlanb: SBelcbe« 58olf - 
batammeiftengeleiftet? 

3 » ber Beantwortung biefer grage muh »or SlUem baran erinnert werben, 
bab allen jenen Sänbern, beten gröberer gortfchritt ©eutfcblanb jum Borwurf 
gereichen foH, beutfche Kräfte in bebeutenbem SDtabe jugute famen, fo bab wir 
barau« annäbernb fcblieben fönnen, was unfer SBaterlanb geworben wäre, 
wenn e« biefe Kräfte hätte »erwenben fönnen. üffienn auch für bie alte 
£eimatb einiger SBorwurf barin liegt, bab überhaupt biefe ihre Söhne unb 
©öchter auswanbern mubten, fo »ergeffe man nicht, bab feit unbenHichen 3ei» 
ten in unferen SanbeSfinbetn bie Sßanberluft ftecfte, unb bab nicht immer Sfotb, 
fonbem ein unbewubter SEBanbertrieb bie SluSwanberung »eranlabte. 2Bie 
SBenige »on un« benfen baran, bab unfer Sßeggeben unb SEBegbleiben ein fte» 
benber SBorwurf für ba§ $eimatblanb unb ein ftarfe« SBorjugSjeugnib für ben 
neuen fflobnftb ift! „SEBarum feib ihr hier?" „SEBarum gebt ihr nicht nach 
$aufe?" fragt batfcb ber Slmerifaner, unb er »ergibt, bab auf ihn ebenfo, wie 
auf un« Senau’S SEßorte paffen: 

„©Bne, SEBanbcr=SDteIobie, 

©urcb bie öben Straben. 

SEBie fo leicht einanber bo<b 
SDtenfcben fcch »erlaffen!" 



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329 



Seutfche leiften meine im Ruälanb, alä ju feaufe; aber barau3 gegen ba§ 
Saterlanb Schlüpe $u sieben, ba3 ihnen alle ihre fja^tgfeiten gab, märe boeb 
etmaä ftart. Skirum e3 nicht in ben Umgebungen unb Sinterungen fucheit, 
bie, anberä als in ber feeimath, fte umfchlieben ? ©ern böte ihnen biefe ihr 
Saterlanb, aber ift eS möglich ? ffier geredet ift, ber mirb fagen, bab in febt 
nieten gälten eS unmöglich mar. gn Seutfchlanb fehlt, mer fleht eS triefet, 
ber Spor n, ber in ungemeffenen SHrhutgSlteifen für ben 2 Jtenf<hen liegt; 
aber ift baS £eimathlanb be^fealb ju oerbammen ? $ann es bei allem ffiillen 
bieten maS Slmerifd, ©nglanb ober granfreich bietet ? Sie grage beantmortet 
fuh felbft. 

Mein um gan^ gerecht ^u fein, muffen mir auch (im SBefentlicfeen menig* 
ftenS) bie «§inbemiffe aufführen, bie unferem Saterlanbe eine ßntmidelung er* 
ferneren, mie mir folcfee ihm als ©efammtoolt, mie audh in feinen ftaatlichen 
Serhältnipen, münfehen. Unb juerft non benen, melche nationeU berfelben im 
Skge ftehen. 

Säfit man §ur Orientirung ben Seelenbltd fefemcifen über ben Sän* 
bercompley, ber einft Seutfchlanb bitbete, unb bann benjenigen, ber je&t 
für Seutfchlanb gilt, fo rnub es boefe gebem gleich auffallen, bab bemfelben an 
ber mefttidjen unb fübmeftlichen ©renje Sollet entzogen morben ftnb, bie eU 
gentlich ju Seutfchlanb gehören, bab benfelben aber an ber öftlid?en Seite Sol* 
lerfchaften einnerleibt mürben, bie beutfehem Sehen mehr als halb fremb 
finb. Sie Sothringer, dlfäffcr unb Schmei^er fehlen, unb bie Söhnten, DJtähren 
unb Solen follen fie erfefcen. 2lu<fe bürfte eS am $lafce fein, ju ermähnen, bab 
ein grober $heil DftpreubenS urfprünglich nicht germanifch mar, unb erft fpä* 
ter bem beutfefeen Reiche untermorfen mürbe; oon.^jermann an gerechnet, oer* 
lebte baS beutfefee Sol! ben grobem Xtyil feiner ReichSgefchichte ohne fie. — 
Sergeffe man nun nicht, bab bie (Sinoerleibung biefer Söllerfchaften in erfter 
Sinie an bie bei ben beutfefeen ©robmächte gefchab, unb bab fte noch immer nicht 
recht beutfefe baftehen. Surch biefe Serlufte an ber SBeftgrenje unb 3unahme 
an ber Oftgrenje ift SeutfchlanbS politifcheS Sehen ein ganj anbereS geworben. 
Sie beiben ©robmächte beftimmen bie Seicht ober SunbeSpolitif, unb tiefe 
Regierungen mieber erhalten bie ihrige in ber #auptfa<he burefe Semeggrünbe, 
bie aus biefen neubeutfehen Sänbem hetborgehen; unb fo fann man mohl fa* 
gen, bab rein beutfefee Rüäftcbten aufgehört haben, baS Schiäjat SeutfchlanbS 
5 U beftimn^n. geh meib recht mohl, bab in jenen Sänbem fortmäbrenb ©er* 
maniftrungSprocePe im ©ange ftnb; ich n?eib aber auch, bab folgen mitSähig* 
feit entgegengearbeitet mirb, unb bab in biefem Streben unb SBiberftreben 
oiel beutfehe unb flauifcfee ©eifteSlraft oerbraucht mirb, bie ber allgemeinen Ser* 
bePerung oerloren geht. Ruch barf nicht unermähnt bleiben, bab int Glfab unb 
Sothringen etn ähnliches Schminben natürlt<feer ©ntmidelung ftattpnbet, meil 
eben bort ber beutfehe ©eift ftefe nicht recht in bie gallijche Uniform pnbet, unb 
ftefe felbft unb Seutfchlanb oerloren geht. 

Rber nicht allein in polittfcher, fonbem auch in oolfsmirthfchaftlicher Se$ie* 


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bung iftbte obenermäbnte $batfa<he bon großer SQßicbtigfeit. GS gäbe gemib jefct 
eine »olle Steinigung in 2)eutfdblanb, menn bie Schmeis, (Slfajä unb Sotbrin* 
gen im beutfehen bunbe, unb bie anbern genannten ßftlichen auberbalb beffel* 
ben mären, unb ber Gintritt ber beutfehen Station in bie grobe gamilie ber 
banbetefreien bölfer märe bann längft febon bollenbete ^batfad^e. 

Gemib ift, mie |>umbolbt im GoSmoS anbeutet, Slmerifa bie bauptfäch* 
lichfte Urfache ber Steigerung alles mobernen bolfSlebenS, unb eS mirb Gebern 
einleuchten, bab baS berfchieben 2)eutf<hlanbS auf «gunberte bon Stunben in 
oftli(ber SUchtung bielfach barait fchulb ift, bab unfere bolfsmirtbfcbaft bie 
magnetifdbe $raft ber neuen SBelt in fo befchränftem SJtabe empfanb. — 
Sille beftrebungen 2)eutf<hlanbS, au(b feinen $b*il beS fo unermeblicb bergtß* 
berten bolfetberfebrS §u erhalten, mürben erfchmert bureb biefe öftlidben Sin* 
bängfel. 2)eutf<blanbS SBacbStbum fällt beSmegen Proportionen flein aus, 
menn man gan§ 2)eutfcblanb mit anbern Stationen bergleid&t. Glücflidbermeife 
lonnten Bremen unb Hamburg unbeirrt bon «gentmfebuben, bie ihnen baS 
übrige 2)eutfchtanb gemib bereitet hätte, ihren «ganbel auSbilben, unb bie 
beutfdbe Gbre retten; benn menn man biefe £anbeteftäbte als baftS beS ber* 
gfeid&S mäblt, fo jeigen fte einen ebenfo groben Sluffchmung, mie anbere rnari* 
time Sänber. 

GS mar aber ftetS meine Ueberjeugung, bab bie öfonontifdbe £an* 
bete* unb 33erfebrS*Ginigung ber politifchen borauSgehen unb fte begleiten mub, 
unb eS ift bodb biel leichter, eine foldbe Ginigung in Slltbeutfchlanb ins SBerf su 
fejen, als in bent beutfehen bunbe, mie ihn ber SBiener Gongreb aufftellte. 
S)iefe Grfenntnib fefeeint uns nun abfolut notbmenbig, um 5)eutf<hlanb gerecht 
SU fein. 

2)eutfche Seitungen mimmeln bon politifchen Slrmutb^seugniffen für baS 
beutfdbe bolf, unb bie Journale beS SluSlanbeS fehreiben eS ihnen nach. $er 
beutfdbe mill eben ein* für allemal $ 01 i t i l nicht ber $ 01 i t i! su Siebe 
treiben, maS benfelben jeboeh nach meinet Slnfteht nidbt sum politifdb unfähig 
gen Sftenfchen ftempelt,. fonbern bloS jum politifcb u n t b ä t i g e n. Unb 
marum ift ber Seutfche in 2)eutfchlanb politifdb untbätig? Gr ift eS nidbt in 
Slmerifa! Ginfadb meil er nichts für ftdb su tbun finbet! Sßieberbolt bat er ftdb 
entbuftaftifdb erhoben, mo immer ftdb eine praftifebe grage geigte, mie noch fürs* 
lidb in ber S<hleSmig*§olfteinifchen grage; aber maS ift bem SJeutfdben immer 
Sulefct geblieben ? SiicbtS als eine politifdbe $ßb*afe J . Gr bat nun gefunben, bab 
2 )ie, bie ihn führen mollen, noch blinber ftnb als er, unb bab auch fte nicht mif* 
fen, mo hinaus unb mobin. SBei^man, ber fdbmäbifdbe bolfSbidbter, fagt bon 
foldber ^olitif, fte moUe 

„ObenauS unb nie boran." 

GS fehlt ben beutfehen nicht an GinigfeitSftnn. betrachtet bie berfchie* 
bener. bolfsfefte! SJton fribt ftch bort ja fdbier bor Siebe! Sefet bie beutfehen 
3eitungen! Sie ftromen über bon GinigfeitS*$atriotiSmuS! Unb bodb ift 
2)eutfchlanb fein GinbeitS*, unb nicht einmal ein bunbeS*Staat g^morben! 



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SBarunt nicht? SBBeil eben (5m^ctt§* unb fonftiger Bloßer Sß^rafen*» 

Tufel noch nie bie groben gragen eineg Stolteg gelöst bat! 2 lu<b in 2 lmerita 
fügten 1860 noch bie Stepräfentanten ber Staaten Tennefiee, flentudp, 3 n* 
biana unb Ohio pcb alg liebenbe S3unbegbrüber, unb febrieen ftcb beifer in 23er* 
pcberungen bet gegenfeitigen Treue! ©in gabt nad&bet ftanben pe ft<b ätg 
geinbe gegenüber! SBie tarn bag? SBeil man gefliffentlub bie 2lugen fcblob, 
unb Träumereien für SBabrbeit nahm, gn gemiftem Sinne ift bag beutpbe 
SBolf ein e i n i g e g, in einem anbern ein u n e i n i g e g, unb eine ßciegg* 
ertlärung grantreicbg mürbe bag ©fte §u Tage bringen, ein Ärieg amifeben 
Oefterreicb unb ^reupen bag 2lnbere. SBarum pcb berfebmeigen, bab ni<bt mehr 
T e u t f <b l a n b alg folcbeg feine ©efdjide in ber $anb hält, unb bab bag 
SJefteben jmeier ©robmäebte (^reupen unb Oefterreicb) jebe ©inigung, in ber 
eg gleichberechtigte Staaten giebt, jum SBoraug negirt? ©teicheg ehr* 
licbeg Blecht beftebt blog, mo ©leiebbeit ber ßraft einigermapen bie SBaage 
hält Europa macht, mit oft lä<berli<ber Uebertreibung, aber in ber 
£auptfa<be mit Stecht, über fein politifebeg ©leiebgemiebt. ^Braucht Teutfcblanb 
gar niebtg ber 2 lrt? ©emip! Unb mo fotl eg fein ©leiebgemiebt bemebmen 
Oefterreicb unb ^reupen gegenüber? 

Tie ©ef<bi<bte lebrt ung, bab ©nbeitgftaaten, mie 3 . 23. $reupen unb 
granfreicb, nur auf bem SBege ber ©emalt ober ber groben $ßolitif, mie 93ig* 
mard fie jefct treibt, gefibaffen merben, bab anbererfeitg freie Staaten nie 
freimittig in einen ©nbeitgftaat aufgeben. SSerbinben folcbe ficb für einen 
gemeinfamen 3 med, fo ift SBabrung ber eigenen Selbftftänbigleit (Autonomie) 
erfte» unb le^teg giei. S3ei ©nbeitgftaaten ift Untermerfung, 33 er* 
febmelaung unb ftaatlicbeg 21 u f b öre n Sßorbebingung, bei einer 23un* 
begregierung ift Gleichberechtigung bag erfte ^rin^ip. SBie nun fott Teutfcb* 
lanb einig merben? Tem Einheit g-S t a a t e ift bag Stefteben bon ßönig* 
reichen mie 33aiern unb ^reuben unb eineg laiferreicbg mie Oefterveich jumiber, 
benn teineg baoon ift auf bie Sange bergeit nntermerf* ober berfdbmeljbar, unb 
einem 23unbegrei<be ftebt bie Tbatfadje entgegen, bab bag übrige Teutfch* 
lanb ni<ht ftart genug ift, entmeber Oefterreicb ober $reupen jum ©eborfam 
gegen 23erorbnungen au amingen, melche bem ©inen ober bem 2 lnbem mibfatten. 
2ln ein Untermerfen ber © r o b m ä (b t e unter bag SHeich ift alfo nicht an ben* 
len, unb eine Untermerfung beutfeber Staaten entmeber unter Oefterreicb 
ober ^reuben hoffentlich ebenfo unbentbar. 2 lug biefen ©rünben miblangen 
atte SSerfuche, Teutfcblanb mehr ftaatlicb an einigen. SBirb eg immer fo blei* 
ben? Stein! SMgmard märtet auf 3uftänbe, mo bie alten Siecbtgbegriffe in ben 
^jintergrunb treten, ©r meib/ mag er mitt! ©r mitt ben ©inbeitgftaat! ©r 
meib auch, m i e er ihn mitt! Turcb 2lnnejration unb 23erf<bmelaung. Tag 
beutfebe 23otf unb feine gübrer füllten ficb auch tlar merben, mag pe motten, 
unb mie pe eg motten. Sie müffen bag S3unbegrei<b mollen 
auf bemSBegebergreibcit! SJtan berftänbige p<b hinüber aum S3or* 
aug, unb bie näcbfte grobe ober Heine SBeüe ber Staatgummälaungen pnbe 



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332 


Seutfhlanb« SBoII, unb nicht feine Regenten allein, flat übet bie »ebfirfnijfe 
be« groben »aterlanbe«. 3h meine bamit nicht bie erwartete grobe SJJarifet 
Siecolution, atö ob wirSeutfhen immer unferen SHteffia« »on jenfeit« be« SRhein« 
beforamen mü&ten. «Rein, e« giebt ein beutfhe« »erfaffungäleben, ba« wahr ju 
machen unfere »flicht ift. 

Ser Sollbetein ift eine Slnftalt, an ber ba« beutfche »oll lernen lann, wie 
man frei fth einigt. Qä geht auf biefe SEBeife ein wenig langfam! SSohlan, 
man bränge auf bie ©efchleunigung unb SluSbehnung beSfelben übet ganj 
Seutfhlanb unb breche bem Streben «JJreu&enä bie Spi&e ab, Defterreih bar» 
aus fern ju halten. Sie Solleinigung bringt anbere, wie türjlih noch bie 
©ewiht Einigung, unb bei ben jefcigen 5ßerfehr«mitteln werben bann 
balb bie ©nigungäpunfte fth mehren, bie (Sntjmeiungen fth minbern. Hebt 
fth ber ßanbel auf bem SRittelmeer, unb wirb biefe« wieber ber grobe Hanbel«* 
weg nach Oftinbien, fo wirb ba« füböftliche Seutfchlanb, ba« SDfanhe jefct über 
bie Sthfel anfeben, »on felbft ben anbern Staaten wichtiger, unb baburch wer* 
ben bie »ereinigung«grünbe unb »eteinigungSbanbe ftärler. 

(Schlub folgt.) 


Per Priefha|Utt kr Utaknita. 

SwHan Kerner. 

(gortfefcung.) 

ßnblich fehlen bie »ähterin mit ihrer Arbeit ju Stanbe gelommen; ba« 
feine Sinnen war faramt unb fonber« geplättet .unb forgfältig ju einjelnen 
Stöben jufammengelegt. 9lun war e« ber guten Sitten wohl nicht länger mög- 
ich, ben Strom ber ©ebanlen, ber währenb ber Slrbeit burd? ihren ßopf ge* 
gangen, gewaltfam in fich }u »etfchlieben; fte lannte wohl bie ©nfilbigleit ihre« 
©efährten, aber wenn er ihr auch oft bie Antwort fchulbig blieb, fühlte fie fich 
fdhon wefentlich erleichtert, fobalb fte nur felber ihren ©efühlen Suft mähen 
tonnte. 

„So, ba wäre nun ba« Söettjeug im Stanbe, unb fo blüthenweib unb 
weih, e« bie junge Sennora baheim bei ber geftrengen grau 2Jtama wohl 
niemal« fhöner gehabt hat. Sa« Himmelbett ift frifh mit ©berbaunen ge* 
füllt v .. biefe prähtigen Safen übergebreitet — ah, es mub fth barauf fhlafen 
wie im Himmel! greilih — um’« Schlafen wirb’« ber jungen gnäbigen Sen* 
nora nicht }U tbun fein —per dios, Weib ih boh überhaupt niht, um wa« e« 
ihr eigentlich hier in unferer einfamen (Sffannka*), wo fte auber un« »eiben 
unb ben ßnehten nur mit bet ©efeUfhaft »on Stieren unb 3iegen »orlieb 


*) SJtcJtttrtyföaft. 


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333 


wirb nehmen möffen^ su tbun fein lönnte. 3$ behaupte auch, es ijt gar nid^t 
ihr SBille, bi« b«auS ju fommen, fie mürbe Diel lieber in ihrem prächtigen 
Sßalaft in ber Stabt bleiben, wo fte junge febone Herren unb feine Samen fo 
Diele fie will jur ©efetlfchaft haben !ann—aber ihr ©emabl, Son GScooebo, bem 
pafst eS beffer, wenn fte ftch hier in ber Ginfamfeit langweilt, wo ihm fein mübfam 
erworbenes ßleinob ftch« ift, wo er nicht $tt fürchten braucht, bah ihm ein jün* 
getet unb fchönerer Nebenbuhler bei feinem reijenben SCBeibchen ben Nang ab* 
läuft.... 3a# ja, eS tbut niemals gut mit bem gar su oerfchiebenen Nlter bei 
Gbeleuten; 2llt unb Saug sufammengefebmiebet, Gis unb Sonnenglutb an 
einem Sage — baS ift gegen bie Negeln ber Natur. 3<b will nicht fagen, 
bafj jwifchen Ntann unb SBeib im 2llter gar fein Unterfhteb befteben bürfe, 
o nein, aber eS barf nicht fo fein, t>afj baS Gine fchon im Schritt marfchirt 
ober gar am warmen Ofen oerfchnaufen mochte, währenb baS Slnbere noch im 
©alopp burch bie 2Belt jagt; eS mufj fo fein wie bei uns, Soribo, ber SNann 
ein halb Sufcenb Säbrchen mehr als bie grau, baS giebt bann im Sitter bie 
befte Harmonie unb Ginigteit." 

„Seiner 3unge nterft man {ebenfalls an, bafe fte jünger ift als bie meinige, 
SBenturä", fagte ber Ntann, nachbem bie Nebfeligleit ber grau enblidh einen 
furjen ^altepunft gefunbeti; „aus bem Uebrigen würbe fieb baS wobt febr 
fchwer fhliejjen taffen." 

„2öaS ? SaS foll wohl gar beiden, ich wäre eine alte bä&liche #e?e, mäh* 
renb ber Ntann ba mit feinen wetten paaren ftch noch für einen güngling 
auSgeben fönnte ? Nein, über biefe Unoerfhämtbeit, biefe Unbanfbarfeit ber 
ütttänner! SGßenn ich alt bin/'wo bin icb’S benn geworben? Sabiner lang* 
»eiligen ©efellfdbaft, bei ber barten Slrbeit, ju ber ich Derurtbeilt würbe, als ich 
oor jwanjig gab^n fo thöricht war, Sich S um Ntanne su nehmen!" 

„Sachte, fachte, Sllte, wir haben ja immer wartet jufammengearbeitet, 
unb ftnb in ben jwansig %a\)xtn auch fo erträglich mit einanber auSgefom* 
men", Derfefcte ber Ntann befänjtigenb. 

„Sie erfennen es nicht an, was man für fte getban, fte machen Ginem 
am Gnbe gar noch Vorwürfe barüber", fuhr bie Suenga, wenn auch noch grol* 
lenb, hoch fchon Diel befänftigter fort. „SeShalb bat oielleicbt Sonna Seon* 
tica gar nicht fo übel getban, einen alten ÜNann su nehmen, ber ihr bodh nicht 
al^u lange mehr Vorwürfe machen fann. 3a, waS ich Don ber jungen gnäbigen 
Sonna fagen wollte: — thu nur einmal ben üNunb auf, Soribio, unb lab ein 
SBörtchen oerlauten, was Su Don biefem feltfanten 23efu<h hier auf ber einfa* 
men ^acienba in ben $ampaS hältft ?" 

„Garamba, Sllte, waS foll ich baoon halten, als bafj uns bie Sache Slrbeit 
macht!" 

.„Slrbeit; wenn es bamit getban wäre! Ser Ntenfch ift jum Arbeiten auf 
ber Söett, obwohl cS natürlich beffer ift, er arbeitet für ftch als ewig für Slnbere. 
SffiaS mich mehr brürtt als bie getbane unb noch su tbuenbe Slrbeit, baS ift ber 
gebeimnifjDoUe ©tunb, ber biefen Söefuch oeranlabt. Sroanjig Sabre lang bat 


ras 




334 


$on ©Scooebo faum hin unt> mieber einmal auf ber £acienba übernachtet, unb 
nun, ba er eine junge fdjöne grau hat, trägt er plöplich Verlangen, fciet für 
längere Seit §u mohnen." 

,,©r mirb bie Sanbluft genießen mollen." 

r,2l<h maS, baS fann er mit mehr Vequemlichleit auf feinen prächtigen 
^acienbaS nahe bei ber Stabt hüben; baju braucht er nicht in bie entlegenen 
^ampaS ju lornmen." 

„Vielleicht haben ihm bie Aeqte gefagt, bafj bie Suft hier noch suträglicher 
fei." 

„Vaperlapap, er ift ein ferngefunber Vtann, ber nicht nach ber Suft ju 
fragen hat." 

„Aber Sonna Seontica foll unmittelbar nach ber ^ochjeit einige SBochen 
recht bebenllich Iran! gemefen fein." 

„firanf, ja, heilige Vtutter ©otteS, baS meifj man fchon, maS folche 
ßranfheit bei einer jungen grau, bie einen alten Sftann nur um feinet Dieidh^ 
thumS mitten gebeiratbet, ju bebeuten hat! Sie ßranlheit mirb nicht meit her 
gemefen fein, aber baS arme $inb hat mahrfcheinlich SHeue empfunben über 
feinen übereilten Schritt.... ber £err ©emahl mag ftch über ihre $älte unb 
Surüdthaltung geärgert haben.... bie ©iferfucht mirb bei ihm rege gemorben 
fein unb- ihn auf ben ©ebanfen gebracht haben, eS fei hoch beffer, bie fchöne 
junge grau an einen einfanten Ort gu fchaffen, mo fte gegen alle Verfügungen ber 
•Eßelt geftchert fei, bis fte ftch erft an baS neue Verhältnis gemöhnt, bis ihr aus 
purer. Sangemeile in ber fchredtlichen ©infamleit bie ©efellfd?aft ihres bejahrten 
©hegemahlS angenehm unb unentbehrlich gemorben." 

„Ach, maS! Sßeibergefchmäfc!" brummte ber alte Soribio. 

„ga rnohl, SBeibergefcSmäfc! 2BaS füllte benn aus euch Männern merben, 
menn mir grauen euch nicht erft in alten Singen baS rechte Sicht auffteäten, 
euch ben $opf §ure<ht festen, bamit ihr bann fo erträglich euren 2ßeg einher §u 
ftolpern Oermogt ? 5ßaS ich fage, ift mohl ermogen unb aus fieberen Ouellen 
entnommen. 4>at uns ber förntmerbiener ^ofe, als er geftern ben Vefuch ber 
^errfchaft anlünbigte, nicht beutlich genug oerftehen gegeben, mie ftch bie 
ganje Sache eigentlich oerhält ? Sonna Seontica, obmohl fte menig bemittelt, 
ihr ©emahl aber ein Sfltillionär ift, hat in bie Verbinbung nur auf baS brin* 
genbe Streben ihrer Vtutter gemilligt; fte liebte früher einen Anberen, einen 
©arcaman*), ber aber nach ber alten SBelt gegangen unb bie Verbinbung mit 
ihr abgebrochen hatte. Siefer Siebhaber ift plc^licS surüdgelehrt; fte fah ihn 
unmittelbar nach ihrer $o<häeit unb marb burch feinen Anblid fo heftig erregt, 
bafj man fte mehrere Söochen für gefährlich Iran! hielt* $er Aufenthalt auf 
unferer ^acienba foll fte nun auf anbere ©ebanlen bringen. SaS arme junge 
Sing — mie fte mich oon ©runb beS ^eqenS bauert!" 

r ,3<h glaube gar, Alte, Su märft im Staube, Sich sur Suträgerin her$u* 


*) Spottname ber Europäer. 



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335 


geben, bet Sennota Seine Vermittlung junt Verleg mit ihrem Suhlen anju» 
bieten." 

„SSeinft bu, Soribio? Unb thäf idh etwa bamit ein fo großes Unre«ht? 
3<h fage Sir, Son GSrooebo hat fehlest gehanbelt, bah et feinen Seidhthum 
benubte, um bie alte Same ju blenben unb bem unerfahrenen tfinbe baS 3a« 
Wort abjupreffen." 

„(Saramba, halt’ Seine 3unge im Baum! Solche Seben lönnten gefährlich 
werben." 

„einerlei! 3<h rebe bie SBahrheit, unb baran foH mich Siemanb hinbern. 
ein SDtann in Son GScooeboS Bahren unb Verhältniffen brauet fuh nicht 
mehr mit greierSgebanfen ju tragen, er war feit fünf Bahren SBittwer unb 
hätte es bleiben lönnen. es würbe feinem fperjen »iel mehr ehre gemacht 
haben, wenn er fuh bemüht hätte, bie fernere Sünbe früherer Bahre ju fühnen, 
was ihm bei Sebjeiten feiner erften ©attin unmöglich war. Statt beffen fügt 
er ein neues Unrecht hinju, trennt jwei liebenbe fperjen unb jwingt ein junges, 
unerfahrenes Stäbchen ju »erhofftem ehebunbe. *ßfui, über foldhen Gigennub, 
fol<he ©ewiffenlofigleit!" 

„SEBeib, Su wirft uns noch um fjauS unb $of reben!" rief ber alte Slann 
halb aufgebracht, halb ängftlidh. „SBir fihulben Son GScooebo ein bübfcbeS 
Sümmchen; wenn er es einforberte unb uns ben Sacht lühbigte, wären wir 
ruinirte fieute!" 

„ei, baS fehlte noch! Gr oon uns eine Schulb eintreiben? Gr unS ben 
Sacht fünbigen? So wahr ich in ber heiligen Saufe ben Samen Ventura em» 
pfing, baS füllte bem ftotjen Stanne fchlecht belommen! £ab' idh mich etwa 
beShalb jurn SBerfjeug feiner »erbrecherifchen Shaten hergegeben, bah er mir 
jefct fo lohnen bürfte? #ab’ ich tnich beShalb ju ber fchweren Sünbe oerleiten 
laffen, fein Äinb, fein eigen gleifch unb Vlut, in ber SBilbnih beS ©ebirgeS 
auSjufeben, wo eS im nächften ülugenfalicf bie Veute eines gierigen SauboogelS 
würbe, ber eS jur Hbung feiner Bungen hoch burch bie Süfte auf unjugäng* 
liehe ©letfeher entführte, um jefct in meinen alten Sagen »on ihm ber Slrmuth 
unb Sothjiberantmortet ju werben ? Sein, Soribio, fo haben wir nicht gewet« 
tet. 3<b fßnnte ihm 3llleS, was ich foeben ju Sit gefprochcn, breift in’S ©e* 
fuht fagen, unb er würbe eS nicht wagen, mir auch nur ein §aar beShalb ju 
Irümmen. 3<h habe ihm auf’s Salrament Verfchwiegenheit jufchwören 
müffen, — biefen Schwur will ich halten; er aber hat bagegen gelobt, für 
meine Bulunft ju forgen unb bis an’S Gnbe meiner Sage mich Bor Stängel 
ju fchühen — idh fage Sir, er foll biefeS ©elöbniffeS atidh eingebenl fein!" 

„2ah baS ©efthehene ruhen, Ventura. Stutter unb ßinb fmb tobt; was 
nubt eS, ihre ©eifter herauf ju befhwören ? Son GScooebo that wohl, baS 
SInbenfen an jene bunllen Vegebenheiten burch eine fröhliche £o<hjeit auSjulö» 
fchen. Sie Sobten lönnte er mit all feinen Seidhtbümern nicht wieber jum 
Sehen erweefen." 


„SaS äinb ift tobt", fagte bie alte grau ernft unb büfter; „was aus ber 



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336 


Stutter geworben, meife mohl nur Son Ggcobebo allein. Gr miß ftchere üRach* 
rid&t bon ihrem Sobe empfangen haben; — ich glaube nicht baran. Gin bunt* 
leg Gerücht behauptete, bie unglüdliche ^nnocentia fei in ein ßlofter gegangen. 
Ser reiche Ggcobebo hat ftch leidet mit feinem Gemiffen abgefunben; bie arme 
Ventura fann eg ihm nicht gleich thun. 2Kir flfet ber Stachel tief im ^erjen, 
unb feine SReue, feine Vufee mirb bie fernere Vlutfchulb bon meinem Raupte 
nehmen. SRicht einmal in ber heiligen Reichte burfte ich fie befennen, um 
mir aug bem ÜRunbe beg^riefterg Sbfolutionäuberfchaffen; mein Gib berboteg 
mir. 3e|jt enblich bietet ftch eine Gelegenheit, mein feit beinah smanjig fahren 
fchmer bebrüdteg Gemiffen ju erleichtern. Sie. frommen SSater bon de ln 
compania höhen grauen unb Stäbchen aufgeforbett, ihre $er^en ber heiligen 
Stutter Gotteg fchriftlich augjufchütten, unb ftch hei ber Gebenebeiten [Raths ju 
erholen in aller !Roth nnb ßütnmernife. Sag ift ein gingerjeig beg £immelg; 
mein £erj fagt mir, bafe auch für mich her Sugenblid ber Vergebung enblich 
heran naht." 

„Vift Su toll, Centura V" fuhr ber Site auf. „$u mirft nichtg bon 
jenen Greigniffen ber Vergangenheit bem Rapiere anbertrauen — eg hiefee 
unfer Gigenthum unb £eben crttfg Spiel fefcen!" 

„ÜRabonna ift berfchmiegen; fte mirb bag Geheimnife in ihrem jungfrduli* 
chen Vufen treu bemahren unb mich in meiner Verjmeiflung mit füfeem £im* 
melgtroft erquiden." 

„geh fage Sir, S5eib", rief Soribio mit einet #eftigfeit, bie ju feiner 
bigherigen Gelaffenheit in fchneibenbem Gontrafte ftanb, „3)u mirft biefe 
Schreiberei unterlaffen, ober-" 


Ser Vriefbote. 

Gin heftiger Sonnevfchlag erfchütterte bag £aug; zugleich bernahm man 
braufeen bag gcllenbe Skehern eineg $ferbeg. 

„2Bag ift bag ?" fragte Soribio, plöfclich in feiner Srohung abbrechenb. 
„Gg mar feing bon unferen Shieren, bie fmb .alle ftcher brüben im Stalle ber« 
mahrt. Skr follte in biefem Unmetter noch fo fpdt burch bie Sßampag tom* 
men ?" 

„^eilige 2Rutter Gotteg, fei ung gnäbig!" rief Sonna Ventura erfchredt 
„Gg tonnten Sauber fein, fte hörten bielleicht bon Son Ggcooebog Sbftcht 
hierher ju fommen, unb haben ftch eingeftellt, ihn $u berauben.'' 

„Skirum nicht gar, bie Gegenb ift ftcher. ülRan hat lange nichtg bon 
SRauberunthaten gehört." 

Gin frdftigeg Jochen an bie Shür fefcte bie beiben alten Seute in noch 
gröfeere Verlegenheit; 

„Gg fönnte ber leibhaftige Gottfeibeiung fein, Soribio", flüfterte bie ge* 
dngftigte grau ftch befreu 3 igcnb. „Ser Vöfe foll in folchem SBetter umherfchlei* 
chen, um feine Opfer $u fuchen." 



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„3)ann fönnte et bei uns nur angeflopft l>aben um $idb gu holen, 2Ilte, 
unb baS wäre eigentlich Qar fein fo übler ©tnfall," berfefcte Sloribio ärgerlich 
unb fdjob babei ben fetteren Siegel bon bet auf bie SBeranba fübrenben 
£bur gurüd. 

2llS bie $bür aufging, ftanb braunen eine fdbwarg vermummte, bom 9fe* 
gen triefenbe ©eftalt. 

„5lue üDtaria!" grüfcte ber grembe mit Hangboller Stimme. 

„Sin peccado concebida“,*) antwortete ber Pächter. 

„3b* guten Öeute, möchtet ihr wohl einem Wiener ber ßirdbe unb feinem 
Begleiter, bem SDlefmer, ein Obbadb für bie üftadbt gewahren ? 2ßir ftnb beute 
mit Tagesanbruch bom ßlofter be la IHecol^ta oben in ben bergen aufgebro* 
(ben unb wollten auf ber ©ftancia übernachten, um morgen unfern 2ßeg nach 
ber Stabt fortgufefcen. Ter ©ewitterfturm überrafchte uns in ben $ampaS; 
wir rnüffen wohl bom rechten SBege abgefommen fein, benn bie ©ftancia, bie 
Wir fchon bor einer Stunbe hätten erreichen follen, will fuh nirgenbS geigen. 
Tie 9la<bt ift gu unwirtlich unb unfere %\)im fmb gu ermübet, um baS Um* 
berftreifen burdb bie fumpfreidben $ampaS noch langer fortfefcen gu !5nnen. 
©ebt uns ein'RadUquarrier, ihr guten Seute; 2Jtabonna de la compania 
wirb eS euch vergelten." 

„Toribio weift feinen ©aft bon feiner Schwelle, am wenigften einen Wiener 
unferer heiligen Kirche", berfe^te ber Sllte, fub bor bem gremben ebrfurdbtS* 
boll uerneigenb.- „2egt (Eure burdbnäfcten ©ewänber ab, ebrwürbiger $err, 
unb fefct ©ueb bort gum geuer. Tonna Centura wirb gu (Eurer 23ebie* 
nung gern bereit fein. 3<h felber gebe, um (Eurem Begleiter bie 5L^icre in ben 
Stall bringen gu helfen." 

Tie ^ädbterin fam mit großer greunblidbfeit berbeigefniyt unb half bem 
gremben, ftch feinet -äftantels unb ber gleichfalls burdbnäjjten Obergewdnber gu 
entlebigen. ©r ftanb jefct in bem bis gu ben Knöcheln bernieberreidbenben, 
fchlichten Ueberwurf, um bie Taille mit einer fdbwargen Schnur gehalten, wie 
ihn bie $riefter im §aufe ober bei einfachen firdblidben Verrichtungen gu tragen 
pflegen. (Er war ein junger 9Dlann bon bödbftenS 25 fahren; baS ©eftdbt war 
auffallenb bläh unb butte einen leibenben HuSbrud, aus ben Slugen aber, bie 
wirflich fchon unb auSbrudSboll gu nennen waren, blifcte guweilen noch jugenb* 
licbeS geuer. Tonna Centura legte bebenb einige frifche Scheite in’S ßamin, 
fdbob bann ben gepolfterten 2ebnfeffel bidbt baoor unb nötbigte ben ©aft, auf 
bemfelben Vlafc gu nehmen. 

„Vtabonna bot fichtbar über ©ueb gewadjt, ebrwürbiger £err, inbem fte 
bie Schritte ©urer Tbiere gerabe nach unferer «gacienba lenfte", fagte bie 
grau, ftch gugleich anfdbidenb, für bie Vewirtbung ihrer ©dfte burdb §erbeU 
fdbaffung ber nötbigen ßüdbengerätbe Sorge gu tragen. „SGBeber in ber ©ftan* 


*) „Ohne Sünbe empfangen" — eine Lebensart, bie gur Vennflfomnlnung eines ©et* 
fteS gebraucht wirb. 


»ms 


338 


cta, bic 3&r allerbtng! oerfehlt habt, ba fte swct Segual meiter öftlich liegt, noch 
fonft mo auf zehn Segual in ber föunbe, gattet 3hr beute ein befferel Aacht* 
quartier pnben tonnen, all gerabe bei uni. 2)on dlcooebo, ber digenthümer 
biefer $acienba, "bat geftern anfünbigen laffen, bap er mit feiner jungen 
grau für längere 3eit jum Sefuch hierher tommen merbe, unb mir Seibe, 
mein Alter unb ich/ haben feitbem unabläfftg gearbeitet, um jum dm« 
pfang ber £errf<haft Alle! in gehörigen Stanb zu fefcen. $al ©aftjimmer 
ift bereit, bie Setten ftnb hergerichtet — 3b* werbet duch felber überzeugen, 
dhrmürbigfter, bafc mir e! an nicht! fehlen liehen. 2)ie Unechte ftnb heute 
borgen mit beiben üffiagen zur Stabt gefahren, um an Sorrätben unb ©eräth* 
fchaften noch herbei zu Waffen, mal uni hier fehlt. Solche oornehme £err* 
fchaften haben ja hoch gar manche Sebürfniffe, bie auf ber einfamen $acienba 
ohne befonbere Sorfehrungen nicht zu befriebigen finb." 

„$on dlcooebo ift ber digentbümer biefer £acienba ?" fragte ber junge 
Sßriefter überrafcht. 

„$on dlcooebo, ber reichfte Atann in Santiago — 3h* tennt ihn ganz 
gemifc, dhrmürben." 

„dr ift ein treuer Sohn ber Kirche, ein würbigel ©lieb unferer ©emeinbe 
Madonna de la compania." 

„Ach, dhrmürbeh gehören zu ber ©efellfchaft frommer Säter, bie unferer 
heiligen 3ftuttergotte!*£irche zu Santiago fo oiel Auhm unb ©lanz Perleihen, 
beren gottfelige Screbtfamteit bie im ©lauben Starten entzüät unb bie 2Ban* 
telmüthigen auf ben rechten 2Beg leitet — — melche dbre, melchel ©lütf für 
unfer £aul, einen folgen ©aft unter feinem 2)ache aufzunehmen!" 

$onna Sentura tniete nieber unb füfjte bie «£janb bei Sßriefterl, mährenb 
ihr biefer feinen Segen fpenbete. 

„Steht auf, ftebt auf, gute grau! Sor bem drlöfer unb feiner göttlichen 
SAutter, unferer gnabenreicben 3ungfrau, tniet nieber, nicht oor beren unmür* 
bigem Wiener. 2>on dlcooebo mirb mit feiner ©attin in biefem #aufe mohnen, 
fagtet ihr nicht fo?" 

„2Bir ermarten ihn fchon in ben näcbften Sagen." 

„din recht einfamer Aufenthalt, mie mich beucht, für eine an bie greuben 
bei Sebenl gemahnte junge Same." 

„Ach ja, ehrmürbiger «gjerr, ich fürchte auch, bah el ber jungen fchönen 
Sennora hier in unferen $ampa! nicht fonberlich behagen mirb. SCBir Seibe, 
mein Alter unb ich, haben uni fchon recht bie ßöpfe zerbrochen, mal mohl 
ben £errn bemegen mag, gerabe hier bei uni feine glitttermochen zu Per* 
bringen." 

„$on dlcooebo hat aul mahrer Aeigung gebeiratbet; er mirb nichtl un* 
ternehmen, mal nicht bie 3uftimmung feiner ©attin hatte. Seib 3hr mit 
Sonna Seontica befannt?" 

„3<h habe fte gefehen, dhrmürben, natürlich, man mirb ja hoch bie größte 
Schönheit Santiago’! gefehen haben, bie zugleich oon aller SBelt all Atufter 

3 



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339 J 

bcr Sittfamfeit unb grömmigfeit gepriefen mirb — aber lernten ? nein, Gbr* 
mürben, mie foUte mobl eine grau meinet StanbeS bagu lomrnen, mit einer fo 
bornebnten Same belannt gu fein ? Vor gmangig Qabren, als Sonna BEimena, 
Son GScoPebo’S erfte Gattin, noch lebte, unb ich in feinem £aufe als Kammer* 
gofe biente — ja, ba mar eS anberS, ba bin ich mobl mit mannen oornebmen 
$errf<baften in Verübrung gefommen, ba habe ich bie fünften Samen San* 
tiago’S gefannt, meil fte täglich bei uns ein unb aus gingen. 3* bamaliger 
3eit hätte i(b mobl au<b manche gute Partie machen fönnen; angefebene Ülflän* 
ner marben um meine $anb — nun, eS bat einmal fo fein follen, bab icb ben 
armen Soribio nahm, ber burdb meine Vermittelung Pon Son GScoPebo biefe 
#acienba in ben VampaS gu billigem Vacht erhielt, unb mit bem ich einen 
gmar recht ftillen unb einförmigen, aber boeb im Gangen güfriebenen Gbeftanb 
führe." 

Ser Geiftliche moUte baS Gefpräch, melcheS für ihn eine intereffante 2Ben* 
bung genommen, gern fortfefcen, brach aber hoch rafch ab, als Soribio mit bem 
gleichfalls gang burcbnäfjten ^Ulebner ins Sintmer trat unb bie SMoung machte, 
bah bie Sbiere ins Srodene gebracht unb für bie ÜKacbt Perforgt feien. Ser 
junge Sßriefter fagte ihm feinen Sani, mdbrenb ber Dftefjner ftch’S am geuer be* 
quem machte unb bon bem Pächter mit trodener gubbefleibung unb einem mar* 
men $on<ho berfehen mürbe. Sonna Ventura trippelte bebenbe bin unb her 
unb traf ihre Vorbereitungen gum Slbenbmahle. gn ber Vfanne über bem 
geuer brobelten fchon bie auSgefchlagenen Gier, unb in gierlichen GlaSfchüffel* 
eben mürben eingemachte grüdjte unb SomatoeS bereit geftellt. Ueber ben 
groben runben Sifd? bedte fte ein feines Seintuch unb fcbleppte bann aus einer 
anftofjenben Kammer Seiler unb Scbüffeln aus feinem meibem Vorgellan ber* 
bei, bie gemib nur bei feierlichen Gelegenheiten benupt mürben, unb beren alt* 
mobifebe gorm auf ein febr refpeltableS Sllter fchlieben lieb. 

,,3‘ch bebaure, gute grau, bab 3b* @u<h um unferetmillen fo grobe Vtübe 
macht", fagte ber junge Vriefter. „Ser einfachfte gmbib, einige Vrobfchnitte 
unb ein Scblud Sflatä, mürbe unferem Vebürfnib Pöllig genügt haben." 

„ßeine 2ftübe, ebrmürbiger £err!" Perfekte bie Suenga. „2Bir betrachten 
es als ein un'perbienteS Glüd, als eine hohe Gunft SDiabonna’S, bab ihre treuen 
Siener bie Schmelle biefeS £aufeS überfchritten unb unfere Gaftfreunbfchaft in 
Slnfpruch genommen. Gern traten mir mehr, menn eS unfere fchmachen 
2Hittel erlaubten; nehmt beSbalb ben guten SBiflen für bie Sbat unb per* 
fchmdbt nicht baS SBenige, maS mir Gucb gu bieten Permögen. £ier ftnb 
hueros revueltos con tomatoes *), bie*, Pom Vtittag übrig geblieben, noch 
einige Stüde osado con caldo**). Vielleicht feib 3b* «in greunb Pon 
Sübem — tbut mir bie Siebe unb nehmet etmaS Pon biefen in 3uder gelochten 


*) ütübreter mit SomatoeS. 

**) ftleifch, am Spicjj gebraten, mit ßmiebeifauce — ba$ ßemöbnlihfte Gericht in ben 
siegreichen Säubern Sübftmerifa’S. 



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340 


durasnos *), bie Guch hoffentlich munben werben, ^ätte ich atmen tön» 
nen, welches ©lüd unferem £aufe heute tiod> belieben fei, 3br battet ein bef» 
fereS ©aßl oorfinben feilen.' 1 

•„SDtebr als ju Biel, meine Sieben! Saftet uns bem himmlifcben ©ebet alles 
©uten San! fagen für baS, was er uns bef (hieben." 

. Set ©eiftlicbe fpraeß ein furjeS ©ebet, wdbrenb bie Uebrigen bie Jtniee 
beugten unb in Slnbadjt bie £änbe falteten. 2llS baS ©ebet beenbigt war, 
fefctc man ftcb ju Stifte, unb bie Suenga lieg es ftcb nicht nehmen, ihren ©äften 
fogleidj bie beften SSiffen aus allen Scbüjfeln oorjulegen. 

„Sarf ich ben Herren ein ©laS ©enboja»©ein ober unoerfätfehten 2lgu= 
arbiente anbieten?" fragte Soribio. 

„Ser ©ein ift wirtlich äiht, Cßtmürben", Waltete bie grau ein. „Gin 
Gapataj, ber mit feinem Dcßfcngefpann oorüber. tarn, machte uns einige 
glafdhen jurn ©efchenf, weil wir ihn einft in einer Iranlßeit gepflegt. Gr 
hatte ben ©ein in Gopiapo oon einem Kaufmann erhalten, ber ihn felber über 
bie Gorbidere gebracht." 

„3<h bante Guch heimlich, HmigoS", Oerfeßte ber »rieftet; „boch es ge» 
febiebt nur feiten, bah ich getftige ©etränle ju mir nehme, unb ein ©elübbe 
oerbietet mir gerabe jeßt, mich bem Genuß berfelben hinjugeben. 2lu<b »ruber 
gelippe trdgt wohl lein »erlangen banach. ©odt 3ßr uns aber mit einer 
Safte ©ate erquiden, fo werben wir bie SiebeSgabe mit unferem beglichen 
Saute oergelten." 

„Ser ©ate ftetjt feßon bereit — hier bie bombillas! **) ffiebient Guch, 
langt ju, ehrwürbige Herren, unb geht mir ben »eweiS, baß unfer frugales 
©ahl Guren »eifad hat", oerfeßte Sonna SBentura, unb feßob ben ©äften ju» 
gleich mit ben oon bem aromatifeßen ©etrdnte bampfenben Saften nochmals bie 
gefüdten Scbüffetn ju, um ftcb barauS ju bebienen. 

„3dl hätte heute wahrlich nicht an Gurer 6tede fein mögen, ehrwürbige ‘ 
Herren", nahm Soribio nach einer lurjen »aufe, wdbrenb beren ©irthe unb 
©äfte tüchtig jugegriffen, bc« ©ort. „Ser »ampero brauf’t mit feltener §ef» 
tigfeit über bie Steppe, unb ber $immel feßeint ade feine Scßleußen geöffnet ju 
haben. Solche Sachen, wie fte feit ein paar Stunben braußen um unferet 
Üacienba entftanben, waren hier feit gaßren nicht ju feben." 

„Sott unb aden ^eiligen Sanf, baß wir noch oor oödigem Ginbruch ber 
Stacht ein fcßüßenbeS Obbach fanben", entgegnete »ruber gelippe, ber ©eßnet. 

„So lange ich lebe, fod mir biefer SRitt burch bie halb überfchwemmten »am» 
paS, in ©itten beS wilbeften Aufruhrs ber Glemente, im ©ebäcbtniß bleiben- 
Unb nicht genug, baß Sturm unb Stegen uns heimfuchten, hatten wir auch 
noch in beftänbiger gurcht oor ben Angriffen böfer ©enfehen ju fchweben." 


*) fPjtrjicbe. 

**) Die SBombWa tfi ein fctne<$ 2fletatlröbr<hett, mit bcffcit ^>uXfc ber ©übamerifaner 


ferne ßiebttngSöetränfe, namentlich auch ben 3J?at6 ober ^araöua^ee, einjufchlürfen pfTcgt. 



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,,9Ber fottte eS tragen, an ©eweibte beS $erm bie tudjlofe $anb jn le* 
gen ?“ fragte Sotibio »erwunbert. 

„63 gtebt große Uebeitßäter, Slmigo, bie felbft »or ber Sdjänbung beS 
^eiligen niibtflUrüdfcbreden. Qm ftlofter be Ia SRecoleta toarnte man un# »or 
bem Stäuber ©aSqitale, bejfen ©anbe feit einigen Sagen in ber ©egenb non 
©uraca unb ben ©fluchten non lo3 GtujoS ißt Untoefen treibt ©tebrere 
Steifenbe finb bort angebalten unb ibre3 ©elbeS beraubt worben. 3 >» Softer 
felber hegt man ernftlicbe ©eforgniß cor einem Ueberfall unb bat un3 ben 3luf. 
trag gegeben, bie Stegierung in Santiago um Slbfenbung einiger Solbaten jum 
Schuß be3 flloftereigentbumS anjugeben." 

„Ser Stäuber ©aSquale, fagt 3b* toieberbolte*Soribio erfcbroden. „Ser 
wilbe ©aSquale, ber »or }ebn fahren in biefer ©egenb fein SÜßefen getrieben, 
feitbem aber fi<b tief in bie Gorbilleten jutüdgejogen, weil e3 ibm hier unten in 
bet 6bene nicht mehr gebeuer »orlam ?" 

„Serfelbe; fo erjäblte man un3 ju la Steooleta." 

„Saun möge ©ott unb bie heilige Jungfrau biefe ©egeub 
fcbüßen!" rief ber ©ächtet entfeßt. „6r ift ein Seufel in ©tenfcbengeftalt, 
unb »ergeben3 werben bie Solbaten ber Stegierung auf ibn fabnben, benn 
feine Schlauheit ift faft noch größer al3 feine ©oSbeit unb ©raufamfeit.“ 

„Ser ©öfewicbt wirb ber bimmlifcben ©erecbtigteit nicht entgehen, auch 
wenn er ber irbifdjen erfolgreich Stoß bieten follte", bemerlte ber junge Sßriefter. 
„3njWif<hen mag er fuß Wohl »orfeben. Sie Stegierung Se. GfceUenj unfere3 
gegenwärtigen ©räfibenten läßt e3 fi<h angelegen fein, Sehen unb Gigen« 
tbum ber ©ärger ju fcbüßen, unb wenn ber Stäuber beute ben ©ebörben in bie 
$änbe fiele, möchte er nicht fo leichten itaufeS baoon tommen, wie e3 ihm in 
früheren 3eiten gelungen fein fotl." 

SaS ©efprädj batte fuh einem Shema jugewanbt, in welchem bet ©ächtet 
febr bewanbert ju fein fchien. 6r wußte eine ©tenge ©efcbicßten ju erjäblen 
»on ben »erwegenen Sbaten, bie ber wilbe ©aSquale in früheren fahren in 
ben ©ampaS unb auf ben nach ber ^jauptftabt führenben Straßen »erübt, wie 
et ben Stachftellungen ber ©ebörben erfolgreich Stoß geboten unb mehrmals 
entfommen, nachbem man ihn wirtlich eingefangen, einmal fogar au3 
bem wobloerwabrten ©efängniß Santiagos, juft am ©Jörgen beS SagS, an 
welchem ba3 über ihn »erhängte SobeSurtbeil jur ©ollftredung lommen follte. 
63 müffe ein febr gewichtiger ©mnb fein, meinte Soribio, ber ben Stäuber ge» 
rabe jeßt wiebet au3 feinem fieberen ©erfted in ben ©ergen heraus in’S offene 
fianb führe, wo ihm fo »iel ©efabr brobe. 

Unter folgen Unterhaltungen war ba3 ©tabl beenbigt worben. Ser 
©eiftliebe fpracb ben Segen unb brüdte barauf ben SEßunfch aus, fuß jur Stube 
ju begeben, um am nächften ©torgen noch »or SageSanbruch ben 3Beg nach ber 
Stabt fortfeßen ju tönnen, bie er, bringenbet ©efcßäfte halber, am Stacbmittag 
•t erreiche» wünfdje. 


„Sann müßt 3b* Such atterbingä febr jeitig aufmachen, Gbrwürben", 



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Gäffeften be§ $riefter§, bie fie au3 bem SBohnjimmer für tfm mitgenommen, be* 
ßutfam baneben. 3)ann machte fxe fid^ an ben Selten }u fdhaffen, bie fle mit 
funbiger $anb nochmals auffdhüttelte unb glättete. 

/,3b* müßt eben mit bem Sinter borlieb nehmen mie eS ift, ehrmürbiger 
$err", fagte fte. „GS fehlt nodh gar manches an ber Ginrichtung, meShalb 
mir bie Unechte nach ber Stabt gefcßidtt höben, um eS aus $on GScobeboS im 
Ueberfluß auSgeftatteter SBoßnung ^erbeijufd^affen. 25aS neu bermählte Sßaar 
mürbe fonft hier manche Sequemlidhfeiten bermiffen, unb auch 3h* müßt heute 
noch in mancher Segießung ben guten SBißen für bie 5that nehmen. Seben* 
falls feib 3h* hier beffer aufgehoben als auf ber Gftancia, bie gut genug fein 
mag für 2*operoS, Staulthiertreiber unb manbernbe (SauchoS, einem geheilig* 
ten Wiener ber Kirche aber fein mürbigeS Obbach gu bieten bermag." 

„3h* thut gu biel, gute grau", berfeßte ber ^riefter, naebbem er einen 
Sltcf burch baS 3iiuwer gemorfen, beffen unermartet glängenbe SuSftattung 
ihn ftchtbar überrafchte. „3$ bin nicht gemohnt, in Räumen mie btefeS gu 
mohnen, unb muß geftehen, baß ich fie in einer einfamen ^acienba *ber $atn«* 
paS gu finben nicht ermartet batte. greilidh — $on GScobeboS Gigenthum 
muß in Uebereinftimmung mit ber erhabenen Stellung unb bem unermeßlichen 
Seichthum beS SeftßerS auSgcftattet fein." 

„Seich, ja, baS ift er; bieffeits ber (Morbidere giebt’S gemiß nicht Siete, 
bie ftch mit ihm meffen fönnen", ftimmte bie gefchmäßige 2)uenga ein, unb feßte 
bann im$one überlegenen SöiffcnS hiugu: „2>er £err hat eben ©lücf gehabt. 
GS mar nicht immer fo, baß er im Ueberfluß lebte mie heute." 

„3h* fennt bie Serhältniffe S)oti GScobeboS fehr genau ?" forfchte ber 
Sßriefter, ohne ftch jebodß irgenbmie ben Schein ber Seugierbe gu geben. 

„Ob ich fte fenne, ehrmürbiger Sater! 3<h habe fchon manchmal gemünzt, 
meniger babon gu fennen." 

„3h * moßt'bamit nicht fagen, gute grau, baß er fich in Segug auf feine 
Sergangenheit einen Sormurf gu machen hatte ?" 

„Sein, baS miß ich nicht fagen, Ghrmürbigfter! Seiche Seute fmb ja im«* 
mer im Sedßt, unb haben ftch nie Sormürfe gu machen." 

„Seine erfte Gße faß nicht bie glüdßichfte gemefen fein." 

„Sebet man nodh heute babon ? Sun ja — 2)onna 3Eimena mar eine 
jtotge, unbeugfame grau — ber «gerr ging auch immer feinen eigenen 2Beg — 

bie 2Bege Seiber liefen auSeinanber-$o<h maS feßmaße ich ba? 2Bie biete 

mirflidh glücflidhe Ghen giebt eS benn ? kleine Stißberftänbniffe, Keine Uneinig«* 
feiten fommen ja immer bor-" 

,,3)ie mahrhaft chriftliche Ghe foß fte bermeiben. 3San fprießt bon einem 
früheren Serhaltniß 2)on GScobeboS, baS feiner (Sattin biel Kummer gemacht.... 
@3 mag mohl SßcS eitet Serleumbung fein, maS man bem maderen Stanne 
nadbfagt." 

„S)em maeferen Slanne! 3a, ja, ein fehr maeferer SSann! 0, mer ihn 
fennt mie ich, ber müßte mohl barüber gu reben", fagte bie Site mit eigenthüm* 



-* 344 * 

lidher, fafl farfafHfdher Betonung, befann ftd? aber taf<& unb fefete mte eittfd&ul« 

- bigenb hi«$u: „Sir fmb ja Me nur füubige 2ftenfdhenfinber, ber IReidhe mie 
ber 2ltme, unb.Seber bat feine gebier, nidht wahr, Ghrmürben?" 

„©emifs, meine Siebe! 3h r feib eine dhriftlidh gef:nnte grau, unb es füllte 
mid? freuen, auch ferner mit (Sud? in SBerbinbung gu bleiben. Senn Gudh Guer 
Seg nadh ber Stabt fuhrt, füllt 3hr mit in unferm Gonbent beglich wMfom* 
men fein." 

„$aS wirb fub fc^n?cr machen, unb bodh mar eS fdhon längft mein in« 
nigfter Sunfdh, ben Gonbent ber heiligen SBdter non de la eompania $u be* 
fudhen." 

„Sirflidh ? Solltet 3h* baS ? So füllte Gudh audh nichts abhalten, ber 
frommen Sßflidht ©enüge ju leiften. SaS fonnte Gud? wichtiger fein, als baS 
$eil Gurer Seele ? Senn 3hr nach ber Stabt lommt unb im Gonbent bor* 
fpredht, fo fragt nach 23ruber Manuel, unb man wirb Gudh an mich weifen." 

„3hr, 3h* feib $ater übtanuel?" rief 2)onna Centura überrafcht. 

„So* nennt man midh im Gonbent/' 

„$er junge ©eiftlidhe, helfen feuriger SBerebtfamfeit unb heiligem Gifer in 
SBerfünbigung beS wahren ©otteSmorteS deiner ja wiberftehen bermag ? 3eber 
fromme ©laubige, ber aus ber Stabt tomint, ift boH beS IRubmeS Gurer fegenS* 
bollen $hätigfeit. ©lüdlidhe Stunbe, welche Gudh über unfere Schwelle 
führte!" 

Gin flüchtiges IRotb färbte bie blaffen Sangen beSSJJrtefterS; feine Slugen 
leuchteten. 

„3hr labt meinem fdhmachen SSerbienfl ju grobe Ghre wiberfahren, gute 
grau. 3<b liege meinem heiligen ©eruf mit ganzer Seele ob, unb mürbe midh 
glüdlidh fdhdjen, wenn ber in Siebe unb- ©ottbertrauen auSgeftreute Saamen 
feine grüdhte trüge. Serbe ich Gudh in unferm Gonbent feben ?" 

„Senn es fub thun labt, ganj gemib, ehrmürbiger $ater. 2)er 93efu<h 
ber ^errfchaft wirb eS freilich mieber ein Seilchen berjögern.... eS giebt ba 
alle $änbe boll auf ber £acienba ju thun, unb idh merbe midh am menigften 
entfernen bürfen. Slber §u Mer*Seelen, ja, wenn nidhtS SöefonbereS borfäHt, 
ba miH idh meinen Sillen burdhfe&en unb $ur Stabt tommen, mag auch ber Me 
brummen fo biel eS ihm beliebt/' 

„Guer ©atte mirb Gud? nidht an ber Grfüßung frommer Pflichten hi«* 
bern." 

„SJteint 3h*, Ghrmürben ? 3a, ba lennt 3br ihn fdhledht! D, bie SWdnner 
fmb fo tprannifdh; eS ift abfdheulidh, meldhe Mforberungen fie (teilen. MeS 
nehmen fie für ft<h allein in Slnfprud?,* unb nidht einmal bet heiligen SKutter 
©ottcS foll man fein gepre&teS #era auSfdhütten bürfen." 

w $er SDUittcr ©otteS?" 

„3a, ich habe an fie gefdhrieben,* mie eS bie frommen SSdter bon de la 
eompania empfohlen; allein Soribio ... 
w £at er etmaS bagegen?" 




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345 


w ©r »erbot es mir aufs Strengfte. ©S gäbe ein Ungtüd, wenn er er* 
führe, bab ich feinem Verbote trofce, unb trogen mub idh ihm bo<h, ni<ht wahr, 
©hrwürben?" 

„©otteS ©ebot geht über -Utenfchenwillen.' 4 

„60 benF ich auch. IKein irbifdjeS ©lüdl hab* ich ihm längft geopfert, 
an meinem Seelenheil foH er mich wenigftenS nicht fchgbigen. Ter ©rief foH 
nach ber Stabt, idh Weib nur nicht, wem idh ihn anoertraue. 3<h badhte an 
bie Unechte, bodh fie ftehen auf Seiten ihres £errn unb mürben midh »errathen. 
^eilige 2Jtutter ©otteS, ba lommt mir ein ©ebanfel" 

„2ßaS meint 3h*/ öute grau?" 

„TaS ift ein gingerjeig »on oben — ©u<h hat bie £immelSmutter felber 
hierher gefanbt! SBollt 3hr mir ben ©rief beforgen?" 

,,©on fersen gern." 

„£ier ift er; idh trage ihn bei mir auf ber ©ruft, weil er fonft im $aufe 
nirgenbS ficher märe. SBoüt 3b* ihn für mich in ben ©rieffaften ©urer fiirdhe 
legen, frommer ©ater?" 

,,©S foU mein erfteS ©efdhäft nadh meiner ©üdffehr fein." 

„Unb glaubt 3hr, ©hrwürben, bafj 2Jtabonna ihre niebere übtagb einer 
Antwort würbigen werbe?" 

„SBenn ©uer Schreiben eine foldhe erheifdht, ganj gemifj. ©or bem 
Thron ber himmlifdhen ©nabe giebt eS leinen Unterfdhieb ber ©erfon." 

„So »ergelten ©udb ©ott unb alle ^eiligen ©ure Siebei SHuhet fanft 
unter bem Tache unferer £acienba! gdh merbe für ©udh beten, ehrwürbiger. 
©ater, unb ber heiligen Sungfrau bauten, bah fie ©ure Schritte hierher ge* 
lenlt." 

Tie Tuenga lübte bie £anb beS ©rieftet, ber ihr bereitwillig feinen Se* 
gen ertbeilte. ßniyenb entfernte fie ft<h bann, nadhbem fie ihrem ©aft noch* 
mals wohl §u ruhen gewünfeht, unb »on biefem erfudht worben, ihn unb feinen 
©egleiter unfehlbar eine Stunbe »or Tagesanbruch su Weden, ba fie mit bem 
erften üftorgengrauen aufbrechen unb ihre Thiere tüchtig in Trab erhalten 
müßten, um bis sum Mittag bie Stabt su erreichen. 

3HS bie Sllte baS 3immer »erlaffen hatte, ftanb ©ater SDtamrtt einige Slu* 
genblidle mit »erfchtänften Slrmen unb wie in tiefes Dkchfinnen »erfunten. 
Tann ging er nach ber Thür unb verriegelte biefelbe. ©ine leichte ©öthe be* 
bedtte noch immer fein sarteS, burchfichtigeS 2lnt% unb aus feinen auSbrudS* 
»ollen 3 ügen fpradh eine mehr als blojj »orübergehenbe ©rregung. 

„3<h werbe alle Urfache haben, mit bem Sturm, ber mich gerabe hierher 
führte, fehr sufrieben su fein", murmelte er »or fidh hi«/ inbem er mit haftigen 
Schritten baS 3immer burchmab. Tie ©elanntfdhaft biefer guten, ftrenggläu* 
bigen grau, bie »on Ton ©Sco»ebo’S ©ergangenheit mehr weib als fte jefct noch 
»errathen mag, lonnte für mich unter Umftänben überaus werth»oll werben, 
©elänge es mir, ben Schleier su lüften, ber jefct noch gewiffe ©eheimnijfe be* 
bedtt, »ermodhte ich baS Tunfel su burdhfehauen, in weldheS baS frühere Seben 



M MfflionärS gehüllt tp, fo »dre ich bamit meinem Seontica gu gemin* 
new, um «nett mächtigen Stritt näher gerüeft. Seontica... .ha, »ie alle 
meine Sßutfe fhlagen, »ie p<h meine Sinne oerwirren beim ©ebanfen an bieS 
göttliche SBeib! Ser 3ufall, nein, ein gunftigeö ©efhid führt mich in baS 

$au^, ben IRaum, bet gu ihrer Slufnahme bereit ift_ich athme bie Suft, 

»eldbe pe athmen wirb-rings um'mich her fehe ich bie ©egenflänbe, bie 

Phon morgen, übermorgen gu ihrem ©ebrauhe bienen... .ich berühre ba£ Sa* 

ger, beffen fhwellenbe Riffen ihre reigenben ©lieber umfangen »erben- 

o £err, mein ©ott! e£ ift gu oiel für einen fhtoahen ©rbenfohn, bem bu ein 
»arm empflnbenbeS #erg, ein feurigwallenbeS Vlut oerlieben! gühre uns nicht 
in Vcrfud&ung, beten mir gu bir — laffeft bu aber bennoch bie Verfuhung 
an uns berantreten, »er giebt beinern fcb»a(ben ©efhßpf bie Äraft, ihr gu »U 
berfteben?... 

3)er junge ^rieftet »ar oor bem Säger in bie Äniee gefuttfen; baS fhneeige 
Sinnen fühlte feine heifle Stirn; er atbmete rafdb unb tief, unb feint Sippen 
prefjten ftdb frampfbaft auf baS gu Raupten Itegenbe $fübl.... 

SGBobl gehn Minuten oerharrte er in biefer Stellung; pföfclih erhob er p<h 
— fein* 3üge bitten bie frühere SRube, ben StuSbrud ber Vtflbe unb reiflichen 
Ueberlegung »ieber gewonnen; aus feinem ^Cuge fpra<h eine fefte ©ntfhlof* 
fenbeit. - 

„Sein 2Beg ip ooller ©efabren unb Slbgrünbe, Manuel", fprah er mit 
gebdmpfter Stimme — „er führt nach einem herrlichen, erhabenen 3»el, bo$ 
ein eingiger gehltritt, unb eS ift um bich gefchehen! geptthut gaffung, ruhige 
Ueberlegung Vothf wenn ber ©rfolg baS SBerf gefrönt, bann mag bie Seiben* 
fchaft toälfen, bann will ich fchtoelgen im ©enufj! Ugarte glaubte bie Sache 
fehr fein eingefäbeft gu haben, als er biefe Verbinbung gu Stanbe brachte — 
hm, ber Meifter »irb oieöeiht noch Veranlagung haben, Oon bem Schüler gu 
lernen. Sie jugenblich fchöne Vraut »ar ber ßöber, um ben alten Shoren gu 
fangen, ferne ungegdhlten Schäle gum höheren diuhme ©otteS ber Kirche gu* 
guführen. So gern ich baS arme Opferlamm gerettet, ich burfte eS nicht, ohne 
meine eigene* Stellung, alle meine $luSfl<hten für bie Sufunft gu gefäbrben; 
am ©nbe »ar ja auch biefe Verbinbung baS gwecfbienlidhfte Mittel, beS oer* 
haflten Seutfhen toS gu »erben, ber in Seontica'S $ergen allgu feften $alt 
gu gewinnen brohte. ©3 beburfte für pe eines UebergangSflabiumS, um ftc 
meinen Münzen geneigt gu machen — biefe £eirath wirft als folheS. Sie 
hat mit ber Vergangenheit gebrohen, bie Sufunft liegt öbe unb hoffnungslos 
oor ihr, unb nur wenn pe meinen ©mflüfterungen ©ehör giebt, bleibt ihr noch 
eine $luSp<ht, bem 8eben angehören gu fßnnetf. Mag fie flh ftrd*»ben, mag 
fkh ihr flolger Sinn bagegen auflehnen — bie gugenb unb ein liebebürftenbeS 
$erg forbem ihre Rechte. ©elmgt eS mit erft, ihr ben aufgegwungenen ©at* 
ten in fdhem Sihte bargupellen, bafj bie Stimme ber Pflicht in ihrem Vufen 
oerpummt — bann ip pe mein! Sann foden bie Shape beS alten ©eefen gum 

■} ' 


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elften 9M bent »emünftigen 3»e<* bienen, einem glÖdR^en $aare ben $tm* 
mel auf Grbeti ju bereiten!" 

SKanuel tüite einen Selfel an ben fleinen St'fcb, auf meinem bie fletje 
brannte, unb jog ben SBrief, welchen ibm »orher Sontta Centura eingebänbigt, ; 
aus bet Safche feines ©ewanbeS. Gr nahm auf bem Seffel $Ia| unb fcbictte 
ft(b an, baS mit einem SEBachSftegel nicht febr lünftlüb »erfchlojfene GouPert ju 
öjfnen. 

„Km einen Srief beantworten ju IBnnen, mufj man ihn »ör alten Sin* 
gen lefen. Ugarte pflegt ftch jwar biefeS ©efcbäft felber »orjubebalten; ich febe 
aber nicht ein, weshalb ich ihm nicht gelegentlich meine Unterftü|ung an» 

gebeiben laffen foll-2lh, welche 3umutbung fürSWabomta, eine folche 

^anbfchrift ja lefen!.... Verfuchen wir, baS Anliegen ber guten 3llten ju 
enfjiffern .... mit einiger Hebung in bem ©efchäft wirb eS fchon gelin* 
gen." : 

Ser ^rieftet htieTt ben entfaltenen SBrief bicht hinter baS Sicht unb ftrengte 
fteb an, ben Snhait heraus ju buchftabiren. ge weiter er laS, um fo höbet 
flieg feine Slufmerlfamleit. 

„§a, baS ift mehr als ich erwartete! Siefer SBrief, in frommer Ginfalt 
abgefafjt, enthält ein wichtiges ©eftänbnifs unb leitet auf eine Spur, beren 
weitere Verfolgung bie überrafchenbften Grgebniffe liefern möchte. Sie alte 
grau (lagt ft<b eines VtorbeS an.... beS VtorbeS eines fiinbeS, baS fte auf 
Vefebl feines reichen Vaters in ber SSilbnifi auSgefefct, Wo es ein SRauboogel 
getöbtet.... Sie SDtutter beS ÄinbeS, ein tugenbhafteS Vtäbchen aus guter 
gamilie, ift »on bem Verführer fchnöbe »erfto&en, piefleicht ermorbet Wot* 

ben- Ginmal ging ein ©erücht, fie fei in ein älofter gebracht worben, wo 

fte ben Verftanb »erloren-Sie Schreiberin fleht SDtabonna um Vergebung 

ihrer ferneren Sünbe.... wenn bie Butter beS äinbeS lebt, bittet fte,- ihr 
»iefelbe entgegen $u führen, um ihr SlßeS ju geftehen unb auch beren Verjei* 

hung erlangen }u lönnen-Jlamett ftnb nirgettbS genannt.... hier aber 

heift eS, bah bie Schreiberin fchon feit jwanjig fahren Pon ben Vorwürfen 
ihres ©ewiffenS gemartert werbe.... 3wanjig gabre? Sagte mir nicht bie 
grau/baf eS fo lange her fei, feit fie in Sienften SonGScooeboSgeftanben?.. 
ga, ja, baS fagte fte; auch beutete fte an, bafj bie Vergangenheit ihres ehetna* 
ligen $etm feine maleBofe fei.... Sollte eS unter biefen Umftänben befonbere 
Schwierigleite« haben, ben Kamen beS reichen Verführers, beS VtörberS feine« 
eigenen SmbeS, ju errathen?.... 

„Sie SDlutter m ein Jttefter gebracht unb in 2Babnjtnn »erfaßen.... Sie 
ift mir benn ? $abe ich nicht erft geftem »on einer SBahnfinnigen gehört, bie 
feit langen Sahnen in bem unterirbifchen ©ewölb’e eine« JUofterS fchmach* 

tet?-©anj recht, ein SBrief an Ugarte-wo ift hoch bet SBrief, ben üb 

geftemm 2a Vecoleta empfing?-Sein 3nbalt fcbeint mir pföjlich «ine 

eigenthürnftche Vebeutung ju gewinnen—" 

®tanuel hatte aus ber Safche feine« Untergewanbe« ein jufantmengebun* 


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^4 


348 


beneg Portefeuille betoorgebolt, bag er Saftig öffnete. ©g enthielt biele ©riefe 

unb Papiere. ©tit oot Ungebulb jitternben $änben müblteer in benfelben_ 

plöfclich jog er einen bereite erbrochenen ©rief beroor, t>en er rafcß entfaltete 
unb mit fieberhaft glänsenbem Sluge überflog. 

„©erebrunggmürbiger Pater unb geliebter ©ruber in ©brifto! ©ne trau* 
rige ©otfcßaft ift eg, bie ich ju melben habe. Unfer alteg einfameg tötofter 
San ©ofario, ein ftarter ©orpoften beg maßren ©laubeng in ber Sßilbniß, liegt 
in Krümmern, ©n ©rbbeben bat eg oon ©runb aug jerftört. Seiber haben 
mir ben Sob unfereg mürbigen Priorg unb beg frommen ©ruberg ©tateo su 
beflagen. 3<h unb ber Pförtner mürben mie bur(h ein SCßunber gerettet. 2lu<h 
bie Iranle Schmefter Su^S ift unberfehrt geblieben. Sie befanb ßcß, Seinem 
augbrüdlicßem ©efehl gemäß, in ben unterirbifdhen ©emölben eingefcßloffen, 
bie ße mäßrenb ber lebten Sahre feiten oetließ; fonft mürbe auch 
ße bem ©erßängniß nicht entronnen fein. Sa an biefer unmirthlichen 
Statte nicht langer unferg ©leibeng ift, merben mir ung gen Süben 
auf ben 2öeg machen. Sag ßlofter Sa ©ecoleta ift unfer &kl. $ieg mürbe 
mohl ber ßcßerfte Slufbemaßrunggort für bie unglüdliche Schmefter fein, bie mir 
moblbebalten borthin su fcßaffen hoffen, ©ieb Su einftmeilen ©efehl su ihrer 
Aufnahme unb ßtheren ©ermahrung. ihrem geiftigen ©eßnben ift feine 
Slenberung eingetreten. Sie Stacht beg SBahnßnng halt ße noch immer um* 
fangen; nicht einmal bag fdjredfiche ©eigniß, melcheg unfern ©rübern bag 
Sehen foftete unb ung unfereg Dbbacßg beraubte, fchien ©nbrud auf ße su 
machen; ße lächelte, alg mie ihr bie Stacßricht Oon unferer balbigen Slbreifemit* 
theilten. ©löge ©ott ihrer umnachteten Seele gnäbig fein! 

Sein treuer unb ftetg geborfamer Siener 

Pebro." 

Ser Priefter fprang haftig oon feinem Sifc empor. „3a, ja", rief er, ßch 
pergeffenb, mit überlauter Stimme, „biefe mahnßnnige 3ne$ unb bie berftoßene 
©eliebte beg reichen ©tanneg, ber fein eigeneg äinb gemorbet, eg möchte leicht 
eine unb biefelbe Perfon fein! Unb menn ße eg märe, bann bin ich einem ©e* 
beimniß auf ber Spur, bag ich mir nicht um alle Schäfte 3ubieng abfaufen 
ließe. Ugarte glaubt bag Spiel gemonnen su haben — er möge sufeßen, baß 
ich ihm nicht im leftten Slugenblid ben Stumpf aug ben %rten siehe! Ser ©rief 
biefeg Pebro mar an ihn gerichtet; hoch ba er alg feßr eilig unb rafcße ©rlebi* 
gung ßeif<henb beseidjnet mürbe, erlaubte ich mir, ißn su öffnen. Sie 2ln* 
fömmltnge aug San Stofario merben für’g ©fte auf meine Slnorbnung in Sa 
©ecoleta Aufnahme ßnben. SBag meiter mit ihnen gefcheßen foH, mag Ugarte 
beftimmen; boch mirb eg meine Sorge fein, baß bie ©Babnßnnige nicht aber* 
tnalg in einem unterirbifchen ©emolbe oerfcßminbet, ohne baß idh müßte, mo ße 
im Stothfad su ßnben fei. 41 

Set Sturm hatte auggetobt. Siefe nächtliche Stille berrfcßte auf ben 
enblofen Pampag; nur sumeilen ließ ßch bag ©efrächs ber ©ulen ober ber gel* 
lenbe Schrei eineg ffiafferoogelg oernehmen. Sag bunfle ©emölf hatte ßch 



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849 


jerftreut, unb auf Slugenblide fiel fogar bei fable Schein bei SJtonbel 
bernieber unb fpiegelte ficb in ben auf bet gralreidben Steppe jutüdgebliebenen 
ßa^en. Still unb buntel lag bie $acienba; nur aul ben nach bem ©arten 
fübrenben, bidbt oerbängten genftem bei $<nterjimnterl brang no<b in fpdter 
Stacht ein matter Sidbtfdbimmer unb oerlöfcbte erft nachbem bie erfte Stunbe 
bei neuen !£agel bereit! angebrochen. 

(Sortfefcung folgt). 


^ttbrew Jtoljnfon. 

S3on 5tubolt>& Secoto. 


Treason U a crime, and must be made odioas, 
Andrew Johnson, 

$te Sefpredbung tritifcber SDtomente in bem Men ber Völler gehört jut 
Slufgabe jeber 3eitf<hrift. Sie wirb jur gebieterifchen Pflicht, tpenn, toie 
in einer SRepublil, bie Vefeitigung ber ©efabr nidbt in ber #anb bei ©njelnen, 
bei Souoetainl, liegt, fonbern oon ber Gonfolibirung bet öffentlichen 3Jtei* 
nung unb ber SBefeftigung bei SBillen! ber Nation abbängt. 

©n SJtoment bat für unfere SRepublil bie Vebeutung, toelcbe Sabre für bie 
äßollet ©tropa’l beftfcen. ©ner plötzlichen ^nitiatioe folgt eine rafebe <8nt* 
toidelung. Von neuen Sbeen gepadß, bringen mir fie jur praltiphen Slnmen» 
bung, unbfeben ihre SRefultate lange beoor man brüben nur ben Verbadbt gegen 
ben'blofien ©ebanlen bemeiftert bat, bet eine Steuerung anftrebt. Vei 
biefer ©afticität bei SBirlenl, tiefen unermarteten Situationlmedbfeln wirb oft 
bie llarfte Sogil, melcbe bie Veurtbeiluitg ber nädbften Sulunft auf bie ©geh* 
niffe ber jüngften Vergangenheit ftüfet, }u Sdbanbe. Vermeffen märe el ba* 
ber, mollte ficb eine SDtonatlfdbrift bie Slufgabe ftellen, beten ©Füllung felbft 
ber augelprcffc bei biefem fteten SBecbfel, tiefem unaufbaltfamen drängen bet 
©eigniffe, fo fhmet mirb. 2Bit begnügen uni baber, eine lurje Schilberung 
ber 3ibatfadben jn entmerfen, melcbe bem jefeigen Iritifdben üJtoment ooran gin« 
gen. Sinb fie mal mir fte nennen, Sbatfadben, fo mirb ihre Veberjigung 
bie poBtifcbe Sltmolpbäre oon ben Scrlidbtern ju fäubern helfen, mit benen bet 
Sßarteieifer fte angefüllt, unb fte merben eine fiebere Vrämiffe für bie Schlup« 
folgerungen bilben, benen Seber hier früher, bort fpäter am Stimmlaften Slul* 
btudl ju geben bot. 

Treason is a crime, and must be made odious! So fpracb Sin« 
btero Sobnfott, all er ftdb mit ber SBürbe unb Verantmortlidbleit ber Sßräftbentur 
belleibet fab. SRicht 3ufaU, mie er fo häufig ftdb aulbrüdt, fonbern ein entfefc« 
Hebel Verbrechen batte ihn ju biefem Voften erhoben. Slul ber buntlen, 
m»bbefledtten Stacht, bie un! umgab, ging Slnbrcm Sobnfon, einft geehrt unb 
gefeiert, bamall aber oon feinen Sßarteigenoffen felbft mit fiälte unb Slrgmobn 


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betrachtet, Mn feinen Gegnern aber mit bem Äotb bet unwürbigften Säfterung 
bewarfen, befdjeiben, ernft, unb, wie e« fdpien, geläutert, betoor. Jag anf Jag 
umringte ibn bie Wenge patrioiifcber Wänner beibet potitifdjen Parteien, um 
denjenigen ju (eben unb ju böten, bem burch jene! ©erbrechen bie Wiffiou 
geworben, bie ^interlaifenfdpaft Sincoln’« }u orbnen, bie ©unben ber Nation 
ju heilen unb bie Siepublif für atte Butunft mit Sdpu&mitteln gegen bie Wie» 
betholung eine« Sittentat« ju umgeben, bem fte faft unterlegen wäre. ©a« 
meinte Slnbrem Bobnfon mit jenen ©orten, bie er in jebe feiner bamaligen 
Sieben einfchaltete unb bie fwb bem ©emütb be« ©olle« fo tief emprägten, bafc 
viele feiner beften Wänner mit ©eforgnih bem Woment entgegen faben, tao 
jener im finftern Graft gefprodpene ©ab ftfb erfläten mürbe? 

©dpmebten ibm ©aipne, Sljerobt unb Surratt »or Slugen, unb foßten 
jene brobenbe ©orte ihnen ba« Sdpidfal oertünben, welche« ihrer harrte? 
Sletn; ihr ©erbrechen mar nidpt ba« be« ©errath«. Sie hotten bie §änbe in 
ba«" ©lut be« Gbelften unb be« JreuejUn unfere« ©olle« getauft unb muhten 
bafür bie Strafe be« WörberS erleiben, mie e« auch gefdpab. ©aren feine 
.©orte gegen Befferfon da»i« unb beffen ©enoffen, bie ©ermittlet be« groben 
©erratb« 'gerichtet, ber unfere nationale Gyiftenj gefäbrbet hotte ? Sin* fo 
(jefjen fie fich nicht auffaffen. Befferfon da»i« mar jur Beit Süchtig, hatte ei» 
nen weiten ©orfprung »or feinen ©erfolgern, unb nur f dp mache Sluäftcbt war 
»orhanben, bah man feiner habhaft werbe. Slicht auf ihn lonnte fidp alfo jene 
Äunbgehung eiferner Strenge bejiehen, beten Raffung jebe WSglidpleit au«* 
fchlob, bah diejenigen, auf bie fie jielte, fidp ihr entjiehen fönnten. £>atte £etr 
Bohnfon fich benn bie militärifchen gührer ber Stebeßen jum ©egenftanb ber 
©ühne au«erloren, bie jene ernften ©orteber Station in SluSftdpt fteßten? Slucb 
ba« nicht, ©tant hatte ba« Schwert See’« unter bem Bugeftänbnifc in Gm» 
pfang genommen, bafc ber Stebeß »om ©eneral bi« jum ©emeinen »on ben 
©unbeäbehörben unangefochten bleiben fofle, wenn er nicht auf« Sleue gegen bie 
©efefce »erftobe, unb ba« ©ort, welche« noch anbere ©unbe«führer ben ftdp über, 
gebenben £eere«maffen gaben, mär un« Sitten heilig, ©ar fein Sltt«fpru<b 
beim gegen bie übrigen ©emobner be« Süben« gerichtet, bie, wenn auch nicht 
mit ber ©affe in ber £anb, hoch burch anbere Wittel bie Bnfurreftion geförbert 
unb unterftüht hatten? ©emib nicht. Unfern $eeren war fdpon währenb ber 
erbittertften Stabien be« Kriege« Schonung anempfohlen worben. Stabt» unb 
Sanbbemohnet. genoffen fogar be« Schule« ber ©unbeämaffen gegen unfere 
eigenen Slacbjügler, unb mit bem Slugenblid, wo bie ffiaffenftredung ben Ärieg 
faltifch beenbete, waren unfere Jruppen nur noch gut jalplenbe ©äfte in ben 
Staaten, bie fte al« geinbe betreten unb al« Sieger burchfchritten hatten. 

Slein, in jenen feierlichen Womenten, wo Slnbrem 3»bnfon au« bem fich 
felbft am 4. Wärj bereiteten Sticht« heroorgehenb, ft<h jnr höchften ©ürbe, bie 
ein Wenfdp »ragen lann, berufen fab, in jenen Slugenblidcn, wo, wie wir gern 
glauben woßen, bie tUffte, aufridptigfte dräuet ft* mit ber Hoffnung paarte,ber 
Stepnblit ba« werben ju tonnen, wa« Sincoln ihr aewefen, regte fich in ihm 



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nicht bet SDunfcb nach 5Ra<be, bacbte et ntcfet an ba! potttiflbe Schaffet; nicht an 
bal djil. Seine ©ebanfen, feine ülbfubten unb Bläne würben non ben dmpfin* 
bunten getragen, bie jene Stunben in ihm wach riefen. &ir, bu grofiel, tbat* 
träftige! Bolf, ba! bu bein SlUel verloren, inbem man bi<h beinel guhrerl 
beraubte, fof( burcb meine ganb eine Scbu|mauer errietet werben wie 8bta* 
bam Sincoln fie ju errieten gebaute. S)i<h für immer ber ©efabr ber Stuf* 
löfung ju entrüden, für alle Seiten bie Steine bei Slnftofee! ju befeitigen, bie 
ben Btuberfrieg unter bir angefadjt, ba! fei meine Aufgabe, bal fei bie erba* 
bene Sübne für bal Verbrechen, welkes mich jut 2Jla<ht berief. 

$al mar el, Wal Slnbtew 3obnfon vorfcbmebte, all er Sag auf tag bie 
SBorte wieberbolte: Troason is a crimo, and mast be made odions. 

.gatte er ben SBißen, fo befafi er au(b bie 2)!acht baju. Ser Süben lag 
ju ben güfeen bei Siegerl. dt war nicht in ber Sage, noch geigt« er bal Ver* 
langen, f«b ben Sßebtngungen ju wiberfefcen, bie ihm vergefcbrieben werben 
mochten. Sie dntfcheibung burcb bal Schwert war miber ihn aulgefallen, unb 
er fab mit faft ftoifcber Muhe ben folgen entgegen. SBal mosten unter biefen 
bie näibftliegenben fein ? 5tmb barüber War man flcb fo §ienilicb einig, ja jum 
groben tbeil gleichgültig, fo lange man nur Stube geno|, um jur Orbnung bei 
dbaol fcbreiten ju fönnen, bafj ber ßrieg bewwrgerufen. Sal Snftitut ber 
Sllaoerei war faftifdb fchon »or bem dnbe bei Stiegel jetfallen. 2>lit bera 
tage, wo man bem Sieger bie SBaffe in bie f)anb brüdte, brach man feine 
geffeln unb entfagte für immer btt Hoffnung, bie Suftänbe be/ „guten alten 
Seit" wieber inl Seben rufen ju fönnen. Schon war man baber auf ben ©e* 
banfen vorbereitet, burcb freiwillige .ganblung bal Sflaventbum ber gorm nach 
ju ©rabe ju tragen, unb hätten mäbrenb bei erften ÜDlonatl, nachbem bal 
Schwert in bie Scheibe geftedt, bie Segillaturen fämmtlid?er abtrünniger Staaten 
verfammelt werben fönnen, fo würbe man bamall fchon unaufgeforbert bal 3u« 
geftänbnih gemacht haben, welche! mir SJtonate fpäter nur burch gelinben Swang 
erjielten. Bon bem tßrinjiv ber Staatenrechte, in bem Sinne, wie man fte 
früher aulgelegt unb befürwortet, burfte tdum noch bie drinnerung übrig blei* 
ben. 3lu<h feine Berechtigung war burth bal Schwert entfchieben. 3m 
Slawen ber Staatenrechte war bie Sejeffion unternommen, bie Ärieglfadel ent* 
jünbet, unb ba, wo }ule|t unfere $eere vor benen bei Sübenl ftanben, ba la* 
gen fie begraben. SEBie fleinlich, wie baltlo! bo<h biefe Siechte gegenüber ber 
SUtacbt, bie fie jetmalmt hatte! Ulan brauchte ihnen nicht ju entfagen, benn 
man batte fie fchon verloren. Slocb gegen eine Sffiieberbebauptung in tünftigen, 
fräftigem 3eiten muhte geforgt werben — ba! verftanb auch ber Süben. 3lu| 
bem vcrbeerenben üampfe, ber 9Jorb unb Süb bi! in’l Snnerfte burchwüblt, 
burfte fein lofe jufammenhängenber Staatenhunb, leine von bem blofjen SBillen 
jebel einjelnen Xbeileä umftojjbare ©emeinfchaft, fonbern eine unauflöslich ver» 
bunbene 31 ation, ein unheilbarer Bunbelftaat bervorgehen. — $ie 
©(halben, welche bie Berrätber angebäuft, um ben Berratb ju förbern. Schul* 


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352 


beit, bi* bagu noch in baarer SJlünge gum dheil nicht ein daufenbftel beffen 
augmachten, »ag fte in Bapiergelb unb in Obligationen repräfentirten, 
über fte muhte ein Strich gezogen »erben, berm »ag gur görberung 
eineg Berbrecheng gefchehen, bat bor bem ©efefc feine Geltung. die 
militärifchen nnb politifcben gührer ber Siebeßion mußten für’g (Srfte ber poli* 
tifdjen SJlÜnbigleit entfagen, burften an ber Staate* ober $ommunalber»altung 
ni<bt $b*tt nehmen, unb mußten gleichfam einer neuen ^robegeit unter»orfen 
»erben, bebor fte in’g öffentliche Sehen gurüätraten. —©ab eg ber fünfte noch 
ntebrere, über bereu Bereinigung ber Süben ftcb llar »ar, unb bie ftcb au(b 
Slnbre» Sohnfon in ber Slugfübrung feineg Borhabeng, bem Sanbe grieben unb 
Stube »iebergugeben unb bie Oueile ber Streitigfeiten auf immer berftegen gu 
machen, mächtig aufbrängten ? ga, eg »ar namentlich (Einer noch ba, um beffen 
grünbliche (Erlebigung ftch Slßeg brebte. die bem Sieger gegebene greibeit, 
»ie foßte fte befrist »erben, »ie ftcb ©eltung unb Sichtung fchaffen ? dag »ar 
ber fch»ierigfte Bunft bon aßen. Söenige nur bauten baran, eg ben Be»ob* 
nern beg Sübeng gugumuthen, ftch mit (Einem Schlage ber Borurtbeile gu ent* 
lleiben, in benen fte gewiegt, unb bie fte fo fpftematifch genährt, bah fte gur 
gweiten Slatur geworben. Schwache STlenfchen, »ie biefe Borutlbeile fte gu fein 
begeugten, fonnte man bon ihnen noch »eniger forbevn, alg bon bem Starfen. 
Ohne einleitenbe Borbereitung eine abfolute ©leichfteßung ber früheren Sfla* 
ben mit ihnen alg eine Bebingung ber ihnen gu berleihenben Selbftftänbigfeit 
borgufchreiben, erfchien manchem Patrioten alg ein SJlihbraucb ber ©e»alt beg 
Siegerg. dennoch berbiente biefer Bunlt bor aßen anbern bie grünblichfte Be* 
rüdtfuhtigung, benn er »ar für ung ein (Ebrenpunlt, unb »ir muhten ihn nach 
ben ©eboten ber Bflidht unb (Ehre erlebigen, felbft »enn »ir babei bie Borur* 
theile beg loyalen (Elemente beg Sübeng gu befämpfen hatten, »elcheg leiber 
niemalg bon Bebeutung »ar. Sliicb bieg fahen bie Stebeßen ein. Sie »aren 
barauf gefafct, bah »ir eine greibeit, um bie »ir gefämpft, nicht ohne 
bie ftcherften Schufcwebren laffen, bah »ir bie Befreiten, ohne bereu £ülfe ber 
Sieg ung noch fern ge»efen fein möchte, nicht ftch felbft überlaffen »ürben. 
geig unb ehrlog hätten fte felbft ung genannt, »enn »ir demjenigen, ber 
unferer gähne gefolgt unb fte bertheibigt hatte, nur mit ber greibeit auf bem 
Bapiet gelohnt. Sie »uhten baber, bah biefe greibeiteerflärung bon hier 
SJlißionen SJlenfchen ge»iffe Slbänberungen unferer organifdhen ©efefcebebinge; 
nur Über bag 2öie »eit ? »ar man ftdb nicht llar, ober »agte ftch barauf mit 
$inbliä auf bag fo ber»erfliche, aber hoch burdb bie 3eit nur überwinbbare 
Borurtheil gegen ben Sieger leine Slntwort barauf gu geben, der Sieger alfo 
muhte für fte antworten, unb er tbat eg. dag bollfteBlafj ber©lei<h* 
heit b o r bem © e f e , bag »ar eg, »ag er einftimmig für ben früheren 
Stlaben forberte. Ueber bag Weitere möbelten ftch bie gorberungen nach ben* 
felben Bartcigrunbfäfcen, bie fchon bor bem Kriege mit Begug auf ben garbi* 
gen gepflegt »aren. $ier bieh eg, ber Sieger lönne auf nicht mehr alg jene 
fogenannten natürlichen Siechte Slnfpruch machen, unb bie politifcben »aren 



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in feiner £anb eine geführte ffiaffe^ bort, bat bie greibeit ein leeres SBort 
fei, wenn fte nicht burch baS Stimmrecht befeftigt, nnb bat man 2)ie, welche für 
uns gefämpft, auch bebingSloS mit bem Söabljettel betrauen bürfe unb müffe. 
(Sine britte Partei [teilte ftch in bie Rtitte ber beiben. Sie beftanb nicht fofort 
auf ©ewäbrung beS Stimmrechtes an bie befreiten, fonbern wollte biefe einer 
SßrüfungSjeit unterwerfen, ähnlich wie bie ©nwanberung ftch ihr untergeben 
muh, ihr 93ilbungS* ober ©gentbumSciualififationen »orfchreiben, tur$ fte war 
bereit, bie politifche ©leicbftellung beS Negers 33ebingungenju unterwer* 
fen, über beren Rrt unb Umfang bie Partei ftcb wieberum in graftionen jet* 
fütterte, unb nur in fo weit feft übereinftimmte, bat wenigftenS ein gewiffer 
3 eitpunlt, gleichviel wie fern, unb beftimmte SBebingungen, gleichviel wie fchwer 
ju erfüllen, bezeichnet werben müfjten, wo ber Sieger auch ber politifchen Rechte 
tbeilbuftig werben füllte. Unb mit biefer Partei, ber größten, benn fte be* 
berrfebte faft alle Staaten beS Horbens, ber zu matgebenbem ©nflut berechtig* 
ten, benn fte butte erft turj juvor ben spräfibentfcbaftsftubl befefct, war Rnbrew 
gobnfon* 3BaS er von ber greitreppe beS ©apitols §u Rafbville erft vor wem* 
gen Monaten als ©oubemeur bon Senneffee ben Schwarten zugerufen, baS 
gellte noch in ben Obren ber gefallenen Sflavenbalter. (Sr wollte ibr 
üRofeS fein, ber fte zur greibeit führte, e r wollte, wenn er bie 2Jta<ht bazu 
hätte, ihnen fchon bamalS baS Stimmrecht in Senneffce geben! 


2Bit buben bie Situation, wie fte am Schlut beS ÄriegeS war, in ben 
fürjeften Umrijfen ju zeichnen berfu<ht. ®ie gorberungen, welche an ben SÜ* 
ben geftellt würben, waren nicht bie ber Seibenfchaft; bie SBorte, in welcbenfte 
ftch geltenb machten, Waren eher bie eines na<hft<htigen, berföhnlichen öruberS, 
als bie eines Siegers. 2)ie ftarle £anb ber (Syelutioe gab biefen gorberungen 
prattifche 93ebeutung, inbem fte bie Staatsoberhäupter beS infurgirten ZtyilZ 
ber Unionbei Seite brängte unb prooiforifebe ©ouverneurS an bie Stelle jener 
feftte; aber felbft in ber Sßabl biefer Rtänner tourte fte ftch gegen jeben $Ber* 
bacht zu fchüten, bat fte bie Unterwerfung ber Gebellen burch swedtlofe $emü* 
tbigungen ju oervollftänbigen gebenfe, SBäbrenb bie Schüchternheit in ber 
SBabl beS prooiforifchen ©ouverneurS leinen Rnftot unter ber Regierungspartei 
erregte, gab fte ber Oppofttion DRutb zu einer Agitation ju ©unften beS be* 
ZWungenen geinbeS unb zum Rachtbeil beS Siegers. 2)ie ^arteifäfce verfloffe* 
ner 3abre patten nicht mehr für bie ©egenwart, unb man mutte ftch nach a\u 
bern umfeben, wenn wan überhaupt ben lofe jufammenbdngenben Elementen 
ber ©egenpartei geftigfeit, nnb wenn nicht SebenSfäbigfeit, boeb einen ßitt 
geben wollte, ber für bie näcbften gabre frifch blieb. $aber jene Agitation, 
bie, weil fte unter ben früher ober fpäter zur Selbftftdnbigleit gelangenben Re* 
beUenftaaten 93eifad erregen mutte, ber Oppofttion bie Hoffnung einbauchte, burch 
£ülfe ber feitberigen gnfurgenten wieber zu politifcher Rtacbt ju gelangen. Ruf 
ben Schwingen biefer Hoffnung geftaltete ftch bie juerft in matvcllem ©ewanbe 



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auftretenbe Agitation gut Seibenfchaft, unb bie M e l o it ftru 11 i o n S f r a ge 
mürbe bet große Saramelplaß ihrer ßrdfte. 

das, um melcheS man fich vor menigen äftonaten noch einig mar, mürbe 
fortan mit gang aitbern Süden beurteilt. dem Sßrinjip ber Staatenrechte auf 
immer entfagen, unb ftatt ihrer bie SunbeSlegiSlatue unb bie ©jrefu* 
tive fräftigen, um für immer bie Argumente niebergufchmettertt, bereu 
ber Süben fich gur ÜDtotivirung ber Serechtigung gut Segeffion bebtente, um 
für emig bie Argumente gu entfrdften, mefohe 3ame$ Sucßanan beanfprueßte 
um bie Snfurgenten gemäßren gu taffen ? Schmachvolles 3nrauthen, unheiUget 
©ebanle, bie Sttacht beS Siegers fo gu mißbrauchen! — Hebet bie Schuft ber 
©onföberation einen Strich sieben? ©efdhrlicheS Unterfangen, benn mer 
mußte, mie halb bie fo ergriffene Initiative gum Signal eines gmeitett Striche* 
über bie S u n b e $ fchulb vermenbet merben fönnte ? — $olitif<he Unmünbig* 
feit über diejenigen verhangen, melcbe bie fHebeüion mit bemaffneter £anb un* 
terftüßt ? Unerhörte ©raufanifeit, teuftifeße ßrfinbung beS föabifaliSmuS, beffen 
Unverfößnlichfeit jene Unntünbigerlldrten gu neuen rebellifchen Seftrebungen 
anftacßeln mürbe* die ©emdßtung politifcßer Rechte an bie Sefreiten, gleich 
ober in ferner 3ulunft, bebingungSloS ober unter ben erfcßmetenbften SilbungS* 
ober (SigenthumSqualifUationen ? 2Sel<h ein Sturm ber 3ubignation bemdeß* 
tigte fich hoch ber bemofratifchen treffe bei bem bloßen ©ebanten an eine 
folche Unftat! $ier ift bie ©efeßtafel, bie Serfaffung ber Stepublif, 
bie nicht verbeffert merben barf, nicht Derbeffert merben fann! riefen fte bon* 
nernb unter baS Soll, auf bie mit (Such vermeifen, unb flnbct 3hr barin ein 
eingig 2Bort, baS (Such bie ÜUtacßt giebt, ben öingelftaaten bureb ben Kongreß übet 
bie Verleihung beS Stimmrechts innerhalb ihrer ©rengen Sorfcßriften gu machen, 
fo thut eS, fonft aber proteftiren mir im tarnen unferer „verirrten Srüber".— 
3a, biefe (Sonftitution, bie von ben Diebellen mit ftüßen getreten, riefen fie gu 
beren Schuß an, biefe Gonftitution, bie fich, mie Suchanan gu bemeifen fuchte 
unb ber Ärieg barthat, mangelhaft ermiefen, mollten fie, Serbefferungen unb 
$ingufäße im Programm ber bettf<h*nben Partei mitternb, Don Dornherein 
gegen folche Dermaleren. 

Dtur bie nadte, aller Schußmittel entbehrenbe Freiheit tooßten fte bem 
Jteger geftatten, meil — fie eS nicht gu ßinbern vermochten. SBoßl hat* 
ten fie fich bagegen geftemmt. Staaten, in melden bie OppofitionSpartei bie 
gahlreichfte mar, hatten baS bahin gielenbe Slmenbement gurüdgemiefen, unb be* 
fdmpften eS noch mit ben fchneibigften SBaffen, ben leibenfcßaftlicbften Sorten. 
Slber ber Strom ber öffentlichen Meinung riß fie mit fich fort. Sie mußten nachge 
ben, mußten baS ©efchebene unb noch Serbenbe als ein unumftoßbareS Urtheil 
gegen bie Sllaverei betrachten, doch lein SBort gut Sicherung ber bamit vet* 
lünbeten Freiheit, lein Schritt, ber baS große Sert förbern lonnte, denjenigen 
gnm nüßlichen DJtitgliebe ber ©efellfchaft, gum felbftbemußten ÜJtenfchen 
gu machen, beffen geffeln man gebrochen, mürbe von ißr befürmortet. Äeine 
SDtaßregel, baS papierne (fbift gu einem Saßrfpruch gu erheben, ben -Riemanb 


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miftoerfleben tonnte, baburch, ba& man ba£ SBefen bet SHa»etei »ertilgte, 
tote man ben Statuen aus ben ©efepeSbüdjern »erwifcbt. Stur bie greiheit, 
ohne bie Segnungen, welche fte allein gut 2Ba^r^eit machen tonnten, wollte man 
bem Sieger gugefteheiu 

2ßir brauchen bie Slgitation ber Dppofttion, welche um bie SJtitte beS 
lebten Sommert begann, nicht toeiter gu »erfolgen, um bie ßontrafte herborju*» 
beben, bie gwifchcn ihr unb ber Partei, bie Stnbrew 3ohnfon in fein hohes 
2 lmt berufen, obwalteten. ßr fcbien ber ihn umtobenben Agitation, bie ba* 
mals toobl weniger feine perfönliche ©eeinflufjung als bie ©ilbung einer mach* 
tigen©artei, burch bie man ihm gu imponiren hoffte unb baburch3ugeftänbniffe 
im Qntereffe beS SübenS gewinnen gu tonnen glaubte, wenig gu achten. Seine 
Snftruttionen an bie pro»iforif<hen ©ou»erneitrS waren furg unb un»erfängli<h* 
ßr legte ihnen gwar nur einen Xbeil ber »orher begeichneten billigen gotberun* 
gen im tarnen ber Sieger an’S §erg, unb motioirte bieS feiner Umgebung ge* 
genüber baburch, ba& man nicht gu »iel auf einmal forbern bürfe, um ben 
Süben nicht gu becouragiren. Stahmen manche Sopaliften an ber gorm feiner 
ßtftlingSfcbritte in ber Steconftrultion Slnftofj, fo tröftete man ftch mit bem 
©ebanfen, ba& Lincoln ähnliche cingefchlagen habe. SBenig nur trübte baS 
Vertrauen beS ©olfeS gu ihm, bis er gu gewiffen Slegimentern »erabfdjiebeter 
garbiger fprach. $ier ftiefj man auf SBiberfpruch, auf Unfreunblichfeit. 2)ie, 
welche bie Uniform beS ©unbeS tragenb, alfo unter bem heften Seumunb* 
geugnifj, »or ihn traten, fprach er als gu einer Slace geborenb an, beren 
Schwächen unb £after notorifch feien. Schwang er ftch in einem Moment gu 
bem SluSruf empor, bafc fte feine SanbSleute, ba& fte freie Scanner feien, benen 
biefer ßöntinent ebenfo gut gehöre wie ben 2£eifjen, fo beutete er im näcbften 
bie SJtöglichteit an, bafc man ihnen nicht geftatten werbe, in unferer SHitte 
gu bleiben, fonbern fte außerhalb beS ftmbcS coloniftren werbe. 3)aS waren 
gewichtige SBorte, benn waren fte, wie behauptet wirb, ohne Vorbereitung ge« 
fprochen, fo brüdten fte um fo fieberet ©ebanfen auS,»on benen baS^erg »oll 
war. Stur noch eine turge Spanne 3*^ unb ber ©eift, ber jenen SiuSfprucb 
burchwehte, äußerte ftch auf anbere SBeife. Slnbrew Sohnfon fprach gu einer 
^Deputation aus bem Süben mit einer ©rüberlidhfeit, bie benen beS StorbenS 
fremb geblieben war. Seine 2lmneftie*$ocumente fanben ftch halb in ben 
Safchen b*r»orragenbet Gebellen; fein Oh* war ihren greunben im Storben 
offener als ben Pächtern unb ben Kämpfern für bie Sicherheit beS ©unbeS. 
dennoch erregte bieS leine fonberlicbe ©efürchtungen. SJtan hatte ihn im »ol* 
len ©ewufjtfein, bah er im Süben geboren, im Süben ergogen, im Süben enb* 
lieh gu bebeutenber ©romineng gelangt fei, an bie Seite Sincoln'S geftellt, unb 
man muhte ihm baher fchon mehr nachfehen als man eS einem Spröfcling ber 
greiftaaten gethan hohen würbe, fo lange er nur treu blieb. Sluch Darf 
man namentlich einer äunbgebung »on ihm nicht »ergeffen, welche ba$ ©er« 
trauen gu ihm aufrecht hielt — feines Schreibens an ben ©ouoerneur »on 
2 Jiif[ijjippi, in welkem er, feine frühem 3nftructionen fcharf wieberholenb, feinen 


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1 356 * 

lebhaften SBunfcb $u etlennen gab, bafs bet Staat feinen ©enoffen in bet Sie» 
betlion mit bem guten Beiipiel »örangeben m6ge, gemiffen filaffen bet Sieget 
ba§ Stimmtest ju gemähten. Socb halb finben mit aud} in biefet Sticbtung 
einen Slüdfcblag. Sen injmifcben fid? »erfammelnben ßonöenten unb SegiS» 
latuten bet infurgirten Staaten mat bet $amm gefebmollen burcb bie offene 
Barteinabme bet bemofratifdjen Bteffe beS StorbenS füt fte. 3« ben Spalten 
biefet 3eitnngen tafelt fte baS, rnaS »on ibten Sippen als „neuer Berratb" 
gegolten batte. SBarutn nicht menigftenS ben Berfucb machen, biefem ©eift, 
menn nicht butch Sorte, fo hoch burcb -ganblungen, als ßcbo ju bienen ? Sie 
mürben ftürrifeb. SPlit bet Sinnahme beS Slmenbements ging es nur langfam, 
mit bet inbitelten ©ntfagung beS tptinjipä bet Staatenrecbte burcb eine SluH» 
unb SUcbtigerflärung bet Sejeffion noch langfamet. Siucblofe ^intergebanfen 
fpiegelten ftcb in ben mieberholten Berfucben ah, bie ©lekbberecbtigung bet 
Befreiten »on bemSefefc ju hintertreiben unb fte als 3eugen in jeber ßlagefadje, 
an me leb et SEBei^c betheiligt maren, ju »etmerfen. Slocb bßSmiHigere Slbftcbten 
erllärten fnb burcb ben Special»ßooey, tuelcben mehrere bet Staaten jur ferne» 
ren Beberrfdbung unb SDlajjregetung bet farbigen Staee entmarfen. Sie ßt» 
theilung politifeber Siebte an fte (am laum jur Sprache, ober mürbe, menn an» 
geregt, »eräcbtlicb tobtgefebmiegen. Sie Siepubiation bet »on ben Staaten 
jum 3*»ed bet görberung bet Stebellion gemalten Sdjulben fanb einen ebenfo 
ftörrifdjcn SBiberftanb, unb rief oerrätberifebe Säuberungen hetoor, ähnlich 
benen, bie mäbrenb bet ßongtefftgung »on 60 auf 61 ben ßampf »orberei» 
teten. 

Slnbtem 3ohnfon mar mäbrenb biefer SPeriobe febmeigfatn unb «tfcbeinenb 
gleidhgültig. S)ie Oppofttion hatte ihren 3med erreicht. Surcb bie gemaltige 
Slgitation für bie £erbftroablen beS lebten SabreS batte fte ihm imponirt, 
burcb ihre erheuchelte Sopalität ihn lonfuS gemacht, ßrft als mit bem Oltober 
jrnei grobe Staaten ihm burcb ben Stimmlaften fagten, bajt ihr Bolt baS 
bünne ©etoebe beS BerratbS burebfebaue, mit melcbem bie gübrer ber Oppo» 
fttion bie Sßablen für fed? jit mobein hofften, als biefe Staaten im BorauS baS 
Siefultat ber Slbftimmung im 9lo»ember »erlünbeten, als baS Bolt ber Gyecu» 
tioe jurief, bab eS baS auf hunbert Scblacbtfelbern (Mämpfte nicht burcb bie 
Sift ber Semagogen ober bie Schlaffheit ber Siegierung »erlieren molle, ba 
mürbe Bräfibent Sohnfon »on neuem ßifer bejeett, unb noch einmal fehlen aus 
feinen ßunbgebungen heroorjuleudjten, bab bie billigen gorberungen beS 
StorbenS »on ihm auf baS träftigfte unterftüjjt, unb bab ber Station bie nötigen 
©arantieen für ihre lünftige Sicherheit »on ihm erjmungen merben mürben, 
menn fte nicht freimütig bargeboten. 


Umfonft fudben mit mäbrenb beS lutjen 3eitraumeS, ber jmifeben jener 
Betiobe unb ber Eröffnung beS SongreffeS lag, nach ßreigniffen, bie ben ßin» 
flub jenes StuSbrudS beS BollSroillenS auf Slnbrem Sohnfon entträftet haben 



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Stinten. ®etragen Don feinet auf’S Sleue in einer SHJeife gejtärften Partei, 
tote bie politifche ®efchi<bte bet Sepublil faft fein jmeiteS Seifpiel aufweij’t, »on 
einet Partei, bie nichts Don ihm Detlangte, was et nic^t fdjon fängft freitoiUig 
oerfprochen, nichts Don ibm wollte, was bet nächftliegenben finftern Grllärung 
eines SluSfpruchS: Treason is a crime, and must be made odious 
glich, lag bet 2Beg geebnet Dor ibm, um baS ju Detwirllicben, was ibm Borge* 
fdjmebt batte* Sennoch war er für biefe *3uf(üftetungen btt Pflicht, biefe 
Mahnungen beS MärtprerS, biefe mobl fcfeon ju IBorfägen gereiften Regungen, 
plöplich abgeftorben. Sie SSotfdjaft, welche et bem Gongrefj bei bet Gröffnung 
feinet Sifcung jufanbte, weift feine erfte entfcbiebene »Parteinahme für bie 
Staaten auf, beten SSerratb et “odious” ju machen besprochen batte. Set 
■gonigfeim bet Sruberliebe für fee flofe Don feinen Sippen. SffiaS fte getban, 
fc^ien ibm bet böchften Slnerlennung wettb, was fte in SluSfuht (teilten(!) gab 
ibm bie Hoffnung, halb wiebet eine innig Dereinte Station begüjjen ju tonnen. 
Sie »Berichte unbefangener, fcbarffichtiger, Don ibm felbft na<b bem Süben ge* 
fanbter SJtänner übet bie Buftänbe unb bie Stimmung bafelbft gefliffentlicb 
ignotitenb, fcbUbette et fte als Dieloerfprechenb, ja fogat als ju unbebingtera Set* 
trauen aufmuntemb, wäbtenb et boch erft jwei Sage jubor bem probiforifchen 
®oubetneut Don Slotbfatolina ben Slufttag gegeben, fein Slmt tio| beS neu* 
gewählten ©oubetneurS fortjufübren, weil et mit Sorbtarolina nicht jufrieben. 
&itj, biefer Sbeil bet Sotjdjaft war nichts als bet unberblümte 2luSfpruch 
feiner Uebetjeugung unb feines SffiunfcheS, baj bie Don ben rebellifcben Staaten 
erwählten Siepräfentanten unb Senatoren im Gongtejs Slufnabme finben folt* 
ten. gn bet »BunbeSlegiSlatur feilten fte Stimme haben, wäbtenb man fte 
in ibttn ftaatlicben Slngelegeuheiten nicht ft<b felbft überlaffen burfte. SaS 
war bet Stennpunft feines SiaifonnementS, baS bie Sichtung beS ganzen So* 
fumentS. ®ab et bet grage biefe grobe frommen}, fo nahm bet Gongte!» ftdj 
ihrer mit gebübtenbem Gifet an. SaS günfjebner*Gommittee ging aus ihm 
betDot, um, wie <S üblich unb wie bie Südficht auf bie Sicherheit uub bie 
SBoblfabtt beS SJolfeS es erbeifcht, baS güt unb Sawibet nach SDJafsgabe bet ibm 
unterbreiteten Shatfachen ju erwägen. Slbet baS pabte |>errn gobnfon nicht. 
Gr proteftirte unb janlte, wenn auch nur in engeren Steifen, aber biefe Sporte 
beS BotneS waten bimmlifche Melobieen füt baS Ohr bet Oppofttion, bie ftdj 
ihrer fofott bebiente, um ein jarteS Sep füt ben Spräfibenten ju fpinnen, bet 
mit ben SBerttetern feiner Partei unjufrieben geworben. ‘ Unb Slnbtew gohn* 
fon lieb frb i» biefem Steh fangen. Set mabDolte Grnft feinet frühem »Par* 
teigenoffen berührte ihn nicht fo angenehm, wie bie Scbmeicbelworte bet 
bisherigen ®egner. genen ftanb et in bet Gigenfchaft eines Mannes gegenüber* 
bet über bie richtig beanfpruebten SBefugniffe bet SPoIlSoertretung unpaffenbe 
öemettungen machte, biefen als bie böc^fte »Potenj bet ebelften bemolrati* 
fchen $tin)ipien. Mit biefem Slugenblid war Slnbtew gobn» 
fon gefallen. »BaS bann folgte, wat nur bie logifche Gonfequenj beS 
einleitenben Schrittes. Gine antagoniftifche SUujjetung btängte bie anbete. 


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6 ie wutbeit mit Stißfchweigen Bon bett ihn bisher Sefreünbeten, mit Subelruf 
Bon ben Glaqueurl bet Dppofition aufgenommen. Seber dag braute bie Utfa« 
djen neuer Serftimmung, neuen driumphel mit ficb. Mul bet unerfreulichen 
Stellung bei Srdfibenten jum SongteB tuurbe batb eine feinbltcbe, beten fiunb» 
gebungen noch in SebermannSGtmnetung liegen, unb bal antagoniftifche Set« 
hdltnih erreichte feinen $5hepuntt an bem Sage, wo er jum niebrigen Seite* 
fchmeichler hetabfanl unb faft auf bereite SSeife ben $öbel jii ©ewaltthdtigleiten 
gegen bie SRepräfentanten bet Mation anjureijen fuchte. Mn btefem Sage 
»etlor et bal Settrauen, oerlot er auch bte Mchtung derjenigen, bie mit ihm 
bie bunflen Stunben, bie Stufungen bei Saterlanbel erlebt hotten, bie wie 
er im Unglüd ihre dteue bewahrten, aber auch Don bem ©lud fi<b nicht be* 
thören liehen. 

Sffiir finb nur mit lurjen gebetjiigen Aber bie (Sntwidtelung bet Bon Mnbrew 
Sohnfon eingefchlagenen bebauerlichen Sichtung gegangen, weil jebem.Sefet 
bet Monatshefte bie Ginjelnheiten biefet Seriobe belannt finb. Gin 
Weiteret ©runb baffir liegt in ber dhatfache, bah ber ©eift bei Srdfibenten [ich 
nicht fo flarl in bem Meinunglconfült, ber jwifchen ihm unb bem Gongreh ob« 
waltete, wie in bet Mrt unb SSeife, feinet Meinung unb feinen ffiunfehen ©el» 
tung ju fihaffen, tennjeichnete. 60 weit el ben 3»«d unfetel Mrgumentl betrifft, 
bleibe el bahingeftcllt, ob bie Bon Mnbtew Sohnfon bejeUhneten ©rünbe für 
fein Seto gegen bie greebmen’S Suteau Sill aulreichen ober nicht, ober ob 
bie Borgefchtagenen 3ufd|e jur SunbelBerfaffung ben gotberungen bet 
Situation entfprachen. Gl ift bet ©eift, ber feine Gntwörfe burchmebt, bal 
fibermüthige 3 urßdweifen oen dhatfachen, beren Sermittlet et felbft war, abet 
bie er jegt nicht acceptiren lann ohne bie ^aWoftgleit feiner Gmfpradje ju bo* 
lumentiren; el ift fein ufurpatorifchel ©ebahren gegenüber ben bisher niemals 
in grage gefaßten Sefugnrffen ber Settretet bei Solle!, unb fein gefliffentlich 
herbeigeführtes Serwürfnifj mit ben heften Männern bet Sortei, bie ihn mit 
Macht belleibete, bal ift el, Wal ihn ebenfo beutfich lennjeidfaet, wie bal jwei« 
heutige Serbdltnifj, welche! jwifchen ihm unb denjenigen obwaltet, benen 
Bot Sahtelfrift etft bie ffiaffe entriffen würbe, mit ber fie nach bem geben bet 
Mation trachteten, diefer ©eift ift el, ber Mnbtew Qobnfon Bon ben Seihen 
bet $artei trennt, ber et ein Sannettrdger gewefen unb beren befcbeibenftel: 
Mitglieb jefct mehr Mnfpruch auf unfere Mchtung hat afo tr. 

Man batf ihn nicht faßen laffen, batf ihn nicht babutch, bhf» »an »hm 
ben Müden lehrt, jwingen, fcch rüdhaltlo! denjenigen hinjugeben, bie, umpo» 
litifche Macht ju gewinnen, welche nur bie 3“laffung bei Sübenl ihnen brin¬ 
gen lann, ben Stäfibenten in ber Meeonftruttionlfrage JU jebem 3ugeftänbnij» 
Betanlaffen würben, hören mit Bon oielen ©eiten fagen. Mit linnen folche 
3wedmdhigleit8rDdji<hten nicht befürworten. 3ohnfon ift ju weit gegangen 
jum Ginlenten, hat ju fchwer gefehlt, um bal Sertrauen wiebet gewinnen ja 
tonnen. 3hn mit ber Saft, bie er felbft f»«h aufgelaben, ju unfctftüfan, würbe 
bie greunbe bet Union, biefe grefa patriotifche Sbalanf, bie in ben bunlelften 



©tunben nicßt manfte, ttid&t entmutigt mar, bemoraRftren, unb Ihre 2Ra<ßt 
bredjen. Keffer, baß fte bcr ©atßlage gerabe in’S Slntlip fc^aut, baß ftc no<ß 
einmal fitß gum Äampfe röftet, no<ß einmal für bie Erhaltung bejfen, ma§ mit 
fdßon gewonnen, itnb för bie ©i<ßentng bet 3uhmft unfereS SanbeS ben ©turnt 
ber tlgitotion, o ß ne bie Vrüteftion bet ©yelutibe gu genießen, braufen fdßt, 
als mit berfelben. da$ ©djilb, mefdßeS bie Verfügungen bet lepten fünf 
3 aßte o^ne SWafel ließen, muß au<ß jept tein erßalten werben. ©o rufen un3 
aud? bie Stimmen $unbetttaufenber gu. die inbinibuellen ©gentßümRdßfei* 
te« btS Vrdfibenten mit ßoßer ©ürbe ignotirenb, galten fte jt<ß an ben 3mie* 
fpalt, melcßen et groifcßen fuß unb bem Kongreß ßerborrief, inbem etißnbebot- 
munbcn modte. der 3»m, meldet ißn bur<ßftrömt, laßt fte unberüßrt; aßet in¬ 
bem fte burdß ben 2Runb ißtet Segislaturen ba£ Veneßmen bet Vertreter beS 
Volles gutßeißen, fagen fte gu ißm: du magft mit denjenigen geßen, bie gn 
Chicago in bet ©tunbe unfetet größten Votß ben $uf erßoben: The war is 
a failure! do<ß fo lange mit Stimme unbSltm etßeßen fönnen, fofl e§ unfern 
Vertretern nitßt an ©tdrfe mangeln, um bie Vreftße ju behaupten, in bte bet 
Verratß fte getufen, unb bafür gu forgen, baß bie ©iebetßerffetfung unferer 
SRepublil ni(ßt in einet failure enbe. ©öden ni<ßt aueß b eutf (ß e Vürget 
biefem Veifpiel ttatßaßmen, ftatt burtß eine ftßüdßterne Varteiftedung gu erfennen 
gu geben, baß man heiliges $Re<ßt unb emige ©aßrßeit nut auf f tum men 
©egen fußern lann ? 

©oßl mögen mit mit fernerem £etgen auf baS Viele gutüdbliden, maS 
bon ben billigen Jotbetungen, bie mir an bie Veftegten ftellten, no<ß unerfüllt 
bleibt — benn bie Sgeriobe bet @rrungenf<ßaften unb Reformen ift für lange 
3eft als abgeftßloffen gu betraeßten. die Jreißeit bet ©tßwargen, fo meit baS 
gebulbige Rapier unb bie bef<ßrdnfte ©emalt beS jepigen JreebmenS Vureau fte 
berbfirgt, ißre gögernb gemdßrteunb arg berllaufulhrte ©leicßßeit bot bem ©efep, 
bte mieberum bureß' lne(ßtenbe Gontrode beS SnbibibibuuntS entmertßet ift; bie 
Vud* unb ftidßtig-Grlldrung ber ©egeffton unb bie Dlepubiation bet gum 3roed 
bet Snfurteltion 'fontraßirten ©dßulben — adeS bieS nut in ben menigften 
Jaden freimtflig geboten, fonbetn ben Vebeden gleicßfam abgegwungen, baS ift 
»des, ma3 mit für bie Opfer eines fünfjährigen ßriegeS, bet uns ©ieger ließ, 
aufjumeifen ßaben. Jragen mit meiter, fo finben mit fiberad benfelben tebel- 
ttfdßen (Seift fteß offenbaren, ben ©rant bot einem Jaßr ftft gdßmte. Offene 
unb notorifeße IRebeden ßaben fteß ßietunb ba ber ©taatSregierungen, faftüber- 
ad aber bet Gommunalbetwaltung, bemdeßtigt. ©it finben fte in ben SegiS* 
latuten, ben Gonbenten unb ben VolfSberfammlungen eine maßgebenbe 
SRode fptelen. ©it ftnben ße als (Eommanbanten ber 3WiItj, ats JriebenSricß- 
tet, als ©tabtoberßdupter, finben fte für baS dteprdfentantenßauS unb für ben 
Senat gemdßlt, unb biel^fommen na(ß ©afßington mit bem frei auSgefprocße* 
dßenen Vorfape, ben ^eueib nießt leiften ju moden, aber bod> 

ber Hoffnung lebenb, Slufnaßme gu ßnben. fflie bot bet SRebedion, fo mitb 
aueß jept bet Slufcntßalt lo pftktH tt dmu& ua man n en fünften beS ©übenS un* 


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360 




erträglich unb gefdljrUc^ gemalt; bie bort unter bev Hanb bet Sütger aus ben 
greiftaaten erblübenbe gnbuftrie briht unter bem ©iftbauh bet rebellifhen Um¬ 
gebung nieber, SunbeSbeamte werben »erfolgt, mijibanbelt unb getöbtet, bie 
SunbeSuniformen »erbßbnt, unb bev Sefreite ift ber ©egenftanb unoevföbnlihen 
paffes, gegen ben et feinen Schüfe beftfet, wenn er ftcb nicht in unmittelbarer 
giäfee eineß Seamten beS greebmenS Sureau befinbet. 

So ftebt es im ©üben. Maren bieS bie geigen ber Metterie Slnbrew 
gofenfon’S mit ben geinben bet SRebellen, fo barf man barauS füglich fhlie* 
fjen, wie fehr ft<h biefe 3wftänbe an ßrafiheit fteigern werben, wenn es 
befannt ift, bah et f«h ihnen ganj hingegeben. Elber »ielleicht würbe ge» 
tabe bieS baS Heilmittel fein. <fs giebt unter uns Viele, beten ©lief erft burch 
bie fchroffften Mittel geUärt werben lann; aber fefeen fte einmal, fo behalten 
fte auch baS rechte 3'el im Sluge. Unb felbft ber Hülfe biefer bebarf eS nichts 
um wenn auch erft fpäter baS burhjufüferen, womit bis jefet nur ber Slnfang 
gemalt worben ift. Mögen nur diejenigen treu bleiben, bie unter fhwie* 
tigeren Serbältniffen nicht gewanlt, mögen fie jufammenfealten, wie fie eS tfea* 
ten als nicht minber fritifhe Momente benn ber jefeige ihre HuSbauer be c 
geuerprobe unterwarfen, Menn nur fie fich nicht burch baS wirte ©efeferei über 
bie gorberungen beS SRabifaliSmuS bethören, nur fie fich nicht burch bie »lau« 
ftbeln Argumente ber ©egner feinreifeen laffen, fo bleibt eine Macht unerfhüt» 
tert, bie felbft bann nichts an entfdjeiber.ber Störte »erliert, wenn fie fich 
nicht äußert bis Slnbrew gofenfon »on ber Sühne getreten ift. 


Ueber biefen felbft noch einige Morte. Ungern ftebt man fich einem 
Manne entfrembei, ben man gefehlt, geachtet hat; aber man barf ber Ser 
gangenbeit wegen bie ©egenwart nicht anberS beurteilen als fie ift. Stuf lei* 
nem Sterblichen bat jemals bie Verpflichtung, feiner Vergangenheit treu ju blei* 
ben, mit gröberer Schwere gelaftet als auf Slnbrew gofenfon, unb folgte er 
biefem ©ebot nicht, fo foltte ber dabei ihn in gleichem Maße treffen. Sucht 
man nach ©ntfcfeulbigungen für ihn, fo finbet man beren »ielleicht in ben ihm 
jugefeferiebenen (fycentricitäten feines MefenS, unb giebt eS beren, fo werben 
ihre Seußerungen itjn ju (fytremen nach jeber Stiftung führen unb frühere 
greunbe nur noch beforglicher mähen, neue greunbe mit wohlberechtigtem 
Slrgwohn gegen ihn erfüllen. ©Iaubt er in denjenigen, benen er fich juge» 
neigt, bie Partei ber 3ufunft jit crblidcn, unb beeinflußen, trog feiner ©egen* 
»erfiherung, efergeijige Hoffnungen feine Hanblungen, fo ift bennoch feine 
3ufunft nicht minber bunfel. Mer fich beffen bebienen muß, mag ben Ser* 
rath gern hoben, aber ben Serrätber liebt er nicht, daffelbe dunfel, aus 
welchem er her»orging, wirb Slnbrew gofenfon wieber in fich aufnehmen, 
g h m wirb man jutufen, was feine Sippen »eriünbeten, als wir ihn, nur ihn 
hatten, um uns aus ber Saht sum Sicht }u führen :*Treason is a crime 
and must be made odious. 



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i 


H f 11 * r 11* 

(ErgSblenbc* ©ebicbt ron fl». »«fWaub. (Breoflpn.) 


I. 

Kämpfe. 

(Ein ärmltb Stufen oBert unterem $a$, 

«fte<bt nab beut $immel", faßen bie Poeten. 

Ccin S^ranT, ein 2ifö, bk* Stublunb 9tPtenfa<b, 
8»et glürtlub Itebenbe 9taa#orctwu 

Sie ftrid) bag $aat tym mm ber Reiften Stirn, 

SJrüdt’ einen Ieifen ßuf* barauf mit Sdd&eln, 

So leife, baf* fein traum*umfponnen £im 
SRid^t mujite, mar’g beg Slbenbminbeg gäd&eln, 

SBar’g ber ©ebanfen geiftertyafteg Sßcb’n.... 

3)odj m ag eg mar, fein innerft $erg erquidt’ eg, 

$urd&gittert’g mie mit innigem 93erfle^n; 

Sein mübeg Sluge, auf gurn £immel blidt eg, 

3nbeb er — mie na<b einem S<battenbilb 
$ie 2lrme augftredt.... „3a, bu mirft begreifen, 

SWein 93oll, mag mdd&tig mir im Bufen quillt — 
gür rneineg Sang’g 93erftdnbnifj mirft bu reifen!".... 

_So fprj^t er gu fub felbft, — o Seligfeit! 

Sie laufet entgüdt! o mödjt* er SBabrbeit reben! ! — 

Jtid&t barum, baf* fie barbt — bag reiche ßleib 
6<bon Idngft toertaufd&te mit berfdjoffnen gaben — 

0 nein! gern birgt bie eig’ne Schönheit fte 
3n grauen Söolfen — Seiner nur gebenft fie, 

Unb in bie SEBerle boller Harmonie, 

3)ie ©r erföuf, bie Seele gang berfenft fte. 

„0 ba| er ftegen möge überall, 

2) ajj feine S^opferlraft bie #immelgleiter, 

©emebt aug ftarfem unb aug fü&etn Sd?aH, 

3) aran fein 93olf einft aufftieg’ meit unb meiter!" 

©efangen hielt bag ftböne hoffen noch 
Erinnerung mit mbftiföen ©emalten. 

2l<b, all ihr ©lüd — mie lange mar eg bo<b ? 

S3emi<hteten bdmonifdje ©eftalten- 

0 fd&redli<b, gmeimal fdjredlidjeg ©efi<bt! 


*> Sfoub einem magren SRotfo: fltadfr einer ttalienifäfn Sitte mirb ein mufffaTtf^er 
JtftnfUer, beffen Ser! öiaäco gemalt bat, mit Sang unb Spiel, bo$ in Begleitung einer 
Babre, na<b $anfe gebraut; bat er bagegen geftegt, fo reroanbett man bieBabre in einen 
SbronbimmeL Barteln unb SWuftf bleiben fl# glet<b. 



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362 


3» jener 2Ritterna$t — ba ängfiticb laufchenb 
Mm genfter fte im feilen SSlonbenticbt 
©eftanben, uttb bie Setenabe taufcbenb 

£erangebrauft mit grellem gadeljug- 

SBeb, toei)! baS SEBetl beS flürtftlerS auf ber SBabte! 
Sott tarn beS SatlopbageS SRaSlentrug — 

SBerlot’ne Hoffnung unb »erlot’ne Qabre! — 

Stiebt batum war’S, ba& fie in SleicbtbumS ©lanj 
gortan gelebt, wenn et ettang bie Ärone — 

0 nein — nur bafs ein grünet Sorbeerttanj 

Sem heilten {Ringen enbticb warb ;um Sohne. 

.... 37tit Schauem ftattt fte in bie Sdmmerung, 

Sie jefct ft<h fenlt betniebet auf bie Sanbe — 

8<h, bamalS jtodt’ ibt IjlutS — nicht alt, nicht jung, 
Sßetjweifelnb faft am eigenem SBerftanbc — 

Sab fte’S jum} weiten SDtal: mit Sang unb Spiel 
©ab man ein S»ott«©eleit bem emften Streben.... 
„Sie treten in ben Staub bein hohe» Siel — 

0 mein ©eliebtet! lannft bu ferner leben ?“ — 

So träumt fte fiib jttrüd in jene Stacht, 

Sa fcblucbjenb fte in feinen Slrm gefunlen, 

3ün grübrotb noch gebetet unb gewagt — ✓ 

Unb er aus ihren Sbränen Sroft getrunlen. — . 

-Gr achtet ihrer nicht — benn ftnnenb noch 

SBertoeiit fein Sluge auf ben lebten 3eilen — 

Sie gebet ruht, — warb es inbeffen boeb 
3u finfter, bei ber Urbeit ju Derweilen. 

„3<h bah’8, ich boh’S!" fo ruft er freubig au3, 

3um guten SEBert ben heften Schluff gefunbeit! — 
©etroft, einft führ’ ich bi<h in’S eig'ne $au3, 

Unb fchmüde bich — es beiten alle SBunben. 

SBalb lommt ber Sag, es lommt bie ^eil’ge Stacht, 

Sa unter präcbtig*golb’nem SBalbacbine 
Sie mich jurüdgeteiten — bu bättft SBacht, 

Unb flammenb ftrabtt baS ©tüd aus beiner SRiene.* 
Sa aber plöblicb tritt ber SJtonb beroor, 

Unb wirft ben fahlen Schein auf ihren Scheitel — 
Sluf’S Sleu’ erfchredt fte jener gadelcbor — 

Unb alles frohe Slbnen fcheint ihr eitel.... 

SBie eiftg ihre gurebt, wie beifs ihr Schmer}, 

Sie forgt, ben bangen flleinmutb ju »erbebten} 

Gr reicht ibt feine £anb, jiebt fte an'S $er}, 

3n Gins »erf^meljen liebenb ihre Seelen. 


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363 


II. 

Uurbereitang. 

3a, eS gelang ibm, frei fnb |u erbeben; 

6r wirft unb fcbafft, unb forgli<b Kräfte wirbt, 

Sie neue Stopfung feinem Sott ju geben, 

2Jtit bet et leben fott — oieHeübt au<b ftirbt. 

3nbefs et in bet SJtufen Sempel ftreitenb 
SBlit ungejäbtten geinben Sanjen bricbt, 

2>en Sag beS Sieges tapfer »orbereitenb 
Unb ttcfcenb auf bet innem Jtraft ©ewicbt, — 

SBeicbt Sag um Sag Pon feines SeibeS Sangen 
Set blaffe fRofenfdjimmer mebt unb mebt.... 
es ftbeint ibt ©eift Pon trübem Sabn umfangen, 

Stuf ibtet Staue fteb’n gewitterfcbmer 
©ebanlen, bie bet äulunft Sidbt Petneinen.... 

Sodj nimmer mebt Petrietb bet ftumme SJlunb, 

Sie Slugen, bie nicht lachen unb nicht weinen, 

SaS porging ba auf ibtet Seele ©runb. 

3ut 9ta<bt}eit nur, auf ibteS Sägers Äiffen, 

Sertünbet fte’S in fieberifchem Staum: 

Sie — Pon bet Sogen wilbet Sutb jerriffen — 

3bt $etj, ein Stad — treib’ auf beS SeereS Scbaum. 

Sie burfb bet Süfte Sanb fie weit gejogen, 

Sit wunbem gu|, Pon ©lübburft tobeSlranl, 

Sie fie ein ßftlidj SpiegelbUb betrogen 

«Bon Quell unb Salmfrucbt, — bis fte niebetfanl.... 

Unb wenn fie auffubt unb bie golb’nen Sterne 
So glänjenb wanbeln fab am ^immelSjelt, 

Sebt beS SrometbeuS Sunbetmäbr, bie ferne, 

Sen Spinnweb»Steg jutüd jut S<blummerwelt. — 

Sobl fab’S bet Seiftet, bocb na<b SanneSfitte 
SerbüHt’ et Pot bet Sorge baS ©eficbt; 

Slud> wu&t’ et, baS lein Sunf<b unb leine Sitte 
©in fdjwadjeS $erj erretten tann, baS briibt.... 

Socb fpradj et in bet Siebe tiefften SSneit, 

Unb fab fie an mit Slugen fonnig Hat — 

SaS mochte fie mit ihrem ©tarn oerfbbnen, 

Unb leis geftanb fte, ba& fte glüdlicb wat. 

UL - 

(Sntfcbeibung. 

„Selcb raufcbenb Summen? wel# ein ferner Son? 

Sie, fcbon uetftummt? unb fcbien bocb »tab’ ju tommen —?* 


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Googl 






364 

©efpannten Sinn’b laufet fte feit Stunden fchon — 

Salb meint fte Sicht ju feb'n, halb ift’b »erglommen.... 
Sie ftüfct bab mübe ifaupt auf ihre $anb — 

Schon fpät ift’b in ber Stacht, — fte wollte nimmer 
— Ob man ibt auch bie Sänfte fchon gefanbt — 

Sich felbft berauben in bet Oper glimmet. 

Um bann, entfefclitb Gnbe! noch vielleicht 
Sieb toben Stoffes 3‘f<hen anjubören, 

3« feben, wie ibt eblet gteunb erbleicht, 

SBie gift’ge Slatternjungen ibn jerftBren. — 

.... SBarunt, fo fmnt fte, fdjafft bet flünftler nicht 
3» ftummer Ginfamleit, »ot ©otteb Sbrone —? 

©enügt eb nicht, wenn nur bab Sonnenlicht 
3b» b®rt unb ftebt? beb Saumeb grüne fltone 
3bm SeifaH raufet — ? wenn tief im wilben SBalb 
©in flüchtig Dieb verweilt, ein SBglcin fchweigenb 
Sieb nieberläfst, wenn SReifterS Sang erfüllt, 

Sab üöpftein — wie bab ©rab bie §alme — neigenb — ? 

0 warum mu| er ftetb in eitlem Srang 

©in 6cho fudfen in ber SDlenfchen Seelen? 

Unb lann fcch hoch ber laut’re $immetbt(ang 
IDtit irbifefctrüber Schlade nicht »ermäblen —? 

So<b muh eb atfo fein, gebt ©öttermuth 
Sem ©eniub, fotl nicht beb 3nrbilbb Schreden, 

Sab ihm bet Spiegel jeigt, beb fjeqenb ©lutb- 
©rftiden, unb ihn läbmenb nieberftreden. — 

Unb immer bunllet witb’b »or ihrem ffllid.... 

SBie feltfam ft<h im ©eift bie Silber reiben! 

Sich, fteublob war, bo<b herrlich ibt ©efchid — 
Stub Sicht unb Schatten webt fte Sräumereten. 

SBie beb Sewufitfeinb $etle fte verlädt, 
flehet enblich ihr ein lurjet grieben wieber — 

Sab fchlummertrunFne Sluge fchlieft f«h feft, 

Seb £aupteb Saft finit auf ben Sufen nieber. — 

_£ot<h, horch, jefct lommen fte! lein Zweifel mehr — 

Sutch’b genfter blidt fte — gadeln, grelle Sichter!! 

Gin Stauetmatfch, bie Sabre hinterher — 

Sott mit »erhülltem Slngeficbt ber Sichter!.... 

SBeb — trod’nen Slugeb ftarrt fte — baftig ringt 
Sie ihre weihen ßänbe — gieberfdjauer 
Surchrafen ihr ©ebitn — butch’b gtnflet fpringt 
Sie rafch hinab »on f^winbelnb»hoh« Stauer!.... 

_0 Fimmel! wäre wahr bet Sel’gen Sraum?! 


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365 


Schon jefef — laut# Steifte ffe bie ©rbenhüKe — 

Grtönt auä unbegrenjtem, Katern Kaum 
©er (Ingel Sang in nie geahnter Sülle! — 
ffiaS iS baS? ihrer glügel fühleS SBeh’n 
guhlt löftlich ffe um Stuft unb Slntlifc fädeln — 

Sie rafft ff<h auf — erwart, unb »or ff<h fteh’n 
Sieht fte ein menfc&li# ©ngelsbitb mit Säbeln. 

$ie Sog auf — herein ftrömt Sicfet unb ©tanj. 
©n flnabe fpridjt, inbeff ganfaren Hangen —: 
„Signora, nehmt 3h* fctbft ben Sotbeetfrana, 

©er Steiftet will ihn nur »on 6 u dj empfangen, — 
ßiet Iniet er, fel>t! —" Evviva! tönt es nach, 

©ie Stenge harrt noch unten in ber Straffe — 

Sie frönt ihn läcbelnb-bann jufammenbrach 

©aS treue SBeib im ©Iü<feS*Uebermaaf)e. — 

©aS war ber Sag, baS war bie heil’ge Sacht, 

©a unter prä<htig*golb’nem Salbadjine 

©aS Soll ihn heimgeleitet — Sie hielt SBadjt,.... 

fftodh ftrahlt Setllätung auä ber eblen Stiene! — 
„Evviva, viva!!” — $ut<h bie ©affen hallt 
©er Kuf, bis fern unb ferner er entfdjminbet, 

Unb bei ber falten, lieblichen ©eftalt 
©er Steiftet ffch in Xhränen mieberffnbet. 

S d> lu 

Ki^t weijj i<h ob ffe wahr, bie bunlle Stähr’, 

©aff et im Sßalbe tief als Siebter lebte, 

Unb einfam trug ben Kummer bteiernfchwer, 

»iS feine Seele ju ber ihren ffhwebte. — . 

Sief lieber folg’ ich einer anbern Spur, 

©enn höh« flüt eS mir »om Stann unb ©enfer: 

2US er geweint am Sufen ber Statur, 

©rieb ihn jutüd bet ©eift, ber groffe Senler, 

' 8um öaubertempel feinet eblen ßunft; 

3u Harmonie »erllärt, legt Schmer} unb Gualen 
g c — unhelümmert um bet Stenge ©unft — 
gortan auf ihres SlltarS Opferfchaalen! 


ß_ 


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gortfcbritt uttb bent tabilalett tlmfcbmung, melcher feitbem mit allen $er- 
bältniffen be3 Sebent bor ftd? gegangen ift, fo tritt uns mit überjeugenber be¬ 
malt ber ©egen bet Sollsbilbung entgegen, ©eit ba§ ffiortgiügel 
belommen, bat ftch ber gortfdjritt mit EBütbeSeile 33abn gebroden, unb ma3 in 
lurjen hier 3abrbunberten geleiftet mürbe, labt uns auf baä fchliehen, maS bie 
Qabrtaufenbe bringen merben. Eöobl lönnen mir uns froher 3wberficbt bin¬ 
geben, menn mir feben, mie in einer berbältnihmähig turnen grift mit bem 
SBiffen bie ERacbt, bie greibeit unb baS 2Bablergeben ber 
SBölfer fub ununterbrocbeit_gefteigert bat* 

[Rach biefer allgemeinen [Reflexion menben mir uns bem in ber Uebet* 
f<brift angebeuteten fpecieEen $benta $u. ©eitbem entfcbieben ift, bah Slmerila 
fortfabren foE, eine ER acht gu fein, mibmet man ibm in (Surepa eine 3luf- 
merlfamleit, bon ber früher feiten bie* [Rebe mar, unb §eigt ftch nicht nur ge¬ 
neigt, ibm ©erechtigleit miberfabren ju laffen, fonbern fogar «bon ibm §u 
lernen, ©eiten nimmt man eine europaifche 3*itf<hrift g U r $anb ohne barin 
einen Slrtilel über Eimerita ju finben, unb namentli(b §eichnet jtch burd? eine 
zugleich moblmoEenbe unb gerechte Seurtbeilung ber bi^bö^n SBerbältnijfe 
bie Kevue des deux mondes aus. GS ift nicht uninterejfant unb aud) 
nicht ohne Etüden, bie eigenen 3uftänbe im fremben ©piegel ju fcbauen. ERan 
lomrnt baburcb sunt Semuhtfein beffen, maS man bat, unb mirb an baS erin¬ 
nert, maS noch fehlt. 

5)er Elrtilel, melcher uns hier borliegt, banbeit bon ber ameritanifchen 
$BoltSfchule. S)er SBerfaffer fagt, bah es nur hier Sanber giebt, bon benen 
behauptet merben barf, bah in ihrem [Bereich jeber Bürger lefen lann: [Rorb- 
beutfcblanb, Etormegen, bie ©<hmei§ unb bie bereinigten ©taaten, mobei na¬ 
türlich nur bom korben bie bebe fein lann; aber in Sefcteren lann 
nicht nur 3ebet lefen, fonbern er lieft auch mirlltch, um §u lernen, fuh 
gu unterhalten, ober in ben öffentlichen Eingelegenbeiten ju orientiren. $ie ©ta- 
tifti! ergiebt, bah in Eimerita minbeftenS ein 3*itungS-Elbonnement auf jebe 
gamilie lomrnt. Seber Europäer, melcher Eimerita befucht, ftebt mit ©taunen, 
mie auberorbentlich biel überaE unbju jeher 3eit gelefen mirb. Äür^lich befugte 
unfer Elutor im^afen bon Slntmerpen bie Fregatte „Eiiagara". ElEe ERatrofen, 
melche nicht im $ienfte maren, batten ein 33u<h, eine SRebue ober eine 3eitung 
§ur £anb. 3»n Efenerila ift bie Settüre eine tägliche ©emobnbeit, bie CueEe 
ber aEgemeinen $rofperität unb bie mefentliche Sebingung für ben SBeftanb 
ber republilanifchen Snftitutionen. 

S)ie EtoltSfcbule ift, mie aEe bmerilaner jugefteben, bie ©runblage beS 
Staates, ber Gement beS EhmbeS. ElEe unentgeltlich in ftch aufnebmenb, 
bringt ft« bie focialen Unterfchiebe in ^ergeffenbeit, erftidt bie religiöfen Elni- 
mofitäten, entmurjelt bie Etorurtbeile unb Elntipatbieen, flöht 3ebem bie Siebe 
jum SBaterlanbe unb Eldjtung bor beffen freien 3nftitutionen ein. EBie oft ift 
nicht mabrenb beS ÄriegeS borhergefagt morben, bah bie meftlichen ftch bon ben 
atlantifcben ©taaten trennen unb bie ©taaten am ©tiEen EReere eine eigene [Re- 


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publil bitten mürben! Unb in ber Sbat tonnten fidb bie grcuitbe bei Korbcnl 
biefer Sefürcbtung nicht ermebren, benn nahe lag bie Serfucbung, fub auf biefe 
SBeife ber Saften bei firiegel unb ber bamit »erbunbenen Kationalfcbulb ju 
entlebigen. Slber bennod) haben fit taum baran gebaut. Schon längfl batte 
bie Solflfcbule ben fieim ber nationalen Ginbeit in bie Gemütber ber auf« 
toaebfenben Generation gelegt, unb fo mar f i e bal unjerreißbare Sanb, melche! 
ba! Kiefengebäube jufammenhielt. Guropa bemunbert mit Kecbt bie Gnergie 
ber jungen Kation, metebe in »ier fahren jmei DÄidiorien ©olbaten unb Stil« 
liarben Gelbe! einet gerechten Sache opferte; noch gröbere »emunberung aber 
»erbient el, baß bajfelbe Soll, mäßrenb el taufenb bilßer unbetannte äb« 
gaben unb Saften auf fub nehmen mubte, bie Regierung beibebielt, mel«be 
biefe Opfer »on ihm forberte unb noch nicht im Stanbe mar, fub bureb ben 
Sieg ju rechtfertigen. Gl mar bie! ba! Seichen einer SEBeilbeit unb Selbftüber« 
minbung, beren eine un roif f en b e Kation nicht fähig gemefen märe. 3n ber 
©(hule lag ba! {teil ber ameritanifeben Semolratie! 

G! freut uni, bie! in einer europäifeßen 3eitf<brift anertannt ju feben. 
2Bie mabr e! ift, geigt fub am Verhalten bei Korben! unb bei ©übenl. Sffiäre 
in Seßterem bie Schule, bie Kuftlärung, eine folcbe Stacht gemefen mie in 
Grfterem, fo märe meber ber firieg entftanben, noch hätten jemall bie Grunb* 
übel ficb entmictcln tönnen, bie ihn beroorriefen. 

flaum maren bie erften 5ßilger»äter gelanbet, all fie febon an ben Unter« 
riebt ihrer ftinber baebten. Gin Keglement oom 3aßre .1642 beftimmt: Kie foll 
unter uni bie Sarbarei gebulbet merben, melche batin beftebt, baß man bie itinber 
nicht lefen lehrt unb nicht mit ben Gefeßen »ertraut macht. Ser auf biefe SBeife 
obltgatorifcb gemotbene Unterricht mürbe »on Sebrern erteilt, melche bie gami« 
lienoäter mäblten.. Sämmtlicbe nörblicbe Solonieen metteiferten in bet Seför« 
berung einer Sache, beren übermiegenbe SSidhtigfeit fie eilannten. Später bräng» 
ten bie Snbianerlriege, ber Unabbängigteitltampf, bie Grünbung einer Kation, 
bie taufenbfacben materiellen SBeftrebungen, melche nun einmal unausbleiblich mit 
bem Snllebenrufen einer neuen 2Belt oerbunben finb, bie Sorge färben öffentli« 
eben Unterricht einigermaßen in ben #intergrunb, unb bie Unmiffenbeit gemann 
immer mehr Serrain. Sa erhoben »or etma 30 fahren einige belle fiöpfe ben 
SEBarnungSruf, unb el erfolgte eine ber Grbebungen, »on beigen man fub in 
Guropa leine Sorftellung machen lann. Ueberall hilbeten fub Vereine jur 
SBerbeffetung bei öffentlichen Unterricht!, unb maffenmeife etfebienen Seit« 
febriften, melche fpejiell biefem Gegenftanbe geroibmet maren. Stebrere ber 
beroorragenbften Stänner ber Union, $enr» Sarnarb, §otace Stann, bie $ro« 
fefforen Stome unb Sache gingen nach Guropa, um bort bie renommirteften Sp* 
fteme ju prüfen. Sei ihrer Küdtlebr »eröffentlichten fie ba! Kefultat ihrer 
Kachforfhungen unb [teilten ft<h an bie Spiße ber Agitation. 2Bal bei biefer 
Gelegenheit bie inbtoibuetle Gnergie ju Stanbe brachte, ift mabrbaft bemun« 
bernimerth. #enrp Sarnarb, melden ber Staat Khobe ftllanb mit ber Se« 
treibung ber Kefotm beauftragt batte, veröffentlichte in feinem offijiellen Se« 



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S69 


rieht bie»on ihm geleiteten ©orarbetten. 3»eimal befugte et fämmtliche 
Gommünen beS Staates, bierbunbett £ebtet »ernabm et übet ihre Unterrichts* 
metbobe, imb bie 3&glinge fämmtlicher Spulen würben »on ibm perfönlich 
geprüft. ©u&erbem richtete et übet taufenb ©riefe an ©erfonen, non benen 
et eine Belegung erwarten tonnte. gn jebet Sommüne berief er eine ©er» 
fammtung, um bie Sache mit ben Bürgern unb Sebtetn }u befpteeben. 6t 
hielt über fünfimnbert ©orträge unb grünbete überall Sotaloereine jur ©etrei» 
bung bet Slgitation. Grft nach biefen ungeheuren ©erarbeiten, nadjb'era er 
felbjt bureb bie öffentliche ©teinung in mancher Begebung aufgetldrt war unb 
toieber feinerfeitS }u ihrer Säuterung beigetragen batte, trat er mit ben ©or» 
feblägen ans Sicht, welche »on ber SegiSlatur »on ©höbe gslanb angenommen 
würben. gn ben übrigen Staaten fanb eine ähnliche Bewegung ftatt, unb fo 
tarn eine im SBefentlicben übereinftimmenbe Organifation ju Stanbe, welche 
man feitbem gabt fto 3abr ju »eroollfommen bemüht ift; — gn 6uropa gebt 
man anbetS ju SBerte. Bie Regierung ernennt eine Sommiffion, biefe Gom* 
miffwn arbeitet im ©erborgenen, unb ihre ©nfuhten bütfen bei Seibe nicht in 
bie Oeffentli^teit bringen. Gnblich, nach mehrjährigen, gebeimnifi»olIen 
©orarbeiten, wirb ein ©efefc erlaffen, welches, wie »ortrefflich es auch fein 
mag, leine grüßte tragen tann, weil bie öffentliche ©teinung nicht barauf »or» 
bereitet ift. gn Sachen beS öffentlichen Unterrichts ift nur baS »on ©üben, 
waS auf ber Uebereinftimmung ber Bürger beruht. 

gn fämmtUchen längft »on ber Stlaoerei befreiten ober nie »on ihr berührten 
Staaten ber Union überfteigt bie 3lnjahl ber Schulen bei weitem SlUeS, was 
man fich in Europa (wir möchten boch lieber fagen, in granlreich) »orfteöen tann. 
gm gahre 1861 tarnen im Staate ©ew*?)orf 11,750 öffentliche Schulen auf 
3,880,735 (Einwohner, was eine Schule auf ungefähr 300 Seelen ergiebt; 
in ©tajfachufettS 4,605 Schulen auf 1,231,066 6inmohner, alfo eine für' 
270. gn ben weftlichen Staaten ift baS ©erbältnifs ein noch günftigereS. gn 
Ohio jum ©eifpiel tommt eine Schule auf 160, in gdinoiS eine auf 190, in 
©tichigan eine auf 150, in SBiSconfin eine auf 130 Ginwobner. ©ach bem 
lebten ftatiftifchen Beriet, im gahre 1865, jählte grantreich 38,386 öffentliche 
Schulen auf 37,382,225 6inwobner, alfo eine für 984, fteben ©tal weniger 
als in ben erft »or einigen gabren in ben ©rairieen beS fernen SffieftenS ge* 
grünbeten Staaten. Um ©merita gleich ju tommen, mühte grantreich 200,* 
000 ftatt ber 38,386 Schulen buben, unb wenige europäifebe Staaten tonnen 
{ich eines betfern BerbältniffeS rühmen! 

