Google
Über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun Öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books.google.comldurchsuchen.
" n
8
*
D
Ey
d né =
| Date Due
DEVISCH
\GRARP
HerausgebesHerbert Bacher
DRTOBERNRN 1943 NUMMER 1 Jodi RO FON GC 2
INHALT
Tree Wee EES feiere Gi ; 1
Staatssekretär Oberbefehlsleiter Herbert Backe: Ins fünfte Jahr Kriegserzeu-
gungsschlacht — Zum Erntedanktag 19 UP UUUMæ P “l. l. 3
Stoßtrupp gegen die Landflucht (Bildbeilage)
Gauamtsleiter Landesbauernführer Wilhelm Bloedorn: Partei und Landvolk.... 10
Ministerialdirektor Hans-Joachim Riecke: Das Landvolk in der Front der
il. ⁰ 13
Walter Horn: Lob der Bauernarbeit (Bildbeilage)
Staatsrat Hanns Johst, Präsident der Reichsschrifttumskammer: Die Quelle
unserer. KR fi n...... ere E NA 18
Dr. Klaus Schmidt: Pflug und Schwert as ss 29
Ritterkreuzträger aus Bauernblut (Bildbeilage/ Sesini n. S. 24
Agrärpölitische Rundschau ⅛ Be E Ne E éier 26
Randgbemerküngen EE EE ĩ Eeer eg 8 28
DCC ²⁰²Ü ww ⁵ðV³N ³ĩðW0A . 32
Bildnachweis: Unser Titelbild — eine Aufnahme von Enno Folkerts — zeigt „Brotbacken in Osttirol“.
— Von den Photos zur Bildbeilage „ Landverbundene Stadtjugend' stammen drei vom Landwirtschaft-
lichen Bilderdienst, die übrigen, die wir dem Bildarchiv der Reichsjugendfuhrung entnahmen, fertigten:
Barbara Soltmann (2), Meiners-Bölken (1), Lüdecke-Felser (1) und Archiv RJF. (2). — Das farbige Bild
in unserer Beilage „Lob der Bauernarbeit’' veröffentlichten wir nach einem Hlandkupferdruck aus dem
Verlag Ludwig Moller’Lübeck; die photographischen Wiedergaben der Gemälde besorgten: Jaeger A
Goergen (1), Erika Schmauß (1), Berolina-Photo (t), Archiv (1) und Archiv des Reichsnährstandes {4}. —
Die fur die Bildbeilage „Ritterkreuzträger aus Bauernblut“ verwendeten Aufnahmen erhielten wir von:
Tita Binz (1), Aschenbroich (3), vom Scherl-Bilderdienst (2) und dem 5 Fuhrungshauptamt A. M. Mul-
ler (1). Die übrigen Bilder der Beilage sind PK.-Aufnahmen von Fischer, Jüsto, Busch, Kurt Stephan
und 5 Kriegsberichter Augustin und Photos au, Privatbesitz (4).
Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna,
Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Tei: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensce; fur den Bilderteil:
Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 196051.
Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts-
ruf 110022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzugl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942
gultig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.
— — — nn ͤ 1 — — EE nn —ä —
ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EH ER NACHF. GMBH., BERLIN
DEUTSCHER POLITIK
Le RER, , 9 i y \ N. N
N Herbert Backe
Oktober 1943 Jahrgang 2 | Nummer 1
See .ö-w ...: —0—T ᷑ ᷑ ᷑— ::.: FE u EEE EEE Eu EE — . ————P?P'—?
TREUE UM TREUE .
H.-J.R. — Der Erntedanktag war von jeher für den deutschen Bauern ein Tag der
Rechenschaftslegung, der Rückschau auf die geleistete Arbeit und der Vorschau auf die
neuen Aufgaben. Zu Beginn des fünften Kriegsjahres ist er das mehr denn je, und mehr
denn je richten sich dabei die Augen des ganzen deutschen Volkes ayf sein Bauerntum,
denn der Krieg hat es auch dem letzten zum Bewußtsein gebracht, daß in des Bauern Arbeit
die Kampf- und Arbeitskraft der ganzen Nation wurzelt. Das deutsche Landvolk kann den
Erntedanktag in dem Bewußtsein begehen, seine Pflicht treu erfüllt und so das Seine in
dem Existenzkampf der Nation getan zu haben. Das Schicksal hat der Arbeit des Land-
volkes den verdienten Erfolg nicht versagt. So ist eine Ernte herangereift, die die
ungeschwächte Entfaltung der Kampf- und Arbeitskraft der Nation auch im fünften
Kriegsjahr sichert. l
Dieser Erfolg baut sich nicht nur auf der Arbeit des letzten Jahres auf, sondern ist das
Ergebnis langjährigen unentwegten Bemühens, wie es in der Erzeugungsschlacht Jahr für
Jahr zum Ausdruck gekommen ist. Er ist damit, wie der Aufsatz von Herbert Backe mit
seinem Rückblick auf die zehn Jahre nationalsozialistischer Agrarpolitik unterstreicht, die
erneute Bestätigung, daß es dem Nationalsozialismus gelungen ist, die durch die Mißwirt-
schaft des Liberalismus schwer erschütterten Kräfte der deutschen Landwirtschaft wieder
zu festigen und zu höchster Leistungssteigerung für den Freiheitskampf des deutschen
Volkes mobil zu machen. Diese Mobilmachung deutscher Bauernkraft, die allen sichtbar
machte, daß die nationalsozialistische Freiheitsbewegung sich wirklich zum Aufbruch der
Nation gesteigert hatte, ist ein eindringlicher Beweis dafür, daß die Agrarpolitik mehr ist
als lediglich ein Zweig der Wirtschaftspolitik, denn die Mobilmachung deutscher Bauern-
kraft beruhte darauf, daß sich das deutsche Landvolk mit allen seinen Fähigkeiten
angesprochen fühlte, daß es sich wieder in seinem wahren Wesen nicht nur als Träger der
Landwirtschaft, sondern auch, in seiner lebensgesetzlichen Urfunktion als Blutsquell des
Volkes anerkannt, getragen wußte von dem Willen der ganzen Nation.
Herausgeber
Dieses Bekenntnis des deutschen Volkes zu seinem Landvolk ist und bleibt das Verdienst
der Partei, der politischen Willensträgerin der Nation. Damit ist auch die Stellung des
deutschen Landvolkes zu und in der Partei, die Wilhelm Bloedorn auf Grund seiner
Erfahrungen als Gauamtsleiter und Landesbauernführer in Pommern schildert, gegeben.
Partei und Landvolk sind zwei für immer untrennbare Begriffe, auf deren Einhalt die Stoß-
kraft der deutschen Agrarpolitik beruht. In dem Reichsamt für das Landvolk ist das
Führungsorgan geschaffen worden, das der Ausdruck dieser Einheit ist.
Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, noch einmal die Bedeutung des Reichserbhof-
gesetzes und der Marktordnung für die Mobilmachung deutscher Bauernkraft zu unter-
streichen. Nur auf eins sei auch in diesem Zusammenhange hingewiesen, Beide Gesetze
——
i À l U
sind mehr als lediglich Instrumente berufsständischer Fürsorge, sind, jedes in seiner Art,
Werkzeuge einer umfassenden deutschen Volksordnung, die keine Rechte ohne ent-
sprechende Pflichten kennt. Beide Gesetze entspringen einer Lebensauffassung, für die der
Sinn der Arbeit sich nicht in dem Streben nach persönlichem Wohlergehen erschöpft,
sondern im Dienst am Volk besteht.
Diese Auffassung konnte sich im deutschen Landvolk nur deswegen so restlos bis in das
letzte Dorf durchsetzen, weil sie dem innersten Wesen des deutschen Bauerntums ent-
spricht. Daher ist auch die vom Nationalsozialismus geschaffene Selbstverwaltungskörper- `
schaft des deutschen Landvolkes, der Reichsnährstand, von Anfang an mehr gewesen als
eine ständische Interessenvertretung. Er war stets die Stätte unermüdlicher gemein-
nütziger Tätigkeit, die gerade in der sie kennzeichnenden Selbstverantwortung die höchste
Verpflichtung gegenüber Volk und Staat sah. Die den Reichsnährstand leitenden ehren-
amtlichen Bauernführer haben damit bewiesen, daß für sie der Grundsatz „Gemeinnutz
geht vor Eigennutz“ selbstverständlicher Ausdruck eines Sozialismus der Tat ist, dessen
oberste Richtschnur das Wohl des Volksganzen ist.
Diese Gesinnung machte die Marktordnung zu einer Waffe im Freiheitskampf des
deutschen Volkes. In dieser Gesinnung trat das deutsche Landvolk zur Erzeugungsschlacht
an. Es verzichtete damit darauf, die Besserung seiner Einkommensverhältnisse nach 1933
zu einer Aufbesserung seiner im Zeitalter des Wirtschaftsliberalismus so tief herab-
gedrückten Lebenshaltung auszunutzen, und verwendete sein Mehreinkommen — man darf
wohl sagen — restlos zur höchstmöglichen Steigerung der landwirtschaftlichen Produk-
tionskraft. So wurde die Erzeugungsschlacht zu dem ersten großen Siege über den Ver-
nichtungswillen des internationalen Judentums, bevor noch der erste Schuß in diesem
Kriege gefallen war, denn sie schlug England die gefährlichste Waffe, gegen die auch der
beste Soldat wehrlos ist, aus der Hand: die Waffe der Hungerblockade. Dieser Wille, alle
Kraft einzusetzen für den Selbstbehauptungskampf der deutschen Nation, hat auch die
hinter uns liegenden Kriegsjahre hindurch, wie der Verlauf der Kriegserzeugungsschlacht
beweist, die Stellung des Landvolkes in der Front der Schaffenden bestimmt und wird
sie in Zukunft bestimmen.
So ist der Erntedanktag nicht nur ein Tag der Rechenschaftslegung über die rück-
liegenden Leistungen, sondern auch ein Tag erneuter Ausrichtung auf die Aufgaben, die
im nächsten Erntejahr der deutsche Freiheitskampf stellt. Das deutsche Landvolk weiß,
daß es in diesem Kampfe der Hergabe der letzten Kraftreserve bedarf. Das ist für das
deutsche Landvolk eine Selbstverständlichkeit, an die es nicht erinnert zu werden braucht,
denn der Einsatz auch der letzten Kraftreserve ist ein Gebot der Selbstbehauptung, dessen
Mißachtung nicht nur Vernichtung der eigenen Generation, sondern Preisgabe der Kinder
und Kindeskinder an ein hoffnungsloses Schicksal bedeutet. Das deutsche Landvolk ge-
horcht diesem Gebot nicht mit dem Mute der Verzweiflung, die keine andere Wahl hat,
sondern mit der freudigen Zuversicht dessen, der das Tor zu einer glückhaften Zukunft
bereits geöffnet sieht.
Daß das deutsche Landvolk dies kann, verdankt es dem Nationalsozialismus, denn dieser
bürgt dafür, daß das deutsche Volk Treue um Treue vergelten wird, daß das große agrar-
politische Aufbauwerk nach dem Kriege, das die Grundlage zu einer dauernden Wieder-
gesundung und zu neuer Kraftentfaltung des deutschen Landvolkes schaffen soll, mit den
Hilfsmitteln der gesamten deutschen Volkswirtschaft gefördert werden wird. Mit diesem
entschlossenen Einsatz der gesamten deutschen Volkswirtschaft erweist die deutsche
Nation gleichzeitig sich selbst den besten Dienst. Eine dauerhafte Eindeutschung und damit
Sicherung des neugewonnenen, für die deutsche Zukunft so unentbehrlichen Lebensraumes
kann nur durch ein gesundes, lebensstarkes Bauerntum erfolgen. So ist die Treue des
deutschen Volkes zu seinem Bauerntum im tiefsten Grunde nichts anderes als Treue gegen
sich selbst, Ausdruck seines Willens zum Leben.
2
HERBERT BACKE:
INS FÜNFTE JAHR
Kriegserzeugungsſchlacht
ZUM ERNTEDANKTAG 1943
Wen wir zum Erntedanktag 1943, der
auch im Kriege als Staatsfeiertag der
gesamten Nation begangen wird, auf zehn
Jahre nationalsozialistische Agrarpolitik
zurückblicken, so können wir die hier in
Angriff genommenen großen Aufgaben nur
dann richtig beurteilen, wenn wir uns völlig
frei machen von überkommenen Begriffen
und Maßstäben aus dem Zeitalter der libe-
ralen Wirtschaft. Dort stand im Mittelpunkt
der wirtschaftspolitischen Zielsetzung in
erster Linie das Streben nach einem
möglichst großen Anteil am Volkseinkom-
men, das dann in den meisten Fällen weiter
zu einem einseitigen Betonen rein privat-
wirtschaftlichen Profitstrebens führte, wie
wir es heute noch täglich in der Wirtschaft
unserer Gegner, vornehmlich am Beispiel
der Farmerpolitik in USA. beobachten
können. Die dabei erzielten privatwirt-
schaftlichen Leistungen haben jedoch: nie-
mals auf das Volk in seiner Gesamtheit
Rücksicht genommen, insbesondere nicht
auf die berechtigten Ansprüche der arbei-
tenden Menschen.
Demgegenüber hat der Nationalsozialis-
mus den Menschen und die Arbeit in den
Mittelpunkt seiner Zielsetzung gestellt, dem
sich die privatwirtschaftlichen Interessen
unlterzuordnen haben. Nur auf diese Weise
ist es möglich, die Leistung für das Volk
zum ersten und wichtigsten Wertmesser bei
der Planung und Durchführung wirtschafts-
politischer Maßnahmen zu machen. Es ist
kein Zufall, daß der Nationalsozialismus in
der Wirtschaftspolitik auf dem Gebiete der
Agrarwirtschaft zuerst durchgebrochen ist.
Der Führer hat von Anfang seines Wirkens
an immer wieder die tragende Bedeu-
tung des Bauerntums für die bio-
logische Zukunft unseres Volkes
hervorgehoben. Da auf dem Höhepunkt der
Krise des liberalen Systems das Bauerntum
am schärfsten getroffen war und sein völli-
ger wirtschaftlicher Zusammenbruch not-
wendigerweise auch den Bestand des Land-
volks bedroht hätte, war es selbstverständ-
lich, daß der Nationalsozialismus nach der
Machtergreifung hier grundlegend Wandel
schaffen mußte. Mit kleinen Mittelchen war
dabei nichts zu erreichen. Einzelmaßnah-
men, wie sie im Zeitalter des parlamentari-
schen Kuhhandels gelegentlich durch Zölle,
Preisstützungen oder Subventionen ver-
sucht wurden, konnten das Problem niemals
lösen. Es wurden stets nur Teilgebiete er-
faßt; an der völligen Vernachlässigung der
Landwirtschaft und der falschen Beurtei-
lung aller Fragen des Landvolks änderte
sich im Grunde nichts. Die Folgen des Jahr-
hunderts der „Aufklärung“ und insbeson-
dere der einseitigen Betrachtung der ge-
werblichen Wirtschaft als Quelle schnell-
wachsenden Reichtums zeigten sich in einer
verhängnisvollen Verkennung der biologi-
schen und wirtschaftlichen Probleme des
Landvolks. Darüber war auch völlig das
Gefühl verlorengegangen, daß hier eine
der wichtigsten Ursachen der sich immer
wiederholenden Wirtschaftskrisen und
letzten Endes der Bedrohung der politischen
Freiheit lag. Deshalb waren eine ent-
schlossene Loslösung der bisheri-
gen Wirtschaftspolitik und eine
grundlegende Neugestaltung not-
wendig.
Man kann hier Vergleiche ziehen mit der
schöpferischen Neugestaltung staatlichen
und volklichen Lebens, wie sie von
Friedrich Wilhelm I. und seinem ge-
3
*
nialen Sohn vor zweihundert Jahren in
Preußen durchgeführt wurde. Auch damals
finden wir den Aufbau eines Funda-
ments vom Land volk her, das schließ-
lich ein gesunder Träger sowohl der staat-
lichen und militärischen Organisation wie
einer aufstrebenden Entwicklung in der ge-
werblichen Wirtschaft wurde.
Damit soll festgestellt werden, daß eine
kraftvolle Agrarpolitik keineswegs nur in
einem reinen Agrarstaat ihr Lebensrecht
hat, sie ist vielmehr die sicherste Grundlage
für eine gesunde und erfolgreiche Entwick-
lung der Gesamtwirtschaft auch in einem
großenteils oder überwiegend industriell
ausgerichteten Staat. Gerade in einem In-
dustriestaat wie Deutschland mit nur
18 v. H. landwirtschaftlicher Bevölkerung
ist die Gesunderhaltung und das Wachstum
"Rechnung, daß die Scholle — dér ien E
Boden — die Grundlage der Existenz des
Bauerntums ist. Der Grund und Boden
drei Eigenschaften: die Uobeweglichkeit, i]
Unzerstörbarkeit und Unvermehrbarkeit.
Demgegenüber ist das Kapital durch Be-
weglichkeit, Zerstörbarkeit und Vermehr- =
barkeit gekennzeichnet. Diese Gegenüber-
stellung zeigt deutlich, warum der Beweg- |
lichkeit als Kennzeichen und Grundlage
des liberalistischen Auflösungszeitalters
die Stetigkeit der nationalsozialistischen
Agrargesetzgebung entgegengesetzt werder K
mußte. Das Reichserbhofgesetz umfaßt bio-
logische ebenso wie wirtschaftliche Ziele
Dies ist im Anfang nicht immer überall
richtig verstanden worden. Seine Anwen-
dung in der Praxis in den vergangenen zehn
Jahren hat jedoch inzwischen wohl auch
die Gegner dieses Gesetzes davon über-
zeugt, daß es ebensowohl die Grundlage
für eine gesunde biologische Ent-
i
des Landvolks von noch größerer Bedeu-
tung als in einem überragenden Agrarstaat.
Wie in der Landwirtschaft diejenigen Be-
e E
triebe am gesündesten sind, die keine
Monokulturen betreiben, sondern in sich
möglichst ausgeglichen sind, so vermeidet
oder mildert eine kraftvolle Agrarpolitik
die Folgen krisenhafter Entwicklungen, wie
sie in einseitigen Industriewirtschaften
unter normalen Verhältnissen immer wieder
auftreten.
Aus der Erkenntnis dieser Lage hat die
nationalsozialistische Agrarpolitik im ersten
Jahrzehnt ihres Wirkens nicht nur die wirt-
schaftlichen Fragen der Landwirtschaft, son-
dern ganz allgemein die biologischen und
sozialen Fragen des Landvolks überhaupt
neu gestaltet. Die weite Fassung des Auf-
gabengebietes kam schließlich bei der vor
Jahresfrist erfolgten Umbenennung des
Reichsamtes für Agrarpolitik in „Reichs-
amt für das Landvolk" zum Ausdruck.
Wenn in dem abgeschlossenen Jahrzehnt,
vor allem in der Offentlichkeit, die wirt-
schaftlichen Fragen wegen der durch die
Notwendigkeit unserer militärischen Wie-
deraufrüstung gekennzeichneten Entwick-
lung oftmals einseitig im Vordergrund stan-
den, so besteht doch kein Zweifel, daß die
nationalsozialistische Agrarpolitik alle
Fragen des Lebens auf dem Dorf erfaßt.
Als erstes Grundgesetz der nationalsozia-
listischen Agrarpolitik erging das Reichs-
erbhofgesetz. Es gab dem Bauerntum
die ihm eigene Beständigkeit, Stetigkeit und
Verwurzelung zurück, Es trug der, Tatsache
4
wicklung desLandvolks wie für ge- `
waltige wirtschaftliche Leistungen
ist. Das Reichserbhofgesetz war erst ein
Anfang und ist dann im Laufe der Jahre
durch zahlreiche andere bodenrechtliche
Bestimmungen ergänzt worden, die alle dem
Grundsatz Rechnung trugen, daß der
Boden wichtigstes Gut des gesam-
ten Volkes und unersetzbare Grundlage
der Sippe als biologischer Einheit des
Volkes ist.
Neben der Neugestaltung des Rechts am
Boden, als der wichtigsten natürlichen Ent-
wicklungsgrundlage unseres Landvolkes,
wurde eine völlig neue Ordnung geschaffen,
die ihren Rahmen im Reichsnähr-
standsgesetz fand. Das Reichsnähr-
standsgesetz umfaßt weit mehr als lediglich
eine Korporationssatzung, wie man sie auch
sonst bei ständischen Rahmengesetzen oder
ständischen Verfassungen kennt. Hätte das
Reichsnährstandsgesetz nur 'neue Organi-
sationsformen geschaffen, so würde es sich
lediglich in der Spielart, nicht aber im
Grundsatz von seinen liberalen Vorgängern
unterscheiden. Die nationalsozialistische
Agrarpolitik hat aber den Grundsätzen der
allgemeinen nationalsozialistischen Politik
entsprechend sich nicht nur auf den Aufbau
eines organisatorischen Gebäudes be-
schränkt, sondern zugleich die sach-
lichen Grundlagen geschaffen, die der Ar-
beit dieser neuen nationalsozialistischen
Organisation eine ganz bestimmte Entwick-
lungsrichtung gaben. Heute ist es un-
bestrittene Allgemeinerkenntnis, daß die
nationalsozialistische Agrarpolitik damit
eine einmalige Pionierarbeit für die
Durchsetzung nationalsozialistischer Grund-
sätze in der Wirtschaftspolitik überhaupt
geleistet hat.
Wenn auch diese Aufbauarbeit zunächst
von den Nationalsozialisten aus der Land-
wirtschaft getragen wurde, so zeigte es sich
doch sehr bald, daß das Reichsnährstands-
gesetz alles andere als ein Standesgesetz
und die Reichsnährstandspolitik alles an-
dere als eine Interessenpolitik darstellte.
Dies kam schon äußerlich darin zum Aus-
druck, daß der Personenkreis des Reichs-
nährstandes sich nicht nur auf die Ange-
Hörigen der Urproduktion, der Landwirt-
schaft, beschränkte, sondern von vorn-
herein die Be- und Verarbeitung sowie die
Verteilung einbezog. Damit war in der Er-
nährungswirtschaft zum erstenmal in der
Wirtschaftsgeschichte eine totale Zusam-
` menfassung aller Wirtschaftsstufen eines
ganzen Wirtschaftszweiges erreicht.
Diese Organisationsform paßte in keiner
Weise in das überkommene Schema libe-
raler Wirtschaftsorganisationen, die ihre
Schlagkraft in der Zusammenballung be-
stimmter Unternehmungen meist nur auf
horizontaler Grundlage zu erhöhen such-
ten. Das bekannteste Beispiel hierfür sind
die Kartelle, deren wirtschaftliches
Machtstreben fast immer auf Kosten volks-
wirtschaftlicher Gesamtinteressen ging. Es
ist nicht verwunderlich, daß der Weg der
vertikalen Zusammenfassung im Agrar-
sektor zunächst auf zahlreiche Widerstände
stieß. Trotzdem ist die nationalsozialistische
Agrarpolitik auf dem mit dem Reichsnähr-
standsgesetz einmal eingeschlagenen Wege
unbeirrbar weitergegangen. Sie wurde da-
bei unterstützt durch zielbewußte National-
sozialisten in anderen Zweigen unserer
Volkswirtschaft. Heute haben sich die in
jahrelanger Arbeit fortentwickelten Grund-
sätze auch in anderen Wirtschaftszweigen
durchgesetzt, wie wir es bei Neugestaltung
unserer Kohle-, Eisen-, Chemie- und Textil-
wirtschaft erlebt haben. Es wäre müßig,
heute noch den Nachweis dafür führen zu
wollen, daß die Schlagkraft unserer Er-
nährungswirtschaft im Kriege in erster
Linie auf dieser totalen vertikalen Zusam-
menfassung, wie sie das Reichsnährstands-
gesetz schuf, beruht. |
Es wurde aber schon angedeutet, daß die
Stärke einer Wirtschaftsverfassung niemals
in irgendeiner Organisationsform
liegt, daß es vielmehr in erster Linie auf
den grundsätzlichen Inhalt ankommt,
der für die Arbeit im einzelnen richtung-
gebend ist, g
Wirtschaft ist Leben und kann sich des-
halb wie jede andere Äußerung volklichen
Daseins nicht nach abstrakten Gesetzen
richten. Deshalb war die nationalsozia-
listische Agrarpolitik stets Gegnerstar-
rer Dogmen. Das Schwergewicht der
Arbeit des früheren agrarpolitischen Appa-
rates der NSDAP., des heutigen Reichsamts
für das Landvolk, das innerlich untrennbar
mit dem Reichsnährstand verbunden ist, lag
deshalb im Einsatz der richtigen Män-
ner, die auf Grund ihrer nationalsozialisti-
schen Weltanschauung für die einzelnen,
vielseitigen Wirtschaftsaufgaben die grund-
sätzlich richtigen Entscheidungen trafen.
Mit starren Dogmen hätten die Aufgaben
der Ernährungswirtschaft schon im Frieden
nicht, ganz bestimmt aber niemals im
Kriege gemeistert werden können. Diese
Grundeinstellung darf keineswegs als
ein Bekenntnis zum Improvisieren
angesehen werden. Improvisieren kann
vielleicht im einen oder anderen Falle ein-
mal mithelfen, um schwierige Lagen zu
überwinden, es darf aber niemals ganz all-
gemein an die Stelle planmäßiger Lenkung
und von Grundsätzen treten, wie sie nun
einmal für die Durchführung großer Auf-
gabengebiete, die sich auf weite Zeiträume
erstrecken, notwendig sind.
Diese Grundsätze für die Arbeit der
nationalsozialistischen Agrarpolitik sind im
Reichserbhofgesetz und im Reichsnähr-
standsgesetz enthalten. Während das
Reichserbhofgesetz den Grundgedanken
der Sicherheit der Sippe und damit des Be-
standes des Volkes zuverwirklichen suchte,
so verkörpert das Reichsnährstandsgeseiz
den Grundgedanken der Ordnung. Das
Reichserbhofgesetz erfaßte den Boden und
den Menschen in seiner Beziehung zum
Boden, während das Reichsnährstandsgesetz
den Menschen und seine Arbeit, das Er-
gebnis und die Früchte seiner Arbeit in den `
Mittelpunkt stellt. Damit wurde alles, was
in der liberalen Theorie Produktionsfakto-
5
nr un,
-
— — —
ren genannt wurde, aus der kapitalistischen
Verflechtung und den Erschütterungen des
Kapitalismus herausgenommen und auf dem
nationalsozialistischen Wirtschaftsprinzip
der gebundenen Wirtschaft aufgebaut.
Dabei trat insbesondere an die Stelle des
zufälligen kapitalistischen Marktgeschehens
die bewußte nationalsozialistische Markt-
ordnung, an die Stelle des zufälligen Aus-
gleichs von Angebot und Nachfrage der
bewußte Ausgleich von Bedarf und Deckung.
Das hatte zur Folge, daß die beinahe skla-
vische Unterwerfung des Menschen und
seiner Tätigkeit unter die angebliche Ge-
setzmäßigkeit wilder Preisschwankungen
an allen möglichen Börsen abgelöst wurde
durch die bewußte Beherrschung des Mark-
tes und des Marktgeschehens mit einer
verantwortungsbewußten Bestimmung und
Festlegung des Preises.
Es entsprach folgerichtig der national-
sozialistischen Grundhaltung, daß die Markt-
ordnung nicht nur eine Sicherung so-
wohl des Bauerntums wie der Ver-
braucher anstrebte, sondern gleichzeitig
mit diesem gebundenen Wirtschaftsprinzip
die Voraussetzung zu einer Leistungs-
steigerung der deutschen Landwirtschaft
geschaffen wurde. Gerade dies aber sollte
sich später von weittragender Bedeutung
erweisen, als die steigenden Anforderungen
der Wiederaufrüstung den Kampf um die
Nahrungsfreiheit immer wichtiger werden
ließen.
Es sei daran erinnert, daß bei der Ver-
kündung des ersten Vierjahresplanes die
Freimachung größerer Devisenmengen zur
Erleichterung vermehrter Lebensmittelein-
fuhren als ein wichtiges Ziel genannt wurde,
ein Ziel, das aber dann angesichts steigen-
den Rohstoffbedarfs für Rüstungszwecke
sehr bald in den Hintergrund treten mußte.
So wurde die Leistungssteigerung der ein-
heimischen Landwirtschaft, die in der Er-
zeugungsschlacht ihren Ausdruck fand, ge-
radezu zur wichtigsten Triebfeder
der nationalsozialistischen Agrar-
politik in den letzten Jahren. Da-
durch ist in der Offentlichkeit gelegentlich
der Eindruck entstanden, als ob auch in der
nationalsozialistischen Agrarpolitik Wirt-
schaftsfragen allzu einseitig das Uberge-
wicht erlangt hätten. Die Arbeit, die heute
vor allem im Reichsamt für das Landvolk in
6
engster Zusammenarbeit mit dem Reichs-
nährstand und dem Reichsministerium für
Ernährung und Landwirtschaft geleistet
wird, zeigt, daß diese Auffassung ebenso
falsch ist wie etwa die Meinung, daß die
NSDAP. infolge des Einsatzes, den der totale
Krieg fordert, ihre politischen, biologischen
und kulturellen Ziele aufgegeben habe.
Der Erntedanktag 1943, der fünfte Ernte-
danktag in diesem Kriege, ist der gegebene
Anlaß, besonders die Frage zu prüfen, in
welchem Maße die nationalsozialistische
Agrarpolitik das Ziel der Leistungssteige-
rung zum Zwecke der Nahrungssicherung
für das Reich und für Europa erreicht hat.
Wenn es gelungen ist, unsere Nahrungs-
versorgung insgesamt trotz der Beschrän-
kungen des Krieges auf der bisherigen be-
achtlichen Höhe zu halten, so mußten dabei
allerdings bei der Zusammensetzung unserer
Nahrung im Kriege erhebliche Verschie-
bungen gegenüber den Gewohnheiten des
normalen Verbrauchs in Kauf genommen
werden. Das wesentliche Merkmal dieser
Verschiebungen ist die Verlagerung
unserer Ernährung von Nahrungs-
mitteln tierischen auf solche
pflanzlichen Ursprungs. Maßgebend
dafür waren zwei Gründe: einmal der Aus-
fall mancher tierischen Veredlungserzeug-
nisse bzw. der Futtermittel durch den Krieg;
zum zweiten: die Notwendigkeit, den an
der Front kämpfenden Teil unseres Volkes
— den Soldaten — stärker mit hochwertigen,
meist tierischen Nahrungsmitteln zu ver-
sorgen. So steht dem Absinken der tie-
rischen Kalorien in unserer Kriegs-
nahrung ein Ansteigen von pflanzlichen
Kalorien auf 124 v. H. je Kopf der Be-
völkerung gegenüber.
Nebenbei sei bemerkt, daß die Gesund-
heitsführung die stärkere Verlagerung
unserer Ernährung auf Nahrungsmittel
pflanzlichen Ursprungs ernährungsphysio-
logisch keineswegs als einen Nachteil an-
sieht. Das soll nun allerdings keine wirt-
schaftspolitische Begründung sein, sondern
nur am Rande miterwähnt werden. Der
ernährungspolitische Grund für diese Ver-
schiebung liegt in der nun einmal nicht
abzuändernden Tatsache, daß im Durch-
schnitt für die Erzeugung von tie-
rischer Nahrung siebenmal so viel
Fläche benötigt wird wie zur Er-
zeugung vonpflanzlicher Nahrung.
Ein Volk, dessen Ernährungsgewohnheiten
viel Fleisch, Eier usw. bevorzugen, benötigt
also einen viel größeren Nahrungsraum als
ein Volk, das überwiegend Pflanzenkost be-
vorzugt. Diese Tatsache muß nicht nur bei
der Sicherung der Ernährung im Reich be-
rücksicht werden, sie spielt auch eine
ausschlaggebende Rolle beim
Kampf um die Nahrungsfreiheit
Europas. Hier ist auch für die Zukunft
die Umstellung der menschlichen Ernäh-
rungsweise auf pflanzliche Nährstoffe Vor-
aussetzung für den Ausgleich der euro-
pdischen Ernährungswirtschaft
Grundlage der Eigenerzeugung bei gleich-
zeitiger voller Abdeckung des Bedarfs an
Nährwerten.
Heute ist es nicht mehr erforderlich,
darauf hinzuweisen, um wieviel besser die
Ernährung des deutschen Volkes an der
Schwelle des fünften Kriegsjahres im Ver-
gleich zum Jahre 1918 ist. Der grundlegende
Unterschied gegen damals liegt in der Tat-
sache, daß heute die auf den Karten auf-
gedruckten Rationen auch wirklich zur Aus-
gabe gelangen, während sie damals zum
großen Teil nur auf dem Papier standen.
Außerdem wird heute durch ein vielseitiges
und sorgfältig berechnetes System von
Zulagen den höheren Nahrungsbedürf-
nissen bei besonderen Arbeitsleistungen
oder Lebensumständen (Jugendliche, wer-
dende Mütter usw.) Rechnung getragen. Es
ist eine nur wenig beachtete Tatsache, daß
überhaupt nur 36 v.H. aller Verbraucher
die normalen Rationen erhalten, während
alle übrigen Verbraucher (von den gemäß
ihres physiologischen Bedarfs unter den
Rationen der erwachsenen Normalversor-
gungsberechtigten liegenden Kindern ab-
gesehen) Zulagen bekommen, die im Wege
des Familienausgleichs vielfach eine Ver-
besserung der gesamten Lebenshaltung er-
möglichen. E
Wenn die Lebensbedingungen in
den übrigen europäischen Ländern
ein ungünstigeres Bild ergeben, so liegt das
in erster Linie daran, daß dort die Folgen
der verfehlten liberalen Wirtschaftspolitik,
die zu einer Vernachlässigung der landwirt-
schaftlichen Eigenerzeugung führte, noch
nicht überwunden sind. In diesen Ländern
hat jahrzehntelang der Wille zu einer posi-
tiven Agrarpolitik gefehlt. Deshalb waren
auf der
dort weder gesetzliche noch organisato-
rische Grundlagen vorhanden, die, wie in
Deutschland der Reichsnährstand, das
Reichserbhofgesetz oder die Marktordnung,
von vornherein wichtige Voraussetzungen
für die Leistungssteigerung in der landwirt-
schaftlichen Erzeugung schufen. In den
anderen Ländern Europas blieb, wenn man
vor schwierigen Aufgaben stand, nichts
übrig als der Einsatz von Behörde und
Polizei. Beide können aber nun einmal
eine gesunde Wirtschaftspolitik nicht er-
setzen. Der Einfluß der deutschen
Agrarpolitik, der auch in diesen Län-
dern eine bessere Ausnutzung der landwirt-
schaftlichen Erzeugungsgrundlagen erreicht
hat, wird aber hier von Jahr zu Jahr immer
mehr Wandel schaffen. Im Gegensatz zur
feindlichen Agitation, die behauptet bat,
daß Deutschland die besetzten Länder aus-
geraubt habe, muß festgestellt werden, daß
gerade von deutscher Seite nicht nur viel-
fach Nahrungsmittel geliefert wurden, um
akute Versorgungsschwierigkeiten bei ver-
bündeten oder besetzten Ländern zu lindern,
sondern daß vor allem durch Lieferung
- wichtiger Produktionsmittel, wie Saatgut,
Zuchtvieh, Maschinen und Düngemittel, sehr
viel getan wurde, um die Bemühungen zur
dauernden Hebung der landwirtschaftlichen
Eigenerzeugung wirksam zu unterstützen.
Der geschilderte Umfang der Nahrungs-
mittelversorgung im Reich war nur mög-
lich, weil es dank der planmäßig und mit
` weitgesteckten Zielen schon im Jahre 1934
eingeleiteten Erzeugungsschlacht gelang,
die landwirtschaftliche Erzeugung in ganz
anderer Weise leistungsstark zu erhalten
als im ersten Weltkriege. Selbstverständ-
lich sind Produktionsausfälle eine
notwendige Folge jedes Krieges. Die
Führung der nationalsozialistischen Agrar-
politik hat deshalb von Anfang an alle
Kräfte in Bewegung gesetzt, um den natür-
lichen Hemmungen, die der Krieg für die
land wirtschaftliche Erzeugung mit sich
bringt, entgegenzuwirken. Die Mobilisierung
der in den land wirtschaftlichen Betrieben
selbst noch vorhandenen Produktionsreser-
ven und die Organisation der Gemein-
schaftshilfe des Dorfes, die im letzten Jahr
in der Einrichtung der Hofpatenschaft ihren
besonderen Ausdruck fand, standen im
vierten Kriegsjahr im Vordergrund.
Der Erfolg dieser Arbeit wird besonders
7
— — —— —
deutlich, wenn man die Produktions-
leistungen der Landwirtschaft 1943
und 1918 vergleicht. So betrug die Ernte-
fläche an Getreide 1918 nur noch 84 v. H.
von 1914, bei Kartoffeln nur 83 v. H., bei
Zuckerrüben sogar nur 71 v. H. 1943 er-
reichte dagegen die Erntefläche bei Ge-
treide 90 v. H. von 1939, bei Kartoffeln
95 v. H., bei Zuckerrüben sogar 105 v. H.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß gleich-
zeitig die Erntefläche von Olsaaten um etwa
das Achtfache, die Erntefläche für Gemüse
um das Dreifache gesteigert wurde. Die
Steigerung des Ulfrucht- und des Gemüse-
anbaues und die Erhaltung des Hackfrucht-
baues, der im Kriege sowohl aus Arbeits-
einsatzgründen wie aus Gründen der be-
schränkten Düngemittelverwendung stark
behindert wird, sind ein besonders deut-
liches Zeichen für den Leistungspwillen der
. Landwirtschaft.
Dasselbe gilt auch für die Ernte-
‚erträge. Im ersten Weltkrieg lagen beim
Getreide die durchschnittlichen Hektar-
erträge der fünf Kriegsernten um 13 bis
18 v.H. niedriger als im langjährigen Durch- .
schnitt der Vorkriegszeit. In diesem Kriege
sind die Durchschnittserträge sogar um ein
geringes höher als im Durchschnitt der
Vorkriegsjahre. Das gilt ebenso für die
Hackfrüchte, deren Hektarerträge im ersten
Weltkrieg um etwa 10 v.H. unter, in diesem
zweiten Weltkrieg dagegen um 5 bis 9 v.H.
über dem mittleren Vorkriegsstand liegen.
In diesen Vergleichszahlen kommt die
Leistung insofern noch ungenügend zum
Ausdruck, als diese Zahl sich 1918 auf die
Basis 1904 bis 1913, die Zahlen 1942/43 auf
die Basis 1929 bis 1938 beziehen. Die Ernte-
zahlen von 1929 bis 1938 jedoch liegen höher
— zum Teil erheblich höher — als die-
jenigen der Jahre 1904 bis 1913.
Noch günstiger wird das Bild, wenn man
nicht nur die Anbaufläche und Hektar-
erträge, sondern die Entwicklung der
Gesamternten im ersten und zweiten
Weltkrieg miteinander vergleicht. Danach
erreichte die Getreideernte schon im Jahre
1917 nur 57 v. H. der Vorkriegshöhe,
. während im Jahre 1942/43 gegenüber 1939/40
84 v.H. geerntet wurden. Die Kartoffel-
ernte war im ersten Weltkrieg auf 77 v.H.
zurückgegangen, in diesem Kriege ist sie
8
annähernd gleich geblieben. Während die
Zuckerrübenernte damals auf 57 v.H. sank,
erreicht sie heute 95 v.H. Bei Futterrüben,
für die Zahlen aus dem ersten Weltkrieg
nicht vorliegen, ist die Ernte im Kriege so-
gar auf 109 v. H. gestiegen.
Beim Vergleich der Viehbestände ergeben
sich bei den Rindern, besonders beim
Kuhbestand, erhebliche Unterschiede. Die-
ser war 1917 gegenüber der Vorkriegszeit
bereits um 10 v.H. gesunken. während er
sich 1942 noch ungefähr auf dem Vorkriegs-
stand hielt. Diese Entwicklung war aus-
schlaggebend für die günstige Milcherzeu-
gung, die trotz der Verschlechterung der
Futterversorgung 1942/43 noch 95 v.H. von
1939/40 erreichte. Noch günstiger als die
Entwicklung der Milchleistung sind die
Ziffern für die Entwicklung der Butter-
erzeugung. Diese war im Jahre 1942/43
gegenüber 1939/40 auf 104 v. H., gegenüber
1938/39 sogar auf 126 v.H. gestiegen. Der
günstigen Entwicklung des Kuhbestandes
stehen allerdings Rückgänge beim Jung-
vieh gegenüber, die zur Sicherung der
künftigen Milch- und Fleischerzeugung eine
sorgsame Beachtung erfordern.
Der Schweinebestand ist auch in die-
sem Kriege zwangsläufig zurückgegangen.
Die zur Anpassung an die Futterbasis not-
wendige Verringerung ist allerdings viel
langsamer und organischer vor sich gegan-
gen als im ersten Weltkriege, in dem schon
das Jahr 1915 infolge der planlosen Heraus-
nahme von Schweinen den starken Rück-
schlag brachte. Mit dem im vorigen Herbst
eingeleiteten Aufbau des Schweine-
bestandes, der jetzt durch eine vor-
sichtige Lenkung hinsichtlich des Zeit-
punktes der Sauenbedeckung ergänzt wird,
sind auch hier die notwendigen Maßnahmen
getroffen worden. In diesem Zusammenhang
muß die Futtermittelpolitik noch Gegen-
stand besonderer Sorgfalt sein. Angesichts
dieser Lage muß vor allem größtes Ver-
ständnis bei der Haltung von Geflügel
und anderen Kleintieren erwartet
werden. Die Kleintierhaltung darf in ihrem
Gesamtumfang nicht größer sein als die zu
ihrer Ernährung verfügbare Menge an Ab-
fällen oder Futtermitteln, die für die
Großviehhaltung nicht verwendet werden
können.
Otobt 127
gegen 0 IC
vil Flucht
= nn a -| SS
gt Za ep
Ze‘ r
Kr 3 air nt Ah
Mit frischem Mut geht es
an das Tagewerk
Er muß es ganz genau wisst!
Wo in den Jahren des Niederganges wurde im
Bund Artam der Gedanke geboren, der heute im
Landdienst der Hitler-Jugend in breitester Form ver-
wirklicht wird: die Stadtjugend zurück aufs Land zu
WS führen, um ihr die Vielseitigkeit und Wichtigkeit der
Kur bäuerlichen Arbeit vor Augen zu stellen. Nur wer
AW selbst die Wahrheit des Wortes Friedrichs des Großen
erfahren hat, daß der Landbau die erste aller Künste
ist, kann voll ermessen, wie ungerecht und falsch es
= war, über die Landarbeit verächtlich die Nase zu
CS rümpfen. Aus den 500 Landdienstfreiwilligen des
l Jahres 1934 sind inzwischen im laufenden Jahre 38 500
Jungen und Mädel geworden, die stolz und freudig die
Wende der deutschen Jugend zum Bauerntum und zum
Lande mit der Tat beweisen. Der Landdienst hilft allent-
halben auf dem Hofe der Bäuerin und springt heute
überall da ein, wo die Männer zu den Waffen gerufen
sind. Ständig steigt auch die Zahl der Landdienstfrei-
willigen, die nach ihrer Dienstzeit für immer mit der
Landarbeit verbunden bleiben und einen landwirt-
schaftlichen Lebensberuf wählen. Im Landdienst hat
der Junge die ersten Voraussetzungen für den Neu-
bauernschein erworben und kann nun ohne Ansehen
des Standes und der Finanzkraft der Eltern, mit der
inneren Bereitschaft und den notwendigen fachlichen
Kenntnissen ausgerüstet, am bäuerlichen Siedlungs-
werk unserer Tage teilhaben. So wird wertvolles Blut,
das einstmals in den Vätern oder Großvätern dem
Bauerntum durch Abwanderung verlorenging, in den
E Kindern dem Lande zurückgeführt, um im erweiterten
deutschen Lebensraum neu zu verwurzeln. Die Rück-
führung der Stadtjugend auf das Land im Zeichen der
Freiwilligkeit kann auch den Jungen und Mädeln
unserer Dörfer ein sichtbarer Beweis der neuen Be-
wertung ihrer bäuerlichen Arbeit sein und sie in ihrem
Selbstbewußtsein und ihrer Schollentreue stärken.
Landdienstmädel von heute — Bäuerin von morgen
Te = mE ER — "WE
CH s ‘ e P.,
ATIR
N f d
Jeder Tag des bäuerlichen Arbeitsjahres zeigt etwas von der vielseitigen Landarbeit. — Zur Wintes
zeit müssen Mieten geräumt werden
Nach Feierabend findet sich die Landdienstgruppe zur weltanschaulichen Schulung oder zum Hem
abend zusammen
— —
Die Produktionsleistungen im Stall und
auf dem Acker werden ergänzt durch ge-
steigerte Leistungen bei der Be- und Ver-
arbeitung sowie im Handel und durch
ständig verbesserte Methoden der Vorrats-
haltung und des räumlichen und zeitlichen
Marktausgleichs. Hier arbeiten Erzeugungs-
schlacht und Marktordnung als wichtigste
Garanten unserer Ernährungssicherung
Hand in Hand. 1
Die Ernte 1943 bietet die Gewähr dafür,
daß die Ernährung auch im fünften
Kriegsjahr gesichert bleibt. Die sehr
guten Erträge beim Getreide und bei den
Olfrüchten ermöglichten gewisse Erleich-
terungen und Verbesserungen. Bei ihrer
Beurteilung muß man berücksichtigen, daß
die Verstärkung der Wehrmacht, die Ver-
mehrung der Zahl ausländischer Arbeiter
und die Zuschüsse an verbündete und be-
setzte Länder ebenso erhöhte Ansprüche an
die Versorgungsbilanz stellen wie die Not-
wendigkeit, gewisse Reserven für den Über-
gang zum neuen Erntejahr und ausreichende
Futtermittel für den Aufbau unseres
Schweinebestandes bereitzustellen. Die Er-
trägnisse der Kartoffel- und Gemüseernte
werden infolge der in entscheidenden
Wachstumswochen trockenen Witterung
hinter den Vorjahren zurückbleiben. Hier
wird also ein besonders sorgsames Haus-
halten mit den zur Verfügung stehenden
Mengen notwendig sein.
Auch zum Erntedanktag im fünften
Kriegsjahr brauchen dem deutschen Land-
volk keine neuen Parolen gegeben zu wer-
den. Es gilt nur, entsprechend den unver-
meidlichen steigenden Schwierigkeiten mit
verstärkter Kraft auf den erprobten Wegen
weiterzuarbeiten, getreu der Parole für die
fünfte Kriegserzeugungsschlacht: Nahrung
ist Waffe!
Wir wissen alle, daß die ausreichende
Ernährung Voraussetzung ist für die Erhal-
tung der Kraft unserer Soldaten und Rü-
stungsarbeiter ebenso wie der Heimat, die
heute infolge des Luftterrors unserer Gegner
ganz anderen Belastungen ausgesetzt ist als
in den ersten Kriegsjahren. Dag gesamte
Landvolk und alle Angehörigen der Ernäh-
rungswirtschaft wissen, was sie dem Führer
schuldig sind. Die zunehmende Härte des
Krieges verlangt? nach größere An-
strengungen, um die Leistungen
der Ernährungswirtschaft zu er
halten und nach Möglichkeit zu
steigern. u
An der Spitze stehen immer wieder die
Forderungen, nicht nur mehr zu erzeugen
sondern auch mehr abzuliefern. Nur die-
jenigen Nahrungsmengen, die der
ordnungsgemäßen Bewirtschaf-
tung zugeführt werden, dienen
wirklich der Sicherung unserer Er-
nährung. Das gilt nicht nur für die Haupt-
nahrungsmittel, sondern ebensosehr für
Eier, Geflügel, Obst und Gemüse. Die Um-
quartierung von hunderttausenden Volks-
genossen aus den luftgefährdeten Gebieten
auf das Land macht es notwendig, immer
wieder darauf hinzuweisen, daß die vor-
übergehende Zunahme der Bevölkerung
auf dem Lande nicht dazu führen darf, daß
irgendwelche Nahrungsmengen der Ge-
samtversorgung entzogen werden. Die Auf-
klärungsarbeit der Partei wird dazu beitra-
gen, das hierfür notwendige Verständnis
auch bei unseren Gästen aus der Stadt zu
stärken.
Die zweite Forderung wiederholt die
Parole des vorigen Jahres, allenoch,un-
genutzten Produktionsreserven in
den Betrieben selbst zu mobilisie-
ren. Dadurch wird es möglich sein,
mancherlei Schwierigkeiten, die sich infolge
der Beschränkungen beim Arbeitseinsatz,
bei den Zugkräften sowie bei der Bereit-
stellung von Treibstoff, Düngemitteln und
anderen Betriebsmitteln ergeben, auszu-
gleichen. Seitens der Führung wird auf der
anderen Seite alles geschehen, um unter
allen Umständen Mindestmengen der un-
entbehrlichen Produktionsmittel bereitzu-
stellen, ohne die nun einmal intensive Land-
wirtschaft nicht betrieben werden kann.
Wenn zum Erntedanktag auch in diesem
Jahr unserem Landvolk, insbesondere aber
unseren Landfrauen, die nun schon vier
Kriegsjahre lang mit unvergleichlichem
Einsatz oftmals über ihre Kräfte arbeiten,
der Dank der Nation zum Ausdruck ge-
bracht wird, so wird das Landvolk an
diesem Tage die Reihen noch fester
schließen in dem unbeirrbaren Wollen,
alles zu tun, um dem Führer die
Voraussetzungen für den Endsieg
zu schaffen.
9
—
pe VV „ . ur rn —— 2 ——————— ——— 2 — r
— -rar — e e
—
Lex —
*
——— hen ët e,
`
P ep Wan zm met a
V
WILHELM BLOEDORN:
Partei und Lanovolk
ls in den Jahren nach der schändlichen
Revolte vom November 1918 dem deutschen
Volk durch die Inflation das gesamte Barver-
mögen entwertet wurde, traf dieser Schlag die
an sich schon in den Jahrzehnten vorher wirt-
schaftlich stark geschwächten bäuerlichen und
landwirtschaftlichen Kreise besonders hart. Die
damaligen Führer der Landwirtschaft suchten
zunächst bei den alten oder neu entstandenen
politischen Parteien Hilfe, die der Landwirt-
schaft jedoch nicht gebracht werden konnte,
weil selbst der Wille dazu bei den Parteiführern
des damaligen Systems nicht vorhanden war. In
dieser Zeit der wirtschaftlichen Zerrüttung und
vaterländischen Zersplitterung schuf der un-
bekannte Soldat des Weltkrieges Adolf Hitler
die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-
partei, die dazu berufen ist, dem deutschen
Bauerntum die ihm gebührende Stellung im
deutschen Volksleben wiederzugeben.
Halten wir einmal Rückschau auf die Anfänge,
so kommt uns in Erinnerung, daß zunächst
schon der Name der neuen Partei dem
Bauerntum nicht sonderlich zusagte. Von einer
„Arbeiterpartei“ glaubte man nicht das Heil für
den Bauern erwarten zu können, Zu sehr hatte
man sich unter dem Einfluß von Marxismus und
Liberalismus daran gewöhnt, in einer solchen
Namensgebung den Ausdruck von eigensüchti-
gen und klassenkämpferischen Bestrebungen zu
sehen. Auch vermieden es der Führer und seine
Partei bewußt, uns vom Landvolk goldene Berge
zu versprechen, Eine scharfe Unterscheidung be-
stand hier von Anfang an gegenüber den poli-
tischen Parteien und den vielen Interessen-
vertretungen, die sich um die Landwirtschaft
bemühten, wenigstens soweit man sie für die
parlamentarischen Wahlen zur Stimmabgabe be-
nötigte. Wer aber zur Gefolgschaft Adolf Hitlers
gehören wollte, mußte sich frei bekennen von
Eigennutz, durfte nur als opferbereiter, blut- und
glaubensvoller Idealist zu ihm kommen.
In dieser wahrhaft verworrenen Zeit nach dem
Weltkriege war es natürlich, daß eine solche aus
der Tiefe der Erkenntnisse genährte Einstellung
nicht gleich in weiten Kreisen der Bauern und
Landwirte zu finden war. Was sagte denn auch
der Führer in seinem Bekenntniswerk „Mein
Kampf” über die Rechte der bäuerlichen Men-
schen: „Vergeßt nie, daß das heiligste Recht auf
dieser Welt das Recht auf Erde ist, die man
selbst bebauen will, und das heiligste Opfer
das Blut, das man für diese Erde vergiebt,
10
d , e
Neben dem Recht steht hier as sogleich D"
Opfer. Wieviel bequemer war es aber doch bei
den sogenannten politischen Parteien, die nur
Rechte verhießen und keine Opfer forderten
Allerdings hatte der Führer in „Mein Kampf"
auch die Sätze geprägt: „Die Möglichkeit der
Erhaltung eines gesunden Bauernstandes als
Fundament der gesamten Nation kann nie mals d
hoch genug eingeschätzt werden. Viele
unserer heutigen Leiden sind nur die Folge des
ungesunden Verhältnisses zwischen Land- un
Stadtvolk. Ein fester Stock kleiner und mittlerer
Bauern war noch zu allen Zeiten der beste
Schutz gegen soziale rankt
wie wir sie heute besitzen. Dies ist aber auch
die einzige Lösung, die eine Nation das tägliche i
Brot im inneren Kreislauf einer Wirtschaft finden
läßt.” i
Auch diese starke Hervorhebung der Bedeu-
tung gerade der kleinen und mittleren Bauern
wurde von den gegnerischen Parteien, besonders
aber von den Parteikreisen, die sich auf den
Großgrundbesitz stützten und nun glaubten ein
übriges tun zu müssen, in klassenkämpfe-
rischem Sinne mißdeutet. Es wurden der
NSDAP. ähnliche Aufspaltungstendenzen zwi-
schen Klein und Groß unterschoben, wie sie sich
bei den demokratischen und marxistischen Par-
teien beobachten ließen. Wir alle wissen weiter
noch, welche Rolle die übelwollende Mißdeutung
des Punktes 17 des Programmes der Bewegung
vom 24. Februar 1920 über die „unentgeltliche
Enteignung" in dem Kampf um die Gewinnung
der Seele des Landvolkes für die deutsche Er-
neuerung durch die NSDAP. spielte.
Welche Bedeutung aber gerade der Führer
diesem Kampf um das Landvolk als dem starken
Träger des zukünftigen deutschen Staates bei-
maß, das kam für jeden sichtbar und einprägsam
zum Ausdruck durch die von Adolf Hitler selber
unterzeichnete „Parteiamtliche Kund-
gebung über die Stellung der NSDAP.
zum Landvolk und zur Landwirt-
schaft‘ vom März 1930, dem einzigen Sonder-
programm, das Adolf Hitler neben dem grund-
sätzlichen Parteiprogramm von 1920 in Kraft
setzte.
Aus diesem Leitprogramm des Führers für das
Landvolk und die zukünftige agrarpolitische
Ausrichtung der Partei möchte ich nur die zwei
Kernsätze hervorheben: „Wir erkennen nicht
nur die überragende Bedeutung des Nährstandes
für unser Volk, sondern sehen im Landvolk auch
den Hauptträger volklicher Erbgesundheit, den
Jungbrunnen des Volkes und das Rückgrat der
Wehrkraft. Die Erhaltung eines leistungsfähigen,
im Verhältnis zur wachsenden Gesamtzahl auch
zahlenmäßig entsprechend starken Bauernstan-
des bildet einen Grundpfeiler der natio-
nalsozialis tischen Politik, gerade des-
halb, weil diese auf das Wohl des Gesamtvolkes
auch in den kommenden Geschlechtern gerich-
tet ist.”
Der zweite von mir gemeinte Kernsatz aus der
parteiamtlichen Kundgebung ist gerade für
unsere heutige Zeit von tiefem verpflichtendem
Sinn: „Der Staat hat die Aufgabe, die wirtschaft-
liche und kulturelle Hebung des Bauernstandes
entsprechend seiner Bedeutung für das ganze
Volk zu fördern und dadurch eine Haupt-
ursache der Landflucht zu beseitigen.”
Zur entscheidenden Ausführung dieser Grund-
gedanken der nationalsozialistischen Agrar-
politik schuf der Führer im gleichen Jahre den
Agrarpolitischen Apparat der NSDAP.
Im Februar 1931 fand in Weimar die erste
Tagung dieses Agrarpolitischen Apparates der
Partei mit den für die Mitarbeit gewonnenen
Männern des Landvolkes in Gegenwart des Füh-
rers statt. Das Land Thüringen erlebte somit die
erste Reichsbauernkundgebung unter der Füh-
rung der NSDAP. mit Adolf Hitler selbst als
Redner und Verfechter der berechtigten Forde-
rungen des Landvolkes entsprechend den von
ihm schon vorher bekanntgegebenen Grund-
sätzen, die er in klarer Prägnanz mit dem einen
Satz umriß: „Die Landwirtschaft ist die Basis
des Lebens der Nation an sich.“
Diese Bauernkundgebung von Weimar können
wir heute als einen entscheidenden
Wendepunkt in der Geschichte des
Bauerntums unter der nationalsozialistischen
Führung überhaupt ansehen. Von dieser Zeit an
wuchs auch die Zahl der Anhänger der NSDAP.
aus dem Landvolk stärker als die aus den städti-
schen Kreisen, und bei den darauffolgenden
Wahlen von 1931 und 1932 wurde ein Anzahl
Bauern und Landwirte durch die NSDAP. in die
Parlamente gewählt. Es wäre falsch, die Tätig-
keit dieser Abgeordneten nach dem messen zu
wollen, was in dieser Zeit für Landvolk und
Landwirtschaft in den Parlamenten durchgesetzt
wurde; denn das Hineingehen in die Parlamente
geschah ja nicht aus dem Wunsche, dem dort
herrschenden Parteienklüngel diese oder jene
Hilfsmaßnahme abzuringen. In diesem Abschnitt
des nationalsozialistischen Freiheitskampfes
mußten sich vielmehr alle Kräfte auf die Schaf-
fung der innerpolitischen Voraussetzung
eines Neubauwerkes von Grund auf, auf die
Erringung der Macht im Staate, kon-
zentrieren. Immerhin konnte durch das starke
Eintreten der NSDAP. für die Landwirtschaft
verhindert werden, daß die gesamte Landwirt-
schaft und somit das Bauerntum ein Opfer der
Vernichtungspolitik der damaligen Machthaber
wurde.
Nach der Machtübernahme am 30. Januar
änderte sich mit einem Schlage die Lage zu-
gunsten der Landwirtschaft. Es ergab sich, daß
zur Durchführung aller wirtschaftlichen Spezial-
aufgaben eine besondere Organisation, der
Reichsnährstand, gegründet werden mußte,
dem alle die vielen bestehenden Organisationen,
wie Landbund, Landwirtschaftskammer, Ge-
nossenschaften usw., ein- bzw. angegliedert wur-
den. Somit wurde eine einheitliche Arbeitskraft
auf diesem Gebiet der Selbstverwaltung ge-
schaffen. In engem Zusammenhang damit stan-
den einschneidende wirtschaftliche
Sofortmaßnahmen.
t
Der Führer selbst hob die laufenden Zwangs-
versteigerungen auf, in allen Fällen wurden die
Ursachen nachgeprüft und den unschuldig in
Not geratenen Bauern und Landwirten die Exi-
stenz erhalten. Die Marktordnung und Preis-
gestaltung, nationalsozialistischen Wirtschafts-
gedanken entsprungen, schufen die Voraus-
setzungen, um dem Bauern einen gerechten Lohn
für seine Arbeit zukommen zu lassen. Das
Reichserbhofgesetz als ein unerläßliches Gebot
für die Erhaltung des deutschen Bauerntums
wurde in Kraft gesetzt. Neubauernhöfe zur Ver-
wirklichung des Gedankens eines gesunden und
lebensfähigen Bauerntums entstanden in großer
Zahl, solange nicht die Notwendigkeit schnell-
ster und stärkster militärischer Aufrüstung in
steigendem Maße alle Kräfte der Volkswirt-
schaft beanspruchte, und die von der Systemzeit
her nicht lebensfähigen Neubauern wurden ent-
bzw. umgeschuldet. `
Dies alles war nur möglich, weil immer die
politische Kraft des gesamten Volkes
in der NSDAP. wurzelte, die sich diese
Forderungen zu eigen machte, und weil der
Reichsnährstand durch das Amt für Agrarpolitik
von der Partei ausreichend unterstützt wurde.
Von der NSDAP. erst sind die starken Kräfte des
Landvolkes zur aktiven Entfaltung im ge-
schlossenen Einsatz geführt worden. Die totale
Bindung an die Partei gibt uns einzig die Ge-
währ dafür, daß die Mobilmachung der deut-
schen Bauernkraft auch in Zukunft von der
gesamten Nation gefördert und erhalten werden
wird, entsprechend der Erkenntnis: „Die Land-
wirtschaft ist die Basis des Lebens der Nation
an sich.“
Auf die enge Verbindung, die aus meiner
Wirksamkeit als erster Leiter des agrarpoli-
tischen Apparates der NSDAP. im Gau Pommern
und meiner nach der Machtübernahme erfolgten
Ernennung zum Landesbauernführer für Pom-
mern begründet ist, darf ich es wohl zurück-
führen, daß die Zusammenarbeit mit der Partei
im Gau Pommern im großen und ganzen durch-
aus befriedigend und fruchtbringend war. Den-
noch ergaben sich aber zwischendurch Fälle, die
11
1
ä
mir bewiesen, daß auf manchen Gebieten und
vor allem in solchen Kreisbauernschaften, wo
die Kreisbauernführer nicht den notwendigen
Kontakt mit den Kreisleitern behalten hatten,
mitunter ein an sich vermeidbares Nichtver-
stehen oder Nebeneinanderarbeiten mancher
guten Sache schadete, bzw. sie nicht so zur Aus-
wirkung kommen ließ, wie es im Interesse der
agrarpolitischen Gestaltung und der Wichtigkeit
aller Arbeiten zur Sicherung der Ernährung des
deutschen Volkes in jeder Beziehung sein muß.
Es darf nicht vorkommen, daß auch nur gelegent-
lich ein Redner der Partei sich zu wichtigen
Fragen der Reichsnährstandsarbeit nicht ge-
nügend ausgerichtet erweist, und auf der ande-
ren Seite darf auch bei den Politischen Leitern
kein Grund zu berechtigten Klagen darüber ge-
geben sein, daß in den Dingen der weltanschau-
lichen Ausrichtung und Schulung, der Jugend-
erziehung usw. die Erwartungen, die an die
Führung im Reichsnährstand gestellt Ren
nicht voll erfüllt werden.
Wenn solche (Erscheinungen im großen ge-
sehen ohne ernste Rückwirkungen auf das sicht-
bare Ergebnis unseres Einsatzes blieben, war das
dem im allgemeinen doch durchaus befriedigen-
den Kontakt mit dem politischen Führerkorps zu
verdanken. Wie die Verhältnisse hier in Pom-
mern lagen, so war es nach meiner Kenntnis —
in der letzten Zeit mindestens, nachdem der
Agrarpolitische Apparat in der Partei mehr und
mehr zum Ruhen gekommen war — auch in den
meisten anderen Landesbauernschaften, Der ge-
meinsame Marschweg von Partei und Reichs-
nährstand wurde zwar nur selten durch einen
falschen Schritt verunziert, es war aber doch so,
daß im Interesse der Aktivierung und zur Ver-
meidung auch des kleinsten Leerlaufes ein noch
engeres Zusammenwirken für die praktische
Arbeit dringend wünschenswert blieb, So konn-
ten wir es alle nur begrüßen, daß seit dem Vor-
jahr durch den mit der Führung der Geschäfte
des Reichsbauernführers und des Reichsministers
für Ernährung und Landwirtschaft beauftragten
Staatssekretär Backe auch nach außen hin die
dominierende Stellung der Partei für alle großen
agrarpolitischen Fragen durch die Erneuerung
des Amtes für Agrarpolitik in der Partei in der
Form des Reichsamtes für das Landvolk wieder
unzweideutig zum Ausdruck gebracht wurde.
In der kurzen Zeit seit dieser Neuregelung
haben wir eine Entwicklung erlebt, die über-
zeugend beweist, daß diese Maßnahme des
Parteigenossen Backe einem Bedürfnis ent-
spricht, das nicht länger unberücksichtigt blei-
ben durfte. Zugleich hat sie das erfreuliche Er-
gebnis gebracht, daß heute an keiner Stelle mehr
irgendwie der Eindruck entstehen kann, als ob
der Reichsnährstand vielleicht den Ehrgeiz
hätte, so etwas zu sein oder werden zu wollen,
was man einen Staat im Staate nennen könnte,
Es kann gar kein Zweifel mehr daran bestehen,
daß alle Mitarbeiter im Reichsnährstand gern
12
tums vorbehaltlos und mit allen Kräften 3
der Daseinsgrundlagen des Bauerntums für e
Krieges die agrarpolitische Gestaltung und d
und ing: Zi Së die Partei, der ih
erhaltende Arbeit letztlich ja auch 1 sch
galt, in der Führung des bäuerlichen Mensc a
unterstützen. 7 7
Wir haben noch schärfer sehen gelernt ı nd
verspüren, wie unersetzlich gerade diese >
rung der Partei für unsere Aufgaben auch auf
bäuerlich-kulturellem Gebiet ist und daß nur
durch und über die Partei der
gespannte Rahmen gewonnen werden kann, e
wir für die Erfüllung unserer bevölkerur
biologischen Berufung ebenso wie zur Sich
Zukunft brauchen. Ich möchte nur auf die ur
Führung des Reichsamtes für das Landvolk nu 0
ins Fluten gekommene Welle des bäuerlict
Berufserziehungswerkes hinweisen.
hätte bei noch so gutem Willen und noch so-
starkem und zielbewußtem Einsatz allein durch
die Reichsnährstandsarbeit niemals die Ausden-
nung und auch niemals die nachhaltige Resonanz
im allgemeinen gefunden, die jetzt bereits für
dies schicksalhafte Werk erreicht worden ist.
Es besteht wohl nirgends ein Zweifel darüber,
daß nach dem siegreichen Abschluß dies E:
30
agrarwirtschaftliche Entfaltung im Großd
schen Reich sowohl wie in den neuen Wirt d
schaftsgebieten, die uns dann im europäischen
Ostraum zur Verfügung stehen werden, nut
durch die wegbereitende Stoßkraft und unter
dem starken Schirm der Partei zu den Ergeb-
nissen geführt werden kann, wie wir alle, es zum
Segen des bäuerlichen Berufsstandes und zur
Sicherung der Fundamente des Reiches erhoffen,
das im weltgeschichtlichen Sinne einmal von
ewigem Bestand sein soll. Was das Landvolk im
besonderen anbetrifft, so werden wir auch die
ausschläggebenden Ziele der Aufrüstung des
Dorfes, der Steigerung der sozialen Leistungen
für den Bauernstand und vor allem der stärkeren
Freistellung unserer Bäuerinnen für ihre eigent-
lichen Aufgaben als Frau und Mutter nur er-
warten können, wenn die Erkenntnis dieser Not:
wendigkeiten in der Partei wurzelt, die Volks-
gemeinschaft bis zu ihrem letzten Gliede durch-
dringt und so zu lebensgesetzlicher Kraft
gedeiht.
Zusammenfassend darf ich wohl sagen: Die
Arbeit des ehrenamtlichen Bauern-
führers hat in vier Kriegsjahren die
Probe voll bestanden. Das Vertrauen, das
der Führer 1933 in die Bauern gesetzt hat, ist
durch die Leistungen in der Erzeugungsschlacht
bestätigt worden. Sämtliche ehrenamtlichen
Bauernführer sind nicht nur Parteigenossen,
sondern sie erfüllen auch ihre Aufgaben im
Vertrauen auf den Führer in tieferem Sinne als
die Treuhänder der Partei. Es wird auch
bestimmt die Anerkennung nicht ausbleiben.
So wie das deutsche Volk zur Zeit gemeinschaft-
lich seinen schweren Kampf kämpft, kann nu!
an Goode
Digitized by GOC CA
—
das Endziel voll erreicht werden, wenn die
große politische Macht, verkörpert in der
NSDAP., wie bisher die Arbeit des Landvolkes
schützt. Den organisatorischen Apparat dafür
haben wir in dem Amt für das Landvolk. Jeder
Hoheitsträger hat seinen Amtsleiter für das
Landvolk zur Verfügung, und diese enge, ver-
bindende Zusammenarbeit spornt alle an, weiter
wie bisher ihre Pflicht zu tun. E
Wenn wir nach vier Kriegsjahren auch das
Erntedankfest nicht mit lautem Jubel feiern, so
HANS-JOACHIM RIECKE:
H
kann das Landvolk doch mit Befriedigung darauf
zurückschauen, daß es ihm gelungen ist, das
Volk durch seiner Hände Arbeit satt zu machen,
und in stiller Freude steht das ganze deutsche
Volk ihm zur Seite. Uns ist es bewußt: Es geht
um die Freiheit des Bauerntums, es
geht um die deutsche Nation. Darum
kämpfen und arbeiten wir weiter für Heimat und
Scholle, für Führer, Volk und Vaterland.
“ Deutsche Bauernkraft wird auch hier ihrer alten
geschichtlichen Mission gerecht werden.
Das Landvolk
in der Front der Schaffenden
„Heut ist es, wo das Morgen, in der
Gegenwart ist es, daß die Zukunft ge-
schaffen wird.“
Carl von Clausewitz, 1808.
De beispiellose Steigerung des kriegerischen
Krafteinsatzes, die wir in den letzten Jahr-
hunderten erlebt haben, beruht nicht in erster
Linie äuf der Entwicklung der modernen Waffen-
technik seit der Erfindung der Feuerwaffen,
denn diese hat ja an der Grundforderung des
Krieges, des Einsatzes des Lebens um der Be-
hauptung des Lebens willen, nichts geändert.
Die Steigerung des kriegerischen Krafteinsatzes .
beruht vielmehr vor allem auf der immer
stärkeren Erweiterung des Kreises der
Kämpfenden bis zu der Totalmobil-
machung aller verfügbaren Kräfte, die
wir heute erleben. Noch die Kriege des 19. Jahr-
hunderts wurden trotz der Einführung der all-
gemeinen Wehrpflicht nur von Minderheiten
der kämpfenden Nationen geschlagen. In dem
gegenwärtigen uns aufgezwungenen Existenz-
kampfe gibt es keine Abseitsstellung mehr. Der
Fronteinsatz des waffenfähigen Teils des deut-
schen Volkes stellt nur einen — wenn auch den
stärksten — Ausschnitt der kriegerischen Aus-
einandersetzung dar. Hinter der Front unserer
Heere steht, auf Gedeih und Verderb untrennbar
miteinander verbunden, die Front der Schaf-
fenden in der Heimat. Zu dieser Front in der
Heimat gehören nicht nur Rüstungsindustrie,
Ernährungswirtschaft und Verkehrswesen, son-
dern gehören ebensosehr, um nur einige Bei-
spiele zu nennen, die zahlreichen Aushilfskräfte
zur Aufrechterhaltung des täglichen Lebens-
ablaufes, deren Einsatz wertvolle Kräfte für das
Heer freimacht, die freiwilligen Helfer und Hel-
ferinnen in unseren sozialen Fürsorgeeinrich-
tungen und alle, die unser kostbarstes Volks-
gut, unsere Kinder, betreuen, um diese der Be-
drohung durch den feindlichen Vernichtungs-
willen zu entziehen.
Es war den Engländern und Amerikanern vor-
behalten, mit der rücksichtslosen Anwendung
der Waffengewalt gegen die Zivilbevölkerung
ohne geringste Schonung der Alten und Kran-
ken, Frauen und Kinder die letzte Grenze zu
durchbrechen, die bisher Recht und Sittlichkeit
der Ausdehnung der Kriege gezogen hatten;
denn bisher galt es als ein unantastbares Gesetz
der Kriegführung, daß Waffengewalt nur gegen
Bewaffnete angewendet werden dürfe. Die Miß-
achtung dieses Grundsatzes hat den Kampf
mitten in die Heimat hineingetragen und den
Kreis der unmittelbar am Kampfe Beteiligten un-
geheuer erweitert. Gerade die Formen, die der
Luftkrieg angenommen hat, lehren uns das
Wesen des uns. aufgezwungenen Kriegeg er-
kennen als das eines Vernichtungs-
krieges, der sich mit allen verfüg-
baren Kampfmitteln gegen die Exi-
stenz unseres Volkes schlechthin
richtet. Dieser hemmungslose Vernichtungs-
wille bestimmt das Wesen dieses Krieges. Die
moderne Luftwaffentechnik ist dabei nur Mittel
zum Zweck. Sie ist nicht einmal das Mittel, das
diesen Wesenswandel des Krieges erst ermög-
licht hat. Im ersten Weltkriege war es die über
das deutsche Volk verhängte Hungerblockade.
die England zum gleichen Zwecke diente, und
13
diese hat — das wollen wir nicht vergessen —
ein Mehrfaches an Opfern gefordert, als uns bis-
her der Luftkrieg auferlegt hat, ohne daß damals
eine Gegenwehr möglich war.
Im Wesen dieses Vernichtungskrieges liegt es
begründet, daß dieser keinen Frieden kennt,
der dem besiegten Volke eine auch noch so be-
scheidene Existenzmöglichkeit gewährt. Schon
die „Frieden“ von Versailles und Saint Germain
waren ja nur eine Fortsetzung des Krieges mit
anderen Mitteln, Instrumente des internatio-
nalen Judentums zur ewigen Versklavung des
deutschen Volkes. Nachdem aber unsere Feinde
haben einsehen müssen, daß sich das deutsche
Volk nicht auf die Dauer in die Sklaverei herab-
drücken läßt, kennt ihr Haß nur ein Ziel:
die restlose Auslöschung der deut-
schen Volksexistenz. Zu diesem Ziele hat
sich denn auch das internationale Judentum mit
der zynischen Offenheit bekannt, die ihm nach
seiner Demaskierung durch den Nationalsozia-
lismus nur noch übrigblieb. Die „Friedenspläne“,
die die Sprecher des Judentums veröffentlicht
haben, haben daher nur bestätigt, was schon.
längst offensichtlich war, daß es in diesem
Kriege für das deutsche Volk nur ein Entweder-
Oder gibt: Sieg oder Untergang.
Totalmobilmachung deutscher Volks
kraft |
Diesem Vernichtungswillen hat der National-
sozialismus die Totalmobilmachung deut-
scher Volkskraft entgegengesetzt, deren
oberstes Ziel es ist, jeden auf den Posten zu
stellen, auf dem er seine Fähigkeiten am wir-
kungsvollsten für den Selbstbehauptungskampf
seines Volkes einsetzen kann. So ist der Krieg
die große Bewährungsprobe des
Nationalsozialismus als Sozialismus
der Tat. Diese Totalmobilmachung deutscher
Volkskraft erfordert eine bisher beispiellose
Organisationsleistung, die naturnotwendig tief
in den Alltag jedes einzelnen eingreifen muß,
um diesen auf die Erfordernisse des Krieges
auszurichten. Gerade deswegen aber ist sie
mehr als bloß eine Organisationsfrage, ist sie
eine volkserzieherische Aufgabe, deren Bedeu-
tung nicht hoch genug eingeschätzt werden
kann; denn mehr als je gilt in diesem Falle die
alte Erfahrungstatsache, daß auch die beste
Organisation letzten Endes nur die Leistung er-
zielen kann, der die Seelenstärke und Willens-
kraft der Organisierten fähig ist.
Die Kampfkraft des deutschen Volksheeres
hat von jeher darauf beruht, daß es für jeden
deutschen Soldaten ein selbstverständliches Ehr-
gebot ist, sich bis zum Letzten einzusetzen. Die
innere Überzeugung von dieser Notwendigkeit,
14
in Herz und Hirn gleich stark verwurzelt, gab
dem Soldaten nicht nur die Kraft der Bewährung
in den Stunden der Schlacht, sondern auch die
Disziplin, sein ganzes Sein den Erfordernissen
des militärischen Dienstes unterzuordnen, und
jeder, der Soldat gewesen ist, weiß, daß diese
zweite Bewährungsprobe oft die schwierigere
ist, weil hier die Beziehung zu dem letzten Sinn
des Soldatenseins nicht mehr für jeden so offen-
kundig ist wie beim Einsatz in der Schlacht.
In dieser weniger starken Unmittelbarkeit der
Beziehung zwischen dem uns aufgezwungenen
Existenzkampf und der eigenen Tätigkeit liegt
auch die besondere Schwierigkeit der Total-
mobilmachung aller Kraftreserven in der Hei-
mat; denn nur bei einem Teil der in der Heimat
Schaffenden ist diese Beziehung so klar gegeben
wie etwa bei der Rüstungsindustrie oder der
Landwirtschaft. Nahrung ist Waffel Diese
Erkenntnis, daß die Kampfkraft der Front, die
Arbeitskraft der Heimat von einer ausreichen-
den Nahrungsversorgung abhängt, ist dem deut-
schen Landvolk so in Fleisch und Blut über-
gegangen, daß sie einer verstandesmäßigen
Begründung kaum noch bedarf. Aber bei der
Übertragung dieser Erkenntnis auf
den Alltag derLandarbeit zeigt sich doch
sehr bald, daß es einer stets wachen Selbst-
kontrolle bedarf, um jede einzelne Handlung,
wie es notwendig ist, wirklich gemäß dieser Er-
kenntnis auszurichten. Immer wieder tritt an
den einzelnen die Versuchung mit der das Ge-
wissen einschläfernden suggestiven Frage heran:
Kommt es denn auf diese unbedeutende „Klei-
nigkeit“ wirklich an? Und es bedarf der Einsicht
in die Gesamtzusammenhänge der Ernährungs-
wirtschaft, um zu erkennen, daß deren Funktio-
nieren von dem reibungslosen Zusammenwirken
einer Fülle kleiner und kleinster Einzel-
maßnahmen abhängt, daß daher jeder stets so
zu handeln verpflichtet ist, als ob von ihm
allein der Erfolg oder Mißerfolg der deutschen
Ernährungspolitik abhänge.
Ist also selbst bei der Landarbeit immer
wieder eine strenge, unnachsichtige Selbstkon-
trolle notwendig, um sich der verpflichten-
den Beziehung zwischen demExistenz-
kampfunseres Volkesund der eigenen
Tätigkeit bewußt zu werden, so gilt das in
noch viel höherem Maße von zahlreichen ande-
ren Berufen. Hier bedarf die Erkenntnis, daß der
Existenzkampf unseres Volkes keinem gestattet,
sein Tun und Handeln als „Privatangelegenheit“
anzusehen, daß eines jeden Verhalten zum
mindesten mittelbar Einfluß auf den Kriegsver-
lauf hat, eines noch höheren Grades der Einsicht
in den Lebenszusammenhang der Nation.
Allerdings muß man sich darüber klar sein,
O nn u ie dee DE FE TTT
daB der Verstand allein noch keine
Bürgschaft für eine Haltung, wie sie der
Krieg erfordert, bietet. Auf der Annahme, daß
der Verstand die menschliche Haltung bestimme,
beruht einer der gefährlichsten Irrtümer des
Liberalismus. Er hat zu jener Uberschätzung und.
Uperzüchtung des Intellekts geführt, über deren
verderbliche Folgen uns erst der Verfall und das
Versagen des Bürgertums im ausgehenden Zeit-
alter des Liberalismus die Augen geöffnet hat.
Die Haltung des Menschen wird vielmehr von
einer Reihe unwägbarer Eigenschaften bestimmt,
von denen es abhängt, wie sich der Verstand
auswirkt. |
Ob ich den Eigennutzen zur Richtschnur mei-
nes Handelns wähle oder all mein Tun den
Geboten des gemeinen Nutzens unterordne, ist
eine Frage meiner Weltanschauung
und meines Lebensgefühls, und mein
Verstand ist nur Anwalt der Entscheidungen, die
diese getroffen haben. Ob sich mein Schaffen in
dem Bemühen um das eigene Wohlergehen er-
schöpft oder ob es seine beste Kraft der Sorge
um die Zukunft der Kinden und Kindeskinder
entnimmt, ob es sich in den großen Lebens-
zusammenhang unseres Volkes dienend einzu-
fügen vermag, hängt von einer Bewertung mei-
nes Lebens ab, bei der Gemüt und Geist den
Ausschlag geben, der Verstand aber nur der
Sprecher ist. OB der einzelne fähig ist, sich zu
dem höchsten Standpunkt, den Carl von Clause-
witz uns lehrt, durchzuringen, zu der Erkenntnis,
„daß einzelne Geschlechter nichts sind als ein
geringes Werkzeug der Vorsehung, daß sie
ihren Wert nur darstellen können in dem Werke,
was durch sie geschaffen wurde, daß es gleich-
gültig ist, ob das Werkzeug ein wenig früher
oder später zerbricht“, darüber entscheidet die
ganze Artung des Betreffenden, bei der die
Entwicklung des Verstandes nur ein Faktor von
vielen ist. |
Der Einfluß deutscher Bauernart
Pür die deutsche Menschenart ist die Tatsache
von schicksalhafter Bedeutung geworden, daß
das deutsche Volk als Bauernvolk seinen Gang
in die Geschichte angetreten und als solches
Jahrhunderte gelebt und gewirkt hat, so daß
sein Wesen in allen seinen Grund-
zügen durch sein Bauerntum bestimmt
und geformt worden ist. Dieser Einfluß läßt
sich daher auch in allen seinen Lebensäuße-
rungen beobachten. Seine Stärke wird durch die
Tatsache, daß er den meisten unbewußt sich
auswirkt, nicht gemindert. Er wird zudem stän-
dig erneuert; denn Jahr für Jahr strömen aus
dem Landvolk allen Gliedern des Volkes neue
Kräfte zu. Der Einfluß des Bauerntums ist daher
nicht nur eine aus ferner Vergangenheit stam-
mende Tatsache, Geht man der Herkunft der
städtischen Familien nach, so ergibt sich bei der
überwiegenden Mehrzahl, daß die zweite oder
dritte, fast mit Sicherheit aber die vierte oder
fünfte Generation vom Lande stammt. So ist
auch das starke Anwachsen der Städte an und
für sich noch kein Beweis für den abnehmenden
Einfluß des Bauerntums. Die Funktion einer
Baumwurzel wird ja nicht dadurch gemindert,
daß der Stamm, der dieser Wurzel entsprießt,
sich immer höher emporreckt, daß die Krone, die
er trägt, sich mehr und mehr ausbreitet. Aller-
dings darf auch nicht übersehen werden, daß bei
gesundem Baumwuchs sich Wurzelwerk, Stamm
und Krone in einem bestimmten Verhältnis zu-
einander befinden müssen, daß, wenn das Wur-
zelwerk verkümmert, das Wachstum des ganzen
Baumes naturnotwendig leiden muß; denn dieser
bildet ja eine organische Einheit, von der sich
kein Glied separieren kann. So ist der bäuer-
liche Einschlag, der alle Glieder unseres Volkes
bis in seine letzte Verästelung kennzeichnet, nur
der Ausdruck der naturgegebenen Einheit deut-
schen Volkstums. Wer daher deutsche Volksart
In ihrer letzten Tiefe erkennen will, muß um das
Wesen deutschen Bauerntums wissen.
Das zeigt sich in den großen Bewährungs-
stunden der Nation mit besonderer Eindringlich-
keit. An einer anderen Stelle dieses Heftes wird
den geschichtlichen Zusammenhängen zwischen
deutschem Soldatentum und deutschem Bauern-
tum nachgegangen. (Vgl. Dr. Klaus Schmidt,
Pflug und Schwert, Seite 20 ff.) Aber auch ohne
Kenntnis dieser Zusammenhänge zeigt sich
der wesenbestimmende Einfluß des deutschen
Bauerntums auf das deutsche Soldatentum in der
das ganze deutsche Volk kennzeichnenden
Grundeinstellung zum Kriege. For den
Bauern ist der Krieg weder Selbstzweck noch
Mittel zu jedem beliebigen Zweck. Der deutsche
Bauer hat stets nur dann zum Schwerte -ge-
griffen, wenn er seinen Hof, seine Familie, den
Lebenskreis seiner Heimat bedroht sah oder
wenn die Enge seines Lebensraumes ihn zwang,
neue Heimat zu suchen. Diese entschlossene
Verteidigung seiner Heimat beschränkte sich
allerdings nie auf die Sicherung lediglich der
materiellen Existenz. Der deutsche Bauer wollte
stets auf seiner Scholle mit der Selbstverant-
wortlichkeit des freien Mannes wirken. Daher
nahmen seine Kämpfe um Haus und Hof immer
wieder den Charakter von Freiheitskämpfen an.
Nur Kriege, die diesen Zielen galten,. empfand
der deutsche Bauer als gerecht, d. h. als, weil
seiner ganzen Art entsprechend, innerlich not-
wendig. Nur in solchen Kriegen gelang es, seine
ganze Kraft aufzubieten. Demgemäß ist auch
stets die Einstellung des ganzen deutschen Vol-
kes zum Kriege gewesen. Die geballte Kraft der
15
, ge e e. — — 4 — H
—
—
U nt rn SE — —
r
0 = u i
r: .r a — =
it ©. ggf — — — —
ganzen Nation mobil zu machen, ist stets nur
dann gelungen, wenn es galt, Heimat und
Freiheit zu verteidigen, neue Heimat
zu erringen. Kämpfte das deutsche Volk in
diesem Bewußtsein, so war es noch immer
unüberwindlich und wird es auch in diesem
uns aufgezwungenen Existenzkampfe sein.
Drei Grundgesetze deutscher Bauern-
arbeit
Die Anspannung aller Kräfte, die dieser Kampf
um Sein oder Nichtsein erfordert, hat nicht nur
den Soldaten an der Front, sondern jeden
Schaffenden in der Heimat zum Kämpfer gemacht.
In dieser Stunde zeigt sich daher mehr denn
je auch die schicksalbestimmende Bedeutung,
die der Einfluß deutscher Bauernart auf die
Arbeitsauffassung des deutschen Vol-
kes hat. Arbeit und Leben stehen für den
Bauern in einem so unmittelbaren ursäch-
lichen Zusammenhang, daß für ihn die Auf-
fassung der Arbeit als Dienst am Leben eine
naturgegebene Selbstverständlichkeit ist, die
keiner Begründung bedarf. Bäuerliche Pflicht-
treue ist daher Ausdruck des Willens zum Leben
und wird nicht etwa als Verdienst empfunden.
Nur so ist es erklärlich, daß der Bauer seine
Arbeit zu leisten vermag, ohne daß er jemals
mit Sicherheit weiß, ob die Natur diese Arbeit
mit der erhofften Frucht segnen wird. Er weiß
nur eins: Wer leben will, muß arbeiten.
So fühlt sich der Bauer stets in der Hand eines
allwaltenden Schicksals, das den Arbeits-
unfähigen ebenso wie den Arbeitsunwilligen als
untauglich oder unwürdig zum Leben unerbitt-
lich zerbricht. Nichts lag dem Bauern ferner als
etwa Gotteslästerung, wenn er den Spruch ge-
prägt hat: „Hilf dir selbst, dann hilft dir auch
dein Herre Gott.“ Der Bauer erlebt es ja stets
von neuem am eigenen Leibe, daß Gott nur
in den Starken mächtigist.
Das zweite große Gesetz aber, unter
dem seine ganze Lebensarbeit steht, beruht auf
der Erkenntnis, daß, wie sein eigener Arbeits-
erfolg aufbaut auf der Arbeitsleistung seiner
Ahnen, er selbst mit seinem Schaffen berufen
ist, den Grund zu legen für das. Wirken seiner
Kinder. So wächst der Bauer mit seinem Werke
über sich hinaus und greift gestaltend ein in
eine Zukunft, die er mit eigenen Augen nicht
mehr erlebt. So lernt er aus ureigener Erfahrung
heraus in Geschlechtern denken. So
weitet sich für ihn die Erkenntnis: „Wer leben
will, muß arbeiten” zu dem Gebot: „Schaffe,
damit deine Kinder zu leben haben.“
Dieses Wissen um die Einordnung seiner
Lebensarbeit in den großen Lebensstrom von
Geschlecht zu Geschlecht bewahrt den Bauern
16
schichte.
nicht nur vor kurzsichtigem Raubbau am Boden,
der wohl reiche Väter, aber arme Söhne macht,
sondern gibt ihm Kraft und Mut, sich an Werke
heranzuwagen, die er nie anpacken würde, wenn
für. sein Schaffen nur der persönliche Lebens-
erfolg ausschlaggebend wäre, So geht von der
Erkenntnis, daß die eigene Arbeitsleistung viel-
fältig in der Arbeitsleistung der Kinder fort-
wirkt, der Antrieb zu einer steten Lei-
stungssteigerung aus, die den deutschen
Bauern zum Pionier intensivster Landeskultur in
der ganzen Welt gemacht hat.
Wie so als Dienst am Leben die Arbeit zum
Dienst an der Familie wird, so wird sie in wei-
terer Konsequenz zum Dienst in und an den über
dıe Familie hinausgreifenden Lebensgemein-
schaften wie Nachbarschaft, Dorf, Berufsstand,
die die Zellen des .Volksorganismus bilden.
Damit ist dast dritte Gesetz gegeben, unter
dem die bäuerliche Arbeit steht: der Dienst
in und an den Lebens gemeinschaften,
die in ihrer letzten großen Zusammen-
fassung sich zur Volks gemeinschaft
ausweiten. Auch dieses dritte Gesetz gründet
sich auf das unmittelbare Erleben des
Bauern. Die großen Kulturleistungen des deut
schen Bauerntums — es sei nur an die Geschichte
der Ostsiedlung erinnert — sind in erster Linie
der Kraftkonzentration zu verdanken, die sich in
den bäuerlichen Lebens gemeinschaften vollzog.
Um die Bedeutung der Gemeinschaft für den
Lebenskampf zu erkennen, bedarf der Bauer
aber nicht erst des Rückblickes in die Ge
Jedes Bauernleben bietet Beispiele
genug, was eine gute Nachbarschaft, eine fest-
gefügte Dorfgemeinde in Zeiten, die höchste
Kräfteanspannung erfordern, zu leisten vermag,
und der Krieg unterstreicht diese alte bäuerliche
Lebenserfahrung mit besonderem Nachdruck.
So war für den deutschen Bauern von jeher
ein fester genossenschaftlicher Zusammenhalt in
den verschiedensten Formen nicht etwa der
Ausdruck sentimentaler Schwarmgeisterei, son-
dern Ausfluß der Erkenntnis, daß das Schaffen
in Gemeinschaft zu höchster Leistungssteigerung
befähigt. Die bäuerlichen Lebensgemeinschaften
entsprangen nicht dem Anlehnungsbedürfnis
von zu selbständiger Tat unfähigen Schwäch-
lingen, sondern dem Willen ihrer persönlichen
Leistung wohlbewußter Starker, durch festen
Zusammenschluß noch stärker zu
werden. So ist es auch erklärlich, daß gerade
der deutsche Bauer mit seinem so ausgeprägten
Selbständigkeitsdrang, der in dem Bewußtsein,
Herr auf eigener Scholle zu sein, seinen höchsten
Ausdruck findet, in so reichem Maße genossen-
schaftliche Lebensformen entwickelt hat. Als
Gebot bäuerlichen Lebenskampfes, als Willens-
bekenntnis zu höchstmöglicher Leistungssteige
r „
i
e
Julius Paul Junghanns
Lob der Bauernarbeit”
von Walter Horn
A, dem steilen Berghang sind die Mäher am Werk. Vor dem tiefblauen Himmel, in der
klaren reinen Luft des Hochgebirges, klingt der feierliche Rhythmus der bäuerlichen
Arbeit. Mit kühnen, klaren Linien sind die Gestalten der drei arbeitenden Bauern um-
rissen, mit zügigem Schwung verrichten die kräftigen Mähergestalten ihr schweres
Tagewerk. Hellgrün glänzt das frisch gemähte Gras, weiß leuchten die Hemden aus derbem
Leinen in der Sonne. Was die Kraft der Farben auszusagen vermag, was die vom Künstler
geformte Linie unserer Phantasie an Erlebniswerten vermitteln kann, hat Albin Egger-
Lienz in seinem Bild „Bergmäher' zu einem Symbol von einmaliger Ausdrucksfülle ver-
dichtet. Es gibt wenige Bilder, in denen der Verzicht auf alle malerischen Effekte, auf
Rührung des Gemüts und poetisch lyrische Stimmungen so kompromißlos durchgeführt
worden ist. Die Kraft der reinen Formen, von aller Zufälligkeit und kleinlichen Alltäglich-
keit befreit, redet eine erhabene Sprache. Das Werk des Bauern, in die Urgewalt der
Landschaft gestellt, ersteht als künstlerisches Sinnbild in elementarer Größe, ein Hymnus
der bäuerlichen Arbeit, ein Andachtsbild für den erdverbundenen Menschen, ein Preislied
auf die Arbeit des Landmannes, wie es in der Kunst niemals schlichter, sparsamer und
ergreifender geformt worden ist.
Die Kunst gibt einen zuverlässigen Maßstab für den Besitz des Volkes an seelischer Kraft
und schöpferischer Eingebung. Was die Gemeinschaft im Innersten bewegt, offenbart sich
im Spiegel der bildnerischen Impulse. Aber wie weit auch der Künstler die Grenzen seiner
schöpferischen Einsicht steckt, im Mittelpunkt seines Ringens um ein gültiges Abbild des
Weltgeschehens steht immer der Mensch. Kunst kann Ausdruck des Gefühls sein. Im
höheren Sinne strebt sie nach einer Ordnung und Klärung der sichtbaren Wirklichkeit.
fe ~y
24 14 0 CX Ten? (9
Digitized by NJI U OU XI
Se d — `
Pflüger
Die echte Kunst will umgeformtes seelisches
Erleben vergegenwärtigen, schöpferische
Spannung, die zur Gestaltung drängt, klare
Form, die innere Klarheit voraussetzt. Des-
halb bemüht sich der Künstler nicht nur um
das Abbild des Menschen, sondern er er-
kennt eine hohe und verpflichtende Auf-
gabe, ihn tätig und schaffend darzustellen,
einer Leistung gerecht zu werden, die im
Dienste der Gemeinschaft vollbracht wird,
So erleben wir die Kunst als ethisches
Bindeglied zwischen dem Lebenskreis der
Persönlichkeit und dem Volksganzen.
Es ist bemerkenswert, daß Wilhelm
Leibl, der bedeutendste Maler bäuer-
licher Charaktere, für sich die Darstellung
des arbeitenden Bauern abgewiesen hat.
Dieser um seine innere schöpferische Voll-
endung ringende Meister meinte der Eigen-
art des erdverbundenen Menschen nur mit
den Mitteln künstlerischer Charakterisie-
rung gerecht zu werden. Der Wert der Per-
sönlichkeit offenbarte sich der individua-
listischen Epoche vor allem im Porträt, in
einer sorgfältigen Darstellung der äußeren
D
Georg Ehmig Der Sensendengler
Willy Waldapfel Erntesegen
Leonhard Sandrock
Mittagspause am Dampf-Pflug
Wesenszüge, die auch eine Ahnung vom inneren Gesicht, vom seelischen und charakter-
lichen Eigenwert des Menschen vermittelt. Das schlechte Beispiel der süßlichen und
verflachten Bauerndarstellung um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hat selbst einen
Leib] abgeschreckt, den bäuerlichen Menschen in seiner Arbeit darzustellen. Der kom-
pr Öse und einsam um die Verwirklichung seiner Aufgabe bestrebte Leibl lehnte jede
lerische Darstellung, die den bäuerlichen Menschen in eine tätige Beziehung zu
er Arbeitswelt setzte, als einen billigen Tribut an unkünstlerische Gefühlswerte ab.
bb hatte die Erfahrung eines langen, mühseligen Arbeitslebens unter den Bauern der
oberbayerischen Landschaft hinter sich, als er seinem künstlerischen Bemühen um ein
Gültiges Abbild des bäuerlichen Menschen bewußt enge Grenzen zog. Die Darstellung des
Andmanns als wirkende und tätige Persönlichkeit, das uralte heilige Handwerk an der
Erde im unabänderlichen Rhythmus von Saat und Ernte, muß auf anderen künstlerischen
Grundgesetzen aufbauen, als sie Leibl seinem schöpferischen Wesen gemäß empfand. Die
Verkörperung des tätigen Menschen, die schöpferische Bezwingung der kraftvollen
Arbeitsbewegung, die unser Auge als eine rastlose Folge von Eindrücken in sich aufnimmt,
| die Malerei zwangsläufig in den Bereich der monumentalen Gestaltung. Der
Rhythmus des Schaffens will einen Widerklang im Gefüge des Bildes finden. Die bedrän-
gende Vielgestaltigkeit des Tuns, von dem die Photographie einen Sekundenausschnitt
letet, muß sich im Bild gleichsam als Akkord einer leiseren und gemäßigteren Formung
der Linien vergegenwärtigen. Deshalb strebt die monumentale Malerei vom Abbild des
Geschehens zum Sinnbild, von der bewegten Form zur strengen Linie, vom flüchtigen
Erfassen der Gegenwart zur Vergeistigung und Verinnerlichung.
Nun haben die Künstler unseres Volkes seit alter Zeit die harte Arbeit des Bauern immer
teder mit naiver Ursprünglichkeit dargestellt, weil sich in der Arbeit auf Acker und Feld
die Sorge des Menschen um Nahrung und Brot am sinnfälligsten offenbarte. Schon vor
709 Jahren hat ein unbekannter Meister an der Fassade des Straßburger Münsters, an den
Sockeln des Reigens der klugen und törichten Jungfrauen, die ewige Wiederkehr der
zwölf Jahresmonde in sinnbildlichen Darstellungen der Bauernarbeit im Jahreslauf ver-
körpert. Uraltes, bildgewordenes Volksgut, ein kräftiges und natürlich-derbes Loblied auf
die Arbeit des Landmannes, klingt auf ungezählten Holzschnitten, Stichen und Tafel-
bildern, in Bilderhandschriften und auf Kalenderblättern volksliedhaft wider. Wie alle
Kunst, die noch am naiven Ursprungsort des schöpferischen Bildens verharrt, bleiben diese
alten Darstellungen der Bauernarbeit im Bereich des einfachen künstlerischen Vorwurfs,
über den der Künstler fabulierend berichtet, ohne das Motiv durch eine bewußte ästhe-
tische Durchformung vor den Augen des Betrachters zu erhöhen und zu vergeistigen. Auch
wo die Darstellung der Bauernarbeit einen moralisierenden Charakter gewinnt, wo bauern-
feindliche Bestrebungen der Zeit den Maler zu karikierender Verzerrung verführen oder
wo der Künstler vor der harten Wirklichkeit in das vermeintliche Idyll des Landlebens
flüchtet, bleibt der künstlerische Wert der Darstellung auf formale Wesenszüge beschränkt
und kann sich von der Enge individueller Begrenzung nicht frei machen. Auch die mit
Recht gerühmten niederländischen Bauernmaler des 16. und 17. Jahrhunderts, die Feniers,
Brouwer, Ostade, spiegeln in ihrem Werk bei hohem künsterischem Eigenwert ihrer Bilder
immer noch eine zeitgebundene Auffassung von Bauernleben und Bauernarbeit, die von
einer ethischen Wertung des bäuerlichen Schaffens weit entfernt ist.
Aus dem Erscheinungsbild dieser erdhaften Darstellungen bäuerlicher Menschen erhebt
sich einsam und groß das Werk des Pieter Breughel, der den Ehrennamen „Bauern—
Breughel” trägt. In seinen Bildern offenbart sich überraschend, mit elementarer Kraft, eine
unbefangene Darstellung des Bauernlebens. Das bäucrliche Dasein wird in seiner Mühe
Carl Ederer Am Marktplatz
gheit, in seiner Lebensfülle und überquellenden Kraft mit sittlichem Ernst be-
Die Bauernarbeit in der üppigen Landschaft Brabants, die Breughel mit der
nigen Versenkung des Genies in das urtümliche Wesen bäuerlicher Menschen
gewinnt durch schöpferische Verinnerlichung den Rang eines Beispiels von
yralischer Sinnbildlichkeit. Die unbestechliche Sachlichkeit dieser Darstellung der
n Lebenswelt weiß mit scheinbar altertümlichen Ausdrucksmitteln vollendet
Wirkungen zu erzielen. Hier wird zum erstenmal in der Kunst ein Bauer geschil-
als Herr und Diener der Natur sich über allem Irdischen als tätige Lebensmacht
‘oße Vorbild Breughels hat im vorigen Jahrhundert in Frankreich einen künst-
ı Nachhall gefunden, in dem sich lebendiges Empfinden für die Überlieferungs-
oßer Vorbilder mit einem ernsten Bemühen um neue Ausdruckswerte verbindet.
orfe Barbizon fand sich ein Kreis von Malern, betreut von einer deutschen Wirtin,
»emühte, in dem arbeitenden Bauern mehr als eine Staffage der Landschaft zu sehen
;chaffende Werk des Menschen in der Natur mit sparsamen künstlerischen Mitteln
cken. Millet war der bedeutendste dieser französischen Bauernmaler. Seinen
ler Landarbeit eignet ein andächtiger Wesenszug, das ernsthafte Bemühen, mit
enen Mitteln viel auszusagen. Doch soll man die zeitgebundene soziale Tendenz
lder Millets nicht übersehen, die vor der Last der Arbeit einen Ausweg sucht, ohne
che Kraft des bäuerlichen Werktags als schicksalhaft zu empfinden. Ein Brief
pricht diesen Zwiespalt deutlich aus: „Auf den bestellten Feldern... erblicken
ende, hockende Gestalten. Von Zeit zu Zeit sehen Sie, wie sie sich das Kreuz
urechtrücken, wie man sagt, und den Schweiß mit dem Rücken der Hand ab-
Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen! Ist das die fröhliche,
sene Arbeit, an die manche Leute uns glauben machen möchten? Und doch befindet
de hier auch die wahre Menschlichkeit, die große Poesie.“
bt Millets Verdienst, daß er den Bauern nicht im Sonntagsgewand, sondern bei der
»malt hat, nach einer ernsten und innerlichen Auffassung des Landlebens strebend.
Die Bergmäher
Rudolf Schramm-Zittau
Dieses schlichte Wesensbild des bäuerlichen Menschen wurde von der deutschen Malerei
zu einer neuen, ernsten und wahren Kunstauffassung vertieft. Leibl und Uhde, die Maler-
kreise in den Dörfern Willingshausen, Worpswede und Dachau, Heinrich von Zügel und
seine Schule in dem rheinischen Dorf Wörth haben einer elementaren künstlerischen
Deutung und ethischen Begründung der Notwendigkeit des bäuerlichen Tuns den Weg
gebahnt. Diesen Künstlern danken wir, daß die unechte und verlogene Schilderung des
Bauernlebens, die für viele Jahrzehnte das Feld der Kunst als süßliche Situationsmalerei
und redseliges Panorama beherrschte, von einer künstlerisch gestalteten Lebenswirklich-
keit abgelöst wurde.
Albin Egger-Lienz, ein echt bäuerlicher Mensch, in einem kleinen Tiroler Dorf
geboren und von Kind auf mit den Mühen und Gefahren der Bergbauernarbeit vertraut,
hat als erster deutscher Maler den Weg zur monumentalen Darstellung der bäuerlichen
Arbeit konsequent bis zur Vollendung durchschritten. Er erkannte die Aufgabe des
Künstlers, die Welt der Sichtbarkeit zu einem Ausdruck zu entwickeln und von allem
Zufälligen zu befreien. Höchste künstlerische Aufgabe erschien ihm, ein Sinnbild des
Menschen zu schaffen, der mit der Arbeit seiner Hände der Erde das Brot für sich und sein
Volk abringt. Sein künstlerischer Ernst verleiht den schlichten Handhabungen der bäuer-
lichen Arbeit Größe und Dauer. Vor der Unermebßlichkeit der Natur kann nur die erhabene
Arbeitsmühe des Bauern bestehen. Egger-Lienz hat, wie einer seiner Biographen auf-
zeichnet, den Stadter" als einen künstlerisch für ihn kaum in Betracht kommenden
menschlichen Vorwurf bezeichnet, den Arbeiter ausgenommen, denn dieser erschien ihm
wie der Bauer als das Abbild des werktätigen Menschen, „dessen Daseinsberechtigung
schon durch den physischen Ausdruck seiner Arbeitsleistung gegeben ist“. „Seine Glied-
maßen, seine Haltung, sein Gang, das alles ist auf den täglichen Lebenskampf eingestellt
und daher noch unverbildet, noch nicht überkultiviert.“
Wenn man die monumentalen Gemälde der Bauernarbeit von Egger-Lienz mit Bildern
Frau mit Ziege
Carl Kayser-Eichberg Pflügender Bauer
Millets vergleicht, spürt man, wie der Deutsche alle Fesseln der zufälligen Erscheinung
gesprengt hat, nach einer großgefügten Ordnung des Bildganzen strebt, die den arbei-
tenden Bauern und seine Landschaft gleichsam von neuem schafft. Der Sämann schreitet
über den Acker und streut mit weitausholender Gebärde das Korn. Der Pflüger mit dem
Ochsengespann steht einsam zwischen Himmel und Erde auf seinem Acker wie ein grauer
Felsblock. Die Bergmäher, fast nur Silhouetten vor dem dunkelblauen Himmel, führen die
Sensen mit sausendem Schwung durch das frische Gras, so handgreiflich im rhythmischen
Einklang und Widerklang der linearen Umrisse dargestellt, daß man die Bewegung ihrer
angespannten Arbeitsenergie förmlich zu sehen und hören vermag. Der alte Bauer mit dem
breitkrempigen Hut tritt am Feierabend wie ein riesenhaftes Urwesen, ein Mensch aus
Fülle und Kraft, über die Schwelle seines Hauses und erhebt die arbeitsharte Hand zur
segnenden Gebärde. Die wenigen starken Farben, in denen Egger-Lienz alle Kraft sammelt,
verklingen mit den Jahren, am Leben reifend, zu einem tonigen Erdbraun. Das ist die Farbe
des heimatlichen Bodens, die „Eggerfarb‘, die der Vater des Künstlers, der Dorfmaler, ihm
einstmals als Ausdruck bäuerlicher Empfindungen gerühmt hat. Egger-Lienz hat zu einem
Freund von dem Wesen dieser Bauernmalerei gesprochen: „Sie sehen da, wie ich nicht
am Modell klebe und nicht am Detail, sondern durch die Form aus der Natur das Symbol
des Charakters und umgekehrt den Charakter des Symbols herausreiße... Das organische
Leben des Menschen wie der Dinge liefert mir das Material zum Bau meiner Form, aber
ich halte mich durchaus nicht an den optischen Eindruck, an das äußerlich Sichtbare, ich
schmelze um, ich baue auf, verdeutliche, beseele, versinnbildliche... das Gewöhnliche,
das Alltägliche zum Symbol, zum Dauernden, zum allgemein Gültigen. Ich trachte, Wahr-
heit in der Klarheit und Klarheit in der Wahrheit zu geben.“
In der Bauernmalerei unserer Zeit wirkt diese große Überlieferung fort, bereichert um
neue Wesenszüge, die eine Einsicht in die ethische Bestimmung der bäuerlichen Arbeit
erkennen lassen. Viele deutsche Künstler unserer Zeit, die den Bauern und seine Arbeit
schildern, haben auf dem deutschen Dorf inmitten des Landvolks ihre schöpferische Heimat
gefunden. Vor allem die alljährlich im Sommer stattfindende Große Deutsche Kunst- =
ausstellung im Münchener Haus der Kunst zeigt in Bildern der Bauernarbeit immer
wieder Beispiele einer volksnahen Kunstgestaltung. Auch die diesjährige Münchener
Ausstellung hat das Erscheinungsbild der deutschen Kunst durch eine Reihe von Gemälden
bereichert, die Bilder des ländlichen Alltags und Sinnbilder aus dem Kreislauf des bäuer-
lichen Jahres sein wollen. Sie mahnen den Beschauer: Ehre das Landvolk, dessen Arbeit
das Leben des Volkes sichert!
l
í
$
i
`
Manche Künstler bedienen sich stimmungsgebundener Ausdrucksmittel und lassen uns
Mensch, Landschaft und Himmel als stillen Zusammenklang in der heißen Mittagsstunde
der Erntezeit erleben. Andere Maler streben nach einem harmonischen Bildgefüge, dessen
innere Ordnung in monumentaler Sprache den Sinn des bäuerlichen Lebens, den Segen
der Bauernarbeit und die Fülle der Ernte kündet. Dabei zeigt Leonhard Sandrock als ein
Künstler der älteren Generation, der als Industriemaler wegweisend geworden ist, daß die
Bauernarbeit auch in ihrer modernen Form ein dankbares Motiv des Künstlers sein kann,
daß die Zusammenarbeit von Landarbeit und Technik der Kunst dankbare Vorbilder gibt.
Die künstlerische Eindringlichkeit, mit der in unseren Bildern die Bauernarbeit geschil-
dert wird, vermag im Betrachter ein seelisches Erlebnis zu wecken. Als schöpferisches
Zeugnis vom Leben des Volkes werden diese Gemälde der Aufgabe der Kunst in ernster
Zeit gerecht.
d" w wc u _ e Jr e: gf mg
— 4 "
Ze VE ay
re e
Rudolf Hermann Eisenmenger Schafhirl
rung will daher auch das oberste Gesetz aller
genossenschaftlichen Zusammenschlüsse des
Bauerntums von alters her verstanden sein, das
Urgesetz deutschen Sozialismus: Gemeinnutz
geht vor Eigennutz. Aus dem Willen zu
höchster Kraftentfaltung erklärt sich die eiserne
Entschlossenheit, mit der dieses Gesetz von den
Vertretern der bäuerlichen Eigengerichtsbarkeit
und Selbstverwaltung gehandhabt wurde. Es ist
daher auch kein Zufall, daß Aufstieg, Nieder-
gang und Wiedergesundung des deutschen
Bauerntums aufs engste mit der Entwicklung
der bäuerlichen Lebensgemeinschaften zusam-
menhängen.
So kennzeichnet die bäuerliche Arbeitsauf-
fassung die Arbeit als Dienst in dreifacher Be-
ziehung: als Dienst am Leben und daher als
Dienst an der Familie und in weiterer Konse-
quenz als Dienst in und an den volklichen
Lebensgemeinschaflten. Damit aber wird die `
Bauernarbeit zum dreifachen Dienst am Volke.
Diese Dreieinigkeit des Dienstes ist dem deut-
schen Bauerntum eingeboren. Sie ist kein Ver-
dienst, sondern des Bauern Natur. Gerade darin
aber besteht die schicksalbestimmende Bedeu-
tung der bäuerlichen Arbeitsauifassung für den
Lebenskampf unseres Volkes.
Bäuerliche Arbeitsauffassung und
deutsches Arbeitsethos
Mit dem bäuerlichen Blutstrom ist auch das
Blutserbe der bäuerlichen Arbeits-
auffassung in alle Teile des deutschen
Volkes übergegangen und hat seine Kraft
auch in den so anders gearteten städtischen
Lebensverhältnissen im Dienste am Volksganzen
vielfältig bewährt. Wenn wohl kein anderes
Volk wie das deutsche so sehr geneigt ist, seinen
Lebensinhalt in der Arbeit zu suchen, so ist
diese Einstellung, die von jeher das Rückgrat
deutscher Leistungsfähigkeit gebildet hat, ein
Widerhall der bäuerlichen Arbeitsauffassung,
für die Leben und Arbeit eine lebens-
gesetzliche Einheit bildet. Wenn deutsches
Wesen dahin gekennzeichnet werden konnte,
daß Deutschsein heißt: eine Sache um ihrer
selbst willen tun, d. h. aus innerer Not-
wendigkeit heraus und nicht um des Erfolges
willen, s0 spricht daraus das aus deutscher
Bauernart stammende Pflichtbewußtsein, das
dem Ruf des Ackers gehorcht, ohne zu wissen,
ob die dem Acker anvertraute Saat mit Frucht
lohnen wird, weil das Leben es so gebietet.
Wenn im Deutschen immer wieder die Sehn-
sucht mächtig zum Durchbruch kommt, durch
sein Werk das Wohl der Kinder und
Kindeskinder zu unterbauen und zu
5 chern, so folgt das deutsche Volk dem alten
usrlichen Lebensgebot, für die Ernte auch der
folgenden Generationen vorzusorgen.
Die stärkste Allgemeinauswirkung der bäuer-
lichen Arbeitsauffassung aber erleben wir im
deutschen Sozialismus in seinen ver-
schiedenen geschichtlichen Erscheinungsformen,
der immer wieder den Grundsatz „Gemeinnutz
geht vor Eigennutz“ zum L&bensgesetz des gan-
zen deutschen Volkes erhoben hat. Aber
es wäre nie möglich gewesen, diesem Le-
bensgesetz die notwendige allgemeine An-
erkennung zu verschaffen, die dieses in den
groBen Epochen deutscher Geschichte stets ge-
funden hat, wenn die innere Bereitschaft
zur Anerkennung dieses Gesetzes dem deut-
schen Volke nicht als Erbe deutscher Bauernart
im Blute gelegen hätte. So. hat auch die volks-
wirtschaftliche Arbeitsteilung, wie sie sich
durch die Herausbildung der Städte und die
fortschreitende Industrialisierung vollzog, nur
deswegen zu einer gewaltigen Leistungssteige-
rung der Nation geführt, weil die Idee der
Gemeinnützigkeit das sittliche Fundament
der deutschen Arbeitsauffassung bildete. Ohne
diese Vorherrschaft des gemeinen Nutzens be-
steht die Gefahr, daß die volkswirtschaftliche
Arbeitsteilung, wie das durch den National-
sozialismus überwundene Zeitalter des Liberalis-
mus warnend beweist, zur Aufspaltung des
Volkes in gegenseitig sich bekämpfende Inter-
essentenhaufen führt. Die revolutionäre Kraft
des Nationalsozialismus, in dem der deutsche
Sozialismus seine intensivste Ausprägung ge-
funden hat, aber beruht gerade auf der
Wiederausrichtung des Blickes aller
Schaffenden auf das Wohl des Volks-
ganzen.
In diesem Sieg der Idee des gemeinen Nutzens
offenbart sich die trotz aller Irrungen und Wir-
rungen des Liberalismus ungebrochene
Kraft des deutschen Blutes. Sie wird
sich auch in dem Schicksalskampfe der Gegen-
wart bewähren und das ganze deutsche Volk
zur Hergabe des Letzten befähigen. Der deutsche
Bauer kennt in diesem Schicksalskampf nur ein
Bestreben, sich an Pflichttreue durch niemanden
überbieten zu lassen. Er fühlt sich in diesem
Bestreben einig mit allen Deutschen, die diesen
Namen verdienen, auf welchem Posten sie auch
stehen mögen, sei es als Soldat an der Front,
sei es als Schaffender in der Heimat. Er weiß
mit dem ganzen deutschen Volke, daß die Zu-
kunft so sein wird, wie wir die Gegenwart
meistern, mehr noch, daß, wenn wir des Heute
nicht Herr werden, uns kein neuer Morgen auf-
leuchtet. In diesem Wissen aber liegt auch die
Gewißheit des Erfolges; denn der deutsche
Bauer braucht nur seiner selbst getreu
zu bleiben, um seine Aufgabe in der Front
der Schaffenden zu erfüllen,
17
—
D
= Auen — — .
Deh SP em e e
Tun Aa ve — em
— ~
=m = yrr T
— —— 22 — — —
ie a
—
e e
TEN N R ——— — — — o
Der — + H
-
— -
AC —
EK SA
>
-e
wr
HANNS JOHST:
Die Quelle unserer Kultur
ls die Verstädterung begann, löste
sich die Zivilisation von der Kultur,
das technische Element vom einfachen
Leben. Das Brot, das auf dem Lande heute
noch kultisch vom Bauer als Korn gesät, ge-
erntet, gemahlen, als Teig geknetet, geformt
und gebacken wird, das gleiche Brot ist
Massenware, die elektrisch am laufenden
Bande fabrikmäßig hergestellt wird. Dieser
Unterschied etwa charakterisiert so Geist
wie Seele, so Symbol wie Gehalt, so Natur
wie Technik, so Zustand wie Fortschritt.
Wir ländlichen Leute sehen heute noch
die Dinge so ursprünglich wie vor tausend
Jahren. Eine Quelle ist uns heute noch eine
Quelle, und kein Gleichnis für Forschung,
kein Quellennachweis. Die Dinge sind uns
alle noch sinnfällig, eindeutig und gegen-
ständlich. Das heißt, sie stehen gegen uns,
und wir müssen sie meistern im handwerk-
lichen Sinne, wir müssen ihrer Herr wer-
den, sie aus dem Wege räumen oder sie
nutzen, aber wir sehen sie nicht symbolisch.
Das Leben ist unmittelbar lebendig ge-
blieben. Das Dasein ist keine Hausnummer
in einer kasernenhaften Mietwohnung,
keine Telephonnummer geworden. Der
Nachbar ist der Originalität verhaftet ge-
blieben und hat sich zu keinem Titel oder
irgendeiner Charge .oder einem Klischee
verwandelt. Die Originalität, das Ursprüng-
liche ist bei uns auf dem Dorfe zu Hause.
Kultur ist aber nichts anderes als bewußt
gewordene oder zum Bewußtsein ge-
meisterte Ursprünglichkeit. Sich selber und
seine Beziehungen zu den Dingen der Um-
welt erleben und dieses Erlebnis in seinen
Grundrissen und seinem Plan nachgestal-
ten, das eben ist das schöpferische Moment,
das wir als Kulturaufgabe ansprechen. Daß
die Fassungen, das Erfassen und das Auf-
fassen der Dinge, der Gegenstände unserer
Umwelt, sich ständig verändern, diese Tat-
sache ergibt den Wandel im Wesen der ver-
schiedenen Kulturepochen.
Wer sich daher mit Kultur oder Kultur-
kreisen befaßt, muß zurück zum Ursprüng-
lichen. Er muß sich selbst als Einfalt beob-
achten und das Vielfältige seiner zur zwei-
18 `
f
ten Natur gewordenen zivilisatorischen
Routine ablegen, um von diesem unkompli-
zierten Standpunkte aus sein und das Leben
überhaupt in die Hand zu nehmen.
Ja, in die Hand nehmen; er muß alle Be-
griffe wieder zu Griffen, zu - Handgriffen
machen, die Eindrücke hinterlassen. Ein-
drücke in den Gegenständen, um deren Be-
tracht es ihm geht. Das Oberflächliche muß
überwunden und die Fläche wieder Mittel
zum Zweck des Inhaltes werden. Flächen
bedeuten immer Inhalte, und Inhalte haben
Sinn. Diese Sinngebung ist Kultur.
Den Dingen und ihrem Raumanspruch, `
ihrem wirklichen Inhalt, ihrer inneren Hal-
tung Sinn geben, bedeutet einen schöpfe- `
rischen Akt, stellt eine Gabe von höchster
kultureller Deutung und damit Bedeu- RS
tung dar.
Der verstädterte Mensch geht etwa E
das Land, um Motive für sein Atelier zu
holen, um für seine Heime (der Heimat ging
er verlustig) Kultur anzureichern. K
Was malt er eigentlich? s
Er malt immer und überall die kulturelle
Leistung des Landmannes. Er malt nämlich
eine Landschaft, die in jeder Einzelheit das
Werk, das Meisterwerk ihres Bauherrn, des
Bauern, ist. Der Bauer hat das Gesicht und.
das Gesetz der Landschaft bestimmt. Der
Bauer, und niemand anders, hat die Flächen
verteilt in das Geviert der Felder. Er hat
den Waldsaum gemeistert, er hat den Wald
selbst in seiner Mischung, Farbe und Struk-
tur wachsen lassen. Er hat den Obstbaum
gesetzt, er hat den Johannisbeerstrauch ge-
pflanzt. Er hat die Stelle der Brücke be-
stimmt, den Fußweg abgeschritten, die erste
Straße in ihrer Zielsicherheit, ihren Bedin-
gungen gelegt. Er hat die Mühle an den
Bach gebaut, genau an der Stelle, die der
verstädterte Mensch dann schön, idyllisch,
poetisch oder malerisch findet.
Alles, aber auch alles ist jahrhunderte-
altes, natürliches, naturverbundenes Kul-
turgut des Landmannes, so weit das Auge
über das offene Land hinschauen mag. Die
Städter geben nur Maltechnik dazu, Finger-
fertigkeit und den Holz- oder Gipsrahmen. `
Ich spreche keiner Romäntik der bäuer-
lichen Kultur das Wort. Beileibe nicht. Ich
weiß genau, was ein Kuhfladen ist und daß
Hühnerdreck kein französisches Parfüm ist;
ebenso, daß man bei uns auf dem Lande auf
manchen Feldwegen bei schlechtem Wetter
im Dreck stecken bleibt und nicht in hym-
nischem Rohstoff.
Kein Wort gegen den Fortschritt der
Technik. Die Elektrizität ist eine feine,
saubere Sache, ein nüfzliches Ding. Aber
alle diese technischen Errungenschaften
haben mit der quellenden ewigen Anregung
der immer primitiven, aber schöpferischen
Natur, der immer verrätselten und wunder-
vollen, weil voller Wunder, geheimnis-
vollen Natur nicht das geringste gemein-
sam. Die Zivilisation des sogenannten
modernen Lebens, des Lebens auf der sozio-
logischen Gesellschaftsebene des Asphalts,
ist eine großartige Tatsache, durch die eine
bestimmte Spezies von Künsten zur Welt
gefördert werden wird, die als Zukunfts-
musik ganz bestimmte Perspektiven eröff-
net. Sie interessiert hier nicht. Daneben
wird der Ruf, der Hilferuf: Zurück zur Na-
tur, immer wieder durch die Jahrhunderte
klingen.
Denn immer wieder wird der Musiker
nicht nur die Geräusche der Motoren und
Propeller, der Sägen und Elektrischen zur
Symphonie zwingen wollen, sondern immer
wieder auch wird der Wind über den Wip-
feln und das Lied der Vögel am Morgen
zum Akkord auffordern, und dem Atmen
des Himmels gleich wird sich die Brust im
Lied der eigenen Kehle entspannen. In der
Erinnerung und der Verklärung daran
werden immer wieder ganz natürliche, land-
schaftlich gebundene Lieder geboren wer-
den. Und sie — erlösen diese Gebilde, ihre
Empfängnis- und Geburtsstunde, ihre Hei-
mat ganz, sind sie also das, was wir uns
klassisch zu nennen gewöhnten — sie sind
die Unsterblichkeiten ihrer Art, jenseits
vom Experiment und Laboratorium, jenseits
einer Virtuosität, durch die nackte Technik
nur zu oft ihr schlechtes Gewissen dem
natürlichen Leben gegenüber tarnt.
Haben wir so Volkslied und Beethovens
Pastorale etwa prinzipiell einmal als länd-
liches Motiv, als bewußtgewordene Natur
erkannt, haben wir die gesamte Landschaft
als Meisterschöpfung des ländlichen Men-
schen erschaut, brauchen wir nur noch die
Stile, in denen die Städte ihre Zelte zur
Versteinerung brachten, zu studieren, um
zu sehen, wie stark die bäuerliche Bauart
Beispiel und Anregung für Giebelund Dach,
für Fenster und Tür bot. Ich habe noch kein
Stadttor kleinerer, mittelalterlicher Städte
gesehen, das nicht wie ein Echo auf die
Scheunentore der Bauernhöfe gewirkt hätte,
von deren Agrikultur das Leben dieser
Stadt betreut wurde.
Warum, wozu treffe ich diese generellen
Feststellungen? Um erstens: der Gottähn-
lichkeit des verstädterten Bewußtseins Vor-
sicht anzuempfehlen bei Quellenangabe
seiner kulturellen Werke, und zweitens:
das ländliche Leben vor einer falschen
Romantik zu warnen.
Wir Landleute sollen uns tapfer aus den
Städten an elektrischer Kraft und moto-
rischer Hilfe, an Technik und Fortschritt
holen, was wir brauchen, aber wir sollen
wissen, daß es sich dabei um Nützlichkeiten
handelt und keine kulturellen Werte. Und
wir dürfen niemals vergessen, daß unsere
Kulturwerte sehr schlicht sind, und im Ein-
fachen, im Natürlichen allein ihren Höchst-
wert entwickeln und erreichen. Bildung ist
immer erzieherische Nachbildung natür-
licher Vorbilder oder sie bleibt eitle Ein-
bildung!
` Kino und Radio? Respekt! — Aber ein
Gang am Feierabend über das Eigene, ein
selbständiger Betracht des Himmels und
ein Überblick über die Felder, ein Gespräch
mit dem Nachbarn, eine Schafschur und ein
paar Meter selbstgesponnenes Leinen sind
originelle Köstlichkeiten, die in ihrer seg-
nenden Ursprünglichkeit nie aus der Stadt
bezogen werden können, sondern immer
nur bodenständig erlebt sein wollen und zu
reinerer Steigerung der eigenen Kräfte
führen als Abhören und Abgucken ver-
städterter Vorstellungen. Das eigene boden-
ständige, landschaftliche Erlebnis ist und
bleibt der Nährboden aller kulturellen
Ernten, die deutsche Menschen bisher ein-
brachten und die sie noch einbringen
werden.
Sich dessen zu erinnern ist immer wieder
gut und richtig. Einkehr bei den Dingen,
dort, wo sie noch Wuchs sind und orga-
nische Natur, Stamm und Wipfel, Erde und
Stein, Pflanze und Tier, solche Einkehr lehrt
die kultische Nähe ihres Sinnes. Und die
erste Sinngebung, die erste Behandlung
dieser Dinge gibt alle Anfänge jeden kul-
turellen Lebens preis.
Dieser Preisgabe, dieser Offenbarung aber
gilt unsere Besinnung.
19
KLAUS SCHMIDT:
PFLUG „SCHWER
„Pflug und Schwert
sind aus einem Stahl;
es bleibt dir keine Wahl:
Du mußt sie beide schmieden.“
De Dichter schrieb diese Worte aus dem Er-
lebnis unserer Zeit heraus, und doch kleidete
er mit ihnen eine Wahrheit in poetisches Ge-
wand, die zu allen Zeiten für alle Staatslenker
und für alle Völker unseres Kulturkreises ihre
Gültigkeit gehabt hat.
Die Geschichte lehrt uns, daß Wehrhaftigkeit
und bäuerliche Lebensgestaltung der Bewohner
die solidesten Grundlagen der Staaten sind, die
Fundamente,-aus denen heraus sie sich zu Groß-
und Weltmächten entwickeln. Sie lehrt uns
weiter, daß Wehrkraft und Bauerntum zum min-
desten bei den Völkern nordischer Rasse in
einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zuein-
ander stehen, insofern bäuerliche Lebenshaltung
und bäuerliche Gesinnung die besten Voraus-
setzungen der Wehrkraft einer Nation sind. Am
deutlichsten zeigt das aus dem Kreis der alten
Völker das Beispiel Roms, dessen Bauern-
heere Italien eroberten und latinisierten und so
das Weltreich schufen, an dem das Bauerntum
nachher zugrunde ging. Schließlich kämpften in
den Heeren Roms die Söhne germanischer
Bauern, weil Rom mit seinem Bauerntum auch
seine Wehrkraft eingebüßt hatte.
Germanisches Wehrbauerntum
Auch die deutsche Geschichte ist die Ge-
schichte eines Volkes, dessen Bestand inmitten
einer oft feindlichen Umweltimmervonzwei
Faktoren entscheidend abhängig war:
von seiner Wehrhaftigkeit und von der Bluts-
kraft und Arbeitskraft seiner bäuerlichen Sippen.
Heute erleben wir diese Tatsache sehr eindring-
lich. Bauer und Soldat kämpfen jeder an seinem
Platz in engster Schicksalsverbundenheit um die
Sicherung der Zukunft des Volkes. Pflug und
Schwert sind so — allen sichtbar — die großen
Symbole unserer Zeit geworden.
In ihrem Zeichen stand aber schon die dämmer-
erfüllte Frühzeit germanischen Menschentums.
Bäuerliche Lebenshaltung und hochgezüchtete
Wehrkraft sind die bestimmenden Kennzeichen
der germanischen Kultur gewesen. Sie waren
von so prägender Kraft, daß für diese auf der
Welt einmalige Verschmelzung die Bezeichnung
20
als Schutzmaßnahme gedacht, wirkte sich jedoch
E.
ANAR
` ra
A
E
i
—
A
„Bauernkriegertum“ gefunden ke
Während seiner ganzen Geschichte ist der deut-
sche Bauer schwertkundig und schwertfreud
geblieben, wenngleich sich durch die Ausbildung
eines besonderen Kriegerstandes im frühen
Mittelalter das Waffenrecht des Bauerntums er-
heblich verschlechterte und es weder das Fehde-
recht noch das der Heerfolge besaß. GP
Trennung von Nähr- und Wehrstand
Es ist natürlich kein Erlahmen des alteı
Kampfgeistes der germanischen Bauern gewesen,
wenn sich mehr und mehr ein ausgesprochener
Nährstand und ein ausgesprochener Krie-
gerstand voneinander absetzten. Die En
lung vom sozial wenig gegliederten Kleinstaat
zum großräumigen karolingischen Imperium mi =
seinen anspruchsvollen Aufgaben der Ve
tung, Verteidigung, Kulturpflege und Wi €
bedingfe eine Aufgabenteilung, aus der allm äh
lich die Berufsstände erwuchsen. Großraui
politik ließ sich auf die Dauer nich
mit den Mitteln und Möglichkeit
einer schwerfälligen Landwent
machen, und eine allgemeine Wehrpflicht mit
gewissen Ausbildungszeiten, ähnlich wie wir sie
heute haben, lag noch außerhalb der Möglich-
keiten der Zeit.
Unter Karl dem Großen bahnt sich die Tren-
nung der Stände an. Zunächst wurde der arme
Bauer vom Kriegsdienst ausgenommen. Das wär
als Minderung der sozialen, später auch der
'rechtlichen Stellung aus. Eine Capitula von
825 nannte bereits die Freibauern, die wegen
ihrer Armut nicht oder nur mit Hilfe fremder
Unterstützung ausziehen konnten, Freie zweiter
Ordnung, liberi secundi ordinis. Damit ist schon
die im Mittelalter aufgebrochene Kluft zwischen
Kriegerstand und Nährstand angedeutet. Seit
dem 11. Jahrhundert ist der Bauer als Träger des
Waffenrechts im Heer nicht mehr anerkannt, er
hat nicht mehr das Recht der Heerfolge. Der
Dienst im Reichsheer ist feudaler Ritterdienst
geworden. Es war dann nur eine natürliche
Folge, daß der Bauer auch im Waffenhandwerk
weniger geübt war als der Ritter. Die tiefe Kluft,
die mit der Zeit zwischen dem entarteten Ritter-
tum und dem mißachteten Bauerntum entstand
— wie sie uns z. B. das Gedicht vom ‘Meier
Helmbrecht, gegen Ende des 13. Jahrhunderts, in
l a S
— d i d W
Miniti snd Lann % eh N
D IO It ZO D y u | A P
wi wd
so eindrucksvoller Weise zeigt —, ist mit ein
Grund gewesen für die schmachvolle
Schwäch edes Reichs in den Jahrhunderten
des späten Mittelalters. Wenn irgendwo, dann
hat sich hier erwiesen, wie verderblich sich für
Volk und Staat der Riß zwischen einem bevor-
rechtigten Kriegerstand und einem vom Kriegs-
dienst ausgeschlossenen Bauerntum auswirken
muß.
Zeugnisse bäuerlicher Wehrkraft
Wenn also das Bauerntum dem Waffendienst
weitgehend entfremdet wurde, so war es das
Opfer einer Entwicklung geworden, die doch
nicht den Geist der Wehrhaftigkeit betraf, der
im deutschen Bauerntum zu keiner Zeit ge-
schwunden ist und der überall dort wieder auf-
lebte, wo er angesprochen wurde. Das ganze
Mittelalter hindurch war der Bauer zur Land-
folge und später zur Gerichtsfolge ver-
pflichtet, die beide den Besitz und das zum min-
desten gelegentliche Tragen von Waffen voraus-
setzten. Die Landfolge trat ein, wenn der Feind
in das Land drang. In diesem schwersten Fall
der Bedrohung des Vaterlandes — wobei dieser
Begriff sich zunehmend territorial verengte —
konnte man auf die im Bauerntum ruhenden
Reserven an Wehrkraft niemals verzichten. Wir
kennen sogar Beispiele aus der Blütezeit des
ritterlichen Feudalheeres, in denen das bäuer-
liche Aufgebot zur Verstärkung herangezogen
wurde. Die späteren Gottes- und Landfrieden
des hohen Mittelalters kannten allerdings nur
noch die Gerichtsfolge gegen Verbrecher, Diebe
und Räuber. Diese Gerichtsfolge ist also eigent-
lich Polizeidienst gewesen, und bei diesem spiel-
ten die Bauern eine große Rolle, waren sie doch
sogar verpflichtet, vor Herankommen des ritter-
lichen Aufgebotes die Belagerung der Burg des
Friedensbrechers zu übernehmen. Landfolge
und Gerichtsfolge haben entwick-
lungsgeschichtlich ihre besondere
Bedeutung als Brücke vom alten
Volksaufgebot zum Volksheer, das frei-
lich erst durch Scharnhorst verwirklicht wurde,
uns aber schon in verheißungsvollen, aber
wieder gescheiterten Anfängen im späten Mittel-
alter entgegentritt. Landfolge und Gerichtsfolge
haben erhaltend auf die Wehrkraft des deut-
schen Bauern gewirkt, indem sie seinen Aus-
schluß von der Heerfolge und die Beschränkung
des bäuerlichen Waffenrechts durch gewisse
Forderungen an die NEN teilweise
wieder ausglichen.
Die überzeugendsten Beispiele bäuerlicher
Wehrhaftigkeit aus der Zeit des hohen Mittel-
alters finden sich jedoch im Zuge der Ostsied-
lung und in jenen Randgebieten des Reiches, in
denen das feudale Herrschaftssystem nur un-
vollkommen oder sehr spät Eingang fand. Am
d &
bekanntesten sind die kriegerischen Leistungen
der Dithmarscher, Friesen, Stedinger und
Schweizer Eidgenossen geworden, die ihre von
den Vätern ererbten Freiheiten und Rechte
gegen alle Fürsten verteidigten, die es versuch-
ten, sie in Untertänigkeit zu zwingen. Ein eng-
lischer Mönch schrieb von den friesischen
Bauern im Jahre 1230: „Um der Freiheit willen
setzen sie ihr Leben aufs Spiel und wählen lieber
den Tod als die Knechtschaft.“ Bei den Dith-
marscher Bauern mußte jeder männliche Ein-
wohner zur Landesverteidigung bereit sein. Die
Wehrmannschaften waren straff durchorgani-
siert, und jedes Jahr versammelten sie sich an
bestimmten Orten zur Waffen- und Heeresschau.
Als Waffen dienten den Dithmarscher Bauern
Schwert, Schild, Speer, Lanze, Hellebarde und
Streitaxt; später traten noch Armbrust und
Büchse hinzu. In drei großen Schlachten bewies
der Dithmarscher Bauer seine durch die ge-
schickte Ausnutzung der Gegebenheiten seines
Landes unterstützte kämpferische Überlegenheit
über die Ritter- und Söldnerheere seiner fürst-
lichen Gegner, %19 bei Oldenwörden, 1404 in
der Hamme und 1500 bei Hemmingstedt. Beson-
ders die letzte Schlacht ist ein ewiges Ruhmes-
blatt bäuerlicher Kriegstüchtigkeit geworden.
Noch jahrhundertelang kündeten Lieder und Ge-
schichten von der Schlacht bei Hemmingstedt,
in der die Blüte des dänischen und holsteini-
schen Adels elend umkam.
Die schweizerischen Eidgenossen haben in
der Kriegsgeschichte noch mehr Ruhm geerntet,
weil sie mit ihrer neuen Taktik des Hellebarden-
kampfes zu Fuß das Ende des feudalen Ritter-
kampfes zu Pferde ankündigten. Ihre Infanterie
erwies sich dem Ritterheer gegenüber als über-
legen, und so sind diese alemannischen Bauern
eigentlich die Väter des im,späten
Mittelalterauftauchenden Lands-
knechtstums geworden, das im 16. Jahr-
hundert als Berufskriegertum die ausschlag-
gebende Heeresformation wurde. Die Schlachten
bei Morgarten 1315 und Sempach 1386 sahen wie
die bei Altenesch, Hemmingstedt und Hart-
werden auf der einen Seite fast rein bäuerliche
„Aufgebote, auf der anderen Seite Ritter oder
Söldner, jedenfalls Berufskrieger.
Es ist bekannt, wie aus den großen militä-
rischen Erfolgen der Schweizer Eidgenossen sich
das „Reislaufen‘ entwickelte. Es ist ein Vor-
gang, der sich später in Süddeutschland wieder-
holt und der bemerkenswert ist für den kriege-
rischen Geist des gesamten deutschen Bauern-
tums. Dem Schweizer Bauern fehlte die Möglich-
keit eines kolonisatorischen Ausgriffs; der arme
Boden seiner Bergheimat konnte andererseits
das wachsende Volk nicht ernähren, so wählte
er in seiner einsatzfreudigen und tüchtigen Art
den Weg des Soldaten in fremden Diensten —
21
einen Weg, den ja Millionen deutscher Men-
schen zu allen Zeiten gehen mußten, weil das
Vaterland ihnen zu wenig Möglichkeiten für
ihre Fähigkeiten und Wünsche bot. Auf diesem
Weg winkten Glück und Erfolg, allerdings auch
bei höchstem Einsatz. Es wäre falsch, Aben-
teuerlust als Hauptmotiv des Reislaufens anzu-
sehen. Der Zusammenhang zwischen
Heimat und Söldner blieb immer gewahrt.
Er wurde bewußt von beiden Seiten, vom Söld-
ner und von der heimischen Obrigkeit gepflegt,
. und die Rückkehr in die Heimat blieb immer der
Wunsch der meisten. Bei Mürten (1476) und
Nanzig (1477) haben diese bäuerlichen Söldner
die glänzenden Ritter- und Söldnerheere Karls
des Kühnen vernichtet und damit die Entstehung
eines burgundisch-niederländischen Zwischen-
reiches vereitelt.
Aus ähnlichen Gründen wie die Schweizer
Bauern schwor im 16. Jahrhundert — die Ost-
Siedlung war ja längst versiegt — der süd-
deutsche Bauer gern dem Fähnlein der Lands-
knechte zu. Bestes deutsches Bauernblut ist
hauptsächlich Träger des Landsknechtswesens
gewesen. Sympathien zwischen Landsknechten
und Bauern, wie sie während des Bauernkrieges
oft zu beobachten waren, sind sicher zum Teil
auf verwandtschaftliche Bindungen zurückzu-
führen. Die Donauwörther Chronik berichtet:
„Aber kain knecht wolt am ersten wider die
bauern ziehen, sprachen: das weren ihre ernerer,
so sy nitt krieg hetten, weren auch zum tail ihre
vatter, bruder und schweger.“
Die große deutsche Ostsiedlung wird
immer ein Beispiel nicht nur für die kolonisato-
rische Fähigkeit der deutschen Bauern, sondern
auch für ihre wehrhafte und kämpferische Ge-
sinnung sein. Zwar ist es richtig, daß der Ritter
die eigentliche Aufgabe der Eroberung über
nahm. Weit mehr als im Reich hat hier aber das
bäuerliche Aufgebot für die Sicherung des
gewonnenen Landes eintreten müssen und, allein
auf sich gestellt, hat es im stillen und zähen
Grenzkampf mit und ohne Waffen jahrhunderte-
lang eine harte und wehrhafte Gesinnung be-
wiesen. Die Runddörfer im deutsch-slawischen
Grenzgebiet und die Bauernburgen in Sieben-
bürgen zeugen noch heute von dieser Zeit, in
der der Grenzlandbewohner täglich bereit sein
mußte, den Pflug mit dem Schwert zu ver-
tauschen. In der Neuzeit fand dieser Grenz-
kampf der Bauern eine Parallele in der öster-
reichischen Militärgrenze. Unter deutscher Füh-
rung hielt hier der kroatische Bauer, in der
Grenzorganisation straff zusammengefaßt, die
osmanische Springflut jahrhundertelang von den
Grenzen des Reiches fern. Zahlreiche bäuerliche
Sippen sind in diesem blutigen und grausamen
Kleinkrieg bis auf den letzten Knaben und das
letzte Mädchen ausgerottet worden.
22
Gegen Ende des Mittelalters, im 14. und
15. Jahrhundert, ist die Erkenntnis vom Wert des
allgemeinen Volksaufgebotes wieder im Wach-
sen. Sie ist sicher durch den Ruhm der Schweizer
mit angeregt worden. Der werdende Landesstaat
konnte die Reserven an bäuerlicher Wehrkraft
nicht ungenutzt lassen, wenn er sich gegen seine
Widersacher durchsetzen wollte. So kommt der
Bauer wieder auf das Schlachtfeld als Soldat
des Landesherrn. Bauern entscheiden z. B.
die Schlacht bei Dörffingen, in der Graf Eberhard
von Württemberg gegen die Städte siegte, und
Kurfürst Friedrich der Siegreiche von der Pfalz
verwendete bei allen seinen Kriegszügen bäuer-
liche Aufgebote.
Wiederaufleben des Volksheeres
Es waren mehrere Gründe, die zu den ersten
Versuchen der Bildung von Volksheeren führ-
ten, die in damaliger Zeit selbstverständlich
Bauernheere sein mußten. Am weitesten ge-
diehen diese Versuche in Bayern und in der
Kurpfalz. Das alte feudale Ritteraufgebot be-
fand sich in voller Auflösung. Der Ritter war
vielfach Raubritter geworden, und es fehlte ihm
längst die moralische Kraft seiner Blütezeit.
Ferner hatte der Fußknecht seine Überlegenheit
über den Ritterkampf nachdrücklich bewiesen.
Die Einführung der ersten Feuerwaffen ver-
stärkte diese Überlegenheit. Schließlich war das
Bauernheer für den Landesherrn billiger als das
Söldnerheer, denn es wurde nicht oder nur sehr
gering besoldet. Ständisch-soziale, militärisch
taktische und staatsrechtlich-politische Gründe
haben also zum Wiederaufleben des
Volksheergedankens geführt. Der Bauer
erhielt das Waffenrecht, das ihm der Ritter ge-
nommen hatte, vom Landesherrn wieder.
Der Weg, auf dem das Volksheer organisato-
risch aufgebaut wurde, war der allmähliche
Ausbau der Gerichtsfolge zu einem Land-
sturm und einer Landwehr durch den Erlaß
strenger Ordnungen, die den Einsatz der Bauern
als militärisch organisierter Truppe regelten.
Es wurden militärische Hauptleute eingesetzt,
Sammelstellen bestimmt, ein Meldedienst ein-
gerichtet und eine periodisch wiederkehrende
Überprüfung der Waffen eingeführt. Diese
Harnischschauen fanden meistens im Frühjahr
statt. Besonderer Wert wurde seitens der Regie-
rung darauf gelegt, daß die Waffen bei den
Häusern blieben, damit im Ernstfalle mit ihnen
gerechnet werden konnte. Sie gehörten zum un-
veräußerlichen Inventar des Hauses. Im Weis-
tum von Bermersheim, das eine der Quellen ist,
die uns die bäuerlichen Wehrverhältnisse dieser
Zeit am ausführlichsten schildern, werden Har-
nisch und Wehr als unpfändbar erklärt. In einer
bayerischen Regierungsanweisung, die sich mit
der Landesverteidigung befaßt, heißt es: „Es
sollen die Verordneten und Ambtleute nicht
minder den Gerichtsleuten und Untertanen
ernstlich sagen und gebieten lassen, daß ihrer
jeder und männiglich im Lande ihre Wehre und
Harnisch, so ihnen in der Musterung auferlegt
sind, dennoch bei ihren Häusern und Herbergen
haben sollen.” |
Aus dem Landsturm hat sich die Landwehr
entwickelt als ein Aufgebot der Tüchtig-
sten und Kampferprobtesten, das Auf-
gaben zu lösen hatte, die man dem Landsturm
nicht zumuten konnte. Zu größeren Zügen
konnte der Landsturm nicht verwendet werden,
weil er alle Tauglichen umfaßte und so das Land
von Arbeitskräften entblößte. Der Landsturm
blieb daher im allgemeinen nur wenige Tage im
Felde. In der Landwehr wurde zuerst eine. Art
Musterung eingeführt, um einen genauen Uber-
blick über das verfügbare Menschenmaterial zu
gewinnen. Die Landwehr war zu Unternehmun-
gen bestimmt, die unter Umständen über die
Grenzen des Landes hinausführen konnten. Im
Bermersheimer Weistum mußte der bäuerliche
Landwehrmann im Felde stehen „als lang unser
gnediger Herr das haben will”, jedoch hatte er
Ablösungsrecht nach vier Wochen.
Die so glücklich begonnene Entwicklung zu
einem starken bäuerlichen Volksheer, die sogar
schon zu den Anfängen der Uniformierung und
Versorgung der Angehörigen vorgestoßen war,
kamnicht zu ihrem Abschluß. Das Volksheer
scheiterte an der Frage der Aus-
bildung. Als die Feuerwaffen sich ständig ver-
besserten, ihre Handhabung schneller wurde, als
die Artillerie auftrat, hätte das bäuerliche Auf-
gebot nur durch ständige Schießübungen, wie
sie z.B. in den Städten üblich waren, militärisch
Schritt halten können. Hierzu wurde aber nichts
getan, nicht zum wenigsten, weil seit den Bauern-
unruhen des 15. und 16. Jahrhunderts die Landes-
tegierungen von Furcht vor revolutio-
nären Umtrieben der Bauern erfüllt
waren. Ein Gutachten von 1583 gibt dieser
Furcht in folgender Weise Ausdruck: „Gebe
man dem Volk die Waffe in die Hand, so ent-
stünden daraus mancherlei Ubel, Feindschaft
und Rumor. Viele würden sich auf Müßiggang,
Garten, Wildpretschießen, Mord und Straßen-
raub verlegen. Dem Bauersmann sei nicht immer
zu trauen; er könne, also bewehrt, sich leicht
des schuldigen Gehorsams gegen Fürst und Adel
entschlagen wollen und einen Aufruhr anfangen,
der schwer zu dämpfen wäre.” Verbot von
Schießständen auf dem Lande und Entziehung
der Feuerwaffen waren ebenfalls Folgen dieser
Furcht. Auch Wehranlagen und Dorfbefestigun-
gen wurden vielfach geschleift.
Mit dem Anwachsen der Söldnerheere im
16. Jahrhundert gingen zudem die unterneh-
Mungslustigsten und kriegstüchtigsten Elemente
dem Bauernaufgebot verloren. Die Werbungen,
die die Landesherren in eigenen Ländern unter-
nahmen, bewiesen, daß sie die bäuerliche Wehr-
kraft wohl zu schätzen wußten, daß sie sie aber
nicht-im Rahmen eines Volksheeres zu nutzen
verstanden, sondern nur in der Form des
Söldnerheeres. Wilhelm von Oranien schlug die
Schlachten, die zur Befreiung der Niederlande
führten, zum großen Teil mit Söldnern, die er in
seiner Westerwälder Heimat anwerben ließ.
Es war eine der vielen für das deutsche Volk
so tragischen Verkettungen, daß das entartete
Söldnertum des 17. Jahrhunderts, wie es uns in
erschütternder Weise Grimmelshausen in seinem
Simplizissimus schildert, zu großen Teilen auch
aus dem Bauerntum stammte. Mißgeleitete
bäuerliche Wehrkraft richtete sich
gegen die Quelle seiner eigenen Kraft.
Hermann Löns hat uns ein Bild des grausamen
Verzweiflungskampfes der geschundenen Bauern
gegen das umherziehende Kriegsvolk in seinem
„Wehrwolf” gezeichnet.
Die ersten Schritte zur allgemeinen
Wehrpflicht
Der Gedanke der Aufstellung der Söldner-
heere aus der Wehrkraft des eigenen Landes
schwand, nachdem er einmal der Verwirklichung
nahe gewesen, nicht mehr aus den Erörterungen
der Militärschriftsteller. Die Grunderkenntnis,
von der diese Schriftsteller ausgingen, kleidete
der kaiserliche General und Diplomat Lazarus
von Schwendi in folgende Worte: „Bei dem
fremden und besoldeten Kriegsvolk ist nimmer-
mehr die Einmütigkeit und Treue und der Eifer
wie bei denen, die für ihr Vaterland, Weib und
Kind streiten.” Die bedeutendste aus der Reihe
dieser Schriften ist die „Landesdefensions-Ord-
nung“ des Grafen Johann von Nassau. Diese mit
„Defensions-Werk bezeichneten Bemühungen
gelangten kaum zu praktischer Bedeutung. Sie
hielten aber den Gedanken der allge-
meinen Wehrpflicht lebendig, der dann
von Preußen aus nach den Erschütterungen der
Französischen Revolution in die Tat umgesetzt
wurde. Lediglich die Landmiliz als modernere
Form der alten Landfolge blieb vom Defensions-
werk übrig. Was die bäuerliche Miliz, die im
allgemeinen dem ordentlichen Kriegsvolk an
Ubung und Bewaffnung unterlegen war, doch
durch Tapferkeit und geschickte Führung leisten
konnte, zeigt der durch den Großen Kurfürsten
veranlaßte Einsatz gegen die in Brandenburg
eingefallenen Schweden im Jahre 1675. Auf
ihren Fahnen trug diese Miliz den seither be-
rühmt gewordenen Spruch: „Wir sind Bauern
von geringem Gut — und dienen unserem gnä-
digen Kurfürsten mit unserem Blut.“
Das Kantonsreglement vom 15. September
1733, erlassen von Friedrich Wilhelm I., war der
erste bescheidene Schritt zur allge-
meinen Wehrpflicht. Es zog zum ersten-
mal seit dem Mittelalter einen Teil der bäuer-
lichen Wehrkraft des Landes zur Ergänzung des
23
—
= —
— —
- — — — un
—
— — —
ordentlichen Heeres heran. Friedrich der Große
sagte vom Kantonsreglement: „Hierdurch wurde
die Armee unsterblich, da sie nun eine
stets fließende Quelle erhielt, aus der sie sich
seitdem immer wieder erneuert hat.“ Wie
kriegstüchtig das preußische Heer gerade durch
die systematische Einziehung der Bauern-
burschen wurde, wird durch Friedrichs des
Großen Ausspruch beleuchtet: „Setze ich mich
vor meine Pommern und Märker und habe schon
die Hälfte meiner Monarchie verloren, nur selbst
den Kopf nicht, so jage ich den Teufel aus der
Hölle.” Die Bauernschutzgesetze Fried-
rich Wilhelms I. und Friedrichs des Großen
hatten ihren wichtigsten Grund in den Be-
mühungen, das Bauerntum als Quell der Wehr-
kraft zu schützen und zu erhalten.
Den überzeugendsten Beweis der kriegstüch-
tigen und wehrhaften Gesinnung des deutschen
Bauerntums im 18. Jahrhundert bieten jedoch
die erbitterten Kämpfe, die das westdeutsche
Bauerntum den eindringenden Heeren der
Französischen Revolution lieferte. Von
der Kanalküste bis zu den Alpen entstand spon-
tan, aber ohne einheitliche Führung eine bäuer-
liche Front, wie sie die deutsche Geschichte bis
dahin noch nicht gesehen hatte. Unter örtlichen
Führern haben die bäu£rlichen Aufgebote in
Flandern und Luxemburg, in der Pfalz und im
Odenwald, im Elsaß, im Schwarzwald, in den
Schweizer Alpen den Franzosen schweren
Schaden zugefügt. Es waren nicht nur die Heere
der Revolution, gegen die sich die Bauern für
Kaiser und Reich stellten, auch der Geist der
Revolution wurde von ihnen als zersetzend und
gefährlich erkannt. Vor allem in Flandern und
Luxemburg erforderte dieser Kleinkrieg von den
Bauern große Blutopfer. Die Geschichtsschrei-
bung hat diese bäuerliche Abwehrbewegung
nahezu vergessen, wie sie auch vergessen hat,
daß später, als die Befreiungsarmeen über den
Rhein drangen, bäuerliche Milizen ihnen wirk-
same, zum Teil entscheidende Unterstützung
gaben. Nur der Kampf der Tiroler Bauern unter
Andreas Hofer gegen die Franzosen ist in die
Geschichtsbücher eingegangen. Die Schlacht am
Iselberg gesellt sich als ein ewiges Beispiel
bäuerlicher Kriegstüchtigkeit zu den großen
Bauernschlachten des Mittelalters.
Bauernbefreiung und Volkserhebung
Der entscheidende Schritt vom Kantonsregle-
ment zur allgemeinen Wehrpflicht konnte nur
auf Grund einer ganz anderen Anschauung von
Volk und Nation erfolgen, als sie der absolute
Untertanenstaat hatte. Als König Friedrich Wil-
helm III. von Preußen am 17. März 1813 den be-
rühmten Aufruf „An mein Volk” erließ, durch
den der Befreiungskrieg eröffnet wurde, hatte,
unbemerkt von den meisten Zeitgenossen, diese
neue Epoche deutscher Geschichte begonnen.
Der alte absolutistische Staat war infolge seiner
24
inneren Morschheit bei Jena und Auerstedt
zusammengebrochen. Ihm war der Begriff des
Volkes nur im Sinne des Untertanenverbandes
geläufig. Der berühmt gewordene Satz aus der
Proklamation des Grafen Schulenburg an die
Berliner Bevölkerung: „Ruhe ist die erste,
Bürgerpflicht!” drückt so recht die Beziehung
des Durchschnittsbürgers zum absolutistischen
Staat aus. Was ging es ihn schon an, wenn der,
Fürst Krieg führte? Er ging in Ruhe seinen Ge
schäften nach wie im Frieden und betrachtete es
als sein gutes Recht, dies möglichst ungestört
vom Kriegsgeschehen zu tun. Aus dem Geiste
dieses absolutistischen Untertanenstaates, der
seine Bürger bewußt in politischer Unmündig-
keit hielt, konnte die Befreiung vom Joche des
korsischen Eroberers nicht erfolgen. Das war
allen wahren Patrioten klar. Es bedurfte viel-
mehr einer politischen Erneuerungs-
bewegung, die alle Volksschichter? mit einem
neuen Geist leidenschaftlicher Vaterlandsliebe
und nationaler Ehre erfüllte und so die Voraus
setzungen schuf für eine Volkserhebung, die alle
Kräfte der Nation für den Kampf um die Frei-
heit zusammenfaßte.
Mehr noch als der Bürger hatte der Bauer
Veranlassung, mit Gleichgültigkeit dem Schick-
sal eines Staates zuzusehen, der ihm jedes poli-
tische Recht versagte. Wenn es auch dem preu-
Bischen Staate gelungen war, durch seine
Bauernschutzgesetzgebung die schlimmsten
Auswüchse der Leibeigenschaft zu beseitigen
so verharrte doch der größte Teil des preuß
schen Bauerntums nach wie vor in qutsher-
licher Erbuntertänigkeit und war nicht einmal
im Besitz seiner persönlichen Freiheit. Keine
völkische Erneuerungsbewegung konnte, wenn
sie Aussicht auf Erfolg haben wollte, an dieser
Tatsache der bäuerlichen Leibeigenschaft vor-
beigehen. In der Stunde der Not des Staates
wurde es vielen klar, daß die Unterdrückung
und Rechtlosigkeit eines großen Volxksteiles
nicht nur menschenunwürdig, sondern auch
volkspolitisch schädlich war und daß sie das
größte Hindernis eines allgemeinen Volks-
krieges sein mußte. Es war also zunächst als
Voraussetzung jeder Volkserhebung
nötig, die Abseitsstellung des
Bauerntums zu beseitigen. Man mußte
dies um so mehr tun, als der Weg zu Preußens
Wiederaufstieg über das Volksheer führte, das
zwangsläufig nur im Bauerntum seine Grundlage
haben konnte, denn das Bauerntum stellte da-
mals rein zahlenmäßig die überwiegende Mehr-
heit des Volkes dar. Wollte man den Bauern in
das allgemeine Volksheer einreihen, und zwar
als freiwilligen und opferfreudigen Kämpfer, so
mußte man ihm auch die persönlichen Rechte
geben, die jeder andere Bürger des Staates hatte,
weil man von ihm ja auch dieselbe Opferfreu-
digkeit forderte.
J.... «W. T —k 1ʃ!:0 nn Zu
| Ritterkreuzträger aus
— — — — ——— ͤ——— I ¶ ́ K ↄꝛͤ— ͤ—ͤ T
— wm
6
— —
Oberst d. R. Hyazinth Graf Strachwitz
Kommandeur des Panzerregiments Groß deutschland, Träger des Eichenlaubs mit Schwertern zum Ritterkreuz, wurde
am 30, Juli 1893 in Groß-Stein (Kreis Groß-Strehlitz, Oberschlesien) geboren und ist im Zivilberuf Land- und Forstwirt.
— —
2 —— m — —
gf em —
——— ———ü—— — — f —
-
— u. —— e ur.
i
i
f
Oberst Walter Gorn
dem der Führer am 8. Juni 1943 als 30. Soldaten
das Eichenlaub mit Schwertern zum Ritterkreuz
verlieh, ist Kommandeur eines Panzer-Grena-
dier-Regiments und wurde am 24, September
1898 zu Biegamin (Wartheland) als Sohn eines
Landwirts geboren.
Oberieldwebel Otto Brakat
war als Landwirtschaftsgehilfe auf einem großen
ostpreußischen Bauernhof tätig. Auch er stammt
aus bäuerlichem Blut, sein Vater hatte einen
Hof in der Elchmederung. Oberfeldwebel Brakat
wurde am 15. Januar 1916 zur Kermuschienen,
jetzt Herzfelde, geboren und crhielt das Ritter-
kreuz am 27. Juli 1941 als Unteroffizier und
Gruppenführer in einem Grenadier-Regiment.
A LB `
Hauptmann Dr. Wolfgang Meinhold
wurde am 8. Oktober 1902 in Neuruppin (Gau
Maık Brandenburg) geboren. Nach seiner Schul-
entlassung studierte er Landwirtschaft und war
bis zum Ausbruch des Krieges als Leiter der
Bauernschule in Grunzig Kr. Meseritz) tätig.
Hauptmann Dr. Meinhold erhielt das Ritterkreuz
am 15. Mai 1943 als Kompanieführer in einem
Grenadier-Regiment. Kurz darauf wurde er zum
Oberlandwirtschaftsrat befördert.
Feldwebel Karl Heinz Roßbach
wurde am 7. Mai 1920 in Greiz geboren. Die
Großeltern beiderseits waren Bauern und er
selbst erlernte mehrere Jahre auf verschiedenen
Bauernhöfen die Landwirtschaft. Während eines
Fronturlaubs machte er die Prüfung als Land-
wirtschaftsgehilfe. Das Ritterkreuz wurde Feld-
webel Roßbach am 22. Juni 1943 verlichen.
Leutnant d. R. Alfred Schreiber
stammt ebenfalls äus bäuerlichem Blut. f
wurde am 3. März 1914 als Sohn des Baus
Paul Schreiber in Praterschatz bei Meißen &
Sachsen) geboren. Er ist im Zivilberuf Ba
und besitzt in Schönbrunn bei Sagan in Sie
sien einen Erbhof von 32 Morgen. Das Riller
kreuz erhielt er als Kompanieführer in eines
rheinisch- westfälischen Grenadier-Regimenf am
20. April 1943.
Unteroffizier Josef Schuß
wurde am 17. September 1917 als Sohn des
wirts Josef Schuß in Geißling (Kr. Reg
Gau Bayreuth) geboren und war nach demi;
such der Volks- und Fortbildungsschule RP
Landwirtschaft seines Vaters tätig. Das Ritter
kreuz erhielt er als Obergefreiter in einen
Grenadier-Regiment am 4. September 1942.
er 9
„Lu
4#-Obersturmbannführer Theodor Wisch
ist der Sohn eines Holsteiner Bauern. Er wurde am 13. Dezember
1907 im Wesselburener Koog geboren. Nach dem Schulbesuch
erlernte er auf Gütern in Holstein und Holland die Landwirt-
schaft. 1933 trat er in die Leibstandarte #4 „Adolf Hitler‘ ein.
Das Ritterkr erhielt er als Bataillonskommandeur am
15. September 1941.
Major Herbert Ihlefeld
Träger des Eichenlaubs mit Schwertern zum Ritterkreuz des
Eisernen Kreuzes, ist der Sohn eines Landarbeiters und wurde
am 1. Juni 1914 zu Pinnow, Kr. Rendow, in Pommern geboren.
Major Ihlefeld, der auch mit dem Spanienkreuz in Gold der
Legion Condor ausgezeichnet wurde, erhielt das Ritterkreuz am
13. September 1940. Nach seinem 40. Luftsieg errang er sich
das Eichenlaub und nach seinem 98. bis 101. Luftsieg die
| uh schwerter zum Eichenlaub,
HU
#4-Oberscharführer August Zingel
ist im Zivilberuf Landwirt, Er wurde am ?20. Januar 1921 in
Schortens/Heidmühle (Oldenburg) geboren. Das Ritterkreuz
erhielt er am 4. Oktober 1942,
2. Ak e o
H
3
A
sid wel
Hauptmann Heinz Bär
war vor seinem Eintritt in das Heer als Gutsverwalter tätig,
nachdem er vorher zwei Jahre die Höhere Landwirtschafts-
schule in Wurzen besucht hatte. Auch sein Vater, der im
vorigen Weltkrieg 1916 auf dem Felde der Ehre fiel, war Land-
wirt, Hauptmann Heinz Bär ist Staffelkapitän im Jagdgeschwa-
der Mölders und Träger des Eichenlaubg mit Sehweriegn zum
|
Ritterkreuz ue His nen Kreuzes.
— — EP.f— T.. — —
Oberfeldwebel Siegfried Engfer
wurde am 27. April 1915 als Sohn eines Land-
wirts geboren und arbeitete nach seiner Schul-
entlassung sechs Jahre auf dem elterlichen
Hofe in der Landwirtschaft,
Korvettenkapitän Reinhard Suhren
Träger des Eichenlaubs zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes,
Am 16. April 1916
wurde er zu Langenschwalbach bei Wiesbaden als Sohn eines
stammt ebenfalls aus dem Bäuerlichen.
Landwirts geboren.
Feldwebel Eduard Lindinger
der als achtes Kind auf dem Bauernhofe in
Sattlern (Niederbayern) am 17. Januar 1915 ge-
boren wurde, arbeitete nach Beendigung seiner
Schulzeit im landwirtschaftlichen Betrieb seiner
Eltern.
Wachtmeister Bernhard Hi
erhielt „das Ritterkreuz zum Eisen
Anfang des Jahres 1943. Auch disa
Soldat, der am 12. September 19 z
(Kr. Warendorf i. W.) geboren wurde
Sohn eines Landwirts.
Kapitänleutnant Nicolai Clausen
ist ein Sohn des in Großen-Wiehe ansässigen Bauern As
Clausen. Geboren wurde Kapitänleutnant Clausen am 2. Jumi
1911 in Flensburg. Das Ritterkreuz erhielt er am 13. März IC
0
Es war also folgerichtig, daß die großen
Patrioten und Vorkämpfer der Befreiung, Ernst
Moritz Arndt, der Freiherr vom Stein, Gneise-
nau, Scharnhorst und noch viele andere, leiden“
schaftlich für die Bauernbefreiung eintraten.
„Lasset den Bauern frei sein auf seinem Eigen- ,
tum, denn nur der freie Mann weiß seinen Staat
zu verteidigen”, so schrieb der Freiherr vom
Stein, und sein Gefolgsmann Ernst Moritz Arndt,
selbst der Sohn eines leibeigenen Bauern, hat in
seinen Schriften immer wieder dem Gedanken
Ausdruck gegeben, daß die Wehrkraft eines
Volkes in seinem Bauerntum wurzelt: „Einer der
großen Punkte, warum ich so für den Bauern
spreche, ist endlich noch der, daß der Bauer
nicht allein jederzeit der Fähigste ist, die Waffen
für sein Land zu führen, sondern daß er auch
immer der Bereiteste ist, es zu tun. Je mehr freie
Bauern ein Land zählt, desto schwerer ist es zu
unterjochen.” Im Bauerntum wohnt für Ernst
Moritz Arndt mehr als in anderen Schichten des
Volkes „die ursprüngliche und gediegene Natur-
kraft, die Reinheit der Sitten, die Treue und Red-
lichkeit der Gesinnung“, in ihm wohnt „der Mut
und die Ausdauer, welche die tapfersten und
rüstigsten Verteidiger des Vaterlandes geben”.
Alle diese Männer erkannten die außerordent-
liche Reserve an Wehrkraft, die im Bauerntum
ruhte.
Das Bauernbefreiungsedikt von 1807
ist also vom Freiherrn vom Stein bewußt als
wichtigste Voraussetzung des Volks-
kriegs gegen Napoleon erlassen worden.
Er und seine Mitarbeiter und Gesinnungs-
genossen wollten damit eine Mobilmachung der
gesamten Volkskraft des preußischen Staates
einleiten und den Bestand dieser Volkskraft für
die Zukunft sichern.
Welch zündende Wirkung der Aufruf „An
mein Volk“ gerade im Bauerntum hatte, das be-
weisen zahlreiche Zeugnisse über den Zustrom
von jungen Freiwilligen aus allen Teilen des
Landes. Der französische General Labaume
schrieb später in seinen Erinnerungen über die
Freiwilligen aus der Mark: „Wir sahen oft Ab-
teilungen ungeschlachter Bauern, die sich nach
Schlesien begaben, durch unsere Bataillone
marschieren — ohne Ordnung, ohne Waffen und
ohne Führer. Sie stießen Freudenschreie aus und
betrachteten mit drohenden Blicken unsere er-
staunten Soldaten.” Und der französische Gene-
ral fährt dann fort: „Eine solche Begeisterung,
wie sie die Liebe zum Vaterland einflößt, ist der
passiven Kraft überlegen, die oft nur widerwillig
der Gewalt gehorcht, die sie beherrscht.”
In der neugeschaffenen Landwehr, vor allem
auch im Landsturm erstand das alte bäuerliche
Aufgebot wieder, so wie es sich im Mittelalter
einst aus dem germanischen Bauernheer ent-
wickelt hatte. Wie sehr sich Landwehr und Land-
sturm auf das Bauerntum stützten, ver-
mag allein schon der Satz aus dem ebenfalls am
17. März 1813 erlassenen Landwehrgesetz zu
zeigen, der da lautet: „Jeder Landwehrmann ist
verpflichtet, sich selbst zu kleiden. Dies wird ihn
um so weniger drücken, als dem guten Rock des
Landmannes leicht die Rorm einer Litewka ge-
geben werden kann." Die große Kriegsgeschichte
berichtet von den Taten der bäuerlichen Land-
wehr und dem Landsturm nicht viel. Ihr Einsatz
vollzog sich meistens abseits der großen
Schlachten, aber mit welcher Leidenschaft
und mit welchem Erfolg für die engere Heimat
dieser Einsatz gtattfand, das zeigt z. B. eine Mel-
dung des „Preußischen Correspondent” vom
14. April 1813: „Am Sonnabend, dem 10. April,
waren fünfhundert Franzosen über die Elbe ge-
kommen, und sind aufs neue von den Bauern
zurückgejagt worden. Als in denselben Tagen
ein Alarm in der Uckermark war, zog alles
rüstig aus und trieb die Feinde nach Stettin
zurück. Ein Reisender fand in Templin nur einen
achtzigjährigen Mann und begegnete nachher
dem blutig und jubelnd zurückkehrenden
Bauernvolk.“
Der durch Scharnhorst begonnene Aufbau des
deutschen Volksheeres wurde durch Boyen
gegen die Einflüsse der Reaktion wirksam ver-
teidigt und später von Roon vollendet. Es be-
gann die Epoche der „Völker in Waffen”,
die in dem totalen Krieg von heute ihren
Höhepunkt gefunden hat. Die für das Aus-
land so überraschende Kriegstüchtigkeit der
deutschen Armee, mit der zum Beispiel die
Gegner 1870 nicht rechneten, ist zweifellos nicht
zuletzt der bis dahin brachliegenden Kraft des
deutschen Bauerntums zu verdanken, das Bis-
marck als den Kern der Armee bezeichnet hat.
Der kluge Beobachter Langbehn hat diesem Ge-
danken mit folgenden Worten Ausdruck ge-
geben: „Wer einmal ein Holsteiner Landwehr-
regiment gesehen hat, diese geraden, festen,
breitstirnigen Köpfe, diese vollen blonden vier-
eckigen Bärte, diese blauen, redlichen, frommen,
tapferen Augen, der weiß, daß Deutschland
nicht zugrunde gehen kann.”
Auch in diesem, dem deutschen Volke auf-
gezwungenen Existenzkampf hat das deutsche
Bauerntum seine Stellung bezogen in der Front
der Waffen wie in der Heimatfront. Den Pflug,
den der Bauer verlassen mußte, hat der nicht
mehr waffenfähige Ahn, hat zu ihrer Arbeit noch
hinzu die Frau ergriffen. Ihnen zur Seite steht
die deutsche Landjugend. Wo die Kräfte der von
Männern entblößten Höfe nicht ausreichen, da
bewährt sich der dörfliche Gemeinschaftsgeist in
alter, so oft gezeigter Stärke. So sind in dem
Lebenskampfe der Nation alle Kräfte des Land-
volkes, ob alt oder jung, ob Mann oder Frau, zu
höchster Leistung mobil gemacht. Heute so wie
immer führt der Bauer den Pflug und das
Schwert, und so lange er Blutsquell und Träger
der Wehrkraft bleibt, so lange wird das Reich
bestehen.
25
— —— m gu Fr - + Ze m.
7
£
Auf einer Arbeitstagung des Reichsamtes für
das Landvolk hat kürzlich der Stabsleiter des
Reichsamtes, von Rheden, eingehend über die Stellung
des Reichsamtes als politische Führungsstelle des
Landvolkes und über die grundsätzlichen und vor-
dringlichen Aufgaben während des Krieges berichtet.
Zur Zeit steht die Weiterentwicklung des Reichs-
erbhofgesetzes nach den Erfahrungen der vergangenen
zehn Jahre und besonders während der Kriegsjahre
im Vordergrund. Außerdem stellt der länger anhal-
tende Einsatz fremdvölkischer Arbeitskräfte politische
und soziale Aufgaben, die in erster Linie von der
Partei gemeistert werden müssen. Einen breiten
Raum in den Beratungen nahm ferner eine Reihe
sozialer und gesundheitlicher Hilfsmaßnahmen zur
Hebung der biologischen Kraft des Landvolkes ein.
Hier sind vor allem die im Krieg vorhandenen Möglich-
keiten eines Mutterschutzes und sonstige Hilfen für
die mit Arbeit überlastete Landfrau zu erwähnen.
Im Rahmen der übrigen Betreuungsmaßnahmen für
das Landvolk wurde auch der gegenwärtige Stand des
bäuerlichen Berufserziehungswerkes im Sinne der
großen Ziele von Berufserziehung und Berufsführung
auf dem Lande eingehend erörtert. Schließlich hat
sich das Reichsamt für das Landvolk gerade im Augen-
blick mit den vielseitigen Fragen zu befassen, die sich
aus der vorsorglichen Umquartierung vieler Volks-
genossen aus den Großstädten auf das Land und ihrer
Aufnahme in. die einzelnen Bauernfamilien ergeben.
Eine befriedigende Lösung aller dieser Fragen ist
deshalb besonders wichtig, weil man die Hoffnung
haben kann, daß aus dieser Notmaßnahme eine nicht
zu unterschätzende Förderung für das gegenseitige
"Verständnis von Stadt und Land erweckt wird, dem
im Hinblick auf die großen Zukunftsaufgaben des
Gesamtvolkes am Bauerntum besondere Bedeutung
zukommt.
Auf dem Gebiet der allgemeinen Wirtschaftspolitik
ist als wichtigstes Ereignis der Führererlaß über
die Konzentration der Kriegswirtschaft zu
verzeichnen. Danach gehen für die Dauer des Krieges
die Zuständigkeit des Reichswirtschaftsministers auf
dem Gebiet der Rohstoffe und Produktion in Industrie
und Handwerk auf den Reichsminister für Bewaffnung
und Munition über, der im Hinblick auf seinen er-
weiterten Aufgabenkreis die Bezeichnung „Reichs-
minister für Rüstung und Kriegsproduktion“ führt.
Der Reichswirtschaftsminister bleibt zuständig für
die Versorgung der zivilen Bevölkerung mit Ver-
brauchsgütern und die Regelung ihrer Verteilung. Er
ist weiter zuständig auf dem Gebietd der Rohstoffe
und der Produktion in Industrie und Handwerk und
auf dem Gebiete des Handels für die Behandlung von
26
AGRARPOLITISCHE KK
_Aundsch gu. ;
jap
dé
Außenwirtschaftsfragen im Rahmen der Auße
handelspolitik des Reiches. Ferner hat er auf <
Gebiete des gesamten Außenhandels für die Wahı
der allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkte ií
Rahmen der gesamten deutschen Wirtschaftspl SÉ i
Sorge zu tragen und die deutsche Wirtschaft « 7550 /
sprechend auszurichten. Er führt auch die ob
Aufsicht über die Kreditinstitute und bearbeitet e
Finanzierungsfragen der deutschen Wirtschaft.
Rahmen dieser Vereinfachung der Erzeugungslenku
wird der Reichsminister für Rüstung und K
produktion die Aufgaben der bisher vom Re
wirtschaftsminister mit Bewirtschaftungsaufgaben b pe?
trauten Stellen, z.B. der Reichsstellen der erb-
lichen Wirtschaft und deren Bewirtschaftungsst le S
sowie der Reichsvereinigungen usw., in bezug a
die Steuerung der Erzeugung unter Berücks ht,
gung der Befugnisse der Hauptausschüsse und Ring
durch eine sinnvolle Arbeitsteilung neu regeln.
zu diesem Zeitpunkt werden die genannten n
ihre Tätigkeit in der bisherigen Weise zu ée
fortführen. g
Im „Völkischen Beobachter“ nimmt
Nonnenbruch in einem Leitaufsatz „Straffun
Kriegsproduktion‘ eingehend zu dieser Neuregel
Stellung. Dort heißt es u. a.: „Diese Neugliede
der Zuständigkeit war nötig geworden, nachdem
beim bisherigen Ministerium für Bewaffnung und Mu-
nition in den Ausschüssen und Ringen eine newe Or-
ganisation zur Steigerung der Rüstungsproduktion
entwickelt hatte. Sie hatte sich neben die bisherigen
Organisationen zur Marktregelung und Erzeugungs-
lenkung auf dem gewerblichen Sektor gestellt. Da
die Organisationen des früheren Reichsministeriums
für Bewaffnung und Munition auf einem anderen Prin-
zip aufgebaut waren als dem für die übrige gewerb-
liche Wirtschaft gültigen, mußte es sich die Aufgabe
einer Vereinheitlichung stellen. Jetzt werden zugleich
mit der gesamten Erzeugung auch alle in der gewerb-
lichen Wirtschaft bestehenden Organisationen ein-
heitlich auf den Krieg ausgerichtet werden. Das wird
Veränderungen in der organisatorischen Zusammen-
fassung der wirtschaftlichen Kräfte nach sich ziehen,
die von Reichsminister Speer durchzuführen sind, der
ja zuständig für die gesamte Lenkung der indu-
striellen Erzeugung ist. Nun hat Reichsminister
Speer durch die Ausgestaltung der Ausschüsse und
Ringe auf seinem Sektor schon seine glückliche Hand
für die Lösung von Organisationsaufgaben bewiesen.
In seinem ausschließlichen Streben nach Leistungs-
steigerung hat er ein Prinzip für die Neugestaltung
der Organisationen in der Hand. ... Daß in der Er-
weiterung des Zuständigkeitsbereichs von Reichs-
PT
té
>
d Zei
Fans | | A Y
112814122 an A N — A wi
1811 H/ A A y
D l LI IUIZeEU DN Se BA
—
r
minister Speer der Wille zum Ausdruck kommt, die
Erzeugung der deutschen Wirtschaft noch stärker
als bisher auf die Kriegsproduktion auszurichten, ist
selbstverständlich.... Wir haben uns verhältnismäßig
spät auf den totalen Krieg umgestellt, um die Heimat
möglichst zu schonen. Nachdem nun einmal diese Um-
stellung erfolgt ist, muß sie aber auch vollständig sein,
und so ist der Führererlaß als eine weitere Straffung
unserer wirtschaftlichen Kräfte für den totalen Krieg
zu werten.“
Die Ernährungs wirtschaft wird von dieser
Neuregelung der Zuständigkeiten unmittelbar
nicht berührt. Schon bei einer früheren Gelegen-
heit hatte der „Völkische Beobachter‘ festgestellt,
daß in der Ernährungswirtschaft die Umstellung auf
ausschließliche Kriegsaufgaben im Gegensatz zur
übrigen Wirtschaft, die noch andere Aufgaben zu
erfüllen hatte, bereits bei Ausbruch des Krieges
erfolgt sei. Maßnahmen wie die Einstellung der Voll-
milchabgabe an den allgemeinen Verbrauch oder die
Beschränkung des Blumen- und Zierpflanzenbaues zu-
gunsten des Gemüseanbaues sind hier nur als äußere
Symptome zu werten. Das äußere Gerippe einer auf
die Aufgaben des totalen Krieges ausgerichteten
Ernährungswirtschaft war bereits durch die auf Grund
des Reichsnährstandsgesetzes aufgebaute Marktord-
nung geschaffen und brauchte dann nur durch die
Einführung der erforderlichen Bewirtschaftungsvor-
schriften auf den Krieg umgeschaltet zu werden. Die
natürlichen Beschränkungen, mit denen unsere Kriegs-
ernährungswirtschaft rechnen mußte, erforderte von
Anfang an die Umstellung auf ausschließliche Kriegs-
aufgaben. Da überdies beim Aufbau der Marktordnung
bereits eine Rationalisierung der Verarbeiterbetriebe
ausschließlich nach den Gesichtspunkten der zweck-
mäßigsten Produktionsbedingungen und der not-
wendigen Versorgungsaufgaben unter gleichzeitiger
Bereinigung der Lieferbeziehungen zwecks Entlastung
des Verkehrsapparates erfolgt war, dürften sich hier
jetzt weitere Maßnahmen als nicht erforderlich er-
weisen,
In diesen Wochen befindet sich die Landwirtschaft
bereits mitten in der Herbstbestellung für den Auf-
bau der Ernte des nächsten Jahres. Im Vordergrund
der Anbauparolen steht die Forderung nach der
Ausweitung des Brotgetreideanbaues ensprechend dem
Umfang der Jahre 1938/39, sowie die weitere Aus-
weitung des Ölfruchtanbaues. Der Ölfruchtanbau soll
gegenüber dem Vorjahre nochmals um etwa 30 v. H.
erweitert werden. Dies darf jedoch keinesfalls auf
Kosten des Hackfruchtanbaues geschehen, da die
Hackfrüchte von der Flächeneinheit die höchsten
Erträge an Nährwerten liefern und überdies für die
Erhaltung der Intensität und Produktionskraft der
Betriebe entscheidend sind. Die Erweiterung des
Ölfruchtanbaues wird also gewisse Anbauvermin-
derungen beim Sommergetreide notwendig machen.
Schon deshalb ist es erforderlich, jetzt den Winter-
getreideanbau ensprechend zu vergrößern. Bei der
Herbstbestellung wird ferner zu berücksichtigen sein,
daß die unvermeidlichen Beschränkungen in der Zu-
teilung von Handelsdünger eine um so sorgfältigere
Bodenbearbeitung sowie die Verwendung hochwer-
tigen Saatgutes erfordert. Erfreulicherweise wird die
Versorgung mit hochwertigem Saatgut in diesem
Herbst bei Getreide und Ölfrüchten keinerlei Schwie-
rigkeiten machen. Der Aufbau der neuen Ernte wird
dadurch erleichtert, daß die frühzeitige Beendigung
der diesjährigen Ernte nicht zur Überhastung bei
den Ackerarbeiten zur Herbstbestellung zwingt.
Wichtig ist neben der rechtzeitigen Anbauplanung
eine ebenso sorgfältige Planung bei der Anwendung
der verfügbaren Menge an Handelsdüngemitteln.
Auch in der Viehwirtschaft müssen jetzt wich-
tige Maßnahmen beachtet werden. Im Vordergrund
steht hier die pünktliche und vollständige Erfüllung
der Rinderumlage sowie die rechtzeitige Vorsorge
für den Nachwuchs im Rindviehstall, um hier der
für die künftige Entwicklung der Milcherzeugung
ungünstigen Überalterung der Kuhbestände ent-
gegenzuwirken. In der Schweinehaltung steht nach
wie vor im Vordergrund der Wiederaufbau unserer
Schweinebestände, der im Hinblick auf den geringeren
Ertrag der Kartoffelernte eine besonders sorgfältige
Planung im Futtermittelhaushalt, insbesondere die
beste Ausnutzung aller im Betriebe vorhandenen
Futtermittel verlangt. Ferner gilt es, das jetzt be-
stehende Mißverhältnis zwischen Bedarf und Angebot
auf dem Ferkelmarkt durch eine zielbewußte Er-
zeugungsienkung zu beseitigen. Die Ursachen der
bisherigen Schwierigkeiten liegen darin, daß das
Hauptangebot der Ferkel etwa zwei Monate hinter
der dringenden Nachfrage im zeitigen Frühjahr zu
spät kommt. Deshalb soll eine Vorverlegung des
Ferkeltermins und damit der Deckzeit um etwa
A bis 6 Wochen erfolgen. Die bevorstehende ruhigere
Zeit des Winters wird wie in den vorhergehenden
Jahren dazu benutzt werden, dm eine möglichst
wirksame Durchführung der fünften Kriegserzeu-
gungsschlacht vorzubereiten.
Als Erfolg der vierten Kriegserzeugungsschlacht Ist
am 20. September eine Erhöhung der Brotration
möglich gewesen, die bei allen Normalverbrauchern
in der Kartenperiode, also in vier Wochen, 400 Gramm
Weizenbrot oder andere Weizenware je Kopf aus-
macht. Außerdem erhalten die Kinder von 6 bis 10 Jah-
ren 500 Gramm Roggenbrot sowie die Lang- und
Nachtarbeiter auf ihre Zulagekarten 400 Gramm
Roggenbrot je Zuteilungsperiode. Dank der guten
Weizenernte ist es ferner möglich gewesen, den
Anteil des Weizengebäcks an der Gesamtbrotration
zu erhöhen und damit den friedensmäßigen Ver-
zehrsgewohnheiten anzupassen. Die Leistungen der
deutschen Landwirtschaft, die in dieser Rations-
erhöhung zum Ausdruck kommen, werden beson-
ders deutlich, wenn man berücksichtigt, daß an unsere
Brotgetreidebilanz mannigfach erhöhte Anforderungen
gestellt wurden. Wenn trotzdem die Brotration in
diesem Jahr zum zweitenmal erhöht werden konnte,
und damit sogar die Brotzuteilung zu Beginn des
fünften Kriegsjahres etwas größer wurde als im
ersten Kriegsjahr, so ist dies ein besonders deutliches
Zeichen für die unerschütterliche Leistungskraft der
deutschen landwirtschaftlichen Erzeugung.
Dr. Kurt Haußmann
27
Ki — 22 — —
H t
D ——— — ——ñ "ER EEN
—
“rn
Wa
— mm w
— — 8
— — — — > — T—— — ũ'wTI w ee —
— — — — —— — — — —— ſ ˙ 2 —̃ — n o
Zehn Jahre Rölchserbhiofgesei
An dem Bürgerlichen Gesetzbuch, das 1900 als
Ausdruck einer bürgerlichen Zeit im Altreich in
Kraft trat, hat ungefähr dreißig Jahre lang eine Anzahl
hochgelehrter Männer gearbeitet. Und, nicht viel
länger als dreißig Jahre hat dieses Gesetz notdürftig
gehalten. Dann bröckelte es auseinander in die vielen
Bestandteile, in die es geglaubt hatte das Leben
aufgliedern und einschachteln zu können. Es zerbrach
endgültig in dem gleichen Zeitpunkt, in dem ein paar
beherzte deutsche Männer sich im Jahre 1933 an-
schickten, als Ausdruck des nationalsozialistischen
Wollens, ausgestattet mit einem sicheren Instinkt
für das Bäuerliche und für unsere völkischen Not-
wendigkeiten, dem deutschen Volk ein „bäuerliches“
Gesetzbuch zu schenken, das als Reichserbhofgesetz
am 1. Oktober 1933 in Kraft trat. Zwei Welten stan-
den sich dabei gegenüber: die vergehende bürgerliche
und die um die Zukunft ringende bäuerliche.
So unterschiedlich die Entstehung dieser beiden
Gesetze ist, so verschieden war aber auch ihre Auf-
nahme durch das Volk. Während das Bürgerliche
Gesetzbuch als die höchste Krönung der Rechts-
gestaltung des vergangenen Zeitalters angesehen
wurde, fand das Reichserbhofgesetz mit seinem Er-
scheinen in der Allgemeinheit unseres Volkes nicht
die Aufnahme und den Widerhall, den man, an seiner
Bedeutung gemessen, hätte erwarten dürfen. Das ist
aber auch verständlich. Denn dieses Reichserbhof-
gesetz ist seiner Zeit weit voraus und schuf in einer
noch bürgerlich denkenden, überwiegend städtischen
Welt ein Recht, das in weiten Teilen des Volkes, ja
sogar des Bauerntums, nicht mehr verstanden wurde.
Während also das Bürgerliche Gesetzbuch seinerzeit
als Samen in einen wohlbereiteten Acker gelegt
wurde, fiel das Reichserbhofgesetz auf einen Boden,
der noch keineswegs allgemein zur Aufnahme ge-
eignet war. Die erste Aufgabe mußte es daher
sein, nach Erlaß dieses Gesetzes nun diesen
Boden vorzubereiten, damit die Saat auf-
gehen und gedeihen konnte.
Heute nach zehn Jahren ist es an der Zeit, einmal
Rechenschaft darüber abzulegen, ob der Boden von
uns richtig aufgebrochen und bearbeitet wurde,
damit das Reichserbhofgesetz reiche Frucht tragen
konnte. Der Boden ist in diesem Vergleich das Volk.
Hier liegt die erste große Schwierigkeit. Der weitaus
größte Teil unserer Anfang des vorigen Jahrhunderts
noch überwiegend bäuerlichen Bevölkerung lebte 1933
in der Stadt, zum nicht unerheblichen Teil sogar in
der Großstadt. Viele der ursprünglich vom Bäuer-
lichen kommenden deutschen Menschen hatten damit
seelisch und geistig den Zusammenhang mit dem Lande
verloren. Erst dieser große Krieg ist es, der hier den
28
Boden vorbereitet und auch in der Stadt er
die Erkenntnis reifen läßt, daß ohne genügend Land
und ein genügend starkes Landvolk das gesamte Voll dk
zugrunde gehen muß. 9
Die Arbeit der Durchdringung des Volkes mit de
Gedanken des Erbhofrechtes mußte daher zun
zwangsläufig auf den klein gewordenen Teil des L
volkes beschränkt bleiben. Hier ist aber g
worden, wenn auch hier der Boden zum Teil
nicht mehr aufnahmebereit war, weil ein
Recht und fremde Ideen ihn steril gemacht hatten
In aller Stille ist aber im Landvolk, vielfach unbemerkt
von der Stadt, an und mit diesem Recht u dich
gearbeitet worden. Rund 2000 Bauerngerichte s i
seit Jahren im Großdeutschen Reich an der Arbeit,
dieses Bauernrecht wachsen und Frucht n 1
lassen. Ungezählte Bauernführer aber haben in e
Zeit unermüdlich um die Anerkennung dieses f
gerungen. Und nicht umsonst. Wie sehr auchdi
Reichserbhofgesetz, wie alles Neue und Unerp e: te,
zunächst im Bauerntum recht kritisch aufge =
wurde, so sehr hat es sich in jenen Gegenden e
gesetzt, in denen das Bauerntum noch stark und ge
sund geblieben war und sich nicht allzuweit von dem
deutsch-germanischen Rechtsempfinden entfernth
Das aber war der beste Beweis für die Richt
dieses Gesetzes und der unbedingte Ansporn,
das Bauerntum auch in jenen Teilen des Reiches ®
dieses Gesetz auszurichten, in denen es an vielen
tatsächlichen Voraussetzungen, wirtschaftlicher und
kultureller Art zum Verständnis dieses Gesetzes fehlte.
Diese Voraussetzungen, wie zum Beispiel Verbesse-
rung der Einkommensverhältnisse, bessere maschi-
nelle Ausstattung, Durchführung notwendiger Melio-
rationen und Umlegungen usw. zu schaffen, ließen
die Verhältnisse wegen des ständig drohenden und
dann auch eingetretenen Krieges nicht zu. So ist e
verständlich, daß das Reichserbhofgesetz in manchen
Teilen unseres Bauerntums noch nicht auf das tiefe
Verständnis stößt, das es verdient hat und das auch
zu seiner Durchsetzung notwendig ist.
oO
> 9
2
Dennoch aber ist es in den zehn Jahren gewachsen
und gediehen und wird es weiter wachsen, bis es 50
reiche Frucht trägt, daß es nicht nur allgemein auf
dem Lande, sondern auch in der Stadt als das Grund-
gesetz unseres Volkes anerkannt wird. Das muß auch
kommen. Denn wenn wir nur leben werden als Bauern-
reich, wie der Führer sagte, dann wird dieses Bauern-
reich nur festen Bestand haben können, wenn es ein
starkes Bauernrecht besitzt.
Dieses starke Bauernrecht aber wird nicht nur
allein durch ein Gesetz geschaffen. Das Gê-
setz ist nur das in den Boden gelegte Saatkorn. Es
muß als aufgegangene junge Pflanze gepflegt und be:
hütet werden, damit es eines Tages ein starkes
\
Wachstum zeigt. Das aber kann nach zehn Jahren
noch nicht der Fali sein. Und doch sehen wir heute,
schon, wie sich dieses Reichserbhofgesetz entwickelt
hat. Es hat sich dem Leben im Einzelfall durch die
unermüdliche Rechtsprechung unserer Bauernge-
richte angepaßt, und dort, wo seine Paragraphen nicht
ausreichten, ist es im Laufe der jahre verändert und
verbessert worden. Es wird auch weiterhin so ver-
bessert, daß es eines Tages als ausgewachsenes, art-
eigenes und volksverbundenes Recht vor uns steht,
vor uns, die wir bis dahin ebenfalls in einer neuen
Weltanschauung gereift sind und alle die Bedeutung
dieses Rechts erkennen gelernt haben. $
So wollen wir am zehnten Geburtstag dieses Ge-
setzes nur deshalb zurückschauen, um an der bisher
geleisteten Arbeit zu erkennen, welch ein groß
Stück Weges zum gesteckten Ziele noch
vor uns liegt. Wir wollen bekennen, daß wir
weiterhin im Bauerntum mit aller Kraft im Sinne
dieses Bauernrechts zur politischen Aufgeschlossenheit
und Aktivität, zum Wollen eigener Rechtsgestaltung
und zur Tat der Rechtsschöpfung erziehen müssen,
vor allem bei der Jugend angefangen, well ihr die
Zukunft gehört und sie alles vollenden muß, was bei
uns nur Sehnsucht und vorbereitende Tat sein kann.
Dr. Meyer in der Stroth
Beruf und Kinderzahl im Lichte der
Statistik r
Statistiken geht zwar der Ruf voraus, sie wirkten
zu trocken, bei näherer Betrachtung erweisen sich
aber auch nüchterne Zahlenreihen als sehr auf-
schlußreich und zeigen etwas von dem Leben, das sie
festhalten sollen. Aus den Veröffentlichungen In
Heft 5/1943 der Zeitschrift „Wirtschaft und Statistik“
erhalten wir manchen wertvollen Hinweis auf die
gegenwärtige biologische Lage unseres Volkes. Hier
hat das Statistische Reichsamt erstmalig auf Grund
der-familienstatistischen Erhebungen bei der Volks-
zählung von 1939 Ergebnisse über die Kinderzahl der
bestehenden Ehen nach dem Beruf und der sozialen
Stellung der Ehemänner sowie nach der Wohnweise
in Stadt und Land und nach der etwaigen Boden-
bewirtschaftung bekanntgegeben. Für dle. Zahlen-
tabellen ist eine standardisierte Meßzahl (nämlich die
Klnderzahl der Ehen der Bauern und selbständigen
Landwirte in den ländlichen Gemeinden im Durch-
schnitt = 100) zugrunde gelegt und dann die ver-
schiedensten Berufsgruppen jeweils nach dem Beruf
des Ehemannes und der Tatsache, ob Bodenbewirt-
schaftung nachweisbar ist oder nicht, aufgetellt.
Allerdings sind hier nur die ländlichen Gemeinden
und die Großstädte berücksichtigt, während die
mittlere Gruppe der Gemeinden mit 2000 bis 100000
Einwohnern leider nicht behandelt wird.
Wir können’ diesen Zahlenreihen entnehmen, daß
die Landarbeiter In den ländlichen Gemeinden er-
heblich mehr Kinder aufweisen als die selbständigen
Bauern und Landwirte. Auch die Bauarbeiter und in
geringerem Maße die Stein- und Bergarbeiter haben,
soweit sie auf. dem Lande wohnen und Land bewirt-
schaften, durchschnittlich mehr Kinder als die Bauern.
t
Weiter ersehen wir aus dieser Zusammenstellung,
daß die Kinderzahlen in den ländlichen Gemeinden
erheblich über denen der Großstädte liegen und daß
die Ehepaare mit Landbewirtschaftung immer er-
heblich kinderreicher sind als die ohne. Auch zeigt
es sich deutlich, daß Bodenbewirtschaftung den
geburtenmindernden Einfluß der Stadt wesentlich
abschwächt, wenn. auch nicht aufhebt.
„Wirtschaft und Statistik“ knüpft hieran die Fest-
stellung: „Bemerkenswert ist, daß die Vertreter
vieler Berufe, sofern sie auf dem Lande wohnen,
ganz gleich, ob sie eigenen Boden bewirtschaften oder
nicht, prozentual mehr Kinder aufweisen als die
16000 Bauern, die am Rande der Großstadt ansässig
sind.“ Hier ist zu bemerken, daß es sich bel diesen
16000 Ehepaaren einmal nur um einen verschwindend
kleinen Prozentsatz aller Ehepaare der Bauern und
Landwirte (0,9 v. H.) handelt und sie schon deshalb
kaum zum Vergleich mit ‚Berufsgruppen heran-
gezogen werden dürfen, die zu wesentlich größeren
Teilen in Großstädten wohnen (z.B. bei den Berg-
arbeitern 28, 2 v. H.), und daß weiter der Begriff
„Bauer“ bei diesen sich doch vielfach nur einer
Spezialkultur widmenden Landwirten nicht summa-
risch angewandt werden darf. Nur so ist es zu er-
klären, daß viele Berufsgruppen, „sofern ihre Ver-
treter auf dem Lande wohnen und ein Stück Land
bearbeiten, kinderreicher oder wenigstens ebenso
kinderreich‘‘ wie die Ehepaare der Bauern und Land-
Wirte erscheinen, „die im Bereich der Großstadt
ansässig sind.“
. Es ist wichtig festzustellen, daß der Anteil der
Ehepaare von Bau-, Berg- und Steinarbeltern, die auf
dem Lande mehr Kinder als die Bauern und Landwirte
aufweisen, in den ländlichen Gemeinden bei gleich-
zeitiger Bodenbewirtschaftung verschwindend klein
ist und daB hier 5 der Ehepaare der Bauern
und Landwirte viel bedeutsamer ins Gewicht fällt.
‚Außerdem kann ein großer Teil dieser Arbeiter-
gruppen, der in den ländlichen Gemeinden Land be-
wirtschaftet und zum allergrößten Teil selbst aus der
Landwirtschaft stammt, mit gutem Recht als Land-
wirte im Nebenberuf angesprochen werden.
Wir müssen hier die Tatsache der Herkunft und Zu-
gehörigkeit zum landwirtschaftlichen Beruf — der
z.T. nur unter dem Zwang der Verhältnisse zur
Nebenbeschäftigung wurde — besonders hervorheben,
und sehen dann gleichzeitig, welche Bedeutung die -
Sprengung der deutschen Raumenge und die nun er-
möglichte weitausgreifende Siedlungspolitik für die
Zukunft unseres Volkes hat. So erhalten wir einen
neuen Beweis für die Berechtigung der These von der
Schicksalsverbundenheit von Blut und Boden. Die
in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung ist, wenn
man alle Gemeindegrößenklassen zusammenfaßt,
nach den Aussagen: der Statistik nach wie vor bei
weitem kinderreicher als die nichtlandwirt-
schaftliche Bevölkerung, und ohne eine breite Basis
der selbständigen Bauern und Landwirte auf dem
Lande und ohne ihren Kinderreichtum wäre unser
Volk zum allmählichen Aussterben verurteilt. Das
Bauerntum ist und bleibt der Jungbrunnen des Volkes!
Dr. Albrecht Timm
29
— — . — Age
Kë
- kte —„—ö———
TE
ͤNjͤFf —e— —̃ ̃ —— — — —
Kartoffeln
für die Verarbeitungsindustrie
Ihre vielseitige Verwendungsfähigkeit hat der Kar--
toffel in der deutschen Ernährungspolitik eine be-
sondere Stellung zugewiesen. Zehn Jahre lang haben
wir uns um eine Ertragssteigerung dieser Frucht
bemüht mit dem Erfolg, daß Anbauflächen und Er-
träge bei normaler Witterung eine ständig steigende
Kurve aufwiesen. Bessere Bodenbearbeitung, häufi-
gerer Saatgutwechsel, die Verwendung ertragsrei-
_cherer und ertragssicherer Sorten, erhöhter Aufwand
und nicht zuletzt der verstärkte Einsatz technischer
Hilfsmittel haben mit dazu beigetragen, daß die Er-
träge laufend stiegen. Heute wissen wir, wie richtig
die Parolen waren, die zu einer Steigerung des Hack-
fruchtanbaus aufriefen. Die Kartoffel hat, je länger
der Krieg dauert und je mehr die tierische Kost durch
die pflanzliche ersetzt wird, eine immer wachsende
Bedeutung für die menschliche Ernährung. War vor
dem Kriege der Speisekartoffelbedarf auf etwa
13 Millionen Tonnen angestiegen, so kann man heute
mit einer Verdoppelung dieses Satzes rechnen. Rund
26 Millionen Tonnen müssen zur Zeit für Speisekar-
toffeln des deutschen Volkes bereitgestellt werden.
Das ist eine Menge, die schon rein transportmäßig
ungeheure Anforderungen an den Verkehr stellt,
selbst wenn davon fast 40 v. H. den Bedarf der Selbst-
versorger ausmachen und daher transportmäßig
nicht ins Gewicht fallen.
Unter den übrigen Interessenten für die Kartoffel-
ernte steht das Schwein mit seiner sehr erheblichen
Forderung an Futterkartoffeln an erster Stelle. Ihm
folgen die Pflanzkartoffeln und schließlich der Be-
darf an Fabrikkartoffeln. Wenn die Verarbeitungs-
industrie auch mit ihrem Kartoffelbedarf an letzter
Stelle steht, so sind ihre Erzeugnisse doch für die
Ernährungswirtschaft und auch für die gewerbliche
Wirtschaft — nicht weniger als rund 70 Industrie- und
Gewerbezweige bedürfen zur Herstellung ihrer
Produkte der Erzeugnisse der Kartoffelverarbeitungs-
industrie — von so grundsätzlicher Bedeutung, daß
dieser Bedarf sowohl bei der Anbauplanung berück-
sichtigt wird, als auch in der Marktordnung eine wach-
sende Rolle spielt. Die Sicherung der Rohstoffgrund-
lage für die Kartoffelverarbeitungsindustrie Ist nach
dem jeweiligen Ausfall der Ernte und den Bedürfnissen
des Verbrauchs entscheidend. Daher hat die Kartoffel-
marktordnung schon vor Jahren Einzugsgebiete für
jeden Flocken- und Stärkeverarbeitungsbetrieb fest-
gelegt und hierfür bestimmte Fabrikkartoffelliefer-
mengen an die Landwirtschaft herausgegeben. Für
jeden Erzeugerbetrieb ist ein Grundlieferungskon-
tingent an Fabrikkartoffeln festgesetzt. Da im Wirt-
schaftsjahr 1943/44 die Pflichtverarbeitungsmenge der
Flockenberiebe vorläufig auf höchstens 40 v. H., der
Stärkebetriebe vorläufig auf höchstens 60 v. H. der
Fabrikkartoffelgrundliefermengen der Erzeuger des
jeweiligen Einzugsgebietes festgesetzt worden ist,
wird der Erzeuger zum Zwecke der vorrangigen
Sicherstellung der Speisekartoffeln verpflichtet, die
Restmenge des Fabrikgrundkontingents als Speise-
kartoffeln zusätzlich abzuliefern. Durch die Umlagen
30
der Grundlieferungsmengen bei den Erzeugern inner-
halb der Einzugsgebiete ist eine gesicherte Basis für
die Arbeit der Flocken- und Stärkefabriken gegeben,
die sich selbstverständlich nach der zu erwartenden
Ernte richtet. Durch diese elastische Anpassung
der Marktordnung an die Erzeugungsmöglich-
keiten wird gleichzeitig der Anfall der zahlreichen
Erzeugnisse aus Kartoffeln, die für die Kriegsernäh-
rungswirtschaft wichtig sind und die in der allge-
meinen Kriegsproduktion zum Teil Schlüsselstellungen
einnehmen, sichergestellt.
Erich Borkenhagen
Vom Abfallprodukt
zum Nahrungs- und Futtermittel
Der Anbau von Zuckerrüben erfolgte in früheren
‚Jahren lediglich zur Gewinnung von Zucker aus den
geernteten Rübenkörpern. Das bei der Ernte an-
fallende Rübenblatt betrachtete man im allgemeinen
als ein lästiges Beiwerk, das viel Arbeit bereitete
und den Betrieb belastete, ohne einen größeren Wert
zu besitzen. In ausgesprochenen Rübenwirtschaften
wurde daher das Blatt vielfach auf dem Felde liegen-
gelassen, wo es langsam verfaulte, um dann später
untergepflügt zu werden.
Ein Teil des Blattes wurde in frischem Zustande
oder eingesäuert zur Fütterung des Rindviehs und
der Schafe herangezogen. Welch geringe Bedeutung
man diesem Futtermittel beimaß, geht unter anderem
auch aus der höchst primitiven Art der Aufbewahrung
hervor. Im allgemeinen wurde das Blatt in große
Haufen zusammengefahren und mit Erde bedeit,
Dabei entstand ein übelriechender Patsch, der de
ganze Umgebung des Betriebes mit seinem unange-
nehmen Geruch erfüllte und für die Fütterung infolge
der dabei entstehenden Nährstoffverluste von nicht
allzu großer Bedeutung war. Nachdem man im Ver-
laufe der letzten zwei Jahrzehnte den Wert des Rüben-
blattes für die Milchviehfütterung mehr und mehr
erkannt hatte, ging man vor allem in ſortschrittlichen
Betrieben dazu über, dem Rübenblatt bei der Ein-
säuerung eine größere Sorgfalt einzuräumen. Es ge-
lang dadurch, die Nährstoffverluste ganz erheblich
herabzusetzen und somit ein Futtermittel zu gewinnen,
das sich durch einen hohen Eiweißgehalt und vor-
zügliche Futtereigenschaften auszeichnete. Im Ver-
laufe der Erzeugungsschlacht wurde der Wert dieses
Futtermittels immer mehr erkannt und das Zucker-
rübenblatt weitgehend als Ersatz für die feh-
lenden Kraftfuttermittel herangezogen. Dem-
entsprechend erfolgte die Ernte von jahr zu jahr
sorgfältiger unter Vermeidung von Verschmutzung —
besonders durch das Pommritzer Verfahren — und
die Einsäuerung nach Möglichkeit In festen Behältern
oder la mit Silopapier ausgelegten Erdgruben bzw.
Strohbehältern.
In neuester Zeit hat sich nunmehr durch wissen-
schaftliche Versuche und praktische Erfahrungen
gezeigt, daß das Rübenblatt nicht nur ein wertvolles
Milchviehfutter darstellt, sondern sich auch für die
Schweinemast hervorragend eignet. Wie Prof.
Richter, Kraftborn, und Prof. Nehring, Rostock,
in eingehenden Versuchen feststellen konnten, ist es
durch die gemeinsame Einsäuerung von Kartoffeln
und Zuckerrübenblatt im Verhältnis 2: 1 möglich,
ein hervorragendes Mastfuttermittel für die Schweine-
mast bereitzustellen und damit auch erhebliche
Mengen von Kartoffeln bei der Schweinemast ein-
zusparen. Dies dürfte In diesem Herbst von ganz
besonderer Bedeutung sein.
Darüber hinaus hat es sich des weiteren gezeigt,
daß das Zuckerrübenblatt auch als Gemüse einen
hohen Wert besitzt, der zumindestens dem des
Spinats gleichkommt. Seit dem vorigen jahr Ist man
daher dazu “übergegangen, Zuckerrübenblatt plan-
mäßig und mit bestem Erfolg in der Gemüsever-
sorgung einzusetzen. Damit ist aus einem wertlosen
Abfallprodukt im Laufe der letzten Jahre ein überaus
geschätztes, hochwertiges Futter- und Nahrungsmittel
geworden. Dies bedingt, dag diesem hochwertigen
Erzeugnis in der Praxis Insbesondere bei der Ernte
auch die nötige Beachtung geschenkt werden muß.
Verluste durch unsachgemäße Ernte, Verschmutzung,
langes Liegenlassen auf dem Felde usw. müssen wel-
testgehend vermieden werden. Der Einsatz des Blattes
in der Fütterung muß überlegt und planvoll erfolgen,
um allen Anforderungen, die in immer höherem Maße
an dies Erzeugnis gestellt werden, gerecht zu werden.
Dr. Ernst Schneider
Das Deputaf und die Landarbeiterin
Deputat, auf deutsch „das Zustehende“, Ist seit
alters her in der Landwirtschaft ein Teil des Lohnes.
Es umfaßt Sachwerte (Naturalien) wie etwa Getreide,
Viehhaltung, Wohnung, Brennholz, Garten- und
Ackerland usw. Genau so, wie man beizeiten lernen
muß, das Geld richtig einzuteilen, muß man auch
lernen, das Deputat richtig zu verwerten. je
nachdem, in welchem Maß die Landarbeiterin das
versteht, kann sie ihr Einkommen steigern und die
wirtschaftliche Kraft des eigenen Haushaltes stärken.
Früher meinte man, da8 jede Landarbeiterin das
„von selbst können“ müsse. Wie aber eine junge
Mutter nicht allein dadurch, daß sie einem Kind das
Leben gegeben hat, von selbst weiß, wie es gepflegt,
großgezogen und erzogen werden muß, wenn sie
nicht entsprechende Unterweisungen erhalten, am
besten entsprechende Kurse oder Kurzlehrgänge be-
sucht hat, genau so wenig kann die Landarbeiterin
„von selbst” richtig mit dem Deputat umgehen. Wohl
lernt die Tochter viel von der Mutter. Aber die Zeit
geht weiter und stellt immer neue Anforderungen
an uns und unsere Leistungsfählgkeit. Deshalb müssen
wir mit der Zeit mitgehen und unsere Arbeit immer
wieder neu ausrichten. .-
Durch das Bäuerliche Berufserziehungswerk
wird auch den Landarbeitertöchtern die Möglichkeit
gegeben, daB sie durch die Hausarbeitsiehre
eine geordnete Berufsausbildung erhalten
können, d.h. daB sie neben der Feldarbeit auch alles
das lernen, was sie zur Führung ihrer kleinen Land-
arbeitereigenwirtschaft brauchen. Dazu gehört so-
wohl die Haushaltführung wie die Pflege des Viehs,
Geflügels, Gartens usw. Auch den sogenannten Hof-
gängerinnen bietet sich: diese Möglichkeit, wenn sie
in die Hausarbeltslehre eintreten. Der Betriebsführer
muß sich in diesen Fällen verpflichten, die junge
Landarbeiterin während des Winters für mindestens
acht Wochen vorwiegend in der ländlichen Haus-
wirtschaft zu beschäftigen. Dort, wo dies nicht mög-
lich ist, wird durch einen besonderen vierwöchigen
Lehrgang erreicht, daß die einseitige Feld- und Hof-
arbeit die notwendige hauswirtschaftliche Ergänzung
erfährt. Auf diese Weise ausgebildet, kann künftig
jede Landarbeiterin das Rüstzeug erhalten für die
zweckmäßigste Deputatsvor wertung und Führung
ihrer Eigenwirtschaft. |
Der jetzigen Generation aber, für die die Lehre
nicht mehr in Frage kommt, kann durch entspre-
chende Beratung oder Kurzlehrgänge geholfen
werden, sich die Haushaltführung zu erleichtern und
erfolgreicher zu gestalten. Erst einmal für diese Ge-
dankengänge aufgeschlossen, merkt die Landarbeiter-
frau sehr bald, wie sie sich manches praktischer ein-
richten kann. Sie beobachtet und vergleicht und bringt
schließlich von sich aus mancherlel Fragen aus Ihrer
Haushalt- und Wirtschaftsführung vor, die ihr bisher
Kopfzerbrechen machten. Dabei geht es nicht allein
um das Kochen, dem in manchem Landarbeiter-
haushalt aus Zeitmangel viel zuwenig Sorgfalt zu-
gewendet wird, und nicht nur um die Ernährung
der Kinder, bei der gerade auf dem Lande noch viele
Irrige Meinungen vorherrschen, sondern Insbesondere
um die zweckmäßige Deputatverwertung, z.B.
das Einschlachten des Schweines und die Ausnutzung
des Gartenlandes so, daß die Ernährung der Familie
nach neuzeitlichen Erkenntnissen mit ausreichenden
Mengen an Gemüse und Obst auch wirklich möglich Ist.
Derartige Kurzlehrgänge hat die Landesbauernschaft
Sachsen-Anhalt schon seit mehreren Jahren In nun-
mehr fast allen Kreisbauernschaften als sogenannte
Sprechabende durchgeführt. Die rege Teilnahme der
Landarbeiterinnen bewies das große Interesse, das
sie dieser Maßnahme entgegenbringen, und das starke
Bedürfnis, etwas dazuzulernen, wenn sich die
richtige Möglichkeit dazu bietet. Trotz des Krieges
werden diese Sprechabende im Hinblick auf ihre
wirtschaftliche Bedeutung weitergeführt — wenn
auch in kleiner Zahl — und sind von anderen Landes-
bauernschaften ebenfalls aufgenommen worden. Die
Landarbeiterin wird dadurch nicht nur wirtschaft-
lich beraten, sondern es wird auch ihr Selbst-
bewußtsein gestärkt, und sie lernt gleichzeitig,
sich genau so wie die Bäuerin als richtige Landfrau
zu fühlen. Eine Landarbeiterin aber, deren Haushalt
wirtschaftlich gefestigt ist und die mit Recht stolz
auf ihre Arbeit und ihre Leistung für den Hof, für die
Landwirtschaft und damit für die Ernährungswirt-
schaft überhaupt ist, wird dafür sorgen, daß ihre
Kinder nicht den Verlockungen der Großstadt er
liegen, sondern dem Lande treu bleiben und einen
Beruf ergreifen, der in irgendeiner Form ebenfalls
dem gleichen Ziel dient,
Irmgard Genthe
= E 31
=- — 2 e pg em fe e
— —
D
$ D
— — —— e e een
= r A —
a
——ääů—— GË — ———
Art 825
* 2 D
Dir buchwacht
H. Schmidlin
Arbeit und Stellung der Frau in der
Landgufs wirtschaft der Hausväter
Carl Winters Universitätsbuchhandlung,
Heidelberg 1941, 115 Seiten
Schon Adam Müller, der Staatsphilosoph der Ro-
mantik, hat die Beobachtung gemacht, daß Albrecht
Thaer in seinen Schriften die Hausfrau, „die unsicht-
barste, aber einflußreichste Potenz der Landwirtschaft,
die Sparende, die Erhaltende“, kaum berücksichtigt
hat. „Der Gesetzgeber der rationellen Landwirtschaft
erwähnt sie in allen seinen Werken kaum dem Namen
nach.“ Auf dem Wege zur modernen Landwirtschafts-
wissenschaft schied die Landbaulehre das Land- und
Gartenleben sowie die Innere Hauswirtschaft aus,
damit wurde der Bereich der hausmütterlichen Arbeit
. aus den Darstellungen der praktischen Landwirtschaft
fast ganz entfernt. Die Vorläufer der rationellen Land-
wirtschaftsiehre, die. Hausväter, brachten dagegen
regelmäßig in ihren Werken Teile über die Arbeit
der Frau In Haus und Garten, ja verschiedene Ver-
fasser stellten neben ihren „Hausvater“ auch eine
„Hausmutter“, wie z.B. Germershausen. Schmidlin
hat die Hausväterliteratur nach der Stellung der Haus-
frau in ihr durchforscht und ein eindrucksvolles und
lebendiges Bild von der vielseitigen Tätigkeit der
Hausfrau in der Landgutswirtschaft entworfen.
Da berichten die Hausväter z. B. ausführlich über
das Kochen und Einmachen, über das Schlachten,
Lichteziehen, Seifekochen, Waschen, über das Backen,
Brauen und Destillieren, das Spinnen, Weben, Färben
und Schneidern und schließlich über die vielgestaltige
Tätigkeit in der Milchküche und im Stall, im Garten,
auf dem Feld und im Weinberg. Außer diesen Haupt-
tätigkeiten gibt es aber noch viele, an denen die
Hausfrau der Hausväter beteiligt ist oder die sie ver-
antwortlich beaufsichtigt, wie z. B. die Seidenraupen-
zucht, die Imkerei usw. Weitere Abschnitte zeigen
die Frau bei der Regierung des Gesindes und der Er-
ziehung der Kinder, hat doch schon Roscher den
Inhalt der Hausväterliteratur dahin gekennzeichnet,
daß In ihr der Gedanke des Familienlebens in
gleicher Weise vorherrsche wie in der landwirtschaft-
lichen Literatur des späteren 18.}jahrhunderts der Ge-
danke des Reinertrages. Die Verfasser der Haus-
väterliteratur betrachteten den landwirtschaftlichen
Betrieb eben als eine erweiterte Haushaltung und
nicht als landwirtschaftlichen Betrieb im späteren enge-
ren Sinne des Begriffes.
Der Verfasser vertritt die Anschauung, daß das
Verschwinden der Haushaltskunde aus den Schriften
der Rationellen nicht aus einer an sich höheren Ent-
wicklung zu erklären war, sondern aus der einstwei-
32
ligen Notwendigkeit, zu einer Landwirtschaftswissen-
schaft zu gelangen. Daher sei auch in der heutigen Zeit
eine gewisse Wiederkehr der ländlichen Haus-
haltskunde festzustellen, z. B. innerhalb der Land-
arbeitsiehre. Der Verfasser bezeichnet seine Unter-
suchung als „Beiträge zur Agrarphilosophie“. Er sieht
also hinter den aufgezeigten Tatbeständen das Wir-
ken weltanschaulicher Beweggründe, die an
dere waren als bei den Rationellen. Die Romantik
rügte bereits an Thaer, daß die Landwirtschaft nicht
nur ein nach höchstem Reinertrag strebendes Gewerbe
sein dürfe, sie schätzten die Hausvärer als späte Aus-
läufer des Mittelalters, die das Landgut als Lehen Got-
tes ansahen, woraus sich eine besondere Verantwor-
tung gegenüber den Vorfahren und den kommenden
Geschlechtern ergab. — Das interessante Buch leidet
stellenweise unter einem wenig geschickten Stil.
Dr. Klaus Schmidt
Karl Rumpf
Eine deutsche Bauernkunst
Schriften des Landesamtes für Volkskunde. Heng
gegeben von B. Martin. — Elwertsche Verlagsbuchkar*
lung Marburg/Lahn 1943. 103 Seiten, 134 Abbildung
24 Tafeln. Halbleinen RM. 24,—
Das neue ins Leben gerufene Hessische Landesamt
für Volkskunde hat seine Aufgabe, auf die reichen
Zeugnisse des bodenständigen Volkstums hinzuweisen
und das übernommene Erbe für die Gegenwart und
Zukunft nutzbar zu machen, schon mit dem ersten
Band seiner Veröffentlichung trefflich erfüllt. Karl
Rumpf hat auf seinen jahrelangen Wanderungen die
Wurzel der deutschen Kunst in der Bauernkunst
aufgespürt und ihre mannigfachen Gestaltungsformen
an den täglichen Gebrauchsgegenständen in zahlte
chen Zeichnungen und Abbildungen festgehalten und
gedeutet. Er widmet hier der Ornamentik und den
Sinnbildformen in der Bauernkunst sein besondere
Augenmerk. Strich- und Kerbschnittmuster reichen
als gleichsam geometrische Ornamentik bis weit in
die Frühzeit unseres Volkes. Sie haben sich In der
wahren bäuerlichen Kunst immer organisch mit dem
zeitlich bedingten Stil verbunden. Die Stärke und
Ausdruckskraft der bäuerlichen Lebensordnung wird
gerade beim Betrachten aller der Gebrauchsstücke
aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts deutlich,
die uns der Verfasser in so meisterhaften Wieder
gaben zeigt. Auf diese reiche Tradition muß sich die
Gegenwart besinnen, um hier altes Überlieferungsgt!
mit den technischen Errungenschaften unserer Zeit
zu einer neuen lebensstarken Einheit zu verbinden-
Dr. Albrecht Timm
ah "Za
"Sr E EE a EK. CE
a
Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen
auf dem Hoi meistnur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer
Stelle zur anderen bringen läßt.
Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß.
SIEMENS-SCHUCKERTWERKE.AG
Generalorgas
ACKERSCHLEPPER RO
Zen
sr
3
— ———
— ——
— m
mmer H
——
S
— —ů—ů— ——
— ‚ ñnmunð . —— —
— AA — — ——
— — —
— — —
— ſo—— em
—— | ——
— — —
— ze —
—
> —
— Tage 1 —
— = e
— 2
*
L !
*
nn
a
Ze
A
gY
REINGAS-BULLDOG
für Holzgas - Betrieb
GREIFERKETTEN
MIT STAHLPIATIEN
ZUM PILUGEN
ZICKZACK-LEITERKETTE
FUR SIRASSEN
KREUIKETIEN ILR ACKER
UND FELDWIEGI
ung
Rutschsicher
das ganze Fahr
Kettenwerk Max Többicke
100 jährige Fabrikationserlahrungen
|
| Gesarol
| ist Fraß- und Berührungs-
gift zugleich!
Das Anwendungsgebiet von Ge-
| sarol ist wegen seiner Doppel-
| wirkungsehrgroß. Gesarolkann
sowohl vorbeugend als auch zur
unmittelbaren Bekämpfung ge-
gen saugende und fressende In-
sekten im Acker-, Wein-, Obst-
und Gartenbau verwendet wer-
den. Es ist für Menschen und
Haustiere ungiftig und bedeutet
aufdem Gebiete derSchädlings-
bekämpfung einen beachtlichen
Fortschritt.
Gesarol
(auf Grund einer Lizenz der J. R. Geigy
A.G.)
Das Wort ‚einwecken“ stammt
von Johann Weck, dem Mann, der
das WECK-Verfahren begründet,
der die WECK-Gläser und WECK-
Geräte geschaffen hat.
wW ECK
zZ
J.WECK & CO., ÖFLINGEN IN BADEN
Le
Va
Ké
AZA
Wie die Saak-
A0 die &rnde !
Ernteausfälle werden
vermieden durch Bei-
zung des Saatguts. mit
Ceresan 4
Tròcken-oder Naßbeize
für alle Getreidearten!
$
»Bayeı« AA
LG Farbenindustrie Aktiengesellschaft =
Pllanzenschutz: Abteilung LEVERKUSEN
5
2
Ce
wn
S13 15 + yadian SIY
U
AN)
2 va grg man
Hemucgth Hubert Backe
NOVEMBER 1943 : NUMMER 2 JAHRGANG? EIN DEH S 3 RM
il
| 1
i
|
5
£ u
—̃ ̃ —— —e—
— — U— - nt *
2
INHALT
Marktordnung und Erzeuqungslenkuna dsds .e 33
Dr. Hanskarl Freiherr von Manteuffel, Ministerialdirigent im Reichsministerium
für Ernährung und Landwirtschaft: Sippenschutz im Erbhofr echt. 35
Günther Pacyna: Bauerntum im Übergang ................ VV 39
Blick ins Ostland (Bildbeilage w yyꝓ u n. S. 40
Dr. Emil Woermann, ord. Professor für Land wirtschaftliche Betriebslehre an
der Universität in Halle a. d. Saale: Die europäische Schweinehaltung —
Ihre leistungen für die Fleisch- und Fettwirtschaf iI 44
Oberlandwirtschaftsrat Dr. Wilhelm Heuckmann: Fragen der internationalen
EREECHEN 51
Weinlese in Europa (Bildbeilageꝛꝛi . ( m n. S. 32
Dr. Hans Heinrich, Ministerialrat im Reichsministerium für Ernährung und
Landwirtschaft, Mitglied des Reichserbhofgerichts: Der Abschluß der land-
wirtschaftlichen Entschuldngg u ꝛ ꝛ rr 55
Die Holmer Fischerzunft (Bildbeilage) ......::....2 css. n. S. 56
Agrarpolitische ee ß . 59
Ranabemerkungen: ] ]xé— 7«˙]ꝝ... ] h - a m. ˙ . 61
Die Buchwacgn tt. %% ĩðù ͤ ᷣ⁰wi... ee 63
Bildnachweis: Hennig Nolte, der uns auch die Aufnahmen für die Bildbeilage ‚Die Holmer Fischer-
zunft‘' (15) zur Verfügung stellte, ist der Photograph des Titelbildes. Es zeigt die Fischer beim
Einbringen der Netze nach der Heimkehr vom Fang. — Die Beilage „Blick ins Ostland! enthalt
Aufnahmen von Dr. Stock (5) und vom Landwirtschaftlichen Bilderdienst (4). — Die Bilder zur „ Weinlese
in Europa" stammen aus dem Archiv der Schriftleitung „Der Weinbau“ (4), von Weltbild (2), der
AFI. (1), der Ungarischen Gesandtschaft (1) und von Kriegsberichter Bernick (1).
Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15, Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna.
Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:
Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 196051
Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts-
ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.
OLITIK
Herbert Backe
November 1943 Jahrgang 2 Nummer 2
CE EN EEE EEE EEE EEE
MARKTORDNUNG UND
ERZEUGUNGSLENKUNG
G. P. — Jede Marktordnung, die sich zum obersten Ziel die Bedarfsdeckung der Bevölke-
rung ihres Wirkungsbereiches gemacht hat, führt naturnotwendig zur Erzeugungslenkung.
Die nationalsozialistische Ernährungswirtschaft ist dafür ein kennzeichnendes Beispiel;
denn die ernährungswirtschaftliche Marktordnung konnte ihre soziale und nationale Auf-
gabe der Nahrungssicherung des deutschen Volkes nur durch planmäßige Mobilmachung
der landwirtschaftlichen Produktionskraft lösen. In der Gesamtheit der Maßnahmen, die in
dem Begriff der Erzeugungsschlacht zusammengefaßt wurden, kam daher von vornherein
neben dem Willen zu einer allgemeinen Erzeugungssteigerung die Ausrichtung der land-
wirtschaftlichen Erzeugung auf die Deckung der wichtigsten Versorgungslücken zur
Geltung. Die Erzeugungslenkung wird um se notwendiger, je vielseitiger die Ernährungs-
weise der zu versorgenden Bevölkerung ist und je mannigfaltiger die sich daraus
ergebenden Erzeugungsaufgaben sind. Der hohe Lebensstand des deutschen Volkes aber
erforderte darüber hinaus schon deswegen von vornherein eine besonders zielbewußte
Erzeugungslenkung, weil der beschränkte Nahrungsspielraum, über den das deutsche Volk
nur verfügte, eine Ausnutzung der landwirtschaftlichen Produktionskraft gebot, die zu-
nächst und vor allem der Befriedigung der wichtigsten Lebensnotwendigkeiten diente;
denn die Erfahrungen im ersten Weltkrieg hatten gezeigt, was es für ein Volk bedeutet,
wenn diese Vorbedingung nationaler Selbstbehauptung nicht erfüllt ist.
Mit dieser Konzentration der Produktionskraft der deutschen Landwirtschaft auf die
Deeg
vordringlichsten volkswirtschaftlichen Versorgungsaufgaben zur Sicherung der deutschen
Nahrungsfreiheit war aber gleichzeitig auch das wirtschaftspolitische Verhältnis zu den
Agrarländern Europas bestimmt. Die deutsche Erzeugungsschlacht entsprang nicht etwa
einem grundsätzlichen Abschlußwillen, der sich selbst genug war, sondern dem Bestreben,
den landwirtschaftlichen Zufuhren aus dem Auslande wieder ihre natürliche volkswirt-
schaftliche Ergänzungsfunktion zuzuweisen. Dementsprechend wurde die ernährungs-
wirtschaftliche Einfuhrregelung zu einem unentbehrlichen Bestandteil der deutschen
Marktordnung. So sehr diese Einfuhrregelung von den nationalpolitischen Notwendig-
keiten des deutschen Volkes diktiert war, so sehr entsprach sie andererseits aber auch den
natürlichen Lebensinteressen gerade der europäischen Agrarländer. Damit wurde die
ernährungswirtschaftliche Marktordnung Deutschlands zu einem Tragpfeiler der wirt-
schaftlichen Neuordnung Europas.
Und dies aus zwei Gründen: Während für England — wie der Aufsatz „Bauerntum im
Ubergang” an dem Beispiel der baltischen Agrarländer zeigt — die landwirtschaftlichen
Überschüsse der europäischen Agrarländer nur die Rolle eines vorübergehenden Lücken-
büßers spielten, der den vorherrschenden überseeischen Interessen Englands immer wieder
— oft von heute auf morgen — weichen mußte, während auf diese Weise die Landwirt-
schaft Europas nur zu einem unbedeutenden Anhängsel der Landwirtschaft in Übersee
wurde und völlig im Schatten von deren Entwicklung stand, bildete für das deutsche Volk,
das infolge seiner kontinentalen Mittellage von der Verbindung nach Übersee nur zu leicht
abgeschnitten werden konnte, Europa den naturgegebenen ernährungswirtschaftlichen
— — —U—ä4ä4ÿj— AD E Er EE, nie fire
|
|
\
Së ups — — 5a — = up — mm =- mm me 7171
-=e a ů ee ee een
23% pn pm w wa
Sp zz an T „%
Ergänzungsraum. Deutschland hatte also im Gegensatz zu England an einer dauerhaften
Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen ein natürliches Interesse, das dem Ausfuhr-
bedürfnis der europäischen Agrarländer um so mehr entgegenkam, je mehr sich diese
entschlossen, ihre Erzeugung auf die Deckung des zusätzlichen deutschen Nahrungs-
bedarfes abzustellen. Dadurch bekamen die Marktordnung und Erzeugungslenkung in
Deutschland eine gesamteuropäische Bedeutung, die nicht etwa erst durch den Krieg
hervorgerufen, aber durch ihn noch stärker, da allen sichtbar, unterstrichen wurde. Sie
weisen den Agrarländern Europas die Möglichkeit zu einem Ausbau ihrer landwirtschaft-
lichen Erzeugung, daß diese das sichere und dauerhafte Fundament ihres nationalen
Wohlstandes bilden kann.
Allerdings ist zur Erreichung dieses Zieles — darüber að man , sich an verantwortlicher
Stelle in diesen Agrarländern klar sein — eine bewußte Erzeugungslenkung, d.h. eine
Umstellung der Erzeugung auf die Deckung des zusätzlichen Bedarfs des deutschen Volkes
notwendig. Der Aufsatz von Professor Emil Woermann zeigt an dem besonders wichtigen
Kapitel der europäischen Schweinehaltung und ihrer Leistungen für die Fleisch- und Fett-
wirtschaft die Wichtigkeit dieser Erzeugungslenkung, die, im Grunde genommen, Wieder-
besinnung auf die natürlichen Erzeugungsgrundlagen der europäischen Landwirtschaft,
bedeutet. Diese Tatsache ist ein Beleg mehr für den organischen, d.h. den den natur-
gegebenen Interessen entsprechenden Charakter der notwendigen Erzeugungsumstellung
und gleichzeitig damit ein weiterer Beweis dafür, daß eine enge ernährungswirtschaftliche
Zusammenarbeit mit Deutschland den Lebensnotwendigkeiten der europäischen Wirt-
„schaftsgemeinschaft entspricht. Der Aufsatz von Wilhelm Heuckmann über Fragen der
internationalen Weinbauwirtschaft unterstreicht diese Erkenntnis, denn er zeigt, wie sehr
eine zielbewußte Erzeugungslenkung selbst auf „Nebengebieten“ zur wirtschaftlichen
Gesundung und sozialen Festigung des Bauerntums in den europäischen Agrarländern
beitragen kann.
Wenn man sich diese Tatsache Feng scene so wird man auch vor den Schwierig-
keiten, die die notwendige Erzeuqungslenkung zweifellos mit sich bringt, nicht zurück-
schrecken, und das um so weniger, als ja auch die Abhängigkeit von dem englischen
Weltwirtschaftssystem und die damit gegebene Notwendigkeit, die wechselnden, vom
englischen Interesse diktierten Konjunkturen auszunutzen, immer wieder zahlreiche
Produktionsumstellungen erforderten, die nur zu oft, kaum durchgeführt, Wieder sinnlos
wurden, weil inzwischen England seinen überseeischen Interessen zuliebe einen plötz-
lichen Kurswechsel seiner Handelspolitik vorgenommen hatte. Dagegen bietet die Aus-
richtung der landwirtschaftlichen Erzeugung auf die Zusammenarbeit mit Deutschland den
sonst nirgends gebotenen Vorteil der Dauerhaftigkeit. Das ist aber gerade die entscheidende
Voraussetzung einer Gesundung der europäischen Agrarländer von Grund auf, der gegen-
über die Umstellungsschwierigkeiten, die gewiß nicht verkleinert werden sollen, doch nur
gering wiegen. Auch der deutschen Landwirtschaft wurde ja in der Erzeugungsschlacht
eine Produktionsumstellung zugemutet, die bei ihrer hochintensiven Betriebsweise beson-
ders einschneidend und schwierig war. Ihre fundamentale Bedeutung für den Lebenskampf
des deutschen Volkes wird erst die Geschichte voll zu würdigen wissen.
Diese Umstellung, die an die wirtschaftliche Beweglichkeit des deutschen Landvolkes
höchste Anforderungen stellte, war nur möglich, weil sie gleichzeitig mit einer sozialen
Festigung des Bauerntums verbunden war, die in dem Reichserbhofgesetz ihren stärksten
Ausdruck fand. Die durch dieses gewährleistete Sippengebundenheit des bäuerlichen
Grundeigentums diente nicht nur der Sicherung des bäuerlichen Blutquells als des Jung-
brunnens der Nation, sondern gab auch der bäuerlichen Arbeit den unentbehrlichen
Schutz, der ihre unbedingte Ausrichtung auf die Pflichterfüllung gegenüber Volk und Staat
ermöglichte. Die neue Erbhoffortbildungsverordnung beweist, wie Freiherr von Man-
teuffel in seinem Aufsatz „Sippenschutz im Erbhofrecht“ zeigt, daß dieser richtung-
gebende Gedanke über den Ernährungssorgen des Krieges nicht etwa vergessen, sondern
zielbewußt weiter ausgebildet worden ist. Gleichzeitig kann dieses Heft in dem Aufsatz
von H. Heinrich den Abschluß der landwirtschaftlichen Entschuldung behandeln, ein
Beweis mehr für die durch den Nationalsozialismus bewirkte soziale Rückgratstärkung des
Landvolkes, die bewirkt hat, daß die Landwirtschaft die Erzeugungsschlacht mit unüber-
bietbarem Erfolg durchführen konnte.
34
HANSKARL FREIHERR VON MANTEUFFEL:
SIPPENSCHUTZ
IM ERBHOFRECHT
Die Reichsregierung will unter Sicherung alter deut-
scher Erbsitte das Bauerntum als Blutquell des deut-
schen Volkes erhalten.
Die Bauernhöfe sollen vor Uberschuldung und Zer-
splitterung im Erbgang geschützt werden, damit sie
dauernd als Erbe der Sippe in der Hand freier Bauern
verbleiben. Reichserbhofgesetz.
IE einem Aufsatz „Landfamilie — Bauern-
reich“ hat Horst Rechenbach im Juni-
Heft der „Deutschen Agrarpolitik“ die Be-
deutung der Sippe, insbesondere der Land-
volkgeschlechter, für die Zukunft unseres
Volkes klar unterstrichen. Er hat in den
Abschnitten seiner Ausführungen, die das
Bauerntum als Ausgangs- und Mittelpunkt
des völkischen Lebens überhaupt darstel-
len, sich auch eingehend mit dem Zusam-
menhang zwischen dem Sippenschutz und
dem Reichserbhofrecht beschäftigt. Und
während er aufzeigt, daß in weiten Kreisen
des Bauerntums heute noch das Klein-
familiendenken verständlicherweise vor-
handen ist, fordert er doch sehr bestimmt
die Umstellung des Bauerntums vom Klein-
familiendenken auf das Geschlechter-
denken, das zwar nicht von oben ange-
ordnet werden kann, aber unbedingt von
unten wachsen muß. Mit ihm sind wir der
Ansicht, daß die Bodengebundenheit der
Geschlechter die wesentliche Voraus-
setzung für ihre Lebensdauer und ihre
Aufartung ist und daß für den Wert der
Bodengebundenheit die richtige Erbfolge
und Gattenwahl die entscheidende Voraus-
Setzung ist. So muß das Reichserbhofgesetz
diesem Geschlechterdenken, zu dem wir im
Laufe der Zeit das gesamte Landvolk er-
ziehen wollen, nicht nur Rechnung tragen,
sondern darüber hinaus muß der Schutz
des Geschlechts oder der Sippe auf dem
Hof ein Kernstück der EEN
Gesetzgebung sein.
Hat das Reichserbhofgeseiz selbst oder
die es zunächst erweiternde Erbhofrechts-
verordnung diesem Grundsatz bereits voll
Rechnung getragen oder blieb einiges zu
wünschen übrig?
Um das beurteilen zu können, müssen
wir uns vergegenwärtigen, was von den
einzelnen wesentlichen Bestimmungen dem
Sippegedanken Rechnung trägt. Die ein-
zelnen Vorschriften des Reichserbhof-
gesetzes sind nichts weiter als technische
Hilfsmittel, um die in der Präambel auf-
gestellten Grundforderungen verwirklichen
zu helfen. Einleitend zum Gesetz stehen
aber die beiden oben über diesen Beitrag
gesetzten Sätze, die bei der Bedeutung der
Präambel für die Auslegung der nachfol-
genden Paragraphen eine klare Richt-
schnur für die Anwendung jeder einzelnen
Bestimmung des Gesetzes insbesondere für
die bäuerlichen Anerbenbehörden dar-
stellen. Damit stellt das Reichserbhofgesetz
selbst als Ziel seiner Maßnahmen einen
Rechtszustand hin, in dem der Bauernhof
dauernd als Erbe der Sippe in der Hand
freier Bauern verbleiben soll.
Es erreicht diesen Sippenschutz zunächst
durch das generelle Veräußerungs-
verbot, das nur dann durchbrochen wer-
den kann, wenn die Sippe nicht mehr
schutzwürdig ist oder aus besonderen Um-
ständen des Falles, z.B. aus einem öffent-
lichen Interesse heraus, die Verpflanzung
der Sippe sich als notwendig herausgestellt
hat. Bei der Enteignung eines Erbhofs ist
deshalb auch in den entsprechenden neue-
ren Gesetzen die Ersatzlandbeschaffung
zwingend vorgeschrieben. Wenn somit die
Erhaltung des Hofes in der Sippe gegen
eine Fremdveräußerung gesichert ist, so
hat sich der Gesetzgeber auch bemüht,
diesen Sippenschutz bei der tat-
sächlichen und verfrühten Erb-
folge eintreten zu lassen. Die Anerben-
folgeordnung des Reichserbhofgesetzes um-
faßt nur einen eng umgrenzten Kreis der
nächsten Sippenangehörigen und schafft
bewußt den Vorrang der Träger der
Namenssippe. Das Erbhofrecht geht davon
aus, daß, um mit Rechenbach zu reden, die
Landvolkgeschlechter die Grundlage jeder
Menschenzüchtung sind und die Hand-
habung ihrer Erbfolge eines der wesent-
lichsten Mittel dieser Züchtung ist.
35
Die Erbhofrechtsverordnung hat über die
Anerbenfolgebestimmungen des Reichserb-
hofgesetzes hinaus dem Bauern die Mög-
lichkeit geschaffen, in einer Hofsatzung
mit Geltung für alle künftigen Erbfälle zu
bestimmen, daß der Hof sich zunächst aus-
schließlich im Mannesstamme vererbt, also
nur auf Personen männlichen Geschlechts,
die durch Männer mit dem Bauern ver-
wandt sind. Hierbei können Schwestern
und weibliche Abkömmlinge des Bauern
von der Erbfolge ganz ausgeschlossen wer-
den. Durch die allerdings an die Genehmi-
gung des Reichsjustizministers und Reichs-
ernährungsministers geknüpfte Hofsatzung
hat der Bauer also die Möglichkeit, die Er-
haltung des Hofes in der Namenssippe so
lange sicherzustellen, wie die Sippe stark
genug ist, männliche Träger, die bauern-
fähig sind, für den Erbhof zur Verfügung
zu stellen.
‘Außer dem Sippenschutz durch Ver-
äußerungsverbot und Anerbenfolgeordnung
schützt all das die Sippe, was dem Hof
dient. Der wirtschaftlich gesunde
Hofist, auf die Dauer gesehen, die
wertvollste Grundlage für ein ge-
sundes Bauerntum. Und deshalb muß
ein Schutz des Hofes sich gleichzeitig zu
einem Sippenschutz auswirken. Da ist zu-
nächst darauf hinzuweisen, daß durch die
Schaffung des Begriffs der Ackernah-
rung für den Erbhof eine Mindestgröße
vorgeschrieben ist, die es der Familie als
Grundlage der Sippe ermöglichen soll, un-
abhängig vom Markt und der allgemeinen
Wirtschaftslage in einer Form zu leben, die
die Erfüllung der biologischen, kulturellen
und wirtschaftlichen Aufgaben des Bauern-
tums sicherstellt. Der Schutz des Hofes vor
Überschuldung und Zersplitterung dient
gleichfalls tatsächlich der Stärkung der
Sippe und damit ihrem besonderen Schutz.
Der vor Überschuldung und Zersplitte-
rung geschützte Hof von ausreichender
Größe fällt nur dann einem Angehörigen
der Sippe zu, wenn dieser Angehörige
bauernfähig ist. Je größere Anforderungen
an den Begriff der Bauernfähigkeit ge-
stellt werden, um so mehr wird es ge-
lingen, die auf dem Hof herrschende Sippe
heraufzuzüchten. Deshalb liegt in der Aus-
merze untüchtigen Blutes durch verant-
wortungsbewußte Handhabe der Bauern-
fähigkeitsbestimmung ein besonders star-
ker Schutz für die Kraft und Gesundheit
des zum Hof gehörigen Geschlechts,
36
Von der Erkenntnis ausgehend, daß erst
die Bodengebundenheit der Geschlechter
eine Voraussetzung für ihre Lebensdauer
und ihre Aufartung ist, findet im Erbhof-
recht ein Sippenschutz wertvoller Sippen
dadurch statt, daß sie ohne Rücksicht auf
die Tatsache, daß ihr Betrieb über 125 ha
groß ist, mit dem Boden durch das Erbhof-
gesetz fest verbunden werden können. In
der vom Reichsminister für Ernährung und
Landwirtschaft erfolgenden Zulassung
wertvoller Sippen zum Bauerntum
und in ihrer erbhofmäßigen Bindung an die
Scholle zeigt sich, völkisch gesehen, ein
starker Schutz für diese Sippe, die ihre
Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis ge-
stellt hat.
Wenn wir bisher gesehen haben, daß das
Reichserbhofgesetz und die Erbhofrechts-
verordnung schon in starkem Maße be-
müht waren, die Grundgedanken der Prä-
ambel auch paragraphenmäßig zu veran-
kern, so müssen wir doch feststellen, daß
der Gesetzgeber — damals wohl für die
Übergangszeit mit Rücksicht auf das
Kleinfamiliendenken — einige Durch-
brechungen des Sippengedankens
in Kauf genommen hatte:
1. Wenn ein Bauer den Hof von der Mutter
oder der mütterlichen Verwandtschaft er-
halten hatte, dann gehörte sein Vater zu
seinen gesetzlichen Anerben, so daß e
möglich war, daß der Hof über den Vater
in eine fremde Sippe abwanderte. Weder
die Mutter noch ihre Verwandtschaft, um
deren Hof es sich doch handelte, gehörte
zur Anerbenfolge, noch konnten sie über-
haupt zum Anerben bestimmt werden.
2. Halbbürtige Geschwister eines Bauern ge-
hörten ohne Ausnahme zu den gesetzlichen
Anerben, gleichgültig, ob sie mit dem
Bauern auch den Elternteil gemeinsam
hatten, von dem der Hof stammte.
GN
Wenn gesetzliche Anerben nicht vorhan-
den waren, konnte der Bauer den Anerben
frei bestimmen. Da die Folgeordnung des
Gesetzes nur einen sehr engen Kreis der
Sippe umfaßte, konnte es geschehen, daß
ein alter Sippenhof der Familie verloren-
ging, obwohl noch durchaus geeignete
nahe Sippenangehörige vorhanden waren.
4. Mit den ersten Durchführungsverordnungen
und dem Inkrafttreten der Erbhofrechts
verordnung ergaben sich weitere Möglich-
keiten für ein Abwandern des Hofes in
eine fremde Sippe. Hier war es vor allem
die wenig glückliche Regelung der An-
erbenfolge beim Ehegattenerbhof. Abge-
sehen von der Bestimmung des Anerben
durch einen der beiden Ehegatten standen
die Mannes- und die Weibessippe bei der
Anerbenfolge vollkommen gleich. Die Ehe-
gatten hatten es völlig in der Hand, wohin
sie den Hof vererben wollten, gleichgültig,
welcher Sippe der Hof zugehörig war.
Beim Tode des Mannes waren seine An-
erben gesetzlich zur Anerbenfolge be-
rufen, und so konnte es geschehen, daß
die Frau bei einem Ehegattenerbhof nach
bisherigem Recht schon zu Lebzeiten den
Hof, den sie aus ihrer Sippe in die Ehe
eingebracht hatte, an die Sippe ihres ver-
storbenen Ehemannes verlor, wenn nicht
testamentarisch Vorsorge getroffen war.
Welche Bedeutung diese Regelung bei
Ehegattenerbhöfen hatte, geht daraus her-
vor, daß etwa die Hälfte aller Erbhöfe,
wenn nicht mehr, Ehegattenerbhöfe sind.
So ist die bisherige Regelung des Anerben-
rechts bei Ehegattenerbhöfen mit ihrer
weitgehenden Möglichkeit des Abwan-
derns des Hofes in eine fremde Sippe die
stärkste Lücke im Sippenschutz des Reichs-
erbhofgesetzes gewesen.
Eine weitere Durchbrechung des Sippe-
gedankens finden wir außerdem in den
Durchführungsverordnungen, nach denen
unter bestimmten Voraussetzungen auch
ein Adoptivkind ein Anerbenrecht für sich
und seine Verwandten erhält.
Vor wenigen Wochen ist nun mit dem
1, Oktober 1943 die Erbhoffortbil-
dungsverordnung in Kraft getreten.
Wer den Inhalt der Erbhoffortbildungsver-
ordnung nur aus der Presse kennt oder nur
die in die Augen fallenden vermeintlichen
Kernpunkte der Verordnung beachtet —
Anerbschaft der Ehefrau, Neueinführung
des Ehegattenerbhofes —, neigt leicht
dazu, in der Erbhoffortbildungsverordnung
eine Rückentwicklung vom Sippedenken
zum Familiendenken zu sehen. Sinn dieses
"Beitrages ist es, das Verkehrte dieser Auf-
assung herauszustellen und darauf hinzu-
weisen, daß die Erbhoffortbildungsverord-
gung in erster Linie der Fortbildung und
dem Ausbau des Sippenschutzes dient und
Zwar selbst dort, wo es auf den ersten
Blick nicht der Fall zu sein scheint.
Es sei zunächst festgestellt, daß die nach
dem Reichserbhofgesetz und der Erbhof-
Techtsverordnung noch bestehenden Lücken
im Sippenschutz durch die Erbhoffortbil-
dungsverordnung im wesentlichen ge-
schlossen sind.
1. Es ist wohl richtig, daß der Alleineigen-
tümer eines Erbhofs seinen Ehegatten
zum Anerben bestimmen kann. Diese
Q)
J
Anerbschaft ist aber eine sippegebun-
dene Anerbschaft; denn die weitere An-
erbenfolge richtet sich nicht nach dem
Anerbe gewordenen Ehegatten, den man
bezeichnender Voranerbe genannt ‚hätte,
sondern nach dem Ehegatten, von, dem der
Hof stammt, so daß der Hof auf jeden
Fall der angestammten Sippe erhalten
bleibt.
Dasselbe gilt jetzt bei einem Ehegatten-
erbhof. Die Eheleute sind gegenseitig
gesetzliche Anerben. Nach dem Tode des
Letztverstorbenen ist aber die Sippe
anerbenberechtigt, ausderder
Hof stammt, und damit bedeutet die
Neueinführung des Ehegattenerbhofes nicht
eine Durchbrechung des Sippegedankens,
sondern mit der Ausrichtung des An-
erbenrechts aller Ehegattenerbhöfe eine
Abkehr von der bisherigen Durchbrechung
des Sippegedankens auf diesem Gebiet und
einen ausgesprochenen e zum
Sippegedanken.
« Während nach dem Reichserbhofgesetz die
Mutter auch dann nicht anerbenberechtigt
war, wenn der Hof von ihrer Sippe stammte,
tritt nunmehr in diesen Fällen die
Mutter als Anerbin an Stelle
des Vaters. Auf diese Weise wird der
Hof der Sippe erhalten, der er zugehört hat.
Die nach dem bisherigen Recht bestehende
Eingruppierung der Töchter, Töchtersöhne
und deren Söhne in der Anerbenfolge ist
zwar bis auf weiteres bestehengeblieben.