Bie Barftedung ber innern Organifation ber ameritanifchen Schule tön* 
uen wir hier übergeben, weil wir fte bei unfern Sefern als betannt »orauSfeben 
bütfen. Bie Einrichtung ber Schulbäufer in ben gröfern Stäbten, namentlich 
in ©ew*|)ort, wirb »om ©erfaffer hoch gepriefen, unb namentlich betoorgebo* 
ben, bah leitete Stabt im gahre 1861 nicht weniger als 6,500 BollatS auf 
ben Slntauf »on ©ianoS für ihre Schulen »erwenbete. Bie Schulbibliotbeten 
beS Staates ©ew*Dort jäblen bereits anbertbalb ©Unionen Bänbe. gn neun 


Sagten, oon 1853 big 1861, bat bie Stabt Rem*?)orl 1,472,000 $oHatg 
für ben Reu* ober Umbau ihrer öffentlichen Scbulbäufer auggegeben. 

£eroorgeboben wirb bie grobe Stnjabl ber in ben Schulen oermenbeten 
meiblichen Sebrlräfte. 3n SRaffacbufettg gab eg im Sabre 1861 4000 Sehet* 
innen neben 1500 Sehern, im Staat Rem*?)ort 7,583 Seher unb 18,915 
Seherinnen, in Vbilabelpbia 1112 Seherinnen unb nur 82 Seher. *3n ber 
Stabt -Rem*2)orl lommen unter ben Sehkräften 22 grauen auf 3 SJtänner. 
S)ag hierüber gefällte Urtbeil lautet: „$>ieg Spftern bietet jablteicbe Vorteile. 
Buerft empfiehlt eg ftdj burch feine ViUigfeit, benn bag ©ebalt einer Seherin 
ift um ein 2)rittbeil geringer alg bag eineg Sebrerg, unb bieg ift leine Sieben* 
fa<be, ba eg in Slmerila hier ober fünf 9Ral mehr Schulen giebt ate in (Euro* 
pa. Ueberbieg bat eg ft(b ergeben, bafj bei gleichen Renntniffen bie grau bag, 
mag fte meifj, ben fiinbern beffer mittbeilt alg ber ÜDtann. Sie ift meniger ab* 
fto&enb, minbet pebantifd?, bat mehr ©ebulb, (Sinbilbunggfraft unb Sanftmut^ 
Silit ben gnftinlten ber SDtutter begabt, bemächtigt fie ftch leicht ber Slufmerl* 
famfeit ihrer £örer, unb bie gewöhnlich fo bürren Slnfangggrünbe, merben jum 
Spiel. Selbft bie tueihliche Slnmutb oerleibt ihrem Unterricht einen geheimen 
8auber. 3)ie Schule ift auf biefe SBeife nicht bag oon ben ähtbem gefürchtete^ 
oon Strafen unb Sangerweile angefüllte ©efängnifj, fonbern mehr eine jmeite 
häugüchleit, in welcher ber fanfte gamiliengeift maltet unb mo bie ältere 
Schmefter ih« jüngeren ©efchmifter unterrichtet. 3)ie Seherinnen ftnb faft Sille 
jung, meil fte feiten länger alg fünf ober fedjg Bahre bem Veruf treu bleiben; faft 
immer merben fte halb oerbeiratbet. 2)agiftnun aber bie ©emobnbeit ber Orbnung 
unb Slutorität, bie Klarheit ber gbee oerbunben mit ber Seichtigleit ibreg Slug* 
bruäg, eine treffliche Vorbereitung auf ben Veruf ber gamilienmutter. 2)aburcb, 
bafj fte erft bie Äinber Slnberer ergebt, lernt fte ihre eigenen erjieben." SBir 
mollen bieg Urtbeil feiner ßritif untermerfen unb überlaffen eg ben Sefern, 
baffelbe je nach iher (Erfahrung $u billigen ober mit ihm ju bifferiren. Rabe 
aber liegt eg, bafj bie ungeftüme anterifanifebe Sngenb leichter burch Sanft* 
mutb alg burch Strenge, leichter burch ben (Einflufj ber grauen alg burch ben 
ber üRätutet §u bänbigen ift, auch abgefeben baoon, bab fchon ber im -Ratio* 
nalinftinlt murjelnbe Refpeft oor ben grauen biefen eine bohre Slutorität oer* 
leibt. 

5)urchaug einoerftanben erflärt ftch ber Verfaffet mit ber ftrengen Scheibung, 
melche in Slmerila gmifchen Schule unb Kirche aufrecht erhalten mirb, ober oiel* 
mehr mit bem abfoluten Slugfcblub ber Religion oon ber Sdjule. Sllg Verneig 
bafür, bab heg Spftern ben teligiöfen Srieb beg Volleg nicht beeinträchtigt, 
führt er, ba „3abten teben", golgenbeg an: 2)ie freimilligen Beiträge für bie 
Vefolbung ber ©eiftlidben betragen in ben Vereinigten jährlich breimal fo oiel 
alg bag ganje Vubget beg geiftltchen 3)epartementg in granlreich. Stuf 
biefe SBeifelann ftch bie ©eiftlichleit aUerbingg nicht über bie SBitlung ber be* 
ftebenben Vrayig befchtoeren. Sag faft oon allen nörblichen Staaten ange* 
nommene Schul*Reglement oon ÜRaffachufettg beftimmt golgenbeg: „Sie 2eh 


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ter foHen fleh bemühen, bem §erjen bei irrten anoertrauten 3ugenb bie gröm« 
migteit, bie ©erechtigteit, Sichtung »or bei SBahrheit, Siebe jum SBaterlanbe unb 
SBohlmoUen gegen alle SDtenfchen, 2Räjsigteit, Sufi jut Slrbeit, ßeufchheit, 
Selbftbebetrfchung, Gntbaltfamteit unb alle anbetn Sugenben einjuprägen, 
loelcbe bie 3ierbe bet ©efellfchaft unb bie Safte einer Stepublif bilben. Sie 
foüen ben Böglingen an ihrem SegriffSoermögen faltigen SBeifpielen jeigen, 
toie biefe Xugenben geeignet finb jur Slufrechthaltung unb Gntroidelung repu» 
blitanifcher 3nftitutionen, »ie fte Stilen bie unfchäfcbaren SBoblthaten bet grei= 
beit garantiren, »ie jie baS ©lüd eines 3eben beförbetn, unb wie bie ihnen 
entgege ng efefrten Saftet unfehlbar »erbcrbliche folgen nach f«h sieben." Schon 
toegen biefer SSeftimmung muh man SDtaffachufettS, mag eS auch bis über bie Ohren 
im ißuritaniSmuS fteden unb »om äJtorgen bis jum Stbenb SPfalmen fingen, 
»erebren. 2Sie »eit »erben »ir fortgefcbritten fein, »enn einmal im beutfchen 
„Staate ber SnteUigenj" bieS SReglernent bie „3t egulatiöe" »er¬ 
brängt batl 

SUä ber SSürgertrieg auSbracb, ate in jebem Slugenblict 6a3 ganje ©ebäube 
jufammeujubrecben brohte unb bie ungeheuerften Opfer fub thürmten, ate 
ber Süben feine öffentlichen Schulen fchloh unb bie ihm gehörenben ©elber in 
SBefchlag nahm, »ermehrte 3te»=Dort, welches ein [Regiment nach bem anbern 
organifirte unb bie gamilien bet SluSrüdenben ernährte, jugleich feine SluSga» 
ben für bie ©djulen um ein [Beträchtliches, unb mit gerechtem ©tolj tonnte 
£err 3tanball, bet Superintenbent beS öffentlichen UuterrichtS für biefe Stabt, 
fagen: „2Bir tönnen, befonberS in Slnbetracht ber obmaltenben Umftänbe, ftolj 
fein auf bie Opfer, »eiche »ir für unfete Schulen gebracht haben. 2Bel<he 
anbere Station tonnte ficb, Ȋhrenb fie alle ihre itraft jur SSertheibigung ber 
heiligften Siechte, ja ihrer Gyiftenj aufbot, eine jablreiche Slrmee unterhalten 
unb bie fchwerften Saften tragen muhte, je ähnlicher Seiftungen auf bem ©ebiet 
beS SSoltSfchultoefenS rühmen ? Unb »aS tonnte uns baju bewegen, »enn 
«icht bie Ueberjeugung, bah bie immer junebmenbe Sluftlärung unentbehrlich 
ift jum SBeftanb freier Snftitutionen, bah bie SBilbung Silier bie ©runblage ber 
herrlichen Gonftitution ift, reelle bie SDtänner bet Steoolution uns hinterliehen ? 
®aB SBolt ertannte, bah baS einjige SWittel jur Sicherung beS enblichen Triumphs 
ber guten Sache nur in ber fortfehreitenben Sluftlärung ju finben fei/' SBelch 
fchöne SBorte — ruft ber franjöhfche Srititer aus — welch «bleS SScrtrauen 
jur gjlacht ber SBahrheit! 3“t SBefiegung ber Stla»enhalter-3lebeHion reifte 
baS Schwert allein nicht bin; auch baS 93u<h muhte baS ©einige baju beitragen. 
Um bie Stiebertradjt ju ftürjen, genügte nicht ber 3»ang allein; eS muhte bie 
Stuft l ä r u n g binjutreten. 

Selten haben »ir eine Slbhanblung mit folgern Vergnügen gelefen »ie 
bie, »on »eichet »ir im Obigen einen Slbrih ju geben fügten. SJtag bem 
ftanjBftfchen Gnthufcaften auch mancherlei im ibealen Sicht erfcheinen, »aS 
uns kt profaifcheret ©eftalt entgegentritt — »obl »erbient baS ameritanifche 
Spftem ber allgemeinen, unentgeltlichen, in jebet SBejiebung freien SBoteerjie- 


M 


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bung, baß man fid& bafür begeiftert, unb mobl !amt bte Wepublif ftolj barauf 
fein. 3)ie Hervorhebung beffen, maS an ben beftebenben SBerbältniffen aus* 
§ufeften ift, fei Scannern non gach notbeb alten. $em Saien aber brängt fnb 
bie Jöemerlung auf, baß baS ©ebäube ber öffentlichen Schule erft bann vollen* 
bet fein mirb, menn man jum urfprünglichen Spftem beS obUgatorif eben 
Unterrichts jurüdfebrt, unb bemfelben überall einen nationalen Kbarafter 
nerleibt. SBdten bie SBolfSfchulen auch im (Buben feit ©enerationen eine 
Sßflanjftätte beS greibeitSftnnS unb Patriotismus gemefen, fo hatte fi<b bor* 
bie Seceffum als ebenfo unmöglich berauSgeftellt mie in Kalifornien, unb ber 
im Kongreß aufgetau<bte Porfchlag eines n a t i o n a 1 e n UnterrichtSgefefteS 
bat baber feine noHe Serechtigung. 


3um Schluß no<b einige SBorte über bie amerifanifchen Seherinnen, mie 
fie fub uns feftt in einem SBirlungSfreiS §eigen, melcher ber Aufmertfamfeü beS 
franjöfifchen ßritilerS entgangen ift. Xöcbter AeuenglanbS feftten fchon vor 
bem Kriege ihre greibeit unb ibr Seben baran, bie Söobltbaten ber Gilbung ba 
$u verbreiten, mo fie gefeftlich auSgefchloffen mar. Krinnert man fi<b nicht 
mehr ber fübnen grauen, melche im Süben Aegerfinber unterrichteten unb ba* 
für ins SuchtbauS gefteeft ober förderlich mißbanbclt unb fortgetrieben mürben? 
KS maren biefer Hetbinnen nur SBenige; von Söenigen mürben fie bemunbert, 
von fielen als ^börinnen betrachtet, von noch Mehreren töbtUch gehaßt. Jlaum 
aber entfaltete fich auf füblichem 23oben baS Banner ber greibeit, faurn mar ber 
Sieg bei ^tlton £eab erfochten, als f<hon Aeuenglänberinnen ftch bortbin begaben, 
unb in ben von ben flüchtigen Sklavenhaltern geräumten Käufern Schulen für 
bie ^Befreiten einrichteten. Angenehm mar baS Söerk nicht, bem fie fi<h biuga* 
ben. Sie mußten fich Kntbebrungcn aller Art aüferlegen unb allen mit bem 
ßriegSleben verbunbenen ©efabren troften. Aber ihren Sohn fanben fie in ber 
(Erfüllung einer heiligen Pflicht, eines fchönen Berufs — in ber Krbebung einer 
fbftematifch geknechteten unb vertbierten Aace §ur üAenfcbenmürbe. Unb 
maS an ber ßüfte von Sübkarolina begonnen mürbe, baS mieber* 
holte fleh überall ba, mo baS Sternenbanber triumpbirte. KS giebt 
feinen {üblichen Staat, in bem nicht ber #o<hfmn nörblieber grauen 
fi<h in biefer Art entfaltete, unb noch jeftt mibrnen fich unter bem Schuft 
unferer Gruppen $unberte von ihnen oiefem eblen SBerfe. ©iebt es mobl 
etmaS Schöneres unb HerjerfrifcbenbereS ? Krbeben fich Die Söhne unb Töchter 
Afrika’S mit faft munberbarer Schnelle aus ihrer ©efunfenbeit, entfalten fie 
einen überrafchenben 33ilbungStrieb, unb merben fie fehr balb fich einer ©efit* 
tung rühmen lönnett, melche fie in ben Stanb feftt, auf j e b e m ©ebiet bie 
unveräußerlichen 2Aenfcbenrecbte für fich unb Anbere jur ©eltung §u briugen— 
bann barf ber 3)ank ber 3eitgenojfen unb aller fünftigen ©enerationen ben 
eblen grauen nicht vorenthalten merben, melche mit persönlicher Aufopferung, 
auS reiner SAenfcbenliebe, bem geiftig Sölinben bie Augen öffneten, ben ©efun* 
fenen aufriebteten, ben ©ebaßten unb Verachteten mit fanfter greunbeSbanb in 
ben 3auberfreiS humaner ©efittung führten. 



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373 


Diarjt 0 %tttt J5taM. 

Son ^ermotm ftafter» 


©n Keinem ßeimwefen non nietjig StcrcS Sanb, baS ifl ungefähr baS be* 
fibeibenfte 3beal itbifdjer ©lüctfeligteit, weites man in ber ametilanifcben 
SRepubUt !ennt, — fo befdjeiben, bafs bie ©efefcgebung beS SanbeS es als 
SfK<bt betrachtet bat, einem geben bie SerwirHicbung beffelben ju gemähten, 
gebet, bet (ich ein £eimwefen but<b Arbeit gtünben will, tonn non nietjig bis 
niermal nietjig SWotgen Sanb baju umfonft etballen. GS fcbeint eine fo ge* 
tinge ©abe! Millionen non Slnfieblern tönnen fte empfangen, ohne bajj baS 
Sanbbeftbtbum, übet meines bie SRepubUl nerfügt, etfcbbpft »itb. 2Bäre eS 
bereite überall in Stnmefen non nietjig SBorgen getbeilt unb bemobnt, — wie 
bicbt befiebett würbe es erfcbeinen! Senn was ift für ben Sanbmann. ein 
gläcbenraum non fünfbunbett Stritt im ©eniert V SBenn et feinen Slbfafc* 
marft febt nabe bat unb ©emüfe« unb Obftbau mit bem ©etreibebau netbin* 
ben tann, fo mag er mit einem folgen Seübtbum woblbabenb fein,— aber 
für bie weit übetmiegenbe SRebrbeit bet ameritanifcben Sanbbenölterung fmb 
nietjig 2Äorgen ein febt Heines ©üt<ben, nur eben grob genug, um einet fleifjU 
gen Familie, wo nicht ein lümmerlicbeS, bo<b ein übetauS befcbeibeneS 3luS* 
Jommen ju gewähren. Sie mag ficb babei behaglich fühlen, aber nur wenn fic 
eine Stenge bem Stäbter jut SRotbwenbigleit geworbener ©enüffe bet ©nilifa* 
tion entweber nicht lennt, ober ohne Skbauern barauf nerjicbtet. 

Siefelben nierjig Storgen ©runbfläcbe, bie am SMiffouri, am SMinnefota 
ober ÄanfaS taum einet eittjigen gamilie binreicbenben ©dbogentaum gewäb* 
ten, müffen ba, wo bet £ubfon f«b ins Steer ergießt, einet ©eoölletung 
SRaum bieten, welche jablteübet als bie manches bet Heineren beutfcben gür* 
ftentbümer ift. 

3u bet 3«it* «iS bie SBaUftreet bie nbrblicbe ©tenje non 9tem*3)otl be* 
jekbnete unb bie ffltaiben Sane (Qungfetnftieg), jefct bet£auptft| beS Ouincail* 
lerie*®efcbäftS, ein beliebter Spajiergang not bem Shore war; — als bie 
ffieft*, ©teenwüb unb ffiafbingtonftreet auf bet einen, Sbeile »on Söeacer, 
South, gront unb SBatetftreet auf bet anbern Seite, ber Stabt noch HReereS» 
grunb waren; — alfo noch lange not bet Seit, wo baS breite, feübte ©ewäjfer, 
baS non bet heutigen Gentreftreet nach bem £ubfon führte, überbaut unb jut 
Ganalftreet gemacht warb, floh non bem fünfjig unb mehr gufs tiefen Seich, 
an beffen Stelle je^t in ©eftalt eines büftem ägpptifcben Sempels bie Stern* 
Dotier Stabtnoigtei fleht, ein fcbmalet, mit Stbüftobt unb SBinfen halb bebed* 
tet SSacb nach bem SDteereSarm, ben bet Sprachgebrauch fälfcblicb als einen 
glüh (©ift Miner) bejeiebnet. Ser Sadj burebfebnitt ein Sanbgütcben, non 
beffen früheren Söeftgetn bort nut noch bet Marne in bet SRoofeneltftreet geblie* 
ben ift, wäbtenb ihre Macblommen, jefet ben „älteften unb beften gamilien" 
angebbtenb, Idngft ihre Säten unb Senaten nach ben obetn, atiftotralifcben 






374 


©tabttbeilen getragen fabelt. Sei* unb ©a*, S*Hf unb SBinfen, Siefe unb 
Slderfelb fmb längft »erf*wunben. Sffio »or »ier «Wenf*enaltern bet ©flug 
feine gur*en jog unb äübe weibeten, wo Gine Familie in behäbigem Sohl» 
ftanbe ibt ©enügen fanb, ba bauten jefjt in einem ©ewirt enget, mit fufjtie* 
fern fiotb bebedtet ©affen, in ©ebaufungen, oor beten Unfauberfeit wobt feibft 
bie S*meine unb Äüije be.? alten bolIänbif*en ©effbet? erf*redt fein würben, 
mehr at? jmanjigtaufenb menf<bli<be Seien. Sie ©ierjig«3lcte?»garm ifiju 
bem geworben, wa? für ©etlin ba? ©oigtlanb, ober füt Hamburg bet ©erg 
ift. 

©ebt man »om gu&e bet Satlftreet in bet föafenftrafse aufwärt?, ben 
«Waftenwalb jut We*ten, grobe Sbee» unb ©aumwolIen»©pei*et, ©adbüfe, 
©eget« unb £au«Wieberlagen §ur Sinlen, fo gelangt man in fünf« ober fe*?» 
bunbert ©*ritten na* bem gu&c bet guttonftreet. fiaum bermag ft* ein 
be? ftäbtif*en ©emübl? untunbiger gu&gänget bur* ba? ©ewirt oon gra*t« 
farren, Stellwagen, Dmnibu?, ßutf*en unb Gifenbabnwagen ju brängen, 
welche? bort »on früher borgen« bi? ju fpätet Slbenbftunbe ben gabtweg be« 
bedt. 2Benn bie StrBmungen ber »om ©rootlpner gäbtboote abfabtenben unb 
bet babin fteuernben gubnoerte gegen einanbet branben unb baju no* b<>*' 
betbürmte©aumwolIen»Sagen ober unter betäubenbem ©ellappet bet lofen Gi« 
fenftangen babertaffelnbe Gifen«„Srud?" »on Worb unb ©üb guer in jene 
©ranbung bineinfaufen; wenn bie gubrleute unb £utf*er unter gellenbem ©e« 
{reif* unb baarfträubenben glü*en ft* einanbet bie ©erft*erung ertbeilen, 
bah ihre ©lütter »om einbeutigften «Rufe gewefen feien, ober ft* bet eine 3*ei 
bereit erllärt, bem anbem fein f*warje? £erj au? 3 uf*neiben, jeben Sno*enin 
feinem ungefegneten ßBrper ju setbre*en, im gälte be? «Wiblingen? biefer Auf¬ 
gabe aber feibft »erbammt ju fein:—bann lann au* ein ri*tige? Wem»©orfer 
®nb in bie Sage lommen, bie $ülfe be? blauißdigen Sootfen anjurufen, beffen 
bünne ©erte wie ber Sreijad Weptun? ba? ©raufen unb Sogen biefer brüllen« 
ben glutb jum ©*weigen bringt. Gin ©olijeimann ftebt an »et Uebetgang?« 
ftelle, wo ängftli*e gu&gänget mit bem 2lu?btud »oUlommenet £offnung?loftg« 
leit auf ba? ©ewübl bliden. Sobalb ft* ein bübf*e? ©lüb*en obet eine 
ftattlt* au?febenbe grau bet ßarawane anf*tie&t, aber ni*t eher, erbebt bet 
Slrm be? ©efefce? feine ©erte: — fämmtli*e ©ferbe werben angebalten; jwi* 
f*en ihren ÄBpfen unb ben ©otberwagen brängt ft* bet Sootfe mit btt ©*6« 
nen, unbfo bi*t wie mögli* ft* an fte f*lie&enb folgen bie übrigen gu&gänget 
na* bem ft*em Ufer. Unmittelbar hinter ihnen wallt unb {lebet unb braufet 
unb jif*t bie glutb wiebet itt ihrem unfaubern ©ette. Sehe Sem, ber hier 
»on bem 6*aumfpriben ber Sogen getroffen wirb. Senn ber 6*aum ift 
f*watj, at? ftammte et au? ber ftpgif*en glutb, bat bie Si*tigteit »on ©le» 
taffe unb »erwanbett ft* unter ber Ginwirlung ber ©onne unb Suft in ©arten» 
erbe, bie ft* mehr but* gru*tbarleit, al? bur* Soblgeru* au?jei*nei. 

So* wir ftnb glüdli* übet bie gefäbtli*e Stelle gelangt. Sen gulton* 
«Warft mitfeinen berühmten 3lufternf*enfen für bie?mal linf? liegen taffenb, getan« 



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375 

gen wir nach einigen weiteren Schritten auf ben Vaum, ber ehemals baS SRoo* 
feuelt’fche Out War. ©S ift ein längliches Viered, baS ftch achtbunbert Schritt 
lang unb ungefähr halb fo breit am ©aft*9ftioer entlang erftredt. Sie jur $ed 
Slip auSgeweiterte gerrpftreet, in welker foloffale ÜRieberlagen Pon Seber unb 
£duten einen für Siebpaber Pon Ammonium unb Tannin b^cpft befriebigenben 
Suft auSftrßmen, bilbet bie {übliche ©renje biefeS Viertels. Von alter Seit 
ber, wo ftatt ber Millionen bon SotlarS untfepenben ©roftgefchdfte in Seber 
hier nur bef<beibene (Gerbereien waren, beifst bie ©egenb no(b ber swamp 
(Sumpf). SarauS bat biefelbe pbonetifcbe UeberfepungSfunft, bie ben Vroab* 
wap in einen Vrobweg, bie ©ffejftreet in eine ©ffigftrafte unb jebe 2l»enue*tn 
eine ©bene berwanbelt, einen gebeimniftootlen „Schwamm" gemacht. ©infam 
genug ift es ÜRachtS in biefem „Schwamm", baft bie ©eifter ber Scbntaufenbe 
bon Vinbern unb Schafen, beren Haute hier aufgetbürmt ftnb, fputen geben 
ton nten, benn baS ©efcpdft bat in ber gerrpftreet alle ffiopnungen berbrdngt. 
Sie (Gerbereien fmb Idngft aus ber Stabt gewanbert unb befinben ftch jept 
weit oben am Hubfon ober an ber nach bem ©rtefee fübrenben ©ifcnbapn, wo 
Sannen* ober ©ichenmdlber ben ©erbftoff aus erfter $anb liefern. 

3mifcpen ber gerrpftreet unb Vedflip fcpwingt ftch bie Vearlfheet, bie, bom 
Vroabwap oftroartS auSgepenb, einen ÄreiSabfcpnitt befchreibt, um eine eng* 
liftbe ÜJteile nörblich wieber in benfelben Vroabwap ju münben, nach 9torbwe* 
ften b«am. Siefe Strafe macht auf ihrem frummen Saufe bie Perfcpiebenften 
Stabien burch. 2Bo fte ben Vroabwap Perlaftt, bietet fte §uerft bem Vrooifto* 
nen*, Vtebl* unb ©etreibegefcpdft eine Statte, weiterbin bem VaumwoHe* unb 
SBodebanbel, bann bem Xabad*, ©olonialwaaren* unb grü<hte*©ef<hdft, bann 
bem Vetroleumbanbel. Von ba, in ber ©egenb ber gultonftreet, giebt fie neben 
bem #anbel auch ber gabrifation-eine Stelle. ©S tommen Sampen* unb Sa* 
temen*, ©laSwaaren* unb Vürftenfabriten, auch einige ©ifenbanblungen unb 
Dfen*Vieberlagen. Sort, wo ftch ber Sogen norbmeftlid? wenbet, brdngt ftch 
bie Äleininbuftrie immer ftdrter in bie gabrifation hinein.. ©S tommen noch 
einige Vtöbelfabriten, Seberhanblungen, unb es tommt baS toloffale, 5 Stod 
hohe unb 150 guft breite eiferne ©ebdube, in welchem ftch bie grobe $arper’f<he 
VetlagSbuchbanblung befinbet; aber bajwifchen mehren ftch bie Schuhmacher* 
laben, Äramldben, Schenten, bis enblicp, nach einer fur§en Strede mit billigen 
Vupwaarengefcpdften auf ber einen, Vtöbelbanblungen auf ber anbern Seite, 
bie Strafte ftch in einem ber elenbeften unb fcpmupigften Vroletarieroiertel ber 
Stabt verliert unb als »erachtete SBinfelgaffe wieber in bie £auptftrafte ein* 
tritt, Pon welcher fte fiep als eine mdchtige VerfeprSaber abgejweigt batte. 3n 
ber Vdpe beS „Schwamms" bat fw auf ihrer redeten Seite fchon ein febr per* 
bdchtigeS 2tuSfepen. Verfallene, auften unb innen mit einer firufte Pon 
Scb’mup bebedte ^dufer, — in beren ßedern ftch Sumpengefchdfte unb Schub* 
flidereien, in beren ©rbgefepoft ftch Srßbelbuben befinben unb beren Oberge* 
fepoffe Schlafftellen für Vtatrofen ober Hafenarbeiter bieten, laffen bei ÜRieman* 
bem bie VorfteUung auftommen, baft er ftch hier in bem ariftofratifchen Stabt* 





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theil »oit 1780 befinbet. Stuf beit grell colorirfen alten Steinbrüdfen, ble ntan 
in manchen alten Scfenfen finbet unb bie ben ©njug ©afhingtonS i„ bie 
Stabt 9lew*2)orl »orfteHen, bilbet ein einfach, aber ftattlidj unb maffi» aus« 
fehenbeS brauneä ©ebäube ben #intergrunb. SiefeS ©ebäube, für. bamalS 
baS, waS b<«te baS Safarge»£otel, ober baS (Soerett^auS mit ihren £unberten 
Don eleganten ©aftjintmern unb riefigen Sälen fmb, es ftebt noch b«ute in bet 
Sßearlftreet, aber in welcher Skrfaffung! ©n fünfjig guf breiter SSactfteinta« 
ften, mit graubrauner Grbfarbe überfdhmiert, mit »öllig erblinbeten, tbeilweife 
burdf alte Seitungen erfeften genfterfdheiben, in bem fcbmufbebectten Grbge* 
fchof ein Saben mit alten flleibungSftüden: — baS ift baS alte ©alton*4>oufe, 
in welkem »or 83 fahren ber bamalS mit laum weniger als fürftlicfen Ghren 
umgebene Sßräfibent ber 35er. Staaten refibirte. SaS Ginjige, was es no<b 
»or ben anberen »erfaKenen Skradfen »otauS hat, ift ein halbes ©ufcenb 
grob aus Sanbftein gehauener Äarpatibentöpfe unter feinem SimS; 

©egenüber bem impofanten #arpet’fchen ©ebäube gebt als Tangente »on 
bem Siegen ber fßearlftreet bie Gberrpftreet in norböftlidher Mittung, parallel 
mit bem ©affet, ab. $ier enblidj finb wir im eigentlichen SBoigtlanb. GS ift 
baS SRechted jwifchen Sßedflip unb Gatberineftreet in bet einen, jwifdben Gherrp* 
ftreet unb bem gluffe in bet anbern SRicbtung. 

©er bie Strafen biefeS SRecftedS im gebtuar biefeS gahteS burdbwanbert 
bat, ber bat eine ©innerung für’S ganje Sehen erworben, aber eine entfe&liche. 
3n ber hhperbolifchen SRebeweife, bie bem Slmerifaner eigen ift, ift ber unfau* 
bete 3«ftanb »on 9lew»?)otl oft genug übertrieben worben. Slber alle Super» 
latioe ber Sptadbe fmb nodb ju fcbwadb, um b e n 3uftanb ju föilbern, in 
weldbem ftdf jene Strafen befanben. S8on Diinnftein ju SRinnftein erhob ficf 
in unregelmäfigen $ügeln unb $ocbtbäletn eine fcbwarje 2Raf[e, beren tieffte 
Stelle immerhin jebn bis jWölf Soll über bem Strafenpflafter war, wäbrenb 
bie bödbften ©ipfel eine $öhe »on brei guf unb mehr erreichten. ®iefe ÜRaffe 
beftanb aus Strafenloth als 93aftS, jebnmal gefrorenem unb wiebet aufgetbau* 
tem Sdbnee, bet burdb bie fortwäbrenbe SBerbidung mit ßotb unb Staub baS 
Slnfeben »on Sdblammerbe erhalten batte, aus floblenafcfe unb Sdbladlen, ®e* 
müfeabfäHen, ßartoffelfcbalen, gifcbgrätben, Scherben unb Sumpen. Ski 
ftrenger Mte bot baS ©anje ben Slnblid einer folojfalen IRelieflarte irgenb ei* 
neS gtofen ©ebirgSfpftemS bar, aber fobalb es tfaute, »erwanbelte es fidb in 
einen unergrünblidfen Sßeftfumpf, bet jeben eines folcben SlnblidS nicht ©e* 
wBbnten mit Sdbaubern unb mit ©rauen erfüllte, ©enn man behauptet, baf 
baS SJolumen berflothmajfe, welche in ber Gberrp», ©ater», gront» unb South* 
Street unb ben fee rechtwinklig burchfcfneibenben Olioer», gmneS* unb SRoo» 
fe»elt*Street baS Strafenpflafter bebedte, jweimalbunberttaufenb äubilfuf, alfo 
ungefähr jefntaufenb guber betragen habe, fo bleibt man entfdbieben innerhalb 
ber ©renjen ber ©abrbeit. 

©eichen Slnblid in folgen Strafen bie Käufer barbieten, baS läft f«f 
leidht »orfteden. 3>enn brei Viertel beS fiotfs auf ben Strafen flammt aus 


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377 


ben £dufern, ohne baß bamit ber ©orratb in biefen erfdhöpft mdre. Stuwer 
ben bon ber Uferftraße bis gur grontftreet fcinourd? reidhenben ©ifen* s Jtieber* 
lagen unb einigen SBaarenfpeidhern gmifd^en ber gront* unb 2Bater*Street giebt 
eS in biefen Straßen nur §irei Sorten bon Raufern. Sie einen fmb niebrige 
bölgerne Spelunfen, nach ber Strafe gu faum fo biel gront wie ein ©lodtbauS 
bietenb, aber bon beträchtlicher ^iefe; bie anbern ftnb bon brei bis fünf Stocf 
hohe fafernenartige ©ebdube — bie berüchtigten tenement houses, gegen 
beren ©reuel unb Sdhrecfniffe fdhon feit bielen gabren mit SBort unb Schrift 
unb ©ilb erfolglos geeifert worben ift. — Sie Heineren, rneift mit grellbunten 
garben, — himmelblau, fmaragbgrün, ober fdhwefelgelb angeftridhenen $olg* 
bäufer, fmb Statten ber robeften unb abfdhredfenbften gorm beS SafterS. 3* 
jeber SageSgeit fiebt man in ben offenen Sbüren ober bitter ben niebrigen 
genftern berfelben grauengimmer im faloppftcn Siuguge, im Sommer meiftenS 
barfuß unb mit entblößten ©rüften, bie mit frechen ©ebebrben unb in einer 
Sprache, bei welcher felbft ber mit bem $afen*Sialeft ©ertraute errötben muß, 
ben ©orübergebenben aufforbem, eingutreten. Siefe Sdbcufale greubenntdb* 
dhen gu nennen, ift ein $ohn auf bie Sprache, benn ihr SlnblidE flößt ©rauen 
unb Siel, gurdbt unb Kntfe|en ein, ftatt greube. ©ergeblidh wirb man in 
biefen groben, tbierifdhen 3&gen, biefen blutunterlaufenen, oft burdh bie Spuren 
bon gauftfdbldgen mit blauen unb fchwargen ©ingen umgebenen Slugen, nadb 
einem lebten fcbwadhen Oieft jenes gebeimnißbollen SauberS fudhen, ben als baS 
„ewig Söeiblidhe" ber Siebter gu einer ben ©lenfdhen beiligenben unb auch ten 
©erlorenen nodh rettenben ©lacht erhebt* £ier ift SllleS ftumpfe ©eftialitat 
unb bie ftttlidhe ©erwefung Idngjt in baS lebte Stabium ber fauligen ©dbrung 
übergegangen. 

Sie meiften biefer Safterböblen haben im hintergrunbe einen fogenannten 
Sangfaal, b. b. ein fdbmufcigeS, niebrigeS Signier, mit. rohen hölzernen ©dn- 
!en an ben SEdnben, in welchem an jebem Slbenb bie ©dfte (in ber ©egel ©ia* 
trofen) bei bem Klange einer gibel unb einer Klarinette burch Sang unb Srunf 
fich in bie Stimmung gu berfefcen fu<hen, bie fHei^e ber Simen gu würbigen, 
— eine Aufgabe, bie felbft fie nicht im nüchternen 3uftanbe löfen fönnten* 
Sodh außer ben Spelunfen, in welchen ber Sang nur als ©ebülfe ber ©roftitu* 
tion auftritt, giebt eS auch anbere, in benen ber Sang als §auptgwedf unb bie 
©roftitution nur als ©eigabe erfdheint. SaS fmb bie berüchtigten Sangbdufer, 
bdS Urbilb für bie Kalifomifdhen, welche iabrelang immer frifdhe 3«fub*en 
oon ©Idbdhen aus ben beutfehen ©beinlanben bezogen haben unb bielleicht beute 
noch begieben. £ier werben bie ©labdhen nicht als Suftbimen, fonbern nur 
als Sängerinnen gemietbet. 2US folcbe habende bie ©erpflidhtung, mit gebem, 
ber fie aufforbert, gu tanjen. KS berftebt fidh bon felbft, baß bie beflagenS* 
werthen ©efdböpfe, auch wenn fie — was bie unb ba borfommt — nicht gu 
Opfern ber ©roftitution werben, fidb burch bie bloße fiörperanffrengung 
in lurger 3eit gu ©runbe richten, ©efdhiebt baS, fo wirft fie ber Sflabenhalter, 
benn anterS ift ber ©eftfcec beS SolalS nicht gu begeidhnen, ohne ©nabe auf 



378 


bie Strafte, unb tafdb oon Stufe ju Stufe ftnlenb, ftitben fte halb im Spital 
ein lldglicfteS ©nbe. 2)ie ©eft&er ber Häufer aber werben reich, erhalten in 
ber Hachbarfchaft grobem Hufehen, merben Stabtoerorbnete, ober gar $oli.;ei* 
rietet, unb eS ift oorgelommen, bah ftdh einer ber Hecücbtigtften, lange 3abre 
als König ber ©herrp*Street belannt, mit feinem Hlutgelbe in einem ^ßalaft im 
ariftofratifdjen Stabtoiertel jur Hube gefegt hat. 

3)ie gamiltenbdufer,. ober Kafenten, in melden bie IBeoöllerung biefer 
©egenb häuft, ftnb Hechtede oon 25 guft Söreite unb 50 bis 75 guft $iefe. 
3ebeS ihrer oier ober fünf Stodwerle ift in minbeftenS oier, jumeilen, wenn 
baS HebenhauS fo niebrig ift, baft an ber Seitenmanb genfter angebracht wer* 
ben lönnen, in fechS bis acht SBohnungen getheilt. ©ine folcbe SBohnung be* 
fteht in ber Hegel aus einem jwölf guft im ©eoiert hattenben 3immer unb ei* 
ner ober jmei fehlest ober gar nkht erleuchteten Kammern. Hllein in Hun* 
berten oon gatten bewohnt eine gamilie auch eine folcbe ©obnung nicht allein, 
fonbern hat noch Hftermiether, ober menigftenS Koftgdnger. Her.tilation be* 
fteht leine. 3)ie fchmalen unb bunfeln Sreppengebäufe gleichen eher SHaul* 
murfSgdngen, als Hausfluren. S)en Hoftaum erfejt ein fechS bis jehn guft 
breiter ©ang. S)ie Hbfeitung ber ©jeremente nach ber Straftencloate ift bei 
ber Htenge ber SBemobner unb bem geringen gall, welchen bie ©loalen in ber 
Habe beS SBafferS haben, fo ungenügenb, baft HauS* unb H°fraum fortmdh* 
tenb oon peftilentialifchem ©erudh erfüllt ftnb. Hn b«i&«n Sommertagen 
auch nur eilig burch biefe Straften gehen ju muffen, ift eine pofitioe Qual unb 
eine ©efahr zugleich. Vorüber man gu ftaunen hat, ift nicht, baft bie Sterbe 
Uchleit in biefen Hrutftätten ber Seuche fo groft, fonbern baft fte fo gering ift. 
greilich ift hier bie 3aftlber £obeS fälle gröfter, als bie ber ©eburten; aber baft 
fte nicht boppelt fo groft ift, baft nicht bei ungünftigen SöitterungSoerhältnijfen 
bie ©imuohner ber ©fterrp* unb Htoter*, Hoofeoelt* unb 3ameS)treet $u Xau* 
fenben bahingerafft merben, baS ift eS, worüber ftch §u oermunbern man ©runb 
hat. ©S legt für bie flimatifeben 3uftanbe ber Stabt baS günftigfte 3«ugnift 
ab. 3« ber £hat, HtteS, maS bie Hatur hat thun lönnen, um Hew^ort jur 
gefunbeften Stabt HmerilaS ju machen, baS hat fte gethan, unb nur bie Htcn* 
f<hen felbft ftnb eS, bie fte jur ungefunbeften machen. 

Huch bie Kafernen ftnb noch nicht bie atterniebrigfte klaffe oon ntenfchli* 
djen Söeftaufungen. tiefer als fte flehen bie Kellerwohnungen, beren es eine 
SHenge giebt. $'m hört alle Spur oon SHenfcftlichleit biS'auf bie ©rinnerung 
auf. 2)ie fcroglobpteti ber ©fterrp* unb 2ßater*Street niften in Häumen, für 
bie felbft ber Harne Höhlen faft ju anftdnbig ift. ©S ftnb Söcher, finftere, luft* 
unb lichtlofe Socfter, an beren tchwarjen SBänben unb 2)eden bie geudbtigteit 
herabtrieft, welche ber gar nicht ober nur theilmeife mit Sielen belegte ©rbbo* 
ben auSbünftet. Sie 2>ede oieler biefer Socher befinbet ftch auf gleicher Höh« 
mit be» Trottoir; wo fte eine Hrt genfter haben, ba geht eS in ein laum jmei 
ober bret guft breites Soch hiuauS, welches bem Trottoir abgewonnen ift; aber 
oielc erhalten ihr Sicht nur burch ein laum brei guft hoh«3 unb nicht fo breites 


379 


fhmufcbebedteS genfter, Wethes in ben ober» Sbeit bet Sbür eingelaffen ift. 

_Unb in biefen Siebern »ebnen, todjen, eilen, fdjlafen ganje gamilien; hier 

»erben üRenfhen geboren unb fterben ÜRenfhen; hier giebt es greube unb 
Seib, wenn au<b beibe nur aus ber ©efriebigung ober 9li<btfcetnebigung ber 
einfahften «nb robeften lörperlidjen ©ebütfnijfe entfpringen; bis hierhin »er* 
fmlt juweilen bU un»etfh«lbete 2lrmutb ebettfo »obl wie baS Saftet; »on hier« 
au« erbebt fth bi* «nb ba, »om ©lüde begünftigt, eine fräftige SRaturanlage 
unb auSbauernber 2Bille ju einer SebenSfteUung, bie, wenn auch an r«b be* 
fheiben, boh weiter »on bem auSgangSpunfte entfernt ift, als bie böhften Siele 
bei ©brgeijeS oon bem eine« ÜRenfhen, ber feine gugenb in einer ntenf<bli(beu 
$äuSli<bteit unb unter ben »obltbuenben Ginwirtungen ber ©Übung unb ©e* 
fittung »erbracht bat. 

2Bie bie SRenfhen, bie in ben fiafetnen unb Äetlerlöhern wobnen, ftcb 
aQe ernähren, baS ift nicht lei<bt ju fagen. Sie meiften äRänner fmb »obl 
arbeitet am $afen unb TOatrofen, anbere fmb als Sagelöbner in Äoblenböfen 
ober $ot}bbfen befebäftigt, »Uber anbere Strabenlebrer, Gloatenräumer, ar* 
beitet in foleben gabtilen, in welchen bie SRafhine bem SDtenfhen nur noeb bie 
einfaebfte unb gebanlenlofefte ©ertihhmg übrig lä&t, fo bab bet arbeitslobn 
ein aRinimum beträgt, enblih Gbinefen, bie auf öffentlichen ©läfcen Gigarren 
feil ballen.. auf biefen Gtwerb »on auben ber, }u welchem noch bie Söhne ber 
ab* unb jugebenben ÜRatrofeu }U regnen fmb, begrünbet f«b nun bie inlänbi* 
febe gnbuftrie biefeS ©roletatieroiertelS. Sa ftnb arme Schuftet, arme Schnei* 
ber, atme Klempner, bie für bie ebenfo armen ©ewobnet beS ©iertels ein 
wenig fliden unb in feltenen gällen auch etwas 9teue3 machen. Sa finb 
©äder unb 3Refeger unb apotbeter, bie auf ber Unioerfität ju ffioltenluduts* 
beim promonirt haben unb in ihren Grfolgen als £eiltünftler mit bem Dr. Gi* 
fenbart wetteifern. Sa fmb-»or aaen Singen ©ranntweinfhenlen, in welchen 
bet tärglicbe ©erbienft »erjeebt wirb. 

g n benjenigen, bU in bet Uferftrabe liegen, gebt eS oft febr »ilb unb 
toll }u, befonbetS in ben-als „5Raht*Saton$" betannten, b. b- in folcben, bie 
wäbrenb ber ganjen ©acht offen fmb. Schon mancher 2Rorb ift »on ba aus 
begangen worben. GS ift fo leiht unb bie Gntbedung fo ferner. Suftige 
G u mp ane, ffllatrofen mit bem Schn für eine lange Steife in bet Safhe, unb 
©enoffen, bie fuh ihnen angefhloffen haben, jechen jufammen, würfeln, fmgen 
unb fpafjen, bojeen unb ringen fwb im tollen Sherj; — baS ©elb gebt babei 
auö bet Safhe beS Sruntenen in bie feines „greunbeS" über; ehe er eS merlt, 
tau melt man mitfammen auf bie Strafe hinaus, nach ber SEberfte hinüber, um 
ftcb ju erUicbtern; man ftolptrt an bem »Übrigen ©alten, ber baS einjige ©e* 
länber bilbet: — ein Stob, ein bumpfer gall ins SBaffer, unb alles ift »orbei. 
Ginige Sage fpäter lieft man in bet 3eitung: „Grtrunlen gefunben tin unbe* 
lannter 3Rann, bem anfhein nah «in 2Ratrofe :c." ©elegentlih einmal ge* 
fhiebt eS wohl, bab ber in» SBaffer ©ewotfene beim auftaueben hinter bie 
©rettertoanbung beS OuaiS in eine ber groben SRattenböhlen unter bem 




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Strafjenpflafter gerät!, fl<^ bort eine Seitlang übet »affet erhält, um £ülfe 
ruft; bah man aufien an bet »anbung bis an bie Stelle lommt, hinter welcher 
et ftch beftnbet, mit ihm fpric^t, non ihm erfahrt, bah jwei Äerle ihn ins »affet 
geworfen haben, unb ihn burch bie allmählich bis an bie 35edte bet $öhle fteigenbe 
giuth erfäufen taffen muh, weit leine »ertjeuge jut $anb fmb, um bie »anb 
ju jertrümmem. ßiue folche SJerwirllichung eines bet gtaffcften Silber bet 
ijjbantafie Gugen Sue’S t ft porgelommen. Ser bieS fchreibt, hat felbft fpä* 
tet ben Seidjnam beS Grmorbeten aus bet SHattenböble herauSjiehen taffen unb 
oerfucht, bie Sehörbe jut Slachforfchung nach ben »örbern ju beftimmen, hoch 
ohne Grfolg. •"* 

Snbeffen würbe man bo<h ju weit gehen, wenn man, wie es nicht bloh 
unerfahrene Sanbleute, fonbern auch viele Stabtet thun, glauben wollte, bah 
in jenem tJ5roletarieroiertel lein „anftänbiger SDtenfch" feines fiebenS fidjer fei. 
©erabe baS ©egentheil ift bet Jall. 3ene SDtorbe, bie bort Porlommen, werben 
faft immer nur an folchen Seuten Oerübt, bie in ben Scheuten unb Sorbetten 
ber ©egenb ©elb haben feben laffen, unb beten Umftänbe ben SMörbern be« 
lannt fmb. eigentliche Dtaubanfätle auf friebtich ihres »egeS gehenbe Sür* 
ger lommen in ben „anftänbigen" Stabttheilen nicht attju feiten, aber in ben 
Sroletarieruierteln faft niemals vor, pietteicht fchon aus. ’bem einfachen 
©runbe, weil bort Sliemanb bei einem beliebigen Sorübergehenben einen Bollen 
©elbbeutel oermuthet. Sor Raufen Setrunlener, bie lärmenb unb gröhlenb 
aus ben Schenten unb Sorbetten tommen, muh man f«b freilich in Sicht neb» 
men, unb ihnen barf auch ein mutiger Kann aus bem »ege gehen; fonft aber 
ift bie ©efahr auch in tieffter Stacht nicht grofj. 

SaS Sehen unb »eben auf ben Straffen ift nicht fo mannigfaltig, wie 
man eS bei ber bitten Seoötterung bet ©egenb erwarten fottte. Sthntufcige, 
fahl auSfebenbe, aber fonft ganj muntere ßinbet fpielen unb treiben Unfug. 
Son bem gebrüllten, tümmerlichen »efen, welches fentimentale Womanfchreiber 
ben flinbern ber Slrmutb aHbichten, ift hier nichts ju gewahren. Sluch ift be» 
merlenswerth unb phftjftologtfc^ wichtig, bah flrophulöfe Grfcheinungen unb 
namentlich Serlrüppelungen, wie fie in Guropa fo häufig porlommen, hier faft 
gar nicht ju fehen fmb. Sin beifsen Sommertagen wimmeln bie »berften pon 
jerlumpten Sroletarierbuben pon fe<bS bis ju fethSjehn 3ahren, bie bort ein 
Slmpbibienleben führen, »enn fte bie Suft antommt, ftreifen ftemit ein ober 
jwei ©riffen ihre c&abern ab unb fpringen jauchjenb ins »affet, wo fte ftcb wie 
Sterlinge umhertummeln. »er ftch fchwatje ©ebanlen über eine PhPfifche 
Serfchlechterung bet SRace in Slmerila burch bie elenbe SebenSweife ber Stofe* 
tarier in ben ©rofjftäbten macht, lann aus einer ^Beobachtung biefer Beinen 
#pbrioten Sroft unb Seruhigung fchöpfen. Senn er wirb ba faft burchweg 
ein treffliches Gbenmafj ber ©lieber, gutgewölbte Sruftlaften, Sehenbigleit 
unb Glaftijität ber SDluSlelbewegungen, por allen Singen aber leine Spur Pon 
jenen fchtedlicben ftartoffelbäuchen unb bem wellen, fdhwammigen gieifch fin¬ 
den, baS man bei fiinbern in ben jjabtilgegenben SeutfcblanbS fo häufig an« 



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trifft. — Sluch bie unnatürliche, frühzeitige Gntwidetung gefchlechtlicher £ufte, 
bie bort fo »iel Unheil ftiftet, ift hier »eit feltener. (Statt beffen bifbet fich ein £ang 
jum »üben ©trafenleben unb ju einer Slrt Von ©peculation, für welche bie 
©egriffe SJlein unb Sein nur fehr formlofe ©(battengeftalten ftnb. Sie wei¬ 
ften jungen, welche ftch am Hafen umbertreiben, ftnb als „Sodratten" ben 
ScbiffSablabern unb ben für bie richtige SSfdjung ber gracft verantwortlichen 
©teuerleuten ein ©teuel unb Sletgernif. 2Bo fte einige Hänbe Kaffee, SleiS, 
Sloftnen, ober auch Stüde Gifen, Tupfer unb WaS immer fonft ju haben ift, 
erfaffen lönnen, ftnb fte gewif bei ber §anb. gär ihre ©eute finben fte jletS 
Slbfafc in ben Sröbellellern (junk shops), von benen eS in ber ©egenb eine 
SJtenge giebt. GS ftnb $öhlen, in wetb&en unglaubliche Quantitäten »on 
anfdjeinenb »erthlofen Singen »erftaut werben: altes ©fen, altes Kupfer, jer* 
tiffene unb jerfaferte Stüde »on Sauen, hatten, ©egeltucb, Sumpen aller Slrt. 
Soib meiftenS bient ber £anbel mit biefem ©<bunb nur als SDlaSle für Siebes* 
beblerei. Sie beften Kunben beS SröblerS ftnb bie unter bem Slamen “epe* 
culators” gefürchteten ©algenvügel, bie ebenfo bereit ftttb, im SSerein mit 
glufpiraten ein auf ber Sthebe liegenbeS ©<biff ju plünbern, ober im ©otbei« 
gehen »or einem Raufen Kaffeefäde einen über ben Stanb beS SodS ju werfen, 
»o ©piefigef eilen ihn auffangen, wie fte, mit golbener Uhr unb Kette auSgetü« 
ftet, einen Kapitän ober Steuermann bereben, ben „Kehricht" »on einer Sa. 
bung SleiS ober Kaffee bur<b gufäUigeS.3errei6en ber ©dde ju »ermehren unb 
ihn, währenb ber Supercargo bei Sifche -Pht, in einen ftiHen SBinlel beS 
Schiffsraums ju bringen. Siefe gnbuftrieUen nennen ftch ebenfo, wie bie 
Slittet »om Sohlen loch: „Speculanten". SBarum nicht? ©eiber ©ewerbe 
fteht ungefähr auf gleicher ©tufe bet Gfrenhaftigleit. 

Sie »örfe beS Viertels ift bet Quai. GS ftnb nicht Kapitalien, welche 
bie Sewohner »on ©hertp*, SBBater* unb Sloofeoeltftreet ju »erlaufen haben, 
fonbetn Slrbeit. SRorgenS »or acht unb SRittagS fteht man »ot ben Speichern 
unb ©rofthanblungen in bet Uferftrafe Hunberte »on Arbeitern, faft immer 
gelängt, lehnen, »on benen, wenn eS ftch um einen ©erbienft banbeit, jeber ohne 
Ausnahme auf einen beliebigen ber Slamen Qohn, gim, ©at ober SRite hört. 
Siefe Seute haben ihren point d’honneur, mit bem nicht ju fpafen ift. Sie 
unterbieten ftch nicht, jagen ftch einanber tein ©erbienft ab. SBer Slrbeit er* 
hält, hat eben ©lüd, — fein Siebenmann beneibet ihn nicht, fonbern wartet 
ruhig bis feine 3eit fommt. Stur ben ©reis »erberben batf feiner, wenn er 
nicht aus bet ©enoffenfehaft auSgeftofien fein will. Sie Slrbeit am Hafen hat 
ihren GourS (jefct 40 Gents per Stunbe), unb wer fte für geringeren ©reis »er« 
lauft, gilt für einen HunbSfott. Ser SluSbrud ift berb, aber burch beutfehe 
Glafrtler brudfähig gemacht; — ber englifebe ift jebenfalls noch »iel berber. — 
Gharalteriftifch ift eS, bafs in biefem Sheile beS Hafens, ber an baS irifche 
©roletarieroiertel ftöfst, Sieger als Hafenarbeiter thatfächlich auSgefchloffen ftnb. 
Kein ©<biffs»erftauer (stevedore) lann eS wagen, einen Sieger ju befchäfti» 
gen, wenn er nicht alle feine weifen „Hänbe" verlieren will. Sie Sieger 


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faten ihre Slrbeit«b5rfe in ben swifchen ffiaUfheet unb gultonffreet gelegenen 
4>afenfttafien, wo ba« eingeborene ameritanifcbe ©ement ba« itifche über* 
wiegt. — Doch wäbrenb bie grlänber bie Weger jurüdftofien, haben fie merl* 
würbigermeife gar nicht« gegen bie ©emeinfchaft mit bern Doch Diel frembarti* | 
geren unb in mancher Werbung wiberwärtigen chinefifchen ©emente. Sille«, 
wa« e« Bon Gbinefen in Wew»?)orl giebt, hauf’t in Gberrb*, SBater», Woofe* 

»eit» unb Olioerftreet. Sie fmb friebfertig unb ftiü; — fo febt, bafi fie fich 
fogar mit ber gefdhrlichften Sorte Don irifchen grauen »ertragen, benn bie 
befte Sorte erhalten fie nicht. Slber baneben fmb fte auch unreinlich bi« 
jut Unflätherei, geijig, unb gelten für falfch unb betrügerifch. 

Der $anbel«Derlebr in ben Straben bet bietjig Siete« Stabt befcbränlt 
fich gröfitentbeilS auf 8eben«mittel. ^anblarren mit abgeftanbenen gifcpen, — 
^dringen, glunbern, Stinten unb häuften« Stodfifcb, bie häufig ba« Slu«» 
feben unb ben ©erucb eine« Düngerhaufen« haben, fmb ju allen Dage«ftunben 
anjutreffen unb finben in ben frommen fatbolifchen $au«frauen gute ßunben. 

Sin Sonnabenben ficht man an ben ©den Harren mit bem gleifch Don febr 
jungen Halbem, unb {ehr alten Schafen fteben, auf welche« bie Sanitdt«polijei 
übel ju fpredjen ift. Schinien, beten garbe ber Don ftarl mit 2Rild> Derbünn» 
tem Haffee gleicht, werben ju fabelhaft niebrigen greifen feilgeboten; aber auch 
ber niebrigfte ift ju hoch bafür, benn fte befinben fich f<bon im Stabium ber 
Sßerwefung. 

Den SBroabwap für Htein*3rlanb bilbet bie ftch Don bem Sroabwap ber 
Deutfdjen, ber SBowerp, hi« jum gluffe erftredenbe Gatherineftreet, beten Worbfeite 
Doll tßuhläben, Schnittwaarenhanblungen SEhee» unb .Haffeeläben ift, währenb 
auf ber Sübfeite Hurjwaaren, Wtöbel, Stiefel unb Schuhe, Steingut» unb 
©lechgefchin:, Wabler» unb ^ofamentirwaaren ju haben ftnb. gn ben Schnitt* 
waarengefchäften unb fPufcläben muh bem Irdftigen irifchen ©efchmad burch 
grelle garbencontrafte Meinung getragen unb im ©anjen auf mäßige greife 
gehalten werben. 93ei bem Slufruhr im 3uli 1863 würben mehrere Stäben bet 
Gatherineftreet Don ben irifchen ^Proletariern, für welche fie ben gnbegriff aller 
irbifchen Schäle enthielten, geplünbert. 

Unb nun wäre }u guter 2e|t noch Don ber Siteratur unb Hunft ju reben. 

Doch ach', bie Siteratur befcbränlt fich auf bie spfennig*2ieber, gebrudt in bie* 
fern gahr, unb bie Hunft geht im bucbftäblicbften Sinne be« SBorte« betteln, 
benn fie wirb nur burch Seierfaften Dertreten. — Doch halt, ©in Hunftinftitut 
giebt e«. SBenige Schritte Don ber Gatherineftreet, einer Weibe fcbwiaimenber 
Sluftemleller gegenüber, jeigt eine grobe Seinwanb ba« SBübnifi eine« ©orilla, 
ber nach allen Wegein ber sperfpectioe grob genug ift, um au« einem ®ären ein 
einjige« grübftüd ju machen, hinter Der Seinwanb h«bor erfchallen täglich 
jehn Stunben lang bie Düne eine« Seierlaften«, ber feit acht 3“hren Dolle Dier 
SJlelobieen gefpielt hat, nämlich Pop goes the weazel; John Browns 
body; When this cruel war is over, unb Tramp, tramp, tramp, 
the boys are marching. Da« ©anje bebeutet, bajs hin eine Wtenagerie 



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für 10 EentS gu fehen tft. 53tter wenn bidh ber 3ufoH begünftigt, fannft bu 
biefe Summe erfparen; benn gumeilen muh bie Menagerie gelüftet werben, unb 
fie erfcheint bann in ©eftalt einer 15 3 oH langen fchminbfüdhtigen aHeerfafce, 
bie ftch, lebenSntübe unb matt, auf bem Trottoir fonnt, mährenb ber Seierlgften 
gur Erläuterung beharrlich berftchert: Pop goes the weazel 


#Uewrifd)-attt|Ufd)C0 Feuilleton. 

Bm 3. SB. 


$er flrieg, ber „Beweger beS [IHenfchengefcbfedhtS", Bat auch in ber ante* 
rifanifdhen SageSliteratur eine tief gehenbe, fchon feit 3ahr unb £ag anhaltenbe 
unb mofjl noch für geraume 3^1 nachwirfenbe [Bewegung Berborgerufen. Un* 
mittelbar nacB feinem SluSbruch gerietB baS gefammte SerlagSgefdhäft in’S 
Stödten. 2)aS eine, allgewaltige $heroa naBm bie Slufmerlfamleit fo aus* 
fchliehlidh in Slnfprudh, bajs man alle Suft, ftd? mit anberweitigen Gingen 3 U 
befchäftigen, berlor. $ie Sucbhänbler wagten nicht, früher begonnene Uit* 
terneBmungen fortgufefcen, unb mochten fuB nodh mel weniger auf neue eittlaf* 
fen; bie Sdhriftfteller, infofern ihre &hätigfeit nicht bon ber politischen $ageS* 
gefehlte in Slnfprudh genommen würbe, legten bie §eber aus ber £anb unb 
begnügten ftdh mit ber [Holle aufmertfam beobadhtenber 3nfchauer beS grofjar* 
tigen, SllleS in SltBem Baltenben 3eitbrama§. 2)och nicht allgu lange währte 
biefe ^eriobe literarifdher Untbätigteit unb pafftben 3ufchauenS. S5c^lb fteHte 
ftdh baS 23ebürfnih nach einer bem neuen Stanb ber 3)inge angepafiten Sitera* 
tur heraus, bie natürlich einen borwiegenb friegerifchen EBarafter tragen, ober 
ftch menigftenS mit foldben ©egenftänben befaffen muhte, bie burdh ben firteg 
plöfclidh ein hohes 3 «tereffe gewannen. 2Bo im amerifanifchen 2Har!t ein 33e* 
bürfnth entfteht, wirb ihm gewöhnlich fehr rafdh entsprochen; wo eine Nachfrage 
ftattpnbet, ift auch baS Slngebot gleich gur $anb. Schon im gmeiten Kriegs* 
fahre ftnben wir baS SBerlagSgefchäft wieber in boller SBätigfeit unb eifrig be* 
müht, ftdh auf bem neuen Terrain gu orientiren unb günftige EBancen gu er* 
fpähen; im britten Berichte eine [Hegfamleit, bie an bie thätigften früheren 
$erioben erinnerte; im bierten ergoh ftch über bie gange Sänge unb 93reite beS 
SanbeS eine wahre gluth bon Schriften unb $ublifationen aller 3lrt, bie einem 
birett ober inbirelt burdh ben ßtieg herborgerufenen 93ebörfnijs gu entfpredhen 
beftimmt waren. SBeit entfernt, bah ber ßrieg bie geiftige $robu!tion beS 
SanbeS benachteiligt, hatte er ihr bielmehr neue Sahnen erfdhloffen, neue ®e* 
fichtSpunfte eröffnet, unb wie auf ben ©ebieten beS materiellen Schaffens, be* 
Währte ftdh auch Bier bie Sielfeitigfeit unb Elafticität bei amerifanifchen SBolfeS, 
bie ©abe, fuh’S in jebem Sattel halb gerecht gu machen. 

©eograpbifdhe unb ethnographifche Säuberungen ber in [Hebellion begrif* 
fenen Staaten machten ben Anfang; [Heifeffiggen uns bem Süben, Sdhilberun* 


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gen bei Gbaralterl, bet Sitten unb Gigentbümlichlciten feiner Semobner fo» 
tooW in ben bet Aebellion »oraulgegangenen Seiten, mie mäbrenb bei Auf* 
bruibl betfelben unb furj nach Grünbung bet Gonföberation—"ffltidjcr folcbert 
unb ähnlichen Snbaltf mürben jefet mit um fo größerem Sntereffe gelefen ba 
man ficb eingefteben mu&te, ba& bie Äenntnifc, treibe man bil babin im Störten 
»on ben geograpbifcben unb gefellfchaftlicben Suftänben bei Sübenl gehabt 
bocb nur eine febt lügenhafte geioefen. da umgefebrt Born Süben in Seiug 
auf ben Störten loobl in noch jebnfacb böbetem Stabe baffelbe galt, haben am 
Gnbe bodb diejenigen nicht fo ganj Unrecht, bie ba meinen, bet firieg fei nur 
ein blutigel ©i&»erftänbni& geioefen, unb mürbe nie jum Aufbruch gefommen 
fein, menn man fnh in beiben Seftionen bei Sanbef gegenfeitig beffer getannt 
unb »erftanben bitte. Ob freilich biefel Grlennen unb Serfteben auf literari* 
fchem ©ege je ju »ermitteln gemefen märe, bleibt fraglich genug, ©erlen ber 
genannten Gattungen folgten halb Säuberungen ber aftioen ßriegfoperatio« 
nen ju Sanb unb jur See, Gablungen aul gelb unb Säger, aul bem Saja» 
retb, »on Sorb bei Ärieglfchiffel, aul ben feinblichen Sinien unb ben ßriegf* 
gefängniffen ber Stebellen. diefe Sücbet fanben ben rei&enbften Abfaf. gbr 
Snbalt mar jutn dbeil ein blofjer ©ieberabbruct ber in 3eitungen jerftreuten 
Gorrefponbenjen »on ben »erfchiebenen äriegffcbaupläfen, jutn dbeil aber auch 
eine forgfältigere Aufarbeitung, eine mefentliche Grmeiterung unb »erooll» 
ftänbigung berfelben. Gut gemeint maren aHe, gut gefchricben freilich nur 
menige. Snjmifcben befanben fnh unter ber groben ©affe »on ©ittelgut bo<h 
einjelne literarifche perlen »om reinften ©affer, bie benn auch bauernben 
©ertb behalten, ja fogar mit ber Seit, menn f«b eine fpätcre Generation nach 
antbentifcben jeilgenöffifcben Schilberungen bei groben Sürgerfriegcf umtbut, 
unenblicb an ©ertb geminnen muffen. Auf einjelne berfelben ausführlicher 
etnjugcben, muffen mir »ieUeicbt einer fpäteren Gelegenheit »orbebalten; hier 
banbclt el fi<b nur um einen allgemeinen Ueberblicf. 

die erjäblenbe Siteratur, Sloman unb Stooelle, fugten fnh auch halb 
ben neuen Stanb ber dinge ju Stufe ju machen. Sunäcbft maren natürlich 
bte Senfationlnobelliften ber ©ocbenpreffe im gelbe. Schon im jmeiten firiegf* 
jabre lieferten einjelne ©odbenblätter Grjäblungen, melche bie Siebeilion felbft 
ober bie ihr im Süben unb Störten »oraulgegangencn 3uftänbe jum Gegen» 
ftanb ^tten. ©al früher für fte bie Abentheuer bet Säger unb drapperl im 
fernen ©eften, ber »ootsleute auf bem ©iffffffppi unb feinen Stebenflüffen 
bal eigentbümliche Snftitut bei Sübenl mit feinen golgen, bal ©albleben unb 
bie Siaubjiige ber Snbianer, bie kniffe profefftonetter diebe, Gauner unb 
galfdbmünjer, mie auch bie Stachtfeiten bei Sebenl unferer groben See- unb 
Sanbellftäbte gemefen, bal mart jeft ber firieg mit feinen neuen Sbeen unb 
Silbern, feinen mechfelnben Wen unb giguren, bie für ben Augenblic! alle 
jene abgenuften dbemaf in ben §intergrunb brängten. Salb maren auch bie 
Sücher»etleger jur #anb unb fchiäten Stomane unb Sto»eDen biefer Gattung 
in enblofer Saht in bie ©eit. gaft nie umfaßten biefe Siomane mehr all jmei 


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53dnbe, in ber Sieget befchrdntteri fte fi<h auf einen einigen, Selbft im bi* 
ftorifchen [Roman liebt ber Slmerifaner eine gemiffe ©ebrungenbed unb $rä* 
cifton ber gorm; gehn* aber gar fünfzebnbänbige [Romane a la Souife 2Rübl»* 
buch geben ibm über ben Horizont feinet SegriffS. Diefe ßürze, bereu fi<b 
bie meiften erjdblcnben Schriftfteller unb felbft — mirabile dictu ! — bie 
ungleich zahlreicheren SchriftfteUertnnen befleißigen, bat bei einem auf btftorifcber 
©runblage berubenben romantifeben ©emälbe freilich auch ihre mi^lidben Sei*» 
ten: fte befchräntt ben ©eftcbtSlreiS unb gibt leine (Gelegenheit §ur Einlage non 
3ei<hnungen in grasartigem, bercifchem Styl. Sol(be [RebellionS*[Romane 
(menn mir uns biefeS SluSbrudS bebienen bürfen) ftnb benn auch bis je^t noch 
ni<bt geraffen morben, unb nach biefer [Richtung I;in harrt ber überaus reich»» 
baltige, ^odbft banlbare Stoff noch immer feiner Ausbeutung. 

2Rebr als ber [Roman bat bie aus bem Kriege ju machen verftan* 
ben. Natürlich meinen mir baS „2Rebr" nicht in quantitativer, fonbern in 
qualitativer $inftcbt. ÜRan hält bie Amerifaner oft für ein menig poetifcheS 
Soll, unb verlennt fte bamit.bocb auSerorbentlicb. 2Rag unfer jüngft beenbig* 
ter greibeitSlampf nicht ganz fo viel angefungen morben fein mie ber beutfehe 
Söllerfrübling von Anno 1848, er bat ben hoher ober niebriger geftimmten 
Seiern ber dichter hoch genug ber Sieber entlodft, unb mollte man fte alle fant* 
mein, fo'mürbe barauS ein Sanb entfielen, bef[£n gemiffenbafte Durcblefung 
vielleicht als auSreichenbe Strafe für folcbe [Rebellen gelten tonnte, bie leine 
20,000 Dollars beftyen unb baber nicht auf bem gemobnlichen SBege parbon* 
nirt merben tonnen. Doch ferne fei eS von uns, biefe tyrifchen ©rgüffe in 
Söaufch unb Sogen als mertbloS bezeichnen §u mollen. Natürlich fehlt es nicht 
an holperigen unb ungelenten, an platten unb geiftlofen Werfen, aber eS fehlt 
audb nicht an nach gorm unb Inhalt bochft vollenbeten, fchmungvollen unb 
von mabrbaft patriotifchem ©eifte burchbrttngenen Dichtungen, melche ber Site* 
ratur beS SanbtS jur bleibenben Bierbe gereichen merben. DaS im amerila* 
nifdben Solle entfchiebeneS Dalent für bie tyrifebe Dichttunft ftedt, bemeift ber 
Umftanb, baS nicht menige biefer befferen Dichtungen in irgenb einem SBintel 
eines unbebeutenben SanbbldttchenS auftauchten unb meift von gänzlich 
unbetannten Serfaffern, häufiger noch Serfafferinnen, unterzeichnet maren. 
©ine fritifche [Revue biefer ßriegSpoefteen, verbunben mit beutfdber Uebertra* 
gung ber gelungenften Stellen unb Sieber, mdre gemiS eine mürbige Aufgabe 
für einen unferer beutf<h*amerifanifchen Dichter. 

Der legte 3meig enblich am Stamme ber ßriegS*Siteratur umfaßt bie 
©efehi^tfehreibung, Sicgrapbie, [IRemoirenliteratur unb Vergleichen, ©r ift ei* 
ner ber frifcheften unb trdftigften, ber erft in fpdterer 3utunft ju feiner vollen 
©ntmidelung gelangen mirb, gleichmobl aber fchon in früher gugenb reichliche 
unb auch gute grüebte getragen bat. Son bem vielbänbigen Rebellion Re- 
cord, ber äuSerft gemiffenbaften Sammlung aller mäbrenb beS Krieges er* 
fchienenen Attenftüde unb öffentlichen Dotumente, btS herab zu bem für ben 
Scbulgebraucb beftimmten htrzen AbriS ber ÄriegSgefchicbte — meiner [Reich* 



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1 

t^urn, melche 3Jtonnigfaltigfeit an meift gut unb populär getriebenen, unb 
ftetS bortreffüch auSgeftatteten Sßerfen! GS ift mobl noch nicht häufig borge* 
lommen, baji ein Vclf einen folgen ärieg geführt unb faft gu gleitet 3eit fo 
trefftid&c biflorifche Säuberungen beffelben, einfcbliefilicb ber Viograpbieen ber 
ate beworragenbe Sübrer aufgetretenen Banner, geliefert bat. Mehrere biefer 
$riegSgefd?id;ten unb SebenSbefcbreibungen ftnb bereits in’S SDeutfdje übertra* 
gen morben, unb biefe bcutf<ben Uebertragungen erfreuen ftcb meift eines ber* 
bdltni&mdjjig ebenfo guten 2lb)afceS mie bie englif(ben Originale. 

SBenben mir uns gunäcbft gu ben mäbrenb ber jüngft berfloffenen Sftonate 
aufgetaucbten Grfdjeinungen auf biefem letztgenannten Gebiete, fo begegnen mir 
ba einem etmaS foffilen Slutor, beffen 9lame nicht bie angenebmften Grinnerun* 
gen mecft. GS ift — Gott fefS geflagt! — f(bon lange, lange ber, feit Hbra* 
bam Sincoln ben ©räfibentenftubl gierte, aber ba($ 3 . Vucbanan benfelben inne 
batte, baS fliugt faft mie eine bunfle Vtäbr aus urmeltlidjer 3eit. Um uns bie 
Shatfache in’S Gebäd)tni& gu rufen unb ftcb an Gbre gu retten maS npcb irgenb 
git retten ift, bat ber Gipräfibent ein tleineS Vudj gefebrieben, morin er baS 
Verhalten feiner IHegierung mäbrenb beS 2luSbrucbS ber Rebellion gu redjtfer* 
ligen fud?t*). 3)aS Sßertcben mar ton unmittelbar nach beS SlutorS SHüdtritt 
in’S ©ribatleben brudfertig, mürbe aber einftmeilen gurücfgelegt, um 21. Sin* 
colnS Slbminiftration in ber energifeben Verfolgung beS Krieges nicht etma gu 
bebinbern. S)aS ift fteber eine febr garte föüdfubt bon einem Spanne, ber ber 
SGBelt gern bie Uebergeugung beibringen möchte, bafj er an ber Herbeiführung 
beS Krieges fchlechterbingS feine Sd&utb trägt. $er £on beS VucbeS ift ruhig, 
gemeffen unb bon biplomatifcher Glätte; feinen 3nbalt noch einer ßefonberen 
ßritif gu untermerfen, b^fte ßulen nach 2lthen tragen. S5ie ÜUtitmelt bat in 
erfter 3 n fiang gerichtet; fällt baS Urtbeil bei ber Slppellation an bie ÜRacbmclt 
anberS aus, fo fann ber Verfaffer nur babei geminnen. 

Unter ben bis jefct erfdjienenen gefdjicbtlicben SBerfen über ben Vürger* 
frieg nimmt bie illuftrirte Gefehlte bon Sofjing**), bon melier foeben ber 
erfte Vanb auSgegeben mürbe, eine ebrenbolle Stelle ein. $aS Such lieft ftcb 
recht gut, menn eS auch an Schärf« beS UrtbeilS unb Originalität ber 3been ben 
Vergleich mit anberen, baffetbe $bema bebanbelnben ffierfen bielleicht nicht 
gang auSbalten fann. $er Sefer erhält ein flareS Silb ber Urfachen, 
melche ben Ärieg bcrbeifül;rten, fomie* ber einleitenben 2lfte beffelben. S5ie 
militärifche Gefechte beS Krieges mirb in biefem Vanbe bis gur Schlacht bei 
©ull SRun im 3uli 1861 geführt. $a baS gange SBerf nur auf gmei Vänbe 
berechnet ift (ein britter GrgängungSbanb foll lebiglich Viograpbieen ber burch 
ben ßrieg berühmt gemorbenen ©erfönlichfeiten enthalten), fo muf$ ftch ber 
Slutor im meiteren Verlauf feiner Slrbeit notbgebrungen einer äürge befleifei* 
gen, bon ber mir faft fürchten, ba& fie ben SEertb berfelben beeinträchtigt. 2)ie 

*) Mr. Buchanan’n Administration on theEve of the Rebellion. New York. D. Apple* 
ton & Comp. 

**) Lossisg ? a Pictoral Hißtory of the Civil War. Philadelphia. C. W. Childs« 



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Slulftattung biefer ©efcbiihte ift fplenbib. Ser erfte ©anb enthält fiter 400 
3Huftrationen, barunter manche roirtiicb lünftlerifcb aulgefübrte. 

Sal Selb ber Siogtapbie roirb fortmäbrenb mit ganj befonberem Gifer 
angebaut; bauptfächliih bat man feine Slufmerlfamfeit benwagenben Btän* 
nem bet Sleootutionl* unb Golonialgefchicbte jugemenbet. Gine Gefehlte 
»an Samuel Slbatul, ber tot Slulbruch bet SReoolurfon auf bie Gntmidelung 
ber Golonieen groben Ginflub übte, in brei Sänben, »er»oUftänbigt burdj jabl* 
rei<be Solumente, ©riefe unb politifcbe Slbbanblungen bei Genannten*), bat 
für ben ©efdjicbtöforfcber jebenfalll groben SGBertb- Saffelbe gtlt »on einer 
©iogtapbie Qofepb SEBarrenl**), bie ein recht attfcbaulicbel ©ilb ber 3«ftänbe 
ber norbamerifanifcben Golonieen in ber Btitte bei »origen ^abrbunbertl ent» 
wirft. 

Unfete beutfcbe Siteratur ift auf bem anterifanifcben ©Üdjermarlte burdb 
Uebetfefjungen einiger namhafter SBerte »«treten. 2Bir führen hier nur bie 
jüngft »on 2nb»ig 3lobl betaulgegebene Sammlung SWojart’fiber SBriefe 
an, rnelche »on Sab? SBaliace in'l Gnglifdje übertragen unb »on ein« 3lem* 
Dörfer girma in gut« Slulftattung, mit Dlojart’l SPortrait unb fyacftmile ge* 
fcbmfidt, reprobujirt mürbe. SBei ber eigentümlichen S$reibmeife bei groben 
Sonbidjterl, ben man in feinen SBriefen allerbingl nicht immer mieber erfennt, 
bat bie Uebertragung berfetben in ein frembel 3biom ganj bebeutenbe Schmie* 
rigteiten. Sabp ffiallace bat biefe Aufgabe jiemlicb gefcbicft gelöf’t unb ben 
aRojart’fttn ©riefen jenen naio»berben £aucb }u bemabren gemubt, ber fte für alle 
Siejenigen, melcbe ben Gbaralter unferel Heroen ber Sonlunft ftubiren mollen, 
fo mertb»oll matt. Sab bal Such »on bet groben Blaffe ameritanifcber Sefer 
richtig aufgefabt unb beurteilt merbenfönne, will uni freilich tanm einlemhteu.— 
3n neuenglänbifchen Steifen, mo bie su Slnfang bei 3abrel »erblichene fcbme» 
bifdje SRomanfcbriftfteHerin grieberife © r e m e t »iete perfönlidje greunbe jäblt, 
fiebtman bem Grfcheinen einel ©ucbel bet SDlib §omitt: „Gin gabt in 
Scbmeben bei grieberile ©remer" mit Spannung entgegen. SDlib $omitt ift 
eine Sochter bet belannten Sicbterin Btarp $omitt, melchet man bie erften 
Uebertragungen ber ©remer’fchen Romane in’l Gnglifdhe »erbanft; fte mar mit 
bet »erftorbenen Schriftftellerin febt genau befannt unb lebte öfterl längere 
3«it in b«en ©efellfchaft, fo bab fte jebenfalll am beften befähigt ift, uni ein 
»oliftänbige! ©ilb bei in mehrfacher Sejiebung merlmürbigen grauencbarafterl 
}u entmerfen. 

©eftrebt fit bet amerilanifte ©üdjeroerlag menigftenl bin unb mieber, 
intereffante Gtfcheinungen ber beutfchen ober europäifcben Siteratur überhaupt 
hier einjubürgern, fo ift el fnbet erfreulich, bab auch ein beutf<h*amerifanifcber 
©erleget bamit umgebt, ber groben Blaffe unferel beutfchen Sefepublifuml ge* 

«) The Lite and Public Services of Samuel Adams. By William Vs Wells. Boston* 
Little, Brown & Comp. 

**) Lite and Services of Joseph Warren* By Richard Frothingham. Boston. Little 
Brown & Comp» 


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btegene Serfe bet englifch*amerifanif<hen Siteratur in guten Ueberfe|ungen 
unb ju mäßigen greifen jugängtich ju machen. Sie girmcr <g. Steiger in 
9te»*?)orl »UI intereffante unb »erthooile Grfcheinungen auf bem ©ebiete bet 
neueren unb neueften ameritanifchen Siteratur, feien fte nun wiffenfchaftlicben, 
publijiftifchen, päbagogifchen ober belletriftifchen SnhaltS, burch bie beften jur 
«Beifügung ftebenben flräfte in’S Seutfcbe übertragen laffen, biefe Uebcrtragun* 
gen in hübfehen SluSgaben »erBffentlichen unb bann für beten Verbreitung in 
»eiteften Greifen angemeffene Sorge tragen. Ser «|}t«n ift fidler ein guter unb 
»erbient, falls er wirtlich mit ©efchmad unb Gnergie auSgeführt wirb, bie leb* 
baftefte Untcrftüfcung beS beutf<h«ameritanifchen VublifumS. 3um harmoni» 
f$en gufammenwirten unb innigeren Vetfdjmeljen beS beutfdhen unb 
ameritanifchen Siemens, auf welkem jum ni<bt geringen Sheil bie fünftige 
Sohlfahrt biefeS Sanbef beruht, gehört not Sittern gegenfeitige Sichtung unb 
wedjfelfeitigeS Verftänbnifs. Soburch aber tonnte bieS ftcherer unb »oDftänbi* 
ger erjielt »erben als burch einen forgfältig geleiteten unb in richtiger Seife 
»ermittelten SluStaufch ber geiftigen Grjeugniffe, butih eine nähere »echfelfeitige 
Vetanntfchaft mit ben Siteraturen ber beiben Stationen, bie fuh hier ju einer 
Ginheit »erfchmeljen foClen ? Sajs bie Slmerifaner bisher Bon unferer beutfdben 
Siteratur »erbältnifsmäfsig Wenig Stotij nahmen, ift für uns feine Gntfchulbi* 
gung, auch bie ihrige ju Berna«hlä|Ttgen. Senn wir ihnen in biefer «Begebung 
mit gutem SBeifpiel Borangehen unb burch bie Shat beweifen, bah wir einem 
Gulturoolf angehören, welches bie geiftigen Schöße aller Stationen aufjufinben 
unb ftch anjueignen »erftebt, werben fte ftch half jur Stachahmung angefpornt 
fühlen unb auch ihrerfeitS begierig fein, bie Siteratur eines geifiig fo hoch ftebenben 
Voltes lennen ju lernen. Sir »ollen an unferer beutfehen Sprache unb Sitte, 
bem tbeuerften Vermächtnif} ber alten $eimatb, fefthalten; bo<h was in anberer 
3unge Schönes unb Gehobenes gefchaffen würbe, braucht uns beSbalb nicht 
fern ju bleiben unb wirb um fo eher auf unfere Sbeilnahme jöhlen bürfen, 
wenn eS Bon funbiger £anb in baS anheimelnbe ©ewanb unferer eigenen 
fDtutterfprache getleibet würbe. 

Sem Vfon ber gebachten gimta ftetlt ftch aüerbingS ein nicht unerhebliches 
$inbernijj entgegen, ©erabe bie beften Serfe, auf beten Verbreitung unter 
ber beutfch^ameritanifchen Veoölferung eS junächft abgefeben fein bürfte, finb 
burch Grwerhung beS fogenannten “Copy-right” unter gefeßlichen Schuß 
geftedt, unb möchte eS fchr »ahrfcheinlich fein, bah bie Gigenthümer biefeS 
StechtS gegen Stachbrud bie im Sanbe felbft publijirte Uebertragung in eine 
frembe Sprache als eine Verlegung ihres 5ßvcoirccjiumS erachten würben. So 
man eS mit bem Slutor in eigener Vetfon ju thun hat, läfst fuh Bielleicht ohne 
befonbere Schwierigfeit eine Verflänbigung erjielen; in ben meiften gälten aber 
ift baS cnpy-right in bie $änbe eines Verlegers, Grben, ober fonfiiger britter 
Verfonen fibergegangen, bie leicht Slnfprüdje erheben möchten, benen ber 
beutfehe Verleger nicht ju genügen permag, ohne felber Bon Bornherein auf 
jeben ©ewinn ju »erjichten. SlllerbingS liegt bereits eine richterliche Gntfchei* 



Goog 



bung bot, melche fcheinbat Ueberfefcungen freigiebt. Ster Verleger einet beut* 
fchen Uebertragung bon „önfet Som’S £ütte" mar einft megen Verlegung bcS 
“copy-right” belangt morben, bet liebtet entflieh jeboch ju ©unften beS 
Veflagten. Stet galt marb freilich nie bot baS gefammte Vichterfollegium bet 
Supreme ©ourt gebraut, beffen ©rfenntnifc mgbrfcheinlicb anberS gelautet ba* 
ben mürbe. ©be biefe grage an böcbfter Stelle enbgültig entfliehen ift, bleibt 
bie Veröffentlichung bon Ueberfefcungen folget but(b ^acbbrud3*^tibilegien 
gefehlten SBerte immerhin ein etmaS mißliches Unternehmen. Um für alle 
gdlle fuber $u geben, mürbe man mobt anfänglich SBerfe auSmäblen müffen, 
bon benen niebt ju fürchten ftebt, bafj fie als auSfcbtiefjlicheS ©igentbum eines 
Slnbern beanfprucht merben. 2llS folcbe empfehlen ftch gan$ entfliehen bie unfereS 
glteftenunb genialften beutfefcamerifanifeben ScbriftftetlerS, bet fchon bonunenb* 
li<b fielen nadbgeabmt, jeboch noch bon deinem erreicht mürbe, bie 2Berle beS 
bot jmei gabten in ber Scbmeij berftorbenen S e a l S f i e l b. S>a& noch lein 
beutfcb^amerilanifcber Verleger auf bie gbee fam, eine billige VolfSauSgabe bet 
beliebteften Schriften SealSftelb’S $u beranftalten, ift in bet Sbat befrembenb. 
©S giebt feinen Slutot, bet uns Steutfcb s 2lmerifanern nabet ftänbe, heffen 
Stent* unb S)arfteUungSmeife für uns geeigneter märe, aus bem mit eine reU 
<bere Oueüe bet anmutbigften Unterhaltung, bet gebiegenften Velebrung fcbö* 
pfen tonnten, als ©hartes SealSftelb, bet Steutf<h s 2lmerifaner, ber bie Vorjüge 
ber beiben hochftbegabten Nationen in fnh bereinigt, heffen 2Berfe mir ohne 
Vermittelung eines UeberfefcerS gleich im Urteft lefen fönnen, ba er fte felber 
beutfeb unb englifch, unb jmat hier mie bort in einer Sprache febrieb, bie bon 
ben competenteften Siebtem, einem Sied, £umbolbt, ©rimm, bann einem 
genimore ©ooper, Stoniet SBebfter, SBafbington S^ing als flafftfch unb für 
alle 3*iten muftergültig anerlannt mürbe. S)ie Steutfchen bet Union tonnten 
ihrem groben £anbSmanne, bet eine Saat auSgeftreut, melche fte $u ernten 
berufen ftnb, fein mürbigereS Stenfmal fefcen, als bet Verbreitung feinet 
Schriften objutiegen, fleh burch eifrige Seftüre berfelben jenen äd?t bu* 
manen, uniberfellen, beS VürgerS einet föepubtif auSnebmenb mürbigen ©eift 
anjueignen, ber bie Schöpfungen ©hartes Sealfielb’S burchbringt unb ihnen 
einen alle Stürme bet &tit überbauetnben Vtertb berleiht. 


gür unfete einbeimifche bramatifche ßunft mar bet ÜDionat Vtärj fein befon* 
betS erfpriefclicher. S)et faft allju pomphaft gefeierte ©amebal batte eine all* 
gemeine ©rfchlaffung jur golge; ber flaue ©ang ber ©efchäfte macht ftch im 
Vefuch bet öffentlichen UnterbaltungSlofale febr bemerftich ; enblich mag auch 
bie bittere VefonftruttionSmiytur, melche S)t. S)ulcamara*3obnfon feine 
giüdlichermeife mit gefunber ©onftitutiom begabte Vatienten fchluden lieb, 
Vtandben augenblidlich ben Slppetit für jebe anbere Speife berborben haben. 3« 
ben Sbeatern bemerfte man an ben meiften Slbenben bet Üffioche febt biete 
Vlä&e, für bie ftch feine Siebbabet ftnben moüten, unb felbft in ben fonft be* 

1 


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390 


fudjteften SBroabmapfofafen nerfcbmanben bie noch borllWonatSfriftfaftallabenb* 
lieb auSgebdngten $lafate „Standing room on]y°. 2)ie $beaterunterneb* 
mer, mögen fie mm im 9ßem*?)ort$eraIb anseigen ober btefe ÜRübe fammt intern 
©erbe fparen, murren ttnb flagen über fcbledjte 3 ettcn, unb bo<b buben fie noch 
alle Urfacbe jur 3 ufriebenbeit im ©erglcid) mit ihren Kollegen im Sanbe, na* 
mentttd) im ffieften, bie in biefer SBmterfaifon burcbuuS nicht auf SRofen fie* 
bettet fein foüen. 

2lu<b unfer beutfcbeS Stnbttheater in 9tem*?)ort ^atte feit bem Abgänge 
beS Herrn Hopm an einer merflicben Sepreffton Ju leiben* ©S tarnen feine intcref* 
fanten !Robttdten jum ©orfebein, unb bie Aufführungen traten nur auSnabmS* 
toeife fo gerunbet, mie mir es früher gemobnt gemefen. Unter folgen 
Uniftdnben fam bie Ernennung eines neuen artiftifeben ©übnenleiterS in ber 
©erfon beS Herrn Harting gemifj febr jur rechten Seit. Ob biefelbe ben 
beabfubtigten Erfolg buben unb ba^u beitragen mirb, baS gnftitut auf ber 
Höbe 3 U erbalten, ju melcber eS ftcb int Sauf ber lebten 3abre emporgefebmungen, 
bleibt abjumarten. Moritaten aus bem ©ereicb be^ höheren 3)ratnaS brachte 
ber ganje ÜJtonat nur eine einzige: H. Herfcb’ä ©burafterbilb: „ßönig unb 
9Mlcr, ober bie ürebSmüble". 2>aS Stüd erroieS ftcb ulS fo überaus 
gehaltlos, bajj eS nur ein einiges ÜDtal in Scene ging. ©S ift eine bö<bft 
oberfldcblicbe 3)ramatifirung einer betannten Anefbote aus bem Seben 
griebricb^ beS ©rofien, bie für preubifebe 3ufcbauer ein gemijfeS 3ntcref)e 
beftjen mag, allen übrigen aber nur bann als ©runblage eines fünfaftigen 
S)ramaS annehmbar fein mürbe, menn fie gehörig burebgearbeitet unb oom 
Siebter mit hinlänglichen Sntbaten unb AuSfcbntüdungen rerfeben morben 
mdre. 3)aS aber hielt -ßerfcb nicht ber Ütttübe mertb; er tifebt uns bie Anefbote 
fo naeft mie möglich auf unb befleibigt ftcb nicht einmal einer Sprache, bie über 
bem Aioeau beS Alltäglichen ftebt. $aS Urtbeil, melcbeS mir neulich über ben 
$ramatifer $erfcb fällten, ift bureb biefe „flrebSntüble" bollfommen beftdtigt 
morben: — feit feiner „Anna*2iefe" gebt er ben Krebsgang. $ie Hauptrolle 
beS StüdS, gebrich ber ©rohe, murce non Herrn granf gegeben* Herr 
gtanf ift ein ©butafterbarfteüer unb gntriguant bon entfebiebener Begabung, 
ber ftcb nur bor einer gemiffen «Monotonie beS ©ortragS buten follte, bie ihm 
febon ftarf jur ©emobnbeit gemorben ju fein febeint. (Sr fpriebt feine meiften 
Sollen in einem leifeu, ftngenben, eigentbümlicb accentuirten $one, bet bin 
unb mieber angebracht fein mag, jeboeb unter feinen Umftdnben ftcreotpp 
merben follte. gn Haltung unb 9Jtintif ift er meift fe*br glüdlicb unb Idfct ben 
tüchtig routinirten Scbaufpieler erfennen. Auch fein griebricb ber ©rohe mar 
bem Aeufeeren nach bollenbet; im Uebrigen aber hatte ftcb mobl bureb 
forgfaltigere ©erüdfubtigung beS ©ilbeS, melcbeS bie allbefannte preubifebe 
©olfstrabition oont SGBefen unb ©burafter beS alten grifcen entmirft, ungleich 
mehr aus ber Molle machen laffen. 

üRit bem ©au eines neuen beutfeben XbeaterS, mobon febon fo fange 
gerebet mirb, febeint eS enblicb feine Micbtigfeit $u buben, ©in grober ©au* 




mm 


m an ber 14. ©trage, jmif*en 2. unb 3. Slüenue, foB bereit? erworben 
fern, unb mit ber Aufführung be? ©ebäube? geben« manfofort ju beginnen. 
3)ie Sage Ware jebenfall? eine febr geeignete unb liege bem Unternehmen Don 
Dorn herein em gute? «ßrognoftiton fteBen. 2«? beftgnirte artiftif*e Seite* 
nennt man bie fetten Otto §opm unb SIbolph Kteaubert, jwei Kamen bie in 
bet Kew»f)orter Äunftwelt ben heften älang haben. Sa ba? auf ber 
SBeftferte bet Uten ©trage gelegene neue franse £beater,wel*e? noch 
tm Saufe biefe? grühjagr? feiner Gröffnung entgegenfleht, auch bie franjöfif*e 
fomifihe Oper ju luitioiren gebenit, ift e? nicht mehr al? billig, bag ber neue 
beutfcge Stufen ternpel ber beutf*en Oper eine ^eimftätte bietet. Ser ©runb 
ju beten ©ebeigen ift ja bereit? gelegt; e? bebarf nur, jur Grgänjung ber bereit? 
Dorhanbenen, einiger frifchen, tüchtigen Kräfte, fowie eine? geeigneten, nicht 
fibermägig tgeuern Solal?, um .-er unter ber beutfcgen ffleDölterung fo 
beliebten, unter ber ameritanifchen aber immer mehr jut Popularität gelan. 
genben beutfcgen Oper in unferer SDlitte bauernben £alt ju Detleigen. 

Klit ben beütf*en Bügnen augergalb Kem^orl’? fteht e? im laufenben 
SBinter nicht fo gut, wie man ju Anfang ber ©aifon gehofft hatte, ©ehoben 
hat ft* ba? beutfche Sheater nur an jroci Orten : in Baltimore unb Kem*Or. 
lean?. Baltimore befifct nicht weniger al? fcrei beutfcge Bühnen, unb alle follen 
fug jiemlicher Unterftüfcung ju erfreuen haben. Sa? Goncorbia-Sgeater, unter 
ber lunbigen Seitung be? Jpertn Kteaubert, ftrebt nicht ohne ©lüd höheren 
Sielen entgegen, unb hat jebenfall? für ein neu begrünbete? gnftitut mäbrenb 
bererften ©aifon Diel geleiftet. Ko* jüngft hatte bafelbft ein ©aftfpkl ber 
grau Klethua«©*eBer fehr guten Grfolg. 3n Kem.Orlean? ift e? bem Si- 
reltor Oftermann gelungen, ein beutf*e? Sgeatcr herjufteBen, wel*e? al? ba? 
iioeitbefte in ben Bereinigten Staaten gelten fann. Sa? Perfonal ift jaglrei* 
unb Derfügt in £errn Sagwifc unb ben Samen fjaafe unb Sinbemann über 
Kräfte, wie wir fte felbft in Kentert ni*t beffer hefigen. $err Oftermann 
f*log währenb feiner Dorjährigen Ülnwefengeit in Kem-Dorl ©aftfpiele mit ben 
Werten $opm unb Keiffart ab, bie im Sauf be? «Eintet? wirtli* jur 2lu?füh« 
rung lamen unb bie beutf*e Beoöllerung Don Kew-Drlean? hö*li* befriebigt 
i« haben f*einen. Gin wirlli* elegante?, im fafgionabelften ©tabttheil gele¬ 
gene? Solal trägt baju bei, ba? Sgeater au* bei ber haute volee im©*wung 
|u erhalten. 

3« Philabelphia ift im Sauf biefe? Sinter? lein orbentli*e? beutf*e? 
Sheater ju ©tanbe gelommen, wa? in 2lnbetra*t ber Stärle unb gnteüigeni 
ber bortigen beutf*en Beoöllerung faft unbegreifli* erf*eint. Ginjelne Zünftler 
, haben mit $ülfe raf* jufammengeraffter ©efelli*aften ©aftfpiele gegeben, unb 
in ber Kegel lonnten fie mit bem Gcfolg jufrieben fein, gn biefem Kugenblid 
gaftiren bort fjerr unb grau J&opm, bie man gern für bie Sauer fejfeln unb 
?ut Uebemahme ber Sgeaterfeitung bewegen mö*te, ein ffiunf*, ber jebo* 
in 2lnbetra*t ber ft* bem ßünftterpaar in Kew-?)orl hietenben Au?fi*ten 
taum in GrfüBung gehen bürfte.—©an granji?lo, ba? fi* eine Keige Don 


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392 


Sauren fcmburdj, unter S. Steaufcertm Seitung, einer recht guten beutfehen Sühne 
erfreute, ftefyt gduslic^ berwaif t, feit bie SonntagSmuder bam Verbot aller 5f* 
fentlichen Unterhaltungen an ihrem altteftamentUchen Sabbath burchfefcten. 
Seuerbingm wollte bie große Stragöbin SeftbalUSunb einen Serfuch machen, 
bam bärtige beutfdje Skater aufgurichten, !am aber taum über bie erften Sorbe* 
reitungen hinauf, ate ba£ Sßroject fchon »ieber berunglüdte. Sanbmann trat 
bei feinem jüngften ©aftfpiel auf ber englifchen Sühne auch einmal in beutfeher 
Sprache atm granj SDtoor auf; natürlich fehlte em an Kräften, ihn in angemef* 
fener SBeife ju unterftüfcen. Sollte übrigens baS beutfehe Sublifum San gran* 
jiSfo’S, baS brei tägliche 3*itungen unterhält, nicht zahlreich genug fein, um 
auch mit einem lebiglich an ben SBochenabenben fpielenben Theater reujfiren ju 
tönnen ?—3m SBeften herrfcht biel Ungufriebenheit unter ben beutfehen Ztya*. 
terunternehmern. gaft fänimtliche Sühnen erfreuten fich bort in früheren 
Serioben fchon einem befferen ©ebeihenm alm in biefem Slugenblicf. Ob bie 
Urfache lebiglidh in ben fchlechten 3*iten ober »ohl auch in bem geringen Unter* 
nehmungSgeift unb ben befchränften Füllmitteln ber S)ireftoren liegt, labt fid) 
aum ber gerne ferner beurtheilen. So büfter em auch am beutfehen Theater* 
bimmel bem 2Beftenm aumfieht, e i n leuchtenber SCßanbelftern jog barüber hin, 
bem man allenthalben gujubelte unb mit größter Sereitwilligteit feinen Tribut 
entrichtete. Ottilie @enee toirb fonber 3n>eifel bie beutfehen$heater§uftänbe 
Slmerifa’m gang charmant ftnben, benn ihr geigen fie fich »irflich im rofigften 
Sichte, für fie giebt em nur bolle Faufer unb bolle Waffen. Son SWabelphia 
begab fie fich nach Syburg, Cincinnati, SouiSbille, jBtilwaufie unb Chicago. 
Slnfangm 5lpril trifft fie in St. Souim ein, unb bor Schluß ber Saifon wirb 
toohl auch 5Re»*2)orf noch einmal bam ©lüd haben, ber Keinen SSBunberthaterin 
jinmpflichtig gu »erben. Honi soit qui mal y pense l 


^uftkalifdje Ucmtf. 


Sott 


3n 9le»*|)or! giebt em eine Sehranftalt, bie fuh bem »ohßlingenben Stamenm 
„Conferbatorium ber üDtuftt" erfreut. 3« biefer Sflangfchule für bie Cultur 
ber äJtufit »irb fehr biel Clabier gefpielt, »eniger gefungen unb h&<hft wenig 
SWuftl in irgenb einer anbern 2lrt getrieben. Sttan fönnte bie Slnftalt eine 
ungeheure 2Kafchine für bie Cntwidelung unb Kräftigung bem Kno<hen*Spftemm 
nennen, fo »eit biefem in ben Fänben unb gingern in Setracht fornrnt. 9Jtan 
ftellc fuh taufenb Kabierfpielenbe Fanbe bor, jehntaufenb ginger, bom 2Jtorgen 
bis §um Stbenb in Sewegung, um ben ©eift ber Cgernp’fchen ober Sertinifchen 
Uebungen gu ergrünben. Cin großartigem Silb ! Slber noch großartiger muß 
ber Cinbrudt auf bie ©ehömerben fein. Sielleicht »ar em bie IRüdfuht für 
bam SBohl einer leibenben Sienfchheit, »eiche bie 2)ireftoren ber Slnftatt be* 


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393 


ftimmte, bag Sßublifum minbefteng einen Sßeil jeneg großartigen Söilbeg feßeit 
gu laffen. SBieUeid^t mar eg bieg unb nichts Slnbereg, mag SBetanlaffung gu 
bem im hörigen DRonate ftattgefunbenen Gongerte beg Gonferhatoriumg ber 
SRufit gab. greilitß, bag gange 93ilb tonnte man ung nußt geben, geßntaufenb 
ginger tonnten mir nießt arbeiten feßen. Slber mir faßen holle hierunbfeeßg* 
gig £dnbe, unb noeß bagu Samenßdnbe. Sie fprangen auf unb ab unb bratß* 
ten atterlei Sone ßerhor, ultb gmar Sone, meleße ber Seele ber größten DReifter 
beutfeßer DRufit entfprungen ftnb. 64 £dnbe fpielten einen Sßeil ber Sonate 
Sßatßetique hon Söeetßohen, ein Stüd, in melcßem ber große Sonbicßter hicl 
hon feinem $ergblute getaffen ßat, bag man, mie gemiffe ©ebießte, gang allein 
für fuß Iefen fottte, um bem barin maltenben reußen Seelenleben holle ©eretß* 
tigteit miberfaßren gu laffen. Unb bie 64 £dnbe arbeiteten barin ßerum, baß 
eg eine greube mar. 2Ran tonnte ßier mit SRedßt augrufen : „Sßag nießt 
SRenfeßenßanbe Sltteg matßen tonnen !" — Unb am Seßlujfe beg Gongerteg 
fpielten biefelben £dnbe bie Situg*Duhertüre hon üRogart. Unb auiß bag mar 
gut.. Slußerbem mürbe noeß in bem Gongert gefungen unb Violine gefpielt, aber 
mag bie 64 £anbe tßaten, mar boeß bie £auptfacße. So baeßten namentlich 
bie Setter ober aueß moßl ber Seiter beg Gongerteg, unb Ser ober Sie müffen eg 
moßl miffen. 

Unb mdßrenb bag Gonferbatorium ber 2Ruftf biefe Sßat ber ßunft beging, 
braeßte 4|r ber fUeine Girfel, melcßer fteß alle hiergeßn Sage in Sobmortß’g 
Saal herfj^imelt, um ßammermuftf gu üben unb angußören, ein anbereg Opfer. 
Seber naeß feiner SBeife. Sie Zünftler (bie Herren Sßeobor Sßomag, R3erg* 
tjer, DRofentßal, DRa^fa unb SRafon) üben bie ßunft im Stillen, unb ißre 3«** 
ßörer miffen fte auCß gang im Stillen gu genießen. Sie Soireen biefer Zünftler 
bieten einen eigentßümliCßen Slnblief. 2Ran glaubt fuß faum in einen Äon* 
gertfaal herfeßt. Sltteg barin ßat einen fo gang anbern SlnftriCß. 3Ran fießt 
immer biefelben ©efiCßter, faft Sitte tennen fuß gegenfeitig, gang mie im gami* 
Iientreife, unb Sitte hertnüpft ein gemeinfcßaftlitßeg Sntereffe. Ser Gßaratter 
ber Äammermuftt fCßeint fuß aueß auf bag Slubitorium übertragen gu ßaben. 
2Bie im Ouartett nur bureß bie 3ufammenmirtung Sitter *in tlingenbeg, fünft* 
leriftßeg JRefultat ergielt merben fann, fo fallt ßier bag oft ung in anbern Gon* 
gerten fo ftörenb entgegentretenbe feßroffe Sluftreten ber 3nbihibualitdt fort. 
3eber befeßetbet fuß, 3eber meiß fuß unterguorbnen, benn Sitte miffen, baß nur 
fo ber beabfießtigte fünftlerifcße ©enuß ergielt merben fann. SBenn irgenbmo, 
fo fann ßter hon einem mufifalifeßen ^ublifum bie Diebe fein. ÜRebenrüCtftCß* 
ten, melCße fo oft ben 93efu<ß anberer Gongerte beeinfluffen, fallen ßier fort. 
SBdßrenb in ben Sßßilßarmonifeßen Gongerten über bie $alfte ber bort herfam* 
meltcn jungen Samen unb Herren ißre eigenen 3toe& herfolgt, mdßrenb bort 
bie DRufif nur alg ein feßr bequemer SeCfmantel angefeßen mirb, irgenb eine 
fiiebegintrigue angufpinnen, gu herfolgen ober abgumideln, meiß jeber ©efudßer 
ber Soireen ber flammermuftf, baß ßier hon allen biefen Singen nießt bie Diebe 
fein fann. Ser Saal ift tlein, jebeg gefproeßene SBort mirb gar leießt gcßört, 



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felbft ©lide werben leidet aufgefangen unb gebeutet. 6« !a«n ftd> hier um 
nichts PnbereS Rubeln als um ben ©enub ber Ptufif. gebet weil baS, unb 
gebet will amb nicht* PnbereS als ftch mit ben Stäben Bertram muhen, 
bie in biefem fiunftgebiete aufbewabrt liegen, ©er feinen ©efhmad an ber» 
gleichen SMufil finbet, gebt gar nicht bin, benn er weih, etwas PnbereS als 
eben eint beftimmte Äfaffe Bon Pluftf fonnte er bort nicht haben. Unb beShalb 
ift bet fiteis ber 3uböter auch nur ein Heiner, wenn auch in mufilalifchcr ©e» 
jiebung gewichtig«, wäbrenb er in ben Pbilbarntonifeben Gonjerten, bie in ihren 
Programmen ebenfalls ben gntereffen ber fiunft Pechnung tragen, ein großer 
ift, aber mufttaltfcb hoch febt leicht wiegt. 

Sie britte unb »ierte Soiree ber Herren Ptafon unb SbontaS brachten ein 
Streichquartett Bon £apbn aus G-dur Po. 84, bas Streichquintett Bon Schu* 
bert aus C-dur, bie Streichquartette aus C, opus 59 unb A, opus 18 Bon 
©eetboBen, baS Pianoquartett aus A, opus 26 Bon ©rabms unb baS 3tio aus 
F, opus 6 Bon ©argiet. Sie beiben lebten Serie waren bin neu unb 
machten einen böhft Berfchiebenartigen Ginbrud. ©äbrenb baS ©rabm’fche 
Quartett nur wenig gefiel, unb mit ©echt, weil es weber in gnbalt noch «form 
ben Pnfprüdjen genügte, bie man an ein fiunftwerl biefer Uri heut ju Stage 
ftellen mul, würbe baS ©argieffhe 2tio febr gut aufgenommen, unb jwat 
Wieberum mit Utecht, weil eS faft burcbgängtg einen lebenbigen, anregenben 
©ebantengang, einen gebilbeten ©efchmacf unb abgerunbete gönnen offenbart, 
©argiel bewegt {ich |War in bera alten, trabitioneilen Stabmen; aber er giebt 
barin Biel SelbftftänbigeS, unb ift auf jrben galt bet bebeutenbfte fiomponijt 
nach Schumann, ber augenblidlich biefe ©ahnen wanbeit. Pm Gnbe läfst ftch 
in biefen alten gotmen bocb noch etwas PeueS fagen; es muh nur ber 
reihte ©eift fommen. Stuf ber anbern Seite fönnen wir nicht Befehlen, baj? 
auch bie neuen gotmen, wie fie Bon fiijjt unb SBagnet geübt werben, ihre 
©etechügung haben. Puf jeben gall fheint uns bie Bierfägige gorm beS 
Quartetts unb ber Symphonie für unfere 3«'t nicht mehr ju genügen. 

guten mächtigen Ginbrud machte wieberum in ber legten Soiree baS 
Streihauintett Bon Schubert. GS ift oft Bon ben fiünftlern gefpielt worben; 
«bet bei jebem erneuten $ßren macht fth ber Peij ber SWelobieen, welche in 
biefem ffierte aufgebäuft finb, auf’s Peue geltenb. ffiit wüjjten wenige 
©etle biefer Prt ju nennen, in welchen fo oiet fprubelnbe gbeentraft, ein fo 
reich«* Phantafieleben Bcrwaltet, wie in biefem Quintett. Puf ber anbern 
Seite ftbrt uns allerbingS bie übergroße Sänge unb PuSfptnnung bet gbeen, 
bie ©Überholungen, mit einem ©orte ber Ptangel einer fnappen gorm. £ätte 
Schubert fe Berftanben, Selbftlritil ju üben, fein Pame würbe höher flehen 
benn ber mancher geptiefener fiomponiften, bie feitbem gewirlt haben. Plan 
blide auf PlenbelSfofm ! Gr geniefit eines weit gröberen PubmeS, als 
Schubert, unb bocb, wie winjig erfheint fein Talent, Berglihen mit bem beS 
legtem fiomponiften! gn einem einjigen ©anbe feiner Sieber (beten er bocb 
fünf Bolle ffidnbe gefhrieben hat), finb mebt pofitiBe gbeen angehäuft, als m 



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allen SBetfen MenbefSfobn'S jufammengenommen. SBemt irgenb etwas, fo 
illuftrirt bi« Mattiere biefeS flomponiften bie große Sebeutung, welche «ine 
feine, »ielfeitige Grjiebung für einen flomponiften l>at. MenbelSfobn, aufge« 
»oad&fen mit ben bebeutenbften Männern feinet 3eit, mußte febr halb be3 gro* 
|en ©ebeimniffeS inne ju werben, mit Wenigem £auS ju galten. Unb et bat 
«8 teblich getban unb ft<h einen großen Wanten , bamit erworben, müßten» 
Säubert, f«b felbft überlaffen, fein« großen ©oben mit »erfeßwenberifeben 
^änben um fteß warf, unb faft nie wußte, jur reihten 3eit aufjubören, wie bie 
meiften fein« großem Arbeiten bejeugen. Sie golge baoon war, baß er 
für eine geraume Seit faum gefannt war. Grft bie neuere 3eit bat ibm feinen 
ebrenoollen $laß in ber Äunftgefcßicbte angewiefen ; aber »olle ©ereebtigfeit 
ift felbft jeßtnoeß nicht feinem ©eniuS geworben, s 
3n bem »ierten $bi<barmonifcben Gonjert börteh wir wieberum bie 3ntro» 
bultion ffiagner’S ju „Sriftan unb Sfolbe". SBir fönnen auch beute unfere 
Meinung nicht änbern, baß baS Stonftüd nicht in ben ©encertfaal gehört. 63 
tommt uns »or, at« wollten wir bloß baS erfte&ipitel eines MomanS fefen. 
3e wahret SBagnet feine Aufgabe erfaßt bat, fe beffer er in biefem Sorfpiet 
für baS fofgenbe Srama »orbereitet, befto weniger >ann es ohne baS Seßtere 
genügen. Man wirft SBagnet »or, baß eS in biefem Sorfpiel ju feiner Sluf* 
ßfung fomme, aber man »ergißt, baß bie Sluflöfung erft im Srama erfolgen 
faß. flein SBunber, baß bie 3ntrobuftion allein einen unbefriebigenben 
ffinbrud binterläßt. 2)aS Goncert würbe mit ber Es-dur-Spmpbonie »on 
Schumann eröffnet. $iefe Spmpbonie bat außer ben üblichen »iet Süßen 
noch einen fünften, febr furjen. ben Schumann einfchaltete wäßrenb er an bem 
SBerfe arbeitete. Uebcr bie Gntftebung biefeS SaßeS, wie überhaupt ber 
ganjen Spmpbonie, fagt SBaScelewSfi in feiner Sicgrapbie biefeS MeifierS: 

„®ie Spmpbonie in Es-dur, ber Gntftebung nach bie »ierte, fßnnte man 
im eigentlichen Sinne „bie rbeinifebe* nennen; benn Schumann erhielt feinen 
»«Hßerangen jufolge ben erften Slnftoß ju berfelben burch ben Wn« 
bfkf beS Äölner SomeS, fowie tbeilweife auch bie geierlicßfeiten ber in 
jene Seit faö«nben ©rhebung beS Kölner GrjbifcßofS ». ©eißler jum tfarbinal 
im Baufe ber Ärbeit auf biefelbe influirt haben. 2)em leßteren Umftanbe »er« 
banfi bie Spmpbonie woßl gerabeju ben fünften, in formeller £infi<bt 
nicht üblichen Saß (nfimlich ben »ierten ber SHeibenfolge nach), urfprüng« 
Kd) fiberfchrieben „3m Gbarafter ber Söegleitung einer feierlichen Gereuto« 
nie." S9ei SSeröffentlichung beS SBerfeS ftridj Schumann bie beS leichteren Skr« 
ftünbniffeS halber ^ingugefögte Sluffchrift; er fagte: „Man muß ben Beuten 
nicht baS^erj jeigen, ein allgemeiner Ginbrucf beS ßunftwerfcS tbut ihnen 
beffer, fie ftetten bann wenigftenS feinen »erfebrten Vergleich an." 3n Setreff 
b«S GßarafterS anberer Säße fügte er binju: „GS mußten »olfstbümlicbe Gle« 
mente »orwalten, unb ich glaube, es ift mir gelungen", was auch auf jrnei 
Stüde (nämlich baS jweite unb fünfte) in ihrer planen, im guten Sinne, fo weit 
baS bet Schumann überhaupt möglich war, populären Haltung minbeftenS 
Unwenbung ßnben bürfte." 


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5 

2Bir glauben, ©efeumann täufifete ftdfe felbft, ate er mäfente, et feafee eine 
oolfstbümlicfee Spmpfeonie gefiferieben. Sßis jefet ift ba$ 2Berl noife niifet in 
baS Sßolf, felbft nicht in ben ebeiften Sfeeit beffelben gebrungen, unb es bürfte 
lange 3«it mäferen, bis ei biefen Gferenplafe innefeält. Sffienn auife in ber £anb* 
feabung beä SßtaterialS bie tunftoollfte, bie er gefiferieben feat, fefelt ifer boefe bas, 
»aä allein, wenn auefe niifet für ade Seiten, bo«fe für einen langen Seitraum blei» 
benben SEBertfe feat unb Spmpatfeieen erwarb, nämliefe frififee, lebenbige, jünbenbe 
3been. SaS iffietl mürbe }u einet 3eit gefiferieben (im SRooember unb 2>e» 
jembet 1850), all baS GSeiftesIeben be3 SBerfaffetS fefeon bann unb mann 
©puren jener Umnaifetung äufjerte, bie ei naife furjer 3eit für immer »erniifetete. 
©efeon am 11. 3uni feferieb er: „©onft Sille leiblidj mofel, i<fe nur mawfe* 
mal oon neroöfen Seiben affijirt, bie miife manchmal beforgt maifeen, fo neuliefe 
nach 5Rabe<fe’S»0rgelfpiel, bafj iefe beinafee ohnmächtig mürbe." — Slefe biefe 
„netoöfen Seiben" mögen ben armen SJleifter felbft beim ©dfeaffen feiner lefeten 
©pmpfeonie geplagt feaben. SWeferere ©teilen barin, in benen ber Gomponift 
feörbar nadfe einem Sluetoeg fudfet ofene ifen $n finben, beuten barauf fein. 

3n biefem Gonjerte feörten mir auife §ettn SRicfearb $offmann baä G- 
moll»Gonjert oon 2Renbel§fofen, mit fcfeönem Slnfdfelage unb geläutertem ©e. 
fifemaete, oortragen. gür Gompofitionen oon ÜRojart, 2Renbel3fofen unb geller 
f(feeint biefer «ßianift eine befonbere Sßorliebe ju feaben. SBaferfifeeinliefe ftefeen 
fte feinem Sßerftänbniffe am näcfeften, unb auf feben galt jeigt er in ber 2Bie* 
bergebung berfelben ein befonbereS ©efefeid. 

Slucfe SRUe. Gardine Sßocfe,- bie neu engagirte Sßrimabonna ber italieni 
fefeen Oper, machte bei biefer ©elegenfeeit ifer $ebüt im Gonjertfaal. 3)et Gin. 
brud, ben fte feeroorrief, mar ein feöifeft ungenügenber. Uebprfeaupt paffen $oni« 
jetti’fcfee unb felbft SRofftni’fifee Strien niifet in ein SßfeilfearmonififeeS Gonjert, 
aber menn fte einmal gefungen merben follen, fo muff ifer Sßortrag minbeftenS 
bie oodenbete Äünftlerin offenbaren. Gine foldfee ift ÜRUe. Sßoife lange niefet. 
2BaS man gertigfeit nennt, feat fte faft gar niifet, unb menn auefe ifere Stimme 
ein mofelflingenber, ftarler SRejjofopran genannt merben mufs, fo fefelt eg ifer 
bodfe bis jefet an lünftlerififeer StuSbilbung, bie mir oon einer in einem berarti. 
gen Gonjerte auftretenben ©ängerin ermatten lönnen. Sfer Grfolg mar beä< 
fealb auife ein geringer, mäferenb fte in ber Oper felbft (in Sa gaoorita), in 
melifeer ifer bie ©cenerieen ju $ülfe tarnen, fefer gefallen feat. 

3n bem jmeiten Gonjerte Ui §etrn SRob. ©olbbed in bem Steinmap’. 
fefeen ©aale erfreute uns tiefet Zünftler burefe ben Sßortrag bet Sonate, bie 
Sßeetfeooen pastorale betitelt feat. 2)a3 Sffiert mirb feiten gefeört, im Gonjert« 
faate faft nie, minbeftens niifet in Slmerita. 3n 3been unb gorm ift eä oiel. 
leiifet bie einfeeitlicfefte Sonate, bie Sßeetfeooen gefiferieben feat. 33er ©runbge« 
bante ift trofe ber mannigfaefeften Ummanblungen feftgefealten, unb ber Gfearal. 
ter ift burifeau« ebenfalls feft bemafert. #err ©olbbed fpielte baS fifeöne ©tüd 
mit ju menig lebenbigem SluSbrud, ber Gffeft mar beSfealb ein bem gnfealte 
burifeauS niifet ebenbürtiger. SllS Gomponift jeigte fidfe ber fiünftler am Oor* 

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tbeitbafteffcn tn feinen Siebern, bie einen fernen fünftlerifcben Sinn, gute Huf* 
faffung unb dbarufteriftifdbe HuSfübrung oerratben. Sie mürben tbeilmeife bon 
einer jungen Same gefungen, bie eine ber flangoollften Hltftimmen bat, meldbe 
wir feit langer fyit gehört haben. Sie Same beißt Sterling, unb ift für bie 
93übne beftimmt. otogen ihre greunbe fte bor bem zu frühen Huftreten be* 
trabten. 

Sie Harmonie Society gab ben „Samfon" bon £änbel, ein großartiges 
SBert, bem „HtefftaS" im ©anjen nicht nachftebenb. Hber bie HuSfübrung 
mar burdßauS ni(bt genügenb, namentlich bon Seiten ber Soliften, bie jum 
großen Sbeile taum mußten, maS fie mit ihrer ^artbie anfangen füllten. 2Jlab. 
Hitter machte noch ben bortbeilbafteften ©inbrud, meil fle eben in ben ©barafter 
unb ben ©eiji ber Htuftf eingebrungen ju fein fchien. Sie Hecitatioe mürben 
am ©laoier begleitet, obgleich bie Huffübrung in einer ßirche ftattfanb, unb bie 
Orgel bei ber #anb mar. 2Bir hoffen, baß baS 2Berl mieberbolt merben mirb. 
Huf biefem ©ebiete ber üunft fmb mir in Hem*?)orf noch am meiteften zurüd. 

SBenben mir uns jefct zu ber Oper, fo finbeu mir baS alte Hepertorire. 
„Sie Hfritanerw" behauptet noch immer ihre HnziebungSfraft. HllerbingS 
febeint eS, als menn fuh bie neu aufgefrifchte Oper Hkperbeer’S, ben „Horb* 
ftern", ebenfalls bie ©unft beS $ublifuntS errungen bat. Sie Oper ift mit 
nicht geringem $omp in Scene gegangen, unb bürfte fdbon beSbalb eine ge* 
miffe HnjiebungSlraft auSüben. Hteperbeer fdbrieb baS SGßerl für bie fomifebe 
Oper in $ariS; aber obgleich eS an bübfeben, gefälligen 3Mobieen nicht arm 
ift, fo macht boeb bie fcbmerfällige 93ebanblung berfelbeit feinen günftigen ©in* 
brud. ©S fehlt bem SBerfe bie Seichtigfeit unb ©rajie ber fomifeben Oper. 
Sie ©höre unb «©nfemblefäfce, bie Ordjeftration — alles bieS ftelU „ber Horb* 
ftern" in bie fogenannte große Oper. UeberbieS fmb bie Htelobieen ju un* 
gleichmäßig bertbeilt. Ser erfte Hft enthält in biefer ^Beziehung faft HlleS, 
bie übrigen Hfte zeigen großartige Sechnit, bemunbcrungSmürbige SBebanblung 
ber SHaffen, aber menig gbeen. 3Han merft, baß bie Oper mäbrenb jmei ber* 
fchiebener 3eitperioben ccmponirt ift. Ser erfte Hft ift ein mufitalifcher Heffep 
beS alten „gelblagerS in Schießen", bie übrigen Hfte mürben 51 t einer ^eit 
componirt, mo ber DHelobiequell beS SHeifterS fchon ftarf erfchöpft mar. 

Sie Oper bat, mie gefaxt, ausgezeichnete ©höre, bie auch uon ben Sän* 
gern ber Hcabemp recht mader gefungen mürben. Sabingegen mar baS Orche* 
fter unter ber Seitung beS £errn Sorriaui febr unzurechnungsfähig, unb bie 
Soliften tonnten auch nicht genügen. Ser Senor, grfre, bat zu menig 
Stimme, unb ber SBaffift Hntonucci bat zu menig bramatifeben HuSbrud für 
ÜHeperbeer’fchen Hollen. SHUe. Kellogg bat auch nicht für bie fchmierige $ar* 
tbie ber ,,©atberine" Stimmfinale genug. UeberbieS mar ihr Vortrag nicht 
fo abgerunbet, mie mir fonft oon biefer fleißigen unb forreften Sängerin ju 
hören gemobnt fmb. 3n betreff ber Hebenrollen ließe fich auch eben nidbt 
biel ©uteS fagen, mit einem Söorte, bie HuSfübrung zeigte, baß mir z&>ar 
Diele Sänger unb Sängerinnen, aber für ein berartigeS SBerf noch nicht bie 




HH 


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redeten haben. Sffiir moHen jebod) barüber weniger rechten, aiS übet baS Sie* 
pertoire felbft. GtmaS mehr SlbmechSlung tonnte mirtlich nichts {(haben. GS 
märe febr gu munfehen, ba& bie beutfehen Opemoorftellungen mit ben italieni* 
Wen abmechfelten. 3)ieS ift eben bet grofje Bortheil, ben bie ßunftliebhaber 
in 2)eutf<hlanb haben. 3 n Berlin hört man in einer 2öo$e ©lud, in einet 
anbetn Spontier, in einer britten Btogart u. f. m., tytx hören mit eben nichts 
meiter als bie neue Oper, bie eben an bet SageSorbnung ift. greilW ftttb 
unfere Mittel hier befchränfter; aber menn eS möglich gemalt merben jtönnte* 
bab bie beutfehe Oper mit bet italienifchen $anb in $anb ginge, fo liebe fi<b 
bodb {(hon manches ©ute auSfuhren. $mt ift nicht 2illeS, maS brühen Por* 
geht, heftet, aber auf jeben gall bieten bie gröberen Stäbte mehr SlbmedjSlung. 
SGßenn mir uns bie neueften europäifchen 3eitungen anfehen, fo mirb eS uns 
nicht Wmer, fofort bie Betätigung biefer SluSfage gu ftnben. 

3n Baris Weint ber flache muftfalifche ©eWntacf, ber ftch bort feit Sahren 
in ben Gongerten äuberte, nachgerabe einer beftern Bicbtung gu meiden. 2)ie 
©ebrüber Üttüller, bie berühmten Ouartettfpieler, meWe im Anfänge ben Bari* 
fern gu natürlich oorfamen, erfreuen ftch jept ihrer befonbern ©unft. 3n 
einer ihrer lepten Gongerte fpielten fte fogar baS A-dur-üuartett non Schu* 
mann, an baS fW bie Barifer Ouartettfpieler bis bahin noch nicht gemagt 
haben. 2luch mürbe in einem ber cruents populaires gum erften 2Me baS 
Borfpiel gu „Sohengrin“ auSgefübrt', unb gefiel fo febr, bah eS repetivt mer* 
ben mufjtc. Gin gang befonbereS 3nterejfe gemährt noch bie Stachricht, bah 
im Theatre lyrique bie Oper „$on 3uan" mit gang befonberer Sorgfalt 
in Scene gegangen ift. Btan muh ben Barifer 2>irettoren nachfagen, bah fte 
biefe Sorgfalt in ben feltenften fallen Perleugnen. — 3*oangig groben einer 
Oper finb burchauS nichts UngemöbnlicheS, unb ber Ginftubirung pon Spmpho* 
nieen Wen!t man oerhältni&mäfeig nicht geringere 2lufmerlfamfeit. — 5)ie 
lomiWe Oper PerfprWt gmei neue SBerfe, “La Colombe” Pon ©ounob unb 
“Zelda^ Pon glotom. „$on GarloS“ pon Berbi foll erft gegen Gnbe beS 
3abreS in ber italienifchen Oper gegeben merben. 

2)aS größte Sutcrefte Inüpft fW jefct an ©ounob’S neuefte Slrbeit „Borneo 
unb Suite.“ BerüdfWtigt man bas Talent beS Gomponiften, fo bürfte biefeS 
£h«ina aüerbingS unter feinen «gänben einer febr intereftanten Bearbeitung 
gemärtig fein. 

2US Beleg über bie eben auSgefprochenc Bemerfung ber in beutfehen Stäbten 
gebotenen gröberen Bbmechfelung fügen mir noch bie foeben erfchienene Ueber* 
ficht ber im porigen Sabre in 2)reSben gegebenen Bestellungen bingu. „2llS 
Bonitäten erfchienen brei tleine Operetten unb bte alte Sluber’We Oper „$er 
geenfee.“ Beu einftubirt mürben ferner unter Bnberm bie Opern: „bie 
gübin“, „ber üffiafferträger" unb Boielbieu’S „Bothfäppchen." Beethooen’S 
„gibelio" mürbe Pier 9M, SJtogart mit fünf Opern 20 SRal, Bleperbeer mit 
Pier Opern 17 9Jial, ffiagner mit Pier Opern 13 ÜJtal porgeführt. 3)aS Ballet 
marb pertreten burch ©ifela, Blphea unb bie Pier 3ah^Sgeiten. 

2luf ber anbern Seite liefert uns gebe erneuerte 3ufcnbüng beutfdjer 3ri* 
tungen ben BemeiS, bah mir in ber Berfuherung ber Gpoche machenben muftfa* 
lifchen SBerle ber ©egenmart unfern SanbSleuten Potan ftnb. So ift „bie 
Bfritanerin“ erft gang lürglich in 2öien unb öeipgig gegeben morben, mährenb 
fte bei uns Won oor mehreren Btonaten über bie Bretter ging. 


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$tt $reafurt)-<nfrk. 

B#n Wugufl« ©eigen. (SBaftington.) 


Sßiffen Sic, maS «in SBafßingtoner $reafurp*Gterl ift ? 

34 meine nidjt jenen Steafitrt>=»(Slerf, bet, ein tppifdjer 9leu*GngIanb* 
Gcbutmeiflcr, beS 2lbenbS mit einet Saterne bie Straßen 2Bafi>ingtonS burch* 
ftreift, um »etgebli4 eine Sibliothel elften IRangeS jtt fucben, bie unentgeltlich 
Suchet auSleibt. 

34 meine au4 nicfct ben 3ireafurp*Glerl, bet, als ewiger “Counter- 
hopper”, ohne IHaft unb SRuh’ mit einem großen Horb am Slrme alle ÜJlätfte 
unb ©rocerieS ber Stabt probirt, um “bargains” ju ma4en unb gelegentli4 
einem obet bem anbern “dealer in provisions” bie Slbreffen befteunbetet 
$robucenten jujufteden, wobei mitunter au4 ein ©ef4enl »on Seßteren ein* 
Iduft. 

Hurj, i4 meine ni4t ben inbioibuellen 3!reafurp=Glerf in bem $eiligthum 
feines Ijkioatlebens; i4 meine ben offijiellen, bet, ein Meines 9iäb4en im 
großen (betriebe bet ungebeuern, palaftartigen Sreafurp, nebft feinen GoKegen 
einet Uniformität anheimfällt, bie unter bemanbten SSerhältniffen ni4t aus* 
bleiben fann. 

Set £reafutp=Glerl in biefem Sinne ift ein menf4li4eS Sffiefen, baS jmi* 
f4en jtoei #auptfütterungen auf bem $laße feinet gef4äftli4en Seftimmung 
fieben »olle Stunben hinter einanbet unauSgefeßt jene Sefcbäftigung treiben 
muß, mel4e bet beutf4e HJtufenfohn fo 4aralteriftif4 mit „ocßfen“ bejei4net 
unb bie nichts SlnbereS ift, als: ftierähnli4 mit bem Hopfe benSrobfatten cor* 
wärts ju f4ieben. 

Set Xreafurp*Glerf bet jeßigen 3eit ift ein Slnberet als ber frühere, in 
«inet Gpo4e f4«ffenbe, too baS ©olb no4 leine Ghimäte geworben war. Set 
Steafurp»Glerl »on bantalS war ein eleganter Sanbp im SBergleicß jum heuti* 
gen. Dlacp unb na4, mit bem fallen beS ißapiergelbeS, fielen au4 bie gentle* 
männif4en füllen in geßen herab.» Set Stolj jebeS SlmeritanerS: baS tabel* 
lofe, blüthentoeiße fjemb, t»i4 einet graumollenen Sträflingstra4t. Sie jum 
unentbehrli4en “citizens dress” gehörigen feinen UnauSfpte4li4en mürben in 
Grmangetung eines paffenben GrfaßeS mit ben tauben, reibeifenähnli4en, 
groben, blauen SBeinHeibem ber militärifchen Uniform pro»iforif4 »ertauf4t, 
mit bem beftiebigenben Semußtfein: ben Onlel Sam bo4 nun au4 ein wenig 
ju behumbugen, — ben alten Herl, bet aus Rapier ©olb f4mieben will! Sie 
einft fo brillante Ghaupte mag fi4 gar »ft jeßt mit ihren Sefeften unb gliden 
in batmhetjige India rubbers »erfteden. Set früher fo oft erneute £ut 
wirb jeßt auf ben Hopfen ber Sßeratmenben attmobif4 — ja fogar „bafferman* 
nif4“. 3iur ber Shanghai-shawl bewährt ft4 in feiner praftif4en Sauer* 
haftigleit; er bebedt treu unb bislret ben fabenf4einigen D?od »or bem Straßen* 
publilum. Sagegen werben fenjitioe ülafen unter Seßterem oft genug beleibigt 


•8 



bur<$ einen beigenben „fineHer", bet einet Saffe Heiner pfeifen eniquiat 
tneld&e nach bet Office ftrömenbe ober oon baber fommenbe Gletfä mit bet buf» 
tenben £ananna»Gigarre ju nertaufcben gelungen toaten. 3n bet Sreaücrp 
fefbft macht ba® gemeinfame $e<h Bbilofopben, unb deiner brücft fug etwa am 
Scbam an ben äBänben bin. 3m ©egentbeil: man bewegt ficb mit Sürbe in 
bet Slrmutb. 

Ser Safbingtoner Sreafurp»Glerf ift in fanitätlicher Belegung eine übet» 
triebene Ausgabe be® berüchtigten ©taat®bämorrgoibariu® unfere® aften ÜBatet' 
lanbe§. Sa® mecbfetootle, launifcge ßlima mufi ibm hoppelt fcbaben. Senn 
et im glübenben ©ommer fi<b beifi gelaufen bat, tritt et plöglicg in bie feiler» 
artige grifd&e bet grogen Säume. Ser Sinter bagegen birgt innen ein Stfcifa 
wäbrenb braugen ein afiatifcber Aorbfturm ben £eimfegrenben burcgjittert. 

Sein gelber greunb, ber £reafurp»Glerf, batte mich fo oft eingeiaben, 
ibn bocb auch einmal in ber ©lorie feiner matgematifcben Sriumpbe ju betracg» 
ten, unb ficb babei als Gicerone in ber Sreafutp angeboten, bag ich mich ent» 
fcblog, einen prächtigen, frifcben, fonnigen Sorgen be® ganuar® 1865 ju 
biefet Gfpebition ju benugen. 3* erfreute mich Bon ^erjen be® falten Set» 
terS, ba® mir bie Sinter ber alten $eimatg in’® ©ebäcgtnig brachte, unb off» 
nete nach einer angenehmen Aorblanb®promenabe bie Sbüt be® Sübflügefö ber 
Sreafurp. Sa brang plöglicg ein beiger Suftftrom auf mich ein, welcher bent 
Aeguator anjugegören fdjien, fo bag ich in einer Sinute burch unb burd) er» 
Wärmt war. 3cg fanb balb bie mir begegnete numerirte Sgür, öffnete auch fie, i 
unb — fühlte mich, wie in einem geboten Bratofen, ohne Barmgerjigfeit in i 
Bier Sinuten in Sranspiration gebraut. Sie bebauerte ich all’ bie au®gebörr» 
ten Herren mit ihrem fahlen, fränfelnben AuSfegen im Allgemeinen unb 
meinen gelben greunb im ©peciellen! Sag fjenfter nicht allein Sicht», fonbern 
auch Suftfpenber fein feilen, fegien in ber Sreafurp Siemanb ju ahnen, benn 
fie blieben aßejeit wie bermetifeg gefcgloffen. Balb würbe mir ber Aufenthalt in 
bem mit Gleganj au®geftatteten ©aale meine® gelben greunbe® fo beengenb 
unb unerträglich, bag ich ihn bat, fofort.bie besprochene Sunbe i m ©egag. 
amtögebäube mit mir ansutreten. 

Sie Gorribore liegen mich wieber aufatbmen, weil ba hoch einiger Surch» 
jug Bon frifcher Suft ftattfinben fann. Um bie Sübmeftecfe biegenb, änberte 
ficb ber gugboben in glatte®, getäfelte® ©eftein, auf bem ich mich faum auf» 
recht halten fonnte. §ier bauien bie Beamtinnen be® ©chagamt®. — it;in 
Sunber alfo, wenn bie chronique scandaleuse Safbington® Bon fo Bielen 
gällen ju berichten weig, angeregt burch jenen einen, ber burch’® ganje Sanb 
battte. Ginige jweifelgafte Gbaraftere machen ben Anftänbigen bie Gfiftenj 
gewig nicht unerträglich. Ser grembe betritt biefen Sgeil ber Sreafurp ooU ' 
Grwartung ber Singe, bie fich ba Bor feinen Augen begeben füllen. Seuaierig 
burchfpäht er alle Sir.tcl, ob er nicht eine ber Berfübrevifchen Grfcpeinungen 
ju ©efiebt befommen wirb — unb ber gufall wiU e® Bielleicht, bag alle 
Sbüten gefchloffen bleiben! geh felbft fab nur eine mittelalterliche Same mit 




401 


tanger, fpiper, bebrillter üftafe, in ffiittwentracbt, lautlos auS einem 3immer 
in’S anbere gleiten* 

3ur 3*i* meinet 93efu<heS tonnte man noch ohne 3ittern unb 3agen um 
bie Gden biegen, brauste man nicht unruhig nach radjebürftenben Simagonen 
auSgufpäben. fUtit aller Seelenruhe erfreute ich mich in ber SUtitte beS glügels 
eines reigenben SpielgeugeS. 2)ie Sreafurp, wie fie fein follte, febeint hier 
bon einem SIrchiteften auS bem Reiche Oberons unb SlitanienS aufgefübrt, 
gleichfam um etwaige fnideriger Senatoren gu erobern unb umguftim* 
nten, inbem man an ihren SchönbeitSfinn appellirt unb ben Unterfd)ieb geigt, ber 
gwifdhen ber fpmmetrifdhen, ein barmonifcbeS ©angeS bilbenben, fleinen, ibealen 
Sreafurp unb ber Sreafurp, wiefte jept ift, ftattfinbet. SllS mir fpäter ben ber* 
pönten öftlichen $beil burchwanbelten, fühlte ich, bafj eine fo altmobifche 
Schmach fein Utecht gur Gyifteng bat. fiebrige, gewölbte Gorribore erbrüden 
Ginen faft, nachbem man bie fplenbiben, weiten fallen im Etüden gelaffen bat. 
3)ie an beiben Seiten ficb öffnenben UJtönchSgellen correfponbiren nur mit bem 
fleinlicben ©angen. Qeboch mu&te ich mir gefteben, bafj ber bertümmerte 
$reafurp*Glerf bon beute weit beffer in biefen alten $beil paßt, als in jene 
eleganten, mit reichen Teppichen gefcbmüdten Utäume beS neuen SlnbauS, 
bie gar gu graufam au ben Gontraft mit feinem Proletariat babeim erinnern, 
in baS er fopfüber berfmtt. 

$arum war audh bte $emonftration beS gnbignationSmeetingS gang am 
piape, als bie febmuden Offiziere ber $reafurp*2Jtili$ ein Promenabencongert 
mit ©all beranftaltet bitten, tbeilS um ihre Uniformen im bellen Sicßt bor 
febönen Slugen leuchten gu laffen, tbeilS aber um ein ©efebäfteben für’S Utegi* 
ment babei gu machen. 

£rop aller Starte ber fräftigften pbrafen ber Snbignirten, wie g. 93.: 
“Besolved: When the country is clad in mourning, and the Trea- 
sury-clerks are clad in rags”, war ber 93all bodb ein Succefe. $>ie 3n* 
bignirten blieben babeim — bie Offiziere briüirten — bte Ouartiermeifter 
amüfirten ficb unb — bezahlten. UJtan „machte gut auS" unb tilgte bie Schulb 
für bie herrlichen 33laSinftrumente, welche in einem febönen SBanbfchranf, bicht 
neben ber UJiiniaturtreafurp, gur Schau gehängt würben. 

Utadbbem ich iu ber netten Office eines alten greunbeS gum gweiten 2Jtal 
ein tüchtiges Sdbwipbab genommen batte, berabfdhiebete ich mi<h banfbar bon 
bem ©eiben auf ber greitreppe ber Oftfront. S3eim «ßinauSgeben batte mich 
einer ber gemaltigften norbtfehen Suftgüge gepadt, bie je SlmerifaS Päume 
fchüttelten. Scbauernb eilte ich nach $aufe. 

2)aS warmein Pefuch in ber Sreafurp. Utädhfte Stachtmadbten alle ßobolbe 
bon bort mir ihre ©egenbiftte. Sie tarnen als fleine, grüne Saubfröfcbc, riefelten 
mir über ben Etüden, trommelten mir bor ben Obren herum, brüdten meine 
armen Augäpfel, gerrten an meinen ©liebem, fo lange, bis ich fühlte, bah fte 
gu turg feien, unb ich mich wie befeffen anf meinem Säger wälgte. Ginige fep* 
ten fuh auf meine Ukuft mit bem ©ewichte ber liefen. 

Gine gieberpbantafte reihte ftch an bie anbere, bis ich ungebulbig auf* 
fprang unb am folgenben Slbenb baS gange ©efebmeijj burch ein Senffu&bab 
berfagte. SOteine Grfältung fanb barauf in .einem foloffalem Schnupfen ihren 
SluSweg* 

. • >»■ 

iSeifenbe Agenten für bie 

Garl ffiielanb* 

SUt. Gaffirer* 


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FASHIONS FOB 1866. 


#tx neu* fcetfreuk. 

BRADLEY’S DUPLEX ELLIPTIC (or double) SPRING SKIRTS. 



[ ’.‘. e !' cn lmb nick wie bie einfachen Steife, fonbttn 
bollfommm gorm, wo brei ober »in 
gcwobnUibt SRctftbtfc alb tttinüfj fortqc»orfen »erben muffen 

feil SRanb flÄ>h Uä ^ fdn fl'« 6 ««'™ ©tablfebern, eng U 
bie' 3 h,v i «“< <H " me "8fW»eibt, unb bilbcn fo jugltub 

Oll ftarrflen, bie<uamften unb kiciiteften Steife, bie K 

auf bef^romrnähe 3 ^ 2 l at übmreffen fie für ben öebrau \ 
?ct P rl> menatc, im $aufe, in ber fiir*e, im Skater in 
(jtienbabju ober anbern SBagcn, im ©ebvdnge k. ic alle onbern 
^cquemUdifeU, g>auerbaftiafctt unb SMlligfett terbinben fie mit 
™ eleganten gagon, »elcbe duplex elliptic ju bin 
Hl - *5 ‘ r * # * « - b « fafbionabem ®llt g" 
ÄftÄr" Samen, junge fKäb^en unb Ämter 
|tiiO [ie mtt nidbttf vlnberm ju vergleichen, 
uragt itacb 

SS™ (or doublo) sprino skiet - 

WESTS, BRADLEY & CARY, 

*»s *»«”{“««3nbabernbeb 9,'atcntb. 

Sn »erfaufen in allen gäben erflen Sfangeb in ben bereinigten e"taat'en SC |iao<ma r be'enM C, ®hrico 
©ub*2lmerifa, 2öe(i»3nbien unb anbern üänberit. ' ^ ai a ^ crtco ' 


•Statcn 3 «lont>. 

Fancy Dying Etablishement. 

Sarrett, & (£o., 

91o. 5 unb 7 Soßn Street, } m _ „ 

718 »roabnmb, \ 


9lo. 269 gulton*, ©de »on Sitlart? Street, Sroottfm, 
unb Ko. 47 Kortb 8te Straße, Wfabelpßta, 

SSSteS^tTg^ «• --■ ■»«*. - 

$emnr Me, #©fcn, SBeften u. f. ». 99 mör ' °" nc ÄU T9etrenm su »erben. Sbenjo 


wepijew» er ©o, r 

5 tmb7 3obn (Street, unb 718 Sroabtm 9iett>*3lorf 
269 Öulton*,, (Scfe von £illarv Street, SBrooffotf # 
_unb—47 9?ort& 8te Strafe; 9>^Habelp^ia. 


C. IE 1 . ADAE, 
cSuropätfdjes ^Sanß. unb SMfef-ßefödft 
©itwitmaii, mi*. 

• CONSULAT fuer Preussen, Bayern, Wuerttemberg, Hannover 
Sachsen, Baden, Oldenburg, Grossherzogthutn und Kur- ’ 
fuerstenthum Hessen, Meeklenburg-Strelitz und Schwerin 
Nassau, Sachsen-Meiningen und Altenburg und 
Frankfurt a. M. 


. C. F. ADAE, Consui* 


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/rn|)ltit 8 s- nnb S'oimnct-^ptritnt. 

T a. R IiANT’S 

jßcibenbe an tranftyaftcm JTovfföMerj, 
ßeibeufcc an UimrOaulidjfcit, 

Scibcnbc an ncroöfcm Äopffd>mcr$, 

effebvesoent 

t Ueibcnbc an vcrfauertcm Sttagen, 

Scibcnbc an biliöfem Äopfwel}, 
iicibcnbc an äartlcibigfcit, 

SELTZER 

i*ribenbe an ©ootbrcnncn, 
iicibcntc an $ilcä, 
ikibenbc an SccfranT&cit, 

APEEIENT. 

ßcbcrleibcnbe. 
ücibeubß an Snbujcfttonen, 
treiben buvd> 

Tarrant’s Effervescent Seltzer Aperient 
auf fixere, etigenebme unb bauernbe 2Beife Perron jornie oon ä$ulid>cn ßeiben flcJcUt lucrbnu 


Stöcin anficfcrti^l bott 

TARRANT & CO., 

*78 ©recmoidj^trcct, 9 letv:£)ot{. 

fgr 3u $aben m aUen Styottyelett. 


BADWAY’S 


ready 


RELIEF. 


<g$ aiebt brei SWetyobett, biefed SWittet anjuwtnbcn, toooott jfbr, für eine tfrantyrit ober einen 
@$aben au$fd)lie(jlid) gebraust, btm üeibenben fotorti*« ümberuns »jicbt unb ben flranfen ft^neU beilt. 
Grftenä — äujserlidj genommen. 

3Ran reibe ben %W ober bie Steile bed Körper*, in tocldjcn bic Kranfbcit ober ber ©ebnter* fifcl, mit bem 
<*tx rieten fallen iit «ne emmaliae (Emretbuna mit bem SRcabo 9teliei armta: in 


gejitn m weiugeri SRinuttn. g weiten5 _ innerlich genommen. 

gn an nehme einen Ibetiöffcl bt« »u einem £efe»«*ff«i »ofl in einem ffieinglnfe MB SBnffer. 

©enen uBe Bitten oon SWagettfdjnicrjcn, entwebet GMera, Cholera SWoibu«, Harrt«, Bibmeiiben, 
biliöfe Jlolif, Ätämpfe, Spa«men, flcuo&^nltdjed unb neneofe« Jlopfweb, aflgemeine Sdjrcädje unb Btb« 

fponnung. Riebet. 

Sei faltem Siebet, EBethfelfieber, bi&igem Siebet, Scharlaibficbcr u. f. W. 9 >erfoncn, weligt unae. 
mobnte« SBaifet ttinfen unb fd>lcd)t fühlen, foUten flet« emen Sbecloffel #oB bc« Relief« mit btm SBaifcr 
mifSben. 3 n «ütn Sitten, »• fcct aunerltcb tft foutc ber Otcltef tn btejer {form gebraucht 

werten. dritten« — (Einreibung beä 3 iüdgrat 3 mit bem Diclief. 

©« heilt 3tbeumati«mu«, ®icbt, Seiatica, Beuralgia, Sumbago unb anbere Siiitfenfebmerjen. 

®et »tofeffot Bleib »on 9 tcw»B)otf empfiehlt brtngcnb ben ©ebtau* bc« SRclicf« füt bitfe Jlrant. 
beiten ©an* mertwütbige Äuten finb geniad)t worben. ®te Jfranfen foBtcn nur «erfliegen. 

’ SB« Belief, bet in ben Bereinigten Staaten «erfnuft wirb, mug einen 3t»ci.ecnt.Stct>cnucflamg 
übet bem Stapf t haben, »ei allen ®tnggtf»en in gaben. 


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% 


&mtfUtd)c fKtnte tmfc SBeitte* 


©elpbo’S patent, 516 23 roat>tt)ap* • 

TAt »iHTomntenflen ©ub fit tute für verlorene ©liebmaßen, »cl#e Jemals erfunben »urben. (CEtabliri 
fett 26 Sauren.) Um ft# bollflänbig über baS S^^erc in Äennmiß ju fe$en, laffe man ft# ein patent mtj 
Seugniffen bon ©elpbo u. <£o. ©on, 516 33roab»ap, 9?c»*§Jorf, bem W.*3J. $otel gegenüber, fenben. 

9i.S5. ©olbatat »erben gegen eine 3>romeffc bom ©eneral*(£btrurg ber $rmec ber bereinigten 
©tauten foflenfrci mit bem fteblenben berfe$en. 


$<ttt 9 ©mnebaum. $öt>ib ®. ©mntbattttt* £oui* 9li«amais n . 

Henry Greenebaum & Co. 

$eutf#es 

Jank u. Jallagcgcfdjäft, 

©Je Safe- mtb Safatte-Sttaße, 

ohioago, iLLinsroxs. 

ttScdjfd in beliebigen ©ummen unb ©t#ten auf alle bebeutenben ©täbte 2)eut[#lonb$, gronfrei#! 
Norwegens, ©#»eben$, 2)änemar!$, StaftenS unb ber ©#»et$. 

Vaffage per Dampfer unb ©egelf#iff bon Hamburg, Bremen, ^nttterpen, Sfotterbom, $abre, 
dbrijliania, Siberpool unb QueenStomn# 

3ucaffos©(fcbäfte »erben bur# unfere auSgebe^nten berbinbungen in gon$ (Europa mit ©#neflig- 
feitbeforgtunb cingejogene ©elber in ©olb au$be$ablt* 

dfrcettclwutit K ®<>-, 

(Picago, 3H. 

HILLER <fe CO., 

mnb u.^nfaffogefebäft, 

9lo. 3 (Eljötnberftr., 9?eU)=9)orl, 

geben 2Be#fel unb (Erebitbriefe auf alle größeren SPlöfce (Europas, berfenben ©elber na# iebem Orte 
2)eutf#lanbd mittelfl beS beutj#en 3>oflberbanbe6, unb beforgen ben (Einzug bon <£rbf#aften unb S3ermö* 
gen bermittelfl boOma#ten auf f#neHfle unb biQigfte SBeife« 


ISiF* Anfragen aus bem fattbe ftnben prompte jfeadjtung. *©■ 

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J. B. HOEKER, 

PEACTIOAL OPTIO IAJST, 

3121 FULTON STREET, 

Near Pierrepont, __ BROOKLYN, 

Chs. Wehle, 

Auttorney, C onnsellox* at Law 
and Solicitox* of’ Patents, 

290 Broadway, Boom No. 6, New York, and 200 Washington St., Hoboken. 

Edward Mehl, 

3lxo. 156 unb 158 guton 6 t., 3lm*tyoxt. 
föeftaurant unb Smporter 
bon 

IR^ciniüctiteu unb (Smmenthaler Schtoeijerfäfe, 2 BI?oUfaIe unb Detail ju ben biHigften 
greifen. 

Aufträge bon au3n>ärt3 merben prompt auägefübrt. 

©djirn&t, 

(früher <E. 0f. unb £. &. ©<$mibt,) 

Importeur oon 2 Betn unb Sranntttein it. f 

ÜRen>~ 2 )ort. # — 20 6 . 2 Bittiam*Str. — ÜRett)=?)or!. 


^.leifdjntann & Ulriih*, 

71 '§ 3 ten> £t, ^cm-^orR. 

Importeure Dort europiiifdjen ^robutten, $ritd)ten u. f. tu., 

$onuniffum£gefc&äft in ameri!anifd?en Sßrobutten. 


ST. LOTJIS, MO. 
Stngetcotf) & Sarflj, 

?Rorbh>eft*G<fe ber 3^citen unb GheänutsStrajje, 6 t. S o u i $, 2Ro. 

©urovotfcM 38cd>fcl<@efd>äft 

unb 

(£onfnlote für bie beutfdjeit Sunbesftooten 

(ausgenommen £annooer unb ftranffurt«. 2R.) 

3)urdb unfere bireften Serbinbungen mit ben. meijten ©täbten £>eutfchlanb*, 0rranfrei<h* unb ber 
©<$»et$ finb toir im ©tanbe, ©echfel in beliebigen Seträgen unb ©idtfen $um biUigften Cour* abjugeben. 

©ir nehmen Seträge oon 3 3>oflar* unb aufmärt* an unb johlen jeberjeit bei Stütfgabe eine* bei un* 
gelauften ©eehfel* ba* <5)elb bafür ohne Slbjug jurücf. 

©t. So ui*, 2Ro. Vtigelroth SS SBarth* 


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ßxt i 


£)te SWijfcuri 





CAPITAL . . . . . ® 500 , 000 . 
Office: SR#. 12 SRorb 5 . Straffe, 

Ji. Jcmis, ' 3 Sto. 


Direktoren: 

(E. SB. g ox t bon ber girma Statt unb gor, 

SB. $. SW a u r i c c, früher SoOector »on ©t. £ou?« (So. 
SWflbtfon SW ille r, gonb*Semmtff<Srbcr^>adftc#*QEtfenba^tt, 
SB. $• S3 entert, früher oon bergirma $)omerop unb 33enion, 
Sh*«. #. £ot»Unb, ©taat«fenaton 


Sba«. £. $o»Unb, Staftbent, % 
SB. £. SW ft u r i c e, 33ice=Staftoent, 
SWftbifon SW Ul er, öanb*€ow«iiffÄr # 
gelir Sofie, ©<ha&met|ler. 


%M ÖeJettfÄftg berfauft unb fftnft ©runbftötfc ftHer frt 

eie befolgt bte Bähung bon Steuern für Wi<btbe»obner unb befd^ftigt fl# mit ber 9lu«bcutttng 
ober bem SSerfauf von 

3»ineral,£änberel<n. 

©ie bcft&t ftu§erorbentlkbe Borthetfe, um Sapftal in 

»tftlidftn fifinbereiett 

<m$ulegem 

©te Wh* (Selber 

auf rentable <5runb-€j0ent^«m9-Süd)erf)eU 

ln Stakt ober Sank tu«, je tutd)k<m bit« öewünfdjt wirk. 


CUtmattbrrer, fcek$e eine£ei*wth fließen, ober ^Äßenteti für Gplottfeets, Ne große ©tredfen 
£<mbe« $u lociren beabfiihtigen, »erben e« in ihrem S3ortheU ftnben, fid& an biefe ©efeUf<baft |u »enben. 
SUle Anfragen »erben prompt unb nnenbgeltlith beantwortet. 


Ttr rtnterjeid&nete ijt mH ben oben genftttnten Herren perfortTic^ be!«nnt nnb giebt benfelben gern 
bö« befte 3eugnijj in betreff ihrer hohen Wefpectabilitfit, S3ertr«uen«»ürbigfcü unb gähigfeit <0« Qfa 
f<hdft«leute. 

gfriebri* WVktUfy, ©tftftt«-©enft»r. 


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£ättfcmctt in Stftffottti. 


CTuIttüirtfr SWineral* unb andere ßänbereie« in 3JK|fourf, fo wie !m 2öe|ten überhaupt, »erben 
gelauft unb »erlauft 

Die ßoeirung »on ßdnbereien, ««I ben »irlli<ben ©enneffungen, gu ftegierungSpreifen, wirb ftt 
allen WefUübcn Staaten b*nb anfäffige Slgenten beforgt; ßanbwarrant« »erben getauft, »erlauft unb 
befetf tftr u em begablt ? Äarten unb ©ermeffimgcn angefertigt unb ©crf<bte über «Hneralf<b<S&e audge- 
arteilet; SBefi^titel »er»oUjiänbigt; patente »on ber bereinigten (Staaten (Regierung unb alle inba$ 
©runbeigentbum unb allgemeine ßanbgeföfift etnfd^lagcnbe Arbeiten beforgt 

Der Untergeübnete, einer ber am langen ctablirten ßanbagenten im SEBcften, bat »iel Beit unb 
SRübe barauf »ermenbet um jebe auf biefed ©efd&äft begügliibe SluOfunft §u fammeln, unb er »erficbert aud 
Uebergeugung, bafi 3Hle, weld&e »ertb»oße $arm* ober 3Rinerat=ßänbereien im SDeften laufen »ollen, 
ni<bt4 SeffcreS tbun tonnen, ab fub gn »enben an 

\ H. *W\ Dnnstan, 

No. 44 PINE STREET, ST. LOUIS, MISSOURI. 

Pie poröfen pflafler iies pr. JUlrodt. 

3)iefe ißflafter »erben jeben £ag mehr unb mehr befannt. 3ebermann, ber 
Sc^mer^en im [Rüden obet in ber ©ruft bat, »irb nad& 

Slnmenbung eines folgen fofort gebellt. 

€!n $err lam beute in bie Office unb ergäbt baf er mit »ielen Sterne rgen In ber ©mfl geklagt »m 
unb mit einem einjigen fPflafter »oUlommen geteilt »urbe. (Ein Slnberer fagte baffelbe »on äfbeumatig» 
mu$ in feiner Schulter. Der leftere £err lami in 9to. 16 Seelmann Street, 9?e»*$ort, obenauf, gefeieu 
»erben. 2Bir beft&en 3eugnif|e »on Saufenben »on Doltoren, welche alle »oU ßobeS jinb. 

Teilung einer jer q uetfdb ten ©ruft. 

Den 7. 3Rai 1865. 

SReine Herren! — 3m Dcgembcr 1863 würbe mein ©ruftfnochen »on einem f(b»erem Otiegel ger. 
quetfeht unb jcblimm »erwunbet 3<b »ntbe btftnmmgSlo* nach £aufe «efchafft, »o idb einige SÖodjen bem 
£obe nabe lag. dReine Slerjte lonnten febr wenig für mich tbnn unb t$ mu§te unenbltche Schmergen lei* 
ben. Der &rgt bachtc, ba§ baS 9?afenpflafler r anf bie ©ruft gelegt, mir helfen würbe, ich bachte aber, ba* 
für cin$ »on 2lUco<r$ »oröfen fPflaftern iu »erfueben. 3# legte etn$ auf meine ©ruft unb Seite, unb »on 
ba an fühlte ich beffer unb war in einer ©oche gefunb, frei »on Scbmergen unb fdbig, mein ©efdtfft wie- 
ber gu beforgen. Sebermann lann lommen unb meine ©ruft feben, unb ich »ill ihm ein neues SBunber 
»on Teilung geigen. 3. Ä. ©tttf, 9to. 2 South ftifjb Street, gBifiümtäburg, 9t. §)., $boä« SlUcoc! & 
Go., 9to. 4 unoin Square. £aupt»ffice ©ranbretb ©utlbrng, 9?e»*2tort. 3u »erlaufen in 9to. 4 Union 
Square bei allen £<Snblern unb febem refpcltablen Drnggift. 

Duprd & Kretz, 

91a. 28 ©roab^Street, öde bon ßjdbangesfßlace, 

Hrro-ljork. 

Malier in (Mb- unb 9)etroleum-5lltten. 

©oubernementS*©onbS unb bereinigte Staaten Sidjcr&eiien 
»erben in Gontmiffion getauft unb bertanft. 


SafUtt, ©utlcc S> 6 o», 

gabrifanten unb «gänbler in 

<§ä>tctb*, ®rud« unb ^ad^aftier, 

^iubfaben unb ^apier-fadien aller Jlrf, 

3lo.42 unb 44 S täte*© tra & e, gegenüber bem „ Sitb s ^o tet, * 
CHICAGO, ILL. 

gür 2 u mp en wirb ber b^jfle ÜRavttpreiä baar bejablt. *E p 


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gabrifcmten bon 

gflägeln unfc Sttfdft>rm»^ttt»ioä. 


Serlaufälofal unb gabrif: 

»io. B 94 #ubfon=Strcct, 9 ?cü} 4 )orl. 

©atatitirt «nf 9 Saljte. 

3. ® o c ii g c r, 

165 (£ffer-0treet 

gntporteur unb gabrifant 

»Ott 

Pentfdidi Dtrmoniliag, 

(SpucertttmS, SSattOptttPttS, föttittKitger, 
tttotttft»#, ®ptel&pfett, ©itpertt 

unb anbern muftfalifchen 'Snttrnmenten. 

Unterricht im Spielen wirb ertpeilt, fo wie Reparaturen gut unb billig gemalt. 

Aufträge au$ bern Sanbe werben pünftlicpfi ausgeführt. 



E. STEIGER, 

Petttfdjer Jeitungs-Jöcnt, Empörter unö 'gBuc^^anöfer, 

Herleger imb Jtu&bntdter, 

17 ttit& 19 9 £pctp SSiüiams®Cteet, Sfceip-gjprf, 

empfiehlt fleh $ur fcpneHen unb billigen Seforgung 

aller Bücher unb Beitfdjriften, 

gleicpPiel in welcher Sprache unb wo erfepienen. 

#5lt ein bottfiänbtges Sag« bittiger amertfmriftyer trab eigener ^nbficationen in heut¬ 
iger Sprache unb ber hier gangbaren 

&$uftüÄer, Sugenbs unb Solftfötiftat, ftalettber, 
überhaupt aller S8ü<her, wofür hier SÖebarf ijt 2Öa$ nicht Oorriftpig, wirb fdpnett unb 
billig beforgt. 

(Kataloge uon jBüc&crn mtb so« 3e*tf$riftett 

3mportirt »on Deutfcplaub mit jebem Hamburger unb Srerner Dampfer, unb ift bcmnach im Sianbe 

atttuoc&etttlicb 

eu liefern. 

Uebernimmt für eigene Rechnung ober conumfjienSweife bie $erfWIung unb Verbreitung »on beut- 
fchen Suchern, wobei tpm einerfeit« ber Seftp einer mit ben fepönften Xppen auSgefkttefcn IDiutoeL 
anbererfeit« aber bie auOgebepntejTen Serbinbungen befonbere Sortpeile biete«. 

* liberale Sebingungeu für Agenten mtb $änbler. 


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i 

9rtttfd)-Jlmtriliagiflij)t ^jHonots^cfte 

füt 

c&üerdur, Jlun|I, $H|fettfdjaft utt& 
öffetrffidjes gießen. 

föebiöirt bott 

9tußp(pß Scjoit». 


m. jfajjrgang. 1.$anb. 1866. jüai-^eft. 


Pit JttMancr als Punbtagenofftn kr prutfdjcn int 
itoröamertkanijcfjtn Jrdljtttskampff. 

©ott ttt*t oon Delfins in SKdmnaen.*) 


m im 3ahre 1776 ttad? langer ©dhrung in ben englifdhsnorbantcrifanU 
fdhen ©olonieen jener benfroürbige faft ad?tjährige ßrieg gum 2luSbrudh tarn, 
nahm befanntlidh baS brittifdhe ©ou»ernement in ber ©ebrdngnijj feine 3ufludht 
gu me&reren beutfehen dürften, ihm gegen ©elb unb gute SBorte mit Gruppen 
beiguftehen. ©S fanb ©ehör, unb fo entftanben bie befannten, gugleidh aber au<b 
»errufenen Subftbientraftate. 

Slber nidht nur ber beutfdhen $ülfe bebienten ftdh bie ©ritten in jenem 
Kriege, man »erfdhmdhte audh bie ber Qnbianer nidht, unb auf biefe SBeife führte 
baS* ©efdhidt ben cultibtrten Deutfcben mit ber milben ©othhaut als nddhfiem 
©unbeSgenoffen gufammen. ©emifi eine feltfame Rügung. 

2 Wan hat »ielfadh unb mit Stecht nidht begreifen tonnen, rnie bie ©nglän* 
ber, al§ eine ber cibiTiftrteften unb freiftnnigften Nationen, ftdh mieberbolt ber 
#ülfe ber Qnbianer bebienen tonnten, beren Rohheit, SBilbheit unb ©dhauber 
erregenbe ©raufamleit ihnen aus ben »origen Kriegen her, bie fte bereits auf 
bem amerifanifdhen ©ontinent geführt unb in benen fte ftetS SBttbe für unb 
gegen ftdh hatten, fattfam befannt fein rnufjte. 

©in ©dhrei beS ©ntfepenS unb ber ©ntrüjtung brang audh jept bttrdh bie 
©e»5l!erung ber feinblidhen, t»ie audh ber nodh befreunbeten ©ro»ingen, nament* 
lidh int üRorben, als es belannt mürbe, baf$ bie brittifdhen ©enerdle bie 2Iner* 
bietungen mehrerer Snbtanerftdmme, ftdh am Kriege gegen bie ©olonieen mifr.gu 
betbeiligen, nidht gurüdfgenriefen hatten. 2Jian tonnte ftdh biefeS SlnfangS um 
fo toeniger ertldren, als gerabe bie brittifdhen ©enerdle, bie ftdh guerft in Unter* 
hanblungen mit ben SBilben einliejsen, fonft als redhtlidhe unb mohtooHenbe 


*) ©erfaffer be6 ©u$e$ „Die betttf^ett $ülf$truppen im norbftmerifanlfdfrcn öe* 
freiuiigttricge, 1776 —1788." 


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404 


EJlanner belannt waren. 2Bir werbende Söfung biefeS SRdtbfefö in bem 

golgenben halb pnben. 

5)ie Streitfräfte beS brittif<h*beutf<hen,£)eereS, baS nach Slmcrüa bcftimmt 
War, tbeilten b<h befannttich gleich Anfangs in gwei Hälften, wobon bic eine, unb 
gwar f<hwä<here, nach (5 a n a b a, bie anbere, ftärlere, born $ubfon bis in bie 
feinblichen Groningen brünier birigirt würbe. üftach erfterem fianbe famen 
auch bie SBraunfchweiger, £effen*§anauer unb fpäter bie 2lnhalt*3«bft«/ in 
bie {üblichen ©egenben bie £effen*$affeler, SBalbetfer unb bie 2lnSba<h*93ap* 
reutber. 

3 n Ganaba batten ftdb bie gnbianer am ftärfften beim Kampfe beteiligt; 
ihre 3abl wuchs halb gu einigen £aufenben an. 2)er ©eneral Sir © u p * 
G ar I e t o n, ©ouoerneitr ber $ro»ing, galt ni(bt nur als einer ber tüchtigften 
unb erfahrenden ©eneräle in ben britischen Slrmeen, fonbern au(b als ein 
burchauS »erdänbiger, re(btti(ber unb baS Söefte woEenber EEann, ber ft<b bie 
Sichtung ber SanbeSbewobnet Idngft gu erwerben gemußt batte, »ober es auch 
lam, bab Ganaba noch bie rubigfte unb bem Könige ergebende Sßrooing in ben 
Golonieen geblieben war. 2ßie traf es d<b nun aber, bab gerabe bi« bie 
#ülfe ber gnbianer am ftärlften in Slnfpruch genommen würbe ? 2)ie Antwort 
liegt naher, als man meinen möchte: baS brittif(be ©ouoernement glaubte 
biefe 2Jtafjregel bureb bie Siotbwenbigleit geboten, unb es ertbeüte feinen ©ene* 
rdlen bie barauf begügli<ben gnftrultionen. Eftan batte bereits in ben früheren 
Kriegen, in benen bie Goloniften noch gemeinfam mit ben Gnglänbern gegen 
bie grangofen um ben S3ed& Ganaba’S fochten, bie gnbianer genugfam fennen 
gelernt. 2Jian wubte aus ber Erfahrung, bab biefe bei einem abermaligen, in 
ihrer unmittelbaren üEäbe ausbrechenben Kriege .nicht müfjige 3uf<hauer bleiben 
würben; ihre habgierigen Neigungen, fowie ihre wilben, ungegügelten Seiben* 
{(haften lieben de nicht in biefem pafdben 3nftanbe »erharren, $atte man 
baber biefe Iriegerifchen unb raubfüd&tigen SBilben nicht als greunbe, fo lonnte 
man d$« barauf rechnen, de gegen d$/ nnb fomit eine nicht gu »erachtenbe 
©efabr mehr gur Stelle gu haben. 2)iefeS war für bie im Sterben commanbiren* 
ben brittifchen ©enerale um fo bebentlidper, dlS eS gleich StnfangS im bieffeiti* 
gen Operationsplan lag, mit bem gröberen Sbeil ber canabifdjen Slrmee d<b 
am $ u b f o n mit ber anberen, {tarieren gu bereinigen, unb nur bie nötbigften 
unb entbebriiebften Gruppen gur 2)ec!ung GanabaS gurücfgulaffen. $ie Streit* 
frdfte im Slorben waren ben bort operirenben ©enerdlen obnebieS duberft fpär* 
lieh gugemeffen, unb batte man auch noch bie gnbianer gegen f«h gehabt unb 
biefe im 3aum halten ntüjfen, fo batte entweber bie Slrmee noch fehwdeher als 
de obnebieS fchon war, nach bem Süben gbgeben lönnen, ober bie Sage ber 
wenigen gurüägebliebenen Gruppen, fowie bie ber lopalen Bewohner, wäre 
noch preedrer geworben, gumal bie OppobtionSpartei SlEeS aufbot, auch (5anaba 
gu infurgiren. SJian batte bi« gwifchen gwei Uebeln gu wählen, unb griff in 
biefer Situation gu bem anfeheinenb geringeren; wenigftenS fchüfcte man biefe 
. SJtotioe »on Seiten beS brittifchen ©oubernementS »or. S)ie SBilben mußten 



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406 


bei einet döilifirten unb woßlbiSciplinirten Gruppe läftige ©äfte fein, aber fte 
waren au<b Wiebet ju gebrauchen. Sie waren ber wilben, faft unzugänglichen 
©egenben lunbig, unb auch in ben ihnen ganj fremben wußten fte ftch »enttSge 
ihres fdjärferen, man möchte fagen inftinltmäßigen SpäßerfcnnS beffer ju orien* 
tiren, als ber gewanbtefte duropäer. 3h« gefdjärften Sinne unb ihre 2luS* 
bauet, fowie ihre JBeßenbigleit, Sift unb SSerfdhlagenheit machten fte befonbetS 
jum SSorpoften» unb ^atrouidenbienft geeignet. Üaßen artig wußten fte ft<b 
an ben ©egner heranjufchleicben unb über baS überrafd&te Opfer berjufaUen, 
ober wie bie Schlange im SBerftecfe baffelbe ju erlauern. Dafür zeigten fte ftch 
in offener gelbfcb lacht weniger brauchbar unb muthig, unb ergriffen gewöhnlith 
nach bem erften mißlungenen SlnpraH baS £>afenpanier. 

Dem geinbe blieben fte aber ftetS ein Schreden. SEBehe Dem, ber in ihre 
jjänbe fiel. Das Opfer hatte gewöhnlich bie furcbtbarften unb raffinirteften 
Startern ju erwarten. Sieb ober Serftümmelung waren gewiß; baS ©eringfte 
war bei ihnen nodß baS Scalpiren. 

Die humaneren brittifdben ©eneräle fueßten jwar ben Seiftanb biefer Un* 
ßolbe nicht; fte nahmen ihn aber meiftentheilS an wenn er ihnen geboten 
würbe, ßurj nach ber Slnlunft ber erften beutfeßen Druppen in Ganaba er* 
fchienen Deputationen »on »erfchiebenen 3nbianerftämmen, bie ihre Dlenfte 
anboten. dS waren bie berSrolefen, $uronen, Sllgonqui’S, 
ber3lnabale’S unb 0utai’S ober 011awa’S. 

6 <hon »or Slnfunft ber Deutfchen, im 3aßre 1773, befanben ftch 3nbia* 
net bei ber brittifchen Slrmee, unb je mehr ber ßampf entbrannte, befto ja-hlrei* 
eher betheiligten fte ftch an bemfelben. 

Der erften Slubienj, bie dariet on ben Deputationen ber fünf Stämme 
ber grotefen ertßeilte, wohnten bie beutfehen Offnere in Stontreal in ber 3e* 
fuitenlirche am 23. 3uni 1776 bei. 3Jtan bemühte ftch offenbar, biefer »on 
brittifcher Seite einen mßglichft feierlichen Slnftricß §u geben, ber aber für bie 
meiften Deutfchen, bie einer folchen deremonie noch nicht beigewohnt hatten, 
mehr SädjerlicheS haben mußte. 

3n »oller Uniform, beu betreßten .gut auf bem Raupte, faß ©enerol 
Garleton mit feinen höhe«« Offneren in Sebnftüßlen auf bem hohen dßor, 
bet mit pracßtoollen bunten Deppicßen belegt unb behängen war. Sian fchien 
ben SRothhäuten mit mßgticßftem Sßomp imponiren ju wollen unb ßierju alle 
Fracht unb tgerrlkßleit ju entfalten. »Der zahlreichen Deputation, gegen 300 
Stann ftarl, bie aus ben SlobiliS ber Stämme beftanb, waren ihre Sßläße im 
Schiff ber Kirche, auf ben bortigen 33än!en angewiefen worben. §ier faßen 
ober lauerten bie SBilben. Dampf wirbelte »or ihnen auf, aber nicht aus ben 
geheiligten SBeihrauchgefäßen, wie fonft an biefer Stätte, fonbem aus bem da* 
iumet ober ber gtiebenSpfeife, aus ber fie ein ftinlenbeS Äraut qualmten. 

3eber ber fünf Stämme hatte feinen DoHmetfcher, unb nadh einer fehr 
teremonißfen Begrüßung »on beiben Seiten begannen bie SJerhanblungeit in 
franjßfifcßet Spraye. Der langen unb blumenreichen Siebe furjer Sinn »on 



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406 


Seiten bet 3nbianet Wat folgenbet: Die böfen unb unbanfbaren „SReMen* 
hätten fiep an intern guten t ,©ro&»ater", Sr. brittifhen Sajeftät, fhwet »et» 
gangen, unb fte wären aul biefem ©tunbe }um lieben „Sätet" Gatteton ge» 
fommen, beffen Dapferteit fte boh priefen, um ibm beigupeben unb bie empöret 
wiebet gum ©eborfam gu bringen. — Sahbem biefe ©eföble mit möglicbfter 
Sentimentalität auigefprohen worben waten, »erlangte man »om „guten 
SBater" Branntwein, um auf feine unb bei „©ropoater!" ©efunbbeit ttinlen 
ju {Innen. 

Set ©ou»etneut banlte ihnen für ihre Bereitwilligfeit unb nahm ibte Sin« 
erbietungen unter gewiff en Bebingungen an. Darauf gogen fie, bie §äupt» 
linge an bet Spifee, eingeln an ibm »orüber, unb reichten ibm, fowie jebem bet 
Ofpgiere, bie #anb, all Reichen ihrer Ergebenheit unb greunbfhaft. 6a tle» 
ton unb ©eneral $b<(tpp3 würben überbiel noch mit einigen Brahtejem« 
platen »on Scalpl befhenlt, bie »ieHeiht einft brittifeben Häuptern gebärt 
haben mosten. So enbete biefe mehr lächerliche all erhabene Geremonie. 

Garleton lieb ihnen barauf einige SRinber, Schweine unb Branntwein 
»erabreidpen, unb nun »erbrachten fte ben Slbenb unb bie Sacht mit Sdjmau« 
fen unb Sangen, wobei bet gtafepe nicht wenig gugefproCpen würbe, fo bah el 
hier fchon gu mancherlei Slulbrüchen bet leicht übertünCpten Beftialität fam. 

Slm 18. 3uli erfchienen abermall Deputationen einiger gnbianerftämme 
mit gleichen Slnerbietungen bei G a 1 1 e t o n. Diefer nahm fie gwar in ©e« 
genwart bei beutfehen ©enerall ». Siebefel an; aber er banfte biefel 2Ral 
für ihre Dienfte unter mancherlei Sorwänben unb lieb pe nach ihrer Seife be» 
wirthen. Gr wollte bie greunbfhaft mit ben Söhnen ber Silbnifi offenbar 
niCht gu weit geben laffen, el aber anberntbeil! auch nicht gang mit ihnen »er* 
berben. 

Sill im 3abre 1776 bem ©eneral Bourgopne an Garleton’! Stelle 
bie gübrung bet Sorbarmee übertragen worben war, befanben pCb auf bem 
3 uge nach Sllbanp herunter einige Saufenb Snbianer bei biefen Sruppen. 
Slucb ber btaunfhweig’fhe ©eneral »on Siebefel, ber bie DeutfCpen, weihe 
gu einet befonbern Golonne formirt waren, befehligte, butte eine ftarle Slbtbei« 
lung 3nbianet bei ph- S3ei bem Gorpl, bal unter Oberft St. Seger 
eine Dioerpon nah bem SSobawltbale unternehmen muhte, operirten 
^effen*^anauifhe Säger gemeinfhaftlih mit ben Silben, »on benen ph ge» 
gen 600 SJtann bei biefem Gorpl befanben. 

Soh wäbrenb bei 3ugel fließen Berftärlungen »on ben Silben gut Slrmee. 
So erfhienen Deputationen »on ben hriftlihen Stämmen ber Slnabale’l, 
Sllgonqui’l unb 3r o Cef en, gegen 400 üöpfe, benen Bourgopne 
am21. 3uni im Saget gu Sßoin t au Sable eine feierliche Slubieng gab. 
Siefe fanb im gteien ftatt, unb auh bie beutfhen Solbaten lonnten 3eugen 
bei wunberlihen Shaufpiell fein. 

Der brittifhe ©eneral erfhien mit bem beutfhen, ben fämmtlihen Ober» 
Dfpgieren unb einem glängenben Stabe in »oller Uniform unb nahm unter 




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407 



einem ©albachin ©tap, ber aul Saubwerl erratet unb mit bunten, ßränjen 
unb gähnen bedangen war. 3n einem ihm gegenüberftebenben ßaubjelte 
befanben ft d? bie Häuptlinge mit ihren DoUmetf ehern, währenb bie übrigen 
Snbianer brum herum lauerten unb aul ihrem ©alumet fcpmauchten. 

Stadh ben üblichen ^Begrünungen unb nachbem bie Häuptlinge gefprodhen 
unb ihre Dienfte angeboten hatten, nahm ©ourgopne bal Stort. SBir müffen 
hierbei bemeilen, bab biefer ©eneral nicht wenig eitet war, unb bei befonberen 
©elegenheiten gern (eine vermeintliche ©erebtfamleit leuchten laffen wollte, 
©benfo liebte er ©up unb anberen eitlen Danb, um Tluffehen $u erregen. ©t 
war —runb peraul gefagt — bei mancherlei nicht $u verlennenben gahig* 
leiten, ein © e d. — ©r galt all ein Schöngeist bei ber brittifeben Slobleffe, unb 
wubte neben Srmeebefeblen unb Dilpofttionen auch Dramen unb Slomane, 
unb vielleicht beffer all jene, §u Schreiben. Such hier lonnte er feine Siebe* 
lunft ben Gruppen gegenüber geigen, unb mit vielem ©atbol hielt er fotgenbe 
tlnfprache an bie Söhne ber SBilbnib: 

„©I ift mir (ehr lieb, baf$ 3hr ©uch hier eingefunben habt, ohne auf ©u* 
rem 2ßege Slulfchweifungen 3 u begehen, ober bie ©inwohner su beunruhigen; 
el ift ruhmwürbig für ©u<h, bab 3hr Uebelgeftnnten lein ©eher gegeben habt. 
SBenn 3b« ©eftnnungen habt wie fte ftch für brave ßrieglleute febiden, fo 
werben ©ud> alle mit bem groben fiönige verbunbenen gürften ho<hfd>äpen. ©or 
allen Gingen aber mübt 3h* Gud? niemall weigern, ben befehlen §u gehör* 
<hen, bie ich ©uch, all ©uer ©ater, mittheilen werbe. Der wiebtigffe von biefen 
©efeblen ift, nnb 3h* mübt folchem jeber$ett auf bal ©enauefte nachlommen : 
bab 3hr leine ©raufamfeiten begeht unb namentlich wehrlofe ©reife, SBeiber 
unb Äinber nicht mibhanbett Dal Scalpiren will ich ©uep nicht ganj unb gar 
verbieten; 3h« mübt aber folchel niemall gegen Beute aulüben, welche unbe* 
waffnet, verwunbet ober bem Dobe fcape fmb, benn febet : wer ebel benlt, für 
Den fchidt el fiep nicht, graufam gegen SBeprlofe §u fein, unb fobalb ©uer 
geinb bie Stoffen von fuh wirft, hört er auf, ©uer geinb ju fein, allbann ift 
er ©uer Srieglgefangener, ber ftch ©urem Könige unterwirft. SUe folehe ©e* 
fangene mübt 3hr, ohne ihnen irgenb Betb jujufügen, in meine Hänbe liefern. 
Stur Diejenigen lönnt 36* umbringen, verwunben ober auch fealpiren, welche 
ftch ©uch hartnädig wiberfepen unb ftch auf leinerlei SBeife ergeben wollen. 
Diefe gebe ich völlig in ©ure Hänbe, unb verfpreche ©uch ©elopnung wenn 3hr 
mir bie Haupthaare berfelben bringt. 3hr feib mir all brave Urieglleute 
belannt, wir wollen einanber gute ©eifpiete geben. Son ©uch wollen wir 
lernen, ben geinb ju übetwinben, babei aber einen Unterfchieb ju machen, ob 
el ftch fchidt, ftreng ober grobmüthig gegen ihn $u verfahren. 3e mehr ©rob* 
muth 3hr aulübt, befto voUtommener unb rühmlicher wirb unfer Sieg fein. 
3um ©eweil, wie fehr ich mit ©uch jufrieben bin, werbe ich Sium unb Dchfen 
unter ©uch vertheilen laffen; allein befleibiget ©uch ber ©iäbigleit, bamit 3h« 
morgen bereit feib, auf bal erfte 3e ; <hen marfchiren $u lönnen." 

SBir haben belwegen bie Siebe hier wörtlich angeführt, weil man am 



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408 

beuüichften barauS erfehen lann, mie SBoutgopne unb bie brittifchen Of* 
fixiere überhaupt bie Hülfe unb 93räuche ber 3nbianer nahmen. & mujj ge* 
ben miberlich berühren, bab ^iet nicht nur ein fcheu&lich graufanter SBrauch, baS 
Scalpiren, erlaubt, fonbern unter gemiffen Umftänben auch no<b be* n 
lohnt mirb. 2lber auch hi** barf nicht überfeben merben, ba& bie Umftdnbe 
oft mastiger maren als ber SBille. 5)ie Sßilben oon bern eingefleifchten «Brauche 
abgubtingen, mar biö^cr eine reine Unmöglichteit gemefen ; alle ^Bemühungen 
ber brittifchen unb beutfehen ©eneräle mären babei geheitert. $ie hier ber** 
fammelten gnbianer hatten ben chriftlicben ©lauben angenommen. ffienn eS 
aber ben SJtiffionären unb ©etlichen nicht gelungen mar, biefen ©raufarn* 
leiten gu fteuern, feie fonnte man baS bon Saien berlangen ? 2)iefe Statu;* 
föhne mären nur bem tarnen nach Gbriften; fte lebten immer noch mehr als 
Reiben unb in ihren fortgeerbten ©emobnbeiten. 5)er Scalp beS erlegten 
geinbeS mar ihr hö<hfteS SiegeSgeichen, ihre ftoljefte 3ier; je mehr Scalpe 
©iner aufmeifen tonnte, befto höher flieg fein Slnfehen unb fein ©inffufc. 2öaS 
für ben cibiliflrten ©uropäer ber örben, mar beim gnbianer ber Scalp, unb in 
gemijfer SBegiehung noch mehr. 3ubem mar bie Verfügung, bie Scalps gegen 
©elb eingulöfen, nicht bon ben ©enerälen, fonbern birect bom brittifchen SJtini* 
fterium felbft ausgegangen, beffen SBeifungen fie gu befolgen hatten. 

üfltit ©emalt lonnte biefem Unfug am aHermenigften gefteuert merben. $er 
ffiilbe mürbe burch bie geringfte SBeleibigung tief beriefet; er lieb nicht eher ab, ' 
bis er feine Stäche gefühlt, bie bermeintliche Schmach mit SBlut getilgt hatte, 
gebet Stamm machte bie Sache beS ©ingelnen gur gemeinfamen, unb fo lam 
eS hier unb ba bot, bafi nach einer 3ure<htmeifung ober gelinben SBeftrafung 
eines in unfern Slugen nichtsmürbigen gnbioibuumS gleich ^unberte bie Slrmee 
»erliefen unb aus greunben erbitterte geinbe mutben. ©ine SBeftrafung ber 
©ingelnen lonnte nur burch ih*e Häuptlinge- unb eigenen SchiebSrichter ftatt* 
finben, aber auch hier nur in bem galle, bajiber gehlenbe gegen bie beftehenben 
«Bräuche beS Stammet gebanbeft hatte. 

S)en brittifchen unb beutfehen ^Befehlshabern maren mithin in biefer $Be* 
giehung bie Hänbe gebunben, fte hatten eigentlich fo oiel mie leine Strafgemalt 
über bie SBilben. deshalb maren hier gütliche, unb beutliche Sorftellungen 
angemenbeter, als nufclofe Drohungen. 

93rittif<he unb beutfehe Offigiere hofften mit ber 3eit jene SBilbbeit mehr unb 
mehr abgufchleifen; aber ber ßrieg ift am menigften geeighet, milbe Seibenfchaf* 
ten unb rauhe Sitten gu milbern, bie gerabe bei ben gnbianetn auf ba3 H e f* 
tigfte herbortraten. Srofcbem geigten fleh bie Stämme, bie am längften bei 
ber Slrrnee aushielten, mit ber 3eit gefügiger unb ben europäifchen Sräuchen 
bei ber firiegführung gugänglicher; aber auch bie fonft Sanftmütbigften unb 
©rgebenften mürben plö&lich gu milben ^Beftien, menn fie burch Seibenfdjaften 
erregt mürben, namentlich im Grünte, bem fie fo fehr ergeben maren. deshalb 
mürben auch bie möglichen Slnftalten getroffen, ihnen begleichen mögüchft 
gu entgiehen, unb ber ©ouberneur © a r l e t o n hatte fogar ben Hänblem unb 


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409 


ÜRarletenbem bet Strafe verboten, 93ratwtmein an bie gnbtaner ju berabreichen. 
Hber fte mufften ftch biefen über 2lüeS geliebten geuertranl, fei eS butch Sift 
ober ©emalt, immer ju berfchaffen. 

3u jener 3eit bemohnten in Ober* unb 9tieber*©anaba betriebene 
Stämme bie Sanbftriche, toobin bie Strahlen ber auffleigenben Kultur noch 
nicht ober nur fchmach gebrungen rnaren. 2Rand)e lebten noch gan$ in ihren 
alten ©emohnheiten unb ©rauchen unb mehr im ^aturjuftanbe. Hnbere, na** 
mentlii näher an ben ©rennen ffiohnenbe, maren mit ben meinen Nachbarn 
mehr in ^Berührung gelommen, unb hatten etmaS bon bereu Sitten angeitom* 
men. 2)ie Stämme, bie ftch c^riftlic^e nannten, hatten nur bunHe, unllare 
begriffe bon ber mähren, reinen Sehre, unb legten biefe na<b ihren Gegriffen 
aus; bie Reiften lannten nur ©tnigeS bon ben gemöhnlidjen äußern ©räu* 
(hen, in’S §erj mar noch Nichts gebrungen. $afür aber lernten fte in golge 
ber näheren ©erührung mit ber ©ultur beren Schmähen unb Safter um fo 
grünbli(her, unb bte Spüler übertrafen halb barin ihre ÜDieifter. So maren bie 
(hriftlichen Snbianer in ber Siegel beworbener unb tüdifcher als bie noch rein 
heibnifchen. 

3u ben jahmften unb gefügigften Stämmen gehörten bte £uronen, 
bie fd&on feit adftjig 3 a h*en ft(h ^urn ©hriftenthum belannten unb für bie auch 
einft ber gemütlich* dichter S e u m e fchmärmte, als ihn baS ©efchid hinüber 
auf amerilanif<ben ©oben gef(hleubert hatte. Sie bebauten $mar ihre gelber 
unb trieben ©ieh$ucbi, hatten aber noch biele ihrer alten ©räudje beibe* 
halten, unb baS Sicht beS ©hwftenthumS leuchtete ihnen noch ni<ht Har. „Sie 
gehen — f<hrieb ein beutfeher Offner bon bort — in bie 2Jteffe, aber meiter 
haben fte noch leine fReligionSbegriffe." 

StlS bie milbeften unb graufamftem fRothhäute merbenbie OttamaS 
genannt, bie an ber Storbfeite beS St. SoreitjftromeS unb mefllich bonSWontreal 
ab bie Sanbftriche bemohnten, bie ber nach ihnen benannte glufc burchftrömt, 
ber in ben St. Sorenj münbet. 2)iefe maren in ben borhergehenben Kriegen 
bie erbittertften geinbe ber ©nglänber gemefen unb hatten biefen unter ihren 
bermegenen gührem Sanglabe unb St. Suc biel ju Waffen gemacht. 
3efct hielten fte unter benfelben gührem ju beS KönigsSa(he. St. Suc mar 
ein 2Rann bon 60 3ah*en, ein mohlhabenber unb biele liegenbe ©ruubftüde be* 
Wenber ©anabier, aber müb unb unftät, menn ber ßrlegSlärm loSging. ©r 
felbft hatte eS nicht berfdftnäht, ftch eine nicht unbebeutenbe Jlnjahl bon ScalpS 
anjulegen, bie gröfftentheilS englifchen Häuptern entnommen maren. ©r be* 
mährte biefe — mie man ftch erzählte — in feiner SBohnung als $ro* 
phäen auf, mährenb feine hüben ©enoffen fte als 3ierbe am ©ürtel trugen. 
St. Suc mar bon ben Slmerilanern im früheren Kriege gefangen morben unb 
hatte lurj bor bem SluSbrud? beS jefcigen feine greiheit mieber erhalten. Unter 
ihm biente auch fein Schmiegerfohn, ÜRamenS ÜRaubidre, ebenfalls ein 
mohlhabenber, angefeffener ÜRann, ber einen Raufen 3*tbianer führte. 

2)ie OttamaS galten fämmtlich noch als Reiben unb Slnthropophagen. 


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410 


©rop imb parf gebaut, bet Hörtet bunt bemalt unb auf ihre SBeife fonft b«r* 
auSgepufct, habet dro$ unb friegerifche Haltung geigenb, boten fie einen inert* 
Würbigen, aber aud? imponirenben, ja gum dbeil fchauberbaften Slnblicf. dem 
geinte gegenüber mupte tiefer noch furchtbarer fein, din beutfeher Offizier 
macht in einem Sriefe folgente Sefcbreibung oon ihnen: 

„Sie fuchen eine befonbere Schönheit barin, ihre ©epchter gu bemalen, 
unb ich habe dinige gefeben, welche mit vielerlei garben angeftrichen waren. 
Sie bitten oben oon ber Stirn an einen rotben Strich über tie üRafe bis an r S 
ßinn, ber auf beiben Seiten mit blauen Streifen eingefapt War. die eine 
. $ätfte beS ©epdbtS mar grün, tie anbere gelb bemalt, unb tie klugen rotb ein* 
gefaxt.' Sludb ben $alSunb tie Stuft bemalen fte p<h rotb. der gröpte dbeil 
bon ihnen gebt gang naeft, unb eine wollene deefe, in welche pe fub einmicfeln, 
ift ihre gange Gleitung. Man ftebt deinen unter ihnen, ber nicht einen filber* 
nen [Ring burch tie *Rafe trägt, unb ihre Obren pnb mit auperorbentlichen 
Saften befdjwert. durch baS grope ©emicht werten bie Obren bis auf tie 
Schultern beruntergegogen." 

2llS einftmalS darleton tiefe SEiloen mit frönen, neuen wollenen 
deefen befdjenfte, batten fie folche fofort mit rotber garbe bief befebmiert. 
Slnbere oerftümmelten ihre Obren auf gang befonbere 2lrt, intern pe ben Saum 
terfelben fo abgeloft batten, bap er am §alfe berunterbing. diejenigen, bie 
feine SRinge in ber üRafe trugen, batten bunte Schoten ober auch nur tiefe 
©raSbalme burdbgefteeft. die $aare riffen pe um tie Mitte ber Stirn herum 
aus, unb liepen pe nur in ber Mitte beS Scheitels peben, wo pe folche in 
einem Süfchel gufammenbanben. der Schäbel mar noch eytra bunt bemalt. 
HlS Krieger trugen pe eine lange glinte, einen ©ürtel mit einem däfch* 
eben, ben ScalpS unb tem gefürchteten Meffer, hier unb ba auch wohl einen 
plumpen ^Rangen, |n ben pe ihre etwaigen SebenSmittel ober ben [Raub mit her* 
umtrugen, die 011 a m a S waren im Kampfe furchtbar. Sie gingen tiefem 
unter SlbbrüHen ihrer Schlachtlieber mutbig entgegen, unb paeften im £anbge* 
menge nicht fetten ben ©egner wie bie wilben dbiere mit ben gähnen, ds 
banbette pcb nicht nur um ben pchern dob, fonbern um bie furcbtbarften unb 
rafpnirteften Dualen. $ieroon nur einige Seifpiete. 

din frangöpfcher 3ngenieur, ber bon Softon fam, pel einem ftreifenben 
drupp ber Ottawas in bie $änbe. damals war granfreich noch nicht 
gegen dngtanb im Sunbe, unb ba ihn beSbalb bie Milben nicht als einen 
Kriegsgefangenen anfaben, fo oermochte St. 2 u c nicht ihn gu reclamiren, 
fonbern mupte ihnen folchen überlaffen. diefe gnbianer batten, feitoem pe 
mit ben Sritten oerbünbet waren, einen befonbern §ap auf bie grangofen 
geworfen, unb ta baS ungtücfliehe Opfer ihnen oerfallen war, fo wollten pe 
ihrer ©raufamfeit ein geft, unb ihrem ©aumen gugleich ein befonbereS Mahl 
bereiten. Ohne bap eS S t. 2 u c binbetn jfonnte, führten pe ben ©efangenen 
abfeitS in einen SBalb, entfleibeten ihn, banben ihn an einen Saum unb 
fehlsten ihm an oerfchiebenen Stellen beS fiorperS baS gleifcb auf. 3n biefe 

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411 


Schnitte ftedten fte Seine gichtenreifer, unb brannten biefe an» Sdhrenb ber 
fo ®emarterte in {einen furchtbaren dualen auffcftrie, tangten # bie Kannibalen 
in teuflifcher £uft um ihr Opfer herum. 2)a lamen eben einige britttifche Offi** 
giere hingu. 2US fte fahen, baft ber Unglüdliche nicht mehr gerettet werben 
tonnte, rift ber Sine bem ndchftftehenben Snbianer bie glinte aus ber $anb^ 
unb {djoft, um bie Oualen beS Opfert gu enben, biefem eine Kugel in’S #erg. 
Erbittert unb mit biehifch« ©ier warfen ftch nun bie Silben auf ihn unb 
fcftnitten ftch Stüde beS halbgefchmorten gleifcheS aus. 2)aS £erg würbe bann 
auSgeriffen unb ftüdweife bertheilt. 2)ann banb man ben Seicftnam ab, briet 
ihn am geuer unb nagte ihn bis auf baS ®erippe ab. 

So würbe bie ©efchichte bamals in ameritanifchen Sldttern ergdblt* bie 
bei folgen ®elegenheiten freilich gern übertrieben, weshalb wir baS bi« St* 
wdbnte nicht in allen feinen ©ngelheiten berbürgen wollen; hoch ift nicht gu 
leugnen, baft bie Silben folcher ®rauelthaten fdhig waren unb Unglüdliche 
auf biefe furchtbare Seife mehrfach bon ihnen hingeopfert würben. 

Ueber bie 2lrt unb Seife, wie bie gnbianer ihre Kriegsgefangenen gu 
behanbeln pflegten, ergdblt 2)r. Stobertfon in feiner ®ef<hichte bon 
Slmerila golgenbeS: 

„Sie führen fofche mit ftd? in ihre Sohnungen, wo bie Seiber beS Dor¬ 
fes mit ber Sugenb, bie noch nicht im Stanbe ift, bie Saffen gu tragen, ftch 
berfammeln unb in gwei Leihen {teilen, burch welche bie ®efangenen gehen 
müffen, wobei fte mit Stöden gepeitfcht unb mit Steinen auf eine graufame 
Seife beworfen werben. -Hachbem folcheS gefchehen ift, beweinen fte ihre 
eigenen Seute, bie im Treffen geblieben ftnb. 3>n einem Slugenblid aber, wenn 
baS 3eichen gegeben ift, berwanbelt ftch bie Trauer in greube, unb fte feiern 
ihren Sieg mit einem barbarifchen Triumph. S)ie eilten berat^fdhlagen ftch 
über bie Sartern ihrer ®efangenen, bie bon Sdnnern, Seibern unb Kinbern 
angefallen werben, um alle mögliche Drache an ihnen ausüben. Einige 
brennen ihnen bie ©Heber mit glübenben Gifen, Slnbere berftümmeln ihre Körper 
mit Seffern, unb Slnbere gerren ihnen baS gleifch bon ben Knochen ab, reiften 
ihnen bie -Hagel aus ber Surgel, berbrehen ihnen bie Sehnen, bemühen ftch 
aber, bie £aupttbeile gu fchonen, bamit fte bie Sartern berldngern lönnen." — 
Sei S a r a t o g a würbe ein amerifanifcher Gapitdn, Samens © o w l e r, bon 
ben Silben gefangen. -Hachbem ihm ein Häuptling erlaubt hatte, fein ®ebet 
gu berrichten, würbe er mit bem £omahawf niebergefchlagen. darauf würbe 
ihm baS $er§ aus ber Sruft unb baS gleifch ftüdweife bom Serbe geriffen, baS 
mit gubel bon ben Unmenfchen berfchlungen würbe. 3wei anbere gefangene 
ämerilaner würben erft gefotten unb bann aufgefreffen. 

Sit ©ntfefcen wenben wir ben Slid bon biefen grauftgen Silbern db, bie 
nur burch bie rafftnirtefte ®raufam!eit wilber Sarbaren gefchaffen werben 
lonnten; aber fte ftnb hi« nöthig, um ftch einigermaften einen Segriff bon ber 
Hrt unb Seife gu machen, wie mit folgen Seftien gemeinfam Krieg geführt 
würbe. 3)ie Soloniften fürchteten biefe Schaaren uueh wie bie loSgelaffene 




m 


$8He, unb bie brittifchen ©enerdle, bte folcheg wohl muhten, fanben ^tct ein 
SDlittel, ft<h bie gouragirungen gu erleichtern, ober bei SBorpoftenftethmgen ftch 
ben geinb born fieibe gu Ratten, benn ba, wo ^nbianer bie Sorhut bitbeten, 
wagte ftch nid^t leidet ein2tmeritaner heran, ba er ftch, wag bie 2ift betraf, ntd^t 
mit ber föothhaut meffen lonnte. 

Sei anbern ©tdrnmen finbet ntan bie 2uft gu töbten unb gu martern nicht 
in fo hohem ©rabe. $anbelte eg ftch barum, ft<b eineg ©efangenen, gegen ben 
bet SSßilbe nicht befonberg erbittert mar, fonbern ber ihm mehr täftig fiel, gu 
enttebigen, fo »erfuhr er weniger gvaufam, unb na<h feiner 3Beinung fogar 
theitnehmenb. ©in beut[<ber Offtgier fchreibt baröber: 

,,©g ift bemerfengmerth, bah ber SBilbe barauf ftnnt, wie et ben 
Zä> bet ©efangenen, bie ihm Idftig werben, am wenigften fchrecfltch machen 
möge, ©r Iaht gewöhnlich denjenigen, ben er töbten will, erft einfdhtafenunb 
trbftet ihn »orher, um ihn ruhig gu machen." 

©in Slnberer fagt weiter: „Unfere SCBilben, bie wir mit aug ©anaba ge* 
bracht unb bie bort entmeber alg chriftliche SGßitbe wohnen, ober wenigfteng 
nahe baran ftohen, haben ftch wie bie Schweinigel betragen. Sßlünbem haben 
fte recht ehrlich geholfen, unb bie üDteiften ftnb gu © a r a t o g a unb © f e n e g * 
b o r o u g h gurudgeblieben. £ier haben fle ftch auch recht beftialifch in Sfcum 
»oll getrunlen. ©eit ber fyit fmb nur SBenige ihren Slnfuhrern treu geblieben, 
fonbern fte faufen fuh nach gtoriög beenbigter Sampagne wieber nach £aug 
unb bringen fo ihre dhaten auf bie Fachwelt." 

(©chluh folgt.) 


Napoleon »an Aktor Hugo. 

ttrterfe&t #on ®«Oa *. [SCJitoaufic.] 

I. 

Saufenb acbtbunbect elf! — 0 Seit, ido Staaten 
Set SSölfer bange jener Stunbe batten, 

Safe bet geioalt’ge ©ott erböte fie — 

2Bo bwnbettjäbr’ge Staaten ängftlicb gittern, 

Sa? 8ou»te bebt — umleucbtet oon ©eroittetn, 

SBie einftenS auf bem 33erge Sinai. 

S<beu toie ba? SRo|, ba? feinen §ettn gefeben. 

So flüftetn leif’ fte: ©rofie? wirb gefdjeben, 

©in ©tbe toitb bem ungeheuren 2anb! 

2Ba? birgt für ibn ba? S<bictfal in bem Stbooge, 

Set, raäcbfget als ©äfat — als Sftom, ba? grobe, 

Sa? 2oo? bet 2Jtenf<bbeit I«ntt mit eb’tnet $anb ? 


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Sa »löblich, fiel), jertbeilet ftd? baS Setter, 

Unb ftarl unb mächtig, wie bie ew’gen ©ötter, 

©fdjeint bet 2luSerwäbtte biefer Seit. — 

SaS Sol!, baS weiten wogenbe, eS fcbmeiget, 

9113 er ficb läcbelnb ju bet ©be neiget, 

Sen Sohn in boib erbob’nen Slrmen hält. — 

Seim £audj beS fiinb’S ber Som bet 3nbaliben, 

Sie SBölbungen unb Säulen, bie fplenbiben, 

©jittern wie bie Siebt’ im leifen Sinb — 

Unb bie Summen, bie ben ©ngang böten, 

©roden wie Sonnet in be» Sturmes SBütben 
Seim erften Schrei »on biefem SSnigSlinbl 

Unb et — bie lübne Stirne ftolj gehoben, 

Sie Slrme, bie fonft auf ber Stuft »erwoben, 

(Snblidj einmal geöffnet weit unb gern — 

(Sr ftü&t baS ßinb mit »äterlieber dteebte, 

Unb geigt »erllärt bem menf<bli<ben ©eföledjte 
Sen ftrablenben, ben neu erftanb’nen Stern. 

3m hoben ©tüd, ben ©ben feiner fronen 
Sem Soll ju jeigen wie ben Stationen, 

Sie Sulunft prüfend mit entjüdtem Slid — 

Sem Slbler gleich, ber auf jum ©ipfel fcbwebet, 

Sief er, »om hoben, innern Stolj burdjbebet: 

„Stein ift bie 3utunft — mein ift baS ©efcbid!" — 


n. 

Sein, Sire, bu lenlft bie 3nfunft nid^t — 

©ott ift e3, ber barübet Wadjt! 

Sit jeher Stunbe, bie entfliegt, 

Sagt uns bie ©be: ,,©ute Sladft!" 

Ktie wirb bie 3utunft bir erbedtl 
21U’, ade ©eifter biefer Seit: 

Set SRubm, baS hiegerifcbe ©lüd, 

Set gürften beder' ©lorienfcbein, 

Ser Siegesgöttin liebte S<bwingen, 

Set löhnen Slane leicht ©elingen, 

— Su tannft fte leiten nicht — nicht jwingen, 

— Kticbt auf bem Sa<b baS Sögelein! --- 

Klein! ob bu no<b fo mächtig bift, — ob Sebmetj bein harret ober ftreub’ 
3« Sunlel bleibt eS bir gebüdt — unb nie »er ber beftimmten Seit 
©ftarrt im Xob bie $anbl 

J 


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0 Schatten, büftereS Phantom, — bu unerbittlich ftrenger ©aft, 
©efpenft, baS einig ft<b oerlarot, unb uns enteilt in milber £aft, 

„ÜUiorgen, mirft bu genannt!- 

0 borgen! inbaltfchtoereS 93ßort!- 

$eut’ fd’ft bu — morgen leimt bie Saat — 

Unb morgen fchon reift fte §ur St^at!- 

borgen! bu Sölifc in buntler s Jta<ht, 

S)u SBolle oor’ ber Sonne Fracht, 

Sßerrdtber, ber uns ftreng bemacht — 

S)u Sftaurer — ber bie Steine fugt, 

Stern, ber ba eilt non 3»n' §u 3oa' — 

SßariS — bem folgt baS SBabplon — 

SWorgen! Slelett bom Königsthron, 

2)’ran beute noch ber Sammt ft<b fcbmiegt!- 

SDaS „morgen" ift ein ebleS Stof* — baS fcbdumeitb, tobt jufammenfätlt — 
SWorgen, ©roherer, eS ift ein URoSfau, baS bie stacht erhellt 
2Kit rotber glammenpracbt! 

S)ie alte ©arb’— bie fern auf toeiter ©bene man fab — 

2>aS „morgen" ift ein SBaterloo — ift ein St. Helena« — 

S)u to i 11 ft, unb fernen Stabten ju 
£rdgt bich im glug bein ebleS Siofj — 

S)ie 23ürger!riege fchlichteft bu 

27iit ScbtoerteSfpifce fcharf unb blof$. — 

S)u toillft! —unb o, mein ©eneral, 

Serfperret ift ber £bemfe Strahl, 

S)eS Kriegers fcharf ge$u<fter Stahl 
SSerbeifet ben Sieg bir — bir allein! 

2>ir offnen ftd) ber $bore Siegel, 

©S fprengt bein SBort bie fchmerften Sieget* 

2)en feeren glanzt an beinern SJüget 
©in Stern in beiner Sporen Schein! 

3)ie S)auer ruht in ©otteS £anb— ©ott ift'S, ber Seit beftimmt unb Kaum— 
3)u willft’S — unb bi# umgiebt bie Fracht — ber ©rbe ©lanj unb $uft unb 

Schaum! — 

3a, unter allen Sterblichen bift bu ber ©rofcte beiner j3eit!- 

2)u millft! unb eS »erfchminbet, Sire, einSteich — ein anberel entfielt! 
Guropa raubeft bu bem Karl — baS Slften bem 2Jlabomet — 

S)o<b niemals reihet beine 2Jta<ht baS borgen aus ber Gmigteit! 

III. 


0 bitt’re Sehre, trügerifch Phantom!-— 

Kaum rnarb bem Kittb jum Spiet ber £bron uon Slot», 
Kaum tont in Sdnbent fern ber Stame fein. 



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415 


i 


Äaum leuchtet feine Stirn int länglichen Schimmer 
Sem fyodj erftaunten Soll — toie feib ihr immer, immer 
So grob, fo grob — unb bo<h fo Kein! — 

Äaum baf* fein SSater Siege ihm getoann 
3bn mit lebenb’gm 2Jtauern rings umfpann, 

Sie er anlächelte aus meinem glaum — 

Kaum bafs mit fefter $anb ber aügetoalt’ge SJteifler 
Sie Seit rings umgeformt, bie angeföllt, mie ©eijter, 
Sit Hebelbilbern er im Sraum — 

Äaum bab bie natürliche §anb ben $fab 
Ser ©tobe ihm, beS HubmS geebnet bat, 

Sein Seben ihm gefcbmücft in aller $afi — 

.Kaum bab man ängftlich fucbt, bem föniglichen ©rben 
Sie Pfeiler feiner 9Jtacht tief in bie ©tb' ju lerben, 

Sab feft unb ficber fein Sßataft — 

Äaum bab an $ranlrei<bS £bot man ihm geftedt 
Sie Urne, bie ben £offnungStt>ein enthält — 

— Hoch loftete eS nicht oom ©ift, baS Äinb — 

Hoch mar es nicht beraubt oom flüchtigen ©ntjüdfen, 

HlS ein Äofad erfcheint, bet auf beS SßferbeS Huden 
©ntf übtet es burdb Had&t unb Sinb!- 


HlS eines SagS ber Har §um Sonnenlichte fchmebte, 
3erbrach baS Scbmingenpaar, baS auf jum Hetber ftrebte 
3n beS müb braufenben DtlaneS Sutb. — 

$a! Hde ftürjten ftcb ju beS ©emalt'gen Hefte, 

Sie ©toben raubten ftd? baS ©belfte, baS S3efte! 

©nglanb ben Har — unb Oefterreich bie Srut! 

3b« Hde lennt fein SooS aus ber ©efchichte Sagen. — 
— So hinter Hfrita beS SHeereS Sogen fchlagen, 
Söefoacbt oon Äönigen — fcblau unb gemifct — 
Sortbin ift er oerbannt! — 3 m traurigen ©ytle, 

Hn feiner Seibenfcbaft, an feiner ©tobe 3^lc, 

Sifct ftnnenb er — baS £aupt aufs Änie gefügt. - 

0 ©ott! ob Hid?tS geliebt auf ©rben bet Säerbannte ? 
SieS Sömenbetj ift eS, baS »oder ©lutb entbrannte — 

©t liebte feinen Sohn — bet SWann oon ©rj! 

3»ei Singe blieben ihm, bie feinen ©eift erhellten — 

SeS bolben ÄinbeS Silo, bie Äarte biefer Selten, 

Sein ganjer ©eniuS — fein gänjeS £etjl 


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©eS StbenbS, metnt fein SBlid m feinet 3eH* irrte, 

SEBaS ift’S, baS toiefeä £aupt aus ftarrer Muhe ftörte ? 

SEBaS ift es, baS er fucfet in bunüet Macht — 

SEBenn feine Reiniger f<hon äitgftlkb ©chilbmacbt flehen. 

Um ber ©ebanfen glug füll Iauetnb ju erfpdfjen, 

©er auf ber ftoljen ©tim bie Statten jagt ? 

Micht immer mären es, ©ire, biefe $elbenfänge, 

©ie bi cf) umgautelten mie ferne ©lodenlldnge, 

Mtcole, ein SDlontmirail, ein Mufterlife — 

Such bie (Srfcheinung nicht ber alten $pramiben, 

Kairo’S Sfafcha nicht, bejs Stoffe ber Mumiben 

SWit fdharfem 3ah« ber ©einen Stuft greifet. — 

Micht immer mat’s ber Särot bet milb empörten ©chlorten, 

SEBo manche Söombe fprang, mo bie Kartätfchen halten, 

SEBo fdjmatje SBirbel in bie Süfte floh’n. 

SEBenn feines MlunbeS $audj bieS milbe Mleer erreichte. 
Schauem bie gähnen leidet — unb eine jebe neigte 
SBot ihm, bem ©ieger, ftch im SataiHon! 

Such mar eS nicht SDtabrib — ber Kreml nicht ber ©jäten, 
©iana, bie jut 3>agb laut fchmettert’ bie ganfaten, 

©er Sinouac nicht bort unterm Sternenlicht — 

Mid)t bie ©ragoner, nicht ber ©tenabiere Miefen, 

©ie Sanjenritter nicht — mimmelnb in langen Spielen, 

SEBie rothe SBlumen in bem Ko nie bicht. 

Mein! — maS bie hohe Stirn befdjattet manche Stunbe, 

©3 ift ein fchlummemb Äinb mit halbgefchlojf’nem SDlunbe, 
Sieblich unb toftg, mie ber Orient, 

Sffiäbtenb ber Slmme Slid in ftoljer greube leuchtet, 

©ie mit beS SufenS 3JliIcb bie rothe Sippe feuchtet, 

Unb freubig läcbelnb feinen Mamen nennt. — 

©et Sßater ftüfet alSbann auf’s Knie bie Urme beibe — 

©ein §erj, »on Seufjern »oll, erfchliefeet fich bet gteube, 

Cr meint — baS £erj »on füfjer £uft gefchmelltl — — 
0 fei gefegnet, Kinb, bejj Üntlife längft erbleichte — 

©u emsig SEBefen, baS ben büftern ©raum »erfcheuchte 
Sora Königsthron — »on bet »erlor’nen SEBelt! — 

Y. 

©obt fmb pe Seibe! — ©ott, mie ferner ftraft beine Medjte! — 
(Srft ftfirjeft bu ben £elb — ben Sieget im ©efedjte, 

Unb raubeft ihm ben ©hron. 

©ann jügelt beine #anb beS ftoljen ©eifteS Streben, 
gehn 3ahre reichen auS, baS Seichentu ch ju meben 
©em Mater unb bem ©ohn! 


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417 


Hubnt, 3ugenb, Stola — ibt aff rubt nun im buntein ®rabe! 

. SBoW Wiebe gern bet üUtenfd? bei feiner irb’f<ben $abe, 

3bm labt ber £ob ni$t 3eit! 

(Sin jebe3 Element fm!t in fi<b felbft baniebet, 

<S§ nimmt ben #aucb bie Suft — bie (Stb* bie Äfd&e toiebet — 
®i<3b bie SSergeffenbeit! 

VI. 

0 He»olution! nidht id?, 

$er fdjtoadhe Sterbliche, begreift, 

3Ba§ im Tumulte beiner glutb 
3« ©otteä IRaib heran gereift! — 

Ob au<b bie ÜUienge bid? »erlaßt, 

Seid? Slug’ ermißt, ©ott, beine ÜUtadbt? — 

Ser meifj, ob bie bemegte glutb, 

$er Strubel an be3 Hbgrunbä Hanb, 

Ob be§ ©etoitterS belle ®lutb, 

Ob ber Ortan, ber toilb entbrannt, 

Ob alles bieS nid?t »or fub gebt, 

$amit bie $erf im 2Reer entftebt ? — — 

Unb bod? — toie beugt ein Sturm fo fdbtoet 

$ie gürften, toie bie Nation!- 

0, taub unb blinb ift, toie baS SUteer, 

©n $olt ber SRebolution!- 

— SaS nüfct bein armes Sieb, .Sßoet ?- 

SaS ber ®efang, ber halb »ertoebt? — 

So toie bie 2ßoge braufenb gebt, 

SBerbaHt bein S<brei in £aft! — 

2)ein Sieb »ergebt toie -Rächt unb $raum, 

S)er Sinb gerftört ber gebern glaum. 

Htm 33ogelein! S)u ftngft im S(baum 
Huf beS jerfdbeUten Sdhiffe^ ÜJlaft! — — 

0 lange Had?t — o eto’ge Oual! 

S)er Fimmel ift »erbüllt im -Ru — . 

SWenfdjen unb $inge allzumal 

©len bem buntein Hbgrunb $u.- 

— HKe3 »ergebt unb fmtt in Had?t, 

$er gürften Sieg’, — ber $elb ber S$la<bt, 

$a§ graue $aupt — ber Sode $ra<bt, 

Haboleon unb HapoleonS Sohn! — — 

3« Had&t getauft ift jebeS 93ilb, 

(SS ftüqen glutb auf glutben toilb, 

$ie buntle Soge — fte »erbüllt 
# Se»iatban toie ben Hlc»on! 


m 



418 

<£unjpätfd)C Jtbcrjddjmmgctt. 

Sott Jt«rl Slittfc, 


. IL Ungarn unb bie eytteme 3RationaUtät$*2:beotie. 

©in eigentümliche^ Schaufpiel bietet ftch feit Monaten in Ungarn bar? 
2)ie8 Sanb, beffen Unabhängigst unb Selbftregierung fo oft irrtümlicher 
Seife auf ©runb ber fog. ^ationalitdtStbeorie geforbert würbe, 
fucht fub gegenwärtig wieber gu feinet bifterifcben Staatäejiften g 
betauäguringen, unb gwar auf ©runb oon Ueberlieferungen, bfe mit jener 
Sbeorie febr wenig gu tun baten. 

3)er #auptträger biefer ungarif(bett Bewegung ift auch bieSmal wieber 
ber magparifche Stamm, ©in „apatifcber ©inbringling" (wie bie 
Sßanflaoiften fid) auäbrücfen), ber „gleich ben dürfen au8 ©uropa oertrieben. 
werben mufj", bat biefer magparifche Stamm ein bebeutenbeS ©ephid für 
Selbftregierung gegeigt unb baburcb jene 5)oltrin gu Scbanben gemacht, bie 
nur ben ©uropäern — b. h* alfo ben älteren ©inwanberern auä STfien! — 
eine politifche gähigleit gugefchrieben wiffen ioill. ©in erobernbeS 
Streiterooll unb parlamentarif d?e ©in r ich tu n g en: “ber 
©egenfab lönnte nicht*auffallenber gebacht werben! Unb hoch haben wir in 
Ungarn eine folche ©ntwidelung erlebt — in früherer 3*it aßerbingS nur in 
ber ariftolratifchen gorm, 1848 bann auf breiterer bemofratifcher ©runblage. 
2ln ber gulünftigen ©eftaltung Ungarns brauet man alfo nicht gu oergweifeln, 
wenn gleich ba§ Sanb jenfeitS ber Seitha eine bunte üftufterlarte oon 93511er* 
bruchtbeilen bilbet, bie an ber öfterreichifchen Regierung einen ftetS wachfamen 
£errn unb SWeifter haben, wäbrenb im Dften unb korben eine grofje flaoifche 
9Jta<ht brduenb auf ben magparifchen „©inbringling" hwabfchaut, ber bie 
ffcoifchen unb rumdnifchen Stämme feiner Umgebung in einem gegen fRufjlanb 
gelehrten StaatSwefen gufammenhält. 

SieSpannung gwifchen Oefterreich unb $teufjenwar 
ber näcbfte Hnlafj gu ben neueften, oon ber Siener Regierung an bie Ungarn 
gemachten 3ug*ftänbnifjen. 2lu$ ber f ch l e S w i g * h 01 ft e i n i f cb e n ©e* 
wegung, bie unter ben Üftagparen ftetS mannigfache £b*ilnabme gefunben 
batte, ift für biefe, burch einen eigenthümlichen Sauf ber Singe, ein nicht gu 
»erlennenber SBortbeil erwachfen. Ueber ben Slulgang etwas oorbergufagen, 
unterlaffen wir gern. Schon 1860 waren bie Ungarn auf bem fünfte, ber 
#absburgif<hen Regierung bebeutenbe ©oncefftonen abguringen; ein ptöplichet 
Umfchlag jeboch — ber Umfcblag oom Oltober*3)iplom gum gebruar* 
patent — dnberte bie gange Scene, ©in ©itat au$ einer oon bem SSer*» 
faffer biefer 3«ilen bamalS veröffentlichten 93rof<hüre*) mag bagu bienen, bie 
©leichartigleit ber Sage oon 186.0 unb 1866 nadhguweifen. 


•' * 

*) füllen nufere J(terrii<bif<be»SttttbeOprooi«|ttt tbun? - 

(ßonboit, ©eubner & ©om*., 1860 .) 



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„5Bor bem Grnfl ber ©reigniffe in Stallen", tye| eS in'jenem Schrift. 
$en, flunb »or bet bregencen Stimmung in Ungarn ftnb bie milltürlichen 
©entralifatiohS-Peftrebungen, bie ben Ungarn mit bem gtaliener, ben ©ali- 
jier mit bem Seutfcgen in eine unb biefetbe gorm Rängen mottten, jufom* 
mengebroigen. Seit taufenb gagren mar bie ©efchicgte Ungarns bie eines eigen- 
gearteten, man fann laum jagen PotleS, aber bodb SanbeS, gemefen.. Ser Per* 
fu<b, bie ftaatlicgenUebertieferungen befjelben mit einem Sigmertfcblage unb einem 
geberjuge ju »etnicgten unb an beren Steile ben ftraffen gormulariSmuS einer 
»aterlanbSlofen »ureautratie ju fegen, muhte früher ober fpäter mißlingen — 
mie einfcgneibenb auch bie «Wafsregeln maten, bie ber gbee beS ,öftreichif<ben 
©efammtftaateS jum Siege »ergelfen foiiten. ©s lebt in Ungarn — bei aller 
»erfchieoenbeit, ja ©iferfucgt, ber «Racen unb Sprayen — ein ©efügl biftori» 
feber Seredjtigung, ein ftarier Srieb nah Selbft»ermaltung. Siefer Stieb 
lonnte eine Beitlang gebeugt, in feinem «BacbStbum niebergebalten, buch 
tünftlidbe $inbetniffe in falfdje Mittung geführt merben. Seine Ausrottung 
ift ein ju ferneres «Bert felbft für eine «Regierung gemorben, bie lein «Wittel 
jut ©wicgung ihres BtoecleS freute." 

Siefe SBorte jeicgnen ganj mieber ben heutigen Buftanb. ©in Schmer¬ 
ling ’ch eS gntert egnum folgte atterbingS auf bie ©eftrebungen oon 
1860. £eute jebodb finb bie obigen «Borte mieber fo mahr, mie bamals. 

„6i<b felbft miebergegeben" - hieb es meiter in jenem Schriftchen — 
„tairb Ungarn nun fudhen, biejenigen ©runbbebingungen feiner Starte unb 
feiner greigeit ju erlangen, bie ihm baS Siplom oom Oltober 1860 noch »or- 
enthält. ©S mitb feine alten ©renjen, baS «Recht ber Äontrotte über baS 
Söubget, baS Wed&t ber «Rormirujtg beS Sruppenftanbes, unb ben äßahlmobuS 
»on 1848 ju erringen ftreben. Sie alten ©renjen ftnb ihm politifth mie mi* 
litärifcb eine SebenSbebingung. Ohne fte märe ber magparifihe Äern beS San¬ 
beS getaiffermafjen »on einem Stacgelring flaoifiger unb maKa<bif<ber $albftaa* 
ten umjogen, bie ju gelegener Stunbe als Stügpunlte ber Weattion nnb beS 
Angriffs »on ber Peripherie her benügt merben tonnten. SaS Weiht bet 
Steuer-Äontrolle unb ber Oberauffubt über bie SruppenauSgebung ift ein altes 
SanbeSrecgt in Uebereinftimmung mit ben ©tunbfägen ber Weptäfentati»-Pet» 
faffung. ©S bietet bie nStgige ©ürgfcgaft gegen büreaulratifdhe Pergetoalti- 
gung nnb b»naftif<be «Wilitärpolitil. Ser «BaglmobuS »on 1848 enblich ift 
eine ©arantie gegen gutsherrlichen geubaliSmuS." 

SieS Programm, na<h Sage ber ungatifhen Perhäftniffe im gagre 1860 
ftijjirt, trifft auch heute, 1866, mieber »otllommen ju. 

2BaS enblich bie Stellung jmifcgen Ungarn unb Seutfchlanb betrifft, fo 
war in jener ©rofcgüre gejagt: — „SaS gntereffe ber Seutfchen ift es nicht, 
baff ben Ungarn bie greigeit gelürjt merbe. Seutfchlanb hat ohne Bmeifet 
ein gntereffe an ber ©ntmidlung ber Singe in Ungarn, unb bohl unb »er* 
ftanbloS ift bie «Meinung Serer, bte ba glauben, es lönneanunferen, ognebieS 
bwch tmffifihe Sßucht bebrohten Oftmarlen gelegen maS ba motte, bie beutfche 

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421 


wohl giebt eS unter benfelben SNdnnem, bie ftch über einen folgen ©ebauten 
reooltiren, nicht SBenige, bie non $eutf<hlanb nertongen, bafc eS ein grofieS 
Stüd feinet ©ebieteS abgebe, weil ein S^eil bet Ginwohner eine oerfchiebene 
Sprache fpricbt, unb bie non Ungarn oerlangen, es foQe feine rechte $anb, 
Siebenbürgen, abfchneiben unb eS ber benachbarten SQßaEac^ei geben, fi<h ShP* 
lod*gleicb ein ©funb gleifch — baS ©anat — aus ber ©ruft fchneiben, um 

£ürKf<h*Serbien bamit §u bereitem, u. f. w-Unb tniffen Sie, meine £er« 

ren, »ober biefe abfurbe $h*orie auf hem Kontinent entfprang? Sie bat ih* 
ren Urfprung im ©anflaoiSmuS — b. b* in bem ©ebanlen, bafj ber mastige 
©runbftoä ber flaoifchen Nacen, gleich ben [Römern, |ur $errf<haft ber Seit 
beftimmt ift. GS ift ein r u f f i f <b e S G o m p l o 11, ein finfterer ©lan, aus 
nationalen ©efüblen ein SBerljeug für rufftfhe Oberberrfchaft über bie ganje 
SSBelt su machen.... So ift ber $ a n f l a n i S m u S bie Duelle einer ©ewe« 
gung nicht ber Freiheit, fonbern ber #errf<haft ber Sprache geworben, $aS 
SBort „Sprache" erfepte jebeS anbere ©efübl,. unn würbe baburch ju einem 
gluch für bie-greibeit." 

3>n obigen Säuberungen nertrat fioffutb noch, ben ungarifchen Stanb« 
punlt. Seine fpdtere SBenbung, bie bei bem italienifchen Kriege non 1859 
|u Sage tarn, feine ©estebungen 2ouiS Napoleon, unb feine bei bem 
SReeting in ber Sonboner greemafon’S Saoern getbane Steu&erung, er nehme 
bie ruffifche £ülf e an, wenn fte ibm geboten werbe, erfldren sur ©e« 
nüge, warum er ftch neuerbingS mit f t a n i f i r e n b e n ©roietten einer $o« 
nau*Gonföberation befcbdftigen tonnte, 

3n Ungarn felbft finben jeboch berlei ©eftrebungen teinen Entlang, aus« 
genommen unter ben Slffiliirten beS NujfentbumS unb, unter ber unwiffen« 
ben flonatifchen unb froatifchen 2Raffe. 2)ie freieftgefmnten Ungarn tonnen 
unmöglich bie Vernichtung ihrer eigenen Nationalität betretiren, ebenfo wenig 
wie eS möglich ift, baS NationalitatSprinsip, fowie eS bie gtaliener für ftch Oer* 
flehen, auf bie ©eoölterungen swifchen ben togatben unb ber $onau ansu* 
wenben. Oft*Guropa ift einmal ber SlblagerungSplafc non Na« 
tiot^ilfragmenten, bie burch bie groben ©ölterwanberungen bort«* 
hin oerftreut worben ftnb. S)ie einseinen Stamme, welche Ungarn be* 
wohnen, Jxn\> unter einanber fo nerfchieben, wie nur Gürten non «goUdnbern, 
[Raffen non Staßenem fein tonnen. SRagparen fmb mit ©eutfchen, 
Slanen mit [Rumänen burcheinanber gewürfelt; unb baswifchen finben 
ftch tumanifche, albanejifhe unb fonftige ©ölterbruchtbeile, Sille SSBelt ift in 
Ungarn fosufagen in ber SNinoritdt; immerhin jebocb ift bie polttifche 
Nationalität wefentltch um bie in ber 2Ritte ftfcenbe magparifche Nationa« 
tttat gruppirt, bie wieberum, entlang beS SonaulaufeS, nom beutfchen Glement 
burchfprengt ift. SDie Slanen ihrerfeitS, obwohl an ©efammtsahl ben 2Ra« 
gparen gleichtommenb, fmb bis Jefct taum burch trgenb welches Sprachbanb 
nerlnüpft; unb ber Slowat, ber Nais*, ber Sd? o taese, Nu« 
thene, SBenbeu. f. w. weichen in SRunbart nielfach nonetnanbejab, 


r&pm 




422 


$um Sheil ebenfo febr, tote ber Seutfcbe unb ber Sdne. Äurg, toaS bte Biel* 
fdltigfeit betrifft, fo bilbet Ungarn gewiffermaben ein Oefterreich im kleinen, unb 
in bem „Meinen Ungarn" Siebenbürgen wieberholt ftch baffelbe 93ilb abermals 
iti Btiniatur. SBoüte man ^ter nach Aationalitäten trennen, fo fdnte man 
nicht bloS auf bie engfte Brobhtgial* unb ßircbtbumSpofitif, fonbern in manchen 
©egenben auf bie Bolitif ber Stabt* unb Sorfquartiere hinauf. 

©lücflicherweife ift Ungarn jeboch, toie im Eingang bemerft, trofc biefer 
innern Berfchiebenheiten, bon einem ©efühle hiftorifcher Berechtigung unb bon 
einem gemeinfamen politifchen Bewubtfein burchbrungen, unb barin liegt feine 
Stdrfe gegen bie herrschen Unterjochung^* unb AeichSeinheitSpläne ber habs* 
burgifchen Spnaftie. SaS bielfache Unrecht freilich, baS ben untertoorfenen 
flabifchen unb rumdnifchen Bebölferungen bon ben Sagbaren früher gugefügt 
tourbe, hat bem öfterreichifchen $ofe es ftets ermöglicht, feinbfelige Spaltungen 
in Ungarn felbft angugetteln, toie ja auch bie Erhebung bon 1848 — 1849 
nicht allein burch ben Anfturm ber faiferlidjen $eer t bon Defterreidh unb Aub* 
lanb, fonbern namentlich auch burch baS ma<hiabelli(iif<h gefchicft betriebene 
Anregen einer flotoafifchen, ferbifchen, froatifchen unb walladhifchen Banbeer* 
Bewegung im Innern gu gall gebracht tourbe. BergebenS tourbe bamalS burch 
bie Aebolution bie politifche ©leichberechtigung aller ungarifchen Bebölferungen 
angeboten. Sie Rührer jener Benbeer*Betoegungen, bon benen bie meiften 
im rufftfchen unb faif. fön. öfterreichifchen Solbe ftanben,.toollten nichts babon 
hören, ebenfo toie bie mit bem St. AnbreaS*örben gegierten Sfchechenführer 
in Böhmen nichts bon ben Anerbietungen ber beutfchen Aationalberfammlung 
hören wollten. SBdre inbeffen nicht gleichzeitig bon 2Beften unb Offen gegen 
bie Ungarn jener hoppelte militdrifche Angriff erfolgt, fo hatten fte ohne3»eifel 
leicht bermocht, fuh biefer inneren geinbe gu ertoehren. So wie bie Singe 
lagen, biente ber flabifch*rumänif<he AeaftionSfrieg im 3nnem als eine gün* 
ftige Siberfion unb ©rmuthigung für bie militdrifchen ©egner auben. Sab 
gleichwohl im 3ahre 1860, unb auch heute toieber, baS ungarifche 
StaatSbewubtfein fo traftboH toieber erftehen tonnte, ift ein Beweis 
bon 3ähi<)feit unb SebenSfraft, wie ihn neuerbingS wenige europaifche Roller 
geliefert haben. 

Aach ber Schablone ber bloben AationalitdtS*Sbeorie Idbt ftch ©uropa 
# nicht gufchneiben. Italien hat, toie bemerft, noch ben beftejt ©runb, biefer 
Sehre auSfchlieblich gu hulbigen; feine Bebölterung ift national bie compaltefte 
in ©uropa, ba fie in ber Sprache nur m u n b a r 11 i ch auSeinanbergeht — 
wenigftenS feitbem baS f r a n g ö f i f ch fprechenbe Sabopen, baS freilich ein 
wichtiges BoUwert war, an granfreich abgetreten ift. granfreich felbft, ob* 
wohl politifch fo auberorbentlich ftraff centraliftrt, enthält bielerlei Aationalitä* 
ten. SaS $o<hfrangöftf<he, obwohl faft ade Stäbte es gleichartig reben, wirb 
im ©runbe nur bon einer Btfnberheit gefprochen. Ser gröbere Sheil beS 
SübenS bon granfreich nähert ftch bialeftifch eher bem 3talienif<ben. An ben 
Bprenden ftpen ferner BaSien, bie, wie bie Albanefen ber Sürfei, „mutter* 


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423 


feelenallein" als verlorene Spracbinfel auf beiben Setten jenes ©ebirgeS 
mobnen. Sobann ift bie feltifcbe Bretagne gu ermähnen, beren Sprache 
leinerlei Segiebung gu ber frangßftfcben bat« ferner baS glämifebe in Norb- 
granfreidb, baS 2)eutfcbe in Glfah unb Sotbringen. Gnglanb feinerfeitS bat 
neben ber angelfä<bftf<ben Nationalität bie tpmrifcbe in SBaleS, bie gaelifib- 
febottifebe neben ber germanif<b*fcbottifcben jenfeits beS $meeb, bie erftfeb- 
celtifcbe neben ber englifdH<bottif<ben in grlanb, abgefeben non ber frangßftfcben 
auf ben normannifeben gnfeln. Selgien bat eine brei Siertbeile ber Sevßl- 
lerung auSmacbenbe flämifcbe Nationalität neben ber mallonif<b*frangßftfcben. 
Selbft Scbmeben unb Normegen ftnb ni<bt Von einer Seimifcbung pnnifdber 
Sappen frei, unb mürbe, maS fonft gang münfebensmertb erfebeint, ginnlanb 
felbft mieber mit Scbmeben bereinigt, fo fßnnte bieS nur im 2Biberfpru<b mit 
ber NationalitätS^beorie geftbeben. Nuhlanb gar ift, nur bon feinen 93e- 
ftpungen in Guropa gu fpreeben, auS einer SNenge Nationalitäten gufammen- 
gefefct, unter benen bie inoStomitifcbe, bie polnifcbe, bie lettif<be, bie 
eftbifebe, bie beutfd&e, bie fumifebe, bie fog. fleinrufftfcbe, bie tartarifebe in 
vielfachen Nbftufungen, bie rumänifebe u. a. genannt merben fßnnen. 
$ie Nnmenbung ber NationalitätStbeorie auf Nuhlanb, unb grnar in ber unbe- 
bingteften Sßeife, märe noch am ebeften gu befürmorten. { 

Obige NuSfübrungen ftnb lebiglicb in ber Nbftcbt gemalt, einen vielfach 
berrfebenben 3frrtbum |u miberlegen, als fei bie „Sßfung ber NationalitätS- 
frage" bie bri n ge nb ft e Aufgabe in Guropa, unb als tonne biefelbe über* 
baupt nach ber ermähnten $beorte in a 11 e n gäHen gelöst merben« Ungarn 
bat in feinem Kampfe gegen baS £auS £abSburg ein gang anbeteS Ne<bt, als 
baSjenige, melcbeS auf ber Serfcbiebenbeit ber Nbfunft unb ber Sprache ruht. 
2Iu<b bie polnifcben Seftrebungen ftnb uns aus gang anberen ©rünben mertb, 
als meil $olen unb Nuffen verfebiebene Slrten votySlaven barftellen. 2)te 
Serbältniffe ber eingelnen europäifeben Söller ftnb gu vielfältig, als bah mit 
einem Stblagmort NUeS abgetban merben tßnnte. $er ©runbfap ber 
greibeit follte in jebem eingelnen galle bei ber Seurtbeilung ben NuSfdblag 
geben« Xit Scbmeig, baS freiefte Sanb in Guropa, ift nicht fpradbiieb geeinigt; 
neben einer Ntebrbeit von $eutfcben mobnen in ber Gibgenoffenfcbaft grango- 
fen, gtaliener unb eigentliche Nomanen« gür einen Sorgug ift es gmar nicht 
gerabe gu halten, bah Sielfpracbigfeit in einem Staate berrfebt; ber heraus- 
bi l b u n g einer 2i t era tu r ift eS menigftenS ni cb t fßrberlidb; unb ba 
bie geifttgen gntereffen borb einmal ihren NuSbrudt in ber Spraye haben 
müjfen, fo ergiebt fleh hier immerhin ein Nachteil. Slber baS ftebt feft, bah 
ein $bett von Stittel- unb faft gang Oft-Guropa in ein gräuliches GbaoS ver¬ 
fallen mürbe, menn bie Noten- unb Spracbenmätelei, mie Siele es tbun, gum 
Neuherften getrieben meroen follte« Gingelne $artieen unfereS SBelttbeileS/ 
mie g. S. S)eutfcblanb, ftnb auf bie Silbung einer gefcbloffenenSollS- 
e i n b e i t bingemiefen, mobei eine unbebeutenbe t f cb e cb i f <b e ßntgretigung 
u. vgl. f<bon mit in ben Jlauf genommen merben muh, um ben feften Seftanb 


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be$ ©angen gu ermatten. Slnbere Steile ©uropa’S, alfo g. 33. Ungarn, »erben 
im ©rohen unb ©angen, obmohl au§ national ungleichen (Elementen gufarn* 
mengefefct, in ihrer bisherigen ©eftalt fortgubeftehen haben, »enn fte nich in 
böHige 3errüttung oerfallen follen. 3)ie #auptfa<he bleibt, bah ber r ep u b l i * 
lanif che ©eift ftch iit 2)eutfchlanb, grantreich, Italien, Spanien, Ungarn, 
$olen, feine gorm fchafft; bie Söfung geringerer SRationalitätSfragen tann 
bann einer fpäteren 3utunft borbehalten bleiben. 


«tilr märmt. 

©et ö<0entt)ättlgc 0 taufe feee dfafeiatiottfe tmb 
älbfocptioti&Sefcee. 

fHaä) sptcfejfot ^ofcit Si^nboII. 

©on $*♦ <9. ©litte in 9>tett>*g)orf. 


$ie. jefct auf bem ©ebiete ber -SRaturforfchung herrfchenbe üWethobe, bie 
nur bie f i n n U <h e 2Ö a h t n e h nt u n g als einzige Ouetle ber ©rtenntnijj 
anertennt, unb fich beS mechanifchen ©yp eriments als ihres £gupt* 
»ertgeugeS bebient, ift ohne 3^eifel im SPrin^ip bie richtige. Sie ift zugleich 
fruchtbar unb guuerläfftg. Sie hat aber gu einem anberen ©ytrerne geführt: 
gur ©eringfehäfcung unb ©ermerfung aller $hätigteit berßinbilbungS* 
traft, ber 2Jtutter ber Spetulation in ber Sßiffenfchaft. 5lber nicht äße 
großen gorfcher ber ©egenmart billigen biefeS ßytrem. $er berühmte englifche 
©eiehrte, bejfen ©orlefung Übersicht* unb $H*ärme*Strablung uns hier be* 
fchäftigen foll, legt ber ©inbilbungStraft einen hohen SGBerthfür bie 
»ijfenfchaftliche gorfchung bei. 2BaS er barüber unb über ben f p e t u l a t i * 
nen $beilber üttaturforfebung fagt, führt uns gugleich am fünften unb 
paffenbften in bie ÜIRitte unfereS Stoffes felbft ein. £ören mir feine eigenen 
SBorte: 

„9Bir haben hier Sltome unb ßMetüle, Schwingungen unb SBetten ge* 
malt, bie niemals ein $uge gefehen, noch ein Ohr gehört hat, uub bie elngig 
burch bie Shätigteit berßinbilbungStraft unterfchieben »erben tönnen. 
S)ieft in ber ift bie gähigteit, »eiche uns in ben Stanb fe&t, bie ©ren* 
gen ber Sinne gu überfchreiten, unb bie ©rfcheinungen ber ficht baren 
jffielt mit benen ber u n f i ch t b a r e n gu oertnüpfen. Ohne ©nbilbungStraft 
hätten n?ir uns niemals gu ben Gegriffen erheben tönnen, bie uns heute hier 
befchdftigt haben, unb je mehr Sie im Stanbe ftnb, biefe gähigteit r i ch t i g gu 
gebrauchen unb mit ben angemenbeten SluSbrüden beftimmte ©erftanbeSbilber 
gu nerbinben, um fo größer »irb baS Vergnügen unb ber ©e»inn fein, ben 
Sie aus biefer ©orlefung giehen." 



„$ie dufteren $hutfa<hen ber Statur finb unjurei* 
cftenb jurSefriebigungbeS®eifteS. Sir fßnnen uns nicht 
bamit begnügen, ju wiffen, baft baS Sicht unb bie Särme ber Sonne bie Seit 
erleuchten unb erwärmen. Sir werben unwiberftehlich getrieben, ju fragen: 
Sa3 ift Siebt, unb WaS ift Särme? unb biefe grage führt uns 
fofort au§ ber Legion ber Sinne in bie ber ßinbilbungsfraft!" 

3)ieS nennen mir bie ö ch te S if f e if f ch a f t, bie ihre hohe 2Riffton 
für bie Senf<hh*it barin erlennt, nicht bloS „bie $hatfachen ber Statur" feftju* 
fteHen, fonbern zugleich ben SJt e n f cft e n über biefelben ju erbe* 
ben, ihmburch bie ©emiftheit beS Sichtbaren bie ©emift* 
heitbeS Unfichtbaren ju geben. $ören mir ben englifchen SJtann 
ber ftriften Sijfenfchaft weiter: 

„Stuf biefe Seife überlegenb unb fragenb, unb ftrebenb, baSjenige was mir fühlen 
unb fehen fönnen, baS aber u n b o 11 ft ä n b i g ift, burch etwas UngefühlteS unb 
UngefeheneS, welches §u beffcn Seroollftänbigung nothwenbig ift, §u ergänzen, 
haben SJtdnner bon ©enie nicht nur baS Sefen beS Siebtes unb ber Sanne, 
fonbern auch burch biefe bie allgemeine Sermanbtfchaft ber Staturerfcheinungen 
jum $b*il crlannt. $ie Är af t ber Statur ift bie Ära ft ber Se* 
wegung, bon welker alle ihre^rfefteinungen nur be* 
fonbere formen finb. Sie giebt ftch tunb in greifbarer unb ungreif* 
barer 9)taterie, welche unaufhörlich bon ber einen gorm auf bie Slnbere über« 
tragen, unb burch bie Seränberung unabläfftg umgebilbet wirb. Sie ift ebenfo 
wirtlich (real) in ben Seilen beS 21 e t h e r S wie in ben Sellen ber S e e — 
inbem bie Settern in ber 2hut nichts 2lnbereS ftnb als bie angehdufte Seme, 
gung gener. 3)enn eS ftnb bie bon ber Sonne auSgeftrömten Sdrmewellen, 
bie unfere Suft erbten, unfere Sinbe erzeugen, unb baburch unferen Ocean 
bewegen. Unb ob fte ftch am Stranbe in Schaum brechen, ober fdjweigenb 
am Sette beS OceanS reiben, ober burch bie gegenfeitige Reibung ihrer Steile 
jur Stuhe tommen, bie Site er eS mellen löfen ftch fcblieftlich in Sellen beS 
2letherS auf, unb gebären fo bie Bewegung wieber, ber fte ihr jeit* 
weiligeS 2)afein entlehnten. 2)iefe Sechfelbeaiehung ift ©efefc ber Statur. 
$ie Statur ift fein 3nfammenhängen unabhängiger 3:heile, fonbern ein 
organifdjeS ©an je. Senn bu ein $iano ßffneft unb in baffelbe hin* 
ein ftngft, fo wirb eine beftimmte Saite antworten. Seränbere bie $öbe beiner 
Stimme, unb bie erfte Seite wirb aufhbren ju fchwingen, aber eine anbere 
antwortet. Seränbere bie $5he nochmals — beibe erfte Saiten fchweigen, 
wdhrenb eine britte ertönt. gnbern bu bie $öhe ber Stimme oeränberft, 
oerdnberft bu nur bie g o r nt berSemegung, welche beine Stimmbän* 
ber ber Suft mittheilen, inbem eine Seite ber einen, bie anbere einer anberen 


gorm entfpricht. Unb fo fingt bie Statur in ben empfinbenben SJtenfchen 
hinein; ber Sehnerb, ber ©ehörnerb unb anbere Sterben beS menfchlichen 
ÄBrperS ftnb ebenfo biete berfchieben geftimmte Saiten, welche auf berfchiebene 
gormen ber allgemeinen Äraf t 2lntwort geben." 


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426 


* 


#ie ^Utßenroelt uni iljre Wahrnehmung. 

©emegung ift bie ©rfcbeinung bei Sebent. 3)ie ganze Statur — oom 
SRenfchen aul fubjectio betrachtet: bie 21 u fj e n m e 11 — ift ©emegung. S)a 
ber SRenfch mitten in berfelben ftebt, ein ^heü berfelben ift, fo muf$ auch ibm 
ft<h biefe allgemeine ©emegung mittheilen. ©I fragt ft<b, auf meld&e SBeife ? 
«3wifcben ber Slufcenmelt unb bem ©eifte bei SRenfchen ftebt bal St eroen* 
fpftern bei menfcblicben ßörperl all oermittelnbel ©lieb. Stur burch bie 
Serben fommt bie Slu&enmelt bem SRenfchen zur SBabmebmung unb zur 
©rfenntnifj." Ohne fte ftdnbe ber SRenfch in einer fürchterlichen Oebe botler 
stacht unb Schmeigen, ober richtiger: er wäre gar lein SRenfch, fonbern nicht 
mehr all ber Stein, an ben fein 3u& ftöfjt. 2)er SRenfch ift bon einer unge* 
beuren SRannichfaltigfeit pbpftfeber Ginfiüffe umgeben, ju beren Sluf* 
nabrne unb SBabrnebmung berfchieben geeignete Sternen unb Ster* 
oengruppen beftimmt finb, bon benen in ber Siegel feine bie anbere bertreten 
fann. SBir feben nicht mit bem Obre, unb hören nicht mit bem Sluge, noch ift 
unfere Sunge empfänglich für bie ©inbrüde bei Sichtet ober bei Schallet. 
2)er Sebnem (optifche Stero), ber bom ©ebirn aul nach ber hinteren SBanb 
bei Slugel läuft unb fuh bort in bie' Stefchaut (retina) aulbreitet, ift trojj 
feiner hoben ©mpfinblicbfeit für bie ©Meinungen ber Sichtzahlung (flehe 
meiter unten) mertmürbig ftumpf für alle anberen ©inbrüde. ©r umfaßt felbft 
nicht ben ganzen ©ereicb ber „(Strahlung", ©inige Strahlen, menn fte ihn 
erreichen, finb unfähig, feine ßraft anzuregen; anbere erreichen ihn gar nicht, 
ba fte bon ben Jlüfftgfeiten bei Hügel berfchludt merben. 2)ocb fteden mir 
§unä<hft — um SUlen berftänblich §u merben — ben begriff ber 

fut)U uni Wärmestrahlung (Stabiation) 

in ber Äürge feft. Sicht unb SBärme fmb bie beiben £auptformen ber Seme* 
gung in ber Statur. SBir [teilen fte uni unter bem ©egriffe oon ftd? oerbrei* 
tenben (aulftrablenben) Schmingungenber tleinften3:hcile (Sltome, SRo* 
lecüle) ber fiörper bar, bie fuh ihrer Umgebung mittbeilen. Sille Körper 
fenben folche ftrabtenbe Schwingungen aul, bie mir, je 
nachbem fte bie Stefcbuut unferel Slugel §um ©mpfinben anregen ober untbätig 
laffen, all f i <h t b a r e Strahlen (S i ch t ftrablen), ober all u n f i ch t b a r e 
ober b u n H e Strahlen (SB ä.r m e ftrablen) bezeichnen. Sille nicht leuchtenbe 
Körper fenben Strahlen ber lefcteren 5lrt aul, unb ba fein Körper in ber Statur 
ab fo lut fall ift, fo nehmen mir an, bafc jeber Äörper in ber Statur 
SB ä r m e ftrablen aulfenbet. 2)amit bie oon einem Körper aulftrablenbe 
SBärme ben Sehnero bei menfcblicben Slugel afficiren, b. b* in ihm bie 
©mpfinbung bei Si ch t e I beroorbringen fonne, rnufj fte eine gemiffe $empe* 
peratur erreichen, ihre Schwingungen müffen — wie wir noch näher feben 
merben — eine SchneHigfeit, $eriobicität, annehmen (beren uni mabmebm* 
bare ©rfebeinüng wir im gewöhnlichen Sehen mit ben Slulbrüden: ~©lüb'en, 
©rennen u. f. m. bezeichnen). 2)ur<b ben $latin*$rabt, burch ben mir einen 



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eleftrifcben Strom fenben, »irb bieS am beften erläutert. (Srfcbeint ber Trabt 
bem berübrenben Singer juerft falt, fo er»ärmt er ftch allmälig, Je mehr bie 
Stärle bei eleftrifcben Strome! »ächft (unb bie Scb»ingungen ber 2 Rolecüle 
bei Trabte! junebmen); bie SBärme fteigt, aber noch bleibt fte unfüblbar; »er** 
ftärfen »ir ben Strom fort»äbrenb, fo »irb nach unb nach bie $ifee bei 
Trabte! bem ginger (b. b* ben © e f ü b 1I neroen) unerträglich, bi! jener 
gulefct bet einer beftimmten Temperatur ein f<b»acbel rotbe! Sicht aulftrablt, 
»eiche! bei fortgefefcter Sunabme bei eleftrifcben Stromei (unb ber S<h»in* 
gungen ber ßftolecüle) bi! &u einem bem Sonnenlichte ähnlichen blenbenben 
meinen ©lanj fteigt. 2Be.i fi erfc&eint ben Sebneroen ber glübenbe Patin* 
brabt, »eil er bie gleichzeitige Bereinigung aller fteben garbenftrablen bei 
pilma ift. Bei allmätigem ßrbifcen bei Trabte! erfebeinen, »ie Tr. Traper 
na<bge»iefen bat, äße 7 garben bei pilma, oom SRotb bil jum Biolet (Orange, 
©elb, ©rün, ©lau, gnbigo) eine nach ber anbem, bem ©rabe ber ©rbifcung 
entfpreebenb. Tiegrage: »al aul ben unfiebtbaren Strahlen »irb, 
»eiche ber Patinbrabt, ehe feine Temperaturerhöhung f i <b t b a r »irb, aul* 
fenbet? »erben mir fpäter babin beantwortet feben, bafc auch biefe ft<b in ber 
Slulftrablung erhalten, unb bie oom Patinbrabte auch bei beffen SBeifjglübbifce 
aulgebenbe Babiation ein©emif<h Don fiebtbaren unb unfid&t* 
baren Strahlen ift. 

jBie fcrri HeftanMbeilr be* Sonnenßrable*. 

Ter Spionier in biefem Bereiche ber Sößiffenfcbaft »ar Sir SBtßiam #erf<bel. 
@r jerlegte nicht nur juerft ben Sonnenftrabl in feine farbigen Beftanbtbeile 
(Sonnen*Spectrum), fonbern entbedte auch mittelft bei Thermometer! ben 
SBärmegrab ber ein 3 e l n en farbigen Strahlen, unb bap beren SBärme oom 
violetten (bem am ftärfften gebrochenen) ©nbe bei pilina’l nach bem 
rot ben (bem am »enigften gebrochenen) ©nbe 3 U zunimmt. Slber feine 
Unterfuchungen fortfe&enb, brachte er balThermometer auch in bem bunflen 
Baum über bal Botb binaul, unb traf fo auf bie wichtige Tbat* 
fache, bap, obgleich bort bal Sicht gänzlich aufgebört butte, bie SBärme 
nicht nur nicht berfch»unben, fonbern ftärfer »ar, all in irgenb einem 
f i ch t b a r e n Tbeile bei Spectruml. Tamit »ar »iffenfcbaftUch feftgefteUt: 
bap bie Sonne auf$er ihren Sichtftrablen eine Btenge anberer mächtiger 
Strahlen, Sßärmeftrablen, aulfenbet, »eiche für unfere Sehkraft 
uölUg un»abrnebmbar bleiben. 

3Xber noch »ar bie Gmtbedung nicht bollfiänbig. Sie »urbe burch ben 
berühmten beutfehen gorfcher bitter fortgefept. 6 r fepte bie Unterfucbung bei 
Zerlegten Sonnenftrablel auf ber anbem Seite, in bie unftchtbare Begion 
jenfeitl bei SB io le tten binaul, fort, unb entbedte hierbei beren ftarle 
ch emif ch e ffiirfung. (Beuerbingl oon Sprofeffor Stofe! »eiter fortgefübrt.) 
©I ftebt bemnacb jefct feft, bafj bal bottftänbige Sonnenfpectrum (b. b. bal 
prilmatifche Söilb bei zerlegten Sonnenftrablel) au! brei beutlieb unterfebiebe* 



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nett feilen befteht, nämlich: 1) aus Ultra-DtothsStrahlen (b. h« bet flürje 
wegen ftatt: je n feit S beS föothen gelegenen), Strahlen non hoher SBdrme* 
traft, aber für baS Sehvermögen ungeeignet; 2) aus leu <h tenb en Strah* 
len, weldbe Die f olgenbe garbenfolge mitabnehmenbemSBdrmegrabe 
jetgen: SHoth/ Orange, (Selb, ©rün, Blau, 3«bigo, Violett; 3) aus Ultra*Biolet 
(b. h* aus eben über baS Violett hinausliegenben) Strahlen, f owohl für baS 
Sluge ni<bt wahrnehmbar, als au (h mit fchwacher SBarmetraft verfehen, ba* 
für aber mit(hemif<b umftimmenber SBirfung begabt* 

Bewegung ber ptolecüle. itlebium ber «Älittbeilung berfelben non 
IRorper ju Körper. #rr Reiher. 

flommen wir auf ben Blatin*$raht jurüd, ber bur<b ben ele!trif(hen 
Strom, bur(h verfchiebene SBärmegrabe binburch bis gu bem bem Sluge fichtba* 
ren, bem ©efühle unerträglichen ©lühen erhifct wirb, fo iönnen wir natürlich 
ber grage nicht entgehen: SBetche 33 e r dnberungen im Drahte 
felbft entfprechen biefem vertriebenen Beth alt en (3u* 
ftanbe) bef-feiben? 

2)ie ber Vernunft einleuchtenbfte Antwort auf biefe grage war, bafe biefe 
Beränberungen burch Bewegung ber ©runbtheilchen (Sltome) 
beS Blatin’S bebingt würben. Schon Sode fagte: 

„SB ä r m e ift eine febr lebhafte Bewegung ber nicht wahr* 
nehmbaren Steile beS ©egenftanbeS, welche in uns jene ©mpfinbung 
erregt, nach ber wir biefen h e i b nennen, ba baS, was nach unferer 
©mpftnbung §ifce ift, im ©egenftanbe felbft nichts als Berne* 
g ungift." 

5)ieS führte auf bie Sinnahme von S <h w i n g u n g e n ber $heilchen 
eines Körpers, welche, je mehr fte — im Blatinbrabt — an Schnelligteit ju* 
nehmen, bie verfchiebenen garben im SßriSma vom SRoth bis jum Biolett her* 
Vorbringen. 

SUIein, mub man bann weiter fragen, was macht biefe o b j e c t i v e n 
Beränberungen im 3)rahte ^ufubjectiv wahrnehmbaren? ober mit 
anberen SBorten: was verbinbet bie Schwingungen im 3)rahte 
mit bem menfchlichen Sehorgan? S)aS ©efühl ber SBärme 
empfangen wir burch wirtliche Berührung beS heibeu ©egenftanbeS mit 
unferen Nerven; aber ber ftchtbar glühenbe Blatinbraht berührt unfere Seh* 
nerven nicht. ©S mub alfo ein SJlittelglieb (SJtebium) vorhanben fein, welches 
feine leuchtenben Schwingungen bem Sluge $ubringt. 

S)ie Beantwortung b i e f e r grage führte §u einer BorfteUung, welche 
Spnball mit Becht „bielleicht ben wichtigen pbpfttalifcben Begriff nennt, 
ju bem ber menfchliche ©eift jemals gelangt fei." ©S ift bie Sinnahme eines 
ben SBeltenraum erjüHenben SJtebiumS, welches mechanifch für bie gortbtl* 
bun g ber Sicht* unb SBärmefcbwingungen gefchidt ift, wie bie atbmoSphdrifche 



Die by L,ooQle 


2u f t für bie SBetlen beS 6 i) a II e 8 , unb welche? matt beSroegen „beit liebt« 
tragenben Sieger" genannt bat. 3« biefem Sieger — fo baten mir uns bie 
(Sache mecbanifdj oorjuftellen — bringt jebet ©tofj eines jeben SltomS unfereS 
SJlatin’S eine SBeHe betöor, welche ibn mit bet ©djnelligleit Bon 186>000 
SOteilen in bet ©ecunbe burdjeilt. ®a biefer Sietbet allen Staunt im SBeltaU er» 
füllt — au<b bie lleinften 3wif<bentäume bet SMecüle aller flBrper, folglich 
auch bie bet Berfdjiebenen glüfftgleiten unfeteS SlugeS — fo begreift es ft<by 
toie bie SBeHen beS glübenben $(atin’3 an ben ©ebnem unfereS SlugeS an» 
fliegen, ttnb in biefem bie ©mpfinbung beS Siebtes bemorrufen tßnnen. 

5Bi3 bietbet ift SlUeS meibanifcbeS ©efeb; aber bei bet weiteren 
Stage: toie bie jum ©ebirn fortgefefcte ©mpfinbung beS Siebtes bort jum 
SBewufitfein be3 Siebtes toirb, fteben mit Bot einem bet Stätbfel bet 
Statur, Bon toeliben fte uns ben ©ebleier ju lüften noeb nicht für gut befunben 
bat. 

fDlan lönnte fomit ginfternifi als Sietbet in Stube, Siebt 
als 21 e t b e r in ^Bewegung befiniren. gn SBabrbeit ift aber bet Sietbet 
niemals in Stube. SBenn bie 2 i <b t toeHen fehlen, butcbeilen SB ä r m e toeHen 
ibn forttoäbrenb. SBeibe klaffen bet SBellenbetoegung Bermifdjen fnb in ben 
Stdumen beS SBeltallS unaufbßrlieb, aber ohne Sterwitrung, bie einen burd) bie 
anberen binburebgebenb, unb buttb ibr enblofeS ©ebtoingen baS erjeugenb, toaS 
tnir bie Semperatur beS StaumeS nennen. 

Stabiation ober Strahlung ift bemnacb bie SDtittbeilung bet 
febwingettben iBetoegung an ben Stetbet, unb unter Slbforption (Sluffau» 
gung, Skrfebludung) bet SCBdrnte oerftebt man bie Uebertragung bet 
^Bewegung Born Sletber auf bie SDtolecüle bet Körper. Sie Slblüblung beS 
©tafeS einer SBiefe in fternenbeller Stadjt gefdjiebt inbem bie SMecüle beS 
©tafeS einen 2beil ibtet ^Bewegung an baS ftebium, in welebem fte febroin* 
gen, abgeben. Sille Gtfebeinungen bet SBdtme ftnb auf biefe SBeife auf einen 
SluStaufeb bet ^Bewegung jurüdjufübren, unb mir felbft werben uns nur als 
©ebet ober ©tttpfänget biefet ^Bewegung bet SBittung bet SBdtme unb flälte 
bewujst. 

S)ie bisherigen ©etraebtungen leiten uns unabweislidj auf bie 

^Uomtn»ytl) rf 

jutüef, bie in ihrer jefeigen gönn als Urheber ben Stamen Salton’S trägt. 
Stach biefet Sehre ift aller Stoff jurüdfübrbar auf gewiffe elementarifdbe 
g ormen, welch* bie Äraft gegenfeitiger Slnjiebung beppen, ttnb 
bie unter geeignetenUmftänben juSterbinbungen jufammenwaebfen, wie 
jwei Sltome SBafferftoff unb einSltom Sauerftoff ju SBa ff er, ober ©blot, ein 
fteebenbeS ©aS, unb ©obium, ein weiebeS SDtetaH, ju unfetem gemeinen fl ü» 
djenfalj, u. f. w. 

©teilen wir uns bie Sltome als Heine Sphären (flugeiformen) Bor, fo er* 
febeinen bie fDtolecüle ober 11 ein ften Z b* i le ber jufammengefebten flßrper 

t 


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wie©ruppenfoleberSpbüten. 3ft mn bie 2ltomenlebre richtig, 
unb ift bic Theorie, bafj ein Hetzer aßen Baum erfüllt unb bag SSt^ilel ber 
atomiftifeben Bewegung bilbet, begrünbet, fo müffen mir mit ©emib^eit ermar* 
ten, bafj bie Schwingungen ber (Elementarforper bureb beren Berbinbun* 
gengrünblicb abgeänbert werben, ober mit anberen Worten, bab in 
Begug auf Babiation uub 2lbforption,. ober bie ÜBittbeilung ber Bewegung an 
ben Sletber unb bag (Empfangen ber Bewegung Oon'biefem, bag Berbalten ber 
unberbunbenen Sltome bon bem ber berbunbenen oerfebieben fein 
mujj. S)ab bieg fo ift, ift bureb treffliche (Experimente alg wiffenfcbaftliebe 
^atfad&e feftgeftellt worben. Tag (Efperiment — welcbeg TpnbaH febon „eine 
grage an bie Batur" nennt — ift ber ©langpunlt ber ntobernen Wiffenfcbaft! 

Tie mit ber 2lb forption ber Wärmeftrab len bureb Per* 
febiebene ©afe angeftellten (Experimente führten gur (Entbeefung ber 
auberorbentlicbften Berfebiebenbeit ber gäbigfeit ber Biolecüle berfebiebener 
©afe. (Berbinbungen elementarifeber Stoffe), bie fte treffenben Wärmeftrablen 
entmeber bureb gulaf f en (weiter gu geben) ober in fub aufgunebmen 
(gu berfcbluefen).' Tie bureb biefe Berfuebe gewonnene Scala geigt — bie 
Bbforptiongfäbigfeit ber atmogphärifeben Suft alg (Einbeit angenommen — 
ben ungeheuren Slbftanb bon 1 für Suft (Sticf^ unb Sauerftoffgemenge), 
Sauerftoff, Sticfftoff unb Wafferftoff, big gu 6480 für febmefelige 
Säure, mit berfebiebenen Btittelgliebern. Wäbrenb alle in biefer Tabelle 
aufgefübrten ©afe für bie Stellen beg £ i cb t e g böllig burebbringbar 
ftnb, b. b- biefe ohne ^inbernife b u r <b l a f f e n, oerfeblucfen fte bie Wärme* 
ftrablen mit mehr ober weniger Bollftänbigfeit, wogegen eg fleh ergiebt, bafe 
bag ©ernifcb bon Stidtftoff unb Sauerftoff, bag wir atmogpbärifcbe Suft nennen, 
für bie Wärmeftrablen faft ein bollfommeneg Bacuum ift, b. b- fte ungebinbert 
burebläfct. (Ein in jener Scala aufgefübrter Stoff legt babei ben feblagenbften 
Beweig für bie Behauptung ab, bab äße Beränberung beg Stoffel bon ber 
atomiftifeben Hnorbnung ber (Elemente eineg ßörperg abbängt. (ES ift bieg 
bio unter bem -Warnen „2aeb*©a£" fo populär geworbene Berbinbung bon 
Sticfftoff unb Sauerftoff (Sticfftoff, Oxpbul, Bitroug Oxibe—N. O.), welebe, 
aug benfelben (Elementen beftebenb wie bie Suft, nur in berfebieben Tbeifoer* 
bdltnijfen unb nicht im ©emifcb, fonbern in ebemifeber Berbinbung, in Begug 
auf feine gäbigfeit, Wärmeftrablen gu abforbiren, ftcb gur atmogpbdrifeben Suft 
berbdlt wie 1800 gu 1.. 

gragen wir: wag wirb aug ber Wellenbewegung ber bon ben ©afen ber* 
feblueften Wärmeftrablen? fo haben wir barauf gu antworten: Sie erhöbt bie 
Temperatur ber ©agmolecüle — bie Bewegung wirb in Wärme 
um gef efc t. 





m 


431 


$tx ^riefhaßnt öcr ptaöoitna. 

3uliatt SBcrucr. 

(gortfefcung.) 


6 , 3m Gonoent. 

2 )i<bt bei ber Ambe Mabomta de la compania, nur bur<b eine 
enge ©trabe unb hohe 2Jtauer oon ihr gefcbieben, liegt ber Gonüent ber front* 
men SBäter oon ber ©efedfcbaft 3 efu. ©g ift ein alterthümlicheg unb mafftoeg, 
au3 ber früheften 3eit ber fpanifcben Golonifation ftammenbeg ©ebäube, mäh- 
renb bie baju gehörige Aircbe, ju Anfang beg 19. 3ah*bunbertg burcb eine 
geuergbrunft gerftort, in leichterem unb mehr mobernem ©tple mieber aufge- 
führt mürbe. $urcb eine eifenbefcblagene Pforte gelangt man in einen meiten 
4>ofraum, an beffen hinterem Gnbe ft<b bag §meiftöc!ige, aug grauem ©anbftein 
erbaute, mit £hürm<bcn unb Grfem üerfehene «gauptgebäube erbebt, melcbeg 
bem Oberen unb ben Sörübem ber ©efetlfcbaft jur SBohnung bient, jugleicb aber 
ein geiftlicbeS ©eminar enthält, beffen 3 öglinge ebenfalls jum groben ^eil 
hier ihre Quartiere haben. 

£atte ber Gonbeni ber frommen Später bon 2Jtabbnna de la compania 
fdjon faft feit einem Pollen 3&b*bunbert für ben 2Jtittelpunft beg religiöfen 2e- 
beng GhiliS gegolten, fo mar bieg in noch erhöhtem ÜJtafje ber gall gemorben 
feit $ater Ugarte ftch $ur oberften Seitung beffelben emporgefcbmungen. Alg 
junger ©eiftlicber, einem portugieftf(ben Abelggef<ble<bt entfproffen, mie man 
miffen modte, mar er nach ber SBeftfüfte ©übamerifag gelommen unb hatte f«b 
nach turpem Aufenthalte in einem Alofter fiimäg nach Ghili begeben, mo er alg* 
halb im 3 *f«itenconbent ©antiagog Aufnahme gefunben. ©ein tlarer, burcb- 
bringenber $erftanb, fein energifdjeg SBefen, feine umfaffenbe 93ilbung unb 
fein unermüblidher Gifer für bie 3 *dereffen ber Äircbe unb ingbefonbere bie ©e- 
feUfcbaft 3efu, erregten balb bie Aufmerffamfeit feiner ^orgefepten in um fo 
höherem ©rabe, ba biefe Gigenfcbaften unter ber ©eiftlid&leit ©übamerifag, bie 
ft<b meift au g ben minber tauglichen ©liebem beg fübeuropäifdhen Glerug re* 
frutirt, nicht allju häufig anjutreffen fmb. 2 )er junge $ater marb balb oon feinen 
älteren Srübern mit ben fehmierigften Aufgaben betraut, bureb 30 g bag 8 anb $mi- 
feben ben ©eftaben ber ©übfee unb ber Gorbillere oon Aorb nach ©üb, Port Oft 
nach 2 öeft, unb marb mit beffen ürdhlichen unb politif<ben$erbältniffen fo genau 
betannt, bah meber in ber einen noch in ber anberen Aidptuug irgenb etmag ohne 
fein SBormiffen unb feinen 9tath gefebeben lonnte. 3 mei 2 M reifte er in 
mistigen SWifftonen feinet Orbeng nach 9tom, unb auch bort gelang eg ihm, 
fub bag Vertrauen feiner SSorgefefcten, fomie ber höcbften lirdhlicben SBürbenträger 
gu ermerben. A(g enblicb bie ©teile eineg oberften Seiterg beg Gonpentg $u 
©antiago erlebigt mar, marb fßater Ugarte mit berfelben betraut, obmohl ältere 
trüber beg Orbeng nähere Anfprücbe barauf gehabt hätten. Ugarte rechtfer¬ 
tigte bie in ihn gefegten ©Wartungen. Unter feiner Leitung erhob fub bet 


•8 




432 



©onbent wiebet gu ehter Sebeutung, wie et pe bor gwei gahrhunberten, balb 
nach Sepfcergreifung beS Sauber burch bie Spanier, befeffen, bann aber, 
hauptfädplich burch bie Sdpulb unfähiger unb Idfftget OrbenSglieber, immer 
mehr eingebüpt hatte. Ugarte hatte fein geringeres 3tel bor Slugen, als aßen 
ßteichthum, äße politifdpe ßßadpt beS SanbeS im Sdpoop ber fiirche gu concen* 
triren; bom ßtefeftorium beS ©onbentS aus Wüßte er baS republifanifdpe 6hiU 
beherrfdhen, wie nur ein gürft bon (Sottet ®naben fein angeftammteS 9tei<h 
beherrfdpen mag. greilich fteßten pdp ihm gar manche £mberniffe in ben SBeg. 
3)a er, trofc aßet fonftigen SBorpcht unb Klugheit, getreu einer ©rimbregel beS 
OrbenS, in ber 2Babl feiner SWittel nidpt aßgu ffrupulöS war, fanben feine mit 
ber 3eit immer gasreicher werbenben ®egner leicht ®elegenheit, ihn an einer 
bermunbbaren Steße angugreifen unb feine Autorität gu erfdpüttren. Selbft 
im Schoop ber ßirdpe, ja fogar in ber ©emeinfdpaft feines eigenen OrbenS, 
fehlte es nicht an Solchen, bie mit ben 9Jtapnahmen beS pterS ungufrieben 
waren unb eine SSephränfung feiner 9Jta<ht berlangten. 2)iefe Ungufriebenheit 
hatte fich bereits über bie ©rengen beS SanbeS berbreitet, ja fogar an bem Weit 
entlegenen Stammpfc ber Äirdpe ©ehör berfdpafft, unb wenn man pdp auch in 
SRom noch nicht entfdploffen hatte, einen offenen $abel gegen baS Vorgehen beS 
noch immer bodpangefehenen pterS auSgufpredpen, mochte eS bo<h wohl im 
Stißen nicht an Tarnungen, bießeidpt felbp an leifen Slnbeutungen beS 2Hip* 
trauenS gefehlt haben. pter Ugarte war jebodp nicht ber üßtann, ber p<h burdp 
bergleichen anfechten liep. Sein entfdploffener ©harafter, fein herrfchfüchtigeS 
SBefen bulbete feinen SBiberfpruch, mochte er bon einer Seite fommen bon 
welcher er woßte. ©r hatte pch burch überlegene ©eifteSgaben unb unermüb* 
lidpeS [Ringen eine Steßung erobert; — biefe Steßung foßte ihm -Jtiemanb er* 
fchüttern, fo lange er nur felber bie ßraft befap, pch in ihr gu behaupten* 

$)ie Strahlen ber h^ßen ÜUtittagSfonne faßen burch bie bogenförmigen 
genper in ein geräumiges ©emach beS ©onbentS; pe Werben burch bie tbeil* 
weife borgegogenen grünen ©arbinen gwar gemifbert, hoch nicht gang gurücfge* 
halten. 2luf bem mit weipen Söinfenmatten belegten 93oben geichnen pe aßev* 
lei giguren ab, beren Umriffe pch burch jeben bie ©arbinen bewegenben Sufthaudp 
beränbern. S)ie ffiänbe beS ©emachs püb mit getäfeltem £olgwert bebecft, unb 
bie mit blenbenb weipem fialf übergogene $e<fe ip mfipig gewölbt. 2)ie 2lüS* 
Pattung entfpricht ber Seftimmung beS ©ebäubeS; pe ip fern bott jebern 
SujuS, boch folib unb gebiegen. 2)en mittleren [Raum nimmt ein mächtiger 
SSifch ein, bie Patte mit grünem 2öadpStaffet übergogen. 2luf bem £ifdpe 
liegen Bibeln, mit reifem ©inbanb bergierte SlnbadptSbücher unb betriebene 
[Kappen, mit papieren gefüllt; auch fehlt es nicht an eleganten unb gefdpmacf* 
boßen Schreibmaterialien. 2ln ben üffiänben umher ftehen eine Slngahl grüner 
Sebecfeffel. $en wefentlidpften Schmuc! beS Raumes bilbet ein 9Rabonnenbilb, 
welches in einer ÜRifdpe ber £auptwanb aufgefteflt ift. ßünftlidpe [Rofenguir* 
janben umfdplingen baffelbe, unb bicht babor auf einer Keinen ©prabe brennen brei 
geweihte ffiadpsfergen, beren ffimmernbeS Sicht pch bon bem bunfleren hinter* 



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grunb beS ©emachs trofc ber auf bcm 93oben fpietenben Sonnenftrablen beutlicb 
abbebt, unb einen feierlichen Schein über baS babinter ftebenbe 9RuttergotteS* 
bilb mirft. 2)ie gegenüber beftnbliche Aknb mirb jurn groben $beil non einer 
mächtigen fiarte SübamerifaS bebedt. 3mei bogenförmig gemölbte, auffallenb 
fdbmale $büren liegen in tiefen Üftifcben, unb über jeher berfelben erblicft man 
ein ßrucifiy mit bem gefreujigten §eilanb. 

3>oct geriefter befinben ft# in bem eben gefcbilberten [Raunt. 3n einem 
bubt an ben $if# gerüdten Seffel fxfet ein mobl a#t$igjdbriger ©reis Don über* 
aus ebrmürbigem, milb*f«unbli#em Anfeben. Unter bem f#marjen Sammet« 
ldpp#en queUen no# einige Silberloden beroor, unb ber f#neemeifje $art 
reicht toeit über bie öruft hinab. SDie 3üge ftnb Dermittert, aber baS Auge 
ift noch bell unb freunblicb unb Don bejaubernber Sanftmutb. $ie Haltung 
beS ©reifes ift nur menig gebeugt, unb ber amif#en feinen ßnieen rubenbe 
Ärüdftod febeint mehr ber größeren Sicherheit megen als aus unbebingter Aotb* 
menbigleit benufct ju merben. $ater 2)iego, baS dltefte SRitglieb beS ßonDentS, 
mürbe febon als fol#eS eines groben AnfebenS genießen, menn er fuh nicht 
auch gugleich bur# feine feltene «ger^enSgüte unb ungebeuchelte grönimigfeit, 
burch bie aUe SMffonansen auSglei#enbe Harmonie feines SBefenS, burch bieder* 
fobnlichfeit feines ßbaralterS bie aufrichtige Siebe aller 2)erer ermorben, bie ihm baS 
Schidfal auf feinem meiten SebenSmege entgegengefübrt. ßr mar in biefer 93e* 
jiebung baS gerabe ©egentbeil feines baS Sintmer mit über bem [Rüden ge« 
freujten £dnben burchmeffenben Oberen, beS $ater Ugarte, beffen dufcere ßr* 
fcheinung uns nicht mehr fremb ift, ba mir ibm bereits in einem abgelegenen 
Xbeil ber ßSquina begegneten, mo er eine lurje Unterrebung mit bem ©aucho 
©il $ere$ pflog. 2)er Diel gemanbte, aber auch Don mablofem ßbrgeij unb 
unbefchrdnfter £errf#fu#t befeelte SBorfteber beS ßonoents mürbe fleh laum 
feit nun f<hon faft gmanjig 3abren in feiner Stellung ju behaupten Dermo#* 
haben, batte er nicht in 23ruber 2)iego einen fo allbeliebten, uneigennüfcigen 
greunb unb ©eratber §ur Seite gehabt, beffen unerfchütterliche [Ruhe f#on 
manchen beraufjiebenben Sturm befebmoren, beffen unroiberftebli#e greunb» 
lichleit manche brobenbe ©efabr binmeg gefächelt. 

2>er leibenfchaftliche ßbaralter UgarteS Derleugnete fi# auch in biefem 
Augenblid nicht. Seine Schritte maren auffallenb rafch, feine Augen fin* 
fter unb mifmtutbig, auf feiner Stirn lagen bi#te Salten, ßr fpra# jiem* 
ich laut unb heftig, unb ber Xon feiner Stimme Hang beifer. 

„ßr lommt ni#t_er labt auf fuh märten-mir harren DergebenS. 

ßS ift lein ©runb für fein langes Ausbleiben — lein ©runb, als bie mobl 
überlegte Abft#t mir ju f#aben, mein Anfeben ya untergraben, 2Rifjftdnbe 
unb gehler ju entbeden, bie ihm eine 2Baffe gegen mich in bie £dnbe liefern 
mögen." 


„ßS mar eine ftilrmifche, entfefcenoolle Aa#t", entgegnete ber ©reis. 
S)er ©ampero braufte mit unerhörter 2öutb, unb bie fünbflutbartigen [Regen* 



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göffc mBgen bie ffiege in ben tiefgelegenen Sampa! gan§ unter ffiaßer ge*» 
fefct haben." 

„2lber er batte fchon geftern Mittag, lange bor Uu!bru<b be! Sturme! 
hier fein muffen, menn er meiner Sffieifung gefolgt mdre. 2)a! ift e! eben: 
er trofct meinen jffiißen, er gefallt ftd? in feiner Unabhängigst, er miß mir 
jeigen, ba& ich leine Uftacht über ibn habe. 3$ mar berblenbet, gerabe ibn 
nach Secoleta $u fenben, mo er ftch einen ®nblic! in meine $ldne berfd&aßen 
lann, ber mir leidet berberblich merben mag. $ätte ich nicht felber geben 
ober menigften! einen Slnberen mit biefer »ertraulichen SWiffton beauftragen 
lönnen?" 

„$u burfteft ibn nicht umgeben, nacbbem er felber ben ffiunfcb au!ge* 
fprod&en, ba! ßlofter oben in ben Sergen $u befudben." 

„3$ burfte nicht ? 3ft meine 2ßacht fchon fo befchrdnlt, baf$ mir nicht 
einmal bie Verfügung juftebt, tiefem ober Qenem eine Senbung, einen befon* 
beren Auftrag anjubertrauen ? ßßufj ftch ber Sorfteber be! ©onbent! ben Sau« 
nen beg jüngften Orben!bruber! fügen ?" 

,Manuel ift jung an Qabren, aber reif an ©rlenntnijj unb ftarl im 
SBißen." 

„6o ftarl, baj$ er bereit! leinen anberen Sffiißen mehr über bem feinigen 
anerlennt." 

„£at er ftch eigenftnnig ober unerebrbietig ermiefen ? SDticb moßte bisher 
immer ba! ©egentbeil bebünlen." 

„SBeil S)u ibn nach bem äußeren Schein beurtbeilft. ©r ift ein gleifc 
nerifcher Heuchler, ber $onig auf ben Sippen, aber ©ift im ^erjen tragt, 
deiner bon ©udb lennt ibn, er täufcht ©ucb 2lße;—ich aßein burchfchaue ibn." 

„Sruber, S)u bift ungerecht! 55u begirtnft mit bem barten Urtbeil, ohne 
bie begrünbete Hnllage borau^ufchidten." 

„2Ba! nufct bie Blnllage? 2Ber foß rieten jmßcben ibnt unb mir? ÜRo$. 
habe ich leine banbgretflichen Semeife, nur eine innere Stimme toarnt mich bor ibm 
©r ift mein Seinb, er fucht mich ju berberben, aber feine Schlauheit Idfct ibn fo 
bebutfam $u SBerle geben, ba6 e! mir nie gelingen mirb, ibn eine! mirlli$en 
Vergeben! ju überführen. SBäre er minber fchlau unb borftchtig, ich mürbe 
mich feiner fchon längft entlebigt haben." 

„ßeine Uebereilung, Ugarte! Sebenle bie bringenben ©mpfebfungen au! 
JRom; ÜDtanuel tarn im au!brüdtli<hen Sluftrag be! bochmürbigften Sater*©ene* 
ral! hierher. ©! bie|e ber böchften Slutoritdt trogen, moßteft S)u feinem fer* 
neren Serbleiben im ©onbent £nnberniße entgegenfteßen." 

„S)a! ift e! eben, ma! mir ihn fo berbafct, fo unerträglich macht 1 /' rief 
Sater Ugarte. ,,©r ift hierher gefanbt, mich ju übermachen, ein unerfahrener 
Jüngling ben gereiften üßann! ßßebr al! brei&ig 3abre habe ich weine beften 
Kräfte bem 2)ienft unferer heiligen Kirche in biefem entlegenen SBinlel ber 
©rbe gemibmet; treu unb gemißenbaft harrte ich «ater ben fchmierigften Ser« 
bdltnißen auf meinem Soften au!, jebe! eigene Qntereße bem groben ©emein* 


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tüefen opfernb. 9lun, b a enblidj bic größte meineg unermübtiChen ©Chaffeng 
gu reifen beginnen, ba eg mir na(b gahllofen Kämpfen gelungen, ben ©nflub - 
ber Kirche auf bie ©efChide biefeg Sanbeg ftcher gu ftellen, mißtraut man 
meinem reblichen SBillen, meiner gähigfeit, finbet eg nicht langer ftattbaft, 
bab ich nach eigenem ©utbünfen »erfahre, fonbern bemüthigt mich burch Hb* 
fenbung eine! überfTüffigen [Rathgeberg, ber ftch fchon im erften gahre feinet 
£ierfeing anrnabt, biefeg Sanb unb feine »erhältniffe beffer gu lennen, alg ich 
felber, eineg heinttüdifchen ©piong, ber meine Üffiorte unb $anblungen be* 
lauert, um fte entftetlt meiter gu tragen unb meinen geinben gefährliche SBaffen 
baraug gu fchmieben! D über biefen fchnöben Unbanl, biefeg unnatürliche »e* 
»ormunbunggfpftem, bag {eben Mm ber ©elbftachtung, ber ©elbftthätigleit er« 
ftidt!" 

„[Rieht alfo, »ruber, nicht alfo!" »erfefcte fopffChüttelnb ber ©reig, inbem 
er mie mabnenb unb abmehrenb bie gitternbe [Rechte augftredte. „S)u thuft 
Manuel Unrecht, S)u »erfünbigft S)iCh gegen unferen heiligen Orben. ©oU i(h, 
ber fchlichte, altergfchmaChe Orbengbruber, S)ir, unferem erleuchteten, in ber 
güHe ber Äraft ftehenben gührer unb »orbilb, feine erhabenen 3^ede, bie 
Mittel unb SEBege, bereu er fi<b gu bebienen pflegt, in’g ©ebächtnib rufen ? 
2Bir ftnb nur Htome eineg meltbcmegenben ©angen, ©lieber einer ben ©rbbaU 
umfchlingettben $ette; aber ohne bie Shätigfeit beg Htomg fänte ber SBeltlauf 
gum ©tillftanb, unb memvein eingigeg ©lieb ft<b loglöfte, märe eg um ben 
#a(t ber ßette gefächen. 2)arunt ©ebulb unb Hugbauer, ©eborfam ben 
Oberen, $reue bem Orben. geber ftrebe gum ©angen unb erfülle feine Pflicht 
getreulich big an’g ©tbe. Gg mirb »on ung bereinft [ReChenfChaft »erlangt, hier 
unb bort; — mohl Stern, ber fte mit gutem ©emiffen unb freubigen $ergeng gu 
geben »ermag!" 

©n hcüeg ©lodChen ertönte. Ugarte trat an’g genfter unb fdhob ben 
grünen Vorhang etmag gurüd. 

„S)a ftnb fte!'' rief er lebhaft. „SRanuel unb ber 2Jtejsner gelippe reiten 
foeben in ben #of.</ 

„gCh mubte, bab er heute noCh fommen mürbe", »erfefcte S)iego. „[Rimm 
ihn freunbliCh auf, befämpfe 2)einen Unmuth unb höre feinen »eriCht. © barf 
ben fdhlimmen Hrgmohn nicht ahnen, ber Steine »ruft gegen ihn erfüllt. £hu T 
eg mir gu Siebe, Ugarte! Uebe SRaChftcht unb fei »erföhnlich! 

S)er $rior beg Gonuentg brüefte bie $anb beg ©reifeg. ,,S)u lennft 
mich, S)iego; iCh meib mich gu beherrfchen." 

SBenige Hugenblicfe fpäter melbete ein Saienbruber bie Hnlunft beg $ater 
ÜJtanuel. Ugarte erklärte ftch gu feinem Empfang bereit. Ster junge »riefter trat 
in bag ©emaCh, »erneigte ftcb ehrerbietig »or bem $rior unb fübte $ater 
S)iego bie ihm freunbliCh jum ©rub entgegengeftreefte [Rechte. 

„Sei mir gegrübt, »ruber SWanuel, S)u bift lange auggebfieben", fagte 
Ugarte im $one fühlen ÜEBohlmoUeng. 


„SEBir maren S)einetmegen fChon recht in Sorge, mein Sohn", fefcte 

29 


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iCl 


436 • 


1 


2>iego liebrei$ bin$u. „©emifi but 2)ich ber ©turnt überragt utib teilte Steife 
bewert." 

,,©o ift eS, mein Bater. ©S mar ein unerhört fdbaurigeS Unmetter, baS 
geftern 2Ri(tag über bie BumpaS IcSbracb. 2Bir tarnen Dom regten SBege ab 
unb fud&ten ftunbenlang nach ber ©fiancia. 3um ©lüd erteilten mir uor 
©nbrudb ber Bacht eine bon 5)on ©Scooebo’S §acienbaS, mo uns bie guten 
BdcbterSleute ein treffliches Nachtquartier bereiteten. Sange bor ©onnenauf* 
gang braten mir beute mieber auf, mußten aber auf Ummegen bie ©trabe §u 
geminnen fuchen, ba bie BumpaS noch auf meite ©tredeit unter SBaffer ftan* 
ben." 

,,©S mar $on ©ScooeboS £acienba, auf ber 3br bie Nacht ^brachtet ?" 
fragte ber Sßrior überrafcht. 

„$iefelbe, bie er mit feiner jungen ©attin ju beheben gebeult. 2Ran 
traf bereits ade Vorbereitungen ju feinem empfange." 

„$aS ift ja ein recht munberbareS 3ufummentreffen", meinte Ugarte, 
ben forfcbenben Blicf feft auf ben jungen ^riefter geheftet. 

„dRabonna butte ftchtlich unfere ©cbritte gelenft", fuhr biefer unbefangen 
fort. „$Bir mürben bfe fcbredenSoode Nacht unter freiem $immel faum 
überftanben buben. UeberbteS maren mir nicht ftcber bor rduberifchem 
Ueberfad. $ie Banbe BuSqualeS ift aus ben ©ebirgen berborgebrochen unb 
treibt in ber Umgegenb bon Sa [Recoteta ihr dßefen, fod ft<b fogar fchon in. bie 
BampaS berabgemagt buben. Mehrere Neifenbe ftnb überfallen unb auSge* 
ptünbert ober gefangen genommen morben, um ein Söfegelb ju erprejfen. 3 n 
Sa Becoteta hegt man emftliche Befürchtungen. 2)er ebrmürbige Buter ©uar* 
bian Id&t 3)i<h bitten, bei ber [Regierung auf fofortige ©ntfenbung einer Keinen 
$ruppenma<ht jum ©cbu| beS ßlofterS gu bringen, baS, ohne BertbeibigungS* 
mittet, bei einem Ueberfad mit adern mertbboden Beftfc eine leichte Beute ber 
Banbiten merben müfcte." 

„$a ift ©efahr im Befuge", entgegnete Ugarte. „3<h lernte BaSquate; 
er mürbe nicht anfteben, feine rduberifche £anb felbft an baS ©igentbum ber 
Kirche ju legen. 3cb mufs noch beute mit bem Bruftbenten reben. SGBie ftebt 
eS fonft in Sa Becoleta ?" 

„Seine Aufträge, ebrmürbiger Buter, ftnb bodfübrt, mie ich buffe, §u 
deiner 3ufricbenbeit", fagte ÜRanuet, einige Bupiere aus feiner Brieftafcbe 
nebmenb, bie er bem Brior überreichte. „Siefe Briefe unb Socumente merben 
Sir bemeifen, baf$ ich mich in 2ltfent beftrebte, deinem 2Biden gentdp su banbeln. 
Sie Berbaltnijfe ju Sa Becoleta ftnb in jeber «ginftcht befriebigenb. SaS filoffcer 
rnöcbft unb gebeibt; eS geftattet ftch immer mehr $u einer feften 3mingburg 
unfereS göttlichen ©laubenS, junt unerfchütterlichen $ort ber heiligen Äirche 
unb ihrer ©etreuen. Brüher SUoarej bermaltet baS fchmierige 2lmt eines 
Bater ©uarbian mit feltenem (Eifer unb hoher SBeiSbeit; er ift feinen Unterge* 
benen ein leuchtenbeS ©jempel, ein unablafftger ©pom, aden ©laubigen aber 
ein gütiger Bater unb meifer Berater. ©S mar feine Slbftcbt, in ben ndchften 


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SEBochen jur Stabt $u tommen, ba er mit Sir ju reben wünfcht; meine SKiffum 
bewog ibn jeboch, biefen Stefuch auf gelegenere 3«t ju öerfchieben." 

„Jft ber fd&riftlicbe 5ßerlet>r mit ber SDlutter ©otteS aui in feinem SBejirt 
in’8 Sieben gerufen ? $at er bie ibm anempfohlene Sluffotberung an bie grauen 
unb Jungfrauen beS ©ebirgSfprengelS erlaff eji ?" 

„SaS ift eS eben, ebrwürbiger Sater, worüber et mit Sir ju beratben 
wünfchte." 

„Setathen ? Gr bat meine Slnotbnung in SoUjug ju fefcen." 

„Gr unterließ e§ aus gewichtigen ©rünben, bie et Sit but<b meinen Stunb ' 
tunb tbun labt." 

„Sab böten!" 

„Sater Sltoarej begweifett bie Smecftttäjjigteit biefer fDtaßregel; fa et gebt 
weiter unb hält fie gerabeju für eine gefährliche, bie baS Slnfeben ber .Kirche 
erfcbüttert unb ihr einen Sbeil beS SobenS raubt, ben fie nach ferneren Kam» 
pfen in biefem Sanbe errungen." 

„Seere Sefürdjtungen, leine Seweife!" 

„Stenn eS ficb auch nicht leugnen Iaffe, bab fie unter bem weiblichen Sbeil 
ber Sepölferung groben Slntlang unb willigen ©eborfam flnben werbe, ftebe 
boch »on Seiten beS männlichen ein ebenfo entfchiebener SBiberftanb in SluS* 
ficht. GS würben babei im Schoobe ber gamilien Gonflitte b«tPorgerufen, 
welche bie religiöfe ©efmnung beS SolteS untergraben, bet Kirche nachteilig, 
bem Orben aber gerabeju oerberblicb werben mübten. Sei ber Sanbbeoölfe* 
rung werbe biefe SGBirfung ganj gewib eintreten; eS fei jeboch feine fefte lieber* 
jeugung, bab fte auch in ben Stäbten nicht auSbleiben tönne." 

„ÜJleine Jbeen! ©anj meine Jbeen!" murmelte leife Sater Siego, ber 
bet ruhigen JRebe beS jungen DtbenSbruberS mit grober Slufmertfamteit ge* 
laufcht hatte. 

„Seine Ginwänbe überjeugen mich nicht," fagte ber ißtior fcharf unb 
feft. „Steht bie Autorität bet Kirche bei biefem Solle auf fo fchwadben gäben/ 
bab f ie nicht einmal in Singen, bie nur ben ©lauben angeben, ihre ©ebote 
butchjufehen »ermag ? Sollen wir bie ganje aOlachtftellung, ben unberechen* 
baren Gihflub, welchen uns bie Staßregel fichert, opfern, weil ihre Surch* 
führung einige Kämpfe toften mag, weil unfere ©egner, bie ftcb burch fie »on 
allen Seiten bebrobt fehen, benen wir bie SebenSaber unterbinben, heftigen 
ÜJJfberftanb leiften werben ? Sie Kirche unb ihr Stecht — unb wenn bie Grbe 
barübet in Stümmet fiele!" 

„3<b habe $ater Sltoarej bas 2lHe8 auSeinanber gefefet, habe bie 2Jtaß* 
regel träftig »ertheibigt, er aber beharrte auf feinet SDteinung." 

„Unb ich auf ber meinigen. ©enug baoon! Jch werbe bem Sätet ©uat» 
bian meinen Sffiillen nochmals in entfchiebener Steife tunb thun; er weiß bann, 
WaS feines SlmteS ift." 

„SBenn Su ihm Seine Sefehle jugehen läffeft, berüdfuhtige jugletch biefen 
Stief, ber mir ju Sa Secoteta burch einen auS bem Sorben angelangten Steten 



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438 ' 



eingehdnbigt mürbe", fagte Manuel mit fd&einbarer $uhe unb ©leichgültigfeit, 
bem Sßrior ein lleined gufammengefalteted Rapier überreid&enb. „2)tan fagte 
mir, fein Inhalt er^eifc&e fchleunige drlebigung. 3$ glaubte internem 
Sinne gu hanbeln, inbem ich ibn erbrach unb einftmeilen bie nötigen 
Verfügungen traf, bie jje^t deiner Veftdtigung harren." 

Ugarte ^atte ben ©rief ergriffen. Sie Huffchrift fchien ibn ftufcig gu 
machen. <5r rnarf Manuel einen prüfenben Vlidt gu, in meinem fidb ÜJli&trauen 
audfprad?. Ser junge ^riefter trug jebod) eine folche Unbefangenheit girr 
Schau, bap ber bei bem Sßrior auffteigenbe Slrgmohn aldbalb mieber fchmanb. 
©r entfaltete ben ©rief unb lad. Schon bei ben erften 3etlen gerietb er in 
bö<bfte Veftürgung. 

„£a, eine unermartete Srauerlunbe!" rief er,> mit ber §anb rafdh nach 
ber Stirn fabrenb, bie Sippen bebenb, bad 3luge ftarr auf ben Vrief geheftet. 

„2Bad giebt ed? 2Bad melbet ber Vrief?" fragte ber greife Vruber 
Siego, bem bie plöfcliche Verdnberung im SBefen Ugarted nicht entgangen mar. 

„Sie Nachricht mirb Seinem milben$ergen mebe tbun, ebrmürbiger Vw# 
ber", verfefcte Vtanuel.’ „6in erbbeben bat bad ßlofter San Vofario gerftört. 
Ser Vrior unb einer ber Vrüber haben ihren Sob gefunben. Vebro melbet, 
baf* mir er unb ber Pförtner bem Verh^ngnip glücflich entronnen feien. 2luch 
eine bem SBabnfmn verfallene Sc&mefter, bie bort verpflegt mürbe, blieb unver* 
febrt. Sie ©eretteten, für bie ed in jener unmirthlichen ©egenb lein anbered 
Obbach giebt, haben ft<b nach 2a SRecoleta gemenbet, mo fie ftünblidj eintreffen 
mögen. 3u ihrer Aufnahme, befonberd gur Verpflegung ber Uranien, mürben von 
mir einftmeilen bie nötigen Vorlehrungen getroffen." 

Ugarte'd bleichet Slntlifc hatte ft<b mahrenb bed 2efend noch mehr entfärbt. 
Obmohl er langft bamit gu Gnbe fein mufjte, ftarrte er noch immer auf bad 
Rapier, unb nur gang fchüchtern ftahl fich einer feiner Vlide nach bem Ueberbringer 
bed für ihn offenbar fehr mistigen Schreibend hinüber. Manuel befchdftigte 
fuh audfchliefjlich mit bem greifen Siego; fein ©efchdft mit bem Vrior mar er# 
lebigt, er fchien für biefen leine Slufmerlfamfeit mehr gu haben. 

„Su haft' ben 3nbalt bitfed Schreibend bem Vater ©uarbian von 2a 
SRecoleta mitgetheilt ?" fragte ber Vorfteher nach lurger Vaufe, wdhrenb melcher 
er offenbar einen ©ntfchlufc gefaxt, tn ruhigem Sone, ber laum noch eine Spur 
feiner rafch bemeifterten Vemegung verrietb. 

„Sollte ich burch Erbrechen biefed Vriefed bie mir ertheilte VoKmadbt 
überfchritten haben ?" fragte SJtanuel mit ber ihm eigenen Untermürfigleit. 
„3<h mar lange gmeifelhaft; enblich fiegte bad Verlangen, einer Sache von 
ÜEBichtigteit nidbt etma burch unnüfcen Vergug gu fchaben. Vater Sllvareg 
beftdrlte mich in meinem ©ntfehlufc. 3<h theilte ihm bann bad unglüäliche 
©reignifi mit unb ermächtigte ihn gur Aufnahme ber Obbachlofen. Vift Su 
ungufrieben mit meinem Verfahren, ehrmürbigfter Vater ?" 

„Seicht hoch; ed ift gut, mad Su gethan, Vruber 2ttanuel", fagte Ugarte, 
in freilich fehr lühlem Sone unb mit einem laum bemerlbaren SRiden bed 



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«gaupteS. „^öffentlich mtrb man ju Sa [Recoleta im Stanbe fein, ber armen 
ßranfen bie nötigen SBequemlichfeiten ju oerfdpaffen." 

„50er $ater ©uarbian muhte mir besprechen, ihr bie größte Slufmerffam* 
feit ju fd&enfen, zugleich aber fte in ftcherem ©emahrfam ju palten, ba ich auS 
bem Schreiben SßebroS erfah, bah 2>u lebhaften Slntheil an ihrem Schief fal 
nimrnft." 

„Sie ift mir fremb", fiel ber SPrior rafch ein; „hoch hWt ich eS für Pflicht 
ber 9Renfchli<hfeit, für bie Unglüdtliche $u forgen, ba fte in biefem Sanbe meber 
greunbe, noch Singehörige beftfct. S3or einer [Reihe bon fahren lam Schmefter 
gnejmit guten Empfehlungen auS Spanien herüber, geh berfchaffte ihr ein Untere 
fommen im ßlofter ber Earmeliterinnen $u SBalparaifo. SBalb umbüfterte ftch ihr 
©eift, unb nach unb nach berfiel fte in bölligen SBahnftnn. 3 <h mochte fte nicht ber 
öffentlichen grrenanftalt überliefern, unb ba ftch bie Siebte bon einem Slufent* 
halt in einfamer ©ebirgSgegenb gute üBirfung berfprachen, fanbte ich fte nach 
San [Rofario. Seiber fanb fte auch bort nicht bie gehoffte Teilung; ihr S^ftanb 
berfchlimmerte ftch, fte berfiel in Sobfudjt-" 

„3ch berftehe, eprmürbigfter Spater, eS blieb 3 U ihrer eigenen Sicherheit 
nichts SlnbereS übrig, als fte in ben unterirbifchen ©emölben beS ßlofterS ein® 
jufperren.... EntfeplicpeS Sd^idfal! SRan meifj nicht, ob man bie munber* 
bare [Rettung ber Slermften als ein ©lüdf erachten ober fte beflagen foH!" 

//3<h freue mich ihrer", fagte Ugarte mit [Rachbrucf, „unb erblidte barin 
ein 3*i<hen beS Rimmels, bah er ftch ber fehler geprüften Schmefter noch gnä* 
big ermeifen mill." 

Sie Spür beS ©emacpS marb behutfam geöffnet, unb ber Saienbruber trat 
mieber herein. 

. „ES ftebt ein üRann unten, ber ben eprmürbigften Spater $Prior im tarnen 
Son EScobeboS gu fprechen oerlangt. Er nennt ftch ®il SPerej." 

„Sah ihn fogleich herein. 3$ Mn bereit, ihn ju empfangen", entgegnete 
Ugarte, bem bie Unterbrechung ermünfept $u fommmen fepien. 

Ser Saienbruber trat ab. 

Sßater SRanuel näherte ftch bem SPrior. 

„fßemt Su mir feine meiteren [Befehle ju ertheilen tJaft, ehrmürbigfter 
SBruber, fo miH ich nach ber Sacriftei hinüber gehen, um bie [Borbereitungen 
für bie abenblicpe SReffe treffen ju helfen." 

„3cb heih« Sich nicht gehen, 33ruber SRanuel", fagte Ugarte mit befon* 
berer Betonung. „ES ftnb feine ©epeimniffc, bie ich mit bem [Boten beS 
reichen 2RanneS ju oerpanbeln habe; menigftenS nicht für einen getreuen J)iener 
ber ßirepe, für ein aufrichtig geftnnteS ©lieb unfereS erhabenen OrbenS, beffen 
3mecfe mir Sille ju förbern berufen ftnb." 

' „Söohl Sem, ber fte gleich Sir *u förbern oerfteht", oerfepte 2Ranuel ein* 
fcpmeichelnb. „2Bo ber Sehrer hanbelt, maS bebarf eS ba beS Schülers ?" 

„$omm, mein Sohn, geleite mich nach meiner 3eUe", bat Siege, bem 
jungen Sßriefter bie £anb entgegenftredienb. „Ser Sag mar heifs, unb ich 


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möchte mi4 wohlein ©tiinbdjert bet 9tuf>e überlafien. ©ieb mit Seinen 2Itm, 
bamit icf> tni<^ auf ihn ftüge." 

ÜDtanuel ftanb fogleid) an bet ©eite beS Steifes, bet fi4 an feine 
©pultet lernte «nb mit gtoher SJehutfamleit »on ihm ans bem ©ema4 ge* 
leitet umtbe. 


7. Ser Sauf4er. 

Saum Ratten bie 6eiben an Sagten wie in ihrer ganzen dufferen ©rf4ei* 
nung fo »etf^iebenen OtbenSbtüber baS ©ema4 »etlaffen, als burdj bie ent¬ 
gegengefegte Sbüt ©il Sßerej, bet ßaud;o, eintrat. Ugarte halt? ft4 auf einem bet 
©ejfel an bem Sif4e niebergelaffen, unb hefdiäftigte fich mit ben ihm »on 2Jta* 
nuel üherreidjten papieren. Ser ©au4o blieb nicht lange anf bet ©4wede 
fteben, fonbetn ndbette ft4 bem ^rieftet in jwat ehrerbietiger, bo4 auch jiemlich 
Jeder, felbftbewuhter Haltung. 