Die Erbhoffortbildungsverordnung bringt
aber eine Stärkung des Sippenschutzes
auch auf diesem Gebiet dadurch, daß der
Bauer in sehr einfacher Form für seinen
Hof das Bruderrecht eintragen lassen
kann. Unter Bruderrecht versteht die Ver-
ordnung den für alle künftigen Erbfälle
geltenden Ausschluß des vorgesehenen
Vorrangs der Töchter, Töchtersöhne und
deren Söhne. Ist mit Genehmigung des
Anerbengerichts die Bildung des Bruder-
rechts erklärt, so kann der jeweilige Hof-
eigentümer auch nicht mit Genehmigung
des Anerbengerichts eine Tochter . oder
deren Abkömmlinge vor den Brüdern,
deren Söhnen und Sohnessöhnen zum An-
erben bestimmen.
.‚ Halbbürtige Geschwister sind
nicht mehr anerbenberechtigt, wenn sie
nicht einen Elternteil mit dem Erblasser
gemeinsam haben, von dem oder aus
dessen Sippe der Hof stammt.
Adoptivkinder können den Hof nur
dann an einen Seitenverwandten ver-
erben, wenn sie nach dem Adoptivvater
anerbenberechtigt gewesen wären, wenn
sie also zur Hofessippe gehören.
37
Lee Google
—
FF ——— in |
T
— — — —— - —
u — —— — nn nn — Rp..
- e
—— ——
e wm E" ap Am
— gr d gen ͤ —— —
— — ̃ͤ ͤô]᷑—ꝛ— — ——
e — nn
— Si
Ae E EE Den EE e D
E eeM
— —
*
= we
Weg
— —
*
— E
— — —
13 dÉ
14
|
ch?
1
1
7. Der Bauer kann beim Fehlen eines
11.
38
gesetzlichen Anerben den An-
erben nur noch dann frei bestimmen, wenn
dieser zu der Sippe gehört, von der der
Erbhof stammt, im anderen Falle bedarf er
zur Anerbenbestimmung der Zustimmung
des Anerbengerichts.
. Während bei Auseinandersetzung ge-
legentlich einer Ehescheidung bei
Ehegattenerbhöfen der Hof bisher auch
dem Ehegatten zugesprochen werden
konnte, von dem er nicht stammte, kann
dies jetzt nur noch in der Form ge-
schehen, daß dieser Ehegatte die Rechts-
stellung eines sippegebundenen Anerben
erhält. Damit ist die Abwanderung des
Hofes in die fremde Sippe unterbunden.
Durch eine Anderung der Fassung des
Paragraphen des Reichserbhofgesetzes, der
die Entstehung eines Erbhofes
durch besondere Zulassung be-
handelt, ist die Verwurzelung eines wert-
vollen Geschlechts mit einem Erbhof und
damit der Schutz dieser Sippe erleichtert
worden.
Ein besonderer Durchbruch des Sippe-
gedankens gegenüber rein wirtschaftlichen
Überlegungen liegt bei der neuen Rege-
lung der Prüfung, von welchem
der beiden Ehegatten der Hof
stammt, vor. Während grundsätzlich
auch die Erbhoffortbildungsverordnung in
Anlehnung an die bisherigen Vorschriften
sagt, daß der Ehegattenerbhof von dem-
jenigen Ehegatten stammt, der den wirt-
schaftlich bedeutenderen Teil des den Erb-
hof bildenden Besitzes bei der Ehe-
schließung oder später eingebracht hat,
weicht sie dann von dieser Begriffsbestim-
mung ab, wenn die Sippe des einen Ehe-
gatten bereits in mehrfacher Geschlechter-
folge auf dem von ihm eingebrachten Teil
des Hofes ansässig war und dies für den
anderen Ehegatten nicht zutrifft. In diesem
Falle kann nämlich das Anerbengericht,
sofern dies bäuerlichem Denken entspricht,
ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Be-
deutung der von den Ehegatten einge-
brachten Teile des Hofes entscheiden, daß
der Hof von dem alteingesessenen Ehe-
gatten stammt. Damit der Schutz dieser
Sippe auch erfolgt, wenn die Ehegatten
selbst auf eine derartige Feststellung keinen
Wert legen, hat in diesen Fällen auch
der Kreisbauernführer das An-
tragsrecht.
Die Erbhoffortbildungsverordnung hat zur
Förderung der Wiederverhei-
ratung des überlebenden Ehe-
gatten eine Reihe von wesentlichen Be-
stimmungen getroffen. Sie hat insbeson-
dere dem neuen Ehegatten und den Kin-
dern aus der neuen Ehe weitgehende wirt-
y Google
schaftliche Rechte Engere Es is
für die Haltung des Gesetzgebers be
nend, daß er den Kindern aus SH
Ehe, die sippenmäßig mit dem Hof mi
gemein haben, zwar mit Rücksicht e
Verdienste um den Erbhof und im Ra
der Leistungsfähigkeit dieses Hofes inte er
halts-, Erziehungs- und Ausstattungs-
ansprüche gewährt, daß er aber das
Recht der Heimatzuflucht
versagt hat. Erfahrungsgemäß spielt ee
tisch das Recht der Heimatzuflucht .
wesentliche Rolle. Es wäre daher wi
schaftlich von keiner großen we
gewesen, das Recht der Heimatzufluc
auch den Kindern der fremden Sippe €
zuräumen. Das Heimatzufluchterechi iH
aber ein sehr starker Ausfluß des d
schlechterdenkens und in ihm kommt €
Gesamteigentum der Sippe am Hof au en-
fällig zum Ausdruck. Wenn das in d lie
Stadt abgewanderte Glied des Geschlec
nach wie vor den Stammhof als seine F oer
mat empfinden soll, dann dient der Ge-
danke, daß es in schweren Zeiten auf d
Hof wieder Heimat und Zuflucht 8 3
kann, sehr stark der Verbundenheit
Sippe untereinander und mit diesem Hof
Das Sippedenken der Erbhoffortbildur
verordnung kommt also darin dess ers
zum Ausdruck, daß es das Heimatzufluch sit
recht auf die Angehörigen der Hofsip
beschränkt und bewußt sippenfrer
Kinder, obwohl sie auf dem Hof e
worden sind, von ihm ausschließt. S
RE
So sehen wir, daß der Gesetzgeber er
Erbhoffortbildungsverordnung sich se iner
Verantwortung der Sippe gegenüber vo
bewußt war und daß er sich streng ane
aus der Präambel zum Reichserbhofges
diesem Beitrag vorgesetzten Leitsätze ei
halten hat. i
Auch in denjenigen Fällen, in denen mil
Rücksicht auf Sonderverhältnisse der
an Sippenfremde fallen kann, sind
strenge Anforderungen gestellt — das F
halten an der, Anerbenfolge der Hofes:
muß nach den besonderen Umständen
Falles eine unbillige schwere Härte be
deuten, es muß sich um besondere Aus
nahmefälle handeln, die Zustimmung des
Anerbengerichts muß vorliegen, der m-
desbauernführer ist zu hören und baue
fähige eheliche Abkömmlinge des
eigentümers dürfen nicht vorhanden ge
daß von einer Lücke im Sippenschutz r
zu sprechen ist. Die Erbhoffortbildu
verordnung bedeutet somit eine wel
wesentliche Verstärkung des 5 :
penschutzes zur Sicherung der lebens
notwendigen Einheit von Sippe und
u
ipr
`
222
D
Ces
Co `
2 e
GUNTHER PACYNA: .
Hauerntum im Ubergang `
Nor wenige Kilometer von Riga entfernt, an
dem waldigen Ufer des Jägelsees, an dem
einst Herder den Sommer zu verbringen pflegte,
befindet sich ein nach schwedischem Vorbild
angelegtes Freiluftmuseum, auf dessen geräu-
miger Fläche die wichtigsten Bauernhoftypen
Lettlands vereinigt sind. (Zwei Beispiele bringt
die erste Seite der Bildbeilage „Blick ins Ost-
land“.) Sie sind wie alle in dem Jägel- Museum
errichteten Bauernhöfe keine Nachbildungen,
sondern alte, mit ihrem gesamten Zubehör von
ihrem ursprünglichen Standort verpflanzte Ge-
höfte. Nur einzelne stammen aus der Zeit vor
dem Nordischen Kriege, der das flache Land
furchtbar verwüstet hat. Die große Mehrzahl
ist in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhun-
derts errichtet worden und bildet so einen ein-
dringlichen Beweis für die belebende Kraft der
Bauernbefreiung, die, von dem baltischen Adel
mit politischer Weitsicht durchgeführt, dem let-
tischen und estnischen Bauerntum eineim Zaren-
reiche einzigartige Sonderstellung verschaffte.
Trotzdem spricht aus der ganzen Bauweise bis
in alle Einzelheiten hinein eine jahrhunderte-
lange Überlieferung, so daß uns die Bauernhöfe
wie Zeugen aus einer fernen Vergangenheit an-
muten. Dem Volkskundler drängt sich bei ihrer
Betrachtung die Erkenntnis auf, wie stark diese
Bauweise von den ost- und nordgermanischen
Stilformen beeinflußt worden ist, so daß sie in
jeder Beziehung dem nordischen Kulturbereich
zuzuweisen ist. Für den Wirtschaftshistoriker
aber sind diese Gehöfte Dokumente der
geschlossenen Hauswirtschaft, die vor
der Einbeziehung des Bauerntums in die Markt-
wirtschaft dem ganzen Bauernleben ihr eigen-
ständiges Gepräge gab. Den Baustoff der Wohn-
häuser, Stallungen und Scheunen, das Holz, lie-
ferten die Bauernwälder. Es wurde so bearbei-
tet, daß es ohne Zuhilfenahme von eisernen
Nägeln, Krampen, Winkeln oder dgl. zusammen-
gefügt werden konnte. In den Häusern selbst
aber befindet sich kein Möbel, kein Gerät oder
sonstiger Einrichtungsgegenstand, kein Klei-
dungsstück, dessen Werkstoff nicht dem eigenen
- Grund und Boden entstammte und die nicht in
den langen Wintern von bäuerlichem Hand-
werksfleiß geschaffen worden wären. Das gilt
selbst von dem meisten Ackergerät. Nur für die
Herstellung von Pflug und Hacke, Sense und
Sichel waren Eisenteile notwendig, die käuflich
erworben werden mußten; aber auch sie sind
fast ausnahmslos handgeschmiedet, das Werk
des Dorfschmiedes.
Für die Selbstgenügsamkeit dieser Lebens-
und Wirtschaftsweise spielte naturgemäß die
Notwendigkeit des Gelderwerbs durch den Ver-
kauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse nur eine
äußerst geringfügige Rolle. So diente die bäu-
erliehe landwirtschaftliche Erzeugung im we-
sentlichen der eigenen Bedarfsdeckung. Aber
diese Wirtschaftsweise ließ sich nur so lange
aufrechterhalten, als die wenigen Städte des
Landes selbst noch, auch landwirtschaftlich
gesehen, im wesentlichen autarke Wirtschafts-
Kreise darstellten oder als der städtische Bevöl-
kerungsanteil so gering war, daß er im Verhält-
nis zur landwirtschaftlichen Gesamterzeugung
nur einen geringen Lebensmittelbedarf hatte, der
von den Großgütern mit Leichtigkeit gedeckt
werden konnte, und sehließlich als das Land in
seiner Gesamtheit außerhalb der europäischen
Wirtschaftsverflechtung stand. Keine dieser drei
Voraussetzungen trifft heute für die Gebiete des
Reichskommissariats Ostland mehr zu, und dar-
aus erklärt sich, zwingender als aus jedem
anderen Grunde, daß heute die Gehöfte auf dem
Gelände des Jägel-Museums museumsreif sind,
d. h. ein Stück nicht wieder belebbarer
Vergangenheit darstellen, obwohl ihre Bau-
weise der Zeit zu trotzen scheint, obwohl sie so
viel Schönes und Wertvolles bergen. Jede Zeit
hat ihre eigenen Aufgaben, und die Gegenwart
will mit anderen Mitteln gemeistert werden als
die Vergangenheit.
Blickt man sich im Lande selbst um — wozu
eine kürzlich vom Reichsministerium für die
besetzten Ostgebiete veranstaltete Pressefahrt
dank ihrer sorgfältigen Vorbereitung und Durch-
führung gute Gelegenheit bot —, so kann man
bei den Bauernwirtschaften alle Stadien des
Überganges von der geschlossenen
Hauswirtschaft zur Marktwirtschaft
beobachten. Im ganzen gesehen aber repräsen-
tiert die bäuerliche Landwirtschaft einen Ent-
wicklungsstand, der dem der deutschen Bauern-
wirtschaften vor 60 bis 80 Jahren entsprechen
dürfte. Das Ostland verfügt also, auch wenn
man die klimatischen Schwierigkeiten, die sich
einer Erzeugungssteigerung entgegenstellen,
voll berücksichtigt, noch über große Produk-
tionsreserven, die der Selbstversorgung Europas
mit Nahrungsmitteln dienstbar gemacht werden
39
— — —
können. Daraus ergibt sich die Bedeutüng, aber
auch die Schwierigkeit der Einbeziehung der
Landwirtschaft des Ostlandes in die europäische
Wirtschafts gemeinschaft.
Die land wirtschaftliche Rückständigkeit der
Bauernwirtschaften im Ostland ist in erster Linie
entwicklungsgeschichtlich bedingt. Die za-
ristische Wirtschaftspolitik hatte, wenn man -
von einigen bedeutungslos gebliebenen Ansätzen
absieht, an einer Förderung der Landwirtschaft
in den Ostseeländern nur ein geringfügiges In-
teresse. Für sie waren diese Länder nur ein
Korridor für die landwirtschaftlichen Uber-
schüsse des weiten Hinterlandes. Dement-
sprechend war auch die Transporttarifgestaltung,
die einen starken Druck auf die landwirtschaft-
liche Preisbildung der Ostseeländer ausübte;
denn praktisch führte sie zu einer ausgesproche-
nen Dumpingeinfuhr aus den Überschußgebieten
des Binnenlandes, gegen die sich selbst die Groß-
betriebe nur schwer behaupten konnten. Ihr
‚wirtschaftliches Rückgrat bildete denn auch ihr
reicher Waldbesitz. Andererseits bildete dieser
Durchgangsverkehr die Grundlage der wirt-
schaftlichen Blüte der Ostseestädte, in
denen das deutsche Bürgertum auf Grund seiner
geschichtlichen Leistung ein nur schwer zu er-
schütterndes Handelsmonopol behauptete, an
dem übrigens auch der baltische Adel einen
nicht unwesentlichen Anteil hatte. Der ein-
heimischen Landwirtschaft aber kam diese wirt-
schaftliche Blüte der Ostseestädte infolge der
zaristischen Wirtschaftspolitik nur wenig zugute.
Auch war der städtische Bevölkerungsanteil
noch zu gering, um eine ausreichende Grundlage
für eine intensive Produktionssteigerung zu
bieten.
Die mit dem Zusammenbruch des Zarenreiches
verbundene Entstehung der baltischen Rand-
staaten führte zu einem grundstürzenden Wan-
del des Wirtschaftsaufbaus im gesamten
Ostland. Schlagartig wird der einst so gewinn-
bringende Durchgangsverkehr abgeschnitten
und damit die wirtschaftliche Grundlage der Ost-
seestädte zerstört. Die bei weitem wichtigste
wirtschaftliche Kraftquelle bildete jetzt die Pro-
duktionsleistung der Landwirtschaft. Nur aus ihr
konnten die Überschüsse herausgeholt werden,
die wenigstens einen bescheidenen Ausgleich
für den Verlust der bisherigen Stellung im Ost-
handel versprachen. Aber die gegen den bal-
tischen Adel gerichteten Agrarreformen
führten zunächst zu einer schweren Beeinträch-
tigung der landwirtschaftlichen Leistungsfähig-
keit; denn mit der Aufteilung des baltischen
Großgrundbesitzes wurden nicht nur die lei-
stungsfähigsten landwirtschaftlichen Betriebe
zerschlagen, die bisher allen wirtschaftspoli-
tischen Hemmungen zum Trotz Schrittmacher
des landwirtschaftlichen Fortschrittes gewesen
waren, sondern auch in Massen ein Kleinbauern-
tum geschaffen, dessen Wirtschaftsgrundlage für
die Erzielung wesentlicher Überschüsse zu
40
schmal war, ganz abgesehen davon, daß ihm
zum mindesten in der Übergangszeit im weiten
Ausmaß auch die persönlichen Voraussetzun-
gen für die erforderliche Intensivierung fehlten.
Wenn trotzdem die Agrarreformen nicht in weni-
gen Jahren zum offenen Staatsbankrott geführt
haben, so ist das nur durch einen rücksichtslosen
Raubbau an den verstaatlichten Wal,
dern verhindert worden, mit dessen Hilfe die
Agrarreformen finanziert wurden.
Aber selbst, wenn die Landwirtschaft in den
unter Kriegs- und Revolutionswehen entstande-
nen Kleinstaaten nicht durch die Agrarrefofmen
schwer erschüttert worden wäre, so hätte die
plötzliche Notwendigkeit, die gesamte Wirt-
schaft auf der Leistungsfähigkeit der Landwirt-
schaft aufzubauen, doch Aufgaben gestellt, die
nur in zäher, zielbewußter organischer Aufbau-
arbeit lösbar waren. Dafür aber fehlten nicht nur
in den Ländern selbst, sondern vor allem auch
in dem durch das Knechtungssystem von Ver-
sailles und Saint Germain zerrissenen Europa so
gut wie alle Voraussetzungen; denn die im
Osten Europas entstandenen Staaten von Eng-
lands und Frankreichs Gnaden waren ja nur
Marionetten der Herrschsucht dieser beiden
Mächte, die ohne Rücksicht auf das eigene Wohl
und Wehe gebraucht oder vielmehr mißbraucht
wurden. Frankreich konnte trotz seiner groß-
tönenden Versprechungen, selbst wenn es ernst-
haft gewollt hätte, wegen seiner ganzen Wirt-
schaftsstruktur zu dem Wirtschaftswiederaufbau
im Osten nichts Wesentliches beitragen. Für
England jedoch waren die Agrarländer an der
Ostsee nur wirtschaftspolitische Lük-
kenbüßer, die je nach dem augenblicklichen
Interesse genutzt oder beiseitegeschoben wur-
den. So diktierte das britische Interesse die
schwankenden landwirtschaftlichen Ausfuhrkon-
junkturen. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis
wäre nur erträglich gewesen, wenn sich daraus
eine dauerhafte Zusammenarbeit hätte ergeben
können, die den Agrarländern an der. Ostsee
eine landwirtschaftliche Produktionsausrichtung
auf lange Sicht gestattet hätte. Das war aber
nicht der Fall und konnte es nicht sein, da Eng-
land bemüht sein mußte, den immer lebhafteren
Emanzipationsbestrebungen seiner Dominions
und Kolonien durch stärkere wirtschaftliche Bin-
dungen entgegenzuarbeiten. So mußte sich die
landwirtschaftliche Intensivierung in den Agrar-
ländern an der Ostsee — ob wir nun nach
Litauen, Lettland oder Estland blicken — nach
den von Englands wechselnden Interessen dik-
tierten Ausiuhrkonjunkturen richten und voll-
zog sich in einem sprunghaften Zickzackkurs,
dessen jeder Berechnung sich entziehende Un-
sicherheit eine organische Entwicklung, aul-
gebaut auf den natürlichen Produklionsgrund-
lagen, unmöglich machte. Diese Unsicherheit
aber war um so größer, als der ausgleichende
Faktor eines starken aufnahmelähigen Binnen-
markes fehlte.
BLICK INS OSILAND
m: Livländischer Bauernhof mit Sommerhütte, erbaut um 1850, aus der Gegend von Westena. Unten: Bauernhof
in Lettgallen, Kr. Dünaburg, erbaut um 1860. Beide Höfe jetzt im Jägel-Museum bei Riga
SUE . *
Ta
e š „„ o ` "ën WÉI - :
T Bed h
. K — ge e "Së Fa? — ' ; ei Ä
— . T e `
— Ser A hwe d — — — H
Schloß Groß-Roop bei Wolmar. Baltischer Adelssitz aus dem 13. Jahrhundert
Lettisches Braunvieh auf Anglerg
8
e Sa
Estnischer Bauer beim Heuaufreutern
mnloses Finnenvieh, eine in Estland
enständige Rinderrasse. Unten:
ennzeichnendes estnisches Land-
schaftsbild
Ca . IR Zb —
7 FT ²³˙·¹. . CH 3
ra
IE
H
11
H
Ab
uh:
)
I
1
! |
N
i |
)
t
| |
3 |
$
1 |
——
een
d r 8 ER zwä =
E ga ` ne S 2 bt?
25 _ ` * * a —
ne ez e? R — Le - d >
Russisches Straßendorf in Südost-Estland. Im allgemeinen herrscht in Estland ebenso wie in Lettland die Streusiedlung vol
Russischer Bauer (Südost-Estland) mit seinem primitiven Holzpflug bei der Feldarbei
—— —
So erblickt man als Erbe dieser Vergangenheit zwar so
manchen Ansatzpunkt, dessen großzügige Planung aber in
krassem Gegensatz zu dem wirklich Erreichten steht. Ein
Beispiel dieser Art ist die „M-aistas’ in Litauen. Sie
sollte, als sie vor zwanzig Jahren gegründet wurde, wie
schon ihr Name (Maistas = landwirtschaftliche Produktion)
andeutet, der Verwertung der gesamten Agrarproduktion
des litauischen Bauerntums dienen. Dieses Ziel ist jedoch
nie erreicht worden; denn die wirtschaftliche Betätigung der
Maistas mußte sich von vornherein nach dem Einfuhr-
bedürfnis Englands richten, das stets nur an wenigen
Spezialprodukten Interesse hatte, und diese Abhängigkeit
wurde um 30 drückender, als unter dem Einfluß der Wirt-
schaftskrise in Deutschland die deutsch-litauischen Han-
delsbeziehungen mehr und mehr erloschen. Stand anfangs
die Ausfuhr von Butter und Eiern im Vordergrunde, so
verschob sich sehr bald das Schwergewicht auf die
Schweineausfuhr. Bacon hieß die. Parole, die dem litau-
ischen Bauern goldene Berge zu versprechen schien. Sie
erforderte zwar eine völlige Umstellung der Zuchtrichtung;
aber der Litauer ließ sich keine Mühe verdrießen, und der
Erfolg schien wirklich jede Erwartung zu übersteigen. So
konnten nicht nur die Hauptanlagen der Maistas in Kauen
zu einer hochmodernen Großschlächterei am laufenden Band
ausgebaut werden, sondern zu ihr gesellten sich noch wei-
tere Exportschlächtereien und Fleischwarenfabriken in
Ponewesch, Tauroggen und Schaulen. Der so dringlich
erstrebte Anschluß an den Weltmarkt schien erreicht zu
sein, als England das Steuer seiner Handels-
politik herumwarf und sich im Verfolg dieses Kurs-
wechsels im Vertrage von Ottawa verpflichtete, Fleisch-
lieferungen aus dem eigenen Empire zu bevorzugen. Inner-
halb von zwei Jahren ging damals der litauische
Schweineexport um 82 v. H. seines Wertes zu-
rück, um sich seitdem nie wieder zu erholen.
Aber selbst zur Zeit der größten Ausfuhr hatte doch nur
ein kleiner Teil des litauischen Bauerntums Anteil an
der Gunst der Konjunktur; denn die von England vor-
geschriebenen Produktionsnormen waren bewußt so eng
gehalten, daß ein Abweichen nur zu leicht vorkommen
konnte. In diesem Falle aber wurden die Preise rücksichts-.
los gedrückt, und der litauische Bauer, der keine andere
Absatzmöglichkeit hatte, mußte sich diesen Ausbeutungs-
methoden fügen. So war die Geschäftsausweitung
der Maistas nichts weniger als ein getreues
Spiegelbild der litauischen Landwirt-
schaftsentwicklung. Als dann der Schweineexport
mit einem Schlage auf einen Bruchteil zusammenschrumpfte,
kam es zu einer allgemeinen Absatznot, die mit dem Bau-
erntum den litauischen Staat an den Rand des Zusammen-
bruches brachte. Nichts war kennzeichnender für die Hilf-
losigkeit gegenüber dieser Situation als die Abwehrmittel,
die man in der Verzweiflung ergriff. So wurden z.B. die
litauischen Staatsbeamten gezwungen, einen Teil ihres
recht kärglichen Gehaltes regelmäßig in bestimmten Men-
gen von Butter und Gänsen anzulegen, die weit über den
natürlichen Bedarf hinausgingen. Die Geschichte der
Maistas ist nur ein Beispiel für viele Es zeigt, auf
wie unsicheren Füßen infolge der Abhängigkeit von Eng-
land der Aufbau der Landwirtschaft in den Agrarländern an
der Ostsee stand, und gleichzeitig, da8 von ihm nur ein
verhältnismäßig kleiner Teil des Bauerntums erfaßt wurde.
Darin liegt einer der Hauptgründe, weswegen
neben einer Minderzahl von Bauernwirtschaften,
die sich an Intensität der Betriebsweise selbst
mit guten Bauernhöfen in Deutschland messen
können, die große Masse noch mit einer selbst
genügsamen Extensität wirtschaftet, die die na-
türliche Produktionsfähigkeit des Bodens nur zu
einem äußerst geririgen Grade ausnutzt. Diese
krassen Leistungsunterschiede fallen
selbst dem flüchtigen Besucher dieser Gebiete
als besonders hervorstechendes Merkmal auf,
weil man sie immer wieder unmittelbar neben-
einander beobachten kann, ein Beweis dafür,
daß sie keineswegs landschaftsbedingt sind.
Daneben macht sich allerdings im Reichs-
kommissariat Ostland ein starkes Kultur-
gefälle in doppelter Richtung von
Westen nach Osten und von Norden nach Süden
bemerkbar. Während in Litauen noch eine
primitive Dreifelderwirtschaft mit hohem Brache-
anteil üblich ist, herrscht in Lettland bereits.
die Fruchtwechselwirtschaft vor, bei der neben
Kartoffeln und Futterrüben auf den geeigneten
Böden (so vor allem in Semgallen) sogar die
Zuckerrübe eine gewisse Rolle spielt. Dement-
sprechend übersteigen die Hektarerträge Lett-
lands durchweg beträchtlich diejenigen Litauens,
die zwischen 50 und 70 v.H. der ostpreußischen
schwanken. Selbst die Hektarerträge Estlands
liegen trotz seines wesentlich ungünstigeren `
Klimas, das den Anbau der Zuckerrübe verbietet,
teilweise, so bei Roggen und Winterweizen, über
denjenigen Litauens. Ein ebenso starker Lei-
stungsunterschied läßt sich bei der Rinderzucht
und Milchwirtschaft beobachten, wobei aller-
dings die natürlichen Produktionsbedingungen
stärker mitsprechen; denn in Litauen sind die
Grünlandverhältnisse im allgemeinen recht un-
günstig. Das Nord-Süd-Gefälle findet auch seinen
Ausdruck im landwirtschaftlichen Organisa-
tionswesen. Zur Zeit sind bei den drei baltischen
Landesverbänden des Genossenschaftsverbandes
Ostland über 4000 Genossenschaften registriert,
die zu 95 v.H. landwirtschaftlichen Charakter
haben. Davon entfallen auf Estland 51 v.H., auf
Lettland 32 v.H. und auf Litauen nur 17 v. H.,
obwohl das Verhältnis, gemessen an der Bevöl-
kerungszahl, genau. umgekehrt sein sollte.
Dieses ausgeprägte Kulturgefälle ist zweifellos
geschichtlich bedingt und in erster Linie
darauf zurückzuführen, daß Litauen nicht nur
stets außerhalb des unmittelbaren. deutschen
Einflußbereiches lag, sondern auch jahrhunderte-
lang der polnischen Mißwirtschaft ausgeliefert
war. In Estland und Lettland dagegen waren die
aus der Ordenszeit stammenden deutschen Guts-
wirtschaften bis zu ihrer Enteignung und Auftei-
lung stets Pioniere des landwirtschaftlichen
Fortschritts und gaben damit ein Beispiel, das
um so nachhaltiger wirkte, als der deutsche
Landadel, wie schon eingangs erwähnt, zu Be-
ginn des 19. Jahrhunderts eine Bauernbefreiung
durchführte, die im Zarenreich ohne Beispiel
dastand. So verfügten Estland und Lettland
schon vor den Agrarreformen nach dem ersten
Weltkriege über eine breite, am deutschen
Vorbild geschulte Bauernschicht, die
etwa 35 v. H. der land wirtschaftlichen Nutzfläche
zu eigen hatte und im Gegensatz zu der durch
die Agrarreformen entstandenen kleinbäuer-
lichen Masse wirtschaftlich gut fundiert war.
Dieses alteingesessene Bauerntum ist daher auch
den Neusiedlern in jeder Beziehung überlegen
und bildet geradezu das Rückgrat der Landwirt-
schaft in Lettland und Estland.
41
T7 p oimne re ee
——
— — — e
A ëmge
—— d — dt — ge
um — —ͤ—n hi
em Am P — — ̃ —
n
Es ist kennzeichnend, daß der Bolschewis-
mus, als er sich dieser Länder bemächtigte,
sofort daran ging, die Axt an die Wurzel dieses
alteingesessenen Bauerntums zu legen, um es
restlos auszurotten. Zwar wurde das gesamte
Grundeigentum sofort enteignet. Während aber
die Bolschewisten den Kleinbauern wenigstens
vorläufig das Nutzungsrecht belieben, nahmen
sie alles Land über 30 Hektar sofort
weg, eine Maßnahme, die sich der ganzen
Sachlage nach ausschließlich gegen das
alteingesessene Bauerntum richtete. Zu
dem Landraub gesellte sich eine regelrechte
Ausplünderung in der Form von Steuern, Re-
quirierungen oder offenen Gewaltmaßnahmen,
deren Schlußakt nur zu oft die Verschleppung in
das Innere der Sowjetunion bildete.
Das geraubte Land wurde in Betriebe von
durchschnittlich 10 Hektar aufgeteilt
und wahllos mit Landarbeitern be-
setzt. Diese so entstandenen Betriebe wären
zwar angesichts der herrschenden Erzeugungs-
bedingungen auch dann lebensunfähig gewesen,
wenn es ihnen nicht an dem notwendigen In-
ventar gefehlt hätte; aber es ging ja auch den
Bolschewisten nicht etwa um die Schaffung eines
neuen lebensfähigen Kleinbauerntums. Ihre Ab-
sicht war, sich zunächst einmal nach bekanntem
Rezept eine willfähige Anhängerschaft unter der
Landbevölkerung zu schaffen, die sie gegen das
alteingesessene Bauerntum ausspielen konnten.
Gleichzeitig aber sollte deren Lebenslage so ge-
staltet werden, daß sich ein Bauernproletariat
bildete, das den zweiten Akt des bolsche-
wistischen Umsturzes, der allgemeinen Kollek-
tivierung der Betriebe nach kommunistischem
Auster, wegen seiner gedrückten Lebensverhält-
nisse sich zugänglich zeigte. Diesen zweiten Akt
hat der Sieg des deutschen Soldaten dem Bauern-
tume in den baltischen Generalbezirken erspart,
während die gegen das Mittel- und Großbauern-
tum gerichteten Zerstückelungsmaßnahmen auf-
gehoben und die früheren Besitzverhältnisse
wiederhergestellt wurden. Darüber hinaus ist
die mit der grundlegenden Verordnung des
Reichsministers für die besetzten Ostgebiete vom
18. Februar 1943 eingeleitete Reprivatisierung
des landwirtschaftlichen Grundeigentums in
vollem Gange.
*
Kennzeichnend für die Pläne der Bolsche-
wisten war auch die von ihnen eingeleitete
Umgestaltung des Genossenschafts-
wesens. Aus den Kreditgenossenschaften
wurden Zahlstellen der sowjetischen Staatsbank,
aus den Warengenossenschaften Verteilungs-
und Erfassungspunkte. Die Versicherungs-
genossenschaften, die besonders in Estland und
Lettland in vorbildlicher Weise ausgebildet
waren, wurden „nationalisiert“ und so wie auch
die anderen Genossenschaften aus bäuerlichen
Selbsthilfeeinrichtungen zu einem Machtinstru-
ment der bolschewistischen Versklavungspläne.
42
Nach der Befreiung der baltischen Länder von
der bolschewistischen Zwangsherrschaft konn-
ten die Genossenschaften ihre Arbeit nach den
alten Satzungen wieder aufnehmen. Sie sind
damit wieder echte Selbsthilfegemein-
schaften im Sinne Raiffeisens geworden.
Durch die Verordnung des Reichskommissars
für das Ostland vom 23. Februar 1942 erhielt das
Genossenschaftswesen darüber hinaus eine orga-
nisatorische Ausgestaltung entsprechend der
reichsdeutschen Verbandsorganisation, die eine
kraftvolle Zusammenfassung der genossenschaft-
lichen Arbeit ermöglichte.
So sind die Bolschewisten nur teilweise zur
Durchführung ihrer kommunistischen Um-
sturzpläne gekommen. Trotzdem hat das blutige
bolschewistische Zwischenspiel die Landwirtschaft in den
baltischen Generalbezirken schwer geschädigt. Die zur
Vertreibung der Bolschewisten notwendigen Kriegshand-
lungen gingen zwar verhältnismäßig schnell über das Land
hinweg; aber auch sie haben zwangsläufig zu einer erheb-
lichen Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Leistungs-
fähigkeit geführt. Besonders nachteilig wirkt sich die
Verschleppung von über 110000 größtenteils in den
besten Jahren stehenden Menschen aus, um so mehr, da
schon vor dem Kriege die Landwirtschaft in Lettland und
in geringerem Maße auch in Estland auf die Hilfe pol-
nischer Wanderarbeiter angewiesen war. In Estland, das
zwei Monate länger Kriegsgebiet war als Litauen und Lett-
land, wurde auch eine beträchtliche Zahl von
Bauernhöfen vollständig zerstört. Dabei kam
es auch zu einer erheblichen Einbuße an Maschinen und
Geräten. Mit räuberischer Rücksichtslosigkeit wurde von
den Bölschewisten vor allem in den Viehbestand
eimgegriffen, wobei wiederum Estland am schwersten
zu leiden hatte. Det damit verbundene Rückgang der vieh-
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird durch den kriegs-
bedingten Wegfall der Kraftfutterzufuhren noch verschärft
Auch die Bodenbearbeitung hat unter den Kriegswirren an
Intensität eingebüßt. Der Mangel an mineralischem Dünger
hat, wenn auch sein Verbrauch im Durchschnitt sehr gering
war, gerade die Leistungsfähigkeit der besten Betriebe
erheblich beeinträchtigt.
Zu den aus der bolschewistischen Schreckens-
herrschaft und den Kriegsverheerungen sich
ergebenden Wiederaufbauaufgaben hat die
landwirtschaftliche Verwaltung im Reichskom-
missariat Ostland die bäuerliche Selbst-
verwaltung so stark wie möglich zu
verantwortlicher Mitarbeit heran-
gezogen. Das ist schon deswegen mit gutem
Erfolge gelungen, weil es in allem um Maßnah-
men geht, die im ureigenen Interesse der ein-
heimischen Landbevölkerung liegen. So ist der
Viehbestand langsam im Wiederaufbau begrir
fen. In dem auf Anglergrundlage hochgezüch-
teten Braunvieh besitzen Lettland und Estland
eine zähe und robuste Rinderrasse, deren Milch-
erträge sich durch hohen Fettgehalt auszeichnen;
während sie mengenmäßig allerdings zu wün-
schen übrig lassen. Daneben stößt man in Est-
land auf eine hornlose Rinderrasse (vgl. Bild-
beilage), deren Milch sich zwar ebenfalls durch
hohen Fettgehalt auszeichnet, die aber wegen
ihrer geringen mengenmäßigen Ergiebigkeit
mehr und mehr zurückgedrängt wird. In Litauen
dagegen herrscht ein Rassenmischmasch vor,
der durch strenge Auslese und zielbewußte
Zuchtverbesserung stark der Auffrischung be-
darf. Um den Wiederaufbau des Rinderbestan-
$
des zu beschleunigen, ist ein Schlachtverbot von
Kuhkälbern ausgesprochen worden. Es ist kenn-
zeichnend für die konjunkturbedingten unorga-
nischen Intensivierungsmethoden der Vorkriegs-
zeit, daß trotz der günstigen Vorbedingungen für
die Schaffung einer wirtschaftseigenen Futter-
grundlage, die vor allem in Lettland und Estland
gegeben waren, gerade die fortschrittlichen Be-
triebe sich in weitem Ausmaß auf den Zukauf
ausländischer Kraftfuttermittel stützten. So ge-
hört trotz der bereits in dieser Beziehung erziel-
ten Erfolge eine weitere wesentliche Verstär-
kung der wirtschaftseigenen Futter-
grundlage zu den wichtigsten Aufgaben.
Besondere Aufmerksamkeit wird auf eine
allgemeine Verbesserung der Boden-
bearbeitung gerichtet. Ohne erhöhten Be-
triebsmittelaufwand lassen sich gerade dadurch
beträchtliche Produktionssteigerungen erzielen.
So ist es gelungen, den Hackfruchtbau im Rah-
men der gegebenen Möglichkeiten erheblich
auszuweiten. U. a. konnte die Anbaufläche für
Zuckerrüben um 50 v.H. vergrößert werden. Von
den LO.-Betrieben, den von der Landbewirtschaf-
tungs-Gesellschaft-Ost treuhänderisch verwal-
teten früheren Staatsgütern, sind zahlreiche an
führende deutsche" Kartoffel- und Getreidesaat-
zuchtfirmen verpachtet worden, die mit bestem
Erfolg um die Züchtung und Vermehrung
hochwertigen Saatgutes bemüht sind.
Besonders Estland kann bei zielbewußter Wei-
terarbeit auf dem Gebiete der Kartoffelsaatgut-
vermehrung eine führende Stellung erringen, da
es von Viruskrankheiten so gut wie verschont
ist. So stößt man überal in den baltischen Gene-
ralbezirken mitten im Kriege auf die erfreulichen
Zeichen einer auf lange Sicht ausgerichteten
Wiederaufbauarbeit, die von dem Willen zu
organischer Entwicklung der natürlichen Kräfte
des Landes geleitet wird.
Welche Bedeutung diese Arbeit künftig für die
Nahrungsversorgung Europas haben kann, zeigt
ein Vergleich mit Ostpreußen. Auf
2,5 Millionen Hektar erzeugte Ostpreußen im
Jahre 1937 Verkaufswerte von über 500 Mil-
lionen RM. Es vermochte damit außer der
eigenen Bevölkerung von 2,4 Millionen ungefähr
weitere 3 Millionen Menschen zu ernähren.
Dagegen erzeugen (nach einer Berechnung vom
Abteilungsleiter Ernährung beim Reichskom-
missariat für das Ostland, A. Ortmann) die drei
baltischen Generalbezirke auf einer landwirt-
schaftlichen Nutzfläche von rund 10,6 Millionen
Hektar, gemessen nach ostpreußischen Verkaufs-
preisen, heute Verkaufswerte von höchstens
400 Millionen RM. Sie müßten aber, selbst wenn
man ihnen wegen des ungünstigeren Klimas
einen Abzug von 30 v.H. zubilligt, Werte von
1,4 bis 1,5 Milliarden RM., also mehr als das
Dreifache, erzeugen. Gewiß läßt sich die
damit gekennzeichnete gewaltige Aufgabe nicht
während des Krieges lösen. Dafür fehlen zur
Zeit wichtige Voraussetzungen. Die deutsche
7
Landwirtschaftsverwaltung im Ostland hat aber
durch die Tat bewiesen, daß schon jetzt die
Lösung dieser Aufgabe mit gutem Erfolge vor-
bereitet werden kann.
Durch die von der deutschen Führung gewähr-
leistete dauerhafte Einbeziehung des Ostlandes -
in die europäische Wirtschaftsgemeinschaft wird
dem Bauerntum in den baltischen Generalbezir-
ken eine Entwicklungsmöglichkeit geboten, die
mit besten Kräften auszunutzen das ureigene
Interesse vorschreibt. Noch hat das Bauerntum
dieser Länder die sich bietende Chance nicht
in vollem Ausmaße erkannt. Zu lange hat es in
einer Abseitsstellung gelebt, für die eine ziel-
bewußte Ausrichtung der Produktion auf die
Bedürfnisse eines großen Marktes ein unbekann-
ter Begriff war. Zu lange hat es unter den von
englischer Eigensucht diktierten Konjunktur-
schwankungen gelitten, um allgemein erkennen
zu können, daß die- Aussichten, die die Neu-
ordnung Europas unter nationalsozialistischer
Führung bietet, sich grundsätzlich von
den Eintagsgeschäften englischer In-
teressenpolitik unterscheiden. So läßt
die auf Grund des gegenwärtigen Produktions-
standes schon heute mögliche Marktleistung des
Bauerntums in den baltischen Generalbezirken
noch manches zu wünschen übrig. Während von
der ostpreußischen Landwirtschaft 55 v.H. der
Jahreserzeugung auf den Markt kommt, betrug
die Marktleistung in den baltischen Gebieten
höchstens 25 bis 30 v.H. Für die Bauern dieser
Gebiete gilt daher in erhöhtem Maße die Parole,
der im Interesse der Nahrungsversorgung Euro-
pas das deutsche Bauerntum mit vorbildlichem
Eifer gehorcht, durch Einschränkung des Eigen-
verbrauchs in Wirtschaft und Haushalt die
Marktleistung zu erhöhen.
Bei dem herrschenden Mangel an Austausch-
waren ist durch Einführung eines ausgebauten
Waren-Prämiensystems ein kräftiger An-
reiz zur Verstärkung des Ablieferungswillens
geschaffen worden. Damit ist auch ein Weg
beschritten, der die zur Zeit noch gegebene
Preisschere zwischen landwirtschaftlichen und
industriellen Erzeugnissen in ihrer ablieferungs-
hemmenden Wirkung wenigstens mildert. So
ist von der deutschen Landwirtschaftsverwal-
tung das Menschenmögliche getan worden, um
die Landwirtschaft des Ostlandes dem Selbst-
behauptungskampf Europas gegen bolsche-
wistische Anarchie und englische Ausbeutung
dienstbar zu machen. Mehr und mehr setzt sich
daher auch in der Landbevölkerung des Ostlan-
des die Erkenntnis durch, daß der Übergang von
der geschlossenen Hauswirtschaft zur Markt-
wirtschaft, der erst durch das nationalsozia-
listische Deutschland in geordnete Bahnen ge-
lenkt worden ist, zugleich den einzig
möglichen Weg zu einer dauerhaften
Gesundung der baltischen Agrarländer dar-
stellt, da er diesen Ländern eine volle Entfaltung
ihrer natürlichen Produktionskräfte ermöglicht.
43
—— ee ee —
— — pr el -æ — re — T
Ve —— 5
- SE H Kg en, E rtr mnp emt A mp Cafe. af Rb e. Eee AE reegen et
Gë p 7 j — ` ` i 5 Ge T x .
8
—
- —
— . — — — — he wë —— —— —e —
— A Aë e tert. =s
—
*
- - m —— — KE
— A
EMIL WOERMANN:
Die europäilche Schweinehaltung
Ihre Leiſtungen für die Fleiſch- und Fettwirtfcbaft
Kei Zweig der Nutzviehhaltung hat unter
dem Einfluß des Krieges und der rückläu-
figen Futtermittelzufuhr in seinem Umfang und
auch in seiner Betriebsweise so tiefgreifende
Veränderungen erfahren wie die Schweinehal-
tung. Damit wurden auch in der Fleisch- und
Fettversorgung Wirkungen ausgelöst, die
das eigentliche Kernproblem der gan-
zen Ernährungswirtschaft im Kriege
bilden. Diese Feststellung gilt nicht nur für
Deutschland, sondern für alle west- und mittel-
europäischen Länder. Die Stellung der Schweine-
haltung in der europäischen Ernährungswirt-
schaft wird einmal durch den Kraftfutteraufwand
gekennzeichnet, der bei dem in der Vorkriegs-
zeit gegebenen Umfang der Mastschweineerzeu-
gung aufgewandt werden mußte, und zum ande-
ren durch die anteiligen Leistungen der
Schweinehaltung für die Fleisch- und Fettpro-
duktion in den einzelnen Ländern. Die ernäh-
rungs- und futterwirtschaftlichen Fragen stehen
wiederum mit den betriebswirtschaftlichen
Standortsverhältnissen in engem Zusammen-
hang, so daß sie einleitend einer kurzen Betrach-
tung unterzogen werden müssen,
1. Die Schweinebestände und der Futter-
aufwand
Ebenso wie in Deutschland hat die Schweine-
haltung auch in den übrigen europäischen Län-
dern in den letzten Jahrzehnten von allen Nutz-
viehzweigen die stärkste Ausdehnüng erfahren.
In dem Zeitraum seit 1890 hat sich die euro-
päische Schweinehaltung mehr als verdoppelt,
in West- und Mitteleuropa sogar verdreifacht.
Die treibende Kraft für diesen Vorgang war die
rasche Bevölkerungsvermehrung und die starke
Industrialisierung und Kaufkraftsteigerung in
allen west- und mitteleuropäischen Ländern. Die
Landwirtschaft sah sich vor die Aufgabe ge-
stellt, eine ständig wachsende und mit großer
Kaufkraft ausgestattete Bevölkerung nicht nur
mit den wichtigsten Nahrungsmitteln zu versor-
gen, sondern auch steigende Ansprüche an Art
und Qualität der Erzeugnisse zu befriedigen;
denn Hand in Hand mit der Bevölkerungsent-
wicklung und den sozialen Umschichtungen voll-
44
zogen sich die bekannten Wandlungen in der
Ernährungsweise der Masse der Verbraucher.
Es gibt kaum einen Vorgang, der die Richtung
der landwirtschaftlichen Erzeugung und damit
die ganze Struktur der europäischen Ernährungs-
wirtschaft so tiefgreifend beeinflußt hat, wie die
Verlagerungen des Schwergewichtes in der Er
nährung von pflanzlichen zu tierischen Erzeug-
nissen. Diese Veränderungen zusammen mit den
Preiswandlungen zugunsten der Tiererzeugnisse
waren die Hauptgründe für die Ausdehnung der
Viehhaltung. Daß dabei die Schweinehal-
tung den Vorrang gewann, erklärt sich
aus der Tatsache, daß die Schweine sich von
allen Nutztiergattungen am raschesten vermeh-
ren lassen und physiologisch am rationellsten
geeignete Mastfuttermittel in Fleisch und Fett
umsetzen. Hinzu kommt, daß durch die Fort-
schritte im Ackerbau gerade die Gewinnung von
Mastfuttermitteln wesentlich gesteigert wurde
und daß alle Betriebsgrößen sich daran beteili-
gen konnten. Endlich ist auch zu berücksich-
tigen, daß die Schweinehaltung einer weitgehen-
den Arbeitsteilung zwischen Aufzucht
Mast und Futterversorgung zugänglich ist, und
daß die für die Schweinemast geeigneten Futter-
stoffe sich über große Strecken verfrachten las
sen. Die Schweinehaltung konnte also im Ge-
gensatz zu den Wiederkäuern, die in erster Linie
auf Rauhfutter angewiesen sind, auch dort gro»
Beren Umfang annehmen, wo die wirtschafts-
eigene Futtergrundlage nicht ausreichte. Eine
solche Entwicklung, die in einer Reihe von Län»
dern, vor allem in Nordwesteuropa, zu einem
Mißverhältnis zwischen Schweins
bestand und betriebseigener Futter-
grundlage führte, konnte sich selbstver
ständlich nur so lange reibungslos abspielen, als
die Futtermittelzufuhr zwar einer Regelung, aber
keiner einschneidenden Beschränkung unterwar-
fen war. Als mit Ausbruch des Krieges die über-
seeischen Zufuhren ausfielen, kam es in den auf
starke Einfuhr von Futtermitteln angewiesenen
Ländern zu weitgehenden Verlagerungen und
Bestandseinschränkungen, die auch die Fleisch-
und Fettversorgung tiefgreifend beeinflußten.
Bei Ausbruch dieses Krieges hatte der
Schweinebestand Kontinentaleuropas mit rund
76 Millionen Stück seinen bisher höchsten Stand.
Der auf Großdeutschland entfallende Anteil be-
trug fast ein Drittel. Demgegenüber wiesen die
Zählungsergebnisse den europäischen Rinder-
bestand mit 98 Millionen, den Schafbestand mit
122 Millionen und den ale mit rund
600 Millionen Stück aus.
Die jährliche Kraftfuttermenge, ausgedrückt
in Getreidewerten, die für die gesamte Arbeits-
und Nutzviehhaltung aufgewendet
mußte, betrug etwa 90 Millionen Tonnen. Der
Kraftfutterauf wand übertraf damit den
gesamteuropäischen Bedarf an Brotgetreide,
Nährmitteln und Speisekartoffeln wesentlich.
Allein der jährliche Kraftfutteraufwand für die
Schweinehaltung belief sich auf etwa 38 Mil-
lionen Tonnen Getreidewert.
einer durchschnittlichen Getreide- und Kartoffel-
ernte Groß deutschlands. Obwohl in einer Reihe
von Ländern, besonders in Deutschland, große
Anstrengungen gemacht wurden, die Boden-
erzeugung zu steigern und die Getreideeinfuhr
Europas gegenüber dem Stand von 1925 auch
tatsächlich auf die Hälfte herabgedrückt werden
konnte, blieb doch vor dem Kriege eine wesent-
liche Abhängigkeit von überseeischen Zufuhren
bestehen. Betriebswirtschaftlich betrachtet han-
delt es sich dabei fast ausschließlich um Fut-
tergetreide. Es wurden zwar auch einige
Millionen Tonnen Brotgetreide eingeführt, aber
die im ganzen verfütterte Brotgetreidequote war
wesentlich größer als die eingeführte Menge.
In Frankreich wurde sogar der Reis in größerem
Umfange an die Schweine verfüttert. Die be- .
stehende Abhängigkeit war also in erster Linie
eine Abhängigkeit der Futterversor-
gung, die bei der europäischen Schweinehal-
tung und Schweinemast etwa 25 v.H. betrug.
Im Verlauf des Krieges haben ausfallende
Einfuhren aus Übersee und wesentlich erhöhter
menschlicher Verbrauch an Getreide und Kar-
toffeln zu einer starken Schmälerung der verfüg-
baren Kraftfuttermengen geführt. Im Zuge dieser
Veränderungen mußte die Hauptlast des
Kraftfutterausfalls auf die Schweine-
haltung abgewälzt werden, da nach
Sicherstellung des Brotgetreide- und Speisekar-
toffelbedarfs zunächst die Gespanntiere aus-
reichend zu versorgen sind, die Geflügelhaltung
keine wesentliche Einschränkung, teilweise so-
gar zugunsten der Enten- und Gänsehaltung eine
Ausdehnung erfahren hat, und bei der Rindvieh-
haltung der Kraftfutterverbrauch im Verhältnis
zum wirtschaftseigenen Grundfutter keine ent-
scheidende Rolle spielt. Hinzu kommt, daß Ge-
treide und Kartoffeln die Hauptmastfuttermittel
bilden, also Erzeugnisse, die der menschlichen
Ernährung auch unmittelbar dienen. Eine schritt-
weise Einschränkung der Schweinebestände war
daher unvermeidlich, um einen Ausgleich her-
beizuführen. Welchen Einfluß dieser Ausgleich
werden `
Das entspricht
auf die Fleisch- und Fettversorgung ausübte,
wird deutlich, wenn man prüft, welche Leistun-
gen die Schweinehaltung für die Fleisch- und
Fettwirtschaft in den einzelnen Ländern aufwies.
2. Die Leistungen der Schweinehaltung für
die Fleisch- und Fettwirtschaft
Die Fleischerzeugung Kontinentaleuropas im
Durchschnitt der Jahre 1935—1938 ist mit rund
12,4 Millionen Tonnen zu veranschlagen. Der
Außenhandel mit Fleisch war gering. Die Ab-
hängigkeit bestand lediglich in den bereits er-
örterten Futtermitteleinfuhren. Einer Ausfuhr an
Schweinefleisch aus den nordwesteuropäischen
Veredelungsländern nach England stand eine
Einfuhr an Rindfleisch aus Nordamerika gegen-
über. Im Endergebnis wat die Ausfuhr sogar
größer als die Einfuhr. Von der Gesamterzeu-
gung entfielen fast drei Fünftel auf Schweine-
fleisch. DieSchweinehaltungnahm also
eine zentrale Stellung in der euro-
päischen Fleischwirtschaft ein. Das
gilt für fast alle Länder; denn wie ein Blick auf
die folgende Tabelle zeigt, war lediglich in den
rindviehstarken Ländern Nordwesteuropas und
in den Ländern mit umfangreicher Schaf- und
Ziegenhaltung in Südosteuropa der Anteil des
Fleischerzeugung 1935-38
davon in v. H
Gesamte z
Fleisch- Fan
erzeugung 3 E. 2
in 1000 t ES
Ecke
Deutschland........ 1,5
Osterreich 1,4
Tschecho-Slow akei 1,9
Polens 2.0
1.7
Litauen i 3,2
Lettland. neu e 8,7
Estland 1,1
Finnland dg 7,5
Schweden 1,2
Norwegen 15,3
6,0
Dänemark.......... - 0,3
Niederlande ....... 1,9
Belgien ~ 1.0
Luxemb rr ,
Frankreich 6,2
Schweiz en 2,0
3,9
A
Ungarn 2,2
Jugoslawien 12,4
Bulgarien .......... 31.0
Rumänien 13,4
3,9
Griechenland 50,
Albanien S 54,7
Italien 10,4
Spanſen ; 14,8
Portugal 20,1
16,8
f 5,5
„ om. ` Wi e
+
SE ` en
11 freë
nt
2 we m D
— 2
H
e gr —
> RN 1
we 22 *
"r — bé,
Rind- bzw. Schaffleisches größer als im euro-
päischen Durchschnitt. Die erheblichen Unter-
schiede im Gesamtfleischverbrauch je Kopf
der Bevölkerung sollen hier unberücksichtigt
bleiben.
Da.das Schwein in erster Linie Fleisch und
erst an zweiter Stelle Fett liefert, war der An-
teil an der Gesamtfetterzeugung we-
Immerhin erreicht die
zufuhr aus Übersee.
Während wir beim Fleisch in allen Länder-
Fetterzeugung Reinfett) 1935-38
davon in Ve H.
2 G Zb
ke — 2 H e
3 83 23
— EA on
a |È *
Deutschland .. 45,1 4,8 ste
Osterreich .... 37,0 2,2 Re
Tsche:ho-Siow. 46,7 9,9 —
Polen 45,0 14,3 —
—
44, 8 7,2 —
Litauen 47,7 14,1 2
Lettland 64,6 8,4 an
Estland ....... 66,2 7,5 Be
Finnland...... 78,0 — z=
Schweden..... 70,8 = =
Norwegen e — 70, 6
15,9
Dänemark..... =
Niederlande .. Sg
elgien .......
Luxemburg =
Frankreich...
Schweiz 25
Kë —
Ungarn ‚7 —
'ugoslawien 4 Sg
Bulgarien 0 Lu
Rumänien..... 5 u
72
Griechenland . 6
Albanien..... 8
Italien ...... 7
Spanien....... 3
Portugal 2
46
gruppen einen ziemlich gleichen Anteil der
Schweinehaltung an der Gesamtfleischerzeugung
und auch am Verbrauch feststellen konnten,
sind die Verhältnisse beim Fett länderweise viel
differenzierter.
Die aus der vorstehenden Tabelle ersichtlichen Unter-
schiede sind ein ziemlich zutreffendes Abbild der natur-
lichen und wirtschaftlichen Standortsbedingungen der drei
fettliefernden Betriebszweige: der Milchviehhaltung, der
Schweinemast und des Olfruchtbaues, einschließlich Oliven.
In Südeuropa spielen Schlacht- und Butterfett gegen-
über dem Pflanzenfett nur eine geringe Rolle. Das Schwer-
ist noch größer,
und Käse hinzurechnen. Völlig entgegengesetzte Verhält-
nisse treffen wir in Südosteuropa an. Hier steigt der
Anteil der Schlachtfette auf 60 v.H., in Ungarn sogar auf
das Butterfett nur eine nebengeordnete
Dagegen liefern die Pflanzenfette aus
Sonnenblumen, Soja, Raps usw. bereits ein Drittel in
Viertel der Gesamtfetterzeugung.
Waage, wobei die Futterbaugebiete des Westens, des Nord-
westens und der Mittelgebirgslagen die Milcherzeugung
Getreide-Hackfruchtzonen
viehhaltung, die Kohlehydratzonen dagegen, abgestellt auf
Getreide-, Kartoffel- und Zuckerrübenbau, eine kombinierte
Fleisch- und Fetterzeugung. Um SO größere Anstrengungen
mußten in allen europäischen Ländern gemacht werden, um
Westeuropa
, mit einer
Deutschland stärkeren Neigung zur Milch-
erzeugung.
Wenn man vom Norden und Nordwesten nach
Südosten einen Querschnitt durch Europa legt,
gegenüber
und Butter-
genommen.
m .
Schweinebestand in Europa
Jeder Punkt (-) = 1000 Schweine
3. Die Betriebsform der europäischen
Schweinehaltung
Die dargelegten ernährungs- und futterwirt-
schaftlichen Zusammenhänge der Schweinehal-
tung stehen in enger Beziehung zu den Betriebs-
formen, die sich in den einzelnen Ländern
herausgebildet haben. Diese Betriebsformen
sind das Ergebnis des Zusammenyir-
kens der natürlichen und wirtschaft-
lichen Standortsfaktoren. Dabei spielen
Futtergrundlage, Fütterungstechnik, Preisver-
hältnisse und Stand der Züchtung die Haupt-
rolle. Jeder Nutzviehzweig hat seine betriebs-
wirtschaftlichen Eigenarten und besonderen
Standortsbedingungen, die in der Hauptsache
durch unterschiedliche Ansprüche an Futter,
Stallung, Wartung und»Pflege bedingt werden.
Das Schaf ist das Tier des rohfaserreichen
Trockenfutters mit weitem Eiweiß-Stärkewertverhält-
nis. Trockenes Klima mit Dürreperioden ist der Schafhal-
tung durchaus zuträglich, einmal weil das Schaf futter-
knappe Zeiten, die im trockenen Klima regelmäßig auf-
treten, gut übersteht und zum anderen, weil es durch seine
Marschfähigkeit große Flächen gut ausnutzen kann, deren
Erträge für das Rind nicht mehr ausreichen. Außerdem ist
das Schaf in hervorragendem Maße für einen Wechsel der
Weideplätze geeignet, der in klimatischen Einflüssen seine
Hauptursache hat. In Süd- und Südosteuropa wandern die
Schafherden regelmäßig zwischen den Winterquartieren
im Tal und den Sommerquartieren in den Bergen. Bei
diesem Weidewechsel sind oft Hunderte von Kilometern zu
überwinden. Auch in Ländern mit hoher landwirtschaft-
licher Kultur ist dieser Weidewechsel anzutreffen. So ist
namentlich in Süddeutschland, Westfalen und Schleswig-
Holstein die Wanderschäferei noch weit verbreitet.
Der Schwerpunkt der Schafhaltung liegt in Süd- und
Südosteuropa. Drei Umstände wirken dabei zusammen:
Trockenes Klima, marktferne Lagen und eine verhältnis-
mäßig extensive Bodennutzung, die entweder durch aus-
gedehnte Hutungen oder durch ein Ackerbausystem mit
vorherrschendem Getreidebau und größerem Brachanteil
einen Reichtum an natürlichem Schaffutter gewährleistet.
Im Gegensatz zur Schafhaltung bevorzugt die Rind-
viehhaltung feuchte Lagen mit hoher Futter-
wüchsigkeit. Die Fähigkeit des Rindes, Rauhfutter
47
I r
„„
D
— — —— — mmm A rm
EEE ERBE. 25 ee —— —
— — — -
—— pr es eg: ee ,
ä — o
D
Wë tege mm — — ——Hp rr... _
— F „„
—
— + Seier nn ine a —
— — nern
und Grünfutter, Hackfrüchte und Kraftfutter, trockenes
und nasses Futter gleich gut auszunutzen, erleichtert es
dem Landwirt, eine lückenlose Futtergrundlage in den ein-
zelnen Jahresabschnitten zu schaffen, die namentlich für
eine erfolgreiche Milchviehhaltung unerläßlich ist. Unter
sonst gleichen Bedingungen kann die Milchviehhaltung
um so mehr in den Vordergrund treten, je nährstoff-
reicher das Futter ist und je enger sich das Eiweiß-
Stärke-Verhältnis gestalten läßt. Der Schwerpunkt der
Milchviehhaltung liegt daher im futterwüchsigen Nord-
westeuropa und in den grünlandreichen Mittelgebirgslagen.
Endlich weist auch die dicht besiedelte und mit Bewässe-
rung ausgerüstete Po-Ebene einen hohen Bestand an Milch-
kühen auf.
Im Gegensatz zum Schaf und-Rind ist das Schwein
in hohem Maße auf konzentrierte und hoch-
verdauliche Futterstoffe angewiesen. Dar-
über hinaus verwertet das Schwein die Abfälle der Haus-
wirtschaft und infolge seines Wühlvermögens alle Ernte-
rückstäande, die sich auf den Feldern und im Boden
befinden. Der Anteil dieser Futterstoffe aus Brache, Wald-
weide, Nachweide der Getreide-, Mais- und Hackfrucht-
felder ist in den Ländern mit extensiver Bodennutzung
sehr erheblich. Hinzu kommt, daß bei den primitiven
Schweinerassen, die in diesen Ländern vorwiegend gehal-
ten werden, Spürsinn und Wühlvermögen besonders aus-
gebildet sind. In Spanien und Portugal wird die Schweine-
haltung auf der Grundlage der Waldweide noch heute
ausgedehnt betrieben. Im Südosten sind es mehr die Brach-
und Stoppelweiden, die einen Teil der Futtergrundlage für
‚die Zuchtsauen und Jungschweine abgeben. Das je nach
der Bodennutzung in den einzeinen Ländern unterschied-
liche Verhältnis von konzentrierten und ballastreichen
Futterstoffen ist sowohl für die zweckmäßigste Produktions-
form der Schweinehaltung als auch für die Wahl der Rasse
von erheblicher Bedeutung.
Unter den stärkereichen und konzentrierten Futterstoffen
sind es außer den Abfällen der Hauswirtschaft vor allem
Gerste, Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben, die der
Schweinemast die Hauptfuttergrundlage liefern. Die
Schweinehaltung folgt daher dem inten-
siven Acker be u und steht, soweit nicht betriebsfremde
Futterstoffe in größerem Umfang zugeführt werden, in
Abhängigkeit von den Erträgen des Futtergetreide- und
Hackfruchtbaues. `
Wie das Schaubild auf Seite 47 zeigt, sind die
Hauptstandorte der Schweinehaltung
die Klimalagen mit ausgedehntem Mais- und
Hackfruchtbau und endlich jene Gebiete, in
denen die Molkereiwirtschaft größere Bedeu-
tung erlangt hat, wie dies für ganz Nordwest-
europa in besonderem Maße zutrifft. Die
Schweinehaltung in Anlehnung an die Milch-
und Molkereiwirtschaft, soweit sie sich nicht
auf Aufzucht beschränkt, bedarf allerdings einera
sehr weitgehenden Ergänzung, entweder durch
selbstangebaute Futterstoffe oder durch zuge-
kaufte Futtermittel. Da in Nordwesteuropa
Dauergrünland und Ackerfutterbau einen großen
Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche
einnehmen und dementsprechend der Getreide-
und Hackfruchtbau zurücktritt, konnte die um-
fangreiche Schweinehaltung und Schweinemast
nur mit Hilfe ausländischer Futtermittel betrie-
ben werden, wenn ‘sich auch die Bestrebungen
immer mehr durchsetzten, durch Grünlandum-
bruch und Zurückdrängung des Feldfutterbaues
den Kartoffelbau auszudehnen und damit die
betriebseigene Mastfuttergrundlage zu verstär-
ken. Allein in Nordwesteuropa wurden mehr
als 4 Millionen Tonnen überseeische Kraftfutter-
mittel, in der Hauptsache Mais und Gerste, in
der Schweinehaltung eingesetzt. In diesen Ge-
48
t
bieten ist daher auch der durch den Krieg er-
zwungene Rückgang des Bestandes am stärksten.
Die Betriebsformen der Schweine-
haltung können nach verschiedenen Gesichts-
punkten gekennzeichnet und abgegrenzt werden.
Wählt man als Unterscheidungsmerkmal die Art
der verabfolgten Futterstoffe und ihre Beschaf-
fung, so spricht man bekanntlich von haus-
wirtschaftlicher, landwirtschaft-
licher und gewerblicher Schweinehaltung.
Die hauswirtschaftliche Schweinehal-
tung ist in den mittel- und westeuropäischen
Ländern in der Hauptsache nur noch in Par-
zellenbetrieben und in den Haushaltungen der
Landarbeiter und dörflichen Handwerker ver-
treten, spielt aber in allen Kleinbauernländern
noch eine erhebliche Rolle. Der hauswirtschaft-
liche Charakter kommt nicht nur in der Art der
verwendeten Futterstoffe, wie Küchen- und Gar-
tenabfälle, Kürbis usw., sondern auch darin zum
Ausdruck, daß Zucht und Mast nicht klar gegen-
einander abgegrenzt sind. Die Zuchtsauen brin-
gen häufig nur einmal Ferkel und werden dann
gemästet.
Die land wirtschaftliche Schweinehal-
tung hat mit der Steigerung der Hektarerträge
und der ausgedehnten Hackfruchterzeugung
immer größere Bedeutung gewonnen. Sie steht
heute in Mittel- und Westeuropa beherrschend
im Vordergrund und bildet den wichtigsten Ver-
wertungszweig des Mais- und Kartoffelbaus,
namentlich bei fehlenden technischen Neben-
gewerben und in ungünstigen Absatzlagen.
Wenn man als gewerbliche Schweinehal-
tung jene Formen bezeichnet, die den größten
Teil des Futterbedarfs aus zugekauften Futter-
stoffen decken, so war sie vor dem Kriege in
Dänemark, Holland, Belgien, teilweise auch in
Nordwestdeutschland und in Westfrankreich in
der Nähe der Einfuhrhäfen weit verbreitet. Er-
möglicht wurde die Ausbildung solcher Betriebs-
formen durch den der Schweinehaltung eigenen
geringen Bedarf an Streustroh, durch die weit-
gehende Arbeitsteilung zwischen Aufzucht und
Mast und durch die umfangreiche Zufuhr. geeig-
neter und preiswürdiger Futtermittel. Jede ge
wollte oder durch außenwirtschaftliche Vor-
gänge erzwungene Einschränkung der Futter
mitteleinfuhr muß die stark oder gar ausschließ-
lich auf Futterzukauf abgestellte Schweinehal-
tung und -mast zum Erliegen bringen.
Größere Unterschiede in der Erzeugungs-
richtung konnten naturgemäß nur bei der
landwirtschaftlichen Schweinehaltung zur Aus
bildung kommen. Die Unterschiede bestehen
einmal in dem wechselnden Verhältnis von Aui-
zucht und Mast und zum anderen in dem ge
wählten Mastverfahren, wodurch wiederum das
Fleisch-Fett-Verhältnis der Schlachttiere be-
stimmt wird. Auf Grund des wechselnden Ver-
hältnisses von Aufzucht und Mast unterscheidet
man folgende Betriebsweisen:
1. Aufzuchtbetriebe mit Verkauf von Ferkeln
oder Läufern,
2. Aufzucht-Mastbetriebe, die sich bezüglich
des Ferkel- und Läuferbestandes selbst er-
gänzen,
3. Mastbetriebe ohne oder mit schwacher
Aufzucht, die zugekaufte Läufer oder Ferkel
mästen. s |
Diese, namentlich in Deutschland, Dänemark,
Holland und Belgien, aber auch in Schweden
und Frankreich weit verbreitete zwischen-
betriebliche Arbeitsteilung ist im Sü-
den und Südosten weniger anzutreffen. Große
Unterschiede sind dagegen in der Erzeugungs-
richtung und im Mastverfahren vorhanden. Beide
stehen wiederum in Abhängigkeit von der Fut-
tergrundlage und von den Preisverhältnissen.
In den europäischen Ländern lassen sich je
nach dem Fleisch-Fett-Anteil, der bei der Mast
der Tiere erreicht werden soll, zweitypische
Formen der Mastschweineerzeugung
unterscheiden: die Erzeugung von Fleisch-
schweinen und die Erzeugung von Speck-
schweine n. Während bei der Erzeugung von
Fleischschw einen in erster Linie Fleisch gewon-
nen werden soll, zielt die Mast von Speck-
schweinen auf Fettansatz ab. Zwischen diesen
beiden extremen Erzeugungszielen gibt es in der
Praxis alle Übergänge.
Die Erzeugung von Fleischschweinen erstrebt auf dem
Wege der Schnellmast in allen Ländern ein Endgewicht
von 90—100 kg lebend. Für die Baconherstellung bzw. für
die Gewinnung eines fettarmen Brat- und Delikatessen-
schweines, das den bekannten Prager Schinken lieferte,
waren die Lebendgewichte auf 70—85 kg abgegrenzt. Da
bei der Entwicklung des jungen Schweines zunächst vor-
wiegend Fleisch und im weiteren Verlauf Fett angesetzt
wird, soll bei diesem Erzeugungsverfahren das Jugend-
wachstum der Tiere durch reichliche Fütterung zur Ge-
winnung von Fleisch ausgenutzt werden. Je höher jedoch
der anteilige Fleischgehalt der Zunahme ist, um so höher
sind auch die Anforderungen an den Eiweißgehalt und an
die Verdaulichkeit der täglichen Futtergabe. Die betriebs-
wirtschaftlichen Voraussetzungen für diese Art der Er-
zeugung von FPleischschweinen sind also erst dann gegeben,
wenn das Preisverhältnis zwischen ballastreichen und kon-
zentrierten Futterstoffen zugunsten der letzteren ausfällt,
und wenn damit gleichzeitig eine ausreichende Versorgung
der preiswürdigen Eiweißfuttermittel Hand in Hand geht.
In den nordwesteuropäischen Molkereiländern, voran in
Dänemark, waren diese Voraussetzungen in hohem Maße
gegeben. Auf der Grundlage der reichlichen Magermilch-
versorgung, der umfangreichen Gersteeinfuhr und bestimm-
ter röchterischer Maßnahmen ist es in Dänemark zu einer
Form der Baconproduktion gekommen, die in ihrer Quali-
tät auf den englischen Märkten bei weitem an der Spitze
stand. Auch in Schweden, in den baltischen Ländern und
im ehemaligen Westpolen kam es in der Vorkriegszeit zu
„ Art, jedoch waren die Schlachtgewichte
öder.
Im Gegensatz zur Fleischschweineerzeugung mit früh-
reifen Rassen, intensiver, eiweißreicher Ernährung und
schnellem Umschlag benutzt die Speckschweine-
Produktion spätreife Tiere, die zuerst langsam auf der
Weide oder durch Verabreichung ballastreicher Futterstoffe
heranwachsen und dann in einem bestimmten Alter, das
nach Rasse und Erzeugungsziel wechselt, zur Mast gestellt
werden. Da die Schweine bei Beginn der Mast ihr Wachs-
lum fast abgeschlossen haben, liefern sie vorwiegend
Speck und Schmalz, sowie ein festes Fleisch, das sich zur
Herstellung von Dauerware besonders eignet.
Obwohl der Fettansatz bedeutend mehr Nährstoffe er-
fordert als der Ansatz von Fleisch, behält die Speck-
schweineproduktion den Vorzug, daß ein wichtiger Teil des
Zuwachses durch Weidegang oder mit weniger
konzentrierten billigen Futterstoffen erzielt
wird und damit die Gesamtmenge hochwertigen Mastfutters,
die man zur Erzeugung von 1 kg Zuwachs benötigt, ver-
hältnismäßig gering bleibt. Die Speckschweineproduktion
ist daher überall dort vertreten, wo die ballastreichen
Futterstoffe im Verhältnis zu den konzentrierten relativ
billig sind und durch den ganzen Zuschnitt der Boden-
nutzung auch reichlicher zur Verfügung stehen.
Die geschilderte Ernährungs- und Produktions-
weise bei der Erzeugung von Speckschweinen
ist in allen Ländern, in denen sie größeren Um-
fang hat, nicht nur eine Anpassung an die Art
der Futtergrundlage, sondern auch an den
jahreszeitlichen Futterablauf. Früh-
reife Schweinerassen sind unter solchen Ver-
hältnissen nicht zweckmäßig. Vielmehr müssen
spätreife Rassen gehalten werden, die robust
und genügsam sind, um während der ausgedehn-
ten Läuferperiode und bei den weiten Wegen,
die bei der natürlichen Futtersuche zu überwin-
den sind, noch befriedigende Zunahmen zu er-
zielen. Andererseits müssen die Tiere auch eine
gute Verwertungsmöglichkeit für konzentrierte
Futterstoffe haben. Das Mangalitzaschwein be-
sitzt diese Eigenschaften in ausgeprägtem Maße.
s hat zwar nur geringe Fruchtbarkeit, ist aber
widerstandsfähig, eignet sich für extensive Hal-
tung, verträgt hohe Hitzegrade und ist besonders
befähigt, in der Hauptmastperiode Mais in Speck
umzusetzen. |
Daß die Speckschweineproduktion in Ungarn
und in angrenzenden Teilen der Balkanländer
namentlich in deri Maisbaugebieten noch vor-
herrschend ist, hat verschiedene Gründe, Ein-
mal sind sie futter wirtschaftlicher Art.
Die Ackerebenen des Südostens sind ausge-
sprochene Kohlehydratzonen, begünstigen also
die Fettproduktion, zumal die Milchwirtschaft
schwach entwickelt ist und andere für dıe
Schweinemast geeignete Eiweißstoffe auch aus
Preisgründen bisher keinen Eingang gefunden
haben. Zum anderen sind die Verkehrs-
verhältnisse in weiten Teilen der .Balkan-
lönder nur schwach entwickelt. Der bäuer-
liche Betrieb steckt noch tief in der Natural-
wirtschaft. Fett ist transportfähiger und halt-
barer als Fleisch und außerdem ein geeignetes
Hilfsmittel bei Verarbeitung von Magerfleisch
zu Dauerware. Die Speckschweine stehen daher
auch wesentlich höher im Preis als Fleisch-
schweine. In Nordwesteuropa war es vor dem
Kriege häufig umgekehrt.
Wie bereits erwähnt, gibt es zwischen den
beiden Extremen der Fleisch- und Fettschweine-
produktion in der Praxis alle Übergänge,
sowohl was die Schwere der Schweine als auch
die Art der Ernährung betrifft. Schweine mit
49
einem Lebendgewicht von 120—140 kg stehen
bei unseren heutigen weißen Rassen zwischen
Fleisch- und Speckschweinen. Die oft erörterte
Frage der zweckmäßigsten Form der Schweine-
produktion und damit des anzustrebenden End-
gewichtes bei der Mast kann auch für deutsche
Verhältnisse nicht generell entschieden
werden, da die Futterverhältnisse im Einzelfall
zu verschieden liegen. Man kann nur die be-
triebswirtschaftlichen Bedingungen abgrenzen,
unter denen die verschiedenen Produktions-
formen und Erzeugungsziele zweckmäßig er-
scheinen. Weiter ist zu berücksichtigen, daß
jetzt im Kriege auch die Futterversorgungslayge
den Ausmästungsgrad weilgehend bestimmt. Bei
knappen Schweinebeständen und guter Futter-
getreide- und Kartofielernte wird man im Inter-
esse der Versorgung die Mästung von schweren
Schweinen fördern und. umgekehrt,
Tatsächlich hat die deutsche Agrarpolitik in
den letzten Jahren durch eine entsprechende
Preisstaffelung der Gewichtsklassen eine Steu-
erung der Produktion wiederholt vor-
genommen und dabei die gesetzten Ziele auch
erreicht. Betriebswirtschaftlich kann es keinem
Zweifel unterliegen, daß die verknappte Eiweiß-
versorgung und die verstärkte Einschaltung von
weniger konzentrierten Futterstoffen die Mast-
verfahren im Sinne eines verlang-
samten Umschlagesbeeinflußthat. Daß
die hier entwickelten Beziehungen zwischen
natürlichen und wirtschaftlichen Standortsfak-
toren einerseit$ und den Produktionsformen der
Schweinehaltung andererseits in der Vorkriegs-
zeit in den europäischen Ländern weitgehend
ausgeprägt waren, bestätigt die folgende Über-
sicht:
Produktionsverhältnisse der europäischen
Schweinehaltung.
2412.2 en 2 2 | din
328 3323 323 225
v Ey gun” 2 e 228
ER | AN og | #5 | 00%
5883828 [K
SZ ju ? Dem | 838
2 9,6 ehem. Tschecho- Sl 90 145 17
d 13,8 (Dänemark, 93 150 17
d 12,5 [Belgien 110 100 18
0 56 Itallen 110 90 | 18
5 4,8 [Griechenland 110 90 18
4 HA [Frankreich 115 105 18,5
4 10,9 Norwegen 115 100 18,5
3 11,5 Schveden 115 110 18,5
9 9,5 [Baltische Staaten| 120 95 19
4 6,8 Spanien 125 75 19,5
3 8,2 |ehem. Polen..... 128 80 19,5
‚5 12,7 | Niederlande..... 130 115 20,0
26,8 | 12,6 [Deutschland | 130 | 95 | 20,0
0 4,6 Rumänien | 145 70 140-60*°)
2 6,2 [ehem. Jugosl. ...| 150 65 | 40-60*)
9 | 7,2 Ungarn | 160 65 |40-60°)
9
— sonst. Länder....| — — |
me
| | Kontin.-Europa
—
La
LE
J Angaben beziehen sich auf Mangalitzaschweine.
50
Die Tabelle zeigt für den Durchschnitt der Jahre 1835
bis 1938 außer dem Schweinebestand zunächst einmal die
je Zuchtsau und Jahr erzielte Ferkelzahl in den einzeinen
Ländern. Die Ferkelzahl ist das Ergebnis der Wurfhäu-
figkeit und der Wurfstärke. Während in den Län-
dern mit hochentwickelter Schweinehaltung jährlich regel-
mäßig zwei Würfe mit insgesamt 12—14 Ferkeln,, nach
Abzug der Verluste, erreicht werden, ist die Wurfhäufig-
keit und Wurfstärke in den süd- und südosteuropäischen
Gebieten bei den dort vorherrschenden Schweinerassen und
Haltungsverhältnissen wesentlich geringer, so daß nur
5—9 Ferkel je Zuchtsau und Jahr erzielt werden. Sodann
zeigt die Tabelle die durchschnittlichen Lebendgewichte der
Schlachtschweine, den Jahresumschlag in v.H. des Bestan-
des und den Anteil des Fetts am Schlachtgewicht. Auch
hıer werden im ganzen die Beziehungen zahlenmäßig be-
stätigt, die auf Grund der geschilderten betriebswirtschalt-
lichen Verhältnisse zu erwarten sind.
Der Wiederaufbau der europäischen Schweine-
haltung ist weniger ein züchterisches Problem —
so sehr die Zucht auf Leistung auch einer Ver-
besserung bedarf — sondern in erster Linie eine
Frage der Futterversorgung. In allen Ländern,
die eine starke Einschränkung ihrer Schweine-
haltung vornehmen mußten, ist die Zahl der
Zuchtsauen vorsorglich in einem Umfange er
halten, daß eine rasche Wiederauffüllung der
Gesamtschweinebestände erfolgen kann, wenn
die Futterversorgungslage dies als zweckmäßig
und notwendig erscheinen läßt. Die produk-
tionspolitischen Bestrebungen aller Länder sind
daher zunächst mit Recht darauf abgestellt
durch eine entsprechende Gestaltung des An-
baus die Erzeugung von Mastfuttermitteln im
Rahmen der Grenzen zu verstärken, die durch
die Versorgung mit Brotgetreide und Speisekar-
toffeln gezogen sind.
Darüber hinaus sind die Futtermittel auf die
einzelnen Nutzviehzweige so zu verteilen, dab
damit ernährungswirtschaftlich der
größte Nutzeffekt erzielt wird. In der Fut
terverwertung stehen Schweine- und Ge-
flügelhaltungineinemgewissen Wett-
bewerb. Solange sich die Geflügelhaltung in
ihrem Umfange in der Hauptsache auf das na-
türliche Geflügelfutter beschränkt, d. h. aui
Futterstoffe, die sonst ungenutzt blieben, ist sie
durchaus am Platze. Wenn jedoch bei steigender
Geflügelzahl zwangsläufig größere Getreide- und
Kärtoffelmengen zur Verfütterung kommen
müssen, dann wird die Schweinehaltung in der
Futterverwertung überlegen, weil sie je Kg
Fleischzuwachs einen geringeren Futteraufwand
erfördert. Ähnliches gilt für die übrigen Zweige
der Kleintierhaltung. Wenn man bedenkt, dab
in der Geflügelhaltung der Vorkriegszeit in Höhe
von rund 600 Millionen Stück jährlich etwa
13 Millionen Tonnen Getreidewert als Futter
aufgewendet wurden — eine Menge, die de
Gesamtgetreideeinfuhr Kontinentaleuropas ent
spricht —, so erhält man einen Maßstab für die
ernährungs- und futterwirtschaftliche Bedeutung,
die einer sinnvollen Einschränkung der Geflügel-
haltung beizumessen ist.
‚WILHELM HEUCKMANN:
FRAGEN DER INTERNATIONALEN
WEINBAUWIRTSCHAFT
ast alljährlich fanden sich vor dem Kriege
die Vertreter der dem internationalen Wein-
amt angeschlossenen Weinbauländer Europas zu
Besprechungen über einschlägige Fragen zusam-
men. Aus der Fülle der Tagesordnungen trat
jedesmal ein Problem besonders hervor: nämlich
die Frage des Absatzes der in diesen Län-
dern erzeugten Weine. In diesen Jahren machte
sich nämlich fast überall ein Uberangebot von
Wein bemerkbar, das verschiedene Ursachen
hatte. Extrem hohe Ernten je Flächeneinheit
pflegen nur ab und zu aufzutreten. Die sich
hieraus ergebenden Schwierigkeiten können
meist durch direkte Eingriffe behoben werden,
wobei eine staatlich unterstützte Werbung und
Vorratshaltung in allen möglichen Formen eine
besonders hohe Rolle spielt. Bedeutend nach-
haltiger wirken sich aber zu hohe Ernten aus,
die alljährlich aus einer Anbaufläche gewonnen
werden, welche in keinem Verhältnis zu der
Zahl der Bevölkerung, bzw. deren Kauflust oder
deren Kaufkraft steht. Hierin lag wohl eine der
Hauptursachen der Absatzschwierigkeiten in
den zur Sprache stehenden Ländern. Es würde
den Rahmen dieser Abhandlung überschreiten,
wollte man hier alle Maßnahmen erwähnen, die
von den einzelnen Länderregierungen erlassen
wurden, um der bestehenden Schwierigkeiten
Herr zu werden, und die dann auch zur Behe-
bung der Absatznot durch das internationale
Weinamt empfohlen wurden. Meistens betrafen
sie reine Fragen der Erfassung und Verwertung
der Erntemengen, die Werbung und schließlich
die Empfehlung, die Zollgrenzen zu öffnen und
den überflüssigen Wein in andere Länder ab-
fließen zu lassen. Solchen Empfehlungen war
nur in den seltensten Fällen ein Erfolg beschie-
den. Dies beweisen die Maßnahmen, die dann
später jedes Land auf Grund seiner handels-
politischen Lage für sich selber traf.
Es dauerte eigentlich ziemlich lange, bis man
das Grundübel des Weinüberflusses mancher
Länder erkannte, das, kurz gesagt, in der Un-
ordnung der Erzeugung lag, die typisch
für eine freie Wirtschaft ist. Jeder Winzer oder
sonstige Interessent konnte praktisch soviel
Rebanlagen erstellen, wie er wollte, ohne Rück-
sicht darauf, ob der dort erzeugte Wein in
Gegenwart oder Zukunft abgenommen werden
konnte. Es fehlte meistens selbst die primitivste
Steuerung durch den Staat, deren Sinn es sein
sollte, die vorhandene Rebfläche mit der durch-
schnittlichen Aufnahmefähigkeit des Landes in
Einklang zu bringen. Das galt nicht nur für die
Menge der Erzeugung, sondern auch für die
Qualität des Produktes. Die Folge davon war,
daß selbst bei geringsten Preisen, die heute
geradezu märchenhaft klingen, die Winzer den-
noch oft auf ihrem Wein sitzen blieben. Dies
führte zu einer außerordentlichen Schwächung
der Winzerbetriebe, die in einer extensiven
Wirtschaftsweise ihren Niederschlag fand
und ein starkes Herabsinken des Quali-
tätsgedankens auslöste.
Wenn sich in irgendeinem landwirtschaft-
lichen Betriebszweig eine Spekulation ungünstig
auswirkt, so ganz besonders in solchen Betrie-
ben, in denen das Schwergewicht bei den lang-
‘jährigen Kulturen liegt. Hier ist der Einsatz von
Kapital und Arbeit natürlich weit höher als bei
einjährigen Kulturen, und eine Fehlspekulation
muß sich besonders ungünstig auswirken, weil
das Kapital für Jahre, oft sogar für Jahrzehnte,
festgelegt ist. Eine Änderung dieses Zustandes
durch Aushauen der Reben bringt nicht nur
keinen Gewinn, sondern hat einen direkten
Verlustim Gefolge. Wir wissen, daß der deutsche
Weinbau mit der Qualität der Weine
steht und fällt. In Zeiten des Überflusses an
Wein bleiben die geringsten Weine stets bis
zuletzt liegen; in Zeiten des Mangels wird der
Qualitätswein immer noch am besten bezahlt.
Dies gilt im gewissen Sinne auch für die Weine
der außerdeutschen Länder. Untersucht man die
Wirtschaftlichkeit der europäischen Weinbau-
betriebe, so kommt man zu dem Ergebnis, daß
die Betriebe mit Qualitätsweinbau sich durch-
schnittlich am besten stehen.
Ein spekulativer Weinbau bewirkt oft eine
einseitige Betriebskultur. Der gesunde Wein-
baubetrieb ist bestrebt, auch eine land-
wirtschaftliche Grundlage zur Ernäh-
rung der Betriebsangehörigen, zur Sicherung
einer Futter- und Düngerbasis zu schaffen. Wäh-
rend in Krisenzeiten der einseitige Weinbau-
betrieb nicht einmal das Ernährungsminimum
für seinen Betrieb hervorbringen kann, ist ein
gemischter Betrieb verhältnismäßig krisenfest
51
—
— — — — ———
aga — — —ꝶà—2—ää e a —— — B G =
— e Ch — hl A iin HE Me —
D
und kann vor allen Dingen seine Boden-
fruchtbarkeit aus eigener Kraft er-
halten. Der Monokulturbetrieb aber ist auf
die Zufuhr fast aller Betriebsmittel angewiesen
und.in Notzeiten besonders gefährdet. Wie sich
solche Verhältnisse auswirken können, zeigt
sich z.B. in vielen Weinbaubetrieben Frank-
reichs, welche nicht einmal in der Lage sind,
genügend Gemüse für ihre Betriebsangehörigen
aufzubringen.
Ebensowenig wie die Regierungen einzelner
Länder den Grundfragen der weinbaulichen Er-
zeugung ein von Weitblick getragenes Interesse
entgegengebracht haben, sorgten sie auch für
eine ordentliche Berufsbetreuung des
Winzers. Nur wenige Länder verfügen über
eine Organisation zur Beratung der Winzer, die
angesichts dieser arbeitsintensiven, den Schäd-
lingen und Krankheiten ausgesetzten, sowie vor
allen Dingen von der jeweiligen Jahreswitterung
so abhängigen Kultur erforderlich ist. Meistens
waren die Winzer auf sich angewiesen, mußten
ihre Erfahrungen mehr oder weniger selbst
sammeln, denn nur wenige verfügten über eine
bessere fachliche Ausbildung. Gewiß muß der
Weinbau an der Grenze des Möglichen, wie z.B.
in Deutschland, viel exakter betrieben werden
als in anderen vom Klima mehr begünstigten
Gebieten. Aber nicht nur deshalb findet man bei
uns eine derartige Zahl von wissenschaftlichen
Instituten, Versuchsanstalten und Fachschulen,
und ein Beratungsnetz, das praktisch den letzten’
Winzer erfaßt. Mangelndes Interesse an der Er-
zeugung heißt soviel wie mangelnder Schulz,
und in der Tat —, in vielen Ländern waren die
Winzer schutzlos gewissen Kreisen ausgeliefert,
die an dem „status quo“ Interesse hatten.« Des-
halb zeigt sich auch überall dort eine gewisse
Rückständigkeit in den Betrieben, in denen der
Winzer ohne diesen 'heute in Deutschland selbst-
verständlichen Schutz der Erzeugung seine man-
nigfaltigen Arbeiten oft bei kärglichem Einkom-
men durchführt. `
Aus der Fülle der für viele europäische Wein-
baubetriebe typischen Zeichen der Isolierung
der Winzer sei zunächst einmal die Versor-
gung mit Rebenpflanzgut herausgegriffen.
Was nützt es dem Winzer, wenn er bei der Aus-
wahl des Geländes, bei der Vorbereitung des
Bodens einschließlich aller Maßnahmen, welche
die Grundlage eines neuen Weinberges aus-
machen, die größte Sorgfalt walten läßt und
dann schlechte Reben pflanzt? Für den deut-
schen Winzer ist es völlig unverständlich, daß
sich in manchen Ländern ein gewissenloser
Rebhandel auftat, der nicht einmal der ge-
ringsten Kontrolle von seiten des Staates oder
der berufsständischen Einrichtungen unterlag.
Einer bewurzelten Rebe, wie sie im zeitigen
Frühjahr gehandelt wird, kann, man kaum an-
52
merken, um welche Sorte es sich handelt, ge-
schweige denn, ob sie — da vegetativ ver-
mehrt — von einem fruchtbaren Mutterstock
abstammt. Wir konnten in manchen Ländern be-
obachten, daß auf den Wochenmärkten einige
Musterexemplare von Reben vorgezeigt und
daraufhin Kaufabschlüsse von Tausenden von
Reben, die angeblich „zu Hause” in derselben
Qualität lagerten, zustande kamen. Schon bei
der Lieferung stellte dann der Winzer fest, daß
die vorgezeigten Musterexemplare besonders
ausgesucht waren, die gesamte Lieferung aber
etwas ganz anderes darstellte. Vollends belehrt
wurde er aber erst nach einigen Jahren in sei-
nem mit solchen Reben bepflanzten Weinberg.
Hier zeigte sich oft ein buntes Sorten-
gemisch, und der Stand der Jungpflanzung
bewies ihm die Unbrauchbarkeit vieler Reben.
Es fehlte einfach die Kontrolle der Mutterstöcke
auf Sortenechtheit, Sortenreinheit und Gesund-
heit und ebenso die entsprechende Überwachung
der Rebschulen. Hinzu kommt noch, daß es sich
meistens wegen der Reblausverseuchung um
gepfropfte Reben handelt, bei denen außerdem
noch böse technische Fehler unterlaufen können.
Der kapitalkräftige Winzer kaufte Reben I. Qua-
lität, der weniger kapitalkräftige solche II. Qua-
lität und der arme Winzer Reben III. Qualität.
Die Folge davon war, daß der arme Winzer da-
durch nie kapitalkräftig, sondern nur noch
ärmer wurde. Keiner von den dreien hatte die
Sicherheit, daß Unterlage und Edelreis tatsäch-
lich die richtigen vom Händler „garantierten“
Sorten waren. Dabei gibt es nur, eine Qua-
lität, nämlich die sortenechte, pflanz-
fähige Rebe.
Das Kapitel „Rebenpflanzgut“ ist eines der
traurigsten für die Winzer, und auch heute wird
ihnen in den meisten Ländern in dieser Be-
ziehung noch nicht der geringste Schutz zuteil.
Deshalb machte sich auch vielfach ein speku-
latives Händlertum breit, das wild aufgekaufte
Reben ohne Kenntnis der Herkunft an die Win-
zer veräußerte und jährlich „die Preise machte”,
bei denen der ebenso schutzlose Rebenvermeh-
rer oft das Nachsehen hatte. Mit der Einfüh-
rung der Rebenanerkennung, einer
scharfen Kontrolle des Rebenverkehrs,
hat man in Deutschland dem Winzer den not-
wendigen Schutz angedeihen lassen. Nur dort,
wo eine bis in die letzten Einzelheiten kontrol
lierte Herstellung von Pflanzreben einschließ-
Ich des Rebenverkehrs garantiert ist, kann der
Winzer mit Sicherheit und Ruhe den großen
Kapitalaufwand einer Neuanlage wagen. Denn
unter deutschen Verhältnissen kostet die Anlage
eines neuen Weinberges bis zum Ertrag etwa
10000 bis 15000 RM. je ha. Daraus sieht man,
wie wichtig gerade diese Frage für die Wirt-
schaftlichkeit der Winzerbetriebe ist.
H
— —
>
* —
AF
3 — —
> a
Y
a
Ja
2
2
EEE — ——
nt e By?
— 2 Ar éi
` n a
b 2 *
$
meeer ia |a k
Br ed.
u A
Fap 5 | |
GIESISCHE- MH A“'BERGE d
*
KE
l
r
f
Die neuen Wege, welche Deutschland in
dieser Beziehung beschritt, werden von allen
Ländern als vorbildlich anerkannt. Es dürfen
nur Reben aus anerkannten Beständen in. den
Verkehr gebracht werden; dadurch ist gesichert,
daß schon der Rebenvermehrer (Rebschulbesit-
zer) nur brauchbare Reben erhält. Auch die
Rebenvermehrung wird ständig technisch und
züchterisch überwacht und vor allen Dingen
die Sortierung der verkaufsfertigen Ware unter
scharfe Kontrolle gestellt. Kein Wunder, daß bei
Einführung dieser Maßnahmen mancher speku-
lative Rebenvermehrer sein Geschäft einstellte.
Eine gerechte Preisherabsetzung für das Pflanz-
gut gab dem Rebenvermeh?er und Winzer die
notwendige Sicherheit und Produktionsfreudig-
keit. So erhält der deutsche Winzer den erfor-
derlichen Schutz und damit die Grundlage zur
Wirtschaftlichkeit seines Betriebes.
Durch solche Kontrollmaßnahmen ist auch die
Einflu8 möglichkeit in der Sorten-
frage gegeben. In jedem weinbautreibenden
Land hat sich eine Fülle von Rebsorten breit-
gemacht, die nicht nur die Arbeit des Winzers
erschwert, sondern sich letzten Endes auf gie
Eigenart, die Qualität und damit auf den Absatz
der Weine auswirkt. Eine Ordnung der Erzeu-
gung mit dem Ziel, solche Sorten von der Ver-
mehrung auszuschalten, die durch die Erzeugung
von geringem Wein den Markt belasten und
damit auch von Nachteil für die Weinbau-
betriebe werden, ist notwendig und wünschens-
wert, Hierzu gehört die Schaffung von
Rebsortimenten für die einzelnen
Länder, ähnlich wie dieses in Deutschland in
allen Einzelheiten bereits besteht.
Aus der Erkenntnis, daß gerade die Qualität
des Weines den Bestand der Weinbaubetriebe
sichert, faßte man in manchen Ländern als ersten
Schritt in der Ordnung der Erzeugung den Plan,
den Anbau der „Hybriden‘“), der vielfach
eine ungehemmte Ausdehnung erfahren hatte,
zu beschränken oder zu verbieten bzw. die Ver-
nichtung der Hybriden anzuordnen. Wieviel Re-
solutionen sind in dieser Beziehung auf den
internationalen Weinbaukongressen gefaßt wor-
den und wie wenig wurde praktisch erreicht! Bei
dem Plan ist es meistens geblieben, denn fast
überall war derEinfluß der Regierungen oder der
Weinbauverbände mangels Organisation und Be-
ratungsstellen zu schwach. Noch heute bemühen
sich fast alle weinbautreibenden Länder Europas,
ihren Ruf durch schnellste Ausmerzung der
Hybriden wieder sicherzustellen. Leichter ge-
sagt als getan! Dazu sind oft Eingriffe notwen-
dig, die die Zukunft, d. h. den Bestand mancher
Weinbaubetriebe in Frage stellen. Und dennoch,
jedes Weinbauland wird sich später mit der
) Eine Kreuzung von Europäer- und Amerikanerreben,
die hohe, aber minderwertige Erträge bringen.
je
restlosen Entfernung dieser Rebsor-
ten abfinden müssen. Das verlangt schon
der „gute Ruf“. Denn die aus diesen Reben
gewonnenen Weine entsprechen nicht den
Anforderungen, welche man an ein sauberes
Getränk stellen muß. Wie man in den einzelnen
Ländern von der Absatzseite aus durch Verbot
des Verkaufs der Hybridenweine, durch aus-
schließliche Verwertung dieser Trauben zum
Brennen, zu Wermutwein oder zur Essigberei-
tung an die Lösung dieser Frage geht, ist sehr
aufschlußreich. Auch hier zeigt sich wieder
die Notwendigkeit einer geordneten
Wirtschaft.
Anfangs vermerkten wir, daß in manchen
Ländern unter dem Einfluß verschiedener Um-
stände, die sowohl in der Erzeugung als auch
im Markt oder in einem von beiden begründet
sein können, die Winzer zu einer extensiveren
Bewirtschaftung übergingen, die vielfach als
direkt primitiv bezeichnet werden muß. Man
betrachte nur einmal, wie man vielfach die für
die Wirtschaftlichkeit der Betriebe so ausschlag-
gebende Bekämpfung der Schädlinge und Krank-
heiten behandelte. Die heute in den meisten
europäischen Ländern noch gebräuchlichen Ma-
schinen und Geräte zur Schädlingsbekämpfung
entsprechen in keiner Weise den neuzeitlichen
Erkenntnissen der Biologie und der Bekämpfungs-
methoden. Hier haben nicht nur die Winzer
selber oder die Stellen versagt, die sie betreuen
mußten, sondern vor allem die Industrie. Von
dieser wurden unzureichende Geräte sowohl für
den Kampf gegen Krankheiten und Schädlinge
als auch für die Bodenbearbeitung hergestellt
und kaum der Versuch unternommen, durch
technische Verbesserungen Pionierarbeit zu
leisten.
Wenn man bedenkt, daß die jährliche Ernte
mindestens zu 50 v.H. von einer ordnungs-
mäßigen Schädlingsbekämpfung abhängt, so
müßte wenigstens dieser Arbeitszweig die so
notwendige Intensivierung und neuzeitliche Ge-
staltung erfahren haben. Hinzu kommt noch, daß
es in manchen Ländern an einer jeglichen Orga-
nisation in der ordnungsmäßigen Beratung der
Winzer bei der Schädlingsbekämpfung fehlt. In
Deutschland wurde durch den Rebschutz-
dienst des Reichsnährstandes diese
. Organisation in wohl idealer Weise geschaffen.
Auch hat die Verwendung neuzeitlichster Ma-
schinen und Geräte weitestgehend Eingang
gefunden. Die wechselvolle Kurve der Ernte-
mengen in anderen Ländern ist oft eine Folge
mangelnden Rebschutzes. Dabei wirkt sich mei-
stens das bessere Klima in den außerdeutschen
Weinbaugebieten günstig auf die Entwicklung
der Schädlinge und Krankheiten aus und erhöht
die Gefahr der Ernteverluste.
53
Angesichts der Tatsache, daß durch wechsel-
volle äußere Einflüsse die Weinernte dauern-
den Schwankungen unterworfen ist, muß e
die erste Aufgabe sein, durch geeignete Maß-
nahmen ausgleichend zu wirken. Das gilt
für den Einzelbetrieb wie für die gesamte Wein-
bauwirtschaft eines Landes; denn die Ordnung
der Erzeugungs- und Absatzverhältnisse ist die
erste Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit.
Absatzfragen im Weinbau hängen eng mit der
Kellerwirtschaft zusammen. Vielfach
gingen die Bestrebungen des Handels dahin,
möglichst alle Weine selbst kellerwirtschaftlich
zu behandeln. Man tat dies unter dem Hinweis,
daß die Winzer hierzu nicht in der Lage seien,
was für einen gewissen Teil, aber nicht für alle,
zutraf, Auf diese Weise wurde der Winzer
zum Erzeuger der Rohprodukte ge-
stempelt. Er war aus Geldmangel oder
mangels eigener Kellerwirtschaft gezwungen,
seine Weine im unfertigen Zustand abzustoßen
und erhielt nur einen relativ geringen Preis,
Diese unfertigen Weine konnten vielfach dann
die Händler durch eine wenig kostspielige Be-
handlung zu einem brauchbaren Wein gestalten.
Sie zogen daraus einen in keinem Verhältnis
zu ihren Aufwandskosten stehenden hohen
Gewinn, der dem Winzer, dem Urproduzenten
also, verlorenging. Da unfertige und nicht
richtig behandelte Weine dem Verderb und
dadurch der Wertminderung ausgeliefert sind,
müssen sie abgestoßen werden. In Jahren
reicher Ernten kann der Winzer keine Vor-
ratshaltung betreiben, und bei geringen
Ernten muß er den Wein oft noch unter Preis
abstoßen. Abgesehen von wenigen Betrieben,
deren Inhaber über die notwendigen Kenntnisse,
Einrichtungen und Kapitalien verfügen, treten
diejenigen, welche das größte Risiko haben,
nämlich die Erzeuger, in den Hintergrund.
Auch nach außen hin ging in Verbindung mit
dem Wein vielfach der Name des Er-
zeugers verloren. Wir hatten oft Gelegen-
heit festzustellen, daß auf dem Flaschenschild
wohl die Gemarkung und allenfalls noch die
Lage, aus der der Wein stammte, zu lesen waren,
im übrigen aber nur der Name des Weinhändlers
erwähnt wurde. Am deutlichsten zeigte sich dies
in manchen außerdeutschen Ländern, wo auch
noch vielfach die Bezeichnung der Gemarkung
und Traubensorte verschwand und lediglich der
Name des Weinhändlers auf dem Flaschenschild
zu lesen war und die Weine beispielsweise als
„Lehmann-Weine“ verkauft wurden. Selbstver-
ständlich wollen wir hier nicht einer zu starken
Individualisierung das Wort reden. Denn nicht
älle Gewächse können als Markenweine auf den
Markt kommen. Oft ist auch eine Typisierung
notwendig und angebracht. Nicht erforderlich
ist aber, daß der oder die Erzeuger noch nicht
54
einmal dann am Rande erwähnt werden, wenn
dies möglich ist. Ein solches Gebaren ist
typisch für das Fehlen der Erzeugungsordnung
und des Erzeugerschutzes. Aus dieser Erkenninis
heraus haben sich in den letzten Jahren viele
Winzer zu Genossenschaften zusammengeschlos
sen. Diesen obliegt vornehmlich die Aufgabe,
die Weine derjenigen Winzer kellerwirtschall-
lich zu behandeln, denen die Voraussetzungen
dazu fehlen. Durch die sachgemäße Behandlung
wird der Wein besser und erzielt höhere Preise.
Außerdem ist auch auf diese Weise die Mög-
lichkeit einer ordentlichen Vorraäts-
haltung mit allen günstigen Rückwirkungen
auf die Winzerbetriebe gegeben. Dies soll na-
türlich nicht heißen, daß man dem Handel die
Fähigkeit überhaupt absprechen soll, Weine zu
behandeln, auszubauen und in den Verkehr zu
bringen. Beide können harmonisch nebenein-
ander, oder noch besser zusammen arbeiten, Die
Hauptsache ist, daß hierdurch der Erzeuger-
betrieb die ihm gebührende Stärkung und Stel-
lung erhält, denn ohne gesunde Winzer-
betriebe wirdesauch keinen gesunden
Handel geben, da der eine von dem anderen
abhängig ist. Daß alle diesbezüglichen Wünsche
bei einer freien Wirtschaft nicht erreicht werden
können, dürfte gerade bei den Schwierigkeiten
der Weinbauwirtschaft selbstverständlich sein.
Im engsten Zusammenhang mit diesen Fragen
steht noch die der Wahrheit und Klarheit
beider Bezeichnung der Weine und des
Erlasses bzw. der Durchführung der Wein-
gesetze. Gerade auf diesem Gebiete könnte
durch internationale Vereinbarungen sicherlich
soviel erreicht werden, daß nicht nur dem Win-
zer, sondern auch dem Verbraucher ein aus-
reichender Schutz gewährt wird. Beide haben
das Recht darauf,. daß die äußere Bezeichnung
der Weine mit dem Inhalt übereinstimmt, Auf
diese Weise könnte auch eine Reihe anderer
Fragen der Weinbehandlung, welche für die Er-
haltung der Eigenart der Weine wichtig sind,
abgestimmt werden, Jedenfalls haben manche
Länder durch eine straffe Organisation der
Weinbehandlung sowie der Kennzeichnung
schon ganz Vorzügliches geleistet, so daß es
nicht schwer sein dürfte, an Hand dieser Bei-
spiele zu einer europäischen Regelung zu
kommen.
Aus diesen kurzen Ausführungen, welche
natürlich nur die wichtigsten Gebiete streifen
konnten, möge man ersehen, daß eine Gesun-
dung der weinbauwirtschaftlichen Verhältnisse
hauptsächlich von einer Neugestaltung
derErzeugung abhängt, die-gleichzeitig auch
die Martkverhältnisse ergreifen müßte Als
erste Aufgabe sehen wir, dem Winzer durch
eine ordentliche Ausbildung und Beratung zu
zeigen, auf welche Weise er bisher nicht sach-
gemäß durchgeführte Arbeiten ohne zusätzlichen
Aufwand von Kapital zum Wohle seines Be-
triebes richtig durchführen kann. In diesem
Zusammenhang sei auch auf arbeitserleichternde
Maßnahmen hingewiesen. Hier gibt es in jedem
Betriebe unter allen Verhältnissen eine Reihe
Aufgaben zu lösen, die natürlich eine ent-
sprechende Organisation und das Vorhandensein
von tüchtigen Fachkräften voraussetzen. Auf
diese Weise läßt sich schon eine gewisse Inten-
sivierung der Betriebe erreichen und das wirt-
schaftliche Niveau wesentlich heben. In har-
monischer Verbindung mit den obenerwähnten
Fragen der Weinbehandlung, zum Teil auch
über ein neu zu bildendes Genossenschaftswesen
werden die Betriebe sicherlich in einigen Jahren
so weit sein, daß sie nunmehr auch an die In-
tensivierung durch zusätzlichen Einsatz
von Kapital herangehen können.
Durch weitblickende staatliche Lenkung der
Erzeugung unter besonderer Berücksichtigung
HANS HEINRICH:
der Qualität, durch umwälzende Maßnahmen aut
dem Gebiete der Weıinbehandlung, sowie end-
lich durch Gewährung eines Erzeugerschutzes
wird es möglich sein, die Winzerbetriebe und
damit die Erzeugung In den Mittelpunkt der
Weinbauwirtschaft zu stellen. Wer eine der-
artig arbeitsintensive und risikoreiche Kultur
betreibt, hat ein Anrecht auf staatliche Förde-
rung, schon allein auf Grund seiner wirtschalts-
politischen Leistung. Warum muß qusgerechnet
ein armer Winzerstand den bessergestellten
Volkskreisen die Freude bringen?
Die früheren internationalen Veranstaltungen
haben gezeigt, daß gerade auf dem Gebiete des
Weinbaues ein internationaler Erfahrungsaus-
tausch sehr fruchtbar sein kann. Es ist aber
notwendig, die Grundfragen zuerkennen und
dementsprechend die bisher bestehende inter-
nationale Vereinigung organisatorisch
auszubauen, um endlich dem zu helfen, dem
geholfen werden muß, nämlich dem Winzer.
Der Abschluß
der landwirtschaftlichen Entschuldung
I.
m 1. Juli 1943 haben die Landstellen,
denen die Durchführung der landwirtschaft-
lichen Entschuldung, in den Alpen- und
Donau-Reichsgauen daneben auch die des
Zetriebsaufbaues übertragen war, als
selbständige Behörden der landwirtschaftlichen
Verwaltung zu bestehen aufgehört. Nach zwei
gemeinschaftlichen Erlassen des Reichsministers
für Ernährung und Landwirtschaft und des
Reichsministers des Innern vom 30. Juni 1943
(Reichsministerialblatt der Landwirtschaftlichen
Verwaltung Nr.27) sind zu dem genannten Zeit-
punkt im Zuge der Verwaltungsvereinfachung
die Landstellen des Altreichs in die Behörden
der Preuß. Oberpräsidenten, die Landstellen in
den Alpen- und Donau-Reichsgauen in die Be-
hörden der Reichsstatthalter eingegliedert wor-
den. Die Landstellen bilden fortan im Altreich
eine dem Oberpräsidenten und seinem allgemei-
nen Vertreter unmittelbar unterstellte Abtei-
lung, in den Alpen- und Donau-Reichsgauen
eine Unterabteilung der AbteilungIV derReichs-
statthalterbehörde. Da der Begriff der „Land-
stelle“ durch deren langjährige Tätigkeit all-
gemein bekannt ist und sowohl für Behörden
wie für Privatpersonen von jeher eine bestimmte
Vorstellung ihres Arbeitsgebietes in sich
schließt, wird diese Bezeichnung als Zusatz zu
der Bezeichnung der Behörde, in die die Land-
stellen eingegliedert sind, weitergeführt; es
heißt also „Der Oberpräsident der Provinz
— Landstelle = „Der Reichsstatthalter, Unter-
abteilung IV... . (Buchstabe) — Landstelle —“.
Da die den Landstellen gesetzlich und ver-
waltungsmäßig übertragenen Zuständigkeiten
für ihren gesamten bisherigen Geschäftsbereich
auf die Oberpräsidenten und Reichsstatthalter
übergeleitet sind, sind sämtliche den Land-
stellen verbliebenen Aufgaben sowie das vor-
handene, durch die Einberufungen zur Wehr-
macht stark zusammengeschrumpfte Personal,
das zur Erledigung der Restaufgaben erforder-
lich ist, am 1. Juli 1943 uno actu geschlossen
auf die in den Erlassen vom 30. Juni 1943 ge-
nannten Oberpräsidenten und Reichsstatthalter
übergegangen. Die sachliche Weisungs- und
-Entscheidungsbefugnis des Reichsministers für
Ernährung und Landwirtschaft ist dadurch
selbstverständlich nicht berührt worden, son-
dern besteht nach wie vor fort.
Da vor dem Uberleitungszeitpunkte die schwe-
benden Verhandlungen über Fragen des Per-
sonal-, Haushalts-, Kassen- und Rechnungs-
wesens sowie der Verwaltung der Dienst-
55
gebäude nicht mehr zu Ende geführt werden
konnten, ist in den Eingliederungserlassen vor-
gesehen, daß es auf diesen Gebieten bis zum
Ende des laufenden Rechnungsjahres, d.h. bis
zum 31. März 1944, bei der bisherigen Rege-
lung verbleibt. Weitere Weisungen werden
nach Abschluß dieser Verhandlungen ergehen.
1
= si.
Die einschneidende Organisationsänderung,
die sich mit der Eingliederung der Landstellen
in die Behörden der Oberpräsidenten und
Reichsstatthalter vollzogen hat, stellt gleich-
sam den Schlußstrich unter das Ka-
pitelderlandwirtschaftlichenEnt-
schuldung dar, deren Bedeutung im Gesamt-
rahmen der deutschen Agrarpolitik nicht immer
und überall voll anerkannt worden ist. Es
rechtfertigt sich daher, aus diesem Anlaß einen
Rückblick auf die Entwicklung und Tätig-
keit der Landstellen zu werfen und sich die
Ergebnisse ihrer langjährigen und erfolg-
reichen Arbeit zu vergegenwärtigen.
1. Ostgebiete
Die jetzt in die Behörden der Preuß. Ober-
präsidenten eingegliederten Landstellen
sind in den Jahren 1930 und 1931 zur Durch-
führung der landwirtschaftlichen Hilfsmaß-
nahmen in den Ostgebieten, zunächst auf
Grund der Notverordnung vom 26. Juli 1930,
dann vor allem auf Grund des Osthilfegesetzes
vom 31. März 1931 errichtet worden. Der Ar-
beit der Landstellen stellten sich namentlich in
den ersten Jahren außergewöhnliche Schwierig-
keiten entgegen. Es handelte sich bei der Ost-
hilfeentschuldung um die ersten Ent-
schuldungsmaßnahmen größeren Umfangs, die
in einem bis dahin noch unbekannten Verfah-
ren durchgeführt werden mußten, um dem
immer weiter fortschreitenden Verfall der
Landwirtschaft Einhalt zu gebieten. Erstmalig
wurden in der Sicherungsverordnung vom
17. November 1931 ein Vollstreckungsschutz
sowie die Möglichkeit einer zwangsweisen Kür-
zung von Gläubigerforderungen vorgesehen.
Diese einschneidenden Maßnahmen riefen natur-
gemäß die Gläubigerschaft auf den Plan und
zwangen die Landstellen zu umfangreichen und
schwierigen mündlichen und schriftlichen Ver-
handlungen, die den Fortgang der einzelnen
Verfahren wesentlich erschwerten.
Dazu kam, daß infolge der sich damals stän-
dig verschärfenden Wirtschafts- und Finanz-
krise die finanziellen, organisatorischen und
materiellen Grundlagen des Osthilfegesetzes in
den folgenden Jahren durch eine umfangreiche
Gesetzgebung wiederholt geändert werden
mußten. Durch zahlreiche einzelne Vorschriften
wurde versucht, die notwendige Beschleuni-
gung des Fortgangs der Entschuldungsarbeiten
56
zu erreichen; dem stellte sich jedoch die immer
mehr um sich greifende Verschlechterung der
allgemeinen Wirtschaftslage hindernd in den
Weg, und andererseits verzögerte die Ent-
stehung neuer Schulden während der Dauer der
Entschuldungsverfahren immer weiter deren er-
folgreiche Beendigung. Es stellte sich heraus,
daß durch die bis dahin angeordneten einzelnen
Hilfsmaßnahmen das Abgleiten der landwirt-
schaftlichen Betriebe nicht aufgehalten wer-
den konnte; außerdem griff die Notlage der
Landwirtschaft über das Osthilfegebiet hinaus
mehr und mehr auf das gesamte Reich über.
so daß die deutsche Landwirtschaft bei der
Machtübernahme am Anfang des Jahres
1933 vor dem Zusammenbruch stand. Dieser
konnte nur noch durch eine umfassende
undgrundlegende Neuordnung auf
allen Gebieten des Agrarwesens
und durch sinnvoll ineinandergreifende Maß-
nahmen verhindert werden, die nach der Macht-
ergreifung sogleich eingeleitet wurden.
Zunächst wurde durch die Notverordnung
vom 14. Februar 1933 ein umfassender Voll-
streckungsschutz eingeführt, um der Landwirt-
schaft eine Atempause zu gewähren; sodann
folgten Schlag auf Schlag die großen Agrar-
gesetze, die in ihrer Gesamtheit dazu bestimmt
waren, den Zusammenbruch der Landwirtschaft
abzuwenden und den Wiederaufbau eines
starken und gesunden Bauerntums zu sichern.
Zur Regelung der landwirtschaftlichen Schuld-
verhältnisse im gesamten Reichsgebiet- wurde
das Schuldenregelungsgesetz vom
1. Juni 1933 erlassen, das in seinen Grund-
gedanken sowohl materiell wie organisatorisch
andere Wege als das Osthilfegesetz ging, aber
ebenso wie dieses die Zurückführung der
Schulden auf das der Leistungsfähigkeit des
Betriebes entsprechende Maß zum Hauptziel
batte.
B
Die in der Folgezeit durchgeführte Anglei-
chung der Osthilfegesetzgebung an die
materiellen Grundgedanken des Schuldenrege-
lungsgesetzes brachte den Landstellen abermals
manche neuen Umstellungsschwierigkeiten und
Mehrarbeit. Zu berücksichtigen ist auch, daß
Hie Tätigkeit der Landstellen in der Osthilfe-
entschuldung nicht allein darin bestand, im
Rahmen des Entschuldungsverfahrens die Ver-
bindlichkeiten der einzelnen Betriebe zu regeln,
sondern daß diese Stellen als Verwaltungs-
behörden auch weitgehende wirtschaftliche
Aufgaben hatten; so lag es ihnen z.B. ob, die
Betriebe zu überwachen und zu betreuen, durch
die im Sicherungsverfahren eingesetzten Treu-
händer für eine ordnungsmäßige Bewirtschaf-
tung zu sorgen und die Betriebe mit Ernte-
krediten sowie mit den notwendigen Mitteln
für Inventarergänzungen, Gebäudeinstand-
setzungen und dgl. zu versehen, mit anderen
es
IE HOLMER FISCHERZUNF
Fischercigerechtigkeit seit soo Fahren
12 Verfuͤgungen
re Wm, — — —— — — rw —
— —„— —“—E3ä p De) we) ACC — — es
1) Koͤnigs Chriſtian l. Privilegium und Conceßion, betreffend
die freye Fahrt, Kaufmannſchaft und Fiſcherey fuͤr die
Schleswiger auf dem Schleyſtrom. d d. Flensburg, am
Abende Sancti Michaelis Archangeli, 1480.)
ir Chriſtiern van Gades Gnaden, to Dennemarcken, Schweden,
Norwegen, der Wenden unde Gothen Koͤnigh, Hertogh to Schleßwigk,
ock Hertogh to Holſteen, Stormarn unde der Dithmarſchen, Greve to Olden:
borgh unde Delmenborſt ꝛc. Don witlick bekennen unde betüegen, apenbar vor
als weme, de duͤßen Unſen Bref ſehen, effte hoͤren leſen, dat als denn de Erſamen
Borgermeſter, Radmann, Inwaner unde gange Gemeynheyt, gheiſtlich unde ge:
wertlick, in watterleye State de ſin, Unſer Stadt Schleßwigk, van Unſen zeligen
Vorfahren, Hertoghen to Schleßwigk, tor Todt weſende begifftiget unde bes
privilegirct fin, myt der Vrigheit Unſes Stromes unde Waters Schligh, des
ſrigh, ungehindert to erer Viſcherygen, Kopenſchop, Segelatien unde Neringe,
von der genoͤmten Unfer Stadt Schleßwigk an, by benden Erden des Landes,
wer the ar dae gemen Marr. effte lite See, enn Wecke Sees“) burben Schlyes
Am großen Barometer wird die letzte Entscheidung über die Ausfahrt getroffen
(Pë Schleswiger Schlei-Holm ist ein Stadtteil von Schleswig, mit der Altstadt nur durch einen
schmalen Zugang verbunden. Er schiebt sich als Halbinsel weit in die Schlei hinaus und beher-
bergteinekulturgeschichtlich bedeutsame Siedlung: die Holmer Fischerzunft. Hier wohnen seit Jahr-
hunderten die Schleswiger Fischer, deren Häuser sich auf dem Holm um den runden Friedhof grup-
pieren, wo nur Zunftmitglieder begraben liegen dürfen. Die örtliche Abgeschlossenheit hat die-
sen zunftmäßigen Zusammenschluß stark gefördert. Die älteste Grundlage der Holmer Fischereirechte
ist wohl der sogenannte Schleibrief vom Jahre 1480, der seinerseits auf das vom König Sven Grathe
1155 erlassene Schleswigsche Stadtrecht zurückgeführt wird, so daß die Fischereigerechtigkeit sett
800 Jahren besteht.
Nach alter Zunftgerechtigkeit haben die Handwerker, denen die alleinige Gewerbeausübung über
tragen ist, dafür zu sorgen, daß die Bürger der Stadt ausreichend und gewissenhaft mit den Erzeug-
nissen ihres Handwerkes versorgt werden. So auch auf dem Holm. Es durften erst Fische ins Land
hinein ausgeführt werden, wenn die Stadt nicht mehr aufnahmefähig war. Das hat sich zwar
heute geändert, sonst aber haben sich fast alle Privilegien, Bräuche und Zunftgesetze durch die
Jahrhunderte erhalten. Da ist die „Holmer Beliebung“ — eine alte Totengräbergilde, die in den furcht
baren Pestjahren gegründet wurde, um die Toten zu beerdigen, wozu jeweils acht gesunde Zunft
mitglieder ausgewählt wurden. Noch heute sind alle Holmer der Reihe nach verpflichtet, ihre:
Toten zu Grabe zu tragen. Der Friedhof liegt mitten auf der Halbinsel, und niemand findet hier:
Platz, der nicht Mitglied der Beliebung ist.
Ferner sind die strengen und exklusiven Satzungen der Zunft: $ 9..... es können in die Zunft nur
Söhne von Fischern aufgenommen werden, welche die Fischerei von der Konfirmation an auf g
Holm erlernt und betrieben haben. $ 10..... Fischer, welche nach auswärts ziehen und längı
als fünf Jahre fernbleiben, sind sämtlicher Rechte der Zunft verlustig und können kein Mitglie:
mehr werden, auch die Fischerei von Schleswig nicht mehr betreiben. J
Die Befischung der Schleigewässer ist genau geregelt. Alle Fischer sind in „Waaden“ Was
gleich altes Fischzeug), Genossenschaften zu acht Mann, eingeteilt und unterstehen den „Älterleutez
Jeder bringt seinen „Part“ an Netzen und Tauwerk hinein und hat den gleichen Anteil an dem Eni
des gemeinsamen Fanges. Die Gerechtsame der Holmer bezieht sich übrigens auf das Gewerbe, G
das Fangen der Fische, und nicht auf das Eigentum an dem Schleistrom selbst. Sie erhalten den Doh
für ihre Mühe des Fischfanges, der dann selbstverständlich als Preis für die Fische, die Ware,
scheint. Das ist der Grundgedanke der Fischereigerechtigkeit nach alter Zunftordnung. Wenn s
daher eine Pacht für die Schleibefischung zahlten, würden sie ihr altes Recht an der Ausübung ih
Gewerbes aufgeben; dieses zu wahren, ist ihre Pflicht und ihre Absicht.
Aber auch heute noch werden die 800 Jahre alten Privilegien von Staat und Stadt anerkannt W
dieses einzigartige und ehrwürdige Zeugnis einer alten deutschen Arbeitsgemeinschaft wird sich
lich für alle Zukunft erhalten werden.
o Ir Iy -
H
Jer Fischzug: Eine Waade besteht immer aus zwei Booten. Das eine Boot, von dem das Netz Meter für Meter ins
Wasser geworfen wird, rudert im weiten Bogen den Fischgrund ab. Das andere, an dem der Netzanfang be-
estigt ist, bleibt solange vor Anker liegen. — Sobald der Bogen, den beide Boote gebildet haben, geschlossen ist,
ird das Netz von beiden Booten aus gleichmäßig eingezogen. Der Fischzug bewegt sich immer vom tieferen
Wasser zum flacheren
Im Netzende — einem geschlossenen Sack — sammeln sich die gefangenen Fische und werden in den Fisch
des Bootes ausgeschüttet. Jeder Fischzug dauert fast zwei Stunden, sieben Fischzüge täglich ist der Durchs
Heimkehr der Fischer vom nächtlichen i
o ANRA DONA VRR
GEIER EE ue da
— BEE —— mt fe Ze — — nn —
#
Acht Tage ist der Holmer Fischer oft von
Hause fort. Seinen Proviant nimmt er in der
sogenannten „Mattkiste“ mit. Sie dient ihm
gleichzeitig beim Schlafen als Kopfunterlage
`
it draußen an den Ufern der Schlei treffen sich in der unmittelbaren Nähe der Fischgründe sämtliche Waaden
f der Ausfahrt zu einer kurzen Rast, bei der nach Übereinkunft den einzelnen Waaden die Fischgründe für
die kommenden Tage zugewiesen werden
— ee
s
fi
A
Sonntags beim Netzeflicken
In den Netzen steckt das Hauptvermöge
der Fischer. Jedes Netz einer Waak
stellt einen Wert von etwa zwei- bis dre-
tausend Reichsmark dar. Alle acht Tax
werden die Netze zum Trocknen u
Ausbessern über Sonntag aufgehänd
lén Fischräuchereien auf dem Holm dürfen sich nur Fischerfrauen mit der Räucherei befassen. Unser Bild zeigt
sie beim Säubern der Aale
Auch am Sonntagvormittag gibt es auf dem Hof eines Holmer Fischerhauses allerhand zu tun
Der Ältermann der Fischerzunft,
Heinrich Witt, 73 Jahre alt, hat
sich seit 1912 stets für das Ge-
meinwohl seiner Fischerzunft
eingesetzt. In seinen Muße-
stunden beschäftigt er sich mit
der Durchsicht der uralten Ur-
kunden und Privilegien der
Holmer
Nach getaner Arbeit ein kleiner
„Snack“ zwischen Tür und Angel
5 An Be
u ur b A sz 2. as
Worten also auch den Betriebsaufbau
durchzuführen.
Die Landstellen haben in unermüdlicher
Pflichterfüllung und mit vollem Einsatz ihrer
Kräfte alle sich aus der Entwicklung der Ver-
hältnisse ergebenden Hemmnisse überwunden
und ihre schwierigen Aufgaben unbeirrt in
langjähriger Tätigkeit erfolgreich durchgeführt.
Insgesamt sind im Osthilfegebiet etwa 80 000
Entschuldungsanträge gestellt worden. In etwa
42000 Fällen hat die Deutsche Industriebank
auf Grund eines von der Landstelle genehmig-
ten oder bestätigten Entschuldungsplanes Ent-
schuldungsdarlehen gewährt; daneben sind noch
etwa 8000 Osthilfebetriebe ausschließlich mit
Betriebssicherungsmitteln des Reiches entschul-
det worden. Die Deutsche Industriebank hat
aus der Aufbringungsumlage der Industrie ins-
: gesamt Entschuldungsdarlehen in Höhe von
etwa 570 Millionen RM. aufgewendet. Dazu
kommen Reichsmittel in Gestalt von Betriebs-
sicherungsmitteln (für Eigentümerbetriebe, für
die Entschuldung von Pächtern und Siedlern,
die Erstattung von Genossenschafts forderungen
und sonstige Leistungen) in Höhe von etwa
450 Millionen RM. Der Gesamtaufwand,
den die Osthilfeentschuldung an Dar-
lehen und verlorenen Zuschüssen erfordert hat,
ist also ohne die allgemeinen Unkosten der
Landstellen, der Deutschen Industriebank usw.
auf etwa 1 Milliarde RM. zu beziffern.
Außer der Durchführung der eigentlichen
Entschuldungsverfahren, die schon seit längerer
Zeit bis auf wenige noch schwebende Wieder,
aufnahmefälle erledigt sind, lagen den Land-
stellen im Altreich auch zahlreiche andere
wichtige Aufgaben ob. Genannt seien nur
die Ablösung von mündelsicheren Forderungen
und von Erbhofüberhangsforderungen, die Ent-
scheidungen über die Genehmigung von Grund-
stücksverkäufen nach der Veräußerungsverord-
nung, die Befreiung von Entschuldungsbeschrän-
kungen und die Löschung des Entschuldungs-
vermerks, Entscheidungen nach der Mit-
schuldnerverordnung, die Durchführung von
Landauflagen für die Siedlung, die Ubernahme
von Zinsrückständen der Deutschen Industrie-
bank nach der Osthilfeschlußverordnung, vor
allem aber die Durchführung der Grundbuch-
bereinigung auf Grund des II. Abschnitts der
Osthilfeabwicklungsverordnung sowie die Ver-
waltung der ausgegebenen Entschuldungsdar-
lehen, Genossenschaftsforderungen, Ernteauf-
baukredite und sonstigen Vermögenswerte der
Osthilfe. Diese Arbeiten haben die Landstellen
nach ihrer Eingliederung in die Behörden der
Preuß. Oberpräsidenten weiterzuführen und
zum Abschluß zu bringen.
e
2. Alpen- und Donau-Reichsgaue
Die Landstellen in den Alpen- und
Donau-Reichsgauen, die am 1. Juli 1943
in die Behörden der Reichsstatthalter einge-
gliedert sind, wurden durch die für diese Gaue
erlassene Entschuldungs verordnung vom S. Mai
1938 ins Leben gerufen. Nach der Wiederver-
einigung des früheren Landes Osterreich mit
dem Deutschen Reich wurde der Wiederaufbau
der darniederliegenden Landwirtschaft sofort
mit Nachdruck in Angriff genommen. Den Land-
stellen wurde durch die genannte Verordnung.
die sich im Gegensatze zu der umfangreichen
Entschuldungsgesetzgebung im Altreich erst-
malig auf den Erlaß weniger Rahmenvorschriften
beschränkte, die Entschuldung der not-
leidenden land wirtschaftlichen Betriebe über-
tragen. Gleichzeitig wurde auch die Durch-
führung der dort besonders wichtigen Wieder-
a uf bauma nahmen in ihre Hand gelegt.
Die Vereinigung dieser beiden Aufgaben bei
einer Stelle, der der Reichsminister für Er-
nährung und Landwirtschaft unmittelbar im
Verwaltungswege die erforderlichen Anwei-
sungen erteilt, hat sich als außerordentlich
zweckmäßig erwiesen und sehr gut bewährt.
Mit den ihnen zugeteilten juristischen, land-
wirtschaftlichen und bautechnischen Arbeits-
kräften haben die Landstellen in den Alpen-
und Donau-Reichsgauen in verhältnismäßig
kurzer Zeit äußerst ersprießliche Arbeit ge-
leistet und die Landwirtschaft finanziell und
betriebswirtschaftlich durch die Entschuldungs-
und 'Wiederaufbaumaßnahmen in den Stand
gesetzt, ihre Aufgaben im Rahmen der Sicher-
stellung der Volksernährung zu erfüllen. Es
sind etwa 115000 Entschuldungs- und Aufbau-
anträge in den Alpen- und Donau-Reichsgauen
gestellt worden; etwa 60 000 Entschuldungsver-
fahren wurden eröffnet, rund 100 000 landwirt-
schaftliche Betriebsbesichtigungen und 56 000
Vergleichsverhandlungen durchgeführt. Bis jetzt
wurden insgesamt etwa 53 000 Entschuldungs-
und Aufbaupläne bestätigt. Den Betrieben sind
an Entschuldungsmitteln rund 75 Millionen RM.,
an Aufbaumitteln rund 90 Millionen RM. zu-
geflossen.
Bereits aus diesen Zahlen ergibt sich das
Ausmaß der den landwirtschaftlichen Betrieben
durch die Landstellen gewährten Hilfe. Die
eigentlichen Entschuldungs verfahren sind auch
in den Alpen- und Donau-Reichsgauen zum
weitaus größten Teil abgeschlossen; als
wesentliche Aufgaben verbleiben den Land-
stellen nach der Eingliederung in die Be-
hörden der Reichsstatthalter der weitere Wieder-
aufbau der Betriebe, die Verwaltung der aus-
gegebenen Mittel und die Grundbuchbereinigung.
3. Sudetengau
Auch im Sudetengau sind nach dessen
Wiedervereinigung mit dem Reich Entschul-
dungs- und Aufbaumaßnahmen durchgeführt
worden. Die Sudetendeutsche Betriebsaufbau-
und Entschuldungsverordnung vom 24. August
57
|
|
f
— m —
34 "ap Sg >
A ` à
-apua m u u
ve
— — ~
1939 übertrug die Durchführung der dort im
Vordergrunde stehenden Betriebsaufbaumaß-
nahmen der beim Reichsstatthalter errichteten
Landstelle in Reichenberg und ihren Neben-
‚stellen. Der Landstelle stehen in den Fällen, in .
denen die Gewährung von Aufbaumitteln allein
nicht zur Gesundung des Betriebes führt, son-
dern ein Schuldenregelungsverfahren notwendig
ist, auch im Rahmen dieses Verfahrens wich-
tige Befugnisse, insbesondere die bindende Fest-
stellung der Leistungsfähigkeit des Betriebes,
zu. Die Regelung der rechtlichen Verhältnisse
zwischen Schuldnern und Gläubigern ist im
SudetengauEntschuldungsämternüber-
tragen. Für Aufbaumaßnahmen sind in etwa
21 000 Fällen rund 25 Millionen RM. ausgezahlt
worden. Für die Durchführung des Schulden-
regelungsverfahrens kommen etwa 11 000 Fälle
(von rund 21 000 gestellten Anträgen). mit einem
Gesamtaufwand von rund 34 Millionen RM, in
Betracht. Auch im Sudetengau wird die
Schuldenregelung in Kürze abgeschlossen sein.
4. Ubriges Reichsgebiet
Das bereits erwähnte Schuldenrege-
lungsgesetz vom 1. Juni 1933 hat die Ent-
schuldungsmaßnahmen über das Osthilfegebiet
hinaus auf dass gesamte Reichsgebiet
ausgedehnt. Es übertrug die Durchführung
der Schuldenregelungsverfahren Entschuldungs-
ämtern. Der Betriebsaufbau wurde die Aufgabe
der Reichsnährstandsstellen, da die Entschul-
dungsämter als Gerichtsbehörden für diese be-
triebswirtschaftlichen Aufgaben nicht geeignet
waren. Insgesamt sind 316000 Schuldenrege-
lungsanträge gestellt worden; etwa 152 000 Ver-
fahren wurden durch Bestätigung eines Ent-
schuldungsplanes abgeschlossen, rund 163 000
Fälle anderweitig (durch Ablehnung, Antrag-
zurücknahme und dgl.) erledigt. Einige hun-
dert Fälle sind noch in Bearbeitung, so daß
auch hier die Schuldenregelung im wesent-
lichen als abgeschlossen bezeichnet werden
kann. Ohne die Unkosten der Entschuldungs-
ämter und Entschuldungsstellen sind an baren
und unbaren Entschuldungsmitteln für die
Durchführung der Schukdenregelungsverfahren
mehr als 900 Millionen RM. aufgewendet
worden.
Entschuldungsmaßnahmen werden ferner in
den übrigen zum Reich zurückgekehrten Ge-
bieten, nämlich im Saarland, im Memel-
land und in Eupen-Malmedy durch-
geführt, und zwar von Kreditanstalten außer-
halb eines förmlichen Entschuldungsverfahrens
auf Grund einfacher Verwaltungsrichtlinien. Die
Zahl der Fälle ist hier verhältnismäßig gering;
an Mitteln werden für diese Gebiete voraus-
sichtlich insgesamt etwa 45 Millionen RM.
aufzuwenden sein. In Danzig war bereits vor
der Rückkehr der bisherigen Freien Stadt in
58
das Reichsgebiet eine „ Rache
Grund der Verordnungen vom 24.
maßnahmen und die zahlenmäßige Darste
ohne die Entschuldungsmaßnahmen in vie
wf
A
3
Ga?
der Verordnung zur Regelung der |
schaftlichen Schuldverhältnisse vom 2 80 ep
tember 1933/23. Oktober 1937 durchgeführt wor-
den. Da die Gläubiger hierbei hinsichtlich de
Ablösbarkeit ihrer Forderungen schlechter g
stellt waren als im Altreich, hat das Reich e
Dez m i
1940 und 16. Januar 1942 zur Ablösung ı
Gläubigerforderungen Beträge in Höhe
bisher etwa 5 Millionen RM. bereitgestellt; w
tere Aufwendungen sind zu erwarten. we A
I. dk,
Die vorstehende kurze Tana ay dai
im Reichsgebiet durchgeführten Entschuldung
TA
an
ihrer Ergebnisse zeigt mit aller Deutlichkeit,
daß der landwirtschaftlichen Entschuldung e
Rahmen des gesamten de Meileren
wesentliche Bedeutung zukam. Die Ents
dungsbehörden haben nach den Darleg
unter II insgesamt -für Entschuldun
und Betriebsaufbauzwecke an
nähernd 300000 Betriebe einen 80
samtbetrag von etwa 2 Milliar
Reichsmark vergeben. Es liegt auf d
Hand, daß diese Betriebe ohne die ihnen g
währte Hilfe infolge ihres finanziellen u vd b d
triebswirtschaftlichen Zusammenbruchs 1 d
Erzeugungsschlacht und die 8. 8
Volksernährung ausgefallen wären. Sie ko
die ihnen gestellten, besonders im ,
lebenswichtigen Aufgaben nur erfüllen,
dem die Betriebe aus der Schuldverstricku
der Vergangenheit befreit, vor neuer Übe
schuldung geschützt und auch betrieb
schaftlich wieder in die Lage versetzt ware
ordnungsmäßig zu wirtschaften und dem Boden
die größtmöglichen Erträge abzuringen.
Die genannten Mittel sind überdies nicht
der Landwirtschaft, sondern auch der allg
meinen Wirtschaft zugute gekommen; de
es kann kein Zweifel sein, daß die Gläubi
Fällen bei der Zwangsversteigerung der
triebe ihre Forderungen ganz oder zum 9
Teil verloren hätten, während ihnen durch d
Entschuldung zum mindesten ein erheblic
Teil der ihnen geschuldeten Beträge im We
der Ablösung zugeflossen ist. Eine Aktion,
im Laufe der Jahre für die Landwirtschaft q
die allgemeine Wirtschaft so Erhebliches *
leistet hat, wie es schon im zahlenmäßi
Ergebnis der Entschuldung zum A * n
kommt, ist aus der Entwicklung nicht weg
zudenken und kann für sich in Anspi
nehmen, einen wesentlichen Teil zum Wi
aufbau der deutschen Landwirtschaft 11
Sicherung der- Volksernährung im Frieden u
im Kriege beigetragen zu haben. In dieser G
wißheit werden alle, die an den Entschuldun
maßnahmen beteiligt waren, den schöns
Lohn für ihre Arbeit finden!
AGRARPOLITISCH
Aun de aU
Zum fünften Erntedankfest im Kriege waren die
Augen des gesamten Volkes auf das deutsche Landvolk
gerichtet, dem an diesem Tage der Dank des Führers
und der Nation für die kriegsentscheidende Leistung
bei der Ernăhrungssicherung und im Kampf gegen
die feindliche Blockade zum Ausdruck gebracht wurde.
Im Mittelpunkt des Tages standen die Veranstaltungen
in der Reichshauptstadt, die eingeleitet wurden durch
einen Empfang der Landjugend beim Reichsjugend-
führer und einen Empfang der Abordnungen des
deutschen Landvolkes beim Reichsbauernführer am
Vortage des Erntedanktages. Sie fanden ihren Höhe-
punkt im Staatsakt im Mosaiksaal und in der Groß-
kundgebung in der alten Kampfstätte der NSDAP., im
Berliner Sportpalast. Hier gab der mit der Führung
der Geschäfte des Reichsministers für Ernährung und
Landwirtschaft, des Reichsbauernführers sowie des
Reichsamts für das Landvolk beauftragte Oberbefehls- .
leiter Herbert Backe bekannt, daß der Führer für
besondere Verdienste um die Sicherstellung der Er-
nahrung des deutschen Volkes den Militärverwaltungs-
vizechef Landesbauernführer Hellmuth Körner und
Dr. Fritz Reinhardt das Ritterkreuz des Kriegs-
verdienstkreuzes mit Schwertern und dem Vorsitzen-
den der Hauptverelnigung der deutschen Getreide-
wirtschaft, Kurt Zschirnt, das Ritterkreuz des
Kriegsverdienstkreuzes verliehen hat. Die Ritter-
kreuze wurden den Ausgezeichneten unter dem Jubel
der Versammlung durch den Befreier des Duce
#}-Hauptsturmführer Skorczeny übergeben. Hierauf
ergriff Reichsminister Dr. Goebbels das Wort zu
einer großen politischen Rede, an deren Spitze er-
dem Landvolk im Namen des Führers seinen Dank
für seine großen Leistungen aussprach. „Wenn kein
Krieg wire", so führte Dr. Goebbels aus, „so würden
zu dieser Stunde des heutigen Tages auf dem Bücke-
berg Hunderttausende von deutschen Bauern und
Bäuerinnen den Führer erwarten, um ihm zur Feier
des Erntedanktages ihre Huldigungen darzubringen.
Wie so oft in früheren Jahren, so würde er auch dies-
mal durch die unübersehbaren Reihen des deutschen
Landvolkes auf die Spitze des Berges hinaufschreiten,
um von dort aus über den Rundfunk den Millionen
Männern und Frauen des deutschen Bauerntums seinen
Dank und seine Anerkennung für ein Jahr harter und
schwerer Arbeit und für eine mit der gnädigen Hilfe
des Allmächtigen gesegnete Ernte zum Ausdruck zu
bringen. Der Krieg verbietet bis auf weiteres dieses
schöne, farbenprächtige deutsche Fest. Der Führer
weilt in seinem Hauptquartier, um den Krieg, um
das Leben und die Zukunft des Reiches zu führen.
Die deutschen Bauernsöhne stehen zum größten Teil
an den Fronten. Ihre Väter und Mütter haben ihre Arbeit
zusätzlich übernommen, und diese duldet auch beim
Abschluß einer gesegneten Ernte kaum einen Aufschub.
Trotzdem haben wir“, so fuhr Dr. Goebbels fort,
„uns im Berliner Sportpalast zu einer Stunde des
Erntedankes zusammengefunden, die über den Rund-
funk die Millionenmassen unseres Volkes, Männer
und Frauen vom Lande und aus der Stadt, verbindet,
um vor der Nation Rechenschaft abzulegen über die
harte und schwere Jahresarbeit von ungezählten
deutschen Bauern und Bäuerinnen, die im Kriege die
Verantwortung für das tägliche Brot unseres arbel-
tenden und kämpfenden Volkes tragen. Sie haben
sich dieser Verantwortung würdig erwiesen und das
in sie gesetzte Vertrauen des Führers und des deut-
schen Volkes nicht enttäuscht. Wieder haben sie in
unermüdlichem Fleiß durch viele schwere Monate
hindurch dem helmatlichen Boden mit Gottes Hilfe
eine Ernte abgerungen, die auch für das kommende
Kriegsjahr unsere Ernährung absolut sicherstellt und
damit eine der wesentlichsten Hoffnungen unserer
Feinde auf Aushungerung des deutschen Volkes zu-
nichte macht.
Nutet es nicht fast wie ein Wunder an, daß wir
zu Beginn des fünften Kriegsjahres in der Lage sind,
die Brotration pro Monat um 400 g auf 9600 g und
damit um 100 g höher zu stellen, als selbst zu Kriegs-
beginn? Nächst der, Gunst der Witterung Ist das vor
allem dem Fleiß und der Tüchtigkeit des deutschen
Landvolkes zu verdanken, das die ihm zukommenden
Aufgaben des Krieges auch unter den wesentlich er-
schwerten Bedingungen vollauf erfüllt hat. Es Ist mir
eine hohe Ehre, dafür allen deutschen Bauern und
Bäuerinnen den Dank und die Anerkennung des
Führers zum Ausdruck bringen zu dürfen. Er weiß,
daß er sich wie auf seine Soldaten und Arbeiter, so
auch auf seine Bauern verlassen kann. Sie scheuen
keine Mühe und Arbeit, um zu ihrem Teil zum kom-
menden großen Sieg beizutragen. Welch ein Unter-
schied zu 1918, da der Feind unser Volk durch Hunger
in die Knie zwang.
Wir stehen heute am Beginn des fünften Kriegs-
jahres ernährungspolitisch auf festen Füßen.
Das deutsche Bauernvolk wird auch in Zukunft dafür
sorgen, daß der Krieg auf diesem wie auf allen anderen
Gebieten unter allen Umständen gewonnen wird.
Das weiß das deutsche Volk. Ich mache mich zu seinem
Dolmetsch, wenn ich auch in seinem Namen den
Millionen deutscher Bauern und Bäuerinnen dafür
danke, daß ihre Arbeit und ihr Fleiß unsere Scheuern
füllten und damit auch für das neue Ernährungsjahr
unser tägliches Brot sichergestellt ist.
Es ist mir persönlich eine Pflicht der Kameradschaft,
in diesen Dank vor allem unseren Parteigenossen
Staatssekretär Backe, den Leiter der deutschen Er-
nährungswirtschaft, mit seinem engeren und weiteren
Mitarbeiterstab, aus dem heute drei hervorragende
59
— — — i pe
|
|
Së
t
\
-or — — — —
* l we 6 - m +
er een —
—
— — —
|
1
l
l
j
1
|
1
Vertreter wegen ihrer hohen Verdienste vom Führer
mit dem Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes aus-
gezeichnet worden sind, mit einzubeziehen. Ich weiß
welchem Fleiß, aber auch mit welcher großzügigen
Umsicht Sie die oft außerordentlich verwickelten
Probleme der deutschen Kriegs ernahrungs wirtschaft
immer wieder meistern. Sie können heute am Tage
mit der Aufschrife: „Pflug und Schwert die Ga-
ranten des Sieges!“ Brot und Waffe sind un-
erläßliche Voraussetzungen einer erfolgreichen Krieg-
führung.“
Diesem Dank an das Landvolk, mit dem sich Dr.
Goebbels nach seinen Worten zum Dolmetsch des
deutschen Volkes schlechthin machte, schloß sich
ein Überblick über die Richtlinien der politischen
und militärischen Kriegführung an, die alle Teil-
nehmer und ebenso alle Hörer am Rundfunk mit
dem unerschütterlichen Glauben erfüllte, daß ebenso
wie unser Ernährungspotential im fünften Krlegsjahr
unerschüttert ist, auch das gesamte Rüstungspotential
‚Europas dem Ansturm der kapitalistischen und bol-
schewistischen Feinde trotzen wird.
die Erntemenge mindestens 4,2 Millionen Tonnen aus-
machen, gegenüber nur 2,3 Millionen Tonnen 1918,
d. h. wir liegen in diesem Jahre um 82 v. H. über dem
Ergebnis des Jahres 1918. Bei Gerste beträgt die
Erntemenge 2,6 Millionen Tonnen — im Jahre 1918 nur
1,9 Millionen Tonnen. Bei Hafer 1943: 5,3 Millionen
Tonnen gegenüber nur 4,3 Millionen Tonnen 1918.
Bel Zuckerrüben ist das Ergebnis noch durchschla-
gender, denn einer Erntemenge von nur 7,5 Millionen
Tonnen im Jahre 1918 steht ein Ertrag von rd. 16 Mil-
und Ernährungspolitik eindeutig untermauern, vor
allem, wenn man bedenkt, daß diese Ergebnisse trotz
aller kriegsbedingten Erschwernisse, trotz des Mangels
an Menschen und an wichtigen landwirtschaftlichen
Betriebsmitteln erreicht wurden.
Selbstverständlich darf, wie Oberbefehlsleiter Backe
nachdrücklich betonte, diese günstige Beurteilung
vor allem der Brotgetreideernte nicht dazu führen,
daß nun in Zukunft weniger sparsam mit den Erzeug-
nissen umgegangen wird. Trotz der günstigen Ernte
bleiben selbstverständlich rechtzeitige und volle
60
A
Ablieferung und Sparsamster Verbrauch
oberstes Gebot. Die Futtergetreideernts, die auch
mehr erbringt, als es zunächst schien, wird entachei.
dend dazu beitragen müssen, die der deutschen Land.
wirtschaft gestellte Aufgabe des Schwelneauf.
baus durchzuführen, um so mehr, als bei den Kar-
toffeln infolge der langandauernden Trockenheit
namentlich im Osten Deutschlands, nur mit elner
mittleren Ernte gerechnet werden kann. Trotz dieses
zu erwartenden mittleren Ernteergebnisses wird der
Kartoffelanfall — für das Altreich berechnet —
immer noch um rd. 10 Millionen Tonnen höher sein
als 1918 und sogar um rd. 15 Millionen Tonnen höher
als 1916. Es kommt daher entscheidend darauf an,
alle für die menschliche Ernährung tauglichen Kar-
Die Zuckerrübenernte und die Glfrucht-
ernte zeigen ein günstiges Bild, während die Ge-
müseernte ebenfalls unter der Trockenheit gelitten
hat. Oberbefehlsleiter Backe würdigte dann besonders
die Leistungen des deutschen Landvolkes in der Milch-
und Buttererzeugung. Die Butterleistung ist im
vierten Kriegsjahr höher als jemals zuvor gewesen,
Dies ist um so bedeutungsvoller, als die Butterver-
sorgung das Rückgrat unserer Fettversorgung dar-
stellt. 60 v. H. unseres Fettbedarfs werden heute
durch die eigene Buttererzeugung gedeckt gegenüber
nur etwa einem Drittel während der Friedensjahre.
Herbert Backe unterstrich In seinem Rechenschafts-
bericht besonders die Leistung der Landfrau, die
in unzähligen Betrieben den zur Front eingerückten
oder gefallenen Mann ersetzen muß, oft mit einer Schar
kleiner Kinder, die zusätzlich noch ihrer Betreuung
bedarf. Die Landfrau mußte zu ihrem Tagewerk von
14 bis 16 Stunden noch ein paar Stunden Zeit zugeben,
um auch diese vielfach für sie ungewohnte Arbeit
verrichten zu können. Dazu hatte sie als Hilfskräfte
oft nur Ausländer, die niemals einen vollen Ersatz
bieten konnten. So verdankt das deutsche Volk diese
Ernte in erster Linie der deutschen Landfrau, neben
den Männern, die noch mit 70 und 80 Jahren wieder
voll in die Arbeit einrückten, neben den Jungen und
Mädels, die auf ihre Schultern einen großen Teil der
Arbeit nahmen. Wir verdanken, so fuhr Herbert Backe
fort, die Ernte aber auch den Männern, die in der
Heimat ihren Acker bestellten und darüber hinaus
durch Nachbarschaftshilfe eine ganze Anzahl Betriebe
zusätzlich betreuten.
Als sichtbarer Ausdruck des Dankes des Führers
waren vor der Kundgebung im Sportpalast in einem
feierlichen Staatsakt im Nosalksaal 100 Bauern
vom deutschen Volk fordert.
und Bäuerinnen, darunter Altbauern und Altbäuerin-
nen, Landwirtschaftsführer, Landarbeiter, darunter
Nelker. Hofmeister, Gespannführer und Angehörige
der ernährungswirtschaftlichen Sonderberufe, mitdem
hohen Orden des Kriegsverdienstkreuzes erster Klasse
ausgezeichnet worden. Diese tragen ihre Auszeichnung
als Repräsentanten. des gesamten Landvolks.
Bei dem Staatsakt hatte als Sprecher der deutschen
Wehrmächt der Ritterkreuzträger Oberfeldwebel
Dörfel vom Wachtbataillon Großdeutschland den
Gruß des Führers und der kämpfenden Front mit
folgenden Worten überbracht: „Pflug und Schwert
sind die Garanten des Sieges — dieser Kernspruch
begleitet den heutigen Erntedanktag. Wir Front-
soldaten verstehen am besten, wie richtig er ist.
Nur deshalb hatte der deutsche Soldat die Kraft,
vier Jahre lang an allen Fronten siegreich das Schwert
zu führen, weil er wußte, daß hinter ihm neben
Millionen von Arbeitern Millionen deutscher Bauern
und Bäuerinnen, deutscher Landarbeiter und Land-
arbeiterinnen standen. Dem Einsatz ihrer rastlosen
Arbeit ist es zu verdanken, daß die Ernährungsgrund-
lage für Front und Heimat gesichert wurde. So
mancher von uns hat noch die Not kennengelernt,
die während des ersten Weltkrieges durch Hunger
entstand und Front und Heimat gleich schwer be-
lastete. Wenn wir heute in felsenfestem Vertrauen
auf den endgültigen Sieg auch in ein weiteres Kriegs-
jahr hineingehen können, dann verdanken wir das
nicht zuletzt Eurer nimmermüden Tätigkeit. Neben
die Opfer, die der deutsche Soldat im Glauben an
Führer und Volk still und entschlossen auf sich nimmt,
stellen sich Euer Mühen und Plagen und Eure Hingabe
für den deutschen Sieg. Deshalb fühlen wir Soldäten
der Front uns in Kameradschaft mit Euch verbunden.
Wir haben das Vertrauen, daß Ihr mit Euren Händen
den Pflug auch weiterhin so aufopferungsbereit führen
werdet, wie Ihr das bisher getan habt. Ich bin stolz,
daß ich Euch am heutigen Erntedanktag für Euren
Einsatz und Eure Arbeit den Dank und den Gruß
des Führers überbringen darf. Ich danke Euch
ferner im Namen der Kameraden aller Wehrmachts-
teile, des Heeres, der Luftwaffe, der Kriegsmarine
und der Waffen- und bringe Euch, Männer und
Frauen des Landvolkes, die herzlichsten Grüße der
kämpfenden Front.“
Herbert Backe hatte in seiner Ansprache beim
Staatsakt besonders die grundsätzliche Einstellung des
Führers zum Bauerntum unterstrichen. Ihm ist die
entscheidende Tat des Nationalsozialismus zu ver-
danken, nämlich die Zusammenfassung aller
Menschen zu einer unüberwindlichen Ge-
meinschaft und die Zusammenführung aller
Kräfte zu einem Kraftstrom, der allein die
Zukunft sichern kann. Er forderte in dieser
Stunde das Landvolk auf, dem Führer zu geloben,
für das nächste Jahr alles für die Sicherung der Er-
nährung des deutschen Volkes zu tun, aber auch daran
zu denken, daß wir im Bauerntum als Lebensquell
des Volkes die Pflicht haben, durch reichen Kinder-
segen die Blutopfer auszugleichen, die dieser Krieg
Dr. Kurt Haußmann
ARandbemerkungen
Hüterin des deutschen Lebens
Immer wieder hat der Führer in seinen Reden und
Proklamationen der Achtung Ausdruck verliehen, die
unsere Nation vor der deutschen Mutter empfindet.
Neben dem einen Tag im Jahr, der ihr besonders
gewidmet ist, und neben den Bestimmungen, die
unsere nationalsozialistische Staatsführung zum
Schutze der Mutter erlassen hat, steht auch das
schlichte Mutterkreuz, das als ein kleines äußeres
Zeichen der Dankbarkeit, die ihr der einzelne und
unser ganzes Volk schuldet, vor nunmehr fünf Jahren
gestiftet wurde. Im besonderen Maße sind allezeit
unsere Landfrauen Hüterinnen des deutschen Lebens
gewesen, denn sie stellen die kinderreichsten Mütter
in unserem Volk. Ein Blick in einen der überwiegend
landwirtschaftlich gegliederten Gaue unseres Reiches
kann uns das deutlich zeigen. Im Reichsgau Kärnten,
der 1939 etwa 440000 Einwohner zählte, sind bisher
fast 30000 Mutterehrenkreuze verliehen worden,
ohne daß damit schon alle kinderreichen Mütter geehrt
wären. 9500 Mütter, die 8 und mehr Kindern das
Leben geschenkt haben, erhielten hier das goldene
Mutterkreuz und ihre Zahl übersteigt in Kärnten
sogar die der Träger silberner Ehrenkreuze. Über
die Kinderzahlen der geehrten Mütter wird aus dem
Kärntener Kreis Villach berichtet: Die 5446 bisher
geehrten Mütter haben insgesamt 34946 Kinder, im
Durchschnitt hat also jede kinderreiche Mutter über
6 Kinder. 1543 dieser Mütter wurden mit dem gol-
denen Mutterkreuz ausgezeichnet. Sie schenkten
zusammen 14770 Kindern das Leben, jede dieser
Mütter ako im Durchschnitt mindestens 9 Kindern!
Wie groß gerade in Kärnten der Kinderreichtum
des Bauerntums ist, wird deutlich, wenn wir berech-
nen können, daß in diesem Reichsgau von 100 Ehe-
paaren, deren Famillenvorstände einen landwirt-
schaftlichen Beruf ausüben, im jahre 1939 45,3 mehr
als 4 Kinder hatten, während wir von 100 Ehepaaren,
deren Familienvorstände einem nichtlandwirtschaft-
lichen Beruf nachgehen, zur gleichen Zeit nur 25,5 als
kinderreich ansprechen können. Mehr als die Hälfte
aller Bauernfamilien in Kärnten hat mindestens 4 Kin-
der, aber nur jedes vierte Arbeiter- und gar nur jedes
achte Angestelltenehepaar kann sich im Kinderreich-
tum mit ihnen vergleichen. Die Tatsache des Kinder-
reichtums unseres Landvolkes in Kärnten wird auch
sichtbar, wenn wir feststellen, daß bei der letzten
Volkszählung Im Jahre 1939 100 Ehepaare, die einen
landwirtschaftlichen Hauptberuf ausüben, ohne Rück-
sicht auf die Ehedauer durchschnittlich 400 Kinder
hatten, die gleiche Zahl von Ehepaaren mit einem
nichtlandwirtschaftlichen Beruf aber nur 250 Kinder
Die entsprechenden Zahlen für den Durchschnitt
des Gesamtreiches liegen in beiden Fällen bedeutend
niedriger bei 319 bzw. 219.
So trägt die deutsche Landfrau in Kärnten mit
ihrer Liebe zum Kind in besonderem Maße dazu bei,
daß der Blutsquell unseres Volkes nicht versiegt.
Wie jedesmal, wenn die Männer dieses Grenzgaues
61
En EEE et, éiere
—
—
— — a-e ër -eege ie- — a — — iR o a — ———— ——
D ur TI WITT e ANE
—— en
— nn — —
-di Un —
- Se — _ — —
*
in den Kampf um die Sicherheit ihrer Heimat ziehen
mußten, steht sie auch heute still und bescheiden
auf ihrem Platz, leitet den Hof, bestellt den Acker
und legt ihren Kindern die Treue, die Tapferkeit und
die Liebe zur Heimat in die Wiege. Hier wie überall,
, wo deutsche Landfrauen mit ihrem Muttertum, das
im Blut und im Boden verankert ist, der Nation neues
Leben schenken, kann uns um die Zukunft unseres
Volkes und Reiches nicht bange werden.
Dr. Albrecht Timm
Retour A la terre
Französische Rechtskreise weisen in Aufsätzen, Vor-
trägen usw. immer wieder darauf hin. daß die Gesetz-
gebung der letzten drei jahre zu einer Revolutionie-
rung auf Teilgebieten geführt habe. Es ist kennzeich-
nend, daß durch diese Revolution Rechtsverhältnisse
aufgelöst wurden, die auf dem Code Napoléon auf-
bauten. Dieser Codex, der weit über hundert Jahre
die Grundlage der französischen Rechtspflege bildete,
wurde — trotz aller Bemühungen, ihn durch Ergän-
zungen usw. der Gegenwart anzupassen — zum
Hemmschuh für eine Aufwärtsentwicklung auf allen
Gebieten und hat sich besonders auf die Landwirtschaft
und Bevölkerungsentwicklung negativ ausgewirkt.
„Bauerntod ist Volkstod!“ Dieses Wort, das schon
vor langer Zeit geprägt wurde, hat sich In Auswirkung
dieser Gesetze an Frankreich bewahrheitet. Die Real-
teilung, die bevorzugte Behandlung der Städte und
eine falsche Volkstumspolitik haben zu einer Ent-
völkerung des flachen Landes geführt. Einmal wirkte
der Sog der Städte, zum anderen die ständige Ver-
ringerung det Geburtenzahl, und so wird es erklärlich,
daß der Anteil der Landbewohner von 75 v. H. (1846)
auf etwa 30 v. H. in der Gegenwart zurückging. In
rund 60 Jahren nahm die Geburtenzahl um 40 v. H. ab.
Selbst so fruchtbare und mit allen natürlichen Vor-
zügen ausgestattete Departements wie die Norman-
die und Mayenne verioren von 1872 bis 1936 fast
460000 Einwohner, das sind 20 v. H. der Bevölkerung.
In Auswirkung dieser Entwicklung verringerte sich
allein von 1892 bis 1929 die Zahl der landwirtschaft-
lichen Kleinstbetriebe unter 1 ha um 72 v. H., die
der Kleinbetriebe (bis 10 ha) um 28 v. H. Über 1,5 Mil-
lionen Familien mit Agrargrundlage gingen dem Lande
durch Abwanderung oder geringe Fruchtbarkeit ver-
loren. Die demokratischen Regierungen versuchten
diesen Ausfall durch Hereinnahme und Naturalisierung
von Ausländern auszugleichen, um dadurch über den
biologischen Verfall hinwegzutäuschen. Ohne die
naturalisierten und farbigen französischen Staats-
angehörigen wurden 1939 rund 4 Millionen Ausländer
gezählt. Aber auch diese Zahl reichte nicht aus, um
die absinkende Leistung der Landwirtschaft aufzu-
halten. So ist es nicht verwunderlich, daß seit 1914
über 2,5 Millionen Hektar Getreideland in Wiesen
umgewandelt wurden und das Brachland auf weit
über 5 Millionen Hektar anwuchs, während die durch-
schnittlichen Ernteergebnisse trotz steigender Hektar-
erträge absanken.
62
Die Gefahr dieser Entwicklung wurde fast aus-
schließlich von der wirtschaftlichen Seite her beleuch-
tet und nur bei der Behandlung machtpolitischer Fr-
gen vollesblologisch gesehen. Alle Abwehrmaßnahmen
trugen den Stempel des, Notverbandes“ und brachten
keine grundsätzliche Wandlung der bestehenden Ver-
hältnisse. Dazu kam, daß dle um die Stimme der Ar-
beiterschaft buhlenden Parteien Gesetze durch,
brachten, die den ländlichen Arbeitern und Hand-
werkern zugute kamen. den oft unter wesentlich
schwierigeren Umständen schaffenden Kleinlandwirten
und Pächtern aber keine Erleichterung brachten. Das
gilt in gleichem Maße von den Ehestandsdariehen und
Famillenunterstützungen, wie von Verbesserungen der
Löhne und Arbeitsverhältnisse.
Nach dem Frankreichfeldzug ergriff die Regierung
Pétain alle Möglichkeiten, um die negativen Aus
wirkungen des französischen Wirtschaftssystems zu
beseitigen und einen agrarischen Neuaufbau einzu-
leiten. Der Ruf , retour à la terre“ wurde zum Leit-
satz des Staatsprogramms. Um die bäuerliche
Familie in ideeller, sozialer und wirtschaftlicher Hin-
sicht zu sichern, wurde am 2, Dezember 1940 das
Gesetz über den ständischen Aufbau der französischen
Landwirtschaft erlassen. Andere Verordnungen regeln
die einheitliche Führung der Berufsorganisationen,
die Nutzbarmachung verlassener Betriebe und Llin
dereien, die Bodenverbesserung, die Förderung des
Wohnungsbaues usw.
Aufbau und Zielsetzung dieser Gesetze lassen
erkennen, daß vielfach die natlonalsozialistische
Agrarpolitik als Richtschnur gedient hat. Aber nur
langsam setzt sich die Erkenntnis durch, daß alle diese
Maßnahmen erst durchschlagenden Erfolg haben
können, wenn sich im französischen Volk eine grund-
legende geistige Wandlung vollzogen hat und dem
Bauerntum wieder die ihm gebührende Achtung und
Anerkennung gezollt wird. H. Gerdesmann
Der Kapitalismus in den USA. stärkt
seine Stellung
Die stetige Zunahme der us-amerikanischen
Pacht- und Leihlieferungen, die — wie sich immer
mehr zeigt — nicht zuletzt auf Kosten des Lebens-
standards in den Vereinigten Staaten gehen, haben
vor allem in den Kreisen der Wallstreetleute eine
gewisse Besorgnis hervorgerufen. Aus den Erfah
rungen, welche man mit der Kriegsschuldenrück-
zahlung und -verzinsung nach 1918 machen mußte,
erklärte sich die anfängliche geschäftliche Zurück-
haltung und die vorsichtigere Einstellung zu diesem
Problem. Über die Presse war man bemüht, auf die
Gefahr dieser Verbindlichkeiten hinzuweisen und in
Erfahrung zu bringen, welche Garantien der Regierung
zu erwarten seien.
Als aber die Lage der Alliierten immer schwieriger
wurde und die Wirtschaftsdepression im eigenen
Lande sich verschärfte, stellte man diese geschäftlichen
Bedenken zurück. Erleichtert wurde die Situation
dadurch, daß schon nach kurzer Zeit gewisse Äqui-
— iin iR em ee ́d·rtU.!ĩüĩ⸗%ĩfv;—-—— —ññ ] ] — —
2 Bed 8 bh 3 Eo H Lë GK Pë S E e D E Ze éi e e e — an t RES e e 8 mee 1 1 sung;
valente in Form von Flugstützpunkten, strategisch
wichtigen Inseln usw. geboten wurden. Das Auftreten
amerikanischer Soldaten im Mittelmeerraum, im
Nahen Osten und in den englischen Dominions und
die Besetzung ehemals europäischer Kolonien in
Afrika boten unter der Parole „Aufmarsch zur Er-
richtung der zweiten Front‘ viele Möglichkeiten zur
Ausbeutung dieser Gebiete. Die dem Militär auf dem
Fuße folgenden bevollmächtigten Wirtschaftssachver-
ständigen und Studienkommissionen zeigen mit aller
Deutlichkeit, daß Roosevelt die wirtschaftliche Be-
herrschung der besetzten Räume am wichtigsten Ist.
Sie zeigen aber auch, in welch starkem Maße das
Kapital, vertreten durch Morgenthau, Jones usw., den
Profit aus diesem Kriege zieht und seine Stellungen
ausbaut. Den gleichen Eindruck erweckt auch die
Vielzahl der in Washington ins Leben gerufenen Be-
hörden und Dienststellen. Seit Kriegsbeginn über-
stürzen sich die Meldungen über Neubildungen und
Umbenennungen von Organisationen, deren Aufgabe
die Stärkung der amerikanischen Wirtschaftsposition
im Auslande ist. Namen wie Planungsamt für die
Wirtschaftskriegsführung, Amt für Gleichschaltung
der Auslandswirtschaft, Büro für Auslandshilfe,
Pachtleihkommission usw., sind ein Ausdruck
dafür.
Wenn man bedenkt, daß England vor Beginn dieses
Krieges mit seinen Besitzungen über die größte Wirt-
schaftskapazität und alle Schlüsselstellungen der Weit
verfügte, so ist es klar, daß es den Expansionsgelüsten
der Vereinigten Staaten am meisten ausgesetzt ist. Die
permanenten Verhandlungen zwischen den angel-
sächsischen Partnern über Fragen der Welternährung.
des Rohstoffhaushalts und der Währung, die Ver-
stärkung der Englischen Botschaft und Handels-
kommissionen durch prominente Sachverständige und
nicht zuletzt der immer wieder verlängerte Aufenthalt
Churchills in Washington lassen die Heftigkeit des
hinter verschlossenen Türen geführten Kampfes ver-
muten. Bei der gegenwärtigen Machtfülle der USA.
it England eindeutig in die Defensive ge-
drängt, während Roosevelt und das hinter ihm
stehende Kapital immer neue Positionen erringen oder
die Voraussetzungen dafür schaffen.
In diesem Sinne ist auch die Ernennung des Unter-
- staatssekretärs Stettinius im Außenamt zu werten.
Stettinius ist als ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender
der United Steel Corporation der Repräsentant der
Schwerindustrie, aus seiner Tätigkeit als Leiter der
Leih- und Pachtkommission heraus der Wirtschafts-
politiker des. Außenamts. Daß Roosevelt gleichzeitig
mit dieser Ernennung das „Amt für Auslandswirt-
schaft“ ins Leben rief, zeigt klar, wohin der Weg geht.
Wenn es weiterhin heißt, daß Stettinius das Pacht-
und Leihsystem als Eckpfeiler seiner wirtschaftlichen
Außenpolitik bezeichnet habe, und die enge Ver-
bindung zwischen ihm und Crawley, dem Leiter des
Amts für Auslandswirtschaft, betont wird, so Ist
sicher, daß diese Maßnahmen ausschließlich dem einen
Ziel dienen: Ausbau des Pachtleihsystems als
Grundlage für die wirtschaftliche Beherr-
schung der Welt nach dem Kriege.
H.Gerdesmann
DieBuchwacht
Das Recht der besetzten Ostgebiete
Sammlung der Verordnungen, Erlasse und
sonstigen Vorschriften über Verwaltung, Rechts-
pflege, Wirtschaft, Finanzwesen und Verkehr mit
Erläuterungen der Referenten. Herausgegeben
von Dr. Alfred Meyer, Gauleiter und Stän-
digem Vertreter des Reichsministers für die be-
setzten Ostgebiete, unter Mitarbeit von Dr.
Walter Wilhelmi, Dr. Walter Labs, Dr. Hans
Schäfer. C. H. Beck'sche Verlags buchhandlung.
München und Berlin 1943.
Die Ausdehnung der unter Zivilverwaltung ge-
stellten besetzten Ostgebiete und die Verschieden-
artigkeit ihrer Völker und Räume machten es erklärlich,
daß das neue deutsche Recht für den Ostraum aus
zahlreichen Rechtsquellen fließt. Dem Reichsminister
für die besetzten Ostgebiete ist durch den Erlaß des
Führers vom 17. Juli 1941 mit der Zivilverwaltung die
Rechtssetzungsbefugnis übertragen worden. Er pflegt
davon nur aus besonders wichtigen Anlässen und In
grundsätzlichen Fragen Gebrauch zu machen und hat
seine Befugnisse auf die Reichskommissare und im
Reichskommissariat Ostland wegen der verschiedenen
Struktur der Generalbezirke Ostland, Lettland,
Litauen und Weißrughenien auch auf die General-
kommissare weiter übertragen. Im Reichskommissarlat
Ukraine, in dem die längere bolschewistische Herr-
schaft die Verhältnisse bereits gleichförmiger gemacht
hat, endet die Rechtsschöpfung im allgemeinen beim
Reichskommissar. Die zur Rechtssetzung befugten
Behörden verkünden ihre Gesetze in folgenden
Blättern: der Reichsminister im „Verordnungsblatt
des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete“, die
Reichskommissare im „Verordnungsblatt des Reichs-
kommissars für das Ostland“ oder im „Mitteilungs-
blatt des Reichskommissars für das Ostland“ und im
„Verordnungsblatt des Reichskommissars für die
Ukraine‘ oder im „Zentralblatt des Reichskommissars
für die Ukraine“ und die Generalkommissare in Ihren
Amtsblättern.
Es gibt also, wenn außer dem Minister und den
Reichskommissaren nur die vier ostländischen General-
bezirke in Betracht gezogen werden, nicht weniger
als neun Gesetzbiätter, aus denen das in den Zivil-
verwaltungsgebieten des Ostraumes geltende Recht
zusammengesucht werden müßte. Die Sammlung
„Das Recht der besetzten Ostgeblete“ leistet den am
Recht des Ostraumes Interessierten amtlichen oder
privaten Stellen und Personen durch eine übersicht-
liche Zusammenfassung des Rechtsstoffes Hilfe, sich
trotz dieser Rechtsaufsplitterung rasch und zuver-
lässig zu unterrichten. Es hat zu diesem Zweck die
bereits bewährte Form der Loseblattausgabe ge-
wählt. Es gliedert sich zunächst in zwei Bücher:
Ostland und Ukraine. Innerhalb jedes Buches Ist der
Rechtsstoff sachlich in fünf Hauptgruppen (Verwal-
tung, Rechtspflege, Wirtschaft, Finanzwesen und Ver-
kehr) und diese wiederum in zahlreiche Untergruppen
geteilt.
—
63
Ai EEE ih
—— — u —
rt mi Met — FI — . —— A ——
D = 8
weem. E teg mm
e
+ 6 emm — — gp geg — `
—— K* —
a
Unter der Hauptgruppe Wirtschaft findet sich
der Rechtsstoff der „Ernährung und Landwirt-
schaft“. Davon sind zunächst für das Ostland
fünfzehn und für die Ukraine neun Rechtsgebiete be-
handelt worden, darunter die Verordnungen zur Auf-
hebung der bolschewistischen Maßnahmen im Ostland
und die Neue Agrarordnung mit ihren Nebenge-
setzen, das Recht der Landbewirtschaftungsgesell-
schaften Ostland und Ukraine, denen als General-
verwalter des landwirtschaftlichen Bodens die öffent-
liche Landbewirtschaftung in den beiden Reichs-
kommissariaten obliegt, pachtrechtliche Bestimmun-
gen, allgemeine Gesetze zum Schutze der landwirt-
schaftlichen Erzeugnisse und verschiedene Verord-
nungen zum Aufbau der einzelnen Zweige des
Ackerbaues und der Tierzucht. Die wichtigeren
Gesetze sind mit kurzen Erläuterungen der Refe-
renten des Östministeriums versehen, andere nur
mit Einführungen, in denen der Zweck des Ge-
setzes dargestellt wird; von Verordnungen, die aus
sich verständlich sind, wird nur der Text gebracht,
auf weniger wichtige Anordnungen wird lediglich
unter kurzer Schilderung ihres Inhalts und unter
Angabe der Fundstelle hingewiesen.
Das Werk soll durch regelmäßig erscheinende Er-
gänzungslieferungen auf dem laufenden Stand gehalten
werden. Es kann jedem empfohlen werden, der sich
mit dem Recht der besetzten Ostgeblete befassen
muß oder die dortige Rechtsentwicklung verfolgen
will.
Dr.Szogs
Willy Krebs
Raiffeisen —
ein Kapitel bäuerliche Selbsthilfe
Heft 52 der Schriftenreihe „In Deutschlands Na-
men“. Herausgegeben von W. Ihde/Wilh. Lühe.
Verlag Leipzig / Berlin. 49Seiten. Preis: 1,20 RM.
Selten nur hat sich der Name einer Persönlichkeit
so eng mit seinem Werk verknüpft, wie wir es bei
Raiffeisen beobachten können. „Raiffeisen-Genossen-
schaften“ gibt es heute überall, wo Deutsche wohnen.
Vor fast 100 Jahren hat dieser Landbürgermeister zum
erstenmal den Gedanken der bäuerlichen Selbsthilfe
praktisch aufgegriffen und so einen Gegenpol gegen
den jüdisch-kapitalistisch verseuchten Liberalismus
geschaffen. Seine ländlichen Konsumvereine und
landwirtschaftlichen Genossenschaften haben seither
im Dienst des deutschen Bauerntums gestanden.
„Vater Raiffeisen“ gehört mit vollem Recht in die
Reihe der Männer, die „In Deutschlands Namen“
wirkten. Willy Krebs hat nicht nur ein eindringliches
Bild seines Lebenskampfes entworfen, sondern auch
gleichzeitig einen Einblick in den Werdegang: des
mit seinem Namen untrennbar verknüpften Teiles des
deutschen Genossenschaftswesens vermittelt. Die an-
schauliche Darstellung, deren ausstrahlende Wärme
die persönliche Verbundenheit des Verfassers mit dem
Lebenswerke Raiffeisens spüren läßt, kann einen wei-
ten Leserkreis ansprechen.
Dr. Albrecht Timm
64
Carl Hinrichs
Der allgegenwärtige König
Friedrich der Große im Kabinett und
auf Inspektionsreisen. R.v. Deckers Ver-
lag — G. Schenk, Berlin, 1942, 2. Auflage, 308 S.
Kaum ein Zeitalter aus der reichen Geschichte
unseres Volkes spricht heute so unmittelbar zu uns
wie das Friedrichs des Großen. ‚Der allgegenwärtige
König“ hat in unermüdlicher Arbeit in Krieg und
Frieden die großen wie die kleinen Dinge seines
Staates durch persönlichen Einsatz gemeistert. Von
der Größe dieser Leistung berichten die hier von
Hinrichs aus zum Teil von bisher unveröffentlichten
Quellen gesammelten Zeugnisse. Neben Auszügen
aus den größeren Veröffentlichungen des Königs
stehen zahlreiche bisher weitverstreute Berichte von
Zeitgenossen über Kabinettsentscheidungen, Unter-
redungen und vor allem über die Reisen des Königs.
Hier finden wir den Alten Fritz in Gesprächen mit
allen Schichten seines Völkes, mit Beamten, Hand-
werkern und nicht zuletzt mit seinen Bauern, denen
seine besondere Fürsorge galt. So hören wir von Ge-
sprächen mit verantwortlichen Landräten oder mit
einfachen Bauern, und immer wieder müssen wir be-
wundern, wie gut der König über alle landwirtschaft-
lichen Fragen, sei es nun der Getreidepolitik oder des
Lupinenanbaues bis in die Einzelheiten unterrichtet
war. Er wußte, daß auch das Kleinste dem großen
Ganzen dient und daß nur die unermüdliche Aufbau-
arbeit aller die Zukunft eines Staatswesens gewähr-
leistet. Aus der gut ausgewählten und zusammen-
gestellten Quellensammlung können wir nicht nur ein
Spiegelbild der einzigartigen Natur des Preußenkönigs
gewinnen, sondern auch manch verpflichtendes Bei-
spiel für unsere große Gegenwart entnehmen.
Wilhelm Abel
Die Wüstungen des ausgehenden
Mittelalters
Ein Beitrag zur Siedlungs- und Agrargeschichte
Deutschlands. Verlag Fischer, Jena 1943. 165 S.
Seit langem haben die Heimatforscher fast aller
deutschen Landschaften, ja sogar des Auslandes, die
Tatsache des Wüstwerdens im 14. und 15. Jahrhundert
beobachtet und zu deuten versucht, ohne dabei zu
allgemeinen gültigen Ergebnissen vorzustoßen. Nun
bietet der Verfasser, als einer der wenigen Volkswirt-
schaftler, die sich auch mit der Agrargeschichte be-
fassen, eine erste Zusammenschau dieser Einzel-
betrachtungen. Hier hat sein früheres Werk über die
Agrarkrisen Europas seit dem 13. Jahrhundert eine
wertvolle Ergänzung gefunden. Auch der Wüstungs-
vorgang wird im Zusammenhang mit einer Agrar-
krise und wirtschaftlichem Niedergang im Zuge der
Rhythmik der Landwirtschaftsentwicklung gesehen. Er
ist letzten Endes die Ausdrucksform einer übermäßigen
Abwanderung vom Lande. Die Arbeit bietet als ein
Beitrag zur Siedlungs- und Agrargeschichte gleich-
zeitig einen guten Einblick in das Sozial- und Wirt-
schaftsgefüge Deutschlands im ausgehenden Mittel-
alter. Dr. Albrecht Timm
— ———————
Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen
auf dem Hof meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der au!
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer
Stelle zur anderen bringen läßt.
Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der Generatorg ds
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. ACKERSCHLEPPER RLO
SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG
23r. EE
10 Ps. "m
läßt die Flamme über den Topf.
rand schlagen, verbrennst dir so
die Pfoten und willst auch noch
ein TRAUMAPLAST drauf
haben. — Hinaus! — Für uns gilt:
Klein die Flamme, Gas, Kohle und
Strom sparen für die Rüstungs-
industrie
TraumaPlast
REINGAS-BULLDOG
S läßt wehe Wunden schnell gesunden
für Holzgas - Betrieb.
N
SI
ei *
O die intel
Ernteausfälle werden
vermieden durch Bei-
zung des Saatguts mit
Ceresan
Trocken-oderNaßbeize
für alle Getreidearten!
„Hagen
. G Farbenindustrie Aktiengesellscha ``
Pllanzenschutz- Abteilung LEVERKUSEN D
FÜR INDUSTRIE
Ge
LANDWIRTSCHAFT
AUTO UNION A-G, ABT. DKW-MOTOREN, CHEMNITZ
aal
d RTOFFEI-
Oele,
Das Wort ‚einwecken“ stammt - TE) | =
von Johann Weck, dem Mann, der e Bez s
das WECK-Verfahren begründet, $ 12
der die WECK-Gläser und WECK- z —
Geräte geschaffen hat. z S
2.
1
davo grg nany
J.WECK & CO. ÖFLINBEN IN BADEN
DEZEMBER 1943
NUMMER 3
JAHRGANG 2
EINZELPREIS 120 RM.
—
an M
s
INHALT
Bäuerliche und völkische Selbstbesinnunn gn san m
Dr. habil. Gisbert Kg, Dozent am Institut für Sozial- und Staatswissenschaften
der Universität Heidelberg: Amerikanismus und Bauerntum .,, nn 67
Dr. Peter von Werder: Verstädtertes und ländliches Lebensgefühl ............ 70
Eichenlaubträger wird Wehrbauer (Bildbeilage) `... 0.8. 72
Oberlandwirtschaftsrat Dr. Kurt Meyer in der Stroth: Das Bauernrecht als
/ ae era 75
WEBIIWINTET TBIOBEIEGET ana en n. S. 80
Dr. Albrecht Timm: Dorfgeschichte — ein Spiegel deutscher Kulturgeschichte 82
Weihnachtsbrauch im deutschen Dorf (Bildbei lage n. S. 84
Regierungsrat Heinz Gerdesmann: Japan ordnet den ostasiatischen Agrar-
Ei ne a ] EE 88
/// rear e MI
/ ͥ ͥͥͥ² ²»i¹w¹r ... et e n A N O AE 93
R/ era ¼˙—½— 14 . S6
Bildnachweis: Unser Titelbild — eine Auinahme von Prof. Rudolf Koppitz zeigt einen Salzburger
liolzarbeiter. — Die Bildbeilage „Waldwinter statteten mit Lichtbildern aus: Photo-Ufa (6), Prof.
Rudolf Koppitz (3), Scherl-Bilderdienst (2), Agfa-Bildarchiv (1), Archiv des Reichsnährstandes (1) und
Hans Retzlaff (1). — Die Aufnahmen zur Beilage ‚Eichenlaubträger wird Wehrbauer’' fertigten Erich
Bauer (5), Barbara Soltmann (2), Leutnant Kintscher (1) und Willy Römer (2). — Als Photographen
der Bildbeilage „Weihnachtsbrauch im deutschen Dorf’ nennen wir Hans Retzlaff (3), Hilde Brinck-
mann-Schröder (1), Brinckmann-Schröder-Bavaria (1), Ernst Baumann (1), Schrammen (1) und Reichs-
nährstandsarchiv (1).
Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna,
Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:
Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 196051.
Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH,). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts-
ruf 11 0022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. vom 1. Nov. 1942
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.
—
ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN
ren Google
STÄÜRSPOLITIK
N S
Herausgeber & Herbert Backe
Dezember 1943 Jahrgang 2 Nummer 3
—̃— re en ae a Ey — ud ee AL . te —̃ p ci ee nn Be Zu ee I En — De u Fe ʃ ——.
Bäuerliche und völkische
SELBSTBESINNUNG
G.P. — Noch immer ist die Ansicht häufig verbreitet, daß Stadt und Land zwei Lebens-
formen verkörperten, die sich naturnotwendig feindlich gegenüberstehen müßten..
Diese Ansicht zeugt von einer geringen Kenntnis des geschichtlichen Werdeganges
unseres Volkes. Die deutschen Städte sahen immerhin auf eine achthundertjährige Ent-
wicklung zurück, als sich der Gegensatz zwischen Stadt und Land als zweier wesens-
fremder Lebensformen allmählich herauszubilden begann. Selbstverständlich hat es auch
früher schon Gegensätze zwischen Stadt und Land gegeben; aber diese beruhten nicht
auf unüberbrückbarer Fremdheit der Lebensweise, berührten also nicht die Wurzeln
des menschlichen Seins, sondern bezogen sich auf Nebenfragen sozialer und politischer
Natur, wie sie innerhalb eines vielgestaltigen Volkskörpers stets bis zu einem gewissen
Grade unvermeidbar sein werden und die zu meistern eine der wesentlichen Aufgaben
jeder auf das Gemeinwohl bedachten Staatsführung ist. Ein so angesehener Historiker
wie Maurer hat daher die Stadt jener Epoche geradezu als ein „mit einer Mauer um-
gebenes Dorf“ gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung war zwar eine Vereinfachung, aber
eine jener fruchtbaren Vereinfachungen, die den Blick auf das Wesen der Dinge richtet;
denn in ihr kam die Gemeinsamkeit der Stadt und Land formenden Lebensurkräfte
sinnfällig zum Ausdruck. |
Für die Stadt der Gegenwart, die ein typisches Gebilde der letzten Jahrzehnte des
neunzehnten Jahrhunderts ist, trifft die Kennzeichnung Maurers — darüber kann kein
Zweifel herrschen — allerdings nicht mehr zu, obwohl es noch immer in Deutschland
viele Städte gibt, deren Straßen, wie es einst Riehl beobachtet hat, leer von Bürgern sind,
wenn die Ernte die Ackerbesitzer zur Arbeit ruft. Die moderne Großstadt ist ein Gebilde,
das seine Wurzeln nicht mehr im deutschen Dorfe hat, obwohl auch sie sich ständig
aus dem Blutzustrom vom Lande ergänzt und erneuert; denn der ländliche Mensch wird
in der Großstadt Lebensbedingungen unterworfen, die ihm völlig wesensfremd sind. Daher
muß — so folgert man — die Abwanderung in die Großstadt zwangsläufig zur seelischen
Entwurzelung der Abwandernden führen, die in der Vermassung des menschlichen Lebens
ihren sichtbarsten Ausdruck findet. Damit ist die entscheidende Frage gegeben. Sie
lautet: Müssen die großstädtischen Lebensbedingungen wirklich zwangsläufig zu
dieser Entwurzelung und damit zu einem schroffen Gegensatz zwischen Großstadt und
Land führen, der angesichts der starken Tendenz zur Vergroßstädterung sich immer mehr
zu einem allgemeinen Gegensatz zwischen Stadt und Land verschärft?
Eine Antwort auf diese Frage gibt der Aufsatz von Dr. Peter von Werder „Verstädter-
tes und ländliches Lebensgefühl”, wenn er darauf hinweist, daß auch in der Großstadt
eine mehr oder minder große Zahl von Menschen ihr ursprüngliches ländliches Lebens-
gefühl als Quell ihrer menschlichen Haltung zu wahren weiß. Er stellt daher auch in
seiner vergleichenden Untersuchung dem ländlichen Lebensgefühl nicht das städtische
schlechthin, sondern das verstädterte Lebensgefühl gegenüber. Damit ist auch auf die
*
——— — u — —
Wée hingewiesen, von ieh Lösung das künftige Verhältnis der: Stadt Lang i
entscheidend mitabhängt: die Schaffung von Lebensbedingungen in der Stait pp | o
wie bisher die Tendenz zur Vermassung, die echter Gemeinschaftsbildung ebenso feine
lich ist wie freier Persönlichkeitsentfaltung, noch künstlich fördern, sondern dieser
bewußt entgegenarbeiten. Dadurch wird eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen,
daß die Gestaltungskraft des ländlichen Lebensgefühls besser als bisher auch bës
städtischen Umwelt zur Auswirkung kommt.
Mit materiellen Mitteln allein, mit wirtschaftlichen Maßnahmen, Be kee
rellen Einrichtungen ist allerdings die Gefahr der Verstädterung, d.h. der Entw
deutschen Menschentums, nicht zu überwinden. Wenn Dr. von Werder die Verstädte n
als in erster Linie seelischen Vorgang schildert, so ist damit auch gesagt, daß die U wer
Windung dieser Erscheinung letzthin nur vom Seelischen her möglich ist und daß di
materiellen Mittel, so wichtig sie sind, nur Werkzeuge sind, die erst ein gewandeltes
Lebensgefühl zu brauchbaren Waffen gegen die Verstädterung macht.
Es bedeutet die Aufrollung der gleichen Fragestellung nur von einem anderen ( sic ats-
punkt her, wenn Dr. Gisbert Rittig in seinem Aufsatz „Amerikanismus und Bauern CS $
schon mit dieser Überschrift die zwei grundsätzlich verschiedenen Denkhaltungen g gen:
überstellt, auf deren Kampf die großen Auseinandersetzungen der Gegenwart, beruft dc
Wenn Dr. Rittig als Amerikanismus jede Haltung kennzeichnet, die sich von
zivilisatorisch-technisch-mechanischen Entwicklung treiben und sich von ihr formen läß
statt diese Entwicklung selbst zu meistern, so zeigt sich, daß sich die Begriffe Ameri
nismus und Verstädterung auf den gleichen seelischen Vorgang beziehen. Der Begri
Amerikanismus ist nicht nur deswegen treffend, weil in den Vereinigten —
durch ihn gekennzeichnete Krankheit der Vermassung des menschlichen r
unüberbietbaren Höhepunkt erreicht hat. Er hat auch, vom rein deutschen Ste )
aus betrachtet, seine besondere Berechtigung, weil es sich bei dieser Krankheit nich e
die Auswirkung eines Konstitutionsfehlers deutscher Art handelt, sondern um SN
Ansteckung durch wesensfremde Einflüsse, die der Amerikanismus in besonders konzen-
trierter Form repräsentiert. Dr. Rittig weist mit Recht darauf hin, daß das E tum
nicht nur von dem Bazillus der amerikanischen Krankheit am wenigsten stark infiziert
worden ist, sondern daß es auch der Hauptträger der dem Amerikanismus entgegen-
gesetzten Haltung ist, aus der heraus allein eine Überwindung des Ame anism
möglich ist. $ d
d No *
Die bäuerliche Gegenkraft wird um so stoßkräftiger sein, je stärker das Bauernfü
seiner Eigenart und des Wertes dieser Eigenart sich bewußt ist. Stärkung des bä ei `
Selbstbewußtseins ist daher eine Erziehungsaufgabe, die nicht nur im Eigeninteresse de
Bauerntums liegt, sondern ein volkspolitisches Gebot ist. Gelingt es, wieder wie € dei |
die ländlichen Lebenswerte zum vom ganzen deutschen Volke anerkannten Maßstal
seiner Lebensbewertung zu machen, so ist die Gefahr der Verstädterung als einer see che
Verbildung und Erkrankung gebannt und der Gegensatz von Stadt und Land als 2 weie
wesensfremder Lebensformen überwunden. Dann ist — nebenbei bemerkt — auch Í
gefährlichste Quelle der Landflucht verstopft. Unter diesem Gesichtspunkt betrachte t ist
die Dorfgeschichte, deren Bedeutung als „Spiegel deutscher Kulturgeschichte" Dr. Albrech
Timm in seinem Aufsatz darstellt, nicht nur „ein historisches Quellenbuch von ur — tz
barem Wert“, sondern ein volkserzieherisches Mittel ersten Ranges zur Selbstbe ul
auf die dem deutschen Volke wesensgemäßen Werte. |
|
|
|
|
|
/
|
|
|
|
1
we)‘
d
Die gleiche Bedeutung kommt auch der Stärkung des Rechtsempfindens und Rec ht
bewußtseins durch eine entsprechend ausgerichtete bäuerliche Erziehung zu, die Dr. —
Meyer in der Stroth in seinem Aufsatz „Das Bauernrecht als politisches Gestalt ing
mittel“ fordert. In der Rechtsauffassung eines Volkes zeigt sich am deutlichsten, welchen
sittlichen Wertmaßstäben wirklich lebensgestaltende Kraft innewohnt, so daß s
Verpflichtung und Richtschnur des Handelns empfunden werden. Daher ist die Wieder-
herstellung des alten deutschen Bauernrechts, wie sie im Reichserbhofgesetz zum Au
druck kommt, ein Akt der Selbstbesinnung gewesen, der zunächst im Bauerntum d
Gesetze seines Seins wieder zur Geltung gebracht hat, dadurch aber weiterwirkend ein
Quell der Gesundung der Lebensauffassung des ganzen deutschen Volkes werden ird.
wä WW
un "gé
.
TA
66
Digitized by Google . > S
ag)
GISBERT RITTIG:
- Amerikanismus una Bauerntum
Fs geht heute um den Kampf zweier
grundsätzlich verschiedener Denkhal-
tungen, die über unsere Kultur entscheiden.
Der Sieg der einen vernichtet unsere Kultur
und die Kultur des ganzen Abendlandes.
Der Sieg der anderen schafft die Bausteine
für den Weiterbau an unserer Kultur. Der
Kampf dieser Denkħaltungen ist das, was
im Grunde und letzten Endes hinter den
großen Auseinandersetzungen der Gegen-
wart steht. Die eine Denkhaltung ist der
„kulturelle“ Amerikanismus. Was hat der
Bauer mit Amerikanismus zu tun? Eben
nichts. Und das ist seine Stärke. Daraus
ergibt sich auch seine Aufgabe und seine
große und bestimmende Rolle in den Aus-
einandersetzungen der Gegenwart.
Diese Auseinandersetzungen sind letzten
Endes geistig. Es ist das Auffallende und
Notwendige, daß gerade in dieser geistig-
kulturellen Hinsicht das Bauerntum eine
Hauptrolle spielen kann. Denn es ist der
hauptsächlichste Träger der dem Amerika-
nismus entgegengesetzten anderen Denk-
haltung. Dabei ist es zunächst gleichgültig,
ob das Bauerntum dies bewußt oder unbe-
wußt ist. Aber Wachheit wird nichts
schaden, es kommt nicht auf Romantik an.
Macht sich der Bauer klar, welche Bedeu-
tung seiner Denkhaltung heute im Kampf
der grundsätzlichen Denkhaltungen zu-
kommt, macht er sich klar, daß er der
hauptsächlichste Träger der von der ameri-
kanischen Grundhaltung freien Denkhal-
tung ist, und macht er sich klar, daß es
heute bei allem Ringen gerade um den Sieg
dieser Denkhaltung geht, dann bedeutet das
für ihn nicht mehr und nicht weniger als
die geistige Aufwertung des
Bauerntums. Der Bauer sieht sich auf
einer kulturellen Ebene stehen, auf die es
ankommt. Sie ist für das Fortleben
unserer Kultur entscheidend und wird sich
auf die Dauer allen anderen kulturellen
Schichten überlegen zeigen.
Für diese Behauptung und den Wert der
sich so eröffnenden Aussichten ist der
Beweis anzutreten. Wir verstehen unter
Amerikanismus jede Haltung, die sich von
der zivilisatorisch-technisch-mechanischen
Entwicklung treiben und sich von ihr
iormen läßt, statt diese Entwicklung selbst
zu meistern. Das klingt noch harmlos, es
bedeutet aber nicht weniger als eine
Kulturkrankheit, die amerikanische
Krankheit. Sie ist die allgemeine
Krankheit aller modernen Kulturen und
eine Welterscheinung. Zunächst handelt es
sich um nicht mehr als eine Entwicklungs-
phase im Zuge der geschichtlichen Ent-
wicklung der europäischen Kultur. Die
Bevölkerungen sind größer geworden und
die Beziehungen der Menschen zueinander
vielfältiger. Die Technik hat sich zusam-
men mit dem kapitalistischen Wirtschafts-
system durchgesetzt, wahllos und nicht ge-
bunden an volkswirtschaftliche und kul-
turelle Erfordernisse. Die kapitalistisch
angewandte Technik begann die Bevöl-
kerung zu mobilisieren, zu entwurzeln und
verwandelte die Menschen zu hin- und her-
wogenden Massen, ohne Durchgliederung.
Die Bevölkerungen und die Völker wurden
chaotische Massen. An die Stelle durchge-
gliederter, in ihren Teilen aufeinander ab-
gestimmter Völker trat durch die kapita-
listisch angewandte Technik und die Fulgen
einer übermäßigen Zivilisation eine immer
stärkere Vermassung der Menschen.
Jeder Staat mit moderner Zivilisation er-
reichte diese Stufe und mußte sich mit ihr
auseinandersetzen. Er muß es, da die in den
Industriegebieten und Großstädten sich zu-
sammenballenden Massen über jeden bis-
her üblichen Rahmen der politischen Lei-
tung hinausquollen und diese Massen, zu-
nehmend kulturell amerikanisiert, ins Form-
lose wuchsen. Es kam darauf an, diese
Massen wieder irgendwie in die Hand zu
bekommen. In Amerika, das bei dem Fehlen
jeder volkhaften Struktur die geringsten
Hemmungen auf dem Wege zur Vermassung
hatte, in England, das den Amerikanisie-
rungstendenzen keinen genügenden Wider-
67
stand bot, in Deutschland, das die Versailler
Rückschläge am besten durch weitestmög-
liche Nachahmung der amerikanischen
Wirtschaft aufholen zu können glaubte, in
der Sowjetunion, wo auf eine primitive,
bereits massenartige landwirtschaftliche
Grundlage eine hochamerikanisierte In-
dustrie aufgepflanzt wurde, überall kam
man an den Punkt der Entwicklung, bei dem
es ohne den Versuch, die Massen zu
organisieren und zu formen, nicht
weitergehen konnte. Dies ist die zeit-
geschichtliche Situation, die zu erkennen
viel zum Verständnis dessen, was heute
vorgeht, beiträgt. Die Lösungsversuche sind
verschieden. Aber in den Vereinigten
Staaten wie in der Sowjetunion laufen sie
auf eine weitere, nunmehr systematisierte,
immer straffer werdende Amerikanisierung
hinaus. Weitere Amerikanisierung bedeu-
tet weitere Unifor mierung, weitere bloße
Multiplikation der bisherigen „Errungen-
schaften” und damit weitere Ausschaltung
des Kulturellen. Denn Multiplikation ist
nichts Schöpferisches, und daher führt jede
Amerikanisierung in eine Sackgasse.
Die deutsche Aufgabe ist eine andere,
und der deutsche Weg ist ein anderer. Es
gilt der Versuch, die Vermassungen wieder
aufzulösen und in Gemeinschaften zusam-
menzuführen, um so wieder zu einem durch-
gegliederten Volkskörper zu kommen. Je
mehr es gelingen wird, zu entamerikani-
sieren, desto erfolgreicher wird man auf die
Dauer sein. Man wird um so erfolgreicher
sein, je mehr man erkennt, daß es sich bei
aller Anwendung und Nutzbarmachung der
Technik um Entamerikanisierung handeln
muß. Es muß die entamerikanisierte
Anwendungsform der Technik ge-
funden werden, die von Amerikanisierung
entgiftete Technik. Daß es um die An-
wendungsform geht, zeigen deutlicher denn
je die Zerstörungen der europäischen Kul-
turdenkmäler durch amerikanische Bomber.
In der Entamerikanisierung der modernen
Kultur liegt erstens die europäische
Kulturaufgabe Deutschlands. Ame-
rikanisierung, ist der Tod der Kultur. Die
„amerikanismusfreie“ Haltung ist die
schöpferische und führt weiter. In ihr allein
liegt also zweitens die Fortsetzung der
Kultur.
Die amerikanische Krankheit ist eine
schleichende und gefährliche, und ihr zu
unterliegen erscheint oft verführerisch. Um
so mehr, je mehr man die Vorteile der
68
y SN 4 iz
Technik und der modernen Zis
nutzen, je mehr man den a No
stand heben will. Je mehr man in <
Richtung gehen will, desto mehr De
man eine festgefügte Haltung, die der Ame-
rikanisierung widerstehen kann. `
Die Bazillen der amerikanischen Krank-
heit sind nicht leicht zu finden, denn sie
verkörpern sich nicht in den realen Dingen
der Technik und der Zivilisation als
solchen, sondern in der Denkhaltung, die
dahinter steht. Die Frage Amerikani-
sierung — Entamerikanisierung ist aber
deutlich genug, um auch bei der stä
Haltung das Gesunde vom Kranken zu un-
terscheiden und den Streit um die Bedeu-
tung der Stadt zu klären. Sie wird genau
angeben, wo die Grenze liegt, bis zu der ein
städtisches Gebilde gesund ist. Sie wird
also das geeignete Werkzeug sein, >
Kriterium, das zeigt, wie weit die recht
haben, deren Instinkt etwas Schädliches
der städtischen Denkhaltung Werer an
ebenso die, welche die Stadt als Kul el
zentrum verteidigen. Be
J3 Ba
Entscheidend aber ist die Der haltur
Die Amerikanisierung kommt nicht von un-
gefähr. Und nicht einmal zu dieser negati-
ven Kulturerscheinung hat Amerika selbst
die Wurzeln gelegt. In Amerika nur konnte
sie sich hemmungslos entwickeln und
von da aus zurück die alten Kulturen ver-
giften. Die Wurzeln der Amerikani-
sierung gehen weit zurück, mindestens
bis in die Zeit der Aufklärung, vielleicht
auch noch weiter bis zu den Nominalisten
und Scholastikern, vielleicht auch bis in die
Antike zurück. Dies wird noch notwendig
sein zu erforschen, um den ersten Keim
einer Fehlentwicklung des menschlich
Geistes zu finden, die unmittelbar neben
der positiven modernen Entwicklung liegt
Sie zeigt sich am deutlichsten in der
früher üblichen Haltung einer gewissen
städtischen Schicht der Halbbildung, die
so gerne mit einer gewissen Überlegenheit
auf die bäuerliche Denkhaltung herab-
blickte und die glaubte — von den wahren
Kulturträgern der Städte ist hier nicht die
Rede — es käme nur auf eine, man kör
sagen, gewisse Virtuosität des Modernen
an, auf Technik um der Technik willen und
Zivilisation um der Zivilisation willen, statt
um tieferer Menschenwerte willen. Sie hat
sich aber verrechnet. Sie führte zur
Weckung unechten Bedarfs, zu Zusammen-
ballungen des menschlichen Lebens, die nur
ed 7
F
ME Google
mit vielen Hilfseinrichtungen, die nur
wegen der Zusammenballung nötig, also
eigentlich unproduktiv sind, existieren
können, und heute sehen wir, daß sie
schließlich zur Amerikanisierung des Lebens
führt, die nur Massen, aber keine in-
neren Werte kennt. Wo das nicht so
deutlich wird — und es ist oft schwer zu
erkennen — verdankt man das der Ver-
mischung mit der anderen Denkhaltung.
Nur die bäuerliche Denkhaltung
führt uns weiter, die bisher nur als
eine Stufe geringerer „geistiger Fähigkeit
angesehen wurde, zu der man sich allen-
falls leutselig herablassen konnte, ganz
ähnlich wie sich etwa auf dem Gebiet der
geistigen Arbeit Virtuosen der Dialektik
dem echten Denker überlegen dünkten. Die
Zeiten haben sich geändert. Gerade diese
unterschätzte oder allenfalls romantisierte
Denkhaltung ist es, die nämlich auch die
geistig überlegene auf die Dauer sein wird,
die allein den Kampf gegen die Amerikani-
sierung der Kultur aufnehmen kann. Sie
hat alle Trümpfe in der Hand. Sie hat weni-
ger Dialektik, sie ist schweigsamer, sie läßt
sich Zeit, weil sie ein Gefühl für Reife hat,
sie prüft und wägt den echten Bedarf, sie
wird imstande sein, die Mittel der Technik
und Zivilisation nur da anzuwenden, wo es
auf echten Bedarf und echte Werte an-
kommt, und sie darf nur das anwenden, was
sie innerlich verarbeiten kann, will sie sich
nicht selbst zerstören; sie betrachtet mit
einer gesunden Skepsis all das, was sich als
sogenannter Fortschritt ausgibt, und wird
fähig sein, die Spreu vom Weizen zu unter-
scheiden.
Wir müssen diese Denkhaltung ent-
wickeln und fördern, wenn wir nicht ver-
amerikanisieren wollen. Wir finden sie noch
am stärksten im gesunden Bauerntum,
wenigstens dort, wo es noch nicht durch
die Verstädterung angekränkelt ist; wir
vermuten sie aber auch überall dort,
wo echte Kulturleistungen erbracht werden.
Auch in der Stadt muß sie entwickelt wer-
den, die, solange sie sich vor der Ver-
massung bewahrte, größte Kulturleistung
erbracht hat. Aber wie die Träger der
Kultur auch in der Stadt biologisch aus dem
Bauerntum stammen, ist dieses vorzüglich
Träger jener Denkhaltung, die der einzige
Weg unserer geschichtlichen europäischen
Kulturaufgabe ist. Nur die vom National-
Sozialismus geforderte bäuerliche Denk-
haltung befreit und entgiftet die moderne
Entwicklung von der Amerikanisierung.
Die Bildung der Amerikaner ist eine bloß merkantile, eine
| technische. Hier entfaltet sich der „praktische Mensch” in
seiner furchtbaren Nüchternheit. Was wir Vaterland nennen,
ist hier bloß eine Vermögensassekuranz. Der Amerikaner
sieht nichts als nur Geld; er hat keine Idee; folglich ist der
Staat für ihn kein geistiges Institut (Vaterland), sondern nur
eine materielle Konvention.
Der Dichter Nikolaus v. Lenau (1852)
K
et? — ñU. . —— . —— A7 00
A e each S
Wi 5 4 ti
i 2 Si . H & cu Ges A8
DH — " + eg — DET s=-
` S we e y
Pë = — —— — ——— oo
` y HIE SE SS age E `
e, "e a e -x Ca e S S
' NZ: MV ee Ee Ee ) -
“
` zem | wem —
—— ss
u — — l
5
f
j
|
|
|
—
———
r -
— — a a á
— — e ën au Em
ME ba. m me pu nn am
PETER VON WERDER:
8
Verstädtertes
~
und ländliches Lebensgefühl
Der folgende Beitrag stellt einen Auszug aus dem
Schlußkapitel eines neuen Buches dar, das Dr. von
Werder demnächst unter dem Titel „Die Landflucht als
seelische Wirklichkeit“ im Schwarzhäupter-Verlag,
Leipzig, erscheinen läßt. Nach der Darstellung der
modernen Landflucht als eines im Grunde seelischen
Vorgangs entwickelt der Verfasser in diesem Buch,
unter gleichzeitiger Forderung nach einer besonderen
Landvolkpsychologie und an Hand von praktischen
Beispielen, die Grundlagen einer seelischen Landilucht-
therapie.
De Gegenwart erwächst mit dem Vorhanden-
sein von Verstädterung und Entländlichung
eine Fülle von Einzelproblemen materieller wie
ideeller Art. Je tiefer die technische Struktur
unseres Zeitalters den modernen Menschen er-
faßt, desto dringlicher wird ihre Lösung, wenn
das Schicksal des „Zauberlehrlings“ vermieden
werden soll. Zweifellos hängt Erfolg oder Mib-
erfolg bei dieser Aufgabe von der Art ab, in der
sie begriffen wird. Denn Romantik oder Kultur-
pessimismus liegen, in welcher Verkleidung
auch immer, gerade angesichts der Landflucht
gefährlich nahe beieinander und lenken von der
Grundfrage ab. Dieselbe besteht darin, daß die
Landflucht als soziale Krankheit mehr ist als
eine seelische Erscheinung, die für sich selbst
betrachtet werden darf. Darüber hinaus ist sie
eine Teilerscheinung in einem großen psycho-
logischen Gesamtprozeß. Als solche vermag man
sie erst richtig einzuordnen, wenn man sie als
ein Ergebnis der seelischen Entwicklung des
modernen Menschen im Raum der Zivilisation
überhaupt versteht.
Eine derartige Entwicklung ist nur insofern
vorstellbar, als man einen Anfangszustand und
einen Endzustand für ihren Ablauf annimmt. Ihr
Anfangszustand ist durch das Land und
seine ursprüngliche Lebensform, ihr End-
zustand ist durch die moderne Stadt und deren
Lebensform gegeben. Zwischen Anfang und vor-
läufigem Ende findet die gemeinte Entwicklung
statt. Ihre einzelnen Phasen sind uns erst unvoll-
kommen bekannt — in ihrer Verursachung, in
ihrer Erscheinungsweise, in ihrer Gestalt und in
ihrem Zusammenspiel. Es bedarf folglich
der eingehenden psychologischen Erforschung,
warum, wodurch und wie sich der Ubergang von
der einen in die andere Lebensform vollzieht.
Vor allem aber bedarf es auch der Klärung,
was diesem Übergang letztlich zugrunde
liegt. Denn beide Lebensformen, die ländliche
wie diejenige der modernen Stadt, sind in ihrem
eigentlichen Gehalt nicht durch eine summative
70
Aneinanderreihung von äußeren Merkmalen zu
begreifen, sondern einzig von ihrer see-
lischen Beschaffenheit als Ganzes her.
Nicht die Außenseite also, sondern die Innen-
seite führt zum Kern, dieser zwei grundlegenden
Lebensformen, den man als ihr spezifisches Le-
bensgefühl bezeichnen kann. Das Lebens-
gefühl darf als seelischer Ausdruck der Le-
bensform gelten: erst das Lebensgefühl gibt die
Impulse, die aus der Lebensform lebendige
Wirklichkeit werden lassen. Als solches stellt
das Lebensgefühl gleichsam den Quell der
menschlichen Haltung dar, die sich in
der jeweiligen Lebensform verwirklicht. Es bil-
det auf diese Weise das innere Zentrum,
von dem aus sich alles menschliche Tun zur
geschichtlichen Gestalt formt. Deshalb kann
man auch das Problem der Landflucht kaum mit
Aussicht auf konkreten Ertrag erörtern, wenn
man sich nicht um eine Erkenntnis des in iht
wirksam werdenden Lebensgefühls bemüht.
Ehe wir in dieser Absicht den Versuch unter-
nehmen, das Lebensgefühl der beiden genannten
Lebensformen näher zu kennzeichnen und von-
einander abzugrenzen, müssen wir uns aber klar-
werden, daß der Gegensatz von ländlichem und
städtischem Lebensgefühl im Rahmen unse-
rer Betrachtung keine Berechtigung hat. Der
unserem Gedankengang entsprechende Gegen-
satz heißt vielmehr: ländliches und verstäd-
tertes Lebensgefühl. Denn auch in der Stadt
der Gegenwart kann erfahrungsgemäß einer
mehr oder minder großen Zahl von Menschen
ein Lebensgefühl eignen, das demjenigen des
Landes ähnlich, ja in manchen Punkten sogar
gleich ist. Erst wo unter modernen Existenz-
bedingungen die seelische Verfassung im stren-
gen Sinne verstädtert, tritt dem ländlichen auch
ein verstädtertes Lebensgefühl entgegen.
Das verstädterte Lebensgefühl erwächst aus
einer inneren Situation, deren Wesen in einer
unheilvollen Kluft zwischen Bewußtsein
und Unterbewußtsein beruht. Diese Kluft
tritt in mannigfacher Weise zutage und ent-
steht auf dem Boden eines Zerfalls der leib-
seelischen Einheit des Menschen. Mit der fort-
schreitenden Zivilisation tut nämlich der mensch-
liche Körper, wie man sagen kann, für sich allein
zunehmend mehr, als die menschliche Seele
mitzuerleben und gutzuheißen vermag. Je me
chanischer vor allem die beruflichen Tätigkeiten
a ——a—ͤ———ñ— ͤ ͤ'z2ͤʒ̃ʒ 1—.u.²ͤn!ͤ1!1———ñx?xñxñäñĩ *
des modernen Menschen werden und je mehr an
Raum und Zeit das mechanische Tun auch im
nichtberuflichen Bereich beansprucht, desto
schlechter kommt dabei die Seele in ihren unbe-
wußten Tiefenschichten weg. Indem die Zivili-
sation in unerschöpflicher Fülle Arbeitsauf-
gaben über Arbeitsaufgaben stellt, die vornehm-
lich Bewußtheit und Wachsein, Verstand und
Überlegung erfordern, desto mehr und häufiger
zwingt oder verleitet sie den Menschen zu
„seelenlosem“ oder „entseeltem‘ Tun.
Die ganze Arbeit der Zivilisationsberufe hat
denn auch, verglichen mit der Arbeit der Ur-
berufe, einen eigenartig abgeleiteten Charakter.
Sie versetzt die ihr verpflichteten Menschen in
eine Atmosphäre der Mittelbarkeit und
bringt sie in ein gewisses Zwielicht der un-
eigentlichen Betätigung. Die beruflichen Auf-
gaben haben keine unmittelbar selbstverständ-
liche Natur mehr, sondern dienen zum großen
Teil bloß der Vermittlung. Ihr Sinn ist nicht von
vornherein anschaulich und damit überzeugend
zu erleben, sondern immer mehr nur durch ab-
strakte Vorstellungen zu gewinnen. Der Mensch
übersieht in der Regel nicht das Ganze seiner
beruflichen Anstrengungen, sondern lediglich
einzelne Bruchstücke. In dieser sozusagen halb-
fertigen Welt muß er deshalb notgedrungen
dauernd seinen Verstand zu Hilfe
rufen, um dem naturhaften Drang nach Ganz-
haftigkeit seines Lebens nachzukommen. Letz-
teres gelingt ihm aber immer weniger, je mehr
Zeit und Energie die Bewältigung seiner zivili-
satorischen Aufgaben verlangt. So kommt es
dann schließlich zu dem mechanischen Tun, das
Körper und Seele nicht mehr in jener engen
Beziehung zueinander beläßt, die zur vollen
Gesundheit beider notwendig ist.
Sowohl in ihrer Gesamtheit als auch in ihren
Einzelheiten betrachtet, ist die Leistung der
technischen Zivilisation für sich ge-
nommen weder sonderlich moralisch noch son-
derlich unmoralisch. Hinsichtlich des von ihr
bewirkten Effekts für den modernen Menschen
indessen hat sie unleugbar eine positive und
eine negative Seite. Beide gilt es unbefangen
zu sehen, wenn man der Wirklichkeit im Urteil
und im Handeln gerecht werden will. Denn die
nur mit höchster intellektueller Anspannung zu
meisternde Zivilisation und insbesondere ihr
Kernstück, die moderne Technik, ist einmal ein
Zeugnis menschlicher Schaffenskraft
und ein Beweis menschlichen Scharfsinns. Zum
anderen aber bedeutet sie auch eine ständige
Cefährdung des Menschen als In-
stinktwesen, und zwar durch die einseitige
Benutzung der rationalen Kräfte seines see-
lischen Haushalts. Angesichts der Doppelpolig-
keit des menschlichen Seelenlebens, das Ver-
stand und Gefühl umfaßt, wird deshalb die große
Frage nach der Zukunft der Zivilisation oder
vielmehr nach der Zukunft des Menschen in der
Zivilisation dahin zu beantworten sein, daß
zwischen Bewußtsein und Unterbewußtsein, In-
tellekt und Instinkt, Verstand und Gefühl ein
Verhältnis relativer Ausgewogenheit
herrschen muß. Je kälter das Verstandesleben
wird, desto wärmer muß das Gefühlsleben sein.
Je mehr Raum die intellektuellen Vollzüge
beanspruchen, desto nachhaltiger müssen die
ohnehin kurzen Gefühlserlebnisse sein.
Mit anderen Worten: je weiter die Zivilisation
voranschreitet, desto dringender wird die
Notwendigkeit eines Ausgleichs und
desto zwingender wird die Schaffung von ent-
sprechenden Ausgleichsmitteln. Unterbleibt die
systematische Konsequenz aus dieser Notwen-
digkeit, dann droht Gefahr. Wird die innere
Gleichgewichtslage zwischen den rationalen
Kräften der „Höhe“ und den emotionalen Kräf-
ten der „Tiefe“ allzulange und auf Dauer gestört,
überwiegt also im seelischen Geschehen die
Welt des Verstandes, des Bewußtseins, des In-
tellekts oder wie immer man die rationale Seite
des menschlichen Seelenlebens bezeichnen mag,
so widerlegt sich die Zivilisation am Ende im
und am Menschen selber. Die ihr drohende Ge-
fahr besteht dem Prinzip nach in einer Ent-
wurzelung, die alle Gebiete des indi-
viduellen und sozialen Daseins und
Verhaltens ergreifen kann. In Erschei-
nungen wie dem Marxismus und Liberalismus ıst
sie bereits weithin sichtbar aufgetreten. Aber
auch die Landflucht gehört zu diesen Er-
scheinungen, in denen sich eine zu weite Entfer-
nung von den Ursprüngen des Tuns und Lassens
ausspricht, die den natürlichen Forderungen des
Lebens zuwiderläuft. Gehandelt wird zwar nach
wie vor auch von dieser seelischen Verfassung
aus, aber unbewußt vom falschen Ansatz her
und folglich mit falschem Ergebnis. Denn nun
wird ja das Unterbewußtsein in gefährlicher
Weise frei, wird ungebunden und steuerlos und
kann unerwartet eruptionsartig hervorbrechen
aus der mißachteten Tiefe, ahnungslos gegen-
über den Formen echter Kultur, in der rationale
und emotionale Kräfte, Bewußtsein und Unter-
bewußtsein zum Einklang kommen.
Aus dem dargelegten Entwicklungsgang see-
lischer Art folgt, daß die Grundposition des ver-
städterten Lebensgefühls das Machen ist — und
zwar im Sinne eines mehr oder weniger scharf
ausgeprägten Gegensalzes zum Wachsen, dus
die entsprechende Grundposition des ländlichen
Lebensgefühls bildet. Tun und Handeln, Lassen
und Beiseitestehen erfolgt bei diesem Lebens-
gefühl aus der unbewußten Annahme heraus,
daß alles gemacht werden kann. Damit ver-
drängt eine wesentlich künstliche Vorstellung
vom Charakter der Dinge die natürliche Vor-
stellung, derzufolge alles wächst, sich ent-
wickelt, groß wird. Genauer gesagt, die Vor-
stellung vom künstlichen Charakter der für den
Menschen bestehenden Welt überlagert die
frühere natürliche Vorstellung. Denn zweifellos
weiß auch der Mensch mit verstädtertem Le-
71
bensgefühl, daß es Wachstum gibt. Aber er ver-
hält sich gerade auch. im sozialen Leben der
modernen Stadt unbewußt immer mehr so, als ob
alles künstlich und auf rationalem Wege ge-
macht werden könnte.
Eine solche Ausgangslage legt ihm die Zivilisa-
tion beinahe auf Schritt und Tritt so nahe, daß
er ohne die Fähigkeit zur kritischen Betrachtung
kaum anders kann, als sie über kurz oder lang
unbesehen anzunehmen. Das beginnt schon bei
der untersten und ursprünglichsten Erfahrungs-
stufe des täglichen Lebens, bei der Ernährung,
wie die moderne „Konservendosenkultur” bei-
spielhaft zeigt, bei der die weitgehend denatu-
rierteNahrung künstlich erwärmt wird, nachdem
sie beim ursprungsfernen Verteiler erworben
wurde. Bereits beim Kinde der modernen Zivili-
sation wird diese denaturierte Ernährungsform
angewendet, deren physiologische Wirkungen
uns bisher bekannter sind als die sicherlich
gerade auch im Unbewußten vorhandenen psy-
chologischen Wirkungen.
Dieser Mangel an anschaulicher Einsicht in
den Vorgang des natürlichen Wachsens und
Werdens setzt sich dann in zahllosen Varianten
bis in die höheren und höchsten Stufen der Er-
fahrung fort. Außerordentlich verstärkt wird
die damit gegebene psychologische Verfassung
ferner durch den Eindruck der durchaus künst-
lichen Umwelt der modernen Zivilisation, die
das Wuchshafte nach Möglichkeit ausschaltet
oder doch mit dem Schein der Künstlichkeit
umkleidet. Von morgens bis abends, bei Arbeit
und Muße, durch Monate und Jahre hindurch
beherrschen mit geringen Unterbrechungen also
die Einflüsse des künstlichen Machens den mo-
dernen Menschen bis in die Tiefe, der selber in
der Regel „macht“ und nicht mehr in einem
organischen Wachstumsvorgang tätig ist, dem
er gleichsam nur zu seiner Vollendung hilft.
Es leuchtet ohne weiteres ein, daß dies alles
nicht ohne tiefe Folgen für das gesamte Lebens-
gefühl bleiben kann. Das konkrete, in dauernder
Erfahrung bestätigte und daher lebendige Wesen
um das Wachsen als Grundvorgang des Lebens
weicht zunehmend einem abstrakten, nur noch
spärlich erfahrbaren und‘ daher unlebendigen
Wissen um diese Voraussetzung gesunder
Existenz. Der Mensch fühlt sich infolgedessen
nicht mehr in die ihm übergeordneten
Zusammenhänge eingeordnet und ein-
gebettet, sondern er steht gleichsam immer
öfter draußen und allein da, verliert meist
unbemerkt den Kontakt mit dem Gewachsenen
und Natürlichen und überschätzt alles Künst-
liche und Gemachte als das eigentliche Element
seines Lebens, das es doch in Wahrheit niemals
zu sein vermag. Aus der einstigen Höhenwelt
des Verstandes wird ohne den ständigen Bezug
zur Tiefenwelt der Instinkte und Gefühle, des
Ursprünglichen und Unbewußten eine Welt der
Oberfläche, der eine steuerlos werdende Welt
72
stalt einer
unterbewußter Triebhaftigkeit entspricht — dies
ist etwa im Extrem die sozialpsycholo-
gische Situation Nordamerikas, wo das
verstädterte Lebensgefühl bis in die Methoden
der Kriegführung hinein jenes Nebeneinander
von höchster zivilisatorischer Entwicklung und
äußerster seelischer Barbarei umfaßt, das auf
eine tiefe Kluft zwischen Bewußtsein und Unter-
bewußtsein schließen läßt.
Im Bereich des individuellen Lebens führt
diese seelische Verfassung des verstädterten
Lebensgefühls außer zur Vereinzelung und Ver-
einsamung zu einer weitgehenden charakter-
lichen Indifferenz. Sie tritt sowohl in Ge-
zunehmenden äußeren und
inneren Schablonenhaftigkeit der
Menschen in Erscheinung als auch in Gestalt
einer zunehmenden Unbekümmertheit ge-
genüber charakterlichen Schwächen
bei sich und anderen. Je größer die Zahl der
Menschen wird, mit denen der verstädterte
Mensch lebt, desto weniger kümmern ihn ihre
Schwächen, desto weniger sieht er aber auch
eigene Schwächen, für die es zahllose Erklärun-
gen und Entschuldigungen gleichsam situations-
technischer Art gibt. Wille und Verstand
werden eben von der Zivilisation so stark an-
gesprochen, daß ihr Regiment alle Korrekturen
aus tieferen seelischen Bereichen zu verhindern
neigt. Hier liegt die psychologische Wurzel für
die Tatsache der modernen Korruption im wer-
testen Sinne dieses Wortes, die zwar nicht von
ungefähr im zivilisationssüchtigen Nordamerika
ihren besten Nährboden gefunden hat, aber auch
anderswo stets ein verläßliches Kennzeichen
dafür ist, daß der ihr erliegende Mensch von
einem verstädterten Lebensgefühl bestimmt wird.
Und im Bereich des sozialen Lebens läßt das
verstädterte Lebensgefühl die Überzeugung ent-
stehen, daß das Zusammenleben der Menschen
lediglich Gegenstand einer vollendet mecha-
nischen Regelung zu werden braucht, um seine
eigentliche Höchstform zu erreichen. Gemein-
schaft, Volk und Rasse haben als eine Art von
Wachstumsbegriffen im Dunstkreis dieses Le-
bensgefühls keine Bedeutung, wohl aber Gesell-
schaft, Menschheit und Masse, also Begriffe, die
nichts Wuchshaftes enthalten. Infolge dieser
Anschauung, die das Seelische praktisch aus
dem sozialen Leben verbannt und statt dessen
Zweck und Nutzen einsetzt, ergibt sich erst die
Möglichkeit zu jenen großen Kollektiv-
erkrankungenseelischer Art, von denen
nicht nur im Hinblick auf die Landflucht wieder-
holt die Rede war. Auch hier ist die innere Ver-
wandtschaft zwischen dem zivilisatorischen
Denken und den angedeuteten Gegensätzen
jener sozialen Wachstumsbegriffe offenbar.
Die fabrikatorische Eigenart des zivilisato-
rischen Denkens, die eben durch die ständig vor-
dringende Vorstellung des Machens gegeben ist,
beeinflußt die Menschen mit verstädtertem Le-
deg
H -
T — mt dE 0 0 ““b l e wm ee — Eh ͥ́ͥ́ͤ—ͤ—ͤ— ——az — wn
— — — — — — — — mg, ———— © —.— — — e — ere-
CS,
blad
-
<
~a
2
am
L
Z
72
Ge
— —
zig
Gagn, vk A. ees — —
ep —— >
Der bisherige Verwalter, Bauer Hoffmann, überreicht dem neuen Hofbesitzer
vor dem Betreten des Hauses als symbolische Ubergabe Salz und Brot. —
Ein Landdienstmädel übergibt den Erntekranz
——
*
e .
5
e u Re e E. — — — ——— Fe - Wb
An ——— —— E "TT "ST" 7e -
— e em e - e e
— D = - —— BZ? — — — — — emm — >æ 2 — wm Ta - - *
WW ährend noch die Schlachten an allen Front
ausgefochten werden, hat es sich die Heimat ur
vordringlichen Aufgabe gemacht, ihren Dank de:
kämpfenden Soldaten in der ständigen Hilfe gen
Kriegsversehrten gegenüber abzustatten. Der Sold
der seinen Eid auf Führer und Volk mit seine
ganzen Einsatz und mit der Hingabe von Piot
kräftigt hat, der sich draußen an der Front bewäl
und über das Maß der täglich aufs neue bewies
Tapferkeit jedes einzelnen hinaus hervorrag:
kühne Taten vollbrachte, muß und wird den D
der Heimat spüren.
Im Reichsgau Wartheland wurde der Anfang
macht, Kriegsversehrte dieses und des vorigen)
krieges auf selbständigen Höfen cinzuse
und da leistet auf den Bauernhöfen des
schon so mancher Kriegsversehrte, der ber 0
den Fronten mit dem Schwerte siegreich
mit dem Pflug auf deutscher Scholle neue
Kampf um Deutschlands Freiheit.
In diesen Kreis der jungen und alten np
deutschen Boden tritt nun ein neuer, hervon
bewährter Soldat dieses Krieges, ein alter pol
Soldat des Führers, Oberbannführer der Hitler
Eichenlaubträger Hauptmann Gerhard Heii
kürzlich vom Gauleiter des Reichsgaues Wa
Greiser, den Bauernhof Wollheim im Kreise 0
als Geschenk überreicht bekam. Diese
schenk soll als Symbol für alle deut
Soldatengelten; mit ihm will das Wa
einen Teil seiner Dankesschuld abtragen
Gau dem Führer für die Befreiung dieses
schuldig ist. Denn nur der Pflug zusammen 1 mi
Schwert sind und werden in der Lage seim, $
tonte Gauleiter Greiser bei der Geschenkü
diesen hart umkämpften Boden als Zukunf
unseres Volkes zu sichern. Mit der UÜbergabi
Bauernhofes an diesen vorbildlich soldat
Kämpfer bringt das deutsche Volk und der Rem
gau Wartheland seine tiefe Verbundenheit und seine
großen Dank dem deutschen Soldatentum gegenüb®
zum Ausdruck.
w
mit den Pferden
—
=
En
E
—
GH
de
—
Q
m
a
—
— e —u—
ee De
* 2
—
—
2 ——— EE nd
— nun
Eichenlaubträger Hauptmann Hein trägt kämpferischen
Grenzlandgeist in sich; er wurde im Jahre 1916 als Sohn
eines oberschlesischen Bergmannes in Klein-Panie ge-
boren. Schon während der Schulzeit hat er als HJ.-
Führer in der Arbeit an der deutschen Jugend seine
Pflicht erfüllt. Seine landwirtschaftliche Ausbildung erwarb
er sich auf einer Landjahrschule. Auch hier erwies er
hervorragende Befähigung, so daß er nach Abschluß des
Lehrganges als Landjahrführer-Anwärter angestellt, nach
kurzer Zeit zum Landjahrgruppenführer und nach weiterer
Bewährung zum Lagerführer befördert wurde.
Das Ritterkreuz errang sich Hauptmann Hein im West-
feldzug als Unteroffizier in einem Schleswig-Holsteinischen
Grenadierregiment, wo er sich bei den Kämpfen um St. Evre
durch besondere Tapferkeit auszeichnete. Auch den Ost-
feldzug hat Gerhard Hein von Beginn an mitgemacht und
sich dort ebenfalls in jeder Kampflage als umsichtiger und
draufgängerischer Führer bewährt. Seine hervorragenden
Leistungen wurden mit den höchsten Tapferkeitsauszeich-
nungen belohnt; er erhielt als erster Infanterieleutnant des
Heeres das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen
Kreuzes.
Zur Feier der Übergabe des 300 Morgen großen Bauern-
hofes an Hauptmann Hein war der schöne große Innenhof
dicht gefüllt mit Menschen. Da
war die Parteiführerschaft des
Kreises Gnesen, die dem alten
politischen Soldaten ihren Gruß
entbot, es waren in dichten
Reihen die Jungen und Mädel
des Landjahres und Landdien-
stes der Hitler-Jugend ange
treten, die dem Oberbannführer
ihre Ehrung bezeigten; es hatten
sich die im Umkreis von Gnesen
bereits eingesetzten Kriegsver-
sehrten eingefunden, um ihren
neuen Kameraden zu begrüßen,
und neben der Belegschaft des
Bauernhofes waren ansässige
Der junge Wehrbauer und seine Fres
bei einem Rundgang durch den neuen Hot
Bauern und Bäuerinnen in große
Zahl erschienen, um dem junge
Wehrbauern die Hand zu drücke
Ein tapferer Soldat, ein hervo
ragender Führer und sympaiki=
scher Mensch —, das ist Gerharz
Hein, der nun als Wehr baue
seinen Dienst an der deutsche
Scholle antritt, um den mit BE
erkämpften Boden im Osten zu
deutschen Bauern- und Heim
land zu machen.
Lotte Will
iers A ba
-
ET
bensgefühl so sehr, daß sie sich. auch in ihrem
sozialen Verhalten und Handeln nach ihm rich-
ten: das soziale Problem wird wesent-
lichzueiner Frage des bloßen Machens
und der künstlichen Regelung nach
dem Gebot der Zweckmäßigkeit und
der Nützlichkeit. Und auch hier rächt sich
die einseitige Betonung von Wille und Verstand
in bezeichnender Weise. Es löst nämlich im
Banne dieses Lebensgefühls nicht bloß eine
soziale Krise die andere ab, es weicht nicht nur
die natürliche Gläubigkeit an nationale Werte
einem zunehmenden Skeptizismus gegenüber
nationalen Verpflichtungen, wie die Geschichte
der modernen Demokratie zeigt, sondern es
werden auch immer mehr intime soziale
Grundbeziehungen der Menschen me-
chanisiert und damit seelisch aus-
gehöhlt. Auf diese Weise bewirkt das ver-
städterte Lebensgefühl im Verein mit der cho,
rakterlichen Indifferenz, die es im individuellen
Bereich nach sich zieht, eine innere Entleerung,
die nach einer rigorosen Kräftigung durch das
ihm entgegengesetzte Lebensgefühl verlangt.
Wie bereits aus der bisherigen Schilderung
hervorging, ist dieses ländliche Lebens-
gefühl von Grund auf anderer Natur.
Daß es nicht ans Land als solches gebunden ist,
sondern ebenso unter städtischen Verhältnissen
zu gedeihen vermag, wurde bereits erwähnt.
Man braucht gar nicht so weit in die geschicht-
liche Vergangenheit hinabzusteigen, um dort
noch umfangreiche Beweise für das natürliche
Wesen auch des städtischen Lebens zu finden —
die seelische Verstädterung mit ihrer zwangs-
läufigen Mechanisierungstendenz ist eben erst
eine moderne Erscheinung. Und die bereits Ge-
schichte gewordene deutsche Gegenwart be-
weist gleichfalls mit dem Erstarken des natür-
lichen Denkens auf den verschiedensten Gebie-
ten, daß ein nichtverstädtertes und d. h. eben ein
ursprüngliches, im Kern ländlich bestimmtes
Lebensgefühl auch unter zivilisatorischen Ver-
hältnissen bestehen kann. Die moderne Stadt
macht seine Erhaltung bloß im Gegensatz zu
früher zu einer lebensgesetzlichen Aufgabe.
Die Darstellung des ländlichen Lebensgefühls
befindet sich von vornherein ganz anderen
Schwierigkeiten gegenüber als die Darstellung
des verstädterten Lebensgefühls. Denn die
innere Geschlossenheit der Lebensform, die von
diesem Lebensgefühl erfüllt wird, ist einer be-
grifflichen Aufteilung nur bedingt zugänglich.
Während bei der Beschreibung des verstädterten
Lebensgefühls die ihm zugehörige Lebensform
gerade infolge ihrer besonderen Eigenart, jener
Bruchstückhaftigkeit, der zergliedernden Er-
kenntnis entgegenkommt, verhält es sich beim
ländlichen Lebensgefühl genau umgekehrt. Aber
mit der einfachen Feststellung, daß es sich bei
letzterem eben im wesentlichen um das Gegen-
teil des ersteren handelt, kann es trotzdem nicht
sein Bewenden haben, so zutreffend diese Fest-
stellung auch sein mag. Dringen wir über sie
hinaus, so stoßen wir gleich auf die grund-
legende Eigenschaft des ländlichen Lebens-
gefühls, die in seinemorganischenCharak-
ter besteht. Ihm entspricht die innere Gestalt
der ländlichen Lebensform, die sich stets als ein
natürliches Ganzes darstellt, von welcher
Seite man sie auch zu erfassen sucht. Die ein-
zelnen Teile dieses Ganzen, die nur auf begriff-
liche Weise voneinander zu scheiden sind,
stehen stets in einem engen, wuchshaften Zu-
sammenhang miteinander. Anders als beim
städtischen Leben wird man daher beim länd-
lichen Leben immer wieder von den Teilen zum
Ganzen geführt. Daraus ergibt sich denn auch
die entscheidende Grundposition des ländlichen
Lebensgefühls, das Wachsen.
Das ländliche Lebensgefühl wird nicht von der
Vorstellung getragen, daß im Grunde alles
künstlich gemacht werden kann und gemacht
worden ist, sondern hier ist in allem Tun und
Lassen die schweigende Überzeugung lebendig,
daß im Grunde alles organisch gewachsen ist
und wächst. Das Wachsen als Grund-
vorstellung für alles, was ist, durchzieht
sämtliche Außerungsformen dieses Lebens-
gefühls, von der untersten bis zur höchsten Stufe
der Erfahrung. Dadurch wird allem künstlich
Gemachten von Anfang an ein bestimmter Rang
zugewiesen, demzufolge es nach dem wuchshaft
Gewordenen rangiert. Und zwar geschieht dies
nicht etwa auf Grund bewußt angestellter Uber-
legungen, sondern eben unbewußt als selbstver-
ständliche Folge eines Lebensgefühls, das selber
nur Ausfluß einer inneren Einheit mit Werden
und Entwicklung ist. Ländliches Lebensgefühl
verfährt also bei der Einschätzung des Gewach-
senen und des Gemachten, wie man sagen kann,
nach einer natürlichen Aufbaulehre des
Seins, in der das Wachsen vor dem
Machen kommt. Das ist bloß durch einen
weitgehenden Einklang zwischen Bewußtsein
und Unterbewußtsein möglich und auf der Basis
einer leibseelischen Einheit, die dem Menschen
innere Ruhe und Festigkeit gewährt. Im Rah-
men dieses Lebensgefühls tut gewissermaßen
der menschliche Körper nur oder doch vorwie-
gend nur so viel, wie die menschliche Seele mit-
zuerleben und gutzuheißen vermag. Den Boden
dazu liefert die ländliche Arbeit und das ge-
samte ländliche Leben selber, das für den länd-
lichen Menschen von Kindesbeinen an konkret
und anschaulich beschaffen ist. Deshalb ist es
auch in der Lage, den naturhaften Drang
nach Ganzhaftigkeit zu befriedigen
und zu erhalten, der im Menschen als see-
lische Notwendigkeit angelegt ist und bloß bis
zu einer gewissen Grenze ohne Schaden unbe-
rücksichtigt gelassen werden kann.
In Ubereinstimmung mit der Grundvorstellung
dieses Lebensgefühls kann es hier wenigstens
prinzipiell auch kein „seelenloses“ oder „ent-
seeltes“ Tun geben. Wo der zivilisatorische
73
ne A ET Se —
M — ADR weer Ge —
- -
1
H)
4
Ir
AM
H
H
1
Í I
`
É
4
EE U nn nn ` e e ee er" —
KC dee
LER
N Hr V Ki g: MEE SEH 5
ANY GH SC
— : 1
A"
Fortschritt dennoch Ansätze dazu aufs Land
bringt, da reagiert das ländliche Lebensgefühl
ganz folgerichtig darauf. Alles Mechanische
wird nämlich von diesem Lebensgefühl aus be-
wußt oder unbewußt lediglich als Hilfs-
mittel gewertet, das niemals zum Selbst-
zweck wird. Während es beim verstädterten
Lebensgefühl gleichsam im Mittelpunkt des In-
teresses steht, steht es beim ländlichen Lebens-
gefühl stets mehr oder weniger an der Peri-
pherie, ohne daß eine innere Beteiligung an
seinem Vorhandensein eintritt wie dort. Dort
wird dietechnische Zivilisation und das heißt das
künstlich Gemachte vielfach zwangsläufig zum
Wesen des modernen Lebens, dem der Mensch
in zahllosen Berufen dient. Hier aber bleibt das
Wesentliche unverrückbar die lebendige Natur
und das heißt das organisch Gewachsene. Dem-
gemäß sieht sich der Mensch dort den Dingen
der Erscheinungswelt gegenüber, ist hier
aber in die gewordene und werdende Welt der
Erscheinungen eingefügt, eingebettet
undeingeordnet. So fließend der darin zum
Ausdruck kommende Gegensatz in der Wirklich-
keit auch oft sein mag, man kann ihn sich gar
nicht als bedeutsam genug vorstellen, denn er
greift schlechterdings überall hin, wo sich
menschliches Leben regt. Alle Erfahrung wird
von ihm aus bestimmt, alles Tun erfährt von ihm
‚aus seine Sinngebung nach der einen oder an-
deren Seite, ohne daß sich der handelnde Mensch
darüber im klaren zu sein braucht. Das gilt für
das soziale Leben wie für das individuelle, tür
Arbeit und Muße, für Sitte und Glauben des alten
und des jungen Menschen beiderlei Geschlechts.
Hinsichtlich der Entwicklung des Lebens-
gefühles vermögen wir nunmehr zu erkennen,
wiesich mitundinderLandfluchteine
allmählich fortschreitende Verdrän-
gung des ländlichen durch das ver-
städterte Lebensgefühl abspielt. Die
Vorstellung, daß alles wächst, wird durch die
Vorstellung ersetzt, daß alles gemacht worden
ist und gemacht werden kann. Oder vorsichtiger
ausgedrückt: das Machen beschäftigt den Men-
schen bewußt oder unbewußt mehr als das
Wachsen. Ohne daß er die Vorstellung vom
organischen Wachsen der Dinge völlig aufzu-
geben braucht, tritt die Vorstellung des künst-
lichen Machens mehr und mehr in den Vorder-
grund und nimmt schließlich den ersten Platz
in seinem Seelenleben ein. Damit vollzieht sich
eine Entwicklung, die das gesamte menschliche
Verhalten bis in die Tiefe beeinflußt und bestimmt.
Wird dort, aus dem ländlichen Lebensgefühl
heraus, unter der Vorstellung des Wachsens
gehandelt, so wird hier, aus dem verstädter-
ten Lebensgefühl heraus, unter der Vorstellung
des Machens nur getan. Handeln und bloßes
Tun unterscheiden sich in diesem Sinne wesent-
lich voneinander, wenn man ihre seelische Be-
gründung ins Auge fat. Das Handeln besitzt
jenen im großen wie im kleinen ganzheitlichen
74
PER E Ze
CS FIR,
| an Ei Ki Sie
Charakter, der aus einer erlebten Eins cht in de a `
ganzen Sinn der Handlung und ihres c schen
Zusammenhangs zwischen. Ane ` End-
stadium entsteht. Das bloße Tun jedoch hat
jenen bruchstückhaften Charakter, der auf einen
Mangel an solcher Einsicht zurückgeht. Hier
wird also kein organischer Zusammenhang mehr
zwischen Anfangs- und Endstadium erlebt, son-
dern höchstens eine rationale Beziehung zwi- `
schen Ursache und Wirkung gesehen. |
Ein untrügliches Zeichen für den in der F
unbemerkt vor sich gehenden Wechsel ee,
den beiden Vorstellungen des Wachsens und Aw:
Machens oder zumindest für das
des bloßen Tuns über das eigentliche Handeln
stellt beim ländlichen Menschen die tatsäch
liche Abwanderung vom Lande dan
Dieser Wechsel oder dieses Uberwiegen Era
denn auch dem Vorgang der inneren und äuße
ren Entwurzelung und damit dem Verlust d
Bodentreue zugrunde zu liegen. Wo nämliche e
Wachsen als Grundvorstellung vorherrscht, da
kann auch ein Heimatgefühl entstehen. Bis e
einem gewissen Grade ist das noch in der g d? D
Stadt möglich, denn selbst dort bilden 5 N
gleichsam seelische Wurzelschichten um
Wohnung im Mietsblock. Wo aber das N 1c
vorherrscht, da fehlen die Vorausset: o j
die Entstehung eines echten Heim
Denn nun ist das, was als Heimat gelten k
ja nur gemacht und kann ebenso beliebig zi
nichte wie andernorts neu gemacht w 85 m „
ohne andere Bedingung als Zweck und Nutzen.
Die Gegenüberstellung des vorsti diaa und
des ländlichen Lebensgefühls muß notwendig zu
einer gewissen Einseitigkeit führen. D Jenn
tatsächlich handelt es sich bei ihrem Grundzug
des Machens oder des Wachsens wohl im 5
nur um eine Tendenz, von einer der b —
Grundvorstellungen auszugehen. Beim Jeng e
lichen Lebensgefühl wie beim verstädterten L
bensgefühl schwingen gewöhnlich Einschlä *
auch der entgegengesetzten Art in ven jen-
ster Stärke mit. In reiner Form, d. h. als absolute
Natürlichkeit und absolute Künstlichkeit, wird
sich also in der Gegenwart weder das eine noch
das andere Lebensgefühl verwirklicht finden,
ebenso wie die entsprechenden Lebensformen
der Regel nicht rein auftreten, sondern veri
mit Wesenszügen der jeweils anderen
form. Dennoch ist der praktische Erkenntni ew
beider Arten des Lebensgefühls dadurch r icht
beeinträchtigt oder gar in Frage gestellt. Die d
Erkenntniswert besteht darin, daß wir durch d d |
Rückgang auf das Lebensgefühl Grundr sh-
tungen des Handelns und Denkens ve Bu
stehen können, die den Menschen in seiner sec-
lischen Eigenart unter dem Einfluß der mode rr n |
Zivilisation bestimmt haben und bestimm en
werden — und zwar im Sinne der Entwicklung
von einem Anfangszustand zu einem vorläufige
Endzustand. '
D
Digitized by Google i
KURT MEYER IN DER STROTH:
DAS BAUERNRECHT
ALS POLITISCHES GESTALTUNGSMITTEL
Des deutsche Mensch hat ein ausge-
sprochenes Empfinden für Gerech-
tigkeit, eine rassisch bedingte Eigenschaft,
die ihn von Angehörigen anderer Völker mehr
oder weniger stark unterscheidet. Mit dieser
rassischen Bedingtheit hängt es zusammen, daß
dieses Gefühl für Gerechtigkeit am besten im
Bauerntum erhalten ist und dort wiederum
am stärksten bei jenen gesunden Bauern, die
rassisch ausgeglichen auf leistungsfähigen
5 mit vielseitiger Wirtschaftsweise
in &chter Dorfgemeinschaft leben. Und das ist
auch erklärlich. Der germanisch - deutsche
Mensch ist von Anfang seiner Geschichte an
Bauer gewesen. Durch ständige Auslese und
Ausmerze hat sich so das Wesen des deut-
schen Menschen als bäuerlich geprägt. Zu einer
Zeit aber, in der dieses Volk nach mehrtausend-
jähriger Entwicklung und Entfaltung seit etwa
70 Jahren sich in einem für unsere moderne
Zeit so typischen Tempo vom bäuerlichen
Wesen und von bäuerlicher Lebens auffassung
vielfach weitgehend entfernt, muß das wahre
deutsche Wesen besonders klar im
echten Bauerntum in Erscheinung
treten. Das finden wir bestätigt in der deut-
schen Eigenschaft des starken Rechtsempfin-
dens.
Und weiter: das Rechtsempfinden ist in
erster Linie ein Ausfluß des Gefühls,
es wurzelt mehr im Seelischen als im Ver-
standesmäßigen. Gerade aber der Bauer lebt
mehr im Unbewußten. Die Sicherheit des Ge-
fühls ist im gesunden Bauerntum noch nicht
so „von des Gedankens Blässe angekränkelt”,
wie wir das so häufig bei städtischen Menschen
finden und wie es geradezu das Wesen des
Intellektuellen ausmacht. Der Intellektuelle
— als Gegenpol zum bäuerlichen Menschen —
gründet seine Erkenntnisse fast ausschließlich
auf den Verstand, während das Gefühl als Aus-
fluß des seelischen Erlebens bei ihm kaum noch
Platz hat. Zu dieser Art Menschen gehörte auch
jener Teil der „Juristen“, der im krassen Gegen-
satz zum Bauern meinte, das Recht ausschließ-
lich aus den Gesetzen und aus verstandesmäßig-
logischen Uberlegungen „finden“ zu können,
während der Bauer es aus dem Urquell der
Lebenseinheit end -gesamtheit „schöpft“.
Hinzu kommt endlich, daß der Bauer in einer
Umwelt lebt, in der dienatürlichen Ge-
setze des Lebens noch Geltung
haben, daß er ihnen in seiner ganzen Le-
bens- und Arbeitsweise viel stärker unter-
worfen ist als der Mensch in der Stadt. In
dem ländlichen Lebenskreis behaupten die Ge-
setze des natürlichen Wachstums, des ewigen
„Stirb und Werde“ ihren Platz und lassen sich
nicht ersetzen durch behördliche Verfügungen
und Anordnungen oder gar durch papierne
Verträge. Beispielsweise wohnt der Bauer auf
dem Dorfe nicht in einer Wohnung auf Grund
eines Mietsvertrages, sondern in einem Bauern-
hof als der angestammten natürlichen Wohn-
und Arbeitsstätte seines Geschlechtes, dessen
Glied er ist. Das besagt der alte Bauernspruch:
„Das Haus ist mein und doch nicht mein,
Du gingst hinaus, ich ging herein,
Und nach mir wird's genau so sein.“
Der Bauer arbeitet nicht irgendwo außer-
halb seiner Wohnung — wie in der Stadt —
unter Bedingungen, die in allen Einzelheiten in
einem behördlich festgesetzten Tarifvertrag
oder einem Sonderarbeitsvertrag festgelegt
sind, sondern er bearbeitet den Boden und
züchtet das Vieh unter jenen natürlichen, unge-
schriebenen Gesetzen, die einem die Natur
unerbittlich und wnabänderlich vorschreibt,
genau so, wie es schon beim Vater und Ur-
ahnen der Fall war, wenn sich deren Arbeit,
zum Teil auch unter anderen Formen und mit
anderen Geräten abwickelte. Was sich
hierbei änderte, ist höchstens die
äußere Form, nie aber das innere
Gesetz, das wir aber vielfach mit unserem
Verstand übersehen oder gar vergessen haben.
So ist der einzelne, seiner Berufung als Bauern-
sohn folgend, in den Beruf ganz natürlich
hineingewachsen, vom Kind zum Manne ge-
reift, indem allmählich aus Spiel immer mehr
Ernst wurde. Das Objekt des Spiels war beim
Kinde aber dasselbe wie später das Objekt der
Arbeit beim Bauern oder bei der Bäuerin. Des-
halb ist auch im Grunde beim Bauern die Ar-
beit — wenn sie nicht infolge Uberbeanspru-
chung zur Plage wird — noch Freude und nicht
etwas, man man gegen Entlohnung für andere
tut. Die sich aus einem Arbeitgeber- und Ar-
75
- sg
8 - -
AF — —
ke -
Ga -a - = +
—— — — — — — EEE. — e?