„34 bitte um (Suren ©egen, ehrwürbigftet §err," fagte er, als et fcicht 
hinter bem ißatet ftanb unb »on biefem fcheinbat nicht bemerlt würbe. 

,,©ott gtüjje Sich, mein ©ohn ©il $etej," »erfegte bet gStior mit einet 
freunbli4en $anbbewegung, inbem er bie Rapiere bei ©eite fcbob. „$u haft 
lange auf Si4 warten laffen.... i<h hätte in bet Shat gehofft, früher »on Sit 
}U hören. ©oKte es wirtlich erft eines beftimmten Auftrags Son GSco»ebo’S 
bebürfen, um Sir Sein S3erfpre4en ins ©ebdchtnih $u rufen, ober hat Sich 
Seine febene SanbSmdnnin, bie argentinifche Ballerina, fo tief in baS.9teg 
ihrer fReije »erftridt, bah Sen batübet »etgiffeft, bem Sn baS ©lüd ihrer 
näheren Selanntfdjaft »erbanlft?" 

„SBerjeiht, ehrwürbigftet ißater, es war nidjt 3ta4tdffigleit, ni4t Unban!, 
WaS mich fern hielt.... 34 f4ämte mi4, Guten ©Wartungen, b« guten 
SJteinung, bie 3h* »on mir hegtet, fo wentg entfpre4en ju Jünnen." 

„2Bie, ©il, es wäre Sit ni4t gelungen, baS §erj unb bamit baS SJer* 
ttauen ber.f4önen Sßepa ju gewinnen?" 

„SBenn i4 bie SBahrheit fagen fott: nein, ©bewürben. SaS ift fein SDtdb* 
4en gewöhnli4en ©4lagS; »4 wufjte eS glei4: Ca brübtn in bet Sltgentina 
ift baS ä4te eble SJtetaH ju §aufe, ni4t gligembeS Tupfer, wie hier in ©hili." 

„SaS fagt ©il 5ßereg, bet f4mude, unwiberftehli4e ©il, bem alle weih* 
li4en $etjen jufliegen?" 

„2mt Ausnahme betet, auf bie et es am meiften abgefehen unb bie ft4 
f4on anberweitig öerforgt." 

,',Sie holbe Sfepa alfo..,.?" 

„§at ihr $erj bereits »ertöten; baS ift fi4er." 

„Ohne ba| fte SUtabonna ju ihrer Vertrauten gema4t?" 

„0, in gewiffen Singen Jönnen bie 2üäb4en fehr f4weigfam fein." 

„Unmbgli4; fie fteht feft im ©lauben unb ift Jinbli4en ©emütbS." 

„aSieDeicfet fanb fte es aber bo4 rathfam, SUtabonna nur münbli4 unb nicht 
f4tiftli4 »on bief« Heincn $ctjenä Angelegenheit in flenntnijj ju fegen." 


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441 


„Unb $)er, beit fte ftch auSerfeabU, lebt in Santiago ?" 

„34 habe ©runb, es gu bermutben." 

„$u tennft ihn, mein Sohn ?" 

„Vun, bie Keine $epa mar in biefem Vunlt gegen tnidb ntd&t biel mit* 
tbeilfamer als gegen . ÜDtabomta, obfeobl ich mir fonft fcbmeicheln barf, als 
SanbSmann mir ihr Vertrauen erfeorben gu haben, baS ich benn auch um leinen 
VreiS ber SBelt tauften möd?te. %a, dbrfeürben, ich liebe Vepa, liebe fte feie 
nur ein ©au$o ber argentinifeberi Steppe fein flüchtiges Diofj unb fein füfceS 
SDtäbcben lieben fann, unb feenn baS S4iäfal fo graufam fein follte, fte mir 
gu rauben, bann-" 

„Sadjte, fadste, mein Sohn, ®eine bei&e Siebe, bie meine gange ViHigung 
bat, giebt mir bie Hoffnung, bafj no4 2WeS gut feerbe. Sab mich nur gefeäb* 
ren, i4 .feerbe für $idj arbeiten!'' 

„214 ja, ebrfeürbigfter Vater, 3b* habt feunberbaten drfolg in folgen 
©efdbäften. $>on dScobebo berbanlt durer Vermittlung bie £anb ber fronen 
Seontica; fearjum feiltet 3b* n i4t au4 @urem bemütbigften Wiener, bem armen 
©il Sßereg, feine $)kpa berfchaffen ?". 

„Vor allen Gingen nenne mir ben Vamen Seines VebenbublerS." 

„Oebßrt baS gur Sadbe ?" 

„2Bie foH icb fonft für Si4 fehlen ?" 

„3a, febt, dbrfeürben, baS ift ein eigen Sing.... ein recht gefdbrlicber 
9Jtenf<h ift eS, ber eS barauf abgefeben gu haben fcheint, bergen gu erobern unb 
Slnbern in’S ©ebege gu lommen. SBenn mich nicht 2WeS trügt, ift es ber* 
felbe, ben Son dScobebo gu fürchten batte — biedeidht noch gu fürchten bat/' 

Vater Ugarte fuhr erftaunt empor. 

„Ser junge beutfebe Kaufmann ?" fragte er febr lebhaft. 

„Per dies! ber berbafjte darcaman." 

„Unb tbeilt er $epaS ©efüble ? drfeiebert er ihre Siebe ?" 

„2Benn er baS tb&te, ich ftdnbe nicht bhr, eS du<h gu Hagen", rief ber 
©audho mit funlelnben 2lugen. „Sein $erg feäre längft gur Scheibe» meines 
gfeeifebneibigen Solches gefeorben!" 

. „2lb, er liebt fte alfo nicht?" ' * 

„34 benle, er ahnt nicht, feaS im bergen ber Sirne borgebt. Unb 
bei unferer heiligen ÜDtabonna jje las dbacraS, es ift fein ©lücf, bah er es nt<b* 
tbut!" 

„2lber Su fagteft felbft, bah Si4 Pepita gu ihrem Vertrauten gemalt* 
2BaS erfubrft Su über ihre £erlunft?" forf4te ber SPriefter fee Her. 

„2IUeS, feaS fte felber barüber feeifc, dbrfeürbigfter, unb baS ift faurn 
mehr, als feaS fte bereits ber heiligen 2Jtabonna bertraute. Sie fearb gu 
dba4icuco jenfeits ber dorbiltere bon einer alten grau ergogen, bie fte Vtuttcr 
nannte, obfeobl ib* bie Seute im Sorfe f4on als fiinb oft fagten, bie grau 
habe leine 2lnfprü4e auf biefe Benennung. 2lu4 fchfeebt ihr aus fAbeftcr 
’3ugenb eine drinneruttg bor, ba& fte in anberer Umgebung gelebt, in feilben 


©ebirgSgegenben umhergejogen unb Bon einem gtofjen, fchBnen «Wanne erl¬ 
auf ein fdjneeweifseS $ferb gefegt worben fei, baS immer ftitt wie eine «Wauer 
ftanb unb fteunblicb wieherte, fo oft baS Jfinb feinem Wüden ahBertraut würbe. 
2llS fte baS Bierjehnte Sah* erreicht hatte, teilte ihr eublich bie alte Wege* 
mutter mit, was fie Bon ihrer cfjerfunft wu|3te. Qn einer ftümtifdjen Wacht 
war ein ßuartero*) nach ber einfamen ßafa gefommen, welche bie grau mit 
ihrem bamalä noch lebenben «Wanne bewohnte. @r ritt ein weijjee Sßferb, Wojj 
unb Weiter fchieneit auf b en Hob ermübet. 2llS er in’S 3>mmer getreten unb 
am geuet feinen SDtantel abgefegt, bemerften bie Seute, bafj er ein fdjlafenbeS 
ßinb in feinen 3lrmen trug. GS war ein etwa breijähriges «Wäbdjen; ber Wei« 
fenbe wollte nur fein Sßferb etwas Derfdjnaufen laffen unb p<h felber mit 
©peife unb Hranl erquiden, bann aber, tvo| beS über bie «ßampaS braufenben 
Unwetters, feinen SEDeg in buntler Wacht fortfefcen. Sie guten Seute gaben 
fi<h alle «Wühe, ihn baoon abjubringen; fte ftellten ihm Bor, baf» er unb fein 
Xh«et Biel ju ermübet feien, um bem tofenben ©türm bie ganje Wacht hinburdj 
hohen ju IBnnen, bah eä aber für bas Iranle flinb fixerer Hob fei, in folget 
WaBht }u ipferbe reifen ju muffen. Set grembe war unfchlüffig; ein unser* 
' meibli«heS Sßerhängnih fdhien ihn non bannen ju treiben, baS leibenbe ßinb 
feffelte ihn au baS wirkliche Dbbacf). (Inblich fragte er bie Seute, ob fie f«h wohl 
gegen gute ©ejahlung baju Betftehen würben, baS fiinb bis ju feinet ©enefung 
ju beherbergen. Sie ehrlichen Seute hätten eS Bon $erjen gern umfonft ge* 
than. Ser grembe übergab ihnen baS ßinb unb ein Heines Rädchen mit 
Kleibern unb ©efchmeibe; wenn er nicht jurüdfomme, werbe er nach bem 
üinbe fenben. Gr nannte ihnen ein beftimmteS Wafjfoort, baS Serjenige geben 
müffe, ben er jut Gmpfangnahme beS ßinbeS unb ber ©egenftänbe abfenbe. 
Wu<h beutete er an, baS Sinb ftamme Bon reichen Gltern, bie jenfeitS ber Gor* 
bittere wohnten unb, feien fte auch für ben Slugenblid genSthigt, fi<h feiner ju 
cntäufjern, bereinft boch ben Pflegern reichlich lohnen würben. Wachbem ber 
geheimnihoolle grembe ben armen Seuten gehn BoHroidhtige ©olbftüde auf ben 
Sifch gejählt unb baS ßinb noch einmal geherjt unb gefüfjt hatte, fchwang er 
fich wieber auf fein ermübeteS fßferb, unb trabte in bie bunfele, fiürmifche Wacht 
hinaus. SaS Rädchen enthielt allerlei foftbare Kleiber für baS ßinb, barunter 
einen reich mit ©pi|en befehlen Wnjug eines ©äuglingS, ber jeboch an Ber* 
fdfiebenen Stellen jerriffen unb mit 58lut befledt war. SaS ©efchmeibe he* 
ftanb aus einem Wing unb einem mit eblen ©feinen befehlen ßreuj, beibeS of* 
fenbar Bon großem SEBerth- Sem hänfen flinbe thaten Wuheunb pflege wohl. 
GS erholte fi<h jufehenbS, warb gefunb unb träftig, unb blühte mit ben Wofen 
bet SßampaS um bie SEBette. SaS bejahlte fioftgelb war längft aufgejehrt; ber 
grembe fam nicht wieber unb fantote auch Wiemanben, ber baS Sßajjwort gebracht 
hätte; bie guten Seute aber, fo arm fie auch waren,.hielten baS ßinb wie Iht 
eigenes unb bachten nicht mehr baran, fi<h Bon ihm ju trennen. 2lls bet «Wann 


*) SReifenber ju 3>ferb. 

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443 


ftorb, marb baS 2Räb<hen eine traftige Stufte ber alten grau. Sie batte früh 5 » 
jeitig grofte Anlage jum Zangen gezeigt, nun tanjie fie ben ganbango unb 
Sambacueca unter ^Begleitung beS SalJ.crio mit einer gertigfeit, bie SllleS 
hinrift unb ihr manches fmbfche Stücf ©clb eintrug, menn fte bann bei ben 
3uf<hauem bie Munbe machte unb Heine ©abett einfammelte. $Us pepa ibr 
ftebenjehnteS gabr erreicht, mar ber Entfchluft bei ihr aur IReife gelangt, einen 
SSerfudft jur Slpfftnbung ihrer (Eltern $u machen; augleich miinfehte fte burch ih* 
Zalent eine Heine Summe §u ermerben, um baS ©runbftücf laufen ju tonnen, 
melcheS ihre Pflegemutter in Pacht batte, unb von bem fte bureb bie £arther$ig* 
leit beS 33eftfterS vertrieben rnerben foflte. £)ie alte grau mollte lange nichts 
von einer Trennung miffen; enblicb muhte fte Pepa’S bringenbem Verlangen 
nachgeben, verftanb ftch aber unter feiner SBebingung ba^u, ibr bie forgfältig 
aufbemahrten Schmuäfachen ju überliefern ober auch nur baS von bem grem* 
ben erhaltene Paftmort anjuvertrauen, mobureb baS 9)täb<hen menigftenS einen 
fcftmachen SfahaltSpunft jur Entbecfung feiner (Eitern gewonnen haben mürbe« 
Sie habe einen heiligen Gib gefchmoren, beibeS ju bemabren, unb menn ber 
grembe ni<bt jurüeffehre ober einen gehörig beglaubigten Poten fenbe, fönne fte 
nur ber Zob von ihrem (Eib entbinben. So verlieft Pepa bie £eimath unb 
manberte junächft gen aftenboja, rno fte ihre £unft mit gutem (Erfolg ausübte unb 
ben (Ertrag als erfte Potfdftaft ber alten Pflegemutter jufanbte. aflenbo^a ftebt 
in lebhaftem SSerfebr mit bem Zbal von Epili; gröftere ÜDtaulthierfaravanen 
freuten faft möchentlich bie (Eonbillere. Pepa machte bie SBefanntfdftaftber ©at* 
tin eines 93aqueano*), ber fte ftcb auf ber Oteife nach Eopiapo anfcploft. 2)aS 
Uebrige miftt 3b^ ebrmürbiger $8ater. S)ie PaUerina erntete im reichen Ehili 
©elb genug, um ber alten Pflegemutter jjebe Sorge für bie leftten gabre ihres 
Sehens su verfluchen, von ben gefuchten (Eltern fanb fte bagegen feine Spur. 
SBon ber gruchtloftgfeit ihres PemüftenS überzeugt, münfept fte nach ber 2lrgen* 
tina jurücfjulehren, um ihre Pflichten gegen bie Pflegemutter $u erfüllen unb 
im galle beS Ablebens ber alten grau no<b baS SEBenige in (Erfahrung bringen 
§u tonnen, maS ihr jur Enthüllung beS ©ebeünnijfeS ihrer $erfunft behülflich 
fein mochte.'' 

Pater Ugarte hatte ber (Erzählung beS ©aucho fehr aufmerffam jugehört, 
fchien aber nach SBeenbigung berfelben leineStvegS befriebigt, benn er fchüttelte 
nachbenfüch baS £aupt unb trommelte mit ben gingern heftig auf bem grünen 
SGBachStaffetüberjug beS ZifcheS, mie eS feine ©emohnheit mar, menn er ft<h in 
unbehaglicher Stimmung befanb. 

„Unb hat 2)ir bie kleine feine nähere Sefchreibung gegeben von ben ßleU 
bungSftüden unb Schmucffachen, melche bie alte grau als einziges Erbtheil beS 
flinbeS aufbemahrt ?" fragte er nach einer Paufe. 


*) 2)aS Sßort kbeutet eigentlih Äuptrci&cr, toirb aber hauptfäplih *on benbeSSBe-* 
ge$ funbigen Öübrern gebraust, toclcpe btc SBagen* unb SWauItbicrtarauanen bitrdft bie enb* 
Iofen Steppen ber argentimfeften 9>rovingcn unb über bie EorbiUere geleiten. 



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444 


„SJetjeibung, ©btwürbigfler, ich »erfdumte banach ju fragen; boch foH eS 
auf ©uer 33egel)r alsbalb gefiebert." 

„Sieb ju, was Su batüber »on ihr erfahren fannft; fetbft ein Heiner 
Umftanb tönnte uns bei 2luffmbung ber ©efuchten gute Sienfte Ieiften. SGBic 
tie Sache jefct liegt, habe ich freilich wenig Hoffnung, bem armen ßinbe »on 
•Jhtben fein ju lötinen. Sie ©Item mögen Idngft tobt ober nach einem anbern 
Sanbe gewanbert fein. 2Ba$ ich injwifchen Sir, mein ©ob«, »erfprach, werbe 
idj unter allen Uinftänben halten. Sie jweibunbert Silbertbaler finb Sein, 
unb wenn bie »aHetina einem guten Kath »on meinet ©eite jugdnglicb ift, foü 
fie felber auch noch bie Seinige werben." 

„21 dj, wenn Sbt baS über fie vermöchtet, ©bewürben, meine Sanibarleit 
würbe nur mit meinem Sehen erlöfdjen !" rief ber ©aucho mit jener ungejügel* 
ten £eftigfeit, bie feinem Semperament eigen. 

„3efct jur ^auptfacbe, mein Sohn! Sein Auftrag »on Son ©Scoöebo—?" 

„2lch, ebrwürbigfter »ater, für mich ift »ep», bie füge, reijenbe »epa, jur 
einjigen $auptfa<he geworben !" * 

„Ser wahre ©brift, mein Sohn, »ergibt über bem eigenen 2Bohl nie bie 
Pflichten gegen feinen ÜRächften." 

„@S ift mitunter recht f<bwer, ein wahrer ©brift ju fein." 

„Siefe ßrfenntnifi hilft Sir fchon einen großen Sheil ber Schwierigfeit 
überwinben. Sod; was ift ber SSunfcb unfereS getreuen »ruberS in Ghrifto, 
beS waderen ©Scoöebo ? gühlt er ftcb glüdlich im SBefift feines jungen, reifen» 
ben 2BeibeS, ber gefeiertften Schönheit Santiagos ?" 

,,©o glüdlich, frommer SSater, bah er, wie eS mir fcheint, laum recht weih, 
was mit biefem Uebermafi beS ©lüdeS anjufangen. Sie Stabt mit ihren »ie* 
len Serftreuungen unb »erlodungen bünlt ihn fein geeigneter 2lufenthalt für 
bie wunberfchöne, mit ben ©efahten ber SBelt noch wenig »ertraute Sonna, unb 
baS Sanb — o weh ! bei bem burch eine gute Sofis Sangeweile gewürjten SSer= 
lehr mit »lunten unb Kolibris gewinnt ein bejahrter ©begatte auch nicht eben 
an »eigen. 'S ift ein Sammet! So ein reicher SDtann hat nun 2WeS, waS 
fein $erj begehrt, aber ein bissen Qugenb unb grifche tann’er fich hoch mit 
all feinem ©elbe nidht jutüdlaufen !" 

„Su willft bamit hoffentlich nicht fagen, mein Sohn, bah $onna Seontica 
ihrem würbigen ©atten Utfacbe jur Unjufriebenbeit gäbe l" 

„SBchüte! SDtabonna würbemidb ftrafen für folche »erldfterung ! Sennora 
ift gewih bie rechtfdjaffenfte, braofte, pflidbtgetreufte ©attin — was fannfiefür 
baS SUlihoerhältnih ber Sabre unb ber dufteren ©rfcheinung, welches nun ein» 
mal jmifchen ihr unb bem ihr angetrauten ©atten beftebt? Son ©Sco»ebo aber 
nimmt ftcb baS fehr ju £erjen, et ift »erftimmt, aufgeregt, »erdnbert in feinem 
ganjen SStfen. £eute will er bie Stabt »erlaffen, morgen entfchliefjt er fich 
wieber jum »leiben; eS ift recht fcbmer jefet, mit ihm auSjutommen,. fo fehr 
auch baS 2luSfomtnen mit einem reichen {Kanne Sebem am $erjen liegt." 

„Unb wie lautet ber Sluftrag, ben er Sir ertheilte, ©il ?" 

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„©r entbietet ©uep feinen ©rufe, ©hrmürbtgftec, unb td|t ©u<p bitten, beS 
ihm gegebenen SSerfprecpenS eingeben! 311 fein, 2)onna Uraca fomohl als feine 
©attin gur foforttgen Unterzeichnung jenes $ocumenteS zu bemegen, melcpeS 
baS gange Vermögen ber beiben SennoraS auf ihn überträgt. ©r fSnne bie 
Stabt nicht neriaffen, eh* biefe Slngelegenpeit georbnet fei* Sich felber 
bamit zu befajfen, nerbiqte ibm fein 3 artgefüpl unb bie ber ©attin unb 
Scpmiegermutter fcpulbige SRüdftcpt; bagegen ift er überzeugt, bajj eS ©uep 
bei ©urer Stellung unb bem ©influb, ben 3ftr über bie $onnaS befi§t, ein 
Seichtes fein »erbe, bie Sache mit ber nötigen SBeputfamfeit einguleiten, zu* 
gleicp aber mit folgern SRacpbrud zu bepanbeln, bab ein befriebigenbeS JHefultat 
niept auSbleiben fonne." 

später Ugarte ftüfcte benßopf in bie Rechte unb festen nacpgufmnen. „©in 
mehr als munberlicpet Auftrag", fagte er, einen forfchenben 93Ii<f auf ben ©auepo 
merfenb. „Silur ba er non einem fo erprobten greunb # unb treuen Sohn ber 
Äircpe fommt, fühle ich mich geneigt, ihn in ©rmägung z u ziepen. S)on ©Sco* 
nebo fpraep mit mir barüber, ich hielt es für eine feltfame Saune. 9iun fepeint 
eS ihm bennoep ©rnft zu fein. 2BaS in aller SBelt (ann er bamit begmeden ? 
$onna UracaS Vermögen ift gering, es mürbe mie ein tropfen in ben reich 

gefüllten Schab beS 2JiillionärS fallen-" 

„2Jtan fpriept banon, eS fei ein älterer Sohn oorpanben gemefen-" 

„3a, ja, S)onna Uraca hatte einen Sohn, er ftarb als Keines ßinb ober 
rnarb ihr geraubt — maS änbert baS an ber Sache ? ©in SDlann non bem 
föeicptbum unb ben cpriftlichen ©runbfäfcen 2)on ©SconeboS fann unmöglich bie 
Slbftdht haben, biefen Sohn, auch menn er lebte, feines geringen ©rbtheilS zu 
berauben. $ier rnüffen anbere ©rünbe obmalten, bie ich jeboch in biefem 
Slugenblid nicht zu burchfcpauen oermag." 

„©rünbe — 0 gang gemib, ©prmürben", oerfefcte ber ©aucho mit bebeut* 
famem Säcpeln. „©in fo reicher unb fluger ÜJtann mie S)on ©Sconebo thut 
ficperlich nichts ohne gute, reiflich ermogene ©rünbe." 

„£ätte er 2 )ir eine Slnbeutung gegeben ?" forfepte ber Später. 

„§Ur? 0 nein, maS er ©uch, bem geiftlipen©eratber,.oerf<hmeigt, mirb 
er mir, bem nieberen Wiener, noch uiel meniger annertrauen." 

„ 2 lber 5)u lönnteft auf Oberem Söege...." 

„©tmaS barüber erfahren haben ? SRun, baS miß ich nicht gang in Slbrebe 
ftellen. 2Jtan taufcht feine SDteinungen fo mit tiefem unb Säuern aus, unb 
habet ereignet eS ft<h manchmal...." 

„Ohne Umfcpmeife, maS meibt 2)u, mein Sohn ?" 

„©i, ich mabe mir nicht an, irgenb etmaS gu miffen. * SBieUeicpt fteht eS 
in gar feinem 93eguge gu ber Sache, um bie eS fiep hier hanbelt. ©S ift eben fo 
eine alte ©efepiepte, mie man fte mitunter burch 3ufaH erfährt, an ber etmaS 
fein unb an ber auch nichts fein mag. SDtan follte begleichen gar nicht meiter 
ergählen." 

„Sprich offen heraus, ©il spereg. $u meibt, ich meine eS moht mit 
2)ir unb geige auch nicht mit bem Sohn mie 3)ein $err, S)on ©Scooebo, ber 
trofc feines SReicpthumS geleiftete Sienft nicht immer in ber rechten Sßeife aner* 
fennt. $omm, nimm hier an meiner Seite Spiap — mogu baS ceremonielle 
Sßefen gmifepen greunben ? Sab mich Seine ©efepiepte hören, mein lieber Sohn." 
(gortfefcung folgt.) 



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446 



<3ur Maccnfragc- 

Son S&epfcot V5fd?e. (©aftmgtott.) 


Touat toünfcbt burcb feinen Sluffafe int STOar^eft eine Tigcuffion über bie 
IRacenfrage berbeijufübren. Ta bieg eine ber toicbtigften gragen ift, bie je 
non ber äKiffenfcbaft bebanbelt toerben fönnen, unb ba, toie ich glaube, tnebr 
Sicht über biefelbe oorbanben, als big je^t in toeitere Greife gebrungen ift, fo 
toiU icb 2)ouai T g SBunfcb gemdfj bie Tigcuffion ber grage oaburd? fortfefcen, 
bafj icb in Bürgern meine dimoenbungen gegen feine Anficbten barlege* 

3und<bft nun fcbeint eg böcbft oertounberlicb, bafs Touai bie non ibm 
gehegten Anficbten über bie betreffenbe grage alg eine neue #ppotbefe 
auffteUt. Sollte er nicht toiffen, bafj bag augfubrlicbfte etbnograpbifcbe 2Berf, 
bag non $Prit<barb, nor 40 gabren bie £>ppotbefe nom fcbtoargen Abarn auffteflte ? 
©egemodrtig aber ift biefe grage bur<b Karmin gur bebeutenbften unb amaUge* 
meinften bigcutirten Streitfrage in ber ataturmiffenfcbaft getoorben. Tie 
dtbnologen ber SBelt liegen im beftigften / erbittertften Streit mit einanber ob 
ber grage: e i n Abam ober mehrere Abamg ? Unb toenn bie grage für 
einen entfcbieben ift, bann entbrennt bie neue über bie garbe beffelben, ob 
er febtoarg, toeifj ober graubraun getoefen. Touai gehört feinen auggefpro* 
ebenen Anfi(hten nach offenbar gur Partei beg fcbtoargen Abam, aber nicht gum 
rabitalen glügel berfelben ; benn er halt ja, toenn er ben Stammbaum ber 
Teutfcben auffteUt, bei ben fcbtoargen üftegerabnen iune, todbrenb Siele ber 
Tartoin’fcbsn Schule einen Schritt toeiter geben, unb bie Abftammung 
ber SUeger oon ben Affen annebmen. 

Huf Heubeit bat alfo Touai’g £ppotbefe, toie gebermann feben fann, 
leinen Anfprud? ; ift fte aber richtig ? gaffen mir ben $unft, um toelcben eg 
ft<h im gangen Streit banbeit, einmal fcharf ing Auge. gebermann giebt gu, 
bafj ein Unterfdjieb unter ben ÜDtenftben beftebt, bafj Sibtoarge ficb oon 
SBeifjen unb ©raunen unterfcheiben. Ter ©rab beg Unterfcbiebeg jeboeb toirb 
oerfchieben angegeben. Tie dinen feben benfelben nur gering an, nicht gröber 
alg g. ©. ben gtoifeben tauben, b. b- fie halten bie oerfebiebenen UJtenfcben* 
racen nur für Abarten, Sarietdten berfelben Specieg, toelche fi<b aug oerdn* 
berter Suft, Nahrung unb Sebengtoeife erfldren laffen. Touai fpricht ohne 
Utüdbalt aug, bab bie Sfteger gang gut einmal Teutfdje toerben lönnen, 
oorgüglicb, toie et glaubt, bureb guten Turnunterricht. Tie Dudler ftnb im 
Allgemeinen geneigt, bie garbe unb bag gange Augfeben beg ÜRegerg auf 
Mangel an Seife uno an 3*it gum 2Baf<ben gu febieben. Tieg ift bie Partei 
ber 2Monogeniften, gu ber fo giemlicb bie gange SBelt gehört, bie ihr ©laubeng* 
belenntnifj in bem erften Kapitel ber ©ibel niebergelegt finbet, gu toelcbem bie 
gelehrten Vertreter dnglanbg, granlreichg unb Teutfdjlanbg nur oariirte 
Kommentare fchrieben. 

Tie Partei ber $olpgeniften lann fich toeber auf fo ebrtoürbige, noch fo 



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meitfcbicbtige, geteerte $olumenteberufen; fie bat nur eine grobe $batfa<be 
als SBaftS i^rer Slnfcbauung, aber biefe &batfa<be ift entfebeibenb. ©oll bie (Einheit 
beS SJtenfcbengefcblecbtS im ©inn ber ÜDtonogeniften feftgeftetlt »erben, fo 
gehört baju ber SRacbweiS, bab einmal, irgenb einmal, eine SB&rietät ber 
2Renfcbb«t in bie anbere übergegangenfei, bab einmal au$ einem ©<b»ar$en ein 
SBeiber, ober auS einem ÜEBeifjen ein wahrhaft f(b»arjer, rotber ober brauner 
2Renf<b geworben fei. 3)ie Saft oiefeS SöeweifeS liegt !lar unb beutticb auf ben 
9Ronogeniften. Gr ift nirgenbS geliefert worben. $amit ift bie ©a<be ent* 
febieben. 2>a eS aber in ber SRatur oer pofitioen üEBiffenfcbaft liegt, SllleS ju 
beachten, was auf eine grage 95egug bat, alle Gbancen in Erwägung ju gieben, 
bie mögticberweife ber grage eine anbere Üffienbung geben lönnten, fo ift jeber 
gall genau unterfuebt worben, wo eine Diace in biametral berfebiebene natür* 
liebe SBerbältniffe gebraut würbe. $ie Antwort war ftetS btefelbe: Äeine, 
burcbauS leine SBeränberung ber urfprünglicben IRacencbarattere. S)er 
^odänber unb Gnglänber, bie blonbeften ber Germanen, au$ bem feuchten, 
falten £otlanb unb Gnglanb na(b bem warmen unb trodenen Gaf) ber guten 
Hoffnung unb nach Sluftralien berfefct, bebalten für fub unb ihre ÜRacblommen 
(im gaU ber Gaplotonie nach gabrbunberten) alle Gbaraltere ihrer JRace; 
nirgenbS tritt eine 2)unfelung ein. Umgefebrt bleibt ber üReger in Ganaba 
achter, unberänberter Sieger. 

©o febeii wir eine grobe 2 Ranni<bfaltigleit neben einanber beftebenber, 
unter ft<b unberwanbter SRacen ; neben bem rotben gnbianer, bem braunen 
2Ralaben unb febworjen Sieger bie Gulturbölfer ber 2legbf>ter, 93abblonier, 
Gbinefen, Araber unb bor 2Wen unfete eigene IRace, bie Slrier. Unberwanbt 
nenne ich biefe IRaceit, weit jebe genealogifebe SBerwanbtfcbaft fehlt; fie fmb 
atlerbingS berfebiebene ©pecieS berfelben gamilie, fteben alfo fo §u einanber, 
wie 3 . 9$. gucbS, SBolf unb $unb. Gin feit tanger 3eit gegen biefe Slnficbt 
besuchter SöeweiS ift entfebieben 3 U ©unften ber *ßotygeniften auSgefcbfagen. 
GS würbe nämlich bon ben 3 oologen ber ©ab aufgefteUt, baj? bie ©aftarbe 
berfd&iebener ©pecieS ftetS unfruchtbar feien ; ba nun 23aftarbe ber berfebie* 
benen 2Renf<benracen fruchtbar fmb, fo febien barauS 3 U folgen, bafi bie 
9Renf<benracen leine ©pecieS fmb. 2)aS IRefultat auSgebebnterer iBeobacb* 
tungen ift jeboeb, bab ft<b bie IRacen genau wie bie ©pecieS berbalten. GrftenS 
ndmlicb liegen 3 ablrei<be gdße fruchtbarer SBaftarbe bor; man bat folcbe bon 
SBolf unb £unb, unb bon ©emfe unb 3iege beobachtet. 3 « 9 egeben über, bab 
folcbe gälte nicht febr sablreicb fmb, unb bab ben SRacbfommen folcber 93aftarbe 
bie rechte, robufte ©efunbbeit abgebt, fo bab fnb biefelben bieHeicht nicht als 
eigene SRace erhalten fönnen, fo finbet genau baffelbe bei ben Söaftarben ber 
berfchiebenen ÜRenfcbenracen ftatt. $aS Phänomen ift §u berwidett unb 
umfangreich, als bab eS an biefem Orte in feinem gansen Umfang bebanbelt 
werben lönnte. $ieS foll anberSwo gegeben ; für meinen 3»ed hier genüge 
bie 23emerhmg, bab man erftenS jwifeben ftcb näher unb ferner ftebenben 
SRacen unterfebeiben muj 3 . 3e näher bie berfchiebenen IRacen fteben, um 


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fo fruchtbarer bie Perbinbung, um fo tüchtiger bie Pachlommen. Sblec unb 
SRcget erzeugen be^^alb bie fc&le<^tefte Pachfommenfchaft, 2lraber unb Peger, 
Seiße unb Mongolen eine biel beffere. 

Peben biefem allgemeinen phbfiologifcßen Pemeil, melcher bie grage eben* 
falls für bie Polpgeniften entfcheibet, mill ich für einen befonbern gall bie 
Entfcheibung unferet groben Philologen cftiren. Pachbent 2)ouai auf leiste 
Seife feine Sieger in gelbe ünb biefe in meiße Girier bermanbelt h^ läßt er 
einen Xbeil berfelben braune Semiten merben. S)ie Semiten (Pabplonier, 
Araber, Phönizier, Quben) fmb ibm bie §uerft aulgemanberten 2lrier, ihre 
Sprache ficbt er offenbar afö eine arifd^e Spraye an. 3)al ift fte nicbt. S)er 
Äreil ber arifchen Spraye ift genau begrenzt, ihre Pterftnale fmb unoerlenn* 
bar, fie finben ftch nicht bei ben femitifd^en Sprachen. 3Ra$ Plüller unb 
Punfen tönneft ben Verneig bafür nicht beibringen, fo biel fie fich auch Süße 
geben; bie grobe Xtial beutfeher Philologen, gacob ©rintm, Popp unb Pott, 
legt mit entfeheibenben ©rünben ihr Peto ein, unb gegen biefeS Peto giebt el 
leine 3meibrittefö*9Rajorität, bie barüber ßinmeg helfen fönnte. Stdrlere Pe* 
meife afö bie bfö jefct beigebrachten, tonnten allein nüßen. 

2)er Paine Slrier, toelchen id? in Perbinbung mit ben anbern Pacen bfö* 
her öfter gebraucht, bebarf einer Erläuterung, ba er ziemlich neu in feiner 
gegenmärtigen Pebeutung ift. $ie Erlennung unb SeftfteUifhg ber arifchen 
Pace ift bal größte Pefultat ber pbilologifchen Stubien ber lebten 80 gaßre. 
Sal bal topernitanifche Seltfpftem für bie 2lftronomie, bal ift bal arifche 
Spftern für bie ©efchichte; beibe entbeden jum erften SPal für ihre refpectioen 
©ebiete mähret Zentrum unb mähren Schmerpunft, um meldße fnh nun in 
einem gaH bie Seltlörper, im anbern bie ÜPenfchenracen naturgemäß unb 
maßr orbnen; beibe machen juerft bie richtige Einficht in bie genetifche Ent* 
midelung ihrer ©ebiete möglich. 

21 fö bie Englänber im ooyigen gaßrbunbert gnbien eroberten, mürben fie 
mit ben heiligen Sprachen ber gnbier unb alten perfer, bem Sanlfrit unb 3enb, 
belannt. Ptit größtem Erftaunen fah man bie überrafchenbe Uebereinftimmung 
biefer beiben Sprachen in Sortmur^eln, giejionen unb grammatifchem Pau 
mit ber griechifchen, lateinifchen, beutfehen unb ben flabifchen Sprayen, 
griebrich Schlegefö Scharfblid erfannte ben mähren 3ufammenhang; er juerft 
fprach el aul, baß alle biefe Sprachen Steige teffelben mächtigen Spracßfiam* 
mel feien, ber feinen üPittelpunlt in EentraUPften gehabt habe, gebe fpätere 
Entbedung betätigte nur biefe 2lnftcht. gm alten Pactrien, an ben 2lbhängen 
bei £inbufufcß, hat biefe Pace guerft gemohnt, ohne nachmefölichen genealogi* 
fchen 3ufammenbang mit anbern Pacen, bon benen allen fte fich aufl Schärffte 
unterfdßeibet* 2)ie arifche Pace ift blonb, blauäugig, mit marfirten ©efichfö* 
§ügen, fchon äußerlich afö ftcßtrace, afö Pace bei bellen £agl ber ©efchichte, 
gelennjeichnet. 2lHe anbern Pacen ohne 3lu!nahme ftnb bunleläugig 
uub bunfelßaarig; mo in ber ganzen Seit fich blaue Slugen unb blonbe £aare 
finben, ba fmb fte geerbt bon biefer Pace. Um meine Unparteilichst ober 



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menigftenS meine öitligfeit bem Befer batjutbun, mtü ih auSbrütflih bemerten, 
baft ih reht mobl meifj, ba& mein obiges Urteil baS-bet Girier übet fth felber 
ift, unb miß bem Sefet auh bie dltefte SSerfton beS UrtbeilS mittbeilen, bie bei 
ben ÜRahbam bet Stier, ben ©binefen, im Umlauf mar. ©enn mit uns alfo, 
bielleiht nicht ebne ©obigefallen, als blonb, blauäugig, mit matlitten^efubt^ 
jügen, befhreiben, fo fagen bie alten ebineftfeben ©efhihtämerle troden:* „2)ie 
Stier fmb rotbbaarig, gtündugig unb haben [ßferbegefthter." 

S)ie Stier ftnb bon Snfang an ebel unb Iräftigen, gemaltigen ©eifteS ge«» 
mefen, mobutdb fie fchneU bie «ginbetniffe bet Statut übetmanben, bießeiht, 
ja mabrfheinlih/ ©ebrauh macbenb bon ben ©ttbedungen unb ©rftnbungen 
alteret [Raten, benn ich mu| burhguS mit S)ouai überein ftimmen, menn et bie 
Stier als jüngfte aller [Raten betrachtet. 

2Ran fpricht feit bunbett Sabren biet bon $erfulanum unb $ombeji, unb 
ermattet bon SuSgrabungen bort noh aUetlei Suffhlüffe über’S Sltertbum. 
2Ran bemunbert im firpftaUpalaft in Bonbon bie betfdjiebenen hiftorifdhen Sb* 
Teilungen, bie uns burh altes ©eratb unb ©affen nah ©abplon ober ©gwten 
ju berfefcen fudjen. @S giebt aber eine für uns biel mihtigere Suffhliefhtng 
gu mähen, als §et!ulanum unb ^Pompeji, unb eine biftorifh l 9eograbbifhe 
Sbtbeilung bet ©be, bie uns bie dlteften Scenen, baS Beben, bie ©emobnbei* 
ten, ben erften Shaublafc unfetet SSorfabten, bet erften Stier, mirflih unb 
leibhaftig borfüb'ten lönnte. §inbulufh/ an ben Duellen beS 3nbuS, in 
bet uralten $ehnatb, mobnen noh beute bie Stier, mie fte bon je bort 
gemobnt haben, bie fhäuften, freieften unb tobferften bet dRenfhen, bie burh 
ade Qabttaufenbe biubuth gegen griehifhe, atabifhe unb mongolifhe ©eit* 
[türmet ihr Sanb ju bertbeibigen mußten. Sie fbtehen noh bie alte Sbtahe, 
obfern ben ©Ottern noh in alter ©eife ohne ^rieftet, unb trinfen, an groben 
©hentafeln fifeenb, aus ftlbernen Shaalen ©ein, manhmalbieHeihi bet Lettern 
gebenlenb, melhe, bie alte $eimatb berlaffenb, in bet meiten ©eit ihr ©lücf 
berfuhten. 

$ie ©nen gingen ben SnbuS balbmegS hinab, beffen bunteifarbige Ufer* 
bemobner fte fth in langmietigen Ädmbfen unterjohten. SSon ba btangen fte 
im Sauf bet Sabrbunberte langfam, unter fortmdbrenben ßäntbfen mit ben 
§ablteihen ©ngebotnen, nah bem ©angeStbal bot, unb beferen baffelbe „fo 
meit bie fhmarje ©ajeHe übet bie £ügel ftreift", b. b* ben oberen unb rnitt* 
Ieten $beil beS ©angeStbaleS. Unter biefen flämtfen mit ben „Sffen", b. b* 
ben bunfeln ©ngebotnen, burh bie ©oberung fo reihet Sanbftrihe, mitb bie 
Sßerfaffung unb baS ganje Beben bet Stier botlftänbig beränbert. ©dbtenb 
in bet alten $eintatb aöe Stier frei unb gleich maten, merben je$t* bie #eer* 
führet ju Königen, bie Offiziere junt Sbel, ©njelne gu fßrieftetn; eine ißtie* 
fter* unb Äriegerfafte fonbett fth bon ben ©emeinfreien ab, bebt fth übet bie* 
felben entbot, unb sulefct lommt bie rehtlofe flafte bet ©ngeborenen. $ieS 
ftnb bie biet fiaften bet Snbet, bie btei erften utfptünglih arifh, bie bierte 
niht*atifh. 



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Slm anbetn Slbhang be« ©ebkge« breiten ftch bie Skier über Saltrien, 
Werften unb Siebten au«. Selbe bi« jefct genannte legen ftcb ben 

kanten ber Slrier bei, toeldber ber Sofitib bon „erft" ift, alfo bornehm, ebel be* 
beutet. $ie 3lu«behnung be« ÜRamen« auf bie gange Stace ift mit gug unb 
Stecht bon ber neuern Shifofogie gemacht worben. San«kit unb 3enb, bie 
heiligen Sprachen be« inbifchen battrif<h*perftfchen 3&>eige«, ftnb nur 3)ialelte 
ber älteften arifchen Sprache; mir wollen fte bie öftlichen nennen. Sil« e« bie 
Slrier weiter weftlich trieb, bilbeten ßa«pifche« unb Schmarge« SJteet eine Söller* 
fcheibe; bie ©inen gogen füblich, bie Slnbern nörbtich bon biefen Leeren. 3)ie 
©rftern famen über Slrmenien unb lieben bort einen $heil ihrer ©enoffen 
gurüd, bie Uebrigen fliegen bon ben armepifchen Sergen nach Äleinaften hin* 
unter, ftebelten ftch bort an unb fdhidften ©olonieen nach ©riechenlanb, Italien, 
um ba« Slbriatifche SJteer herum nach Oberitalien, Sübbeutfchlanb, grantreich, 
Spanien, ©nglanb. $ie« fmb bie ©riechen, gtaler, Gelten, brei innigft # « 
berwanbte arifche Sölterfchaften. Ueberall finben fie bunfelfarbige Urs 
einwohner, in ©riechenlanb bie ^Ma«ger, mit benen fte ftch bernti* 
fchen. $ie Serfchiebenheit im ©harafter ber griechtfchen Staaten ift gum 
groben 5t^eil begrünbet in ber berfchtebenen Sfttfchung. 3)ie Spartaner ftnb 
bie alten, beinahe unbermifchten Slrier; bie Slthener im ©egentheil ftnb fehr 
ftarl mit Sägern, *>. h* Stichtariem, gemifcht. $er griechifche Slbel ift rein 
arifch, unterbrüdt guerft bie (Eingeborenen, bi« biefe ftch langfam gu bürget* 
liehet greiheit unb ©leichheit emporarbeiten unb ben alten Slbel bielfadj bie 
frühere Unterbrütfung entgelten laffen, alfo gang genau baffelbe Serbältnib, 
wie e« ftch fpater gwifchen granlen unb ©alliem wieberfinbet. 

2)er anbere arifche 3«g geht langfam nörblid? bom $a«pif<hen 2Reer weft* 
wärt«; e« ftnb bie ©ermanen unb Slaben, bie ebenfo eng gufammengehören, 
wie ©riechen, Qtaler unb Gelten. 2)ie ©ermanen theilen ftch in Oberbeutfche, 
ÜRieberbeutfche, Stanbinabier, bie Slaben in folche im engem Sinn unb 
Sitthauer. $ie Slrier auf ihren ferneren 3&gen gu berfolgen, ift nicht bie Slb* 
fuht biefe« Sluffafce«. Stur ba« wahrfcheinliche ©nbrefultat aller jener glor* 
reichen SBanberungen unb Kämpfe foll noch in’« Sluge gefaxt werben. 2)ouai 
glaubt, bah bie gange Söelt einmal arifch ober beutfeh werben wirb. 

SBir glauben e« nicht. $ie alten Slrier fagten, fte tarnen au« einem 2anb, in 
bem eS gehn SDtonate SBinter unb gwei SRonate Sommer fei. $a« wäre alfo un* 
gefäbr ba« arifche üftormaltlima. $ie berfchtebenen HJtenfdjenracen gehören 
ihrer Organifation nach betriebenen 3onen an. SU« ber grobe arifche 3ug 
ftch am Äafpifchen Sfteer in einen nörblichen unb fübltdhen trennte, wer hätte 
ba nicht geglaubt, baf$ bem lefctern ba« beffere Soo« gugefallen fei ? ©« war 
gewib ein herrliche« £oo«, in bie Sänber gu fommen, unter beten £immel bie 
griedhifr^ömifche Kultur bon ben Skiern gegeitigt werben lonnte. #aben aber 
bie ©ermanen Utfadbe, ihre griechifdhen unb römifchen Stüber gu beneiben ? 

2Bo ftnb 3ene ? 2Bie abgelebt unb greifenhaft, ma« bon ihnen tyxb übrig, 
währenb e« bo<h für un« hier in Slmerifa febeinen will, al« fei bie germanifdbe 



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jRace noch ganj jung unb eben batet, ihre fcbönften Kräfte ju entfalten! Scheint 
nicht baraug betootjugeben, bafs nur ein lalteä $lima, entweber auf ©ebirgen 
ober ben ifolen nabe, ben Stammebarafter ber SRaee treu bewahrt, fte »ot ju 
großer SSetmifchung mit anbern SRacen, unb baburch »ot Slugartung befcbüfct? 
SBermifcbung mit anbern iRacen bat freilich feit ben älteften Seiten ftattgefunben, 
unb man bat lein SRecht, »on rein arifcben SßöKern itgenbwo in ber ©efchichte 
>u (preßen; nur einjelne ©ef «blechtet haben ficb ganj rein erhalten, ober im 
Sauf ber Seiten jebeS frembe (Element toieber »on ftth auSgefcbieben. 

2tlS (Kalifornien »on ben ^Bereinigten Staaten erobert unb Oregon befefct 
würbe, unb als fRuhlanb baS Slmurlanb in Söeftö nahm, ba »oUenbete ftth bie 
grobe arifcbe 3»»e um bie (Erbe. Sie Eapcolonie, bie beutfdjen Golonieen 
©biliS, 2tuftralien unb ÜReufeelanb beuten beutlicb genug bie fübpolare germani» 
fthe Sone an. Sajwifchen liegt bie ungeheure Slequatorialjone, hier im weite» 
ften Umfang »erftanben, baS alte rechtmäßige (figenthum ber bunleln, nitht» 
arifchen IRacen, baS nicht ohne Sthaben für bie Sltier felbft »on ihnen bean» 
fprudjt werben lann. „2Ran wanbeit nicht ungeftraft unter Kßalmen", ift ein 
5Bort, baS wenigftenS in SSejug auf bie Slrier »ollftänbig wahr ift. SffiaS ift 
aus ben ftoljen Ariern beS SnbuS» unb ©angeSthaleS geworben? Sie lonnten 
ja nur als 2Rif«blinge fi<h in jenen Sänbern behaupten, ÜRifdjlinge, bie mit 
jeber ©eneration ben fchwarjen ÜRüttern ähnlicher werben muhten. Sie 
(Englänbet lönnen befannttich gar leine rein englifcbe Araber in Snbien auf» 
bringen. 

So wären wir benn beim SualiSmuS ber iRacen als ©nbrefultat ber ©e» 
fcbichte angetommen, wie er »on Slnfang an geherrfcht hat. Sie alten ©egner, 
bie fi<b einft als „ÜRenfchen" unb „3lffen", Sranier unb Suraniet belämpften, 
fie ftanben fi<h fpäter als Hellenen unb Barbaren gegenüber, unb fechten 
»ielleicht als ©ermanen unb IRomanen bie Kämpfe ber SRenfcbbeit tnnb um ben 
©cbball herum, bis an baS (Enbe ber Sage, aus. 


Ktber bie Cholera, 

Sott ®r. Strtram. (@t, Sofeph.) 


Siefer ungebetene, ünmiMommene ©aft, bet auf feiner SReife um bie 
ffielt noch »or wenigen SIRonaten jahUofe Opfer in (Europa forberte, ift in lefc« 
ter Seit febt viel befprocben unb betrieben worben. — Sa uns aber butcb* 
aus nichts ju ber Hoffnung berechtigt, »on bem mehr berüchtigten als he» 
rühmten SReifenben auf biefer Seite beS OceanS »erfchont ju bleiben, f» liegt 
gewih ein fortwährenbeS (Erinnern, fowie etfcböpfenbe ÜRittbeilung übet ben» 
jelberi, im Sntereffe beS lefenben $ühlilum8. — 


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Dbftton bie flranfbeit in ihrem Verlauf füt ben Slrjt, wie für ben Saien 
noch beute in mancherlei ®unlel gefüllt ift, fo haben bennott in neueret Seit 
forgfältige Beobachtungen am Jiranfenbett, unterftüfet burtt naturwifienfebaft» 
litte gorfttuttgen überbauet, uns in bem Gbolera* 2 abhrintb ben leitenben ga» 
ben ber Slriabne an bie ^ianb gegeben. 58er Mem ift neuerbingS pofitio nach» 
gelriefen (namentlich bureb fßettenfoffer), bafj bei berfeiben baS 
SBlut äufierft fttnell einen groben Sbeil feines 2 Baf* 
ferS, junädfft natt bem Sünnbarm, bann auch nach bem 
Sidbarm unbMagen bi"/ »erliert, unb babuteb einge« 
bidt, in feinem Sauf unb feiner Sbätigleit »orjüglidj 
in Vejug auf Slbfonberung unb Märmeentwidlung 
g an j bebeutenb ge ft Btt wirb! — Slnftedenb (man »erftebt unter 
Slnftedung bie Uebertragung eines SranfbeitSfeimeS »on einem 3nbi»ibuum 
auf ein anbereS, mittel» ober unmittelbar) ift bie ßranfheit nicht. dagegen ift 
fte beftimmt rein miaSmatiftt- (MiaSmg ift bie Uebertragung eines IrantbeitS» 
feimeSauS ber uns umgebenben Statut j fie fann bureb bie Suft »on Ort ju Ort 
getragen werben, ober in einem beftimmten ®rabe ft<b erjeugen.) ©aber tön* 
nen namentlich Ejcremente unb $arn eines aus ber gerne tommenben Äran* 
ten, in einer »on biefer ßränfbeit noch nicht beimgefuebten, bem Entfteben ber 
fetten aber günftigen ®egenb,. bie Gbolera jum SluSbrueb bringen. Sa nun 
weiter ber Suft beigemengte luftförmige Gontagien jut Verbreitung binreicben, 
fo ift eS anbererfeitS erllärlicb, bafj nicht nur bureb SluSleerungen wirHieb 
Jtranter, fonbetn fogar bureb ßleibungSftüde Vicbtangeftedter, unb auf anbere 
ähnlich* SSBeife, eine mittelbare Slnftedung ftattfinber. tann. ©leiebjeitig 
giebt eS au&er ben eigentlieb trän! maebenben V»tenjen noeb »ielerlei ®elegen» 
beitSurfatten. ©o 5 . V. erlrantt ein Menftt in golge anbaltenber SDiätfetjler, 
ftarfer Grlältung, ober heftig« ©emütbSbewegung an ber Gbolera, ber fonft 
wobt »erfebont geblieben wäre. 3ltS »orjugSweife begünftigenbe Urfaeben fmb 
natürlich ©ommerwärme, Mangel an Steintiebleit, UeberfüUung ungenügenber 
Stäumliebfeiten mit Menftten unb bie barauS entftebenbe Suftoerberbnifi anju* 
{eben. 3m Uebrigen lennt bie Gbolera Weber SllterS», noeb StanbeSunterfebiebe, 
unb überfällt ©efunbe wie Jlranfe, am bäufigften aber ©olebe, welebe unreget* 
mäbig leben (©äufer 3 . V.), ober bie Stepräfentanten ber Slrmutb, bie unter 
Entbehrungen aller Slrt leiben. 

©iebete Vorboten bat bie firantbeit nidbt; ber SluSbrueb erfolgt unge» 
ahnt, ptöfclicb, ober eS ftedt ftdj böttftenS ftunben* unb tagelang »or ihrem 
SluSbrucb Slppetitlopgleit, Uebelleit unb Steigung §um Surebfall ein. Sie 
wirtlitten firantbeitSerfebeinungen fmb: Surebfall als baS erfte ©pmptom; 
beginnt in ber Stege! beS Statt« unb ift aufjev »on einem febr beängftigenben 
©efübl in ber Magengegenib, »on feinem Sebmetj begleitet. SaS Entleerte wirb 
febr balb ganj wäffevig,, geruchlos unb reiswafferäbnlieb- Statt wenigen ©tun» 
ben, auSnabmSweife autt früher noeb, fteUt fteb Erbretten ein, entleert junäebft 
ben gerabe »orbanbenen 3nbalt beS Magens, baS ®enoffene, ©ttleim unb 




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©alle, fchlie&lich jeboch ebenfalls eine teiS»afferähnli<he glüffigfeit. gefct mtrb 
in ben meiften gällen— bie äufjerfte Grfchöpfung — oft ohnmachtäbnliche 
Schuwhe am ßranfen bemerfbar. Gbenfo »erben Schenfet, SBaben, 2trme, 
ginget unb SauchmuSfeln bon böd&ft fchmerjhaften ßrämpfen ergriffen. — 
2)ie reiS»afferähnti<he glüfftgteit, »eiche, »ie fchon ermahnt, burch Stuhl 
unb ©rechen aus Sarmfanal unb 2Wagen entfernt »irb, ftammt aus bem Stute, 
enthalt beShalb, aufier SBaffer, ©»eifj unb Sal$e, fo»ie eine grobe SBtenge 
bon 2)armfchleimhaut. Safe baS ©lut nun in golge fo groben SBafferberlufteS 
fchnell unb bebeutenb einbicfen mub, »ie bieS bei 2lbertaf[en unb Obbuctionen 
bon Gboteraletdjen ebibent nachge»tefen ift, »irb jebem unferer Sefer einleuch* 
tenb unb flat fein; bab aber bieS eingebidte ©lut nur mit -Blühe burch baS $er$, 
bieS ©lutemporium, bor»ärtS getrieben »erben unb burch bie feinen fiaargefäfce 
fliehen fann, ift »ieberum berftänblid?. Gbenfo finben »ir ben im Slnfang bet 
Äranfbeit fehr befchleunigten ©ulS (bis zu 130 ©plagen per 2ttinute) je nach 
bem ©rabe bet SGBafferentleerung unb ©Iuteinbidung aufserorbentlich gef<b»dcbt, 
tangfamer auSfeßenb unb faum fühlbar, gn gotge biefer geftorten, faft auf* 
gehobenen ©lutcirculation fehlt eS bem Körper natürlich auch an bet nötigen 
©gen»ärnte. ;ftafe, Bunge, Ohren, bie £aut überhaupt fühlen ft<h beShalb 
ebenfo »ie bie Gftremitäten, falt, gleich ber $aut einer Seiche ober eines 
grofcheS, an. Sie auSgeathmete £uft ift merllich fühl, obfchon ber ßranfe 
übet innere #ifce flagt; bie bleigraue, mit zäher glüffigfeit bebedte, runzlige 
£aut entbehrt jefct ihrer Glafticität, fo bab fuh bie £autfalten nur fehr 
langfam an Rauben unb güben auSgleichen; bie -ftägel erfcheinen auffal* 
lenb langer unb ebenfalls bläulich grau, liefet SBafferoerluft beS ©luteS macht 
fchlieblich jebe Slbfonberung, »oju eS beS SBafferS bebarf, in bem Körper un* 
möglich; bähet bie grobe Srodenheit ber Slugen, ÜRafe, Bunge, -Btunbhöhle 
(ber grobe Surft), beS ßehlfopfeS, (bie rauhe, h^ifere, fd?»a<he, flanglofe 
Stimme), ber ßungen, (baS bef<h»erliche Slthmen mit beängftigenbem Srud auf 
ber ©ruft). üötuSfel* unb -Werbenfpftem müffen bei folgern Slutjuftanbe na* 
türlüh auch fehr halb ohne -Wahrung unb aubet &hätigfeit fein; baher bie fchon' 
erwähnten Stampfe, fehr fühlbar in ben Gytremitäten unb ©auchmuSfeln, bie 
bor bau Sobe oft genug in ßdhmung (Paralysis) übergehen. 

2 Ran fann bie firanfheit in z»ei ©erioben eintheilen, bon benen bie erfte 
bie ber Mte, bie g»eite bie ber ©arme, ber [fleaftion, ift. Bur Gharafteriftif 
beS erjten, beS ÄdlteftabiumS gehört nebft bem faft unaufhörlichen, bereits 
hinldnglich betriebenen Durchfall unb ©rechen, auffallenber Äräfte* unb 
ÜEBärmeberluft beS Körpers, faum fühlbarer, berlangfamter ©ulS (30 bis 40 
Schläge per SWinute), graubläuliche gdrbung unb Srodenheit ber £aut. Sie 
©eftchtSgüge tragen einen eigenthümlich fchmerjhaften SluSbrud, bie fno* 
chigen Sheüe beS Körpers fpringen merflich bor, zahlreiche galten auf Stirn 
unb ©er«ht. Sie merf»ürbig trodenen, tiefliegenben 2lugen umgiebt ein 
bunfelblauer Sting, bie SRafenflügel er»eitern fich bei bem angeftrengten 
Serfud) §u athmen, auf bem »enig be»eglichen ©eficht liegt ber 5luSbrud un* 


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befchreiblicher Ermattung. Seht Diele Äranle fierben in btefem 3uftanb, er* 
reichen alfo bag [Heactiong* ober ©drmeftabium nicht, melcheg ftch jmidchft 
burch bie [Hüdfehr natürlicher ßörpermärme charatterifirt, burch güplbarmerben j 
eineg gleichseitig trdftigeren unb fdjneHeren [ßülfeg, bUT<h SRüdfe^r aller j 

fonberungen, namentlich beg big babin faft ohne Hugnabme fehtenben £arng. 1 
durchfaß unb 93re<hen flöbt ung in biefem 3eitraum fd?on »eit meniger 93e# 
forgnib ein, als bie noch fehlenbe $amabfonberung, benn bobon hängt Seben 
ober dob unfereg Äranlen abl SQBirb nämlich ber $arn im Slut beg Üranten 
jurüdgehalten, fo tritt eine #arnbergiftung unb dob ein. 

3 n ber Siegel erholt fuh ber Patient nach bem SSerfchmmben ber cmgege* 
benen ßrantheitgfpmptome fehr fchnell, ja oft fdjon in 2 big 3 dagen. Oft 
freilich auch ift bie SBerbauung (meift burch berfchmenberifchen ©ebrauch Don 
2 ßebicamenten, momit ber arme, gebulbige !Utenfcbenmagen graufam maltratirt 
mürbe) fo* fehr gefchmdcht, bafc fuh bie boHlommene ©enefung modhenlang bersö* 
gert. ®on ben jahHofen, bisher gegen bie Eholera empfohlenen Schufcmitteln 
fmb nur fehr menige mit einem rationell ertldrlichen, nachmeigbaren Erfolg ge* 
braucht morben. gebet bernünfttge, gebildete Slr^t, ber mit bem ©efen ber 
ßranfheitbertraut, mirb ben ©ebrauch bon Strpchnin, Opium, Ga* 
l o m e I u, f. m. ebenfo lächerlich unb bermerflidh finben, mie $e<h unb Schme* 
fei, mag noch bor menigen ©odhen (in Stiefel unb Strumpf getragen) alg ganj ; 
unfehlbare^ Schupmittel burch amerilanifche 3eitungen empfohlen mürbe. 1 
dag SBerlaffen ber bon ber Cholera heimgefuchten ®egenb ift unb bleibt ber 
ftdherfte S<hup! \ 

gür diejenigen aber, benen bie ©ittel jur Hnfchaffung beg genannten ; 
$räferbatibg fehlen, bleibt Söermeibung aller didtfehler eine £auptregel; ganj 
borjuggmeife mu& man fi<h bor Ertdltung hüten, bie ben 2lugbru<h ber ßrantheit 
mehr all alleg Slnbere begünftigt. Ebenfo ift bie forgfdltigfte diginfection 
bon Slbjugägruben, fomie aller Behälter ber Ejcrentente, unerläßlich unb notbmen* 
big, ba bie in SSermefung unb gdulniß begriffenen thierifchen unb menfchlichen 
[Hefte um fo gröberen Schaben anrichten, je mehr fie fuh im Erbboben augbrei* 
ten tonnen, mag um fo leichter in loderer, feuchter, tiefliegenber Erbe ber gall 
ift. daß fuh bieg mirtlich fo berhdlt, unb mir ung nicht auf $ppothefen ftüpen, ’ 
bemeif t bie SSerbreitunggmeife ber Cholera (fomie faft aller anberen epibemifchen 
Srantheiten) in allen bigher babpn heimgefudhten Sanbem. Sluf h*>$lie* 
genbem, trodenem, bichtem unb felfigem ©oben ift fie 
pofitib noch nie aufgetreten. Slngefichtg folcher dhatfacßen, füllte 
man alfo auber auf größte SHeinlichteit überhaupt, auf ©ruhen, in melden 
menfchliche Slugmurfgftoffe aufbemahrt merben, bie ftrengfte Slufmerffamleit 
richten, unb follte man moglichft bafür forgen, bab biefe [Hefte nicht in ber 
•Habe menfchlichet ©ohnungen im Erbboben oerfidern ober faulen tonnen, da 
fich aber biefe SSorfichtgmaßregel namentlich in gröberen Stabten nicht immer 
burchführen labt, auf ber anberen Seite aber bie Entleerung flüffiger Ercrement* 
theile in feuchtem, loderem 33oben nicht ju berhinbern, fo müffen mir ung na« 

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türlich nach Mitteln umfehen, mit betten mit bie fchablichen ©afe (©hotera* 
ntiaSmen) unfd?dblich machen, gerftören lonnen. Unter allen ©eSinfectionSmüteln 
hat ftd& (Sfenmtriol—in gehn feilen SQßaffer aufgelöft— als baS bcfte Mittel 
bewährt, womit man öftere unb reichliche Vegießungen ber genannten Orte 
bornehmen muß. ©abei ift freilich gu bewerten, baß jebe ©isinfection, bon 
ber man -Küßen, ©cbuß erwarten will, borgenommen werben muß ehe bie 
©holera ben betreffenben Ort erreicht bat. 3ft baS ©ift (©bolcramiaSnta) be* 
reite in ben menfchlichen Korber übergegangen, fo treiben es auch leine ©eSin* 
fectionSberfuche mit ©ifenbitriol mehr heraus! 

Schließlich sollen wir bie widrige Aufgabe gu lofen fuchen, welche Ve* 
banblung bei bereite abgebrochener Kranlheit bie natürlicbfte, erfolgreich^ fei. 
Seiber muffen wir geftehon, baß, wo auch immer bie Kranlheit auftrat, allem 
wiffenfchaftlichen ©fperimentiren unb gorfchen gum ©roß, ein wirf lieber ©peci* 
ficum noch nicht gefunben würbe. Unter einer gahllofen Menge bon Heilmitteln 
unb Kurmethoben, bie uns theilS überliefert, theilS neu ftnb, giebt eS wobl lein 
einziges, bon bem nicht ber eine ober ber anbere 2lrgt ft<b eines eclatanten % ©r* 
folgeS rühmte. 2Bie aber lagt ftch biefer offenbare SBiberfpruch ertlären; wie 
ift eine gleich günftige Söirlung ber betoregenften Heilmittel in einer unb ber* 
felben Kranlheit möglich ? — ©ie ©rtlärung ift einfach unb liegt nabe genug, 
©ie -Katar, biefer guberläfftge, erfahrene Hausarzt b er gangen SBelt, heilt nicht 
nur burch uns, fonbern oft, febr oft fogar, unferen fehlerhaften, gefährlichen 
©ingriffen gum ©roß. 2Bet möchte begweifeltt, bah biele ©ßoleratranle, bie 
reftgnirt Opium, ©alomel unb ©trpehnin berfchludten, biefem dlteften unb 
glüdüchften Heillünftler ihre oft wunberbare ©enefung berbanfen ? 

©he wir beS einfachen, naturgemäßen HeilberfahrenS erwähnen, wollen 
wir furg -Kotij nehmen bon ben Mitteln, bie bisher bie meifte Verbreitung 
fanben. 

Vlutentgiehungen. Sie tann man bet einem KranlßeitSguftanb, 
ber ftch burch alle Seiten äußerfter ©rfchöpfung, ©ehwdehe beS Kreislaufs, 
SßulSloftgleit, Kalte, ©ollaps, Seere beS ©efäßfpftemS auSgeicßnet, bom Slberlaß 
etwas ©uteS erwarten ? 

© a l o m e l, bisher fehr biel unb in hohen ©ofen angemanbt, hat eben* 
fo wenig feinen Vuf als ©holeramittel berbient. ©ie Kranlheit ift ja nicht bie 
golge abnormer ©atleabfonberung! SBaS hilft uns Galomel als reigenbeS, 

. alterirenbeS, wurm* unb entgünbungSwibrigeS Mittel, was lönnte ein ©pei* 
chelfluß bei ©holcra helfen ? 

Opium unb Vorco tien überhaupt ftnb gebraucht worben, um bie 
große Veigbarleit beS perifteltifchen MotuS herabguftimmen. Seiber ftnb biefe 
Mittel bon fo üblen Vach* unb Vebenwirtungen begleitet, baß bereu Slnwenbung 
minbeftenS fehr befeßräntt werben follte, unb nur in ber neuerbingS ßiu* 
länglich unb rühmlichft belannt geworbenen gorm bon fehr fchwachen ©in* 
fprißungen in baS Unterhautgellgewebe gu empfehlen wäre. 


©amphor, Pfeffer, dtherifche Oele, ©albaniSmuS 



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unb eine flegion anberer Stimulentien fmb gepriefen morben. auch bicfe 
2Jtittel ftiftcn in bet Siegel mehr Schaben als Slawen, ba fte nur &u häufig eine 
fReaction betborrufen, bie baS Sehen beS Uranien bon ÜReuem in einen gefäbr* 
lieben 3uftanb bringt. 

StrpcbninunbNuxvomica. Speicher gebilbete Slrjt bermöchte 
bie günftige Sßirlung biefet SMittel bei Cholera rationell su erllären^ ba ficb beten 
$auptmirfung auf bie 23emegungSnerben beS SRüdenntarfS beliebt, unb bie 
SRerbenaffeftion ber (Sbolerafranfen, mie fd?on bielfach ermähnt, bie golge beS 
burch SBafferberluft jerftörten Ureislaufs be§ SBluteS ift ? 

© b i u t n. ©ie Slnftcbt einzelner Sterjte, melcbe bie ©bolera für ein anor* 
rnaleS, perniciöfeS SBecbfelfieber ober eine ©umpffranfbeit bitten, ift lange 
f<bon unhaltbar gemorben, unb fomit au<b baS Mittel in biefem galt. 

©ie naturgemäße, erfolgreiche Söebanblung ber Gbotera bebarf biefer 
beroifcben, mehr als zmeifelbaften 2Rittel in ber ©bat nicht. SBergegenmärtigen 
mir un§ nochmals biebauptfäcblichften ©rfcbeinungenberUranlbeit, unb 
richten mir bann unfere ©ehanblung nach biefen ein. 

1. ©roßer SBafferberluft beS 93lutS,Uälte, träge ©reu* 
lation beS eingebieften 93luteS. Uann eS mirffamere Mittel gegen biefe ©r* 
Meinung geben, als SGBaffer unb 2Bärme ? können mir auch bie mibernatür* 
liehe SluSfubr beSSBafferS noch burch fein beftimmteS 2Rittel genögenb 
berhinbern, fo ift hoch bie 3 u f u h r 0 o n g l ü f f i g f e i t in baS eingebiefte 
93lut als £auptfa<be gu betrachten unb gu ermöglichen. 2Ran bringe alfo ben 
Uranien bei eintretenbem ©urchfall fofort ins marme 93ett, lege beiße Um* 
febläge auf ben Seih. ©ann ©rinfen beißen ©heeS ober SBafferS, felbft auf bie ©e* 
fahr bin, baß ber größere ©heil babon mieber ausgebrochen merben feilte. 2Ber* 
ben $änbe, güße, üftafenfpifce unb 3unge bereits falt, mirb ber $uls IraftloS 
unb fcbmäcber, fo fe&e man als ©rregungSmittel für bie £eqtbätigfeit bem 
©etränl 2Bein, ©ognac, u. f. m. gu. 

2. 93ef<bränfung b*er © i a r r b o<e unb beS © r b r e <b e n S. ©ureb eine 
bieljährige Erfahrung habe ich f<bma<he 2Rorpbin*©olution, als ©nfprifcung 
gebraust, borjüglich mirlfam gefunben. 

3 . Söefänf tigun g ber läftigen unb fchmerjbafte n 
Urämpfe. häufige, halbftünblich mieberholte ©nreibungen mit Ammonium* 
Sinimenten, bie gleichzeitig Olioenöl, Opiumöl unb ©enföt enthalten, merben 
{ich jtetS als baS hefte, mirlfamfte SKittel bemäbren. 


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3d)U0Wt0-^ol|!citttrd)t $ktfttn> 

©Ott $ricfcti$ £c(oio* 


L 

Ob foobl jemall ein Englänber baran benlt, bab el auber feinem ©ater* 
lanbe noch ein Anglia, noch ein Sanb ber Engeln, giebt, unb bafj bie fübfchtelmiß* 
fd?e Sanbfchaft, toeld^e biefen tarnen führt, einen dttern Slnfpruch barauf bat aß 
bal ftol 3 e 3nfellönigrei<h ? Ob toohl unter Saufenben bon Slngelfachfen Einer treib, 
bab bon ben niebrigen Eeftaben Schl^toigsHolfteinl Slnno 446 in brei Keinen 
Schiffen bie SRdnner abfegelten, meld^e mit $enen, bie ihnen folgten, bie Erün* 
ber einel groben ßulturbollel merben foßten, bab bie beutfche ÜRorbmart bal 
Stammlanb ber angelfadpftfchen ©ace ift? Ob toohl todhrenb aller ber 
Seit, toelche bie.S<hleltoig*Holfteiner bem Gingen um ihre Befreiung bon ber 
grembherrfchaft tribmeten, jemals ein Englänber baran bachte, bab bort 
gieifdh bon feinem gleifch unb ©lut bon feinem ©lut bertreten fei, bab ftch 
bort biefelbe Stanbhaftigleii, biefetbe S^htgteit entfalte, toelche jje i n ©oll fo 
grob unb mächtig gemalt unb bie bon bort i b m geworben ? Unb machte bal ©ar* 
lament ftch über bie bon ben ©orbalbingiern entfaltete ©ietät für bergilbte ©er* 
gamente unb beralteten ©lunber luftig — ob el nie einem ber ehrentoerthen 
SDUtglieber einfiel, bab biel biefelbe S <b to d <h e fei, toelche, all SRertmal bei 
Slngelfachfenthuml, ber SBelt fo oft auf ßoften Englanbl Stoff jum Sachen 
liefert ? 

Scbleltoig^olftein ift ein fchonel, intereffantel, bon ber ©atur reicfe ge* 
fegnetel Sanb. 2Bunberfd)ön ift bie Oftlüfte, mit ihrem fanft hügeligen £er* 
rain, ihren blühenben gluren, ihren prachtboßen Eichen*, ©uchen* unb $an* 
nentoalbern, ihren ftiflen, toiefen* unb toalbumlrän^en Seen, ihren herrlichen 
SReerbufen. 3>ntereffant ift felbft ber mittlere Haiberücfen, mit feinen hi*' 
ftorifchen 3)enlmd(ern unb Hünengräbern. üRicht eben fchön, aber reich ge* 
fegnet unb boß anregenben Sntereffel finb bie ©ieberungen ber ©teftlüfte. 
ffiohl lein anberel ©oll hat feit einem 3ahrtaufenb unb barüber hinaul mit grö* 
beren Schfoierigleiten §u fampfen gehabt, ohne jemall in biefem Kampfe ju er* 
matten unb ben Glauben an ftd) felbft $u berlieren, unb nirgenbl ift auf 
Keinem Terrain mehr ©lut für bie Freiheit gefloffen, all in Schleltoig* 
Holftein. SBenn ßarl ©linb, ber ©epublilaner, fnh mit folchem Eifer bei 
„berlaffenen ©ruberftammel" annahm unb ihm ju Siebe im SBuft einel „hi* 
ftorifchen ©echt!" herumtoühlte, toelchel ihm nichtl toeniger all ehrtoürbig 
borlommen unb lieblich buften mufcte, fo leitete ihn bermuthlich bal Eefühl, 
bab bal betreffenbe ©oll einel Opferl- toerth fei, bab «tan nur bei ihm anju^ 

. Köpfen brauche, um Erinnerungen ju toeden, bie heiliger ftnb all aße ©er* 
gamente, ©rioilegien, 2Rannl* unb SBeiberftämme ber SGBelt. 

$ie htftorifche Enttoidlung Schleltoig*$olfteinl toar gan§ eigener Slrt. 
Eine SRenge betriebener ©öllerfchaften fanb ftch auf ber Halbinfet jufammen. 
Singeln, Saufen, SBenben, Briefen, unb all bie ffianberung nach ©ritannien 



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Süden oerurfachte, auch noch Säuen, liefen fich bort im engen Utaum nieber, 
unb nulten fo gilt wie möglich mit einanber auSgutommen fudben. Utodh jept 
finben fich bie.Spuren biefer 3nfammenwürfelung in bei* Stenge oerfchiebener 
SanbeStradhten, unb befugt man im SdjleSwigfchen, gumal an ber SBeftfüftc, 
einen ^ahrmarft, fo lönnte man fid? gumeilen auf eine ÜDtaSferabe oerfefct 
glauben, fo bunt fmb bie oft recht malerifchen unb gej^hmadooHen Äoftüme 
burch einanber gemifcbt. £ier unb bort trifft man in einer Keinen Ortfdjaft 
ein Völfdhen, welches, nur wenige bunbert Seelen gählenb, auf ben erften Vlid 
fich burch ben SppuS fowohl wie burch bie forgfältig beibebattene eigne Fracht 
Oon feinen Utachbarn unterfdheibet. (SS mufi hier auf bem Surchgug irgenb 
eines Stammet eine Schaar bangen geblieben fein unb eine Kolonie gegrünbet 
haben. Sem (Sinologen fann ficb nirgenbS ein banfbareteS gelb bieten, als 
im Sanbe gmifchen ber ©be unb ßönigSau. (SS gehörte etwas bagu, aus allen 
biefen gum &betl grunboerfchiebenen Elementen ein gufammengehörenbeS Volt 
gu bilben, unb bieS toarb nur baburdb möglich, baji jcber Stamm bie feiner 
©genthümlidhfeit unb feinen Srabitionen entfprechenbeu ©nrichtungen bebielt, 
toaSbenn autybiS auf ben heutigen Sag gefchehen ift. (Sin treffliches Vinbemittel 
bilbete ber fortmährenbe&impf gegen ben Uiorben, ben freilich in oielen gälten jeber 
Stamm auf eigene $anb führte. £ergöge, (Grafen, Äaifer unb Könige rauften 
fich burch einanber unb fchloffeu, loenn fie beS $aberS mübe waren, Verträge 
auf ewige Seiten ab, welche bei erfter (Gelegenheit mieber gebrochen mürben. 
(SS entftanb baburch ein gefefclicheS Sabprinth, welches ben Sberuf beS guriften 
in S<hleSwig*$olftein gu feinem leichten macht. SaS eine Sorf gehörte 
Oor fo unb fo oielen bunbert fahren gu biefem, baS anbere gu jenem „Ulntheil", 
unb banadb richtete fich baS in jebem geltenbe „Utecht". (SS ift ber Spürfmn 
eines 3igeunerS ober 3nbianerS erforberlich, um fich ba hinburchguftnben. Safe 
auf folche UBeife im UiechtSbemufjtfein beS Volles eine gewaltige (Sonfufion ent* 
flehen muhte, ift begreiflich, unb geräth man gar auf baS (Gebiet beS p o l i t i f <h e n 
Rechtes, fo lönnte man oolleitbS oon Sinnen fommen. gern fei es oon uns, 
^ben Sefer in biefem Sabprinth fpagieren gu führen. Sohnenber wirb eS fein, 
wenn wir uns gu Senen wenben, welche fich nicht mit bem ererbten, fonbern 
nur mit bem Utecht befafjten, baS mit ihnen geboren würbe unb in ihrem 
SBillen, in ihrem fittlicben Vemufitfein, in ihrem gefunben UJtenfchenoer* 
ftanbe unb unabhängigen (Sbarafter wurzelte. 

Sie SSeftfüfte wirb oon gmei in ihrer Vergangenheit unb gum Sheil auch 
noch in ihrer ©egenwartburch unb burch republifanifchen Völferfdbaf* 
ten bewohnt — in Schleswig, gwifchen ©ber unb UBibau, mit-©nf<hlujj ber 
Utorbfeeinfeln, oon ben griefen, in §olftein oon ben Sithmarfchern, einem VolfS* 
ftamm, welker fich auS Sachfen unb griefen gebilbet hat. SaS Volf ber griefen 
erftredt fich an ber gangen beutfchen Utorbfeefüfte entlang, oon ber $ffel bis in 
bie Utäbe ber nörblichen ©renge Schleswigs, unb theilt fich in UBeft*, Oft* unb 
Utorbfriefen, welche refpeftioe in §ollanb, §annooer, Olbenburg unb Schleswig 
oertreten fmb. Sa& wir hier e i n Voll Oor uns haben, welches fich nach ber 



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Sanberung Dom Guben bet an biefem weiten HüftenfWi nieberlteb, geigt fion 
ein Vlicf auf bie fttnbfarte, ba im nieberldnbifien gtieSlanb biefelben Orts* 
namen borfommen wie im Sanbe ber Vorbfriefen. Voi beutliier aber berräth 
es fti an bem ihnen Sillen imtewohnenben greiheitsfutn. „ffible, freie griefen.“ 
Go haben fte fti immer genannt unb mögen aui je$t noi nicht auf tiefen 
tarnen bergiiten. 3m elften 3ah*hunbert, als unter ihren ÜRaibarn fi(h 
immer mehr baS geubalwefen entfaltete, traten bie griefen in ber 3Ritte ihres 
©ebiets, ben Gtebinger SJtarfien im jefcigen Dlbenburg, gufantmen unb leifte* 
ten ben Giwur: „Vie Slbel über uns unb nie Unfreie unter uns." S)ie 
ÜRorbfriefen wenigftenS haben tiefen Giwur treulich gehalten, benn nie beftanb 
unter ihnen bie Seibeigenfiaft, unb wo ber Slbel ihnen nahe lam, ba gab eS 
blutige Hopfe* ÜKoi jefct giebt eS in ÜRorbfrieSlanb feinen Slbel, fein ©eburtS* 
pribilegium? noi jefct herrfit bort völlige ©leichheit beS Veits. S)affelbe 
gilt Don ben 2)ithmarfiern, unb Seiber ©efiiite geigt eine faft ununterbrochene 
Veihe non Hämpfen gegen ben Slbel unb baS gürfteuthum. 

$aS 2Jteer ift bie Simme ber Freiheit. Geefahrenbe Nationen liefern immer 
bie beften Vürger unb bie fileiteften Unterthanen. Ser ftetS mit bem Giranten* 
lofen gu thun hat, ift fehr wenig geneigt, ftcb bemunftwibrige Giranten 
gefallen gu laffen, unb wer im unabldffigen Hampf mit ben (Elementen fti ber 
eigenen Hraft bewußt wirb, ift am wenigften im Stanbe, fti bor einem $errn 
gu beugen. 2)ieS bewahrte fti aui an ben Briefen, gortwdhrenb lebten fte 
mit ben Sogen ber Vorbfee im Hampf, nnb jeben gubbreit ih^S SanbeS mub* 
ten fte gegen ben Slnbrang berfelben bertheibigen. Vetraitet man eine Harte 
ber Sefttüfte aus früheren 3«hrhunberten, fo fleht man, welie Verheerungen 
baS -Uteer hier angeriitet hat. 2)ie ©eftaltung beS Ufers bor breihurtbert 
3ahren war bon ber jefcigen fo oerfiieben, bah man fti niit mehr orienjtiren 
fann. 5)ie bielen Keinen Gilanbe, galligen genannt, bildeten neben Pellworm 
unb Vorbftranb eine gröbere gnfel, bie in gewaltigen Gturmfluthen bon ben 
Sellen gerriffen würbe. % Gin GtudE nai bem anbern würbe fortgeriffen 
unb muhte ber Gee gollweife wieber abgewonnen werben. EUlitten im Sanbe 
fteht man jefct niebrige 3)ei<he, beren gub einft bon ben Sogen befpült würbe. 
$ie gange Seftfüfte ift angefiwemmteS £ano. $aS SBZeer raubte bem üDtem 
fien baS Terrain, uni eS nai unb nai in ©eftalt eines fetten GilammeS 
wieber angufpülen. Viele Sahrhunberte bauerte es, bebor in biefem fteten 
Vingen ber Dftenfi bie Oberhanb gewann. S)ie Ghronif VorbfrieSlanbS weib 
bon ungdhligen Ueberfiwemmungen gu melben, bei benen ftetS Saufenbe — 
noi im 17ten 3ah*hunbert einmal gehntaufenb 2Renfien —.gu ©runbe gin* 
gen. $ie leftte grobe Gturmfluth trat im 3abre 1824 ein. Geitbem hat fti 
ber S)eiibau in ber Slrt entwicfelt, bab bei unabldfftger Saifamfeit baS geft* 
Ignb fo giemlii ftier ift. Von ben gnfeln fönnen aber nur bie grobem ein* 
gebeiit werben; fteigen bie Sogen befonberS hoi, fo überfiwemmen fte bie 
Keinen, gunt Ztyil nur bon einer gamilie bewohnten galligen. $ie Garge 
werbeu aus ben ©rabern gewühlt, bie Raufer fortgeriffen. Slber gerabe bie 



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ftete ©efabr macht ben Bewohnern bett heimatlichen Boben hoppelt lieb. So* 
lote bie glutb ft<b oerlaufett bat, loirb ba$ $au$ loieber auf ben $ügcl gebaut, 
um früher ober fpäter baffelbe Schicffal zu ftnben. Auf unbergleidblich fd&öne 
Seife bat Biernafcli, ber einft auf einer ber grobem Unfein Sßrebiger fear, bie 
eigentümliche Aomantif jener ©egenben gezeichnet. 

3)er ©influb biefeS Kampfes auf ben ©barafter ber fjfriefen labt ftdb in 
ihrer ©efcbichte beutlidb erlennen. Auf ba$ Verlangen ber gürften, ihnen Sri* 
but zu entrichten, antworteten fte ftetS: „Auf bem Boben, welchen wir $ag 
für Sag gegen ba$ Seer oertbeibigen müffett, wollen wir frei unb feinem 
Senfehen zinSpflichtig fein." 211$ im gabre 1250 ber $eqog 2lbel mit $ee* 
reSmacht ins 2anb rüdtte, um feiner gorberung Aachbrucf ju geben, würbe er 
blutig zurüdfgewiefen. 211$ er zwei gabre barauf, naebbem er feinen Bruber 
©rieh, ben er in Schleswig al$ ©aftfreunb bei ftdb aufgenommen, ertränlt unb 
baburdb Äönig Don Sänemarf geworben, al$ folcber mit bergröberter #eereS* 
macht ben Berfudb wieberbolte, würbe in einer §auptf<hla<bt, nabe bei bem jefci* 
gen griebrichftabt, fein ganzes £eer aufgerieben unb er felbft auf ber glucht Don 
einem griefen Stutens Seffel Rümmer erfdblagen. Ao<h burch mehrere gabr* 
bunberte behaupteten bie griefen ihre Unabbdngigfeit gegen alle Anfechtungen. 
Am ©nbe mubten fte ft<b ber Uebermacht fügen; förmlich unterworfen aber 
haben fte ftdb nie, unb ein bemerfenSwertber Umftanb ift, bab e$ an jeber Ut* 
funbe fehlt, auf welche ftdb bie rechtliche Bereinigung AorbfrieSlanbS mit bem 
£erzogtbum SdbleSwig zurüdffübren liebe. ©$ ift eben nur ein faltifdb befte* 
benbe$, auf bie ©ewalt ber Umftanbe begrünbeteS Berbältnib. Oft wur* 
ben, um ben Srofc ber griefen zu beugen, eigentümliche Sittel angewenbet. 
gn ben 2)iftriften, wo beute noch frieftfeh gefprochen wirb, bemerft man, bab 
an ben älteften Raufern eine niebrige £au$tbür auf ber Aorbfeite, eine höbe 
^intertbür auf ber Sübfeite angebracht ift. golgenbeS ift ber ©runb biefer 
©rfdbeinung. Al$ ber ßönig Don Sänemavt ft^ jenen Sanbftrich burch Saf* 
fengewalt unterworfen, befahl er, bab bie «gauStbür auf ber Aorbfeite ange* 
- bracht werben unb nur Dier gub hoch fein folle, bamit jeber griefe, wenn er aü$ 
bem £aufe trete, fein ftolzeS §aupt gen Aorben, Dor feinem Ädnig unb $errn, 
beugen muffe. 3)ie Verfügung lieb ftch-nicht umgeben, aber zum ©rfafc würbe 
bie hohe $intertbür (auf grieftfeb ©pperbör) angebracht, unb biefe allein 
benufct. San mub hoch wohl einigen Aefpelt Dor bem Schiffer** unb Bauern* 
Doll hegen, welches, ohne jemals Don Bbtfofopben gehört unb unter bem ©in* 
flub ber Bilbung geftanben zu haben, ben Sabrfprudb: „Sieber tobt als 
Sflab" auf feinem Sappen unb Banner führte unb im $erzen trug, ©e* 
gen bie Annahme beS ©briftentbumS haben bie griefen ftdb lange gefträubt, 
unb bat ficb in biefer Beziehung folgenber 3ug erhalten. ®ie Stfftonäre batten 
ben einflubreitbften gübrer, AantenS Aatbob, babin gebracht, bab er ftcb taufen 
laffen wollte. Als er aber eben ben gub tn'S Saffer fefct, fällt ihm noch bie 
grage ein, ob baS Opfer, welches er zu bringen im Begriff ftebe, .auch feinen 
im £eibentbum beworbenen Brübem zugute fomme. 2)ie Antwort lautetf * 



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„$ie fmb unb Weiten in ber $ölle." $a joff er f<hnett ben gub jurüd unb 
rief: „$ann toitt ich lieber mit ben Peinigen berbammt, als mit ©u<h felig 
fein." $ö<hP charalteriftifch ift es, bab bie Briefen, na^bem fie fpdter baS 
©hriPenthum angenommen, burchquS leine ebetofe ©eiftlichleit unter p<h bul* 
ben moßten, unb hierin fo hartnddig blieben, bab ber $apft fchlechterbingS 
nichts mit ihnen anfangen lonnte. 3ftr triftiges Slrgument lautete: „2Bir 
moHen grieben in unfern Käufern haben." Üfiie bat auf norbfriefif<hem©oben 
ein ülofter geftanben, unb bie Deformation traf beS^alb auch bort auf leine 
©chmierigleiten, mdhrenb baS SBerhdltnib in 2)ithmarf<hen anberS lag. S)ie 
nddbfte SBepimtnung ber griefen möchte jefct fein, bie beften Seeleute für bie 
beutfcbe glotte ju liefern. ffidhrenb beS Krieges bon 1848 — 1860 beftanb 
baS Heine f<hleSmig*holpeinifche ©efchmaber an ihrer Äüfte bereits einen 
macfern Straub mit einer Slbtheilung ber banifchen glotte. 

$en $itbmarf<bem boten fuh für bie ^Behauptung ihrer greiheit Sortheile, 
melche ben griefen abgingen, ©ie mohnten auf ihrem Terrain eng jufamtnen, 
mdhrenb bie griefen über einen langen ßüftenftrich unb eine Dtenge bon gnfeln 
jerftreut maren. 2lu<h mar ihrem Sanbe nur bon einer ©eite beijufonunen, baffelbe 
alfo berhdtnibmdbig leidht $u bertheibigen. 2)aS alte 2)ithmarf<hen bilbete eine. 
$Bauern*Depublil, beren ©efdjichte fo über bie Dtaben boli romantifchen gnter* 
effeS ift, bab fle in biefer öe^ebung eine mahrhaft unerfchöppiche gunbgrube 
bilbet. 2)ie Kämpfe, melche bCefeS freie Sauernbol! gegen ben f^leSmig^hW^ 
fteinifchen Dbel, bie ©rafen, £erjöge unb Könige führte, ftehen in ihrer Slrt 
einzig ba. ©S fei hier beifpiclSmeife einer ©pifobe aus bem 14. gahrhunbert 
gebaut, ©ine neue gnbafion hatte mit einer furchtbaren Dieberlage beS 
SlbelS geenbet. Dicht meit bon ber ©renje entfernt. Meisten bie ©ebeine 
bon über breihunbert 2Mblut*Dittern, melche nach ber graupgen ©itte, bie 
fich bei ben $ithmarf<hem noch burch gmei gahrhunberte erhielt, ni<bt beerbigt 
ober entfernt merben burften, fonbem als marnenbeS ©yempel abligen Ueber* 
muths ben Daben jum grab bienen muhten. SBeinenb peilten ft<h bie grauen 
unb feebmeftem ber ©efaöenen mit ihren Wienern ein unb Pehten um bie ©r* 
laubnib, bie Seichen mit fi<h fortjunehnien. 25ie dauern blieben unerbittlich, 
©nbßch aber lam eine Slnjahl bon Donnen in meifjen Schleiern unb pellte 
bor, bap es fünblich fei, ben ©efaUenen ein ehrliches SBegrdbnib JU bermeigern. 
SBor ben Achtern beS Rimmels hatten bie $ithmarfcher, ungleich ben griefen, 
einen gemaltigen Defpeft, unb ihnen bemilligten fie baS^ maS fie ben abKgen 
tarnen bermeigert. Qu fpdt erfuhren fie, bab Sefctere fi<h als Donnen berllei* 
bet unb burch bie Sßufchung ihren 3mecf erreicht hatten. ^Beging ein 
S)ithmarfcher SSerrath am Daterlanbe, fo mürbe bie Sicht über ihn auSgefprochen, 
unb jrnei SanbeSfbhne mürben mit ber SSoUftredung beS UrtheilS beauftragt, 
©ie mubten ben SBerrather auffpüren, mubten ihm, menn nothmenbig, bon 
Sanb ju Sanbe folgen, unb burften nicht heimlehren bebor fie ihre Dtiffion er* 
füllt, b. h- ihn umS Sehen gebraut hatten, ©inem bei ben griefen fomohl mie 
bei ben S)ithmarfchem herrfchenben brauch anfolge mubte ihnen pets im flampf 





eine reine 3ungfrau ba! JBanntr boran tragen. Sie größte greibeitlfchladbt, 
tneldje bie Sitbmarfcher geliefert, bie bei $emmingftebt im gabre 1500, ftebt in 
ber ©efeßiebte Seutfcßlanb! all Gpocße machenbe! Greigniß ba unb riß ben in 
biefem gaH fonberbar berblenbeten Sutber ju einem bonnernben Slnatbema 
gegen ba! „freche Söauernpadf" ftn. Ser ßönig S^bann non Sänemarl 
batte ftcb mit bem gefammten fcßlelmig * bolfteinifcßen 2lbel berbünbet, 
unb bielmal follte ber £ro|j ber dauern grünblich gebrochen merben. Sa! 
£eer ber Sänen unb ber Witter gdblte 30,000 Mann, unb all furchtbaren 
93unbelgenoffen butte el bie in ganj Seutfcßlanb gefürchtete Sölbner*©arbe 
bei Sunferl Schien^ bei ft<ß. Melborf mürbe juerft eingenommen, unb bie 
gefammte Mannfcßaft, melcße ftch nicht geflüchtet butte, niebergemacht. 3n 
feftlichent Scßmuc! mürbe bon bort meiter gerüdtt; el galt ja nur noch eine 
4? e 6iugb, melche bie ©arbe allein bemerfftelligen tonnte, unb am Slbenb follte 
nach bottbraeßtem Sagemerf in £eibe über ba! unterjochte Sitbmarfcßen 
triumpßirt merben. Slber el tarn anber! all bie Herren ermartet hatten. 5luf 
ber feitbem ,,Saufenbs£eufel!*2öerfte'' getauften unb noch beute fo genannten 
Grbößung bei £emmingftebt batte fleh eine tapfere Schaar unter ber güßrung 
bon 2öulf Sfebranb, beffen ©raut, Jungfrau Steife, bie gaßne trug, gefummelt, 
unb bliefte hinter ihren Schaden ruhig ben ^eranrüdenben entgegen. Um 
bie ^ofition §u erreichen, mußte ein langer, fcßmaler Santrn, jmifeßen tiefen 
©räben, überfchritten merben. „§üte bi<h, Malier, bie ©arbe tommt ! 44 
riefen bie beranftürmenben Scute bei Sanier! Scßlenj. Sa! ©ebonner ber 
aufgepflanjten gelbfcßlangeii mar bie Slntmort, unb halb geigte el fuh, baß 
lein leichter Strauß beborftehe. $lößli<ß ftieg bal Sßaffer in ben ©rdben, 
hoher unb höher, unb ringlum murbbn bie SBiefen überflutbet. Man hatte 
bie Scßleufen geöffnet. ge(jt fprangen bie dauern aul ihrer Schanje 
herbor, unb ihr Schlachtruf lautete: „£üte bich, ©arbe, ber Söauer 
lommt!" ein 2Babrfpru<h, ber noch beute in Scßtelmig^olftein ju ben house- 
hold words gehört unb mäßrenb bel iebten Kriege! gegen Sänemarl oft genug 
auf bem Schlachtfelb bernommen mürbe. Gl entftanb ein grauenbollel ©e* 
rnefcel. Sie bei 23oben! luubigen dauern flachen * mit ihren Speeren in bie 
Schaaren ber geinbe, bie ftch, überall aulgleitenb, nicht mehr helfen lonnten 
unb jämmerlich su ©runbe gingen. 93on ben 36,000 Mann lamen leine 
2000 mit bem 2eben babon. Sie ©arbe bei Sanier! Scßlenj mürbe mit ihm 
felbft bil auf ben lebten Mann niebergemaeßt. Ser $önig Qohann berlor ein 
Sluge unb rettete nur mit Mühe fein Seben. $8on bem ritterlichen ©ef<hle<ht 
ber 2lhlefelbl fielen allein jmanjig Mann, unter ihnen £anl bon Slßlefelb, 
melcher bie urfprünglicbe, angeblich bom £immel gefallene Sannebroglfaßne 
trug. Schere mürbe erbeutet unb im ©eburtlort Seife’! ihr ju Gßren über 
bem Slltar aufgehangen. 2Bo fxe feitbem geblieben, ift nicht belannt; jeben* 
fall! aber haben bie Säuen fte im Sabre 1559, all Sitbmarfcßen! greibeit 
unterlag, nicht jurüdbelommen. .— Sieht man bieSifte aller ber Manfcaul, 
Slßlefelbl :c. bureß, meieße in ben gaßllofen gehben mit ben Sithmarfcßern 


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fielen, fo begreift man nicht, n>ie noch welche bapon nachgeblieben fein 
fönnen. 2lber fte ejiftiren noch immer, unb ftnb, was ihre ©ejinnung be* 
trifft, unperänbert. 

2ln bie Schlacht bei Hemmingflebt luüpft ftcb eine ©pifobe, welche nicht 
unerwähnt bleiben barf. 2llS ber geinb mit fo gewaltiger Uebermacbt heran* 
rüdfte, leifteten bie 2)ithmarfcber baS ©elübbe, im gaH bie heilige gungfrau 
ihnen ben Steg Perleibe, ihr in 2Mborf ein Donnenllofter, mit SanbeStßcbtern 
als Tonnen, gu errichten. Schon oben würbe erwähnt, bafc eS bei ihnen ßlöfter 
gab; jeboch waren bie 2ftön<be unb Tonnen imporrtrte SBaare, babie grörn* 
migfeit nicht fo weit ging, bafc bie 2)ithmarfcherinnnen felbft ftcb baju hergeben 
mochten. 2llS nun ber Sieg errungen war, würben bie Perlegen jaubemben 
2)itbmarfcbet burch ben ©rjbifcbof Pon Bremen gebrängt, ihr ©elübbe §u löfen. 
2)aS Slofter würbe gebaut; aber woher bie Tonnen nehmen? Dach Pielen Per* 
geblichen Bemühungen gelang es enblidj, brei Patronen, welche bie günfjig über* 
fchritten hatten, für ben Syrier ju werben, wobei fie ftcb’S jeboch auSbebangen, 
bann nnb wann Sonntags $um $an$ gehen ju bürfen. ©neS fronen $ageS 
Waren aber bie Himmelsbräute fpurloS Perfchwunben, unb bie abfolute Unmög* 
liebfeit befreite bie guten 2)ithmarfcher pon ber Söfung ihres SchwureS. 2)er 
Deformation leifteten bie 2)ithmarf<her lange SBiberftanb. 2)er erfte Dpoftel 
beS neuen ©taubenS, Heinrich Pon 3ütphen, würbe nach fcbredElidjen ÜDifcbanb* 
lungen auf bem SDlarftplafc Pon $eibe Perbrannt. SutberS Sehre brach ftcb 
aberfchnell Bahn als man entbedfte, bafc bei 2unben*an ber ©ber ein 3Mßn<hS* 
unb ein Donnenflofter bureb unterirbifche ©änge mit einanber in Berbinbung 
ftanben. gn einer Dacht würbe bie faubere ©efellfcbaft überrafcht unb nieber* 
gemacht, unb bamit hatte ber flatholijiSmuS im S)ithmarf<hen ein ©nbe. 


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»iOtt Wtat&ilbe ^frattjUfa 9fttttefe« 


Jttaitranh. 

Süngft war ich jum ©arten gegangen, 
3um buftenben Blüthenhain. 

S)a hielt bie Debe umfangen 
©olbliebchen, baS SBalbmeifterlein. 

Sie haben gar heimlich geplaubert, 

3<h habe fte hoch belaufcht. 

Sie haben in fchwingenben Dptbmen 
Sich Jlüffe um ßüffe getaufcht. 


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Sie fabelt gar lieblich gezaubert 
SSon lünftiger Seligleit. 

Sie baten f«b beibe »erlebet 
Sur bie luftige Sßaienjeit. 

Sie haben fi<b beibe bereinigt 
£iet unter bent frönen Saunt, 

3u blühen, ju grünen, ju lieben, 

3u träumen ben Sommernad&tltraum. 

0 ftiH! ja, bet grübling »in lonunen. 

Ser Diebe ^erjblut, bet 2Bein, 

SBirb bi<b umflutben, umtaufeben, 

£olbfelige8 SiBalbmeifterleinl 

II. 

CntbäUtrrt. 

«Du meine fd&5nt, bunfle Stofe, 

Die mir an« $erj fcaä ©^iitfal warf.“ 

SH8 ber Srübling noch in ber Sffiiege lag, 

Unb blütbengefcbmüdt »ar ber junge Sag, 

Unb Jfnogpen, nur $no8pen, bie SRofen; 

2ll§ Seil#enbuft oon ber £eimatb, ein ©ruh, 
herüber lam mit be8 3epbirä ßufj, 

2Jlit ben fpielenben äßinben, ben lofen — 

Sa »arb mir ’ne Stofe, ’ne bunlle, gefanbt, 

2Bie’8 ber Sinter fagte, Bon S<biäfal8banb. 

3<b bab’ fie am #er}en getragen. 

©8 »ar »obl jut 3eit nicht, jur rechten 3eit, 

Sab f«e fub erfchloffen jut greubigleit, 

3u wonnigen Dtofentagen. 

Sod; bab’ ich gebracht fie jum Sonnenftrabl, 

3lm lichten Sage, im SWärj jnmal, 

3m tauben SBeften ba brüten. 

3cb habe mit meinem fauche lau 
©wärmt unb genest fie mit Sbtdnentbau, , 

©efcbüfct fie mit meinem Sieben. 

Sann bat fie entfaltet ftcb langfam unb fa^t, 

©eleu<btet, bie bunlle, in SBunberpracbt, 

Sie »unberfeltfame Stofe. 

3<b bab’ fte gehalten am £erjen feft, 

So wie man fein Sieben nicht »on fi<b Mflt, 

ÜJiit trautem unb treuem ©etofe. 



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bcr Civil-Eights-Bill gegen biefe erhob, fo brausten h)ir nur bie gewaltige 
[Rebe non gUinoiS ^o^erjigem Sohne, £pman drumbull, nrieber$ugeben, ber 
nie fd^Tagenber, nie übergeugenber fprach, niemals bie Sinlelsüge eines SBollS* 
fcbmeicbletS mürbevoller unb babei fo berb fennjeid&nete, niemals bie -Kation 
in fo begeifterten Sorten an bie Erfüllung non ©b*enpfli<bten mahnte, als in 
jener bebeutfamen Stunbe, bie ber Slbftirnmung über baS SBeto noranging. 
Slbet eS giebt unter unfern £efem wohl deinen, ber an biefe Sorte erinnert $u 
werben brauet, unb in bem fte nicht bie Testen 3meifel über bie lonftitutionelle 
[Berechtigung beS gebauten ©efe|eS befeitigt fetten. Uns ift eS habet nur 
Vorbehalten, in furzen Umtiffen ben S^eci ber Civil-Eights-Bill, welken 
Slnbrew gobnfon butcb feilt 93eto §u bhttertreiben hoffte, bervorjubeben, unb 
bie Stellung ndber &u bejeichnen, bie er burch jene 93eanfpru<hung ber ihm 
eingeräumten [Prärogative ju ber Partei einnimmt, bie ihn $u feinem jefcigen 
Slmte berufen bat. 

der zweite Slrtilel beS SlmenbementS gu ber S3unbesnerfaffung, 
welches in feinem erften, naebbem es von jwei drittbeilen ber Staaten ratifairt 
War, bie Sflaverei über baS ganje ©ebiet unferer [RepubUl für aufgehoben er* 
Hart, giebt bem Gongrefi in unverfänglichen Sorten baS [Recht, DRafmabmen 
in’S £eben ju rufen, bie biefer greibeitSerllärung praltifcbe Sirlfamleit ju verlei* 
ben verbrechen. ©S ift bie fo ertbeilte 93efugnifj, welche benfo häufig genannten 
©efe|entwurf bervorrief. Sie Inüpfte leine 93ebingungen an bie auf fte ge* 
ftüfcte £anblung beS ©ongreffeS, unb eroffnete alfo baS dbor 31 t ben um* 
faffenbften, grünblichften Schritten, gut 93erVoHftänbigung ber burch bie grei* 
beitSerllärung angeftrebten Slbfuht. Sener jweite Slrtilel beS 93erfaffungS* 
amenbements baucht ber Civil-Eights-Bill auch fein Sefen ein, benn ber 
©runbgebanle biefer beftebt barin, bie gleidjfam negative [Richtung beS erftern, 
ber bie Sllaverei aufbebt, &u einer ^ofttiven gu erbeben, baburch, bafj fte ben 
Status ber [Befreiten feftftellt. Snbem fte biefe auf ben ©runb, bafj fte bi« 
geboren, als „[Bürger" anerlennt, erbebt fte über bie bisher gelnechtete [Race 
, ben Schul beS SchilbeS ber [Republil, verleibt ihr aber leine weiteren [Rechte 
als biejenigen, welche jeber ©ingemanberte mit bem dage feinet Slnlunft an 
bem Ufer unfereS £anbeS $u beanfprueben vermag. -Rur mit 93ejug auf bie 
©eltenbmachung biefer Rechte betritt fte ein ©ebiet, welches mit ben vor bem 
Stiege gangbaren Slnfcbauungen ber Sübftaaten unb ihrer greunbe im [Rorben 
in fchroffen ©onflilt tritt. Säht fte ben StaatSgerichtSbofen in allen gätlen, 
welche eine [Beeinträchtigung jener bem 95 ü r g e r innewobnenben [Rechte Ion* 
ftatiren, fowie in allen gällen, wo ber garbige anbern ©efe$en, 95 erorbnun* 
gen ober ©ebräuchen nach projefftrt würbe als bie, welche auf ben Seiten 
gleichmäßig Slnwenbung ftnben, baS ©rfenntnijj in erfter gnftanj, fo befähigt 
fte hoch ben 93etreffenben, von biefer nicht etwa an einen höheren StaatSge* 
richtsbof, fonbern an ein 95 u n b e S geriet ju appeHiren. ®ie übrigen $ara* 
grapben beS ©efefceS gewäbrleiften nur bie praltifcbe Sirlfamleit ber fthon be* 
zeichneten. ©S werben demjenigen fchwere ©elb* unb ©efängnifjftrafen jtter* 


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fannj, bet ff<h bet garbe ober bet früheren unfreiwilligen Sienftoerpflichtung 
eines Slnbetn wegen an ben il?m jugefprochenen „bürgerlichen Siechten" »et» 
greift; ben PunbeSgericfften wirb bie 2lrt ber Ptocebut »orgefCffrieben, nach 
welker fie »on ben ihnen unterbreiteten Älagefahen jienntniff nehmen bürfen, 
ihr tßerfonal »ermehrt unb ihre gurisbiftion allen technifchen 'Ginwürfen ent» 
rücft; ben Unterbeamten bet PunbeSgerichte wirb eine ©etbftrafe bis ju Jan* 
fenb SoUarS in jeber Slagefache, bie jn ©unften beS Klägers »ermenbet werben 
foH, auferlegt, wenn fie ben Porlabungen unb Grfenntniffen ber ©erichtshöfe 
nicht mit gebübtenbem Gifer ©ettung ju »erraffen fuchen,- unb wo fie nach* 
weislich burch ©ewalt baran »erhinbert werben, ba ift es ben PunbeSrichtetn unb - 
PunbeSfomtniffätS erlaubt, bie .fjülfe ber nädjften Söürger, beS posse comi- 
tatus beS betreffenben Gountp, ober enblicff bie fianb» unb Seemacht bet 
^Bereinigten Staaten gut Unterftüfcung anjurufen. Siefen Perorbnungen 
fliehen fich noch Strafbebingungen gegen Siejenigen aa bie ffdj ben Plahbaten 
bet ©erichtshöfe wiberfeffen, ber glucht »on Peflagten in gälten bie baS ©efefc 
betrifft, Porfdjub leiften, ober fie, wenn f<bon in $aft gebradfjt, ben Sienetn 
bet ©erehtigfeit ju entreißen fuchen. 3iad) einer geftftellung ber ©ebühten, 
bie bei »otfommenben Klagen unter ber Pegibe bet Civil-Bights-Bill ju et» 
heben ffnb, folgen bann noch jwei Paragraphen, welche bie Pefugniffe beS 
Präffbenten, fo weit eS feiner Ginwirtung bebarf, um biefem ©efeff Sichtung ju 
»erfdjaffen, feftftellen. Ser erfte b e»ollmach tig t ihn, um eine energi« 
fcffete fjanbbabung ber ©erechtigfeit ju erjielen, baff er ben Picfftern, ben SWarfdjaU 
unb öffentlichen Pnflägern beS PunbeSbejitfS, in welchem feinem auf bahin jie* 
lenbe Plittheilungen fuh ftüfcenben ©lauben nach Uebertritte beS gebauten ©e» 
feffeS ftattgefunben haben ober beabpcfftigt werben, fidj an Ort unb Stelle ju 
begeben unb bort ©ericht ju halten; ber jmeite beöollmächtigtihn eben» 
falls, bie fianb» unb Seemacht beS PunbeS _ ober bie SWilij jum groecf bet 
Sutihführung ber »on uns jerglieberten Perorbnungen ju »erwenben. GS 
ftnb nur biefe beiben Paragraphen, welche bem Präffbenten überhaupt einen 
Ginfluff auf bie Söirffamfeit ber Civil-Bights-Bill einräumen. Saff in bei* 
ben ber PuSbrud bevollmächtigt »erwenbet wirb, fcheint anjubeuten, baff 
bie Perfaffer beS GntwurfeS fcffon »on ben Phnungen befcfflicben waren, 
welche bie gteunbe Pnbrew gohnfonS jefft »ermitflichen, inbem fie btchenb 
uns jurufen, baff er feine »on biefem »erfaffungSwibrigen ©efeff ihm aufge* 
bürbete Perpflichtungen erfüllen werbe. GS ftnb ihm beten feine geworben. 
Gine Pepollmächtigung fcffliefft ben freien SBillen beS Petreffenben in ftch, 
bie ihm an»ertraute Pefugniff in Pnmenbung ju bringen ober fie ruhen ju 
laffen. Pber machte bie Pili bem Präffbenten baS jur Pflicht, was fte 
feinem SBillen anheimftellt, fo wäre ihre Tragweite, im gall einer Steigerung, 
nur wenig gefdjwächt. SffiaS bie Gnbparagraphen ihr fcheinbar an Stärfe 
bringen, enthält fie fdffon in ber pofftioften Steife in ben »orhergehenben Pb* 
fcffnitten beS ©efeffeS. Sie Civil-Eights-Bill ruft Pnbrew gohnfon mit 
f«h fort auf bem Pfab ber Pflicht unb ber Gh«; aber ffe geftattet ihm, mitju* 


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geben ober gurüdgubleiben, je nachbetn feine Neigungen barüber entfd&eiben 
mögen. 

Der SBortlaut ber Bill erllärt ihr SGBefen alfo auf baS Deutlichfte unb giebt 
bie engften ©rengen um ihre LuSlegung unb Luffaffung. Snbenvfte bie ^Recfetc 
beS Bürgers aufgäblt, fchneibet fte alle bppotbetifchen ab. ßontralte eingu* 
geben unb ihre (Erfüllung gu ergwingen; gu Hagen unb »erllagt werben gu 
lönnen; 3*ugnib gu geben; bewegliches ober unbewegliches ©igentbum laufen, 
mietben, »erlaufen, übertragen unb ererben gu lönnen; eines gleichen Bor* 
tbeilSmitbem äBetben allen ©efefcen gegenüber gu genießen, bie gut Sicherung 
ber B*rfon unb beS ©gentbumS erlaffen, unb leinen unberen Strafen als benen, 
welche bem SBeijien angebrobt, unterworfen werten gu lönnen — baS ift bie 
genaue Definition ber Lechte, welche biefer Llt unferer BunbeSlegiSlatur bem 
« befreiten »erbürgt. Bon einem p o l i t i f <h e n, »on einem Stimmtest 
ift nicht bie Lebe. Drumbull leugnet jeben £intergebanlen mit Begug auf 
biefeS ab. Das Argument, mit welchem er bargutbun fucht, ba& baS Bürgerrecht 
ber Bereinigten Staaten leine „politifchen ^Privilegien" mit fi<b bringt, bat fich 
in ber B*ayiS bereits bewährt, wie baS Beifpiel »on LlaffachufettS geigt, wel* 
cheS unter bem ©influfc beS Latinismus leinem ©nwanberer baS Stimmrecht 
gugeftanb, wenn er nicht gwei Sabre über ben Seitpunlt hinaus, wo er bie 
Bürgerfdjaft ber Lepublif erworben, birr gelebt. Die Beftimmungen ber 
BunbeSoerfaffung, wie unlogifch fte auch mit Begug auf ben Barographen fein 
mögen, ber eS ben eingelnen Staaten überlast, bie Oualiftlationen ihrer ®äbler 
feftgufteHen, ftnb über biefen Bunlt entfeheibenb, unb batte man nicht ben ÜDtutb, 
ober war eS nicht möglich, jenen Barographen burch ein Slmenbement gu ent* 
Iräften, fo müffen wir uns jept, wohl ober übel, mit ber Uebergeugung gufrieben 
geben, bah bie Civil-Eights-Bill ben gelnechteten Llillionen nur bie in ihr 
begegneten Lechte oerleibt unb lein Dittelchen weiter. 

gern wie er ber Dbeilnabme an ben Beftimmungen über baS SBobl unb 
ffiebe ber ©efammtbeit ftanb, ftebt baber ber Leger ihr auch jefct noch- 2BaS 
baS neue ©efefc ihm gugeftebt unb oerbürgt, beanfprudjt ber ©inwanberer als 
burchauS felbftoerftänblich mit bem Llontent, wo er bie ©eftabe ber Lepublil 
betritt. ©S finb bie gewöhnlichen unb immer mit Iräftiger^anb gewäbrleifteten 
3 ugeftänbniffe, welche bie ©ioilifation burch bie ©efammtbeit bem ©ingelnen 
machen labt. ©S ftnb Sugeftänbniffe, oon beren Berechtigung man fo tief 
burchbrungen unb beren Unoerleblichleit uns fo heilig, bafj uns jebe oerfuchte 
Befcbränlung gum Lachtbeil beS Schwachen ober Unwiffenben mit ber tiejften 
gnbignation erfüllt. ßurg, eS ftnb nur bie in jeber Begebung n a t ü r l i <h en 
Lechte, bie bem garbigen burch bie Civil-Eights-Bill werben unb werben 
muhten, wenn man nicht nach bem ©rlafc ber greibeitSerllärung fortfabren 
wollte, ben 2JI e n f <b e n in ihm gu ignoriren unb mit Danep gu fagen, bah er, 
gleichwohl ob frei ober nicht, leine Lechte beftfce, bie ein SBeijjer gu refpel* 
tiren brauche. 

Unb bieS nach ber Lufbebung ber SHaoerei fo felbftoerftäntliche, fo natür* 



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ließe unb weil natürlich, jttgleicb fo bürftige gugeßänbniß wotlfe SlnbteW goßn* 
fon, obgleich baS ©emußtfein be§ ganjen loyalen ©ollS es als unabmeislicß er« 
fannte, nicht machen. 3wnt hatte er not wenigen Monaten er ft erflärt, bah 
bie ©teicßftellung beS Siegers mit bem Seißen vor bem ©efefc eine unerläßliche 
©ebingung ber Sieberaufnahme ber Staaten beS SübenS fei; aber Sonate 
haben pfpcßologifche Umgeftaltungen in Slnbrem Soßnfon ju Sege gebraut, 
bie bei Anberen launt toährenb ber ©eriobe jur ©oHenbung tommen, welche 
ben Jüngling Dom ©reifenalter trennt, (frllärt nicht biefer Umfchroung baS 
ufurpatorifeße ©ebahren, burch weißes et ben Slepräfentanten unb Senatoren 
ber „relonftruirten" Staaten ©nlaß in ben Gongreß ju verfeßaffen fußte? 
Seicht märe eS ihm bann gemotben, feinem Sßeto gegen bie ©efßlußnahmen ber 
patriotifßen Majorität ©eltung ju feiern. 2roß aUct Streu» unb ©robeeibe 
hätte nicht ein einjiget ber Vertreter beS SübenS Maßregeln befürwortet, bie ber 
greißeitSerllätung beS verhaßten Siegers Sehen unb Sirffamleit einbaueben 
fönnte. M5ge bäS ©efübl unferet Santbarleit gegen bie Männer nie ertalten, 
bie fi<h in jenen Iritifßen Momenten in bie SBrefdje matfen unb unfere herrliche 
Slepublit vor bem fßmätjeften Sßanbfled bewahrten. 

Sir »Überholen, Anbtem Sohnfon wollte bieS 3ugeftänbniß meber bem 
©eifte ber 3eit, noch ben gorberungen beS greiheitSamenbementS, beffen natür* 
liehet SluSfluß eS mar, machen. Unb boß ßnbet ftch unter ben breißig Mitlio* 
nen ©emohnem unferer Slepublit nicht Giner, ber bie abfolute SJothmenbigteit, 
wie bie legale ©ereßtigung unb logifße Slißtigleit einer folgen Sicherung beS 
ManbatS, welches bie SHaoerei auf hob, beutlicßer ettennen mußte, als et. Selbft 
unter S)enen geboten unb auferjogen, gegen beten Uebergriffe bie Civil-Kights- 
Bill ben Sieger fßüfcen fotl, jeugten alle von ihm auSgeßenbe üunbgebungen 
von bem ©nbrud, welchen bie Selbftüberfßä|ung, baS feftgemurjelte ©orurtheil 
unb bie Anmaßung willtürlichet ©emalt feitenS ber Sllabenhalter auf ihn ge 
macht hatten, konnte er fc<h Überreben, baß ber Sieger jefct, wo er aus feinem 
bienftlißen Status jum freie« Menfßen erhoben, babureb feinem frühem 
©eftßer imponiren, b a b u r ß fuh eine ber Sütbe ber greißeit entfpreeßenbe 
©eßanblung pchem Wune? durfte er bem tßörißten Saßn fuß ßingcben, baß 
ba, wo baS Selbftinterejfe beS Arbeitgebers nicht für ben Sieget fprießt — alfo 
hei Sebem, in beffen Soßn et nicht fteßt — baS bloße ffibitt ber greißeit ißm 
eine Slefpettirang ber Siebte berfelben erjielen werbe ? konnte er, ber .guter 
bet Sleßte jener vier Millionen, ftch bei bem ©lauben beruhigt fühlen, baß 
lange genährte ©orurtßeile unb ©ewohnßeiten, benen ber Sflaoenßalter »on 
fiinceSbeinen an jum Slachtßeil ber’Sßmarjen gefolgt, burch eine bloße ©to* 
Kamation vermifßt werben würben, baß bie Slatur ber Stlaoenßalter, bet nie 
gejfeln angelegt worben, fuß mit einem Male verleugnen, baß fte ißre Snbi« 
vibualität abftreifen, unb ben Sieger wenn auch nur mit Schonung beßanbetn 
würben? Ober mußte er nicht vielmehr anneßmen,baß biegreiheitsprollamation, 
welche bem Süben als bie empfinblißfte Strafe jubiltirt würbe, nur bie ge* 
ßäfßgften ©efüßle, ja, bie milbefte Erbitterung gegen ben ©egenftanb, beffen 


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matt ft« §u btefcr Strafe bebiente, brttorrufen »erbe ? drängte ft« «m btefe 
Ueberzeugiing ni«t oon felbft auf, fo ftanben wieberum feinem tnenf«li«eit 
SBefett ber £ülfgmittel fo oiele zu ©ebote, bie wabrf«einli«ften ©rgebniffe ber 
ttd«ften 3ufunft, wenn ber SReger feinen S«u$ fdnbe, feftjufteüen, toie gerabe 
«nt. 2)ie 3Ir«ibe beg greebmen’g fflureau fmb überlaben tnit ben ©emeifen 
ber beifpieHog fre«en Uebergriffe, bie ft« ber frühere Sttabenbalter felbft je$t, 
too no« bie 9tdbe bon ©arnifonen «nt Sugel anlegt, gegen ben Sieger erlaubt* 
SInbrem Sobnfon brau«t fte nur anjufeben, um ft« zu überzeugen, bafj bie 
$re«eit bem S«marzen ein gefdbrli«eg ©ut ift, wenn fte ft« auf bag ©ertrauen 
Zur 2Ritterli«feit unb ©onbommie beg Süblanberg ftüfct. @r tue«, bafj mehrere 
Staaten einen SpeciaMSobej für bie ©eberrf«ung beg ©egergf«ufen, bon 
beffen ^raltif«er Hugfübrung f«on f«aubererregenbe ©eifpiele borliegen; er 
weift, bafj ba, too bii ni«t zu grobe -Habe beg ÜHiXttdrö eg zuldfit, zügellofe 
©anben einen $errori3mu3 über bie ©eger augüben, fte zwingen, gegen einen 
nominellen Sohn ba zu bleiben ut\b zu arbeiten, too ber SBille ber Grannen eg 
«neu borf«reibt, unb fte im SSBeigerunggfaH erbeuten ober ertrdnfen. $rofc 
ber f«mei«elnben Stimmen, bie fein 0b* monopoliftren, bringt bo« bin unb 
rnieber eine SBarnung, ein SBebruf zu ihm, bon Souiftana, wo man ft« fagt, 
bab/ menn einmal bag greebmen’g ©ureau befeitigt fei, ber Sieger f«on für 
feine greibeit hüben folle, bon Xenneffee, Slnbrew ^obnfong eigenem Staat, too * 
©anben ©ed«teter ben Negern unb toeiben Sotyaliften f«on ben freunbli«en SBinf 
gaben, ft« mit bem abziebenben SWilitär zu entfernen, toenn fte beg Sebent ni«t 
überbrüfftgfeien, bon ©irginien, oonSRorb* unb Sübcarolina, furz non alle n 
Staaten, bie bag S«wert-gegen ung z°Sen. Sie alle harren nur begübtomentg, 
too fte ni«t mehr ber jefctgen f«toa«en Kontrolle untertoorfen fein toerben, um 
bann eg bem Sieger zu entgelten, bab — er ft« frei erfldren lieb. $aufenbmal 
f«limmer biefe unbef«üfcte greibeit, alg eine Sflaberei, in toel«er ©ütfft«ten 
für bag materielle 3nteref[e ben S«u& erzwangen; bertoerfli« unb graufam 
biefe S«enfung beg haften menf«U«en ©uteg, toenn man eg ni«t mit 
S«u$webren umgiebt. 

2lHe bie *?atriotif«en 27Mnner, bereu tarnen mdbrenb beg Äriegeg ©e* 
beutung unb ©rojje erlangt, «ra«en fo zu Slnbrew Qobnfon. Sie toarnten 
«n gegen eine berfu«te 3urücfziebung 6eg SRilitdrg, toeil fonft toeber ber 
üReger, no« ber ffieifie, ber ft« bur« £reue zum ©unbe „fompromittirt" habe, 
ber SRube unb Sicherheit ft« erfreuen werbe. Sie «ra«en aug berfonli«er 
(Erfahrung, aug eigener ©eoba«tung ber bei bem ©nbe beg firiegeg fo oer* 
fpre«enben, jefct fo brobenb enttoidelten ©erbdltitiffe. Unb bo« liefern felbft 
fte ni«t bag ftdrffte Argument für bie ÜRotbwenbigfeit beg weiteren S«ufceg, 
benn no« berebter «ri«t bag ©ebabren ber furzfi«tigen greunbe beg Sü* 
beng, jener Seute, wel«e bie (Eonftitution fortwäbrcnb auf ber 3unge führen. 
3)er ÜReger ift frei! ©t bebarf feineg S«u$eg, benn ate ©eprdfentant ber 
Slrbeitgfraft ift er bem Süben zu mertbuoll, alg bab man ihn bur« Uebergriffe 
Zur 2lugmanberung zwingen bürfte! 3)ag ift fo ber ftebenbe SRebefafr ber ttoeb* 


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fid&en greunbe beS SübenS. Slnbere, bie aus ben frönet als ©rengftaaten 
begeichncten Stilen bet Union fomraen, fpreeben beutlicher. S)aDiS Don Äen* 
tuefp unb SaulSburp Don Delaware freuten ftch nicht, »on einet neuen SÄeDo* 
lution gu fprechen, wenn ©efe&e gurn Schub bet greiheit beS VegerS erlajfen 
njurben, unb toibmeten ben Öieft ihrer elenben ©pifteng bet Slgitation, 
felbft wenn bagu baS Schwert gegogen werben müjjte, um Dies gu hinter«* 
treiben. SBaS bebeutet Dies ? 3)arf man hinter btefen Verftcherungen unb Vro* 
teften nach reiuen 2Jtotiben fudjen ? 3ft eS ni<ht befannt, bafc bet ©anbertrieb 
in bem ÜReger fo fchwach Dertreten ift, bafj er ftch lieber bem gro&ten Ungemach 
auSfefct, al§ ba& er feine Scholle »erlabt? Vrauchen wir unfere frühem 2ln* 
gaben gu wieberholen, bab baS materielle 3fntereffe beS ©ei&en fub haften« 
in ber Vehanblung desjenigen fühlbar machen lann, ber in feinem eigenen Sohne 
fteht? 2tber biefe ©uthauSbrüche, biefe drohungen ber beutlicher fprechenben 
greunbe ber Gebellen, fte fagen uns, was bie Dorfuhtiger gemöbelten ©inwürfe 
ihrer norblichen HelfeShelfer nur anbeuten. Sie Derrathen uns bie ruchlofen 
Htntergebanfen, bie ber Süben hegt unb nur hegen l a n n, wenn er in folgen 
©orten gegen ben Schub einer Freiheit eifert, §u ber er felbft, wenn auch 
gögernb, feine ©inwilligung gegeben. 2luf bem gorutn, Dor welches ber feiner 
menfchlichen Habe entlleibete Bewohner beS SübenS ben Schwarten gu führen 
gebenlt, wenn biefer ÜDtenfchenredhte gu beanfpruchen ftch erlühnt, thront ber 
dichter Spn<h in feinem blutigen ©ewanbe, umgeben Don Schergen, bie nur 
feines ©inleS h^en, um ftch auf ihr Opfer gu ftürgen. ©erechtigleit 'für ben 
Veger im Süben, wenn bie gorberung nicht burch baS Vaponnett unterftüfct 
wirb! SRuht nicht bie ©ahl Der dichter in ben Bewohnern beS SübenS felbft, 
unb glaubt man, baj$ fte einen üfltann gu biefem 2lmt erheben werben, ber 
nicht ihres Vertrauens würbig ift unb eS bis gurn DoUften Umfange rechtferti* 
gen wirb ? 

diefe Uebergeugung, bie alle bisherigen ßunbgebungen ber in ber 9le* 
conftrultion begriffenen Staaten nur beftdrlen, liegt bem VnrograPhm beS ©e* 
fefceS gu ©runbe, ber bie 33 u n b e S gerechte gur gweiten unb lebten Snftang in 
allen ©ontrabentionen gegen bie einleitenben Veftimmungen ber Civil- 
Rights-Bill erhebt, ©ine weife Vor[i<ht unb ein ebler Humanismus umgaben 
biefe Verorbnung mit Schufcwehren fo weitreich enber 2lrt, bafc wir barüber beS 
Vetos ber greebmen’S^Vureau^Vill faft Dergejfen, unb ber weiteren ©ntwiefe* 
lung ber fReconftruttionSfrage mit [Ruhe entgegenfehen Dürfen. ©S bleibt, 
fo weit eS bie ©rlaffung Don ©efefcen gur Regelung ber Durch ben $rieg umge* 
ftürgten Verhaltniffe angeht, wenig mehr gu thun übrig, unb wir ftnb ber 
Uebergeugung, bab ber ©ongrejj nicht ohne burdh neu ftch entfaltenbe Umftänbe 
bagu gegwungen gu fein, ütftajjnahmen anbahnen wirb, Durch bie er mit ber 
©pecutioe in abermaligen ©onflüt gerathen würbe. die Aufnahme ober W>* 
weifung ber SReprdfentanten unb Senatoren ber infurgirten Staaten ift jeboch 
lebiglich ihm anbeimgeftellt, unb er wirb ftch Darin Weber Durch ©infchüchterun* 
gen beS Vrdftbenten, noch burch bie impotenten Drohungen ber OppofttionS* 
preffe beeinfluffen laffen. 



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gfi ättbreto gohnfon bcr politifdhen Äörperfd&aft, bereit 33erfu<he, ft<h ib* 
rer $eiligften, unabmeislidhften 58erpf!i<btungen auf eine ebenfo mürbige mie 
eble SBeife gu entlebigen> er gu bereitein fucbte, baburdb naher getreten, bafj er 
bon ihr begmungen mürbe ? 2ttan übt 3Rad^frc^t gegen ben übermunbenen 2BU 
berfad&er, ntan bergeihi felbft bem gebemüthtgten geinbe, aber man mdhlt ihn 
fi<h nid&t mieber gum gührer. Siebe man fidb, fo meit es Slnbrem gohnfon be* 
trifft, bagu berleiten, fo hiebe man glei<hfam baS gut, moburdb er mdhrenb ber 
lebten bter Senate nidbt allein einen burd&auS unprobocirten Streit nüt ben 
greunben ber Union herborrief, fonbem au<h, maS biel mehr fagen mill, nahegu 
ber SanbeSehre einen tobtlidben Streidh berfegt batte. Sou baS Vertrauen gu 
ibm fteigen, toeil bem 9ftibbrau<h biefeS Vertrauens burch ihn Sd&ranfen gefefct 
ftnb? 2)arf man ibn jefct für guberlaffiger halten, meil bie Unguberldffigfeit ibm eine 
S)emütbtgung braute, bie ber Starrfinn, melden feine Sdbmeidbler dhurafter* 
feftigfeit nennen, niemals bergeben mirb ? 2Wr marnen gegen ein fold&eS Vor* 
haben, baS ftcb feit jener dpifobe f<hsn bon mehreren Seiten äußert, meil mir 
barin eine grobe Gefahr erblicfen. 2lnbrem gohnfon mürbe in ber SRachftcht 
eine Sdbmäcbe gu erfennen glauben, unb ihn, ben S<bma<ben, fann nur baS 
Starle beeinfluffen. ds mar bie Reattion ber ©efühle, mel(be er im korben im 
Slnguge begriffen glaubte, unb babei bie gemiffe SluSftcht, baS £erg ber Gebellen unb 
baS ihrer greunbe in ben greiftaaten gu gemimten, maS ihn beranlabte, fuh ih* 
neu hingugeben, benn in biefer vereinten ^balany, berftdrft burch baS fchman* 
fenbe dlement unter feinen früheren Varteigenoffen, mitterte er bie Partei ber 
3ufunft. dr fa'h ft<h getäufdbt unb ift gefallen. Saffe man ihn in ber Sage, 
bie er felbft gemdhlt. 2)aS gmponirenbe ber $)emonftration, ber er unterlegen, 
mirb ihn leidster bor .fo Iraffen gestritten bemahren als bie, mel<he er begann 
gen, als eine -Rachficht, ber er nicht bie leifeften 2lnfprü<he aufgumeifen ber* 
mag. dine Unbanfbarfeit gegen alte greunbe, unb ein Verftob gegen ndchft* 
Uegenb* IHüdftd^ten, mdren leidet gn berget'hen, aber ein Herrath an bem £ö<h* 
ften barf feine milbe Veurtbeüung ftnben. Schon empftnben mir bie bemora* 
liftrenbe SBirfung feines VeifpielS. Seine Sreuloftgfeit fanb Radhahmer, beren 
SBirfen, mie g. 33. baS beS SenatSborftfcenben in !Rem*gerfep, bem SBillen ber 
ÜJlajorität beS VolfeS ebenfo entgegentrat, miebaS beS Rnbrem gohnfon bem 
SBillen ber -Ration. SSMt erblichen bie 3ei<hen ber $emoralifation ferner in 
bem ungebührlichen dinflub, melden .man ber dyecutibe auf Staats* unb 
felbft ßommunalmahlen eingurdumen berfucht. dS fragt fich nicht langer, 
mel<he Partei bie richtigften unb fegenSrei(hften ®runbfdfce gur S3afl^ ihrer 
Agitation gemadbt, fonbem melche ftch ber Vrotettion beS Vrdftbenten fchmei* 
(heln fonne unb meldher er bie Sonne feines SBohlmoUenS ergldngen laffe. 5)aS 
ftnb bebrohliche Symptome, benn.fie geben ber dpefutibe eine gröbere ©emalt 
als bie, meldhe ihr aus allen bisherigen ©efefceSborlagen entfprieben fonnte, 
unb gegen bie man eifert meil fte unfere 33unbeSregierung gu ftarfen geeignet 
ift, maS bie drfahrung ber lebten fünf gahre bodh fo nothmenbig macht. $at baS 
SRefultat ber SBahlen biefe oetberblid&e 2lrt ber Agitation beSaoouirt, fo ift ba* 



473 


r m 


•mit jebo<& bie ©efa^r nur vorläufig befeitigt, benn biefclbe Agitation ttrirb 
ft$ in erhöhtem ©rabe tvieber geltenb machen wenn bie |>erbftmonate über bie 
politifdhe Stellung vieler unb mafcgebenber Staaten entfd&etben fotlen. Gilbet 
bie ©unft Slnbrem Sohttfon’S ben Siebepunft btefer Campagne, fo wirb bie 
UntonSpartei in ihr unterliegen, benn na<b bem SSorgefaHenen fann fte ni<bt 
ohne fUfc ju entwürbigen unb ft<h in ber bemütbigenbften SBcife ju verleugnen, 
bie Sreunbf<baft unb Uebereinfttmmung mit bem $räftbenten beanfprudjen, 
beren ft<3& ihre ©egner mit fo vielem ifledjt fdjmetdjeln. 2Ran wirb es leister 
finben, bie ibm für feine Fehltritte geworbene Strafe $u motiviren, als biefe 
Fehltritte ju entfdjulbigen, leister, baS [Redjt ju befürworten, als baS Unredjt 
ju bemänteln. 2ftan fann Slnbrew Fohnfon mitgeben laffen, wenn er nid^t 
in 3 tvif<ben auf bem SBege fortgebt, ben er bisher betreten; aber er barf in ben 
Reiben ber greibeitsfreunbe g e b u l b e t fein. [Räumt man ibm eine bebeu* 
tenbere [Rolle ein, fo wirb er nur fcbaben. 


ßcr (üueriUahttf0 in 


S5on »ictor (Srttfl. 


Obgleich bie (freigniffe in TOepilo baS gntereffe ber bereinigten ©taaten 
fo roefentlich berühren unb ihren bewohnern baS ©cbidfat ber ©chwefterre» 
publil fo febr am §erjen liegt, ift boch bis jefet nur wenig über bie Gigenthüm» 
licbleiten ber bort ftattfinbenben Kämpfe belannt geworben, ©eit bem galt 
von buebla jerfplitterten fich bie Kräfte auf beiben ©eiten, unb aus bem ©haoS 
roiberfprechenber beriete trat als Stefultat nur baS eine, traurige gaftum 
hervor, ba& bie Patrioten im Sillgemeinen ben fiurjern jogen. Sie Slufjeich* 
nungen eines franjBfifcben OffijierS fe|en uns jefet in ben ©tanb, eine Slrt 
ber Kriegführung ju übetfhauen, welche, in ben Serhältniffen begrünbet, bem 
mejifanifcben Kriege einen gan; eigenen ßharafter aufbrüät. 

SBo ein 2anb von grober SluSbehnung unb mit bünner beoötferung von 
einem übermächtigen geinbe invabirt wirb, entfteht ganj natürlich ber ©uerilla* 
Weg, welker, an bie gewöhnlichen Siegeln nicht gebunben, auch aufjergewöhn* 
liehe SDtittel »erlangte Hin inoabirenbeS $eer, welchem fcch nirgenbs ein geinb 
in offener gelbfehlacht entgegenftellt' unb welches beShalb nicht im ©tanbe ift, 
fcch Siuhm unb fiorbeeren ju erwerben, fann burch bie Operationen verborgener 
©egner, welche fcch überall ba einftellen, wo man fte am wenigften erwartet, 
fchnell ihren Soup auSfühten unb bann ebenfo fchnetl wieber verfchwinben, 
jur berjweiflung gebracht werben. 2Bir haben bieS ja in unferm eigenen 
Kriege hinlänglich erfahren. Sie granjofen aber griffen in SWepito ju einem 
hülfsmittel, auf welches man hier nicht verfiel; um ben ©uerillaS ju begegnen, 
bilbeten fte ein ©orpS von Gontre*©ueriüaS, welche, nach benfelben ^rinjipien 


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B*1 




hanbebtb, «Hein im Staube waren, bem gefährlichen geinbe mit drfolg bU. 
Spige ju bieten. 9lacb bem Serrath von Solebab unb bem SCbjug ber dng* 
länber unb Spanier trat ba3 Berhältnihmäjüg tleine franjöfifche dppebitiona* 
corpa ben SMarfch in3 3nnere an, entfernte fi<h Born beiden fiüftengürtel (terras 
calienles), burchfchritt bie fanft anfteigenbe gemäßigte (terras tem- 
pladas) unb erregte baa Sßlateau Bon Slnahuac, um fuh am 5ten SDlai 1862 
Bor ben dauern Bon $uebla eine Siieberlage ju ijolen. Unmittelbar nachbem 
biefe £iob3poft in granlreich eingetroffen war, würbe ein dorpa Bon 30,000 
SWann auagerüftet, wel<he8 unter bem dommanbo bea ©enerala gorep baa 
Sann« ber QnPafion über ben fallen ber 5Rontejuma3 entfalten foHte. 

gm Dftober 1862 traf gorep ein unb übernahm, baä dommanbo. Hber 
laum fcbidte er fich auf bem fßlateau jur Selagerung Sßueblaa an, ala ea ihm 
fcbon einleucbtenb würbe, bah hinter feinem. SRüden fich eine ©efahr entwidle, 
welcher auf gewöhnliche SBeife nicht begegnet werben lönne. Tie SKepublifa« 
ner organirirten in ben terras calientes einen ©uerillalrieg, welker butch 
baa Terrain begünftigt würbe unb bie jurn ©elingen ber Operationen uner« 
läjjliche Slufredhthaltung ber dommunication unmöglich machen muhte. 

3lm Slbenb bea 14ten gebruar fanb in ben Salonä bea franjöfifchen 
©efanbten, Salignp, ein glänjenber Satt ftgtt. SBähtenb bie jur Unterjochung 
bea Sanbeä auagefanbten Offnere fuh mit ben frönen Töchtern beffelben ben 
greuben bea Tanjea hingaben, nahm gorep ben Dberften Tupin bei Seite 
unb richtete leife folgenbe Sßorte an ihn: „Oberft, bie terras calientes 
wimmeln Bon SRdubern. Täglich werben unfere Tranaporte angegriffen, 
SReifenbe ermorbet unb geplünbert, unfere dommunifationen unterbrochen. Tem 
mu| abgeholfen werben, unb S i e finb ber SfJlann baju. 3<h übergebe 3hnen 
baa dommanbo ber dontte»©ueritla3. SBäbrenb ich mich mit Ißuebla befdjäftige, 
muh i<h hinter mir SRuhe haben." Ter Oberft bat um 3nftrultionen. da 
würbe ihm unbefchrdnlte Sollmacht übergeben, dr fottte baa Sanb Bon ben 
©ueriHaa fäubern; wie er’3 anfing, war feine Sache. Ter Sali nahm 
feinen gortgang; Bon ben Täterinnen aber würbe wohl SRanche er» 
bleicht fein, wenn fie baa ©efprddj Bernommen hätte, unb unter ben anmefen« 
ben fDlepifanem befanb ftch mehr alä diner, bejfen jefct im Saufche ber Suft 
glühenbeä Hntlifc in golge biefer leifen Unterrebung fpdter bleich unb Berjerrt 
Born 3lft einea Saumea h«ab gtinfen follte. 

Ter Oberft Tupin blieb bia §um ÜDldtj 1865 an ber Spifce ber dontre* 
©ueriHaa. DJtit einem mächtigen Sombrero, rotber ober fdjwarjer £ufaren* 
jade, gelben Uteiterftiefetn, bie Stuft mit Orben bebedt, einen 9teBoloer«an ber 
Seite, ber Säbel am Sattel hängenb, bllbete er eine romantifche drfcheiuung. 
da war ju biefem Ißoften ein Sütann Bon auhergewöhnlicher 2BiHen3fraft erfot* 
berlich. Schon beftanben mehrere jerftreute dorpa biefer Slrt, unter ihnen bie 
währenb ber djpebition Bon 1862 organifirte Schaar bea Schweijera Stödlin. 
Sefcterer war ein Sßarteichef Bon unjweifelhafter Kühnheit unb führte in ben 
SEßälbetn Bon Sera druj mehrere glüdliche Unternehmungen auä. Slber ala 


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feine Sruppe ft# vergrögerte, war er ber Stellung «i#t mehr gewa#fen. 
©nige wi#tige Operationen, in benen et mehr Kühnheit als ©ef#idli#feit ent* 
faltete, blieben refultatloS unb f#abeten feinem Nnfehen, unb als er voUenbS 
au« feiner Abneigung gegen bie franjdftfd^en Offnere fein $ehl ma#te, blieb 
#m ni#ts NnbereS übrig als feinen Nbf#ieb gu forbern, ber #m unter 3uer*» 
fennung beS OrbenS ber ^renlegian bewilligt würbe, ©n 3ahr barauf fiel 
er, von ben ibm untergebenen 2Ne$ifanern im ©ti# gelaffen, als tapferer ÜNann, 
beffen £elbenmuth mehr Nnerfennung gefunben haben würbe, wenn er ft# 
einer belfern ©a#e gewibmet batte. 

2lm 20ften gebruar traf ber Oberft 3)upin in SNebellitt ein, um ben Ve* 
fehl über bie jefct vereinigten unabhängigen (EorpS angutreten. S)ie über biefe 
ununiformirte Infanterie unb ÄavaHerie abgehaltene Nevue bot ein merf* 
würbigeS ©#aufpiel bar. $)ie zerlumpte, wilbe ©#aar hatte ft# in einem 
Vferbe*$fer# (coral) gefammelt. Nile Nationen ber üffielt f#ienen ihrö Ver* 
tretet geliefert gu haben, grangofen, ©rie#en, ©panier, 2Jtejifaner,*Norb*unb 
©üb*2lmerilaner, (Englänber, gtaliener, fioUänber, S)eutf#e unb ©#weiger, 
furg Slbentheurer jeber Nationalität, waren hier vereinigt. $>ag*bie verf#iebe* 
nen Völfer babei bur# ihre (Elite vertreten waren, lägt ft# ni#t behaupten; 
Sitte gehörten in bie Äloffe ber gertrümmerten (Eyiftengen. ÜNan fanb hier ben 
beS ÜNeereS überbrüffigen Niatrofen, ben bur# bie ftrenge Nuffi#t ber $reuger 
ruinirten ©flavenhänbler von $avana, ben ehemaligen Äampfgenoffen beS 
glibuftierS SBalfer, ben enttäuf#ten ©olbjäger, ben bur#bie „?)anfee«" vertrie* 
benen ©flaventreiber Souiftana’S. 2)aS Sleugere biefer bunten Xruppe hätte, 
wenn fte bur# eine europäif#e ©tabt beftlirt wäre, fofort ben allgemeinen 
©#lug ber Säben gut golge gehabt, (ES war eben — wenn wir uns beS re#«» 
ten SluSbrudS bebienen bürfen — Sumpengeftnbel. 

Na# wenigeu Xagen fahen biefe fieute f#on anberS au«, ©ie hatten 
gegogene Karabiner, Viftolen, ©äbel unbanberebem orbentli#en ©olbaten 
unentbehrli#e 2IuSrüftungS*©egenftänbe erhalten. Slber wollte man, als erfte 
Seiftung, bie ©trage na# ©olebab fäubern, fo mugte man vor allen Gingen 
gute Vferbe haben, unb gum SInfauf berfelben fehlte baS ©elb. S)er Sllcabe 
Von Niebettin würbe gum Dberften gerufen unb ihm, unter 3up#erung pünlt* 
li#en (ErfafceS, bie f#leunige £erbcif#affung ber nötigen Sßiafter anbefohlen. 
(Er antwortete, baS fei ihm f#le#terbingS unmögli#; aber bei ber Nüdfehr na# 
feinem £aufe bemerfte er, bag ft# eine (Ehrengarbe von gehn Neitern vor beut* 
felbeit aufftellte, beren guhrer ihm höflt# ein Rapier mit bem ©iegel beS (Eom* 
manbanten überrei#te. Nur eine ©tunbe würbe ihm gur Vorbereitung beroil* 
ligt; na# Slblauf berfelben fodte er ft# auf gwei SNonate in baS gort ©an Suan 
b’Uttoa begeben. Vevor no# eine halbe ©tunbe verflogen war, befanben ft# 
bie in feinem $aufe verborgenen öffentlichen ©elber in ber Nemonte*flaffe, 
Nber bamit war bie ©#wierigfeit no# ni#t überwunben, benn bie ©genthümer 
ber bena#barten ßactenbaS wollten ft# um feinen VreiS ihrer Vferbe entäu* 
gern, unb entf#loffen ft# nur bagu als man ihnen bie SBahl gwif#en 
gwangsweifer gortnahme ohne Vergütung unb Verlauf ftelUe. 



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Wr Dü 


476 



SWcbeUin liegt am regten Ufer bei [Rio be 3amapa, brei [Weilen bon 
Sera ©ruj, gilt für bie Seiner bei £e|tern in gemöhnlichen Seiten all Ser* 
gnügunglorj unb ift bon üppig buftenben, föftlichen Sropenmdlbern umgeben. 
3ejt aber war ber Aufenthalt nicht! weniger all angenehm. Allnächtlich mürbe 
bie Stabt bon ©ueritlal angegriffen, meldje, burch bie Södlber gefchüfct, hinein* 
fäoffen. Somie bie Äugeln ben Seltnem um bie Ohre pfiffen, fchloffen fi<h 
alle &hüren, unb bie Heine ©arnifon rührte ft<h nicht bom Slafce. 3)ie [Reor* 
ganifation ber ©ontre*©uerillal hatte nunmehr ba! §erau!treten au! ber S)e* 
fenfibe jur golge. 

Ant 3. ÜWdrj fteüte ft<h beim Anbrnch ber Wacht ein Spanier, Warnen! 
Serej Sorenjo, auf ber .gauptmache ein. Seine bleiben SEßangen maren bon 
Kranen überftrömt unb feine beirrten 3n<je betrieben einen ungeheuren 
S<hmer$. @r berlangte eine Unterrebung mit Dem Oberften unb tourbe in bal 
3elt be'ffelben geführt, too er ihn mit folgenben SBorten anrebete: „2BiHft 2)u 
mir helfen? 3#‘hatte ein «jpdulchen mit ©arten, beren grüßte ich in Sera 
©ruj berfaufte, unb eine junge grau bon achtzehn gahren, bie ich in $abana 
tennen gelernt. Seit fechl ÜWonaten mar fie fchmanger. ©eftern brang bie 
bon $on 3'uan Sablo commanbirte ©ueriHa*S<haar in meine SBohnung, banb 
mich an einen Sfoften, »ergriff ft<h an meiner grau, öffnete ihr barauf ben 
Sauch unb marf mir ba! Äinb in! ©eficht. Segreifft $u, Oberft, melhalb ich 
feinen Selbftmorb begangen habe ?" 5)a! Auge bei Spanier! mar troden, fein 
Slid ftarr gemorben. $er Oberft behielt ihn bi! gegen 2Ritterna<ht in feinem 
3elt. Trauben harrten breifjig [Reiter unb ebenfo biele gufjfolbaten ber Se* 
fehle bei ©ommanbanten. Sorenjo, bem bie §dnbe auf ben [Rüden gebunben 
maren, muhte ihnen, all fie aufbrachen, jurn gührer bienen, unb über bermor* 
rene SEßalbpfabe fefete fleh ber Srupp in Semegung. ©I mar eine fchredliche 
Wacht. 3)er [Regen ftrßmte bom «gintmel, ©eficht unb £dnbe mürben bon $or* 
nen gerriffen. Um brei Uhr 2Rorgenl erreichte unb überfiel man bie Sanbhdufer 
([Rancho!), in benen $on 3uan Sueblo fich mit feinen Seuten aufeuhalten pflegte, 
Sie maren leer; aber neben einem Sette bemerfte man einen Raufen bon Sei* 
nenjeug unb ÜWatrafcen. Um ficher ju gehen, ftach man mit ben Sdbeln hinein, 
unb biefe Operation genügte, um ypei Offiziere [pablo’l, feinen Schmager 
3uan Sopej unb feinen Setter Omaloa, jum Sorfchein ju bringen. Seibe hat^ 
ten an ber ©rduelthat im §aufe be! Spanier! %ty\l genommen. 5)ie Wan* 
cho! mürben berbrannt, bie beiben ©efangenen auf ber Stelle maffafrirt. 2)a! 
mar bie erfte $elbenthat ber ©ontre*©uerillal, unb f<hon biefer SorfaU fenn* 
jeichnet bie Aulartungen, ju melchen ber ©uerillafrieg faft unabmeillich führt. 
2Bir haben hier ba! 3eugnifc eine! granjofen bor uni; ein Wterifaner mürbe 
ohne 3foeifel bon feinen geinben Aehnlichel gu erzählen miffen. 

3Bir lohnen ben ©ontres©uerilla! 2)upin! nicht auf allen ihren 3u9en fol* 
gen, unb mollen au! ihren Operationen in ben terras calientes nur noch 
e i n e ©pifobe herborheben. 

Auf einem Strcifjug in ber Wdhe bom©otaftla mürbe ein gemiffer SWolina 



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in bcm Augenbltcf jum ©efangenen gemalt, all er bie Sternen ber Rammen* 
gefoppelten Sferbe burdtfdjnitt. ÜDtan muhte, bah fein Haul ein Santmel* 
plab ber ©ueriHal fei, hielte ihm ihre Seute $u überbringen pflegten. Gr 
galt für febr reic& unb pflegte ben erftanbenen Aaub in Sera Gru^ ober Ori* 
jaba abjufefcen. 3ftan hielt H au 3fuchuug unb fanb Semeife für feine Serbin* 
bung mit ben Sepublifanern. 2)upin berurtheilte SDtolina unb einen feiner 
Sermanbten, gegen ben gleichfaltl Semeife borlagen, gur fofortigen (frfd^iefeung. 
2)ie ©attin a^olina’l flehte um ©nabe, aber Supin blieb unerbittlich, nnb bie 
Unglücklichen mürben bor ihren Augen füfilirt. Starr unb unbemeglich bliefte 
fte auf bie Seiten. 2113 aber $upin fortreiten mellte, trat fte ihm ftol$ entge* 
gen unb rief, bie $anb brohenb emporgehoben: „Oberft, bebor acht Sage ber* 
fliehen, mirft S)u fterben !" 2Benige Sage barauf beggfr ftch ber Oberft nach 
Sera Gut^. S)er Gifenbahn^ug, anf meinem er fuh beftnben follte, mürbe bon 
ben Schienen gemorfen, unb ©ueritlal ftür$ten aul bem Hinterhalt herbor, 
mitbem Suf: ,,2ßo ift ber berfluchte Supin?" $ie SBittme !Utolina , 3 hatte ihr 
Stöglichftel gethan um ihre Drohung mahr gu machen. Hätte nicht ber Oberft 
bie Sorflcht gebraucht, eine falfche Nachricht über bie Stunbe feiner Abreife 
rechtseitig berbreiten $u taffen, fo märe er berloren gemefen. Statt feiner fiel 
ber Gommanbant bon Solebab unter ben Hänben ber Fächer. 

Aachbem fte in Sera Gruj entbehrlid) gemorben, mürben bie Gontre* 
©uerillal im 3Jtärs 1864 nach bem Staate Samaulipal eingefchifft, um bort 
Tampico, bie jmeite Hafenftabt ber 9^epxibtil, §u beferen. $iefelbe mar fchon 
in franjöjtfchen H^ben, befanb ftch aber in einer fehr preeären Sage, ba bie 
Patrioten ihr alle 3ufuhr abfehnitten. Ueberbiel mürbe bal bort garnifonirenbe 
Sinieninfanterieregiment bom ©eiben lieber becimirt. Gl mar jefct bie Aufgabe 
ber Gontre*©uerillal, biel Regiment absulöfen unb bie Umgegenb bom geinbe 
ju fäubern. 

Sie fanben fofort nach ihter Sanbung bollauf ju thun. 2)ie 3uftänbe 
maren ber Art, bah aul ben nur tn ben äufcern Sejirfen ber Stabt heftnblichen 
Srunnen fein Stoffer geköpft merben fonnte ohne bah man fuh ben Äugeln 
ber Selagerer aulfe&te, unb bie gmeitmichtigfte Hafenftabt Steyifol mar auf ge* 
faljenel gleifch unb falsgefchmängerte fauche befchränft. S)ie Ginmohner hielten 
ihre nahe Sefreiung bom 3o<h ber gremben f<hon für aulgemacht, unb all* 
nächtlich mürben franjoftfehe Sotbaten auf offener Strahe ermorbet. Auch 
maren auf Seiten ber Patrioten Operationen im ©ange, melche, menn man fte 
nicht burchfreuäte, jum gall ber Stabt führen muhten. 

3mifchen Sera Gruj unb Tampico, fünfzig teilen bon lefctern Orte ent* 
fernt, liegt bie Hafenftabt Suypan, burch melche feit smei 3ahren ben Sibera* 
len Stoffen unb üUtunition aul ben Sereinigten Staaten unb Habana jugeführt 
mürben. Äaum hatte ber meyilanifche Serräther, Oberft Stanuel Slorente, 
biefen $lafc in Sefi$ genommen, all ber republifanifdje ©eneral Garbajal fchon 
alle bilponibeln Gruppen jufammensog, um ihn baraul ju bertreiben. S)iel 
gelang, unb ber ohne Aufenthalt berfolgte Slorente fluchtete ftch mit breihunbert 



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ÜDtann nach btm Sotfe Semapacbe im Siftrifte |wafteca, welcher jwifcben 
Suypan unb bern gluffe ©anuca liegt unb wegen feinet jugleicb bergigen unb 
walbigen ©efebaffenbeit ba3 febroierigfte Xcrtain von ganj ÜHepto b.lbet. §ier 
war Garbajal, einer bet tücbtigften mejitanifeben ©eneräle, }u .fjaufe. gebeSmal 
wenn e3 iljnt anbet3.no }u beiji würbe, batte et ft<b nach $uafteca jurüdgejogen, 
wo et 2öeg unb Steg fannte unb einen unbebingten Ginjlufi über bie meiften» 
au3 gnbianern beftebenbe ©eoöllerung befafj. Sie bebeutenbeten Stabte — 
§uejutla, Sancanbuifc unb Dluäuama — waten Don ben liberalen befebt. 
Slovcnte würbe in Semapacbe belagert unb bat bringenb um £ülfe. 63 burfte 
nidjt länget gejögett werben. 

Slm 12ten 2lpril würbe jum Slufbtudb geblufen. Sie bisponible Kolonne 
war eben nicht grob, b$nn fte beftanb nut au« 400 gufjfolbaten, 125 SReitetn 
unb 20 2lrtilleriften mit jwei Meinen ©erg=$aubiben. Sie Uebtigen mußten 
jur Sedung bet Stabt jurüdbleiben. 

gine ©iertelmeile non Sampico ftrömt bet etwa 2000 gufj breite glüh 
Samefi«. Sie Uebetfcbreitung beffelben burdj bie Gontre»©ueriUa8 bot ein 
interefjante3 Sdjaufpiel. Sie Sruppen unb ©efcbüfce würben uuf ©ooten 
untevgebraebt, bie Sbiere aber mußten hinüber ftbwimmen. Ueber jweibunbett 
fpfertoe unb SDlaultbiere würben unter lautem ©efebrei, ohne Sattel unb ©efebirr, 
in ben Strom getrieben, unb wiebernb, febnaubenb febwammen fie ben ©ooten 
nach. 2lni Ufer angelotnmen, fing gebet fein Sbiet wieber ein, unb in einer 
Stunbe war 2llle3 abgemacht. 

fülebrete Goutiere waren fdjon an Storente abgefanbt, um ihm anjufünbi* 
gen, bafi ©erftärfungen im Slnjuge feien. 63 muhte DorauSgefcfct werben, bah 
Garbajal, Dom Slbmar jdj ber granjofen fofort unterrichtet, bie Belagerung aufs 
beben unb Olujuama, gleich weit Don Semapacbe unb Sampico entfernt/ 
befefcen werbe. Siefer auf einer fteilen Slnböbe gelegene Ort beberrfebt bie 
ganje Umgegenb, ift lei<bt Don einer ^anbDoll gegen eine SiDifion ju Derlei* 
bigen unb bef©t eine SDlenge Don Gifternen, wäbrenb in ber Umgegenb 
fein Stopfen Ouellwaffet3 ju belommen ift. 2lber na<b einem forcirten ©larfcb 
Don brei Sagen unb Mächten erreichten bie granjofen biefen Ort juerft.. Sie 
©efafcung batte ihn fammt ben Ginmobnetn geräumt unb nut bie Ätanfen unb 
©ermunbeten }urüdgelaffen. gn ber ©acht wutbe ein Goutier Don GortinaS 
an Garbajal aufgefangen, welcher bie Stabt noch in ben §änben ber Seinigen 
wähnte. 2Jlan fanb bie ihm anoertraute Sepefdbe in einem Stüd blutigen 
gteif<be3, mel<be3 an feinem Sattelfnopf hing- GortinaS befahl Garbajal, 
fcbleunigft gegen Sampko ju marfebiten. Grfterer war alfo Dollfommen pon 
ben Bewegungen ber granjofen unterrichtet. Ser Goutier würbe mit Striden 
gebunben unb wohl Derwabrt; aber am näcbften SDlorgen Wat et fort. Gin 
franjöfifcbet Solbat batte fiib Don ihm befteeben laffen unb wutbe bafür febimpf* 
lieb au3 bem SRegtment geflohen, mit ber ©ebeutung, bah ihn bie Derbiente 
Äugel treffen mürbe wenn er ftcb wieber bei bemfelben bliden liehe, ßietbutcb 
glaubte Supin einen gröhern Ginbrud b«tüorjubringen, al3 bureb feine $in« 
Dichtung. 



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Stuf bem meitem 2Harf<h mürbe eS batb einleuchtenb, baf$ Gatbajal 
fortmährenb bor ben granjofen aurüdjog, um fie an einen Sßunft $u loden, 
meiner für ihn ber günftigfte mar. tiefer $unlt mar baS 3)orf San Slntonip, 
auf einer für bie Sertheibigung mie geraffenen Grhöhung gelegen. 3)en Mittel* 
punft beS einen $ügelS bilbete bie folib gebaute, an brei Seiten bon ftarfen 
$allifaben unb hinten bon einer hohen Steinmauer gebedte ßirche. 2)er 
Abhang mar hier fo fd^roff / baf* ber $unft gerabeju uneinnehmbar fd^ien. 3)ie 
benachbarten Raufer maren bicbt berfchloffen unb überall mit Schiefcfcharten 
berfehen. $reibunbert ÜUletreS rechts bon biefer $ofition befanb fich auf einem 
noch böbetn $ügel ein gleichfalls ftart berpallifabirter Hircbbof. 3nr Sinfen 
beS S)orfeS maren Schluchten, aus melden bie Saponnette mie bie Sicheln 
aus bem betreibe blintten, unb jerftreute 2lloe*Gebüf<he. 2)ie Gontre* 
Guerillas bitten fuh ber ^ofition burch eine gefurchte Gbene ju nahem. 2)aS 
mar baS bon Garbajat gemdblte Schlachtfelb. 

$ie Sertbeibigung mürbe prächtig geleitet, unb ber ßampf bauerte bom 
ajtorgen bis jum Slbenb. 2)ie granjofen machten einen mutigen Singriff nach 
bem anbem, aber ftets mürben fie blutig jurüdgemorfen, unb ber Soben mar 
bon ihren lobten unb Sermunbeten bebedt. Gnblich aber, gegen Sonnen* 
Untergang, führte ihre überlegene $ü<htigfeit bie. Gntfcheibung baburch herbei, 
ba& fie ben ßirchbofsbügel ftürmten, bie .jpaubifcen auf berr föüden ben [teilen 
Slbhang hinantrugen unb bon bort auS bie *)Mifaben beS ßirchenbügelS ju* 
famnienfcbojfen. $)ie Patrioten mußten jefet bem lefcten, berjmeifelten Sturm* 
angriff meichen. GS mürbe nur e i n Gefangener gemacht. Unter ben §urüd* 
gelaffenen lobten befanben fich brei amerifanifche Äapitaine unb ein franjofi* 
fcher $eferteur, melcher gleichfalls einen DffijierSpoften befleibet butte. Stuf 
bem ßircbbof lag baS Schlachtroh GarbajalS; am Sattel hing ein langer 2)ol<b, 
mit ber Snfdjrift: „Garbajal. gret ober tobt .* Unter ber Seute befanb fi<h 
eine 2ln§abl amerifanifcher SHifleS, melche erft füglich aus ber gabrit herborge* 
gangen maren. % 

Söährenb beS Kampfes fah man ftets auf bem gefährlichften fünfte einen 
SKejilaner bon martialifchem Slnftanb, mittlerer Grobe, mit braunem $aar, 
hipferiger Hautfarbe, einem groben Sambrero, furjem fchmarjen #ufaren* 
SffiammS, gelben, meiten, mit ftlbernen knüpfen befefcten Seinfleibern. GS 
mar Garbajal, melcher feine Seute anfeuerte unb mit feinem Sbarp’fchen £ara* 
biner mehr als einen franjofifchen Offizier nieberfchofj. Seim lebten Sturm* 
angriff hatte er eine SBunbe im rechten Sein erhalten. Son ben franjofifchen 
[Heitern berfolgt, fprang er in eine Schlucht unb beriete fich babei bie Sdjul* 
ter. Unter unfäglichen Schmerlen hielt er fich bis um 9Hittema<ht in einem 
Sumpf berborgen. Gnblich gelang eS ihm, bon gieberfroft gefchüttelt, fich 
eines reiterlofen SßferbeS ju bemächtigen; mit SPtühe fchmang er fich in ben 
Sattel unb ritt, bie Sßiftole in ber gauft, bon bannen. 2agS barauf erreichte 
er Ojuluama, raffte einige glüchtlinge jufammen unb traf acht Sage fpäter an 
ber Spifce bon etlichen £unbert 2Hann in Sittoria bei GortiuaS ein. S)icfe 


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ßfoifobe würbe bon feinem Setter, £)on Startin be 2eott, bem amerilanifchen 
©onfut in ©otto 2a Starina, bei beb £afel einer Sfagahl *frangöfif<her Offnere 
ergdhlt. Sßdhrenb fie aber bem ©rga^Ier guhörten, entminte ßarbajal aus 
einem Otancho in ber Sähe, wo man ihn hätte überrafchen fomten* 2)ie Gr* 
gdhlung hatte ihren 3wed erfüllt. 

S)ie 2efer lönnen fich jefet bon ber Sitterleit, mit melier berßrieg in 
Steyifö auf beiben ©eiten geführt wirb, einen ungefähren Segriff machen* 
GS ift ben Patrioten nicht gelungen, ihr Saterlanb gu befreien, aber ebenfo 
wenig lonnten bie (Einbringlinge eS gur S u h e nach ihren Gegriffen bringen, 
unb noch immer flattert bie gähne- ber Unabhdngigfeit an ber ©pifce fühner 
Parteigänger, welche mit 3«berftcht beS StugenblidfS harren, um gu einer 
anbem, regulären ßriegSführung greifen gu lönnen. Unfer ©ewdhrSmann 
fchliefet feine ©chilberungen, aus benen wir hier nur einige 3üge in gebrangter 
Äürge herborgehoben haben, mit bem ©eftdnbnifj: „2lHe unfern $dm£fe unb 
Siege hüben uns nur bie ©ewifcheit bom $affe ber meyifanifchen Sebollerung 
mnb bon ber Mte unferer 2anbSleute gebracht, welche fxä) beforgt fragen, was 
aus bem 2Wen noch werben foH." 


#it(ranfdj-artiltif(l)C9 /emllctim. 

»Ott 3. SB. 


Sie ©ernennet beS reijenb gelegenen thüringfehen Sanbftäbtdjen Steufeß 
waren fchon feit länger benn einem »ollen SDtenfdhenalter gar wohl »ertraut 
mit ber impofanten GrfMeinung eines bejahrten <£>errn, ber fi<b in ihrer ©litte 
fein SüSculum gebaut unb, ohne ft<h »iel um ben Sauf ber SBelt ju tümmem, 
in ber heiteren ©fuße feiner länblidjen Slbgefdjiebenheit bie Qahre an fich »or* 
überjiehen lieh. Unb bie fonft ber menf<hli(hen gotm fo unerbittli<h ihr ©lerl» 
Seichen aufprägenben Qahre »erfuhren recht glimpflich mit bem alten £errn; 
fie hatten fein langes, fchlichteS fjaar jroar etwas »erbünnt unb gebleicht, fte 
hatten fein großes, marligeS Slntlifc mit ©unjeln burchfurcht unb bie hohe, 
breitfdhulterige ©eftalt etwas gebeugt; im Uebrigen aber hatte fich baS 2luS* 
fehen beS DJtanneS fchon feit ©tenfdjengebenlen taum »eränbert, unb trofc ber 
fiebenjig Qahre, bie über bem £>aupt beS ©reifes hingejogen, leuchtete fein 
bunlleS 2luge noch in bemfelben «euer, fpraeß fich in feinem ganjen Sßefen 
noch biefelbe (Jlafticität, ©erftanbeSfdßärfe unb ©ntfcßloffenheit aus, wie ba» 
mals, als et inr Iräftigften ©tanneSalter fein Somicil im geliebten thüringer» 
lanbe aufgefcßlagen. ©on ber Seit beS erften grühlingSweßenS bis ber SBinter 
giur unb SBalb in fein fcßneeigeS ©ewanb ju hüllen begann, lonnte man ihn 
in ber grühe unb oft auch beS 2lbenbS gegen Sonnenuntergang bur<h bie 
freunbtichen Slnlagen über bie mit grünem ©ehege eingefaßten gelbwege in ber 


<mL 


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9Jäbe beS StäbtbenS wanbetn [eben. Sein 2tnjug trat fblcbt, faß abgetra» 
gen, bet ßopf ftetS.mit einer SDlüge mit breitem^Sbilbe bebeät, in ber SHebten 
trag er einen 3iegenl)ainer. ©c ging fege langfam, aber mit mächtigen, weit 
auSgteifenben Stritten; (eine Haltung mar aufreibt unb ber flopf etwas ge« 
beugt; bie 2lrtne hielt et meift nab ©ßtbe’fber 3trt über ben SRüden gelreust, 
©eine emsigen ^Begleiter auf biefen Spasiergängen maren jmei Heine SEBabtel» 
bunbe, an beten luftigen Sprüngen er ftb febr su ergögen fbien. Sebermattn 
in ber ©egenb lannte ben alten $ertn unb grüßte ihn mit großer Suöorlom» 
menbeit. Gr ermieberte biefe ©rüße rebt freunbtib, ließ ftb aber nur fetten 
in ein ©efpräb ein. Sumeilen ribtete et an bie im gelbe arbeiteten 8anb« 
leute einige gtagen; aub mit ben beS SEBegeS lommenben üinbetn ptäUberte er 
gern unb ftreibette babei ®anb, Sinn unb SEBangen. Oft fab man ißn eine 
SBlume, ein Sölatt, einen 3®eig abfbneiben, unb in bie IBetrabtung biefer 
®inge lonnte er ftb fo »erliefen, baß er alles 2lnbere, was um ibn »orging, bar» 
über »ergaß. ©egen Sonnenuntergang fab man ibn häufig auf einem $ügel 
ober S3erg»orfprang fteben, mo er am meftliben fjimtnel baS Spiel ber »on 
ben abenbliben hinten gefärbten 3Böllben betrachtete unb bem admälig »et« 
glübenben £ageSgeftirn einen legten ©ruß nabfanbte; in folben SDJomentett 
trug rnobl fein Slntlig ben Stempel ßimmlifber SBerllärung, überirbifber 
©lüdfeligleit, unb met ißn fo betrabtete, ber lonnte nibt länger im Stttei« 
fei fein,-baß er einem erhabenen 3)ibter gegenüberftebe, beffen ©ebanlen, ber 
näbften Umgebung unb allem irbifben Treiben entrüdt, in bie unenbliben 
Oceane beS SBcltaHS fbt»eiften. 

Unb ein 2)ibter war eS, einer ber größten unb ebelften, bie baS beutfbe 
Sßolt fe befeffen, ber legte Sproffe jenes poetifben SitanengefblebtS, melbeS 
ftb einft um SlltBater ©ötbe gefbaart, wie bie SBergriefen ber Sbmeijer Sllpen 
um ben gewaltigen SKontblanc. griebrib 31 üdert war eS, ben fte 
jüngft in eben jenem Bleufeß, baS ihm jur jweiten §eintatb geworben, ganj 
ftill ju ©rabe getragen. SEBaS ®eutfblanb an ißm befeffen, bas wirb man, 
wie er felber, trog ber ihm innewoßnenben großen SSefbeibenbeit, mehrmals 
geäußert, erft jegt nab feinem £obe erlennen; benn fo weit man ftb aub um» 
(baut im beutfben S)ibterwalb, ba ift lein Stamm, ber biefer jegt »om Sturm 
ber 3eit gefällten Gibe glibe, lein junges DleiS, »on bem man hoffen bürfte, 
baß eS bereinft ju folber Äraft unb güHe erftarfe. SEBie ungerebt erfbeinen 
uns beute fbon bie Sleußerungen folber Krittler, bie in Piüdert im gün» 
ftigften gälte nibtS SlnbeteS als ein glänjenbeS gormtalent erblidten; wie 
angerebt werben fte erft ber fpäteren SRabwett erfbeinen, bie biefe gering ge« 
fbägten gormen ebenfo bewunberungSwürbig ftnbet, wie wir beute jene gor» 
men bewunbern, butb wetbe bie »ilbbauer beS clafftfben SlltertbumS ihre 
SSegriffe »on plaftifbet Sbönbeit »erlörperten. Um SHüdert ribtig ju würbi» 
gen, muß man ißn juetft als felbftftänbigen 3)ibter, bann als Spräbfotfber 
unb Uebetfeget betrabten, julegt aber bie Ginflüjfe in Setrabt sieben, welbe 
eine jebe biefer Sbätigteiten auf bie aubere uotbwenbig auSüben mußte. Gr 




,482 


begann feine poetifbbe Saufbabn ju ber 3eit, *18 ©eutfcblanb, bet ihm »on bem 
ftanjofiftben eroberet angelegten geffetn überbrüffig, feii\c mäbbtigen ©liebet 
fcbüttelte unb ficb }u bent groben ©ntfcbeibungSlampf ju tüften begann, um baS 
fremblänbifbbe 3°$ abjumetfen. ©in ebleS bidjterifcbeS ©emütb toie baS 
Püdert’S lonnte unter folgen Umftänben für nichts Sinn haben, als für bie 
fieiben beS SSaterlanbeS, an nichts benlen, als feine Schmach ju robben. 
fRüdert’S erfte ©ebibbte waren pattiotifchen SnbaltS; es waten jene nobb beute 
bewunberten, febeS beutfbbe $erj ergteifenben „gebarnifbbten Sonette", bie, 
wenn aubb nicht fo unmittelbar auf bie gtofse SDlaffe beS PolleS witlenb wie bie 
gleichseitig erfbbienenen Slrnbt’fcben unb fiötner’fdjen Poe|teen, ben gebilbeten 
©heil ber -Kation um fo fräftiger anregten unb um fo unwiberfteblibber fort» 
rijfen. ©rft nabbbem baS SBaterlanb bie etfebnte Freiheit erlangt, legte et 
SfBaffen unb Panjer ab unb entloblte ben Saiten feinet $arfe milbete klänge. 
®ot Ment jogen ibn bie teibben poetifchen S<hä&e beS OftenS an, bie er ju 
beben unb bem beutfbben 33olle jugänglibb ju ma<ben fubbte. Seine ganj 
aufjerorbentlichen fpracbwijfenfchaftlichen Äenntniffe erleibbterten ibm baS Sßot= 
bringen auf einem ©ebiet, welches ben SKeiften unfrubbtbar unb laum jugäng» 
lieb erfbbeint. Seine „ßftlichen SHofen", „SDtalamen beS §ariri", „9lal unb 
©amajanti", „Scbifing“, „SlmritfaiS", „SRoftem unb Subtab", ganj befonberS 
aber baS btrrlibbe Spruch» unb Sebrgebibbt „Sie SBeiSbeit beS Srabmanen" 
waren theilS Ueberfeßungett, theilS Pabbbilbungen orientalifbber Poefieen, bie 
im Menblanbe, wo man laum eine Slbnung »on ihrer ßjiftenj batte, bie 
bBcbfte SBewunbetung erregten unb bet beutfbben ©kbtung ein bis babin nobb 
»öaig unangebauteS ©ebiet erfcbloffen. ©in namhafter franjßjifcbet Sritiler, 
ber übrigens lein #ebl barauS macht, bajj et bem fonfit fo loSmopolitifbb ge» 
fmnten, mit allen jungen »ertrauten ©ibbter feine referbirte, faft feinbfelige 
Haltung gegen franjßfifcbe Sprache unb Siteratur laum »erjeiben tßnne, fpracb 
ficb unldngft in einem SIrtitel ber „Mebue Ploberne“ fotgenbermafien übet 
jene poetifche ©hdtigleit Pühtert’S aus: 

„Stimmt man ben ©ibbter als ein ©anjeS, fo möchte man SRüdert Wohl für 
einen wanbernben ©eift halten, ber feinen SBohnfib jeitweilig auf unferem tfrb» 
'ball aufgefcblagen unb bet, begierig, 2lPeS ju erforfb&en unb lennen ju lernen, 
eine Sammlung aller erbenlbaren Seltfamleiten anlegt, in ber es mehr beS 
fbbillernben ©anbS als ber wirllichen üoftbarteiten giebt. Stuf ben erften ©libl 
fbbeint SllleS ein wirres ©urebeinanber; nimmt man aber biefe wunberlicben 
Sächelchen einjeln jur §anb, bie Pretiofen, §alsbänber unb Pinge mit ge» 
beimni&oollen Seichen bebeett, fo lann man nibbt umhin, bie Sorgfalt unb 
unerfeböpflibbe 2Kannigfaltigleit ber Arbeit ju bewuttbern. • ©a ftnb ÄoraHen 
aus Slfrila; Statuetten chinefifcher Pagoben aus (Slfenbein unb Perlmutter, 
»on unbelannten Zünftlern ausgeführt; SHofenfränge aus ber ©infiebelei eines 
alten Sßrahminen; fpmbolifcbe Slmulette unb winjige ©Btterbilber aus feltenem 
IDlctaU; inbifbbe Pippfäbbelbben mit allerlei wunberlicbemSierrafb; Feuerwaffen 
unb Itumme Säbel aus Perften, reich graoirt unb mit loftbaren Steinen eiHge» 



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483 


legt. 3»» ©egenfaß ju biefen nur bet Schau bienenben ©erätben, finbet matt 
auch Stoffen unb Süchten von mehr prattifdjer donftrultion, beten fccß bet 
Sammlet bet feinen Bagbabentßeuem bebient, unb bie für ibn mit aderlei 
drinnetungen an üßerftanbene ©efaßren verfnüpft fmb. SDtit ben ©gen» 
tbümlicßleiten im Seben bet Söller ift bet Siebtet fo vertraut, tote mit ben ibn 
umgebenben Staturgegenftänben, Seinem Obt ift leine Sprache frernb. © 
iftin adtn ©laubengbetenntniffen bemanbettunb bot feine Slnbacbt an aden 
Stltären verrietet; in bet SEBüfte begrüßte et ba 8 aufgebenbe Sageggeftim mit 
ben vielftimmigen Sobgefängen ber Karawanen; et Iniete in ben SWofcheen; er 
folgte ben pilgern nach ber heiligen Stabt unb babete feinen 2eib im ffiaffer 
bet billigen glüffe. Sorurtßeile unb Aberglauben feßreden ibn ni<bt ab, 

' fonbetn werben von ibm auSgebeutet. Sag unermeßliche geßeimnißvode Slften 
liegt offen vor ibm ba. Sein ©eift bat fnß beffen Steen angeeignet; feine 
Sprache bat ft<b unwidlürlicß in bie bort üblichen formen gefdßmiegt; feine 
Stimme weiß feben Accent nachjuaßmen, unb mit bet wunbetbarften Seicßtigteil 
finbet et ftch in jeber neuen Sage juredjt.* 

Sann beißt e 8 weiter: „31 ädert bat e§ ju verfihiebenen SDtnlen augge* 
fptoeßen, baß ein 2 anb unb feine Freiheit nur jufammen gerettet werben IBnnen. 
3113 feine Hoffnungen getäuf<ht Würben unb Seutfcßlanb ben gürften, ftatt ftcb 
felber anßeimfiel, 30 g er fnh vom politifchen Scßauplaß jurüd. Siedeicht batte 
et nicht ba 8 B ««3 }« einem öffentlichen dßaralter, viedeießt hielt et e 8 auch 
unter feinet SBürbe, ben fiampf weitet fortjufeßen — jebenfadg 30 g et fnh 
3 ur rechten Beit 8 urüd unb verharrte in biefer Bmüdgejogenbeit big an fein 
Sebengenbe. © erfrifdjte ft<b burch Steifen, wie e§ einem tßätigen ©eifte, bet 
ftch von Kummet belaftet fühlt, Sebürfniß ift. Sßir meinen bamit nicht fowobl 
bie italienifche Steife, alg feine tübnen Stonberungen butih big babin unjugängliche 
©ebiete bet SPoefie. dt forfeßte in Storb unb Süb, Oft unb SBeft, fiberad 
mit bemfetben difer, ein Univerfal=Sodmetfcßer, jenen wunbetbaren Sali 8 man 
fu<henb,berba3 SCiebererfennunggjeihen ber Söller bilbet, nachbem fte fnh beim 
Sßurmbau 3 U Sabel 3 erftreuten. 3 n biefer Stichtung tbat Stüdert mebt füt fein 
Saterlanb, alg et eg in potitifeßem Kampfe je vermocht hätte. Seine Stubien' 
unb Ueberfeßungen trugen wefentlicß baju bei, jene berrlicbfte Slütbe beg 
beutfehen ©eifteg 3 U entwideln: bag Sermögen ber vodftänbigen Aneignung 
adeg beffen, wag irgenb ein Soll auf intedeltuedem ©ebiete ©roßeg gefeßaffen. 
Sag Sereid) beg beutfdjen ©eifteg gleicht bem Aderßeiligflen, worin ade Steli* 
gionen, Citeraturen, pbilofopbifcßen Spfteme ihre Hüllen abftreifen unb ftcb in 
bet dtinnerung ibreg gemeinfamen Urfprungg su einet dinbeit geftalten. 
Siefeg hob« Biel ä u erteilen, waren wenige Sftänner eifriger unb etfolgreicbet 
bemüht alg griebrieß Stüdert.* 

' ÜBir haben abficßtlicb biefeg Urtbeil eineg bem Sichtet laum adsu günftig 
gefmnten, abet boeß unbefangenen Auglänber 8 citirt um 3 U 3 eigen, wie mit 
Seutfcßen übet Stüdert urtßeilen fodten. gür ung bat boeß fein eblet Sa* 
ttiotigmug, fein tiefeg, linbdcß teineg ©emüt, fein äeßt vollgtbümlicßet Sinn 
rf 32 


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484 


ein« no* ganj anbete «ebeutung unb Tragweite. Ser SBet* SRMertS als Sol»* 
bi^tet ift noch lange ni*t na* Gebullt anerlannt, ja man bat i&m fogat mit» 
unter bie S 8 ollStbümli*feit ganj abgefpro*en, bat ibn als einen $i*ter gewijfet 
^rimlegirter Staffen barjufteßen gefu*t. Unb bo* möge man uns irgenb cm 
BoßenbetereS, bem beutj*en SBefen entfpre*enbereS EoIlSlieb jeigen. als 5 . ®. 
jenes Sieb Bon J>en „brei ©efeßen", beten ©ner ein Defterrei*er, ber 3weite 
ein Sprenge, unb ber dritte —„Bon 2>eutf*lftnb »ater nur!"- 
um biefer feiner Slbftammung Witten ben 3lnbern na*fteben foß. Sie Solls» 
tbümlübleit IRüdert’S bewährt ft* ferner in feinen fräftigen, f*wungBoßen 
Sir*enliebem, feinen ben melobif*ften unb wei*ften Saiten beS -jjerjenS ent» 
loctten Siebesliebem, feinen ganj unübertreffli*en Sugenbliebern, bie baS fmb* 
li*e ©emütb anfpte*en wie leine anberen unb bie munteren 3lugen unferer 
kleinen Bor gteube unb wonnigem SBebagen erftrablen Taffen, fobalb baS Sieb» 
*en nom „SBäumlein, baS anbere Slätter gemoßt", ober Born „Süblein, baS 
überall bat mitgenommen fein wollen", jum SSortvag gelangt. Sol*e ©folge 
Betmag nur ein grober, ein ä*ter Si*ter ju erringen, uno wenn berfelbe ne» 
ben bem bo*poetif*en ©eift, ber aUe feine SBerte bur*bringt, juglei* als 
Botlenbeter «Weiftet beS SRptbmuS unb ber Sorm erf*eint, fo fli*t bieS fi*et 
nur ein weiteres Sorbeerblatt in feinen unoerweltli*en WubmeSfranj. 

GS ift ni*t aßgemein befannt, baf Diüctert wobl ber fru*tbarfte unter 
aßen neueren beutf*en Spritem genannt werben barf. Seine in ben Sabten 
1834 bis 1838 erf*ienenen poetif*en SEBerte, wel*e übrigens no* ni*t bie oben 
genannten Ueberfefcungen unb 3la*bilbungen orientalif*er Si*tungen ent» 
batten, umfaffen fe*S SBänbe. Seit jener &\l ift aßerbingS, einige ©elegen» 
beitsgebi*te ausgenommen, laum irgenb etwas Bon ibm.an bie Deffentli*leit 
gelangt; poetif* tbätig aber blieb er bis faft an fein SebenSenbe.. Sein 
literarif*er Wa*la| ift jiemli* bebeutenb unb foß, fa*wiffenf*aftli*e 2 lrbeiten 
ni*t gere*net, jwei bis brei »änbe fußen, mit beren Verausgabe beS SSer» 
ewigten Sobn, ißrofeffot ^cinri* Blüdfert in SBreSlau, bereits eifrig bef*äftigt 
ift. 3lu* bie poetif*e aiuSbeute bürfte feineSwegS gering ausfaßen. 3lBeS 
in Slßem werben wir eine bi*terif*e 3 ru*tbarfeit unb Sßielfeitigteit ju bewun» 
bem haben, wie fte feit ©ötbe, mit wet*em fßüßert als Spoiler überhaupt man*e 
Slebnli*teit bat, unb bem er unter ainberem in feiner Hinneigung jur orienta» 
fif*en «ßoefte glei*t, in unferer beuf*en Siteratur ni*t wiebertebrte. 

3ßäbrenb Seutf*Ianb feinen lebten groben Si*tertorppbäen ju ©rabe 
tmg, f*eint ft* ein ni*t minber berühmter unb glei*faßs bo*betagter fran» 
$öftf*er Si*ter förmli* ju Berjüngen unb entfaltet eine «ßrobuftionSfraft, 
wel*e an bie f*on faft ein £DTenf*enalter hinter unS liegenbe 3eit feines rüftig» 
ften S*affenS erinnert. SBi ctor £ug 0 ift 65 Sabre alt, aber gerabe 
feit er in bie Se*jiger eintrat, bat er eine neue Gpo*e feiner bi*terif*en 
Sbätigteit eröffnet, rubmBoßer unb glättjenber faft als bie beiben BorauSgegan» 
genen. Seinen ”Mis 6 rables“, biefem hoben Sieb beS göttli*en ©ebotS ber 
gjtenf*cnliebe, folgten im nerwi*enen Sabre bie „Sieber ber Strafen unb 


•8 



485 



Sffidlber", uttb !aum fmb biefe burch alle ffielt erllungen, tebenbige 3eugen, ba& 
fnh auch ber Sprifer Victor gugo bie gange gnnigfeit, 3Art^ett unb griffe feU 
neS ©emüthS bewahrt bat, folgt bereits ein neuer dtoman, ber wieberum jene 
ewigen SBabrbeiten prebigen fod, su beren eifrigftem Apoftel Victor gugo non 
jeher ftch aufgeworfen. "Les Travailleurs de la Mer“, am treffenbften 
wohl mit „gelben beS ddeereS" ju überfein, ein Aoman in etwas engerem 
Nahmen, als bie im ©runbe adgu weitf (billigen, gu oft fuh in fleinliche De* 
tailS nerlierenben "Miserables“, erftbien am 15. 2fldtg,*unb gleichseitig mit 
bem Original würben an bemfel6en Sage auch bie beutfchen, frangöfifchen, eng* 
lifchen, fpanifchen, itadenifchen unb ruffifdben Ueberfefcungen in.ben SDtarft ge* 
bracht. Victor gugo bat als Sichter bauptfdchlich jene Aufgabe gu löfen 
gefucht, welche fchon grau non Stael, bie als eigentliche Segrünberin ber fran* 
göftfchen romantifchen Schule gelten !ann, als bie wörbigfte ber Dichtfunft be* 
geichnete: „bie menf(blichen Seibenfchaften gu analeren unb fo Irdftig wie mog* 
lieh auSgubrüäen; benn baS Seben ber Seele fei niel inhaltlicher, als alle 
Sbaten ber ©afaren." gugo gehört nicht, wie g. V. Samartine, gu benjenigen 
Sprifern, welche bie confequente Durchführung biefer Vorfchrift eine enblofe 
Seufgerliteratur fchaffen lieb, in welcher ewig nur baS arme geh jammernb 
wieberllingt; bei ihm hanbelt es fi<h burchgehenbS um bie Ausgleichung gweier 
©egenfdfce: er fucht ben gbeadSmuS, ber fich in ben Vrobuftionen ber Aornan* 
tifer als „ibealeS geh" fo ungeheuer breit macht, einem gefunben AealiSmuS 
gu nermdhlen. 3« feinen Aomanen bemühte ftch gugo gang befonberS, bie 
Kämpfe unb Selben gu neranfchaulichen, welche ber SAenfch auf feiner irbifdgen 
Saufbahn mit theils in ihm, theils aufcer ihm liegenben feinblidgen ©ewalten 
gu beftehen hat. gn "Notre Dame de Paris“ galt eS ben ßampf mit ber 
Unwiffenheit, bem SSorurtheil unb bem Aberglauben, gn ben "Miserables“ 
hanbelt eS fich um fociale Kampfe, um baS titanenhafte Gingen gwifchen göttli*. 
eher ÜAenfchenliebe, unb bem blinben, thörichten gab ber ©efellfchaft, ben niebri* 
gen Seibenfcbaften ber Alltagswelt. gn ben ^Travailleurs“ enblich fdmpft 
ber SDIenfch mit ben (Elementen, mit ber rohen Aaturfraft, unb geht gulefct auch 
auS biefem Kampfe ftegreich hervor. 

(ES ift baS Seben auf ben britifchen ©analinfeln, unb bor Adern baS 
heimathliche ©ueritfep, welkes bem berühmten Verbannten fo biele gahre ein 
trauliches Afpl bot, was uns in biefem Aomane gefdgilbert wirb. Die öbe 
Düne unb ftarre gelsllippe im bvaufenben ÜAeere birgt ihre eigene Vielt, welche 
wefentdeh &on 2Binb unb SBogen beherrfcht wirb. Der ÜAenfch, ber biefeS 
armfelige gledfchen (Erbe feine geimat nennt, liegt in itnabldffigem Kampfe 
mit ben (Elementen, beneit er feine ©yifteng abringen muh; boch nicht genug 
bamit, bereitet er ftdg auch no<h feine eigenen 2eiben unb ©onflifte, unb bie 
Stürme beS gergenS, welche bie Vewohner biefeS (EilanbS auSgufdmpfen ha* 
ben, toben mitunter oerhangnifwoder, als bie in ber Aatur. gugo liefert in 
biefem Aomane eine güde bon Aaturfchilberungen, wie fie bodenbeter mit ber 
gebet fuher nicht auSguführen fmb. 3Bir hören baS SAeer, welches faft als 



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Hauptfigur beS IRomanS, bejeichnet merben fann, halb Icife murmeln unb ftü* 
ftern, einem füfien Scblumnterlieb vergleichbar, baS uns in bie pbantaftifche, 
Sraummelt biwüberluttt, halb in milberSButb rotten unb toben, als ob eS ben 
©rbbatt verfchlingen unb baS alte ©baoS jurüdfübren motte; mir feben bie 
Vorgebirge, bie £anb* unb ©r^ungen, bie mie $agoben ober abgebrochene 
Säulen aus bem fchäumenben ©ifcht emporragenben Älippen, mitunter burch 
überbängenbe geraden mie bur<b lünftliche Vrüden miteinanber verbunben; 
bie von munberbarer SIrchiteftur ftarrenben Sropfftetnböblen; bie mie von 3Rie* 
fenbanb in bunter Unorbnung übereinanber getbürniten gelsblöde. Unb 
nicht genug mit biefen fid? an ber Oberfläche beS SDleereS unb längs ber 
Äüften bietenben ©rfcheinungen, ber Sichter führt uns auf ben ©runb beS 
OceanS unb entfchleiert bie verborgenften ©ebeimniffe ber -Natur; er läjst bie 
©emäffer jurüdmeichen unb jeigt uns bie feenhafte Vegetation auf bem tiefun* 
terften ©runbe, prachtvolle ©arten unb $arfS, erfüllt unb belebt von vielen 
Saufenben ber jterlidbfien unb munberbarften ©efchöpfe, gefdhmüdt mit ben 
fünftlichften Vaitmerfen aus leuchtenben ©oratlen, bie fuh bis ju fchminbelnber 
Hobe erbeben unb burch ib^e äufierften Spifcen unb fiharfen Stifte ben Schiffern 
oft fo gefährlich merben. 

Sie Hanblung beS StomanS ift bieSmal ziemlich einfach, man mochte fie 
faft nur einen Vrobirftein emiger SBabrbeiten nennen. 2lu<h bie 3abl 
ber als Sräger ber Höhlung auftretenben Verfonen ift meit befchränlter, 
als mir eS fonft bei H u 9° Qemobnt finb. Sitte giguren aber, bie er uns 
vorfübrt, lönnen in ihrer Slrt als SNuftertppen gelten unb fmb nicht minber 
treffenb, als in ben gerabe um ihrer unvergleichlichen ©barafterfchilberungen 
mitten fo hoch gefüllten ''Miserables“. ©S fmb vier Hauptperfonen, auf 
melche fich baS 3ntereffe beS SeferS concentrirt: brei gifcher nnb Seeleute, unb 
ein junges reijenbeS SNäbchen, bie -Nichte eines jener alten Seevögel, bie mit 
ben 2Növen um bie Sßette über bie halb fitbcrgtatte, halb bergeSboch aufge* 
tbürmte glutb babin gleiten. Ser Schiffer fietbierrp ift eine urfräftige See* 
mannSgeftalt, mie fie nur bie notbifche fiüfte ju erzeugen vermag. 2Nit bem 
SNeere gu fämpfen unb ben Stürmen 31 t tropen, 2Jtenf<hen $u retten unb 2Baa* 
ren $u bergen, mar fein eigentlicher fiebenSberuf. 2Bo eine ©efabr brohte, 
ba mar er bei ber Hanb. „kräftig arbeitete er fich burch Sturm unb SBogen, 
ber Stegen ftrömte von ihm bwab, unb fiel hier unb ba ein Sicht auf ihn, 
fo fab er aus mie ein £öme, ben eine Schaummette umfäumte." Än fechSjig 
Sabre hatte er auf biefe SBeife jugebracht; ba ftettten fich bie ©ebrechen beS 
SllterS^in, unb ber StbeumatiSmuS feffelte ihn oft an'S Vett. Stun blieb er 
babeim unb befchäftigte fich mit ber Keinen SSirtbfchaft. Uebrigen blieb er 
fich völlig gleich. „3 n feinem Sleufiern batte er etmaS vom Stierunb etmaS vom 
$inb. Sein ©eficht fab aus als märe eS von ben SBogen aerquetfdjt unb als 
hätte fich bie SBinbrofe Vierjig Sabre auf bemfelben berumgebrebt. Seine Stirn 
umfchmebten noch förmlich bie Stürme, benen er im geben auSgefept mar, unb 
feine ©eficbtsfarbe erinnerte an bie gelfen im offenen SNeere. Sentt ©u<h# 


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bafj aus oiefem garten tlntlifc ein gutes Sluge leuchtete, unb ihr habt SBonf. 
Setbierrp uor (Such.* 

Setbierrp’S Siebte, bie Keine $erudbette, ift mieber eine ä<bt SSictor 
$ugo r fcbe ©eftalt, dbnlich ber (SofettenS in ben w SD'liferabte^". SGßie biefe ftebt 
auch fte tote ein munteres Sbgtl inmitten büfterer (Srfcbeinungen, unb maS non 
Sonnenglang unb [über SJielobie in bem SEßerfe gu finben ift, baS mirb bureb 
fte reprafentirt. „‘Seruchette batte bie Jchönften Keinen $anbe unb bie fdbön* 
ften Keinen gü&e ber ffielt; hier geenbdnbe, fagte ÜUtonf. Setbierrp. Sie mar 
gut unb fanft. 3bw gamilie unb ihren [Reichtbum bilbete ibr Onfel. Sie 
lebte, baS mar ihre Slrbeit; fte fang einige Sieber, baS mar ibr Talent; ihre 
SBeiSbeit mar ihre Schönheit; ibr (Seift bie Unf<bulb, ibr #erg bie Einfalt. Sie 
befaft bie gragiöfe Trägheit ber (Sreolin, oermifebt mit liebenSmürbiger äborbeit 
unb Sebbaftigfeit, bie Seidbtigfeit ber 3ugenb, gemäßigt burdb ÜRelandbolie. 
Sie Keibete fub etmaS infelartig, elegant, aber unregelmd&ig, trug baS gange 
3 (abr b^nburd^ SBlumen auf bem $ute, bie unter bem^aare beruorquollen; 
bie meifje #aut geigte einige Spuren beS Sommers, unb ber grobe, gefunbe 
2 Wunb lächelte in entgüdenber unb gefährlicher 2Beife. $aS mar Serudbette. 41 

(Sin gmeiter Seebelb ift ©illiat, ber einem antifen Barbaren gleicht, babei 
aber bodb mehr bübfeh alS»bäblicb ift. (Sr ift frübgeitig gealtert, Sonne unb 
Stürme haben ihn fchmarg mie einen Sieger gemalt. (Sr ift ein gutmütiger, 
brauer SBurfdbe, ber mie ein iUnb lacht unb babei gmei [Reiben ber fünften 
3 dbne bilden labt. 

• (Sine originelle gigur ift ber britte Seemann, Sieur (Slubin, Kein, gelb, 
aber ftar! mie ein Stier. Sein ©ebddbtnifj ift bemunberungSmürbig; ein©eftdbt, 
baS er einmal gef eben, erfennt er immer mieber. „(SS gab feinen beffern 
■URatrofen, feinen ehrlicheren, feinen religiöferen 9Renf<hen. (Sin Kaufmann in 
Saint 2Ralo fagte: er mdre im Stanbe, fein ©emölbe üon (Slubin baten, gu 
laffen. ©n gröberes Sob fonnte biefer ßaufmaun ÜRiemanbem geben, ©ubin 
mar SBittmer. Seine grau mar ebenfo brau gemefen mie er. SBenn ©ott in 
fte »erliebt gemefen mdre, fo mdre fte im Stanbe gemefen, es bem Pfarrer gu 
fagen. grau ©ubin mar ber Sdbman, £err ©ubin ber #ermelitf. (Sr mar 
nicht im Stanbe, eine Stednabel gu finben, ohne nach bem ©gentbümet ber* 
felben gu forfdben." 

3)aS ftnb bie $auptperfonen in SBiftor £ugo T S neueftem Vornan, einem 
2Berf, melcheS burdbmeg ben Stempel ber geiftigen Roheit unb acht humanen 
3)enfungSart feines berühmten SBerfafjcvS tragt, 2Bie man auch fonft SBiftor 
£ugo beurtbeilen, maS man bon feinem öfteren politifdben 2ReinungSmedbfel, 
ber ftch bodb fdblieblidb in ben $abren beS gereiften ÜUtanneS gum aufrichtigen 
[RepublifaniSmuS geftaltete, halten mag — es ift immer ein grofjeS, reiches 
#erg, melcheS ft<b in allen feinen SBerfeu manifeftirt, ein £erg, beffen gemaltige 
Schlage alle SßulSfdbmutgungen beS rtngenben 3ab*bunbertS begleiten, ©in 
ebler (SntbuftaSmuS, ein reines ©efübl für baS Schöne, SBabte unb ©ute, eine 
ben bödbften Realen ber 2Renf<hbeit guftrebenbe Seele geichnen ben 2Raftn 


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auS, ber emft ftrebenb irrte, boCb längft boß männlicher GntfChlöffenbeit ben 
grrtbum aufrichtig gefü^nt bat, bem er burCß baS bunte SBecbfelfpiel eines ret<b 
bewegten Sehens anbeimgefaßen war* 

Unfere 9tew*?)orfer Jb*ater entfalten mit bCtfi ^erdrttiabenben grüblmg 
wieber etwas größere IHegfamfeit; aud? begegnet ntan aßentbalben comfortablcr 
gefußten Käufern als Wäbrenb ber gafcßingSgeit unb ber regelmäßig barauf 
folgenben $eriobe ber Slbfpannung unb Ueberfättigung. $aS beutfCbe Stabt* 
tbeater behalf ft<b nodb mit einem giemliCb bunt gitfammengewürfelten, bem Be* 
bürfniß beS SlugenblidS angepaßten Sßepertoir* 2öäbrenb beS gangen ßJlonatS 
ging auf bem Gebiet beS höheren 25ramaS nur eine eingige üftobität in Scene, 
unb gwar ein HaffifcbeS $rama, an baS ftCb felbft größere, mit Kräften erften 
SßangeS auSgeftattete Bühnen nur feiten Kranwagen: ©bafefpeare’S „guliuS 
Gäfar". $err Karting batte baffelbe mit giemltChem GefCbiCt eingerichtet, fo 
baß wenigftenS bie $auptfcenen erbalten unb bie Gbataftere in ihren wefent* 
lüften Umriffen erfennbar blieben. Gr felbft gab ben üftarc Slnton ;unb tbat 
bamit baS Befte bei ber 6a<be. 2)urCb feine Bemühungen gelangten bie beiben 
berühmteren ©eenen: im Senat, nach GäfarS Grmorbung, unb auf bem gorum 
SRomanum, wo BJarc Slnton bem bon üßtörberbanb gefaßenen greunbe bie 
meifterbafte GebäCbtnißrebe hält, gu giemlicber Geltung. #tn unb wieber, 
namentlich in biefer ßlebe, batte £errn «gärting’S Bortrag etwas gu GegwungeneS, 
GelünftelteS; im Gangen aber bewährte er fi<b boebaueb in biefer febwierigen 
Brobe als begabter Zünftler, ber bie natürlichen Mangel feines Organs gefCbicft gu 
berbeCfen unb auSgugleicben weiß. 35ie übrigen $artieen batte man nach 
Kräften, wenn au(b ben Slnforberungen beS poetifdjen SftefenwerfS lange nicht 
entfpredjenb, befefet. 2)ie SLragöbie warb bor mäßig gefüßtem $aufe gegeben, 
bo<b Wien baS Bublifum ben bie Borfteßung burCbwebenben ftrebfamen Geift 
anguerfennen. Gtne SBieberboluug fanb nicht ftatt. Gin früher öfter gegebenes 
Suftfpiel: Gußfow’S „Urbtlb beS £artüffe" ging neu einftubirt unb mit gang* 
lieb neuer Befeßung in ©eene. £err Karting war ber ßönig, $err granf 
Samaignon, £err gerboni Btoliere unb bie tarnen fftobbe unb BtarCßanb bie 
beiben ©Cbaufpielerinnen. gm Gangen genommen warb baS ©tücf ebenfo gut, 
wenn nicht beffer, gegeben als in früheren gabren, wo bie beiben erftgenann* 
ten SRoßen minber begabten 2)arfteüem anbertraut gewefen. Bor ftets gut 
befeßten Raufern gaftirte grau b. Berlel — leiber faft nur in ßtäber'feben 
Boffen. SDie 2)ame ift eine gewanbte Soubrette, unb ihre Stimme Hingt noch 
immer fo Irdftig unb frifch wie in früheren gabren. GS bat uns oft SBunber 
genommeu, baß man am ©tabttbeater nicht bin unb wieber einige brauchbare 
GefangSfrdfte engagtrt, unb mit beren §ülfe BaubebißeS, Operetten unb 
leidhte fomifCße Opern gur Sluffübrung bringt. $ie beutfChe Bühne bat 
ja fo manches aßerliebfte berartige SBerfchen aufguweifen, unb neuerbingS 
lieferte ber unerftböpfliche Offenbach einen ©Cßaß, ben feine unternebmenbe 
3)ire!tion unauSgebeutet laffen foßte. 2)em Bübnenrepertoir würbe baburch 



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eilte hSdhft fdhäfciare SRqnmgfaltigteit berlieben, unb felbfi in mtnber günftigen 
S^eaterjeiten mürben bie sablreicben Siebbaber einer heiteren mufifalifd^ 
bramatifeben Untergattung berartigen ©enüffen nicht 311 mieberfteben ber* 
mögen. 

2Rit bem neuen fceutfc&en Beater in ber oberen Stabt gebt eS bo<b mobl 
noch nicht fo fcbnell. @in $la£, ber ba^u bermenbet merbeu m ö cb t e, ift 
borläufig gefiebert; über bem Sau fetber febmebt jeboeb noch bötligeS Dunfel. 
$err SReaubert, ber als artiftifeber ÜRitbireftor genannt mürbe, bat in Salti* 
ntore erflärt, baf$ er fub für näcbften SBinter bon bem bortigen Goncorbia*Dbea* 
ter, melcbeS unter feiner Seitung fo biel berfpredjenb gebieb, nicht trennen 
merbe. Seine biefigen greunbe geben jeboeb bie Hoffnung nid?t auf, ihn in 
einer ähnlichen Stellung in $Rem*?)arf 311 feb^n unb looden mifjen, bafj er fei* 
ner Seit als alleiniger Seiter unfereS neuen 2RufentempelS auftaueben merbe. 
(SinS febeint ficber: gür fommenben Sßinter mirb eS noch bei bem bisherigen 
beutfeben $b*ater fein Semenben babeu. 

Unter ben englifeben Beatern bat baS Olimpic mit bem großen biftori* 
feben Scbaubrama: ”The three Guardsmen“, nach ben DumaS’fcben^brei 
SRuSfetieren", ober bielmebr nach ber fran 3 öfif<ben Dramatifirung berfetben 
bearbeitet, einen febr gtüdlicben ©riff getban. 2luf bie HuSftattuug mürbe 
biel bermenbet, namentlich lieben bie Goftume an ßleganj unb biftortfeber Dreue 
mirflicb nichts 31 t münfeben übrig. Um bie Sluffübrnng fo bollfommcn als 
möglich ju machen, begnügte fuh bie unternebmenbe Diretrice, 2RrS. 2Boob, 
ni#t mit ben gemöbnticben Graften ihres gnftituts, fonbern gemann noch einige 
ber beliebteften Zünftler unb Äünftlerinnen, mie bie Herren S.oniface, *Rome, 
Stublep unb grau 2Retbua*5cbeller. DaS Auftreten ber Sefcteren machte 
bie Sorftellungen für baS beutfebe Sßublifum gan 3 befonberS intereffant, ba man 
fie feit länger als QabreSfrift nicht auf ber biefigen englifeben Sühne gefeben, 
unb fie ficb in ber 3 toif<ben 3 eit auf ihren ßunftreifen im SGßeften auch in ber 
amerifanifdben ßunftmelt einen febr geachteten tarnen berfchaffte. 9Ran über* 
3 eugte ficb halb, baf$ baS ihr auSmärtS gefpenbete 2ob ein mobt berbienteS ge* 
mefen. Seit mir fie nicht gefeben, bat fie ficb in ihrem neuen SBirfungSlreife 
böllig beimifcb gemacht, alle Sdjmierigfeiten beS freniben QbiomS finb bon 
ihr aufs glän 3 enbfte übermunben morben. 3>u bem genannten Drama gab fie bie 
Diolle ber Königin Slnna bon öefterreicb, unb mir fönnen ihr fein gröberes 2 ob 
fpenben, als inbem mir fagen: „Seber 3oll eine Königin!" DaS mit ficht 
fran^öfifdpen Sübneneffecten reich auSgeftattete Drama bürfte ficb für eine jReihe 
boü SBochen auf bem IRepertoir erhalten. Später mirb grau 2Rethua*Scbeßer 
auf berfelben Sühne in einigen anberen ^artieen auftreten. 

SEBallaä’S Dheater, gemiffermaben bie Comedie francaise bon üRem* 
§)orf, in le^ter Seit jeboeb unter ber ftarfen Goncurren 3 etmaS leibenb, bat 
feit bem SBieberaufireten feines beliebten GbefS, 2efter SBallad, ber ficb aus 
berfebieben angegebenen ©rünben feit einem bollen Sabre bon ber Sühne 3 U* 
rücfge 3 ogen, neue Sli^iebung gemonnen. Sefter SBallad ift bei ber feinen 
Damenrnelt üRem §)orfS fo beliebt, mie feiner 3eit §enbricbS bei ben Serline* 
rinnen, unb fo lange er bie Sühne betritt, mirb eS feinem ilunfttempef nicht 
an febönen unb unfebönen Scbuppatroninen fehlen. 


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490 


5 

P*0 »erklagtc peutfd)lani>. 

S3on ®«rI K&meliti^ (£cil&ronn.) 

3 $ fü^te mich jefct gedrungen, nach bem SBcrhetgegangenen auch einiget 
#inberni|fe p erwähnen, bie bem inneren gortfchritt 3)eutf<hlanb8 im SEBege 
fte^en. 3# meine bamit in erfter Sinie unfere teligiöfen SSerhältniffe. 
$eutf<hlanb würbe religiös unterjocht, nicht belehrt; bie? war fein 
g u ftanb unter Gart bem ©rohen unb ift eS bis auf heute geblieben. 3tie waren 
bie ©eutfchen fo ruhige SKitgtieber ber Kirche, wie es bie Staliener, bie Spa* 
niet, bie ftranjofen, ja fogar bie Gnglänber finb unb waren. SSoher biefeS 
ftete ffiiberftreben? 3<h tann mir nur ei ne Urfache benlen, nämlich, bah baS 
GeremonieH bem SJeutfchen etwas 3 r e m b e S ift unb war. Unb noch heutptage 
regt eS fi<h in aßen ©auen SJeutfchlanbS, t i r ch l i ch e begriffe loSpwerben, bie 
ber Statur beS Deutfchen pwiber fmb. 3« anberen Sänbern ift ber Streit ber 
alte jwifchen äßiffen unb ©tauben; in Seutfchtanb gefeilt ficb }U bemfelben 
ber nationale ffiiberwilte gegen eine ihm frembe Jtirche. 2>iefer topf be* 
fteht mehr in ben latholifchen Staaten SeutfchlanbS als in ben proteftantifchen, 
aber eS fehlt auch hier nicht an SBiberftanb gegen ein proteftantifcheS Äirdjen» 
wefen, baS gern bie alten Äirchenbegriffe wieber einführen möchte, tiefer 
religiöfe 3wiefpalt ©eutfchlanbS wirlt brüdenb auf alle frifche, fiebere Gnt» 
widelung, weil eben ein beträchtlicher Sheil ber geiftigen firaft ®eutfchlanbS 
fich ber Dffenfioe unb ein ebenfo beträchtlicher ber Sefenftoe in biefem Streit 
wibmen muh- 3ortfchritt3*2Jtahregeln werben häufig nur »erbächtigt weil fte 
bem einen ober anbern Säger entfpringen, nicht weil man an unb für fich 
gegen biefelben ift. 3 w e i fiir<hen»Spfteme hat $eutf<hlanb p tragen, unb 
fein ibealeS unb wiffenf^aftlicheS Sehen ift breifpaltig: eines tatholifch, eines 
proteftantifch, unb baS britte beiben entgegen, nach beutfchen Urbegrif» 
fen philofophifch unb äfthetifch ringenb; benn bie 91 atur, f eine 91 atur 
oor allem, fucht ber SJeutfcbe wiebet. GS muh Sebent einteuchten, bah unter 
folchen 33erl)ältniffen ber gortfchritt »erlangfamt wirb. 9to<b währt in $eutf<b* 
lanb ber topf um licchliche Sßräponberanj unb mifcht fnh ins politifcbe Sehen, 
unb Oefterreich befonberS »erliert an gäbigleit, feine rechte Stelle in $eutfch» 
lanb einjunehmen, weil eS mit lirchlichen Slbfnhten ibentificirt ift. GS werben 
bemfelben auch alle SSerfuche, f«h felbft p reformiren, aus gleichem ©runbe er* 
fdjwert. 

• SBie »iel geiftige firaft fledt in $eulf<btanb in biefem tbeologifcben 9Un» 
gen unb in feinen Sirchen ! 3n granfreicb wirb nur ein Heiner Sheil ber 
©eifteS=Stär!e in ber ßircbe begraben, weil »on feinem GleruS nur fcbwäcbete 
Kräfte gebraucht werben, währenb in Seutfdjlanb, unb befonberS bem pro» 
teftantifeben, ftch fehr oft bie heften ßöpfe ber Kirche pwenben. ülehnlich wie 
©iogeneS am hellen Xag mUbrennenber Saterne ehrliche SDlenfchen fuebte, fo 




491 


fucbt bet $eutf<he tttit bet gacfel be$ ffiiffenS In bet £anb nach feinet [R e* 
ltgion. bie Äatbolifen unb ^roteftanten fuchenmit; fte würben ftd& 
aUx n«bt fcbr freuen, wenn fte gefunben würbe. 3 n ©datier unb ®ötbe 
liegt biefelbe, im ©rften gelleibet in einen SbealiSmuS, ben bet Xeutfö« fo feht 
liebt unb ber ibm Stillet fo wertb macht, im 3foeiten entfchleiert, im Äleib bet 
falten 3ntelligen§, welche bie Schwärmerei abftßbt unb ©öthe nicht recht po* 
pulär werben labt. 2)er 2!eutf<he bebarf immer beiber Ortungen; bie [Refor* 
mation fam weil bie bamalige ßirche bie 3 n t e 11 i g e n § erftidcn wollte, unb 
bie [Reformation genügt nicht weit ibt ba3 3 b e a l e, S <h ö n e fehlt. Unb fo 
fudbt ber 2!cutf<he weiter unb oergeubet manche firaft in biefem ©etriebe.* 
2)ie biw bejeicbnete Schwierigleit, bie ben beutfchen gortfchritt hemmt, ift eine 
f<bwet ju befeitigenbe. ©ewalt hilft bu nicht oiel, Volentil auch nicht oiel, 
wohl aber baä ftete Vorbringen populären SiffenS, woburch bie Kirchen teer 
werben, aber leibet nut $u oft auch bie Sirthäbäufer ooH. ©$ ift traurig su 
fehen, bab unfere 2anb£leute glauben, nut swifchen SirthähuuS unb Äirche 
wählen su lönnen, unb e3 ift feht wichtig, bab 3ntelligengmittel geboten werben, 
bei benen nicht getrunfen unb nicht gegeffen wirb, wo aber bennoch bem Volle 
geiftige ©enüffe, in beibetlei 3 o r m, wie man fagt, baä hei&t, in intellU 
genter unb bo<h ibeater Seife, geboten werben. 

einen wichtigen Schritt fönnte man thun, Wenn bie ©rjiebung ©eiftlicher 
Don Staate wegen, wie fte in Sürtemberg unb auch in anberen Staaten ftatt* 
finbet, abgefchafft würbe unb bann bie Theologen ihre acabemifche ©rsiehuttg 
ftch gerabe fo oerfchaffen müßten, wie e3 bie 3uriften, SRebisiner unb Vhifofo* 
phen thun. — ©3 ift mit unbegreiflich, bab bie Dielen Denier 3)eutf<hlanb3 biefe 
grage nicht anregen, benn ben neueren ©eifte8*[Ricbtungen unb Vegriffen übet 
bie Stellung be§ Staates jum StaatSbiener ift folche Veoorjugung ber Äirchen* 
Slemter bo<h suwiber. # 3)er Staat ergebt feinen anbern StaatSbiener auf of* 
fcntliche Soften. Sarurn bie ©eiftlichen allein ? Sollen bie alten Stiftungen 
bie [Rechtfertigung bafür geben V $ie gehören ja, nach ftrengem [Rechte, ben 
fiatholilen allein! $ur<h bie gebotene Staat^Unterftüfcung sieht man ftch eine 
SRaffe Ganbibaten für baS theologifche Stubium auf ben £als, unb man giebt 
ÜRandhem eine gang falfche SebenSridhtung. 2Ran wibme bie alten Stiftungen 
bem allgemeinen UniDerfttät3*Sefen, was ja fein gröberer [RechtSbruch wäre, 
als ber sur $i\t ber [Reformation oerübte. 

3 <h wenbe mich nun su einem noch tiefer liegenben, mehr materiellen, #in* 
bemifc beS gortfchrittS in $eutf<hlanb, nämlich ber Xhatfache, bab im Vergleich 
mit [Rachbat*. Vollem, bet 2)eutf<he ftch unb feine Vrobulte nicht oollgültig Der* 
werthet. Sir berühren ba einen 2Ribftanb (gehler wollen wir eS boch nicht 
nennen), bet Voll, gürften unb [Regierungen burdbbringt unb Diel an bet 
fcheinbaren Schwäche unb Sahmheit fchulb ift, bie man am beutfchen $anbeln 
tabelt. ©in amerilanifchet ÄartenfpieUr fagte einmal su mir: „2)ie 2>eutf<hen 
jpielen ihre harten fehlest, fte heben ihre Trümpfe su lange auf!" unb er 
fennseichnete in biefen Sorten baS beutfche Sefen. Slber entquillt nicht 




m 




Goog 




biefer ©barafter*3ug einet febr adhtunggwertben ©igenföaft unfereg Sotleg ? 
(& bilbet allerbingg bag eine ©jtrem beg iefetgcn Scjcgäitg^Setfebrfj 
aber SBinbbeutelei nieft baSa^y Unb Mt Wagt ;ubeftimmen. ob niAi 
gerabe üe fomtene beutle ©efcbäftgleben el ift, bag fidb gteie^ fern ^alt 
Oon ber $>eutf<ben nur gu oft anbängenben großen Slengftlidbfeit unb ber ju 
großen Spelulationg*2Butb ? Slmerila, ©nglanb unb granlreid? ftrofct bie 
2Rarttf<breierei auf allen 2Rär!ten, unb fte fällt oft auf bie fred&e 31afe; in 
Seutfdblanb ftnb Sieberfeit unb Sicherheit noch Sugenben; man erntet 
Heinere (Erträge, aber behält fie aud?. £)ie beutle 3urüäbaltung, fi<b unb 
v fein Vermögen ganj bem feierten Strom ber 3eit anguoertraüen, ift burdbaug 
nicht Seweig gefcbäftlidber Untücbtigleit, fonbern golge non ibm jur ^weiten 
Statur geworbenen Solibitqtgbegriffen. (Er will nicht mehr febeinen, als er 
ift, unb fo pafftrt eg ibm, baß man ibm einen Steconto aboerlangt, wo er eine 
Prämie oerbient. 3n ben anbern Nationen gebt eg oft umgefebr, bort ftebt 
Unoerfcbämtbcit über Sari. 

©g ift unferer oollen Seachtung wertb, wie tief biefeg ©rünblrdb* 
leitgftrebenim beutfehen SBefen fifct. Schon in ber gamilie unb Schule 
fängt eg an. gebeg Äinb muß mehr lernen alg eg nachher braucht, unb ein 
©teicheg wiberfäbrt bem $anbwerlertebrling unb bem Stubenteu, unb fteigert 
fub beim ©omntig unb beim ©efelten. Unb aug biefen Urfa(ben beftfct Seutfdb* 
lanb in allen Sebenglreifen lenntnißreidbere Männer alg fein ©efcbäftgleben eg 
oerlangt. 3« i^bem Sorfe wobnt ein iibergelebrter Pfarrer, uno auf jeber 
Sicbterbanl fifeen guriften, bie ihrer Stellung weit ooraug fmb, unb fo finben 
wir auch in jeber SBerfftätte 2Reifter, bie oieleg machen lönnen, wofür lein 58e* 
barf ift, unb auf jebem ©omptoir $aufteute, bereu $anbelglreig befcbränlter ift 
alg ihre gäbigleiten. $Rur in ben gabrifen, ben ßinbern ber SReujeit, ift’g in 
Seutfdblanb wie in anbern Säubern, nur baß man felbft tyinodb immer Sllleg ju 
ftarl macht. So ift’g auch mit bem Vermögen, benn auch bieg wirb nicht oollftänbig 
auggebeutet; eg giebtmebr erfparteg Kapital alg Serwenbung bafür, unb bieg gilt 
oom Sauer, #anbwerfer, Kaufmann, big jum Sanquier. 2tucb in unferem 
Stabte^ unb ©emeinbewefen berrfebt biefer (Ebaralterjug oor, unb nur febr un* 
gern überläßt man fidb bem Schutbenmachen. 

3 $ habe oft bie grage aufgeworfen, wonach man in unferer 3*ü & cn 
gortfdbriU unb bie (Eioilifation mißt, unb je mehr man mir bie Antwort fcbul- 
big bleibt, befto mehr fommt eg mir faft Oor, alg ob ber 2Raßftab in unferen 
Sagen ber Umfang fei, gu bem ein Soll ftcb anfdbmeHen lann. 2lu<b bie 
Söller tragen (Erinolinen, unb bag beutfebe Soll trägt bie tleinfte, ift alfo ni<bt 
in ber 9Robe, wag unfer Sluge auf ben erften Sticf oevle&t. 

Sei näherem Slnblid rnirb’g üng aber wobler, unb eg gebt img wie bem 
guten Sfarrer, beffen grau auch eine befebeibene ©rinoline trug, unb ber 
ftufcenb fein 3Beib, im Sergleidb mit anbern, Kein fanb, aber halb gum 
tröftenben Schluß tarn, baß oon ber grau Sfarrerin bodb noch 2Weg ba fei, 
wag oor ber ©rinoline ba gewefen feiy unb er alfo niebtg oerloren babe^ $er 





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493 




gleiche Sroft bleibt auch und Seutfchen über unfer äkterlanb, benn je genauer 
man prüft, befto beffer fallt bet SSergteidh aus. 

gragen mir in ben untern Siebten ber menf<hti<b&n ©efetlfcbaft an. 
SBie ftebt es im gamilienleben ? SBo bat ftcb bie Slrmutb am meiften oerntin* 
bert ? 2Bo finb bie toenigften auf ber Arbeit laftenben Steuern ? SBo bie ge* 
red^teften Steuerfpfteme ? SBo bie meifte perfonlicbe Sicherheit für uno 

<£i 3 entyum? $So hat fty bie Sage ber am meiften gebeffert in 

Reibung, SBobnung imb Nahrung ? SBo finb bie fleifcigften 2 Jiänner, too bie 
beften Hausfrauen, too bie befterjogenen fiinber? SBo ift bie reguläre Gilbung 
am tiefften eingebrungen ? SBo ift baS meifte SBiffen ? SBo finb bie meiften 
gacbfcbulen ? SBo bie beften Unioerfitäten ? SBo ber befte Verbau ? SBo baS 
gefunbefte gabriftoefen ? SBo ber gebilbetfte HanbelSftanb ? SBo ift bie befte 
Stäbte*ßommunaioertoaltung ? SBo bie befte SBaifen* unb SBitttoenpflege ? 
SBo toirb auf ©eridbtSböfen baS befte D^ecbt gefproeben ? SBo finb bie ginanjen 
am geregeltften ? SBo bie beften ©ifenbabnen ? SBo bie beften fonftigen $Ber* 
febrSijtittel ? SBo ift ber ßrebit am fidherfteir? SBo fmb Slltienunternebmungen 
am freieften bon Scbtoinbeloperationen ? SBo fmb bie beften Turner unb baS 
förperlicb gefunbefte SSolf? SBo baS befte ^ecrtüefcn ? SBo ift bie toenigfte 
SBillfür gegen Sßrioate ? SBo fmb bie beften Strafgefefce ? SBo ift baS befte 
SRedbtSoerfabren ? SBo ptebigt man auf ber $anjel ben toenigften Unfmn ? SBo 
ift toirfliche Gilbung am meiften ©rforbernifj ju böbe*n Staatsämtern ? SBo 
fmb bie toenigften ScbafcamtSbetrügereien ? ift man auf bem SBege ber 
HanbelSfreiheit am toeiteften ? SBo regiert ber 2)tenfcb am meiften fuhfelbft? 
SBo toirb er am meiften regiert ? SBo fmb bie am meiften gebildeten 3eitungS* 
febreiber? SBo bie toenigften SeitungSflegel ? SBo ift bie meifte © e f efc l i <b * 
feit? SBo bie meifte g r e i b e i t ? 

3 <b ftelle biefe gragen an beutfdhe Sefer, naebbent ich mir biefetben oft 
geftellt batte. SRicbt in allen fann man ju ©unften SeutjcblanbS antworten, 
unb es toar auch gar nicht mein ju einer trtafjlofen ^anegprif ben: 

©runb in legen, gm ©egentbeil, ich tooUte bureb biefetben nur ben geneigten 
Sefer, toie auch mich felbft auf eine nähere unb febärjere Unterfudhung binfüb* 
ren. Sie Prüfung, bie jur ehrlichen Söeanttoortung ber gragen erforberlicb 
ift, legt in bem S3ötferleben ber Nationen, bie ich in biefem Slrtifel toieberbolt 
oerglichen habe, aderbingS manchen tounben gled bloS; man toirb aber in 
golge ber Prüfung toabren gortfebritt bon bloS f(beinbarem $u trennen lernen, 
unb bann erft eines gerechten UrtbeilS fähig toerben. 

SiefeS Urtbeil toirb ftcb toobl 3eber felbft jurecht legen, toie ich es mir ge* 
tban habe, unb ich toerbe ein folcbeS bei 3ebem achten, felbft toenn eS bem 
meinigen nicht entfpridjt; nur oorfdbnetleS Urtbeil unb lieblofeS SSerbammcit ift 
mir in ber Seele jutoiber. Siefe 3^üen toerben oon Männern gelefen, bie 
Seutfcblanb, fotoie bie anbern toieberbolt angeführten fiänber mehr ober toenigei 
fennen, alfo ben in meinen gragen liegenben SSergfeicb fo gut toie ich anftellen 
fonnen, unb ich bitte bloS, bafj man ftcb bie baburch berührten Singe uor bie 
Seele ruft unb oorurtheilsfrei abtoägt. 



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Settau fagt übet 9lmerita: 

„63 giebt ein 2anb x>otl trdumerif<bem 2rug, 

„3tuf ba3 bie g r e i b e i t im Sorüberflug 
„Segauberifcben Statten fallen labt, 

„Unb ba3 ibn hält in taufenb Silbern fe|h 
„Söobin ba3 Uitglüd flöhtet ferneber, 

„Unb ba3 Serbredjen gittert über’3 3fleer. 

,,2)03 2anb, bei beffen lodenbem Serbei&en 
„2)ie Hoffnung oft oorn Sterbelager fprang, 

„Unb ibr panier bureb alle Stürme febwang, 

„Um e3 am fremben Stranbe gu gerreiben, 

„Unb bort ben gweifatb bittern 2ob gu haben. 

„$ie fieimatb hätte weicher fte begraben." 

©n greunb bat al3 Antwort für 2)eutf <blanb folgenbe $arobie 
gefebrieben: 

„63 giebt ein Sol! boH altem Sraueb unb SRecbt, 

„2)ä3 e3 gu oft nodb jebt al3 halben ßne<bt 
„Sor oieler 9Jtenf<ben Slid erfebeinen labt, 

„Unb ba3 e3 hält in taufenb Sanben feft, 

„Son bem au3 SBanberluft unb üRotb man wanbert fiber3 2Jteer, 

„3)a3 emftg 2Sei3beit fammelt ferneber. 

„©n Sott mit wenig lodenbem Serbei&en, 

1 „2)a3 nicht ft<b überfebäbt, unb ehrlich ehrt 
„2)e3 6nfel3 Mt, ni(bt „ o r g e n " — b e u t oergebrt, 

„25a3 in bem gebt audj an bie 3«lunft benft. 

„ © e f e b unb fR e cb t bünlt ihn fein befte3 .gaben. 

„63 bat bie greibeit bodj gu tief begraben." 

2)ie lebten 3eilen enthalten nach meiner Slnficbt oiel 2Babre3. Hmerifa braucht 
bejfere SRe<bt3begriffe, Seutfcblanb mehr greibeit; bem 6rften 
fehlt in ber greibeit mehr ©efeblicbleit, bem 3^eiten in feinen ©efeben mehr 
greibeit, wobei ich bauptfäcblicb eine lebenbigere 6ntwidlung aller 2e* 
ben3oerbältnijfe meine. 

Schließlich beantworte i<b bie am Slnfang biefe3 Slrtilefö geftellte 
grage: 2Ber bat am meiften geleiftet? babin, baß 2)eutf<blanb biefer IRubm 
gebührt. ©3 bat fkb nicht allein materiell gehoben, — e3 ftebt auch 
f it tl i <b bbbe*> unb ihm befonber3 oerbanlt bie SBelt reine3 unb J)ppuläre3 
SBiffen. S o I i t i f <b ! ? 9tun ja, gefteben wir’3, ba3 ift ber 2)eutf<be 
jjie; er benlt gu tief, bat be3l;alb gu fefte Uebergeugungen unb febwärmt für 
fte, wa3 gitrften, Slbet, Pfaffen unb autb Demagogen oft für ihre 3n>ede 
benubten. 2)e3 2)eutf<ben fdjönfte Sugenb mirb fo fein größter gebier. Unb 
bo<h, wie oieljeitig bat ft<b unfer Saterlanb gur ©inigfeit oerftdnbigt l 2Bie 
oiel ift in $anbel3* unb begleichen gragen gefd&ebenl Siele $inberniffe, 


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ferner ju befeitigen, nur wenige Slnfpontungen begleiteten ben Teutfehen 
auf feinem gortfebritt, unb boch hat er oiel geleiftet. — Sticht Sltnerila 
naebgeabmte Selbftlobhubelung ift biefeS Urteil, fonbern geregte Entfd&ei* 
bung nach ruhiger Prüfung. 


Uero-IJorker CKorrrclponkenj. 

9tem*2)orf, im Slpril. 2Ber in Slmerifa ein Steuling ift, mub in 
biefern Vtonat ben einer Vermunberung unb Empörung in bie anbere gefallen 
fein. 3eber Tag beffelben ift ein ffirinnerungStag, ooll froher ober fdbmer^lid^er 
Vebeutung, unb nur ein 3>ahr ift oerfloffen, feit ft<h bie Gegebenheiten gutru* 
gen, an melche ft<h bie (Erinnerungen fnüpfen. Sßürben nicht in jebern anbern 
Sanbe Silier ©ebanfen baran gehangen unb ft<b in ber Vreffe, mie in offene 
liehen ßunbgebungen miebergefpiegelt haben ? Hier aber badete man faum an bie 
lebten, furchtbaren Kampfe bor oer Stebelfenhauptftabf, an bie (Einnahme bon 
Siichmonb, an bie grimmige Verfolgung bei Tag unb bei Stacht, an bie fiapitu* 
lation See’S :c. Stur menige gähnen liefen ftch bliefen, unb faum enthielten 
bie 3eitungen ein SBort ber Erinnerung an baS £eil, melcheS bor einem 3ahre 
in biefen Stunben ber Station miberfahren. Slm Gharfreitag mürbe nirgenbS 
auf bie Tvagöbie biugemiefen, melche an bemfelben Tage beS hörigen Jahres in 
gotb’S ^h^ater aufgeführt mürbe, ja felbft am löten erblicfte man nur menige 
Trauerfahnen, unb hatten nicht bie Teutfehen irt ber Turnhalle eiue ©ebächt* 
nibfeier abgehalten, fo märe ber TobeStag unfereS Sincoln unbemerft borüberge* 
gangen. Soll man barauS fchlie&en, bab ben Slmerifanern alle Pietät fehlt, 
bab baS, maS fte heute bejubeln ober bemeinen, ihnen fchon morgen gleichgültig 
gemorben ift ? Ta mübte man fte für blaftrt halten, unb baS ftnb fie benn boch 
nicht. TaS Sehen ift in Slmerifa ju ernft unb inhaltsreich, als bab man nid^t 
bon ber ©egenmart botlftänbig in Slnfpruch genommen merben füllte. Sieber 
Tag bringt feine Sorge unb Aufgabe, melche gebieterifch berlangt, bab ih* alle 
Kräfte gemibmet merben. 27tan buchte an baS Veto unb bie Haltung beS 
GongreffeS, ah bie V3ahl in Connecticut, an bie griebensproflamation, an, bie 
ginanjpolitil, an baS ©efchäft, an bie Eholera unb taufenb anbere Tinge, unb 
über bieS SlüeS fam man nicht jurn ruhigen Stachbenfen. Slber baS tann nur 
gut (Entfchutbigung, nicht jur Rechtfertigung einer Slpathte bienen, melche für 
ben ^Beobachter etmaS GmporenbeS hatte. Empört unb befchämt mubte man 
fuh fühlen, menn man fah/ toie am ^atridstage bie Stabt ftch mit gähnen be* 
bedte, mährenb an ben Tagen, melche fo ooil unermeblich« Vebeutung für bie 
VepubKt maren, SBenige es für ber SMühe merth beiten ober auch nur bätan 
buchten, bie Sterne unb Streifen ben SBinben preiSjugeben. 

Stem^orl mübte nicht bie grobe HanbelSmetropole fein, menn nicht in 
ihm baS ©efchäft bie Hauptrolle fpielte, unb barurn fei es mir geftattet, auch 




l;tcr biefcm ©egenftanb einige üffiorte gu mibmen. $ie ©efd&äfte gehen fchlecht, 
unb ba! labt ftch erflären, ba bie Urfachen fehr nahe liegen; weniger erftdrtid& 
aber ift e!, bab man’! nicht boraulgefehen hat unb auf! Unangenehmfte ba* 
burch überrafcht mirb. Unmittelbar nach ber Beenbigung be! Krieges mürben 
bie ungebcuerften Umfdhe gemalt; melche! fRed^t aber batte man, gu ermar* 
ten, bab fub bie! im Frühling in berfelben SBeife mieberholen merbe ? S)er 
Kaufmann mub Bationalöfononvfein; er mub bie materielle Sage be! Sanbe! 
genau fennen unb barauf feine Beregnungen baftren. Hanbelt er furgftchtig 
unt> impulfiu, fo ift er ein Stümper in feinem gach. 2)af$ ber non Slllem ent* 
blofjte Süben, fobalb ibm ber Werfer geöffnet, ft(b be! erften Btorfte! bebienen 
mürbe, um bie ©egenftänbe gu erlangen, beren er bringenb beburfte, mar nor* 
bergufeben; aber mit berfelben Sicherheit lieb f«h beregnen,, bab feine ©elb* 
mittel haften! gur $ecfung be! augenblicflichen Bebarf! binreicben mürben 
unb bab al!bann notbmenbigermeife eine Baufe eintreten müffe. Unfere Qm* 
porteur!, erftaunt über bie geleifteten Baargablungen, hielten inbeffen bie fübli* 
eben Staaten für einen unerfchöpflichen Oued bei Segen!, melcber mie eine 
gontaine fortmäbrenb überfprubeln müffe, unb auf biefe fühne Borau!febung 
bauten fie ihre Berechnungen. 25ie Smportationen erreichten eine fabelhafte 
Höhe, unb bo<b fürchteten Sille, bab ber Bebarf noch nicht binreicben merbe. 

25ie ßunben aber blieben au!, mell fte fein ©elb batten, ba! grühling!gef<hdft, 
an melchel man fo grobe Hoffnungen gefnüpft, mürbe faft gang hinfällig, unb 
jefct fteben fie mit langen ©eftchtern ba. Biele £dufer f in b, um ihren Ber* 
pflichtungen nachfommen gu fönnen, gegmungen, ihre SBaaren unter bem ßo* 
ftenpreil gu nerfaufen, Banferotte gehören nicht gu ben Seltenheiten, unb Sille! 
fleht einer ßrift! entgegen. 2Ba! bie! betrifft, fo ift gu bebenfen, bab Bem*?)orf 
mdbrenb be! Kriege! genug berbient hat, um jefct burch einen Berluft nicht 
ruinirt gu merben; aber nie hatte eine ^aufmannfehaft mehr Ucfad^e, fuh gu 
fchamen, al! biejenige Bem*?)orf! im feigen Btoment. Saffelbe gilt bon 
ben Hanbellleuten be! Süben!, melche bie Berhdltniffe ihrer Seftion hoch am 
heften fennen foHten. Sie mubten, bab ber Süben feit hier fahren nur ber* 
confumirt unb nicht probucirt, bab in ihnt nur beruhtet unb nicht gebaut 
morben, bab allerbing! Einige auf erlaubte ober unerlaubte SBeife fleh bereicher* 
ten, bab bie! aber auf Soften ihrer Btitbürger gefchehen unb bie ÜDtenge 
blutarm fein müffe. dennoch machten fte fo biele ©infdufe, al! hatten fte’! 
mit einer mohlhabenben Bapulation gu thun, bie fub nicht nur ba! Bothmen* 
bige, fonbern auch noch ein (£rfle<fli<be! barüber hiaau! erlauben bürfe. Seht 
fifcen fte mit ihren SBaaren ba unb finb genötigt, btefelben billiget gu berfau* 
fen al! fte in Bem*?)orf gu haben finb. 2Benn nur bie anbern Beoölferungl* 
(Elemente bon ber Scheit ber ßaufmannfehaft profttiren unb barau! lernen 
mollten, bab man auf feinen eigenen Buin hinarbeitet, menn man bei bem, mal 
man thut, nicht mit flugent Bebacht bie Berhdltniffe in Berechnung giebt. Slber 
überall tritt un! eine Smpulftbitdt entgegen, melche, mie ein ßranfheit!ftcff, j 

in ber Suft gu fchmeben fcheint. Bur ein 3ufammenmirfen nach SBabgabe | 



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»ernünftiger ^Berechnungen, ein genaue? Slbwägen gegenfeitiger gorberungen 
unb Slnfprücbe, !ann einer ßrift? ootbeugen, welche Sillen jum Staben gereicht. 
SBricbt eine fotdjc au?, fo wirb man fte ber eignen Sborbeit ju banten haben, 
benn bie SBerbältnijfe be? Sanbe? waren fo günftig, bafj nur ber beitlofefte Seicht» 
ftnn eine Sevcöttung beroorbringen tonnte. 

Sie ©bolera ift eitt ®egenftanb, an bcn man fub nicht gern erinnern 
läbt; mag ber unheimliche ©aft, ber ftch fcbon al? btinber Saffagier auf 
jwei Sampfet gefchlichen, un? aber einen SBefudj jugebacbt haben ober 
nicht, jebenfatl? fpielt bie furcht »or ihm fcbon jefct in 9tew»j!)orl eine ju wich* 
tige Stolle, al? bah e? möglich wäre, mit ©tillfchweigen barüber binwegsugeben. 
SSäbrenb man in Guropa, wo man junädjft bebrobt ift, ber $eimfu<hung mit 
Stube entgegenfiebt, lebt man hier fchoit feit DDionaten in fortwäbrenber Slngft. 
Saran, bah bie ©euche wirtlich ihren ©injug halten wirb, jweifeln nur Sie» 
nige, unb bie gludbt auf? Sanb wirb in biefem Sabre toloffale Simenfwnen 
annebmen. Sch fürchte, bah 9teW»2)or! febr wenig moralifcben Stttutb entfalten 
unb ftch einigetmaben verächtlich geigen wirb. Grbebt fich aber bie grage, woju 
eine Gpibemie fm $au?balte bet Statur nüfct, fo ift hier tängft bie Slntwort 
gefunben. Ser ©bolera haben wir ein neue? Sanität?gefe&, einen neuen 
©efunbbeit?ratb unb ernftliche Slnftalten jur Steinigung ber ©tabt ju »erban» 
len, unb batum lönnten wir faft in Serfucbung tommen, ben grimmigen geinb 
ju fegnen. Sie »om ©ouoerneur ernannten ©ommiffäre haben teine leiste 
unb angenehme Aufgabe. Ser ©cbmufc bat fuh in allen SSerbältniffen ber» 
majjen eingebürgert, bab er ein biftorifche? Stecht beanfprucbt unb nicht ohne 
ßampf ba? gelb räumt. 23eft&er pon Stietb?lafernen, welche, feit Sabrjebnten 
nie gereinigt, im ftrengften ©inne be? Skrte? ißeftbBblen frnb; Suntpenfamm» 
ler, bereu SJtagajine mitten in ber ©tabt bie Suft mit SDtia?men erfüllen; gfei» 
fdjer unb getttocher, welche in ben beoöltertften Stabttbeilen ihr ©ewerbe trei» 
ben; SBiftualienbänbler, bie ihre Skaten auf Storäften feil bieten; ©trabenton» 
trattoren, welche feit einem Saht ba? ©etb für bie Steinigung ber ©tabt einge» 
ftrichen unb nicht? bafür geleiftet haben — alle biefe unb bunbert anbere Seute 
foUen jefct plöfclich jur Staifon gebracht uub geswungen werben, lein freoelbaf» 
te? ©piel mit bet ©efunbbeit ihrer SDtitbürger ju treiben. SSor bie ©ommiffäre 
citirt, berufen be ft<h auf ihr eigene? törperliche? Skblbefinben, um baburch ju 
beweifen, bab ihr Sreiben ba? gefunbefie »on ber Sielt ift. SSiU man bie? 
Slrgument nicht gelten laffen, fo berufen fte b<b auf bie Siechte freier Sürger 
unb fchreien über Sprannei. Sie pbichtoergeffenen ©ontraltoren haben bie 
grecbbeit, ftch barüber ju befchweren, bab fte jefet in einer Sioche mehr tbun 
müffen als fl« fonft in einem Sabre getban, ©o ftoben bie ^Beamten überall 
auf SMberftanb unb erwerben fuh eine Stenge perfBnlicher geinbe, wäbrenb ba? 
Sublitum, ba fte unmöglich auf einmal Sitte? burchfe&en föntten, ihnen taum 
bie fchulbige Slnerlennung ju Sbeit werben läbt. ©rft jefct werben wir burch 
biefe SBemübungen bet Ungebeuerlichfeiten inne, welche man fi<b hier Sag für 
Sag ohne Sturren, gleich al? lönnte e? nicht anbet? fein, gefallen läbt. Sie» 



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bettbei werben auch allerlei Cntbedfungen gemalt, wie Wtr zum Beifpiel fc$t 
§um erften 9M erfahren, baft hUr f<b*>n feit längerer 3*it eine Seuche unter 
ben $ül;en befielt, welche einen ftarlen Berbacht auf bie Oualität ber 2JW<h 
wirft. Saffen bie Comntiffäre, benen oom ©efefc ^inreid^enbe ©ewalt gegeben 
ift, ftch burch üftichtS einfchüd&tern, fo oerbient in ber £fyat geber non ihnen eine 
Bürgerfrone, nnb fd^on jefct tritt uns baS Befultat ihrer Bemühungen in eini* 
germaften reinlich gehaltenen Straften unb BMrften entgegen. Bei ber über* 
aus gefunben Sage Bero*?)orfS !ann eine Seuche hier feinen feften guft fajfen 
wenn bie nötigen BorficfttSmaftregeln getroffen werben, unb gelingt es ber 
neuen Behörbe, ben SlugiaSftatI nur einigermaften ju reinigen, fo läftt fich 
nicht einfehen, weshalb bie Cholera hier nicht fehr gut follte ganz fern ober me* 
nigftenS in engen Schranfen gehalten werben fönnen. 

Cine Slenberung zum Beffem ift auch mit ber Bew*?)orfergeuermehroor* 
gegangen. $ie nötige, unbezahlte, war bebeutenb romantifcher, bie jefcige, 
bezahlte, hat aber bie Borzüge, eyemplarifdfter Soiibitdt unb ftrenger SDiSdplin. 
CS giebt feinen frafferen Unterfchieb, als ben zwifchen ben früheren unb ben 
jefcigen geuer*Compagnieen. Crftere famen, mit mifbern gnbianergefdhrei, wie 
eine rafenbe SUteute, mit ihren £anbfprifcen burch bie Straften geraffelt; alles 
wüfte ©eftnbel fc^toft ftch ihnen an, was ihnen in ben Seg fam, würbe über* 
fahren ober unter bie güfte getreten, unb nicht feiten war es, baft mährenb 
eines geuerS zwei rtoalifirenbe Compagnieen fich eine Schlacht lieferten. Cs 
war, wie gefagt, romantifch, aber immerhin ein fteillofer Sfanbal. gefct ift 
t>ieS SllleS anbcrS geworben, unb fchon baS duftere Crfcfteinen ber geuerleute 
beutet auf ein neues Spftem hin, inbem bie feuerrotften Bloufen einer becenten 
blauen Uniform Blafc gemacht haben. Sin bie Stelle ber «ganbfpriften ftnb non 
Bferben gezogene $ampfmafchinen getreten, SUleS geht fo ruhig Oonftatten, baft 
man fauni barum gewahr wirb, unb SJtitglieber beS Corps, welche fich Unorb* 
nungen zu Schulben fontmen laffen, werben augenbMidft auSgeftoften. Cin 
geuer in einer ber ^aupt^BerfeftrSabern, 5 . B. am Broabmap, macht einen 
ganz fonberbaren Cinbrud. S)ie Strafte wirb abgefperrt, unb mitten in bem 
Zu beiben Seiten herrfchenben, burch bie Sperrung noch erhöhten ©etümmel 
gewahrt man einen leeren, ftitlen SRaum. SCßte eine Sagenburg, bilben bie 
Leiter*, §afen* unb Schlauchwagen einen £albfreiS; hinter biefen aber ftehen 
Heine fchnaubenbe, feudftenbe Ungeheuer, welche bann unb wann einen bdmo* 
nifchen Schrei als SarnungSruf auSftoften, bichte Sollen oon ßohlenbampf 
emporwirbeln unb einen Safferftraftl oon ber 3)icfe eines weiten Ofenrohrs 
mit untrüglicher Sicherheit unb nie ermübenber Äraft bis zu jeber beliebigeu 
$öbe fdhleubern. 2 )er ßontraft zwifdhen bem ©ebrdng unb ber Seere, zwifchen 
bem ©etöS unb ber Stille, in Berbinbung mit ben praffelnben glammen unb 
ben bämonenhaften ßraftanftrengungen ber Btafchinen, hat etwas namenlos 
Unheimliches, tiährenb guglcidh baS SJtethobifche beS BerfahrenS imponirt unb 
Bertrauen ermedft. gebodft wirb behauptet, baft bie Stompffprifcen zu oiel 3eit 
Zur Reizung gebrauchen unb baS geuer baburdft einen Borfpmng gewinnt, 


Ü 




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meldet bic großen Berlufte ber lefcten 2öochen erfldrt. Ser Sheorie nach fod bie 
^ci^ung auf bergahrt nach bem Branbplafce ftattfinben; jebodj fcheinennoch ei* 
ntge Berbefferungen crforberlich §u fein, bebor -baS neue Spftern bem '93ebürf« 
nij$ boüfommen entfpricht. Ser Bor 3 ug gegen baS frühere ift inbeffen unbef* 
fennbat. SBenigftenS brauet man nid^t ju befürchten, bafi bie fetten geuer* 
leute felbft Raufer anjünben, um baS Vergnügen beS BöfchenS, BlünbernS unb 
Balgens genießen ju fönnen, unb maS bie $auptfa<he ift — bie geuermeht 
bat aufgehört, eine Organifation in ben £änben politifcher Bänfefchmi ebe ju 
fein. 

2ln bie Shatfache, bafc Slmerifa ein grobes Sanb unb Bern*?)orf eine 
grobe 6tabt ganj eigener 2lrt ift, bat uns neuerbingS eine ©rfcheinung erinnert, 
welche mit nicht geringen Unannehmlichleiten für baS ^ublifum berbunben 
mar. ÜBährenb mehrerer Sage batten alle Stabteifenbahnen ihre gahrten 
eingeftetlt, meil bie Äutfcher mehr Sohn berlangten unb bie ©ompagnieen biefen 
nicht geben moüten. Sie gorberung mar gerecht, bie Steigerung eine ©e* 
meinbeit, benn für ben ferneren Sienft mürbe eine etenbe Bergütung gejabtt, 
mdbrenb ber (Ertrag ber meiften Bahnen ein enormer ift. Sab aber eine folche 6tö* 
rung überhaupt entfteben fann, ift unerhört. Sen betreffenben ©ompagnieen 
fmb ©erechtfame berliehen, für welche fie bem Bublifum einen ©rfafc in ©e* 
ftalt regelmäßiger gahrten gu einem beftimmten greife fd&ulbig fmb. gür baS 
Snnebatten biefer Berpflichtungen mußten fte ftreng berantworilich gemacht 
werben. 3m borliegenben galt fagten fie: S3ir fonnten nicht. Sab fie 
aber nicht fonnten, mar ihre eigene Schulb. 6efcten fte ihre Angehörigen in 
ben Stanb, für ihr ferneres Sagwertanftänbig ju leben, ftatt bei einem Ber* 
bienft bon jmei Shalern per Sag mit grau unb ßinbern junger ju leiben, fo 
batte ber AuSftanb ftch fchmerlicb ereignet, unb menn bennoch unbillige gor* 
berungen geftellt morben, märe eS ihnen ein Seichtes gemefen, mit $ülfe ber 
$olijei unb beS interefftrten ^ublilumS bie »afant gemorbenen ©teilen mit ber* 
nünftigern Beuten ju befefeen. Sefct fühlte ftch 3sber geneigt,'für bie Arbeiter 
Partei §u ergreifen unb biefelben in ber Behauptung ihrer gerechten Sßofition 
felbft ba ju unterftüßen, mo fie §u unerlaubten Stitteln griffen. Sen 
©ompagnieen, benen ein fo mefentlicher Sheil beS öffentlichen BerlehrS in bie 
$anb gegeben ift, follten burch ihre ©efchäftSführung eine moralifche ©arantie 
für ben ungeftörten Betrieb leiften. Um baS Ungeheuerliche beS BorfaHS ju 
ermeffen, brauchen wir uns nur borjuftellen, baf3 berfelbe ftch mit Be 3 ug auf 
bie gdhrboete mieberholte unb baburch Bew*§)orl für mehrere Sage bon aller 
©ommunitation mit ben gnfeln unb bem geftlanbe abgefchnitten mürbe. ©S 
mdre' im $rin 3 ip gan 3 baffelbe, unb bie golgen mürben gar nicht ju berechnen 
fein. SaS IRem^Sorfer Bublilum ift gewohnt, ftch t>iel bon feinen Stonopo* 
Iiften gefallen ju taffen; aber b i e S geht benn hoch über bie ©emüthlichfeit. 

Ser genianiSmuS berhdlt ftch augenblidlich in Bew*2)orf jiemlich ruhig 
unb rumort bafür an ber ©rense BeubramtfchweigS; jeboch machen ftch bie 
golgen ber Bewegung in Berhdltniffen geltenb, mo man fte am menigften 
f , 33 ] 


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500 


erwarten feilte. 3ebet, beffen 2ooS eS ift, fein ^äuStidjeS Seien bür# trifte 
Sienftboten »erfchönern ju laffen, weih etwa« bauen §u erjäblen. Allgemein 
witb batübet gettagt, baff feit einiget 3eit mit ben bienenben SEöcbtern SrlanbS 
nicht mehr auSjufommen ift. 3ebe Don ihnen fühlt fich als bie SChwefter «bet 
Siebfte eine« gelben unb ift feft überjeugt, bah fte jw höheren Singen als jut 
PerriCbtung »on häuslichen Sltbeiten geboten würbe, hiermit aber noch nicht 
genug, wirb jugleich ein höherer Sohn «erlangt, weil eine beftimmte Summe 
monatlich an ben gonb jur Befreiung SrlanbS' Don ben „fächfifeben Spran« 
nen" abgegeben werben muh. $« Schwinbel geht wahrlich weit, aber be* 
wunbern muh man bodj ben Patriotismus unb ©emeinfinn, welcher bem 
Sillen ju ©runbe liegt—ben Patriotismus, ber fuh fogar burch bie PnathemaS 
ber ©eiftlichleit niefet irre machen läfst, ben ©emeinftnn, bet ben GgoiSmuS 
jum Schweigen bringt. Süden wir Seutfchen mit Seiht auf bie 3rlänber als 
ein unter uns ftehenbeS ©lement hinab, f o muffen wir bo<b betennen, bah eS 
gewiffe ©igenfehaften giebt, in benen fte uns überlegen finb. Slbgefeimte Be* 
trüget haben fich beS nobeln SmpulfeS bemächtigt, welcher im Eerjen felbftbeS 
Dertommenften 3rlänberS lebt; aber ber 3mpulS an unb für f«h «erliert ba« 
burch-nicht an fittlichem SBerth- 

Pon ber öffentlichen Sicherheit New=?)otlS ift nicht Diel ©uteS ju fagen; 
wo tro& einer trefflichen Poüjei bie freguentirteften Stabtbahnen fich juweilen 
buchftäbüch unter ber Kontrolle «on Strahenräubern befinben, ift gewih ©twaS 
grünblich faul. Sennoch hat ftch hier ein wahres Gntfefcen über ben achtfachen 
«Btorb bei Philabelphia Derbreitet, beffen übet alle Piaffen gtauenDolle ©injelheiten 
fich abfolut nur burch bie Sinnahme erflären laffen, bah fte baS Probutt geiftiger 
UnjuredjnungSfähigteit waten. ©S giebt ©baten, welche nicht bei gefunbem 
Semufstfein begangen werben l innen, unb ju biefen gehört bie Dorliegenbe. 
Slbfutb ift eS, wenn beutfehe 3eitungen ju bemonftriren fugten, bah bet Ptörber 
lein Seutfcher, fonbern ein granjoS fei, weil er aus Strajjburg ftammen foHte. 
^at baS Perbrechen eine Nationalität, unb wirb ein Pernünftiger aus bet ©hat 
biefer Peftie einen Schluh auf ben ©haratter einer Nation jiehen ? Nicht «iel 
weniger Senfation erregte bie Einrichtung ©bwarb SB. ©reenS in PiaffacbufettS, 
welcher, obgleich beS PlorbeS überführt, nicht nach ben Pegeln beS ©efefceS 
projeffirt war unb an beffen 3ure<hnungSfähigleit gleichfalls bie begrünbetften 
3weifel Dorhanben waren. Selbft Sie, welche am entfehiebenften bem ftreng* 
ften Petfahten baS SBort gerebet hatten, würben anbetn Sinnes als fie mit bem 
Ptenfchen in Berührung lamen, unb ihr einftimmigeS Urtheil lautete bahin, 
bah er nicht hingerichtet, fonbern nur burch -lebenslängliche ©infperrung un» 
fchäbliCh gemacht werben bürfe, ba er ganj offenbar feiner geiftigen ©apacität nach 
nicht in »ödem Ptahe «erantwortlich gehalten werben lönne. Slbet baS Poll 
«erlangte Blut für Blut, unb ber Eenlet «errichtete fein SBerl an Semjenigen, in 
beffen gamilie feit Dielen ©enerationen bet SBahn» unb piöbfinn erblich war. 
SBaS aber ift bie Summe beS GinbrudS, ben man bei biefer ©elegenheit 
empfängt? Perftärlt wirb baburCh bieUeberjeugung «on bet Per werflieh* 


riV 


501 


fett berXobeSftrafe, melche bie Seriehtf gung eines grrthumS unmög* 
lieh macht. 

Um jeboch biefen Srief nid^t mit fo büftem Ginbrüden }u fchlie&en, fei 
je$t noch ein S3ti<f auf fettere Singe geworfen, Herr SDtarebel, meldet gern 
überall beh Sioniet macht, oeranftaltete einen SJtaSfenbaß nach bem SMufter 
berjenigen in ber groben Oper §u Saris. 2Jtit bem pefunidren Grfolg lonnte 
er jufrieben fein, unb geber, bem es barum §u thun mar, fd?5ne ©efuhter unb 
Stiletten gu bemunbem, füllte ftch gleichfalls nicht getdufcht. Siber es fehlte bie 
£auptfa<he, nämlich ber ffiifc, bie ©enialitdt, ohne melche ein 
SMaSlenbaß nur ein Körper ohne ©eele, eine Steife ohne ©emürs, eine Stofe 
ohne Suft ijt. Sie feine SBelt SlnterilaS ift noch nicht auf bie ßöhe ber ßultür 
angelangf, tneldhe fleh im tollen Uebermuth ergeht ohne bie ©renje beS Schid* 
liehen §u uberfehreiten unb ohne baS Erlaubte falfch- aufjufaffen* S5kS «£>err 
2Warefcet felbft beigetragen, mar auch nidht fehrju loben; baS ©ute barin mar 
nicht neu, fonbern bem Slrion unb Sieberfranj entlehnt, baS Sleue nicht gut. 
©maS gan§ SefonbereS follten bie ßarrifaturen öffentlicher Gharaltere fein; 
aber bei bem heften SBiHen lieb ftch barin fehr menig SBifetgeS entbeden, unb 
ber junge Zünftler, melcher fte angefertigt, hatte ftch auf ein ©ebiet gemagt, bem 
er nicht gemachfen mar. ' Seifpielsmetfe fei nur ermahnt, bafj fogar ber alte 
Scott jum ©egejtftanb einer h^hltchen ßarrilatur gemacht morben mar, maS 
bo<h mohl ber Saftloftgfeit bie Ärone aüffefet. 2Ber !ann fuh aufgelegt 
führen, über ben alten, fchon mit einem gub im ©rabe ftehenben gelben gu 
lachen, unb mer foßte ftch nicht oerlefct fühlen, menn ibüt bicS jugemuthet mirb ? 
©etabeju oermerflich mar es, bab biefe abfcheulichen ÜDHfsgeftalten felbft noch 
bei ben nächften Dpernoorfteßungen hängen blieben unb nicht nur ber Slfufti! 
fdjabeten, fonbern fogar ben Auftrag erhielten, baS ^ublilum bei ber Sluffüh* 
rungber „Hugenotten* in bierechte Stimmung §u »erfefcen. ©nenttnuftfalifchen 
©enie mie aJtarefcef hätten mir 2lnbereS jugetraut. Sluf ©eiten beS ^ublilumS 
bricht ftch bet her Oper in lefcter &it eine ftörenbe Unfttte immer mehr Sahn. 
Stegelmdfjig geht bie Ouoertüre burch baS ©eräufch ber ’gu fpdt ©etommenen 
oerloren, unb ber Anfang jeben SlfteS mirb burch bie nach ih*en Slä$en 
Surüdeilenben oerborben. Gs foßte hier bamit gehalten fein mie tn Guropa. 
Seim Segtnn ber ÜDtuftf foßten bie Spüren gefperrt unb Sliemanbem foßte baS 
9le$t eingerdumt merben, älnbere um ihren ©enujj ju bringen. 

UncaS. 


tm i 


l£c£l 


4#tofihalifd)e Heime. 

$Ott 2f>. $agen. 


2>te mufttalif*e Saifon neigt ft* ju (Enbe. 3)ie Statur f*mü<tt ft*, unb 
bte fiunft fehnt ft* tta* Stühe. ÜStit betn 2lbf*luf[e be« notigen SJtonat« ftnb 
au* bie großen unb {leinen (Eonjertuntemehmungen §u (Enbe getommen. 2)ie 
Spmphonie*6oireen be« #errn $h*obor 2*onta«, bie $hilharmonif*en Gon* 
jerte, in Brootlpn fowohl tote in 9tew*2)orf, bie Guartettunterhaltungen bet 
Werten SJiafon unb £homa«— fte alle ftnb nerflungen, wenn au* ni*t in ben 
£erjen nietet äuhörer. £ier toitfen bie $öne no* lange fort,.Vnb wo fte 
e« ui*t *un, ba ift eben bie (Empfängli*teit fut ntuftlalif* !ünftlerif*e ©e* 
nüffe no* ni*t erfproffen.— $ie legte Spmphonie*Soiree be« gerrn X^eobot 
2 *oma« bot btei Or*efterwerfe fe^r nerf*iebenen 3**alt«. 2)a« erfte, tnomit 
ba« (Eonjert eröffnet würbe, war bie wenig gehörte Ounertüre Beethonen*«, 
toet*e et jur (Eröffnung be« neuen 2*eater« in bet 3pfä*ftabt in SBien am 
3ten Oftober 1822 f*rieb, unb gwar §um 5tamen«fefte be« flaijer« granj. 
5)a bie (Entftehung biefe« SBerfeö auf beffen muftfalif*en (Eharafter ein b«He« 
£i*t wirft, fo möge gier bie folgenbe Siotis feine« Biographen S*inbler 
finben: 

„(Eine« Sage« gingen wir Srei (Beethonen, fein fReffe unb 6*inbter) in 
bem an 9iaturf*önheiten überrei*en #elenentbale bei Baben fpajieren. 2Äit 
einem 2Me gie^ un« Beethonen norangeben unb % ihn am 6ommerpalai« be« 
(Erjgerjog« $arl erwarten. Sta* einer halben Stunbe ungefähr tarn er unb 
fagte, er habe foeben jwei ÜSiotine erfannt, bereu Sßlan er fogtei* näher ent** 
wiäelte. Sa« eine 2Rotio folUe in feiner ihm eigentbüntU*en Stplweife au«ge* 
arbeitet werben, ba« anbere aber in £änbeff*er. ß* fragte bann, wel*e« 
non beiben üttotinen un« $u bem bewußten am beften gefalle. 3* ent* 
f*ieb nti* f*nell für ba« im §änbeff*en Stpl ohne 3tüäft*t auf ba« anbere — 
au« bem anbem wäre au* ein grobe« SBerf entftanben.* 

Beethonen entf*ieb ft* §u (fünften be« 2Bunf*e« feine« greunbe«, unb 
f*rieb bie Ounertüre in mä*tigen, fühnen 3ügen, mit einem fugirten 6*luffe, 
obgtei* bur*au« ni*t im gänbef f*en (E« ift ein impofante« SBert, 

großartig in Einlage unb 2luff übrung, unb in fofern non erhöhtem gntereffe, 
at« e« in ber gattut non ber Beethonen eigenthümli*en Behanblung«weife 
abwei*t. (E« weht ein ttaffif*er ©eift in biefen Sönen, im ©egenfafce ju bem 
, romantif**üppigen ©emüth«* unb $hantafteleben, ba« er in feinen übrigen 
Sßerten offenbart. — Unb biefe«, nur in etwa« bef*eibenerer, milberet SBeife, 
treffen wir in bem 6*umann’f*en Söerte an, ba« ebenfall« in biefem (Eonjerte 
gefpiett würbe, unb unter bem tarnen „Dunertüre, S*erso unb ginale" betannt 
ift. (E« gehört ju ben aüererften $robuttionen 6*umann’«, für ein grobe« 
Or*efter, unb berüdft*tigt man biefen Umftanb, fo mub man ft* aller* 
bing« wunbern, wie ein (Eomponift, ber ft* 3ahw lang in fein Älanier hinein* 



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gelebt batte tmb innig mit ibnt berwachfen mar, fieb mit einem SKale fo 
frei unb lei<bt auf bem neuen ©ebiete bewegen tonnte. 5)aS SGßert bat einen 
freunblichen, polnlät gehaltenen ©harafter nnb entmiäelt ein reifes melobifcheS 
Sehen. $aS Schetgo ^dtte Schumann wohl etwas mehr auSarbeiten tönnen — 
in feiner jefcigen ©eftalt erfepeint eS faft als ein blofjeS gragment. S)aS SBert 
bat für uns no<b babur(b ein befonbereS gntereffe, bab es baS einzige S<hu- 
mann’S ift, in weitem fich Spuren beS ©tnfluffeS nadjmeifen laffen, ben 
bamals SWenbelSfopn auf bie mufitalifcpe 2Selt 2)eutf<hlanbS auSübte. $ie 
SJtenbelSfobn’fche Sanier grafflrte nicht bloS in ben ßöpferi ber jungen ©omponi- 
ften, fonbern leibet auch in ihren Arbeiten, unb wenn irgenb etwas, fo mub 
bie $hatfa<he baS ©enie Scpumann’S feftfefcen, bab biefer tro$ beS mächtigen 
'Stromes ber BienbelSfohn’fchen Dichtung, ber bamals SlUeS bor jt<h her trieb, 
unb trobbem bab er faft täglich mitüRenbelSfohn gufammen tarn, fleh feine 
Selbft(tänbigteit, feine Originalität unb gnbimbualität gu bewahren göwubt 
hat. greiltch, mit ber Settern allein ift eS auch nicht immer gethan, wie 
noch in bemfelben ©ongerte aus ber Berliog’fchen Spmpbonie „Hatolb in gta» 
lien" perborging. ®iefe Spmphonie ift gewib originell; man tönnte fie faft 
ein ungeheures Bratfdpencongert nennen, inbem bie Bratfcpe barin gum leiten- 
ben gnftrumente gemacht worben ift. Berliog fagt uns in feinem Programme, 
bab ftd) in ben Xönen, welche er ber Bratfcpe gegeben hat, bie Seiben unb 
Regungen feines gelben £arolb fongentriren. 2)abur<h betommt aderbingS 
MeS, was ünS bie 93ratf<he in bem SBerfe gu fagen hat, eine aubergemöbnliche 
Bebeutung. ©S ift gerabe fo, als wenn wir einen Sotofpieler borunS haben, 
ber fein Stüd mit Begleitung beS groben DrchefterS borträgt, ©t nimmt ben 
gröbten Sheil unferer Slufmerff amleit in Stnfprucp, woher eS benn auch 
lommt, bab wir feine gehler leichter merlen, als bie, welche bielleicht im' 
Orchefter borfallen. Unb fo ergeht eS auch bem 3upfaer beS BerUog’fchen 
SBerleS. Hingewiefen auf bie Bratfcpe, finbet man es halb heraus, bab 
fie fehr wenig wirllich Originelles unb HerborragenbeS gu fagen hat* Unferer 
Slnficpt nach seht im Orchefter felbft ein biel reicheres ©eifteSleben bot ft<h. 
Hier blifct eS unb fprüht unb quillt eS fehr oft fo warm unb lebenbig, bab wir 
faft fagen mochten, Berliog war nie fo fehr erregt, wie gu ber 3eit, als er biefe 
Spmpponie feprieb. ©r wollte bfaharlicp ein Stücf aus feinem eigenen ©e- 
müthSleben geben, unb wenn er babei fleh in einer tnapperen' gorrn gu be¬ 
wegen gewubt, wenn er gu ftreichen unb auSgumergen berftanben hatte, fo 
würbe biefe Harolb-Spmphonie nicht blob fein befteS SBert fein, fonbern einen 
gang anberen Blafc in ber Äunftgefcpichte cimiehmen, als fie augenblicKicp imte- 
hält. 

$ie Italiener in ber Slcabemp of ÜDtufic mubten enblich ben 3)eutfcpen 
weichen. 3THt einer fehr mangelhaften BorfteHung ber „Hugenotten" lam ihre 
6 aifon gu ©nbe. ©S thut uns leib, bab gerabe biefer Oper nicht bie bolle 
©ereeptigteit gu Speit würbe. Bon allen B^buftiönen Bteperbeer’S ift fie 
bie gelungenfte; ja wir möchten wohl fagen, bie gange moberne Oper hat ihr 


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nichts 2 tebnli<bel an bie Seite ju fteHen. Sie trtufifalifc^e iportraitirung ift 
barin mufter^aft, bie Figuren treten uni in martigen, unöertennbaren Sögen 
entgegen, unb bal Kolorit ber Situationen ift fo lebenbig unb Wahr, baff wir 
uni umoiHlürlifb in bie bamalige 3®*t ber Kämpfe jwifcben ben Satboliten nnb 
SProteftanten perfekt glauben. 9Jtan bat Bon ber Superioritätber „Sfrifanerin" 
gefprocben, aber mit wie wenig SÖere^tigung! ©n einjiger Ult ber ,,Huge* 
notten" ift ibeenreicber, all bie ganje Oper bet (( 2lfri!anerin". SlUel, Wal in 
ber Unteren bebeutenb unb berootragenb ift, erfcbeint blol all ein fdjwadjer 
gtefley ber erfteren Ober. Slan ftebt, el ift baffelbe Spftem; aber wäbrenb ber 
SWeifter in ben „Hugenotten“ noch bie Bolle Sraft geigt, ift er in ber „Slfrila« 
netin" fcbon fo erfcböpft, bajj er ftcb febt oft wieberbolt. • 

3n bet SarfteHung biefer Oper lonnten nur Herr SWajjoleni unb SDtabame' 
Suc^bi genügen, wie benn überhaupt biefe Söeibenall bie Hauptfragen ber ganjen 
©aifon betrautet werben müffen. Sie ,im SSerein mit Herrn SJeHini unb grau» 
lein SeBogg tarnen faftnie Bon ben SBrettern, wäbrenb bie Herren 3Waffimiliani 
unb 3tfre unb bie Samen SBoftfto, BJtarra unb ©rignoli fpajiercn gingen. Swar 
würbe bet 95 ab SKntonu(ci au«b oft in Enfptudf genommen, aber in allen hoch* 
bram oti ftben ^artieen tonnte man ibn. taum böten. Set SKann gehört all 
Sänget noch bet ipetiobe an, in welcher ficb bie italieniftbe Saifon immer in . 
bemfelben Steife bewegte — Sucia — Somnambule. —. 9torma — Sucrejia 
Söorgia — Sinba u. f. w. Sie Seit ift ©ottlob Borübet. Heut ju Sage müf* 
fen bie Herten Staliener au<b SDlepetbeer’fcbe, Haleup’fcbe, 2luber’f<be unb fo* 
gar SBagner’fdbe SKupt ju fingen Berfteben. SBie im Men, fo in ber Sanft 
ift Bewegung bal leitenbe Sprinjip. SBir bebürfen gefteigerterer Slccente unb 
träftigerer Biegungen, all bie früheren Sunftgenerationen, unb in Italien ift el 
unbebingt SSerbi, ber biefem geiftigen Sebürfniffe ber Seit Stetbnung getragen 
unb-äulbrud gegeben bat. 6 r repräfentirt ben gortfcbritt, unb mag auch 
feine SEBeife oft all tob etfcbeinen, auf jeben gaB bat fie Biel 3laturmü<bpgel 
unb Ueberjeugenbel. 

Herr 3Äare|et bat biel recht gut erfaßt unb belbalb feine Saifon mit 
Bielen nidbt italienifcben Opern gefpidt. Stöbert — Hugenotten — Slfrilane* 

t j n _giorbftern — gra SiaBolo — gaBoritin — Son Sebaftian waren bie 

- Hauptattraltionen unb würben ftcb noch anjiebenber erwiefen haben, hätte er fie 
etwal beffet befefcen lönnen. Sein Helbentenor 3Dla§joleni war gut, fein SBari* 
ton SBeBini ebenfalll — feine $rimabonna 3uc<bi febr oetwenbbar — feine 
Soubrette SeBogg aulgejeitbnet — feine Slltiftin spbilippl tüchtig. Slber fein 
SBap war f<bwa<b, fein lprif<ber Senor ftimmlol, unb feine Soloraturfängerin* ' 
nen waren nur Anfänger. H>>ffentli<b wirb er in bet nädbften Saifon glüdli» 
(bete Stefultate treffen. Ser Sern feiner Sruppe ift gut, fein Orcbefter unter 
SBergmann’l Seitung aulgejeicbnet, unb feine SBefäbigung all Sirettor unjroeU 


felbaft. 

SEBenben wir uni je|t ju ber beutfcben Oper, fo glaube man ja ni<bt, ba& 
unl-ein befferel SBilb entgegentritt. 3m ©egentbeil, wäbrenb bei ben Statie^ 



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505 


ttcrn nur einige Soliften nicht ganz am piaße mären, fann hier laum ©ner fünft* 
ferifchen Slnfprüchen genügen. @S nüfct nichts, bie Schmähen biefeS Unter* 
nebmenS mit bem Sedmantel ber Siebe jubeäen zu motten — baS giebt uns 
feine gute beutfche Oper. 2Bir fefcen borauS, baß bie Sefctere mirUicbeS Pebürf* 
niß nicht blcS ber bieftgen Seutfhen, fonbern auch beS fianbeS ift. 3ft biefeS 
Pebürfniß borbanben (unb baS fann mobt Seiner bezmeifeln), bann muß 3eber 
#anb anlegen, bamit mir zu einem tüchtigen föefultat gelangen. SaS fann aber 
nicht baburd? gegeben, baß man aus fogenanntem Patriotismus ben Schein 
für baS Sein, ben guten SBißen für bie Sbat nimmt. SBenn hier über* 
baupt ein patriotif<beS ©efübl in Petracbt fommen fann, fo fodte cS barin be* 
fteben, ben Slmerifanem unfere Superiorität and? in unferer Oper zu geigen. 

Seit 3abr unb Sag quält man uns hier mit einer fogenannten beutfchen 
Oper, bie non oornberein ni(btS meiter als eine Puine mar. 2Bir buben nichts 
gegen bie Permenbbarfeit ber ÜDtitglieber, aber non biefer fann gemiß ba nicht 
bie Peoe fein, mo Stimme bedangt mirb. SaS barftettenbe Salent einzelner 
Sänger ift febr anerfennenSmertb, baS ftngenbe ift in ben meiften Säßen gar 
nicht norbanben. @S muß enbtich einmal in ftaren SBorten auSgefprochen 
merben — eine ftimmtofere Oper, als unfere fogenannte beutfche Oper, giebt'S 
gar nicht. Ser erfte Senor (ein tüdbtiger Sünftter) mürbe fchon nor 3abr unb 
Sag in beutfchen Plättern als ftimmtoS bezeichnet, unb bennoch ift et ein 
mabrer 2ßißionär (an Stimme) nergtichen mit bem Pariton. 2Bir hätten nie 
geglaubt, baß eS möglich märe, eine ganze Oper burcßzuäcbzen unb burcbzu* 
ftöbnen; aber ber Pariton berftebt eS, zum Slmüfement ber 3ti<htbeutf<hen unb 
Zur Pefchämung unferer SanbSleute. Soßen mir fortfabren, foßen mir über 
bie Samen fprechen ? 9iein, im ©runbe meiß jeher nur einigermaßen muftfa* 
lifch gebilbete Pefucher ber Oper, mie eS bamit befteßt ift. 3eber fann fi<b 
febr balb überzeugen, baß bie Sruppe aus ftimmlofen Sünftlern unb aus 
Anfängern beftebt. Unb bie paar ÜDtitglieber, bie bießeicht zu ben SluSnabmen 
gezählt merben tönnten, ftnb fchon auf bem beften SBege, baS zu merben, maS. 
man als bie Pegel biefer Oper bezeichnen muß. Sie eine ber Primabonnen 
bat fchon jept baS PiSchen Stimme berfchrieen, baS fte noch bor ein paa^3abren 
batte. * Ptorum ? SQBeil fte a tout prix Poßen fingen miß, bie meber 
für ihre Stimme, noch für ihre 3nbibibualität paffen. 2Ber mit fleinent 
Material große Slrbeiten unternehmen miß, mirb febr balb ben Seßteren unter* 
liegen, unb mer baS üPaterial beftfct unb nicht zu banbbaben meiß, mirb febr 
balb bwauSfiuben, baß fein Material bon Sag zu Sag Heiner mirb. Ser 
Paß ber Sruppe mirb bießeicht in einigen 3abwn bie SSBabrbeit biefeS SapeS 
empftnben. 

Unter ben Porfteßungen, melche bieSmal bem Publifum geboten mürben, 
nahm bie ber Pofftni’fchen Oper ff 2öilbelm Seß* bie erfte Steße ein. ©S mar 
geuer unb Seben barin, unb bie prachtboße ÜPuftf ber beiben erften 2lfte fonnte 
beSbalb auch nicht berfeßlen, einen großen ©nbrud §u machen; bie Pütli* 
Scene mar in gefänglicher Peziebung recht brab. Sreilich, um ben rechten ©ffeft 


m 




506 


ju machen, tnu& ba§, ma§ bie brei Soliften gu ftngeu haben, gut gu 
Gehör fommen, fonft gebt fe^r oft bie Harmonie Verloren. $err SBilbelm 
gormeS fang ben „Dell*, ober oielmebr er fprach ihn; für biefe Bartie 
fcheinen unä bie Stimmmittel biefeS Sängerä nicht auägureicben. — Die 
Herren Zimmer unb ÜEßeinlich Ieifteten in ihren NoUen Dücptigeä, unb 
auch bie Nebenrollen tarnen gut ju Gehör. Da3 Orchefter unter Seitung 
feinet jungen Dirigenten,, be§ $errn Neuenborff,, fpielte gang offenbar mit 
Suft unb Siebe, unb fomit mar ber Dotaleinbruc! ein guter. Ob er aber mit 
anbern Kräften nicht noch beffer fein tonnte, ob biefe Kräfte jn buben ftnb, unb 
ob e§ nicht möglich gemalt merben tßnnte, fte gu erlangen — bie3 ftnb 
fragen, beren Erörterung mir un§ für eine anbere Gelegenheit aufbemabren 
mollen. ÜSMr glauben nicht bloä an bie Berechtigung unb Notbmenbigfeit einer 
guten beutfchen Oper in Nmerifa, fonbern mir glauben auch an bie Ntöglicbfeit 
berfelben, ohne bajj e§ nötbig märe, bie Ntittel be3 gegenmärtigen Bubgetä 
berfelben gu überfteigen. 

Wvc müffen fcbliefclicb «och ber fünften Soiree ber Herren Ntafon unb 
Dbomaä ermähnen, bie aufcer bem ÜNogart’fcben Streichquartett aul E No. 6 
unb bem Scbumann’fchen Bianoquartett au§ Es-dur auch ba§ grobe Streichquar* 
tett aus g No. 133 non Beetbooen brachte, bal legte, baä ber Nteifter fchrieb, 
unb oon feinen mpfteriöfen fegten Ouartetten unbebingt ba§ oerftänbüchfte unb 
am populärften gehaltene. 


$tnnifd)tc*. 

Ntogart’S DriginaU^artitut ber gauberflßte ift 
gegenmärtig ber tönigl. Bibliotbet gu Berlin anoertraut. Dem Beftger, einem 
geachteten unb begüterten Sßrioatmann in Berlin, ift oon Seiten beS Britifh 
Ntufeum eine beträchtliche Summe für ba£ literarifd^e £leinob geboten morben, 
allein man hofft baffelbe ben oaterlänbifhen Sammlungen gu erhalten, um fo 
mehr aU ber Beftger nicht gefonnen fein foll, ber Bibliotbel gegenüber feinen 
Gelboortbeil mabrgunebmen, fonbern bie Ueberlaffung ber Bartitur oon anberen 
Bebingungen abhängig macht. Die Bartitur ift in ber muftfalifchen Stbtbeilung 
unter Hufficht be£ Euftu§ £errn E f p a g n e beponirt. 

E3 mar im 3>abre 1823, aU Noffini auf feiner Neifenach 
Sonbon gum erften 2Me nach Batte tarn unb bort einige Soeben ftchaufhielt. 
Bei einem Niittag§mabl, melche^ Earafa feinem berühmten Sanb^mann gu 
Ehren gab, mar auch 3luber gugegen, ber bei biefer Gelegenheit ben „Schman 
Oon Befato" gum erften Niale in unmittelbarer Nähe fab. Nach Difcbe fegte 
ber Ntaeftro, auf bie Bitte feinet Nmphitrgon, ftch ante Elaoier unb fang bie 
Slrie be§ „gigaro“: ”Largo al fattotum della cita“ aul feinem „Bar* 
hier". „Nie merbe ich" — fo ergählte Sluber — „ben Effect oergejfen, ben 
biefe Btpbuttion auf mich machte. Nofftni hatte eine febr fchöue Bariton** 
ftimnte unb t^ug feine Ntuftf mit einem Esprit unb einer Beroe oor, beiten meber 

? 



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507 


Pellegtini, noch ®alli ober Sablache auch nur nabe lauten. Unb mal feine 
2lrt §u accompagniren betrag fo mar biefe gan$ munberbat; nicht auf einer 
Elaoiatur, fonbern auf einem Drcbefter fchienen feine ginger einberjugalloppiren. 
tlll er geenbet batte, betrachtete ich gan$ unmilltürlich bie haften; e^fehlen mir 
all f dbe i<b fie ra u<ben ! 2111 ich nach Haufe fam, hattet<h grobe Suft, 
meine Partituren in’l geuer $u merfen. 2)al mitb fte vielleicht etroal ermär* 
men, badete ich in meiner Entmutigung. Uno bann, mo 3 U auch überhaupt 
JWuftf machen, menn man fte nicht feie IRofftni ju machen verfteht ?" (Oho!) 

Eine Epi fobe aul bem Sehen bei öfterreichifchen gelbmarfchalll 
Sanbgrafen Philipp ju $effens$omburg oerbient bi« ermähnt $u merben. 
SRacb bem Süneoiller grieben, all ftch ber Prinj in feiner Stablftation Semberg 
all SJtajor bei bem Infanterieregiment be Signe befanb, fiel ein höchft tragi* 
fchel Ereignib oor, melchel bol ©ebäcbtnib bei Prinzen geitlebenl in fchmerj* 
lieber Erinnerung feftbielt. El mar im Sommer bei gabrel 1803, all ber 
Pring mit einer $ioifton ^el Regiment! aulrüden follte, um bal Eommanbo 
bei Solljiebung einer militärifchen Eyecution $u führen. Ein Gemeiner bei 
fRegimentl, fieffe oon ©eburt, mar megen ^um britten 9Me mieberholler 
fertion jum $obe burch Puloer unb Plei oerurtbeilt. Etn Perfud? bei Priu* 
jen, bem Perurtbeilten burch feine gürbitte beim Oberften (gobamt oon 2)al* 
mich) bei SHegimentl Pegnabigung $u ermirlen, mar oor ber $attb fruchtlos 
geblieben. Lüfter, aber gefaxt fab baber ber laum 24 gabre alte, menfeben* 
freunbltche Prinj ber Stunbe entgegen, melcbe ihn gum Eintritte feinel ern* 
ften Sienftel rufen mürbe. $a iaht ihn ber !Hegimentl=Eommanbant ju ft<h 
entbieten unb übergiebt bem freubig Ueberrafchten bie Pegnabigung bei Per* 
urtbeilten, jeboeb mit bem ftrengen Pefebl, ihn Jur Strafe feinel Vergeben! 
bie Xobelangft anlfteben $u laffen. Erft im entfebeibenben Slugenblid foU er 
bal 2Bort „©nabe" aulfprechen. 2Jtit bem ber$erbebenben Hochgefühl in ber 
Prüft, beute burch einen einzigen Saut Seben ftatt £ob §u geben, Sehen einem 
Sanblmanne, über ben ber Stab bereitl gebrochen, einem Ptenfcben, beffen Hoff* 
nunglfunte oerglommen mar, ftellte ber junge Prinj feine Gruppen an bem 
Orte auf, mo bie ftrafenbe ©erechtigfeit ihr Sühnopfer fallen feben follte. 
Schon mar ber ben Unglüdlichen auf bie Emigleit oorbereitenbe priefter bei 
Seite getreten, bal Earre öffnete ftch, bie ßameraben mit beit fcharf gelabenen 
©emebren traten oor — ba gefchab el, bafj biefe, biugeriffen Oon ber 2lufre* 
gung bei Slugenblidel unb oon bem übereilten Drange, ber blutigen Pflicht 
ftch rafcb 3 U entlebigen, aul unglüdlichem üftifioerftänbniffe trofc bei ©naben* 
rufel bei Prinjen geuer gaben. S)er ©etroffene ftürjt oerfcheibenb jufammen, 
— faft jugleicb mit ihm finit ber Prinj beftnnungllol oom Pferbe. SBäbrenb 
mehrerer SBochen feffelte eine fernere Peroenfranfbeit, bie golge ber erlittenen 
©emütblerfcbütterung, ben gürften an bal £ranfenbett. 2)er ©ebanle,. baf* 
ber bereitl Pegnabigte burch ein unglüdlicbe! Ptifjoerftänbrnfj, bur$ bal erft 
im fritifeben Slugenblid uulgefprochene SBort „©nabe!" Dem $obe überliefert 
morben fei, quälte ihn fortmäbrenb. S)ie Erinnerung an biefel Ereignijs 
fchmanb nie aul feiner Seele. 

Hetfenber £gent für bie ^onateljefte: 

Earl SBielanb. 


m 


m 




FASHIONS FOR 1866. 


jBer neue «eifrodt. 


BRADLEY’S DUPLEX ELLIPTIC (or double) SPRING S KIR TS. 



Sic biegen unb bred&en nid&t »ie bie einfad&en Steife, fonbcm 
bemalten ibrc anmutige, ooHfommene $orm, »o brei ober vier 
aetoobnltAe jftetfrödfc at$ unnüfc fortge»orfcn »erben muffen. 

befient oiiä Mn /«»AfYiottafaM ...w 


fabricirt Würben. 3n ber'säat «Weffim’jie'fär btn ©ebrautb 
im {>aufe, tn bet Jttrdje, im Sweater, in 


auf ber fPromenabe, ober i 
Ttfer ' 


tr>h V. ui vh juuirt, uu ui 

Ctfenbabn» ober anbern SBagen, im ©ebränge tc. m. afleanbern. 
spequemlubfett, ®auet$aftigteit unb SiBigfeit verbinben fie mi 
ber eleganten uason, »el#e duplex elliptic *u bet 

ber faffjionabeln SBelt ge= 

moÄti ft b«L ffto junge tarnen, funge 2Käbd&en unb Ätnbei 
finb ße mtt ntd(>t$ Sfoberm ju ocrgleicfcen. 
uragt nadb 

DUPLEX ELLIPTIC (or donble) SPRING SKIRT. 
Slngefertigt allein bei 

• WESTS, BRADLEY & CARY, 

. , fcen alleinigen 3n$abem be« fPatrnt«. 

„ . . , „ o«. „ J* 1 ®^ a " Ä * r *> n “ b *• * 8* »*abe.«tmt, «<u>-.?)ort 

^ rt 8u tefotinttOin S»ert erfien Stange« in ben »eremigten Staaten, *$at>ana be Cuba, BRerico 
©üb*2lmertfa, SBefbSnbien unb anbern ßänbem. 


®taten 

Fancy Fying Ftablishement. 

Sarrett, $it$m & (£o., 

718 «roabtoap, l ***&*. 


9to. 269 gutton», Gde »on StUarti Street, Srooflfm, 
«nb Stto. 47 3tor$ 8te Strafe, Wtabctpfria, 


faxten fort, «amen. uub «crreneteib*rju färben unb ju reinigen: feibene, ®ommet, BRerino unb 

anbete «eibtr, ffltimtel, 1 h f. W. werben mit (Erfolg gereinigt, ohne aufaer. ■ - ■ Bn# 

$errenröcfe, $ofen, SBeften u. f. ». 


aufgetrennt *u »erben. <£bcnfo 


©lacec*$anbfd>u&e unb Gebern gefärbt ober gereinigt Sange @rfabruria unb ©efÄäftdfrmihtiffE 
befolgen bie Unterjeid^neteU/ i$re Arbeiten mit GrfolgV betreiben. 2öaaren »erben 
unb iurudfoeföuft. v p Ö VVU 

«arntt, ffUpfavo 8 Go. t 

6 US* £A°^ n ®* eet ' nn V 18 ®wab»an f 9?e»^ort 

' ' 269 0rulton==, @cfe oon $tflarp ©treet, SBrooHön, 

unb 47 97ort& 8te ©trage, 3>^ilabelp^ia. 


O. F. AJDAJE, 
oSuropaifdjcs $anß- unö ^e<$fe(-$elW, 
€toriöttÄti, ©fcfo. 

CONSULAT fuer Preussen, Bayern, Württemberg, Hann over, 
Sachsen, Baden, Oldenburg, Grossherzogthum und Kur- ' 
fuerstenthum Hessen, Mecklenburg-Strelitz und Schwerin, 
Nassau, Sachsen-Meiningen und Altenburg und 
Frankfurt a. M. 


0. F. AD AE, Consül. 


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/»llfoga- ttnb Sommer - 


t n n ^ ist t 9 s 

Seibenbe <m frantyoftem $totff<h»er$, ' 

Setbenbe an Unterbaulttbfett, 

Setbenbe an nertofem ftopfftbmerj, 

ETTEEVESOENT 

Setbenbe an terfauertem «Wagen, 

Setbenbe an btltöfent flotfwep, 

Seibenbe an $artleiMgfett, 

SELTZER 

Setbenbe an ©ootbrennen, 

- Setbenbe an 9>tle$, 

Seibenbe an ©eefranf.beü, 

APERIENT. 

Seberleibenbe. 

Seibenbe an Snbtgejtfonen, 
werben burd) 

Tarrant’s Effervescent Seltzer Aperient * 
auf fiütxt, attgette&me unb bauerttbe Seife bierton -fottte ton (tynlüben Seibcn geheilt Werben. 


SlUetn angeferttgl ton 

TARRANT & CO., 

378 ©vcetttt>t$s®trect, 

19* 3u b^en in allen $tyothe!en. 


RADWAY’S 


EEADY 


RELIEE. 


<£t giebt btei SKetboben, Mrfrt SWtttd amntoenben, »own febe, für eine Jfrantteit ober einen 
©(haben anbföttefilfö gebraust, bem Üetbenben foforttge Smberung giebt unb ben ÄranfenföneB Seilt. 
Grftenä — äufierli<$ genommen. 

SRan reibe ben £Sett ober bie Steile be« S5r|>et«, in »eföen bie flranfbeit ober ber ©tbmcrj (tot, mit bem 
SReabp Belief. 3n »ielen gäBen t(l eine einmalige «mretbnna mit bem Beabp Stelicf genug; in hart" 
nfitfigen gäflenfoWe e« btetaai Mglfö anaetoanbt »erben, gür rbeumatiföe ©iföterjen, ©trifbeit in 
ben ©elenfcn, Sleutalaia, flopfförnetjen, boien Mi, Snfluemo, Bfönförnerjen, Serrenfungen, Ser. 
lefiungen, ffiunben, ©<b»föe, Sabmbeit, Strgrogerung ber ©elenfe, ©(Snittwunben, SJuetföunaen 
. SRrrBrftnuttaett. SBaudb* unb SRaaeneniiünbunaeit. (MffAtmW dkhimia $al$bräunc* 

unb 


3»eitenä — innerlich genommen. 

Stan nehme einen Sheelöffel bt« |u einem »efertlöffai ooB in einem SBeinglafe soB fflaffer. 

©egen ate Sitten pon aRogenförnerjen, enttteber «Solera,Jföolera Storbu«, ©iarrboe abtoeföcn 
bilibfe Ko«!, ÄrÄmpfe, ©pabmen, ge»oSnlföe« unb netoofe« Bopföeb, oUgcmeine ©tSnnföe unblb. 

fp “- Siebet. 

Sei laltem giebet, Sffieibjetfieber, Jibigem gieber, ©«barlcföfieber u. f. w. g)er|oncn, »eföe unae. 
»obnteb SBaffer trinien unb fölföt füllen, foSten jietb emen Speelcffet »oH beb Bctiefb mit bem Sfoflee 
miföen. 3 n aUen gäBen, »o bet ©(pmerj äugerlfö ff», foBte ber Belief in biefer gorm gebratföt 
werben* 

drittens — Gtnretbung toeS SRüdgratö mit bem «Relief. 

®b beitt gtbenmatibmub, ®föt, ©ciatica, Beuralgia, fiumbago unb anbere Bütfen fömmta 
»er »rofeffor Seib oon Be».gort empfreptt bnngenb ben ©ebrmfö beb Beliefb furbiefe JTranf. 
beiten. ©anj merftoürbige Äuren flnb gemacht worben. JHe Jtranfen fönten nur perfuiben. 

Sitter Belief, bet ht bat Seretmgten Staaten »«lauft tmrb, mug einen S»ei.eent.Bctenucflam> 
föetbem©»pfrtS«b«l. Sei aBen »ruggiilen }u laben, ' F 


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ÄüttfHi^e #tme tm& Seine» 

©et^o 1 ^ patent, 516 53roabn)a9* 

Die »ittTommenjlen Subfütute für verlorene ©liebmögen, treidle Jemals erfunben tourbett* (CEta&flrt 
feit 26 Sauren.) Um fl# PoUftänbig über ba$ habere tit %nntni§ ju [eben, laffe man ft# ein patent mif. 
jBeugniffen Pon Selp$o u. So. Son, 616 S3roab»ap, 9fem*gforf, bem 9L*§J. $otel gegenüber, fenben. 

91.23. Solbaten »erben gegen eine fPromeffc Pom ©eneraUGbirurg ber Sirmee ber bereinigten 
Staaten fojlenfrei mit bem fteblenben perfeben. 


$enr9 ©reencbaiim* Daöib ®. ©reenebattttt« £oui* WuUmats^ 

Henry Greenebaum & Co. 


$eutf(be 3 



©tfe £afe* unb ßafa£(e=Strage, 


CHIOAG-O, ILLINOIS. 

9Be(^fe! iir beliebigen Summen unb Siebten auf alle bebeutenben Stabte Deutf#lanb6, giranfrei#* 
9lor»cgen$, S#»eben$, Dänemark, 3talien$ unb ber Sdb»ei$. 

Vaffage per Dampfer unb Segelföiff Pon Hamburg, Srernen, $tnt»erpen, Stotterbam, $apre, 
Ct^riflfania, Sberpool unb Queen$to»n. 

3ncaffo*©efaäft« »erben bur# unfere auSgebeljnten 23erbinbungen in ganj Europa mit ScbneHig- 
feit beforgt unb eingejogene ©elber in ©olb au$be$ablt. 


<$. ©teencfeaitut SS <&o., 

©jicago, SD., 


HELLER & CO., 

«.^nfaffogefebaft, 

9lo. 8 Cbamberftr., fReto^orf, 

geben 2Be#fel unb ©rebitbriefe auf alle größeren §)läfce (Europa**, perfenben ©elber na# Jebem Orte 
Deutf#lanb* mittelfl be* beutf#en 3>oftoerbanbe«, unb beforgen ben ©intug Pon ©rbf#aften unb Cenub* 
gen permittelft 23oHma#ten auf f#nellfle unb bifligfte SBeife. 


Anfragen aus-bem ?aitbe fmbrtt prompte jBeadjtimg. *©■ 


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. ßättöemctt m S&liffouri. 


<£ulti»irte, Stineral* unb'anbere Canbereien in SWiffourt fo »ie im ©cflen überhaupt, »eiben 
getauft unb »erlauft 

Die ßociruug »on ßänbereien, no<b be« »irflicben ©crmeffungen, ;u Segierung$»reifen, wirb in 
allen tt>efilieren Staaten bur<b anfaffige Agenten beforgt? 2anb»arrant« »erben getauft, »erlauft unb 
lorirt; ©teuern befahlt? flarten unb ©ermeffungen angefertigt unb ©cric&te über Stmeralfcbäfce au$ge- 
arbeitet; ©efi&titel »cmlljtänbigt ? patente »on ber ©ereinigten Staaten Regierung unb alle inba« 
Orunbeigentbum unb allgemeine ßanbgeföäft einfeptagenbe Arbeiten beforgt 

Der Unterjeubnete, einer ber am läitgjten etablirten ßanbagenten im SBejlen, bat »iel Beit unb 
Stuße barauf »emenbet, uw iebe auf btefeS ©efd&äft bezügliche'SuOIunft ju fammein, unb er »erfld&ert au« 
Ueberjeugung, ba§ 5tüe, mel<be »ertb»otte Barm* ober Stincral*ßänbereien im SBejlen taufen »ollen, 
nicht« ©effere« thun tonnen, al« ft<h ju »enben an 

H. "W". Dunstan, 

No. 44 PINE STEEET, ST. LOUIS,' MISSOURI. 

Pit porifen Pflafitt lies Pr. JUlrodt. 

S)iefe Sßflaftcr »erben jjeben $ag me 1 ?r unb mehr befannt. gebermann, ber 
Schmerlen im [Rüden ober in ber ©ruft bat, »irb na<b 
2 In»enbung eine« foldben fofort geheilt. 

(Ein £err tarn beute in bie Office unb erjählt, baß er mit »ielen ©cpmerzett in ber ©ruft geplagt »ai 
unb mit einem einigen 9>flafter »oUfommen gebeilt »urbe. (Ein Snberer fügte baffeibe $on Sbeumati«* 
mu« in feiner ©cpulter. Der lefetere £err tann in So. 15 Seefmann ©trect, Se»=$orf, obenauf, gefebeo 
»erben. 2Bir beji&en Beugniffe »on Xaufenben »on Dottoren, »eld^e alle »oU ßobe« fmb. 

Teilung einer gerq uetfd? ten ©ruft. 

Den 7. Stat 1 865. 

Steine Herren! — 3m Dezember 1868 »urbe mein Srufttnochen »on einem fernerem [Riegel gcr« 
«uetfeht unb fcpUmm »emunbet. 3<h »urbe bejtnnungdlo« nach £aufe gefepafft, »o td> einige SBocpen bem 
iobe nabe lag. Steine Slerjte tonnten febr »enig für miep tbun unb icp mußte unenblicpe ©cpmerzen lei* 
ben. Der Slrjt badete, ba§ ba« 5tafen»flauer, auf bie ©ruft gelegt, mir helfen »urbe, icp baebte aber, ba* 
für ein« »on SUcocf« poröfen Sflajtern zu »erfuepen. 3tb legte etn« auf meine ©ruft unb ©eite, unb »on 
ba an fühlte icp beffer unb »ar in einer SBocpe gefunb, frei »on ©cpmerzen unb fähig, mein ©efepaft »ie* 
ber zu beforgen. Sebermann tann fommen uno meine ©ruft feben, unb i<b »iU ibm ein neue« SBunber 
»on Teilung »eigen. 3» St. ©udt, So. 2 ©o.utb Biftp ©treet, 2Bifliam«burg, S. §J., 3$o«. SWcoct & 
(Eo., So. 4 Unoin ©qnare. $auptofftce ©ranbretb ©uilbing, Se»*2Jort. Bu »erlaufen in So. 4 Union 
©quare bei allen $änblem unb jebem refpeftablen Druggift. 

Dupr6 & Kretz, 

So. 28 ©roab* 6 ireet, ©de oon ©£d?ange*[piace, 

Senj-^orh. 

Stallet in (Mb- unb $etroleum=Slltien. 

©ouner nernent«* ©onb« unb ©ereinigte Staaten Sicherheiten 
»erben in ©ommiffion getauft unb uertauft. 


£aflin, Söutter & (So., 

gabrifanten unb $änbler in 

ttttb tya&tyaptet, 

'gSinbfaben itnb ^apier-^ä(ßen aller jrf, 

3lo.42unb44 State*©tra&e, gegenttbet bem 
CHICAGO, ILL. 

güt 2u mp e« wirb bei (Seifte ÜDlatltpreiä baat bejaht. *^a 


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6 


ßxtx 


Die Sttijfouri 



m&SmlhtMft. 


Ci A 'PTT A . Xj ..... $500,000. 
Office: 9*o. 12 9*orb 5. ©trage, 

$t. Jouis, 


j&irektoren: 

<£. SB. ff ox, »on ber fffrma Staut unb 8ror, 

SB. £. 2J*aurtce, früher (Mector »on St. fioufg (Ec. 

2)1 abifon Etiler, gonb^ommiffär ber SJaciftc^tfenba^n, 
SB. $. Senton, früher »on berftirma fPomero» unb Senion, 
(£ba^ $. $o»lanb, StaaiSfenator. 


<Eb«$* $. $o»Ianb, SMPbent, 

SB. $. 27taurtce, S$ice*3>räPbent, 
2D*abifon Filter, 2anb*<EommtffÄr, 
ffelixGoPe, SdjafcmeiPer. 


Die ©efellfibaft »erlauft unb lauft ©runbpMe aller &rt. 

(Bit beforgt bie Ballung »on «Steuern für Stubtbemobner unb beföäftigt {!$ mit ber StuSbeutung 
ober bem Verlauf »on 

!DtineraI»£ätt»ert{cts. 

Sie beP&t außerorbcntlicbe SJortbefTe, um Kapital in 

»eftUgen Sättbereiett 

aniuleßen. 

Sie leibt ©elber 

auf rentable (Srunb-®igent()um0-5i^erl)eU 

in Stobt ober ßanb au$, Je naebbem bie$ ge»wtf<bt wirb* 


<$ittit>anbem, treidle eine $eintatb fud^en, ober Slgettteit für Golotsfcett, bie große Streifen 
ßanbeä ju lociren beabp<btignt, »erben e$ in ihrem SJortbett ßnben, Pcb an biefe ©efettfibaft *u »enben. 
Sille Anfragen »erben Jrompt unb uneubgeltlicb beantwortet. 


Der Unterjeubnete ip mit ben oben genannten Herren perfonlidb belamtt unb giebt benfelben ge» 
ba$ bepe Beugniß in betreff ihrer hoben StefpectabtlüiSt, $ertrauen$»ürbigfeit unb fltfbigfeft aH Qk» 
pbäpgleute. 

HtUbtUb WfiUub, Staat^Senator« 


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COMPANY. 

gabrifanten oott 

klügeln itttb 

SSerfaufSlotal uttb gabrif: 

Ro, 394 $ubfon=6treet, 9teü>=?)orf. 

©arantirt auf 5 Sabre. 



3. Sacnjcr, 

165 @jfer-@tteet, 9!e»-g)otl. 

3m}>orteur unb gabrifaut 


^*i d!ii^| r ffleittrdmt garitmtrlkaa, 

<Sottcet*itt«9, S8ant>emon§, Änitttindec, üJtttn^^ar. 
mottifaS, ®ptel&pfett r (Sittern 

unb anbern mufifalifdjen Snjlntmentcn, 

ttnterridbt im «Spielen wirb eripeiU, fo »ie Reparaturen gut unb billig gemad&t 
Aufträge au$ bem 2anbe »erben pünftltipft auSgefütyrt. 


E. STEIGER, 

ptuffäet S<ifa* 8 ä.#««n(, Smporter unl> SSintöanMtr, 

Utrltgcc nult Indrtmtdur, 

17 uttb 19 9fprtl> 3©ifliatito®t*eet f 

tmpftebtt jl<$ i«r fd&neflen unb billigen ©cforgung 

aller IBüc^er unb Beitf^riften, 

alei$»iel in weicht ©ptaibe uni) wo erfäienen. 

$5ft ein »ottllänbige« Saget billiget atnerilanif<$et unb eigener ^nblicationen in beut» 
Wer unb bet hier gangbaren 

«*uttü<*>et, Sugenb» unb 2Jol?«f«brtften, Äalenbet, 
flbetbaubt aller ©ü$er, Wofür $ier Sebarf ift. 2Sa« ui$t »orratfrig, wirb föneU nnb 
billig beforgt« 

©ataloge »on »fiebern nnb »ou 3eitf<*riften gratt«. 

3mportirt #on Deutfölanb mit iebem Hamburger unb Bremer Dampfet, unb ijl bemnai® im ©lonbe 

aflwöcfienilid» 

tU I,t?e oebetnimmt für eigene Segnung ober commifflonSweife bie £erfletlung unb Berbreitungpon beut. 
f*en Büibern wobei igm einerfeit« bet Befifc einet mit ben fünften SEppen au«ge|iatteten äMutferei. 
anbetetfeiW aber bie «u«gebebnte|len Serbinbungen befonbere Sortbette bieten. 

Siberate ©ebtngungen für Agenten unb §8nbter. 


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9tett)*g$orfer 

«J 0 n r oa{. 

Erf#etnt »ö#entli# r in großem Format unb eleganter 9lu«flattung. Enthält regelmäfig brei 
Ortginate^ooeHen, curopätf#e Eorrefponbenjen, politif#c 9funbf#au, 33efpre#ungen ber XageSereig- 
niffe unb focjalen fragen, unb etgnet fiep al$ f#arfer Beobachter ber amertfanif#en Suflänbe, fo»ie 
»egen ber 

@ef#i#te beS anterifanif#ett Bürgerfriegea 


befonbera jur Serfenbung na# (Europa. 3>ret$ $5 pet.Sahrgang, 10 Senta bie etnjelne Kummer. 



J. B. HOEKER, 

PEACTICAL OPTICIAJST, 

312J FULTON STREET, 

Near Pierrepont, . BROOKLYN. 

Chs. Wehle, 

A-ttorney, C oimselloi* at Law 
and Solicitor of* Patents, 

290 Broadway, Boom No. 6, New York, and 200 Washington St., Hoboken. 

Edward Mehl, 

9lro. 156 unb 158 gulton 6t v ;Retos§)orf. 

IReftaurant unb 3 mp orte r 
bou 

gQeimoehten unb Emmentaler Sttoeigerfäfe, SOB^otefale unb Detail gu ben billigfien 
greifen. 

Aufträge bon au§»ärt3 »erben prompt auSgefufyrt. 

$leif#mann & Ulri#a, 

71 9ten> §U Wm-^oxk 

Importeure tum ettropiüfdjen ^robulten, griidjten u. f. üj., 

Äommifilonägeföäft in amerilanifd&en SProbuften. 

DalatMtfa fltUett unb Salbe. 

(Ein U 9 ort an bie tarnen. 