—. ) 8 `
8 —
CA $
e d Ae i SN
15 =} E SN ki Ze Le
Chez
A Br
X E e a
— wt N ` E TI be s
\ ` ` Ce d
p A
d A7 . u}
Eg- * ` `
>> F i `
beitnehmerverhältnis ergebenden sozialen Span-
nungen sind daher auch der Bauernarbeit und
gemeinschaft an sich fremd, weil sie unnatür-
lich sind. Erst als der Knecht und die Magd als
„Landarbeiter“ aus der Hausgemeinschaft aus-
‚geschlossen und in ein „Arbeitsverhältnis’
hineingestellt wurden, begannen diese Span-
nungen.
Es greift auch normalerweise in das Leben
Ges Bauern — im Gegensatz zum Leben des
Großstädters — nicht täglich oder stündlich
etwas ein, was den Ablauf seiner Lebensgesetze
stört oder gar hindert. Vielmehr geht alles
seinen natürlichen Gang. Jede empfindliche, ja
sogar vernichtende Störung, wie Blitzschlag,
Brand, Hagel oder Seuche, ist selbst ein Teil
der Gesetzmäßigkeit der Natur und
wird daher auch als solche mit einer Selbst-
verständlichkeit hingenommen, die dem städti-
schen Menschen unverständlich ist und ihn
leicht veranlaßt, den Bauern gefühllos, ja roh
zu finden, ihm also gerade das abzusprechen,
was dem Städter selbst in Wahrheit am meisten
fehlt.
Alles das ist es, was dem Bauern, dem bäuer-
lichen Menschen überhaupt das ihm eigentüm-
liche Rechtsempfinden bewahrt hat. Alles das
ist es aber auch, das solchen Menschen Ruhe
und Sicherheit, Stolz und Freude, Mut und Be-
harrlichkeit, Selbstbewußtsein und Gemein-
schaftsverbundenheit vermittelt. Das bäuerliche
Rechtsempfinden ist daher engstens mit all den
Werten gekoppelt, die das Leben des Bauern
ausmachen. Ohne diese Lebenswerte hätte der
Bauer nicht sein tiefes Gefühl für Recht und
Unrecht. Und wenn ihm sein tiefes Rechts-
empfinden abhanden käme, würden ihm diese
Werte des Lebens erschüttert sein und das
Dasein nicht mehr lebenswert erscheinen. Nur
aus dieser Schau ist derewige Kampfdes
Bauern um sein Recht zu verstehen.
Indem der Bauer für sein Recht blutet, kämpft
er um sein Leben. Tausende und aber Tausende
von Bauern sind im Kampf um ihr Recht in
den Bauernkriegen in den Tod gegangen, weil
sie ohne ihr Recht nicht leben konnten. Wie
es zu allen Zeiten war, so gibt es auch heute
noch viele Bauern, die lieber ihren ganzen Hof
verprozessieren, um ihr wirkliches oder ver-
meintliches Recht zu verteidigen, als sich von
ihrem Recht auch nur einen Deut nehmen zu
lassen. Die Gegner aber versuchten, in diese
Auffassung mit ihrem andersgearteten Geist
einzudringen, indem sie den Satz aufstellten:
„Ein Quentlein Gold wiegt mehr als ein Zentner
Recht.“ Der wahre deutsche Mensch blieb aber
seiner Auffassung treu, die ein alter Spruch
bezeugt: „Das Recht ist so heilig, daß man es
mit Kaufen nicht verunehren soll.‘ Viele
Städter aber halten heute solche Bauern für
dumm, die bis zum letzten um ihr Recht
kämpfen, da sie nicht mehr wissen, daß der
76
SESCH Zi |
a SE SAR |
d
a
£ x Lë e
r \ er N `
2 m Aë t
Wu Ze
Bauer mitseinem Rechtsgeft
und fällt. SES
Wenn man den Bauern in seinem |
treffen, d.h. ihn vernichten will, brauct
ihm also „nur“ sein Recht neh Das h
aber anders gesehen, daß man dieses R
die stärkste Kraft des Bauern — u
um ihn ganz unterzukriegen. Not, meng g mm
wirtschaftliche Vernichtung, alles das b t de e
deutschen Bauern — und gerade so den ech n
deutschen, Menschen — nicht um, solar ge er
sich sein Recht bewahrt, ihm sein Recht er erha a
bleibt. Wir finden das in der Geschichte 15
deutschen Bauerntums immer wieder bestäti
Nur ein Beispiel für viele: Einst forderten Bi
als sie aus Deutschland auszogen, um
Katharina der Großen in Rußland :
lassen, in erster Linie ihr eigenes Recht.
das bekamen und solange sie das aui
mit ihnen bergauf, biologisch, wirtschaf
kulturell. Als ihnen 1917 in der
wistischen Revolution dieses arteigene
genommen wurde, gerieten sie nicht nur wirt-
schaftlich, sondern auch biologis Ze 5 o
in Verfall. Diese auch durch das Ein hi “ksal
manches deutschen Bauern im Reich k
Erkenntnis ist ein wichtiger Schlusse! č
sung der Frage der Neubildung und der N
gestaltung unseres deutschen Bauerntun *
Großdeutschen Reich.
LI e
Diese Geschichte zeigt uns auch, daß | í
ewigen Gegner des germanisch-deutschen M
schentums entweder unbewußt aus
gearteter Rassenseele oder aber
der Kenntnis dieses Wesenskern des
manisch-deutschen Menschen das Rechtsem
den und das Rechtsbewußtsein des Ba € 1
zerstören suchten. Diese Gegner Ge d
wußten, daß nur auf diese Weise, aber so au
um so sicherer, der deutsche Mensch zuv
nichten ist. So zwangen sie dem Bauerntu Se
Fremdrecht auf, das die lebensgesetzliche
heit der Bauernhöfe mehr und mehr zersc =
bis als letztes die Ideen der Französischen iR Revo
lution dieses Zerstörungswerk germ chen
Rechtsempfindens und Rechtsdenkens Y
endeten und zu dem „Bürgerlichen“ tzb
von 1900 führten, das den Namen „Bauer“ n
einmal mehr kannte und lediglich den e —
deutschen Ländern überließ, für die bé GC
Vererbung, also für die Erhaltung der B
höfe, im gewissen Rahmen Sondervorsch
zu erhalten oder neu zu erlassen.
P
Ié
d
— en
113
Wenn aber auf diese Weise d lie
störung des bäuerlichen Rechts das Bauer
an den Abgrund gebracht wurde, so
wird es möglich sein, auf dem umge
Wege durchdie Stärkung des bäu
lichen Rechts wieder zu einer
staltung des Landvolks zu "EB
men, bei der ein freies und stolzes Bauern
tum, bestehend aus starken Landvolkgeschlec end )
tern, wieder die Grundlage von Volk und 8
Digitized by Coo |
bildet und das Fundament ist, auf dem allein
eine hohe Kultur auf die Dauer ruhen kann.
Das Recht ist somit ein Mittel,
dessen sich die Politik bedient;
eine feindliche Politik, um das Deutschtum
durch Zerstörung seines. Rechts zu vernichten,
eine deutsche Politik aber, um mit Hilfe des
Rechts Volk und Staat zu beleben und zu ge-
stalten.
So wie das „Bürgerliche Recht" das politische
Mittel und der weltanschauliche Ausdruck
der vergangenen liberalistisch-kapitalistischen
‚Staatsauffassung war, so wird das „bäuerliche
Recht“ das starke Bindemittel zur Schaffung und
Festigung des bäuerlich gesinnten und gesitteten
Volkes mit einer ebenfalls bäuerlich denkenden
und handelnden Staatsverwaltung des Großdeut-
schen Reiches der Zukunft sein. Das eine muß
doher bleibende Erkenntnis eines jeden Po-
litikers werden: Es gibt keine politische Führung
und Erziehung ohne das Recht und kein Recht
ohne eine starke politische Macht. Das gilt vor
allem auch für das Bauerntum und seine Füh-
sung. Zur Neugestaltung unseres Landvolkes
bedarf es daher seiner politischen Aktivierung
nicht zuletzt mit Hilfe seines arteigenen Rechts.
So haben Recht und Gesetz im Dienste der
Politisierung und Neugestaltung des Land-
volkes zu stehen. Das vom Führer 1933 er-
lassene Reichserbhofgesetz ist dafür
ein schlagender Beweis. Während auf dem
Gebiete der Judengesetzgebung und der Erb-
gesundheitsgesetze zunächst vor Erlaß der ein-
schlägigen Gesetze die Volksaufklärung zum
größten Teil mit Hilfe der Propaganda ein-
setzen mußte, um auf diese Weise das Volk
politisch reif für diese Gesetze zu machen, ist
das Reichserbhofgesetz — dazu noch als das
größte und wichtigste Rassegesetz — bereits
1933 erlassen worden, um erst mit Hilfe dieses
in Paragraphen gefaßten ursprünglichen bäuer-
lichen Rechtsempfindens das Bauerntum poli-
tisch zu aktivieren und zu erziehen. Denn
zwei große Aufgaben stellt dieses Ge-
setz dem Landvolk, indem es ihm zwei seiner
seit vielen Jahrhunderten verlorengegangenen
Rechte wiedergibt: erstens die Befugnis durch
eigene Bauernführer sein Recht wieder -selbst
zu gestalten und sich auf diese Weise selbst
zu verwalten, und zweitens mit Hilfe
eigener Bauernrichter wieder das Recht selbst
zuschöpfen.
Selbstverständlich ist es nun notwendig, daß
die gesamte Bauernführung diese Bedeutung
des Rechts für das Landvolk und diese durch
das Reichserbhofgesetz der Bauernführung ge-
stellte große Aufgabe erkennt und tatkräftig
anpackt. Diese Erkenntnis zunächst einmal zu
fördern und zu vertiefen, muß vor allem Auf-
gabe der NSDAP. mit Hilfe des Reichs-
amtes für das Landvolk sein. Die tat-
kräftige Erfüllung aber dieser mit dem Reichs-
arbhofgesetz gestellten Aufgabe ist in erster
Linie Sache der Bauern und des gesamten Land-
volkes selbst. Dazu sind folgende Wege zu
beschreiten:
I. Stärkung des Rechtsempfindens und
Rechtsbewußtseins durch bäuerliche Er-
ziehung
Viele meinen, es sei heute nicht mehr mög-
lich, den Bauern wieder allgemein dahin zu
bringen, daß er zu dem stolzen, selbstsicheren
Gefühl seines Wesens und zum Erkennen seiner
Kraft kommt, das nicht zuletzt auf dem sicheren
Rechtsempfinden beruht. Dazu ist zunächst mit
aller Klarheit festzustellen, daß es weite Teile
des Reiches gibt, in welchen das Landvolk
diese Bedingungen auch heute noch erfüllt,
weil dort noch echtes Bauerntum zu Hause ist.
In diesen Gegenden gibt es noch genügend
Bauern, die beste Führereigenschaften mit
politischer Aufgeschlossenheit und einem eben-
solchen Weitblick verbinden, wie es dort auch
zahlreiche Jungbauern gibt, die alle Voraus-
setzungen zum Jugendführer nicht nur in sich
tragen, sondern diese Eigenschaften auch wirk-
sam zeigen können, wenn sie die Waffe aus
der Hand gelegt haben, die sie zur Zeit ebenso
gut führen, wie sie bisher mit dem Pflug fest
und sicher die heimatliche Scholle gebrochen
haben. In diesen Gegenden fehlt es aber auch
nicht an tüchtigen Bauernrichtern für unsere
Bauerngerichte. Dort wird es keine Schwierig-
keiten machen, geeignete Dorfrichter zu finden,
die als Schöffenrichter wieder ein bäuerliches
Recht schöpfen und im Ort lebendig werden
lassen. Das hat die Vergangenheit gelehrt und
wird die Zukunft noch bestätigen.
Es ist andererseits aber auch richtig, daB
unser Bauerntum in einzelnen Teilen des
Reiches wirtschaftlich so stark vernachlässigt,
fast vernichtet worden ist und deshalb ohne
eigene Schuld kulturell so weit zurückblieb,
daß es kaum noch teilnimmt an unserem heu-
tigen Kulturleben. Gleichzeitig weist es sogar
biologisch teils einen Rückgang, teils eine Ent-
artung auf, die, weiter um sich greifend, den
nicht fernen Tod unseres gesamten Volkes be-
deuten würde. Diese Entwicklung ist in jenen
einst ebenfalls mit bestem Bauerntum besie-
delten Gebieten zu beobachten, in denen die
Verfälschung des Bauern- und Bodenrechtes
die größten Zerstörungen angerichtet hat, in
denen das Bauerntum laufend in großer Zahl
seine besten Söhne und Töchter „zur höheren
Ehre Gottes“ zum Aussterben in die Stifte und
Klöster schickte oder in denen es unter dem
Druck der kapitalistischen Entwicklung mehr
und mehr den Landwirtschaftsbetrieb vom
Standpunkt des Gelderwerbs aus betrachtete.
In diesen Gebieten hat auch der Sog aus der
Stadt seit 70 Jahren leichte Arbeit und zieht
die wenigen noch aufstrebenden, d.h. die
besten, aber auch die letzten Kräfte in die
Großstadt. In diesen Gebieten will heute der
77
——— — T
—
-ra
3 naan k. . —
——FN— 3
a aa Ki —
Hm
r
——— — — — —
= Be D — —
bës —
Bauernsohn, nachdem er Soldat geworden ist,
nicht mehr zurückkehren, predigen die eigenen
Eltern den Kindern, daß sie nicht auf dem
Lande bleiben, sondern es einmal besser haben
sollen in der Stadt und in anderen Berufen,
während ihnen selbst nichts anderes mehr
übrig bliebe, weiter ihre Pflicht zu tun bis zur
Abberufung aus diesem wahren Jammertal in
ein besseres Jenseits. Wie schwer es ist, in
diesen Gegenden mit unserer nationalsozialisti-
schen Agrarpolitik Fuß zu fassen, weiß jeder,
der dort einmal tätig war. Der weiß aber auch
— was viele noch übersehen —, daß dort nicht
in erster Linie mit wirtschaftlichen Maßnahmen
geholfen werden kann, weil selbst solche viel-
fach auf Unverständnis stoßen. Dort hilft
nureineBlutsauffrischungunddie
seelische Zurückeroberung des
deutschen Menschen, um das Gefühl
wieder freizumachen für das trotz allem noch
vorhandene, aber durch fremde Mächte ein-
genebelte und durch die eigene Sorge und Not
abgetötete bäuerliche Rechtsempfinden.
Hier brauchen wir in erster Linie die
Jugend. So schwer durchführbar die nach-
stehende Forderung dem einzelnen erscheinen
mag: in diese Gegenden gehören unsere besten
Lehrer als seelische Betreuer und Erzieher der
Jugend. Hier muß von uns mit denselben ein-
fachen, aber ansprechenden Mitteln gearbeitet
werden, mit denen dort seit Jahrhunderten
unsere Bauernjugend seelisch entgermanisiert
wurde. Diese Mittel sind: Erfassung der jüng-
sten Jugend durch Spiel und Gesang, wobei
bewußt deutsche Art und das deutsche Wesen
in bäuerlicher Form gepflegt werden muß. Der
BDM. wird seine besten bäuerlich empfindenden
Kindergärtnerinnen in diese Gegenden zu
schicken haben. Nur eine auf diese Weise auf-
geschlossene und deutsch erhaltene Kinder-
seele ist in der Lage, in dem dann folgenden
Schulunterricht, der ebenfalls in erster Linie
auf das natürliche Empfinden und das gegen-
ständliche Denken der Landjugend im Gegen-
satz zu der zum abstrakten Denken neigenden
Stadtjugend Rücksicht zu nehmen hat, die Bil-
dung zu erfahren, die das Landvolk benötigt,
um den Einflüssen des so andersgearteten
Denkens der heutigen städtischen Welt wider-
stehen zu können. Hierbei muß das gesunde
Rechtsempfinden bewußt gepflegt
werden. Das ist schon in frühen Jahren
durch eine anschauliche Darstellung der Be-
deutung unseres bäuerlichen Rechts, vor allem
des Erbhofrechts, für den einzelnen Bauernhof
und darüber hinaus für das ganze Landvolk
möglich. Für das bäuerliche Fühlen und Denken
des deutsch-germanischen Menschen ist das
Recht etwas ebenso Göttliches wie das Leben
selbst, weil es ein untrennbarer Bestandteil des
Lebens des einzelnen und des ganzen Volkes ist.
Erste Voraussetzung einer solchen Erziehung
unserer Landjugend ist natürlich die Auswahl
78
und Heranbildung hierfür geeigneter Erzieher.
Es darf daher keine Lehrerbildungsanstalt, keine
Hochschule versäumen, den künftigen Dorflehrer
und Erzieher unserer Jugend auf die Notwendig-
keit der bäuerlichen Rechtserziehung hinzu-
weisen. Daher muß auch der Erziehernachwuchs
über die Fragen des bäuerlichen Rechts, seiner
Bedeutung, insbesondere aber des Erbhofgedan-
kens und seines Rechts gründlich aufgeklärt
werden. Die Dinge werden sicher langsam
wachsen und reifen müssen. Wir müssen aber
nunmehr erkennen, daß hier ein reiches Be-
tätigungsfeld für Erziehungsfachleute ist, das
wohl deshalb — wie so manches Feld unserer
Landvolkbetreuung — solange brachgelegen
hat, weil es in den diese Fragen bearbeitenden
Zentralen in unserem verstädterten Staat vor
1933 an den bäuerlichen Menschen gefehlt hat,
die diese Dinge klar sahen. Soweit diese aber
vorhanden waren, konnten sie ihre Erkennt-
nisse nicht in die Tat umsetzen, weil es viel-
fach im heutigen Landvolk selbst an dem
nötigen Verständnis noch fehlte. .
Die Landjungen und Landmädel, die so bereits
ir dem Kindergarten erfaßt und in der Dorf- und
Hauptschule geformt und gebildet wurden, wer-
den — das ist meine feste Überzeugung — den
auf die Jugend eindringenden ganz anders ge-
arteten Einflüssen der Stadt nicht mehr unter-
liegen. Aber auch später dürfen wir unsere
Landjugend noch nicht aus der Hand lassen,
denn sie soll ja nicht nur vorm Verdorbenwerden
geschützt werden, sondern soll den Sauerteig
bilden, der eine Verländlichung unserer
ganzen Gesinnung und Gesittung be-
wirkt. Es muß daher in der Hitler-Jugend auf
dem eingeschlagenen Wege ebenso weiter
garbeitet werden wie im Arbeitsdienst und in
der Wehrmacht, wobei diese Nacherziehung sich
jedoch mehr auf die geistige Schulung der be-
treuten Menschen erstrecken wird, ohne daß
aber die seelische Beeinflussung im bäuerlichen
Sinne unterlassen werden darf. Und wenn dann
in den Bauernschulen und Bauernführerschulen
der so gebildete Mensch weiter in diesem Sinne
ausgerichtet wird, dann wird keine Macht in der
Lage sein, unser Bauerntum erneut anzukränkeln
oder zu zerstören. Im Gegenteil, dann wird unser
Landvolk die Kraft haben, sich durchzusetzen
und das Wesen von Volk und Staat zu bestim-
men, so wie das Bürgertum der Stadt einem
ganzen Jahrhundert den Stempel aufdrückte.
Die Hauptforderung ist daher: Bäuerlicher
Rechisunterricht in allen Schulungsstätten und
Bildungseinrichtungen zur Stärkung des Rechts-
empfindens und zur Schulung des Rechtsbewußli-
seins unseres Landvolkes und damit unseres
Gesamtvolkes. Diese Forderung wird vor allem
im Rahmen des bäuerlichen Berufserziehungs-
werkes erhoben und durchgesetzt werden
müssen.
Doch nicht allein in der Schule ist diese
Arbeit zu leisten. Die beste Schule ist
—
nach wie vor das Leben selbst. Das
ganze Leben auf dem Dorf muß wieder durch-
drungen sein von bäuerlichem Rechtsfühlen
und Rechtsdenken, wie es bis zum vorigen
Jahrhundert vor Einsetzen der großen Zer-
störung unseres Brauchtums durch die falsche
Beeinflussung und Erziehung des Landvolkes in
den vielen Festen und Spielen auf dem Lande
selbstverständlich war. Dieses ist bei der kul-
turellen Aufrüstung unseres Dorfes, also vor
allem bei der Feiergestaltung zu beach-
ten. Keine Reden und Vorträge über das bäuer-
liche Recht fehlen uns, sondern Feste, Feiern
und sonstige Handlungen als Ausdruck des
bäuerlichen Rechtsempfindens tun uns not.
Neben dem alten Brauchtum, das, soweit es
heute noch im Landvolk in seinem urtümlichen
Sinne lebendig ist und in seiner Form in unsere
Zeit paßt, sorgsam gepflegt werden sollte, wird
ein neues Brauchtum wachsen
müssen. Und es wird wachsen, wenn die
bäuerliche Seele durch richtige Beeinflussung
wieder aufgeschlossen worden ist. Wir müssen
nur die ersten Pflanzen dieses neu entstehenden
Brauchtums sorgsam hüten, sie vor der Ver-
nichtung retten, die Unverstand — aber auch
der böse Wille unserer Gegner — ihr anzutun
drohen. Auch das Unkraut, das hier in über-
reichem Maße zu sprießen beginnt, müssen wir
rechtzeitig erkennen und gleich mit der Wurzel
ausreißen, ehe es treibt und Früchte trägt. Die
Förderer bäuerlicher Lebensgestaltung werden
hier einen wachen Sinn für das Rechtsempfin-
den des Landvolkes haben und sich selbst
wenigstens in großen Zügen in dieses Recht
einleben müssen.
Nur wenige praktische Beispiele seien hier
zur Verwirklichung dieser großen Forderung
genannt: Neben der „Hochzeit“ ist im Leben
des Bauern die Übergabe seines Hofes
auf den Sohn, auf die Tochter oder den sonsti-
gen Anerben das wichtigste Ereignis seines
Lebens. Meist fällt diese Hofübergabe mit der
Hochzeit des den Hof übernehmenden Anerben `
zeitlich zusammen. Beides soll sogar zusammen-
fallen. Dieser Rechtsakt der Hofes-
übergabe hat daher auch ebenso in
feierlicher Form zu erfolgen wie
dieHochzeit, da sich durch die Übergabe
des Hofes der Sinn des Bauernlebens erfüllt:
Der Hof geht auf die kommende Generation
der Hofessippe über. Die vergangene Zeit hat
diese Handlung zu einem nüchternen juristi-
schen Akt gemacht mit einem juristisch ver-
klausulierten notariellen UÜbergabevertrag, der
in seiner juristischen Ausdrucksweise nicht
mehr in erster Linie für den Bauern und seine
Sippe, sondern für die Grundbuchjuristen ab-
gefaßt zu sein schien. Dabei waren viele Klau-
seln und juristische Spitzfindigkeiten seit dem
Einbruch des „bürgerlichen“ Rechts aus ge-
sunder Abwehr des Bauern deswegen nötig,
weil dieses unbäuerliche „bürgerliche“ Recht
den Ubergabevertrag gar nicht mehr kannte und
dieser daher in die Zwangsjacke eines Kaufver-.
trages gezwängt werden mußte. Durch das
Reichserbhofgesetz ist nun seit zehn Jahren der
Weg wieder frei, zu einer bäuerlichen
Abfassung des Übergabevertrages
durch die Rechtswahrer zu kommen. Möge auch
hier mit Hilfe der Erziehungsarbeit des NS.-
Rechtswahrerbundes die nötige Aufgeschlossen-
heit bei allen Rechtsanwälten und Notaren da
sein. Die Anregung zu einer Familien- und
Sippenfeier anläßlich der Übergabe liegt aber
bei der Führung des Landvolkes. Wie solche
Feiern zu gestalten sind, soll und muB das
Leben und der gesunde Sinn des Landvolkes
selbst entscheiden.
Ein zweites Beispiel: Wenn eine Sippe so
kinderarm geworden ist, daß ein Erbhofbauer
ohne eigene bauernfähige Abkömmlinge, Ge-
schwister oder Geschwistersöhne stirbt, so be-
stimmt nach den Regeln des Reichserbhof-
gesetzes der Reichsbauernführer den Anerben,
es sei denn, daß der Bauer selbst eine ent-
sprechende Verfügung von Todes wegen vor-
genommen hat. Eine solche — übrigens häufig
vorkommende — Bestimmung des Anerben aus
dem Kreis entfernter Verwandter, nach Mög-
lichkeit eines Namensträgers des Verstorbenen
oder auch nur eines Blutsverwandten, der sich
besonders durch Leistung und Kinderreichtum
ausgezeichnet hat, oder gar eines ganz Sippen-
fremden, nimmt der Reichsbauernführer durch
Ausstellung einer Urkunde vor. Die Uber-
reichung dieser Urkunde erfolgt im Auftrage
des Reichsbauernführers bisher durch den zu-
ständigen Kreisbauernführer. Dieser Akt
der Verleihung mit einem Erbhof
drängt geradezu dahin, eine Feier
des Dorfes auszulösen, weil ja die
ganze Dorfgemeinschaft davon berührt wird,
wenn in dem Dorf ein neues Bauerngeschlecht
mit einem Erbhof verwurzelt wird. Nichts ist
so geeignet, wie eine derartige Feier, dem
Bauern der Gemeinde den Sinn und die Be-
deutung des Reichserbhofgesetzes sinnfällig vor
Augen zu führen, ja ihn selbst durch seine An-
wesenheit und Handlung teilhaben zu lassen
an solchem bedeutungsvollen Rechtsakt. Und
wenn kein Mensch im Dorf mehr von einem
im Dorf über das Reichserbhofgesetz noch so
gut gehaltenen Vortrag sprechen wird, dann
werden alle noch lange lebhaft davon er-
zählen, durch welch schöne Feier der Bauer X.
durch Uberreichung der Urkunde des Reichs-
bauernführers für alle Zeiten mit seinem Erb-
hof verbunden und dadurch in die Dorfgemein-
schaft aufgenommen wurde. Die Ausgestaltung
der Feier und damit des Rechtsaktes richtet
sich auch hier wieder nach den örtlichen Ver-
hältnissen und vor allem nach der Aufge-
schlossenheit der Bauernführer und der Dorf-
gemeinschaft selbst.
Wieweit es neben solchen rechtlich bedeut-
samen Feiern möglich ist, durch Einführung
des Wortes „Erbhofbauer oder durch ein an
39
dese weg ee ée EE a `
— S Bu ebe
———— -
. ie
a ie $ . = 85 55
+ = di EN 225 TER r
H — H 8
—ͤ—ũ———— — ! 44. -w
—
=
,
*
ł
i
t
d
j
|
f
F
5
:
— —— —— —e— • —
f = "re
P —
das Bauernhaus anzubringendes passendes Erb-
hofzeichen oder durch sonstige Dinge den Erb-
hofgedanken und das Erbhofrecht zu beleben
und zu vertiefen, wird die weitere Entwicklung
der bäuerlichen Lebensgestaltung auf dem Dorfe
zeigen müssen. Wir können dieser Entwicklung
nur Antrieb und Richtung geben. Das aber
müssen wir tun. l l
II. Ausbau und Stärkung der bäuerlichen
Selbstverwaltung ,
Die zweite Möglichkeit, das Recht im Land-
volk wieder lebendig werden zu lassen und
es als Mittel zu dessen politischer Belebung
einzusetzen, liegt in der bäuerlichen Selbst-
verwaltung. Denn Selbstverwaltung ist nichts
anderes als Klarlegung und Betäti-
gungdereinerGemeinschaftinne-
wohnenden Ordnungsgesetze aus
dem Wesen und durch eigene Or-
gane dieser Gemeinschaft. Sie ist
daher Rechtsgestaltung im Sinne der Ordnung
der eigenen Verhältnisse einer solchen Ge-
meinschaft aus Kenntnis der praktischen Ge-
gebenheiten unter Berücksichtigung der poli-
tischen Notwendigkeiten. Weil dem so ist, ist
die Selbstverwaltung die beste Art der
Führung und Gestaltung des Land-
volkes. Denn es liegt vor allem im Wesen
des deutsch-germanischen Menschen begrün-
det — und daher am deutlichsten beim Bauern
erkennbar —, daß er neben einer starken Be-
tonung der Einzelpersönlichkeit, besser gesagt
gerade deswegen, ausgesprochen gemeinschafts-
verbunden ist. Das ist eine Eigenschaft, die
dem bäuerlichen deutschen Menschen genau so
innewohnt wie das starke Rechtsempfinden und
die auch wieder in diesem sicheren Rechts-
gefühl und damit im Leben des Bauern selbst
ihren Grund hat.
So ist die bäuerliche Selbstverwaltung am
- besten dazu angetan, den Bauern, der nach Mög-
lichkeit in seinem Rechtsfühlen und -denken
gestärkt und geschult wurde, das Recht seiner
eigenen Gemeinschaft selbst gestalten zu lassen.
Der Bauer selbst muß so durch eigene bäuerliche
Rechtsgestaltung die Gemeinschaften ordnen, zu
denen er gehört. Auf diese Weise ist auch die
beste Gewähr gegeben, daß nicht unnötig Ge-
meinschaften „organisiert“ werden. Denn dort,
wo das Bauerntum noch wesensecht und der ein-
zelne noch eine starke Persönlichkeit ist, besteht
gewachsene Gemeinschaft, die nicht erst organi-
siert oder gepredigt werden muß. Dort aber,
wo diese Gemeinschaft nicht mehr besteht, kann
sie mit Hilfe einer Organisation nur dadurch ge-
fördert werden, daß die Organisation als Selbst-
verwaltungseinrichtung dem Bauern einen
neuen Ansatzpunkt seiner Betätigung bietet. Der
Bauer selbst aber muß die durch die Organisa-
tion geschaffene Form mit einem wesensechten
80
Inhalt füllen und durch seine eigene Selbstver-
waltung so die Gemeinschaft bilden, deren er
zur Erfüllung der ländlichen Gemeinschaftsauf-
gaben bedarf.
So ist es klar, daß die gesamte Organi-
‘sation des Landvolkes, „der Reichsnährstand“,
sich der Selbstverwaltung bedienen muß und
auch bedient, wenn diese Organisation dem
bäuerlichen Wesen und der Form entsprechen
will und mit dem rechten bäuerlichen Geist
ausgestaltet werden soll. Der Reichsnährstand
ist daher wegen der zu erfüllenden staatlichen
Aufträge und Aufgaben zwar eine Körper-
schaft des öffentlichen Rechts, aber eine solche
der Selbstverwaltung, die vom Bauern selbst
geführt wird. Es ist das für die Entwicklung
unseres Landvolkes von grundsätzlicher Be-
deutung. Hätte man nicht die Form der Selbst-
verwaltung gewählt oder würde man sie in
Zukunft verlassen, so wäre es nicht möglich.
das gesamte Landvolk als eine große Gemein-
schaft zu den Leistungen zu bringen, die es
zum Beispiel in der Erzeugungsschlacht vor und
während des Krieges vollbracht hat und die es
weiter vollbringen wird. Man muß sich darüber
klar sein, daß der wahre Grund dieser großen
Leistung deswegen in der Selbstverwaltung
liegt, weil durch diese der Bauer selbst die Ge-
meinschaft führt, d. h. er selbst die Ordnung
und das Recht gestaltet und die Verantwor-
tung für die Durchführung der lebenswichtigen
Aufgaben trägt.
Es wird daher notwendig sein, den Ortsbauern-
führer, den Kreisbauernführer und Landesbauern-
führer als selbstverantwortlich tätige Bauern für
alle Zeiten ehrenamtlich als Führer der Gemein-
schaft des Landvolkes zu erhalten und diese
ehrenamtlichen Bauernführer ständig in ihrer
Führungsaufgabe zu stärken und zu festigen,
genau so, wie die deutsche Gemeinde als lei-
stungsfähige Gemeinschaft nicht denkbar ist,
wenn man die ihr vom Freiherrn vom Stein
gegebene Form der Selbstverwaltung nähme.
Die Selbstverwaltung darf sich dabei nicht
nuraufdiegroße Gemeinschaft des
gesamten Landvolkes beschränken.
Sie muß auch dort bleiben, wo in nicht so um-
fassenden Gemeinschaften Sonderaufgaben oder
kleinere Aufgaben durchzuführen sind. Das gilt
für alle die Organisationen öffentlich-recht-
licher oder privater Natur, die sich mit wirt-
schaftlichen Fragen beschäftigen, also z.B. für
die Wirtschaftsverbände mit den Hauptvereini-
gungen, für die Genossenschaften, für die
Zuchtverbände, die Maschinengemeinschaften
und alle sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen,
ebenso wie für die Gemeinschaften auf den
anderen, insbesondere kulturellen Gebieten des
ländlichen Lebens, die bereits bestehen oder
aus dem Leben des Landes, besonders im
Rahmen der Aufrüstung des Dorfes noch er-
—— ze Eë
. Ä . ˙ eg eg eg,
r
1
er te KR W *
rr
sr u A ET SÉ 1
Ce SA
Za S
3 T 8
ü — m
on o ONT Puranen E SRA
r.
„ EE EE Eege er eee
J
ZUM
Diir
*
e
D 1
NN
SA
EK
om
— Q
nn u
zeg U
2 2
82
D
— *
So
GE
2 8
Yj m
= 3
Su
LÉI
no
H ei
2
N
SÉ
2 5
©
22
8 3
We
2 2 57
G ©
5 *
232
ZE
SLS
2 8 *
Fr WE
3 E
2
ek
N ma
ER
82 3
= E:
EK)
kg —
8 3 8
30900
ka OÁ pe
HÄ ou
EE:
u
"I Ou
2 22
2 4
E ` ge
S Ca
OO o 3
ec *
ei
a BR -
— en
die
Bige
Ein seltenes Tieridyll i |
Die Pflege des Dam-
wildes erfordert we-
nig Mühe, da es sehr
genügsam ist
Holzarbeiter aus dem
Salzburgerland
Sudetendeutsche Holz-
fäller aus dem Riesen-
gebirge
|
bayrischenW
Sc
28
G
85
os
L ©
n Ewe 1 T g — ZE `
KC ew GO 7 e
— — —
—
je)
un
w
—
—
—
—
an
w
En
Weihnachtstanne im Schnee
wachsen werden. Alle die großen und kleinen
Gemeinschaften werden sich selbst führen und
tragen und ihr Recht aus eigener Kraft und
aus eigenem Wesen gestalten durch eigene
bodenverwurzelte und damit dem ländlichen
Beruf verbundene Menschen, von denen der
alteingesessene Erbhofbauer als Glied seiner
Sippe der klarste und reinste Vertreter des
Landvolkes sein muß und für alle Zukunft sein
wird.
Auf diese Aufgaben das Landvolk geistig vor-
zubereiten und auszurichten, ferner alle Maß-
nahmen zur Verwirklichung dieser Aufgabe ein-
zuleiten, ist Führungsaufgabe des Reichsamtes
für das Landvolk, das sich zur Verwirklichung
dieses Zieles in erster Linie der Seibstverwal-
tungsgemeinschaft des Landvolkes bedienen
muß. Das heißt nicht etwa das Landvolkin
größere oder kleinere Gemein-
schaften zersplittern. Dadurch wird
vielmehr die Kraft des einzelnen so auf ein
Ziel und in einem Sinne ausgerichtet, daß jeder
einzelne und jede einzelne Gemeinschaft an
besonderer Stelle die Sonderaufgaben aus der
gleichen Haltung und dem gleichen Bestreben
meistert und so zu dem festen und stolzen Bau
des deutschen Landvolkes einen haltbaren Bau-
stein liefert. Das von den einzelnen Bauern-
führern und der einzelnen Gemeinschaft im
Rahmen dieser Aufgaben selbst gestal-
teteRechtaberistdasBindemittel,
das all die vielen Gemeinschaften zusammen-
hält zu diesem stolzen Bau, der die Grundlage
des Großdeutschen Reiches sein muß und sein
wird.
Ul. Die Rechtsschöpfung in bäuerlichen
Sondergerichten
In diesem Bau aber muß und soll das Land-
volk nicht nur durch eigene Verwaltung selbst
Ordnung schaffen und halten, sondern auch bei
Störung der Ordnung, vor allem bei Streit, das
Recht selbst schöpfen und sprechen. Als drittes
und. bedeutsamstes Mittel, sich des Rechts im
Landvolk zu seiner politischen Betätigung und
Behauptung zu bedienen, ist daher die Recht-
sprechung in eigenen bäuerlichen Sondergerich-
ten zu nennen. Hierüber ist im einzelnen des-
wegen am wenigsten zu sagen, weil die Bauern-
gerichte selbst als Anerbengerichte bereits seit
zehn Jahren, aber auch als Landbewirtschaf-
tungsgerichte und Pachtämter ihre Bedeutung
für das Bauerntum und das gesamte Landvolk
in immer steigendem Maße unter Beweis ge-
stellt und dabei ihre Kraft bewiesen haben,
sich im Landvolk selbst durchzusetzen und
wieder die Anerkennung zu gewinnen, die von
jeher das Landvolk seinen eigenen Gerichten
gezollt hat. i
Es will schon etwäs bedeuten, daß in rund
2000 bäuerlichen Sondergerichten das Erbhof-
H
recht unter maßgebender Mitwirkung der Bauern
selbst gesprochen wird. Nicht nur weil damit
die Gewähr gegeben ist, daß das Recht sich
nicht vom wahren bäuerlichen Leben entfernt
und so lebensfremd oder gar bauernteindlich
wird, wie wir es in der vergangenen Zeit des
„bürgerlichen“ Rechts so häufig erlebt haben.
Wichtiger ist, daß das Landvolk selbst auf diese
Weise wieder Vertrauen zu dem
Rechtundzu den Gerichten bekommt
und ebenso stolz auf diese seine eigenen Ge-
richte wird, wie es als höchste Ehre für den
Erbhofbauern angesehen werden muß, als
ehrenamtlich tätiger Richter in ein solches Ge-
richt für einige Jahre berufen zu werden. Man
muß selbst die Entwicklung einzelner Bauern
als Bauernrichter erlebt haben, um mit aller
Deutlichkeit zu erkennen, welch persönlich-
keitsbildende Kraft für das Landvolk
und seine einzelnen Vertreter in der Betätigung
mit dem Recht vor allem. als Rechtsschöpfer
und als Rechtssprecher liegt. Eine ganz wesent-
liche Aufgabe der Bauernführung muß es dabei
sein, dafür Sorge zu tragen, daß wirklich nur
beste Bauern und Landwirte als Richter in diese
Bauerngerichte, Landbewirtschaftungsgerichte
und Pachtämter berufen werden, und daß die
Berufenen alsdann ständig so mit ihrer Auf-
gabe vertraut gemacht werden, daß in diesen
Gerichten nur Bestes geleistet wird. Auch hier
ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Und so erstaunlich einzelne — und zwar gar
nicht wenige Bauern — in ihrer Tätigkeit als
Richter hervorragen, so sehr ist bei einer
großen Anzahl doch nötig, sie in ihre neuen
Aufgaben einzuführen, da ja die vergangene
Zeit in der Ausbildung des Bauern nichts getan
hat, um ihn auf das Amt eines Richters vorzu-
bereiten, im Gegenteil, ihn systematisch von
seinem Recht, dessen Gestaltung, Schöpfung
und Sprechung seit Jahrhunderten entfernt hat.
Wenn man so Recht und Politik im Hinblick
auf unser Landvolk und seine Erhaltung und,
Förderung sieht, so schließt sich der hier aut-
gezeigte zwingende Weg zu einem Kreis: Er-
ziehung zum Recht — von der jüngsten
Jugend angefangen — durch Stärkung des
Rechtsempfindens und Schulung des Rechts-
verständnisses; Betätigung und Gestal-
tungdesRechts durch das Landvolk selbst
in den Gemeinschaften, besonders durch die.
bäuerliche Selbstverwaltung; als Höchstes end-
lich die Schöpfung und Sprechung
des Rechts im Bauerngericht als sicht-
‚barster Ausdruck der Stärke und Kraft eines
in sich selbst ruhenden und sich selbst ver-
trauenden Landvolkes. Durch diese praktische
Rechtsbetätigung aber wächst in Zukunft auf
dem Lande die Jugend, geführt und geleitet
durch die Erziehung, von selbst in ihre großen
Aufgaben hinein, um für alle Zeiten sich das.
Recht als politisches Gestaltungsmittel zu be-
wahren.
*
81
—
— — . o T — e *
— Tg e a”
y „„ — — ee
se
UNE EES 22K ge E ag EEE :—⅛. .: ... . ?ĩ?i?L
=
=>
*
A
Ar s
vd *
P,
—
a e
N >
— d
—+
i
H
t
}
(>
1
ah
—
-
> un geg . e — " * e
eet Bed mi EEE e "mem "sm a
H : 7 * € i 4) è 1 f e
e — wi i 2 b u - Lë u — * 7
D 2 at eg > E e 5
7 d des De. "er: . $ "e ia’ Apr u
SC > Ý ps - u. ke E d ai e KA e e d
- * S b — + rn
d x e r
> Leg
-
E
Bäuerliche Zustände studieren, heißt Geschichte
studieren. Die Sitte des Bauern ist ein lebendiges
Archiv, ein historisches Quellenbuch von unschätz-
barem Wert. H. Riehl
ie deutsche Geschichtswissenschaft hat dem
deutschen Bauerntum trotz der Mahnung
Riehls in der verflossenen Zeit nicht immer die
Beachtung geschenkt, die ihm gemäß seiner
Stellung in unserem Volkskörper zukommt. Die
Wissenschaft hat zwar festgestellt, daß das
Bauerntum der Urstand unseres Volkes ist und
daß die Vorfahren fast aller Städter erst in den
letzten hundert Jahren vom Dorfe in die Stadt
abgewandert sind, trotzdem ist aber die Bauern-
tumskunde und Dorfgeschichtsforschung eines
der Stiefkinder der deutschen Wissenschaft ge-
blieben. Das liegt wohl vor allem an der Tat-
sache, daß man häufig genug den aktiven Anteil
des Landvolkes an der Geschichte unterschätzte,
weil es nur selten auf dem politischen Parkett
oder im großen Welttheater auftrat, und seine
kulturellen Leistungen ganz beiseite schob. Bis
in die jüngste Vergangenheit glaubte man viel-
fach, Kultur sei nichts weiter, als die Summe
der Wissenschaften und Künste, wie sie das Bür-
gertum des 19. Jahrhunderts in seinen Städten
entwickelt hat. Wir wissen heute, daß dies nicht
die alleinigen Kulturwerte unseres Volkes sind,
sondern oft lediglich die Ausdrucksformen einer
Kulturtechnik und einer zuweilen sogar kultur-
feindlichen Zivilisation, die die breiten Schich-
ten aus dem Bereich der eigenschöpferischen
und selbstgestaltenden Kultur hinausdrängt in
die große Masse der Kulturverbraucher, die
häufig nur das für Kultur hält, was ihr als Aus-
drucksform einer nivellierenden Zivilisation ge-
boten wird.
Erst die nationalsozialistische Weltanschau-
ung hat mit dem deutschen Volksbewußtsein
auch das Volkstum neu geweckt und umfas-
senden Inhalt des Begriffes Kultur wiederher-
gestellt. Wir wissen jetzt, daß wir deutsche
Kultur auf allen Gebieten des gestaltenden
Lebens antreffen und nicht zuletzt in der Eigen-
ständigkeit unseres Bauerntums und in dem
Lebenskreis unserer Dörfer finden. Wir dringen
in die Vergangenheit unseres Volkes und ge-
winnen Einblick in das Werden und Wachsen
unserer Kultur, wenn wir neben dem rassisch
blutsmäßigen Erbe auch den Einfluß der
Landschaft auf die menschliche Entwicklung
82
zwischen Mensch und Dorf zu streben;
darum schon mancher gedacht CR
e e
* = te f
1
beachten. Jede Landschaft ist zwar Au asdrui
der Gestaltungskraft des Menschen und
deutsche Landschaft in besonders hohem M
Aber wesentlich sind auch die Kräfte, die
gekehrt der Mensch aus der Verbind ng J
dem Boden und mit seiner Heimat zieht.
gends sind diese Beziehungen so biz
deutschen Dorf und so fruchtbar wie
schen Bauerntum. Hier,erwuchs und e
echte deutsche Kultur, die tief wurze
gånzen Sein ihrer Träger, aus den Urkrö te
deutschen Volkes quillt. Es ist GEBE
gabe einer Dorigeschichte, nach der E
der Beziehungen zwischen Volk und E
2
+
diesen Wechselwirkungen beruht die E
und der Wert des bäuerlichen Beitra
deutschen Kultur, dessen entscheidene
tung für die gesamte deutsche Kul
lung erst durch den Nationalsozialisz
deutschen Volke wieder voll zum Be
gebracht worden ist. f
Ey
9
Erst wenige Dorfmonographien * :
Frage nachgegangen. Die Mehrzahl der
geschichtlichen Arbeiten bietet kaum m
als einen Abklatsch der PRS
geschichte unseres Volkes im Spiegel
Dorfes und geht an seinen kulturgeschich
Denkmälern und Eigenwerten vorüber.,
ist doch so wenig los, wie in unserem
a
Sprochen, Er meinte dann entweder,
nie ein entscheidendes bn,
hier abgespielt habe, oder dachte unter e
fluß der städtischen Zivilisation an die fi hle
Zerstreuungen, die ja — unbestritten -
Städte in viel größerem Maße bieten. Er v
aber alles, was viel wesentlicher ist,
Inhalt eines Menschenlebens ausmacht, .
Naturgeschehen, im Schaffen und Werk ten d
Leben und Sterben, im Kommen und Ge
Generationen die Menschen deen
und das Gesicht unseres Volkes formt, a
was an deutscher Kultur gerade im deu
Dorf entstanden und lebendig gebliek
Richtet er aber erst einmal seine A ks al
keit auf diese Kernfragen menschlich:
Werdens, so wird mitten in der Welt d
fällig Bedingten in der tagverhafteten, oft n
ternen Zuständlichkeit dörflichen Dasein
pg „Google
Tor aufgebrochen in eine andere Welt, in die
der Zeit enthobenen, in sich notwendigen und
sinnbedeutenden deutschen Kultur.
Wenn unsere Dörfer auch scheinbar arm sind
an historischen Denkmälern, wie sie der Dehio
oder der Baedecker verzeichnen, so finden wir
doch in und an ihren Häusern manch beachtens-
wertes Kunstwerk und Kultürzeugnis. Es gibt
mancherlei verborgene Kunstwerke
abseits von den verkehrsreichen
Straßen, die, fast in der Landschaft vergraben,
nur der Heimatkundige finden kann. Aber im.
Grunde ist ja jedes Kunstwerk etwas Verbor- .
genes. Hinter dem optischen Eindruck verbirgt
sich noch vieles und erschließt sich nur dem,
der dafür, aus seiner Alltagswelt heraustretend,
seinen inneren Blick öffnet. Verstehen wir es
als Zeugnis der Landschaft und der Menschen,
die es gestalteten und deren Nachfahren es
noch heute, wie seit altersher anspricht, dann
verspüren wir etwas von der Kraft deutscher
Kultur. Das noch von der Landschaft und von
dem Volkstum seines Entstehungsraumes um-
schlossene Kunstwerk hat daher vor dem Mu-
seumsstück etwas Unersetzbares voraus: es hat
seine eigene Atmosphäre, seine geschichtliche
Tıefe, eg ist etwas auf dem Wurzelboden Ge-
wachsenes und kann gerade im deutschen Dorf
als alle Zeiten überdauernde Verdichtung einer
bis in das Heute reichenden Welt erfaßt werden.
Schon allein deshalb ist der Besuch von Dörfern
und alten Bauernhöfen, in denen die Kulturgüter
noch mitten im ländlichen Leben stehen, wesent-
licker und wirksamer als der Besuch von Hei-
matmuseen.
Neben die ewigen Zeugen deutscher Kultur
in unseren Städten dürfen wir die Bauern-
häuser mit Fug und Recht als gleichwertige
Zeugnisse deutscher Baukunst stellen. Als
schöpferische Arbeiten unzähliger namenlosen
Baumeister und als Gemeinschaftsleistungen
von Generationen sind sie im Laufe eines Ent-
wicklungsprozesses von vielen Jahrhunderten
entstanden. Denken wir an den gewaltigen Bau
des Niedersachsenhauses, den wuchtigen Vier-
kanter in den Donaugauen, das fröhlich aus-
schauende südbayrische Haus oder an das be-
häbige mitteldeutsche Fachwerkhaus, um nur
einige der wichtigsten deutschen Hausformen
zu nennen! Ihr Formenreichtum und ihre Schön-
heit sind nicht zuletzt in ihrer durch lange Zeit-
räume ausgebildeten Zweckmäßigkeit begrün-
det. Der dörfliche Baumeister schuf sie mit dem
heimischen Werkstoff aus dem urtümlichen
Bau- und Formwillen der Gemeinschaft heraus,
der sich je nach Landschaft, stammesmäßiger
Eigenart und Wirtschaftsweise zwar verschieden
äußerte, aber doch immer von der großen
künstlerischen, technischen und handwerklichen
Begabung, kurz von der kulturellen Haltung des
Dorfes und seiner Bewohner zeugte. Im Bauern-
haus selbst gilt es den Blick zu öffnen für die
Schönheit und Sinnfälligkeit, die im alten
bäuerlichen Werkgüt verkörpert ist, in alten
Möbeln und vielen Handarbeiten, eben beim
ganzen Hausrat und allem, was die Eigenstän-
digkeit und den Wert alter dörflicher Wohn-
kultur ausmacht. Das eigene Haus ist der Lebens-
raum für die Gemeinschaft der dörflichen Fa-
milie und es verbirgt uns die Entfaltung und
Überlieferung arteigener Lebens- und Kultur-
formen won Generation zu Generation.
Bei den greifbaren Kulturdenkmälern im deut-
schen Dorf, zu denen neben den Bauernhäusern
auch schriftliche Überlieferungen, Urkunden
oder Akten gehören, werden wir in den meisten
. Dörfern nicht weit über die Zeit des Dreißig-
jährigen Krieges hinauskommen. Nur die Dorf-
kirche weist als Baudenkmal oft in das Mittel-
alter hinein. Auch sie — und mag sie noch so
klein und unscheinbar sein — verdient unsere
besondere Beachtung. Sie ist zwar zumeist kein,
geschlossenes und stilechtes Werk genialer Bau-
meister und Bauhütten, wie viele ihrer alten
Schwestern in der Stadt, aber als eine Gemein-
schaftsleistung des. dörflichen Handwerks und
überhaupt des ganzen Dorfes, das im wahrsten
Sinne des Wortes die Bausteine herzutrug, auch
eine Ausdrucksform der Gemeinschaftshaltung
des Dorfes. Das gleiche gilt von den dörflichen
Rathäusern und Gerichtslauben, die
wir in vielen Gegenden unseres Vaterlandes an-
treffen. Die Dorfkirchen sind zum nicht geringen
Teil auf alten, von Wällen umgebenen vorchrist-
lichen Kultstätten, die gleichzeitig Zufluchts-
stätten bei Gefahr waren, gegründet und waren
oft bis in die Neuzeit hinein als einziges festes
Gebäude im Dorf mit ihrem trutzigen Turm der
beste Schutz in unruhigen Zeiten. Wir dürfen
hier nicht nur an die Kirchenburgen der Volks-
grenze im Südosten denken, auch sonst finden
wir in vielen deutschen Landschaften die Kir-
chen von festen Mauern und Gräben umgeben
und das Kirchengebäude selbst inmitten des
Kirchhofringes wehrhaft ausgebaut. |
Die Dorfgeschichtsforschung darf aber bei der
Suche nach Kulturdenkmälern ihr Augenmerk
nicht nur auf das Dorf und seine Gebäude selbst
richten, sie muß auch in die Flur hinaus-
gehen. Da findet sie häufig genug schon an der
Dorfeinfriedung Reste der alten Dorfbefesti-
gung, sei es beispielsweise eine dichte Hecke,
ein Wall mit Graben oder eine feste, das Dorf
- umschließende Scheunenreihe. Konnten diese
Befestigungen auch nicht dem Ansturm größerer
Truppenmassen widerstehen, so boten sie doch
sicheren Schutz gegen die im Lande herum-
ziehenden Marodeure, die ständige Begleit-
erscheinung der Söldnerheere der Vergangen-
heit, eine Plage, unter der naturgemäß das flache
Land besonders zu leiden hatte. Den gleichen
Zweck hatten in unruhigen Zeiten auch die
Landwehren, denen wir oft an den Grenzen
der Dorffluren begegnen. An den Feldrainen
liegen oder stehen häufig kunstvoll gefertigte
Grenz- und Kreuzsteine, hier finden wir auch
83
— — — — ep $
|
me
SS 4. eb EE e a, TE TG FT ER gege
ws PR == = z =
2 e Ae "rz: «„ „„ r Emigrant RELATED kA
— — beten e
ud nn —„—— — — — A
d —
ee e
NI
ee En en gegen
e E em -
2
—— ah Set — — ——
Reste von Wallburgen, von alten frühgeschicht-
lichen Ding- und Versammlungsstätten, die teil-
weise auch Fliehburgen in Kriegszeiten waren.
Fast in jeder Flur lassen sich Wüstungen nach-
weisen und zuweilen berichtet nur noch ein
dornenheckenbestandener Steinhaufen von dem
Schicksal einer aufgegebenen Siedlung.
Hier in der Dorfflur erleben wir vor allem
das größte Geschenk des deutschen
Bauerntums an unser Volk, die deut-
sche Kulturlandschaft. Deutschem Bau-
ernfleiß ist es aus seiner Naturverbundenheit
heraus gelungen, aus der ursprünglich vorherr-
schenden Waldlandschaft eine Feld-Wald-Land-
schaft zu gestalten, die den Nahrungsbedürfnis-
sen einer dichten Bevölkerung gerecht wird und
gleichzeitig durch ihren Reichtum an Baum-
beständen der verschiedensten Art SE dem
naturbedingten Wesen der deutschen Landschaft
zeugt, gegen dessen Gesetze, ohne die Frucht-
barkeit des Bodens zu gefährden, nicht ver-
stoßen werden darf. Diese deutsche Kulturland-
schaft stellt sich in ihrer Schönheit ebenbürtig
neben ihren Antipoden, die von Menschenhand
noch nicht berührte Wildlandschaft.
Wir dürfen bei der Betrachtung der Kultur-
denkmäler im Dorf und seiner Flur nicht bei
den an der Oberfläche greifbaren Dingen stehen-
bleiben, noch unendlich größer ist die Fülle
dessen, was wir hier an unsichtbaren und doch
nicht weniger lebendigen Werten entdecken
können. Fast alle deutschen Wissenschafts-
disziplinen haben hieraus ihre Erkenntnisse ge-
wonnen. Die deutsche Frühgeschichts-
wissenschaft baut, um hier zu beginnen, ihr
ganzes Lehrgebäude auf den Funden auf, die
Jahrtausende im deutschen Boden lagen, die
durch Grabungen in den Fluren deutscher Dörfer
neu zutage treten und die uns der frühgeschicht-
liche Mensch als letzte Reste und Hilfsmittel zur
Erforschung seiner Rasse und seines Lebens-
stiles zurückgelassen hat. Hier gewinnen wir
Einblicke in die besondere Art dörflicher Sied-
lungsweise unserer germanischen Vorfahren
und in die Höhe ihrer rein bäuerlich bestimmten
Kultur. Nur mit Hilfe der Spatenforschung kann
die dörfliche Kulturgeschichte so weit in die
Vergangenheit zurückgreifen.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß dieser
einmal aufgenommene Faden ohne Unter-
brechung fortgesponnen werden muß, über die
Zeit der germanischen Stammeswanderungen in
die der fortschreitenden Besiedlung des deut-
schen Bodens. Hier .reicht die Siedlungs-
geschichte der Frühgeschichte die Hand. Das
Überwiegen des Dorfes, des Weilers oder des
Einzelhofes — alle drei Formen reichen in die
frühgeschichtliche Zeit zurück — zeigt schon in
der Siedlungsform den bäuerlichen Grundcha-
rakter unseres Volkes. Bei der Mannigfaltigkeit
der Orts- und dementsprechend auch der Flur-
formen im deutschen Lebensraum sind, weil
diese stets bestrebt sind, sich den natürlichen
84
Gegebenheiten anzupassen, neben den Grund-
formen zahlreiche Varianten zu unterscheiden,
die zwischen den Grundformen eine Vielzahl
von Übergängen herstellen. Immer wieder be-
obachten wir in allen Teilen Deutschlands die
der Landschaft und dem stammesmäßigen Emp-
finden der ersten Siedler angepaßte Dorfanlage,
die trotz ihrer scheinbaren Regellosigkeit doch
letzten Endes ein festes Ordnungsprinzip ver-
körpert, das Prinzip genossenschaftlichen Zu-
sammenhaltens. Diese Ordnung können wir als
speziell deutsches Kennzeichen überall im Sied-
lungsraum unseres Volkes beobachten, finden
-sie dagegen nie in Vergangenheit und Gegen-
wart bei den Slawen, unseren östlichen Nach-
barn. In geradezu klassischer Schönheit ist die
Plangestaltung in den Dorfsiedlungen des deut-
schen Ostens von den deutschen Bauernsiedlem
durchgeführt worden.
Im Verein- mit der Siedlungsgeschichte
arbeitet die Geographie. Sie berück-
sichtigt die natürlichen Siedlungsbedingungen,
die Gestaltungs möglichkeiten von Dorf und
Flur in geologischer, morphologischer und witt-
schafts geographischer Hinsicht. Auch der
Geograph bestätigt immer wieder, wie planvoll
und instinktsicher unsere Dörfer an den zweck-
mäßigsten Plätzen im Gelände entstanden sind,
und wie der bäuerliche Mensch bereits vor Jahr-
hunderten bemüht war, Weide, Feld und Wald
im gleichen Maße zu pflegen. Die Flur wurde
nie im wilden Durcheinander ausgenützt, son
dern die Allmende, die Gewannflur in West
deutschland oder die Blockflur im deutschen
Osten waren sorgsam verteilt.
Wie sehr das Leben der Dorfbewohner 2
allen Zeiten um ihre Flur kreiste, ersehen wir
schon allein aus der Tatsache, daß jedes Flur-
stück seinen eigenen Namen erhielt. Hier stellt
sich die Philologie in den Dienst der Dort-
forschung. Die Fülle der Flurnamen, die uns
manchen Hinweis auf die Kultur und Lebenshal-
tung unserer Vorfahren in den deutschen Där:
fern geben, ist in langen Jahrhunderten deit:
scher Geschichte als ein Gemeinschaftswerk
einer langen Geschlechterkette entstanden. Sie
vermitteln uns, ebenso wie die Ortsnamen selbst
manche Uberlieferung und helfen uns Zeit, Art
und Stärke der ersten menschlichen Besiedlung
bestimmen. Wer Orts- und Flurnamenforschung
treiben will, muß mit der Landschaft ebenso
vertraut sein wie mit der Mundart ihrer Be
wohner. Es wäre falsch, die Sprache und ihre
Entwicklung gesondert zu betrachten. Sie lebt
vorwiegend in der Bindung an dörfliche und
bäuerliche Menschengruppen in einer räumlich
begrenzten Landschaft und im engen Zusammen
hang mit den anderen dörflichen Kulturgüter
und ist als landschaftliche gebundene Volks
sprache nur hier noch rein zu finden. Gerade
die Sprachgeographie ist zu einem wich
tigen Forschungsinstrument für die Stammes-
gege $ e" * — — — —— WË Age — — — — — 2 e a
— Bb — DEE E agi’ en — e
Å- “ — b N Je sA D 1
— — — e — — — e —
= E - $
` — — e
— — Tr ET
Gë
Gi
|
I
SS
N
SQ
m
WS
`
Zem
2
DDD
S
N
I
nme
*
— —— —— —
p = i
t
—
ee je 2 + E —
— —
SU
2
—
n A F
Es >” KI
—
— FK wx?
u — e -
- nn nn nn — — mg — —. — — — — — — — — —
——— — — — SÉ —
H
— —
e
Im „Nikolaus“
erscheint auch
heute noch der
Schimmelreiter
Wodan, der gü-
tige Alte mit den
Gaben und der
Rute, die heute
ein Kinder-
schreck ist, einst
aber die Lebens-
rute, also ein
|
Fruchtbarkeits-
A symbol dar-
i stellte.
K laasabeni
im Heidedorf
Zur Zeit der Wintersonne
wende feierten unsere gemi
nischen Vorfahren das Julfest i
Als später die Kirche ihr gôt
tes Fest auf diese Zeit Je
blieb trotzdem das alte bam:
liche Brauchtum erhalten, w%
bei die Umzüge und Heis
gänge der Kinder, die Ve
kleidungen, die Scherz- wi
Lärmbräuche, Licht- und Feus
bräuche, oft nur ganz äußer
mit irgendeinem christi
Heiligen verknüpft wunder
In einigen Gegenden Deutschlands ist seit alters her statt des
Weihnachtsbaumes die „Tunschäre‘ oder der „Klausenbaum
im Gebrauch, ein Holzgestell, das mit Äpfeln, Nüssen und Back-
werk in Tierform, Sinnbildern aus der Glaubenswelt unserer
germanischen Vorfahren, geschmückt ist.
Alter Brauch in neuer Form: Arbeitsmaiden bringen den Bauern-
familien, auf deren Höfen sie eingesetzt sind, den Lichterkranz.
r>
e
k
l
p
H
——
T SS e
—
_
=. D
Le TEE
a —
— — —
. ES
D wm —
— — E — ——— .à‚y— rn
In manchen Landschaften bringt nicht Nikolaus
sondern Frau Holle, heute zum „Christkindel ge
worden, den Kindern die weihnachtlichen Gaben.
ln der Gestalt von Frau Holle verkörperten sich für
den deutschen Volksglauben die Wachstumskräfle
der „Mutter Erde‘, Sie ist eng verwandt mit Frau
d Berchta, der Gottesmutter, die in christlicher Zeit zur
| Unholdin erklärt und so zum Kinderschreck wurde
EEE ECH EE Ger UP
a nl ERTL MED un — — EE
N
1E:
| H
`
IF H
f 8
"geg, Fw
re
*
e
SH
VW
Das Bild oben stammt aus der Oberlausitz, das Bi
unten aus dem Banat. Hier kommt das „Chis
kindel“ am Weihnachtsabend in langem weißen
Gewande, um die Kinder zu bescheren. Set
Begleiter ist der „Pelzmärtel“, wie der Rnech
Ruprecht auch heißt.
kunde und besonders auch für die deutsche Ost-
forschung geworden.
Das bunte Bild des Volks- und Kulturlebens
auf dem Dorfe, wie wir es heute und noch weit
lebendiger in der Vergangenheit bemerkten, zu
schildern, ist eine der schönsten Aufgaben der
Volkskunde. Das Gebiet des Brauchtums
erfreut sich heute allgemeinen Interesses. Un-
endlich vielgestaltig sind die Arten des Lebens-
laufs-, des Jahreslaufbrauchtums und des
Brauchtums bei der bäuerlichen Arbeit und beim
dörflichen Handwerk. Nirgends finden wir an
anderen Stellen eine solche Fülle von Formen.
Hier tut sich die Welt unserer Vorfahren in
sinnvoller Einfachheit und schlichter Größe auf,
besonders wenn es gelingt, neben den Feststel-
lungen der hier sichtbaren Kulturwerte auch die
Volksseele selbst in ihren Schwingungen und
Stimmungen kennenzulernen, wie sie die Ein-
drücke des Kultur- und Naturgeschehens erlebt,
erfaßt und wiedergibt.
Besondere Beachtung verdienen die Sinn-
bilder, denen wir in den Formen des Fach-
werkes am Hause, in Hausmarken, Heilszeichen
und allerlei figürlichem Schmuck begegnen.
Immer wieder finden wir hier das Sonnenrad,
den Donnerbesen, den Fünfstern oder allerlei
Getier, das nur dem oberflächlichen Blick als
ornamentale Spielerei erscheint. Diese zum Teil
nur unbewußt vererbten. Zierformen erinnern
uns an die Glaubenswelt unserer Vorfahren und
zählen zu den frühesten Zeugen deutscher Kul-
tur. Die gleichen altüberlieferten Zeichen sehen
wir noch an altem .selbstgefertigtem Hausgerät
und Handwerkszeug. Wichtigste Ergebnisse für
die Erkenntnis alten deutschen Volkstums hat
die Kulturgeschichtsforschung schon hieraus ge-
zogen. Von hier ist es nur ein Schritt zu den
Inschriften, denen wir als Zeugen der Vergan-
genheit an vielen Stellen im Dorf begegnen.
Zwar keine sichtbaren, aber noch nicht minder
lebendige und wesentliche Zeugnisse alten
Volksglaubens und alter vom Bauern bestimmter
Volkskultur sind die Märchen und Sagen, die
Fabeln und Schwänke, die Sprichworte und Rät-
sel, die Volkslieder und Kinderspiele. Das Mär-
chen gehört zu dem urtümlichen Erzählgut, das
in den breiten bäuerlichen Volksschichten
unserer Dörfer seine Heimat hat und sich dort
jahrhundertelang von Mund zu Mund weiter
vererbte. Hier sind diese Gemeinschaftsdichtun-
gen auch entstanden, denn unser Bauerntum hat
am ehesten, am besten und am reinsten die Ge-
danken der alten germanischen Glaubenswelt,
die sich hier widerspiegeln, bewahrt. Schon
deshalb sind unsere Märchen ein Stück alter
deutscher Volkskultur und ihr Tod wäre nicht
nur ein Verlust für unsere Kinder, sondern ein
noch größerer für die ganze deutsche Volks-
seele. Die Sage ist als eine ortsgebundene Er-
zählform ebenfalls von altersher in unseren Dör- -
fern lebendig. In ihr offenbart sich der historische
Sinn unseres Bauerntums ebenso wie seine
Erzählkunst und Erzählfreudigkeit. Treffliche
Beobachtungsgabe und Schlagfertigkeit zeigt
sich beim Schwank — dessen köstlicher Hu-
mor nie zum seichten Witz ausartet — beim
Rätsel und nicht zuletzt beim Sprichwort.
Hier verbirgt sich unter einem schlichten Ge-
wand eine Fülle von Lebensweisheit und Erfah-
rung, die von Generation zu Generation durch
die Jahrhunderte überliefert wurde Alle
Kräfte, die in der Vergangenheit versuchten, die
bäuerliche Sprache und ihre Schöpfungen ver-
ächtlich zu machen, sie als gänzlich ungehobelt
und unliterarisch hinzustellen, hatten vergessen,
daß gerade die deutsche Sprache als Ausdrucks-
form eines bäuerlichen Volkes in unseren Dör-
fern entstanden ist.
Nicht nur die Sprache, ja überhaupt das
ganze kulturelle Leben. unseres Volkes und
seine Geschichte nimmt hier ihren Ausgang.
Wir dürfen die Dorfkultur in allen ihren Aus-
drucksformen nicht als gleich alt ansehen, son-
dern beachten, daß sie zwar von unserer Gegen-
wart her als alt, d. h. urtümlich erscheint, des-
halb aber doch aus qanz verschiedenen Zeit-
abschnitten stammen und von den verschie-
denen Generationen geprägt worden sein kann.
Wenn sich in einer wahrhaft fruchtbaren Zu-
- sammenschau verschiedener Wissenschaften die
Möglichkeit bietet, alle Zweige der Dorffor-
schung in übersichtlicher und anschaulicher
Weise zu behandeln, dann kommt hier der Ge-
schichtswissenschaft eine ganz beson-
dere Bedeutung zu.
Die Vielgestaltigkeit historischer Forschungen
bietet in jedem Falle Gelegenheit, Erkenntnisse
über Recht, Wirtschaft und soziale Schichtung,
die alle mit der Kultur im deutschen Dorfe eng
verknüpft sind, zu gewinnen. Die Geschichts-
wissenschaft kann auch dann im Dienste der
Dorfforschung stehen, wenn es scheint, daß ein
Dorf niemals vom Atem der politischen Welt-
geschichte berührt worden ist. Einige der in den
letzten Jahrzehnten veröffentlichten Dorf-
geschichten berichtet schlicht und wahrheits-
getreu von der Vergangenheit eines deutschen
Dorfes, wenn auch anscheinend kein besonderer
Anlaß dazu vorliegt und ihm historische oder
landschaftliche Besonderheiten versagt geblie-
ben sind. Was diese Schilderungen, bei denen
meist die Liebe zur Heimat und zum deutschen
Bauerntum die Feder führte, immer wieder le-
senswert macht, ist die Tatsache, daß kein Dorf
haargenau dem anderen gleicht und wir somit
stets neue Einblicke in den unend-
lichen Reichtum der deutschen Kul-
turgeschichte gewinnen.
Wenn wir hier hören, wie alt diese Dörfer
sind, ihren Weg in der Vergangenheit von der
ersten Besiedlung im Auf und Ab durch die Zeit
des freien Bauerntums, der sich entwickelnden
Grundherrschaften und Landesfürstentümer,
durch Reformation und Bauernkrieg, durch die
Zeiten kleiner Fehden und großer Deutschland
85
— =
—
Err
am 2 —— 2
.
—
` deng 1 ~
- - - > . — — vess — — t
-mä ͥ — D.ro me gg "ën o ———— Te nae M —— — — — mm o
= — K ` 3 geg a — 8 * e E * E v A
TA E > * e d a. > x ù De H wë d 2 d
> * Ya sich 4 — 4 R
A - We FY 44 í e ` e e
* e a Ai D D KR Hr e Fre, e è „ Le H x
2 „ — J A e Fi. N H d - e N ° ai ; z
d H — Si ww à Pin. E e * 4 J :
Ce - > kA F: * - - 4 ` ak és 9. e 4 d r H `
+ Pe J x ec. + » H e i x. B 2 1 ö em a P k D
. * Ds e d "ek, d — Bra 2 e Tex e * 5 + E, > zë
d ` ` — — dh, D u = eg 2 5 D ` Ay T k
> c — GR > à ~ E D a "A je pr d — d es Lem "A ge 2 et. € Ca s Ce - e $
D . Ge SR SÉ * > TE e Í - Ni | * * — un ` ` ëch > m e. N ,
~ a. "ën f D en E K D d'Sr * . o Fé — d Kë, Bett! sa * — * K ke e NM - — +
e n - > Aa - Aa E A P à > re. E P D + A eg E z 1 Í —
2 è d ab 149 * . * y ` - í R G ` `
e - i N ke 7 2 n D- 5
` * — k 9 ap ER r — .
e nd = Sy wear, u. =, ` > „ale T P sc F P — y E R — * '
> N e bs RI A * > 2779 x ry e, d MEET a T wur "Ze a ER e r * .
” * a pe D . - * 2 Ki MIT — RK ke? 2 *
` ` ; ° = en = i * - Sl;
` „er H ` K A
e 3 — j wie
* i n R Le
"gf "e A é
d 4
2
— — — A — —— Zu = ep
WE LC ——
u — mm =
a 3 fe:
verwüstender Kriege, durch die Bauernbefreiung
des 19. Jahrhunderts und erneute Verknechtung
durch den Kapitalismus bis zur Gegenwart ver-
folgen, dann erkennen wir erst richtig, wie sich
rund zweitausend Jahre deutscher Geschichte im
Schicksal eines kleinen Dörfes spiegeln.
Nirgends gelingt es so gut wie im deutschen
Dorf den Weg einer Sippe im Laufe unserer
Volksgeschichte zu verfolgen. Die Dorf-
geschichte bietet die beste Einführungin
die Sippenkunde, die hier auf dem Friedhof
begonnen werden kann, wo alte, halbverwitterte
Grabsteine oder schmiedeeiserne Grabkreuze
Zeugnis von längst versunkenen Generationen
"ablegen, an die in den meisten Städten kein
Denkmal mehr erinnert. Es genügt nicht allein,
Stammbäume und Ahnentafeln alter Sippen auf-
zustellen. Unter dem Blickpunkt „Blut und
Boden“ kommt dem verbindenden Worte „und“
eine wesentliche Bedeutung zu. Es ist für die
Kulturgeschichtsforschung sehr wesentlich,
wenn sie immer erneut Klarheit über die unlös-
liche Verbundenheit gewinnt, die das Blut mit
dem Boden, d. h. die unserer Bauernsippen aus
ihrem volkseigenen Blutserbe heraus mit den
ebenso eigentümlich gestalteten landschaft-
lichen Erscheinungsformen unserer deutschen
Heimat eingegangen sind.
Auch die Bevölkerungs geschichte des
Dorfes liefert uns wichtige Bausteine. Sie ist
zwar erst in den letzten Jahren Gegenstand der
Forschung geworden und findet nurzahlenmäßig
nüchtern ihren Niederschlag in alten Kirchen-
büchern, Grundbüchern oder Steuerakten. Wer
aber die geheimnisvollen Zusammenhänge der
Volkwerdung erkennen will, muß sich an diese
wichtigen Anhaltspunkte halten. Als Ergebnis
entsteht dann ein Zahlenbild vom Wachsen des
Dorfes und von der Zu- oder Abwanderung, das
trotz seiner Nüchternheit etwas von dem Leben
ahnen läßt, von dem es berichten soll, ohne
allerdings seine letzten Geheimnisse zw ent-
hüllen. Noch schwerer läßt sich die Bevölke-
rungsart in ihrer körperlichen oder in ihrer
rassischen Zusammensetzung erfassen. Bei der
engen Verflechtung von Rasse und Kultur
kommt aber anthropologischen Erhebungen her-
vorragende Bedeutung zu. Während in den
Großstädten und Industriezentren die beson-
deren Merkmale vielfach stark verwischt sind,
ist in den Dörfern immerhin die rassische Zu-
sammensetzung unseres Volkes am sichersten
festzustellen.
Besonders aufschlußreich ist die Dorf-
geschichte auch für die Entwicklung der
inneren deutschen Volksordnung. In
der bäuerlichen Gemeindeordnung und ihren
genossenschaftlichen Organen, z. B. den Mark-
genossenschaften, fand das Grundgesetz deut-
schen Sozialismus „Gemeinnutz geht vor Eigen-
nutz” seine erste geschichtlich faßbare Ausprä-
gung. Nach dem Vorbild der bäuerlichen Ge-
meindeordnungen sind einst die ersten Städte-
86
den gleichen Prinzipien wie die bäu
nicht mehr befriedigen konnte, und erm£
ordnungen geschaffen worden und tie |
werkszünfte und Kaufmannsgilden w asch |
nossenschaften errichtet. > Ze
Wenn der Historiker die Dynamik d
schichte in ihrem ganzen Umfang begreife
dann muß er auch jenen Momenten F
tragen, die, obgleich sie scheinbar
Rande des politischen Gescheher P
gen, doch einen nachhaltigen EinfluB ar 9
Gang der Ereignisse ausgeübt haben. Wie e in
von der Erfindung des Pfluges eine lum
sende Umwälzung des gesamten nen chl
Lebens ausging, so haben immer |
züchtungen revolutionäre Veränderunger
serer Lebensbedingungen ‚hervorge rufe
unsere gesamte Wirtschaftsstruktur
ten. Hierzu gehört beispielsweise in der N
die unscheinbare Kartoffel, die du
Einführung in unsere deutschen Dörfer den A
stoß zu der letzten grundstürzenden Wandlun:
der deutschen Agrarstruktur gab. Ihr Anbau
ermöglichte die Uberwindung der alten Dreifel-
derwirtschaft, die die vermehrten Nahr ung:
bedürfnisse der rasch wachsenden Bevöl erur j
ZS up" E
`
e
r Ge
Ke
EL
den Ubergang zur Fruchtwechselr
deren intensive Bodenausnutzung die Grur 14
der neuzeitlichen Nahrungsversorgung
Eine zweite Neuzüchtung, die Zuckerrü
hat nicht nur dadurch, daß sie Europa von d
überseeischen Zuckerzufuhren unabhär
machte, den Zucker zu einem neuen,
unentbehrlichen Volksnahrungsmittel
sondern auch den allgemeinen Intensitätsg
der Fruchtwechselwirtschaft so erhöht, da8 o
ihre Einführung der beispiellose fsch
der landwirtschaftlichen Erzeugung in der N
zeit unmöglich‘ gewesen wäre. So haben wei
Neuzüchtungen, die beide in Deum
wickelt wurden, Revolution gemacht. Ist sch
die allgemeine volks wirtschaftliche Bedeutu S
dieses Vorganges kaum genügend ge kee gt
worden, so ist der einschneidende wat
del des gesamten Dorflebens, dere
verbunden war, kaum beachtet worden, obwohl
er mit seinen Licht- und Schattenseiten für d ie
Entwicklung der gesamten deutschen Kultur a
entscheidender Bedeutung war. Auch in dieser
Beziehung ist der Dorigeschichte der Zukun
die Aufgabe gestellt, wichtige, bisher noch k =
lende Bausteine für eine umfassende deutsche
Kulturgeschichte zu liefern.
$
—
Die gleiche enge Verflechtung KZ
schen Kultur und Wirtschaft zeigt uns
die Geschichte des Dorfes im 19. Jahrhur
wenn wir die erheblichen Besitzverschie- ja
bungen betrachten. Einmal sind in jest d
Zeitraum alte große Bauernhöfe vielfach 9 `
und neue zwischen ihnen angelegt oder
anderer Stelle mehrere kleine Besitzungen 2 *
Großbetrieben zusammengelegt. Gerade die
sitzzersplitterung und a Abwanderung (
ur
Digitized by Google 3
/
zwar persönlich freien, aber vom Boden gelösten
Landarbeiter aus dem Osten in die Städte be-
wirkte einen Rückgang der Dorfkultur, der eine
der schwierigsten Erbschaften der Vergangen-
heit darstellt. Wenn es in diesem Zusammen-
hange gelingt, dem deutschen Bauern an Hand
der Geschichte seines Dorfes, seines Hofes und
seiner Sippe klarzumachen, daß das Reichs-
erbhofgesetz nichts weiter will, als dem
gesetzliche Form geben, was eigentlich von
altersher Gewohnheit war, so wird er dieses
Grundgesetz unseres Bauerntums sofort mit ganz
anderen Augen ansehen, als bisher mit seinem
von der Not und den Schwierigkeiten der letzten
Jahrzehnte getrübten Blick und auch dessen
letztlich kulturerhaltende, ja kulturerneuernde
Aufgabe anerkennen.
Aber der Hinweise genug! Alle diese Dinge
waren im letzten Jahrhundert stark,in Verges-
senheit und Mißachtung geraten. Eines der
Kulturdenkmäler nach dem anderen entschwand
aus dem Gesichtskreis oder der Erinnerung des
Dorfes und seiner Bewohner und damit des
ganzen Volkes. Ihre Verzeichnung ist die Aui-
gabe unserer Wissenschaft, ihre Wiederbele-
bung eine Aufgabe der nationalsozialistischen
Dorfkulturarbeit, bei der es gilt, vom Bauerntum
aus unser ganzes Volk in seiner Lebenshaltung
und Kultur wieder bodenständig zu machen.
Auch die Wissenschaft kann ikr Material nur
zum geringen Teil aus Urkunden und schrift-
lichen Überlieferungen erarbeiten, die Quellen, `
die uns diese Erkenntnisse eröffnen, sind boden-
gebunden und müssen mit aulmerksamem Ohr
unmittelbar aus der lebendigen Landschaft ge-
schöpft werden. Nur solche Betrachtungen kön-
nen bei der älteren Generation liebe Erinnerun-
gen wachrufen, bei der jüngeren das Heimal-
bewußtsein und die Schollentreue stärken und
allen fernen Söhnen und Töchtern des Dorfes
einen Gruß bleten..
Die Heimatgeschichte, angefangen von der
kleinen Dorfgeschichte, darf sich niemals von
dem großen Ganzen abschließen. Wir
wollen sie nicht als engstirnige oder eigenbröt-
lerische Lokalgeschichte, sondern als
deutsche Geschichte in bäuerlich und land-
schaftlich geprägter Form ansehen und sie vor
aller Enge bewahren, die doch niemals Leben
spendet. Auf der Ortsgeschichte beruht haupt-
sächlich die Landeskunde und diese Landes-
kunde ist wiederum eine Hauptquelle der
Volkskunde, die im Sinne Riehls gleichzeitig
eine soziale Lebenskunde darstellt.
Die Dorfgeschichtsforschung ist demnach nicht
allein eine Angelegenheit kulturgeschichtlichen
Erkenntnisbedürfnisses, sondern auch zugleich
eine Aufgabe von höchst gegenwarts-
bezogener Bedeutung. Der Kulturpolitik
geht es um die Kultur als lebendig wirkende
Kraft der Gegenwart, sie muß aber doch auf
diesen im deutschen Dorf gestalteten Zeugen
deutscher Kultur der Vergangenheit aufbauen.
Der große Reichtum des Materials einer deut-
schen Dorfgeschichte und damit eines gut Teils
deutscher Kulturgeschichte liegt meist noch un-
geordnet durcheinander. Hier gilt es, die ge-
sammelten Einzelerkenntnisse aufeinander ab-
zustimmen und sie der Allgemeinheit zugänglich
zu machen, zum Nutzen unseres Volkes, denn
auch hier wirkt „eine hervorragend na-
tionale Wissenschaft” lebendig in unsere
Gegenwart. Wir stehen am Anfang eines be-
merkenswerten Abschnittes in der dorfgeschicht-
lichen Erforschung des Reiches, Wie vor Jahr-
zehnten die „beschreibende Darstellung der Bau-
und Kunstdenkmäler” in den einzelnen deut-
schen Landkreisen eine Bestandsaufnahme und
sichere Grundlage für die weitere Erforschung
der deutschen Kunstgeschichte geschaffen hat,
so muß heute die Kulturgeschichte des deut-
schen Dorfes den Weg bahnen zu einer neuen
vielschichligen deutschen Kulturgeschichte.
Die Dorfgeschichtsforschung ist also mehr als
ein müßiger Zeitvertreib für Liebhaber oder aber
nur lediglich ein neues Arbeitsfeld für die zu-
künftige Kulturgeschichtsforschung, sondern
eine wichtige Aufgabe unseres ganzen Volkes.
Sie darf sich nicht darauf beschränken, nur ge-
legentlich in örtlicher oder sachlicher Hinsicht
mehr. oder weniger zufällige Fragen in Angriff
zu nehmen, sondern sie muß planmäßig auf
der ganzen Linie begonnen und durch-
geführt werden. Kein noch so genialer Bau-
meister kann ein Gebäude errichten, ohne die
Hilfe der zahllosen oft unbekannten Vorarbeiter,
die ihm die Bausteine formen und herbeischaffen.
Auf diese fleißige Kärrnerarbeit, die jede echte
Wissenschaft niemals verachten darf, kommt es
auch bei der Dorfgeschichtsforschung entschei-
dend an. Die großen Zusammenhänge aufzu-
spüren und darzustellen, wird freilich immer die
Aufgabe der Wissenschaft bleiben müssen.
Wenn zur Erforschung der Vergangenheit des
deutschen Bauerntums die Erfassung aller Dörfer
notwendig wird, dann kann das Bauerntum allein
und aus sich heraus diese Aulgabe nicht lösen,
hier bedart es der Hilfe der deutschen Wissen-
schaft. Der Bauer und Dorfbewohner vermag
zwar dem Hofbuch und dem Doribuch allein
wirkliches Leben einzuhauchen, die Zusammen-
schau aller dieser Monographien ist die Aufgabe
eines Kreises von der Dorfforschung und dem
Bauerntum besonders verbundenen Wissen-
schafllern.
Wenn das Dorfbuch heute jeden Dorfbewoh-
ner anspricht, dann soll die Zusammenfassung
aller Zeugnisse deutscher Kultur in unseren
Dörfern den Deutschen auf dem Lande und vor
allem auch in der Stadt den Wert und Reichtum
deutschen Volkstums, den es gegenwärtig für
die Zukunft zu bewahren gilt, vor Augen führen.
Hier ist für uns alle ein „Quellenbuch
von unschätzbarem Wert aufgeschla-
gen!
87
Ki
p EL nÖ 22 U Zu
1
H. GERD ES MANN:
Japan ORDNET DEN
OS TASIATISCHEN AGRARGROSSRAUM
Mu der Auflösung des Systems der liberalen
Weltarbeitsteilung vollzog sich die Her-
ausbildung von Groß- Wirtschafts-
räumen, ein Ausdruck für die Gleichheit poli-
tischen Gestaltungswillens von Völkern gleicher
oder verwandter Rasse. Als eine Übergangs-
erscheinung kann der Versuch Eng-
lands gewertet werden, sein Empire zu einem
autarken Länderblock zu machen. Diesem fehlte
nämlich eine der wichtigsten Voraussetzungen,
denn das Empire war unorganisch und ohne
direkte Verbindung über alle Erdzonen verteilt
und ein interner Austausch nur gesichert, wenn
auch die Seeverbindungen nicht gestört wurden.
Wie wichtig gerade die letztgenannte Tatsache
ist, zeigt sich im gegenwärtigen Krieg, da große
Mengen an Nahrungsmitteln und Rohstoffen in
Kanada, Australien und Neuseeland lagern,
während andererseits auf der englischen Insel
schärfste Rationierungsmaßnahmen durchgeführt
werden müssen. Als echte Großräume sind
deshalb nur Europa, Amerika und Ostasien zu
bezeichnen.
Charakteristisch für die Aufbauarbeit in den
Großräumen ist die Beseitigung der durch die
Weltarbeitsteilung entstandenen Schäden oder
Mängel. Aut landwirtschaitlichem Gebiet be-
deutet das die Rückführung der in andere Erd-
teile oder Zonen hinaus verlegten Kulturen, die
Abkehr von der Monokultur zugunsten der
Polykultur, kurz die Sicherung der organischen
Grundlagen der Landwirtschaft.
Das sind auch die Aufgaben, die Japan zu
lösen hat und die deshalb besonders dringlich
sind, als es auf Grund seiner militärischen Er-
folge nunmehr über Gebiete verfügt, die zum
bisherigen Machtbereich der Engländer, Ameri-
kaner und Holländer gehörten und unter deren
Einfluß zu ausgesprochenen Monokulturländern
geworden waren.
Der ostasiatische Großraum liegt etwa
zwischen den Breitengraden 50° Nord und 10°
Süd; er umfaßt mit Mandschukuo, Indochina,
Thailand, Burma, Malaya, den Philippinen,
Sumatra und Borneo eine Fläche von fast 4,1
Millionen Quadratkilometern und rund 280 Mil-
lionen Menschen. Weiterhin muß China mit
5,7 Millionen Quadratkilometern Fläche und 426
Millionen Menschen dazugerechnet werden. Die
wirtschaftliche Bedeutung dieses Raumes ist aus
den Angaben des Deutschen Instituts für Wirt-
schaftsforschung ersichtlich, Danach betrug 1938
88
der Anteil an der Weltproduktion bei Reis rund
90 v. H., Rohrzucker 14 v. H., Hanf 28,7 v. H. und
Kautschuk 89,2 v.H. Unter Außerachtlassung des
Handels zwischen den südostasiatischen Ländern
wird der Anteil an der Weltausfuhr bei Reis mit
54,9 v. H., bei Rohrzucker mit 14,7 v. H., bei Hanf
mit 48,1 v. H., bei Kautschuk mit 85,9 v. H., bei
pflanzlichen Olen mit 34,4 v. H. und bei Kopra
mit 72,3 v. H. ausgewiesen.
Noch deutlicher wird der Reichtum dieser Ge-
biete an landwirtschaftlichen Rohstoffen, wenn
man einige Produktionszahlen aus dem Jahre
1938 herausstellt. Danach betrug die Sojaproduk-
tion in China und Mandschukuo 216 Millionen
Bushel bzw. 140 Millionen Bushel. Die Philippi-
nen erzeugten unter anderem 1,5 Millionen
Ballen Manila-Hanf, 0,8 Millionen Tonnen Kopra
und 1,5 Millionen Tonnen Zucker. Burma pro-
duzierte 4,6 Millionen Tonnen Reis und 0,18 Mil-
lionen Tonnen Erdnuß, während sich die Erzeu-
gungsmenge von Niederländisch-Indien auf 19
Millionen Tonnen Mais, 0,82 Millionen Tonnen
Kopra, 0,27 Millionen Tonnen Palmöl und 1,4
Millionen Tonnen Zucker belief. Ohne Berück-
sichtigung von China und Mandschukuo werden
die Erzeugungsmöglichkeiten in den neuen Ge-
bieten bei Pflanzenölen aus den wichtigsten Roh-
stoffen auf 2,9 Millionen Tonnen geschätzt, und
zwar entfallen auf:
Niederländisch-Indien . . . . 54 v. H.
Files Ee See 27 v.H.
U ˙ : ²˙ Ä 9 v. H
aleng, eee 7 v. H
während sich der Rest auf Thailand und Indo-
china verteilt.
Für das Japanische Reich war die Stabili-
sjerung des Reishaushalts bisher ein
schwieriges Problem, da der Bedarf — trotz
stärkster Förderung der Eigenerzeugung — nur
durch Einfuhren gedeckt werden konnte. Nach
Einbeziehung der neuen Räume verfügt Japan.
das mit 8.6 Millionen Tonnen Reis rund 9 v. H.
der Weltproduktion erzeugte, nunmehr über be-
deutende Überschußgebiete. So betrug im Durch-
schnitt der Jahre 1935/36 bis 1939/40 die Reis-
ausfuhr von
Korea ei Kies 1,10 Mill. Tonnen
Formosa ....... a 0,62 „ KR
Indochina ...... 1,32 T 7)
Thailand ...... 191 ü
Burma. kauen 2,99 „ u
durch deren Überschüsse auch der Fehlbedarf in
Malaya, Niederländisch-Indien und den Philip-
pinen gedeckt werden kann.
Die äußerst günstigen Produktionsverhältnisse
verleiten nur zu leicht zu dem Trugschluß, daß
die wirtschaftliche Neuordnung dieser Gebiete
ohne nennenswerte Schwierigkeiten durchzu-
führen sei. Dem stehen aber die unterschiedliche
organische Gestaltung, die Weitläufigkeit des
Raumes und nicht zuletzt die Auswirkungen der
bisherigen Wirtschaftseinflüsse imperialistischer
Prägung entgegen. Es ist kennzeichnend, daß die
japanische Agrarpolitik der Neuordnung ebenso
wie die Deutschlands dem Gesetz der Stär-
kung von innen heraus dient und ein ent-
sprechendes Programm entwickelt wurde, das in
dem früheren Fünfjahresplan und dem erweiter-
ten gegenwärtigen Zehnjahresplan seinen Nie-
derschlag findet. Im Mittelpunkt der Aufgaben-
stellung stehen folgende Ziele:
1. Neuordnung im „Stammreich“;
2. Neuordnung der autonomen oder schon
. länger besetzten Gebiete wie Mandschukuo
und National-China;
3. Neuordnung der Südsee-Gebiete aus dem
ehemalig englischen, amerikanischen und
holländischen Besitz;
4. Neuordnung der Austauschbeziehungen
zwischen den Ländern.
Wenn trotz der verfügbaren bedeutenden
Agrargebiete die Stärkung der heimischen Land-
wirtschaft im Vordergrund steht, so zeigt das
eindeutig, daß es sich bei den Maßnahmen nicht
um kriegsbedingte Notwendigkeiten, vielmehr
um zukunftsweisende Sicherungsbestrebungen
handelt. Die japanische Landwirtschaft arbeitet
zum größten Teil unter schwierigsten Verhält-
nissen; denn die Ackerfläche umfaßt nur 15,8
v.H. des Gesamtareals bei einer Besiedlungs-
dichte von 182 Menschen je Quadratkilometer.
1933 hatten 68,5 v.H. der Betriebe eine Größe
von weniger als J Hektar, unter 5 Hektar lagen
sogar 98,7 v. H. Die ungünstige Besitzstruktur —
47 v.H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind
Pachtland — wirkte sich zusammen mit anderen
krisenhaften Erscheinungen dahingehend aus,
daß von 1913 bis 1930 der Anteil der in der
Landwirtschaft Tätigen an der Gesamtzahl der
Berufstätigen von 50 v. H. auf 21,9 v. H. zurück-
ging; während die Bevölkerungszahlen von 1909
bis 1925 um 23,4 v.H. stieg, erhöhte sich die
landwirtschaftliche Bevölkerungszahl nur um
26v.H.
Diese Entwicklung der japanischen Wirt-
schafts- und Sozialstruktur — die unter dem
Einfluß der Industrialisierung ähnlich verlief wie
in den meisten europäischen Staaten — wurde
von der japanischen Regierung als politische
Gefahr erkannt und entsprechende Abwehrmaß-
nahmen eingeleitet. Seit 1931 ist die staatliche
Kontrollpolitik der Produktion und des Marktes
im Rahmen eines Fünfjahresplanes durchgeführt.
Die Überwachung der Preise und die Festsetzung
o
von Variationsgrenzen, die Regelung des Reis-
und Getreidemarktes (1933), Dorfplanungen,
Gründung von Genossenschaften und Ordnung
der Schuldverhältnisse waren staatliche Maß-
nahmen mit dem Ziel, die Basis für eine wirt-
schaftliche Gesundung auf dem Agrarsektor zu
schaffen. Professor Shiroshi Nasu, Tokio, faßte
die zu bewältigenden Aufgaben zusammen und
stellte als wichtigste Forderungen auf:
1. die Befreiung der Betriebe vom wirtschaft-
lichen Druck als Folgewirkung der Welt-
wirtschaftskrise;
2. die Reform der Gesellschafts- und Wirt-
schaftsstruktur;
3. die Bekämpfung der sozialen Mißstände
und der Verstädterungstendenz;
4. den Aufbau eines gesunden und lebens-
fähigen Bauerntums und einer bodenstän-
digen Kultur.
Die Verwirklichung vieler dieser Forderungen
wurde bereits eingeleitet und im Zehnjahresplan
programmatisch verankert. Das gilt einmal von
der Stabilisierung der Betriebsstruktur, d. h. der
Abkehr von der wenig krisenfesten
Parzellen- und Pächterwirtschaft. Ein
weiteres Problem lag schon damals in der
zwischen landwirtschaftlichen und industriellen
Produkten bestehenden Preisschere, die man
seit 1931 durch die Bestimmung von Fest- und
Mindestpreisen allmählich zu schließen, ver-
suchte. Zur Sicherung der Versorgung mit den
wichtigsten Nahrungsmitteln (Reis und Ge-
treide) wurde 1933 ein Kontrollgesetz für
diese Produkte erlassen, deren Erzeugung über
80 v. H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche be-
ansprucht.
In Fortsetzung dieser Maßnahmen wurde
neuerdings eine kaiserliche Verordnung ver-
öffentlicht, die die Einführung eines aŭto-
ritären Marktkontrollsystems bedeutet.
Danach erfolgt von Staats wegen der restlose
Aufkauf der Erzeugung (abzüglich des Eigen-
bedarfs). Nach Befriedigung des Wehrmacht-
bedarfs übernehmen halbstaatliche Nahrungs-
mittelbewirtschaftungsstellen die Restmengen
und verteilen sie über ihre Provinzorganisation
direkt an den Verbraucher. Die Festsetzung der
Preise nach der Marktlage, eine Qualitätskon-
trolle und die Lenkung der gesamten Agrar-
produktion sind ebenfalls Ausdruck der autori-
tären Wirtschaftsführung.
Wenn die japanische Regierung auch während
des Krieges große Beträge für die Aufrüstung
des Dorfes bereitgestellt hat und mit allen
Mitteln an der Neubelebung der Landwirtschatt
aus eigener Kraft arbeitet, wenn man als Zu-
kunfisziel die Stabilisierung des Anteils der
landwirtschaftlichen Berufstätigen an der Ge-
samtzahl der Berufstätigen auf 40 v. H. verlangt
und das Bauerntum „das Rückgrat des Volkes"
nennt, so zeigt sich auch darin der feste Wille,
die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu sichern.
89
ET EEE ER RE DEE _— "TE TER fe
a ` Kies"
Kg
- r =
—— — — —
— —
—
—
*
* Se .
— . —
— . — 8e. — —
2
— — —
— pg ee Agen P
Ei — — —
— —
2e G rr
r ne
— A ee
— — —
ene. —— — aa
— — —— e pi -
m P r ga E gn —
—
—
zu Kr
„ e pks
|
|
/
—
Nur ein Studt, der wirtschaftlich selbständig ist,
ist zur politischen Führung eines Großraums
befähigt. f
Als am 1. November 1942 das Großost-
asien-Ministerium ins Leben gerufen
wurde, erhielt der ostasiatische Großraum damit
seine höchste Befehlsstelle, in deren Händen die
gesamte Planung liegt und die sich der Militär-
verwaltungen als ausführender Organe bedient.
Der privaten Initiative steht u. a. im Rahmen der
halbstaatlichen Gesellschaften ein weites Be-
tätigungsfeld offen.
Sofort nach Besetzung der Südseegebiete
bildete der Nippon-Zentral-Genossenschaftsrat
ein Untersuchungskomitee, das Boden, Klima,
die Produktions- und Anbauverhältnisse, den
Arbeitsbesatz und das Betriebssystem studierte:
Diese Grundlagenforschung war die erste Vor-
aussetzung für eine agrarische Neuordnung, die
sich ebenso auf die Anbaustruktur und Erzeu-
gung wie auch auf die Austauschbeziehungen
erstreckt. Die sporadische Lage der Gebiete des
ostasiatischen Großraumes und das Vorherrschen
von Monokulturen, besonders auf den Inseln der
Südsee, hätte unter Beibehaltung dieser ein-
seitigen Produktionsmethoden einen bedeuten-
den Austauschverkehr notwendig gemacht, dem
die Handelstonnage nicht gewachsen gewesen
wäre. Deshalb sieht der Zehnjahresplan der
Japaner nicht nur die Erhöhung der Erzeugung
im „Stammreſch“ vor, sondern ebenso in den
neuen Räumen, deren Landwirtschaft gleich-
zeitig zur Polykultur übergehen soll.
Die Vielfältigkeit der im Zehnjahresplan fest-
gelegten Einzelmaßnahmen, die dem Ziel der
agrarwirtschaftlichen Unabhängigkeit dienen,
lassen in der Aufgliederung nach Zonen,
die nahezu autark werden sollen, die groß-
räumige Konzeption erkennen. Man strebt für
Nippon mit Formosa und Korea nach einer
Autarkie, die bei Reis, Weizen, Hafer, Speise-
bohnen, Erbsen, Zucker und Fisch bereits er-
reicht ist, und will China, die Mongolei und
einige Südseegebiete durch Umstellung und Er-
höhung der Erzeugung von allen Einfuhren un-
abhängig machen. Zur Stabilisierung des Fett-
haushalts ist die Steigerung der Sojaproduktion
in Korea und Mandschukuo vorgesehen. Mit der
Aufstellung eines Zuckerplanes für Java und die
Philippinen, der eine Einschränkung der Zucker-
produktion auf 750000 Tonnen bzw. auf 500000
Tonnen verlangt, verbindet man die Förderung
der Polykultur. Auf Kosten der Zuckerplantagen
sollen in beiden Gebieten Reis, Mais und Baum-
wolle, teilweise noch Jute und Sisalgras in den
Anbauzyklus aufgenommen werden. Besonders
die Ausweitung der Baumwollgebiete ist für
Ostasien von Wichtigkeit, da der Friedensbedarf
nur etwa zu einem Drittel im eigenen Raum ge-
deckt werden konnte. Das Hauptanbaugebiet
war bisher Mittelchina, das dank der japanischen
Initiative schon 1942 den Baumwollertrag um
20 v. H. erhöhen konnte. Während sich in frühe-
90 oo.
. waren.
ren Jahren die Ernte auf etwa 18000 Tonnen
belief, soll sie bis 1944 auf das Dreifache gestei-
gert werden. Für die Philippinen, die bisher über
rund 15000 Hektar Baumwollfläche verfügten,
wurde ein Fünfjahresplan aufgestellt mit dem
Ziel, eine Ausweitung um nahezu 450000 Hektar
durchzuführen. Auch auf Java, wo die Planung
für 1942 eine Anbaufläche von 20000 Hektar
vorsah, ist mit weiteren Flächenausweitungen
zu rechnen. Über allem aber steht die Sicherung
des Bedarfs an Reis, dem Hauptnahrungsmittel
der Asiaten, bei dessen Kultur immer mit Miß-
ernten gerechnet werden muß, die eine groß-
zügige Vorratswirtschaft notwendig machen.
Aber nicht allein in der Produktionsumstellung
und Flächenausweitung erschöpft sich das japa-
nische Aufbauprogramm. Als ebenso wichtig gilt
die Intensivierung, d. h. die Verbesserung
der Bodenbearbeitungsmethoden, die Verwen-
dung einwandfreien Saatgutes und der erhöhte
Einsatz von Betriebsmitteln, wie Maschinen und
Handelsdünger. Gerade hierin liegen noch
bedeutende Reserven, die auszuschöpfen
eine der schwierigsten Aufgaben der japanischen
Behörden sind. Denn die im Rahmen der. Welt-
arbeitsteilung entwickelten Monokulturen haben
den Landwirten und Plantagenbesitzern, speziell
der Südseegebiete, nicht nur eine ausgeprägte
Einseitigkeit aufgezwungen, sondern haben
ihnen auch durch das wirtschaftliche Abhängig-
keitsverhältnis die freie Entwicklung der
privaten Initiative unmöglich ge:
macht. Wenn man bedenkt, daß die Philippinen
im Jahre 1941 1,5 Millionen Tonnen Zucker pro-
duzierten, denen ein Eigenverbrauch von mur
150000 Tonnen gegenüberstand, daß sich im
Durchschnitt der Jahre 1929 bis 1937 die Kopra-
ausfuhr von Niederländisch-Indien, Britisch-
Malaya und den Philippinen auf 886000 Tonnen
belief, von denen allein mehr als ein Drittel,
nämlich 318000 Tonnen, nach England und den
USA. gingen, so kann man ermessen, unter
welchem wirtschaftlichen Druck diese Produk-
tionszweige standen, die auf Gedeih und Ver-
derb von den imperialistischen Staaten abhängig,
Ebenso kennzeichnend für die Aug:
beutungsmethoden sind die Hektarerträge als
Ausdruck des Intensitätsgrades. Ohne Rücksicht
auf die Bedürfnisse der Einwohner hielt' man an
den extensivsten Bewirtschaftungsmethoden
fest, die den größten Reinertrag garantierten.
Nur so erklärt es sich, daß die Reiserzeugung je
Hektar in Japan bei 38,3 Doppelzentner lag.
während sie in Burma nur 16,1 Doppelzentner, in
Thailand 15,9 Doppelzentner und auf den Philip-
pinen gar 10,2 Doppelzentner je Hektar betrug.
In der Aktivierung dieser Kräfte liegt die Auf-
gabe Japans und die Sicherung der Nahrungs
freiheit des ostasiatischen Großraumes begründet.
Am Beispiel Japans zeigt sich genau wie in
Europa das Bestreben, die Schäden der Welt-
wirtschaft zu überwinden, um sich mit der wirt-
schaftlichen Unabhängigkeit im Großraum das
Gesetz des politischen Handelns zu sichern.
d
„
Run desch aU
Die Erinnerung an den 9. November 1918, der
nunmehr 25 Jahre zurückliegt, gab Veranlassung, den
grundsätzlichen Unterschied unserer ernährungs-
wirtschaftlichen Lage im ersten und zweiten Welt-
krieg zu beleuchten. Dieser besteht vor allem darin,
daß die Führung sich nicht darauf beschränkt hat,
schematisch vorhandene Nahrungsgüter zu verteilen;
sie war vielmehr in erster Linie bedacht, die land-
wirtschaftliche Produktion trotz der Erschwernisse
des Krieges leistungsfähig zu erhalten. Hierin liegt
der wichtigste grundsätzliche Unterschied zu damals.
Ungünstige Witterungsverhältnisse, wie sie in den
letzten drei jahren die Entwicklung der Getreide-
und Öffruchternte und in diesem jahr die Kartoffel-
ernte beeinträchtigten.“ können uns zwar Sorge
und Schwierigkeiten bereiten, auch unsere Gegner
haben sich jedoch mit der Tatsache abfinden müssen,
dab die Sicherheit der Ernährung deswegen nicht ins
Wanken gerät.
In der Vielgestaltigkelt der deutschen landwirt-
schaftlichen Betriebe und in der gesunden Abstim-
mung der verschiedenen Betriebszweige aufeinander
liegt die Stärke unserer landwirtschaftlichen Erzeu-
gung, die in den letzten vier Jahren den Stürmen
das Krieges so erfolgreich getrotzt hat. Dies wird
in Zukunft ebenso der Fall sein. Auch in der Er-
nährungswirtschaft gibt es keine Wiederholung der
Vorgänge von 1918. Begründet ist diese Tatsache
nicht zuletzt darin, daß die nationalso-
zialistische Agrarpolitik kelne abstrakte
Wirtschaftstheorle kennt, sondern von An-
fang an, wie es vom Oberbefehlslelter Her-
bert Backe immer wieder. betont worden
Ist, die politisch weltanschauliche und cha-
rıkterliche Ausrichtung der in der Ernäh-
rungswirtschaft tätigen Menschen in den Vor-
dergrund gestellt hat. Dies ist beste und erprob-
teste Arbeit der NSDAP., die sich in der Kampfzeit
vor der Machtergreifung ebenso bewährt hat, wie
heute im Entscheidungskampf um die Zukunft unseres
Volkes. Wesentlich dabei ist, daß die willensmäßigen
Voraussetzungen für die beispiellosen Leistungen, die
jetzt im Kriege vom Landvolk gefordert werden müs-
sen, bereits im Frieden geschaffen worden sind.
Der Träger des Ritterkreuzes zum Kriegsverdienst-
kreuz, Bauer Kurt Zschirnt, hat kürzlich einmal
darauf hingewiesen, daß es nur deshalb möglich war,
weil die Männer des agrarpolitischen Apparates der
NSDAP. und des Reichsnährstandes die Sprache der
Menschen auf dem Lande verstanden und selbst
sprachen, die in der Systemzeit fast vernichteten Kräfte
des Landvolkes zu beleben und zu den heutigen Lel-
stungen zu führen. Dabei darf auch nicht übersehen
werden, daß die Preise für die wichtigsten Nahrungs-
mittel im Gegensatz zum ersten Weltkrieg keine we-
sentliche Erhöhung erfahren haben. Damals waren
die Butterpreise von 1913-1918 um nahezu das
‚Viegfache, die Schweinefleischpreise fast um das
Dreifache gestiegen. Die Preise für Milch hatten sich
mehr als verdoppelt, für Kartoffeln mehr als ver-
dreifacht. Die stabile Preispolitik Ist ebenso wie die
Produktionsleistung ein Erfolg der Marktordnung,
die gleichermaßen auf Erzeuger und n
Rücksicht nimmt.
Man muß sich dabei darüber klar sein, daß die
Voraussetzungen für die günstige Entwicklung, die
wir heute feststellen, keineswegs immer aus der
natürlichen Entwicklung erwuchsen; sie mußten im
Gegenteil immer wieder heiß erkämpft werden.
Manche Umstellung mußte unter erschwerten Ver-
hältnissen vom Bauernhof gefordert werden, die für
das Dorf nicht immer leicht verständlich war. Trotz-
dem wurden alle Parolen befolgt, nicht zuletzt, weil
es gelungen war, in der vertikalen Organisations-
form der Hauptvereinigungen die Grund-
lage für eine wirkliche Gemelnschaftslel-
stung von der Erzeugung über die Verarbel-
tung bis zur Verteilung zu schaffen.
Heute ist wohl die Überzeugung Allgemeingut
geworden, daß an dieser Form niemals etwas geändert
werden darf, weil man nach den bisherigen Erfahrun-
gen nichts besseres an ihre Stelle setzen kann. Man
muß sich besonders davor hüten, die landwirtschaft-
liche Produktion etwa ähnlich wie die gewerbliche
Wirtschaft rein vom Technischen her zu sehen. Die
landwirtschaftliche Erzeugung ist naturbedingt und
bedarf deshalb einer eigenen Form und Führung,
wenn sie die Leistungen vollbringen soll, die wir
auch für die Zukunft brauchen.
Das deutsche Landvolk ist nach der ihm zum Ernte-
danktag zuteil gewordenen Ehrung mit neuer Kraft
wieder an seine Arbeit gegangen. Es wird auch in
der fünften Kriegserzeugungsschlacht, die Herbert
Backe kürzlich auf einer Großkundgebung des
württembergischen Landvolks eröffnete, Führer und
Nation nicht enttäuschen.
Als besonders erfolgreich im Kriege hat sich immer
wieder die Milchwirtschaft erwiesen, dies kam
auch bei der Auszeichnung der Sieger im Milch-
lelstung wettbewerb zum Ausdruck, die der Ober-
befehlsleiter Herbert Backe in seiner Eigenschaft als
Reichsernährungsminister und Reichsbauernführer in
diesem jahr in Dresden vornahm. Dabei wurden die
im Milchleistungswettbewerb 1942 jeweils besten
Betriebsführer, der erfolgreichste Melker und der
erfolgreichste Molkarelleiter ausgezeichnet. Herbert
Backe erinnerte daran, daß die Hoffnungen unserer
91
— —
——
—
——— ͤ
Gegner auf einen baldigen Zusammenbruch der
deutschen Ernährungswirtschaft vor allem darauf
beruhten, daß man glaubte, ähnlich wie im ersten
Weltkrieg durch die Fettblockade die deutsche Er-
nährung zu untergraben. Man lächelte im Ausland
darüber, wenn man sich in Deutschland über die
steigenden Milchleistungen unserer hochwertigen
Herden freute, weil man sich sagte, daß ihre Lei-
stungen nur mit Hilfe ausländischer Ölkuchenfütte-
rung erzielt wurden und sofort empfindliche Rück-
gänge eintreten müßten, wenn diese Zufuhren einmal
aufhörten. Mit Befriedigung hatte man sich im Aus-
lande ausgerechnet, daß die deutsche Widerstands-
kraft bei einer Bedarfsdeckung des Fettbedarfs yon
nur 45 v. H. im Inland sehr bald erlahmen müßte.
Hierin sah man sich aber gründlich getäuscht. Denn
der Reichsnährstand hatte seit Beginn der Erzeugungs-
schlacht dem Ausbau der inländischen Futtergrund-
lagen immer stärkere Beachtung geschenkt. Hohe
Leistungen auf Grund bodenständiger Futtergrund-
lagen waren zur Richtschnur der deutschen Tierzucht
geworden. Die Wirtschaftsberatung des Reichsnähr-
standes hatte alles darangesetzt, um diese Gedanken
nicht nur bei den Tierzüchtern, sondern auch in den
Millionen bäuerlicher Betriebe zum Durchbruch zu
verhelfen.
Diese erfolgreiche Milchwirtschaft ist aber nur ein
Beispiel, wie es auf allen anderen Gebieten der Kriegs-
ernährungswirtschaft ebenso vorhanden ist. Gerade
in den letzten Monaten mit den mannigfachen Anfor-
derungen, die der Luftkrieg zur Beseitigung -der
Katastrophenschäden oder im Zuge der Umquar-
tierung gestellt hat, konnte immer wieder die Schlag-
kraft und Anpassungsfähigkeit der ernährungswirt-
schaftlichen Maßnahmen unter Beweis gestellt werden.
Dies konnte nur geschehen, weil der grundsätzliche
Ausbau jeweils eine sofortige Anpassung ermöglichte.
Ein ganz anderes Bild zeigt hier die Entwicklung
bei unseren anglo-amerikanischen Gegnern,
die sich immer gerühmt haben, dank ihrer unerschöpf-
lichen Kräfte, aller Schwierigkeiten ohne weiteres
Herr werden zu können. Die Entwicklung hat diese
Auffassung sehr bald und sehr hart Lügen gestraft.
Das gilt insbesondere für die hochmütige Ablehnung
der umfassenden Lenkungsmaßnahmen, die von der
nationalsozialistischen Agrarpolitik getroffen wurden.
Besonders deutlich zeigte sich dies kürzlich bei der
Botschaft, die der USA-Präsident Roosevelt zur Be-
seitigung wirtschaftlicher Notstände an den USA-
Kongreß richtete. Er legte dort dem Kongreß drin-
gend ans Herz, die dauernd steigenden Geldsummen,
die zur Durchführung der verschiedenen Wirtschafts-
programme notwendig sind, zu bewilligen. Im Vorder-
grund stehen dabei die für die Stabilisierung der
Lebenshaltungskosten erforderlichen Nittel. Die großen
Anforderungen, die das Pacht- und Leihsystem auch
an die USA-Ernährungs wirtschaft stellt, insbesondere
aber auch der erhebliche Bedarf der anglo-amerika-
nischen Streitkräfte, der trotz der Hungerpeitsche
in den von ihnen besetzten Gebieten aus diesen Räu-
men nicht gedeckt werden kann, hat dazu gezwungen,
viele und sehr wichtige Erzeugnisse zu rationieren.
Diese Feststellung will keineswegs sagen, daß nun
deswegen in USA der Hunger drohe. Wir erinnern
92
uns aber daran, daß vor noch gar nicht langer Zeit
von sehr prominenter Seite in USA darauf hingewiesen
wurde, daß der Mannschaftsersatz für Heer und Ma-
rine zum großen Teil unterernährt sei. Diese Unter-
ernährung ist sicherlich nicht auf die dort in den
letzten Monaten durchgeführte Rationierung zurück-
zuführen, sondern eine Folge jahrelanger Unter-
lassungssünden in der verfehlten Sozial- und Wirt-
schaftspolitik. Diese hat es in keiner Weise fertig
gebracht, den Ertrag der Wirtschaft entsprechend
den wirklichen Leistungen zu verteilen. Die in USA
in höchster Blüte stehende Spekulation mit den
wichtigsten Nahrungsgütern ist Schuld daran, daß
dort trotz materiellen Überflusses weite Volks-
schichten Not leiden. Sie ist aber auch die Ursache
dafür, daß die Erfordernisse der Kriegsernährungs-
wirtschaft trotz der großen materiellen Kräfte nur
unter Schwierigkeiten erfüllt werden können. Roose-
velt schätzt den für Kriegszwecke benötigten Nah-
rungsbedarf auf etwa ein Viertel der Gesamterzeugung
an Nahrungsmitteln. Da gleichzeitig die Mehrbe-
schäftigung der Rüstungswirtschaft einen erheblichen
Mehrbedarf an Nahrungsmitteln im Inland verursacht
hat, hat der USA-Präsident schon vor Monaten Wege
eingeschlagen, die ihr Vorbild in der Erzeugungs-
schlacht der deutschen Landwirtschaft haben. Während
man in USA der Agrarkrise in den vergangenen Jahren
nur dadurch glaubte Herr werden zu können, daß
man die Produktion drosselte, wurde jetzt das Ruder
herumgeworfen. Allerdings fehlen für den Erfolg
dieser Maßnahmen die Voraussetzungen, nämlich
gesunde, betriebswirtschaftliche Verhältnisse, die
allein eine organische Steigerung der Leistungen er-
möglichen könnten. Es fehlt vor allem auch das, was
bei uns auf dem Gebiet der Erfassung und Verteilung
durch die Marktordnung erreicht wurde. Der USA-
Präsident sieht deshalb als einzigen Ausweg die Bereit-
stellung erheblicher Geldmittel für Subventionen, die
einen Anreiz zur Produktion bilden sollen und auf
der anderen Seite durch Zuschüsse zu den Lebens-
haltungskosten ausgeglichen werden. Derartige Zu-
schüsse können sich aber nur dann segensreich aus-
wirken, wenn sie organisch in die einzelnen Betriebs-
zweige geleitet werden. Eine verfehlte ZuschuB-
politik, die in den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika bereits nach dem ersten Weltkrieg zu
Agrarkrisen führte, und die wir auch bei uns aus
der Systemzeit kennen, führt nur zu neuen Krisen,
niemals aber zu der erhofften Leistungssteigerung.
Der USA-Präsident vermag jetzt nichts anderes zu
bieten, als die Fortsetzung seiner stumpfsinnigen
Subventionspolitik. Überdies hat hierbei der Kon-
greß, soweit es die Lebensmittelpreise betrifft, bis-
her stets erhebliche Schwierigkeiten gemacht, weil
die Farmer entsprechend ihrer starken Position im
Kongreß an Stelle der Subventionen eine weitere echte
Erhöhung der Agrarpreise fordern. Ganz gleich wie
diese Spannungen noch gelöst werden, eines wird
der Mann im Weißen Hause auf diesem Wege be-
stimmt niemals erreichen, nämlich die notwendige
Mobilisierung der landwirtschaftlichen Produktions-
kräfte in USA. Er mag dabei noch so sehr die von
Deutschland erprobten Wege zu kopieren versuchen.
Dr. Kurt Haußmann
—— E nn nn > rf, EN EUÄ—
ARandbemerkungen
Leistungswettstreit der
ländlichen Jugend
Ein Aufruf des Führers und eine Kundgebung in
der Krolloper haben den Auftakt zum Kriegsberufs-
wettkampf der deutschen Jugend gegeben. Die Gruppe
Nährstand, deren Wettkampf der Reichsnährstand
mit seinen Dienststellen durchführt, wird auch dies-
mal den hohen Prozentsatz von Wettkampfteilneh-
mern stellen, den sie schon bei dem Reichsberufs-
wettkampf in den Jahren vor Ausbruch dieses Krieges
aufzuweisen hatte. Die Zahl der Angehörigen der
ländlichen Jugend, die sich zum friedlichen Wett-
kampf einfanden, war von 66000 im Jahre 1934 auf
271000 im Jahre 1939 gewachsen. Und trotz aller
Schwierigkeiten werden auch jetzt die Jungen und
Mädel im Lehr- und Arbeitsverhältnis aus dem letzten
Dorf, aus den Bauernhöfen, Großbetrieben, Land-
dienstlehrhöfen und Landwirtschaftsschulen freiwillig
zu diesem Leistungswettstreit zusammenkommen.
Die Tatsache, daß die Teilnehmerzahl der Gruppe
Nährstand von Jahr zu jahr gewachsen ist, beweist
allein, daß die ländliche Jugend die Aufgabe des
Berufswettkampfes, Leistungsstelgerung des Ein-
zelnen zum Wohle des Ganzen, verstanden hat.
Mit ihr weiß heute jeder Deutsche auf dem Land
und auch in der Stadt, welche Schwierigkeiten letzten
Endes für das gesamte Volk daraus entstanden sind,
daß die Landarbeit jahrzehntelang unter dem Makel
einer ungelernten Arbeit stand und dementsprechend
abfällig bewertet wurde. Die Landflucht findet nicht
zuletzt ihre Ursache in diesem Tatbestand.
Dabei verlangt gerade die Landarbeit ein besonders
großes Maß an beruflichem Können, an Umsicht und
Organisationstalent. Die Anforderungen, die an die
einzelnen gestellt werden, sind heute bei den viel-
fachen Aufgaben der Kriegserzeugungsschlacht noch
weiter gewachsen. So mancher Junge und manches
Mädel muß heute im Bauernhof den Platz ausfüllen,
den im Frieden der Bauer und die Bäuerin innehatten,
und mit Ihrer Hände Arbeit das tun, was in normalen
Zeitläuften schon das Tagewerk eines Erwachsenen
voll ausfüllte. Welche Verantwortung, welche Fähig-
keit zum Improvisieren und zum Anpassen an die
jeweiligen Gegebenheiten heute das Werken während
des ganzen bäuerlichen Arbeitsjahres von diesen
jungen Menschen erfordert, kann der Außenstehende
nur schwer ermessen. Mehr arbeiten kann der ein-
zeine hier kaum. Was er aber noch kann, Ist: seine
Arbeitskraft durch erhöhtes Berufskönnen
weiter steigern und durch Verfeinerung
aller Arbeitsmethoden manchen Ausgleich
und manche Erleichterung schaffen. Hier wird
der Kriegsberufswettkampf zum Ansporn für die
kämpferische Aktivität unserer ländlichen Jugend und
ein Ansporn zur Leistungssteigerung bei der Arbeit
in der deutschen Landwirtschaft und auf dem Bauern-
hof. Gerade diese Arbeit der Jugend ist ein Dienst an
der Gesamtheit des Volkes und ein besonderer für
unsere Front, denn „Nahrung ist Waffe“, sogar eine
Waffe von kriegsentscheidender Bedeutung.
jede Leistungssteigerung der ländlichen Jugend
stellt einen wesentlichen Beitrag für die Kriegs-
erzeugungsschlacht dar. Deshalb werden die Be-
triebsführer, die bei dem drückenden Mangel an
Arbeitskräften jede Hand dringend brauchen, ebenso
wie alle Eltern und Lehrer im Bewußtsein der erziehe-
rischen und nationalpolitischen Bedeutung des Kriegs-
berufswettkampfes mit weitherzigem Verständnis das
kleine Opfer auf sich nehmen, die Jungen und Mädel
einen Tag lang auf dem Hof, in der Schule oder in
der Hauswirtschaft zu entbehren. Sie tun das nicht
nur, weil sie wissen, daß dieser kleine Arbeitsausfall
später hundertfache Zinsen bringt, sondern well
dieser Wettstreit den Berufsstolz und die Schaffens-
freude aller Beteiligten hebt. Es kann sie selbst mit
besonderem Stolz erfüllen, wenn dann einer ihrer
Gefolgschaftsangehörigen In diesem Wettkampf einen
Preis erringt, weil es sich hier zeigt, daB der für die
Berufsausbildung verantwortliche Bauer oder Lehrer
und die Landfrau ihre Pflichten ernst genommen haben.
Der Kriegsberufswettkampf Ist auch gerade für
die ländliche Jugend ein Ausleseinstrument, das
den Begabten die Möglichkeit zum weiteren beruf-
lichen Aufstieg öffnet. Die Selbständigkeit in der Land-
wirtschaft ist heute nicht mehr vom Geld oder von
Beziehungen abhängig, sondern allein von der fach-
lichen Leistung und charakterlichen Haltung, die
beide gerade im Wettkampf gemessen und gestählt
werden können. Nur eine starke, selbstbewußte,
weltanschaulich ausgerichtete und fachlich durch-
gebildete jugend kann die Aufgaben übernehmen,
die ihr bei der Neubildung deutschen Bauerntums in
der Zukunft gestellt werden.
Dr. Albrecht Timm
—
Ein Jahr Berufserziehungs werk
Vor einem Jahre wurde in Posen, der Hauptstadt
des ersten deutschen Siedlungsgaues, von Staats-
sekretär Backe das bäuerliche Berufserziehungswerk
verkündet. Er rief damals In seiner Rede die deutsche
Jugend auf, sich zur Arbeit am Boden zu bekennen
und sich für die kommende Siedlungsaufgabe im
Osten zu rüsten. Eine wichtige Voraussetzung für
die Gewinnung der Jugend ist aber, daß jeder deutsche
Vater, jede deutsche Mutter weiß, welchen Weg ihre
Kinder beschreiten müssen, um dieses Ziel zu errei-
chen. Hierfür ist ein klar geordneter Berufsweg
von der Schulbank bis zum Erbhof und zur
selbständigen Existenz im ländlichen Le-
benskreis erforderlich. Im bäuerlichen Berufser-
ziehungswerk findet er seine Gestaltung und For-
93
— Pr
OT u ET ET DEE GDC TE BET dE WEE UL ORIG
mung. Es gilt, alle Erziehungskräfte im ländlichen
Lebenskreis zusammenzufassen und aufeinander ab-
zustimmen in der Zielsetzung, die deutsche Jugend
fachlich und haltungsmäßig für den bäuerlichen Le-
bensberuf vorzubereiten. Das bäuerliche Berufser-
ziehungswerk umfaßt also in seiner totalen Sinn-
bedeutung die bäuerliche Erziehung im Elternhaus,
Kindergarten, in der Volksschule, praktischen Lehre,
Berufs- und Fachschule, in der Bauernschule, sowie
in der Dienstgestaltung der HJ. und findet erst seine
Begrenzung in der selbständigen bäuerlich bestimm-
ten Existenz des jungen Menschen. Mit diesem ganz-
heitlichen Erziehungsziel vor Augen muß um jeden
einzelnen wertvollen Jugendlichen gerungen wer-
den, um ihn für das Bauerntum zu gewinnen, damit
er auf eigenem Grund und Boden einst Ahnherr
eines starken heimatgebundenen Geschlechtes werden
kann. Zur Zeit ist allerdings die Nachwuchslage in
allen bäuerlichen Berufen so ernst, daß sogar der
Bestand unseres Bauerntums äußerst gefährdet ist.
Diese Aufgabe konnte aber nur erfolgreich ange-
packt werden, wenn sie nicht nur Sache der Verwal-
tung bleibt, sondern das Bauerntum selbst sie
übernimmt. Aus diesem Grunde wurden bis in die
kleinsten Bezirke hinein Bauern und Bäuerinnen ehren-
amtlich mit der Aufgabe der Nachwuchsgewinnung
und Berufserziehung betraut, um die Landjugend für
die großen bäuerlichen Zielsetzungen zu begeistern,
aber auch, um eine ausreichende Zahl von Lehrherren
und Lehrfrauen aus dem Bauerntum zu gewinnen,
und sie von der großen Erziehungsaufgabe zu über-
zeugen, die sie andem Nachwuchs für das Bauerntum
zu erfüllen haben.
Im ersten Jahre des Bestehens des BEW. ist auf diese
Weise schön viel erreicht worden und das Landvolk
hat die Parole „Landarbeit ist Facharbeit“ begriffen
und setzt sie in die Wirklichkeit um. Nach den bisher
hier vorliegenden Berichten konnte die Zahl der
Landarbeitslehrbetriebe um 48 v. H., die der Haus-
arbeitslehrbetriebe sogar um 60 v. H. gesteigert wer-
den. Wenn auch die Landwirtschaftslehrbetriebe
nur eine Steigerung von 13 v. H. aufweisen, so liegt
sie dagegen bei den Hauswirtschaftslehrbetrieben bei
47 v. H. Die Zahl der Landarbeitslehrlinge nahm im
gleichen Zeitraum um 14 v.H., die der Landwirt-
schaftslehrlinge um 15 v. H. zu, während die Haus-
arbeitslehrlinge eine Zunahme von 28 v. H., die
Hauswirtschaftslehrlinge eine solche von 3 v. H.
zu verzeichnen hatten.
Wir sind uns bewußt, daß diese Erfolge im Ver-
gleich zu den vor uns liegenden Zielen der Nach-
wuchssicherung für den Bestand und die Neubildung
des deutschen Bauerntums nur einen kleinen An-
tang bedeuten können. Für die nächste Zeit gilt es
in erster Linie durch Ausrichtung und Schulung von
Lehrherren und Lehrfrauen die Lehrausbildung zu
vertiefen sowie die Mitglieder der Prüfungsaus-
schüsse auszurichten, um mit der Zeit einen einheit-
lichen Ausbildungsstand der Lehrlinge zu erreichen.
Hierfür ist engste Zusammenarbeit mit den
Berufs- und Fachschulen wesentliche Voraus-
setzung; für sie ist das bäuerliche Berufserziehungs-
werk ebenfalls die wichtigste Schlüsselaufgabe der
94
so
Zukunft. Auch die Hitler-Jugend stellt sich voll
in den Dienst des Bauerntums. Der Landdienst
dazu beitragen, der besten städtischen Jugend den
Weg zum Lande zu zeigen und sie in eine geordnete
bäuerliche Berufsausbildung zu führen. Das ländliche
Pflichtjahr erfaßt jährlich rund 100000 Mädel und
erzieht sie zu hausfraulichem Können. Im Landjahr
wird mit bestem Erfolg eine Auslese ländlicher ju-
gend für künftige Führungsaufgaben im Dorf heran-
gebildet; so regen sich auf allen Seiten Kräfte, um den
bäuerlichen Erziehungsauftrag in die Wirklichkeit
umzusetzen.
Für die rechtzeitige Erfassung der Jugend und ihre
Aufgeschlossenheit für die bäuerlichen Lebensfragen
ist engste Fühlung mit der ländlichen Volks-
schule unbedingt erforderlich. Ihre Sorgen und Nöte
sind die Sorgen des gesamten Landvolkes. Der Lehrer
muß sich als Stoßtruppführer für die Belange des
Bauerntums fühlen; darum ist er auch immer wieder
zu allen Fragen des bäuerlichen Lebens mit heran-
zuziehen.
Wenn alle Führungskräfte des Dorfes, der Orts-
gruppenleiter, der Ortsbauernführer, der Bürger-
meister und auch der Lehrer erkannt haben, daß e
sich im bäuerlichen Berufserziehungswerk um eine
volkspolitische Aufgabe ersten Ranges handelt, dann
werden sie gemeinsam den Kampf um ihre eigene
Jugend mit Erfolg aufnehmen und ihre größte Genug-
tuung darin finden, mit einer bewußt bäuerlich er-
zogenen, fachlich gut ausgebildeten Jugend alle Zu-
kunftsaufgaben meistern zu können.
Dr. Siefert
Brot im Entscheidungskampf `
Ganz Kontinentaleuropa hat den Brotverzehr
rationiert. Die Rationen liegen aber in den einzelnen
Ländern in sehr verschiedener Höhe; hoch dort, wo,
wie in Deutschland, jeder irreguläre Handel unter-
bunden ist, und niedrig dort, wo illegaler Handel den
Zuteilungen engere Grenzen steckt, wie in Frankreich
und Italien. Die Sätze für den Normalverbraucher wie-
derum müssen dort hoch liegen, wo eine breite städti-
sche Verbraucherschicht auf sie angewiesen ist. Nied-
riger liegen sie dort, wo, wie in Italien, Finnland,
Belgien, nur die körperlich Nichtarbeitenden auf die
Normalkost verwiesen sind, alle körperlich Arbeiten-
den aber Zulagen erhalten. Aus all diesem resultieren
die großen Streuungen in den Normalratio-
nen, die mit dem Ernährungsstandard des gesamten
Volkes wenig zu tun haben. Niedrige Normalver-
brauchersätze täuschen eine Brotknappheit häufig
auch dort vor, wo sie gar nicht existiert.
Die diesjährige Ernte ermöglichte eine Aufbesse-
rung der Brotsätze in Europa. Die allgemeine deutsche
Aufbesserung beträgt für alle Verbraucher 100g In
der Woche. Legt man die außerhalb Deutschlands
auf dem Kontinent seit dem Tiefststand im Sommer
erfolgten Aufbesserungen auf die gesamte außer-
deutsche Bevölkerung um, so liegen sie fast in doppel-
ter Höhe, und bezieht man sie nur auf die aufgebesser-
ten Bevölkerungsteile, so erreichen sie je Kopf mehr
als das Dreifache der deutschen Aufbesserung. Die
Digitized by Google 5 A
E"
deutsche Brotzulage geht also keineswegs auf
Kosten Europas, und auch die Zulagen im ganzen
belasten es wenig. Sie erfordern einen Getreide-
mehrbedarf, den beispieliweise schon Rumänien aus
seinen Überschüssen decken könnte.
Schon bisher übertraf der Brotverzehr der meisten
europäischen Länder das Friedensmaß. Galt es doch,
Abschläge am Fleisch- und Fettverzehr auszugleichen,
die der Verzicht auf überseeische Futtermittel er-
zwang, und doch haben sich die Viehbestände be-
achtlich gehalten. Europa (11 Länder) verfügt
derzeit je 100 Einwohner über 26 Rinder und
12 Schweine. Für England errechnen sich Zahlen, die
der Hälfte näher liegen als dem Ganzen. Deshalb hat
Deutschland doppelt so hohe Buttersätze wie Eng-
land, und Kontinental-Europa im ganzen ist in der
Fettversorgung, abgesehen von den Olivenländern,
Butterland geblieben. Nach vorkriegsdeutschen
Schlachtnormen errechnet sich aus diesem Vieh-
besatz für die fragliche Ländergruppe ein mittlerer
Anfall von über 500 g Rind- und Schweinefleisch pro
Kopf und Woche. Auch dies kommt in den Fleisch-
Normalrationen nicht zum Ausdruck. Länder, die
mit ihren städtischen Fleischsätzen am niedrigsten
liegen, wie Finnland, haben je Kopf den höchsten
Rinderbesatz.
Kontinentaleuropa hatte sich mit seinen bisherigen
Brotsätzen seiner Getreidedecke gut angepaßt, und
auch für die jetzigen Zulagen fehlt es nicht an Deckung.
Die gleichzeitige Hochhaltung des Nutzviehs erleich-
tert den Wiederaufbau der Landwirtschaft. So wird
die diesjährige gute Brotgetreideernte im Kampf um
die Freiheit Europas eingesetzt. Dies schafft gute
Voraussetzungen für den Erfolg in naher und ferner
Zukunft, Walter Hahn
Jetzt: Anbau der Generatoren!
Im jahre 1943 konnte die deutsche Landwirtschaft
Ihre Ackerschlepper Infolge der Treibstofflage nicht
so einserzen, wie das früher unter friedensmäßigen
Voraussetzungen üblich war. Manche produktions-
fördernde Arbeit, wie z.B. das Schälen unmittelbar
nach der Getreidemahd u.a. mußte aus Treibstoff-
mangel unterbleiben. Wenn trotzdem größere Schä-
den nicht eingetreten sind, so liegt das nicht an der
ausreichenden Versorgung mit flüssigem Treibstoff,
sondern in erster Linie an den Witterungsverhält-
nissen, die vom Februar an in fast allen Teilen des
Reiches für die Bodenbearbeitung sowie für die Ar-
beiten der Pflege und Ernte bis in den November
hinein außergewöhnlich günstig waren. Es stand
immer so viel Zeit zur Verfügung, daß die Zugtiere
— zugunsten der Schlepper — einen wesentlichen Teil
der Arbeiten bewältigen konnten. Daß sich die
Witterungsverhältnisse Im kommenden Jahr wiederum
so günstig entwickeln wie im vergangenen, kann kaum
angenommen werden. Selbst bei gleichbleibender
Versorgungslage wird daher mit einem schwerwie-
genden Mangel an Zugkraft im kommenden Jahr zu
rechnen sein, wenn es nicht gelingt, die flüssigen
Treibstoffe weitgehend durch feste zu ergänzen.
Als nal eliegenden Gründen muß daruber hinaus
aber jederzeit mit einschneidenden Kürzungen des
landwirtschaftlichen Kontingents gerechnet werden.
Es sprechen daher die allerernstesten Gründe dafür, -
die vorhandenen Ackerschiepper nunmehr so rasch
wie möglich auf feste Kraftstoffe umzustellen. Die
Entwicklungszeit der Schleppergeneratoren hat meh-
rere Jahre in Anspruch genommen und ist heute so
weit abgeschlossen, daß ihre Einführung in die
Praxis auf breitester Basis verantwortet
werden kann. Ganz bewußt hat man während der
Entwicklungszeit die landwirtschaftliche Praxis mit
Umstellungssorgen verschont und das schwere Opfer
der Zuteilung großer Mengen flüssiger Kraftstoffe
in Kau‘ genommen, um die landwirtschaftliche Er-
zeugung nicht zu gefährden. Nunmehr liegen aber
weitgehende Erfahrungen vor: Seit Jahren laufen
Nutzfahrzeuge aller Art mit Holz- und Kohlen-
generatoren. In Schweden z.B. sind neben den
Straßenfahrzeugen auch die Ackerschlepper fast voll-
zählig unter Verwendung eines deutschen Generator-
systems mit bestem Erfolg auf Holzgas umgestellt.
Desgleichen sind in den besetzten Ostgebleten an
mehrere tausend Schlepper zur Zufriedenheit der
deutschen Agrarverwaltung Generatoren angebaut
worden. Im Reich ist die Zahl der neuen Holzgas-
schlepper inzwischen auf über 6000 gestiegen. Mit
wenigen Ausnahmen sind auch die im Reich erzielten
Ergebnisse außerordentlich befriedigend. Wo Klagen
laut geworden sind, handelt es sich fast nle um tech-
nische Fehler der Anlagen, sondern vorwiegend um
Bedienungsschwierigkeiten. Ähnliche Klagen wurden
zunächst auch aus den Kreisen der Nutzfahrzeughalter
laut, doch haben sich hier die Verhältnisse bereits
eingespielt.
Es muß unter den heutigen Verhältnissen in Kauf
genommen werden, daß die Leitung der Maschinen
gegenüber dem Betrieb mit flüssigen Treibstoffen um
einen gewisser Prozentsatz absinkt und daß Betrieb
und Wartung der Generatormaschinen mehr Sorg-
falt erfordern. Dem steht aber der entscheidende Vor-
teil gegenüber, daß die Schlepper nun wieder wäh-
rend der ganzen Saison betrieben werden können
und daß keine Feierschichten aus Treibstofimangel
mehr eingelegt zu werden brauchen.
in den letzten Monaten ist nun die Auslieferung
der Generatoren an die über das ganze Reich ver-
teilten Umbauwerkstätten angelaufen. Parallel dazu
erfolgt der Aufruf der Schlepper durch den Reichs-
nährstand und die Schulung des Personals. — Die
Wintermonate werden dazu dienen, die Umbau-
aktion so weit zu treiben, daß zur Frühjahrsbestellung
1944 bereits eine namhafte Menge an Generator-
schleppern zum Einsatz kommt. Ebenso wie die Um-
stellung auf wirtschaftseigene Futtermittel bei aller
dadurch bedingten Mehrarbeit zu einer inneren Festi-
gung der Betriebe gegen Einflüsse von außen geführt
hat, wird auch die Umstellung der Generatoren auf
heimische‘ Treibstoffe sich auf die Widerstandskraft
der deutschen Landwirtschaft in positivem Sinne
auswirken, besonders dann, wenn es im kommenden
Jahre gilt, der Wehrmacht noch mehr als bisher die
Verwendung der flüssigen Treibstoffe vorzubehalten.
H. von Waechter
95
on." TRATEN -
an FREE sa DE e
| SE
Diebuchwacht
Hans Ff. K. Günther
Bauernglaube
Verlag B. G. Teubner, Leipzig / Berlin 1942.
244 Seiten. Preis 6,20 RM.
Hans F. K. Günther hat bereits vor wenigen Jahren
mit seinem Buch „Das Bauerntum als Lebens- und
Gemeinschaftsform“ eines der wesentlichsten Werke
zur Bauerntumsforschung geschaffen. Er hat nun die-
sem Buch ein weiteres folgen lassen, das eine der
bereits in dem ersten Buch angeschnittenen Fragen
auf breiterer Grundlage behandelt, die Frage nach
den Glaubensvorstellungen und der Art der Frömmig-
keit des deutschen Bauern. Es ist wichtig hervorzu-
heben, daß Günther nicht wie Grabert in seinem
Buch „Der Glaube des deutschen Bauerntums
(Bauerntum und Christentum)‘ eine weltanschauungs-
kundliche und glaubensgeschichtliche Untersuchung,
sondern eine schlichte Darstellung der Tatbestände
geben wollte. Er will das Buch aufgefaßt wissen als
Vorarbeit und Materialsammlung für eine einmal
anzustellende Untersuchung, die ihm seit langem
vorschwebt, nämlich aus dem Glauben des bäuerlichen
Volkes eine Aussage über die germanischen Grund-
lagen deutschen Wesens und Volkstums zu gewinnen.
Eine solche Aussage kann nach Günthers Meinung
nicht aus den üblichen Darstellungen bäuerlichen
Brauchtums gewonnen werden, die ein „Fortleben“
germanischer Glaubensvorstellungen im deutschen
Bauerntum erweisen sollen. „Dieses Brauchtum ent-
hält für den städtisch Gebildeten diese und jene
Bestandteile germanischer Herkunft, nicht aber für
den Bauern. Nicht in Sitten oder in Gegenständen
des Brauchtums kann ein eigentliches Fortleben des
Germanentums verspürt werden, sondern allein in
vererbten. Triebkräften des frommen Gemüts,
und zwar besonders des bäuerlichen Gemüts.“
In sorgfältiger und liebevoller Sammelarbeit hat
Günther eine Fülle von Zeugnissen über das Glau-
benslesen der Bauern zusammengestellt. Sie stammen
meistens von Pfarrern oder Lehrern, also aus unmittel-
barer Kenntn s bäuerlichen Lebens. In dieser kriti-
schen und geordneten Zusammenstellung liegt vor
allem der Wert des Buches.
Der Bauer hat stets Religion, eine glaubenlose, ehr-
furchtslose, unfromme Haltung widerspricht — wie
Günther zeigt — dem Wesen des Bauerntums selbst.
„Religion muß sein" das ist die Meinung der großen
Mehrheit des Bauerntums, und auch der Kirche steht
dieses Bauertum als einer Institution gegenüber, die
bereits Herkommen und Sitte geworden ist. Aber
das, was der Bauer unter Religion versteht, hat —
hierfür liefert Günther unzählige Beweise — nur
wenig mit den Inhalten des Christentums zu tun.
Als Wesensmerkmale bäuerlicher Frömmigkeit be-
zeichnet Günther den Sinn für Feierlichkeit, die Ver-
ehrung einer göttlichen Allmacht, den Gedanken
einer sinnvollen Weltordnung, die Vorstellung eines
strengen Weltordners und Richters und eines ewigen
Gerichtes, den Gedanken der Gegenseitigkeit der
96
Leistungen von Mensch und Gott (do ut des) und ein
starkes Schicksalsgefühl. Günther untersucht dann,
inwieweit die Lehren des Christentums dem bäuer-
lichen Gemüt entgegenkommen und inwieweit es
sich ihnen widersetzt. Als Ergebnis dieser immer
auf eine außerordentliche Kenntnis des Schrifttums
gestützten Ausführungen stellt Günther in den
Schlußkapiteln fest, daß die bäuerlichen Glaubens-
vorstellungen weit mehr aus dem Bereich einer natür-
lichen Religion als aus dem des Christentums erwach-
sen. Es handelt sich bei bäuerlichem Glauben und
bäuerlicher Frömmigkeit nicht um ein Halb- oder
Viertelchristentum, sondern um etwas ganz Eigen-
artiges, das, aus nichtchristlicher Wurzel entstanden,
in christlichem Gewande lebt.
Hans F. K. Günther hat uns mit seinem neuen Buch
wieder einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der
geistigen und seelischen Struktur unseres Bauern-
tums gegeben. Dr. K. Schmidt
Klaus Schmidt
Der Schicksalsweg
des deutschen Bauerntums
Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt a. M., 1943.
115 Seiten, Preis 2.80 RM.
Der Verfasser dieser knappen geschichtlichen
Übersicht über das deutsche Bauernschicksal ist den
Lesern der „Deutschen Agrarpolitik‘ bereits durch
mehrere Aufsätze bekannt, die von seiner gediegenen
Sachkenntnis zeugen. Auch die vorliegende Schrift,
die sich besonders an die älteren Landjungen und
Landmädel wendet, empfiehlt sich, obwohl sie auf
jeden gelehrten Anmerkungsapparat bewußt ver-
zichtet, durch ihre streng wissenschaftliche Fun-
dierung, die ihr eine beachtenswerte Sonderstellung
verschafft. Sie ist das Ergebnis eigener langjähriger
stiller Forschungsarbeit und einer geschicktzusammen-
fassenden Auswertung der umfangreichen Sonder-
untersuchungen der letzten Zeit. Sie kann daher allen
empfohlen werden, die bestrebt sind, sich einen Ein-
blick in den Zusammenhang zwischen Bauern- und
Volksschicksal zu verschaffen, denen aber die Muße
fehlt, sich in die umfangreiche Spezialliteratur der
Zeit zu vertiefen, denn es ist ihr gelungen, die in der
geschichtlichen Vergangenheit des deutschen Bauern-
tums wirkenden Kräfte und Mächte sichtbar zu ma-
chen und so der Erkenntnis zu dienen, die das Vor-
wort in dem Satze zusammenfaßt: „Nicht die ge-
schichtlichen Kenntnisse an sich sind das Entschei-
dende, sondern die Kraft, die aus ihnen gewonnen
wird und die sich in politischen Willen umsetzt.“
Die Schrift ist daher ein Geschichtsbeitrag im Sinne
Treitschkes, der dem Geschichtsschreiber die ver-
antwortungsvolle Aufgabe zugewiesen hat, „unserm
Geschlechte ein denkendes Bewußtsein seines Wer-
dens zu erwecken“. Dieses Bestreben unterstützt
eine klare Gliederung des so umfangreichen Stoffes,
eine Darstellungsmethode, die bestrebt ist, in den
geschickt ausgewählten Dokumenten die Zeit un-
mittelbar zum Leser sprechen zu lassen, und nicht
zuletzt die Beigabe zahlreicher zeitgeschichtlicher
Bilder, die eine bemerkenswerte Spezialkenntnis ver-
raten. Günther Pacyna
5
—
D \ A
Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen
auf dem Hof meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer
Stelle zur anderen bringen läßt.
Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß.
SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG
Wie viele Anlässe dazu gibt es das gonze
Johr hindurch: Geburtstag, Taufe, Schul-
beginn - Ostern und Weihnachten - Berufs-
onfang, Hochzeiten usw.
Sie erhalten bei jedem Amt und jeder Amts-
stelle des Postsparkassendienstes unent-
geltlih eine Geschenkpostsparkarte oul
den Nomen dessen, den Sie beschenken
möchten. Freimarken auf ihr im Gesamt-
betrag von 3 bis 100 RM machen sie zu
einem wertvollen und zeitgemäßen Ge-
schenk das jederzeit zu haben ist.
Der in freimorken entrichtete Betrag wird
als Einlage oul ein schon bestehendes oder
ein neues Postsporbuch angenommen.
DEUTSCHE REICHSPOST
—
— —
ZMO Dr A
S P m N
Lé —
17ſt
REINGAS-BULLDOG
für Holzgas - Betrieb
Das Wort „einwecken“ stammt
von Johann Weck, dem Mann, der
das WECK-Verfahren begründet,
der die WECK-Gläser und WECK-
Geräte geschaffen hat.
J.WECK & CO. ÖFLINGEN IN BADEN
PFLANZENSCHUTZ
. Landwirte, Winzer, Obstbouern, Gärt-
oer und Förster stehen dauernd im
‚Kampf gegen eine Unzahl von Un.
kräutern, Pflanzen-Schädlingen und
- Krankheiten. IhreWoftensindbewährpe
chemische Mittel der Schering AG., die
in langjähriger Forschunpsarbeit zum
Schutz der Eroten und zur Sicherung
unserer Ernährung geschoften wurden
SCHERING AG. BERLIN
+. - — ege
wë
kolloidaler flüssiger Schwetel
gegen
Oidium / Aescherich
Gezug durch Handel und Genossenschalten
Picedel - de Haen A.-G. Berlin
\
Kä EN.
8
Wie die Sa
A0 die cus!
Ernteausfälle We `
vermieden durch Bei, 2
zung des Saatguts mit
ceresan
Trocken-oderNaßbeize *
für alle Getreidearten!
o Bayeru | VĚ
LG .Farbenindustrie Aktiengesellschafl E
Pllanzenschutz- Abteilung LEVERKUSEN
Ein Nagel ist kein Niet. Solche
Pfuschereien sind die Ursache
vieler Verletzungen, die gerade
heute vermieden werden müssen.
Wenn Sie sich aber trotzdem mal
eine Arbeitsschrammeholen,dann
gleich ein Wundpflaster auflegen.
Carl Blank, Verbandpflasterfabrik
Bonn / Rh. $
JANUAR/FEBRUAR 1944 NUMMER 45 : JAHRGANG 2 : EINZELPREIS 2,40 RM.
d
f
|
INHALT
Die Eigenpersönlichkeit in der sozialistischen Wirtschaffᷣtiwitiw li. H
Staatssekretär Oberbefehlsleiter Herbert Backe: Die Erzeugungsschlacht im
fünften Kriegsjahr `... e e 399
Der Ortsbauernführer (Bildbeilage) ......... een HEEN ee DS.. 108
Ministerialdirektor Hans-Joachim Riecke: Kritik der Kritik..........s.s..... 111
Dr. Emil Woermann, ord. Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre an der
Universität in Halle a. d. Saale: Zehn Jahre Erzeugungsschlacht und Er-
nährungswirtschaft ` SERIES ne en een 113
Landdienst-Lehrhof (Bildbeilage·eůᷣᷣ)))m̃ at . . . . . D.S. 120
Dr. Friedrich Sohn, Militärverwaltungsrat beim Militärbefehlshaber in Frank-
reich: Die Zukunftsausrichtung der französischen Agrarpolitik ............ 121
Landwirtschaftsführer im Einsatz (Bildbeilage) ....... EE e AS. 128
Hildegard Melzer: Die Wirtschaftswende der Niederlande .................. 129
Dr. Heinrich Strathus: Der Pfandbrief im Agrarkredit ............ air 134
Dr. Kurt Reinl, Beauftragter für Schulung im Reichsamt für das Landvolk, z. Z.
im Felde: Der bäuerliche Wesenskern des germanischen Volkstums ...... 137
Deutsches Bauerntum auf Vorposten (Bildbeilage) ................. . . . . . D.S. 140
Oberlandwirtschaftsrat Hans Hansen: Landfrauengesundheitsfürsorge im
Kriege — Erfahrungsbericht aus dem Gau Bayreuth k 4 ͥꝗ 144
Agrarpolitische Rundschahall!nnnnnnnnnnn ee ee e "AE
Randbemerkungen a ĩ ² AA NANE REG e
Die Buchwacht ............ EE EE E re o.
Bildnachweis: Das Titelbild „Aus einem Bergbauerndorf'‘ ist eine Aufnahme von Enno Folkerts. Die
Bildbeilage „Landwirtscheftsführer im Einsatz“ enthält Aufnahmen von der Presse-Bild-Zentrale (2),
von Kriegsberichter Collmer (2), Georg Piper (2) und Privat (3). — Der Landwirtschaftliche Bilder-
dienst (9) stattete den „‚Landdienstlehrhof’' mit Bildern aus, — und die Aufnahmen zur Bildbeilage
„Der Ortsbauernführer hilft überall“ erhielten wir vom Bildarchiv des Reichsnährstandes (8). — Hans
Retzlaff (14) ist der Photograph der Bilder zur Beilage „Deutsches Bauerntum auf Vorposten“.
Das vorliegende Heft erscheint als Doppelheft für Januar und Februar.
Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna,
Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:
Lotte Wille, Berlin- Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 19 60 51.
Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts-
ruf 1100 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.
ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN
—
Januar/Februar 1944 Jahrgang 2 Nummer 4/5
L——t̃— ͤ——̃—ßũ ee a N en EENEG
Die Eigenpersönlichkeit
in der sozialistischen Wirtschaft
K. H. — Die Verfechter der liberalen Wirtschaft haben immer behauptet, daß wirtschaft-
liche Höchstleistungen nur dann erzielt werden können, wenn der Ablauf der wirtschaft,
lichen Vorgänge sich selbst überlassen bleibe. Gemeinwirtschaftlich ausgerichtete
wirtschaftliche Maßnahmen wurden als unerwünschte Hemmnisse angesehen, die angeb-
lich stets die volle Entfaltung aller Kräfte hindern. Die Entwicklung in den beiden
Weltkriegen hat diese Auffassung gründlich widerlegt, auch wenn man die besonderen
Verhältnisse berücksichtigt, die jeder Krieg mit sich bringt. Es ist heute vielfach in Ver-
gessenheit geraten, daß schon im ersten Weltkriege selbst in den liberalen Hochburgen
unserer Gegner beachtliche Ansätze zur Überwindung des freien Spiels der Kräfte in der
Wirtschaftspolitik zu finden waren. Noch im Jahre 1925 hat der englische Wirtschafts-
wirtschaftler Keynes in einem Vortrag in Berlin erklärt, daß das Zeitalter des „laissez
faire-laissez passer” in der Wirtschaft für alle Zeiten überwunden sei. Die Entwick-
lung ist jedoch dann zunächst andere Wege gegangen. Die jüdischen Kapitalmächte haben
es vor allem von USA.-Amerika her verstanden, den alten Spielregeln des Liberalismus
nochmals zur Geltung zu verhelfen und die natürlichen Ansätze zur Zusammenfassung von
Wirtschaftskräften innerhalb ihrer Machtbereiche zu beseitigen. Die Völker in ihrer
Gesamtheit haben hiervon keinerlei Vorteile gehabt, denn die sozialistischen Gemein-
schaftskräfte blieben hierbei zugunsten des Kapitals ausgeschaltet. Die Krisenjahre zu
Ausgang des dritten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts waren das Ergebnis dieser Wieder-
belebung des „freien Spiels der Kräfte‘ in der Wirtschaft.
Die Landwirtschaft in aller Welt, besonders aber das Bauerntum in Europa, ist am
stärksten von den Schäden dieser verfehlten Wirtschaftspolitik betroffen worden. Dabei
wurden nicht nur in Jahrhunderten gewachsene Werte zerstört, Menschen von der
angestammten Scholle vertrieben oder vom Genuß der Vorteile neuzeitlicher Technik
ausgeschlossen, es wurden sogar — wenn wir an die riesenhaften Bodenverwüstungs-
erscheinungen in USA.-Amerika, der Sowjetunion oder China denken — Grundlagen
derlandwirtschaftlichen Erzeugung zerstört, die vielleicht in späteren Jahr-
zehnten für die Ernährung einer wachsenden Bevölkerung in allen Ländern dringend
benötigt werden.
In Deutschland ist seit 1933 ganz bewußt eine Abkehr von den liberalen Spielregeln der
Wirtschaft erfolgt. Dies geschah aber nicht schematisch durch rücksichtslose Eingriffe in
allmählich gewachsene Zustände, sondern mit Hilfe einer planvollen Lenkung. Diese
wurde allerdings nach klaren, feststehenden Grundsätzen gehandhabt, wie sie In der
NSDAP. folgerichtig entwickelt worden waren. Die Agrarpolitik ist hierbei an der Spitze
marschiert, steht aber heute nicht mehr wie damals 1933 allein, sondern inmitten einer
nach nationalsozialistischen Grundsätzen ausgerichteten Gesamtwirtschaft. Die Leistungen
im Kriege haben gezeigt, daß eine so geführte sozialistische Wirtschaft gerade unter den
Schwierigkeiten des Krieges zu Höchstleistungen fähig ist. Die Prophezeiungen der
liberalen Gegner, daß Sozialisierung stets Schematisierung und damit Leistungsschwund
mit sich bringt, sind durch die Tat widerlegt. i
Worin liegen nun aber die Ursachen dafür, daß die vom Nationalsozialismus durch-
geführte Neugestaltung der Wirtschaft nicht zu den gleichen Mißerfolgen geführt hat wie
die bekannten „Sozialisierungsversuche“ vergangener Epochen? Man geht wohl nicht fehl
in der Annahme, daß eine der wichtigsten Kraftquellen der nationalsozialistischen Wirt-
schaftspolitik in der Bewertung der selbständigen Persönlichkeit in der
Wirtschaft zu suchen ist. Immer wieder ist von der Führung betont worden, daß die
durch die Lenkung bewirkte Ausrichtung auf die Gesamtinteressen nicht zu einer Abtötung
der Unternehmerinitiative tatkräftiger Persönlichkeiten führen darf. Das gilt im kleinen
ebenso wie im großen. Gerade unter diesem Gesichtspunkt betrachtet ist es wohl kein
Zufall, daß die nationalsozialistische Agrarpolitik bei der Neugestaltung unseres Wirt-
schaftslebens so wesentliche Pionierarbeit leisten konnte. Hier ist es schon die Vielzahl
der Betriebe, die einen Erfolg aller von der Führung eingeleiteten Maßnahmen nur dann
ermöglicht, wenn der Bauer und Landwirt in jedem einzelnen Betrieb selbständig und
zielbewußt mitarbeitet.
Die große grundlegende Rede, die Oberbefehlsleiter Herbert Backe als Auftakt zur
fünften Kriegserzeugungsschlacht in Ulm hielt, läßt dies ganz besonders deutlich erkennen.
Sie wird deshalb auch in der vorliegenden Folge unserer Zeitschrift der breiten Offent-
lichkeit im Wortlaut zugängig gemacht. Auch der Aufsatz „Kritik der Kritik", in dem Staats-
minister a.D. Hans-Joachim Riecke sich mit kritischen Stimmen an den agrarpolitischen
Maßnahmen auseinandersetzt, unterstreicht diese Linie, indem er sich mit Auffassungen
falsch verstandener „Eigenpersönlichkeit“ auseinandersetzt. Professor Emil Woermann
betrachtet die Maßnahmen der Agrarpolitik vom Standpunkt der Betriebs wirtschaft aus. Er
läßt dabei auf Grund umfangreicher Unterlagen auch dem Fernerstehenden Einblick
nehmen, wie die politischen Maßnahmen der Führung nur dadurch zum Erfolge führen
können, daß jeder einzelne Betrieb entsprechend seinen Möglichkeiten richtig eingesetzt
wird. Dr. Friedrich Sohn vermittelt in seinen Betrachtungen zur französischen Agrar-
politik einen Eindruck von den Schwierigkeiten, die noch überwunden werden müssen, um
die Landwirtschaft in den einzelnen Ländern Europas in vollem Umfange entsprechend
ihren natürlichen Möglichkeiten im Sinne der europäischen Zielsetzung einzusetzen.
Hildegard Melzer zeigt dies am Beispiel der niederländischen Landwirtschaft.
Eine wichtige Einzelfrage, die aber für die künftige Entwicklung von erheblicher Be-
deutung ist, beleuchtet Dr. Heinrich Strathus in seinem Aufsatz „Der Pfandbrief im
Agrarkredit“. Gerade die Stellung des Agrarkredits bei der weiteren land wirtschaftlichen
Entwicklung in Europa im Sinne der nationalsozialistischen Agrarpolitik wird noch eine
eingehende Klärung erfordern. Bei der starken Bewertung der Einzelpersönlichkeit in der
nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik ist es selbstverständlich, daß den allgemein -
politischen Fragen unseres völkischen Lebens stärkste Beachtung geschenkt wird. Dies
zeigt der Aufsatz von Dr. Kurt Reinl „Der bäuerliche Wesenskern des germanischen
Volkstums“.
98
HERBERT BACKE:
Die Erzeugungsschlacht
im fünften Kriegsjabr
Den Vortrag des Oberbefehlsleiters, Reichsbauern-
führers Herbert Backe zum Beginn der Erzeugungf-
schlacht im 5. Kriegsjahr veröffentlichen wir nech-
folgend im Wortlaut, weil die Ausführungen nicht nur
vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt aus grund-
sätzliche Bedeutung haben, sondern entscheidende
egrarpolitischa und volkspolitische Probleme an-
.schneiden, die ebenso wie für das Bauerntum euch für
die Volksgenossen der Stadt in der Zukunft ausschlag-
gebend sein werden.
S eit ich vor zwölf Monaten vom deutschen
Osten aus zu euch über die Weiter-
führung der Erzeugungsschlacht sprach,
hat unser Kampf um Freiheit und Lebens-
raum gigantische Ausmaße angenommen.
Vor zwölf Monaten verkündeten unsere
Gegner frohlockend, daß das Jahr 1943
die Niederwerfung des Großdeutschen
Reiches bringen werde. Besonders in den
Wochen vor dem 9. November versuchten
sie mit ungeheurem Einsatz aller Propa-
gandamittel das deutsche Volk durch den
Hinweis auf den 9. November 1918 mürbe
zu machen. Da sie aber selbst daran
zweifelten, Deutschland und seine Verbün-
deten mit Waffengewalt niederringen zu
können, gründeten sich all ihre Hoffnungen
auf einen vielleicht doch noch möglichen
Zusammenbruch unserer Ernährungsfront.
Nun, inzwischen werden die Herren Chur-
chill, Roosevelt und Stalin wohl begriffen
haben, daß Deutschland auch am Ende des
vierten Kriegsjahres durch den Hunger
nicht zu besiegen ist und gar keine Aus-
sichten bestehen, das Reich überhaupt je-
mals durch eine Hungerblockade zu zer-
brechen.
Lebensmitteln und landwirtschaftlichen
Rohstoffen so gestiegen, daB bei den not-
wendigen kriegsmäßigen Beschränkungen
eine ausreichende
Selbstversorgung gesichert
war. Mit der Marktordnung hatten wir
darüber hinaus ein verläßlich arbeitendes
Instrument zur Durchführung einer nach
menschlichem Ermessen gerechten Ver-
teilung der anfallenden Lebensmittel ge-
schaffen. Anläßlich des Erntedankiestes
dieses Jahres sind der deutschen Land-
und Ernährungswirtschaft der Dank und
die Anerkennung des ganzen Volkes für
diese kriegsentscheidenden Leistungen aus-
gesprochen worden.
Es berührt uns darum sehr wenig, wenn
die plutokratisch-bolschewistischen Draht-
zieher dieses Krieges heute so tun, als ob
sie das angeblich verhungernde Europa
vor dem Verderben retten müßten. Mit
seinen Anstrengungen zur Steigerung der
agrarischen Produktion hat Deutschland
nicht nur für sich selbst das Problem der
Versorgung weitgehend gelöst, sondern
ganz Europa ein überzeugendes Beispiel
gegeben. Ein Blick in die Welt zeigt, daß
der Hunger überall im Gefolge der eng-
lischen und amerikanischen Armeen mar-
schiert. Ich glaube nicht, daß die hungern-
den Inder, Iraner, Afrikaner, Araber oder
etwa die süditalienische Bevölkerung
der Uberzeugung sind, unsere Gegner
Nein, meine Volksgenossen, den Kampf „Hätten im Hinblick auf die Lebensmittel-
um das Brot hatten unsere Gegner schon
verloren, ehe der erste Schuß in diesem,
dem deutschen Volke aufgezwungenen
Existenzkampf fiel. Durch die in den vor-
hergehenden Friedens jahren geführte Er-
zeugungsschlacht war die Produktion an
versorgung mit größerem Erfolg gearbeitet
als wir. Die Versorgungslage ist dank der
durch deutsche Arbeit in Europa gestiege-
nen Produktion so ausgeglichen, daß eine
Gefährdung der Kampfmoral von dieser
Seite her praktisch nicht eintreien kann.
99
Allerdings könnten wir wohl eine solch
günstige Bilanz nicht aufstellen, wenn nicht
Deutschland von sich aus jede mögliche
Hilfe für die anderen Länder `
geleistet hätte. Das Reich hat trotz aller
kriegsbedingten eigenen Einschränkungen
landwirtschaftliche Produktionsmittel und
selbst Lebensmittel an die verbündeten
Länder ebenso wie in die besetzten Gebiete
geliefert. Deutsche landwirtschaftliche
Maschinen, Düngemittel, Saatgut, Zucht-
tiere u.dgl. haben in vielen europäischen
Staaten erst die Voraussetzungen für die
gegenwärtige Produktion und Versorgung
geschaffen.
Deutschland hat also im Gegensatz zu
den bei unseren Gegnern üblichen Me-
thoden nicht nur allein für sich, sondern
gleichzeitig in größtem Maße für Europa
gearbeitet. Wir haben nicht von Völker-
befreiung und Völkerbeglückung geredet
und dabei die Menschen in den von uns
besetzten Gebieten hungern und verhun-
gern lassen) sondern haben — ohne viel
Aufhebens davon zu machen — gearbeitet
und unter schwierigsten Verhältnissen da-
für gesorgt, die Menschen in Europa aus-
reichend zu ernähren.
Welches sind nun die Aufgaben, die
ich im fünften Jahre der Kriegserzeugungs-
schlacht euch Bauern und Bäuerinnen
stellen muß? Da der Bedarf der Wehrmacht
und des gesamten deutschen Volkes keinen
grundsätzlichen Veränderungen unter-
worfen ist und da wir uns schon in den
Jahren vor dem Kriege auf diesen Bedarf
eingestellt haben, sind die Parolen für die
Erzeugungsschlacht auch im nächsten
Jahre dieselben wie in der vergangenen
Zeit. Im vorigen Jahre habe ich in Posen
diese Aufgaben folgendermaßen umrissen:
1. Erreichung der
fläche,
2. Erzielung von Höchsterträgen im Hack-
fruchtbau, vor allem bei Kartoffeln und
normalen Brotgetreide-
Zuckerrüben,
3. Höchstleistung im Gemüsebau,
4. Neue Großleistung im Olsaatenbau, ue
3. Weiterhin verstärkte Milcherzeugungs
schlacht,
6. Wiederaufbau des Schweinebestandes.
Heute müssen wir rückschauend zunächst
feststellen, wie diese Parolen befolgt wur-
den, damit jeder Betriebsführer weiß, auf
100
welchen dieser Gebiete in Zukunft das
Schwergewicht der Arbeit liegen muß
Beim Brotgetreide hat sich die An-
baufläche gegenüber dem unter ungünsti-
gen Bedingungen stehenden Vorjahre aus-
gedehnt.
Zur Aulrechterhaltung des Hack-
fruchtanbaues können wir mit Be-
friedigung sagen, daß die Kartoffel- und
Rübenanbaufläche im großen und ganzen
erhalten geblieben ist, obgleich infolge der
kriegsbedingten Erschwernisse, namentlich
des Arbeitskräftemangels, sich hier und
dort gewisse Tendenzen bemerkbar mach-
ten, den Anbau einzuschränken.
Im Gemüsebau sind die Flächen noch-
mals um 80000 ha ausgedehnt worden.
Diese Ausweitung konnte sich leider nicht
zu dem gewünschten Erfolg auswirken,
weil die Witterung einen harten Rück-
schlag brachte.
Der Olfruchtbau ist meiner Parole
entsprechend sogar über die vorgesehene
Größe ausgeweitet worden.
Die Parole, die Milcherzeugungs-
schlacht fortzusetzen, ist in vorbildlicher
Weise durchgeführt worden. Es ist un-
nötig, an dieser Stelle auszusprechen, was
damit für die Fettversorgung des deutschen
Volkes gewonnen wurde!
- Schließlich ist es durch eure Arbeit
auch gelungen, allen Futterschwierig-
keiten zum Trotz einen kräftigen Ansatz
zur Aufstockung unserer Schweine-
bestände durchzuführen.
Diese kurzen Hinweise lassen erkennen,
daß alle von mir für das vierte Jahr der
Kriegserzeugungsschlacht gegebenen Pa-
rolen unter Einsatz aller gegebenen Mög-
lichkeiten befolgt wurden. Wenn trotzdem
auf einzelnen Gebieten witterungsbedingte
Rückschläge eintraten, so lag die Ursache
nicht bei uns und nicht bei unserer Arbeit.
Wir Bauern wissen, daß man mit solchen
Ereignissen immer rechnen muß. Was sagt
aber ein Weniger in dem einen Jahre
gegenüber guten Erträgen in anderen
Jahren. Allerdings muß man dabei an dem
einmal aufgestellten Plan des Anbaus
beharrlich festhalten und sich nicht
durch äußerliche Einflüsse davon abbringen
lassen. Auch hier muß jeder von uns 80
handeln, als wenn das Schicksal des Krieges
|
von seiner Leistung und von der Befolgung
der ihm gegebenen Parolen allein abhängt.
Wenn ich vorhin ausführte, daß die
Marschroute für das kommende Jahr den
Aufgaben der Jahre gleichbleibt, die hinter
uns liegen, so könnte natürlich die Frage
aufgeworfen werden, warum ich dann in
dieser Zeit der härtesten Anspannung über-
haupt zu euch spreche. Es ist aber nun
einmal so im Leben, daß man große Auf-
gaben immer wieder in das Bewußtsein
jedes einzelnen hämmern muß. Wir alle, die
wir in der Praxis stehen, wissen, wie leicht
das Grau des schweren Alltags den Blick
für die Notwendigkeiten des Ganzen und
der Zukunft trübt. Darum also ist es not-
wendig, diese Parolen immer wieder her-
auszustellen. Wie soll der einzelne Be-
. triebsleiter sonst erkennen, was die Reichs-
führung von ihm verlangt. Der einzelne
steht unter dem Einfluß der Bedingungen
seiner Wirtschaft und seiner besonderen
Lage. Er kann nicht immer die Übersicht
‚haben, um zu wissen, was Volk und Reich
jeweils von ihm erwarten.
Und schließlich: die Landwirtschaft ist
nicht nur auf einen oder wenige Konzerne
beschränkt wie manche industrielle Pro-
duktion; dort allerdings genügt oft eine
interne Sitzung, um einen Erzeugungsplan
aufzustellen, der dann von den Angestell-
ten und Arbeitern durchgeführt wird. In
der Landwirtschaft haben wir es mit Mil-
lionen von einzelnen Betrieben zu tun, und
jeder Betrieb verlangt den selbständigen,
schöpferischen Betriebsiührer. Diese Men-
schen können nicht ausschließlich aus-
führende Werkzeuge für Befehle von oben
sein. Sie stehen auf Grund der besonderen
Bedingungen in der Landwirtschaft immer
auch unter dem Gesetz eigener Verantwor-
tung. Jeder Betrieb ist nach Größe, Boden,
Klima und Lage verschieden. Und ebenso
verschieden sind danach die Möglichkeiten,
das Höchste aus ihm herauszuholen. Die
Produktion kann daher nicht allein vom
grünen Tisch aus gesteuert werden, son-
dern muß für den einzelnen Betrieb vom
Betriebsleiter selbst gelenkt werden. Die
Aufstellung eines allgemeinen Erzeugungs-
planes ist hier also viel schwerer als 2. B.
in der gewerblichen Wirtschaft. Allerdings
ist die Aufgabe auch dankbarer, weil sie
voraussetzt, daß jeder einzelne dieser Mil-
lionen bäuerlicher Betriebsführer überzeugt
werden muß. Aus dieser Überzeugung ent-
steht dann die Haltung, die verpflichtende
Haltung gegenüber den Aufgaben der Ge-
meinschaft. Deshalb spreche ich, Männer
und Frauen des Landvolks, heute zu euch
über den notwendigen Einsatz im neuen
Jahr der Kriegserzeugungsschlacht.
Die erste Aufgabe ist in diesem Jahre die
Beibehaltung der Hackfruchtifläche,
ja, sogar eine Erweiterung bei den
Kartoffeln. Diese Ausweitung muß
auf Kosten der nicht marktfähigen Hack-
früchte, der Futterrüben, Wruken und auf
Kosten des Sommergetreides gehen. Die
Gründe für diese Ausdehnung sind nicht
nur ernährungswirtschaftlich bedingt, son-
dern auch betriebswirtschaftlich von größ-
ter Wichtigkeit. Ernährungswirtschaftlich
erlebt heute ganz Europa eine Umkehr in
seinen Lebensgewohnheiten von tierischen
zu pflanzlichen Erzeugnissen. Der starke
Anteil der tierischen Erzeugnisse an der
Ernährung der europäischen Völker und
namentlich Deutschlands beruhte ja darauf,
daß durch die liberale Weltwirtschaft
riesige Flächen jungfräulichen Bodens in
den Kolonialländern erschlossen wurden,
die Europa billige Futtermittel zur Verfü-
gung stellten. Hierdurch wurde nicht nur
der Futterbau und speziell der Hackfrucht-
bau in Deutschland vernachlässigt, sondern
die Billigkeit erlaubte es erst, die Ernäh-
rungsgewohnheiten in dem starken Aus-
maß auf tierische Erzeugnisse umzustellen.
Bei der Umwandlung von pflanzlichen Nah-
rungsmitteln in tierische Erzeugnisse gehen
ungeheure Nahrungswerte verloren. So
werden bei der Schweinemast z.B. nur
25 Prozent der Nährwerte gewonnen, die
die verbrauchten Futtermittel enthalten, bei
der Geflügelhaltung sogar nur 10 Prozent.
Der Veredlungsprozeß bringt also nüchtern
+
gesehen eine Verschwendung von Nah-
rungsgütern mit sich. Schon die Abkapse-
lung des Auslandes vor diesem Kriege
gegen Deutschland, insbesondere aber der
gegenwärtige Krieg haben die Möglichkeit
einer Zufuhr von Futtermitteln aus Uber-
see ausgeschlossen. Daraus entsteht
zwangsläufig eine geringere Bereitstellung
von tierischem Eiweiß und tierischem Fett
und die Notwendigkeit, einen Ausgleich
durch stärkere Gaben von pflanzlichen
Nährstoffen zu schaffen. So ist die Kar-
toffel in Deutschland mehr als im Frieden
101
zum Grundnahrungsmittel geworden. Neben
dem Brot ist sie die Basis unserer Ernäh-
rung. Wir stehen daher vor der zwingen-
den Notwendigkeit, den Kartoffelanbau —
dasselbe gilt im übrigen für den Gemüse-
bau — so auszuweiten, daß wir dem ver-
größerten Bedarf Rechnung tragen können. `
Daß durch die industrielle Verarbei-
tung der Kartoffel und neuerdings
auch der Zuckerrüben der Bedarf
noch gesteigert wird, liegt auf der
Hand. Für diese Gebiete ist in der Zukunft
daher jegliche Einschränkung ausgeschlos-
sen. Im Hinblick auf die Bedürfnisse unse-
rer Rüstung ist im Gegenteil eine Aus-
weitung sogar unerläßliche Forderung.
Schließlich ist die Kartoffel eines
unserer Hauptfuttermittel für die
Erzeugung von Schweinefleisch
und Fett. Gerade die Erhöhung des
Speisekartoffelbedarfs hat ja dazu geführt,
daß die Verhältnisse sich im Kriege gegen-
über dem Frieden umgekehrt haben. Da-
mals stand der Speisekartoffelverzehr zu
den Futterkartoffeln im Verhältnis wie 1:2;
heute stehen die Speisekartoffeln zum
Futterrest wie 2:1. Mangel an Kartoffeln
bedeutet daher weiteren Abbau der
Schweinebestände. Da aber der Fleisch-
bedarf bleibt, erwächst hieraus der zusätz-
liche Eingriff in die Rinderbestände. Jeder
von uns muß sich über diesen Zusammen-
hang klar sein. Wenn heute einer von uns
zuviel Rinder abgeben muß, so ist dies
letzten Endes die Folge eines zu geringen
Kartoffelanbaus. Das Rind aber ist für uns
nicht Erntebestandteil, sondern Produk-
tionsmittel. Eingriffe in die Rinderbestände
sind daher so folgenschwer, weil sie dem
Betrieb ein Mittel entziehen, das dieser für
die Erstellung neuer Ernten und zur Ge-
winnung unserer gehaltvolisten Lebens-
mittel, Milch und Butter, notwendig
braucht. Aus diesen Gründen habe ich im
vergangenen Jahre mit besonderem Ernst
auf die Notwendigkeit der Parole, die
Schweinebestände aufzustocken, hinge-
wiesen. Nur hierdurch ist ein Eingriff in
die Substanz des Hofes zu Lasten der Zu-
kunft zu vermeiden. Wir müssen also der
Gefahr des Abbaus von zwei Seiten be-
gegnen:
Einmal — und das ist entscheidend —
durch Erweiterung unserer Fut-
tergrundlage auf dem Wege über die
Kartoffel.
102
zweitens durch stärkere Aufstok-
kung der Rinder, um den Entzug aus
zugleichen.
Nicht nur der Anbau der Kartoffel, son-
dern auch der Anbau der Zuckerrübe und
darüber hinaus der Zucker-Futterrübe muß
ausgeweitet werden. Durch die früheren
Preisverhältnisse ist die Verwendung von
Futtergetreide und Kartoffeln zur Schweine-
mast Gewohnheit geworden. Heute wissen
wir, daß wir einen erheblichen Teil der
Kartoffeln durch Zucker-Futterrüben er-
setzen können. Nun bringt die Zuckerrübe
und die Zucker-Futterrübe gerade auf den
besseren Böden, auf denen sie angebaut
wird, einen höheren Ertrag als die Kar-
toffel. Volkswirtschaftliche Notwendigkeit,
zusätzliches Futter zu schaffen und be-
triebswirtschaftliche Notwendigkeit, die
Mast zu verbilligen, laufen hier in der-
selben Richtung. Ich sehe gerade auf
diesem Gebiet eine neue Möglichkeit, die
eigene Futterbasis zu erweitern und halte
es daher für besonders wichtig, daß jeder
einzelne Betriebsleiter diesen Weg be-
schreitet. Wir wollen uns darüber im
klaren sein, daß es sich bei dieser Um-
stellung der Mast nicht um eine vorüber-
gehende Kriegserscheinung handelt, son-
dern daB diese Maßnahme in erster Linie
der zukünftigen Entwicklung einer euro-
päischen Autarkie liegt. Je schneller der
einzelne diesen Weg einschlägt, um so
mehr nützt er der Volkswirtschaft und um
so gesunder wird sein Betrieb. So wird die
Ausweitung des Hackfruchtbaus in dem
eben ausgeführten Sinne eine der entschei-
dendsten Aufgaben im fünften Kriegsjahr
und darüber hinaus für alle Zukunft sein.
Von ihrer Befolgung hängt es ab, ob wir
die anderen uns gestellten ernährungswirt-
schaftlichen Ausgaben lösen können.
Brotgetreideflächen erhalten
Wie ich vorhin schon sagte, geht die
zukünftige Entwicklung zu einer stärke-
ren Betonung der pflanzlichen
Kost. Neben der Kartoffel spielt hier das
Brot die entscheidende Rolle. Daher muß
die Brotgetreidefläche in ihrer bis-
herigen Größe erhalten bleiben.
Was die Brotgetreideernte für Deutschland
bedeutet, haben uns die beiden letzten Jahre
gezeigt. Im vergangenen Jahre hatten wir
— durch die Auswinterung bedingt — eine
unterdurchschnittliche Ernte, mit der Folge,
daß wir über 1,5 Millionen t Gerste dem
Futtersektor entziehen mußten. Dieses Jahr
brachte uns eine weit überdurchschnitt-
liche Ernte, die der Landwirtschaft und
dem gesamten deutschen Volke das Gefühl
einer unbedingten Sicherheit gegenüber
allen denkbaren Ereignissen gab.
In Anbetracht der gegebenen natürlichen
Verhältnisse und der von der Landwirt-
schaft zu bewältigenden Aufgaben war ein
Rückgang der Brotgetreideanbaufläche
nicht überall zu vermeiden. Wirfordern
erneut eine Vergrößerung der An-
bauflächen bei den Hackfrüchten,
bei Olsaaten und beim Gemüse. Da-
her muß irgendeine andere Frucht die
Flächen für diese Ausweitung hergeben.
Es kommt hinzu, daß betriebswirtschaftliche
Verhältnisse, Zwangslagen aus der Frucht-
folge heraus, ja oft die verschiedene Größe
der einzelnen Felder, dazu zwingen, auch
einmal aus der Brotgetreideanbaufläche ein
Feld für eine auszuweitende Frucht zu
nehmen. Diese Ausnahmen dürfen jedoch
eben nur Ausnahmen sein. Wir wissen
nicht, ob die Witterung im nächsten Jahre
unsere Brotgetreideernte so begünstigt wie
im vergangenen Jahr. Wir haben aber die
Pflicht, dem deutschen Volke das tägliche
Brot zu gewährleisten. Die Flächen für die
Ausdehnung anderer Früchte sind daher
dort herzunehmen, wo Pflanzen angebaut
werden, die nur mit einem geringen Pro-
zentsatz oder gar nicht an der Markt-
leistung beteiligt sind. Wie die Ausweitung
im Hackfruchtbau, soweit es irgend geht,
auf Kosten von Fulterrüben gehen muß, so
muß der Futtergetreidebau die Flächen-
erweiterung anderer Früchte tragen.
100 000 Hektar mehr Olfrüchtel
Trotz der großen Erfolge im Olfrucht-
bau des letzten Jahres muß der Anbau
wiederum um rund 100 000 ha steigen. Je
länger der Krieg dauert, um so mehr sind
wir beim Fettsektor auf unsere eigene Er-
zeugung angewiesen. In den ersten Kriegs-
jahren hatten wir noch große Reserven an
lsaaten und Waltran; auch hatten wir
noch bedeutende Bezugsmöglichkeiten, ins-
besondere aus Ostasien. Heute sind unsere
Fettquellen im wesentlichen: die Milch
und der eigene Ulfruchtbau. Die
deutsche Landwirtschaft ist unserer Parole
auf Ausweitung des Dlfruchtbaus seit Be-
ginn des Krieges trotz der harten Rück-
schläge durch Auswinterung und Schäd-
lingsbefall so willig gefolgt, daß ich gewiß
bin, sie wird die diesjährige Aufgabe,
600 000 ha anzubauen, genau so bewältigen
wie die Aufgabe des vorigen Jahres. Ent-
scheidend kommt hinzu, daß der Difrucht-
bau unmittelbar durch Ulkuchen und
mittelbar durch Nachbau von Grünfutter
keinen Futterausfall kostet. |
Gemüseanbau verstärken
Haben wir in den letzten Jahren die
Gemüseanbaufläche stark vergrößert,
so ist jetzt der Augenblick eingetreten, in
dem es weniger auf flächenmäßige Ausdeh-
nung als auf Intensivierung des An-
baus ankommt. Die flächenmäßige Aus-
dehnung hat ja nur dann einen Erfolg,
wenn für diese zusätzliche Fläche aus-
reichende Düngung zur Verfügung steht.
Das ist aber großenteils nicht der Fall.
Mancher von Ihnen, der in diesem Jahre
gemäß unserer Parole mehr Gemüse oder
überhaupt zum erstenmal Gemüse gebaut
hat, ist durch den Ernteausfall infolge der
Trockenheit enttäuscht. Diese Tatsache be-
lastet nicht our den Bauern und den Be-
triebserfolg seiner Wirtschaft, sondern
trifft vor allem auch den Verbraucher.
Trotz der Rückschläge, besonders im Osten
des Reiches, dürft ihr, deutsche Bauern und
Landwirte, euch nicht entmutigen lassen.
Ich weiß, was es bedeutet, soviel Arbeit
in die Aussaat und in die Pflege der Ge-
müsefelder zu legen, und wenn man dann
nach soviel Mühe und Arbeit vor einem
Felde steht, das die aufgewandte Leistung
überhaupt nicht oder nur durch einen ge-
ringen Ertrag entschädigt. Trotzdem muß
der jetzige Stand der Gemüseanbaufläche
unter allen Umständen gehalten, im Vor-
und Nachbau sogar noch erweitert werden.
Jeder Anfänger fühlt sich zunächst un-
sicher. Ein Rückschlag in den ersten An-
baujahren läßt Zweifel aufkommen, ob der
Betrieb sich für den Gemüsebau überhaupt
eignet. Meine Bauern! Das ist aber doch
nicht nur beim Gemüsebau so. Ich erinnere
nur an die Einführung der Kartoffel, der
Zuckerrübe oder der Dlfrüchte, wo die
103
gleichen Erfahrungen gemacht wurden. So
müßt ihr unter allen Umständen auch in
diesem Jahre den Gemüsebau weiterführen.
Die Zahl der Konsumenten in den Städten
ist durch die ausländischen Arbeiter be-
trächtlich gewachsen. Der Ausfall Süd-
italiens bedeutet ebenfalls keine Erleichte-
zung unserer Gemüseversorgung. Es ist
daher eine eurer wichtigsten Aufgaben,
den Gemüsebau zumindest zu halten und
sogar auszudehnen, wo es irgend geht.
Denn es ist jedem bekannt, welche Bedeu-
tung das Gemüse nicht nur für die Sätti-
gung, sondern auch als Träger wertvoller
Nährstoffe für die Gesunderhaltung und
Arbeitsleistung hat.
Die Voraussetzung einer derartigen Pro-
duktion, nämlich die Saatgutversor-
gung, hat dank der vorausplanenden
Maßnahmen des Reichsnährstandes eine
beträchtliche Verbesserung erfahren. In-
folge der günstigen Samenernte im In- und
Auslande kann die Saatgutbereitstellung
für fast alle Gemüsearten als vollauf ge-
sichert bezeichnet werden. Diese Steige-
rung der eigenen Erzeugung und die von
Deutschland planmäßig gesteuerte Ausrich-
tung der europäischen ProdukMon dürfen
so als ein glückliches Beispiel der kon-
tinentalen Zusammenarbeit angesehen
werden. i
Durch den Krieg zeigen sich auch
Mangelerscheinungen auf früher als neben-
sächlich erachteten Gebieten, z. B. beim
Obstbau. Der Obstbau hat unter den
vergangenen strengen Wintern sehr ge-
litten. Durch neue Methoden des Nieder-
stammobstbaues versuchen wir, den not-
wendigen Wiederaufbau unseres Obstbaum-
bestandes stärkstens zu fördern.
Auch der Weinbau erfährt eine ent-
sprechende Förderung, der zusätzlich zur
Weinproduktion während des Krieges
einen beträchtlichen Beitrag zur Pro-
duktion von Gemüse und anderen Feld-
früchten leistet.
Wie ich beim Difruchtbau schon aus-
führte, stellt die
Butter unsere wichtigste Fettquelle
dar. Mir ist vor kurzem eine Berliner
Zeitung aus dem Herbst 1917 in die
104
merkte Ration
Hände gefallen mit der Ankündigung
des Magistrats der Stadt Berlin, daß die
Butterration für eine Woche pro Person
5 Gramm betrage. Die auf der Karte ver-
lautete allerdings auf
120 Gramm. Man vergleiche die tatsächlich
ausgegebene Ration mit derjenigen, die
wir dank der Leistungen unserer Landwirt-
schaft heute zu geben, in der Lage sind.
Wenn wir danach fragen, warum es gerade
auf dem Milchsektor möglich gewesen ist,
derartige Leistungen zu erzielen, so muß
ich feststellen, daß wir hier die Grundsätze
der nationalsozialistischen Marktordnungs-
politik konsequent durchführen konnten.
Die Anstrengungen der Erzeuger konnten
weiter in größtem Umfange durch den Auf-
bau praktischer pflegerischer Maßnahmen
— wie Milchkontrolle, Gärfutter-
behälterschau, Zwischenfrucht-
bau usw. — unterstützt werden. Durch die
vor dem Kriege von der Reichsregierung
durchgeführte Preisaufbesserung
wurde die Landwirtschaft schließlich in die
Lage versetzt, die wirtschaftseigene Futter-
basis stärkstens auszubauen, so daß der
Kraftfutterausfall keine Ertragsminderung
durch die geringere Einfuhr zur Folge
hatte. Für die Zukunft bleibt es entschei-
dend, die Milcherzeugung nicht nur auf
dem hohen Stand der letzten Jahre zu
halten, sondern sie noch mehr zu intensi-
vieren. Dieses Ziel kann aber nur erreicht
werden, wenn alle produktionsfördernden
Maßnahmen genauestens durchgeführt wer-
den und darüber hinaus der Eigenverbrauch
von Vollmilch auf das geringste Maß herab-
gesetzt wird, vor allem aber der letzte
Tropfen Milch zur Ablieferung in die Mol-
kerei kommt, mögen sich auch Produktions-
schwierigkeiten vielerlei Art ergeben. Rest-
lose Ablieferung ist bei anständiger Hal-
tung keine Schwierigkeit. Diese vorbild-
liche Bereitschaft darf sich auch unter den
Bedingungen des fünften Kriegsjahres nicht
lockern. Je länger der Krieg dauert, desto
härter und konsequenter muß das deutsche
Landvolk seine Pflichten bei der Abliefe-
rung erfüllen. Gerade bei der Bewirl-
schaftung der täglich anfallenden Milch-
mengen entsteht vielleicht am ehesten der
falsche Eindruck, daß es doch auf einen
halben oder einen viertel Liter weniger in
Stall und Küche nicht ankommen könne.
Ein Liter Milch von 3,5 Millionen Be-
trieben täglich mehr abgeliefert, bedeutet
aber eine zusätzliche Produktion von
53000 t Butter im Jahr, eine Menge, die
ausreichen würde, rund 8,1 Millionen
Normalverbraucher ein Jahr lang mil
Butter zu versorgen.
Aufstockung des Schweinebestandes
Ich komme nunmehr zur sechsten meiner
Parolen, zur Frage der Aufrechterhal-
tung der Schweinebestände. Die
Aufstockung auf diesem Gebiet ist eine der
dringendsten Forderungen, die die Führung
der Ernährungswirtschaft an euch stellt.
Sie hängt aufs engste mit der Auswei-
tung der Futterbasis, vor allem der
Intensivierung des Hackfrucht-
baus und mit den Eingriffen in die
Rinderbestände zusammen. Dieses
Problem ist so wichtig, daß es sich der
einzelne Betriebsleiter gar nicht oft genug
ins Bewußtsein rufen kann. Ich weiß: das
Schweineablieferungssoll bedeutet für euch
im Augenblick die größte Sorge. Wir
gingen in diesen Krieg mit einem sehr
hohen Bestand an Schweinen. Euch ist be-
kannt, warum hier ein Abbau vorgenom-
men werden mußte. Zwei Auswirkungen
hatte dieser Abbau des Schweinebestandes:
Er verringerte einmal den Futterbedarf an
Kartoffeln und Getreide, die der unmittel-
baren menschlichen Ernährung zugeführt
werden konnten; zum anderen stärkte er
unsere Fleischbilanz. Aber es wurde aus
dem Bestand abgeschöpft, ohne ihn wieder
zu ergänzen. Die Weiterführung einer sol-
chen Entwicklung mußte in dem Augenblick
aufhören, als der Bestand unter das Niveau
des vermutlichen Futteranfalls absank;
denn damit wurde das Fleischaufkommen
aus dem Schweinesektor so gering, daß in
die Rinderbestände eingegriffen werden
mußte. Als daher im vergangenen Jahre
die Hoffnung bestand, die Lücke im Brot-
getreidesektor z.B. durch Einfuhren aus
dem Südosten zu verringern, als wir also
damit rechnen konnten, wenigstens einen
Teil der als Brotergänzung vorgesehenen
Gerste für die Schweinemast freizubekom-
men, habe ich die Parole zur Auf-
stockung der Schweinebestände
gegeben, Heute schon kann ich feststellen,
daß auch diese Forderung von der deut-
schen Landwirtschaft trotz aller Schwierig-
keiten erfüllt wurde. Wie bei allen der-
artigen sich erst nach längerer Zeit aus-
wirkenden Aufgaben hat sich der Erfolg im
verflossenen Jahr weniger in einer höheren
Zahl von Mastschweinen gezeigt, als viel-
mehr in einer Steigerung des Sauen-
und Ferkelbestandes. Entgegen unse-
ren Erwartungen war jedoch die Futterlage
infolge des Ausfalls von Einfuhren schlech-
ter geworden. Darüber hinaus brachten zu-
sätzlich nach Deutschland hereingekommene
Millionen ausländischer Arbeitskräfte eine
weitere Belastung für den Kartoffelsektor,
während die notwendige Vergrößerung
unserer Wehrmacht erneut hohe Ansprüche
an das Lieferungsvermögen der Landwirt-
schaft stellte. So mußte eine noch weitere
Aufstockung der Schweinebestände unmög-
lich werden, weil die Futterdecke zu knapp
wurde. Die Folge davon war das schon
erwähnte Eingreifen in die Rinderbestände,
um die Fleischbilanz auszugleichen. In-
zwischen sind die Anforderungen bei der
Fleischversorgung nicht etwa geringer,
sondern eher größer geworden. Die Auf-
stockung des Schweinebestandes
wird damit um so zwingender.
Der deutsche Bauer wird sich nun fragen,
wie er die aufgestellten Schweine in den
kommenden Monaten sattmachen soll. Vom
einzelnen Betrieb aus gesehen, scheint das
jetzige Soll schon zu hoch zu sein, von
einer weiteren Verstärkung des Bestandes
ganz abgesehen. Die unterdurchschnittliche
Kartoffelernte dieses Jahres bedeutet dabei
eine weitere Belastung; denn darüber darf
kein Zweifel herrschen, meine Bduern: Bei
der Ablieferung stehen die Speisekartoffeln
an der Spitze, selbst wenn der Futtervorrat
zu gering werden sollte. Heute kann ich
natürlich noch nicht übersehen, in welchem
Umfange ich die zusätzlichen Getreide-
mengen für Mastzwecke hereinbekomme,
die zum Ausgleich des Futterdefizits ge-
braucht werden. Schließlich ist es aber
doch so, daß auch der Bauer einen Vor-
anschlag für seinen Betrieb macht, bevor
er die gesamte Ernte gedroschen hat. Auch
er muß, ohne letzten Endes genau zu
wissen, wieviel Futter ihm zur Verfügung
steht, vorher bestimmen, wieviel Ferkel er
105
zur Mast ansetzt. Wieviel größer ist der
Zwang dieses Vorausdenkens bei mir, der
ich den Bedarf des nächsten Jahres an
Fleisch kenne und deshalb frühzeilig jene
Maßnahmen einleiten muß, die diesen Be-
darf gewährleisten. Darüber hinaus ist es
immer noch leichter, unreife Schweine ab-
zuschlachten, als zusätzlich Schweine aus
dem Boden zu stampfen, wenn die Futter-
grundlage eine höhere Schweinemast er-
laubt. Um das aufzubringende Soll an
Schweinen zu sichern, sind in diesem Jahre
erstmalig Aufbringungsumlagen auf jeden
Hof gelegt. Diese Aufbringungsumlagen
sind ein Mittel, um dem einzelnen Hof
klarzumachen, welche Mindestleistung das
Reich von ihm fordern muß. Wenn die
Sorge um diese Umlage euch heute sehr
bedrückt, .so denkt daran, daß ich mit
meinen Mitarbeitern vor dieser Um-
lage diese Sorgen allein zu tragen hatte.
Zur Futtergrundlage im allgemeinen
noch folgendes: Ich bin der Meinung, daß
dort, wo ein Wille ist, sich auch meistens
ein Weg findet. Niemand sollte sich an alt-
hergebrachte Gewohnheiten der Schweine-
mast klammern, ohne zu bedenken, daß es
auf jedem Betrieb doch noch Quellen gibt,
die zusätzlich Futter aufzubringen ver-
mögen. Eine dieser Quellen ist zweifellos
die
Einschränkung der Kleintierhaltung
Wir haben im Frieden, als genügend
Futter zur Verfügung stand, die Klein-
tierhaltung durch zahlreiche Förderungs-
maßnahmen unterstützt. Gegenüber den
Aufgaben jedoch, die der Krieg im
fünften Jahr von uns fordert, ist es
wichtiger, eine durch die Fleischkarte ge-
gebene Ration zu erfüllen, als Geflügel zu
erzeugen, Kaninchen zu mästen u. dgl.
mehr, Dinge, die vornehmlich der zusätz-
lichen Versorgung einzelner zugutekom-
men. Wenn sich diese Verhältnisse hart
im Raume stoßen, dann ist es eher erträg-
lich, die gesamte Kleintierhaltung bis auf
den notwendigen Zuchtbestiand abzu-
schaffen, als einen Einbruch in der Fleisch-
versorgung der Gesamtbevölkerung hinzu-
nehmen.
Über eines wollen wir uns doch keiner
Täuschung hingeben: Der Krieg hat auf
106
die Viehbestände im allgemeinen
abbauend gewirkt, am stärksten
beim Schwein.. Nur bei der Kleintier-
haltung sind die Bestände um das Doppelte,
Dreifache, ja Fünffache gewachsen. Hier
einen Riegel vorzuschieben, verlangt nicht
nur die Aufgabe der Versorgung an sich,
sondern das selbstverständliche Gefühl
sozialer Gerechtigkeit. Wenn ich hier vor
allem zu euch Bauern zum Thema Klein-
tierhaltung spreche, so geschieht das aus
Sorge um das notwendige Aufkommen an
Schweinen. Dabei bin ich mir natürlich
völlig darüber im klaren, daß die Ver-
größerung der Kleintierbestände ganz be-
sonders in nichtlandwirtschaftlichen Be-
trieben stattgefunden hat. Ich habe nicht
die Absicht, hier unhaltbare Zustände ein-
reißen zu lassen!
Die Herabsetzung des Kleintier-
bestandes ist also eine der Quellen, um
die Schweinemast zu erleichtern.
Darüber hinaus aber gibt es noch manche
andere Möglichkeit, zusätzlich Futter zu ge-
winnen. Abgesehen von der schon er-
wähnten Umstellung der Masttechnik
durch Ersatz eines erheblichen Teils von
Kartoffeln durch Zucker-Futterrüben bzw.
Zuckerrüben, bietet vom Frühjahr an das
Grünfutter viele Möglichkeiten, eine
größere Schweinemast bis zur nächsten
Kartoffelernte durchzuhalten. Schließlich
glaube ich, daß mancher Zentner Hafer
volkswirtschaftlich richtiger den Pferden
entzogen wird, um ihn den Schweinen zu-
gute kommen zu lassen. Wer den heutigen
Futterzustand der Pferde in den meisten
Gebieten Deutschlands mit dem vergleicht,
wie er etwa im vierten Jahre des vorigen
Krieges war, der wird zugeben müssen,
daß hier zugunsten der Schweine Futter
eingespart werden kann. Ich will damit
natürlich nicht sagen, im vergangenen
Weltkriege sei der Futterzustand der
Pferde ausreichend gewesen. Es ist be-
kannt, wie stark die Leistung dieser Pferde
zu Lasten der zukünftigen Ernte zurück-
ging. Schließlich sind aber unsere Herbst-
arbeiten wie selten vorwärts gekommen, 80
daß die besonders schwere Arbeit des Ab-
fahrens von Kartoffeln und Rüben nur
einen Bruchteil der Pferdekraft gekostet
hat wie zur Zeit der vorigen Ernten.
>
Die Lage bei den Produktionsmitteln
Ich habe euch, deutsche Bauern, Land-
wirte und Landfrauen, für das vor uns
liegende Jahr der Kriegserzeugungsschlacht
wieder schwere Aufgaben gestellt. Ihr
würdet diese Aufgaben leichter und ein-
facher erfüllen können, wenn ich jetzt eine
stärkere Bereitstellung der wichtigsten
Produktionsmittel und eine Vermeh-
rung der. Arbeitskräfte zusagen könnte.
Auf Grund des außerordentlichen Bedarfs
an der Front und in der Rüstungsindustrie
ist diese Erleichterung nicht möglich. Es
ist im einzelnen auch nicht zu übersehen,
welche weiteren Einsparungen noch ge-
tragen werden müssen. Ihr könnt aber
überzeugt sein, daß eure Sorgen auch
meine Sorgen sind und daß von mir aus
alles nur Denkbare getan wird, um der
Landwirtschaft zu helfen. Diese Fest-
stellung darf wiederum nicht dazu führen,
alle Hilfe ausschließlich von der Zen-
trale zu erwarten. Schwierige Lagen
können nur gemeistert werden, wenn
draußen im Lande ebenso entschlossen
an ihrer Überwindung gearbeitet wird wie
in den Führungsstellen, und in vielen
Fällen wird es nur über den Weg der
Selbsthilfe möglich sein, die Lage zu
meistern. Ich halte es daher für notwendig,
zu diesem Problem der Produktionsmittel
kurz Stellung zu nehmen, und zwar von
jener höheren volkswirtschaftlichen Ebene
aus, zu der ich verpflichtet bin, und zum
anderen als praktischer Landwirt, der die
Verhältnisse vom Betrieb aus ebensogut
kennt.
Wir wissen als Bauern und Landwirte,
daß für unsere Betriebe die vorhandenen
Arbeitskräfte und noch mehr der tüchtige
Betriebsführer entscheidend sind. Der
Krieg zwingt uns, hier zu Aushilfs-
mitteln zu greifen. Auf der einen Seite
versuchen wir, die zur Wehrmacht ein-
gezogenen Arbeitskräfte weitgehend durch
Ausländer zu ersetzen. Der Betriebsführer
selbst wird — vor allem in den kleineren
Betrieben — meist durch die Bäuerin er-
setzt. Zu deren Unterstützung habe ich
schon im Frühjahr dieses Jahres die Hof-
patenschaften eingelührt und die in der
Heimat verbliebenen Männer verpflichtet,
diesen Landfrauen mit ganzer Kraft zur
Seite zu stehen.
Der Krieg wird für die Verteidigung der
-Heimat weiterhin Menschen von uns for-
dern. Die Bereitschaft zum Fronteinsatz ist
für uns Bauern eine Selbstverständlichkeit.
Die entstehenden Lücken müssen durch
noch stärkeren Einsatz der in der Heimat
Verbleibenden und durch
noch mehr Gemeinschafts- und
Nachbarschaftshilfe
als bisher ausgeglichen werden. Vieler-
“orts wird durch den freiwilligen Land-
nutzungstausch, der ohne Berührung der
Eigentumsfrage durchgeführt wird, große
Erleichterung in der Arbeit geschaffen.
Für die Realteilungsgebiete bedeutet der
freiwillige Landnutzungstausch
eine Überwindung der Kleinparzellenwirt-
schaft und ermöglicht dadurch vielfach
erst einen zweckvollen Maschineneinsatz,
vor allem den gemeinschaftlichen Einsatz,
die Einsparung von Treibstoff und unnötig
langen An- und Abmarschwegen und eine
zusätzliche Nutzung bisheriger Wegraine,
Reststücke usw.
Der gemeinschaftliche Maschi-
neneinsatz muß auf der ganzen Linie
noch mehr gepflegt werden. Ich weiß, daß
manche Maschine, die notwendig wäre,
heute nicht gekauft werden kann. Die für
den Maschinenbau notwendigen Rohstoffe
gehören vordringlich der Rüstung, und so
müssen wir uns hier mit dem bescheiden,
was die Front nicht braucht.
Dasselbe gilt für die Düngemittel.
Auch hier wissen wir: sind die Handels-
düngemittel für uns auch noch so wichtig,
der Bedarf der Rüstungsindustrie geht im
Interesse unserer Frontsoldaten vor. Wenn
die Zuteilung an Stickstoff und an
Phosphorsäure heute wesentlich unter
dem Höchststand von 1938/39 liegt, so darf
andererseits nicht vergessen werden, daß
im fünften Kriegsjahr trotzdem größere
Mengen zur Verfügung stehen als vor 1933.
Bei Kali und Kalk dürften durch die ge-
ringeren Zuteilungen noch keine schwer-
wiegenden Ernteausfälle entstanden sein.
Es ist selbstverständlich mein Bestreben,
die Zuteilung an Düngemitteln so umfang-
107
reich wie irgend möglich zu gestalten. Es
wird aber erst Aufgabe einer späteren Zeit
sein, den notwendigen Ausgleich der ein-
zelnen Nährstoffe im Boden vorzunehmen.
Wir haben darum heute mehr denn je die
Pflicht, im Interesse der Gesunderhaltung
unserer Böden den im Betrieb anfallenden
wirtschaftseigenen Dünger beson-
ders pfleglich zu behandeln und richtig zu
verwenden. Wichtig ist auch, den Anbau
von Leguminosen — sei es als Grün-
düngung, sei es als Einsaat — mehr
auszunutzen als bisher.
Sieht es also beim Stickstoff, bei den
Arbeitskräften und bei den Maschinen und
Geräten im wahrsten Sinnes des Wortes
kriegsmäßig aus, so kann ich mit Befriedi-
gung feststellen, daß eine der wichtigsten
Erzeugungsvoraussetzungen — die Saat-
gutversorgung — während des Krieges
laufend verbesser! werden konnte.
So gelang es z.B. im Herbst 1943 beim
Wintergetreide eine um das dreifache
höhere Menge an Hochzuchtsaatgut gegen-
über 1939 bereitzustellen. Beim Sommer-
getreide verlief die Entwicklung ähnlich.
Erfreulich ist auch die Entwicklungskurve
bei der Grassamenversorgung. In
Deutschland wurden früher nennenswerte
Mengen an Grassamen nicht erzeugt. 1933
machte die Produktion nur rund 5000 dz
aus. Dank der im Rahmen der Erzeugungs-
schlacht ergriffenen Maßnahmen wurde die
Produktion bis zum Jahre 1939 auf rund
45000 dz erhöht und es gelang dann in
den Kriegsjahren, weiter eine Steigerung
auf 146000 dz zu erzielen. Im übrigen
wird sich in steigendem Maße gerade auf
dem Gebiet der Grassamenversorgung die
von uns propagierte europäische Zu-
sammenarbeit günstig auswirken, weil
bei wichtigen Gräserarten besondere An-
zuchtbedingungen bestehen, auf die eine
Reihe europäischer Staaten sich speziali-
siert hat. Es ist gelungen, den Anbau in
diesen Ländern auf die europäischen Be-
dürfnisse auszurichten, so daß von dieser
Seite her auch für uns gewisse Erleichte-
rungen eintreten werden. Das gilt vor
allem auch für Klee- und Luzerne-
samen, denn Sie werden mir mit Recht
entgegenhalten, daß hier die Versorgung
noch zu wünschen übrig läßt. Wenn ich
108
auch nach wie vor fordern muß, daß die
deutsche Landwirtschaft wenigstens einen
Teil ihres Kleesamenbedarfes aus wirt-
schaftseigenem Anbau zu decken hat, so
wird doch die europäische Zusammenarbeit
auf diesem Sektor den Bedarf in Zukunft
immer besser befriedigen können.
Von weittragender Bedentung ist schließ-
lich auch die Steigerung beim Kartoffel-
pflanzgut. Einer Anbaufläche von
35000 ha im Jahre 1934 steht heute eine
solche von 270000 ha gegenüber, wobei
allein auf die Kriegsjahre eine Ausweitung
von rund 170000 ha entfällt. Der Anbau
anerkannten Kartoffelpflanzgutes ist damit
um nicht weniger als 800 Prozent erhöht
worden.
Zur Frage des Zugkräftebesatzes
unserer Betriebe ist nach Lage der Dinge
nicht viel zu sagen. Was an Treckern und
Treibstoff herangeschafft werden kann, wird
zur Verfügung gestellt. Daß dieser Einsatz
für eure Arbeit nicht immer genügt, weiß
ich. Jedoch auch hier geht die Front allem
anderen voran. Um so erfreulicher ist
darum die Entwicklung unseres Pferde-
bestandes, da das Pferd als Zugkraft in
den vergangenen Kriegsjahren immer
größere Bedeutung gewonnen hat. Die
Pferdeaushebungen zu Beginn des Krieges
haben in den im Wiederaufbau befindlichen
Pferdebestand zunächst erhebliche Lücken
gerissen. Durch eine planmäßig geförderte
Vermehrung der Stutendeckungen von
320 000 im Jahre 1933 auf 520 000 im Jahre
1939 und 740 000 im letzen Jahr ist es je-
doch gelungen, größere und einschneiden-
dere Beschränkungen zu vermeiden.
Der Ablieferungswille ist entscheidend!
Männer und Frauen des Landvolkes! Für
die ausreichende Versorgung des Volkes
mit Lebensmitteln ist nicht nur die Erzeu-
gung an sich ausschlaggebend, sondern
auch die Marktleistung der Be-
triebe. Wir wollen nicht vergessen, daß
die Lebensmittelkarten, die trotz aller
Schwierigkeiten immer rechtzeitig beliefert
wurden, einen der wesentlichen Vertrau-
ensfaktoren in unserem gegenwärtigen
Ringen überhaupt darstellen. Es kommt
daher wesentlich darauf an, daß die Land-
wirtschaft sich hier ihrer hohen Verant-
D. Ortsbauernführer hat im Kriege mehr denn je eine verantwortungsvolle und arbeitsreiche Tätigkeit. Wenn
der größte Teil der Bauern im Wehrdienst steht, ist es seine erste und große Aufgabe, der alleinstehenden,
Schwer belasteten Bäuerin mit seinem Rat und seiner Hilfe zur Seite zu stehen, weil es notwendig ist, alle
Arbeiten selbst unter kriegsbedingten Erschwernissen in jedem Jahr erfolgreich zum Abschluß zu bringen. Der
Ortsbauernführer ist es, der dafür zu sorgen hat, daß die Betriebe seines Dorfes ihren Ablieferungspflichten und
Men Anforderungen in bezug auf die zweckmäßigste Bodennutzung voll nachkommen. Da er selbst vor allem
ein Bauer ist, kennt er die Schwierigkeiten und Nöte derer, die er betreuen und führen muß, aus eigener Erfah-
mng, daher wird er als erfahrener und praktischer Landwirt immer wieder mit Rat und Tat zur Seite stehen
können. Sind doch gerade jetzt im Kriege auf dem Gebiet der Steigerung der Ernteerträge, richtigen Feldbestel-
Jung usw. nur zuverlässige Vorschläge am Platze.
Tritt irgendwo auf dem Hof der Bäuerin eine Schwierigkeit auf, ist eine der landwirtschaftlichen Maschinen
Dicht in Ordnung, so genügen oft der geschulte Blick und ein paar geschickte Handgriffe des Ortsbauernführers,
Dm den Schaden zu beheben und die Maschine wieder für die richtige Ausnutzung der Volksernährung in Gang
zu bringen. Seine Aufgabe ist es auch, zur Erntezeit oder bei drängenden Feldbestellungsarbeiten die Nachbar-
Schaftshilfe zu organisieren, die den alleinstehenden Bäuerinnen schon überall nutzvolle Dienste brachte, wie
überhaupt der planmäßige Einsatz der Landarbeiter, der Gesinde- und Hilfskräfte zu seinen Obliegenheiten gehört.
Aber er ist nicht nur Führer und Berater seines Dorfes, er hat außerdem auch noch die verwaltungstech-
Mischen Aufgaben des Dorfes zu meistern. Er ist der Dolmetsch zwischen dem Reichsnährstand und den Bauern
eines Dorfes. Einmal gibt er die erforderlichen Richtlinien und Erlasse des Reichsnährstandes erklärend weiter,
Auf der anderen Seite übermittelt er Anregungen und Wünsche seiner Bauern.
So erstreckt sich die Tätigkeit des Ortsbauernführers auf ein weites und verantwortungsvolles Gebiet. Was
der Ortsbauernführer von seinen Bauern auch immer für die Sicherstellung unserer Ernährung fordern muß,
les, was er von ihnen verlangt, muß er auch selbst erfüllen. Und so ist er täglich immer wieder aufs neue der
dorfgemeinschaft Vorbild und wirklicher Führer.
Ela) >
At A D. NH. — Ir Cn
Cosic C SS und af
Koran 3 Leg A E
42% S Mus SS
el. Fe
83 ee Ka? e Arnd” af
KL FR 4.
SM er
* r `
. re Tr a2 * KÉ,
Auf der Jungviehkoppel eines Bauernhotes im Kreise Dannenberg
Kritik ist bei der Hofbegehung am Platze
> am
Cr r |
7 ö . BN in CL 8
ee de RI,
"`
*
—
jährige Eifel-
die mit
Wjährigen
er einen 80
großen Hof
haftet, holt
beim Orts-
mführer Rat
Der Bäuerin gilt im Kriege die besondere Hilfe des
Ortsbauernführers. Hier wird sie über die rich-
i
tige Handhabung des Düngerstreuers unterrichtet
"8 7 est ged
=. y 2
D *
ka 9 "E il —— 7 zen
Der gemeinschaftliche Treckerführer des Dorfes berät mit den Bauern den Arbeitsplan. — Abends wird beim gelegent-
lichen Schoppen weiter die erfolgreiche Gemeinschaftsarbeit besprochen
è We a TT E At, E, EE S
2 D Ki r — 7
*
wortung bewußt ist und dafür sorgt, daß
jeder Volksgenosse die Lebensmittel kaufen
kann, die ihm auf Grund der Lebensmittel-
karten zustehen. Ich habe in meiner Rede
zum Erntedanktag an überzeugenden Bei-
spielen dargelegt, wie vorbildlich der
Ablieferungswille der deutschen
Landwirtschaft gewesen ist. Jeder ein-
zelne muß seinen Stolz darein setzen, daß
hier im weiteren Verlauf des Krieges kein
Absinken der Moral stattfindet. Ich weiß,
mit der Länge des Krieges werden die Ver-
suchungen größer; die Verlockungen des
Tauschhandels treten gerade an das Land-
volk heran. Es gibt auch keine Gemein-
schaft, in der nicht der eine oder andere
solchen Versuchungen erliegt. Ich er-
warte aber, daß die Gemeinschaft des deut-
schen Landvolks aus sich heraus, vor
allem die Orts- und Kreisbauernführer und
ihre Beauftragten, gerade auf diesem Ge-
biet für absolute Sauberkeit und Korrekt-
heit sorgen. Die Millionen Kanäle, durch
die die Lebensmittel vom Bauernhof bis
zum Verbraucher strömen, sind schwer zu
kontrollieren. Gerade deshalb muß jeder
einzelne sich verantwortlich dafür fühlen,
das vom deutschen Volke bisher in die
nationalsozialistische Agrarpolitik gesetzte
Vertrauen nicht zu enttäuschen!
Wenn ich heute immer wieder Forderun-
gen an euch stelle, Forderungen insbeson-
dere an die ehrenamtlichen Bauerniführer,
so bin ich mir bewußt, daß der eine oder
andere sich manchmal nicht mehr stark ge-
nug fühlt, diese Belastung zu tragen. Dazu,
meine Volksgenossen, 'muß ich euch eins
sagen: Was wir in der Heimat auch auf uns
nehmen und was wir auch tragen müssen,
es ist wenig im Vergleich zu dem, was der
deutsche Soldat an der Front leisten und
aushalten muß. Wir wollen doch nicht
klein erscheinen vor diesen Männern, die
den Frieden unserer Heimat schützen und
bedingungslos ihr Leben opfern für die Zu-
kunft unseres Reiches. Wie wir die harten
Schläge und Belastungen heute aushalten,
das wird zeigen, ob wir uns als Volk vor
der Geschichte bewähren oder nicht. Ein
Volk, das in den Feuern des Schicksals
hart geschmiedet wird, zerbricht niemals,
sondern findet an allen Widerständen nur
noch mehr Kraft, um die letzte Schlacht zu
bestehen.
Wenn wir gerade im vergangenen Jahre
die Arbeit des Reichsamtes für das
Landvolk stärkstens aktiviert haben, so
geschah dies, um diesen fanatischen Kampf-
willen der alten Nationalsozialisten bis auf
den letzten Hof zu bringen. Jener Natio-
nalsozialisten, die gerade dann ihre
äußerste Kraft mobilisierten, wenn der
Widerstand fast unmeßbar vor ihnen auf-
stieg. Der Führer hat uns nicht nur den
Glauben an unsere Sendung wieder-
gegeben, nicht nur unsere Herzen mit einer
hehren Weltanschauung erfüllt, sondern
auch die organisatorischen Voraussetzun-
gen geschaffen, die zum Wirken einer
volksgebundenen Führerschaft notwendig
sind. So hat er auch dem deutschen Land-
volk ein Führerkorps gegeben, das stolz
darauf ist, sein Willensträger zu sein.
Dieses Bewußtsein gibt mir auch die Kraft,
inmitten der gegenwärtigen Schwierig-
keiten den Blick von den Tagesereignissen
wegzureißen und heute schon die Grund-
lagen zu schaffen für eine Arbeit, die ent-
scheidend in die Zukunft weist.
Vor einem Jahre habe ich von Posen
aus das
bäuerliche Berufserziehungswerk
verkündet. Warum? All unsere Arbeit
wird letzten Endes vergebens sein, wenn
nicht die deutsche Jugend zum Bauern-
tum zurückfindet, wenn sie nicht arbeits-
hart und willensstark das bäuerliche Erbe
der Vorfahren übernimmt. Seien wir
uns darüber klar, daß die Zukunft des
deutschen Volkes im Dunkel liegt, wenn
die bäuerliche Bevölkerung, wie es jetzt
der Fall ist, nur 18 Prozent des Gesamt-
volkes ausmacht. Ich glaube, daß hier der
Angelpunkt unserer Bewährung als Natio-
nalsozialisten ist. Wir werden das Pro-
gramm der Bewegung niemals verwirk-
lichen, wenn wir nicht wieder einen breiten
Strom landwaälliger deutscher Jugend in
die bäuerliche Siedlung leiten.
Es ist im vergangenen Jahre bewußt
darauf verzichtet worden, das bäuerliche
Berufserziehungswerk durch Massenver-
anstaltungen in das Bewußtsein des Volkes
zu bringen. Wir haben mit der notwendigen
Kleinarbeit begonnen und über das Reichs-
amt für das Landvolk der NSDAP. zu-
nächst die notwendigen Mitarbeiter ge-
wonnen und für ihre Aufgabe geschult. Ich
freue mich, heute feststellen zv können,
daß bereits nach einem halben Jahr dieser
Kleinarbeit ein sichtbarer Erfolg des Be-
109
rufserziehungswerkes nachgewiesen wer-
den kann. Die Zahl der Landarbeitslehr-
stellen konnte bis zum 31. Juli 1943 um
fast 50 v. H., die der Hausarbeitslehrstellen
um 60 v.H. gesteigert werden. Die Land- .
wirtschaftslehrstellen haben eine Zunahme
von 13 v. H., die Hauswirtschaftslehrstellen
eine solche von 47 v. H. aufzuweisen.
Wenn auch die Wirtschaftslehrstellen nicht
alle sofort besetzt werden konnten, so er-
höhte sich doch die Zahl der Landwirt-
schaftslehrlinge um 15 v. H., die der Haus-
wirtschaftslehrlinge um 33 v. H.
Auch auf diesen Erfolg unserer im
wesentlichen durch das Reichsamt für das
Landvolk geleisteten politischen Erziehungs-
arbeit des letzten Jahres dürfen wir mit
Stolz zurückblicken. Ich danke in diesem
Zusammenhang vor allem dem Reichs-
jugendiührer, der sich selbst immer
wieder dafür einsetzte, deutsche Jugend für
die Landarbeit zu gewinnen, und der mir
bei allen meinen Bemühungen auf diesem
Gebiet kameradschaftlich zur Seite stand.
‚Durch die
Zusammenarbeit zwischen NSDAP. und
Reichsnährstand
wird ein weiteres Problem in Angriff
genommen, das durch die Terrorangriffe
der Anglo - Amerikaner auf deutsche
Städte und durch die Evakuierung zahl-
reicher Volksgenossen auf das Land beson-
ders stark in den Vordergrund gerückt ist.
Wenn der Gegner glaubt, durch die Ver-
nichtung unserer Städte die deutsche
Kultur entscheidend treffen zu können, so
gibt er sich einer /grundsätzlichen Täu-
schung hin. Die deutsche Kultur wurzelt
im Bauerntum, und die Neuordnung des
kulturellen Lebens des deutschen Volkes
überhaupt wird ihren Anfang nehmen
müssen von der uralten überlieferten
Kulturkraft des Landes. Die Anordnung
des Reichsleiters Bormann zur
Aktivierung der Dorfkultur
macht es darum auch allen Hoheitsträgern
zur Pflicht, das kulturelle Leben unserer
Dörfer als entscheidendes Führungsmittel
zu pflegen. Ich habe gerade dem Reichsamt
für das Landvolk der NSDAP., das in eng-
ster Zusammenarbeit mit dem Hauptkultur-
amt der Partei steht, daher die Anweisung
gegeben, alle Maßnahmen zu treffen, um
110
dem
gerade zu diesem Zeitpunkt jene dent-
schen Volksgenossen, die zu einem großen
Teil zum ersten Male für längere Zeit mit
ländlichen Leben in Berührung
kommen, mit der dörflichen Kultur und der
bäuerlichen Gesittung wieder vertraut zu
machen. Wir müssen auf diesem Wege
nicht nur das gegenwärtige kulturelle
Leben unserer Dörfer verstärken, sondern
das Bewußtsein bodenständiger und bluts-
gebundener Kulturträgerschaft zu neuer
Blüte bringen, und arteigener deutscher
Volkskultur, die in den vergangenen Jahr-
zehnten vielfach verlorengegangen ist,
einen neuen Mutterboden bereiten.
Deutsches Landvolk! Geh nun wieder an
deine Arbeit. Wenn die Arbeit auch schwer
wird, denk' an deine Männer, Brüder und
Söhne, die draußen an allen Fronten den
schwersten Kampf, der bisher um das
deutsche Schicksal geführt wurde, mit bei-
spielloser Opferbereitschaft tragen. Wehre
jede Kleinmütigkeit, Engherzigkeit und
Schwäche ab. Denke daran, daß du einmal
mit Stolz vor deine Kinder treten willst, um
ihnen zu sagen, unter welchen Leistungen
und Opfern dieser Krieg gewonnen wurde.
Was der Führer in einer seiner letzten
Reden aussprach: „Je entschlossener und
härter wir alle die Opfer auf uns nehmen,
die ein solcher Krieg mit sich bringen mag,
um so sicherer werden wir jenen Frieden
erringen, den unser Volk erstrebt“, das
wollen wir uns jeden Tag neu ins Bewußt-
sein hämmern. Die bisher in der Erzeu-
gungs- und Ablieferungsschlacht erreichten
Erfolge sind einmalig und werden in der
Zukunft“ ihren Lohn finden. Die An
erkennung, die der Führer unserer Arbeil
gezollt hat, ist unser Stolz, bedeutet zu-
gleich aber auch die Verpflichtung, noch
mehr und noch entschlossener für die
kommenden Aufgaben einzustehen. Die
Sorgen aber des Alltags, ganz gleich wie
groß sie in Zukunit werden sollten, sollen
euch nicht bedrücken, sondern diese Sorgen
und Schicksalsschläge sollen euch und
uns alle zu noch härteren Kämpfern machen,
die noch beharrlicher und noch fanalischer
alles einsetzen für den Sieg. Eure Arbeit
ist dabei die Voraussetzung der Arbeit für
das ganze deutsche Volk. Weil das so isl,
werden wir Männer und Frauen des deul-
schen Landvolkes mit noch größerem und
fanatischerem Glauben und Willen an
unsere Arbeit gehen für unseren Führer
und unser deutsches Volk.
HANS-JOACHIM RIECKE:
KRITIK a KRITIK
We so im Licht der Offentlichkeit steht
wie die Führung der deutschen Agrar-
politik, hat sich längst an Kritik gewöhnt.
Da jeder Mensch ißt und dazu Nahrungs-
mittel braucht, ist auch jeder Mensch in
den Fragen der Ernährungswirtschaft
„sachverständig”. Außerdem haben wir
uns längst an den Zustand gewöhnt, daß
jeder etwas von der Landwirtschaft „ver-
steht”, nur anscheinend der nicht, der sie
gelernt hat. Diese vielleicht etwas bissig
klingenden Feststellungen sollen nun etwa
keineswegs bedeuten, daß die Führung der
deutschen Agrarwirtschaft über jede Kritik
erhaben ist und Kritik von vornherein ab-
lehnt. Wir wissen im einzelnen sehr genau,
daB auch bei uns Fehler vorkommen
können, nur dürfen die Kritiker ihrerseits
nicht übersehen, daß oft bewußt Dinge im
einzelnen anscheinend „falsch” gemacht
werden müssen, weil das große Ganze es
erfordert, d.h. oft muß ein Teilgebiet ver-
nachlässigt werden, weil sonst ein anderes,
größeres und wichtigeres Gebiet notleiden
würde. Das läßt sich aus der Perspektive
des einzelnen oft nicht erkennen, — ist nur
zu sehen, wenn man das Ganze überschaut.
„Gemeinnutz vor Eigennutz.“ Mancher der
Kritiker würde sich bei Durchführung seines
Vorschlages wundern, wenn er neben der
Anerkennung durch eine kleine Minder-
heit, die „besser fährt“, das berechtigte
millionenfache Echo der zugunsten der
Minderheit geschädigten Masse des Volkes
zu hören bekommt. Von solchen Fällen der
Kritik an Einzelgebieten soll nun im nach-
folgenden die Rede sein.
Vorweg aber noch eine Bemerkung: Es
ist nicht der Sinn dieses Aufsatzes, zu
kritischen Stimmen des Auslandes, vor
allem des feindlichen Auslandes, Stellung
zu nehmen. Dies würde auch kaum noch
lohnen. Zu den Grundsätzen der deutschen
Agrarpolitik wird draußen nur noch ganz
selten Stellung genommen. Hier scheinen
sich auch für die feindlichen Stimmen kaum
noch Ansatzpunkte zu finden. Das einzige,
was man noch kann, ist der Versuch, die
Erfolge der deutschen Ernährungspolitik
herabzusetzen. Jede Kürzung von Rationen
wird ganz groß herausgestellt, jede Er-
höhung bagatellisiert. Das kann uns wenig
berühren.. Im übrigen beschränkt man sich
auf Nachrichten über Massenerkrankungen
nach Genuß von Ersatzlebensmitteln — an-
scheinend unter Benutzung von alten
Klischees aus dem letzten Weltkrieg —
oder über Bauernzusammenrottungen gegen
nazistische Erfassungskommandos, die dem
Bauern das letzte Ferkel aus dem Stall
holen. Dabei müssen dann Ortsbauern-
führer ihr Leben lassen, die, um die Sache
glaubhafter zu machen, meist sogar mit
Namen genannt werden. Daß diese Orts-
bauernführer meist Meier, Schulze oder
Lehmann heißen und die Orte Schönheide,
Kaltenbrunn oder andere weitverbreitete
Namen tragen, ist ganz sicher nur „Zu-
fall“. Mit diesen Dingen sich auseinander-
zusetzen, lohnt weder Tinte, Drucker-
schwärze noch Papier. |
Zweck dieses Aufsatzes ist vielmehr —
wie gesagt —, aus den uns zugegangenen
kritischen Stimmen einzelne Beispiele, die
uns besonders typisch und aktuell er-
scheinen, herauszugreifen und uns mit
ihnen auseinanderzusetzen. Da schreibt
uns z.B. ein Mann aus Ostpreußen, daß er
nicht verstehen könne, daß nichts für die
Ausdehnung des Futterpflanzensaatgut-
anbaues getan worden sei, und nun fehle
es überall an Futterpflanzen, und die Folge
sei ein katastrophaler Rückgang in der
Milchleistung und -ablieferung. Eine Land-
wirtschaftsführung, die derartig versagt
habe, müsse selbstverständlich sofort ab-
treten — zwischen den Zeilen empfiehlt
sich der Briefschreiber selbst als künftigen
Leiter der Ernährungswirtschaft mit der
Begründung, daß er eine große Anzahl von
Gütern geleitet habe.
Wie sieht es nun mit dem Versagen in
Wirklichkeit aus? Es ist bekannt, daß der
111
größte Teil unseres Futtersaatgutes vor dem
Kriege aus dem Ausland kam, weil für so
viele Arten die Erzeugungsbedingurgen in
Deutschland ausgesprochen ungünstig sind.
Trotzdem wurde während des Krieges der
Anbau ausgeweitet und auch mit Erfolg.
Die klimatischen Verhältnisse und die
Rücksicht auf die Aufrechterhaltung des
. Anbaues der für die menschliche Ernäh-
rung notwendigen Hauptkulturen setzen
dieser Ausweitung selbstverständlich eine
enge obere Grenze. Auch die noch be-
stehenden Einfuhrmöglichkeiten wurden
weitgehend ausgenutzt. Daß der Bedarf
trotzdem nicht voll gedeckt werden konnte,
ist bekannt. Daran wird sich leider auch
während des Krieges nichts ändern lassen,
wenn auch die Hauptabteilung II des
Reichsnährstandes weiterhin be-
müht bleiben wird, ihr möglich-
stes zu tun. Das kann natürlich in ein-
zelnen Fällen zu Leistungsrückgängen
führen. Dies ist bedauerlich, hat aber auf
die Gesamtlage nur geringen Einfluß. Be-
kanntlich ist ja die Milchablieferung und
Buttererzeugung während dieses Krieges
von Jahr zu Jahr gestiegen, selbstver-
ständlich auch in Ostpreußen. Im übrigen
würde ich es diesem Briefschreiber von
Herzen gönnen, für einige Zeit einmal
einen der leitenden Bauernführer des
Reichsnährstandes zu vertreten. Ich
glaube, er würde dann sehr viel vorsich-
tiger in den Folgerungen aus einer Einzel-
feststellung sein. Es gibt manche Sparte,
die man ausdehnen müßte, wenn ... ja,
wenn nicht der beschränkte Boden zu dem
Anbau und meist vermehrten Anbau der
wichtigsten Nahrungsgüter, die die Grund-
lage der Ernährung sind, zwingt.
Ein anderer Briefschreiber nimmt sich
an Hand des Aufsatzes von Pg. Hunke in
Heft Nr. 10 der „Deutschen Agrarpolitik“
die Schweinepreise vor und errechnet, was
er an 10 Schweinen, die er auf Grund von
Schweinemastverträgen fettmacht, verliert.
Dazu ist zunächst einmal zu sagen, daß der-
artige Berechnungen von Einzelgebieten
aus dem landwirtschaftlichen Betriebe
sowieso bedenklich sind. Ich erinnere
dabei an früher sehr berühmte Buch-
führungssysteme, bei denen man nach Be-
lieben entweder den Ackerbau oder die
Viehwirtschaft zur Rentabilität oder zur
völligen Unrentabilität bringen konnte, je
nachdem, wie hoch man geldmäßig das
selbst gewonnene Futter, das Stroh, den
112
Stallmist und die in der Eigenwirtschaft
erzeugten. Ferkel bewertete. Derartige
Rechnungen können allein kein Maßstab
sein. Der vielseitigste Betrieb ist
nun einmal in der Landwirtschaft
der sicherste. Zu einem normalen Be-
trieb gehört auch eine Schweinehaltung.
Wie weit man sie ausdehnt, ist in erster
Linie von der Futtergrundlage abhängig
und läßt sich nur von Fall zu Fall entschei-
den. Ein Urteil über die Rentabilität
gibt aber — und das gilt für alle Be-
triebszweige — erst das Gesamt-
rechnungsergebnis. Entscheidend ist
aber ganz etwas anderes. Wie schon oft
betont, ist es das Ziel der deutschen Er-
nährungspolitik, zunächst einmal die Er-
nährung des Volkes mit pflanzlichen Nah-
rungsmitteln — Brot, Kartoffeln, Zucker,
Pflanzenfett und Gemüse — sicherzustellen.
Darüber hinaus muß die Milcherzeugung
auf voller Höhe bleiben, auf der die Fett-
versorgung zu zwei Dritteln beruht. Erst
der dann verbleibende Futterrest steht für
die Schweinehaltung zur Verfügung. Diesen
Grundsätzen ist das Preisgebäude während
des Krieges angepaßt worden. Es wäre
völlig verfehlt, durch Erhöhung des Preises
für Schlachtschweine einen Sog zur
Schweineerzeugung zu schaffen mit dem
Ergebnis, daß Kartoffeln und Getreide im
Ubermaß in den Schweinemagen wandern,
anstatt daß sie. der menschlichen Ernährung
unmittelbar zur Verfügung stehen. Im
Rahmen der verfügbaren Futterrestmengen
muß aber trotzdem jeder Betrieb seine
Schweine mästen und das ihm auf-
erlegteKontingent zuerfüllentrach-
ten, und wenn der Briefschreiber einmal
seine Rechnung nicht losgelöst vom Ge-
samtbetrieb, sondern in seinem Gesamt-
rahmen (Futter- und Strohverwertung, Mist-
und Jaucheerzeugung) noch einmal durch-
sieht, dann wird er feststellen, daß er zwar
keine großen Gewinne im Schweinestall
erzielt, aber auch nichts zusetzt, und dieses
im Rahmen der Gesamtleistung geringe
Opfer muß er während des Krieges schon
für die Sicherstellung der Gesamternährung
bringen, nicht, weil ihm ein höherer Preis
nicht gegönnt wird, sondern weil der
höhere Preis Anreiz ist, Brotgetreide und
Speisekartoffeln zu verfüttern.
Wie sehr die Betrachtung eines Einzel-
abschnittes der Ernährungswirtschaft in
die Irre führen kann, zeigt ein weiterer
PR R
Ae, De ,
Brief, diesmal von einem höheren Staats-
beamten, von dem man an sich hätte an-
nehmen sollen, daß er genügend Übersicht
über die Gesamtlage besitzen müßte. Der
Briefschreiber sieht von der gesamten Er-
nährungswirtschaft anscheinend nur die
Eierversorgung und schlägt deshalb in
seinem Schreiben vor, die ungenügende
Zuteilung von Eiern an die Verbraucher
dadurch zu verbessern, daß die Eierbewirt-
schaftung sofort aufgehoben und höhere
Eierpreise festgesetzt werden. Dann gäbe
es nach seiner Ansicht sofort genügend
Eier für den Verbraucher. Sehr einfach in
der Tat! Aber was würde die wirkliche
Folge der Durchführung dieses Vorschlages
sein? Zu normalem Preis würden kaum
Eier zu bekommen sein. Es würde sich
ein schwunghafter Schleichhandel zu weit
höheren illegalen Preisen entwickeln. Für
einen erheblichen Teil der Verbraucher
würden Eier völlig unerschwinglich; sie
würden keine oder noch weniger Eier er-
halten als bisher. Nur diejenigen, die die
Uberpreise zahlen könnten, würden sich
ausreichend mit Eiern versorgen Können.
Die erwartete Mehrerzeugung
würde aber zu Lasten des Brot-
getreides und der übrigen Futterver-
sorgung gehen, also mit der Zeit erhebliche
Lücken in die Gesamtversorgung reißen.
Daß das Geflügel tatsächlich zum ernst-
haften Konkurrenten der mensch-
lichen Ernährung werden kann, zeigt
das Beispiel Hollands. Vor diesem Kriege
verbrauchten die Niederlande für den un-
mittelbaren Verzehr durch den Menschen
800 000 t Getreide, für die aus Export-
gründen stark ausgeweitete Geflügelhaltung
dagegen 1,2 Millionen t, also um die Hälfte
mehr. Dies ging so lange gut, wie ein aus-
reichender Import von Futtergetreide er-
folgen konnte. Als dieser durch den Krieg
in Wegfall kam, brach das System zu-
sammen, und nur die rücksichtslose Drosse-
lung des Geflügelbestandes auf 10 Prozent
der Friedenszahl sicherte den notwendig-
sten Brotbedarf für das niederländische
Volk. Allein dieses Beispiel zeigt, wie sehr
der Briefschreiber mit seiner Kritik fehl-
geschossen hat und wie wenig am Platze
die von ihm gewählten herben Worte über
den Leiter der deutschen Eierwirtschaft
sind. Bei der Austauschbarkeit der land-
wirtschaftlichen Erzeugnisse und bei der
durch den Krieg bedingten Situation ist es
nun einmal nicht möglich, ein Teilgebiet
aus der Bewirtschaftung herauszulassen.
Ein Ausweichen auf dieses Gebiet und die
Schädigung anderer mindestens ebenso
wichtiger oder wichtigerer Ernährungs-
gebiete wäre die naturnotwendige Folge.
Mit der Frage der Eierbewirtschaftung
haben wir das weite Gebiet der Kleintier-
haltung berührt. Das Problem der Klein-
tierhaltung hat in letzter Zeit zu einer be-
sonders großen Zahl von Meinungsäuße-
rungen geführt. Dabei kann man zwei sich
extrem gegenüberstehende Ansichten fest-
stellen. Die einen wünschen im Interesse
der Gesamternährung eine rück-
sichtslose Drosselung der Klein-
tierhaltung nach holländischem Muster,
die anderen treten für ihre völlig un-
beschränkte Ausdehnung ein. Die Anhän-
ger der ersten Richtung verkennen, daß
bei einer derartig starken Drosselung eine
gewisse Menge Futter — das sogenannte
absolute Hühnerfutter — nicht verwertet
werden könnte, das nur durch Kleintiere
zu nutzen ist. Die Anhänger der anderen
Meinung übersehen — ebenso wie der
Briefschreiber zur Eierwirtschaft —, daß
die Erfüllung ihres Wunsches nicht mehr
und nicht weniger als den Zusammenbruch
der gesamten Versorgung der Masse der
Bevölkerung zugunsten eines kleinen
Kreises von Bevorzugten bedeuten würde.
Nur der Blick auf das Ganze kann hier die
richtige Antwort geben.
Inwieweit die Kleintierhaltung zu er-
halten oder zu fördern ist, ist nicht eine
Frage des Verbrauches, sondern in erster
Linie eine Futterfrage. Da die meisten
Kleintiere im Verhältnis zu den Großtieren
schlechte Futterverwerter sind, darf ihre
Haltung nur in dem beschränkten Rahmen
erfolgen, als Futter zur Verfügung steht,
das für andere Tierarten, aber vor allem
auch zum direkten menschlichen Verzehr
nicht verwertbar ist. Dabei ist für den
landwirtschaftlichen Betrieb die Richtlinie
gegeben: Er darf nicht mehr Klein-
vieh halten, als es ihm ohne Be-
nachteiligung seiner Viehabliefe-
rungsauflagen möglich ist. Für den
nichtlandwirtschaftlichen Kleintierhalter
bedeutet der oben ausgesprochene Grund-
satz, daß er nur soviel Kleintiere halten
soll, als ihm der Anbau im Kleingarten oder
das Sammeln vom Wegrande gestattet. Der
Bauer oder Landwirt, der statt 30 Schwei-
nen, die er früher hielt, 300 Enten im Stall
hat, der an Stelle von 5 Kühen 20 Ziegen
113
hält, versündigt sich ebenso an der All-
gemeinheit wie der Städter, der ohne ein
Stück Eigenland oder ohne die Arbeit des
Futtersammelns mit durch Hintenherum-
bezug besorgtem Futter seine Kleintiere
versorgt. Beider Verhalten ist besonders
verwerflich, wenn dabei für den mensch-
lichen Verzehr erzeugte Nahrungsmittel,
wie Speisekartoffeln und Gemüse, in den
Kleintiermagen wandern. In diesem Sinne
ist auch der Erlaß des Reichsernährungs-
ministers zu verstehen, der sich gegen das
Ubermaß der Kleintierhaltung wendet, und
in diesem Sinne muß er draußen auch aus-
gelegt werden. Dieser Erlaß ist keine
Schikane des „kleinen Mannes“ — es sind
übrigens durchaus nicht nur „kleine Leute”,
die auf dem Gebiet der Kleintierhaltung
sündigen —; sondern er soll die Gesamt-
heit vor denen schützen, die im Interesse
ihres eigenen Magens die allgemeine Ver-
sorgung schädigen.
Denn es darf nicht vergessen werden, daß
11 Hühner — von Enten ganz abzu-
sehen — im Jahr das einem deutschen
Verbraucher zustehende „tägliche Brot“
wegfressen.
Zum Schluß soll noch eine Frage be-
rührt werden, die allerdings nicht ein
Einzelgebiet behandelt, sondern im wahr-
sten Sinne des Wortes „aufs Ganze geht‘,
bei der sich die Kritik am reichsten und
auch am negativsten austobt. Das ist die
Frage der Notwendigkeit der
Zwangsbewirtschaftung. Es gibt
nichts, wofür die Zwangsbewirtschaftung
nicht verantwortlich gemacht wird. Sie ist
schuld an der geringen Zuteilung von
Eiern, an der unterschiedlichen Obst- und
Gemüsezuteilung (obwohl bei Obst und
Gemüse gar keine echte Zwangsbewirt-
schaftung besteht), an dem Seltenwerden
von Fischen usw. usw. Dabei verkennen
die Kritiker völlig, daß nicht die Zwangs-
wirtschaft die Knappheit hervorgerufen
hat, sondern daß die Knappheit auf ein-
zelnen Lebensmittelgebieten erst zur
Zwangswirtschaft geführt hat. Wie wenig
das / im letzten Kriege viel verbreitete
Wort: „Man nehme reichlich vorhandene
Ware in Zwangsbewirtschaftung, und sie
wird vom Markt verschwinden“, heute gilt,
zeigt allein das Beispiel der Milchbewirt-
schaftung mit den sich immer steigernden
Ablieferungszahlen. Daß die Zwangs-
bewirtschaftung bei einzelnen Menschen
das Bestreben hervorruft, auf andere Ge-
114
biete oder auf den schwarzen Markt aus-
zuweichen, wissen wir. Das ist ja auch,
wie oben bemerkt, der Grund, weshalb die
Zwangsbewirtschaftung sich auf alle Haupt-
gebiete der Ernährungswirtschaft aus-
dehnen mußte. Daß das Ausweichen auf
den schwarzen Markt im Gegensatz zum
letzten Kriege nur in geringem Umfange
von verantwortungslosen Menschen statt-
findet, verdanken wir der sehr viel besse-
ren und bereits im Frieden vorbereiteten
Organisation. Trotzdem sehen auch wir in
der Zwangswirtschaft nichts anderes als ein
notwendiges Übel: „notwendig“, um bei
der bestehenden Knappheit an Lebens-
mitteln eine gerechte Verteilung durchzu-
führen, „Ubel“, weil die Zwangswirtschaft
stets mit einem Mehr an Organisation und
einem erheblichen Mehr an Arbeit ver-
bunden ist. Die Zwangsbewirtschaftung
und damit das Kartensystem werden daher
nach Kriegsende Zug um Zug zum Abbau
kommen. Das ist sicher! Dabei darf aber
nicht — bewußt oder unbewußt — Zwangs-
wirtschaft mit Marktordnung verwechselt
werden. Marktordnung ist nicht Zwangs-
wirtschaft. Die Marktordnung, wie wir sie
vor dem Kriege hatten, wird und muß auch
nach dem Kriege, wenn keine Knappheit
an Lebensmitteln mehr besteht, bleiben.
Marktordnung bedeutet, wie schon der
Name sagt, Regelung der Zufuhren zum
Markt, Herausnahme und Verwertung der
saisonbedingten Überschüsse und Ergän-
zung der heimischen Erzeugung durch ge-
lenkte Einfuhren. Marktordnung gewähr-
leistet ausreichende Versorgung der Be-
völkerung und sichert dem Landwirt die
Abnahme des von ihm Erzeugten und einen
gerechten Preis. Sie ist damit auch für die
Zukunft der einzige Garant für die Erhal-
tung des hohen Standes der heimischen
Erzeugung. Sie ist gleichzeitig auch die
wichtigste Voraussetzung für den Aufbau
der europäischen Ernährungswirtschaft auf
arbeitsteiliger Grundlage. Ohne Markt-
ordnung läßt sich die europäische
Landwirtschaft nicht zu der er-
forderlichen hohen Stufe ent-
wickeln. Alle Maßnahmen zur Produk-
tionssteigerung in der Landwirtschaft setzen
Stetigkeit des Absatzes voraus, die nur
durch die Marktordnung zu schaffen ist.
Das sollen sich alle die noch einmal gesagt
sein lassen, die so gern Marktordnung und
Zwangswirtschaft in einen Topf werfen
möchten.
|
|
äer Sie" tg — —
EMIL WOERMANN:
Zehn Jahre Erzeugungsschlacht
und Ernahrungswirtschaft
1. Ziele und Methoden
F: ist das Kennzeichen aller Umschichtungs-
prozesse von historischen Ausmaßen, daß
mit der Neuformung des politischen und kultu-
rellen Lebens auch eine Neugestaltung des wirt-
schaftlichen Lebens Hand in Hand geht, und daß
diese Neugestaltung ihre Richtung erhält von
den tragenden weltanschaulichen und politi-
schen Ideen der Zeit. So ist auch das hinter uns
liegende Jahrzehnt deutscher Wirtschafts-
geschichte von tiefgreifenden Wandlungen und
Reformen erfüllt, die wohl in keinem Bereich
so weit vorgetragen sind wie in der Landwirt-
schaft. Man muß in der Geschichte weit zurück-
gehen, um einem landwirtschaftlichen Reform-
werk von solcher Tragweite zu begegnen, wie
es die nationalsozialistische Agrarpolitik begon-
nen und in die Tat umgesetzt hat. Die Schaffung
eines neuen Bodenrechts, die organisatorische
Zusammenfassung des ganzen Berufsstandes, die
Ordnung der Agrarmärkte in Verbindung mit
dem Festpreissystem, und zahlreiche andere
Maßnahmen sollen die Landwirtschaft für ihre
nationalen und völkischen Aufgaben kräftigen.
Obenan stehen dabei auf wirtschaftlichem Ge-
biet die ernährungspolitischen Ziele der Be-
darfsdeckung und, im Zusammenhang damit, die
Möglichkeiten der Steigerung der landwirt-
schaftlichen Erzeugung überhaupt. Die Wirt-
schaftsnot der Krisenzeit, die allgemeine Abkehr
der Völker von der privatkapitalistisch gelei-
teten Weltwirtschaft, die Schrumpfung des
zwischenstaatlichen Handels, und nicht zuletzt
die Besinnung auf unsere eigenen Kräfte haben
die Versorgung unseres Volkes mit Nahrungs-
mitteln und landwirtschaftlichen Rohstoffen zum:
Mittelpunkt der staatlichen Fürsorge und zur
Zentralfrage der Agrarpolitik gemacht. An die
Landwirtschaft erging der Ruf, dem Boden
höhere Erträge abzuringen und das Erzeugte
sparsamer zu verwenden.
Dieser Ruf erfolgte zu einem Zeitpunkt, als
die Agrar- und Industriekrise das Wirtschafts-
leben fast aller Völker in den Grundfesten er-
schütterte. Die deutsche Landwirtschaft hatte
zwar unter Inanspruchnahme großer Kredite die
Schäden des ersten Weltkrieges in ihrem Pro-
duktionsapparat ausgeglichen und die alte
Leistungskraft wieder hergestellt, aber kaum
war dieses Ziel erreicht, da wurde sie in den
Strudel der allgemeinen Krise gezogen. Bei dem
Ausmaß der Wirtschaftsnot und den völlig
anders gearteten weltwirtschaftlichen Verhält-
nissen mußten auch die alten agrarpolitischen
Methoden versagen. Die Zölle für verschiedene
Gruppen der land wirtschaftlichen Erzeugnisse
wurden zwar wiederholt erhöht und durch Mag-
nahmen auf dem Binnenmarkt ergänzt, aber es
fehlte an einem einheitlichen Plan, um die Wirt-
schaftsnot zu bannen und die landwirtschaft-
liche Produktion nach ernährungswirtschaft-
lichen Erfordernissen auszurichten. Während es
durch wiederholte Erhöhung der Zölle in Ver-
bindung mit anderen Maßnahmen gelang, die
Getreidepreise, namentlich die Preise für Brot-
getreide, vom Weltmarkt zu lösen, gerieten die
Erzeugnisse der Viehwirtschaft unter dem Druck
der durch die Arbeitslosigkeit fortschreitend
geschmälerten Kaufkraft weiter Verbraucher-
schichten in einen immer stärkeren Preisverfall.
Ende 1932 waren die Preise für tierische Erzeug-
nisse auf 65 Prozent des Standes von 1911—1913
und die gesamten Verkaufserlöse der deutschen
Landwirtschaft auf etwa 70 Prozent abgesunken,
Die Wirkung des Preisverfalls für tierische
Erzeugnisse auf den Umfang der viehwirtschaft-
lichen Produktion wurde zwar dadurch gemil-
dert, daß eiweißreiche Futterstoffe in Form von
Olsaaten und Olkuchen in großen Mengen und
zu billigen Preisen ins Land strömten, und über-
schüssige Roggenmengen von staatlichen Stel-
len verbilligt als Mastfutter in den Handel
kamen, aber damit wurde das Futtergetreide in
steigendem Maße aus der Futterwirtschaft ver-
drängt und der Anbau desselben zugunsten des
Brotgetreides eingeschränkt. In einigen Gebie-
ten des Reiches nahm damit die Bodennutzung
eine Richtung an, die alle Merkmale der Ein-
. seitigkeit trug und damit den Grundsätzen einer
ausgewogenen und nachhaltig leistungsfähigen
Betriebsgestaltung zuwider lief. Um das Gleich-
gewicht der Erzeugung und der Preise zwischen
den Hauptgruppen der pflanzlichen und tierischen
Produkte wieder herzustellen, bedurfte es einer
grundsätzlichen produktionspolitischen Rege-
lung, die in dem sog. Fettplan ihren ersten
Niederschlag fand. Die Maßnahmen zur Rege-
lung der Fettwirtschaft wurden darauf abgestellt,
durch Kontingentierung der Margarineerzeu-
gung, bei gleichzeitiger Erhebung einer Fett-
115
steuer, den Wettbewerb der Margarine mit den
Speisefettarten tierischer Herkunft auf ein ge-
sundes Maß zurückzuführen und damit die
Milchwirtschaft zu heben. Ein weiterer Bestand-
teil des Fettplanes wurde die Förderung des
heimischen Dlfruchtbaus und die Verteuerung
der ausländischen Ulkuchen durch die Olkuchen-
monopolabgabe. Sie verfolgte das Ziel, in Ver-
bindung mit der Ausdehnung des Zwischen-
fruchtbaus und der Gärfutterbereitung, die Ge-
winnung von wirtschaftseigenen Futterstoffen
zu steigern.
Das eigentliche Kernstück der Ernäh-
rungspolitik bildete das Reichsnähr-
standsgesetz und die Neuordnung der
Märkte mit der gleichzeitigen schrittweisen
Einführung des Festpreissystems. Auf dem
Wege, den Bauernbetrieb aus dem wechselvollen
wirtschaftlichen Kräftespiel auszugliedern und
gegen die. Stöße der freien Marktwirtschaft ab-
zusichern, war das Reichserbhofgesetz der erste
Schritt. Der zweite Schritt war die Neuregelung
der Marktbeziehungen und das System der Fest-
preise. Die liberale Wirtschafts entwicklung hat
an der besonderen Marktstruktur der Landwirt-
schaft ihre Schranke gefunden. Während maß-
gebliche Teile der Industriewirtschaft im Zuge
der fortschreitenden Kapitalintensivierung und
Zusammenfassung der Produktion die Kräfte zur
Selbstorganisation der Erzeugung und des Ab-
satzes hervorbrachten, war in der Landwirtschaft
wegen der Zersplitterung ihrer Erzeugung in
Millionen von Einzelbetrieben und wegen ihrer
Abhängigkeit von unbeeinflußbaren Naturbedin-
gungen eine derartige Selbstorganisation nicht
möglich. Eine durchgreifende Organisation der
landwirtschaftlichen Märkte, als notwendige
Voraussetzung für eine vorausschauende, lang-
fristige Planung der Erzeugung, konnte nur vom
Staat oder doch nur mit seiner Hilfe geleistet
werden, indem die Landwirtschaft von der
marktpolitischen Funktion befreit und die syste-
matische Stabilisierung des Agrarmarktes dem
staatlich autorisierten Organ, dem Reichsnähr-
stand, übertragen wurde. So entstand das viel-
gliedrige, aber in seinen Grundzügen einheit-
liche System der Marktordnung für fast alle
landwirtschaftlichen Erzeugnisse, das jetzt im
Kriege seine Bewährungsprobe bestanden hat.
Im ganzen ist bei der Gestaltung des
Produktionsprogramms und des Preis-
gefüges der Grundsatz vom Vorrang
der Urproduktion zur Geltung ge-
bracht. Dieser Grundgedanke geht von der
Erkenntnis aus, daß die landwirtschaftliche Er-
zeugung von der Urproduktion bis zu den Ver-
edlungszweigen ein Ganzes bildet und daß die
Versorgung eines Volkes mit Nahrungsmitteln
nur dann gesichert ist, wenn neben der Bedarfs-
deckung mit Brotgetreide und anderen wich-
tigen pflanzlichen Erzeugnissen auch die Vieh-
wirtschaft möglichst ausschließlich mit Futter-
stoffen aus inländischer Erzeugung versorgt
wird. Dieser Grundgedanke besagt weiter, daß
116
jede Steigerung der tierischen Produktion, so-
weit sie sich auf heimischer Futter-
grundlage abspielen soll und nicht lediglich
aus züchterischen Fortschritten und verbesser-
ten Fütterungsmethoden resultiert, eine Inten-
sivierung der Bodenerzeugung, also der
Urproduktion, zur Voraussetzung hat. Die Inten-
sivierung der Bodenerzeugung spielt sich haupt-
sächlich in drei Formen ab. Die eine besteht in
der Erhöhung des Aufwandes bei der-
selben Frucht mit dem Ziel, die durchschnitt-
lichen Ernten je Flächeneinheit zu steigern. Die
zweite besteht in der fortschreitenden Be-
schränkung des Brachlandes und der
Ackerweide. Gleichzeitig wird die Boden-
bearbeitung während des Wachstums der Kul-
turpflanzen verstärkt, bis endlich auch der
Zeitabschnitt zwischen der Ernte und Wieder-
aussaat zweier Hauptfrüchte mehr und mehr
dazu benutzt wird, um Zwischenfrüchte
oder, unter günstigen Bedingungen, sogar zwei
Hauptfrüchte in einem Jahr auf dem gleichen
Felde aufeinander folgen zu lassen. Eine dritte
sehr wirkungsvolle Form der Intensivierung der
Bodenerzeugung ist die steigende Bevor-
zugung des Anbaus solcher Acker-
früchte, die je Flächeneinheit große
Nahrungsmengen liefern. Obenan steht
dabei der Hackfruchtbau, der mit seinen er-
giebigsten Zweigen, dem Kartoffel-, Zucker-
rüben- und Gemüsebau, dem Getreidebau in der
Nährstoffleistung je Flächeneinheit um ein
Mehrfaches überlegen ist. Hackfrüchte und Ge-
müse erfordern zwar zur Erzielung einer mitt-
leren Ernte einen höheren Aufwand an Arbeit
und Dünger als die Getreidearten, und diese
wiederum einen höheren als Dauergrünland und
Futterpflanzen auf dem Ackerland, aber die zu-
erst genannten Gruppen lohnen diesen Aufwand
auch durch einen Ertragszuwachs, der erst bei
einer viel höheren Aufwandsstufe abzufallen
beginnt. Die genannten Hauptformen
der Intensitätssteigerung sind also
gleichzeitig die wichtigsten Hebel,
den Nährstoffertrag des bewirtschaf-
teten Bodenszuheben. Indirekt wird eine
Erweiterung des Nahrungsspielraumes auch da-
durch erreicht, daß durch verbesserte Emte-
verfahren und Rohstoffausbeuten bei der
Verarbeitung der Bodenprodukte die Verluste
vermindert und durch eine planvolle Mechani-
sierung tierische Zugkräfte eingespart und da-
mit Futterflächen für die menschliche Ernährung
freigesetzt werden. Je mehr es auf diesen Wegen
gelingt, die gesamte Bodenerzeugung zu heben,
um so größere Flächen können naturgemäß den
Olfrüchten und Faserpflanzen als Rohstoffliefe-
ranten der Margarine- und Textilindustrie ein-
geräumt werden. In voller Erkenntnis dieser
Tatsachen hat die Agrarpolitik ein abgewogenes
und nach den ernährungswirtschaftlichen Er-
fordernissen ausgerichtetes System von Preis-
relationen zum Mittelstück der Festpreisordnung
gemacht und diese durch allgemeine Förde-
rungsmaßnahmen ergänzt, soweit die angestreb-
T, urn —— Sur Eat ee AEN, Ai
ten Ziele auf dem Wege der Preisgestaltung
allein nicht erreichbar erschienen. Es stellt sich
also die Frage, in welchem Maße die Landwirt-
schaft den produktionspolitisch fundierten Er-
zeugungsparolen gefolgt ist, welche ernährungs-
wirtschaftlichen Ergebnisse mit diesen Mitteln
erzielt wurden und mit welchem Erfolg die er-
zielten Ergebnisse auch unter den erschwerten
Verhältnissen des Krieges gehalten werden
konnten. Um diese Frage zu beantworten,
müssen wir die Entwicklung der Hauptzweige
der Erzeugung und insbesondere die gesamte
Bodenproduktion verfolgen, weil sie das Fun-
dament bildet, auf dem das ernährungswirt-
schaftliche Gebäude ruht. Da sich ein solcher
Vergleich nur für das Altreich über einen
längeren Zeitraum anstellen läßt, ist die Unter-
suchung auf dieses Gebiet beschränkt.
2. Entwicklung der Bodenerzeugung
Die ernährungswirtschaftlichen Leistungen
sind in ihrem Gesamtergebnis im wesentlichen
von folgenden Bedingungen abhängig:
1. Von der Verteilung der landwirtschaftlichen
Nutzfläche auf Dauergrünland und Acker-
land und von der Gestaltung des Anbaus
auf dem Ackerland. Dabei sind die Leistun-
gen im allgemeinen um so höher, je mehr
das Grünland intensiven Nutzungsformen
zugeführt und das Ackerland Fruchtarten
eingeräumt wird, die von der Flächeneinheit
hohe Nährstofferträge liefern;
2. von den Hektarerträgen;
3. von den Ernteverlusten und dem rationellen
Einsatz der Bodenerzeugnisse bei der Ver-
fütterung ur.d Verarbeitung in technischen
Nebengewerben;
4. von den Erträgen der Nutzviehhaltung.
Umfang und Richtung der landwirtschaftlichen
Erzeugung folgen den wirtschaftlichen Einflüssen
und Markterfordernissen um so mehr, je gerin-
ger die Hemmungen sind, welche die natür-
lichen Bedingungen den Veränderungen in der
Bodennutzung entgegenstellen. Daß das Kul-
turartenverhältnis, insbesondere das Ver-
hältnis von Acker- und Dauergrünland, in erster
Linie durch die Oberflächengestaltung und durch
die Boden-, Klima- und Grundwasserverhältnisse
bestimmt wird, ist es gegenüber wirtschaftlichen
Einflüssen viel widerstandsfähiger als das
Fruchtartenverhältnis auf dem Ackerland. Die-
sem’durch die natürlichen Verhältnisse beding-
ten Beharrungsvermögen ist es zuzuschreiben,
daß sich seit 1878, dem Zeitpunkt der ersten
umfassenden Bodennutzungserhebung für das
gesamte Reichsgebiet, in dem Acker: Grünland-
Verhältnis trotz der Umwälzung der wirtschaft-
lichen Verhältnisse und der Preisverschiebungen
keine wesentlichen Veränderungen durchsetzen
konnten. So ist es auch verständlich, daß der
im Rahmen des landwirtschaftlichen Produk-
tionsprogramms seit 1936 geförderte Grün-
lan dumbruch keine Erfolge zeitigte, soweit
die Erweiterung des Ackerlandes als Ziel ver-
folgt wurde. Wie die folgende Tabelle zeigt, ist
sogar eine geringe Ausdehnung des Dauer-
weidelandes eingetreten, allerdings bei gleich-
zeitiger Einschränkung der Ackerweide und des
übrigen Futterbaus auf dem Ackerland.
Die Bodennutzung im Altreich seit 1930
Ackerland e
EE
in 1000 ha in % der Nutzfläche
1928/30 .......
1931ꝑ·.1mu...
m.
e ee e
Kb bet ke bh be bh ke ka
e CO = pi pt dub jah da eh O OD
Wenn also das Nutzflächenverhältnis
im wesentlichen unverändert blieb, was auch
für Großdeutschland gilt, so sind andererseits
große Teile des Dauergrünlandes selbst durch
Neueinsaat, Einkoppelung und verbesserte
Pflege- und Düngemaßnahmen einer intensive-
ren Nutzung zugeführt. Die beste Ausnutzung
aller Leistungseigenschaften des Dauergrün-
landes läßt sich bekanntlich bei geregeltem
Wechsel von Mahd und Weide erzielen,
der bei dem System der Umtriebweide
weitgehend zur Geltung kommt. Die Umtrieb-
weide gibt uns bei entsprechender Handhabung
der Weidetechnik die Mittel in die Hand, höch-
sten Futterwert mit höchsten Leistungen von
der Flächeneinheit zu verbinden. Da die Um-
triebweide nicht nur in ihren Leistungen, son-
dern auch in ihrem Düngeraufwand den Hack-
früchten wenig nachsteht, diese häufig sogar
übertrifft, hat die von Staats wegen eingeleitete
Verbilligung der Handelsdüngemittel die inten-
sivere Bewirtschaftung des Grünlandes kräftig
gefördert, die auch darin zum Ausdruck kommt,
daß in wenigen Jahren fast 10 Prozent des ge-
samten Wiesenlandes durch Einzäunung einer
Doppelnutzung als Wiese und Weide zugeführt
wurden.
Im Gegensatz zum Kulturartenverhältnis ist
das Anbauverhältnis der Hauptfrucht-
arten auf dem Ackerland einer Verände-
rung durch wirtschaftliche Einflüsse durchaus
zugänglich. Zwar gibt es auch hier Grenzen, die
dorch Boden, Klima, Arbeitsverteilung, Frucht-
wechsel, Stallmistversorgung, Notwendigkeiten
der Futterbeschaffung und andere Richtpunkte
einer ausgewogenen Betriebsgestaltung gezogen
sind, aber die Fortschritte im Maschineneinsatz,
in der Düngerwirtschaft und in der Pflanzen-
züchtung haben die Grenzen beweglicher ge-
macht, da durch Anbauverschiebungen verur-
117
sachte jahreszeitliche Arbeitsspitzen über-
wunden und erhöhte Nährstoffansprüche der
Kulturpflanzen befriedigt werden können. So
sind auch die Veränderungen in der Nutzung
des Ackerlandes in den letzten Jahrzehnten
tiefgreifender gewesen, und trotz des dadurch
bereits erreichten hohen Intensitätsgrades haben
sich unter dem Einfluß der Förderungsmaß-
nahmen auch in den letzten Jahren im Anbau-
verhältnis noch, wesentliche Wandlungen voll-
zogen. Diese Wandlungen kommen darin zum
Ausdruck, daß bei rückläufigem Anteil
derFutterpflanzenundBracheder Um-
fang desHackfrucht- und Gemüsebaus
undderAnbauvonHandelsgewächsen
ständig gestiegen ist. Bei den Handels-
gewächsen handelt es sich fast ausschließlich
um Faserpflanzen und Difrüchte, die auch im
letzten Jahr noch eine kräftige Anbauausdeh-
nung erfahren haben. Da die Ackerfläche sich
nicht vergrößerte, sondern durch Inanspruch-
nahme von Ländereien für Wohnzwecke, Indu-
strieanlagen, Flug- und Ubungsplätze sogar
rückläufig war, mußte die Erweiterung des
Hackfrucht- und Gemüsebaus teilweise auch
auf Kosten des Getreides erfolgen. Die Einzel-
heiten der Entwicklung zeigt die folgende Uber-
sicht. | |
Die Nutzung des Ackerlandes seit 1930 in v. H.
der Ackerfläche }
6 E SE E S „„ „„
2222228288388
* Or d ο D d do de do To
Bei der Intensivierung des Fruchtbaus, die für
den bisherigen reibungslosen Ablauf der Kriegs-
ernährungs wirtschaft nicht hoch genug ein-
geschätzt werden kann, haben verschiedene
Maßnahmen zusammengewirkt: auf Ausdehnung
des Hackfrucht- und Gemüsebaus abgestellte
Preisrelationen, verstärkte und verbilligte Nähr-
stoffversorgung der Böden, wirkungsvolle Be-
ratung in der Sortenwahl und im Saatgutwechsel
und bessere technische Ausrüstung der Betriebe,
die wiederum durch Steuerbegünstigungen ge-
fördert wurde, Nichts bezeugt besser den
Leistungswillen der gesamten deutschen Land-
wirtschaft, als die Entwicklung der Erträge und
die steigende Intensität der Bodennutzung.
118
Mit dem jetzt erzielten Anteil des Hackfrucht-
und Olsaatenanbaus, der, zusammengenommen,
von keinem anderen europäischen Land erreicht
wird, dürfte das betriebswirtschaftliche Höchst-
maß erreicht sein, da die Sicherung der Brot-
versorgung eine weitere Schmälerung des
Getreidebaus nicht verträgt und die Versorgung
der Viehbestände bei gekürzten Kraftfutter-
mengen einen bestimmten Umfang des Futter-
baus erfordert. Hinzu kommt, daß die meisten
Hackfrüchte und Gemüsearten zwar hohe Nähr-
stoffleistungen vollbringen, aber auch einen
mehrfachen Arbeits- und Düngeraufwand er-
fordern. Mit dem Übergang zu düngerintensive-
ren Formen der Bodennutzung ist die Anwen-
dung von Handelsdünger zwar rasch gestiegen,
wobei auch die Senkung der Preise und die
dadurch erzielte höhere Wirtschaftlichkeit der
Düngergaben eine wichtige Rolle spielte, aber
im Verlauf des Krieges mußte der Stickstoff-
verbrauch mit steigenden Ansprüchen der
Rüstungsindustrie wieder eine wesentliche Ein-
schränkung erfahren. Das gleiche gilt für die
Phosphorsäure, die bei der starken Abhängigkeit
von ausländischen Rohphosphaten bereits im
ersten Kriegsjahr gekürzt wurde.
Verbrauch der deutschen Landwirtschaft ap
Handelsdünger in Kilogramm Reinstickstoff je
Hektar Nutzfläche (Altreich)
(E E E E 8, 0, „„ ea „% „ % % 1001008
.... . .......en......
2 6 666 „ „„ 6 „ „ „„ „„ „06 „„ „ 6 „6 0
2 2 2 6 „ „„ „ „ „6 „ „ „6 „6 „ „ „„
D y e U O
v +- y v v» e „„ e v e e
sp zur 6 66 „ „„ „%% „ %% „%„% Er ur ze Er ur u G
26 „ „„ „% %% % ç D Zr zu ze zes
2 6 6 6% „%%% „ %/ͤr %% „% „„ 06
o N D Le ELE
Led $> wer tO —
STS SEER
C
ki LA de EN
* e a - * * Ki kd
2 sch Gei CH CD Ga OD dn GC gn, ge,
Trotz der kriegsbedingten Einschränkungen
erreichte der Verbrauch an Phosphorsäure je
Hektar Nutzfläche im Jahre 1942 noch etwa den
Stand von 1932 und lag bei Stickstoff und Kali
nur 80 Prozent bzw. 100 Prozent darüber. Bei
diesem Vergleich ist jedoch zu berücksichtigen,
daß durch die inzwischen erreichten Anbau-
verschiebungen die Nährstoffansprüche wesent-
lich anstiegen und von der Befriedigung der-
selben die Entwicklung der Erträge weitgehend
abhängt. |
Das ernährungswirtschaftliche Ergebnis der
zur Leistungssteigerung der deutschen Boden-
wirtschaft getroffenen organisatorischen und
wirtschaftspolitischen Maßnahmen läßt sich in
Zahlen nur ausdrücken, wenn man die Emte
erträge der wichtigsten Fruchtarten, ihrem
Nährstoffgehalt entsprechend, auf Getreidewert
umrechnet und über einen längeren Zeitraum
verfolgt. Eine solche Umrechnung ist natur-
gemäß mit mancherlei Fehlern behaftet, aber
A u — — —
wenn man für die Vergleichsjahre die gleiche
Methode zur Anwendung bringt, so kommt man
zu durchaus brauchbaren Ergebnissen,
Entwicklung der Bodenerzeugung des Altreiches
in 10000 t Getreidewert
Ein Blick auf die Zahlenreihe der Tabelle
zeigt, daß der Ertrag der wichtigsten Nähr-
früchte bis zum Jahre 1939, bezogen auf den
Durchschnitt der Vergleichsjahre 1928—1932,
um 20 Prozent und der Ertrag der gesamten
Bodenwirtschaft um 15 Prozent gestiegen ist.
Dabei sind die Leistungen des Dauergrünlandes,
soweit sie nicht als Heu gewonnen werden, und
die Erträge des Gemüse- und Zwischenfrucht-
baus nicht in Ansatz gebracht. Auch ist nicht
berücksichtigt, daß durch verbesserte Ernte-
verfahren, Erweiterung der künstlichen Trock- `
nung und Neubau von Gärfutterbehältern mit
einem Fassungsraum von mehr als 4 Mill. cbm
die Ernteverluste herabgedrückt werden konn-
ten. Die künstliche Trocknung gab das Mittel in
die Hand, überschüssige Hackfruchtmengen und
ihre Nebenerzeugnisse in haltbare und über
große Strecken transportfähige Futterstoffe um-
zuwandeln und sie in Form von Kartoffelflocken
und vollwertigen Zuckerschnitzeln für den
regionalen Futterausgleich einzusetzen. Dieser
Entwicklung der deutschen Bodenproduktion,
insbesondere der Verstärkung der wirtschafts-
eigenen Futtergrundlage, ist es zu verdanken,
daß die Milchkuh- und Schafbestände trotz
rückläufiger Futtermitteleinfuhr bis zum Aus-
bruch des Krieges vermehrt und durch Aus-
gestaltung der Leistungskontrolle in ihren Er-
trägen gehoben werden konnten. Wenn man die
in den eingeführten pflanzlichen und tierischen
Erzeugnissen enthaltenen bzw. zu ihrer Erzeu-
gung erforderlichen Nährstoffmengen in Be-
ziehung setzt zu der gesamten deutschen Boden-
produktion, so ergibt. sich eine schrittweise
Verminderung der Auslandsabhängigkeit bis
auf etwa 15 Prozent im Jahre 1939.
3. Die unter dem Einfluß des Krieges
eingetretenen Veränderungen
Die deutsche Landwirtschaft hatte den
Höchststand ihrer pflanzlichen und
tierischen Produktion, auch dank günsti-
ger Witterungsverhältnisse, in den Jahren 1938
und 1939 erreicht. Damals wurde eine Rekord-
ernte an Getreide und Hackfrüchten eingebracht,
und die Schweine- und Rinderbestände Groß-
deutschlands mit 28 bzw. 24 Mill. Stück waren
voll aufgefüllt. In Anbetracht der erzielten
Ergebnisse gab es keine wirkungsvollere Ernäh-
rungspolitik, als den eingeschlagenen Weg auch
im Kriege fortzusetzen und dabei die Anpassun-
gen zu vollziehen, die durch den Ausfall der
überseeischen Zufuhren unvermeidlich wurden.
Trotz zielbewußter Arbeit war die deutsche
Speisefettversorgung, wie in fast allen mittel-
und westeuropäischen Ländern, in starkem Maße
von überseeischen Zufuhren abhängig geblieben.
Es war daher von vornherein klar, daß der
Speisefettverbrauch eine erhebliche Einschrän-
kung erfahren mußte. Der notwendige Ausgleich
erfolgte durch höhere Zuteilungen von Brot und
Kartoffeln. Es ist vielfach nicht bekannt, daß der
deutsche Brot- und Nährmittelverzehr gegen-
über dem Stand von 1939 um ein Viertel und
der Speisekartoffelverbrauch fast auf das Dop-
pelte gestiegen ist. Zum Teil ist diese Ver-
brauchserhöhung auch auf den erweiterten
Wehrmachtbedarf und auf die steigende Zahl
der ausländischen Arbeitskräfte zurückzuführen.
Die Kraftfutterversorgung der Viehbestände als
Grundlage der Fleisch- und Fetterzeugung
wurde also von zwei Seiten wesentlich ein-
geengt: einmal durch beschränkte Einfuhren,
zumal Deutschland denjenigen europäischen
Ländern, die sich aus eigener Kraft nicht zu
ernähren vermögen, erhebliche Zuschüsse ge-
währt, und zum anderen durch Erhöhung des
Direktverzehrs an Brot, Nährmitteln und Kar-
toffeln. Ein schrittweiser Abbau der Vieh-
bestände wurde unvermeidlich. Den stärksten
Rückgang hat die Schweinehaltung erfahren,
während der Rinderbestand nur un-
wesentliche Einbußen erlitten hat. Bei
der Neuabgrenzung der Viehbestände hat auch
der Gesichtspunkt eine wesentliche Rolle ge-
spielt, die Zahl der Milchkühe im Interesse der
Fettversorgung möglichst zu erhalten, zumal bei
der Milcherzeugung die Ausnutzung der mit dem
Futter zugeführten Energien mit etwa 25 Prozent
noch relativ günstig liegt, während die Rind-
fleischerzeugung nur mit einem Effekt von etwa
10 Prozent arbeitet. Es galt also, auch produk-
tionspolitisch durch eine entsprechende Staffe-
lung der Preisrelationen den Vorrang der
Milcherzeugung zu sichern, die anfallende Milch
119
möglichst vollkommen zu erfassen und ihre Ver-
arbeitung den ernährungswirtschaftlichen Er-
fordernissen anzupassen. Dieses Ziel ist, wie
gleich noch gezeigt wird, in weitgehendem Maße
erreicht.
Aus dem Abbau der Schweinehaltung konnte
der Verbrauch insofern zunächst Nutzen ziehen,
als der aus der Bestandseinschränkung resul-
tierende Fleischanfall der Versorgung zugute
kam. Die Fleischration wurde also aus
echter Erzeugung und aus dem Abbau
der Bestände erfüllt. Im Verlauf des
vierten Kriegsernährungsjahres wurde dann
insofern ein Wendepunkt erreicht, als nun-
mehr bei mittleren Ernten ein Gleich-
gewicht zwischen Futtererzeugung
und Futterbedarf eingetreten ist. Die
durch den verfügbaren Futtervorrat abgegrenzte
Entwicklung der Schweinehaltung mußte natur-
gemäß auch die Fettversorgung in Mitleiden-
schaft ziehen. Wenn es bei fehlendem übersee-
ischem Import, mäßigen Einfuhren aus dem
europäischen Raum und rückläufiger Schlacht-
fetterzeugung trotzdem gelang, die Speisefett-
versorgung auf dem gegenwärtigen Stand zu
halten, so ist dies der zielbewußten Arbeit auf
dem Gebiet der Milchwirtschaft und der Förde-
rung des Olfruchtbaues zu verdanken. Es ist aus
naheliegenden Gründen nicht möglich, die hier
geschilderten Zusammenhänge im einzelnen
zahlenmäßig zu belegen, nur die Entwicklung
der Viehbestände, der Buttererzeugung und der
Entwicklung der Viehbestände und der Bett,
erzeugung (ohne Schlachtiette)
Jahr
Rindvieh | Schafe
in Mill. | in Mill.
Stück Stück
CCC 3,5
N ee 3.4
193ũ55 . 3.9 22,8
1956 ne 4,3 25,8
ISO ee re 4,6 23,8
. 4,8 23,5
1989 )ũu:m-˖-˖· 5,2 29,0
1940... 5 5,2 24,5
JJC as, 5.4 21.0
e A REENEN 6,7 17,3
CA NEEN 6,9 15,4
Butter-
1) Ab 1939 Großdeutschland.
3) Junizählung.
120
aus dem inländischen Ulfruchtbau stammenden
Fettproduktion soll in der vorstehenden Ta-
belle verzeichnet werden.
Es drängt sich die Frage auf, welchen Einfluß
die Rationierung auf den Nährgehalt der Ra-
tionen ausgeübt hat. Betriebswirtschaftlich und
ernährungsökonomisch stellte sich die Auf-
gabe, die verringerte Einfuhr und den gestie-
genen Direktverzehr an pflanzlichen Erzeug-
nissen durch Ersparnisse in der Futterwirtschaft,
d. h. durch Einschränkung der mit großen
Energieverlusten arbeitenden Nutzviehhaltung
auszugleichen. Dabei mußten naturgemäß die-
jenigen Nutzviehzweige die stärkste Einschrän-
kung erfahren, die nach der Art ihrer
Futteransprüche als Nahrungskonkurrenten des
Menschen zu werten sind, wie dies für die
Schweinehaltung zutrifft. Ernährungsphysio-
logisch bedeutete diese Umstellung eine
weitgehende Wandlung der Kostformen. Im
ganzen kann zunächst gesagt werden, daß im
volkswirtschaftlichen Durchschnitt, also unter
Einschluß der zulageberechtigten Verbraucher-
gruppen, der Kaloriengehalt der täg-
lichen Nahrung nurum wenige Prozent
unter dem Stand des letzten Vor-
kriegsjahres liegt, wobei die einzelnen
Verbrauchergruppen allerdings stärkere Ab-
weichungen zeigen. Dieses Ergebnis konnte nur
durch den Ubergang zu einer fleisch- und fett-
ärmeren Kost erreicht werden. Während nach
Hahn die Nahrungsmittel tierischer Herkunft
in der Vorkriegszeit mit etwa 37 Prozent an der
Abdeckung der im volkswirtschaftlichen Durch-
schnitt verzehrten Kalorien beteiligt waren, ist
ihr Anteil im Verlauf des Krieges um mehr als
ein Drittel gesunken, der Anteil der pflanzlichen
Nährwerte entsprechend gestiegen. Die durch
den Krieg erzwungenen Veränderungen in der
Ernährungsweise und in der Erzeugung sind also
sehr tiefgreifend. Es soll, auch nicht geleugnet
werden, daß in der Produktion viele Schwierig-
keiten zu überwinden sind und vom gesamten
Landvolk den höchsten Krafteinsatz erfordern.
Wenn man sich aber vergegenwärtigt, daß die
landwirtschaftliche Bodenerzeugung im ersten
Weltkrieg um fast 30 Prozent absackte, und mit
diesem Ergebnis den bisherigen Ablauf der
Kriegsernährungswirtschaft vergleicht, dann
kommt man zu dem Ergebnis, daß es der deut-
schen Landwirtschaft bisher gelungen ist, die
Schlagkraft und Leistungsfähigkeit des Produk-
tionsapparates ziemlich ungeschmälert durch
alle Kriegsnöte zu erhalten. Darüber hinaus
wird es in der Emährungsgeschichte dieses
Krieges immer ein Ruhmesblatt der deutschen
Landwirtschaft bleiben, daß sie nicht nur ihr
ÄAußerstes tat, um die gesteckten Erzeugungs-
ziele zu erreichen, sondern auch in der Abliefe-
rung ihre Pflichten gegenüber dem gesamten
Volke vorbildlich erfüllt.
Ia
‚JS anddienst-
|
Ja K j
rt dei IRC * P iy ke GB A
H
ti f 8 KE
/
Straff wie das Leben der Gemeinschaft im ganzen beim Landdienst der HJ. ist auch der Marsch zur Arbeit, auf dem
ein frohes Lied die Schaffensfreude weckt. — Vom Pflügen hängt die Ernte und der Erfolg der Jahresarbeit ab. Die
Ausbildung in dieser Grundarbeit des Bauern wird deshalb besonders gründlich vorgenommen
*
Digitizedhny Gooćl
RK aer" ech `
Die Gespanngruppe geht in ihrem Ausbildungsweg vom Ochsen- über das Pferdegespann zum Treckerzug. So
von der einfachsten bis zur technisch schwierigsten Gespannart jeder Junge geübt. — Im Bild unten links wi
die Maschinenarbeit und -pflege des näheren erörtert, und rechts sehen wir die Jungen beim Ausmessen des AC
un.
u „re Wé
A ER
WW "e T
— E
` Weg" vr.
ädel stehen den Jungen bei der
inder Landwirtschaft nicht nach.
Brotbacken oder der sach-
Pflege und Behandlung der
e, der im Kriege besonders er-
Aufmerksamkeit gilt, alles wird
Fickt und froh angepackt und er-
ledigt
Viel Freude macht den Mädeln die Arbeit im Schweinestall mit den Ferkeln; und die Anweisungen dei
Wirtschafterin über die sachgemäße Fütterung des Geflügels werden schnell in die Tat umgeselzl
DR. FRIEDRICH SOHN:
Die Zukunftsausrichtung
der französischen Agrarpolitik
I. der zweiten Ausgabe seines Buches „Um die
Nahrungsfreiheit Europas” wendet sich Her-
bert Backe in einem Frankreichkapitel gegen
die von vielen Franzosen vertretene These, daß
die Zukunft der französischen Land-
wirtschaft — jedenfalls soweit es den
Export betrifft — bei den Spezial-
erzeugnissen und den Luxusgütern
gelegen sei, nicht aber bei den Mas-
senerzeugnissen, die die Grundlage
für die menschliche Ernährungbilden.
Es wurde damit ein Problem aufgegriffen, das in
Frankreich heute lebhaft diskutiert wird. Die
Sorge der französischen Agrarpolitiker und auch
der praktischen Landwirte nach der Zukunft der
französischen Landwirtschaft ist verständlich.
Einmal sind die Erfahrungen in der Vergangen-
heit denkbar schlecht gewesen, man ist also
gegenüber allen Voraussagen mit einer erheb-
lichen Skepsis behaftet. Dann erstrebt der
französische Bauer, von dem man im
Augenblick unter denkbar ungünstigsten Um-
ständen größte Anstrengungen verlangt, und der
in langen Zeiträumen planen möchte, eine
klare Linie in der Erzeugungspolitik.
Um so notwendiger ist es, die Möglichkei-
ten und Chancen der französischen
Landwirtschaftim Rahmeneinereuro-
päischen Wirtschaft klar aufzuzeigen und
die Bedingungen, unter denen die aufgestellten
Ziele zu verwirklichen sind, zu erkennen. Es ist
nicht allein damit getan, durch statistische Be-
rechnungen und Vergleiche mit anderen Län-
dern die noch vorhandenen Erzeugungsreserven
in roher Weise abzuschätzen und auf dieser
Grundlage vielleicht ein reichlich theoretisches
Erzeugungsprogramm zu konstruieren. Es ist
außerdem notwendig, auf der Grundlage der
natürlichen, wirtschaftlichen und soziologischen
Gegebenheiten die Faktoren zu analysieren, die
einer besten Ausnutzung der Erzeugungs- und
Absatzmöglichkeiten entgegenstehen. Bei einer
solchen Betrachtungsweise kommt man dann
ganz automatisch zu Richtlinien für eine künf-
tige Agrarpolitik. Viele Franzosen — vor allem
soweit sie der älteren Generation angehören —
gehen von der Meinung aus, daß in der Zukunft
ähnliche Kräfte wirken werden wie in der Ver-
gangenheit!). Sie machen sich dabei vielfach
nicht die Mühe, nach den Gründen des früheren
Verfalls zu fragen. Sie gelangen daher auch
nicht zu einem schöpferischen Aufbauprogramm,
das die sich bietenden neuen Chancen auzunut-
zen sucht. Ihr ausschließliches Ziel ist meistens
die Verteidigung der Interessen der Landwirt-
schaft gegenüber anderen Berufsständen, aber
nicht der Angriff zur Schaffung neuer und bes-
serer Lebensmöglichkeiten für das Landvolk.
Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht
damit abgetan, von einer neuen europäischen
‚Wirtschaftsordnung ohne eigenes Zutun die Lö-
sung aller Schwierigkeiten zu erwarten. Der auf
das neue Europa ausgerichteten französischen
Literatur kann man oft genug den Vorwurf nicht
ersparen, daB man die Probleme nicht in ihrer
vollen Schwere sieht. Den von Natur aus gün-
stigen Umständen für die landwirtschaftliche
Erzeugung stehen in Frankreich stark hemmende
Faktoren gegenüber, die sich vor allem aus der
historisch gewordenen Struktur seiner Wirt-
schaft und seiner Bevölkerung ergeben. Diese
Hindernisse müssen von der Agrarpolitik über-
wunden werden; es bedarf einer in die Tiefe
gehenden Erforschung der Zusammenhänge und
dann einer aktiven Agrarpolitik, die auch schon
während des Krieges wertvolle Vorarbeiten für
die Zukunfisentwicklung leisten muß,
Was kann der französische Boden
leisten?
Zu dieser Frage liegen neuere Schätzungen
bekannter Autoren vor. In der Regel gehen die
neueren Arbeiten, die zu dieser Frage Stellung
nehmen, vom europäischen Blickfeld aus. Man
sucht, auf Grund der Statistik einen Überblick
darüber zu gewinnen, was bisher in Europa und
in den einzelnen Ländern erzeugt und ver-
braucht wurde. Aus den Lücken in der Versor-
gungsbilanz ergeben sich die Ziele für die Er-
zeugungspolitik; aus der vergleichenden Be-
trachtung einzelner Länder mit verschiedener
1) In diesem Zusammenhang ist besonders zu erwähnen:
Auge-Laribe&, Situation de l'Agriculture Française de
1930 A 1939, ses capacites de developpement, sa part dansles
échanges internationaux, Paris 1941. Neuerdings hat der
Nationalsyndikus der „Corporation Nationale Paysanne’,
M. Pointier, in verschiedenen Reden Äußerungen getan, die
wenig Verständnis für die Lage erkennen lassen.
121
Intensität der landwirtschaftlichen Erzeugung
gewinnt man Anhaltspunkte für die noch zu
erschließenden Reserven. In einer Untersuchung
von von der Decken und Metzdorf?) wird
z. B. ermittelt, daß der vor dem Krieg 83 Pro-
zent betragende Selbstversorgungsgrad
Frankreichs auf 158 Prozent erhöht
werden könnte, wenn Frankreich die gleiche
Intensitätsstufe erreicht wie das Reich. Solche
Schätzungen sind für die Aufstellung
ganz langfristiger europäischer Pro-
gramme von größtem Wert. Sie bedür-
fen jedoch der Ergänzung, wenn man
die Arbeit für ein einzelnes Land
planen will. Es gewinnt dann die Frage ent-
scheidende Bedeutung, nach welcher Richtung
hin die gegebenen natürlichen Bedingungen die
Erzeugung des betreffenden Landes weisen. Es
ist weiter zu prüfen, wie diese Möglichkeiten mit
dem zu erwartenden Bedarf am besten in Ein-
klang zu bringen sind. Schließlich muß gefragt
werden, was mit Hilfe von agrarpolitischen
Maßnahmen erreicht werden kann, um den Weg
für die Ausnutzung der erkannten Möglichkeiten
freizumachen.
In alten Kulturländern, deren Struktur in
langen Zeiträumen geworden ist und die oft ein
erhebliches Beharrungsvermögen aufweisen,
gibt es in der Regel mancherlei Hindernisse, die
eine erwünschte Entwicklung erschweren. Die
Betriebsgrößen können z. B. unzweckmäßig
sein, die ganze Betriebsstruktur und die
Bodenverteilung können die moderne
Bewirtschaftung des Bodens pn mög-
lich machen. Aus dem geltenden Boden- und
Besitzrecht können sich Hemmungen ergeben,
die eine sonst eintretende Entwicklung verhin-
dern. In Frankreich treffen im allgemeinen
günstige natürliche Erzeugungsbedingungen und
eine günstige verkehrspolitische Lage mit oft
ungünstigen historisch gewordenen Besitz- und
Betriebsverhältnissen zusammen. Die Agrar-
politik, die in längeren Zeiträumen auf diese
Dinge einen gewissen Einfluß ausüben kann, hat
daher eine ganz entscheidende Bedeutung.
Fragen wir zunächst nach den natürlichen
Möglichkeiten der Erzeugung imfran-
zösischen Wirtschaftsraum, so stellen
wir eine außerordentliche Variationsbreite in
den Erzeugungsmöglichkeiten fest. Wir finden
auf relativ kleinem Raum die Möglichkeit, so
ziemlich alle Erzeugnisse der gemäßigten Klima-
zone unter recht günstigen natürlichen Bedin-
gungen hervorzubringen. e Daneben gibt es in
Frankreich Teillandschalften, die sich für Spe-
zialkulturen eignen, welche besondere, im all-
gemeinen in Europa nicht gegebene Bedingun-
D von der Decken und Metzdorf, Europas Er-
nährungswirtschaft, Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg
1943. — In diesem Zusammenhang verdienen weiterhin die
folgenden Arbeiten Erwähnung:
Hahn, Die Ernährungswirtschaft Europas in den Jahren
1936—1938, Verlag Gustav Fischer, Jena 1942.
Mielck, Die Emährungswirtschaft Europas und der
Mittelmeerländer im Durchschnitt 1935—1938, Ber. über
Landw. Band XXVIII, Heft 3, 1942,
122
gen erfordern. In den meisten Teilen des Landes
sind gemischte Betriebsformen zweckmäßig, die
je nach den örtlichen Verhältnissen, aber auch
der Fähigkeit der Betriebsleiter eine verschie-
dene Struktur haben können. In anderen Gebie-
ten wiederum weist die Natur die Landwirtschaft
auf eine starke Spezialisierung, wie z. B. in den
sehr trockenen Weindeparlements der Mittel-
meerzone. Große Flächen vor allem in Süd-
frankreich können nur als extensive Schafweide
verwendet werden, wenn nicht durch künstliche
Bewässerung — also durch einen sehr starken
menschlichen Eingriff mit erheblichem Kapilal-
aulwand — von der Natur abweichende Erzeu-
gungsbedingungen geschaffen werden.
Wenn wir zunächst nur die gegebenen natür-
lichen Bedingungen ins Auge fassen, so hat
Frankreich günstige Erzeugungsmög-
lichkeiten für die meisten Massen-
güter, welche die allgemeine Grundlage
unserer Ernährung bilden (Brotgetreide, Kar-
toffeln, Zucker, Hülsenfrüchte, Gemüse und alle
tierischen Veredelungserzeugnisse). Bei der
Erzeugung pflanzlicher Fette, die in der
modernen Ernährung eine sehr bedeutende Rolle
spielen, bestehen wie in allen Ländern der ge-
mäßigten Zone Nachteile gegenüber den tro-
pischen und subtropischen Gebieten, jedoch ist
Frankreich beim Winterraps wegen der gerin-
gen Auswinterungsgefahr gegenüber den öst-
lichen Nachbarn ganz entschieden im Vorteil.
Die Gunst des französischen Klimas gestattet es
aber auch, viele Produkte als Massengüter zu
erzeugen, die in den -weniger von der Natur be-
günstigten Ländern ausgesprochenen Luxus-
charakter haben; man braucht in diesem: Zu-
sammenhang nur an den Wein zu denken, der
in Frankreich ein ausgesprochenes Volksgetränk
ist, oder — um noch ein anderes Beispiel zu
nennen — an den Blumenkohl der Bretagne,
der in den französischen Großstädten während
der Wintermonate als Massenerzeugnis ver-
zehrt wird. Schließlich läßt sich auf Grund der
in Frankreich gegebenen natürlichen Bedingun-
gen die Erzeugung ausgesprochener Luxusnah-
rungsgüter weit über die Bedürfnisse des
inneren Marktes hinaus entwickeln. Starke An-
sätze ‚dazu sind in der Luxusobsterzeu-
gung, wie wir sie z. B. in den Pariser Vor-
städten finden, und der Produktion von
Qualitätsweinen bereits gegeben.
Frankreich hat also Chancen nach den ver-
schiedensten Richtungen hin. Maßgebend für die
Richtung, nach der mit besonderem. Nachdruck
zu arbeiten ist, sind aber nicht allein die natür-
lichen Bedingungen. Der Bedarf, dessen Dek-
kung Frankreich in einer europäischen Ernäh-
zungswirtschaft zweckmäßigerweise zu über-
nehmen hat, spielt eine entscheidende Rolle. Es
ist weiterhin die Frage von Bedeutung, was mit
Hilfe der nur sehr beschränkt vorhandenen Ar-
beitskräfte getan werden kann, und wie sich der
Einsatz der menschlichen Arbeitskräfte am wir-
kungsvolisten-gestalten läßt.
ui iin einige linie en.
Wenn in Frankreich in der Vergangenheit die
Gunst der natürlichen Erzeugungsmöglichkeiten
nur schlecht ausgenutzt wurde, so waren dafür
schwerwiegende Gründe vorhanden. Die Enge
des inneren Marktes, die mit dem seit
vielen Jahrzehnten erreichten Bevölkerungsstill-
stand zusammenhängt, gestattete nur eine sehr
beschränkte Ausdehnung der Erzeugung, wenn
man einen vollkommenen Preisverfall vermeiden
wollte Es kam hinzu, daß die Kolonien
unter noch günstigeren natürlichen und wirt-
schaftlichen Bedingungen mit den Haupterzeug-
nissen der französischen Landwirtschaft in Wett-
bewerb traten. Durch die Ausfuhr konnte
unter den bisher in Europa herrschenden Ver-
hältnissen kein Ausweg gefunden werden.
Frankreichs Landwirtschaft besaß auch nicht die
Kraft, die der Ausfuhr entgegenstehenden
Schwierigkeiten zu überwinden. Auch In der
Zukunft wird Frankreich, wenn es seine land-
wirtschaftlichen Möglichkeiten voll entwickelt,
bald zu einem UÜberschußland werden. Dabei
werden sich jedoch, wenn der europäische Kon-
tinent zu einer Wirtschaftseinheit zusammen-
wächst, sehr viel bessere Absatzmöglichkeiten
als in der Vergangenheit ergeben. Drei Fragen
erheben sich in diesem Zusammenhang für die
französische Agrarpolitik:
1. Bei welchen Erzeugnissen kann Frankreich
einen Auslandsabsatz erwarten?
2.Nach welcher Richtung hin läßt sich die
französische Erzeugung unter den gegebenen
Verhältnissen am besten entwickeln?
3. Welche inneren Hemmungen müssen aus
dem Wege geräumt werden und welche
Aufgaben ergeben sich daraus für die
Agrarpolitik? i
Zu der ersten Frage liegen die Arbeiten an-
erkannter Fachleute vor. Es steht fest, daß für
die verschiedensten Produkte der Ernährungs-
wirtschaft ein erheblicher europäischer
Einfuhrbedarf besteht. Man darf dabei
. nicht von den Bedarfsverhältnissen des Augen-
blicks oder auch der Vorkriegszeit ausgehen.
Einmal ist die Bevölkerung Europas im
Wachsen begriffen, sie wird sich nach Been-
digung des Krieges wahrscheinlich noch erheblich
schneller vermehren. Dann aber tritt mit Besse-
rung der Wirtschaftsverhältnisse eine allge-
meine Verbrauchserhöhung ein, wobei
sich innerhalb des Verbrauchs ganz erhebliche
Verschiebungen ergeben. Frankreich kann —
rein technisch gesehen — auf den verschie-
densten Erzeugungsgebieten Ausfuhrüberschüsse
hervorbringen. Für den Franzosen hat jedoch
die Frage entscheidende Bedeutung, wo für ihn
die relativ größten Vorteile und die relativ
größte Sicherheit gelegen sind. Bei der Erörte-
rung der Zukunftsmöglichkeiten kommt immer
wieder zum Ausdruck, daß die Konkurrenz-
fähigkeit der französischen Landwirt-
schaft bei den einzelnen Erzeugnissen
durchaus verschieden beurteilt wird.
Man glaubt sich z. B. beim Weizen, für den
in Nordfrankreich ausgezeichnete natürliche
Erzeugungsbedingungen gegeben sind, gegen-
über dem Osten und Südosten und den Übersee-
ländern im Nachteil. Viele sind sogar der Mei-
nung, daß die in Frankreich als Massengüter zu
erzeugenden Spezialprodukte (Obst, Ge-
müse, Wein, Weintrauben) nur be-
schränkt absatzlähig seien. Man redet daher
für die Ausfuhr einer ausgesprochenen Luxus-
erzeugung das Wort in der Hoffnung, dem sonst
zu erwartenden Konkurrenzdruck zu entgehen
und auch die Fähigkeiten des französischen
Menschen bestens auszunutzen. Die vorgetra-
gene Gedankenführung ist jedoch vom fran-
zösischen wie vom europäischen Standpunkt
falsch. Wenn Kontinentaleuropa als wirtschaft-
liche Einheit betrachtet wird, so ist der Gesamt-
bedarf dafür entscheidend, was erzeugt werden
muß. Die natürlichen Erzeugungsmöglichkeiten
müssen bestens ausgenutzt werden, wobei das
Streben der Gesamtführung des Kontinents
dahin geht, auch die wirtschaftlichen Voraus-
setzungen in den einzelnen Teilräumen für die
Ausnutzung dieser Möglichkeiten zu schaften.
Frankreich wird bei dieser europäischen Auf-
gabenstellung dank seiner günstigen natürlichen
Verhältnisse und auch seiner geographischen
Lage nicht schlecht abschneiden.
Der nordfranzösische Raum bietet
günstige Bedingungen für eine viel-
seitige landwirtschaftliche Erzeu-
gung. Große Teile des Landes — besonders
das Pariser Becken und die nördlich
und südlich davon gelegenen Land-
schaften — sind von Natur für den Ackerbau
besonders geeignet, während die Kanalküste,
Westfrankreich und zum Teil auch der Nord-
osten von Natur aus mehr für die Weidewirt-
schaft bestimmt sind. Ein verhältnismäßig großer
Anteil des Bodens in Nordwestfrankreich
ist von großer natürlicher Fruchtbarkeit und für
den Anbau von Weizen und Zuckerrüben ge-
eignet. In Teilen der Champagne und in Ost-
frankreich sind die Bodenverhältnisse im all-
gemeinen schlechter, zum Teil sogar ausge-
sprochen ungünstig. Der Raum nördlich der
Loire ist jedoch im ganzen gesehen von der
Natur aus dazu bestimmt, vor allem die Erzeug-
nisse des allgemeinen Lebensbedarfs hervorzu-
bringen. Es lassen sich in diesem Gebiet bei
richtiger Ausnutzung der gegebenen natürlichen
Möglichkeiten in den Erzeugnissen der allge-
meinen Landwirtschaft erhebliche Überschüsse
erzielen, die den Zuschußbedarf Südfrankreichs
decken und darüber hinaus zur Versorgung Bel-
giens und Nordwestdeutschlands beitragen
können. In den letzten Jahrzehnten ist in diesem
Raum der Ackerbau gegenüber der extensiven
Weidewirtschaft ständig zurückgedrängt wor-
den. Zur besseren Ausnutzung der Erzeugungs-
123
möglichkeiten müßte eine entgegengesetzte Ent-
wicklung in Gang gebracht werden, wobei der
Ertrag der bisher nur extensiv genutzten Weiden
durch bessere Bewirtschaftung beträchtlich zu
erhöhen ist. In den Weide- und Grünlandgebie-
ten muß der Ackerbau an Bedeutung gewinnen,
während in den ausgesprochenen Ackerbau-
gebieten die bisher vernachlässigte Tierhaltung
verstärkt werden muß. Innerhalb der Acker-
flächen nehmen die Hackfrüchte nur einen
sehr bescheidenen Anteil ein; ihre Anbaufläche
muß erhöht werden, während sich gleichzeitig
das Brachland in der Fruchtfolge vermindern
läßt. Eine zweckmäßige Gestaltung der
wirtschaftlichen Beziehungen zwi-
schen den Weidegebieten und den
Ackerbaugebieten kann die wirt-
schaftlichen Leistungen des nord-
französischen Raumes wesentlich ver-
bessern.
Neben den Gütern des allgemeinen Lebens-
bedarfes hat Nordfrankreich jedoch auch für die
Spezialerzeugnisse einige Bedeutung. In
der Gegend von Reims und Epernay und weiter
westlich an der Loire reicht der Weinbau in
dieses Gebiet hinein. Im Westen und in der
Kanalzone schafft das dort vorherrschende
Klima, das Fröste nur an wenigen Tagen des
Jahres kennt, Voraussetzungen, wie sie in Eu-
ropa nur an wenigen Stellen gegeben sind.
Diese besonderen klimatischen Bedingungen
finden schon heute in ausgedehnten Gemüse-
kulturen und einem beträchtlichen Frühkar-
toffelanbau einen sichtbaren Ausdruck. Nach
dieser Richtung hin bestehen bei entsprechender
Marktausweitung noch erhebliche Möglichkei-
ten. An der Kanalküste finden sich weiterhin
für die Apfelkultur ausgezeichnete natür-
liche Bedingungen. Die dort jetzt vorhandenen
etwa 30 Millionen Mostapfelbäume liefern we-
gen ihrer vollkommenen Vernachlässigung nur
gelegentlich einmal einen reichen Ertrag. Das
Land ist jedoch von Natur aus dazu bestimmt,
Apfel von guter Durchschnittsqualität für die
Mostherstellung, die Marmeladenerzeugung und
den menschlichen Verzehr in großen Massen
hervorzubringen. Auch im Inneren des Landes
sind besonders in den Flußtälern und Senken
günstige Möglichkeiten für eine Ausdehnung
des Obst- und Gemüsebaues gegeben.
Während Nordfrankreich von Natur aus ein
Überschußgebiet bei den Erzeugnissen des all-
gemeinen Lebensbedarfes ist, liegt das Schwer-
gewicht der Erzeugung in Südfrankreich
sehr viel stärker bei den Spezialitäten. Trotz der
dünnen Besiedlung dieses Raumes besteht ein
erheblicher Zuschußbedarf an Brot-
getreide, Kartoffeln, Zucker und tie-
rischen Veredelungs-Erzeugnissen.
Eine auf die beste Ausnutzung des Bodens be-
dachte Agrarpolitik muß danach streben, wenig-
stens bei den wichtigsten Erzeugnissen dem
Grad der Selbstversorgung näher zu kommen.
124
Bei manchen Erzeugnissen, wie z.B. beim Zucker,
wird das nicht einmal möglich sein. In Südfrank-
reich ist nur ein verhältnismäßig kleiner Teil des
Bodens für eine intensive landwirtschaftliche
Erzeugung geeignet. Es scheiden im Gebirgs-
land der Alpen, des Juras, des Zentralmassivs
und der Pyrenäen erhebliche Flächen für die
landwirtschaftliche Kultur ganz aus. In anderen
Gebieten beschränkt der Mangel an Nieder-
schlägen die Nutzungsmöglichkeiten auf wenige
oder nur eine Verwendung. Auch die Boden-
qualität setzt den landwirtschaftlichen Möglich-
keiten oft enge Grenzen, z. B. in der Kiefern-
waldzone südlich und westlich der Gironde
(Departements Gironde und Landes). Nur auf
einen verhältnismäßig kleinen Teil der Boden-
fläche des Südens finden wir eine gemischte
Landwirtschaft, deren Bedeutung über die lokale
Versorgung hinausgeht. Im Rahmen der Volks-
wirtschaft spielen jedoch die Spezialerzeugnisse
eine bedeutende Rolle, obwohl auch sie nur
einen relativ kleinen Anteil der Gesamtfläche
ausmachen. In den Departements Herault und
Aude am Mittelmeer beträgt der Anteil der Reb-
fläche 52 bzw. 41 Prozent des landwirtschaftlich
genutzten Bodens. Die Spezialisierung wurde
hier außerordentlich weit getrieben. In anderen
Landschaften ist unter dem Einfluß der natür-
lichen Bedingungen und der Absatzverhältnisse
eine Spezialisierung auf Obst, Frühgemüse, Blu-
men usw. eingetreten, während gleichzeitig die
allgemeine Landwirtschaft unter dem Konkur-
renzdruck des Nordens an Bedeutung verlor.
Man konnte hier — ganz ähnlich wie auf dem
amerikanischen Kontinent — mit dem Ausbau
der Transportmöglichkeiten eine immer Stärkere
Spezialisierung auf die Erzeugnisse feststellen,
für die von Natur besonders günstige Produk-
tionsbedingungen gegeben sind und die sich
infolgedessen am besten rentieren.
Es besteht kein Zweifel, daß sich auch in der
Zukunft die landwirtschaftlichen Überschüsse
Südfrankreichs auf die pflanzlichen Spezialpro-
dukte erstrecken werden, und zwar vorwiegend
auf Erzeugnisse, die für den Massenabsalz be-
stimmt sind. Das Schwergewicht der Konsum-
weinerzeugung liegt schon immer in den
Mittelmeerdepartements, während die Qualitäts-
weine — abgesehen von den bei Bordeaux
gelegenen Anbaugebieten — in der Hauptsache
am Nordrand der Südzone erzeugt werden.
Wenn die Preise größere Aufwendungen zu-
lassen, so ist mit Hilfe künstlicher Bewässerung
noch eine erhebliche Steigerung des Anbaus
von Spezialerzeugnissen möglich. Bei den le-
bensnotwendigen Gütern wird jedoch Südfrank-
reich noch für lange Zeit ein Zuschußgebiet blei-
ben; die durchschnittlichen Hektarerträge liegen
z. B. beim Weizen im Mittelmeergebiet bei etwa
9 bis 13 dz, während im Pariser Becken 20 bis
23 dz und an der belgischen Grenze etwa 31 dz
(Departement Nord) geerntet werden. Diese
gewaltigen Unterschiede sind nur zum Teil aul
Er
die Bewirtschaftungsmethoden und den Dünge-
mittelaufwand zurückzuführen, sie werden zu
einem Teil auch durch die Unterschiede in den
natürlichen Produktionsbedingungen verursacht.
Für die Schafhaltung hat Südfrankreich mit
seinen ausgedehnten, kaum anders zu nutzenden
Odtlächen noch erhebliche Möglichkeiten.
Die Überwindung hemmender Faktoren
Wenn wir die durchschnittlichen Hektar-
erträge, bzw. die Leistungen je Flächeneinheit
mit benachbarten fortschrittlichen Ländern ver-
gleichen, so kommen wir zu dem Ergebnis, daß
eine Mehrerzeugung auf der ganzen
Linie möglich ist. Diese Tatsache bleibt auch
bestehen, wenn man berücksichtigt, daß die
natürlichen Erzeugungsbedingungen keinesfalls
überall so günstig sind, wie man oft annimmt.
Der Erschließung dieser Möglichkeiten stehen
zahlreiche Hemmungen entgegen, die nur
mit Hilfe einer außerordentlichen
aktiven Agrarpolitik überwunden wer-
den können. Die Agrarpolitik war seit dem
Waffenstillstand beherrscht von den Notwendig-
keiten der Gegenwart. Doch hat man dabei die
auf lange Sicht notwendigen Schritte keines-
wegs übersehen. Es ist aber eine Tatsache, daß
die Tragweite der auf lange Sicht abgestellten
Maßnahmen von vielen Franzosen bisher noch
nicht klar erkannt wurde.
Als Aufgabe der französischen Er-
zeugungspolitik in einer europäischen
Großraumwirtschaft kann man auf Grund der
gegebenen Erzeugungsmöglichkeiten und der
Bedarfslage des Kontinents die folgenden Ziel-
setzungen aufstellen: Ein Teil des europäischen
Zuschußbedarfesan Weizen kann relativ leicht
aus dem nordfranzösischen Raum gedeckt wer-
den. Es wäre vom Standpunkt Frankreichs
falsch, sich diese Chance entgehen zu lassen,
ebenso wie es verfehlt wäre, wenn die nord-
wesiteuropäischen Zuschußgebiete auf die Be-
darfsdeckung aus den nahegelegenen Überschuß-
gebieten verzichten würden. Auf dem Gebiet
der Futtergetreideerzeugung ist, um
die bisherige starke Einfuhr auszugleichen, eine
erhebliche Erzeugungssteigerung notwendig.
Selbst dann, wenn Nordafrika wieder in starkem
Umfang als Lieferant auftritt, liegt eine Haupt-
lücke in der europäischen Versorgungsbilanz
beim Futtergetreide, die irgendwie ausgeglichen
werden muß. Auf dem Fleischgebiet kann
Frankreich, wenn es die Futlererzeugungsmög-
lichkeiten auf den Wiesen und Weiden, beim
Feldfutterbau und in dem auszudehnenden Hack-
fruchtbau richtig ausnutzt, sich eine starke Stel-
lung erkämpfen. Ahnliches gilt für die Erzeug-
nisse der Milchwirtschaft, die, wenn wir
von Spezialitäten wie beim Käse absehen, in der
Vergangenheit stark vernachlässigt wurden. Die
Stellung des Olfruchtbaus im Rahmen einer
künftigen französischen Landwirtschaft hängt
*
davon ab, wie stark der afrikanische Raum zur
Ergänzung der inländischen Versorgung heran-
gezogen werden kann. Da Frankreich vor dem
Krieg seinen Nahrungsfettbedarf zu über 60 Pro-
zent durch Einfuhr deckte und die pflanzlichen
Fette neben den tierischen auch in der Zukunft
eine erhebliche Bedeutung haben werden, ist
auch für die Zukunft für den französischen Ol-
fruchtbau ein weiter Spielraum gegeben.
Die angedeuteten Ziele sind in Frankreich zu
erreichen, ohne daß das Gesetz vom abneh-
menden Bodenertrag sobald in gleicher Schärfe
wie in manchen Nachbarländern in Erscheinung
tritt. an kann im Gegenteil noch manche
Kostensenkung erreichen. Dabei ist es
durchaus möglich, eine auf die Erhaltung der
Bodenfruchtbarkeit gerichtete Bodennutzuhg zu
betreiben und Fehler, die in dieser Beziehung ın
der Vergangenheit gemacht worden sind, zu
vermeiden.
Vom Standpunkt einer europäisch ausgerich-
teten Erzeugungspolitik wäre es verfehlt, die
vorhandenen Kräfte. weitgehend auf Spezialitä-
ten zu konzentrieren. Man müßte dann auf die
im Interesse der Gesamtheit erwünschte Aus-
nutzung von Landflächen verzichten, die wegen
ihrer natürlichen Erzeugungskraft und auch
ihrer geographischen Lage zur Deckung lebens-
notwendiger Bedürfnisse herangezogen werden
müssen. Ein Verzicht auf diese Möglichkeiten
ist von einem höheren europäischen Standpunkt
nicht zu verantworten.
Dort, wo die Natur besonders günstige Vor-
aussetzungen für die Massenerzeugung von
Spezialprodukten (Obst, Gemüse, Wein, Trauben
usw.) schafft, ist es jedoch notwendig, auch
nach dieser Richtung hin Kräfte einzusetzen.
Im Vordergrund steht dabei die Massen-
er zeugung guter Durchschnitts quali-
täten, die dank der günstigen natürlichen Be-
dingungen billig für einen breiten Verbraucher-
kreis geliefert werden können. Erst in zweiter
Linie und in begrenztem Umfang hat die Erzeu-
gung für ausgesprochene Luxusbedürfnisse eine
Daseinsberechtigung.
Die angedeuteten Zielsetzungen einer künf-
tigen Erzeugungspolitik machen die Uberwin-
dung vieler Hindernisse notwendig. Die stärk-
sten Hemmungen kommen von der Seite der
menschlichen Arbeit. In Frankreich sind
die Verhältnisse grundverschieden von denen
Südosteuropas: dort ist die Neuaufnahme inten-
siver Kulturen das natürliche Mittel, um die
zahlreich vorhandenen Arbeitskräfte besser als
bisher auszunutzen; in Frankreich aber hat der
Menschenmangel in den letzten Jahrzehnten zu
einer immer extensiveren Ausnutzung des Bo-
dens geführt. Eine Umkehr in dieser Entwick-
lung erfordert daher ganz außerordentliche An-
strengungen. Allen Maßnahmen, welche die
Wirkung der menschlichen Arbeit
125
irgendwie verstärken helfen, muß größte
Aufmerksamkeit geschenkt werden. Von der
Aufbesserung der Wohnverhältnisse
angefangen, der sozialen Betreuung der Men-
schen bis zur fachlichen Ausbildung des Nach-
wuchses und der wissenschaftlichen Arbeit ist
eine neue Aktivität zu entwickeln. Es muß ver-
sucht werden, innerhalb des französischen
Wirtschaftsraumes eine bessere und zweck-
mäßigere Verteilung der Arbeitskräfte zu er-
reichen, wobei auf das künftige Erzeugungspro-
gramm Rücksicht zu nehmen ist. Auf die noch
stärkere Heranziehung ausländischer Arbeits-
kräfte wird man nicht verzichten können, wenn
der Boden auch nur einigermaßen ausgenutzt
werden soll. Daraus ergeben sich weitere Pro-
bleme, die von der Politik gelöst werden müssen.
Eine Hauptaufgabe aber der agrarpolitischen
Arbeit ist es, die menschliche Arbeit in der
Landwirtschaft durch Anwendung zweckmäßiger
Methoden und die Benutzung arbeitsparender
Maschinen wirkungsvoller zu gestalten.
Läßt man den Dingen in Frankreich freien
Lauf, so ist wie in der Vergangenheit eine
Flucht von den arbeitsintensiven zu
den arbeitsextensiven Bodennutzun-
gen zu erwarten. Das agrarpolitische Ziel —
die beste Ausnutzung der gegebenen natürlichen
Möglichkeiten — erfordert jedoch eine ent-
gegengesetzte Entwicklung, d. h. es muß eine
Umwandlung von Grünland zu Acker-
land vorgenommen werden und es ist auch
innerhalb des Ackerlandes eine Verschie-
bung zu den arbeitsintensiven Kul-
turen, d. h. den Hackfrüchten, zu erstre-
ben. Diese Ziele lassen sich in Frankreich nur
erreichen, wenn die Leistungen der mensch-
lichen Arbeit durch eine entsprechende Arbeits-
organisation und die Anwendung arbeitsparen-
der Maschinen erheblich gesteigert werden.
Frankreich müßte seiner ganzen Struktur nach
zum Schrittmacher moderner Arbeitstechnik
werden. Vorerst kann es jedoch in erheblichem
Umfang von seinen östlichen Nachbarn — vor
allem auch von Deutschland — lernen. Im Reich
ist seit Verkündung der Erzeugungsschlacht eine
erhebliche Intensivierung trotz gleichzeitiger
Verminderung der Arbeitskräfte erreicht wor-
den, so daß Deutschland in vieler Beziehung
Anregungen geben kann. Die Knappheit an
Arbeitskräften verbietet es in Frankreich, allzu
große Energien auf die einen besonders hohen
Arbeitsaufwand erfordernden Luxuserzeugnisse,
die insgesamt nur einen geringen Kalorienwert
verkörpern, zu konzentrieren. Die beschränkte
Zahl der Arbeitskräfte darf jedoch nicht dazu
führen, daß, wie in den Uberseeländern, eine zur
Ausbeutung führende Maschinenkultur entsteht.
Das Ziel ist ganz ähnlich wie im Reich auf die
Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit ge-
richtet, woraus sich ganz zwangsläufig auf
agrartechnischem Gebiet eine enge Zusammen-
arbeit mit dem Reich ergeben muß.
126
In diesem Zusammenhang gewinnt für Prank-
reich die fachliche Schulung und Wirt-
schaftsberatung geradezu entscheidende
Bedeutung. Auf diesem Gebiet ist bisher in
Frankreich nur wenig getan worden. Im allge-
meinen übt der Bauer seinen Beruf noch immer
auf Grund der Kenntnisse und Fähigkeiten aus,
die ihm vom Vater beigebracht worden sind. Er
ist nicht darauf eigestellt, daß sich die tech-
nische Entwicklung in schnellem Fluß befindet,
und daß man sich dieser Entwicklung laufend
anpassen muß. Da aber die französische Land-
bevölkerung im Durchschnitt intelligent ist und
praktische Fähigkeiten besitzt, sind erhebliche
Erfolge zu erwarten, wenn durch eine ent-
sprechende Schulung der aus der Tradition er-
wachsende Widerstand gegen technische Neue-
rungen überwunden ist.
In der Forschung wird man den Fragen der
Arbeit und Arbeitstechnik in ihren betriebs-
wirtschaftlichen Zusammenhängen besondere
Aufmerksamkeit schenken müssen. Es gilt ja,
den besonders knapp vorhandenen Produktions-
faktor — die menschliche Arbeit — in
wirkungsvollster Weise auszunutzen. Dabei
müssen die Vorteile, die das ausgeglichene
Klima mit seinen langen Wachstumsperioden
bietet, zur Einsparung menschlicher Arbeit voll
ausgenutzt werden. Die französische Landwirt-
schaftswissenschaft, die große Einzelforscher
hervorgebracht hat, hatte bisher nicht einen
genügend engen Kontakt mit der Praxis. In der
schon seit der Königszeit bestehenden „Acade-
mie d’Agriculture de France‘ besteht zwar eine
Plattform, auf der sich die Wissenschaftler mit
den besten Praktikern zu gemeinsamer Arbeit
zusammenfinden; jedoch sind die Auswirkungen
dieser Zusammenarbeit recht begrenzt. Der In-
dividualismus, der einer der markantesten Merk-
male französischer nationaler Eigenart ist, 'hat
es weitgehend verhindert, die Probleme in ihren
großen betriebs- und volkswirtschaftlichen Zu-
sammenhängen zu sehen. Der einzelne Betriebs-
leiter hat in der Regel die größten Hemmungen,
einem Außenstehenden Einblick in das Innere
seines Betriebes zu geben. Aus diesem Grund
ist auch die landwirtschaftliche Statistik in
Frankreich außerordentlich unzulänglich, so daß
manche Fragen auf Grund exakter Unterlagen
überhaupt nicht studiert werden können. In der
Wissenschaft hat man die Zusammenfassung der
Erkenntnisse verschiedener Arbeitsgebiete zu
einer Gesamtschau weitgehend vermieden. Eine
landwirtschaftliche Betriebslehre ist
in Frankreich nur in Ansätzen vor:
handen; in der volkswirtschaftlichen
Literatur treten die wirtschaftlichen Kern-
probleme gegenüber den sich auf die äußere
Form beziehenden Betrachtungen (oft von Ju-
risten geschrieben) an Bedeutung zurück. Um
die landwirtschaftlichen Möglichkeiten in der
Zukunft besser auszunutzen, müssen auf der
Basis der Forschungsarbeiten allge-
meineRegeln und Grundsätze aufgestellt
werden, welche die Grundlage für die Agrar-
politik und eine auf Breitenwirkung bedachte
Erziehungsarbeit bilden. Man darf nicht an-
nehmen, daß die Betriebsleiter in einer Zeit so
starker Wandlungen, wie wir sie jetzt durch-
leben, von sich aus immer die richtigen Wege
finden. |
Nun kommen von der Seite der menschlichen
Arbeit nicht allein die Hindernisse, welche die
Ausnutzung der von Natur günstigen Bedin-
gungen erschweren. Die Betriebsstruktur
entspricht in Frankreich keineswegs überall den
Erfordernissen einer rationell geführten Wirt-
schaft. Das schlimmste Ubel ist ganz zweifellos
die Bodenzersplitterung, die durch die
freie Erbteilung hervorgerufen wurde. Die Sta-
tistik der letzten Jahrzehnte läßt einen Rückgang
der kleinen und kleinsten Betriebe und eine
wachsende Bedeutung der mittleren und größe-
ren Betriebe erkennen. Die Liquidierung vieler
Betriebe, die durch die Landflucht verursacht
wurde, führte zu einer Vergrößerung der
durchschnittlichen Betriebsfläche.
Mit dieser Entwicklung trat jedoch im allgemei-
nen nicht eine Zusammenlegung der zersplitter-
ten Feldstücke ein; die Atomisierung des Grund
und Bodens hal vielmehr zum Teil sogar weitere
Fortschritte gemacht. Bei dem Mangel an Men-
schen verursachte diese Entwicklung einen
Zwang zur Extensivierung und eine Aufgabe
früher landwirtschaftlich genutzten Bodens. Die
Flurbereinigung ist für große Teile Frankreichs
die wichtigste Voraussetzung für eine intensive
Bodennutzung. Am notwendigsten ist die Zu-
sammenlegung in den Gebieten der geschlosse-
nen Dorfsiedlung Ostirankreichs. Hier wirkt
nicht nur die Aufsplitierung des Grund und Bo-
dens erzeugungshemmend; es tritt eine weitere
erhebliche Erschwerung ein durch die großen
Entfernungen zwischen den einzelnen Dörfern,
die eine intensive Bewirtschaftung der am Rande
der Gemarkungen liegenden Ländereien prak-
tisch unmöglich machen. Hier ist es nicht mit
einer radikalen Zusammenlegung allein getan;
es muß außerdem eine räumliche Auflockerung
der Siedlungsweise erstrebt werden. Nach fran-
zösischen Schätzungen sind in Ostfrankreich
50 Prozent, im Süden und Südwesten 36 Prozent,
im Zentrum 31 Prozent, im Zentralmassiv 20 Pro-
zent und im Südwesten und Norden 17 Prozent
der landwirtschaftlichen Nutzfläche umlegungs*
bedürftig. In Westfrankreich, wo der Einzelhof
vorherrscht, tritt zum Teil durch die Hecken und
die auf den Feldern stehenden Obstbäume eine
Erschwerung der Arbeit ein. Auch hier sind
Reformen in der Bodenverteilung und in der
Ausnutzung der Flächen, die den Grundcharak-
ter der Heckenlandschaft keinesfalls zu zer-
stören brauchen, dringend am Platz.
Das Gesetz vom 9. März 1941 über die
Flurbereinigung und Neuordnung des
Grundbesitzes, durch das die bestehenden
$
gesetzlichen Möglichkeiten ganz wesentlich
ausgeweitet wurden, schafft für die Zukunft
die Möglichkeit ganz wesentlicher Verbesserun-
gen. Es hat jetzt der Staat das Recht, Flurberei-
nigungen anzuordnen und im Zusammenhang
damit auch räumliche Neugliederungen in der
Siedlung vorzunehmen. Das Gesetz verwirklicht
einen Lieblingsgedanken des damaligen Land-
wirtschaftsministers Pierre Caziot, der schon
vor Jahrzehnten eine gründliche Bodenreform
gefordert hat. Es besteht jedoch bei der allge-
meinen Mentalität der Franzosen die Gefahr,
daß man bei der Durchführung des Gesetzes auf
halbem Wege stehenbleibt, weil man zwar die
Vorteile der Zusammenlegung für die tägliche
Arbeit der Bauernfamilie erkennt, nicht aber die
Bedeutung dieser Maßnahme für die Erzeugungs-
kraft und Konkurrenzfähigkeit der gesamten
französischen Landwirtschaft in der richtigen
Weise würdigt. Es besteht kein Zweifel, daß
eine radikale Flurbereinigung in Ver-
bindung mit NMeliorations arbeiten
ganze Landschaften, die bisher
Verfallserscheinungen aufwiesen, zu
neuer Blüte führen könnte.
Auch die Besitzverhältnisse üben in
Frankreich einen hemmenden Einfluß auf die
Erzeugung aus. Rund 40 Prozent der land-
wirtschaftlichen Fläche sind in Pacht oder
Teilpacht vergeben. Das bisherige Pachtrecht
verleitete die Pächter dazu, den Boden rück-
sichtslos auszunutzen, während bei der schlech-
ten allgemeinen Wirtschaftslage der Verpächter
wenig Neigung verspürte, um von sich aus
etwas zur Hebung der Leistungsfähigkeit des
Betriebes zu tun. Die inzwischen eingeleitete
Pachtreform wird, wenn sie richtig durchgeführt
wird, im Verlauf der kommenden Jahre einen
langsamen Wandel herbeiführen. Als außer-
ordentlich fortschrittshemmend erweist sich das
vor allem in Südwestfrankreich verbreitete
Teilpachtsystem. Bei der Teilung der Er-
träge und des Aufwandes zwischen Verpächter
und Teilpächter folgt man alten Gebräuchen und
Regeln, die sehr oft nicht den Erfordernissen der
Gegenwart entsprechen. Es ist daher außer-
ordentlich schwer, die als richtig erkannten
Neuerungen in der Praxis einzuführen. Auch
für das Teilpachtwesen wird eine Reform vor-
bereitet.
Außerordentlich wichtig für die Zukunft der
französischen Landwirtschaft ist es, das land-
wirtschaftliche Kreditwesen auszu-
bauen und den Bedürfnissen der Landwirtschaft
anzupassen. Die volle Ausschöpfung der Erzeu-
gungsmöglichkeiten im französischen Raum
wird in der künftigen Friedenswirtschaft einen
erheblichen Kapitalbedarf erfordern. In der Ver-
gangenheit war es aber so, daß die Erspar-
nisse des Landvolkes zu einem großen
Teil nicht zur Verstärkung der Betriebs-
ausrüstung Verwendung fand, sondern
127
anderen, oft sehr zweifelhaften Verwendungen
zufloß. Der mit Hilfe des Staates aufgezogene
genos senschaftliche Kreditapparat
war in der Hauptsache eine Verteilungs-
stelle für staatliche Kredite und Sub-
sidien; die Erfassung von Spargeldern durch
diese Organisation war äußerst gezing und hatte
keine nennenswerte Bedeutung.
Die Kriegserzeugungspolitik als Weg-
bereiter
Die Kriegserzeugungspolitik wird
durch die Umstände gezwungen, sich vornehm-
lich der Mittel und Wege zu bedienen, die auch
heute noch angewandt werden können. Sie ist
von manchen Autoren als eine Politik der vielen
kleinen Mittel angesprochen worden. Trotzdem
aber führt diese Arbeit an den Kern des fran-
zösischen Agrarproblems heran. Es wäre leicht
gewesen, durch einen erheblichen Mehraufwand
von Kunstdünger, anderen Produktionsmitteln
und menschlicher Arbeitskraft eine schnelle
Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung
hervorzurufen. Man war durch die Umstände
gezwungen, einen unbequemeren und beschwer-
licheren Weg zu gehen, um durch Verbesse-
rungen in der Arbeitsweise, die Ein-
führung moderner Erzeugungsmetho-
den und die fachlich-technische Erzie-
hung derLandbevölkerung dem sonst zu
erwartenden Produktionsrückgang entgegen-
zuwirken. Alles was heute zur Förderung der
landwirtschaftlichen Erzeugung getan werden
kann — ganz gleich, ob es sich um die Boden-
bearbeitung, den Pflanzenschutz, das Saatgut
oder irgendein anderes Arbeitsgebiet handelt —,
verstärkt die Fundamente, auf denen die Land-
wirtschaft in der Zukunft weiterbauen kann.
Von französischer Seite wird man erst in einer
späteren Zeit offen anerkennen, welche Rolle
hierbei die Erfahrungen der deutschen Efzeu-
gungsschlacht und die Mithilfe deutscher Sach-
verständiger in der Militärverwaltung gespielt
haben.
Diese Kriegserzeugungspolitik schafft aber
auch Klarheit über die vielen Hindernisse, die
in einem so stark mit Tradition belasteten Lande
wie Frankreich die Ausnutzung der günstigen
natürlichen Möglichkeiten erschweren. Im agrar-
politischen Gesetzgebungswerk der letzten
3% Jahre sind bereits viele Grundsätze fest-
gelegt worden, die bei richtiger Anwendung für
die Zukunftsentwicklung der französischen
Landwirtschaft entseheidende Bedeutung gewin-
nen können. Die gewonnene Klarheit über die
Möglichkeiten und Notwendigkeiten muß dazu
führen, daß man auch an die geistige Vorberei-
tung der künftigen Agrarpolitik herangeht.
Die nüchterne Wirklichkeit des Alltags, die
von den Sorgen des Tages überschattet wird,
macht es allerdings schwer, sich einen freien
Ausblick zu verschaffen. Das ist ganz besonders
der Fall in einem Lande mit so vielen Alters-
erscheinungen wie Frankreich. Man denkt dort
mit Vorliebe an die Vergangenheit, erschöpft
sich in der Enge individualistischen Denkens
und übersieht oft genug, daß die Erkämpfung
einer europäischen Stellung der französischen
Landwirtschaft eine gewaltige Gemeinschafts-
leistung und die Abkehr von überkommenen
Anschauungen und Doktrinen zur Vorbedingung
hat. In der agrarpolitischen Diskussion ist man
geneigt, sich in unfruchtbaren Erörterungen —
wie der von Herbert Backe gerügten These
„Qualität oder Quantität“ — zu verlieren.
Man ist innerlich nur auf die Verteidigung ein-
gestellt und versäumt dadurch wahrscheinlich
die großen Chancen, welche der mutige Angriff
bei der Neuordnung des europäischen Raumes
einem Lande mit so günstigen natürlichen und
geographischen Bedingungen bieten würde.
Der Liberalismus sah nur das abstrakte Ich, losgelöst von
Rasse, Volk und Überlieferung, der Kommunismus sah nur
das Kollektiv, d. h. den gestaltlosen Quantitätshaufen, der
durch eine Tyrannei in politische Aktion gesetzt wird.
Ich und Kollektiv sind deshalb Symbole eines Zerfalls und
nicht Zeichen eines wirklichen organischen Spannungs-
verhältnisses.
mus Persönlichkeit
Dem entgegengesetzt hat der Nationalsozialis-
und Gemeinschaft gegenübergestellt,
d. h. die Persönlichkeit als in Blut und Erde verwurzelte,
wachsende, nie ohne eine Bindung entstehende schöpferische
Kraft, und die Gemeinschaft als nicht bloße Summe wurzel-
loser Individualitäten, sondern als Einheit von Persönlichkeiten.
128
Alfred Rosenberg
Landwirtschaftsführer schlagen unmittelbar
nach der Besetzung des Ortes die ersten Auf-
rufe für die Bevölkerung an. — Gespannt
folgen die Bauern den Ausführungen desLand-
wirtschaftsführers Ritterkreuzträger Leffler
Getreidedrusch sofort nach der Ernte auf einem |
zahlreichen Druschplätze.
Der Mähdrescher wird
hier stationär benutzt
Anfuhr, Lagerung und Abtransport muß auf
en
Getreidepunkten sorgfältig geregelt und
Der Landmaschinenpflege wird jetzt
besondere Aufmerksamkeit gewid-
met — eine früher im Osten un-
gewohnte Erziehungsaufgabe
Eine Molkerei arbeitet wieder.
Schmackhafte Rundkäse werden für
die Truppe hergestellt
Deutsche Zuchthengste wer-
den zur Hebung der von den
Sowjets völlig vernachlässig-
ten Pferdezucht eingeführt
und nach ihrem Eintreffen
fachmännisch beurteilt
Ein freundliches Wort zur rechten Zeit fördert das
Vertrauen zur deutschen landwirtschaftlichen Ver-
waltung
Vielseitig sind die Kenntnisse und Aufgaben des
Landwirtschaftsführers. Auch die Felle müssen vo
der Verarbeitung richtig behandelt werden
HILDEGARD MELZER:
DIE WIRTSCHAFTSWENDE
der Niederlande
Die nachstehende Arbeit ist der Ertrag einiger Rei-
sen in den Niederlanden und eines Studiums der Dinge
in Gesprächen und Arbeiten von Deutschen und Nie-
derländern. Es sind Eindrücke mit dem besonderen
Einschlag des 5. Kriegsjahres und unter dem Zeichen
des totalen Krieges. — Einer Frau kommt es dabei
nicht darauf an, eine verstandesmäßig geschlossene
Wirtschaftsbetrachtung anzustellen. Vielmehr liegt mir
daran, den Umkreis der Entwicklungen und ihre Vor-
dussetzungen aus Geschichte und Volkspsychologie zu
erfählen und damit auch für die Wirtschaftsarbeit der
Gegenwart und Zukunft einen ganz und gar nicht auf
Voilständigkeit Anspruch erhebenden Beitrag der
Hintergründigkeit auch der nüchternen Wirtschafts-
gestaltung zu liefern.
Erbschaft des Liberalismus
I. den letzten Jahrzehnten vor 1940 haben die
niederländischen Landwirte, Bauern und Gärt-
ner sich nicht der Deckung des Bedarfes des
eigenen Volkes an landwirtschaftlichen Erzeug-
nissen gewidmet, sondern nach Absatzhoffnun-
gen im Ausland ausgerichtet. Die Landwirtschaft
hatte mit dieser Haltung lediglich der herr-
schenden Auffassung in Staat und Volkswirt-
schaft folgen müssen. Diese herrschende Mei-
nung des orthodoxen Liberalismus duldete ja
auch keinen Widerspruch. Wer von der Freiheit
des Handels und der internationalen Arbeits-
teilung keinen Gebrauch machte, mußte zu-
grunde gehen.
Als Ergebnis der Realteilung des Bodens und
seiner freien Belastbarkeit und Käuflichkeit
weist von knapp einer viertel Million landwirt-
schaftlicher Betriebe fast die Hälfte nur eine
Größe von 1 bis 5 ha auf, wobei die 138 000 Be-
triebe unter einem ha, deren Inhaber nicht
hauptberuflich Landwirte sind, außer Ansatz
geblieben sind. Es ist klar, daß bei dieser Struk-
tur auch vorübergehend nicht die Möglichkeit
für das Landvolk gegeben war, im wesentlichen
selbstgenügsam nur für den eigenen Bedarf zu
produzieren. Bei der Raumenge am Mündungs-
delta von Rhein, Maas und Schelde hatte sich
dieses germanische Volk seine biologische Kraft
so vorbildlich und einzigartig erhalten, daß die
Niederlande nach Bulgarien in Europa den
größten Geburtenüberschuß aufweisen. Selbst-
genügsamkeit in diesem neben Belgien dichtest
besiedelten Landstrich Europas mit 273 Einwoh-
nern pro qkm wäre aus der Initiative des ein-
zelnen oder eines Standes — und wenn er auch
über ein Fünftel der Gesamtbevölkerung stellte
— nur auf Kosten des Kinderreichtums möglich
gewesen.
Die Niederlande sind ein Schulbeispiel dafür,
wie der Liberalismus einem besonders tüchtigen,
intelligenten und lebenskräftigen Volk auf der
Grundlage alten Wohlstandes unter dem An-
schein einer üppigen Blüte schwere wirtschaft-
liche Schäden beibringen konnte. Es ist im
Grunde auch wirtschaftlich ein Glück für die
Niederländer, daß mit dem Fünftagekrieg von
1940 der Eingriff so rechtzeitig vorgenommen
worden ist, daß Volkskörper und Wirtschafts-
körper noch nicht unheilbar krank sind und
noch die Möglichkeit besitzen, in organischer
Entwicklung aus eigener Kraft zur Gesundung
zu kommen.
WÉI
Einst als Teil des dbutschen Reiches hatten
die Friesen, Sachsen und Franken, die in den
niederen Landen ihre Heimat gefunden hatten,
ihre große gesamtvölkische Aufgabe, die in den
Zeiten der Hanse und der Ostkolonisation auch
bewußt empfunden wurde. Durch die Schuld
des Reiches; das die niederländischen Beschwö-
rungen, besonders kraß 1578 auf dem Reichstag
zu Worms, in den Wind schlug, haben sich die
Niederlande nach dem heldisch durchgefoch-
tenen 80jährigen Kriege gegen die spanisch-
katholische Fremdherrschaft zu einem selbstän-
digen Staat neben dem Reich entwickelt. Im
17. Jahrhundert, in dem „Goldenen Jahrhundert‘,
das auch die einmalige Blüte von Kunst und
Kultur brachte, schufen sie sich eine Kolonial-
macht, von der Staat und Volk im Grunde bis
jetzt gelebt hatten, wenn auch seit dem Anfang
des 19. Jahrhunderts auch in Niederländisch-
Indien die Krisenzeichen sich mehrten. Seit
jener einmaligen Großleistung des 16. und
17. Jahrhunderts war das Volk immer mehr
geschichtslos geworden. Es kannte keine Ver-
pflichtungen gegenüber einem größeren Ganzen.
Abseits von der politischen Geschichte Europas
129
durch Meer und Unwegsamkeit in Sumpf- oder
später Poldergebiet in seinem Hauptteil vor
ernsthaftem Kriegsgeschehen geschützt, hat es
ein Eigenleben geführt, konnte jedem wirk-
lichen Kampf ausweichen und bei hervorragen-
den Fähigkeiten zu technischer Lebensbeherr-
schung kaufmännisch und händlerisch eine
Idylle des Wohlstandes konservieren. Wie durch
Jahrhunderte der Generalgouverneur von Indien
den Titel „Oberkaufmann” führte und danach
im eigentlichen Sinne des Wortes „handelte“,
so lebten die Niederländer durch drei Jahrhun-
derte eigentlich nur vom Verwalten des Erbes
großer Vorfahren.
Geschäftsführer von hohem Rang in der Aus-
wertung des in die Häfen fließenden über-
seeischen Reichtums zeigten die Niederländer
in verhaltener, ruhiger Lebensführung bis zur
Gegenwart eine Fähigkeit zur Meisterung des
Lebens, die als Charakterkraft beweist, welche
- Anlagen und Leistungen in diesem Volk leben-
dig sind und fruchtbar gemacht werden können.
Doch es blieb Geschichte im kleinen, würdige
Gestaltung. des Alltags in möglichst idyllischer
Ruhe.
Die Kaufherren der Westprovinzen Nord- und
Südholland wurden mit ihrem Reichtum so weit-
gehend die Träger der Macht, daß man schließ-
lich von Holland sprach, obwohl das Herz der
Niederlande eigentlich in den Landprovinzen
von Groningen über Drenthe, Gelderland, Ut-
recht und Brabant (der Heimat Karls des Großen)
bis Limburg schlug. Der dort wohnende völkisch
außerordentlich wertvolle Teil konnte nicht zur
Führung kommen, sich den Holländern gegen-
über nicht recht durchsetzen, die ihr Wesens-
gesetz auf das ganze Land übertrugen. Das
hieß: Freiheit. Damit war jedoch nur die Pflege
der kleinsten Gemeinschaften gemeint. Das Prin-
zip dieser Gemeinschaften war, wie es der Lei-
dener Geschichtsphilosoph Prof. Dr. H. Kreckel
ausgedrückt hat, nur eine allgemeingültige
Form, in die sich die Flucht aus der tieferen
Verantwortung hüllte.
Zur kleinen Gemeinschaft gehören nach der
Darlegung Kreckels Eigentum und Familie, das
Erworbene, Wohlfahrt, Häuslichkeit, Gelehr-
samkeit, die Scheu, die feine Rücksicht und die
Pflege der Reinheit. Alles kostbare Werte an
sich. Doch die große Gemeinschaft quillt aus
dem Wissen um die Verantwortlichkeit, dient
einem das Ganze überragenden Ziel, erlebt die
Ehrfurcht in umfassender Schau. Wo die große
Gemeinschaft den Wurf wagt, ist die kleine nur
zum Schutz ihrer Angehörigen da und fordert
von dem Ganzen nur Rechte. In diese kleine
Gemeinschaft flüchtete der holländische Mensch
immer wieder zurück. Es war die Freiheit, sein
Sondergemeinwesen auf jeglichem Gebiet der
Lebensäußerungen zu erhalten. Jeder ließ jeden
gewähren. Und doch führte diese falsch ver-
standene Freiheit ohne höhere Bindung schließ-
130
lich zu einer freilich weithin noch nicht emp-
fundenen Unfreiheit.
Wie in der Politik daraus die Abhängigkeit
von den Westmächten erwuchs, so führte wirt-
schaftlich die ängstliche Sucht nach unveränder-
ter Erhaltung des ererbten Wohlstandes zur
Diktatur fremder Kapitalinteressen in der ge
samten Wirtschaft. Handel und Seeschiffahrt
waren von der Gnade der seebeherrschenden
fremden Mächte abhängig. Die Kolonien lie-
ferten längst nicht mehr ihren alten Ertrag. Die
Industrie, wie das ganze Land, dem seit derMitte
des 17. Jahrhunderts jeder Aderlaß erspart ge-
blieben war, gewohnt, mit angeborener Spar-
samkeit aus der Fülle zu wirtschaften, war nicht
auf heimische Rohstoffe aufgebaut, da Nieder-
land außer Kohle keine Bodenschätze besitzt.
So wurde in vielen Fällen nur eine Veredelung
eingeführter Waren zur Wiederausfuhr vor-
genommen —, eine solide und handwerklich
saubere Industrie, der im allgemeinen die Ra-
tionalisierung der Serienerzeugung z. B. fernlag.
Was blieb da der Landwirtschaft anderes
übrig, als Menschen zu exportieren oder Ver-
edelungswirtschaft zu betreiben. Die Nieder-
lande entwickelten als Glied des Weltmarktes
eine in ihrer Intensität und serienmäßigen Qua-
litätsproduktion bewundernswerte Landwirt-
schaft, die es selbst lange nicht empfand,
wie sie in der Zwangsjacke des Liberalismus ein
Opfer der Unfreiheit wurde. Bei einer Eigen-
produktion von 1,4 Millionen t Getreide und
Futtermittel wurde fast das Doppelte, 2,6 Mil-
lionen t, eingeführt, vor allem als Kraftfutter,
um bei der tierischen Veredelungsproduktion
wieder Ausfuhren zu erzielen. Gut 10 v.H. der
Fleischerzeugung, fast die Hälfte der Eier und
die Hälfte des Käses wurden ausgeführt; bei
Butter sogar mehr als die Hälfte, wobei jedoch
die doppelte Menge als Rohstoff für Speisefette,
Ole und Margarine wieder ins Land kam. Wer
kennt nicht die Edelerzeugnisse des niederlän-
dischen Gartenbaues, die Tomaten und das Ge-
müse, die Pflanzen und Blumenzwiebein? Das
sah in den ersten Jahren nach dem ersten Welt-
krieg sogar nach einer schönen Blüte aus. Es
war aber nur eine Konjunktur. Mit der Welt-
wirtschaftskrise ab 1930 ging es bergab. Da man
sich politisch im Schlepptau der Westmächte
befand und deshalb der Warenaustausch mit dem
neu erstehenden Reich nicht intensiviert wurde,
kam es schließlich so weit, daß man weithin für
die organisierte Vernichtung produzierte. Die
Maiereignisse des Jahres 1940 haben einen
schnellen, tiefgreifenden Wandel gebracht, der
sich allmählich immer schärfer auswirkt. Es
kommt nun darauf an, daß der Aufschwung
nicht wieder nur eine Konjunktur wird, sondern
eine grundsätzliche Wandlung im Gefüge und in
der Haltung des niederländischen Landvolkes
unter Erhaltung all der wertvollen menschlichen
und natürlichen Grundlagen des reichen schò-
nen Landes bringt.
—— 9°
— ———
Das Bevölkerungsproblem der Wirt-
schaftswende
Als im Mai 1940 der Führer den Befehl zur
Besetzung der Niederlande gab, ist er damit
gerade nicht der englischen Besetzung als Auf-
marschgebiet gegen das Ruhrrevier zuvorge-
kommen. Das Verhalten der landflüchtigen Re-
gierung hat bewiesen, daß sie bereit war, das
ahnungslose niederländische Volk auch noch.
Kriegsdienste gegen das Reich und damit gegen
Europa leisten zu lassen. Durch das schnelle
Zupacken ist den Niederlanden zugleich das
Schicksal eines ernsteren Kriegsschauplatzes
und die sonst unvermeidlichen größeren Blut-
opfer erspart worden. Was das bedeutet, be-
ginnen die einsichtigeren Niederländer erst jetzt
allmählich einzusehen. Außerhalb der Erneu-
erungsbewegung von Mussert, der National-
Sozialistischen Bewegung (NSB.), kann man
selbst heute noch finden, daß die bolsche-
wistische Gefahr mit der naiven Begründung,
daß man ja selbst vom Kommunismus noch
nichts erlebt habe, abgetan wird. Auch hier
scheint sich langsam angesichts der Ereignisse
im Osten und der spontanen Volkserhebungen
der Randvölker im Ostland, nicht zuletzt auch
auf Grund der Erfahrungen der niederländischen
Freiwilligen im Osteinsatz, eine Änderung an-
zubahnen.
Kündigt sich so sehr leise ein politischer
Wandel an, so ist er wirtschaftlich im Landvolk
schon mit recht weittragenden Ergebnissen
greifbar. Gerade bei der Fortschrittlichkeit und
Intensität haben die Maßnahmen, die sich aus
dem deutschen Einmarsch ergaben, die nieder-
ländische Landwirtschaft vor einer Katastrophe
bewahrt, die das Ende des noch aus der Ver-
gangenheit geretteten Wohlstandes des ganzen
Volkes hätte bringen müssen.
Bei 9 Millionen Einwohnern finden über
20 v.H. ihren Erwerb in Landwirtschaft und
Gartenbau. Es ist also nicht, wie man vielfach
annimmt, ein stark überwiegendes Agrarland.
Daß Handel und Verkehr mit fast 30 v.H. der
Bevölkerung besonders stark vertreten sind, er-
klärt sich aus der überragend verkehrsgünstigen
Lage am Rheindelta, ist aber auch eine Folge der
Ubervölkerung und des Versuchs, in der Aus-
wertung der hohen kaufmännischen Qualitäten
einen Ausweg zu finden.
Bei der engen Verflechtung auf knappem
Raum ist es ein hervorragendes Kennzeichen,
daß der Abstand zwischen Stadt und Land längst
nicht so groß ist wie sonst in Europa. Im Land-
schaftsbild wechseln wuchtige Bauernhöfe mit
breit verstreuten Dörfern und weit aufgelocker-
ten Städten, die nur in Amsterdam und Rotter-
dam und schon kaum in Den Haag im Kern
Großstadtcharakter annehmen. Man bewegt sich
durch eine einzigartige Kulturlandschaft, in der
nirgends die weitverteilte Besiedlung abreißt,
selbst kaum in den Sandheidestrichen des
Ostens. So ist der Städter unter idealen Wohn-
verhältnissen landverbunden geblieben. Er weiß
noch unmittelbar um die Arbeit des Landmannes
und hat in weit größerem Maße als sonstwo sein
Gärtchen. Das macht gerade heute die Ernäh-
rungsfrage in der Stadt um so vieles leichter
(allerdings auch den Schwarzhandell).
Andererseits ist der Landmann überall in der
Stadtnähe. Er kennt nicht die weiten und
schwierigen Wege des Absatzes und der Heran-
schaffung seines Bedarfes wie etwa der deutsche
Osten. Er hat auch sonst Anteil an der Zivilisa-
tion der Stadt. Viele Landprobleme des Reiches
gibt es also hier gar nicht.
Infolgedessen ist auch die Grenze zwischen
Stadt und Land labil. In vielen Fällen hängt es
von .der Konjunktur ab, ob der einzelne nun
seinen Haupterwerb auf dem Land oder in der
Stadt findet. Wenn bei der schan weitgehenden
Zersplitterung nach einem Todesfall die Ab-
findung der Erben in vielen Gegenden im Wege
der Realteilung dort nicht mehr erträglich er-
scheint, wird der Besitz Kapitalanlage und von
der Familie oder einem fremden Käufer verpach-
tet. Der Pächter aber hängt meist nicht am
Boden. Wenn er unter ungefähr gleichen Ver-
hältnissen einen anderen Betrieb bekommen
kann, ist er schnell zu einem Wechsel bereit.
Als Ergebnis dieser Entwicklung wird die Hälfte
aller Betriebe von Pächtern bewirtschaftet.
Neben dem vielen Klein- und Kleinstbesitz
fällt eine starke Ubersetzung des Nährstand-
gewerbes und der ungewöhnlich hohe Anteil des
Handels auf. Hierzu trägt bei, daß manch ein
Landwirt gleichzeitig Handel treibt oder neben-
her gewerblich, meist saisonmäßig, tätig ist, vor
allem aber sind die Verarbeitungs- und Ver-
wertungsbetriebe, gerade auch Bäcker und
Schlächter, zo zahlreich, daß sie bisher nur auf
der längst im Schwinden begriffenen ehemaligen
Wohlstandsgrundlage existenzfähig waren.
Kommt dazu noch bei der Bevölkerungsdichte
die Möglichkeit, leicht Arbeitskräfte zu bekom-
men, so war das die Grundlage für eine Inten-
sivierung, die in der Welt beispiellos ist. Je ha
werden bei Freilandgemüse 1 bis 17 Arbeits-
kräfte, bei Treibgemüse unter Glas 3 bis 4, bei
Schnittblumen bis 12 und bei Topfpflanzen bis
30 Arbeitskräfte beschäftigt. So hat die Uber-
völkerung von der Arbeitsseite her die Inten-
sivierung mit Qualitätsleistungen, auch in der
Viehzucht und Veredelungswirtschaft, die in der
Welt unerreicht sind, möglich gemacht. Um-
gekehrt war aber eine solche Arbeitsintensität
zur Uberdeckung der Ubervölkerung nur mög-
lich, solange diese Qualitätserzeugnisse auch
rentablen Absatz fanden.
Das war seit 1930 in steigendem Maße nicht
mehr der Fall. Bei der rein händlerischen Ein-
stellung der maßgebenden Stellen wußte man
; 131
sich da nicht anders zu helfen, als schließlich auf
Grund einer besonderen Krisengesetzgebung
unter Bezahlung dürftiger Mindestpreise an die
Erzeuger die unabsetzbaren Edelerzeugnisse zu
vernichten. Wie in Südamerika Getreide ver-
feuert und Kaffee ins Meer geschüttet wurde,
nur um zum Zwecke der Hebung der Preise das
Angebot zu verringern, so wurden hier Toma-
ten, Weintrauben, Zwiebeln und andere gute
Dinge gleich von der Veiling in die Kalkgrube
gefahren.
Auch in Industrie und Handel hatte die Uber-
völkerung bei der Abhängigkeit von der Willkür
des sogenannten Weltmarktes zu steigernder
Erwerbslosigkeit geführt. Bei der Landverbun-
denheit der Stadt schon etwas erträglicher
flossen die Mittel hierfür und für die Krisen-
gesetzgebung letzten Endes aus den Resten des
ererbten Wohlstandes der Gesamtwirtschaft.
Nur aus der noch von der Leistung der Vor-
fahren aus dem 17. Jahrhundert überkommenen
Fülle und der günstigen Verkehrslage als poli-
tischer Zuschauer am europäischen Tor zur Welt
war diese ganze wirtschaftliche Haltung des
Liberalismus erklärlich.
Da aber auch die Kolonien kapitalistisch er-
traglos wurden, zeichnete sich schon das Ende
des Wohlstandes und damit der Zusammenbruch
des ganzen Systems drohend am Horizont ab.
Voraussetzung der Gesundung
Wir wissen, daß der Mai 1940 den Wandel
gebracht hat. Es gibt heute schon längst keine
Absatzkrise mehr und auch keine Arbeitslosig-
keit. Das Reich würde auch eine vielfache
Qualitätserzeugung abnehmen. Es muß im Wege
der mit Erfolg eingeführten Selbstverwaltung
eher dafür gesorgt werden, daß die Preise nicht
überhöht werden.
So hat für die Landwirtschaft ein neuer, echter
Aufstieg eingesetzt, der zu einer schnellen Ent-
schuldung der Betriebe und durch Agrargesetze
nach deutschem Vorbild zur Sicherstellung auch
der Pächter geführt hat. Der Einsatz niederlän-
discher Arbeitskräfte im Reich hat dazu im Aus-
gleich zum Ruhen mancher Gewerbe, insbeson-
dere in den großen Uberseehäfen zunächst den
schlimmsten Druck des Uberangebots an Ar-
beitskräften genommen. Bei der Ubervölkerung
und der engen Verbundenheit zwischen Stadt
und Land ist damit der drohende Zusammen-
bruch des Gebäudes der niederländischen Volks-
wirtschaft abgewendet. Mit innerer Wandlung
und äußerer Umstellung der Landwirtschaft und
den entsprechenden Schlußfolgerungen in der
übrigen Wirtschaft, sowie mit einem positiven
schöpferischen Einsatz des wertvollen Bevölke-
rungsüberschusses werden darüber hinaus die
Voraussetzungen zu einem gesunden Aufbau der
Wirtschaft der Niederlande sich schaffen lassen.
Wer würde die Forderung aufstellen, daß sich
die Mark Brandenburg einschließlich Berlin
132
lediglich aus der eigenen landwirtschaftlichen
Erzeugung ernähren solle. Das ist aber der
ungefähr zutreffende Vergleich zu den Nieder-
- landen, die mit ihren 9 Millionen Menschen auf
35000 qkm, also 273 Einwohner je qkm, zu den
Gebieten mit der höchsten Bevölkerungsdichte
gehören. Ist auch die niederländische Land-
wirtschaft hoch intensiv, so waren doch früher
zur Lebensführung erhebliche Einfuhren erfor-
derlich. Bei der damaligen Einstellung auf dem
Weltmarkt waren zur Ermöglichung der Ausfuhr
der tierischen Veredelungsprodukte und der
Gartenbauerzeugnisse, durch die sich die nieder-
ländische Landwirtschaft ihren Weltruf geschaf-
. fen hat, so umfangreiche Einfuhren vor allem an
Getreide, Futtermitteln und Dlfrüchten notwen-
dig, daß unter Berücksichtigung der Nährwert-
verluste bei Verwertung durch die Tiermägen
rund ein Drittel der Bevölkerung seine Ernäh-
rungsbasis im Ausland hatte.
Drei Jahre nach der Einordnung des Staates
in die europäische Großraumwirtschaft ist das
Ergebnis festzustellen, daß die planmäßige Um-
stellung grundsätzlich die volle kriegsmäßige
Eigenversorgung der Niederlande und bei Auf-
rechterhaltung des Intensitätscharakters det
altbewährten Spezialerzeugung einen recht an-
sehnlichen Beitrag für die kontinentale Gemein-
schaft gebracht hat. Das ist unter den vielfachen
besonderen Schwierigkeiten des Krieges nur ein
vorläufiges Ergebnis. Bei entsprechender Fort-
entwicklung werden sich später unter normalen
Verhältnissen zur dauerhaften kontinentalen
Bodenständigkeit einer mustergültigen Intensiv-
wirtschaft wohl manche inneren Verschiebungen
ergeben; insgesamt wird aber die niederlän-
dische Leistung noch erheblich steigen.
Dieser Beitrag zur europäischen Erzeugungs-
schlacht ist das Verdienst der Leiter der Haupt-
abteilung Ernährung und Landwirtschaft beim
Reichskommissar für die besetzten niederlän-
dischen Gebiete, des inzwischen im Osten ge
fallenen mecklenburgischen Landesbauernfüh-
rers Graf Grothe und des Ministerialrates
von der Wense mit ihren Mitarbeitern. Sie
haben es verstanden, mit klarer und stetiger
Führung das niederländische Landvolk zur An-
eignung und Ausnutzung der bewährten Me-
thoden des Reichsnährstandes zu bringen. Die
Leistung selbst ist das Werk der niederlän-
dischen Bauern und der nach dem Vorbild des
Reichsnährstandes ausgebauten Wirtschaftsver-
bände und landwirtschaftlichen Verwaltung.
In der großen Linie läßt sich der erstaunlich
schnell und wirksam durchgeführte Wandel so
umreißen:
Um die nicht mehr mögliche Einfuhr von jähr-
| lich rund 3 Millionen t Getreide und Futtermittel
zu ersetzen, mußte die mehr als die Hälfte der
Nutzfläche umfassende Grünlandfläche ein-
geschränkt werden. Bis Frühjahr 1943 waren
über 200000 ha umgebrochen, ohne daß damit
die Entwicklung schon abgeschlossen ist. So
konnte u. a. die Brotgetreidefläche seit 1940 um
90000 ha und die Kartoffelfläche um 85000 ha
vergrößert werden.
Ein weiterer wesentlicher Ausgleich ergab
sich aus der Rückführung des Viehstapels auf
die wirtschaftseigene Grundlage. Der Bestand
von früher 33 Millionen Hühnern hatte mehr
Getreide erfordert, als für die Ernährung der gan-
zen Staatsbevölkerung erforderlich war, weil drei
Hühner mehr fressen als ein Mensch benötigt.
Der frühere Anfall von 2,6 Milliarden Eiern,
von denen 1 Milliarde ausgeführt wurde, war
kriegswirtschaftlich kein voller Gegenwert.
Daher ist der Bestand auf 3,7 Millionen ver-
ringert worden. Ähnlich ist bei dem nächst-
großen Getreidefresser, dem Schwein, das ja
ebenfalls meist in gewerblichen Betrieben ge-
halten wurde, der Bestand von 1,6 auf 0,5 Mil-
lionen herabgedrückt worden. Da von den auf
dem Veredelungswege über den Viehmagen
verwerteten, auch für den Menschen geeigneten
Nahrungsmitteln beim Huhn 90 v.H. beim
Schwein 70 v.H. verlorengehen, sind hier die
Bestände auf das mit absolutem Futter und Ab-
fällen durchzuhaltende Maß gebracht worden.
In gleicher Weise ist der hochwertige Rindvieh-
stapel mit 2,4 Millionen Tieren den gegebenen
Verhältnissen angepaßt.
Zum Ausgleich im Fetthaushalt ist der Ol-
fruchtanbau von 3000 auf über 50000 ha aus-
gedehnt worden. Dabei fallen neben 30 Mil-
lionen kg Fett noch 60 Millionen kg Olkuchen
als zusätzliches Kraftfutter an. Bei einer ge-
wissen Ausweitung des Zuckerrübenanbaues
hat außerdem die Gemüseanbaufläche eine Er-
weiterung um 30 v.H. erfahren. Schließlich ist
— um nur die wichtigsten Änderungen heraus-
zugreifen, die Anbaufläche für Saatgut und
Sämereien von 8100 auf 23400 ha gesteigert
worden, während der Blumenbau um die Hälfte
verringert worden ist,
Mit diesen Maßnahmen, zu denen noch u. a.
die verbesserte Verwertung der Nebenerzeug-
nisse, die Absatzorganisation und andere Aus-
hilfen der Wirtschaftsführung und Arbeitslen-
kung kommen, ist über die Eigenversorgung des
Landes hinaus auch die Kontinentalwirtschaft
unmittelbar und mittelbar gefördert worden.
Die Lebensmitteldecke des Landes ist knapp,
aber ausreichend.
Die Ubergangszeit nach dem Einmarsch im
Mai 1940 bis zum Beginn der Auswirkungen der
organisch erfolgten Eingliederung in die Er-
zeugungsschlacht haben die zum Teil großen,
im Lande lagernden Vorräte erleichtert, so daß
Lebensmittellieferungen nicht nötig waren. Es
konnten sogar zunächst in erheblichem Umfange
aus dem Abbau der Bestände und Vorräte Nah-
rungsmittel nach dem Reich geliefert werden.
Die Getreide- und Futterbilanz einschließlich
Hackfrüchte geht jetzt auf. Als Beitrag zur
europäischen Versorgung werden gegenwärtig
nach Angaben des niederländischen General-
direktors für die Ernährung, Ing. S. L. Louwes,
von der Gesamterzeugung geliefert: Etwa 10 v.H.
bei Käse, 20 v.H. bei Eiern, 25 v.H. bei Fleisch
und Hülsenfrüchten und noch mehr bei Gemüse.
Bei Fett war ein Drittel der alten Bestände aus-
geführt worden, in geringerem Maße auch noch
bis 1941 Butter. Im Zusammenhang mit der Um-
stellung der Erzeugung wird seitdem nur noch
technisches DI geliefert. Von besohderer Be-
deutung ist die umfangreiche Ausfuhr von Saat-
gut und Sämereien.
Dreierlei, was sich nicht in der Augenblicks-
wirkung berechnen läßt, ist aber noch als be-
sonderer Beitrag zur europäischen Erzeugungs-
schlacht zu verzeichnen.
Das ist neben der Lieferung von Saatgut die
Befruchtung der europäischen Viehwirtschaft
mit hochleistungsfähigem Zuchtvieh als Grund-
lage für die Leistungssteigerung vor allem der
europäischen Milchwirtschaft. Das ist weiter
die Fortsetzung der Landgewinnungsarbeiten,
besonders in der ehemaligen Zuidersee, und die
entsprechende schöpferische Arbeitsleistung
dieser unerreichten Künstler der Wasserwirt-
schaft in ganz Europa. Und schließlich wird
dafür gesorgt, daß nach dem Maße der anderweit
in Europa gegebenen Möglichkeiten, insbeson-
dere in späteren Friedenszeiten, die wertvollen
Grundlagen der hochintensiven Kulturen weiter
ausgewertet werden können.
Die Niederlande sollen ja nicht entgegen
ihrer Struktur über die Lieferung der Grundlagen
zur eigenen Ernährung hinaus zu einem Ge-
treidebaugebiet zurückentwickelt werden. Sie
sollen sich als Veredelungsland im europäischen
Kontinent voll auswirken können. So bleibt
alle Sorgfalt vor allem dem Viehstapel gewid-
met. Unter Beibehaltung der wertvollen Zucht-
viehbestände sind jetzt rund 30 v.H. des Rinder-
stapels abgebaut worden, um sich der natür-
lichen und bodenständigen Futterbasis anzupas-
sen. Bei Schweinen ist der Aufbau infolge Scho-
nung des hochwertigen Sauenbestandes jeder-
zeit leicht möglich. Ebenso sind bei Hühnern
die hochleistungsfähigen Stämme bei weiterer
scharfer Auslese beibehalten. Daß die Gemüse-
und Obstkulturen, vor allem die unter Glas ohne
weiteres zur vollen Ausnutzung dieses euro-
päischen Gartens ausgeweitet werden können,
ist klar. So bleibt durchaus die Basis gewahrt,
um so bald wie möglich über die heimische Er-
nährung hinaus nach Menge und Güte den künt-
tigen niederländischen Beitrag für den Kontinent
auf den denkbar höchsten Friedensstandard zu
bringen. In bodenständig umgestellter In-
tensivwirtschaft haben sich die Niederlande
ihren Platz in der europäischen Erzeugungs-
schlacht dieses Krieges und des kommenden
Friedens gesichert.
133
HEINRICH STRATHUS:
Der P fanobr ief im Agrarkredit
0
Ik einer Zeit, in der ein nennenswerter Kredit-
bedarf der Landwirtschaft nicht vorhanden ist,
sondern im Gegenteil die Tilgung vorhandener
Schulden zunimmt und gleichzeitig erhebliche
Geldguthaben in Gestalt von Spar- und Konto-
korrenteinlagen, Wertpapieren sowie von Ver-
sicherungsansprüchen angesammelt werden,
mag es manchem müßig erscheinen, die Frage
der Einschaltung des Pfandbrief-
kredits in das künftige Gesamt-
system des Agrarkredits zu unter-
suchen. Wer aber über die kriegsbedingten Er-
scheinungen der Erzeugung, der Substanzent-
wicklung und des Geld- und Kreditbereichs
hinaus sich den offenen Blick für die künftigen
Notwendigkeiten und Möglichkeiten landwirt-
schaftlicher Finanzierung bewahrt, wird eine
solche grundsätzliche Betrachtung keineswegs
für überflüssig halten. Die heutige Geld-
flüssigkeit in der Landwirtschaft
erklärt sich im wesentlichen aus der Unmög-
lichkeit, die erforderlichen Ergänzungs- und Er-
neuerungsanschaffungen vorzunehmen. Die Ver-
wendung des weitaus größten Teils der gegen-
wärtigen Geldüberschüsse der Landwirtschaft
ist nach dem Kriege vorausbestimmt für die
Nachholung von unterbliebenen Reparaturen,
Erneuerungen und Neuanschaffungen sowohl
im Betrieb als auch im Haushalt.
In welcher Höhe sich nach Kriegsende ein
Kreditbedarf der Landwirtschaft
herausstellen wird, läßt sich heute nicht über-
sehen und hängt von folgenden Faktoren ab:
1. von der Größe der dann vorhandenen
Geldüberschüsse im Verhältnis zur
Größe des gesamten Nachholungs- und Er-
gänzungsbedarfs, bzw. vom Umfang der
im Kriege erfolgten Schuldentilgung
im Verhältnis zur Neuverschuldung zwecks
Deckung dieses Bedarfs;
2. von der Größe der notwendigen Neu-
investitionen zwecks Leistungsstei-
gerung und der jeweiligen Möglichkeit
ihrer gütermäßigen Durchführung,
3. von den künftigen Realerträgen der
Landwirtschaft, d.b. dem Verhältnis der
134
Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse
zu den Preisen der landwirtschaftlichen
Bedarfsgüter und damit von der Möglich-
keit, Teile der Investitionen aus eigenen
Geldüberschüssen im Wege der Selbst-
finanzierung zu decken;
4 von der Zinsleistungsfähigkeit
der Landwirtschaft im Verhältnis zu den
künftigen Zinssätzen im Personal- und
Realkredit.
Alle diese Bedingungen lassen sich in ihren
Auswirkungen nicht abschätzen. Nur gewisse
Tendenzen heben sich schon jetzt heraus.
Es ist zum mindesten zweifelhaft, ob die Geld-
überschüsse bzw. der neugewonnene Verschul-
dungsspielraum ausreichen, um den vollen Aus-
gleich der Substanzverluste des Krieges herbei-
zuführen. Möglicherweise muß also später aus
laufenden Uberschüssen oder durch zusätzliche
Kreditaufnahme dieser volle Ausgleich ermög-
licht werden. Dies hängt von den allgemeinen
wirtschaftspolitischen Maßnahmen nach dem
Kriege zwecks Verringerung des volkswirt-
schaftlichen Kaufkraftüberschusses ab. Auf
jeden Fall wird die Notwendigkeit bestehen, das
Verhältnis der landwirtschaftlichen Erlöspreise
zu den Kostenpreisen zugunsten der Landwirt-
schaft zu verbessern, sei es durch Heraufsetzung
der ersteren oder durch Senkung der letzteren.
Damit würde auch sichergestellt werden, daß die
Landwirtschaft die Voraussetzung für ein gesun-
des Maß einer Selbstfinanzierung ihrer wich-
tigen Investitionen erhält.
Weiter kann es als sicher gelten, daß die
ungeheuren Aufgaben auf dem Gebiete landwirt-
schaftlicher Neuinvestition, wie das Aufbau-
programm „Aufrüstung des Dorfes“, Ver-
besserung des lebenden Inventars, des landwirt-
schaftlichen Wohnwesens, die Auflockerung der
Dorflagen, die Landeskulturarbeiten usw., für
die im Rahmen eines Zehnjahresprogramms
Kosten errechnet waren, die weit über 60 Mil-
liarden RM. hinausgehen, erst im Laufe der Zeit
mit einer normalen Quote durchführbar sein
werden, da die gütermäßigen Vorbedingungen
erst nach und nach geschaffen werden müssen.
Aber auch wenn man die güterwirtschaftlichen
Hemmungen der riesigen landwirtschaftlichen
Investitionsprogramme in Rechnung stellt, wird
der Kreditbedarf im Rahmen der praktischen
Durchführung groß sein und mit der Zeit
ständig anwachsen. Da viele dieser Pla-
nungen erst auf lange Sicht die beabsichtigte
Leistungssteigerung und den entsprechenden
Mehrerlös erwarten lassen, muß in der Haupt-
sache neben der Gewährung von Beihilfen, die
bei dieser Betrachtung außer Erwähnung bleiben
können, dafür echter unkündbarer Dauer-
kredit zur Verfügung stehen, wenn das erfor-
derliche Gleichgewicht zwischen Mehrerlös und
Mehrkosten gewahrt werden soll. Damit haben
wir den Standpunkt gewonnen, der für die
Beurteilung der künftigen Mitwirkung des
Pfandbriefkredits an der Erfüllung der
agrarkreditpolitischen Aufgaben entscheidend
ist. Es liegt im besonderen Wesen des Pfand-
briefkreditsystems, daß es sich nicht einfach
auf eine Kreditvermittlung beschränkt, sondern
daß es den aufgenommenen Kredit in für den
Schuldner zweckmäßiger Form umwandelt. Der
Gläubiger, also der Pfandbriefbesitzer, kann
seine Forderung gegen das Pfandbriefinstitut
nicht zurückziehen, kann aber seinen Anspruch
mit Hilfe eines bei uns in Deutschland be-
sonders gut funktionierenden Kapitalmarktes
jederzeit mobilisieren. Dem Hypothekenschuld-
ner erwächst daraus der Vorteil, daß der ihm
gewährte Kredit seitens des Darlehnsgebers
ohne jede Einschränkung unkünd-
bar ist, nicht nur praktisch sondern auch
rechtlich, und daß er es trotzdem nicht — wie
etwa im Verhältnis von Industriewerken zu
ihren Anleihegläubigern — mit einer Masse
anonymer Gläubiger zu tun hat, sondern mit
einem Pfandbriefinstitut, das die Erforder-
nisse, Sorgen und berechtigten
Wünsche der Schuldner kennt und
auf sie weitgehend Rücksicht nimmt und das
ein ausgesprochenes Vertrauensverhält-
nis zu den Darlehnsnehmern wahrt. Diese be-
sondere Konstruktion des Pfandbriefkredits bat
sich seit Friedrich dem Großen in einer nun
fast 200jährigen Geschichte bewährt und bietet
auch in Zukunft allein die Möglichkeit, unkünd-
bare Amortisationshypotheken in individueller
Form auszuleihen.
Dieser Tatbestand ist aber für die landwirt-
schaftliche Kreditversorgung von größter Be-
deutung. Denn gerade die Landwirtschaft benö-
tigt infolge ihrer langen Umschlagsfristen und
der Dauer des Zeitraums, in der sich zahlreiche
Investitionen über normale Abschreibungen in
den Erlösen der Produkte niederschlagen kön-
nen, des langfristigen Amortisationskredits. Sie
muß auf die absolute Unkündbarkeit und die
*
daraus resultierende langfristige Begren-
zung des Aufwandzinses nach oben
deshalb Wert legen. Diesen Notwendigkeiten
trägt aber der Pfandbriefkredit in besonders
hohem Maße Rechnung und gibt dabei trotzdem
die Gewähr, daß Senkungen des landesüblichen
Zinsniveaus im Wege der im Pfandbriefkredit
besonders erfolgreichen Zinskonversionen auch
in einer Ermäßigung der landwirtschaftlichen
Hypothekenzinssätze ihren Ausdruck finden.
So bietet also das Pfandbriefdarlehn Schutz vor
Kündigung zu unpassender Zeit, im Gegensatz
vor allem zur privaten Fälligkeitshypotkek, und
Schutz vor Zinssteigerungen in der ganzen Laut-
zeit bis zur völligen Abtilgung, bietet aber
gleichzeitig die Chance einer Zinsermäßigung.
Bei so langen Zeiträumen bis zu einem Men-
schenaller ist dies auch unter den gegenwärtigen
und künftigen Verhältnissen von großer prak-
tischer Bedeutung.
Man muß dabei allerdings in Zukunft die
Grenzen der Hypothekarkredit-
aufnahme in der Landwirtschaft
wesentlich strenger beachten, als
dies in der Vergangenheit geschehen ist. Dabei
sind drei Gruppen des Geldbedarfs zu unter-
scheiden. Eine Verlustfinanzierung
durch Kreditaufnahme, wie sie nach 1924 in
nicht unerheblichem Maße erfolgte, muß unbe-
dingt unterbleiben. Eine zusätzliche Verschul-
dung wird aber in der Regel auch überall dort
nicht in Frage kommen, wo der Verwendungs-
zweck des Kredits nicht eine ungefähr ent-
sprechende Ertragssteigerung gewährleistet,
durch die die Zinsdifferenz gedeckt wird. Das
wird vor allem bei den hochverschuldeten Be-
trieben, ob Erbhof oder nicht Erbhof, zu berück-
sichtigen sein, während in Grenzfällen bei
unverschuldeten oder gering verschuldeten Be-
trieben ein etwas weniger strenger Maßstab
angelegt werden könnte. Auf jeden Fall müssen
die Erbabfindungen künftig aus eigenen
Überschüssen durch Sparguthaben oder Ver-
sicherungen gedeckt werden. Aber auch für die
Durchführung etwa des Landarbeiter-
wohnungsbaus oder desjenigen Teils der
Aufgaben im Rahmen der Aufrüstung des
Dorfes, der keinen annähernden Mehrertrag
bringt, muß, soweit nicht aus volkswirtschaft-
lichen Gründen eine Beihilfengewährung er-
folgt, auf den Weg der Selbstfinan-
zierung verwiesen werden, wofür die erlös-
mäßigen Voraussetzungen zu gegebener Zeit
geschaffen werden müssen.
Für diejenigen Investitionen, die sich prak-
tisch in wenigen Jahren amortisieren, ist die
Inanspruchnahme mittelfristiger Per-
sonalkredite bis zu fünf bis sechs Jahren
Dauer unbedenklich, wobei allerdings in
135
manchen Fällen höhere Abzahlungsraten
zu empfehlen sind, da darin eine gewisse Kon-
trolle dafür liegt, daß für bestimmte Finan-
zierungen auch die zweckentsprechende Kredit-
form benutzt wird. In diese zweite Gruppe des
Geldbedarfs fallen vor allem die Anschaffungen
von Geräten, Maschinen, Einrichtungen usw.
Die dritte Gruppe umfaßt den echten un-
kündbaren Dauerkredit, der in langen
Zeiträumen amortisiert wird und dessen Ver-
wendungszweck z. B. in der Errichtung von
Wirtschaftsgebäuden, der Durchführung von
Meliorationen, des Aufbaus der Viehbestände,
der erfahrungsgemäß lange Zeit dauert, usw.
liegt. Bei genügender wirtschaftlicher Fun-
dierung ist selbstverständlich auch gegen die
Aufnahme von Hypothekarkredit zwecks Er-
richtung von Wohngebäuden ebensowenig
volks- und betriebswirtschaftlich etwas einzu-
wenden, wie dies z.B. gegen die Errichtung von
Eigenheimen in der übrigen Bevölkerung mög-
lich ist. In dieser Gruppe der langfristigen
Kreditaufnahme wird der Pfandbriefkredit in
Zukunft angesichts seiner natürlichen Vorzüge
eine wichtige Rolle zu spielen haben.
Wenn die obengenannten Grundsätze einer
künftigen Kreditaufnahme in der Landwirtschaft
gewahrt werden und man auf den Zusammen-
hang zwischen dem Kredit und seinem Verwen-
dungszweck und seiner wirtschaftlichen Unter-
lage einerseits und das Verhältnis zwischen
Zinsleistungsfähigkeit und Zinslast andererseits
streng achtet, dann kann die Aufnahme auch
von Pfandbriefkredit niemals zu ernsteren Span-
nungen führen. Dann ist die Wiederholung jener
Entwicklung nach 1924 unmöglich, in der 75 bis
80 v.H. der gesamten Aufnahme von langfristi-
gem Kredit entweder zur Verlustfinanzierung
oder zu Erbabfindungen oder zur Finanzierung
von Bodenerwerb (Restkaufgelder) Verwendung
gefunden haben. Zusammen mit der Stabilhal-
tung der Erlöse im Rahmen der landwirtschaft-
lichen Marktordnung wird durch zweckmäßigen
Einsatz der Kredite und Wahrung angemessener
Relationen zwischen Erlösbesserung und Zins-
last für den Gläubiger ein hohes Maß an
Sicherheit seiner Geldhergabe erreicht. Ange-
sichts der erheblichen Risikenstreuung Im Piand-
briefkredit werden diese Tatsachen auf die Be-
dingungen der Kreditbeschaffung über den
Ptandbrief nicht ohne günstige Auswirkungen
bleiben.
Dazu kommt, daß auch von der Seite der
Kapitalmarktpolitik der Pfandbriefkredit eine
wesentliche Stärkung erfahren hat und auch in
Zukunft erfahren wird. Eine straffe Kapi-
tallenkung wird unter allen Umständen
solche Schwankungen in den Pfandbriefkursen
136
daB Pfandbriefe
und damit auch in der Zinsbelastung der Land-
wirtschaft unmöglich machen, wie sie nach
1924 zunächst eintraten und wie sie sich teil-
weise auch in der großen Krise wiederholten.
Ein schrankenloser Wettbewerb um anlage
bereite Ersparnisse ist schon seit Jahren unter-
bunden, wobei das Instrument der offenen
Marktpolitik der Reichsbank zum Zwecke der
Stabilisierung des Kapitalmarktes bisher noch
kaum eingesetzt zu werden brauchte. Aber auch
in sich selbst hat das deutsche Pfandbriefkredit-
system in der Vergangenheit wesentliche
Voraussetzungen geschaffen, die seine hohe
Eignung auch im Agrarkredit sichern. Niemand
bestreitet heute, Was auch die Erfahrung immer
wieder gelehrt hat, daß unter allen Renten-
werten die Pfandbriefe ganz beson-
ders sorgfältig und dauerhaft bei
den Sparern untergebracht sind, daß
die Kurspflege der Pfandbriefinstitute vor-
bildlich ist und daß dadurch auch die Bedin-
gungen für möglichst billige Kreditver-
sorgung der Schuldner, also nicht zu-
letzt auch der Landwirtschaft, gegeben
sind. Zu den Daueranlegern von Pfandbriefen
gehört nicht zuletzt auch die Landwirtschaft
selbst — man denke nur an die Pfandbriefe der
Landschaften und anderer öffentlich-rechtlichen
Kreditinstitute in Norddeutschland und die der
Hypothekenbanken vor allem in Süddeutsch-
land.
Bei dem besonders guten Emissionskredit des
Pfandbriefsystems, der während des Krieges
stark geschont worden ist, unterliegt es keinem
Zweifel, daß Pfandbriefe nach dem Kriege zu
gleich günstigen Bedingungen wie z.B. die
gegenwärtig mit dem niedrigsten Nominalzins
ausgestatteten Reichsschatzanweisungen glatt
und dauerhaft untergebracht werden können.
Der gegenwärtige Zinsabstand von
%ProzentzwischenReichsanleihen
und Pfandbriefen, dessen relativ ver-
teuernde Wirkungen sich bei der Geringfügig-
keit des Beleihungsgeschäfts nicht nennenswert
bemerkbar machen, kann nach dem Kriege
um so eher verschwinden, als von einer
Konkurrenz zwischen Reichskredit und Pfand-
briefkredit im Zeichen staatlicher Kapital-
merktlenkung keine Rede mehr sein kann und
als im Rahmen der dringlichen volkswirtschaft-
lichen Finanzierungen die Durchsetzung des
jeweils billigsten Zinssatzes eine Selbstver-
ständlichkeit ist. Die Voraussetzungen dafür,
zum landesüblichen lang-
fristigen Zinssatz abzusetzen sind und dab
damit auch die Finanzierung der Landwirt-
schaft mit Pfandbriefhypotheken zu den gün-
stigsten Bedingungen erfolgen kann, werden
unbedingt gegeben sein.
KURT REINL:
Der bäuerliche Wesenskern
des germanischen Volkstums
Die in dem folgenden Aufsatz umriesenen Gedanken-
ginge wurden in einem in Vorbereitung befindlichen Buch
des Verfassers ‚Das Bauerntum im völkischen Umbruch“,
Keier C. Engelhardt, Berlin, näher ausgeführt und be-
gr et.
Fest alle groBen Umwälzungen der Geschichte
spielen sich auf dem Hintergrund rassen- `
seelischer Gegensätze ab, die nichts anderes be-
deuten als eine Auseinandersetzung verschie-
dener menschlicher Wesensrichtungen, die in
ein und demselben Raum um die Vorherrschaft
ringen. Auch das weltumspannende Geschehen,
dessen Zeugen wir sind, ist in seinem tiefsten
Grunde ein solcher Zusammenprall einander
entgegengesetzter Rassenseelen, nämlich — so-
weit es sich im europäischen Raum abspielt —
die endgültige Austragung des Zwie-
spalts, der seit Jahrhunderten zwi-
schen dem Germanentum einerseits
und jenem jüdisch-vorderasiatischen
Geist andererseits besteht, der erstmalig
über das Rom der Verfallszeit in den germani-
schen Lebensbereich einzudringen vermocht
hatte. Demgemäß verkörpern die beiden Kraft-
zentren, zwischen denen die Entscheidung fallen
wird, in Idee und Wille das Wesensabbild jener
Rasse, die jeweils als ihr Ausgangspunkt bzw.
Träger anzusehen ist: der Nationalsozialismus
als Erscheinungsform der deutschen Erneue-
rung das Idealbild eines geläuterten germa-
nischen Volkstums, der Bolschewismus dagegen
die unverhüllte Fratze des ewigen Juden, der
seit Jahrhunderten den germanischen Lebens-
bereich zu unterhöhlen versucht.
Daraus folgt, daß die Erkenntnis der
wesensmäßigen Grundlagen jenes
germanischen Volkstums eine notwen-
dige Voraussetzung für das Verständnis der sich
anbahnenden Entscheidungen und der Kraft-
linien ist, die sich in dem gewaltigen Ringen
unserer Tage kreuzen. Unter diesem Wesens-
kern verstehen wir die Summe aller jener Eigen-
schaften, die sowohl biologisch als auch geistig-
seelisch der Bestandserhaltung und Weiterent-
wicklung des nordischen Menschentums zu den
höchsten und leistungsfähigsten Formen dien-
lich sind; er bedeutet daher gleichzeitig den
Angelpunkt, von dem alle schöpferischen Kräfte
dieser Rasse ihren Ausgang nehmen und der
somit auch allein Träger einer Entwicklung sein
`
kann, die sich die Entfaltung aller dieser Kräfte
zum Ziele gesetzt hat.
Diesen Wesenskern nun finden wir, je mehr
wir die uns bekannten Eigenschaften der nor-
dischen Rasse auf ihren Ausgangspunkt zurück-
zuführen suchen, desto deutlicher in dem
eigenartigen Verhältnis des nor-
dischen Menschen zu Natur und Kos-
mos, in dem wir zugleich den Quell seiner
Kraft und das gestaltende Gesetz seines Wesens
zu erblicken haben. Niemand ist in seinem
Inneren stärker, dabei bewußter und in so aus-
gesprochen schöpferischer Weise mit Erde und
Weltall verbunden wie er. Im Gegensatz zu den
Menschen primitiverer Stufe — die entweder,
wie die sogenannten „Naturvölker“, mehr oder
weniger passiv in den Rahmen der Schöpfung
hineingestellt oder durch ihren nomadenhaften
Trieb in die Rolle des reinen, in seinem Wirken
letzten Endes unfruchtbaren Nutznießers ge-
wiesen sind — steht er zur Erde in einem Ver-
hältnis, in welchem Einordnung unter ihre Ge-
setze schöpferische Kraft bedeutet, weil sie
auf einer tieferen, geist-seelischen Ebene erfolgt,
die ihn näher an die Wurzeln allen Seins heran-
führt. Es ist die instinktiv erfühlte Ahnung einer
unendlichen göttlichen Kraft und eines gött-
lichen Ordnungswillens, der das Weltall durch-
dringt, was seinem Verhältnis zu diesem den
entscheidenden Inhalt und seinem Wesen die
grundsätzliche Richtung gibt. Er empfindet die
Unwandelbarkeit der Naturgesetze weder als
Fessel noch als unentrinnbares Fatum, dem man
sich willenlos zu fügen hat, sondern als den
Ausdruck einer höheren Ordnung, die
ihre gestaltende Macht bis tief in das Einzel-
leben hinein erstreckt, dabei aber niemals ent-
wicklungshemmend wirkt, sondern im Gegenteil
eine fruchtbare Entfaltung des Lebens überhaupt
erst ermöglicht. Ordnung als Grundlage und
Voraussetzung eines erhabenen Schöpfertums —
das ist der eigentliche Inhalt des Naturlebens
des nordischen Menschen. Dieses Erlebnis
schafft gleichsam die Brücke, über die ein Teil
dieses Schöpfertums auch in seine eigene Seele
überströmen und ihm biologisch wie geistig
unvergleichliche Antriebe verleihen kann.
Hier liegen unzweifelhaft die tiefsten Wurzeln
der einzigartigen Leistungskraft und Fruchtbar-
137
keit der nordischen Rasse — zugleich aber
auch die Grenzen beider, die in dem
Augenblick sichtbar werden, in dem sich dieses
sein Verhältnis zu Natur und Erde löst. Der
Primitive mag unberechenbare Erdgeister an-
beten oder sich aus den Geschöpfen seiner
Phantasie Fetische machen — der nordische
Mensch spürt hinter allem Erdhaften den großen
Atem eines unendlichen Gottes walten, und was
das Entscheidende ist: er fühlt, daß dieser Atem
auch sein eigenes Dasein mit belebender Kraft
durchdringt, solange er sich in die Ordnung der
Schöpfung fügt. Der „Naturmensch“ bevölkert
die Erde mit Göttern, dem nordischen Menschen
dagegen ist die Erde selbst ein Teil Gottes, er
ist Pantheist in dem Sinne, daß ihm alles
Irdische von dem Geist, den wir „Gott“ nennen,
beseelt erscheint. Und, was wiederum wesent-
lich ist: er fühlt sich in dieser Weise durchaus
als zur Natur, zur Erde — und damit zu Gott! —
gehörig, eins mit ihr und ihrer Ordnung aus
voller innerer Bejahung heraus untertan.
Von diesem Wesenskern aus sind ohne
Schwierigkeiten die markantesten Eigenschaften
abzuleiten, aus denen sich das Charakterbild des
germanischen Menschen zusammensetzt. Das
gilt vor allem für zwei typische Merkmale, die
von größter Bedeutung für die Entwicklung und
das Schicksal aller nordischen Völker waren
und in alle Zukunft sein werden: eine tiefe,
gläubige Lebensbejahung und ein
klarer Sinn für Ordnung als Voraus-
setzung allen schöpferischen Wir-
kens. Die enge Naturverbundenheit des
germanischen Menschen läßt ihn das Leben als
das erkennen, was es ist, nämlich als das größte
Wunder der Schöpfung, dem zu dienen den Sinn
des eigenen Daseins erfüllen heißt. Aus dieser
Erkenntnis entspringt eine unbedingte Be-
jahung des Lebens in allen seinen Erscheinun-
gen, gleichzeitig aber auch jene Ehrfurcht vor
ihm, die allezeit das Kennzeichen germanischen
Wesens war. In der lebendigen Kreatur offen-
bart sich dem Germanen jederzeit die Gegen-
wart Gottes auf Erden, sie ist ihm die
Verkörperung des unablässig schöpferischen
Willens des Allmächtigen, der kein Beharren
kennt, sondern nach stetiger Entwicklung.
ewiger Verjüngung des Geschaffenen drängt.
Diesen Kreislauf aufrechtzuerhalten, bedeutet
ihm daher „Gottesdienst“ schlechthin. Er sieht
darin die tiefste Rechtfertigung seines Daseins,
die diesem eine Aufgabe und Verantwortung
überträgt, die schwer genug wiegt, um es mit
einer bestimmten Größe, ja Weihe, zu erfüllen.
Diese zutiefst im religiösen Empfinden wur-
zelnde Lebensbejahung hat nichts mit „Primi-
tivität“ zu tun, sondern ist vielmehr Ausfluß
einer viel tieferen und reineren Schau der
irdischen Dinge, als sie unserer „modernen“
Zeit eigen war, die den Sinn des Daseins vor-
wiegend in Zusammenhang mit dem Glücks-
streben des einzelnen brachte. Daß eine Auf-
fassung wie die letztgenannte gegenüber der
138
dem nordischen Menschen eigentümlichen als
unorganisch und lebensfremd erscheint, bedarf
keiner weiteren Erläuterung. Die Natur erkennt
dem individuellen Glücksbedürfnis nirgends den
Vorrang vor den Lebensinteressen der Gattung
zu. Ihr Ziel ist und bleibt vielmehr in erster
Linie die Erhaltung der Art, und sie läßt
keinen Zweifel darüber, daß ihr das Einzelleben
nur von diesem Gesichtspunkt her wesentlich
erscheint. Der nordische Mensch entkleidet
diese Tatsache ihrer scheinbaren Primitivität,
indem er den höheren, göttlichen Willen er-
kennt, der sich dahinter birgt. Wenn Gott im
Lebendigen allgegenwärtig auf Erden ist, dann
bedeutet Pflege und Weitergabe des Lebens
Fortzeugung des Göttlichen selbst, einen Bei-
trag zur „Unsterblichkeit“ Gottes, Bannung
seiner Majestät in den Kreis des Irdischen —
also „Gottesdienst“ von einer unmittelbaren
Kraft und Wirksamkeit, der gegenüber alle
kirchlichen Riten als blutleer und wirklichkeits-
fremd erscheinen müssen. So tritt im Bereich
der germanischen Seele immer wieder die Vor-
stellung zutage, daß Gott irgendwie des Men-
schen bedarf, um im irdischen Umkreis Gott
zu sein.
Es wirkt daher wie der Vollzug eines unent-
rinnbaren Gesetzes rassenseelischer Bindung,
daß der Edelste aller deutschen Christen,
Meister Eckehard, in seinem Suchen nach
einem deutschen Glaubensinhalt im römischen
Dogmengerüst zuletzt zu seinem gewaltigen
Bekenntnis von der verborgensten Einheit von
Gott und Mensch kommen mußte — zu der
Lehre, daß Gott den Menschen braucht, um sich
in ihm in seiner ganzen Herrlichkeit offenbaren
zu können. Eckehard lag naturgemäß das bio-
logische Denken, wie es uns heute geläufig ist,
fern, und er konnte seine Erkenntnisse nur in
das Gewand der Vorstellungen seiner Zeit
kleiden; was ihnen aber unzweifelhaft zugrunde
liegt, ist jenes urnordische Wissen vom gött-
lichen Wesenskern alles Lebendigen — das
übrigens im denkbar krassesten Gegensatz zu
der jüdischen Lehre des Alten Testaments steht,
wonach alles Leben von Natur aus sündhaft
sei — und von der daraus entspringenden Ver-
pflichtung, es zu erhalten, um Gott auf Erden
nicht „sterben“ zu lassen.
Eine solche positive Einstellung gegenüber
dem Leben führt von selbst zu einer ebenso
unbedingten Bejahung von Kampf und
Arbeit als den beiden Elementen, von denen
es getragen wird. Kampf und Arbeit sind seit
Urzeiten die beiden Grundpfeiler jener natür-
lichen Auslese, die die Voraussetzung für jede
höhere Entwicklung war und immer bleiben
wird. Durch sie allein hat sich das Leben zu
seinen heutigen Formen emporgezüchtet, und
sie sind es auch, die es in Zukunft vor Erstar-
rung oder Erschlaffung bewahren. Wenn irgend-
wo, dann muß sich daher die Eigenart des nor-
dischen Menschen in seiner Einstellung ihnen
gegenüber offenbaren. Dem Germanen ist der
Kampf der natürliche Ausfluß desvon
Gott in das Leben gelegten Gesetzes,
daß es sich in steter Bewährung gegenüber einer
feindlichen Umwelt erhalten muß, um seine
Daseinsberechtigung immer aufs neue zu er-
proben. Er kann sich daher nicht zur Natur und
ihrer Ordnung bekennen, ohne auch den Kampf
in der gleichen Weise zu bejahen. Die Natur
will, daß sich jedes Lebewesen selbst verteidigt
und in stetem Messen mit der Umwelt seine
Kräfte entfaltet. Darum greift auch der Germane
jederzeit zum Schwert, wenn es das Leben oder
dessen hohe Güter zu verteidigen gilt. Damit
erhält sein Kampferleben einen ganz bestimm-
ten Sinn, durch den es von vornherein auf eine
höhere sittliche Ebene gehoben wird. Gerade
das aber macht den Menschen nordischen
Blutes zu dem harten, unbeugsamen Kämpfer, als
der er sich in diesem Kriege wieder so über-
zeugend bewährt; denn wer im Kampfe einen
tiefen, ja gottgewollten Sinn erblicken kann, der
weiß anders zu fechten als der, der in ihm nur
die Befriedigung eigener Lüste sucht.
Dieses nordische Kämpfertum hat höchste, für
alle Zukunft bindende, formende Kraft in dem
Erleben des gewaltigen europäischen Freiheits-
kampfes gegen die von Ost und West andrän-
genden Mächte der Zerstörung erlangt. Das
künftige Bild des Deutschen wird wesentlich
durch den Soldaten dieses Krieges bestimmt
werden, der in langen, harten Jahren alle
Schlacken abgestreift und aus den tiefsten Quel-
len seines germänischen Wesens die Kraft zu
kämpferischen Leistungen geschöpft hat, die In
der Geschichte ohne Beispiel sind.
Aus ganz ähnlichen Quellen wird auch die
Einstellung des nordischen Menschen zur Arbeit
gespeist. Arbeitistihm die lebenerhal-
tende Macht, die in besonderem Maß der
Entfaltung aller schöpferischen Kräfte der Rasse
dient. Bedeutet Kampf die Verteidigung des
Lebens, so erfüllt es die Arbeit mit jenem posi-
tiven Inhalt, der ihm im Rahmen einer höheren
Weltordnung seine Rechtfertigung verleiht.
Denn diese Ordnung ist erfüllt von schöpfe-
rischem Willen, ihr Zweck ist, Schoß eines
unablässigen Werdens und Neuschaffens zu
sein, das die Welt von Stufe zu Stufe einer nie
endenden Fortentwicklung führt. Die Arbeit be-
deutet den Vollzug dieses Willens im
Bereich des Menschlichen. Sie ist die
Gabe, die den Menschen — als einzigen unter
allen Lebewesen! — selbst schöpferisch macht
und ihn damit in gewissem Sinne der Gottheit
an die Seite stellt. So wenigstens empfindet sie
der Mensch nordischen Blutes — nicht als den
Fluch, als der sie dem Hebräer erschienen ist,
oder als bescheidenes Mittel zur Fristung eines
mehr oder weniger kümmerlichen Daseins, wie
sie uns bei den primitiven Völkern entgegen-
tritt. Sie ist ihm gleichsam die Bestätigung seiner
eigenen schöpferischen Kraft, damit letzte
Rechtfertigung seines Daseins vom Gesichts-
punkt einer höheren Ordnung aus und wesent-
licher Inhalt seines Lebens, der dieses erst
wahrhaft lebenswert macht. Darum ist der
Deutsche wie der beste Soldat so auch der beste
Arbeiter der Welt, dessen Erzeugnisse uner-
reicht und dessen Leistungen als Bahnbrecher
des menschlichen Fortschritts ohne Beispiel sind.
Hat sich so die nordische Lebensbejahung als
Ausgangspunkt einer Reihe entscheidender
Wesenszüge des germanischen Menschen er-
wiesen, so gilt Ähnliches auch für seinen Sinn
für eine feste Ordnung in allen Dingen
in und über der Welt. Auch dieser Sinn
hat seinen Ursprung in dem erwähnten zentralen
Angelpunkt des nordischen Wesens, d. h. in
seiner seelischen Aufgeschlossenheit gegenüber
dem kosmischen Geschehen. Der Germane ist
zutiefst von dem Glauben an eine unerschütter-
liche Ordnung durchdrungen, die das gesamte
All beherrscht. Der von ihm frühzeitig erforschte
Lauf der Gestirne, der ihm ebenfalls zuinnerst
vertraute, Jahr für Jahr wiederkehrende Kreis-
lauf alles Lebendigen in der Natur, all das lehrt
ihn erkennen, wie sehr das ganze Weltall einer
unwandelbaren Gesetzmäßigkeit unterworfen
ist, in deren Schoß sich der schöpferische Wille
vollzieht. Mit ehrfürchtigem Schauer hat der
nordische Mensch immer wieder die Allmacht
und Größe dieser Ordnung empfunden, aus ihr
hat sich sein Weltbild entwickelt, und sie hat
schließlich sein eigenes Wesen so geprägt, daß
er fortan zum stärksten Träger des
Ordnungsgedankens in der Welt ge-
worden ist. S
Demgemäß ist das nordische Wesen, wo es
unverfälscht zutage tritt, durch eine innere
Zucht gekennzeichnet, die in engstem Zusam-
menhang mit der Entfaltung seiner schöpfe-
rischen Kräfte steht. Diese Zucht beherrscht nicht
nur die germanischen Vorstellungen vom
menschlichen Zusammenleben, sie äußert sich
nicht minder auch in seinem künstlerischen
Schaffen und in den sittlichen Grundlagen seines
Rechtsempfindens, vor allem aber ist sie die
Voraussetzung für seine hohe staatsmän-
nischeBegabungundraumgestaltende
Kraft, die sich im Laufe der Geschichte so oft
in einzigartiger Weise bewährt hat. Das nor-
dische Schöpfertum wäre undenkbar ohne seine
gleichzeitige Verbindung mit einem solchen
ordnenden Geist, wie ja große schöpferische
Leistungen überhaupt nur innerhalb der Grenzen
einer strengen Gesetzmäßigkeit möglich sind.
Daß die nordische Rasse beides in so starkem
Maße in sich vereint, hat sie zu der leistungs-
fähigsten Rasse der Erde gemacht, deren Auf-
treten überall so fruchtbar im Sinne der Schaf-
fung positiver Werte, d.h. der Begründung neuer
oder Neubelebung bereits vorhandener Kulturen
gewesen ist,
Von dieser Eigenart des nordischen Wesens
führen mannigfaltige Ausstrahlungen bis in die
139
einzelnen Verzweigungen seines Charakter-
bildes. So entspringt ihr vor allem eine aus-
geprägte Bodenverbundenheit, die die
Grundlage für eine echte Seßhaftigkeit und
den Ausgangspunkt für eine ebenso stark ent-
wickelte Heimatliebe bildet. Wie stark die
nordische Rasse in ihrem Heimatboden wurzelt,
dafür liefert uns die Geschichte hundertfältige
Beispiele, die uns berechtigen, darin eine ihrer
hervorstechendsten Eigenschaften zu erblicken.
Tatsächlich kommt der Deutsche nie ganz von
einem innerlichen „Verhaftetsein“ im Boden los.
Wo sich diese Bindung dennoch löst, dort gibt
er damit die biologischen wie geist-seelischen
Grundlagen seines Daseins preis. Die Folgen, die
die Verstädterung als gewaltigster Entwurze-
lungsprozeß aller Zeiten für die Substanz unseres
Volkes nach sich gezogen hat, sprechen in
dieser Hinsicht eine unzweideutige Sprache.
Derselbe feine Sinn für die kosmische Ver-
flechtung allen irdischen Geschehens hat im
Bereich der nordischen Seele auch den Begriff
desSchicksals zu jener dramatischen Größe
heranreifen lassen, der für die nordischen
Heldengestalten typisch ist. Ein solches Schick-
sal drückt selbst in seiner tiefsten Tragik den
Menschen nicht zu Boden oder macht ihn, wie
den Fatalisten, zum willenlosen Werkzeug einer
unverstandenen Macht, sondern hebt ihn über
„ sich selbst hinaus in eine höhere Ebene des
Geschehens, zu deren Blutzeugen es ihn gleich-
sam erkürt. Gleichem Grund entstammt auch der
dem nordischen Menschen wie keinem anderen
eigene Sinn für menschliche Größe, die
ja immer nur in Beziehung zu dem Einzelwesen
übergeordneten Werten denkbar ist und somit
die Anerkennung einer höheren Ordnung der
Dinge zur Voraussetzung hat. Weitere als
typisch germanisch angesprochene Eigenschaf-
ten, die in diesem Zusammenhang zu nennen
sind, sind Ehrgefühl und Treue. Nichts
galt bei den Germanen als schimpflicher als
eine „Meintat“, denn sie wurde als ein An-
schlag gegen die Grundfesten der menschlichen
und göttlichen Ordnung empfunden, und der
Germane erkannte instinktiv, daß das eine ent-
scheidende Bedrohung der Grundlagen seines
gesamten Seins bedeutete. Daher wurde der
Täter selbst außerhalb jeder Ordnung gestellt
und als gefährlicher Schädling gnadenlos
vertilgt.
Aus demselben Grunde entsprang auch die
Entwicklung des germanischen Frei-
heitsbegriffes, der mit Zügellosigkeit nie-
mals etwas gemein hatte, sondern sich im
Gegenteil stets als festes Bollwerk gegen alle
anarchistischen Strömungen erwiesen hat. Wenn
Kant vom „Kategorischen Imperativ” spricht
yd damit das sittliche Grundgesetz des nor-
ischen Menschen meint, so bedeutet das eine
Anerkennung der Selbstzucht als allen anderen
Systemen mindestens ebenbürtiger, ja über-
legener Träger menschlicher Gesittung; eine
140
solche Kraft kann sie aber nur besitzen, wenn
sie so tief in der Weltanschauung tnd in der
seelischen Eigenart der Rasse wurzelt, wie das
beim nordischen Menschen der Fall ist. Der
trotzige Germane, der sich gegen jeden äußeren
Zwang aufbäumte, beugte sich ebenso selbst-
verständlich dem Gesetz in seiner eigenen
Brust, das in jahrhundertealter Uberlieferung
Gestalt gewonnen hatte, weil er als freie, keiner
„Weltangst” unterworfene Persönlichkeit zum
Bewußtsein seiner eigenen Verantwortung
gegenüber dem Hüter des Alls gekommen war
und darum die sittliche Kraft besaß, sich selbst
Gesetze zu geben und sein Leben daran zu
binden. Treue, Ehre, Pilichtgefühl, alle die viel-
gerühmten Tugenden der germanischen Völker,
sind also letzten Endes nichts als Ausstrahlun-
gen jener inneren Zucht, die das nordische
Wesen so sehr beherrscht.
So hat sich uns von jenem Kernpunkt aus, den
wir als entscheidend für die Ausprägung der
nordisch- germanischen Rassenseele erkannt
haben, ein umfassendes Bild eines Menschen-
tums enthüllt, das alle wesentlichen Merkmale
germanischen Volkstums in sich vereinigt und
gleichzeitig vollauf geeignet erscheint, Träger
künftiger schöpferischer Entwicklungen zu sein.
Indes ist uns noch eine letzte Aufgabe vor-
behalten, deren Lösung in gewissem Sinne
Voraussetzung für seine Wirksamkeit als ge-
staltende Macht in der vor unseren Augen
abrollenden weltgeschichtlichen Auseinander-
setzung ist. Denn wenn wir feststellen, daß der
eigentliche Kern des nordisch-germanischen
Wesens in seiner „kosmischen Aufgeschlossen-
heit“ liegt, so ist damit zwar die erkenntnis-
mäßige Grundlage, aber noch nicht die
eigentlich brauchbare Formel für ihren prak-
tischen Einsatz im Ringen der Völkerseelen
gefunden. Sie ist zu abstrakt, umin das völkische
Dasein, das stets real und lebensnahe ist, ent-
scheidend eingreifen zu können. Wir müssen
daher versuchen, diesem Wesenskern eine Deu-
tung zu geben, die es möglich macht, ihn in die
uns allen geläufigen tatsächlichen Erscheinungs-
formen des völkischen Lebens einzuordnen, oder
mit anderen Worten gesagt: den bloßen Be-
griff zum lebendigen Vorbild weiter-
entwickeln, das einerseits den Begriff voll aus-
schöpft, gleichzeitig aber gleichsam als Wesen
von „Fleisch und Blut‘ im völkischen Bewußt-
sein Leben gewinnen und richtungweisend
wirken kann.
Dieses Vorbild zu finden, kann nach all dem
Gesagten keine Schwierigkeiten bereiten. Wie
anders können wir ein Wesen, das der Natur,
der Erde, der kosmischen Ordnung — und ihrem
Schöpfer! — so nahe steht wie das germanische,
nennen als — bäuerlich? Das setzt allerdings
voraus, daß wir diesen Begriff nicht in ständische
Schranken einengen, die seinem Wesen oft
alles eher als gerecht werden und darum neue
—
| TO H
j bi HI |
| . agg
S
D
) * Ze $ 7 6 f
OI Au iech 75 J5 auerntum,
auf Yirposten
—
— — K | rn — —
deggun nene:
Das Städtchen Stannern, der Geburtsort von Reichsminister Seiß-Inquart
Die Iglau, das Igelland, bildet den südlichen
Pfeiler der böhmisch- mährischen deutschen Sied-
lungsbrücke und wurde gegen Ende des 12. Jahr-
hunderts von deutschen Bauern besiedelt, deren
charakteristische Siedlungsformen noch heute
dem Lande das Gepräge einer deutschen Kultur-
landschaft geben. Ihre Nachfahren haben trotz
eines wechselvollen Schicksals deutsche Bauer:
art treu bewahrt, wie auch die Bilder dieser Bei-
lage (Seite 1—4) bezeugen. Dessen dürfen sich
auch die Bauern der Wischau, der im mittleren
Mähren in der fruchtbaren Hanna gelegenen
deutschen Volksinsel, rühmen (Seite 5—8). —
In der Iglau herrscht das mitteldeutsche Wohn-
stallhaus vor (Seite 1). Hier ist wie in der
Wischau noch die alte farbenfreudige Tracht
lebendig. So zeigt das Bild links eine Bäuerin
aus Deutsch-Gießhübel bei Iglau in Festtracht
Bäuerin aus Deutsch-Gießhübel beim Brotbacken
Der Sonntagskuchen ist fertig
Braut im weißen „Kitterl” mit
Spitzenkrause und Puffärmeln, dar-
über das mit bunten Blumen bestickte
„Leiberl”, vorn durch ein breites
rotes Band, das „Hinundwieder”, zu-
zusammengehalten, dazu die silber-
glitzernde Krone
Mit Arbeitsmaiden in froher Runde
*
Blick in eine charakteristische Bauernstube in Rosternitz
Deutsche Bauernhäuser aus der Wischau mit dem eigenartigen Sölder
Beim Mittagsmahl in der Wohnküche
2
E ; ji *
d'KZ j
7 * 2
<
=
Die Dorfstraße von Swanowitz
in der Wischau
a CRI Së u
Weg, n
Fe
—
Be
Ù
©
2
un
o
8
—
A
—
z
g
"CO
8
—4
E
—
©
—
Wel
m
Beim Ringelreihen unter Obhut einer Arbeitsmaid
D
D
Bauernbraut mit Kranzeljungfern und Bittfrau
Verwirrung in die eben gewonnene Klarheit
bringen könnten. „Bäuerlich” muß hier als
ein menschlicher, vorwiegend geist-
seelischer Erscheinungstyp, nicht als
mehr oder weniger äußerliches Kennzeichen
eines Berufes verstanden werden. Aber auch so
bleibt der Begriff real und lebensnahe genug,
um die oben gestellten Anforderungen zu er-
füllen; denn der deutsche Bauer ist uns seit
langem über das rein Wirtschaftliche hinaus
zum Inbegriffeinerbestimmten, geist-
seelischen Verfassung, einer ein-
deutig umrissenen menschlichen Hal-
tung geworden, so daß wir nur das Äußerliche
abzustreifen brauchen, um ein abgerundetes Bild
von typischer Geschlossenheit vor uns zu sehen.
Dieses Bild enthält in gleich klarer Ausprägung
alle die Eigenschaften, die wir zunächst rein
gedanklich aus dem Kern des germanischen
Wesens abgeleitet haben: Lebensbejahung und
Sinn für eine über dem Leben stehende Ordnung
als unerläßliche Voraussetzung für dessen Ge-
deihen; Bejahung des Kampfes und der Arbeit
als Inhalt des Lebens, Erkenntnis des Schicksal-
haften im Lebensablauf ohne schwächliches Re-
signieren; Zucht und Kraft überlieferter Sitte,
Bodenverbundenheit und Liebe zur Heimat als
Ausdruck einer tiefen Verwurzelung des Wesens
in Natur und Erde, schließlich Pflichtgefühl,
Ehre und Treue als Tugenden, die gerade dem
germanischen Freibauerntum stets in beson-
derem Maße eigen waren. So vermag dieser
deutsche Bauer tatsächlich als lebendige Ver-
körperung jenes germanischen Wesens zu gel-
ten, dessen Eigenart uns von seinem welt-
anschaulichen Ausgangspunkt her offenbar ge-
worden ist.
Darin ist mehr zu sehen als ein auf mehr oder
weniger zufälliger Übereinstimmung einzelner
Merkmale beruhender Vergleich. Tatsächlich
liegt darin der Ausdruck einer Wesens-
gleichheit, die dem tiefsten nur möglichen
Quell entspringt, nämlich dem bäuerlichen
Ursprung und Artbild der nordischen
Rasse. Es kann nach allem, was wir über
Eigehart und Daseinsform der nordischen Völker
wissen, nicht zweifelhaft sein, daß wir in ihnen
seit Urzeiten echte „Bauernvölker“ zu erblicken
haben, und zwar in einem viel tieferen Sinne,
als sich aus der bloßen Tatsache ihrer ursprüng-
lich überwiegend land wirtschaftlichen Lebens-
grundlage ergibt. Recht, Kultur und Sitte eines
Volkes pflegen ein eindeutiger Spiegel seiner
Seele zu sein. Wenn sie auch in ihren Einzel-
heiten vielfach von den wirtschaftlichen
Existenzbedingungen beeinflußt werden, so wird
ihre grundsätzliche Richtung doch nicht so sehr
von diesen als vom Volkscharakter her be-
stimmt. Das gilt besonders für das Recht, das
sich zwar vielleicht am stärksten den Bedürf-
nissen des täglichen Lebens anzupassen pflegt,
aber gerade in der Art, wie es das tut, grund-
legende Unterschiede zwischen den Völkern
erkennen läßt. So hat z.B. auch das späte Rom
in den weiten Grenzen seines Reiches nicht
weniger Ackerbau betrieben als die Germanen,
und umgekehrt sind auch bei diesen ausgedehn-
teste Handelsbeziehungen, selbst mit weit ent-
fernten Ländern, nachgewiesen. Dennoch ver-
körpern das germanische und das römische
Recht zwei Welten, die miteinander kaum mehr
etwas Gemeinsames haben: nämlich die Welt
des bodengebundenen Bauern und die eines
liberalistischen Händlertums, das jede Bindung
an dem Individuum übergeordnete Werte nur
als lästige Hemmnisse in seinem Profitstreben
empfindet. Gleiches gilt auch für Kultur und
Sitte beider Völker: Beides weist in Germanien
unverkennbar auf eine bäuerliche Lebens-
auffassung und auf ein ausgesprochen bäuer-
liches Lebensgefühl hin, das in scharfem
Gegensatz zu der reinen Stadtkultur Roms steht,
dessen sittlicher Verfall nur zu deutlich den
Stempel einer völligen inneren Entwurzelung
des Einzelwesens trägt. So zeigt sich uns das
seelische Bild des Germanen als das eines
echten, in all seinen Lebensäußerungen als sol-
chen gekennzeichneten „Bauern“, dessen Rolle
als Bluts- und Kulturträger mindestens eben-
bürtig neben seiner wirtschaftlichen Leistung
steht und sein Wesen viel stärker bestimmt hat
als diese. Diese verschiedene Wesensfärbung,
die uns hier bei den Germanen und im späten
Rom entgegentritt, lehrt uns in eindrucksvoller
Weise, wie tief sich bäuerliche bzw. unbäuer-
liche Art in die Seele eines Volkes einzuprägen
vermag, wie sehr wir also mit dem „Bauern-
tum” als einer typenbildenden Macht
zurechnenhaben, wenn wir eine Charakte-
risierung der geist-seelischen Eigenart der
Völker versuchen wollen.
Dabei müssen wir uns allerdings darüber klar
sein, daß zwischen „Bauerntum” in diesem
Sinne, d.h. als Verkörperung der rassen-
seelischen Eigenart der germanischen Völker,
und bäuerlichem Beruf (ungeachtet der immer
wieder hervorgehobenen überständischen Gültig-
keit jenes Begriffes) doch ein sehr enger,
wechselseitiger Zusammenhang besteht, der das
eine bis zu einem gewissen Grad als Voraus-
setzung für das andere erscheinen läßt. Es hat
nicht nur sinnbildliche Bedeutung, wenn
wir in der Gestalt des deutschen Bauern den
Repräsentanten echten nordischen Wesens
sehen und ihn damit zum lebendigen Vorbild
einer auf die Wiedergeburt des nordisch-germa-
nischen Volkstums abzielenden Entwicklung
erheben. Denn wenn dieses Volkstum in seinen
Grundzügen „bäuerlich“, d.h. gottnahe und
naturverbunden ist, dann kann kein Zweifel
darüber bestehen, daß eine der wichtigsten
Quellen, aus denen heraus es sich immer wieder
erneuern kann, die bäuerliche Lebens-
weise selbst sein muß. Es gibt ja keine
andere Lebensform, die den Menschen so sehr
in den Rhythmus der Natur hineinstellt und ihm
das Bestehen einer großen, schöpferischen Ord-
nung über den Dingen so eindringlich offenbart
- 141
wie die des Landmannes, dessen ganzes Leben
nichts als Dienst am Boden und an der lebendi-
gen Kreatur ist. Hat doch die Arbeit des Bauern
geradezu die Anerkennung eines schöpferischen
und ordnenden Willens über allem Irdischen zur
Voraussetzung, der der Saat jahraus, jahrein
die Gewißheit der Ernte gibt. Der Bauer erlebt
Jahr für Jahr in der unmittelbarsten und darum
einprägsamsten Weise den elementaren Zeu-
gungswillen, der alles Lebendige beherrscht und
nichts Altes sterben läßt, ohne dafür zu sorgen,
daß Neues an seine Stelle tritt. Führt doch selbst
das kleinste Samenkorn, das er in die Erde senkt,
seinen verbissenen Kampf um Auferstehung,
Wachstum und Reife, allen Gewalten zum Trotz,
die sich {hm dabei in den Weg stellen. So wird
der sich unablässig wiederholende Sieg des
Lebens über den Tod, der dem Bauern die Vor-
ausseizung für sein Dasein schafft, zu der gestal-
tenden Macht, die auch sein Wesen formt. Seine
Arbeit wird zu einer einzigartigen Schule des
Lebensglaubens und der Gewißheit einer sinn-
vollen Ordnung über allen Dingen, die immer
wieder alles zum Guten, d. h. zum Triumph der
schöpferischen Kräfte über die der Vernichtung
wendet.
So finden also gerade jene Wesenszüge, die
das kennzeichnende Merkmal der germanischen,
bäuerlichen Seele sind, im täglichen Erfahrungs-
schatz des Landmannes eine sich immer von
neuem wiederholende, unwiderlegliche Bestäti-
gung. Daraus folgt aber, daß die bäuerliche Ar-
beit der beste Mutterboden für das Entstehen
und die fortlaufende Vertiefung jenes Lebens-
gefühls sein muß, in dem sich die rassenseelische
Eigenart unseres Vblkstums offenbart und das
wir in einem übergeordneten Sinne als „bäuer-
lich” bezeichnet haben. Damit erfüllt das
Landleben eine auslesende Funktion
innerhalb der Ausprägung des deut-
schen Volkscharakters, durch die nicht
allein die blutsmäßigen, sondern ebensosehr
auch die seelischen Kräfte eine fortlaufende
Verstärkung erfahren, von denen aus die natio-
nale Wiedergeburt ihre stärksten Antriebe
erhält. Auf diese Weise wird die „Neubildung
deutschen Bauerntums“ in einem weit über alle
ernährungs- und raumpolitischen Erwägungen
hinausreichenden Umfang zu einem Kernpunkt
der deutschen Erneuerung, indem sie dieser die
Voraussetzungen für die Erschließung der tief-
sten rassenseelischen Quellen unseres völki-
schen Wesens schaffen hilft. So sehr wir also
einerseits in dem hier behandelten Zusammen-
hang die Bedeutung des „Bauerntums” als Aus-
druck rassenseelischer Eigenart und damit einer
geist-seelischen Veriassung von verpflichtender
Kraft für die Gesamheit unseres Volkes heraus-
stellen müssen, so sehr bleiben wir uns anderer-
seits dabei bewußt, daß seine typenbildende
Macht auf die Dauer nur wirksam bleiben kann,
wenn sie eine tragfähige Grundlage in einem
Landvolk findet, das seiner Bestimmung, Sam-
142
melpunkt der besten Kräfte unseres Volkes zu
sein, wieder gerecht zu werden vermag.
Andererseits liegt die Annahme nahe genug,
daß die mit der höheren Entwicklung der
Rasse zunehmende seelische Aufgeschlossenheit
gegenüber den Wurzeln allen Seins, die zu der
Erkenntnis der innigen Verflechtung alles
Menschlichen mit der Natur und der kosmischen
Ordnung führte, einstmals bei der Wahl
zwischen einem unstet schweifenden Jägertum
und der Gründung eines festen Herdfeuers auf
der Grundlage eines seßhaften Ackerbaues die
Entscheidung zugunsten des letzteren begünstigt
hat. So ist vor allem auf die kultische Bedeutung
des Herdfeuers bei den nordischen Stämmen
besonders hingewiesen und damit die weit-
gehend weltanschauliche Verankerung des nor-
dischen Bauerntums herausgestellt worden.
Sicherlich haben sich also seit undenklichen
Zeiten Auslesevorgänge abgespielt, die in
wechselseitiger Bedingtheit von
naturnaher Lebensweise und wesens-
mäßiger Ausprägung jenen seelischen Typ
hervorgebracht haben, der schließlich unab-
hängig von der jeweiligen wirtschaftlichen
Tätigkeit zum Sinnbild des nordischen Menschen-
tums schlechthin geworden ist.
So können wir also, ohne den Dingen Zwang
anzulun, den Kern des nordischen Wesens in der
Tat gleichsetzen mit bäuerlicher Art, ja wit
finden in dieser die einzige erschöpiende Be-
zeichnung für eine innere Wesensrichtung, die
wie die nordisch-germanische so stark im Natur-
haften und Kosmischen wurzelt. Wenn daher
der revolutionäre Umbruch unserer Zeit letzten
Endes auf die Schaffung bzw. Durchsetzung
eines Menschentyps abzielt, der als Träger
künftiger großer Aufgaben und einer Entwick-
lung, durch die die biologischen wie geistigen
Kräfte unserer Rasse zu höchster Entfaltung
gebracht werden sollen, gewertet werden kann,
dann kann es nur der bäuerliche sein, der
auf diese Weise als Repräsentant des europäi-
schen Erneuerungswillens dem plutokratischen
Schieber auf der einen, dem bolschewistischen
Mordbrenner auf der anderen Seite entgegen-
tritt. Dementsprechend findet die Revolution des
germanischen oder ihm artverwandten Volks
tums gegen seine jahrhundertelange Verfäl-
schung, deren Anzeichen wir bereits in allen
sich zum neuen Europa bekennenden Ländern
feststellen können, ihren konkreten Ausdruck
fast überall in einem mehr oder weniger aus
geprägten Hinwenden zum Bauerntum,
und zwar in einer Weise, die darin mehr als
nur den Ausfluß einer ernährungspolitischen
Zwangslage, nämlich den unmittelbaren
Inhalt echter Erneuerungsbestrebun-
gen erkennen läßt. Die Verbreitung des Land-
dienstgedankens, des Arbeitsdienstes mit seiner
ebenfalls deutlich auf das Land ausgerichteten
Zweckbestimmung, die Wiederbesinnung auf die
völkischen Werte, die im bodenständigen Lied,
Tanz, Brauchtum usw. Negen — all das, heute
bereits zum festen Bestandteil der Erneuerungs-
bewegungen in all diesen Ländern geworden, ist
als unzweifelhaftes Symptom in dieser Richtung
zu werten; bedeutet es doch ein immer bewußter
hervortretendes Hinwenden zu den biologischen
und seelischen Kraftquellen, die in Boden und
Heimat liegen, somit zu einem bäuerlichen Le-
bensgefühl als dem Ausgangspunkt einer Neu-
ordnung, die sich die Wiederherstellung der
bluts- und wesensmäßigen Grundlagen des
eigenen Volkstums zum Ziel gesetzt hat. So
kann man die tiefgreifende Umwälzung, die sich
heute im europäischen Raum teils vollzieht, teils
schbn vollzogen hat (zum Teil sich vielleicht
auch erst in ihren ersten Anfängen abzeichnet),
von ihren rassischen Quellen und letzten Ziel-
selzungen aus betrachtet, mit Fug und Recht als
die bäuerliche Revolution unseres Jahrhunderts
bezeichnen, d. h. als die Reaktion des euro-
päischen Menschen auf seine künstlich betrie-
bene Entwurzelung unter dem Einfluß ihm
wesensfremder Mächte, die jahrhundertelang
wie ein Alp auf seiner Seele gelegen waren.
Innerhalb des deutschen Volkes aber wird
der Begriff des Bauern zur verbindenden
Brücke, die über Berufe und Stände
hinweg die Einheit des deutschen Le-
bensgefühls zu festigen oder, wo
nötig, neu zu begründen vermag. Der
„Bauer“ hinter dem Pflug sowohl wie hinter dem
Schraubstock, im Laboratorium wie im Kontor,
im grauen Rock des Soldaten wie im Braunhemd
des politischen Kämpfers, alle die Menschen,
in denen der Grundton germanischer Wesensart
wach geblieben ist, sind der lebendige Kitt, der
diese so lange vergeblich ersehnte Einheit nun-
mehr zur unauflöslichen geschichtlichen Tat-
sache mächt. Damit aber ist nicht nur der
Schlußstrich unter eine lange Periode seelischer
Irrungen und daraus entspringender gefähr-
lichster Krisen gezogen, sondern hat auch die
deutsche Volkwerdung an der Schwelle
eines neuen Zeitalters ihre letzte Vollendung
gefunden. Was das für die Rolle, die der
Deutsche in diesem Zeitalter zu spielen haben
wird, bedeutet, muß jedem klar sein, der aus der
Geschichte zu lernen versteht.
Wer ehrlich zu den praktischen Auswirkungen der
Freiheitsidee Stellung nehmen will, der muß von der
unmittelbarsten Betätigung des Menschen auf der
Erde ausgehen. Der Bauer ist nicht in der Lage,
nach Gutdünken seine Arbeit zu verrichten, sondern
die Natur zwingt ihm den Rhythmus dieser seiner
Arbeit auf. Pflügen, Säen, Ernten, Verarbeiten und
Verkaufen sind naturbedingt in ihrem Ablauf. Die
Jahreszeiten zwingen den Bauern, im Sommer früh-
morgens zu beginnen, und erst im Winter vermag
er eine andere, ihm ebenfalls von der Jahreszeit
aufgenötigte Form seiner Tätigkeit zu finden.
Alfred Rosenberg
143
HANS HANSEN:
Landirauengesundheitsfürsorge
im Kriege
Erfahrungsbericht aus dem Gau Bayreuth
ie Sorge um die völkische Sicherung unserer
Nation beginnt beim Bauerntum als unserer
Daseinsgrundlage und hier wieder vor allem
bei den Landfrauen, den ersten Trägerinnen des
Lebens unseres Volkes. 23000 Landfrauen, die
ihrem Volke über 220000 Kinder schenkten, sind
allein im Gau Bayreuth mit dem goldenen Müt-
terehrenkreuz ausgezeichnet und viele hundert-
tausende werden es im ganzen deutschen Bau-
erntum sein. In wunderbaren Akkorden klingt
das Hohelied der Mutterliebe über das deutsche
Land. Es gilt immer mehr als hohe und drin-
gende Aufgabe unserer Zeit, der deutschen
Landfrau neben der hohen Achtung, die ihr das
neue Deutschland schenkt, auch weitgehende
praktische Fürsorge zu geben, damit sie ihrem
Volke immer wieder reiches und gesundes Le-
ben schenken kann. Denn einmal wird ohne die
völkische Sicherung der Nation alles Sorgen
unserer Tage, werden alle Opfer dieses Krieges
ohne dauernden Gewinn für unser Volk sein und
zum anderen trugen auch die Töchter der oben-
genannten Mütter, unsere heutige Landfrauen-
generation, durch viele Jahre schon so hohe
Last aus ihrer Pflicht, daß sie immer mehr die
Kräfte verloren, um es ihren Müttern gleich-
zutun und wie sie vielen Kindern das Leben zu
schenken. Immer stärker beeinflußten wirtschaft-
liche Nöte, Arbeitsüberlastung, Mangel an ein-
fachster sanitärer Fürsorge den Geburten- und
Gesundheitsstand auf dem Lande. Schon gab es
einzelne Dörfer, die fast ganz von Jugend ent-
blößt waren und manche Höfe wiesen keinen,
vor allem keinen gesunden Erben mehr auf.
Der Nationalsozialismus hat inzwischen vieles
in der biologischen Sicherung des Landvolkes
zu bessern vermocht, viel ist aber noch zu tun
übrig, und vor allem hat der Krieg die begonnene
Entwicklung einer besonderen, systematischen
Gesundheitsbetreuung für das Landvolk wenn
auch nicht unterbrochen, so doch notgedrungen
verlangsamt. Auch die seit Beginn des Krieges
von der Landesbauernschaft — heute vom Gau-
amt für das Landvolk — Bayreuth in Verbin-
dung mit dem Gaugesundheitsamt und der NSV.
144
durchgeführte besondere Gesundheitsbetreuung
der Landfrau beweist überzeugend, daß es auf
diesem Gebiet noch schwere Schäden aus ver-
gangener Zeit zu beheben gilt. Von unseren
Landfrauen, die eine solche Gesundheitsbetreu-
ung in Anspruch nahmen, weist, laut ärztlichem
Attest, die Mehrzahl körperlichen Zusammen-
bruch, schwere Herzfehler, chronischen Gelenk-
rheumatismus, Unterleibsleiden, schwere Fuß-
leiden usw. infolge Mangels an ausreichender
Gesundheitsbetreuung und rechtzeitiger Gesund-
heitspflege auf.
Auch diese Ergebnisse fordern da-
mit kategorisch, daß trotz wichtigere
Kriegs aufgaben weiterhin jede noch
gegebene Möglichkeit voll ausge-
schöpft wird, um von der körperlichen
undseelischen Leistungskraft unserer
Landfrau zu erhalten, was irgend
erhalten werden kann. Daß dabei die erste
Voraussetzung für einen vollen Erfolg die vom
Nationalsozialismus vorbereitete grundsätzliche
wirtschaftliche Neuordnung des Bauerntums, die
es endlich auch dem Lande erlaubt, am kul-
turellen und technischen, damit auch am sani-
tären Fortschritt unserer Zeit umfassend teil-
zuhaben, vorerst nur bedingt erfüllt werden
kann, ist selbstverständlich. Es ist dabei aber
bestimmt nicht so, um gleich einem oft aus
gesprochenen Urteil zu begegnen, daß das Land-
volk keinen Sinn für Körper-, Gesundheits- und
Heimpflege, für gesunde Ernährung, Kleidung
usw. hätte. Der frühere jahrzehntelange Kampf
mit wirtschaftlichen Sorgen, das Unvermögen,
sich aus dieser Lage den allgemeinen Fortschritt
unserer Zeit dienstbar zu machen, hat hier viele
sich mit etwas abfinden lassen, was ihnen durch-
aus nicht gewohnt ist, was auch in nichts der
Bedeutung und Würde eines deutschen Bauern-
tums entspricht. Und selbstverständlich hat
ihm auch der Krieg wieder, neben höchsten An-
forderungen an seine Arbeitsleistung, die Not-
wendigkeit des Verzichtes auf manche, sagen
wir, mehr persönliche Betreuung auferlegt. Es
ist unnötig hier auszuführen, welche außer-
ordentliche Arbeitsbelastung, welche Beschrän-
kung in solchen persönlichen Wünschen dabei
insbesondere der Landfrau zugemutet werden
mußte, es mag hier nur gesagt sein, daß sie
trotz allem ihre ganze Kraft für den
Sieg einsetzt, daß ihre Treue zum
Führer grenzenlos und ihr kein Opfer
für ihr Volk zu groß ist. Es muß aber, wie
betont, dafür gesorgt werden, daß sich der
Brunnen ihrer Kraft nicht voll ausschöpft, daß
noch gute Kräfte für die bleibenden Kriegsauf-
gaben und für die hohen Pflichten erhalten
werden, die der Landfrau die Nachkriegszeit
übertragen wird.
Und hierin das im Kriege Mögliche zu leisten,
ist als dringendste Aufgabe aller verantwort-
lichen Stellen zu erkennen. Darum wurde ins-
besondere auch das oben erwähnte, nunmehr
vom Gauamt für das Landvolk übernommene
Abkommen zwischen der Landesbauernschaft
Bayreuth und dem Amt für Volksgesundheit der
NSDAP. getroffen und eine noch größere Pflich-
tenvereinigung als bisher durchgeführt. Jede
bedürftige Landfrau und ihre jüngeren Kinder
im Gau haben hiernach das Recht, für geringsten
Betrag und mit Beihilfe des Gauamtes jeden
ihr genehmen Arzt ihres Kreises zu einer ge-
sundheitlichen Beratung aufzusuchen. Und dort,
wo sie nicht aus freien Stücken dazu bereit ist,
obgleich ihr Gesundheitszustand es dringend
erfordert, versuchen nach weiterer Vereinbarung
NSV -Schwestern und Hebammen des, Gaues,
die Landfrau zu ihrem Besten zu einer solchen
Behandlung zu bewegen. Der Arzt stelit dann
über die erfolgte Untersuchung ein Attest aus,
das dem Gauamt eingereicht wird und ihr ein-
mal eine genaue Übersicht über den Gesund-
heitszustand des Landvolkes im allgemeinen
gibt, ihr zum anderen Unterlagen für ihre wei-
tere Betreuungsarbeit an der Landfrau bietet.
Danach werden die Untersuchten in besonderen
Fällen der NSV. zur vordringlichen Aufnahme
in ihre Erholungsheime und zur Beihilfeerstat-
tung bei Operationen usw. gemeldet. Es ist mit
Genugtuung festzustellen, daß die NSV. bereits
Tausenden von Landfrauen längere Erholungs-
zeiten und auch notwendige finanzielle Unter-
stützung bei Operationen und besonderen Kuren
gewährt hat. Ein weiterer Teil stärker erholungs-
bedürftiger Frauen wird darüber hinaus dem
Schwefelbad Abbach im Gau zugewiesen, mit
dem ein weiteres Abkommen über besondere Be-
handlung der Landfrauen getroffen ist.
Die an sich gesunden, aber nur durch Uber-
arbeitung in ihren Pflichten gegen Familie und
Hof beeinträchtigten Frauen werden in die
„Heimzeiten” des Gauamtes selbst geladen.
Diese Heimzeiten sind im Gegensatz zu den
mehr sanitären Hilfsmaßnahmen der NSV. und
von Bad Abbach nur Arbeitspausen, Ruhepausen
für die Landfrauen, in denen sie in einem Kreis
gleicher Seelen verbleiben, aber in einem
schönen Heim sich durch mehrere Tage wieder
die Kräfte sammeln, die ihnen die schwere
Tagesarbeit vorübergehend genommen hat. Das
Heim, in dem diese Heimzeiten stattfinden, ist
also kein Erholungsheim schlechthin, es ist ein
Heim der Entspannung, des Ausruhens für
pflichtgetreue Landfrauen. Es könnte sogar
„Sommerfrische“ im bürgerlichen Sinne genannt
werden, wenn nicht eine einfache Schulung in
den Grundbegriffen gesunder Körperpflege,
Kochkunst, Kleidung, Heimpflege, Säuglings-
pflege und Kindererziehung, über vernünftige
Einstellung zum Arzt, zu neuzeitlichen Gesund-
heitsmaßnahmen usw. den Frauen dabei noch
Erkenntnisse geben würden, nach denen sie
ihrer eigenen Gesundheit und der ihrer Familie
und durch ihre Beratung auch der ihrer Dorf-
gemeinschaft dienlich sein kann. So bedeuten
die Freizeiten Ausruhen und Lernen zugleich,
sie bieten eine verantwortungsbewußte Arbeits-
pause, die nicht nur vor dem Geiste der Front
bestehen kann, sondern von ihm gefordert wird.
Die ersten Heimzeiten fanden in geeigneten
Landgasthöfen statt. Seit 1940 aber steht hierfür
ein eigenes Landheim zur Verfügung. Es ist in
einem kleinen Badeort des Fichtelgebirges, in
Zell, gelegen und bietet in Einrichtung und Um-
gebung alle Voraussetzungen, die zur Zeit an
ein Heim für Landfrauen gestellt werden können.
Die Heimzeiten dauern vorerst nur zwei
Wochen, länger können die Frauen heute dem
Hof nicht fernbleiben. Aber es ist erstaunlich,
was in dieser kurzen Zeit durch eine sachgemäße
und liebevolle Betreuung erreicht werden kann.
Viele fühlen schon nach dem ersten Bad und
nach wenigen einfachen körperlichen Ubungen,
nach einigen Ruhestunden im Liegestuhl im
Garten, einem Spaziergang in Feld und Wald,
wie sehr eine nur kurze Ausspannung Körper
und Geist zu neuem Einsatz für Haus, Hof und
Vaterland stärken kann. Mit Überraschung stel-
len die meisten Frauen auch fest, daß schon mit
kleinen und billigen Mitteln in wenigen Minuten
täglich dem Körper und Geist eine Pflege zuteil
werden kann, die Entscheidendes für sie selbst,
aber auch für ihre ganze Familie bedeutet.
Die Kost im Heim ist gut, wenn sie natürlich
auch durchaus kriegsmäßig ist. Dennoch ist
festzustellen, daß kaum eine der Frauen in den
zwei Wochen weniger als sechs Pfund zunimmt.
Diese Ergebnisse beweisen, was es bedeutet,
wenn sie nur einmal wenige Tage Ruhe haben,
Liebe und Frohsinn um sich sehen und andere
für sich sorgen lassen können, Sie erkennen
145
auch hier, daß man dem Soldaten draußen und
seinem Volk nicht mit trüben Gedanken helfen
kann, sondern nur mit starker Lebensbejahung
und bestem Wollen zur Leistung.
Schon nach wenigen Tagen beginnen unsere
Landfrauen sich nicht mehr als Sklavin, sondern
. als Beherrscherin der Arbeit zu fühlen. Das
Heim in Zell gibt auch einen Einblick in eine
einfache, aber schöne Wohnkultur, wodurch
sich die Auffassung vom Wert der Pflege des
eigenen Ichs, der Kinder, des Heimes usw. in
ihrer Bedeutung für den Lebensinhalt aller in
der bäuerlichen Gemeinschaft grundsätzlich
einprägt. Es wird auch hier wieder bewiesen,
daß der Wille zur Pflege des eigenen Körpers,
damit der Gesundheit, des Heimes usw., nur
geweckt zu werden braucht, um ihn zu viel-
fältigem Segen für die Familie, den Hof und den
ganzen eigenen Lebenskreis werden zu lassen.
Einfache Unterhaltungen über die Einstellung
des Nationalsozialismus zum Begriff Frau, Mut-
ter und Kind helfen dann noch mit, der Landfrau
klarzumachen, welchen Wert die neue Zeit ihr
beimißt, und schenken ihr damit ein neues und
gesundes Selbstbewußtsein.
Eine gediegene Bücherei im Heim sorgt dafür,
daß sich die Landfrau allmählich wieder daran
gewöhnt, in den knappen Feierstunden, die ihr
die ländliche Arbeit erlaubt, etwas Gutes zu
lesen und daraus ihrem Geist und ebenso dem
Körper Entspannung zu geben,
Im Heim ist auch ein Kindergarten mit etwa
fünfzig — springlebendigen — Jungens und Mä-
dels untergebracht, ebenso ist eine Webstube
dabei, so daß in der Heimzeit auch stets Jugend
und Frohsinn um die Landfrau ist und der
Wunsch in ihr geweckt wird, auch in ihrem Dorf
einen Kindergarten zu sehen, auch ihre Töchter
das Weben als wertvolle Ausgleichstätigkeit für
schwere Tagesarbeit lehren zu lassen,
Da die Betreuung unserer Frauen während der
Heimzeit in fachkundige Hände gelegt ist, so
kann in diesen Tagen auch auf alle landwirt-
schaftlich fachlichen Fragen eingegangen werden.
Hierbei wird die Besichtigung nahe gelegener
landwirtschaftlicher Betriebe und die praktische
Aussprache in einem zum Heim gehörigen bäu-
erlichen Gewürzgarten usw. durchgeführt. Der
Gewürzgarten enthält alle Kräuter, die für Ge-
sundheitspflege und gesundes Kochen zukünftig
wieder in jedem Bauerngarten zu finden sein
sollen. Auch besondere persönliche Wünsche
werden gern erfüllt. Die meisten Landfrauen
haben noch keine „Wochenschau”, viele über-
haupt noch kein Kino gesehen; auch hierzu wird
ihnen möglichst verholfen. Im Sommer, soweit
in diesen Monaten Heimzeiten durchzuführen
sind, wird auch die Freilichtbühne bei Wun-
146
siedel besucht. Fällt der Geburtstag einer Land-
frau gerade in ihre Heimzeit, so wird er zu einem
Fest für alle gestaltet, und der blumenbedeckte
Platz während der Mahlzeiten läßt viele dankbar
bekennen, ihren Ehrentag selten so schön wie
hier verlebt zu haben. Auch Heimabende, bei
denen die Jungbäuerinnen der Webschule ge-
staltend mitwirken, werden durchgeführt. So oft
als möglich erscheint zur Aussprache ernsterer
agrarpolitischer Fragen Besuch vom Gauant
oder der Landesbauernschaft. So bietet die
Heimzeit Stunden vollkommener Neueinstellung
zu den Dingen ihres Daseins.
Das letztere soll, so wichtig die Ruhepause an
sich sein mag, einmal die Hauptaufgabe der
Heimzeit sein! Sie will mit ihrer Betreuungsart
und ihren Einrichtungen jenen vielen Land-
frauen, die bisher keinen Anschluß an ihre wei-
tere Umwelt fanden, die räumlich und damit auch
geistig zu sehr von ihr 1 waren, den
besten Weg zu ihr bieten. Sie will sie auf-
schließen für alles Neue unserer Zeit, an dem sie
um ihres Bauerntums und Volkes willen nicht
mehr unbeteiligt vorübergehen kann. Die
Heimzeit will der Landfrau vor allem
die Brücke zum Verständnis aller
Maßnahmen des neuen Staates in der
NSV. in der Frauenschaft, der Hitler-
Jugend, im Amt für das Landvolk usw.
bieten, die ihr und ihrem Volke dienen
wollen. Die Heimzeit will somit in erster Linie
Umschulungszeit zu gesunder, bäuerlicher Le-
bensgestaltung für unsere Landfrau sein. Durch
Aufklärung will sie ihr auch Befangenheit und
Mißtrauen nehmen und ihr wieder so viel Selbst-
bewußtsein geben, wie es ihr als erster Trägerin
des Lebens ihres Volkes frommt und wie es von
ihr um der Bedeutung ihres Bauerntums willen
erwartet werden muß. Und daß dieses Ziel tat-
sächlich erreicht wird, ist schon heute dadurch
bewiesen, daß unsere Landfrauen, die eine
Heimzeit erlebten, sich nunmehr freier in der
Welt fühlten, leichter und vertrauensvoller den
Weg zum Arzt, zur Hilfsstelle für Mutter und
Kʒind, in die Erholungszeit der NSV., zu den
Parteidienststellen usw. fanden. Die Landfrauen
hatten im Heim viel gehört und gesehen, so daß
sie jetzt mitreden konnten, hatten neue Erkennt-
nisse gewonnen, durch die ihnen die Befangen-
heit vor dem vielen Neuen unserer Zeit, auch im
Verkehr mit Frauen anderer Berufskreise, vor
allem Frauen aus der Stadt, genommen wurde.
Kurzum, die Heimzeit ist ihnen auch das Tor
zum \/eg in das neue, große Geschehen unserer
Zeit und in die große deutsche Volksgemein-
schaft geworden. Von der Landfrau selbst soll
das Erworbene dann auf die Kinder übergehen
und so in Zukunft das ganze deutsche Bauerntum
beeinflussen.
Gewiß, es wird die Zeit kommen, da sich die
Neuordnung des deutschen Bauerntums auf allen
seinen Lebensgebieten so vollzogen hat, daß auf
solche, eigens für die Landfrau vorgesehene
„Umschulungszeit“ verzichtet werden kann, daß
die Landfrau sich dann mit Selbstverständlich-
keit in den Rahmen des großen Ganzen ein-
gliedert. Für die nahe Zukunft aber sind solche
Umschulungen unentbehrlich und von aller-
höchstem Wert und bieten die besten Voraus-
setzungen, unsere Landfrauen organisch in ihre
Umwelt, in die neue Zeit, in ihr Volk zu führen.
Selbstverständlich sind unter der Bezeichnung
Landfrau auch in unserem Falle alle Frauen des
Landvolkes zu verstehen. Es ist gar nicht leicht,
bei den im Gemeinschaftsraum unseres Heimes
oder im Garten mit dem Strickstrumpf oder
anderer Handarbeit beschäftigten und bei frohem
Plaudern zusammensitzenden Landfrauen zu
unterscheiden, welche von ihnen Bäuerin,
welche Landarbeiterin ist. Beide verkörpern
den gleichen Lebenskreis, der sie, wie bei der
gemeinsamen Arbeit in Haus, Hof und Feld auch
hier, in bestem Einvernehmen zueinanderkom-
men läßt. Es hat im Heim Zell noch kein hartes
Wort gegeben; Sinn und Inhalt des Heimes ver-
bieten alles Ungute von selbst. Auch das ist ein
Ziel unserer Heimzeit: den Voraussetzungen
einer wahren bäuerlichen Betriebs- und Dorf-
gemeinschaft zu dienen.
Um den Landfrauen das Fortgehen vom Hof
zu erleichtern, wurde auch, in engster Zu-
sammenarbeit mit der NS.-Frauenschaft, die Zahl
und Befähigung der von der NSV. zum Einsatz
gebrachten Haushaltshelferinnen so weit als
irgend möglich gesteigert. Fast 600 Haushalts-
helferinnen konnten bisher eingesetzt werden.
Darüber hinaus wurde in gleich guter Zusam-
menarbeit mit den Arbeitsämtern der ländliche
Pflichtjahreinsatz gefördert. Von 7500 Pflicht-
jahrmädchen sind heute 4500 im ländlichen Ein-
satz tätig; selbstverständlich gilt es, diese Zahl
zukünftig noch weitgehend zu erhöhen,
Auf dem Gebiet der Landfrauengesundheits-
fürsorge und -betreuung allgemein gibt es kaum
eine schönere und wertvollere Aufgabe als jene,
der Landfrau von Zeit zu Zeit Ruhepausen zu
gewähren, die sie in ihrem eigenen Lebenskreis
bleiben läßt, ihr aber doch gleichzeitig hohen
körperlichen und geistigen Gewinn zu schenken
vermag. Jedenfalls haben sich unsere Heim-
zeiten so bewährt, daß ihr Ausbau durch Ein-
richtung weiterer Heime erfolgen soll und daß
sie allen Gauen, wo sie noch nicht bestehen, zur
Errichtung empfohlen werden können. Voraus-
setzung ist dabei keinesfalls das Äußere des
Heimes — Landfrauen sind ja darin durchaus
nicht verwöhnt —, entscheidend ist der Geist,
der in ihm wohnt, dem neben klugem Verständ-
nis für Wesen und Aufgabe der Landfrauen auch
echte Liebe und richtige Fürsorge für sie ent-
springt. Und entscheidend ist ferner, daß alles,
was im Heim um sie ist, echt, klar und wahr ist.
Der Dank, den die Landfrau hierfür äußert, ist
meist beschämend für den, der ihn empfängt. Er
beweist aber, daß durch aufrichtige Betreuung
tiefste Wünsche in ihrem Herzen Erfüllung
finden. Wie sehr die Heimzeit als seltenes Ge-
schenk gewertet wird, mag daraus ersehen
werden, daß alle Landfrauen sie im letzten als
Werk des Führers deuten — und das ist ja auch
so — und ihm den höchsten Dank bekunden.
Während des Krieges sind besondere Richt-
linien in der Auswahl der Landfrauen zur Auf-
nahme in das Heim nicht festgelegt. Jede Land-
frau, die durch Überarbeitung und Nöte zur
Wiederherstellung ihrer körperlichen und see-
lischen Kräfte für den Dienst am Ganzen, für die
Kriegsaufgaben, eine Zeit des Ausruhens bedarf,
ist herzlich willkommen. Vor einiger Zeit z. B.
wurden fast die gesamten Frauen eines Dorfes,
jung und alt, in unser Heim geladen. Durch
einen Dammbruch der Donau hatte das Dorf
durch Wochen schwere Not zu leiden. Und keine
dieser Frauen ist ungestärkt für den wirtschaft-
lichen Kampf, der gerade in diesem Dorf noch
durch Monate besonders hart sein mußte, in die
Heimat zurückgekehrt. Jetzt im Kriege heißt es
nur helfen, wem Hilfe gebührt, Liebe und Für-
sorge schenken, wer sie benötigt. Nach dem
Kriege aber, wenn die Heimzeiten länger währen
können, auch eine umfassendere Schulung statt-
finden kann, wird eine gewisse Auslese statt-
finden müssen. Dann werden in erster Linie
Frauen der Entspannung, Schulung und Aufklä-
rung in unserem Heim zugeführt werden, die
Kinder besitzen, ihrem Bauerntum noch Kinder
schenken können und die vor allem auch als
Trägerin des Gedankens einer bäuerlichen Le-
bensgestaltung auf das Dorf zurückkehren und
dort im Sinne des Neuerworbemen zu wirken
vermögen.
Sie sollen dann Wegbereiterinnen einer wah-
ren Kultur, einer gesunden bäuerlichen Lebens-
gestaltung am Menschen, am Heim und Hof
unserer Dörfer sein. Denn das wird, wie betont,
die Hauptaufgabe unseres Landfrauenheimes
werden, die Frauen mit einer ihrem wahren
Wesen und ihrer Berufung für das Volk ent-
sprechenden bäuerlichen Lebensführung be-
kannt zu machen, aus der heraus einzig und allein
ein Bauerntum erwachsen kann, das tatsächlich
äußerlich und innerlich erster Träger der völ-
kischen, kulturellen und wirtschaftlichen Kräfte
unseres Volkes zu sein vermag.
147
—
A De ht sche Ru nads, en
Vor wenigen Wochen sind bei der Einführung des
neuen Leiters der Wirtschaftsgruppe Privates
Bankgewerbe,Freiherrn v. Schroeder, grundsätzliche
Ausführungen zur Wirtschaftspolitik gemacht worden,
die auch vom Standpunkt der nationalsozlalistischen
Agrarpolitik aus um so größere Beachtung verdienen,
weil sie als weiterer Beitrag zur Stellung der tat-
kräftigen Einzelpersönlichkeit in der nationalsozia- :
listischen Gemeinwirtschaft anzusehen sind. Der Lei-
ter der Reichsgruppe Banken, Dr. Christian Fi-
scher, betonte in seiner Einführungsansprache, daß
Kenntnisse und Erfahrungen stets die feste Grund-
lage für ein erfolgreiches Handeln im Wirtschafts-
leben sein müssen. Nur dadurch kann der Wirt-
schaftsführer jene Autorität in seinem Kreise er-ı
langen, die unbedingt notwendig ist, um auch die
erforderliche Autorität außerhalb dieses Kreises zu
genießen. Autorität läßt sich nicht verleihen, sondern
muß durch Taten erworben werden, und Taten führen
wiederum nur dann zum Erfolg, wenn sie vom Geist
bestimmt, geführt und vollendet werden. Nur da-
durch wird auch das Leistungsprinzip zu einer Reali-
tät, an der die bloße Phrase scheitern muß. Dr. Fischer
betonte weiter, daß die Wirtschaft ohne einen starken
Staat nicht gedeihen kann und daß nur die Ideen,
wie sie durch den Nationalsozialismus verkörpert
werden, Deutschland jenen Aufschwung geben konn-
ten, ohne den es seine Großmachtstellung und seine
Selbstbehauptungsmöglichkeit für immer eingebüßt
hätte.
Diese Worte stehen in stärkstem Gegensatz zu den
Auffassungen früherer jüdischer Bankmächte, die vom
Staat immer nur verlangten, daß er den Wirtschafts-
kräften eine ungehemmte Bewegungsmöglichkeit zu
sichern habe. In der gleichen Richtung liegt die An-
sprache des neuen Leiters der Wirtschaftsgruppe
Privates Bankgewerbe, Freiherrn v. Schroeder, der
zeigte, wie die Initiative der deutschen Bankmänner
im vergangenen Jahrhundert die wirtschaftliche Ent-
wicklung im besten Sinne gefördert hat. Alle diese
Verdienste mußten in Vergessenheit geraten, als mit
Beginn dieses Jahrhunderts und mehr noch seit Be-
endigung des ersten Weltkrieges jüdische Einflüsse
sich des Bankwesens zu bemächtigen begannen und
nicht mehr in gemeinnützigem Einsatz und in der
Weiterentwicklung deutscher Industriebelange das
Hauptziel ihrer Tätigkeit sahen, sondern in dem
reinen Gewinnstreben und der Verfolgung eigen-
nütziger Ziele. Die Vorherrschaft des jüdischen
Elements im Bankgewerbe hat dazu geführt, daß
vielfach die Meinung verbreitet war, als ob das ganze
deutsche Bank; ewerbe verjudet und minderwertig sei.
Freiherr v. Schroeder gab der Hoffnung Ausdruck,
daß ebenso, wie nur wenige J:hre genügten, um das
Bankgewerbe in Mißkredit zu bringen, auch nur
wenige jahre nötig sein werden, um Volk und Partei
148
. 2
zu der Überzeugung gelangen zu lassen, daß das
deutsche Bankgewerbe ebensosehr wie die übrige
Wirtschaft, erfüllt mit nationalsozialistischem ideen-
gut, sich einsetzen wird für das Wohl des Gesamt-
volkes. Er kennzeichnete als Hauptaufgabe der
Banken die Aufrechterhaltung des Geld- und
Zahlungsverkehrs und die Erfüllung der
Finanzierungsaufgaben für Reich und Kriegs-
industrie.
Gerade in .der Landwirtschaft wird man diese
Äußerungen aus Kreisen der Bankwirtschaft stärkstens
begrüßen, erinnert man sich doch immer noch daran,
wie seinerzeit auf dem Höhepunkt der Agrarkrise
der deutschen Landwirtschaft von einem Banken-
konsortium unter Heranziehung von USA.-Professoren
Ratschläge zur besseren Wirtschaftsführung gegeben
wurden, mit deren Hilfe angeblich die Krise über-
wunden werden sollte. An die Kernfragen der
Agrarpolitik und des Bauerntums ist dieses „Agrar-
programm der Großbanken” niemals herange-
kommen, weil es den Geist vermissen ließ, der jetzt
aus den Ausführungen des neuen Leiters def Privat-
banken spricht.
Bei dieser Gelegenheit sei aber auch an die be-
sondere Stellung erinnert, die sich die Institute
des Agrarkredits in dieser Zeit errungen haben.
Gerade der Ursprung der Agrarkreditinstitute geht
immer wieder auf gemeinwirtschaftliche Wurzeln
zurück, die mit der Politik der Großbanken zu Be-
ginn dieses Jahrhunderts nicht in Einklang zu bringen
waren. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wurde im
Jahre 1925 als Landwirtschaftliche Zentralbank die
Deutsche Rentenbank-Kreditanstalt geschaffen, die
stets auf gemeinnütziger Grundlage arbeitete und in
den schwersten Krisenjahren dem landwirtschaft-
lichen Kreditapparat einen festen Rückhalt gab. Bei
der Besonderheit der agrarpolitischen Aufgaben der
Zukunft wird dieser eigene Agrarkreditapparat auch
in Zukunft notwendig sein, weil nun einmal der
Ablauf des landwirtschaftlichen Betriebes ganz
andere Kreditaufgaben stellt als in der gewerblichen
Wirtschaft.
Kann man so die Entwicklung der Bankenpolitik
im nationalsozlalistischen Deutschland als stärkstes
Zeichen der Durchsetzung nationalsozialistischer
Grundsätze in der Wirtschaftspolitik überhaupt an-
sehen, so zeigt bei unseren Gegnern gerade die Be-
handlung ernährungspolitischer Fragen immer wieder,
wie sich dort auch bei den wichtigsten Lebensfragen
der Völker immer wieder das nackte Profitstreben
durchsetzt. Dies war schon bel der Ernährungskön-
ferenz in Hot Springs der Fall und hat sich noch
stärker auf der Fortsetzung der dort begonnenen
Verhandlungen gezeigt, die kürzlich in Atlantic City
stattfanden. Hatte in Hot Springs USA. die Aner,
kennung -des amerikanischen Herrschaftsanspruchs
hinsichtlich der Kartellierung und zentralen Lenkung
der Lebensmittelwirtschaft für die Nachkriegszeit
erzwungen, so sollte in Atlantic City unter dem Vor-
wand der Vorbereitung umfassender Hilfsaktionen
zugunsten der vom Kriege unmittelbar betroffenen
Völker und Länder das ganze Gebiet der Be-
wirtschaftung der Weltrohstoffe, Nahrungs-
mittel und gewisser Halb- und Fertig-
erzeugnisse planmäßig im Zeichen der
USA.-Vorherrschaft organisiert werden. Hier-
bei wirkten bezeichnenderweise auch die Sowjets
mit, die ihre Unterstützung der amerikanischen
Forderungen mit dem nachdrücklichen Verlangen
sofortiger Hilfslieferungen an die Sowjet-
union verbanden. Das wichtigste Ergebnis in At-
lantic City war die Gründung der United Nations
Relief and Renabilition Administration
(UNRRA.). Selbstverständlich ist der Tätigkeit der
UNRRA. äußerlich das bei unseren anglo-amerika-
nischen Gegnern bekannte heuchlerische Mäntelchen
der menschenfreundlichen Hilfeleistung umgehängt
worden. So soll angeblich die UNRRA. das Ziel
verfolgen, die Bevölkerung der besetzten Gebiete
sogleich nach ihrer „f Befreiung“ mit Lebensmitteln,
Kleidern, Unterkünften und sanitären Hilfsmitteln
zu versorgen. Die beispiellose Not der Bevölkerung
in Süditalien läßt schon nach wenigen Wochen die
wahren Arbeits methoden der UNRRA. erkennen.
Tatsächlich soll sie ja auch in erster Linie den USA.
die dauernde Kontrolle der wichtigsten Warenmärkte
sichern. Selbst den nichthilfsbedürftigen Staaten, also
den devisenstark gebliebenen Neutralen, soll nicht
etwa erlaubt sein, die für ihre wirtschaftliche Ent-
wicklung erforderlichen Rohstoffe nach Belieben auf
dem Weltmarkt zu kaufen. Auch diese Staaten sollen
hierbei stets an die Zustimmung der UNRRA. ge-
bunden sein. So sieht die Freiheit aus, für die angeblich
Anglo-Amerikaner Arm In Arm mit den Sowjets
kämpfen. Da ist es nicht verwunderlich, daß in den
Richtlinien für die UNRRA. ausdrücklich festgelegt
wird, daß es sich niemals um eine kostenlose Hilfe
für die vom Kriege betroffene. Länder handeln kann.
Die leihweise Lieferung von Lebensmitteln und Roh-
stoffen an die kapitalschwachen Länder soll vielmehr
dazu dienen, diese für immer in die Gewalt des
USA.-Wirtschaftsimperialismus zu bringen. Dieser
bedroht ganz allgemein die Lebensmöglichkeiten
der europäischen Völker ebenso wie insbesondere
die Entwicklung der Landwirtschaft. Das zeigt nicht
nur die Lage derjenigen Länder, in denen sich anglo-
amerikanische Wirtschaftsgrundsätze seit Jahren un-
gehindert betätigen können, das zeigt vor allem auch
die Unruhe, die unter den Farmern in USA. und
England trotz der eingeschränkten Meinungsfreiheit
erkennbar wird. Über die Streitigkeiten im USA.-
Parlament um die Regelung agrarpolitischer, insbe-
sondere preispolitischer Fragen ist schon mehrfach
‚berichtet worden. Jetzt wird auch ein Telegramm
bekannt, das die Nationale Farmer-Union in
England kürzlich an Churchill geschickt hat.
Danach soll Churchill in die preispolitischen Er-
örterungen der Farmer mit dem Landwirtschafts-
minister eingreifen. Es wird dringend um Empfang
einer Farmerabordnung gebeten, ehe die Fragen im
Parlament erörtert werden; weil dort keine ordnungs-
mäßige Behandlung zu erhoffen sei. Die Farmer wen-
den sich gegen den Landwirtschaftsminister Hudson.
dessen statistische Unterlagen abgelehnt werden. Sie
weisen ebenso die Regierungserklärung zu den im
Februar 1942 gegebenen Versprechungen zurück, denn
es habe keinen Zweck, den Farmern Zuschüsse zu
gebem und dann die Preise zu senken. Die ganze Hal-
tung der Farmer in USA. und England ist getragen
von tiefstem Mißtrauen gegenüber den Regierungs-
versprechungen, die gegeben wurden, um jetzt die
landwirtschaftliche Erzeugung auf die notwendigen
Hochleistungen zu bringen. Alle diese vorliegenden
Nachrichten stellen immer wieder eine erneute
Bestätigung dafür dar, wie richtig die Auffassung des
Leiters der deutschen Kriegsernährungswirtschaft
Herbert Backe ist, bei der Planung der europäischen
Ernährungswirtschaft der Tatsache Rechnung zu tra-
gen, daß auch für die Nachkriegszeit mit sicheren
Zuschüssen für die europäische Ernährung aus Über-
see nicht gerechnet werden kann.
Der Weg der deutschen Agrarpolitik wird deshalb
unbeirrbar weitergegangen werden. Dazu gehört
immer wieder die Sicherung des notwendigen
Nachwuchses für die landwirtschaftlichen
Berufe. Hierbei steht erfreulicherweise das Land-
volk nicht mehr allein. Gerade jetzt hat der Reichs-
jugendführer angeordnet, daß ebenso, wie die Hitler-
jugend seit längerem die männliche und weibliche
Jugend in Industrie und Handwerk aufsucht und immer
wieder neu ausrichtet, auch die Jungen und Mädel
im Dorf zu Appellen zusammengerufen werden, um
ihnen die großen Ziele nahezubringen. Als Auftakt
zu dieser Großaktion der Hitlerjugend fand Mitte
Januar in Alt-Reichenau ein Eröffnungsappell statt,
auf dem der Reichsjugendführer Axmann und der
Reichsbauernführer Oberbeſehlsleiter Backe in
Anwesenheit von Gauleiter Hanke zur ländlichen
jugend sprachen. Der Reichsjugendführer erklärte
u. a., „beim Einsatz der Landjugend in der Erzeu-
gungsschlacht handelt es sich um einen Kriegs-
einsatz, der nicht wie alle anderen tm großen Rampen-
licht der Öffentlichkeit erscheint und dennoch zu
den wichtigsten und beständigsten gehört.“ Er dankte
der ländlichen Jugend, die neben dem Bauern und der
Bäuerin ihre Pflicht trotz ungeheurer Schwierigkeiten
getan hat. Der Reichsbauernführer zeigte, wie heute
jedem einzelnen unter der deutschen Landjugend eine
Aufgabe gestellt ist. „Seid euch klar darüber, meine
deutschen Jungen und Mädel“, so erklärte Ober-
beſehlsleiter Backe, „daß eure Nachfahren einmal
mit euch rechten werden, ob eine große Zeit auch
eine große Jugend gefunden hat, die die Aufgaben
eines großen Geschlechtes zu lösen verstand. Ihr
werdet und ihr müßt es schaffen; denn wenn wir
Älteren, die wir bereits einen großen Kampf hinter
uns haben, die Fahne aus der Hand legen müssen,
dann müßt ihr sie aufpflanzen und neu emporreißen.
Darum liegt bei euch die größte Verpflichtung."
Dr. Kurt Heußmann
149
Krieg und Kapitalismus
Als Gustav Ruhland vor 30 Jahren für immer seine
Augen schloß, verfolgten ihn bis in seine letzten
Stunden auf dem Krankeniager die Sorgen um das
Schicksal des deutschen Volkes, dessen Bedrohung
durch die plutokratischen Großmächte er mit wach-
„sender Unruhe verfolgte. Diese Sorge machte ihn
zum Vorkämpfer einer straffen Marktordnung zum
Schutze und zur Hebung der nationalen Produktions-
kraft, insbesondere der Landwirtschaft. Schon in
einer seiner ersten größeren Jugendschriften stoßen
wir auf den sein ganzes Werk beherrschenden Grund-
gedanken, mit eindringlicher Präzision ausgesprochen,
wenn er betont: „In dem Maße, als der Grundbesitz
aufhört, Basis der Brotversorgung des Volkes zu sein,
In dem Maße hängt auch die Zukunft des Staates in
der Luft.“ Er ist daher stets der Meinung gewesen,
„daß alle agrarpolitischen Weisheiten der Menschen
nicht über den alten einfachen Satz hinauskommen
werden: DasLand soll in der Regel das Brotgetreide für
das Volk bauen.“
Zur Sicherung dieser volkspolitischen Funktion der
Landwirtschaft, von der nach Ruhlands nie wankender
Überzeugung eine harmonische Entwicklung des ge-
samten Volkslebens abhing, forderte er eine Markt-
ordnung, für die es „nur einen untrüglichen Maß-
stab“ gebe: das Verhältnis zwischen Produktion und
Bedarf an Brotgetreide. Ausgangspunkt für diese
Forderung war die Erkenntnis der sozialen Be-
deutung der Brotpreise als „volkswirt-
schaftlicher Lohnregulator‘. Wie in der Tem-
peraturkurve des Menschen sich sein Wohlbefinden
am sichersten widerspiegelt, so zeichnet für Ruhland
die Bewegung der Getreidepreise das Wohlbefinden
des Volkskörpers mit absoluter Zuverlässigkeit auf,
wobei er zu hohe Getreidepreise als ebenso verderb-
lich wie zu niedrige erkannte. So kommt er natur-
notwendig zu der Forderung der Bindung der Ge-
treidepreise auf mittlerer Linie.
Je mehr sich Ruhland, veranlaßt durch die heftigen
Angriffe seiner Gegner, in die Geschichte der Völker
und Staaten versenkte, um aus ihr neue Beweismittel
für seine Lehre zu schöpfen, um so mehr drängte
sich ihm neben der sozialpolitischen Funktion der
Marktordnung deren nationalpolitische Bedeu-
tung als Waffe im Selbstbehauptungskampf
der Völker auf. Er erkennt die Mehrzahl der Kriege
als „Lösungsversuche wirtschaftlicher Fragen im
kapitalistischen Sinne“. In diesem Zusammenhange
weist er, zu seiner Zeit in dieser Beziehung fast allein-
stehend, Immer wieder auf die Rolle der USA.
als plutokratische Vormacht hin und beobachtet
die sich anbahnende. Entwicklung mit geschärfter
Aufmerksamkeit. Er erkannte mit untrüglichem
150
cnudbemerkungen
Instinkt, daß es mehr war als die Stimme eines Außen.
seiters, wenn der nordamerikanische Schatzsekretär
Shaw vor den Studenten der Harvard- Universitit
in einer Rede, die auch sonst durch ein Gemisch von
offener Brutalität und frömmeinder Scheinheiligkeit
gekennzeichnet wird, ausführte: „Das neue (20.)
Jahrhundert wird Zeuge sein eines erbitterten und
riesenhaften internationalen Handelskrieges zwischen
England, Frankreich, den Vereinigten Staaten und
Deutschland um die Märkte der Welt. Gebe Gott.
daß der Krieg unblutig bleibe. Aber er wird genau
so heftig und unerbittlich geführt werden wie nur
irgendein Krieg in früheren Zeiten.‘ So wird für
Ruhland die von ihm geforderte Marktordnung zur
Waffe in dem drohenden Existenzkampf des deutschen
Volkes, von dessen Unentrinnbarkeit der in Sorge
um sein Volk sich verzehrende einsame Denker
mehr und mehr überzeugt war, zu einer Waffe, die
ebenso unentbehrlich war wie eine starke militärische
Rüstung. \
Ruhland ließ sich daher auch keinen Augenblick
durch die Friedensbewegung seiner Zeit, durch die
mit viel Lärm aufgezogenen Friedenskonferenzen
usw., täuschen. Die entscheidende Frage der Friedens-
bewegung lautet für ihn: „Wird es gelingen, den
heute herrschenden Kapitalismus aus der Gesellschaft
zu beseitigen!” Und er betont: „Bleibt das kapita-
listische Erwerbssystem herrschend, dann müssen die
Zeiten der ewigen Kriege fortdauern trotz aller
Friedenskonferenzen.“ Aus dieser Erkenntnis heraus
wird für Ruhland die Marktordnung zum Instrument
einer Neuordnung der Völkerbeziehungen,
das geeignet ist, eine dauerhafte friedliche Zusammen-
arbeit zu sichern,
Als Ruhlands Stimme verstummte, stand der Aus-
bruch des Weltkrieges, den er kommen sah, unmltte -
bar bevor. Seitdem sind dreißig Jahre vergangen, in
denen wohl für wenige Jahre die militärischen Waffen
ruhten, der Wirtschaftskrieg aber keinen Augenblick
unterbrochen wurde; denn der dem deutschen Volke
diktierte „Frieden“ war nur die Fortsetzung des
Kampfes mit den Waffen in der Form rücksichtsloser
wirtschaftlicher Ausbeutung. In dem Augenblick aber,
als sich das deutsche Volk unter nationalsozialistischer
Führung gegen diese Ausbeutung zur Wehr setzte,
entschlossen sich die plutokratischen Großmächte,
den Kampf mit den militärischen Waffen wieder
aufzunehmen. Es ist das Glück des deutschen Volkes
In dem zweiten ihm aufgezwungenen Weltkrieges,
daß die nationalsozialistische Staatsführung die kurze
ihr verbleibende Atempause mit unübertrefflicher
Tatkraft benutzte, um das deutsche Volk für diesen
neuen Existenzkampf nicht nur militärisch, sondern
auch wirtschaftlich zu rüsten. Welche Bedeutung dabei
der ernährungswirtschaftlichen Marktordnung zu
kommt, Ist In dieser Zeitschrift zur Genüge dargelegt
worden, so daß es einer Wiederholung nicht bedarf.
Der fast in Vergessenheit geratene Name Ruhlands
aber hat durch die nationalsozlalistische Agrarpolitik
neuen Klang bekommen; denn sie hat sich stets zu
ihm als dem Vorkämpfer einer bodengebundenen
Voiksordnung bekannt, dessen wesentliche Gedanken-
ginge durch sie in zeitgemäßer Form verwirklicht
wurden. So ist aus Ruhlands theoretischer Denkarbeit
doch, was er selbst kaum noch zu erhoffen wagte,
die lebendige Tat erwachsen, eine scharfe
Waffe im Selbstbehauptungskampf des deutschen
Volkes und zur Befreiung Europas von der pluto-
kraischen Vorherrschaft.
Günther Pacyna
Appelle der ländlichen Jugend
Die totale Kriegführung hat unsere ländliche Jugend
in einer bisher noch nicht dagewesenen Weise in die
bäuerliche Arbeit auf Hof und Acker eingeschaltet.
Überall da, wo Bauern oder Landarbeiter zu den
Waffen gerufen wurden, ist nicht nur die Landfrau
an ihre Stelle getreten, sondern vor allem auch
unsere Jungen und Mädel auf dem Lande greifen
stets dort tatkräftig mit zu, wo während des ganzen
bäuerlichen Arbeitsjahres schaffende Hände auf den
Höfen fehlen. Nach der starken beruflichen Be-
anspruchung während des Sommers und Herbstes,
auf die der H)J.-Dienst auf dem Lande weitgehend
Rücksiche nahm, wird nun die ländliche Jugend in
Appellen eine Anerkennung ihrer bisherigen Leistun-
gen finden und darüber hinaus zu weiterem Kriegs-
einsatz im Dienste des Volksganzen angespornt. Hier
soll ihr die Bedeutung des Bauerntums für die Nah-
rungsfreiheit und für die biologische Erneuerung
unseres Volkes eindringlich zum Bewußtsein gebracht
und in unserer dörflichen Jugend das Pflichtgefühl
wachgerufen werden, dem Lande aus innerer Über-
zeugung treu zu bleiben. Darüber hinaus können
diese Appelle das Gemeinschaftsbewußtsein und
Zusammengehörigkeitsgefühl der Jugend im Dorf
stärken, zumal auch die über 14 jahre alten Jugend,
lichen teilnehmen, die bisher noch nicht im H).-Dienst
‘erfaßt sind: Träger der Appelle ist die Hitlerjugend
in enger Zusammenarbeit mit den Gau- und Kreis-
ämtern für das Landvoik sowie den Landes- bzw.
Kreisbauernschaften. Zur festlichen Ausgestaltung
werden die Hj.-Spieleinhelten mit ihren Chören,
Orchestern und Laienspielgruppen sowie die Musik-
und Spielmannszüge herangezogen.
Mit einem Reichsappell der ländlichen Jugend, bei
dem Oberbefehlsleiter Reichsbauernführer Backe
und der Reichsjugendführer Axmann zu der Jugend
eines niederschlesischen Dorfes sprachen, wurde nun
die Reihe der Appelle eröffnet, die in diesem Winter
in jedem Dorf durchgeführt werden. Der Reichs-
jugendführer legte hier erneut ein eindrucksvolles
Bekenntnis der Hitlerjugend zum deutschen Bauern-
tum ab und sprach von einem unlöslichen We-
sensbündnis, das die Jugendführung mit der
Bauernführung verbindet, denn nur ein kämpfe-
risches Bauerntum und eine einsatzbereite
Jugend gewährleisten die Verjüngung un-
seres Volkes. Das Bauerntum und die Jugend sind
auch in ihrem gemeinsamen Bekenntnis zum deut-
schen Osten eng verbunden. Oberbefehlsleiter Backe
zeigte in seiner Ansprache die Notwendigkeit auf,
dem Bauerntum seine jungen Kräfte unbedingt zu
erhalten und hob den besonderen rassisch-bluts-
mäßigen, ernährungspolitischen und erzie-
herischen Auftrag an unsere ländliche ju-
gend hervor. Durch die Maßnahmen des bäuerlichen
Berufserziehungswerkes ist es heute jedem fähigen
Jungen und Mädel möglich, auch ohne besondere
schulische Vorbildung und unabhängig von der
Finanzkraft der Eltern Im landwirtschaftlichen Beruf
dis zur verantwortlichen Selbständigkeit vorwärts-
zukommen. Daraus ergibt sich die nationalpoll-
tische Bedeutung einer geordneten Be-
rufsausbildung gerade beim Bauerntum. In
der Zukunft soll das wertvollste deutsche Bauernblut
nicht wieder wie in der Vergangenheit nach Übersee
oder in die großen Städte abwandern, sondern im
Dienst an der deutschen Scholle der gesamten Volks
gemeinschaft dienen.
Gerade diese schlichte Feierstunde im Walden-
burger Bergland wird wie alle die anderen Appelle
der ländlichen Jugend zum Kriegseinsatz der HL den
Jungen und Mädeln auf dem Dorfe klarmachen, daß
berufliches Können, hohe fachliche Leistungen, eine
starke charakterliche Haltung und ein lebendiges
Gemeinschaftsgefühl alle Schwierigkeiten des Alltags
überwinden helfen.
Dr. Albrecht Timm
Df BU AAN.
Deutsche Ostforschung
Ergebnisse und Aufgaben seit dem ersten Welt-
krieg. Bd. 2. Herausgegeben vonAubin, Brunner,
Kohte, Papritz. Verlag S. Hirzel In Leipzig, 1943.
642 Seiten.
Die deutsche Wissenschaft und Publizistik der letz-
ten Jahrzehnte hat ihr Augenmerk immer wieder auf
den Osten gerichtet und auf die großen geschicht-
lichen Taten unseres Volkes in diesem Raum hinge»
wiesen. Doch dieses Schrifttum ist so weit in Einzel-
schriften und Aufsätzen der Zeitschriften aller
Wissenschaftsdisziplinen verstreut, daß es bisher
schwerfiel, darüber eine schnelle Übersicht zu
gewinnen. Es bleibt das große Verdienst dieses
Sammelbandes, hier eine erste Zusammenfassung, die
zugleich auch eine Würdigung bedeutet, zu bieten.
Der erste Band, der Im wesentlichen den Stand der
deutschen Forschungen und Beziehungen zum ost-
europäischen Raum während des Mittelalters behan-
delt, konnte bereits im 1. Jahrgang Nr. 7/8 unserer
Zeitschrift angezeigt werden. Der vorliegende zweite
Band führt nun diese fruchtbare Arbeit vom Mittel-
alter in die Neuzeit fort. Wenn auch die zweite
151
deutsche Ostsiediung, wie sie W. Kuhn im Kernstück
des Bandes, der 21 Einzelbeiträge namhafter Wissen-
schaftler enthält, darstellt, bei weitem nicht die
Stärke der mittelalterlichen Bauernsledlungen er-
reicht, so ist sie doch bei ihrer Zersplitterung räum-
lich ausgedehnter und zeitlich vielschichtiger. Im
17. Jahrhundert bestimmen der niederdeutsche und
alpendeutsche Bauernsiedler Stärke und Richtung, im
13. Jahrhundert treten diese mehr großbäuerlichen
Landschaften zurück, während nun der Kleinbauer
aus den westdeutschen Realteilungsgebieten oder
der Häusler und Gärtler aus dem Nordosten die
Träger des Siedlungswerkes werden.
Bemerkenswert ist das, was Th. Schieder an sinn-
fälligen Beziehungen zwischen ständischer Ofdnung
und volkhaft nationalem Bewußtsein bei den Außen-
posten des deutschen Volkstums, besonders in den
baltischen Ländern und in Siebenbürgen, feststellt.
Hier zeigt sich die Stärke des Deutschtums, das seiner
Umgebung verfassungsrechtlich und kulturell ebenso
überlegen war wie in wirtschaftlicher Hinsicht.
W. Kohte macht uns die engen Verflechtungen zwi-
schen Volkstumskampf und Wirtschaftsentwicklung
deutlich und zeigt, daß die preußische Agrarreform,
besonders die Deklaration von 1816, die den Boden
veräußerlich machte und mit der Beschränkung der
Regulierung die nicht spannfähigen Bauern zu Land-
arbeitern stempelte, gänzlich vom Boden löste und
in die Städte abwandern ließ, das Vordringen des
Slawentums ebenso förderte, wie die einseitige und
verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik des 19. Jahr-
hunderts es getan hat. Nur deshalb konnte auch der
verhängnisvolle EinfluB des Judentums, auf den
P.H.Seraphim hinweist, ständig zunehmen und der
Jude, der einst im Gefolge der deutschen Bauernsied-
ler als Parasit ins Land kam, nun als Erbe des Deut-
schen eine beherrschende Stellung im Wirtschafts-
leben einnehmen. Th.Oberländer kennzeichnet
die agrarische Überbevölkerung und das Vorhanden-
sein der Kleinst- und Zwergbetriebe in der Landwirt-
schaft bei den slawischen Völkern als durch die alte
Bodenverfassung — in Rußland die Mirverfassung —
bedingt. Sie wurde durch eine falsch verstandene Agrar-
reform in der Neuzeit nur verschärft, und zum Teil
wurden somit marktgebundene Produktionsstätten
in halb naturwirtschaftliiche Zustände zurückge-
worfen. Die fortschreitende Verarmung ist nur ein
Kennzeichen dieser Entwicklung, die allein durch
die Verstärkung positiver agrarpolitischer Maßnahmen
und durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Groß-
deutschen Reich aufgehalten werden kann.
Hier können die vielfachen Probleme, die dieser
Sammelband berührt und behandelt, nur angedeutet
werden. Verschiedene Arbeiten beleuchten den
befruchtenden Einfluß deutschen Geisteslebens und
deutscher Kunst, und andere schildern die historische
Aufgabe Deutschlands, des Erben Preußens und
Österreichs, Js politische Ordnungsmacht. Wichtig
sind vor alleın die zusammenfassenden Berichte über
den Stand deutscher Volksforschung im ehemaligen
Polen, im Baltikum, in Böhmen und Mähren und in
Ungarn. Gerade der Südosten Ist in diesem Band
ausführlicher behandelt, als es im ersten Band möglich
152
war. Jeder Leser muß in diesen Beiträgen erkennen,
wie entscheidend die deutsche Arbeit und vor allem
die deutsche Bauernarbeit im deutschen Ostraum
war und ist, und kann schon aus diesem Leistungs-
bericht ermessen, was es heute im Osten zu ver-
teidigen gilt.
Dr. Albrecht Timm
Werner Zimmermann
Landwirtschaftszonen in Übersee
Die jetzige Agrarstruktur und ihre Entwicklung.
Wilhelm Goldmann Verlag, Leipzig.
132 Seiten.
Gerade während eines Krieges gewinnen agrar-
politische und -technische Probleme an Bedeutung,
wirkt sich das kriegerische Geschehen doch immer in
irgendeiner Form auf die Ernährungsweise der Völker
aus und steigert zwangsläufig das Interesse für alle
diesbezüglichen Fragen. Während die Tagespresse
dazu Stellung nehmen muß, fällt dem agrarwirtschaft-
lichen Schrifttum die Aufgabe zu, die großen Ge
dankengänge aufzuzeigen, die Synthese aus vielen
Bestrebungen und Richtungen zu ziehen und von einer
höheren Warte die Probleme zu sehen und zu be-
handeln.
Dieser Aufgabe hat sich Zimmermann im Rahmen
der Bücherreihe „Weltgeschehen“ des Gold-
mann-Verlages unterzogen. Seine einleitenden Be-
trachtungen befassen sich mit der Herausbildung der
überseeischen Agrarzonen. Damit schafft er die
Grundlagen für das Verständnis der nachfolgenden
Abschnitte, die sich mit speziellen Untersuchungen
über die Entwicklung und Strukturveränderungen
in den verschiedenen Kontinenten und Großwirt-
schaftsräumen befassen. Gerade diese Untersuchungen
haben für weite Kreise besondere Bedeutung, bringen
sie doch viel instruktives Zahlenmaterial über
Erzeugung, Verbrauch, Ein- und Ausfuhr
usw. Darüber hinaus findet man historische Über-
sichten, Zahlen über die Bevölkerungs-
entwicklung, Siedlungsdichte und schließ-
lich geologische und klimatologische Hin-
weise. Diese Konzentration von grundlegenden
Daten aus dem Wirtschaftsleben gibt die Möglichkeit,
sich auch durch das Studium eines Abschnittes über
bestimmte Agrarfragen zu orientieren. Aber auch
hier muß darauf hingewiesen werden, daß die Gesamt-
schau der Probleme im Vordergrund zu stehen hat;
denn letztlich sind die wiedergegebenen Zahlen doch
nur Ausdruck für eine Entwicklung, die entscheidend
beeinflußt wurde von den beiden Weitkriegen dieses
Jahrhunderts und allen daraus geborenen oder davon
beeinflußten Wirtschaftsepochen. So kommt dem
Buch gerade in dieser Hinsicht die größte Bedeutung
zu. Es ist ein Beitrag zur Agrargeschichte der
Welt, wie sie Herbert Backe, Ferdinand Fried und
andere in ihren Standardwerken aufgezeigt haben.
H. Gerdesmann
5
— — Ze
See Gë,
Sen — J ED —
a . , Ch — —
Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen
auf dem Hof meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer
Stelle zur anderen bringen läßt.
Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß.
SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG
Verpackt so fest, wie nur möglich. Der.
Weg Ist weit. Nur was Stoß und Dreck
aushäk, kann gut ankommen. Schreibe
die richtige Feldpostaummer!
Streichhölzer und gefüllte Benzinfeuer
zeuge gehören nicht ia
Feldpostpäckchen!
DEUTSCHE A REICHSPOST
Kein Saatgüt
darf ungebeizt aus-
gesät werden, sonst
ist die Getreideernte
gefährdet!
Ceresan
Trocken- oder Naßbeize
für alle Getreidearten!
ages.
1.G.FARBENINDUSTRIE
AKTIENGESELLSCHAFT
Pflanzenschutz-Abtellung
LEVERKUSEN
Auf eigenem
Grund und Boden.
wächst der Kralistofl (ër den
Ackerschlepper, das Hols Weit
mehr als hundertiiausend
Imbert-Holsgas-Generatoren
sind die Gewähr (är höchste
Betriebssicherheill. Darum
wählı auch der Jausr den
Schlepper mii
IMBERT
AGB TARGA
IMBERT-GENERATOREN CLSELLSCHATT MBH » KOLN
Fe -
—
L
:
=|
-—{
.
E
Fir
a
Achtung! An alle Verfracnter!
Vorsatzbretter für gedeckte Güterwagen!
Ein neues Hilfsmittel der Deutschen Reichsbahn
für die Verladung von Schüttgütern!
Beı Fehlen von Verpackungs-
material können Schüttguter
wie Getreide oder Hülsen-
früchte lose verladen werden.
Die Reichsbahn hat hierfür Vor-
satzbretter beschafft (s. obige
Abbildung). Sie passen fur je-
den Güterwagen, werden von
innen in die Türen gestellt und
sind mit 2 Entlade-
DER schiebern versehen.
Fordern Sie diese bahneigenen
Vorsatzbretter bei Ihrer Güter-
abſertigung an. Die Mietgebühr
betragt je Stück RM 2,—. In kei-
nem Falle ist es also mehr not-
wendig, das wertvolle Wagen-
material durch Vernageln der
Guterwagentüren mit Brettern
zu beschädigen. Jede Repara-
tur entzieht den Guterwagen
dem Verkehr.
Räder müssen rollen für den Sieg!
Der Transportarbeiter wird sich
an diesem Nagel die Hand auf-
reißen. Solche Verletzungen
lassen sich verhüten. Auf die un-
vermeidlichen Arbeitsschrammen
und kleinen Wunden aber gleich
ein Wundpflaster auflegen.
Trauma Dias?
Carl Blank, Verbandpflasterfabrik
Bonn / Rh.
von Johann Weck, dem Mann der
das WECK-Verfahren begründet,
der die WECK-Gläser und WECK-
Geräte geschaffen hat.
kolloidaler flüssiger Schwefel
gegen
Oidium / Aescherich
Bezug durch Handel und Genossenschaften
Riedel - de Haen A.-G. Berlin
R M.
‚20
|
— weg, A
ere * 2 . 32
r r r
ER dm
Ne
——
E I Ñ ZEHL A NH DS
)
ANG
rm
kd
Le
—
Fraa
—
et
BS
{
Herausgeb
INHALT
Staatssekretär Oberbefehlsleiter Herbert Backe: Die historische Mission des
deutschen Bauerntums `... 153
Landtechnik in der Kriegserzeugungsschlacht (Bildbeilage) ............ n. S. 156
Ministerialdirektor Hans-Joachim Riecke: Aufgaben und Ziele der Technik
in der Landwirtschaft... EE 8 157
Dipl.-Ing. Heinrich von Waechter: Landtechnik im Kriege ER 160
Friedrich Griese: Im alten Dorf ............ CCC 164
Das Gesicht des deutschen Bauern (Bildbeilage-æevrſ:ſ: f n. S. 168
Josef Martin Bauer: Der bäuerliche Veeeẽtiui AMX! .“hhh . en . 170
Dr. Klaus Schmidt: Das Bauerntum in der Dichtung.. ie, ID
Dorfgemeinschaftshaus im Erzgebirge (Bildbeilage) ............. a Meo L76
Agrarpolitische Rundschau nenn ee 181
Randbemerkungen e 8 Ee EENS
Die Buchwacht .............. EN CC
Bildnachweis: Unser Titelbild , Vorfrühling im Mattigtal’' ist eine Aufnahme von Hans Retzlaff, von
dem wir auch einen Teil der Photos (6) zur Bildbeilage ‚Das Gesicht des deutschen Bauern“ erhielten;
die übrigen stammen von Anna Koppitz (2), Enno Folkerts (1) und aus dem Bildarchiv des Reichsnähr-
stands (1). — Heinrich von Waechter (9) und das Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft (1)
lieferten die Bilder zur Beilage „Landtechnik in der Kriegserzeugungsschlacht''. — Von der Landes-
bildstelle Sachsen (9) erhielten wir die Photos zur Bildbeilage ‚‚Dorfgemeinschaftshaus im Erzgebirge“
Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna.
Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:
Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 1955 41.
Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts-
ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.
ZENTRALVERLAG DER NSDAP. , FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN
1232 „on
8 vB
RE
d
Herausgeber
März 1944
HERBERT BACKE:
Jahrgang 2
N Herbert Ba cke
Nummer 6
DIE HISTORISCHE MISSION DES
DEUTSCHEN BAUERNTUMS
De gegenwärtige Krieg hat alle bisher
gekannten Ausmaße militärischer Aus-
einandersetzungen gesprengt. -Der Kampf
geht nicht um das Einzelschicksal eines
Volkes, sondern um eine neue gerechte
Grundlage des volklichen Miteinander-
lebens in der Welt und wird das Gesicht
des nächsten Jahrtausends bestimmen.
Dieses gewaltige Geschehen erfordert das
Letzte an Einsatzbereitschaft von jedem
Deutschen, verlangt vor allem das Höchste
von unseren Brüdern, Vätern und Söhnen
an der Front. Uber den Ausgang dieses
Ringens entscheidet dabei zuletzt nicht
allein die mengenmäßige, die materielle
Überlegenheit, sondern die klare welt-
anschauliche Haltung. Allein die welt-
anschauliche Festigkeit gibt uns die Kraft,
die schwerste Beanspruchung dieses Krie-
ges tapfer zu bestehen und jeder vom
Führer gestellten Aufgabe gewachsen zu
sein.
Die geschichtliche Mission der
nationalsozialistischen Bewegung
besteht darin, dem deutschen
Volke einen unverbrüchlichen
Glauben und ein nüchternes Ur-
teils vermögen gegeben zu haben
und damit einen Standpunkt, von dem aus
ein weitsichtiges Wissen über die Notwen-
digkeit und Schicksalsbedingtheit unseres
Kampfes möglich ist. Der Kernpunkt
der nationalsozialistischen Welt-
anschauung ist die Rassenlehre. Sie
sagt uns, daß keine Gleichheit der Men-
schen in der Welt ist, sondern die einzel-
nen Rassen verschieden sind, weil ihre
Erbmasse verschieden ist und damit das
Erreichen einer Kulturhöhe und eines allge-
meinen völkischen Leistungsstandes nicht
allein von der Erziehung abhängt, wie es
der Liberalismus gelehrt hat und wie es
der Bolschewismus zu letzter Konsequenz
führt, sondern daß die geschichtliche Be-
währung eines Volkes im Erbwert seiner
Rasse verankert ist. Das deutsche Volk hat
damit zu den ursprünglichen und natür-
lichen Gesetzen des Lebens zurückgefun-
den. Bekenntnis zur Rasse bedeutet
letzten Endes ein Bekenntnis zur
bäuerlichen Grundhaltung und zur
bäuerlichen Herkunft unseres Vol-
kes, denn Bauerntum ist damit schließlich
Träger aller völkischen Schöpfunskraft,
weil es der Erhalter unseres Blutes ist.
Bauerntum ist damit auch Träger
unserer Wehrkraft.
Deutschland ist nicht nur das Land der
Dichter und Denker, sondern auch das Land
ausgeprägter soldatischer Haltung. Wahr-
haft soldatische Haltung aber hat nichts zu
tun mit Freibeuterei, mit reiner Lust am
Waffenhandwerk an sich, hat nichts zu
tun mit imperialen Eroberungsgelüsten.
Wahrhaft soldatische Haltung will Volk
und Heimat schützen und dem wachsenden
Volk den notwendigen Lebensraum zur Er-
zielung seiner völkischen Aufgabe ge-
winnen. Diese Art soldatischer Hal-
tung ist erstanden aus der germa-
nisch-bäuerlichen Geschichte. Der
bodenständige Bauer lebt in einer fest-
gefügten Ordnung von Familie, Sippe und
Volk. Er müht sich um sein Land, er pflegt
es, aber er beutet es nicht aus. Er ist zu-
tiefst mit seiner Scholle verbunden, aber
er wandert nicht von Ort zu Ort. Er unter-
wirft sich den Gesetzen der Natur, er hat
in täglicher harter Arbeit die Gesetze der
Auslese kennengelernt, er schöpft Kraft
aus dem Zusammenhang seiner Sippen- und
Volkszugehörigkeit. Er ist also das Gegen-
teil des nomadischen Menschen, der nur
dem Raub, der Ausplünderung, dem Gegen-
wärtigen lebt. Aus dieser Einstellung er-
wächst aber auch der Wille, seinen Boden,
sein Geschlecht, sein Volk vor jedweder
Gefahr zu schützen. Dieses Gesetz eines
wahrhaftigen Soldatentums war
allen germanischen Völkern ge-
meinsam. Es hat seine klare Prägung im
sogenannten germanischen Bauernkrieger-
tum gefunden. Die Geschichte der vergan-
genen zweitausend Jahre zeigt uns, daß
diese bäuerliche Lebenshaltung, diese
bäuerliche Wehrhaftigkeit die unerschütter-
lichen Grundlagen eines Staates sind.
Sparta ging zugrunde, Rom ging zugrunde,
als sich ihr Bauerntum erschöpfte. Auch
das mittelalterliche Kaiserreich war schließ-
lich zur Ohnmacht verurteilt, als es sich
nicht mehr auf die lebendigen Kräfte des
Bauerntums stützte. Es ist die Tragik der
deutschen Geschichte, daß mit der Tren-
nung der Stände und mit dem Aufkommen
des feudalen Ritterdienstes der schwert-
kundige Bauer aus dem geschichtlichen
Leben ausgeschaltet wurde. Feudal-
herren und Kirche vernichteten
die volkliche Wehrkraft, um die
bäuerlichen Massen um so einfacher und
leichter arbeitsmäßig ausnutzen zu können.
Und die kaiserliche Macht, die Reichs-
macht fand nicht die Kraft, das politische
Streben des deutschen Bauerntums in seine
abendländische Mission einzuspannen.
Etwa seit dem 11. Jahrhundert ist der Bauer
als Träger des Waffenrechtes ausgeschie-
den. Dieser Vorgang ist zweifellos der
letzte entscheidende Grund an dem Zu-
sammenbruch der zeitweilig so glanzvollen
154
Herrschaft des mittelalterlichen deutschen
Kaisertums.
Der deutsche Bauer hat sich mit allen
Kräften, zuletzt im Großen Bauernkrieg,
gegen seine Ausschaltung aus der Ge-
schichte gewehrt. Wenn wir heute die
Dokumente der großen bäuerlichen Auf-
stände der letzten Jahrhunderte studieren,
so erkennen wir mit tiefer Erschütterung,
daß hier revolutionäre Kräfte am Werk
waren, den feudalen Partikularismus zu
zerschlagen und dem Reichsgedanken zu
neuem Aufstieg zu verhelfen. Die bäuer-
lichen Aufstände gegen die herr-
schenden Gewalten gingen erstin
zweiter Linie um eine soziale
Besserstellung, es war ein Kampf
um die Idee des Reiches und um die
Teilnahme des Bauerntums am ge-
schichtlichen Leben der Nation.
In diesen Kämpfen ist das Bauerntum da-
mals unterlegen. Nachdem der Truchseß
von Waldburg die letzten Bauernheere
niedergeworfen hatte, war das deutsche
Bauerntum in seiner Wehrkraft jabr-
hundertelang als politisch tragender Faktor
ausgeschaltet. Bäuerlicher Wehrwille aller-
dings hat sich in dieser Zeit immer aufs
neue bewährt. Wir wissen, daß die Lands-
knechtsheere, die schließlich auch dem feu-
dalen Ritterheer den Garaus machten, sich
überwiegend aus bäuerlichen Menschen
zusammensetzten. Das überzugendste
Beispiel bäuerlicher Wehrhaftig-
keit aber finden wir in den großen
Siedlungsbewegungen in den ehe-
maligen Randgebieten, den Mar-
ken des Reiches, vor allem in der
Ostsiedlung, die angestammten germa-
nischen Volksboden dem Deutschtum zu-
rückeroberten. Die deutsche Ostsiedlung
wird für alle Zeit ein bleibendes Dokument
nicht nur für die kolonisatorischen Fähig-
keiten des deutschen Bauern sein, sondern
auch für seine wehrhafte, kämpferische
Gesinnung. Zwar haben die Ritterheere des
deutschen Ordens und der Volksherzöge,
Heinrich der Löwe und Albrecht der Bär,
die Eroberung der Ostgebiete im wesent-
lichen getragen, die Sicherung des ge
wonnenen Landes aber ist eine Leistung
des deutschen Bauerntums. Wir finden hier
das beste Beispiel für die geschichtliche
Tatsache, daß das Schwert allein niemals
eine dem Volke wesensgemäße Herrschaft
zu errichten vermag, daß durch das
Schwert allein niemals der Bestand eines
Volkes gesichert ist, sondern daß erst der
Pflug, des Bauern Arbeit, Raum
und Boden endgültig für ein Volk
gewinnt. Die Runddörfer im ostdeutschen
Raum, die Bauernburgen im Südosten, die
bäuerliche Militärgrenze der alten öster-
reichisch-ungarischen Monarchie sind Zeu-
gen eines stillen, zähen Kampfes bäuer-
licher Menschen um Boden und Volkstum.
Mit der Bildung der Nationalstaaten ist
auch das Bewußtsein von der politischen
Bedeutung eines wehrhaften Bauerntums
wieder gewachsen. Welche Heimatliebe,
welche volkliche Kraft zeigt sich doch in
dem Fahnenspruch des bäuerlichen Land-
sturms des Großen Kurfürsten, als es galt,
brandenburgische Erde gegen den Einfall
der Schweden zu verteidigen. „Wir sind
Bauern von geringem Gut — und dienen
unserern gnädigen Kurfürsten mit unserem
Blut.” Mit diesem Schwur standen die
Bauern der Mark auf und wagten den letz-
ten Einsatz um den Frieden ihrer Heimat
und um das Lebensrecht ihres Volkstums.
Mit dem Kantonsreglement Fried-
rich Wilhelms des Ersten wurde der
erste bescheidene Schritt zur allgemeinen
Wehrpflicht und damit einer neuen Akti-
vierung der bäuerlichen Wehrkraft getan.
Der Soldatenkönig und Friedrich
der Große haben diese Entwicklung wei-
ter gefördert, die dann der Freiherr vom
Stein, Schärnhorst, Gneisenau,
Ernst Moritz Arndt und andere bis zum
Werk der Bauernbefreiung führten, „Lasset
den Bauern frei sein auf seinem Eigentum,
denn nur der freie Mann weiß seinen Staat
zu verteidigen", so schrieb Freiherr vom
Stein, und Ernst Moritz Arndt schließ-
lich erhob die leidenschaftliche Forderung:
„Einer der großen Punkte, warum ich so
für den Bauern spreche, ist, daß der Bauer
‚nicht allein jederzeit der Fähigste ist, die
Waffen für sein Land zu führen, sondern
daß er auch immer der Bereiteste ist, es zu
tun. Je mehr freie Bauern ein Land zählt)
desto schwerer ist es zu unter jochen.“ Die
Militärgeschichte zeigt uns, daß in dem da-
mit eingeleiteten Zeitalter der „Völker
in Waffen’ wiederum das Bauerntum das
Fundament der völkischen Wehrkraft bil-
det. Das kinderreiche Bauerntum hat seit
jener Zeit bis in die Gründerjahre fast aus-
schließlich das Aufgebot der deutschen
Armee gestellt. Kein Geringerer als Bis-
marck hat nach seiner Entlassung, als er
die verheerenden Folgen des damaligen
politischen Kurses der einseitigen Indu-
strialisierung unter Vernachlässigung der
Landwirtschaft voraussah, folgende bleiben-
den Worte als politisches Vermächtnis dem
deutschen Volke hinterlassen: „Der Bauer
ist der Kern unserer Armee, der auch in
Not und Drang aushält, denn er ist mit dem
Lande verwachsen und hat schon aus
Selbsterhaltungstrieb ein Interesse an der
Erhaltung. Ohne Bauernstand kein
Staat und keihe Armee.“
Dieser Wiedereintritt des Bauerntums als
politisches Element in die Geschichte unse-
res Volkes hat durch die liberalistischen
Wirtschaftsmethoden eine neue Rück-
setzung erfahren. Aber auch bis zum Welt-
krieg ist nach den Rekrutierungsstatistiken
der Tauglichkeitsgrad -der ländlichen Be-
völkerung wesentlich höher als der der
Städte. Dabei ist diese Statistik für die
Bedeutung der bäuerlichen Wehrkraft gar
nicht entscheidend, denn wir wissen, daß
die besten und aktivsten Menschen des
Landes in die Städte abwandern mußten
bzw. durch Auswanderung dem Volke
überhaupt verlorengingen, weil der eigene
Staat ihnen keine Arbeitsmöglichkeiten und
gesunde Lebensbedingungen zu geben ver-
mochte. Hier hat sich das Gesetz der Aus-
lese gegen uns selbst gewendet. Die Ab-
wandernden stellten zweifellos eine Auslese
des Landes dar, es waren jene Bauern und
Bauernsöhne, die sich nicht mit der wirt-
schaftlichen Beeinträchtigung des Land-
volkes abfinden wollten, die aus der eige-
nen Verantwortung heraus es ablehnten,
sich mit zuwenig Land und einem zu klei-
nen Hof brachlegen zu lassen. Aber diese
bäuerlichen Menschen, die in die Städte
abwanderten oder ins Ausland gingen, sind
ein Teil der Blutskraft des Landes. Wenn
sie auch von der Stadt her zur Wehrmacht
kamen, sie waren auf dem Lande auf-
gewachsen und Glieder des Bauerntums.