©efunbheit ifl bie Quelle ber ©#5nheit. — ©prüften, Rinnen unb alle £autTranfyettett. — Sine 
reine @eft#tafarbe i(l r.i#t nur bie »efentli#jle Bebtngung »eiblt#cn 2iebrei|e$, fonbern au# ein äugen» 
f#etnli#er Bemeia ber ©efunbheit, »äprenb eine fable Eomplerion, Rinnen unb alle franfpaften Erup¬ 
tionen eine ©tbrung beO SWagena unb ber ßeber mrathen. Stuf biefe Organe »irft bad berühmte uuter 
bem tarnen HoUottaö’afPiUen be fannte Heilmittel mit einer ©i#erbeit, Sfräcifion unb ©#neüig- 
feit, »el#e in ber mebijinif#en SBiftenfdjaft ohne ©let#en'bafferen, »aprenb bie ©albe bie feinen Äanälc 
ber Haut reinigt unb biefer garten Umhüllung einen un»etglei#li# f#önen, ruhigen Stopau# »erleiht. 
2lfle, »cl#e ©efunbheit unb ©#onbeit fcbäpen, fönten fl# oor Eo$metic$ hüten, inbem biefe ni#t nur' 
iujjerli# f#aben, fonbern au# ber ©efunbheit gefährlt# finb. 168 


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JHonatslfrftr 

für 

cSifcrafur, Jtun|I, 'piflettfdjafl unb 
öffentfidjes jeßen. 

Diebtötrt »ott 


ms 


$tx ircHtfdje Sonntag in $.tnmha. 

23on ©. £. ©erua#*. (ßt Souls.) 

SSon bet eiferfüchtigen 3uno »erfolgt, fließt Satona übet Serg urib 2baU 
Som Surft gequält, toid fte an einem See hinten. Sie Säuern »erhinbern 
fte baran. Safür »ertoanbelt Satona fie in gröfcbe. 

2>aS fcbßne ©emätbe non [Rubens, beffen ©egenftanb biefe ©ötterfabel ift, 
wirb toobl manchem Sefucher ber SDiüncfjener ©aderie erinnerlich fein. Sie 
Säuern, welche ber flüchtigen ©Bttin am nädjften fielen, ftnb fchon »odftänbige 
Guacfer. Sie nächft hinter biefen ftebenben haben bereits grofdjgefichter, U nb 
ade ihre ©lieber nähern fidh ber Srofhgeftalt. Sie $interften ftnb erft grünlich 
angelaufen unb fangen an, bie Stiene in’S großartige ju »erziehen. Sie groß» 
Werbung beS 2Jtenf<hen ift in alten Stabien bargefteüt. Sodh ift bas Wl lfS nur 
gemalt. 2Jtan ficht nur färben unb bie äujjere ©eftalt. Ob fich wohl bie 
Shbfwlogen ber bamaligen Qugenbepoche ber ©rbe auch IRedjenfd&aft gegeben 
haben über ben inneren SerwanblungSproaejj Der Stenfchennatur in bie 3la=> 
tur ber große ? 

SEßir überfptingen einen Seitraum eon 100,000 fahren, ffiir begegnen 
ungeheuren 2Jtenf<henfdhwärmen, 200,000 alle Sabre unb mehr, bie ftdb aus 
ßuropa, oieHeidht 20,000 alljährlich, bie fxdh aus 2lften nach Slmerifa flüchten. 
Ser neue SBelttheit nimmt fte auf, unb »ermanbelt Slngelfadjfen unb ©ermanen 
©laöen, ©eiten unb SRomanen in 2lmerifaner. .gaben to i r uns fchon »ode Siechen» 
fcbaft gegeben über bie Jlatur biefeS metlroürbigen SrojeffeS ? SBaS ift es, toaS fchon 
nach wenigen fahren bie getrümmte äßirbelfäule eines üherfchafften ObentoälberS 
gerabe richtet? WaS ben ftarren Sügen ber norbbeutßen Säuern Semeglß» 
feit giebt? toaS fchon oor Slblauf beS erften SüftrumS ben fchwäbißen Sauer 
antreibt, feine Leitung ju Iefen ? toaS ihn swingt, eine politiße Serfammlung 
ju befuchen ? toaS ihn nach gehn Satiren etwa befähigt, baS 2lmt eines 
griebenSrßterS su belleiben, ihn, ber niemals eine Seile in einem ©efefcbuch 
gelefen, unb beffen leiblicher Setter ju §aufe fünfzehn »öde Sahre auf niebern 

!_“ ts 


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510 


unb Robert Schien augebraht, um fth auf eine ähnliche Würbe borsubereiten ? 
Wie gebt cS 51 t, ba& feine hier geborenen ßinber fo leiht ©nglifh fprehen 
lernen unb bie englifhe Sprache ber eigenen Munbart borjiehen? bafj ibr 
betragen gegen grembe, unter einanber unb ganj befonberS gegen bie grauen* 
»eit fo bollfotmnen geänbert erfheint ? Was ift eS, was ihnen baS ihren Eltern 
faft gütlich unbefannte UnabhängigfeitSgefühl eingeimpft hat? 

©S ift baS bemotratifebe Seben; eS ift ber Umgang mit ftdb ihrer Unab* 
hängigfeit bemühten Menfhen; eS ift bie Wahrnehmung, bafj Wohlftanb unb 
behagen ber unfehlbare Sohn unb Erfolg bon beharrlicher unb intelligenter 
Arbeit finb; eS ift Slmerifa, was ben Europäer unfehlbar über fur$ ober lang 
gum Slmerüaner mäht. Mag er fih noch fo ftßrrifh bagegen »ehren; mag er 
mit bem ßlirna babern ; »«9 er fih aus Abneigung gegen baS $lima baS 
Seben noch fo fehr erfahrneren; mögen auch gieber unb Diarrhoe fich §u 33un* 
beSgenoffenfeinet 33orurtheilS machen; mögen eS auch ibeologifcheUeberfhäfcer 
beS Sllten unb -Jttchtänu&igen berfuhen, in ihren 3eitungen bie Sehnfuht beS 
fleh ©ntpuppenben nach ber alten 2arbe ju beftärfen — 2llleS umfonft! ©egen 
bie 2Imerifanifirung ber (Europäer giebt eS fein Mittel, als bon Slmerifa fern 
$u bleiben. 

(Einer ber »iberfpenftigften Patrone in biefem SlmafgamirungSprojeji ift 
berbeutfheSonntag. ©S giebt feinen einigen beutfehen Wo* 
ch e n t a g in Slmerifa. 3Som Montag bis gum Samftag ftrdubt fuh deiner 
gegen bie gülle, mit ber bie Wochentage in ihrer amerifanifchen ©ntftgfeit ben 
Peinigen gremben befhenfen, — ber Sonntag ganj allein »ehrt fi<h für feine 
Suftigfeit unb für feine beutfhe religiöfe gnbifferenj gegen feine Metamavpbofe 
in ben ernfteren, befhaulihen amerifanifchen Ruhetag. Wirb eS ihm niht 
gelingen, fleh unberührt bon amerifanifchen (Einflüffen }u erhalten ? 

Selbft »enn bieS 2anb unb SSolf ihren ©runbharafter ber b e u t f h e n 
©inwanberung berbanften, Was gu gan$ unfhäpbarem 33ortheil für bie 2)eut* 
fhen n i h t ber gall ift, ȟrbe bennoh unfer beutfheS Wefen rabifalcn 33er* 
änberungen gerabe fo unterworfen ge»efen fein, als ihnen baS angelfäh* 
fifhe Wefen unterworfen »ar. ©in Sanb bon fo »efentlih berfhiebenem 
©harafter als eS bie 33er. Staaten im Vergleich mit Mitteleuropa fmb, möbelt 
bie Menfhen unb ihre ©ebräuhe unabwenbbar nah feinen ©igentbümlihfeiten 
um, unb gegen bi? Kräfte, bie biefen ^ro^ef* burhfepen, berfh»inbet ber 
menfhlihe ©igenwille unb berfh»enbet nu&IoS feine $caft. 

$ie erfte, bie bireft eingewanberte ©eneration, lebt »ie in fo bielcn 
anbern ©egenfäfcen, auh int ©egenfafc beS ameritanifhen unb beS beutfhen 
Sonntag^, ge näher fte noch 5 u ber alten £eimath fteht, befto tiefer beefenft 
fie fth in SSergleihe. Wo baS unmittelbare gntereffe ins Spiel fomrnt unb uur 
ber 33erftanb entfheibet, ba fhlagen fhon in ber erften ©eneration bie 23er* 
gleiche ju ©unften ber neuen ©ebräuhe aus. $ie alte 2l$t, bie fh»erfäHigen 
$ferbegefhirre, bie gewohnte 23ehanblung beS 2lcferS, bie alle beim erften 53e* 
treten beS amerifanifhen 23obenS bom ©inwanberer unenblih beffer gefunben 



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511 


Waren alg bag neue amerifanifcbe SBerfgeug, alg bie ^ieflge Sefpannunggweife 
unb S3obenfultur, weichen guerft. 2)eutfcbe begriffe bon guter $oligei unb 
Suftig Ratten fc^on biel langer nach.; — ber beutfebe Sonntag ftirbt faum mit 
ber Generation, bie ihn importirte, unb bieweil benn bie Ginwanberung wohl 
noch ein gabrbunbert fortbauern mag, unb bie erften Generationen fi<b immer 
toieber noch eine giemlicbe SBetle erneuern werben, fo mag eg febr wohl ge* 
fcbeben, baß in jener fernen Sufunft ber amerifanifcbe Sonntag einen 
Gbarafter angenommen haben mirb, gegen ben bie beut i gen beutfeben SSor* 
Würfe biedeiebt grunblog geworben finb, ohne begwegen gegen bie Slugftellun** 
gen ber in einem gabrßunbert erft Ginwanbernben gefiebert gu fein* 

$n ben 5ßer. Staaten entwicfelt ficb 2iHeg bon ber 33aftg ber 25emofratie 
aug. SBenn bie 2)emofratie ber Religion entwarfen fein wirb, bann bat ber 
Sonntag feinen religiöfen Gbarafter berloren* 2 ilg ein ber Gefunbbeit beg 
Körperg unb beg Geifteg unentbehrlicher Ruhetag, alg ein regelmäßig wieber* 
febrenber Safttag bon mehr ober minber fernerer, unfdjöner unb am Gnbe trofc 
aller Grleidjterungen notbwenbiger SBeife anbaltenber Slrbeit, wirb ber 
Sonntag wohl in alle Gwigteit befteben, unb feine Begebung, wenn fie auch 
!raft beg Gefefceg in jebeg Gingelnen freieg Grmeffen gelegt fein wirb, wirb 
trofcbem notbwenbiger SBeife einen allgemeinen Gbarafter annebmen, 
ber — man fann barauf fdßwören — ben 2 )eutf<be«, bie in bunbert fahren 
bon beute einwanbern, auch wieber nicht gefallen wirb. 

25er heutige amerilanifcbe Sonntag ift ein bollfommcn confequenteg Ne* 
fultat ber gefammten amerifanifeben S3olfganfcbauung. 2)iefer Umftanb bat 
ben b e u t f <b en $arteilleppern unenblich biel Kopfbredbeng gemacht. 2 )a ficb 
für biefe SNenfcben, gerabe fo wie für bie amerifanifeben ^arteiflepper, Sllleg 
nur um bie näcbfte SBabl brebt, unb ba ber beutfebe Sonntag eine SBablpeitfcbe 
ift, bie ber beutfebe politifebe lauterer auch nicht eine einige Sefunbe aug ber 
£anb legt, unb ba amerifanifcbe Nabifale gerabe fo wie amerifanifebe SDemofra* 
ten auf i b* e m Sonntage beharren, fo entftebt jebegmal bie grage, auf welche 
SBeife man fteuern müffe, um ben fogenannten Kopfhängern unter ben ameri* 
fanifeben Nabifalen gu entgehen ohne ben Kopfhängern unter ben amerifani** 
feben 25emofraten.in bie £är.be 3 U fallen. Natürlicher SBeife finben ficb bann 
amerifanifeber Seitg immer einige Slemterjäger, bie ihr Slmerifanertbum wenig»* 
fteng geitweife, big fie bag Simt haben, gegen beutfebe Stimmen umfefcen, unb 
bie perfönlicbe Niebertracbt ober eine SIrt plöfclicber, böcbft inbioibueUer Sinneg** 
änberung irgenb eineg Ganbibaten hilft bann bem perplexen ^arteibauterer 
über bie Scbfoterigfeit. Gr hat einen Ganbibaten wie er ihn braucht, rabifal, 
ober bemofratifcb unb beutfcb s fonntäglicb gugleicb — unb bamit ift feine $ar* 
teifeele falbirt. Kein ÜNenfcb wirb eg oon bont herein begweifeln, unb per* 
fonlicbe Kenntniß beftätigt bie Sinnahme, baß in ber Negel biejenigen üUten* 
feben, bie ficb unter ähnlichen Umftänben bon ber allgemeinen Nicbtung ibreg 
SSoUeg logfagen, gu ben untergeorbneten SNenfcben gehören. Gin Slmerifaner, 
ber fub in ber Sonntaggfrage auf bie beutfebe Seite ftedt, ift in ber 


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512 




SR e g e l ungefdhr ebertfo meit her alg biejenigett Seute im Süben, bic ba be* 
haupten, felbft mährenb ber SRebeHion Uniongmdnner gemefen gu fein. 34 
habe gefunben, bab bon je gehn fogenannten Uniongmannern im Süben gut 
gmei $rittheile erbarmlidheg $ad ftnb, unb gerabe fo conftant ift meine Grfah* 
rung, baf$ biejenigen Slmerifaner, bie ft(b bon ihren Sanbgleuten in ber Sonn* 
taggfrage trennen, gu ber allergeringffen Sorte bon Hmerifanem geboren. 
3um beutf(ben Sonntag gebort ein beutfcber üRenfch, unb ein 2)eutf4er erfter 
Generation in biefem Sanbe, ber bern amerifanifdhen Sonntag bag Sffiort rebet, 
mirb, memt er nidbt gerabe fd^on in Seutfchlanb gum 2Ru<fer ergogen mürbe, 
eben auch nur bie' aHererbdrmlidhften Grünbe für feine 2lbtrünnigfeit hoben. 
Gin beutfdher 9Renf4 aber, ber eine genügenbe Seit hier gelebt, um bie % b a t* 


f a 4 e beobachtet gu haben, ba& eg nicht nur amerifanifche Seftenmitglieber 
ftnb, meldhe ben „Sonntag im 2Birtb§baug" berabfcheuen, fonbern bafj bie 
2Ritlionen bon Slmerifanem, bie gu feinem beftimmten ßirdhenberbanbe 
gehören unb bie überhaupt faft ntemalg eine ßirdhe befudhen, bennodh am 
Sonntag gerduf4boUe öffentliche Vergnügungen bermeiben, unb fi4 lieber — 
mer meifj, ob bem fo ift — „gu «gaufe töbtlidh langmeilen", atg in 3Bein* unb 
Vierfdhenfen herumguliegen, barf nicht bon ftdh behaupten, er fei audh ein ge* 


b i l b e t e r üRenfch, menn er biefer amerifanif(hen Uebung § e u dh e l e i un* 
terfdhiebt, unb menn er bafür feinen anberen Grflärungggrunb finbet, alg ge* 


rabe biefeg Safter, bag in einem freien Sanbe am allermenigften Veranlagung 


gu nationaler Slugbreitung finbet. 

3mei Gntmidelungen, im Ganzen nidht mehr berfdhiebener 2lrt alg bie 
fatboUf4e unb bie reformirte Hnfchauung überhaupt augeinanber liegen, lau* 
fen bfer neben einanber her, big fie ftch in einem .Dritten, SReuen auflöfen. 2)ag, 
mag mir h^r ben beutfeben Sonntag beiden, ift fatbolif4en Urfprungg. 3>er 
fatboftf4e Sonntag ift in ber gangen SBelt ber heitere Sonntag. Gr bat ftdh 
in ben proteftantifdhen Sdnbern 2)eutfdhlanbg felbft über bie SReformation hin* 
aug erhalten. $er heitere Sonntag herrfdht in Jranfreidh unb in 3*alien un* 
umf4ranft. 2In bie ßirdhen angebaut mie bie S4malbennefter, ftnb Gafe’g 
„2Beinfpelunfcn", ttnb mit ben Gloden beg ßird&tburmg gufammen flingen bie 
Gldfer um bie SBette. $er $err Pfarrer felber ift gehn 2Rinuten nadb ber 
Vegper mitten unter ben Gdften, momögli4 in ben SBeinftuben, gu fehen, unb 
erft in ben aUerlefeten Sahnen hat bie gurdht bor Spöttern in Vegug auf ben 
fatholif4en Glerug überall eine ftrengere Sonntaggbigciplin herbeigeführt; bie 
fatholif4en Geiftli4en trinfen je$t ihren Schoppen am Sonntag meifteng gu 
§aufe ftatt im SBirthghaug. Gin ftdherereg Vollmer! gegen bag freie, fritifdhe 
Senfen alg bie S4iemmerei unb Völlerei, fonnte ber Glaube nidht um fnb er* 
heben; ein angenehmereg 3&4 alg fribole «geiterfeit, fonnte er nidht erftmren. 
Vei ben $eutf4en fam ihm bie Anlage gur f4merfdlligen $runffu4t nnb SRo* 
mantif gerabe fo gelegen, alg bei ben gtangofen bie leichtfertige, fribolere Sebeng* 
anf4auuttg. UeberaH unterftü&te er ben Sinnegtaumel; fogar ber Sentimen* 
talitdt mar er fremb, unb bie grellen, bireften Sinneggeitüffe maren feine mädh* 


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tigften Tunbeggenoffen gegen ba3 felbftftdnbige Senlen ber Waffen. Ser 
I u ft i g e Sonntag mar ber natürliche SJormunb be3 frommen Sonntagg, 
ber 2)t u m m e n f <h a n 3 ber Smillinggbruber ber g a ft e n 3 e i t, unb mie ber 
Tettel bie eintrdglidhfte ginanjpolitil be£ ©laubeng gemefen, fo maren $Ro* 
mantifunbgrioolitat feine unoerfanglicbften unb unfeblbarften $oli* 
giften* Ser umnebelte SSerftanb, ber bureb ©enüffe gebrochene ©ille, 
bie jtoifdhen fchmere Arbeit unb roben ©enufc geteilte Seit fmb bie un* 
feblbaren Teitreiber be$ ©laubeng gemefen unb fmb auch beute bie madhtigften 
hülfen beg pplitifdhen Segpotigmug. könnten bie Seutfdhen ihre SRoman* 
til, ihr Tier unb ihre ÜDtuftl auf ein einziges gab^ebnt gegen bie blanle 
SWünje bon politifdhem Terftanb, bon llarer ©rlenntnifj ihrer Sage, bon ©nt«» 
febiebenbeit unb prdeifem ©ollen berfepen, ftatt bafc fie bag ganje neungebnte 
gabrbunbert binburdh ib*e nationale Selbftftdnbigleit, ©inbeit unb greibeit 3 U 
ertrinlen, ju ereffen, 3 U erfmgen unb ju erfafeln fich beftreben, fie mürben habet 
ftdberfidb biel beffer fahren. 

Sodh fann bieg einmal nicht fein, unb n e b e n einanber, bermutblidh fü r 
eine noch febr lange Sauer, merben bie menigen groben, fidh felbft beberr* 
fdhenben beutfehen Senler unb bag bon föomantil unb ©enufjfudht umnebelte 
unb beberrfdhte beutfdhe Toll, ohne jebe dubere Terbinbung unb ohne. jebeg 
greifbare föefultat, he* laufen. Sie Diomanti! mirb bie beutfehen Tier* 
trinler, bie beutfehen Sfoedeffer unb bie beutfehen üUtufilfeftler mit 
Stolj auf ihre ßantg, gidhteg unb £egel§ erfüllen; bie Kanonen unb bie 
Taponnette aber merben mie bisher bom politifdhen Terftanbe unb bon energi* 
<hem ©illen commanbirt fein. 

Ser Sonntag ift ber Sag bei; allgemeinen Weiterleit für bie gan-je latbo* 
tifdhe ©eit, unb namentlich ift er eg fo für bie arbeitenben klaffen. Sie ganje 
ffteligiongpolitil beg ^atbolijilmuS erforbert ben beitem Sonntag, unb menn 
immer bie erften, um©enigeg ftrenger gefeierten gefttage auf Sonntage fallen, 
bann ift ihnen ein jmeiter geiertag beigegeben, an meldbem eingebolt mirb, 
um mag man an Suft unb ©enub am erften Sage etma §u lurj gefommen mar* 
Ser Tarifer Sonntag bor ber Karriere, berrömifdhe Sonntag jenfeitg ber Siber 
überbieten an Weiterleit unb unmittelbarer greube ben Sonntag jebeg anbern 
Tolleg — unb bodb bat ber Seutfdhe am Tarifer Sonntag unenblidj biel aug* 
jufefcen. ©arurn ? Ser Tarifer trinlt ©ein unb tan$ ©ancan — ber Seut* 
fdhe möchte lieber Tier unb feinen SSBalser haben! ga, menn idh beut in Tern* 
beim, ober in Saehfenbaufen, ober auf ber 2Jtaiuluft, ober in ber fdhonen 2lug* 
fubt, ober auf bem.SBalbfchlöfjdhen mdre! ruft er gerabe fo mitten unter ben bei* 
terften Sonntaggfreuben ber Tarifer aug, alg er fich hier inmitten beg ihn 
langmeilig brüdenben amerilanifdhen Sonntagg nach einem Tiergarten mit 
feiner fentimentalen Sanimuftl febnt. 

Mn Toll ift bei bem anberen bolllommen ju Waufe. ©ebt’g bem grem* 
ben noch fo gut, fo ift er mit bem neuen ©uten allein nicht sufrieben, er 
mödjte auch noch fcag alte ©ute ba$u haben. Ser Seutfdhe errafft fich an 


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bcn Sffiochentagen in Amerifa tuet mehr, all er ftch baheim erfchaffen lonnte — 
ift el geraffen, fo möchte er el am liebften fo geniehen, wie er el braunen ge* 
nojfen. Stal mehr Berbienen unb bal leister Erwerben an üffiochentagen 
lernt ftd? fc3&on leister ertragen — bie gertngfte Entbehrung am Sonntag oer* 
fd^merjt ftch nicht fo halb, Ein tüchtiger beutfcher 2Rann in Aew*?)orf — ich 
will ihm feine glüäliche Beobachtung nicht fteblen — fagte einft gu mir: Ser 
Unterfchieb swifchen einem Amerifaner unb einem Seutfchen beftebt barin, bah 
ber Amerifaner ein Spi&bube ift fo lange er erwirbt. 3ft er aber reich ge* 
worben, bann macht er gewöhnlich ben generöfeften Gebrauch von feinem ©elbe 
für greunbe unb für’! Allgemeine. Ser Seutfche bagegen ift in ber SRegel 
ehrlich fo lange er erwirbt. Seine Sumperei fangt gerabe bann an, wenn bie 
bei Anterifanerl aufhort. Ser reiche Seutfhe ift theilnahmlol für’l Aßge* 
meine; fein Beichthum förbert fein eblel Streben — er bient nur feinem 
eigenen 3<h. 3$ laffe el unent fliehen, in wie weit biel Bilb wohlgetroffen 
ift; eine Shatfache aber ift el, bah ber Seutfche nicht einen einzigen Schopf 
pen Bier am Sonntag ber ameritanifchen öffentlichen Bteinung opfern will, 
Währenb ber Amerifaner feinen föeichthum felbft für fpejififch beutfehe 
öffentliche Anftalten auf! Bereitwilligfte anbietet. Unter hunbert Beifpielen 
biefer Art erwähne ich nur ein einige!. 3$ hatte mir vor etwa brei 3ahren 
oorgefefct, einem ber populärften beutfehen Sichtergelehrten eine Bibliothel 
amerilanifcher Originalwerfe jum ©efchenf su machen. 3$ wenbete mich um 
Beiträge an Amerifaner unb Seutfche gleichmäßig. Bon etwa 400 Bänben 
erhielt ich 20 von Seutfchen; ben Beft gaben mir mit größter Bereitwilligfeil 
anterifanifche greunbe. 

Angefichtl ber unumftöhlichen Wahrheit, bah bie üon ber Hierarchie fo 
gefehlt benufcten Eyceffe ber Sinnelgenüffe ben freien ©ebrauch bei Berftan* 
bei hemmen, unb, jur ©ewohnheit ganzer Boiler geworben, ihre politifche Ent* 
Wicfelung verzögern, wenn nicht gar bollfommen unmöglich machen, fcheint mir 
bie B^paganba für Einführung bei beutfehen Sonntagl in Amerifa mit feinem 
Appenbiy bon ber hohen Eulturbebeutung bei Bierei ein unverantwortlicher 
Unfug su fein. Um biefe Bropaganba vor bem eigenen heften SBiffen plaufibel 
ju machen, hat man ben heitern beutfehen Sonntag mit ber beutfehen Bhüofophie 
in Sufammenhang gebracht, währenb man bal amerifanifche profeffionelle Sem* 
perenjwefen, allerbingl nur all^u fehr ba^u berechtigt, all Aulfchuh engherzig 
amerifanifch religiöfer Begriffe unb Anfdjauungen bejeichnete. Sah DJIäßigleit 
in Sinnelgenüffen ber größte Segen für biefel 2anb fein mühte, unb bah ntan 
barauf hin mit allen Mitteln ber 3nteüigens unb wahren Aufflärung arbeiten 
füllte, baoon fprtcht ber beutfehe Sonntagl*$ropaganbift niemall. Statt bah 
er Angefichtl ber begreiflichen SBirfunglloftgfeit bei religiöfen Btuderthunil auf 
Bereblung ber Sitten, auf ÜDtähigfeit unb Secenj in allen ©enüffen, biefe 
3wede aiif rein fittlichem unb oerftanbelmähigem SBege $u erreichen ftrebte, 
macht er lieber bie beutfehe Bbifofophie jum Secfmantel gerabe feiner sweifeHo* 
feften Schwächen. Sie Religion, bie ihm ben luftigen Sonntag gegeben, 



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möchte er loS fern; bie SHeligion, bie ben befcbaulidhen Sonntag einführt, 
ba&t er noch mehr. Ohne eine Autorität für feine ihm unentbehrlich gemorbe* 
nen (Semohnheiten fann er nid^t fein, unb ba begeht er benn bie unerhörte 
Blasphemie, bie beutfcbe Bhifofophie jum Vertreter beS beutfcben Sonntags unb 
feiner Bierbumtnelei gu machen. $ie amerifanifcbe SlrbeitStoodhe, gefrönt mit 
bem beutfcben Sonntag — toaS fann eS herrlicheres, geben! 

2)en beutfcben Sonntag erfüllt baS beutfdbe £rinfen*). Slmerifaner unb 
$eutf<be trinfen, unb beibe trinfen gerabe fo auf oetfcfjiebene SEBeife, als fte in 
allem Uebrigen oerfcbieben ftnb. 2)er ungemütliche, 3eit toie (Selb mettb* 
fcbäfcenbe Slmerifaner meif$ nichts oon bem 3*it unb (Selb raubenben £runf 
beS beutfcben. Sein trinfen bat abfcbeulicbe Seiten — aber baS beutfcbe 
trinfen bat fte in noch höherem (Srabe. $aS amerifanifcbe trinfen ift ftets 
ein inbioibueHeS Safter. GS führt bie §anb an ben Neöoloer, eS ftürgt ben 
üopf in’S Delirium. S)aS beutfcbe trinfen ift ein allgemeiner Unfug unb bat ein 
Bolf oon Bhiliflern erzeugt. 2)aS Xrinfen macht oiele Xaufenbe oon Slmerifanern 
gu NombieS, eS giebt bem gangen beutfcben Bolf feinen fcbmerfällig romantifdben 
(Srunbcbarafter. Beibe Golfer, mie alle Bölfer, trinfen um bie abgefpannten 
Heroen gu reigen, unb um ftd? fünftlicb in einen 3uftanb höherer Grregung gu 
berfefcen. 5)cr beutfcbe »ermenbet bagu größere Quantitäten bon glüffigfeit, 
auf bie ber beraufebenbe Sllfohol bertheilt ift; ber Slmerifaner trinft fein Quan* 
tum »Ifobol in concentrirterer gorm. 5)aher ift bie Seit, bie ber Slmerifaner 
bertrinft, unbebeutenb gegen bie bom Seutfd&en trinfenb confumirte Seit. 2)arum 
ruinirt audb baS amerifanifcbe trinfen ben Srinfer rafdb; baS beutfcbe trinfen 
oerftmpelt ben Printer fteber. S)arum erfdbeint bem Slmerifaner felbft fein eige¬ 
ne^ trinfen fo abfebeulieb, bafj eS ihn febr häufig gur plöfclicben SlbfteUung 
bringt. $>aS beutfcbe trinfen ift fdbeinbar fo unfcbulbig, ja eS gilt für eine 
fo tief im 3)eutf<btbum tourgelnbe Sugenb, baf* ftcb’S faum jemals Giner abgu* 
getoöbnen für erfpriefelidh halt. Beim Slmerifaner f<$ jebeSmal ein Gycefc, ift 
eS beim beutfcben ein fogar häufig mit Bebanterie begleiteter fpftematifdher 
(Sebraudb. 2)aS amerifanifcbe trinfen ift meift ein Safter, baS beutfcbe £rin 
fen ift ein Attribut beS beutfcben SebenS. gür ben Grften ftets ein ifolirter, 
toenn auch ftdh nur allgu oft mieberholenber Slft, ift eS bei bem Seiten ein gum 
Gnfentble feiner Nationalität unb feines gefeüigen SebenS gehöriger (Srunbgug. 
2)er beutfcbe uerbinbet baS trinfen mo möglich mit SlUem — er hat einen ent* 
febiebenen §ang für baS SBirthf^aftSgefcbdft. Gr trinft mo möglich beim $ur* 
nen, beim £efen, beim 2Kufkiren unb beim Bolitifiren — j e b e beutfcbe Sin* 
ftalt in Slmerifa, bei ber nicht getrunfen mirb, gerfäHt. S)en freien Sonntag 
gang ober gum größten $heil gu oertrinfen — bieS ift ber wahrhaftige gnhalt 
beS ber Sß^ilofophie in bie Schuhe gefabenen unb bie Gultur beförbernben 


*) J)a$ gilt aber bo<b nur für Slmerifa, unb e« mürbe anberS bamit fein memt, mie in 
Deutfölanb, anbere, eblere (Senüffe eneübbar mären, maS eben ber puritaniföe Sonntag rer* 
binbert 

2>. 9t. 


m 


/Go Ic 


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beutfchen (Sonntags. Sie philofophifchen Spficme, bie hiftorifchen Arbeiten, 
bie groben öffentlichen Sehranftalten, bie Scbaufpielhäufer, bie Kunftafabemieen, 
bie Sternwarten, bie öffentlichen ©ibliothefen u. f. w., bie unfere fünf bis 
fed&S Millionen jdhlenbe beutfche 33et>ölferung in ben Ser. Staaten hergeftellt 
hat, fmb ber fprechenbfte beweis für bie Eultur beförbernbe SEirtung beS beut* 
fchen Sonntags mit feinem obligaten Sierconfum. 2ßaS hat bagegen bec 
langweilige SlmeritaniSmuS unb ber noch biel langweiligere Puritanismus 
aufeuweifen? Nichts, gar nichts, als ihren unerträglich langweiligen Sonntag! 

üffiahrlich, ich bin ber Iefcte ÜDenfch auf bem Erbboben, ber irgenb einem 
Schatten bon gntoleranj baS SBort rebete. 2öenn aber $err Sancroft mit 
gug baS Verbrechen fectirerifcher gntoleranj bei ben Puritanern burch bie 
JBafter, welche bie 2luSf<hweifung unter ben Eaoalieren erzeugte, für aufgewogen 
halt, unb wenn er bann bie ÜDotioe, Veftrebungen unb Defultate Seiber mit 
einanber bergleicht, unb ben Puritanern baS grobe 2ob als Ueberfdhub er* 
thcilen nutf*, bah fte bie ©rohe biefeS Volles auf bem ©runbfafr allgemeiner 
Erziehung aufgebaut, unb bab fte in bie ^erjen ber 2Jtenf<hen bie unjerftör* 
baren ©runbfäfce bemofratifcber Freiheit eingepflanjt haben, — bann müffen 
mir bie Propaganbiften beS beutfchen Sonntags erft mit gan$ anberen Deful* 
taten, als ben bisher erhielten, entgegenfommen, ehe ich ju ihrem Vortheil 
baS Spftern oerbamme, baS neben folcher ftaunlichen Schöpfung, wie es biefe 
Union ift, aderbingS auch ben mir felbft antipathifchen amerifanifchen Sonntag 
heroorgebracht hat. 

Sab bte beutfche Pbilofopbie mit bem beutfchen Sonntag in feinem nähe* 
ren Verwanbtfchaftsoerhältnih fteht, als bab bie Herren Stelling, gichte, Kant 
unb £egel am Sonntag bielleicht einmal in einem Viergarten gewefen ftnb, 
baS liegt auf ber £anb. Ser beutfche Sonntag ift immer noch ein Ueberbleibfel 
oom religiöfen Sonntag unb burchauS fein Probuft ber Philofophie, beS gn* 
bifferentiSmuS ober ber greibenferei; ja ber heitere Sonntag ift orthobof fatho* 
lifch geblieben, trofc Philofophie unb Deformation; er wirb bielleicht noch ein 
gahrtaufenb lang bie fchönfte Erinnerung an eine Deligion bleiben, bie neben 
fo bielen grrthümern hoch ben großen Vorzug hatte, bah fte ben natürlichen 
Srieb beS Dtenfchen jur greube unb surn ©enufs, wenn fte ihn auch auSbeutete, 
boch nicht in Sentimentalität berheuchelte. Ser fatholifche ©laube hat ftarfe 
2Jlenf<heu erzeugt — ftarf im £errf<hen nnb ftarf im Salben; ftarf im©eniehen 
unb im Entbehren; ftarf in ber greube unb ftarf in ber Ergebung. Sie 
Schmachtlappen, bie SEeltfchmeqler, bie Kopfhänger unb bie Sentimentalen, 
bie Siberal* unb bie Dabicalthuer fmb anberen, neueren UrfprungS. Dur bie 
Slrmen im ©eifte, bie ba meinen, um ein rechter gortfKrittler ju fein, bürfe 
man fein gutes £aar am KatholijiSmuS laffen, nur Sie fmb gezwungen, wenn 
fie bem Vier am Sonntag baS l i b er a I e Dläntelchen umhängen, ju behaup* 
ten, bah bie beutfche Philofophie ben beutfchen Sonntag gefchaffen habe. Dur 
Siejenigen, benen es angeboren unb anerjogen ift, oor gemanbem $u friechen, 
unb bie baher baS SBefen ber Semofratie auch nur als ein Kriechen bor ber 


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SKajeftdt beS BolleS begreifen, unb bie barum gerabe feinen fchlechteften ©igen* 
fchaften, weil fte am oerbreitetften ftnb, am meiften fcbmeic&eln, nur diejenigen 
muffen bie permanens beS drinfenS bureb irgenb einen ÜKimbuS oerherrlichen; 
unb ba man gunt StimbuS am beften baSjenige oerwenbet, wooon bie SBenig* 
ften etwas oerftehen, fo lleiben unfere beutfehen demagogen baS drinlen am 
Sonntag in baS ©ewanb ber beutfehen 2Ber nicht mehr ftart im 

©lauben ift, ber follte ftart im deuten fein — gum ftarten deuten gehört ein 
freier ©eijt — unb frei ift allein ber mäßige üDtenfch* die Bierbumntelei pre* 
bigen unb babei ben gortfehritt unb bie Bhilofophie im Btunbe führen, ift wohl 
bie bgroctfte ©attung üon Heuchelei, bie eS giebt. 

Sinb bie ßategorieen non gut unb böfe auf große ©haraltergüge irgenb 
eines Voltes überhaupt anguwenben, fo gehört offenbar baS ftereotppe drinlen 
ober baS ©ewohnheit^trinlen bei a 11 e n Böllern gu ben f <h l e ch t e n Singe* 
Wohnungen. 3<h tebe hi« nicht pon bem drunte, ber angeblich nur aus ©e* 
funbheitSrüdftchten genommen wirb, noch bon ben böfen Söirlungen beS ©e* 
mohnheitStrinten, baS ft<h auch nicht einen einzigen dag in ber SBodje nehmen 
laffen will. 3<h tann unbefchabet meines SlrgumenteS gugeben, bah ße bei 
weitem in bem 3Jtaße, wie bieS religtöfe 2KäßtgteitSprebiger behaupten, nicht 
eyiftiren. Offenbar aber haben bie Böller neben bem gewohnheitsmäßigen 
©enuß altoholhaltiger ©etränfe auch noch anbere charaltertftifehe Befchäftigun* 
gen ober driebe, unb unter biefen giebt eS beffere als baS ©ewohnheitstrinten. 
So ftnb g. B. bei bem beutfehen Bolle ber aoenturöfe drieb feiner SluSbreitqxg 
über ben ganzen ©rbball, bie ©ewöhnung an fritifdhe Beobachtung, ber £ang 
gu ©enüffen tief finniger Slrt, wie gur 2)tuftl unb gur 2ftetaphpftl, baS eigen* 
thümlich rafche Berfchmelgen mit fremben (Elementen, baS fchnelle ©rlernen 
anberer Sprachen u. f. w. — SllleS ©igenfehaften, bie offenbar weit über bem 
gewohnheitsmäßigen drinten flehen; unb bennoch gilt gerabe hier bie Berthei* 
bigung oeS BierhauSlebenS als ootlfommen gleichbebeutenb mit ber BertheibU 
gung beS tiefften beutfehen SBefenS. ©ine beutfehe wiffenfchaftliche Slnftalt mag 
aus ©leichgültigteit gegen höheres Streben untergehen — ein Socal^tem non 
fe<h£ 3eilen umfaßt ben gangen Schmerg, ben ein beutfeher 3ournalhauterer 
barüber empfinbet; aber bie geringfte poligetliche Ueberwachung ober Befchrän* 
lung eines BierhaufeS entloclt ihm Monate lang Ströme inbignirten greiheitS* 
gefühte/ Stoßfeufger philofophifcher ßränlung. Um ben rabüalthuerißhen 3ei* 
tungShauterer concentrirt fleh fcaS gange f o c i a l e Sehen beS deutfchthumS im 

BierhauS_unumfehränfte £errfchaft beS BierS auch am Sonntag ift 

Ihm baS ^öchfte, was er lennt. SechShunbert, wenn nicht daufenb beutfehe 
Bierhäufer auf fechSgig daufenb beutfehe ©inwohner — baS ift fein ©lement. 
2Bo biefeS glorreiche Berhältniß befiehl, ba oergichtet er felbft auf bie leifefte 
Slnfpielung, baß biefe 60,000 deutfeben nicht eine eingige gute höhere Knaben* 
ober döchter*S<hule, feine eingige wiffenfchaftliche Slnftalt, lein refpeltableS 
dheater, leine Bibliothel, lein §ofpital, ja nicht einmal einen eingigen anftän* 
bigen ©afthof haben l Qm dafein oon 1000 Bierlolalen ift ihm beutfehe ©e* 



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lebrfamfeit unb ^^ilofo^te, beutle ßunft unb beutfche ©siehung genügenb 
reprdfentirt; — bafc bic beutle $olittf bort am fünften, am liberalen, am 
entfdhiebenften unb bemufsteften rcprdfentirt ijt, baran gu sweifeln, gilt ibm ge* 
rabeju all «godhberruth am Deutfchthum unb an ber Union. 

3um ©lüd !ennen bic politifdhen lauterer ben mastigen ©nflufj bcr 
beutfchen ©nwanberung auf bic Kntwicfelung bei anterifanifdhen dolflcharaf* 
terl biel $u wenig; — ftc mürben ibn ohne 3wcifel fhwer geführten, wenn fte 
feine Wahrhaftigen ©emente jum ©egenftanb ihrer ^hrafenbrefdherei mach* 
ten. Die blofje Slnwefenheit eine! Millionen sahlenben dolflftammel, beffen 
praftifdhe Dhätigfeit überall ba! Dahe, ba! Sichere unb ba! bergleidhlmeife 
kleine borsiebt, beffen Genien bagegen ftch abfolut gar feine ©renjen gefallen 
labt, felbft bann nicht, wenn fte fo weit hinau! geftedEt ftnb, bafj fte noch für 
Sahrhunberte einen hinlänglich weiten Spielraum für jebe ©eiftelthdtigfeit 
bieten, unter einem dolfe, bal, nahezu gleichgültig gegen baldrmorbene, 
für feine Dhätigfeit bie größtmöglichen Kombinationen fucht, ftch in feinem Denfen 
aber ftetl sufammenfaßt—bie! allein ift, abgefehen bon ben ftch alltäglich bie* 
tenben, beiben dolflftdmmen ununterbrodhen aufgeswungenen dergleichen ihrer 
derfchiebenheiten, unenblidb wirffamer, al! ber unaufhörliche dorhalt bei beut* 
fcben Sonntag!, in welchem bal fociale beutfche SBefen ftch &u concentriren 
borgiebt. Der beutfche ©efchaftlmann unb ber beutfche Slderbauer, ber beutfche 
Slrst unb ber beutfche Ingenieur, wirten abftchtllo! unb inbirett wefentlicher 
unb taufenbmal wohlthdtiger auf ben Dnterifanilmul, all alle! Sonftige 
jufammengenommen. 2Jtit allem U e b r i g e n wirft bal Deutfdhthum faft 
aulfchließlich nur auf f i <h felbft surücf. Die Deutfdhen in Slmerifa 
haben einen (Eifer unb eine «gartnädfigfeit su ©unften gewiffer national*ameri* 
fanifcher Dichtungen bewiefen, welche bie beutfche Dationgur Dutdhfefcung ihrer 
eigenen Sache niemal! finbet, — ihr biretter, gewollter unb auf biefe Söeife 
erzielter (Einflug auf bal Hmerifanertbum labt ftch beim beften Söiden faurn 
in fdhwachen Spuren nadbmetfen. dei bern dewoßnen beffelben Sanbel ift ein 
unaufhörliche! Sneinanberftrömen bon ©eift unb Sittlichfeit, gerabe weil e! 
burch ein unenblich reiche! unb feine! ©edber gefehlt, abfolut unaulbleib* 
lieh — ber pretentiöfe Strom bon Deutfchthümelei unb Deutfchbitfthuerei, ber 
ftdh bon unferen wirflidhen unb gebrudften dierhdufern au! über benSlmerifanil* 
mul ergiegt, berfehlt feine beabftdhtigte SBirfung burdhaul. 2In einer falben 
SKiUion bon Deprdfentanten ber beutfchen doßeme möchte bal Slmerifanerthum 
biedeidht berften — ber au! feinem Duin für bie 2ßelt entfpringenbe dortheil 
labt ftdh »ohl bor ber $anb noch nicht bilcutiren; eine nach fielen dtiHionen 
jdhlenbe beutfche ©nwanberung wirb ben Slmerifanilmu! burch ihre Elnwefen* 
heit unb burch ihren Untergang*) mit ©ementen bon Snnerlidhfeit unb Stabili* 
tat befruchten, wie fte beffer gewig fein anbere! dolf liefern fönnte. 

©erabe fo wie ber luftige beutfche Sonntag ein Defultat ber bie Sinnen* 
genüffe aulnu&enben fatholifdhen Sßolitif ift, gerabe fo ift ber befcbauliche 

*) Da proteftirett Wir. D. D# 




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Sonntag beS 9lmerifanerS ein Sftefuttat beS ernften, fchtoerfälligen fßroteftan* 
tiSmuS. SBeibe fielen auf religibfem 93oben, beibe haben ft<h non ihrem reit** 
giofen ©harafter gu befreien, unb beibe merben ft<h in einem üerftänbigeren 
unb barum fittlidberen unb freubigeren Ruhetag oerfohnen. Dafc ber befchau* 
li(he Sonntag mit all feiner uns Deutfche anftarrenben Sangenmeile für Slmerita 
uneublich nüfclicber mar, als eS bet luftige Sonntag jemals fürDeutfchlanb ge* 
mefen ift, unb als er eS jemals für biefeS £anb fein mirb, barüber gu fprechen 
erlaubt mir wohl ber Herausgeber biefer 3*ftf$rift ein anbereS 9M. So 
lange beibe auf Diftanj neben einanbet beftehen, pnb beibe Sonntage fehr 
wohl erträglich. 2Bo fte ft<h aber im $ampf begegnen, fei cS, bafe baS 23ier* 
hauSgetöfe neben einer Kirche baS religiofe (Meier überbieten will, ober fei eS, 
ba& fte in ber $teffe ober gar in gefe|gebenben ßörperfhaften aufeinanber fto*» 
feen — ber ©ne'täppifch unb lügnerifch auf beutfehe ^hilofophie pochenb, ber 
SInbere feine 93löfeen mit bogmatifchen Sumpen bebetfenb, ba erfcheinen Söeibe 
als bie efelhafteften Gultur*ßarrifaturen, bie jemals ihre Sanken gefreugt. gür 
Slmetila mar ber ^uritaniSmuS einmal bie gmeämäfeigfte Sorialpolitif. DaS 
2anb ift ihm nahezu entwarfen. 2Behe, menn auS bem ^uritaniSmuS heraus 
ber 2Beg in irgenb ein Deutfchthum unb nicht gu allgemein menfehlichen Sehens* 
formen unb gu allgemein menfchlicher greiheit, Gilbung unb ©efittung führte!*) 


£)tr Utcara0tta-®ratt(it**) 

£ourt(üf<h*ethno 0 raphiWe Sfi&en oon t&eobor itircb&off. 

I- 

2Ber non San granciSco nach ben Staaten reifen will—“The States”, 
mie man in ben (Mblanben bie oftlichen Staaten ber Union nennt, — bem 
liegen brei ateiferouten offen: bie eine über bie „$lainS" mit ben Over-Land- 
Stages, unb bie beiben anbern gur See, über Manama ober Nicaragua. 

w 2Ber bie 2Bahl hat, ber hat bie Cual!" Die Wahrheit biefeS alten 
Sprichwortes leuchtete auch mir ein, als ich int ÜDtonat 9tooember 1855 bie SEBahl 
gmifchen oben ermahnten brei IHeiferouten hatte, um non ber ©olbftabt am 
Stillen ühteer nach ben Staaten gu reifen, mohin bringenbe ©efchäftSangele* 
genheiten mich riefen. 


*) 3n ber Selbflfritif wirb letzter gu wenig als gu oiel geleiftet. Diefe (Erwägung 
oeranlafjte unS gur Aufnahme eines SfrtifelS, mit bem mir nicht burchweg einoerjtanben finb, 
nnb ber neben bem trielen SeherjigenSwerthen, baS er enthält, unferer flnfldht nach ht manchen 
Stücfen gu weit geht 2>. at. 


**) Die in biefer Sffgge angeführten fiatifttfehen nnb geographifehen Stetigen finb einem 
gelegenen Sßerfe über (EentraUSimerifa entnommen: 

The States of Central America by E. G. Squler, 

ein ffierf, baS ich 3ebem, ber ftch über biefe Sänber gu unterrichten wünfcH empfehlen !ann. 


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©cm batte id? bie SHcifc über Sanb gemalt. 2Rit febnaubenben Sedjfet* 
gefpannen über bie breiten Sierra! ju bonnern unb bal Silber*Dpbir bei 
neunzehnten 3|abrbunbert! mie im Sturmtoinb zu burdhfliegen; bie mptbenbaf* 
ten 2)omänen ber ^eiligen zu betreten; über ben Söolfen auf bem gelfen*[Rü(f* 
grat be! ©ontinent! ju fteben unb mie eine milbe 3agb über bie enblofen 6a* 
bannen be! gro&en SBeften! babin §u braufen — mabrlidj, eine äufeerft berfüb* 
rerifdje SRetferoute! 

Slber ber ©ebante einer zmei SBocben lang ununterbrochen bauernben Stage* 
SReife batte für mich menig ©inlabenbel. Soeben erft batte id? fol<b eine er* 
tnübenbe [Reife bon über adbtbunbert teilen zurüdgelegt, bie mi<b in fedbl 
Sagen unb [Rächten bon Oregon nach San grancilco gebraut, ©ine SBieber* 
bolung ber babei aulgeftanbenen Strapazen in einer berbefferten Auflage bon 
etlichen Saufenb teilen fchi$n mir burchau! nicht münfchenlmertb, melbalb t<b 
für bielmal auf bal Vergnügen ber romantifdpen [Reife über ben ©ontinent 
belichtete. 

Von ben zmei Seerouten mar mir bie über ben 3ftbmul bon Manama be* 
reit! belannt, unb ba ich oft fchon bon ber munberboden Scenerie bon [Ricara* 
gua gehört batte, fo entfcblofj ich mich julept, bie £inie ber „Nicaragua Sranfit 
©ompagnie", bie fogenannte *0ppofttion!*£inie", z u mahlen. 2Ran batte mich 
allerbingl bor ben Vefchmerlichleiten bei loftfpieligen [Ricaragua*Sranfttl ge* 
toamt, auf bem bie ^affagiere ftd) ftlbft belöftigen müßten, unb oft fchon batte 
i(b gehört, bafs [Reifenbe modhenlang bort aufgebalten morben unb bielerlei 
Unannebtnlichfeiten aulgefefct gemefen mären, ehe fte ben Slranftt batten be* 
merlftedigen tonnen; — aber i(b la! in ben San grancilco Bähungen, bie 
©ompagnie mürbe für’! 2öobl ber Vaffagiere mufterbaft forgen, unb ber San 
3uan glufj fei boU bon 2Baffer, fo ba& untermegl bur<hau£ gar tein Stufent* 
halt zu befür(bten märe. innerhalb &ierunbzman 3 ig Stunben mürbe ber Sranftt 
gemalt unb — “no extra Charge for board on the Isthmus.” 

©enug, i(b badjte, ich tönnte bie [Reife über [Nicaragua fo gut mie bie 
anbern ftebenbunbert Vaffagiere, melcbe biefe £inie gemäblt, riltiren, zahlte ber 
„©entral American Sranftt ©ompagnie" ©inbunbert unb fündig $oüarl in 
©olb für ben beften Vlafc auf ihrem beften Dampfer, ber ,America", unb 
machte mich reifefertig. 

©I mar ber 13. [Robember 1865, all unfer gute! Sdbiff „America", 
mel(bel bor ber Abfahrt noch bon einigen gelbgierigen ©laubigem ber fid? faft 
fortmäbrenb in pecuniären Verlegenheiten befinbenben Sranftt*©ompagnie mit 
Vefcblag belegt mar unb nur mit 2Rübe eine flleinigleit bon neunzehn Saufenb 
Dollar! gezahlt batte, um freien Hfyug zu erhalten, — ber ©olbftabt ein £ebe* 
mobl fagte unb unter Dem 3uruf per am [IRiffton Street 2Bbarf bicht gebrdngten 
Sufdbauer langfam in bie offene Vai binaulfubr. [Radjbem färamtlicbe Vaffa* 
giere noch einer genauen Sicfet*[Rebifton untermorfen morben, bei melier ©e* 
legenbeit, mie biefel auf ben ©alifornia*$)ampfcrn ni(bt! Seltene! ift, mehrere 
ticfetlofe Subjtfte, melche bie [Reife nach ben Staaten umfonft $u machen beab* 


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fldhtigten, per Schub in eines ber uns begleitenben 53oote tranSportirt würben; 
nachbem mehrere an 53crb beftnbliche Polijiften fämmtliche Paffagier®Pbpfio 9 tf 
itomieen einer fritifchen Elimination unterworfen Ratten, um &u fehen, ob ft<h 
nicht ©algentanbibaten unter uns befänben, welche fid? ber fpejiellen gürforge 
bon Oncle Sam ju entziehen wünfchten, unb nachbem ber Spotfe uns gfüdlich 
burch baS gan 3 in -Hebel gefüllte golbene £hor geleitet: — verlieben uns 
ticfetlofe Paffagiere unb Sootfe, unb wir brauften, uns felbft überlaffen, luftig 
gen Sübert, bem Sropenfreife entgegeneilenb. 

$a eS nicht ber 3 tt>ecf biefer Sfi 33 e ift, eine Sefdjreibung unferer Heife 
bon San granciSco nach Eentral®2lmerit« gu geben, fo will ich nur !uq erwäh* 
nen, bab biefelbe im ^gemeinen eine recht angenehme, wenn auch febr lang® 
fame war. SegtereS hatte feine Urfadje barin, bab unfere 2)ampffeffel bon 
2llterSf<hwd<he litten unb nicht biel Sampfbrud auShalten fonnten, weshalb 
Wir 3 * 55. gezwungen waren, auf ber $öhe beS EapS EorrienteS einen halben 
Sag ftiße ju liegen, bamit eine fdjabhafte Stelle an einem ber £)ampfteffel aus® 
gebejfert werben fönne. 

Sonft ftörte Hi<htS baS Slngenehme ber Seereife, beren ©emüthlichfeit auf 
ben Poftbampfent beS Stillen 2JteereS fprichwortlich geworben ift. (Sine Schau® 
fpielergefeßfchaft, bie fid? an 53orb befanb, unterhielt uns mit mimifchen $or® 
ftellungen unb Eonccrten; bei Sage hatten wir baS immer wedjifelnbe Schau® 
fpiel ber wollengelronten Söergtette ber Eorbilleren, welche fxdh majeftätifch su 
unferer Sinten in ben blauen Slether thürmte; auf bem £urrican®$ed würbe, 
al§ wir in wärmere SBreiten tarnen, faft jeben Slbenb beim hellem Sichte beS 
SMmonbS getagt; bie lauen £ropennä<hte waren himmlifch—Suna fegelte 
in ftlbemer Fracht in ben blauen liefen beS unbewölften «jpimmels, unb malte 
leuchtenbe Pfabe über bie buntlen gluthen beS frieblichen Stillen 9fteereS, baS 
bie glanten unfereS feuerfchnaubenben HennerS mit golbenen gunten umfpielte, 
inbeb unterirbifche geuer blifeenbe Sichter an ben fernften Gipfeln beS in $un® 
lei gehüllten mejitanifchen §ochgebirgS anjünbeten. 

21m frühen SHorgen beS 27. HobemberS 1865 liefen wir, nach einer 
gahrt oon 2500 Seemeilen, in bie Heine unb offene, bon walbgefrönten gelfen 
umgebene 33u<ht bon San guan (§uan) bei Sur ein, unb anterten inmitten 
betfelben. gebermann an 53orb war bor 2Wem begierig, su erfahren, ob ber 
an ber Oftfeite beS SfthmuS erwartete Dampfer, ber uns bon Ereptown nach 
Hew®?)orf bringen follte, bereits angelangt fei; eS war jeboch unmöglich, irgenb 
eine genaue 5luStunft hierüber ju erhalten. 

Um baS Schiff fchwärmte eine ÜJtenge bon Huberbooten, worin halb ent® 
fleibete Eingeborene uns mit Eefchrei unb lebhaften Pantomimen ju Überreben 
fuebten, uns für einen halben Dollar bie Perfon an’S Sanb rubern su laffen. 
S)er SBunfch, halb einmal wieber ben gub auf feften 33oben su fegen, war ju 
ftart, als bab wir ben Slufforberungen ber Eingebornen lange hatten miberfte, 
hen tonnen, obwohl unfer Eapitdn berftcherte, bab bie Seichter beS Dampfers 
uns binnen Jtuqem unentgeltlich an’S Sanb bringen würben. ES währte 



522 


baher nicht lange, bis ein großer Sheil her ^affagiere, worunter auch ich, ftch 
mit ihrem Hanbgepäd an*S Ufer rubem lieb, um ben unbefannten Hafenort 
etwas näher in Slugenfchein ju nehmen* 

San guan bei Sur berbient faum ben tarnen einer Stabt, unb ift weiter 
nichts als ein 2anbungS*Sepot ber Sranftt*Eompagnie, in beffen bie 
Eingeborenen eine 2tn$ahl bon offenen, mit Ochfenfellen bebedten Suben unb 
Faradten, für welche ber Utame Raufer in gut wäre, errietet haben, um ba* 
felbft bon ben Surchreifenben für Sedereien, ©etränfe, Eigarrett, ^uriofttäten 
unb bergleidhen mehr möglichft biete SimeS unb Halbbollarftude ju er* 
haften. Son Slmerilanern unb Seutfchen ftnb mehrere Rotels nnb Stores 
erbaut worben, welche recht gute ©efchäfte machen foUen. Wie es möglich ift, 
in einem folgen Pafce, ber nur ein Wal im Wonat eine Scrbinbung mit ber 
äufjeren cioilifirten Welt hat, eine jufriebene Ejiftenj ju führen, ift ein pfpcho* 
logifcheS Ulätbfet. Sa ben in San guan bei Sur wohnenben ?)anleeS unb 
Seutfchen ber $(afc jeboch in gefallen fcheint unb fte Utiemanbem etwas in 
2eibe thun, fo hat natürlich auch üJiiemanb ein Utecht, etwas gegen ihr Hierfein 
einjuwenben. 

3ur 3eit unferer Slnlunft in San guan waren nur wenige Eingeborene 
im Ort* Sie Wehqahl berfelben waren mit ihren JDtaulefeln unb gubrmerfen 
nach ber jrnölf englifche teilen bon San guan entfernten Stabt Virgin Sap 
gezogen, wo fie auf bie ^affagiere beS Utew^orter SampferS warteten, um bie* 
felben über 2anb nach 6an guan bei Sur ju bringen* 

Sie 3^it bis jur Ulnlunft ber ßarabane non Virgin Sap, welche unfer 
Eapitän per Selegraph nach San guan beorbert, befrachte ich jum größten 
Shcil auf ber Seranba beS Ealifornia Haufe, an beffen ©iebel ein Schilb mit 
ben Worten „ScutfdjeS ©afthauS" parabirte. Unfer Wirth, Wr. ©reen, wie 
er ftch fchrieb — wahrfcheinlich ein Herr ©rün — fchien ein Unioerfalgenie 
unb ein ächtet Weltbürger unb feineSwegS ein ©rüner $u fein* Seit geraumer 
Seit war er hier anfäffig unb führte ein einträgliches ©efchäft* 3ur 3*it ber 
glibuftier*Eypebition hatte ihm ber “Grey-eyed man of destiny”, wie 
Herr Walter ftch gern nennen lieb, faft all fein bewegliches Hab unb ©ut ab* 
genommen unb bafür Schapfcheine auf ben neu etablirten Uticatagua*Sflaocn* 
ftaat gegeben. Unfer SanbSmann, ber ©ott banfte, bamals baS nadte Sehen 
gerettet ju haben, fcheint feine gübuftier*Serlufte burch berboppelte Energie fo 
ziemlich wieber erfefct in haben unb m a ch t ©elb, wie er mir erzählte. Seine 
gamilie lebt jur &it in Utew^ort. Er hat ben Sibelfpruch: „ES ift nicht gut, 
böb man allein fei", jeboch wohl beherzigt, inbem er eine pompös auSfehenbe 
(Selbe, mit tohlfchmarjem Haar, hohem Sufcn unb ©luth fchiebenben Slugen 
als Haushälterin genommen, welche mit ihm bie Einfamteit theilt unb ihm bie 
Trennung bon feiner gamilie weniger bitter erfcheinen läbt. 

Sie SluSfnht bon ber Seranba meines Hotels war recht routantifch. ©e* 
tabe bor mir lag bie halbmonbförmige Sucht bon San guan mit ihren felftgen, 
walbgetrönten Ufern, hinter ihr baS Stille Ulteer, $um tiefblauen Himmel 




riv, 


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gleichfam emporfteigenb; inmitten bet Vucht unfer gute§ Schiff „Slmerica" mit 
bem Sternenbanner am hohen 2Tlaft. Seichte föuberboote fuhren gmifchen Schiff 
unb Ufer hin unb her, mel<he§ bie Pom offenen DJleer hereinrotlenben langfchmel® 
lenben ÜEBogen jebe halbe Minute mit einem Sdhaumftange mie mit Silber um* 
gürteten, mdhrenb ba§ Bonnern ber Vranbung burch bie ftille Stacht erbitterte. Slm 
Stranbe hin unb her mogte ba3 (betriebe ber ^affagiere unb Gingebornen, unb 
mitunter mifdhten pch bie £öne fröhlichen ©efangeS mit bem . Bonnern ber 
nahen Vranbung. 

SBdhrenb ich, eine £aoanna*Gigarre bantpfenb, auf ber Veranba be§ 
Rotels meine Siefta hielt, marb e3 am Ufer immer lebenbiger. 5)ie meiften 
unferer ^affagiere befanben ftdb am Sanbe, unb auch unfer Gepdd mar ange® 
langt unb in ben Schuppen ber Gompagnie untergebracht. Verein fprengte 
bie Sloantgarbe ber 2ftaulefeI®ßaraoane, non Virgin 33ap fonttnenb, im ge** 
ftredteu Gaßopp in bie Stabt unb mürbe oon ben Sßaffagieren mit jubelnbem 
£urrah begrübt. 

Sluf bem Schiffe maren mir oor biefen gelblid^btaunen SWaulefeltreibern 
gemarnt morben, melche auf alle nur erbentliche SBeife bon ben ^ajfagieren 
©elb erpreffen mürben. G3 mürbe bor unferer Slbfahrt Pom Schiffe befannt 
gemacht, bafj mau jetem ^affagier am Sanbe ein £idet geben mürbe, melcheä 
ihn je nach feiner Söahl gu einem $lafc in einem ber guhrmerfe ober gu einem 
Stitt per Gfel ober $ 0(3 nach Virgin Vap berechtige, gebe Gjtra®@elbforberung 
fei Schminbel unb bem Vertrage ber Sranftt* Gompagnie mit ben Gingebornen 
gumiber. 

Um mir möglichft fehltet! einen guten $lafc gu oerfchaffen, begab ich mich 
nach ber $idet®0ffice, gerabe aU ba3 ®rö3 ber 2ßuleteer3 unb guhrleute mit 
ber Stofj® unb SJtaulefelarmee in bie Stabt rüdte. $affagiere, melche bereite 
pon ber Office gurüdfamen, fuchten fid? bie beften SLhiere aus unb boten ihre 
SidetS ben Gingebornen aß 3ahlung an, melche biefe mit Verachtung gurüd® 
miefen, unb einen ober gmei £>ottar§ ober noch mehr 3ugahlung Perlangten. 
S)er Samt, ba3 ©efchtei unb bie gornigen Geftitulationen fomohl Pon SMeteerS 
als ben erbosten Galiforniern maren fehr erheiternb. £in unb mieber fpreng® 
ten SJkjfagiere burch’3 ©ebrdnge, melche fuh einen Gfel erobert hatten, ber 
hinten unb Pom au^fchlug, rechte unb IxnU nach ben gu&gdngern fchnappte 
unb mit flach an’3 $aupt gelegten Ohren aufierft feinbfelig auäfah. 

2)ie Gfc® unb Xrinfbuben machten brillante ®ef<hafte. -Keger unb Ginge® 
borne beiberlei ©efchledptS — fomohl tarnen als Herren, Sille Gigarren rau® 
chenb — maren bie Veftfcer biefer Veftaurationen, mo ben $ajfagieren für 
bartet ®elb bie $eticateffen Gentral®Slmerila$ verabreicht mürben, meiftenä 
unnennbare Gonfitüren, Kaffee, Ghocolabe, Gier unb braune buchen, 2Ber 
ßuriofttdten als Slnbenfen an San guan gu taufen münfehte, ber hatte bie 
SBahl gmifchen ßalabafchen, melche mit blumigem Schnifcmerf Pergiert maren, 
hmrauf pch bie gnbuftrie ber Gingeborenen 3 U befchrdnfcn febien, unb bunten 
Vtufcheln. 


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524 


©tit großer ©tübe arbeitete i$ mich butcb’S ©ebränge an bie Office bet 
©ranfteGompagnie unb »erraffte mir baS äiemticfe nußfofe Mietet, worauf ich 
mich nach bem ©Saaren=S<buppen begab, um nacbjufeben, ob mein ©epäd 
gtüdiieb angetangt fei. ©a bie Gompagnie fub nur für floffer »erantmortlicb 
etllärt batte, bei benen fünfjig ©funb ©emiebt frei beförbert mürben, ba jebn 
GentS in tlingenber ©tünje für jebeS ©funb Uebergemicbt gejablt werben 
mufften, unb ^anbloffer, ©tantelfäde unb dbnli<be Heinere badete obne Stuf* 
ficht im wilben ©urdjeinanber an’S fianb tranSportirt würben, fo war icb be= 
gierig, junäcbft baS ©cßidfal meines herrenlos umbermanbernben Balife ju 
erfahren. 

Hm SSaarenfcbuppen ftanb eine ©btbeilung »on ©icaragua«8inientruppen 
aufmarfebirt, »on benen ber Flügelmann, eine impofante Grfcbeinung in 
febmußigen, bis über bie ßniee aufgerollten Seinmanbbofen, welche bie <boco« 
labefarbenen »eine in ©atura geigten, in ©cbmalbenfrad, |>idorpbemb unb 
©trobbut unb mit bampfenber Gigarre im ©tunbe, mir mit tübnem ©riff baS 
Baponnett feine! alten FeuetfcbloßgemebrS entgegenbielt unb mich grimmigen 
BlidS in mir un»erftdnbli<bem ©panifcb jurüdbeorberte. ©ie meiften biefer 
baarfujj wanbemben ©renabiere waren ähnlich wie mein Flügelmann unifor* 
mirt, Feber nach feinem ©efebmad, unb ein Feber »on ihnen mit ber un»ermeib« 
lieben langen febmarjen ©icaragua*Gigarre im ©tunbe. 

©tögticbft fcbneU »or meinem grimmigen Flügelmann retirirenb, begab 
icb mich jwifeben bie ©aefmagen, in beren Stäbe i<b meines ©epddeS ju meiner 
Beruhigung anfubtig warb, ©ie in Sticaragua, wie in allen fpanif<b*amerita» 
nifeben Sänbetn, gebrducblicben ©admagen haben meiftentbeils ©aber »on un» 
gebeuten ©imenftonen, an benen alles Gifenmer! fehlt. ©aS fceifdjen »et 
©aber auf ihren Slcbfen, wenn ficb bie Stiere in Bewegung festen, welche »on 
nadtbeinigen, »or ben ©bieten marfebirenben, laut febreienben ©reihern »er« 
mittelft eifenbefcblagener ©ilen febr gefebidt geleitet würben, war wahrhaft 
obrenjerteißenb uno gab bie höheren ©iscantnoten ju bem uns umraufd&enben 
©emenge tbierifeber unb menfblicber Söne. ©ie Sangfamleit, mit ber baS 
Sluflaben beS ©epddS betrieben warb, überftieg alle Begriffe. 

©iebt weit »on ben Badmagen ftanben in langer ©eibe bie ©affagierma« 
gen, feinere, unbeholfene Fubrmerle, mit ben fcbdnblicbften Scbinbmdbren be» 
fpannt, weldje je bie ©olle »on ßutfebpferben gefpiett hoben, fjaft ein jebet 
biefer ©Sagen war gebrdngt »oll »on ©affagieren, ©tännern, Frauen unb ßin« 
bem, »on benen bie ©amen nebft ber Fugenb bereits »on »ier bis ju fecbS 
©tunben lang bort gefeffen batten unb gebulbig auf bie Slbfabrt Warteten. 

©a mir bie ßfel unb ©eitpferbe noch weniger als bie ©Sagen als ©ranS* 
portmittel jufagten, fo befcblojj ich juDörberft, mein £eil in einem ber fießteren 
ju »etfueben. Fn einem wie mir beuchte giemlicb leichten Fubrwer! eroberte 
ich mir einen ©laß auf bem ÄutfcberbodE unb mar froh, als unfer ©Sagen be« 
reitS um brei Ußr ©acbmittagS reifefertig war. 

©lein ßutfeber, beffen eines Bein um mehrere 3oß targer als fein anbereS 



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mar unb ber mie alle üßiearaguer ein brittebalb gu& langet, in einer mit ßupfer* 
Inßpfen befcblagenen Seberfdjeibe fteäenbeS breitet üfltejfer am ©ürtel bangen 
batte, binfte, eine Gigarre bampfenb unb eine aus bem Urmalb gefebnittene 
^eitfebe febmingenb, ein paar 3Jtal um unfere Gquipage betum, fein ©efpann 
mit Iritifcben iölicfen mufternb, ebe er auf bem ßutfcherbod neben mir $lafc 
nahm* Sann ging’S, mit einem lauten £aUo bie Xbiere aufmunternb, enbtidh 
borrodrtS. 

Sangfam manöoerirte er unfere ßaroffe burch’S ©ebtdnge, unb t<b fehlte 
mich glüdlidh, na(bbem er in ben erften gehn SUtinuten oerfuebt, menigftenS ein 
halbes Sufcenb 33dume unwahren, enblidh aus bem ©emirr ber ÜBagen unb 
ber unter lautem §urrab auf unb ab reitenben Gfelreiter mit feilen Knochen 
berauSgulommen. 

2Bir batten ein Smeigefpann üor bem Sßagen, ©fei unb SRofc, bie beibe 
aufjerft niebergefcblagen auSfaben nnb meber bur(b Schläge, no(b Bareben aus 
bem Stritt gu bringen maren. 2lu<b mar eS ein abfoluteS Sing ber Unmög* 
lid&teit, bie ^bicre gu bemegen, gleicbgeitig angugieben. Ser Schimmel nament* 
lieb geiebnete ft<b bureb feine Störrigleit aus unb meigerte ft<b öfters entfliehen, 
angugieben, menn ber Gfel fein 23efteS tbat. Gin gmeiter Gfel, ber hinten am 
SBagen angebunben mar, tbat babei fein üUtöglicbfteS, baS gubrtoerl mit fteifem 
üftaden rüdmärts gu gieren. 

ÜUteine SReifegefellfcbaft beftanb aus einer 2lmerilaner*gamilie, melcbe aus 
ben ©olblanben nach bem Often beimlebrte. Sie grau, eine febmädhtige Süb* 
Idnberin mit halb burcbfichtigem, leibenbem Steint, mie er non Slmerüanern fo 
febr bemunbert mirb, mar in tiefe Srauer gelleibet. Bmei trüber maren ibr 
in ben füblicben Armeen in Sßirginien gefallen. 3b* ©emabl, ein £)anlee non 
äebtem Schrot unb $orn, fragte bereits in ben gehn Minuten unferer 23elannt* 
febaft meine gange SebenSgefcbicbte non mir aus. ÜDteine Sdhidfale unb 2Ban* 
bergöge in beiben $emifpbären febienen ibm bebeutenben fRefpeft nor mir ein* 
guflöfeen, unb eS mährte leine meitere gehn SUtinuten, bis auch ich über feine Gr* 
lebniffe giemlicb gut unterrichtet mar. Gr batte einen gelbgug auf ber „$enin* 
fula" Unter ÜDkGleHan mitgemacht, mar fobann Stiefel*Sieferant in SBafbington 
gemefen, fpelulirte in ©olb, mobei all fein mit Stiefeln ermorbener föeicbtbum 
mieber nerfebmanb, manberte nach Galifomien unb SBafboe aus, mo er glüdlidh 
in Claims unb güben machte, unb ging jefct mieber beim nach ben Staaten. 
Sie beiben Söuben, See unb Sherman, oben ÜRicaragua*Ganbp unb freuten ficb 
über ben Sdhimmel unb Gfel. 23ob Sherman titulirte feinen jüngeren 23ruber, 
ber ben Schimmel beanfprucbte, mit Gebell unb mollte ihm Ganbp megnebmen, 
morauf bie Butter mit bem burebfiebtigen Seint ben Keinen See gu ft<b auf ben 
Scboob nahm unb ber $apa bem S3ob auf bie Schultern Hopfte. 

geh machte ben ftiden Beobachter, mte ficb fo ein Stüdcben üffieltgefdhidhte 
neben mir abfpann, unb badete an bie Sbrdnen, melcbe ber eben erft beenbete 
Bürgerlrieg in Strömen über mein fonft fo gtüdlidjeS Slboptiobaterlanb er* 
goffen. 2Babrli<b, menn ben Slnftiftern biefeS bötlifeben BmiefpaltS, ber £afj 



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T 


unb blutige geinbfehaft in ben Schoofc ungdbßger gantilien getragen, nicht bet»* 
einft ein bitterer £obn mirb, mer moßte noch an bintmlifebe ©erecbtigleit glau* 
ben! Ober finb mir nur blinbe ßßerlgeuge, mit benen baS Schidfal fpielt, unb 
*ann nur burdb Ströme bon Sbrdnen baS töftltc^e fileinob ber greibeit aller 
SBelt tbeilbaftig merben ? 

Sangfam fuhren mir burch bie etmaS rüdmdrtS gelegene $auptftrafje bon 
San 3uan, too ftch biele unferer ^affagiere berfammelt batten unb fidj tbeilS 
mit Speife unb $ranf gu ber beborftebenben [Reife ftdrlten, tbeilS, im Statten 
eine! ©ocoSbaumeS lagernb, ben £önen ber ßßanbolinen laufcbten, melcbe nebft 
beiterni ©efange aus bem Innern einer naben 2lbobe*2Bobnung*) berborllan* 
gen. Mehrere ber «£>dufer an biefer «gmuptftrajje, menn eine [Reibe bon $8ret* 
terbuben mit 23ldtterbacbern unb SlbobeS biefen tarnen berbient, maren unbe* 
mol;nt. Xbüren unb fjenfter berfelben maren bernagelt, unb bie Strafe batte 
trop beS ©etümmelS ber ©alifornia^affagiere ein febr troftlofeS [ßuSfeben. 
3m gemöbnlidben MtagSleben, menn lein Dampfer im £afen liegt, möchte 
San 3uan bei Sur ein beneibenSmertbeS 2lfpl für einen menfcbenfeinblicben 
©iitfiebler abgeben! 

Sobalb mir bie lepten Käufer ber Stabt hinter uns batten, bog unfer 
2)reigefpann in ben bunllen £ropeumalb ein, burch melden fub bie Sranfit* 
Strafte mie ein beßer gaben binfcbldngelte. $in unb mieber ftanben 3nder* 
tobt* unb ßttaisfelber am 2Bege, bie oon Ireug unb quer über einanber gemor* 
fenen riefigen 93aumftdmmen eingefengt maren, unb aße paar bunbert Schritt 
lamen mir an ©ft* unb £rintftanben oorbei, mo bon ben ©ingebornen ober 
bon Negern ben [Reifenben 3)elicateffen unb ©etrdnfe gum Verlauf angeboten 
mürben. 

Unfer gubrmann, ber halb rechte, halb linfS in bie 93üfebe bineinfubr, faft 
an jeber ber gasreichen 23rüden SBiertelftunben lang fteden blieb unb uns alle 
Slugenblide ber ©efabr beS UmmerfenS auSfepte, mürbe einen 2Bafboe*Stage* 
futfeber, ber fein fcbnaubenbeS Sedjfergefpann im geftredten ©allopp über bie 
SierraS peirfebt, gur 23ergmeiflung gebracht haben. 2)er langfamen [Reife 
berglicb fatt, fähigen ber ?)anlee unb meine 2Benig!eit ftch feitrodrtS in bie 33üfd?e, 
mo mir uns ein paar tüchtige Xornenfnittel all $eitf<ben abfehnitten, inbeft 
ber ©elbe, ber neben ben Sbieren auf unb ab binlte, biefelben mit fretmblicben 
•Jßorten gum SBeitergeben gu überreben fuebte. 

3<h b^tte einen befonberen ©roß auf ben Schimmel, ber bereite in ber 
Stabt, als ich neben ihm ftanb, mieberbolt nach mir gebiffen, unb ber $anfee 
nahm ben ©fei in Arbeit — unb ehe mir eS uns oerfa^n, ging’S in fcblanlem 
$rab bormdrtS, inbeft unfere $ornentnittel febneß in gepeit gerfprangen. ©in 
halbes 2)upenb ©alifornier, bie mie toß bei uns vorbei gaßoppirten, b^hen 
gleichfaßs auf unfere Sbtare ein. liefen fehlen jeboeb ber Späh fehlest gu 


*) Die in allen SSnbent be$ fpantfehen 9faterifa gebräuchlichen Käufer, au« in 
Sonne getrodneten ungebrannten Siegeln gebaut 



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ber 



527 


Gefäßen. SJJlöfclih bogen fte, über bie fd^dnblid^e Vehanblung entrüftet, fhatf 
fn ben SEalb ein, wo unfer 2Eagen in fcfeiefer (Stellung an einem Vananabaume 
£alt machte, mährenb ber ©fei, melier hinten am guhrmert angebunben mar, 
feinen Stricf gerrifj unb Iangfam gur (Stabt gurücftrabte. 

Sa bie Sonne bereits ftar! im üßiebergehen begriffen mar, unb ich befürchtete, 
faßS ih mich länger auf unfere ©jrtrapoft berliefje, fpät in ber ßtaht nah Vir¬ 
gin Vap gu fommen, fo befhlofc ich/ bie Stredfe nach bem nur noch ein paar 
ßßeilen entfernten “half way house” gu gujj gurücfgulegen unb mir bort mo 
möglich ein gutes ßteitpferb gu berfhaffen. SaS SEetter mar ^errlic^ unb 
burdjauS nicht übermäbig marm. Sie ßlegengeit, melhe erft feit einigen 
SEohen vorüber mar, lieb bie Vegetation noch im herrlichften ©rün prangen, 
unb ein lühler Seeminb raufchte burch ben bunflen SEalb. Sie Sanbftrafje mar 
beffer als ich ermartet, unb an Unterhaltung untermegS fehlte es nicht, ba 
fomohl ©ingeborne als Vaftagiere faft fortmährenb im mßben Surheinanber 
bei mir borbeifprengten. 

2Bie ich, rüftig bormärts marfchirenb, bie SBafterfh*ibe jmifchen bem 
Stißen Vteere unb bem See Nicaragua erftiegen hatte, gemährte ih plöfclih 
bie gemaltige ßegelfuppe beS VulcanS Omotepec, ber, bon ber Slbenbfonne 
bergolbet, majeftätifh über bie grünen Vauntmipfel in ben blauen Slether ragte. 
©S mar ein herrliches Schaufpiel, eingig in feiner 2lrt, unb !am fo unermartet, 
bab ich/ i« Vermunberung berfunfen, mohl eine Viertelftunbe lang mie ange* 
mauert ftehen blieb. Selbft in ber an übermältigenben Scenerieen fo reichen 
Schmeig habe ich nichts Schöneres gefehen. 

gm “half way house” miethete ich nitr, nachbem ich mich bafelbft §u* 
bor mit einer Safte bezüglicher ©hocolabe geftärlt, für anberthalb SoßarS eine 
feurige ßtoginante, auf ber ich halb mohlgernuth meiter ritt, ©ang unermartet 
überrafchte mich bereits nach einer guten halben Stunbe bie flacht, melhe in 
biefem Vreitengrabe fehr fhneß hereinbricht. 

Ser ßUtt bom “half way house” nach Virgin Vap, gang aßein unb 
unbemaffnet mie ich mar, in buntler stacht unb in einem fremben, nur halb 
cibilifirten Sanbe, mar einer ber untlugften Streiche, melche ich mir je in 
meinem Sehen habe gu Schulben tommen laften. OefterS begegneten mir ©in* 
geborne, bie halb betrunten maren unb mit ihren brittehalb gufj langen Vteffern 
fehr berbächtig auSfahen. ©iner berfelben machte ben Verfuch, meinem Vferbe 
in ben Sügel gu fallen, unb gog, als ich mit einem gemichtigen Stricf, ben ich 
als Veitfche benupte, nah ihm ausholte, brohenb fein 2ßefter. Soh fam ih 
mit bem bloften Schweden babon, ba mein Shluhtrofj halb im ©aßopp bon 
meinem SEiberfaher fortfprengte. Smifhen ben bunflen Vüfhen glängten 
öfters bie Sichter bon Srinfftänben, bei benen ih mich jeboh niht aufhielt, 
fonbem mein 9lof$ unbarmhergig antrieb, um mo möglich eine mir etma boran* 
gegangene SReifegefeDfhaft einguholen. 

grob mar ih/ halb barauf mit einer ©efeßfhaft bon fehS ©altforntern 
gufammengutreffen, melhe an einem ber Srinfftdnbe $alt gemäht hatten, ge* 



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528 


tnaprte jeboh ju meinem nicht getingen Slerger, bafe biefetben in leineSmegS 
nüchternem 3 uftanbe maren unb alfo fepr flechte Dteifebegleitet fein mürben. 
3h liefe nt« ein ©laS aguardiente reifen nnb mollte allein meiter reiten, 
als ein Bon mit nicht bemertter, breioiertel angetrunfener IDleftije pW|li<b biept 
Bot mir im ©rafe einen ßriegSgefang anftimmte, ber meine Stojinante fo fefer 
aufeer Raffung braute, bafe fie mit beiben Hinterbeinen auf einmal auSfcplug — 
gerabe in ben Srinlftanb hinein, Dlacp rehts unb nach linfs, burepeinanbet 
hin flogen ©läfer unb glafcpen, Orangen, SBactmerf, docoSnüffe unb SBananen, 
unb fort fprengte mein ©aul, Bon ben carachos ber ihre IWeffer fhmingen» 
gen dingebornen Berfolgt. SBon SBormperjigleit meinerfeitS gegen meine Dio* 
jinante mar natürlich feine Diebe, unb munbere i<p mich nur, bafe ich fte nicht 
3 « SCobe geprügelt. 

SSalb mar ich toieber allein im ginftern unb begegnete Bon fegt an nur 
noch einigen 3«gen Bon SDluleteerS, bie mit ihren Spieren Bon SBirgin SBap 
nach San 3uan jurüdleprten. 

SDleine SfSpantafie beoölferte bie bunflen SBüfcpe rechte unb linfs an ber 
Sanbftrafee mit ben ©hatten fdmpfenbet glibuftier, unb man her fepmanfenbe, 
naefte Slft napm bie ©eftalt eines rieftgen DieiterS an, ber fiep mir bropenb ent» 
gegenfteHte. 3h fprengte hier über gefhihtlihen SBoben, ben SBalfer mit feinen 
milben glibuftiern, Dlicaraguer, ©uatemaler unb (Sofia Diicaner, fiep mieber 
unb mieber ftreitig gemäht patten. Sort hinter jener Slnpöpe lagen Bielleiht 
bie Bermegenen ©<parff<pü|en, melhe mit fiherem Sluge unb fefter $anb ben 
Sob aus ihren langen DiifleS in bie Dieipen beS jepnfaep überlegenen geinbeS 
fanbten, melhe ben Ärieg aus Suft 3 um Dtbentpeuerticpen trieben, jenem fütanne 
blinblingS gepotepenb, ber ein neues ©flaBenreih in dentral»2lmerifa grünben 
mollte. 

©hon bamalS mürben bie ©aaten ju bem SBürgerlriege gefäet, -ber in ben 
le|ten Bier 3apren bie glurert beS fonnigen ©übenS mit SBlutlacpen getränft 
pat. Unoerpoplenfprah eS fhon Sffiatfer aus*), bafe bie ©flaBerei, eingebdmmt, 
halb in fth felbft Bergepen muffe, bafe bem ©üben, ber ßanfaS Berloren, nur 
bie Sffiapl bleibe, fih nah bem Sropenlreife pin auSjubepnen, ober bem Diorben 
über fürs ober lang 3 U unterliegen. 

®oh ein gerechtes ©hüfal pat ben ftann ereilt, ber unter nihtigen 
SBormänben bie gluren beS perrlihen Dlicaragua mit bem SBlute feiner üinber 
tränlte; unb ber fonnige ©üben, ju beffen SBorfdmpfer er fth aufmarf, menig 
San! mirb er eS ipm miffen, bafe er juerft mit bie gurien beS SBürgerlriegeS 
entfeffelte, melcp« feinen SBoplftanb Bernihtete unb fein PlüpenbeS unb meiteS 
Sffeih mit ben bleicpenben ©ebeinen feiner © 6 pne unb ben Dhtinen feiner 
©täbte unb SEBopnungen überfäete. 

grop mar ich/ als ich bie Sichter Bon SBirgin 93ap Bor mir erblicfte unb 
bie SBranbung beS napen ©eeS burep bie ftille 9lacpt jn mir perübertönte. 


*) The war in Nicaragua, written by General William Walker* Mobile 1860. 



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Sachbem i<h mein treue? Soft an ben erften heften Saum gebunben unb bort 
feinem Schidfal überlaffen, manberte i<h junäcbft burch bie mit bell erleuchteten 
©üben, Store? unb £otel? befe^te unb mit lärmenben ©affagieren unb ©nge» 
bornen angefülite lange gauptftrafe be? Ort? nach bem See, um mich an ©otb 
be? Stampfer? ju begeben unb bie Stunbe feiner Slbfahrt au?julunbf(haften. 
Slm unteren ©nbe eine? langen unb ftattlicben £otjguai?, an bem bet See mit 
mutigen SBetten binbrauf’te, fanb ich unfern Stampfer, ber jcbocf) burchau? 
leine Sfoftalten jur balbigen Slbteife jeigte. Set Sage?anbru<h toar auch 
offenbar hieran gar ni<ht ju benten, ba noch mamhe Stunbe »ergehen muhte/ 
hi? ba? jahlreidhe ©epdd ber ©ajfagiere anlangen mürbe. 

3«b begab mich baher halb mieber in bie Stabt, um bafelbft bie Slnfunft 
ber ©epädmagen abjumarten. Sta? lebhafte ©etreibe bafelbft mährenb ber 
Sadjt mar fehr unterhaltenb. Sille gefm Minuten langte eine neue ©efeüfchaft 
»on ©affagieren »on San guan an, beten ©tfebeinen jebe?mal mit bem 
Slingeln unjähliger ©loden unb bem betdubenben ©etöfe ber ©ong? be« 
grüjjt mürbe, mornit bie hungrigen ©äfte »on ben ©eroohnern be? »3ung« 
frauen-fjafen?" jum Slbenbmahl eingelaben mürben. Sin »ergebenen 
Päfceu hatten ftch ©efellf<baften im greien gelagert, melche heitere ©efdnge 
»ortrugen. ©ne Slbtheilung SJeutfcher marfefeirte bie £auptftrahe be? Ort? 
fmgenb auf unb ab unb erntete ungemeffenen ©eifaü bur<h ihren fräftigen, 
»ierftimmigen ©tännergefang, melCher »on bem bumpfen ©aufdjen ber nahen 
©ranbung begleitet mürbe. 

Sin einem Sifcße, mo »on bunleläugigen Sicaragua«Schönen ©hocotabe 
au?gef<hentt marb, nahm ich ©tafc unb beobachtete ba? mich umgebenbe fremb« 
artige Sreiben. 3)ie feurigen Slugen, bie regelmäßigen @efi<bt? 3 üge unb ber 
f<höne Sßuch? ber Sßchter Sicaragua?, mel<he faft ohne 3lu?nahme etma? fehr 
©innehmenbe? fomohl in ©enehmen al? Sleibung hatten, intereffirten mi<h faft 
no<h mehr al? bie romantif<h«milbe Umgebung be? Orte?. S)ie f<hßnfte bet 
Schönen »on ©itgin Sap »erfah an meinem SifCße ihr Slmt al? ©lunbfchenl 
mit fo uiel natürlicher ©rajie, bah ich mich bemogen fühlte, mehrere Soffen 
ganj »orjüglicßer Gßocotabe ju trinlen, um nur etma? Idnger in ihrer Sähe »et« 
meilen ju fßnnen. 

©in infetnalifdjer Särm, ber plßfcliih au? einer ber nahen ©üben erfchoK, 
mohin »on allen Seiten mie auf ein gegebene? Signal eine biente ©lenfehen« 
menge ftrßmte, bemog mich jeboch, meine ©hocolabe«Spenberin, obgleich un» 
gern, ju »erlajfen, um mi<h na<h ber Urfache beffelben ju erlunbigen. ßr 
lam au? einer ber »ielen Spielbuben, mo ben ©affagieren mit genialem fpa« 
jarbfpiet ihr überflüffige? 9teife«Sleingetb abgenommen mürbe, ©n ©alifor« 
nier, ber foeben aChtbunbert Eoltar? »erloren hatte, liagte ben Sanlhalter be? 
Scßminbel? an unb fluchte mie nur ein bieberer ©olbgräber ju fluchen »erftebt, 
obgleich feine Sungenanftrengung ihm offenbar ju nicht? nüfcte. 

Slieauf bem gfthmu? üblidhen ^ajarbfpiele roerben theil? mit Sorten, 
heil? mit gingerhüten gefpielt. 

üi?__5 


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3unt totenfpiel werben brci harten gebraust. . Star S3anfhalter legt fte 
guerft alle brei offen bor fich bi«/ fte alSbann unb legt fte gulefct berbedt 
bor fnh auf ben $ifch, unb tuet Suft bat, mag wetten, ob er eine ber brei to* 
ten nennen lann. Star 93anfhalter macht mit SBorbebacht wie gufällig SRcrfmale 
an ben harten, biegt bie (Eden um, bejeic^net fte mit gierten ober begleichen, fo 
bab bie 3uf<hauer, welche biefe 3eidtatt bemerlt haben, fcbwören, fte mijfen gang 
genau bie tote, welche fte nennen follen. Stber gerabe biefe 3eicben, welche 
ber Spieler gefdjidt unb unbemerlt beränbert, ftnb baS Skrführerijche beim 
Spiel, unb ber 33anfhalter, ber fo wie fo immer auf gwei gegen eine tote 
wettet, gewinnt faft immer. 

StaS gingerhutfpiel wirb nach berfelben Theorie mit brei gingerhüten ge* 
fpielt, meiftenS. auf einem ber ßntee beS mit ber ebrlichften SRiene 
bon ber SEelt ba ftfcenben gingerhut*53efifcerS. S)iefer rollt ein Heines ßügel* 
eben mit fabelhafter ©efdjwinbigfeit halb unter ben einen, halb unter ben 
anbern gingerhut unb labt eS gulefct unter einem berfelben liegen. S)ie meiften 
ber 3uf<hauer nun glauben gang beftimmt, ben gingerhut nennen gu fönnen, 
unter bem baS Kügelchen berfchwunben ift. (ES gewinnt aber Stiemanb, auber 
ber gingerhut*Spieler labt ^emanben mit SBillen ein paar 2Ral ben richtigen 
gingerhut treffen, um ihn hifcig gu machen, auf bab er hach fpiele. (ES ift für 
ben Spieler ein Seichtes, bie jfugel beim Stufbeben beS gingerbuts berfchwinben 
gu laffen, unb ber betrug babei ift fo offenbar, bab eS SBunber nimmt, wie fich 
3emanb berleiten laffen fann, fein ©elb fo fortguwerfen. 

3<b erwähne biefe Spiele hier weil bietteicht (Einer ober ber Stnbere, bem 
biefe 3eilen gu ©eftebte fontmen, einmal über ben 3f*hmuS bon Nicaragua 
reifen fönnte unb bor biefen Schwinblern auf ber «ßut fei, welche fdjon manchen 
arglofen ©olbtouriften um feine in ben SRinen fauer erworbenen Dollars ge* 
bracht haben. Unfer californifcher greunb, ber feine achthunbert Dollars unter 
bem gingerhut berloren, fuhr fort, folch einen Höllenlärm gu machen unb babei 
einen gefabenen [Rebolber, ben ginger am Brüder unb bie SRünbung gegen 
ben gingerhut*toftler gerichtet, fo unborftchtig in ber$anbgu halten, babbiefer 
eS für rathfam fanb, mit feinem [Raube auf turge fttit bont Schauplafce feiner 
3nbuftrie in ber S)unfelheit gu berfchwinben. (Er war jeboch halb wieber ba, 
unb mub, nach bem ©ebränge unb ben SSerwünfchungen ber Umftehenben gu 
urtbeilen, noch manchen Dollar bis SRitternadjt mit feinen gingerhüten ber* 
bient haben. 

©egen SRitternacht melbeten ft<h enblich bie ©epärtwagen mit ihren frei* 
fchenben [Räbern, unb fuhren langfam burch bie Stabt nach bem Stampfer. 
3<h folgte ihnen alsbalb, um meines HanbgepädS nicht berluftig gu werben. 
S)iefeS würbe bon ben SBagen in wilbem S5urdheinanber auf ben Ouai gewor* 
fen, unb 3*ber mubte für baS feinige forgen unb Steht geben, bab ihm nichts 
abhanben lomme. S)a bie £ranfit*(Eompagnie, wie bereits früher bemerft, fldh 
nicht für Heinere ^artete berantwortlich hält unb an Spifcbuben eben lein 
•äRangel war, fo hatte ich gegrünbete Urfache, für mein broenloS geworbenes 


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531 


Palife beforgt &u feilt. 3$ toar jeboch fo glüdlich, baffelbe halb int ©ebränge 
ju echafchen, unb mar froh, alg ich eg unoerlept an Porb gebraut, mo mehrere 
meiner 2 Jtitreifenben, benen ihre üJlantelfdde entmeber aufgefchnitten ober gar 
unftchtbar gemorben maren, laut lamentirten. 

Sa bereite ade Schlafftellen auf bem Dampfer mit Pefchlag belegt maren, 
fo fud^te ich mir ein dtuhepldfcchen auf bem Ouarterbed, mo ich eg mir auf ben 
♦Wen Brettern ben llmftdnben nach bequem machte, um bort bag Signal jur 
Slbreife in ©ebulb abjumarten. 

2Bie herrlich bie laue Sropennacht bort auf bem hoben Perbed beg üftica* 
ragua*Sampferg! Sunfel bor mir hob fiep bie gemaltige ßegelfuppe beg Söul* 
cang Omotepec aug ben Sogen beg Seeg in bie blaue gerne, unb barüber 
gldn^te in Semantpracpt bag ßreu$ beg Subeng in einem ©emirr golbener 
Sterne; aug ber Stabt herüber tönten baterlanbifcpe ©efange, unb unter mir 
räufelte ber See mir ein Schlummerlieb. 2Bie ich halb traumenb in bie licht* 
bdmmernbe gerne hinaugblidte, hob ftd? bom «^orijont im SRorboft plöfclid) eine 
blenbenb*glüf>enbe geuertugel, beren fepeinbarer Surcpmeffer bem ber unter ge* 
benben Sonne gleich fant. Sangfam erftieg bag Meteor ben Benitp beg fternen* 
befdeten ©emölbeg, mo eg plöfclich erlofcp. SBar eg eine* irrenbe ÜEßelt, melcpe, 
aug ben unbefannten Siefen beg tgimmelg fommenb, bie Papn unfereg ©rb* 
ballg getreust unb, bon beffen Sltntofphdre entjünbet, plöfclich einen geuertob 
gefunben? Ober mar eg eine Schöpfung unsrer ©rbe, eing bon jenen uner* 
flärbaren eleftrifcben Phänomenen, meld^e, mie bag 9torbli<ht an ben ©rennen' 
unfereg Suftfreifeg, ein luqeg, aber blenbenbeg Safein feiern ? DJtir mar eg ein 
leucptenber £immel^bote, melcper mir einen ©rufj gebraut über Sdnber unb 
Ütteere bon ben Sieben beg fernen Paterlanbeg. 

Unbermerlt marb ich im ©eifte ber ©egenmart entrüdt, unb Paterlanb 
unb Sropenmelt füllten benfelben mit Bauberbilbern, big plöplicp bag f(hrille 
Signal beg Sampferg mich aug einem turjen Schlummer auffepredte, unb alg 
bag ßreuj beg Sübeng in bdmmernber ättorgenftunbe erbleichte unb ftch bie 
©ebirggufer beg Seeg beutlicher geigten, fmgejt bie fRaber beg Sampferg an, 
ftch braufenb &u brehen; hinaug ging’g in bie mogenbe gerne, unb neue Pilber 
entrollten ftch oor meinen Pliden. 

Ser jefct auggebrannte Pulcan Omotepec, melden ich bereitg Sagg gubor 
bon ber Sanbftra&e jmifchen San %mn unb Pirgin Pap bemunbert hatte, 30 g 
nebft bem neben ihm ftehenben, etmag niebrigeren 9Jtabeira mehr alg alleg 
Slitbere meine 2 lufmer!famfeit auf ftch. $ie regelmdfjige ßegelform biefer ©e* 
fchmifterberge, melche bon faft allen Punlten beg Bflpmug unb fogar bom 
Stillen UReere aug beutlicb gef eben merben, unb bie ftch bireft aug bem 
Schoofse beg Seeg Nicaragua in ben blauen Slether erheben, mar 
eingig in ihrer 2 lrt. Schredlich fchön mu& bag Schaufpiel geuefen 
fein, menn biefe Perge, mit glühenben Sababdnbern gefepmüdt unb 
bon milbtochenben 2 Bogen umbrauf t, ihre bampfenben $dupter mie $mei prnige 
Sitanenföpne über bem feuerfarbenen See hoch in ben ftnftern Stoffen fcpüttel* 


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532 


ten, unb mit höllifd&em Slthem Dlfche unb Eluthmaffen bom Stillen DJteere bil 
jur Earaibifchen See über ben jittemben Sfthmul aulfdbütteten. Dlber jene 
feiten bei Schrecfenl liegen in buntler Sergangenheit; DJtit feinem Smillingl* 
bruber, bem DJtabeira, auf biefelbe 3 >nfel gebaut, liegt ber Dmotepec jept frieb* 
lid& ba im Sdhoo&e blauer ©eilen, unb nur noch bie ©ah^eidhen alter Sana* 
ftrome, meldhe in fchmarjen gureben bie grünen Dlbhänge biefer Jtegelbergriefen 
burdbjicben, mahnen an bie ^odifdben geuer, mel<he unter ihren ©runbbeften 
fdhlummern. 

Sie aahtreidben Tukane, meldhe ftdb am Stillen DJteere entlang in faft 
geraber Sinie bon ber Sai bon gonfecabil 3 U ber bon Dticopa hinjiehen, bilben 
nddbft ben groben 3nlanb*Seen — DJtanagua unb Nicaragua — bal £aupt* 
dbaralterifticum ber Sobenformation bei Staatei Nicaragua. Seit ber Beit 
ber fpanifdhen Eroberung fmb jahlreidbe feuerfpeienbe Serge bort abmedpfelnb 
mehr ober minber in Shätigfeit gemefen; gegenmärtig fdbeinen fie jebodh, mit 
Slulnahme ber Sulcane oon DJtafapa, Eofeguina, DJtomotombo unb Orofi, 
fdmmtlidb erlofdhen 3 U fein* 

3ur Beit ber fpanifdhen Eroberung mar ber Sulcan bon DJtafapa, bamal! 
bie §ölle bon DJtafapa genannt, ber Sdbrecfen bei Sanbel* 3m 3ahre 1670 
fanb ein Dlulbrudh ftatt, bei bem ein Sabaftrom burdb ben nörblidben Abhang 
bei Sulcanl bra<h unb faft jman^ig Steilen meit, bi! in bie üRabe bei Seel 
DJtanagua, burdb’l Sanb mogte. ©egenmärtig lreu 3 t bie Sanbftrafje, meldhe 
bon ©ranaba nach Seon führt, biefel Sabafelb, bal mit feinen 3 erriffenen, pedh* 
fdhmar 3 en Sabamaffen, bie in rieftgen tafeln unb Stödten regeUol über unb 
burdh einanber baliegen, einen fchredflidh milben Dlnblidt gemdhrt, mie bie leb* 
haftefte ^h^ntajie ihn fich faurn fd&redhafter aulmalen fönnte. Solch eine 
dhaotifdhe £aba*©üfte, gelegen inmitten ber reiften Sropennatur, mufe bem 
Sefdhauer ein Silb entfefclich graufiger Serlaffenheit in bie Seele malen. — 
Seit ber 3eü biefel Dlulbrudh! ift ber Sulcan öfter! in Shätigleit gemefen, bal 
lefcte DJtal im Bahre 1857, all er ungeheure DJtaffen bon Sanb unb Dlfche au! 
feinem Krater fcbleuberte. 

Ser Äulbrudh bei Sulcan! bon Eofeguina im 3ahre 1863 mar einer 
ber fchredtlidhften in ben DInnalen bultanifcher Eruptionen. Er begann am 30. 
Sanuar unb bauerte ununterbrochen brei Sage unb Dtddbte lang. Solch 
ungeheure DJtaffen bon Dlfdhe unb Sanb mürben au! bem Krater emporge* 
fdhleubert, ber pedhfdhmaqe Dtaudhmolten bärnonifcp meit unb breit burdh bie 
Suft rollte, bafc bie Sonne bil auf eine Entfernung bon hunbert DJteilen gänj* 
lidh berfinftert mar. Stauer bon Sanb fielen auf einem Surdhmeffer bon 
fünfjehn hunbert DJteilen, in Samaica, Santa g© bc Sogata unb DJteyüo, unb 
ein Schiff fegelte 3 ur felben B^it eine Stredte bon fünfzig Segual burep 
fdhmimmenbe DJtaffen bon Simlftein, meldhe bie Oberfläche bei ©affer! buch* 
ftdbüdh berbedtten. Ser Sonner ber Ei^lofionen mar in einer Entfernung bon 
adhthunbert DJteilen beutlich 3 U hören. Dlm bietten Sage trat bie Dtupe ebenfo 
plöölich mieber ein, mie ber Dlulbrudp unermartet gefommen mar, unb feit jener 



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533 


3eit geben nur nodb bte bin unb triebet feinen ©ipfel umflattemben Maudbzol* 
fen ein Bcuftat, baß bet Briefe nut fdblummert. 

Sozoßl bet SSulcan 2Jtomotombo, als bet am füblidben Ufet beS SeeS ge* 
legene, 8650 guß hohe SSuIcan Oroft, fmb beut gu Sage in unauSgefefcter 
Sßätigfeit. 

Slufeet ben genannten Tukanen giebt es «gunberte ron ausgebrannten 
firatern in ben bergen, treibe, ron rerbrannten gelSmaffen eingefdbloffen unb 
öfters mit SBajfet gefüllt, alSbann Keine Sanbfeen bilben. Ser ni(bt unbe* 
beutenbe See ron ÜPiafa^a ift einet biefet ßrater*Seen DftcaraguaS. Sein 
Sanb bet ©rbe — bie gnfel gslanb etza ausgenommen — geigt fo t>iel e 
ÜDterfmale rulcanifdber Sßätigfeit, zie bet fcbmale Sanbftreifen in üfticaragua, 
zeldber ftdb gzifeßen feinen SBinnenfeen unb bem Stillen DJteere bingiebt.' 

Ser See üftkaragua, auf bem zir biufubren, bet ©ocibolca bet Uretn* 
zoßner, bat eine Sänge ron 110 unb eine SurdbfdbnittSbreite ron 35 engli* 
fd?en ülteilen. Sie SBaffet bejfelben nehmen gegen bie Ufer bin allmälig an 
Siefe ab, unb nut an trenigen Stellen ionnett gröbere Sdbiffe lanben. Sodb 
ift feine SurdbfdbnittStiefe für bie Schifffahrt rollfommen genügenb. SBor bem 
Ausfluß beS San guan ift bie Siefe nur ron fünf bis gu gehn guß, an 
anbetn Stellen bagegen riergig gaben. ©S ift biefer See rtelleicbt bet fdbönfte 
bet Sanbfeen SlmetifaS. Sie in regelmäßiger jfegelform ftcb aus feinem Sdbooße 
emporbebenben SBulcane Dmotepec unb üftabeira, bie mit 2Balb bebedften ©e* 
birgSlanbe, zeldße fein füblidbeS Ufer umirängen, fotrie bie an feine nörblidße 
$üfte fidb lebnenben zellenförmigen grünen Sarannen, bie $eimatb ungäb* 
liger iftinberbeerben, bie gablreidßen grünen gnfeln, zeldbe aus feinem Karen 
Spiegel emportaueben, unb bte ftdb überall bis hart an’S SBaffet btängenbe 
reidbe tropifdbe Vegetation entgüdfen baS 2luge rurd? ihre ntannidbfaltigen, rna* 
lerifdben ©ruppirungen. 

2im füblidben Ufer beS SeeS lag bie ehemals bebeutenbe, ron $ernanbeg 
be ©orbora im gaßre 1522 gegrünbete unb auf Vefeßl SBalferS im Oftober 
1856 gerftörte Stabt ©ranaba, einft bie «JpauptßanbelSftabt üfticaraguaS. gm 
fiebgebnten gabtbunbert Zar ©ranaba eine ber bebeutenbften Stäbte beS fpani* 
feßen Slmerifa. ©S führte einen bireken Raubet mit (Guatemala, §onburaS 
unb San Salrabot, mit $eru, Manama, ©artßagena unb Spanien, ©in 
bamals baS Sanb bereifenber englifeber ÜDtöndb mit tarnen ©age ergäblt, baß et 
an einem Sage adbtgebnbunbert mit gnbigo, ©ocßenille unb häuten belabene 
fDtaulefel in bie Stabt gießen fab, unb baß gzei Sage barauf ziehet neunßun* 
bert Vadftßiere bafelbft anlangten, ron benen bet britte Sßeil mit ©olb unb 
Silber — Sribut beS Königs — belaben zat. 2llS ©eneral §enningfen, bet 
unter Malier ein ©ommanbo führte, bie Stabt, zelcße bie glibuftier nidbt gu 
halten rermodbten, gerftörte, betrug ihre Verölfetung nodb an fünfgeßn Saufenb 
Seelen. ©S befanben ftdb 3 U ber 3eit unter anbern ßerrorragenben ©ebäu* 
liebfeiten fteben $ir<ßen, ein «gofpital unb eine Unirerfttät in ber Stabt. 


gn ihrer üftäbe tritt ber fegt ausgebrannte, 4480 guß hohe Vulcan ron 



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534 


3ftomba<bo fdjarf in bie ©emäffer beg Seeg, aug bern ftdj ihm §u güfjcn ©rup* 
pen unseliger Heiner Qnfeln — Sog ©cralcg — in ©eftalt grüner ßegel, bon 
Jtoangig big 31 t ^unbert gub $öhe, bie bulcanifchen Urfprung haben, empor* 
brdngen. 

2ln bemfelben Ufer mit ©ranaba, aber bicr$ig teilen babon entfernt, 
liegt bie alte Stabt IRibag, eine ber bebeutenbften Stabte Nicaragua«, mcldhe 
mie ©ranaba ber Sdjauplap mehrerer ber beftigften gtibuftier=£dmpfe mar. 
3 n ihren dauern mürbe bag ©nbe beg glibuftier*$ramag gefpielt, alg Sßalfer 
mit bem S^efte feiner ÜDiannfchaft an ben bereinigten Staaten glottencomman* 
beur «§♦ S)abig capitulirte. 

Ser £anbel üfticaraguag hat feit ber Vertreibung ber Spanier an be* 
beutnng ungeheuer berloren. Saffelbe Sdhaufpiel hat ft(h hie* mie in faft 
allen ehemalig fpanifdb*amerifantf<ben ©clonieen mieberholt. Sie bebolle* 
rung — jum größten Sheil eine EDtifcfylinggrace — hat ft<h, naibem fte ft<h 
nur einmal im befreiungg!ampfe ermannt, barauf mieber ganj ber ihr ange* 
bornen Trägheit ergeben, unb bie ebemalg fo blühenben Stabte biefer Sdnber 
ftnb aliefammt mehr ober minber in berfall gerathen. Sie ^auptftabt beg 
Sanbeg, bag einft fo blühenbe Seon, gur $t\t ber fpanifchen «£>errf<haft eine 
Stabt bon Sßaldften, ift gegenmdrtig ein mahveg Sammerbilb beg berfallg. 
fHeoolutionen, mel(he geuerebrünfte unb ^lünberungen im ©efolge hatten, 
haben ben ehemaligen ©lan§ ber Stabt jerftört. ©an$e Strafen ftnb berlaffen 
unb mit Straubem unb Unfvaut übermachfen, aug benen bie Ueberrefte in 
Staub ftnfenber Vradbtgebdube traurig h^borragen. innerhalb ftoljer 2)lar* 
ntorhöfe ftehen elenbe fHohrhütten, unb bie prächtige ßathebrale ift ringgum 
bon ben Ruinen ehemaliger Valdfte umgeben. 

So bermerflich audh bie fpanif<be Sprannei tit biefen Säubern gemefen ift, 
eg bleibt eine unmiberlegliche Shatfache — alle größeren Unternehmungen, fei eg 
in Veförberung bon SBiffenfdhaften unb fünften ober im «£>anbel 0 per in 2ln* 
lagen grobartiger bauten, bon Senfmdlern, Straben, Vtabucten, labern 2 c. 
febreiben fuh aug ber ber fpanifchen §errf<haft her. Sie untergeorbneten 
Diacen fcheitten ber gührung einer höher begabten nicht entbehren ju fönnen, 
um ber auf bem ganjen ©rbball mit fRiefenfchritten borf<hteitenben ©ultur ju 
folgen. üRidjt einmal möglich ift eg ihnen gemefen, auf bem Stanbpunft be* 
reitg errungener ©ultur ftehen ju bleiben, obroohl bie gefegnetften ©rbftriche ih* 
nen jugehören* 




2 



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P« futa int jSonnenfoftcm. 

Aach A. Aabcm »on »Ictor CSrnft. 


3>n aßen Steigen ber Sißenfchaft begegnen mir ber fieberhaften Ungebulb, 
mit meiner bie jefcige ©eneration fleh neue Aufgaben fteßt unb roß ebten Sett« 
eiferg bie uorgerüdte ^ßofttion im Sturme nimmt. 2)ie Bbhßt, bie ©bernie unb 
bie ^ßbhfiotogie Derbanten ihre größten ©ntbedungen unb fünften Erfolge 
ntinbefteng ebenfo febr bem tübnen Auffchmung ber fie beberrfebenbeh aßge* 
meinen Sbeen, mie ber ©enauigfeit angefteßter Beobachtungen. 2)ie Aftrono* 
mie folgt biefem Qrnpulg. $ag £elegtop genügt ihr nicht mehr, unb in ber 
matbematifeben Säuberung bemächtigt fie fleh eineg neuen unb gemaltigen 
Btittelg gur $5urchforfcbung beg Seltaßg. S<hon ift eg geftattet, Don einer 
Aftronomie beg Unbetannten gu fprechen; Planeten, melche nie ein Augeerblidt, 
Sterne, bereu fcbma(beg Sicht bem Spaberblid ber Aftronomen entgangen mar, 
mürben auf bem Sege ber Berechnung erft geahnt, bann entfcbleiert. 2)ie Be« 
obaebtung tonnte bem burch bie Berechnung mit Sicherheit Belichteten nur 
noch Die Seihe ber Beftdtigung ertheilen. 

©ine folcbe ©ntbedung, meldje noch biefer Seihe harrt, befchdftigt feit 
einigen fahren bie gelehrte Seit. Bad? ben Berechnungen £e Berrier’g eyiftirt 
in ben Bemegungen beg Btercur eine Eieine Unregelmdjjigteit, melche fleh Der« 
mittelft ber betannten Grafte nicht erflären labt. 3>er planet rüdt in feinem 
Umlauf mie eine fehlest regulirte Uhr Dor; feine Bahn ift einer fortmdbrenben 
Abmeicbung untermorfen, gu melcher Benug, ©rbe, Biarg, 3upiter unb bie an« 
bem betannten Planeten fein Seitenftüd bieten. 3Daraug muß gefchloßen mer« 
ben, baß ftch in unmittelbarer Babe ber Sonne planetarifcbe Anhäufungen, 
kugeln ober Biitge befinben, beren Angiebunggfraft bem Btercur auf feiner 
Bahn hnberlich tft. $iefe noch unbetannten Planeten ober planetarifchen 
Blaßen mürben fomit, menn entbedt, fo gu fagen eine Süde im Sonnenfpftem 
augfüßen; fte mürben bie Harmonie ber Berechnung unb Beobachtung big in 
bie tleinften Detail« oeruoßftdnbigen. ©g möchte nicht unintereßant fein, turg 
bie galle befahlen, in melchen bereite heute bie Befultate beg ©eoanteng 
burch bie ©ntbedung beftätigt morben ftnb. Schön hat unfer Schiller bag Ber« 
haltnifc gmifchen bem Bienfchengeift unb ber Batur in ben Sorten bezeichnet; 
„Blit bem ©eniug fteht bie Batur im emigen Bunbe; mag ber eine bespricht, 
halt bie anbre gemifc." 

®e Alten tannten nur fünf Blaneten: Blercur, Benug, Btarg, Jupiter 
unb Saturn, gu melchen im Btolomdifchen Spftern noch 6onne unb Blonb ge« 
fügt mürben, um fleh mit ben übrigen um bie ©rbe gu breben. 3ebo<h lafct 
ftch bie 3bee einer Btenge non Sanbelfternen, ebenfo mie bie ber ©rbuntbre« 
bung, big ing graue Alterthum Perfolgen. Schon ein ^ahrhunbert Dor 
©hrifU ©eburt behauptete Artemibor aug ©phefug, bie Angahl ber Blaneten 
\z\ unenblich, unb 2)emocrit fagte, eg gebe mehr Planeten alg ung ftchtbar 



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636 


feien. Slber erft bureb flehtet gemann biefe Behauptung Eonftftens unb trat 
in faßbarer ©eftalt aug bem Greife ba ger Behauptungen berbor. 

Surcb freilich noch febr imtlare t^eoretifd^e Spefulationen geleitet, ftetlte 
biefer grobe Slftronom bie Behauptung auf, eg müffe ficb jmifeben Marg unb 
Jupiter ein unbefannter planet befinben, um bie ^mifd^en jenen Sternen febein* 
bar beftebenbe Sftcfe augsufiißen. Siefe £ppotbefe mürbe jeboeb mit folcber 
Ungunft aufgenommen, bab er felbft fte mieber fallen lieb. Mit befonberer 
*&eftigfeit proteftirte Si^i, ein florentinifd^er Slftronom, gegen biefe Soctrin. Eg 
giebt, fagte er, nur fteben £ö<ber im £opf, $mei Slugen, jmei Obren, jmei ÜRa* 
fenlocber unb ben Munb; eg giebt nur fteben Metalle, nur fteben Sage bat bie 
Sffiocbe, unb nur fteben Planeten famt eg geben. Biel fpater hielt fogarberBhi* 
lofopb ßant eg noch für feine $fli<bt, ^u erfldren, megbalb eg feine Planeten 
jmifeben Marg unb Jupiter geben fönne. 3m Slnfang ber Singe, fagte er, 

Sog ber 3upiter alle nebelhaften Maffen ju ft<b betan, melcbe ben Planeten 
jmifeben beiben batten bilben follte. Slug bemfelben ©runbe blieb ber Marg 
fo Hein unb befam feinen Monb; ber folojfale 3upiter entriß ihm einen Sbeil 
feineg Urftoffg. 

Slber bennodb lieb bie 3bee ßepplerg ben ©elebrten feine Stube. Sambert 
lenfte mieberum bie Slufmerffamfeit ber Slftronomen auf bie febeinbare Süde 
Stoifdben Marg unb 3upiter. Ser Brofeffor Sittug entbeefte ein ©efe^, ober, 
toenn man bag lieber miß, eine auffallenbe Slnalogie, melcbe ber beftebenben 
Bermutbung ju^ülfe §u fommen febien. (Sr bilbete nämlicb folgenbe 3abienreibe, 
morin jebe 3iffer (bie SM abgerechnet) bag Soppelte ber borbergebenben re* 
prdfentirt: 0, 3, 6, 12, 24, 48, 96. 3?ber bon biefen 4 binjufügenb, er* 
hielt er folgenbe Steibe: 4, 7, 10, 16, 28, 52, 100. Sie smei erften Bahlen 
entfpracben, mie bie 6te unb 7te, ber Entfernung ber fed^g §ur 3eitÄepplerg be* 
fannten Blaneten bon ber Sonne, mobei man ftcb unter jeber Einheit eine Mil* 
lion beutfeber Meilen benfen mub. 4 reprafentirte Mercur, 7 Benug, 10 
Erbe, 16 Marg, 52 Jupiter, 100 Saturn. Slber für 28 mar feine Bertretung 
borbanben, unb baber bie $ppotbefe, bafj an ber betreffenben Steße noch ein 
unbefannter Blanet ejiftiren müffe. 

Sieg Sitiug'fche ©efefe mürbe bom Slftronomen Bobe, Sireftor beg Ob* 
ferbatoriumg ju Berlin, fo marm ergriffen unb fo biel befproeben, bafj man 
ihn am Enbe für ben Urheber beffelben hielt unb bie 3ablenreibe nach ihm be* 
nannte. Eine gan$ unermartete Betätigung lieferte im 3ab« 1781 bie Ent* 
bedfung beg Uranug bureb SBißiam «gerfcbel, benn biefer Blanet ift 196 beutfebe 
Meilen bon ber Sonne entfernt, entfpriebt alfo genau bem angegebenen Ber* 
bdltnifj. $ie Ueber^eugung ftanb jefct fo feft, bat Salanbe im 3ab*e 1796 
einen Berein bon 24 Slftronomen bilbete, bon benen 3eber ben bierunbjman* 
gigften Sbeil beg Sbierfreifeg aufg ©enauefte beobachten foßte; aber umfonft. * 

Sofepb Blassi/ Sireftor beg Obferbatoriumg $u Balermo, melcber febon feit 
jebn Bahren an einem boßftanbigen Katalog ber fidhtbaren Sterne arbeitete, be* 
merfte, bat einer berfelben, ben er am lftert 3anuar 1801 beobachtet batte, ftcb | 


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am ndchften Slbenb nid&t mehr an ber Stelle befanb, ben er ihm auf ber ßarte 
gegeben; ftatt beffen aber gewahrte er in fuqer (Entfernung baoon einen Stern, 
ben er geftern nicht gefeben, unb am 3ten bemerfte er biefelbe Berdnberung. 
Sa fonnte fein 3weifel mehr obwalten; er batte einen SBanbelftern entbedt, 
ben er jebod? für einen Kometen hielt. (Er »erfolgte ibn bis 311 m 11 . Februar. 
Sin jenem Sage unterbrach ber (Eintritt fchledjten SBetterS feine Beobachtungen, 
unb eine fchwere Ärdnfheit oerbinberte ibn an beren ffiieberauf nähme. 

$ia 3 ji batte f<hon im Januar feine Sntbedung Bobe unb anbem (Mehr* 
ten mitgetbeilt; aber feine Briefe trafen erft gwei Monate fpdter ein, als ber 
neue Stern ftch bereits in ben Strahlen ber Sonne »erloren batte. Bobe war 
fofort übeqeugt, bah eS ftch um einen neuen Planeten banble, unb tyiaföi 
ftimmte ihm bei; aber eS war unmöglich, ben Flüchtling wieber aufjuftnben, 
unb man muhte ftcb entfliehen, bis gum «gerbft in warten. Ser ©tödliche, 
welchem jefct ber firnt) gelang, war ber Bremer SCr^t OlberS, unb geleitet 
Würbe er babei burch bie »on ben Slnbern nicht beachteten Berechnungen eines 
obffuren aftronomifchen SUettanten, ©aufj in ©öttingen, welcher nach ben bürf* 
tigen, »on ^ßia§ 3 t gelieferten Säten bie Bahn beS FremblingS berechnet batte. 
Sefct nahm (EereS beftniti» ihren Pafc unter ben Planeten ein, unb ihre (Ent« 
fernung entfpradb faft »oHlommen jener 3 ablenreibe. 3 n einige Berlegenbeit 
!am man als balb barauf auch 3uno, $aüaS unb Befta entbedt würben — 
alfo »ier Paneten für bie Sude, welche bereits ^ur Genüge burch GereS attSge* 
füllt würbe; jeboch bienten biefe (Entbedungen nur ba^u, bemSitiuS^Bobe’fchen 
©efefc eine neue Beftdtigung &u »erleiben, benn wich GereS um ein SßenigeS 
baoon ab, fo betragt bie mittlere (Entfernung jener oier Slfteroiben genau 
28. 3m 3ab*e 1845 gab uns ber pftmeifter ju Sriefett in peufien 
noch Slftrda ba 3 u, unb jefct bat ftch bie 3abl ber Slfteroiben fdbon bis auf fedjS 
unb adbtjig »ermebrt. Sie §t)potbefe, bah fte aus einem gröhern, burch eine 
£immelSre»olution serplafcten Planeten entftanben feien, ift nicht fticbbaltig. 

Unerwarteter als baS Slufftnben ber Slfteroiben war bie jufaHige Gittbe!« 
lung beS groben Paneten Uranus burch SBüliam ^erfchel. Slm 13. Btdrj 
1781 gewahrte biefer im gelbe feines SeleScopS einen Stern »on febr betracht« 
U<hem Surchmeffer. (Er merlte ftch ben »erbdchtigen grembling unb fonftatirte 
am ndchften Sage eine Berdnberung in ber pfttion beffelben. Gr »achte fo we* 
nig an einen Planeten, bah er feinen gunb für einen Kometen hielt, aber balb 
follte er feines 3rctbumS gewahr werben. GS würbe fogar bewiefen, bah biefer 
planet feit 1690 fchon in neu^ebn »erfchiebenen pfttionen in bie Kataloge 
eingetragen war. Sie alten Beobachtungen beS Uranus würben mit ben feit 
1781 erhaltenen verglichen, unb ba ergab ftch int Saufe ber Seit ein merllicher 
SBiberfprud), welcher bie Berechnung fo febr erfchwerte, bah man, um nur ju 
einem Ötefultat ju gelangen, ftch an baS Steuefte halten unb baS Frühere ganj ig* 
noriren muhte. „ 3 $ überlafie—fagteBouoarb im3abrel821— ber 3 ufunft 
bie Aufgabe, in ermitteln, ob bie Sdjwicrigleit oon ber Ungenauigleit ber früheren 
Beobachtungen ober oon einem unbefannten Ginflufj berührt, welcher auf bie 
Bewegungen beS Planeten influirt bat.* 


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638 


> 

Schon nach einigen Salden geigte eS fich, baft Bouvarb’S Tabelle nid^t 
meor mit ben Bemegungen beS Planeten in Harmonie ftanb, unb offenbar mar 
hier ein IRäthfel ju löfen. Schon regte ftch bie 3bee eines Planeten jenfeitS 
beS Uranus, melier vielleicht biefen afflciren fonne, in ben ©elftem. Sange 
mürbe vergeblich gefucht, bis Se SSerrier un 3nni 1846 ber Afabemie bet 2Bij* 
fenfdjaften $u IßariS mittheilte, haft er bie Stellung beS unbefannten Planeten 
nach ber (Einmietung, melcbe berfelbe auf ben Uranus duftere, faft genau er* 
mittelt habe. 

3efct entftanb eine allgemeine Aufregung. UaS Obfervatorium in ©teen* 
mich beauftragte $errn (EballiS, ben Planeten nach ben gegebenen Daten 
aufäufuchen. (Einige läge fpäter, am 4. Auguft, hatte (EballiS ihn fchon im 
gelbe fernes leleSfopen, notirte ihn aber auf ber ßarte als giyftern, unb hatte 
feine Ahnung von bem föftlichen SJkeiS, ben er ftch entfchlüpfen lieft* Am 20. 
September fanb er ihn noch einmal unb fonftatirte, baft er, mie alle groben 
Planeten, einen tKing habe; aber noch errieth er nicht bie SBahrheit, unb am 
menigften ahnte er, baft ber planet fchon feit einer ABoche (am 23. Septbr.) 
burch §errn ©aller vom Observatorium in Berlin nach ben am 2Jtorgen beffel* 
ben lageS bort erhaltenen Anleitungen Se BerrierS erfannt unb notirt fei. 

SJlan wirb fleh beS (EnthuftaSmuS erinnern, melchen biefe glanjenbe Beftä* 
ttgung ber ßalfulatton burch bie (Entbedfung enegte. 2BaS bie Aftronomen feit 
jmanjig fahren geahnt, mar enblicft als Ibatfache ermiefen. ©iebt eS noch 
platteten jenfeitS beS Neptun ? (ES fpricht nichts bagegen, aber audb nichts ba* 
für. Steptun genügt, um ben SBanfelmuth beS Uranus 3 U erflären. 

Dtefer herrliche Steg ber Aßiffenfhaft fanb vor brei fahren fein Seiten* 
ftüdt in ber (Entbedfung eines Irabanten vom SiriuS. Die Beobachtung ber 
biefem Stern eigentümlichen Bemegungen burch Beffel ergab periobifefte Ab* 
meichungen, melche ftch nur burch bie Annahme erflären lieften, baft ber SiriuS 
bem (Einfluffe eines jiemlich groften Sßeltförpers unterliege, mit bem er burch 
baS ©efejj ber Sdbmere verbunben fei. Ule £ppothefe ftieft auf beträchtlichen 
SBibetfpruch, mürbe aber tm gahre 1851 von Meters mieber aufgenommen, 
melcher bemteS, baft fte $ur (Erflärung ber nähern Umftänbe beS Phänomens 
Vollfommen genüge, unb bie Bahnen beS SiriuS fomohl, mie feines unftchtba* 
ren Irabanten, melchem er eine UmlaufSjeit von 50 Qahren gab, genau be* 
ftimmte. Sange mürbe ber Begleiter beS SiriuS von ben Aftronomen, melche 
über befonberS mächtige gnftrumente verfügen, vergeblich gefucht. Schon 
glaubte man, baft es ein bunfler Körper fei, als er im ganuar 1862 burch 
$errn Alvan (Elarf in Amerifa entbedft unb feitbem mieberholt beobachtet 
mürbe. 

2e Berrier miß jept feinen Iriumph von 1854 erneuern, verlegt jeboeft 
ben Schauplafc beffelben von ber äufterften ©renje unferS BfonetenfpftemS bis 
bicht an bie Sonne. 3m September 1859 fchrieb er an £erm 3äger, baft bie 
Bahn beS SJtercur Abmachungen unterliege, melche unerfldrlidh fein mürben, 
menn man nicht annehmen moße, baft fleh noch ABeltförper ober Aßeltmaffen 



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539 


m 


smifcpen iprn unb ber Sonne befdnben. 5 Dxefe Waffen tonnten in einem einjel^ 
nen Planeten conjentrirt fein, ober eine 2)tenge jerftreuter ^ör^erc^en bilben; 
ledere. £ppotpefe habe bie SBahrfcpeinlicbteit für fiep, meil bie Kleinheit biefer 
Körper ihre Unfuptbarleit erflären mürbe. „$te «gppotpefe — bemertte $err 
fie SSerrier — pat nid^t^ 2Iuffallenbel. 3toif<Pen 2ftarl unb Qupiter befinbet 
fiep eine ©ruppe bon Slfteroiben, unb gmeifellopne haben mir bil jept bon bie* 
fen nur bie gröberen erblidt. ©I ift fogar ©runb 3u bem ©tauben borbanben, 
bab unfer Sonnenfpftem eineUnjapl Keiner Körper entsaft, melcpe um bie 
Sonne treifen. Betreffl ber Legion in ber üJMpe unferer ©rbbapn ift biel 
u^meifetpaft." 

(Siebt el mirtlicp fold^e Planeten, fo muffen fie unter gemöpnlicpen Ber* 
pältniffen ftetl unftcptbar bfeiben. Schon ber HJiercur ift ber Sonne fo nabe, 
bab er fiep nur ferner beobachten labt. SDteiftenl in ben geuertreil bei 
$auptgeftirn! gepüllt, ift er nur bann bem nadten Stuge fnptbar, menn bie Sonne 
burcp einen Schirm gebedt mirb, mie 3. 58 . menn fie fiep eben unter bem £ori* 
gont befinbet, ober bei einer Sonnenfinfternifj. Soll man ihn bei £agel* 
anbruch erbliden, fo mub er noch obenbrein ber Sonne boraulgehen, ober'um* 
gefehrt, menn mir ihn am Slbenb jehauen folten, ihr folgen. Ueberbiel ift 311 
bebenten, bab gerabe am 2Jiorgen unb Hbenb el fehr -häufig nebelt. 2lul allen 
biefen ©rünben fmb bie ©elegenheiten 3ur Beobachtung bei 9 ftercur fo feiten, 
bab fr B. ber grobe ©opernilul einel £agl mit tiefem Berbrub bie Bemerlung 
fallen lieb, er merbe inl ©rab ftnfen müffen ohne jemall biefen Planeten ge* 
fehen 3U haben. «£>eut3utage ift, 2)ant ber Berbolllommnung ber gernrßhrc, 
biefe Schmierigleit, melcpe ben berühmten Elftronom fo fehr belümmerte, 311m 
Speit buburch gehoben, bab man ben SÜtercur am hellen £age neben ber Sonne 
gemahren lann, befonberl menn er fleh aul bem fßrofil, b. p. in berfelben Be* 
leucptung 3eigt, mie ber 3Jtoub beim erften unb lepten Biertel. 

Körperchen aber, melche ber Sonne noch naher fmb, mirb man unter ben 
günftigften Berhdltniffen nur in einem Sali, nämlich bei einer totalen Son* 
nenfinfternib, möglicpermeife all fepmaep leueptenbe fünfte in ber unmittelbaren 
Umgebung bei berbuntelten Sternl gemahren tonnen. ^nbeffen bleibt noch 
eine anbere ÜDtöglicpfeit; bielleicht mirb el tpunlicp fein, fie non hinten, bon ip* 
rer buntlen Seite, 311 gemahren, menn fie an ber Sonncnfcpeibe boruber 
gehen, gerabe mie el bei bem 'Dlercur, menn er ftep in gleicher fiinie mit 
©rbe unb Sonne befinbet, b. p. nur im ÜJtai unb üRobember 3umeilen, geftattet 
ift. $er lepte Uebergang biefer 5 lrt mürbe am 12 . Bobember 1861 beobaep* 
tet, unb ber näcpfte mirb am 5 . Bobember 1868 ftattfinben. 2 )ie gemutp* 
malten fogenannten intra*mercurialen Planeten müfjten fiep gleicpfalll bon 
3 eit 3U 3 eit auf ber Sonnenfcpeibe ab3eicpnen, unb 3mar müfjte biel mit ipnen 
biel häufiger gefepepen, meil fie eine Heinere Umlauflbapn patten unb rafeper 
all ber ÜDtercur 3mifcpen Sonne unb ©rbe 3U ftepen tarnen. Sie mürldn all* 
bann am öftlicpen Banbe eintreten unb an ber mefScpen Seite mieber ber* 



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540 


2lbet cjriftiren ftc toirtlid), toie gebt eg bann §u, baf? fte nodh nie beobadb* 
tet tourben, ba bie Sonne bodh feit fo mieten fahren faft täglidb burdh eine 
2Renge non Slftronomen betragt toirb ? hierauf tautet bie 2Inttoort, bajj ntan 
fte toirtlid) mehr alg einmal gefeben haben null. fßtofeffor Witter unb Suliug 
Sdhmibt haben im Sabre 1857, £id?tenberg unb $ifni$ am 19. ÜRobcmber 
1863, £offmann im SUlai 1864 Heine fd^toarse $untte bemeret, bie in ber be* 
jeidhneten Stiftung noruberglitten, unb eg giebt audb' nodh eine 3Renge non 
SBabmebmungen altern $)atumg, toeldhe laum einen 3toeifel übrig taffen. 

•EBerben wir jemalg bie intra*mevcurialen $laneten unter ben offiziell aner* 
lannten ftguriren feben ? $ie 3ulunft mub baritber entfdbeiben. [Wfttlertoeile 
bleibt bie non Se Terrier ftgnatiftrte £ücte noch unauggefullt. 


freu (Ekmcintifn. 

■* S5on ®r. 3?wO. Xulon. 

$ie b&<bfte SBtütbe ber toiffenfcbaftlidhen ©ultur fällt unter ©rieten unb 
[Römern mit bem Untergange ber greifet gufammen. 21 riftote leg toar 
2lleyanberg 3^itgeno^, unb alg in [Rom bie [Ridbtung ber S c i p i o n e 
über ben alten biberben dato unb feine barbarifdhe Einfalt gefiegt batte, alg 
bie römifdje gugenb auf ber ®odhfdhule 2ltbeng in refpeftabler gülle Seigbeit 
einäufammeln begann, ftanben Sulla unb ©äfar nor ben Sporen beg 
SBeltreicbä. Sn granlreicb ftedften Voltaire, bie b’2l lern ber t, bie 
[Rouffeau, bie2Rontegquieu ein Sidht nadh bem anbern an, unb bie 
[Reootution brad? fleh 23abn. 2>ie [Reoolution braute ben bluttriefenben Un* 
ftnn ber Sdhreäengberrfdhaft beroor, um in bag ßaiferreidb aug 3 ulaufen, bie 
[Reftauration ju ermöglichen, Souig fPbüipp^ pbilifterbafter ©emeinbeit ben 
2Beg gu bahnen unb bem geiftreichen [Reffen ba, too 2lrago gelehrt batte unb 
bie SBtffenfcbaft Siege nadh Stegen errang,, ben $bron einer fdhranfenlofen 
$egpotie ju errichten. Sa 25eutf<btanb bonnerten R a n t unb gidbte, fan* 
gen S(biHer unb ©ötbe in bie fyit beg tiefften 2$erfaüg hinein, unb fo 
ternig unb mastig ber geiftige Erfolg ihrer 2Borte unb Sieber toar, 2)eutfch* 
lanb blieb gelnedhtet unb trug feine betten in bünbifdher $emutb. ßg fiegte 
bei Seipjig. 5)ie grudjt feineg Siegeg toarf eg brutalen, untoiffenben Unterof* 
feieren Oor bie güfje unb begnügte fidh mit ber [Rolle beg Speidhelledferg. Unb 
fo mistig unb' glorreidh feine Saaten auf ben ©ebieten ber SBiffenfdhaft getoe* 
fen, fo toeit biefe Slbaten mit ihren getoidhtigen ©rfolgen in bie 9Raffen hinein* 
gebrungen fein mögen: 35eutfdhlanb geborgt nodh beute brutalen, untoiffenben 
Unteroffizieren, ftebt nodh beute bei ber lieberlidhen Sunferberrfdhaft 23 i g * 
motd# unb bei jenem testen „«godh lebe ber ilönig", burdh toeldheg ber ge* 
lehrte ©raboto eineitoer empörenbften [Rieberträdhtigteiten begangen bat, 
oon benen bie ©efdjicbte toeifj. 



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3JKt biefen Vemerlungen will ich wahrlich nü)t ber SBürbe ber 2Biffen* 
fchaft gu nabe treten. Kbenfo wenig will ich ihre weltgeftaltenbe SUtocht in 
3weifel gieren. 2lber ich will bamit anbeuten: bie wiffenfcbaftliche Krfennt* 
nifj fann mit ber fchänblichften Despotie unb mit tiefer Kntwürbigung ber Vbl* 
ter $anb in $anb geben. Sie ift nicht bie eingige Vtacht, bie ben Tempel ber 
greibeit baut unb bie Krfchaffung bei freien Vtenfchen gu Staube bringt. 2Jtän* 
ner ber 2Biffenf<haft ftni* oft genug gemeine «gallunfcn gewefen, unb noch am 
heutigen Sage ftellen Sütänner ber ffiiffenfchaft ibr reichliche! Kontingent gut 
Vanbe ber Sügner, Betrüger, Spifcbuben, Schürfen unb Sumpen aller 
2lrt. 3)ie wiffenfcbaftliche Krfenntuifj rnufc bie ©runbfäfce bei freien $anbelnl 
fd^affen, mu6 mit ber §eilighaltung jener fittltcben ©ebanfen §anb in «£>anb 
geben, bie bie ©runblage eine! fraftoollen 2eben! finb, mub gur Vegeifterung 
für ba! gbeal werben, ohne welche ber SUtenfcb bal rechte 3iel feine! Streben! 
au! Den Slugen verliert, ohne bie feine SBürbe gum Teufel gebt, unb mit ber 
SBürbe bie greibeit, mit ber greibeit bc$ menfchenwürbige ©lücf. 

Sch will ben freien ©emeinben bal 2Bort reben. 3)ie freien ©emeinben 
»erbienen bie Beachtung jebel benfenben ÜDtenfcben. Sie uerbienen bie £beil* 
nähme aller (Mehrten unb aller ^anbellherren, bie jene SBelt fennen, bie hinter 
ihren Schriften, ihren Kontobüchern unb Khampagnerflafchen fleh aulbreitet. 
Sie forbern biefe Sheilnahme all ein Stecht, unb wer weiter fiebt all feine 
3tafe reicht, wer auf ben lanbläuftgen Siteleine! gebilbeten üUtanne! einen 
Stechtlanfprucb erheben will, Der mu& fte all Pflicht anerfennen. 

Sie freien ©emeinben haben nicht immer biefe Sbeilnabnte unb biefe Ve* 
achtung »erbient. 2ll! fie im gabre- 1846* in ben preufjifcben Staaten ent* 
ftanben, waren fte nicht ein gortfchritt, fonbern ein Dlütffcbritt, nicht eine mal* 
lere Sbat, fonbern ein Verbrechen, unb ber alte Üblich bat Durch ihre 
©rünbung bie unleugbaren unb großen Verbienfte feine! früheren SBirfenl gu 
Schauben gemalt. % 

2Il! bie freien ©emeinben entftanben, begann el tu ^reufsen gu tagen. 
2Bar ^reufjen unter griebtich 2Ö i l b e l m III.eineßleinftnberbewabran* 
ftalt gewefen, fotoar el unter bem romantifchen Kbampagnerfrib auf bembeften 
SBegc, ein 2lfpl für bitnlofe Darren gu werben. Ser fchweigenbe, bemüthige 
©eborfam fannte feine ©rengen. Sille! erftarb in tieffter Semutb, unb bie 
ÜDlajeftät geruhte allergnäbigft gu thun, Wal ihr Durch ben üopf ging. 3uwei* 
len brachten »erbotene Schriften eine angenehme Slbwechllung. $ e i n g e n 
plafcte hinein, Venebep feufgte, 9t uge gürnte, §of fman n »on gal* 
lerlleben politiftrte in Verfen, SBalelrobe, gacobi, Heinrich 
Simon fprachen männliche SBorte. $urg, bie Herren ©eheimräthe rieben 
ficb »ergnügt. bie $änbe, lafen mit Kifer, freuten (ich in gebeimnifwoHer Stille 
über bie 2öutb ber charmanten Männer, eilten flug! gu ihren Sbombrepartbicen, 
oben unb tranfen vortrefflich/ fcbüttelten bie ßöpfe unb gogen all bemüthige 
Kfel weiter am Staatlfarren. Vürger unb Vauern fümmerte ha! nicht. 

,ßo lange griebridjSBilbelm III. gelebt hatte, war el noch gegan* 



gen. Ser alte Wliftet batte immer einige Sief)tung Bor bem bewahrt, mal 
griebridb ber ©roße, mag Stein, Sharnborft unb Sllten» 
fl ein gefhaffen. Sag Sanbrehit bfieb bie ©runblage eine! Bieffacb Bortreffli» 
eben Gioilprojeffeg; bie Stäbteorbnung blieb für bie Stabtgemeinbe eine bebeu» 
tungg»olle »orfhute freier Bewegung unb lief felbft no<b in ihrer resibirten 
©eftalt ben lübnen unb richtigen ©ebanfen ibreg Urfprungg erfennen; bie 2Ri* 
litairoerfaffung mähte bag ganje 5ßott maffengeübt unb warf mertbDolle »roden 
ftäbtifdjer »ilbung in bie entlegenften Sorffhaften; bie Schule blieb bberStolj 
beg »aterlanbeg unb mirlte alg Seminar unb »olfgfhule fo mächtig, wie ale 
UniBerfität unb ©pmnafium. So fcbauerlicb bie »olijeimirtbfhaft, fo miber» 
toärtig ber Äamafcbenbienft, fo efelbaft ber erfterbenbe ©eborfam unb bie aller» 
untertbänigfte Semutb fein mochten: eg blieb fölancbeS, an ba» fih bie £off» 
nung anllammern tonnte, mag alg Slugfaat für eine beffere Jufunft mitten 
mußte. Sa ftarb ber alte »urfh, unb fein „geiftreiher" Sohn beftieg ben 
Sbron feiner »äter. 2Ber biefen „gereichen" Sohn noch nicht tannte, bem 
mürben bie Slugen fcbnell geöffnet. Gr mar ein romantifher Klart unb ein fo 
Betbiffener Sefpot, mie je einer gelebt bat. Gr batte feine Slbnung oon bet 
»eftimmung »reußeng, feine Slbnung Bon ben »ebingungen feiner IDtacbt, unb 
menn er bie ©lanjpunfte einer bebeutunggreihen »ergangenbeit erfannte, fo 
gefebab eg nur um an ihnen feine Slngriffe auf bie großen IHefultate ber Ster, 
gangenbeit ju concentriren. Gr taftete bie gefieberte Stellung beg SHihterftan» 
beg an. Gr burcblöcberte, namentlich ben großen Stäbten gegenüber, bie 
Stäbteorbnung. Gr betrachtete bie Schule atg eine ÜJiagb feinet romantifhen 
Saune, unb Biel ju oberflächlich gebildet, um bie toabre »ebeutung ber Unioer« 
fttäten feineg Sanbeg aufjufaffen unb j. 23. ben ©egenfaß jmifhen »erlin 
unb »tünchen richtig ju Berfteben, berief er ben alten Sehe Hing an 
ben »laß, auf bem §ege£ geftanben. Gr übte bie empörenbften greoel. 
Unb je toller er eg trieb, je unumfhräntter er SUleg antaftete, mag heilig mar, 
befto mehr erftarben feine alleruntertbänigften Untertbanen in betrunbernber 
Siebe unb »erebtung, befto mehr floffen fie über Bon Sobegerbebungen, beten 
©egenftanb feine großartige »egabung, feine tiefe SBeigbeit,« fein unergrünb» 
lieber Sharfblid mar. Gr liebte eg, in feinen Sanben berumjureifen. UeberaK, 
mobin er tarn, ftrömten (Ebelleute unb ©ebeimrätbe, Shulmeifter unb »aftoren, 
»ärger unb »auern in jabüofen Shaaren jufantmen, bie meißgefleibeten 
Jungfrauen umringten unb umbrängten ihn, Sllleg jubelte unb jaucbjte, Slüeg 
erftarb in Siebe unb »erebtung. Gine Oppofition gab’g ba niht. Sie „®eift> 
reihen" maren, mie immer unb überall, elenbe 2Bi<bte. Sie geiftreihen Sa» 
long in »erlin, — SDlanher erinnert fih mobl noh beg jfreifeg, in Dem 
Souife SDtüblb ad) »br Siht leuhten ließ, — maren efelbaft, efelbaft mar 
bag ganje Sehen in ben Grfheinungen feiner bünbifhen Kliebertraht. 

Gine Oppofition, bie ben »amen Berbient, gab’g unter ben Mionen 
niht. Äein SÜfthen mebte, bag auf eine Oppofition binbeutete. Sie paar 
Sitetaten, — mag mollten fie benn nur, fie follten bübfh jn^aufe bleiben unb 

S 



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543 


bag 3Maut „ung" gtng’g ja gang»ortreffli<b, unb inrUebrigen forgten 

Seine HJtajeftät in allerböchfter SEßeigbeit unb ©nabe. 

Aber — wag war bag? Vlöfclicb regten ftcb bennocb unebrerbietigc 
©ebanlen in ben alleruntertbänigften bergen. $lö blich fd^nilten biefe ge- 
borfamen Sß^iUfter in allem ©rnfte faure ©eficbter. Sie brummten unb murr* 
ten, unb wagten ftcb an befcbeibene Verfuche, in ber £af<be bie gäufte gu bal- 
len! Unb flehe ba, eg regte ftcb enblich ein ©twag, bag mit 3orn unb ©rbit- 
terung unuerlennbare Aebnlichteit batte. 3a, unebrerbietige ©ebanlen wagten 
ftcb ang Sicht, fräftige SBorte würben laut, gäufle brobten am bellen Xage, 
ein wahrhaftiger 3cnm trat mitten in bag bemütbige Staatgleben hinein, ©g 
war wirllidb fo. Sie fcbalten unb raifonnirten. 2)ie Aufregung wudbg 
unb bebnte ftcb nug. . Von Vrooing gu Sßromng ging ber Aerger, unb bie tu* 
genbreicben Vbilifler waren auf bem beften üffiege, gelben gu werben. 3eben* 
fallg erwachte bag erfterbenbe ©eftnbel gu menfcblicbem ©efübl. 3)ag war ein 
Anfang. S)ag war eine Vtorgenbämmerung, wie frifdber Vtorgenwinb. Unb 
eg würbe beffer, träftiger, nachhaltiger. 2Jtein ©ott, — bag war’g ja, beffen 
wir beburften, gu allererft unb allermeift beburften, ber erfte Äeirn einer berech¬ 
tigten Hoffnung. 2Bie War bag gelommen ? 

3)ie 2Jtajeftät batte ftcb »errechnet. Sie lieb bem ©idbbo* n bie 3&flel, 
unb wollte burcbaug bie Kirche um etliche 3abrbunberte gurüdfchieben. 3)er 
berrfchenbe unb mächtige Aationaligmug würbe geächtet, bie Velenntnibfcbriften 
florirten, Bürger unb dauern füllten ftch in ben Kirchen, bie fte ehrten, mit 
©rbfünbe, 2)reieinig!eit unb Sämmerblut abfuttern laffen. 3)ag ging nicht. 
5)a war bag ^eilige angetaftet, bag fte oerftanben unb wofür fte warm waren. 
3)ie untertänige 2)emutb tarn in bie Brüche. 

3n biefer Seit wtrften bie protcftantifchen greunbe erfolgreich unb fe¬ 
gengreich. Sie fchürten, Härten auf, entflammten unb goffen Del ing geuer. 
U b l i ch eilte bon $rooin^ gu ^rooing, unb fein »erftänbigeg, einbringlicheg 
SBort erwedte unb ftäblte £unberttaufenbe. SEiglicenug grofle £bat: 
„Ob Schrift, ob ©eift", brachte Klarheit in bie Sache. (Erbitterung batte bie 
£unbebemutb berbrängt. 2)ag ©felbaftefte war befeitigt, bag Unentbebrlichfte 
war gewonnen* 

Seiber gab eg unter ben proteftantifeben greunben, bie behäbige Vfarr- 
berren waren, eine grofle 9Jtaffe „getftreicben" ©efmbelg. 2)er üDtutb beg 2Bor- 
teg war ihnen banbgereebter alg ber s iUutb ber $bat. Sie weigerten fi<h, ent- 
fchloffen gu SBigücenug gu treten unb ben Dtubm feiner$bat auch für ftcb 
in Anforucb gu nehmen. An ihrer geigbeit wuchg bem © i ch b o r n unb feinem 
romantifeben £errn ber ßamm, unb fte festen Üblich, ffiiglicenug 
unb Anbere ab. 2)ag war gut unb in ber Orbnung. Nichtig benufct, lonnte 
biefe Abfefcung ber Vorläufer — anberweiter Abfefcungen werben. 2)ie Auf¬ 
regung muhte ftcb fteigern, bie ©rbitterung muhte wachfen, unb eine beffere 
Vorbereitung auf Acbtunooiergig wäre nicht benlbar gewefen. 

Xa — tarnen bie freien ©emeinben unb oerbarben Alleg. Üblich 



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544 


% muffte aor allen Gingen prebigen. SCenn Uplicp nicht prebigen fonnte, fo 
manfte bie Sffielt in ihren 5 u 9 en * So «nietete U p I i <p fcpleunig eine freie 
©emeinbe unb prebigte wie er geprebigt patte. 2Ö i 4 li c e n u S machte eS 
mie er, unb Slnbere folgten. So maren aus bem braufenben Strom bie bro* 
penben ©emäffer in einen parmlofen Eanal geleitet. 2llleS, maS marm, maS 
ber Entfcploffenpeit, beS NhttpeS, ber füpnen Xpat gumeift fähig gemefen mar, 
ergofc ftep in ben üanal ber freien ©emeinben, unb in ber äirepe mürbe eS ftiU 
unb frieblicp, ganj ftill, gang frieblicp. 2Bie mit einem Schlage, legte fiep jebe 
Erbitterung. S)ie 3Jlaj[eftät mar flug genug, ben freien ©emeinben anfänglich 
ein freunblicpeS ©efiept gu machen, unb fiepe ba, bie ÜNajeftät mar halb mieber 
ber bielgeliebte, allbereprte SanbeSbater/ 2l0eS mar mieber ein $erg unb ein e 
Seele, unb bie gange ßirepe mit allen ihren Schäden, mit ihrer Ungapl oon 
Schülern, mit ihrem ungeheuren Einfluffe, mit ihrem groben, mertpbollen Scpa& 
alter 2fnpänglicpfeit unb ©emopnpeit, —bie gange mächtige unb mieptige ßirepe 
mar mie im peitern Spiel ben Frömmlern, ben ©leicpgültigen unb Prägen, ben 
Feiglingen unb Verrätpern in ben Scpoofj gemorfen. 

So maren bie freien ©emeinben allerbingS ba. Sie maren ein Nüdfcpritt 
gur finblichen SDemutp, ein SSerrath an ber Freiheit, baS empörenbfte Verbre* 
epen, melcpeS bie moplmeinenbe ßurgfieptigfeit mßglicper SBeife begehen lonute. 