Eines wollen wir nicht vergessen: Über die
Wehrkraft eines Landes entscheidet letzten
Endes die Kinderzahl. Je kinderreicher die
155
Familien, desto stärker der Strom jener, die
sich unter den Fahnen sammeln. Der
-Kinderreichtum aber — und das ist
das Eptscheidende — der bluts-
mäßig, rassenmäßig wertvolle Kin-
derreichtum ist immer noch beim
Landvolkundbeiallden Millionen,
die auch in der Stadt aus bäuer-
licher Wurzel stammen und ihr
treu geblieben sind.
Mit der liberalistischen Wirtschaft be-
gann nun in großem Ausmaß eine wirt-
schaftliche Verelendung des Landvolkes.
Der bisher bestehende Kinderreichtum ging
merklich zurück, und die ungeheure arbeits-
mäßige Uberanstrenqung führte zu schwe-
ren körperlichen Schädigungen. Für die
Wehrkraft mußte dieser Vorgang von ein-
schneidender Bedeutung sein. Die Rekru-
tierungsleistungen des Landes ließen nach.
Wenn hier bisher ausschließlich von den
blutsmäßigen Leistungen des Bauerntums
für die Wehrkraft des Reiches gesprochen
wurde, so soll damit in keiner Weise die
Bedeutung der wirtschaftlichen Arbeit für
das militärische Durchhaltevermögen unse-
res Volkes herabgesetzt werden. Mit leerem
Magen marschiert auf die Dauer keine
Armee. Unsere Generation hat im ersten
Weltkrieg dieses in bitterem eigenem Leid
zu spüren bekommen. b
Der Liberalismus hat also den
Wiedereintritt des Bauerntums in
die Geschichte unterbrochen. Erst
der Nationalsozialismus hat aus seiner Idee
und den Lehren der Geschichte die ent-
scheidende Konsequenz gezogen. Immer
wieder hat der Führer darauf hin-
gewiesen, daß er im Bauerntum die
Grundlage unseres Volkes sieht,
daß das Bauerntum Blutsquell unseres Vol-
kes und sein Ernährer sein muß. Indem der
Nationalsozialismus die natürlichen Ge-
setze des volklichen Lebens zur grundsätz-
lichen Lehre erhob, anerkannte er auch die
Bedeutung des Bauerntums für das völki-
sche Schicksal unserer Nation. Wenn die
Vorsehung den deutschen Bauern seit dem
Mittelalter aus dem aktiven geschichtlichen
Geschehen verbannte, so hat der National-
sozialismus den bäuerlichen Geschichts-.
willen wieder zum tragenden Element des
deutschen Lebens gemacht. Das deutsche
Landvolk ist sich dieser hohen ge-
schichtlichen Mission bewußt. Es
setzt gegen die artvernichtenden
Theorien des Liberalismus und da-
156
mit letzten Endes des Bolschewis-
mus die arterhaltenden Gesetze
der Rasse, des Volkstums, der
schöpferischen Kraft der Persön-
lichkeit. Es setzt gegen den Massenwahn,
gegen den Kollektivismus die persönliche
Leistung, die in der volksverbundenen Ver-
pflichtung höchste Erfüllung findet. Der
Vernichtungswille des Feudalismus und des
Liberalismus haben die Kraft des deutschen
Bauerntums nicht brechen können. Indem
der Nationalsozialismus dem Landvolk
seine geschichtliche Mission zurückgab,
fand es sich auch wieder in der Bereit-
schaft zu geschichtlicher Tat.
Die bisher die Lebenskraft des deutschen
Volkes einschränkende Raumenge ist durch
die unvergänglichen Taten unserer Sol-
daten überwunden. Der Boden für eine
gesunde Ausbreitung unseres Volkes ist
gewonnen. Nun kommt es darauf an, das
Gesetz zu erfüllen, nach dem allein der
gewonnene Raum deutscher Heimatboden
als Pflegestätte zahlreicher Geschlechter
werden kann. Deutsch wird das neue
Land nur, wo neben dem Schwert
der Pflug geführt wird. Erst ein
starkes, seiner blutsmäßigen Auf-
gabe bewußtes und sozial gesundes
Bauerntum wird in diesen neuen
Räumen zu einem Quell uner-
schöpflicher Volkskraft und zu
einem sicheren Bollwerk gegen
jede Bedrohung von außen. Bäuer-
liche Siedlung wird damit nicht
nur eine Angelegenheit der bäuer-
lichen Männer und Frauen und der
Jugend, sondern eine hohe Ver-
pflichtung für das ganze deutsche
Volk. Dabei ist es aus unserer welt-
anschaulichen Haltung als Nationalsozia-
listen heraus selbstverständlich, daß wir
damit nicht nur einer mengenmäßigen
Vermehrung des Landvolkes das Wort
sprechen, sondern ‚gleichzeitig auch einer
Auslese der Erbmasse nach. Sind wir bereit,
uns diesen biologischen Gesetzen folge-
richtig zu unterstellen, so ist es unnötig,
sich über die notwendigen wirtschaftlichen
Leistungen des Landvolkes für die Unab-
hängigkeit des Reiches weiter auszulassen.
Bewältigen wir die blutsmäßigen Aufgaben,
dann lösen sich die wirtschaftlichen von
selbst. Pflug und Schwert aber werden so
zu den ewigen Sinnbildern des Kampfes,
nach dem wir Nationalsozialisten ange-
treten sind!
Z/ANDTECHNIK
nder Kriegserzeugungschlacdt
Auf der ersten Seite zeigen wir im Bilde oben einen Anhänge-Schlepperpflug, im unteren Bild einen Klein-
schlepper, der in einem 25-ha-Betrieb eines Bauern nach und nach die ganze tierische Zugkraft — vier
Ochsen — verdrängte. Dafür werden 10 000 bis 12 000 Liter Milch mehr erzeugt. Außerdem wurde durch den
Schlepper das Ackergrünlandverhältnis umgekehrt (früher 30: 70 %, heute 65: 35%) und dadurch die zusätz-
liche Futterbasis für 35 Schweine geschaffen
Die rasche Vermehrung der Schlepper zog die Entwicklung geeigneter Anhänge- und Anbaugarnituren nach
sich; insbesondere beim Kleinschlepper sind die Anbaugarnituren von Vorteil, da sie vom Führersitz aus
leicht zu bedienen und sehr wendig sind (s. Bild oben). — Der Gummiwagen bringt eine Zugkraftersparnis bis
zu 50% und erhöht dadurch die Zugkraft des Betriebes erheblich. Die Transportentfernungen schrumpfen
zusammen. Oft bildet der Gummiwagen in Verbindung mit dem Vielfachgerät die Voraussetzung für die
Ausweitung des Hackfruchtanbaues (s. Bild unten)
Ze"? — —
„ > A
um.
— sr
u Digiiz BFA
; - 8 7 * A Le
H
< >
NEA
Durch vielseitige Verwendbarkeit des Vielfachgerätes, wie wir es im Bilde oben zeigen (verschiedene
Arbeitsgänge in Hackfrucht und Getreide), ist der Aufwand an Material und Anschaffungskosten relativ
gering, Zeit- und Arbeitsersparnis dagegen durch die gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Reihen sehr erheblich
In den meisten Gebieten des Reiches kann durch Zwischenfruchtbau nach Getreide noch eine Futterernte
eingeschoben werden. Rasche Aussaat unmittelbar nach der Getreideernte ist dabei besonders wichtig.
Neuentwickelte Geräte (Bild links unten) führen die Bearbeitung der Stoppel und die Futteraussaat in einem
Arbeitsgang durch. — Neuzeitliche Kartoffel-Erntemaschinen (Bild unten rechts) leisten so saubere Arbeit, daß
bei richtiger Bedienung nur minimale Ernteverluste entstehen
Transportanlagen beschleunigen die Ernte-
bergung und setzen damit das Ernterisiko herab,
sie sparen Arbeitskräfte in einem besonders
kritischen Zeitpunkt
Die Einsäuerung der Futterkartoffeln verhindert
den Verderb, gestattet die Verfütterung zu be
liebiger Zeit und spart die täglich zeitraubende
Arbeit des Dämpfens (letzteres besonders wichtig
für den Familienbetrieb)
HANS-JOACHIM RIECKE:
Aufgaben und Ziele der Technik
in Oer Landkwirt/chaft
D* Begriff „Technik in der Landwirtschaft”
soll sich im Sinne dieses Aufsatzes nicht
allein auf den Einsatz von Maschinen und Ge-
räten im landwirtschaftlichen Betriebe be-
schränken; der Begriff sei hier erheblich weiter
gefaßt. Mit einbezogen werden sollen alle Teile
der Betriebsausrüstung, die in ihrem Arbeits-
ergebnis an die Stelle einer Maschine oder
eines Gerätes treten können. Ein Beispiel dafür,
wie dies gemeint ist, ist die Hochfahrtscheune,
die in ihrer Entstehung eine Bauangelegenheit
ist, buchmäßig zum Gebäudekapital gehört,
aber-im Arbeitsergebnis einen Höhenförderer
oder eine Greiferanlage erspart. Ein weiteres
Beispiel sind die Heutrocknungsgerüste, die bei
richtigem Einsatz Schwadenrechen und Heu-
wender ganz oder zum Teil ersetzen, ohne
selbst im eigentlichen Sinne Arbeitsgeräte zu
sein. Eine ähnliche Rolle in der Landtechnik
spielt auch der Silo. Doch möge es mit diesen
Beispielen genug sein. Sie werden genügen, um
aufzuzeigen, in welchem erweiterten Sinne in
diesem Aufsatz der Begriff Landtechnik ausge-
legt werden soll,
Die Aufgabenstellung für einen so umfassend
gesehenen landtechnischen Einsatz ergibt sich
klar und folgerichtig aus den beiden großen
Zielsetzungen der deutschen Agrarpolitik: Nah-
rungsfreiheit und Sicherung des Landvolkes als-
Blutsquell der Nation! Die Landtechnik
hat also einmal — und das ist wohl stets klar
gewesen — der Intensivierung der
Landwirtschaft zu dienen, zum an-
dern hat sie die Aufgabe — und das ist in der
vergangenen Zeit keineswegs immer genügend
beachtet worden —, die Arbeit des Lan d-
volkeszu erleichtern und die täglichen
Arbeitszeiten, insbesondere der Landfrau, auf
ein normales Maß zu verkürzen.
Das klassische Beispiel für die Erfüllung der
ersten Aufgabe ist der gummibereifte Acker-
schlepper, mit dessen Hilfe erst der Betrieb
über die Zugkraftreserve verfügt, die nötig
ist, um die bei intensivster Ackerwirtschaft
auftretenden Arbeitsspitzen (Stoppelschälen,
Zwischenfruchtbau, rechtzeitige Winterfurche
usw.) zu brechen. Darüber hinaus ermög-
licht der Ackerschlepper die Ausdehnung des
Hackfrucht- und Gemüsebaues, und schließ-
lich macht er durch Einsparung von tierischen
Zugkräften bisherige Futterflächen für die un-
mittelbare menschliche Ernährung oder für die
vermehrte Haltung von Nutzvieh frei. Der
gummibereifteAckerschlepperist
also ein Intensivierungsfaktor
ersten Ranges. Die Fortsetzung der durch
den Krieg unterbrochenen Motorisierung der
Landwirtschaft wird die Erreichung einer
wesentlich höheren Intensitätsstufe in der deut-
schen Landwirtschaft zur Folge haben. Die Ent-
wicklung in der Landwirtschaft hat in den
letzten Jahrzehnten eine ganze Reihe neuer oder
verbesserter Geräte gebracht, die einer inten-
siveren Landbewirtschaftung zugute gekommen
sind, so als besonders markante Beispiele das
Vielfachgerät und die verschiedenen
Kartoffelvorratsrode’r. Wenn auch
die ertragsteigernden Wirkungen nicht immer
so klar erkennbar sind wie bei diesen und bei
den Ackerschleppern, so ließe sich doch noch
eine ganze Reihe anderer Maschinen und Ge-
räte anführen, an denen gezeigt werden kann,
wie stark die Landtechnik ertragfördernd zu
wirken in der Lage ist.
Die Aufgabe, Beiträge zur Intensivierung zu
leisten ist — wie gesagt — auch in der Ver-
gangenheit richtig gesehen worden. Sehr viel
weniger ist dies jedoch — wie ebenfalls bereits
bemerkt — bei der zweiten Aufgabe des Ein-
satzes der Technik zur Arbeitserleichterung
und Arbeitszeitersparnis der Fall gewesen.
Wenn überhaupt davon die Rede war, dann nur
im Zusammenhang mit der Frage, wie man die
dem Land entzogenen Arbeitskräfte durch ver-
stärkten und verbesserten Maschineneinsatz
ersetzen könne. Die Landtechnik lief also ge-
wissermaßen hinter der Landflucht her, und das
ist gerade das Gegenteil von dem, was sie hätte
tun sollen, denn richtig eingesetzt ist sie eines
der wichtigsten Mittel gegen die Land-
flucht. Schaffen wir durch den Einsatz der
Technik bessere Arbeitsbedingungen auf dem
157
Lande, so wird der Landflucht eine der bisheri-
gen Triebkräfte genommen. Leisten wir mit
einer Maschine die Arbeit in kürzerer Zeit und
in erleichterter Form als bisher, so kommt dies
nicht nur der Betriebsintensität zugute, sondern
auch dem arbeitenden Menschen selbst. Hier ist
oft auch mit kleinen Mitteln sehr viel zu er-
reichen. Wie viele Maschinen gibt es heute
noch auf dem Acker, an denen sich mühelos ein
Sitz für den Gespannführer anbringen ließe
und bei denen es aus reiner Denkfaulheit bis-
her noch nicht geschehen ist. Es fördert weder
das Arbeitstempo noch die Arbeitsfreudigkeit,
wenn man so ohne Not den Bauern und Land-
arbeiter viele Stunden über den Acker laufen
läßt, obwohl er ebensogut fahren könnte. Noch
sehr viel mehr Möglichkeiten, Arbeit zu er-
leichtern und die für sie aufzuwendende Zeit
zu kürzen, als auf dem Felde, gibt es auf dem
Hofe. Daß dies oft mit kleinen Mitteln möglich
ist, zeigen die Beispielsbetriebe des
Reiehskuratoriums für Technik in
der Landwirtschaft (RKTL.).
Intensivierung, Arbeitserleichterung und Ar-
beitszeitverkürzung — das sind also die großen
Parolen für die Landtechnik. Welche Arbeits-
ziele ergeben sich nun im einzelnen daraus? Ehe
davon gesprochen werden kann, muß noch
etwas anderes klargestellt werden. Die Agrar-
gesetzgebung hat den Erbhof, also den Bauern-
hof, als Kernstück der Landwirtschaft heraus-
gestellt. Dem muß nun endlich einmal auch die
Landtechnik Rechnung tragen. Seine — des
Erbhofes — technische Ausrüstung muß im
Vordergrund der landtechnischen Entwick-
lungsarbeit stehen. Deshalb braucht die Techni-
sierung des Großbetriebes durchaus nicht ver-
nachlässigt zu werden. Sie ist aber bereits sehr
weit fortgeschritten, während auf dem Bauern-
hofe oft nicht weniger als alles nachzuholen
ist. Sicher wird der Großbetrieb noch auf
manchem technischem Gebiet Träger des Fort-
schrittes sein müssen; aber wir müssen auf
der Grundlage unserer Agrar-
gesetzgebung jetzt vorallem for-
dern, daß alle entwicklungstrei-
benden Stellen sich erheblich
mehr alsbisher für den Bauernhof
und seine technische Ausrüstung
interessieren. Auch der genossenschaft-
liche Einsatz der großen Maschine bringt keine
Totallösung; er bleibt auf bestimmte Arbeits-
gebiete beschränkt, — vor allem auf solche,
deren Erledigung sich zeitlich nicht eng zu-
sammendrängt (Drusch, Saatqutreiniqung usw.).
Wir brauchen unmittelbar für den Bauern-
betrieb konstruierte Maschinen und nicht, wie
es bisher so manches Mal der Fall war,
schlechte und unzulängliche Verkleinerungen
von im Großbetrieb bewährten Maschinen.
Deren Leistung ist meist schlecht, und erst nach
langem Umkonstruieren entsteht das, was der
Bauer braucht. Man hat scheinbar noch nicht
158
überall begriffen, wie sehr sich auch rein tech-
nisch die Zeiten gewandelt haben. Lokomobile
und Dampfpflug waren nicht zu verkleinern und
daher auch nicht für den Bauernbetrieb einsetz-
bar. Sie bleiben allein dem Großbesitz vorbe-
halten, (Wobei hier nicht untersucht werden
soll, wieweit die Tieffurche des Dampfpfluges
wirklich ein Fortschritt war.) Kleinschlepper
(mit Anbaugeräten) und Elektromotor haben
aber nunmehr alle Voraussetzungen für die
technische Ausrüstung des Bauernhofes ge-
schaffen. Es gilt nur noch, die letzten Folge-
rungen daraus zu ziehen.
Wenn so die technische Ausrüstung des
Bauernhofes als erstes Arbeitsziel der Land-
technik herausgestellt wird, so höre ich bereits
den Einwand: „Das, was du da willst, ist das
Ende des Bauerngedankens, das bedeutet die
Entseelung des Bauern.“ Es gibt nun einmal
immer noch Leute, die sich den Bauern an-
scheinend nur in der Primitive lebend vorstellen
können und (leider deht die bildende Kunst
auch noch meist diesen Weg) ihn am liebsten
nur mit der Sense und dem Holzpflug sehen.
Solche Bilder mögen den Hang des Beschauers
zur Romantik fördern; das Verharren in dieser
Beschaulichkeit würde jedoch bedeuten, daß der
deutsche Bauer im Gegensatz zum ganzen
übrigen Volk keinerlei Anteil an den Erfolgen
der Technik haben soll. Das kann unmöglich
vertreten werden. Ebensowenig wie der Uber-
gang von Schwert und Lanze über Gewehr und
Kanone zum Panzerwagen und Flugzeug dem
Geist des deutschen Soldaten geschadet und
ihm auch nur etwas von seinen militärischen
Eigenschaften genommen haben, ebensowenig
werden Schlepper und Motor dem wahrhaft
bäuerlichen Menschen etwas von seinem
inneren Wesen nehmen. Im Gegenteil, der
Bauer, der sich bei richtig durchgeführter tech-
nischer Ausrüstung seines Hofes nicht mehr
von klein auf und von früh bis abends krumm
und schief zu arbeiten braucht, dem auch ein-
mal nach leichterer und kürzerer Tagesarbeit
einige besinnliche Minuten bleiben, der wird
weit mehr unserem Ideal vom königlichen
Bauern entsprechen als mancher Bauer der
letzten Vergangenheit, der nicht mehr war als
sein eigener schlecht bezahlter Knecht. Daß die
Erreichung dieses Zieles nicht allein eine Ange-
legenheit der Landtechnik ist, wissen wir selbst-
verständlich; sie kann aber zu einem gehörigen
Teil dazu beitragen. Also keine falsch ver-
standene Romantik, die ja meist nur von Men-
schen vertreten wird, die ihrerseits nicht einen
einzigen Tag lang hinter dem Pflug hergegangen
sind, — sondern, sobald der Weg wieder fiei
ist, mit allen Kräften heran an die technische
Ausrüstung des Bauernhofes! Wir glauben
daran, daß unser Bauerntum im tiefsten Grunde
noch stark und gesund genug ist, um sich die
Technik dienstbar zu machen!
Und nun noch einige Worte zu den Arbeits-
zielen der Landtechnik im einzelnen, wie sie
sich nach Kriegsende ergeben werden! Vorab
muß alles geschehen, was der Verlagerung
von der Handarbeit zur Gespann-
arbeit und von dieser zur Schlep-
perarbeit dient. Größte Ausweitung des
Schleppereinsatzes, vor allem des Klein-
schleppers, muß an der Spitze des Programms
stehen. Hand in Hand damit muß die Entwick-
lung der dazugehörigen Anbaugeräte gehen.
Fast noch wichtiger als der Schlepper ist der
vermehrte Einsatz des gummibereiften Acker-
wagens. Seine Vorzüge sind nicht so in das
Auge fallend; er bringt aber — die Landwirt-
schaft ist nun einmal ein Transportgewerbe
wider Willen — täglich und stündlich so viele
Arbeits- und Kraftersparnisse, daß er unbedingt
mit an die Spitze aller Programme zu stellen ist.
Bei der Entwicklung aller übrigen Maschinen
und Geräte wird es meist nicht nur um das
Herausbringen einzelner vorteilhafter Spezial-
maschinen und Geräte gehen, sondern im
Vordergrund muß die Entwicklung ganzer ge-
schlossener Arbeitsverfahren stehen. Engste
Zusammenarbeit zwischen Indu-
strie und Landwirtschaft, Wissen-
schaft und Praxis istdazu erforder-
lich. Gute Beispiele, wie vorgegangen werden
soll, bieten die in Zusammenarbeit mit dem
RKTL von Prof. Dencker bzw. Prof.
Knolle durchgeführten Entwicklungsarbeiten
für Kartoffel- und Rübenkulturgeräte. In beiden
Fällen hät man sich nicht mit dem Heraus-
bringen von Einzelgeräten begnügt; es wurden
vielmehr von der Bestellung bis zur Ernte und
zum Abtransport Gesamtarbeitsverfahren ent-
wickelt, und zwar bisher mit bestem Erfolg und
taschem Eindringen in die Praxis. In diesem
Sinne muß nach dem Kriege weitergearbeitet
werden. Hand in Hand mit der Aus-
weitung der Intensivkulturen
durch geeignete technische Maß-
nahmen wird dabei die Ausschal-
tung bzw. die Erleichterung der
FrauenarbeitaufdemFeldestehen.
Während des Krieges kann selbstverständlich
auf die Frauenarbeit auf dem Felde nicht ver-
richtet werden; im Gegenteil, die Frau muß nur
zu oft den fehlenden Mann ersetzen. Die Sorge
für ein gesundes Bauern- und Landarbeitertum
verlangt aber nach dem Kriege gebieterisch,
daß die Technik in der Feldwirtschaft Mittel
und Wege findet, die Frauenarbeit auf leichte
und der Leistungsfähigkeit der Frau angepaßte
Arbeiten zu beschränken. Die erwähnten Kar-
toffel- und Rübenbearbeitungsverfahren sind
auch hierfür bereits beispielhaft.
Daß das Arbeitsfeld der Landtechnik auf dem
Hofe noch größer ist als auf dem Feld, wurde
bereits gesagt. Einsatz des Elektro-
mototzaufder ganzen Linie isthier
lenkt und fördert.
nach dem Kriege Trumpf. Die Entwick-
lung der Tarife für elektrischen Strom, wie sie
sich vor dem Kriege angebahnt hat, muß
Schrittmacher dafür sein. Vorbildlich hat hier
das Märkische Elektrizitätswerk mit der Land-
wirtschaft zusammengearbeitet und gezeigt, was
sich bei derartiger Zusammenarbeit erreichen
läßt. Auch bei der Hofarbeit wird es sehr oft
nicht nur auf den Einsatz von neuen Geräten,
sondern auf die Entwicklung von Arbeitsver-
fahren — verbunden mit Umbaumaßnahmen an
den Gebäuden — ankommen. Daß mitunter mit
kleinen Mitteln viel zu erreichen ist, dafür ein
Beispiell Für die oft versuchte Lösung des
Transportproblemes des Stallmistes auf dem
Hofe scheint mir die Handkarre mit Gummirad
in Verbindung mit leicht verlegbaren Rampen
vorerst noch sehr viel zweckmäßiger, als alle
bisher erfundenen Transportvorrichtungen und
Kräne. Es kann einen oft das Grausen packen,
wenn man die Eisenmengen sieht, die um einen
Misthaufen herum aufgebaut worden sind und
die in keinem Verhältnis zum erzielten Ergebnis
stehen. Von weiteren Beispielen sei abgesehen.
Es kommt im Rahmen dieses Aufsatzes nur auf
das Herausschälen der wichtigsten Gesichts-
punkte an. Noch mehr als auf dem Feld steht
auf dem Hofe aller Einsatz der Technik unter
dem Motto: Arbeitsersparung und Arbeits-
erleichterung, insbesondere für Bauern- und
Landarbeiterfrau. Die gute technische Aus-
rüstung des Hofes ist wohl das wichtigste
Kapitel in dem großen Werke der Dorfauf -
rüstung.
Damit glaube ich die wichtigsten Gesichts-
punkte herausgestellt zu haben. Eine Bemer-
kung möchte ich als Vorsitzender des RKTL.
abschließend noch machen, ohne pro domo zu
sprechen: In letzter Zeit sind wiederholt Stim-
men laut geworden, die eine neue Stelle for-
dern, welche die Entwicklung der Landtechnik
Es wird dabei meist über-
sehen, daß diese Stelle im RKTL. ja längst vor-
‚handen ist. Im RKTL. sind Industrie und Land-
wirtschaft vereint, und die wenigen Jahre
wirklicher Entwicklung, die zwischen dem Ver-
fall der Landwirtschaft und dem Kriege geblie-
ben sind, haben gezeigt, daß das RKTL. durch-
aus in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen.
Daß es dabei nicht immer in der Offentlichkeit
hervorgetreten ist, liegt in 'seiner Arbeitsweise
begründet und ist meines Erachtens kein Feh-
ler. Daß es während des Krieges durch Erfüllung
anderer kriegswirtschaftlicher Aufgaben in
seiner eigentlichen Tätigkeit stark behindert
ist, wird von mir selbst am meisten bedauert,
ist aber nicht zu ändern. Dieser Zustand wird
nach dem Kriege auch sehr bald abgeändert
werden. Es bedarf also durchaus keiner neuen
Lenkungsstelle für die Landtechnik, sondern ist
nur nötig, daß diejenigen, die bisher abseits ge-
standen haben, recht bald den Anschluß an die
Arbeit finden,
159
HEINRICH VON WAECHTER:
J_ANDTECHNIK IM KRIEGE .
Ire ausreichende Versorgung der deutschen
Landwirtschaft mit technischen Betriebs-
mitteln und insbesondere mit Maschinen und
Geräten aller Art stellt eine der notwendigen
Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der
Nahrungsmittelerzeugung dar. Aus diesem
Grunde werden auch noch heute, im 5. Kriegs-
jahr, in jedem Quartal sehr erhebliche Material-
mengen auf die Herstellung von neuen Land-
maschinen und Geräten sowie von Ersatzteilen
verwandt. Wenn trotzdem bei weitem nicht
alle Wünsche der Praxis erfüllt werden können,
so liegt das ua. vor allem daran, daß die In-
vestitionsfreudigkeit der Landwirtschaft heute
aus naheliegenden Gründen besonders stark
ist und an dem Wunsch, den Betrieb unter
gleichzeitiger Ersparnis von Arbeitskräften so-
weit als möglich zu intensivieren. Bei der an-
gespannten Rohstofflage können aber weit-
gesteckte Ziele der Betriebs verbesserung heute
nicht mehr verfolgt werden, es muß vielmehr
angestrebt werden, den augenblicklichen Stand
der Ausrüstung unter allen Umständen zu hal-
ten und darüber hinaus allenfalls noch den
Weg freizuhalten für eine künftige Weiterent-
wicklung. l
Da es äußerst schwer ist, den unter den vor-
stehenden Gesichtspunkten vorhandenen echten
Bedarf an Landmaschinen und Geräten von dem
unechten zu unterscheiden, war es nicht mög-
lich, die Regelung von Angebot und Nachfrage
auf diesem Gebiet dem freien Spiel der Kräfte
zu überlassen, sondern es wurde die Durchfüh-
rung einer größeren Reihe von Lenkungsauf-
gaben zum Teil sehr diffiziler Art erforderlich,
um die Maschinen, die heute noch gebaut wer-
den können, nach Möglichkeit dort zum Einsatz
zu bringen, wo sie am dringendsten gebraucht
werden,
I. Lenkungsaufgaben bei der Erzeugung und
beim Absatz landwirtschaftlicher Maschinen
Dem landwirtschaftlichen Sektor steht heute
ein Eisenkontingent zur Verfügung, aus dem in
erster Linie die folgenden Bedürfnisse befrie-
digt werden müssen:
1. Neubau von Landmaschinen.
2. Ersatzteilbeschaffung und Reparaturdienst.
3. Herstellung von Handgeräten aller Art.
4
Bedarfsdeckung an Verpackungsmitteln
für die Ernährungswirtschaft (zB. Kon-
servendosen).
160
5. Ausbau der Nährmittelindustrie (vom
Fischdampfer bis zur Brotfabrik).
Während des Krieges hat sich der Kreis der
Versorqungs aufgaben noch dadurch erweitert,
daß die neu ans Reich angegliederten Gebiete
und die für die landwirtschaftliche Erzeugung
wichtigsten besetzten Länder wenigstens bis zu
einem gewissen Grade mit technischen Betriebs-
mitteln versorgt werden mußten. Aus diesem
Grunde wurde auch das landwirtschaftliche
Eisenkontingent im Laufe der ersten Kriegs-
jahre erheblich über das Friedensniveau ge-
steigert, doch reichte diese Steigerung nicht aus,
um die durch die vergrößerten Aufgaben ge-
wachsenen Eisenanforderungen restlos auszu-
gleichen. Es sei gleich an dieser Stelle der viel-
fach verbreiteten Ansicht entgegengetreten,
nach der die Versorgung Deutschlands mit
neuen Maschinen zur Zeit nicht in dem wün-
schenswerten Umfang durchgeführt werden
könne, weil ein sehr großer Teil der Erzeugung
in den besetzten Ostgebieten eingesetzt worden
sei. In diese Gebiete ist vom Zeitpunkt des Be-
ginns der Besetzung an nur ein sehr geringer
Bruchteil der deutschen Erzeugung geflossen,
dessen Einsatz bereits heute als vollauf gerecht-
fertigt angesehen werden kann, da der Nach-
schyb der Verpflegung in den transportmäßig
kaum erschlossenen Weiten des Ostens niemals
aus der Heimat hätte durchgeführt werden kön-
nen. Zur Erstellung der notwendigen Ernten
unmittelbar hinter der Front aber war ein ge-
wisses Minimum an Landmaschinen unbedingt
erforderlich. — Von einer weitgehenden
technischen Ausstattung dieser Gebiete kann
jedoch noch nicht die Rede sein. — Im übrigen
erfolgt die Verteilung der neu gebauten Ma-
schinen ebenso wie die des flüssigen Treib-
stoffs nach dem Gesichtspunkt, daß die För-
derung der landwirtschaftlichen
Erzeugung in erster Linie in
Deutschland selbst durchgeführt
werden muß. Hier war zunächst besonders
wichtig die Angleichung der Betriebsintensität
im Warthegau, in der Ostmark und in Elsaß-
Lothringen sowie in den übrigen angegliederten
Gebieten an die deutschen Verhältnisse. Diese
Gebiete waren fast durchweg verhältnismäßig
extensiv bewirtschaftet und »nur ganz unzu-
reichend mit landwirtschaftlichen Maschinen
und anderen Betriebsmitteln ausgerüstet. Heute
lohnen sie die vorgenommenen Investitionen
—
K 8 ng H
=- a we pg a
bereits durch stetig wachsende Erzeugungsüber-
schüsse.
In steigendem Maße absorbiert auch der
Ersatzteildienst Eisenmengen. — Die Her-
stellung der Ersatzteile rangiert
grundsätzlich vorder Neuanferti-
gung, d. h. ein Fabrikant, der mit seinem
Ersatzteilkontingent nicht mehr auskommt, muß
sein Neufertigungskontingent so weit in An-
spruch nehmen, bis der Ersatzteilbedarf ein-
wandfrei gedeckt ist, denn es wäre sinnlos, mit
hohem Materialaufwand neue Maschinen zu er-
zeugen, solange man mit wesentlich weniger
Material eine gebrauchte Maschine wieder be-
triebsfähig machen kann. Wenn der Ersatzteil-
bedarf in ständigem Steigen begriffen ist, so
liegt das zum Teil daran, daß heute mehr alte
Maschinen repariert werden als früher und zum
Teil an der Überlastung der Reparaturwerk-
stätten und an ihrem Personalmangel, der ihnen
oft nicht mehr gestattet, ein zerbrochenes Zahn-
rad oder dergl. fachmännisch zu schweißen
und wieder verwendbar zu machen.
Die Ersatzteilerzeugung konnte
bisher im großen und ganzen dem
steigenden Bedarf angepaßt wer-
den. Wenn zeitweilige Störungen bei einzelnen
Fabriken nicht vermieden werden konnten,
so ließen sie sich im allgemeinen kurzfristig be-
seitigen. Schwieriger liegen die Verhältnisse
bei der Neufertigung. Hier reicht die Produktion
zur Zeit gerade aus, um die Luftterrorausfälle
auszugleichen und um gewisse notwendige Be-
triebsumstellungen durchzuführen. Wenn bisher
durch Mangel an neuen Landmaschinen ernstere
Einbrüche bei der Produktion von Nahrungs-
mitteln noch nicht eingetreten sind, so ist das
einmal in der Langlebigkeit dieser Geräte be-
gründet, zum andern aber auch in der Tat-
sache, daß die deutsche Landwirtschaft in den
Jahren seit Uberwindung der Krise für keine
Betriebsmittel so hohe Aufwendungen gemacht
hat wie für die technischen. 1939 betrugen
diese Aufwendungen rd. 600 Millionen Mark
gegenüber rd. 200 Millionen Mark 1937. Die in
den dazwischenliegenden sechs Jahren getä-
tigten Anschaffungen sichern der landwirt-
schaftlichen Erzeugung auch heute noch eine
deutlich spürbare Schlagkraft, wenn damit auch
keineswegs behauptet werden soll, daß die
deutsche Landwirtschaft ausreichend mit Ma-
schinen ausgerüstet sei. Im Gegenteil, die Er-
fahrungen aller modern und intensiv bewirt-
schafteten Betriebe beweisen, daß der große
Durchschnitt der Höfe in dieser Beziehung noch
weit zurückliegt. Hierauf wird weiter unten
noch eingegangen werden.
Bereits mehrere Jahre vor dem Kriege zwan-
gen die vielseitigen Aufgaben, die der deut-
schen Industrie gestellt waren, zu einer Pla-
nung der Landmaschinenerzeu-
gung und zu einer Steuerung des Ab-
katzen, beides mit dem Ziel, mit den zur Ver-
fügung gestellten Materialmengen den größten
Nutzeffekt zu erreichen. Früher mußte sich die
Industrie mit ihrer Maschinenerzeugung weit-
gehend nach den schwankenden und in ge-
wisser Weise der Mode unterworfenen Forde-
rungen des freien Marktes richten. Die Vertei-
lung der Maschinen und Geräte im ganzen
Reich war in erster Linie abhängig von der
Tüchtigkeit und Kapitalkraft der einzelnen
Händler oder vom Standort der Fabriken, so
daß die übergeordneten Gesichtspunkte des
optimalen Einsatzes im allgemeinen nicht zum
Tragen kamen. Wenn auch anerkannt werden
muß, daß der ansässige Handel seine Kund-
schaft nach bestem Wissen und meist mit gutem
Erfolg beraten hat, so lagen die Einsatzschwer-
punkte der Landmaschinen doch keineswegs so,
wie sie zur Erreichung des besten Erfolges
hätten liegen sollen. (Beispiel: Konzentration
der Kleinschlepper in Süddeutschland, weil
dort die meisten einschlägigen Fabriken vor-
handen sind.) ;
Heute müssen Produktionsplanung und Ab-
satzlenkung naturgemäß noch straffer durchge-
führt werden als in der ersten Zeit der
Materialbewirtschaftung. Im Einvernehmen mit
dem Reichsministerium für Ernährung und Land-
wirtschaft und dem Reichsnährstand führt der
Bevollmächtigte für die Maschinenproduktion
ein Kriegsbauprogramm durch, dessen Umfang
und Inhalt bestimmt wird durch die Menge des
zur Verfügung stehenden Materials, durch die
vorhandenen Fabrikkapazitäten und durch die
vorhandenen Arbeitskräfte An der Spitze
dieses Kriegsbauprogramms
stehen die für die Erzeugung wich-
tigsten Maschinen, also die Boden-
bearbeitungsgeräte, die Ernte-
maschinen u. a., wobei eine einschneidende
Typenbeschränkung durchgeführt worden ist.
Zur Einsparung von Material und Arbeitsstun-
den mußte auf die Herstellung einiger Ma-
schinengruppen gänzlich verzichtet werden, —
darunter besonders auf die Herstellung der
Höhenförderer, Gebläse und Zangengreifer.
Die Absatzregelung ist im Laufe der Jahre
erheblichen Wandlungen unterworfen gewesen
und ist heute den augenblicklichen Verhält-
nissen entsprechend als vollkommen gelenkt
zu bezeichnen. Bereits seit dem Jahre 1938
haben der Preiskommissar und die zuständigen
Wirtschaftsgruppenleiter durch entsprechende
Anordnungen auf eine Ausrichtung des Land-
maschinenhandels auf seine künftigen Auf-
gaben im großdeutschen Raum hingewirkt und
dabei insbesondere die Notwendigkeit der
Schaffung geeigneter Reparaturwerkstätten und
Ersatzteilläger in Verbindung mit den Hand-
lungen berücksichtigt. Dabei blieb der Handel
selbst zunächst noch im wesentlichen der ver-
antwortliche Träger der Maschinenverteilung
an den Kunden.
Nach der letzten Anordnung des Bevollmäch-
tigten für die Maschinenproduktion vom
161
— — —
———— T2 —-— en
9. Oktober 1943 dürfen Landmaschinen — mit
wenigen Ausnahmen — nur noch gegen Bezug-
schein von der Landesbauernschaft bzw. Kreis-
bauernschaft abgegeben werden. Der Handel ist
verpflichtet, Lagereingangsmeldungen zu er-
statten, und seine Versorgung durch die In-
dustrie erfolgt auf Grund eines vom Reichs-
nährstand aufgestellten Gesamtplanes, in dem
die Bedürfnisse der einzelnen Gebiete berück-
sichtigt sind. Auf diese Weise ist es möglich,
eine weitgehend gerechte Verteilung durchzu-
führen und, falls nötig, auch Einsatzschwer-
punkte zu bilden.
II. Entwicklungstendenzen in der Landtechnik
Da die Fabriken außerdem nur kundendienst-
fähige Händler, beliefern dürfen, ist hiermit
gleichzeitig eine erste Flurbereinigung ge-
schaffen worden, die sich auch in der Nach-
kriegszeit noch segensreich auswirken wird.
Die Verantwortung für die Verteilung der noch
zur Auslieferung gelangenden Maschinen ist
durch die Anordnung V/43 im wesentlichen
vom Händler auf die berufsständische Vertre-
tung der Landwirtschaft übergegangen, eine
Lösung, die in Anbetracht der augenblicklichen
Lage nur als natürlich bezeichnet werden kann.
Bei den Handgeräten ist in letzter Zeit in ver-
schiedenen Teilen des Reiches ein besonderer
Mangel zu verzeichnen gewesen, der zum Teil
ebenfalls auf die bestehenden bzw. fehlenden
Bindungen des Handels an die Hersteller
zurückzuführen ist. Durch ein entsprechendes
Verteilungsverfahren hat es nunmehr der
Reichsnährstand in der Hand, die anfallende
Produktion entsprechend dem natürlichen Be-
darf prozentual auf die einzelnen Landesbauern-
schaften zu verteilen.
Die vorstehend geschilderten Maßnahmen
können heute nur dazu dienen, den Status quo
der technischen Ausrüstung der Landwirtschaft
zu erhalten.’ Wenn das gelingt — und es
sprechen bisher alle Anzeichen dafür —, dann
ist schon sehr viel mehr erreicht als im vorigen
Weltkrieg. Damals befand sich die Landtechnik
entwicklungsmäßig in einem Stadium des Still-
standes. Neue Maschinenarten, die auch in
betriebswirtschaftlicher Hinsicht umwälzende
Folgen nach sich gezogen hätten, waren zu-
mindest seit der Jahrhundertwende nicht mehr
auf den Markt gebracht worden. Nachdem die
Lokomobile, der Dampfpflug und die Dresch-
maschine sich ihr Feld, den Großbetrieb, weit-
gehend drobert hatten, war die Landwirtschaft
damals auch auf Grund ihrer finanziell günsti-
gen Lage in technischer Beziehung weitgehend
saturiert. Der Motorpflug war kaum bekannt
und konnte bei der Höhe seiner Anschaffungs-
und Betriebskosten (Benzinbetrieb bei hohem
Verbrauch) noch nicht konkurrieren. Nach
Kriegsschluß konnte es sich 1919 zunächst nur
darum handeln, den in den Kriegsjahren einge-
tretenen Verschleiß zu ersetzen, Eıst etwa vom
162
Jahre 1925 an werden wieder Ansätze des
technischen, Fortschritts erkennbar, die dann
immer rascher und in den letzten Jahren vor
dem jetzigen Kriege in stürmischem Tempo zu
einer Verbesserung und Vermehrung der tech
nischen Hilfsmittel führten, weil sich die Not-
wendigkeit ergab, die Erträge der heimischen
Landwirtschaft zu erhöhen und den Bauer-
stand auf eine gesunde wirtschaftliche Basis zu
stellen.
Bei der Vielzahl der in den letzten 10 Jahren
vor dem Kriege erschienenen neuen Maschinen-
arten kann aber von einer auch nur annähen-
den Sättigung der Landwirtschaft im Augen-
blick nicht die Rede sein. Man denke nur an
die Hunderttausende von Betrieben, für die die
Anschaffung eines Kleinschleppers, eines Leicht-
binders und vor allen Dingen des Gummi-
wagens und vieler anderer Geräte heute kein
technisches Problem mehr, sondern nur eine
Frage der Zeit ist. Im Gegensatz zu der Zeit
nach dem vorigen Kriege braucht sich also die
Landtechnik diesmal nicht damit
zu begnügen, den in den Kriegs-
jahren eingetretenen Verschleiß
zu ersetzen, sondern sie hat die
Aufgabe, weite Kreise des deut-
schenBauerntumsmiteinergroßen
AnzahlneuerGerätezuversorgen,
von denen jedes einzelne bei richtigem Einsatz
einschneidende betriebswirtschaftliche Umstel-
lungen nach sich zieht, deren Einführung aber
infolge des Kriegsausbruchs 1939 nur in einem
verhältnismäßig engen Rahmen möglich war
bzw. überhaupt in den Anfängen steckenge
blieben ist. Daß sich gerade hieraus de Mög-
lichkeit einer lebhaften Weiterentwicklung in
ganz anderem Maße ergibt als nach dem vori-
gen Kriege, liegt auf der Hand. Hinzu kommt
noch, daß zur Zeit eine Fülle fertig ausgearbei-
teter wissenschaftlicher Unterlagen über alle
möglichen Fragen des Arbeitseinsatzes sowohl
auf dem Felde als auch besonders in der innen:
wirtschaft vorliegt, die nur noch der techni-
schen Auswertung bedarf, um in der breitesten
Praxis ihre Auswirkung zu finden.
Als Beispiel sei hier nur eine vom RKTL
durchgeführte Arbeit auf dem Gebiete der
bäuerlichen Innenwirtschaft erwähnt: Es hat
sich gezeigt, daß die Voraussetzung für
einen erfolgreichen Einsatz det
Technikin der Haus- und Hofwir!-
schaftzunächstinderBereinigung
des Grundrisses der Wohn- und
Wirtschaftsgebäude besteht. Erst wenn
die verschiedenen Wirtschaftsräume in sinn-
voller Weise zueinander angeordnet sind, kön-
nen die technischen Hilfsmittel, wie Transport-
anlagen, Wasserleitung, elektrische Licht- und
Kraftanlagen, Melkmaschinen u. a., mit bestem
Wirkungsgrad eingesetzt werden. Wie unge
heuer groß die auf diese Weise erzielbare Ar:
beitserleichterung und Zeitersparnis auch oder
u
gerade in kleinen Familienbetrieben sein kann,
zeigt folgender Fall: Ein Hof in Thüringen, in
dem das alte Ehepaar mit dem verheirateten
Sohn ohne fremde Hilfskräfte wirtschaften,
konnte durch einen Aufwand von nur 5000,—
Reichsmark für bauliche Umänderung derart
umgestaltet werden, daß die beiden Frauen
nach dem Umbau eine Wegersparnis von jähr-
lich über 2000 km erreichten, von denen vorher
die meisten Wege unter irgendwelchen Lasten,
Wassereimer, Kartoffelkörbe u. dgl. zurück-
gelegt werden mußten. Da der Betrieb oline
` fremde finanzielle Hilfe umgebaut wurde, konn-
ten die letzten technischen Hilfsmittel wie
Melkanlage, Zangengreifer u. dgl., seinerzeit
noch nicht einmal installiert werden; sie wür-
den eine weitere, beträchtliche Erleichterung
der Arbeit bringen.
Das vorstehend angeführte Ergebnis stellt für
den klein- und mittelbäuerlichen Betrieb keine
Ausnahme dar. Bei der Betrachtung der meisten
Hofgrundrisse ergibt sich, daß die einzelnen
Wirtschafts- und Stallräume durchaus unzweck-
mäßig zueinander angeordnet sind und daß die
Höfe, wenigstens vom arbeitswirtschaftlichen
Standpunkt aus, in den meisten Fällen ganz un-
organisch gewachsen sind. Der Grund hierfür
dürfte vornehmlich darin zu suchen sein, daß
die Erzeugung in der Feldwirtschaft sich im
letzten Jahrhundert rund verdreifacht hat und
daß heute demzufolge in der Innenwirtschaft
ein Vielfaches dessen verarbeitet werden muß
wie früher. Das bedingt eine beträchtlich er-
höhte Viehhaltung, eine größere Vorratswirt-
schaft und einen erheblich gesteigerten Arbeits-
\
aufwand. Der äußere Grundriß der Hofgebäude
hat sich aber mit den gesteigerten Leistungen
in den meisten Fällen nicht vergrößert, sondern
die einander folgenden Generationen haben
entsprechend ihren jeweiligen Bedürfnissen im
alten Rahmen die Ställe verlegt und erweitert,
so daß wir heute oft einem Konglomerat von zu
kleinen, zu engen und unzweckmäßig ange-
ordneten Wirtschaftsräumen gegenüberstehen,
das die ursprünglich vielleicht einmal im
Grundriß vorhandene Harmonie vollkommen
vermissen läßt. Die Folge davon ist, daß die
Bäuerin, der ja der größte Teil der
Arbeit in der Innenwirtschaft ob-
liegt, im Laufe des Tages eine Unzahl von
Wegen zurückzulegen hat, daß sie aus dem
Keller heraufschleppen muß, was gar nicht in
den Keller gehört, und daß sie letzten Endes
das Futter (Korn und Heu) auf steiler Treppe
vom Boden herunterholen muß, was bei richti-
ger Anordnung der Vorratslager direkt an den
Verbrauchsort abgeworfen werden kann.
Soweit es sich heute um die Errichtung neuer
Hoflagen handelt, sind die Probleme verhältnis-
mäßig einfach gelagert. Aber die bereits auf -
diesem Gebiet durchgeführten Planungsarbeiten
an alten Grundrissen haben gezeigt, daß auch
hier noch große Möglichkeiten vorhanden sind.
Es erhellt auch aus diesen Erfahrungen, von wie
ungeheurer Wichtigkeit in der Nachkriegszeit
die Dorfausrüstung werden wird, in deren
Rahmen auch der weitere Ausbau der techni-
schen Hilfsmittel neben der architektonischen
Umgestaltung den wichtigsten Platz einnehmen
wird.
New York wird schon heute zum Symbol der kulturlosesten
Stadt des Erdballs. Wir dürfen, glaube ich, schon sagen: Ein
altdeutsches Bauernhaus hat mehr geistige Freiheit und
Schöpferkraftinsich versammelt als alle Wolkenkratzer-Städte
und Wellblechbuden zusammengenommen.
Alfred Rosenberg
163
FRIEDRICH GRIESE;
IM ALTEN DORF
Friedrich Griese wurde als erstem deutschen Dichter
der von Oberbefehlsleiter Reichsbauernführer Backe
gestiftete Kulturpreis für das bäuerliche Schrifttum
verliehen. In dem Schreiben, in deh Oberbefehlsleiter
Backe seine Verleihung ankündigt,' heißt es: „Tief
verwurzelt in Ihrer mecklenburgischen Heimat, haben
Sie es in Ihren Werken verstanden, das Besondere
dieser Heimat und ihrer Menschen ins Gleichnishafte
und Allgemeingültige zu erheben, und so eindringlich
` Zeugnis abgelegt von dem ewigen Ringen deutschen
Bauerntums um die schöpferische Verbindung von
Blut und Boden, aus der alles Leben quillt. Ich danke
Ihnen für diese Ihre Tat, die Sie zum Mitkämpfer des
Aufbruchs deutschen Bauerntums im Kampfe um die
Gestaltung deutscher Zukunft macht.”
E; sind viele Dörfer und solche der verschie-
ensten Art, die ich im Laufe meines Lebens
kennengelernt habe; aber so planlos durchein-
andergebaut und unerfreulich im äußeren An-
blick wie mein Heimatdorf war keins darunter.
Empfunden habe ich das schon als Kind, aber
ich habe es doch erst sehr viel später auf seine
wahren Ursachen zurückfühfen können. Aller-
dings ist es in den letzten Jahren darin besser
geworden. Kinder des Dorfes — also die Söhne
und Töchter derer, mit denen ich seinerzeit in
die Schule gegangen bin — schenkten mir zu
Weihnacht 1935, als ich noch in Kiel wohnte, ein
unter Anleitung ihres Lehrers geschriebenes
kleines Buch: „Was alte Leute erzählen“; und in
dem Begleitbrief heißt es ein paarmal, ich möge
sie doch bald besuchen. „Sie werden sich wun-
-dern, wie sich Ihr Heimatdorf verändert hat.”
Daß sie gerade dies mehrmals betonen, weist
nach, daß ihre Eltern — meine alten Schul-
kameraden — noch sehr gut wissen, was zu
unserer Zeit dem Dorf gefehlt hat. Es zeigt aber
auch, wie stolz sie darauf sind, daß ihnen mehr
gelungen ist, als unseren Eltern gelingen
konnte, nämlich: aus einem durcheinander-
gewürfelten Häuserhaufen ein Dorf zu machen.
Es handelt sich um eine Art Haufendorf im
östlichen Mecklenburg. Den Innenteil des Dor-
fes bildeten die Häuser der Büdner, deren jeder
nur ungefähr. 600 Quadratruten Acker besaß,
also viel zuwenig, um mit der Familie davon
leben zu können. Wer nicht Handwerker oder
Kaufmann war, mußte während des Sommers
Arbeit auf den umliegenden Gütern suchen; im
Winter war er in den Gutsforsten Waldarbeiter,
machte Brennholz oder schnitt Bretter und Bal-
ken. Auf diese Weise hatte die Familie Geld für
die nötigen Anschaffungen; die tägliche Nah-
rung trug ihnen die kleine Wirtschaft ein.
164
Fast jeder von ihnen gab mehreren Einwoh-
nern Hausung; auch diese arbeiteten auf den
Gütern oder in den Forsten. Im Stall hatten sie
meistens eine Ziege und zwei Schweine; an
Land besaßen sie ein wenig Pachtacker, gerade
so viel, daß sie Kartoffeln genug hatten. Auf
Gemüse wurde damals wenig gegeben; und
eigentlich wurde nur Kohl gegessen, den im
Herbst hochbeladene Wagen von den Gütern in
das Dorf brachten. Ich weiß noch sehr gut, wäs
für ein Aufsehen entstand als Mutter ein paar
Rhabarberstauden im Garten ansetzte; gegessen
hat außer uns keiner davon. Und als sie einmal
sogar Pilze für das Abendessen zurechtmachte,
da war dies das Ärgste, was dem Dorf für eine
lange Zeit angetan werden konnte.
Am nördlichen Ende des Dorfes lag das Guts-
haus der Domäne mit seinen großen Scheunen
und Viehställen, die das ganze Dorf gleichsam
zudeckten, und nicht nur äußerlich. Morgens,
mittags und zur Vesperzeit klang die Gutsglocke
über das Dorf hin. Stellmacher und Statthalter
hatten ihre eigene Wohnung, die mit den Tage-
jöhnerkaten mitten in das Büdnerdorf hinein-
gebaut war. Wenn wir im Sommer nach Unter-
richtsende unsere Kühe auf den Dreesch — den
abgeernteten Kleeacker — trieben, dann schau-
ten wir gern ein wenig in die Fenster der Katen,
in denen die Familien dann beim Mittagessen
waren. Ich meine, daß die Leute immer nur
Pelikartoffeln gegessen haben, weniger aus Ein-
sicht als vielmehr aus Zeitmangel, da auch die
Frauen auf der Domäne arbeiten mußten und
also keine Zeit hatten, die Kartoffeln noch erst
zu schälen. In die Mitte der Tischplatte war eine
umfangreiche längliche Vertiefung hineingear-
beitet, darin lagen die gekochten Kartoffeln,
und mitten darauf stand die dreifüßige Pfanne
mit „Speckstipp“. Nach ee der Mahl-
zeit wurde alles mit einem nassen Tuch gesäu-
bert, das war die Abwäsche; und jeder war satt
geworden. Wir durften uns beim Zusehen vor
den einzelnen Fenstern nicht lange aufhalten,
die Frauen hatten das nicht gern; und wenn eine
von ihnen vom Tisch aufsprang und das Stück-
chen Tuch vorschob, das sie Gardine nannten,
dann war das eine sehr gelinde Abwehr. Zu-
weilen hatte aber der „Hofgänger“ schon hinter
der Katenecke gestanden — ein junger Bursche,
der auf der Domäne arbeitete und von seinem
Tagelöhner für wenige Groschen unterhalten
werden mußte —; und da wir trotz aller Vor-
sicht von unserem Beobachtungsplatz aus ja
nicht um die Ecke gucken konnten, gab es dann
jedesmal sehr unbehagliche Augenblicke für
uns. Bis dahin hatten wir viel Zeit gehabt,
unsere Kühe weniger, da auf der Dorfstraße ja
kein Gras wuchs; nun hatten wir es eilig, und
da wir unsere vierbeinigen Kameraden plötzlich
nicht so schnell in Gang bringen konnten, wie
es den Umständen nach geboten war, ließen wir
sie vorläufig im Stich. Da sie nach ihrer Er-
fahrung aber nur in unserem Beisein zur Weide
kommen konnten, warfen sie nach kurzem Be-
sinnen den Schwanz auf den Rücken und sausten
hinter uns her. Wenn der aufsässige Verfolger
in Gestalt des Hofgängers nicht in der Nähe
war, ging alles besser; wie es aber auch sein
mochte: wo die Äcker anfingen, fanden wir uns
alle zusammen, entweder ganz unangefochten
oder um ein paar Ohrfeigen und Püffe reicher,
wenn auch nicht klüger. Irgendwelche Dorf-
rechte hatten die Tagelöhner nicht, sie waren
also auch nicht zu den Dorfversammlungen zu-
gelassen; in diesen übte der Pächter der Domäne
dafür um so mehr Macht aus, worüber noch zu
reden sein wird.
Den südlichen Rand des Dorfes nahm ein
anderer Dorfteil ein. Er gehörte nur äußerlich
hinzu; in Wirklichkeit war er Bestandteil eines
adeligen Gutes, das eine Viertelstunde vom Dorf
entfernt lag und also in einem Gemeinwesen von
Büdnern, Einwohnern und Tagelöhnern ein
Stück „Ritterschaft“. Hier handelte es sich um
den vornehmeren Teil des Dorfes. Es gab in
dieser Häuserreihe einen Stellmacher, der ein
paar hübsche Töchter hatte, die ich mir immer
nurin strahlend weißer Schürze vorstellen kann.
Eine von ihnen wurde später Haushälterin in der
Stadt; und das war für die damalige Zeit etwas,
was vor allem die Frauen mit unbegrenzter
Hochachtung von ihr sprechen ließ.
Der Nachbar war ein Kaufmann, der für dörf-
liche Verhältnisse jener Zeit sehr unternehmend
war: er ließ seine Waren mit einem Fuhrwerk
auf die umliegenden Güter bringen. Der jüngste
Sohn wurde gar Apotheker; und wenn er in
seinen Ferien hinter dem Ladentisch stand und
bedienen half, dann vergaßen wir Jungen vor
lauter Staunen, ob wir nun eigentlich ein halbes
Pfund Salz oder ein viertel Pfund Zucker holen
sollten.
Weiterhin wohnte ein Tischler, und dessen
Nachbar war wieder ein Kaufmann, über dessen
Tür ein Schild hing, das in der ersten Zeit für
das ganze Dorf geradezu aufregend gewesen
war: „Manufakturwaren“ stand darauf. Im La-
den hingen Hosen und die sogenannten Joppen,
bunte Schürzen und Bänder; und im Sommer gab
es Strohhüte, auch die praktischen „Helgo-
länder“, von denen ich nicht weiß, warum man
diese nicht auch heute noch bei uns auf den Dör-
fern trägt. Unklar ist mir freilich, wie ervondie-
sem Geschäft gelebt haben will. Büdner und Ein-
wohner und noch mehr die Tagelöhner mußten
jedem Groschen, den sie ausgaben, mit klopfen-
dem Herzen nachschauen; und als Vater sei-.
nem Sechsjährigen einen Strohhut zu achtund-
dreißig Pfennigen kaufte, da schlug die alte
Wöllerten, unsere Einwohnerin, die Hände hoch
über dem Kopf zusammen und nannte das eine
Verschwendung, die sich noch einmal rächen
werde.
In den nächsten beiden Häusern wohnten zwei
Gastwirte, die ihr gutes Auskommen hatten. Bei
dem einen wurden alle Dorffestlichkeiten abge-
halten, und außerdem hatte er für mehrere
Büdner die jährlichen Ackerbestellungen; der
andere war zugleich Schmied.
Zum Dorf gehörten vier Bauernhöfe, die aber
eine gute halbe Stunde außerhalb der Feldmark
lagen. Wenn man zu ihnen wollte, mußte man
am Dorfausgang über den Brink, einen ebenen
Grasplatz, auf dem im Frühjahr die jungen
Gänse gehütet wurden, mit einem runden Teich
— einem Soll — inmitten. Von hier aus wurde
das Land hügelig; und einer der jugendlichen
Mitarbeiter an dem genannten Büchlein schreibt
darin, bis hierher hätten in alter Zeit die Bauern
des Dorfes ihre Acker gehabt, damals, als es
noch keine Büdner, Einwohner und Tagelöhner
gab. Im Dreißigjährigen Krieg seien die Hof-
stellen zerstört worden, die wenigen Überleben-
den seien „die Berge hinauf” gezogen und hätten
aus dem Wald neue Acker gerodet. Als einen
der Beweise dafür führt er an, daß noch jetzt in
jedem Jahr mitten aus den Ackern seines Vaters
heraus immer wieder Waldsträucher wüchsen.
Diese vier Bauern und ihre Frauen hatten An-
sehen und Gewicht, das jeder ihnen freiwillig
zuerkannte. Sie waren die einzigen, die aus-
reichende Äcker und sogar Wiesen und Wald
besaßen; und ihnen erkannte sogar der Pächter
der Domäne eine Art Gleichwertigkeit zu: wenn
er sie einmal in einem der Landwege traf, hielt
er an und unterbielt sich mit ihnen. Für das
ganze übrige Dorf hatte er nur stillschweigende,
aber gründliche Verachtung.
So war dies also die Zusammensetzung des
Dorfes: ein Stück Ritterschaft, eine Domäne, ein
paar Bauern und — sozusagen als Kern — die
Büdner mit ihren Einwohnern. Ritterschaft und
Domäne hatten diese in die Zange genommen,
daß sie sich nur ja nicht rühren konnten, schon
äußerlich, da das wenige Büdnerland überall
von den weiten Gutsäckern eingeengt war. Es
war aussichtslos, irgendwo ein Stückchen er-
tragreichen Pachtacker zu bekommen, um so
die äußere Lage zu verbessern und damit auch
das innere Selbstbewußtsein zu finden, den
Rückhalt, der dem ländlichen Menschen nur
vom Landbesitz zuwachsen kann.
Uns Kindern fehlte freilich viel, aber es war
unser Heimatdorf, von dem wir aus mangelnder
Kenntnis heraus nicht wußten, mit welchem an-
deren Dorf — das nicht nur ein Haufe Häuser
165
e
war — wir es vergleichen sollten. Ringsherum
gab es nur adelige Güter, die sich zu irgend-
einem Vergleich nicht eigneten. Unsere Eltern
aber mußten sich wohl darin fühlen, weil es ja
nicht anders ging. Der Hunger nach Land zeigte
sich nur am Rande eines abendlichen Gesprächs
und gleichsam widerwillig, weil ihm ja doch
nicht praktisch nachgegangen werden konnte.
So gehört denn auch das zum Bild, daß es ip
diesem Dorf keine alten und dorfgerechten Ge-
bäude gab; meistens waren Häuser und Ställe
mit Pappe gedeckt, steingedeckte Häuser waren
selten. Allerdings hatte Vater über Stall und
Scheune ein Strohdach, das ihm aber zuweilen
Kummer machte, weil er nicht immer Zeit hatte,
es ordentlich instand zu halten. Die Behäbigkeit
und schöne Sicherheit, die auch bei uns zu
Lande zum Wesen eines Dorfes gehört, hier
allerdings gar nicht vorhanden sein konnte,
fehlte also schon äußerlich.
Nun könnte man meinen, die Büdner hätten
doch wie alle Dörfer dieser Art ihre Dortver-
sammlung gehabt, von der aus man Beschlüsse
fassen konnte, um diese dann auch zur Abschaf-
fung all der Ubel durchzuführen; wenn nichts
geändert worden sei, müsse dies an der Un-
tüchtigkeit und Gleichgültigkeit der Dorfbe-
wohner gelegen haben. Das benachbarte Gut,
dem der eine Dorfteil gehörte, kümmerte sich
nicht einmal um die Dorfstraße, die in jedem
beginnenden Frühjahr eine unvorstellbare
Menge Schlamm hergab, weil vorhandene Mittel
und verfügbare Arbeitszeit der Büdner eine
grundlegende Anderung nicht zuließen. Die Ein-
wohner hatten weder Recht noch Stimme, da sie
keinen eigenen Grund und Boden besaßen, von
den Tagelöhnern gar nicht zu reden. Auf den
Dorfversammlungen wurde wahrscheinlich viel
beschlossen, aber zur Durchführung war die Zu-
stimmung des Amtes erforderlich, das den Dorf-
leuten Selbsthilfe empfahl. Der eine, unter des-
sen Führung die Dinge hätten gebessert werden
können, war der Pächter der Domäne; und der
stand aus Abneigung gegen die „kleinen Leute“
jedem gutgemeinten Beschluß von vornherein
hinderlich im Wege. Außerdem hatte er den
Schulzen des Dorfes für sich, und das entschied
beim Amt. Hier müssen nun einige Worte über
diesen wichtigsten Mann im Dorfe gesagt wer-
den, der sein Amt gern zum Besten seiner Ge-
meinde geführt hätte und es doch nicht dazu
brachte,
Er hatte eine freundliche Frau, und wir Kinder
machten dort oft eine Bestellung. Von den Dorf-
verhältnissen aus gesehen, war ein Schulze jener
Zeit recht gut gestellt; so hob sich dieses Haus
also aus allen übrigen heraus. Ich meine noch
jetzt die Luft von Sauberkeit, frisch entrahmter
Milch und geputztem Küchengeschirr zu spüren,
die den Eintretenden empfing; trotzdem blieb es
jedesmal — wie ich es auch noch nachträglich
fühle — fremd um mich herum, wenn ich zu ihr
166
geschickt wurde. Heute meine ich, schuld daran
sei gewesen, daß es in diesem Hause keine
Kinder gab; das machte den Aufenthalt unge-
wohnt.
Das Fehlen der Nachkommen wird es auch
gewesen sein, was den Mann als Vorsteher des
. Gemeinwesens so unlustig zur Tat machte und
ihm so wenig Widerstandskraft gab. Auf diese
Weise konnte der alte Vater, der das Amt vor
ihm gehabt hatte, in Wirklichkeit immer noch
der Dorfschulze sein. Meistens sahen wir Kin-
der ihn hinter dem ‚Fenster seiner Altenteiler-
stube, wie er auf die Dorfstraße sah, stunden-
lang und ohne in seiner Aufmerksamkeit nach-
zulassen. Hielt er sich vor dem Hause auf, dann
gingen wir in weitem Bogen um ihn herum; da
stand er dann: breit, massig, vital, mit dem
harten strähnigen Haar und dem weißgrauen `
Kinnbart. Ihn benutzte der Pächter der Domäne,
der manches Glas mit ihm zusammen trank; und
er wiederum bestimmte den Sohn in allem, was
für das Dorf getan oder vielmehr unterlassen
wurde. Für die fehlende Einigkeit unter den so
Bedachten war entscheidend die in sich wider-
spruchsvolle Zusammensetzung des Dorfes. Ein
Mann, der wie der Pächter der Domäne gewohnt
war, seine Pflüge über weite Ackerflächen gehen
zu lassen und dabei alles aus einem Willen zu
ordnen, konnte den Menschen eines solchen Ge-
meinwesens Abneigung entgegenbringen; eine
Erklärung für sein Verhalten, das jede Ver-
besserung der Zustände im Dorf hinderte, wo er
nur konnte, habe ich damals nicht gesucht, und
heute finde ich keine andere. Wie gern aber
wären die Dorfleute einem: einsichtigen Mann
an der Spitze gefolgt, und wie viel Gutes hätte
er schaffen können.
Daß es den Büdnern dieses Dorfes trotzdem
verhältnismäßig gut ging, lag daran, daß jeder
von ihnen neben seiner kleinen Ackerwirtschaft
einem Handwerk oder einem Gewerbe nachging.
so weit er nicht auf einem der umliegenden
Güter Arbeit fand. Es. gab fünf Schuster, ebenso
viele Kaufleute, drei Schneider, zwei Bäcker,
drei Schmiede, einen Böttcher, zwei Stellmacher:
ja, der eine oder andere von ihnen vereinigte in
seiner Person sogar zwei Berufe. Mit den
Bäckern hatten wir am meisten zu tun. Dem
einen war eine unüberwindliche Abneigung
gegen übertriebene Sauberkeit eigen; für ihn
kam es für die Brotzubereitung vor allem auf die
Zutaten an, alles andere war in seinen Augen
Ängstlichkeit oder Hochmut. Der andere war
zugleich Schmied, und er war dies mehr als
Bäcker. Hufeisen, Nägel, Türbeschläge und
alles, was das Dorf immer wieder nötig hatte,
war also in Ordnung; aber auch die Brote, die er
lieferte, waren augenscheinlich mehr Schmiede
als Bäckerarbeit. Uns Kinder störte das nicht,
wir standen gern bei ihm vor der Esse, legten
ihm dann das Geld für ein Brot auf das Fenster-
brett. und bedienten uns selbst, er blieb der-
weilen in der Schmiede; aber die Mutter hatte
ihre Not mit dem Abkratzen der Rinde. Da seine
Brote aber nicht nur dem Aussehen, sondern
auch der Handfestigkeit nach immer mehr aus-
gesprochene Schmiedearbeit wurden und vor
allem im Magen der alten Leute wie auf dem
Amboß gargeklopft wirkten, so bekam er immer
weniger Zuspruch. Unsere Eltern stimmten ihm
zu, dab man einen ganzen Ofen voll mißratener
Brote ja nicht einfach wegwerfen könne, dafür
hatten sie viel zuviel Achtung vor der lieben
Gottesgabe; sie wollten es am Tisch aber durch-
aus mit einem Bäcker und nicht mit einem
Schmied zu tun haben. Eines Tages gab er diese
Art seines Betriebes auf; und jedermann besah
seine gewaltigen Fäuste und seine überaus
rußigen Arme nun ohne innere Beschwerden.
Der dritte seines Standes wirkte auf der ritter-
schaftlichen Seite des Dorfes, hier waren Ord-
nung und Sauberkeit das Kennzeichen; und des-
halb kaufte das ganze Dorf am Sonntagmorgen
bei ihm seine Tüte „Rosenbröte und Schnecken“.
Vor allem letztere waren begehrt, weil sie sehr
süß waren und weil es für drei Pfennige zwei
Stück gab.
All diesen Leuten, den Kaufleuten, Schustern,
Schmieden und Bäckern, gab das weite Hinter-
land in Gestalt der vielen und zumeist in ade-
ligem Besitz befindlichen Güter das tägliche Aus-
kommen, vor allem deshalb, weil diese allsom-
merlich des Zuckerrübenbaues wegen ein Heer
ausländischer Arbeiter — die sogenannten
Schnitter einstellten. Aber es fehlte dem Dorf
der Sinn, den wir Deutsche immer mit diesem
Wort verbunden haben: Herr auf eigenem
Grundund Boden zu sein. Und wenn einer
seiner Bewohner besuchsweise einmal in eins
jener wehrhaften Bauerndörfer kam, die auch
schon damals bei uns zu Lande nicht selten
waren, dann wußte er, was ihm und seiner
Familie und in ihr vor allem den heranwach-
senden Kindern abging. Wenn es dabei anschei-
nend auch nutzlos war, so schaute jeder von
ihnen doch nach einer kommenden Zeit aus, die
den bestehenden Verhältnissen eine grund-
legend andere Richtung weisen werde.
Und doch gab es auch in diesem Dorf Men-
schen, unter denen mancher prächtige dörfliche
Eigenwuchs war, vielleicht gerade hier, weil er
die Vorbedingungen dafür zumeist in sich selber
tragen mußte. Da war unsere Nachbarin. Ihr
Mann war früh gestorben, und so hatte sie sich
allein mit eigenem Fleiß durchbringen müssen.
Sie ‚war klein und rundlich und trug stets ein
schwarzes Häubchen, dessen Bänder unter dem
Bän verknotet waren. Sie kam fast täglich mit
uns zusammen, weil wir gemeinsam mit ihr und
dem Nachbar zur andern Seite die tägliche Zei-
tung lasen, wenigstens während der Winter-
monate, im Sommer war keine Zeit dafür. Sie be-
kam das Blatt zuerst, weil Vater am Tage nicht im
Hause war, und da brachte sie dann die Zeitung;
der Nachbar bekam sie für den nächsten Abend,
so eilig war es ja nicht damit. Wir hörten ihre
helle, fröhliche Altfrauenstimme schon in der
Haustür; bald darauf stand sie mit stets dem
gleichen: „Herr du meines Läwens, Lüd un
Kinner!” in der Stube, pustete die mitgebrachte
Laterne aus und setzte sich in den Stuhl, der
schon für sie bereitstand. Ihr Ausruf galt mei-
stens dem unsäglichen Schmutz, durch den sie
hatte hindurch müssen, aber auch den Neuig-
keiten, die sie für den Abend mitbrachte. Ihre
Meinung war, daß die Zeitung den Menschen
verdürbe, weil gar zu viele Ubeltaten darin
stünden. Wenn Vater dann erwiderte, daß diese
ja bei uns zum Beispiel unter drei Familien auf-
geteilt würden, sah sie ihn mit ihren blanken,
kriegerischen Augen an und sagte, sie sehe
schon die Zeit voraus, da nur zwei Häuser das
gleiche Blatt gemeinsam lesen würden; die Welt
werde ja immer großartiger. Das werde aller-
dings Unglück und Untergang bedeuten, da eine
solche Uberheblichkeit und zugleich Neugier auf
vorgefallene Ubeltaten auch nur übel auslaufen
könne. Sie selbst war, freilich am neugierigsten
darauf; aber sie las das alles nur, um den Beweis
zu haben, wie gut im Grunde noch alles bei uns
im Dorf sei. Als sie ihre letzten Lebensjahre
herankommen fühlte, hatte sie einen weißen
Leinenbeutel in ihrer Lade; in jedem Frühjahr:
schnitt sie ein wenig zartes Gras, trocknete es
und tat es dann in den Beutel. Damit sollte ihr
Totenkissen gefüllt werden.
Ihr Gegenstück war die Nachbarin zur andern
Seite, Ihr Mann war Einwohner beim „großen
Johannjörn”, arbeitete in schwerem Tagelohn, `
schweigsam wie der Wald, in dem er wintertags
zu Hause war, ein Riese von Gestalt und wohl
gerade deshalb so gutmütig wie grob, aber auch
so treffsicher in seiner Antwort, wenn er einmal
eine gab. Sie hatte sieben Jungen mit ihm, von
denen der eine immer noch gerader gewachsen
war als der andere. Wenn bei einem der jähr-
lichen Feste alle im Elternhaus zusammen waren,
die schon verheirateten mit ihren Frauen und
Kindern, dann saßen nur die verheirateten auf
Stühlen; die andern mußten sehen, wie, sie an
den Tisch kamen. Ihr Mann saß wortlos darunter
und besah den Segen nachdenklich; sie selbst
aber — klein und dürr und mit immer verarbei-
teten Händen — bediente Enkel und Enkelinnen,
ein Zug, der auf den alten Dörfern nicht selten
war und die Achtung des sich schon untauglich
fühlenden Alters vor dem aufstrebenden Leben
versinnbildlichte. Im übrigen führte sie unter
den noch im Hause lebenden Jungen ein stren-
167
ges Regiment; und wenn sie es für nötig hielt,
wurde sie kräftig handgreiflich. Da diese sehr
viel größer waren als sie selbst, war das immer
ein schweres Mühen; sie ließ aber nicht ab und
zerrte so lange an Weste und Rockkragen, bis
sie den Kopf in erreichbarer Nähe hatte, und
dann gab es keine Gnade. Aber sie kam jedes-
mal bald außer Atem; und die Jungen freuten
sich noch lange hinterher.
Außer diesen beiden saß der „große Johann-
jörn‘ oftmals. bei uns in der Stube: lang, mager,
mit einem seltsam borstigen Bart um Kinn und
Lippen. Er war der ewig unruhige Geist des Dor-
fes, immer zu verbessernden Plänen aufgelegt
und immer in grollendem Unmut, daß so wenig
geschehe. Mit ihm zusammen, der Zimmermann
war, schnitt Vater im Winter Bretter und Balken;
der eine stand hoch oben auf dem Gerüst, den
behauenen Stamm zwischen den Füßen, der
andere stand darunter, und so führten sie die
Säge von unten nach oben und wieder von oben
nach unten. Ich sehe noch immer den mächtigen
und ausdrucksvollen Daumen des großen Jo-
hannjörn, den er beim Reden jedesmal verächt-
lich seitwärts warf, wenn er wieder einmal bei
einer ausgemachten Dummheit der Dorfgenos-
sen angekommen war. Nichts in seiner dörf-
lichen Welt konnte ihm die geringste Achtung
abnötigen; nur seine kleine und sehr wendige
Frau jagte ihn schon aus der Entfernung um
sieben Häuser herum. Wenn man ihm diesen
merkwürdigen Respekt vor einem so kleinen und
zarten Wesen vorhielt, dann führte er das auf
ihre vornehme Herkunft und künstlerische Ver-
anlagung der Familie zurück: sie stammte aus
der nahegelegenen Stadt, wo ihr Bruder — klei-
ner Kaufmann — Dirigent eines Gesangsvereins
war. Er nannte sie nur „die Geborene“.
Einer der ganz Alten konnte „das Buch laufen
lassen”; wenigstens ging so die Sage von ihm.
Wenn eine der Dorffrauen sich von einer andern
angeschwärzt oder sonst auf eine der: üblichen
Arten verfolgt glaubte und die Urheberin nicht
nennen konnte, ging sie zu dem Alten; der hörte
sie aufmerksam an, langte ein Erbgesangbuch
und einen Erbschlüssel vom Bort, schob den Bart.
des Schlüssels in das Buch und schlug ein Band
fest herum, um das Herausfallen des Schlüssels
zu verhindern. Dann legte er das obere Ende des
Schlüssels auf die ausgestreckten Daumen, 80
daß das Buch daran hing; und nun sprach er
langsam einen Namen nach dem andern aus. Vor
den erschauernden Ohren der Bittstellerin — die
hinterher regelmäßig sagte, daß sie die Augen
vor Scheu und Entsetzen habe schließen müssen
— löste sich dann bei einem der Namen das
Buch vom Schlüssel; und die Beschwörung war
mit Erfolg zu Ende geführt. Mehr als diese Sage
kann ich nicht wiedergeben; ich wollte aber, ich
168
hätte dem Alten einmal bei seiner Zauberei zu-
schauen können. Ganz zuverlässig müssen seine
Fähigkeiten dem Dorf nicht vorgekommen sein;
als man in späteren Jahren — vor allem bei
Ubeltaten der schon genannten Schnitter — nach
der Polizei rief, lebte er nämlich noch. Den Dorf-
leuten ist also ein Verhör möglicher Ubeltäter
sicherer erschienen als eine solche Berufung auf
die unirdischen Mächte. Meiner Meinung nach
hat der Alte wie eine Art freundlicher Wellen-
brecher gewirkt. Strafaktionen erfolgten auf
seine Offenbarungen hin nicht, der Frau war es
genug, daß sie auf so geheimnisvolle Weise
einen Namen erfahren hatte, den sie nun auf die
gleiche Weise der Nachbarin weitergeben
konnte. Und vor allem hatte sie wohl eine
dunkle Vorahnung, daß sie selber einmal an das
gleiche Messer kommen könnte, wo es ihr dann
nur lieb sein konnte, daß weiter nichts daraus
gemacht wurde — des eigenen. Mannes wegen,
der es dem Alten und ihr selbst wohl nicht so
geheimnisvoll machen würde.
Zu diesem alten Dorf gehörte auch unser Pro-
fessor Richard Wossidlo, Volkstumsforscher
von europäischer Bedeutung, „de oll Voßlo“,
wie er überall genannt wurde. Er erschien in
größeren Abständen, unterhielt sich jedesmal
auch mit Vater; und einige Jahre hindurch lag
in unserem Glasschrank eine „VoBlo-Zigarre”,
die Vater nicht hatte verweigern mögen, von
der er aber auch keinen Gebrauch machen
konnte, weil er nicht rauchte. Was aus ihr ge-
worden ist, kann ich heute nicht mehr sagen.
Als ich selber so weit war und mich ihr viel-
leicht heimlich gern genähert hätte, war sie
nicht mehr da; im andern Fall würde ich jetzt ja
wissen, wo sie geblieben ist. Er verschonte nie-
manden, von dem er irgendein Ergebnis für seine
Sammlung erwarten durfte, vor allem die Alten
nicht; und seine Unterhaltung war derart ein-
dringlich, daß diese einen heillosen Respekt
zeigten, wenn seine Ankunft gemeldet worden
war. Wen er finden wollte, den fand er; trotz-
dem brachen die am meisten Gefährdeten gem
aus, wenn dies noch möglich war: in den Garten,
den Stall oder auf einen verschwiegenen Ort
der ihnen sicher genug vorkam. Wenn der eine
oder andere nach vermeintlich ausreichender
Sitzung vorsichtig um die Hausecke lugte, sad
der Gefürchtete jedesmal gemütlich auf der
Bank, wo er schon einige um sich herum hatte,
denen es auch nicht besser geglückt war. Trott
eifriger Unterhaltung nahm er den Ankömmling
sogleich wahr; und die Dorffama meldet hierzu,
es habe niemals erstauntere Mienen gegeben als
in einem solchen Augenblick. Wenn dem 50
Überraschten nun vielleicht eingefallen wäre,
die Holzpantoffeln stehenzulassen, um dem
Verhör doch noch zu entwischen, würde ibm
Í. „2
——
Das gesik
des deutsden Faux
Bauer aus Pöttelsdorf
$
Bekenntnis zur Rasse bedeutet letzten
Endes ein Bekenntnis zur bäuerlichen
Grundhaltung und zur bäuerlichen Her-
kunft unseres Volkes, denn Bauernium
ist damit schließlich Träger aller völ-
kischen Schöpfungskraft, weil es der
Erhalter unseres Blutes ist. Bauerntum
ist damit auch Träger unserer Wehi-
kraft. HerbertBacke
$.
Links: Der Hufschmied
Rechts: Bergbauer aus dem Kleinen Walsertal
— er nn nz
— — —
Tiroler Jungbäuerin
Friesinnen von der Insel Föhr
Bauernbub aus Oberdonau
( )ben
Mitte: Osttiroler Bauernmädel
Unten: Bauernjunge aus der Oberpfalz
| | >
w
auch das nur vorläufig geholfen haben — „de
oll Voßlo hadd lange Bein“. So wurde jeder.
dieser Gewährsmänner also unter wohltätigen
Zwang gestellt; und keiner wurde aus dem Be-
reich des Schreibblockes entlassen, bevor „de
olle niederträchtige Kier" ihm nicht das Hemd
vom Leibe gezogen hatte, wie man das im Dorf
nannte. Das Wort niederträchtig hatte dabei in
der Sprache der alten Dörfler nicht den üblen
Klang, den es im Hochdeutschen wohl immer
gehabt hat. Ein niederträchtiger Kerl war einer,
dessen Beharrlichkeit bekannt war und der nur
den einen Willen hatte, die Beharrlichkeit des
andern zú überwinden. Von dem Betroffenen
aus war er im Unrecht, vor sich selbst jedoch
durchaus im Recht. Seine Gegenwart verur-
sachte also jedesmal ein sehr unbehagliches Ge-
fühl, dem aber zugleich ein gut Teil Hochach-
tung beigegeben war; denn die Dorfleute wissen
aus alter Erfahrung, daß Beharrlichkeit immer
ein sehr teures Gut gewesen ist. So war die
Flucht der Alten begründet; wenn sie dann aber
doch sehr schön stillhielten, kam ihnen das als
eine Art Schicksal vor. Ihre Rache für das ihnen
Angetane bestand zuweilen freilich darin, daß
sie ihm mehr erzählten, als sie verantworten
konnten. Und manche alte Mutter hat versucht,
ihm etwas als dörfliche Überlieferung anzuhän-
gen, was die kleine Enkelin ihr bei Gelegenheit
aus dem Schullesebuch oder einer Märchen-
sammlung vorgelesen hatte. Hier und da mag es
wohl auch aus Not geschehen sein, um nur ja
endlich freizukommen; jedenfalls war die Ge-
nugtuung hinterher immer vollständig, wenn das
Vornehmen geglückt schien.
U
Auch Ernst Feuerstein gehört hierher, ein
Landstreicher wie viele andere, die allmonatlich
unser Dorf heimsuchten, und nur dadurch von
ihnen unterschieden, daß er seine bestimmten
Tage im Frühjahr und Herbst hatte, an denen
er bei uns erschien. Wir Jungen erwarteten ihn
schon, weil er die ausbündigsten Geschichten
und Neuigkeiten von den andern Dörfern mit-
brachte; und wenn er den Weg von den vier
Höfen herunterkam, gab es einen Aufruhr, daß
ein paar betagte Mütterchen erschreckt Türen
und Kellerklappen schlossen. Er hatte seine
Stammhäuser; und den Besuch dort hielt er so treu
inne, als ob es sich um alte liebe Verwandte
handle. Nach seinem jährlichen Herbstbesuch,
wenn die Luft schon kühl und der nächtliche
Aufenthalt in irgendeiner Strohmiete unange-
nehm wurde, verübte er jedesmal in einem der
weiter abliegenden Dörfer eine kleine Untat
— „bi juch hier mak ick so wat nich“ —,
worauf ihn dann regelmäßig der Landreiter auf-
griff und in behördlichen Gewahrsam brachte.
Dort führte er sich so gut, daß er während des
ganzen Winters Kost und Unterkunft behielt;
im nächsten Frühling war er dann wieder da. Er
sagte aber vor Ausübung seines Streiches im
Herbst jedesmal Bescheid, was er vorhabe. „Wat
meinen Sei, Fru, wenn ick mal —?“ Erschien
sein Plan einmal gar zu leichtsinnig, riet man
ihm zur Vernunft. Das sah er denn auch jedes-
mal ein.
Am Schluß meines Berichts will ich nun gern
eingestehen, daß es sich in all diesem — streng
genommen — um eine gar so weit zurücklie-
gende Zeit nicht handelt; was ich erzählte, ist
im allgemeinen an das Jahrzehnt von 1896 bis
1906 gebunden. Hinwieder will es mir manch-
mal aber auch scheinen, als seien Menschen und
Verhältnisse, wie ich sie wiederzugeben ver-
sucht habe, heute schon uralt.
Später, als mir Wesen und Wert der Heimat
zum unverlierbaren geistigen Gut geworden
waren, sah ich über die oft mißlichen Verhält-
nisse meines Heimatdorfes zu meiner Kinderzeit
hinweg. In der Zeit sagte es mir sehr viel, daß
dieses Dorf auf den alten Grabstätten des Drei-
Bigjährigen Krieges neu erbaut worden ist; als
Kind hätte ich damit nicht viel anfangen kön-
nen. Da erkannte ich, daß es sich bei dem, was
mir die Kinderzeit-zugetragen hatte, oftmals um
Beiwerk und Vordergründiges handelte; das
Wesentliche lag tiefer, es konnte sich in einem
Dorf, das nicht einmal die Gewißheit ausreichen-
den eigenen Bodens hatte, auch wohl nur sehr
notdürftig zeigen. Man mußte wahrscheinlich
durch die Zeiten hindurch, um dieses Wesent-
liche zu erfassen; und mancher würde es dann
vielleicht nicht mehr erkennen oder es gar ab-
lehnen, was freilich nicht hinderlich sein konnte.
„Sie werden sich wundern, wie sich Ihr Hei-
matdorf verändert hat“, schrieben mir die Schul-
kinder von 1935. Sie wollten mir damit eine
Freude machen und haben es getan. Ja, heute
ist dort vieles anders. Es gibt seit zehn Jahren
keine Domäne und Tagelöhner mehr; wer von
ihnen wollte und konnte, hat Land bekommen,
auch die Einwohner, und von den Büdnern wirt-
schaftet jetzt jeder mit eigenen Pferden aut aus-
reichendem Grund und Boden.
Geblieben ist mir bis heute der und jener
originale Mensch jener Zeit. Einige von ihnen
haben schon Aufnahme in dem einen oder an-
dern meiner Bücher gefunden oder werden sie
noch finden, wenn ihre Zeit gekommen sein
wird. Und bleiben wird mir für alle Zeit die
Erkenntnis, daß auch im sogenannten kleinen
Mann und Tagelöhner der starke Kern bäuer-
licher Art steckt und daß es heilige Pflicht
unserer Zukunft sein wird, dem nachzugehen,
soweit es in unserem Vermögen steht. Unzwei-
felhaft wartet eine ganze Jugend darauf, wie
auch wir schon zu unserer Zeit darauf gewartet
haben, ohne daß wir Erfüllung unseres oft un-
bewußten Sehnens hätten finden können.
169
JOSEF MARTIN BAUER:
DER BAUERLICHE WEG
Gleichzeitig mit der Verleihung des Kulturpreises
für bäuerliches Schrifttum an Friedrich Griese wurde
Josef Martin Bauer erstmalig der von Oberbefehlsleiter
Reichsbauernführer Backe gestiftete Ehrenpreis des
bäuerlich gebundenen Schrifttums der Gegenwart ver-
liehen. In dem Ankündigungsschreiben betont Ober-
befehlsleiter Backe: „Von innerer Verantwortung um
die Probleme des deutschen Bauerntums getragen, ge*
stalteten Sie Ihre Werke und vermittelten uns aus dem
Erleben dieser Zeit wertvolle Erkenntnisse. Ich danke
Ihnen für Ihre schöpferische Tat, die der Kultur und
Geschichte des deutschen Bauerntums ein Denkmal
setzt.‘ `
F: mag gut sein, unterwegs einmal umzu-
schauen und dabei zu sehen, daß es ein ehr-
barer bäuerlicher Weg gewesen ist, der von den
Anfängen bis hieher führt; aber nach dem
Warum dieses Weges zu fragen ist so schwer,
wie wenn ich einen ackernden Bauern fragen
wollte, warum die Furche so im schlanken
Bogen über den Hügelhang gezogen wird,
warum dem Pflug die Saat folgt und der Saat
das Ängstigen um Hagel und Mißwachs, dem
getreuen Ängstigen aber dann die Ernte, die
Ende ist und doch wieder nur schmaler Anfang.
In den selbstverständlichen Dingen des
Lebens weiß der Mensch die Ursachen nie, die
ihn zu solcher Selbstverständlichkeit geführt
haben. Der Bauer fragt vielleicht einmal, wenn
er Gott und der Welt einen Vorwurf machen
will um der schweren Last willen, „Warum muß
ich gerade Bauer sein?“, aber es erschiene ihm
widersinnig, sich im wahrhaftigen Ernst zu fra-
gen, warum er Bauer ist. Er pflügt, weil der
Vater schon gepflügt hat, er plagt sich, weil
seit je die Plage das beste Korn hervorgebracht
hat, er ist Bauer, weil er Bauer sein muß und
etwas anderes nicht sein kann. Bei nachge-
borenen Söhnen, die in den Erwerb gegangen
sind, haben wir alle es ja oft genug gesehen,
daß sie in das Leben städtischen Erwerbs ihre
hergebrachte Bauernwelt mit hineingetragen
haben und dort einfach ihr bäuerliches Her-
kommen fortsetzen. Selbst dort, wo die alte
Herkunft und der spätere Erwerb weit ausein-
anderzuklaffen scheinen, zieht durch das Leben
eines solchen Menschen als haltendes Tau jene
Selbstverständlichkeit, die nur lächelnd um-
schaut auf den Weg, nie aber danach fragt,
warum der Weg so gegangen werden mußte
vom Hof zur Stadt, vom Pflug zum Handwerk,
vom Kleinknecht zum Soldaten mit allen Ab-
zeichen der Tapferkeit, vom Hütbuben zum Pro-
170
~
ihrem festlichen Sterben,
AJ
H
fessor, vom ärmlichen Dorfknaben zum Dichter.
Dabei hat der Dichter das schönste Los, weil er
beides in einem sein darf. Mit jedem, der einen
solchen Weg gewählt hat aus freien Stücken
oder aus dem natürlichen Zwang, gehen doch
in langen Reihen die bäuerlichen Väter und
zwingen ihn, wo er auch weitergeht, immer
Bauer zu sein und Bauer zu bleiben.
Ais ich längst in meinem vermeintlich selbst-
gewählten Leben stand, als ich nach Jahren
bäuerlich schreibender Arbeit wußte, daß ich
nie anders würde schreiben können, hat man
mir auferlegt in alten, unordentlich geführten
Matrikelbüchern zu suchen nach einer Unzahl
toter Väter, und was ich gefunden habe, war
mir weder überraschend noch erregend. Ich
habe dieser auferstandenen Ahnenreihe alt-
bayerischer Bauern nicht bedurft, um über die
Jahrhunderte bauernhaften Vorlebens zu
wissen, wo mich der eine, der mein Vater war,
viele Male auf den Knien gewiegt und mit
übersichtigen Augen an mir vorbei geschaut
und an mich hin erzählt hatte von den Bauern
auf Lederstatt, am Bach, in Coralden und auf
Eiglsperg, die er erzählend vor uns Kindern zur
Schranne fahren ließ, die auf ibre Art liebten
und haßten, die ihn — meinen Vater — nicht
als ihresgleichen gelten ließen, weil der ver-
heiratete Bauer auf Lederstatt ihn neben der
Ehe gezeugt und weil eine demütige Magd ihn
geboren hatte im rechten Gehorsam der Magd.
Diese Magd habe ich selbst noch gekannt und
habe sie sterben gesehen. Von den Bauersleuten
aber, die in der langen Reihe so herkommen aus
der Vergangenheit, weiß ich nur, was in den
Matrikelbüchern steht, und doch weiß ich von
ihnen alles, wie sie geboren worden sind, wie
sie gelebt haben, wie ihr Jahr hinlief in stetiger
Arbeit, wie ihre Freuden und Leidenschaften
den Platz um sie ausgefüllt haben, ich weiß sie
bis zurück zu irgendeinem Bauernsohn, der mit-
ging bei Napoleons Rußlandzug und irgendwo
in jener weiten bäuerlichen Erde voll Kindlich-
keit und Güte sein Grab gefunden hat. Jeden
hat mir der Vater beschrieben. Die Namen weiß
ich nicht mehr, aber ihr Tun weiß ich bis zu
ich kenne ihre Ge-
sichter, weil ich sie abgeprägt gesehen habe in
dem guten Greisengesicht meines Vaters, wenn
er in die Ferne des engen Raumes schaute und
die Toten als Lebendige heraufbeschwor.
)
Er selbst hatte, von der Magd geboren, nicht
Bauer sein dürfen. Das Hütbubendasein blieb
ihm, der bescheidene Knechtplatz blieb ihm —
und der Name „Knecht“ ist bei uns in Altbayern
etwas Ehrenwertes — aber vom Knechtplatz
hat er wieder emporzusteigen versucht zu einem
bescheidenen Stück Eigentum. Als er in dem
Alter stand, in dem ich heute stehe, hat er noch
das Bäckerhandwerk gelernt, ehe er heiratete
und in einem kleinen Dorf sich als Bäcker selb-
ständig machte. Die er sich zur Frau nahm,
mußte ebenso aus der Einfachheit und dem
zähen Beharren alter Bäuerlichkeit kommen,
und weil ihr Platz kein großer Platz hatte sein
können bei der Fülle der Geschwister, war sie
eben Magd geworden und hatte sich darin reif
gedient. Ein bescheidenes Leben war es wohl,
das die beiden sich aufbauten, aber es klam-
merte sich an den Boden, der eine Kuh ernährte
und später eine zweite, es war auch darin ein
Bauernleben, daß es bei solchem Alter noch den
Mut zu sechs Kindern fand. Ich war das dritte
in der Reihe. Der geschundene Vater, der um
ein Uhr jede Nacht aufstand zum Backen, fuhr
am Morgen mit dem Brotwagen fort, von Hof zu
Hof, von Bauer zu Bauer, und wenn er am Nach-
mittag zurückkam, begann seine Arbeit für Heu
und Vieh. Wenn die Lieferungen eines Jahres
bei den Bauern ringsum aufgelaufen waren zu
einer schönen Summe, gingen sogar wir Kinder
hinaus, das Geld hereinzubringen, von dem
doch so wenig für das eigene Leben blieb. Die
Wege waren weit, das Gewand war dünn, die
Tage waren kalt, und es war oft eine Menge
Geld, die ich verkrampft in der Hand barg,
wenn ich mit meinem Zettel von Hof zu Hof
ging. Die Gesichter aber, die mich anschauten
auf solchen Wegen, weiß ich heute noch, gute
und harte Gesichter, die Physiognomien von
geizigen und von wunderlich-gütigen Menschen.
Des Vaters und unser aller Lebensbereich
hörte dort auf, wo er von den Wegen des Brot-
fahrens umgrenzt wurde. Was jenseits dieser
Weltgrenze lag, gehörte in den Raum von Mär
und Wunder, und weil ich mit den Augen des
Vaters schauen lernte, war dies alles fast spiel-
zeughaft als Welt und dabei auf eigene Art be-
schienen vom Glanz bäuerlicher Lebensweisheit.
Einmal in seinem Leben hatte mein Vater eine
große Reise gemacht, eine, über die man heute
lächeln darf: nach Nürnberg. Diese Reise hat
mich das rechte Wunderschauen gelehrt, denn
das Nachbild der Reise in den immer neu aus-
geschmückten Erzählungen meines Vaters ist zu
einer unerschöpflichen Fülle von Wundern ge-
worden. Immer mehr wurden die Türme von
Nürnberg, immer reicher die Pracht der Häuser,
mit jedem Erzählen wurde die Reise länger und
erlebnisreicher, das Erzählen zerbrach jede
Grenze und führte uns aus der Enge der acht
Höfe des Dorfes hinaus, dorthin, wo es Unwirk-
liches gibt. Solches Erzählen war der Reichtum
meines Vaters, und die Ungehemmtheit seiner
blühenden Phantasie war die Gnade, die ihn
sehr glücklich sein ließ in seinem karg bedach-
ten Leben. Die Nürnberger Buntheit aber hat
sich nie auf das übertragen, was er aus dem
Bauernleben erzählte. Dorthin schlug in Wirk-
lichkeit die Sehnsucht all seiner Träume aus,
dorthin schaute er mit tiefen, alles sehenden
Augen, und so habe ich mit ihm schauen ge-
lernt, so habe ich die Ehrfurcht mitbekommen,
die aus seiner halblaut erzählenden Stimme
klang. Und dieser große, bäuerlich umgrenzte
Mensch, dem eine Fahrt nach Nürnberg das Er-
lebnis aller Erlebnisse geworden war, hat mich,
als ich elfjährig war, nach der Aufnahme-
prüfung für die Lateinschule in den Glaspalast
geführt in die Kunstausstellung. Ich war bald
müde und erschöpft, er aber hat mich durch
alle Räume geschleift und hat sich erst am
Bahnhof, knapp vor der Abfahrt, darauf be-
sonnen, daß wir den ganzen Tag nichts ge-
gessen hatten. `
An diese Dinge der Jugend erschienen mir
lange Zeit so, als seien sie nur neben mir ge-
wesen und nicht für mich. Bei zwölf Jahren fiel
für mich der trennende Schnitt, ich kam in die
Lateinschule, von dort ans Gymnasium, ein
bäuerlich behaftetes Studentlein voll Scheu und
Unbehilflichkeit, das vor sich eine andere
bäuerliche Lebensrolle gestellt sah: in irgend so
einem einsamen Dorf Pfarrer zu werden, ein
Bauernpfarrer wie der unsere, mit achthundert
Seelen, hundertfünfzig Tagwerk Ackern und
Wiesen, einem schönen Waldschlag und alter-
tümlichen Dkonomiegebäuden voller Vieh, ein
Bauernpfarrer, der des Morgens vor der Messe
schon in den Klee fuhr und in Zeiten drängen-
der Arbeit dem Herrgott ein Schnippcheri
schlug, damit ja alle Bauern rechtzeitig auf die
. Felder kamen.
Mit dieser Rolle bin ich zeitig schon zer-
fallen, um die Zeit eben, da der Knabe Mann
wird und alle Dinge in einem zwiespältig ge-
brochenen Licht sieht. Es war so mein Wille,
etwas anderes zu werden, dieser Wille freilich
wußte sich kein Ziel, er mußte sich der mäch-
tigeren Welt der Not beugen und sich korri-
gieren lassen von der Last des freiwillig oder
übermütig ganz auf die eigenen Schultern ge-
nommenen Lebens. Da habe ich allerhand Be-
rufe und Handwerke durchlaufen, von vorn-
herein in der Absicht, nur den Erwerb darin zu
sehen und von der Etappe so eines Erwerbes
aus in das wirkliche Leben Ausschau zu halten.
Vor jedem Menschen schwebt zu solcher Zeit
eine Krone, jeder möchte König werden, keiner
gibt sich im Verlangen mit einem kleinen Maß
zufrieden, sein rechtes Maß aber bekommt der
Mensch dann unbarmherzig vom Leben zuge-
wiesen und muß zufrieden sein, wenn es an-
statt der gesehenen Krone nicht ein löcheriger
Bettlerhut ist.
Ein dürftiger Gutsbuchhalter war ich auf
einem Fideikommiß, als ich mich unter einem
171
Zwang zwischen Wollen und Müssen nächte-
lang vor die Maschine setzte und leidenschaft-
lich besessen an einem Roman schrieb.
Nein! Nein! Ich habe niemals einen Bauern-
roman zu schreiben vorgehabt. Die Welt ist so
groß und reich, sie gibt ihre farbigste Buntheit
überall, nur nicht in der einfachen, gradlinigen,
erlebnislosen bäuerlichen Welt. Wenn ich schon
schrieb, so doch um des Erfolges willen. Und
gerade den Gedanken an den Erfolg habe ich
im Schreiben vergessen. Die bunte Glanzwelt,
von der ich phantasieren wollte, habe ich nicht
vor das Auge bekommen. Geschrieben habe ich
einen Roman von Bauern, weil ich von der
eigenen Arbeit zurückgestoßen wurde in die
Welt, die ich selber war. Die zwölf Jahre Dorf
waren mächtiger als das ganze Wollen. Der
Vater mit seiner still berichtenden Stimme war
lauter als jeder Versuch der Flucht aus dieser
Bindung, die mich jetzt grausam schmerzte.
Nicht das war grausam, daß den Roman nie-
mand nehmen wollte.
daß ich bei einem zweiten Versuch wieder wie
ein Behexter von Bauern schreiben mußte, daß
ich nach dem zweiten Fehlschlag einen dritten
Versuch anging und wieder nur von Bauern
schrieb, vielleicht um davon loszukommen, in-
dem ich mich daran ausschrieb, vielleicht
schon halb versöhnt mit dem hartnäckigen
Zwang. Einen ganz abseitigen Erfolg hatte mein
Schreiben, einen völlig ungewollten Erfolg, den
ich zu zertreten versuchte, sobald er an mich
herankam. Scuriftleiter sollte ich werden,
Schriftleiter unter Bauern, Schriftleiter für
Bauern, ausgerechnet für die Bauern meiner
Heimat. In meine Heimat aber wollte ich nicht
zurück, ich wehrte mich, ich kannte doch meine
Bauern und wußte, daß sie einen abweisenden
Buckel machen würden gegen einen, der so
wieder zu ihnen zurückkam.
So bin ich denn, immer noch voller Wehren,
wie ein Geschlagener dorthin a
woher ich gekommen war.
Nun ist das gute siebzehn Jahre her.
Ich sitze anderthalb Wegstunden von dem
Ort entfernt, an dem ich geboren bin. Knappe
zwei Wegstunden muß ich gehen, wenn ich in
das Dorf kommen will, das mit acht Häusern
meine Heimat war, mit den acht Häusern im
Tal und den schweren, königlichen Getreide-
bauernhöfen ringsum auf den Hügelreihen. Ich
habe diese herrenhaften Bauern gekannt aus
dem gemeinsamen Emporwachsen und habe
darum Scheu empfunden vor der Rückkehr,
denn ich habe jung schon fühlen gelernt, daß
die bäuerliche Welt keinen aufnimmt und jeden
abstößt, der nicht vom Grunde her aus ihrer Art
und ihrem Denken ist. Nie aber haben meine
Bauern mich wie einen Fremden angesehen. Ich
war für sie freilich einer, der studiert hatte, und
meine neun Jahre Gymnasium wurden mir
ebenso als ein neuer Wert anerkannt, wie sie
172
Viel grausamer war es,
mir angerechnet wurden als die beschwerende
Möglichkeit einer Entfremdung. So mußte ich
wie ein Pferd, das man lange in fremden Ställen
hat stehen lassen müssen, so etwa wie ein vom
Kriegsdienst in die Ackerarbeit zurückgekehrtes
Pferd, die Prüfung in wägender Behutsamkeit
über mich ergehen lassen, die Mensch wie Tier
schweigsam abhorcht, ehe sie zufrieden ist und
den Zurückgekehrten wieder ganz zur Heimat
zählt.
Das ist schon siebzehn Jahre her.
Ich hätte nicht siebzehn Jahre damit aus-
füllen können, nur von einem Tag auf den an-
deren für die Zeitung zu schreiben und dieses
Tun in steter Wiederkehr aneinanderzureihen
bis zum Verbrauchtwerden. Drum habe ich bei-
zeiten wieder angefangen, aus dem Eigenen zu
schreiben, wieder einen leidenschaftlichen Be-
richt von bäuerlichem Leben, wieder umsonst.
Alles schien unendlich Zeit zu haben, ich wollte
so nun nicht mehr schreiben, vielleicht war ich
der Erfolglosigkeit müde geworden. Da ging
aber mit mir durch Tage und Zeiten ein unauf-
hörlicher Vorwurf, vor dem ich flüchtete, ohne
ihm zu entkommen. Vielleicht war auch diese
Zeit gut und notwendig, aber ich kam mir dann,
als ich wieder ernst und schwer zu arbeiten be-
gann, nicht mehr so ärmlich vor. In dieser Zeit
hatte ich unter der Gewalttätigkeit, der ich er-
legen war, endgültig begreifen lernen müssen,
daß ich nie etwas anderes zum Thema und In-
halt meiner Arbeit nehmen konnte als die Men-
schen und die Dinge der scheinbar so erlebnis-
losen Bauernwelt. Wenn ich den Begriff des
Bäuerlichen so groß nehme, daß ich voll bewußt
von einer eigenen Welt des Bäuerlichen
spreche, so tue ich es heute mehr als je mit
letzter Überzeugung, nachdem ich zwei Jahr-
zehnte daran geschöpft habe und nie und
nirgends bis an ihren Rand gekommen bin.
Beim Schreiben der „Notthafften“ war es mir
bewußt, daß ich die Geschichte einer bäuer-
lichen Familie niederlegte, eine Familien-
geschichte von bäuerlicher Art aus unserer
Gegend. Hernach sollte es des Bäuerlichen ge-
nug sein. Ich glaubte, hernach überhaupt nichts
Bäuerliches mehr zu wissen, was des Nieder-
schreibens wert sein sollte. So klein erschien
mir die Bauernwelt damals noch. Als ich die
Ausschreibung las zum Wettbewerb um den
Jugendpreis Deutscher Erzähler 1930, wußte ich
sehr wohl, daß man dort doch keinen Bauern-
roman wollte, daß ein Bauernroman keine Aus-
sicht auf die Zuerkennung des Preises haben
konnte. Und was habe ich dann für den Wett-
bewerb geschrieben? Was habe ich in fünf
säuberlich geschriebenen Manuskripten einge-
reicht? — Den bäuerlichen Siedlerroman „Acht-
siedel“. Ich hatte nicht anders gekonnt. Nun
sollte ein würdiges Gremium verstehender
Männer entscheiden, ob ein bäuerliches Buch
das Recht hatte, aus seiner Welt heraus durch-
zustoßen zum Erfolg im Wettbewerb gegen die
Werke aus all den anderen Bereichen des
Lebens. So maßlos und so fordernd wurde ich,
daß ich in bäuerlicher Einfalt und Starrköpfig-
keit mich mit derartiger Leidenschaft in den
Gedanken verkrallte, ich werde der Preisträger
sein, daß mir meine Frau die Nachricht nur so
mitteilte: „Du, der Preis ist dal”
Das mag nur nach dem Erfolg so lächerlich
erscheinen. Vorher war es ein weher, schmer-
zender Ernst. Es war ein wahrhaftig besessener
Glaube, daß die bäuerliche Verkettung, wenn
sie schon ihre Menschen nicht mehr losließ, sie
auch zum Erfolg hinaufreißen müsse.
. Und wenn ich von Treue sprechen darf, dann
muß ich auch gestehen, daß meine Welt mir die
Treue ebenso gehalten hat. Mich hat sie vorher
zur Treue gezwungen, zu jenen Zeiten, da ich
das Ohr nach allen Seiten hin bereitwillig
offenhielt und nach jeder Melodie den Schritt
ins Leben setzen wollte. Gehört habe ich nur
die schlichte, klare, bäuerliche Melodie in
ihrer ungeheuren Eindringlichkeit, nach der ich
schwer und bedächtig den Schritt setzen mußte,
bis ich auf dem Weg war, von dem es kein
Zurück mehr gibt. Was mir zu Anfang mit einer
zähen Härte begegnet ist, hat mir später eine
herrliche Treue erwiesen, als ich mein Leben
hin oder her entscheiden mußte, als ich mir
selber die Frage stellte, wo ich denn seßhaft
werden konnte, um nicht nur festzusitzen, son-
dern anzuwurzeln und zu leben.
So alt wie die ersten selbständigen Schritte
m den Beruf bäuerlicher Dichtung ist der
schreiende Wunsch nach einem eigenen bäuer-
lichen Besitz. Einen Hof wollte ich bekommen.
Das war der Wunsch schon vor sehr vielen
Jahren. Vielleicht, wenn man ihn mir erfüllt
batte, wäre ich zufrieden geblieben mit der
wirklichen Erfüllung und hätte verzichtet auf
das träumende Tun eines bäuerlichen Dichter-
lebens. Vor acht Jahren aber habe ich mir
wenigstens einen Wunsch erfüllen dürfen: hier
endgültig zu wohnen, hier mit einem Haus für
dauernd Fuß zu fassen. Es waren Freunde um
mich, die gelacht haben: wie kann ein Mensch
deines Berufes hier auf dem Land sich für
immer festsetzen, wo die Stadt doch allem
Leben und Entwickeln die einzige Grundlage
und Förderung ist? Freilich, auf viele Dinge
mußte ich verzichten, denn schließlich ist es
keine von Verkehr begnadete Gegend, in der
wir hier leben, schließlich mußte ich wissen, daß
ich mit der Zeit der Mittelschule jedes Kind
berzugeben hatte, weil es weit ist bis zur
nächsten größeren Schule. Aber was sollte ich
Mensch, der ich mit müden Augen und häm-
merndem Schädel jedesmal aus der Stadt
zurückkam, mich in die Stadt setzen, die mir
nur Schmerzen verursachte und mir nichts, gar
nichts zu geben hatte als ihr steinernes Leid?
So habe ich mir denn mein Haus gebaut nach
meinen Wünschen, weitläufig in einem einzigen
Geschoß wie ein rechtes Bauernhaus auf einem
Hügelausläufer, daheim, in der getreideträchti-
gen Landschaft, die den Stier und die Weizen-
ähre im Wappen haben sollte, wirklich daheim.
Von hier sehe ich hinunter in einen moorigen
Talausschnitt, von hier sehe ich große Hügel
ringsum, Gott sei Dank, und werde von keinen
fremdengierigen Bergen bedrängt, Gott sei
Dank. Und die Menschen aus der Stadt, die zu
mir kommen, fragen beim Heraufsteigen vom
Bahnhof: Wie kann man bloß — ? Und wenn sie
Platz genommen haben, wenn sie mit einem
weiten Blick auch diesen wundervollen Hügeln
verfallen, dann sagen sie: Gibt es so viel Ruhe
denn überhaupt noch auf der Welt oder ist das.
eine geträumte Unwirklichkeit?
Hier oben auf meiner bescheidenen Höhe
wuchs Weizen, als ich baute, und es wächst auf
allen vier Seiten Weizen, Korn, Mais, es
wachsen Kartoffeln und Rüben, es weiden
Schafe zu herbstlicher Zeit, und im Winter wer-
den wir eingeschneit, daß wir tagelang nicht
mehr aus dem Haus kommen, um in den Mauern
Raum zu finden zum Bedenken, ob es so recht
war und ob es so recht ist. .
Wie die vier Arten Getreide, so wachsen auf
diesem Boden die Erkenntnisse. Die Arbeit
wächst mir zu, wie sie den Bauern zuwächst
von Jahreszeit. Weil ich meine Bauern kenne
und mit den Bauern alles hasse, was nur so tut,
als ob es bäuerlich wäre, habe ich hier meine
Philippika geschrieben wider alle Verlogenheit
eines Schrifttums, das auf gut gedüngtem
Boden mit dem rünstigen Geruch von Blut und
Scholle hochtrieb, bis es an sich selber ver-
dorrte, weil das Bäuerliche in sich selbst Rache
nimmt für jede Unwahrhaftigkeit. Ich bin
hier mit bauernhafter Zähigkeit zu Felde gezo-
gen gegen jene kränkliche Unausgewogenheit,
die zu einer hysterischen Landabkehr, Land-
scheu, Landflucht und Verachtung des Länd-
lichen führte. Die Summe aller Erkenntnisse,
aller an mir selbst erlittenen Nöte und aller
von den Vätern überkommenen Weisheit ist
doch jenes eine, daß der im Bäuerlichen heran-
geführte Mensch auch im Bäuerlichen bleiben
muß, wenn er nicht an der Verpflanzung zu-
grunde gehen will. Freilich ist es eine Gewalt-
tätigkeit, die so am Menschen, von innen her-
aus, vollzogen wird, und diese Gewalt zu er-
leiden, mag schmerzlich sein, aber ihr Erleiden
wird am Ende zum Segen. Sehr weit muß der
Mensch gehen können in seinem Verzichten,
um nach allem Verzicht sein zu dürfen, was er
ist. Mir ist aus dem schmerzhaften Gezwungen-
werden langsam jene Liebe großgewachsen, die
leidenschaftlich nach eigenem Bauerntum
strebte. Ist es bis jetzt noch kein bäuerlicher
Hof, so ist es eine bäuerliche Heimat. Und ist es
kein Acker, so ist ein großes Stück Garten,
das ich pflegen darf, wenn ich an meinen
Büchern von Bauern schreibe und im Ermüden
eine körperliche Arbeit brauche.
Weil dies so ist, zähle ich zu meinen liebsten
Büchern die dramatische Bearbeitung des ur-
173
—
alten „Meier Helmbrecht“, ‚denn es gibt noch
viel von den Helmbrecht-Söhnen, die Bauern
verunehren und Knechte verhöhnen, die gleich
als Herren wollen beginnen und nie gelernt
haben, als Knechte zu dienen‘. Und bei aller
Schmalheit des Bändchens zähle ich mit tiefer
Liebe meine „Bäuerliche Anabasis über man-
chem anderen, was mir vielleicht größeres An-
sehen eintrug. Hier habe ich vor Jahren unter
dem Nachklang einer Weise, die mir aus den
Erzählungen meines Vaters in der Erinnerung
geblieben ist, die Geschichte von achtzehn
Bauern geschrieben, die 1812 nach Moskau
zogen unter Napoleon und im Eis geblieben
sind, weil der letzte sich noch opferte für einen
Kameraden, der notwendiger zu Hause erwartet
wurde.
Für meine „Anabasis“ einzustehen, bin ich am
Morgen des 22. Juni 1941 freiwillig mit ange-
treten und habe den russischen Süden durch-
zogen bis hinunter auf asiatischen Boden,
meine Bücher und meine Bauern zurücklassend,
um einer der bäuerlichen Soldaten zu sein, die
im Krieg nicht den Tod sehen, sondern die
Fruchtbarkeit, nicht das Sterben, sondern das
Reifen des Weizens, nicht das Entsetzliche, son-
dern das stille Wunder der Erschaffung. Was
ich aus dem Jahr 1941 niedergeschrieben habe
in meinem Kriegstagebuch „Die Kraniche der
Nogaia“, ist von vielen Lesenden als das ver-
standen worden, was ich ungewußt darin
niedergelegt habe: das Buch eines Bauern, der
Soldat geworden ist und als Soldat nur mit den
Augen des Bauern sieht. Nie hat mich die End-
losigkeit der Steppe bedrückt, denn ihre
Fruchtbarkeit war viel ungeheuerlicher als ihre
Weite. Menschen habe ich gesehen, Felder habe
ich gesehen, Weizen habe ich in der Steppe auf-
geschüttet gesehen zu Tausenden von Tonnen
und bin, wie nur Bauern es werden können,
berauscht worden von dem Erlebnis der Frucht-
barkeit, daß ich den Krieg nicht mehr sah, son-
dern nur noch dieses Berauschtsein ewiger
Ernte über mich ergehen ließ. Hier habe ich es
auch erlebt, daß ein Mensch, der wirklich Bauer
ist, nicht umgestoßen werden kann von dem
grausamen Äußerlichen, das bis zum Tod geht.
Es waren ja fast nur Bauern, die dort mit uns
gingen durch die Endlosigkeit der Ernte. Bauern
waren es, mit denen ich im letzten Sommer weit
im Norden stand, wo ein Roggenfeld schier wie
eine Narrheit anmutete in der Wildnis von Sand
und Sumpf. Wie selige Narren schauten wir auf
um eines reifenden Roggenfeldes willen, und
jeder hat in dem fremden Korn und dem frem-
den, kärglichen Halm die Heimat gesehen. Ich
habe wohl draußen sein müssen, um zu wissen,
daß es wahr ist, was ich einmal in der Bäuer-
174
lichen „Anabasis“ geschrieben habe vom Sterben
der Bauern um des Lebens willen. Ich habe auch
das erleben müssen, um bestätigt zu finden, daß
ich die ganze Welt anders nicht mehr sehen
kann als durch die Augen eines Bauern.
Der Weg, den ich hergekommen bin, ist in
einen natürlichen. Rundlauf eingemündet, in
dem Anfang und Ende sich unaufhörlich die
Hand reichen. Der Sohn tut auf andere Art, was
der Vater tat, was der Großvater lebte, was in
bäuerlicher Leidenschaftlichkeit von weit her
bis zu ihm heraufgekommen ist. Und wenn mein
Tun überhaupt in einem Ziel fest zu umreißen
ist, so ist dieser Zielgedanke das Leben selbst.
Da ich dies niederschreibe in der Mitte eines
Lebens getreuer Bauernarbeit, stehen wir zu-
tiefst in gewaltsamen Austragungen ums Lebens-
recht für alle Zukunft. Städte werden von
klugem Vorbedacht geräumt oder mit der Wut
von Waffen entvölkert, städtische Menschen
gehen auf eine Völkerwanderung, wie die Ver-
gangenheit keine kannte, der Flucht vom Land
ist eine tiefe Scheu vor der Stadt gefolgt, und
wir beide, die wir uns hier nun begegnen auf
dem Land, der Städter und der Bauer, sind tief
erstaunt darüber, daß es genau so steinver-
wurzelte Menschen gibt wie boden verwurzelte,
daß die Zugehörigkeit zur städtischen Welt in
den städtischen Menschen eine Liebe ausge-
prägt hat, die wir dort gar nicht geahnt haben.
Der städtische Menschenkern kann nicht anders
als städtisch sein, er fällt ins Bodenlose, wenn
man ihn aufs Land verpflanzt. All jene aber, die
nicht zu diesem gesunden Kern gehören, son-
dern um ihn herum angeschwemmt wurden und
den Städten erst jenes krankhaft Aufgeblähte
gaben, um dessen willen der Bauer scheel nach
der menschenfressenden Stadt geschaut hat,
werden von dieser Zeit einer harten, grau-
samen und brutalen Prüfung unterworfen: ob
sie noch bodenhafte Kraft genug in sich haben,
mit stiller Selbstverständlichkeit wieder ins
Bäuerliche zurückzufinden.
Nach diesem Krieg, so glaube ich, wird eine
Zeit des Bäuerlichen kommen, eine Zeit klarer
Einfachheit und Besinnung, getragen von den
Menschen, die aus den Städten zurückgekehrt
sind, und von den anderen, die im Osten das
ungeheure Erlebnis der Erde hatten. Vielen
Menschen ist in den Kriegsjahren das Wunder
aufgegangen, in dem wir seit Jahr und Tag be-
glückt leben ohne jede Sehnsucht nach der
städtischen Buntheit. Und sie hereinführen zu
helfen in die Fülle. dieses Wunders, aus der
jahrzehntelang geflohen wurde, mag mir und
uns allen, die wir von Bauern schreiben, eine
noch größere Aufgabe sein als jede andere
bisher.
—
-A T an
KLAUS SCHMIDT:
Das A ANER tum
Ma Karl Immermann hat Hebbel einmal in
bezug auf das Oberhofidyll aus dem großen
satirischen Roman „Münchhausen“ gesagt, er
habe einen neuen Weltteil in die Litera-
tur geschleudert. Immermanns „Münchhausen“
erschien 1838. Zwei Jahre früher war der
„Bauernspiegel“ Jeremias Gotthelfs erschienen.
Ohne Immermanns Werk etwas von seiner Be-
deutung zu nehmen, würden wir heute doch weit
eher Jeremias Gotthelf als denjenigen bezeich-
nen, der den neuen Weltteil, das Bauerntum, in
die Literatur geschleudert hat, Nicht so sehr,
weil sein erstes Buch zwei Jahre früher erschien
als der „Oberhof“, sondern vor allem, weil in
Gotthelfs ganzem gewaltigen Werk immer nur
das Bauerntum im Mittelpunkt steht, während
der „Oberhof“ im Gesamtwerk Immermanns nur
eine Episode ist, wenn auch allein diese Episode
Immermanns Namen berühmt gemacht hat. So
wahr es also für uns Heutige ist, daß zweifellos
der große Schweizer an der Spitze der neueren
deutschen Volksdarstellung steht — was er-
kannt zu haben besonders ein Verdienst von
Adolf Bartels gewesen ist — so ist das Urteil
Hebbels doch verständlich, denn literarisch weit
einflußreicher war zu seiner Zeit Immermann,
während es mindestens ein Jahrzehnt dauerte,
ehe der deutsche Leser von dem großen aleman-
nischen Bauerndarsteller Notiz nahm. —
Die Literatur ist ein Spiegel der geistes-
geschichtlichen Entwicklung. Wollen
wir die geistesgeschichtlichen Ursprünge der
modernen Bauerndichtung feststellen, so müssen
wir noch weiter zurückgehen als zu Gotthelf
und Immermann, zurück bis in die Zeit der Auf-
klärung und der Romantik, vor allem zu Pesta-
lozzi und Justus Möser.
Durch die Aufklärung wurde eine ganz ent-
scheidende Änderung der Stellung des Bauern
im Bewußtsein der gebildeten Stände verursacht.
Sie sah in der Vernunft und ihrer richtigen An-
wendung auf alle Lebensgebiete den Weg, der
die Menschen aus dem Zwang kirchlicher, po-
litischer, gesellschaftlicher und wissenschaft-
licher Autoritäten herausführen sollte. Kant
hatte als zweite Regel zur Vermeidung von Irr-
tümern die Forderung aufgestellt „sich an die
Stelle eines anderen zu denken", Dieser Satz,
auf das Bauerntum angewendet, mußte zu einem
totalen Wandel des bisherigen Verhältnisses der
e
7
in der Dichtun g
höheren Stände zum Bauerntum führen. Man
entdeckte hinter dem „Tölpel“, dem rohen,
in Aberglauben und Unbildung versunkenen
„Bauernkerl‘‘ wieder den Mitmenschen, dem
gegenüber man wieder Menschenpflichten emp-
fand, der auch Anspruch auf menschliche Würde
und Freiheit hatte. Man war dabei ehrlich ge-
nug, die Ursache des Bauernelends und der
Leibeigenschaft nicht den Bauern selbst in die
Schuhe zu schieben, sondern sie in den gesell-
schaftlichen Verhältnissen und der falschen Ein-
stellung der höheren Stände zu sehen.
Auch die Dichtung der Aufklärung
stelite sich den Bildungszwecken zur Verfügung,
aber der Bauer, den sie uns schildert, steht noch
ganz außerhalb seiner Lebenswirklichkeit. Ihm
fehlen Urwüchsigkeit und Leidenschaft. Er ist
sehr brav und fromm und die Fabeln Gellerts
und Lichtwers stellen ihn mit Vorliebe als Mu-
ster von Rechtschaffenheit, Nüchternheit und
Mutterwitz hin. Geblieben ist von dieser Dich-
tung nur Pestalozzis Roman „Lienhard
und Gertrud", In diesem Werk erreicht der
sozialpädagogische Impuls der Aufklärung eine
reine Höhe. Als Roman geschrieben, ist dieses
Buch doch eigentlich kein Roman in unserem
Sinne, sondern die in eine Fabel gekleidete Dar-
legung von Pestalozzis Erziehungssystem. Sein
großer Gedanke war dabei, daß die Erneuerung
des Bauerntums von der Besinnung auf die
eigenen Kräfte auszugehen habe, die nur
zu wecken seien. Keine wesensfremde Bildung
sollte von außen an das Bauerntum herangetra-
gen oder ihm aufgezwungen werden.
War der Bauer erst einmal als Mensch wieder:
entdeckt, so bedurfte es nur eines Schrittes, um
ihn als Glied der Nation, als Träger der Volks-
kraft zu erkennen. Diesen Schritt tat Justus
Möser. Justus Möser ist der erste große
Bauerndenker der deutschen Geistesgeschichte,
zugleich der erste bedeutende Bauernkundler.
Sein ganzes Werk durchzieht der Gedanke, daß
das Land der eigentliche Urgrund der
Schöpferkraft eines Volkes ist Im
Bauerntum, wie Möser es zeichnet, wird mensch-
liches Wesen in seiner ewig gültigen Form über-
haupt sichtbar. Bäuerliche Lebensweise und Ar-
beit sind für Möser Ausdruck echten vollen-
deten Menschentums schlechthin. Am Vorbild
175
— —— —̃ ̃ A— — — E
dieses so gezeichneten bäuerlichen Menschen-
tums will Möser die ganze Nation erziehen, denn.
auch er war seinem innersten Wesen nach
Volkserzieher und Volksführer. Die Gedanken-
welt Mösers ist für die spätere Bauerndichtung
wegweisend geworden und hat auch noch für
die Bauerndichtung unserer Tage ihre Bedeu-
tung. Seine „Patriotischen Phantasien” sind
zwar keine Dichtungen, sondern politische Auf-
sätze und doch müssen sie bei einer Betrachtung
über bäuerlicheDichtung erwähnt werden, nicht
wegen des Erfolges, der weit über den manches
guten Bauernromanes späterer Zeit ging, son-
dern wegen des Einflusses, der von ihnen aus-
ging. Nicht nur Goethes Anschauungen über
das Bauerntum wurden weitgehend von Möser
bestimmt, sondern auch Wilhelm Heinrich Rienl
hat stets der Anregungen, die er durch Möser
empfing, dankbar\gedacht und sein Werk oft
als beispielhaft hingestellt. Vor allem ist auch
in KarlImmermanns „Oberhof“ der Ein-
fluß Mösers deutlich.
Mit Immermanns „Oberhof“ und den ersten
Werken Gotthelts beginnt ein Strom bäuerlichen
Schrifttums, der wohl je nach Gunst oder Un-
gunst der Zeit gelegentlich in seiner Mächtig-
keit nachließ, aber bis in unsere Tage nicht mehr
versjegte. Er war ebenso ein Ausdruck des
. Herauikommens eines sozialistischen Zeitalters
wie die gleichfalls in dieser Zeit beginnende
Arbeiterdichlung. ,
Der „Oberhof“ wird gewöhnlich als die erste
Dorfgeschichte bezeichnet. Mit diesen Dorf-
geschichten, die in der Literatur des 19. Jahr-
hunderts eine ganze Gruppe ausmachen, beginnt
die erste große Mode der Bauern-
darstellung im neueren deutschen
Schrifttum. Zu dieser Gruppe gehören auch
die Dorfgeschichten Anzengrubers, Gottfried
Kellers und der Droste-Hülshoff. Von dieser
ganzen breiten Strömung hat sich jedoch mit
Recht wenig bis in unsere Zeit leben-
dig gehalten, und dieses Wenige, wie z. B.
die Dorfgeschichten Anzengrubers, Kellers und
anderer, wirkt auf uns Heutige durch die hohe
dichterische Darstellungskunst, trotzdem wir die
bäuerliche Umwelt oft als unecht empfinden.
‚Zwar spielen alle Dorfgeschichten in ländlicher
Umgebung, jedoch ist das bäuerliche Ge-
wand meistens einem wesensfremden
Stoffnurlose übergeworfen. Das Bäuer-
liche behält nur sekundäre Bedeutung. Die see-
lische Haltung dieser bäuerlich sein sollenden
Menschen wird nicht in Beziehung gesetzt zur
Landschaft, weil Dorf und Bauer nur Szene und
Objekt darstellen für irgendein soziales oder
moralisch-ethisches Problem, das nicht mit
innerer Notwendigkeit in der bäuerlichen Le-
benswirklichkeit wurzelt. Die Eigengesetzlich-
keit der bäuerlichen Lebenssphäre wird fast nie
zur alleinigen Veranlassung des Erzählens. Nur
wenige Zeitgenossen erkannten die innere Un-
echtheit der Dorfgeschichtenliteratur. Wilhelm
Heinrich Riehl war einer dieser seltenen
176
Geister. Er schrieb noch während der Blütezeit
der Dorfgeschichtenliteratur: „Der deutsche
Bauer ist in der neuesten Zeit eine Art Mode-
artikel in der schönen Literatur geworden... es
hat sich aber in die meisten Dorfgeschichten (die
Auerbachschen nicht ausgenommen) neben
manchen der Natur abgelauschten Zügen eine
grundfalsche Zeichnung des Gemütslebens der
Bauern eingeschlichen. Der Bauer ist himmel-
weit entfernt von jeder modernen Sentimenta-
lität und Gefühlsromantik: er ist dazu aus viel
zu sprödem Stoff geformt, ja er ist in Sachen
des Herzens oft geradezu roh. Dies wußte nur
Jeremias Gotthelf haarsträubend wahr darzu-
stellen... Indem unsere Dorfpoeten ihr eigenes
Gefühlsleben auf den Bauer übertrugen, ver:
wischten sie gerade einen seiner hervorragend-
sten Züge, daß nämlich bei ihm die gattungs-
mäßige Sitte an die Stelle desindivi-
duellen Gefühls tritt. Zudem wird man in
unserer Dorfgeschichtenliteratur den Bauer fast
immer etwas sozial kränkelnd, halb zum Prole-
tarier verkrüppelt gezeichnet finden, bereits an-
gesteckt von städtischem verneinendem Geiste
gegen Staat, Gesellschaft und Kirche.“
Ein ewiger Schandfleck wird es bleiben, daß
es die Instinktlosigkeit einer deutschen Litera-
turkritik fertigbrachte, die „Schwarzwälder Dort-
geschichten” (1843) des Juden Berthold
Auerbach als Krönung dieser ganzen Dorf-
geschichtenliteratur hinzustellen, obwohl sie
das kraftvolle und urwüchsige Bauerntum des
Schwarzwaldes in unerträglich süßlicher Weise
verniedlichen und idyllisch verfälschen. Es et
scheint uns heute unfaßbar, daß einmal dieser
Jude, der zweifellos ein gewisses Formtalent
besaß, aber ohne innere Notwendigkeit schrieb
und lediglich ein geschickter Modeschriftsteller
war, von einer zünftigen deutschen Literatur-
kritik über Gotthelf gestellt werden konnte.
Zwei Jahre vor den Schwarzwälder Dorf-
geschichten war unbemerkt von den meisten
Zeitgenossen ein Werk erschienen, das in Wahr-
heit das eigentlich klassische Werk des dörf-
lichen Volksromans im 19. Jahrhundert ist. Es
dauerte zehn Jahre, bis Jeremias Gotthelfs
„UliderKnecht breitere Anerkennung fand.
Im „Uli der Knecht" und in seiner Fortsetzung
„Uli der Pächter“ stellt Gotthelf besonders das
Arbeitsleben der großen Berner Bauernhöfe dar.
Lange bevor die deutsche Literaturkritik die
Forderung aufstellte, daß der Roman das
deutsche Volk bei der Arbeit aufsuchen müsse,
hat Gotthelf diesen Satz verwirklicht. Gotthelf
stellt in der Form eines Entwicklungsromanes
das Schicksal eines Knechtes dar, der sich
schließlich zum Pächter und zuletzt zum Bauern
und Eigentümer aufschwingt. Gotthelf schildert
keinen besonders befähigten Menschen, keine
ins Heroische gesteigerte Gestalt, sondern einen
Durchschnittsmenschen, gesund an Leib und
Seele, der durch Fleiß, Gewissenhaftigkeit und
Ehrlichkeit, nicht durch irgendeine geniale Tat
— —
g
Dor gemeinsch fl gi
In Tellerhause:ı im Eızgebirge
dem kleinsten Dort Sachsens
schaffte sich die Dortgemeinde
ein vorbildliches Gemeinschafts
haus, das die Bilder dieser Seite
in seiner äußeren Gestaltung zei
gen und dessen geschmackvolle
Inneneinrichtung wir aut den
weiteren Bildseiten wiedergeben
— KS e 9 CS a?
—
—— —
Die Eingangstür zum Saal
entwarf und arbeitete
der BdM.
mm un mem rn un mm
LI
v
un
=
0
Bei
LÉI
—
—
0
—
U
GA
(>
oi
z
es)
So
—
O
2
un
u
Kal
=
©
-.
—
8
>
®
©
DÉI
Q
Oo
2
—
A
2
3
Oo
z
z
=
o
Q
schmückt,
Im Bilde oben zeigen wir die ge-
schmackvolle Dorfstube des Ge-
meinschaftshauses mit der Leseecke
am Ofen und dem Bücherschrank.
— Links die von der Dorfgemein-
schaft entworfene und gearbeitete
Wandbekleidung, die sog. „Wand-
spinne”. — Das Bild unten gibt das
Zimmer des BdM. im Dorfgemein-
schaftshaus wieder
Agd f
A
*
*
*
K
>
WRIA | Mä
.
222 KERN
toset pioet M
I „„
ai ée
SNE 2 Sen za A e
Von der Dorfgemeinschaft
entworfene und aus Na-
turholz gearbeitete Stän-
derlaterne
Der Saal des Dorfgemeinschaftshauses
` we a ir
vorwärtskommt. Gerade von einer solchen Ge-
stalt versprach er sich die meiste erzieherische
Wirkung. Diese Entwicklung ist nun in eine
bunte und wirklichkeitstreue Schilderung bäuer-
lichen Lebens gestellt, die frei von jedem Pathos
ist, aber durch ihren Reichtum und ihre an-
schauliche Unmittelbarkeit wirkt. In der Art,
wie Gotthelf uns — nicht nur in diesem Buch,
das die Krönung seines Gesamtwerkes darstellt
— ein Stück Erde mit aller Eigenart, selbst bis
auf den Menschenschlag und die heimische
Mundart schildert, steht er nicht nur am Beginn
des realistischen Volksromans, sondern auch
am Anfang der naturalistischen Heimatkunst.
Auch als Dichter war Gotthelf in erster
Linie Volkserzieher und er wäre nie Dich-
ter geworden, wenn ihn nicht der Drang, er-
zieherisch zu wirken, dazu getrieben hätte. Sein
ganzes Werk ist ein „Bauernspiegel“, ein Spie-
gel, dem Bauerntum selbst vorgehalten und zum
andern ein Spiegel des bäuerlichen Lebens, eine
großartige Natur- und Kulturgeschichte des
südalemannischen Bauerntums.
Der poetische Realismus zeichnete sich durch
eine enischiedene Wendung zur Wirklichkeit
des menschlichen und nationalen Lebens aus.
Diese tiefere Einkehr ins Volksleben, die Hin-
wendung zur Natur und zur Erde der Heimat, die
Wiederentdeckung der Stammes- und Heimat-
geschichte für die Dichtung hatten zur Folge,
daß der poetische Realismus nicht nur in weit
stärkerem Maße als Klassik und Romantik völ-
kisch und national gebundene Dichtungen her-
vorbrachte, sondern weitgehend geradezu Stam-
mesdichtung war, aus der sich gegen Ende des
Jahrhunderts im Zeichen eines naturalistisch ge-
steigerten Realismus die Heimatkunst ent-
wickelte. Adolf Bartels war der Schöpfer
dieses Begriffes. Er umschrieb ihn mit folgenden
Worten: „Heimatkunst ist die Kunst der vollsten
Hingabe, des innigsten Anschmiegens an die
Heimat und ihr eigentümliches Leben, Natur-
und Menschenleben, aber dabei eine Kunst, die
offene Augen hat, die weiß, daß Wahrheit und
Treue der Darstellung unumgänglich, der Würde
der Kunst allein entsprechend ist, daß nicht die
blinde, sondern die sehende Liebe die höchste
ist.” Es ist wohl richtig, daß die landschafts-
gebundene Heimatkunst oft in der Enge klein-
bürgerlicher Milieuschilderung steckenblieb und
ihr häufig jeder große Zug, jede Beziehung zum
Leben, Leiden und Werden des ganzen deutschen
Volkes fehlte. Sie war leider in der Masse ihrer
Vertreter bewußt und mit Fleiß unpolitisch. Sie
blieb häufig bei der Verehrung bäuerlicher Ar-
beit, bei der Hochschätzung des einfachen bäu-
erlichen Lebens und seiner Werte stehen, ohne
den Bauern als völkische Urkraft zu
erfassen. Allenfalls begriff sie ihn noch als
Emährer des Volkes, als Spender des Brotes.
Und doch waren allein in der landschaftsgebun-
denen Dichtung die Quellen beschlossen, an
denen die gesamtdeutsche Dichtung langsam
wieder gesundete. Dutch das Erlebnis des Welt-
krieges und durch das nationalsozialistische
Gedankengut erhielt die Heimatdichtung jenen
politischen Impuls, der ihr in wilhel-
minischer Zeit weitgehend fehlte und so er-
wuchs aus dieser Verbindung landschaftsgebun-
dener dichterischer Überlieferung mit der neuen
Weltanschauung von Blut und Boden die große
bäuerliche Dichtung unserer Tage, die im höch-
sten Grade das ist, was wir unter dem Begriff
der politischen Dichtung verstehen.
Als Gegengewicht gegen den ständig zuneh-
menden städtischen Geist hatte die Heimatdich-
tung auch schon um die Jahrhundertwende, vor
dem Weltkrieg, ihren großen Wert. Lang-
behn, der Rembrandtdeutsche, forderte eine
Ausrichtung der Erziehung und des Schrifttums
auf bäuerliche Werte, eine „Verbauerung
der Bildung‘, d. h. sowohl unserer persön-
lichen Kultur wie des staatlichen Lebens, um
gegenüber den zersetzenden Tendenzen der
großstädtischen Zivilisation ein inneres Gegen-
gewicht zu bilden. „Der Rauch, der aus der
Scholle aufsteigt, ist die Seele des Landes. Zu
dieser Seele muß die deutsche Bildung zurück-
kehren. Die im jetzigen Deutschland so mannig-
fach grassierende Bauernmalerei und Bauern-
dichtung entspringt dem dunklen, aber nur zu
häufig in gekünstelter Weise sich äußerndem
Gefühl, daß die Nation sich von jener gesun-
den Grundlage ihres geistigen Daseins entfernt
hat und zu ihr wieder zurückkehren müsse.”
Die bedeutendsten Vertreter der
Heimatdichtung gehören meistens auch
heute noch zu den gern gelesenen Bauerndich-
tern, wir nennen hier nur: Peter Rosegger, Timm
Kröger, Sohnrey, Hermann Löns, Gustav Frens-
sen, Lulu von Strauß und Torney, Huggenbergar,
Polenz. Manche von ihnen, haben noch die
Heraufkunft des Nationalsozialismus erlebt und
in ihm auch die Erfüllung ihres Wirkens und
Wollens gefunden. Als das bedeutendste bäuer-
liche Werk der gesamten Heimatkunstbewegung
um die Jahrhundertwende möchten wir den
„Büttnerbauer“ von Wilhelm von Po-
lenz bezeichnen, nicht nur deshalb, weil in ihm
schon der politische Wille spürbar ist, der
unserer heutigen Bauerndichtung das Gepräge
gibt, sondern weil dieser Wille ganz in der
künstlerischen Form aufgelöst erscheint und
nicht in unkünstlerischer Weise als falsches
Pathos oder unangebrachte Programmatik her-
vortritt, wie leider in einem Teil unserer heu-
tigen Bauerndichtung. Kein Geringerer als Adolf
Bartels hat dieses Buch ein abgerundetes Stück
deutschen Lebens genannt, das weit mehr als ein
Zeitroman im naturalistischen Sinne, sondern
ein wirklicher völkisch-sozialer Ro-
man, eine allseitige umfassende Schilderung
ländlichen Lebens ist. Hinter der scheinbar lei-
denschaftslos sachlichen und nüchternen Schil-
derung vom Untergang des Büttnerhofes spürt
man immer den tiefen Ernst, mit dem der Dichter
177
diese für das tragische Schicksal des deutschen
Bauerntums in der Hochblüte des Liberalismus
symptomatische Episode begleitet. Polenz po-
lemisiert nicht. Das hätte den künstlerischen
Wert seiner Dichtung nur eingeschränkt. Es fällt
kein Wort der Anklage gegen Judentum, libera-
listisches Bodenrecht, Bodenspekulation und
kapitalistischen Eigennutz der Großgrundbesit-
zer. Die unerbittlich dem tragischen Ende zu-
schreitende Darstellung ist Anklage genug.
Nach dem Weltkrieg nahm die bäuerliche
Dichtung an Umfang und Wert einen stetigen
Aufschwung. Je brennender die Not des Standes
wurde, je schärfere Formen die Auseinander-
setzung zwischen dem Bauerntum und den zer-
störenden, auflösenden, zersetzenden Mächten
des Liberalismus und des Judentums, die sich
vor allem in den Großstädten konzentrierten,
annahm, um so mehr wurde der aus dem großen
Krieg heimkehrenden Generation klar, daß es
‚sich hier um einen Schicksalskampf handelte, bei
dem es um nichts weniger als das Leben und die
Zukunft der Nation ging.
In dieser Situation konnte es nicht mehr ge-
nügen, allgemein menschliches Geschehen in
bäuerliches Gewand zu kleiden, wie es die Dorf-
geschichten des 19. Jahrhunderts taten, es konnte
ebensowenig genügen, ein treues Abbild des
ländlichen Lebens irgendeiner engbegrenzten
Landschaft zu entwerfen. Es kam nun darauf an,
in die Mitte der bäuerlichen Lebens-
wirklichkeit zu treten und ohne romantische
Verklärung und idyllische Verniedlichung von
der Not und der Schuld, aber auch von der
unerschöpflichen Kraftquelle und der völkischen
Sendung des Bauerntums zu künden.
In zweierlei Richtung wandte sich dabei
der Wille der Dichter. Einmal mußte dem Bau-
erntum ein Spiegel seiner selbst vorge-
halten werden, um es wieder zur Selbstbesin-
nung und Selbstachtung aufzurufen, aber auch,
um ihm das Gewissen zu schärfen für das Wesen
echter deutscher Bauernart. Vielfach war dem
Bauerntum das Bewußtsein seines Wertes und
seiner Bedeutung im Volksganzen schon abhan-
den gekommen. Leichten Herzens hatte sich in
manchen Gegenden das Bauerntum vom alten
Herkommen abgewendet und sich die Formen
der städtischen Zivilisation wie ein fremdes
Kleid angezogen. Hier galt es, dem Bauern zu
zeigen, gas auch die Untreue gegenüber der
eigenen’ Art schließlich zum Untergang des
Hofes und der bäuerlichen Sippe führen muß.
Zum zweiten mußte die Dichtung an der gro-
Ben Aufgabe mitwirken, dem übrigen Volksteil
die volle bäuerliche Lebenswirklichkeit und die
volkspolitische Bedeutung des Bau-
erntums nahezubringen, um die Entfremdung
beseitigen zu helfen, die durch jüdische Zer-
setzungsarbeit und systematische Hetze zwi-
schen dem Bauerntum und gewissen Schichten
der Großstadtbevölkerung eingerissen war.
178
` —
Im folgenden sollen einige Beispiele aus die-
sem neuen, im besten Sinne politischen, bäuer-
lichen Schrifttum unserer Zeit angeführt werden.
In seinem Roman „Winter“ (1927) hat Friedrich
Griese in unvergleichlicher Weise geschildert,
wie ein Dorf, die Lange Reihe, untergeht, weil
in den Menschen, deren Blut müde und ver-
braucht ist, das Gefühl dafür verlorengegangen
ist, daß die Erde nur dem, der ihr treu dient,
die Herrschaft über sich einräumt und dauem-
den Segen gewährt, den aber, der glaubt, sie
ausbeuten zu können, ohne Gnade verstößt. Der
Untergang des Dorfes wird sinnbildlich dar-
gestellt in einem furchtbaren Winter. Dieser
kündigt sich durch allerhand Zeichen an, aber
die Menschen haben den Instinkt verloren und
vermögen die Zeichen der Erde nicht mehr zu
deuten. Der grausame Winter erstickt alles
Leben. Nur ein Menschenpaar entzieht sich der
Vernichtung und setzt einen neuen Anfang,
Jona, in dem sich das müde Blut der alten Sip-
pen mit einem kraftvollen Blutsstrom verbindet
und dadurch erneuert — er ist der Sohn eines
fremden Knechtes und der Tochter aus einer der
alten Sippen —, und das Mädchen Grita. Sie
haben sich die Einfachheit der Herzen und die
Ehrfurcht vor der Erde bewahrt. Ihre Sinne sind
noch scharf, und in ihrem wachen Blut lebt noch
die alte bäuerliche Weisheit, die Griese einmal
in die Worte geprägt hat: „Einer ist Herr der
Scholle: der ihr Diener ist, / der von Tag zu Tag
dies nicht vergißt, / daß sie älter noch als jedes
alte Geschlecht, / Herr des Ackers hieß immer:
der Erde Knecht.” -
Es ist kein Zufall, daß es so oft die Frauen
sind, die der bäuerlichen Gemeinschaft in Not-
zeiten Rückhalt und Kraftquell sind, die den
Untergang eines Hofes aufhalten und über die
Zeit der Verwirrung einer Sippe hinweg, wenn
sich das Blut im Mannesstamm erschöpft, Hū-
terin des Erbes sind, bis wieder ein neuer An-
fang gesetzt ist. Sie sind in ihrer größeren
Heimat- und Erdgebundenheit das stärkste Boll-
werk gegen die Landflucht. Sie sind wie die
Sixta in Busses „Bauernadel“ die Bewahre-
rinnen der Sitte, des alten Herkommens, der
alten Trachten und des Hausfleißes und damit
der Mittelpunkt der bäuerlichen Lebensordnung.
Es gibt im Leben jeder bäuerlichen Sippe Zeiten,
- wo es nicht auf den Mut des Ausgriffs ankommt,
sondern wo das von Geschlechtern Errungene in
den Stürmen eines widrigen Schicksals oder
einer ungünstigen Zeit festgehalten und bewahrt
werden muß. Dann schlägt die Stunde der
Frauen, gerade weil ihr Denken einfacher ist
und mehr der Erde verhaftet, instinktsicherer
gegenüber den Gefahren, die dem Hof von
außen drohen, voller Mißtrauen gegenüber den
scheinbar so hochfliegenden Plänen der Männer.
Der David Waßmann in Huggenbergers
„Frauen von Siebenacker” verfällt, ge-
trieben von Unzufriedenheit mit seinem Schick-
sal auf die Idee, sich von der bäuerlichen Arbeit
|
= — —
abzuwenden und einen Handel aufzumachen. Er
will schnell zu Geld kommen und sieht nicht,
daß er das Gesetz des Hofes mit Füßen tritt, das
entsagungsvolle Arbeit verlangt und vor den
Erfolg die schwere und oftmals bittere Pflicht
des Tages setzt. Aber seine Frau Anna nimmt
den Kampf um den Hof auf. Sie steht auf dem
Acker und ringt gegen das Unkraut, sie hält
den Hof zusammen, obwohl es fast über ihre
Kraft geht. Ihr stiller Kampf gewinnt schließlich
den Mann dem Hof zurück.
Die „Notthaften“ in Josef Martin
Bauers gleichnamigen Roman sind eine alte
starke Bauernsippe, über die aus Unglück und
Schuld gewoben ein schweres Schicksal kommt.
Der Bauer wird vom Blitz erschlagen. Die Söhne
mißraten. Die Tochter wirft sich einem Knecht
in die Arme. Der Hof scheint verloren. Aber
die Altbäuerin hält zäh am Erbe fest und erzieht
den Sohn der Tochter zum rechten Erben des
Hofes. „Was einst selbstverständlich gewesen
war, mußte jetzt hart und mit ganzem seelischen
Einsatz erkämpft werden. Es bedurfte eines
Ubermaßes mütterlicher Liebe, um die bäuer-
liche Familienordnung wieder herzustellen und
die Fäden, die abzureißen drohten, wieder fest-
zuknüpfen.”
Das harte Lebensgesetz der Berghöfe verlangt
von jedem einzelnen Opfer und ein Zurückstel-
len der eigenen Wünsche, wenn der Hof und die
Sippe Bestand haben sollen. Der Bauer Ule in
Oberkoflers Roman „Die Flachsbrauf”
vermag in seiner müden, schwermütigen Art
dem Niedergang des Geschlechtes nicht mehr zu
wehren. Er läßt die Dinge gehen wie sie treiben.
Da bewährt sich das starke Blut der alten Sippe
in der Tochter Gisela. In der Stunde der Ent-
scheidung über das weitere Schicksal der Sippe,
vor den Trümmern des abgebrannten Hofes,
setzt sie sich dem Vater gegenüber durch. „Du
scheust das, was ich möchte, das Harte. Nach
dem Bequemen, das du vorziehst, Vater, möchte
ich hicht greifen.” Sie veranlaßt den Neubau
des Hofes an einem höher gelegenen Ort, wo in
früherer Zeit schon einmal der Sippenhof ge-
standen hat. Damit verschafft sie dem alten har-
ten Lebensgesetz der Sippe wieder Geltung. Ihm
hat sie auch ihr eigenes Leben geopfert. Die Not
ihrer Sippe rief sie von dem eigenen reichen
Hof im südlichen Weinland aus dem Kreise der
Ihren in die rauhen Berge zurück.
Es hat seine tiefe Bedeutung, daß in der
Bauerndichtung der Nachkriegszeit der Sied-
lungsgedanke so lebendig war. Er entsprang
der inneren Abwehr, mit der der Frontsoldat
dem neuen Staat und seiner jüdisch-mar-
xistischen Führung gegenübertrat. Dieser Staat
vermochte es nicht einmal, den Heimkehrern
Arbeit zu geben. Mit Haß und Ekel wandten sich
viele der Besten von dem durch Juden be-
herrschten großstädtischen Zivilisationsgetriebe
ab. Sie wußten es schon damals: nur von der
Erde und der Arbeit konnte eine Erneuerung des
politischen, kulturellen und geistigen Lebens
ausgehen. Sie wollten für ihren Teil damit be-
ginnen und so haben sie sich, wie es Sandér
in seinem Siedlerroman „Kompost“ einmal
ausdrückte, nach dem Kriege in ein beschei-
denes Stück Erde eingegraben, um dessentwillen
sie einmal umschnallten. Sie wurden Siedler
aus Verzweiflung an der Gegenwart und aus
tiefem Glauben an die verborgenen Kräfte des
deutschen Blutes und der heimatlichen Erde, die
einmal aufbrechen würden.
Grieses gesamtes Werk ist von dem
Siedlergedanken bestimmt. Der Dichter sagt ein-
mal selbst darüber: „So bin ich fast mit all
meinen Büchern aus Erfahkung und Uberliefe-
rung zwangsläufig zum Künder lebendigen deut-
schen bäuerlichen Lebens geworden. Und weil
ich das Wesen dieses Bauerntums zu kennen
glaube, deshalb ist sein Vertreter mir stets auch
Siedler gewesen, das heißt: der Mann, der
immer wieder von vorn beginnen, immer wieder
den neuen Anfang suchen, die Einheit zwischen
dem Blut und den Boden für sich herstellen muß.
Diese Einheit, von der alle meine Bücher han-
deln möchten, kann nur vom Menschen her
zerstört oder aufgelöst werden, das heißt vom
bäuerlichen Menschen; gegen ihn ist eine solche
Zerstörung auf die Dauer nicht möglich.” Dieser
Siedler ist das reine Urbild des bäuerlichen
Menschen. Er ist ein Ruf an unsere Zeit.
„Das letzte Gesicht” erzählt vom alten
Dorf am Rethbach, das einst ein Fanna auf der
Stätte einer im Dreißigjährigen Krieg unterge-
gangenen Siedlung begründete. Von ihren fünf
Söhnen verliert Mutter Fanna drei im Krieg,
einer wird vermißt und einer geht in die Stadt.
Die Mutter glaubt mit unbeirrbarer Zuversicht
an die Wiederkehr des Vermißten und der kehrt
auch eines Tages zurück, lange nach dem so-
genannten Friedensschluß. Er findet keinen
seines Geschlechtes mehr, auch die Mutter ist
schon tot und der Hof ist vom entarteten Bruder
verkauft. Auf Odland im heimatlichen Dorf
beginnt er als Siedler ein neues Leben, rodet,
sät und erntet und verkörpert — im Gegensatz
zum wüsten und verderbten Taumel der Nach-
kriegszeit, der auch das Dorf ergriffen hat — die
Rückkehr zum Segen der Arbeit und der mütter-
lichen Erde. In seinem letzten größeren Werk,
in dem Roman „Die Weißköpfe“ hat Griese
den Gedanken der am Anfang aller Dinge ste-
henden schöpferischen Einheit von Mensch und
Boden am tiefsten und eindringlichsten gestaltet.
Die Handlung ist in eine sagenhafte Zeit zurück-
verlegt, eine Sage, die er von einem Knecht
hörte, hat dem Dichter auch den Anlaß zu die-
sem Roman gegeben. Thie, der Weißkopf, wird
gegen seinen Willen zum Totschläger an seinem
Brautvater. Er muß nun den alten Hof seiner
Sippe verlassen und zieht in die Einöde. Dort
wird er in hartem Lebenskampf der Stammvater
eines neuen Geschlechts, das sich lebenstüchtig
und kraftvoll ausbreitet. Zu anderer Zeit wer-
179
den hier Höfe liegen, Höfe mit alten und jungen
Menschen, denen keine weitere Vorbestimmung
auferlegt wurde als die, in Ruhe und Sicherheit
das zu halten, was der erste ihres Geschlechtes
in Unruhe erwarb. Herdrauch wird in langen
Zügen zu den Waldstücken hinüberwehen, von
einem Hof zum andern, und niemand wird dann
noch einen Weg wie diesen gehen müssen. Der
eine geht ihn für alle.“
„Überall ist neue Erde, die den Menschen will
und ihn an ihrem Tage herbeiruft.“ Dieses Wort
Friedrich Grieses könnte auch über dem Roman
„Brot“ von Karl-Heinrich Waggerl
stehen. In ihm hat Waggerl die Geschichte des
Simon Röck erzählt. Simon hat Sühne geleistet
für einen Fehltritt. Als Mann mit geschorenem
Kopf kommt er in die Einöde Eben und beginnt
sein Leben neu als Siedler. Manchmal kommt
ihn ein Verzagen an vor den Mühen und Ent-
behrungen, die es kostet, ehe erst einmal die
einfachsten Voraussetzungen zum Leben ge-
schaffen sind. Es gelingt ihm schließlich und
nach und nach spendet die Erde in steigender
Fülle ihren Segen. Simon läßt sich nicht ver-
wirren von den Lockungen, denen das Dorf ver-
fällt, die es von der Erde abziehen und über
schnell errungenen und wieder schnell verlo-
renen Reichtum schließlich dem Verderben ent-
gegenführen. Auch aus seiner eigenen Familie
dringen Gefahren für den Hof, ja aus ihm selbst,
denn in ihm wie in seiner Frau Regina sind hef-
tige Triebe lebendig, aber sie werden gebändigt
durch die Pflichten, die die tägliche Sorge um
Haus und Hof, Mensch und Tier mit sich bringt.
Im Jahre 1930 schrieb Josef MartinBauer
sein Buch „Achtsiedel", für das, er den
Jugendpreis deutscher Erzähler gewann. Es be-
richtet von acht Männern, die in das einsame
Moor ziehen, um dort zu siedeln. Aber nicht alle
bewähren sich, „weil sie nicht alle den Ubergang
vom landsknechtmäßigen Abenteurerleben zu
einer geregelten schweren Arbeit im Bauernhof
ertragen konnten.” Sie konnten sich nicht an
ein neues Lebensgefühl gewöhnen, das für die
folgenden Geschlechter bindend sein sollte.
Nicht alle halten aus, aber bei den übrigen ist
es doch schließlich soweit, daß sie aufhören,
verkrachte Existenzen zu sein und in bäuerliches
Sein und bäuerliche Lebenshaltung hineinwach-
sen. Josef Martin Bauer schrieb über sein Buch
selbst: „Im Tiefsten ist das Buch ein Buch des
Dankes für eine wunderbare Kameradschaft, die
diese Männer mir in einer Zeit der Verwirrung
und der Bodenlosigkeit gehalten haben. Ich
danke es vielleicht dieser Kameradschaft, daß
ich meinen Weg gefunden habe, und mit dieser
Robinsonade wollte ich im Geist meine Kame-
raden von ehedem in das bessere Schicksal füh-
ren, das sie wahrlich verdient haben. Es war
mein Glaube — und aus diesem Glauben ist das
Buch gewachsen —, daß des Menschen bestes
Schicksal das Los des Bauern ist, auch wenn es
schwer zu tragen sein mag.“
180
Es ist an dieser Stelle nicht möglich, den
Reichtum unserer bäuerlichen Gegenwartsdich-
tung auch nur annähernd zu umreißen. Sie ist —
das vermochten die wenigen Beispiele überzeu-
gend klarzumachen über die rea-
listische Wirklichkeitsschilderung
hinaus längst Bekenntnis geworden
In ihr lebt das deutsche Bauerntum, wie es in
langer und schwerer Geschichte geworden ist,
in ihr lebt aber auch der Mythusvom ewi-
gen Bauerntum nordisch-deutscher
Art. Diese beiden Sphären stehen zueinander
in fruchtbarer, aber auch gefährlicher Spannung.
Jedes Uberwiegen der einen über die andere
kann entweder zur bloßen Abbildung der bäuer-
lichen Lebenswelt ohne jeden im höheren Sinne
politischen Akzent führen oder in falsche Ro-
mantik ausarten. Beide Irrwege, vor allem der
letztere, sind im bäuerlichen Gegenwartsschrift-
tum nicht immer vermieden worden. So stark
trat plötzlich das Bauerntum in den Mittelpunkt
politischer und wissenschaftlicher Erörterung,
daß sich auch Unberufene mit ihm zu beschäf-
tigen begannen. Die Gefahr eines Konjunktur-
schrifttums lag zu nahe, als daß sie ganz zu
vermeiden gewesen wäre. Sie ist nur zu bannen
durch rücksichtslosen Kampf gegen jede inner-
lich unechte Phraseologie und jeden Versuch,
den Mangel an dichterischer Gestaltungskraft
durch Blut- und Boden-Pathos zu ersetzen, so
gut sie auch gemeint sein mögen. Jede unechte
Gestaltung der bäuerlichen Lebenswelt, sowohl
der geistig-seelischen wie der materiellen muß
als solche mit Nachdruck gekennzeichnet wer-
den. Dazu muß nach der positiven Seite hin der
ständige Hinweis auf beispielhafte Gestaltung
bäuerlichen Lebens und deutscher bäuerlicher
Art treten, wie wir sie bei Griese, Josef Martin
Bauer, Albert Bauer, Oberkofler, Waggerl und
anderen finden. Hier liegt eine wesentliche Be-
deutung des Schrifttumspreises des Reichs-
bauernführers füg das bäuerliche Schrifttum:
Richtungweiser zu sein für alle, die sich mit dem
Bauerntum als dichterischem Objekt befassen.
Innerhalb der immer mehr anschwellenden
Masse von bäuerlichem Schrifttum sollen auf
diese Weise Maßstäbe für die Höhe der künst-
lerischen Gestaltung geschaffen werden, auf die
wir gerade beim bäuerlichen Schrifttum nicht
verzichten wollen, denn nur sie verleiht dem
Schrifttum längere. Lebensdauer und tielere
Wirkung,
Diese gute und künstlerisch gestaltete Bauern-
dichtung vermag uns dann im Kampf um die
Sicherung und die Erneuerung des deutschen
Volkes vom Bauerntum her ein wertvoller
Bundesgenosse zu sein, weil sie dem gan-
zen deutschen Volk immer wieder die hohen
Werte germanisch-deutschen Bauern-
tums nahebringt: Treue zur Scholle und zur
bäuerlichen Art, Sippenstolz und Gemeinschafts-
geist, Verantwortungsgefühl gegenüber den
Ahnen und den Enkeln und äußerste kämpfe-
rische Hingabe im Dienst an Sippe und Volk.
a un a D II NE . e SR SCH ia (E EEN SE 2 25 SC Cen el rg
x j 5 2 a — D
a e — —— —— P - — x
u >
Agarboltische,
Bei Betrachtungen der Kasssarnährungewirichafe
kommen häufig die Grundlagen unserer landwirt-
schaftlichen Erzeugung zu kurz, die normalerweise
dem Licht der Öffentlichkeit weniger ausgesetzt sind.
Das gilt In besonderem Maße für unsere Pflanzen-
und Tierzüchter, durch deren jahrzehntelange
stille und sehr oft auch uneigennützige sowie privat-
wirtschaftlich sehr risikoreiche Arbeit überhaupt erst
wichtige technische Voraussetzungen dafür geschaffen
wurden, daß die landwirtschaftliche Produktion in
diesem zweiten Weltkriege nicht derart abgesunken
ist wie im ersten Weltkrieg. Die Führung der national-
sozialistischen Agrarpolitik hat von Anfang an die
Arbeit der Tier- und Pflanzenzüchter bewußt ge-
fordert und im Rahmen der agrarpolitischen Maß-
nahmen gelenkt. Man muß sich immer wieder darüber
klarwerden, daß ohne die deutsche Pflanzenzüchtung
die Intensivierung unserer Landwirtschaft nicht mög-
lich gewesen wäre. Der wichtigste Schritt, den die
deutschen Pflanzenzüchter taten, war die Erfindung
des sogenannten deutschen Ausleseverfahrens,
das erstmalig in die Züchtung eine Prüfung der Nach-
kommenschaften einführte. Nicht weniger bedeutsam
war die Einführung des Begriffs der Bodenständig-
keit der Züchtungen sowie der Kombinations-
züchtung. Man strebt nicht nur nach guten Erträgen,
sondern verlangt ebenso beste Qualität, größte Er-
tragssicherheit, Immunität gegen Krankheiten und
Schädlinge, Frühreife sowie andere wirtschaftlich
wichtige Eigenschaften. Ohne diese Arbeiten wären
die heutigen Produktionsleistungen undenkbar. Das
gilt nicht nur für die Pflanzenzucht, sondern auch für
die Tierzucht. Wenn die Pflanzenzucht die Aufgabe
hat, Sorten zu schaffen, die unter gegebenen Boden-
und Klimaverhältnissen und gleichzeitig unter Be-
rücksichtigung des Kulturstandes der Böden die
höchstmöglichen Leistungen hervorbringen, so hat
die Tierzucht durch züchterische Auswahl die Rassen
unserer Haustiere so zu verbessern, daß sie ebenfalls
unter den gegebenen natürlichen Verhältnissen größte _
Leistungen aufweisen. Dabei ist die Aufgabe der Tier-
zucht schwieriger als die der Pflanzenzüchtung. Es
lassen sich aber die gleichen Erfolge erzielen, wenn
hier ebenso systematisch vorgegangen wird. Hier
kommt es vor allem ‚darauf an, die Leistungen der
breiten Landestierzucht an die Leistungen der Hoch-
zuchten heranzuführen.
Dieses Ziel stand im Mittelpunkt einer großen
Arbeitstagung der Rinderzüchter Deutsch-
lands, zu der kürzlich der Reichshauptabteilungs-
leiter Il, Dr. Brummenbaum, als Beauftragter des
Reichsnährstandes für die deutsche Tierzucht die
Vorsitzenden und Geschäftsführer der deutschen
Rinderzuchtverbände sowie die Leiter der Abteilung
Tiere bei den Landesbauernschaften und die Vertreter
der deutschen Tierzuchtwissenschaft nach Passau
eingeladen hatte. Welche entscheidende Bedeutung
auch die Führung der deutschen Ernährungswirtschaft
dieser Tagung beimaß, geht daraus hervor, daß Ober-
befehlsleiter Bäcke und Reichsobmann Behrens an der
Tagung teilnahmen. Ebenso bekundete auch
Dr. Zweigler, der Vorsitzende der Hauptvereinigung
der deutschen Milch- und Fettwirtschaft, durch seine
Teilnahme die enge Verbindung seiner Hauptver-
einigung mit der Arbeit der deutschen Rinder-
zucht.
Oberbefehlsleiter Backe entwickelte den deutschen
Rinderzüchtern in grundlegenden Ausführungen ihre
künftigen Aufgaben. Er legte Wert darauf, nicht allein
durch reichseinheitliche Verfügungen die Arbeit der
Rinderzüchter auszurichten, sondern betonte die
Notwendigkeit, im offenen gegenseitigen Meinungs-
austausch die Lösung aller Probleme zu finden. Reichs-
bauernführer Backe erinnerte daran, wie die Parole
der ersten Erzeugungsschlacht im Jahre 1934 ‚Mehr
erzeugen und das Erzeugte sparsamer verwenden“
ganz auf Breitenwirkung eingestellt gewesen war. Sie
richtet sich deshalb mit den für die einzelnen Zweige
der Landwirtschaft gegebenen Rezepten nicht an die
Spitzenbetriebe, sondern an die breite Masse der
landwirtschaftlichen Betriebe. Das gilt heute nun in
ganz besonderem Maße für unsere Viehwirtschaft.
Dabei muß der Tatsache Rechnung getragen werden,
daß der Herdbuchzuchtbetrieb in der Arbeit der
deutschen Rinderzucht und -haltung nicht nur der
Schrittmacher, sondern auch der Treuhänder
der Landeszucht ist. Ganz besonders bei der Milch-
erzeugungsschlacht kommt es nicht auf die an und
für sich verhältnismäßig geringe Zahl der Herdbuch-
zuchtbetriebe, sondern auf die Gesamtheit der Be-
triebe an. Deshalb muß im Vordergrund die Ver-
mehrung der wirtschaftseigenen Futtererzeugung als
Grundlage für die tierische Erzeugung stehen. Damit
ist erst die Voraussetzung für die notwendige Mehr-
erzeugung von Milch, Fett und Fleisch gegeben. In
Verbindung mit dieser Aufgabe — so betonte Herbert
Backe — müssen gleichzeitig auch die züchterischen
Probleme in Angriff genommen werden; es wäre
völlig falsch, beide nacheinander lösen zu wollen.
181
Deshalb stehen wir heute gewissermaßen am Ende
einer alten Zeit in der Tierzucht. Künftig soll auch
aut dem Gebiet der Tierzucht nicht so sehr das Er-
reichen von Höchstleistungen Im Vordergrund stehen,
sondern das Schwergewicht der Arbeit auf der
Hebung der breiten Masse des allgemeinen
Durchschnitts der Landestierzucht liegen. Da-
bei gilt es, den Begriff der bodenständigen Zucht nicht
zu überspitzen. Die bisher häufige zu strenge Ab-
schließung der Zuchtgebiete voneinander muß einer
gewissen Lockerung Platz machen. Wegweiser hierbei
soll das Kalser-Wilhelm-Institut für Tierzucht-
forschung in Dummersdorf sein, das nicht nur die
Grundlagenforschung der Tierzuchtwissenschaft
betreibt, sondern auch praktisch verwertbare Kombi-
nationszüchtungen durchführt. °
Innerhalb dieser grundsätzlichen Ausrichtung wird bei
der Rinderzüchtung die Erhöhung der Fetterzeu-
gung im Vordergrund stehen, ohne daß gleich-
zeitig die entscheidende Bedeutung der Rinderhaltung
als Fleischlieferant vernachlässigt wird. Nach Backes
Auffassung wird in Zukunft das für die Volksernährung
benötigte Fleisch zu einem größeren Teil, als es früher
der Fall war, aus der Rinderhaltung gedeckt werden
müssen. Im Rahmen der hier aufgezeichneten großen
Ziele sprachen in Passau ferner Professor Dr. Woer-
mann (Halle) über „Die betriebswirtschaftlichen
Grundlagen der deutschen Rinderhaltung“ und der
Reichsfachwart Tiere, Dr. Pflaumbaum, über „Die
Bedeutung der deutschen Rindviehhaltung für die
deutsche Ernährungswirtschaft”. So Ist auch die
Passauer Tierzuchttagung ein Beweis dafür, daß die
deutsche Ernährungswirtschaft Im Kriege nicht nur
auf augenblickliche Höchstleistungen hinzlelt, sondern
stets darauf bedacht ist, die Grundlagen unserer Er-
zeugung weiterzuentwickeln.
in der gleichen Richtung der Stärkung unserer
Produktionsgrundlagen liegen die vorbereitenden
Arbeiten zur weiteren Vereinfachung des Land-
nutzungstausches. Hier gilt es, einheitliche Rechts-
bestimmungen zu schaffen, um die in den Real-
teilungsgebieten im letzten Jahr auf dem Wege der
‚Selbsthilfe durchgeführte Zusammenlegung von land-
wirtschaftlichen Grundstücken weiter zu vereinfachen
und im ganzen Reichsgebiet zu fördern. Gerade diese
Entwicklung ist besonders kennzeichnend, wie be-
weglich und anpassungsfählg das von der national-
sozialistischen Agrarpolitik neugestaltete deutsche
Agrarrecht Ist. Hier zeigen sich ganz neue Möglich-
kelten fruchtbarster Zusammenarbeit zwischen Rechts-
schöpfung und landwirtschaftlicher Praxis, die auch
für die künftige Entwicklung unseres Bodenrechts
richtungweisend sein werden.
182
—
Auf dem Gebiet der Handelspolitik Ist neben
dem deutsch-schwedischen Abkommen das für unsere
Ernährungswirtschaft besonders bedeutsame deutsch-
rumänische Abkommen zu verzeichnen. Bel dem
Abkommen handelt es sich um den üblichen Jahres-
vertrag, dessen Aufgabe vor allem darin besteht, die
gegenseitigen Bedürfnisse für das laufende Wirt-
schaftsjahr aufeinander abzustimmen und dabei in
umfassender Weise die wirtschaftlichen und finan-
ziellen Beziehungen zu regeln. Die eingehende
Prüfung aller Haupt- und Nebenfragen, die bei der
engen Verflechtung der beiden Wirtschaften überaus
zahlreich sind, hat den deutsch-rumänischen Waren-
verkehr in jeder Weise sichergestellt. Insbesondere
galt es, die Austauschkontingente für das laufende
Vertragsjahr festzusetzen. Praktisch wird hierbei die
gesamte Einfuhr Rumäniens von Deutschland be-
stritten. Von anderen Märkten werden nur kleinere
Warenkontingente bezogen, die nicht als unbedingt
lebenswichtig anzusprechen sind. Die deutsche Wirt-
schaft liefert dem rumänischen Partner nach wie vor
Eisenwaren im weitesten Sinne, ferner Konserven-
material, Erzeugnisse der Chemie und Elektrotechnik
sowie verschiedene Gebrauchsgegenstände. Vor allem
kommen aus dem Reich die notwendigen Anlagen zum
Ausbau des rumänischen Verkehrswesens, gewisse
Rohstoffe, Kohlen und Eisen sowie Arzneimittel und
Textilien. Die Grundlage der rumänischen Ausfuhr
dagegen bilden neben Erdöl vor allem Getreide,
Hülsenfrüchte sowie Erzeugnisse landwirtschaft-
licher Spezialkulturen. Diese Ausfuhr Rumäniens
ermöglicht eine gewinnbringende Verwertung seines
Ernteüberschusses und stellt bei den trotz der großen
rumänischen Überschüsse, die Spekulanten liberaler
Färbung willkommenen Anlaß zum Preisdruck gegeben
hätten, vom deutschen Partner bewilligten guten
Preise eine Sicherung der Lebensmöglichkelten der
rumänischen Landwirtschaft dar. Allerdings muß durch
entsprechende organisatorische Maßnahmen die Ge-
währ dafür gegeben werden, daß der letzte Erzeuger
auch wirklich in den Genuß dieser Preise kommt.
jedenfalls zeigt sich gerade in diesem Jahr die Be-
deutung einer gesamteuropäischen Ernährungspolitik.
Das gilt um so mehr, als es gelungen ist, den deutsch-
rumänischen Warenaustausch wertmäßig auszubalan-
cieren und einen Zahlungsvorgang zu vereinbaren, der
eine gleichmäßige Abwicklung ermöglicht. So wird
auch im fünften Kriegsjahr das Potential unserer Er-
nährungswirtschaft durch binnenwirtschaftliche und
außenhandelspolitische Maßnahmen zielbewußt ge-
stärkt. Ein besonderer Erfolg ist es, daß hierbel trotz
unvermeidlicher Schwierigkeiten und trotz er-
bittertster Agitation unserer Gegner Immer wieder
eine Ausrichtung auf gesamteuropäische Belange
erfolgen kann.
Dr. Kurt Haussmann.
—
Kandbemerkungen
Hypothekenrückzahlung im Kriege?
in der „Deutschen Agrarpolitik‘, Augustheft 1943,
ist in einem Aufsatz von Dr. Klingenberg, , Hypo-
thekenrückzahlung im Kriege‘, für eine Rückzahlung
der Schulden in einem bestimmten Rahmen ein-
getreten worden. Die „Deutsche Bergwerks-
zeitung“ (Nr. 228 vom 29. September 1943) greift
diesen Aufsatz in einer allgemeinen Betrachtung über
„Liquidität und Schuldentilgung“ auf und bemerkt
dazu: „Tatsächlich handelt es sich hier (bei der Land-
wirtschaft) um einen Schulfall notwendiger Ent-
schuldung, da der vorhandene Schuldenstand ja
noch erhebliche Teile eines verhängnisvollen Erbes
umfaßt. je mehr dieses beseitigt wird, um so besser
stellt sich die gesamte Finanzierungsfrage der Land-
wirtschaft dar. Es sollte gar kein Zweifel darüber be-
stehen, daß gerade für die Landwirtschaft die Parole
heißen muß: Sparen und Schuldentilgen. Der
Zustand wird aller Voraussicht nach lange genug an-
halten, daß die Landwirtschaft sowohl weitgehend
Schulden tilgen wie gleichzeitig flüssige Mittel für
künftige Geldbedürfnisse ansammeln kann. Knapp an `
Mitteln wird dann im allgemeinen der Landwirt sein,
der diese Gelegenheit nicht zur Sparsamkeit benutzt.“
Diesen Ausführungen kann ohne Einschränkung zu-
gestimmt werden. Man muß sich nur stets vergegen-
wärtigen, daß es sich bei der heute zu beobachtenden
Ansammlung flüssiger Geldmittel in den Händen der
Landwirtschaft keineswegs um echte Ersparnisse
handelt, sondern daß diese Ansammlung einmal auf
eine kriegsbedingte Substanzverminderung, zum
andern auf die ebenso kriegsbedingte Unmöglichkeit,
die notwendigen Anschaffungen für den Betrieb vor-
zunehmen, zurückzuführen ist. Gerade aus dieser -
Tatsache ist allerdings von anderer Seite gefolgert
worden, daß eine Rückzahlung der langfristigen
Schulden die notwendige Geldflüssigkeit der Land-
wirtschaft nach dem‘ Kriege gefährden könne. So
schreibt beispielsweise die ,
falische Zeitung“ (Nr. 47 vom 11. Oktober 1943):
„Die vielen Anschaffungen, die man im Kriege zurück-
stellen mußte und die dann sobald wie möglich nach-
geholt werden sollen, lassen den Wunsch nach Geld-
flüssigkeit begreiflich erscheinen. Wenn man also
jetzt die langfristigen Schulden zurückzahlen würde,
so müßte man nach dem Kriege ja doch wieder Geld
aufnehmen, um sofort Anschaffungen machen zu
können. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es unter diesen
Umständen später schwierig sein wird, überhaupt
Kredite zu erhalten, und wenn, dann vielleicht zu
ziemlich ungünstigen Bedingungen. Es ist möglich,
daß der Landwirt nach dem Kriege zum Beispiel von
der Wehrmacht überflüssig gewordene Pferde, Wagen,
Zugmaschinen usw. erwerben könnte — dazu ist aber
eine gewisse Geldliquidität unbedingt erforderlich ...
Unter diesen Umständen kann es für einen landwirt-
schaftlichen Betrieb ziemlich unangenehm sein, wenn
er nicht genug bare Mittel zur Verfügung hat.“
Dieser Einwand geht denn doch von einer falschen
Rheinisch-West-
Vorstellung aus, wie nach dem Kriege die Abstoßung .
des überflüssigen Heeresmaterials vor sich gehen
durfte. Da es sich dabei um wichtige, lange entbehrte
—
Produktlons mittel für die deutsche Landwirtschaft
handelt, ist es unmöglich, daß man ihre Überleitung
dem freien Markt überläßt. Sie wird vielmehr plan-
mäßig nach dem Grundsatz des höchst erziel-
baren Nutzeffekts gelenkt werden müssen, wobei
besonders die Betriebe zu berücksichtigen sein
werden, die durch Leistungen für das Heer die
stärkste Einbuße an Produktionskraft zu. verzeichnen
haben. Das von der „Rheinisch-Westfällschen Zei-
tung“ erwähnte Beispiel ist also geradezu typisch für
eine Bedarfsdeckungsaufgabe, deren Lösung man nicht
von der mehr oder minder großen Geldflüssigkeit des
einzelnen Betriebsinhabers abhängig machen dar,
sofern die etwaige ungenügende Geldflüssigkeit nicht
auf einem Verschulden des Betriebsinhabers beruht.
In der Rückzahlung von Schulden aber wird man doch
wohl kaum ein solches Verschulden sehen können.
Darüber hinaus wird zur Erzielung des höchsten
Nutzeffektes auch die Produktion von landwirtschaft-
lichen Betriebsmitteln an die Stätten des größten
Bedarfs gelenkt werden müssen. Daß dabei eine
entsprechende Kreditzuteilung unentbehr-
lich ist, muß festgehalten werden. Wenn also
von verschiedenen Seiten betont worden ist, daß die
Lenkung der Arbeitskräfte und Güterströme nie so
lückenlos sein könne, daß nicht immer noch die Ver-
fügung über jederzeit mobilisierbares Geldkapital,
also eine möglichst große Liquidität der Wirtschaft,
von Vorteil wäre, so ist dieser Einwand zwar nicht
ganz von der Hand zu weisen, auf keinen Fall aber kann
er für die betriebliche Neuausrüstung der Landwirt-
schaft Geltung beanspruchen. Hier liegt vielmehr ein
weiteres Schulbelspiel der volkswirtschaft-
lichen Notwendigkeit gemeinnütziger Pro-
duktionslenkung und Güterverteilung vor, in
deren Dienst sich auch die Kreditpolitik zu stellen hat.
Bei der Beurteilung der Frage, ob es richtiger Ist,
die Ansammlung flüssiger Geldmittel in den Händen
der Landwirtschaft zur Schuldentilgung oder zur An-
sammlung eines jederzeit verfügbaren Sparkapitals zu
benutzen, ist vor allem ein Gesichtspunkt ausschlag-
gebend, der der bestmöglichen Erhaltung der
Leistungsfählgkeit der Landwirtschaft. Es muß
also vor allem verhindert werden, daß die Ansamm-
lung flüssiger Geldmittel, die, wie gesagt, ja nur eine
Scheinersparnis darstellt, in völliger Verkennung
dieses Charakters unzweckmäßig, d. h. Insbesondere
zu konsumtiven Zwecken, verwendet wird. Den
besten Schutz dagegen bietet eine Rückzahlung der
langfristigen Schulden, die zugleich die beste Sicherung
der Kreditwürdigkeit der Landwirtschaft ist. Auch Ist
nicht einzusehen, warum der Landwirt sich durch
Aufrechterhaltung seiner Schulden mit einer Zins-
differenz zugunsten seiner Gläubiger belasten soll, die
ja auch einen gewissen Substanzschwund darstellt.
Solbstverständlich soll und darf diese Rückzahlungs-
tendenz nicht so weit gehen, daß sie zu einer völligen
Entblößung der betreffenden Betriebe mit sofort frei
verfügbaren Geldmitteln führt, wie ja überhaupt
immer wieder betont werden muß. daß die Rück-
183
zahlung der Hypothekenschulden nur eine Teilaktion
innerhalb des Gesamtbestrebens darstellt, mit allen
Mitteln zu verhindern, daß die gegenwärtige Geld-
flüssigkeit zu einer Substanzvergeudung der Land-
wirtschaft führt, die zwangsläufig ihre Produktions-
kreft nach dem Kriege schwächen müßte. Die
Generalprobe lautet also: Sparen und noch
einmal sparen! Die Rückzahlung der Hypotheken-
schulden ist nur ein Ausdruck dieses Sparwillens.
Daneben bleibt die Aufgabe der Ansammlung aller
ersparbaren Geldmittel zur Bildung einer nach dem
Kriege für die Neuausrüstung der Landwirtschaft ver-
fügbaren Kapitalreserve bestehen.
Im übrigen wird man der „Deutschen Bergwerks-
zeitung“ auch darin zustimmen können, wenn sie zum
Schluß ihrer Ausführungen betont: „Es besteht keine
Veranlassung, die ganz unbekannten künftigen Finan-
zierungsverhältnisse heute durch ein Festhalten an
bestehenden Schuldverhältnissen oder gar ein neuer-
liches Festlegen derselben vorbelasten oder präjudi-
zieren zu” wollen Auf Liquidität bedacht zu sein,
braucht heute um so weniger angeraten zu werden,
als das große Problem ja Ist, eine übermäßige Liquidität
zu steuern. Die Leistung der Betriebe nach dem Kriege
wird nicht davon abhängen, wieviel Geld sie auf ihren
Liquiditätskonten haben, sondern, wieviel Arbeits-
kräfte und Arbeitsmittel ihnen zur Verfügung stehen
und gestellt werden.“ G. P.
Die Bud wa dt
Alarich Mahler:
Bäuerliches Bodenrecht in Rechts-
sprichwörtern
Verlag C. V. Engelhard G. m. b. H. Berlin, 1943.
190 Seiten
Bis zur Gegenwart sind in unserem Bauerntum
viele Rechtssprichwörter lebendig geblieben, die uns
ein beredtes Zeugnis von den alten uns artgemäßen
Anschauungen unseres Volkes über Rechtsschutz und
Rechtspflicht geben. Aus dem reichen und zugleich
aber auch weit verstreuten Material von Sprich-
wörtern hat nun Mahler erstmalig eine syste-
matische Zusammenfassung und Erklärung
der Rechtssprichwörter des Bodenrechts, eines be-
sonders wichtigen‘ Gebietes im bäuerlichen Lebens-
kreis, vorgenommen. Die Untersuchung des 1940 im
Westfeldzug gefallenen Verfassers trägt zwar die
Merkmale einer wissenschaftlich exakt durchgeführten
rechtswissenschaftlichen Dissertation, sie Ist aber
deshalb doch allgemein verständlich gehalten
und läßt auch allenthalben spüren, mit welch Innerer
Antellnahme der Verfasser, der selbst aus dem
Bauerntum stammte, bei der Arbeit war,
Wenn wir heute um die Formung eines uns art-
gemäßen Rechtsbewußtseins bemüht sind, dann liegt
nichts näher, als auch an das alte Überlieferungsgut
des Bauernsprichwortes anzuknüpfen. Hier ist die
anschauliche Sprache noch nicht vom teilweise farb-
184
*
losen und lebens fremden Juristendeutsch ũber wuchert,
und allein schon deshalb sind diese Rechtssprichwörter
ein Mittel, die heute oft beklagte Kluft zwischen Volk
und Recht zu überbrücken. Nicht nur der Jurist und
insbesondere der Bauernrichter können Gewinn aus
der neuartigen und vorbildlichen Arbeit von Mahler
ziehen, sondern darüber hinaus wird auch jeder Le-
ser, der an den Fragen des Bauerntums interessiert
ist, hier Kenntnisse und Anregungen empfangen.
Dr. Albrecht Timm
Wirtschaftskunde
der schlesischen Erbhöfe
6. Jahrgang 1942/43
Herausgeb. Landesbauernschaft Niederschlesien,
Reichsnährstands-Verlags-Gesellschaft m. b. H.
Mit diesem Buch wird jedem interessierten Leser
die Möglichkeit gegeben, sich mit der schlesischen
Landwirtschaft, ihrer Struktur und ihren Erzeugungs-
grundlagen vertraut zu machen und Einblick in die
Arbeitsergebnisse der Untersuchungsämter der Lan-
desbauernschaft zu bekommen. Die Aufteilung des
Buches in vier Hauptabschnitte erleichtert das Stu-
dium und die Behandlung spezieller Fragen aus dem
Agrarsektor. Es werden unterschieden:
1. Bodenkundliche, klimatische und sonstige Grund-
lagen der Landwirtschaft Schlesiens.
2. Überblick über die natürlichen Erzeugungsgrund-
lagen und die verschiedenen Betriebsformen der ein-
zelnen schlesischen Kreise. `
3. Einzelbilder von beispielhaften BauernhöfenSchlesiens
und Schlußfolgerungen für die Betriebslehre.
4. Die Auswertung der Arbeitsergebnisse der Unter-
suchungsämter der Landesbauernschaft Nieder-
schlesien,
Die ,d Wirtschaftskunde“ entstand ursprünglich aus
der Überlegung, durch Beiträge aus allen Gebieten
des Agrarsektors die geistigen Voraussetzungen
für die Erzeugungsschlacht zu schaffen. Diese
Aufgabe ist unter den Kriegsverhältnissen nicht nur
beibehalten, sondern bedeutend erweitert worden,
gilt es doch — trotz räumlicher Ausdehnung und der
Einbeziehung des Ostens in den europäischen Nah-
rungsraum — die sparsamer eingesetzten Kräfte zur
vollsten Entfaltung zu bringen; denn das Altreich
ist und bleibt das Kernstück unserer Ernährungsbasis.
In dieser Beziehung kommt den Artikeln der
Hauptabschnitte 2 und A eine besondere Bedeutung
zu, erhält man aus ihnen doch eine genaue Charakte-
risierung der Landwirtschaftsstruktur in kleineren
Verwaltungseinhelten, aus denen gerade der Prak-
tiker viele Anregungen schöpfen kann. Anschauliche
Darstellungen, Bilder und Zahlenübersichten erleich-
tern dem Leser das Eindringen in die Materie.
Wenn Landesbauernführer Jaeschke im Vorwort
dieser Gemeinschaftsarbeit sagt: „Die vorliegende
Arbeit soll ein Mittel seln, das schlesische Bauerntum
zu stärken“, so kann man im Hinblick auf das sorg-
fältig zusammengetragene und reichhaltige Material
sagen, daß sie ihrer Aufgabe gerecht wird.
H. Gerdesmann
$
BORSH
OCHWIRKSAME
Zur
SCHADLINGSBEKAMPFUNG
MATERIALSCHUTZ
VORRATSSCHUTZ
SEUCHENABWEHR
Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit
sich, daß eine Antriebskralt an den verschiedensten Stellen
auf dem Hot meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht ES
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer
Stelle zur anderen bringen läßt.
Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR SCHADLINGSBEKAMPFUNG M. B. li.
SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG FRANKFURT AM MAIN: POSTFACH 248
Grund und Boden
wächst der Krattstoft für den
Ackerschlepper, das Holz. Weit
mehr als hunderiiausend
H Imbetl-Holzgas-Genetatote n
GREIFERKETTEN l
ZICKZACK-LEITERKETTE MIT STAHLPLATTEN KREUZKEITIEN FUR ACKER sind die Gewähr für höchste
FUR STRASSEN ZUM PILUGEN UND FELOWEGI Betriebssicherheit. Darum
wählt auch der Aauer den
Rutschsicherung deeg
das ganze Sai, ONNA,
Kettenwerk Max Többicke
e IMBERT-GENERATOREN GESELLSCHAFT MBH +» KÖLN
Vertretung: H. Vahle, Letmathe in Westfalen
` . A "wii * *
"gp: Z Zem, `
wer‘ `
N e
FÜR INDUSTRIE
u
AUTO UNION A-G, ABT. DKW-MOTOREN, CHEMNITZ
so die Ernte!
Ernteausfälle
werden vermieden
durch Beizung des
Saatguis mit
Ceresan
Trocken- oder Naßbeize
für alle Getreidearten!
» Bayer te
1.G.FARBENINDUSTRIE a
AKTIENGESELLSCHAFT
Pilanzenschutz-Abteilung BATER
LEVERKUSEN R
LANDWIRTSCHAFT
Um die Nahrungsfreiheit Europas von
Staatssekretär Herbert Backe, 280 Seiten
Großoktav, mit 32 Bildern, 42 graphischen
Darstellungen und statistischen Über-
sichten
Der Aufstieg der Juden von Ferdinand
Fried mit 8 Kunstdrucktafeln und 6 Kar-
tenskizzen
Die Deutschen als Volk für Andere von
Dr. E. Quentin, 4., erw. und überarb.
Auflage, ein zeitnahes Buch wie kein
andere Ce „ „ „ „ ve de ZI
Landvolk im Werden, Material zum
ländlichen Aufbau in den neuen. Ost-
gebieten und zur Gestaltung des dörf-
lichen Lebens von Prof. Konrad Meyer,
375: Seiten „„
Die Stimme der Ahnen, eine Dichtung
von Wulf Sorensen. kart. R
Die Krim — Klima, Vegetation und landw.
Erschließung von Heinrich Walter
Am Feinde und am Pfluge von Kurt
Strohmeyer, mit Zeichnungen von Al-
fred Roloff
Bausteine zur ländlichen Volks- und
Bodenordnung von Dr. Herbert Mor-
„„ „%%% „4 „4 „1 „160
„5 2 „„ „%„%% „%%% „% „%%% % „„ „ „ „ „„ „ SS E,
gen, Neuerscheinun n RM. 3,50
Anerbengerichtsverfahren von Reichs- 2
erbhofgerichtsrat Dr. Karl Hopp, 94 Sei- 4
ten „„ „„ „„ „ „„ „„ a a AT RNI. 5.—
Das Reich als europäische Ordnungs- Ra
macht von Karl Richard Ganzer, 138 Sei- d $
EN EES EEE A Ee a ` 2.80
Neue Erziehung von Stellrecht, ein wich- 2
tiges Buch für jeden Lehrer 4,80 ke
Versand erfolgt zur Zeit nur unter Nachnahmel — <
LS
LANDBUCHVERTRIEB. GMBH,
Berlin N 4. Oranienburger Straße 44 vey
+
|
`
"I
14 mw»
5
|
“ ra
EEE IEELETILZ STEGE
REINGAS-BULLDOG
für Holzgas - Betrieb
Welches Buch wünschen Sie ?
gebunden RM. 7,40
RM. 3,80
RM. 3,80
. RM
RM. 2,85
7.—
on DH LA
XI. 1.20
3.60
null )
Hegurgrber: Herbert Backe
1,20 RM.
FENZ BEP/RE Ni?
JAHRGANG 2
NUMMER 7
RIL 1944
INHALT
Reichshauptabteilungsleiter Bauer Kurt Zschirnt: Die Getreidemarktordnung
als Ausdruck nationalsozialistischen Wirtschaftsdenkens ........... ..... 185
Regierungsdirektor Dr. Heinz K. Haushofer: Aus der Vergangenheit in die
Zukunit:der Umlegung ans. deren 190
Verwundete auf Landbesuch (Bildbeilage) `... n. Seite 192
Bauer Kurt Hecht, Vorsitzender der Hauptvereinigung der deutschen Kartoffel-
wirtschaft: Kartoffelwirtschaft im Frieden und im Kriege — Zehn Jahre
Kartoflelmarklordnung ` ge EN de a 196
Dr. med. Franz G. M. Wirz, o. ö. Professor an der Universität München:
„Hot springs — cold water“, „Heiße Quellen — kalter Kaffee“, eine ernäh-
rungsphysiologische Auswertung. e 199
Die Kunst des Blaudruckes (Bildbeilageo᷑ᷣ 7777 n. Seite 200
Hans-Udo von Grone, Leiter der Gruppe Forst des Reichsbauernführers und
Leiter der Abteilung Privatwald im Reichsforstamt: Forstverbände vom
Standpunkt des Bauern aus gesehen `... ... 202
Mehr lernen — Mehr leisten (Bildbeilageꝝꝝũũ̃ꝛ . n. Seite 204
Diplom-Landwirt Walter Stauß: Die Landtechnik als Beruf der Zukunft 205
Gauhauptstellenleiter B. Obermayr, Gaubeauftragter für Dorfkultur: Die Dorf-
stubenaktion im Reichsgau Wartheland e 203
Agrarpolitische Rundschau `... ee ee 212
Randbemerkungen EEN EE 214
Die Buchwacht ...... Er SEN EEN E A 888 216
Bildnachweis: Prof. Rudolf Koppitz ist der Photograph unseres Titelbildes „Bergbauern“. — Die Auf-
nahmen zur Bildbeilage ‚Die Kunst des Blaudruckes'' stellten uns der Scherl-Bilderdienst (8) und Dr.
Croy (1) zur Verfügung. — Vom Bildarchiv des Reichsnährstandes/Limberg (9) erhielten wir die Licht-
bilder für die Beilage „Mehr lernen — Mehr leisten’. — , Verwundete auf Landbesuch' photo-
graphierte Hermann Limberg (4) — und „‚Kriegsversehrte werden umgeschult“ Reichsnährstand/Dinges (4)
Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Rlecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna,
Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:
Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 1955 41.
Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts-
ruf 11 0022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. Ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.
ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN
April 1944
KURT ZSCHIRNT:
Jahrgang 2
Nummer 7
Die Geireidemarkiordnung als Ausdruck
nationalsozialistischen Wirtschaftsdenkens
ls im September 1939 der neue Krieg
begann, waren neben den militärischen
Ereignissen alle Augen im In- und Aus-
land darauf gerichtet, wie die deutsche
Ernährungswirtschaft sich in der nächsten
Zukunft gestalten werde. Die Erinnerung
an das kriegsentscheidende Versagen dieses
Bereichs im vergangenen Weltkriege war
noch zu deutlich im Gedächtnis von Freund
und Feind. Um so wohltuender bei den
Freunden, um so überraschender dagegen
bei den Feinden mußte es sich auswirken,
daß die Ernährungssicherung jetzt so ein
ganz anderes Gesicht zeigte. Als dies nicht
nur Augenblickserscheinung blieb, sondern
sich immer deutlicher als festgefügtes Ge-
bäude auf sicherer Grundlage erwies, kam
die vielgebrauchte Redewendung von dem
„Wunder der deutschen Kriegser-
nährungswirtschaft” auf.
Jedes „Wunder“, das sich über längere
Zeiträume wiederholt, gerät in Gefahr, in
die Alltäglichkeit abzusinken. Wir befinden
uns jetzt im fünften Kriegsjahr. Trotzdem
ist nach wie vor nichts von alledem ein-
getreten, was unsere Feinde mit Sicherheit
in Wiederholung der Hungerkatastrophe
aus den Jahren 1917/18 erwartet und vor-
ausgesagt hatten. Die Grundlagen der
Ernährungssicherung, die gleich
zu Beginn des Krieges von ziel-
bewußter Führung festgelegt wur-
den, gelten im wesentlichen auch
heute noch unverändert. Neue Auf-
gaben und Belastungen sind mit den Aus-
wirkungen des verbrecherischen Luftkrieges
unserer Gegner gegen die Zivilbevölkerung
hinzugekommen. Was in den ersten Jahren
des Krieges als das „Wunder der deut-
schen Ernährungs wirtschaft“ galt, ist
heute tatsächlich in den Augen zahl-
reicher Beurteiler zu einer einfachen
Selbstverständlichkeit geworden. Wer
aber hinter die Kulissen dieser „Selbst-
verständlichkeit“ zu sehen vermag, die sich
für den Verbraucher in einer bisher noch
jederzeit gesicherten vollen Erfüllung aus-
reichender Lebensmittelrationen äußert, der
weiß, wie wenig dies alles tatsächlich
selbstverständlich ist, und welche unend-
. liche Arbeit und Einsatzbereitschaft aller
Beteiligten dazu gehört, um das „Wunder
der deutschen Ernährungswirtschaft‘ auch
im fünften und etwa folgenden weiteren
Kriegsjahren immer wieder neu erstehen
zu lassen. Grundlage all dieser Ar-
beit ist neben den Auswirkungen der un-
ermüdlich weitergeführten Erzeugungs-
schlacht die Marktordnung des
Reichsnährstandes. Sie hat bereits in
vorausschauender Friedensplanung Stein
für Stein zu dem festen Fundament zu-
'sammengetragen, das auch heute noch für
den Aufbau der Kriegsernährungswirt-
schaft entscheidend ist. Dies an einem
einzelnen Beispiel, nämlich an der Markt-
ordnung der deutschen Getreidewirtschaft
darzustellen, sei hier die Aufgabe:
Ais es im Jahre 1933 galt, die deutsche
Getreidewirtschaft als Grundpfeiler der
Volksernährung und zugleich der Lebens-
sicherung für das deutsche Bauerntum vor
dem endgültigen Verfall zu retten und neu
zu ordnen, ergab sich etwa folgendes Bild:
Das deutsche Bauerntum als Träger der Er-
zeugung war völlig zersplittert. Aufgeteilt
in eine Millionenzahl nicht aufeinander ab-
gestimmter Einzelexistenzen befand sich so-
mit die Erzeugung in restloser Abhängigkeit
vom jüdischen Getreidehandel, der seine
höchsten Triumphe an den Getreidebörsen
feierte und von hier aus eine nahezu un-
beschränkte Herrschaft über Erzeugung und
Absatz ausüben konnte. Die Konzentration
aller wesentlichen Fäden der Marktbeein-
flussung in der Hand verhältnismäßig weni-
ger maßgebender Firmen gegenüber der
völligen Zersplitterung bei Erzeugung und
Verbrauch verschafften ihm hierbei leich-
tes Spiel, — dies um so mehr, als ihm für
seine. spekulativen Machenschaften nicht
nur der inländische Markt, sondern auch
das weite Feld des internationalen Getreide-
handels zur Verfügung stand. Der Bauer
wurde auf diese Weise genau so rücksichts-
los um den Erfolg der mühsamen Arbeit
eines ganzen Jahres gebracht, wie auf der
anderen Seite dem Verbraucher nach Be-
lieben der Brotkorb höher gehängt wurde,
wenn es gerade in die geschäftlichen Inter-
essen der mehr oder weniger anonymen
Mächte an den Börsen hineinpaßte. Das Er-
gebnis war bei der Machtübernahme im
Jahre 1933 eine deutsche Landwirt-
schaft, die unmittelbar vor dem end-
gültigen Zusammenbruch stand, und
ein Brotpreiswirrwarr für den Ver-
braucher, der jede Übersicht und jede
vernünftige Ordnung ausschloß.
Um hier endgültig Wandel zu schaften,
war zunächst eine Organisationsauigabe ge-
stellt: Die landwirtschaftliche Erzeugung als
Ausgangspunkt und Gmindlage der gesam-
ten Getreidewirtschaft mußte aus der bis-
herigen Zersplitterung befreit und zu einem
schlagkräftigen Instrument in der Hand
zielbewußter Führung gemacht werden.
Diesem Ziel diente die Errichtung des
Reichsnährstandes mit seiner klaren Durch-
gliederung in Landes-, Kreis- und Orts-
bauernschaften bis in die letzte Gemeinde
des Reiches. Die organisatorische Zusam-
menfassung der landwirtschaftlichen Er-
zeugung war aber nur ein Teil der notwen-
digen Gesamtlösung. Sollte eine grund-
legende Ordnung der Marktvorgänge er-
reicht werden, so war es notwendig, nicht
nur mit der Erzeugung die eine Seite des
Marktes zu erfassen, sondern auch alle
übrigen beteiligten Gruppen der Be- und
Verarbeitung und der Verteilung bis zum
Verbraucher hin einzubeziehen. Damit
konnte zugleich die sicherste Gewähr dafür
geschaffen werden, daß die angestrebte
Ordnung der Märkte nicht etwa im
Sinne einseitiger Interessenver-
tretung der Landwirtschaft erfolgte,
186
sondern sich von vornherein klar eine
Gesamtordnung zum Besten des
Volksganzen zum Ziele setzte.
So wurde als Werkzeug zur Durchführung
der Marktordnung in der Getreidewirtschaft
die Hauptvereinigung der deut-
schen Getreide- und Futtermittel-
wirtschaft als Spitzenorganisation der
gebietlichen Getreidewirtschaftsverbände
errichtet. Die Grenzen der Getreidewirt-
schaftsverbände entsprechen in der Regel
den Grenzen der Landesbauernschaften. Sie
umfassen nicht nur die getreidebauende
Landwirtschaft, sondern auch alle übrigen,
im Getreideverkehr beteiligten Betriebe und
Gruppen, also z.B. auch den Landhandel
und die landwirtschaftlichen Genossen-
schaften, den Getreidegroßhandel, sämt-
liche Mühlen und sonstigen getreidever-
arbeitenden Betriebe, den Mehlhandel, die
Bäcker und die Brotfabriken. Der Mühlen-
wirtschaft und der Mischfuttermittelindu-
strie wurde hierbei anfangs noch eine ge-
wisse Sonderstellung eingeräumt, indem
beide Gruppen eigene, sogenannte „wirt-
schaftliche Vereinigungen” bildeten. Auch
diese Vereinigungen bewiesen sich jedoch
in der Folge für eine einheitlich straffe Füh-
rung unzweckmäßig, so daß sie 1937 und
1938 aufgelöst und in die Hauptvereini-
gung der deutschen Getreide- und Futter-
mittelwirtschaft eingegliedert wurden. Die
getreidewirtschaftliche Organisation ist da-
mit weiter vereinfacht, ihre Schlagkraft
vermehrt und die Sicherheit der einheit-
lichen Führung verstärkt worden.
Die Führung der Wirtschaftsverbände
liegt wie auch bei der Hauptvereinigung
grundsätzlich in der Hand ehrenamtlicher
Bauernführer. Der Gedanke selbstveranl-
wortlicher Führung der Wirtschaft, der
heute auch in den übrigen Bereichen all-
gemein anerkannt ist, wurde damit schon
von Anfang an auf dem Gebiet der nähr-
ständischen Marktordnung durchgesetzt.
Zugleich kommt in der bäuerlichen Füh-
rung der Gesichtspunkt zur Geltung, daß
die landwirtschaftliche Erzeugung tragende
Grundlage alles dessen ist, was zur Siche-
rung der Volksernährung in den folgenden
Stufen der Verteilung und Verarbeitung ge-
leistet wird. Auch diese Stufen sind in den
Wirtschaftsverbänden selbstverständlich
entsprechend vertreten. Ihre Fachschafts-
und Fachgruppenleiter bzw. die Innungs-
meister stehen dem verantwortlichen
Bauernführer als fachliche Berater ständig
r
zur Seite. Jede Einseitigkeit zugunsten
oder zu Lasten der einen oder anderen
Gruppe ist hierdurch ausgeschlossen.
Verwaltungsräte und Fachausschüsse bei
den Verbänden und in der Haupt-
vereinigung schaffen in ständigem Mei-
nungsaustausch die Grundlagen für die
Entschlüsse und Anordnungen, die für die
Durchführung der allen Mitgliedern gemein-
sam gestellten Aufgabe maßgebend sind.
Darüber hinaus sichert die Eingliederung
der Wirtschaftsverbände in die Hauptabtei-
lung III der örtlich zuständigen Landes-
bauernschaft, daß auch solche Einseitig-
keiten vermieden werden, die sich aus der
ausschließlichen Berücksichtigung getreide-
wirtschaftlicher Gesichtspunkte unter Ver-
nachlässigung anderer Wirtschaftszweige
ergeben könnten. Außerdem bedient sich
der Wirtschaftsverband in letzter Stufe
nach unten zur Durchführung seiner Maß-
nahmen ohne eigenen weiteren Unterbau
der Kreis- und Ortsbauernschaften, deren
geschlossene Organisation von vornherein
den nötigen Zusammenhalt sichert.
Mit der so durchgebildeten Organisation
war es möglich, die im liberalistischen Sy-
stem zwangsläufige Preisunsicherheit
für die landwirtschaftlichen Er-
zeugnisse zu beseitigen und damit
eine Grundforderung der nationalsozialisti-
schen Agrarpolitik in Angriff zu nehmen.
Im einzelnen war hierbei selbstverständlich
auf die Besonderheiten der verschiedenen
Erzeugnisse Rücksicht zu nehmen. In der
Getreidewirtschaft war es möglich, den
Festpreisgedanken sehr weitgehend durch-
zuführen. So wurde das ganze Reich in
Festpreisgebiete für die einzelnen Ge-
treidearten aufgeteilt. Dem natürlichen
Wirtschaftsgefälle aus den Überschuß- zu
den Zuschußgebieten ist hierbei derart
Rechnung getragen, daß eine einigermaßen
gleichmäßige Ausnutzung der
standortmäßig gebundenen Ver-
arbeitungsbetriebe gesichert wird.
Mit der Einführung der Preisgebiete war
der Ablauf der Warenbewegung zwar im
wesentlichen gesichert; trotzdem bedurfte
es noch zusätzlicher Maßnahmen, um vor
allem den Ernteschwankungen Rechnung
zu tragen, die sich im Laufe der Jahre
zwischen Überschuß- und Unterschuß-
gebieten ergeben und damit von Fall zu
Fall neue Voraussetzungen für die Abwick-
lung der Warenbewegung schaffen. Ihr
Ausgleich ist nur durch eine übergebiet-
liche Steuerung zu sichern. Hierfür
wurde die Andienungspflicht ein-
geführt. Sie verpflichtet die Verteiler, die
von ihnen beabsichtigten übergebietlichen
Lieferungen vor Durchführung dem zu-
ständigen Wirtschaftsverband zu melden,
um sie sich bestätigen zu lassen, sofern
der Verband nicht zur Vermeidung von
Leerlauf oder Fehlleitungen eine andere
Weisung für notwendig hält. Schließlich
arbeitet die Marktordnung in der Getreide-
wirtschaft mit einem weiteren wirksamen
Steuerungsmittel: der Mühlenkontin-
gentierung, mit der die Verarbeitung
der Mühlen auf den jeweiligen Bedarf aus-
gerichtet wird. Durch die Festsetzung
monatlicher Vermahlungsmengen wird
sichergestellt, daß jeweils soviel Mehl an-
fällt, wie zur Deckung des laufenden Be-
darfs einschließlich der erforderlichen
Lagerhaltung benötigt wird. |
Die getreideverarbeitenden Betriebe, be-
sonders der Mühlenwirtschaft, erweisen
sich zugleich als geeignete Nahtstellen, um
mit Hilfe eines genau durchgebildeten
Meldewesens eine laufende Übersicht
über den Stand der Warenbewegung und
der Lagerhaltung zu schaffen. Die Ver-
arbeitungsbetriebe sind verpflichtet, monat-
lich ihre tatsächlichen Verarbeitungs-
mengen, ihre Bestände und ihre Ein- und
Verkäufe zu melden, so daß hieraus jeder-
zeit abzulesen ist, wie in den einzelnen
Gebieten und sogar auch im einzelnen
Betrieb die Rohstofflage für die Sicherung
des täglichen Brotes aussieht.
Es ist dabei von Wichtigkeit, daß die ge-
ordnete Warenbewegung nicht nur von
einer organisch festgelegten Preisregelung
für den Erzeuger ausgeht, sondern auch die
Wirtschaftlichkeit der an der Verteilung
und Verarbeitung beteiligten Betriebe be-
rücksichtigt. Die einheitliche Festsetzung
angemessener Verarbeitungs- und Vertei-
lungsspannen gehört somit ebenfalls zu den
Aufgaben der Marktzusammenschlüsse.
Für die Getreide wirtschaft ergab sich hier-
bei die besondere Schwierigkeit, daß die
- aus der liberalen Marktwirtschaft willkür-
lich entstandenen Brotpreise unter poli-
tischen Gesichtspunkten im wesentlichen
unberührt bleiben mußten. Sollte trotzdem
die Wirtschaftlichkeit von Erzeugung, Ver-
arbeitung und Verteilung gewährleistet
werden, mußte daher mit entsprechenden
Stützungsmaßnahmen eingegriffen werden.
Diesem Zweck dient ein ziemlich umfang-
187
Z
f
reiches System von Ausgleichskassen, die
bei den Mühlen eingeführt worden sind,
um hier zunächst einmal diejenigen Mittel
abzuschöpfen und an anderer Stelle wieder
einzusetzen, die aus eigener Kraft inner-
halb der Getreidewirtschaft verfügbar ge-
macht werden konnten. Mit wachsendem
Ausmaße der gestellten Aufgaben ist es
allerdings notwendig geworden, darüber
hinaus später auch Öffentliche Mittel ein-
zusetzen, um die politisch gewünschte Auf-
rechterhaltung niedriger Brotpreise trotz
höherer Erzeugerkosten zu ermöglichen.
Auch in der Futtermittelwirtschaft
erwiesen sich mit Einführung der Markt-
ordnung mancherlei wesentliche Eingriffe
als erforderlich. Vor allem war es unver-
meidlich, im Wege der „Berufsbereini-
gung“ auch unmittelbar darauf Einfluß zu
nehmen, wer persönlich und vor allem
auch fachlich überhaupt die notwendigen
Voraussetzungen erfüllte, um auch weiter-
hin an der verantwortungsvollen Aufgabe
der Ernährungssicherung für das deutsche
Volk mitzuarbeiten. Die Vielzahl kleiner
und kleinster Mischfuttermittelverarbeiter
mußten eingehend überprüft werden. Es
kam darauf an, aus diesem Kreis jenen
Stamm zu erhalten, der allein durch die
entsprechenden technischen und fachmän-
nischen Voraussetzungen die Gewähr dafür
bot, qualitätsmäßig einwandfreie Futter-
mittel herzustellen. Für diese Betriebe
wurden dann außerdem bestimmte Grund-
sätze für die Herstellung von Mischfutter
aufgestellt, die die vorhandene Rohstoff-
grundlage berücksichtigen und auf die der
Landwirtschaft gegebenen Produktionsauf-
träge betriebswirtschaftlich abgestimmt
sind. Auch die städtische Tierhaltung
kommt hierbei im Rahmen des Erforder-
lichen zu ihrem Recht. Die damit erreichte
Stabilisierung der Verhältnisse auf dem
Mischfuttergebiet hat mit ihrer Bewährung
auch im Kriege allgemein eine entsprechen-
de Anerkennung von der Praxis gefunden.
Dieses ganze Ordnungssystem in der Ge-
treide- und Futtermittelwirtschaft ging zu-
nächst davon aus, daß der Erzeuger über
die Abgabe seiner Erzeugnisse selbst frel
verfügt. Die Zuspitzung der politischen
Lage und damit die Notwendigkeit- zur
Sicherung einer nationalen Getreidereserve
zwang jedoch schon im Jahre 1936 zu Ge-
treideablieferungskontingenten,
1937 zur Anordnung der totalen Ab-
lieferungspftlicht für Brotgetreide
188
und in der Folge zur Festsetzung von Kon-
tIngenten auch für Futtergetreide.
Hier zeigt sich nun im eigentlichen Kern
der Unterschied, der mit der Einführung
der Marktordnung gegenüber der liberalk
stischen Wirtschaftsordnung erreicht wur
de: Auch im vorigen Kriege galt die Ab
lieferungspflicht für Brotgetreide, und es
galten Kontingente für andere Erzeugnisse.
Der Erfolg dieser Maßnahmen war aber
damals völlig negativ. Demgegenüber ist
für die Kriegsernährungswirtschaft im
Zeichen der Marktordnung des Reichsnähr-
standes festzustellen, daß nunmehr bereits
zwei Jahre nacheinander die Getreide-
ablieferungen der deutschen Landwirtschaft
nicht nur die statistisch ausgerechneten
Möglichkeiten voll erfüllt, sondern diese
sogar in erheblichem Ausmaße überschrit-
ten haben! Die Erklärung für diesen so
auffallenden Unterschied liegt einfach
darin, dag die Marktordnung im Grunde
viel weniger eine Angelegenheit- äußerer
Vorschriften und Anordnungen als viel-
mehr eine Führungsleistung darstellt.
Die liberalistische Wirtschaftsauffassung
arbeitete mit dem Begriff unpersönlicher
sogenannter „Wirtschaftsgesetze“. Der
Nationalsozialismus führt demgegenüber
alle Begriffe er seine Beziehungen zum
Menschen selbst zurück. Auch der Markt
stellt durchaus nicht nur einen mechani-
schen Ablauf unabänderlicher wirtschaft-
licher Vorgänge dar. Er ist vielmehr das
Betätigungsfeld von Menschen, die ihre
Haltungen und danach ihre Handlungen am
Markt so oder so ausrichten können. Ge-
wiß kommt auch die Marktordnung nicht
ohne verbindliche Vorschriften aus. Diese
Vorschriften sind aber nur äußerer Rah-
men, und sie werden ausgefüllt von der
Bereitschaft zu selbstverantwortlicher Mit-
arbeit aller Beteiligten. Voraussetzung hier-
für war freilich zunächst einmal die Be-
seitigung des Mißtrauens oder gar der
offenen Gegnerschaft zwischen den ein-
zelnen Gruppen, also einer Erscheinung,
die für das liberalistische System gerade-
zu lebensnotwendig war. Demgegenüber
hat es die Führungsarbeit in der Markt-
ordnung verstanden, je länger je mehr
bestehende Gegensätze auszugleichen.
So sind auch die erfreulichen
Ablieferungsergebnisse noch im
dritten, vierten und fünften Jahre
dieses Krieges eindeutig das ET-
gebnis nicht nur bäuerlicher Lei-
stungsbereitschaft, sondern auch
vertrauensvoller Mitarbeit und
Gemeinschaftsleistung aller übri-
gen Gruppen vor allem in den Reihen
des Landhandels und der Genossenschaf-
ten. Auch die bereitwillige Mitarbeit wei-
tester Kreise der gewerblichen Ernährungs-
wirtschaft: auf den verschiedensten Ge-
bieten sei in diesem Zusammenhang be-
sonders anerkennend erwähnt. Denn die
vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Be-
teiligten in der Leistungsgemeinschaft der
nährständischen Wirtschaftverbände ist
tatsächlich der Kern aller Erfolge unserer
Marktordnung.
Je sicherer und zuverlässiger dieser
Kern ist, um so beweglicher und anpas-
sungsfähiger läßt sich der äußere Rahmen
der Marktordnung mit ihren Anordnungen
und Vorschriften halten. Es ist daher eine
ganz natürliche Entwicklung, daß mit fort-
schreitender Bewährung der Marktordnung
in zunehmendem Maße von der angeord-
neten auf die freiwillige, selbstverantwort-
liche Einschaltung. der Wirtschaft selbst
umgeschaltet werden kann. Diese Entwick- `
lung ist zugleich von außerordentlichem
Wert für den Erfolg der Marktordnung
selbst. Denn wo auch immer Wirtschaft
zu treiben ist, wird auf die Dauer selbst die
bestgeführte Verwaltung niemals gleiche
Erfolge zeitigen wie die freie Initiative
selbstverantwortlicher Wirtschaftsführer.
Gelingt es also, diese Initiative fort-
schreitend vom äußeren Zwang zu befreien
und sie nur durch entsprechende Führung
in die gemeinsame Zielrichtung einzuglie-
dern, so muß dies in jedem Falle dem
Ganzen zum Besten dienen. Wie stark
dieser Gedanke in der Marktordnung des
Reichsnährstandes Geltung hat, ist daraus
zu erkennen, daß selbst noch während des
Krieges gerade auf dem Gebiet der Ge-
treidewirtschaft eine bewußte Umschaltung
von der zentralistischen Verwaltungsarbeit
der Reichsstelle für Getreide auf die de-
zentrale eigenverantwortliche Mitarbeit
der Wirtschaft durchgeführt worden ist.
Gerade die mit der Bewältigung der
Luftkriegsschäden immer neu erwachsen-
den Aufgaben bestätigen, daß es nicht so
sehr auf die äußere Form und auf das Be-
stehen dieser oder jener Anordnung als
vielmehr darauf ankommt, jederzeit auf
eine einsatzbereite Leistungsgemeinschaft
zurückgreifen zu können, in der jeder Be-
teiligte aus eigenem Entschluß und in
eigener Verantwortung das tut, was im
gegebenen Augenblick zum Besten des
Ganzen notwendig ist.
Es steht daher fest, daß der durch nun-
mehr rund elf Jahre im allgemeinen und
im Kriege bewährte Grundsatz der Markt-
ordnung auch weiterhin folgerichtig bei-
behalten werden muß. Die Verhältnisse
des Krieges zwingen auf manchen Gebieten
zu Verschärfungen und zu Zwangseingrif-
fen, die das äußere Bild der Marktordnung
gelegentlich verschieben mögen. Diese
Kriegserscheinungen dürfen jedoch keines-
falls zu einer grundsätzlichen Verfälschung
und Verkennung der Marktordnung führen.
Die Zielsetzung bleibt unverändert: Nicht
Entmündigung, sondern Befreiung der Wirt-
schaft zu selbstverantwortlichem Einsatz
ihrer besten Kräfte. Es entspricht durch-
aus dieser Zielsetzung, daß z.B. auch die
Reichsstellen in der Ernährungswirtschaft
mehr und mehr aller tatsächlichen oder
nur vermuteten Tendenzen zur Monopoli-
sierung der Ernährungswirtsehaft entklei-
det worden sind. Aufgabe der Reichsstellen
ist es ausschließlich, dort aushilfsweise ein-
zuspringen, wo die zu lösenden Aufgaben
über das Leistungsvermögen der privaten
Wirtschaft hinausgehen. Das gilt z.B. für
die privatwirtschaftlich nicht tragbare
Sicherung nationaler Vorräte, für Einzel-
vorgänge der Warenbewegung, für ge-
wisse Aufgaben in der Ein- und Ausfuhr
udgl. mehr. Entsprechend sind die Reichs-
stellen als Geschäftsabteilungen eindeutig
den Hauptvereinigungen des Reichsnähr-
standes eingegliedert und ihnen damit als
Instrument zur Verfügung gestellt worden.
Es ist kein Zweifel, daß uns der Krieg
noch vor außerordentlich schwere Aufgaben
stellen wird, und diese Aufgaben werden
keinesfalls mit dem Tage abreißen, mit dem
die Waffen nach dem endgültigen Siege
niedergelegt werden können, Die bisher
erreichten Erfolge unter den verschiedensten
vorhergesehenen und nicht vorhergesehe-
nen Umständen berechtigen aber zu der
felsenfesten Überzeugung; daß der Grund-
satz der Marktordnung auch für die Zu-
kunft richtig bleibt. Wenn im einzelnen
Fehler auftreten, werden sie ohne Vor-
eingenommenheit und ohne systematische
Starrheit abzustellen sein. Im großen aber
gilt für die Zukunft wie für heute, daß die
Marktordnung des Reichsnährstandes zu
den wirksamsten Waffen gehört, die der
deutschen Sache den Sieg verbürgen.
189-
HEINZ K. HAUSHOFER:
Aus der Vergangenheit
IN DIE ZUKUNFT DER UMLEGUNG
ie Umlegung steht heute im Mittelpunkt
einer fruchtbaren Aussprache über die Neu-
gestaltung des deutschen Dorfes auf dem
alten deutschen Volksboden. Das liegt im
eigensten Sinne des Umlegers. Denn auf
keinem anderen Wege kann so deutlich wer-
den, daß sie der Angelpunkt ist, um den sich
die Entwicklung nicht nur der Verfahren,
sondern auch der Ideen bewegt. Angelpunkt
kann nur etwas Festes, Gewordenes sein, das
dementsprechend schon eine Geschichte hinter
sich hat — wie das bei der Umlegung der
Fall ist.
Nur diese gegenwärtige, einem sichtbaren
Ziele dienende Aussprache kann es recht-
fertigen, heute und hier auf die geschicht-
lichen Grundlagen der Umlegung zurückzu-
greifen. Dies auch nur dann, wenn dieses
Zurückgreifen so offen und vorurteilsfrei erfolgt,
daß davon wirklich Ergebnisse für die Zukunft
zu erwarten sind. In diesem Sinne ist die
Überschrift dieses Aufsatzes gewählt, der, auf
dem Weg von der Vergangenheit in die Zu-
kunft, die Erwähnung und Darstellung der
Gegenwart scheinbar vermissen läßt.
Die Gegenwart der Umlegung steht im
Zeichen der Pause, welche der Krieg bis
jetzt der Umlegung in ihrem deutschen Heimat-
bereich auferlegt hat. Diese Pause könnte
wohl dazu benutzt werden, um einen stolzen
Rechenschaftsbericht über das von der Um-
legung bis heute Geleistete abzulegen und um
einen Überblick darüber zu geben mit welchen
Kräften und welchen Erfahrungen die Um-
legung für ihre zukünftigen Aufgaben auf den
bereits erfaßten umlegungsbedürftigen Flächen
bereitsteht. Ein solcher Rechenschaftsbericht
wäre zur Ehre des sehr großen Teiles der
„Landeskulturverwaltung”, der heute bei der
Wehrmacht steht, durchaus berechtigt — soll
aber nicht Aufgabe dieses Aufsatzes sein.
Die alte Bezeichnung „Landeskulturverwal-
tung”, die wir eben verallgemeinernd für den
heutigen Umfang des Apparates der Umlegungs-
behörden gebraucht haben, läßt bereits ein Pro-
blem sichtbar werden, das auf den ersten Blick
190
vielleicht nachgeordnet erscheint, in Wirklich-
keit aber ein ganz grundlegendes ist: Es
mangelt uns an einer Bezeichnung,
die den Umfang und die Bedeutung der „Um-
legung“ im heutigen Sinne erfaßt und kräftig
zum Ausdruck bringt! Die alte „Landeskul-
tur” verkörperte wohl den größten und um-
fassendsten Anspruch, den der gestaltende
Mensch gegenüber der Landschaft erheben
konnte. Der Begriff „Landeskultur“ ist seiner
sprachlichen Herkunft (colo, cultus, cultura) und
seiner geschichtlichen Entstehung — in der
Goethezeit — nach so eng mit unserer geistigen
Kultur verbunden, daß er für immer eine ge-
wisse Ehrfurcht für sich beanspruchen kann —
ein Grund, ihn für immer für die Geschichte der
Landeskultur zu erhalten. Doch ist kaum zu
erwarten, daß er noch einmal lebenskräftig
werde wird. Ähnlich ist es mit den übrigen,
überwundenen geschichtlichen Bezeichnungen
für den Inhalt „Umlegung“, die wir nur ganz
kurz ins Gedächtnis zurückrufen wollen, denn
sie spiegeln oft genug den Grundgedanken
wider, der zu den damaligen Verfahren führte.
In Preußen z. B. begann die Tätigkeit unter dem
Namen Separation, d. h. Auseinander-
legung; die Tätigkeit des Herauslösens des
Einzelbesitzes aus dem Gemeindeorganismus
stand so im Vordergrund, daß es der Maßnahme
den Namen gab. Später heißt die bisherige
Auseinanderlegungin Preußen (wie später
auch in Osterreich) Zusammenlegung, also
begrifflich das genaue Gegenteil. Der alte
Gemeindeorganismus besteht nicht mehr, und es
steht nur das Zusammenfügen der einzelnen
Teilstücke zu lebensfähigen Einheiten im Vor-
dergrund. Dieser vom Einzelbesitz gewonnene
Gesichtspunkt überwiegt auch in den Bezeich-
nungen Verkoppelung (in Oldenburg und
Hannover, Arrondierung (in Bayern).
Konsolidierung (in Baden und Wöäürttem-
berg) und Kommassierung (in Osterreich).
Die Bezeichnung Flurbereinigung, die in
Bayern die Arrondierung ablöste, läßt schon
einen übergeoräneten Gesichtspunkt erkennen:
die ganze Flur wird als Gegenstand des Ver-
fahrens erkannt und bezeichnet.
Was für die Verfahren gilt, gilt ebenso für
die durchführenden Stellen. „Kulturamt“
und „Landeskulturamt‘ stammen noch aus einer
ungebrochenen, ihrer geistigen Herkunft be-
wußten Verwaltungstradition. Die — spätere —
österreichische „Agrarbehörde“ läßt kurz und
klar ersehen, um was es sich dabei handelt.
Ahnlich sachlich und glücklich war die der
„Agrarbehörde" parallele Prägung „Landstelle“,
die sich in den Jahren ihres Bestehens so gut
eingelebt hat, daß sie einer Erhaltung auch über
den Rahmen der ursprünglichen Entschuldungs-
aufgaben der Ländstelle hinaus für zukünftige
Aufbauarbeit wert ist. Auch die Anwendung
des Begriffs „Landbau“ bei den Landbauaußen-
stellen des Reichsnährstandes war glücklich. `
Die Bezeichnung der „Siedlungs- und Umle-
gungsbehörden‘ dagegen ist, obschon korrekt,
so doch schwerfällig und wird sich kaum so
einleben, wie es nötig wäre, um schon allein
von sich aus eine agrarpolitische Wirkung aus-
zuüben.
Wir haben aus den ägrarpolitischen Erfah-
rungen der letzten Jahrzehnte gelernt, daß
unbedingte Klarheit des organisato-
rischen Aufbaues und richtige Wahl
seiner Bezeichnungen zu den Voraus-
setzungen des Erfolgs einer bäuerlichen Bewe-
gung gehören, deren Teil die Umlegung sein
soll. Hier stellt sich also eine erste Aufgabe.
Die Umlegung soll nicht eine reine Behörden-
täligkeit sein, sondern Teil einer bäuerlichen
Bewegung. Damit kommen wir zur Stellung der
Umlegung im Rahmen einer Bauernpolitik, deren
Grundsätze nicht oft genug und mit den besten
Begründungen wiederholt werden können. Denn
wir standen vor 1933 und stehen heute vor der
merkwürdigen Tatsache, daß uns zwei raum-
fremde Agrartheorien gegenüber-
stehen, deren Lehrgebäude theoretisch schein-
bar geschlossener und konsequenter sind, als
unser eigenes: Erstens die Theorie unbe-
schränkter individueller Freizügigkeit und indi-
vidualwirtschaftlicher Arbeitsteilung, wie sie
beute noch durch eine Anzahl von Wirtschafts-
theoretikern der USA. und wieder durch ihre
Kriegsagitation vertreten wird; und zweitens
die Theorie der sozialistischen Planwirtschaft
nach vollzogener Sozialisierung aller Produk-
tionsmittel, heute verkörpert durch die Kollek-
tiv- und Staatswirtschaft in der Sowjetunion.
Beide Theorien sind offensiv. Sie
haben sich vor dem Kriege gegen das „theore-
tisch ungeformte“ Leben der europäischen
Bauernvölker gewendet und haben deren Agrar-
politik den Vorwurf eines reinen Konservieren-
wollens gemacht. Dieser Vorwurf bestand durch
einige Jahrzehnte zu Recht. Denn eine Agrar-
politik des reinen Konservierens wäre gegen-
über jeder der beiden revolutionären Thesen
von vornherein die schwächere. Erst die bio-
logische Begründung der europäji-
schen Bauernwirtschaft ermöglichte uns
die Aufstellung einer Erkenntnis und eines
Lehrgebäudes, das nun im Vergleich zu
den anderen Theorien notwendig das
längerwirkende sein muß. Eine solche
Formulierung erscheint heute kühn, ist aber
auch vom strengsten wissenschaftlichen Stand-
punkt aus haltbar. Denn die biologische Erfah-
rung, die unserer Auffassung vom Bauernhof
zugrunde liegt, konnte nur auf dem alten euro-
päischen Kulturboden gemacht werden, nicht
in den Vereinigten Staaten und nicht in der
Sowjetunion! — beides Räume, welche die bio-
logischen Probleme entweder noch nicht kennen
oder noch in der Läge sind, sie zu vernach-
lässigen.“ Mit geschichtlicher Notwendigkeit
wird aber der Zeitpunkt kommen, wo auch diese
Räume in unsere Probleme eintreten. Ob und
wie sie in ihren Ausgangsländern gemeistert
worden sind, wird dann für die heute in biolo-
gischen Dingen noch „naiven“ Großräume ent-
scheidend sein.
Versucht man, unsere Erkenntnis ganz sach-
lich und „unbeteiligt“ darzustellen, so liest sie
sich etwa folgendermaßen: „Eine ganz be-
stimmte, uns wohlbekannte Kombination von
Ackerbau und Tierzucht vermag. durch ihr
Gleichgewicht von entnommener Ernte und
wirtschaftseigenem Dünger auch die in der
Mehrzahl ungünstigen Böden Europas auf unbe-
grenzte Dauer ohne Ausbeutung gesund zu
erhalten. Bei einer gewissen Mindestgröße des
Betriebs ist diese Kombination auch imstande,
alle Errungenschaften heutiger und nach heu-
tiger Voraussicht zu erwartender Technik zu
nutzen. Der Umfang dieses Betriebes fällt zudem
in eine Größenordnung, die von einer Familie
zu bewirtschaften ist. Eine solche Familie hatte
auf einem derartigen Beirieb die Möglichkeit,
sich auf theoretisch unbegrenzte Zelt, praktisch
durch eine Reihe von Jahrhunderten ohne Aus-
beutung des Menschen zu behaupten. Sie kann
dabei alle volkswirtschaftlichen Leistungen voll-
bringen, welche außerdem im Lauf der Zeit von
ihr verlangt werden können.”
Die Richtigkeit dieser Theorie ist für die Ver-
gangenheit bewiesen, und zwar durch das
schärfste Kriterium, die Geschichte selbst. Der
Beweis ist nicht für einige wenige, vom Glück
begünstigte Betriebe erbracht worden, sondern
für ganze geschlossene Landschaften, ja für
Länder, die im Strukturgleichgewicht liegen. Für
die Zukunft genügt Zufriedenheit mit dieser
Feststellung nicht, weil in Krisenzeiten die
ungesunden, labilen Strukturen danach drängen,
die gesunden zu erschüttern. Die Zukunft der
191
Gebiete mit gesunder Struktur hängt also davon
ab, ob sie die Kraft haben, ihr Vorbild so
werbend zu machen, daß es eine ver-
pflichtende Kraft ausstrahlt. Erst diese
Kraft gibt dann dem Staat das Recht, einen
Zwang zur Verwirklichung dieses Vorbildes
auszuüben.
Aus diesen grundsätzlichen Überlegungen
wird die Angelstellung der Umlegung im großen
agrarpolitischen Geschehen klar. Sie ist un-
erklärlich ohne das in Wirklichkeit
vorhandene Vorbild, das die Bauern-
schaft selbst gestaltet hat. Sie ist ent-
standen aus dem Willen der Bauernschaft und
ihres Staates, dieses Vorbild auch da zu verwirk-
lichen, wo die Voraussetzungen nicht im nötigen
Maß vorhanden scheinen. Und sie wirkt, nach
dem Ende einer jeden Umlegung, ausstrahlend
weiter, und zwar in rein gebietlicher und in
politischer Hinsicht. Die letzte große Auswir-
kung der Umlegung ist der Freiwillige
Landnutzungstausch von heute. Wir ver-
stehen hier und im folgenden unter Umlegung
also mehr als nur „ein Verfahren unter anderen“.
Damit soll die Quintessenz an Erfahrung, d.h.
letzten Endes an politischer und bäuerlicher
Lebensweisheit, die in der Tradition eines ge-
stalteten Verfahrens steckt und es ganz allein
zu einem erfolgreichen macht, nicht verkleinert‘
werden, im Gegenteill Das gilt besonders auch
für die Reichsumlegungsordnung von 1937.
Von diesem Standpunkt aus ist es nur selbst-
verständlich, daß die beiden großen Ausstrah-
lungspunkte der Umlegung in Deutschland mit
jenen Gebieten in einem geschichtlichen Zu-
sammenhang stehen, die seit jeher in jenem.
schon angedeuteten Strukturgleichgewicht be-
harren. Die Karte der Verbreitung der landwirt-
schaftlichen Betriebsformen in Deutschland
zeigt zwei große Hauptverbreitungsgebiete des
groß- und mittelbäuerlichen Betriebes, also der
Betriebsgröße, die den oben formulierten Be-
dingungen unter durchschnittlichen Boden- und
Klimaverhältnissen entspricht: das nord-
westdeutsche und das südostdeutsche
Verbreitungsgebiet. (Kleinere Landschaf-
ten, wie z.B. das Altenburger Land, dürften bei
einer genaueren Darstellung nicht vergessen
werden!)
Die frühesten Mittelpunkte der Umlegung
liegen nun in Niedersachsen und im (heute
bayerischen und württembergischen) Allgäu mit
dem eigentlichen Schwerpunkt in der ehe-
maligen Reichsabtei Kempten. (Bildlich ge-
sprochen nimmt jene kleine süddeutsche ge-
fürstete Abtei eine agrargeschichtlich ebenso
bedeutsame Stellung ein, wie etwa das osna-
brückische Land unter seinem Kanzler Justus
Möser!) Die ältesten Umlegungsgebiete liegen
also in den Grenzgebieten zwischen Gebieten
ältester Einzelhof- oder Weilerfluren (mit Block-
fluren) und Dorffluren (mit Streifengewannen).
Aus der Spannung zwischen empfundenem Miß-
192
stand und benachbartem Vorbild entstand die
Abhilfe der Umlegung — selbstverständlich mit
den der Zeit entsprechenden Namen.
Diese frühesten Umlegungen sind nicht etwa
deswegen so fesselnd, weil sie der größeren
landwirtschaftlichen DOffentlichkeit fast un-
bekannt sind und sie es deswegen verdienten,
wieder bekannter zu werden, sondern deswegen,
weil sich fast alle im Verlauf der späteren Ver-
fahren entwickelten grundsätzlichen Gesichts-
punkte schon bei ihnen finden und dazu noch
einige, die später wieder in Vergessenheit
gerieten. `
Bei der Planung bäuerlich besiedelter Land-
schaften stößt man heute vielfach auf einen
Mangelan Vorstellungskraft, der sich
einer umwälkenden Strukturverände-
rung entgegenstellt. Es ist deshalb wichtig
zu wissen, daß die oben genannten Landschaften
einer von uns heute als mustergültig empfun-
denen Struktur nicht etwa von Urzeiten her so
gewachsen sind, sondern daß sie das Er-
gebnis bewußter, einschneidender
Strukturveränderungen sind. Das Ge-
sicht dieser Landschaften ist schon in vergan-
genen Jahrhunderten völlig verändert worden.
Vielleicht das großartigste Beispiel der Um-
legung einer großen Landschaft ist die soge-
nannte Vereinödung im Allgäu, über die wir
durch die beiden Münchner Dissertationen von
Ditz (1865) und Dorn (1904) sehr gut unter-
richtet sind. Die älteste Vereinödungsurkunde
stammt von 1550 — sie ist damit ein bedeutendes
agrargeschichtliches Dokument. Nachweisbar
seit Mitte des 16. Jahrhunderts erfüllt die Ver-
einödung als eine wahre Volksbewegung die
zweite Hälfte des 16. und das 17. Jahrhundert.
Sie leitet mit ihren Ausläufern im 18. Jahrhun-
dert in die Arrondierung des 19. Jahrhunderts
und damit in die heutige Umlegung über. Um
1830 heißt es noch deutlich „vereinöden oder
arrondieren“.
Der Begriff „Einöde” ist dem bayerischen
Sprachgebrauch so vertraut, daß es für ihn kaum
nötig ist, darauf hinzuweisen, daß er mit dem
Begriff „Ode“ im heute gebräuchlichen Sinn
nichts zu tun hat, sondern daß er den von
Grunddienstbarkeiten freien arrondierten Einzel-
besitz bezeichnet. Tatsächlich wurden ja auch
durch die Vereinödung die alten enggebauten
mittelalterlichen Dörfer zu jenen blühenden
Einzelhoffluren „abgebaut“, die heute das Allgäu
zu einer Perle unter den’ deutschen Agrarland-
schaften machen. Von der Vereinödung an
datiert auch die Möglichkeit seiner intensiven
Milchwirtschaft.
Ich hatte schon an anderer Stelle (in der in-
zwischen kriegsbedingt eingestellten „Wiener
landwirtschaftlichen Zeitung“) auf die Wichtig-
keit des Beispiels der Vereinödung hingewiesen.
Es zeigt, wie schnell sich die Bauernschaft der
neuen Idee bemächtigte, als sie die großen Vor-
teile eines radikalen Umbaues der Flurverfassung
P:
11
Se
E
S
—
I
—
I
Ba:
I
I
8
Ke We
P
p
~
i * KE
WW ras *
~, u
Zum Wochenende im Spreewald: Jungbäuerinnen haben die Be-
wirtung übernommen. — Aufbruch zur gemeinsamen Spazierfahrt
In vielen Dörfern, deren Lage
verkehrsgünstig ist, herrscht der
schöne Brauch, als kleines Zei-
chen des Dankes Verwundete
zum Wochenende einzuladen,
um ihnen ein paar frohe Stun-
den zu bereiten. Unsere Bilder
berichten von einer solchen
Wochenendfahrt in den Spree
wald. Selbstverständlich darfbei
der Bewirtung die Spreewälder
Gurke nicht fehlen
Zu den selbstverständlichen
Dankespflichten der Nation ge-
hört auch eine sorgfältige Vor-
bereitung der Kriegsversehrten
auf ihren künftigen Beruf durch
eine Umschulung, die es diesen
ermöglicht, trotz ihrer körper-
lichen Behinderung vollwertige
Arbeit zu leisten. Auf landwirt-
schaftlichem Gebiet findet die
Umschulung auf zahlreichen
von der Wehrmacht vertraglich
verpflichteten Schulungsstätten
statt. Die Versehrten müssen
zunächst bei einfachen Arbeiten
ihre Arbeitsprothesen gebrau-
chen lernen (Bild rechts).
Landmaschinenlehrgänge zeigen,
wie die verschiedenen Maschinen
zu handhaben sind (Bild oben:
Einstellung einer Drillmaschine)
Durch Einbau einer Handkuppelung &
auch ein Beinverletzter einen Schlep
einwandfrei bedienen (Bild links).
Gründliche Motorenkenntnisse sind W
aussetzung für jeden Schlepperführer.
dem Bild unten wird die Einstellung $
Magneten geübt
a "gëfteg e
SL TTC
erkannt hatte. Ein Vorgang, wie die Verein-
oͤdung in Oberschwaben, der in Deutschland
nicht allein dasteht, ist also der beste Gegen-
beweis gegen die Anschauung, daß der Bauer
aus grundsätzlichem Beharrungstrieb nicht im-
stande sei, eine so große agrarpolitische Ver-
änderung aus freien Stücken vorzunehmen.
Während zu Beginn der Bewegung eine Zwei-
drittelmehrheit zur Vereinödung nötig ist, ge-
nügt bald der Antrag nur eines Drittels, ja auch
nur eines Bauern. Auch die Durchführung
erfolgte mit einem bemerkenswerten Schwung.
Im Dorfe Kimratshofen z.B. wurde das ganze
Vorverfahren vom Antrag bis zum Beginn der
Vermessung in sieben Sitzungen in vier Tagen
erledigt (vom 8. bis 11. Juli 1738). Die fürst-
äbtlich kemptischen Feldmesser bewältigten
dann die Umlegung eines Dorfes in der Regel in
einem Zeitraum von einem Vierteljahr bis zu
einem Jahr. Es gab also keine Hindernisse, die
den einmal gefaßten Entschluß der Bauernschaft
wieder hätten einschlafen lassen oder auch nur
die geistige Bereitschaft zur Umlegung beein-
trächtigt hätten.
Die Quellen lassen immer wieder erkennen,
wie sehr die Bauern „den Segen der Verein-
ödung mit Händen greifen konnten“ und daß sie
wollten, „daß auch für ihre Gemeinde diese und
hundert andere Vorteile erblühen und zu ewigen
Zeiten auch von ihrer Nachkommenschaft die
herrlichen Früchte gesammelt werden möchten”.
Wir lächeln heute über diese etwas über-
schwenglichen Worte — aber hatten sie nicht
recht, wenn man ein Menschenalter später las:
„Manches Gut, das vorher nur eine Familie
kärglich ernährte, nährt jetzt deren zwei.“
Trotzdem ist nicht zu übersehen, daß ein ge-
wisser Prozentsatz der Bauernschaft auch in
dieser großen Bewegung „beim alten bleiben
wollte”. Den Neuerern war durchaus bewußt,
daß sie mit der Vereinödung ein „ewiges Werk“
schufen, wie noch heute im Volksmund eine
getane gute Arbeit genannt wird. In den Ur-
kunden finden sich immer wieder Bemerkungen
wie: „hinfür in Ewig Zeyt inhaben nuzen und
nießen.”
Das Gegenstück zum Allgäu, die Landschaft
der Verkoppelung und Koppelwirt-
‚schaft, ist schon durch Albrecht Thaer
hervorgehoben worden. Er hat im gleichen
. Sinne, wie wir heute die Vereinödung als Bei-
spiel und geschichtliche Wurzel für die Um-
legung der Zukunft heranziehen, die Verkoppe-
lung des 17. Jahrhunderts zur Propagierung
seiner Idee herangezogen. Er druckt in seinen
Annalen ein Schreiben von 1665 ab, in dessen
berühmtester Stelle die Auswirkung der Ver-
koppelung folgendermaßen charakterisiert wird:
u... daß durch diese Operationen wahre Wunder
in der Agrikultur hervorgebracht werden. Wo
sonst verfallene Wohnungen, ärmliche Men-
schen, verkümmertes Vieh und kärgliches Ge-
treide einheimisch war, fand sich in kurzer Zeit
alles wie umgezaubert.“
Die vollen Konsequenzen aus dem südost-
deutschen und nordwestdeutschen Vorbild des
16. bis 18. Jahrhunderts sind dann — trotz
Thaer — im 19. Jahrhundert nicht gezogen
worden. Ja, auch die Arbeiten von Ditz und
Dorn über die Vereinödung haben der dama-
ligen Umlegung (Flurbereinigung) keine wesent-
lichen Anregungen gegeben..
Die Bauernbefreiung des jungen 19. Jahrhun-
derts und die gleichzeitige Einführung der
„rationellen Landwirtschaft‘ auf dem Acker, der
nun aus seiner Bindung in dem gewaltigen
Automatismus des Flurzwanges entlassen war,
blieb nur Stückwerk. Eine grundsätzliche
Neuordnung der Feldflur und eine Auflockerung
der Dorflagen (die im 16. und 17. Jahrhundert
also schon eine Selbstverständlichkeit gewesen
waren!) hätte erst recht in der Zeit nach Thaer
folgen müssen, um den technischen Fortschritt,
d.h. die Fruchtwechselwirtschaft und die besitz-
rechtliche Reform, d.h. die Bauernbefreiung, zur
Auswirkung kommen zu lassen. Statt dessen
kam es in diesen Jahrzehnten fast regelmäßig
nur zu einer Aufteilung der Gemein-
ländereien. Die rückblickende Kritik hebt
heute die negativen Auswirkungen dieses Vor-
ganges hervor; bei den aufgeteilten Gemeinde-
weiden wohl zu Unrecht, trotzdem die inzwischen
da und dort erfolgte Einrichtung von Weide-
genossenschaften die Korrektur anzeigt; bei den
Gemeindewaldungen zu Recht, wie die Bewe-
gung zur Bildung von Forstverbänden dartut*).
Schon in den Anfängen der Umlegung liegen
die beiden Grundtatsachen, die von damals bis
heute für ihre Durchführung bestimmend ge-
blieben sind: das Aufgreifen des Gedan-
kens und der Entschluß zur Tat als
Aktion einer bäuerlichen Bewegung,
die vom Landesherrn als dem damaligen „Staat“
zwar ermöglicht und gefördert, aber nicht ver-
anlaßt wird — und die Durchführung als
Aufgabe eben dieses Staats, zu deren
Bewältigung er sich des „Beamten“ bedient, ob
es sich nun um den fürstäbtlichen Feldmesser
des 16. Jahrhunderts, den Vermessungsrat einer
Umlegungsbehörde oder den Leiter einer Land-
bauaußenstelle von heute handelt.
Dabei ist es einerseits nicht nur das technische
Können des Beamten, das ihn notwendig macht,
sondern auch die Tatsache, daß er von allen
Spannungenim Dorfunbelastetist und
daß ihm deswegen von der sonst dem Beamten
gegenüber oft ablehnenden Bauernschaft Ver-
trauen entgegengebracht wird. Andererseits war
es die alte Prärogative des Staates, daß er sich
zunächst die Beurkundung von Veränderungen
im Grundbesitz seiner Bauern selbst vorbehielt
und erst recht Eingriffe in den Besitzstand nur
selbst durch seine Beauftragten vornahm.
») In einzelnen Ländern und Landesteilen ist es indessen
auch in der Zeit der Bauernbefreiung zu Umlegungen ge-
kommen, die neben der besitzrechtlichen Regelung auch
die totale Neuordnung der ganzen Flur und der Dorflage
einschloß. Ein solches Land war Dänemark.
193
Wir stoßen also schon sehr früh auf die Ab-
grenzung zwischen dem Staat und der bäuer-
lichen Selbstverwaltung, und zwar an einem der
wenigen Punkte, der seit jeher unbestritten war:
daß Entscheidungen über den Besitz Sache des
Staates seien, weil sie nicht dem Einfluß der
übrigen Besitzenden unterworfen sein könnten.
Inzwischen ist durch den Freiwilligen
Landnutzungstausch eine neue Lage
eingetreten. Dieses neue Verfahren ist aus
dem dringenden kriegswirtschaftlichen Bedürfnis:
nach einer beschleunigten, d.h. stark verein-
fachten und auch im Kriege durchzuführenden
Umlegung entstanden. In der Praxis zeigt sich
auch überall, daß es sich in seinen Zielen der
Umlegung zwangsläufig nähert. Denn kein Bauer
will es bei dem einfachen Tausch der Land-
nutzung bewenden lassen, sondern will Eigen-
tümer werden, d.h. drängt mit seinen neuen
Parzellen ins Grundbuch. Die wirtschaftlichen
und rechtlichen Gründe dafür liegen vom Stand-
punkt des Bauern auf der Hand. Außerdem ist
dieses Streben agrarpolitisch sehr aufschluß-
reich. Denn es läßt erkennen, wie sehr der Bauer
ganz grundsätzlich jedes Auseinander-
klaffen von Nutzen und Besitz, d.h.
jeden Mir-ähnlichen Zustand ab-
lehnt. Insofern ist der Landnutzungstausch
den starken und einfachen Anfängen der Um-
legung im 16. und 17. Jahrhundert nahe ver-
wandt — einer Zeit allerdings, in der es noch
kein Grundbuch und keinen Grundsteuerkataster
gab. Nicht zuletzt läßt sich ein reiner Tausch
bestehender Grundstücke mit ihren kataster-
mäßigen Grenzen ohne Neuvermessungen nur
mit geringem Nutzeffekt durchführen. Der
Zwang zur Vermessung (ob nun in kleinerem
oder größerem Umfang) läßt heute schon den
Schluß zu, daß sich der Landnutzungstausch bei
einer ungestörten Entwicklung immer mehr
einer vereinfachten Umlegung annähern muß.
Diese Entwicklung ist sehr bemerkenswert.
Denn erstens konnte die Bedeutung der Um-
legung durch kein geschriebenes oder ge-
sprochenes Wort so bejaht werden wie durch
den Landnutzungstausch. Weiterhin wird die
Umlegung die Erfahrungen beim Landnutzungs-
tausch bei der Fortentwicklung ihres eigenen
Verfahrens nutzbringend verwerten können.
Der Landnutzungstausch leistet hier eine sehr
wertvollePionierarbeit, auch wenn seine
Entwicklung eines Tages wieder in die kom-
menden neuen Formen der Umlegung ein-
mündet.
Wenn festgestellt wurde, daß die Durchfüh-
rung der Umlegung seit ihren Anfängen als
Vereinödung oder Verkoppelung Sache des
Beamten war, so ist damit für das 16., 17. und
18. Jahrhundert ohne weiteres auch gesagt, daß
194
`
sie Sache der politischen Herrschaft (oder in
heutiger Terminologie: des Staates) war.
heute ist diese Feststellung nicht so eindeutig,
nachdem inzwischen die vom Staat eingerich-
teten obligatorischen Selbstverwaltungskörper-
schaften der Landwirtschaft zur Verkörperung
des agrarpolitischen Willens der Bauernschaft
erwuchsen. Träger der Arbeit in Staat und
Selbstverwaltung ist der Typ des tech-
nischen Beamten, in unserem Fall z.B. des
beamteten Landwirts, der erst in den letzten
Jahrzehnten ausgebildet wurde. Dieser neue
Typ wird am deutlichsten durch die Ausbil-
dungsverordnung von 1943 geprägt, die
ihn gleichermaßen durch die staatliche Verwal-
tung wie die Selbstverwaltung gehen läßt. Der
Begriff der Selbstverwaltung in seinem früheren,
reinen Sinn hängt dagegen mit der Ehrenamt-
lichkeit ihrer Träger und auch mit der Ehren-
amtlichkeit der Durchführung der Arbeit eng zu-
sammen. Wenn das Schwergewicht der geleiste-
ten Arbeit so weitgehend auf den beamteten
Landwirt verschoben wurde wie schon heute,
beginnt die Grenze zwischen Staat und Selbst-
verwaltung undeutlich zu werden. Aus dem
völlig gleichen Arbeitsstil dieses Fachmanns in
Staat und Selbstverwaltung ist also ein An
spruch auf ein Recht zur Durchführung der Um-
legung von keiner Seite mehr abzuleiten. Wo
die Durchfuhrung der Umlegung in Zukunft zu
liegen hat, ist daher nur eine Frage der Zweck-
mäßigkeit.
Die Geschichte der Umlegung zeigt ein-
deutig, daß es ebenso falsch ist, sie nur auf
die Initiative des Staates, wie nur auf die
Initiative der Bauernschaft zurückzuführen. Die
‚Entwicklung der Umlegung verläuft nicht
stetig durch die Generationen. Es hat Gene-
rationen gegeben, in denen der staatliche
Apparat mit der Zahl seiner Techniker den
Anforderungen der Bauernschaft kaum nach-
kommen konnte. Die Umlegung war in sol
chen Jahrzehnten eine wahre Volksbewegung,
das Beispiel wirkte weiter, und der Staat
konnte auf jede anregende Tätigkeit verzich-
ten. Er gab den gesetzlichen Rahmen, das
Verfahren und führte durch, Die Anlässe zu
einem derartig starken Mitziehen der Bauem-
schaft waren — und das darf nicht vergessen
werden — durchwegs wirtschaftliche!
So konnte in der Vergangenheit ein aufblü-
hender Wirtschaftszweig die Umlegung fördern
oder erzwingen, wie heute der Einsatz der
Technik und der Arbeitskraft. Auf der ande-
ren Seite konnte es nötig sein, den Gedanken
der Umlegung durch saturierte, rein konser-
vativ denkende Perioden hindurchzutragen;
Perioden, in denen vielleicht die Gedanken
der Bauernschaft sich wirtschaftlich im ganz
/
anderer Richtung bewegen mußten. Gerade
dann, wenn kein augenblicklicher wirtschaft-
licher Vorteil lockte, keine Not zwang und
kein Beispiel zündete, war es die Aufgabe
des Staates (und der Wissenschaft).
die Linie der agrarpolitischen und
der Arbeitstradition der Umlegung
zu kalten.
Wir wollen am Schlusse zusammenfassend
die Verfahren oder Planungen aufzeichnen, die
sich mit der Neugestaltung des deutschen Dor-
fes befassen: Ohne Zweifel das älteste ist
die Siedlung, heute als Neubildung deut-
schen Bauerntums in ein erprobtes Verfahren
gebracht. Ihr Stammbaum läuft durch alle Pe-
rioden der deutschen Geschichte hindurch —
nur ist die Kontinuität der zugrunde liegen-
den Gedanken nicht allgemein bewußt. Das
zweitälteste (wie es ja geschichtlich nicht
anders sein kann) ist die Umlegung, die auf
eine wissenschaftlich erforschte Geschichte
von rund 400 Jahren zurückgeht. Der Land-
nutzungstausch ist eine neue Phase im Be-
streben, die Umlegung lebendig zu erhalten.
Die dritte Gruppe von Verfahren und
Planungen ist in den letzten Jahren entstanden:
der Gemeinschaftsaufbau im Bergland
und die Vorarbeiten für die Aufrüstung
des Dorfes. Zwischen den drei Gruppen
steht die Planungsarbeit der Bestandsaufnah-
men und der Wunschbilder für zukünftige Be-
und Aussiedlungsmaßnahmen. Die genannte
dritte Gruppe ist der geschichtliche Ausdruck
der technischen Revolution und ihrer Auswir-
kung auf das Dorf. Weder das bisher ent-
wickelte Siedlungs- noch das Umlegungs-
verfahren hatte diese technische Entwicklung
berücksichtigt: das Siedlungsverfahren hatte
keinen Anlaß, sich um die bestehenden Dörfer
zu kümmern, weil seine Aufgabe war, neu-
zeitliche Neubauernhöfe zu begründen; der
Umlegung war seit 1937 zwar die Dorfauflocke-
rung als Aufgabe eröffnet, aber noch nicht
die technische Aufrüstung des Dorfes.
Es scheint eine geschichtliche Erfahrungs-
tatsache, daß traditionsreiche Verfahren nur
sehr selten in der Lage sind, von sich aus
ewas Entscheidendes zu ihrer Verjüngung zu
tun. Die Anstöße dazu müssen von außen
kommen. Aufgabe der agrarpolitischen Füh-
rung war es dann stets, zunächst die Anstöße
gewähren zu lassen, bis sich die Richtigkeit
ihres Ansatzes erwiesen hat; dann aber früher
oder später die Einheit des erneuerten
Verfahrens wieder herzustellen, um
die Gefahr einer Parallelentwicklung zu ver-
meiden. Der Vorgang beim Verjüngen eines
Obstbaumes darf als Gleichnis vor Augen ge-
bracht werden! S
In einer ähnlichen Lage ist die Umlegung.
Es ist nicht nur ihr Verhältnis zum Land-
nutzungstausch, das eines Tages zu ihrer
Weiterentwicklung beitragen wird. Auch ihr
Zusammenhang mit der Neubildung deutschen
Bauerntums wird ein unlösbarer in dem
Augenblick, in welchem ganze Landschaften
bearbeitet werden sollen. Diese Einheit wird
heute schon andeutungsweise in Bestandes-
aufnahme und Wunschbild verkörpert. Erst
recht muß die Umlegung mit der Aufrüstung
des Dorfes in ein enges Verhältnis treten,
sobald deren Pläne in die Wirklichkeit um-
gesetzt werden sollen. Das gleiche gilt für ihr
Verhältnis zum Gemeinschaftsaufbau im Berg-
land überall da, wo es sich auch im Bergland
um geschlossene Dorflagen mit Gewannfluren
handelt. Nicht zu vergessen ist ferner das
Berücksichtigen der Anregungen, die von der
Seite der Landschaftsgestaltung, also von den
Schulen der Seifert und Wiepking-
Jürgensmann gegeben wurden. Von dieser
Schule der Landschaftsgestaltung ist das öffent-
liche Interesse in einer sehr tiefgehenden Weise
erregt worden. Dieses Interesse einer geistig
sehr wesentlichen Schicht kann echterland-
wirtschaftlicher Kulturarbeit einen
nicht zu unterschätzenden Auftrieb
geben. Der Umleger wird also den Land-
schaftsgestalter nicht als Kritiker oder Hemm-
schuh, sondern als einen seiner wichtigsten
Verbündeten erkennen.
Man kann sich sehr wohl vorstellen, daß zu
unserem Siedlungs- und Umlegungsverfahren
nun ein drittes technisches Aufbauverfahren
tritt, dessen Bausteine inzwischen im Gemein-
schaftsaufbau im Bergland erarbeitet werden.
Diese drei Verfahren könnten auch wohl bei
sorgfältiger Organisation der Zusammenarbeit
nebeneinander weiterlaufen. Es ist aber nicht
zuviel vermutet, daß die Entwicklung
noch stärker wie jetzt zur Vereinheit -
lichung in einem deutschen „Agrar-
verfahren” oder „Landordnungsver-
fahren” drängt, das alle die genannten
bisherigen Verfahren als Spielarten der Anwen-
dung auf das eine Ziel in sich vereinigt; ein
Verfahren also, das es gestattet, die Umlegung
der Feldflur im alten Stil, die Dorfauflockerung
mit der Errichtung von Neubauernhöfen und
die technische Aufrüstung des Dorfes nach
Bedarf einzusetzen.
Die Zukunft der Umlegung wäre schon dann
keine kleine, wenn es nur bei einer Weiter-
arbeit nach der heutigen Reichsumlegungsord-
nung bei jener technischen Beschleunigung der
Verfahren bliebe, die bereits in Arbeit ist: sie
wird aber um so größer werden, je größere Ziele
sie sich setzen darf!
195
KURT HECHT:
'KARTOFFELWIRTSCHAFT
IM FRIEDEN UND IM KRIEGE
Z ehn Jahre EE E EAA S
Is nach der Machtergreifung im Jahre 1933
die nationalsozialistischee Agrarführung
daranging, den landwirtschaftlichen Markt zu
ordnen, erhob sich die Frage, inwieweit es not-
wendig sei, auch auf dem Gebiet der Kartoffel-
wirtschaft eine umfassende Marktordnung ein-
zuführen.
Nachdem ungefähr fünf Jahre nach Beendi-
gung des Weltkrieges die Kartoffelernten wieder
die Vorkriegshöhe angenommen hatten, trat
von Jahr zu Jahr ein immer stärkerer Preis-
verfallein, der seinen Tiefpunkt im Jahre 1932
erreichte. Der Erzeuger erhielt zu diesem Zeit-
punkt für seine an den Markt gebrachten
Speisekartoffeln nur noch ungefähr 50 bis
60 Prozent des Entgelts, das er 1913 erzielen .
konnte. An diesem unerträglichen Zustand
waren vor allem die Machenschaften des von
jüdischen Großkapitalisten beherrschten Kar-
toffelgroßhandels schuld. Es hatte sich bei Ab-
satzschwierigkeiten eingebürgert, Speisekar-
toffeln aus den Uberschußgebieten des Ostens
nach den Verbrauchsgebieten des Westens ohne
Bestellung zur kommissionsweisen Verwertung
zu senden. Letzten Endes hatte nicht nur immer
der Erzeuger den Schaden für diese zerrütteten
Marktverhältnisse zu tragen, sondern auch der
Verbraucher war der Willkür der Spekulation
ausgesetzt. Er konnte sich niemals im voraus ein
Bild über die zur Deckung seines Speisekartoffel-
bedarfs notwendigen Ausgaben machen. Im
übrigen wurden die Schwankungen bei der Kar-
toffelpreisbildung oftmals zur Aufputschung po-
litischer Leidenschaften benutzt.
Daneben war der Absatz von Fabrikkar-
toffeln ebenfalls von der Konjunktur der aus
Kartoffeln hergestellten Erzeugnisse abhängig
geworden. Durch den Weltkrieg hatten die
deutschen Stärke- und Stärkeveredelungser-
zeugnisse ihren vormaligen Absatz auf dem
Weltmarkt verloren und außerdem mit dem
Wettbewerb der aus eingeführtem billigem Mais
hergestellten gleichartigen Erzeugnisse zu
kämpfen.
Ganz besonders schlechte Verhältnisse waren
auf dem Frühkartoffelmarkt insofern ein-
getreten, als durch die sinkende Kaufkraft der
Bevölkerung und durch das Ansteigen einer
196
ungehemmten ausländischen Einfuhr der deutsche
Frühkartoffelanbauer nur wenige Tage in den
Genuß eines auskömmlichen Preises kam. Daher
wurde der Hebel zuerst bei der Ordnung des
Frühkartoffelmarktes angesetzt, indem im
April A934 ein Sonderbeauftragter und Gebiets-
beauftragte für die Regelung des Absatzes von
Frühkartoffeln benannt wurden. Ihre Aufgabe
war es, für auskömmliche Preise zu sorgen und
den Absatz zu lenken. Dies wurde durch Fest-
setzung von Mindestpreisen erreicht, die in be-
stimmten Zeiträumen entsprechend den Erzeu-
gungsbedingungen abgestuft wurden. Darüber
hinaus wurden In den Haupterzeugungsgebielen
die Frühkartoffeln über Ortssammel- und Be-
zirksabgabestellen geleitet, um dadurch eine
Zerrüttung des Marktes infolge zu starken An-
gebotes zu vermeiden. Vor allem wurde die
ausländische Einfuhr zurückgedrängt. Mit den
ausländischen Lieferanten wurden über Preise
und Lieferzeiträume Absprachen getroffen, die
dem Schutze der deutschen Erzeugung dienten.
Diese ersten revolutionären Maßnahmen
waren von großem Erfolg begleitet. Nur die
Spekulanten glaubten, daß mit Beendigung der
Frühkartoffelzeit wieder die Zeit für ihre
Machenschaften kommen würde Um das zu
verhindern und vor allem den deutschen Er-
zeugern einen gerechten Preis für die weitaus
bedeutendere Menge der Spätkartoffeln zu ge-
währleisten, wurde die Frühkartoffelmarktord-
nung mit entsprechenden Abänderungen unter
Beibehaltung des Systems der Beauftragten auch
auf die Spätkartoffelbewirtschaftung ausgedehnt.
Die zu lösende Aufgabe war für die gesamte
Agrarpolitik von solcher Bedeutung, daß im
Mai 1935 eine
eigene Hauptvereinigung der
deutschen Kartoffelwirtschaft
ins Leben gerufen wurde.
Nachdem nunmehr ein festumrissener Mit-
gliederkreis gegeben war, wurde neben der
Preisgestaltung vor allem die Bereini-
gung des Handels in Angriff genommen.
Für das ganze Reichsgebiet gültige Gütevor-
schriften mit klaren Bestimmungen über die
Verantwortlichkeit der am Handel beteiligten
Gruppen dienten der Erziehung und dem gegen- .
seitigen Schutz.
Ganz besonders nahm sich die junge Haupt-
vereinigung der be- und verarbeitenden Kar-
toffelbetriebe an, indem sie durch Schaffung
einer eindeutigen Kontingentierung den Aus-
gangspunkt für den weiteren Aus- und Aufbau
schaffte. Durch Bereitstellung von staatlichen
Zuschüssen wurden die Betriebe, die infolge der
vorhergegangenen Konjunkturwirtschaft finan-
ziell geschwächt waren, zu neuzeitlicherer und
wirtschaftlicher Gestaltung veranlaßt. Die seit
Jahren unter Absatznot leidenden Kartoffel-
{locken wurden mit staatlichen Mitteln so
verbilligt, daß ihre Verwendung in der Schweine-
mast und der sonstigen Viehhaltung wirt-
schaftlich wurde.
Die Unabhängigkeitsbestrebungen des Reiches
von ausländischen Getreideeinfuhren erleich-
terten die Aufgabe, Kartoffeln zum Grundfutter-
mittel unserer ausgedehnten Schweinehaltung
zu machen. Durch Reichsmittel unterstützt, wur-
den die Erzeuger bestimmt, Siloraum für die
Vorratshaltung von Futterkartoffeln zu bauen.
Nachdem einige Jahre Mindest- und Höchst-
preise für Speise- und Fabrikkartoffeln bestan-
den hatten, stellte sich heraus, daß infolge der
unterschiedlichen Frachtbelastung die am wei-
testen von den Märkten oder Verarbeitungs-
stätten entfernt liegenden Gebiete immer erst
nach dem Ausverkauf der marktnahen Gebiete
bei ihrem Absatz zum Zuge kamen. Dies war um
so störender, als gerade der durch das libera-
listische Zeitalter notleidend gewordene Osten
des Reiches hiervon betroffen wurde. Diese toten
Winkel in den Erzeugungsgebieten wurden
insofern vermieden, als der Preis für Speise-
und Fabrikkartoffeln auf einen Franko-
preis umgestellt wurde, indem nunmehr der
Erzeuger die Fracht tragen mußte und es dem
Verbraucher gleichgültig sein konnte, aus wel-
chen Gebieten des Reiches er seine Kartoffeln
bezog. Diese Belastung nahm der Erzeuger so
lange auf sich, als er sich um den Absatz seiner
Kartoffeln bemühen mußte. Durch den seit 1938
von Jahr zu Jahr steigenden Bedarf an Speise-
und Fabrikkartoffeln wurden die Absatzerwar-
tungen der Landwirtschaft befriedigt und dar
über hinaus Mengen gefordert, die über diese
Erwartungen hinausgingen. Da die Erzeuger
nunmehr ein Interesse daran hatten, nicht zu
hohe Frachten tragen zu müssen, bestand die
Gefahr, daß von den Uberschußgebieten weit
entfernte Versorgungsorte nur zögernd oder
nicht ausreichend beliefert wurden. Nachdem
einige Zeit zur Vermeidung dieses Umstandes
Reichszuschüsse über eine gewisse Frachthöhe
hinaus bezahlt wurden, wurde deshalb eine end-
gültige Lösung durch die Einführung eines
Frachtenausgleichs für Speise- und
Fabrikkartoffeln geschaffen.
Als im Jahre 1935 bei Beginn der Erzeugungs-
schlacht die Forderung auf Erreichung der
50 Millionen Tonnen Kartoftelernte gestellt
wurde, glaubten viele, dagegen einwenden zu
müssen, daß für solche Kartoffelernten über-
haupt keine Verwertungsmöglichkelten vor-
handen seien. Die Durchfuhrung der Marktord-
nung bis zum Beginn des großen europäischen
Krieges hatte bewiesen, daß bei richtigen Maß-
nahmen keine Kartoffelernte zu groß sein
konnte. Damit war gleichzeitig der Beweis er-
bracht, daß eine erfolgreiche Ordnung des Mark-
tes die Voraussetzung für die Steigerung der
Erzeugung ist. Im Rahmen der Maßnahmen zur
Erzeugungsschlacht war besonderer Wert neben
der Steigerung der Düngung und der Verbesse-
rung der Anbau- und Erntemethoden auf zweck-
entsprechende Züchtung und die Ausdehnung
des Pilanzkartoffelanbaus in den klimatisch
hierzu geeigneten Gebieten gelegt worden. Von
Jahr zu Jahr standen steigende Mengen von
gesundem Pflanzgut den unter Abbauerschei-
nungen leidenden Gebieten zur Verfügung.
Zusammenfassend kann festgestellt werden,
daß die Arbeit der Hauptvereinigung der deut-
schen Kartoffelwirtschaft in den zurückliegenden
Friedensjahren der Schaffung klarer Preis- und
Absatzverhältnisse, der Verstärkung der Her-
stellung von Kartoffelveredelungserzeugnissen,
der Heranziehung und Ausbildung wirtschafts-
politisch gleichgerichteter und tatkräftiger
Nährstandskaufleute und Genossenschaften galt.
In diesem Krieg, den das deutsche Volk zur
Wahrung seiner Freiheit zu führen gezwungen
ist, hat die Kartoffelals Nahrungsmittel,
Rohstoff und FEFutter grundlage eine,
von Kriegsjahr zu Kriegsjahr stei-
gende Bedeutung. Es kommt daher darauf
an, die Erzeugung trotz mangelnder Betriebs-
mittel möglichst hoch zu halten. Durch eine
starke Ausdehnung der Erzeugung anerkannter
Pflanzkartoffeln in den ersten vier Kriegsjahren
gelang es, den kriegsbedingten Rückgang der
Kunstdüngeranwendung in hohem Maße auszu-
gleichen. Der zunehmende Bedarf an Speise-
kartoffeln für die Volksgenossen in den Städten
und für die Wehrmacht hatte zur Folge, daß der
östliche Teil des Reiches als Haupterzeugungs-
gebiet immer größere Mengen an Speisekartof-
feln aufbringen mußte.
Bei einer Verdoppelung des friedensmäßigen
Verzehrs von Speisekartoffeln der Nichtselbst-
versorger stieg der übergebietliche Verkehr nun-
mehr auf das Vierfache der Vorkriegsjahre.
Hiermit ist eine Leistung vollbracht worden, die
neben der Ablieferungswilligkeit der Erzeuger
im besonderen dem Einsatz der Reichsbahn zu
danken ist. l
Zur Sicherung des Bedarfs der Zuschußgebiete
und zur Vermeidung von Kreuz- und Quertrans-
porten wurde der übergebietliche Verkehr durch
die Hauptvereinigung der deutschen Kartoffel-
wirtschaft gelenkt.
Um rechtzeitig genügend Speisekartoffeln den
Verbrauchern zur Verfügung stellen zu können,
197
mußte die Vorratshaltung gegenüber den
Friedensjahren wesentlich gesteigert werden.
Da diese Aufgabe über das Leistungsvermögen
des bestehenden Apparates der Kaufleute und
Genossenschaften hinausging, wurde in den
ersten Tagen des Krieges der Hauptvereinigung
der deutschen Kartoffelwirtschaft eine Ge-
schäftsabteilung angegliedert mit dem Auftrag,
zusätzlich große Aufkäufe und Lagerungen
durchzuführen. So wurde im ersten Kriegswinter
eine Reichskartoffelreserve geschaffen
sowie im weiteren Verlauf des Krieges durch
Abschluß von Einlagerungs- und Lieferungs-
verträgen mit den Erzeugern, durch Anlage von
Mietenlagerplätzen und zusätzlichen Behelfs-
lagerräumen jährlich eine Menge von mehreren
Millionen Tonnen von der öffentlichen Hand
erfaßt, gelagert und dem Verbrauch zugeführt.
Infolge vermehrter Inanspruchnahme bereits
vorhandener Kartoffellagerräume für andere
Zwecke machte sich der Bau von Kartoffellager-
häusern notwendig. Es gelang, hierdurch im
dritten und vierten Kriegsjahr eine Einlage-
rungsmöglichkeit für fast eine halbe Million
Tonnen Kartoffeln neu zu schaffen.
Während in den Friedensjahren die Verteilung
der Kartoffeln in den Städten vom Großhandel
zum Einzelhandel nur in beschränktem Umfang
beeinflußt wurde, forderten die Kriegsverhält-
nisse eine straffe Lenkung der Ware bis zum
Verbraucher. Zur Sicherung der im dritten
Kriegsjahr eingeführten Bezugsregelung wurden
deshalb in den Stadtgebieten Bezirkseintei-
lungen für den Handel vorgenommen und
jeweils alle Empfangsverteiler einer Stadt
zusammengeschlossen, an deren Spitze ein
Gruppenverteiler gestellt wurde, dem die
zentrale Schleusung und gleichmäßige Vertei-
lung der Kartoffeleingänge obliegt.
Im Gegensatz zum vergangenen Weltkrieg
wurde jetzt mit allen Mitteln versucht, die Ver-
arbeitung von Kartoffeln auf Stärke, Flocken
und Walzmehl in dem schon in Friedensjahren
gesteigerten Ausmaß aufrecht zu erhalten. Kar-
toffelerzeugnisse spielen besonders im Kriege
eine größere Rolle, als allgemein angenommen
wird. Neben dem Einsatz für dringendste Be-
darfe der Ernährungswirtschaft wie Kinder-
nähr mittel, Puddingpulver, Sago,
Traubenzucker Dextrose), Stärkesi-
rup für Süßwaren und Marmelade und
Beimischung zu Mahlerzeugnissen aus Roggen
nehmen die Kartoffelveredelungser-
z eugnisse eine Schlüsselstellung in der
Rüstungsin dustrie und in großer Zweigen
der gewerblichen Wirtschaft ein. Diese
Bedeutung forderte auch hier die zentrale Er-
fassung der Ware und Lenkung des Absatzes. So
arbeiten die Stärkeverkaufsgemein-
scheaft und die Kartoffelflockenzentrale
als rationalisierter Verkaufsapparat aller Her-
stellerbetriebe nach den Weisungen der Haupt-
vereinigung der deutschen Kartoffelwirtschaft
198
"Kriegsbewirtschaftung mit
und sind auf diese Weise in die Marktordnung
eingebaut.
Die Spirituserzeugung beruht auch im
Kriege im wesentlichen auf der Kartoffelverarbei-
tung, wenn auch erntebedingt andere Rohstoffe
wie z.B. Zuckerrüben eingesetzt werden müssen.
Für das Gelingen der Umstellung auf die
ihren wesentlich
strengeren und schärferen Formen war die schon
in Friedensjahren richtig aufgebaute und be-
währte Marktordnung Voraussetzung. Bei dem
Aufbau der Organisation der Kartoftfelwirtschaft
war von dem Grundsatz ausgegangen worden,
den notwendigen Verwaltungsapparat möglichst
klein zu halten. Das bedingte, daß sich die
Hauptvereinigung mit ihren Kartoffelwirtschalis-
verbänden allein auf die Aufgabe der Führung
beschränkte und die Durchführung den Kräften
der beteiligten Wirtschaftskreise überließ. Die
Kriegsbewirtschaftung stellte selbstverständlich
wesentlich höhere Ansprüche an die Marktord-
nungsorgane, die trotz Einberufung vieler wert,
voller Kräfte zur Wehrmacht zahlenmäßig nicht
erweitert wurden, sondern sogar eine Verringe-
rung um 10 Prozent erfuhren. Auch die neu aut-
gebaute Geschäftsabteilung wurde unter Befol-
gung des genannten Führungsgrundsatzes klein
gehalten, indem Kaufleute und Genossenschaften
selbstverantwortlich weitestgehend eingeschal-
tet wurden.
Wo die Durchführung der Marktordnung un-
bedingt eine Vertiefung erfahren mußte, wie bei
der Durchorganisation der Erfassung, ist nicht
der Verwaltungsapparat vergrößert, sondern
sind ehrenamtliche Mitarbeiter herangezogen
worden. Aus diesem Grundsatz heraus ist es zur
Ernennung von Beauftragten für die Kar-
toffelwirtschaft — jeweils für das Gebiet
einer Kreisbauernschaft — gekommen.
Uberblickt man noch einmal die zehnjährige
Tätigkeit der Hauptvereinigung und ihrer Ver-
bände, so ergeben sich folgende Erkenntnisse:
1. Der Krieg hat die Kartoftelwirtschaft vor
vollkommen neue Aufgaben gestellt.
2. Diese Aufgaben wurden unter Wahrung des
Führungsprinzips mit einem kleinen Stab von
Mitarbeitern unter maßgebender Einschaltung
der privatwirtschaftlichen Kräfte bewältigt.
3. Die Marktordnung wird auch im Kriege
gemäß den schon friedensmäßig gegebenen
Grundsätzen weitergeführt.
Auf dieser Grundlage wird auch in kommen-
den Friedensjahren gearbeitet werden müssen,
denn die Kartoffel als wichtigte Frucht für die
Intensivierung der leichten Böden des deutschen
Ostens muß in ihrem Anbau erhalten und in
ihren Ertragsleistungen gesteigert werden. Bei
einem dann zu erwartenden Rückgang des Speise-
kartoffelbedarfs muß die Kartoffel Rückgrat
einer ausgedehnten Schweinehaltung und Roh-
stoff für eine erweiterte Herstellung höchstwer-
tiger Veredelungserzeugnisse sein.
FRANZ G. M. WIRZ:
„HOT SPRINGS - COLD WATER:
„HEISSE QUELLEN — KALTER KAFFEE”
Eine ernäbrungspbysiologisce Auswertung
ls es das Zeitalter der Industrialisierung
England ermöglichte, seinem Überseehandel
neue ungeahnte Möglichkeiten zu erschließen,
opferte es sein Bauerntum und seine boden-
ständige Ernährung dem Freihandel zuliebe, um
mit diesem liberalistischen Wirtschaftssystem
seine Industrieerzeugnisse in der ganzen Welt
zu wirtschaftlichem und politischem Nutzen ab-
setzen und unter anderem hochwertigste Nah-
rungsgüter zu billigsten Preisen dabei ein-
tauschen zu können. Diese Entwicklung führte
in England selbst zweifellos zu einem außer-
gewöhnlichen Wohlstand bestimmter Kreise und
trug auch zu der politischen Machtvergrößerung
wesentlich bei, während die Industriearbeiter
nicht viel weniger als die Bauern die Leidtra-
genden wurden. Ebenso wie hierbei die na-
tionale Wirtschaft durch Weltwirt-
schaft und die nationale Arbeitslei-
stung durch Weltarbeitsteilung ab-
gelöst wurde, so trat an die Stelle der boden-
ständigen Ernährung die Weltwirtschaftsernäh-
rung, bis diese mit 75 Prozent die Gesamt-
ernährung des englischen Volkes decken mußte.
Bodenständige Ernährung, die sich durch Jahr-
hunderte und Jahrtausende in einem bestimmten
klimatisch wie geologisch charakteristischen
Lebensraum für Menschen bestimmter Art und
Rasse aus Instinkt und Erfolg heraus entwickelt
hat und diesem oder jenem Volke eine volle
biologische Lebensmöglichkeit gewährt hat, ist
ein organisches natürliches Gebilde, während .
die Weltwirtschaftsnahrung ihrem ganzen We-
sen nach ein spekulatives Produkt darstellt, ge-
horcht sie doch nicht den ewig gültigen inneren
Gesetzen zwischen artgebundenen Lebewesen
und umweltbestimmter Ernährung, sondern ver-
sucht im Rahmen des größtmöglichen wirtschaft-
lichen Nutzens das rein mengenmäßige Nah-
rungsbedürfnis zur Erhaltung billiger Arbeits-
kräfte knapp zu befriedigen. S
|
- Ernährungsänderung,
Viele Tausende von Jahren sind vergangen,
seit der seßhafte, den Boden bearbeitende, pflü-
gende, säende und erntende Bauer und Vieh-
züchter den früchtesammelnden und tierjagen-
den Nomaden ablöste. Englandabermachte
im vorigen Jahrhundert sein ganzes
. Volk wieder zu Nomaden, die sich ihre
Nahrung so, wie sie die Weltwirtschaft darbot,
kaufen mußten. Die Art der Ernährung
wurde also nicht mehr den ernäh-
rungsphysiologischen Bedürfnissen
entsprechend gestaltet, wie dies zwangs-
läufig bei der bodenständigen Ernährung der Fall
gewesen war, sondern siewurdedurchdie
Wirtschaft bestimmt. So kam es zu einer
deren physiologische
Schwächen und Schäden heute offenbar und
auch von aller Welt anerkannt sind. Sogar die
jahrelangen Untersuchungen einer eigenen
Kommission des demokratischen Völkerbundes,
die ihre diesbezüglichen Berichte in den Jahren
1936 und 1937 veröffentlichte, endeten mit die-
sem Ergebnis. Unter den vielen gleichlaufenden
Einzeluntersuchungen ist besonders eine von
dem Dänen Pedersen über die Ernährungs-
wandlung bei den Eskimos Westgrönlands und
deren Folgen hervorzuheben. Auch diese wur-
den nämlich in die weltbeglückende Arbeits-
teilung einbezogen und tauschten 60 Prozent
ihrer vollgesunden Ernährung gegen Erzeugnisse
der Weltwirtschaft ein. Die Folgen an Gesund-
heit und Leistungsfähigkeit blieben nicht aus.
Auch Deutschland war in den allgemeinen Stru-
del dieser Entwicklung einbezogen worden. Mit
der Machtübernahme wurde auch hier das
Steuer herumgeworfen. Von da ab bietet die
Welt das Schauspiel einer völlig divergenten
Entwieklung: bei den demokratischen Ländern
das Bestreben, die Weltwirtschaftsernährung
199
zum Weltprinzip zu machen; bei den autoritären
Staaten demgegenüber der Wille zur nationalen
bodenständigen Ernährung.
Wie um die Weltanschauungen der beiden
Gruppen schon längst vor dem jetzigen Krieg
auf das heftigste gekämpft wurde, so versuchten
auch die Betreiber der Weltwirtschaft die Be-
strebungen nach bodenständiger Ernährung zu
durchkreuzen. Eine verlorene Schlacht bedeu-
tete es in diesem Sinne für die Demokratien, als
es Deutschland bald fertiggebracht hatte, sich
aus den Maschen des internationalen jüdisch
beherrschtenWeltgetreidehandels frei zumachen.
Die nationalsozialistische Dlsaatparole setzte
dem Einbruch der englisch-jüdischen Margarine-
wirtschaft einen Damm entgegen und der for-
cierte Hackfruchtanbau machte Deutschland
mehr und mehr unabhängig von dem auslän-
dischen Futterkuchen.
Noch einmal versuchten unsere Feinde, dieser
Entwicklung im Frieden Abbruch zu tun. Auf
dem internationalen Ernährungskongreß 1937 ih
Paris wurde unter jüdischer Initiative die Er-
richtung einer internationalen Ernährungsbank
beschlossen, die es allen Staaten, auch den min-
derbemittelten, ermöglichen sollte, an den Seg-
nungen der Weltwirtschaftsernährung teilzu-
nehmen. Man war also sogar zu goldenen
Fesseln bereit, nachdem es nicht mehr anders
ging. Dabei stand der Entschluß, diesen Weg zu
wählen, sogar offensichtlich im Widerspruch zu
der Empfehlung und dem Urteil der eben
erwähnten Völkerbundskommission, die in
ihrem Schlußbericht ausdrücklich erwähnte, daß
die schlechten Ernährungsverhält-
nisse, die in England und USA. beson-
ders groß seien, nur durch nationale Maß-
nahmen geändert werden könnten. So erfuhr
die Weltwirtschaftsernährung der
Demokratien durchihre eigenen Sach-
verständigen damals eine vernich-
tende Aburteilung. Aber das änderte
nichts an der Haltung der Gegenseite. Die Welt-
wirtschaftsernährung war doch nicht geschaffen
und entwickelt worden, um den Völkern der
ganzen Welt die beste und gesündeste Ernäh-
rung zu ermöglichen, sondern um die Welt aus-
zubeuten, genau so wie England seine eigenen
Bauern und seine eigenen Industriearbeiter hier-
bei ausgebeutet hatte und sie heute noch nach
englischem Zeugnis genau so ausbeutet.
Nach allem bedeutet daher die Entschließung
von Hotsprings, die landwirtschaftliche Er-
zeugung aller Länder der Welt restlos und
bedingungslos der Weltarbeitsteilung jüdisch-
plutokratischer Art zu unterstellen, eine ge-
radlinige Fortsetzung der bisherigen Bestrebun-
200
gen der Feindseite zur Förderung der Weltwirt-
schaftsernährung, und sie bildet in diesem Sinne
das Schlußglied in der Kette, deren erstes zu
Beginn des 19. Jahrhunderts von England ge-
schmiedet wurde und unter dem Symbol des
Freihandels die Völker täuschte, ihnen Wohl-
stand verhieß, aber Elend und politische Knech-
tung einbrachte. Das Schlußglied dieser Kette
wird aber nicht mehr mit einem gleißenden Wort
geschmückt, denn es bedarf nicht mehr des Be-
trugs, der im Frieden angezeigt und einträglich
genug war, sondern es soll jetzt die brutale
Ankündigung einer totalen Vergewaltigung
schrecken. Darum wurde in Hotsprings
auch offen gefordert, daß Deutschland
z.B. überhaupt kein Getreide mehrer-
zeugen dürfe. Das Schlußglied der Kette,
mit der Deutschland gefesselt und ausgehungert
werden soll, bedeutet daher nichts weniger als
die Apotheose, die Krönung und Verherrlichung
der Weltwirtschaftsernährung.
Es ist wichtig, sich dieser Dinge bis zum
letzten bewußt zu sein, auch wenn längst erwie-
sen ist, daß nicht irgendein idealer Weltbe-
glückungsplan, sondern nacktes Geldinteresse
und machtpolitisches Streben die Weltarbeits-
teilung jetzigen Stils und in ihrem Rahmen die
Weltwirtschaftsernährung herbeigeführt haben.
Es soll auch ganz davon abgesehen werden, daß
die Pläne von Hotsprings weder volkswirtschaft-
lich noch technisch verwirklicht werden können.
Nicht das ist entscheidend, was an den Plänen
utopisch bleiben muß, sondern das, was durch-
führbar ist. Wenn sich Deutschland und mit ihm
ganz Europa auch nur so weit der Weltwirt-
schaftsernährung überantworten würde, wie es
England tatsächlich getan hat, als es drei Viertel
seiner Eigenernährung aufgab, würde der Scha-
den an der Gesundheit und der Leistungskraft
Europas mindestens ebenso groß sein, als er
auch in England und sonstwo bei der Aufgabe
der bodenständigen Ernährung gewesen ist. Wer
nur einigermaßen die Geschichte und die Geo-
graphie der Ernährung übersieht, kennt die
Größe der Unterschiede in den Volksernährun-
gen, die nicht nur je nach Rasse, sondern auch
nach Klima und Landschaften anzutreffen sind.
Man vergleiche doch nur im eigenen Land die
freigewählte Ernährung etwa eines Hamburgers
mit der eines Bayern, eines Ostpreußen mit der
eines Rheinländers, um dies bestätigen zu müs-
sen. Jede dieser Ernährungsformen,
so unterschiedlich sie auch sein mö-
gen, ist in sich harmonisch, wenn sie
bodenständigist,d.h. sie enthält nicht nur
Energiestoffe, sondern auch alle Wirkstoffe, die
je nach Ort und Klima durch verschiedene Na-
!
+
DieKunst
des
Blaudruckes
—
Ein
altes
22222
Handwerk
Zu den kaum noch geübten, fast ver-
gessenen Handwerkskünsten qehört auch
der Blaudruck. Nur in wenigen Land-
städten und Dörfern begegnen wir noch
vereinzelten Meistern als letzten Hütern
ihrer Kunst, die im besten Sinne des
Wortes die Bezeichnung „Volkskunst“
verdient, denn sie wurzelt zutiefst im
bodenständigen Volkstum. Ihre Druck-
stöcke überliefern uns in mannıgfaltiger
Abwandlung die alten Sinnbilder deut-
schen Bauernglaubens und sind ein ein-
drucksvolles Zeugnis eines urtümlichen
Stilgefühls. Auch heute noch werden die
Druckstöcke, wie uns das rechte Bild
zeigt, vom Meister selbst geschnitzt. Im
Hintergrund des Bildes ein Teil der Borde
mit den alten kostbaren Mustern
Stoff aufge
wird auf
ten Wac
strichen,
gleichmāf
Druckstot
werden k
druckte
einen Re
x
ie eigentliche blaue Farbe entsteht erst durch Oxydieren
Farbstoffes an der Luft. Um einen gleichmäßigen Luft-
tritt zu sichern, wird das eben gefärbte Leinen aus-
einandergeklopft
"ër gt Se AR, ge, mmm,
a ex
ei
„
Die Säure der Druckmasse wird durch Wässern in einem
Bach entfernt. Die fertigen, getrockneten Decken werden
gerollt und zusammengelegt
Muster aus einem
Tiroler Mu-
sterbuch
alten
K
TEE STT 8 Ds „......„„....
kan 55 sn SR RR ELLE RR
e P» Sr o. _ —
„„ „ „ „„ „ „ „ „ ECKE „ „„ 5
D Sept? ee éf — * $
we N
KAAAAKAAAKAAAXK KA TNS)
75 „ „„ „% „ „ TEST 777 77
X bs. BILL ELLE NEE e
rr
— — 2
CE D 7 5⁵⁵‚⁵⁵ ‚⁵⁵ ‚ ⁵ /
. —
mm
> s
e
es BR kl , „ npepe
2 2
wird verarbeitet
Blaudruck - Leinen
Dan LI Lu ZT "a WW
—— rn —
26 „ „5 „
-r —
EB PH
turerzeugnisse gewährleistet werden. So ent-
spricht der Zitrone als C-Vitaminträger in un-
seren Breitengraden die Hagebutte und die
schwarze Johannisbeere, um nur ein Beispiel zu
nennen. Wie aber erst unterscheidet sich die
Ernährung des Europäers etwa von der des Ja-
paners, des Eskimos oder des Kirgisen!
und Konstitution, wie z. B. mit der größeren
Darmlänge des Japaners, spielen hierbei eben-
falls eine wichtige Rolle. Wollte man demgegen-
über einwenden, daß es möglich sein müsse, alle
Menschen der Welt mit den drei Grundnah-
rungsmitteln Getreide, Fleisch und Fett zu er-
nähren ohne Rücksicht darauf, wo diese erzeugt
seien, so hat gerade die Weltwirtschaftsernäh-
rung in ihrer englischen Reinkultur den Beweis
dafür erbracht, daß dies vielleicht theoretisch
möglich ist, aber praktisch zum Mißerfolg führen
muß. Je mehr sich nämlich eine Ernährung auf
diese drei Grundnahrungsmittel beschränkt, um
so größer ist die Gefahr der Mangelernährung
mit Wirkstoffen aller Art, auch wenn eine
Deckung des Nahrungsbedarfes hinsichtlich der
nötigen Brennwertmenge gewährleistet er-
scheint. Aber selbst die genannten drei Grund-
nahrungsmittel weisen je nach ihrer Art und
Herkunft große ernährungsphysiologische Un- `
terschiede auf.. Wenn 2. B. für große Gebiete
Deutschlands der Roggen das boden-
und klimageeignetste Getreide dar-
. stellt, so weiß man heute, daß der Roggen für
diese auf Grund seines Fluorgehaltes auch das
physiologisch beste Getreide bedeutet.
Der Bewohner der rauhen Nordseeküste bevor-
zugt ebenso wie der Alpenländer im Gebirge,
zumal etwa der Holzfäller, auf Grund seiner
Arbeitsleistung fettes und derbes Fleisch, wäh-
rend der Rheinländer wie der Badenser fett-
freies und zartes Fleisch liebt. Das entspricht
nicht allein dem unterschiedlichen Geschmack,
sondern ebensosehr den verschiedenen physio-
logischen Bedürfnissen. Und gar beim Fett spielt
die Frage der Herkunft, ob pflanzlicher oder
tierischer Art, ermährungsphysiologisch eine
geradezu lebensentscheidende Rolle auf Grund
des Bedarfes an fettlöslichen Vitaminen und be-
sonderen Fettsäuren, denen von einigen For-
schern sogar echter Vitamincharakter zuge-
sprochen wird. Aber erst die Zukost, je nach
Land und Volk wiederum verschieden, hier Kar-
toffel, dort Soja, wieder woanders Reis oder
Taro, die Art und die Menge von Obst und Ge-
müse usw. entscheiden darüber, ob diese oder
jene Gesamternährung, so verschieden sie auch
sein mag, im Sinne der ernährungsphysiolo-
gischen Voliseitigkeit harmonisch ist oder nicht.
So muß jede Volksernährung eine ge-
Rasse
t
schlossene Einheit bilden, wie sie
nur durch jahrhundertealte Bewäh-
rung und durch Bodenständigkeit ge-
währleistetwerdenkann und bei der man
nicht einzelne größere oder kleinere Teile wie
etwa bei einer Maschine auswechseln kann.
Etwas ganz anderes ist es natürlich, wenn
eine raumgebundene und bodenständige Ernäh-
rung zusätzlich erweitert wird. Das ist nicht nur
vielfach nützlich, sondern sogar nötig. Wieder-
holt ist in diesem Sinne gefordert worden, die
auf Grund der Weltwirtschaft im Gefolge der
Industrialisierung, Verstädterung und Bevölke-
rungszunahme im ganzen zu einseitig und daher
mangelhaft gewordene Ernährung vor allem
wieder vielseitiger zu gestalten, Je vielsei-
tiger eine Ernährung ist, um so besser
gewährleistet sie die Zufuhr aller
Arten von Stoffen, die zur besten Er-
haltung von Gesundheit und Lei-
stungsfähigkeit von Vorteil sind. So
kann der Weg zur Verbesserung einer Volks-
ernährung nur von dieser selbst ausgehen und
auf dieser aufbauen. Dabei sind zuerst alle
naturgegebenen Möglichkeiten zur Erweiterung
des bodenständigen Anbaues auszuschöpfen, be-
vor die Nahrungsergänzung aus anderen Lebens-
räumen vorgenommen wird. Das System der
Weltarbeitsteilung ist aber auf dem Gebiete der
Ernährung den umgekehrten Weg gegangen, Es
begann mit der Unterminierung der bodenstän-
digen Ernährung durch den Freihandel und will
nunmehr, noch darüber hinausgehend, mit Ge-
walt und Zwang die Ernährung von Menschen
und Raum, von Blut und Boden, d. h. von jeder
naturgegebenen Bindung, deren Unversehrtheit
allein Gesundheit und Leistungsfähigkeit ver-
bürgen kann, lösen, um sie bestenfalls nach
wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu gestalten.
Statt die Ernährung aller Völker auf
Grund von Erfahrung und Wissen-
schaft in ernährungsphysiologischem
Sinne durch gesundheitliche Ernäh-
rungslenkung zu verbessern, würde
der Plan von Hotsprings das ernäh-
rungsphysiologische Chaos und die
weitere Untergrabung von Gesundheit
und Leistungsfähigkeit bedeuten. Aber
dazu wird es nie kommen. Hotsprings bedeutet
auf deutsch „heiße Quellen”. Mögen sich die,
die an ihnen ihren Haß gegen Deutschland er-
wärmten, ruhig die Finger verbrennen. Für uns
Deutsche aber besagt Hotsprings nach dem eng-
lischen Freihandelsergebnis für England selbst,
der mißglückten Weltarbeitsteilung und dem
Pariser Vorstoß noch im Frieden 1937 nur kalter
Kaffee — auf englisch cold water.
201
HANS-UDO VON GRONE:
_ FORSTVERBANDE
VOM STANDPUNKT DES BAUERN AUS GESEHEN
D: Bedarf der gegenwärtigen Kriegswirt-
schaft, aber ebenso auch der künftigen
Friedenswirtschaft an Holz, das zu einem der
vielseitigst verwendbaren und kostbarsten Roh-
stoffe geworden ist, zwingt zur Ausschöpfung
aller forstlichen Produktionskräfte. Während
der Wald der öffentlichen Hand und der größere
und mittlere Privatwald sich bereits der oberen
Grenze ihrer Ertragsfähigkeit genähert haben,
ist die Ertragsmöglichkeit des privaten Klein-
waldes bisher bei weitem nicht voll ausgenutzt.
Auf die Gründe dieser Erscheinung, über die
an anderer Stelle bereits ausführlicher ge-
schrieben ist, hier näher einzugehen, würde
im Rahmen dieser Abhandlung zu weit führen.
Erwähnt mag nur werden, daß im wesentlichen
drei Tatsachen dafür verantwortlich zu machen
sind: die starke Besitzzersplitterung und die
dadurch verursachte geringe durchschnittliche
Größe des einzelnen Forstbesitzes, die, weit
unter der optimalen forstlichen Besitzgröße
liegend, eine eigentliche Forstwirtschaft auf
dem einzelnen Besitz unmöglich macht oder
zumindest sehr erschwert, die mangelnde Sach-
kunde des Besitzers selbst, der überwiegend
landwirtschaftlich eingestellt ist, und vor allem
die Vernachlässigung des Bauerntums durch
den liberalen Staat.
Da rund 5 Millionen Hektar, also etwa ein
Viertel der gesamten Waldfläche, auf den
Kleinwald unter 100 Hektar Besitzgröße ent-
fallen, würde schon eine Steigerung des Hektar-
Ertrages dieser Fläche um 1 Festmeter die
Holzernte um 5 Millionen Festmeter je Jahr er-
höhen, wobei im Laufe der Zeit eine durch-
schnittliche Erhöhung des Hektar-Ertrages um
2 Festmeter durchaus im Bereiche des Mög-
lichen liegt. Im Kleinwald liegen also gewal-
tige Kraftreserven, die nur mobilisiert zu wer-
den brauchen. Es händelt sich dabei nicht etwa
um eine Mobilisierung in dem Sinne, daß alles
vorhandene Holz eingeschlagen und er damit
seines Holzvorrates beraubt werden soll. Das
könnte nur zu einer einmaligen Erhöhung der
Holzernte führen, um ihn dann in die völlige
Ertragslosigkeit zurücksinken zu lassen. Ganz
im Gegenteil soll seine Ertragsfähigkeit durch
entsprechende Maßnahmen, wie den Anbau
standortsgemäßer Holzarten, sachgemäße Pflege
202
~
der Kulturen und Bestände und richtige Holz-
ernte nachhaltig gehoben und voll ausgeschöpft
werden.
So klar das Ziel ist, so schwierig ist der Weg
zu seiner Verwirklichung. Vom rein forsttech-
nischen Standpunkt aus gesehen, konnte es
naheliegen, die sich aus der starken Besitz-
zersplitterung des Kleinwaldes ergebenden nach-
teiligen Folgen etwa durch seine Uberführung -
in die öffentliche Hand zu überwinden, um nun
auf großer Fläche unter einheitlicher Steuerung
alle erforderlichen Maßnahmen durchzuführen.
Aus volkspolitischen Gründen mußte diese Lö-
sung aber von vornherein ausscheiden, da sie
allen nationalsozialistischen Grundsätzen und
der Einstellung des Staates zum Bauerntum
widersprochen hätte. Unter bewußter und aus
drücklicher Ablehnung solcher Gedankengänge
mußten daher Wege gefunden werden, bei
denen unter voller Aufrechterhaltung des Eigen-
tums die dem forstlichen Kleinbesitz zwangs-
läufig anhaftenden Mängel in anderer Weise
ausgeglichen und ihm die Vorteile des Groß-
betriebes geboten werden. Diese Aufgabe soll
in Zukunft durch die- Forstverbände über-
nommen werden.
-In der Verordnung über die Bildung wirt-
schaftlicher Zusammenschlüsse in der Forstwirt-
schaft vom 7. Mai 1943 hat der Beauftragte für
den Vierjahresplan die ‚gesetzliche Grundlage
für die Bildung von Forstverbänden geschaffen.
Auf Grund der darin gegebenen Ermächtigung
hat der Reichsforstmeister am gleichen Tage die
Verordnung über die Bildung von Forstver-
bänden erlassen, zu der unter dem 30. Juni 1943
eine Durchführungsanordnung, eine Verfahrens-
ordnung, zwei Mustersatzungen und ein Er
läuterungserlaß ergangen sind. Die erstgenann-
ten Verordnungen sind im Reichsgesetzblatt
Teil I Jahrgang 1943 Nr. 50 Seite 298—301 und
die Durchführungsbestimmungen in dem Reichs-
ministerialblatt der Forstverwaltung Jahrgang
1943 Nr. 18 Seite 134—145 abgedruckt. Damit
ist ein Plan verwirklicht worden, der durch
die Zeitumstände notwendig geworden war und
in eingehender und enger Zusammenarbeit
zwischen Reichsforstmeister, Reichsernährungs-
minister und Reichsbauernführer seine Form
gefunden hat.
\
Auf den ersten Blick muß die Fülle der er-
gangenen Vorschriften, die nun einmal nötig
sind, um eine neue Organisationsform ins Leben
zu rufen und sie arbeitsfähig zu machen, über-
raschen. Es kann auch für den oberflächlichen
Betrachter zunächst der Eindruck daraus ent-
stehen, daß dem kleinen Waldbesitzer nun eine
Zwangsjacke übergezogen werden soll, die ihn
gewissermaßen unter Vormundschaft stellt und
in seiner selbstverantwortlichen Eigenwirtschaft
behindert. Ist das wirklich der Fall und, wenn
überhaupt, wie weit gehen diese Einschrän-
kungen?
Wenn man diese Fragen untersuchen will,
muß man vom Sinn und Wesen des Forstver-
bandes ausgehen. Daß das Eigentum des ein-
zelnen Waldbesitzers in vollem Umfange auf-
rechterhalten wird, ist als oberster Grundsatz
von vornherein in der Grundlagenverordnung
des Beauftragten für den Vierjahresplan fest-
gelegt und zieht sich wie ein roter Faden durch
das ganze Gesetzgebungswerk hindurch. Der
Forstverband dient hiernach nur zur Durch-
führung einzelner oder mehrerer Maßnahmen
des Forstbetriebes, wobei der privatwirtschaft-
liche Zweck der Stärkung der wirtschaftlichen
Kraft “der beteiligten Waldbesitzer gleich-
berechtigt neben den volkswirtschaftlichen
Zweck der Holzaufbringung für die deutsche
Wirtschaft gestellt ist. Im Forstverband soll
also, durch Zusammenfassung der Kräfte das er-
reicht werden, was dem einzelnen Waldbesitzer
zu erreichen nicht möglich ist, weil er allein
zu schwach ist. Unleugbar ist damit eine ge-
wisse Einschränkung der wirtschaftlichen Frei-
heit des einzelnen Waldbesitzers und seine Bin-
dung an Weisungen des Forstverbandes ver-
bunden und muß damit verbunden sein, wenn
nicht der Mangel an Einsicht oder der Eigensinn
eines Einzelnen die Errichtung des ganzen
Zieles in Frage stellen soll. Die Eingriffe in die
private Wirtschaftsfreiheit beschränken sich
aber unter Anpassung an die gegebenen Ver-
hältnisse und unter Vermeidung aller Gleich-
macherei auf das zur Erreichung des jeweiligen
Zweckes unbedingt notwendige Maß. Auch auf
landwirtschaftlichem Gebiete gibt es Zusammen-
schlüsse mit ähnlichen Bindungen, wie z.B. An-
bau- und Ablieferungsverpflichtung bei Zucker-
fabriken, Kartoffelflockenfabriken, Molkereien.
Niemand wird behaupten, daß dadurch das
Eigentum in irgendeiner Weise berührt oder
dem Eigentümer das Gefühl genommen ist, auf
eigener Scholle selbstverantwortlich zu wirt-
schaften.
Im einzelnen lassen sich die im $1 der Ver-
ordnung des Reichsforstmeisters über die Bil-
dung von Forstverbänden aufgezählten sieben
Aufgaben eines Forstverbandes nach der Tiefe
des Eingriffes in die Wirtschaftsfreiheit des ein-
zelnen Betriebes in folgende Gruppen auf-
gliedern:
I. Gruppe:
1. Bau und Unterhaltung von Holzabfuhr-
wegen und Holzbringungsanlagen;
2. Durchführung von Maßnahmen des Forst-
schutzes;
3. Beschaffung von Forstsämereien und Forst-
pflanzen.
Obwohl diese Maßnahmen überhaupt nicht
oder nur ganz geringfügig in die Wirtschafts-
freiheit eingreifen, können sie in ihrer Auswir-
kung für den einzelnen Waldbesitzer von größ-
ter Bedeutung sein. Erst das Vorhandensein
guter Abfuhrwege und sonstiger Bringungs-
anlagen, besonders im Hochgebirge, gewähr-
leistet einen sicheren Absatz allen eingeschlage-
nen Holzes zu normalen Preisen. Fehlt es an
solchen, so werden erhebliche Mengen wert-
vollsten Holzes nicht bringbar sein und nutz-
los verkommen. Die Aufschließung solcher
Waldgebiete kommt daher allen Beteiligten zu-
gute. Der Schutz der Forsten gegen Schäden
aller Art kann schon aus dem Grunde nur von
der Gemeinschaft der Waldbesitzer vorgenom-
men werden, weil sich die meisten Schäden,
wie Naturkatastrophen, pflanzliche und tierische
Schädlinge, nicht auf das Eigentum eines ein-
zelnen Kleinwaldbesitzers beschränken. Auch
die Beschaffung von Forstsämereien und Forst-
pflanzen durch den einzelnen Kleinwaldbesitzer
stößt in der Regel auf größte Schwierigkeiten
sowohl hinsichtlich der Auswahl des geeigneten
Pflanzmaterials wie des Versandes.
II. Gruppe:
1. Verbesserungen des Bodens und der Holz-
bestände;
2. Ausführung von Forstkulturen, Aufforstung
von Odland und anderen ungenügend ge-
nutzten Flächen..
Mit diesen Maßnahmen ist bereits ein ge-
wisser Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit ver-
bunden, da der einzelne Waldbesitzer die
Durchführung auf seinem Eigentum dulden muß.
Aber auch sie wirken sich unmittelbar zu seinem
Vorteil aus. In den meisten Fällen würde er
allein gar nicht in der Lage sein, gie durchzu-
führen/
III. Gruppe:
Aufbringung und Verwertung von Holz und
forstlichen Nebenerzeugnissen. |
Hiermit ist bereits ein stärkerer Eingriff in
die Wirtschaftsfreiheit verbunden, da der ein-
zelne Waldbesitzer grundsätzlich seine Holz-
ernte nur noch durch seinen Forstverband ver-
werten, also nicht mehr frei über sie verfügen
kann. Wichtig ist, daß sowohl sein Eigenbedarf
wie der örtliche Brennholz- und Nutzreiser-
absatz nicht davon betroffen wird. Der über-
wiegende Vorteil liegt aber darin, daß seine
meist geringe Holzernte durch die Zusammen-
203
fassung mit den übrigen Holzmengen überhaupt
erst markt- und verkaufsfähig wird, während er
bisher in der Regel auf jede geldliche Einnahme
aus dem Walde verzichten mußte. Die Holz-
umlage wird in Zukunft dem Forstverband er-
teilt und von diesem auf die einzelnen Wald-
besitzer nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit
umgelegt, während bisher die Unterverteilung
durch den Ortsbürgermeister in einem verhält-
nismäßig rohen Verfahren erfolgen mußte.
IV. Gruppe:
Bestellung genügend ausgebildeter oder be-
fähigter Dienstkräfte für die Bewirtschaf-
tung und den Schutz der Waldung.
Diese Maßnahme greift am weitesten in die
Eigenwirtschaft ein und kann praktisch bereits
eine Reihe der vorher aufgeführten Maßnahmen
mit einschließen.
Gegen eine Uberspannung des Gemeinschafts-
begriffes sind verschiedene Schutzbestimmun-
gen eingebaut. Der Eigentümer eines Wald-
grundstücks, dessen ordnungsmäßige Bewirt-
schaftung anderweit gesichert ist, kann gegen
seinen Willen in einem Forstverband mit der
ausschließlichen Zweckbestimmung der Gruppe
IV nicht einbezogen werden. Das wird immer
dann der Fall sein, wenn der Waldeigentümer
selbst genügend ausgebildet oder befähigt ist
oder eigene genügend ausgebildete oder be-
fähigte Dienstkräfte in seinem Forstbetriebe be-
schäftigt. Eine bestimmte Mindestgröße des
Waldbesitzes ist absichtlich nicht genannt, weil
die verlangten Voraussetzungen nicht allein
von der Größe abhängig sind. Auch in Forst-
betrieben unter 100 Hektar kann eine ordnungs-
mäßige Bewirtschaftung durchaus gesichert
sein. Waldbesitzer, die selbst Waldsamen-
klengen oder Forstbaumschulen besitzen, dürfen
ebenfalls nur mit ihrer Zustimmung zu der ge-
meinschaftlichen Beschaffung von Forstsäme-
reien und Forstpflanzen herangezogen werden.
Auch in der Ordnung der Beiträge ist dafür
Sorge getragen, daß grundsätzlich die Beiträge
nur nach Maßgabe des Nutzens, der dem ein-
zelnen daraus erwächst, erhoben werden.
Ein weiterer Schutz der Einzelwirtschaft ist
in folgenden Bestimmungen zu erblicken:
Nach $4 der Verordnung über die Bildung
von Forstverbänden soll die Bildung eines
Forstverbandes grundsätzlich freiwillig ge-
schehen; Voraussetzung ist, daß mehr als die
Hälfte der beteiligten Eigentümer, die zugleich
mehr als die Hälfte der beteiligten Flächen ver-
treten, der Bildung des Forstverbandes zu-
gestimmt haben. Nur hilfsweise findet eine Bil-
dung von Amts wegen ohne Zustimmung der
Beteiligten statt, wenn die Ziele, die mit der
Bildung von Forstverbänden verfolgt werden,
nur auf diese Weise erreicht werden können.
Von besonderer Wichtigkeit ist, daß dem ein-
204
zelnen Mitglied des Forstverbandes ein Stimm-
recht bei den Beschlußfassungen über alle
wichtigen Angelegenheiten des Forstverbandes
zusteht, das sich auch auf die Wahl der Or-
gane des Forstverbandes erstreckt. Dieses
Stimmrecht ist nach der Fläche gestaffelt, wo-
bei jedes Mitglied mindestens eine Stimme hat
und niemand mehr als zwei Fünftel der
Stimmen haben darf. In der Regel wird auf je
ein volles. oder angefangenes Hektar eine
Stimme entfallen. Dadurch wird erreicht, daß
das Schwergewicht der Stimmenzahl fast in
allen Fällen in der Hand der bäuerlichen Mit-
glieder des Forstverbandes liegen wird ($9 der
Verordnung über die Bildung von Forstver-
bänden). In 57 dieser Verordnung ist ferner
die Selbstverwaltung ausdrücklich festgelegt,
wonach die Forstverbände ihre Angelegen-
heiten selbst unter eigener Verantwortung im
Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu ver-
walten haben. Die Bildung, Betreuung und Be-
aufsichtigung der Forstverbände erfolgt in der
Dienststelle des Reichsforstmeisters und in den
Dienststellen der höheren Forstbehörden durch
die Privatwaldabteilung, also Organe, die vom
Reichsbauernführer dem Reichforstmeister im
Rahmen ihrer gemeinsamen forstlichen Organi-
sation zur Verfügung gestellt sind. An der
Spitze dieser Privatwaldabteilungen steht je-
weils ein ehrenamtlicher Leiter, der selbst
Privatwaldbesitzer ist.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß
die Eingriffe in die private Wirtschaftsfreiheit
sich auf das unbedingt erforderliche Maß be-
schränken und weitgehend durch die eigenen
Organe des im Reichsnährstand zusammen-
gefaßten Privatwaldbesitzes im Sinne einer
wirklichen Selbstverwaltung durchgeführt wer-
den sollen. Der Bauer, der mit Recht allen
Neuerungen mit einem gewissen natürlichen
Mißtrauen gegenübersteht, kann dieser Neue-
rung, die nur zu seinem eigenen Besten dient,
vertrauensvoll entgegensehen. Er darf nur
nicht in den Fehler verfallen, die Arbeit in den
Forstverbänden anderen zu überlassen, sondern
muß diese Arbeit selbst in die Hand nehmen
und sich selbst einsetzen, damit er das Steuer
in der Hand behält. Eine große Gelegenheit ist
gegeben, es gilt, sie jetzt richtig zu nutzen.
Die hier vertretenen Grundsätze haben einen
weiteren Niederschlag in den kürzlich ver-
öffentlichten gemeinsamen Richtlinien des
Reichsforstmeisters und des Reichsministers für
Ernährung und Landwirtschaft sowie des
Reichsbauernführers zur Leistungssteigerung
im Bauernwald gefunden. Auch diese gemein-
same Arbeit ist ein Teil der Erzeugungsschlacht
um die Sicherung der Nahrungsfreiheit und der
Rohstofffreiheit, wie sie der Führer im Vier-
. jahresplan als eine besonders wichtige Auf-
gabe der nationalsozialistischen Wirtschafts-
politik eingeleitet hat.
Mehr lernen
r leisten
E
u.
4 d
— . SÉ wë a z x k. En — * 8 — r -
1 2 i i E Te, CR aer eegend `
2 Kaze “ Air 2 s. va Fa Eea mN A? — Co
Die Bildbeilage gewährt einen kleinen Einblick in das vielfältige Leben und Treiben einer Ackerbauschule, wenige
Kilometer südlich von Ansbach in Mittelfranken. Oben: Beim Studium naturgetreuer Nachbildungen von Bauernpflügen.
Unten: In Erwartung der ersten Schlepperfahrt
E r
zë:
„
G
"Nie J Y| eur
Digitized by GG OUYN
WT wm wg — — — — — = — .. ⁵O—P!3kpw ?:: T:: T⅛7c t emm
Ein tüchtiger Landwirt muß heutzutage
über mannigfaltige technische Kenntnisse
verfügen. Bild links: Den Schülern wird
der Knüpfvorgang am Bindemäher erklärt,
Gleichzeitig wird das Erkennen der Ur-
sachen von Störungen und deren Beseiti-
gung praktisch geübt
Bild unten: Der unter Mithilfe der Schüler zerlegte Schleifringmotor mit dem Anlaßwiderstand gibt willkomme
Gelegenheit, Wesen und Arbeitsweise des Elektromotors zu erklären, während der Kurzschlußmotor (rechts
mit Sterndreiecksschalter noch auf die Entschleierung seiner Geheimnisse harrt
Pi — D r
z IE N E „ 2 4
e * ZC ee. ff Kb
d ~ i
e
g
un
>
8
5
N
D
e
Aydrauli-
Istpresse
f
Unterweisung in der Altersbestimmung des Pferdes nach den Zähnen
D %
Bei der Herbstabfischung eines Weihers. Die Schüler werden auch in fischereilichen Arbeiten praktisch unterwiese
— Eine Kuh wird zur Untersuchung durch den Tierarzt auf den Boden gelegt. Auch das will gelernt werden
WALTER STAUSS:
`
Die Lan otechnik
ie Hörsäle der landtechnischen Institute an
den technischen Hoch- und Mittelschulen
sind nicht erst seit Beginn dieses Krieges fast
leer, sie weisen schon seit vielen Jahren und
Jahrzehnten eine erschreckende Leere auf. Der
starke technische Impuls, den das deutsche Volk
durch den Nationalsozialismus erhalten hat,
füllte die Lehrsäle der flugtechnischen, auto-
technischen, maschinentechnischen, werkzeug-
technischen und anderen Disziplinen der tech-
nischen Schulen mit technisch begeisterten
jungen Menschen. Die Hörsäle der land-
technischen Institute blieben leer.
Die Arbeit am schnellsten Flugzeug, am
schnellsten PK W., an der durchdachten Werk-
zeug maschine begeisterte die Jugend mehr
als die Arbeit am Pflug, an der Dresch-
maschine, am Binder. Sie schien ihr nicht
des Schweißes der Edlen wert, sie erschien ihr
als Grobschmiedearbeit. Und selbst Stipendien,
die von Staats- und Wirtschaltsstellen gegeben
wurden, vermochten nicht, das Interesse der
Jugend für die Landtechnik zu wecken. Natür-
lich wußte sie, daß der Schlepper seinen Einzug
in die Landwirtschaft hielt, der. Schlepper schien
auch als technisches Phänomen ganz Interessant;
aber er genügte den hochgespannten Anforde-
rungen der Jugend nicht. Die Lehrsäle blieben
leer.
Woh! trägt der Krieg wesentlich dazu bei, die
Bedeutung der Landwirtschaft allen klar-
zumachen. Daß die Ernährung.im fünften Kriegs-
jahr noch ausreichend ist, wird wohl von allen
anerkannt. Auch daß die Landtechnik zu dieser
Leistung ihren vollen Anteil beiträgt, wird von
den Zeitungen ja häufig betont. Aber da ist ja
alles in Ordnung: Der Pflug geht durch den
Acker, in seinen Furchen wachsen Brotgetreide
und Kartoffeln, der Binder mäht das Korn, die
Dreschmaschine drischt es, die Kartoffeln wer-
i
ALS BERUF DER ZUKUNFT
den aus dem Boden geholt und das Volk wird
satt. Und jedes Bild und jede Plastik, die sich
mit der Landwirtschaft künstlerisch befassen,
zeigen die Pferde und Ochsen, die geruhsam den
Pflug ziehen, und die Menschen, die die Sense
schwingen, genau wie vor drei-, vier- oder fünf-
.hundert Jahren. Was also soll die Jugend
an der Landtechnik begeistern?
Jeder Bauer weiß, daß diese Geruhsamkeit
nur scheinbar ist. Er weiß, daß in den Zeiten
der Bestellung und der Ernte die Arbeit nie
schnell genug geht. Er wünscht, daß ihm die
Technik eine bessere Hilfe geben möge, aber er
ist nicht technisch genug, ym Ratschläge zu
geben, wie ihm die Technik helfen könnte. Er
nimmt die technischen Mittel als gegeben, und
sein Sohn, der Ingenieur wird, nimmt ebenso die
Landtechnik als gegeben und wendet sich der
Elektrotechnik, der Flugzeugtechnik, der Auto-
technik zu. Die Hörsäle der landtechnischen
Institute an den technischen Schulen bleiben
leer.
Jugend will weitgesteckte Ziele sehen. Hat
die Landtechnik solche Ziele auf weite Sicht
oder ist sie bereits so weit entwickelt, daß
große Anderungen nicht mehr zu erwarten sind?
Wohl ist sie die älteste Technik, die der
Mensch einsetzte. Aber im Sinne einer neuzeit-
lichen Technik ist sie noch sehr jung. Nehmen
wir eines der ältesten Geräte des Menschen,
den Pflug. Er war ursprünglich ein ungefüges
Holzgebilde, das den Boden lockerte; er wurde
allmählich leichter, in der Arbeit besser, er
wurde der Stahlpflug unserer Tage, der auch
noch nicht fertig ist, sondern gerade jetzt
wieder in neuer Entwicklung steht. Als nun der
Schlepper seinen Einzug in die Landwirt-
schaft hielt, wurde der Pflug verstärkt, und
damit schien der Einsatz des Schleppers für die
Bodenbearbeitung technisch gelöst. Nun ist aber
205
die Kraftabnahme am Treibrad sehr ungünstig.
Um den Zugwiderstand des Pfluges zu über-
winden, muß der Schlepper eine hohe Adhäsion
haben. Die wird durch ein hohes Gewicht er-
reicht und durch Greiferräder, Luft-
gummireifen und Laufketten verstärkt.
Aber damit wird der Kraftbedarf immer größer,
den der Schlepper für seine eigene Bewegung
braucht. Jetzt hat er etwa 50 v.H. seiner Mo-
torenstärke am Zughaken, das heißt, er braucht
die Hälfte seiner Kraft und damit die Hälfte
seines Brennstoffs, um vor der Arbeitsmaschine
oder dem Arbeitsgerät herzufahren. Das ist kein
guter Wirkungsgrad. Also erhebt sich die Frage,
ist der Pilug das allein mögliche Gerät für die
e Bodenbearbeitung? Käme man zu einem Gerät,
das mit der Bearbeitung eine eigene Fortbewe-
gung hätte, so würde die Kraft von der Kraft-
\ maschine durch die Zapfwelle oder eine andere
günstige Art übertragen werden können, die
Kraftmaschine könnte leicht sein und mit wenig
Kraft ihre eigene Fortbewegung durchführen.
Dos naheliegende Gerät dieser Art wäre die
Fräse, die aber den Boden so bearbeitet, daß er
leicht verschlämmt. Ob das der Fall sein muß,
ist noch festzustellen, Untersuchungen in dieser
Richtung sind im Gange und scheinen verhei-
Bungsvoll.
Antrieb der Scheiben an Scheibenpflügen den
Zugwiderstand des Pfluges so vermindern, daß
der Schlepper nicht mehr der hohen Schlupf-
gefahr ausgesetzt ist. Die Zugkraft des Schlep-
pers zum Transport könnte ebenialls verringert
werden, wenn man die Räder der Wagen vom
Motor des Schleppers antreibt.
wäre dann: weg vom Schlepper als Schlepper
und hin zu einer Kraftmaschine, die mit gerin-
gem Kraltaufwand vor der Arbeitsmaschine oder
dem Arbeitsgerät herfährt. Das würde eine völ-
lig neue technische Entwicklung bedeuten, die
nicht von heute auf morgen abgeschlossen wird,
die aber des Schweißes der Edlen wert ist.
Und wie steht es mit der bäuerlichen Tech-
nik? In technischen Dingen ist immer der Groß-
betrieb der Pionier gewesen. Und immer hat die
Entwicklung einer Maschine mit einem teuren,
schweren Aggregat begonnen, das erst im Laufe
der Jahrzehnte kleiner, eleganter, billiger und
trotzdem leistungsfähiger geworden ist. Der
Volkswagen zeigt diese Entwicklung sehr deut-
lich. Der Großbetrieb hat also für die bäuerliche
Technik Pionierdienst geleistet. Kann er diese
Aufgabe beibehalten? Es scheint, daß die tech-
nischen Voraussetzungen im Großbetrieb doch
wesentlich anders sind als im bäuerlichen Be-
trieb, besonders in der Familienwirtschaft. Der
Großbetrieb kann Ingenieur und Techniker an-
stellen, die den Maschinenpark in Ordnung
y
®
206
Vielleicht aber könnte schon der
Die Richtung
halten. Er kann also mit technischen Aggregaten
arbeiten, die vom Fachmann bedient und ge-
pflegt werden; er kann sich der Hilfe des Spezia-
listen bedienen. Der Bauer aber ist sein eigener
landwirtschaftlicher Betriebsleiter, der in erster
Linie Bauer sein muß. Er kann nur sehr bedingt
zu der Fülle seines Fachwissens auch noch Tech-
niker sein; er muß einfache Maschinen und Ge-
räte haben, deren Einstellung und Pflege er
selbst durchzuführen vermag. Da nun der bäuer-
liche Betrieb sich nicht die vielen Spezial-
maschinen und Spezialgeräte halten kann wie
der Großbetrieb, hat man ihm Vielfach-
geräte gegeben, mit denen er verschiedene
Arbeiten durch Umbau durchführen kann. Es
ist nicht anzunehmen, daß dem Bauern der Nach-
kriegszeit das technische Verständnis fehlt, da
er als Kradfahrer oder Panzerschülze schon mil
technischen Dingen zu tun hatte. Am tech-
nischen Verständnis wird das Vielfachgerät nicht
seine Grenzen finden, wohl aber an dem Grad
der technischen Ordnung, dem sich die bäuer-
liche Wirtschaft widersetzt. Dicht am Misthaufen
geht nur allzu leicht eine Mutter und ein Splint
verloren. Wenn man also jetzt dabei ist, den
Schlepper durch An- und Abbau von Pflug,
Drillmaschine, Egge, Grubber, Kar-
toffelroder und Rübenheber, Heuzet-
ter und Hungerharke zu einem Vielfach-
gerät zu machen, so besteht die Gefahr, daß die
einzelnen Teile gerade dann nicht zur Hand
oder nicht in Ordnung sind, wenn sie gebraucht
werden. Uber einen Lochstern ist der Mistwagen
gefahren und hat ihn verbogen und eine Grub-
berzinke ist spurlos verschwunden. Dieses
„Merklin-Baukasten”-Prinzip mag als
Spielzeug für ‚Kinder gut sein, da es keinen
Schaden macht, wenn die besten Teile des
Kastens verschwunden sind. Für den bäuer-
lichen Betrieb, der ja keine Kinderstube, sondem
eine sehr wichtige, volkswirtschaftliche Produk-
tionsstätte ist, werden sich bald Schwierigkeiten
ergeben. l
Welchen Weg geht nun die Technik, um dem
Berufsstand zu helfen, der nur wenig tech-
nischen „Sinn“ hat, der Hausfrau? Sie gibt
ihr den Tauchsieder,den Elektrofleisch-
wolf, die Elektrokaffeemühle, den
Staubsauger, den Elektroventilator.
Die einzige Bedienung besteht darin, das Kabel
in die Steckdose zu stecken. Könnte hier die
bäuerliche Landtechnik nicht lernen, könnte sie
nicht versuchen, das „Steckdosenprinzip"
anzuwenden? Dann würde aus dem Schlepper
eine selbstfahrende Elektrozentrale, an die das
neue Bodenbearbeltungsgerät, die Dreschma-
schine, der elektrisch bewegte Plattiormwagen,
die Häckselmaschine, die Jauchepumpe usw. an-
J
geschlossen würden. Ist das utopisch? Wir
wissen es nicht. Vor 40 Jahren war unsere Flug-
technik auch noch Utopie. Jedenfalls scheint die
Zeit bald reif, neben der alten Landtechnik für
die bäuerliche Technisierung ganz neue Wege
zu gehen. Und diese Dinge fallen ja dem Men-
schen nicht arbeitslos in den Schoß. Es gilt zu
arbeiten, zu forschen, zu versuchen, welche
Wege weiterführen. Die Technik, die im Flug-
wesen die kühnsten Träume unserer Väter über-
trumpft hat, muß auch in der Lage sein, dem
Flieger die Nahrung zu verschaffen, wenn er
wieder den Boden betritt.
Aber die Landtechnik ist viel enger mit der
Natur verknüpft als die anderen Sparten der
Technik. In der Spinnerei kann das Klima er-
zeugt werden, das für die Herstellung der fein-
sten Garne notwendig ist. Die Flugtechnik findet
Wege, die Vereisung der Flugzeuge zu verhin-
dern. Die Landtechnik aber kann die Natur nicht
bekämpfen, sie muß sich die Kräfte der Natur
dienstbar machen. Das bedingt, daß der Land-
ingenieur mit dem Bodenkundler, dem Acker-
und Pilanzenbauer, dem Pflanzen- und Tierzüch-
ter, dem Pilanzenschuizfachmann und Tierarzt
eng zusammenarbeitet, ja daß er bis zu einem
gewissen Grade in das Fachgebiet dieser Spe-
zialisten eindringt.
Das alles spielt in das Stroh-Stallmist-Problem
hinein. Es ist überwiegend ein Transport-
problem. Das Stroh wird vom Felde herein-
gefahren, wird in Scheunen gelagert, wird täg-
lich zur Einstreu in die Ställe gebracht und als
Mist auf den Misthaufen gefahren. Wer die
Bedeutung des Stallmistes erkannt hat, packt
ihn und pflegt ihn noch besonders. Dann wird
er auf den Acker gefahren, gebreitet und unter-
gepflügt. Eine Fülle von verschiedenen Arbei-
ten, die bei den großen Gewichtsmengen viel
Energie kosten. Wie kann man die Arbeiten ver-
einfachen? Sicher nicht dadurch, daß man jeden
einzelnen Arbeitsgang mechanisiert, weil da
TFördereinrichtungen notwendig werden, die,
täglich nur Minuten gebraucht, sich zu teuer
stellen. Vielleicht aber ginge es mit der Ver-
güllung des Mistes, wie es in den Grünlandwirt-
schaften des Allgäus seit langer Zeit geschieht.
Sofort melden sich der Bodenkundler und der
Acker- und Pflanzenbauer und sprechen ihre
Bedenken aus. Was will man denn mit dem
Abmisten der Äcker erreichen? Man will die
Gare des Bodens herbeiführen und verbessern.
Gare aber ist ein vielseitiger Begriff. Wir unter-
scheiden schon zwischen Frostgare, Bearbei-
tungsgare, Schattengare. Gare hat aber etwas
mit biologischer Belebtheit zu tun. Also will man
mit dem Mist die Kleinlebewesen im Boden füt-
p
\
tern, die ihrerseits wieder die Nahrung für die
Pflanzen vorverdauen. Diese Kleinlebewesen ,
atmen genau wie die Menschen Kohlensäure
aus, die die Pflanzen mit Hilfe des Chlorophylis
und des Sonnenlichtes in Stärke umwandeln.
Wird dieser Effekt mit der Begüllung statt der
Bemistung erreicht? Kaum, denn sonst hätte
sich die Güllerei nicht auf die Grünlandflächen
der Voralpen beschränkt. Wir wissen wohl, daß
die Krümelbeständigkeit nach einer Abmistung
wächst. Die Krümelstruktur des Bodens ist ja
die Voraussetzung für die hohe Fruchtbarkeit
des Bodens, während die Einzelkornstruktur dem
Pflanzenwachstum keine günstigen Bedingungen
gibt. Die schwammartigen Krümel sind die
Wohnstätten der Kleinlebewesen. Ob nun das
Stroh in dem Stalldung eine große biologische
Bedeutung hat, ist noch nicht sicher; es saugt
vor allem die Jauche auf. Welche Teile des
Kotes die besondere Bedeutung für die Krümel-
festigung haben, ist auch noch offen. Aber
gehen alle diese Fragen den Landingenieur et-
was an? Wir meinen ja, denn Technik ist in der
Landwirtschaft noch sehr viel mehr als in den
anderen Gebieten der Wirtschaft Mittel zum
Zweck. Das erste Wort hat der Biologe, der
Acker- und Pflanzenbauer, der Bodenkundler,
der Biochemiker, der Tier- und der Pflanzen-
züchter. Da aber sie nicht wissen können, wie
ihnen die Technik helien kann, ist die engste
Zusammenarbeit des Technikers mit ihnen er-
forderlich.
Damit aber erweitert sich das Feld des Land-
ingenieurs zu größten Ausmaßen. Hier kann
die Spezialisierung, die in der Technik zu den
großen Leistungen geführt hat, nur zu leicht
Schäden bringen, wie die Vernichtung der Bo-
denfruchtbarkeit großer Teile der Vereinigten
Staaten von Nordamerika gezeigt hat. Hier legt
ein Aufgabengebiet für die technisch begeisterte
Jugend von einer Vielseitigkeit und Reichhaltig-
keit wie nirgends auf den anderen Gebieten der
Technik. Hier ist für die schöpferische Kraft
junger Ingenieure ein geistiges Arbeitsfeld, das
mitreißen und begeistern muß. Aber das Ar-
beitsfeld ist ein steiniger Acker; hier fällt kei-
nem ein Gewinn mit leichter Mühe zu. Hier muB
alles genau wie in der bäuerlichen Wirtschaft
mit Arbeit und Schweiß erkauft werden. Aber
wer mit ernstem Wollen, harter Zähigkeit und
klugem Anpassungsvermögen die Arbeit auf-
nimmt, der wird eine innere Genugtuung emp-
finden, wie sie andere Gebiete der Technik
kaum zu geben vermögen. Denn mehr als
auf allen anderen Gebieten der Tech-
nik liegt in der Landtechnik noch
neues Land, das zu kultivieren jeden
jungen Menschen reizen muß.
207
B. OBERMAYR:
d
dd Aa
im Reichsgau Wartbeland
Mme August des vorigen Jahres gab Gau-
leiter Greiser den Auftrag, in allen dafür
geeigneten Gemeinden Dorfstuben einzurichten
zur Erhaltung des Zusammengehörigkeitsgefühls
des Landvolkes. Die erste Dorfstube im Gau
wurde von ihm am Erntedanktag in Büttin im
Kreise Samter feierlich dem Landvolk über-
geben, weitere Dorfstuben haben inzwischen
ihre Pforten geöffnet. In allen Kreisen hat eine
emsige Tätigkeit eingesetzt, um trotz aller
Kriegserschwernisse möglichst viele „Wohn-
stuben der Dorf gemeinschaften“, wie
sie mit Recht bezeichnet werden, zu schaffen. Da-
mit wurde eine Bewegung eingeleitet, die über
den Rahmen des Gaues hinaus für die bäuer-
liche Kulturarbeit Bedeutung gewinnen kann,
wenn auch zunächst besondere Verhältnisse im
Warthegau den Antrieb und das Recht dazu
gegeben haben, im fünften Kriegsjahr mit dieser
Aktion zu beginnen. '
Bestimmender Gedanke dabei ist die Wie-
derherstellung, die Erhaltung und der
Schutz der Dorfgemeinschaft. Daß hier
eine Not vorliegt, wurde in den ersten Aufbau-
jahren des Warthegaues vielfach nicht erkannt,
oder richtiger ausgedrückt, die Zeit, an diese
Fragen heranzugehen, war noch nicht gekom-
men. Das Leben in einem neuen Gau verlangt
erst einmal die Ordnung der materiellen Dinge.
Der Prozeß der Umsiedlung, die Volkstumsfrage
und die Aufgabe, aus dem Gau wieder die
Kornkammer des Reiches zu machen, bean-
spruchen alle verfügbaren Kräfte. Der Umsied-
ler mußte erst einmal mit den neuen Verhält-
nissen fertig, d. h. vor allem mit Boden und
Klima vertraut werden. Leistungsmäßig konnten
ihm keine Freijahre gegeben werden, denn der
Erzeugungsstand des Gaues, der in der Beliefe-
rung des Altreiches mit Roggen und Kartoffeln
an der Spitze aller Agrargaue steht, durfte
durch die Umsiedlung keine Einbuße erleiden.
Die Umsiedier kamen aus agrarischen Uber-
schußgebieten, wo die Begriffe der Höchsterzeu-
gung und Leistung keinen Sinn hatten. Jetzt gilt
es, sie in den Pflichtenkreis eines deutschen
Bauern im Zeichen der Kriegserzeugungsschlacht
einzuführen, wozu eine große innere Umstellung
bei ihnen erforderlich war. Die bäuerliche Be-
ruiserziekung der Erwachsenen und der Jugend
208
hatte deshalb für den Warthegau von Anfang
an eine entscheidende Bedeutung.
Eine Vorrangstellung besitzt auch von vorne-
herein die politische Erziehung im
Warthegau. Sie gibt die Gewähr für die po-
litische Geschlossenheit gegenüber dem Polen-
tum. Die Ruhe und Sicherheit, die dieser Gau
ausstrahlt, hat ihre Ursache in der ausgezeich-
neten Haltung der deutschen Bevölkerung.
Ungünstiger wird das Bild, wenn wir nach
der Dorfgemeinschaft im Warthegau fra-
gen. Sie hat sich in den meisten Dörfern noch
nicht entwickeln können. Das starke und schöne
Gemeinschaftsleben, das die bäuerlichen Um-
siedlergruppen in der alten Heimat besessen
haben, ist nicht wieder auferstanden. Selbst in
den Gemeinden der alteingesessenen Deutschen
im Warthegau hat die dörfliche Gemeinschaft
sehr gelitten; das gesellige Zusammensein, das
sie früher gepflegt haben, ist verkümmert. Vor
einigen Monaten hat eine Osteinsa tzgruppe
landwirtschaftlicher Studentinnen, größtenteils
Bauerntöchter aus dem Altreich, einige Dörfer im
Warthegau untersucht. Wie sie in ihren Berich-
ten feststellten, konnten sie bei ihrer Arbeit in
den Kreisen „keinerlei wirkliche Dorf-
gemeinschaften finden”. Die Umsiedler
erinnern sich mit Wehmut an den Zusammenhalt
und den nachbarlichen Umgang in der alten Hei-
mat, den sie hier sehr vermissen müssen. Der
Verlust des Rückhaltes der bäuerlichen Gemein-
schaft hat sich für die Landjugend bitter aus-
gewirkt; ein großer Teil ist bereits in andere
Berufe abgewandert, l
Im vorigen Jahr war für eine Ausstellung in
Posen, die das Werk der Ansiedlung anschau-
lich machen sollte, als Leitgedanke die schöne
Prägung gewählt worden: Umsiedeln heißt
umpflanzen! Es kommt bei dem Umsiedeln
auf das Wiederwurzelfassen an. Arbeit,
Mühsal und Not gehören sicher dazu, damit
ein Bauer wieder Wurzel -fassen kann. Im
Warthegau hat es daran nicht gefehlt! Es gehört
aber auch dazu, daß er mit seinem Gemüt und
seiner Seele von dem Land Besitz ergreift, in
das er verpflanzt worden ist. Das Heimisch-
werden ist davon abhängig, daß sich wieder eine
Dorigemeinschaft bildet.
— — | —— A
D FS ee —— — 2 — —
r
‚Bei der
Im allgemenien sind wir daran gewöhnt, bei
dem Wort .Gemeinschaft nur an die politische
Gemeinschaft, d. h. an die Volksgemeinschaft
zu denken. Es steht außer allem Zweifel, daß
alle heimgekehrten auslandsdeutschen Gruppen
auf das stärkste von dem Erlebnis der Volks-
gemeinschaft erfaßt worden sind. Auch der
kleinste wolhyniendeutsche Bauer weiß, daß er
ein Glied in einer kämpfenden politischen
Front geworden ist. Das politische Gemein-
schaftsbewußtsein gehört aber zu einer ganz
anderen Ebene als die Dorfgemeinschaft, so nahe
sie sich auch berühren. Unser geschichtliches
Schicksal wird von der Kraft der politischen
Gemeinschaft entschieden. Das Landvolk kann
aber nur existieren, wenn es sich die Fähigkeit
bewahrt, im Rahmen der politischen Gemein-
schaft, als dessen Pfeiler, ein bäuerliches
Sippen- und Gemeinschaftsbewußt-
sein zu entwickeln.
Für die geschilderte ungünstige Situation des
dörflichen Gemeinschaftslebens im Warthegau
sind mehrere Gründe maßgebend:
1. Durch die Umsiedlung wurden die alten
dörflichen Zusammenhänge zerrissen.
Streulage der landwirtschaftlichen
Grundstücke im Warthegau war es eine Unmög-
lichkeit, die Dorfgemeinden wieder geschlossen
anzusiedeln; sachliche Gründe politischer und
volksbiologischer Art sprachen auch dagegen.
Es konnte auch bei der Eile, mit der die Ansied-
lung vorgenommen werden mußte, keine Rück-
sicht auf die früheren Bindungen genommen
werden. Wenn in der Planung daran gedacht
war, so sind in der Praxis oft andere Wege
beschritten worden, weil die Auswahl unter den
verfügbaren Höfen bei dem Zustand der Ge-
bäude zu gering war.
Das Ergebnis ist, daß die Dörfer im Warthegau
in ihrer landsmannschaftlichen Struktur ein sehr
buntes Bild bieten. Volkstumsmäßig kam ein
Teil der Umgesiedelten in für die Gemeinschafts-
bildung ungünstigere Verhältnisse, da sie früher
in geschlossenen deutschen Dörfern saßen,
während jetzt ihre Heimstätten von polnischen
Familien umgeben sind. Der nachbarliche Ver-
kehr zwischen den deutschen Familien kommt,
wenn sie verschiedener Herkunft sind, nur
schwer in Fluß. Der bäuerliche Mensch er-
schließt sich nicht so leicht dem Volksgenossen,
der andere Sitten und Gewohnheiten und, was
das Entscheidende ist, mit seiner Sippe keine
Berührung besitzt. So ist es eine typische Er-
scheinung im Warthegau geworden, daß auf
vielen Höfen am Sonntag die Kutschen ange-
spannt werden, um die nächstgelegenen Ver-
wandten oder Nachbarn aus früherer Zeit zu
besuchen.
2. Durch die Streylage der Höfe wird eine
Kernbildung gesellschaftlicher Art
erschwert. Wo soll sich das Landvolk tref-
fen? In vielen Gemeinden, besonders in den
östlichen Kreisen, ist nicht einmal eine Einrich-
tung vorhanden, die in deutschem Sinne als
Gasthof angesprochen werden kann. |
3. Die Übertragung der differenzierten poli-
tischen Organisationsformen des Altreiches auf
die ausgesprochene ländliche Sphäre der Ost-
gaue hat die Gemeinschaftsbildung im bäuer-
lithen Sinne nicht gefördert. Durch die Viel-
heit der Organisationen und ihrer Ver-
anstaltungen ist die bäuerliche Gemeinschaft
aufgespalten und der ungezwungene gesellige
Verkehr der Dorfbewohner untereinander zu-
rückgedrängt worden. Das Eigenleben der Dorf-
gemeinden wird außerdem dadurch stark beein-
trächtigt, daß alle Veranstaltungen gewöhnlich
am Sitz der Ortsgruppen und Amtskommissa-
riate — die jeweils eine Reihe von Dörfern
umfassen — stattfinden. Vor Jahren wurde der
Versuch unternommen, zur Unterstützung der
Gemeinschaftspflege der Deutschen auf dem
Lande „Deutsche Häuser" zu schaffen. Das Er-
gebnis blieb unbefriedigend, da der Standort
dieser Häuser — sie befinden sich meist am
Sitz der Amtskommissariate — nicht richtig ge-
wählt war, und die Räume selbst in der Regel
von Organisationen und Verbänden besetzt und
damit zweckentfremdet wurden.
4. Das Ubermaß an Betreuung in den
ersten Jahren — diese Periode ist jetzt über-
wunden — hat das Eigenleben des Landvolkes
ebenfalls ungünstig beeinflußt. Wie viele Dienst-
stellen und Organisationen haben sich damit
abgegeben, den Umsiedlern mit Rat und Tat bei-
zustehen! Jede Pflanze braucht, wenn sie
umgesetzt worden ist, vor allem Ruhe, um sich
erholen zu können; der Mensch nicht minder.
5. Von größtem Schaden für die Dorfgemein-
schaft sind alle Bestrebungen, rein städtische
Formen der Unterhaltung und Freizeitgestaltung
auf das Land zu bringen. Das Vorherrschen der
„Bringeveranstaltung” ist der Tod eines
eigenständigen bäuerlichen Kulturlebens und
zerstört die geistige Substanz des Landvolkes.
Wir müssen uns davor. hüten, dem Landvolk
anzugewöhnen, daß es Zerstreuung haben muß.
Der bäuerliche Mensch braucht Sammlung, Stär-
kung seines Selbstgefühls, seiner Bodengebun-
denheit und die Ausbildung seiner Fähigkeiten,
seinen Feierabend selbst einzurichten, sich selbst
zu genügen.
Die Not, in der sich das dörfliche Gemein-
schaftsleben im Warthegau befindet, hat zu der
Dorfs tubenaktion geführt. Richtunggebend ist
die Überlegung gewesen, daß erst einmal
209
der Raum geschaffen werden muß, der Mit-
telpunkt des Dorfgemeinschaftslebens werden
kann. Jahrhundertelang ist die Spinnstube ein
solcher Mittelpunkt gewesen, bis der Geist der
Verstädterung auch das Dorf erreichte und den
Untergang der althergebrachten Formen und
Einrichtungen dörflicher Geselligkeit herbei-
geführt hat. Die Dorfstube soll als Vorläufer des
späteren Dorfgemeinschaftshauses dienen. Es
wird bereits im Kriege mit dem Aufbau be-
gonnen, denn der Krieg verlangt einen beson-
ders festen Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft
zur Stärkung ihrer seelischen, politischen und
wirtschaftlichen Kräfte.
Für die Einrichtung und Benutzung der Dorf-
stuben sind folgende Richtlinien und An-
regungen herausgegeben worden, die ich in
zusammengefaßter Form wiedergebe:
Die Dorfstube ist eine Einrichtung der
Dorfgemeinschaft. Sie steht am Feier-
abend, an Sonn- und Feiertagen allen Dorf-
bewohnern zur Verfügung, ganz gleich, ob
sich ein kleinerer oder größerer Kreis zu-
sammenfindet. Sie dient für die Dorfbewoh-
ner auch als Lesestube. Bücher, Zeitschriften
und ein Rundfunkgerät (vor allem für den
Gemeinschaftsempfang) sollen möglichst
vorhanden sein. Im Winterhalbjahr müssen
die Dorfstuben mit Licht und Heizung aus-
gestattet sein. (Die Wirtschaftsämter sind
angewiesen worden, auf Antrag der Kreis-
leitungen für jede Dorfstube bis zu 30 Zentner
Kohlen für das Winterhalbjahr und bis zu
\ 12 Liter Petroleum für jeden Monat zur Ver-
fügung zu stellen.) Als Raum mit Licht und
Wärme wird die Dorfstube während des
Krieges in den Wintermonaten für die Dorf-
bewohner und auch für die umquartierten
Volksgenossen von besonderer Wohltat sein!
Die Dorfstube ist als Wohnstube und
nicht als Feierraum einzurichten. Die
Besucher sollen sich in ihr wie zu Hause
fühlen. Wenn es auch erwünscht ist, daß
diese oder jene Gliederung der Partei oder
sonstige Organisationen die Dorfstube für
Versammlungen oder Besprechungen be-
nutzen, so darf unter keinen Umständen die
Dorfstube von einer Organisation mit Be-
schlag belegt werden. Die Dorfgemeinschaft
muß das Bewußtsein haben, daß sie die Trä-
gerin der Dorfstube ist. Vor allen Dingen
muß verhindert werden, daß religiöse Sekten
sich in der Dorfstube einnisten.
Als Dorfstube ist ein geeigneter Raum
ausfindig zu machen, z. B. in der Schule,
NSV.-Station, einem ehemaligen Pfarrhaus,
Gutshaus oder auch einem geräumigen Bau-
ernhaus, und sauber herzurichten. Falls noch
210
ein weiterer freier Raum vorhanden ist, soll
dieser gleich als Webstube mit vorgesehen
werden, da die Verbindung Dorfstube
und Webstube besonders er-
wünscht ist.
Die Einrichtung soll im Kriege mit ein-
fachsten Mitteln erstellt werden. Die
Dorfgemeinschaft ist an ihrer Ausgestaltung
zu beteiligen. Es kommt nur eine solide,
schlichte, geschmackvolle Ausführung in
Frage. Tische, Stühle, Bänke, ein heizbarer
Ofen und möglichst ein verschließbarer
Schrank sollen vorhanden sein. (Für die bau-
liche Umgestaltung ist der Bauapparat der
Siedlungsgesellschaften zur Verfügung ge-
stellt worden; die innere Ausgestaltung hat
die NS.-Frauenschaft übernommen.)
An der Ayfbringung der finan-
ziellen Mitfel soll die Dorfgemeinschaft
beteiligt werden. (Die einmalige Einrichtung .
erfolgt zum größten Teil aus Mitteln des
Gauamtes für das Landvolk, die laufenden
Kosten müssen nach einer Verfügung des
Reichstatthalters in den Gemeindeetat
übernommen werden.)
Der Aufbau der Dorfs tuben im Kreis
wird von dem Kreisamtsleiter für das Land-
volk geleitet. Im Rahmen der Ortsgruppe ist
zuständig der Ortsamtsleiter für das Land-
volk. In der Dorfgemeinschaft selbst soll das
Bestimmungsrecht über die Dorfstube der
Ortsamtsleiter für das Landvolk bzw. der
Ortsbauernführer erhalten (mit entsprechen-
der Einschaltung des Politischen Leiters).
Für den Besuch einer Dorfstube darf kein
Zwang ausgeübt werden. Die Dorfstube
soll mit der Zeit der natürliche Mittelpunkt
für alle geselligen, kulturellen und poli-
tischen Veranstaltungen und Feiern im Dorf
werden, soweit sie in den Rahmen einer
Dorfstube hineingehören. Für das Landvolk
soll es zu einer Selbstverständlichkeit wer-
den, die Dorfstube regelmäßig zu besuchen.
Für die Erreichung dieses Zieles ist ent-
scheidend, daß eine geignete Persönlichkeit
zur Führung des Dorfgemeinschaftslebens im
Dorfe gefunden wird. Sie sammelt um sich
einen Kreis von Mitarbeitern bzw. Mitarbei-
terinnen. Dabei sind die Kräfte zu bevor-
zugen, die bereits durch die Arbeit der NS.-
Frauenschaft, BDM., Hitler-Jugend, Arbeits-
dienst, Landjahr usw. gute Voraussetzungen
mitbringen.
)
Die Dorfstube dient einmal der zwang-
losen Geselligkeit der Dorfbewohner,
zum anderen sollen im Winterhalbjahr von
Zeit zu Zeit, etwa alle vier Wochen, die
Dorfstubenabende unter einem be
-
stimmten Leitgedanken stehen. Die gestal-
teten Nachmittage oder Abende sollen das
kulturelle und geistige Eigenleben des Dor-
fes wecken und fördern. Hierzu folgende
Vorschläge:
1. Besondere politische Tagesereignisse wer-
den erläutert (in Verbindung mit dem Zellen-
abend).
2. Wenn Radio vorhanden, werden Gemein-
schaftsübertragungen angehört.
3. Fragen des Bauerntums und der Landwirt-
schaft werden besprochen.
4. Urlauber erzählen von der Front.
5. Jede Volksgruppe berichtet von ihrem
Schicksal und ihrer Arbeit. Erzählungen von
Gebräuchen, ‚Sagen und Märchen, sowie
Lieder aus der alten Heimat. Es įst erstaun-
lich, wie wenig die einzelnen Gruppen oft
voneinander wissen.
6. Die Dorfbewohner lernen aus Schilderungen,
Gedichten und Liedern in großen Zügen die
Gebiete des Großdeutschen Reiches kennen,
vor allem die Gaue, aus denen die Vorfahren
der Volksgruppen stammen (möglichst mit
Abbildungen oder Lichtbildern).
7. Gute Heimatkenner erzählen vom Warthe-
land, seinem Schicksal, seiner Wirtschafts-
struktur, seinen Bodenverhältnissen usw. mit
besonderer Berücksichtigung des jetzigen
Heimatkreises (Kreiskarte).
8. Vorarbeiten für die Dorfchronik und Anlei-
tungen zu Sippentafeln und Sippenbuch. (Eine
schöne Aufgabe für den Dorflehrer.)
9. Vorlesen geeigneter Geschichten und Bücher.
10. Gemeinschaftliches Singen.
11. Zusammenstellen einer Dorfmusik (Mund-
und Ziehharmonika, Geige, Flöten usw.).
12. Gesellschaftsspiele und Scharaden.
13. Gemeinsame Vorbereitungen für Feiern, dem
Jahreslauf entsprechend, z. B. Herstellung
von Kränzen und Schmuck für Erntedanktag,
Weihnachten, Muttertag usw.
14. Herstellung von Gebrauchsgegenständen,
Spielzeug und dergleichen.
15. Fröhliche Abende.
Es handelt sich nicht um eine Vorschrift, son-
dern nur um Anregungen, aus denen für die
Dorfgemeinschaftsarbeit jeweils das Passende
herausgenommen werden soll.
Die Richtlinien lassen erkennen, daß die Ein-
richtung der Dorfstube selbst nur als der
Anfang der zu leistenden Arbeit angesehen
wird. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, anzu-
nehmen, daß nach der mehr oder weniger gelun-
genen Durchführung einiger Dorfabende, an
deren Gestaltung womöglich die Dorfgemeinde
nicht einmal beteiligt worden ist, die Dorf-
gemeinschaft sich wieder in bester Ordnung
‚befindet. Als ein Beispiel, wie vorgegangen
werden muß, zitiere ich den Bericht eines
Kreisleiters:
„Nach. eingehender EEN mit den
Vertretern aus den Ortsgruppen habe ich
festgestellt, daß die Einrichtung von Dorf-
stuben einem dringenden Bedürfnis der Land-
bevölkerung entspricht. Nach den bisherigen
Erfahrungen genügt es auch nicht, wenn z.B.
eine Landortsgruppe, die in ihrem Bereich
der Größe eines Amtsbezirks entspricht, nur
eine oder zwei Dorfstuben einrichtet. Ich bin
der Auffassung, daß wir entsprechend den
örtlichen Verhältnissen in jeder Land-
zelle schon jetzt eine Dorfstube einzurich-
ten haben. Ich bin bisher bemüht gewesen,
die Parteiarbeit in den Landortsgruppen
stark zu dezentralisieren. Dabei hat sich bei
verstärkter Verlagerung der politischen Are
beit auf die Zellen von selbst ergeben, daß
Umschau gehalten werden mußte nach ge-
eigneten Räumen in den einzelnen Zellen-
bereichen. Diese Räume sind bereits zu
einem gewissen Mittelpunkt im dörflichen
Leben geworden, so daß nichts künstlich
konstruiert werden muß.“
Ein Wunschbild ist, daß einmal die Kreis-
leiter, Landräte und Kreisbauernführer regel-
mäßig im Jahr die Dorfstuben aufsuchen, um mit
den Männern und Frauen der Gemeinde über die
dörflichen Angelegenheiten und ihre Sorgen
und Nöte zu sprechen. Der Reichsnährstand hat
in diesem Winterhalbjahr alle Erzeugungs-
schlachtveranstaltungen in Form von Dorfver-
sammlungen und Dorfbesprechungen durch-
geführt und dadurch einen ausgezeichneten
Kontakt mit dem Landvolk bekommen.
In engstem Zusammenhang mit dem poli-
tischen und berufsständischen Leben im Dorfe
steht die FPeier gestaltung und die Ge-
selligkeit, für die das Landvolk wieder
eigene Formen herausbilden muß. Auch dazu
sind Erkenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten
notwendig, die sich vor allem unsere Land-
jugend wieder erwerben muß. Ohne ein sicheres
Wissen um diese Dinge kann es kein dörfliches
Gemeinschaftsleben geben. Wertvolle Mitarbeit
ist bereits von der Landjugend geleistet worden.
Im Warthegau haben auch der BDM.-Osteinsatz,
das Landjahr, der Landdienst und der Reichs-
arbeitsdienst für die weibliche Jugend vorbild-
lich gewirkt. Unsere Jugend schafft die
Brücke zu einem neuen Leben auf dem
Lande! Daß im Kriege diese Kräfte um die
Erneuerung des Dorfes wirksam werden, sei uns
ein Zeichen für die schöpferische“
Fülle unseres Volkes, das seine besten
Werte der bäuerlichen Tradition verdankt.
211
Die Bestrebungen des USA.-Kapitals zur Erringung
wirtschaftlicher Machtpositionen in der ganzen Welt
werden immer deutlicher erkennbar. Sie begannen
bereits damals, als für die Lieferung von 50 alten Zer-
störern an England militärische Stützpunkte verlangt
wurden, und traten noch deutlicher hervor, als die
Organisation der Unrra zeigte, daß die angeblich zur
Versorgung der notleidenden Völker geschaffenen
Einrichtungen nichts weiter bezwecken als eine
skrupellose monopolistische Beherrschung der Lebens-
. - mittelversorgung der Welt. jetzt werden die Ab-
sichten noch deutlicher: USA. verlangt eine Bezahlung
der im Rahmen der Pacht- und Leihvertrage ge-
lieferten Waren in erster Linie nicht durch Devisen
oder Gegenlieferungen in Waren, sondern durch die
Beteiligung des USA.-Kapitals an bisher in
britischem Besitz befindlichen wichtigen
Erdölvorkommen in der Welt. Hier werden also
wirtschaftliche Produktionswerte gefordert, um für
alle Zeiten die Herrschaft des jüdischen USA.-
Kapitals zu befestigen. Die europäischen Völker
werden jetzt auch dort, wo bisher noch romantische
Vorstellungen über die Möglichkeit irgendwelcher
Hilfeleistungen aus Übersee bestanden haben sollten,
die wirkliche Lage erkennen. Vielleicht wird das dazu
beitragen, z. B. die Anstrengungen der europäischen
Völker im Kampfe um die Nahrungsfreiheit noch zu
verstärken. Staatsminister Riecke hat kürzlich in
einem Rundfunkvortrag einen Überblick über die
europäische Ernährungswirtschaft gegeben. Er ging
dabei davon aus, daß außer Deutschland und dem
faschistischen Italien unter Mussolinis Führung die
kontinentalen europäischen Länder in der Vergangen-
heit ihre landwirtschaftlichen Erzeugungskräfte nicht
in dem erforderlichen Umfang ausgebaut hatten. Er
wies an Hand der Statistik nach, daß die Hektarerträge
in den meisten festilandeuropäischen Ländern in der
Zeit zwischen den beiden Kriegen nicht oder nur
unwesentlich gestiegen sind. Fast in allen Ländern hat
eine verfehlte Wirtschaftspolitik die eigene Scholle
zugunsten der Einfuhr von Übersee vernachlässigt.
Das typische Beispiel hierfür ist Frankreich, das es
nicht verstanden hat, Agrar- und Kolonialpolitik in
Übereinstimmung zu bringen. Die Kolonien wurden
zur Konkurrenz der eigenen Landwirtschaft. Sie
lieferten die gleichen Erzeugnisse wie das Mutterland,
und das Fehlen aller marktordnenden Maßnahmen ließ
die heimische Landwirtschaft mehr und mehr zum
Erliegen kommen. Damit ist zugleich ein Beispiel
dafür gegeben, wie im liberalistischen System ein an
sich großer Reichtum sich zum Unsegen wandeln kann.
Die Vernachlässigung der französischen Landwirtschaft
haben wir in ihrer ganzen Tragweite erst nach dem
Frankreich-Feldzug erkennen können. Sie findet ihren
Ausdruck letzten Endes darin, daß ein Viertel der
europäischen Vorkriegseinfuhr auf Frankreich entfiel,
212
l..
obwohl dessen natürlicher Reichtum es gestatten
mußte, Überschüsse für das übrige Europa zur Ver-
fügung zu stellen. Auch im Osten und Südosten
Europas hat eine verfehlte Handelspolitik die Er-
zeugungsmöglichkeiten der Landwirtschaft niemals
voll zur Entfaltung kommen lassen. Beide Gebiete
konnten zwar Überschüsse an den übrigen euro-
päischen Raum abgeben, aber keineswegs in dem
Ausmaß, wie es auf Grund der natürlichen Bedin-
gungen möglich gewesen wäre. Und selbst die Länder
im Nordwesten Europas — die Niederlande, Belgien
und Dänemark —, in denen die Landwirtschaft am
intensivsten betrieben wurde, waren in hohem Maße
einfuhrabhängig von Übersee, da ihre hochgezüchtete
Veredlungswirtschaft — ihre stark ausgebaute Pro-
duktion tierischer Erzeugnisse — nur noch zu einem
verhältnismäßig kleinen Teil auf der heimischen
Futtererzeugung, zum größten Teil aber auch wieder
auf Einfuhren basierte.
Staatsminister Riecke wies ferner darauf hin, daß
Rußland, das vor 1913 mit einer Ausfuhr von 10 Mil-
lionen Tonnen Getreide den Hauptfehlbedarf Europas
deckte, sich in der Zeit zwischen den beiden Welt-
kriegen der europäischen Zusammenarbeit fast völlig
versagte. Das Ergebnis der verfehlten wirtschafts- und
agrarpolitischen Maßnahmen in den meisten euro-
päischen Ländern war eine starke Einfuhrabhängigkeit
Festlandeuropas von Übersee. Diese bestand zunächst
bei Futtergetreide und Futtermitteln und wirkt sich
auf die Produktion von eiweißhaltigen Nahrungs-
mitteln — Fleisch und Eiern — aus und erreichte beim
Fett mehr als ein Drittel des europäischen Verbrauchs
an Fett. Die Einfuhrabhängigkeit bestand also gerade
bei den beiden hochwertigsten Nahrungsgütern.
Die Folgen dieses verfehlten Systems haben sich
sofort bei Beginn des Krieges gezeigt. Sie mußten
immer stärker zutage treten, je mehr Länder im Laufe
der Kampfereignisse von der überseeischen Einfuhr
abgeschnitten wurden. Ein Land nach dem andern
mußte rationieren. je abhängiger ein Land vorher von
der Übersee-Einfuhr gewesen war, um so niedriger
mußten seine Rationen ausfallen. Die Folge davon
waren Hilferufe an Deutschland. Sie zu erfüllen war
nicht leicht, denn auch unsere Nahrungsdecke ist ja
nicht allzu reichlich. Sie völlig abzulehnen war eben-
falls nicht möglich. Wertvolle Bundesgenossen konnten
ernährungsmäßig nicht im Stich gelassen werden;
ebenso konnten besetzte Gebiete mit für uns wichtigen
Industrien nicht sich selbst überlassen bleiben. Bei
dieser Lage konnte der Hebel aber nicht bei der Ver-
teilung, er mußte vielmehr bei der Erzeugung an-
gesetzt werden. Herbert Backe hat deshalb schon
sehr früh in diesem Kriege zur europäischen Er-
zeugungsschlacht aufgerufen. Heute, im fünften Kriegs-
wirtschaftsjahr, können wir feststellen, daß diesem
Ruf auf der ganzen Linie Folge geleistet worden ist.
So manches Land, das zu Beginn dieses Krieges noch
in erheblichem Umfang Zuschüsse forderte, hat sich
durch energische Umstellungsmaßnahmen auf eigene
Füße gestellt. Andere haben sich vom Zuschuß- zum
Überschußgebiet entwickelt. So manche Erleichte-
rung, nicht nur für uns, sondern auch für die gesamt-
europäische Ernährungswirtschaft, trat dadurch ein,
daß es trotz aller Schwierigkeiten gelang, den be-
setzten russischen Raum in die europäische Wirtschaft
einzubeziehen.
StaatsministerRiecke kennzeichnete dann die Aus-
wirkungen des inzwischen eingetretenen Verlustes
eines Teils dieses Raumes, der in seinen Auswirkungen
nicht überschätzt werden darf, ohne das, was er-
nahrungs wirtschaftlich im Osten verlorenging, zu
bagatellisieren. Die noch im Aufbau begriffenen Ge-
blete hätten uns in Zukunft manche zusätzliche Er-
leichterung unserer Ernährungssituation bringen
können; auf der anderen Seite haben wir aber stets
betont, daß der Schwerpunkt der landwirtschaftlichen
Erzeugung stets im heimischen Raum liegt. 40% der
europäischen Getreide- und Kartoffelerzeugung kom-
men in Großdeutschland auf. Ein Nachlassen der
Intensität unserer deutschen Landwirtschaft würde
sich deshalb erheblich stärker auswirken als noch so `
große Flächenverluste im Osten. Wir brauchen also
den im Osten eingetretenen Verlusten auch keine
übertriebene Bedeutung beizumessen. Das gilt um so
mehr, als wir erfolgreich am Aufbau der Landwirt-
schaft in den europäischen Ländern gearbeitet haben;
außer durch Lieferung von Maschinen, Geräten,
Handelsdünger, Zuchtvieh usw. geschah dies durch
den Einsatz von sachverständigen Männern als Füh-
rungs- und Beratungskräfte. Der deutsche Landwirt-
schaftsführer, der ursprünglich nur im sowjetischen
Raum tätig war, arbeitet heute auch in Italien und in
Frankreich. Er hat sich in allen Ländern bestens be-
währt, 30 daß sich schon jetzt überall die Ergebnisse
der Zusammenarbeit zeigen. Ein gutes Beispiel dafür
ist die Vermehrung des Ölsaatenanbaues im gesamten
Europa, im Westen sowohl als auch im Osten. All-
gemein hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß der
verstärkte Ölsaatenanbau das sicherste Mittel ist,
die Fettlücke zu schließen. Wie unangenehm dieses
Ergebnis unseren Gegnern ist, zeigt allein die überall,
wenn auch mit kümmerlichen Mitteln, betriebene
Gegenpropaganda. Darüber hinaus beginnt sich all-
mählich eine europäische Arbeitsteilung anzubahnen.
Die Entwicklung der Landwirtschaft in europäischen
Ländern wird in Zukunft nicht mehr abhängig sein
von zufälligen Marktlagen in Übersee, sondern sie
wird sich ergeben aus den natürlichen Erzeugungs-
bedingungen und der jeweiligen Lage zu den großen
ebenfalls naturbedingten Absatzgebieten. Auf lange
Sicht kann deshalb auch ernährungswirtschaftlich die
Lage durchaus positiv beurteilt werden.
Selbstverständlich muß immer wieder die Not:
wendigkeit zum vollen Einsatz der einheimischen Er-
zeugungsmittel betont werden. Stark im Vordergrund
steht hierbei im Augenblick die Milchleistung. Zu
dieser wichtigen Frage sprach Reichsobmann Bauer
"Gustav Behrens auf einer milchwirtschaftlichen
Tagung in Posen. Er betonte, daß für die Ernährung
des deutschen Volkes einzig und allein der deutsche
Bauer und der deutsche Acker ausschlaggebend seien.
Diese vom Reichsnährstand schon immer betonte Tat-
sache wird jetzt im fünften Kriegsjahr auch von
weitesten Kreisen anerkannt. Bei der Versorgung
spielen Brotgetreide und Kartoffeln eine ausschlag-
gebende Rolle. Nicht minder wichtig und im fünften
Kriegsjahr besonders vordringlich ist die Fetterzeu-
gung. Hier liegt das Hauptgewicht bei der Milchwirt-
schaft, die in der Butter das hochwertigste Fett liefere.
Durch Aufklärung sind in der Milchwirtschaft, noch
manche Reserven zu aktivieren. Die Schweinehaltung
ist soweit wie irgendmöglich aufrechtzuerhalten, dabei
muß der Verwertung der Zuckerrübe als Schweine-
futter größte Beachtung geschenkt werden. Der
Reichsobmann schloß mit dem Hinweis, daß eine aus-
reichende Ernährung Voraussetzung für den Sieg sei
und daß der Rüstungsarbeiter gut ernährt werden
muß. Die Sicherung der Ernährung ist daher nicht nur
eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Auf-
gabe. Die weit über den ernährungswirtschaftlichen
Rahmen hinausgreifenden politischen Aufgaben des
Landvolks bildeten den Mittelpunkt der Ausführungen,
die Oberbefehlslelter Herbert Backe auf der Reichs-
leitertagung in München machte. Er umriß die Auf-
gaben und die Entwicklung des Reichsamtes für das
Landvolk als des politischen Führungsamtes der Partei
für das deutsche Bauerntum. Die politische Führung
des deutschen Bauerntums habe es zu einer Kraft-
entfaltung ohnegleichen gebracht, die die Ernährung
des deutschen Volkes gesichert habe. Dies ist um so
bedeutsamer, weil gleichzeitig im Kriege ein stärkerer
Entzug der männlichen Arbeitskräfte unvermeidlich
war. Ohne die deutschen Bauernführer wäre diese
Leistung nicht denkbar gewesen. Oberbefehlsleiter
Backe entwickelte aus diesen Zusammenhängen her-
aus das Verdienst der NSDAP., deren politische Er-
ziehungsarbeit diesen Typ des nationalsozialistischen
Bauernführers geschaffen habe, in dem sich in be-
sonders glücklicher Form politisches Wollen und wirt-
schaftliches Können vereinigen. Es ist kein Zufall, daB
gerade in dem jetzigen Augenblick des Krieges in den
agrarpolitischen Fragen die politische Haltung eine so
große Rolle spielt. Das wirtschaftliche Können hat der
Reichsnährstand in den Jahren der Erzeugungsschlacht
besonders im Kriege unter schwierigsten Verhält-
nissen unter Beweis gestellt. Im jetzigen Stadium des
Krieges gewinnt demgegenüber ebenso wie in den
Entscheidungskämpfen vor der Machtergreifung die
politische Haltung immer stärker an Bedeutung.
213
Statistische Erhebung und
Menschenführung
Die Ausfüllung statistischer Erhebungsbogen Ist
eine allen Staatsbürgern auferlegte Pflicht, die sich
einer allgemeinen Abneigung erfreut. jeder sieht
diesen weißen, grünen oder anders gefärbten Formu-
laren mit gerunzelter Stirn entgegen und ist erst
zufrieden, wenn er die Fragen beantwortet hat (am
liebsten durch einen Strich) und der Bogen aus dem
Hause ist. Gerade für den Bauern und Landwirt,
der durch die in kürzeren Zeiträumen durchgeführten
betriebswirtschaftlichen Umfragen besonders oft die
Feder In die Hand nehmen muß, ist dieser „ewige
Paplerkrleg“ eine bittere Pille, die nicht gern ge-
schluckt wird. Um so beachtlicher ist die Tatsache,
daß die Ausfüllung der Zählbogen nach wie vor mit
größter Sorgfalt vollzogen wird und diese wahrheits-
getreue Unterlagen für die staatlichen Lenkungs-
maßnahmen darstellen. Die Gründe für dieses vor-
bildliche Verhalten liegen einmal darin, daß der Bauer
es gewöhnt ist, in seinem Betrieb mehrjährige Anbau-,
Düngungs-, Arbeits- und Fütterungspläne aufzustellen.
Er führt Buch und treibt Statistik im kleinen Rahmen.
Niemand weiß besser als er, wie wichtig für ihn diese
Voranschläge und Planungen sind, wie von ihrer
Richtigkeit das reibungslose Funktionieren seines
Betriebes abhängt. Daraus allein ist aber die offen-
kundig gewordene Sorgfalt bei der Ausfüllung der
statistischen Fragebogen nicht zu erklären; denn die
Führung elner Betriebsstatistik geschieht im eigenen
Interesse, während die generelle Statistische Erhebung
dem Egoismus zuwiderläuft, richtet sich nach jhr
doch — besonders im Kriege — die Höhe der Umlage,
d.h. der Mengen Getreide, Milch, Futtermittel usw.,
die es abzuliefern gilt. Ware es menschlich nicht ver-
ständlich, wenn die Angaben „nach unten abgerundet“
würden? Und warum: werden die Werte doch der
Wirklichkeit entsprechend eingesetzt?
Vergegenwärtigen wir uns die Verhältnisse des
ersten Weltkrieges. Nur wenige Hinweise sollen
zur Charakterisierung der damaligen Lage dienen.
Erst 1912, als bereits gewisse Anzeichen auf einen
Krieg hinwiesen, entschloß man sich zur Bildung
einer Kommission, die sich mit Fragen der wirtschaft-
lichen Mobilmachung befassen und eine Bestands-
aufnahme der vorhandenen Rohstoffe machen sollte.
Der Reichstag lehnte diese Arbeit wegen der Kosten-
höhe ab. Erst drei Monate vor Kriegsausbruch wurde
dem Antrag stattgegeben, zu einem Zeitpunkt also,
als es praktisch zu spät, vor allem die Beschaffung
214
bemerkungen
notwendiger Rohstoffe nicht mehr möglich war. —
Nicht anders lagen die Verhältnisse auf dem speziellen
Gebiet der Ernährungswirtschaft. Da eine geordnete
Statistik fehlte, ermangelte es allen aufzustellenden
Wirtschaftsplänen an einer gediegenen Grundlage.
Schätzungen, Improvisationen, kurz Wertängaben ohne
feste Grundlagen bildeten das Werkzeug der „staat-
lichen Planwirtschaft“. Der „Erfolg“ ließ auch nicht
lange auf sich warten. Die Personenstandsaufnahme .
z.B. lag um rund 5 Millionen über der tatsächlichen
Bevölkerungszahl; sie bildete die Grundlage für die
Ausgabe der Brotkarten und wirkte sich entsprechend
aus. Im Jahre 1915 wurde die Anbaufläche um etwa
10 v. H. überschätzt und danach der Voranschlag
für die Ernte und damit für die Versorgung gemacht.
Andererseits lag die 1915 durchgeführte Erhebung
des Kartoffelvorrats um 4 Millionen t unter dem wirk-
lichen Bestand. Dieses leichtfertig erstellte Ergebnis
bildete die Ursache für den „Schweinemord“. Von
Januar bis März 1915 wurde der Schweinebestand
um über 30 v. H. verringert, als nfan feststellte, daß
die Kartoffelvorräte um 40 Millionen dz höher waren
als veranschlagt. Da weder die Konservenindustrie
das anfallende Schweinefleisch noch die kartoffel-
verarbeitende Industrie die , Üüberschũsslgen“ Kar-
toffelmengen restlos verwerten konnten, mußte ein
Teil verderben. Das waren die Erfolge staatlicher
Planwirtschaft nach dem liberalistischen System des
freien Spiels der Kräfte!
Staatliche Planwirtschaft ist allerdings zuviel ge-
sagt. Denn längst war die Exekutive auf sogenannte
Kriegsgesellschaften verlagert worden, die — von
Juden geführt und bis in die untersten Stellen durch-
setzt — allein dem Prinzip privatkapitalisti-
schen Gewinnstrebens huldigten. Während der
Staat, d. h. das Volk, immer mehr in den Hintergrund
gedrängt wurde, traten die „Kriegsgetreide-GmbH.”,
die „Futtermittel-AG.", die „Kriegswollbedarfs-AG.“
u.a. als Aufkäufer vor den deutschen Bauern hin. —
Wurde einerseits der Erzeugerpreis ständig unter
Druck gehalten — „um der allgemeinen Notlage
Angepaßt zu werden" —, so stiegen andererseits die
Dividenden der Gesellschaften in gleichem Maße,
wie die Verbraucherrationen absanken. Die Kriegs-
ernährungswirtschaft, der Kampf gegen den Hunger.
wurde zu einem Privatgeschäft, das wenigen auf
Kosten der Allgemeinheit hohen Gewinn brachte.
Ist es verwunderlich, daß der Bauer, der nur noch den -
Juden als Nutznießer seiner Arbeit sah, zur Selbst-
hilfe griff? Ist es unbegreiflich, daß die getroffenen -
Abwehrmaßnahmen auch In dem schwarzgeschlach-
teten Schwein und der frisierten Anbaustatistik zum
Ausdruck kamen?
\
Wer sich diese Verhältnisse des Weltkrieges 1914
bis 1918 vergegenwärtigt und sie mit den heutigen
vergleicht, weiß, warum der deutsche Bauer heute die
gewünschten Angaben zwar nicht mit Freude, dafür
aber richtig macht. Die natlonalsozialistische Agrar-
politik ist auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens
aufgebaut. Verantwortlich für die Entwicklung zeich-
nen nicht mehr pseudonyme Kriegsgewinnler-
gesellschaften, sondern Männer, die selbst
Bauern sind und — genau so wie alle anderen —
sofort im eigenen Betrieb die Auswirkung der von
ihnen erlassenen Maßnahmen spüren. Das Prinzip
der selbstverantwortlichen Führung bietet die Ga-
rantie für eine allen gerecht werdende Aufgaben-
teilung. Die Erkenntnis, daß die Statistik der wirt-
schaftliche Gradmesser und die Grundlage für viele
Staatsmaßnahmen, besonders bei einer autoritären
Wirtschaftsführung ist, hat dazu geführt, daß sich
der Bauer bei Ausfertigung der Erhebung mitver-
antwortlich fühlt. So ist die statistische Erhebung
auch ein Ausdruck für die erfolgreiche Menschen-
führung im natlonalsozlallstischen Sinne.
H. Gerdesmann
Der alliierte Fleischmarkt
Wer die Berichte der Presse über die Versorgungs-
lage der Alliierten eingehend verfolgt, muß immer
mehr zu der Erkenntnis kommen, daß der viel-
gerühmte Überfluß dank der liberalistisch-kaplita-
listischen Mißwirtschaft immer mehr einem chro-
nischen Mangel weichen muß. Das trifft in erster Linie
für einfuhrabhängige Staaten wie England zu und
bezieht sich vornehmlich auf tierische Veredlungs- `
produkte, die mit der kriegsbedingten Verlagerung
des Verbrauchs auf Vegetabilien den stärksten Er-
zeugungsrückgang aufweisen. Wenn der englische
Landwirtschaftsminister es als ein Wunder bezeichnet,
daß die derzeitige Fleischration in England noch ge-
halten werden konnte, so ist das unseres Erachtens
nicht so überraschend, als wenn Überseestaaten wie
die USA., Australien, Neuseeland u. a., mit bedeuten-
den Flelschexporten in der Friedenszeit zu Rationie-
rungsmaßnahmen gezwungen sind und Klagen über
eine ungleichmäßige Versorgung und elne ständige
Zunahme des Schwarzhandels führen. So wird aus
New York berichtet, daß die Zufuhr an Rind-,
Schweine- und Lammfleisch nur noch 25% des Normal-
bedarfs ausmache, daß aber andererseits ein bedeuten-
der Schwarzhändier (Meatlegger) in New York und
New Yersey für 3 Millionen Dollar Rindfleisch um-
gesetzt habe. Selbst die Agrarverwaltung kommt zu
dem Ergebnis, daB mindestens ein Fünftel des an-
fallenden Fleisches aus Schwarzschlachtungen stamme;
sogar Fabriken treten auf dem Schwarzmarkt als
Käufer auf, um ihre Belegschaft besser versorgen zu
können. Und das trotz der seit dem 25. März 1943
bestehenden Punktrationierung!
Andere Fleischexportländer sind ebenfalls zu Ein-
schränkungen gezwungen. So mußte die für die Aus-
fuhr arbeitende amerikanische Großschlächterei
Armour & Co. in Brasilien ihre Tore schließen, well
die brasilianische Regierung wegen eigener Versor-
gungsschwierigkeiten den Export für einige Monate
untersagte. In Chile wurde die uneingeschränkte
Vieheinfuhr aus Argentinien gefördert, um dem
Fleischmangel zu begegnen. Australien und Neu-
seeland, die im Frieden rund 250000 t Fleisch aus-
führten, erleben einem Bericht des Nahrungsmittel-
komitees des britischen Empire zufolge eine ständige
Verschärfung der Lebensmittellage, und man weist
darauf hin, daß der weiteren Ausfuhr an Veredlungs-
erzeugnissen schon jetzt Grenzen gesetzt sind. Wie
aus dem neuen Lieferungsvertrag zwischen Kanada
und Großbritannien hervorgeht, ist die Baconausfuhr
Kanadas um jährlich 225 Millionen Ibs. herabgesetzt
worden — eine Folge des Mangels an Schweinefutter
und der ungünstigen Preisrelation zwischen Futter-
mitteln und Schweinen. Der Ernährungsminister der
Südafrikanischen Union, Collin, erklärte vor
Parlamentsmitgliedern, daß die Fleischvorräte Zu-
sehends zur Neige gingen und er im Hinblick auf die
Anlieferung und Preisgestaltung eine Kontrolle des
Fleischmarktes angeordnet habe. Die notwendige
stärkere Heranziehung der Viehwirtschaft in den
Eingeborenen-Reservaten für die Versorgung ergab,
daß die Sterblichkeitsziffer bei den Herden erstaun-
lich groß ist und nur etwa 30% als Schlachtvieh in
Frage kommen.
. Wenn diese Stimmen aus den Überschußländern
bereits von Schwierigkeiten auf dem Fleischmarkt be-
richten, so kann es nicht weiter überraschen, wenn
die von den Alliierten besetzten Gebiete, wie Nord-
afrika, Syrien und Süditalien, zy Hungerzonen ge-
worden sind. Kennzeichnend und entscheidend ist das
Fehlen jeder Marktregulierung, d. h. die Alliierten
haben schon eine Marktordnung rein liberalistischer
Prägung, die bestimmt wird durch die Faktoren
Preishöhe und Kaufkraft der Bevölkerung. Wird die
Ware knapp, so steigt der Preis und erlaubt es immer
weniger Menschen, als Kàufer auf dem Markt in Er-
scheinung zu treten. Das nennt man dann sozialen
Ausgleich. Daß die aufgeklärten Völker Europas sich
unter diesen Umständen gegen eine Herrschaft der
Alliierten wehren, ist ein Ausdruck für ihr gesundes
Empfinden, ein Kampf für das „Recht zum Leben“.
215
DieBucwadr
Lebensziel: Bäuerin
Dieses mit einem gut deutschen und echt bäuer-
lichen Stolz ausgesprachene Wort ist leider noch nicht
wieder in dem Maße Allgemeingut unserer Landmädel
geworden, wie es nicht nur für die Erhaltung und
Stärkung unseres Bauerntums, sondern damit gleich-
zeitig für den Bestand unseres Volkes überhaupt not-
wendig ist. Um so begrüßenswerter ist es, daß Luise
Essig im Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt a. M.,
unter diesem Titel ein Buch herausgegeben hat, das
auf Grund ihres eigenen Lebensweges und ihrer
eigenen Lebensauffassung alle an der Erziehung der
ländlichen Jugend beteiligten Kräfte, Eltern, Lehrer,
Lehrerinnen, BDM.-Führerinnen auf dem Lande,
Jugendberufswartinnen des Reichsnährstandes und
andere an der Erziehung der ländlichen Jugend inter-
essierte Stellen von der Bedeutung der ein Leben aus-
füllenden Aufgabe, die einer deutschen Bäuerin gestellt
ist, überzeugt. Es zeigt das Wunschbild künftiger
Bäuerinnen, wie sie Großdeutschland nach der sieg-
reichen Beendigung dieses Krieges zu Hunderten und
Tausenden braucht, und weist die Wege zur Verwirk-
lichung dieses Wunschbildes.
Das Buch ist nicht schlechthin ein Berufsberater
oder eine Zusammenstellung aller bäuerlichen Berufe
mit ihren Ausbildungsmöglichkeiten, sondern gibt
daneben einen kurzen geschichtlichen Überblick über
die Entwicklung des Bauerntums im aligemeinen und
die Stellung der Bäuerin in Vergangenheit und Zu-
kunft im besonderen. Es entkräftet den immer wieder
auftauchenden Einwand bäuerlicher Mütter: „Meine
Tochter soll es einmal besser haben als ich!“ Es weist
nach, daß dies niemals dadurch erreicht wird, daß die
Bäuerin ihre Tochter in die Stadt abwandern läßt und
dadurch den Mangel an Arbeitskräften auf dem Lande
noch weiter verstärkt, sondern daß nur durch die
eigenen Kinder des Landes und über den Weg einer
geordneten beruflichen Ausbildung diese Frage ent-
scheidend zum Besseren gewendet werden kann.
Überhaupt ist der Schlüssel zum Lebenserfolg der
Bäuerin ihre berufliche Tüchtigkeit, die heute
durch alle Maßnahmen des bäuerlichen Berufs- -
erziehungswerkes in jeder Weise gefördert wird.
Genau so wie In jedem anderen Beruf das Lebensziel
eine gewisse Meisterschaft ist, so muß das Landmädel
künftig seinen Ehrgeiz und seinen Stolz dareinsetzen,
als Bäuerin Meisterin in seinem Beruf zu werden,
gleichgültig, ob es nun als Frau eines Bauern diese
Meisterschaft erreicht oder sie als Frau eines Land-
arbeiters, Meikermeisters, Gutsbeamten usw. ausübt. In
jedem Fall dient es durch sein berufliches Können dem
Land, damit der Ernährungssicherung und dem völ-
kischen Bestand unseres Vaterlandes.
So wichtig diese Dinge alle sind, so darf doch dar-
über nicht der weitere Auftrag an die Landfrau ver-
gessen werden, und das ist der, Trägerin bäuer-
licher Kultur zu sein. Wie diese Kultur im Bauern-
tum wächst, wie sie gehütet und gepflegt werden
muß, damit sie wieder wachsen und erstarken kann
und welchen großen tragenden Anteil die Bäuerin
daran hat, das weist die Verfasserin überzeugend und
216
unter Vermeidung aller billigen Schlagworte nach.
Kultur muß wachsen können, und um dafür die Vor-
aussetzungen zu schaffen, müssen unsere Landmädel
von Anfang an entsprechend ausgerichtet und ge-
leitet werden, damit die in ihnen schlummernden
schöpferischen Kräfte zu eigenem Leben erwachen.
Die gute Ausstattung des preiswerten Buches
macht es zu einem geradezu- unterhaltenden Lese-
stoff, zumal der Text durch Gedichte und Verse aus
bäuerlichem Schrifttum und zahlreichen Bildern von
bäuerlicher Landschaft, bäuerlicher Arbeit und bäuer-
lichem Lebenskreis aufgelockert wird. Die Tatsache,
daß heute bereits die zweite Auflage in Vorbereitung
ist, beweist, wie groß das Bedürfnis nach einem solchen
Buch gewesen ist, das nicht nur in die Hand der vor
der Berufswahl stehenden jugend in Stadt und Land
und aller Erziehungsberechtigten gehört, sondern ins-
besondere von allen Lehrfrauen und Lehrlingen ge
lesen werden sollte. Genthe
Dr. Kurt Orphal.
Alte Bauernregel neu gesehen
Erläuterungen von altbewährten Bauernregeln
nach neuzeitlichen Gesichtspunkten. Verlag
C. V. Engelhard G. m. b. H., Berlin 1943. Zweite,
erweiterte Auflage. 198 Seiten.
In Zeiten, die, wie der gegenwärtige Krieg, eine Ver-
breitung von Wetterberichten ausschließen, ist ein
Besinnen auf alte und bewährte Bauernregeln nahezu
zu einer praktischen Notwendigkeit geworden. Wenn
Dr. Kurt Orphal in seiner sehr umfassenden Zu
sammenschau’ solcher Bauernregeln den Jahreslauf und
die mit diesem verbundenen, bäuerlichen Arbeiten
begleitet, so geschieht es hier, um alte Weisheiten,
die einstmals wohl aus mühsam gewonnenen Erfah
rungen erwachsen waren, in enge Beziehung zu setzen
zu der Fülle der Forderungen, die Feld und Haus,
Garten und Stall täglich an den Bauern und seine
Mithelfer stellen. Gleichwie immer wieder jeder
Monat im Jahreslauf Aufgaben bringt, zu deren Lösung
umfassende und vertiefte Beobachtungen beitragen,
so ist es die. Bestimmung dieses mit sehr ansprechen-
den Bildern ausgestatteten Buches, aus dem Wissen-
um alle diese Aufgaben und aus der reichen Kenntnis
aller Mittei zu deren praktischer Meisterung alte, zum
Teil sicherlich schon vergessene Bauernregeln sinnvoll
zu verlebendigen. Bei dieser Zielsetzung ist das Buch
nicht nur hinsichtlich alter Sitten und Bräuche inter-
essant und aufschlußreich zu lesen, sondern es vermag
auch dem in der Arbeit stehenden Bauern ein freund-
licher und ratender Begleiter zu sein. Über alle ein-
zelnen Regeln hinaus zeichnet sich das Buch durch eine
Art der Schau aus, die alles altbewährte Erfahrungsgut
immer wieder in lebendige Gegenwartsnähe zu rücken
weiß. Damit kommt dem Buche neben einer reichen
Übermittlung alter und schöner Bräuche auch land-
wirtschaftlich praktische Auswertbarkeit zu, so dab
mancher Bauer überlieferte und eigene Beobachtungen
bestätigt und sicherlich auch noch wesentlich vertieft
finden kann. Besonders glücklich ist hierzu nach der
Betrachtung durch alle Monate hindurch am Schluß
des Buches die Zusammenfassung aller angeführten
Bauernregeln in einem Sachregister. Dr. A. Liebe
c AT ka u i —
$
=. some
H e e
— mn mm — gr —
1
—
Z — „ia €
,. =
ta —
VW? E, EZ
Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen
aul dem Hot meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht |
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer
Stelle zur anderen bringen läßt.
Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der Generator, Gas IR
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese | $
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. ACKERSCHLEPPER RAO IE.
SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG `
Sspte em.
2 *
TA,
dann geordnet weglegen| So
werden sie geschont und wertvolles
Rohmaterial gespart. = Müssen Grund und Boden.
wir unsere eigenen, uns von der wächst der Kralistolt 101 den
Natur geschenkten weit wert. Acketschleppet, das Holz. Wein
mehr als hundertiausend
volleren „Werkzeuge“ nicht e Imbert-Holzgas-Generatoren
S à sind die Gewäh: lür höchste
ebenso pfleglich behandeln? Bettiebssicherheit. Darum
Selbst eine kleine Verletzung kann | wählt auch der Äauer den
Schlepper mii
böse Folgen haben. Darum auch IMBERT
solche Wunden schützen mit =} ENOLA
Traum A P I a S t . IMBERT-GENERATOREN GESELLSCHAFT MBH » KOLN
GREIFERKEITEN
KZACK-LEITERKETTE MIT STAHLPLATTEN
ZUM PFLUGEN
KREUIKETTEN FUR ACKER
UND FELDWEGE
Rutschsicherung
das Iah
Kettenwerk Max Többicke
Vertretung: H. Vahle, Letmathe. in Westfalen
Unterbrochene Abonnements
der Zeitschrift „Neues Bauern-
tum“ mit dem ständigen Sonder-
teil „Der Landbaumeister“
Die in Verlust geratenen Bezieherlisten des
„Neuen Bauerntum‘ konnten nur zum Teil
Alle
vom Verlag wiederhergestellt werden.
Bezieher, die die letzten Hefte des Jahrganges
1943 des „Neuen Bauerntum“ nicht erhalten
oder die sonst Mängel in der Belieferung fest-
gestellt haben, werden gebeten, dies sogleich
mitzuteilen dem Verlag
Deutsche Landbuchhandlung
Berlin - Lichterfelde - Ost, Bahnhofstraße 1
Telefon 74 17 41
Rapsanbauer!
Der Rapsglanzkäfer kann in wenigen Tagen nicht
wiederguizumachenden Schaden in den ` Rapsbe-
ständen anrichten, ja, sie sögar praktisch vernichten.
Sorgen Sie deswegen rechtzeitig vor. Beschalfen Sie.
sich beim Pflanzenschutzamt Bezugsmarken für ?
Huub.
Gesarol
(nach einer Lizenz der J. R. Geigy AG.)
Staub-Gesarol haf sich gegen den Rapsglanzkäfer
hervorragend bewährt ‚und ist auch amtlich geprüll
und von der Biologischen Reichsanstaäll anerkennt.
Es ist für Menschen und Haustiere ungiſtig Es wird
von den Genossenschaften und dem Hendel in sus:
reichendem Mahe vorrätig gehalten und zunächst aus-
schliehlich zur Bekämpfung des Rapsglanzkäfers ab-
gegeben. Die Bestäubung mit Gesarol soll grund-
sätzlich vor der Blüte erfolgen, weil der Käfer nur
Schaden anrichtet, solange die Blüten noch ge- D K
schlossen sind. Der Reichsnährstand empfiehlt 10 4 `
Staub-Gesarol je Hektar.
Das Wort ‚einwecken“ stammt
von Johann Weck, dem Mann, der
das WECK-Verfahren begründet,
der die WECK-Gläser und WECK-
Geräte geschaffen hat.
J.WECK & CO. ÖFLINGEN IN BADEN
— x— — —n
Ami rn: Ce ` — P y pa — — —
>» mg ZE — "em
rz Great
RM.
1
1.20
INZELPREIS
E
a mr |
NUMMER 8
INHALT
Dichterehrung in Goslar (Bildbeilage)
Anton Reinthaller, Unterstaatssekretär im Reichsministerium für Ernährung
und Landwirtschaft: Bauern auf kargen Böden....... EURER ee —— . . . 217
Professor Dr. Jonas Schmidt, Direktor des Kaiser-Wilhelm- Instituts für Tier-
zuchtforschung in Dummerstorf: Die Tierzuchtforschung im Dienste der
Ernährungssicherunnn g sirae LA ren ren. 220
Oberlandwirtschaftsrat Dr. Robert Winnigstedt: Zuchtmethoden und Probleme
der deutschen Tierzucht. FFC . 225
Holländer an der Weichsel (Bildbeilage) ................. F n. S. 228
Oberlandwirtschaftsrat Dr. Friedrich Walter, Leiter der Forschungsstelle für
land wirtschaftliche Raumforschung, Breslau: Agrarstatistik im Umbruch... 229
Dr. Albrecht Timm: Das wehrhafte DOorrr .. 238
Bäuerliche Wehrbauten (Bildbeilageeoeꝝꝰꝶꝛw˙: j ehe deg Age M Se 240
Agrarpolitische Rundechau. BRENNER EEE serite 249
Randbemerkungen. r egtnr SC
Die Buchwacht en Bere EEE ER 248
Bildnachweis: Unter Titelbild — eine Aufnahme von Kurt Hielscher — zeigt das Tor der Bauernburg
Rosenau (Siebenbürgen). — Die Photos zur Bildbeilage „Bäuerliche Wehrbauten“ erhielten wir vom
Bildarchiv des Reichsnährstands (3), von Kurt Hielscher (2), Hans Retzlaff (2), Dr. Kulke/Reichsnähr-
stand (1), Herm. Brühlmeyer (1), Angerer (1), der Staatlichen Bildstelle (1) und vom Deutschen
Museum in München (1). — Scherl-Bilderdienst (4) und Betz/Posen (2) lieferten uns die Bilder für die
Beilage ‚Holländer an der Weichsel“. — Die Aufnahmen zur Bildbeilage „Dichterehrung in Goslar“
fertigten: Scherl-Bilderdienst (3) und Hermann Limberg (1).
Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna,
Berlin- Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:
Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 19 55 41.
Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.]. Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts-
ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.
ZENTRALVERLAG DERN SDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN
tos nn — z — e
H E TË — ——ʒñ̃ r11— EE ge Ze e VEER e A -
9
—
LS
N
Q
2
=
hterchrung
|
— 8 —
— A de u a m
win
To
GH
e — gas
RE
Am 24. März fand in einer schlichten Feier-
stunde im alten Rathaus der Reichsbauem-
stadt Goslar die erstmalige Verleihung des
Kulturpreises für das bäuerliche Schrifttum
an Friedrich Griese und des Ehrenpreises
des bäuerlich gebundenen Schrifttums der
Gegenwart an Josef Martin Bauer durch
Oberbefehlsleiter Reichsminister Backe
statt. — Bild auf der Vorderseite: Reichs-
minister Backe spricht Friedrich Griese
seine Glückwünsche aus. In der Mitte
Josef Martin Bauer. — Bild links: Die beiden
Dichter betrachten ihre Ehrenurkunden. —
Bild unten: Nach der Feierstunde trugen
sich die Teilnehmer in das Goldene Buch
der Reichsbauernstadt Goslar ein
.
—
ERRPOLITIK
DEUTSCH
ANTON REINTHALLER:
Herausgeber Gi Herbert Backe
Mai 1944 Jahrgang 2
Nummer 8
Bauern auf kargen Böden
ls die einmaligen Erfolge unserer
Wehrmacht im Osten die für das
deutsche Landvolk geltende Tatsache
„Volk ohne Raum“ schicksalhaft in sein
Gegenteil verkehrten, tauchte der Begriff
„Bauern auf kargen Böden“ auf. Damit war
ein Großteil unserer Bergbauern, im
engefen und weiteren Sinne Bauern und
Landvolk mit ungenügender Be-
sitzgröße und Bauern auf nährstoff-
armen Böden sowie in verkehrsent-
legenen und klimatisch nicht be-
günstigten Gebieten gemeint, die nun
für die Besiedlung und Bewirtschaftung
der meist guten Böden im Osten in Frage
kommen sollten. Es wurde von berufener
I ner Seite in berechtigter und
iberechtigter Form die Forderung heraus-
stellt, die Gesundung weiter Teile unse-
s Landvolks durch Herausnahme und
euans dlung von Teilen desselben im
sten in großzügiger Form in die Wege
ch iten. Als ein schier unerschöpfliches
servoir für diesen Menschenstrom sah
d i siet man „Bauern auf kargen Böden“
A ob 5 karge Böden als Land für zu
rün a Forste und Waldgürtel gedacht
Kë enn ich mir die Legitimation nehme,
ses heikle Problem aufzurollen und dar-
md d Ae deshalb, weil weite Teile unse-
fobauerntums, das zu betreuen mi"
mlich als Aufgabe gestellt wurde,
J y den Prototyp der Bauern auf
* darstellen, sondern seit Hun-
Jahren auf diesen Böden sitzen
o agen unvorstellbare Naturgewal-
d — in den letzten hundert Jahren —
g jrößte wirtschaftliche Bedrängnisse
erb; isser ner Form erfolgreich halten.
"Gedanke, Bauern von kargen Böden
if -gute und beste Böden zu über-
| ji t zweifellos bestechend, er setzt
aber voraus, daß diese Bauern sich beengt,
d.h. als Volk ohne Raum fühlen und daß
Deutschland auf diese Menschen an-
gewiesen ist, um die gewonnenen Osträume
zu besiedeln. Das erstere trifft nur zu in
jenen Gebieten, in welchen im Zuge fort-
gesetzter Realteilung Kleinst- und Zwerg-
besitze zur Norm geworden sind. Zu diesen
zählen nur teilweise Kargbodenländer, da
die Bauern instinktiv sich hüteten, die
ohnehin bescheidene Ackernahrung durch
Erbteilung noch aufzuspalten. Die zweite
Voraussetzung ist nur berechtigt, wenn
man die Möglichkeit, Menschen der Stadt
auf das Land rückzuführen; verneint, ob-
gleich es zweifellos feststeht, daß von Mil-
lionen Städtern, diè willens sind, Siedler
zu werden, nur ein Teil jene Entsagung und
Bescheidenheit aufbringt, welche das Land-
leben fordert, bin ich trotzdem der Ansicht,
daß die nationalsozialistische Werbung und
nicht zuletzt das Kriegserleben, im beson-
deren der Bombenterror, in unserer städti-
schen Jugend Bresche für die Rückkehr
zum Bauerntume schlägt. Dieses gesiebte
städtische Volk und die überzähligen Söhne
und Töchter unserer Bauern, welche wegen
ihrer angeborenen Zähigkeit und An-
spruchslosigkeit das gottgegebene Element
zur Gründung neuen Bauerntums sind,
stellen die künftigen Bauernsiedler, nicht
aber der abgemeierte Bauer auf kargen
Böden, welcher, wie noch weiter ausgeführt
sein soll, nach wie vor den besten Blut-
spender der Nation und somit ein natio-
nales Heiligtum und einen nicht unbeacht-
lichen Wirtscħaftsfaktor darstellt.
Bauern auf kargen Böden im Sinne der
landesüblichen Meinung sind Bauern, die
einen unverhältnismäßig höheren Anteil
an Arbeitsaufwand für die Erzeugung
irgendeiner Einheit an Nutzgütern wie
—— —— ꝓ Tr —4Qu 2
- m —
E =
— pm
runs Eu a =e 12 8
e Wm - re,
D sl Dann, SI .. u. X. „ i 2 í `
8 y d ES à Ze 5 a
2 . * "WA, > S * Ar 1 Ss 3 8 N 5 di ? ER 8
1 Pas KP „F „ DEE GE — * x rr SEN "CTAA? — — uf: ie * d
4an- =. — nTa #8: k
S SE — x * HR, rr =. H e * e * anm u -re — 7 KE? Fer 2"
Bauern auf gutem Boden leisten müssen.
Sei es, weil ihre Böden an sich kärglich,
schwer zu bearbeiten, ungünstig gelegen
oder auf wasserwirtschaftlichem Gebiet
nicht in Ordnung sind. Sei es, weil die
klimatischen Bedingungen einer vollen
Ausschöpfung der landwirtschaftlichen Er-
zeugungskraft schier unüberwindliche Hin-
dernisse in den Weg legen, das heißt: die
jährliche Vegetationszeit auf ein Minimum
zusammengedrängt ist. Hinzukommt, daßdie
Ausrichtung der landwirtschaftlichen Er-
zeugung und die Ausschöpfung der trotz
dieser Erschwernisse vorhandenen letzten
Möglichkeiten gerade in diesen Gebieten
vielfach nicht richtig liegt. Zu den natür-
lichen Erschwernissen kommt eine gewisse
Rückständigkeit in vielen Fragen der land-
wirtschaftlichen Erzeugung, die sich aus
der Entwicklung der Landwirtschaft in der
liberalistischen Epoche und in den letzten
Jahren der Systemzeit zwanglos erklärt.
Bauern auf kargen Böden waren nicht nur
uninteressant, sie waren vielfach lästig.
Die brutal kapitalistisch und materia-
listisch angestellten Vergleiche ihrer Lei-
stungen mit jenen der Bauern auf reichen
Böden mußten zu dieser Meinung führen.
Die bisher übliche Auslegung des Be-
griffs „Bauern auf kargen Böden“ wirft die
Frage auf, ob die Leistung dieser
Bauern denn mit dieser Umschreibung
voll erfaßt sei oder ob tatsächliche Leistun-
gen nicht beachtet und Leistungsmöglich-
keiten nicht ausgeschöpft werden. Mit
anderen Worten: Ob nicht ein großer Teil
von Bauern auf kargen Böden Leistungen
vollbringt und vollbringen könnte, die jenen
ihrer glücklicher gebetteten Berufskame-
raden gleichkommen, ja, sie in manchem
übertreffen. Diese Frage ist eindeutig zu
bejahen. Allein die biologische Leistung,
ich denke hierbei in erster Linie an jene
der Bergbauern, steht mit Abstand an der
Spitze der Leistungen irgendeines Teiles
des deutschen Volkes. Nicht nur die
Kinderfreudigkeit, sondern noch viel mehr
die Zahl der aufgezogenen Men-
schen stellt eine Leistung dar, die zwar
in den letzten Jahren immer mehr an-
erkannt, die aber in ihrer Auswirkung viel-
fach noch nicht voll gewürdigt wird. Diese
biologischen Leistungen sind weder von
ungefähr vom Himmel gefallen noch die
Auswirkung von allgemeinen Stimmungs-
momenten. Diese biologische Leistungs-
fähigkeit hat neben großen ethischen Vor-
aussetzungen, welche nur zum kleinen
218
Teil im religiösen Bekenntnis begründet
sind, einen klaren realen Hintergrund.
"Bauern auf kargen Böden brauchen zT.
mehr Land, mehr Flächen wie Bauern in
guten Lagen. Mehr Land oder schwer zu
bearbeitendes Land erfordert mehr Arbeit,
mehr schaffende Hände. Diese schaffenden
Hände müssen billig sein, sonst sprengen
sie den wirtschaftlichen Rahmen des Hofes.
Also kommen nur Kräfte in Frage, die der
Hof selbst hervorbringt. Darin, daß diese
Kräfte vom Augenblick ihrer Einsatzfähig-
keit an nur verhältnismäßig kurze Zeit dem
Hof dienen und dann als Überschuß der ge-
samten Volkswirtschaft zur Verfügung
stehen, liegt die materielle Seite dieser un-
` schätzbaren biologischen Leistungsfähigkeil.
Diese biologische Leistungsfähigkeit, dieses
laufende Abgeben von bestem Menschen,
material, kann noch wesentlich ge-
steigert werden, wenn der Bauer auf
kargem Boden jene Voraussetzungen
für sein Leben erhält, die ihm als
deutschem Bauern zukommen und die
andere Berufskreise vor dem Kriege längst
gehabt haben. Die Leistung des Kinderaus
tragens, Kindergebärens und Kinderaul-
ziehens ist nur zu vollbringen, wenn die
heute über alles Maß in Hof, Feld und Ho
beanspruchten Frauen entlastet werden,
d.h. die entsprechenden Voraussetzungen
in Haus, Hof und Dorf vorliegen.
Neben dieser überragenden biologischen
Leistung stecken in Höfen mit kargen
Böden stille Erzeugungsreserven,
die freizulegen, zu mobilisieren und auszu-
schöpfen Aufgabe einer zielbewußten Land-
wirtschaftsführung ist. Ich erinnere in
diesem Zusammenhang an die selbst für
Kenner der Verhältnisse unerwartet hohen
Erzeugungs- und Marktleistungssteigerun-
gen der letzten Jahre auf dem Gebiet der
Milchwirtschaft im Bergbauern-
gebiet. Das Aufholen mancher Rück-
ständigkeit, der Anschluß an das Verkehrs-
netz, die Auswirkungen der intensiven
Tierzuchtförderung haben die Erzeugung
und Marktleistung vervielfacht. Ich ver-
weise in diesem Zusammenhang auf die
erst seit neuestem bekannte einmalige Vor-
aussetzung von vielen dieser Gebiete für
die Erzeugung von Saatgut im al-
gemeinen und Kartoffelsaatgut im be
sonderen. Der Ausspruch eines für die Er-
zeuqungslenkung der Landwirtschaft im
Großdeutschen Reich maßgeblichen Bauern-
führers anläßlich einer Bereisung des
Berglandes von Oberdonau (Mühlviertel):
4
d
|
d
d
~p
Sf
2 8 Ir S ` a on TA SN PAS ATT.
KR ` 4 D u D H
— garg eem pm — —— ͤᷣK—K— "e
EE Le
"` fex `
+ ` og
„Diese Gegend ist das reinste
Kartoffelsanatorium“, trifft den
Nagel auf den Kopf. Nicht unerwähnt
will ich die bisher viel zu wenig bekannte
qualitativ höhere Wertigkeit der landwirt-
schaftlichen Erzeugung im Bergland lassen.
Wenn auch auf hochgelegenen Bergwiesen
entsprechend geringere Mengen geerntet
werden, so ist nicht zu übersehen, daß der
relative Eiweißgehalt im Futter bedeutend,
ja vielfach bis zu 50 Prozent höher als der
Durchschnitt liegt. Wenn erst einmal die
Frage der akzessorischen Nährstoffe, vor
allem der Vitaminanteil von bergländischen
Erzeugnissen, restlos geklärt und in meß-
barer Form erfaßt werden kann, wird die
Erzeugungsleistung ge gewertet wer-
den können.
Ich bin mir bewußt, ie ein kleiner Teil
von Bauern auf kargen Böden, auch bei
bester Ausrichtung und bestem Wollen, nur
eine unbefriedigende Gesamtleistung voll-
bringen kann und es nur eine Frage der Zeit
ist, wie lange sie sich auf ihren Höfen
halten können. Der überwiegende Teil ist
aber so gelagert, daß mit einer einmaligen
durchgreifenden Hilfe von Reichs wegen
die Existenzgrundlage für ihre Höfe und
ihre biologischen wie wirtschaftlichen Lei-
stungen geschaffen und daüernd gesichert
werden kann. Die erfolgversprechenden
Versuche, die auf diesem Gebiete bereits
vor drei Jahren eingeleitet und im Ge-
meinschaftsaufbau (Dorfauf-
rüstung) im Bergland ihren endgültigen
Niederschlag gefunden und ihre Probe be-
standen haben, beweisen das eben Gesagte.
Die intensive und zielstrebige Betreuung,
die diesem Problem u.a. im Reichsgau
Tirol und Vorarlberg zuteil wird, legt
immer mehr die Grundsätze klar, nach
welchen dieses schwierige Gesamtproblem
anzupacken ist.
Ob es sich nun um die Aufforstung
von fraglos zahlreich vorhandenen, bis-
her landwirtschaflich genutzten abso-
luten Waldböden um die nur von
Bergkennern richtig zu planende Tren-
nung von Wald und Weide, um die
Schaffung von Bauernwald handelt,
ob die Frage der Besitzgröße, der
Ausrichtung derBetriebe, eineallen-
falls notwendige Aussiedlung zur De-
batte steht oder ob eine grundsätzliche
Entscheidung über die Struktur der
Dörfer zu treffen ist, alle diese Fragen
und Probleme wurden in dem Augenblick
faßbar und drängten zu einer Lösung, als
sie im Zuge des Gemeinschaftsaufbaues
freigelegt wurden. Daß hierbei oft ganz
neue Problemstellungen aufscheinen, daß
bisher nur oberflächlich oder sogar un-
bekannte Tatsachen in Erscheinung treten,
liegt in der Natur der Sache. Ich erwähne
nur die erschütternde Feststellung, daß die
soziale Betreuung, die an sich dem
Landvolk nur in bescheidenstem Ausmaße
zuteil wird, für Bauern auf kargen Böden
oft überhaupt nicht vorhanden ist und für
sie KdF. ein Märchen bedeutet, welches
ihnen das soziale Gefälle zwischen
StadtundLandalsUrgrund der töd-
lichen Gefahr Landflucht nur um so
augenscheinlicher werden läßt. Ich will
Fragen, deren Lösung für den Städter eine
Selbstverständlichkeit ist, nämlich nach
der ärztlichen Betreuung, Krankenfürsorge,
die Fragen „Mutter und Kind“, Freizeit-
gestaltung, gar nicht erst anziehen. Ich
verweise auf viel ursprünglichere Forde-
rungen, die letzten Endes allesamt auf die
Schaffung eines menschenwürdigen Daseins,
vor allem der Bäuerin, hinauslaufen. Wenn.
man sich die Tatsache vor Augen hält, daß
im Jahre 1880, als 40 Prozent der städti-
schen Bevölkerung gegenüber 15. Prozent
der ländlichen Bevölkerung bei ihrer Prü-
fung auf die Wehrtauglichkeit zurück-
gestellt wurden, die soziale Gesetzgebung
in großem Ausmaß einsetzte, muß die
Forderung nach einer gewaltig verstärkten
sozialen Betreuung des um 80
mehr erhoben werden, als im Jahre 1943
die Zurückstellungen genau im umgekenr
ten Verhältnis standen.
Der geschichtliche Ablauf der Besied-
lung und zum Teil der zeitweiligen oder
dauernden Entsiedlung der Alpentäler hat
immer wieder gezeigt, daß die Frage nach
der Inbesitznahme und Betreuung von
kargen Böden durch deutsche Bauern nicht
vorwiegend aus rein maleriellen Gründen
zu klären ist. Wenn die Entwicklung der
letzten hundert Jahre vielleicht auch eine
stärkere materielle Beeinflussung des gan-
zen Problems der Besiedlung bzw. der Ent-
Siedlung (Höhenflucht-Landilucht) im Berg-
land erkennen läßt, so ist doch festzu-
halten, daß es vorwiegend ideelle, un-
bewußt im Bergbauern schlummernde Ur-
sachen sind, die ihn als kraftvollen Men-
schen trotz härtester natürlicher Bedin-
gungen und unzulänglicher betriebswirt-
schaftlicher Voraussetzungen dem Hof er-
halten.
219
JONAS SCHMIDT:
Die Tierzuchtforschung
IM DIENSTE DER ERNÄHRUNGSSICHERUNG
ie Erzeugung tierischer Lebensmittel ist seit
etwa den 70er Jahren des werflossenen Jahr-
hunderts unter dem Einfluß der durch die In-
dustrialisierung der
Lebensweise weiter Bevölkerungskreise, ver-
bunden mit der stärkeren Nachfrage nach
Fleisch und Fetten aller Art, erheblich ge-
stiegen.
Die deshalb notwendig gewordene Vermeh-
rung der deutschen Viehbestände ist
seitdem so weitgehend gefördert worden, daß
in Deutschland im Frieden zwei Drittel der ge-
samten Bodenerzeugung, nach dem Kalorien-
gehalt errechnet, für Futterzwecke aufgewandt
wurden; nur 20 Prozent dienten unmittelbar als
pflanzliche Stoffe der menschlichen Ernährung.
Im Zeichen der Kriegsernährungswirtschaft ist
eine stärkere Bevorzugung pflanzlicher
Nahrungsstoffe zu verzeichnen, weil die
erheblichen Veredlungsverluste bei der Um-
wandlung pflanzlicher Nahrungsstoffe in tie-
rische die Ernährungssicherung erschweren oder
unmöglich machen. An der grundsätzlichen Be-
deutung der Viehhaltung für die moderne Er-
nährung wird aber auf die Dauer hierdurch
nichts geändert.
Fast in allen europäischen Gebieten, auch in
Deutschland, ging die durch die steigende Be-
deutung der Nahrungsmittel tierischer Herkunft
bedingte Vergrößerung der Viehbestände und
die Intensivierung der tierischen Produktion
über die Leistung der landeseigenen Futter-
erzeugung hinaus. Futterzufuhren aus Asien
und Afrika wurden notwendig und brachten
besonders Deutschland in dem ersten Weltkrieg
in eine gefährliche Ernährungslage, die schließ-
lich seinen Zusammenbruch mit verursachte.
Dieser Mangel an ausreichendem Futter, für
die ausgedehnten Viehbestände stellt auch heute
noch den schwächsten Punkt unserer gesamten
Ernährungswirtschaft dar.
Wenn auch seit der Machtübernahme die ein-
heimische Futtererzeugung erheblich gestärkt
wurde und die Möglichkeiten auf diesem Gebiet
noch längst nicht erschöpft sind, so muß doch
jede Mehrerzeugung in der Hauptsache als
Produktionsfutter nutzbringend verwandt wer-
den. Das bedingt, daß steigende Futter-
mengen nicht zur zahlenmäßigen Ver-
220
Wirtschaft veränderten-
größerung der Bestände, die mit verstärk-
tem Verbrauch an Erhaltungsfutter ver-
bunden ist, benutzt werden, sondern daß es mehr
als je heute darauf ankommen muß, die Lei-
stungsfähigkeit des einzelnen Tieres
durch züchterische Maßnahmen zu
steigern und jede Verbesserung der Futter-
erzeugung zur Gewinnung größerer Mengen an
tierischen Lebensmitteln zu verwenden.
Zwar ist jede tierische Erzeugung teuer be-
zahlt im Vergleich zur pflanzlichen Produktion;
sowohl die Milcherzeugung als auch die
Fleischbildung über das Schwein brin-
gen nur etwa knapp ein Drittel der Futterkalo-
rien zurück. Je pflanzlicher die Nahrung, um
so mehr Menschen können von derselben Fläche
ernährt werden.
Von dieser Einstellung muß aber überall dort
abgewichen werden, wo es sich um Viehhal-
tungen handelt, welche weitaus im Ubermaß
auf absoluten Futterstoffen aufbauen,
die für einen unmittelbaren menschlichen Ver-
zehr nicht geeignet sind. Ohne das Tier als
Mittler sind sowohl die weiten Grünland-
flächen der menschlichen Ernährung. nicht
nutzbar zu machen, als auch die großen Mengen
des in jedem landwirtschaftlichen Betrieb an-
fallenden Rauhfutters, die Abfälle der
technischen Nebengewerbe usw. Außer-
dem verlangt der Acker die umgewandelten
Futterstoffe in Form des Düngers dringlichst
zurück, wenn die Bodenfruchtbarkeit unge-
schmälert bleiben soll.
Insbesondere schrumpfen aus dem genannten
Grund die so oft der Viehwirtschaft vorgehal-
tenen Veredelungsverluste in ihrer Bedeutung
stark zusammen für den wichtigsten Zweigunserer
Viehwirtschaft, die Rindviehhaltung, die
ja auch in diesem Krieg ihren friedensmäßigen
Bestand halten konnte. Dasselbe gilt noch in
verstärktem Maß für die Schafhaltung und
auch die Erzeugung von Fleisch und Fett über
das Schwein wird mit der Umstellung der
Mast auf die Zucker- und Futterrübe wie Z. Z.
in großem Ausmaß befürwortet, der ausreichen-
den unmittelbaren Versorgung des Menschen
mit pflanzlicher Nahrung immer ungefährlicher.
Trotzdem muß dafür Sorge getragen werden
daß diese Veredelungsverluste so weit wie mög
lich durch züchterische Verbesserung der Lei-
stungsfähigkelt unserer Viehbestände einge-
schränkt werden.
Züchten“ heißt nicht Tiere miteinander
paaren, lediglich um sie zu vermehren, sondern
es setzt eine Auswahl der zu paarenden Tiere
nach bestimmten Grundsätzen voraus, mit deren
Hilfe man ein bestimmtes Ziel erreichen will.
Von Generation zu Generation soll auf diese
Weise die Veranlagung für besonders wichtige
Eigenschaften verbessert, also die Leistungs-
fähigkeit für die Zwecke des Menschen gestei-
gert werden.
Ein derartiges Ziel läßt sich um so schneller
erreichen, je mehr die angewandten Züchtungs-
methoden den Vererbungsgesetzmäßigkeiten an-
gepaßt sind. Ist diese erbliche Grundlage
einer Eigenschaft bekannt und ihr Verhalten im
Erbgang durch den Zuchtversuch geklärt, so
sind alle Voraussetzungen für eine schnelle und
sichere Erzüchtung gewünschter Merkmale
gegeben. l
Das ist für viele morphologische tierische
Eigenschaften (Form und Farbe) bereits erreicht.
Wir sind ja heute z. B. ohne Umweg in der Lage,
` in der Pferdezucht Rappen, Füchse oder Schim-
mel usw. herzustellen.
Ebenso steht es mit der planmäßigen Heraus-
züchtung bestimmter erwünschter Körper-
formen. l |
Viel wichtiger wäre es für die jetzt im Vorder-
grund stehende Leistungszucht, wenn wir
die physiologischen Eigenschaften auf Grund
eingehend erforschter Vererbungsgesetzmäßig-
keiten planmäßig und ohne Umwege verbessern
könnten.
Auf diesen Gebieten, z.B. der Vererbung der
Milchleistung, der Fruchtbarkeit, der
Futterverwertung usw., liegen die Verhält-
nisse aber erheblich schwieriger, weil eine,
ganze Reihe von Organen des Körpers bei dem,
was wir als Leistung bezeichnen, mitwirken.
Sie können jeweils in ihrer Teilleistung mehr
oder weniger günstig für die Gesamtleistung
beschaffen sein. Die erbliche Grundlage der
Leistungseigenschaften, der Genotyp, ist also
viel komplizierter und deshalb wesentlich
schwieriger zu erfassen als bei den äußerlich
leicht erkennbaren morphologischen Eigenschaf-
ten, die meist nur durch eine Anlage bestimmt
werden.
Hinzu kommt, daß alle Leistungseigenschaften
nicht nur von der Veranlagung, sondern weit-
gehend von den Umgebungsverhältnissen, vor
allem der Fütterung, mitbestimmt werden. Eine
besonders günstige Haltung und Ernährung
kann also weitgehend eine gute Veranlagung
auch bei einem tatsächlich nur mittelmäßigen
Erbtyps vortäuschen.
Verstärkt wird die Schwierigkeit solcher Ver-
suche durch die geringe Nachkommenschaft der
meisten Haustierarten, die langsame Aufein-
H
anderfolge der Geburten und die beträchtlichen
Aufwendungen, die mit Vererbungsversuchen
an großen Haustieren verbunden sind. Diese
Hindernisse erklären zur Genüge, weshalb wir
bisher in der Ausnutzung der Vererbungsgesetze
für die Züchtung auf dem Gebiet der Leistungs-
eigenschaften noch nicht zum Ziel gekommen
sind, und demnach mit empirischen Zuchtver-
fahren rechnen müssen, die vielfach große Um-
wege machen und weniger ergiebig sind. Vor
allem fehlte es aber auch an Forschungsstätten,
die so ausgedehnt und reichlich mit Mitteln
ausgestattet sind, daß sie sich an derartige Ver-
suche heranwagen könnten. Das ist ein Grund
dafür gewesen, weshalb Reichsminister Herbert
Backe über die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in
dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Tier-
zuchtforschung in Dummerstorf eine
zentrale Forschungsstätte ausbaute, in welcher
die Arbeitsmöglichkeiten auf diesem Gebiet in
umfassender Weise gegeben sind.
Die dem Institut zur Verfügung stehenden
Versuchsgüter haben eine zum weit-
aus überwiegenden Teil zusammenhängende
Fläche von 1666 ha. Von der landwirtschaft-
lichen Nutzfläche (1312 ha) entfallen rund
550 ha auf Getreide, Hülsen- und Ulfrüchte,
255 ha auf Hackfrüchte (162 ha Rüben), 165 ha
auf den Ackerfutterbau, 300 ha auf Weiden und
40 ha auf Wiesen. Die Waldfläche beträgt 282ha.
Der überwiegende Teil der Ackerfläche besteht
aus mildem Lehm; das Grünland liegt auf Moor.
Die Niederschlagsmenge stellt sich auf 580 mm.
Der Tierbestand setzt sich z. Z. zusam-
men aus: 100 Arbeitspferden, davon zwei Drittel
Kaltblüter und ein Drittel Warmblüter; darunter
sind 60 Zuchtstuten; die Nachzucht besteht aus
65 Fohlen.
Der Rinderbestand weist insgesamt
315 Kühe, 203 Sterken, 17 Bullen und etwa
150 Kälber auf. Die Herde ist nach folgenden
Rassen aufgeteilt: Schwarzbunt (deutsch und
holländisch), Rotbunt (deutsch und holländisch),
Fleckvieh, Rote Dänen, Jerseys und Kreuzungen.
Die Schafhaltung wird durch eine Stamm-
herde und eine Klassenherde des Merinofleisch-
schafs vertreten; daneben ist eine Versuchsherde
aufgestellt. Insgesamt werden 1500 Schafe ge-
halten.
Der Schweinebestand erstreckt sich auf
8 Eber, 92 Sauen (veredeltes Landschwein,
Edelschweine und Dänen), 400 Jungschweine
und 300 Mastschweine.
Die schwierige Frage der ausreichenden Fut-
terbeschaffung wurde gelöst durch den Bau
einer großen Trockenanlage. Der ausge-
dehnte Zuckerrübenbau und die Durchführung
eines umfassenden Zwischenfruchtbaues liefern
neben dem eigentlichen Ackerfutterbau das zu
trocknende Material. So ist nicht nur die Gewähr
für eine ausreichende gesunde Futtergrundlage,
sondern auch für ein in seiner Zusammensetzung
auf lange Zeitperioden hinaus gleichbleibendes
221
Futter gegeben, wie es in einer derartigen Ver-
suchswirtschaft benötigt wird. Mit diesem prak-
tischen Zuchtbetrieb sind Arbeitsräume und
Laboratorien verbunden, die sich noch im Aus-
bau befinden.
Einige Beispiele sollen zeigen, welche Ar-
beiten das Institut zur Zeit beschäftigen:
Eines der wichtigsten Probleme der Rindvieh-
züchtung, das sofort nach der Gründung des
Institutes in Angriff genommen wurde, liegt auf
dem schwierigen Gebiet der Fettversor-
gung, die insbesondere während des Krieges
ganz vorwiegend von der Rindviehhaltung
getragen wird. Der Bedarf an Fett ist ja so
weitgehend, daß über das jetzt schon Geleistete
hinaus alle Möglichkeiten einer noch vermehr- "
ten Erzeugung ausgenutzt werden müssen.
Es ist dabei auf tierischem Gebiet die Aufgabe
zu lösen, unsere Rassen mit schon vorhandener
boher Milchleistung durch Steigerung des pro-
zentualen Fettgehaltes zur Abgabe größerer
Butterfettmengen zu veranlassen. Auf diese
Weise könnte nicht nur der Fettertrag ge-
steigert, sondern vor allem auch, wie sich
leicht nachweisen läßt, das kg Butterfett mit
einem erheblich geringeren Futterauf-
wand erzeugt werden. Schon eine Steigerung
des Fettgehaltes um drei Zehntel Prozent bringt
bei der großen Zahl der deutschen Milchkühe
eine Mehrerzeugung an Butterfett, die den
iriedensmäßigen Einfuhren entspricht.
Die Möglichkeit der Lösung dieses Problems
ist bisher mit der Behauptung angezweifelt wor-
den, jede Erhöhung des Fettgehaltes ziehe eine
entsprechende Erniedrigung der Milchmenge
nach sich, so daß auf diesem Weg eine Steige-
rung der Fettmenge praktisch nicht erreichbar
sei.
Dieser Behauptung widersprechen einmal die
Züchtungserfolge der tierzüchterischen Praxis
in Ländern, die schon seit langer Zeit auf die
Herstellung großer Mengen an Milchfett ange-
wiesen sind, wie z. B. Holland und Dänemark.
Fernerhin hat inzwischen die Durchführung
umfassender Kreuzungsversuche des soeben
kurz beschriebenen Instituts zwischen schwarz-
bunten Niederungsrindern mit einem Milchfett-
gehalt von nur 3 Prozent und Jersey-Bullen mit
Mutterleistungen von 6 bis 7 Prozent zu der
Feststellung geführt, daß der prozentische Fett-
gehalt der Kreuzungstiere erster Generation
mit 4,8 bis 5 Prozent erheblich höher liegt als
bei der mütterlichen Rasse, ohne daß die Milch-
mengenleistung in der Nachzucht gemindert
wird. Die Erblaktoren für Milchmenge
und Fettgehalt verhalten sich also selbstän-
dig im Erbgang und werden unabhängig von-
einander übertragen. Sie lassen sich beide
nebeneinander „hochzüchten”.
U
Kee
Aus diesem Ergebnis kann der Schluß gezogen
werden, daß auch innerhalb der Rassen in der
Fettleistung günstig veranlagte Bullen mit
sicherer Vererbung in der Lage sind, den
Fettgehalt der weiblichen Nachzucht aus
minderleistungsfähigen Kühen zu steigern, ohne
Einbußen in der Milchmengenleistung, die ja
den erzielten Vorteil wieder ausgleichen würden,
und zwar um so schneller, je mehr die Bullen
den weiblichen Tieren im Fettgehalt überlegen
sind. |
Alle früheren Auffassungen, die nur dem
weiblichen Tier einen Einfluß auf die Vererbung
der Fettmenge zuschreiben wollen, sind nach
diesen Ergebnissen hinfällig.
Wir haben also für die praktische Züchtung
ein ganz sicheres Mittel an der Hand, den Fett-
mengenertrag unserer Bestände zu verbes-
sern, wenn es uns gelingt, die vorhandenen
Bullen mit der Anlage für eine hohe Fettleistung
innerhalb der Rassen ausfindig zu machen.
Diese Möglichkeit besteht mit verhältnis-
mäßig großer Sicherheit durch den Schluß aus
der Beschaffenheit der Vorfahren. Wenn Her Vater
nach seinem Erbwert durch den Vergleich
der Leistungen seiner Töchter mit ihren Müttern
unter ähnlichen Umgebungsverhältnissen in der
Abstammungstafel charakterisiert wird und für
die Mutter die durchschnittliche Lebensleistung
zugrunde liegt, so sind damit die Voraussetzun-
gen für die Erkennung der besten und sichersten
Fettvererber gegeben.
Es ist zu erwarten, daß sich bei der straffen
Führung der deutschen Zuchtverbände die Auf-
fassung über die zweckmäßigste Auslese der zu
paarenden Zuchttiere bald dem neusten Stand
der wissenschaftlichen Erkenntnis anpaßt und
diese Neuregelung uns wesentlich schneller in
"einer verstärkten Fetterzeugung vorwärts bringt.
Da sichere Vererber für hohe Milch- und Fett-
leistungen vorläufig selten sein werden und erst
durch züchterische Maßnahmen in verstärktem
Umfang herausgebildet werden müssen, kommt
es gerade in der nächsten Zeit darauf an, die in
dieser Hinsicht bewährten Bullen besonders
stark auszunutzen und ihre wertvolle Erbmasse
so weitgehend wie möglich zu verbreiten. Das
ist zunächst dadurch möglich, daß gute Fett-
. vererber bei zweckentsprechender Haltung
und Ernährung viel länger der Zucht
dienstbar bleiben als es heute üblich ist.
Uber sechsjährige Bullen sind in der deutschen
Zucht eine Seltenheit, obwohl die normale Be-
fruchtungsfähigkeit bis zum 10. und 12 Jahr
und noch länger anhalten kann.
Außerdem besteht die Möglichkeit, leistung
fähige und sichere Vererber über die künst-
liche Besamung wesentlich stärker zu ver-
wenden, wie es heute schon in vielen Ländern,
A
f,
|
H
/
Sr.
1
d .. DH y “ 5 1 2
— — — e E —— ä —
*
insbesondere in Dänemark, geschieht. Es ist
natürlich ein Unding, diese Methode in der
Rinderzucht verallgemeinern zu wollen, aber für
den genannten Zweck ist sie sicher brauchbar,
wie das hiesige Institut in dreijähriger Arbeit
und an etwa 4000 Besamungen im Kreise Rostock
feststellen konnte. Die künstliche Besamung
bringt in der vorgeschlagenen Form einer vor-
übergehenden Benuizung keinerlei Schäden mit
sich; sie erzielt mindestens dieselben Befruch-
tungsziffern wie der natürliche Deckakt, gestat-
tet aber eine zehnmal go starke züchterische
Ausnützung der Bullen.
Auch die züchterischeund wirtschaft-
liche Verwendung der weiblichen
X Tiere bedarf unbedingt einer wesentlichen Ver-
längerung. Leider muß festgestellt werden, daß
die Milchkühe in Deutschland im Durchschnitt
nur sechs bis sieben Jahre alt werden. Damit
sind die bedeutenden Nachteile verbunden, daß
einmal der Höhepunkt der Milchergiebigkeit
jeder Kuh mit acht bis neun Jahren nur selten
erreicht wird, weiterhin die Nachzucht bei dem
erforderlichen schnellen Umsatz durchweg zur
Zucht eingestellt werden muß, also von einer
intensiven Auslese nur ungenügende Benutzung
gemacht werden kann. Vor allem aber wird auf
diese Weise zu viel Aufzuchtfutter verbraucht,
das für die Milchbildung und die Butterherstel-
lung verloren ist. Alles das sind Ursachen ge-
nug, die wissenschaftliche Arbeit nicht nur auf
die Verstärkung der Langlebigkeit auf konstitu-
tonellem Weg einzustellen, sondern auch mit-
zuarbeiten an der Ermittlung einer für die Land-
wirtschaft tragbaren Bekämpfungsmethode der-
jenigen Seuchen und Krankheiten, die meist
durch eintretende Sterilität ein frühzeitiges Aus-
merzen der Kühe notwendig machen.
Wenn auch die Deckung des Fleischbedarfs in
der Kriegszeit zum überwiegenden Teil von den
Rinderbeständen geleistet werden muß, weil ein
erheblicher Teil der bisher gebrauchten Mast-
futtermittel, insbesondere die Kartoffel, für die
unmittelbare menschliche Ernährung benötigt
wird, so wird doch in normalen Zeiten
die Schweinehaltung dervorwiegende
deutsche Fleischerzeuger bleiben, ins-
besondere dann, wenn als Voraussetzung die
Mast immer mehr von der Getreide- und Kar-
toffelgrundlage zur Rübe mit ihren bedeutend
höheren Erträgen von der Flächeneinheit ge-
leitet wird. DieSchweinemast ist derVeredelungs-
Zweig mit den geringsten Nährstofiverlustien,
und die Gewichtseinheit Schweinelleisch bringt
bei’der erheblichen Fettbildung kalorisch dop-
pelt so viel Nährstoffe wie Rindfleisch, so daß
ein Mastschwein von 150 kg etwa denselben ka-
lorischen Wert besitzt wie ein 500 kg schweres
Schlachtrind mit seinem wesentlich höheres
Schlachtverlust. Hinzu kommt, daß das Schwein
aus 1 kg Stärke auch etwa-35 Prozent mehr Fett
als das Rind herstellen kann.
Auch in der Schweinehaltung sind
durch züchterische Arbeit noch weitgehende
Verbesserungen möglich, die sich in der Ver-
sorgung der Bevölkerung günstig auswirken
"müssen.
Zunächst kann die Fruchtbarkeit der
Sauen noch wesentlich erhöht werden; gelänge
es, sie von 10 auf 12 Ferkel je Wurf zu steigern,
also die Zahl der geborenen Ferkel tatsächlich
der Säugefähigkeit der 12zitzigen Sau anzupas-
sen, so würden etwa 20 Prozent. des jetzt zur
Fütterung der Zuchtsauen aufgewandten Futters
überflüssig und könnte für die Mast von 1 bis
1,5 Millionen Mastschweinen benutzt werden.
Hier sind nicht nur die erblichen Verhältnisse
einer völligen Klärung zuzuführen im Hinblick
auf den Einfluß beider Elterntiere auf die Zahl
der geborenen Ferkel, sondern auch die Ursachen
der Tatsache eingehend zu prüfen, daß 7 Prozent
der Ferkel bereits tot geboren werden.
Besonders weitgehende Einsparungen an
Futter sind während der Mast denkbar.
Die Arbeit der staatlichen Mastprüfungsanstalt
hat nachgewiesen, daß etwa 30 bis 40 Pro-
zent des üblichen Kraftfutterverbrauchs mit 2,5
bis 3 Millionen t Getreide in der Schweinemast
eingespart werden könnten, wenn die nach-
gewiesene günstige Verwertung in unseren
Mastbeständen zu verallgemeinern wäre,
Auch die Erzüchtung solcher Körperfor-
men, die wertvollste Fleischteile besonders
stark hervortreten lassen bei Einschränkung der
Knochenstärke auf das konstitutionell zulässige
Maß, also günstigste Ausschlachtungsverhält-
nisse gewährleisten, bedeutet ein Ziel, das den
Ertrag der Schweinehaltung noch weitgehend
verbessern kann.
Auch diese Fragen der Erzüchtung eines
widerstandsfähigen Schweines mit möglichst
hohem Schlachtertrag, das leichtfüttrig und
fruchtbar ist, wurde in den Aufgabenkreis des
Instituts mit einbezogen, genau so wie die Aus-
schaltung der vielen Krankheiten, die auf
erblicher Grundlage beruhen und die Leistung
der Bestände schwer schädigen, auch wenn die
Haltung in völlig einwandfreien gesunden Stäl-
len erfolgt. i
Trotz aller Fortschritte, die in den letzten
Jahrzehnten auf dem Gebiete der Motorisierung
gemacht worden sind, hat das Pferd in der Zeit
von 1913 bis 1938 keine bedeutende zahlen-
mäßige Einbuße erfahren. Im Altreich wurden
1913 3,8 Millionen Pferde gehalten und 1938 in
dem gleichen Gebiet 3,4 Millionen. Das ergibt
nach Absetzen der in der Zahl von/ 1913 noch
223
enthaltenen Militärpferde ein Absinken des Ge-
samtbestandes um 240000 Pferde. Dieser Rück-
gang bezieht sich vor allem auf die verschie-
denen städtischen Nutzungszweige.
Nahezu 90 Prozent aller Pferde werden in der
Landwirtschaft benutzt und 86 Prozent dieses
Bestandes sind im Besitz der ausgesprochenen
bäuerlichen Betriebe.
Wirtschaften werden aber der Motorisierung
immer gewisse Grenzen gezogen bleiben, wenn
auch der Kleinschlepper hier eine erheblich
veränderte Lage geschaffen hat. Auch für das
Heer beweist dieser Krieg, daß auf das Pferd
nicht verzichtet werden kann. Allerdings hat
sich der Verwendungszweck in hohem Maße
insofern verschoben, als hier vorwiegend Zug-
pferde benötigt werden. Damit hat in großem
Umfang eine Angleichung der 'Ansprüche, die
von Heer und Landwirtschaft gestellt werden,
stattgefunden.
Das Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht,
an der Züchtung eines für den genannten Zweck
geeigneten Arbeitspferdes mitzuwirken. Es
muß zugwillig sein, über einen ausgiebi-
gen Gang, große Härte und ein gut-
artiges Temperament verfügen. Da es
sowohl beim Heer als auch in der Landwirtschaft
keinen einheitlichen Gebrauchszweck gibt, müs-
sen die Pferde in verschiedener Schwere ge-
züchtet werden. Wichtig ist, daß auf besonders
tiefrumpfige futterdankbare Formen geachtet
wird, die auf einen großen Hackfruchtanteil in
der Ernährung eingestellt werden können. Das
schwere -Pferd ist zweckmäßig auf der Grund-
lage der Kaltblutzucht zu erzielen, während für
das leichtere die Warmblutzucht das geeignete
Fundament darstellt. Die eingeleiteten wissen-
schaftlichen Arbeiten beziehen sich auf beide
Kaltblutgruppen der Niederung, einmal auf das
rheinische deutsche Pferd belgischer Abstam-
mung, zum anderen auf das schleswig-dänische
Pferd. Beide Gruppen werden z. Z. einer ein-
gehenden Rasseprüfung unterworfen. Außerdem
soll versucht- werden, durch Kreuzung beider
Schläge die beiderseitigen Vorteile in einem
Kombinationstyp zu vereinigen.
In der Warmblutzucht gilt es, unter Entfer-
nung vom Reitpferdetyp ein schweres Warmblut
mit ruhigem Temperament zu züchten; die hier-
für ausersehene hannoversche Zuchtgrundlage
soll die Gewähr für die Erhaltung des notwen-
digen Adels bieten. Daneben wird für die be-
sonderen Bedürfnisse des Ostens vor allem das
ostpreußische Pferd herangezogen werden.
Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient in
der Pferdezucht die Beachtung der Fruchtbar-
keit, die ja so weit in der deutschen Zucht ge-
sunken ist, daß man durchschnittlich nur durch
224
In diesen bäuerlichen
die "Haltung von zwei Mutterstuten auf ein
lebendes Fohlen rechnen kann.
Die erfolge Vermehrung des Schaf-
bestandes auf den Stand von rund 6,9 Mil-
lionen in Großdeutschland, bedarf jetzt einer
Ergänzung durch eingehende züchterische Be-
arbeitung mit dem Hauptziel Steigerung der
Wollmenge.
Diese Arbeit kann sich als Selektion im Rah-
men der gegebenen Variabilität der vorhan-
denen Rassen abspielen. Schwieriger, aber aus-
sichtsreicher im Hinblick auf den gesuchten
Erfolg ist der Weg der Kreuzung, wenn er
strenger Kontrolle unterliegt.
Voraussetzung ist auch für diese züchterische
Arbeit die Kenntnis des Erbgangs der in Frage
kommenden Leistungsanlagen, die bisher nur
lückenhaft vorliegt. Für den praktischen Zucht-
versuch kommen eine Reihe besonders aus-
ländischer Rassen in Frage, die vor der Ein-
kreuzung einer exakten Prüfung ihrer Akklima-
tisationsfähigkeit und ihrer morphologischen und
physiologischen Leistungen zu unterwerfen sind.
Dabei ist auch zu prüfen, inwieweit das Haupt-
ziel einer verstärkten Wolleistung sich mit der
notwendigen Fleischleistung verbinden läßt.
Denn die Fleischgewinnung ist nicht nur volks-
wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung, son-
dern für die meisten Schafhaltungen ist die Ein-
nahme aus der Fleischleistung die Vorausset-
zung für eine ausreichende Wirtschaftlichkeit.
t
Diese Beispiele sind aus der Fülle der Pro-
bleme herausgegriffen, die noch zu bearbeiten
sind. Dabei wird man sieh vor Augen halten
müssen, daß die Ergebnisse dieser Forschungs-
arbeit nicht von heute auf morgen sichtbar
werden können. Es handelt sich vielmehr um
Aufgaben, deren Früchte erst nach Jahren reiten
können.
Sie mögen andeuten, wie sehr uns auf tier-
züchterischem Gebiet Einrichtungen wie das
Kaiser-Wilhelm-Institut für Tierzuchtforschung
gefehlt haben und welchen umfassenden Nutzen
die tierzüchterischen Forschungsarbeiten über-
haupt, insbesondere der Ernährungswirtschaft,
bringen kann.
Die Viehwirtschaft ist das Rückgrat der
Bauernbetriebe und jede Förderung ihrer Lei-
stungsfähigkeit ist das beste Mittel, den Bauern-
stand zu festigen.
Für die gesamte deutsche Bevölkerung bedeu-
tet die Forschung auf diesem Gebiet richt nur
Erhaltung und Mehrung eines erheblichen An-
teils ihres Nationalvermögens, sondern vor
allem Steigerung der Erträge der tierischen
Produktion, die sich für sie In der Sicherung
ihrer Ernährung aus eigener Erzeugung äußert.
ROBERT WIN NIG STEDT:
4 kHg— —ͤ —ßv—ß«iE .
Zuchtmethoden und Probleme
der deutscben Tierzucht
[iet und Pflanzenzucht arbeiten zwar
nach den gleichen Vererbungsgesetzen, aber
doch unter wesentlich anderen Voraussetzungen
und dementsprechend auch mit wesentlich
anderen Methoden. Aus diesem Grunde sind
Unterhaltungen von Tierzüchtern und Pflanzen-
züchtern zwar aufschlußreich, aber doch gerade
in ihren praktischen Schlußfolgerungen für den
Tierzüchter meist unbefriedigend. Resignierend
muß er immer wieder feststellen, daß der Pflan-
zenzüchter es leichter hat. Die Kombinations-
züchtungen haben für den Pflanzenzüchter im
Verlaufe der letzten Jahrzehnte die größten Fort-
schritte gemacht. Aber gerade diese Zucht-
methode ist für den Tierzüchter an sich heute
am wenigsten anwendbar. Sie muß als Voraus-
setzung eine größere Vermehrungsfähigkeit,
einen schnellen Generationswechsel und die
Möglichkeit des Ausmerzens ungeeigneter Zucht-
produkte haben, dazu auch die entsprechenden
Ausgangsindividuen. Die Erfolge der Pflanzen-
zucht beruhen darauf, daß man zu der Auslese
von erbfesten Nachkommen mit dem erstrebten
Zuchtziel viele Tausende aufzieht, von denen
nur einige wenige für die Weiterzucht benutzt
werden. All dieses ist für den praktischen Tier-
züchter in dem erforderlichen Umfange nicht
gegeben und macht selbst in großen staatlichen
Instituten erhebliche Schwierigkeiten. Daher ist
auch in der praktischen Tierzucht von der
Kombinationszüchtung bislang nur wenig Ge-
brauch gemacht worden, in den letzten Jahr-
zehnten überhaupt nicht mehr.
Die Zuchtmethoden der Praxis waren in der
Tierzucht Verdrängungskreuzung, Einkreuzung
und die Kreuzung an sich, die man mit der Kom-
binationszüchtung vergleichen kann. Die heute
allgemein angewandte Zuchtmethode ist die
Reinzucht innerhalb der bestehenden Rassen
und Schläge, soweit man von Reinzucht bei den
unterschiedlichen Erbanlagen überhaupt spre-
chen kann. Unter den vorhandenen Schlägen
werden die Tiere ausgelesen, die dem Zuchtziel
am nächsten stehen und daher eine Weiterent-
wicklung versprechen.
Die Gebrauchskreuzung hat insofern,
züchterisch gesehen, nur eine beschränkte Be-
deutung, als ihre Zuchtprodukte züchterisch
Dicht weiterbenutzt werden, sondern, wie das
Wort sagt, gebraucht oder — besser gesagt —
t
verbraucht werden und dabei nach dem Gesetz
des Luxurierens der Bastarde besondere Vor-
züge aufweisen. Ich erinnere an die Gebrauchs-
kreuzungen insbesondere in der Schweinezucht,
Berkshire-Eber X veredelte Landschweinsauen
oder deutsches Weideschwein mit veredelten
Landschweinsauen. Solche Gebrauchskreuzun-
gen haben zweifellos unter bestimmten Vor-
aussetzungen ihre Bedeutung, sind aber immer
mit der Gefahr verbunden, daß die Kreu-
zungstiere miteinander gepaart werden und
dann die vielfachen Aufspaltungen erheb-
liche Rückschläge bilden. Es ist unbedingt
notwendig, daß bei der Gebrauchskreuzung die
Ausgangsrassen oder -schläge rein weiter-
gezüchtet werden.
Die Verdrängungskreuzung ist die in
der deutschen Tierzuchtpraxis bislang am
meisten angewandte Zuchtmethode. Durch Ver-
drängungskreuzung mit Simmenthaler und spä-
ter deutschen Fleckvieh-Bullen ist aus vielen
deutschen Landschlägen Mittel- und Süddeutsch-
lands das große Zuchtgebiet des deut-
schen Fleckviehrindes entstanden, das
heute rassenmäßig 40 Prozent des deutschen
Rinderbestandes umfaßt. Ebenso ist vielfach
durch Verdrängungskreuzung mit schwarzbun-
ten Niederungsbullen aus den alten Landschlä-
gen der norddeutschen Niederung das große
schwarzbunte Zuchtgebiet entstanden,
das heute rund 50 Prozent des deutschen Rinder-
bestandes ausmacht. Dabei sei hervorgehoben,
daß zu dieser Entwicklung der Überschuß der
schwarzbunten Zucht an weiblichen Zuchttieren,
der sofort zum Aufbau anderer Reinzuchten
führen konnte, erheblich beigetragen hat. In der
Pferdezucht ist das große Zuchtgebiet des
rheinisch-deutschen Kaltblutpferdes
vorwiegend durch Verdrängungskreuzung mit
dem belgischen Kaltblüter und später dem
rheinisch-deutschen Kaltblüter entstanden. Auch
in der Schafzucht verdanken weite Gebiete der
deutschen Schwarzkopfzucht und auch der deut-
schen Merino-Fleischschafzucht ihre Entstehung
der Verdrängungskreuzung der Landschafe mit
entsprechenden Böcken. Ebenso ist in der Zie-
genzucht das große Zuchtgebiet der deutschen
weißen Edelziege durch eine Verdrängungs-
kreuzung der alten Landziege mit der Schweizer
Saanenziege entstanden,
= 225
— —— — ——
- 2 „
— wf m re
HE
Von der Einkreuzung wird Gebrauch ge-
macht, um durch vorübergehende Zuchtbenut-
zung einzelner Tiere einer Rasse oder eines
Schlages eine bestimmte Eigenschaft in die an
sich rein weitergezüchtete Rasse hineinzubrin-
gen So verdanken die rot- und schwarzbunten
Niederungskühe ihre Fleischwüchsigkeit und
ihre tiefen, tonnigen und breiten Formen zwei-
fellos der vor Jahrzehnten durchgeführten Ein-
kreuzung des nur auf Mastfähigkeit gezüchteten
englischen Shorthornrindes. Es ist keine Frage,
daß eine derartige Zuchtmethode schon das sehr
scharf beobachtende Auge des Züchters benö-
tigt, um nicht die vorhandenen anderen Nut-
zungseigenschaften durch derartige Einkreu-
zungen verderben zu lassen.
In der Pferdezucht wurde von der Einkreuzung
mit Vollblutpferden in der Warmblutzucht ver-
hältnismäßig häufig Gebrauch gemacht. Wenn
auch heute in der Warmblutzucht die über-
wiegende Mehrheit der Züchter eine Kreuzung
ablehnt, so gibt es doch auch heute noch gewisse
Anhänger der Kreuzungszucht,
Von welcher Bedeutung die Einkreuzung sein
kann, ergibt sich aus der bemerkenswerten
züchterischen Feststellung dieses Kriegsgesche-
hens, daß unter allen europäischen Pferdeschlä-
gen, mit denen unsere Soldaten in Berührung
kamen, die sich durch besondere Härte, An-
spruchslosigkeit und Trockenheit der Gelenke
auszeichneten, die einen Schuß Araberblut in
sich führten, gleichgültig, ob es sich um den
Boulonnaiser Schimmel Frankreichs, ein leichtes,
besonders gängiges Kaltblutpferd, handelt oder
um die zähen Warmblutpferde Polens und Ruß-
lands.
Das deutsche veredelte Landschwein und das
veredelte Landschaf sind Beispiele der Kom-
binationskreuzung. Es waren zweifellos
besonders begabte Züchter, die aus den Kreu-
zungen der Landschweine mit den damals in
größerer Zahl eingeführten englischen Yorkshire-
schweinen eine in sich konsolidierte und ohne
weitere Aufspaltung sich vererbende neue Rasse
geschaffen haben, die heute mehr als 72 Prozent
des deutschen Schweinebestandes umfaßt. Ver-
gleichen wir heute das deutsche Edelschwein
und das deutsche veredelte Landschwein, so
haben wir das züchterische Kuriosum, daß die
` Erbwertunterschiede innerhalb beider Rassen
erheblich größer sind als der Unterschied des
Durchschnitts beider Rassen. Dies gilt insbeson-
dere für die so wichtige Futterverwertung.
Die heute in Deutschland übliche
Zuchtmethode ist die Reinzucht und
die züchterische Auslese innerhalb der
vorhandenen, in der Rinderzucht z.B. wenigstens
in der Farbe gleichmäßigen Schläge. Ihr Zucht-
prinzip verdankt seine Anwendung der in den
226
letzten vier Jahrzehnten in immer größerem
Umfange eingeführten herdbuchmäßigen
Bearbeitung aller Tiergattungen, ap
deren Ausbau der staatlich oder berufsständisch
angestellte Tierzuchtleiter maßgeblich beteiligt
ist. Beginnend in den 80er Jahren des vorigen
Jahrhunderts und sich allmählich zu einer immer
größeren Ausdehnung ausbauend, bildeten sich
die privaten Züchter-Vereinigungen, die heute
dem Reichsnährstand angegliedert sind und in
Gestalt der Tierzuchtleiter ihre meist speziali-
sierten Zuchtleiter und Geschäftsführer haben.
Hervorzuheben ist, daß es sich heute wie auch
zur Zeit ihrer Entstehung bei den Züchter-
vereinigungen um freiwillige Zu-
sammenschlüsse oder Bauern handelt, die
aus privater Initiative den Entschluß faßten,
ihre Viehßestände zu verbessern, insbesondere
leistungsfähiger zu machen. |
Aus dem Kreis privater Überlegungen wurde
die tierzüchterische Arbeit in dem Augenblick
herausgeführt, als sich der Staat der Dinge
annahm und entweder durch eigene Einrichtun-
gen oder zum wenigsten durch die Gesetzgebung
die tierzüchterische Arbeit beeinflußte. So hat
z. B. der Preußische Staat durch die Hengste
seiner Landgestüte sowie auch durch die Zucht
seiner Hauptgestüte seit dem Jahre 1732 die
preußische Pferdezucht maßgeblich beeinflußt
Er ging dabei davon aus, daß der Bedarf des
Heeres an Pferden es notwendig macht, durch
die Aufstellung staatlicher Hengste der Zucht
eine ganz bestimmte Richtung zu geben. Berück-
sichtigt man, daß gerade aus dieser Überlegung
heraus der Staat an der Kaltblutzucht und ihrer
Entwicklung nicht interessiert war, teilweise
sich sogar gegen diese Entwicklung gestemmt
hat, so ist es verständlich, daß die Hengsthal-
tung in der Kaltblutzucht ursprünglich vorwie-
gend in privater und genossenschaftlicher Hand
war und erst später der Staat in seinen Gestüten
auch Kaltbluthengste aufstellte. Hervorzuheben
ist, daß so hochstehende Warmblutzuchtgebiete
wie Oldenburg und Ostfriesland sich aus pri-
vater Initiative und ohne staatliche Gestüte ent-
wickelt haben. Wenn heute für die Weiterent-
wicklung unserer Pferdezucht Staats-, Genossen-
schafts- und Privathengste nebeneinander ein-
gesetzt sind, so wird nur der diese Art der
Hengsthaltung für endgültig halten, für den das
Leben ohne Dynamik zu sein scheint.
In allen anderen Tierzuchtzweigen hat der
Staat, beginnend im 19. Jahrhundert, mit einer
Reihe von gesetzlichen oder polizeilichen Ver-
ordnungen über die Vatertierhaltung, und zu
einem gewissen Abschluß gebracht durch das
Reichstierzuchtgesetz vom 17. März
1936, sich vorwiegend gesetzgeberisch betätigt
In seinen Verordnungen und Gesetzen gab er
Kë
x
gewisse Vorschriften für die Auswahl der zur
Zucht verwandten Vatertiere, die vor der
Zuchtbenutzung angekört, d. h. auf ihre Zucht-
tauglichkeit geprüft wurden und erst dann die
Erlaubnis zum Decken bekamen. Die Züchtung
dieser Vatertiere, Bullen, Eber, Schaf- und Zie-
genböcke liegt in der Hand des Bauern, ebenso
wie zumeist die Haltung dieser Vatertiere. An
sich ist zwar auf Grund der Bestimmungen der
Ersten Verordnung zur Förderung der Tierzucht
die Gemeinde oder das Amt oder der Kreis zur
Vatertierhaltung verpflichtet. Aber von dieser
Verpflichtung wird nur in den kleinbäuerlichen
Gebieten Süd- und Mitteldeutschlands Gebrauch
gemacht.
In den Gebieten selbständigen und leistungs-
fähigen Bauerntums überwiegt die genossen-
schaftliche oder die private Vatertierhaltung.
Durch die Tatsache, daß in Deutschland die
Zucht — man kann wohl sagen — ausschließlich
in der Hand des Bauern liegt, unterscheidet sich
die deutsche Tierzucht insbesondere von den
Staaten des Südostens und auch des Ostens, wo
die Zucht vorwiegend auf Staatsgütern betrieben
wird.
Für die Entwicklung der deutschen Tierzucht
war weiterhin von ausschlaggebender Bedeu-
tung, daß die Erste Verordnung zur Förderung
der Tierzucht die Möglichkeit gibt, die Zucht-
gebiete rassenmäßig nach Schlägen festzulegen.
In vielen Landesbauernschaften ist es nicht not-
wendig gewesen, von dieser Möglichkeit Ge-
brauch zu machen, weil die einheitliche Zucht-
richtung bereits seit Jahrzehnten festliegt, so
die Schwarzbuntzuchtgebiete in Ostpreußen,
Pommern, Mecklenburg, Kurmark, Niedersach-
sen, Weser-Ems. Demgegenüber wurde gerade
in manchen mitteldeutschen und süddeutschen
Landesbauernschaften die derzeitige Rassen-
verteilung oder wenigstens ein Wunschbild
dieser Verteilung festgelegt, um sie damit auf
ewige Zeiten zu verankern.
Soweit bisherige Methode und Entwicklung
deutscher Tierzuchtarbeit. Die Aufgabe. dieser
Arbeit stand, entweder durch den Bauer selbst
oder durch den Staat gegeben, immer fest, wenn-
gleich sie je nach den zeitbedingten Anforderun-
gen sich auch im einzelnen veränderte. Durch
züchterische Maßnahmen, insbesondere ent-
sprechende Zuchtwahl, sollen die Viehbestände
so verbessert werden, daß sie unter den ge-
gebenen Verhältnissen möglichst hohe Leistun-
gen bei möglichst niedrigem Futteraufwand er-
bringen. Nie ist diese Aufgabe so wichtig
gewesen wie gerade heute im Kriege. Vielleicht
ist gerade darum auch die Problematik
deutscher Tierzuchtarbeit nie so
offensichtlich gewesen wie heute: Da-
bei ist klar, daß gerade das „Tierezüchten“
- früherer Zucht des einfarbig-
Persönlichkeitssache _
Neigung, Wissen und Kön
den Meister. Wahre Meiste A
der richtigen Betrachtung der _
lichen Voraussetzungen der
und züchtenden Betriebe,
zucht, die Krönung finden.
mancherlei Beispielen zeige
Ein Verbrechen am Bauer: TG DICH
eine 16 Zentner schwere Ku , r r TE
leistungsfähigkeit in aol che
drängungskreuzung oder Ei
tieren verbringen zu wollen
ein Futter für eine 9-Zentne
Milch hergibt. So hat die
viehzucht in vielen Gebiete
ihre Bedeutung, zumal man
gen rechtzeitig entsprecheı
ist es aber, aus wirklichkeits
einem wirtschaftlich vorwärt
eine Kuh und eine Rasse m
fähigkeit vorenthalten zu wog
aufgestellten Rasseplan nich
z. B. im rheinischen Wester
WG LTD
Bee DE
EL AL BLA LA
mit seiner neu eingeführte ...,. za
rungsviehzucht heute je ha ASS. Së, IT
Nutzfläche 1570 kg Milche P , e
Kreis eines ähnlich gelag GG, .
jedoch noch besseren bet: A
Voraussetzungen mit seine Dee,
farbig-gelben Zucht nur 57 CH GC SGG
Frage, welche Maßnahme ric CC GG GE DD
zweifellos der Gedanke der GOCH HE SE:
zucht, so sehr er als das zü POOGCGzZo ZZ
zusprechen ist, seine Begren ..
Man kann sich manchmal LEE
erwehren, daß manche Gebi GBR GG GGG GGF
der Reinzucht zu früh erstarr.
besondere für die Rinderzu
aus den alten Landschläge
und die auch heute noch ke
als durchgezüchtet anzusehe . TG GH
man manchmal statt der Re ASS
sten von einer gewissen iRnn?ę AAA
von einer Verdrängung
machen, sofern man sich ni
durchringen will, sofort
neuen Rasse einzuführen u-
zucht zu kommen. Der Begri
keit ist hier manchmal auf
rischen und wirtschaftlichei Sa G
G
gewaltigt worden.
Auch die derzeitigen Zuc á
planmäßigen Herdbuchzucht Ge
Hinsicht problematisch, e
Maßnahmen des Reichstie
ohne Mängel sind. l
Was dem Pflanzenzüchter z. B. nicht einleuch-
ten will, ist, daß zumeist nur solche Vatertiere
zur Zucht benutzt werden, bei denen über die
Leistungen ihrer Nachkommenschaft keine ein-
wandfreien Feststellungen vorliegen. Diesen
Mangel empfindet der Tierzüchter auch, ohne
ihn aber vermeiden zu können. Bei dem lang-
samen Generationswechsel sind z. B. die meisten
Bullen bereits verschwunden, wenn die Leistun-
gen ihrer Nachkommen in Milch und Fett und
auch in Fleisch vorliegen. Die Frage der Be-
wertung gerade der Bullen, Eber, Schaf- und
Ziegenböcke nicht nur nach ihrer äußeren Form,
sondern insbesondere im Hinblick auf ihren
nach der Abstammung zu erwartenden und ihren
durch tatsächliche Leistungsfeststellungen gege-
benen Erbwert ist das Problem, um das gerungen
wird. Die Körung, d. h. Zuchtauswahl, und
Zuchtverwendung junger, gerade deckfähig ge-
wordener Vatertiere ist zweifellos eine sehr
anfechtbare Maßnahme. Anfechtbar erscheint
auch, wenn man sich solche Vatertiere regel-
mäßig alle Jahre vorstellen läßt, um sie dann
vielleicht trotz gleichgebliebener Abstammung
und obgleich noch keine Feststellungen über die
Vererbung vorliegen, abzukören. Dabei liegen
die Dinge aber in der Praxis so, daß Vatertiere
dann zumeist nur wegen schlechter Entwicklung
und weil sie im Typ dem Zuchtziel nicht mehr
entsprechen, abgekört wurden. Die erste Zucht-
benutzung erfolgt in einem an sich zu frühen
Alter, was sich praktisch aber nicht vermeiden
läßt. Außerdem hatten die Körungen und regel-
mäßige jährliche Vorstellung der Vatertiere eine
erzieherische Aufgabe zu erfüllen, um die Vater-
tiere nicht verkommen zu lassen. Jeder, der sich
noch des Anblicks der Vatertiere bei der ersten
Körung auf Grund des Reichstierzuchtgesetzes
erinnern kann, wird diese Notwendigkeit be-
stätigen. !
Andererseits ist klar, daß die Entwicklung uns
ständig vor neue Aufgaben stellt. Es bedeutet
zweifellos an sich einen erheblichen Fort-
schritt in unserer Zuchtarbeit, wenn
die zweite Körung der Vatertiere mit
einer Besichtigung der Nachkommen
erfolgt, wie sie der Reichsfachwart „Tier-
zucht“ Dr. Pflaumbaum fordert. Wenngleich da-
bei die Beurteilung der Nachkommen zunächst
auch nur nach der Form vorgenommen werden
kann, so gibt sie doch die Möglichkeit, gleich-
zeitig auch die Art der Fütterung und Aufzucht
der jungen Tiere kritisch zu beobachten. Die in
der Herdbuchzucht durchgeführten Nach-
zuchtbesichtigungen haben in dieser Hin-
sicht schon mancherlei Anhaltspunkte und Er-
fahrungen vermittelt. Sie gipfeln darin, daß die
endgültige Bewertung der Vatertiere auf den
Zuchtwert hin erst möglich ist, wenn nach-
gewiesene Leistungen vorliegen. Leider sind
dann die meisten Vatertiere, insbesondere die
Bullen, bereits ausgeschieden. Möglichst lange
Zuchtbenutzung ist daher an sich zu empfehlen.
Scgensreich ist das zweifellos aber nur dann,
228
wenn die Bullen sich gut vererben. Manchem
schlechten Vererber hat man hinterher schon
einen früheren Tod gewünscht. Verbesserungs-
würdig ist zweifellos trotz mancher Fortschritte
das Richten unserer Ausstellungstiere. Viel-
leicht ist es eine glückliche Fügung des Schick-
sals, daß unter den Kriegsverhältnissen die
Schauen ausfallen mußten und daher wäh-
rend dieser Zeit mancherlei Fragen des Typs
und des Zuchtziels in ihren Grundsätzen
durch die praktische Arbeit geklärt werden
können, ohne dabei in der Offentlichkeit
auf Schauen Unruhe zu schaffen. Wer sich mit
den Problemen der praktischen Tierzucht befaßt,
stößt schneller als der Pflanzenzüchter auf die
naturgegeben begrenzte Anwendbarkeit der an
sich ebenso wie in der Pflanzenzucht geltenden
Vererbungsgesetze. Das ist bedauerlich, aber
unvermeidbar. Um so mehr begrüßt die Tier-
zuchtpraxis, daß im Kaiser-Wilhelm-
Institut für Tierzuchtforschung in
Dummerstorf auf. Veranlassung von
Reichsminister Backe die großzügige
Möglichkeit zur tierzüchterischen Grundlagen-
forschung gegeben ist und auch gegebenenfalls
praktisch verwertbare Zuchtversuche gemacht
werden.
Klarheit muß darüber herrschen, daß Tiere zu
züchten immer bedeuten wird, am Lebendigen zu
gestalten. Das setzt nicht allein Verstand und
Wissen, sondern auch angeborenes Gefühl und
Beurteilungsvermögen voraus. Man wird Erb-
werte nie im letzten papiermäßig bestimmen
und im voraus berechnen können. Ausschlag-
gebend wird zunächst sein, daß ein
klaresundauflangeSichtberechnetes
Zuchtziel gestellt wird. Daß hinter
den reinen Nutzungsei genschaften
dabei die Form zurücktreten muß, ist
klar und gerade heute von niemandem be-
stritten. Trotzdem wird die Form in bestimmten
Grenzen immer der äußere Ausdruck der wirt-
schaftlichen Eigenschaften der Tiere und damit
nicht ohne Bedeutung sein. Entscheidend ist,
daß der Tierzüchter zähe und fest in seinen
Zielen ist, aber sich doch den wirtschaftlichen
Erfordernissen .einer Weiterentwicklung der na-
türlichen und betriebswirtschaftlichen Grund-
lagen anpaßt. Er darf sich andererseits durch
Rückschläge nicht entmutigen lassen, die ihm
Seuchen und Krankheiten in seinen Stall bringen
und manchmal in kurzer Zeit die Arbeit von
Jahren und Jahrzehnten vernichten, Vieles hat
die Arbeit des Tierzüchters in der erhöhten
Leistungsfähigkeit unserer Haustiere geschaffen.
Das beweisen die Leistungen in der Kriegswirt-
schaft, die um ein beträchtliches höher liegen
als im Weltkriege. Trotzdem kann und muß
noch mehr erreicht werden. Es geht dem Tier-
züchter wie jedem deutschen Menschen. Sind
ihm Aufgaben klar gestellt, so wird er um ihre
Lösung ringen, mag er nun im Osten oder im
Westen, im Norden oder im Süden unseres
weiten Vaterlandes stehen.
—
—
`
A? |
SEN i
2 }
ee
N
Le
D
$
E
"es
N
N
E
Te
fe
Q
E.
Bild Vorderseite: Vorlauben-
haus in Tiege, Kreis Groß- Werdet.
Noch heute wohnen in diesem
Haus die Nachkommen hollän-
discher Bauern, die einst die
Weichselniederung in fruchtbares
Land verwandelten
Bild links: Ein Stuhl mit Flechtsitz
und kunstvoll geschnitzter Rücken-
lehne, ein schönes Beispiel der
reichen Wohnkultur der hollän-
dischen Bauern. — Bild unten:
Scheunentore auf einem alten Hof
in Tiege. — Bildrechts: Auch die
Wirtschaftsgebäude dieser für die
Jahrhunderte gebauten Höfe zeigen
oft die Vorlaube
n
— e
nd -o
—
ze er
A * —
PR u 2
> 8 — D
` ` P
| ri At Sak u pi
* L
rej?
— -
DE AOLO RE
4 Ei.
f
`
1
I
Im Zuge der sogenannten zweiten Ostsiedlung, die im 16. Jahrhundert begann, kamen, wie schon während der
großen mittelalterlichen Ostsiedlung, wiederum viele Niederländer nach dem Osten, um sich dort eine neue Heimat
zu schaffen. Mittelpunkt der holländischen Einwanderung war die alte Hansestadt Danzig, wo die niederländischen
Kaufleute im Artushof eine eigene Bank hatten. Die in der Entwässerungstechnik geübten holländischen Siedler
verwandelten den Danziger Werder in fruchtbares Land. Vom Werder aus drangen die Siedler in der Niederung
stromaufwärts, wo sie sich mehr und mehr mit anderen Siedlern aus den Gebieten Niederdeutschlands
vermischten. Von ihrer alten gediegenen Bauernkultur hat sich noch vieles bis in die Gegenwart erhalten
Ir
- —
à y
TE —
| wm.
—
5
Bild links: Ziehbrunnen auf einem Bauernhof bei
Slonsk an der Weichsel, Kreis Hermannsbad. Die
Ziehbrunnen sind im Wartheland üblich. — Bild
unten: Bauernhof in Slonsk an der Weichsel. Die
auch auf dem oberen Bild zu erkennenden Flecht-
zaune waren früher allgemein verbreitet
*
re * A f
WE pa~ '
e?
D D u
7 Wei r
FRIEDRICH WALTER:
Agrarstatistik
Statistik ist das Sichtbarmachen
des Unübersehbaren
E” das Fernrohr hat uns ermöglicht, Tat-
achen des Weltenraumes zu erkennen, die
uns bis dahin unzugänglich und unbekannt
waren. Durch das Mikroskop wurde eine un-
geahnte Wunderwelt des Kleinen erschlossen.
Mittels der Zeitlupe sind wir imstande, Einzel-
heiten von Vorgängen zu studieren, die so rasch
vor sich gehen, daß das Auge sie sonst nicht
mehr genügend verfolgen kann. Und mittels
Zeitraffer lassen sich Vorgänge, die sich über
längere Zeiträume erstrecken, in allen Einzel-
heiten beobachten und vergleichen. In ähnlicher
Weise ist es erst durch statistische Beobachtun-
gen möglich, Vorgänge und Zustände zu er-
fassen, die der einzelne nicht zu erschauen und
zu überblicken vermag, etwa weil ein Menschen-
leben nicht ausreicht, um den Abschluß von
bestimmten Vorgängen noch zu erleben, oder
weil gleiche Vorgänge an vielen Orten zugleich
zu erfassen sind oder weil die Einzelfeststellun-
gen die Arbeitskraft eines einzelnen Menschen
bei weitem übersteigen. Stalistik ist das Sicht-
barmachen des Unübersehbaren. Mit dieser
Auffassung der Statistik, die nicht unwesentlich
von der bisher üblichen abweicht, ist zugleich
die Grundlage für eine neue und andersgeartele
Zielsetzung gewonnen.
Manches sieht ganz anders aus
Ein kleines Erlebnis beleuchtet das vielleicht
am besten. Vor Jahren hatte ich gerade eine
Karte über die Verbreitung der Zugkühe
fertiggestellt und zeigte sie einem führenden
Tierzuchtbeamten, einem erfahrenen Sachkenner
des Gebietes, der beim Anblick der Karte in der
ersten Aufwallung ausrief, das stimmt nicht.
Nun lagen der Karte aber die eindeutig klaren
und eingehenden amtlichen Unterlagen der
Viehzählung zugrunde. Bei der weiteren Unter-
haltung stellte sich dann auch heraus, daß sein
etwas zu rasches Urteil abgeändert werden
mußte, weil tatsächlich im Ravensberger Lande
eine große Zahl Zugkühe vorhanden ist, zwar
nicht in den Zuchtställen der größeren Betriebe,
im Umbruch
wohl aber bei den zahlreichen Heuerlingen, die
aus Mangel an Arbeitspferden mit ihren Kühen
die Arbeiten auf ihrem Lande verrichten. Die
Statistik ermöglicht also das Erfassen auch des
wenig Beachteten und des Unscheinbaren, das
aber durch seine Häufung sehr wesentliche Aus-
wirkungen haben kann.
Bei der statistischen Ermittlung tritt die
exakte Feststellung an die Stelle der
„Meinung“. Genügend klargeworden sind
uns die verheerenden Folgen irriger Meinungen
und unzulänglicher Erkenntnisse allmählich bei
den Schwankungen der Mastschweinebestände.
Der einzelne glaubte durchaus richtig zu han-
deln, wenn er bei niedrigen Schweinepreisen
die Schweinehaltung einschränkte und bei
hohen Schweinepreisen immer mehr Läufer auf
Mast stellte. Wie viele Bauern nun in gleicher
Weise handelten, konnte der einzelne nicht
wissen. Alle aber bekamen schließlich zu füh-
len, daß sie in beiden Fällen wirtschaftlich falsch
gehandelt hatten, weil sie bei steigenden und
hohen Preisen zunächst nicht genügend
Schweine zum Verkauf hatten und andererseits
ihre aufgefüllten Bestände bei sinkenden und
niedrigen Preisen abstoßen mußten. Erst die
statistischen Untersuchungen über die Schwan-
kungen der Schweinepreise und Schweine-
bestände schufen genügende Klarheit über die
Zusammenhänge.
Auffällig ist, auch für den kundigen Landwirt,
daß die Kölner Bucht und. die Soester
Börde, die beide als ausgesprochen gute Wei-
zengebiete gelten können, doch zu den wich-
tigen Roggenerzeugungsgebieten Deutschlands
gehören und daß die Magdeburger Börde,
das ausschlaggebende deutsche Zuckerrüben-
gebiet, zu den wichtigen Kartoffelerzeugungs-
gebieten Deutschlands gerechnet werden muß.
Die an sich nicht außergewöhnlich großen An-
bauflächen bringen infolge hoher Hektarerträge
hohe Gesamternten. Diese Tatsachen konnten
erst erkannt werden, seit de Verwendung
der Dichtepunkte bei der kartographischen
Darstellung ermöglicht, die wirklichen Ernte-
mengen der einzelnen Gebiete wiederzugeben,
während bis dahin nur die Anbauflächen (im
229
Abb.
Or. Friedr. Waller
Zuchtsauen
Jeder Punkt entspricht 100 Zuchtsaven (Dear 1930)
1. Die früher nicht BEN Darstellung von Zucht und Mast zeigt die wesentlichen Unterschiede in der landschalt-
lichen Verbreitung beider Formen
`
X H
Verhältnis zum Ackerland oder zur Getreide-
fläche) oder die Erträge je SIACHENBIDAEN dar-
gestellt wurden.
Die richtige Darstellung der wirklichen Zu-
nahme bzw. des Rückgangs gestattet z. B. auch
vertiefte Einblicke in die Entwicklung der
Schweinehaltung. In den Jahren nach der
Machtübernahme wurde viel von der Verlage-
rung der Schweinehaltung nach dem Osten ge-
sprochen. Die Darstellung der Zunahme im
Verhältnis zum bisherigen Bestand schien diese
Auffassung auch zu bestätigen. Sobald man aber
die absolute Zunahme vergleicht, zeigt sich,
daß die tatsächliche Zunahme etwa im Ravens-
berger Land immer noch größer ist als die in
Pommern. Die Schweinehaltung der Bergleute
und Ruhrarbeiter bewirkte durch ihr beträcht-.
liches wirtschaftliches Ausmaß, daß vor der
Machtübernahme der Ferkelmarkt Altenessen
bestimmend für die Preisbildung des deutschen
Ferkelmarktes überhaupt war, obwohl im Ruhr-
gebiet keine Zucht vorliegt. Erst die getrennte
Darstellung der deutschen Schweinehaltung
nach Zuchtsauen und Mastschweinen ließ die
eigenartigen Zusammenhänge und die örtlichen
Gegensätze klar erkennen. (Abb. 1 u. 2.)
230
Während des ersten Weltkrieges hatte man
sich entschlossen, bei den Viehzählungen auch
die Zahl der Zugkühe und der Zugochsen
zu erfragen. Manch führender Landwirt und
mancher Tierzüchter wird überrascht gewesen
sein, daß die Zahl der Zugkühe in Deutschland
auch noch 1925 etwa der Zahl der Arbeitspferde
in der Landwirtschaft gleichkam.
Nach landläufiger Ansicht wird die Haupt-
masse der landwirtschaftlichen Großbetriebe in
Pommern und Ostpreußen gesucht. Daß die
Großbetriebe sowohl nach Zahl wie nach Anteil
an der Nutzfläche am stärksten in Mecklenburg
vertreten sind und daß die Magdeburger Börde
mehr Großbetriebe aufweist als weite Teile de!
Mark Brandenburg und von Schlesien, ist durch-
aus nicht ausreichend bekannt. (Abb. 3 u. 4.)
Solcher Beispiele gibt es noch viele.
Auch Statistik ist nicht immer auf dem
rechten Wege
Mittelwerte sind bei Erntemengen be-
rechtigt, um bei den Schwankungen von Jahr zu
Jahr zu vergleichbaren Durchschnittszahlen zu
gelangen. Mittelwerte der Pegelstände eines
Ei
7
9 A
Wir AC" ee
i
ATEEN Ten Te,
— TTT
Dr Fried Walter
Mastschweine r alt
Jeder Punkt entspricht 200 Mastschweinen ( Dez 1930).
hat geringere Bedeutung als Mastgebiet als das von Heriord-Bielefeld
Flusses sind aber kaum brauchbar, weder für die
Schiffahrt noch für Brückenbauer. Die Schiff-
fahrt kommt bei Niedrigwasser zum Erliegen,
und die Brückenbauer müssen wissen, welche
Höchststände ein Hochwasser erreichen kann.
Hier ist also die Kenntnis der Extreme entschei-
dend. Die Jahresmilchleistung je Kuh ist uns
heute ein fester Begriff geworden. Stalldurch-
schnitte, also Mittelwerte, geben aber kein völ-
lig einwandfreies Bild, wel aus ihnen nicht
ersichtlich ist, ob der Bestand ausgeglichen ist
oder ob durch einzelne Tiere die sonst gute
Leistung herabgedrückt wird. Richtiger ist hier
die gruppenweise Gliederung nach Leistung,
besser noch eine geeignete graphische Darstel-
lung. Mittelwerte stellen meist eine Vergröbe-
rung dar, können ‚sogar Verschleierung oder
Verfälschung bewirken. Sie sind Notbehelt.
Daher ist die Forderung nach einer Loslösung
vom Mittelwert berechtigt.
In ähnlicher Weise muß die Verhältnis-
zahl kritisch betrachtet werden. Der Ernte-
ertrag je Flächeneinheit, der Hektarertrag, ist
ein brauchbares und berechtigtes Maß, um ört-
liche und zeitliche Verschiedenheiten zu ver-
gleichen. Streng genommen darf der Wert aber
nur für einen Schlag oder schließlich noch für
einen Betrieb mit gleichartigen Verhältnissen
gelten. Ohne weiteres leuchtet ein, daß An-
gaben über den Alkoholverbrauch je Kopf der
Bevölkerung kein wirklicher Maßstab sind, auch
nicht für Vergleiche von Land zu Land. Es
müßte bei Erwachsenen zwischen Enthaltsamen,
Gelegenheitstrinkern und Gewohnheitstrinkern
geschieden werden.
Nicht selten ist es überhaupt schwierig, eine
geeignete Beziehungseinheit für Verhältnis-
zahlen zu finden. Die Schweinehaltung hat bei
starker Mast mit betriebsfremdem Futter oder
bei Kleinhaltung keinerlei Beziehung zur Nutz-
fläche des Betriebes oder zum Ackerland oder
zum Großviehbestand, der dann oft fehlt. Ähn-
lich ist es bei der Hühnerhaltung der Klein-
betriebe, die auf Küchenabfälle und Futterzukauf
angewiesen sind, oder bei Hühnerfarmen, ob-
wohl in allen diesen Fällen recht erhebliche
wirtschaftliche Bedeutung vorliegen kann. Auch
-Beziehungen zu der Bevölkerungszahl haben nur
sehr bedingten Wert und führen zu mancherlei
Fehlschlüssen. i
Es liegen allerdings auch Fehlerquellen vor,
die rein menschlich, psychologisch begründet
231
Abb. 2. Das Ruhrgebiet gehört zu den wichtigsten Schweinemastgebieten Deutschlands. Das Zuchtgebiet an der unteren Weser
Or. Frieder. Walter
!
Landw. Großbetriebe
von 200-500 ha
Jeder Punkt entspricht I Betrieb
Abb. 3. Die übliche Zusammenfassung aller landwirtschaitlichen Betriebe über 100 ha als Großbetriebe hat uns die Erkenatuis
verbaut, daß die einzelnen Größengruppen örtlich recht verschieden verbreitet sind
sind. Daß die Ferkelzahlen bei Viehzählungen
meist zu niedrig angegeben werden, wird damit
begründet, daß man ja nicht wisse, wieviel von
den Ferkeln am Leben bleiben. Daß aber selbst
bei sonst verständigen Leuten recht törichte
Auffassungen über den Zweck statistischer Er-
hebungen auftreten, die zum statistischen
„Massensterben” bei Geflügel führen können,
det schon weniger erfreulich. Am seltsamsten
aber ist wohl die bisher anscheinend überhaupt
nicht beachtete Tatsache, daß es den Pferden
ähnlich geht, wie es den Frauen gehen soll, daß
sie mit zunehmendem Alter langsamer alt
werden. Pferde z. B., die am 1. Dezember 1934
drei- bis vierjährig waren, müssen ein Jahr
später vier- bis fünfjährig sein. Es zeigt sich
aber, daß die Zahl der vier- bis fünfjährigen
stets viel größer ist, obwohl keine nennens-
werte Einfuhr stattgefunden hat und außerdem
ein natürlicher Abgang durch Tod in Rechnung
gestellt werden muß. Die Pferdehalter geben
also auch einen Teil ihrer Pferde, die schon
über fünf Jahre alt sind, noch als vier- bis
fünfjährig an.
Wir müssen uns darüber Rechenschaft geben,
welche Gesichtspunkte die Statistik klären soll.
7
232
Bei der Schweinehaltung z. B. wollen wir nicht
nur über Zucht und Mast Aufschluß haben nach
Umfang, örtlicher Lagerung und zeitlicher
Schwankung. Wir wollen auch den jeweiligen
Altersaufbau kennen, den Umfang von Schnell-
mast oder Spätmast, ob Ferkelaufzucht am Ort
erfolgt oder Ferkelverkauf oder Läuferverkaut,
wollen Genaueres wissen über den Umtrieb bei
Zuchtsauen und die Zahl der Würfe, über Zeit-
punkt der Schlachtreife der Schweine, über
‚Alter und Gewicht beim Schlachten, über Um-
fang und Formen der Schweinehaltung in den
einzelnen Betriebsgrößen, bei gewerblicher Mast
und bei der Kleinhaltung.
Bisher galt die „Massenbeobachtung”
als eine wesentliche Aulgabe der Statistik. Das
Aufgliedern der Einzelfälle in wirklich zusam-
mengehörige Gruppen und das gleichzeitige Aus-
sondern ungewöhnlich gelagerter Fälle gestattet
im Gegensatz dazu einen besseren Einblick.
Aber erst das eingehende Durchprüfen der
Einzelfälle schafft volle Klarheit und läßt gleich-
zeilig die Zusammenhänge erkennen. Das aber
ist die Forderung, die an die Statistik der Zu-
kunft gestellt werden muß, die organischen
Zusammenhänge zu wahren und sichtbar zu
PAST aP AN
Or. Friede. Walter
Landw. Großbetriebe
von 300 - 1000 ha
Jeder Punkt entspricht I Betrieb
Abb. 4 Die Betriebe von 200 bis 500 ha häufen sich besonders in Mecklenburg und Vorpommern. Und Betriebe von
$00 bis 1000 ha sind in der Magdeburger Börde dichter gelagert als in Schlesien
machen. Es wird Zeit, daß die biologische Be-
trachtungsweise einselzt.
Noch bleibt manches Geheimnis
Gewisse Tatsachen vermag nur die Statistik
zu klären. Noch immer ist die Wettervorhersage
mit einer Menge Unsicherheiten behaftet. Wir
wissen noch wenig über die Abhängigkeit
der Pflanzenentwicklung von der Wit-
terung, so daß heute neben manchen durch-
aus richtigen Beobachtungen auch noch eine
ganze Menge abwegige Folgerungen über das
Verhältnis von Mond und Pflanzen-
wuchs im Volke vorhanden sind und Glauben
finden. Noch ganz ungeklärt ist die Frage, ob
irgendwelche Zusammenhänge zwischen
Geburt und Tod und dem Auftreten der
Gezeiten bestehen. Eine Aufgabe für die
Statistik ist die Ermittlung, wieweit eine
Größenzunahme bei der heutigen Ju-
gend eintritt. Unzureichend geklärt ist weiter
die Abwanderung vomLande, der Rück-
gang der ländlichen Bevölkerung, die
Frage, wieweit die ländlichen Handwerker, die
früher wohl alle nebenher landwirtschaftlich
tätig waren, heute sich beruflich umgestellt
haben. Wenig bekannt ist die Marktleistung
der Betriebe. Erst aus einer sorgfältigen
Marktbeobachtung heraus kann eine zuverläs-
sige Marktvorhersage entwickelt werden, Auch
Lebenshaltungskosten des platten
Landes, landwirtschaftliche Preise und Erzeu-
gungskosten bedürfen weiterer Klärung. Uber
die innere Verkehrslage der Betriebe
und die Zahl und Größe der Grundstücke und
Schläge liegen nur allgemeine Schilderungen
vor. Überhaupt sind die Betriebsverhältnisse
noch zu wenig und dann meist ohne inneren
Zusammenhang bearbeitet, Erst durch eine
stärkere Aufgliederung in engere Größenklassen
bei gleichzeitigem Aussondern der ungewöhn-
lich gelagerten Fälle lassen sich eingehendere
und zutreffendere Erkenntnisse gewinnen.
Was wissen wir von fremden Ländern und
ihrer landwirtschaftlichen Erzeugung? Bisher
wurden von uns fast nur die statistischen An-
gaben für die Staaten als Ganzes behandelt als
Grundlage für Handelsvertragsverhandlungen.
Die Wirtschaftsräume, ihre Lage und Möglich-
keiten wurden kaum beachtet. Eigentlich hätte
das Ausland längst eingehend und nach gleich-
artigen Gesichtspunkten bearbeitet sein sollen.
š 233
—
Manches verhängnisvolle Fehlurteil wäre ver-
mieden, manche wichtige Folgerung rechtzeitig
gezogen worden. j
Wir können aber genau so fragen: Was wissen
wir von unserm eigenen Land und Volk? Noch
immer fehlen alle Ansätze zu einer Statistik
der bodenständigen Bevölkerung in
Stadt und Land und über ihre Seßhaftig-
keit, über die Herkunftsgebiete der
Ehegatten ‚(nicht Geburtsorte, die zufällig
sein können), über Heiratsalter und über das
Alter bei der Hofübergabe. Wir wissen nur
Unzureichendes über das Alter unserer Bauern-
häuser, obwohl aus den Unterlagen der Feuer-
versicherungen ohne große Mühe bereits
brauchbare Unterlagen gewonnen werden könn-
ten. Die Größe der Hofstätten ist nicht nur
betriebswirtschaftlich wichtig, sondern hat in
ihrer geographischen Verbreitung auch Bedeu-
fung für siedlungsgeschichtliche Forschung.
Künftig wird es notwendig sein, bei. manchen
Auswerlungen nach Stadt und Land zu trennen,
um über bestimmte Erscheinungen besseren Auf-
schlug zu erlangen. Man wird sich auch ent-
schließen müssen, scheinbar abseits liegende
Fragen aufzugreifen, wie etwa die Entfernung
zu Arzt und Hebamme auf dem Lande, um auch
über solche wirklich lebenswichltigen Fragen
nicht lediglich gefühlsmäßige und unsichere
Urteile zu besitzen. Eine Fülle vielgestaltiger
Aufgaben liegt demnach noch vor uns.
Künftige Ausgestaltung und Zielsetzung
Es hat bei der amtlichen Statistik lange ge-
dauert, bis neben den Fragen der staatlichen
Verwaltung auch Gesichtspunkte der Wirtschaft
und der Wissenschaft sich Geltung verschaffen
‚konnten. Und noch immer laufen manche Dinge,
so wie die geschichtliche Entwicklung sie all-
mählich brachte, nebeneinander her. Die
Viehzählungen, die Erhebungen der
Fleischbeschau und die Schlachtvieh-
statistik sind noch nicht aufeinander abge-
stimmt, so daß manche wesentlichen Lücken
in unseren Erkenntnismöglichkeiten noch klaf-
ten. Wir werden eines Tages darangehen
müssen, alle die vielen verschiedenartigen
Fragestellungen und Aufgaben mit Rücksicht
auf die Bedürfnisse sowohl der Führung wie der
Praxis und der Wissenschaft von höherer Warte
her zu ordnen und die Voraussetzungen für eine
genügende Vergleichbarkeit nicht bloß für enge
Gebiete, sondern für möglichst große Räume zu
sichern. Außerdem wird es notwendig werden,
die Stellen, die sich mit Statistik befassen, den
künftigen Arbeitszielen entsprechend organisch
aufzubauen, Heute haftet ihnen noch mancherlei
von dem Erbe aus der Zeit der Kleinstaaterei aa.
224
Künftig wird ein Statistisches Reichsamt kaum
mehr alle statistische Kleinarbeit für den ge-
samten .großdeutschen Raum zentral verrichten
können. Entsprechend der politischen Gliede-
rung werden, wie es bereits vereinzelt ge-
schehen, Statistische Amter der Reichsgaue
einen Teil der Aufgaben übernehmen müssen,
die besser in örtlicher Arbeitsteilung erledigt
werden. Dazu gehört ein wesentlicher Teil der
Agrarstatistik. Die gesamte Aufbereitung kann
ohne weiteres und auch rascher in den Gau-
ämtern durchgeführt werden. Es wird aber
künftig notwendig sein, wesentliche Teile der
Einzelauswertung überhaupt von den Sta-
tistischen Amtern gbzutrennen, denn Statistik
ist ja nicht Selbstzweck. Die wesentliche Auf-
gabe der Statistischen Amter ist die Ermittlung
und Aufbereitung der Unterlagen. Dazu sind
Erfahrungen und besondere technische Kennt-
nisse und Einrichtungen erforderlich. Ganz
andere, und zwar fachliche Kenntnisse sind aber
notwendig für die Auswertung.
Für die Führung des Staates und Volkes muß
die Auswertung bei den Spitzenstellen
liegen, also beim Statistischen Reichsamt und bei
den Fachministerien. Für die Landesverwaltung
und für örtliche Fragen wird die Auswertung
aber besser den örtlichen Stellen, etwa Sta-
tis ischen Gauämtern, überlassen, und die Aus-
wertung nach fachlichen Gesichtspunkten wird
künftig weit mehr als, bisher die Aufgabe von
besonderen Stellen oder wissenschaftlichen In-
stituten sein müssen, weil nur dort alle die fach-
lichen Grundlagen und das wissenschaftliche
Rüstzeug zur Verfügung stehen, die für eine
grundlegende Bearbeitung und Forschung not-
wendig sind. So können die statistischen Unter-
lagen wirklich lebendig gemacht werden und der
Erkenntnis dienen.
Während früher die Statistik im wesentlichen
die jeweiligen Zustände zu erfassen suchte,
werden heute die Vorgänge, die Wandlungen
und Verlagerungen stärker in den Vordergrund
gerückt. Die treibenden Kräfte, die verschie
denen Einflüsse nach Art, Richtung und Ausmaß
und ihre Auswirkungen sind zu verfolgen. Aller
dings sind wir da noch stark in den Anfängen.
Kaum noch angefaßt sind die Fragen der Zu-
sammenhänge, der Rückwirkungen und Ver
flechtungen. Vielfach lassen sich diese mit den
bisherigen Unterlagen und Methoden überhaupt
nicht klären. Es müssen also entschlossen andere
Wege gesucht werden.
Es ist nicht die Aufgabe der amtlichen Sta-
tistik, eine riesige Menge von Zahlenangaben In
den „Zahlenfriedhöfen” der Tabellenbände zu
friedliichem Schlummer zusammenzustellen, som
dern das Nutzbarmachen der Ergebnisse
—— [ SE
der statistischen Erhebungen muß
oberstes Gesetz sein. Mit der Wiedergabe
einiger Endzahlen und mit allgemeinen Erläute-
rungen — ob knapp oder ausführlicher — ist es.
nicht getan. Von dem Sachkenner, der die
Bearbeitung vornimmt, wird erwartet, daß er
alles Kennzeichnende eindeutig und eindringlich
herausstellt. Man ist bisher gewissermaßen auf
halbem Wege stehengeblieben, hat sich mit
dem Ermitteln der Zahlen begnügt und sie ledig-
lich durch andere Zahlen miteinander zu ver-
gleichen versucht. Dabei stehen durch die gra-
phischen und kartographischen Darstellungen
Wege offen, die weitgehende Möglichkeiten
bieten und die heute bei weitem noch nicht aus-
reichend erkannt, geschweige denn erschöpfend
genutzt worden sind.
Zuweilen trifft man auch auf unzulängliche
graphische oder kartographische Darstellungen.
Es muß selbstverständlich gefordert werden, daß
nicht nur der Text, sondern auch die bildlichen
Darstellungen sachlich einwandfrei sind. Um
das schaffen zu können, ist allerdings eine ein-
gehende Vertrautheit mit den Formen und Mög-
lichkeiten der Darstellung und eine genügende
technische Sachkenntnis nötig, und zwar nicht
nur beim Zeichner, sondern auch beim Bearbei-
ter. Es geht auch nicht an, die Wahl der Dar-
stellungsweise einfach dem Techniker zu über-
lassen. |
Eine graphische oder eine kartogra-
phische Darstellung ist der knappestie
Ausdruck einer Vielheit von Tat-
sachen. Sie soll rasch und sinnfällig ein zu-
verlässiges und klares Bild lielern, das die Tat-
sachen eingehend und vollständig genug wieder-
gibt. Darin kann zusammengefaßt werden, was
bei einer Beschreibung viele Seiten Text erfor-
dern würde. Grobe Darstellungen sind nur in
wenigen Fällen zulässig, etwa bei eiligen Be-
richten über vorläufige Ergebnisse. Denn es
würde ja ein nicht zu rechtfertigender Wider-
spruch darin liegen, wenn Material erst in ein-
gehender Weise mühsam erfaßt und aufbereitet
würde, um dann stark vergröbert dargeboten zu
werden. Eine Vergröberung ist auch nicht etwa
notwendig, um der Klarheit oder Deutlichkeit
willen, denn man kann auch anders als durch
Grobheit deutlich werden. Allerdings ist eine
grob schematische Darstellung viel bequemer
und — sie läßt Hintertürchen offen.
Bei den Darstellungen, die bisher zu große
und dadurch zu uneinheitliche Verwaltungs-
gebiete zugrunde legten, entstand ungewollt
jene Vieldeutigkeit, die zu schwer kontrollier-
baren Fehlschlüssen führt und die ihrerseits dazu
beiträgt, das Vertrauen zur Statistik überhaupt-
zu erschüttern. Regierungsbezirke als Gebiets-
einheit müssen fast durchweg als ungeeignet für
kartographische Darstellungen abgelehnt wer-
den. Selbst bei Kreisen als Gebietseinheit
ergeben sich bei der Auswertung noch erheb-
liche Fehlerquellen (vgl. Abb. 5 u. 6). Der Kreis
Bielefeld besteht etwa zur Hälfte aus Weizen-
boden nördlich des Teutoburger Waldes und zur
anderen Hälfte aus dem armen Sandboden der
Senne. Zum Kreis Sangerhausen gehört außer
dem Anteil am hochgelegenen und waldreichen
Südharz ein Teil der Goldenen Aue mit hoch-
ertragreichem Zuckerrübenboden. Durchschnitts-
werte solcher Kreise können kein klares Bild
vermitteln, weder für den einen noch für den
anderen Teil der Raumes. Nur wenn eine Be-
arbeitung nach Gemeinden erfolgt, läßt sich die
Verbreitung der verschiedenen Tatsachen klar
und einwandfrei genug erkennen. Deshalb muß
immer wieder die Forderung erhoben werden,
daß die kleinstmöglichen Einheiten als Grund-
lage für Erfassung, Aufbereitung und Darstellung
verwendet werden.
Die Agrarslalistik braucht eigene Methoden.
Auf keinem anderen Gebiete statistischer Be-
tätigung ist es notwendig, so eingehend die
örtlichen Unterschiede zu erfassen. Dement-
sprechend hat die Agrarstatistik vorzugsweise
die geographische Arbeitsweise und insbeson-
dere die kartographische Darstellung notwendig.
Die Agrarstatistik bedarf genauer flächentreuer
Karten, die für die einzelnen Großräume selbst
heute noch nicht in einwandfreier und vergleich-
barer Form vorliegen. Sie hat geeignete Karten
mit genauen Verwallungsgrenzen nötig, die
wieder mit den lopographischen Karten, den
Boden-, Vegelations- und Klimakarten derselben
Räume vergleichbar sind. Alle diese Grundlagen
fehlen noch weitgehend oder sind, wo sie vor-
liegen, nicht einheitlich, weichen in Maßstab und
Ausführung voneinander ab. Karten mit Ge-
meindegrenzen mußten bisher vielfach erst
mühsam geschaffen werden, um eine kartogra-
phische Darstellung statistischer Tatsachen
überhaupt durchführen zu können. Eine geogra-
phisch eingestellte agrarstatistische Forschung
konnte daher, weil ihr die wichtigsten Voraus-
setzungen fehlten, bisher nicht umfassend vor-
gehen oder irgendwelche Fragen erschöpfend
behandeln. Oft war es nur möglich, Fragen zu
bearbeiten, für die gerade stalistische und karto-
graphische Unterlagen zugleich vorhanden wa-
ren, während andere und wichtigere mangels
Unterlagen der einen oder anderen Art zurück-
gestellt werden mußten. Dringend notwendig ist
aber auch, daß der Forschung durch die Sta-
tistischen Amter die Ergebnisse der Erhebungen
in einer geeigneten Form zugänglich gemacht
und daß die Art der Aufbereitung und die Glie-
derung der Tabellen auf den besonderen Aus-
werlungszweck zugeschnitten werden.
we
235
Westfalen
Fed, walter.
m nn
Wm gp
— A —
Von loo ha Ackerland wurden
Wé winterweiren bedaut
Winterweizen
Anteil des Winterweizenandaus
amfckerland I nach Kreisen
—̃ !ſ᷑—d—
= ER tis
2-5 »
3910 =»
10-20 e
15-20 —
SR
mm «= 20 -
Abb. 5. Die übliche Darstellung nach Kreisen vermag die tatsächliche örtliche Verbreitung der einzelnen
Erscheinungen nicht genügend klar wiederzugeben
Die agrarstatistische Forschung muß
sich einmal als landwirtschaftliche
Raumforschung entwickeln, also die Stand-
orttragen der Landwirtschaft und ihre
Voraussetzungen behandeln. Sie muß aber auch
den zeitlichen Gang des Geschehens verfolgen,
etwa die Schwankungen der Ernten, der Preise
oder der Verhältnisse des Arbeitsmarktes. Wäh-
rend für die Bearbeitung der Fragen der Raum-
forschung außer den statistischen und landwirt-
schaftlichen Fachkenntnissen eine eingehende
naturwissenschaftliche, geographische und kar-
tographische Schulung und Erfahrung erforder-
lich Ist, muß bei der anderen Zielsetzung vor-
zugsweise eine volkswirtschaftliche und wirt-
schaftsgeschichtliche Schulung vorausgesetzt
werden.
In anderer Hinsicht werden sich bei der land-
wirtschaftlichen Statistik mehr und mehr zwei
unterschiedliche Einstellungen herausbilden
müssen, eine agrarwirtschaftlich und eine
betriebswirtschaftlich ausgerichtete,
Die Agrarwirtschaft betrachtet die Landwirt-
236
schaft von der Gesamtwirtschaft her als deren
Teil und die Wechselwirkungen mit ihr. Die
agrarwirtschaftliche Statistik wird ihre Unter-
lagen im wesentlichen durch statistische Erhe-
bungen gewinnen und ihre Ergebnisse für die
‘politische Führung, die Landesverwaltung und
die wirtschaftliche Lenkung auswerten. Die
betriebswirtschaftlich eingestellte Statistik, die
man als Einzelbetriebsstatistik oder als Hof-
‚statistik bezeichnen kann, baut in der Haupt-
sache auf Buchführungsunterlagen und Einzel-
beobachtungen auf und ist bestrebt, ihre Ergeb-
nisse für die Leitung von Einzelbetrieben und
für die Wirtschaftsberatung nutzbar zu machen.
Es genügt dabei allerdings nicht, nur wenige
Auswahlbetriebe zu verfolgen, sondern die Hof-
| statistik muß auf möglichst breiter Grundlage
durchgeführt werden, um nicht falschen Ver
allgemeinerungen zu erliegen.
WowirimBegriff sind, uns auf großräumigeres
Denken umzustellen, ist es auch erforderlich, die
statistischen Erhebungen der einzelnen Länder
und die Einzelheiten der Tabellen ooch weit
Winterweizen
Anteil des Winterweizenanbaus
amAckerland 1913 nach Gemeinden
Fes Dr. Friedr. Waiter.
Von Too ha Ackerland wurden
y ; Sa, ei i mil Winterweizen betau?
d O2, ha
ër 2-5 o
5-0 e
10-15 «
15-20 e
oder 20 :
Abb. 6. Erst die Bearbeitung der gleichen statistischen Unterlagen nach möglichst kleinen Verwaltungs-
einheiten (bei Westialen etwa 3000 Gemeinden) ergibt ein einwandfrei zutreflendes Bild
mehr aufeinander abzustimmen als dies durch
‚die Arbeiten des Internationalen Landwirt-
schafts-Instituts Rom bisher geschehen ist.
Durch die Anwendung der statistischen For-
schungsmethode von fachkundiger Seite werden
Lücken der Erfassung und ungünstige Gliede-
Zungen der Tabellen erkannt, und damit können
Erhebung und Aufbereitung überprüft und ver-
feinert werden. Bei alledem darf aber nicht
unbeschtet bleiben, daß die statistische For-
schungsmethode nicht die einzige bleiben darf,
um zu einwandfreien Erkenntnissen zu gelangen,
sondern daß Sich Einzelbeobachtungen und Er-
kundungen anderer Art planvoll anfügen müs-
sen. Die zahlenmäßige Feststellung ist eben nur
ein Teil der Erkenntnismöglichkeiten neben der
Feststellung von Art, Wesen, Form und orga-
nischem Zusammenhang.