Sie maren etn Neues nnb — hatten nichts Neues. U p 1 1 cp patte nichts, 
als ben alten fäcpftfcpen Nationalismus, ber feit länger als einem Faprpunbert 
in ber ßirepe breit getreten mar unb fein gutes Necptbon allen möglichen Eon* 
ftftorien unb ßirepenregimenten anerlannt gefepen patte. £ßper als Uplicp 
ftanben SöiSlicenuS unbSlnbere. Sie bertraten ben fpeculatiben Nationalist 
muS. Sucpte ber alte fäcpfifcpe Nationalismus, feiner 3eit ein bortrefflidher F^eU 
peitsfreunb unb FteipeitSfämpfer, bon ben alten ÜNptpen, Sagen unb 2)ogmen fo 
biel mie irgenb möglich als ©efepiepte unb 2Baprpeit gu retten, fo biel eS bem pauS- 
baefnen Ntenfcpcnberftanbe nur irgenb gelingen mollte opne bem 21 r i ft o t e l e S 
unb feiner Sogif allgu empfinblicp anf bie «güpneraugen gu treten: fo nahm ber 
fpefulatibe Nationalismus Ntytpen, Sagen unb 2)ogmen als baS, maS fie ma* 
ren, hielt aber bie berechtigten Fbeen feft, bie in ihnen ben 2luSbrud gefunben, 
unb fanb feine pope 2lufgabe in ber Vermittelung beS religiöfen VemufjtfeinS 
mit bem miffenfcpaftlicpen Vemufjtfein ber berechtigten ©egenmart. Er patte 
in ber ßirepe eine erfprieplicpe 2lngapl bon Vertretern. Er mar bie F°* m 
2lnfcpauung, bie gur «gerrfepaft gebracht, baS 3iel, melcpeS in ber lirepe erreicht 
merben mupte, menn bie $ircpe für ben $)ienft ber freien Entmidelung, als 
Vermittlerin beS VolflbemuptfeinS mit bem miffenfcpaftlicpen Vemuptiein, bc^ 
nufct merben unb nicht gur Narrenanftalt perabfinfen follte. $abon gu laufen, 
bie ßirepe mit ihrem Einfluß, iprer Ntacpt unb ihren Schulen ben Feinben gu 
überlaffen unb in bem «gafen ber freien ©emeinbe eine leiblich gefieberte £eim* 
ftätte gu finben, — baS mar maprlicp feine «gelbentpat. $ie Ütteprgapl ber 
proteftantifepen unb licptfreunblicpen Nebepelben unb F*Pwfucpfer machte eS 
freilich noep bejfer. $ie Herren nahmen baS ©emiffe für baS Ungemiffe unb 



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öerfauften ffitffenfdjaft unb Uebcrscugung um ihre ^farrrebenuen. Sie erga¬ 
ben ftdb 6ic^born unb bem romantiföen fitrdfcenregimente mit^autunb 
#aar, beteten unb glaubten auf ©cmraanbo, lehrten ©rbfunbe, besorgten mit 
Sammetblut, trieben Teufel au.« unb batten auch* foenn e« verlangt morben 
todre, be« Teufels ©rofjmutter abgetrieben. 6ie foaten $eu<bler, Schürfen, 
SBcrrdtber, aber febr refpectable ©entfernen. Sie ©emeinben faben bie Sftotb 
ber geplagten Banner an unb nabmen ben $ut bor ben entfdbloffenen Sertbei- 
tigern ihrer $farrrebenuen ehrerbietig ab.*) 

So ftanb e« mit ben freien ©emeinben. 3bre Sünbe mar eine breifacbe. 
Sie befdnftigten ben Sturm, al« ber Sturm bie bentbar größte SBobltbat mar 
unb bie unerldfjlidbe Aufgabe batte, ben ^eftbaud? l>unbtfd^er Semutb gu ber- 
treiben. Sie berliefeen bie Strebe, al« e« galt, innerhalb berfelben ben frdftig 
fortfdbreitenben (fnttt>i<flung«gang §u ftefeern unb bie ganje üirdbe je mehr unb 
mehr in ben Sienft ber Freiheit bineinsusmingen. Sie glaubten an bie 2Jtög- 

*) £crr ®<bünemann = 3)ott, Sprecher ber freien ©emeinbe in 9)bilabel* 
Pbia, -bat in feinen »»tattern für freie« rcligiöfe« geben" feinen gefern fürjlicb bie Vergebe- 
rung gegeben, ber Schreiber biefer Seilen hätte g<b $ur Seit ber »Übung ber freien ©emeinben 
auf bie ©eite ber £ilbebranbt unb Konforten, alfo auf bie ©eite ber Feiglinge unb heueb* 
lerifdben Schürfen gefteUt, er batte mie fte in aller (Ebrbarfeit unb ©otifcligfeit ein gemütliche« 
geben führen tonnen, menn ihm nicht bie böfe 2>cmofvatte einen Streich gefpielt. £er £crr 
S(bünemann^9>ott rnufe bie in 9tebe ftebenbe Seit in ben SBinbetn burcblebt haben. 3# 
»erliefe aHerbing« bie Äirdje nicht. 3<b batte ba« Mögliche getban, bie ücbtfreunblicben ^farrberren 
ju einem entfcbloffenen ©dritte $u bewegen. 511« meine Vemühwtgen an ihrer ©orge für bie 
i)farrre»enuen gefdbeitert maren, trennte ich mich »on ben protejlanüfcben Sreitnben unb fe^te 
ben flampf auf eigene gauft entfcploffen fort. 3cb tbat, ma« getban merben mufete. 2)ie 
beutfeb-reformirte irebe in 2Ragbeburg, bereu 9>rebtger t$ mar, gehörte ber ganbe«?ircbe 
nicht an. liefen Umflanb benufcte ich, um bem (£onfiftorium unb bem SWinlftcr Kicbborn, al« 
»eborben einer un« fremben Konfeffton, jebe Autorität in »etreff be« Kulm« unb ber gehre 
al$ufpre<ben. 3n Sachen be« Kultu« unb ber gehre ber reformieren flirre fei id) für 0e 5lu* 
torität, nicht ge für mich; an meiner ^Belehrung foUte e« ihnen nie fehlen, fofern ge ge münfeb- 
ten. 3<b *ermarf bie »efenntnifefebriften al« gefe»orf<brigen unbebingt, fritigrte bie biblifdhen 
»ücber mit »oUfommencr Freiheit unb erflärte bie gegierten ütefultate ber SBiffhifcbaft al« bie 
einige Autorität, bie üb anerfennen tonne. Diefelbe ©tellung nahm ich fpdter in V r e m e n 
ein. 3«b vertrat biefelbe in beftimmten Kvflärungen an bie »ehörben, in Kolloquien unb an* 
bermeiten »efpreebungen, in meinen fPrebigten, beren »tele gebrueft mürben, unb in meiner 
grofeen Sahl #on Vücbern unb ©Triften, bie meite Verbreitung fanben. ©o hatte ich feine 
Veranlaffung, au« ber Ätrcbe ju fetjeiben. 3<b hatte in eigener 2Kcubt»oUfommenbctt bie ©ren¬ 
nen ber tfirebe fo meit au«gebehnt, mte e« mir erforbcvlicb festen; unb mahrlicb, innerhalb ber 
»on mir gejogenen ©renjen hätte ber ganje Schmarrn ber freien ©emeinben »ottfommen 
genügenben 9taum gefunben. 

2)am al« fanben meine Schriften »eadhtung. Viclleübt gab*« in 2)eutf(blanb bamal« 
faum eine Seitung ober eine Seitfcbrift, bie meinen ©dbriften unb meinem tfampf nicht haufege 
unb jum ^hcil eifrige ^hei^ahme gefebenft hatte. 5luch ba« 5lu«lanb fanb geh oeranlafet, »on 
benfelben S'toüj ju nehmen. 2)er ^err Sprecher »on 9) h i l a b c I p h i a mufe alfo jene Seit 
burebau« in ben SBinbeln burebfebt haben. 3cb betheiligte mich aßerbiitg« aui an politifeben 
»egrebungen. 2)ie Freiheit ig eine 2flacbt. ^reie ©emeinben im ganbe ber £e«potie 
fönnen nicht gebeihen, unb ba« ganb ber Freiheit mirb burch unfreie ©emeinben um feine 
feböngen girüchte betrogen. SBa« ich auf bem ©ebicie ber $otitif getban, macht ba«, ma« ich 
auf bem ©ebiete ber strebe ergrebt, nicht ungefebehen. % b. V. 


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lichteit eines 23ettelbroden$ ber greiheit für fleh «nb ihre burrplofe 28ei3beit, 
währenb ba$ 2iuge ber Despotie wachte unb $ol; 3 eibüttel fte begleiteten auf 
Stritt unb Stritt* 

3« ber 2Jiär33eit hüben Gütige aus ber 3uhl ber freigemeinblidben gelben 
i^re. Sünben quitt gemacht, unter ihnen 28 i 3 li c e n u 3. SHe ÜJtebqabl, bie 
grofce SDtajfe, ^at nichts gethan, was ben freien ©emeinben 2lbfolution fiebern 
fönnte. Sie waren febt freibeitliebenb unb febt Porjtcbtig. Sie hätten gern 
bie ßaftanien aus bem geuer geholt, nur wollten fte ftdb als lluge ^auSoäter 
fo wenig bie ginger wie bie üRafeit oerbrennen. Siefpieiten oor Schwurgerichten 
allerliebft ^elbenrollen, nahmen ben 2Jtunb §uweilen erftaunlidh boll unb erftar* 
ben als untertänige Unterthanen in tiefer 2)emuth. Sie waren ©othaer ber 
allerfeigften Sorte unb fteben ^eute mit ben !Rational*23ereinlern auf berfel* 
ben Stufe. Sie wollen baS Unmögliche. Sie wollen bon ben ©ottbegnabig* 
ten bie greibeit erbetteln. Sie wollen aus ber Despotie jur greibeit auf — 
gefefclicbem 2Bege! Sie wollen greibeit unter ©enSbarmenbegleitung unb hoch* 
obrigteitlidher Gontrolle! 2Benn fte auch heute nur ein fümmerüdheS Scheinleben 
führen unb ft<b mit einem GtwaS begnügen rnüjfen, in bem fein SBernünftiger 
eine gorm ber greibeit erfennen fann, fo bürfen fte ftch nicht befebweren. GS 
ift bie notbwenbige Gonfequen 3 ihrer Stborbeit. 2ln ber nieberen Gntwidlung 
ber Kirche $ur gemeinften SeSpotenmagb trägt ber feige SBerrath ber $il* 
bebranbt unb Gonforten feinen größeren £bdl ber Sdbulb, als bie 
©linbheit beS waeferen Üblich unb feiner fretgemeinbltdhen ©efäbrten. 
Schafft greibeit, fo werbet ihr frei fein, aber — fchafft reelle unb wirtliche 
greibeit! 

2Benben wir uns jefct aus bem Sanbe ber Despotie in baS Sanb ber oiel* 
gerühmten greibeit. £ier lagen unb liegen bie Sachen anberS. 

Sleufeerlich r mb in Hmerifa aUe fachlichen ©entetnben freie ©emeinben. GS 
giebt hier leine romantifebe äirdbenregenten, bie, mit ftaatlicber SlUmacht aus* 
gerüftet, bie wiberftrebenben ©emeinben in ihre Saunen binei^ujmingen oet* 
fudhen fönnten. 3n flöget 2Jiadhtoollfommenbeit tonnten bie ©emeinben fühn 
fortfdhreiten, wenn fte 3 um gortfehritt Suft oerfpürten. 2leufjerlidh ftnb fte frei; 
im 3 n uertt freilich, in ihren Slnfchauungen unb 23eftrebungen, ftnb fte befto 
unfreier. 

^aftoren, geiftigfreie, gebiegene Männer, bie auf ber £öbe ber 23itbung 
ihrer 3eit ftänben, giebt eS hier nirgenb in großer 3ubl« S)ie 23 ee ch e r unb 
parier ftnb äufjerft bümt gefäet, unb felbft bie 25 ee eher unb parier 
bürften noch jiemlidb tief in ber <briftli<hen ©läubigfeit fte dien unb ben fpecula* 
tioen SffationaliSmuS unferer theologifch uniformirten ^hilofophen laum gehörig 
perbaut buben.*) 3)ie 2Jtaffe ber ^aftoren fteht tief unter einem 28 i S l i c e n u S 
unb feinen ©ettoffen. Sie fann nimmermehr auf ben ©ebanlen fornmen, baS fort* 


*) £tnjichtlicb eines Dörfer möchten Wir baS bo<b in Bwcifel sieben. Sehr gewagt ift e$, 
ibn in gleite Sinie mit S3ee<bcr |u fteflen. 2). 0t. 



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SBcfcn giebt, baf* poliiifche greiheit ohne geiftige Srei^eit bochftcnS als leifer 
Anfang gut 2ftögli<hfett bet greiheit gelten fann, nun, bet l?at baS Sßuloet 
ftcfeer nicht erfunben unb wir wollen uns beS Weiteren nicht mit ihm incommo* 
biren. 

Seite ftattlichen Kauf* unb .ganbelSherren, bie aus ©efchäftSrücfficbten in 
bie Kirche laufen unb ihrer Uebergeugung gum £ohne mit frommet Heuchler* 
miene ftngen unb beten, fielen mit Senen auf gleitet Stufe, bie ihres 
©elbintereffeS wegen bet bemühten IHebellion bie £anb reiften unb gu 
Berrätbern an bet fftepublif würben. S)aj 3 berartige Seute im Sanbe bet greU 
beit ©eltung, Sichtung unb ©hre ftnben, ift äufjerft cbarafteriftifh. @3 (baralte* 
riftrt bie garbe bon greiheit, bie biet bielfach ibr SBefen treibt. 

2)ie 2Biffenf<haft ift eine mächtige SBaffc. Shtr heran mit euren geitungen, 
iJeitfcbriften unb non SBiffenfchaft ftrofcenben Büchern ! üftur heran l 3b* 
feib baS fcbwete ©efchüfc unb mögt Brefche fchie&en. 

Slber reicht bie Sßiffenfchaft mit ihrer logifchen Schärfe, ihren burchfchla* 
genben ©rünben, ihren mächtigen ©ebanlen überall unb überall bin ? 

£ier fteben §unberitaufenbe, hier flehen Millionen, bie feine miffenfchaft* 
lieft gehaltenen Schriften lefen. Umb wenn fie fte läfen, fo berftänben fie fte 
nicht. Unb wenn fie manchen Brocfen bekamen SebenSbrobeS auffingen, — 
ber erfte befte Bfaff, bet erfte befte, fchlaue SBortberbveher würbe ihnen ben 
Sinn gum Unfmn machen unb ben treueften SBahrbeitSfceunb in ihren Slugen 
gum Sügner ftempeln. Unb berbienen 3ene bort — gleichfalls DJtiüionen — 
leine Beachtung? Sie benfen mehr mit bem «gerben, als mit bem Kopfe. Sie 
feben woi;l fo ungefähr, was bie ©lode gefchlagen hat, aber fie wollen angeregt 
unb erwärmt fein, wollen immer beffer einfehen, immer flarer erlennen, immer 
beutUcher ben ©runb ber Sache berftehen. 3hr §erg ift warm unb ihr ©enuitb 
nicht ohne £iefe. Sie müffen fich gepadt unb ergriffen fühlen, fte müffen etwas 
haben, was ihren empfinbfamen SJtenfchcn befriebigt, waS fie auf ben Slliat 
ihres $ergenS fteUen fönnen, unb fönnen fie nicht anbeten, fo wollen fie hoch 
berehren, unb für Sonn* unb gefttage folfs {ebenfalls etwas SlnbereS fein, 
ginben fie nichts BeffereS, fo laufen fie in bie Kirchen unb gu ben Sßvebigern 
beS ftirntofen S)ogmenframeS. Stur wer fehr furgfichtig unb ein fehr fehlerer 
Beobachter ift, fann bie aufcerorbentlich grobe Slngaht biefer tefpeftabeln 2)ten* 
fcpenflaffe berfennen. Sie ftellt gu ben gebrängten Schaaren, bie allfonntäg* 
lieft bie Kirchen füllen, ein fehr anfehnlicheS Kontingent. 

2ffie bie Sachen ftehen unb liegen, fmb in Slmerifa bie freien ©emeinben 
eine burchauS unentbehrliche #ülfSma<ht gut Befänipfung ber Kirchen unb gur 
görberung ber greiheit, bie ben Stamen berbient. 2Bie fteht es mit ben freien 
©emeinben ? 2ßaS wollen fie unb was fönnen fie ? 

$ie freien ©emeinben pnben ihren Sehrinhalt in ben gefieberten fRefulta* 
ten ber wiffenfchaftlichen (Irfenntnip. 3h*e fHeligion geht mit ber ^ß^itöfoph^, 
mit ber gefammten SCßiffenfchaft $anb in §anb, fchreitet in ihrem ©ebanfen* 
Snhalte mit biefer fort unb geht mit ihr biefelbe Strafje ber Gntmitfelung. 



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2Iber ftc hält ftch bor SWem an bie SRefultate, fteHt fie in populärer gotrn bar, 
weift tu populärer gorm ihre Pegrünbung unb ^Berechtigung, ihre SBichtigfeit, 
ihren (Einfluß auf alle OffenbarungSfotmen beS Sehens nach. 3b** Seele ift 
ber wiffenfcbaffliche ©ebanfe in ber gorm fchöner Popularität nach feiner Pe* 
beutung für baS praftifche Sehen. gür biefe Religion unb burch biefc Religion 
ergreift bie freie ©enteinbc, bie ihre Aufgabe berfteht, $erg unb ©entüth, unb 
giebt fte bem ©eifte fo mel Sicht, wie er hüben will unb aufgufangen im Staube 
ift. Sie: freie ©euteinbe, bie ihre Aufgabe berfteht, ift negatib unb befämpft. 
Slber bor Slllein ift fte pofitib, fie. giebt unb behauptet. Sie betämpft ben prie* 
fterlichen Pater im $imme(, aber fie behauptet bie 3toe ber SBeiSbeit, ©erecbtig* 
feit unb Siebe. Sie mtrft bie ©ötterbilber mit ben Altären um, aber ftellt 
ben Ptenfchen auf bie leer geworbene Stelle unb bringt ihn nach ber gangen 
Schönheit feines SBefenS, nach ber gangen giitle feiner bortrefflichen (Eigen» 
fchaften gur 2lnfchauung. Sie befämpft bie Äirche ber Priefter, aber fte ber* 
herrlicht ben Staat als ben Präger beS PecbtS, bie gamilie als ben Sempel ber 
Siebe, bie Schule als ben Sip ber ©rfenntnifc, bie Äunft als bie Ptacbt ber 
erfreuenben, hergerhebenben Schönheit. 3 a / bie freie ©emeinbe giebt, unb 
wer mit biefer SBe.lt ber erhabenften 3been bie ©emüther nicht .tief gu ergreifen 
berfteht, ber mag fid? getroft fagen, bafc er tro$ allebem noch ein Stümper fei. 

SöaS bie freien ©emetnben wollen unb fönnen V Sie wollen bie Heuchler 
gum Scufel jagen, unb fte fönnen eS. Sie wollen bie fudbenben Ptenfcben 
fangen, unb fte fönnen eS. Sie wollen ber Sieb erlichfeit unb ber Spitzbüberei 
einen Stieget borfchieben, unb fie fönnen eS. 

Por allen Singen wollen fte Senen, bie ein $erg im Seihe haben unb 
für «£>erg unb ©entüth noch eine angemeffene, wohlthucnbe, ihnen gufagenbe 
SonntagSfoft bertangen, eine entfprechenbe SonntagSfoft berabreichen* Stur 
©ebulb, nur SluSbauer, pur immer in ber rechten Söeife, bah baS £erg ftch in 
Pewegung gefefct fühlt unb in ben werden köpfen fich ein Sicht nach bem an» 
bern entgünbet, — es wirb ftch febon machen. Sie fommen. Sie fommeu mit 
ber 3eit in immer gröberer 3abl» Sie fommen enblich in Schaaren, unb — in 
ben Kirchen wirb’S leerer unb leerer. Pleiben aber aus ben Kirchen bie Pten* 
fdben weg, fo ftcllcn ftch auch bie Schillinge nicht ein, unb noch biel weniger bie 
©reettbacfs. Sann aber — abe, ihr Herren Paftoren! 

Senfen wir je$t auch ein wenig an unfere beutfd^amerifamfeben SanbS* 

Ieute. 

U h t i ch in Seutfdjtanb bie freien ©emeinben ftiftete, lief er, wie wir 
oben gefeben haben, tn ©efeüfchaft Serer, bie ftch gu ben greien unb Slbancirten 
gählten, gur Kirche hinaus, unb übergab baS Pollmerf, anftatt eS gu bertheibi» 
gen, in feinbliche <£>änbe. £ier ftnb bie greien unb Sloancirten längft aus bem 
Pcreich ber Kirche heraus. Sie geben feinen Seut tun bie Äitche, unb fragen 
nichts nach ben Paftoren. 

Söte leben bie greienunb Äbancirten unter unfern beutf<h*amerifantf<ben 
SanbSteutcn ? 





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©ang bortrefflich. 6ie arbeiten rechtschaffen. sie haben fuh als tüchtige 
Arbeiter einen guten tarnen berfchajft. Sie ftnb hoch angefeben in ben ocr* 
■fchiebenen Branchen beS ©efebäfKlebens. 3b«* SBicle fammetn unb fparen, 
mad)en ein bübfcbeS SBermögen unb arbeiten erfolgreich an einem ber mertbuoll* 
ften SHnge, an benen ber 2Jtenfcb arbeiten fann, an ihrer ftnangiellen Unab* 
bängigfeit. daneben freuen fte ficb aber reebtfebaffen ihres Sebent; fie fingen 
febr feböne Sieber, beranftalten anmutbige $8älle, feiern gar luftige gefte unb 
üinfen in reichen 3ügen Sagcrbier, meines gumeilen fct;r gut, gumeilen mifera* 
bei fcblecht ift. 

2BaS ift bagegen gu fagen ? ©ar fRicht^! 

©S ift aber boeb eine eigene Sache. 23loS arbeiten, fparen, fammcln, 
fingen, taugen unb trinfen ? ©eiten hohe 3&een, mie fie fonft bie bergen 
fcbmellten, gar nichts mehr ? Sinb fie aus ber 2Jtobe gefonimen, fibcrflüjftg 
gemorben, nur gut genug für bie föumpelfammer veralteter 3>inge ? 

$er ÜDtenfch, ber neben bem mertben 3<h herum läuft, ift balb eine 2Baare, 
an ber ich ©elb oerbiene, balb eine -äflafchine, bie für mich arbeitet, balb ein 
©eibfaef, aus beffen SBorratb ich fdjöpfe, balb ein ^nftrument, baS meinem 
Vergnügen bient, halb ein ©efäbrte, ber mir bie 3eit vertreibt, balb ein £ftlfS* 
bebürftiger, an bem ich baS Sicht meiner ©rofmtutb leuchten laffe. 3)er Staat 
ift ein beilfameS Suftitut. 3# fann ihn febr gut gebrauchen. 3apft er mich 
jeweilig etmaS berb an, je nun, eS fommt febon mieber; mo ich ihn prellen fann, 
prelle ich ihn, unb maS gemalt merben fann, mirb gemadbt. Onfel Sam bat 
oolle Safchen, gablt febr gut unb fiebt gelegentlich bureb bie Ringer. Unb gar 
bie gamiüe! 2Bte angenehm unb mie behaglich; — mie bequem bie orbnungS* 
mäpig berlaufenbe Siebe! ©bret bie grauen! Sie plagen fuh maefer; — ich 
biene ber Partei, raifonnire für’S Söaterlanb, bominire im herein unb trinfe 
ben 9teftar in reichen 3ügen. 3)ic S$ule aber unb bi* ßunft, — mo ift ber 
93arbar, ber ihren SEBertb oerfennen fönnte ? 9)teine Äinber müjfen boeb $il* 
bung haben, muffen tüchtig fiir’S ©efchäft unb tüchtig für bie oornebmfte ©e* 
fellfchaft merben! Unb mie fahl mürbe jene SBanb fein, menn ber golbene 
bahnten nicht märe, in bem baS feböne 93ilb bängt; mie langmeilig bie langen 
Slbenbe, menn ber grobe Zünftler $ o p m uns nicht baS Stabttheater gurecht 
gemacht hätte! 2)er Slrion aber unb ber Sieberfrang, — mie munberfchön fm* 
gen fie! Unb mar baS eine 2)tenfchbeit auf ben Fällen ! ©3 fonntc, meijj©ott, 
fein Slpfel gur ©rbe fallen, unb mer ohne Quetfchungen nach $aufe fam, fonnte 
oon ©lud fagen. 

©bret bie $unft, — fie ift beS Rimmels fchönfte Tochter! 

$a$ ift nun fehr vortrefflich; — portrefflich, fo meit eS nicht gu meit gebt. 

3)er ÜJlenfch, bie gamiüe, ber Staat, bie Schute, bie Äunftballe fallen unb 
moUen Wiener beineS mertben 3$ fein, unb magft bu bich in ©otteS 9la* 
men als baS ©entruni betrachten, um baS fte, im Greife herumtangen. 

SSor allen Gingen ftnb fte aber auch miffenfchaftliche ©ebanten unb fttt» 
liehe 3been, uno gmar bie ehrbarften unb beiligften, bie je in eines 2)tcnfchen 

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$erj gefommen ftnb. Sie wollen unb muffen bet ©egenftanb einer grünbli* 
hen unb utofaffenben ©rfenntniff fein. Sie wollen nnb müffen nah ihrem 
2Befen, nah ihrem ungeheuren ©ewiht, nah ben Söebingungen ihres bcglüf* 
tenben ©influffeS berftanben unb‘begriffen fein. 3a, bu mufft fte berfteffen 
unb begreifen, wenn fte bir bie klugen öffnen unb in bem wunberfebönen unb 
überreichen Sehen ein ©lücf offenbaren foden, in beffen heiterem ©lanje man 
ftch juft nicht tobtlacbt, aber ftol 3 unb glücflih lebt. Sie wollen unb müffen 
bie 3ielpunlte einer anhaltenben, grünblichen, ernft gemeinten Arbeit fein, einer 
Arbeit, bie, fo bebeutungSreih fte ift, bodh unfern Offtcen, Stores unb SffopS 
feine ber ihnen gebübrenben Stunben ftiehlt. Sie wollen unb müffen bie ©e* 
genftänbe eines gewiffenhaften, auSbauernben, begeifterten StrebenS fein, in 
bem wir je langer, je mehr baS febönfte, am meiften unb am allfeitigften he*- 
friebigenbe ©lücf beS Sehens ftitben, bie ©egenftänbe unferer Siebe, unfereS 
Stol 3 eS, unferer ©h*furht, bie fegnenbe Quelle, aus ber baS 3$ im reichten 
©enuff ein feligeS SBergeffen trinft. 

Sinb fte baS ? 

3h glaube, bie freien ©emeinben finben biel Arbeit unb haben eine hohe 
unb ernfte Aufgabe. 

3h* beftreitet ober bergest, baff ÜUtenfh, gamilie, Staat, Schule, ßunft* 
bade erhabene ©ebanfen, ftttlidhe 3been boit ber allerhöhften 33ebeutung fmb. 3h* 
faib befriebigt im ©ffen unb Printen, im Arbeiten, Singen unb 3ubeln, unb 
baS erforberliche ©ajff ift ber eiit 3 ige ©egenftanb eurer ernften Sorge. So 
geht ihr an einem siemlih [teilen Abhang. 3h* fommt ins Saufen. Unten 
liegt ber Herrath, fluthet ©emeinheit unb $3eftialität. 2)a ift feine Rettung. 
2Ber an biefem Abhänge ins Saufen fommt, ber plumpt in bie ©emeinheit unb 
Skftialität hinein bis über bie Ohren. 

©S giebt dJtidionen, bie an bem fteilen Abhänge gehen, ©ine gute 3ahl 
ift ins Saufen geraden. Sßimmelt eS nicht im Unrath bon ©efadenen ? 

SBahrlich/ bie freien ©emeinben haben reiche Arbeit. 

3h weiff fehr wohl, bie freien ©emeinben werben feine SButtber thun 
unb am wenigften bie ftch aufblähenbe Rohheit unb bie weisheitgefütterte 2)umm* 
heit curiren. 

$aS Seben ift fo ganj eigentümlich, fo mächtig bewegt, fo reich unb $u* 
weilen fo bezweifelt arm. 3t fann’S nicht änbern, ich muff 23eute machen, 
ich barf’S fo genau nicht nehmen, ich muff mich in bie 3eit fehiefen unb mit bem 
Strome febmimnten. 2BaS Süge hin unb he*, — fte machen es 3lde fo, unb ich 
Werbe wahrlich fein fein. $>aS ©afh ift ber wahre 3mecf, unb ih muff* 
borwärtS. Safft fte raifonniren unb fchma&en, ich weiff beffer, wo Barthel SWoft 
holt. 

Unb Söarthel holt 2Boft. ©r lügt, betrügt, predt, beutet aus, wirft ©hre 
unb ftttlihe ©ebanfen gunt genfter hinaus, lebt fehr bergnügt, fühlt ffh, wirb 
immer behäbiger; immer heder Hingt eS, wenn er felbftbewufft auf feine Safhen 
flopft. 



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Sag Seben ift gang eigentümlich. ©g ift furchtbar crnft in ber 9Jta<ht 
feiner Bcrfudhungen. 3»n feinen fc&auerlic^en Strubeln gehen SRenfdhenabel 
unb 2Jtenf<hengtüdl gu ©runbe ohne 2ftab unb 3ahl» 

Barthel holt 3Jtoft. 2Bie märe eg, menn gu 3eiten einmal ber fittlidbe 
©ebanle in bag Iügenbe unb betrügenbe Seben ^inetnbonnerte; menn bem 
©elbfudher einmal ber ©ebanle oor ben ßopf ftiebe, bab SGBahrhaftigleit, ©e* 
rechtigleit, föebtidhleit Singe fmb, bie für bag praftifdhe Seben bo»h auch eine 
gemiffe unb §mar eine fehr grobe Bebeutung haben; menn ihm 2Renfd^ unb 
Staat, gamilie unb Schule einmal in einem anberen Sichte erfdhienen, in einem 
Sichte, »on bem ein biel fernerer 2lbglang auch auf fein Seben fallen 
lönnte ? 

ffiie märe eg ? 

©uriren mürbe eg ihn mahrKch nicht, auch ftcher nicht auf ben fiopf [teilen. 
Slber nidbt bielleicht ein menig bebenllich machen? gum üftadhbenlen beranlaffen? 
gum S^eifel erheben unb aug feiner Sicherheit mach rütteln ? 

SBirb ber ftttlidbe ©ebanle feinem Seben gang fremb, fo liegt ber ©rfolg 
am Sage. ©r hält feine Brutalität gegen ben ÜDtenfchen, feine Prellereien unb 
Betrügereien, feine Sügen unb Sdhurfenftreiche, feine nichtgmürbige Sluffaffung 
beg Staateg unb ber gamilie für bag bolilommen Berechtigte, bag Selbftoer* 
ftänblidhe unb allein 3uläffige. Oag ber galt, fo brauet er nidht ing Sau* 
fen gu gerathen. ©r ift im bollen Saufe ober liegt fd?on im Pfuhle ber ©e* 
meinheit unb Beftialität. Sag Schöne im üDtenfcben, bag ©bie im 2)ienfdhen, 
bag namentlich, mag ben ÜDtenfdhen auch in Siebe, ©enub unb ©rmerb fo un* 
enblich hoch über bag Shier erhebt, ift abgeftorben, ift tobt. Ser Btenfch ift 
begraben, nur bie Beftle mühlt noch tm Seben herum. 

©g broht eine fürchterliche ©efahr. 3ch fcbilberefte nicht, meil bie ©e* 
fdhichte bag ©efdhäft reblich heforgt hat, unb meil fte 3eber fehen rnub, ber 
fehen l a n n. 

Sie freien ©emeinben ^aben ohne 3^eifel eine grobe, hochmidhtige 2luf* 

gäbe. 

Sie mürben nicht burchbringen ? Mächtig ift ber ©influb beg Sebeng, 
oerführertfdh bie ÜJladbt beg Beifpielg, furchtbar grob bie herrfdhenbe ©emiffen* 
lofigleit unb bie Berebfamleit beg triumphirenben Sollarg ? 

. Slllerbingg — bag fmb Shatfacben. Beifpiel, ©emiffenloftgleit, Sollar 
fmb Shatfachen bon erfchütternber flacht. Allein ift bie Shatfadhe, bab S dh i U 
ler, bab ßumbofbt, bab bie ©ebrüber ©rimm, bab Rimberte unb 
Saufenbe gelebt haben, beren gangeg Seben eine Bermirllidhung ber erhabenen 
Sbee beg mähren 2Kenf<hen gemefen ; ift bie unleugbare Shatfache, bab mir 
auch heute, auch in biefen gesegneten Sagen ber fchreienben £abfu<ht nodh 
jah^eidhe 9)tenfchenfreife finben, in benen gart befaitete ©emüther unter ber 
leifeften Betle&ung ber fittlichen 3bee erbittern unb erbeben; ift bie fernere 
Shatfache, bab auch heute noch Männer unb grauen in nicht geringer 3ahl 
unb unter allen Sebengoerhältniffen im ftriften ©ehorfam gegen bemährte 



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©runbfdjc alle Befriebigung unb bett reichften SebenSgenuB finben : — ftnb 
alle biefe ganj unleugbaren £batfadhen gang »ertblofe Seifenblafen ? SBabr* 
lieh, ber ÜDtenfdb ift unb bleibt eine erhabene 3bee, eine 3bee non ergreifenber 
SJtacbt unb Schönheit. Unb bie 3bee !ann gur ÜEßirflidbteit »erben, ift in tau* 
fenb unb aber taufenb fallen gur SBirtlidbfeit geworben, wirb in immer »eite* 
ren Greifen $ur beglüäenben 2Bir!licb!eit »erben, »enn bie $o<h»eifen nicht 
Starren »erben unb bie Un»eifen nicht Starren b l e i b e n »ollen. 

Unb »enn beute Saufenben ^olitifcf^cr unb unpolitifdber SDtönner ber 
Staat nichts »eiter ift, als ein Sftebtfafc, auS bem fxe fuh mit Brob verforgen, 
ober einb BorratbStammer, nach beren lederen Biffen fte Iüftern ftnb; »enn 
bie gamilie Saufenben von $^iliftern unb SBüftlingen nichts ift, als ein bebag* 
lidjeS Stubepolfter ; »enn bie Schule, baS fcbönfte $eiligtbum ber SRenfchbeit, 
©elbmenfdhen in bie rudblofen §änbe fällt unb — ber Stuchloftgfeit bie Bahn 
bricht : fo änbert baS an ber Berechtigung unferer Sluffaffung gar nichts. Seht 
Staat, Familie unb Schule nur genau an. 3b* müht ihre hohe ftttliche Be* 
beutung ertennen. 3b* nt ü fc t ben Staat auffaffen als ben Sräger bei 
StechtS, ber ©runbbebingung eines menfcbenwürbigen SebenS unb SebenSge* 
nuffeS, bie gamilie als jenen fdbönen Stempel ber Siebe, in bem baS allein 
ganj unb völlig befriebigenbe ÜDtenfdhenglüd geboren »irb, bie Schule in ihrer 
weiteften Bebeutung als ben immer frijch fprubelnben Duell lichtvoller (Er* 
lenntnifc unb gebiegener ßraft. So ftnb fte aufgefafct »orben. So »erben fte 
in immer »eiteren Greifen aufgefafjt »erben. Unb »eSbalb fodte biefe Stuf* 
fajfung nicht eine vorberrfcbenbe, eine allgemeine »erben ? (ES ftebt »abrlich 
nidbtS »eitet im SDege, als unfere Trägheit, unfere Blaftrtbeit, unfere 
geigbeit. 

$ie freien ©emeinben haben eine hochwichtige Aufgabe. Sie tonnen ftcb 
nach allen Seiten umfeben, überall ftnben fte Arbeit. 

2)ie freien ©emeinben haben bis jefct in Slmerifa »enig ©füd gehabt. 3&, 
fte haben faft überall entfliehen giaSco gemacht unb nirgenb einen erheblichen 
(Erfolg erjielt. 

SBoher tommt baS ? 

S)ie Beantwortung btefcr grage ift fdhwerer, als fte fcheint. 2Bir bebak 
ten fte uns für einen folgerten Slrtifel vor. f 



Goog 



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fleh nähet nach ben 3$erbdltniffen ber 3)ame. 34 feilte tbm mit, mad ich 
felbet barüber muhte. @r befann ft<b eine 2Me, unb meinte bann, ber 9tame 
Mureno fei ibm nicht ftetnb, ba er fefeon bor bielen, bieten 3abren mit einem 
©liebe biefer alten Familie befannt gemorben. ©ern batte ich barüber 

in ©rfabrung gebracht, hoch gernanbeg mar an biefem Sage nicht febr mittbeil* 
fam; ich muhte ed einer fpdtem (Gelegenheit überlaffen, tbm bie 3unge gu löfen. 
©lüälicbermeife batte ich ni#t allgu lange barauf gu märten« 2öir trafen und 
feit ber erften Begegnung öfter, fchtürften unfer Slguarbiente unb machten auch 
gelegentlich ein Spielchen gufammen, mobei ich nie berfdumte, gernanbeg fcharf 
auf bie ginger gu feben, obgleich ich überzeugt bin, bah er einem armen Sanbd* 
manne gegenüber bon feinen fleiften fünften nie ©ebrauch machen mürbe. $Bot 
gmei Sagen—ed mar gegen Sonnenuntergang — fajjen mir bor ber alten fyuU 
peria am oberen ©nbe bed Sajamar. Sie Strafe mar mit Spagtergangctn unb 
benßaroffenunferer bornebmen 2Belt bebeeft. ©ine meinumranfte Saube machte 
und ben 23liden ber Sorübergiebenben unfuhtbar, — mir aber beobachteten 
2Uled, mad braunen borging. Sa plöfclicb tarn Son ©dcobebo’d ©quipage bed 
2ßegd; an Sonna Seontica’d Seite machte ber reiche Mann feine abenbliche 
Spagierfabrt. gernanbeg, ber mdbrenb feined furgen $lufentbaltd in Santiago 
noch leine ©clegenbeit gehabt, Son ©dcobebo gu feben, bliefte neugierig binaud. 
Sad ©emübl bon Menfchen unb 2öagen geftattete fein rafebed gabren, unb ba 
mir felber biebt an ber Strafe fajjen, batten mir bie hefte (Gelegenheit, bie in 
ber ©quipage fifcenben ^erfonen fcharf in’d 2luge gu faffen. Natürlich galt ber 
erfte SBlid ber reigenben Sennorita, Sabtiagod gefeiertfter Schönheit. 

„93ei St. SBincentio", rief er, „eine achte Mureno! Sie gleicht ihrem 
unglücflichen Oheim, ben ich 25 fahren fennen lernte. 11 

„Unglüdlich — medbalb ? " fragte ich. 

gernanbeg antmortete nicht, benn Son ©dcobebo, ber fuh bidber in eifrU 
gern ©efprdch feiner jungen ©attin gugemenbet, brebte ben ßopf plöplich nach 
und herüber, fo bah wein greunb fein bolled profil feben fonnte. 

„©aramba!" rief gernanbeg unb beugte ftch fo baftig über benSifch,bah 
biefer bad ©leichgemicht berlor unb unfere beiben gefüllten ©lafer berunterfol* 
ferten unb bad feurige :Jtab, bad bem inneren Mengen fo mobl getban haben 
mürbe, bon bem Sanbe bed lobend, ftatt bon unferen Sippen aufgefogen 
mürbe. „©aramba, ben Mann füllte ich fennen! 3ft ed mirflich ber reiche 
©icooebo ? " 


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„Sluf Gl?re, Slmigo, trenn man mit 3emanbem tägtidj »eitert, wirb man 
ftd; tro^l taum in feinet Sßerfon irren.' SBo ^aft S)u Sion Gäcoüebcä 33e* 
lanntfdbaft gemacht ? " 

„Gr lann ti nic&t fein .... i<$ »age niefet ju behaupten, bafj er ti 

fei-bodj biefe He&nlitfefeit... .trofc ber injroiftfeen oerfloffenen 25 3af>re, 

bie fein 2lntli| gerunjelt unb fein $aar gebleicht, biefe ganj überrafefeenbe 
Siebnlicbteit 

S)er SDagen fuhr »eitet; gemanbej folgte ibm mit ben Slugen fo lange 


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er eS nur trgenb betmochte. Gnblich fegte er ftd? mieber unb blicfte mit ber* 
^ fbränften Firmen bor fi<h bin* ^tatürlid^ brang ich abermals in ihn, mir mite 
gutheifen, melche Semanbtnib eS. mit jenem Sufammentreffen mit einem ©liebe 
bet fjamilie -Dtureno habe, gang befonberS aber, mo unb mann er bie 33efannte 
fhaft Sen GScobebo'S gemalt. 2lu<h jegt mollte er nicht mit ber’ Spraye 
heraus; ich aber ceftürmte ibn, meine-fteugier nicht unbefriebigt gu Taffen* 
Gnblich, nachbemich für frifheS STguarbiente gefo rgt unb ibm tüchtig gugefpro* 
<ben, geigte er ft<h nachgiebiger. 

„GS iftmabr, ®il, maS ich überbiefe $erfonen meib, fönnte Sit früher 
ober fpdter bon grobem üftugen fein, unb ba Su mein greunb unb SanbSmann 
bift, märe eS am Gnbe unrecht, menn ich es Sir borenthalten. mollte. Sab 
Su bei ber herborragenben Stellung ber betreffenben gnbibibuen bon bem, 
maS ich Sir gu ergäben im begriff ftebe, einen böcbft borftchtigen unb biScreten 
©ebrauch gu machen baft, mirb Sir Sein eigener Serftanb fagen/' 

„2Bir 3lrgentiiter ftehen feineSmegS im Suf, unfere fünf Sinne nicht bei* 
famnten halten gu Tonnen," berfegte ich, ihm nochmals gutrinfenb. 

gernanbeg tbat einige tüchtige 3üge, lächelte moblgefällig unb fuhr bann 
fort: „Sor 27—28 fahren, als ich,als junger Surfhe über bie Morbidere ge* 
gegen, um an ber Sübfee mein ©lüdf gu oerfuchen, batte ich junächft meinen 
SCßohnfig tn Salparaifo aufgefchlagen. Ein SanbSmann aus ber 5lrgen* 
Tina hielt an ber Galla ©uinobie ein Kaffeehaus, melcheS bon bielen reifen 
•Kaufleuten unb fonftigen angefehenen Semohnern ber Stabt befucht mürbe; er 
brauchte gerabe einen ©ehülfen, unb ba baS ©efchäft einem jungen 2Jtanne, 
bet ÜJtuttermig unb eine erträglich gefhüfte §anb befaf*, gute Ghancen bot, 
nahm ich bie Stellung mit greuben an. 2ln Arbeit fehlte eS nicht, hoch baS 
mar gerabe maS ich mollte. geh mar Borgens ber Grfte auf bem Page unb 
harrte in ber -Wacht aus bis ber legte ©aft unfer Sofal berlaffen hatte. So er* 
matb ich mit bie ©unft meines £errnunb in nicht geringerem ©rabe bie ber 
©äfte. Unter Segteren befanb fleh ein Sanfter, Sennor Salgabo, ber giemlich 
umfangreiche ©efchäfte betrieb, obmobl man miffen mollte, bab fein Vermögen 
eigentlich in feinem Serhältnib gu benfelben ftehe. 33ei uns lieb er biel ©elb 
aufgehen* Gr Tarn täglich mehrmals unb blieb oft bis fpätin bie -Wacht, mo er 
mit greunben beim Spiele fag. Sie ©äfte, melche er uns guführte, maren faft 
immer 2eute, bie biel ©elb befaben unb auch nicht allgu fparfam bamit umgin* 
gen. Gr hatte biele 33efannte unter ben fremben SchiffSfapitäncm, unb biete 
mieberum oerfchafften ihm bie 33efanntfchaft ber auSgegeichnetften gremben. 
Sennor 33algabo galt für einen gang tüchtigen unb erfolgreichen ©efhäftSmann, 
bon bem man übrigens annahm, bab er in ber 2Baf)l bbr Drittel um gu bem 
erfehnten SHeidbtbunt gu gelangen, nicht eben übertrieben gemijfenhaft fei., GineS 
SageS Tarn er in 33egleitng eines gremben, ber erft fürglich *uS Gnglanb. an* 
gelangt'mar. Gr hieb Sennor geltppo SJtureno^ mar-Ghilene oon ©eburt, unb 
unter ben ©äften unfereS 2ofalS gab eS Siele, bie feine Scrhältniffe genau 
tannteni f Gr ftammte <JÜS einer alten caftilifchen gamilie, bie ehemals gu ben 



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557 


reitften beS SanbeS gehört, tm Sauf ber gabre aber beit probten Sbeil ihres 
©efifceS Perloren butte. Sennor guano üPhtreno, ein tapferer Offner in ber 
(biienifdjen 2lrmee, butte auf baS eigene fnappe ©rbtbeil pergittet, um feinen 
jüngeren ©ruber gelippe, ber als Kaufmann in ©nglanb lebte, in ben Stanb 
gu fefcen, fein ©eftäft gu erweitern unb fit in umfaffenbe mercantile Spelu« 
lationen eingulaffen, pon benen er ficb bebeutenben (Erfolg oerfprat. 2>iefe 
(Ermattungen erfüllten fit ingmiften nitt, unb guano 2Jtureno, ber Sabre 
lang burtauS leine üftatritt Pon feinem ©ruber erbalten, butte fit bereite 
mit bem ©ebanlen beS bölligen ©erlufteS feines ©ermögenS bertraut gemadjt. 
(Er lebte bon bem geringen (Selbe, melden ibm bie föepublif gablte, unb com« 
manbirte gur Seit, bon ber it rebe, eine Heine Sruppenabtbeilung, bie ein ent« 
legeneS ©rengfort in ber oben $roPing Slraulania befe|t hielt. 2)a langte 
Sennor gelippe 2Jtureno, ber bereite für oerftollen gegolten, gang unerwartet 
in ©alparaifo an. 3t weiß nicht, ob er früher }<bon mit ©algabo belannt ge« 
wefen; bamalS, als er mit ibm nad? unferem £aufe tarn, was gleit in ben 
erften Sagen na<b feiner Slnfunft geftab, beftanb gwiften ©eiben ein febrinti« 
meS ©erbältniß. ©S fdhien, baß Sennor 2Jtureno fein jebenfalls beträttüteS 
©ermögen, ober wenigftenS einen großen Sbeil beffelben, bei bem ©anlier bepo« 
nirt butte, ber nun alle laufenben Ausgaben für ibn beftritt. 2Bir ftloffen 
bieS aus eingelnen Sleußerungen, bie uns im ©erlauf ihres ©efprätS gu Obren 
lamen, wäbrenb fie fit in unferem Solale aufbielten. 2Bie gefagt, Sennor 
©algabo fehlte feiten am garotift, ber jeben Slbenb aufgeftellt mürbe, 
©r fpielte mit wetfelnbem ©lud, fo baß ßd? ©eminn unb ©er« 
luft gulefct auSgleiten mosten. Sein neuer greunb betbeiligte fid? an bie« 
fer Unterhaltung unb fdjten ihr gleichfalls ©eftmad abgugeminnen. Unter 
ben regelmäßigen Spielern befanb fit ein Sennor föobriqueg, ein ©tenft bon 
albletifdjen ßörperformen unb rauhem, ungeftlattem 2Befen. ©r betrieb fein 
©eftäft, butte aber ftetS ©elb im Ueberfluß unb prahlte mit feinen gefüllten 
Saften. damals butte ich in bie ©ebeimniffe beS Spiels not leine ©inßtt; 
it glaubte, er fpiele mit folgern ©lüde, baß er auf biefe SBeife in ben ©eftfc 
feiner ©eitt&nter gelangt fei; jefct weiß it eS beffer: er mar ein ©ebülfe S)e« 
rer, bie bie ©anl hielten, nnb arbeitete ihnen burt falfteS Spiel in bie £änbe. 
SDtit biefem ©obriqueg mar Sennor ©algabo feit ber Slnlunft üDtureno’S plöfclit 
febr bertraut geworben. Sch fab fie einige 9Me in eifriger Unterhaltung be« 
griffen, bie jebot fogleid? abgebrochen mürbe, wenn fte fid? beobachtet glaubten. 
(ES fiel mir auf, benn bis babin butte idh nicht bemerft, baß gwiften bem ange« 
febenen ©anlier unb bem immerhin etwas abenteuerlichen, in gebilbeter ©e« 
feüfchaft faum gebulbeten Spieler ein näheres ©erhältniß beftanben hätte, ©U 
neS 9tad?tS ging eS an unferer garobanf fehr lebhaft gu. ©algabo unb üftureno 
fpielten hoher als gewöhnlich/ namentlich wagte Sefcterer febr bebeutenbe Sum« 
men. S>aS ©lüd War ihm fcheinbar nicht günftig, er oerlor einen Sa£ über 
ben anbern unb geriet baburd? in einen Suftanb ungemöbnliter Aufregung, 
©nblit, als et bie gange Summe, weite erbeißt führte, Perloren butte. 



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653 


Wollte er baS Spiel abbrechen unb fich nach £aufe begeben. 5)ie Slnwefenben 
beftimmten ihn, $u bleiben. Sogar Sennor Val 3 abo rebete ibm ein, eS febe 
aus wie fjeig^city toolUe er fech jefet jurüd^ieben; er möge eS nochmals mit einer 
gröberen Summe oerfuchen, baS ©lüd müffe ft<h wenben unb er lönne bann 
mit ©inem Schlage ben ganzen früheren Verluft wieber erfepen. 2)iefe Vor* 
ftellungen tbaten ibre äBtrlung. HRureno blieb, unb ber Vanlier erflärte fub 
fogleicb bereit, für jeben »eiteren betrag, ben er risliren »olle, für ibn einju* 
fteben. $aS Spiel begann auf'S [Reue. $er lü^licb jurüdgelebrte @feilen c 
gewann bie evften Säpe. Storch biefen ©rfolg lübn gemacht, wagte er gröfeere 
Summen, um ben erlittenen Verluft rafcher ju erfeßen. 2)reU, bier*, fünfbun* 
bert Dublonen auf eine $arte; — bie harten verloren, bie Vantbalter ftrichen baS 
©elb ein. „Saufcnb Dublonen!" rief 2Rureno, ^itternb oor Aufregung, unb 
über Sennor Va^abo’S ©eftefet flog ein böfenifcheS ßächeln, wäbrenb ein leichtes 
SRiden beS ÄopfeS anbeutete, bafe er auch für biefen betrag feinem greunbe 

©rebit gebe. SRe harten würben auSgetbeilt, bie SBürfel rollten_„©ewon* 

nen!" tönte es aus bem URunbe beS VanlbalterS, ber mit gefchäftSmäfeiger 
©leichgültigleit bie Summe notirte, welche ihm ber Vanlier auf Rechnung feines 
greunbeS gu jablen batte. HRureno, ber leinen Vlid öon bem Spiel öerroenbet/ 
fuhr je&t plöfclich in dufeerfter SButb empor unb padte IHobriquej, ber bie harten 
gegeben unb bie SGßürfel geworfen, bei ber fieble. „Schurlei [Räuber!' rief 
er, „gieb mir mein ©elb 5 urüd ! geh fab eS mit biefen meinen klugen, bafe 
2)u einen falfchen SBürfel unterfefeobft!" gür ben riefenftarlen [Robriquej war 
es ein Seichtes, ftcb beS Angriffs $u erwehren. SDltt einem triftigen Stofe ber 
Sinlen fchüttelte er ben ©egner ab, wdbrenb feine [Redete pfeilfipnell nach bem 
im ©ürtel verborgenen Solche fuhr, hätten fuh bie Slnwefenben nicht rafcb 
bajwifchen geworfen, bie blipenbe Schneibe Ware fchon im ndchften Slugenblid 
im ^er^en beS ©egnerS begraben gewefen. ÜIRan trennte bie Streitenben unb 
f uchte ju vermitteln. gebe Vermittlung erwies fleh injwifcben als fruchtlos/ 
ba üRureno auf’feiner Vcfcbulbigung bebaute unb [Robriquej wutbfcbnaubenb 
©enugtbuung verlangte. ©ine «IperauSforberung war unbermeiblich. 2Ran 
tarn überein, fleh augenblidlich $u fchiefeen, unb jwar über baS Schnupftuch, mit 
einem einzigen Schritte Siftanj. 3)aS Sßecfefeln ber kugeln füllte fo lange fort* 
gefefct werben, bis einer ber beiben ©egner gefallen ober fo febrner verrounbet 
worben, bafe eine gortfefcung beS Kampfes unmöglich geworben. 2)aS Stoell 
fanb im ©arten hinter bem $aufe ftatt. Sennor Val 3 abo fecunbirte feinem 
greunbe unb lub beffen ^iftolen. Veibe batten vorher einige URinuten mit 
einanber verteilt; vermutlich galt bie Veratfeung ben [Privatangelegenheiten 
HRureno’S. gm Schein beS ben ©arten beftrahlenben VollmonbS ftanben fuh 
bie ©egner enblich bicht gegenüber; nur baS bajwifcben gehaltene £ucfe 
trennte fte. [Robriquej batte ben erften Schüfe — er ging fehl; llRureno 
feuerte unmittelbar barauf mit nicht befferem ©rfolg. [Run war bie [Reibe wie* 
ber an SRobrique^; fein [ßiftol luallte — ein leifer Sluffcbrei, bann ein fernerer 
galt beutete an, bafe bieSmal bie töbtliche Äugel ihr 3iel nur ju gut erreicht. 




,Goo : 






559 


Blureno lag auf ben $ob getroffen, er verfchieb fchon nach wenigen Minuten, 
kaltblütig entfernten ftch bie Seugen ber nächtlichen SJtorbfcene, am faltblütig- 
ften Bobriqueg, ber eigentliche Urheber berfelben. 3[n feiner Begleitung befanb 
ftch Sennor Balgabo, angeblich aus feinem anberen ©runbe, als um bie lebte 
Schulb feine§ greunbeS au» bem nodb in feinen §änben beftnblichen Bachiah ge* 
wiffenhaft gu tilgen, Bobriqueg verfdjwanb; er hatte vielleicht nicht länger nothig, 
feinen Unterhalt am Spieltifche gu verbtenen. 2)te Behörben fteßten eine Un* 
terfuchung beS Borfalls an; natürlich lieferte fte, wie gu bamaliger 3eit alle ber* 
artigen Unterfuchungen in Ehili, tein Befultut. Situ Sage nadh ber Beerbt* 
gung beS unglücfltchen Opfers traf Sennor guano Btureno, ber burch einen 
Brief feines BruberS von ber Büdfehr beffelben in kenntnih gefefct worben, in 
Balparaifo ein. Statt ben Sßiebergefunbenen gu umarmen, mu|ste er an baS 
frifche ©rab beS nun für immer Berlorenen treten. $n bem von bem Bruber 
empfangenen Briefe hieh es, bah gelippe, burch bie ©unft beS ©lücfeS reich ge* 
fegnet, feinem geliebten Quano nunmehr reichlich vergelten fonne, waS berfelbe 
früher an ihm gethan. 2)er tapfere Offizier hatte ftch furg vorher verheiratet; 
feine gamilie lebte in Santiago, bo<h ber fnappe Solb ber Bepublif reichte 
faum gu beren Unterhalt aus. £3aS fonnte ba erwünfehter fommen als bte 
Büderftattung jenes Kapitals, welches er einft grofjmüthig bem Bruber überlaf* 
fen ? ©eftü^t auf ben Brief unb feine wohlbegrünbeten Erbrechte, forfchte er 
nach ber #interlaffenf<haft gelippo’S. Bur Sennor Balgabo vermochte SIuS* 
funft barüber , gu geben. SllS ber Offtgier vor ben Banfier trat, über* 
reichte ihm biefer ein Portefeuille, tvelcheS aufjer einigen unbebeuten* 
ben Papieren einen SBechfel auf bie Summe von 150 Dublonen enthielt. 5>ie 
BeerbigungSfoften unb allerlei fleine Schulben beS Berftorbenen verringerten 
biefen Betrag noch um mehr als bie Hälfte; ingwtfchen erflärte ftch Sennor 
Balgabo grohmüthig bereit, alle biefe Unfoften aus Büdftcht auf feine aufrich* 
tige greunbfehaft für ben unglüdlichen Sennor gelippe aus eigenen Bütteln 
beftreiten gu wollen. Quano, erft burch ben Berluft beS BruberS niebergebeugt, 
tvarb burch biefe gang unerwartete Enthüllung vollenbS gu Boben gefchlagen. 
Bergeblich erhob er Einfprache, vergeblich wenbete er ftch an bie ©erichte — 
Balgabo beharrte bei feiner Angabe, unb obwohl SllleS bafür fprach, bah ber 
Berftorbene Befi$er eines beträchtlichen BermögenS gewefen, lieh ftch auch nicht 
bie geringfte Spur über ben Berbleib beffelben aufftnben. Ein tüchtiger Sin* 
Walt, beffen $ülfe Quano in Slnfpruch genommen, richtete feine Bachforfchun* 
gen nach Englanb unb ermittelte bort ohne grohe Schwierigfeit, bah gelippo 
ÜBureno bei feiner Einfchiffung nach ber fernen |>eimatb an bem ©eftabe ber 
Sübfee ein baareS Bermögen von minbeftenS 250,000 Pfb. Sterling bei ftch 
geführt habe. 2Bo war baS ©elb geblieben ? geltppe hatte ftch von Sonbon 
nach Bio Janeiro begeben, unb war von ba nach einem Slufenthalt von nur 
wenigen 2Bo<hen gu Schiff nach Balparaifo gegangen. ES lieh ftch nidjt er* 
mittein, bah et in Bio irgenb welche ungewöhnlichen SluSgaben gemacht; auch 
fonnte er ftch an Borb beS Schiffes beS ©elbeS nicht entäuhert haben. Seit 


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560 


feiner Sfofunft in Salparaifo hatte er jmar als bermögenber SWann gelebt, je* 
ba# mit SluSnahme ber berhdltnijjmd&ig unbebeutenben Summen, roel#e er im 
Spiel berloren, ft# feiner Serf#menbung f#ulbig gema#t. $er Sanfter Sal* 
Sabo, auf ben er 2ße#fel aus Gnglanb mitgebra#t, mar fein einziger näherer 
Sefannter gemefen. ©eri#tli# bernommen, fagte biefer aus, bafe er bem 53er* 
ftorbenen feine 2Be#feI, bie ft# jebo# nur auf einige taufenb Dublonen be* 
liefen, auSbejahlt, im Uebrigen aber ni#t miffe, ob berfelbe no# meitere 9Jftt* 
tel befeffen habe ober ni#t, ba ft# ihr Serfehr nur auf ben 2luStauf# gemöbn* 
Ii#er £öfli#feiten bef#rdnft unb bur#auS fein bertrauli#er gemefen. 3)ie offene 
Ii#e Meinung besü#tigte bamalS ben Sanfter Saljabo, bafj er baS ganje uner* 
mefjli#e Vermögen unterf#lagen, ja no# mehr, bafc er ben unnatitrli#en Zok 
Sennor geftppe’S beranlafjt habe. Oeffentli# burfte man berglei#en freili# 
ni#t behaupten, benn es lag au# ni#t ber S#atten eines SemeifeS bafür 
bor. 3ftobriquej mar unb blieb berf#munben; man hat feitbem in Salparaifo 
nie mieber bon ihm gehört. 2lu# ber Sanfter — jefct mohl ni#t bloS bem 
äufjern 2lnf#ein na# rei# — gab na# einiger Seit fein ©ef#dft auf unb 
manbte ft# na# bem korben, mo er in Kupferminen fpefulirt haben foll. 2)er 
tapfere Suano ÜUtureno fehrte auf feinen Soften juruef; er blieb arm fein £eben 
hinbur# unb fiel etma a#t bis jehn 3ahre fpdter in einem ©efe#t mit ben frie* 
gerif#en 2lraucoS beS SübmeftenS. * 

gernanbej f#mieg unb bliefte ftnnenb bor ft# hin. Satürli# hingen 
meine Slide no# mit gefpannter Neugier an feinen Sippen. 

*3ft 3)eine ©ef#i#te ju Gnbe?" fragte i#. 

„SiS auf bie üftufcanmenbung, ja." 

„Sun, unb biefe?" 

„3# halte fte ni#t gerabe für nothmenbig, barf fte aber bo# au# ni#t 
umgehen, falls 3)ir bie Sa#e bienli# fein foH. 2#ue alfo bamit na# Selie* 
ben. 3$ rebe ju einem bertrauten greunbe unb brau#e baher meine SBorte 
ni#t erft auf bie ©olbmage §u legen. $)er ülftann, ber foeben in prd#tiger 
Karoffe hier borüber fuhr, unb ben $u mir als ben ©atten bereinigen £o#ter 
3uano SturenoS bejei#netcft, hat eine ganj merfmürbige 2lehnli#feit mit jenem 
Sanfter in Salparaifo, ben man bamalS im Serba#t gehabt, bajj er ben Sater 
ber jungen grau um fein ganjeS #ab unb ©ut gebra#t. SBenn ni#t 2>ein 
$err ein in biefer guten Stabt Santiago feit btelen 3ahren fo ha# angefehener 
2Jtann mdre, i# mürbe einen förperli#en Gib barauf f#mören, bajj ber bamalS 
jugenbli#e Saljabo unb ber jefet auf ber S#melie beS SilterS ftehenbe^on GS* 
cooebo eine unb biejelbe Serfon feien." 

Sei bem lebten Sorte beS ©au#oS bernahm man in ber «gauptmanb beS 
©ema#eS ein leifeS, bumpf*fnarrenbeS ©erdu}#. $ater Ugarte mar erf#recft 
emporgefprungen, ob in golge ber überraf#enben Gnthüllung ober beS feltfa* 
men ©eräuf#eS, bermögen mir ni#t anjugeben. Sein f#arfes 2luge flog im 
9lu gu bem MuttergotteSbilbe in ber Si|#e empor ... .in bemfelben Slugenblicf 
bcrlöf#ten §mei ber babor brennenben Kerzen unb bie glamnte bep britten flat* 



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561 



terte gittemb nach bcn genftem hinüber, als ob fte bttrd) einen auS ber ffianb 
fommenben Suftjug beroegt merbe. Ser Brior entfärbte ftch; er manfte unb 
mubte ftch feft auf ben Sifcb ftüpen, um feine aufrechte Haltung su behaupten. 
25er Umftanb, bab er gerabe in biefem ÜBoment non ©il Sßerej fcharf beobacht 
tet mürbe, (egte ihm einen peinlichen 3n>ang auf. ©r nahm feine ganje ge* 
ftigfeit gufammen unb bemühte ft<b fogar, ein Sächeln um feinen ÜBunb fpielen 
SU Iajfen. 

„Seine ©efdptchte ift non grobem 3ntereffe, mein Sohn, 41 fagte er, „nur 
ber 6<hlub fcheint mir etmaS gefucht unb bei ben gaaren herbeigesogen. 2Ber 
mochte auf eine gans zufällige Behnlicbfeit hin eine folche Behauptung aufftel* 
len ? So<h Sein greunb mar norfichtig genug, bie Sache als vertrauliche 9Bit* 
theilung su behanbeln; hüten mir uns, ihr einen anberen ©harafter bei 3 U* 
legen, kleines SanfeS unb meiner ©rfenntlichfeit barfft Su gemib fein. 
SJtabonna lohnt Sir jeben Sienft, ben Su ihren treuen Wienern erseigeft. 
Sefct geh', mein Sohn, entbiete Seinem mürbtgen £errn, Son ©Scobebo, 
meinen ©rub unb fage ihm, bab ich feinem SBunfche, fo meit eS in meinen 
fchmachen Kräften liege, nachjulommen fuchen merbe." 

Ser ©aucho fügte bem $ater bie §anb unb entfernte ftch. ßaum mar 
bie Shür hinter ihm sugefallen, als Ugarte mit rafchen Schritten auf bie Bifche 
Suging, in melcher baS 2ButtergotteSbilb aufgeftellt mar. Sie Bifcbe mar siem* 
lieh tief, nach hinten concab gemölbt unb fchieninben ntafftben Stein eingehauen. 
SaS Btabonnenbilb füllte fte nur theilmeife aus. BirgenbS geigte ftch bie Spur 
einer öeffnung. 3*net ber babor beftnblichen Fersen maren mirllich erlo* 
fchen, bie britte brannte noch. 

Ser $rior rücfte einen Seffel an bie SGßanb, ftieg barauf unb betaftete bie 
hintere SEßölbung mit grober Borftcht. ©r tonnte nichts UngemöhnlicheS ent* 
beeten. Sennodj prägten ftch Slngft unb Schrecfen in feinen Btienen auS. 

„2öaS mar baS ?" murmelte er leife bor ftd> hin* „Sie geheime Shür 

tnarrte_ein auS ber hintern 2Banb tommenber Suftgug berlöfchte bie $er* 

Sen.... Sollte unfer ©efprdch belaufet morben fein unb baS für mich unfehäfc* 
bare ©eheimnib je&t noch einem Bnberen angehören ? .... SBelche Unborftch* 
tigleit, benSiener©Scobebo 7 S gerabe in biefem Baume su empfangen, ber eigens 
mit einer Borrichtung berfehen mürbe, um ©eheimniffe su ergrünben unb bie 
barin geführten ©efprdche su belaufchen ! Sie ©onftruftion ber Bifche ift freilich 
feinem ber Bemohner beS ©onbentS befannt. .. .auber mir meib nur Siego 

barum-Siego — ja, ja, er mirb alt unb gefchmd|ig-er ift nicht mehr 

im Stanbe, ein ©eheimnib $u bemahren-SGßer feinen Schmähen su fchmeU 

cheln berfteht, fann ihm SllleS entlüden-Btanuel ift fein Siebltng_mit 

fflauer Berechnung hat er ftch groben ©influb über ihn berfchafff unb fucht ihn 
jefct su meinem Bachtheil auSsubeuten... .SÖßenn üBanuel bort berborgen ge* 

mefen_menn er bie ©Zählung peS ©auchoS belaufcht hätte_Bei allen 

^eiligen, ich mub ©emibheit habe^j, um meine ÜBabregeln banach nehmen su 
fömten!" < 



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Unarte ergriff bie Ältngel unb läutete ftorl. (SS mährte nicht lange, fo 
trat ber bienenbe Saienbruber ein. 

„9Bo ift ©ruber ©tanuel ?" 

,,©or menigen ©ugenbliden fchritt er über ben §of burdb bie äußere $forte. 
(Sr mirb fi<h nach ber ©acriftei begeben haben, um an ber ©errichtung beS 
2lbenbgotteSbienfteS Xheil ju nehmen." 

„(Sr lam aus ©ruber SiegoS 3*lle auf bem linlen glügel ?" 

„sticht hoch, ehrmürbigfter ©ater, icb fab ihn bie Haupttreppe herunter 
lammen unb burch baS ©eftibulum gehen. (Sr mar in (Sile, ba bie ©eSper fchon 
geläutet mürbe." 

„@ut, ©ruber, ich weil genug.'* 

$er bienenbe ©ruber entfernte ftcb. 

„ÜJtanuel unb lein ©nberer !" rief Ugarte, als et ft<h mfeber allein fah. 
„2BaS in aller SBelt fonnte ihn antreiben, biefe Unterrebung ju belaufchen ? 
stimmt er ein geheimes Sntereffe an bem ©chidfat (SScooeboS, ober fpürt er 
lebiglidj tpeinen flauen nach, um einen fchmadjen ©unft ju entbeäen, an bem 
ficb mirlfame Hebel gu meinem Sturze anfefcen lieben? (Sr oertraut auf feine 
©Flauheit unb ©erfteHungSgabe — mohlan, ich mill ihm geigen,' bab er felbft in 
biefer ßunft noch ein gemaltiger Stümper ift!" 


r 8. Büzon, de la Yibgen. 

S)er ©alaft S)on (SScooebo’S mar einer ber prachtoollften Santiagos. $n 
maurifchem ©tple erbaut, oon Sluben mit ©tullatur* unb ©ilbhauerarbeit reich 
oerjiert, glich er einem jener alterthümlichen ©ebäube aus ber 3*it ber Araber* 
herrfchaft, mie mir fie beute noch, menigftenS in einzelnen imponirenben Ueber* 
reften, in ben alten ©täbten ©übfpanienS bemunbem. 3)ie innere ©uSfchmül* 
Jung ftanb im oollften (Sinllang ju ber munberbaren Slrchiteltur. ©eue unb 
alte SEBelt, borgen»* unb ©benblanb hatten ihre reich (len ©djäfce, ihre feltenften 
Äoftbarleiten hergeben muffen, um bie oon bem chilenifchenSWillionärbemohnten 
©äurne ju fchmüden, fte in eine 3aubermelt um$ufchaffen, melche allen ©innen 
fdjmeicbelte unb ber ©hantafie unbefchränlten Spielraum lieb. 2)on (SScooe* 
boS HauS glich bem ©alaft eines orientalifchen gürften; man mubte über ben 
barin aufgehäuften ©eichthum ftaunen, lonnte aber auch nicht umhin, ben auSer* 
lefenen ©efchmad, bie ©norbnung unb Sufammenfteüung ju bemunbem. 

gn einem Keinen traulichen ©ernach, beffen SBänbe mit 3)raperieen aus meibem 
unb himmelblauem ©eibenftoff bebedt ftnb, aus melchen ft<h bie ferner oergolbeten 
©ahmen merthooller fiupferftiche unb ©emälbe effeltooH hcroorhcben, beffen 
SDlöbel aus bem feinften ©aliffanbetholj beftehen unb oon ben Hänben mahrer 
ßünftler gefchaffen fcheinen, finben mir jmei grauen, beibe reich unb gefchmad* 
ooll gelleibet, jeboch an ©Iter unb ©nfehen febr oerfchieben. S)ie ©eitere — fte 
jählte mohl nahezu fünfzig 3ahre — Ijatte ein fchmaleS, btaffeS ©e* 
ficht, auf bem bie ©türme beS Sehens ihre Sinien gezogen. Sie mochte einfl 



663 






eine blenbenbe Schönheit gemefen fein; menigfteng fpracßen bafür jene leicht gu 
erfaffenben SJterfmale, melcfte felbft ba£ ^erannabenbe ©reifenalter nicht 
völlig 311 vertilgen oermag. $aS Sluge, mit tiefen Gingen umgogen, batte fein 
jugenblicheS geuer unb ben buntein ÜRetaCIglanj nodß nicht gattg berieten; bie 
leidet gebogene, aus ben eingefallenen 3 ügen jc^t freilich gu marfirt fceroor* 
fpringenbe Stafe beutete auf ein ftolgeg ariftofratifdheS SBefen; bie §aare ma* 
ren noch locftg unb üppig wie ehemals, nur bie taftanienbraune gdtbung > batte 
bem ©ilberreif beS Sllter^ $lafc machen miiffen. 2 BaS biefe grau einft gerne* 
fen, tonnte man fuh leicht burcß einen 33lid auf i^re jugenblidße ©efdbrtin oer* 
gegenmdrtigen, beten 3 üge eine überrafdhenbe Slebnlicßfeit mit genet geigten 
unb bie, in ber gülle ber gugenb prangenb, bon fo munoerbarer unb eigen# 
tbümlidjer Schönheit mar, oaß man bei ihrem Slnbltdf erft recht an eine 33er* 
mirfUcbung jener orientalifchen 2 Jidrchenmelt glauben tonnte, in bie man burch 
bie 33auart unb 2luSf<hmü<fung < be3 5Palafte§ unb be3 reigcnben SBouboirS jerfefct 
mürbe. Seontica ÜDtureno batte feit fahren für baS fdßönfte üStdbdhen ©antia* 
go§ gegolten; bie nunmehrige ©attin 3)on ©ScooeboS machte biefem Stuf alle 
(§bre unb tonnte mobl felbft ba3 §erg einer fo an §ulbigungen unb Sluggeieb* 
nungen gemöbnten Butter, mie 2)onna Uraca, mit gerechtem ©tolg erfüllen* 

Sie genfter beS ©emacheS, auf einen mit fteinemer 33rüftung eingefaßten 
fflalton führenb, maren meit geöffnet unb ließen bie mürgige Stbenbluft frei 
einftrömen. Sie ©onne mar febon gefunten; abenbli(he hinten färbten ben 
«Simmel; in bem 33ouboir h)crrfchte trauliche Dämmerung. Sie tarnen butten 
ihre ©effel bidht an bie genfter gerüeft unb fächelten ftdh mit ben aus feinem 
«Solg gefdhnifcten, mit @olb unb (Elfenbein reich eingelegten gddbern Fühlung 
gu. 2luf einem gierigen Stipp tifcßchen, halb Oerbedft oon ben in buftigen 3Bin* 
bungen betniebetfallenben ©pifcenoorbdngen, ftanben ftfberne 3$edher mit ©iS* 
limonabe. Sie Unterhaltung mar giemlidb lebhaft, mürbe jeboch mit gebdmpf* 
ten ©timmen geführt. 

„2öaS in aller SBelt, SJlama, ift ber gmedt biefeS SocumentS, gu beffen 
Untergeidhnung Son ©Scooebo uns brangt ?" fragte bie jüngere ber tarnen, 
beren SlntUfc einen garten Slnflug non Stötbe geigte, meldßer ihr bei bem ntagi* 
fchen ©chein be3 HbenblidbteS einen mirtlidh gauberbaften Steig oerlieh. ' „2Bir 
follen auf ©üter Oergichten, bie mir nicht beftfcen, füllen etmaS übertragen, mag 
nicht oorbanben ift — ich geftehe, ich oermag baS nicht gu faffen unb möchte 
mich feiner £anblung fchulbig machen, bie ich felbft all fmntoS unb unnüfc be* 
geießnen müßte." 

„Sein ©atte thut nichts ohne reiflich ermogenen ©runb, mein fiinb," oer* 
fepte bie Suegna. „3ludh biefe gorberung hat gemiß ihren gang beftimmten 
Smedf, nur geftebe ich/ baß mir bie ©rgrünbung beffelben noch nicht recht ge* 
Iingen moUte." 

,,©r behauptet, bie Stüdtficht auf feine gefedfdhaftlidhe Stellung, feinen ©in* 
fluß in gefchdftUchen Greifen etheifche es fo." 

„Sag mag Siebenfache fein. Ser mähte ©runb ift mobl in anberer 


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[Richtung ju fu4en. 34 bin übrigens überzeugt, es ift ein ehrenmertber unb 
löblicher, fonft mürbe ihn ber bo^mürbigfte $ater Ugarte, beffen [Rath i4 noch 
ftetS bemährt fanb, nicht 5 U bertheibigen unternommen haben." 

„2öaS räth Sir ber fromme $ater ?" 

dr fteHt bie f<hlief$ttche ©ntfcheibung ganj unferm eigenen ©rmeffen anheim." 

„Unb maS merben mir thun, 2Rama ?" 

„Sab mich gemäßen, mein iUnb. 34 merbe für Si4 hanbeln unb Seine 
3ntereffen mähren." 

„Su fügft Sidh feinem Verlangen ?" 

„Unter gemiffen Söebingungen, benen er feine 3uftimmung nicht berfa# 
gen mirb." 

„2Iber bie gan 3 e Sache ift leere gorm; ich lann ihr leine praltif4e Söebeu# 
tung beilegen." 

„2luch gornten ftnb mi4tig, mo eS fich um ben [Ramen'unb baS Slnfehen 
einer V altehrmürbigen gamilie, mie bie unfrige hanbelt." 

„Su fagteft mir oft genug, ÜRama, bah biefer ^äme unb biefeS 2ln# 
fehen nur burcb ben iöefi^ bcn [Reichthümern mieber ju SBerth gelangen lönnten." 

„34 fagte eS unb fage eS noch jefct. gern fei eS aber bon mir, bem 
[Reichtum Vorrechte ein^urdumen, ihn über tarnen unb Herkunft ftellen 3 U 
mollen. ©incS ift fo nothmenbig mie baS Slnbere, ©ineS ergdnjt baS 2lnbere. 
3nbem i4 niich irgenb melcher [Rechte unb S3efugniffe unferer gamilie begebe, 
habe i4 [Rüdftchten auf ben lefcten männlichen Sproffen berfelben, auf Seinen 
älteren trüber, 3 U nehmen." 

„9Rama, er ftarb eh* i4 baS Sicht ber ffielt erblidtc!" 

„34 habe feine Seiche nid&t gefehen, fte ruht nicht in ber ©ruft ber 9Jtu# 
renoS, an ber Seite feines tapferen, aber unglücklichen SSaterS — für mich lebt 
mein 3 uano noch!" 

Sie junge grau erhob ftdb bon ihrem Seffcl unb trat an bie Seite ber 
üRutter, ber fte lieblofenb bie SBangen ftridb. „3ntmer mieber tiefe feltfame 
3bee, mit ber Su Sir felber fo biel Kummer unb üual bereiteft! Su märeft 
glücklicher, 2Rama, menn Su ben Sob meines armen S3ruberS ein# für allemal 
als eine nicht ju änbernbe Shatfache angenommen, unb Sich mit frommer ©r# 
gebung bem SBitlen ber [ßorfehung untermorfen hätteft." 

„Sßer fagt Sir, £inb, bah bie SSorfehung etmaS mit feinem SBerfdhminben 
$u f 4 affen hatte ?" 

„üffienn fte eS nicht jugelaffen, mürbe er feinen Sob in ben gluthen beS 
ÜRapacbo gefunben haben ? Su haft mir baS traurige ©reignib oft genug er# 
jählt. Ser fech^jährige 3uano fpielte täglich in bem groben ©arten hinter un# 
ferer £acienba. 2 ln ben ©arten ftiehen meite SBiefengrünbe, bie ft<h tbalab# 
märtS bis ju ben bon S4ilf unb Sumpf umgebenen Ufern beS gluffeS hin 3 o# 
gen. Ser ©arten, fo grob er auch mar, bot bem in’S SBeite ftrebenben Knaben 
leinen hinlänglichen Spielraum. Sro$ beS ftrengen Verbots, ihn nicht 3 U ber# 
laffen, kletterte er jumeilen über bie ©infriebigung unb ftreifte burch bie 2 Bie# 



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665 


fengrünbe bil in bic $ftdbe bei gluffel. Einft batte er ft<b wieber bil an bal 
Ufer oorgeroagt, wo er Keine Schiffchen, bie er ftcb aul 93aumrinbe gefcbnifct, 
bon ben SBellen forttreiben liefj. S)er (Partner, ber ihn aul weiter Entfernung 
bemerft, eilte auf ihn 3 U, um ihn oon ber gefährlichen ©teile gu entfernen. 
Pöfclicb — er batte noch nicht bte «gdlfte bei SBegel gurüdgelegt — »ernabm 
er einen angftlicben Schrei; er blidte empor — ber Änabe war bon feinem 
$lafc »erfcbwunben unb tonnte nur in ben glufj geftürgt fein, ba er ibn wenige 
Slugenblide borber no(b gang beutlicb gefeben. Sltbemlol unb an allen ©lie* 
bern jttternb bor Scbred, langte ber (Partner am Ufer an; ber 2ftapa<bo, bur(b 
heftige IRegengüffe oben in ber Eonbillete angefcbwellt, Walkte feine gelben, 
fcbaumbebedten glutben mit rafenber Scbnelligteit bahin — ftromauf* unb 
ftromabmartl nirgenbl eine Spur bon bem Knaben, nur feine gufjftapfen 
geigten ftcb noch im Sanbe; an ber Stelle, wo er berfcbwunben, war bal 
Erbreicb frifdb lolgelöft unb offenbar unter feinen güj$en in ben glujj geftürgt, 
unb am Ufer lagen noch einige ber bon feiner «ganb gefcbnifcten Schiff* 
d&en, bal gefährliche Spielwert, welchel ibm ben £ob gebraut." 

„$en £ob in ben SBellen! steinern frönen blonbgelodten finaben, bem 
eingigen Erben bei SRamenl ÜDtureno, ben£ob in ben Stellen!" wieberbolte 
bie alte 2 )ame bdnberingenb unb mit fcbmerglichem Sluibrud. 

„SBobl ihm, üflkma! Er lernte bei Sebenl Scbmergen ni<bt tennen, er 
ging in ber 3 ugenb greuben hinüber in ein befferel 2 anb." 

2 )ie SJuegna batte ftcb eine £b*äne aul ben Slugen gewif(bt unb fuhr jefct 
namentlich mit ber <£janb über bie Stirn. „El ift melleicht tein befferel 2anb, 
wohin er ging; er weilt t>iellei<bt noch immer in biefer irbifcben Sphäre,— 
bocb ohne greunbe, ohne Scbwefter, ohne ÜUtutter, bie für ihn forgt unb über 
ihn wacht!" 

„äJtama!" 

„Sie haben oergebenl nach feiner Seiche geforfcht; nirgenbl warb fte an’l 
Ufer getrieben, fo weit ber Sflapacho feine glutben wdlgt." 

„S)er reifcenbe glufj führte bal arme $inb oon bannen, weit, weit hinweg, 
bielleicht inl unenblicbe 2 >leer." 

„Sn’l ÜJteer ober über bal 2 Ueer! 3 m fernen Oftenunb SBeftengiebt 
el ja auch noch mächtige £dnber, bie bem Söerfchwunbenen ein Slfpl bieten 
tonnten." 

„Slber ber Partner fab ibn felber in ben Strom ftürgen, begegnete genau 
bie Stelle, an ber er oerfunten, fanb bie ©egenftanbe, mit benen er ftcb 
Sulefet bef(bdftigt!" 

„$er ©drtner, ja, bocb ich fagte $ir oft, bafj i(b ben SDlenfcben nicht für 
guberldfftg hielt. Er hatte oiele gahre in unferer gamilie gelebt, war ftetl 
liebreich behanbelt worben; gleichwohl tonnte er teine innige Steigung gu uni 
gefafjt haben, fonft würbe er feine Stellung nicht fo plöfclicb aufgegeben haben. 
2Benige 2Jionate nach jenem unglüdiichen Ereignifj nahm er feinen 2ibf<bieb — 
i<b fah ihn fpdter nie wieber." 



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-666 


„Vielleicht machte er fid6 Vormürfe, bafc er feen Änaben nicht feeffer über® 

„konnte er, fern bon uns, feie mir nie eilten Sabel gegen ibn auägefpro® 
<hen, barauf regnen, biefen Vormürfen gu entgehen ? Su meifct, mein $inb, 
bab ich ©runb gum Ki&trauen hatte. E3 gab Seute, feie auf ba3 Erlofchen ber 
gamilie Kureno hofften ... Sein Vater hatte bittere geinbe, benen e£ 
gugutrauen mar, bab fte felbft gu einem fo teuflifd&en Kittel greifen mürben, 
um... 


„Sab ba3 Vergangene ruhen, Kama! Su mecfft ben Sobten baburch 
nicht gum Sehen auf, Sir felber aber bereiteft Su namenlofe Gual. gebe 3eit 
hat ihre eigenen Seiben. SieEegenroartbrücft ferner genug; marumben Soleier 
ber Vergangenheit lüften, ba er hoch nur fchmergliche Erinnerungen betft?" 

„geh bin mit ber ©egenmart gufrieben, meine SToc^ter* Ser Slbenb mei® 
ne3 SebenS fcheint ft<b freunblicher gu geftalten, al3 e3 ber trübe Korgen ber® 
fprach." 

„geh banle Sir für biefe3 ©eftänbnif?, Kama. E3 giebt mir Äraft, bie 
Vürbe gu tragen, melche auf meinen Schultern laftet." 

„Verfünbige Sich nicht, Seontica. Su nennft eine Vürbe, ma3 Slnberen 
al3 grof$e3 ©lücf erfcheint. Vift Su nicht reich unb angefehen ? ginbet nicht 
jefeer Seiner SBünfche Erfüllung ? Vimmft Su nicht unter ben Samen biefer 
$auptftabt faft ben erften föang ein ? 2öo märe ein Käbchen Seinem 2llter§, 
ba3 gortuna fo berfchmenberifch mit ihren löftlichften ©aben überhäuft hätte?" 

„Unb in beren £ergen e$ hoch fo obe, fo troftlo3 öbe geblieben märe! Sich 
Kama, ftänbe mir noch einmal bie Sßahl frei, mie freubig mollte ich auf biefeS 
©lud »erdichten, um mir bafür ein anbereä gu erlaufen !" 

„Shörichte Schmärmereien, bie bor bem DUchterftuhl be3 gefunben Ver® 
ftanbeä nicht beftehen tonnen ! 2Ba3 Su erreicht, hält Stanb für* 3 gange Se® 
ben, ma3 Su aufgegeben, mürbe Sir nur flüchtige Vefriebigung gemährt 
haben." 


„Ein einziger Slugenblidt mähren ©lüd» — unb mie gern mollte ich für 
immer elenb fein!" 

„Sa3 ftnb ©ebanten, bie fich für eine grau in Seiner Stellung nicht 
giemen, meine Sodjter. Verbanne fte, beherrfche Sich! gd& hoffte, bab Sich 
bie überftanbene ßrantheit für immer bon jener gugenbberirrung geheilt." 

„gm ©egentheÜ, fte hat mir baö Unrecht, mel<he3 ich beging, erft recht 
lebhaft bor Slugen gefteHt" 

Sie junge grau fchlang ben runben Slrm um ben $al3 ber Kutter. „Kama, 
menn ich i h n nur noch einmal fprechen, ihm Slbbitte leiften, mir feine Ver® 
geihung erflehen bürfte!" 

,>Vift Su bon Sinnen, Seontica? Ka$ mürbe Sein'©atte gu folchem 
beginnen fagen ?" 

„Kein ©atte ! gragt er nach ben Kämpfen unb Seiben biefeS #ergen3?" 

„Seine Ehre foU Sir heilig fein." 


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„ßannfie baruntw leiben, wenn ich ein Unrecht |u fübnen rerfuche?" 
„$ie SBett wirb Sich rerbammen." 

„Slber mein eigenes ©ewijfen mich freifprechen." 

„Sab biefen ©ebanfen fahren, flinb! er ftürjt $i<h ing Unglücf." 

„ßann ich unglftcfltcher werben, alg ich eg fdjon bin ?" 

„$u frerelft! s i)tabonna wirb $)t<h ftrafen !" 

„SJtabonna foH entfcheiben! 3 <h ^abe an bie ©ebenebeite getrieben unb 
fte um ein3eichen gebeten. £eute Slbenb nach ber SSefper lege ich bag Schreiben 
in ben 93rieffaften unferer SJtabonna de la compania. ©rbarrnt fich bie 
$imraelgfönigin ihrer unwürbigen SJtagb, giebt fte bag 3 e i$e n / bann...." 

2 )ie 5)amen hatten im ©ifer ihres ©efprdcbs ein letfe^ Jochen an ber 
$hür überhört, ©ine ßammerjofe unterbrach burch ihr ©intreten ben Schluß 
ber Siebe Seontica’S. 

„$on ©Scorebo labt fragen, ob er ben tarnen genehm fei." 

„©g bebarf für $on ©Scorebo feiner Reibung, trenn er3utritt tnbiefen 
Räumen wünfcht," Perfekte bie junge grau rafch. 

S)ie 3 ofe entfernte fich. 

,,©r toirb ung baS 3)ocument gur Unterfchrift borlegen," fagte bie$)uegna. 
„Sab mich gewähren, mein £inb. 3 <h werbe thun, wag ber Sürbe unfereS 
StamenS jiemt, wag ich t>or meinem ©atten, deinem 33ater, in einer anberen 
ÜBelt bereinft nerantworten fann." 

2 >onna Uraca unb ihre Tochter nahmen ihre früheren Sifce an ben 
genftern beS ©emacheg ein. 5)on ©Scorebo trat ein, hinter ihm ein Wiener, 
einen ftlbernen Ermlemhtec mit brennenben Äeqen tragenb, ben er auf einen 
ber Xifche in ber Stabe ber £hür nieberfefcte, worauf er toieber ging. S)te 
SöacbSfcrjen rerbreiteten ein glanjenbeS Sicht im 3immer; brauben im greien 
trat eö faft bunfel geworben. $5et SMiondr fügte feiner retjenben ©attin 
bie #anb unb erwies bann ber Schwiegermutter biefelbe Slufmerffam* 
feit. $er ©inlabung ber tarnen folgenb, rüdte er jich einen Seffel bicht an’S 
genfter unb nahm gwifchen ihnen $lafc. 2 )aS ©efprdch bewegte ftch anfangs 
im gewöhnlichen ©eleife ber ©onrerfation. 5)on ©Scorebo war trofc feiner ror* 
gerücften Qahre unb feines nicht fehr einnebmenben Sleuberen noch immer ein 
SJtann ron SBelt unb ein SJteifter in ben gormen beS Umgangs. ©r behan* 
bette bie 2 )amen mit ber auSgefudbteften ©atanterie unb Surorfommenheit, unb 
feiner Unterhaltung lieb fich ein geroiffer Sieij feinegwegg abfprechen. Stach* 
bem er ben ©runb bergeftalt gehörig rorbereitet glaubte, fchritt er enblich gum 
SBefteöen beffelben. ©r 50 g ein Rapier aug ber $af<he, faltete eg fpielenb 
jwifchen ben gingern unb wenbete fich mit fcheinbar gröbterUnbefangenheit an 
feine jugenbliche ©attin. 

(gortfefcung folgt.) 


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jfid)t un& Marine. 

®«t gegenwärtige <5tanb bet SJnbiationö: tmb 
Stbfotption&Seftte. 

Slacfc Sßrofeffor Qo&it Sijnbatl. 


S 3 on Xr. © Slöfct. 


(Energie irer U3ärme(tral)len im Sergleid) ju iren #id)t|lral)lcn. 

$ag merfmürbige SSer^altert ber elementarifchen ©afe führte gut 
Unterfudhung anberer Elementarlörper in Begehung auf föabiation. 9Jtan 
fanb, bab Sdjmefel, Sampenfcbmarj, f<^roar 3 e^ ©lag (Äohlenftoff) Scbmefel in 
$oppel*Schmefel*£oblenftoff aufgelöf’t, bie SBdrmeftrahlen burcblieben; man 
fanb biefe Eigenfcbaft in noch h&herent ©rabe bei ben bunfel gefärbten elernen* 
tarifdben Stoffen Brom unb Qob; man fanb, bab eine Sage non Qobauflöfung 
(burdh $oppel*Schmefels$ohlenftoff), bunte* genug, um bag beüe Sicht ber 
ÜDtittaggfonne abäufebneiben, für bte unftebtbaren SBarmeftrablen faft abfolut 
burdbbringlicb mar. Oftittelft biefer ^atfad^e gelang eg Sir 2BiU. $erf<bel 
(1862) mit |mlfe non £infen aug Steinfala (©lag berfcbludt einen groben 
£beil ber SEBdrmeftrablen) unb eineg 2JtetallfpiegeIg, bie bunflen unfiebtbaren 
SBdrmeftrablen ju einem focus (Brennpunft) ju fammeln, in meinem ntc&t 
nur bie fabeln eineg groben ©afoanometerg im 2lugenblict heftig augfdjlugen, 
fonbern auch ein brennbarer Körper in Branb geftedtt mürbe. 

■Dtit benfelben £ülfgmitteln gelang eg auch, bag Berbdltnib ber 2 Bar* 
m e! r a f t ber £eucbt* unb ber Södrmeftrablen ju einanber feftjuftellen. $>ie 
3 u biefem 3mede angeftellten fttnnrei^en Experimente ergaben alg SRefultat: 

„bab menn alle f ich t b a r en Strahlen beg electrifcben £i<bteg ju ei* 
nem focus non blenbenber $elle nereinigt maren, beren $ifee gleichmohl 
nur ben neunten Xheil ber bureb ben unfidhtbaren focus ber 
unfiebtbaren Strahlenberoorgebradhten betrug. 

2Jtit $ülfe einer bemeglicben thermo*electrifcben Sdule, meldbe man all* 
malig bem Einfluffe ber einzelnen garbenftrahlen beg electrifcben £icbtfpec* 
trumg augfefcte, ftetlte man nicht nur feft, bab unter ben farbigen Strahlen ber 
r o t h e bie häufte straft beftfct, fonbern bab, menn bie tbermo*electrif<be. 
Sdule über bag SRotb hmaug in bie b u n! I e Legion gefeboben mirb, bie 
2 Bdrme, anftatt &u nerfdhminben, plöfclidh &u enormer $ohe fteigt, unb nadjbem 
fte in gemiffer Entfernung über bag SHoth hinaug ein ÜDiaximum erregt, ebenfo 
plßfclüb mieber ftnft, fo bab ein nach biefem Verfahren entmorfeneg Diagramm 
ber SBdrmelinie bag 93ilb eineg fteilen maffioen Sfliffg — einer 2lrt oon 
2ödrme*9)tatterborn, mie SpnbatI fagt — gemdhrt. 

3 n ber $bat lommt man bei Betrachtung biefer „2Bärme*£obentarte" auf 
bie 3bee, bab bie 2 e u ch t ft r a h l e n ein blober unbeoeutenber Slnhang $u 
ben buntlen Strahlen feien, fo $u fagen uon^ber Statur für ben 3me<! beg ©e* 


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fid?t3fmne§ mit hineingeworfen. $ie£ ift ba§ $ia‘gramm be§ electrifcheu 
Sichtfpecttumä. $a3 bon Gütler (Brofeffor in greiburg) entworfene, bie 
Bertheilung ber SBdrme im Sonnen*Spectrum geigenb, ift bur<hau3 nid&t 
fo auffatlenb, wa§ £pnbatl bem 2)ur(hpafftren ber Sonnenftrahlen bur<h bie 
2ltmofphdre beimiht, beren wdfferige Beftanbtheile energifch auf bie Strahlen 
jenfeitö be3 Both wirten. Buch bie Bergfpifce im Diagramm be§ electrifchen 
Sichtet nimmt ab wenn man bie Strahlen burd? eine bünne Sage SBaffer hin* 
burchgehen labt. 

SBenn e§ wahr ift/ wa3 bie ^albfagen^aftc ©efchichte bon Brchimebel er* 
jdhlt, ber bei ber Belagerung bon Spracu§ (im jweiten Bunifchen Kriege, 212 
bor Ehr») bie feinblichen Skiffe mit Brennfpiegefn in Branb geftedt haben foß, 
fo tönnte er fuh babei nur ber buntlen Strahlen ber Sonne bebient haben. 

2)a3 Experiment beä groben MathematiferS tann burch bie bon un3 be* 
fdjriebene Borrichtung gur Sammlung-ber itnfuhtbaren SEßärmeftrahlen in einen 
ebenfalls unfuhtbaren Brennpunft, in Keinem Mafjftabe bargeftellt werben. 
2iu$ einem Stüde «& 0 I 5 , ba§ man in biefen Brennpuntt bringt, erheben fuh 
fofort bide Bauchwollen, Blei, Sinn unb 3inf fchmeljen u. f. w.; will man 
Metalle berbrennen (in 2 )ampfform berechtigen), fo mub man fte f<bwaqen, 
um ihre Beflexion3*itraft ju minbern. So gefchwaqte 3intfolin, Magneftum* 
3)raht, w. brennen mit bem ihnen eigenen ^arbenglanj. Stüde bon ßohle, 
in Sauerftoff aufgehdngt, werben burd? ba3 ®la§ hinburch noch ent^ünbet; in 
luftleerem Baume glühen fie auf ber Stelle, fowie fte in ben focus ber unftcht* 
baren SBdrmefirahlen gebraut werben. 


SJcfentlidje 3bentität non J id)t unb Wir me. 


2)ur<h weitere Experimente (Stotel unb £pnbaH) gelang e§ ferner, bie 
fubftantielle Qbentitdt bon Siebt unb ftrahlenber 2ßärme nad^uweifen. 2Bir 
tönnen tytx nur bie Befultate biefer intereffanten (Experimente mittheilen. 
£pnbatl fteUte bie BerroanblungSfdhigteit (£ranlmutation) ber Strahlen feft, unb 
nannte biefe Erfcheinung Ealore<Scen 3 . Mit Benufcung bon Blatinfolin erhöhte 
man bieBrechbarfeit (Befrangibilität) ber Ultra* Both*Strahlen, fo bah fte 
ftchtbar würben. (Mitanberen Porten, man berwanbelte bie SBärme in Sicht) unb 
erhielt bon ihrem Sichte, burch ba» Brtema gefehen, ein neues bollftänbigeS 
Spectrum, bon beffen buntlen Strahlen man toieber ein aweiteS unb bon bie* 
fern ein britteS Spectrum unb fo fort erhalten tonnte, wenn man Mittel be* 


fdfce, bie urfprüngliche OueUe ber Strahlen $u genügenber §öhe ber Tempera* 
tur gu erheben. 

Bber trofc biefer Sbentitat ber Sicht* unb ©ärmejtrahlen unb ter Berwan* 
belbarteit biefer in jene, ift gleichwohl 

ber Sehnerb beS SlugeS 

für bie Einbrüde biefer mächtigen ’ ffiärnteftrahlen böllig unempfinblicb,. fo ju 
fagen tobt. Buh biefe $hatfa<be muhte bon ber unermübiihen gorfdhung 
burch Experimente feftgeftedt werben. SDiefe Berfudje mit einer gewaltigen un* 


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ftcbtbaren ßraft mären gefd^rltdö; fte fonnten bern SBerfucber baS Euge foften. 
SBurben bie bunflen Strafen bon ben glüjfigfeiten beS EugeS in hohem ©rabe 
abforbirt, fo fonnte baS in biefem enthaltene Eimeifc (mie biefeS befanntlicb in 
£ifce tbut) gerinnen (coaguliren); gelangten bie Strahlen bagegen bis 
Sur SRephaut, fo fonnten fie btefe jerftoren. gn beiben gdllen mar Slinbheit 
ber Sohn beS gorfdherS. 9ftan ftellte baher guerft SBerfuche mit Sßaffer unb 
Elaunlßfung an, melcbe jene Söirfung unmahrfibeinlicb machten. S)ann mürbe 
baS Euge bem bunflen 93rennpunfte nahe gebracht, aber bie «gifte beffelben mar 
für bie bie Pupille ijmgebenben fcheile beS EugeS unerträglich* 9Ran fcbüftte 
biefe baher burcb eine mit einem Soche berfehene 2RetalIplatte, unb brachte fo 
erft bie Pupille unb bann bie SRefthaut in ben bunflen gocuS. Äeine Em* 
pfinbung bon Siebt, nicht einmal bonSBärme, mürbe auf ben Seh* 
nerb herborgebracbt; unb hoch mar bie Sefttere fo grof$, bafj $ l a 1i n f o * 

1 in, melcbe man nachher an bie Stelle beS EugeS brachte, alsbalb r o t h* 
glühenb murbe! 

SBeitere Experimente im Euge eines Ocbfen ergaben, ba& bie bunflen 
Strahlen jum Xheil burch bie glüffigfeiten beS EugeS aufgefaugt merben, §um 
£heil bie Eeftbaut erreichen, unb jmar baS Sefttere in bem SBerhaltnih bon 18 
$ro$ent ber gefammten EuSftrahlung (ftcbtbare unb unficbtbare 
Strahlen). Um ftch nun bie munberbare Einrichtung biefeS feinen SRerbenge* 
mebeS ju berfinnlichen, fa&te man folgenbe Xhatfachen ins Euge. 3)ie blo* 
hen Seuch tftrahlen ber electrifchen Sampe in einen Sörennpunft gefammelt, 
mürben bie [Refthaut un mieb erbringlich gerftoren, unb bo<hmürbe 
beren SBellenbemegung menig über bie «gälfte berjenigen betragen, 
melcbe Die ÜRefthaut int unfuhtbaren gocuS ohne alle Empfinbung er» 
4 rägt! $)ie ÜRefthaut entfpricht baher einzig unballein ben ihr bermanb* 
ten Schwingungen ber Sicbtäthermellen; aber bon ber unberechenbar 
ren Reinheit biefer Eeijempfanglichfeit mirb baS golgenbe eine meitere Enfcbau* 
ung gemähten. 

Ein gemöhnlicbeS Siebt (ßer$e ober Sampe) fann in llarer Eacbtluft leicht 
in ber Entfernung e i n e r SK e i l e (Englifcb) gefehen merben, unb boeb be* 
tragt bie Stdrfe biefeS Siebtes in biefer Entfernung nur ben 20 SKillionften 
2 heil feiner Stdrfe bei einer Entfernung bon einem gufi. gn berfclben 
Entfernung (bon 1 gufc) fommt aber ber £heil ber [Rabiation beS eleftrifcben 
Siebtes, melcher bie ÜRefthaut trifft ohne bie ©efubtSempfinbung §u erregen/ 
1500 üBtat ber leuebtenben Strahlung beS Siebtes gleich* $ieS ergiebt, bafc 
(1500 x 20,000,000), ber 30,000 ÜRillionfte £heil ber ÜRabiation bon etef* 
trifdjem Siebte, in ber Entfernung bon 1 gu& bon ber Kefthaut aufgefangen, 
reichlich genügen mürbe, bie ©eficbtSempfinbung an$uregen! So gro&ijt bic 
Empfanglicbfeit beS SeftnerbS fnr ben bermanbten Sicbtreij! 

j0rr wahre ürfprung btr #end)tflrahlen. 

Weitere ÜBerfucbe mit bem electrifchen Siebt ergaben, baff mit ber Energie 
berSeu<btf(h»w 9 ungenbur^Serftdrtung beS electrifchen Stromes auch bie Euer* 




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gie ber b u n 11 c n SluSftrahlung (§ifce) in befthnmtem SDZtrße wäcbrt; bafc jebetrt 
Strom« blenbenben Siebtel auch ein Strom unftebtbar ftrahlenber SBärme zuge* 
{eilt ift, ber baS Sicht an $raft »eit überfteigt—unb bajs bieö pon allen Körpern 
gilt, bie in feftem ober gefcbmolzenem Suftgnbe in 2Beifjglübbi$e überzugehen 
fähig fmb. Tpnball {flieht barauS — trenn, toie er fagt, es ihm erlaubt fei 
ZU f p e I u l i r e n — auf ben wahren Urfprung bet Seucbtftrahlen. „2Bir {eben 
fte erfreuten trenn ber auSftrahlenbe Körper eine getrijfe Temperatur erreicht 
bat, ober, mit anbern SBorten: trenn bie febwingenben Sltome beS Körpers einen 
gewiffen 3eitabftanb (Äür^e) erlangt haben. Sinb nicht bie tafeberen Scbtrin* 
gungen baS (Erzeugnis ber langfametn? 3ft nic^t bie gegenfeitige 2Birfung 
ber Sltome, trenn fie burch febr treite Släume febtringen, unb fo einanber brän* 
gen, waS fie in fürjem Seiträumen zu febtringen perantafjt? Sflifr anbern 
Sßorten: Tie liebtgebenben SBeden fmb wabrfebeintieb bie notbwenbige 
Siacblommenfcbaft ber SBärrae gebenben Sdbtringungen. „$Bon bem ©lan|e 
beS Siebte« einiger giyfterne felbft tonnen trir auf bie Qntenfität ihrer buntlen 
SluSftrablung fcbliejjen, treibe bie Vorläuferin uub unzertrennliche ©enofftn 
ihrer Sid)tftrablen ift." 

Stacbbem man bie 2IbforptionSfäbigfeit ber permanenten ©afe feftgefteUt 
—trie trir oben gefehen — behnte man bie Unterfucbung weiter auf biefelbe gä* 
higteit ber T u n ft e—trie beS 93enzal, Slmplene, Scbtrefel unb anberer Siethen 
arten,— fotrie oerfebiebener effentieller Oele, ©erücbe, aus, unb tarn auch hier 
ju ben auffaüenbften Slbftänben ber SlbforptionStraft. SBäbrenb—bie Slbforp* 
tion ber trodenen, reinen Suft als (Einheit angenommen — bie SBärmeabforption 
beS <pat<houli 30 ift, beträgt bie beS SlnieS 372. „(ES trürbe— fept Tpnball 
mit Siecht hinzu — müjjig fein, über bie e n g e beS Stoffes zn fpefu* 
liren, bie bei biefen Söirfungeu im Spiele ift." 

Tiefe Unterfucbungen felbft aber fmb nichts weniger als mfifcig, benn fte 
führten zur geftftellung beS SöerhältnijfeS 

ber Stofferbünfte jur ®rbn>ärme. 

Tie S a f f e r b ü n ft e, Pon welchen hier bie Siebe ift, barf man nicht, wie 
ber Saie geneigt fein mochte, mit ben 2Ö o l f e n ober fichtbaremStebel 
oerwechfeln. Ter Tunft, ber ben ©egenftanb biefer Unterfuchung bilbet, iftem 
Pöltig untaftbares ©aS, welches felbft an ben tlarften Tagen burch 
bie Sltmofpbäre Perbreitet ift. gm SBerbältnijs zum gefammten ©anjen ber Suft 
beträgt ber SBafferbunft eine faft unenblicb Heine SDlenge, inbem Pon 100 
Theüen bet Sltmofphäre 99£ aus Sauerftoff unb Stiäftojf zufammengefefct 
finb, unb ber übrfgbleibenbe £ SBolumtbeil noch Perfchiebene anbere öeimifebun* 
gen (wie Ammonium, ßoblenfäure tc.) enthält. Ohne bie befchriebenen @ype* 
rimente würben wir niemals baran gebacht haben, bem SBafferbunft, jenem 
bürftigen unb wecbfclnben 33eftanbtheile ber Suft, irgenb einen wichtigeren (Ein* 
fluf; auf bie Grbwärme beizumeffen. Unb bod? i ft biefer (Ein f lufj mä <h* 
tigeralSberbergrofjenSJtaffeberSuft! TieSBirtung beS 2Baf* 


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ferbunffeS an einem Sage non TurchfchnittSfeuchtigfeit in (Englanb jurn $un* 
bertfachen bet ber 2 uft felbft anjufchlagen, mürbe unter ber SBahrheit bleiben; 
bie Slbforption biefeS Stoffes beträgt nielleicht 200 2)tal bie ber £uft, in ber er 
fchmebt, unb bie ber ei^elnen ÜDtclecüle beS SöafferbunfteS in Bergleich ju einem 
ber beiben $auptbeftonbtheile unfererSItmofphäre allein, nießeiebt mehrere 1000 
ÜKale. TieS ift non ber haften Söichtigfeit für baS fieben auf ber (Erbe 
2Ran [teile ft<h bie SMecüle ber (Erboberfläche, in ber Bemegung ber SBärme 
fchmingenb unb biefe bem umgebenben Slether mitthcilenb, nor, fo mürbe biefe 
Bemegung (b. i. 2£ärme) rafcb fortgefübrt merben unb unferem Planeten für 
immer nerloren geben, menn bie Sletherfchmingungen bei ihrem Söcftreben nach 
auSmärtS feinen anbern BHberftanb fänben als bie 2uft. 2lber biefe 2lether* 
fchmingungen merben non bem SBafferbunft aufgenommen, biefer mirb 
baburch erhifct unb umhüllt fo bte (Erbe mie ein manneS ßleib unb fchüfct ihre 
Oberfläche gegen bie töbtlicbe (Erfüllung, melche fte fonft erfahren mürbe. Tie 
Speculationen, melche Te Sauffure, fjourier, ^ouillet, §opfinS unb anbere 
Üftaturforfcher über bie atmofphärifche §üüe beS (ErbförperS angeftellt haben, 
ftnb alfo nach ben jefcigen (Erfahrungen mefentlieh auf bie 2öaf ferb ünfte 
ju übertragen. 

Tie Beobachtungen über ben extremen SBechfel ber Temperatur an f eh* 
trodenen Orten betätigen baS Obige noüfommen. ge troefener bie 
2uft — mie auf ben (Ebenen gnbienS, in ber SBüfte Sahara, auf ben £och* 
ebenen beS «gimal'apa u. f. m. —befto fchneller unb tiefer fmftbie Tempe« 
ratur ber fiuft nom 9}ta?imum ber £ipe um Tage bis auf ben ©efrierpunft in 
ber SRacht. 

Slber, fonnte man hier einmerfen, biefelbe £üUe, melche bie (Erbe gegen 
(Erfüllung fchüpt, mufj ebenfo gut bie Dtabiation ber Sonne, non meiner mir 
unfere SBärme empfangen, a b h a 1 1 e n. tiefer (Einmanb ift mahr, aber nur 
jum Theil, meil bie Sonnenftrahlen non ben (Erbftrahlen qualitativ 
nerfebieben fmb. Tie Sonnenftrahlen gehen 5 . B. burch eine SGßaffer* 
läge non einem 3ehntel 3oü Tiefe mit gietnlicher Seichtigfeit burch, mährenb nicht 
ein einiger SBärmeftrahl ber (Erbe burdb eine nur halb fo biefe Sage paffirt; 
unb baffelbe gilt non ben SBafferbünften. Tie golge banon ift, baf$ bie mittlere 
Temperatur unferS Planeten höher ift, als fie nach feiner (Entfernung non ber 
Sonne eigentlich fein follte. 

Tiefe Thatfache ber ftarfen 2Bärme*5lbforptionSfraft beS SSafferS unb ber 
michtigen gunction ber SBafferbünfte in ber 2uft ift burch meitere (Experimente 
mit anbern glüffigfeiten unb beren Tünftcn in Be$ug auf bie Sluffaugung ber 
Sßärmeftrahlen ferner beftätigt , morben. 2ftan fanb babei, ba& baS 
2Baffer bie b&<bfte 3lbforptionSfähigfeit beftfct, unb bajs 3 . B. eine Suftfpbäre 
non 2 3ott Tide, mit bem Tunfte non Schmefeläther gefättigt, unb unmittelbar 
bie (Erboberfläche umhütlenb, bie SBärmeftrahlung unenblich meniger nerhinbem 
mürbe, als bie Sßirfung beS atmofphärifchen SOBafferbunfteS innerhalb 10 gub 
non ber Oberfläche ber (Erbe. 

5 


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SDie Vtolecüle bon dafen unb fünften ftnb aber nid^t allein Empfänger 
unb Sluffauger ber an fte gelangenben Sellenbemegung, fonbern auch felbft 
SluSftrabler unb Urbeber non Sellenbemegung; biefelbe 9Mecular*2lnorbnung, 
-bie ein das $u einem frdftigen Sluffauger ber Samte macht, macht es in bem* 
felben drabe auch ju einem fräftigen HuSftrabler; ba£ 2 ltom ober Solecüle, 
toeldbeS im Stanbe ift, bie Sarmemetlen a u f 3 u f a n g e n, ift in bemfelben 
SJtape fdbig, folche 3 U e r § e u g e n, ober mit anbern Sorten: SR a b ia t i 0 n 
unb 2 tbforption finb gegenfeitig. 2 luch bieS mürbe burch böchft 
ftnnreiche dyperimente mit erbeten dafen unb fünften feftgefteUt, unb ber 
gdbigleit folcher, bie in ihnen beroorgerufenen Sdrmefchmingungen bem fte 
umgebenben Sletber mitjutbeilen, ober, mit anbern Porten, auch b iefen in eine 
auSftrablettbe gorm ju berfefcen, gab man ben tarnen ber „bpnamifchen 
Uiabiation". 

Vei biefen dyperimenten mit dafen unb fünften — bie burcb bie 3lrbet* 
ten beS groben beutfchen ^bpftlerS $ir<bboff, beS £auptentbederl ber Spectral* 
Slnalpfe, mefentlich gefifrbert mürben — mürben nur u n ft <b tb a r e Strahlen 
angemenbet, unb einige bon jenen gasförmigen Körpern ftnb für biefe fo un* 
burchbringlich, bafe fte in ber (Entfernung bon nur menigen gufj jeben Strahl 
ber 2lrt fo bollftdubig auffangen, mie eine Sage bon Sßech tbun mürbe, mdb* 
renb biefelben Subftanjen für baS Sicht bollftdnbig burcbfuhtig ftnb. S)a nun 
bie Sichtftrablen bon ben unftcbtbaren Sdrmeftrablen fleh einzig burch ihre 
SchroingungSperioben unterfcheiben, inbem biefe 5 U langfam ftnb, 
um bie Vefcbaut 51 t affinen, fo bangt auf irgenb eine SBetfe bie $ur<hft<htigleit 
unferer dafe unb fünfte bon ben ScbmingungSperioben ber Sellen ab, bie 
auf fte ftofjen. SaS ift baS Seien biefer Slbbangigfeit ? S5ie bemunbernS* 
mertben Unterfucbungen ÄirchboffS geben uns Slntmort barauf. S)ie Sltome 
unb ÜUtolecüle jebeS dafeS haben gemiffe beftimmte Späten ber Sitterfcbmingung 
(OScillation), unb biejenigen Selten beS SletberS merben bon ihnen am reich* 
lichften berfchludt, beren ScbmingungSperioben mit benen ber 9Mecüle, an be* 
neu fte borbeipaffiren, f b n cb r 0 ni f ch ftnb, b. b- bie gleichen Beitabftdnbe be* 
obachten, ober: ber gelange ber Schmingungen nach aufantmenfallen. So 
fchliefeen mir, menn mir feben, bah eine Sage bon das bie unftcbtbaren Strab* 
len abforbirt, bie ftchtbaren aber burcbldfjt, bafc bie ScbmingungSperioben ber 
daSmolecüle mit benen beS unfiktbaren unb nicht mit benen beS ftchtbaren 
SpectrumSjufammenfallen. 2JtiteinigerUebung berdinbilbungStraft, 
bie mir hier mieber ju £ülfe rufen müffen, ift es möglich, ftch ein HareS Vilb 
bon bem betreffenben Vorgänge ju entmerfen. Sie ein fernerer $enbel burch 
richtig eingekeilte 2ltbemftöfje allmdlig in Vemegung gefegtmirb,fo,menn 
bie Hetbermellen auf biejenigen üRolecüle treffen, bte in gleichen ^erioben mit 
ihnen fchmingen, beranlaffen fte eine Enbdufung ber Vemeguug 
ber üftolecüle. 3»nbcm nun Xaufenbe bon Millionen Stößen in jeberSecunbe 
bon ben Sdrmemellen auSgeben, ift eS nicht fdpmer einjufeben, bafj jebe Seile, 
bie eben jur rechten 3eit eintrifft, um bie Sirfung ihrer Vorgängerin ju mie* 
!f 38 1 


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tocctjolcn, bie SDtolecüle fcbliehlicb Bctanlaffen muß, burd) weitere Säume ju 
fchwingen, als wenn jene in nicht fo abgetheilten Beiträumen einträfen. SDtan 
f»e^t »eitet barauS leidet, bajj eine Sammlung Bon SDloIecülen, auf welche »i* 
berftreitenbe SBetlcn (b. h. Sffiellen mit Betriebener ScbwingungSjeit) 
einwirten, thatfächlicb in Sufie Berbleiben müffen (wie bet Sßenbel, auf ben un* 
jeitige, Berfcbieben eingetbeilte Sltheraftöfje wirten), unb bieS ift wirtlich ber 
galt, wenn bie Sffiellen beS ficbtbaren Spectrum» burd? ein transparentes ©aS 
ober transparenten Sunft binburcbgeben. $ier pnbet feine ficbibate Uebertra* 
gung bet Bewegung Born Sletber auf bie SDtolecüle ober mit anbern Sffiorten 
leine fühlbare Slbforption ftatt. . 

$urd) Venufcung biefer (frfabrung ift man Bermittelft ber Strahlen ber 
fehlen=0ypb=glammeimStanbe, bie Slnwefenbeitber geringften Quantität Äoh» 
lenfäure ju entbecten, unb fo 5 . 93. ben £ohtenfäuren*©ehalt beS 
menfdhlichen 211 h e m S unb bamit ben Setrag bet in ben Sungen Borge* 
benben Verbrennung genau ju beftimmen. 

Silber auch bie Sfßeriobicität ber SIBellenbewegung erflärt bie beobachteten 
Shatfachen noch nicht oollftänbig; es bleiben noch gewiffe Störungen unb Un* 
gleicbbeiten in ber Setheraction übrig, fo bah wir Bor ber §anb a n n e h m e n 
müffen, bah auch bie ©eftalt, ©rohe unb Sichtigfeit ber SDtolecüle auf bie Sie* 
tberbemegung umftimmeitb einwirften. 

Sem Sefer, ber uns aufinerffam bis hierher gefolgt ift, wirb es nicht 
unerwünfeht fein, wenn »ir bie £auptergebniffe unferer Setrachtungen noch in 
einigen turjen Sähen überfichtlich wieberholenb jufammenftellen: 

1) SaS allgemeinfte ©efefc ber Sltatur ift S e»e g u n g. 

2 ) Sluch Sicht unb Sffiärm e finb nur gormen ber S ewegung 
beS Stoffes. 

3) Sie Semegung befteht in B'ttererfdbeinungen. 

4) Sille Körper in ber Statur fenben Strahlen, b. h. bie gortfefcung bet 
Schwingungen ihrer tleinften Sheile, aus, bie entweber fichtbare (Sicht) ober 
unfuhtbare (Sffiärme) finb. 

5) fein Körper ift abfolut lalt, alle fenben baher Sffiärmeftrahlen aus. 

6 ) Sie SDtaffe ber unfaßbaren Sffiärmeftrahlen ift unenblich gröber als 
bie ber unferm Sebnero wahrnehmbar merbenben (ficbtbaren) Sichtftrahlen. 

7) Sicht unb Sffiärme finb ihrem Sffiefen nach (SehwingungSbewegung 
ber 2 ttome unb SDtolecüle) i b e nti f <h ; ihre Serfchiebenheit liegt in ber Hürje 
ber Beitperiobe ihrer Schwingungen. Sie Sffiärmeftrahlen finb bie langfameren, 
bie Sichtftrahlen bie fchnelleren. 

8 ) Sie Seftanbtheile ber 3luSftrahlung Bon ber Sonne fmb b r e i f a <h. 
Sie fenbet Sffiärmeftrahlen, Seu<h tftrahlen unb chemif cbe Strahlen 
aus. 

9) Sie ferper theilen einanber ihre SDtolecular*Se»egung gegenfeitig mit 
unb taufchen fte unter einanber aus. 

10 ) SaS SDtebium für biefe SDtittheilung ift ein ben ganjen SBeltenraum unb 


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575 


alle Sltom» unb 3Mecular}mif<henräume erfütlenber flötper; bet letzet, 
bet bie Sicht» unb Sßärmefcproingungen aufnimmt, burd) Selbftfcpmingen fort» 
fefct unb auf anbere Äörpet überträgt (j. S3. auf ben Sehnet» beS SlugeS). 

• 11) einige ßBrper »erf^Iuäen bie Sichtmellen unb geben bie SBärmemet* 

len treiter; anbere »erfcpluden bie Sffiärmeroellen unb laffen bie Sichtmellen 
burdjgehen. 

12) ®aS SBer^alten ber sufammengefepten Körper in biefer 39e» 
jiepung ift burcpauS ccrfdueben non bem ber einfachen. Sie gähigfeit ber £Bt* 
per in SBejug auf Slbforption unb SRabiation ber Siebt* unb ffiärmemetlen mirb 
burd? bie 3ufammenfefcung, ©cope, ©eftalt u. f. t». ihrer tleinften Steile be< 
bingt. 

gügen mir bem SSorftepenben noch als praltifcp eä Grgebnifibet gor« 
fepungen über SBärnte binju: baf> 

13) für baS Seb en ber ©rbe bie mächtige SHbforptionSfraftbeS übet 
ihr feproebenben SBafferbunftes für bie »on ihr felbft auSgepenben 2Bär« 
meftraplen eines ber rcicptigften Momente ift, fo haben mir ungefähr bie 
Summe beS gegenmärtigen StanbeS biefeS mistigen SheileS ber Pbfit mie» 
bergegeben, mie berfelbe »on gopn Spnball in einer am 16. fDtai 1865 »or 
ber Unioerfität Gambribge in Gnglanb gehaltenen SSotlefung bargelegt mürbe. 

SBer uns bei unferer Sarftellung gefolgt ift, ber mirb geroifc ein ©efühl 
ber SSemunberung für bie Grrungenfcpaften ber mobernen ÜBiffenfchaft nicht un« 
terbrüden tonnen, bie auf bem mühfamen Sßege bet Scplufsjiehung mit §ülfebeS 
GpperimenteS Schritt »or Schritt mehr unb mehr in bie ©epeimniffe ber Ulatur 
einbringt. 9tod) größer aber mirb feine ftaunenbe Söemunberung fein für bie 
©röjje ber 3iatur felbft, bie mit e i n e r e injigen ßraft, ber ber 93 e * 
meg ung , nicht nur in,ben 11 e in fte n £p ei len b eS S t of feS bie 
SEBunber beS Siebtes unb ber Sßärme, bie öebingungen «lies Sehens, f(pafft, 
fonbern auch SBelten mit einanber in Sßetbinbung fe|t, unb hn bentenben 2Jten* 
fepen burd) bie SicptmeUen beS fernen gijfterneS, bie nad) jahrtaufenblanger 
Steife feinen Sehnet» treffen, baS Semufjtfein feines unlösbaren 3ufammen* 
pangeS mit bem großen äBeltganjen ermedt. 


Per pUttncn 

S3on 955iUiam GuUen Sryaut» £)eutf$ Von Gatl Sfteobor Gbetu 

2)ie trüben Sage ftnb nun ba, bie traurigften im gapr; 

©er ©türm burdjtobt ben fahlen Sffialb, bie gluren nadt unb bar; 
©aä trodne Saub ber Säumt liegt in Schluchten aufgetpünnt, 

Unb burch bie §aine öb unb leer ber Slorbminb fepautig ftürmt; 
>©ie Stoffel unb ber Golibti ftnb längft entflohen fpon, 

Unb nur bw Äräpe fre^jet noch# als mie tum bittere £opn. 




576 


2)od& fpti$,. wo ftnb bie ®lüm$en benn, bie no$ oor lurger 3^it 
SWit ihrem 2)uft, mit ihrer $ra$t ber 2)tenf$en £erg erfreut? 

21$, alle ftnb in ihrem ©rab! fte traf beg 3rb’)$en 2oog. 

Sie ftarben hin, unb ruben in ber ©rbe füblem S$oo|. 
ßg ftrömt ber fRegen Wohl b«ab unb nefcet ihre ©ruft, 

2)o$ (ein !ftooemberregen fte in’g Seben wieber ruft. 

2)ie ©inbrof unb bag ®eil$en bolb ftnb längft oerblubet f$on, 

2lu$ 0r$ig unb 2)orurög$en ftnb geraume 3*it entflobn; 

2)o$ 2aufenbf$on$en auf bem 23erg, bie Sonnenblume bo$, 

Sie prangten mit ber Elfter gart bor wenden Sagen no$; 

2)a traf, glei$ einer Seu$e, fte ber £erbftwinb raub unb !alt, 

Unb bin war ihrer 23lütben $ra$t in S^b unb glur unb ©alb. 

Unb fommen milbe Sage no$, wie oft bet gerbft fte bringt, 

©enn aug bem ©interbau berbor bag ßi$born munter fpringt, 

©enn nur ber ÜRüffe bob^n gaH man bßret-in bem 3$al, 

Unb in bem S3a$e fpiegelt ft$ ber Sonne matter Strabl, 

2)ann lommt ber Sübwinb ber, unb fu$t bie 23lüm$en weil unb ro$, 
Unb feufget tief, gu ftnben fte tm ©rabe, wel! unb tobt. 

Unb eineg ©efeng benf i$ bann, bag früh bon binnen f$ieb, 

2)er 2Hume, bie an meiner 93ruft erblühte unb »erblüht*! 

©ir fenlten fte in’g falte ©rab, afg f$on berwelft bag 2aub, 

Unb weinten lang*, ba| fte fo früh bem Sobe warb junt fRaub; 

S)o$ trßftet ber ©ebanfe mi$, bafj biefeg fü|e £inb 
Si$ in ber ßrbe bettet fühl mit 23lüm$en gart unb linb. 


Pie JtoMaitcr als punittöjjcnalJcn öer Peutfdjen tm 
norbamerikanifdjen fretljeitakampfe. 

SJott Wtai oon (Selfing. 

(6*Iu6). 

Sie ^nbianer benahmen fidj auf bem 3u(fe nach Saratoga, too be- 
ianntlich im Ditobet 1777 bie brittif<b*beutf<he 3Irmee unter Sourgopne bie 
SBaffen ftreden muffte, febt übel. 3c mebt bie 2lrmee ÜJtangel litt, unb je me« 
niget e§ in ben Ginöben ju plünbern, toobl aber mit ben SBaffen mebt su tbun 
gab, befto mebt lichteten fid? auch bie 31 ei ben bet Snbianer. Siele entfernten 
fidb heimlich, anbere in ganjen XruppS unb Stimmen, »orgebenb, ihre Grnte 
cinbringen ju muffen. 3ulc|t toaren bon einigen Saufenben nur noch etiiihe 
öunbett ba, bie aber lurj bot bet ßataftropbe auch baoon liefen. 


m 




577 


$)ie 3nbtaner, bie ftch beim beugen (Eorp! mitbcfanben unb gemöhnlich 
bie Sorhut unb Seitenbecfung bilbeten, führte ber brittifcbe (Eapitain graf er, 
ein 9tebeu be! befannten brittifcpen Srigabier=©eneral! gleiten kanten!, ber 
auf biefem 3 uge in einem ©efecht blieb, ©emöhnlich mürben ben SetachementS, 
namentlich su ben entfernteren (Eypebitionen, gnbianer beigegeben, fo unter 
Slnberem bem Sraunfchmeig’fchen Oberftlieutenant Sauer ju bem berun* 
glüdtten 3^9* nad^ Sennington, mobei ber tapfere (Eontmanbeur töbtlich 
bermunbet unb ber gröbere $heil be! Detachement! gefangen mürbe. Huch'hier 
ftoben bie gnbianer geitig genug auSeinanber, um mit bem geinbe nid^t in alTgu 
nabe Serührung ju fommen. Sie ftreiften nun ba* unb bortbin, ber Slrrnee 
ober ihrer ^eimatb &u, jefct ganj frei unb ungebunben, untermeg! raubenb 
unb morbenb. 3»ei bicfer Unbolbe brangen in ein Hau! unb brachten hier 
eine grau mit ihrer Tochter, bie fte barin allein fanben, fcheuhlich um’! 2 eben. 
Sie lamen mieber jur Slrmee, unb al! ihre Untbat halb barauf befannt mürbe, 
lieb fte Sourgopne feftnebmen, bor ein Kriegsgericht ftetlen unb mollte fte 
nach bem SluSfpruche beffelben, ber auf Dob lautete, beftrafen taffen, um enb* 
lieh ein Seifpiel ju geben. Da! brachte bie 3nbianer aller Stamme in großen 
SUlarm; bie Häuptlinge begaben fir ju Sourgopne unb baten für ba! 2eben 
ihrer StammeSgenoffen. Der ©etteral moüte erft nicht! babon hören; al! aber 
feine eigenen höheren Offiziere ihm bestellten, bah fdmmtliche 3nbianer bie 
Jlrmee nicht nur berlaffen, fonbern ihre ©egner merben mürben, unb ihn eben*» 
fall! baten, bie Serurtheilten frei gu laffen, al! ihm auch bie Häuptlinge ber* 
fprachen, bafs bergleidpen nicht mehr borfommen foUe, lieb er ftch enblich beme* 
gen, biefen Sorftellungen, obmohl ungern, (M;ör $u geben, dennoch banften 
ihm bie Sßilben biefe Mubgiebigfeit unb Milbe fehlest genug, benn fie berlie&en 
balb barauf, bi! auf etma fünfzig, bie Hrmee unb gingen nach (Eanaba aurüd. 
Einige babon ftreiften am M o h a fo! hinauf unb berebeten hier ihre ©enoffen, 
bie fwh bei St. 2 e g e r ! (Eorp! befanben, mit ihnen §u jiehen, ma! biefe auch 
gröbtentheil! thaten. Da bie 3nbianer bie H^ u P^ftdrte feine! (Eorp! bilbeten, 
fo fanb er ftch jeftt fo gefchmächt, bah er nicht! (Entfcheibenbe! mehr unterneh* 
men lonnte. 

Der Haufe *am, «achbem er auf feinem 3ug unzählige ®räuel an ben 
(Eoloniften berübt hatte, in betriebenen %rupp! in (Eanaba an. Die Häupt* 
linge begaben ftch &u (Earleton, bem f ,g u t e n S a t e r", unb flagten biefem 
ihre 9loth : foie Sourgopne fte 31 t hart gehalten habe; fte mürben ftch gemifi 
nicht an biefem gelbjuge betheiligt haben, menn fte gemuht hätten, bah fie 
einen „neuen Sater" betemmen füllten. Siele ihrer ©enoffen maren 
üBiüenS, ftch &ur anbern Partei $u fragen; fte glaubten aber, biefe nochbe* 
fänftigen ju lönnen. 

(Earlton fuchie fte 3 U beruhigen, ohne ihnen meitere Serfprechungen $u 
machen, unb berebete fie, borläufig nach Haufe ju gehen. 

Die SBilben liebten bie Deutschen mehr al! bie Sritten, meShalb fie ftch ihnen 
auch ergebener jeigten ; aber in Setreff be! ©ehorfam! unb ber Sucht ber* 


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mosten gene ebenfo tüentg über bie Störrigen mie bie fieberen. Gin beutfh« < 
■Mitdr fhreibt barüber: 

„$en SBilbcn ift megen ihrer angeboenen Veftialität nicht zu trauen. 

Sie ftnb böhft brat), aber auch böhft jugello^ unb tnüffenbaber mit englifhen 
unb canabifheu Offizieren burhffcidt merben. Sie münfhten unabhängig unb 
nicht unter bem Gommanbo englifher Generale ober Offiziere all treue Vun* 
beigenoffen unb greunbe bei ßönig! zu feebten. Gin grofefe, Dlamenl go* 
feph, ber fih fogar einige Seit in Gnglanb aufgebalten hat unb bal gntereffe 
ber Gngldnber unb ber SBUben ganz tidbtig fennt, fudjt feinet ÜRamenl Ge* 
badbtnib als Gbef einer 2lrmee Sßilber zu beremigen. -Ulan mirb biefel 
aber auf alle 2lrt zu becliniren fuhen, bemt Gott fei allbann ben Goloniften 
gnäbig, bie ihre Nachbarn ftnb." 

Gin anberer ber bamall angefebenften Häuptlinge unter allen Stämmen, 
unb zugleich eine eigentümliche Grfheinung, mar ber befannte Gapitän 
Vranbt. gn früher gugenb mar er burh bei Gouberneur! Vermittlung 
nach Gnglanb gefomnten; ber Äönig fanb SBoblgefallen an ihm, unb lieb ihm 
eine möglicbft gute Grziebung mie einem Guropäer bon Stanbe geben. 

V r a n b t lernte gut, er fannte bie neueren Sprachen unb Sitten ber bor* 
nehmen SBelt; all er aber reifer mürbe, erfaßte ihn unter all ber Herrlichfeit 
grofiftäbtifhen unb feinen Sehen! eine Sebnfucht nah feinen milben Sanblleuten, 
bie er nicht überminben fonnte. 2111 ber $rieg aulbraeb, eilte er zurücf unb 
focht tapfer mit für bie fönigliche Sache. 

2 )eutf<he Offiziere afjen einige 9Me mit Vranbt an Garleton’l 
Safel, unb famen auch fonft mit ihm in Verübrung. 2Jtan rühmte feine 
geinbeit unb fein gute! Venebmen; man mollte baher nicht begreifen, mie ein 
üUtann ben folcher Vilbung ft<h unter feinen Sanblleuten behaglich fühlen 
fonnte. Vranbt bezog all Gapitain bom Könige eine Gage, unb mar 
halb all 2Jtilitair unb halb all gnbianer gefleibet. Gr gehörte bem Stamme 
ber üDtobamfsgnbianer an, bie bom üDtohamf nach Ganaba überfiebelten. S)al 
Nähere über biefen merfmürbigen ÜDtamt finbet man in ben Vtemoiren ber 
Generalin bon Dtiebefel. 

3 u jener Seit traf man auch in ben längft cultibirten Sanbgebieten Sftorb* 
amerifal noch biele gnbianer, fogar in ber 9iäbe bon SRem^orf, auf Song* 
gllanb unb ben anbern benachbarten gnfeln. $iefe gnbianer, mit ben 
Guropäern meift zufamnten lebenb unb mit ihnen in ftete Verübrung fommenb, 
maren ebenfall! nur bem ÜRamen nah Gbriften, unb boten ein Gemifh bon 
angeborener SBilbheit unb etma! europäifher Gultur. Slulnabmlmeife 
betrieben bi« bie üUlänner, bie fth fonft niht um ben Haulbalt fümmerten, 
etma! 2lcferbau unb Heine Gemerbe, ober berichteten fonft leichte Sienfte. Sluch 
batten fie ihre eigenen Gefefce, bie ihre Varbarei etma! mehr im 3aum halten 
füllten. $a biefe aber bon ihnen niht niebergefhrieben merben fonnten, fo fam 
man hier auf eine originelle Slulbülfe; e! mürben nämlih Ginige unter ihnen, 
bie all mit bem heften Gebähtnifi begabt galten, aulermäblt, unb jeber bon 



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579 


tiefen rnufite einen beftimmten Safc ober Paragraph auSmenbig lernen wnb fi<h 
fo feft einprägen, bafc er ihn auf Slnlafc beS StichterS fcbnell unb richtig 
berfagen fonnte. 2Ber baS ©eiernte bergeffen batte ober falfcb fagte, toar bem 
£obe berfalten. SDtan batte ftch auf biefe SBeife einen lebenbigen Eobey 
geraffen. 

$>a au<b unter biefen etmaS abgefdhliffenen gnbianem fein geft ohne böl* 
lige Eingabe an ben Srunf abging, mobei eS gemöbnlich SStorb unb $obtf<hlag 
gab, fo trafen fie unter fub bie Einrichtung, ba& borher Einer jum Sluffeber 
unb ScbiebSrichter ernannt mürbe. Er rnufjte bei allen (Belagen ftetS jugegen 
fein unb — maS bie fchmerfte Aufgabe mar — nüchtern bleiben. Um bieS 
um fo ftdberer ermöglichen gu lönnen, mufete er ftch alles SrinfenS enthalten, fo 
lange er in feiner gunftion mar. gbnt mar bafür ein grobes Slnfeben einge* 
räumt, unb er fonnte Qeben, ber ihm nicht fofort gehorchte, mit bem £omabaml 
nieberhauen; ein Gleiches brohte aber auch ihm, menn er ben Srinfgelüften nicht 
miberftehen fonnte. 

So furchtbar bie SBilben bem geinbe maren, fo marm fonnten fle auch 
am greunbe hängen, unb man finbet baher auch bei ihnen fchöne 3üge bon 
£reue unb Eingebung, bie freilich nur in ber ÜHtinberjabl anjufübren fmb. 
Sin ihnen mürbe namentlich bie Gaftfreunbfchaft fehr gerühmt. $aber lommt 
eS auch, bab bie Urtbeile bon 2)eutfchen über fie berfchieben lauten. SDie 
Stamme maren nicht nur an Sitten unb Gebrauchen bon einanber berfchieben, 
fonbern auch baS gnbioibuum geigte auf bie auffallenbfte SBeife gmei berfchie* 
bene Seiten. 2)aS gute mie baS böfe ^rin^ip fanb man beim Snbianer auf 
baS SJterflichfte ausgeprägt; in bem einen SJtoment mar er ber treuefte unb bin* 
gebenbfte Samariter, im nächften ber leibhaftige Satan. 

SBenn bie gnbianer Slnbern furchtbare Startern jufügten, fo abftrabirten 
fre babei nicht nach unfern Gegriffen, fonbern nach ben ibjigen. 3fb* abgebär* 
teter Körper fonnte Unglaubliches auShalten, unb bie beftigften förperlichen fieiben 
ertrugen fre mit bemunberungSmerthem StoiciSmuS. «gierbon nur ein S3ei* 
fpiel, baS bem Tagebuch bcS braunfchmeig’fchen Slbjutanten bon $apet entnom* 
men ift, ber im Sommer 1782 mit feinem Sörigabier eine £our nach ÜDt o n * 
treal machte, hierüber erzählt er golgenbeS: 

„§eute habe ich gmei EhefS ber SBilben gefeben, mobon ber Sine ber fa* 
mofe SSranbt ift, ber bie fechS Stationen commanbirt unb ber oon DSmego 
gefommen mar. Er fpridht gut Englifch unb bat ben StebeUen entfefclicb biel 
Schaben gugefügt. S)er ift ein junger SJtann, ber im gahre 1778 bon 
Sr. Eycellenj *) bei einer SSerfammlung bon beinahe 5000 SBilben in SJton* 
treal gum Ehef einer Station erflärt mürbe. SJtan ergä^lt bei biefer Gelegen* 
beit folgenbe mabre Gefehlte: SllS ftch nach biefer Erflärung biefer SGilbe ber 
Station als Ehef präfentirte, fagte ber einer ahbern, eS fei nicht erlaubt, bafc 
ein fo junger SJtann, ber noch nicht hinlängliche groben feines ÜDtutbeS abge* 





legt falbe, einer Nation als dbef oorfteben fotle. 3ener, bem biefeS mieberge* 
fagt mirb, gebt barauf in*S Säger biefer Nation unb fd&ldgt mit feinem Stoma* 
bamf ben alten dbef tobt, -Wad? biefer Slbat gebt er in’S £auS beS SWonfieur 
6 t. Suc, mo eben oiele SBilbe oerfammelt fmb, unb fagt ja bem dinen, er 
fotle ibm an feinen Slrmen Söcher burchs gleifdb flehen. SSiefeS gefdfaefa. 
dr giebt ibm barauf ein rotbeS 23anb, Idfet ft<h foldjeS burch bie beiben Söcher 
Rieben unb fo bie 2 lrme hinten gufammen binben. Sn folgern 3 nftanbe prd* 
fentirt er fich ber Nation, beren dbef er erfragen batte, belennt ficb als Z\)cl* 
ter, giebt bie SBeranlaffung an unb giebt fidb nun beren föaebe preis. 60 
aufgebracht auch bie Nation ift, fo erftaunt fie boeb über beS jungen 2Wenf<ben 
^übnbeit. dS mirb gmar diner commanbirt, ibm ben Scbdbel eingufchlagen, 
aber am dnbe mirb ibm ber Sobtfcfaag boib belieben. S# felbft habe noch 
bie beiben -Warben an feinen Slrmen gefeben. SEennod) fagt man, bie beleibigte 
•Wation merbe über fürs ober lang ben Sobtfcfaag rädben, benn in biefem 
fünfte ift ein SBilber unoerföfailicb." 

2Wan follte nach bem bisher SWitgetbeilten faum glauben, ba& ein irgenb 
gefitteter Europäer an bem Soben unb Sireiben ber 3nbianer habe ©efallen ftn* 
ben tonnen, unb bennoeb gab eS 9Wcbrere, melcbc bieS burch bie drille ber 9to* 
mantif befaben unb bafür febroarmten. Selbft ber !Weffe beS ©ouoerneurS, 
ber ßapitain unb ©eneral*2lbjutant G a r l e t o n, ein fonft feiner unb gebil* 
beter 2Wann, gäblte ju biefen eycentrifchen -Waturen. Wad? ben 2lufgeid?nungen 
eines Söraunfcbmeig’fcben OffigierS mar er einer bet tücfaigften WtilitairS in ber 
Slrmee. Wacbbem er bie Sitten unb brauche ber SBilben tennen gelernt, ge* 
feilte er ftcb ganglid? ju ihnen uno fugte ficb gang ihrer rauben uno un|teten Se* 
benSmeife, fo bafj er gmei Sabre unter ihnen auSfaelt. dr bemalte ficb mie fie, 
trug Winge in Wafe unb Obren unb fuebte ihnen in Ment ähnlich git merben. 
Sehr oft ab er, mie er ergäfat, in mehreren ÜDtonaten nichts als robcS gleifch 
unb unreine ©ebdrme. dr felbft fagt, bafj er foIdbeS anfangs ferner habe 
überminben tonnen; enblicb habe ihn ber junger bagu gegmungen, unb nach unb 
nach batte er ftcb baran gemöbnt, fo bafj eS ihm enblidh gang gut gefchmedt 
habe. SCBenn bie Silben ihre meiten Sagbgüge machten, begleitete er fie auf 
Slouren oon 400 bis 500 Stunben. Um bem ©angen fcbtiefjUd? bie tone 
aufgufefcen, beiratbete er eine junge Snbtanerin, bie dbe blieb aber tinberloS; 
er trennte fuh halb mieber bon ber rotbbdutigen ©efdbrtin, meil fie an* 
geblich einige ©efebenfe, melche fie oon ihm betommen, einem Wnberen gegeben 
batte. SDie Sdjeibung machte nicht melUmftdnbe; er braute feine ehemalige 
Siebfte gu ihren Wnoermanbten gurücf, gab bie Urfacbe an, marum er fie nicht 
behalten tonne, unb bamit mar bie Sache abgemacht, dapitain d a r l e t o n, 
ber auch mdfarenb beS Krieges eine Wbtbeilung Snbianer führte, batte foniit 
fattfam ©etegenbeit, ihr $bun* unb Sireiben tennen gu lernen. -Wach feiner 
SluSfage übertrafen an Wacbfucbt unb ©raufamfeit gegen ben gefangenen geinb 
bie SBeiber noch bie ÜWamter; er fchilbert fie als mabre Spänen. Sie riffen 
ober bijfen in ifaer 2öutb baS gteifcb ftüctmeife aus bem noch tebenben Opfer. 



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581 


So oiel er ftch auch üfltübe gab, biefem tfannibatigmug §u fteuern, unb 
babei all feinen (Einfluß aufbot, fo gelang ihm biefe^ bo<h nicfet immer. 
2 )ag £ö<hfte, toa^ er erreichen fonnte, mar, bafj man ihm oon fünf befangenen 
brei überlieb, benen er fomit bie greibeit mieber geben fonnte. 

(E arleton batte ftch fo an bie SBilben gemöbnt, bafe eg nur ben in* 
ftänbigften Bitten feineg Übeintg enblic^ gelang, ibn bon biefen jurüdäurufen. 
(Er beiratbete fpäter beffen Schmäge'rin, eine feingebilbete S)ame aug ber brittU 
f(ben Slriftofratie. 3)ie bencralin o. SRiebefel, bie mit biefem Sonberling JU* 
fammenfam, fchilbert ihn ebenfalls als einen febr artigen, intereffauten 9 )tann, 
ber ftch aber immer nach jenem früheren unfteten unb ungebunbenen Seben 
jurüdgefebnt habe. 

Slber nicht bloS in ben nörblichen ^rooin^en fanben bie Seutfchen an ben 
Snbianern iöunbeggenoffen, fonbern au(b in ben füblicben. 2 >ag Regiment 
SBalbed fam bon ben beutfcben «gülfgtruppen am meiteften biaunter, big nadb 
Söeftfloriba, unb focht hier mit gegen bie Spanier big jurn galle Sßenfacola’g, 
mo eg mit ben brittifchen Gruppen gefangen mürbe. 

Sn ben bortigen, bamalg noch bitten Salbungen häuften mit ben man* 
dbcrlei milben Xbieren au(b mancherlei Snbianerftdmme, beven SBilbbeit unb 
©raufamfeit bie ber nörblidben meit übertraf. Sie merben als ftarf unb mobt* 
gemadbfen, aber bunfelfarbiger als bie anbcren gefcbilbert, inbem fte ihren $ör* 
per mit einer fcbmaqbraunen garbe beftricben. 3 n bem milberen ßlima gin* 
gen fie faft ganj nadt, hielten aber babei hoch auch auf ihren eigentümlichen 
*ßufc, ber in einem buntbemalten ©eftcbt unb bunten gebern auf bem $opfe, 
bie mit perlen unb ÜPtetal^ierratb umfcblungen maren, beftanb. 2 )en oberen 
£beil beg Dl^eg batten bie steiften abgefcbnitten, unb am übrig gebliebenen 
Sdppdben hing ein SBünbel oon ftlbernen unb golbenen (Gehangen, fomie bunte 
Korallen. Sie maren namentlich gute unb abgehärtete Säger unb treffliche 
Schüßen. 

(Ein $rupp oon einigen £aufenben biefer milben ©äfte erfchien bor bem 
Säger ber 93erbünbeten unb ftellte an ben Göouberneur bie grage: ob bie 
fremben Krieger alg geinbe ober greunbe gefommen mären, gm lefcteren gaUe 
mürben fte für „ihren Sutber jenfettg beg groben SBafferg", mie fte Se. 23rittifche 
Sütajeftät nannten, bie SBaffen ergreifen; märe bag nicht, fo möchten bie gremb* 
linge fofort mieber abjieben. 3llg nun ber ©ouoerneur ihnen burch ben StoU* 
metfdher fagen lieb, bab er ihre greunbfchaft münfcbe unb biefe Krieger nur 
gefommen mären, fte gu befänden, fo fchienen fte barüber febr erfreut, inbem fte 
folcbeg burch lauteg ($5ef<hrei unb ein greubenfeuer ju erfennett gaben. $5er 
Sufall mollte, bab bie guten SBalbecfer in bem SMmetfdher, ber ftch bei ben Sn* 
bianern befanb unb mie biefe coftümirt mar, einen Sanbgmann fanben, ber aug 
fiöniggbagen gebürtig mar unb alg er miber ^Bitten in ben Solbatenrocf ge* 
ftedt mürbe, eineg fchönen £ageg oom Schlöffe 3 U Sßalbecf, bag er bemachen 
follte, echappirte. tiefer fonberbare ßauj batte eg big 3 um Häuptling unter 
ben SBUben gebracht unb befehligte über einige £aufenb 3Jtann. (Er legitimirte 



Goog 




I 

ft<h burch fein gut malbedifchel $eutf<h, feine ^eHe Hautfarbe unb feinen S5art, 
inbem feine Untergebenen fein $aar im ©eficht bulbeten. 2Bie er unter biefe 
2ente gefommen unb el ba gum Häuptling gebraut, blieb in ein mpftifche! 
Sunfel gehüllt. 

$ie Häuptlinge biefer Stamme maren infofern ba! ©egentheil non anbe* 
ren, al! fie unter ihren ©cn offen bie meniger bemittelten maren unb mahr* 
f<heinlt<h ihren Stolg in ber Slrmuth fuchten, um babur(h ben 9teib ber 
SInberen nicht gu erregen unb ihre Stellung nur ihren Saaten beigumeffen. 
©efchenfe unb ©eute bertheilten fie meift unter bie fermeren. ©eftrafungen 
ihrerfeit! beftanben in ©efthdmung unb ©eringfchdSung gegen ben gehlenben; 
©eleibigungen non Slnberen rächten fie jeboch fehr graufam. ©erfprochenel 
hielten fie unverbrüchlich unb halten feft an ihren alten Sitten unb brauchen. 
2ll! einft ein cnglifcher höherer Offigier bem Stamme ber $rp!l*3nbianer burch 
ihren Sollmetfcher ben ©orfchlag machen lieb, ftcb mehr bem Benehmen ber 
Ghriften gugumenben, lieben fie ihm fagen: r te fdhen täglich, bab bie chriftti* 
eben gremblinge in mehr Saftern lebten all fie, melöalb fie lieber 2Bilbe ohne 
folche Untugenben bleiben sollten, bie nicht unter ihnen gebulbet mürben. Siefe 
Abneigung mar tiefer unb alter all fie ben 2lnf<hein hatte, unb batirte fnh 
nodh non ben erften fpanifdhen Gröberem her, melche bie armen unb ihnen freunblich 
entgegenfommenben Dftotbhdute mie ba! SBilb behanbelten unb hefcten unb fich 
allerlei ©raufamteiten erlaubten. Siefel hatte fnh trabitionell unter ben 3n* 
bianern erhalten. 

3n bem Hagebuche eine! SBalbederl (bei gourier! Steuernagel) finben 
mir über biefe gnbianer nod? golgenbel angeführt: 

„3m Kriege fmb biefe Söilben fürchterlich unt fehr graufam. Sie brin* 
gen ihre gefangenen geinbe um, meil fie voraulfeSen, bab biefe fie umbringen 
mürben, meun fie bagu gelangen fönnten. Sie rachen übrigen! alle ©eleibi* 
gungen, unb forbern ©lut gegen ©lut. 

„Sie fingen vor einem Kampfe bie Helbenthaten ihrer Vorfahren auf eine 
feftüche 2lrt ab, unb jebelmal ben Sag vor bem Anfang bei Kriege! giehen fie 
ben beften ©u$, ben fie haben, mie gu einem gefte an. Sie befifcen eine befon* 
bere ©efchidlichteit im Schleubem unb namentlich auch barirt, ben Somahamf gu 
merfen. 

„9Jtit ihrem geinbe, menn fie eine! habhaft merben fönnen, verfahren fie 
fehr graufam. Sie fchneiben ihm vorn über ber Stirn, ober hinten im 9taden, 
bie Haut auf unb giehen folche mit ben Sahnen über ben ßopf herunter, ober 
öffnen ihm ben ©auch, nageln ein Gnbe bei Gingemeibe! an einen ©aum unb 
jagen ihn bann unter fortmdhrenbem ©eifjeln um biefen herum, bi! ba! Ginge* 
meibe herau! unb ba! Opfer gu Sobe gejagt ift. 

„S)ie grauen ftehen gemöhnliih einige Saufenb Schritt hinter ber Schlacht, 
unb ftimmen einen fo entfestigen ©efang an, baf$ bie Suft bavon erbröhnt, 
verftümmeln babei auch -bie auf bem ©oben liegenben geinbe unb bringen bie 
gerftüdelten ©liebmajjen all Siegelgekhen mit gurüd. 2Benn fie eine Sttngahl 
Scalpe haben, fo liefern fie folche ab, ba ihnen für jebel Stüd 3 ©fb. Sterling 



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.583 


auSbegoblt »erben. Zrf#redli# gufagen! — 3n ^infubt bcffcn 
ift eS für einen #riftli#en Solbaten ber f#auberhaftefte ©ebanfe, jemals in 
fol#e Hänbe gu gerätsen." 

2Im20. üDlärg 1779, als bie Spanier gelanbet maren imb gur Belagerung 
Sßenfacola’S f#ritten, faub ein feltfamer Auftritt im bieffeitigen Säger ftatt. ZS 
erf#ien nämli# ein drupp Qnbianer, bie mehrere Scalps ron Spaniern brauten* 
Slu# führten fte einen gefangenen SJtatrofen mit, ben ein SBilber mit emfter unb 
graufamer Zeberbe, gefeffelt unb entfleibet, an einem Strid im Säger- herum** 
führte unb babei ron $i\t gu &it ein fur#tbareS ®ef#rei erhob. Sie hatten 
bem armen Opfer bie Haare abgef#oren unb ihm baS ®eft#t, rnie bei ihnen 
üblich, mit allerlei bunten garben bemalt. So führten fte ben befangenen au# 
gum brittifchen ©ourerneur, vorauf fte ihn lebenbig rerbrennen mollten; allein 
tiefer unb bie anbern benerale unb Offnere, namentli# bie deutf#en, begeig* 
ten ihr SJtttleib für ben U«gludli#en unb fu#ten ihn gu retten. Sie rerfpra* 
#en ben gnbianern alles ältöglidbe, trenn fie ihnen ben befangenen überlaffen 
trollten; aber lange hatten biefe bafür taube Obren unb beftanben barauf, an 
biefent Blut gegen Blut gu rächen, ba au# oon ben 3h*en bur# bie fpanif#en 
kugeln Mehrere gefallen traten. Stur bur# baS inftänbigfte Bitten beS bou** 
rerneurS Zpefter unb beS ZeneralS Zampbell lieben ft# bie SBilben enbli# be** 
tregen unb gaben ben befangenen gegen ein bebeutenbeS bef#enf, jebo# nur 
unter ber Bebingung ab, ihn am Seben gu beftrafen. der Unglüdli#e trat 
bereite bur# bie Bühhanblungeu mannigfach rermunbet unb beinahe halb tobt. 