Die Statistik hat ihr Ziel nicht schon erreicht,
wenn sie fein säuberlich den augenblicklichen
Zusiand erkannt und dargelegt, gewissermaßen
einen Buchführungsabschluß geliefert hat. Die
Bedeutung statistischer Forschung
liegt darin, daß aus der Kenntnis des Heutigen
oder des Früheren Rückschlüsse auf Künftiges
möglich sind. Es bedarf ein solches Vorgehen
zwar ähnlich grundlegender Sachkenntnis wie
die Diagnose eines verantwortungsbewußten und
tüchtigen Arztes. Vorausschauende Maßnahmen,
rechtzeitige und ausreichende Vorsorge für
künftige Entwicklungen können jedoch durch-
aus zuverlässig aus ‚genügend sorgfältigen Er-
kenntnissen statistischer Forschung abgeleitet
werden.
So gewinnen scheinbar abseits liegende Unter-
suchungen weittragende Bedeutung für die
Staatsführung, aber auch für die Planung, Len-
kung und Beratung im großen wie im einzelnen.
Die eine Entwicklung kann rechtzeitig abge-
bremst, die andere gesteigert oder umgestellt
werden. Durch das Vertiefen unserer Erkennt-
nisse der örtlichen Verschiedenheiten, ihfer Ur-
sachen und Auswirkungen und durch das Er-
kennen der Zusammenhänge lassen sich die
testen, gesicherten Grundlagen für den weiteren
Ausbau einer gesunden Agrarpolitik schaffen.
237
—
—
ae e
— —— ͤꝓ—T—D2— O
ën
—
se — 2
— 2. — deg
—
— —
———
m
rn u —p fg TE
* z * — ~
ez
r
ALBRECHT TIMM
Das wehrhalte bel
E: ist ein ebenso hartnäckig wie weit ver-
breiteter Irrtum, daß sich die deutsche Stadt
der Vergangenheit vom Dorf vor allem gerade
durch das Vorhandensein von Wehranlagen
unterscheidet. Auf den ersten Blick hin, der
nur die Festungen der Neuzeit und als ihre
Vorläufer die mächtigen Mauerringe und
Türme unserer alten Städte ins Auge faßt, will
es allerdings so scheinen, daß Wehranlagen
ein Merkmal städtischer Siedlungen sind. Wir
finden auf der anderen Seite zwar nur selten
schriftliche Nachrichten über das wehrhafte
Dorf, wer aber aufmerksam durch die deut-
schen Landschaften wandert, stößt überall in
Dörfern und Fluren auf die Zeugen des bäuer-
lichen Wehrwillens. Sie sind älter als manche
Mauern und Türme und entstanden schon,
bevor unsere Vorfahren in städtischen Gemein-
wesen lebten.
Der bäuerliche Mensch hätte bereits in
der Frühzeit das Bedürfnis, seine Familie,
seinen Besitz und seinen Acker zu schützen,
indem er einmal seinen Wohnsitz auf einer
von Natur aus besonders geschützten Stelle er-
richtete oder sich an schwer zugänglichen
Plätzen eine besondere Zufluchtsstätte für
Augenblicke der Gefahr schuf. Die durch die
Natur gebotene Befestigung solcher gesicherter
Plätze wurde bald durch Menschenhand ver-
stärkt. Schon in sehr früher Zeit wurden Wehr-
anlagen aus Erde und Holz hergestellt und
Zäune oder Palisaden aus nach oben zuge-
spitzten Holzplanken hinderten jeden Eindring-
ling empfindlich. Bergkuppen mit Steilhängen,
vorspringende Hochflächen, die nur einen
schmalen Zugang boten, durch Wasser oder
Sumpf gesicherte Halbinseln waren ebenso ge-
eignet wie die Verstecke in dichten Waldungen.
Befand sich beispielsweise der Wohnsitz oder
der Zufluchtsort auf einer natürlichen oder ge-
rodeten Waldblöße, dann war es lediglich
nötig, die Zwischenräume zwischen den an der
Peripherie stehengebliebenen Bäumen auszu-
füllen, was etwa dadurch geschah, daß man
die seitlichen Zweige der Bäume herunterzog,
knickte und miteinander verflocht. Die Eibe,
die Eiche und die Hainbuche waren hier beson-
ders geeignet. Um die Zweigbildung am unteren
Stamm zu fördern, wurden die Bäume in der
jeweils fassenden Höhe gekappt. So entstand
ein sogenannter „Knick“, zuweilen auch Ge-
238
bück, Hain oder Hag genannt. In die im Ge-
Zweig noch vorhandenen Zwischenräume wur-
den dann Dornen- oder Brombeersträucher ein-
gepflanzt. Auch der Haselstrauch, der Schwarz-
oder Weißdorn bildeten mit ihrem Strauchwerk
eine Füllung. Die Bedeutung der Rosenhecke
als Schutz verdeutlicht uns das alte Märchen
vom Dornröschen,
Die vollkommenere Form des Schutzes für
die Dorfbewohner stellen bereits in der Früh-
zeit der mit einer Hecke gekrönte Wall und
der Graben dar. Der Wall umzog nötigenfalls
als „Ringwall' den ganzen Wohn- oder Zu-
fluchtsplatz oder er sperrte ihn als „Ab-
schnittswall” an der Stelle ab, die am
leichtesten zugänglich war. Auf diese Weise
entwickelten sich die Wallburgen, von
denen wir Spuren überall im alten germanisch-
deutschen Siedlungsraum finden,
Wenn die Wallburgen wegen ihrer abseitigen
Lage auch wohl nicht ständige Wohnungen ge-
wesen sind, so dienten sie doch als Zufluchts-
orte, in denen Menschen, Tiere und Vorräte
geborgen werden konnten, weshalb sie auch
die Bezeichnung „Burg“ führen. Die Bedeutung,
die sie noch zur Zeit des Dreißigjährigen
Krieges hatten, lernen wir aus der anschau-
lichen Schilderung im „Werwolf“ von Hermann
Löns kennen. Ein Teil solcher Wallburgen war,
auch wenn sie nicht in unmittelbarer Nähe von
Siedlungen liegen, zu allen Zeiten bis zur
Gegenwart hin Versammlungsort bei Beratun-
gen und Gerichtsverhandlungen, und noch
heute lodern zuweilen Oster- und Johannisfeuer
auf solchen Stellen.
Schon hieraus schließen wir, und zahlreiche
Bodenfunde erhärten diese -Ansicht, daß hier
in vorchristlicher Zeit zugleich die Kult-
stätte für die dazugehörige Gemeinde lag.
Besonders große und weitläufige Anlagen, in
deren Mitte sich ein bedeutendes vorchrist-
liches Heiligtum, denken wir etwa an die
Irminsul, die Externsteine oder die Queste, be-
fand, lassen vermuten, daß sie einer ganzen
Reihe von Dörfern, etwa einer Markgenossen-
schaft, dienten.
In diesen Volksburgen beobachten wir,
soweit sie noch erkennbar oder zu rekonstru-
ieren sind, Gräben als breite, bis zu drei Meter
tiefe Mulden. Auch die Wälle end erstaunlich
dick, In einem Falle wurden 17 Meter ge-
messen. Hier, in der „Pippinsburg” bei Geeste-
münde bestand der Wall anscheinend aus zwei
Etagen. Die äußere, niedrigere stieß bis an den
Graben vór; die innere erhob sich etwa acht
Meter über das Gelände. Im Innenraum zog
sich anscheinend ein Kranz von Hütten am
Wall entlang, ähnlich wie wir es später bei
den befestigten Kirchenburgen beobachten
können.
Solche Volks- und Wallburgen hatten bis zur
Zeit der Merowinger eine besondere Bedeutung
für die Landesverteidigung. Karl der Große
ließ dann aber einen Teil der Anlagen im Osten
seines Reiches, aus denen heraus die Sachsen
ihren Widerstand geleistet hatten, zerstören.
Erst Heinrich I. veranlaßte dann im durch die
Einbrüche der Slawen 'und vor allem der Un-
garn gefährdeten Grenzgebiet eine Neubefesti-
gung dieser alten Volksburgen zum Schutze
der Bevölkerung. Er kann hier also mit mehr
Recht der „Burgenerneuerer“ als der „Burgen-
dauer“ genannt werden. Seine Wehranlagen
dienten nach wie vor der Sicherheit der bäuer-
lichen Bevölkerung, die ausschließlich in
Einzelhöfen, Weilern oder Dörfern wohnte,
Kaiser Heinrich IV, ist später in Mittel-
deutschland dem Beispiel Heinrichs I. gefolgt
und hat wiederum die vorhandenen Volks- und
Wallburgen, in deren Nähe sich häufig Königs-
gut befand, neu befestigen lassen. Diesmäl galt
es aber nicht die Bevölkerung vor dem äußeren
Feind zu schützen, sondern den königlichen
Besitz vor seinen inneren Feinden im Sachsen-
land. Hier vollzog sich, wie auch an anderer
Stelle, die Verengung von der Volks-
burg zur späteren Ritterburg. Diese
erscheint nun als eine durch die Maurerkunst
bewirkte Fortentwicklung der alten Wallburg.
Inzwischen waren in vielen anderen Wall-
burgen an Stelle der germanischen Kultstätten
längst christliche Kirchen oder Klöster ge-
ieten. Schon der bekannte Papst Gregor I.
empfahl die Umwandlung heidnischer Heilig-
tümer in christliche, „weil die Neubekehrten
bekanntermaßen gern die Stätten ihrer alten
Heiligtümer aufsuchten“. Deshalb war für die
Wahl des Kirchplatzes ebenso wie auf der
anderen Seite für die Wahl des Burgplatzes oft
das Vorhandensein, einer frühgeschichtlichen
Wallburg bestimmend. Wir finden häufig abge-
legene Einödkirchen, Wallfahrtskapellen und
Klöster dort, wo sich vordem eine Volksburg
befand. Auch wurde zumeist in den alten Wall-
Burgen in der Nähe der Siedlungen die Dorf-
kirche errichtet und dabei zugleich viele der
alten Wehranlagen beibehalten.
Man spricht in der Gegenwart viel von den
Siebenbürger Kirchenburgen und glaubt oft,
sie seien eine Besonderheit des Deutschtums in
Südosteuropa. Hier haben die Kirchenbur-
gen zwar eine bedeutendere Rolle gespielt als
die befestigten Städte, die Siebenbürger
Sachsen übernahmen aber die ihnen schon in
ihrer Heimat bekannte Art der Kirchenbefesti-
gung in den neugewonnenen Siedlungsraum
und entwickelten sie hier zu besonders mar-
kanten Formen. Die bekannten Kirchenburgen
Siebenbürgens haben bescheidenere Vorläufer
in vielen süddeutschen und westdeutschen
Landschaften.
Die mittelalterlichen deutschen Kirchen-
befestigungen haben außer dem Platz auch
vielfach Form- und Rechtsverhältnisse mit den
alten Volksburgen gemeinsam. Beim Bau der
Dorfkirche selbst wurde mit voller Absicht’ die
wehrhafte Anlage beibehalten oder wiederher-
gestellt, Sie ist häufig mit allem Zubehör da-
maliger Befestigungskunst ausgestattet, so daß
wir sie fast als die Dorfburg oder die
Zitadelle im Dorf ansprechen können.
Die Kirche war zunächst das einzige massive
Gebäude im Dorf und wurde bald noch durch
die Errichtung des Kirchturmes verstärkt.
Die Ursache für den Kirchturmbau war
nicht, wie man zuweilen von der heutigen Be-
stimmung aus gesehen glaubt, die Glocke, son-
dern vielmehr die Sicherheit des Dorfes und
seiner Bewohner. Der St. Galler Plan bezeichnet
um das Jahr 820 die beiden Kirchtüfme aus-
drücklich als Wachtürme (ad universa
superinspicienda). Die Stellung des Kirchturms,
der in der Regel den wichtigsten Teil des dörf-
lichen Verteidigungswerkes bildete, wurde nach
ähnlichen Gesichtspunkten gewählt, wie für den
Berchfrit einer: Burg. Deshalb finden wir auch
viele alte Türme frei geben der Kirche stehen,
konnten sie doch so die Aufgabe eines Berch-
frits besonders vorteilhaft ausüben. In anderen
Fällen war der Turm nur vom Dachboden des
Kirchenschiffs aus zugänglich, Fast alle alten
Türme haben zumindest hohe Einstiegstüren
und sind nur durch außen an dem Turm ange-
legte Leitern oder Holztreppen zu erreichen.
Die Lichtschlitze sind sehr schmal und haben
meist die Form von Schießscharten. Der Turm
war immer die letzte Rettung, wenn sich die
übrige Anlage in feindlicher Hand befand. Es
kann deshalb nicht auffallen, daß die Stein-
treppen zu den Turmobergeschossen recht
schmal sind. Die Verfolger sollten immer nur
einzeln nacheinander den Turm besteigen
können.
Noch im Dreißigjährigen Krieg haben wehr-
hafte Dorfkirchen den Bauern vielfach Schutz
gewährt, Es war indessen höchst selten, daß
die Kirche selbst im Brennpunkt der Kämpfe
stand, denn der sie umgebende befestigte Fried-
hof hielt die Gegner in den meisten Fällen ab.
Der Dorffriedhof an der Stelle der alten
Wallburg war nach der Ableitung des Wortes
„Friedhof“ aus dem Mittelhochdeutschen „vride
= einfrieden“ auch stets umfriedet. Er hatte
nicht nur die Aufgabe des Begräbnisplatzes der
Dorfgemeinschaft, sondern hier wurde auch oft
noch aus vorchristlicher Zeit her das Gericht
*
239
— — e geg
A M Heer WT e rr. se
— e — — em — —— eg wg —
A F - 4 y A
e ` Ze -
abgehalten. Alte, das Dorfbild beherrschende
Linden oder Eichen geben davon zuweilen noch
bis heute Zeugnis.
Als befestigter Platz gewinnt der Kirchhof
für das Dorf besondere Bedeutung. Er war die
Zufluchtstätte oder besser gesagt der Verteidi-
gungsort der Bauern und ihrer beweglichen
Habe, wenn das eigentliche Dorf aufgegeben
werden mußte. Gerade er wird häufig in mittel-
alterlichen Urkunden und Chroniken gewisser-
maßen als Zitadelle (quasi castrum) be-
zeichnet. Der Wert der Kirchenbefestigung für
de Verteidigung war naturgemäß sehr ver-
schieden, je nach Stärke, Ausbau und Umfang
der Anlage. Hier wurden alle Verteidigungs-
möglichkeiten ausgenutzt. An die Stelle des
Erdwalls trat später die Steinmauer. Ihr Zug
richtete sich meist nach dem Gelände, bei
hügligem Relief finden wir runde oder ovale
Formen, in der Ebene nach Art der Wasser-
burgen mehr oder weniger regelmäßige Vier-
ecke. Der Eingang zum Kirchhof war beispiels-
weise in Württemberg zuweilen durch Türme
gesichert. Auch Schießscharten finden sich in
der Kirchhofsmauer.
An der Innenseite der bewehrten Kirchhofs-
mauer ist ein Kranz von zweigeschossigen
„heiligen Scheunen“ oder „Gaden“
angebracht. Das sind Vorratsräume, die den
Dorfbewohnern familienweise zum Aufbewah-
ren von. Nahrungsmitteln und Wertsachen und
zum Unterstellen des Viehs für Notzeiten oder
Kriegsfälle zugeteilt waren. Die „Gaden“ blieben
zumeist während des ganzen Jahres mit Ge-
treide gefüllt. Welch eine Menge von Vor-
räten und Vieh hier untergebracht war, erkennen
wir, wenn wir hören, daß im Jahre 1449 aus
dem Kirchhof von Offenhausen (Franken) nach
Abschluß der Belagerung 57 vollgeladene
Wagen und 300 Stück Vieh erbeutet wurden.
Im 15. Jahrhundert wurden auch Wehr-
gänge um die Kirchhofsmauer angelegt, so
daß diese gewiß ein vollkommenes, wenn auch
viel kleineres Ebenbild der bekannten Wehr-
gänge auf Stadtmauern, wie sie z.B. in Nürn-
berg oder Rothenburg erhalten sind, darstellen.
In solchen Wehranlagen um die Dorfkirche,
die wir vor allem in fruchtbaren Gebieten und
in der Nähe von Straßen- finden, konnten sich
die Dorfbewohner zwar nicht lange gegen die
Angriffe eines mächtigen Feindes halten, doch
waren diese Befestigungen ein wichtiger Schutz
bei Uberfällen kleinerer Gruppen. Die Eigen-
art mittelalterlicher Fehden lag ja auch in
einer möglichst ‘schnellen Plünderung des
Feindgebietes, bei der man sich nur selten mit
einer längeren Belagerung abgeben konnte.
Deshalb finden zahllose Fehden dieser Zeit auf
dem befestigten Dorffriedhof ihren vorläufigen
Abschluß.
Auf dem Friedhof eines hessischen Dorfes
spielt sich, fast ist man geneigt zu sagen er-
staunlicherweise, der Endkampf in der Fehde
zweier — Äbte bedeutender Klöster ab. Der
240
H
Belagerte kann sich hier so lange verteidigen,
bis,er entsetzt wird. Im Jahre 1460 stand der
Kirchhof von Dörrenbach bei Bergzabern im
Mittelpunkt von Kämpfen. Er war „vest und
stark von guten mauren und :woll verboll-
werket; und waren darin uf 130 gebauwern aus
dem Dorfe“. — Dazu sei noch an ein bedeu-
tendes Beispiel aus der Neuzeit, die Schlacht
von Hochkirch vom Jahre 1758, erinnert.
Inzwischen hatten die Wehranlagen um die
Dorfkirche ihre Bedeutung für den Schutz und
die Verteidigung der Dorfgemeinschaft ver-
loren. Die kirchlichen Organe sahen den Aus-
bau der Befestigungen im Laufe der Zeit mit
wachsendem Unwillen und deshalb wandte
sich mancher Synodalbeschluß dagegen. Auch
die Landesfürsten schritten häufig ein, obgleich
die ganze Anlage lediglich defensiven Cha-
rakter trug. Diese Tatsache muß auch der
Kaiser Friedrich III. unterstreichen, als er im
Jahre 1472 in der Blütezeit des Fehdeunwesens
bestimmt: „item es solln kirchen, kirchhöfe und
wydemhöfe auch sicher sein ond daraus nit
genommen werden dhein weer daraus ge-
scheheen, doch ob yeman die . . darin weren
(wären) sich onderstunde zu stürmen oder notte,
so möchte man sich daraus weeren.“ Trotzdem
konnte die Wehranlage um die Kirche im allge-
meinen innerhalb des geschlossenen deutschen
Siedlungsraumes mit der Entwicklung der
Feuerwaffen wie überhaupt der Technik nicht
standhalten. Lediglich in den Gebieten eines
regen Volkstumskampfes im Südosten hat die
Kirchenburg auch bis in die Neuzeit eine be-
deutende Rolle gespielt. Diese Festungen des
Deutschtums haben gerade im Burgenland und
in Siebenbürgen den Türkenstürmen oft und
erfolgreich Widerstand geleistet.
Vor der Kirche und dem befestigten Kirch-
hof lag meist eine andere Verteidi-
gungslinie, die um das Dorf selbst ge-
zogen war. Ursprünglich zur Zeit einer spär-
lichen Besiedlung hatte jeder Einzelhof sein
Besitztum mit einem Schutzwall oder einer
lebenden Hecke umgeben. Solche Umwehrun-
gen sind schon aus frühgeschichtlicher Zeit
bekannt. Später wurden, wenn die Gehöfte
dicht beieinanderlagen, der Weiler oder das
Dorf von einer gemeinsamen Hecke, hier viel-
fach auch Hagen genannt, umzogen. Bei der
umfassenden Befestigung einer Siedlung kam
es darauf an, ihren Umfang möglichst klein zu
gestalten, dabei aber doch eine größere Fläche
einzuschließen. Diese Bedingung erfüllt der
Kreis am idealsten. Deshalb überwiegen bei
den befestigten Dörfern die Formen des Rund-
dorfes, das an sich mit dem slawischen
Rundling nur die Tatsache gemein hat, daß hier
wie dort die Kreisform als die am leichtesten
zu verteidigende gewählt wurde. Das spätere
Wachsen des Ortes und bauliche Verände-
rungen im Laufe der Jahrhunderte machen es
oft nicht leicht, noch heute den rundlichen
Dorfkern zu erkennen.
—— —
n
pma
pma
Vë
PEN
war!
—
‚go‘
ne
&
Oci
—
lich
*
auler
>
H
D
,
— — NE e —
"T —H—ꝛ— p OÖ > u nu — — —— er wg — — ing
E
* RIM D
n
ib 2 `
Ga
— e , —
E u e `
v 19 — :
i A r%
a * "iu
e Tr e
` —
> S Lk Q
i Ta.
F
€" * > ` e
e x
— - N bei `
e ä DY a
e „
> > e
— d
Te = Lo
p
*
u
L ` e
KT TE
KH
KS we Te — -
zt 2 nih aa e rr Er
e
SH
A daan Dn
—
Bild Vorderseite; Wehr
kirche in Nordtirol. — Bild
links: Armbrustschießen der
männlichen Dorfjugend. Im Hin-
tergrund ein Stück der Dor-
befestigung. Miniatur aus einer
Chronik des 16. Jahrhunderts. —
Bild unten: Errichtung eines
Palisadenzaunes. Holzschnitt aus
dem 16. Jahrhundert
—
` D —
` ge, 4 wr
N WW
El
al
ar
— —
Ke
l
— ͤ—-„—¼ ——ęyã— ——2t„— i
e —
— - men —
Së
— SE EC —
Bild rechts: Einbeziehung einer länd—
lichen Siedlung in die Burgbefestigungen
Bild links: Die Feldfrucht-
kammern an der Innenseite der
Verteidigungsmauer der Kir-
chenburg Tartlau in Sieben-
bürgen. — Bild unten: Modell
eines Runddorfes. Diese Dorf-
anlagen waren besonders für die
Verteidigung geeignet
Bild links: Alter Wehrturm als
Rest einer Dorfbefestigung in
einem Dorf des Gaues Nieder-
donau. — Bild unten: De
Kirchenburg bei St. Wolfgang bei
Grades im Metnitztal. Gotische:
Bau aus dem 15. Jahrhundert —
Bild rechts: Die Kirchenburg
von Deutsch-Weißkirch in Sieben
bürgen
a BE:
> H
71 dE
yis x
— -w
ke.
=
IE e
vd.
2
4
*
Bild oben: Die Bauernburg Reps in Siebenbürgen, — Bild
links: Torturm einer ehemaligen Kirchenburg bei Ingweiler
im Unterelsaß. — Bild unten: Bäuerliche Wehrkirchenanlage
in Franken
In den Volksrechten und Weistümern wird
oft von den Dorfzäunen gesprochen. Hier
handelt es sich um die oben beschriebenen
Knicke, Planken- oder Flechtzäune. Unter den
ohne Nägel zusammengefügten Flechtzäunen
sei nur der niedersächsische „Eckenboltentun“
genannt. Am äußeren Rande des um das Dorf
gezogenen Grabens stehen Palisaden in der
Form oben dreieckig zugespitzter Planken.
Am inneren Grabenrand ersetzen sie zuweilen
den Wall.
Man nannte diese Art der Einzäunung auch
den „Bannzaun“, den „Hag“ und in Süd-
westdeutschland den „Etter“. Dieses alte
Wort kommt schon in langobardischen Volks-
rechten vor. In Lehnsbriefen des Mittelalters
lesen wir oft von Liegenschaften, „als der
etter hat begriffen‘. Auf die Instandsetzung der
Zäune und Gräben wie überhaupt der ganzen
Dorfbefestigung wird im Mittelalter streng ge-
achtet, ihre willkürliche Beschädigung durch
Dorfbewohner mit harten Strafen geahndet.
Wenn wir nun von der Dorfverteidigung
durch Zaun, Wall und Graben zu der mit
Mauern und Tortürmen übergehen wollen, dann
müssen wir der Zielsetzung unserer Arbeit ent-
sprechend die Bemerkung vorausschicken, daß
wir hier nicht an die großen Handelszentren,
die mächtigen Reichsstädte oder prachtvollen
Residenzstädte denken. Den Stadtbefestigungen
haben die Forschung und die Offentlichkeit seit
langem ihre Aufmerksamkeit gewidmet. Den
Befestigungen der kleineren Gemeinden des
Mittelalters und der beginnenden Neuzeit ist
dagegen bedeutend weniger Beachtung ge-
schenkt worden. Sie haben zwar meist nicht
die gleiche Stärke und vollendete Form aufzu-
weisen, wie wir sie bei den berühmteren großen
Schwestern finden, die vorzugsweise eine
handel- und gewerbetreibende Bevölkerung
umschlossen, sondern hier bildet neben dem
Handwerk der Ackerbau den Haupterwerbs-
zweig, und die Rücksicht auf ihn zeigt sich
gerade bei diesen Zeugen der Wehrhaftigkeit
unseres Bauerntums, Nicht allein Städte haben
im Mittelalter Mauern und Türme aufzuweisen,
wir kennen aus weiten Teilen des Reiches um-
mauerte Dörfer, die niemals Stadtrecht
besaßen. Auf der anderen Seite gibt es Orte,
die bereits im Mittelalter als Stadt bezeichnet
werden, aber nie durch eine Mauer geschützt
wurden. Die Stadtrechtsverleihungen dieser
Zeit stehen häufig mit der Größe und dem Cha-
rakter des Ortes und seiner Bewohner in
keinem unmittelbaren Zusammenhang. Soweit
sie zur Ausführung kamen — manche Ge-
meinde erhielt zwar Stadtrecht verbrieft, nutzte
es aber nicht aus — traten zwar für die recht-
liche Stellung der Bewohner Änderungen ein,
die Wehrhaftigkeit hing aber meist nicht
davon ab,
Bei den Dorfbefestigungen mit Wall und
Graben finden wir eine rundliche, im allge-
meinen kreisförmige und ovale Form der Be-
festigungsanlagen, bei der Anlage von Mauern
treffen wir, einmal die gleiche Form, wenn die
Steinbefestigungen das bisherige Verteidigungs-
system ergänzten, oder auf der anderen Seite
auch eine rechteckige, ja quadratische Art der
Anlage, die auf eine bewußte Neuanlage
schließen läßt. Hier haben meist nicht die Be-
wohner selbst die Befestigung gestaltet, son-
dern ein Grundherr zog sie nach einem
vorher durchdachten Plan. Die Ummauerung
bedeutete in jedem Fall einen höheren Grad
der Entwicklung. Auch die Mauern der Dörfer
sind vor allem in Süddeutschland zuweilen mit
Türmen an den Mauerecken oder auch in-
mitten der Mauerflucht verstärkt. Solche
Türme stehen heute in vielen Fällen als
letzte Reste der alten Befestigungsanlagen
neben alten Dorftoren, während die Mauern
selbst verfallen oder abgerissen sind. Aber
auch in Norddeutschland sind Denkmäler dörf-
licher Befestigungskunst zu finden. Neocorus,
der Geschichtsschreiber Dithmarschens be-
schreibt im 17. Jahrhundert einen befestigten
Turm in der Sprache dieses alten Bauernlandes:
„it hefft ein herlicher schoner hoger Torn mit
einem Wendelsten tho Südwesten an dem
Kerkhave gestaen — ock mit einem gewal-
digen depen Graven buten ummeher unnd
allenthalven mit Schetlökkern vorsehen."
Ein Jahrhundert später berichtet Justus
Möser von dem hohen Alter der steinernen
Umfassungen münsterländischer Bauernhöfe.
Wenn die Gehöfte eines Dorfes so angeord-
net waren, daß die Außenmauern der Hinter-
gebäude, d. h. in den meisten Fällen der
Scheunen, aneinandergebaut werden konnten,
bildeten diese dann einen fest geschlos-
senen Mauerring, der dem Charakter einer
Wehrmauer sehr nahe kam.
Die Wehrhaftigkeit des Dorfes mußte mit der
Vervollkommnung der Angriffswaffen und der
Vermehrung der Angreifer ständig verstärkt
werden. Eine Ummauerung war von vornherein
durch das Vorhandensein von Baumaterialien
und, wenn die nicht in unmittelbarer Nähe
zur Verfügung standen, auch von Arbeits-
kräften und Geldmitteln abhängig. Eine klei-
nere Gemeinde war deshalb oft nicht in der
Lage, aus eigenen Mitteln eine Mauer zu er-
richten, hinzu trat noch die Tatsache, daß sich
im Laufe der Zeit aus den kleineren Fehden
des Mittelalters Kriege entwickelten, bei denen
beide Seiten größere Heere aufboten. Hier war
ein Ort mit geringer Einwohnerzahl, wenn er
nicht von Natur für die Verteidigung hervor-
ragend begünstigt war, von vornherein unter-
legen. Aus desen Gründen haben viele Bauern,
zumal nach der Einführung der Feuerwaffen, es
überhaupt unterlassen, ihre Dörfer zu um-
mauern.
Ein Gedicht aus dem 15. Jahrhundert be-
schreibt uns die Dorfbefestigung und zeigt da-
241
—
— — —U
|
`
|
——
——
i
11
$
d
W-
7
1
D
(HI
—
arnt.. m
— age EZE — e e
E - e
— —
— — 2
— geg
K A TE E Are, ` a un
ep wës ² A Sage rage Ee FREIE
ën EN ag I Tan
bei, dap man zu dieser Zeit unter dem
Zaun auch gleichzeitig eine Mauer
verstand:
„dar zuo wir haben auch ein 'gfäß
allen Dörffern mit ubermäß
mit einem zaun gemauert wol.
dar umb ein pach rint wassers vol
zwäy tor und huotten (Hütten) vier
mit einem teuffen graben zier
hat dez dorff zuo seiner maur
allen veinten gar zu saur.”
Für das Jahr 1443 wird bestätigt, daß die
Bauern „innerhalb der Ettern oder der Mure
woonen“. Aus der Zeit nach dem Dreißig jäh-
rigen Kriege hören wir dann wieder: „Heutigen
Tags sind beynahe die meisten grose Flecken
und Dörfer in Hessen mit einem Graben und
Aufwurf umführet, damit sie sich für geringen
Parteyen wehren können.“ Soweit die Dörfer
bei den Wällen geblieben sind und nicht zur
Errichtung einer Mauer kamen, haben sie den
Wall und Graben heute unter dem Einfluß der
Dorfer weiterung bis auf geringe Reste verloren.
Treten wir nun durch die Dorfbefestigung
in die Dorfflur hinaus, so treffen wir hier in
vielen deutschen Landschaften bald auf die
Reste einer Landwehr. Dienten die Wall-
burgen und später die Kirchenburgen dem
Schutz des einzelnen Dorfes selbst, dann war
es die Aufgabe der Landwehr, die erste Ver-
teidigungslinie für eine Anzahl von Dörfern
und zugleich ihre Fluren zu bilden. Meistens
hat ursprünglich eine Markgenossenschaft die
Aufgabe, diese Wehrlinien instand zu halten und
zu verteidigen. Die Mittel zur Befestigung der
Landwehr waren sehr einfach und wurden ähn-
lich angewandt wie bei den Wallburgen. Man
20g zumeist einen Graben und warf mit der
ausgehobenen Erde einen Wall auf, den man
mit Dornenhecken bepflanzte. Längs der Land-
wehr liefen oft Straßen, die nur an bestimmten
Durchgängen die Wehrlinien kreuzen durften.
Hier waren dann Schranken oder Schläge an-
gebracht und zugleich oft Zollstellen errichtet.
Häufig ergab sich an den Grenzen kleiner Ter-
ritorien ein ganzes System von Wällen und
Gräben, das allerdings nur selten noch un-
versehrt bis zur Gegenwart erhalten ist.
Aus alten Nachrichten ergibt sich, daß Grä-
ben, Wälle und Knicke bei der Landwehr zu-
weilen eine Breitenausdehnung bis zu 50 Meter
hatten. Besonders die Hecken und Knicke bil-
deten in dieser Breite als gleichsam lebende
Mauer für den Reiter ein nur schwer zu über-
windendes Hindernis und wiesen ihn zwangs-
läufig auf die besonders bewachten Durchlaß-
stellen. Es war gewiß nicht weniger beschwer-
lich, sich durch eine derartige Verteidigungs-
zone durchzuarbeiten, als eine Bresche in die
Mauer einer Stadt oder Burg zu schlagen. Ein
Teil der Landwehren reicht in die frühgeschicht-
liche Zeit zurück, andere, die. nur kleinere Ge-
242
biete schützen sollten, sind aber erst in der Zeit
des Fehdeunwesens entstanden.
Hatte ein Ritter seinem Gegner die Fehde
angesagt, dann ließ er seine Landwehr durch
die Bauern überwachen und die Übergänge be-
setzen. Dann beginnt die eigentliche Wirksam-
keit der Warten, die überall zur Beobachtung
der Flur oder der Landwehr angelegt waren,
und die sich in Augenblicken der Gefahr durch
Feuer- oder Rauchzeichen verständigten.
An den Landwehren gab es dann für den An-
greifer ein Hindernis und längeren Aufenthalt.
Der Angegriffene gewann so Zeit, den Wider-
stand an bestimmten Punkten zu organisieren.
Die Landwehren wirkten als gewissermaßen
mechanische Hindernisse für den Angreifer
einer Landschaft oder eines einzelnen Ortes
und hielten den Feind mindestens so lange auf,
bis die Einwohner das Vieh in Sicherheit ge-
bracht hatten. War der Überfall aber trotzdem
gelungen und dem Bauer sein Vieh geraubt,
dann fand der Gegner beim Rückzug die Durch-
lässe an der Landwehr besetzt, und es ging
längere Zeit verloren, bis es ihm möglich war,
hier den Durchgang zu erzwingen. Galt es nun
mehrere solcher Hindernisse zu überwinden,
dann gelang es oft genug auf diese Weise, den
Feind mit stärkeren Kräften einzuholen und
ihm die Beute wieder abzujagen.. Für die Kugel
des Feuerrohrs bildeten Wälle und Knicke kein
ernsthaftes Hindernis mehr. So wird auch die
Art der Befestigung mit dem Aufkommen der
Feuerwaffen zwecklos, wenn sie auch noch im
Dreißigjährigen Krieg einzelne Streifen und
Banden abwehren konnte.
Der übertriebene Rationalismus des 19. Jahr-
hunderts hat mit seiner Flurbereinigung den
Landwehren ebenso wie allen anderen Befesti-
gungen im Dorf übler mitgespielt als alle Kriege
und alle Feindeswut der Vergangenheit In-
zwischen erwies sich die Beseitigung mancher
Hecke, die Schutz vor Verwehungen und zu-
gleich auch nützlichen Vögeln Nistplätze bot,
als sinnlos. Daneben haben auch Wind, Regen
und der Pflug des Bauern vieles eingeebnet.
Nur noch wenige Reste legen heute Zeugnis
ab für das klug durchdachte System der Wehr-
bauten unserer bäuerlichen Vorfahren.
Es liegt auf der Hand, daß alles, was wir hier
an Wehranlagen kennengelernt haben, über
den rein defensiven Charakter nicht hin-
ausging. Der Schutz der Flur, des Dorfes, seiner
Bewohner und ihrer Habe war der alleinige
Sinn und Zweck von Wall, Graben und Hecke,
war auch der Sinn des befestigten Kirchhofs
und der Wehrkirche. Hier hat der deutsche
Bauer seine Heimat, sein Vieh und die Früchte
seiner Arbeit, die ihm immer erneut Gegner
von innerhalb und außerhalb der Reichsgrenzen
entreißen wollten, zäh verteidigt und so im Auf
und Ab der Geschichte sein Erbe bis zur Gegen-
wart getragen. An den alten Denkmälern bäuer-
licher Wehrhaftigkeit soll auch die Gegenwart
nicht achtlos vorübergehen.
=
ul, RURÄSENAU
Am 7. April wurde veröffentlicht, daß der Führer
den Staatssekretär im Reichsministerium für Er-
nährung und Landwirtschaft, Herbert Backe, zum
Reichsminister ernannt hat. Reichsminister Backe
bleibt weiterhin mit der Führung der Geschäfte des
Reichs- und Preußischen Ministers für Ernährung und
Landwirtschaft und des Reichsbauernführers beauf-
tragt. Die deutsche Presse hat diese Ernennung ein-
gehend gewürdigt. So schreibt der „Völkische
Beobachter“ u.a.: „Reichsminister Backe hat sich
durch seine erfolgreiche Arbeit, die eine grund-
sätzliche und einheitliche Linie in der deutschen Agrar-
politik sicherstellte, nicht nur im Reich, sondern in
ganz Europa den Ruf eines hervorragenden, neue
Wege gehenden Agrarpolitikers erworben. Auf die
Arbeit Backes geht zu einem wesentlichen Teil die
Mobilisierung der Leistungskräfte der deut-
schen Landwirtschaft sowie die gerechte Ver-
tellung der Erzeugnisse des Bauernfleißes zurück.“
„Doch mit der Sicherung der deutschen und euro-
päischen Ernährungsbasis“ — so fährt der VB. fort,
„erschöpft sich die Tätigkeit Backes bei weitem nicht.
Der Bauer Ist ja nach nationalsozialistischer Auf-
fassung nicht nur Landwirt, sondern darüber hinaus
stellt das Bauerntum den vornehmsten Blutquell
der Nation dar. . . Während des Krieges stehen
allerdings die praktischen landwirtschaftlichen Auf-
gaben im Vordergrund der Notwendigkeiten; doch
nach dem Kriege wird die bevölkerungspolitische
Seite der deutschen Bauernführung um so stärker
hervortreten. Ein erster vorbereitender Schritt zur
Lösung dieser Zukunftsaufgabe war die Umwandlung
des Reichsamtes für Agrarpolitik In das Reichsamt
für das Landvolk, dem Backe als Oberbefehlsleiter
vorsteht. Seitdem hat eine neue Welle der Aufklärung
das deutsche Bauerntum ergriffen, die es über seine
hohe volkspolitische Berufung aufklärt und zum Aus-
harren in seiner harten Arbeit anspornt. Auf diesem
Gebiet arbeitet Reichsminister Backe als H-Ober-
gruppenführer eng mit dem Reichsführer ff zu-
sammen, dessen volkspolitische Arbeit von ein und
demselben nationalsozialistischen Gedanken getragen
wird, nämlich der Stärkung und Durchsetzung des
bäuerlichen Gedankens und der Zuführung der besten
Blutskräfte der Nation zum Bauerntum. Nicht nur
in der Volkswirtschaft, sondern im gesamten An-
schauungsbilde der Nation wird und soll das Bauern-
tum eine neue Stellung beziehen.“
Der „Zeitungsdienst Graf Reischach“ unterstreicht
unter der Überschrift „Der Ernährungschef
Europas“ neben den wirtschaftspolitischen Ver-
diensten Backes besonders seine agrarpolitischen
Auffassungen von der Bauernführung als totaler Auf-
gabe. „In Goslar, der Reichsbauernstadt, saß er in
diesen Tagen zwischen zwei Dichtern, dem Mecklen-
burger Friedrich Griese und dem Bayern Josef Martin
Bauer, die einige Stunden später aus seiner Hand die
ihnen zuerkannten Preise für ländliches Schrifttum
empfingen. Schlank, schmal, mit klugem, aufmerk-
samem Gesicht, aus seinen verständigen, durch
dünnwandige Brillengläser blickenden Augen den
` Gesprächspartner forschend ansehend, sprach er mit
ihnen, seine klaren und immer präzisen Sätze dann
und wann durch einige ausdrucksvolle, sparsam an-
gewendete Gesten unterstützend. . . So hat er oft
auch zwischen seinen Bauern gesessen, freundlich,
schlicht, einfach, ganz Mensch unter Menschen, in
jener liebenswürdigen, zuvorkommenden Bescheiden-
heit, die ein Teil seines Wesens ist, und hat sich von
ihren Sorgen und Erfahrungen berichten lassen, jeder
Stimme ein aufmerksames Ohr geliehen, manchmal
einen guten Rat gewußt. Und diese Bauern, ob sie
nun aus Niedersachsen oder aus der Ostmark, aus
dem Wartheland oder den neuen Westgebieten zu
ihm kamen, haben sich ehrlich zu ihm bekannt.
Der Aufstieg Backes hat nichts von dem Tempo eines
tüchtigen Karrieremachers und Glücksritters. Es Ist
der Aufstieg eines fleißigen, gewissenhaften, seine
Aufgaben restlos beherrschenden Mannes, der dank
seiner fachlichen und menschlichen Qualitäten und
dank der unverkennbaren Erfolge seiner Arbeit
schließlich die Anerkennung findet, die ihm gebührt.
So müssen! ihm selbst unsere Gegner heute zuge-
stehen, daß er auf ernährungspolitischem Ge-
biet die Autorität Europas ist. Hier ist er Fach-
mann durch und durch. Hier besitzt er ein phäno-
menales Wissen. Hier weiß er um die Erzeugungs-
grundlagen, technischen Bedingungen und Produktions-
reserven eines jeden europäischen Landes, hier ver-
steht er endlose Zahlenreihen und ganze Statistiken
gleichsam aus dem Ärmel zu schütteln, hier — inner-
halb dieses Fachgebietes — dürfte es unmöglich sein,
ihm eine Frage zu stellen, die er nicht sofort ausführ-
lich und nach jeder Richtung hin beantworten könnte.“
Der „Berliner Lokalanzeiger‘ schreibt u. a.:
„Die Ernennung Backes zum Reichsminister bedeutet
praktisch keinerlei Veränderungen des tatsächlichen
Zustandes, denn Backe ist schon seit längerer Zeit
mit der Führung der Geschäfte des Reichsministers
und Reichsbauernführers beauftragt. Vor fast 11 Jahren
wurde er als Reichskommissar Ins Reichsministerium
für Ernährung und Landwirtschaft berufen und hat
243
sich auf allen Gebieten der deutschen Agrar- und
Ernährungswirtschaft formgebend beteiligt... Die
Erfolge, die die deutschen Landwirtschaftsführer in
den besetzten Gebieten zu verzeichnen” haben, sind
zu einem großen Teil das Verdienst Backes, der in
Ost und West eine schnelle Intensivierurig der viel-
fach sehr rückständig gewesenen ausländischen Land-
wirtschaft durchgesetzt hat. Backe hat aus der von
ihm gewonnenen Kenntnis der sowjetischen Agrar-
wirtschaft heraus Immer wieder hervorgehoben, daß
der deutsche Bauer als Blutsquell der Nation be-
‚sonders gefördert werden muß. Er Ist einer der
eifrigsten Warner, das flache Land nicht etwa zu-
gunsten einer Übertriebenen Mechanisierung zu ent-
völkern. Als Natlonalsoziallst sieht Backe seine Auf-
gaben vom Standpunkt des gesamten Volkes aus,
hinter dem er, wenn es nötig ist, sogar Sonderbelange
des Bauerntums zurückstellt. In seinem Buch „Das
Ende des Liberalismus In der Wirtschaft“, das
schon vor vielen Jahren erschienen Ist, vermittelte
er ein geschlossenes Bild seines nationalsozialistischen
Wirtschaftswollens. Backe sieht seine Aufgaben schon
lange nicht mehr im Sinne einer Bedarfsdeckung des
deutschen Volkes; erhat sich zu einem starken Kämpfer
für die europäische Großraumpolitik entwickelt, wie
es die Gedanken und Ideen erkennen lassen, die er
in seinem vielbeachteten Buch „Die Nahrungs-
freiheit Europas“ niedergelegt hat. Die Nahrungs-
freiheit Europas ist das Ziel aller wichtigen Maßnah-
men, die der nunmehrige Ernährungsminister im
Krieg getroffen hat.“ 3
Die „Berliner Illustrierte Nachtaus gabe“
schreibt: „Seine großen wirtschaftspolitischen Kennt-
nisse und die Erfahrungen In der landwirtschaftlichen
Praxis sowie sein klares und logisches Schaffen führten
dazu, daß er maßgebend an der Ausarbeitung der
Grundlagen der nationalsozialistischen Agrarpolitik
beteiligt war.“
Auch die „Münchner Neuesten Nachrichten“
würdigen besonders die europäische Stellung
Backes: „Seit zwei Jahren ist Backe der verantwort-
liche Leiter der deutschen Ernährungswirtschaft. Mit
großer Arbeitsenergie und sachlichem Weitblick hat
er die vielfältigen Aufgaben, die der europäische
Großraum seinem Arbeitsbereich stellt, in Angriff
genommen. Seine Bücher „Das Ende des Liberalismus
in der Wirtschaft“ und „Um die Nahruhgsfreiheit
Europas“ zeugen von der gründlichen wissen-
schaftlichen Fundierung, die er sich In langen
Vorbereitungsjahren unter schwierigsten äußeren
Umständen verschafft hat. Er vereint praktische Er-
fahrung mit geistiger Schulung. Als Redner wirkt er
durch die nüchterne Offenheit und klare Logik seiner
Gedankengänge. Er wahrt sich den Blick für die großen
Zusammenhänge, der für den Leiter einer Reichs-
behörde unerläßlich ist. Im Gegensatz zu dem bol-
schewistischen System hat Deutschland eine dem
bäuerlichen Wesen und den modernen Aufgaben
entsprechende Agrarordnung, die durch Reichserbhof-
gesetz, Marktordnung und Festpreise umschrieben
ist. Um sie herum baut sich heute die europäische
Raumwirtschaft auf, die England durch den Blockade-
krieg zu zerstören sucht. ln dem erwähnten Buch
.244
über die Ernährungsfreiheit Europas sagt Backe:
„Die Blockierung Europas durch England trifft nicht
Deutschland, sondern vernichtet den Rest der libe-
ralen Welthandelswirtschaft englischer Prägung, den
der Weltkrieg 1914-1918 übrigließ. Der Geschädigte
dieser Blockierung Ist England selbst.“
In der „Kölnlschen Zeltung” helßt es: „Die
Berufung Backes zum Reichsminister gibt dem Mann,
der seit eineinhalb Jahren die deutsche Ernährungs-
polltik leitet, auch äußerlich die Stellung, die seiner
Arbeit gebührt. Backe hat der deutschen Landwirt,
schaft die praktischen Richtlinien gegeben, die es
ermöglichten, weittragende Umstellungen durch-
zuführen und die deutsche und die europäische
Ernährung auf der Grundlage der Leistungen des
Kontinents sicherzustellen. Herbert Backe Ist weder
einseitiger Theoretiker noch ausschließlicher Prak-
tiker, vielmehr versucht er, wissenschaftliche Er-
kenntnisse auf Grund der gegebenen Möglichkeiten
in die Wirklichkeit umzusetzen. Diese Haltung hat
eine Parallele in seiner. persönlichen Lebensarbelt.“
Das „Neue Wiener Tagblatt” würdigt vor
allem Backes Arbeit in der NSDAP.: „Was in den von
der Partei an agrarpolitischem Gedankengut erarbeitet
wurde, daran hat Herbert Backe von Anfang an tat-
kräftigen Anteil gehabt. Als Staatssekretär im Reich,
ernährungsministerlum hat er insbesondere die
großen und kleinen praktischen Fragen der Agrar-
politik zu betreuen gehabt. Neben den beson-
ders im Krieg immer ‚stärker In den Vordergrund
rückenden elementaren Fragen der Ernährung läßt
Herbert Backe aber nie die grundsätzlichen Fragen
der Agrarpolitik aus dem Auge, wie er denn auch
vorher am Reichserbhofgesetz, an der Markt-
ordnung, an den Festpreisen usw. maßgebenden
Anteil hatte. Die krlegswirtschaftlichen Erfordernisse
führten später dazu, daß Backe mit der Führung des
Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
betraut wurde. Heute ist Herbert Backe Chef des
Reichsamts für das Landvolk, also der höchsten agrar-
politischen Führungsinstanz.“
Die „Deutsche Allgemeine Zeitung” hebt
hervor, daß Backes Denken und Planen niemals ein-
seitig gewesen ist. „Er hat als einer der ersten die
Zusammengehörigkeit des kontinentalen Wirtschafts-
raumes erkannt und ist in allen seinen späteren Plänen
stets für die großräumige Konzeption eingetreten.
Backe war es auch, der der europäischen Erzeugung»
schlacht die Initialzündung gegeben hat, der es ver-
stand, befreundete und besetzte Länder von der
Notwendigkeit einer Besinnung auf die eigene Kraft
zu überzeugen." So ist die Ernennung Herbert Backes
zum Reichsminister In der Presse Anlaß zu einer
Würdigung der Arbeit des Landvolkes geworden.
Immer wieder ist von der agrarpolitischen Führung
die Auffassung dargelegt worden, daß trotz der vor
dringlichen ernährungswirtschaftlichen Aufgaben im
Kriege die großen agrarpolitischen Ziele nicht ia
Vergessenheit geraten. Dies kam besonders In der
Verleihung des Kulturpreises für das bäuerliche
Schrifttum zum Ausdruck, die Oberbefehlsleiter
Herbert Backe in der Relchsbauernstadt Goslar vor
——
nn _
nahm. Dabei wurden, wie bereits in der letzten Folge
unserer Zeitschrift angekündigt, zwei berufene Ver-
treter der landgebundenen Epik, Friedrich Griese
und Josef Martin Bauer, mit dem Kulturpreis für das
bäuerliche Schrifttum, den der Reichsbauernführer
Im Einvernehmen mit Reichsminister Dr. Goebbels
gestiftet hat, ausgezeichnet. Diese Ehrung soll nach
den Worten des Reichsbauernführers In einer Zeit
der verbrecherischen Zerstörung europäischer Kul-
turwerte durch die Feinde unseres Kontinents unser
Volk an die unzerstörbaren Werte und Leistungen
der germanischen Rasse erinnern, die im Bäuerlichen
ihren Ursprung haben. Es ist ein Zeichen für die
Zielstrebigkeit der nationalsozlalistischen Agrarpolitik,
daß jetzt mitten in diesem Kriege zum ersten Male
dieser Kulturpreis für bäuerliches Schrifttum zur
Verleihung kommen konnte. Der Oberbürgermeister
der Reichsbauernstadt, Droste, sprach in seiner
Begrüßungsrede den Wunsch aus, daß die Förderung
und’ Ehrung der bodenverbundenen Dichtung durch
den Reichsbauernführer ein Appell an die Schaffenden
sein möge, aus dem reichen Born des bäuerlichen
Lebenskreises zu schöpfen. Oberbefehlsleiter Herbert
Backe gab in seiner Ansprache ‘wesentliche kultur-
politische Hinweise zur Form und Entwicklungs-
möglichkeit des landgebundenen Romans.
kamen die beiden Preisträger zu Wort.
Die Veranstaltung fand nicht nur in der gesamten
deutschen Presse, sondern auch im Ausland lebhaften
Widerhall, der erkennen läht, wie gerade das Bauern-
tum im Kriege nicht nur durch seine Arbeit für die
Nahrungsfreiheit Europas, sondern auch durch seine
kulturellen Leistungen einen der wichtigsten Genia
für die Zukunft des neuen Europa darstellt.
Der ernährungswirtschaftliche Erfolg der Arbeit
Herbert Backes kommt besonders deutlich zum Aus-
druck in einem Aufsatz „Kriegsernährung einst und
heute“, den Staatsminister a. D. Riecke in der
NS.-Presse veröffentlicht. Er geht davon aus, daß
das rein zahlenmäßige Bild nicht ausreicht, um das
bessere Ausmaß der heutigen Ernährungslage zu er-
kennen. Zwar finden sich auch in den Rationssätzen
beachtliche Unterschiede zugunsten der heutigen
Verhältnisse. So betrug der Wochensatz des Normal-
verbrauchers bei Brot z. B. im Oktober 1918 2050 g
gegenüber 2425 g heute. Bei Fett treten noch stärkere
Unterschiede auf: 1918 betrug die Ration des Normal-
verbrauchers nur 70g, heute 219g in der Woche.
Die geringe Fettration war es ja auch, die sich ent-
scheidend auf den Ernährungszustand des deutschen
Volkes im letzten Kriege ausgewirkt hat. Bei Fleisch
lag der Wochenrationssatz des Normalverbrauchers
allerdings gleich hoch wie heute, aber das hatte noch
nichts damit ze tun, daß die auf den Karten stehende
Menge auch wirklich ausgegeben wurde. Die damaligen
Kartensätze waren lediglich Höchstsätze. Von Reichs
wegen wurde nur die Menge der wichtigsten Lebens-
mittel festgesetzt, die im Höchstfalle ausgegeben
werden durfte. Die Festsetzung der Höhe der Be-
lieferung der Kartensätze war den Kommunalverbän-
‚den überlassen worden. Die auszugebende Menge
wurde von den Kommunalverbänden in verschiedener
Höhe festgesetzt, erreichte aber insbesondere beim
Dann `
"Fleisch und Fett in der Regel nicht die von Staats
wegen festgesetzten Höchstsätze. Aber auch die
Brotsätze schwankten je nach Jahreszeit. Insbesondere
wurden kurz vor der Ernte die Rationssätze wesentlich
herabgesetzt, um nach der Ernte wieder eine Auf-
besserung zu erfahren. So wurde Im Jahre 1918 für
den Normalverbraucher der Brotsatz von Juni bis
juli auf 1490 g herabgesetzt. Ein Ausgleich durch
andere Nahrungsmittel erfolgte nicht. Heute werden
außerdem die auf den Karten aufgedruckten Mengen
in jedem Fall auch ausgegeben. Damit ist eine ganz
andere Stetigkeit der Volksernährung erreicht.
Riecke schildert dann die erhebliche Besserstellung
der heutigen Wehrmachternährung gegenüber dem
ersten Weltkriege. Dazu kommt die bessere Ver-
sorgung der körperlich schwer arbeitenden Menschen.
In steter Zusammenarbeit mit den Dienststellen der
Gesundheitsführung ist das Ernährungsministerium
bemüht, auch das Entstehen der biologischen Schäden
am Volkskörper zu verhindern, die durch die Er-
nährungsschwierigkeiten des letzten Krieges in so
starkem Maße hervorgerufen wurden. So wird be-
sonders darüber gewacht, daß die Versorgung der
werdenden und stillenden Mütter und auch der Klein-
kinder eine ausreichende ist.
Selbstverständlich bleiben auch in diesem Kriege
noch viele Wünsche offen. Unsere Nahrungsdecke
ist knapp, und wir können daher auch mancher an sich
berechtigt erscheinenden Forderung nicht gerecht
werden. Der hier durchgeführte Vergleich von einst
und heute hat in erster Linie den Sinn, aufzuzeigen,
daß die Gefahren für das Volk, wie sie die Ernährungs-
lage des letzten Krieges mit sich gebracht haben,
heute In keiner Weise bestehen — trotz aller zu-
sätzlichen Belastungen durch Luftterror und Nerven-
krieg. Riecke schließt mit einem Hinweis auf die
bessere Verteilung der Lebensmittel, wie sie
durch die straffe Organisation der Marktordnung
des Reichsnährstandes ermöglicht wird. Er knüpft
daran einen Appell an alle Volksgenossen, auch
im kleinen die Bewirtschaftungsvorschriften
zu beachten. „Jeder Volksgenosse muh sich vor
Augen halten, daß unsere Nahrungsdecke, insgesamt
gesehen, nur eben ausreicht. Alles, was er sich zu-
sätzlich nimmt, stiehlt er einem anderen. Wir wollen
uns daher alle bemühen, auch weiterhin die Ablie-
ferungsmoral des Erzeugers und die Disziplin des
Verbrauchers im Gegen:atz zum ersten Weltkrieg
auf einem Höchststand zu halten."
In diesem Zusammenhang muß auch die neue An-
ordnung über die Kleintierhaltung richtig ver-
standen werden. Sie will das richtige Maß des Um-
fangs der Kleintierhaltung zur tatsächlichen Futter-
grundlage wiederherstellen und dafür Sorge tragen,
daß diejenigen Futtermittel, die für die Großvieh-
haltung geeignet sind und damit der Sicherung der
Rationen dienen, dieser wichtigsten Aufgabe der
Kriegsernährung zugute kommeh. Die Durchführung
der Anordnung, die weitgehend in den Händen von
örtlichen Ausschüssen liegt, wird dafür sorgen, daß
auch hier die Ziele der nationalsozialistischen Agrar-
politik voll zur Wirkung kommen.
Dr. Kurt Haußmann
7
245
ÄDEMEIKUNDER
Das Butterbrot des Europäers
Die Brotversorgung des europäischen Kontinents
ist gesichert. Unterstellen wir die Ernteschätzungen der
Wheat Studies des Food Research institute
als richtig, so hat der Kontinent ohne Rußland in den
letzten Vorkriegsjahren 122 Mill.t geerntet. Mit
8 Mili.c Zufuhr standen 130 Mill. t zur Verfügung.
Der Bedarf Jag etwas niedriger. 54 Mill.t wurden
vom Menschen direkt verzehrt, 12 erforderte die
Aussaat, 62 Mill.t, dazu 13 Kleie, wurden verfüttert.
Von diesen 75 Mill. e Kraftfutter konnten reichliche
Futtersätze gegeben werden. je Stück Pferd des
Bestandes 1 t Getreide, je Rind 1,5 dz, je Schwein
4 dz und je Stück Geflügel 20 kg. 6 Mill. t konnten
hiervon im Krieg bei angespannter Ernährungslage `
sicher eingespart werden und tatsächlich ist in
Deutschland bei allen Tierarten die Leistung im Krieg
weniger abgesunken als der Verzehr an Kraftfutter.
1940, im Jahre des Tiefstandes wurden der amerika-
nischen Quelle zufolge 112 Mill. t geerntet, 1942
wieder 115, 1943 wurde im ganzen mit ziemlicher
Sicherheit eine Normalernte erzielt. Die Zufuhr nach
dem Kontinent beschränkte sich auf 2 Mill. t. Inzwi-
schen beschnitt der Kontinent seine Viehhaltung.
Schätzen wir auf 8 Mill. Rinder, 30 Mill. Schweine,
150 Mill. Geflügel, so resultiert hieraus zu obigen
6 Mill. eine weitere Ersparnis von 16,2 Mill.t Ge-
treideſutter. Seinen Brotverzehr konnte Europa selbst
im Jahrg des Tiefstandes mindestens beibehalten,
vermutlich konnte es, ebenso wie Deutschland, sogar
die Einschränkungen im Fleisch- und Fettverzehr
weitgehend kompensieren.
Wenn die Schweinebestände stärker gelichtet
wurden als die Rinderbestände, kam dies, so merk-
würdig es klingen mag, der Fettbewirtschaftung
zugute. Das Rind lieferte in Großdeutschland 1938/39
die 2,5fache Fettmenge wie das Schwein. Im vierten
Kriegswirtschaftsjahr aber die 4,3fache Fettmenge,
und je Kilogramm gereichtes Kraftfutter erbringt
das Rind die 7fache Fettmenge wie das Schwein. Seine
Fettleistung hielt sich bis zum vierten Krlegsjahr in
Deutschland fast auf 90% des Normalstandes. Und
auf dem ganzen Kontinent mögen die Dinge ähnlich
liegen. Europa bestreitet. mit Butter die Masse seiner
Handelsfette. In Deutschland mit mehr als der Hälfte.
In England besteht die Normalration nur zu 1 Viertel
aus Butter. Die Entfettung, welche die Ernährung
erfahren hat, erstreckt sich im wesentlichen auf die
geringerwertigen pflanzlichen Öle. In zweiter Linie auf
die Schlachtfette. Der Gehalt an hochwertigen Fetten
aber ist in Deutschland nur um 20% vom Friedens-
stand ses unken. Die starke Rinderhaltung gibt der
gesamten kontinentalen Ernährung einen starken
Rückhalt. Sie ist aber an ein starkes Bauerntum ge-
bunden, für das Deutschland heute kämpft.
246
Der europäische Kontinent im ganzen hat allen
gegenteiligen Behauptungen zum Trotz im Krieg
seinen Brotverzehr nicht nur halten, sondern mut-
maßlich sogar steigern können. Den Butterverzehr
brauchte es nur um ein geringes einzuschränken. Aller-
dings wurde die Verteilung nicht überall mit solcher
Strenge und Straffheit durchgeführt wie in Deutsch-
land. Das kommt in der recht unterschiedlichen Höhe
der Normalrationen zum Ausdruck. Di es könnte inden
meisten Fällen durch größere Straffheit in der natio-
nalen Bewirtschaftung gemildert werden. Die rest-
iichen Unebenheiten wären durch europäische Zu-
sammenarbeit zu beheben.
Walter Hahn
Ein neuer Kurs der Agrarpolitik
in den USA.?
Seit etwa einem Jahr ist man in den USA. eifrigst
bemüht,die, Landwirtschaft mit allen Mitteln zu akti-
vieren. Die bedeutende Erhöhung der Landmaschinen-
produktion von 23% auf 80% (1940/41 = 100), die
Kennzifferfestsetzung beim Bezug von Rohstoffen
unmittelbar nach dem militärischen Kontingent und
die Herausbildung neuer Maschinentypen ist dafür
ebenso kennzeichnend wie die nunmehr geübte grö-
Bere Rücksichtnahme auf die landwirtschaftlichen
Arbeitskräfte bei Einziehungen. Damit hat zwangs-
läufig eine Entwicklung ihren praktischen Abschluß
gefunden, die mit Hot Springs begann und in deren
Mittelpunkt die „ unerschöpflichen“ Nahrungsmittel-
reserven der USA. und ihrer Verbündeten als Basis
eines Welternährungsplanes standen. Die schlechten
Ernten, die zunehmenden Bodenzerstörungen und
der ständig steigende Bedarf an Nahrungsmitteln
waren Tatsachen, an denen unausgegorene Welt-
beherrschungsabsichten scheitern mußten.
Der Hinweis auf diese logische Entwicklung wäre
nicht der Erwähnung wert, wenn sie nicht eine andere
Erscheinung im Gefolge hätte, die immerhin Beach-
tung verdient. Seit dem Bestehen der kapitalistisch
ausgerichteten amerikanischen Landwirtschaft ist zum
ersten Mal eine Rücksichtnahme auf die Eigentümer
von Klein- und Mittelfarmen festzustellen. Die den
Landmaschinenmarkt monopolistisch beherrschenden
Industriekonzerne treten mit Plänen undNeukonstruk-
tionen an die Öffentlichkeit, die ausnahmsweise ein-
mal nicht auf den Bedarf der Großfarmen und kapita-
listischen Landgesellschaften ausgerichtet sind. Galt
noch vor 10 Jahren eine Farm von 150 bis 300 ha mit
einem Maschinenaufwand von 5000 Dollar als Norm,
so Ist man jetzt bemüht, Maschinen zu konstruieren,
die auf kleinere Farmen mit einem Maschinenkapital
von etwa 1000 Dollar zugeschnitten sind. Andere
Stellen arbeiten an Konstruktionsplänen für Klein-
farmen, die — neuzeltlich ausgestattet — Insgesamt
nicht mehr als 4000 Dollar Kapital erfordern. Ford
konstruierte einen mittelgroßen Tfecker, andere
bringen kleinere Aggregate mit den verschiedensten
Kombinationsmöglichkeiten heraus zur ausschließ-
lichen Verwendung im Klein- und Mittelbetrieb. Mit
diesen Maßnahmen hofft man auch die 4 Mill. Farmen
— vor allem diejenigen mit größerer Betriebsfläche —
erfassen und versorgen zu können, die bisher kaum
mit Maschinen ausgerüstet waren.
Diese plötzliche Umstellung wird verständlich, wenn
man die Äußerungen aus führenden amerikanischen
Agrarkreisen heranzieht. Die Neuorientierung“ der
Landmaschinenindustrie Ist nämlich nur ein Teil des
zur Zeit in Konjunktur stehenden Agrarprogramms.
Man hat erkannt, daß die landwirtschaftliche Arbeit
immer stärker abgelehnt werden wird und nach dem
Kriege ein Niedergang der Landwirtschaft erfolgen
muß, wenn die Lebens- und Arbeitsbedingungen auf
dem Lande nicht grundlegend besser werden, die
Existenzfähigkeit des kleineren Farmers erhöht und
der Bevölkerung allgemein neue Aufstiegsmöglich-
keiten gegeben werden.
Diese sozialen Töne sind besonders in bezug auf
die Landwirtschaft völlig neu, wenn man von den
Reden bei den Wahlkampagnen absieht. Es ist kaum
möglich, den wirklichen Wert und die Ehrlichkeit
der zum Ausdruck gebrachten Absichten abzuschätzen.
Allerdings hat die bisherige Entwicklung — besonders
nach dem Weltkrieg 1914/18 — gezeigt, daB solche
grundiegenden Umstellungen kaum zu erwarten sind,
zumal die Agrarpolitik der USA, dem Großbetrieb
bisher eindeutig den Vorzug gab. Man denke nur an
die Auswirkungen der Krise nach 1929, als vor allem
die kleineren Betriebe Ihre Existenzgrundlage ver
-loren und von den ausbeutenden Landgesellschaften
aufgekauft wurden. Viele Farmen wurden von den
Hypothekengläubigern ersteigert; die ehemaligen
Eigentümer aber blieben zumeist als Pächter auf den
Betrieben. Hierzu ein bezeichnendes Beispiel: In
einem amerikanischen Staatsdepartement wurden
1920 rund 40000 Farmbesitzer und 36000 Farmpächter
gezählt. 1934 gab es noch 30000 Besitzer, aber 45000
Pächter. l
Allein von 1922 bis 1926 wanderten über 4 Mill.
Menschen vom Lande ab, ein Strom, der ständig
flog, ohne elne „Entlastung“ zu bringen. Mindestens
3,5 Mill. ländliche Familien, d. h. etwa jede 4. Familie,
wurden während der Krisenzeit ín irgendeiner Form
öffentlich unterstützt. Bei den Eigentümern lagen die
Verhältnisse ebenso ungünstig, so daß etwa 2 Mill.
durch staatliche Mittel vor dem plötzlichen Ruin
gerettet werden mußten, allerdings nur, um bei der
„sozialen Pflästerchenmethode“ der us-amerikanischen
Regierung einem allmählichen, aber sicheren Unter-
gange zuzusteuern. Obgleich auf diese Weise Tausende
von Betrieben ausfielen, besserte sich die wirtschaft-
liche Lage der anderen keineswegs. 1936 gab es nahezu
1.7 Mill. Farmbetriebe (= mehr als 25% aller Betriebe),
die einen jahresverdienst von weniger als 500 Dollar
hatten; die Hälfte von diesen erreichte nicht einmal
250 Dallar.
Für die bisherige Tendenz der us-amerikanischen
Agrarpolitik ist der von maßgeblicher Seite wieder-
holt gemachte Hinweis kennzeichnend, daß rund die
Hälfte der Farmbesitzer — also In erster Linie der
Klein- und Mitteibesitz — praktisch keine Markt-
leistung aufzuweisen hätten. Diesen gegenüber wur-
den die kommerzialisierten Großfarmen der pazi-
fischen Küste, vor allem Kaliforniens, als Versorgungs-
träger der Vereinigten Staaten herausgestellt. Glei-
chermaßen beurteilte man auch die Tätigkeit der
Landgesellschaften, institutionen, die in Konkurs
geratene Farmen gekauft oder ersteigert hatten und
nun bemüht waren, den Boden mit möglichst geringen
"Mitteln auszubeuten, um das investierte Kapita!
herauszuwirtschaften.
Bei der 1940 durchgeführten Zählung zeigte sich,
daß die landwirtschaftliche Bevölkerung mit 32 Mill.
Menschen seit 1930 um 2 Mill. gewachsen war. Offiziell
stellte man fest, daß — abgesehen van dem oben ge-
nannten Zuwachs von 2 Mill. — mindestens weitere
1,6 Mill. Farmarbeiter „überflüssig“ seien; denn bei
der fortschreitenden Technisierung der Landwirtschaft
könne die Agrarproduktion auch ohne die Hilfe
dieser 3,6 Mill. Menschen auf der dem Bedarf ent-
sprechenden Höhe gehalten werden.
Vergleicht man diese Äußerungen und Betrach-
tungen mit dem derzeitigen „neuen Kurs“, so Ist
es bedenklich, an einen sozialen Regenerationsprozeß
der USA. zu glauben. Vielmehr muß man die Meinung
der Realpolitiker gelten lassen, die von einem Zweck-
sozialismus sprechen, der so lange aktuell ist und ge-
fördert wird, wie die kapitalistische Regierung eines
Roosevelt den kleinen Farmer als Vorspann benötigt.
H. Gerdesmann
Bienen tanzen zum Nutzen der
Imkerei und Landwirtschaft
Den Menschen Ist das Tanzen ein Vergnügen. Im
Bienenstocke ist es eine durchaus ernste, ja lebens-
wichtige Tätigkeit und dient der Verständigung. Hat
eine Biene auf einem Erkundungsfluge eine lohnende
Futterquelle entdeckt, etwa ein eben erblühtes,
Nektar spendendes Kieefeld, so führt sie nach der
Rückkehr in ihren Heimatstock auf den Waben
einen lebhaften Rundtanz auf. Sie rennt im Kreise
abwechselnd rechts herum und links herum, und ver-
setzt dadurch die Bienen in ihrer Umgebung in Auf
regung. Sie trippeln erst hinter der Tänzerin drein,
dann laufen sie zum Flugloch, verlassen den Stock
und zerstreuen sich nach allen Richtungen, um die
Trachtquelle zu finden, die ihnen durch den Tanz
angezeigt wurde. Sie suchen hierbei aber nicht blind-
lings, sondern mit bestimmtem Ziel. Die heim
kehrende Biene duftete erkennbar nach den Klee
blüten, an denen sie gesammelt hatte. Die Stock-
genossen bemerken diesen Duft und nach ihm suchen
sie, wenn sie die Gegend abstreifen. So gelangen sie
an die gleiche Blumensorte, welche die Tänzerin
erfolgreich besucht hatte. Nach der Heimkehr tanzen
auch sie und verstärken den Alarm Im Bienenstock,
247
„* f
bis die Sammlerinnen so zahlreich sind, daß der Nek-
tar in den Blüten spärlich wird. Bei spärlicher Tracht
tanzen die Bienen nicht. Das Aufhören der Tänze
hat zur Folge, daß keine weiteren Neulinge zur Ver-
stärkung der Sammelschar mobilgemacht werden. So
verständigen sich die Bienen untereinander über die
Trachtquellen ihres Flugbereiches und regeln zugleich
in eimachster Weise das Verhältnis von Angebot
und Nachfrage.
Die Kenntnis der „Bienensprache‘ läßt sich zur
Steigerung der Honigernte und zur Erhöhung des
Samenertrages mancher landwirtschaftlich wichtiger
Nutzpflanzen auswerten. Denn sie gibt uns die
Möglichkeit, den Bienenflug zu lenken, so, wie es
unseren Wünschen entspricht. Es ist bekannt, wie
unbefriedigend vielfach der Samenertrag unserer
Rotkleefelder ist. Ihre natürlichen Bestäuber, die
langrüsseligen Hummeln, sind spärlicher geworden,
weil ihnen mit zunehmender Bodennutzung immer
mehr ihre Brutplätze zerstört werden. Die Honig-
bienen besuchen den Rotklee nicht gern, weil ihnen
der Nektar in den tieren Kronröhren schlecht zu-
gänglich ist. Man hat mit gewissem Erfolge Bienen-
rassen mit längeren Saugrüss eln, die Kärntner- und
die Italienerbienen herangezogen. Aber auch diese
lassen sich leicht zum Schaden der Landwirte durch
andere, für sie ergiebigere Trachten in der Nachbar-
schaft von den Kleefeldern ablenken. Nun kann man
Bienenstöcke in der Nähe der Felder aufstellen und
täglich mit kleinen Gaben Zuckerwaser füttern, wel-
ches durch Einlegen von Rotkleeblüten deren Duft
angenommen hat; oder man gibt ihnen reines Zucker-
wasser und umkränzt den Futterteller mit Rotklee-
blüten. In beiden Fällen veranlaßt man die Bienen,
die das Futter abtragen, auf den Waben zu tanzen;
sie duften nach Rotklee und sie schicken so ihre
Kameraden im Stock hinaus an die Blüten. In 8 Ver-
suchen an Rotkleefeldern, die im Sommer 1943 durch
die Reichsfachgruppe Imker durchgeführt wurden,
ließ sich der Besuch der duftbelenkten Felder gegen-
über den Kontrollfeldern im Durchschnitt auf das
Zehnfache steigern. Der Samenertrag war in den
bisher ausgewerteten Fällen bedeutend erhöht.
Beim Rotklee bringt das Verfahren der Duftlenkung
nicht immer einen Gewinn für den Imker. Wenn die
Bienen durch diese Maßnahme von anderen, lohnen-
deren Trachten abgezogen werden, kann sich die
Honigernte dadurch sogar vermindern. Dagegen
haben bei 15 Versuchen an guten Trachtpflanzen
(Weißklee, Bohnen, Buchweizen, Raps, Zwiebel,
Heidekraut, Himbeere, Kohldistel) die duftgelenkten
- Völker im Durchschnitt doppelt so viel an Gewicht
zugenommen als gleich starke Kontrollvölker, die
mit den gleichen Zuckermengen, aber ohne Duft-
beigabe gefüttert waren. Die Duſtlenkung bewirkt
nicht nur einen zahlreicheren Beflug der belenkten
Trachtpflanze, sondern sie veranlaßt auch die einzelnen
Bienen zu besonders eifriger und ausdauernder Flug-
tätigkeit.
An der Verbesserung des praktischen Verfahrens
und an der Prüfung der Frage, bei welchen Pflanzen
sich seine Anwendung lohnt, wird: noch gearbeitet.
` Prof. K v. Frisch
243
Die Budwadt
Franz Sekera:
Der gesunde und kranke Boden
Reichsnährstandsverlag G. m. b. H., Berlin 1943,
107 Seiten, Preis broschiert RM. 3,30
Die stark eingeschränkte Produktion von Betriebs-
mitteln und der Mangel an Arbeitskräften zwingt die
Landwirtschaft, mit zunehmender Dauer des Krieges
Reserven zu mobilisieren, die bisher meist unvoll-
kommen genutzt, oft aber auch gänzlich unbeachtet
blieben. Planmäßige Betriebsführung und Gemein-
schaftsarbeit vermögen aber trotz ihrer steigenden
Vervollkommnung die sich öffnenden Lücken nur
mangelhaft zu schließen, wenn Bauern und Land-
wirte bei der Bearbeitung des Bodens den Problemen
der Bodenbiologie verständnislos gegenüberstehen.
Die vorliegende Schrift des um die Erforschung
der Bodengesundheit und ihrer Erfordernisse be-
sonders verdienten Wissenschaftlers vermittelt gerade
dem Praktiker in bestgeeigneter Form einen Einblick
in die Probleme des Bodens. Die Gemeinschaft von
Biologie und Technik, die unser ganzes Leben durch-
dringen muß, ist eine wichtige Forderung auch an
die Landwirtschaft. Nicht allein die mechanische
Pflugarbeit ist ausschlaggebend für den Erfolg der
Bodenbearbeitung, sondern das Zusammenwirken
zwischen Boden, Pflanzenwurzelund Mikroorganismen.
Letzte sind die Träger der „Lebendverbauung“ der
Bodenhohlräume, ohne die eine Krümelstruktur auch
mit modernsten Bodenbearbeitungsmaschinen auf die
Dauer nicht zu erreichen ist.
Um den Boden und die Vorgänge in ihm beurteilen
zu können, müssen wir ihn — so fordert Sekera —
vom Standpunkt der Pflanzenwurzel aus sehen. Diese
ist, da sie im Mittelpunkt des Bodenlebens steht, das
Spiegelbild ihres Lebensraumes. Ihr Gesundheits-
zustand ist für uns der Gradmesser des Gesundheits-
zustandes des Bodens. Das Anpacken des Boden-
problemes von der Pflanzenwurzel aus ist die neue
Taktik der Bodenbiologie, die der Verfasser uns
in der vorliegenden Schrift vermittelt. |
Von der Erkenntnis des Gesundheitszustande des
Bodens führt ein gerader Weg zur Bodenhygiene,
der im wesentlichen zwei Aufgaben gestellt sind:
1. der Kampf gegen die natürlichen Entartungs“
erscheinungen,
‚2. der Kampf gegen die Kulturkrankheiten.
Die Gesunderhaltung des Bodens ist eine Existent-
frage des ganzen Volkes, sie ist daher erstes Gebot
der Landwirtschaft und der Landschaftspflege. „Der
Bauer muß Hausarzt seines Bodens sein“.
Die vorliegende Schrift gibt in anschaulicher Form
einen wertvollen Beitrag zur Bereicherung des Wissens
der Bauern um die Bodenbiologie. Als Lehrbuch
bedeutet sie darüber hinaus angesichts der Verpflich-
tung des Bauerntums, im Rahmen der Erzeugungs-
schlacht durch Mobilisierung aller betriebseigenen
Reserven mehr denn je zur Selbsthilfe zu greifen, eine,
. gute Waffe im Kampf um die Zukunft des Volkes.
Werner Gruenhagen
IOo
2X bestellen
oder beizen ...
Beizung schützt die
Aussaat u. verbürgt
eine gesunde, volle
Getreideernte.
Ceresan
Trocken- oder Naßbeize
für alle Getreidearten!
» Bayer «
AKTIENGESELLSCHAFT / A
AKTIEN LL A
Pilanzenschutz-Abtailung BAYER
LEVERKUSEN R
Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit
sich, daß eine Antriebskralt an den verschiedensten Stellen
auf dem Hot meistnur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der au
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer
Stelle zur anderen bringen läßt.
Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese
Hilte für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß.
SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG
Das Wort „einwecken“ stammt
von Johann Weck, dem Mann, der
das WECK-Verfahren begründet,
der die WECK-Gläser und WECK-
Geräte geschaffen hat.
POSTSPARKANTE
AUSKUNFT GIBT JEDES POSTAMT
J.WECK 8 CO. ÖFLINGER IN BADEN
ee ę N. —
AEG
Elektrizität
in der landwirtschaft
+
Tia
NORHNM ACG
GENERATOR SCHLETE O
I E
e — —
— E S
O
Schwachgasmote
4 Gänge
3 ee, Spezial-Kurzgelniebe
* Gelederte Vorderac se
2 5 PS Auherordenflich ©) `
günstiger
NORMAG G.M.B.H. NORDHAUSEN
Fordern Sie bitte Angebot
ALLGEMEINE ELEKTRICITATS - GESELLSCHAFT
Welches Buch wünschen Sie?
Um die Nahrungsfreiheit Europas von
Staatssekretär Herbert Backe, 280 Seiten —
Großoktav, mit 32 Bildern, 42 graphischen
Darstellungen und -statistischen Über- e op
sichten c. enn gebunden RM. 7,0
Der Aufstieg der Juden von Ferdinand —
Fried mit 8 Kunstdrucktafeln und 6 Kar- -
tenskizzen, „con vw en AS RM: ‚3,80
Die Deutschen als Volk für Andere von eu P
Dr. E. Quentin, 4., erw. und überarb, “F
Auflage, ein zeitnahes. Buch wie kein 5
anderes eg EE .. RM. 3,80
Landvolk im Werden, Material zum
ländlichen Aufbau in den neuen Ost-
gebieten und zur Gestaltung des dörf-
Achtung! An alle Verfracnter! lichen Lebens von Prof. Konrad Meyer, Sa
375 Seiten „ %% RECKEN RM. 7.—
* e Die Stimme der Ahnen, eine Dichtung
Vorsatzbretter für gedeckte Güterwagen! von Wulf Sörensen xng et ER kart. RM. 1,20
Die Krim — Klima, Vegetation und landw.
Erschließung von Heinrich Walter .... RM. 3,60
Am Feinde und am Pfluge von Kurt
Strohmeyer, mit Zeichnungen von Al-
fred Roloff a0 00 n0a0 E SAT LEGEN RM. 2,85
Bausteine zur ländlichen Volks- und
Bodenordnung von Dr. Herbert Mor-
gen, Neuerscheinung! ...2. 220000000 , RM. 3,50
Anerbengerichtsverfahren von Reichs-
erbhofgerichtsrat Dr. Karl Hopp, 94 Sei-
ten „„ EK ar a REN RM. A
Das Reich als europäische Ordnungs-
macht von Karl Richard Ganzer, 138 Sei-
Ein neues Hilfsmittel der Deutschen Reichsbahn
für die Verladung von Schüttgütern!
Bei Fehlen von Verpackungs- Fordern Sie diese bahneigenen
material können Schüttgüter Vorsatzbretter bei Ihrer Güter-
wie Getreide oder Hülsen— abfertigungan.Die Mietgebühr
fruchte lose verladen werden. beträgt je Stück RM 2,—. In kei-
Die Reichsbahn hat hierfūrVor- nem Falle ist es also mehr not-
satzbretter beschafft (s. obige wendig, das wertvolle Wagen-
Abbildung). Sie passen fürje- material durch Vernageln der
den Güterwagen, werden von Güterwagentüren mit Brettern
innen in die Turen gestellt und zu beschädigen. Jede Repara- Rr e De PUSS RM. 2,80
, Be SCH a ka Neue Erziehung von Stellrecht, ein wich-
sind mit 2 Entlade- tur entzieht den Güterwagen tiges Buch für jeden Lehrer RM. 4,80
D R schiebem versehen. dem Verkehr.
Räder müssen rollen für den Sieg!
Versand erfolgt zur Zeit nur unter Nachnahme!
LANDBUCHVERTRIEB GMBH,
Berlin N 4 Oranienburger Straße 44
JUNI 1944 NUMMER JAHRGANG? EINZELPREIS 120&M
INHALT
Reichsminister Herbert Backe: Sinn und Gesetz wissenschaftlicher Forschung 249
Bildbeilage Thünen ........... Bis een ee ee n.S. 252
Professor Dr. Asmus Petersen, Direktor des Instituts für Landwirtschaftliche
Betriebslehre der Universität Rostock und des Thünen-Archivs: Thünens
LEeBEDSWEIK ss ee ĩ³ » 8 . 255
Dr. A. Werner Schüttauf: Siedlungsballung und Arbeitsproduktivität — Ein
Beitrag zur Frage: Zehnmillionenstadt Berlůnñg i • 259
Jaques Groeneveld, Landesbauernführer der Landesbauernschaft Weser-Ems,
Leiter des Gauamtes für das Landvolk: Vom Junghalten des Bauernführerkorps 262
Karl Albach: Zweierlei Erzeugungsschlacht und Ernährungs wirtschaft 264
Der Gärtnerlehrling (Bildbeilage·eõ7!D:D! n.S. 264
Regierungsrat Heinz Gerdesmann: Bodenpolitische Maßnahmen der euro-
päischen Staaten ....... 8 Beleg 77000 V . 266
Günther Pacyna: Bauer, Landvolk, VoljñK. u en 270
Ein bäuerlicher Geschlechterbund (Bildbeilageeãꝶ‚ſ᷑mmmùh i. n. S. 272
Agrarpolitische Rundscaaoõurrrſrſrr r 3 i 276
Randbemerkungen: ae ce 277
Die Buchwacht ....... E ee 279
Bildnachweis: Das Titelbild ist eine Aufnahme von Prof. Rudolf Koppitz. — Die Photos zur Bildbeilage
„Der Gärtnerlehrling“ erhielten wir vom Reichsnährstandsarchiv, und zwar von folgenden Licht-
bildnern: Limberg (2), Krack (2), Dinges (2), Pongratz (1) und Pauck (1). — Hermann Lim-
berg (8) lieferte uns die Bilder zur Beilage ‚Ein bäuerlicher Geschlechterbund“. — Die Aufnahmen
für die „Thünen’'-Bildbeilage stellte uns die Thünen-Gesellschaft zur Verfügung. Die Federzeichnung
des Marschhofes Canarienhausen und der Grabstätte Thünens fertigte Richard Zscheked. Die Bild-
beilage enthält außerdem ein Photo von Transozean.
Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna.
Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:
Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 19 55 41.
Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlip SW 68. Fernruf 116071. Orts-
ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller A Sohn, Beriin SW 68, Dresdener Str. 43.
ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN
DEUIS
Juni 1944
Herausgeber
HERBERT BACKE:
Jahrgang 2
Nummer 9
Sinn und Gesetz
wissenschaftlicher Forschung
Reichsminister Herbert Backe hielt anläßlich der
Gründungstagung der Thünen - Gesellschaft einen
“ grundsätzlichen Vortrag über die Zielsetzung der
ernährungswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen
Forschungsaufgaben der Zeit, den wir nachstehend
im Wortlaut veröffentlichen.
W en wir mitten im fünften Kriegsjahr,
mitten in dem gewaltigsten Ringen
Europas um seinen Bestand und um den
Bestand der abendländischen Kultur Sie,
meine Herren, als die wichtigsten und
führenden Männer der landwirtschaftlichen
Praxis, Wissenschaft und Verwaltung
Deutschlands und anderer Länder zur Er-
öffnungsfeier derneugegründeten Thünen-
Gesellschaft hierher nach Mecklenburg
zusammenrufen, so muß dies mehr als nur
wissenschaftliche Berechtigung haben. Es
wäre nicht vertretbar, in dieser Zeit einen
Wissenschaftler zu feiern, der uns für die
Größe des politischen Geschehens nichts zu
sagen hätte. Dazu ist die Zeit zu schwer.
Johann Heinrich von Thünen ist jedoch
mehr als nur der reine Wissenschaftler, für
den man ihn bisher leider nur zu lange ge-
halten hat. Wenn ich im vorigen Jahr mich
entschlossen habe, eine Thünen-Gesell-
schaft ins Leben zu rufen und ihr Präsidium
zu übernehmen, so tat ich dies aus der Er-
kenntnis heraus, daß Thünen nächst Albrecht
Thaer der bedeutendste und wichtigste
Begründer der landwirtschaftlichen Wissen-
schaften überhaupt ist. Während Thaer die
Landwirtschaft auf die Naturwissenschaften
N
begründete, ist Thünen der große Wirt-
_schaftswissenschaftler gewesen, der der
Landwirtschaft ihre Aufgabe im Rahmen
der gesamten Volkswirtschaft zuwies, sie
also wirtschaftswissenschaftlich und wirt-
schaftspolitisch begründete. Er war über
seine Bedeutung für die Landwirtschaft hin-
aus neben Friedrich List der wahre
Volkswirtschaftspolitiker seiner Zeit und
stand dadurch in stärkstem Gegensatz zu
jenen englisch-jüdischen Wissenschaftlern
vom Schlage eines Ricardo, die der welt-
wirtschaftlichen Entwicklung einen wissen-
schaftlichen Unterbau zu geben sich be-
mühten. 7
Diese große Bedeutung Thünens ist
lange Zeit verkannt worden. Seine Lehre
von den Intensitätskreisen, die er in
seinem Hauptwerk „Der isolierte Staat“
entwickelt hatte, glaubte man dahin-
gehend auslegen zu müssen, daß sie die In-
tensitäts- und Standorts verhältnisse in der
Landwirtschaft erläuterte, und zwar in der
Weise, daß die Intensität der Landwirt-
schaft mit der Entfernung vom Markt ab-
nimmt. Hierin, so sagte man, läge bereits
der wesentliche Wert Thünens als Volks-
wirtschaftler. Heute wissen wir, daß die
eigentliche Bedeutung Thünens sehr viel
weiter geht. Er hat in allen seinen
Werken und Schriften immer wieder darauf
hingewiesen und immer wieder zu erklären
versucht, welche Stellung der Landwirt-
schaft innerhalb der Gesamtvolkswirt-
schaft zukommen muß, d. h. in welcher
Weise die Landwirtschaft und darüber hin-
aus die Volkswirtschaft in den Rahmen des
Volksganzen einzugliedern sind. Er hat
nicht nur Zustände geschildert, sondern ist
vor allem den Beweggründen für diese Zu-
stände nachgegangen und hat hierfür eine
wirtschaftspolitische Erklärung zu finden
versucht. Seine Eingliederungslehre ist
deshalb nicht allein eine wirtschafts-wissen-
schaftliche Angelegenheit, sondern hat
darüber hinaus vorwiegend eminente poli-
tische Bedeutung. i
Insbesondere im politischen Geschehen
unserer Tage finden wir in dem Werk
Johann Heinrich von Thünens eine Richt-
schnur, die unsere Aufbauarbeit von der
wissenschaftlichen Seite aus rechtfertigt
und ihr auch in Zukunft manches geben
.kann. Wir wissen alle, daß das Zeitalter des
freien Spiels der Kräfte, welches in seiner
höchsten Entwicklungsstufe bis zur freien
Weltwirtschaft geführt hatte, vorbei ist.
Wieweit die Entfesselung aller ichsüchtigen
Kräfte auf dem Gebiet der Wirtschaft für
die Entwicklung des technischen Jahrhun-
derts notwendig gewesen sein mag, soll da-
hingestellt bleiben. Diese Frage ist für uns
auch nicht mehr interessant. Wichtig ist
allein die Feststellung, daß das Zeitalter des
Liberalismus und damit der freien Wirt-
schaft vorbei ist, daß es vorbei sein muß,
weil sich sein Unwert für das Leben der
Völker und Nationen auf die Dauer klar er-
wiesen hat. Die Lehre, daß das höchste Maß
an Wohlfahrt des einzelnen wie der Na-
tionen sich nur aus dem „freien Spiel der
Kräfte”, aus der „Entfesselung des rück-
sichtslosen Individualismus" und dem Fal-
lenlassen jeglicher Bindungen ergeben
könnte, paßt nicht mehr in unser Jahr-
tausend. Sie ist völlig zusammengebrochen.
Wir würden allerdings einen großen
Fehler begehen, wollten wir bei der Ent-
wicklung neuer wirtschaftspolitischer
Grundsätze nunmehr diejenigen wirtschaft-
lichen und politischen Grundsätze oder Zu-
sammenhänge, die sich während deg Zeit-
alters der Weltwirtschaft als richtig er-
wiesen haben, einfach verneinen und ohne
sie auszukommen versuchen. Im Gegenteil:
Wir dürfen nicht glauben, daß so hochent-
wickelte Volkswirtschaften, wie die der
europäischen Länder, etwa ohne eine Ar-
beitsteilung auskommen könnten, ebenso
250
wie wir, um ein weiteresBeispiel zu nennen,
nicht den Wert und die Wichtigkeit des
Preises in seinem großen Einfluß auf Er-
zeugung und Bedarf vergessen dürfen. Wir
sind aber zu der Überzeugung gekommen
— und hiermit stehen wir im krassen Ge-
gensatz zu den Weltwirtschaftspolitikern
des vorigen Jahrhunderts —, daß sich Ar-
beitsteilung und Preise, um bei diesem Bei-
spiel zu bleiben, nicht ungeordnet und un-
gehemmt entwickeln dürfen. Sie sind nicht
Selbstzweck, sondern nur Mittel zur orga-
nischen Lenkung der Volkswirtschaft. Nur
eine solche Arbeitsteilung ist nützlich, die
auf einer klar durchdachten Ordnung be-
ruht, nicht eine solche, die sich aus irgend-
welchen Zufälligkeiten heraus entwickelt.
Nur dann wird sich der Preis zum Wohle
der Gemeinschaft auswirken, wenn er nicht
das Ergebnis eines zufälligen Verhältnisses
von Angebot und Nachfrage ist, d. h. sich
ungeordnet ergibt, sondern wenn der Preis
als Lenkungsmittel auf Grund der politisch-
wirtschaftlichen Notwendigkeiten zum
Wohle der Gemeinschaft angewandt wird.
Die Weltwirtschaft mußte nicht deshalb
zusammenbrechen, weil die wirtschaft-
lichen Gesetzmäßigkeiten falsch waren,
nach denen sie sich entwickelt hatte, son-
dern weil ihr eine zenträle Ordnung fehlte.
Dieses Fehlen einer zentralen Ordnung lag
im Prinzip des Liberalismus begründet. Es
gab in der Weltwirtschaft keine Bindung
ihrer einzelnen Mitglieder an klare Ord-
nungsprinzipien, das hätte ihrem Wesen
widersprochen. Es gab keine zentrale
Führung, die sich für das Wohl und Wehe
und für die Erhaltung ihrer einzelnen Mit-
glieder verantwortlich fühlte. Die Welt-
wirtschaft mußte vergehen, weil der Welt-
arbeitsteilung, auf der sie beruhte, die
wesentlichste Voraussetzung fehlte, nām-
lich eine Gemeinschaft der Beteiligten.
Die Entscheidung, was für die Gemein-
schaft nützlich war, blieb jedem einzelnen
überlassen, der natürlich immer der Ansicht
sein mußte, daß der Gesamtheit nur das
nützen könne, was ihm nütze.
Es wäre aber völlig verfehlt zu glauben,
daß die weltwirtschaftliche Periode, die
wir als abgeschlossen betrachten müssen,
nun dadurch abgelöst werden könnte, daß
wir das Rad der Entwicklung heute wieder
zurückdrehen und etwa von der Verkehrs-
wirtschaft zu sich selbst genügenden
kleinen Volks wirtschaften, d. h. zu einer
H
Kë
Unzahl von Autarkien oder gar zur ge-
schlossenen Hauswirtschaft zurückschrei-
ten müßten. Ich brauche Ihnen nicht klar-
zumachen, warum eine solche rückläufige
Entwicklung gar nicht möglich ist. Sie wäre
schon deshalb verwerflich, weil damit die
Grundlage für die notwendige bevölkerungs-
politische Entwicklung unserer und der an-
deren europäischen Nationen zerstört wer-
den würde. Wir könnten mit diesen Wirt-
schaftsformen gar nicht die großen Men-
schenmengen ernähren, die Europa für
seinen politischen Fortbestand benötigt.
Auch für die Großraumwirtschaft, die wir
in der Lebensraumgemeinschaft des ge-
einten Europas aufzubauen im Begriffe sind,
gilt das Gesetz, daß der vorhandene Bedarf
durch eine möglichst große Erzeugung bei
möglichst geringem Einsatz von Erzeu-
gungsmitteln gedeckt werden muß. Dieses
Ziel ist ohne eine Arbeitsteilung zwischen
den Mitgliedern der europäischen Lebens-
raumgemeinschaft gar nicht zu erreichen.
Es wird Deutschland so oft fälschlicher-
weise nachgesagt, daß es die Absicht habe,
auf der Grundlage einer engen Autarkie
seine Ernährung selbst zu sichern und in
keiner Weise auf die Erzeugung der übri-
gen europäischen Agrarländer zurückzu-
greifen. Nicht nur die Entwicklung dieses
Krieges, sondern vor allem auch die Ent-
wicklung seit der nationalsozialistischen
Machtergreifung bis zum Kriegsbeginn hat
aber schon hinlänglich bewiesen, daß wir
gewillt sind, auf der Grundlage einer
klaren Ordnung innerhalb des Großraumes
Europa und unter Ausnutzung der beson-
deren Eigenarten und Erzeugungsmöglich-
keiten der einzelnen europäischen Länder
eine klare, geordnete und erfolgreiche Ar-
beitsteilung aufzubauen, die allein sich
zum Wohle der europäischen Gesamt-
heit auswirken kann. Im Zeitalter der
Weltwirtschaft deckten die nordwest-
europäischen Länder, d. h. vorwiegend
Deutschland, England, Dänemark, Bel-
gien und Holland, ihren Bedarf überall
dort in der Welt, wo die Erzeugung am
billigsten war. Die übrigen europäischen
Länder wurden hierbei oft nur zu sehr ver-
nachlässigt oder konnten nur zeitweilig
daran partizipieren. In der Lebensraumge-
meinschaft Kontinentaleuropas, die wir als
Zusammenfassung gleicher und verwandter
Rassen aufzubauen bestrebt sind, sind die
gesamten Hauptverbraucherländer einge-
schlossen und daher in der Lage, alle Uber-
schüsse der europäischen Agrarländer auf-
zunehmen. Deutschland als das hauptsäch-
lichste Verbrauchergebiet ist aber nicht
gewillt, hierbei wirtschaftspolitisch in
gleicher Weise vorzugehen, wie es England
innerhalb der Weltwirtschaft getan hat.
Soll diese landwirtschaftliche Arbeits-
teilung innerhalb Europas sich wirklich zum
Wohle und zum Segen aller beteiligten
Völker auswirken, dann muß sie auf einer
klaren Ordnung aufgebaut sein. Zu dieser
Ordnung gehört auch eine feste Preis-
regelung. Auf Thünen aufbauend, haben die
führenden landwirtschaftlichen Betriebs-
wirtschaftler, vor allem Friedrich
Aereboe, uns nachgewiesen, wie sehr die
Gestaltung der Landwirtschaft sowohl im
einzelnen Betrieb als auch innerhalb einer
Volkswirtschaft von den Preisen für die
landwirtschaftlichen Erzeugnisse, vor allem
von ihrem Verhältnis zueinander abhängig
ist. Die wichtigste Eigenschaft des Preises
liegt nicht darin, daß er sich aus Angebot
und Nachfrage ergibt, sondern daß er als
wesentlichster Faktor die Art und den Um-
fang der Erzeugung zu beeinflussen vermag.
Soll die Erzeugung landwirtschaftlicher
Produkte die zur Bedarfsdeckung notwen-
dige Stetigkeit aufweisen, so kann eine
zentrale Wirtschaftsführung auf den Fest-
preisals Lenkungsmittel der Wirt-
schaft auf keinen Fall verzichten. Die
Preisrelation — das ist uns in den mehr als
zehn Jahren landwirtschaftlicher Marktord-
nung wohl allen klargeworden — ist deshalb
der wichtigste Zügel, mit dem wir die land-
wirtschaftliche Erzeugung lenken. Dieser
Grundsatz gilt nicht nur für Deutschland, son-
dern muß auch beim Aufbau einer europäi-
schen Großraumwirtschaft Anwendung fin-
den. Dabei wird es notwendig sein, bei der
Festsetzung der einzelnen Preise so vorzu-
gehen, daß dieStandortentwicklung der ver-
schiedenen ErzeugungszweigeimSinne Thü-
nens nicht gehemmt, sondern vielmehr geför-
dert wird. Die volkswirtschaftlich richtigen
Preise zu finden, wird eine der schwierig-
sten Aufgaben der zentralen Wirtschafts-
führung der Landwirtschaft Europas sein.
Denn die Verhältnisse sind natürlich nicht
so einfach, wie Thünen sie in seinem „Iso-
lierten Staat“ bewußt schematisch aufgebaut
hat. Deshalb mußhierbeimit größter Sorgfalt
und viel Geschick vorgegangen werden,
denn Fehler in der Preisfestsetzung können
nur zu leicht Fehlentwicklungen der Erzeu-
gung einleiten, die volkswirtschaftlich
251
völlig falsch sind und zur unnötigen Ver-
teuerung der Erzeugnisse führen können. Es
wird deshalb nicht unwesentlich darauf an-
kommen, die mathematischen Grundformeln
der ThünenschenLehre so zuentwickeln, daß
sie bei der Festsetzung von Preisen auf die
verschiedensten Verhältnisse angewandt
werden können. Gelingt dies — und das
scheint auf Grund des vorliegenden Ma-
terials möglich zu sein —, so würden wir
damit zu einem sehr wesentlichen Hilfs-
mittel für die Steuerung der landwirtschaft-
lichen Erzeugung in den einzelnen euro-
päischen Ländern einschließlich Deutsch-
lands durch die Preise kommen und damit
eine der entscheidenden Grundlagen für
eine europäische Wirtschaftsordnung be-
. sitzen. Denn wir dürfen nicht vergessen, daß
ein klares Durchdenken und theoretisches
Durchleuchten der Perspektiven auf jeden
Fall die Arbeit des Wirtschaftspolitikers er-
leichtert, selbst wenn man auf dem Stand- -
punkt steht, daß es letzten Endes nur auf
das Handeln ankommt.
Die wirtschaftspolitische Verantwortung,
die uns hiermit entsteht, ist also besonders
groß. Nur im Gefühl dieser großen Ver-
antwortung für den gesamten Wirtschafts-
raum haben wir das Recht, für Deutschland
die wirtschaftspolitische Führung zu bean-
spruchen. Eine sinnvolle Arbeitsteilung
und Festpreisordnung auf dem Gebiet der
Ernährungswirtschaft ist in Europa unter
deutscher Führung nur dann möglich, wenn
Deutschland als Schwerpunkt in der Mitte
Europas nicht allein den Bedarf bestimmt,
d. h. den Hauptmarkt darstellt, sondern
wenn es darüber hinaus auch in wirt-
schaftspolitischer Hinsicht für alle euro-
päischen Länder führung- und richtung-
gebend wirkt. Stand in der von England
entwickelten Weltwirtschaft das Kapital
und das Gelddenken im Mittelpunkt aller
Erwägungen, in der Erwartung, daß sich
um das Geld. herum eine sinnvolle Ord-
nung von allein ergeben würde, so muß die
europäische Großraumwirtschaflt nun aus-
gehen von der Überlegung, daß der Bedarf
der Völker das Primäre zu sein hat und
daß dieser Bedarf auf die sinnvollste und
einfachste Weise gedeckt werden müsse
zum Wohle der einzelnen europäischen
Nationen und darüber hinaus zum Wohle
des europäischen Menschen überhaupt.
Denn es ist das Kennzeichen unserer heuti-
gen Auffassung, daß die rein wirtschaft-
lichen Faktoren ihre Vorherrschaft verloren
252
zer
haben und daß das Volk und der Mensch in
den Mittelpunkt aller Erwägungen getreten
sind. Den Wert und den Erfolg aller wirt-
schaftspolitischen Maßnahmen kann man
demnach nur daran ermessen, wieweit sie
sich zum Wohle der Völker ausgewirkt
haben oder noch auswirken. Daraus ergibt
sich, daß die gesamte Wirtschaft als
Dienerin der Politik nur dann sinnvoll ge-
staltet werden kann, wenn sie in einer
festen, klar umrissenen Bindung an die poli-
tischen Erfordernisse gestaltet wird. Nur
durch eine sölche Bindung, die sich aller-
dings nicht nur auf einen Teil der Wirt-
schaft erstrecken kann, sondern neben. der
Landwirtschaft auch alle übrigen Zweige
der Wirtschaft umfassen muß, läßt sich die
Wirtschaft zur Dienerin der Politik machen,
kann sie überhaupt erst zu jenem Hilfs-
mittel für die Politik werden, das wir bei
der Dringlichkeit der großen politischen
Forderungen unserer Zeit unbedingt benö-
tigen. Die Erfolge der nach diesen Grund-
sätzen seit der Machtübernahme ausgerich-
teten deutschen Agrar- und Ernährungs-
politik sprechen hier eine nur zu deutliche
Sprache. Es erübrigt sich, Ihnen, meine
Herren, im einzelnen zu beweisen, worin
diese Erfolge liegen. Es muß aber immer
wieder festgestellt werden, daß es allein
das Prinzip der gebundenen Wirt-
schaft gewesen ist, welches diese großen
Erfolge hat möglich werden lassen. Nur die
Einordnung aller wirtschaftlichen Vorgänge
auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Er-
zeugung einerseits und der Versorgung des
Volkes mit Nahrungsmitteln andererseits in
ein nach politischen Grundsätzen ausge-
richtetes, wohldurchdachtes und klar geord-
netes Ganzes hat uns in die Lage versetzt,
die Ernährung des deutschen Volkes in
diesem schwersten Kriege in einer Weise
zu sichern, die mit den Verhältnissen des
ersten Weltkrieges gar nicht verglichen
werden kann.
Die Richtigkeit der hierbei angewandten
wirtschaftspolitischen Grundsätze hat sich
also eindeutig erwiesen. Es wird nicht be-
zweifelt werden können, daß sie auch für
die Aufrichtung der europäischen Groß-
raumwirtschaft die' einzig ausschlaggeben-
den sein müssen. Es ist eben ein Kenn-
zeichen unseres Jahrhunderts, daß die
größten und sichersten politischen Erfolge
SITE
Ge?
Ex
* i W,
A. ER
Die Überreichung des Teterower Ehrenbürgerbriefes auf Thünens Gut Tellow (1848)
Did
ich m Belt, = Mecklenburg — ir Beltz -Weklnburg
(Mas Orasta: befindet fin unter Ar Trausreft Grasan der Aua)
N =: *
Ae Du,
ele Spe TOUREN DE
a2 TES er e E D Ai
dent! PES den > f x
d her a eiam ET
Ce De IDAM SONKEN, EH dä
ie 7 e
`
kann durch kein won er gungen
rucht durch Mang und Stand erlangt
nucht durch Gold erkauft werden
das Nohl ellen Um gern dem freun
Innern und als freie
Oabe von un
Wlertiye Et :
8
CA
5 7 d d
Qu
Go "A
"ag, a
Das obere Bild zeigt Thünen inmitten Koetz "Am, Mr 1
Gutsarbeiter (nach dem Relief an ALL NE en
Rauchs Thaer-Denkmal) — E lët
„ RICHARD
ZSCHEXED. `
u — — l.. ———öͤĩ ð —— CR FIT 00 E E VERBOTEN ER Po ⏑᷑ ůQ i / m ²⁰⁵w. m &q »æmꝓm; ]]]]½]½]ů ͤ wñ —˙.]ʃ. ⅛ —ü'ꝰͤ—tI !Nļ½⅜ͤ̃ʃà½ÄͤTTTTÄ TT ²—uul. ⁵ͤů1112 ¼—U ggf,
—
—
(Gestalter
der
Thiinenscben Lehre
in der
Betriebswissenschaft |
Johann Fühling
(1823—1884)
Professor in Heidelberg
Adolph Kraemer
(1833—1910)
Professor in Zürich
Theodor Engelbrecht
(1853—1934)
Marschhofbesitzer in
Obendeich
Franz Waterstradt
(1872—1914)
Professor in Hohenheim
Friedrich Aereboe
(1865—1942)
Professor in Berlin
nur jenen Ländern beschieden sind, die es
verstehen, ihre Volkswirtschaft und inner-
halb dieser ihre Landwirtschaft in organi-
scher, sinnvoller und klarer Weise inner-
halb des politischen Gesamtgeschehens zu
ordnen. Auch der Großraum Europa wird
sowohl in politischer wie in wirtschaftlicher
Beziehung nur dann auf sicheren Füßen
stehen können, wenn es gelingt, auf wirt-
> schaftlichem Gebiet dieselbe Klarheit und
sinnvolle Ordnung herzustellen. Hierbei
können wir aber die bahnbrechenden volks-
wirtschaftlichen Ergebnisse Johann Hein-
rich von Thünens nicht entbehren. Mit
seiner Eingliederungslehre hat er uns die
Grundlage und das notwendige Wissen für
die Beantwortung der Frage gegeben, in
welcher Weise eine solche wirtschaftspoli-
tische Ordnung und Arbeitsteilung inner-
halb Europas aufzubauen sind. Aus seinem
Werk können wir die Gesetze entnehmen,
nach denen einmal die Eingliederung der
verschiedenen Zweige der landwirtschaft-
lichen Erzeugung in die gesamte Landwirt-
schaft zu erfolgen hat, nach denen aber
darüber hinaus auch die Ernährungswirt-
schaft einzugliedern ist in den Rahmen der
gesamten Volkswirtschaft überhaupt.
Weiterhin sind in Thünens Werk auch
jene Grundsätze entwickelt worden, die einer
sinnvollen Gestaltung der Arbeitsteilung
zwischen den verschiedenen europäischen
Völkern auf dem landwirtschaftlichen Ge-
diete zugrunde zu legen sind. Die Thünen-
sche, Eingliederungslehre, die ja nicht nur
auf die zu seiner Zeit herrschenden Ver-
hältnisse anwendbar, sondern gerade wegen
ihrer allgemein gültigen Formulierung
für alle Verhältnisse zutreffend ist, hat
zeitlosen Charakter, weil sie die Zu-
sammenhänge der verschiedenen betriebs-
wirtschaftlichen Zweige des Landbaues,
ihre Beziehung zueinander und ihre Ein-
ordnung in größere umfassende Zusammen-
hänge vom kleinsten Bauernbetrieb über
die Volkswirtschaft bis zu einer Großraum-
wirtschaft zu klären imstande ist. Ich
glaube, daß ohne die Eingliederungslehre
Thünens eine Landwirtschaft weder privat-
wirtschaftlich noch politisch verstanden
oder gestaltet werden kann. Ich möchte
sogar darüber hinaus behaupten, daß sich
aus Thünens Werk auch diejenigen Ge-
setze werden ableiten lassen, nach denen
innerhalb der gesamten Agrarpolitik die
Ernährungswirtschaft in ein geordnetes
Verhältnis zu den beiden anderen großen
Aufgaben des Bauerntums, nämlich den
Bluts- und Kulturfragen, zu bringen ist.
Gerade in einer derartigen Einordnung der
Ernährungswirtschaft in die gesamte Agrar-
politik sehe ich die wesentliche Aufgabe
einer zukünftigen landwirtschaftlichen Zu-
sammenarbeit der europäischen Völker.
Im Zeitalter der Weltwirtschaft mußten
bevölkerungspolitische und damit auch
kulturelle Belange durch die unbedingte
Vorherrschaft der Wirtschaft ganz in den
Hintergrund rücken. Diese Entwicklung
hat sich nicht nur in Deutschland in einer
auf die Dauer untragbaren Unterbewertung
des Bauerntums, nicht nur in wirtschaft-
licher, sondern besonders auch in kul-
tureller und blutsmäßiger Hinsicht aus-
gewirkt; auch bei den anderen europäi-
schen Völkern haben sich ähnliche schädi-
gende Auswirkungen gezeigt. Nach dem
Zusammenbruch der Weltwirtschaft sind
wir aber in der Lage und haben vor allem
die Pflicht, diese großen agrarpolitischen
Aufgaben wieder in den Vordergrund aller
unserer Erwägungen zu stellen. Wir sind
hierzu deshalb insbesondere gezwungen,
weil sonst der politische Bestand Europas
infolge fortschreitender Gefährdung unse-
rer biologischen Kraft einerseits und in-
folge Untergrabung unserer kulturellen
Werte durch den Amerikanismus anderer-
seits durchaus in Frage gestellt werden
könnte. Nur in der richtigen wirtschafts-
politischen Untermauerung der großen
agrarpolitischen Aufgaben des deutschen
und darüber hinaus des europäischen
Bauerntums, also in einer klaren Zuord-
nung der verschiedenen bäuerlichen Auf-
gabenkreise zueinander und ihrer Ein-
gliederung in ein geordnetes Ganzes kann
die Grundlage für eine erfolgreiche Lösung
dieser wichtigsten politischen Probleme
gesehen werden, von denen der Bestand
des Abendlandes abhängen wird.
Thünens Lebenswerk, aus der bisherigen
rein wirtschaftlichen Betrachtung so hin-
ausgehoben, bekommt auf diese Weise eine
253
ungeheure politische Wirkung. Aus der
Erkenntnis dieser politischen Bedeutung
heraus habe ich mich seinerzeit ent-
schlossen, eine Thünen-Gesellschaft ins
Leben zu rufen, deren Gründung wir heute
in diesem Festakt feiern. Aufgabe dieser
Thünen-Gesellschaft soll es sein, wie Pro-
fessor Petersen vorhin bereits ausgeführt
hat, das Lebenswerk des großen mecklen-
burgischen Forschers und Landwirtes, das
heute fast hundert Jahre nach seinem
Tode noch in völlig ungenügender Weise
ausgeschöpft und untersucht worden ist,
zunächst einmal in einer kritischen Be-
arbeitung vollständig herauszugeben und
der Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Ich hielt es deshalb für richtig, der Gesell-
schaft zunächst die Aufgabe zu stellen,
möglichst bis zum hundertsten Todestag
Thünens, d.h. bis zum Jahre 1950, die von
Professor Petersen erörterte mehrbändige
kritische Gesamtausgabe der Thünenschen
Werke vorzubereiten.
Darüber hinaus soll aber in der Gesell-
schaft der Mittelpunkt für den wissen-
schaftlichen und wirtschaftspolitischen
Ausbau der Thünenschen Lehre entstehen.
Ich halte es für notwendig, daß, aufbauend
auf den Gedanken Johann Heinrich von
Thünens, eine lebhafte Beschäftigung und
starke Auseinandersetzung der Wissen-
schaftler, der Agrarpolitiker und nicht zu-
letzt der landwirtschaftlichen Praktiker
entsteht, damit die Grundsätze und Er-
kenntnisse von der sinnvollen und organi-
schen Eingliederung der Landwirtschaft in
den Gesamtorganismus des Volkes immer
größere Verbreitung finden mögen. Man
könnte sagen, wir haben die agrarwirt-
schaftlichen Probleme der Jetztzeit, das
Problem der politischen Festpreise, deren
Einfluß auf Erzeugung usw. finden und ge-
stalten müssen, obgleich uns diese Lehren
von Thünens unbekannt, da sie größten-
teils unveröffentlicht waren. Jedoch selbst
wenn man die Erleichterung, die in der Er-
kenntnis dieser Werke für unsere Arbeit
gelegen hätte, nicht anerkennen wollte;
selbst wenn man die Meinung vertreten
würde, daß es im Leben stets so ist, daß
Gesetzmäßigkeiten nur entdeckt werden,
wern die Zeit reif zu ihrer Verwirklichung
ER
254
ist, so möchte ich zumindest einmal folgen-
desinden Vordergrund stellen: Niemals wird
ein Volk auf das Studium einer Volkswirt-
schaftslehre verzichten können. Diese aber
wird gelehrt werden nach den Systemen,
die jeweils Wissenschaftler für ihre Zeit,
sehr oft mit dem Anspruch der Allgemein-
gültigkeit gestaltet haben. Sollten wir bei
dem nun einmal notwendigen Studium
unserer jungen akademischen Mannschaft,
die später einmal selbst lehrend tätig sein
wird, darauf verzichten, ihnen die Werke
jener deutschen Volkswirtschaftler nahezu-
bringen, die mehr denn alle anderen voraus-
eilend die wirtschaftspolitischen Zusammen-
hänge erkannten? Sollen wir uns darauf
beschränken, stets nur diejenigen zu
zitieren, deren Lehren sich als nur zeitbe-
dingt und auf falschen Voraussetzungen
aufbauend, erwiesen? So wie wir unser poli-
tisches Urteil an den großen Persönlich-
keiten der Geschichte bilden, so ist es eben-
so notwendig, unser Urteil in volkswirt-
schaftlichen Dingen an den Lehren großer
deutscher Volkswirtschaftslehrer zu schulen.
Ich würde es aber außerordentlich be-
grüßen, wenn sich an dieser wissen-
schaftlichen Gemeinschaftsarbeit
auch das Ausland mit seinen besten
Kräften beteiligte, damit auch der
überstaatliche Gedankenaustausch und die
Vertiefung der Thünenschen Lehre weit-
gehend gefördert werden. Wenn der Kreis
derjenigen, die das Lebenswerk Thünens in
diesem Sinne verstehen, so von Jahr zu
Jahr immer größer und größer wird, und
wenn sich die Gedanken Thünens immer
mehr und. mehr in der Wirtschaftspolitik
Deutschlands und der anderen Völker aus-
breiten, so werden wir in seinem Lebens-
werk ein sehr wesentliches Hilfsmittel und
Werkzeug für die Lösung unserer großen
politischen Nachkriegsaufgabe finden, näm-
lich der Aufgabe, die wirtschaftspolitische
Entwicklung des Großraumes Europa auf
landwirtschaftlichem Gebiet in erfolg-
reicher Weise zu fördern. Damit schaffen
wir dann auch die biologischen Voraus-
setzungen, die das volkliche Leben des
Reiches und alle anderen europäischen Na-
tionen und seine unsterblichen kulturelles
Schöpfungskräfte für alle Zukunft sichern.
— —— = h
i
d
i
l
i
ASMUS PETERSEN:
THÜNENS LEBENSWERK
hünens Lebenswerk ist so umfangreich, daß
die Thünen-Gesellschaft, die eine kritische
Ausgabe des Gesamtwerkes zu veranstalten hat,
Schwierigkeiten haben wird, es in zehn starke
Bände zu bannen“). Man wird also nicht er-
warten können, das gewaltige Lebenswerk in
einer kurzen Abhandlung auch nur andeutungs-
weise skizziert zu finden. Im folgenden soll
deshalb auch nur eine Leistung, die Kreis-
‘ Jehre, herausgehoben werden. Auch diese eine
Leistung wird mit wenigen Strichen in ihrem
ganzen Umfange nicht darzustellen sein. Wohl
aber soll versucht werden, sie so weit zu er-
läutern, daß sie allgemeiner als groß und
aktuell erkannt wird. Auch sollen die übrigen
Leistungen wenigstens erwähnt werden.
Die Kreislehre ist unter dem Namen der
Thünenschen Intensitätstheorie allgemei-
ner bekannt. Nach dieser Auffassung soll
Thünen im ersten Teil seines berühmten Haupt-
werkes „Der Isolierte Staat“ gezeigt haben, daß
sich die Jandwirtschaftliche Produktion in einem
gleichmäßig mit Verkehrsmitteln aufgeschlosse-
nem Lande von überall gleicher Fruchtbarkeit
in konzentrischen Kreisen abnehmender Inten-
sität um den Markt herum anordnet. Diese
Bagatellisierung der Kreislehre zu einer bloßen
Intensitätstheorie hat ihren Grund darin, daß
man sich statt an das Studium des Werkes selbst
mehr an das bekannte Kreisbild im Anhang
hielt. In diesem Kreisbild sind die Unter-
suchungsergebnisse von einem Freunde Thünens
teilweise bildlich dargestellt worden. In der
Mitte einer überall gleich fruchtbaren Ebene
liegt die Stadt, und um sie herum dehnen sich
in dem gleichmäßig mit Verkehrsmitteln auf-
geschlossenen Lande die Kreise wechselnder
Betriebsgestaltung; dem Markt zunächst der
Kreis der freien Wirtschaft, dann die Zone der
Forstwirtschaft, dann die drei Getreidebauzonen
(Fruchtwechsel-, Koppel- und Dreifelderwirt-
schaft) und schließlich die Viehzuchtzone, die
in die unkuftivierte Wildnis übergeht. In diesem
vereinfachten Bilde sinkt allerdings schon die
Intensität nicht durchweg mit der Entfernung
vom Markt, wie es die zu einer Intensitäts-
theorie verkleinerte Kreislehre voraussetzt. Die
extensive Forstwirtschaft in der Nähe des
Marktes fällt total aus dem vorausgesetzten
Schema der abfallenden Intensität heraus. Aber
) Asmus Petersen: „Der Arbeitsplan der Thünen-Gesell-
schaft“, Fischer, Jena 1944. 24 Seiten.
diese eine Ausnahme wurde als hoffentlich
falsch geflissentlich übersehen. Stutzig machen
aber muß eine vervollständigte Wiedergabe des
Kreisbildes, wie ich sie in meiner Jenenser
Antrittsrede (Die fundamentale Standortslehre
Johann Heinrich von Thünens, wie sie als In-
tensitätstheorie mißverstanden wurde, und was
sie wirklich besagt. G.Fischer, Jena 1936) ge-
bracht habe, die auch umstehend ihren Platz
finden möge.
Nach dieser vervollständigten Wiedergabe
der Thünenschen Forschungsergebnisse mit dem
intensiven Handelsgewächsbau und den inten-
siven technischen Nebengewerben in der markt-
fernsten Zone, mit der extensiveren Forstwirt-
schaft in der marktnäheren Zone und der
totalen Umkehrung der vermeintlichen Inten-
sitätsverhältnisse innerhalb der Forstzone kann
die Kennzeichnung der Kreislehre als Inten-
sitätstheorie nicht mehr aufrechterhalten wer-
den. Die Anordnung der landwirtschaftlichen
Produktion um den Markt herum ist eine viel
kompliziertere. Wir müssen also nach dem
wirklichen Inhalt der Kreislehre suchen. Wir
geben eine kurze Skizze im Anschluß an mein
soeben bei Parey, Berlin, erschienenes Buch
„Ihünens Isolierter Staat. Die Landwirtschaft
als Glied der Volkswirtschaft“, in dem die
Kreislehre im getreuen Anschluß an Thünen
Wort um Wort und Zahl um Zahl erläutert und
die Tragweite der gewonnenen Gesetze über-
prüft wird.
Die Kreislehre umschließt nun in der Tat auch
eine Intensitätstheorie. In dem ersten
großen Unterabschnitt des ersten Teils des
Isolierten Staates ($$ 4—18, I, 1826 und 1842)
wird am Beispiel der Koppel- und der Drei-
felderwirtschaft (und hilfsweise auch der Frucht-
wechselwirtschaft) tatsächlich eine Intensitäts-
theorie entwickelt. Bei den höheren Getreide-
preisen in der Nähe des Marktes muß das Ge-
treide in dem intensiveren Getreideerzeugungs-
system der Koppelwirtschaft (oder gar der
Fruchtwechselwirtschaft) gewonnen werden, bei
den niedrigeren Getreidepreisen ferner dem
Markt ist aber das extensive Getreideerzeu-
gungssystem, die Dreifelderwirtschaft, allein am
Platze. Man bezeichnet diesen Teil der Kreis-
lehre, um eine Verwechslung mit der vermeint-
lichen allgemeinen Intensitätstheorie auszu-
schließen, zweckmäßig als spezielle Intensitäts-
theorie. Thünen hat diese spezielle Intensitäts-
255
Die Thünenschen Kreise
C. Die vervollständigte Darstellung
Erste Unterbrechung der Intensitätsreihe
L Kreis: Heu, marktnah und doch extensiv
Zweite Unterbrechung der Intensitätsreihe
II. Kreis: Holz, marktnah und doch extensiv (Bauholz und Holzkohle marktferner als Brennholz und
doch intensiver) l
Dritte Unterbrechung der Intensitätsreihe
VI. Kreis: Die Handelsgewächse marktfern und doch Intensiv (insbesondere Flachs, Tabak, Raps).
Die technischen Nebengewerbe marktfern und doch intensiv (insbesondere Branntwein- und
Zuckerfabrikation).
theorie mit vollem Recht und mit vollem Be-
wußtsein als wirtschaftliche Konsequenz aus
dem Gesetz des abnehmenden Bodenertrags-
zuwachses entwickelt. Nach diesem Funda-
mentalgesetz der Landwirtschaft wird bei einer
bestimmten Intensität, der Mindestintensität, die
für jedes Produkt bei jedem Stande der Technik
spezifisch ist, am billigsten produziert, weil das
Naturalverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag
hier am günstigsten ist. Eine über diese Mindest-
intensität (im isolierten Staat bei der Getreide-
erzeugung über die Dreifelderwirtschaft) hinaus
gesteigerte Mehrintensität (bis zur Koppel- oder
gar Fruchtwechselwirtschaft) ist bei gleich-
bleibender Technik nur bei höheren Preisen
möglich (im isolierten Staat also nur näher dem
Markt).
Das bei steigender Intensität immer ungün-
stiger werdende Naturalverhältnis zwischen
Aufwand und Ertrag muß durch immer günsti-
gere Preis verhältnisse aufgewogen werden.
Diese spezielle Intensitätstheorie gilt für jedes
landwirtschaftliche Erzeugnis. Thünen hat die
Theorie im Rahmen des isolierten Staates ab-
geleitet. Sein Problem war aber nicht nur die
256
Wirkung von Preis unterschieden, die aus der
verschiedenen Entfernung vom Markt er-
wachsen, sondern von Preisunterschieden über-
haupt, sie mögen rühren, woher sie wollen, so
auch aus der verschiedenen Größe und Struktur
des Marktes. In dieser Auffassung bleibt die
spezielle Intensitätstheorie von entscheidender
Bedeutung, auch wo die Lage zum Markt nicht
mehr zu größeren Preis- und Intensitätsunter-
schieden Anlaß gibt. In jedem Wirtschaftsraum
muß zur Versorgung des Volkes mit den not-
wendigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen
eine bestimmte Intensität der Landwirtschaft
eingehalten werden. Mit dem Studium dieser
Intensitäts- und der entsprechenden Preis-
verhältnisse muß man beginnen, wenn man die
Landwirtschaft eines Landes verstehen oder gat
gestalten will. Erwägungen im Sinne der spe-
Zellen Intensitätstheorie müssen dabei obenan
stehen. |
Die spezielle Intensitätstheorie, so richtig Vie
ist und bleibt, bildet aber nur einen Teil der
Kreislehre. Im zweiten Unterabschnitt des ersten
Teils des Isolierten Staates ($$ 19—31, I, 1826
weer /
dy
Ss
und 1842) wird nicht mehr danach gefragt, mit
welcher Intensität ein und dasselbe Erzeugnis
je nach der Lage zum Markt zu erzeugen ist,
sondern wo die verschiedenen Erzeugnisse,
deren die Stadt bedarf, gewonnen werden, ob
näher oder ferner der Stadt. Beantwortet wird
diese Frage durch eine verkehrswirt-
schaftliche Sfandortslehre der Land-
wirtschaftszweige, die keineswegs auf
eine Intensitätstheorie hinausläuft, und die
einen weiteren wesentlichen Teil der Kreislehre
ausmacht. Entscheidend bei der verkehrswirt-
schaftlichen Standortsorientierung ist vor allem
die Transportierbarkeit der Erzeugnisse, die, ab-
gesehen von der Handlichkeit und der Verderb-
lichkeit, von der Höhe- der Flächenerträge
abhängt, wobei unter Flächenertrag bei ver-
arbeiteten Erzeugnissen nicht der rohe, sondern
der veredelte Ertrag, der absetzbare, auf den
Markt gelangende Ertrag, zu verstehen ist. Das
erste Thünensche Standortsgesetz lehrt denn
auch die Anordnung der Landwirt-
schaftszweige um den Markt herum
nach fallenden Flächenerträgen. Land-
wirtschaftszweige hohen Flächenertrages (bei
denen also viel zu transportieren ist) haben
ihren Standort in der Marktnähe. Landwirt-
schaftszweige nigdrigeren Flächenertrages (bei
denen also immer weniger zu transportieren ist)
rücken immer weiter in die Ferne.
Da nun Landwirtschaftszweige hohen Flächen-
ertrages nicht durchweg spezifisch intensiv und
Landwirtschaftszweige niederen Flächenertrages
nicht durchweg spezifisch extensiv sind, sondern
der Natur der Sache nach ein gewisser Wechsel
stattfindet, so ergibt sich mit wachsender Ent-
fernung vom Markt nicht eine stetige Abnahme
der Intensität, sondern eine alternierende im
Sinne Wagemanns und von der Deckens. Aller-
dings spielen bei der endgültigen Anordnung um
den Markt auch noch die wechselnden Produk-
tions- und Verarbeitungskosten mit hinein.
Thünen erfaßt diese Einwirkungen durch ein
zweites Standortsgesetz, das aber im Gegensatz
zum ersten nicht allgemeingültig, sondern zeit-
gebunden ist, nur zu Thünens Zeiten stimmte,
heute aber nicht mehr zutrifft, hier deshalb auch
nicht näher auseinandergesetzt werden soll. All-
gemeingültig aber ist die Zusammenfassung
beider Gesetze zu dem verkehrswirt-
schaftlichen Standortsgesetz der
Landwirtschaftszweige. Thünen gewinnt
es durch die vergleichsweise Summierung der
Standortsformeln, die einen Vergleich der ge-
samten Beschaffungskosten der verschiedenen
landwirtschaftlichen Erzeugnisse bei ihrem Be-
zug aus den verschiedenen Marktlagen zuläßt.
Das sich bei dieser Kostenminimierung er-
gebende Gesetz ist identisch mit dem Grund-
rentenindex Th. Brinkmanns. Durch Einbeziehung
der natürlichen Produktionskostenunterschiede
läßt es sich noch mehr verallgemeinern. Mit
dieser Anordnung der Landwirtschaftszweige ist
ein bestimmtes landwirtschaftliches Preisgefüge
gegeben, das volkswirtschaftlich die Bedarfs-
deckung möglichst gewährleistet, und privat-
wirtschaftlich den Landwirt auf seine Kosten
kommen läßt.
Nach diesen unseren bisherigen Ausführun-
gen über die beiden Bestandteile der Kreislehre
könnte man die Lehre zusammenfassend als die
verkehrswirtschaftliche Betriebsgestaltungslehre
bzw. die verkehrswirtschaftliche Standortslehre
der Landwirtschaft bezeichnen. Im Isolierten
Staat wird tatsächlich gezeigt, welche Richtung
und Intensität der landwirtschattliche Betrieb je
nach der Entiernung vom Markt einschlagen
muß oder, was dasselbe ist, da Standortsiragen
in der Landwirtschaft Betriebsgestaltungsfragen
sind, wo der verkehrswirtschaftliche Standort
der verschiedenen Landwirischaftszweige und
ihrer Intensitäten ist. Aber eine solche Kenn-
zeichnung der Kreislehre, so zutreffend sie ist,
bleibt doch noch an der Oberfläche halten, stellt
immer noch eine Verkleinerung der Thünenschen
Lehre dar. Die Kreislehre ist weit mehr als eine
Standorislehre der Landwirtschaft, die statt der
vermeintlichen Anordnung der Landwirtschaft
um den Markt herum nach fallender Intensität
die wirkliche, viel kompliziertere einwandfrei
lehrt. Nur sieht man das nicht so ohne weiteres.
Vor allem macht Thünen am Eingang sejnes
Werkes nicht darauf aufmerksam. Die Eingangs-
worte über die Voraussetzungen der Unter-
suchung und die Aufgabenstellung lassen in der
Tat eine Standortslehre vermuten, sie bleiben
aber weit hinter dem zurück, was später wirklich
geboten wird. Sie sind nämlich aus einem unfer-
tigen Entwurf von 1818/19 oder sogar aus einer
Jugendskizze aus dem Jahre 1803 stehengeblie-
ben, so daß die späteren Weiterungen dabei
außer acht blieben. Dieser Mangel erklärt sich
aus der Entstehung des Isolierten Staates. Er
wurde 1826 aus verschiedenen Entwürfen zu-
sammengestückelt. Nur an den Entwürfen aber
arbeitete Thünen mit innerer Beteiligung, nicht
aber an der Ausarbeitung für das Publikum.
Nicht nur mit einer verkehrswirtschaltlichen,
sondern mit einer marktwirlschaftlichen Be-
triebsgestaltungslehre haben wir es im Grunde
zu tun. Die Kennzeichnungen Aereboes als Lehre
von den PreisenundPreisverhältnissen
und Backes als Gesetz des Marktes dringen
erst in die Tiefe. Wie ist die Landwirtschaft auf
den Markt hin, auf die Preise hin auszurichten,
das ist das von Thünen durchdachte Problem.
Ja, die Problemstellung greift noch tiefer. Wer
sich die von mir erklärte Standortsformel des
§ 19 des Isolierten Staates erarbeitet, wird stau-
nend feststellen, daß dort nicht nur die Anpas-
sung der Landwirtschaft an irgendeinen Markt,
an irgendwelche Preisverhältnisse, sondern viel-
mehr an sinnvolle Preisverhältnisse, die die
volkswirtschaftliche Bedarfsdeckung möglichst
gewährleisten und den Landwirt auf seine
Kosten kommen lassen, gelehrt wird. Die sinn-
volle Eingliederung der Landwirt-
schaft in den volkswirtschaftlichen
257
Gesamtorganismusist der Inhalt der Kreis-
lehre. „Im Isolierten Staat“, so müßten eigentlich
die Eingangsworte lauten, „liegt in der Mitte die
Stadt, als Verkörperung der Volkswirtschaft, mit
ihrem Bedart an landwirtschaftlichen Erzeug-
nissen, und um sie herum dehnt sich die Land-
wirtschaft, die diesen Bedarf zu decken hat.
Untersucht wird nun, welche landwirtschaft-
lichen Preise und Preisverhältnisse sich aus-
bilden und ausbilden müssen, wenn der Bedarf
der Volkswirtschaft möglichst gedeckt werden
soll, und wie sich die Landwirtschaft diesen
Preisverhältnissen entsprechend in ihrer Pro-
duktion auszurichten hat, um so ihrer volkswirt-
schaftlichen Aufgabe der Nahrungssicherung zu
genügen und gleichzeitig dabei aber auch pri-
vatwirtschaftlich auf ihre Kosten zu kommen.“
Die Kreislehre ist damit ebenso groß wie aktuell.
Wenn es den isolierten Staat nicht gäbe, müßte
man ihn heute konstruieren. So aber brauchen
wir uns die Kreislehre nur zu erarbeiten und im
Sinne unserer Zeit weiter auszubauen, wobei
außer der Nahrungssicherung auch die anderen
Aufgaben des Landvolks gebührend zu berück-
sichtigen sind. Die Kreislehre ist somit „nichts
Geringers als die Grundlage der vom Betriebs-
leiter und der vom Agrarpolitiker durchzufüh-
renden Landwirtschaftsgestaltung.
Das haben die landwirtschaftlichen Betriebs-
lehrer für ihr Fachgebiet auch schon immer er-
kannt. Die Besten unter ihnen haben sich stets
stolz als Thünen-Schüler bezeichnet. J. J. Füh-
ling und A. Kraemer im vorigen Jahrhundert,
Fr. Aereboe und Th. Brinkmann in diesem Jahr-
hundert haben im Anschluß an den Isolierten
Staat gelehrt, wie der Markt die Landwirtschaft
im Zusammenwirken mit den natürlichen und
persönlichen Verhältnissen und den inner-
betrieblichen Notwendigkeiten bei beharrender
und fortschreitender Wirtschaft prägt und die
alte Schablonen- und Rezeptensammlung der
vorwissenschaftlichen Zeit endgültig überwun-
den. Die moderne landwirtschaftliche Betriebs-
lehre ist anerkanntermaßen nichts anderes als
betriebs wirtschaftlich ausgebaute Thünensche
Theorie.
Der agrarpolitische Ausbau steht dagegen
noch in den ersten Anfängen. Wie falsch man
hier noch vor kurzem sah, geht daraus hervor,
‚daß man durch Preis- und Frachtausgleich das
„Gegenteil von Thünens Isoliertem Staat” zu
verwirklichen glaubte, obwohl Fracht- und
Preisausgleich, sofern sie zu einer sinnvolleren
Eingliederung der Landwirtschaft in den volks-
wirtschaftlichen Gesamtorganismus führen (was
allerdings nicht durch Behauptungen, sondern
nur durch Untersuchungen erwiesen werden
kann), selbstverständlich im Sinne der Thünen-
- schen Eingliederungslehre liegen. Heute können
wir dagegen mit aller Macht an die Arbeit
gehen. Der Leiter unserer Agrarpolitik, Reichs-
minister Backe, hat wie kein zweiter die Bedeu-
tung Thünens für die heutige Zeit erkannt und
die von ihm ins Leben gerufene Thünen-Gesell-
258
KL
schaft ausdrücklich mit dem agrarpolitischen
Ausbau der Eingliederungslehre betraut.
Wenn man das gewaltige Lebenswerk J. H.
von Thünens überblickt, kommt man immer
wieder in Zweifel, welche Lehre man als die
bedeutendste zu bezeichnen hat. Thünen selbst
hat sich die Jap | als Grabsteininschrift ge-
wählt und damit zum Ausdruck gebracht, dad
er den Untersuchungen über den natur-
gemäßen Arbeitslohn den Vorrang vor
der Kreislehre gibt. Ob diese Auffassung haltbar
ist, wird erst entschieden werden können, wenn
die 1000 Seiten Entwürfe zur Pap! die weit über
das veröffentlichte Bruchstück hinausreichen,
erarbeitet worden sind. Groß sind Thünens
Leistungen auf dem Gebiete der Landwirtschaft,
lichen Buchführung, und ebenso groß ist Thünen
als landwirtschaftlicher Taxator. Auf beiden
Gebieten wurde er nicht nur zu seinen Lebzeiten
. gehört, sondern er wirkt hier noch in die Gegen-
wart und in die Zukunft hinein. Schließlich hat
man heute erkannt, daß sogar die umfang-
reichen statischen Untersuchungen über Erhal-
tung und Hebung der Bodenfruchtbarkeit von
größtem öffentlichem Interesse sind. Sie sind
zwar als solche überholt, weil sie auf der Grund-
lage der alten Humustheorie durchgeführt wor-
den sind, aber die sorgfältigen Aufzeichnungen
über Düngung und Ertrag liefern zusammen mit
dem sonstigen Tellower Buchführungsmaterial
den lange gesuchten Einblick in den tatsäch-
lichen Ertragsverlauf eines wirklichen Gutes
unter dem Einfluß der wechselnden Wirtschafts-
weisen der letzten 150 Jahre. Auch methodisch
wird man von den alten Statikern lernen kön-
nen. Nur die von den alten Statikern geübte
Messung des statischen Gleichgewichts an Hand
der Ertrags- und Bewirtschaftungserfahrungen
des praktischen Einzelbetriebes wird uns davor
bewahren können, daß es wieder einmal unter
dem Einfluß neuer unzulänglicher Theorien zur
Verwerfung des statischen Gleichgewichts zu-
gunsten des geschäftlichen kommen wird. Die
Volkswirte wieder sehen in Thünen vor allem
den Meister der isolierenden Methode und den
theoretischen Bahnbrecher, der die Analyse mit
Hilfe des Grenzbegriffs eingeführt hat. Andere
wieder verehren in Thünen in erster Linie den
feinsinnigen Schriftsteller. „Seine Briefe“, so hat
man mit Recht gesagt, „gehören zu den schön-
sten Dokumenten inniger Liebe zu Volk und
Nation, die je ein deutscher Geistesheld schrieb.”
Die zeitgenössischen mecklenburgischen Land-
wirte aber kannten ihn hauptsächlich als tüch-
tigen, erfolgreichen, praktischen Landwirt, der
die Distriktsversammlungen des Mecklenbur-
gischen Patriotischen Vereins zu Teterow und
die Hauptversammlungen durch seine auf dem
Tellower Buchführungsmaterial fußenden Stel-
lungnahmen zu den brennenden Tagesfragen
belebte und dem man 1850 nachrief, daß mit
ihm nicht nur das älteste Mitglied des Vereins
dahingegangen sei, sondern sein Ruhm und
seine Größe,
vr
AWERNERSCHUTTAUF:
Siedlungsballung und Arbeitsproduktivität
`
De Frage „Welche Arbeitsleistung ist produk-
tiv?“ ist schon häufig erörtert worden. Erst
vor kurzem haben Muthesius!) und Melle?)
zu diesem Problem wieder einmal Stellung ge-
nommen. Beide Autoren haben das Thema in
sehr aufschlußreicher Weise vornehmlich vom
betriebswirtschaftlichen Standpunkt erörtert.
Man ist sich heute vollauf darüber im klaren,
daß nicht nur die unmittelbare Gütererzeugung
der Landwirtschaft und Industrie „produktiv“
ist, sondern auch die mittelbare Güterverteilung
von Handel und Verkehr und die Güterverwal-
tung und Güterordnung der „Öffentlichen
Dienste“. Wenn auch die Produktivität sämt-
licher Wirtschaftsabteilungen unbestritten ist,
so erscheint es vom volkswirtschaftlichen
Standpunkt trotzdem nicht gleichgültig, wie
sich die Größenordnungen der einzelnen oben-
genannten Wirtschaftsabteilungen in einer
Volkswirtschaft zueinander verhalten. Ja, es
will uns scheinen, als wollte diese Frage in den
kommenden Jahren steigende Bedeutung er-
langen.
In der Gliederung der deutschen Bevölkerung
nach Wirtschaftsabteilungen haben sich nach
Angaben des Statistischen Reichsamtes in der
Zeit von 1882 bis 1939 bemerkenswerte Wand-
lungen vollzogen, die insbesondere in den
letzten Jahren Gegenstand lebhafter Erläute-
rungen gewesen sind:
Gliederung des deutschen Volkes nach Wirt-
schaftsabteilungen 1882 und 1939 (Altreich)
Berufszugehörige (= Erwerbs-
personen einschließlich ihrer
Angehörigen) in v.H.
. 1882 1939
1. Land- und Forstwirtschaft 40,4 18,2
2. Industrie und Handwerk 37,3 40,9
1 und 2 zusammen 77,7 59,1
3. Handel und Verkehr .......... 9,8 15,8
4. Offentliche und private Dienste 4,0 10,1
3 und A zusammen 13,8 25,9
5. Häusliche Dienste 3.8 2.0
6. Selbständige Berufslose ...... 4.7 13.0
5 und 6 zusemmen 8.5 15,0
1 bis 6 zusemmen 100,0 100,0
Absolut in Millionen Menschen 39,4 67,4
Von der Gesamtbevölkerung des Altreichs
waren 1882 noch 77,7 v.H. Berufszugehörige der
schaft, Industrie und Handwerk, im Jahre 1939
dagegen nur noch 59,1 v. H. Dafür hat sich der
Anteil der Wirtschaftsabteilungen Handel und
Verkehr und Öffentliche und private Dienste im
gleichen Zeitraum von 13,8 v.H. auf 25,9 v.H.
nahezu verdoppelt. Der Anteil der Wirtschafts-
abteilung Hausdienste hat sich halbiert. Beson-
dere Beachtung verdient der von 4,7 v. H. auf
13,0 v. H. vermehrfachte Anteil der Wirtschafts-
abteilung Berufslose Selbständige (Überalte-
rung). Abgesehen von dem kleinen Anteil der
Wirtschaftsabteilung Hausdienste fällt der
starke Anteilsrückgang der Landwirtschaft von
40,4 v. H. im Jahre 1882 auf nur noch 182 v. H.
im Jahre 1939 ins Auge. Der Anteil der Wirt-
schaftsabteilung Handel und Verkehr (Güter-
verteilung) hat sich dagegen fast verdoppelt und
der Anteil der Wirtschaftsabteilung Offentliche `
Dienste (Güter verwaltung) verzweieinhalbfacht.
Wenn man das Ausmaß der Bevölkerungs-
vermehrung und der zunehmenden Siedlungs-
dichte des Altreichs vergleicht mit dem Ausmaß
der Strukturwandlungen der Berufsgliederung,
dann kann man feststellen, daß Bevölkerung
und Siedlungsdichte im Zeitraum von 1882 bis
1939 um 68 v.H. zugenommen haben, während
der Anteil der Wirtschaftsabteilungen Handel,
Verkehr, Offentliche Dienste (Güterverteilung
und Güterverwaltung) in der gleichen Zeit um
87 v.H. und der Anteil der Wirtschaftsabtei-
lungen Hausdienste und Berufslose Selbständige
um 78 v.H. gestiegen ist. Insgesamt hat der
Anteil der Wirtschaftsabteilungen 3 bis 6 um
83 v.H. zugenommen. Gemessen am Ausmaß
der Bevölkerungsvermehrung und zunehmenden
Siedlungsdichte hat sich demnach die Verlage-
rung auf die Wirtschaftsabteilungen 3 bis 6
nicht proportional, sondern progressiv voll-
zogen. Wenn man die Wirtschaftsabteilung
Hausdienste ausklammert, dann ergibt sich für
die Wirtschaftsabteilungen Handel und Verkehr,
Offentliche Dienste und Berufslose Selbständige
sogar ein anteilsmäßiger Zuwachs um 110 v.H.
gegenüber einer Zunahme der Siedlungsdichte
um 68 v.H. Diese relative Progression bei der
Verlagerung der Berufe im Zuge steigender
unmittelbaren Gütererzeugung in Landwirt- Siedlungsdichte verdient zweifellos grundsätz-
1) Vgl. den Aufsatz: „Was heißt produktiv?” „Deutsche
Allgemeine Zeitung" Nr. 29 vom 30. Januar 1944.
t) Vgl. den Aufsatz: „Produktiv und unproduktiv?“
„Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 41 vom 11. Februar 1844.
liche Beachtung.
Da die Siedlungsdichte im volkswirtschaft-
lichen Durchschnitt nur eine rechnerische Größe
259
im vielfältig gegliederten nationalen Wirt-
schaftsraum ist, erscheint es zweckmäßig, die
Anteile der Wirtschaftsabteilungen auch in den
einzelnen größeren Verwaltungseinheiten des
Reiches zu betrachten. Hier zeigen die beiden
nachfolgenden Übersichten sowohl für die Be-
rufszugehörigen insgesamt (Erwerbspersonen
mit Angehörigen) wie für die Erwerbspersonen
allein (ohne Angehörige), daß der Anteil der
Wirtschaftsabteilungen Landwirtschaft und Indu-
strie (unmittelbare Gütererzeugung) in den
Teilräumen mit besonders starker Siedlungs-
ballung (Berlin, Hamburg, Bremen, Wien) be-
sonders niedrig ist. In den Zentren mit starker
Siedlungsballung findet eine an der zugenom-
menen Siedlungsdichte gemessene progressive
Verlagerung der Berufe von der unmittelbaren
Gütererzeugung zur mittelbaren Güterverteilung
und Güterverwaltung statt. Diese Verlagerung
der Berufsstruktur in den Großstädten und Mil-
lionenstädten ist zweifellos in gewissen Aus-
maßen erforderlich und richtig. Die Millionen-
städte vereinigen in sich auch Organe der
Verwaltung und Güterverteilung, die weit über
den normalen Aufgabenkreis der eigentlichen
Stadt hinausgehen. Das gilt z.B. für Berlin als
Reichshauptstadt, für Hamburg und Bremen als
Welthäfen und ebenso für Wien als Verbin-
dungszentrale zum Südosten Europas. Das Aus-
maß dieser Berufsverlagerung sollte sich jedoch
Gliederung der ständigen Bevölkerung nach Wirtschaftsabteillungen 1939 in 1000 und v. H.
) l |
Stadt ern een 432 28 0,6 . 1 1 073 23 671 | 16 104 | 2
Ostpreussen LOS ECHT e 2 413 881 | 37 580 | 24 1 461 | 61 306 | 13 280 12 47 |2
Provinz Mark Brandenbu 2912 666 | 23 1 061 | 37 1 727 | 60 401 | 14 323 | 11 57 |2
Provinz Pommern 2 330 189 | 34 594 | 27 1 383 | 60 329 | 14 264 | 11 48 |2
Provinz Schles fen 4788 1 071 | 23 1 795 | 38 2 866 | 61 671 | 14 441 | 9 100 | 2
Provinz Sachg en 3 549 636 | 18 1 548 | 44 2184| 62 522| 15 318 9 67 2
Provinz Schleswig-Holstein..... 1 538 320 | 21 491 | 33 811 | 54 248 | 16 239 | 16 37 | 2
Provinz Hannover 3 406 213 | 26 1144 | 34 2 057 | 60 545 | 16 337 |10 67 | 2
Provinz Westfalen 5 146 585 | 11 2 103 | 53 3 288 64 691 | 13 400 8 112 |2
Provinz Hessen-Nassau 2 632 483 | 18 1 041 | 40 1 524 | 58 431 | 17 266 | 10 51 2
RHeINDIOVINE.. ds gu A ah nee 7 827 824113827 49] 4651|60| 130817] 677 | 9] 1802
Land ProB naio asia aan 40 941 7232| 17] 16587|41 2381958 6536 161 4227 | 10 874 | 2
Land Bet SE R as ga? 8 050 2 187 | 27 2 910 | 36 5 097 | 63 1 090 | 14 755 9 142 | 2
La SACHSEN, en dg a 5 185 388| 7 2 65251 3 040 | 58 807 | 16 450 | 9 89 | 2
Land Württemden gs 2 851 662 23 1 259 43 1 921 | 66 347 12 241 | 8 56 2
Land en 91 2 457 546 22 989 39 1 535 | 61 359 | 14 241 | 9 50 2
Land Thüringen. sure éch, 293 | 17 824 48 1 117 | 65 212| 12 150 | H 29 2
Lan Hessen sa nee 1 445 280 | 20 620 | A4 900 | 64 201 | 14 133 | 10 23 | 2
Hansestadt Hamburg 1 698 29| 2 609 | 35 638 | 37 575 | 34 198 |12 42 2
Land Mecklenburg 876 279 | 31 242 27 521 | 58 122| 14 103 | 11 22 2
Land Oldene um 555 15442 140 | 26 294 54 80 | 15 121 | 22 10 2
Land Braunschweig 569 91615 247 41 338 | 56 85 14 56 | a 12 | 2
Rm BOTEN. a Versace 445 92 196 49 205 | 51 129 | 32 45 |11 11 3
n ee 420 54 14 213 | 54 267 | 68 51 | 13 38 | 10 9 |2
Adept 183 35 18 80 40 115 | 58 21111 17 8 4 | 2
Land Schaumburg-Lippe....... 52 10 | 20 21 | 42 31 | 62 7/14 — 8 112
Sanrland „11 823 58 7 436 55 492 | 62 121 | 15 70 9 14 | 2
Reichsgau Wilen 1912 39 2 71037 749 39 420 | 22 243 | 13 47 | 2
Reichsgau Niederdonau ........ 1 671 700 41 483 28 118369 153 9 110 6 221
Reichsgau Ober donau 1018 381 | 38 309 | 31 690 | 69 105 | 11 68 7 16 | 2
Reichsgau Salzburg 254 7831 69 28 147 59 41116 23 9 G 2
Reichsgau Steiermark 1 107 450 41 314 | 28 164 | 69 108 | 10 70 6 20 2
Reichsgau Rärnten 439 169 42 122 | 30 291 |7 49 | 12 33 8 912
Reichsgau Tirol 323 104 34 90 30 194 | 64 49| 16 32 |11 112
Verwaltungsbezirk Vorarlberg .. 155 42| 24 343 105 | 67 20 | 13 12 | 8 3 |2
Reichsgau Sudetenland ........ 2 920 599 | 21 44 1 885 | 65 367 | 13 207 7 40 1
Deutsches REER aa fetegessge 78 072 | 14 880| 19 | 31 483 40 | 46 363591 12 125 16 | 7656 |10 2
260
I. II. III. IV. V.
Land- und | Industrie- I und II Handel | Öffentliche | Häusliche
Ins- Forst- wirtschaft | zusammen und und private Dienste
gesamt | wirtschaft und Verkehr Dienste
Handwerk
1000 % 1000 | % 1000 | e
* `
\
i |
4
in proportionalen Größenordnungen und nicht |
in progressiven Größenordnungen vollziehen.
Wir sind weit davon entfernt, die nicht unmittel-
bar Güter erzeugenden Wirtschaftsabteilungen
wie Handel und Verkehr als unproduktiv zu be-
zeichnen. Ebenso wie man Muthesius und Melle
vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt zu-
stimmen muß, wenn sie feststellen, daß in der
Fabrik nicht nur der das Gut formende oder.
herstellende Facharbeiter produktiv ist, sondern
auch der Erfinder, der Konstrukteur, der
Pförtner usw.
Mit diesen Ausführungen sollten nicht die
Erörterungen der oben genannten Autoren
kritisiert werden, vielmehr ging es darum, sie
vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus zu
ergänzen. Diese. Betrachtungen waren auch des-
halb notwendig, weil man hier und da noch
Vorstellungen antrifft, die die hier dargelegten
Untersuchungsergebnisse nicht berücksichtigen.
Wenn es richtig ist, daß die zunehmende Sied-
lungsdichte eine, gemessen am Siedlungszu-
wachs, überproportionale und sogar progressive
Zunahme der Wirtschaftsabteilungen Handel,
Verkehr und öffentliche Dienste mit sich bringt,
und unsere Berechnungen deuten darauf kin,
dann kann es für uns niemals wünschenswert
sein, daß sich in Deutschland anomale Siedlungs-
ballungen herausbilden.Denn dieDinge reiben sich
im dichtgefüllten Raum viel mehr als im schwach
besiedelten Raum. Deshalb ruft der dichtbesie-
delte Raum in überproportionalen Ausmaßen
Verteilungs- und Ordnungskräfte auf den Plan.
Das ist ganz klar. So betrachtet, sind die Mil-
lionenstädte „unproduktiver‘ als ein harmonisch
gegliederter Raum. Gemessen an der Tragkraft
des deutschen Wirtschaftskörpers dürfte in
Deutschland eigentlich keine Stadt mehr als
zwei Millionen Einwohner haben. Die übermäßige
Großstadt-Ballung ist aus politischen, wirtschaft-
lichen, sozialen, technischen, kulturellen und
volksbiologischen Gründen abzulehnen. Der
deutsche Raum ist im Gegensatz zu Frankreich
2. B. seither vielgestaltig. Wir haben neben
Berlin andere Mittelpunkte, wie Wien, Ham-
burg, München, Leipzig, Dresden, Breslau usw.
Je mehr in einem Lande Siedlungszentren
auf Kosten des gegliederten Raumes ent-
stehen, um so schwächer wird die Kraft
des Wirtschaftskörpers, die Großstädte zu
tragen, eben weil die Siedlungsballung eine
überproportionale und sogar progressive Ver-
schiebung in der Gliederung der volkswirt-
schaftiichen Arbeitsproduktivität nach sich
zieht. Diese Frage gewinnt in Zukunft im Rah-
men des Wiederaufbaus der deutschen Volks-
wirtschaft sicherlich besondere Bedeutung.
Dieser Aufbau wird sich im sinnvoll geglieder-
ten Wirtschaftsraum mit ausgewogenen Propor-
tionen der Berufsgliederung zweifellos reihungs-
loser und nicht zuletzt auch billiger vollziehen
als in einem Wirtschaftsraum mit ständiger
Landflucht und Stadtsucht. Denn woher sollten
solche Ballungszentren wohl die Menschen neh-
men als vom Lande? Aus eigener biologischer
Kraft könnte sie das doch wohl nicht! Man kann
Berlin nicht ohne weiteres vergleichen mit
London oder New York. Die Kraft der eng-
lischen Volkswirtschaft reicht bei weitem nicht
aus, die 8-Millionenstadt London zu tragen.
London wird vom britischen Weltreich getragen,
das ein Viertel der festen Erdoberfläche umfaßt.
New York wird mit seinen 11 Millionen Ein-
wohnern vom amerikanischen Großraum getra-
gen. Aber selbst für dieses Polster sind diese
Riesenstädte zu schwer und ein ständiger Ge-
fahrenherd für die Kraftentfaltung dieser Völker.
Wir brauchen in der kommenden deutschen
Friedenswirtschaft die Ordnung der raumrichtig
gegliederten Leistung. In der Großstadt erfolgt
ein übermäßiger Kräfteentzug für die Ordnung
der Masse. Wenn wir eine solche Entwick-
lung wollen, dann müssen wir damit rechnen,
daß wir ärmer werden und daß ein noch
steileres Wirtschafts- und Zivilisationsgefälle
zwischen Großstadt und Land entsteht als bis-
her. Dieses Gefälle ist schon jetzt zu steil.
Ein Reich kann nur dann gesund und kräftig sein,
wenn es als Träger ein starkes Bauerntum und ein
, kräftiges Soldatentum hat. Pflug und Schwert gehören
seit Jahrhunderten zusammen und sind auch heute
noch nicht zu trennen. Die Geschichte hat immer
wieder bewiesen, daß, wer den Pflug zu führen weiß,
auch mit dem Schwerte umgehen kann. Menschen,
die die fundamentale Bedeutung des Bauerntums
nicht erkennen oder nicht erkennen wollen, haben
den heutigen Staat noch nicht verstanden. Ich selbst
bin Soldat und bin und bleibe Bauer!
Heinrich Himmler
261
JAQUES GROENEVELD:
VOM JUNGHALTEN DES
BAUERNFÜHRERKORPS
D: gewaltige Erfolg bäuerlichen Tatwillens
liegt im reibungslosen Ablauf der deutschen
Ernährungswirtschaft klar vor aller Augen.
Die Führung durch Bauernführer, die selbst im
landwirtschaftlichen Beruf stehen und auf ihrem
Hof die Anordnungen durchführen müssen, die
sie erlassen und die sıe propagieren, hat sich
ebenso bewährt, wie das Selbstverwaltungs-
system. Diese Methode stellt jedenfalls einen
bimmelweiten Fortschritt dar gegenüber dem
Stralprinzip, mit dem während des Weltkrieges
versucht wurde, die landwirtschaftliche Er-
zeugung und Ablieferung zu „regeln“.
Für die Zukunftsarbeit wird es allerdings
notwendig sein, den Reichsnährstand und seine
Führung durch möglichst enge Bindung an die
Trägerin der Menschenführung, die NSDAP,
über das Reichsamt für das Landvolk zu stär-
ken. Andererseits gilt es, unter denkbarster
Vereinfachung, mit geringstem organisatorischem
Aufwand und in weitgehender Dezentralisierung
die Führung und die Verwaltung des Agrar-
sektors so zu gestalten, daß die Bauernführer
wie vor der Machtübernahme zu Sturmführern
des Bauerntums werden, die mit kühnem, re-
volutionärem Tatwillen Probleme aufgreifen
und zur Lösung bringen. Dies zu betonen scheint
mir jetzt besonders notwendig, da durch die
Dezentralisierung die Berufung der Ortsbauern-
führer den Kreisbauernführern übertragen ist,
diese also die Verantwortung für die Qualität
.des unteren Bauernführerkorps tragen. An
ihnen liegt es, sich frische und wendige Orts-
bauernführer heranzuziehen, damit die Führer-
schaft jung bleibt. Sie wird nämlich nur so
lange jung bleiben, wie wir sie jung halten.
Jung halten werden wir aber das Führerkorps,
wenn wir uns vor jedem Vorschlag zu einer
Neuberufung darüber klarwerden, daß der zu
Berufende
neben absoluter weltanschaulicher Klarheit
und Festigkeit,
neben angeborener Führerqualität, Finger-
spitzengefühl, Einfühlungs- und Anpassungs-
vermögen,
neben selbstbewußtem und sicherem Auf-
treten l
262
einwandfreien Charakters ist,
über ein überdurchschnittliches Können ver-
fügt,
durch eigene Leistung sich Ansehen erworben
hat,
daß er aber auch
neben der Kenntnis vom Wollen, den Grund-
lagen und den Gesetzen der Agrarpolitik
und der Agrarwirtschaft,
neben einer rechten Art, Menschen zu führen
und Menschen zu leiten,
den notwendigen revolutionären Schwung
hat.
Wir brauchen als Bauernführer Männer, die
anpacken, zugreifen und schnelle, von büro-
kratischen Hemmungen freie Entscheidungen
fällen. Wir brauchen Mitarbeiter, die nicht nach
Paragraphen suchen, notwendige Maßnahmen
unmöglich zu machen, sondern die stets ver-
suchen, für Notwendigkeiten die erforderliche
gesetzliche Grundlage zu finden, soweit es
dieser Grundlage überhaupt bedarf und der
Anspruch nicht aus allgemein-rechtlichem
Empfinden heraus führungsmäßig durchgesetzt
werden kann.
Bei Beachtung dieser Forderungen an unseren
Führernachwuchs werden wir immer ein inner-
lich junges Führerkorps haben, selbst dann,
wenn einzelne Bauernführer in einem höheren
Lebensalter stehen. Wir entsprechen damit in
unserem Bereich auch der Forderung des
Führers für sein politisches Führerkorps: „Wer
jung bleiben will, muß junge Mitarbeiter um
sich haben!” Diese Einstellung ist für das Jung-
bleiben der. Führerschaft ungleich wichtiger
als das Klammern an eine bestimmte Alters-
grenze. Gewiß soll die Stellung des Bauern-
führers keine Altersversorgung für ältere
Bauern sein, aber das Ungesunde, das besonders
auch in den sog. Vorgängerorganisationen in
Erscheinung trat, war nicht das hohe Alter
einzelner, sondern: das hohe Durchschnittsalter,
das Zeichen der Durchsetzung der gesamten
Leitung mit innerlich alten Menschen.
x
Betrachte ich daraufhin die Führerschaft der
Kreisbauernschaften meiner Landesbauernschaft,
so stelle ich fest, daß
unter 25 Jahren kein
von 26—35 S 9
„ 36—45 8 28
„ 46—55 1 35
über 56 i 9
Bauernführer im Dienst stehen. Gemessen am
Durchschnittsalter in den Vorgängerorgani-
sationen wird niemand bestreiten können, daß
das Durchschnittsalter hier erheblich niedriger
liegt. Gemessen aber an der Forderung eines
jungen, frischen Nachwuchses, liegt das Durch-
schnittsalter doch schon sehr hoch. Neben der
Kampfgeneration, also der, die den Weltkrieg
kämpfend miterlebte, die Systemnot in der
eigenen Wirtschaft kennenlernte und durch
aktiven Kampf in die Aufgaben hineingewach-
sen ist, ist die junge Generation, das sind die,
die Weltkrieg und Systemzeit nur durch Er-
nährungs- und sonstige Mängel in Erinnerung
haben, die aber Kampfzeit, nationalsozialistische
Revolution und die Zeit des Aufbruchs in HJ.
und Partei erlebten, die im aktiven Kriegs-
erleben der Gegenwart stehen und die durch
Bauernschulbesuch bewußt zu Führungsauf-
gaben erzogen sind, sehr schwach vertreten.
Wichtiger als die Abberufung mit 55 Jahren
wird also für das Junghalten der Führerschaft
sein, das Berufungsalter möglichst niedrig zu
halten, um dadurch zu garantieren, daß Bauern,
die mit ihrem ganzen Denken und Tun in der
Gegenwart und nicht in der Vergangenheit
verwurzelt sind, an die Führung gelangen.
Um aber immer genügend Führerreserve zu
haben, wird es vielleicht notwendig sein, für
die Reichsnährstandsmitglieder die Pflicht zur
Annahme von Ehrenämtern festzulegen, wie
z.B. beim Amt des Schöffen, Waısenrats, Bür-
germeisters. Man erlebt doch sehr oft, daß
Menschen, die sich erst mit Händen und Füßen
gegen ein Amt sträuben, nach der Verpflich-
tung dieses vorbildlich führen. Die Abberufung
mit 55 Jahren ist bei dem gewaltigen Kräftebedarf
sowieso nicht mehr vertretbar, auch dann nicht,
wenn diese Altbauernführer zuanderen Aufgaben
als Bauernrichter, im Genossenschaftssektor, in
den Deich- und Sielverbänden, Zuchtverbänden
usw, herangezogen werden. Wie rüstig diese
„Alten“ noch sein können, kann jetzt fest-
gestellt werden, da sie sich in anerkennens-
werter Weise zur Verfügung gestellt haben,
um die Jüngeren zu vertreten, die zur Fahne
einberufen sind. Der besondere Dank, den wir
diesen Alten schulden, darf uns aber nicht von
unserer grundsätzlichen Forderung eines jungen
Führerkorps entfernen. Ich glaube, daß die
oben erwähnten Aufgaben auch dem Altbauern-
führer Befriedigung geben werden, der sich auf
seinem Hof sowieso kaum mehr voll auswirken
kann, da es normalerweise doch so sein wird,
daß der Anerbe in dem Alter ist, da er, wo
er den Hof wegen der ehrenamtlichen Bean-
spruchung seines Vaters schon mehr oder
weniger selbständig geführt hat, es ungern
sieht, wenn der „Alte“ nun selbst die Leitung
wieder übernimmt.
Zum Schluß müssen wir noch folgendes be-
achten: Nicht nur der Krieg mit seinen ge-
waltigen Mehraufgaben ernährungswirtschaft-
licher Art, sondern auch die Nachkriegszeit
wird vor allem mit der Ost- und Umsiedlung
die Arbeitskraft besonders der Kreis- und
Ortsbauernführer derart in Anspruch nehmen,
daß die Aufwandsentschädigung nur ein kleines
Entgelt für das Opfer an Zeit, Kraft und Geld
darstellen kann. Wie in der ehrenamtlichen
Tätigkeit in Partei und Staat wird auch der
Reichsnährstand diese Opfer fordern müssen.
Wollen wir aber eine nicht nur junge, sondern
überhaupt eine tüchtige Führerschaft halten, so
werden wir nicht umhin können, den Bauern-
führern einen gewissen Sozial- und Kündigungs-
schutz zu geben, der zB. bei unverschuldeter
Abberufung ein Uberleitungsgeld vorsieht, um
es dem Betreffenden zu ermöglichen, durch ihn
getätigte Verpflichtungen, wie Einstellung
einer Ersatzkraft, Zwischenverpachtungen usw.,
abzuwickeln. Auch die Altersversorgung, etwa
durch Abschluß einer Lebensversicherung, für
die nicht durch einen Erbhof sichergestellten
Bauernführer — es werden in Zukunft nur sehr
wenige Ausnahmen sein — muß ermöglicht
werden.
Die Erfüllung dieser Forderungen ist um so
dringlicher, als sonst sehr leicht die Auswahl
der Bauernführer sich, vielleicht unbewußt,
nach der Seite der größten Höfe verschieben
würde und Bauern, die in mittelbäuerlichen
Verhältnissen leben, sich aber doch ein um-
fassendes Können und ein überragendes
Wissen angeeignet haben, und die oft die
Schwierigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse
besonders gut beurteilen können, sich zurück-
ziehen müßten. Dadurch würde eine weitere
Verengung der an sich schon ziemlich knappen
Auslese der Bauernführer eintreten, denn die
Bauern, die als Aktivisten anzusprechen sind,
sind ja nicht nur in unserem Unterführerkorps,
sondern zum großen Teil auch in andere Auf-
gaben, wie Ortsgruppenleiter, Bürgermeister
usw. eingespannt. Die Auswahl ist also so-
wieso nur klein.
Der Erfolg unserer Zukunftsarbeit wird da-
von abhängen, ob wir ein junges, frisches `
Führerkorps halten. Sorgen wir dafür, daß
jüngere Männer in die Bauermführung berufen
werden, die nach dem bekannten Schlieffen-
Wort mehr sind als sie scheinen, die wissen,
daß wichtiger als die äußere, die innere Bügel-
falte ist, nämlich die Haltung und das Vorbild,
das sie in Leistung und Opfer ıhren Bauern
bringen, die bereit sind, in der geraden, sau-
beren Haltung zu leben, zu der der Führer
uns erzogen hat.
263
KARL ALBACH:
1.
Zweierlei Erzeugungsschlacht
und Ernährungswirtschaft
RK
`
ie Leistungen des deutschen Bauerntums
sind unbestritten. Selbst unter den widrig-
sten Bedingungen während des Zusammenbruths
des kapitalistischen Zeitalters hat es die Erzeu-
gung hochgehalten und sie danach in Befolgung
der nationalsozialistischen Parolen von Jahr zu
Jahr gesteigert, dergestalt, daß wir, von der
nicht ganz zu schließenden Fettlücke abgesehen,
in allem autark d. h. unabhängig von fremden
Mächten geworden sind. Im Kriege mit seinen
arbeitseinsatzmäßigen Erschwernissen, der aus
diesen Gründen auch die mineralischen Dün-
germittel knapper werden ließ und den Ma-
schineneinsatz nicht begünstigte, wurde die
landwirtschaftliche Erzeugung, wenn wir von
den durch die Witterung bedingten Schwan-
kungen absehen, trotzdem auf ihrer Höhe ge-
halten. Von der Erzeugerseite aus ist demnach
alles geschehen, um dem herannahenden Krieg
ernährungspolitisch unter allen Umständen mit
Erfolg zu begegnen. Wir wissen aber, daß es
mit der Erzeugung von Nahrungsmitteln ‚allein
nicht getan ist. Sie müssen dann auch an den
Verbraucher herangebracht werden, was eine
vielfältige und darum schwierige, aber auch zu-
meist eine langwierige Transportaufgabe ist,
wenn wir den Weg vom Felde des Bauern, zumal
mit der Unterbrechung des Drusches, sowie den
Stationen der Be- und Verarbeitung bis zur
Küche des Verbrauchers ins Auge fassen. Der
Transport von Gemüse, Kartoffeln, Obst usw.
ist außerdem noch wesentlich von der Witterung
abhängig, wenn sie nicht dem Verderb anheim-
fallen sollen.
Alle Nahrungsgüler sind aber mehr oder we-
niger dem Verderb ausgesetzt. Ihn zu vermeiden
ist höchste Pflicht und dringendes Gebot. Nicht
etwa allein, weil wir ein großes Volk auf engem
Raum sind, auch die europäische Völkerſamilie
lebt in ihrem Gesamtraum unter wesentlich
gleichen Bedingungen, und wir können somit auf
nichts, was dem Boden durch Bauernfleiß ab-
gerungen worden ist, verzichten. Bäuerlicher
Gesinnung entspricht es viel mehr, das Brot, den
Urbegriff der Nahrung, als Gottesgabe zu be-
trachten, die man pfleglich behandeln muß und
nicht umkommen lassen darf. Sie stimmt auch
mit unserer neuesten volkswirlschaftlichen Er-
kenntnis überein, die besagt, daß die Wirtschaft
ihren höchsten Wirkungsgrad nur dann zu er-
264
reichen vermag, wenn der Stoffkreislauſ ge-
schlossen ist, d. h. in ihr nichts umkommt,
vielmehr auch das scheinbar Wertlose gesam-
melt und durch Umwertung wieder von neuem
in den Dienst der Menschen gestellt wird. Das
Gesetz von der Erhaltung der Kralt, wie es die
organische Welt dokumentiert, muß auch im
anorganischen Leben seine Erfüllung änden.
Wenn wir von diesem Blickwinkel aus die
Aufgaben unserer Volkswirtschaft und insonder-
heit diejenigen unserer Ernährungswirtschaft
betrachten, die weit über das Betätigungsfeld
des Bauern hinausreichen, so müssen wir wohl
bekennen, daß zumindest in der Vergangenheit
große Versäumnisse vorliegen oder Unterlas-
sungssünden begangen worden sind. Ursächlich
hängt das mit der Vernachlässigung des Landes
und des Bauern zusammen, was dem Kapitalis-
mus zur Last fällt. Dort, wo die Transportaufgabe
in Wechselbeziehung die umfänglichste und
auch in Ansehung verderblicher Witterungs-
einflüsse die wichtigste ist, nämlich auf dem
Land, fehlen uns die geeigneten Wege bzw. ihr
Zustand trägt dieser Bedeutung nicht Rechnung.
Ist aber der Erntesegen des Feldes trotzdem
geborgen, so entsteht die Frage, ob er erhalten
werden kann und nicht dem Verderb verfällt,
denn von einer sachgemäßen Lagerung auf
unseren Bauernhöfen kann wohl überwiegend
nicht die Rede sein. Gerade aufdemLande
fehlen uns moderne Lagerhäuser und
Speicher, nicht nur für Getreide, sondern
auch für Kartoffeln und viele andere Nährgüter
mit Massencharakter. Zumindest dann ist die
Verarbeitung auch eine ländliche Frage, wenn
es sich um leicht verderbliche Lebensmittel
handelt oder die Transportkosten der Rohpro-
dukte ihre Verfrachtung auf weitere Entfernung
unlohnend machen. Wohl nicht ohne Grund hat
man bis in die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts
beispielsweise noch bäuerliche Obstdarren ge-
kannt, bis sie dann als vermeintlich überlebte
Einrichtungen vollkommen verschwunden sind.
Hätten wir auch nur moderne Getreidespeicher
auf dem Land, so würden wir allein durch Schutz
vor Verderb jährlich mehrere hunderttausend
Tonnen Getreide einsparen.
Das vermittelt einen Anhalt, welche Le
bensmittelwerte insgesamt alljährlich verloren-
gehen.
e A —-—-—
1 ee wen,
ES Gartenbau ist ein so vielseitiger Wirt-
schaftszweig, daß selbstverständlich auch der Lehr-
ling entsprechend ausgebildet werden muß, wenn
er später als Gärtnergehilfe, Gärtnermeister und
Lehrmeister die an ihn gestellten Aufgaben er-
füllen will. In der heutigen Kriegszeit aber muß
auch der Gärtnerlehrling vielfach die Gehilfen, die
bei der Wehrmacht stehen, schon ersetzen können
und dem Betriebsführer oder gar der Gärtnersfrau,
sofern der Gärtnermeister selbst ebenfalls den
grauen Rock trägt, tüchtig zur Hand gehen. Dabei
kommt es gerade im Gartenbau mit der intensiven
Landnutzung und den zahlreichen verschieden-
artigen Glaskulturen sehr viel auf gewissenhaftes,
pünktliches und sorgfältiges Arbeiten an. So
hängt zum Beispiel das Gedeihen der in einem
Frühbeetkasten unter Glas heranwachsenden Ge-
müsejungpflanzen oder auch Gemüsen, wie Kopf-
salat, Kohlrabi, Blumenkohl, Gurken usw., wesent-
lich davon ab, ob bei starker Sonneneinstrahlung
rechtzeitig Schatten gegeben wird, wie es hier auf
dem Bild der ersten Seite unserer Beilage durch
Überrollen einer Papierleinwand über die Fenster
geschieht, anderenfalls leiden die Kulturen Schaden
durch ‚Verbrennen bzw, Vertrocknen.
Die Bodenfräse, die wir im unteren Bild der
ersten Seite wiedergeben, ist für den Gärtner eine
der wichtigsten Maschinen. Ihre Führung erfordert
Geschick und Umsicht, und der Lehrling muß bei-
reiten lernen, damit umzugehen. Er kann auch im
artenbau technisches Interesse entwickeln.
Voraussetzung der Frühgemüsekulturen ist CH sorgfältige
Jungpflanzenanzucht. Nach der Aussaat ist die wichtigste
Arbeit das Pikieren, damit die Pflanzen einen kräftigen Wuna-
ballen entwickeln. Diese Arbeit muß ebenfalls sehr sorgfältig
ausgeführt werden, weil die jungen Pflänzchen natürlich sehr
empfindlich sind und andernfalls leicht verletzt werden
können. Aber die Mühe lohnt sich in jedem Fall, nicht nur,
daß sie klingenden Ertrag einbringt, wenn man die Gemüse
zum Markt gebracht hat, sondern noch größer ist eigentlich
die Freude, die das tägliche Beobachten der Natur und der
Pflanzen macht. Es ist ein erhabenes umd befriedigendes Ge-
fühl, zu wissen, daß das Gedeihen all der Pflanzenkinder vom
eigenen Können abhängt und daß es, je nachdem, ob man
mehr weiß und mehr kann, ebenfalls entsprechend besser isl.
Der Gärtner kann deshalb gar nicht zuviel lernen, und er lemt
auch eigentlich niemals aus, weil die Boden-, Klima- und
Betriebsverhältnisse überall wieder anders sind und ihn
während seiner Lehr- und Wanderjahre, die der dreijährigen
Lehrzeit folgen sollen, in verschiedenen Betrieben kennen-
lernen läßt.
Über die wirtschaftliche Bedeutung des Gartenbaus ist sich
heute jeder klargeworden, denn wir wissen, daß das Gemüse
im Rahmen der Kriegsernährungswirtschaft zu einem unen!-
behrlichen Nahrungsgut geworden ist, daß Obst aus Gesund-
heitsgründen unentbehrlich ist und daß gerade heute im
Krieg auf Blumen als Kulturfaktor und Freudenspender nich!
verzichtet werden kann. Aber auch hier ist es so wie bei
jedem anderen Beruf: Nur wer es in seinem Beruf zu
Meisterschaft bringt, wird vorwärtskommen und die Erwar-
tungen erfüllen können, die der Berufsstand von ihm fordert.
Dazu ist eine gründliche Lehre und sorgfältige Berulserziehung
unerläßliche Voraussetzung.
Sorgfältiges Pikieren der jungen Gemüsepflanzen
ist notwendig, damit sie sich kräftig entwickeln
Erste Gurkenernte im Treibhaus
Altoer Rückschnitt der jungen Baumkrone nach dem Die Vorverlegung der Gemüseernte zur Schließung
Hazen eines Obstbaumes ist unerläßlich, damit sich ein der Gemüselücke in den Frühjahrsmonaten ist nur
es Astgerüst aufbauen kann. Es ist die Voraussetzung dann möglich, wenn die Gemüsejungpflanzen durch
zegelmäßige reiche Ernten an einwandfreiem Obst. entsprechende Vorkultur sachgemäß herangezogen
werden
einkulturhaus, das im Kriege zur Verstärkung der Gemüseerzeugung zusätzlich mit Kohlrabi bepflanzt worden ist
u Ae 9
— x a n r
bd
*
\
Diese Papierhauben bilden. gewisser-
maßen Gewächshäuser im kleinen;
denn sie schützen die darunterstehen-
den Frühgemüsepflanzen vor kalten
Nächten und rauhen Winden. Wer-
den die Pflanzen größer, so werden
dese Witterungspapierschutzhauben
zunächst oben etwas aufgerissen, um
die Pflanzen allmählich an die normale
Witterungzu gewöhnen. Später müssen
sie seitlich gänzlich aufgerissen wer-
den, damit die Pflanze hindurchwachsen
kann. Diese Arbeit beansprucht zwar
zusätzlich Arbeitszeit und Kosten, aber
sie lohnt sich, weil dadurch eine Ver-
frühung der betreffenden Gemüseernte
um acht bis zehn Tage möglich ist
und damit ein wichtiger Beitrag zur
Schließung der Frühjahrsgemüselücke
geleistet werden kann
Erste Ernte aus dem Treibhaus: Die als
Zwischenkultur zwischen Kohlrabi ein-
gesäten Radieschen sind erntefertig
In ähnlichem Größenverhältnis bewegt sich .
auch unser Verlust an Kartoffeln, der
durch Regen und Frost infolge notwendigen
Feldeinmietens oder aber auch durch sonstige
unsachgemäße Lagerung entsteht. Das alles
könnte vermieden und durch vernünftige Vor-
ratshaltung leicht ein Ausgleich für gelegent-
liche geringere Ernten herbeigeführt werden,
wenn wir in viel stärkerem Maße, als es ge-
schehen, zum Trocknen übergegangen wären
und uns eine Trockenkartoffel zur Verfügung
stände, aus der wir Salat genau so wie aus der
frischen Kartoffel machen können. Das bedarf
lediglich eines entsprechenden Maschinenein-
satzes. Wir hätten den Verkehr durch unnützen
Wassertransport wesentlich entlastet und die
Versorgung der Bevölkerung zu jeder Zeit ohne
Rücksicht auf Frost und Schnee sichergestellt.
Jetzt im Kriege ist das allerdings nur schwer
darzustellen.
Das gilt auch für das sachverständige Trock-
nen von Gemüse mit dem Ziel der Vitamin-
erhaltung. Ganz ohne Frage ist auf diesem Ge-
biet manches geschehen. Insbesondere unsere
Militärverwaltung hat hier für die Zwecke der
Heeresversorgung Pionierarbeit geleistet. Sonst
befinden sich aber die Dinge meistens noch im
Versuchsstadium mit bereits vorliegenden inter-
essanten Ergebnissen. Sie zeigen zumindest, was
alles zur Werterhaltung und Vorratssicherung
mit Ausgleichscharakter getan werden kann.,
Wir würden nicht mehr von der Spinatschütte
sprechen, sondern gerne auf dieses Gemüse zu-
rückgreifen, wenn es im frischen Zustand nicht
mehr erhältlich ist. Erstaunlicherweise hat sich
bei Trocknungsversuchen auch gezeigt, daß
selbst Rübenblätter für die menschliche Ernäh-
rung nutzbar gemacht werden können und nach
der Zubereitung weniger dem Spinat als Rüb-
stielgemüse ähnlich sind. In dieser Form konser-
viert, könnten wir auch das ganze Jahr Rhabar-
ber essen, was als Ausgleich für mangelndes
Obst von nicht zu unterschätzender Bedeutung
ist. Da dem Rhabarber beim Trocknungsprozeß
auch die überschüssige Säure entzogen wird,
ergibt sich zugleich eine Ersparnis an Zucker bei
vorteilhafterem Geschmack gegenüber dem
frischen Zustande. Verwundern wird es aber,
daß aus Rhabarbersaft, wie es Proben bestätigen,
auch noch Wermutwein hergestellt werden
kann. Was uns insgesamt an Gemüse fehlt, ist
wahrscheinlich gleich der Menge, die verdirbt,
wegen zu weiter Transportwege sowie wegen
unlohnender Transportkosten nicht aufden Markt
gebracht und mangels Konservierungsmöglich-
keit der Viehfütterung zugeführt wird.
Was das für die Wirtschaft des Bauern, aber
erst recht für die Ernährung des Volkes bedeu-
tet, ist leicht zu ermessen. Wenn wir nach Er-
nährungsreserven gefragt werden, so können
wir nur antworten, daß sie vorhanden sind und
verhältnismäßig leicht ersohlossen werden kön-
nen. Die Eiweißfrage ist dabei die wich-
tigste Frage unserer Ernährung. Nach sachver-
ständigem Urteil lassen sich aber noch umge-
heure Mengen Eiweiß gewinnen, wie ebenso
der Fehllauf noch ganz bedeutender Mengen
unterbunden werden kann. Die Kühlkette ist
für unsere Vorratshaltung, insbesondere für `
Fisch und Fleisch, äußerst wichtig, aber die
Lösung ist nicht einfach. Vor allem müssen wir
uns darüber klar sein, daß die Konservierung
durch Vereisung über die Kühlkette vom Er-
zeuger bis zum Verbraucher ganz erheblich
teurer ist als beispielsweise die Haltbarmachung
durch Extraktionsverfahren mittels Dampf und
auch gegenüber modernen Trocknungsverfah-
ren. Darum wird stets sorgfältig abgewogen
werden müssen, welches Verfahren für den
jeweiligen Zweck am besten geeignet ist.
Wesentlich für die menschliche Ernährung er-
scheint der organische Aufschluß oder biolo-
gische Abbau der Eiweißstoffe, der im Gegensatz
zu chemischen Verfahren von einem jungen
niederschlesischen im Ausbau begriffenen
Unternehmen mit einem welterfahrenen Nah-
rungsfachmann an der Spitze tatkräftig ins Werk
gesetzt worden ist. Das neuartige Verfahren mit
einer bisher sonst kaum erreichten Konzentra-
tion der Eiweißstoffe wird wesentlich mit dazu
berufen sein, unsere zukünftige Ernährungswirt-
schaft und Ernährungsbilanz auf eine neue
Grundlage zu stellen. Die nach dem Extraktions-
verfahren hergestellten Büchsenerzeugnisse, wie
Suppen, Soßen, Eintopfextrakte usw., erreichen
eine 35fache Konzentration, so daß aus einem
Kilogramm Konzentrat nur unter Zusatz von
Mehl oder Kartoffeln dreißig bis vierzig Liter
wohlschmeckende Suppen und Gerichte her-
gestellt werden können. Technisch ist der
niederschlesische Fachmann dabei vollkommen
neue Wege insofern gegangen, als die konstante
Wärmehaltung der Extraktionskessel zwischen
78 und 80 Grad automatisch durch einen Glüh-
ofen gesteuert wird und selbst die Raumluft
durch Neutralisierung keimfrei gehalten wird.
So ist es möglich, daß auf verhältnismäßig klei-
nem Raum und unter Einsatz geringer, vorwie-
gend weiblicher Arbeitskräfte, heute schon
500 000 bis 600000 Essen pro Tag bereitgestellt
werden und in Kürze, nach Ausbau des Betriebs,
bis eine Million Teller Essen am Tage geliefert
werden. Sie stehen zunächst vorwiegend noch
den Großküchenbetrieben zur Verfugung, wie
auch unsere Marine, insonderheit die U-Boote
mit ihren beschränkten Raumverhältnissen,
wichtige Bedarfsträger dieser Lebensmittelkon-
zentrate sind, die bei ihrer Zubereitung ihr
ursprüngliches Volumen wieder zurückgewin-
nen. Es leuchtet aber ohne weiteres ein, daß
in absehbarer Zeit auch die Haushaltungen da-
von profitieren müssen, weil es sich nicht um
eine Kriegsmaßnahme, sondern um eine solche
von dauerndem Bestand mit allen Möglichkeiten
der Ausdehnung zur Wertesicherung und über
die Vorratshaltung um eine solche für den Er-
265
nahrungsausgleich handelt. Wenn es auf diese
Weise bzw. durch ein neues ausgeklügeltes Ver-
fanren möglich ist, die Eiweißstoffe aus Weizen
und Roggen abzubauen und durch Zusatz von
Leber eine Paste herzustellen, die als Brotbelag
bester Leberwurst nicht nachsteht, auch hoch-
weıtige Puddings u. a. m. auf solche Art ent-
stehen, dann kann die Bedeutung dieser Ver-
fahren für unseren Ernährungshaushalt kaum
überschätzt werden.
Was wir hier darstellten, zielt alles auf eine
reichere und in der Konsistenz bessere Ernäh-
rung unseres Volkes hin. Sie ist allein möglich
durch restlose Ausschaltung des Verderbs sowie
durch sinngemäße Verarbeitung und Verwertung
HEINZ GERDESMANN:
= d
aller pflanzlichen und tierischen Nährstoffe. Dies
führt zugleich zu einer scharfen Rationalisierung
unserer Volkswirtschaft, und wir gelangen dabei
zu einer lebensnotwendigen Vorratshaltung, die
nicht nur ernährungswirtschaftlich ausgleichend
zu wirken vermag, sondern auch ein wesent-
liches Mittel zur Sicherung unserer Arbeits-
währung, ja ihre Grundlage ist. Wenn ich genug
Brot für mein Volk habe, so stellte der Führer
einmal fest, dann brauche ich nur eine Organi-
sation, um jedem Arbeit zu geben. Das heißt
mit anderen Worten, daß die Schaffung reich-
licher Ernährung alles, die Organisation jedoch
nichts bedeutet, wenn sie diesem Ziele nicht
dienstbar ist.
Bodenpolitishe Maßnahmen
der europäischen Staaten
ie Grundbesitzpolitik im liberalen Zeitalter
erwartete von dem freien Wettbewerb und
der ungehemmten Bewegungsmöglichkeit des
Eigeninteresses auch den größten Nutzen für die
Allgemeinheit. Seit etwa 50 bis 60 Jahren ist
aber bei vielen Staaten, in erster Linie bei den
europäischen, eine Abkehr von dieser Auf-
fassung festzustellen, da sich zu bedeutende
Schäden entwickelten. Die Grundbesitzkonzen-
tration — eine Folge der liberalen Preispolitik,
die den Grund und Boden in die Hand des
kapitalkräftigsten Käufers gelangen ließ —
mußte zu strukturellen Störungen der Volks-
wirtschaften, vor allem der Landwirtschaft,
führen. Das veranlaßte die Mehrzahl der Regie-
rungen zum Eingreifen. Man nahm aber keine
grundsätzlichen Neuregelungen vor, sondern
behielt durchweg das liberale System bei und
schaltete sich nur dort ein, wo sichtbarste und
dringlichste Schäden eine Beseitigung notwendig
machten. Mit Zunahme der Landflucht wurde
der Wunsch nach „innerer Kolonisation“ laut,
dem aber auch in starkem Maße völkische und
nationale Motive zugrunde lagen. In der Uber-
wachung und Lenkung des Grundbesitzwechsels
erblickten die Regierungen — vor allem von
Ländern, deren Grenzen gleichzeitig Volkstums-
grenzen sind — ein wichtiges Mittel, um eine
fremdvölkische Unterwanderung zu verhindern.
Neben politischen Motiven waren es wirt-
schaftliche Überlegungen, welche eine staat-
liche Einflußna!.me auf den Grundstücksverkehr
266
und die Bodennutzung auslösten. Man denke
nur an die Auswirkung des Weltkrieges 1914/18,
die viele Völker — in erster Linie solche mit
Kolonialbesitz, starker Monokultur und ent-
sprechender Auslandsabhängigkeit — wieder
die überragende Bedeutung des heimischen
Bauernstandes und der eigenen Scholle erken-
nen ließen. Diese Erkenntnis ging auch in
späteren Zeiten nicht verloren, sondern fand
ihren Niederschlag in den Autarkiebestrebun-
gen, die eine Produktionslenkung durch den
Staat oder durch die von ihm beauftragten Or-
gane notwendig machten. Als charakleristisches
Beispiel mag hier Deutschland genannt werden,
dessen Erfolge cuf ernährungswirtschaftlichem
Gebiet gerade während dieses Krieges besonders
hervortreten. Sie sind zusammen mit anderen
kriegsbedingten Notwendigkeiten die Ursache
dafür, daß viele europäische Staaten diese Maß-
nahmen nachahmten oder auf eigenen Wegen zu
demselben Ziel zu gelangen versuchten. Der
Grundsatz der nationalsozialistiischen Boden-
politik „Bauernland in Bauernhand” und seine
Untermauerung durch das Reichserbhoigeselz,
das Gesetz zur Neubildung deutschen Bauern-
tums und die Grundstückverkehrsbekannt-
machung haben beispielhaft gewirkt. Das zeigt
sich bei den staatlichen Maßnahmen, dfe nahezu
alle europäischen Länder ergriffen, um einmal
die Möglichkeit der Bodenspekulalion auszu-
schalten und zum anderen, um dem Bauern ein
gesichertes und von liberalistischen Einllüssen
.
1P
Be
möglichst unberührtes Arbeitsiundament! zu
geben. Es steht außer Zweifel, daß der erhöhte
Nahrungsbedarf während des Krieges und der
Zwang, diesen aus eigener Scholle zu sichern,
die eingeleiteten Schritte beschleunigt haben.
Die südosteuropäischen Staaten be-
finden sich seit.langem in einer besonderen
Zwangslage. Die ländliche Übervölkerung und
die dadurch bedingte geringe Größe der Be-
triebe hatten einen unproduktiven Arbeitseinsatz
zur Folge und verhinderten jede umfassende
Intensivierung, die bis dahin allein eine not-
wendige Erweiterung des Lebensraumes dar-
stellen konnte. Deshalb sahen es die Regierun-
gen dieser Staaten als ihre wichtigste Aufgabe
an, den Landhunger der bäuerlichen Bevölke-
rung dadurch zu stillen, daß sie den Großgrund-
besitz, der sich nur wenig um die Bestellung der
eigenen Ländereien kümmerte und sie über die
Teilpacht bearbeiten ließ, aufteilte. So führte
Rumänien in den Jahren 1919/20 Agrar-
reformen durch. Man verfiel dabei allerdings in
den gleichen Fehler wie alle anderen Regie-
rungen der Südoststaaten und teilte den Neu-
siedlern zuwenig Land zu. So blieb einmal der
Landhunger nur für eine kurze Zeit gestillt,
andererseits fehlten immer noch Gesetze, die
eine unerwünschte und gerade in diesem Sta-
dium besonders stark betriebene Bodenspekula-
tion ausschloß. Erst das Dekretgesetz der Re-
gierung Antonescu vom 31. Dezember 1941 schuf
einen grundsätzlichen Wandel, denn es be-
stimmte, daß
1. nur Arier und rumänische Staatsangehörige
Eigentümer und Pächter sein dürfen,
2. alle Besitzer landwirtschaftlicher Liegen-
schaften den Boden selbst zu bebauen haben
oder durch Pächter bebauen lassen, ;
3. die allgemeine Pachtdauer mindestens fünf
Jahre, bei Grundstücken der öffentlichen
Hand mındestens sieben Jahre betragen muß.
Damit wurde erreicht, daß alle landwirtschaft-
lichen Grundstücke bebaut wurden, und zwar in
erster Linie durch selbstwirtschaftende Kräfte.
Weiterhin garantierte das Gesetz, daß der Päch-
ter mit größerem Interesse arbeitete und Inten-
sivierungsmaßnahmen durchführte, die er sonst
mit Rücksicht auf die kurzfristige oder unbe-
stimmte Pachtdauer kaum durchgeführt haben
würde.
In Ungarn fand 1920 unter der Regierung
Teleki die erste Bodenreform statt, bei der
575000 Hektar, das waren ein Sechstel des unga-
rischen Großgrundbesitzes, aufgeteilt wurde, und
zwar unter etwa 700000 Menschen. Diese Zwerg-
betriebe blieben aber unrentabel, und ihre Lage
konnte auch nicht verbessert werden, als
Gömbös im Jahre 1936 einen neuen Boden-
reformplan aufstellte. Diesem zufolge blieb die
notwendige Landenteignung auf Fideikommisse
und Güter über 3000 Katastraljoch beschränkt.
Da in 25 Jahren aber nur 300 600 Joch — aller-
dings in gioßere Parzellen aufgeteilt — zur Ver-
teilung gelangen sollten, blieb dieser Plan prak-
tisch ohne Erfolg; denn er hatte zu geringe
Ausmaße und beanspruchte eınen zu großen
Zeitraum. Am alten Zustand änderte sich also,
wenig, und es blieb eın schwer arbeitendes
Bauernproletariat. Allein die seit wenigen
Jahren eingeleitete Arisierung konnte hier Ab-
hilfe schaffen. Von diesem Verfahren erfaßt
wurden rund 24 000 Güter mit 736 000 Katastral-
joch. Die Durchführungsverordnung zum Ent-
eignungsgesetz besagt also, daß Betriebe unter
fünf Katastraljoch freihändig verkauft werden
können, während die größeren zur Versteige-
rung gelangen. Diese einschränkende Bestim-
mung bedingte zwar eine Verringerung der Ent-
eignungsfälle um 60 Prozent bei 30 Prozent der
anfallenden Fläche, schloß aber alle Möglich-
keiten der Preisüberbietung und des Wuchers ın
sich. Das geht schon daraus hervor, daß 25 Pro-
zent des Verkaufserlöses grundsätzlich einem
Siedlungsfonds zugeführt werden mußten, der
für die Landbeschaffung für Soldaten aus
bäuerlichem Blut bestimmt ist. Es wäre über-
trieben, wollte man die Auswirkungen dieses
Gesetzes als Ausdruck des Willens bezeichnen,
den Grund und Boden in die bäuerliche Hand
zu geben. Es kann wohl mit Sicherheit angenom-
men werden, daß das Gros der Betriebe zwar in
arische Hände fiel, aber weniger in die von
praktischen Landwirten. Im übrigen ist die laxe
Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen ein
Zeichen für die Judenfreundlichkeit des frühe-
ren Kabinetts Kallay. Es wird eine der bedeu-
tendsten Aufgaben der neuen ungarischen
Regierung sein, die gesetzlichen Voraussetzun-
gen für eine lebensnahe Bodenordnung zu
schaffen.
In Bulgarien bilden das Landbeschaffungs-
gesetz und der Erlaß über das Katasterwesen
vom 13. Juni 1941 ein wichtiges Fundament der
agrarischen Bodenpolitik. Durch die Reformen
von 1878 und 1918 wurde der Großgrundbesitz
aufgeteilt. Die bei der Zuweisung schon geringe
Betriebsfläche wurde im Laufe der Jahre infolge
der Realteilung noch weiter verkleinert. So
erklärt es sich, daß z.B. von 1926 bis 1934 die
Zahl der Landbesitzer um 18 Prozent, die Anbau-
fläche aber nur um 2 Prozent zunahm. Zwangs-
läufig wurde die chronische Landnot zur
Triebfeder einer grassierenden Spekulation. Aus
diesem Grunde nahm das Sobranje ein Gesctz
gegen die Bodenspekulation an, das grundsätz-
lich nur solchen Leuten Landbesitz gestattet, die
praktische Landwirtschaft betreiben. Kleinere
Grundstücke (bis 30 Dekar) können nur dann
von Nichtlandwirten erworben werden, wenn
eine ausreichende Bodennutzung gesichert ist.
Die 1940 in der Slowakei eingeleitete
Bodenreform umfaßt 1,6 Millionen Hektar Wald
und Acker, das sind 25 Prozent der gesamten
land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche. Das
267
Ziel dieser Maßnahme war einmal die Ausschal-
tung von Juden und Ausländern als Land-
besitzer, zum anderen die Rückführung des
Landes in bäuerliche Hand. Bis zum 15.Sep-
tember 1942 kamen 68700 Katastraljoch von
zunächst 163000 Katastraljoch durch Zutei-
lung oder Kauf in arischen Besitz. Der Rest
wird vom staatlichen Bodenamt verwaltet, das
Musterbetriebe einrichtete und den Boden für
zukünftige Siedlungsaufgaben bereithält. Der
wirtschaftlichen Festigung und sozialen Besser-
stellung des Bauerntums dient die 5
siedlung. Man strebt nach Betrieben mit einer
Fläche von 15 Hektar, die als Erbhöfe gelten
und weitgehend vor Versteigerungen und Be-
lastungen geschützt werden. In Serbien liegt
die Lenkung des Grundstücksverkehrs beim
Generalbevollmächtigten für die serbische Wirt-
schaft. Gegenwärtig ist der Verkauf und Er-
werb von Grundbesitz verboten. Ausnahmen
macht allein der Generalbevollmächtigte, und
diese sind bindend für die Landesbehörden und
Gerichte. Unabhängig von dieser Regelung läuft
das Verfahren der Eigentumsübertragung von
Grundstücken, die Juden und Zigeunern gehören
und die nunmehr zur Erweiterung der bäuer-
lichen Betriebe verwandt werden.
Eine besondere Stellung nehmen die ost-
baltischen Staaten ein, die durchweg nach
dem Weltkrieg 1914 bis 1918 sogenannte Agrar-
reformen durchführten, d.h. den Großgrund-
besitz durch Aufteilung liquidierten. Bei dieser
Maßnahme handelte es sich aber fast ausschließ-
lich um eine volkstumspolitische Aktion, die
zweifellos auch der Stärkung des einheimischen
Bauerntums diente. So besagen Berichte aus
Lettland, daß es bis zu Beginn der Agrar-
reform 2,6 Millionen Hektar bäuerlichen Besitz
gab, der bis 1939 auf 4,7 Millionen Hektar er-
weitert wurde. Das Agrarreformamt in Litauen
gibt die den Bauern zur Verfügung gestellte
Landfläche in den Jahren 1919 bis 1939 mit rund
460 000 Hektar an. Davon wurden 362 000 Hektar
für 38800 neue Höfe und 97 000 Hektar für die
Landzuteilung verwandt. Estland brachte 1938
das Bodenschutzgesetz heraus, dem ähnliche
Grundgedanken wie dem Reichserbhofgesetz
zugrunde liegen und das deshalb ausführlicher
behandelt werden soll. Es ist die Hauptaufgabe
dieses Gesetzes, die Zerstückelung des landwirt-
schaftlichen Grundbesitzes zu vermeiden. Des-
halb bestimmt es, daß bei einer Teilung von
Landbesitz das zu teilende Grundstück min-
destens 20 Hektar und die abgetrennte Fläche
mindestens 10 Hektar groß sein muß. Um
andererseits die Bildung von Großgrundbesitz
und einen Landerwerb durch Landfremde zu
verhindern, bedarf jeder Kauf und Verkauf
einer Genehmigung durch den Kreischef. Wird
ein Betrieb bei der Reelteilung zu klein, so
268
haben die Miterben keinen Anspruch auf Erb-
teilung und müssen sich mit einer wirtschaftlich
tragbaren Abfindung begnügen. Gerade in dieser
Bestimmung kommt der Grundsatz des agrar-
politischen Kurses zum Ausdruck: die Erhaltung
des lebens- und leistungsfähigen bäuerlichen
Betriebes,
Als der Bolschewismus von den ostbaltischen
Staaten Besitz ergriff, war eine der ersten Maß-
nahmen der Kampf gegen das bodenständige
Bauerntum. Mit Einführung der Kolchoswirt-
schaft und der Verschleppung bester Kräfte des
Landvolks wurde konsequent der bei den Bol-
schewisten altbewährte Weg beschritten, mit
der Liquidierung des bäuerlichen Menschen den
nationalen Widerstand und damit das Rückgrat
dieser Völker zu brechen. Die nach dem deut-
schen Einmarsch sofort eingeleiteten Aufbau-
maßnahmen, die Rückführung der Betriebe in
bäuerliche Hand usw. ermöglichten den Wieder-
anschluß an die alte Entwicklung.
Das Siedlungswerk Finnlands ist besonders
bekannt geworden, als es darum ging, im Ver-
lauf dieses Krieges die karelischen Flüchtlinge
zum Ansatz zu bringen. Dabei konnten in ver-
hältnismäßig kurzer Zeit große Erfolge erzielt
werden. Mit der dadurch bedingten Boden-
verknappung wurde allerdings auch das Pro-
blem der Bodenspekulation besonders aktuell.
Deshalb legte der Staatspräsident dem finnischen
Reichstag 1942 einen Gesetzentwurf vor, der
einschränkende Bestimmungen über den Erwerb
von Grundstücken und Grundstücksaktien (ö)
enthält. Darüber hinaus wurde die Überwachung
von Grundstückskäufen verlangt sowie die
preisliche Kontrolle und Genehmigungspflicht,
die auf alle Käufe ausgedehnt wird, die nach
dem 10. Juli 1942 abgeschlossen wurden.
Die Neuorientierung der Boden- und Sied-
lungspolitik kommt auch in den Gesetzen und
Maßnahmen der süd- und westeuropäischen
Staaten zum Ausdruck. In Spanien ist es das
Staatliche Institut für Ansiedlung, das die Aus-
bildung und Auswahl der zukünftigen Siedler
vornimmt und für die Bereitstellung von Land
aus öffentlichem und privatem Besitz sorgt.
Frankreich erweiterte laut „Moniteur offi-
ciel” vom 1. Oktober 1942 das Gesetz über den
Erwerb landwirtschaftlicher Güter. Dabei ver-
dient die Bestimmung besondere Beachtung, die
industriellen Unternehmungen den Erwerb land-
wirtschaftlicher Güter untersagt, selbst wenn
diese der Versorgung von deren Arbeitern mit
Nahrungsmitteln dienen soll. Das Gesetz über
die Flurbereinigung des Grundbesitzes vom
9. März 1941, die Maßnahmen zur Wiederbevöl-
kerung des Landes, die Verlängerung der Pacht-
dauer usw. dienen der Stärkung der fran-
zösischen Landwirtschaft. Bemerkenswert ist
noch die Gründung des Conseil de restauration
paysanne, eine Einrichtung, die sich mit der
Umstellung der Betriebe auf eine Bauern- und
Familiengrundlage befaßt und deren wichtigste
Aufgabe die Änderung des Erbrechts ist, das
bisher im Code Napoléon verankert war. Dieses
Erbrecht ist die Ursache dafür, daß 85 Prozent
der französischen Bauernwirtschaften infolge
der Realteilung zu Kleinbetrieben geworden
sind und nur 25,5 Prozent der landwirtschaftlich
genutzten Fläche umfassen.
Als im Jahre 1941 der Beschluß des Bundes-
rates der Schweiz vom 19. Januar 1940 über
den Verkehr mit landwirtschaftlichen Grund-
stücken verschärft wurde, geschah das aus der
Erkenntnis heraus, daß die bisherigen gesetz-
lichen Handhaben nicht mehr ausreichten, um
die Spekulation zu unterbinden. Deshalb wurde
nunmehr die generelle staatliche Genehmigung
beim Kauf, von Grundstücken verlangt, während
diese bisher erst bei einer Mindestgröße der
Landfläche von 2 Hektar vorausgesetzt wurde.
Weiterhin wurde für Nichtlandwirte das Verbot
des Grundstückskaufs ausgesprochen, während
bei den landwirtschaftlichen Pachtverträgen
eine Mindestdauer von drei Jahren angeordnet
wurde.
Die Tatsache, daß mehr als 50 Prozent der
landwirtschaftlichen Nutzfläche in Holland
Pachtland sind, war entscheidend für die Maß-
nahmen, welche in diesem Staate getroffen
wurden, In erster Linie galt es, die Pächter zu
schützen und durch langfristige Verträge am
Boden zu interessieren, zum anderen, um speku-
lative Absichten der Eigentümer zu unterbinden.
Durch das 1941 verkündete Pachtbesluit wurde
die Pachtzeit für Bauernhöfe auf zwölf Jahre, für
Parzellen auf sechs Jahre festgesetzt. Die zur
gleichen Zeit erfolgte Umbildung der Pacht-
behörden in Grundkammern gab diesen neue
Befugnisse. Sie können z.B. auf Wunsch oder
aus eigenem Ermessen Pachtverträge nach dem
„Gemeinen Nutzen’ abändern und erhielten da-
mit eine wichtige agrarpolitische Aufgabe. Im
Jahre 1942 erhielt die Grundstücksverkehrs-
verordnung im Hinblick auf die Bodenspeku-
lation eine neue Fassung. Sie bestimmt u. a., daß
landwirtschaftliche Grundstücke nicht mehr ge-
teilt werden und bei Besitzwechsel nach Mög-
lichkeit Landwirte den Kauf tätigen sollen. Von
besonderer Wichtigkeit ist aber die Behandlung
von Erbauseinandersetzungen. Hier heißt es, daß
die Verwirklichung eines Erbanspruches durch
Grundstücksteilung generell verboten ist.
In Norwegen erließ der Ministerpräsident
in jüngster Zeit ein Gesetz, das in gewissen
Fällen die Zuständigkeit des Landwirtschafts-
departements in Erbhofsachen begründet. Wie
der Landwirtschaftsminister erklärend aus-
führte, sei der Begriff des altgermanischen
Odelsrechts für die norwegischen Bauern so
heilig und unantastbar, daß Spekulationen mit
dem Grund und Boden unter allen Umständen
verhindert werden müßten. Der Hinweis auf
dieses Recht zeigt den Willen, alte und bewährte
Rechtsgrundlagen, die durch fremde Einflüsse
sehr oft verschüttet wurden, wieder lebendig
werden zu lassen. Das norwegische Odelsrecht
ist seit jeher ein Familienrecht, dessen Sinn
darin liegt, den Hof der Väter der Sippe zu er-
halten. In alter Zeit wurde ein Erbhof erst dann
Odelshof, wenn er in direkter Geschlechterfolge
zum sechsten Male im Mannesstamm vererbt
wurde!
Die Verwurzelung mit dem Boden und der
enge Zusammenschluß der Sippe hat das Selbst-
vertrauen des norwegischen Bauern sehr ge-
hoben. Damit stellte sich dieser in Gegensatz
zu der vom Großgrundbesitz gewünschten Ent-
wicklung, und deshalb verlangten die Vertreter
des Großyrundbesitzes schon 1648 die Streichung
des Odelsrechtes aus dem norwegischen Gesetz-
buch. Ebenso bezeichnend ist, daß rund 110 Jahre
später ein zweiter Vorstoß vom Stiftsamtmann (!)
in Oslo unternommen wurde. Beide Anträge
wurden abgelehnt. Es blieb erst viele Jahre
später dem Königshause vorbehalten, durch
Dekrete das Odelsrecht in seinen Auswirkungen
zu beschneiden. Darin zeigte sich der Einfluß
fremder Ideen, daß ein Herrscher sich veranlaßt
fühlte, das elementarste Recht seiner Bauern zu
mißhandeln. Die jetzige norwegische Regierung
sieht ihre größte Aufgabe darin, dem Bauern
wieder zu seinem Recht zu verhelfen und seine
Lebensgrundlage zu sichern,
Die aus dem hier gegebenen europäischen
Querschnitt ersichtlichen boden- und siedlungs-
politischen Maßnahmen lassen mit Deutlichkeit
den gleichen Grundsatz erkennen, allerdings in
einem Falle konsequent verwirklicht, im
anderen mit liberalistischen Gedanken und Me-
thoden vermischt. Die enge Berührung der euro-
päischen Völker mit dem bolschewistischen
Rußland und die genaue Kenntnis der Verhält-
nisse, unter denen die Landbevölkerung dort
lebt, hat zur richtigen Beurteilung der Bedeu-
tung des bäuerlichen Lebenskreises geführt.
Man lernt allmählich erkennen, daß gerade der
Bauer auf eigener Scholle arbeiten muß, um als
frei schaffende Persönlichkeit dem Volksganzen
dienen zu können. Dabei spielen nicht zuletzt
ideelle Motive eine Rolle, denn das Eigentum
bringt die höchste Lebensfreude und ist letztlich
die Triebkraft für große, einmalige Leistungen.
Sie zu erreichen muß das Ziel der Agrarpolitik
aller europäischen Völker sein. Daß ihre Not-
wendigkeit erkannt wurde, zeigen die hier
angeführten Beispiele aus vielen Ländern
unseres Kontinents,
259
GÜNTHER PACYNA:
Dauer Jauche) d Volk
De Bauer“ — so mahnt Ernst Moritz Arndt —
„ „ist des Vaterlandes erster Sohn. Wer ein
festes und glorreiches Vaterland will, der mache
festen Besitz und feste Bauern.“ Diese Erkennt-
nis ist nichts weniger als Gemeingut der deut-
schen Geschichte, und so sind auch Geltung und
Klang des Namens „Bauer“ im Laufe der Ge-
schichte, entsprechend dem Wandel der recht-
lichen und sozialen Stellung des Bauerntums,
sehr verschieden. Zeiten, in denen ein gesicher-
ter Besitz, Freiheit und Wehrhaftigkeit selbst-
verständliche Eigenschaften des Bauern waren,
wechseln mit Zeiten, in denen drückende Armut
und Unfreiheit bis zur Rechtlosigkeit das vor-
herrschende bäuerliche Kennzeichen waren.
Rückblickend müssen wir feststellen, daß Auf-
stieg, Niedergang und Wiederaufstieg des deut-
schen Volkes aufs engste mit dem Schicksals-
weg des deutschen Bauerntums verknüpft sind.
Die Hochzeiten deutscher Geschichte sind stets
auch Zeiten der stärksten Kraftentfaltung des
deutschen Bauerntums gewesen.
Es ist des deutschen Volkes Glück gewesen,
daß in den großen Schicksalsstunden der Nation,
in denen es galt, alle Kräfte zu höchster Leistung
zusammenzufassen, sich immer wieder über-
ragende Persönlichkeiten gefunden haben, die
das deutsche Volk zur Selbstbesinnung auf die
Wurzeln seiner Kraft aufrüttelten. So ist es bei-
spielsweise kennzeichnend, daß die Mobil-
machung deutscher Volkskraft, die unter dem
Druck der napoleonischen Gewaltherrschaft von
Preußen ausging, eingeleitet wurde durch den
Akt der Bauernbefreiung. Sinn und Ziel dieses
Befreiungsaktes hat der Dichter von Schenken-
dorf in dem schönen Vers zusammengefaßt:
„vom Bauernstand, von unten aus
Soll sich das neue Leben
In Adels Schloß und Bürgers Haus,
Ein frischer Quell, erheben.“
Die Bauernbefreiung war für die führenden
Persönlichkeiten der preuBisch-deutschen Er-
neuerungsbewegung niemals Selbstzweck,
sondern sollte der Bindung an Pflichten dienen,
die man nur einem wahrhaft freien Menschen
auferlegen kann, weil ihre Erfüllung ein so hoch
entwickeltes Selbstbewußtsein fordert, daß jede
seiner Äußerungen Zeugnis eines stets wachen
Verantwortungsbewußtseins ist. Die Bauern-
befreiung war für die preußisch-deutsche Er-
neuerungsbewegung so das Mittel, um den
Bauern unmittelbarin denDienstvon
Volk und Staat zu stellen. „Der Bauer
muß! — so fordert Arndt mit unüberbiethbarer
270
Schärfe — „ein unmittelbarer Lehnsmann, er
muß der Hörige des Staates werden.“ i
Diese Indienststellung des Bauern aber war
nur möglich — das erkannte niemand schärfer
als Arndt —, wenn ein neues Bodenrecht die
Unantastbarkeit der bäuerlichen Lebensgrund-
lage, des Bauernhofes, sicherte und so den
Bauern befähigte, seine ganze Kraft seinen
volkspolitischen Aufgaben zu widmen. In seinen
„Fantasien für ein künftiges Teutschland“ ent-
wirft daher Arndt eine Bauernordnung, deren
Grundlage ein bäuerliches Erohofrecht
bilden sollte, das in allen wesentlichen Punkten
mit dem nationalsozialistischen Reichserbhof-
recht übereinstimmt. Mit dieser Forderung stand
Arndt keineswegs allein. Auch Reichsfreiherr
vom Stein sah in der Schaffung eines bäuer-
lichen Erbhofrechtes die unerläßliche Ergänzung
der von ihm eingeleiteten Bauernbefreiung.
Vergeblich mahnte und warnte Arndt im An-
schluß an sein eingangs zitiertes Wort: „Die
Erde darf nicht wie Kolonialware aus einer
Hand in die andere gehen. Des Landmannes
Haus ist kein Taubenschlag; woraus mit leicht-
fertigem Herz aus- und eingeflogen wird. Wo
das ist, da stirbt Sitte, Ehre und Treue, da stirbt
zuletzt das Vaterland.“ In der Mobilisierung des
Grund und Bodens zur Handelsware sah der
Wirtschaftsliberalismus den Motor der Wan-
derung des Grundeigentums zum besten Wirt,
ein unfehlbares Mittel zur Auslese der Besten.
Der Wirtschaftsliberalismus ver-
neinte also gerade den Grundgedan-
ken der von Stein und Arndt erstreb-
ten Bauernordnung, die durch das Erbho:-
recht gewährleistete Verwurzelung der Bauern-
geschlechter in ihrem angestammten Grund und
Boden. Er sah in dem Erbhofrecht nichts als
eine fortschrittsfeindliche Schutzwehr der Fau!-
heit und Dummheit gegen die gebieterischen
Forderungen der Zeit.
Dieser verhängnisvolle Irrtum erklärt sich
daraus, daß der Wirtschaltsliberalismus den
Bauern nicht mehr in seiner Totalität sah als den
Urstand der Nation, der, wie es Arndt formuliert
hat, die „ursprüngliche und gediegene Natur-
kraft“ des Volkes am stärksten repräsentierte,
sondern daß er in dem Bauern lediglich einen
Vertreter der Landwirtschaft und in dem Bauern-
hof lediglich eine landwirtschaftliche Betriebs-
ställe erblickte. Die Einseitigkeit dieser Be-
trachtungsweise wurde noch verschärft durch
die wachsende Heftigkeit der liberalen Oppo-
sition gegen alle Mächte der Beharrung, in
denen man (in ungerechter, aber nur zu ver-
ol WG 5 S ; WI ME At dE KC AE ENG A:
— ga — . Ve, DEET VE EE — ———
Ge ms [no "ge 69 r en
-
Ce —— — — ENEE. — — —— —
un
= > 1 - GE ew zé e
D
ständlicher Verallgemeinerung) den Schutz-
wallder Reaktion erblickte, die im Begriffe
war, das deutsche Volk um die Früchte seines
Freiheitskampfes zu bringen. Das Lob des
Bauerntums als des Horts alter Sitte und Recht-
lichkeit mußte unter diesen Umständen in den
Ohren des Liberalismus sehr verdächtig klingen,
zumal es besonders laut auch von Männern ver-
kündet wurde — es sei beispielsweise an Adam
Müller erinnert —, die als Helfershelfer der
Unterdrücker der nationalen Freiheitsbewegung
sich verhaßt gemacht hatten. War nicht gerade
dieses Lob der beste Beweis dafür, daß das
bäuerliche Verharren bei der Väter Brauch und
Sitte Ausfluß eines starren Konservativismus
war, der ebenso rückständig war wie die bäuer-
liche Wirtschaftsweise?
Die Neigung, diese Frage zu bejahen, war
um so stärker, als der Liberalismus mit seinem
Zivilisationsideal mehr und mehr Wert-
maßstäbe entwickelte, die dem bäuerlichen Le-
ben wesensfremd waren, die daher der Bauer
ablehnen mußte, wenn er seine Art ungebrochen
behaupten wollte. Unter dem Einfluß dieses
Zivilisationsideals setzen sich in der Stadt Le-
bensformen durch und beherrschen im Zuge der
zunehmenden Verstädterung einen immer größe-
ren Teil des deutschen Volkes, die zu der bäuer-
lichen Lebensführung in einem unvereinbaren
Widerspruch standen.
Diese Entwicklung hat dazu geführt, daß eine
immer stärker werdende Mehrheit des deutschen
Volkes in dem Bauern den rückständigen Ver-
treter einer überlebten Vergangenheit sah. Seine
urwüchsige Art erscheint als roh und tölpelhaft,
seine Überlieferungstreue als Dummheit, seine
Gläubigkeit als Aberglauben. Diese Mißdeutung
gab dem Namen „Bauer“ einen unausgesproche-
nen, aber trotzdem unüberhörbaren Beiklang
überheblicher Mißachtung, der noch heute
nachklingt. Man brauchte nur „So ein Bauer“
zu sagen, und das Urteil war gesprochen. Gewiß
war dieses Urteil nicht die alleinige, wohl
aber die vorherrschende Meinung. Das
Gedankengut Steins und Arndts fand immer
wieder Verkünder und Vorkämpfer; aber Gel-
tung und Klang des Bauernnamen bestimmten
nicht sie, sondern die Anwälte des liberalen
Zeitgeistes.
Das Gefährlichste an dieser Entwicklung war,
daß der Bauer selbst teils dem Einfluß des Libe-
ralismus unterlag oder innerlich unsicher wurde,
teils in Abwehr des Liberalismus in eine Ab-
seitsstellung gedrängt wurde, deren Abgeschlos-
senheit zu einer verderblichen Abschnürung von
dem Gesamtleben der Nation führte, Der erste
Einbruch des Liberalismus in das Bauerntum
erfolgte über einen tiefgreifenden Wandel
der Wirtschaftsgesinnung, der weite
Kreise des Bauerntums ergriff und das bäuer-
liche Verhältnis zum Grundeigentum geradezu
umstürzte. Daß der Einbruch des Liberalismus
gerade an dieser Stelle erfolgte, ist kein Zufall,
sondern erklärt sich aus einer ganz bestimmten
wirtschaftspolitischen Konstellation, die durch
ein enges Zusammenwirken der betriebswirt-
schaftlichen Agrarreformer und der agrarpoli-
tischen Vorkämpfer des Wirtschaftsliberalismus
gekennzeichnet wird.
Besonders klar sichtbar wird dieses Zusam-
menwirken bei Albrecht Daniel Thaer, der in
seiner Person beide Bestrebungen zu höchster
Wirksamkeit vereinigte. Als „Vater der deut-
schen Landwirtschaftswissenschaft" verhilft er
der neuzeitlichen Landwirtschaftsweise, die zu
der gewaltigen Erzeugungssteigerung des
19. Jahrhunderts führte, zum Durchbruch. Seine
„Grundsätze der rationellen Landwirtschaft‘
wurden geradezu zum Katechismus des fort-
schrittlichen Landwirts. In diesen Grundsätzen
lehrt Thaer aber auch im § 1, daß „die Land-
wirtschaft ein Gewerbe ist, welches den Zweck
hat, durch Proguktion (zuweilen auch durch
fernere Bearbeitung) vegetabilischer und tie-
rischer Substanzen Gewinn zu erzeugen oder
Geld zu erwerben.” Folgerichtig heißt es dann
weiter im $ 2, daß die vollkommenste Landwirt-
schaft die ist, „welche den möglichst höchsten
nachhaltigen Gewinn“ aus ihrem Betriebe zieht.
Durch diese Zweckbestimmung der Landwirt-
schaft, die an Einseitigkeit nicht mehr Oberboien
werden konnte, wird der Boden nicht nur seiner
biologisch-volkspolitischen, sondern auch seiner
volkswirtschaftlichen Funktionen entkleidet und
zur rein privatwirtschaftlichen Erwerbsquelle
erklärt. In diesem $ 1 sind alle agrarpolitischen
Irrtümer des Wirtschaftsliberalismus wie in
einem Samenkorn vereinigt.
Ging diese Saat auf, so mußte sie zu einer
tief einschneidenden Veränderung aller bäuer-
lichen Lebensbeziehungen führen; denn alle
bäuerlichen Lebensbeziehungen, welche sie auch
seien, gehen zurück auf das Verhältnis des Men-
schen zum Boden. Jeder Wandel dieses Verhält-
nisses muß daher auf die Dauer zwangsläufig zu
einem Wandel des ganzen bäuerlichen Seins
führen. Mit der ausschließlichen Zweckbestim-
mung des Bodens als Gelderwerbsquelle war,
wenn auch zunächst unausgesprochen, vielleicht
nicht einmal bewußt, eine Außerkursset-
zung gerade der Lebenswerte verbun-
den, die das Wesen des Bauerntums
ausmachen. Bäuerliche Bodenständigkeit und
Heimatliebe erscheint als romantische Gefühls-
duselei. Das stolze Bewußtsein, Herr auf eigener
Scholle zu sein, wird als schwacher Trost ab-
getan, wenn es nicht durch entsprechende Geld-
überschüsse fundiert ist. Die Lebensweisheit,
die in dem Kinderreichtum den größten Reich-
tum sieht, wird zu einem höchst fragwürdigen
Rechenexempel.
Wo daher die Saat Thaers aufging, vollzog
sich eine innere Aushöhlung des Bau-
erntums, die dieses dem Werben der libera-
len Zivilisationsidee wehrlos auslieferte, weil es
nicht mehr selbstbewußt genug war, ihren
Lockungen die arteigenen Lebenswerte ent-
gegenzustellen. Daß die Saat Thaers in so star-
271
kem Ausmaße aufging, aber erklärt sich in erster
Linie aus der Berechtigung seiner be-
triebswirtschaftlichen Reformforderun-
gen, der sich niemand, der sich ein offenes Auge
für die Lage der Landwirtschaft gewahrt hatte,
verschließen konnte. War nicht die Berechti-
gung dieser Forderungen der beste Beweis für
die Richtigkeit auch seiner wirtschaftspoli-
tischen Lehren? Rückblickend ist es leicht, den
Irrtum, der in dieser Fragestellung lag, festzu-
stellen. In der damaligen Zeit lag die Bejahung
dieser Frage nur zu nahe. So vollzieht sich in
weiten Kreisen des Bauerntums selbst eine Ab-
wertung des Begriffes „Bauer“, die sich nicht
zuletzt in der Tendenz äußert, diesen Namen als
Beruisbezeichnung abzustreiien. In vielen Ge-
genden bezeichnet man sich mit wachsender
Vorliebe als „Landwirt“ oder gar als „Okonom“,
wenn man nicht als Großbauer (e Titel „Guls-
besitzer” vorzieht.
Aber auch in den Gegenden, wo das Bauern-
tum dem Einbruch des liberalen Gelddenkens
und der damit verbundenen Umwertung seines
Seins widerstand, hatte der Liberalismus, wenn
auch indirekt, einen starken Einfluß auf die
Haltung des Bauerntums. Der Bauer, der sich in
seinen besten Eigenschaften verkannt und unter-
schätzt sieht, zieht sich immer stärker auf sich
zurück und schließt sich mehr und mehr gegen
alle Einwirkungen von außen ab. Diese selbst-
gewählte Isolierung des Bauerntums
hat den unter der Vorherrschaft des Liberalis-
mus immer stärker werdenden Gegensatz zwi-
schen Land und Stadt noch mehr verschärft und
damit die wechselseitigen kulturellen Beziehun-
gen zwischen Land und Stadt sehr zum Schaden
beider Volksteile noch mehr unterbunden. In
Kritik dieser Entwicklung wird häufig zu ein-
seitig der verderbliche Einfluß auf die städtischen
Lebensformen hervorgehoben. Das Bauerntum
hat unter dieser Entfremdung zwischen Land und
Stadt nicht minder stark gelitten.
Dadurch, daß sich der Bauer unter dem Ein-
druck der Wesensfremdheit der Stadt zum Teil
daran gewöhnte, alles, was aus der Stadt kam,
ohne es einer näheren Prüfung zu unterziehen,
als ihm nicht gemäß abzulehnen, verschloß er
sich doch auch so manchem, das für die Gestal-
tung des ländlichen Lebens gut und nützlich
gewesen wäre. Auf diese ablehnende Haltung
ist es beispielsweise mit zurückzuführen, daß
die neuzeitliche Gesundheitspflege mit ihren Er-
kenntnissen und Forderungen so schwer im
deutschen Dorf Eingang gefunden hat, daß auf
dem Lande die Leibesübungen nicht beizeiten
zu der ihnen gebührenden Geltung kamen.
Vor allem aber wird das Bauerntum infolge
der Entfremdung zwischen Land und Stadt
seinernatürlichen kulturellen Mittel-
punkte beraubt. Gerade in der Zeit der
fortschreitenden volkswirtschaftlichen Arbeits-
teilung, die zu einer immer stärkeren Verlage-
rung des Handwerks und Gewerbes in die Stadt
272
t
führte, wäre eine um so engere Zusammenarbeit
zwischen Land und Stadt notwendig gewesen.
Nur dadurch wäre es dem Bauerntum möglich
gewesen, sich einen mitgestaltenden Einfluß auf
die Entwicklung des landstädtischen Handwerks
zu sichern, dessen Arbeitserzeugnisse ja wesent,
liche Elemente auch der ländlichen Lebens-
gestaltung waren. Statt dessen hat die teilweise
zu beobachtende Ablehnung. alles Städtischen
schlechthin stark die Tendenz des landstäd-
tischen Handwerks gefördert, sich nach der
Großstadt, ihren Vorbildern und Moden zu rich-
ten. Durch diese zunehmende einseitige Aus-
richtung der Landstadt nach der Großstadt
wurde der kulturelle Lebensbereich des Bauern-
tums außerordentlich eingeengt.
Zudem aber verlor der Teil des Bauerntums,
der in Abwehr des Liberalismus sich mehr und
mehr auf sich selbst zurückzog, seinen wich-
tigsten natürlichen Bundesgenossen, den es in
einer großen Zahl seiner abwandernden Söhne
besaß. Das im Läufe des 19. Jahrhunderts mehr
und mehr anwachsende UÜbermaß der Abwande-
rung vom Lande, die zum Teil als Landflucht,
zum Teil aber auch als Landvertreibung be
zeichnet werden muß, darf den Blick nicht für die
Tatsache trüben, daß einegewisse Abwanderung
vom Lande der biologischen Funktion entspricht,
auf der die volkspolitische Bedeutung des Bau-
erntums in erster Linie beruht. Auf jeden Fall
aber ist die Stellung des Bauerntums im deut-
schen Volke entscheidend davon abhängig, ob
es ihm gelingt, in den Abwandernden ein so
lebendiges Zusammengehörigkeitsgefühl zu er-
halten, daß diese ihre Abstammung als Halt
und Verpflichtung empfinden. Die Abschließung
eines Teils des Bauerntums gegen alles
Städtische schlechthin stempelte aber alle Ab-
wandernden, gleichgültig ob sie sich nach wie
vor ihrer ländlichen Heimat verbunden fühlten
oder nicht, zu verlorenen Söhnen. Die so Zu-
rückgestoßenen haben dann oft auch ihrerseits
in verbissenem Trotz einen Trennungsstrich
gezogen, dessen Schärfe nur Ausdruck der
Stärke ihrer verschmähten Liebe war. So erst
wurde die Abwanderung zur wirklichen
Abwendung vom Lande.
Selbstverständlich ist — das sei noch einmal
unterstrichen — die teilweise zu beobachtende
Abkapselung des Bauerntums gegenüber der
Stadt nur einer von vielen Gründen der für
beide Volksteile so verderblichen Entfremdung
zwischen Land und Stadt, und es wird viele
geben, die der Meinung zuneigen werden, daß
unter den gegebenen Umständen diese Abwehr-
stellung eines Teils des Bauerntums gegen alles
Städtische schlechthin die einzige Möglichkeit
gewesen sei, um noch Schlimmeres zu verhüten;
denn in der Stadt seien unter der Vorherrschaft
des Liberalismus landfremde und landfeindliche
Tendenzen übermächtig geworden, die nur durch
schärfste Ablehnung, auch wenn dabei dieses
oder jenes Gute mit darunter fiel, hätten be-
kämpft werden können. So bestechend diese
der Sippenkanzlei des
@eärscher Geschlechter-
© in Heide (Holstein)
sen Wahlspruch und
Wappen verschiedener
Amarscher Bauern-
chter, — Oben: Sie-
ut dem Dithmarscher
Landeswappen
N ihmevkhen-Ehr. — folte Ebr
lt EN eb Chu find DE mimmens-mebr.
\ jch flegen ſondeyn Ton.
E dal is in God aedon:
m
Blick in das Museum zu
Meldorf: Gemälde mit sym-
bolischer Darstellung der
früheren Dithmarscher Selbst-
herrschaft, im Vordergrund ein
bäuerliches Ehepaar in der
Tracht des 16. Jahrhunderts. —
Oben: Interessante Siegel
alter Dithmarscher Bauern-
geschlechter. Das vierteilige
Siegel ist von vier Bauernhöfen
zusammengestellt, deren Fa-
milien die Gründer einer Ort-
schaft waren
SC Ach lei Ze
34 "pem
*
Pi Seite, E
4 GET, Ak
GERE E
” a? ae NEE
at: "SN
p G
d *
In
Landesoldermann mit der Ehrenkette
Unten: Anfertigung von Auszügen
Aufstellung eines Stammbaumes in
Sippenkanzlei
Die Uberbetonung des Einzel-Ichs bis zur vollen-
deten Herrschaft der Ichsucht, die für das Zeitalter
des Liberalismus kennzeichnend ist, hat auch im
deutschen Landvolk zur Lockerung, oft sogar zur
T ZerreiBung der starken Bindungen geführt, die dem
einzelnen als Glied seines Geschlechtes einen
festen Halt gaben und seine Pflichten und Rechte
im Dienste seines Geschlechtes zuwiesen; denn die
Blutsgemeinschaften der Geschlechter waren früher
echte Lebensgemeinschaften und als solche Rechts-
gemeinschaften, Arbeits- und Kampfgemeinschaften.
Der einzelne galt stets nur so viel, wie seine Ge-
meinschaft im Rahmen des Ganzen Geltung hatte.
Der eigene Lebenswille war mit dem des Geschlech-
des gleichgeschaltet. Heute ist vielfach selbst die
Erinnerung an diesen einst so lebensfördernden
Zusammenhang verlorengegangen. Stätten bewuß-
der Überlieferungspflege, wie sie der Dithmarscher
Geschlechterbund mit seiner Sippenkanzlei dar-
stellt, sind zur großen Seltenheit geworden; denn
die geschichtlichen Voraussetzungen waren nur in
Wreinzelten Ausnahmefällen so günstig wie in
Dithmarschen. Deswegen hat es sich das Reichsamt
für das Landvolk zur Aufgabe gestellt, die Land-
vYolkgeschlechter, d.h. die Blutsgemeinschaften, die
äle Namensträger gleicher Abstammung um-
"fassen, die sich zueinander bekennen, zu neuem,
selbstverantwortlichem Leben zu erwecken. Selbst-
verständlich kann es sich dabei nicht um schema-
tische Nachahmung früherer Einrichtungen han-
deln. Jede Zeit schafft sich ihre eigenen Gesetze.
s ist auch nicht an eine künstliche Organisation
mit großem Mittelaufwand gedacht. Vielmehr
sollen aus kleinen Anfängen heraus wieder die
neuen Gemeinschaften wachsen und die Probleme
der Zeit, Frühehe, Kinderreichtum und Boden-
verwurzelung aller Glieder, zunächst in kleinem
Rahmen meistern; denn, wer ein gesundes Ganzes
erstrebt, muß bei den kleinsten Zellen anfangen
Dithmarscher Geschlechterbundes.
des
zur
der
mmm vn
Eee E
M Eaa er di
Wes `
ACTIN OG
NO YAM
Anm `a r
*
4
LAVAN
$a
—
2 L Ze?
—
A
e KA Ka Au YIN,
\
* Sort A }
rt
*
—
*
4
SEM
un
©
o
ci
S
.
Q.
o
2
LÉI
©
g”)
©
—
=
—.
—
Ch
Mai
2
—
i
ei
LH
0
b
Bai
0
—
=
E
T
vn
5
o
Ei
o
Le
—
—
D
"CH
2
2
c
>
2
u
un
=
2
—
S
ES
O
>
2
2
Oo
m
berühmten Swynen-Geschlechtes. — Unten: Tür an einem reichgeschnitzten Schrank aus
der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Wappen des Markus Swyn und seiner Ehefrau
1 411
)VVVVVWGGGG e — H a
Begründung auf den ersten Blick erscheint, so
kann ihr doch nicht beigepflichtet werden.
Es soll einmal ganz davon abgesehen werden,
daß diese Abschließung eines Teils des Bauern-
tums von politischen Mächten wie z. B. dem
politischen Klerikalismus dazu mißbraucht
wurde, das Bauerntum vor ihren Wagen für Ziele
einzuspannen, die nichts weniger als im In-
teresse des Bauerntums lagen. Immerhin sollte
es zu denken geben, daß die Gegenden, in denen
die Abkapselung des Bauerntums am stärksten
zur Geltung kam, in der Regel Hochburgen
eines reichsfeindlichen Ultramontanismus waren,
der alles tat, um die kulturelle Isolierung des
Bauerntums zu einem die nationale Einheit ge-
fährdenden Partikularismus zu steigern.
Die Abwehrstellung eines Teils des Bauern-
tums ‚gegen alles Städtische schlechthin war,
im Grunde genommen, ein gefährliches
Schwächezeichen, bedeutete die kampflose
Preisgabe einer Position, deren Behauptung für
eine wesensgemäße bäuerliche Lebensgestaltung
unerläßlich war, bedeutete daher zwangsläu-
fig Verkümmerung und Erstarrung des
bäuerlichen Lebens. Über diese Tatsache
darf man sich auch durch die Neigung einzelner
Volkskundler früherer Zeit, alles Alte im Lichte
romantischer Verklärung zu sehen, nicht hin-
wegtäuschen lassen. Sehen wir uns doch mit
offenen Augen in den Landschaften um, wo ein
gesundes, lebensstarkes Bauerntum eine ihm
artgemäße Lebensführung behauptet hat. In
diesen Landschaften besteht auch heute noch
ein enger Lebenszusammenhang zwischen Land
und Stadt, sind die Städte landgebunden, orga-
nische Bestandteile ihrer sie umgebenden Land-
schaft und deren Volkstums. Auf Grund dieser
Tatsache kann geradezu die These aufgestellt
werden, daß die Gesunderhaltung des Bauern-
tums und die Sicherung der dem Bauern gebüh-
renden Stellung im Volke überhaupt nur dann
möglich ist, wenn auch die Stadt landverbunden,
landschaftsgeprägt, d. h. ihrem Wesen nach
bäuerlich ist. Nur dann — und dieser -Gesichts-
punkt sollte entscheidend sein — ist es möglich,
den Gesamtorganismus des deutschen Volkes vor
Zersetzung und Lähmung lebensnotwendiger
Glieder zu bewahren. In dieser Fesistellung
liegt aber nicht nur ein Anspruch, sondern eben-
sosehr eine Aufgabe des Bauernlums und seiner
. Führung begründet.
Wohin der umgekehrte Weg, der einer
allgemeinen Verstädterung führt, haben die
letzten Jahrzehnte gezeigt. Die Überwindung
seiner verderblichen Folgen ist die schwerste
innerpolitische Aufgabe, vor die der National-
sozialismus gestellt worden ist. Es handelt sich
dabei, wie die nationalsozialistische Staats-
führung von vornherein erkannt und stets betont
hat, um eine Aufgabe der nationalsozialistischen
Gesamtpolitik, die Anspannung aller Volks-
kräfte erfordert. Im Rahmen dieses Aufsatzes
soll und kann aber nur auf den Beitrag der
H
-+ RE "8 A "CAS me De
nationalsozialistischen Agrarpolitik zur Über-
windung jenes verhängnisvollen Erbes des
Liberalismus eingegangen werden.
Die grundstürzende Wirkung des Liberalismus
auf das Bauerntum beruhte in erster Linie auf
der Veränderung des Verhältnisses des Men-
schen zum Boden, die in‘ der Behandlung des
Bodens als Handelsware ihren sichtbarsten Aus-
druck fand. Eine Überwindung des Liberalismus
war daher nur möglich durch ein neues Boden-
recht, das die volksbiologische Funktion des
Grundeigentums durch erneute Bindung des
bäuerlichen Menschen an seine Scholle wieder-
` herstellte. Diese Erkenntnis fand ihren gedank-
lichen Ausdruck in der These von Blut und
Boden und ihre Verwirklichung durch das
Reichserbhofgeseiz.
Allerdings erfaßte das Reichserbhofgesetz
durch die gesetzlich festgelegte Begrenzung der
Erbhofgröße nur einen Teil des Bauern-
tums, den Teil, der trotz der Besitzzersplitte-
rung.durch das liberale Bodenrecht ein Grund-
eigentum behauptet hatte, das als feste Lebens-
grundlage für eine kinderreiche Familie aus- .
reichte, d. h. seine biologische Funktion noch
ausüben konnte. Diese Begrenzung war notwen-
dig, wenn nicht der Weg zu einer Gesundung
der zerrütteten deutschen Bodenordnung ver-
sperrt werden sollte. Das Reichserbhofgesetz
mußte sich also zunächst einmal darauf be-
schränken, den Teil des Bauerntums zu sichern,
dessen Grundeigentumsverhältnisse noch ge-
sund waren.
Wenn es aber nur den Eigentümern der so
neugeschaffenen Erbhöfe die Führung des Titels
„Bauer“ zuerkannte, so schien das vielen als
eine ungerechte Auszeichnung gegenüber der
großen Zahl der Opfer des liberalen Boden-
rechts, die zwar nicht mehr über ein ausreichen-
des Grundeigentum verfügten, die sich aber wie
ihre Vorfahren als Bauern fühlten und ihrer
ganzen Lebensführung nach bäuerlich waren.
Man kann für diesen Einwand volles Verständ-
nis haben und trotzdem sich zu der Be-
schränkung des Personenkreises, der sich Bauer
nennen darf, bekennen; denn mit dieser Be-
schränkung sollte kein ständisches Vor-
recht einer Minderheit des deutschen Land-
volkes begründet, sondern ein agrarpoli-
tisches Ziel von größter volkspolitischer
Bedeutung aufgestellt werden.
Dadurch, daß der nationalsozialistische Ge-
setzgeber die Führung des Bauernnamens bewußt
auf die Grundeigentümer beschränkte, die in
ihrem Grundeigentum noch über eine wohl fun-
dierte Lebensgrundlage für ihre Familie ver-
fügten, sollte dem deutschen Volke klargemacht
werden, in welch erschreckendem Ausmaße be-
reits die gesunde Bodenordnung des deutschen
Volkes durch die Herabwürdigung des Bodens
zur Handelsware zerstört worden war, wie ver-
schwindend gering in weiten Gebieten des deut-
schen Vaterlandes die Zahl derjenigen war,
273
deren Grundeigentum wirklich noch seine bio-
logische Funktion erfüllen konnte. Deutlich
brachte daher auch die Einleitung zum Reichs-
erbhofgesetz zum Ausdruck, daß dieses nicht nur
ein Mittel zum Schutze gegen eine weitere Zer-
‚ splitterung des bäuerlichen Grundeigentums
sein sollte, sondern ebensosehr ein Instru-
ment zur Schaffung einer neuen ge-.
sunden Bodenordnung. „Es soll’ — so
heißt es in der Einleitung — „auf eine gesunde
Verteilung der landwirtschaftlichen Besitz-
größen hingewirkt werden, da eine große Anzahl
lebensfähiger kleiner und mittlerer Bauern-
höfe, möglichst gleichmäßig über das ganze
Land verteilt, die beste Gewähr für die Gesund-
erhaltung von Volk und Staat bildet.” Durch
die Beschränkung des Kreises, der zur Führung
des Titels „Bauer“ berechtigt war, sollte also
das Ziel der Wiederverbäuerlichung boden-
rechtlich klar umrissen werden. Nicht zuletzt
dadurch bekam das Reichserbhofgeselz rich-
tunggebende Bedeutung für die Maßnahmen
zur Gesamtneuordnung der ländlichen Sozial-
Struktur.
Daß die erbhofrechtliche Begriffsbestimmung
„Bauer“ im Widerspruch zu dem bisherigen
Sprachgebrauch stand, war eher ein Grund mehr
für als gegen sie; denn dieser war nur geeignet,
das Ausmaß der Zerstörung der bäuerlichen
Lebensgrundlage des deutschen Volkes zu ver-
hüllen. Der Begriff „Bauer“ in seinem unver-
fälschten Sinne — daran muß festgehalten
werden — ist Ausdruck eines ganz be-
stimmten Verhältnisses des Menschen
zum Boden, bei dem dem Grundeigentum die
Funktion einer dauerhaften voll ausreichenden
Lebensgrundlage der bäuerlichen Familie von
Geschlecht zu Geschlecht zugewiesen ist. Daher
war auch zu allen Zeiten die Bezeichnung
„Bauer“ an eine bestimmte Besitzgröße gebun-
den, bis der Liberalismus in völliger Verken-
nung der biologischen Funktion des Grundeigen-
tums mit diesem wohl begründeten Sprach-
gebrauch brach und so eine Begriffsverwirrung
hervorrief, deren Auswirkung noch heute spür-
bar ist.
Das bäuerliche Verhältnis des Menschen zum
Boden ist aber nicht nur von einer bestimmten
Qualität des Grundeigentums, sondern
ebensosehr von einer bestimmten Qualität des
Grundeigentümers abhängig. Dieser Tat-
sache hat das Reichserbhofgesetz durch die Ein-
führung des Begriffes der Bauernfähigkeit
Rechnung getragen. Dadurch wird das Reichs-
—
erbhofgesetz zu einem volkspolitischen Erzie-
hungsinstrument ersten Ranges; denn es muß
immer wieder betont werden, daß in dem Ver-
hältnis des Menschen zum Boden der Mensch
der bestimmende Faktor ist, von dessen
Gesinnung die Gestaltung und Durchführung des
Bodenrechtes abhängig ist.
Gewiß ist das liberale Bodenrecht von außen
her dem Bauerntum aufgezwungen worden; aber
274
—
we
es darf doch nicht übersehen werden, daß dieses
erst durch den Einbruch der liberalen Wirt-
schaftsgesinnung in weite Kreise des Bauern-
tums zu dem hohen Grad seiner Auswirkung
kam. Andererseits hat die Mehrzahl des Bauern-
tums gerade unter der Vorherrschaft des libe-
ralen Bodenrechts durch zähes Festhalten an den
Grundgedanken des alten Bauernrechtes bewie-
sen, wie weitgehend das herrschende Recht
durch die Gesinnung dor Betroffenen außer Kraft
gesetzt werden kann.
Auch die Wirksamkeit des Reichserbhof-
gesetzes ist abhängig von dem Geist, in
dem es durchgeführt wird. Die Art und
Weise, wie der nationalsozialistische Gesetz-
geber auf diese Tatsache reagiert hat, ist der
beste Beweis für die Volksverbundenheit des
Nationalsozialismus. Er war.so sicher, daß das
Reichserbhofgesetz in seinen Grundzügen echter
deutscher Bauernart entsprach, daß er im Ver-
trauen auf die bäuerliche Gesinnung dieser
durch die Institution der Anerbenbehörden und
die Einschaltung der ehrenamtlichen Bauern-
führer ein weites Wirkungsfeld bei der Gestal-
tung und Durchführung des Erbhofrechtes ein-
räumte. Dieses Vertrauen hat sich in jeder Be-
ziehung bewährt. Die Tätigkeit der bäuer-
lichen Anerbenrichter und ehren-
amtlichen Bauernführer hat entscheidend
dazu beigetragen, daß das Ziel des Reichserbhof-
gesetzes, die Bezeichnung „Bauer“ wieder mit
dem verpflichtenden Sinn zu erfüllen, den diese
ursprünglich gehabt hatte, erreicht worden ist.
Die Einführung und Durchsetzung des Be-
griffes der Bauernfähigkeit hat aber eine weit
über die Grenzen des Reichserbhofgesetzes
hinausgehende Wirkung. In ihm ist ein Eig-
nungsmerkmal gegeben, das zum Bildungs-
ziel (in des Wortes umfassendster Bedeutung)
des gesamten deutschen Landvolkes gewor-
den ist. Bauer kann nicht, bauernfähig aber
sollte jedes Glied des Landvolkes sein.
Damit ist auch das Verhältnis von Bauer und
Landvolk gegeben. Das deutsche Landvolk
ist, seiner Deutschheit gemäß, nur als ein
bäuerliches Landvolk denkbar. Ohne eine
bäuerliche Grundhaltung des gesamten deut-
schen Landvolkes wäre auch die vom National-
Sozialismus erstrebte Wiederverbäuerlichung
der ländlichen Sozialstruktur durch Siedlung,
Umlegung und Dorfaufrüstung unerreichbar:
denn alle diese Maßnahmen selzen, wenn sie
den erstrebten Erfolg haben sollen, als Träger
den geeigneten, d. h. bauernfähigen Men-
schen voraus.
Daraus ergibt sich auch die wichtigste
AufgabedesReicäsamtesfürdasLand-
volk. Sie besteht in der bäuerlichen Ausrich-
tung und Erziehung des gesamten Landvolkes,
in der Wiederbesinnung auf die durch den
Liberalismus unterdrückten bäuerlichen Urkräfte
und ihrer Aktivierung im Dienste der Nation,
kurz und gut, in der geistigen und seelischen
i
x
ui iur
wet
2
Wiederverbäuerlichung des ländlichen Men-
schen, die die entscheidende Voraussetzung für
die erstrebte Erneuerung und Gesundung des
deutschen Landvolkes ist. Daher bedeutet die
Wahl der „Bezeichnung „Reichsamt für das
Landvolk" auch alles andere als etwa ein
Abrücken von der Bauerntumsidee Sie ist
vielmehr Ausdruck 'des Willens, mit der
Bauerntumsidee das gesamte Landvolk zu
durchdringen und zu erfüllen; denn Bauern-
tum, als geist-seelische Wesenseinheit ver-
standen, ist nicht nur Angelegenheit der
Summe aller Bauern und ihrer Familienangehö-
rigen, sondern umfaßt alle bäuerlichen Men-
schen. Die Bauerntumsidee ist daher, ent-
sprethend dem bäuerlichen Ursprung und
Grundcharakter des deutschen Volkes von
wesensbildender Bedeutung nicht nur für das
gesamte Landvolk, sondern darüber hinaus für
das ganze deuische Volk. So schließt sich die
Kette Bauer — Landvolk — Volk.
Die wesensbildende Kraft der Bauerntumsidee
wird um so stärker sein, um so tiefer sie im
Landvolk selbst verwurzelt ist. Hier muß sie
sich vor allem bewähren, wenn sie darüber
hinaus auf das ganze deutsche Volk lebens-
gestaltend einwirken soll. Nur von einem
selbstbewußten und selbstgetreuen Bauerntum,
verkörpert durch das gesamte deutsche Land-
volk, kann die Uberwindung der unseligen,
durch den Liberalismus hervorgerufenen Ent-
fremdung zwischen Land und Stadt durch die
geist-seelische Wiederverbäuerlichung des gan-
zen Volkes ausgehen. Nur ein selbstbewußtes
und selbstgetreues Bauerntum wird wieder die
Stärke erreichen, die zur Ausübung seiner volks-
biologischen Funktion notwendig ist, wird die
vom Lande abwandernden Kräfte in Treue zu
der angestammten Bauernart binden und die
durch den Liberalismus entfremdeten Kräfte
durch Wiederbesinnung auf das bäuerliche
Blutserbe zurückgewinnen. Nur dadurch ist
auch eine Uberwindung der Abseitsstellung
möglich, in die ein Teil des Bauerntums durch
den Liberalismus gedrängt worden ist oder in
Abwehr des Liberalismus sich zurückgezogen
hat. Das deutsche Bauerntum kann nur gedei-
hen, wenn es als ein lebendiges Glied des deut-
schen Volkskörpers von der Volksgesamt-
heit als lebensnotwendig erkannt und
gewürdigt wird, wie andererseits der
deutsche Volksorganismus verkümmern müßte,
wenn das Bauerntum in erzwungener oder selbst
gewählter Isolierung verharren wollte.