Hier im Süben fochten ^nbiaiter, aber nur ein geringer dheil, au# mit 
ben Spaniern unb grangofen gegen bie Britten unb deutf#en. die grango* 
fen fcheinen bie $ülfe ber SBileen ebenfo trenig rerfchmäht gu haben trie bie 
Britten, benn in einem Briefe aus Siem*?)ort (rom 1. Sluguft 1779) heijüt eS, 
bah bie grangofen bur# Zmiffäre rerfucht hatten, bie gnbianer bur# allerlei 
®ef#enfe auf bie Seite ber Hmerifaner herübergugiehen, maS ihnen au# gum 
4 SLheil in ber SBeife gelungen fei, bah bereits einige ^unbert gu SB a f h i n g * 
ton’S Strrnee geflohen träten. SBohl mögli#, bah biefe SBilben bei ber 
amerifanif#en Slrrnee ft# einfanben, aber angenommen mürben fte ni#t. 
SB a f h i n g t o n trollte ft#, au# in ber ärgften Bebrängnih, mit biefer Hülfe 
ni#t befaffen. 3m gahre 1777 boten gnbianer bem amerifanif#en gelbherrn 
ihre dienfte an. SBährenb ber Borgänge am Zhamplain*See melbe* 
ten ft# im Säger gu Zambribge, mo SBafhington bamalS ftanb, 
Häuptlinge, bie ron mehreren Stämmen oberhalb beS SorengftromeS beauftragt 
maren, ihm ihre Hülfe angubieten. 

SB a f h i n g t o n empfing fte mit all bem babei übli#en Zeremoniell, lieh 
fte bei ft# fpeifen unb tract rte fte fonft na# ihrer Slrt, fu#te aber unter aller* 
lei Höflichkeiten unb Bortränben ihre Offerten abgumeifen, ba ber Zongreh au# 
porläuftg ni#ts meiter als Steutralität ron ben SBilben trünf#te. die hier 
Slbgemiefenen f#einen diejenigen gemefen gu fein, bie fpäter unb no# mäh* 
renb beS «a# 6 a r a t o g a bei ber brittif#*beutf#en Slrrnee eintrafen. 



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584 


diejenigen SBilben, welche etwa gegen bte brittifchen drüben fochten, bat¬ 
ten ftch baber jebenfall!, wie bereit! oben bemcrft, ben fra^öftfchen Gruppen 
angefchloffen. 

SEßa! wir von ben beutfchen ßampfgenoffen in jenem Äriege über bie gn* 
btaner vernehmen, labt trofc ber argen ©egenfätje beiber Nationalitäten vor* 
au!fefcen, bab fte ftcb unter einanber im Allgemeinen gut vertrugen. SBobl 
Waren bie beutfchen Krieger über bie ©raufamfeit unb fonftigen 2 eibenfchaften 
ber ÜEBilben empört; ba fte ihnen aber nicht! ju 2 eibe traten, fte ftch im ©egen* 
tbeil immer freunblich unb bienftfertig gegen fte zeigten, fo gewöhnte man ftcb 
aHmälig an ihren Umgang. 9Nan rühmte namentlich ihre ©aftfreunbfdjaft, 
ba! Tbeilen be! lefeten SBiffcn! mit bem hungrigen. 

3uweilen malten bie beutfchen Öftere, wohl mehr au! Neugier, ba! 
fieben biefer SBilben näher fennen ju lernen, Sefuche in ben nächft gelegenen 
tnbianifchen dörfern, unb fte würben hierbei jebe!mal auf ba! greunblidbfte em* 
pfangen. Nä(hft ber ©aftlichfeit rühmte man auch ihre grobe Sbrlidbleit, benn 
niemal! ift ein galt borgelommen, bab ein gnbiaiter bem greunbe etwa! ent* 
wenbet hätte, fo grob auch ihre Naubluft bem geinbe gegenüber war. der 
dichter 6 e u m e hat bctanntlich einige biefer Tugenben ber SBilben, mit benen 
er gern verfebrt 311 haben fcheint, in feinen ©ebichten verherrlicht. 

die gnbianer befaben bamal! auch noch ein Heine! ©ebiet auf Neufchott* 
lanb, an ber 93ai von © h e b u c 10 , wo bie dritten 3 U jener Seit, ba! inbia* 
nifebe Territorium nicht refpeftirenb, 23efeftigungen anlegen lieben, in bie audj 
deutfehe al! 23efa$ung verlegt würben, die gnbianer fühlten, bab man fte 
auch von hier verbrängen werbe, gn bem Tagebuch eine! beutfchen Ntilitär! 
finben wir folgcnbe! (Schreiben eine! gnbianerhäuptling! an ben bamaligcn 
brittifchen ©ouverneur angeführt. ©! lautet: 

„Statthalter be! $önig!. 

der ^lafc, wo du bift, ber $(afc, wo du wobnft, ber 55 lafc, ben du 
befeftigft, ber $ta§, ben du entrichten fuchft, ber $la®, von bem du dich 
SNeifter 3 U machen gebenfft, biefer $la£ ift mein. 

„geh bin in biefem 2 anbe gleichwie ba! ©ra! entftanben. geh, ber ich 
ein ffiilber bin, btn hier geboren, unb meine SBäter vor mir. die! 2 anb ift 
mein ©rbtheil. geh fchwore, bab e» ba! 2 anb ift, welche! mir ©ott gegeben 
hat, bab e! mein 2 anb fein foll, immer unb ewig." 

„geh fage hiermit gan 3 betulich bie ©ebanten meine! fersen! vor dir. 
denn wiffe, bab bie SBorte, bie du 3 U ©bebtteto rebeft, mir SSeranlaffung 
3 U ernfthaftem Nachbenfen geben. Ntein $önig unb dein flönig jenfeit! be! 
groben SBaffer! haben ftch unter einanber wegen ber Sertheilung gewiffer 
2änber vereinigt, unb haben baber grieber. mit einanber. SBa! mich betrifft, 
fo fann ich mit dir Weber in einen 93unb treten, noch grieben mit dir machen. 
3 eige mir hoch, wohin ich al! gnbianer meine 3 uflucht nehmen foll. du haft 
biefe! gan 3 e 2 anb in Söefift genommen, fo bab ©hebu cto nach meine lefcte 
3 uflu<ht ift, unb bennoch mibgönnft du mir biefen glecf Sanbe! unb wiöft 



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586 


bamit bebroht. 2Bir wollen jeboch biefe (StabliffementS ^ier übergeben unb 
uns in Kürje nur mit ber IHitterfcbaft befaffen. ©ebilbet ift biefelbe auS ben 
Aachtommen 2)erer, welche üon ben griefen unb 2)ithmarf<hern übrig geladen 
tourben, unb ben Angehörigen einiger feitbem entftanbenec AbelSgefchlechter. 
Sie ift eine feft geglieberte Korporation unb hat bie ©runbfäfce beibehalten, 
welche fte einft in ben Kampf führten unb ihr fo oiele Prügel einbrachten; nur oon 
ber Aitterlichleit ift wenig übrig geblieben, unb obgleich fte in ihrer SBeife pa* 
triotifch war, lieben fuh bodh nur wenige ihrer ÜJtitgüeber im breijährigen 
UnabhängigfeitStampfe auf bem Schlachtfelbe blicfen. 

gft bie Organifation ber SBefttüfte burch unb burch bemolratifch, fo befielt 
an einem groben £betl ber Oftlüfte baS ariftotratifche Vrincip in feiner gröbten 
Vollenbung. AirgenbS hat bie Seibeigenfchaft in trafferer ©eftalt epiftirt als 
bort, unb felbft jefct fmb ihre Spuren noch nicht oöllig oerwifcht, benn es giebt 
Xaufenbe non „porigen", welche ber ©utsherrfchaft §u beftimmten 25ienften 
oerpflichtet fmb unb nur ein fehr geringes Aequioalent bafür erhalten. 2)aS 
eigentliche AbelSparabieS ift in ber ©egenb ber oberen (über unb beS fchfeSmig* 
holfteiitifchen Kanals, ©in prachtoolleS 2anb; aber eS fchwebt ein glug über 
bem SßarabieS. Valäfte, in benen bie Herren, ftattliche ©ebäube, in tenen ihre 
Sßferbe unb §unbe wohnen; aber rings umher gruppiren fich, gleich ben Sfla* 
oenhütten füblicher Plantagen, bie elenben Vehaufungen ber fogenanntcn 
„gnften", ber porigen, welche bie Vferbe unb §unbe beS „gnäbigen £errn" 
beneiben. Sie werben im galle beS UngehorfamS nicht mehr in bie Vurgoer* 
liebe geworfen, welche noch jefct mit allem ihrem barbarifchen 3ubehör unter 
ben älteften Vurgen $u fehen ftnb; aber es broht ihnen ©efängnifj bei SBaffer 
unb Vrob unb ber Stoä beS Büttels. 2)aS „ Aecht ber erften Aacht" (ein „wohl* 
erworbenes Aedjt", welches noch bor einigen 3)ecennien mit ber größten ©e* 
wiffenbaftigfeit beobachtet würbe) ift aufcer ©ebrauch gefommen; bafür aber 
epiftirt noch jefct bie ^atrimonialgerichtSbarfeit; b. h- ber ©utsherr ift gnhaber 
ber ^olijeigewalt unb bebient ftch berfelben auf patriarchalifche Seife. 2)ie 
Seele ber f<hleSwig*holfteinif<hen föitterfdhaft war bis Anno 1848 ber $er$og 
oon Auguftenburg. Seine nobeln Vaffionen, bie Oon ihm oeranftalteten Klapp* 
jagben, bei welchen bie dauern als £unbe baS SHlb auftreiben mußten, wel* 
cheS fie nicht auf ihrem eignen gelbe, währenb eS ihre eignen Saaten frajj, 
fehlen burften, ftehen noch in frifchem Anbeuten, unb nicht befrembenb ift eS 
baher, bah, als im nötigen gahre biefer r ,Angeflammte" feine ehemaligen Un* 
terthanen auf Alfen unb ber $albinfel Sunbewitt befuchen wollte, biefelben ihn 
baten, fie lieber mit biefem Vefuch ju oerfchonen, nicht befrembenb, bah uacb 
ber Vertreibung ber $äu non Alfen ber „rechtmäßige fianbeSherr griebrich 
ber Achte", ber boffnungSooHe Sohn beS Alten, in Sonberburg nur non oiet 
Verfonen protlamirt würbe. 2)er Apfel foll in biefem gaU weit oom Stamme 
gefallen fein; ber Sohn hat fofort beim imaginären Antritt feiner Regierung, 
baS StaatSgrunbgefefc befchworen, welches, ein Kinb beS gahreS 1848, mit ben 
AbelSprioilcgien tabula rasa machte. S)ah eS ihm bamit ©mft war, wollen 




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m. 


587, 


wir glauben bis bag ©egentbeil erwiefen ift; jener Verleugnung ber ©runb* 
fäfce, beren bartnädigfter Vertreter fein ©ater war, bat er eg aber ja oerbanfen, 
bah bie fRitterfhaft fih oon hm abgewenbet bat unb für ben Slnfhluh an 
©reithen wirft, ©ar gemütlich fifit eg fub für Seute folgen Sdjlageg im 
preufjifhen ^errenbaufe, wäbrenb bie dntwidlung 6d?ie3mig=«£joIftein3, fobalb . 
eg fi<b felbft überlaffen ift, nur eine rein bemofratif<be fein fann. 

Die Seibeigenfhaft eyiftirte noch im Anfänge biefeg. gabthunbertg, unb 
ihre Ueberrefte reihen, wie gefagt, big in bie ©egenwart hinein. 2lber man 
möge ni(bt glauben, baf$ bie „porigen" ihr 3&h gebulbig trugen.. Schon 
lange bor jenen gefegneten gebruar* unb 2Rärgtagen rüttelten fie an ihren 
betten. 3ur dbaratterifirung ber Stellung, welche fhon barnalg bie ©auern 
ber Oftfüfte gurn Übel einnabmen, biene folgenber 3ug. Dag geiftreihfte, 
begabtefte unb liberalfte 2Ritglieb berföitterfhaft, ©raf fReoentlow-©reefc, pflegte 
bie ibm untergebenen dauern mit „dr" angureben. Sie wollten ft<h bag nicht 
mehr gefallen laffen unb brachten bie Sache in bie 3eitungen. dineg Dageg 
lieb nun ber ©raf fdmmtliche ©auernoögte gu fub fomrnen unb fagte gu ihnen: 
„3<h höre, bah 3b* mit Sie angerebet fein wollt. Dag ift wiber allen ©rauch 
unb fcbtdt fuh nicht 3# werbe duh auch ferner d r nennen unb fage du<h 
hiermit, bah eg nicht meine 2lbfi<bt ift, duch bamit gu beleibigen. dg gefchiebt 
nur ber Orbnung wegen." Die ©auern antworteten: „§err ©raf, bannmüffen 
wir Sie auch dr nennen." „D nein, bag muh ich mir oerbitten!" rief ber 
©raf auffabrenb. „ 3 b* oerbtnbet bamit eine ©eleibigung, unb bag ift gang 
etwag 2lnbereg!" — „9Rag fein, £err ©raf", erwiberte ber Söortfübrer ber 
©auern troden, „aber wir oerfteben’g nun einmal niht anberg, unb wie dr 
ung nennt, fo nennen wir 3b«-" tim niht oon feinen ©auern dr titulirt 
gu werben, muhte ber eble ©raf nahgeben, unb für ben Spott brauchte er auch 
niht gu forgen. 

3lm 3(abre 1848 günbete ber gunfe ber greibeit nirgenbg fhneHer unb 
Iebenbiger alg bei ben Untergebörigen ber fhlegwig4;)olfteimfhen [Ritter. Die 
prooiforifhe Regierung bilbete eine fogenannte Snftensdommiffion, weihe oon 
einem ©ut gum anbern reifen unb bie ©erbältniffe genau ermitteln füllte. 
Slber bie Sähe bauerte gu lange unb bie Seute merften halb, bah nihtg babei 
heraugfommen werbe. Da traten fie, ohne bah bie geringfte Agitation unter 
ihnen ftattgefunben, gufammen, fanbten Deputationen gu ben ©olfgführern in 
ben Stabten, unb baten, bah man ihnen gu ihrer Organifation bebülflih fei. 
Stuf jebem abeligen ©ut entftanb ein Slrbeiteroerein, welcher allfonntäglih oor • 
ben Shlöffern unter freiem Fimmel feine Sifcungen hielt, dommiffionen, 

| mit benen bie Regierung nihtg gu tbun hatte, reiften jefct oon Ort gu Ort, 

| nahmen ©rotofolle auf unb forgten bafür, bah bie SBabrbeit an ben Dag tomme. 

• Die bduerlihen Slrbeiteroereine fhloffen fih benen in ben Stabten an, unb fo ent¬ 

ftanb ein gasreicher, weit oerbreiteter 2lrbeiterbunb, welher fih fehr halb offen 
für bie IRepublit erfidrte unb auf bie SBablen gur Sanbegoerfammlung einen 
fo beftimmenben dinfluh übte, bah trofc beg fonberbar fonftruirten SBaSgefe&eg 


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588 


gulefct nur no<b menige Stimmen an einer republifanif<ben üftajocitätfeblten. 
Gjceffe mürben nirgenb! begangen, aber bie Sftenfcbenmürbe oerfdjaffte 
fub Geltung. Sa ein Witter an ber Spifce ber Regierung (barnal! StattbaU 
terfdjaft genannt) ftanb, fo tonnte bie! natürlich nid^t lange fo fortgeben, unb 
el entftanb eine Steife non ^ßro^effen nnb 3u<btbau!oerurtbeilungen, mit benen 
bie gegenmärtige preufeif^e Gemaltberrf<baft bi! jefct nur gebrobt bat. 
Sie barnal! aulgeftreute Saat ging jebod) ni<^t oerloren. Sie meit bie geiftige 
Gmanäpation bereite gebieben, geigte fub unter Slnberm bei einer Sanbtagl* 
mahl in$iel, mo ber Diepufclifaner Soctor Safaurie bem ßanbibaten ber 5lrifto« 
tratie gegenüber ftanb. Gl mar halb einleud^tenb, ba& Grfterer bie SUtajorität 
erlangen mürbe, menn ni(bt bie Gutlbefifcer ber Umgegenb noch SU regier 3eit 
ihre porigen all Stimmoieb berbeitrieben. S<bleunigft mürben einige fünfgig 
Sagen gemietet, bie gnften unb Sagelöbner bom gelbe unb au! ben Ställen 
geholt unb inftruirt, mal fte gu tbun batten. Slber gur groben 23eluftigung bei 
SBotfel, gum namenlofen Serbrufc ber Slbligen, ftimmte jeber hörige in ©egen* 
mart feine! geftrengen «gerrn für ben Sepublifaner Safaurie, felbft auf bie 
Gefahr bin, baburdb broblol unb elenb gu uerben. 

Sie biel ber Sa<b)enftamm in Scblelmi g^olftein unter ber £errf<baft 
bei Slbell, ber gürfteit unb ber Sßfaffen gelitten bat, ba! offenbart fub au<b in 
ben Soltlfagen, melcbe mobl nirgenb! reichlicher bertreten ftnb all bort. Gl 
giebt fub burcb biefelben ein tiefer, bitterer Groll, gef nüpft an Erinnerungen, melcbe, 
menn auch im Saufe ber gabrbunberteberbiftorifcben Klarheit entfleibet, hoch nie 
erlöfdpen tonnen unb im Gemanbe naturmücbftger, tinblicber ^Poefie bon einer 
Generation auf bie anbere übertragen merben. Samentlidb in ber Gegenb ber 
Stabt S<blelmig, beren majeftätifcber Som ein! ber ebrmürbigften unb intern 
effanteften SJiaufoleen ober ÜRufeen bilbet, mimmelt e! bon folgen Sagen, 
beren jebe eine pofttibe biftorifcbe Grunblage bat. $ier fei nur eine berborge* 
hoben, meil fte fub an bie greibeitlfämpfe ber griefet^ fnüpft. ÜRocb mirb im 
Sorne bie ßette gegeigt, momit bor reiflich fed&lbunbert gabren ber äönig ©rieh 
gefeffelt mürbe bebor man ihn bon bem Soote, auf melcbe! fein berrätberi* 
feber Sruber Slbet ibn gelocft batte, an ben Grunb ber Scblei berfenfte. -Rach* 
bem ber Srubermörber unter bem Säcberbeil bei griefen gefallen, mürbe fein 
Seicbnam nach mieberbolter Seigerung aulgeliefert unb im Some beigefept. 
Sber er fanb, mie bie Sage behauptet, im Grabe teine Ohibe, e! gab allnäcbt* 
_ lieh einen Stanbal, ber Sille! mit Graufen erfüllte, unb ba blieb nicht! Slnberel 
übrig, all ben Seicbnam ber ßöniglgruft gu entreißen, ihn im Salbe gu beer*« 
bigen unb ihm einen SPfabl bureb ben Seih gu rennen. Sie Stelle, mobielge* 
febab, beftnbet fub im Sbiergarten, unb ungern nabt man fteb ihr, befonber! 
gur Stacbtgcit. Slucb mar ba! SUlittel nicht gang probat, benn alljährlich ftebt 
in ber Sacbt, in melier ber Srubermorb gefebab, ber SRorber beunoeb auf, unb 
raft mit Senen, bie ihm beigeftanben, all milber gäger burcb bie Suft. Siefer 
Sage entjprang eine Sitte, bie ficb bi! auf ben heutigen Sag erhalten bat, ber 
fogenannte SJtöbenpreil. Sie 23urg Slbel! befanb fub auf einer gnfel in ber 




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Schlei, melche bamali burch eine Nrücfe mit bem geftlanb berbunben mar, bem 
SNöoenberg, fo genannt meil fic lebiglich bon Ntöben bemohnt mirb unb bon 
oben bii unten mit ben Heftern biefer Nögel bebeeft ift. Unter biefen SNöben 
(teilt man ftch bie ©enoffen 2lbeli bor, unb ihr ©efchtei lautet: w £omm mit!" 
— ber Nuf, mit meinem ber jattbernbe ©rieh bemogen mürbe, ftch bem Noot 
anjubertrauen* jährlich, an einem beftimmten Sage, merben nun biefe SNöben 
preiigegeben, b. fe. auf ein gegebene^ Signal bat gebet bai Necht, auf fte ju 
fchiefeen. SDa giebt ei ein blinbei, brutalei Söürgen unter ben armen gieren, 
unb unentfchulbbar müfete man bie Sitte finben, menn bie Sdbüffe nic^t befn 
Slnbenfen bei lönigli(ben Spurten gemeibt mdren, menn nicht jeber bon ihnen 
einen glud) gegen bie Sprannei enthielte. 2ln jebe ablige Nurg fnüpfen ftch 
fcbauerlidje Sagen über barin begangene ©raufamfeiten. 2Biß man ben ©ha* 
rafter einei Nolfei ergrunben unb ftch über bai Har merben, mai unter gege* 
benen Umftänben bon ihm $u ermarten ift, fo barf man bie Sagen, in benen 
fich fein innerftei Nemufetfein offenbart, nicht unbeachtet taffen. 

föein feiftorifch, ohne bie geringfte fagenhafte Neimifchung, ift folgenbe 
3ug. ©iner ber beften gürften, melche jemals gelebt haben, mar ßnub Sa* 
barb, Äönig ber Sßenben, melcher eine 3eitlang über Schleimig feerrfchte. 2113 
einige Witter, melche er megen Seeräuberei moßte auffnüpfen taffen, ftcb auf 
ihre hohe ©eburt beriefen, antmortete er ihnen: „gd? miß ©u<h über aße an* 
bem Schürfen erhöhen l" unb liefe fte an Ntaftbäume aufhängen. 2)urcb ben 
2)änenfönig ©fenftoph mürbe Jfrtub Sabarb nach Seelanb gelocft unb bort in 
einem Söalbe ermorbet. $a er UJtitglieb ber Schleimiger Schüfcengilbe mar, 
lag biefer nach ihren ©efefcen bie Sühnung feinei Nlutei ob. Ser ßönig 
©feriftopfe mufete biei nicht ober glaubte ber ©efahr trofeen ju fönnen, unb be* 
gab ftcb ali Nachfolger feinei Dpfeti nach Schleimig, um bort bie «gulbigung in 
©mpfang ju nehmen. Sobalb er aber bai 2öe?<hbilb ber Stabt überfchritt, 
mürbe er bon ben ©tlbebrübern überfaßen unb erfchlagen. 

9Jtan ift gemofent, bie Schleimig*«£>olfteiner ali unberbefferliche Sßhftifter 
unb ?ßartifulariften ju betrachten; fcheinbar hat man ein Nedfet baju, aber hoch 
tfeut man ihnen Unrecht. 2Bai bie beutfehe Norbmarf in ihrer politif<ben ©nt* 
midlung jurüdfgefealten hat, ift ber Nationalitätifampf, biefer gluch jebei ©renj* 
lanbei mit gcmifchter Nebölferung. Non Seutfchlanb ihrem Schicffal über* 
laffen, mufeten fte aße ©nergie, aße ihre $raft aufbieten, um ben Uebergriffen 
bei Sänenthumi Stanb §u halten. Sie Nationalität mürbe burch ihre fort* 
mährenbe ©efährbung fo fehr in ben Norbergrunb gebrängt, bafe für bie grei* 
heit nur menig Naum übrig blieb, unb ba bie Unterbrücfung fuh gerabe auf 
bem ©ebiete ber Nationalität befonberi fühlbar machte, fonnte ei nicht fehlen, 
bafe ftch im Nemufetfein bei Nolfei bie Unabhängigfeit bom Nuilanbe mit ber 
greiheit ibentificirte. ©inen gluch nennen mir ben Nationalitätifampf, unb er 
berbient biefen Namen. 2luf ein ©ut, bejfen ungeftörter Neftfe ftch bon felbft 
berftehen foßte, bergeubet man bie ßraft, melche bem ßöchften unb heilig* 
ften gemibmet merben müfete. ©i ift biei bie mirffamfte ^anbhabe ber Sefpotie* 

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Divide et impera! «f3efet bie Völler gegen einanber, macht ihnen weil, ba| 
fte einanber ihre Sprache, ihre Sitten, ihre (Einrichtungen aufbrängen miiffen, 
unb fte werben »ergeben, ba| ihre gntereffen ibentifch ftnb, fie werben ftch ge* 
genfeitig dhifaniren unb würgen, unb bie $ette an ben eigenen ©liebem wirb 
ihnen lieb fein, wenn fie bamit nur bem Nachbar um bie Ohren fchtagen fön* 
nen. (Sntgünbet in ber Schweif einen nationalen $aber, unb bie Schwerer 
Freiheit wirb feine gehn gahre mehr bauern, bringt bal (Eoangelium ber 
, SBölferfolibaritat gur allgemeinen Anerfennung, unb bie greiheit ber SBelt ift ge« 
fiebert. Al! bie gikften ftdb im gahre 1848 nidht mehr gu helfen wu|ten, 
pflangten fte bie gähne bei Sänenhaffe! auf, unb ba! Mittel erfüllte feinen 
3wecf. Unb gegenwärtig laffen ftch bie £)änen ein StudE greiheit nach bem 
anbern abfchwinbeln, weil ihnen »om ©lüdElburger »orgehalten wirb, ba| bie 
Rettung ber bebrohten Nationalität ba! Opfer »erlange. 5)ie Sdble!mig*§ol* 
fteiner mu|ten, fo lange ber Nationalitätlfampf bauerte, im politifchen 
^hüifterium »erharren, unb bie Verantwortung bafür trifft bal mächtige | 

S)eutfchlanb, welche! ber fleinen Schaar fübner ©rengmädhter nicht gu «giilfe 
fam. 2)ie bemoraliftrenbe SBirfung bei Nationalitätlfampfe! lä|t fi<h in Norb* 
albingien beutlidh »erfolgen, ge weiter nadh bem Norben, befto weniger fruchte 
baren Voben ftnben bie wirflidhen greiheitlbeftrebungen. £olftein, weldhel all 
Veftanbtheil bei beutfchen Vunbe! in Vetreff feinel Volflthum! fo giemlidh ge* 
fiebert war, unterfdhteb ftch in tiefer Vegiehuug »ortheilhaft »on Schleimig, ttnb 
im norblichften Xheile biefel «gergogthuml, wo fein £ag ohne nationale Nei* 
bungen »erging, war »ollenbl mit ben Leuten nichtl Vernünftigei angufangen. 
gefct, ba*bie grage ber Nationalität beftniti» gelöpt ift, wirb Schlelwig^oiftein ’ 

in ber Vhalanp ber greiheit nicht bie lefete Stelle einnehmen. 

2Bal ben S<hle3wig*«golfteinern mit bem grölten gug gum Vorwürfe ge* 
macht wirb, ift bie unaulftehlidhe Nedht!bobeu*Neiterei. 2>ie Schulb hierfür ift 
auf Nedhnung ber Leiter ber ehemaligen f<hle!wtg*holfteinif<hen Agitation gu 
fchreiben. 2)er 5Lhatfraft bei beutfchen Volfel burihau! fein Vertrauen fchen* 
fenb unb bal $eil nur »on ben gürften, ja fogar »om beutfchen Vmtbeltage, 
erwartenb, »ermenbeten biefe allen ihren Scbarfftnn barauf, gu beweifen, ba| »or 
etlichen hunbert gahren £eute, welche bem Volfe »öllig fern ftanben, befchlojfen I 

ober »eriprodtjen hatten, ba| bemfelben auf ewige Seiten beftimmte Necbte ge* 
hören feilten. Vom Necbte, ba| mit uni geboren ift, war babei nie bie 
grage, unb ba eben bie biftorifche 6 n t widtlung Schlelwig*§olfteinl fo über* 
aul »e rwicfelt War, fam man mit ber Argumentation nie gu (Enbe, benn jeber 
Veweil fonnte »on einem gefreiten Vierfacher burch gehn ebenfo triftige 
©egenbeweife enthaftet werben. Sßollte man ben $ampf auf b i e f e r £inie 
aulfechten, fo war el unmöglich, ba| man jemal! gu einem Nefultat gelangte, 
unb hätte nicht enblicb ba! Schwert ben knoten burdhhauen — taufenb gahre 
hätte man noch ben gelehrteren Sebuftionen wibmen fönnen ohne nur um 
einen Schritt weiter gu fornmen. 2)er gelehrte $antpf würbe in fämmtlichen 
3eitungen bei £anbe! geführt, unb auch ber gefunbefte Nlenfchenoerftanb 






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I 


591 


mußte baburh fonfuä gemacht merben. 2Bir fmb tn ber £ßat ^errn bon 95i3* 
ntard $ant bafür fcfeulbig^ baß er eitblih burh feilt Tintenfaß unb ba$ grobe 
GefhütJ ber preußiihen SXrttUeric biefeS Büppel geftürmt unb mit bem 
gangen Scbtoinbel aufgeräumt bat. Qefct ift ba§ gelb rein, unb bie einzige 
Appellation bon biefer Uitterbrüdung tautet an ba3 natürliche Aecßt, 
an bie Selbftbeftimmung be3 Volles. 

3)ie jefcige Shtoärmerei für ben Auguftenburger muß gebem unerllärtih 
fein, metcßer nicht baS 33olt unb bie Verhältniffe fennt. gern fei es bon uns, 
biefe fonberbare Verirrung in Shufc nehmen gu roollen; aber geht man ihr apf 
ben Grunb, fo ftellt fie ftch minber grabirenb bar. S)ie Vrollamirung „griebrich 
beS Achten" fofort nach bem Xobe bcS ßönigS bon Sänentarl gefcbab meil 
man bie Aothroenbigleit erfannte, bie Gelegenheit beim Schopf gu ergreifen, unb 
fte inbolbirte ben $roteft gegen baS Sonboner $rotololl, b* b* gegen bie An* 
maßung ber gürften, über ein Voll gu berfügen ohne baffelbe gefragt gu haben* 
Aian fagte: „$er OJtannSftanim beS DIbenburger «gaufeä ift erlofhen", unb 
ftellte ftch bamit auf ben alten morfchen AehtSbcben, nur meil man ber Ueber* 
geugung mar, nicht anberS hanbeln gu bürfen, unb auf biefe SBeifc ba$ 3iel — 
bie beftnitibe Trennung bon Sänemarf — am ficherften gu erreichen hoffte. 
3>aß man mirllich in ben Sohn beS Alten bernarrt fein follte, ift unbentbar. 
3ut 3ah^e 1848 hatte ber Alte bie größte 2uft, bie SRoUe beS gieSlo gufpieleit; 
aber lein Atenfh mollte etroaS bon ihm miffen, unb mo nur barauf angefpielt 
mürbe, erfolgte bie alierberbfte 3urechtmeifung. 2>a§ je^ige gefthalten an bem 
^rollamirten erllärt ftch einerfeitS aus ber fprihmörtlihen £olftentreue. 2)er 
Schte3roig*|>olfteiner bleibt fo feft bei bem, maS er einmal besprochen hat, baß 
eS ihm in nicht fehr alten 3eiten noch für eine Scßanbe galt, bei gefchäftlichen 
$ran£altionen eine aitbere Vürgfhaft als ben männlichen §anbfhlag gu ner* 
‘langen ober gu geben. Aber man braucht nicht auf ben abgcfcbmadtten Alt ber 
„§ulbigung" gurüdgugreifen, um baS hartuädige gefthalten am „ Angeftammten" 
erllärlich unb entfchulbbar gu finben. S5ie Aepublif fleht ja leiber noch nicht 
auf ber £age3erbnung, unb menn baS Aachgeben einen Sieg beS ViSmardfhen 
SpftemS in ftch fhloffe, ift es hoch mohl baS Vefte, bis auf Weiteres bei bem 
geringem Uebet gu beharren, mofür man ftch einmal entfchieben hat. Ginge* 
fleifchte Atonarchiften fmb bie ShleSmig*.golfteiner entfchieben nicht; feit 
gmangig gahren hat man fte bei leiner Gelegenheit bagu bringen fönnen, bem 
ßönigthum auch nur bie atlereinfacbfie $öflichleit gu ermeifen, mährenb fte eS 
an ben ungmeibeutigften Vemeifcn ber Verachtung unb beS grimmigften «gaffet 
niht fehlen ließen. $ie beiben lebten Könige bon $änemarf mußten babon 
ya ergählen. 2Bar ihr Grfheinen in Hamburg ftctS baS Signal gu einem 
Triumph, fo mürben fte auf fhteSmig==holfteimfchem Vobeit bom Aorben bis 
gum Sübcn gerabegu en Canaille beßanbelt. S)ie Agitat : on unb ber glttch 
beS VerhängniueS haben bie Shlesmig*£o(fteiner gu ganatilern beS AehtSbo* 
bcnS gemahn Von ber £eiligfeit biefer Snftitut^ übergeugt unb in ihm 
bie Gemäbr ihrer greiheit erbtidenb, bertheibigen fte ihn gegen alle fürftlichen 


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592 


Uebergriffe. S3ringt ihnen bie Agitation ober bie bittere Erfahrung bal höhere 
SHed^t gum SBemujjtfein, fo merben fte biefem mit nicht geringerer Entfcbiebenheit 
unb Slulbauer jugethan fein, unb bie gutunftige beutfcbe Dlepublil mirb nir* 
genbl auf meniger Scbmierigfeiten flogen all bei ben üRorbalbingierh. 

$en Scblelroig*§olfteinern ^artifularilmul jum SBormurf 3 U machen, ift 
bal fcbmählübfte Unrecht, melcbel fub benfen läfjt. $)?ie vermag $eutfcblanb 
ben 33emohnern ber üftorbmarf bie £reue §u vergelten, mit ber fie ibm unter ben 
fdhmierigften Umftdnben angebangen ftnb. 3 hre Siebe jum groben SBater* 
lanbe, melcbel fub boeb fo menig um fte befümmerte unb el auftfct noch gar 
juliefj, bab beutfcbe SBaffert fie bem Sanbelfeinb überlieferten, mar rübrenb unb 
im haften ©rabe erhebenb. %xo% ber trübften Erfahrungen manfte nie ber 
©laube an bal beutfcbe 33olf, nie bal fefte Vertrauen auf bie beffere 3 ufunft 
im Scboofse einel einigen, freien ©ermanien, unb in biefem ©lauben mürbe 
bureb Sabrbunberte ebne Ermatten gefämpft, in biefem SBertrauen ein breijäb* 
riger ßrieg geführt unb nach ber 3ertrümmerung allel ferner Errungenen erft 
recht nicht besagt, deinen Slugenblic! mürbe fub Scblelmig*«|)olftein befiitnen, 
ju ©unften $eutf<blanbl auf jeoe Spur partifutarer Selbftftänbigfeit ju ber* 
jidbten. Sal aber gegen bie Ehre, gegen bal Qntereffe unb bie Freiheit 
$eutfchlanbl ift, bal bat in ben üftorbalbingiern feine unverföhnlicbfien geinbe, 
unb ein ©lüdt ift el für bal beutfcbe SSolt, bafj gegenmdrtig bal 2 ool bei 
berrfJbenben Spfteml in ihren £dnben ruht, benn an ben Eifenföpfen 
febeitern alle fünfte einel 23ilmardt. 


bie ucrlorctte Krfpradje. 

SJon 6, Äübcfing. 


2 luf feinem ©ebiete ber gorfebung haben religiöfe ^bantafieen länger ihren 
bemmenben unb Idbmenben Einfluß geäußert, auf feinem ©ebiete hat bie Sill* 
für unvernünftiger Ueberlieferungen ben gortfebritt vorurtheillfreier Erfennt* 
nifj länger aufgehalten, all auf bem ©ebiete ber Spra<bengef<bi<bte, unb nir* 
genbl fann uni ber febarfe ©egenfafc heutiger vor klugen geführt merben, ber 
jmifeben ben Sßhantafteen einer ein für alle Sal fertigen Schöpfung unb ber 
Erfenntnifc einer fortlaufenben Entmicflung befteht, all hier. ÜRirgenbl geigt 
ficb ber verberblicbe Einfluß beutlicber, melcben, menn auch in ihren lebten unb 
leifeften, unbemufcten Slnfldngen, millfürlicbe SLrabittonen auf bie Unbefangen* 
heit bei gorfcberl aulgeübt haben, nirgenbl mehr all hier tritt bie beiüofe 
Sacht bei öffentlichen 33oruttbeil! hervor, bie ben ftorfeber angefubt! bei flar 
erfannten 3 iele! plöfclicb lähmt unb ihn in bie bunflen ^rrgänge miüfürlicber 
SBoraulfefcungen jurüdtmirft, aul benen er fid? fo mühfam heraulgearbeitet. 
So fläglicb unb nieberfcblagenb biefel Scbaufpiel aber auch fein mag, in mel* 
ehern, mit fchr geringen Slulnahmen, bie ßorpphäen ber Siffenfcbaft ihre grö* 



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593 


ßeren unb Heineren Dollem gefielt buben, fo erbebenb ift el auf ber anberen 
Seite, menn trofc aller folcber Düdfälle unb Gompromiffe im Vefonberen, bie 
allgemeine Gntmidlung bormärtl fchreitet, unbeirrt in ber Verfolgung ihrer 
Gonfequenzen. SBo aber butten mir mehr Urfache, mit alleiniger 
Dulnabme einiger 3meige ber Daturmiffenfchaft, auf bie glän^enben 3Fte*= 
fultate borurtbeillfreier Unterfucbung mit Stolz zu bermeifen, all auf bem ©e* 
biete ber allgemeinen Spradhengefcbichte ? 2Bal mußte dal flafftfcbe Dltertbum, 
mal ba! cbriftlidhe SDittelalter, mal bie mit ber Deformation angebrochene 2luf* 
fldrung bon ibr? ^öcbftenl baß man ficb zu einer fogenannten „begleichen* 
ben SPbi^ologte" berftieg, tnbem man in aller Herren Sänberit, bie man aul ben 
fabelbafteften Schilderungen beliebiger Deifenber fennen gelernt, fpracbliche 
Vruchftüde auflal unb je nach ihrem zufälligen ©leichlaut, bem ©ebör nach 
miütürlich unb planlol jufammenftellte, ober baß man ba! Vaterunfer in ben 
Sprachen fo unb fo bieler Völfer, bie ber Vefebrungleifer ber Dtifftonäre er* 
reicht, bergleichenb aneinanber reihte ? Unberfängliche Vemübungen ber gläu* 
bigen DBiffenfchaft, beren Defultate ber £rabition zugutfommen,ba fte, meitent* 
fernt, einen gefchichtlichen Sufammenbang, eine regelmäßige Gntmidlung 
nachmeifen zu mollen, bielmehr ba! große Sßunber ber Vermirrung ber Spra* 
eben itluftrirten unb gleichzeitig im ^intergrunbe in ben millfürlich zufammen* 
gemürfelten gleichlautenben Dulbrüden berfcßicbener Sprachen bie fogenannte 
Urfprache, bie ber $err im Varabiefe mit Dbam gefprochen, burchfchimmern 
ließen* 2>enn fo ftanb el gefchrieben : 2ll! bie £biere bei gelbe! unb bie Vö* 
gel bei $immel! non Grbe gemacht maren, brachte fte ber £err, ber fte gemacht, 
ju bem Dtenfcben, baß er fäße, mie er fte nennte* Unb ber Dtenfch gab' 
jebem Vogel unb Vieh unb £bier feinen Damen. So butte benn alle ffielt 
einerlei 3unge unb Sprache* Unb fprachen unter einanber; SBoblauf, laßt 
uni eine Stabt unb einen £burm bauen, baß mir un! ein Seichen machen, 
benn mir merben bielleicht zerftreut in alle Sänber. 2)a fuhr ber £err nüber 
unb fprach: Siebe, el ift einerlei Volf nnb einerlei Sprache, unb buben bal 
angefangen zu tbun, unb merben nicht ablaffen, mal fte ftcb borgenommen. 
ÜBoblauf, laffet un! ihre Sprache bermirren, baß deiner ben Dnberen berftebe. 
Unb fo zerftreute fte ber $err in alle fiänber, unb mußten aufbören bie Stabt 
ZU bauen. 2)aber beißt ihr Dame Vabel, ba! beißt Vermirrung. 

So miHtürlich unb finbifcb biefe Sage erfcßeint, fo fpiegelt ftch in berfel* 
ben ebenfo getreu mie in ber Varabiefelfage, ber Dtaßftab mieber, ben ber 
culturlofe Dtenfch noch beute an bie mirflichen ober bermeintlichen Dtiferen ber 
Datur unb ber Gibilifation legt, zu melden lederen er natürlich bie Verfcbie* 
benbeit ber Sprache, „bie er nicht derfteßt unb bie ihn nicht berftebt," rechnen 
muß. 2>a! gremblautenbe unb gremblänbifcße ift il;m alle Dtal ba! geinb* 
ließe; er flucht bem unberftänblichen ßaubermelfcb, ob e! ihn auf frember Grbe 
ober am büullichen £erbe begrüßt, unb mit allem VMlien !ann er in ba! 2)ur<b* 
einanber betriebener 3ungen feinen bernünftigen Sinn bringen, all ben ber 
Slbmeicbung bon einer urfprünglicb befferen Orbnung, einer beillofen Vermiß 


mmi 


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594 

rung, btc an bie Stelle ber Ginbeit unb «garmonie jufolge ber fuperllugen 
$ermeffenbeit ber 9Jtenfcben getreten fei, derfelbe linbifche Ginfall, ber noch 
beute ben an bie frembe fiüfte ©emorfenen überfommt, mie febön e! bo<h fein 
muffe, menn alte Ntenfchen einerlei, ober noch beffer feine Sprache rebeten, unb 
bafc mobt bie alte eine Spraye oertoren gegangen fei, ähnlich mie ^effing'l 
„achter Ning", unter ben mibermartigen ©egenfdpen ber 4 ®egenmavt, bat bem 
religiöfen Hltertbum bie Sßbantafte Oon einer Urfprache eingegeben, bie in einer 
beillofen Gonfufton untergegangen fei; berfetbe linbifche Ginfall, mo bie 
Sßbantafieen oon einer oerloren gegangenen Urfprache ebenfo mie biejenigen 
bon einer berloren gegangenen Urreligion, bon einem untergegangenen Ur* 
menfeben ober Urjuftanb unb bergleicben bem ©runbgefejje einer bernünftigen 
Gntmicflung miberfprechen, beren SBefen nid^t in ber Verleitung au! bem Ge* 
morbenen, fonbern im SEBerben, nicht in ber Vererbung, fonbern ber Grmer* 
bung, nicht in ber Nacbbtlbung einer ein* für allemal beftimmten gorm, fonbern 
in ber ewig ftch erneuernben Umbtlbung bei $ 8 orbanbenen in unenblicger 35 er* 
febiebenbeit beftebt. 

SBenn bie Sagen bon einer Sßeranbernng ber Sprachen unb einer ur* 
fprünglichen Ginbett berfelben in ber clannifchen 23efcbrdnftbeit bei Nlterrbum! 
murjelten, bal in feiner lleinen Socalitat bie ÜEBelt, in feinem patriarchalifchen 
«gertommen bie ffieltorbnung, in feiner Sprache bie Sprache bei Uniberfum! 
erblitfte, fo ift bie giyirung einmal hergebrachter Sprachen unb Schriften 5 U 
allen Seiten bal gauptaugenmerl derjenigen geblieben, bie ju «giitern unb 
•Pachtern bei 23eftehenben in Staat, fiircbe, ©efellfchaft, SBiffenfchaft fleh beru* 
fen fanben. 2 öenn bie römifdge fiircbe, trop bei heftigften nationalen SBiber^ 
ftanbel feiten! ber belehrten Voller, bie lateinifebe Sprache im Gottelbienft 
fefthielt unb aufser ber oon ihr autoriftrten Uebertragung, gegen alle Ueberfefcun* 
gen ber heiligen Schriften in frembe Sprachen fleh feinbticb unb uibermillig ge* 
jeigt hat, fo gefchah bal im felben Qntereffe ber Gonferoirung einer „urfprüng* 
lieben* (Einheit, all menn Gjar Hleyanber, nachbem er im Streben, feine $Böl* 
!er geiftig &u beben unb eine SBotfllircbe 3 « begrünben, bal Neue deftament in 
bie Sprache faft fdmmtlicher Golfer fcinel ungeheuren Neicbe! hatte übertragen 
unb oerbreiten laffen, ptöfctich üor ben bebentlichen grüßten nationaler Selbft* 
ftanbigleit, bie er baburch gemedt hatte, gurüdbebte unb feine ganje Schöpfung 
miberrief, um feinem Nachfolger e! gu überlajfen, aller nationalen unb fprach* 
liehen „Sßerroirrung" in feinem Neicbe burch Ginführung bei einen rufftfehen 
glauben! unb ber einen rufftfehen Sprache ein Gnbe $u machen. 2Bo immer, 
ber oorangefchrittenen Gilbung ber Sprache gegenüber, ber oeraltete Nulbrud 
beibehalten mirbunb abfolute gormetn unb 3 eicben cultioirt merben, fei e! in ber 
fiirche, ober in ber fianjlei, in ber Soge ober auf ber Verberge, auf berfineipe 
ober in ber dumbatle, überall gefdgiegt e! im Qntereffe ber gebanlenlofen Ob* 
feroanj auf fioften ber Nernünftigleit, im ^ntereffe ber 3 orm auf fio* 
ften bei Inhalt!, im Sntereffe ber Ginerteibeit unb Ginförmigleit auf fio* 
ften ber freien Gntmicftuug unb Setbftftänbigleit. „Gine Sprache unb 3unge" 1 



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waS barübet binauSgebt, ift »om Uebel unb führt jur ©erwitrung uttb ©uffö* 
fitng, jum gerfall unb jur „3erftreuung". Slud) politifche, miffenfcbafttiche 
unb anbcre ©liquen profitiren »on biefem Sa|e unb friften burd) bie eintönig» 
feit bcrfelben Schlag» unb Kraftworte ihre jeitweife (fyiftens. ©btlof°»bifcbe 
©hüten, bie (Spigonen ganjer Siteraturpcrioben jefiren, Dom ©achlah ihrer ©lei» 
fter unb werben burch bie Ginoerleibtheit beffelben 3opfeS unb bcffelben StpleS 
jufammengehatten. greilich legen alle biefe ©emübungcu, bie Sprache in 
feftere formen ju fairen, ben beften ©eweiS für bie unbermüftlicbe SeugungS» 
traft berfelben ab, inbem biefe feht halb bie gejogenen ©renjen übcrfpringen 
unb diejenigen, welche biefelben gezogen, als gremblinge ihrem eigenen ©e» 
fehlest gegenüber hinter ft* taffen, ©erabe bie ©etfuebe, einen porhanbenen 
©prachfah ju conferDiren, beweifen am augenfiheinlichften, wie bie Sprache un» 
ter unfern 3lugen fi<h wanbeit, wie fie im Saufe bei gabrbunbertS Peraltet unb 
einem neuen ©efdjlechte batod unb lächerlich Dorfommt, um nach ©erlauf non 
Sahrhunberten ju ben lobten perfammett ju werben, dennoch unb obgleich 
gerabe biefe GonferPirungSDerfuch« heiliger unb profaner Spracbreliquien, biefe 
baroden ©tplproben Pergangener Seiten fo beutlich geigen, bah bie Sprache 
nicht fowobl baS ©robult ber ©ererbung, als ber Um* unb ©cubilbung ift, 
hat bie religiöfe Ueberlieferung noch bor einem gabrbunbert einen folgen $rud 
auf bie Freiheit ber gorfhung auSgeübt, bah biefelbe nur in fortroäbrenbem 
Diiidblid auf jene fich ju bewegen wagte. 6S erfcheint faft unglaublich, bah 
man bis babin alles ßrnfteS fid? bemühte, alle Sprachen auf baS §ebräifhe, 
als bie heilige Sprache, bie gantilienfprache beS ©arabiefeS, bie Urfprache, ju* 
riicfguführett, unb man fi<h höchftenS Perftieg, ben Söhnen Sarahs ju Sieb, oon 
benen alles Sanb befefet würbe, Don Sprachen ber Semiten, gapbetiten unb £a» 
miten ju reben. 

ßtft fpäter ertüljnte man ftch, »on abenblänbifchen unb morgenlänbifchen 
Sprachen, unb, was angefichtS beS frommen ©bftammungS» unb ©ererbungS* 
bogmaS ja auch unperfänglich genug war, »on ©lütter* unb Sochterfpracben, 
pon lebenben unb tobten Sprachen ju reben. SEBenn man bie mobemen Spra* 
eben auf gewiffe fpecipfch unterfhiebene gamilien eines untergegangenen germa* 
nifchen, ftabifchen, tomanifchen u. f. w. SprachftammeS gurüdführte, fo tarn man 
ebenfo wenig in ©überfpruth mit bem alten SdjöpfungS» unb'^crleitungSbogma, 
als wenn man bie porhanbenen ©lenfehentppen »on gewiffen, weil burch ihre 
garbe u. f. w. fpecififch »erfhiebenen primären gamilien herleitete, wenn man 
nur bie Urfprache ruhig in ihrem ©rabe fchlafen unb ben gemeinfamen, »erloren 
gegangenen Hbarn einen guten ©lann fein lieh. 2lu<h als bie fortfdireitenbe 
gorfchung bie (Sntbedung machte, bah bie bis babin feftgehaltenen Stamm» 
fprachen wieber auf einen gemeinfamen Stamm jurüdweifen, würbe Wohl bie 
Autorität bis babin beftanbener philologifcher ©rohen berührt, bagegen bie alte 
©ererbungStbeorie nichts weniger als beeinträchtigt, ba man ber »erloren ge* 
gangenen Urfprache burch »ergleichenbe gufammenftellung ber Elemente ber 
alten 3enb* unb SanSlritfprache mit benen ber jüngeren 3»e<ge beS inboeuto» 



596 

hdifchen Stammes um einen groben Schritt naher gefontmen gu fein glaubte. 
(Erft als man beim 3urüdgehen auf fokhe fo genannte Stammfprachen Rer* 
gleiche anftellte gmifeben ben 6pra<hf<häfcen biefer unb ihrer Rachtommen, bie 
nicht gu (fünften ber Crfieren au^fielen, als man benterlte, bah baS Crbtheil 
ber Rtutter unter ben £dnben ber ßinber unb Öntel ins Daufenb* unb £un* 
berttaufenbfadhe ftcb vermehrt habe, mürbe baS alte Spftern, bem gufolge bie 
gange jefcige SBelt nur eine Degeneration einer Pollfommenen Urfchöpfung, bie 
heutigen Rtenfchen nur bie entarteten Rachlommen gemaltiger Urmenfchen, unb 
bie heutigen Sprayen nur HuSartungen unb galfchungen ber achten Urfpradje 
fein muhten, in feinem ©runbe erfchüttert, unb in ber Regatioe baS Dogma 
bon einer fortfehreitenben Cntmidlung, gegenüber bem troftlofen RefftmiSmuS 
beS ßhriftenthum^, feftgeftellt. Der Safc, bah bie Sprache ftch bom fieberen 
gum Roheren entmidelt, auS ber Slnnuth unb Dürftigfeit gu gülie unb Gleich* 
thum emporgearbeitet habe, fteüte bie alte Rnfchauung gerabe fo auf ben &opf, 
tote jbie Behauptung eines unbebingten BoranfchreitenS ber menfchlichen Mtur 
gegenüber ber Crbfünbe, unb bie Dheorie bon einer gleichgeitig mit ben Bil* 
bungSftabien ber (Erbe auffteigenben (Enttoidlung beS organifchen Sebent ge* 
genüber ber alten SchöpfungSlehre. 3Ran toieS ben Sprachen aHerbingS be* 
ftimmte Greife an, innerhalb beren fte ftch berdnbern unb mobificiren fönnten, 
erflärte aber gleichgeitig bie Berfdhiebenheit ber Sprachftdmme, bie man unan* 
getaftet ftehen lieh, für ben RuSbrud ber mit ber Seit bon ber unbollfommnen 
gur bollfommenen gorm auffteigenben Schöpfcrfraft beS ©eniuS ber Sprache. 
2£ie Samard für jebe „primäre" 2lrt beS Rflangcn* unb Dhierreich^ einen be* 
fonberen Äeim annahm, aus beren Reihenfolge bie immer bollenbetere 
gorm als Rbbition gu ber borangehenben, unooltfommenern fich ftufen* 
toetfe enttoidelt habe, fo mochte man ftch nun bie bermeintlich primären Rb* 
theilungen ber Sprachftdmme als Offenbarungen eines beliebigen linguiftifchen 
©eniuS benfen, ber, an ber §anb ber Seit ooranjebreitenb, feine Reihenfolge 
immer reicherer fprachlicher „Rbbitionen" entmidle. So fehr ftch biefe gort* 
enttoidlungStheorie auf ben erften Blid empfiehlt, inbem fte nur auf ben mit ber 
Kultur machfenben Schafc hingutoeifen braucht, fo toentg fann fte ihre toillfür* 
liehe Befcbränfung ber RtobificationSfdbigleit einer Sprache auf beftimmte 
©rengen rechtfertigen unb bie neben bem allgemeinen gortjehritt bergebenben 
(Erfcbeinungen beS RüdfcbrittS unb Serfattö Pollfontmenec gormen erfldren. 
(Ebenfo unhaltbar, tote ftch bie Annahme erroieS, bah bie nieberen unb höheren 
gorntationen beS organifchen Sehend unb baS gröbere unb geringere Rlter ber 
(Erbfcbichten, in benen jene ihre Spuren hinterlafjen, einanber bebingen, inbem 
man in Qahrtaufenbe alteren Schiften, bie, man nur ben unterften gormationen 
als Ouartier angetoiefen hatte, plöfclicb auf Ueberrefte toeit oollfommnerer Or* 
ganiSmen ftieh, bie man bereite in einem oiel fpdter entftanbenen (Erbquar* 
tier einlogirt hatte, ebenfo toettig Iaht ftch bie unbebiitgte RkiterentwicfNng ber 
Sprache an ber £anb ber Chronologie nachmeifen. Bergleidmngen beS fov=* 
malen (SehalteS ber flafftfchen Sprachen unb beS in feinen Scbriftroerten Pier* 





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taufenb 3ahre alten SanSfrit mit ben mobernen Sprachen, g. 93. bem Gngli* 
fchen, baS ben großen vererbten grammatifchen gormenreichthum nahegu über 
23orb geworfen hat, faden nichts weniger als gu fünften jener Annahme aus. 

2Bie widlürlich es fei, bie 2JtobificationSfdhigfeit einer Sprache innerhalb 
gewiffer ©rennen gu befchränten, erhellt am heften, wenn wir bie Definition: 
„bafj eine Sprache bon Solchen gef proeben werbe, bie einanber berftehen", 
ins Auge faffen unb gewahren, bafj in bem fu^en 3eitraum bon Sahrhunberten 
jebe ber mobernen Sprachen biefelbe Umwanblung erfahren hat, wie g. 93. unfre 
beutfehe, bafc jebe ber mobernen Sprachen in bem Sinne eine anbere, bödig neue 
geworben ift, als {einerlei 93erftdnbnijj ber jefcigen Generation mit ihren bar* 
barifdben 93oreltern in ber, bem tarnen nach, hoch gleichen Sprache mehr mog* 
lieh wäre. Genügen aber gahrhunberte, um bie Umformung einer Sprache in 
bie anbere gu bodenben, fo bafj baS 93erftdnbnifi gwifdjen beiben aufhört unb 
nur noch bie Sßijfenfchaft im Stanbe ift, ihren elementaren 3ufammenhang 
naebguweifen, fo wirb berfelbe $rogefj ber SBanblung, burch Sahrtaufenbe fort* 
gefefct, auch bie leifefte Spur eines folchen 3ufammenhangS berwifcht unb ben 
wiffcnfchaftlichen Nachweis eines folchen unmöglich gemacht haben. Unterliegt 
aber jebe Sprache biefem $rogefj ber Auflöfung unb Umbilbung, unb bennag 
felbft geographifche 3foIitung unb ber töbtenbe Ginflufj erftarrter Gultur jte 
nicht berfelben gu entgehen, fo erlldrt ftch bie Ungulänglichleit ber obigen DefU 
nition, fowie baS £in- unb £erfchwanfen bezüglich ber Angabi unb beS Unter* 
fchiebeS bon Sprachen unb Dialecten. Sinb Dialecte, wie man fie genannt 
hat, beginnenbe Sprachen, bon benen, je nach ihrer AbaptionSfähigteit an ber* 
dnberte äufjere 93erhältniffe, nur wenige ftch behaupten, währenb bie üDtebrgahl 
gu Grunbe geht, fo erfcheinen unfere mobernen Sprachen nicht mehr als gemüth* 
liehe (Erben, bie ben -iftacblafj einer gemeinfamen iDlutter gefchwifterlich unter 
fleh bertheilt unb in grieben ein gemeinfameS Gebe angetreten, fonbern als 
gortfefcungen beffelben erlöfchenben SprachftammeS, bie ftch im Kampfe mit 
einer Ungahl concurrirenber Dialecte fiegreich erhalten haben. 3e naher bie 
eingelnen concumrenben Sbiome einanber berwanbt waten, befto fchärfer war 
bie (Eoncurreng, befto eifriger bie diibalität, befto heftiger entbrannte berÄantpf, 
fo bafj nach ber rafeben 93eenbigung beffelben bie fiegreich aus bem ßantpf 
heroorgegangenen „neuen" Sprachen einanber weit entfrembet gegenüberftan* 
ben, ba fte felbft bie bermittelnben Sprachglieber, welche bie leifeften Ueber* 
gange begegneten, vernichtet hatten. DaS Gefep einer unbegrengten 23ariabi* 
litdt ber Sprachen burch 93dbung neuer SBörter unb Aufgeben veralteter Aus* 
brüde, burch Aufnahme frember Sprachelemente unb gormen unb Aufopferung 
ber eigenen aus 93equemlicbteit, Aüdficht auf SSohdaut unb ßürge unb bergleU 
chen, baneben bie (Erhaltung einzelner weniger unter vielen concurrirenben 
AuSbrüden unb gormen, ertldrt ebenfo baS Aufblühen wie bie (Entartung, bie 
Aeubilbung toie ben Untergang, bie SSerroanbtfchaft wie bie fcheinbar uftber* 
föhnüche Trennung berfchiebener Sprachen. Die Sprache, fonft ein wirrer 
£aufe, ein wüfteS Durcheinanber gufammenhanglofer Grfcheinungen, geftaltet 

i 


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fidb 3 tt einem organifepen ^anjen, helfen gormen, mt toie beS auffteigenben 
©flauen* unb SpieUebe nS, fxc& vervielfältigen unb verfeinern; bie Sprachen, 
fonft baS wunberlicpe ©efultat einer unbegreiflichen ©erwirrung, werben ju 
«ffnotenpunften einer fortlaufenben vernünftigen (futwicflung, beren vermittelnbe 
Swifcpenglieber ausgefallen fmb. £>ie „®abe ber Sprache", fonft baS munter* 
liebe ©robuct eines ein für alle DM gefepebenen fcpöpferifdben DlcteS, wirb jur 
mühevollen, burdb £aufenbe mißlungener SBcrfud^e Vorbereiteten ßrrungenfpaft 
beS 511 m Dttenfcpen tranSformirten SpiereS; bie fo genannte Urfpradpe, fonft baS 
fi? unb fertig gugefebnittene Dftufter, rebucirt fidb auf baS befepeibene Dftaß ber 
erften Dftobiftcationen beS unarticufirten tpierifepen SauteS, wie fie von „DBalb* 
menfepen" unb £roglobvten, ben untergegangenen Patriarchen unb (Sqvätem 
beS ©tenfcpengefdbtedbtS, mögen verfugt tvorben fein. 

2luS ben milben tbierifdben Sauten, bie greube, Schmers, ©erlangen, 
furcht auSbrüdften, bilbeten r !<p articulirte Saute unb Sautverbinbungen, bie, 
von einer milben ©eberbenfpraepe unterftü^t, in SluSrufen unb befehlen fup 
ergingen. Snbem ber DJtenfcp bie Saute, welche aus ber ibn umgebenben -Mut 
au fein Dpr fcplugen, baS ©raufen beS ©BinbeS, baS ©äufepen beS Stromes, 
baS ©ollen beS Bonners, bie Stimme ber Spiere „naepäffte" unb auf bie 
S)inge übertrug, an benen er bie Saute tvabrnabm, bilbete er bie erften UBorte 
3 ttr ©e^eidbnung von ($>egenftcinben, Spätigfeiten, ßrfcpeimtngen, Gigenfdpaften. 
2)aS ©ebürfniß, gefepäftig, auch für diejenigen Qöegenftänbe einen DIuSbrucf 311 
finben, bie nidbt junaebft 311 m Sinne beS ®epörS fpreepen, verlieb jebem 2)inge 
eine Sprache, einen ©runbton, bilbete biefen in entfpredbenber Sautverbinbung 
nach unb fudbte ben neugewonnenen DluSbrucf 31 m ©ereeptigung 3 U bringen. 
Saufenbe von ungenügenben DluSbrucfSformen mögen fo 3 um ©orfepein gefönt* * 
men fein, bis es einer gelang, aus ber Sprachverwirrung fidb ftegreiep 3 U erbe* 
ben unb, als ber geeignetere, in einem gemiffen Greife fidb 3 U behaupten, unb 
^unberte von Saprtaufenben müffen vergangen fein, bis bie Sprache von ber 
©eberbe*-unb Sautfpracbe beS ßinbeS unb beS Sßilben 3 ur $öpe ber mobemen 
Diebe fuh entmidEelt bat. So gleich nun auch, bem allgemeinen Umfang nah, 
bie erften Spradbverfuche beS Spiermenfcpen ausgefallen fein mögen, }o muß 
hoch ber SppuS ber Sprache fdbon in biefen feinen robeften, primitivften ©erfu* 
dben biefelbe ©erfdbiebenbeit unb Dftannigfaltigfeit ge 3 eigt haben, wie ber $ 9 * 
puS ber menfdblidben gorm, bie unter bem Einfluß verfepiebenffer äußerer ©er* 
bältniffe unb an bie verfepiebenften ©orauSfepungcn anfnüpfenb, ftcb aufbaute. 
Qe nach ber ©erfdbiebenbeit ber umgebenben ©aturerfepeinungen, ber Spiermelt, 
nach ber ©erfdbiebenbeit beS ÄümaS, ber geograppifepen Sage, ber ©efepäfti* 
gung, ber Ernährung unb ber baburep bebingten verfepiebenen ©uSbilbung ber 
Spracporgane, nach ber verfepiebenen inbivibueUen Dluffteüung ber Singe unter 
. fonft gleichen äußeren ©erpältniffen, bilbete fiep von vorn herein eine Dttannig* 
faltigfeit verfepiebener Spracpformen, bie, weit entfernt, von einer ©runbform, 
Urfpracpe unb bergleicpen auS 3 ugepen, vielmehr erft im Saufe jahrtaufenbjäpri* 
gen ©ingenS fiep auf eine ©nsapl relativ auSgebilbeter Sprachen rebucirt pa* 



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beit, freilich um mieberum in ber SJtannigfaltigleit neuer Varietäten auletnanber 
Jtt gehen. 

3)ie Vhantafie oon einer uniberfeilen Sßeltfpracbe, in melthe atte fprach* 
lieben unb nationalen ©egenfäfce ber ©egenmart aufgelöst merben füllen, eine 
Vbantajtc, welche nicht blo! bon bewirten Jlnomnothingl, fonbern aueb bon 
ben Slbbotaten einer „allgemeinen Sftenfchbeit" oertheibigt mirb, ift nur bal 
Spiegelbilb ber alten abgetanen teligiöfen Srabition. £ier, mie bort, ift ber 
finbifebe SBunfdb, bie unbequemen, ftörenben, unb boeb fo bernünftig begrün* 
beten ©egenfä(je bei 9tatur* unb ©ulturleben! in eine allgemeine Harmonie 
aufgeben $u feigen, ber Vater bei unberftänbigen ©ebanfenl gembfen. 9Rur 
ein Söunber üermoebte eine folcbe, allen Vebörfniffen, allen 3°nen, allen GhI* 
turftufen geredete Unioerfalfpracbe $u Stanbe unb gur §errf<baft ju bringen, 
unb nur ein SEunber üermoebte bie fo gefeftaffene bem Vrojcfs ber unenblicben 
3)Zobtficatton ju entwichen, meldher bereitl nach einem ober mehreren 3 abr$ebn* 
ten, ben fortmabrenb bor fxdb gebenben SBanblungen ber Gultur, ber geograpbi* 
feben unb flintatifeben Sage, ber Vefdjäftigung unb fo meiter entfprecbenb, bie 
eine Unioerfalfpracbe in minbeften! ebenfo biele neue Sprachen mürbe aufgelof’t 
haben mie bemalen üorbanben finb, unb nur bie SBiffenfibaft mürbe im Stanbe 
fein, ben üftadjmei! eincl etpmologifcben 3 ufammenbang! jeitmeife 31 t berfolgen. 
$ic fo genannten 2Beltfprad)en merben baruin im Veroufjtfein ihrer eigenen 
unb ber SBanbelbarfeit alle! 3rbifd)en auf bie ihnen gitgebachte fmbe SIftiffion 
üeqidjten unb ber Vernünftigfeit, nicht bem ganatilniu! ihrer 3lnmälte el über* 
laffen müffen, fte über ihre beseitige nationale ©eltung hinauf in meiteren 
Greifen all Gulturfpracben gur jeitmeifen Verechtigung unb Slnerfennung 3 U 
bringen. 


fUtrarifd)-atti|Ufd)C0 /tuiUrton. 

33on 3 . 2 ®. 


SBenn e! ftch um ein neue! 2 ßerf bei geiftreidjen, bielfeitig gebilbeten 
Verfaffer! bei „Sehen! Qefu* banbeit, barf man fd?on 3 um Voraul auf einen 
aulerlefenen ©emtfj, auf ein geiftige! Sedermahl gefaxt fein, 3 U bem ftch alle 
Verufenen unb ©elabenen mit innigftem Vehagen nieberlaffcn. ©eraume Seit 
mar er berftummt; feine geber fchien §u ruhen. $iefe! lange Scbmeigen mar 
ein Verluft für bie beutfehe Siteratur, ein «gemmfebub am gortfebritt ber beut* 
fchen SnteUigen 3 . SBenn folcbe Slpoftel bei heiligen ©elfte! feiern, mie folt 
bie unaufhaltfam fortfehreitenbe Vilbung bei Volle! 311 m Hulbrucf gelangen ? 
3 um ©lud mar feine Untbätigfeit nur eine fcheinbare. ©r bachte unb arbeitete 
im Stillen, um 5 U gelegener Stunbe bie SBelt mit ben grüßten biefel Renten! 
unb Arbeiten! 3 U überrafchen. $er munberbare ©rfofg eine! fransöftfeben 
Hutorl, ber im ©runbe nur fein eigener ©rfolg mar, rief ihm bie Pflicht in’l 



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600 


©ebächtnib/ baS bor faft zwanzig gahrcn bon ihm begonnene 2Berf unter bet* 
dnberten unb ungleich günftigeren Seitumftänben heiter zu führen. ©rneft 
Nenan, trag auch fonft feine Vorzüge unb SBerbienfte, fein mögen, ift im ©runbe 
boch nur ein Schüler unb Nachahmer bon Sabib griebrich Straub; 
fein „Sehen gefu", baS in unferen Sagen fo gewaltiges Sluffehen erregt, märe 
ftdjer nie gefchrieben worben, hätte nicht baS gleichnamige SBerf beS beutfehen 
SlutorS fchon bor gahrzehnten in ber betreffenben Dichtung Söahn gebrochen. 
SHenan0 ©rfolg rnubte Straub überzeugen, bab ber bon ihm auSgeftreute Samen, 
o lange er auch im $8cben gelegen, fräftig erblüht war, unb fofort griff auch 
er wieber zu» gebet, bie er nun in ben gereiften NtanneSjahren mit becfelben 
üMeifterfchaft hanbhabt, welche einft fd?on bie erften fchriftftellerifchen SBerfuche 
beS jungen ©eiehrten getennzeichnet. 

§8or ^urjern erfchien ber erfte 23anb einer neuen golge ber „kleinen 
Schriften bon Sabib griebrich Straub". Unter biefem befcheibenen Sitel giebt 
uns ber Slutor eine Neihe gröberer unb fleinerer Huffäfce beS mannigfaltigen 
gnhalteS. Siteratur unb Kunft, ©efchichte, Spolitif, gefellfhaftlichcS Sehen, 
Söelletriftif unb natürlich auch Religion fmb bie ©ebiete, auf benen er fleh ab* 
wechfelnb bewegt, bie er halb nur flüchtig unb in graziöfer SEeife berührt, 
halb aber auch mit 2)iube burebwanbert, wobei er uns ben unermeblich reichen 
Scha& feines SEtffenS erfchliebt, burch anregenbe, geiftbolle SHefTeyionen über* 
rafcht unb ben fittlich erhabenen, acht humanen, bom reinften, geldutertften 
©hriftenthum burchwehten ©ebanlengang bewunbern labt. Ueber ben bunten 
gnhalt biefer kleinen Schriften' 4 , fowie über ben barin angefchlagenen Son 
macht er felber folgenbe überaus treffenbe 23emerfungen : „geh wollte einmal 
mein ganzes Drhefter borführen, b. h* *>on ben berfchiebenen gnftrumenten, 
bie ich zum Sroft ober zur Kurzweil nach unb nach erlernt, auf jebem ein Stiid* 
<hen zum 23eften geben. S8om $iccolo barf man (ein Slbagio berlangen, aber 
ber Sag hat mehr als zwölf Stunben, baS Seben unzählige Sagen unb Stirn* 
mungen : unb ba ift es manchmal gar nicht übel, wenn man nicht bloS ©in 
gnftrument unb ©ine Seiet zu fpielen weifj." 

Sie gröbere £älfte beS erften SöanbeS nimmt ein literarifheS gragment ein, 
Welches über bie gugenb KlopftocfS hanbelt. Saran reiht fich eine SebenS* 
füZ 3 e ber eigenen ÜUtutter beS SBerfafferS, einer bortrefflichen, fein gebilöeten 
grau, beren treues ©haralterbilb er feiner mit ber Konfirmation felbftftänbig 
geworbenen Sochter entwirft, um fte zur Nacheiferung anzufeuern ; ferner zwei 
Nefrologe, ber beS Königs SEilhelm bon 2Eürtemberg unb guftinuS Kerner’S; 
zwei Seichenreben, bie eine auf ben Sob beS 1861 in «geilbronn berftorbenen 
Sr. Sicherer, bie anbere auf ben feines eigenen 53ruberS, griebrich SEilhelm 
Straub, welcher 1863 mit Sobe abging ; weiter finben fleh „©rinnerungen an 
SRöhler", einen fchon 1838 in ÜJtünchen berftorbenen ^rofejfor ber latholi* 
fdjen Sheologie, ber ben Nuf eines aufgeflärten, borurtheilsfreien SWanneS 
genob. Se&tere ftnb angeblich bon etner gleichfalls berftorbenen pro* 
teftantifhen Same berfabt, „nicht ohne guthun 44 bon Straub/ wie fuh aller* 


m 


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btngS an bet ganjen $enf* intb SarftellungSmeife Ictd&t erfennen läßt. GS 
folgen nun weiter einige fogenannte „beutfche Gefpräche", b. h- Gefpräche, 
«reiche boraugSmeife beutfche fernen beßanbeln, mie j. S. bie fcßleSmigsbot* 
fteinifc^c Srage,bie Stellung ber beutfchen Großmächte, bie ber beutfchen 9JHt* 
telftaaten, ben Kölner $>om :c. $)iefelben mürben urfprünglich für bie „$eut* 
fdßen Slätter", baS Beiblatt ber „Gartenlaube", gefchrieben unb erfcheinen hier 
5 um streiten 2ftal im $rudf. Schließlich giebt uns ber Serfaffer noch hier IleU 
nere belletriftifche Arbeiten, bie ihn auch auf biefem Gebiete als ükrauS be* 
gabten unb gemanbten Scbriftfteller ertennen laffen. „$er alte Schaufpielbi* 
re!tor'< behanbelt bie Grlebniffe beS erft bor gan§ ^urjem in $for$eim in ho* 
hem Alter beworbenen ScßaufpielbireftorS Qatob SBinter, eines ber lebten 
Veteranen aus ber großen S(hiUer*GöthVfcben £unft=Gpoche. „Barbara 
Streicherin bon Aalen" mar eine Geliebte SdhubartS, beS Richters ber„gürften* 
gruft", beren Silb uns Strauß in einigen fräftigen 3ügen entmirft. 2)er ,,$a* 
pier*9teifenbe" ift eine recht artige humoriftifdhe AoreUette, mie mir fte bem ern* 
ften $hifofophen faum sugetraut. „$ie Göttin im Gefängniß" enblidß behan* 
beit eine toinifdje Gpifobe ber Münchener ßunftgefchicßte. 2)er alte ßönig 
Submig bon Saiern, fonft belanntlich nicht übermäßig prübe, hatte in einer 
feltfamen Anmanblung pßiliftröfer 9Aoral, „aus SittlichfeitSrüdfichten", bie $ra* 
yitelifihe SenuSftatue aus ber ÜDtünchener Glpptothet nehmen unb eine 3*it 
lang unter Schloß unb Aiegel legen taffen. 3)iefer Vorfall giebt Strauß 
Seranlaffung ju einer fehr artig gefchriebenen «gumoreSle. 

$aS intereffante Such märe einer ausführlicheren Sefpredhung unb beS 
GitirenS befonberS gelungener Stellen merth; bodh unfere literarifche Aebue 
muß fuh innerhalb gemiffer Schranfen halten, unb eS giebt ja berlefenSmertben 
Sücher, ber michtigen Grfcheinungen auf ben Gebieten ber Siteratur unb 
ßunft noch fo biele! dennoch fönnen mir nicht umhin, bem erftermähnten 
Fragment ber SebenSbefchreibung beS AteffiaSbidhterS für einen Augenblid un* 
fere Aufmerffamteit gu fdßenlen. Straub beabflchtigte, eine bollftänbige Sio* 
graphie ÄlopftodS gu fchreiben, fam aber bis jeßt noch nicht gut Ausführung 
biefeS SorhabenS. Gr hatte fogar ben $tan gefaßt, eine ganje Aeihe beutfcher 
$i<hterbiographieen ju liefern, mobei er unfere fecbS $i<hterlorpphäen paarmeife 
mie folgt jufammenjuftellen gebuchte: ßlopftod — SBielanb, Sefftng—Berber, 
Göthe — Schiller. $iefe 3nfantmenfteHung foll nämlich bie gerniß recht 
geiftreiche unb originelle Seobachtung Har machen, „mie theils innerhalb ber 
sßaare jebeSmal ber streite üAann bie Grgdnjung beS erften ift, theils bie Sßaare 
unter ftch in ber Art eine Stufenleiter bilben, baß, nachbem baS erfte^aarburch 
baS smeite befeitigt unb ber Grunb tiefer gelegt ift, in bem britten fidb baS erfte 
in hohler unb reicherer SBeife mieberholt." ÜAan fann nur bebauern, baß 
Strauß ben ermähnten $lan noch nicht §ur Ausführung brachte, benn mahrlidh, 
nur SBenige fmb, mie er, befähigt, baS innerfte A3efen unfeter großen dichter 
Su erfaffen, uns ein anfchaulidheS, abgerunbeteS Silb ihres SebenS unb 2öhrtenS 
bor Augen su führen. Seine ßlopftodbiographie ift nur halb oodenbet, allein 



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in ber 3 ugenbgefd)i(bte eine! Sichters liegt ja, tote Straufc fehr richtig be* 
merft, ber Schmerpunft feinet gan 3 en Streben». S 8 ei ßlopftod faUt überdies 
baS Hauptmerf in biefe 3ugenbpertobe. Sunacbft führt uns ber Serfaffer in 
bie Jamilie beS Richters ein. 3n bem alten ©ommifftonSrath ßlopftod, fpd^ 
terern Pachter beS ©uteS ^riebeburg im ;äJtanSfelbijcben, mo ber dichter feine 
frühe Qugenb oerlebte, lernen mir einen eifernen ©harafter, einen ÜJtann non 
perfönlichem 2ßuthe, feltener Sieberfeit unb ungeheudbelter ©otteSfurdjt fennen, 
ber, als einftmalS in feinem Seilein über religiöfe ©egenftänbe gefpottet 
mürbe, an feinen 2)egen fchlagenb, dufjerte: „Steine $erren, mer etmaS miber 
ben lieben ©ott fpricht, baS nehme ich als touche gegen mi<h, ber mufj ftch 
mit mir fragen!" Seine ©attin, Anna SOlaria Schmibt aus 2 angenfal 3 a, ge« 
bar ihm ftebenjehn Äinber, unter denen ber dichter Jriebrid) ©ottlieb als (Erft* 
gcborner am 2 . $uli 1724 $u Quedlinburg baS Sicht ber SBelt erblidte. Seine 
©Ziehung unb miffenfchaftliche Ausbildung erhielt er ju Schulpforta, unter Sei* 
tung beS ©onreftorS Stübel, beffen Anbenfen ber hochbetagte dichter in ftnniger 
SBeife ehrte, inbem er 1800, bei Ueberfenbung einer Prachtausgabe beS 9Mef* 
ftaS an bie Schulbibliothef ber Pforta, anorbnete, bafj non einem ber S^günge 
irgend etmaS, baS ber grühling juerft gegeben, junge 3^^g^ SlüthenfnoSpen 
ober Slumen, mit leifer Kennung feines (filopftocfs) KamenS, auf Stübel» 
©rab geftreut merben füllten." Sehr intereffant ftnb bie Schilberungen non 
ßlopftodS erften poetifdjen Serfuchen, mdhrenb feines Aufenthaltes in Schul* 
pforta unb fpater auf ben Uuioerfttdten non Qena unb Seipjig. Schon in 
Pforta mar ihm in e ner fchlaflofen Kadjt bie 3bee ju ber „ÜNeiftabe" gefom* 
men; in Scipjig gelangte fie jur Ausführung. 3n ben damals in’S fieben 
gerufenen „Sremer Seitrdgen" füllten Sruchftüde berfelben 311 m Abbrud forn* 
men, bo(h ber dichter mie ber Herausgeber jauberten, ba ber „ÜJieffiaS" in 
©eift unb gorm fo grunboerfcbieben non Allem mar, maS bie beutfche Poefie 
bis bahin hetnorgebracht. „Aicht bloS ju ei^elnen Ueberfchmdnglichteiten — 
fchreibt ßraufj — fonbern 31 t bem galten $on ber ÜDteffiabe mufjte ein ©eitert 
ben $opf fchütteln, ein Kabener aber ben ÜJtunb ner^ehen." Um aus ber 
Serlegenheit 3 U fontmen, fanbte man Proben beS SBerfeS an Hageborn unb 
Sobnter, gmei Autoritäten in ber fritifchen Seurtheilung poetifcher 2Berfe. ©r* 
fterer fprach ftch beifällig, aber hoch mit fühler Surüdhaltung aus; Seftterer 
mar noller ©nthufiaSmuS unb pries ben jugenblicben dichter als einen beut* 
fdjen Ktilton, ber $u ©rofjem berufen fei. darauf hin magte man ben Ab* 
brud beS ©ebicbtS, non melchem Anfangs 1748 in ben „Seitrdgen" gleich brei 
©efdnge erfchienen. 2>er ©inbrud mar auberordentlidh. 5)aS ©ebidht ent* 
fprach in jeber Sejiehung bem ©eift feiner fyit; baher mirfte eS unroiberfteh* 
lieh jünbenb. Heute, mo ftch alle Serhdltniffe neränbert haben, ftnb mir faum 
noch im Stanbe, uns für biefe Iprifdje (Epopöe ju begeiftern. 2Bir finden, bafj 
bie Dichtung nicht frei non Schmulft unb üDtpfticiSmuS ift; mir tönnen biefem 
bogmatifdHentimentalen Pathos feinen rechten ©efchntad abgeminnen unb 
munbern uns über biefe Häufung non ©leichnijfen, melche bie Starftellung fo 


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gcfprcijt unb gefchraubt erfdbeinen laffen. 3 ulefct giebt uns Straufe, gleicbfam 
§um 2lbf<blufe beS gugenblebenS feinet Siebtet#, einige interejfante SRotisen 
über ÄlopftodS erfte Siebe. 2lucb ber feufefee Siebter beS „SWeffiaS" ^atte febon 
eine anbere glamme gehabt, ebe er feine DJteta fanb. ©r liebte feine ©ouftne 
ÜDtarie Sophie Schmibt, pon ihm gannp genannt; boeb feine Bewerbungen 
würben Pon bem 9Jtäbcben, wohl nur aus ©eborfam gegen bie üttutter, abge* 
lehnt. Serniba unb ©ibli im Pierten ©efang ber w 2Jlefftabe" perioniftjiren ben 
Siebter unb feine ©eliebte. ©benfo finben fid? in ben Oben unb ©legieen jahl* 
reiche Slnfpielungen auf biefeS Berhältr.ife, baS in bem jugenblüben Sü.ter mit 
wunberbarer 2Bärme unb Sartheit, babei aber bod? lebenSfrifcb unb mit änmu* 
tbenber Söärme, gefdbilbert wirb. Surcb Bollenbung biefer $lopftocf*Biogra* 
pbie wirb Straufe ber beutfeben Literatur eines ber am treffenbften gezeichneten 
Sicbterleben fdjenfen, welche fte bis je&t auf^uweifen bat. 

©in Buch, welcbeä in biefem Slugenblicf in Seutfcblanb Piel gelefen wirb, * 
fuhrt ben pifanten Sitel: „© e f p r ä efe e mit einem ©robian". SaS 
ift einmal etwas SlparteS, SlufeergewöbnliiheS. gn unfercr Seit ber blaftrten, 
niebtsfagenben, conoentionellen «göfliebfeit, wo bie formen beS Umgangs fo 
ftreng geregelt ftnb, bafe fie naefegerabe recht'einförmig unb langweilig werben, 
ift eS an unb für ftcb febon ein Berbienft, auch einmal als ©robian in gute ©e* 
feüfcbaft 5 U treten, ©in ©robian nimmt lein Blatt Por ber ÜJhmb unb fpriebt 
nicht burebbie Blume; febon baS empfiehlt ihn in unferem papiernen, parfu* 
mitten Seitalter. 3ft eS nun gar, wie in Porliegenben ©efpräcben, ein folget 
©robian, ber mit fd?arfem Blief unb fteberer £anb ben Bagel ftets auf ben 
ßopf trifft, berjebeS Sing beim rechten Manien §u nennen weife, fo beifeen wir 
ihn hoppelt willfommen. Sie ©efpräcbe, welche alle brenneitben fragen ber 
3eit behanbeln unb ihren Stoff balb ber $olitif, ber 2Biffenfcbaft, Religion unb 
Bbilofopbie, halb ber Literatur unb ben febönen fünften, ber Secbnil unb 
Slgrkultur entnehmen, werben oon zwei Berfonen geführt, einem Beffimiften 
unb einem Optimiften. ©rfterer, „ein ©robian ber ©ereebtigfeit", wie er ftcb 
felber nennt, gebt ben Schäben unferer 3eit febarf zu Seihe, febont nichts unb 
will bie Selbftgenügfamleit, bie Dteclame, ben ©igennufcunb baS beucblevifcbe 
Scheinwefen unferer Seit mit geuer unb Schwert Pertilgen, bamit eine neue ' 
unb beffere Sßelt, eine 2£elt ber Wahrheit, Bieberfeit unb BtanneStugenb, aus 
ben Srüntmern ber alten erfteben möge. Sefcterer will nichts wijfen pon fol* 
eben Dieformplänen unb Umfturzibeen, er bentt mit £egel: „2llleS was ift, ift 
gut", er lobt unb befebönigt, er tröftet ficb felbft über baS offenbar Berwerflicbe unb 
SDtangelbafte mit ber Behauptung, bafemiruns in einer bebeutungspollen lieber* 
gangSperiobe, in einem 2lrt föaupenftabium befinben, aus welchem wir als gldn* 
jenbe unb beflügelte Schmetterlinge beroorgeben werben. Siefe ©efprdcbsform, 
welche überbieS mit bebeutenber gertigfeit gehanbhabt ift, tragt Piel bazu bei, 
baS Buch populär ju machen. 2BaS in ber gewöhnlichen Slbbanblung fo leicht 
einen boctrinären, rafonnirenben unb bamit mehr ober weniger ermübenben unb 
langweilenben ©fearafter angenommen hätte, baS erfebeint im Sialog fpannenb, 



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anregenb unb lebenSfrifch. ©n lerniger, unge^mungener, ädjt boltSthümliOer 
©tpl tragt gleichfalls baS ©einige bei, um baS SBerf anziehenb ju machen, 
lieber ben Slutor mar man anfangs febr im greife!. 2 )a auf bem £itel fein 
Stame genannt ift, rieth man halb auf biefen, halb auf jenen namhaften 
©cbriftfteller. ßürjlich brachte bie „SUuftrirte 3 eitung #l bie üttittheilung, bah 
bie (Sefpräche non bem befannten SJtünchener Sichter, StobeUiften unb Slefthe* 
ttfer Melchior SJt e p r herrühren, ber erft ben ©folg abmarten mollte, 
ehe er mit feinem Flamen herbortrat. Scr Slutor hat allen (Srunb, auf biefeS 
neuefte ©jeugnih feiner Sltufe ftolz zu fein. 

©n ehemals als Sourift unb ©Oilberer frember Sänber unb 3 onen be* 
fannter Slutor hat in ben legten fahren feine Shätigfeit auSfchltefelich bem 
bcutfchen Söaterlanbe gugemenbet; er läjjt ben burch meite Steifen gefchdrften 
*Blicf nicht mehr in ber gerne fchmeifen, fonbern fucht in feiner ndchften Umge* 
bung, innerhalb ber ©ren$en ber teutfchen $eimath, nach uerbdltnifcmäfcig un* 
erforfOten, feiten betretenen Gebieten unb 3 «ftänben, bie er mit grober Streue 
unb anmuthiger Statürlicbfeit ju fcpilbem uerfteht. SBir reben bon 3- ©. üohl, 
ber, nrie früher fchon baS romantifche Sb&ringerlanb, jegt ben altehrmürbigen 
£arz als ©egenftanb ber Sarfteüung gemählt hat. ©eine „ beut f eben 
SBolfSbilber unb Statur anfi öten aus bem «gatz ftnb ein 
prächtiges, dd?t beutfcheS SBerf, aus melcbem uns bie frdftige, malbfrifcpe £ 013 * 
luft bon jeber ©eite entgegenmeht unb bie mit feinfter ^Beobachtungsgabe auf* 
gefaben, trefflich gefolgerten fOüOten ©itten unb ©ebräutpe beS SBolfeS fo 
recht herjlich anmuthen. $ohl ift Setailmaler, ber feine garben gern mit brei* 
tem $infel aufträgt; biefe ©genfehaft fommtibm gerabe bei ben zulegt gemäht* 
ten Shemen bortrefflich ju ©tatten. Söir geftehen, bah »ir ben meiften feiner 
früheren Steifemette, bei allen SBerbienften, bie ihnen inne mohnen mögen, nie 
ben hohen SBerth beilegen tonnten, ber ihnen bon bielen ©eiten binbicirt mirb. 
S)er SSerfaffer mar eben ber ©fte, ber in beutfeher Sprache ziemlich meitfehmeiftg 
unb ausführlich, menn auch nicht immer mit erfdjöpfenber ©rünblichfeit, über 
einige neuerbingS 3 U befonberer SBebeutung gelangte Sdnber feprieb; feine 
SBücper erhielten baburch ein ziemliches Slnfepen unb famen in ben nicht immer 
berbienten Stuf unbebingt zuberläfftger Quellen. SlnberS mit biefen beutfepen 
Statur* unb SSoltSliebern. «gier fleht man, bah ber Stator feinen ©toff mirtlich 
, bis in bie lleinften Details tenntunb bollftänbig beherrfept; hier mirb baS Steetle 
unb XhatfdchliOe nie burch ÜDtutbmahungen unb mortreiche $h*afen übermu* 
Oert; hier meht ein erfrifchenber, mohlthuenber «gauep, ber uns fogleich baS 
©efüpt ber Urfprünglicpfeit unb Unmittelbarteit einflöht. SBer einige ber 
herrlichften gleden beutfeper ©be genau tennen lernen miH, ber ftubire biefe 
jüngften ßobfiOen SBerte, uttb er mirb fte nicht aus ber «ganb legen ohne ein 
©efühl beS ©tolzeS auf unfer fcpöneS SSaterlanb unb fein biebereS SSoIf. 

S)a mir bon 3 . ©. ßopl reben: berfelbe lieh bor kurzem ein anbercS flef* 
neS Söert erfOeinen, melcheS für Hmerifa ein fegr hohes gefchichtlicheS unb geo* 
graphifOeS gatereffe befigt © fmb bieS biebeiben älteften harten 



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605 


2lmeritaS, aus ben Sauren 1527 unb 1529 ftammenb, nebft ba$u gehört* 
ger 93ef<hreibung. Sie Originale biefer harten, über bereit ^erftammung eini= 
geS Sunfel fd^mebt, bie jeboch unzweifelhaft acht fmb unb baS ihnen zugefchrie* 
bene Sllter beßfcen, befinben fuh in ber großberjoglichen 33ibliothef ju Söeimar. 
toi erhielt bie (Erlaubnis, fte burch ben Stich ju veröffentlichen. Seine bei* 
gefugte 23ef<hreibung enthalt manche überaus intereffante unb auch wohl ben 
meiften Sefern böllig neue üfts>ti 3 en über bie ältefte ©efchicßte SlmerifaS. Mit 
SBerwunberung fteht man auf biefen toten, fowoßl längs ber Oft* wie ber 
SBeftlüfte SImerifaS, eine ganze Menge non Stabten unb Slnfteblungen 
bezeichnet. SaS Sanb war jebenfaUS Damals fchon feine fo bollftänbige (Ein* 
obe mehr, in ber nur wanbernbe gnbianer ihr SBefeu trieben, wie man uns 
heute zuweilen eingerebet bat. Ohne Sweifel werben biefe toten auch h^r balb 
Zur SBeröffentlichung gelangen; fte finb für bie ©efcßichte beS SanbeS non gro* 
Ser S3ebeutung, unb follten fortan in feiner höhnen Unterrichtsanftalt fehlen. 

Sßon ben älteften toten SlnterifaS bis zur neueften amerifanifcben Vornan* 
literatur ift ein weiter Sprung. 2Bir wagen ihn, ftnbe* aber faum ben gehofft 
ten Sohn, benn biefe Siteratur, fo üppig fte auch wuchert, trägt nur wenig reife, 
genießbare grüchte. Slmerifa probujirt auf bem (Gebiet beS SRomanS unb ber 
SRonelle faft noch wehr als (Englanb, gcanfreich ober Seutfchlanb. Sie 3ahl 
ber in ^Buchform erfcheinenbeit erzählcnben Schriften ift überrafcßenb groß; fei* 
ten aber begegnet man einem epochemachenben ÜEßerf, baS ben 2lugenblicf über* 
bauert unb nicht faft noch rafcher bergeffen als gelefen wäre. gn (Ermangelung 
bebeutenber (Erftheinungen müffen wir uns an bie mittelmäßigen, nach ber ein* 
mal wirffani befunbenen Schablone arbeitenben berühmten SSerfafferinnen hat** 
ten. SaS romanfchreibenbe Kleeblatt ber Samen (Emma S. (E. IR. S o u t h s 
worth/*) ÜEBoob**) unb 2lnn S. StephenS***) ift mit neuen 
SSßerfen im gelbe, bie vielleicht nicht fchlechter, aber ganz gewiß auch nicht bejfer 
fmb als bie oorauSgegangeneit; bor benen ihrer beutfchen fchriftftellernben (Eol* 
leginnen haben fte jebenfaUS ben Vorzug, baß fie ftch auf je (Einen 33anb be* 
fchrdnfen. 3nr Seit ba wir fchreiben, ftnb bieS wirflich bie neueften ©eifteS* 
probufte ber feht fruchtbaren Samen; ob fte eS in vierzehn Sagen, wennunfere 
literarifche SRebue ben Sefern ber Monatshefte bor Slugcn fommt, auch noch fein 
werben — bafür fönnen wir freilich nicht eiuftehen. gn bem Vorwort zu MrS. 
Soutßworth’S Novelle erfahren wir, baS bieS baS zwanzigfte größere SBerf ber 
SBerfafferin ift. Sa fie feit ßöchftenS zehn fahren fchreibt unb noch in bem nicht 
allzu bergerücften Filter fteht, in welchem bei Samen ein gahr nur 730 Sage 
hat, mag fte immerhin noch baS halbe «gunbert ood machen. So fleißig ftch 
auch bie brei genannten Samen an’S fRoinanftriden halten, mit ihrer beutfchen 
(Eollegin Mühlbach lönnen fte Doch noch lange nicht in (Eonfurrenz treten. HlS 


*) The Fortune Seeker. By Mrs, Emma D. E. N. Southworth, Philadelphia, Peter¬ 
sou & Broth. 

**) St. Martins Eve. By Mrs. Henry Wood. ib?d. 

***) The Gold Briefe. By Mrs. Ann Stephens, ibid. 

f 40 } 


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606 



biefe 3)ame lürjlicb eine neue SCBobnung bejog unb bet gubtmann, ber jmei 
fernere SBagenlabungen bon SBüchern meggef<hafft,mit ber Reibung jurüdfebrte, 
bab nun bm SBibliotbef menigftenS glücflich in’S neue Ouartier geliefert fei, ent* 
gegnete bie $ame feufjenb: „ 2 l<h lieber OTamt, es ift ja erft bie £älfte meiner 
eigenen Sßerfe!" 

2llS nicht in§ ©ebiefber SenfationSnobefliftif geborig begeid&nen mir einen 
©pfluS bon brei tobeUen aus bem fieben ShalefpeareS, bon Robert goltftone 
2B i U i a m S *), bie {ebenfalls ein recht gelungener SBerfuch auf bem hier nur 
fpärlich cultibirten ©ebiet ber ßunftnobeHe genannt merben bürfen. 5£)ie 
bellen ftnb nicht neu, fonbern etfdbienen nur in gmeiter Auflage. $ab eine 
folcbe nötbig mürbe, liefert übrigens ben 93emeiS, bab baS mirflich ©ebiegene 
immerbin au(b bk* noch feine 2 lner!ennung finbet. 


*) Shakespeare and hls Frienda, The Youth of Shakespeare» The Seccet Passion* 
By Robert Folkstone Williams» Philadelphia, Peterson & Broth. 


% 

^Uuftkalil'djc tour. 

S3ott $öflen. 


3Jtit bem fürjlich ftattgefunbenen ©onjerte beS £errn Sbeobor $b<fotaS 
!ann bie mufitalifche Saifon füglicb als gefchloffen betrachtet merben. ©S 
mar bie lepte fünftlerifche £bat berfelben, eine folcbe, melcber auf alle $e* * 

tbeiligten nur baS günftigfte Sicht merfen. !ann. 2)aS Programm enthielt SSie* 
leS, maS jmar nicht neu, aber hoch febr gut mar, obgleich eS hier mobl nie ge* 
hört mürbe* ©S batte bloS einen gehler, eS mar §u lang, ein gehler, ben 
ficb leiber bie meiften unferer ©onjertgeber 3 U Sdjulben fommen laffen. 2Iuch 
bie befte üJtufif mirft mehr auf unfern Sinn, als auf unfern ©eift, ja, greift in 
bie innerften $bafen unfereS ©emütbSlebenS hinein unb rüttelt unfer Üftemn* 
fpftem in einer Stunbe mehr auf, als ftunbenlangeS fiefen eines guten 23u<beS 
eS tbun mürbe, ge beffer bie ÜDtuftf, befto meniger follte oon ihr auf einmal ( 

geboten merben. ©ine ©onsertarte, eine Ouoertüre, eine Spmpbonie unb uiel* 
leicht ein gnftrumentalfolo, baS follte füglich jebem gebilbeten 9Rufitbebürfnifs 
genügen. 2BaS batte man aber in bem obigen ©onjerte ? $ie ganje SBeetbo* 
üenfdje ©gmontmufit, beren SBiebergabe eine gute Stunbe erforbert, bie 9tico* 
laifcbe Ouuertüre §u f ,©ine fefte 93utg ift unfer ©ott" mit ©bor unb Orgel, bie 
auch nicht bie !ürjefte4ft, baS lange §enfelt’fche ©onjert für Älaoier, noch 3 ro ei 
anbere ^ianofortefoloS, eine grobe ©onjertarie, 2Jtarfch unb ©hör aus „3)ie 
SRuinen öonHtheit" oon Seethooen, unb gum Scblub noch ben£änbePf<be$al* 
ielujab s ©bor. — $rei Stunben 3Jlufif, unb jmar oon ber heften unb fdbmerften 
Sorte, müffen am ©nbe benfelben ©ffeft mie gemtffe gefteffen haben, nach be* 
nen man in ber Siegel nicht febr feftlicb geftimmt ift. 



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607 


$ie OnDertüre Don Nicolai, mit meiner baS ©ongert anfing, rief nicht ben 
©inbrud heroor, ben man ber großen 3>bee nach, welche berfelben gu ©runbe ge* 
legt ift, wohl ^atte erwarten fönnen. S5ie Urfacbe ift bie, baß ber ©horal als 
folcher leine berartige Bearbeitung vertragt. 3hn einjuweben in ein mufilali* 
fdjeS $tama gut ©barafterifmmg gewiffer Berfönlichleiten, wie g. B. 2fteper* 
beer in ben „Hugenotten" getban bat, ift febon gang recht; aber ben ©ebanten 
in eine Art Ouoertürrabmen gu gwängen, beifct ihm feinen ©barafter, feine Be* 
beutung nehmen, felbft wenn, wie in biefem gatle, bie Bearbeitung eine tüch* 
tige ift. 

Unb felbft bie ©gmontsüBuftf, bie in ihrer ©angbeit hier gum erften 2Jtate 
Dorgefübrt würbe, machte nicht ben rechten ©inbrnd. 2Bir 2)eutfche, bie wir 
mehr ober weniger ©elegenbeit batten, bie SDiuft! in Berbinbung mit bem 
S)rama §u hören, I5nnen nur mit inniger greube beS tiefen ©inbrudes geben* 
len, ben fie auf uns im Xbeater gemalt bat. 3)ie Ouvertüre unb bie 3roi* 
fcbenalte, in welchen ft<h bie Situationen beS2)ramaS gleichfam wieberfpiegeln, 
bie erläutern unb ben Slotaleinbrud abfchließen — alles bieS lann im ©on* 
gertfaal natürlich nur annäbernb wiebergegeben werben; aber bei biefer ©eie* 
genbeit fonnte laum non einer gewöhnlichen Anregung bie Bebe fein. An unb 
für ftch paßt überhaupt biefe Bluftf nicht in ben ©ongertfaal; fte fcbließt fuh fo 
innig an baS $rama an, baß fie eigentlich Don bem Sefcteren nicht getrennt wer* 
ben lann. 2)aS begleitenbe ©ebidjt foll nun allerbingS bem Uebelftanbe ab* 
helfen, inbem eS gleichfam baS 3)rama in ben ©ongertfaal gu übertragen Der* 
fucht, unb wir erinnern uns einiger ©ongerte in $eutfcplanb, in welchen biefer 
3wed tbeüweife erreicht würbe. Aber bei biefen ©elegenbeiten war ber Bor* 
tragenbe ein tüchtiger Scßaufpieler, ber ein lebenbigeS Bilb beS ©angen gu ge* 
ben wußte. $)ieS fiel in bem ©ongerte beS H err n 2:beobor $bomaS gang fort. 
$aS ©ebicht würbe nämlich Don einer 2>ame Dorgetragen ober Dielmebr abge* 
lefen, unb gwar in einer fo monotonen SBcife, baß Don einer Steigerung beS 
AffeltS gar nicht bie Bebe fein fonnte. $ein Sßunber, bah fnh ber gröbere 
Stbeit beS BublifumS babei grünblich langweilte; ja wir glauben fogar, baß bie* 
fer ©inbrud ftch nicht auSfcbließlich auf bie anwefenben Amerifaner befebränfte. 
$er Sichtpunlt in ber Ausführung mögen für bie Reiften wohl bie beiben Sieber 
ßlärdjenS gewefen fein, bie glüdlicher ÜEßeife Don gräulein Brainarb richtig 
aufgefaßt unb recht finnig in ihrer ©infachbeit unb Bolfstbümlichleit wieberge* 
geben würben. — 

$iefelbe S)ame fang auch bie grobe ©ongertarie Non temer araate bene, 
£eyt aus „Sbomeneo", welche Btogart im gabre 1786 für bie Sängerin Sto* 
race fchrieb, bie bamals auf einigen Hauptbühnen ©uropa’S groüeS Auffeben 
madbte. 2)iefe Arie beftebt aus einem BecitatiD unb Bonbo unb erhält ba* 
burch ein befonbereS 3»ntcreffe, t, a {$ gegart außer bem Orchefter auch noch 
ein Älaoier für bie Begleitung benupt bat, welches gleichfam bie Antworten beS 
liebenben SBefenS repräfentirt, mit welchem ftch mutmaßlicher ffieife bie Sän* 
gerin unterhält, gräulein Brainarb fang bie Arie gwar nicht mit auSreichen* 


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608 


ben Stimmmitteln nnb bramatifchem 3lulbrude, aber hoch mit Perftänbnih, unb 
ermie! fld& all eine tüchtige Jlünftlerin. Schon bie üffiahl ber Slrie berbient 2ln* 
erlennung. SBenn alle unfere fiünftler biefelben tünjtlerifchen Pebenlen bei 
ihren Programmen obmalten laffett moHten, mir mürben interejfantere Gonjerte 
haben, nnb ber Gefchmad bei Publiluml mürbe ftch noch biel fchneüer läutern, 
all el jefct ber Rail ift. 

2Bir müjfen noch bei jungen pianiften £errn Peterfilea ermähnen, ber bei 
biefer Gelegenheit fein debut machte. derfelbe ift beutfeher Slblunft, mürbe 
aber in Pofton geboren. Sein Stubium hat er in deutfchlanb gemalt, unb 
Smar unter |>anl bon Pülom. Gr mar augenfcheinlich fehr nerbcl, imb mir 
mollen el biefem Umftanbe sufchreibeti, bah feine Kräfte in bem Portrage bei 
£enfeltf<hen Gonjertcl nicht aulreichten. diefel 2Ber! ift nicht blol technifch 
fehr ferner, fonbern erforbert auch fehr bicle Reinheiten bei Portragel, fehr biele 
Nuancen, um §u mirlen. dergleichen Aufgaben fcheint uni £ert Peterfilea 
augenblidlich nicht gemachfen §u fein. Rn ber SBiebergabe bei fii^tfehen *Grl» 
lönig" unb ber Ghopin’fchen Pergeufe fühlte er f«h fchon freier, unb hier mar 
er gleichfam £err ber Aufgabe, mährenb er bei bem £enfeltfd?en ßonjerte ftch 
bon bem Septeren beherrfchen lieh. 2lber auch biel mirb er in luqer Reit be» 
meiftern lönnen, benn er hat augenfcheinlich biel Talent. Seine dechnil ift gut, 
leine Scheintechnil ä la üffiehli unb Gottfchalf, fonbern eine foldhe, in meiner 
jeber Ringer mirllich ben Grab ber Slulbilbung erreicht hat, ber nßtbig ift, ben 
grohen ßlabiermerlen ber neueren unb älteren üUteifter gerecht ju merben. 
Sein Slnfchlag ift, meun auch noch nicht gan$ mal er fein foH, hoch bilbungl» 
fähig, unb mit feiner mufifalifchen RnteHigenj febeint el ebenfaül nicht fchlecht 
befteUt ivl fein. Sßenn er bor ber £anb noch nid^t RnbibibuaKtät entmidelt, 
fo theilt er biefel £ool mit allen ßlabierfpielern im Slnfange ihrer (Karriere, 
bielleicht ben einigen Sil$t aulgenommen, Gin Siljt ift er nicht unb mirb 
el auch nicht merben; aber er mirb jebenfadl bei fortgefefcten Stubien, mu* 
fifalifchen unb anbern, in einiger 3eit eine heroorragenbr Stelle all ßlabier* 
fpieler einnehmen. 

Gl bleibt uni noch, über bie Grau’fche Operntruppe ju fprechen, bie enb* 
|i<h auch bei uni eingejogen ift. diefelbe hat fich mie immer in bem üblichen 
SHepertoir bemegt. ÜDiit „drabiata" fing fie an, unb mit irgenb einem ähnli» 
chen Probulte mirb ft* mohl aufhören. ®r bemegen uni auf bem Opern» 
gebiete ftetl in einem gemiffen Greife, nur mit bem Unterfchiebe, bah biefer 
ßrei! fi<h non 3*tt SU 3eit erneuert. Gl ftnb im Grunbe hoch nur ein dupenb 
Opern, bie für einen gemiffen 3eitraum bal ganje SRepertoir ber gebilbeten mu» 
ficalifchen Sffielt aulmachen, unb aul biefem dufcenb lann laum bie Hälfte ben 
hochften tünftlerifdhen 2Infprüd?en genügen. Unter folchen Umftänben tonnen 
mir §errn Grau fchon dant mijfen, bah er uni minbeflenl jmei Opern bor» 
führte, bie ein höhere! mufilatifchel Rntereffe in Slnfpruch nehmen, die beiben 
Opern maren »Rauft" unb bie „Rübin", beibe ber fran^öfifchen Schule ange» 
börenb, unb beibe in ihrer 2lrt SReiftermerle. die Sefctere ift infofem bebeu» 



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609 


tenber, als fie fih mehr in ben gotnten ber eigentlichen großen Oper bewegt, 
unb reich an (Shoren unb ©nfembleS ift, währenb bie ©rftere in ^Betreff beS 
intenfiben mufifalifhen ©ehalteS, ber Reinheit ber Auffaffung unb ber Origina* 
Xitat ber Ausführung biel höh« fteht. 

3n „gauft" war es bie 2)avfteHerin beS ©rethenS, weihe einungewöhn« 
liheS gntereffe heruorrief. ÜRabame Sojhetti ift fiherlih feine gewöhnliche 
©rfheinung. SBir haben feiten auf einer Opernbühne ein feineres, nüancirte« 
teS Spiel gefehen. 2)ie ©artenfeene tonnte hrerfeits nicht wahrer, nicht na« 
türlicher wiebergegeben werben. 3ebe SPh^fc ber ©emüthSbewegung, welche 
©retchen in biefer Scene gu erleben hat, würbe in einer Wahrhaft bewunbetnS« 
würbigen Ateife jur Anfhauung gebracht. $aS war Alles fo jungfräulich 
fhühtem, fo menfehlich wahr, fo natürlich, unb bennoch nichts als wirtliche 
flunft. Als Sängerin ift bie S)ame nicht bebcutenb, obgleich fie eine ziemlich 
tüchtige AuSbilbung genoffen hat. Aber bie Stimme ift eben nicht feffelnb ju 
nennen, eS fehlt ber Schmelj, ben felbft bie größte ßunft nicht geben tann. 
Stänbe ihr ©cfang auf gleicher §öhe mit ihrer $atftellung, fo muhte fie halb 
bie erfte Stelle unter ben bramatifhen Sängerinnen ber ©egenwart einnehmen. 
5)ie anberen ÜDtitglieber ber Gruppe fmb weniger heroorragenb. S)er Senot 
SWufiani hat jwar noh eine ftarfc Stimme unb ift auch ein routinirter Sänger; 
aber eS fehlt ihm alle ©ef<hmeibig!eit unb alles geiftige Sehen. 2)er Iprifhe 
Senor Anaftafi hat eine hübfhe, frifchc Stimme, aus ber fich fchon etwas rna* 
chen liehe. S)er Sänger ift noch jung unb fcheint Talent ju haben, wie feine 
Ausführung ber Xenorparthie in w ltn Sallo" bewies. 3n rein italienifchen 
Opern macht er fchon je$t einen ganj guten ©inbrud, aber in Opern wie „gauft" 
unb „2)ie gübin" ftellt fuh fein üDtangel an grünbliher Schule unb geiftigem 
Serftänbnih heraus. UebrigenS war in ber Sorftellung ber „3übin" biefer 
■Sbtangel allgemein fühlbar. IDtabame Sofhetti als ^rinjeffm war noh bie 
©innige, bie ihrer Aufgabe einigermahen gewahfen war. Atabame ©ajjaniga 
als SReha, #err Atufiam als ©leajar unb felbft ©hör unb Orhefter waren herj« 
fich fhleht. 2)er Sah ber Gruppe, äJtilleri, welcher bie AoUe beS ßarbinalS 
fang, mähte jeboh eine Ausnahme, ©r ift überhaupt ein tüchtiger Zünftler, 
helfen Stimme $wat fein tiefer Sah ift, ber aber bennoh einigermahen als 
gefhult betrahtet werben lann. Auch bie Altiftin ber Xruppe, SWabame Gafh* 
Sßolini, ift eine tüchtige Sängerin unb SDarftcüerin. 3hte Stimme ift niht 
groh, unb bürfte auch wohl mehr üftesjofopran als Alt genannt werben, min« 
beftenS ber garbe nah; aber fie führt jeoe ihrer Aufgaben mit Äorreftheit unb 
Serftänbnih aus, unb bürfte fomit als eine merthuolie Acquifition $u betrachten 
fein. Ueberhaupt mäht bie Gruppe im ©anjen einen weit befferen ©inbrud, 
als man ben Seriellen aus ben SBeften nah au ifctheilen, erwarten tonnte. 


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610 


Itatwljcnrker Correfptm&enj. 

New* ?)orf, im 2Jtai. 

„£eute wiüth fröhlich, fröhlich fein, 
kleine Sitt’ unb feine SBeife hören, 

SBitt mich nxSljen unb rer ftreube fhret’n, 

Unb bet Jtönig foÄ mtr bo$ nicht teeren. 

2>enn er tritt mit feiner ftreuben (Schaar 
£eute au$ ber aJtorgenrötbe £aUen, 
einen Slumenfranj um 33rujt unb £aar, 

Unb auf feiner Schulter Nachtigallen." 

SBte wirb bir ju Ntutbe, freunblid&er öcfer, inbem ich bir biefe finblich 
fronen SBetfe beS guten alten NtattbiaS GlaubiuS ins Gebächtnifc rufe ? 3ft 
eS bir nicht als blicfteft bu auf ein berloreneS $arabieS §urü<f ? SB&reft bu 
noch im Staube, bi<h im ©tafe &u wä^en, bor greube gu fd^reien, unb ein 
SSlütbenreiS als SbprfuS febwingenb, beinern greunbe, bem halben üNai, ent* 
gegenjutaumeln? Schwerlich fönnte ein Seutfcber in Nmerifa biefe grage 
mit 3a beantworten. Hbgefeben babon, bafj baS ßlirna, meines Weber ben 
beutfehen grübling, noch bie Nachtigall fennt, uns nicht jum ungeftörten 58oH=» 
genufj ber Natur fommen labt, bringt auch baS Sehen fo biele Sorgen mit ftcb, 
bab eS febwer ift, ft<h nur auf einen Nugenbücf bon ihm ju emancipiren, um 
wie ein Kolibri im Sölütbenbuft ju leben unb gu fcbwelgen. 2Ber fönnte ftch 
ba eines leifen Heimwehs erwehren ? 2Ber ben!t nicht an bie milben Niaien* 
abenbe, an bie Nofenbetfen unb 3aSminlauben, an bie Serben unb Nachtigall 
len, an ben öberftrßmenben grüblingSjubel beS lieben beutfehen SBaterlaitbeS ? 
Nber tröfte bidh, wertber Sefer, wenn eS bir ein Sroft ift, bafj eS Nnbcrn gebt 
wie bir. Nicht baS amerifanifebe ßlima, nicht ber forgenboUe Grnft beS SebenS 
in Nmerifa allein tbut bem 3auber beS SBonnemonbS Gintrag. Nu<h ben 
b e u t f ch e n grübling würbeft bu nicht mieber erfemten, wenn bu ibn noch 
einmal mit beleben fönnteft. Nofe unb 3a$min, Lerche unb Nachtigall ftnb 
biefelben geblieben; aber bie Ntenfchen ftnb attberS geworben, auch an fte ift 
ber Gruft beS SebenS berangetreten, auch fte fönnen nicht mehr mit bem 
Sichtet jubeln unb fingen. Sie %t\t fteUt an fte eine grobe grage, unb eS 
gebt ihnen wie bem Schulfinbe, welches ftch nicht freuen fann weil es feine 
Aufgabe für ben morgenben Sag noch nicht beenbet bat* So fagen Seute, bie 
genau unterrichtet fein müffen, ba fte an Ort unb Stelle ftnb ; fte fennen 
ben beutfehen grübling bon ebebem nicht mehr. So tröften wir uns benn über 
baS, uaS ftch* nun einmal jtid&t änbem labt. Gin $arabieS ift uns berloren, 
aber nur bamit wir uns felbft, bamit wir ber SNenfchbeit ein neues grünben. 
SBir haben nicht langer ein finblicheS ©emütb ; aber bafür ftnb wir ÜNänner 
geworben, ÜNänner, benen jebe Stunbe ihre Pflicht, jeber Sag feine Aufgabe 
bat. Unb fönnen wir uns ihr auch nicht g a n $ begehen — bie Natur bleibt 
uns hoch immer bie liebfte greunbin, welche uns nie bon ftch weift wenn wir 
bei ihr einlebten. 

Srofc ber entfefeXidh falten 2Binbe, welche felbft ben Sangmütbigften mit bitte*« 




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rem ©timm erfüllen wnb felbft ben Sanguiniter jur Sßerjweiflung bringen 
tonnten, ift bet grühling bi« nie mit gröberer Fracht aufgetreten. Sie Säume 
prangen im üppigften ©rün unb finb mit einer folgen gülle bon Slüthen be» 
laftet, bub auch ber eingefleifhtefte .fjppohonber bei ihrem Anblid ein freunb» 
liebes ©efubt machen mub. Unb wo hätte man wohl mehr ©elegenbeit §um 
Katurgenub, als inKcw»?)orl? SBelcbe Stabt ber SEBelt tonnte flöh einer 
Umgegenb »oH mannigfaltiger Katurfchönheit rühmen ? „©in 2anb, fo fchön 
wie jemals eines SDlenfchen gub betreten !" fhrieb $enrp §ubfon, als er ben 
glub entbedt hatte, weliher fortan feinen -Kamen tragen follte. SÜBährenb ber 
fchönen ftonate tönnt ihr hier ieben Sag eine Sour nach einem anbern Sßantt 
machen, ben ju fehen es ftcb lohnt. Unb wollt ihr bie Stabt nicht neriaffen — 
nun, fo fahrt, ober beffer fo geht, nach bera ©entralparf, welcher non Sag ju 
Sag gröbere Keije entfaltet. Sielleicht werbe ich mich bem Sefer einmal 
jum SBegmeifer anhieten ; heute muffen wir uns leiber mit ben ft ö r e n b e n 
Singen befchäftigen, unb jrnar nehmen mir ben allerunangenehmften ©egen» 
ftanb, beS GontrafteS wegen unb um fo {dmeII wie möglich mit ihm fertig ju 
werben, juerft. 

Sie ©holera! Slögen wir uns noch fo fehr nornehmen, nicht an fte ju 
benlen, fie brängt fich uns immer mieber auf, benn non ihrem ©rfheinen ober 
gortbleiben hängt für eine grobe Stabt gar ju niel ab. Sor ber .fwrtb ift 
bie gurcht wieber einigermaben gewichen. Son ben inficirten Schiffen, bie auf 
bet Khebe erfdjienen, non ben armen Sßaffagieren, benen es nicht nergönnt mar, 
einen gub ans 2anb ju fehen unb bereu niete n i e wieber feften »oben betreten 
follten, hat fic ftch nicht weiter nerbreitet, unb bie paar einjelnen gäHe, welche 
in ber Stabt norlamen, waren fehr bubiöfer Katar. Auch hat bie ©infe&ung 
beS neuen ©efunbheitSrathS fhon unenblich niel ©uteS geftiftet. Sie gefährlich» 
ften SunbeSgenoffen beS geinbeS hat man jum groben Sheil aus bem SBege 
geräumt, täglich werben banon anbere hefeitigt, unb man fürchtet eint ©efahr 
nicht mehr fobatb man ihr nicht paffin gegenüherfteht, fonbern mit ihr ringt, 
gn ber Shat hat Kem»Dorl noch nie fein £auS fo bran in Orbnung gefefct, ift 
noch nie fo gut im Stanbe gewefen, ber $eimfuchung mit guoerftcht entgegen» 
jufehen, wie je&t. Ser ©efunbheitSjuftanb läbt nichts ju wünfchen übrig. 
SBaren bie fcharfen SBeft» unb Korbminbe auch fatal, fo hatten fie hoch bie gute 
Sffiirtung, bie Suft ju reinigen, unb bie 2tergte wollen wiffen, bab gerabe bie 
bet ©holera oerwanbten ßrantheiten nie fo leicht einer jmecfmäbigen Sehanb» 
luiig wichen wie je$t. So wollen wir benn ben Seufel nicht an bie , Sßanb 
malen, unb wenn er bennoch uns feine Aufwartung machen follte, ihn ebenfo 
refolut empfangen, wie feiner Beit Suther eS in feinem Stubirjimmer auf ber 
SBattburg that. Auch ift eS »ielleicht ein ©lüd, bab uns fo »iele anbere Singe 
am §erjen liegen unb bie ©emüther bon einem ©egenftanb ablenlen, beffen 
blope ©rwähnung fchon bem gaghaften Seibfhmerjen »erurfacbt. 

2BaS einen groben Sheil ber beutfcben »eoölletung am meiften in Seme» 
gung bringt, ift baS neue äfccifegefeh, welches ben »erlauf geiftiger ©etränle. 


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612 


mit ©infchlujs oel eblen ©erftenfaftel, an fehr erfchtrerenbe Sebingungen 
tnüpft unb ihn „am crftcn Sage bet ©o<he # Sonntag genannt", gang inhibirt. 
©tmal befonberl ©ehäjfigel gewinnt biel ©efep baburch, baf$ el fpejielT auf 
Üftetr*2)orf unb Untgegenb gemüngt ift. $flur mit bet Majorität oon einet 
Stimme mürbe el in bet ©efefcgebung gu Hlbanp angenommen, unb biefe eine 
Stimme — bie bei £ettn Sranbreth — mürbe baburch erhalten, bafj man intern 
gnhaber bal 3ugeftänbnifc machte, ben Siftrift, an beffen ©ohlergehen ihm 
am meiften gelegen ift— SEBeftc^eftet ©ountp— aulgunehmen, fo bajj bie $af* 
ftrung bet Majkegel bireft all ein ©erf bet ©orruption erfcheint. ©al bie 
Seutfchen aber mit Dted?t rorgugltreife erbittert, ift bet Umftanb, bafjbie§anb* 
Labung bei ©efefeel burch bie bamit Settauten bal ^eftigfte Sorurtheil gegen 
f i c Perräth* Mit Spott unb £ohn, ja mit pofttirer ©ehäffigfeit tokb ihnen 
Pom ©ornmipr Slcton, meiner fourerän über bie ©rtheilung Pon ©oncejfionen 
perfügt, begegnet, bie freuten Seleibigungen trerben ihnen geboten, unb fo 
geminnt el ben 2lnf<hein, all trenn porgugltreife f i e chifanirt toetben foüen, 
toal bo<h fchmerlich in ber 2lbft<ht bet ©efepgebec lag. Ser ©orrefponbent bet 
Monatlhefte ift aüerbingl ber Meinung, baf$ bie gntereffen ber Stauet nicht 
allen übrigen porangehen unb bab ber ©onfunt bei Sierl nicht bet höchfte aller 
©enüjfe, nicht bet Inbegriff aller ©lüdtfeligfeit, ift ; auch träte el ihm lieb, 
trenn b i e f e r ©egenftanb bei ber Dppofttion nicht fo fahr in ben Sorbergtunb 
träte. ©ber tret angegriffen trirb, bet mub fuh Pertheibigen, unb tret ©hre 
im Seibe hat, batf (ich feine gnfulte gefallen laffen. Sal ©efep ift bet 2lrt, 
bab cl fchtrerlich bie geuerprobe juribifcher ßrttif beftehen fönnte. Sßrioat g e* 
f eilf (haften ftnb rot bem ©efep naij i^rer gneorporation baffelbe trie 
SßriPatperf onen, ihnen barf man alfo ebenfo trenig trie biefenPotfchteiben, 
tral fie innerhalb ihrer eigenen Pier Sfähle genieben follen,' unb hoch toirb 
gerabe oon ihnen, trenn fte nicht gut gähne abfoluter ©nthaltfamfeit fchtrören, 
berhöchfte Pom ©efefe beftimmte Sribut perlangt, hoch ift el Porgefommen, bab 
am Sonntag bie $oligei bei ihnen ei n b r a ch unb Serhaftungen rornahm. Sen 
Sietbrauern bürfen trir getroftbie ©ahrung ihrer eigenen gntereffen überlaffen ; 
fte ftnb bagu poUforamen im Stanbe unb haben bie Mittel bagu, unb auch bie 
©efellfchaften tretben fleh i^rcr $aut gu trehren triffen.. Sie in grage ftehenben 
$ t in c ip i en aber mögen hier eine furge Sefprechung finben. 

•Jtem*?)orf fteht nicht rein trie eine gungfrau ba, unb ber ©ulübung bei 
Sormunbfchaftl* unb ©ufftchtlrechtl, trelchel bem Stabt über bie ©ommüite 
gufteht, hat el fchon Piel ©utel gu Perbanfen; aber mit b i ef er 3uchtruthe 
hatten uni bie Herren in ©Ibanp rerfchonen fönnen. ©ang abgefehen baron, 
ob ber ©erftentranf beraufchenb ift ober nicht — gebet fann bal ja an ftd) felbft 
probiren —' träte el ein ©lücf, trenn bie 3abl ber ©kthlhäufer — namentlich 
ber i r i f ch e n — um ein Seträchtlicfeel rebucirt mürbe, unb hierin liegt 
eine gute ©klung bei ©efefcel. ©ber unbegreiflich ift el, trie man in bem 
Seftreben, bie öffentliche Moral gu beffern, noch immer gu Mitteln greifen fann, 
bie fuh f^hon fo oft all Perfehlt ertriefen haben. 3ugleich chriftlich unb Pemünf* 



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jig ift ba! ?Jkincip, Riemanben in 93erfudßung gu führen; aber bie größte S8er^ 
fudßung liegt im 3 to a n 9 e. Ser, meinem e! »erboten »irb, fuß auf a n* 
ftdnbige SBeife gu »ergnügen, »irb feßr leiert ber Sßerfucßung unterliegen, 
el auf u n a n ft d n b i g e Seife gu tßun. Sie «gerren Reformatoren mögen 
nur fe^t am Sonntag Re»*3erfep befudßen, um gu feßen, mal fte angericßtet 
haben. 3^ Rero^orf fcerrfdjt alterbingl am Sage Sabbatbruße; befto toller 
gebt e! am entgegengefefcten Ufer bei ^ubfon gu, unb am Slbenb »erben bie 
Straßen ber Rtetropole burcb Scbaaren 53etrunfener burcßtaumelt, »elcbe fuß 
ihren Raufcß im anbern Staate geholt haben, unb »enn man fte nicht bortßin 
getrieben hatte, »ielleicßt nücßtern geblieben wären. Slber »enn felbft auch im 
Stabt Re»=3erfeb bie puritanifcße Sonntaglfeier ftreng burcßgefüßrt würbe— 
el bliebe bennocß baffelbe, benn immer laffen fuß Mittel unb Sege ftnben, bal 
Gefeß gu umgeben, unb gerabe ber ORäßigfeitlg» a n g oerleitet gur Unmäßigfeit. 
Gl giebt nur e4 n Mittel, bie öffentliche SRoral gu heben, unb auf a n b e r e 
Seife muß bie$8erfucßung entfernt »erben, Gebt benSontttag frei, 
unb laßt ihn lebiglicß all Sag ber Ruhe unb fittlicßen Erholung gelten ! Gnt* 
reißt ben ifircßen ihr ^rioilegium, unb ftellt el Qebem frei, ben Sonntag auf 
feine Seife gu feiern ! Rtacßt nicht ben erften Sag ber Socße gu einem Sage 
ber Unfreiheit, gleich all »dre bie Freiheit nur ein notbwenbigel Uebel! Stellt 
bal Rolf, »elcße! gewohnt ift, fteß felbft gu regieren, nießt gerabe an bem ein* 
gigen Sage, an bem el fuß feine! Sehen! freuen fann, unter ben ^oligeifnittel! 
Saßt nießt bie Orgel bie eingige ’Rtuft!, nicht bie ßireße ben ein gigen 
Sernpel fein ! Grfennt, baß bie $unf£ bie ebenbürtige Scßwefter ber Religion, 
unb ebenfo heilig ift »ie biefe! Geftattetam Sonntag Goncert unb Sßeater, Ge* 
fang unb Sang, unb jeglicße ßurgweil, »elrße fließt ber Sittlicßfeit gu naßetritt! 
Gebt einer RtannigfaltigfeiteblerGenüffe Raum, »el<ße bie Rufmerffamfeit tbeilt 
unb fie »cm Uneblen ablcnft! Sebenft, baß bie Sangeroeile ber Urquell bei Sa* 
fter! ift! Rodß Riemanb ift babureß fcßlecßt geworben, baß er Rhijif f»rte, in! 
Sßeater ging, Hfrobaten gufeßaute ober fieß im Sange brehte. Qe mehr Rergnu* 
gungen fuß bieten, befto weniger »irb geträufen; ba! ift fo fteßer »ie ba! ein* 
faeßfte Recßeneyempel, unb ift b:e! einmal erfannt, fo »irb fuß eine gar heil* 
fame Reform im ßieftgen Gefellfcßaftlleben geigen. Rtittlermeile mögen aber 
bie Seutfcßen, unbefeßabet bei berechtigten Kampfe!, fuß nießt gar gu feßr ber 
SBergweiflung ßingeben, fonbern bie noeß bleibenden Gelegenheiten gu einer ßo* 
netten Sonntaglfeier benufcen. Sa! Schön fte unb Grßcbenbfte ift unb bleibt 
boeß immer ber Raturgenuß, unb ben fann un! Riemanb »erbieten. Rußer* 
bem laffen fuß bie Söebürfniffe bei Seibe! gur Rotß befriedigen oßne baß man 
mit bem Gefe$e in Gonflift fommt. Sie Sirtße mögen bebenfen, baß bie! eine 
treffließe Gelegenheit ift, einer feßr ßübfcßen europäifeßen Ginricßtung—ben Kaffee* 
ßdufern — 23aßn gu breeßen. ßann man fein 93ier unb feinen Sein haben — 
nun, fo muß man »erfueßen, ben Surft mit flaffee, Sßee, Gßofolabe unb an* 
bem ebenfo feßmatfhaften »ieerfrifeßenben Geträufen gu (tillen. Gl fommt nur auf 
einen SSerfucß an, unb gelangt bie Sitte gur Geltung, fo »erben Sirtß unb 
Gdfte fuß gar nießt übel babei fteßen. 

Gine Aufregung anberer 2lrt hat fuß ber irifeßen SJeoölferung bemäeßtigt. 
Ser SReffia! Qrlanbl, Same! Stephen!, ift angefommen, um gu richten bie 
Sebenbigen unb bie Sobten. Sobt ift ber gemanilmul, tobt fmb feine Seiter, 
unb ber „Organifator ber irifeßen Republik ift gu fpdt gefommen, um bem 
Gabuner noeß neue! Sehen gu »erleißen. Gine intereffante gSerfönlicßfeit bleibt bie* 
fer Stepßenl immerhin; fein Reußere! nimmt für ißnein, unb einebebeutenbe 
Gnetgie, eine nießt gu »eraeßtenbe Geiftelfraft muß man bei Sem »oraulfefcen,' 


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melcber folgen Elementen zu imponiren oerftebt. Obgleich fein ÜJtonbat nur 
ein imagtnaireS ift, beugt ftcb bod? 2lHeS oo£ ibm tute oor einem |>errfcber non 
(5>otte0 ©naben. ©leid? nach feiner SXnfunft mufj mobl ein febr ernfteS 
©efpräcb gmifeben ibm unb bem £auptcentrum D’iRabonep ftattgefunben haben, 
benn $agS barauf fab ficb biefer oeranlabt, feine föeftgnation erreichen unb 
fub mit ber Seitung ober 2)ulbung ber lächerlichen Qnoafion ©anaba’S eines 
ferneren Vergebens f(bulbig zu befennen. StepbenS autmortete ibm, bab er aller* 
bingS f e b t fcbulbtg fei unb bab feine IHeftgnation angenommen merbe. 2lu<b 
ber Scbafcmeifter ßiütajt mubte über bie klinge fpringen, ber ©räfibent Roberts 
fanb feine ©nabe oor ben 2lugen beS Organif atorS, bitter rügte berfelbe baS ©eneb* 
men beS Senats, unb überhaupt fab er gar nichts zu loben. 2lm 15ten fanb ibm $u 
©bren in gobnS 2Doob eine 2)emonftration ftatt. Strofe ber 2lnmefenbeit eines ©ä* 
taidonS oon ©oliziften unb eines irianbif<ben Regiments mürbe bie ©htfebmörung 
oon nicht meniger als 3000 geniem zur Slufrecbtbaltung ber ©ube unter ben 
patriotifeben ©rübern als notbmenbig erachtet. S)ic ©etbeiügung blieb nun 
allerbtngS hinter ben gehegten ©rmartungen meit zurüdf. Statt ber gehofften 
100,000 batten ftch bwbftenS 7000 genier oerfammelt, momit baS ©ntree oon 
50 ©entS mobl etmaS zu tbun haben mochte. Slber ber ©ntbufiaSmuS lieg 
nichts zu münfehen übrig. 3Jtan fann einer folgen irlänbifcben ©erfammlung 
nicht ohne ©rauen beimobneri. 2)ie ©bpftognomieen unb Sitten, meldje ©inem 
bort erfebeinen, ftnb binreichenb, ben Schlaf beS ©erechten auf 2Bochen hinaus 
§u ftören. 2BaS ift oon folchen ©lementen zu ermarten, menn fie einmal l o S* 
gelaffen merben! S)ie Qulitage haben es uns gezeigt. StepbenS betont bei 
jeber ©elegenbeit, bab er gefommen ift um ftube unb ©intracht zu ftiften, bab 
er nicht bleiben, auch nichts oon einer gnoafion ©anaba’S miffen miß, fonbern 
Oon jebem genier oerlangt unb ermartet, bab er auf bem ©oben beS ©aterlan* 
beS für beffen greibeit fämpfe, unb zmar noch in biefem Sabre. 3ft eS ihm aber 
bamit ©rnft, fo mub baS, maS er hier oorgefunben, feine Suoerftdbt gemaltig er* 
febüttern. $er StaatSfchafc ift leer, unb mo baS ©elb geblieben, fann ober miß 
Üftiemanb angeben. Sogar ben „genifchen Schmeftern", melche eine gair für 
ben 3®ed oeranftalteten, ift ber größte &beil ber erhielten, nicht unbebeutenben 
gonbS geftoblen morben. SBerben 2)ie, töelche ftch betrogen feben, bereit fein, noch 
einmal ihr fauer oerbienteS ©elb in baS 2)anaibenfafj zu fchütten ? $)ie in 
3obnS 2Boob gemachte ©rfobrung labt bieS faum ermarten. Spricht StepbenS 
bie Wahrheit, fo bat er nach ber gludjt aus bem ©efängniß fnh in Dublin 
faum oerborgen unb fortmäbrenb Sufammenfünfte mit feinen geinben gehalten, 
maS allen Streiten febr zur ©bre gereichen mürbe, ba ein höher ©reis auf feinen 
Äopf gefegt mar. 2)aS geniertbum in feiner Totalität ift aber ein fo b«n* 
oerrüdteS, miberfinnigeS S)ing, bab felbft bie Seitungen, benen an ber ©unft 
ber 3*länber befonberS gelegen ift, feinen 2lnftanb nehmen, ihn als ben gtöb* 
ften Schminbel beS SabrbunbertS zu bezeichnen. üöaS StepbenS betrifft, fo 
fonnte er nichts ©efäbrücbereS tbun, als nach Hmerifa zu reifen. 2BaS er ift, 
baS fommt hier ftcherlich zum ©orfebein. Schon mancher grobe SDtann batte 
oor ihm ©elegenbeit, ben Schritt zu bereuetv ©S liegt in ber fcharfen grei* 
beitsluft, bab fte jeben falfcben Diamant feines trügerifeben ©lanzeS entfleibet 
unb ben flechten Stein in feiner ©aeftbeit erfennen labt. U n c a S. 


üeifenirer ^gettt für Me 

©arl SBielanb. 

1 


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FASHIONS FOB 1866. 

Per tune «eifrodt. 

BRADLEY’S DUPLEX ELLIPTIC (or double) SPEINGr SKIETS. 

^ C0ett unb ni ^ *° k bie dnfftd&eit fReife, fonbcrn 
^Hfommene gorm, mo bret oberöter 
KJ!? 1 * w fortgemorfen toerben muffen. 

*? et kbl öearbexteten (Stablfebern, eng unb 
JS? pfwmncnßefdNeifl,' unb btlben fo juateicb 

Ote ffatfften, blegfamflen unb lefftteftc« «Reife, bte ie 
fabnctrt mürben. 3n ber $bat übertreffen (ie für ben ©ebraudj 
SÄfTP*' K ober ^ au f e ' m bet Ätrd&e, im Sweater, in 

e k. ic. aUe anbern. 

SequemiubK |>auer$aftigfeit unb Sifligfeit öerbtnben (ie mit 
$£ eleganten #aeon, meldbe duplex elliptic *u ben 
a * n *** fafbtonabelit ®elt ge= 
Ä? Ä ^ n *' A S U m 1 ? nße ® amett ', iönge SKäbfben unb ßtnber 
ft n * Slnberm $u öerglet$en. 

DUPLEX ELLIPTIC (or double) SPRING SEIET, 
vlngeferttgt allem bet 

WESTS, BRADLEY & CARY, 

ÄSC” *“ : «““»• *—••«■* «*«. 

®ttttat 3 ef<tnb. 

Fancy IDying Etablishement. 
SBörrett, üftepbeto & (£o., 

f!lo. 5 unb 7 Qofm Street, > ~ „ , 

718 Sroabtcat), \ 9ta&*SJwl. 

9lo. 269 Button», Gde Bon SLidarp Street, Srooftyn, 

unb 3Io. 47 3?ortf> 8te Strafe, $&itabelt>&ia, 

frtrtttfort, ®«M«n.uub«m e ntleit«jufÄt6enunb jureinigent feibene, «ammet Otnh.. m,h 
«tbere «lelber, ffltantel, u. f. ft), »erben mit grfola ««einigt, eine aufaettennt «, r 

«menrtefe, «oft», sb eiten u. {. w. 8 8 ’ 9nc au T8ettennt ju »erben, «benfo 

miattet%anbfäuf)t unb $<b«m gefärbt ober gereinigt Sanae (Erfabruna unb 

** mtÜtn mi * etf °‘ ä SW bttXtiitn - ®««en «?«bfu®fffiS"SSß 

IB&mtt, fttpfym £ <So., 

6 ? nb L3fo$n Street, unb 718 Sroabmao, 9?em4»orf 
269 ffuitortee, (gdfe öon SCUIar^ (Street, Srooflünf ' 
_ unb ^ortb 8te (Strafe, fPJffabelp#«. 


O. F# A.DA.E, 
Jtoropdifdjes ^anß- mb '^ecfifet&efödft, 
Äinwati, ©bla. 

CONSULAT fuer Preussen, Bayern, Wuerttemberg, Hannover 
Sachsen, Baden, Oldenburg, Grossherzogthum und Kur- 
ftierstenthum Hessen, Mecklenburg-Strelitz und Schwerin, 
Nassau, Sachsen-Meiningen und Altenburg und 
Frankfurt a. M. 

0. F. AD AB, Consül. 


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©<i$ gtpfte 

/tililings- null Sommer-Jtycricnt. 


TAEHANT’S 

ßeibenbe an franfpaftem tfopffepmerg, 
ßeibenbe an Unoerbaulilfcit, 
ßeibenbe an neroofem flopffimerj, 

EPFEEVESOENT 

fietbenbe an vermauertem 2Ragnt, 
ßeibenbe an btltöfem flopfmep, 
öetbenbe an £avtleibigfeit, 

SELTZEB 

ßeibenbe an Sodbrennen, 

S*eibenbe an (Pilcä, 

Seibenbe an Seefranfpeit, 

APEEIENT. 

Seberleibeitbe. 

Seibenbe an SnbigefHonen, 

»erben bitrd) 

Tarrant’s Effervescent Seltzer Aperient 
auf fiQttt, «ttgeitcbme unb bauernbe ®eife pierm fo»ie Pon äpnliipen ßeibc* gepeilt »erbau 


SlUein angefertigl bon 

TARRANT & CO., 

378 ©rccntt»id);®tecct, 5 tcto;gorf. 

t&" 3n haben in allen Styotheltn. 


RADWAY’S 


EEADY 


RELIEF. 


®« giebt brri URettioben, biefe« Mittel anjutoenben, woson jebe, für eine fftanfbeit n»>,, 
©^aben au«f<hlicf)l«b flebtauibt, bem Setbenben fofortige «inbernng giebt unb ben Äranfcn f^ntU bcilt # 
GiftenS — äufsevitdj genommen. 

3Ra* feibe ben Iheil ober bie Ibeile be« flörper«, in weldjcn bie ffranfheit ober ber ©djmcrj fiht mit h f - 

«Reabp *'**l* M SCAflpn tü p\r\p Ptnntnltiit* tf inrMhitv»/» m*»a k«». en 7; .. ® l y*# mit 00)1 

näcftgi 
ben (S 

lepungen, «wuuoen, '©tpiewjt, cuymycii, *>ciHiuptiuuö wer umenre, öepnittmunben DiirtfrfmnÄrä 
Scrbrennungen, »etbtübungen, Saud». unb ftagenentjünbnngen, ©efdjwüre, Siilbma, Id^dSne' 
ftutni 3ttpmcn unb alle letalen ©hmerp, u. f. ns. ift ti ba« beffe <iu§erlid>e SWittet in ©Sriuth «»u 
ietjüglitbet al« «Ue Sinimente, 3>fta(ler, llmWtdge u. f. ». in bei 2Bctt. ®ie «iß en ©*mZt 2? 
geben in »enigen Almuten. w s 

3»etten§ — mnetlitfi genommen, 

31tan nehme einen Sbeelijfel bt« ju einem DefertWfM sott in einem SBeinglafe »eH ©alter 
©egen atte Steten »en SRagenfärnenen, entmeber <£h?tera, SbBlera SWorbu«, Diartboe abtteiAei. 
biliife Äolif, Ärämpfe, ©pabmen, gemobnlube« unb nersofeb Äepfmeb, aOgemeine @<b»ä*e «nb 
fpannung. „, 

Sieber. 


Sei faltem Sieger, 


_ _ ; 3Be<pfelfteber, pifcigem lieber, S<parla<pfteber u. f. ». Vertonen mrtA, 

»epnteä SBaffer trinfen unb iWt füllen, foUten ftetä einen Teelöffel »oü beä ftclefä mit ]bem OBafier 
mtfepen. 3n allen SäUen, m ber Stpmerg dußerlup tft, foüte ber (Relief in biefer ftmTaeS 
»erben. ^ 

— (Einreibung be3 (RutfgratS mit bem (Relief. 

<£$ Beilt SRpeumattämuä, ©i<pt, Sciatica, SJeuraljjia, Sumbago unb anbere (RürfenfAmenen 
Der 3>rofeffor (Reib »on SRett^Jorf empfiehlt bnngenb ben ©ebrauep beä (Relief* für biefe ifranf- 
Beiten. ©anj mer!»ürbige Äuren ftnb gemalt »erben. Dte Üranfen feilten nur »erfueben 

Witt (Relief, ber in ben bereinigten Staaten verfauft »irb, mu§ einen 3»ei*(£enukcpcnucflam» 
über bem Stöpfcl paben. S3ei allen Druggtften gu paben. ^enoenamu 


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ültrne wnfc Seine« 



Selppo 7 $ patent, 516 Vroabfoap. 

Die toiflfommenjlen Sub führte für verlorene Oüebmaßen, »el$e fcmaft erfunbeu nmrbett. (dtablirt 
feit 26 Sauren.) Um fid^ ooGflänbtg über ba$ SWpere in Äenntniß &u fe&en, laffe man fiep ein patent mtj 
ßettgniffe* öon Selppo u. So. Sott, 616 Vroabmap, 9fe»*2Jorf, bem 9t.*3K £oteI gegenüber, fenben. 

ft.V. Solbaten »erben. gegen eine fPromeffe pom Oeneratdpirurg ber 2lrmee ber Vereintsten 
©tonten !of!enfret mit bem fteplenben Pcrfepett, 


Qtnt* ©mnebaum* Dat>ib 0. ©reenebaura, £oui* ftuQmaitjg. 

Henry Greenebaum & Co. 

Seutfdjes 

%mk u. paffagegefepäft, 

ffiäe Saft- unb Safatte-Strajje, 
CHICAGO, ILLINOIS. 

«Becpfet in beliebigen Summen unb Sitten auf aüe bebeutenben Stäbte DeutjtylanbS, Shraulrcitpg 
9?or»egen$, ScptpebenS, Dänemark, Italiens unb ber Schnei*. 

Staffage per Dampfer unb Segelftptff pon Hamburg, Vrernen, Slnttoerpen, Stotterbam, £abre, 
dprifüania, ßiperpool unb Ouetn$totttu 

3ncaffo*@efjbäfte »erben bur<p unfere au$gebepnten Verbittbungen in gan$ Europa mit Sdpnelüg* 
leit beforgt unb eingejogene Oelber in © o Ib au$be$aptt, 

«§♦ @eeenebaum SS 

dljicago, 3®. 

HEILLER & CO., 

Sanf> u.3nfoffoncfcfi«ft, 

9h). 3 Pamberfir., 9iett)=?)orf, 

geben Sedpfel unb drebitbriefe auf alle größeren 3>Wfee duropa’3, perfenben Oelber na# {ebem Orte 
Deutfdplanbü mittelfl bc$ beutfepen 9)oftoerbanbe8, unb beforgen ben dinjug pou drbftpaften unb Verrnö* 
gen permittelß VoUmadptcu auf f^nellfle unb biGigJle Seife, 


Anfragen aus bttn fanb* ftnbm prompte $tadjtung. “ES 

# 

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gdtröemctt in S^iffnnti 


(Eultitirte, 2Nmerat= unb anbere ßanbercien in SWiffouri, fo tok im SBcjlcn überhaupt, »erben 
gefanft unb terfauft. 

Die ßoeirung ton ßänbereien, nach bert »trflichen ©ermeffungen, z« 9fcegterung$preifen, »irb in 
«Den »efilicpen Staaten bur<$ anfdffige Agenten beforgt; ßanb»arrant$ »erben getauft, terfauft unb 
iocirt ? (Steuern bezahlt; Porten unb ©ermeffungen angefertigt ttnb Beriete über 3Jttneralf<bä&e au$ge* 
arbeitet; ©efiptitel tertoüjlänblgt; patente ton ber bereinigten (Staaten Regierung unb alle in ba$ 
©runbetgenthum unb allgemeine ßanbgefchäft eirtfd&lagenbe Arbeiten beforgt 

Der Unterzeichnete, einer ber am langjlen ctablirten ßanbagertten im 2Befkn, bat ttel Seit unb 
SWübebarauf termenbet, um iebe auf btefeö ©efd&aft bezügliche Sludfunft ju fammein, unb er terfiepert an* 
Ueberjeugung, baf 9We, »elcpe »erthtoUe ftarm* ober 2ftineral*ßanbereien im SBcjlen laufen »ollen, 
nichts ©effereS tbun fönnen, als fiep ju »enben an 

Ti. W. Dunstan, 

No. 44 PINB STEEET, ST. LOUIS, MISSOUEL 

fit jioröftn Pflafltr lies jlr. JtUroth. 

Diefe Sßflafter »erben jeben Dag mehr unb mehr befannt. Sebermann, ber 
6<fytnersin im Druden ober in ber ©ruft bat, »irb nadb 
Slnmenbung eines folgen fofort gereift. 

(Ein #crr fam beute in bie Office unb erzählt ba§ er mit rieten Schmerzen in ber ©rnj! geplagt »ai 
unb mit einem einzigen fPflaj!er toUfommen gebellt »urbe. (Ein Slnberer fagte baffelbe ton Sbeumatia* 
muS in feiner (Schulter, Der leftere |>err fann in 9?o. 15 ©eefmamt Street, 9le»=3JorF, obenauf, gefepen 
»erben. 2Bir beftpen Seugniffe ton Saufenben ton Dottoren, »eüpe alte tbH ßobeS finb. 

Teilung einer jerq uetfd? ten ©ruft. 

Den 7. 2Rat 1865. 

2Retne Herren t — 3m Dezember 1868 »urbe mein Srufünocben ton einem fernerem 8ttegel |er* 
quetfeht unb fcplimm termunbet 3<h »urbe beflnnungSloS natb £aufe gefepafft, »o ich einige SBocpen Sem 
£obe nabe lag. Sfleine Slerjte lonnten febr »enig für mich tbun unb ich mufSte unenblicpe Schmerzen lei* 
ben. Der 3lr&t badete, bafj ba$ ^afenpftafter, auf bie ©ruf! gelegt, mir helfen »ürbe, icb badete aber, ba* 
für eins ton SWcocf 6 porofen spflajient zu terfueben. 3(b legte etnS auf meine ©ruf! unb Seite, unb ton 
ba an fübUe ich beffer unb »ar in einer SBocpe gefunb, frei ton Schmerzen unb fähig, mein ©efepäft »ie= 
ber zu beforgen. Sebermann fann fommen uno meine ©ruf! fehen, unb ich »ill ihm ein neue« SBunbcr 
ton Teilung zeigen. 3. $. ©ud, S^o. 2 South ftiftp (Street, SBiUiamSburg, 9t. §)., $bo$. 2Mcod & 
€o., 9to. 4 uno in Sqnare. £auptofftce ©ranbreth ©uilbing, 9te»*8J orf. 3u terfaufen in 9to. 4 Union 
Square bei allen £ättblern unb jebem tefpeftablen Druggift 

D u p r 6 & Kretz, 

9to. 28 ©roab*6treet, ©de bon Gpc^ange^Iacc, 

Unu-IJork. 

Skalier in ©olb- unb 5Jetroleum-2lftten. 

©ou»ernement3 = S8onb3 unb SSereinigte Staaten Sidjer^eittn 
teerten in ßoiimuffion getauft unb »erlauft. 


Safltti, (Butter $ (So., 

gabrifanten unb £änblet in 


&ru& wt& tya&tynpict, 

'gftnbfaben unb ^apier-^äeßen aller jirt, 

Sfto. 42 unb 44 6tate*Stra6 e, gegenüber bem „ Sitlj «^otel, 1 * 
CHICAGO, ILL. 

K^* ^ür 2u tnf» en »irb ber bbcbfte äJtarltf>reÜ baar bejabU. ^68 


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/rei .iHiffauri! 



CAPITAL.8500,000. 

Office: fRo. 12 föorb 5. Strofie, 

$t. cSouiö, Wo. 


'y 


jBirektoren : 

(E. SB. 0or # »0« ber 0hrma 3>ratt unb 0or, 

SB. #. Maurice, früher CoIIector »on <St. Souf^ Co. 
SJUbifonaRiller, 0onb*Sommtff<5r ber 9)actfic*<Etfenbabtt, 
SB. $. SB e tt t o n, früher »on berfttrma 3)omerop unb Bettton, 
<&b#** ■$. $o»lanb, ©taatlfenator. 


C^aO. $. $ot»lanb, ^räftbent, 

SB. #. Maurice, 33ice=3)räjlbent, 
2ttabifon SRiUer, 2anb=Commtffdr, 
0dir Co(le, ©ebapmeifter. 


©efcHfdjaft »erlauft uub lauft ©runbftüde aller Slrt 
@ie beforgt bie Ballung »on (Steuern für SKühtbemobner u«b bef<b$ftigt (leb mit ber $fagbetttttttg 
ober bem Verlauf »on 

flÄineralsfiänbereieti, 

eie befl&t au§erorbentti<be Bortbeife, um Capital in 

to<ftU$<tt £ätibereiett 

«tplegem 

eie leibt Oelber 

auf rentable (&runb-<figentl)um0-$itd)errett 
in etobt ober Soub aug, je na$bem bieg gewünfät wirb. 


<5im»anbem, meWpe eine $etmatb fuc^en, ober Agenten für Golottiettt, bie grofe ©treden 
ßanbeg p lociren beabfltbtigen, toerbeit eg in t?rem Bortbeil finben, jl<b an btefe ©efeflfdpaft p toenbert. 
SlÖe Anfragen »erben prompt unb unenbgeftlüp beantwortet. 


£>er ttnterjel<bnete ifl mit ben oben genannten Herren perfönlicb belamtt unb gfebt bettfelben gern 
bag bejle Beugnif in Betreff ihrer hoben SRefpectabilität, Bertrauengwürbigfeit unb 0*bigleit alg &$• 
Wüftbleute. 

»titbriA Otfitu*, ettHMewte. 


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JfUdrtJitfdKö Jotmtal. 

erf*tint ttöcpentli^ in sttfem fformat unb eleganter «u«flattung. enthält regclmigig frei 
Driginale= 9 ?o»eEcn, europätföe (Jorrefponbenjen, politiidjc SRunbfdiau, SBefpretpungen ber Sagctoeig* 
niife unb focialen Stagen, nnb eignet fty al« fd&arftt SBeobadjter bet ametifanifdjcn Suftänbe, fwic 
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befonbet« jut SJerfenbung nad& Europa, gjtei« $5 per Safyrgang, 10 Eentä bie einjetne Kummer. 


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165 g(ftf=©freet, 9 itm= 3 )ot(. 

Smporteur unb gabrilant fcon 

'Teutfcftcu «^armontfaS, 

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Edward Mehl, 

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©er SeidMfinn r ä * t f i 4» 

gWt ein ßajier, mtyrt fäon un^pgeS Unheil angcrubtct bat. <Z 4 vergiftet bie Sugcnb, 
ruinirt ben Äörper, erfUcft bie ÜRannbeit, ttürbigt ben URenfcpcn unter baä Sbier btnab, ttirb uon <£iuem 
auf ben Slnbern übertragen, frijjt tute ein Ä'rebSftbaben bureb ganje <S<bulen, erzeugt ftraftloftgfcit unb 
$uiefct Sßabnitmv Rittet (Eu<b bauor, unb bebenft, bajj $oHon> 09 ’? SPiUen biefen gebier entfernen. 150 


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