Der Bezeichnung „Landvolk“ liegt daher
nichts ferner als die Vorstellung eines Volkes
im Volke. Sie entspringt nicht der Tendenz,
die Eigenart des Landvolkes hervorzuheben;
denn die Notwendigkeit, die Eigenart des Land-
volkes zu betonen und zu schützen, war ja nur
die Folge einer weitgehenden Entartung des
deutschen Volkes, die sich im Zeitalter des
Liberalismus durch Verleugnung des bäuerlichen
Bluterbes aller Volksglieder vollzog. Diese Not-
wendigkeit wird um so mehr zurücktreten, um
so weiter die geist-seelische Wiederverbäuer-
lichung des deutschen Volkes fortschreitet, um
so stärker deutsche Bauernart und deutsche
Volksart wieder identisch werden.
Die Bezeichnung „Landvolk” entspringt viel-
mehr dem Bestreben, die besondere volkspoli-
tische, vor allem volksbiologische Aufgabe und
Verpflichtung hervorzuheben, die Natur und
Geschichte dem ländlichen Menschen stellen.
Mit Landvolk soll nicht ein Volk im Volke,
sondern ein Organ des Volkes, die Wurzel des
völkischen Lebensbaumes, bezeichnet werden,
durch die der Lebenszusammenhang zwischen
Blut und Boden, aus dem dem Ganzen immer
wieder neue Kraft zuströmt, ständig erneuert
wird.
Daraus ergibt sich auch, daß die volkspoli-
tische Aktivierung des Landvolkes nicht Auf-
gabe einer ständischen Organisation
sein kann — ein solcher Versuch würde das
Landvolk erneut der Gefahr der Absonderung
und Isolierung aussetzen —, sondern Auf-
gabe der Partei als des politischen Willen-
trägers der Gesamtnation ist. Nur durch den
Einsatz der Partei kann und wird die Bauern-
sache, wie es zum Wohle des ganzen Volkes
notwendig ist, zur Volkssache werden. Aufgabe
des Reichsamtes für das Landvolk als des dazu
geschaffenen Organs der Partei aber Ist es, die
aus der besonderen volkspolitischen Funktion
des Landvolkes sich ergebenden besonderen
Führungsaufgaben zu übernehmen; denn die
Mobilmachung des Selbstverantwortungsbewußt-
seins des Landvolkes ist der stärkste Motor der
zu erstrebenden Wiederverbäuerlichung des
deutschen Volkes, die, wie immer wieder betont
werden muß, nur von einem seiner bäuerlicher
Art bewußten Landvolk ausgehen kann.
So stehen Bauer, Landvolk, Volk in
einem so engen Schicksalszusammenhang, daß
seine Mißachtung zu schwerster Schädigung
aller drei führen muß und im Zeitalter des Libe-
ralismus zu einer tiefgreifenden Zerrüttung der
deutschen Volksordnung geführt hat. Die end-
gültige Überwindung des Liberalismus auch in
seinen letzten Folgen ist daher nur durch die
Wiederherstellung dieses Lebenszusammenhan-
ges in der ganzen Vielseitigkeit seiner Bezie-
hungen möglich. Eine tiefsinnige griechische
Sage berichtet von dem Riesen Antäus, däß er
so lange unüberwindlich gewesen sei, als seine
Füße die Erde berührten, aus der ihm immer
wieder neue Kraft zuströmte. Das deutsche Volk
gleicht diesem Riesen. Es wird so lange un-
überwindlich. sein, als der Lebens-
zusammenhang von Blut und Boden
gewahrt bleıbt. Dieser Zusammenhang
kennzeichnet daher Bauer, Landvolk, Volk als
eine Dreieinheit, von deren Stärke und
Festigkeit das Schicksal des deutschen Volkes
bis in seine fernste Zukunft abhängt.
275
A [MATOU fi AY Ju Ru nd SZ
Beim diesjährigen Kriegsberufswettkampf der deut-
schen Jugend hat die Landjugend in hervorragender
Weise mitgewirkt. In der großen Zahl der Teilnehmer
von über 600000 Jungen und Mädchen aus allen land-
wirtschaftlichen Berufen kommt besonders deutlich
zum Ausdruck, daß heute die Arbeit in der Landwirt-
schaft mit ihren vielen einzelnen Berufszweigen
ebenso zur gelernten Facharbeit gehört wie jede
andere Facharbeit. Darüber hinaus zeigt die große
Teilnehmerzahl, daß der von Herbert Backe vor
anderthalb Jahren in Posen mit der Begründung des
landwirtschaftlichen Berufsausbildungswerkes ver-
tretene Gedanke sich trotz des Krieges überall restlos
durchgesetzt hat. Überall ist die Erkenntnis zum
Durchbruch gekommen, daß eine gediegene Fachaus-
bildung auch in der Landwirtschaft nicht nur trotz des
Krieges notwendig ist, sondern gerade wegen des
Krieges zu den wichtigsten Aufgaben gehört, weil mit
der verringerten Zahl deutscher Menschen in den
landwirtschaftlichen Betrieben die Aufgaben nur dann
gemeistert werden können, wenn auch die in die
praktische Arbeit hineinwachsende Jugend von vorn-
herein eine gediegene Ausbildung erhält. Nur dann
bleibt die Waffe der Erzeugungsschlacht scharf. Es
verdient hervorgehoben zu werden, daß nicht nur
Jungen und Mädel aus allen deutschen Gauen sich am
Kriegsberufs wettkampf der ländlichen Jugend be-
teiligten, sondern daß sich die als Prüfer mitwirkende
Lehrherren und Lehrfrauen dieser wichtigen Aufgabe
ebenso mit größtem Ernst und Eifer unterzogen. Auch
hier liegt im Zusammenwirken von jung und alt die
Voraussetzung zum Erfolg. |
Der Reichsobmann des Reichsnährstandes, Bauer
Gustav Behrens, der bereits die Ortswettkämpfe
eröffnet hatte, eröffnete auch den Reichsentscheid im
Kriegsberufswettkampf der Gruppe Nährstand in
Posen, der vom 21. bis 26. April durchgeführt wurde.
Er wies dabei darauf hin, daß die Leistung des deut-
schen Landvolkes die Garantie dafür bietet, daß die
Grundlagen der Ernährung stets gegeben sein werden.
An dieser Leistung hat die deutsche Landjugend neben
der deutschen Landfrau einen so starken Anteil, wie
er in keinem anderen Beruf denkbar ist. Gustav
Behrens unterstrich besonders die Begeisterung der
Jungen und Mädel bei der Durchführung der Wett-
kämpfe. Er sah darin einen besonderen Beweis dafür,
daß die Jungen und Mädel in der Landwirtschaft nicht
einen Beruf ergriffen haben, um hierbei yiel Geld zu
verdienen, sondern um sich in die große Aufgabe
hineinzuleben und hineinzuwachsen, die der Führer
dem deutschen Bauerntum übertragen hat: die Er-
nährung des Volkes zu sichern und Blutsquell der
Nation zu sein. Gustav Behrens unterstrich besonders
die Bedeutung des Landdienstes, der heute noch mehr
jungen Menschen die Möglichkeit gibt, die Verbunden-
heit mit dem Boden zu erleben. In ländlichen Berufen
hat heute jeder die Möglichkeit, aufzusteigen. Die
Größe der gestellten Aufgabe rechtfertigt das Be-
streben nach einem wachsenden, Landvolk. Ein
276
wachsendes Landvolk kann diese Aufgabe im national-
sozialistischen Staat erfüllen, je stärker die ländliche
Jugend und je größer der Wille zur Arbeit am Leben-
digen, am Grund und Boden, je sicherer die Garantie
für das Leben und die Zukunft unseres Volkes ist.
Diese Worte des Reichsobmannes haben bei all den
jungen Menschen, die die Posener Feierstunde er-
lebten, gezündet. Jeder ist stolz auf seine Leistung in
den vielseitigen Berufen der Landwirtschaft und der
Ernährungswirtschaft und glaubt an die Zukunft
gerade dieser Berufe, die der Liberalismus fast schon
abgeschrieben hatte, Es ist bemerkenswert und für
den künftigen Erfolg des landwirtschaftlichen Berufs-
erziehungswerkes und des Kampfes gegen die Land-
flucht besonders bedeytsam, daß diese Überzeugung
sich heute nicht nur auf die Angehörigen dieser Berufe
erstreckt, sondern auch in Industrie und Handwerk
geteilt wird. Auch dieses konnte man in Gesprächen
mit Jungen und Nadeln oder Lehrherren und Lehr-
frauen feststellen, die am 29. April zur Reichssieger-
ehrung des Kriegsberufswettkampfes in Dresden zu-
sammengekommen waren. Gemeinsam empfingen die
jugendlichen Reichssieger aller Berufe ihre Sieger-
urkunden aus den Händen des Reichsorganisations-
leiters Reichsleiters Dr. Ley, des Oberbefehisleiters
Reichsministers Herbert Backe und des Reichs-
jugendführers Axmann. Diese Reichssiegerehrung
auf dem Höhepunkt der Entscheidungen dieses Krieges
bot ein Bild stärkster Geschlossenheit von Stadt und
Land und war getragen vom Glauben an den Sieg. Ein
Volk, das in der Lage ist, inmitten stärkster Kräfte-
anspannungen im Entscheidungskampf auch derartige
zukunftweisende Aufgaben, wie sie dieser Kriegs-
berufswettkampf in sich schließt, zu meistern, wird
auch den Vernichtungswillen der Gegner, wie sie
Judentum, Kapitalismus und Bolschewismus ver-
körpern, zunichte machen. Das deutsche Landvolk
wird aber auch aus dieser Reichssiegerehrung das
Bewußtsein empfangen, daß es heute nicht mehr
abseits steht und seine Arbeit als überholt angesehen
wird, sondern daß es im nationalsozialistischen
Deutschland auch in seiner Berufsarbeit voll anerkannt
in geschlossener Reihe mit allen anderen Berufen
marschiert. Im Anschluß an die Reichssiegerehrung
fand unter Leitung von Gauleiter Reichsstatthalter
Martin Mutschmann eine Großkundgebung statt,
auf der Oberbeſehlsleiter Reichsminister Herbert
Backe, Reichsjugendführer Axmann und Reichsleiter
Dr. Ley sprachen.-
Herbert Backe stellte den Gedanken des Kampfes
in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Der Kampf
ist die Grundläge unseres Lebens, denn ohne Kampf
gebe es kein Leben. Gerade der Bauer und der Land-
mensch, der der Natur und ihren Gesetzen am
stärksten verhaftet ist, weiß, daß alles Organische sich
im Kampf durchsetzen muß und daß nur durch den
Kampf höchste Entwicklung ist. Um die Schöpfe-
rischen, Leistungsfähigen, Einsatzbereiten zu erkennen,
um diese Menschen auf allen Gebieten unseres Lebens
TT — use
zur Führung zu bringen, deshalb ist der Kampf not-
wendig. Er ist die Voraussetzung jeder Auslese und
macht innerhalb eines Volkes erst diejenigen sichtbar,
die ais die Besten zur Führung berufen sind. Der
Kampf stärkt darüber hinaus den Einsatzwillen aller,
ihre Verantwortungsfreudigkeit, ihren Willen mitzu-
gestalten in der Gemeinschaft. Der durch den National-
sozialismus erkämpfte Umbruch hat die ewig gültigen
Gesetze des Kampfes und der Auslese wiederher-
gestellt, die jahrhunderte-, ja jahrtausendelang durch
artfremde und lebensverneinende Kräfte und Ideen
unterbrochen waren. Dieser Umbruch stellt daher
dem deutschen Volke und darüber hinaus allen sich zu
unseren Idealen bekennenden verwandten Völkern
ungeheure einmalige Aufgaben, die in um so kürzerer
Zeit gelöst werden müssen, je länger die Zeiten des
Verfalls eine solche Lösung nicht zuließen. Dazu aber
ist eine befähigte Mannschaft erforderlich, eine
Führungsschicht, die fähig und bereit ist, diese seit
Jahrtausenden ungelösten Aufgaben zu läsen und damit
für Jahrtausende dem deutschen Volke die Lebens-
grundlage, zu geben, die ihm die Freiheit seiner Art
sichert. Eine solche Führungsschicht entsteht nur im
Kampf, der die Grundlage der Auslese bildet.
Eine solche Auslese kann, so betonte der Minister,
aber nicht nur auf einem Lebensgebiet durchgeführt
werden, etwa nur auf dem politischen oder
kulturellen. Je umfassender die Fähigkeiten und das
Können des einzelnen sind, je tüchtiger und einsatz-
bereiter er auf allen Lebensgebieten ist, um so mehr
-vereinigt er in sich die Voraussetzung, Persönlichkeit
zu werden. Deshalb werden von der deutschen
Jugend, aus der sich die Führungsschicht des deutschen
Volkes dauernd ergänzt, nicht nur politische Tugenden
wie Bekenntnis zur nationalsozialistischen Welt-
anschauung, Treue, Opferbereitschaft und Beharrlich-
keit, sondern ebenso höchstes Können im beruflichen
Leben und in der beruflichen Arbeit gefordert. Die
Leistung ist Maßstab guten Erbgutes. Sie zeigt somit,
wer zum Führen berufen ist. Deshalb soll der Berufs-
wettkampf höchstes Können fordern, indem er in den
Siegerleistungen das Maß des beruflichen Könnens
herausstellt, das notwendig ist, um die vor uns
stehenden gewaltigen Aufgaben zu meistern.
Oberbefehlsleiter Herbert Backe unterstrich
dann die Aufgaben, die sich hieraus für die landwirt-
schaftlichen Berufe ergeben. „Je größer die Aufgaben
sind, die uns in Europa gestellt werden, um so größer
müssen die Leistungen jedes einzelnen im Dienste der
Nahrungsfreiheit unseres Volkes sein. Es ist den
jungen Kräften, die oft genug für Erwachsene an ent-
scheidender Stelle im Hofe oder auf dem Acker stehen,
kaum noch möglich, länger oder mehr zu arbeiten,
wohl aber können sie durch höheres Berufswissen
ihre Leistung weiter steigern und verbessern. Deshalb
ist der Kriegsberufswettkampf zu einem entscheiden-
den Faktor für das bäuerliche Berufserziehungswerk
geworden." Dieser Gedanke ist bereits Allgemein-
gut des Landvolkes geworden, denn in diesem Jahre
nahmen 600000 Jungen und Mädel der Gruppe Nähr-
stand freiwillig an diesem Leistungskampf teil, wäh-
rend es 1938 290000 und 1934 nur 67000 waren.
Dr. Kurt Haußmann
EFT SE
Kandbemerkungen
Schüler schreiben über Bauernarbeit
Bodenverbundener Unterricht ist in den Salzburger
Dorfschulen und namentlich in den Beispielschulen
eine Selbstverständlichkeit. Darum war es gar kein
Wagnis, als die Landesbauernschaft Salzburg unter
tatkräftiger Unterstützung der Schulbehörde daran-
ging, ein Preisausschreiben durchzuführen, das der
weiteren Stärkung des bäuerlichen Gedankens in der
Schule dienen sollte und ein Aufsatzthema aus dem
umfangreichen Gebiet der Bauerntumsfragen Zum
Gegenstand hatte. Welch fruchtbarer Boden da be-
ackert wurde, bewies die Tatsache, daß weit über die
Hälfte der Schulen dort bereits vorgesichtete Auf-
sätze einsandten. Und wie sehr die Lehrer selbst mit
dem Herzen bei der Sache waren, dafür zeugen die
Begleitschreiben. So eines aus dem hintersten Rauris-
tal, aus Wörth am Fuße des Sonnblicks: „Ich übersende
vier Arbeiten meiner achten Schulstufe, die bis zum
1. November restlos im Arbeitseinsatz stand und nur
zwei Schüler hat, die nicht aus dem Bauernstand
stammen. Einer davon, die Arbeit liegt bei, ist ein
kleiner Dichter, probiert Verse, meistens aus heimat-
lichem und volksgebundenem Stoff. Vielleicht — und
welche Freude, welcher Ansporn wären das für
unseren Winkel! — findet eine Arbeit Anklang. Mit
ganzer Seele stehen sie jetzt schon mehr in der
Bauernarbeit und bleiben es. Keiner von ihnen
ergriff in den letzten fünf Jahren, seit ich hier
bin, einen anderen Beruf." Heimatliebe und Ver-
bundensein mit dem Hof kommen oft und oft zum
Ausdruck. Ein Bub aus dem Pinzgau etwa: „Hart und
mühsam ist die Arbeit eines Bergbauern, aber wenn
man droben auf seinem Hofe steht, dann ist es wieder
schön, für seine Heimat zu arbeiten.“
Immer wieder bricht auch der Ostgedanke durch.
Ganz behutsam wird in Salzburg die Saat dafür gelegt
und die Frucht soll von selber reifen. Voraussetzung
ist einmal, bei den nachgeborenen Bauernsöhnen die
Liebe zur Bauernarbeit nicht durch Einflüsse von
außenher ertöten zu lassen. Dann kommt das Be-
gehren nach einem eigenen Hof, auch wenn er weit
von der Heimat entfernt sein müßte, von selber. Der
Bub aus Wörth, von dem die Schulleiterin schrieb,
daß er ein kleiner Dichter sei, eine Vollwaise und
tüchtiger Arbeiter am Hofe seiner ältesten Schwester,
gibt seinen Gefühlen in etwas romantischer Form
Ausdruck: „Ein großes Opfer ist es wohl, die Urheimat -
meiner Väter, mit der ich so verwachsen bin, wie ein
Eichenbaum mit seinen Wurzeln verbunden ist, zu
verlassen... Die Arbeiten lerne ich auf meiner Heimat-
erde, daß ich einmal fähig bin, als junge Pflanze die
fremde Erde zu pflügen. Und gestalte ich eine Familie,
dann bin ich nimmer allein. Manchmal werde ich wohl
zurückdenken an den schönen Jugendtraum, den ich
in den Bergen träumte."
Bei aller Romantik klingt das vollkommen echt. Das
ist besönders erfreulich bei den Arbeiten, daß kaum
ein falscher Ton aufklingt, auch dort nicht, wo ein
Stadtkind. etwa ein Kind eines Umquartierten, über
Bauerntumsfragen oder Bauernarbeit schreibt. Da ist
H
277
H
ihm natürlich das Bauernkind vor in der Ursprünglich-
keit der Begriffsbildung, in der Anschaulichkeit der
‚Darstellung. Eine Hauptschülerin schreibt: „Wie's
einem im Blute liegt, so muß er es halten, und wessen
Ahnen allezeit Bauern waren, dessen Blut und Leib
und Sinn ebenso beschaffen, der soll seinen Ahnen
treu bleiben. Ein anderes: „Es kommt auf jedes
Körnlein an, so winzig und unscheinbar es ist. Jedes
Korn hilft mit, unser großes, wachsendes Volk satt
zu machen, oder es ist Samenkorn für die kommende
neue Saat. Jedes Körnchen ist wichtig und jedes hat
seine Bestimmung.“
Daß Kriegsgeschehen und Bauernarbeit im Kriege
eine große Rolle in den Aufsätzen spielen, ist eine
Selbstverständlichkeit und mit tiefem Verstehen hat
die Parole „Nahrung ist Waffe Wurzeln geschlagen.
Aus Altenmarkt im Pongau, einem ursprünglichen
Dorf mit alten wunderbaren Holzhäusern, schreibt ein
Mädel: „Große und schwere Aufgaben stellt der Krieg
der Bauernfamilie, besonders dort, wo der Bauer in
den Reihen der Soldaten steht und die Bäuerin allein
mit den Kindern oder mit dem Hofpaten oftmals
steile Berglagen zu bearbeiten hat. Ohne Ernte kein
Sieg, ohne Sieg ein schmählicher Friede.“ Und dazu
ein Verslein:
Mit der Hand am Schwerte
Führe deinen Pflug,
Deiner Heimat Erde
Ist dir Pflicht genug.
| Dr. Hermann Legat
„Gefärbte’' Lebenshaltungskosten
Die enge Bindung des Lohnniveaus an die Lebens-
haltungskosten hat zur Folge, daß diesen aus volks-
wirtschaftlichen Erwägungen die besondere Aufmerk-
samkeit der Regierungen gilt. Gerade mit Rücksicht
auf die wirtschaftlich schlechter gestellten Volksteile
ist man bemüht, die Ausgaben für Nahrungsmittel,
Kleidung, Miete usw. möglichst niedrig zu halten oder
sie zumindest vor allzu starken Schwankungen zu
schützen. Dieses Problem wird besonders aktuell in
Zeiten der Verknappung, sei es in Auswirkung eines
Krieges, infolge von Mißernten oder anderen Ursachen.
Gerade in solchen Zeiten stehen der Spekulation und
dem Schwarzhandel alle Möglichkeiten offen. Das gilt
natürlich in erster Linie für solche Länder, die dem
liberalen Wirtschaftsprinzip huldigen und die Höhe:
des Preises von dem Verhältnis zwischen Angebot und
Nachfrage abhängig machen.
Als typisches Beispiel gelten in dieser Beziehung
die USA., die aber während dieses Krieges Maßnahmen
ergriffen haben wie die Preisüberwachung, die Punkt-
rationierung usw., die sie vorher als „Unterdrückungs-
mittel autoritäreg Regierungen" großspurig abgelehnt
hatten. Wie wenig erfolgreich diese Versuche einer
Wirtschaſtslenkung waren, konnte immer wieder
Pressemeldungen entnommen werden, die von der
steigenden Bedeutung des Schwarzhandels sprechen.
Offizielle Kreise schätzten den Anteil des Schwarz-
handels am Fleischmarkt auf mindestens ein Fünftel
der angelieferten Menge und wiesen andererseits auf
die leeren Schlacht- und Kühlhäuser der Großstädte
hin. In ‚sensationeller Aufmachung wurde einem
278
\
Schwarzhändier Im Hinblick auf seinen „großen
Umsatz" der Titel eines „‚Meatlegger Nr. 1“ gegeben.
Diese Symptome gestatten gewisse Rückschlüsse In
bezug auf die Ordnung des Marktes und die Ver-
sorgung der Bevölkerung. Ebenso verständlich ist die
Vermutung, daß die Lebensmittellieferungen der
USA. an die Alliierten, die bessere Versorgung eines
vergrößerten Heeres u. a. m. nur auf Kosten der Zivil-
bevölkerung geschehen konnten und Preisauftriebs-
tendenzen nach sich ziehen mußten.
Deshalb war es nicht uninteressant, die offiziellen
Angaben über den us.-amerikanischen Lebenshaltungs-
index zu verfolgen. Wenn z.B. die Steigerung der
Lebenshaltungskosten von Januar 1941 bis Ende 1943
offiziell mit 23,4% angegeben wurde, so konnte man
diese Zahl wohl bezweifeln, ohne sie aber — infolge
mangelnder Unterlagen — als falsch hinstellen zu
können. ü
Aller Zweifel enthebt uns nun eine Meldung aus
USA., wonach die beiden großen Gewerkschaften in
einem Gutachten nachgewiesen haben, daß die Zahlen
des offiziösen Statistischen Amts viel zu niedrig
seien — also falsch! Hier eine Gegenüberstellung:
Stelgerung der Kosten von Januar 1941 bis
Ende 1943 In %
Lebensmittel
Kleidung 72.2
Rees 15.0
Wohnungsbedarfs-
artikeun 68,0
Lebenshaltungskosten . 43,5
Es bedarf keines Hinweises, daß die Berechnung von
Preisindizes immer gewisse Fehlerquellen in sich birgt,
die kleine Differenzen ergeben. Unterschiede aber
von 100 und mehr Prozent können dabei nicht auf-
treten — oder man hat die Ergebnisse aus politischen
Gründen „gefärbt“. Dazu hat das im Auftrage der
Regierung arbeitende Statistische Amt aber mehr
Ursache als die Gewerkschaften; denn zwischen den
Lebenshaltungskosten und dem Lohnniveau besteht,
wie schon gesagt, eine enge Bindung. Es lag aber im
Interesse des Kapitals, Lohnerhöhungen zu vermeiden.
Deshalb ist es auch kein Zufall, daß die Vertreter des
Statistischen Amts und die Industrie die Richtigkeit
des gewerblichen Gutachtens bestreiten! Das dar-
gebotene Bild rundet sich ab, wenn man in dem Gut-
achten liest, daß die Realversorgung der Bevölkerung
von 1941 bis 1943 zurückgegangen sei trotz Steigerung
der Gesamtausgahen für Verbrauchsgüter.
Nur selten bletet sich uns ein so charakteristischer
Fall wie dieser. Er zeigt die Abhängigkeit, der Roose-
velt- Regierung vom Kapital, die so welt geht, daß
selbst staatliche Einrichtungen aus kapitalistischem
Interesse , Korrekturen“ vornehmen müssen, um das
Volk zu betrügen. Es hält uns aber auch mit aller
Deutlichkeit vor Augen, wie die Verhältnisse bei uns
sein würden, wenn es keine staatlich gelenkte Wirt-
schaft gäbe. H.Gerdesmann
VG —
„Zucht und Sitte“
Schriften für die Neuordnung unserer Lebens-
gesetze. Herausgeber Herbert Backe und Karl
Cerff. Vierte Folge, Erscheinungsjahr 1944
Die vierte Folge der nunmehr von Herbert Backe
und Karl Cerff herausgegebenen „Zucht und Sitte“-
Schriften dient, wie die drei vorhergehenden Hefte,
wieder dem hohen Ziel, die Quellenart echter deut-
scher Weltanschauung freizulegen und die Formung
eines dieser Weltanschauung verpflichteten Menschen-
bildes zu fördern. Wieder legt das Heft ein schönes
Zeugnis ab für den unerschöpflichen Reichtum der
deutschen Kultur an inneren Kräften, die Herz und
Willen festigen und stärken können, damit sie diesen
großen Kampf um das Lebensrecht des deutschen
. Geistes und den Bestand der deutschen Seele durch-
zustehen imstande sind. In dieser Festigung und
Stärkung muß gerade heute der Sinn aller kulturellen
Arbeit beruhen, wie Karl Cerff in dem das Heft er-
öffnenden Aufsatz betont. So wie das Reich der
politische Schwerpunkt Europas ist, so ist die deutsche
Volkskultur das Herzstück der hohen Kultur Europas.
Ihr erwachsen aus dieser Stellung bestimmte Aufgaben
im europäischen Raum. Sie liegen nicht, wie Karl Cerff
ausführt, in einer Angleichung, sondern in der An-
erkennung aller germanischen Volkskulturen, die jede
Art von Kulturdiktatur ausschließt.
„Der Krieg ist der Vater aller Dinge" — diese
Weisheit der Griechen wandelt Max Wegener ab,
Indem er am Beispiel zahlreicher Zeugnisse aus der
bildenden Kunst und der Dichtkunst zeigt, wie echte
Kunst sich stets In der kämpferischen Auseinander-
setzung mit Welt und Umwelt geformt hat. — Im
Werden und Sein des deutschen Grenadiers, wie es
Wolfgang Hünemarin sehr lebendig und anschaulich
schildert, treten Pflichtgefühl und Wille zum un-
bedingten Einsatz als innerste Kräfte ewigen deutschen
Soldatentums hervor. — Selten hat sich wohl die hohe
geistige Führungsaufgabe des Philosophen und Hoch-
schullehrers in Kriegszeiten so wunderbar verkörpert
wie in Fichtes Wirken. Hiervon gibt der Beitrag
Walter Horns, dem Studien von Professor Kampf zu
dem Gemälde ‚‚Fichtes Reden“ beigegeben sind, einen
Begriff. Weil ihm versagt war zu kämpfen, wollte
Fichte wenigstens nach seinen eigenen Worten
Schwerter und Blitze reden, obwohl er dabei rechnen
mußte, von den Schergen Napoleons ergriffen zu
werden. — Dr. habil. Herbert Grabert zeigt die Ehe
als wichtigsten Weg zum Ziel der Artverpflichtung.
Das kommende Geschlecht darf nicht in die Bahn
artblinder Ehetradition und Eheauffassung geraten.
Der Sinn einer artverpflichteten Ehe erfüllt sich In
ihrem Reichtum an gewollten Kindern. — Ähnliche
Gedanken formt Georg Stammler zu einer ergreifen-
den und inhaltschweren Traurede mit dem schönen
Titel „Liebesbund und Volksdienst“. -- Dr. habil. Karl
Tuppa gibt einen Überblick über die „Zwillings-
W
forschung unserer Zeit“, — Das Beiblatt „Die Aus-
schau" enthält einige lehrreiche und anregende Be-
richte. Franz von Frimmel referiert über die Arbeit
des gärtnerischen Pflanzenzüchtungsinstituts in Eis-
grub und Dr. habil. Martin Schmidt teilt in seinem
Aufsatz „Züchtung auf Härte“ züchterische Erfah-
rungen aus dem Osten mit, die sich für den Künftigen
Obstanbau als fruchtbar erweisen werden. Dr. Clara
Teschner gibt Kurzberichte aus der Forschung, und
zwar aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut Berlin-Dahlem
und aus Eisgrub. — Einige kleinere Beiträge aus der l
Welt der Dichtung beschließen das reichhaltige Heft.
Dr. Helmut Langenbucher ümreißt in dem Aufsatz
„Verpflichtung der bäuerlichen Dichtung‘ die Auf-
gaben, die der bäuerlichen Dichtung heute gestellt
sind. Die beiden Preisträger des in diesem Jahr zum
erstenmal verteilten Preises des Reichsbauernführers
für bäuerliche Dichtung, Friedrich Griese und Josef
Martin Bauer, sind durch einen kurzen Beitrag
vertreten, |
Es muß noch hervorgehoben werden, daß auch
dieses Heft sich wieder durch eine außerordentlich
gepflegte und reiche Ausstattung auszeichnet, die
dazu reizt, es immer wieder in die Hand zu nehmen.
Besonders hingewiesen sei auf die Studien zu dem
Gemälde „Fichtes Reden“ von Professor Kampf, die
farbige Zeichnung ., Grenadiere“ von E. Kretschmane
und die farbigen Wiedergaben einiger Aquarelln
Albrecht Dürers. - Dr. Klaus Schmidt
Dr. Otto Schiller:
DieLandwirtschaftspolitik der
Sowjets und ihre Ergebnisse
Jahrgang 1943
Berichte über Landwirtschaft, 150. Sonderheft
Das 150. Sonderheft der Berichte über Landwirt-
schaft stellt eine Zusammenfassung der bereits vor
dem Kriege einzeln veröffentlichten Arbeiten und
Aufsätze des früheren landwirtschaftlichen Sachver-
ständigen an der Deutschen Botschaft in Moskau,
Dr. Otto Schiller, über die Fragen der Sowjetland-
"wirtschaft dar. Im Verlaufe des Ostfeldzuges ist viel-
fach bedauernd festgestellt worden, wie gering das
Schrifttum über die wirklichen Verhältnisse In der
UdSSR. ist und wie wenig man im allgemeinen über die
Zustände in der Sowjetunion unterrichtet sei. Die
‘vorliegende Schrift zeigt, daß man auf einem so
wichtigen Teilgebiet wie gerade auf dem Agrarsektor
über die wesentlichsten Zusammenhänge und die ge-
samte Entwicklung bis in die jüngste Zeit einen ziem-
lich genauen Überblick hatte. Trotzdem es im Sowjet-
staate für einen Ausländer außerordentlich schwierig
war, sich über die tatsächlichen Zustände, unbe-
hindert durch Propaganda und GPU.-Überwachung,
ein einwandfreies Bild zu verschaffen, so konnte doch
die Landwirtschaft im Gegensatz zu der gewerblichen
279
WVirtschaft und der Rüstung nicht in gleicher Weise
vor dem Einblick durch außenstehende Beobachter
abgeschlossen werden. Selbstverständlich steht heute
nach den mannigfaltigen Erfahrungen und Einblicken
aus der Besetzungszeit für die Beurteilung. der Zu-
stände der Sowjetzeit ein sehr viel umfangreicheres
Material zur Verfügung als früher. Die Schillerschen
Berichte besitzen jedoch auch nach den neuesten Er-
kenntnissen einen besonderen Wert als eine einwand-
freie historische Quelle aus der Einführung des
Kolchossystems, seiner Entwicklung und Auswirkung
auf die Landwirtschaft in der Sowjetunion.
Man mag es bedauern, daß diese Schrift in der Zu-
sammenſassung nicht bereits bei Beginn des Ostfeld-
zuges fertig vorlag, da sie bei der Schulung und Unter-
richtung der im landwirtschaftlichen Aufbau der be-
setzten Ostgebiete mitwirkenden Fachkräfte wert-
volle Dienste hätte leisten können. Was von diesem
Material im einzelnen früher in Buchform veröffent-
licht worden ist, war bereits seit langem vergriffen
und die in den wissenschaftlichen Zeitschriften ver-
öffentlichten Abhandlungen waren einem größeren
Kreise schwer zugänglich. Immerhin haben die
Schillerschen Berichte bereits seinerzeit den maß-
gebenden Stellen nützliche Dienste geleistet. Sie sind
auch bei änderen Abhandlungen und Schriften, die
früher über die Fragen der sowjetischen Landwirt-
schaft herausgegeben wurden, sehr stark verwendet
worden.
Von besonderem Interesse ist die Darstellung der Ein-
führung und ersten Entwickiung des Kolchossystems,
die Schiller als einer der wenigen ausländischen Beob-
achter an Ort und Stelle in allen ihren Phasen miterlebt
hat. Für viele Probleme und Einzelfragen, die sich bei
der Abschaffung dieses Kolchossystems im Zuge der
neuen Agrarordnung ergeben haben, gewinnt man
hierdurch erst das notwendige Verständnis, so daß
die Schrift gerade für diejenigen Landwirtschaftsführer
und Fachleute, die mit der praktischen Durchführung
der Agrarordnung an Ort und Stelle zu tun hatten,
von besonderem Interesse ist.
Daneben gibt aber die Schrift auch einen umfassen-
den Überblick über die Erzeugungsgrundlagen der
sowjetischen Landwirtschaft, die einzelnen Zweige
des Ackerbaues, die Fragen der Viehzucht, die
Mechanisierung,; das Sorten- und Saatgutwesen, die
Anwendung künstlicher Düngemittel usw. Die Dar-
stellung der sowjetischen Erfassung vervollständigt das
Bild und gibt einen Einblick in die Besonderheiten des
sowjetischen Wirtschaftssystems, das durch eine
krasse Unterbewertung der landwirtschaftlichen Er-
zeugnisse die Landbevölkerung rücksichtslos aus-
beutet, um dadurch die Mittel für den Aufbau einer
gigantischen Rüstungsindustrie zu gewinnen. So
leistet die Schillersche Schrift auch einen wesentlichen
Beitrag zu der Erkenntnis, wie die Sowjetunion
systematisch ihre gesamte Wirtschaft und darunter
vor allem die Landwirtschaft in den Dienst ihrer i
weltrevolutionären Expansionspläne gestellt hatte, die
erst im Verlaufe. des Krieges in ihrer ganzen Größe
und Gefährlichkeit zutage getreten sind.
Dr. Jürgen Stock
Dr. Ludwig Spahr:
„Der landwirtschaftliche Betrieb in
Zahlen“ (Faustzahlen)
Ein Wegweiser für Wirtschafts- und Hofberater,
Betriebsleiter, Taxatoren, Bodenschätzer. Land-
wirtschaftliche Verlags buchhandlung Wilsdorf
K.G., Berlin-Halensee. 147 S.
Von jedem Wirtschaftsberater wird bei seiner Tätig-
keit auf den Höfen ein umfangreiches Wissen verlangt.
Bei der Vielgestaltigkeit der Landwirtschaft ist es
jedoch unmöglich, auch das Zahlenmaterial so zu be-
herrschen, daß jederzeit die Beratung sofort an Ort
und Stelle einwandfrei und ohne zeitraubenden Brief-
wechsel erfolgen kann. In Kreisen der Wirtschafts-
berater wurde schon oft der Wunsch geäußert, ein
handliches Buch als Hilfe für die Beratungstätigkeit
zur Verfügung zu haben. Bereits die landwirtschaft-
lichen Taschenkalender waren seit Jahren bemüht,
hier im Rahmen des ihnen verfügbaren Raumes Hilfe-
stellung zu geben. Im Jahre 1938 hatte der Reichsnähr-
stand ein handliches Taschenbuch für den Wirtschafts-
berater im Loseblattverfahren herausgegeben. Leider
konnte dies Taschenbuch aus kriegsbedingten Gründen
nicht fortlaufend vervollständigt werden. — Ober-
‚ landwirtschaftsrat Dr. Spahr hat nun ein Handbuch
für diesen Zweck aus der Erfahrung des Wirtschafts-
beraters heraus geschaffen. Sein Buch, das im Format
von etwa 151½ 21 cm mit festem Einbanddeckel noch
etwas groß ist, um es dauernd in der Tasche tragen
zu können, bringt unentbehrliches, wertvolles Zahlen-
material mit Erläuterungen aus folgenden Gebieten:
` Hofbauten, Tierhaltung, Viehbeſörderung. Schlacht-
ergebnisse, Viehkrankheiten, Tierernährung, Futter-
mittel, Futterbau, Grünland, Futterwerbung, Dün-
gung, Pflanzenernährung, Pflanzenkrankheiten,
Bodenuntersuchung, Reichsbodenschätzung, Arbeits-
und Kräftebedarf, landwirtschaftliche Nebenbe-
triebe, mit 18 Spalten Sachregister.
Im Vorwort wird betont, daß das Buch keinen An-
spruch ayf Vollständigkeit erhebt, und in dem Unter-
titel wird es ein Wegweiser für Wirtschafts- und
Hofberater, Betriebsleiter, Taxatoren und Boden-
— schätzer genannt. Ein Teil der angegebenen Zahlen
sind Mittelzahlen, also Faustzahlen. Sie sollen nur als
Richtschnur dienen, und ihre Anpassung an die oft
von Betrieb zu Betrieb wechselnden Verhältnisse
müssen der Erfahrung und Geschicklichkeit des Wirt-
schaftsberaters überlassen werden.
Das Buch bedeutet einen erfolgversprechenden
Anfang und wird jedemWirtschaftsberater in der vor-
liegenden Ausgabe schon ein guter Anhalt und eine
große Hilfe sein. Im übrigen bittet der Verfasser in
seinem Vorwort, ihm Anregungen zur Verwertung
in der nächsten Ausgabe zuzuleiten. Bei weiterer
Vervollkommnung dieses Handbuches wird sich meines
Erachtens die Notwendigkeit ergeben, derartige
Gedächtnisstützen für die Wirtschaftsberater einer
oder einiger etwa gleichgearteter Landesbauern-
schaften zu schaffen. Die landwirtschaftlichen Ver-
hältnisse im Großdeutschen Reich sind derart ver-
schieden gestaltet und die Aufgaben der Wirtschafts-
berater sind so bedeutende, daß es sich lohnen wird,
auf dem eingeschlagenen Wege weiterzugehen.
Ernst Grimm
AEG
Elektrizität
in der Landwirtschaft
Betrieb eines Dreschsatzes
durch einen Motorwagen
SUGEMEINE BLERTEICITATS -=G
ROCHE
Heilmittel
Die Arbeitsverhältnisse In der Landwirtschaft bringen es mit
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen
auf dem Hoi meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der au
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer
Stelle zur anderen bringen läßt.
Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß.
SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG
Das Wort „einwecken" stammt
von Johann Weck, dem Mann, der
das WECK-Verfahren begründet,
der die WECK-Gläser und WEEK,
Geräte geschaffen hat.
l. ven & CO, ÖFLINGER IN BADEN
|
i
d
ONO N A
F
—
REINGAS-BULLDOG
für Holzgas - Betrieb
dann geordnet weglegen! So
werden sie geschont und wertvolles
Rohmaterial gespart. = Müssen
wir unsere eigenen, uns von der
Natur geschenkten weit wert-
volleren „Werkzeuge” nicht
ebenso pfleglich behandeln?
Selbst eine kleine Verletzung kann
böse Folgen haben. Darum auch
solche Wunden schützen mit
TraumaPlast
kolloidaler flüssiger Schwefel
gegen
Oidium / Aescherich ur
Bezug durch Handel und Genossenschaften
Riedel - de Haen A.-G. Berlin
030
Lin
OCHWIRKSAME
ofato EV
Zur
SCHADLINGSBEKAMPFUNG
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR SCHÄDLINGSBEKAMPFUNG M. B. H.
FRANKFURT AM MAIN: POSTFACH 24
As
3
VE
r
AA
GC
a iy Ei
1944
NUMMER
10
JAHRGANG
—
EIN ZELPREEN
120
NR N
INHALT
Dr. Ludolf Haase, Hauptarbeitsgebietsleiter im Reichsamt für das Landvolk:
Das bäuerliche Berufserziehungswerk — eine politische Notwendigkeit .... 281
Oberlandwirtschaftsrat Dr. Hermann Koch: Die Aufgaben des bäuerlichen
Berufserziehungs werkes EUREN 285
Kindheit auf dem Lande (Bildbeilage) e, n. S. 288
Gauamtsleiter, Regierungsdirektor Karl Springenschmid: Der Hof erzieht .... 289
Professor Franz Huber: Dorfkulturelle Erziehung durch die Landschule ...... 293
In der Dorfschule (Bildbeilage) ..........eccccc2c... 8 Ne n. S. 295
Dr. Karl Seiler, o. Professor, Psychologisches Institut der Hindenburg-Hoch-
schule, Nürnberg: Landlehrer und Umquartierung ...... ER ES EEE . . 300
Das Landjahr als Erziehungsstätte (Bildbeilage . .. . n. S. 304
Reichs jugendberufswartin Frieda Herbold: Die Bedeutung der ländlich-haus-
wirtschaftlichen Erziehung ....... een ee EE . H 305
Agrarpolitische Rundscha?r̃ᷓ-᷑— Pœ e Ee
Ee TE Te CC BEE EN el
Bildnachweis: Das Titelbild ist eine Aufnahme von Saebens-Worpswede. — Für die Beilage „Kindheit
auf dem Lande“ erhielten wir aus dem Bildarchiv des Reichsnährstands fünf Bilder von folgenden
Photographen: Limberg (2), Krack, Heintze und Pongratz; zwei fertigte Hens Retzlaff und eine Auf-
nahme stammt von Saebens-Worpswede. — Einen Teil der Bilder zur Beilage „In der Dorfschule“
entnahmen wir ebenfalls dem Reichsnährstandsarchiv, die Lichtbildner sind: Limberg (3) und Nolte 0):
die übrigen erhielten wir von Presse-lllustrationen Heinrich Hoffmann (2) und von Franz Baumeister (1).
— Landjahrführer Ludwig Wiek photographierte funf Bilder, Hoffstaetter zwei und Hans Pusen
und Landjahr-Bezirksfuhrerin Thomas je ein Bild der Beilage „Das Landjahr als Erziehungsstätte. "
Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna.
Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:
Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 19 55 41.
Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Fr Eher Nacht GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts-
ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.
ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN
Juli 1944
LUDOLF HAASE:
Nummer 10
Das bäuerliche Beruiserziehungswerk -
eine politische Notwendigkeit
E gibt kein gefährlicheres Zersetzungs-
zeichen in der Entwicklung eines Volkes
als die Tatsache, daß es nicht mehr im-
stande oder willens ist, aus eigener Kraft
seinen Boden zu bestellen, und daher die
Landarbeit mehr und mehr Fremdblütigen
überläßt; denn die zwangsläufig damit ver-
bundene Unterwanderung hat noch immer
zu einer Blutmischung geführt, die die ur-
tümliche Art des betroffenen Volkes von
Grund auf veränderte und so seine ganze
künftige Entwicklung umbog. Große und
mächtige Reiche wie das alte Rom sind in-
folge des durch fremde Blutmischung
hervorgerufenen Entartungsprozesses zer-
brochen. Die starke Heranziehung fremd-
völkischer Hilfskräfte zur Landarbeit wäh-
rend desKrieges stellt daher nichts weniger
als eine Dauerlösung der ländlichen Ar-
beiterfrage dar. Sobald dieser Krieg vorbei
ist, muß alles darangesetzt werden, um
zunächst mindestens unsere bäuer-
lichen Betriebe wieder rein deutsch
und damit von der Gefahr einer
Unterwanderung freizumachen. Das
freilich verlangt nicht nur die Rückkehr
zur kinderreichen Familie, sondern auch
die Überführung vieler und bester städti-
scher Jugend auf das Land. Wenn wir
außerdem daran denken, daß die Nahrungs-
freiheit erkämpft werden muß, die eine
Steigerung unserer Friedenserzeugung um
etwa ein Drittel verlangt, so kann kein
Zweifel sein, daß zukünftig viel, viel mehr
Menschen auf dem Lande und insbesondere
im Bauerntum leben müssen, als es heute
der Fall ist. Als Fernziel, das über Gene-
rationen hinweg unerbittlich erkämpft wer-
den muß, ist deshalb die Steigerung des in
der Land- und Volkswirtschaft erwerbs-
tätigen Bevölkerungsanteils auf 40 v. H. der
Nation anzustreben.
Mag dieses Vorhaben während dieser
Jahre, in denen der Anteil des Landvolkes
noch sinkt, als noch so kühn, ja geradezu
undurchführbar erscheinen, es muß trotz-
dem gelingen, denn es geht dabei ja nicht
darum, etwa nur einen Berufsstand zu för-
dern, sondern das Schicksal des gesamten
Volkes fordert gebieterisch diese Maß-
nahme, und drohend steht neben uns das
Gespenst der Vergangenheit so mancher
europäischer Nationen, die es nicht ver-
mocht haben, ihr Bauerntum zahlenmäßig
stark, gesund und lebenskräftig zu er-
halten. Frankreich, das im Jahre 1800
noch 26 Millionen Einwohner und damit
zwei Millionen Menschen mehr zählte als
Deutschland, ist inzwischen auf die Hälfte
unserer Stärke zusammengeschmolzen und
wird bei gleichbleibender Entwicklung in
dreißig Jahren nur noch rund 30 Millionen
Menschen zählen. Im Jahre 2000 wird es
lediglich 21 Millionen Einwohner besitzen,
und wie es dann um die Franzosen zwangs-
läufig stehen wird, darüber bedarf es keiner
Auseinandersetzung. Keine noch so wohl-
wollende Macht der Welt könnte bei An-
dauer seiner liberalen Haltung Frankreichs
Untergang aufhalten.
Das bäuerliche Berufserziehungswerk hat
daher in Deutschland vor allem eine Auf-
gabe, nämlich die geistige und seelische
Rückführung des Landvolkes zu den höch-
sten Werten der ihrer eingeborenen
Wesensart nach bäuerlichen Nation und
damit auch zur Verbindung mit dem Boden
und .der sich darüber hinaus ergebenden
stärksten Neubildung deutschen Bauern-
tums in den Grenzgebieten.
Massensiedlungen sind kinderfeindlich
Seit Jahrzehnten schon spricht man bei
uns davon, das Landvolk sei die Blutquelle
der Nation, und nur Uneinsichtige können
das bestreiten wollen. Man muß sich aber
auch einmal klarmachen, daß es keiner im
übrigen noch so erfolgreichen national-
sozialistischen Erziehung gelingen kann,
die städtischen Familien in ihrer Masse
wieder kinderreich zu machen, wenn zu-
gleich die deutsche Lebensform dem ent-
gegensteht. Auf dem Bauernhofe waltet
über allem ein Geist der Gemeinschaft.
Jeder weiß um den anderen, und alle, ins-
besondere Mann und Frau, sind von den
gleichen Wünschen und dem Sinn der-
selben Lebensaufgabe erfüllt. Wenn wir in
unseren Dörfern so wenig Ehescheidungen
kennen, und umgekehrt überall dort, wo
der zersetzende Geist des Liberalismus
noch nicht einzudringen vermochte, sich
auch die kinderreiche Familie gehalten hat,
so ist das kein Zufall, denn es kann ja gar
nicht anders sein. In den ungeheuren
Massensiedlungen aber sieht der Vater
kaum seine Kinder, und die Frau ahnt nur
wenig von dem, was ihren Mann beruflich
den Tag über beschäftigt und bewegt.
Kehrt er abends erschöpft zurück, so liegt
es nur in der Natur der Sache, wenn die
Eheleute verschieden darüber denken, wie
sie den Rest des Tages verbringen sollen,
und auch die ganze Nervosität, das Ge-
dränge, die Eile und der Wechsel der
Tagesumstände führen nur allzuleicht
Mißverstehen oder ein Auseinanderleben
herbei. Jeder, der die Dinge unvorein-
genommen betrachtet, wird daher zugeben
müssen, wie viel größer hier die Schwierig-
keiten sind, die einer biologischen Gesun-
dung der Familien entgegenstehen. So hat
auch unser Staat trotz aller zahlreichen
Maßnahmen es nur beim Landvolk er-
reichen können, daß sich bis 1939 wieder
ein echter Geburtenüberschuß einstellte.
Er betrug 16,8 v.H. Die Großstädte aber
wiesen durchschnittlich immer noch einen
bösen Geburtenfehlbetrag auf, der volle
26 v.H. ausmachte und damit mehr als den
gesamten Uberschuß aufzehrte. In Berlin
betrug vor Kriegsbeginn die Zahl der
kinderlosen Ehen über die Hälfte, nämlich
232
52 v. H.]! Wem wären diese Tatsachen nicht
eine Mahnung, daß wir schon aus bio-
logischen Gründen den Anteil unseres
Landvolkes erhöhen und damit letzten
Endes auch unsere gefährdete Wehrkraft
mehren müssen, ohne die wir in Zukunft
nicht bestehen können.
Nun geht es aber bei der Stärkung unse-
res Landvolkes nicht allein um das Wachs-
tum der Zahl, sondern auch um die He-
bung der Güte unserer Erbmasse.
Bekanntlich sind schon seit dem vorigen
Jahrhundert immer die Besten in die Stadt
gezogen und dort kinderarm geworden,
während umgekehrt auch die weniger Wert-
vollen das Dorf verließen und dann leider
in den neuen Fabriken der Städte die
Möglichkeit einer Existenzgründung fanden
und sich dann meist hemmungslos fort-
pflanzten. Wenngleich ähnliche Erscheinun-
gen in allen weißen Völkern zu beobachten
sind, so dürfen wir Deutsche sie doch
keineswegs ohne Gegenmaßnahmen hin-
nehmen, zumal die riesigen Leistungen
unserer jetzigen Generation geeignet sind,
über die Gefahr hinwegzutäuschen, in
der wir uns befinden. Wir dürfen näm-
lich nicht vergessen, daß wir einerseits
durch die Errungenschaften der modernen
Medizin unverhältnismäßig viele alte Men-
schen noch sehr lange arbeitsfähig zu er-
halten vermögen und so einen unnatür-
lichen Altersaufbau des deutschen
Volkes herbeiführen, der durch seine
Kinderarmut noch verstärkt wird, wäh-
rend uns außerdem nur ein Führer wie
Adolf Hitler die so schnelle Wiederkehr
unserer nationalen Geltung und mili-
tärischen Kraft ermöglicht hat. Wer aber
wollte behaupten, daß wir uns ohne den
Führer inmitten so vieler Feinde noch je
hätten emporraffen können! Die Hebung
und Ausbreitung der deutschen Begabun-
gen auf dem Wege der Aufartung ist aber
vor allem im Bauerntum möglich,
das auf seinen Höfen sitzt, stets überprüft
werden kann und über viele Generationen
hinweg zu schauen vermag. Wenn es ge-
lingt, unsere Erbhofbauern, die ja den
wichtigen Nachweis der Bauernfähigkeit zu
erbringen gezwungen sind, zu einem sol-
chen Kinderreichtum zu führen, daß sie
noch erheblich stärker als bisher über dem
allgemeinen Durchschnitt der gesamten
Nation liegen, so wird damit unsere Be-
gabungshöhe zwangsläufig wieder wachsen.
Der Wettlauf der Erfinder in der Welt, das
257.
8 ö
BI Kä KE: E
— — 2 · 1— S
Ringen der Armeen im Kriege, der Zwang
zu Höchstleistungen auf allen Gebieten
stellen es uns täglich vor Augen, wie aus-
schlaggebend es in Zukunft für das Leben
eines Volkes ist, ob es über die besonders
im Zeitalter der technischen Revolution
unentbehrlichen Begabungen verfügt oder
nicht. Auch hier liegt eine wesentliche
Aufgabe des Berufserziehungswerkes, das
den hochpolitischen Auftrag hat, eine
durchschlagende Revolutionierung der
Seelen im bäuerlichen und damit national-
sozialistischen Geiste herbeizuführen.
Dem Schwert muß der Pflug folgen
Naturgemäß sind die gekennzeichneten
Ziele nur dann zu erreichen, wenn es uns
gelingt, den Boden des deutschen Ostens
zu besiedeln. Wenn unsere bäuerlichen
Väter des Mittelalters nicht 300 000 Qua-
dratkilometer gewonnen hätten, so wäre
Deutschland in seiner Enge längst dahin-
gegangen. In einem Jahrhundert, das
Kraftwagen, Panzer, schnellfahrende Schiffe
und Flugzeuge gebracht hat, ist dergroße
Raum noch viellebensnotwendiger
als bisher. Die bisherige Tendenz zu
immer größeren Menschenzusammenballun-
gen in großstädtischen Massensiedlungen
kann und darf nicht aufrechterhalten
werden, sondern es gilt, Klein- und Mittel-
städte zu begründen, während zugleich die
Industrieverlagerung mehr und mehr durch-
geführt werden muß. Das gilt für die Zu-
kunft noch mehr als für den Augenblick.
Dazu aber ist der Bauer erforderlich,
dermitseinemPflugedemSchwerte
folgen muß. Immer dringender wird die
Aufgabe, deutsche Jugend zunehmend in
die Bauernlehre hineinzubringen, damit sie
dann in der alten Heimat und besonders
an den Grenzen des Reiches das Leben des
Volkes schützen kann. Unmöglich kann die
heutige Lage bestehen bleiben, in der wir
hur etwas mehr als die Hälfte des Nach-
wuchses besitzen, der nötig ist, um den
derzeitigen, schon so sehr geschmälerten
Bestand unseres Landvolkes aufrecht zu er-
halten. Würde es dennoch dabei bleiben,
so müßten wir binnen dreißig Jahren mit
einer weiteren Schrumpfung unseres Bau-
erntums auf die Hälfte rechnen! Die Er-
nährung des deutschen Volkes wäre schon
nicht mehr durchzuführen, ehe sich diese
wenigen Jahrzehnte vollendet hätten, und
darum muß eben alles getan werden, um
sämtliche Deutschen, insonderheit aber das
Landvolk, zu dem gekennzeichneten wahren
Sinn unseres nationalen Lebens zurückzu-
führen. Der immer noch verbreiteten Flucht
aus schwerer Arbeit haben wir uns mit
aller Gewalt entgegenzuwerfen. Es gilt,
wieder eine ganz klare Sicht der Lebens-
pflichten und damit den Willen zur volks-
politischen Gesundung herbeizuführen. In-
sonderheit die Frau ist es, an die wir
uns dabei wenden, denn der Liberalismus
hat gerade sie durch Zerstörung des Fa-
miliengedankens und vieler kulturellen
Werte aufs schwerste getroffen. Sie muß
den Sinn unseres Kampfes innerlich begrei-
fen, denn um ihre Sache geht es zugleich!
Wenn die Frau den Losungen des bäuer-
lichen Berufserziehungswerkes für sich und
ihre Kinder Folge leistet, so erkämpft sie
damit zugleich den kommenden Geschlech-
tern unserer Frauen wieder ein wür-
diges und wirklich weibliches Da-
sein! Es ist selbstverständlich, daß zu-
gleich alle die Schäden abgestellt werden
müssen, die unser Landvolk infolge einer
verstädterten Lebensform und verstädterter
Einrichtungen heute noch treffen. Es ist
auch wichtig, die Ausgebombten und be-
sonders die vorsorglich Ausquartierten in
den Arbeitsprozeß des Dorfes mit einzu-
gliedern. In Film und Funk, in Musik und
Opertztte, in Presse und Bild muß alles ge-
tan werden, um dem bäuerlichen Wesen
Deutschlands Genüge zu tun. Die Partei
selbst muß dabei überall die Initiative er-
greifen und die Aufgaben des Bauerntums
auf ihre Fahne schreiben!
Das Ziel des bäuerlichen Berufs-
erziehungswerkes
Es darf in diesen großen Zusammenhän-
gen darauf verzichtet werden, Sinn und
Auswirkungen des Aufbaues einer gesetz-
lich geordneten Bauernlehre zu schildern,
die unser Landvolk bislang so sehr ent-
behrt hat, obgleich die bahnbrechenden
Anfänge schon rund 45 Jahre zurück-
reichen. Darüber ist oft geschrieben wor-
den. Bei allem ist sofort eine der vor-
dringlichsten Aufgaben die Entwick-
lung eines politischen bäuerlichen
Führertums. Wenn wir hierbei vom an-
gestrebten Ziele noch weit entfernt sind,
so darf uns das nicht wundernehmen, denn
nach dem Verlust der Bauernkriege hat es
eine „politische Bauernführung“ bei uns
nicht mehr gegeben. Die Schaffung eines
283
vorbildlichen Typs des kommenden deut-
schen ehrenamtlichen Bauernführers ist
daher die Krönung des bäuerlichen Berufs-
erziehungswerkes, dessen politischer Sinn
nirgends mehr zum Ausdruck kommt als
gerade in dieser Aufgabe.
Beim Bauernführer der Zukunft muß
die allumfassende Erziehung sowohl die
Verstandeskräfte stärken wie sich auch art-
gemäßer Erlebnisketten bedienen, Leibes-
ertüchtigung zum Zwecke der Körper-
stählung wie auch der Einwirkung auf
Charakter- und Entschlußfähigkeit werden
wichtig sein. So muß es uns gelingen, eine
Einheit der deutschen Schaffens-
kraft wie auch der nationalsozia-
listischen Führungsrichtung herzu-
stellen und damit den Tatendrang unserer
Menschen mit ihrer Freiheitssehnsucht zu
verbinden. Die größte aller Naturgewalten
ist die Leistungskraft, die in uns selbst
schlummert. Wir aber sind auf Bauerntum
gezüchtet, und die Politik soll die in uns
wirkende Macht unserer Rasse entwickeln
und lenken. Stadt und Land müssen das
begreifen und sich gemeinsam im Ziele der
Verbäuerlichung unseres ganzen Volkes
finden. Die innere Revolution gegen die
uns in der Vergangenheit aufgezwungene
Vermassung mußte kommen, da wir bäuer-
lichen Wesens sind, und der Sieg ist uns
sicher, denn im Ringen werden wir immer
neue und wachsende Kräfte entwickeln.
Schon Clausewitz sagte: „Wer im Kriege
entschlossen das Größte will, gibt
dem anderen das Gesetz!" So haben
auch wir für das Bauerntum und damit die
ganze deutsche Nation das Größte zu
wollen, um damit die uns entgegenstehen-
den Mächte aus dem Felde zu schlagen.
w
„An unsere Arbeit wird letzten Endes vergebens sein, wenn
nicht die deutsche Jugend zum Bauerntum zurückfindet, wenn
sie nicht arbeitshart und willensstark das bäuerliche Erbe der
Vorfahren übernimmt. Seien wir uns darüber klar, daß die Zu-
kunft des deutschen Volkes im Dunkeln liegt, wenn die bäuer-
liche Bevölkerung, wie es jetzt der Fall ist, nur 18 v.H. des
Gesamtvolkes ausmacht. Ich glaube, daß hier der Angelpunkt
- unserer Bewährung als Nationalsozialisten ist. Wir werden das
Programm der Bewegung niemals verwirklichen, wenn wir
nicht wieder einen breiten Strom landwilliger deutscher Ju-
gend in die bäuerliche Siedlung leiten.”
Herbert Backe am 28. November 1943
284
in Ulm
HERMANN KOCH:
Die Aufgaben des
bäuerlichen Berufserziebungswerkes
Durch die Verkündung des bäuerlichen Be-
rufserziehungswerkes im November 1942 hat
Oberbefehlsleiter Reichsminister Backe dem
Reichsamt für das Landvolk und dem Reichs-
nährstand eine Aufgabe unerhörten Ausmaßes
und höchster Verantwortung gestellt, gilt es
doch, die Erziehungsmächte, die den Land-
menschen formen, so zu gestalten, daß sie dem
bäuerlichen Erziehungsziel dienen können. Bis-
her war der Erfolg der Erziehung nach dem
technischen, wissenschaftlichen, wirtschaft-
lichen, religiösen oder militärischen Sonderziel
der jeweiligen Erziehungsmacht nur eben ein
Teilerfolg, weil ein diese Einzelziele verbin-
dendes Gesamtziel, die Erziehung zur bäuer-
lichen Persönlichkeit, fehlte. Die Folge davon
war im ganzen gesehen die Förderung der Land-
flucht. Diese Diskrepanz der Erziehungsmächte
muß überwunden werden. Ausgangspunkt ist
die Gewinnung der Erzieherpersönlichkeiten für
das Erziehungsbild des bäuerlichen Berufes,
Die Erziehungsmächte, die gewonnen werden
müssen, sind: das Elternhaus, die Volks- und
Hauptschule, die Hitler-Jugend, die Lehrherren
und Lehrfrauen, die Schulen, die dem bäuer-
lichen Beruf in besonderem dienen sollen, ferner
Arbeitsdienst und Wehrmacht. Alle diese
Erziehungsmächte müssenihre eigene
besondere Aufgabe unter dem Blick-
punkt der Erziehung zur bäuerlichen
Persönlichkeit erfüllen, denn jede dieser
Mächte hat den jungen Menschen in einem
wichtigen Lebensabschnitt in der Hand. Wenn
man von der Einheit der Person des zu Er-
ziehenden einerseits und der Notwendigkeit der
bäuerlichen Erziehung im Interesse des Volkes
andererseits ausgeht, so kann an der Berech-
tigung dieser Forderung überhaupt nicht ge-
zweifelt werden. Daß das große Erziehungsziel
vergessen und nur Einzelziele gepflegt wurden,
lag an dem Mangel grundsätzlicher Erkenntnisse
der vorausgehenden Epochen, der scheinbaren
Unerschöpflichkeit der bäuerlichen Volkskraft
und zuletzt an der klaren Absicht der führenden
Vertreter des jüdischen Materialismus, das
Bauerntum zu vernichten.
Es ist klar, daß so weitgesteckte Ziele nicht
in Kürze zu erreichen sind. Die wichtigste Auf-
gabe ist die Erziehung der Erzieher
selbst. Der erste Schritt dazu ist vom Reichs-
nährstand in der Schaffung einer Ausbildungs-
ordnung getan worden, durch die auch die
Auswahl, Anerkennung und Ausrichtung der
Lehrherren und Lehrfrauen vorgeschrieben,
ferner die Einsetzung von Bauern, Bäuerinnen
und anderen Lehrmeistern als Beauftragte der
Landes- und Kreisbauernschaften zur Aktivie-
rung der Berufserziehung im Betrieb angeordnet
wurde. Welche Schwierigkeiten besonders im
Kriege bei der Auswahl der als Führungskräfte
geeigneten Personen und ihrer Freimachung zur
Mitarbeit auftreten, braucht nicht dargestellt zu
werden. Von der Aktivität der Beauftragten
hängt es weitgehend ab, ob überhaupt Lehr-
herren und Lehrfrauen zur Verfügung stehen.
Bauern und Bäuerinnen sind bei der ungeheuren
Arbeitsbelastung oft schwer zu überzeugen, daß
die Einstellung eines Lehrlings vor der Be-
schäftigung einer fremdvölkischen Kraft vor-
geht. Man darf hier zugeben, daß die Lehr-
lingserziehung im Bauernhof, wo sie richtig
durchgeführt wird, bedeutende Pflichten und
Opfer von den Erziehern fordert, für die sie
keine materielle Entschädigung erhalten. Auch
der Vorteil der späteren Verwendung einer
tüchtigen, im eigenen Betrieb als Lehrling aus-
gebildeten Kraft besteht meist nicht, weil die
Lehrlinge nach der Lehrzeit den Betrieb wech-
seln wollen oder Schulen besuchen usf. Lehrherr
und Lehrfrau sein, erfordert Opfersinn, Idealis-
mus, und besonders dann, wenn sie sehen
müssen, daß ihr Erziehungserfolg durch andere
Erziehungsmächte wieder aufgehoben wird.
Dies alles entbindet aber die Vertreter des
bäuerlichen Berufes nicht davon, als die be-
rufensten Erzieher des bäuerlichen Nach-
wuchses Lehrlinge in möglichst großer Zahl
auszubilden. Es gibt heute noch bei weitem
nicht genug Lehrstellen, um die erfor-
derlichen Nachwuchszahlen aufzunehmen. Die
Zahl der Lehrstellen für die Landwirtschafts-
lehre betrug am 31. Dezember 1943 im Reich
24000; insgesamt waren an diesem Stichtag
rund 8000 männliche und 500 weibliche Land-
wirtschaftslehrlinge vorhanden. Neu eingetreten
sind im Jahre 1943 rund 6600 männliche und
350 weibliche Landwirtschaftslehrlinge. Be-
sonders mangeln Lehrstellen für Mäd-
chen. Die Zahl der Lehrstellen für die ländliche
Hauswirtschaftslehre betrug am 31. Dezember
1943 im Reich 14 600; insgesamt waren an die-
sem Stichtag 13000 Hauswirtschaftslehrlinge
288
a — ———— —— . ¶—Q. en wen mn —
vorhanden. Neu eingetreten sind im Jahre 1943
9600 Hauswirtschaftslehrlinge. Da von Jahr zu
Jahr erhebliche Steigerungen der Lehrlings-
zahlen eintreten, ist der Mangel an Lehrstellen
klar ersichtlich. Die Erziehung der Mädel ist
auch im Kriege möglich und deshalb so wichtig,
weil durch sie die bäuerliche Frage und damit
die Zukunft des Volkes entschieden werden
wird.
Wenn ein junger Mann auf dem Lande keine
Frau mehr findet, die Bäuerin oder auch Land-
arbeiterfrau werden will, so ist er gezwungen,
abzuwandern, auch wenn er selbst dem bäuer-
lichen Beruf treu bleiben will. Heute ist es so,
daß von den hauswirtschaftlichen Lehrlingen
nur der kleinste Teil in der prak-
tischen Arbeit im Hof verbleibt. Der
größere Teil mündet in Berufe ein, die am
Bauerntum und Volk fördernd tätig sind (z.B.
als Lehrerinnen, Beraterinnen, RAD.-Führerin-
nen, KLV.-Lagerleiterinnen usf.), um dort wich-
tige erzieherische Aufgaben zu übernehmen,
Ein großer Teil dieser Mädel stammt nicht vom
Hof. Noch aber fehlen das Bauernmädel und das
Landarbeiterkind, die sich freiwillig der bäuer-
lichen Berufserziehung unterziehen, um Bäuerin
und Neubäuerin zu werden! Zwar bleiben viele
Töchter im elterlichen Hof und leisten dort
wertvolle Mitarbeit. Der aktive Entschluß aber,
die Zukunft des Bauerntums selbst mitzugestal-
ten, fehlt. Es fehlen also nicht nur Lehrstellen,
sondern auch Lehrlinge. Die Arbeit der Beauf-
tragten und auch Jugendberufswarte und Ju-
gendberufswartinnen steht noch im Anfang.
Die Zahlen der Lehrlinge, die den ersten
Teil der Lehre als Landarbeitslehrlinge oder
Hausarbeitslehrlinge im elterlichen Betrieb ab-
leisten, sind natürlich wesentlich höher. Sie
betrugen am 31. Dezember 1943 110000 Land-
arbeitslehrlinge und rund 117500 Hausarbeits-
lehrlinge. Neu eingetreten sind davon im Jahre
1943 63000 Landarbeitslehrlinge und 68 000
Hausarbeitslehrlinge. Aber auch sie erreichen
noch nicht die unterste Grenze des
jährlichen Nachwuchssolls, die bei je
150000 männlichen und weiblichen Jugend-
lichen liegt und nur den Ersatzbedarf des
Reichsgebietes, nicht die Wachstumsquote be-
rücksichtigt. Darin sind auch nicht die Zahlen
der anderen Berufe enthalten. Das Nachwuchs-
soll z.B. für den Gärtnerberuf beträgt 8000, für
Fischer und Molkereifachleute 2000.
Um die Lehrherren und Lehrfrauen für die
Erziehung des Nachwuchses im bäuerlichen Be-
ruf und zur bäuerlichen Haltung zu befähigen,
wird eine intensive Schulungs- und
Aufklärungsarbeit betrieben, die in der
Hauptsache von den Beauftragten zu leisten ist.
Es sind nicht nur mit Hilfe der Wirtschafts-
beratung Fragen technischer und betriebswirt-
schaftlicher Art zu lösen, um den Lehrbetrieb
zu vervollkommnen. Ausbildungspläne für die
praktische Lehre und regelmäßige Uberprüfun-
286
‚Lehrlingslehrgängen,
gen des Kenntnisstandes der Lehrlinge, Lehr-
herren- und Lehrfrauenunterweisungen an Hand
dieser Uberprüfungen, Merkhefte der Lehrlinge
sichern einen Mindeststand der Ausbildung
schon heute. Das Wesentlichste ist es aber, die
Lehrherren und -frauen für die Aufgabe als
bäuerliche Erzieher zu gewinnen, die es ver-
stehen, der Jugend Vorbild zu sein und in
ihre Herzen ein unverlöschbares Ideal ein-
zupflanzen. Besonders im Beruf der Bäuerin
müssen alle Aufgaben der bäuerlichen Kultur
wie die Pflege der Familie, des Brauchtums, des
Bauerngartens, die Wohn-, Feier- und Freizeit-
gestaltung, die Entwickluug der Kleidung und
Tracht, und andere, die die verbindenden
Lebenswerte darstellen, wieder aufgezeigt und
lebendig gemacht werden. Die freudlose Erstar-
rung im reinen Wirtschaftsbetrieb, die die
Bäuerin von ihren höheren Zielen ablenkte und
heute oft die Jugend abschreckt, darf nicht mehr
Vorbild für künftige bäuerliche Generationen
sein. Die natürliche Fröhlichkeit des ländlichen
Lebens und Erlebens trotz aller Härten muß das
Gesicht des Lehrbetriebes bestimmen. Die Lehr-
herren und -frauen müssen als bäuerliche Per-
` sönlichkeiten werbend wirken, und ihre immer
größer werdende Zahl muß sehließlich auch die
Zahl des Nachwuchses sichern.
Die Selbsthilfe des Bauerntums erschöpft sich
aber nicht in der Stellung der Lehrbetriebe und
der Unterweisung der Lehrherren und -frauen.
Sie greift auch über den Lehrbetrieb hin-
aus in die Erziehung der Lehrlinge ein, die in
Arbeitsgemeinschaften,
Lehrlingstreffen, Lehrfahrten und nicht zuletzt
im Reichsberufswettkampf zu kleineren und
größeren Leistungsgemeinschaften zusammen-
gefaßt werden. Dort wird in erster Linie das
Erlebnis des bäuerlichen Berufes gepflegt, das
der Lehrbetrieb und die Dorfgemeinschaft heute
oft noch nicht — oder nicht mehr — bieten.
Diese Arbeit wird auch von der Hitler-Jugend
mitgetragen, der vom Reichsjugendführer die
stärkste Förderung der bäuerlichen Erziehung
anbefohlen ist.
So wird allmählich durch den Ausbau des
Berufserziehungswerkes allen Maßnahmen der
praktischen Berufserziehung der Charakter des
Willkürlichen und nur Zufälligen genommen.
Bei aller Freizügigkeit, die gerade der
praktischen Ausbildung bleiben muß, schafft
das Berufserziehungswerk grundsätzliche
Linien und Mittel, nach denen die bäuer-
liche Lehre im ganzen Reich gestaltet wird, und
bringt so allmählich den Gedanken der Berufs-
erziehung in der breiten Masse zum Bewußtsein
und Durchbruch.
Weit schwieriger als die Beeinflussung der
ständigen Lehrherren und -frauen ist die Ge-
winnung des bäuerlichen Eltern-
hauses für die Erziehung zum bäuerlichen
Beruf. Aus den unbäuerlichen Einflüssen der
früheren Epochen heraus, deren Folge ja
schließlich auch die materielle Unterbewertung
der bäuerlichen Arbeit und die Betriebsver-
kleinerung und -zersplitterung ist, drängen
unbefriedigte Eltern ihre Kinder oft geradezu
aus dem bäuerlichen Beruf hinaus. Dagegen ist
Aufklärungsarbeit auf breitester Ebene zu
leisten, für die alle Kräfte der Partei, des Staates
und der Gemeinde einzuspannen sind, in beson-
derem Maß aber die Lehrerschaft der Landschule.
Das bäuerliche Berufserziehungswerk hat die
Verbindung und Zusammenarbeit mit allen den
Stellen, Erziehern und Beratern aufgenommen,
die irgendwie am Elternhaus und an der Land-
jugend arbeiten. Der Landlehrerschaft
kommt dabei — neben den Berufsschullehrern,
den Landwirtschaftslehrern und Wirtschafts-
beratern — die größte Bedeutung zu. Ihrer Er-
ziehungsarbeit ist es häufig zu verdanken, wenn
die Jugend sich dem bäuerlichen Beruf zuwen-
det, wie es umgekehrt auch oft der Lehrer ist,
der die Landflucht begünstigt. Entscheidend
sind dabei Herkunft und persönliche Erfahrun-
gen wie auch die Fähigkeit des Lehrers, sich in
die ihm vorher vielleicht unbekannten länd-
lichen Verhältnisse einzufühlen. Auf jeden Fall
ist aber festzustellen, daß die Landschule sich
bisher grundsätzlich darauf beschränkt hat,
Elementarwissen zu vermitteln, nicht aber der
Erziehung der Landjugend zum bäuerlichen
Beruf zu dienen. Darauf ist auch die Lehrer-
ausbildung beschränkt worden.
Es ist klar, daß frühere Versäumnisse in dieser
Hinsicht, deren liberalistische Wurzel wun-
zweifelhaft ist, schnellstens verbessert werden
müssen. Die Schulung der Landlehrer im
Rahmen des bäuerlichen Berufserziehungs-
werkes ist im Einvernehmen mit den Unter-
richtsbehörden in vollem Gang. Die Mitarbeit
der Lehrerschaft an wichtigen Aufgaben, wie
Dorfkulturarbeit, Schaffung von Dorfnachwuchs-
plänen usf., ist vom Reichsamt für das Land-
volk, Reichsnährstand und Reichsminister für
Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ver-
anlaßt worden. Der Lehrer soll wieder der
Erzieher des Dorfes werden, eine Lebens-
aufgabe, wie sie schöner und wesentlicher nicht
gestellt werden kann und wie sie dem städti-
schen Klassen- und Fachlehrer nie zuteil wird.
Von größter Bedeutung ist daher auch die
Erziehung der künftigen Lehrer. Dieser
Frage muß vom bäuerlichen Berufserziehungs-
werk größte Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Sie muß auf die Erfordernisse des Volkslebens
mindestens ebenso stark wie auf die Fachfragen
des Wissens und der Pädagogik abgestellt
werden.
Daß das Landkind in den bäuerlichen Beruf
hineingeboren wird, daß es in ihm aufwächst
und ihn nach Maßgabe seiner Körper- und
Geisteskraft schon im Kleinkindalter ausübt
und daß es deshalb vom Erlebnis seines Be-
rufes, des Hofes, der Familie, des Dorfes und
der ländlichen Kultur aus anzupacken ist, daß
ferner zum bäuerlichen Beruf und Leben
Leistungen und Werte gehören, die über den
fachlich-wirtschaftlichen Aufgaben stehen und
zu den höchsten Werten des Volkslebens ge-
hören, haben viele Lehrer in ihrer persönlichen
Arbeit berücksichtigt, weil sie das bäuerliche
Leben kennen. Diese Fragen müssen aber In-
halt des Lehrplanes und des Unter-
richtes sowohl in der Lehrererziehung wie in
der Landschule selbst werden, dann erst wird
sie den ihr zukommenden Auftrag der Volks-
erziehung erfüllen können. Die Lösung der
Schulfragen in der Neugestaltung des ländlichen
Erziehungswesens wird eine der wichtigsten
Aufgaben der Nächstzeit sein. Dazu gehört auch
das ganze Problem der dem bäuerlichen Beruf
unmittelbar dienenden Schulen bis zur Land-
wirtschaftlichen Hochschule wie auch die all-
gemeinbildende Höhere Schule,
Es muß dem Landkind ermöglicht werden, die
praktische Ausbildung im bäuerlichen Beruf in
den Jahren abzuleisten, die dafür die geeignet-
sten sind, also in einer dreijährigen Lehre vom
14. bis 17. Lebensjahr, ohne daß es dadurch die
Möglichkeit der Hochschulbildung verliert.
Wenn durch das bäuerliche Berufserziehungs-
werk dafür gesorgt wird, daß in Zukunft für die
Persönlichkeitserziehung in der Praxis alle
Mittel ausgeschöpft werden, dann muß auch die
Schule die im praktischen Leben erworbenen
Bildungswerte berücksichtigen. Eine neue
Schulform, die als ländliche Oberschule auf
der praktischen Ausbildung aufbaut und in
etwa zwei Jahren zur Hochschulreife führt, kann
diesen besonderen Verhältnissen Rechnung
tragen. Daß man den Landlehrer auch über die
bäuerliche Berufserziehung und eine solche
Oberschule gewinnen könnte, ist eine Frage,
die ernsthafter Erörterung bedarf. Für die
beruflichen Schulen einschließlich der Hoch-
schule muß die Forderung erhoben werden, sie
ihres Fachcharakters zu entkleiden und im Lehr-
stoff wie auch in der Lehrerausbildung die
totalen Aufgaben des bäuerlichen
Berufes zu berücksichtigen. Es ist untragbar,
daß die Landwirtschaftliche Hochschule nur
Fachleute, aber keine totalen bäuerlichen Per-
sönlichkeiten heranbildet. Auch der zeitigen
Heranziehung und der Auslese des Hochschul-
lehrernachwuchses muß viel mehr Bedeutung
beigemessen werden als bisher.
Ein besonderes Wort ist noch den künfti-
gen Aufgaben der Bauernschulen und
Webschulen zu widmen, die im bäuerlichen
Berufserziehungswerk eine besonders wichtige
Stellung einnehmen, weil sie bisher die einzigen
Stätten weltanschaulicher und kultureller Aus-
richtung des bäuerlichen Nachwuchses sind. Ihre
Zahl ist gegenüber den übrigen Schularten sehr
klein. Je mehr die übrigen Schularten in die
Erziehung zur bäuerlichen Lebenshaltung ein-
geschaltet werden, wird es Aufgabe der Bauern-
schule sein, den Nachwuchs für die ehrenamt-
lichen Führungsaufgaben auszulesen und poli-
287
— — NE ÉIER, BE ar on z e
tisch auszurichten. Heute schon sind sie zum
Teil damit betraut, Lehrgänge für Beauftragte
und Jugendberufswarte(innen) durchzuführen.
Die Webschulen des Reichsnährstandes, die
bisher aus verschiedenartigen Anfängen ent-
wickelt wurden, haben nun durch eine neue
Anordnung des Oberbefehlsleiters Reichs-
minister Backe eine endgültige Aufgabenstel-
lung erhalten. Danach werden besonders die
Kreiswebschulen zur breiten Grundlage für
die kulturelle Erneuerung des Dorfes
werden. Gauwebschulen und eine Reichsweb-
schule haben für die Ausbildung der Lehrkräfte
und der übrigen weiblichen Führungskräfte im
bäuerlichen Berufserziehungswerk in den kul-
turellen Fragen zu sorgen. Das tiefe Reservoir
für die Auswahl der als Lehrkräfte geeigneten
Mädel sind und werden die Kreiswebschulen,
Die tüchtigsten Kräfte werden dann allmählich
nach oben gesteuert. So wird sich für die Zu-
kunft in dieser wichtigen Gruppe von Schulen
eine planvolle Stetigkeit entwickeln, deren
gerade die kulturelle Entwicklung des Dorfes
bedarf.
Da8 die Zusammenarbeit mit der
Waffen- und der Wehrmacht mit dem
Ziel aufgenommen wurde, auch innerhalb dieser
für die Charakterbildung des Mannes entschei-
denden Erziehungsmächte dem Gedanken der
Erziehung zum Bauerntum zum Durchbruch zu
verhelfen, soll an dieser Stelle nur erwähnt
werden.
Von den großen Aufgaben, die dem Berufs-
erziehungswerk in erdrückender Fülle gestellt
sind, konnten nur die wesentlichsten genannt
und gestreift werden. Einzelaufgaben, wie sie
etwa die Nachwuchsgewinnung und -werbung
in großer Zahl und Vielgestalt bringt oder wie
sie die Ausbildungsordnung für die rund Ai
Berufsarten der Land- und Forstwirtschaft, der
Fischerei und des Gartenbaues und die Stellung
klarer Berufswege und -ziele, die Schaffung der
Berufslehrgänge, Prüfungen und sonstigen Aus-
bildungsmittel dafür stellt, konnten gar nicht
berührt werden. Sie sind ja auch schon teilweise
erfüllt worden. Ebensowenig konnte ein Gesamt-
überblick über den im Gang befindlichen orga-
nisatorischen und personellen Aufbau dessen,
was man als bäuerliches Berufserziehungswerk
zusammenfassen muß, gegeben werden. Die
Dinge befinden sich hier noch im Fluß. Nur das
eine muß zum Schluß erneut betont werden, daß
die Größe der Gesamtaufgabe jeden
Einsatz lohnt und daB es der besten Kräfte
und der großzügigsten Mittel bedarf, um dieses
Werk zum Wohle des Reiches zu vollenden.
Der tüchtige Bauer leistet viel für die Erzeugungsschlacht. Der
tüchtige Lehrherr leistet noch mehr für den Sieg und die
deuische Zukunft. Die vornehmste Aufgabe jedes deutschen
Bauern und jeder deutschen Bäuerin muß es sein, Jahr für Jahr
Lehrlinge ausbilden zu können. Die tüchtigsten Bauern und
besten Nationalsozialisten sollten ihren Ehrgeiz darein setzen,
als Lehrherren und Lehrfrauen anerkannt zu werden.
Herbert Backe am 29. Januar 1942 in Posen
288
Ahn und Enkel
Lande
SS. ; e A 2 5 d dé e Ze
KH > + Ber DE .
A KK: An i i '
ge ia Kä
Am
N
A
Der Mutter abgesehen Früh übt sich.
Die Fahrten mit dem Milchwagen sind für die beiden Jüngsten eine besonders beliebte Arbeit
Mit dem ersten selbständigen Schritt über die
Schwelle der Kinderstube wächst das Kind auf
dem Lande in die Arbeit des Hofes hinein.
Leben und Arbeit sind auf dem Lande noch eine
so natürliche Einheit, daß dieses frühzeitige
Mitschaffen des Kindes eine Selbstverständlich-
keit ist, die auch vom Kinde, das alles um sich
herum stets in reger Tätigkeit sieht, so emp-
funden wird. Das Kind fühlt sich einbezogen in
seinen Lebenskreis, auch seine junge Kraft als
voll genommen. Dieses Gefühl gibt ihm Freuden
eigener Art, die nur das Landleben noch kennt.
Rechts: Ausmarsch zur Hackarbeit auf dem
Felde. — Unten: Der künftige Bauer unter
väterlicher Anleitung hinter der Egge
ge. e gf EE mn ——ů —
7 4
Großmutter erzählt. Ihre Geschichten aus dem
Lebens des Hofes, aus der Sagen- und Märchen-
welt der Heimat verleihen dem alltäglichen
Geschehen einen eigenen Glanz, einen tiefen
Sinngehalt, der das ganze Leben nachwirkt.
Unten: Mutter beim Brotbacken
Aa 5 AL:
3 Le
* H
.
3
KARL SPRINGENSCHAMID:
DER HOF ERZIELT
Ungebrochen ist des Hofes Kraft
s ist wie immer. Im Grunde des Tales liegt
ser Dorf. Die Berge stehen darüber ruhig
und fest. In breiten, dunklen Flächen erfüllt der
Wald ihre Hänge. Einzeln stehen die Höfe an
den steilen Lehnen. Die Häuser sind fest gefügt.
Aus Steinen ist der Grund gesetzt. Wind und
Wetter haben das Holz des Oberstockes ge-
bräunt. Weit ausladend greift das breite
Schindeldach darüber. Die Scheune liegt, ab-
gesetzt vom Hause, auf freiem Raume, geräumi-
ger als das Haus selbst. Daneben steht der hohe
Treidkasten. Unter den letzten Kirschbäumen
ist die Immenhütte, seitab der Backofen und eine
Wegbreite drüben das Ausgeding. Wie ein Dorf
im kleinen sieht jeder Hof aus, und er ist es
auch. Weitum liegt die Flur. Die Acker sind
wohl bestellt. Wer auf dem Dorfplatz steht,
kann genau erkennen, welches Feld auf jedem
Hof in diesem Frühjahr unter dem Pflug ist;
denn in kräftigen Gevierten liegt die auf-
gebrochene Erde der Acker da. Die Wiesen da-
neben stehen im ersten Grün. Weide und Hal-
den ziehen bis an den Wald hinauf, von oben
her reichen die Almwiesen herab. Das ist unsere
Welt!
Der Krieg ist weit. Ganz an das Ende des Erd-
teiles, bis an das Eismeer, ist er hinausgerückt.
Dort stehen viele der jungen Männer unseres
Dorfes. Vierzehn Tage brauchen sie, bis sie von
ihrer Front bis in das Dorf kommen. Diese vier-
zehn Tage ununterbrochene Fahrt mit Wagen,
Schiff und Bahn sind den Menschen des Dorfes
das sichtbarste Zeichen dafür, wie weit der
deutsche Soldat den Krieg über die eigenen
Grenzen hinausgetragen hat. Andere stehen
freilich näher der Heimat, in den Ebenen des
Ostens, an der Front des Südens. Aber auch sie
fahren noch viele Tage bis ins Dorf. Nirgends
ist der Krieg so nahe, wie er damals in den
Jahren von 1914 bis 1918 war. So ist der Frieden
des Tales wohlbehütet. Und doch ist der Krieg
im anderen Sinne wieder nahe genug, oft mitten
unter uns. Es ist damit nicht die Unruhe ge-
meint, die von der Art kommt, wie die Feinde
den Luftkrieg führen; denn gerade diese Form
des Krieges ist dem Bauer, dem jeder Kampf ein
Kampf um Erde ist, völlig fremd. Gewiß, auch
das Dorf spürt manches davon. Doch das Land
ist weit und hat Raum genug. Die Berge werden
den andern ein Land des Schreckens. Der Krieg
ist dann nahe, wenn er mitten unter die jungen
Mannsleute des Dorfes greift. Zu Ostern hat er
den Jungbauern vom Pertillerhof gerufen,
gestern den vom Obristhof, den Knecht Kaspar.
Fremde Menschen sind dafür auf die Höfe ge-
kommen. Das ist arg genug; denn der Hof duldet
an sich nichts Fremdes. Es ist ein altes Gesetz
des Bauern, wer seine Arbeit tut, gehört zu ihm.
Und doch ist es not, ja notwendiger denn je,
das Trennende zwischen uns und diesen Frem-
den aufzurichten. Das gibt manche Sorge,
Doch die Arbeit geht weiter. Der Hof bleibt,
im Krieg wie im Frieden, er überdauert jede
Not. Dies ist wahrhaft ein Segen; denn der Hof
trägt das Leben. In einem einzigen Jahre sind
auf unseren Höfen doppelt so viele Kinder in die
Welt gekommen, als uns dieser Krieg von
seinem Anbeginn bis heute genommen hat. Dies
ist doch das Schönste und Tröstlichste, das wir
in dieser Zeit sagen können.
Vor jeder Schule steht der Hof
Eines sei vorangestellt: Der Hof, nicht die
Schule hat den Bauern erzogen. Zu sehr
denken wir immer, wenn wir von Erziehung
sprechen, an die Schule. Doch längst, ehe es
Schulen gab, standen schon die Höfe im Lande,
und ein kräftiges, gesundes Bauerntum wuchs
auf ihnen heran. Wenn der Hof gut ist, geraten
auch die Kinder gut. Was ein schlechter Hof
aber an den Kindern sündigt, macht die beste
Schule nicht wieder gut.
Gewiß, Schulen müssen sein, gerade auch für
den Bauern. Aber niemals darf die Schule in der
Auffassung leben, sie allein müsse den Bauern
erziehen, wie das die liberale Pädagogik lehrte.
Alle Schulen, die dem Bauern helfen wollen,
müssen auf jene „Urpädagogik" aufbauen, die
von den Höfen kommt und weit vor jeder Schul-
erziehung liegt.
Man hat gesagt, eine Auffassung wie diese
wäre rückständig; denn sie führe die Erziehung
auf eine bloße Wirkung der Umwelt zurück.
Einzelne Unentwegte meinten sogar, die längst
überwundene „Milieutheorie“ würde durch
solche Ansichten wiederkehren. Wahrscheinlich
sind Menschen, die so urteilen, nie auf einem
Bauernhof gewesen, jedenfalls haben sie nie
dort gearbeitet. Sie müßten sonst erkannt haben,
289
daß es nicht eine bloße „Umwelt“ ist, die er-
zieht, also nicht die Welt „um“ das Kind, son-
dern die Welt, „in“ der das Kind steht. Es geht
nicht um etwas, das außerhalb des Kindes
liegt und auf dieses einwirken würde, sondern
es handelt sich umgekehrt darum, daß die Welt,
die das Kind in sich trägt, sich nach außen
hin in seinem Wesen immer stärker ausprägt
und schließlich den jungen Menschen völlig
erfüllt.
Der Bauernhof ist also nicht ein „Milieu“, er
ist vielmehr eine kraftgeladene Welt, in der
jeder Teil auf die andern wirkt und das Ganze
den einzelnen bindet. Der Bauernhof ist eine
Stätte echter, erzieherischer Wirkung. Diese
Erziehung bleibt durchaus nicht im Unbewußten
und Unbeabsichtigten stehen. Sie hat vielmehr
ihre durch Sitte und Brauch genau festgelegten
Formen und Gesetze. Der Hof erzieht nur ruhi-
ger, unauffälliger, aber dafür auch stetiger als
die Schule.
Erziehung durch das Natürliche
Dies hängt fürs erste damit zusammen, daß
der Hof ein Stück Natur ist, von Menschen ge-
staltet, aber auch den Menschen gestaltend.
Gerade der Krieg, in dem wir stehen, beweist
uns, daß in dieser Tatsache die Grundgesetze
des bäuerlichen Wesens überhaupt beschlossen
liegen.
Der Farmer in Amerika, der Roboter auf dem
Sowjetkollektiv, keiner von beiden steht noch
in einem Stück Natur. Sie haben die Grenze,
die zwischen dem Naturgebundenen und dem
Unnatürlichen liegt, überschritten. Was sie hält
und bindet, ist nicht mehr Natur, sondern
äußerer Zwang.
Der Hof des deutschen Bauern aber hält seit
Jahrtausenden achtsam die Grenze ein, die ihm
in der Naturgebundenheit gesetzt ist. Der Bauer
auf dem Hofe zwingt einerseits die Natur, die
„immer danach strebt, ihren ursprünglichen Zu-
stand wieder zu erreichen. Alles Roden, Jäten,
Züchten ist im Grunde genommen nur ein
immerwährender Kampf gegen diese vor-
brechende Natur; denn der Acker will wieder
zum Wildwuchs werden. Der Wald drängt über
die Zäune auf die Halden und Wiesen herein.
Auch der Berg tritt dazwischen. Wildwasser,
Mure und Lahn brechen in den behüteten Raum
des Hofes ein. Der Bauer muß sich ständig
wehren; wenn er die Hände in den Schoß legt,
rückt ihm die ungebärdige Natur über den Hof.
Doch diese Gegenwehr hat für ihn ihre deut-
liche Grenze. Niemals, das spürt der Bauer als
ungeschriebenes Gesetz in sich, trifft er in
seiner Arbeit die Natur in ihrer eigenen Kraft
selbst. Er beutet den Boden nicht bis zum letz-
ten aus, er schlägt den Wald niemals völlig
nieder. Er hält stets an jener Stelle inne, die
ihm das innere Gesetz des Hofes vorschreibt.
So steht der Hof nicht für etwas, das für immer
unveränderlich so gegeben wäre. Der Hof ist
290
vielmehr eine Aufgabe, die Tag um Tag neu
gelöst werden muß.
Schon deshalb ist der Hof nicht irgendeine
„Umwelt“, sondern tatsächlich eine ganze,
insich geschlossene Welt für sich. Die
erzieherische Wirkung des Hofes beruht gerade
darauf, daß er ein Stück Natur, also ein „Leben-
diges” ist. Der Mensch kann die Natur in die
Schranken fordern, er kann ihr vorübergehend
seinen Willen aufnötigen. Darauf beruhen die
materiellen Erfolge der Sowjets und der Ameri-
kaner, denn sie sind nicht durch Erfahrung und
Einsicht in dieser Ausbeutung alles natürlich
Gegebenen gehemmt. Aber im letzten setzt sich
doch immer wieder die Natur selbst durch und
bleibt die Stärkere. Deshalb bleibt schließlich
auch der als letzter auf dem Plan, der sie nicht
mißbraucht, sondern der sie klug zu nützen weiß
und mit ihr geht. Dies gilt für die Produktion von
Panzern ebenso wie für die Erziehung des
Menschen.
Leben und Arbeit sind eins
Auf dem Bauernhof ist das Leben noch ein
Ganzes. Es läuft nicht zwischen Heim und
Arbeitsplatz getrennt, denn der Hof schließt
alles Lebendige in sich, er ist Heim im besten
Sinne des Wortes. Er ist zugleich aber auch
Stätte der Arbeit. Das Bauernkind ist also wirk-
lich „in der Arbeit daheim“, Bauernarbeit ist
stets Heimarbeit. Das Kind kann nie Haus und
Hof ohne die Arbeit, aber auch nicht die Arbeit
losgelöst vom Hofe sehen, es erlebt stets beides
zusammen. Leben und Arbeit sind daher nicht zu
trennen. Dem Bauern ist dies so eins geworden,
daß er sich ein Leben ohne Arbeit gar nicht
denken kann.
Ein tiefer Sinn liegt in dieser Einheit von
Schaffen und Leben, denn auch dies ist wesent-
lich, erst durch die eigene Arbeit wird das
Leben selbst gesichert. Wer feiert, der hungert.
Der Hof gibt alles Wesentliche, was der Bauer
zum Leben braucht. Das Leben ist noch auf dem
Hofe an die Arbeit gebunden, ohne daß sich das
Geld als Mittler dazwischenzusetzen braucht.
Aber auch die Arbeit empfängt daraus ganz ur-
mittelbar ihren Wert: das Leben, nicht das Geld
ist der Lohn der Arbeit. Bauernarbeit ist eine
„ganze“ Arbeit, denn auch das Einzelne, das
geschieht, hat seinen Sinn nur im Ganzen.
Es geschieht nichts auf dem Hofe, das nicht
in dieses Ganze gehören würde, vom einfachsten
Viehhüten bis zum Pflugwerk. Deshalb auch ist
die Arbeit auf dem Hof so vielgestaltig. Sie steht
im Tage, sie steht im Jahr, steht schließlich im
Lauf des Lebens selbst.
In die Arbeit wachsen!
So wirkt der Hof auf die Kinder ein als ein
Stück gestaltete Natur, in der Leben und Arbeit
in eins zusammengeschlossen sind. Wer von
außen her auf den Hof kommt, kann allerdings
kaum etwas von Erziehung sehen. Es läuft alles
so selbstverständlich, obne besondere Absicht,
ja ohne viel Worte ab, ganz im Gegensatz zur
Schulerziehung, die mehr, als gut ist, das Wort
braucht. Auf dem Hofe steht die Arbeit dafür.
Kaum daß sich Bauer und Bäuerin um die
Kinder kümmern. Man könnte im Gegenteil
meinen, die Kinder seien völlig sich selbst über-
lassen. Sie sind es auch, das heißt genauer ge-
sprochen, sie sind dem Hofe überlassen. Bauer
und Bäuerin spüren wohl, daß die Kinder dann
am besten geraten, wenn sie beide das Ihre tun,
damit der Hof gut gerät. Dann ist das Beste
getan, damit die Kinder überall die Arbeit
spüren und in ihr zu rechten Bauernmenschen
heranwachsen. Kaum zum Leben erwacht, hat
das Kind schon überall auf dem Hofe diese
Arbeit um sich.
Wir wissen, wie entscheidend gerade die
ersten Eindrücke für das weitere Leben sind.
Darum bedeutet es viel, daß das Bauernkind
von kleinauf schon die Erinnerung an diese
Arbeit in sich trägt. Es braucht sich später nicht
aus der Welt seiner Kindheit auf die Welt der
Arbeit umzustellen, es braucht sich nur, was
ihm von früh an vertraut ist, bewußt zu
machen, ein Vorgang, der viel natürlicher ist
als der Umbruch, den junge Menschen bewäilti-
gen müssen, die das Schicksal in andere Ver-
hältnisse.gestellt hat.
Wenn der Bauernbub einmal fest auf den
eigenen Beinen steht und zufassen kann, ist auch
die Arbeit schon da. Wenn er zuerst auch nur
die Kühe hütet oder den pflügenden Ochsen
weist, wenn er das Unkraut jätet oder als
letzter beim Heuen hilft, die Arbeit gilt doch
schon als solche.
Sie wird nicht als Spiel, auch nicht als Hilfe
gewertet, sie wird tatsächlich als Arbeit genom-
men. Weil die Bauernarbeit so reich an Formen,
an einzelnen Verrichtungen ist, findet der Bub
sehr bald das „Ende“, an dem er anfassen kann.
Dann läßt ihn die Arbeit nicht mehr aus. Er
gilt dem anderen so viel, als er auf dem Hofe zu
schaffen vermag. Dies gibt dem Bauernkinde
schon von Grund auf eine ganz bestimmte
Haltung. Der Bub weiß, wofür er auf der Welt
ist, er weiß, was er gilt. Das gesunde, bäuerliche
Selbstbewußtsein hat darin seine Wurzeln.
Es könnte mancher meinen, dieses allzu frühe
Hineinwachsen in die bäuerliche Arbeit zer-
störe dem Kinde die ihm eigene Welt. Wir
wollen nicht davon sprechen, daß der Krieg
gewiß da und dort das natürliche Gesetz und
den Rhythmus bäuerlicher Arbeit durchbrochen
hat und die Kinder auf dem Hofe zu Arbeiten
zwingt, die für ihre Jahre zu streng sind. Wir
kennen die Gefahr, die daraus kommt. Und
doch ist zu sagen, daß, wenn nur das innere
Gefüge des Hofes fest und gesund bleibt, auch
diese Gefahr überwunden werden kann.
Arger wäre es, wenn die Kinder der Arbeit
entfremdet würden. In gewissem Sinne ist es
freilich richtig, wenn einer sagt, die Bauern-
kinder hätten keine Kindheit. Eine Kindheit im
Sinne eines von der Welt der Erwachsenen ab-
gegrenzten Lebensbereiches gibt es auf dem
Hofe allerdings nicht, denn es kann niemand
neben dem anderen, sondern nur jeder mit dem
anderen leben. Aber die Welt des Hofes ist,
weil sie gestaltete Natur ist, in ihrem Wesen 80
vielfältig und reich, daß das Kind darin alles
zu finden vermag, was ihm nötig ist,
um seine Kräfte richtig entfalten zu können.
Erziehung durch die Sippe
Das Bauernkind wächst erst der Mutter ent-
gegen. Es lernt den Raum ihres Wirkens kennen,
die Stube, die Küche, die Kammern, das Haus.
Aber die Mutter ist ihm nicht nur Mutter allein,
sie ist ihm auch die Schafferin im Hause, die
Bäuerin des Hofes. Dann rückt es dem Vater
näher in Stall und Scheune, Acker und Feld. Der
Vater erscheint ihm nicht als Vater bloß, son-
dern auch als bester Knecht, der jede Arbeit
anzufassen und zu leiteh weiß. Der Vater ist der
Bauer auf dem Hofe.
Im Ausgeding drüben sitzen die Alten. Sie
haben sich ihren Teil selbst abgesteckt. ` Die
laute Arbeit des Tages schlägt bei ihnen ge-
wissermaßen nach innen. Eine kleine Werk-
statt hat sich der Altbauer geschaffen. Da
bastelt und werkt er an diesem und jenem. Die
Altbäuerin hat ihre ganze Liebe auf den Garten
geworfen, auf Blumen und Obst, gar auf das
Hennenvolk, für das die Bäuerin immer nur
grobe Worte hat.
In dieser Welt der Alten setzt sich für die
Kinder die Welt der Schaffenden fort. Hier
empfangen sie zu dem, was Haus und Feld
geben, das „andere“, das jenseits des Tage-
werkes liegt. Vom nahen Sterben überschattet,
steht diese geruhsame Welt der Alten neben
dem Werk der Bauersleute. Hier finden die
Kinder Trost, wenn sie die Sorgen der Schule
quälen. Hier fällt manches ernste Wort in junge
Herzen. Hier offenbart das Leben seinen tiefsten
und geheimsten Sinn. Das Ausgeding ist die
Kinderstube des Bauernhofes. Daß aber auf
einem Hof oft drei Generationen zu gleicher
Zeit zusammenleben, hat eme tiefe, erziehe-
rische Bedeutung. Das Kind sieht in der Welt
des Bauern sein eigenes Leben vorgezeichnet,
in der Welt der Alten sieht es den Abend des
bäuerlichen Lebens. So hat es in gewissem
Sinne förmlich das eigene Leben vor sich
und gewinnt Maßstab und Richtung.
Uber den Nachbar zu Gemeinde und
Volk
Die Welt, die außerhalb des Hofes liegt, be-
ginnt drüben am Zaun beim Nachbar. Wenn
auch dieser seinen Hof gut zusammenhält, kann
es an rechter Nachbarschaft nicht fehlen. Je
fester der Bauer auf eigenen Beinen steht, desto
leichter ist es dem anderen, ihm mit Rat und
291
Beistand zu helfen, wenn es not ist. So beginnt
jede soziale Erziehung auf dem Hofe bei der
Erziehung zu guter Nachbarschaft.
Alles, was später im Leben an den jungen
Menschen herantritt, hängt davon ab, daß er
von Anbeginn den Sinn des Nachbarseins be-
griffen hat. Was der Hof oft zu einseitig, zu
nüchtern für sich selbst fordert, wird durch
eine gutverstandene Nachbarschaft in das rich-
tige Maß gebracht. Auf guter Nachbarschaft
baut sich das Leben im Dorfe auf. Wer sich im
Dorfe richtig einfügen will, muß dem Bauern
Nachbar sein.
Viel mehr als mit dem, was er den Kindern
im Unterricht beibringt, ist der Lehrer oft mit
seinem Schulgarten, seinen Obstbäumen und
seinen Bienenstöcken den Bauern Nachbar ge-
worden. Auch die anderen Menschen im Dorfe,
die Handwerker, die Kleinleute, haben ihr Stück
Feld und Garten, weiden eine Kuh oder halten
doch kleineres Vieh und sind damit dem Ganzen
verbunden, denn der Boden beteiligt sie an
Glück und Not der Gemeinde. Nur die „Quar-
tierleute“, die kommen und gehen, haben keinen
Boden. Nachbarschaft wächst bei ihnen aus
gemeinsamer Arbeit, aus Hilfe und Rat. Sie gilt
deshalb, wenn sie richtig verstanden wird, nicht
weniger. Das Dorf nimmt den jungen Menschen
anders als der Hof, stärker noch im Sinne der
Gemeinschaft in die Hand. Es zwingt, was allru
stark auf das Eigene bezogen war, zur Gemeis-
schaft.
Der Hof macht den Bauern, die Ge-
meinschaft des Dorfes macht den
Deutschen. Denn in dieser ersten und ent-
scheidendsten Gemeinschaft begreift die bäuer-
liche Jugend die höchste Gemeinschaft, die des
Volkes. Vom Hof zum Nachbar, vom Nachbar
zum Dorfe, dies ist der Weg bäuerlicher Ge-
meinschaftserziehung, und durch die festgefügte
Gemeinschaft des Dorfes in das Volk und in die
Zeit, die wir bestehen müssen.
Der Dorfschulmeister ist nicht da, um ein pädagogisches System
zu verwirklichen, sondern um den Bauersmann in seiner echten
Art verwirklichen zu helfen.
Wilhelm Heinrich Riehl.
Bäuerliche Gesinnung ins Herz der Landjugend wieder zu
senken, ist Aufgabe aller, in deren Hand die Erziehung des
ländlichen Nachwuchses liegt. Was ist aber bäuerliche Ge-
sinnung anderes als Liebe zur Natur, Freude am Wachsen und
Gedeihen, Treue zur Scholle, Verbundenheit mit allem Lebenden
und der Wille, am Pflug dem großen Ganzen zu dienen! Unter
diesem Leitstern stehe der ganze Unterricht der Landschule.
Heinrich Sohnrey
FRANZ HUBER:
DORFKULTURELLE ERZIEHUNG
DURCH DIE LANDSCHULE
Wozu die Schule bemühen?
lle Freunde des Landes:und des Landvolkes
sind sich darüber klar, daß die Erneue-
rung der Dorfkultur zu den vordringlich-
sten, aber auch zu den schwierigsten Aufgaben
unserer völkischen Erneuerung gehört. Es sind
nicht die Schlechtesten, die aus tiefer Sach-
kenntnis heraus und mit ernster Sorge Zweifel
begen, ob eine Neubildung dörflicher Kultur
noch möglich ist. Wenn man in das Landvolk
hineinhört und in den Dörfern Umschau hält,
beobachtet man eine sich steigernde Abkehr von
allem Ländlich-Bäuerlichen und eine wachsende
Hinwendung zum Städtischen. Nicht nur etwa
die Jugend, auch die Alten zeigen vielfach eine
Geringschätzung des Ländlichen und eine Hoch-
schätzung des Städtischen, daß man an der Mög-
lichkeit einer Wiederbelebung ländlich-bäuer-
licher Kultur verzweifeln möchte. |
Beim Stadtmenschen fällt es uns schon lange
nicht mehr auf, daß vielen von ihnen der
Schwerpunkt ihres Lebens nicht in der Ar-
beit,sondern in der Erholung liegt: nicht
der Beruf ist der eigentliche Lebensinhalt, son-
dern die Freizeit; sie arbeiten nicht um der Ar-
beit willen, sondern um in der Arbeit und durch
die Arbeit die Mittel zu möglichst schöner Frei-
zeitgestaltung zu gewinnen. Die Freizeit wird
nicht erlebt als ein Freisein für etwas, sondern
von etwas, nämlich von der Last des Berutes.
Der Beruf ist nicht Berufung zu einer Aufgabe,
zu der man gleichsam vom Schicksal aufgeruten
ist; die Berufswahl (schon, daß man wählt, macht
die Sache verdächtig) ist ein Rechenexempel:
weicher Beruf gibt mir die Möglichkeit, unter
den gegebenen Verhältnissen am meisten zu ver-
dienen für die dienstfreie Zeit und für die Zeit
nach der Ruhestandsetzung?
Auch beim Landmenschen macht sich immer
mehr diese Schwerpunktsverschie-
bungbemerkbar; auch er erlebt vielfach im
Beruf und in der Arbeit nicht mehr die Lebens-
erfüllung, auch er sucht in der Freizeit das zu
finden, was ihm die Arbeit nicht mehr zu bieten
vermag — die Befriedigung des Lebenshungers.
Auch hier zeigt sich die Verstädterung der länd-
lichen Lebensauffassung und damit der länd-
lichen Lebensführung. Auch auf dem Lande wird
die Zahl derer, die sich erst nach der Arbeit und
Rur in der Freizeit wirklich zufrieden und glück-
lich fühlen, immer größer. Auch hier glaubt man
immer häufiger das Faustwort zu hören: „Hier
bin ich Mensch, hier darf ich's sein!“ Erst jetzt,
in der Freizeit, bin ich wahrhaft Mensch; erst
jetzt, nach der Arbeit, kann ich befreit aufatmen;
erst jetzt kann ich leben und zu mir selber
kommen. In der Arbeit durfte ich nur meine
Kraft herleihen; durfte ich nur mein Können
hingeben; hingeben an ein Werk, das mir inner-
lich gleichgültig ist, das mir ja nur Geld ein-
zubringen hat, damit ich dann nachher — sei es
am täglichen oder wöchentlichen Feierabend
oder am endgültigen Lebensabend — als Mensch
leben kann. In der Arbeit bin ich ja nicht
Mensch, da bin ich Arbeitstier, bin ich besten-
falls ein mehr oder weniger wichtiges Rädchen
des Getriebes oder Betriebes.
Nicht daß dem schlichten Landmenschen diese
Gedanken in dieser Form bewußt würden
(sowenig als dem Durchschnittsstadtmenschen);
aber die Ausstrahlungen, die sich im Le-
bensalltag zeigen, stammen aus dieser inneren
Haltung. Und diese Verstädterung des Landes
und des Landvolkes ist heute schon so weit
verbreitet und so tief hineingefressen, daß man
schon ein hoffnungsfroher Optimist sein muß,
um noch an eine durchgreifende Umkehr glau-
ben zu können. Oder — ein Realist, derhinter
die äußeren Erscheinungen und unter die
trügerische Decke zu schauen vermag.
Muß es denn so sein, daß diese Erscheinungen
nur Ausdruck innerer Haltung sind; können sie
nicht auch anders gedeutet werden? Wäre
es nicht denkbar, daß viele Landmenschen sich
nur deshalb dem Städtischen und der Stadt zu-
wenden, weil ihnen das Dorf und der Hof nicht
das bieten, was sie brauchen? Es ist nun einmal
so, daß der Mensch in seiner Freizeit etwas will,
was ihn anzieht und was ihn beschäftigt. Er will
nach seiner Arbeit „Kurzweil”; er braucht etwas,
was verhindert, daß ihm die freien Stunden
nicht zur Langeweile werden. Glücklich der
Mensch, der in seinen Mußestunden zu sich
selbst oder zu den Musen findet; doch der ein-
fache Landmensch unserer Tage versteht es
nicht mehr, in sich hinein zu horchen und auf
die Stimmen aus der Tiefe zu lauschen. Er weiß
aber auch nicht, wo er von außen her Hilfe
bekommen soll — es ist im Dorfe nichts da, was
ihn angenehm beschäftigen könnte. So entflieht
er der Einsamkeit und Langeweile des Hofes und
Dorfes und enteilt in die Stadt, ins Kino oder
auf den Tanzplatz,
293
Und noch eins muß beachtet werden. Wir
heutigen Kulturmenschen sind bequem ge-
worden; wir nehmen lieber passiv hin, als daß
wir selber aktiv sind. Wir drehen lieber am
Rundfunkgerät ein Konzert ein, als daß wir selber
Hausmusik machen; wir lassen uns lieber etwas
vorführen, als daß wir selber etwas tun. Das
gilt auch für die Landmenschen, Auch auf dem
Dorfe wirkt das gleiche „Trägheitsgesetz"; auch
hier muß erst einmal dieser Bequemlichkeits-
standpunkt überwunden werden, wenn wieder
Dorfkultur werden soll.
Der Aktivierung der Dorfkultur steht aber
noch ein besonderes Hindernis im Weg. Dem
Landmenschen fehlt vielfach der Glaube; es fehlt
ihm der Glaube an Güte der eigenen Sache. Die
Landmenschen haben im Laufe einer langen
Entwicklung ihr Selbstbewußtsein ver-
loren; damit haben sie schließlich alles, sogar
sich selbst verloren.
Wie war der Bauer ehedem so stolz und
selbstbewußt! Wie ging er gerade und aufrecht
einher, in seiner Tracht, in seinen schweren
Stiefeln, mit seinen selbstsicheren Schritten!
Wie klang seine Sprache frei und froh; wie
sprach er in seiner Mundart unbekümmert um
die Resonanz, die sie etwa in den städtischen
Ohren finden könntel Er war Vollbauer,
Bauer aus innerer Berufung und mit
erlebter Lebenserfülltheit und -er-
füllung. Er schielte nicht nach der Stadt und
nach dem Städtischen; seine Welt und sein Werk
war ihm Genügen. Seine Welt und sein Werk
war ihm sein ein und alles. Er stand mit
beiden Füßen auf seinem Grund und Boden;
er lebte mit allen Sinnen und allem Sinnen seiner
Aufgabe; sein Sinnen und Trachten galt seiner
Scholle und seinem Geschlecht; sein Leben war
Dienst am Hof, den er — nach altem Glauben —
von der Gottheit selbst zum Leben erhalten
hatte.
Es ist hier nicht der Ort, aufzuzeigen, wie
dieses einst so starke bäuerliche Selbstbewußt-
sein geschwächt und erstickt wurde. Tatsache
ist, daß dieses Selbstbewußtsein immer mehr
einem Minderwertigkeitsbewußtsein
Platz machte. Der Landmensch fing an sich zu
schämen. Er schämte sich seiner Kleidung und
Sprache; er schämte sich seines bäuerlichen
Aussehens und seiner bäuerlichen Arbeit; er
schämte sich seines Hauses und seines Haus-
rates. Er trachtete danach, dem Städtischen
gleichzukommen; er wollte auch wie der Städter
sein. So fing er an, sich städtisch zu geben in
Kleidung und Sprache, in Hausbau und Hausrat.
Und mit der äußeren Lebenshaltung gab er mehr
und mehr auch die innerliche Haltung
auf — er verlor mehr und mehr das ländliche
Lebensgefühl; er verlor mit dem bäuerlichen
Selbstgefühl das Bäuerliche selber. Was
ländlich ist, galt ihm als minderwertig; zum
mindesten als nicht vollwertig. Was städtisch
ist, galt als hochwertig und als erstrebenswert.
294
Konnte der Erwachsene nicht mehr zum Stadt-
menschen werden, so sollte wenigstens die Ju-
gend nicht mehr mit dem ländlichen Minder-
wertigkeitsbewußtsein durchs Leben müssen.
Die Jugend sollte es von vornherein besser be-
kommen; sie wurde dem Lande erst entwöhnt
und dann — entführt.
Soll es noch einmal anders werden, dann muß
erst die ländliche „Atmosphäre“ anders
werden. Es muß erst wieder ein anderes länd-
liches Lebensgefühl entstehen; es muß erst
wieder im Landmenschen eine andere Selbst,
einschätzung Wurzel fassen. Der Landmensch
muß wieder Freude am Land und an der Land-
arbeit finden; er muß wieder stolz werden auf
sich und seine Art, auf seine Arbeit und auf
seine Berufung, auf sein Werken und auf sein
Werk. Er muß wieder so selbstbewußt werden
wie seine Ahnen. Sein Selbstbewußtsein muß
ihm wieder Nährquell eines Lebensgefühles und
einer vollen Lebenserfüllung werden.
Nur in solcher Atmosphäre gedeiht auch
wieder eine ländlich-bäuerliche Kul-
tur; nur auf diesem Boden und unter diesem
Klima ist das Keimen und Wachsen einer neuen
Dorfkultur möglich. Kultur läßt sich nicht von
außen und von oben schaffen; sie läßt sich nicht
anordnen. Wie jede Kultur Ausfluß eines Seelen-
tums ist, so auch die dörfliche Kultur. Wie Kul-
turwerke immer zuerst in einem Menschen leben
und aus einem Menschen entwachsen, so kann
auch bäuerliche Kultur nur aus leben-
digemBauerntumentsteigen. Es ist kein
grundsätzlicher Unterschied zwischen den Wer-
ken unserer Hochkultur (etwa den Werken eines
Beethoven oder Dürer) und den schlichten Wer-
ken alter Dorfkultur (etwa einem schönen
Bauernschrank oder einem Bauernspruch). Jedes
Kulturgut wird in einem Menschen ausgeformt
und nimmt von dessen Wesen in sich auf. Des-
halb trägt ja auch jedes Kulturgut etwas vom
Wesen seines Schöpfers in sich und läßt Rück-
schlüsse auf ihn und seine Art zu.
Solange es ein echtes selbstgenügsames und
selbstsicheres Bauerntum gab, wuchs auch
Bauernkultur. Erst als der Bauer sich selbst
aufgab, entschwand auch mehr und mehr seine
Kultur. Die Neuschöpfung stand still, als der
Bauer mit der Geringschätzung seiner Kultur
seine Kulturgesinnung und damit seinen Kultur-
willen aufgab: Er wollte nichts mehr von einer
eigenständigen Dorfkultur wissen; ganz natür-
lich, daß er jetzt auch nicht mehr Kultur schuf.
Ohne Bauerntum keine Bauernkul-
tur! Wo echtes Bauerntum, da auch Bauern-
kultur. Sie wächst aus und mit den Menschen.
Indem die Menschen ihr echtes Leben leben,
schaffen sie auch Kultur. Kultur ist ja nicht nur
das Besondere, das neben und außer dem Alltag
steht. Kultur umfaßt ja alle Lebensbereiche,
auch die Arbeit, auch die Art zu wohnen und
sich zu unterhalten. Dorfkultur ist das dörfliche
Leben; sie ist Teil der ländlichen Lebenstorm,
ja sie ist, im letzten Sinn und Begriff, die
ländliche Lebensform selbst.
„Die Lebensformen erziehen, indem sie
funktionieren.” (E. Krieck.) Es bedarf keiner
besonderen Maßnahmen: man braucht nur an
der Lebensform teilzuhaben und teilzunehmen,
dann vollzieht sich auch ganz von selbst die
Erziehung. Man braucht nur mitzuleben, dann
wird man auch mitgeformt. So wird auch die
Jugend geformt, indem sie an der Lebensform
ihrer Welt teilhat und teilnimmt. Freilich wird
dieFormungnurdanninOÖrdnungsein,
wenn die Lebensform in Ordnung ist.
In diesem Sinne möchten wir das Kriecksche
Wort so sagen: „Die Lebensformen erziehen,
wenn sie funktionieren.”
Das ist es ja eben: Die ländliche Lebensform
ist in Unordnung geraten, Sie gehorcht nicht
mehr ihren eigenen Gesetzen; sie ist fremdhörig
geworden: sie hört auf die Anrufe der Stadt und
auf die Lockungen aus einer anderen Welt. Das
Land muß wieder zu sich selber zurück-
finden; der Landmensch muß wieder auf die
Stimmen hören, die aus dem Urgrund seines
Wesens heraufklingen. Das Landvolk muß wie-
der landstolz und landfroh werden. Dann wird
die Jugend nicht schon von Kindheit an vom
Lande weg- und auf die Stadt hingelenkt werden.
Wie die ländliche Jugend ehedem ohne Schule
und Lehrer in die bäuerliche Wert- und Kultur-
welt hineinwuchs, so wird sie auch heute wieder
schon von Haus aus ländliches Werten und
Werk kennenlernen. Und wie die Landjugend
ehedem ohne jede Schule das bäuerliche Wirt-
schaften lernte und auch heute noch die Grund-
lagen des Wirtschaftens auf dem Hofe und nicht
ia der Schule erwirbt, so verhält es sich auch
mit der dorfkulturellen Erziehung. Bs gilt aber
auch folgender Satz: Sowenig das Landvoik
heute in bezug auf Weltanschauung und Land-
wirtschait ohne die Schule auskäme, sowenig
kann heute die dorfkulturelle Erziehung ohne die
Schule und den Landlehrer ihr Ziel erreichen.
Wir wollen damit in keiner Weise etwa einer
Auffassung das Wort reden, die dem Glauben
an die Allmacht der Schulerziehung entstammt;
doch werden wir zeigen, daß die Schule für die
Erneuerung der Dorfkultur notwendig ist und
was sie zu leisten vermag. Wir werden zeigen,
daß Hof und Dorf das, was die Dorfschule leistet,
gar nicht zu leisten vermöchten. Wir müssen
allerdings von vornherein sagen: Wie auf dem
Gebiege der Weltanschauung und Wirtschaft
der Hof die grundlegende Erziehung
zu übernehmen hat, so ist auch auf dem
Gebiete der Dorfkultur alles vergeblich, wenn
nicht Hof und Dorfgemeinschaft einen tragfähi-
gen Grund gelegt haben.
An der dorfkulturellenErziehung müs-
sen alle Stellen teilnehmen, die auch sonst an
der Erziehung des Volkes mitwirken. Es müssen
alle Einrichtungen der Partei und des Staates in
den Dienst dieser Aufgabe gestellt werden: Funk
und Film, Buch und Bild, Presse und Propaganda,
Ausstellungen und Führungen. Es muß zum
mindesten gefordert werden, daß von keiner
Seite her irgend etwas geschieht, was das länd-
liche Selbstbewußtsein und den ländlichen Kul-
turwillen zu schwächen vermöchte. Wir müssen
aber über diese passive Haltung hinaus eine
positive Mitwirkung verlangen; wir müs-
sen fordern, daß der Sinn für das Ländlich-
Bäuerliche in allen Volksgliedern, nicht nur
etwa im Landvolk, geweckt und gestärkt wird.
Von der Stadt ging die Minderbewertung des
Landes und der Landarbeit aus; in der Stadt
muß also auch vor allem für eine gerechte Be-
wertung des Landes und der Landarbeit Sorge
getragen werden.
Unser Bemühen um die Erneuerung der Dort-
kultur wird freilich seinen Schwerpunktin
dem Dorf selbst haben. Hier gilt es, die
Menschen für die neue Haltung und für die.
neuen Aufgaben zu gewinnen und zu erziehen.
Die ältere Generation ist vielfach schon ver-
härtet und nicht mehr beweglich genug, um
nochmal umzulernen. Die Jugend jedoch ist
noch nicht verbildet; sie ist noch aufnahme- und
gestaltungsfähig ihr gilt deshalb unsere beson-
dere Aufmerksamkeit. Wer aber die Jugend will,
der muß auch die Schule wollen. Schule und
Lehrer stellen eine Macht von nicht zu unler-
schätzendem Binfluß dar; Schule und Lehrer
wirken nicht nur auf die Jugend selbst; sie ver-
mögen über die Jugend auch auf die Alten
mittelbar einzuwirken.
Was kann die Schule leisten?
Wir wollen uns im folgenden mit der Land-
schule und ihrem dorfkulturellen Erziehungs-
auftrag befassen; wir möchten aber doch wenig-
stens darauf hinweisen, daß auch die an-
deren Schulgattungen zur Mitarbeit auf-
gerufen sind. Höhere und Hochschule, landwirt-
schaftliche Berufs- und Fachschulen, auch die
übrigen Schulen sollen in ihren Schülern eben-
falls den Sinn für die ländlich-bäuerliche Welt,
für ländlich-bäuerliche Kultur und für dörfliches
Kulturschaffen wecken und damit die Voraus-
setzungen für eine gerechte Einschätzung des
Landes und der ländlichen Kultur schaffen. Man
sage nicht, dies sei nicht nötig und nicht mög-
lich. Es ist nötig, um all die Quellen zu ver-
stopfen, die schon einmal das bäuerliche Selbst-
bewußtsein anfraßen und wegspülten, es ist
möglich, wenn nur die Lehrer der verschiedenen
Schulen selbst vom richtigen bodenständigen
Geist erfüllt sind; dann werden sie die sich an-
bietenden Gelegenheiten spüren und die rich-
tigen Worte finden. Geschichte und Erdkunde,
Lebenskunde und Lektüre, Rechnen und Natur-
lehre und andere Fächer bieten Möglichkeiten,
Bauernwelt und Bauernwerk zu zeigen und zu
zeichnen, sei es mit eigenen Worten, sei es mit
den Worten von Dichtern und Denkern, sei es
mit der Leuchtkraft von Bildern oder von Zahlen.
295
Gerade die Technik, die unsere heutige Jugend
so mächtig fesselt, kann in städtischen Volks-,
Berufs- und Fachschulen so dargestellt werden,
daß Sinn und Möglichkeiten ländlicher Tech-
nisierung verstanden werden und die Berufs-
wunschbilder auch den ländlichen Lebenskreis
umfassen. Im besonderen Maße eignen sich ent-
sprechend ausgewählte Stellen aus dem Schrift-
tum, den Schülern den rechten Sinn und die
richtige Haltung für das Ländlich-Bäuerliche zu
vermitteln; wir haben heute viele gute Bauern-
und Dorfromane, die diesem Zweck dienstbar
gemacht werden können.
In der Landschule hat der Lehrer (nicht zuletzt
in engster Zusammenarbeit mit der Hitler-
Jugend) zwei Aufgaben zu lösen, wenn er den
dorfkulturellen Erziehungsauftrag erfüllen will:
Er hat die Dorfjugend entsprechend auszu-
richten und auszurüsten.
Die Ausrichtung der Landkinder be-
steht vor allem in der richtigen Haltungserzie-
hung: in den Kindern soll die richtige ländlich-
bäuerliche Gesinnung geweckt und genährt
werden. Es soll in ihnen der richtige boden-
ständige Geist entfacht werden. Sie sollen das
Land und die Landarbeit richtig verstehen und
schätzen lernen. Es sollen ihnen die Werte des
Landes und der ländlichen Welt bewußt werden.
Da die Berufswünsche der Jugend, auch der
ländlichen, auf die Modeberufe abzielen, muß
der Landlehrer immer wieder auf dieinneren
Qualitäten der Landarbeit hinweisen. Es
muß den Landkindern im Laufe der acht Jahre
der tiefere Sinn der Landarbeit aufgehen. Land-
arbeit ist Arbeit in und an der Natur, am
Lebendigen; es ist ganzheitliche Arbeit;
sie gewährt besondere Freuden, die Freude
am Werdenden und Wachsenden. Landarbeit ist
von besonderer Bedeutung: das Land er-
nährt die Stadt — das Bauerntum ist der Nah-
rungsquell des Volkes. Diese Wahrheiten können
den Kindern nicht als Lehrsätze übermittelt
werden; sie müssen von den Kindern Stück um
Stück erfaßt werden. Wir führen ihnen die
Leistungszahlen, auch in Schaulinien, vor: unser
Dorf liefert soundso viel Korn, Kartoffel, Eier,
Milch usw. in die Stadt; davon leben soundso
viele Menschen; also dürfen wir sagen: das Land
ernährt die Stadt. Damit wird in den Kindern
das rechte bäuerliche Selbstbewußt-
seinlebendig werden. Sie sollen die Eigenart
und den Eigenwert erfassen lernen, die in
Bauernwelt und Bauernwerk verkörpert sind.
Haben sie aber erst einmal die Schönheit und
die Bedeutung der ländlich-bäuerlichen Welt
erkannt, dann werden sie diese auch schätzen
und lieben. Man muß ihnen auch die eigen-
artigen Reize der ländlichen Natur und der dörf-
lichen Kultur erschließen. Sie sollen sehen, wie
der Mensch diese Schönheit zu gestalten und
auszugestalten vermag. Sowohl das Landschafts-
bild wie auch das Dorfbild kann vom Menschen
geformt werden; hier wie dort kann guter Sinn
296
verderben und verschandeln. Ländliche Bau-
weise sowohl wie ländlicher Hausrat sind Zeu-
gen früheren ländlichen Kulturwillens; in Tracht
und Schmuckstück, in Sitte und Brauch, in Haus-
zeichen und Bauernsprüchen kommt die schöpfe-
rische Kraft des alten Bauerntums zum Ausdruck.
Die Hinführung und Einführung der Land-
kinder in die Dorfkultur läßt sich nicht stun-
denplanmäßig und mit einigen eingescho-
benen Themen durchführen. Der ganze Unter-
richt muß vom Gedanken der dorfkulturellen
Erziehung durchdrungen sein. Jede sich bietende
Gelegenheit muß dafür herangezogen werden.
Gelegentliche, aber häufige Hinweise wirken
mehr als eigens angesetzte Stunden, wenn diese
nicht von einer grundsätzlichen Gesamthaltung
getragen sind.
Dabei darf diese dorfkulturelle Arbeit nicht
aufdringlich erfolgen; es darf nicht ein
Zerreden und Anpredigen Platz greifen. Wenn
immer, so gilt besonders auf dem Gebiete der
ländlichen Erziehung das Dichterwort: „Man
merkt die Absicht und wird verstimmt.“ Wenn
in den Kindern der Gedanke aufsteigt: man will
uns „für das Land gewinnen“, man macht hier
„in Kampf gegen Landflucht“ — dann ist alle
Wirkung unterbunden. Das ist eben die Kunst
des echten Landlehrers, daß er wirkt, ohne daß
man dies Wirken merkt.
In den verschiedensten Formen und
mit mannigfaltigen Mitteln muß die kulturelle
Ausrichtung der ländlichen Schuljugend vor
sich gehen. Bald sind es nur kurze Hinweise,
bald längere Ausführungen; bald ist es ein Un-
terrichtsgespräch, bald der Vortrag des Lehrers;
bald sind es des Lehrers eigene Worte, bald
läßt der Lehrer den Dichter sprechen; bald ist es
eine Schülerfrage, bald ist es ein Appell des
Lehrers; bald ist es ein Bild, bald ein Film, bald
eine Schallplatte, bald eine Rundfunksendung:
bald ist es ein Unterrichtsgang, bald eine Lehr-
wanderung; bald ist es eine Hofbegehung, bald
ein Gang ins Museum oder in eine Ausstellung
— immer aber ist es das gleiche Ziel, das
wir verfolgen: wir wollen in den Kindern die
richtige Kulturgesinnung und einen starken
Kulturwillen erzeugen. Die Kinder sollen Ge-
fallen und Freude an ländlich-dörflicher
Kultur gewinnen; diese Freude an ländlich-
dörflicher Kultur soll in den Kindern jene ınnere
Unruhe hervorrufen, die immer Voraussetzung
kulturellen Schaffens ist: Ruhe wird erst dann,
wenn das in der Seele Drängende Form und Aus-
druck gefunden hat.
Besonders wirkungsvoll ist es, wenn Bild
und Gegenbild einander gegenübergestellt
werden. Dies gilt nicht nur für wirkliche Bilder,
sondern auch für die Betrachtung der Wirklich-
keit selber. Man kann das schöne und das ver-
schandelte Bauernhaus sowohl im Bild als auch
in der Wirklichkeit einander gegenüberstellen;
man kann den Kindern sowohl im Bilde wie in
u _ wa
Das Heimatdorf in der Zeichenstunde
Beim Nähunterricht Beim Werkuntertich
der unmittelbaren Berührung
“der Landarbeit ergibt sich für
Schulunterricht die Möglichkeit
chaulicher und lebensnaher Ge-
ung aller Schulfächer, die ihre
eherische Wirkung nicht ver-
len wird; denn auf diese Weise
fd den Schülern die Erkenntnis,
£ht für die Schule, sondern fürs
an zu lernen, zu einer eindring-
lichen Selbstverständlichkeit
Mit frohem Gesang zum Unterricht in der
freien Natur. — Tauziehen einmal ohne Tau
Ri
* `
3 TA
ar
Le. det,
à , í < ie ke 2 8
SC Gë = n — 4 — ds ; =
e rn N a ehe er erw
te = Em ? m Fr
— — Zu ei :
— ae
` `
— . — — — de
— — 3 . ` Wf
— — S
der Wirklichkeit zwei Zäune vorführen, einen
echten dörflichen Staketenzaun und einen „mo-
dernen“ Betondrahtzaun. Das neuzeitliche
Schrifttum bietet uns für solche kulturelle Schu-
lung gutes Material; es sei nur erinnert an:
A. Seifert, „Im Zeitalter des Lebendigen“
(Müllersche Verlagsbuchhandlung, Planegg vor
München); Schoneweg, „Willst du deinen
Bauernhof verschandeln?‘ (Bielefeld 1936). Man
mache nur einmal mit Landkindern einen Ver-
such und führe ihnen unverfälschte und ver-
schandelte Beispiele ländlicher Gebiete vor;
man wird über ihren sicheren Geschmack stau-
nen; mindestens wird man sich überzeugen, wie
leicht sie zum Sinn für das Echte und Gewach-
sene zu erziehen sind.
Als Gebiete der dorfkulturellen Ausrichtung
kommen alle Gebiete des ländlichen
Lebens in Frage. Wir erschließen den Land-
kindern den Sinn für die Schönheiten der hei-
matlichen Landschaft und die Reize des eigenen
Dorfes, für die Schönheiten des Bauernhauses
und des Bauernhausrates, für die Eigenart und
den Eigenwert der ländlichen Arbeit und die
Möglichkeiten ländlicher Freizeitgestaltung. Wir
schärfen ihren Blick für das Bodenständige und
Gewachsene und entwickeln ihren kritischen
Sinn für das Eingeführte und Aufgeklebte. Wir
zeigen ihnen die groben und die feineren For-
men der Verschandelung im Landschafts- und
Dorfbild, in Hausbau und Wohnungseinrichtung,
in Gartenanlage und Garteneinfriedung (kit-
schige schubkarrenfahrende Zwerge u. ä.).
Ein Gebiet besonderer Betreuung ist uns der
dörfliche Feierabend. Man spricht heute
so viel von Freizeitgestaltung und in gewisser
Hinsicht mit Recht. Wie ganz anders lagen die
Dinge beim alten Feierabend. Hier bedurfte es
keiner Programme und Organisationen. Feier-
abend war zunächst nur ein Aufhören der Arbeit.
Feiern hieß: nach vollbrachtem Werk die Hände
in den Schoß legen, sich bequem auf die Bank
vor das Haus setzen und einfach nichts tun.
Damit war die einzige Voraussetzung gegeben,
daß das Feiern beginnen konnte, nämlich das
Feiern der Seele. Jetzt konnte die Seele zu
sprechen beginnen; jetzt war jene Stille, die sein
muß, wenn man die Seele sprechen hören will.
Der Dichter hat recht, wenn er sagt: „Spricht die
Seele, ach, dann spricht die Seele nicht mehr.“
Formt die Seele Worte, gibt ihnen der Kehlkopf
Ton, dann übertönt dies Sprechen schon das
leise Sprechen der Seele. Und das leise Sprechen
der Seele war es auch, das so manchem Bauern-
menschen zum Werk gedieh. In diesem
Sprechen der Seele formte sich manch Ge-
danke, der dann in einem Sinnspruch, in einem
Vers oder Lied Ausdruck fand. Feierabend ist
nicht lautes Vergnügen und geräuschvolle Lust-
barkeit; Feierabend ist Zusichfinden und
Zusichkommen; Feierabend kann auch Ge-
meinschaft sein und Zwiesprache, die nicht
wortreich sein muß. Wir kennen alle jene
Bauernart, daß zwei Nachbarn zum Feierabend
zusammensitzen und nichts sprechen und dann
auseinandergehen mit dem Gefühl, sich schön
unterhalten zu haben. Vom alten Feierabend-
geist soll die Jugend auch in der Schule erfah-
ren; sie soll hören, wie man früher einmal nach
der Arbeit auf dem Hof und im Dorfe blieb und
in der Gemeinschaft des Hofes und des Dorfes
Feierabend hielt. Man ließ sich nicht unterhal-
ten, indem man bloß zuhörte und zuschaute, man
unterhielt sich selber, indem man sang und
spielte und tanzte. ;
Die vielen Stunden und Abende, die man auf
dem Hofe und im Dorfe zur Freizeit blieb, gaben
Muße, zu schulen und zu üben, zu werken und
zu basteln, zu sinnen und zu planen. Man erwarb
.sich so das, was man dann zu Fest und Feier
brauchte an Lied und Spiel, Tanz und Reigen.
Und vertrieb sich damit die Zeit, und zu Lange-
weile fehlte die Zeit.
Wir sehen also, wie wichtig es ist, die Land-
jugend ans Land zu gewöhnen und sie in ihrer
Freizeit fürs Dorf zu gewinnen. Hierbei erwächst
neben der Landschule der Hitler-Jugend eine
besonders wichtige Aufgabe. Dabei ist es schwer
zu sagen: muß die Jugend erst ans Dorf gebun-
den werden, damit sie Zeit hat, sich dorfkul-
turell zu betätigen; oder: muß erst Dorfkultur
werden, damit die Jugend gern im Dorfe bleibt?
Eines geht eben mit dem anderen. Jedenfalls
aber kann Dorfkultur nicht werden, wenn die
Landmenschen und vor allem die heranwach-
sende Jugend jede freie Stunde in der Stadt
verbringen. Deshalb ist es so ungemein wichtig,
daß die Schule alles aufbietet, in der Dorfjugend
den Sinn für das Land und die Dorfkultur früh-
zeitig zu wecken und zu stärken, und daß in der
Jugend schon der Wille zu eigener kultureller
Betätigung erwacht. l
Diese kulturelle Betätigung kann schon in
der Schule selbst erfolgen. Die Kinder
werden mit der Gestaltung des schulischen
Lebensraumes befaßt; besonders die Mädchen
können dabei mitwirken. Auch die amtlichen
Richtlinien fordern im Lehrgebiet „Hauswerk“
die Pflege der Dinge, die den Alltag verschönern.
So wollen wir auch unseren Schulraum ver-
schönern: durch einen entsprechenden Wand-
schmuck, durch Spruchbänder, durch Blumen-
stöcke und Schnittblumen. Wir wollen auch ein
schulisches Brauchtum pflegen; so können
wir eine Ehrentafel unserer dörflichen Gefal-
lenen anbringen und diese an bestimmten Ge-
denktagen durch Blumen oder Lichter schmücken.
Auf diese und ähnliche Weise lernen die Kinder
praktisch, wie man ein Heim gestaltet und was
es bedeutet, wenn man die Bäuerin zur Gestal-
terin des Heimes erziehen will. Durch ent-
sprechend gestaltete Stunden lernen die Schü-
ler, besonders auch die Mädchen, wie man Ge-
selligkeit pflegt und was häusliche Lebenskultur
bedeutet.
Auch über die Schulstube hinaus wirkt die
Landschule; sie läßt die Dorfgemeinschaft
207
anihren Feiern teilnehmen. Sie gliedert
sich aber auch in das dörfliche Feierleben ein
und nimmt daran aktiven Anteil: die Kinder
bilden Gruppen beim Erntefest, sie machen durch
Reigen und Volkstänze mit; sie singen Lieder
und können vielleicht gar mit einem Puppen-
oder Laienspiel aufwarten.
Mit diesem kulturellen Tun wirkt die Schule
stärker als durch die bloße Lehre; freilich setzt
solch kulturelles Tun eine entsprechende Schu-
lung voraus. So darf sich die Landschule mit
der kulturellen Ausrichtung der Jugend nicht
begnügen; sie muß die Kinder auch entsprechend
ausrüstien.
Die kulturelle Ausrüstung der Land-
kinder geht mit der kulturellen Ausrichtung
Hand in Hand. Sie ist ebenso wichtig wie die
Haltungserziehung: der gute Wille allein tut es
nicht; zum Kennen muß das Können treten.
Der Kulturwille muß mit der Kulturfähig-
keit gepaart sein. Was nützt es, wenn die
künftigen Landmenschen sich kulturell betätigen
möchten, aber nichts fertigbringen. Es ist gut,
wenn die Landschule in den Kindern die rechte
Kulturgesinnung entfacht; wenn in ihnen die
Freude am Echten und Gewachsenen lebendig
geworden ist. Es müssen aber auch die Voraus-
setzungen zu ihrer Betätigung geschaffen
werden.
Diese Voraussetzungen lassen sich zweiteilen:
die Jugend muß einen gewissen Schatz von
Kulturgütern mit ins Leben hinausbringen;
sie muß ferner gewisse Fähigkeiten besitzen,
um sich später einmal kulturell betätigen zu
können.
Man kann geradezu von einem kulturellen
„Repertoire” sprechen, das immer wieder
verwendbar ist. Wenn im Bedarfsfall jedesmal
von vorne angefangen werden muß, wenn nie
aus dem Stegreif gestaltet werden kann, dann
wird das dörfliche Kulturleben armselig bleiben.
Die heutige Schule muß ihren dörflichen Kindern
einen Schatz von Gedichten (vor allem auch
mundartlichen, und zwar ernsten und heiteren)
und von Liedern mitgeben. Die Kinder müssen
in der Schule Reigen und Tänze lernen, und zwar
volkhafte Reigen und Volkstänze. Sie müssen
in ihrer Schulzeit spielen und Spiele gelernt
haben. Wollen wir wieder eine „höfische“ und
dörfliche Geselligkeit, dann muß das Landvolk
auch spielen können. Scherz und Schabernack,
Scharade und Rätsel, Schatten- und Puppenspiel
haben den alten Feierabend verschönt; warum
sollen sie dies nicht auch heute wieder können?
Wir schaffen uns doch auch in der Stadt an den
langen Wintersonntagnachmittagen solche Ge-
selligkeit; wir brauchen nicht in Wirtschaft und
Kino zu fliehen; warum sollten Landvolk und
Landjugend an den Sonntagnachmittagen immer
in die Stadt flüchten müssen, wenn sie sich
unterhalten wollen.
Besonders kurzweilig wird die Freizeit der
Landjugend werden, wenn sie wieder selber
gestalten kann. Dieses Gestalten muß auch
298
einmal gelernt werden. Schon immer haben
landfrohe Landlehrer mit ihren Kindern gesun-
gen und gespielt. Wenn ihnen passende Spiele
nicht zur Verfügung standen, haben sie selbst
kleine Spiele gemacht. So manches Lesestück
enthält schon so viel Dialog, daß es nur eines
kleinen Ausbaues bedarf und schon ist ein Spiel
geworden. Auch Märchen können leicht spiel-
fertig gemacht werden, wenn man nur einiges
Geschick dazu hat. Und dann haben wir ja
unsere Kinder. Man glaubt gar nicht, wie an-
sprechend Stegreifspiele sein können, wenn nur
erst einmal die erste Scheu überwunden ist
Auch gekaufte Spiele bedürfen nicht selten der
Umarbeitung und Umgestaltung; man muß sie
den eigenen Verhältnissen anpassen, der Spiel-
fähigkeit der Kinder, den „Bühnen- und Kostü-
mierungsverhältnissen.” Da und dort und dann
und wann können wir auch kleine schulische
und dörfliche Vorkommnisse und Ereignisse zu
Spielen gestalten — immer unter Heranziehung
der Gestaltungsfähigkeit der Kinder.
Wie äuf den Gebieten des Volksspiels der
Grundsatz gelten muß: vom Einfachen zum Zu-
sammengesetzten, vom Leichten zum Schweren,
so auch auf den anderen Gebieten dorfkultu-
reller Betätigung. Wir wollen überall bel
den Elementen beginnen. Man kann auch
hier nicht ernten, wenn man nicht gesät hat.
So sollen die Kinder in der Schule die Elemente
des Tanzens und der Volksmusik lernen. Wir
üben mit ihnen in der Schule die ersten Schritte
und Griffe. In einer Dorfschule des Pinzgaues
habe ich hier Vorbildliches gesehen: in der
Schule wird mit den Kindern Volkstanz um
Volkstanz „erarbeitet“, die einzelnen Schritte,
die einzelnen Figuren, der ganze Tanz; es wird
einzeln und in Gruppen geübt, mit viel Eifer und
Freude. Die Musik liefern größere Kinder; auch
dieses Musizieren wird mit den Anfangsgründen
begonnen. Wir finden Blockflöte, Hackbrett.
Zither, Mund- und Zugharmonika. Daß das Sin-
gen vom einstimmigen über das zweistimmige
zum dreistimmigen Lied gelernt wird, daß mit
dem Baß des Lehrers daraus der vierstimmige
Chor wird, ist heute schon in vielen Schulen
Lehrgrundsatz geworden. Und daß der Kanon
das beste Mittel ist, die Kinder für das mehr-
stimmige Chorlied einzuschulen, gehört auch
schon zum Gemeingut musikalischer Bildung.
Wir wollen beim Thema der dorfkulturellen
Ausrüstung der Landjugend auch an all die
Elementartechniken denken, die für ein
tüchtiges Kulturschaffen unerläßlich sind. Es
seien genannt: Sprechen, Lesen, Schreiben von
Zierschrift, Erzählen, Zeichnen, Malen, Werken,
Basteln. Es sei auch auf die Schulung der Aus-
drucksfähigkeit durch Mimik und Pantomimik
hingewiesen. Wenn man nur die Gelegenheiten
wahrnimmt, sie bieten sich ungesucht an. Wir
müssen in der Schule ungewohnte Ausdrücke
erklären; dies kann vielfach am schnellsten
erfolgen, wenn wir die Dinge spielen lassen.
Feiergestaltung heranziehen,
Am Beispiel: Mache ein Gesicht, wie wenn du
in einen sauren Apfel beißt! Mache ein Ge-
sicht, wie wenn du einen feinen Kuchen ißt!
Mache vor, wie jemand hinkt, humpelt, torkelt,
schleicht, schreitet. Das letztgenannte Beispiel
beweist, daß sich Mimik und Pantomimik nicht
trennen lassen: man kann nicht mit lächelnder
Miene schreiten; zum Schreiten gehört ein
feierlich-ernster Gesichtsausdruck. Dann lassen
wir einmal — etwa in Stil- und Gestaltungs-
übungen im Aufsatz — zuerst mimisch oder
pantomimisch ausdrücken und die Kinder
müssen das bezeichnende Wort suchen. Solche
Ubungen sind so recht eine Vorschule des
Laienspiels; denn h’er muß. ja der Spieler
durch Mienenspiel und Bewegung darstellen,
nicht nur durch das gesprochene Wort.
Die kulturelle Ausrüstung der Landjugend
erstreckt sich, wenn auch nur teilweise, auch
auf größere Gebiete künftiger kultureller
Betätigung, auf das Büchereiwesen und auf
das Dorfbuch. Wir lassen die Schüler an der
Verwaltung der Schülerbücherei mitarbeiten,
und zwar bei der Bücherausgabe und bei der
Einrichtung der Bücherei: sie können den Leih-
verkehr übernehmen, sie können auch bei der
Verzettelung und der Anlage der Kartei mit-
wirken. Ahnlich lassen sich größere Schüler
zu manchen Arbeiten für das Dorfbuch heran-
ziehen: wir können ihnen Sammelaufgaben
stellen, die sie zusammen mit den Angehörigen
lösen; wir können ihnen manche Schreib-,
Zeichen- und Malaufgabe übertragen (z.B. Ab-
schriften und Reinschriften, Zeichnen von
Kurven, Malen von Zierleisten u.ä.).
Daß wir die Kinder in kulturellem Tun
schulen, indem wir sie weitgehend zur schu-
lischen Raumgestaltung, ferner zur Fest- und
wurde oben
schon gesagt. Wir können die Kinder weiter-
hin anregen und anhalten, an der Gestaltung
und Erhaltung des Dorf- und Landschaftsbildes
mitzuwirken. Mindestens können sie an der
Entrümpelung mitarbeiten; sie müssen
ihren Ehrgeiz darein setzen, daß aus ihrem
Dorf und dessen Umgebung alles Häßliche ent-
schwindet. Wir kennen aus Berichten von
Landlehrern schöne Beispiele, wie die Land-
jugend zu Gruppen und unter Kommandos zu-
sammengefaßt auszieht, um in Winkeln und
auf Plätzen, auf Wegen und aus Bächen altes
Gerümpel und gedankenlos weggeworfenen Ab-
fall zu sammeln, und damit den Anfang zum
schönen Dorf- und Landschaftsbild macht. Die
Anlage von Wegen und Plätzen, das Pflanzen
von Baum und Strauch, die Herstellung von
Bänken und Tischen an Punkten, die zum ver-
weilenden Schauen einladen, wird nur in sel-
tenen Fällen von Schule und Schülern gemacht
werden können; höchstens von der reiferen.
Jugend.
Damit stoßen wir auf das dunkelste Kapitel
dörflichen Kulturlebens, nämlich: Wie kann die
schulentlassene Dorfjugend zwischen
Schulentlassung und Arbeits- bzw. Militärdienst
an Dorf und Hof gefesselt und für eine dorf-
ständige Freizeitgestaltung gewonnen werden?
Dieses Problem ist nicht einfach zu lösen. Es
muß aber angegriffen werden, wenn mit der
dörflichen Kulturerneuerung ernst werden soll.
Wir müssen die Jugend für das Dorf gewinnen;
wir müssen dafür sorgen, daß sie nicht stadt-
süchtig wird; ist sie das, dann wird sie be-
stimmt landflüchtig. Das Ziel sehen wir klar:
das Leben auf dem Dorf muß lebens-
wert sein; auch die Freizeit muß so
sein, daß man auf dem Hofe und im
Dorf Befriedigung finden kann. Da-
zu muß die Freizeit ausgefüllt sein, und zwar
so, daß sie kurzweilig ist und Langeweile
schon gar nicht aufkommen kann. Die Jugend
muß beschäftigt sein; sie muß etwas zu tun
haben, was sie interessiert und reizt; es muß
etwas los sein. Was die Schule begonnen hat,
muß weitergeführt werden. Hierbei ist wieder-
um die HJ. der beste Bundesgenosse. Berichte
aus manchen Dörfern zeigen, daß die Jugend
daheim bleibt, wenn sie beschäftigt ist. Die
Freizeit läßt sich ausfüllen mit Singen und
Musizieren, mit Sport und Spiel, mit Tanz und
Laienspiel, mit Puppen- und Schattenspiel, mit
Basteln und Werken. Mädchen lassen sich zu-
sammenhalten in Handarbeitskreisen, in denen
auch erzählt und vorgelesen wird. Wer soll
sich der Jugend annehmen? Es ist in den
meisten Fällen auch wieder der Land-
lehrer. Junge Lehrer und Lehrerinnen brin-
gen immer wieder Idealismus genug auf, um
ihre Freizeit der Betreuung der Dorfjugend zu
opfern. Doch muß wiederholt darauf hingewie-
sen werden, daß auch der Lehrer hin und
wieder eine Freizeit, seine Freizeit haben muß,
in der er die Stadt aufsucht oder für sich wan-
dert; denn wenn er mit der Jugend wandert
oder sie in die Stadt führt, ist er wieder im
Dienst.
Schließlich muß ja auch gesagt werden, daß
der Landlehrer noch eine Fülle anderer kul-
tureller Aufgaben zu erfüllen hat, die vielfach
nur von ihm geleistet werden können. Es sei
nur mit einem Wort auf einige hingewiesen:
Dorfbücherei und Dorfbuch, dörfliche Gesang-
und Musikpflege, Heimat- und Naturschutz,
Heimatbild und Heimatfilm, Mitarbeit in der
Gestaltung des Landschafts- und Dorfbildes so-
wie der ländlichen Feste und Feiern, Beratung
in Fragen der Wohn- und Gartenkultur u.a.
Vielfältig sind die Aufgaben, die der Dorf-
Schule und dem Landlehrer zugedacht sind;
groß ist die Verantwortung; schön aber ist
auch die Mitarbeit. Nicht alle Lehrer sind
heute dieser Aufgabe gewachsen; es muß je-
doch Ziel einer volks- und landverbundenen
Staatsführung sein, Lehrer aufs Dorf zu
führen, die landfroh und landtreu
und landtüchtig zugleich sind.
299
KARL SEILER:
Lan d lehrer un d U Imguartierun 8
E: gibt wenig Berufe im Reich — den Bauern
vielleicht ausgenommen —, die eine so große
Anzahl verschiedener Fähigkeiten verlangen
und eine solche Fülle verschiedener Pflichten in
sich vereinigen wie der des Landlehrers. Neben
die Tätigkeit, die seiner Stellung den Namen
gibt, die Führung des Unterrichts für die Land-
jugend, und neben die allgemeine Kulturpflege
des Dorfes, die ihm selbstverständlich obliegt,
treten unendlich viele kleine und große Ver-
pflichtungen, besonders in Richtung auf die
Überwachung und Betreuung der schulpflich-
tigen Jugend innerhalb des Schulsprengels und
in Richtung auf die verschiedensten Sammel-
aktionen aller Art. Außerdem hat der Lehrer
der Landgemeinde für die NSV., für die Hitler-
Jugend-Führung, BDM.-Führung, für Parteiorga-
nisationen, für den Reichsluftschutzbund usw.
zeitraubende und verantwortliche Arbeiten zu
übernehmen, die er nicht ablehnen kann, einfach
deswegen, weil häufig niemand in der Gemeinde
sonst in der Lage ist, sie auszuführen. Außerdem
ist der Lehrer des Landes in vielen Fragen der
Lebenssicherung — von der Gesundheitsbetreu-
ung bis zur Vermögensrettung und der Steuer-
erklärung, schließlich auch in Gerichtssachen
— von jeher Berater und Helfer der Land-
bewohner, der, wenn er schon nicht endgültig
selber den Weg weisen kann, wenigstens anzu-
geben hat, wohin sich der Hilfesuchende wenden
muß. Kurz, es wäre unmöglich, hier alle die
möglichen und nötigen Tätigkeiten des Land-
lehrers aufzuzählen, schon deshalb, weil sich
täglich neue, unabweisbare Verpflichtungen den
alten beigesellen.
Auch der Krieg hat dem Landlehrer neue Be-
lastungen in Fülle gebracht. Besonders ein-
schneidend ist für den Landlehrer die durch den
Bombenterror der Feinde verursachte und not-
wendig gemachte Umquartierung der Stadt-
bevölkerung auf das Land.
Bisher nämlich hatte der Landlehrer für alle
seine Tätigkeiten dadurch festen Boden unter
den Füßen, weil er mit einer verhältnis-
mäßig kleinen, sich fast nicht verän-
dernden Zahl von Familien rechnen
konnte, die er einzeln genau kannte oder wenig-
stens kennenlernte im Lauf der Jahre seiner
Tätigkeit am Ort. Nur diese genaue Kenntnis
aller Einzelbedürfnisse und Einzelnöte in den
Landfamilien hat ihm die Möglichkeit gegeben,
verhältnismäßig rasch Hilfevorschläge und Rat
in allen Richtungen zu geben, ohne im ein-
300
zelnen jeweils sehr viel Zeit zu benötigen. Ab-
gesehen von den Sterbefällen und Geburten
ändert sich ja die Landbevölkerung verhältnis
mäßig wenig. Die Fluktuation der Bevölkerung
ist auf dem Lande ausgesprochen gering. Das
hat seine Auswirkungen bis in die tägliche Un-
terrichtstätigkeit hinein; denn auch die Be
setzung der Klassen ändert sich von der ersten
bis zur letzten, abgesehen von den seltenen
Sterbefällen, fast gar nicht. Man kennt die
Schüler und ihre Leistungsfähigkeit genau, ja
man weiß sogar im allgemeinen, was man von
den Kindern einer Familie zu erwarten hat, noch
ehe sie in die Schule eingetreten sind. Im all-
gemeinen kann man als Landlehrer Schwierig-
keiten im Kenntniserwerb genau so vorher-
sehen wie Schwierigkeiten in der Disziplin und
im Anschluß an die Schulgemeinschaft. Da man
die Geschwister entweder gleichzeitig in der
Schule zu betreuen hat oder sie wenigstens vor
kurzer Zeit betreut hat, gliedern sich die Schüler
nach Familiengruppen auf; sogar die weiteren
Familienzusammenhänge — der Sippen- und
Vetternschaft — sind für den Landlehrer, der
einen Blick für diese Zusammenhänge gewonnen
hat, voll von Bedeutung und erleichtern den
Entschluß für Maßnahmen aller Art. Besonders
aber entsteht gerade in der Landschule leichter
als irgendwo ein wirkliches Zusammengehörig-
keitsbewußtsein zwischen Schülern und Lehrer,
da eine Veränderung des Bestandes nur in geria-
gem Maß, in häufigen Fällen gar nicht, eintritt
Die Umquartierung hat für die Land-
schule diese Verhältnisse vollständig
verändert. Die Geschlossenheit der Schul-
gemeinschaft ist durch das Hereinströmen von
Stadtkindern zunächst einmal gesprengt. Nach
allen Seiten hin entstehen Spannungen in sitt-
licher, in unterrichtlicher Beziehung, aber auch
in Richtung auf den Gemeinschaftszusammen-
hang.
Besonders erschwert ist diese Schularbeit auf
dem Lande gegenwärtig dadurch, daß die Stadt-
familien häufig nicht auf die Dauer an einem Ort
bleiben, sondern den Aufenthaltsort wechseln,
sei es, daß sie näher an ihre Heimatgemeinde
heranziehen, sei es, daß sie aus irgendwelchen
gesundheitlichen oder anderen Gründen eine
Umquartierung von einer Landgemeinde in eine
andere nachträglich erreichen, sei es, daß die
Kinder mit ihren Eltern vorübergehend wieder
in die Heimatgemeinde zurückkehren. Uberall
dort, wo die Familien monate- oder gar jahre-
lang in einer Gemeinde sich aufhalten, werden
sie mit ihren Kindern heimisch, und damit kann
auch der Landlehrer wirkliche Familienkenntnis
von ihnen erwerben wie von seinen landgebür-
tigen Familien. Unregelmäßigkeit des Schul-
besuchs freilich wird bei den tmquartierten
Familien immer größer sein, schon deswegen,
weil die Stadtgebürtigen den weiten, oft auf-
geweichten Wegen bei Sturm, Regen und Schnee
gegenüber empfindlicher sind als die Landbe-
wohner und weil immer wieder eine Reise in
die Heimat nötig ist; das letzte besonders dann,
wenn die Entsendestadt verhältnismäßig nahe
am Umquartierungsort liegt.
Die Schulklassen sind durch die Umquartie-
rung natürlich größtenteils überfüllt worden.
Es gibt Schulen, in denen nicht nur zweifacher,
sonderndreifacher Unterricht in den Jahr-
gängen und Schulklassen gehalten werden muß,
einfach deswegen, weil die Schulzimmer die
Zahl der Schüler nicht aufnehmen können. Da-
durch wird die Schularbeit für den Lehrer nicht
nur verlängert, sondern auch erschwert, weil
für den einzelnen Klassenzug nur eine begrenzte
Schulzeit übrigbleibt und infolgedessen in den
Unterrichtsstunden angespannter, gehetzter ge-
arbeitet werden muß. Überhaupt bringt die Um-
quartierung, die Kinder verschiedenster deut-
scher Gaue mit verschiedensten Schulverhält-
nissen in eine Klasse zusammenführt, natürlich
für den Lehrer immer neue, ungeahnte Schwie-
rigkeiten. Dazu kommt, daß die Schwierigkeit
der Beschaffung von Lernmitteln, von Heften,
Bleistiften, Buntstiften, aber auch von Schiefer-
tafeln, die Möglichkeiten der Stillarbeit und
damit die Möglichkeiten der individu-
ellen Führung der einzelnen Gruppen
sehr begrenzt
Die Beschaffung von Lernmitteln für
die Klassen macht immer wieder groBe Mühe,
mehr Mühe natürlich, wenn es für mehr Kinder
geschehen soll. Diese Beschaffung ist bei den
heutigen Verhältnissen fast ganz dem Lehrer
zugefallen. Dazu sind viele Schreibereien, Rad-
fahrten zum nächsten Markt, Bahnfahrten in
die nächste Stadt nötig. Besonders erschwert
wird der Unterricht für den Lehrer, wenn, wie
das häufig der Fall ist, zwischen den einzelnen
Unterrichtsabschnitten von je zwei bis drei
Stunden ein kilometerweiter, manchmal sogar
Stundenweiter Marsch ins Nachbardorf liegt.
Daß die zur Klassen- und Schulführung nötigen
Schreibarbeiten durch die Umquartierung nicht
nur z. T. auf das Doppelte angestiegen, sondern
auch durch den häufigen Wechsel erschwert und
manchmal in der Art vervielfacht worden sind,
führt auch zu einer oft großen Mehrbelastung
des Lehrers. Manche Nachtstunde muß zur Er-
ledigung dieser Arbeiten verwendet werden.
Eine ganz besondere Aufgabe ist es für den
Lehrer, dafür zu sorgen, daß die gänzlich andere
Haltung der Stadtbewohner und Stadtkinder
Innerhalb der Gemeinde den Kulturzusammen-
hang nicht zerstört. Andere Bedürfnisse, andere
Wünsche, andere Vorstellungen von Anstand
und Sitte, andere Formen der Gemeinschafts-
verbundenheit, ja auch ein ganz anderer Rhyth-
mus des Lebens kommt hier herein. Es droht
hier die Verstädterung und die Landfluchtbereit-
schaft ganz plötzlich den Zusammenhalt des
Landvolkes zu zerstören.
Die Städter und Stadtkinder machen gar
kein Hehl daraus, daß sie die Lebensweise
auf dem Lande, Wohnung, Kleidung, Sitten, aber
auch die Einkünfte und die Mühsal der täglichen
Arbeit geringschätzen, daß sie den Mangel an
Vergnügungsstätten, den Mangel an künstlichem
Licht sehr schwer empfinden und daß sie alle
Menschen, die diesen Mangel gar nicht sehen,
wie die Landbewohner, schon deswegen für zu-
rückgeblieben und unentwickelt und ausge-
schlossen von alien „höheren Genüssen der
Kultur‘ anschen.
Die Landbewohner und besonders die Land-
kinder kennen wenig Verhältnisse, die sich von
ihren heimischen unterscheiden. Sie sind nicht
so abgestumpft durch alle möglichen Reize wie
die Stadtjugend; um so gefährlicher wirken
solche Reden und solche Phantasien von der
„goldenen Stadt“. Hier zeigt sich nun, ob der
Landlehrer schon vor der Umquartierung die
richtige geistige Grundlage im Dorf gewonnen
hat. Es ist gar nicht so schwer, in den Dorf-
bewohnern den Stolz auf das Althergebrachte,
die Freude an den einfachen ländlichen Verhält-
nissen in Sitte, Zusammenleben und Lebens-
gestaltung wiederherzustellen. Ist das einmal
geschehen, ist die Gemeinschaft der Schulklasse
und die Gemeinschaft der Dorffamilien wieder
zum bewußten Träger eines kulturlichen Zu-
sammenlebens geworden — und dazu kann und
muß der Landlehrer Wesentliches beitragen —,
dann kann auch eine gewaltsame Störung wie
die Umquartierung der Stadtbewohner auf das
Land das Zusammenleben, die Gemeinschafts-
und Bodenfestigkeit der Dörfler nicht so ohne
weiteres untergraben.
Ja, im Gegenteil, die Mehrzahl der Städter, die
sich nach Tagen, mindestens aber nach Wochen,
schon nach der Stadt unwiderstehlich zurück-
sehnt, kann, wenn sie richtig in die Feinheiten
und in die Tiefe der ländlichen Gemeinschaft
eingebaut wird — das geschieht besonders da-
durch, daß man sie langsam immer mehr zur
Hilfe heranzieht —, den beruhigenden und ge-
sundenden Einfluß solchen ländlichen Lebens
kennenlernen. Wie oft hören wir von den Um-
quartierten, wie sie in den Dörfern heimisch
geworden sind, wie sie sich befreundet haben
mit ihren Bauern und Handwerkern, in deren
Häusern sie untergebracht oder deren Nachbarn
sie geworden sind. Wir hören, wie sie helfen,
besonders in den Zeiten großer Arbeitsanspan-
nung im Frühjahr und im Herbst bei der Ernte,
und wie sie sich gar nicht mehr vorstellen
können, wie sie in der Stadt, losgelöst von der
301
natürlichen Selbstverständlichkeit des Lebens
auf dem Lande, wieder leben sollen. Wenn sol-
ches glückliches Einpassen der Umquartierten
gelungen ist, dann ist meistens ein geschickter
Landlehrer beteiligt, der die Vermittlung zwi-
schen ländlichem und städtischem Denken
leistet.
Eine sehr wichtige Aufgabe des Landlehrers
ist es, den Städter, der auf dem Lande zunächst
durch die Wortkargheit und rastlose Arbeits-
verbundenheit der Landbewohner abgeschreckt
ist, zum Verständnis des ländlichen Verhaltens
und ländlichen Fühlens zu führen. Dabei hilft
dem Landlehrer, wenn er ganz bewußt vorher
die Dorfkultur von innen her erfaßt und gestärkt
hat, wenn er, der häufig als Fremder von außen
in das Dorf hereingekommen ist, oft selbst aus
der Stadt stammt, den Weg zum Herzen und em —
Denken der Landbewohner mit Eifer und mit
Freude vorher selbst gegangen ist; dann ist er
auch imstande, den umquartierten Städtern die-
sen Weg, den er kennt, vorsichtig zu zeigen.
Dazu muß der Landlehrer sich freilich auch
in die seelische Lage des umquartier-
ten Städters hineindenken. Haute bringt
weithin die Umquartierung für die Stadtmen-
schen eine große seelische Belastung. Das Heim-
weh nach den häufigen, starken seelischen Er-
regungen, nach der Möglichkeit, in großen Krei-
sen anerkannte Leistungen hervorzubringen, und
nach Menschen, die weltoffen, leicht aufwühlbar
und voll offen sich äußernder Teilnahme sind,
ergreift einen Städter nach dem anderen und
verführt ihn dazu, nach Wegen zu suchen,
wieder in eine Stadt oder wenigstens wieder
unter Städter zu kommen.
Zunächst muß der Städter den Eindruck ge-
winnen, als wären die Landbewohner stumpf,
teilnahmslos und hartherzig. Der Städter steht
wie vor einer Mauer. Er läßt sich — wohl um
diese Mauer zu durchbrechen — dazu hinreißen,
allzusehr zu klagen und sein Heimweh allzusehr
nach außen zu zeigen. Er versteht gar nicht, daß
er statt Mitleid nur heftige Abwehr und noch
größere Verschlossenheit weckt. Es ist nun
Sache des Landlehrers, dem Städter klarzu-
machen, daß diese Abwehr nicht Charakter-
schwäche, nicht Gemeinschaftsunfähigkeit und
nicht Ichsucht ist, sondern der Ausdruck
einer von alters her gewohnten und
erzogenen Haltung die jede Äußerung
von Gefühlsregungen für unbeherrscht und
unanständig hält. Nur einige wenige Gefühls-
äußerungen sind in bestimmten Situationen, und
dann eng begrenzt, erlaubt, ja sogar vorgeschrie-
ben, wie z. B. die Äußerung des Schmerzes am
Sarg oder am offenen Grab, das Weinen der
Mutter, wenn die Braut aus dem Haus geht, das
Zeigen der Rührung beim Liedersingen oder das
Zeigen der ausgelassenen Freude beim gemein-
samen Tanz.
Der Landlehrer, der lange genug auf dem
Dorf gelebt hat, kennt diese Sitten und kennt
302
diese Haltung. Er ist imstande, den Städtern,
die ja über eine größere und geübtere psycho-
logische Phantasie verfügen als die Dörfler, die
seelische Zwangslage der Dorfbewohner klar-
zumachen und zu zeigen, daß diese Einstellung
und diese Haltung, die in der Tiefe alteingewur-
zelt ist, eine heftige Abwehr, ja innere Ableh-
nung und Ekel hervorrufen muß, wenn die Städ-
ter ihre starken seelischen Regungen häufig bei
klein erscheinenden Anlässen offen sichtbar
werden lassen. Der Lehrer kann zeigen, daß
man auf dem Lande nicht gefühllos und hart-
herzig, nicht ichsüchtig und geizig ist, daß man
aber von sich und damit auch von anderen, die
Anspruch auf Achtung erheben, erwartet, daß
man überall Haltung und Selbstbeherrschung
behält, daß man die Affekte menschlicher
Schwäche, menschlichen Mitfühlens und mensch-
licher Freude zwar besitzt, daß man sich aber ge-
wöhnt und erzogen hat, die den Affekten ursprüng-
lich zugeordneten Reflexbewegungen zu unter-
drücken. Es kommt dabei daraufan, zu verstehen,
daß durch diese Unterdrückung der Außenbewe-
gungen dieTiefe der Gefühlsregungen keineswegs
schwindet, sondern sich in ihrer Wirksam-
keit verstärkt. Der Landbewohner ist im
Grunde eigentlich rührseliger als der Städter,
d. h. er wird von sainen Gefühlen viel stärker
aufgewühlt und viel dauerhafter eingenommen,
obwohl oder gerade weil er sie nicht äußern
kann. 8
Der Städler hat von Nat
Interesse und eine große F
dere Menschen einzudenken;
keiten kann der Landlehrer bei
tierten anknüpfen und sie anrufen.
Es kommt ja alles darauf an, daß der Land-
bewohner im Dorf für den Umquartierten nicht
mehr bloßes Gegenüber — zunächst fremdes,
feindliches Gegenüber — bleibt, sonder? ZUR
Mitmenschen wird. Der erste Schritt ist, #8 er
den Landbewohner verstehen will, und
kann ihn der Landlehrer auf den richtigen V
bringen. Die Fremdheit, die gegenseitige feit
liche Einstellung wird dabei immer wieč
durchbrechen, besonders dann, wenn der Lar
bewohner aus seiner Einstellung zur Arb
heraus scharfe Kritik übt, besonders an dł
ohne nützliche Tätigkeit herumspielenden Stat
kindern. Der Städter setzt sich im allgemein?
aur in Bewegung auf den persönlichen Anri
hin, d. h. auf einen Befehl oder eine Bitte
ein Hilfeersuchen. Beim Landbewohner dageg”
hat sich der Reiz zur Arbeit mit den Ding”
seiner immer gleichbleibenden Umgebung af"
bunden. Die vielfache Tätigkeit des Bauern, die
aber im Ablauf des Jahres immer wieder bäi
misch gleiche Folgen und Abläufe zeigt, mê
es möglich, daß der Acker nicht mehr ein E
stück“ oder ein „Stück Landschaft” ist, sau
ein „Arbeitsfeld“ wird. Der Acker T uft 145
Bestellung, der Kartoffelacker verlangt
Hacken, die Pferde und Rinder stehen mit SE)
ein psychologisches
keit, sich in an
diese Fähig-
en Umquar-
|
mem Vorwurf in ihren Ställen, bis sie richtig
gepflegt und versorgt sind; die reifende Frucht
beim Wachsen und bei der Ernte, die geerntete
Frucht auf dam Feld und im Haus, all das übt
einen unabwehrbaren psychischen Zug auf alle
Kräfte des Bauern aus, bis die richtige Arbeit
geschehen ist. Für den Landbewohner, beson-
ders für den Bauern, ist ein Mensch, der diesen
Zug der Dinge, diesen Schrei seiner Umgebung
nach Arbeit, der im Ablauf des Jahres ver-
schieden stark und auch in verschiedener Rich-
tung ertönt, nicht vernimmt, ein halber Mensch,
ein Mensch, der entweder erst erzogen werden
muß oder überhaupt unerziehbar ist. Ein Mensch,
der den Arbeitsruf der ländlichen Umgebung
nicht hört oder nicht mit Arbeit beantwortet, ist
ihm psychologisch unverständlich. Eine richtige
Bäuerin kann auch dann, wenn ihre Kräfte
längst verbraucht sind und sie sich kaum mehr
aufrecht halten kann, die Äcker nicht unbestellt
lassen, sie wird sich lieber zu Tode arbeiten.
Und ein Bauer, der getroffen von dem Arbeitsruf
der ländlichen Umwelt sich, seine Kinder, sein
Weib, die Knechte und Mägde, die Tagelöhner,
auch die Alten, bis zur letzten Anspannung der
Kräfte antreibt, folgt nur den psychologischen
Gesetzen ländlichen, bäuerlichen Lebens. Kein
Wunder, daß der Bauer unter Umständen auch
schroff die nun aus der Stadt gekommenen Be-
wohner seines Hauses mit einbezieht und den
Arbeitsruf auch an sie mit der ihm eigenen
Energie weitergibt. Die Empfindlichkeit des
Städters, der Ermahnungen und schroffe Vorhal-
tungen nicht vertragen kann, läßt daraus leicht
einen unheilbaren Bruch, eine echte Feindschaft
werden.
Der Lehrer ist imstande, diese psychische Nö-
tigung zur dauernden Arbeit, unter der die Land-
bevölkerung lebt, dem Städter wenigstens
einigermaßen verständlich zu machen. Es ist
unerläßlich, daß zunächst einmal der Städter in
seiner psychologischen Phantasie den Ruf zur
Arbeit versteht, der den Bauern in jene
seelische Bedrängnis bringt. Zunächst haben ja
die Gegenstände und Teilstücke der ländlichen
Umgebung nicht die Möglichkeit, ihren Arbeits-
ruf den Städtern vernehmbar zu machen. Der
Städter ist aus seiner Heimat gerissen; die Dinge
der Heimat in der Stadt hatten für ihn auch
solche Anreize zur Arbeit geboten, doch be-
schränken sich diese Rufe, die verdinglicht
. worden sind, auf die unmittelbare Umgebung
ı seines Arbeitsplatzes, während er im weiteren
: persönlichen Leben und in seiner Lebensgestal-
i
}
tung nur dem persönlichen Ruf offensteht.
Ein wirkliches Miterleben jener Arbeitsrufe
der ländlichen Welt wird der Städter erst dann
erhalten, wenn er längere Zeit mitgearbeitet hat.
Es muß also — das kann wieder allein der Lehrer
i tun, der beide Teile psychologisch versteht —
‚nach Möglichkeiten gesucht werden, bei denen
der Städter gern die Landarbeit mitmacht. Uber
den Verstand und über die sich an den Verstand
|
richtende Ermahnung allein ist der Städter nicht
einzuspannen, da er den Arbeitsanruf der Dinge
in der ländlichen Umgebung nicht vernimmt, da
ihm die bäuerliche Arbeit und die Arbeits-
bedrängnis der Bauern infolgedessen rätselhaft
und beschränkt erscheint und weil ihm der in
der Stadt sich über jede Tätigkeit erstreckende
Lohn- und Bezahlungsgedanke die unmittelbare
Beziehung zur Zielhaftigkeit und Sinnhaftigkeit
richtiger Arbeit verbaut hat. Man kann dem
Städter also nicht irgendwelche Gründe vor-
stellen, weswegen er dem Bauern helfen soll
oder weswegen er die Arbeit mit leisten soll,
die draußen nötig ist. Solche Begründungen
können nur in den Menschen selber
wachsen, deswegen muß das Mittun voraus-
gehen. Viele Lehrer, die sich für die Volks-
gemeinschaft und für die Gemeinschaft ihres
Dorfes verantwortlich fühlen, haben hier in gu-
ter Einfühlung manche „Erfindungen” gemacht,
die es den Städtern und den Landleuten er-
möglichten, zur gemeinsamen Arbeit zu kom-
men. Nur ein Beispiel soll kurz erzählt
werden, das aber keineswegs als Muster gedacht
ist, denn es gibt unendlich viele mögliche Lö-
sungen dieser Aufgabe:
Eine junge Lehrerin hat außerhalb der Schule
an einem Nachmittag der Woche regelmäßig die
Kinder, die für Hitler-Jugend und BDM. noch zu
jung sind, vereinigt. Sie hatte so viel Verständ-
nis für das ländliche Leben, daß das bloße Spie-
len und Spazierengehen nur eine ganz geringe
Rolle dabei spielte. Die Kinder waren dauernd
eifrig nutzvoll beschäftigt. Bald sammelten sie
Heilkräuter, bald suchten sie Kartoffelkäfer oder
andere Schädlinge, bald halfen sie den Bauern
beim Heuen und beim Ernteeinbringen aller Art.
Das machte den Kindern eine große Freude, so
daß sie bald ihre älteren Geschwister mitbrach-
ten. Heute kommen besonders die umquartierten
Stadtkinder bis zu zwölf Jahren regelmäßig zu
dieser fröhlichen gemeinsamen Arbeit. Die
Kinder sprechen jetzt schon von „unserem“
Korn, „unseren“ Wiesen, „unseren“ Äckern, von
„unseren“ Kartoffeln, von „unseren“ Äpfeln und
Kirschen, d. h. sie sind in die Dorfgemeinschaft
durch ihr Mittun und Mitsorgen hineingewach-
sen und sie öffnen durch ihre freudigen Erzäh-
lungen auch die Seelen der Eltern in der glei-
chen Richtung. Wie gesagt, es gibt viele Mög-
lichkeiten, ein solches Mittun und Mitsorgen der
umquartierten Städter zu erreichen. Es wäre
wichtig, wenn auch die Organisationen aller
Art diesen Gedanken verfolgten und auch
hier könnte der Landlehrer den Führern solcher
Organisationen der Hitler-Jugend, der SA., der
NSV. und anderen diese wichtigen Gedanken
vermitteln.
~ Gemeinsame Arbeit in der Überwindung einer
gemeinsam empfundenen Not und Notwendig-
keit kann allein das Sichversiehen der einander
von Anfang an so fremden Menschen hervor-
rufen. Erst wenn solch freies, nicht erbetenes,
303
aber erwartetes, nicht bezahltes, aber gern ver-
goltenes Mittun und Mitsorgen in den umquar-
tierten Städtern erwachsen ist, dann kann sich
auch erst richtig das Mitdenken und Verstehen
entwickeln. Und dann schließt sich bald das
Band einer neugebildeten Gemein-
schaft zwischen Landbewohnern und
Städtern, das über aller Fremdheit und Ge-
gensätzlichkeit steht und sie mehr und mehr
zurücktreten läßt und schließlich überwinden
hilft. Dann tritt aber der Fall ein, daß der Städter
in solcher neuen Verbundenheit eine tiefe Be-
friedigung und Befriedung findet, daß das Land
anfängt, auch ihm, dem von zu Haus vertrie-
benen Gast, zu einer Art vorübergehender Hei-
mat zu werden.
Dann bedeutet seine Gegenwart im Dorf nicht
mehr eine Belastung und eine immer neue Ver-
führung zur Verstädterung, sondern dann erhebt
sich aus solchem Zusammenwachsen mit den
Städtern ein neues Selbstbewußtsein, eine neue
Sicherheit, ein neues Vertrauen zum Wertund zur
Wirklichkeit der Volksgemeinschaft bei Bauern
und Landbewohnern.
Auf diese Weise ist gerade der Land-
lehrer der Mann, von dem es abhängt, ob die
große Volksbewegung der Umquartierung zu
einer vollständigen Zerstörung unserer länd-
lichen Kultur und zur unaufhaltsamen Weiter-
führung der Verstädterung oder zu einer Stär-
kung und Festigung des bäuerlichen Selbst-
bewußtseins aus dem Zusammentreffen mit
andersartigen und doch rassisch verwandten
Menschen führt. Der Landlehrer ist derjenige,
der wegen seiner Kenntnis der seelischen Re-
gungen in der Stadt und auf dem Lande zu
einem Vermittler werden kann: unter seiner
Führung kann überall im einzelnen Dorf aus der
Umquartierung nicht nur ein Fortschreiten der
Verstädterung vermieden werden, sondem ein
Wiedereinleben der städtischen Menschen in
ländliche, boden-, luft- und sonneverbundene
Lebens- und Arbeitsweise erwachsen. Mit viel
Verantwortlichkeit, mit großer Mühe und Auf-
opferung arbeiten mitten in ihrer sonstigen Über-
lastung Tausende von Landlehrern an dieser
großen, für die Gesundheit unseres Volkes wich-
tigen Aufgabe, damit aus dem schweren Schick-
sal des Krieges und gerade aus seinen Wirkun-
gen sich Wege auftun für neues, gesünderes
Leben unseres Volkes.
Wir müssen uns das sehr dumme und verhängnisvolle Vor-
urteil abgewöhnen, als ob die Umkehr zur Ländlichkeit, zur
Natur Rückschritt bedeute. Das Heimfinden zur Natur ist viel-
mehr das Ziel unserer Zivilisation. Aus der tierischen Natur
heraus, in die menschliche Natur hinein, das ist die Straße der
rechten Kultur.
304
PeterRosegger
e
ziar”
$ * i fe ,
j 4 Zx
*
a Aer
2 * Ké ‚Az "A
> \ a CA X de i Wi Ze
ei ö i
7
*
CR est d ré CS
Das Lait `
„
SZ a A =
s.
bl .. — en
Landjahrmädel lernen weben (Bild oben) — Bei der
Erdbeerernte im Lagergarten (Bild rechts)
Das Landjahr ist das erste
Jahr der bäuerlichen Be-
rufsausbildung für ausge-
lesene Jungen und Mädel
‚Google
j * |
Dä Landjahr ist ein neuartiges, bahnbrechen-
des Erziehungswerk des Reichserziehungs-
ministers für die deutsche Jugend. Es arbeitet
maßgeblich mit an einer Erziehung zur bäuer-
lichen Lebenshaltung. Eine Auslese 14jähriger
Jungen und Mädel wird durch allgemeinbildende
Schulung und grundlegende Berufserziehung für
Beruf und Leben ertüchtigt, der Junge für seine
Aufgaben als bäuerlich-politischer Soldat, das
Mädel für seine Aufgaben als Frau und Mutter.
Das Landjahr unterstützt die Bemühungen des
Berufserziehungswerkes des Reichsnährstandes,
die landgeborene Jugend dem Landvolk zu er:
halten und für seine führungsmäßigen Aufgaben
als Bauer und Bäuerin vorzubereiten. Es macht
die ländliche Jugend durch seine den ganzen
Menschen formende lagermäßige Gemeinschafts-
erziehung innerlich bereit und fähig, sich stolz und
selbstbewußt im dörflichen Leben einzusetzen.
Die künftigen Träger einer im bäuerlichen
Fühlen und Denken wurzelnden Weltanschau-
ung werden am besten dort erzogen, wo die
ursprünglichste Ordnung unseres völkischen
Lebens den täglichen Erfahrungskreis der Jungen
und Mädel bildet, in der gesunden
Dorfgemeinschaft. Daher sind neben
der Erziehungsgemeinschaft des La-
gers der Bauernhof und das Dorf die
Erlebniswelt, die formend auf Jungen
und Mädel, Führer und Führerinnen
einwirkt. Durchschnittlich leben 60
Jungen oder Mädel mit drei Führern
oder Führerinnen zusammen in einem
schönen, schlichten Lagergebäude, Die
Erziehungsarbeit erstreckt sich auf die
vier Hauptgebiete nationalpolitische
Schulung, praktische und vorberuf-
liche Erziehung, Leibeserziehung und
musische Erziehung. Am kulturellen
Leben des Dorfes nimmt das Lager mit
Musik, Spiel, Fest und Feier tätigen
Anteil. Es hilft auch bei der Dorfbuch-
arbeit. Die praktische Arbeit auf dem
Bauernhof und im Lager wird den
Jungen und Mädeln als erstes Jahr der
Landarbeits- und ländlichen Haus-
arbeitslehre angerechnet.
Landjahrjungen bei vormilitärischer
Ausbildung — Auch dem Dorfhand-
werker wird geholfen
VW
Le
D
V
Pr, E *
p me;
Volkstanz, Musik und
Spiel sollen das Dorf-
gemeinschaftsleben berei-
chern (Bild oben) — Auf
Großfahrt lernt die Land-
jährjugend die Heimat
kennen {Bild unten)
|
)
FRIEDA HERBOLD:
Die Bedeutung
der ländlich=hauswirtschaftlichen
Erziehung
IE Zeiten, in denen wir so ernst und schwer um
die Zukunft unseres Volkes ringen, erhärten
sich die Grundsätze der nationalsozialistischen
Weltanschauung und lassen uns die Werte er-
kennen, die als Fundamente unseres Lebens
gelten: das Gebundensein des Einzelnen an das
Volk, die Erhaltung und Mehrung desselben in
einem ausreichenden Lebensraum und dadurch
die Entfaltung seiner ihm innewohnenden Kräfte.
Diese Erkenntnis wird zum Maßstab
unseres Denkens und Handelns und be-
stimmt die Aufgabe der Frau. Sie verlangt von
dem Mann den Kampf auf dem Schlachtfeld um
die Freiheit unter Einsatz seines Lebens, ver-
langt die schöpferische Gestaltung der Gegen-
wart und macht die Frau als Mutter zur
Hüterin des Lebens. In der Familie als
sichtbarste und wertvollste Zelle, aus der sich
das Volk erneuert, entfalten sich ihre natur-
gegebenen Fähigkeiten. Sie formt ihre Um-
gebung und erhält und pflegt in der Stille die
inneren Werte, in denen die Kultur unseres
Volkes liegt. Sie ist die Kameradin ihres Mannes
und gibt ihm im Geborgensein der eigenen
Häuslichkeit die Kraft zu allem Schaffen. Mit
jedem Kinde, dem sie das Leben schenkt, ist ihr
ein kostbares Gut anvertraut, es zu einem
tapferen, einsatzbereiten Menschen zu erziehen
und ihm die Lehre der nationalsozialistischen
Idee in das Herz zu legen. So wird die heran-
wachsende Generation immer entschei-
dend von den Müttern geformt. Die Er-
ziehung des Mädels für seine künftige Aufgabe
als Frau und Mutter ist darum so notwendig,
weil von ihm das Glück der Familie und damit
das Wohlergehen des Volkes abhängt.
Es ist geradezu erforderlich, jetzt davon zu
sprechen, wo die unerbittliche Härte des
Krieges den Mädeln und Frauen die leergewor-
denen Arbeitsplätze der Männer zuweist. Nicht
allein die gesundheitlichen Schäden durch die
andauernde Überbelastung sind eine Gefahr,
sondern auch eineEntfremdung von den der Frau
ureigensten Aufgabengebieten darf nicht über-
sehen werden. Die Fehlentwicklung der letzten
50 Jahre schränkte bewußt die Kinderzahl ein
und ist mit eine der Ursachen, daß uns bei dem
Aufbau von 1933 an die notwendigen Menschen
fehlten. Daraus ergab sich, daß die Arbeits-
leistung des Mädels und der Frau mehr und
mehr in das tägliche Wirtschaftsleben mit ein-
gebaut werden mußte und auch vorerst noch
nicht zu entbehren ist.
Die Berufe, wie z. B. die Verkäuferinnen, die
Stenotypistinnen, Buchhalterinnen usw. führen
das Mädel bis zur Verheiratung außer in seiner
freien Zeit an keine Hausarbeit, geschweige
denn an die Haushaltsführung heran. Dieses
hält es für selbstverständlich, einen Teil seines
monatlichen Verdienstes nur für sich zu ver-
wenden und großzügig damit umzugehen. Nach
seiner Verheiratung aber soll das Einkommen
des Mannes für beide und sogar für eine Zahl
Kinder reichen. Dieses setzt voraus, daß die
junge Frau sparsam wirtschaften kann, geht doch
eine beträchtliche Höhe des Verdienstes des
Mannes als Haushaltsgeld durch die Hand der
Frau. Daran aber mangelt es, kann sie doch die
in ihrem Beruf erworbenen Kenntnisse im Haus-
halt nicht anwenden .
Die weitere Möglichkeit einer gesunden Ent-
wicklung der Familie und die damit verbundene
Aufgabe der Frau wurde in der Stadt geradezu
abgeschnitten. Durch die Enge unseres Raumes
gezwungen, mußten die Menschen, die auf dem
Lande keinen Lebensunterhalt fanden, ihren
Weg in die Industrie und in die Stadt nehmen.
Die sich daraus notwendig ergebenden Woh-
nungsbauten brachten die vielstöckigen Miets-
kasernen. In der für eine Familie vorgesehenen
Zwei- bis Dreizimmerwohnung aber wird das
Aufgabengebiet der Frau derart beengt, daß sie
nicht ausgefüllt sein kann. Sie kann nicht teil-
nehmen an dem, was den Mann in seiner Arbeit
beschäftigt, weil er morgens das Haus verläßt
und erst abends zurückkommt. Ihre freie Zeit
weiß sie oftmals durch den Mangel an häus-
licher Ausbildung nicht zu nutzen; ist sie doch
gewohnt, alles, was sie braucht, leichter und
einfacher zu kaufen, als es selbst herzustellen.
Dann ist es nicht verwunderlich, wenn sich ihre
305
*
Fähigkeiten nicht entwickeln, weil die Mög-
lichkeit einer gesunden und natürlichen Be-
tätigung fehlt. Darin aber liegt keine kulturelle
Leistung der Frau, wenn sie sich möglichst auf-
fällig kleidet und zurechtmacht und oft das
Kino und Theater besucht. Das, was wir unter
Kultur verstehen, will aus dem Menschen her-
auswachsen und geformt werden. In der zu
kleinen Wohnung und in dem Genießenwollen
ihres Lebens wird die Unzufriedenheit genährt,
die leicht zu ständigen Auseinandersetzungen
mit dem Manne führt und die Ehe gefährdet. Es
sind dies mit die Gründe für die Kinderarmut
so vieler Ehen in der Stadt.
Diese Feststellung muß zu der Folgerung
führen, daß es lebensnotwendig für die Erhal-
tung des Volkes ist, die Voraussetzungen für
eine gesunde Entwicklung der Familie in der
Stadt zu schaffen. Welches Glück würde es für
die Familie, insbesondere für die Frau bedeuten,
in einer ausreichend großen Wohnung zu wir-
ken und gar in einem eigenen Garten arbeiten
zu können. Auch volkswirtschaftlich betrachtet
wäre es von weittragender Bedeutung. Als
zweite Folgerung müßte die hauswirt-
schaftliche Ertüchtigung des Mädels
in den Vordergrund treten, ist doch die Haus-
haltsführung eine Kunst, die eine gründliche
Ausbildung verlangt. Danach erst dürfte sich
das Mädel den übrigen Berufen zuwenden.
Obwohl auf dem Lande die naturgegebenen
Voraussetzungen für die Entfaltung der Familie
und für die Aufgaben der Frau gegeben sind,
müssen wir auch hier feststellen, daß die letz-
ten Jahrzehnte der Bäuerin und Landfrau mehr
Arbeit zumuteten, als sie ertragen konnte. Sie
ist nicht nur die Mutter ihrer Kinder und nicht
nur verantwortlich für die Führung ihres Haus-
haltes, sondern nimmt mit ihrer Arbeit einen
großen Anteil an der landwirtschaftlichen Er-
zeugung. Die Pflichten gegenüber der Familie
mußten zugunsten der Erhaltung des Hofes
zurücktreten. Der Mangel an Arbeitskräften
durch die Abwanderung in die Stadt, vor allem
die geringe Einnahme der Landwirtschaft vor
1933 zwangen sie dazu, zuerst die Arbeit in
Stall und Feld zu verrichten. Manches erleich-
terte sich durch die Maschinen, die in der
Außenarbeit eingesetzt wurden. Bis die An-
schaffung einer arbeitserleichternden Maschine
für den Haushalt möglich war, vergingen einige
Jahre. In vielen Dörfern fehlt heute noch die
Wasserleitung. Was ließe sich durch die Aus-
nutzung der Elektrizität im Bauernhaus erleich-
tern! Ja, es ist geradezu eine Forderung, zuerst
dem Lande alle Möglichkeiten der Arbeits-
erleichterung zu verschaffen. Allerdings muß
auch gesagt werden, daß der Bauer nicht immer
in der richtigen Weise die Arbeit im Haus ein-
zuschätzen weiß. Im Winter könnte der Bäuerin
die Arbeit im Stall abgenommen werden, wozu
auch das Melken und Schweinefüttern gehört.
Noch mehr aber wirkt sich die Uberbean-
306
LU
spruchung der Frau in Landschaften aus, in
denen durch die Realteilung der Hof zersplittert
wurde. Weil er keine Familie mehr ernähren
konnte, mußte der Mann ein Handwerk ausüben
oder zur Fabrik gehen. Der Frau aber fielen da-
durch alle Feldarbeiten zu. Sie wurde die erste
Arbeitskraft auf dem Hof und kam nicht mehr
dazu, Bäuerin zu sein.
Seit Beginn des Krieges ist es eine Selbstver-
ständlichkeit, daß die Bäuerin und Landfrau den
Hof für den als Soldat eingerückten Mann
weiterführt. Wenn das Landvolk bis heute die
Forderungen der Erzeugungsschlacht erfüllte
und ihnen auch weiter nachkommt, dann ist es
mit in erster Linie der Bäuerin und Landfrau zu
verdanken. Durch ihrer Hände Arbeit trägt sie
dazu bei, daß sich die Schweinebestände ver-
mehren, die Milchleistungen steigern und die
Hackfruchtanbaufläche vergrößert wird. Es ist
ein Zeichen für ihre stille Pflichterfüllung, die
keine Rücksicht auf sich selber kennt und ihr
den ersten Platz in der Arbeitsleistung der Frau
im Kriege zuspricht. Ernste gesundheitliche
Schäden konnten bei dieser andauernden Uber-
belastung nicht ausblefben. Manche Bäuerin ist
dadurch nicht mehr in der Lage, Mutter vieler
Kinder zu sein.
Die ernährungswirtschaftlichen Forderungen,
die im Kriege an erster Stelle stehen, und die
täglichen Schwierigkeiten und Sorgen in der
Führung des Hofes können ihr leicht den Aus-
blick auf ihre wirkliche Aufgabe nehmen.
Darum müssen wir sie jetzt besonders in den
Vordergrund stellen, damit die Bäuerin den
Glauben an die bäuerliche Zukunft nicht ver-
liert und aus ihm den Mut und die Kraft für den
Alltag findet.
Der Bauernhof ist die Heimat, die durch
generationenlange Arbeit und steten Kampf den
Menschen fest verwurzelt und ihn daran er-
innert, daß er ein Glied der unendlichen Kette
seines Geschlechtes ist. Aus der Arbeit, die ge-
bunden ist an den Ablauf des Jahres, wächst
die Ganzheit des Bauernlebens und formt Ge-
setz, Recht und Glauben in Sitte und Brauch.
Der Bauer sieht in der Erhaltung und Mehrung
des Hofes seine Lebensaufgabe. Die Bäuerin
steht ihm als Kameradin zur Seite. Es gibt keine
Sorge, die sie nicht auch bewegt, und keine
Freude, die sie nicht mit ihm teilt. Sie ist die
Mutter einer gesunden Kinderschar, in der ihrer
beider Glück ruht, sie ist die Seele des Hofes.
Von ihrem Wesen wird der Geist des Hauses
und der Hofgemeinschaft getragen. In der
frohen Pflichterfüllung ihres Tagewerkes macht
sie allein die Arbeit leicht und gibt dem Feier-
abend die Ruhe und Entspannung und den
Feier- und Festtagen ihren Glanz. Ihren Fähig-
keiten ist keine Grenze gesetzt, und indem sie
sich ihrer Aufgabe unterordnet, wächst sie zur
Persönlichkeit. Von ihrer Tüchtigkeit und Um-
sicht im Haus, Stall, Garten und auch im Feld
hängt mit der Erfolg des Hofes ab.
Welche Werte schafft sie durch Spinnen und
Weben, Stricken, Sticken und Nähen. Sind nicht
in vielen Bauernhäusern die Truhen voller
Leinen und Stickereien Zeugnis ihres Fleißesl
Eine Fülle von Aufgaben drängen sich bei ihr
zusammen und wollen wohlgeordnet und ge-
plant sein. Sagt nicht ein Sprichwort aus der
jahrhundertelangen bäuerlichen Erfahrung, daß
ein Hof eher einen schlechten Bauern ertragen
kann als eine schlechte Bäuerin? Wenn wir es
emst mit der Erkenntnis meinen, daß das
Höchste, was sich auf dieser Welt erreichen läßt,
ein Leben voller Arbeit und Pflichterfüllung ist,
dann kann sie es von sich sagen. Wir sehen in
dem Lebenskreis der Bäuerin die schönste Auf-
gabe der Frau, in der sich ihre Fähigkeiten und
Anlagen entfalten und sie dem Volk am meisten
dienen kann. |
Zu diesem wahrhaften Dienst am Leben
unseres Volkes, Mutter einer gesunden Kinder-
schar und Trägerin einer arteigenen Kultur zu
sein, kann sie aber nur gelangen, wenn sie rein
arbeitsmäßig eine Entlastung erfährt. Die Zu-
kunft des Bauerntums und damit unser Schicksal
hängt davon ab und ist in die Hand der
Bäuerin gelegt. Sie darf darum nicht aus ihrer
augenblicklichen Lage heraus zu der Ansicht
kommen, daß ihre heranwachsenden Kinder, und
hier vor allem ihre Töchter, einen leichteren
Alltag als sie haben sollen, denn mit jeder
Kraft, die sich vom Land abwendet, vergrößert
sich nicht nur ihre Arbeitslast, sondern es
würde auch den Rückgang des Bauerntums be-
deuten. Vielmehr muß sie als Lehrfrau mit
dazu beitragen, daß unsere Mädel eine ord-
nungsgemäße Ausbildung erfahren. Je gründ-
licher das Mädel für seine künftige Arbeit als
Bäuerin angeleitet wird, um so leichter wird es
später seiner Aufgabe nachkommen. Esistdarum
so unverständlich, wie oft noch die Meinung
besteht, daß eine ordnungsgemäße Lehre für
alle Berufe erforderlich sei, nur für die umfang-
reiche Arbeit auf dem Lande nicht für notwendig
gehalten wird. Gewiß wächst unser Landmädel
von klein auf in das Leben auf dem Hofe hinein,
verrichtet bald nach ihren Kräften von Jahr
zu Jahr größere Arbeiten, in denen es von der
Mutter zur Ausdauer, zur Verantwortung und
zum selbständigen Handeln angelernt wird. Hat
es die Schule verlassen, so stellt es schon eine
willkommene und wertvolle Hilfe dar.
Allein die beste Ausbildung der Mutter wird
nicht annähernd in der Entwicklung des jungen
Mädels das erreichen, was ihm die Fremd-
lehre in dem Kennenlernen anderer Arbeits-
weisen und der Formung seines Wesens und
seiner Selbständigkeit zu geben vermag. Sie ist
durch nichts zu ersetzen und wird ihm später
das Anordnen und planmäßige Einteilen der
Arbeiten erleichtern. So manche Bäuerin würde
auch heute ihre Arbeit besser meistern, wäre
auch in ihrer Jugend auf eine gründlichere
Ausbildung Wert gelegt worden. Jetzt, wo die
Bäuerin die Sorge um die Söhne an der Front
hat, fällt es ihr besonders schwer, die Tochter
abzugeben, da sie meistens ihre einzige deutsche
Hilfe ist. Der Landjugendaustausch ist ein
Weg, der gleichzeitig zwei Mädeln die Fremd-
lehre ermöglicht und der Bäuerin an Stelle ihrer
Tochter ein anderes Mädel zurückgibt.
Der Lehrfrau liegt es ob, für eine gewissen-
hafte Anleitung des Mädels bei allen Arbeiten
in Stall, Garten und Haus zu sorgen. Sie wird
durch den Besuch der Berufs- und Fach-
schule ergänzt und vertieft. Die Webschule
ist aber besonders zu erwähnen, lernt doch hier
das Mädel die bäuerlichen Handfertigkeiten, die
wieder im Bauernhaus gepflegt werden sollen.
So übt sich das Mädel in allen Aufgaben-
gebieten, die es später einmal zu übernehmen
hat. Nach Abschluß der Hauswirtschaftslehre
aber wird es der Bäuerin eine wertvolle Hilfe
sein, die ihr meistens heute noch fehlt.
Die Erziehung, die das Mädel vom 10. bis
21. Lebensjahr im Mädelbund erhält, gibt ihm
die weltanschaulich-politische Ausrichtung. Vor
allem im BDM.-Werk „Glaube und Schön-
heit“ lernt es die Gestaltung des bäuerlichen
Lebens nach den Grundsätzen der national-
sozialistischen Idee. Ganz besonders wichtig ist
die körperliche Ertüchtigung. Die Freude an der
Bewegung, die ihm durch die Leibeserziehung
gegeben wird, läßt ihm die tägliche Arbeit leich-
ter werden und fördert seine Gesundheit. Nur
gesunde, weltanschaulich-politisch klar aus-
gerichtete und beruflich gründlichst ausgebil-
dete Mädel werden später die Aufgaben als
künftige Bäuerinnen erfüllen können. Durch sie
werden im Osten auf neuen Höfen Pflegestätten
deutschen Wesens geschaffen.
Darum ist die bäuerliche Erziehung und Aus-
bildung des Mädels im Hinblick auf die beson-
deren Aufgaben des Bauerntums im Volksganzen
notwendig und eine höchst politische Aufgabe.
Ihr sollen nicht nur die auf dem Lande gebore-
nen Mädel zugeführt werden, sondern auch die
gesunden Kräfte der Stadt. Die Hitler-Jugend
hat sich diese große Aufgabe gestellt, wendet
sie sich doch im Landdienst an die besten
Jungen und Mädel, um sie von der Stadt zum
Lande zurückzuführen, und spricht damit am
eindeutigsten ihr Bekenntnis zum Bauerntum
und zum Osten aus. Die Lagergemeinschaft er-
leichtert dem Mädel das Einleben, und in den
abendlichen Schulungsstunden lernt dieses seine
Umgebung immer mehr verstehen, so daß es
mit frohem Mut seiner Arbeit tagsüber auf dem
Bauernhof nachkommt. Wenn dann die Bäuerin
als Lehrfrau das Landdienstmädel in der rechten
Weise in die Arbeit einführt und aus der
Freude und der eigenen Überzeugung vom Wert
der Bauernarbeit die Richtigkeit seines ein-
geschlagenen Weges bestätigt, wird es gar bald
in seinen neuen Lebenskreis hineinwachsen.
Mit den Mädeln, die ihr Pflichtjahr auf
dem Lande verbringen, muß die Bäuerin es auch
307
so halten. An ihr wird es mit liegen, ob sich das
Mädel bei ihr wohlfühlt. Wie viele von ihnen
können dadurch für das Land gewonnen werden!
Im weiblichen Arbeitsdienst, der die Er-
ziehung des Mädels in der nationalsozialisti-
schen Weltanschauung vertieft, lernen die
Mädel durch den Einsatz auf dem Bauernhof die
Achtung vor der Landarbeit. Die Zeit aber bei
„ihrem Bauern“ wird die Arbeitsmaid so leicht
nicht vergessen. Wenn sie nachher auch
meistens wieder der Ausübung ihres gelernten
Berufes nachgeht, wird die bäuerliche Arbeit
nicht ohne Einwirkung auf sie geblieben sein.
In den meisten Fällen sind es die Eltern,
die es verhindern, daß ihre Kinder durch die
bäuerliche Berufsausbildung zum Lande zurück-
finden. Mag das Schicksal der deutschen Städte
unter dem Bombenterror hart sein, so bringt es
doch eines mit sich, daß viele Frauen und Kin-
der durch die Aufnahme in den Dörfern wieder
mit den lebendigen Kräften der Natur in Ver-
bindung gebracht werden. Sicher liegt es auch
an dem Entgegenkommen der Familien auf dem
Lande, den Frauen die Umstellung von der Stadt
aufs Land nicht so schwer zu machen. Bei vielen
jedoch zeigt die Erfahrung, daß sie mit dem
Leben auf dem Dorf nichts mehr anzufangen
wissen, weil in ihnen das Gefühl für die leben-
dige und gesunde Umgebung und Arbeit ver-
lorengegangen ist.
20 fitt.
t
Anders ist es mit den Kindern. Sie ge-
wöhnen sich bald ein und fühlen sich hier wie
zu Hause. Wie stolz sind sie, auf dem Bauernhof
Bescheid zu wissen, und wie gern gehen sie mit
auf das Feld. Dieser Aufenthalt auf dem Lande
wird für viele entscheidend für ihr Leben
werden. Die Jugend muß und wird es sein, die
sich lossagt von dem Besserhabenwollen einer
alten Welt, die den Kampf bejaht und in der
Pflichterfüllung und größeren Verantwortung
für die Gemeinschaft ihre Kräfte einsetzt, so
wie für uns Mädel als erstrebenswertes Ziel das
Leben der Bäuerin vor uns steht.
Wenn wir erkennen, daß die Zukunft unseres
Volkes in gesunden, kinderreichen Familien
liegt und seine Grundlage durch ein starkes
Bauerntum erhält, dann müssen wir auch alles
daransetzen, die Voraussetzungen zu schaffen,
die eine glückliche Entwicklung der Familie
und des Bauerntums mit sich bringt. Zu diesen
Voraussetzungen gehört dann wohl als erstes:
die Erziehung des Mädels seinen naturgegebenen
Anlagen entsprechend für seine künftige Auf-
gabe als Frau und Mutter, wie wir sie ihm in
der ländlich-hauswirtschaftlichen Ausbildung
geben, denn wie die Mutter ist, wird die
Familie sein. Das Leben der Familie aber
bestimmt die Kultur, Kraft und Größe unseres
Volkes.
Auseinandersetzungen um die künftige Gestaltung
nationaler Wirtschaftsbeziehungen nehmen heute
zeitweise In der anglo-amerikanischen Öffentlichkeit
kaum einen geringeren Raum ein als die Erörterung
militärischer Fragen. Soweit de von den treibenden
Kräften des anglo-amerikanischen Imperialismus ge-
führt werden, lassen sie immer wieder das hemmungs-
lose Bestreben erkennen, den Wirtschaftsbedarf der
Welt mit den Machtmitteln der Politik den jüdisch-
kapitalistischen Profſtinteressen des Anglo-Ameri-
kanismus dienstbar zu machen. Dabei hat sich mehr
und mehr das Schwergewicht nach USA, verlegt, was
bereits jetzt auch in England beginnt unangenehm
empfunden zu werden. Die Anfänge dieser Entwick-
lung liegen weit zurück. Sie waren bereits unmittelbar
nach Abschluß des ersten Weltkrieges vor mehr als
zwei Jahrzehnten deutlich erkennbar. Aufschluß-
reiche Erkenntnisse hierüber hat kürzlich der frühere
Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium Dr.
Trendelenburg in einer Arbeit „Amerika und Eu-
ropa In der Weitwirtschaftspolitik des Zeltabschnittes
der Wirtschaftskonferenzen‘“ veröffentlicht. In den
Jahren nach dem ersten Weltkrieg war England in
308
der irrigen Meinung, daß es selbst nur gewinnen
könne, wenn Deutschland niedergehalten werde.
Unter Mitwirkung der Vereinigten Staaten und
Frankreich war es dahin einig, den Kampf gegen
Deutschland als Wirtschaftskrieg und insbesondere
als Kampf um die militärischen Kosten des ersten
Weltkrieges fortzusetzen. Durch eine weltwirtschaft-
lich nicht realisierbare Tributlast sollte Deutschland
nledergehalten und zu Zahlungen gezwungen werden,
mit denen man dem amerikanischen Übergewicht
entgegenzuwirken und Deutschland insbesondere die
Last der Kriegsschulden an Amerika aufzubürden
hoffte. Dabei verkannte man völlig, daß Deutschland
das wirtschaftliche Kerngebiet des europäischen Kon-
tinents bildete, dessen Niederhaltung und Überlastung
eine entsprechende Schwächung der gesamten euro-
päischen weltwirtschaftlichen Haltung zur Folge haben
mußte. England unterließ es, Europa planmäßig zu
enger Zusammenarbeit und erhöhter Leistung sowie
zu gemeinsamer Gegenwirkung gegen die weltwirt-
schaftsfeindliche Haltung Amerikas zu ordnen. Nur
dadurch aber hätte es Verlorenes zurückgewinnen
können. Statt dessen stieß England durch die Fort-
*
setzung des Wirtschaftskrieges gegen Deutschland
Europa in eine chaotische Entwicklung. Es Ist eine
besondere Tragik und ein Zeichen der Kurzsichtigkeit
der deutschen Außenhandelspolitik unter dem Wei-
marer System, daB auch in Deutschland die tatsäch-
liche Lage völlig verkannt wurde. Der Leidtragende
dieser fehlerhaften Politik war in erster Linie die
deutsche Landwirtschaft, deren national-wirtschaftlich
eingestellte Kreise damals vergeblich gegen ein
handelspolitisches System ankämpften, das durch
die fehlerhafte Einschätzung der Meistbe-
günstigungsklausel In der Handelspolitik gekenn-
zeichnet war. Trendelenburg, der damals selbst an
verantwortlicher Stelle mitarbeitete, bezeichnet es
als tragisch für das europäische Wirtschaftsschicksal,
da8 Deutschland am 8. Dezember 1923 mit USA.
einen zehnjährigen Meistbegünstigungsvertrag ab-
schloß, durch den nicht nur Deutschland selbst, son-
dern auch der europäische Kontinent für zehn Jahre
die handelspolitische Bewegungsfreiheit gegenüber
USA. verlor. Die handelspolitische Entwicklung be-
sonders auf landwirtschaftlichem Gebiet wurde in
dieser Zeit geradezu zum Schulbeispiel dafür, wie im
Zeichen des Liberalismus ein solcher auf die Förde-
rung des. wechselseitigen Verkehrs bedachter Ver-
tragsabschluß ins Gegenteil verkehrt werden kann.
Deutschland ermäßigte unter dem Druck der libe-
ralen Wirtschaftskreise zahlreiche Positionen seines
Zollsystems und machte dadurch seinen Handels-
vertrag mit USA. zu einem für den anderen Partner
wirklich nutzbringendem Instrument. USA. jedoch
dachte gar nicht daran, sein Zollsystem durch Einzel-
zugeständnisse abzubauen, sondern arbeitete unter
ständig steigenden hohen Schutzzöllen am Aufbau
einer gewaltigen industriellen Autarkie, so daß der
Meistbegünstigungsvertrag für Deutschland nahezu
wertlos wurde. USA. mißbrauchte also die Meist-
begünstigungsklausel zur einseitigen Förderung seiner
eigenen Wirtschaft, indem es diese Absatzmärkte
auf Kosten der europäischen Liefermöglichkeiten zu
sichern suchte.
Es erscheint gerade im jetzigen Augenblick ange-
bracht, auf diese Dinge einmal hinzuweisen, denn auch
heute geht die USA.-Handelspolitik, wenn auch mit
teilweise anderen Mitteln, im Grunde denselben Weg.
Nur richtet sich diesmal die Spitze nicht nur gegen
Kontinentaleuropa, das man schon jetzt glaubt sich
als Absarzgebiet ohne irgendwelche Hemmungen
nutzbar zu machen. Dafür bekommt aber der englische
Verbündete schon jetzt im Augenblick des Höhe-
punktes der militärischen Entscheidung die wahren
Absichten seines Partners recht deutlich zu spüren.
Infolgedessen mehren sich die besorgten Stimmen in
England, die ernsthafte Einwendungen gegen die
hemmungslosen Ausdehnungsbestrebungen durch die
USA. erheben. |
jeder gesunden Entwicklung stehen insbesondere
die Absichten der USA.-Agrarpolitik in Kontinental-
europa entgegen. Hier will man nicht mehr oder
weniger als die Aufgabe des Getreidebaues, an dessen
Stelle die Beschäftigung mit Spezialkulturen treten
soll. Mit diesen Forderungen glaubt man wohl zwei
Ziele gleichzeitig zu erreichen: einmal die Eroberung
eines neuen Feldes für die Getreidespekulation, zum
anderen die Beseitigung der Voraussetzungen für
irgendwelche politische Freiheit des europäischen
Kontinents. Es ist bezeichnend, daß der englische
Landwirtschaftsminister selbst für die englische
Landwirtschaft diesen Bestrebungen der USA. nach-
gibt. im Gegensatz zu früheren Erklärungen hat er
es kürzlich abgelehnt, irgendwelche Zusicherungen
für spätere Schutzmaßnahmen zugunsten der eng-
lischen Landwirtschaft zu machen, die er vielmehr
ausschließlich auf die Entwicklung der Selbsthilfe
verweist. Bezeichnend ist demgegenüber eine er-
heblich andere Agrarpolitik in USA. selbst. Dort ist
die amerikanische Landwirtschaft infolge des poli-
tischen Einflusses des Farmertums zu einem äußerst
teuer arbeitenden Sektor der USA.-Wirtschaft ge-
worden, da die die Lebenskosten verteuernden Ten-
denzen sich heute stark gefestigt haben. Nach den
Feststellungen amerikanischer Berichte muß dort das
Volk heute dem Farmer beträchtliche Opfer bringen,
die sich auch nach Kriegsende trotz aller Mechani-
sierung fortsetzen dürften. Diese Berichte verkennen
allerdings, daß die teueren Lebenshaltungskosten in
USA, keineswegs dem Farmer zugute kommen, da
ganz erhebliche Summen dem zwischengeschalteten
Spekulantentum zufließen. Die
des europäischen Kontinents, die im letzten Jahr-
zehnt die Vorteile der von der nationalsozialistk-
schen Agrarpolitik verfochtenen Idee der Marktord-
nung schätzen gelernt haben, werden sich gegen diese
Versuche zur Wehr setzen. Das gilt um so mehr, als
die von Herbert Backe vertretene Auffassung einer
gesunden Arbeitsteilung Innerhalb des europäischen
Großraums überaus gesunde Möglichkeiten einer
organischen Entwicklung ihrer natürlichen Produk-
tlonsgrundlagen gibt.
Zu diesen Fragen einer gesunden europäischen
Arbeitsteilung hat Reichsminister Backe kürzlich vor
geladenen Gästen des Reichskommissars der Nieder-
lande, unter denen sich vor allem zahlreiche Vertreter
aus Wirtschaft, Landwirtschaft und Industrie befanden,
Stellung genommen. Im Rahmen der Richtlinien für
die künftige Wirtschaftspolitik im europäischen Raum
zeigte er, wie die liberalistisch - weltwirtschaftliche
Arbeitsteilung nicht deshalb zusammengebrochen Ist,
well die wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten falsch
waren, sondern well ihr eine zentrale Ordnung
fehlte. Dies lag im Prinzip des Liberalismus begründet,
der weder eine Bindung der einzelnen Mitglieder an
Grundsätze einer lebensnahen Wirtschaftsordnung,
noch eine zentrale Führung kannte, die sich für das
Wohl und Wehe der einzelnen Völker und ihrer An-
gehörigen verantwortlich fühlte. Demgegenüber be-
rücksichtigt das deutsche Ordnungsprinzip im euro-
päischen Raum aus seinem Verantwortungsgefühl für
Gesamteuropadienatürlichen Produktionsbedingungen
und die nationalen Eigenkräfte der einzelnen Volks-
wirtschaften. Auch für die Großraumwirtschaft, die
sich heute im europäischen Lebensraum anbahnt,
giit das Gesetz, daß der vorhandene Bedarf durch
eine möglichst große Erzeugung beimöglichstgeringem
Einsatz von Erzeugungsmitteln gedeckt werden muß.
Dies Ziel aber ist ohne eine Arbeitsteilung zwischen
A
309
Landwirtschaften `°
den Mitgliedern der europäischen Lebensraum-
gemeinschaft gar nicht zu erreichen. Deutschland hat
durch die Tat bewiesen, daß es gewillt ist, auf der
Grundlage einer klaren Ordnung innerhalb des Groß-
raumes Europa und unter Berücksichtigung der be-
sonderen Wirtschaftsbedingungen und Erzeugungs-
möglichkeiten der einzelnen europäischen Länder,
eine klare, geordnete und damit sicherlich erfolg-
reiche Arbeitsteilung aufzubauen, die allein sich zum
Wohle der europäischen Gesamtheit auswirken kann.
Ausgehen muB der Aufbau einer europäischen Groß-
raumwirtschaft von der Überlegung, daß der Bedarf
der Völker das Primäre zu sein hat und daß dieser
Bedarf auf die sinnvollste und einfachste Weise ge-
deckt werden muß zum Wohle der einzelnen euro-
päischen Nationen und des europäischen Menschen
überhaupt. Daraus ergibt sich wieder, daß die Wirt-
schaft als Dienerin der Politik nur dann sinnvoll. ge-
staltet werden kann, wenn sie in einer festen, klar
umrissenen Bindung an die politischen Erfordernisse
gestaltet wird. Besonders eingehend befaßte sich
Reichsminister Backe mit der Umstellung der nieder-
landischen Landwirtschaft im Kriege, die erfreuliche
Erfolge ergeben hat. Er ließ keinen Zweifei darüber,
daß auch für alle Zukunft der Charakter der Vered-
Iungswirtschaft in der niederländischen Landwirtschaft
gewahrt bleibt, anderenfalls besteht Gefahr, daß ein
Teil der niederländischen Bauern verarmt und andere
ihre Scholle verlassen müssen, um den Zurückblei-
benden die Basis für eine extensiver betriebene Land-
wirtschaft zu geben. Eine solche Entwicklung würde
aber auch für die kontinental-europäische Ernährungs-
wirtschaft groBe Gefahren auslösen, obliegt der nieder-
ländischen Landwirtschaft doch die Aufgabe, wesent-
lich zur Versorgung der westeuropäischen Industrie-
bevölkerung beizutragen. Deshalb war es notwendig,
die Kenntnisse, Erfahrungen und Leistungen der
niederländischen Landwirte voll zu nutzen und ihnen
im Rahmen des Möglichen bei der Entwicklung von
Spezialkulturen die notwendige Bewegungsfreiheit zu
lassen. Deshalb blieben auch der Biumenzwiebel-
anbau, Baumschulen, Biumenzüchtereien usw. in
ihrem Kern erhalten, während man bei den Vieh-
und Geflügelbeständen den Bestand des wertvollen
Zuchtmaterials sicherte. Die erfolgreiche Umstellung
der niederländischen Landwirtschaft führte innerhalb
von 3 jahren zu einer Ausdehnung der Ackerfläche
um rund 180000 ha. Der Brotgetreideanbau wurde
um 25 vH., der Kartoffelanbau um 71 vH., der Ölsaaten-
anbau sogar um 1700 vH. ausgeweitet. Der Viehbestand
wurde der vorhandenen Futterfläche angepaßt. Die
bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, wie gut diese
Umstellung gelungen ist. Der erzielte Erfolg Ist aber
nicht zuletzt das Verdienst des niederländischen
Bauern, der — einmal seine große Aufgabe erkennend
— verantwortungsbewußt an die gewünschte Um-
stellung ging. Gerade hierin liegt ein erfreulicher
Beweis dafür, daB durchaus praktische Voraus-
setzungen für die Verwirklichung einer europäischen
Arbeitsteilung gegeben sind. Hierin liegt auch der
stärkste Garant dafür, daß die feindlichen Blockade-
hoffnungen auch in Zukunft nicht in Erfüllung gehen
werden. Mit dieser Frage beschäftigte sich Herbert
310
Backe kürzlich in einer Rundfunkrede, in der er zu
den alljährlichen Diskussionen über den vorus-
sichtlichen Ernteausfall und zu den Befürchtungen
über die Folgen des durch die augenblickliche Front-
lage bedingten Raumverlusts für unsere Ernährungs-
wirtschaft Stellung nahm. Er will die ernährungswirt-
schaftliche Bedeutung der Einbußen In Ölen weder `
übertreiben noch unterschätzen. Hierbei ist aus-
schlaggebend, daß wir die tatsächliche Leistung der
Ostgebiete niemals überschätzt haben. Auf der
anderen Seite soll keineswegs übersehen werden, daß
die Leistungen des Ostens in den beiden ersten Jahren
der Besetzung den Ausgleich für die verhältnismäßig
schlechten eigenen Ernten der Jahre 1940 bis 1942
gegeben haben. Abschließend zu dieser Frage stellte
der Reichsminister fest, daß durch den Ausfall der
Gebiete im Osten auf einzelnen Gebieten beabsich-
tigte Rationserhöhungen fallengelassen werden muß-
ten, daß auf der anderen Seite aber ein einschneldender
Einbruch in unsere bestehenden Ernährungsverhält-
nisse durch die Ereignisse im Osten nicht erfolgt ist.
Dies ist der Tatsache zu verdanken, daß es gelungen
ist, die Leistungsfähigkeit der heimischen Landwirt-
schaft trotz aller Schwierigkeiten, die die Länge des
Krieges nun einmal in der Versorgung mit Arbeits-
kräften und Betriebsmitteln mit sich bringt, voll
und ganz aufrechterhalten zu haben. Stets muß des-
halb der Grundsatz gelten, daß der Schwerpunkt der
Versorgung unseres Volkes mit Nahrungsmitteln bei
uns selbst und unserer eigenen Erzeugung liegt. Das
gilt selbstversttändlich erst recht heute und muß
auch In Zukunft gelten: Mögen die Räume, die uns
im Osten zur Verfügung stehen, einmal wieder noch
so groß sein, wir können es uns niemals leisten, un-
sere heimische Erzeugung zu vernachlässigen. Das ist
schon allein aus Transportgründen völlig unmöglich.
Man kann nicht beliebige Massen von Nahrungsmitteln
auf weiteste Entfernungen aus dem Osten in die
Hauptverbrauchergebiete Mittel- und Westeuropas
bringen. Dies wird besonders deutlich, wenn man
bedenkt, daß allein von der Getreide- und Kartoffel-
erzeugung des europäischen Festlandes 40 vH. im Grob-
deutschen Reich gewonnen werden. Die Aufgabe des
näheren und weiteren Ostens wird immer nur die eine
sein, die Spitzenfehlbeträge, die in der Ernährungs-
bilanz Deutschlands und Festlandeuropas offen sind,
abzudecken, insbesondere durch Lieferungen von
Futtergetreide und Ölsaaten. Das Ausland irrt, wenn
es irgendwelche zur Zeit fehlende Einfuhrmöglich-
keiten für maßgebend ansieht. Nur von diesem Stand-
punkt aus Ist ein Ausblick auf die zukünftige Ent-
wicklung unserer Ernährungswirtschaft möglich. Klima
und Bodenverhältnisse unseres Raumes sind so viel-
gestaltig, daß schlechte Ernten bei allen Kulturarten
und in allen Teilen des Reiches ausgeschlossen sind.
in der richtigen Ausnutzung der natürlichen Grund-
lagen unserer Landwirtschaft liegt die Stärke der
natlonalsozialistischen Agrarpolitik des Reiches, Wah-
rend beim Gegner trotz der viel größeren natürlichen
Möglichkeiten Infolge falscher oder fehlender wirt-
schaftlicher Grundsätze immer wieder Schwierigkeiten
auftauchen, die sich in der eingangs erwähnten Dis-
kussion widerspiegeln. Dr. Kurt Haußmann
E 62 ONT O >
2 Ki Le
— ** fi V
Kandbemerkungen
Umstellung der Schweinehaltung
im Frieden wurden im Deutschen Reich annähernd
genau so viel Schweine gewerblich für den städtischen
Verzehr geschlachtet wie für den Hausbedarf des
Bauern. Die Zahl der Schlachtungen deckte sich etwa
mit dem jahresdurchschnittsbestand, so daß ein
Schwein im Jahr Im Durchschnitt etwa einmal um-
gesetzt wurde. Das Durchschnittsschwein erreichte
somit ein Lebensalter von etwa zwölf Monaten. Der
Krieg stellte die deutsche Fleischwirtschaft vor das
Problem, die Wehrmacht, den Bauern und die Zivil-
bevölkerung mit Fleisch zu versorgen. In allen euro-
päischen Ländern hatte sich schon im ersten Weltkrieg
gezeigt, daß das Schweinefleisch vorwiegend auf dem
Lande verzehrt wird. Die Städte wurden im Verlauf
des Krieges zunehmend auf Rindfleisch verwiesen,
sofern nicht etwa, wie in England, Schweinefleisch in
sehr großen Mengen aus Importen anfiel. Es hatte dies
zur Folge, daB dem Bauern ein Fleisch von höherem
Nährwert zur Verfügung stand als dem Städter.
Im zweiten Weltkrieg mußte zunächst won der Tat-
sache ausgegangen werden, daß das Hausschlachtungs-
schwein mit verhältnismäßig billigem wirtschafts-
eigenem Futter und mit sehr viel Hausabfällen ge-
füttert wird. Eine Ausschaltung der Hausschlachtung
konnte deshalb von vornherein nicht angestrebt
werden. Doch mußte die kriegsmäßige Verteilung des
Anfalls daraus die richtigen Lehren ziehen. Die An-
rechnung der Hausschlachtung wurde gegenüber dem
ersten Weltkrieg erheblich verschärft. Selbstversorger
mit Schlachtfetten erhalten je Woche aus Fettkarten
nur 100 g Butter und Butterschmalz. während der
Normalverbraucher derzeit 218 g Fett erhält, davon
125 g Butter. Der Schwerarbeiter erhält zusätzlich
hierzu 100 g Fett, der Schwerstarbeiter 369 g je
Woche. Schwer- und Schwerstarbeiter erhalten auf
Karten 219 bzw. 488 g Fett mehr als der Selbstver-
sorger, und dieser letztere muß seinen Mehrbedarf an
Fett dem selbstgeschlachteten Schwein entnehmen,
das den Selbstversorger leistungsgemäß mit Fett und
mit Fleisch versorgt.
Die Lösung Ist in jeder Hinsicht sozial gerecht, doch
bedingte sie die Aufrechterhaltung der Hausschlach-
tungen etwa in friedensmäßigem Umfange, und das
Absinken der Schweinebestände mußte zu Lasten des
städtischen Verbrauchs gehen. Das für Schweine ver-
fügbare Futter sank nun aber in einem stärkeren Ver-
hälcnis ab als die Stückzahl der Schweine. Deshalb
entfielen je Stück des Bestandes nur 87% der friedens-
mäßig verfügbaren Stärkewerte. Zur Erreichung der
Schlachtreife brauchte das Schwein des Durchschnitts-
bestandes eine entsprechend größere Anzahl von
Monaten, und die gewerbliche Frühmast mußte stärker
beschnitten werden als die Spätmast im Hausschlach-
tungsverfahren. Zudem ermöglicht es der langsamere
Umschlag, mit einem relativ geringen Zuchtbestand
auszukommen. Der Futterverbrauch je Doppeizentner
erzeugtes Schlachtgewicht stieg um 14%. Dafür aber
erbringt das Hausschlachtungsschwein mit seinem
höheren Fettgehalt je Gewichtseinheit eine höhere
Nährwertmenge, und das scheinbare Absinken der
Rentabilität wurde hierdurch bis auf einen belang-
losen Rest kompensiert. Die deutsche Schweine-
haltung hat im Krieg eine Umstellung vorgenommen,
die die nationale nährwertmäßige Ergiebigkeit der
Schweinehaltung aufrechterhält und auch sonst in
jeder Hinsicht sich als zweckmäßig herausstellt.
Walter Hahn
Europäische oder anglo-
amerikanische Ernährungspraktik ?
Die amerikanische Zeitschrift „Corn Trade News“
vom A März 1944 referiert über. eine Arbeit von
J. N. Richter vom US-Office of agriculture relation in
„Foreign agriculture“ über die deutsche Ernährung.
Der Verfasser errechnet für die deutsche Bevölkerung,
Wehrmacht und Ausländer inbegriffen, für 1942/43
einen Tageskopfverzehr von 2650 Kalorien. Für
1943/44 werde der Verzehr bel 2100 Kalorien liegen.
Sollten die 20% bäuerliche Bevölkerung 3200 Kalorien
für sich beanspruchen, so würden für die übrige Be-
völkerung 1800 Kalorien täglich verbleiben. Dieser
phantastischen Behauptung stehen aus dem Feind-
lager amtliche Stimmen gegenüber, die sowohl dem
Deutschen als auch dem Europäer einen durchaus
leistungsgemäßen Verzehr zusprechen. Wir wollen den
Verfasser nicht an dieser Steile über den deutschen
Nahrungsverzehr im Jahre 1943/44 aufklären. Es wäre
dies belohnte Torheit oder prämiierte Frivolität. Wir
wollen aber über die europäische Ernährungsmöglich-
keit in diesem Jahr einige Zahlen geben, die der Aus-
länder der gewissenhafteren Fachliteratur seines
eigenen Landes ebensogut entnehmen könnte. Und
mit diesen Zahlen wenden wir uns in erster Linie an
den Europäer.
Für Kontinentaleuropa errechnen amerikanische
Zeitschriften und auch der englische „Economist“ für
1943 eine Normalernte. Selbst wenn man vorsichts-
halber hiervon einen Abschlag vornimmt, errechnet
sich angesichts der Einsparungen in der Getreidever-
fütterung ein Mahlgut in Friedenshöhe von 63 Mill. t
oder ein Tagesverzehr von 570 g Brot (85%ige Aus-
mahlung) oder 1350 Kalorien für den kontinental-
europäischen Durchschnitt. Aus den derzeitigen Vieh-
beständen errechnet sich ein Anfall von 11 Mill. t
Fleisch (ohne Schlachtfett) = 86 g täglich je Kopf
es 150 Kalorien. Der derzeitige Milchviehbestand kann
17 g Butter erbringen 136 Kalorien, die Schweine-
bestände 9 g Schmalz — 108 Kalorien und die Oliven-
und Ölfruchternte mit je 5 g Öl zusammen 90 Kalorien
täglich. Die Kartoffelernte ist auf mindestens
170 Mill. t zu veranschlagen, von denen 70 Mill. t nach
Minderung der Schweinebestände dem Direktverzehr
zugeführt werden können, das sind 550 g Kartoffeln
= 410 Kalorien. Die europäische Zuckerernte er-
möglicht einen Kopfverbrauch von 40 g täglich
= 160 Kalorien. Diese Posten zusammengefaßt er-
bringen 2400 Kalorien. Sie ergeben erfahrungsgemäß
vier Fünftel der Gesamternährung. Mit dem fehlenden
Fünftel errechnet sich ein Gesamtverbrauch von fast
2900 Kalorien. Das Ist der europäische Friedens-
311
verzehr, wobei allerdings eine Vegetabilisierung Platz
gegriffen hat, die aber keinerlei Gesundheitsschädi-
gung erwarten läßt.
Diese Feststellungen enthalten eine Mahnung an das
Ausland, die europäische Ernährungskapazität nicht
zu unterschätzen und den gewissenhafteren Sta-
tistikern Gehör zu geben, die dies auch auf der Feind-
seite vertreten. Wir möchten dabei auf die Tatsache
verweisen, daß zahlreiche englische Statistiker auch
über den englischen Nahrungsverzehr phantastisch
niedrige Zahlen errechnen, denen auch wir keinen
Glauben schenken. Für Kontinentaleuropa bedeuten
diese Zahlen eine Mahnung, auf dem Wege gegen-
seitigen Ausgleichs auch jedes einzelne europäische
Land auf diesen Durchschnitt zu heben. Europa lebt
in bescheidenen und im großen ganzen auch wohl-
geordneten Verhältnissen.
Der deutsche Soldat ist trotz seiner vorbildlichen
Leistungen ernährungsmäßig gesehen der beschei-
denste Soldat der Welt. Er lebt von Rationen, die
hinter den Friedenssätzen mancher europäischer
Neutralen noch zurückstehen und hat sich der
kontinental-europäischen Nahrungsmittellage ange-
paßt. Er bietet dem Europäer kein schlechtes Bei-
spiel und wirbt durch seine eigene Bescheidenheit
für eine angemessene Beschränkung des Verzehrs an
Veredlungserzeugnissen. Der englische und amerika-
nische Soldat verzehrt täglich zwei Drittel bzw. ein
englisches Pfund Fleisch (454 g). Wo er hinkommt, gibt
er einen bedenklichen Anreiz zu einer Verbrauchs-
steigerung an Edeierzeugnissen. Dem deutschen
Soldaten war das Betreten von Rom und das Aufkaufen
von Lebensmitteln strengstens verboten. Von den
amerikanischen und englischen Soldaten behauptet
selbst die feindliche Presse das Gegenteil. — Nicht
zuletzt, um dieses schlechte Vorbild zu bemänteln,
verspricht die UNRRA In einer Zeit, in der die Welt-
vorräte ihrer Neige entgegengehen und die Welt-
produktion an Nahrungsmitteln eher einem Rückgang
als einem Aufstieg entgegensteuert, der ganzen Welt
eine Aufbesserung der Lebenshaltung. Diese Praktiken
können die Welt nur verderben und ins Unglück
stürzen. Das Heil der Menschheit liegt nicht in einer
Nachahmung der amerikanischen Verbrauchssteige-
rung, die angesichts der Tatsache, daß In der östlichen
Welt die große Hälfte der Menschheit sich mit einem
Nahrungsverzehr begnügen muß, der den Verbrauch
der westlichen Welthälfte noch nicht zu zwei Dritteln
erreicht, gerade als Frivolität wirkt, sondern in einer
Anlehnung an die kontinental-europäische Umstellung
auf eine bescheidenere Lebenshaltung. Die inter-
nationale Ernährungsstatistik aber steht vor einer
schweren, verantwortungsvollen Aufgabe, die sie
mit der bisherigen oberflächlichen Praktik nicht wird
meistern können. Walter Hahn
Tauerngold
Würde es uns nicht das mustergültige Dorfbuch des
Hauptlehrers von Rauris künden, daß wir da in einem
besonderen Tal stecken, wir müßten es als aufmerk-
same Beobachter an den behäbigen Häusern des Dorfes
erkennen, am kleinen Dorfmuseum und ganz hinten
312
im Tal an den Resten einstiger Aufbereitungsanlagen-
Die Geschichte des sechs Gehstunden langen Tales
der Rauriser Ache, die durch die enge und wilde
Kitzlochklamm parallel dem bekannteren Gasteinertal
der Salzach zustürmt, hebt mit Gold und Silber an.
Über das Gebirge her, über jenen Teil des Tauern-
hauptkammes, der heute die Goldberggruppe heißt,
sind schon vor der Zeitrechnung die keltischen
Taurisker und nach ihnen die Römer in das unwirtliche
und unbesiedelte Tal gekommen. Nicht der Boden
lockte sie, sondern das Gold, das sie bis In eine Höhe
von 2000 m schürften. Die Salzburger Bischöfe, denen
auch dieser Graben schließlich anheimfiel, setzten den
Abbau fort, und es nimmt uns nicht wunder, daß auch
das Judentum Beute witterte. Aber dessen interesse
erlosch mit der immer geringer werdenden Fündig-
keit. Ignaz Rojacher aus Rauris, der sich vom Hüte-
buben zum Gewerken emporarbeitete, versuchte als
Einheimischer vor vielen Jahrzehnten nochmals das
Glück, und nach dem Anschluß ging man abermals
daran, mit neuer Bergwerkstechnik nach dem edlen
Erz zu schürfen.
Aber der Krieg kam und mit ihm festigte sich noch
stärker die Überzeugung, daß Gold als Gelddeckung
eine Chimäre sel. So glaubt man in Rauris.nicht mehr
an einen weiteren Abbau, er würde sich wohl auch
kaum lohnen. Die 2000 Einwohner des Tales werden
trotzdem nicht Hunger leiden. Die Landwirtschaft.
auf die man sich erst spät besann, ist Haupterwerbs-
zweig geworden, und als Aufbaudorf genießt Rauris
eine Fülle von Förderungsmaßnahmen, von denen
‚allerdings ein Teil infolge des Krieges zurückgestelit
werden mußte. Das Wesentliche ist hier, die Futter-
grundlage zu heben, denn die Viehzucht ist, da es im
steilwandigen und regenreichen Tal bei 16314 ha
Gesamtfläche bloß 528 ha Äcker gibt, Grundlage der
Wirtschaft.
Mit Feuereifer ist die in der Aufbaugenossenschaft
zusammengefaßte Bauernschaft bei der Sache und
keiner trauert dem Tauerngold nach. Zumal das Tal
noch andere Schätze birgt, die das nationalsozialistische
Reich höher wertet als edles Metall: der Kinder-
reichtum der Rauriser ist weit bekannt, das Tal gilt
nach dem Großarler als das kinderreichste Groß-
deutschlands. Famillen mit einem Dutzend Kinder
sind keine Seltenheit.
Lebendiges Tauerngold hat totes Metall abgelöst.
In den Höfen von Rauris und der Weiler Bucheben
und Wörth gilt eine große Familie als wesentliches
Zeichen einer Lebensbejahung, wie man sie sonst
kaum noch kennt. Es ist schon einmal so, daB dort.
wo es viele Kinder gibt, auch Lied und Musik zu Hause
sind. Das überkommene Brauchtum hat nicht nur als
Kapitel im Dorfbuch seinen Platz, sondern wurzelt
standfest in der Gegenwart. Das bezeugen, um nur
etwas zu nennen, die alljährlichen Perchtenläufe. Und
wie bodenverwurzelt sie alle sind, darüber legt wieder
die Lehrerin in Wörth ein Zeugnis ab: In den Jahren,
da sie der Schule vorsteht, ist niemand von den Buben
und Dirndin landflüchtig geworden, hat sich lebendiges
Tauerngold nicht durch Landflucht zur Scheidemünze
gewandelt. Dr. Hermann Legat
ME * Ng
> Ki >, — TK.
4 a
FÜR INDUSTRIE
e
LANDWIRTSCHAFT
22222
AUTO UNION
re
AUTO UNION A-G, ABT. DKW-MOTOREN, CHEMNITZ
PFLANZENSCHUTZ
Landwirte, Winzer, Obstbouern, Gët,
ner und Förster stehen dauernd im
Kampf gegen eine Unzahl von Un-
kräutern, Pflanzen-Schädlingen und
-Krankheiten. Ihre Waffen sind bewährte
chemische Mittel der Schering A.G., die
in langjähriger Forschungsarbeit: zum
Schutz der Ernten und zur Sicherung
unserer Ernährung geschaffen wurden.
17
S
ÍA
Al
IK
Bl)
Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen
auf dem Hoi meistnur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der au
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer
Stelle zur anderen bringen läßt.
Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß.
SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG
Generalorgas
ACKERSCHLEPPER RÄ)
l
UI)
|
—
iiinn
—,—m —
z
il
|
|
Das sieghaite „S“ — Dein
Losungswort, Sparkasse heißt
es, spare dort,
SPARKASSE
k
í
J
|
d
l
Ke 18)
WI
N
|=
Achtung! An alle Verfracnter!
Vorsatzbretter für gedeckte Güterwagen!
Ein neues Hilfsmittel der Deutschen Reichsbahn
für die Verladung von Schüttgütern!
Bei Fehlen von Verpackungs-
material können Schüttgüter
wie Getreide oder Hülsen-
früchte lose verladen werden.
Die Reichsbahn hat hierfür Vor-
satzbretter beschafft (s. obige
Abbildung). Sie passen für je-
den Güterwagen, werden von
innen in die Türen gestellt und
sind mit 2 Entlade-
DER schiebern versehen.
Räder müssen rollen für den Sieg!
Fordern Sie diese bahneigenen
Vorsatzbretter bei Ihrer Güter-
abſertigung an. Die Mietgebũhr
beträgt je Stuck RM 2.—. In kei-
nem Falle ist es also mehr not-
wendig, das wertvolle Wagen-
material durch Vernageln der
Cũterwagentüren mit Brettern
zu beschädigen. Jede Repara-
tur entzieht den Güterwagen
dem Verkehr.
Das Wort „einwecken“ stammt
von Johann Weck, dem Mann, der
das WECK-Verfahren begründet,
der die WECK-Gläser und WECK-
Geräte geschaffen bst. KI
I. ECK & C0, ÖFLINGEN IN BADEN
sei es wiris sha
out kann Krankheits-
erreger aufweisen.
Beizunqꝗ ist daher un-
bedinqt erforderlich.
eresan
Trocken- oder Naßbeize
für alle Getreidearten!
Hage
. G. FARBENINDUSTRIE 758
AKTIENGESELLSCHAFTf A
Pflanzenschutz-Abteilung GALEN
LEVERKUSEN R
`
>
ara
WA
1
* ` „
eigenes Hochzucht-
oder Handelssaat-
5
izao GoOgle
F
LR
se
1
d *
$i
Le
É
®
`
geet D bert Backe
AUGUST 1944 NUMMERII JAHRGANG? E DNITZZEOLOP RB AS AV2K IRM
INHALT
Dipl.-Landwirt Otto Keune, Hauptschriftleiter: Verkehrslenkung als Aufgabe
der Marktordnung ........ CCC EN RE EUER hear 313
Viktor Freiherr von Bülow, Vorsitzender der Hauptvereinigung der deut-
schen Zucker- und Süßwarenwirtschaft: Zuckerwirtschaft in der Kriegs-
CV!!! ]VUci.. ðii x 919
Dr. Georg Blohm, o. 6. Professor, Reichsuniversität Posen: Das Warthe-
land — Seine betriebs wirtschaftlichen und agrarpolitischen Aufgaben
Neues Leben im Wartheland (Bildbeilageõe'dd]s]]:ſ . . . .. D S.
Dr. Charlotte Lorenz, Professor, Universität Berlin: Das Gesetz in der Ver-
brauchswirts chatte 55 ĩ5ðĩiͥ g TE RR
Mädel weben für Soldaten (Bildbeilageoe 77s DEET DS
Dr. Alf Noll, Studiengesellschaft für deutsche Wirtschaftsordnung: Fi-
nanzierungsproblem und Geld flüssigkeit in der Landwirtschaft
Agrarpolitische Rundschau. „sus Vase
Ranabemerkungen. eee x
8 8 S8 8 RS RR
Die. ///ſ/ĩ ] ðſqA ðQi] ĩð2iu i een ah
Bildnachweis: Das Titelbild ist eine Aufnahme von Hans Heinig. — Die beiden Bildbeilagen , Neues
Leben im Wartheland' und „Mädel weben für Soldaten“ statteten die Photographen Limberg (Reichs-
nährstand) und Frau Lüdecke-Helbich mit Bildern aus.
An unsere Leser!
Der Präsident der Reichspressekammer hat in Durchführung der vom Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegs-
einsatz erlassenen Richtlinien auf dem Gebiet des Zeitungs- und Zeitschrlitenwesens als Sofortmaßnahme verschiedene
Einschränkungen angeordnet. Aus diesem Grunde erscheint unsere Zeitschrift „Deutsche Agrarpolitik‘ ab 1. September
d. Js. nur noch vierteljährlich. Letzte Ausgabe des 3. Vierteljahres ist die Folge 11 vom August. Die nächste Ausgabe
erscheint dann erst wieder im Oktober. Der Bezugspreis für das 4. Quartal 1944 beträgt deshalb nur 1,20 RM. zuzüglich
Bestellgeld. Vom 1. Januar 1945 an kann die „Deutsche Agrarpolitik“ bei Bestellungen im Abonnement nur noch für
eine Bezugszeit von einem Jahr statt bisher einem Vierteljahr bezogen werden. Der Abonnementspreis für das Kalender-
jahr 1945 beträgt zur Verrechnung der bereits bezahlten Folgen, die in diesem Kalenderhalbjahr nicht mehr erscheinen,
nur 3,60 RM. und vom 1. Januar 1946 an 4,80 RM. pro Kalenderjahr zuzüglich Bestellgeld.
Heil Hitler!
Zentralverlag der NSDAP., Franz Eher Nacht, GmbH.,
Zweigniederlassung Berlin.
Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Tell: Günther Pacyna,
Berlin-Wilmersdorf, tür den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:
Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fermruf: 195541.
Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts-
ruf 110022. Bezugspreis jährlich 4,80 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.
ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN
DEUTS
August 1944
OTTO KEUNE:
Nummer 11
VERKEHRSLENKUNG ALS AUF;
GABE DER MARKTORDNUNG
De liberalistische These, daß die aus-
schließlich auf Eigennutz abgestellte
wirtschaftliche Tätigkeit des einzelnen
Unternehmers und deren gegenseitige un-
gehemmte Konkurrenz letzten Endes doch
zu einem der Allgemeinheit dienlichen
Ausgleich führt, ist nirgends schlagender
widerlegt worden als in der Ernährungs-
wirtschaft. Ganz abgesehen davon, daß
unter diesem System das Landvolk seinem
sicheren Ruin entgegensteuerte, hat es
auch auf der anderen Seite dem städtischen
Verbraucher mehr Nachteile als Vorteile
gebracht. Man braucht hierbei nicht ein-
mal auf das Problem einzugehen, das sich
aus der völligen Abhängigkeit von der
Nahrungszufuhr aus dem Ausland für die
Versorgung der werktätigen Bevölkerung
ergab. Es genügt schon der Hinweis dar-
auf, da8 die — volkswirtschaftlich ge-
sehen — so sinnlosen Kreuz- und Quer-
läufe von Lebensmitteln als Wahr-
zeichen liberalistischen Markt-
geschehens ihre privatwirtschaftliche
Rechtfertigung immer nur in niedrigen
Erzeuger- oder hohen Verbraucher-
Preisen, oft verbunden mit abfallenden
Qualitäten, finden konnten. Denn es kann
ja, um nur ein Beispiel herauszugreifen,
schwerlich bewiesen werden, daß Hamburg
zu den natürlichen, also preisgünstigen Ab-
satzgebieten für Allgäuer Butter zählt und
daß diese dort dem Konsumenten in frische-
tem Zustand geliefert wird als Butter aus
dem benachbarten Schleswig-Holstein.
Es war daher eine der grundsätzlichen
Erkenntnisse der nationalsozialistischen
Agrarpolitik, daß die deutsche Volkswirt-
schaft in ihrer Gesamtheit ein dringendes
Interesse daran haben muß, den Weg der
Ware, vornehmlich aber der Nahrungs-
güter, vom Erzeuger zum Verbraucher so
kurz und kostensparend wie nur möglich
zu gestalten. Wer unter diesem Gesichts-
punkt die Marktordnung des Reichsnähr-
standes und die Arbeiten der Hauptvereini-
gungen seit ihrer Gründung verfolgt, wird
daher auf eine Fülle von Maßnahmen
stoßen, die alle einer weitgehenden Ver-
kehrsentilechtung und -vereinfachung die-
nen sollten. Dieses Ziel wurde bei elasti-
scher Anpassung an die Verschiedenheiten
der einzelnen Lebensmittel so konsequent
verfolgt, daß der Krieg, auch vom Stand-
punkt der nun allgemein vordringlich wer-
denden Verkehrsentlastung her gesehen,
keine entscheidende Neuorientierung er-
forderte. Es galt nur, bereits früher ge-
plante und eingeleitete Arbeiten beschleu-
nigt zum Abschluß zu bringen, sich auf
anderen Gebieten auf die veränderten
Verzehrsmöglichkeiten einzustellen und
schließlich überall dort härter in die
Lieferbeziehungen einzugreifen, wo der
friedensmäßige Lebenssiandard einen grö-
Beren Aufwand rechtiertigte.
Es soll nun Aufgabe der nachfolgenden
Ausführungen sein, an Hand von Einzel-
beispielen zu zeigen, daß die Verkehrs-
lenkung von den verantwortlichen Stellen
schon frühzeitig als umfassende Aufgabe
der Marktordnung angesehen wurde.
Man wird dann auch erkennen, daß sich
ohne die hierbei im Frieden geleistete Vor-
arbeit die Ernährungssicherung während
des Krieges kaum so reibungslos hätte
durchführen lassen, wie es bis jetzt mög-
lich gewesen ist. Dabei verdient die Tat-
sache besondere Beachtung, daß sich die
Steuerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse
gegenüber der gewerblicher Produkte in-
folge der Vielzahl der Erzeugerbetriebe
wesentlich schwieriger gestaltet. So rech-
nen wir in der Milchwirtschaft mit
etwa 3 Millionen Lieferanten, deren Milch
von rund 6000 Molkereien erfaßt wird. Man
muß sich vergegenwärtigen, daß rund
täglich 50 Millionen Kilogramm Milch in
2 Millionen Milchkannen bewegt werden,
um eine richtige Vorstellung von der riesi-
gen Transportleistung zu erhalten, die
hier entsteht. Wenn daher heute festgestellt
werden kann, daß die 6000 Molkereien
unter Ausschaltung früher üblicher Über-
schneidungen über geschlossene Einzugs-
/
Verkürzung der Anfuhrstrecken bei der Milchbelieferung von
EE
d
$
Te
eer
af
5 en . Co
x Ee TER
a:
. RER
2
{ 7
RR ` ER
AN
Zeg
1929 "E
314
. `
E RE DE vH. der Gesomlonluhr e See i
be wë A Ze Ke e$
e . — Je d
Lei." er t
2 ** we, A, er
72- Ra à
V (
1
gebiete verfügen, in denen sich die Milch-
anfuhr auf dem kürzesten und zweck-
mäßigsten Wege vollzieht, so kommt in
diesen wenigen Worten eine erfolgreiche
Organisationsleistung zum Ausdruck, die
die Voraussetzung dafür geschaffen hat,
daß die Milcherfassung selbst im Kriege
von Jahr zu Jahr gesteigert werden konnte.
Zahlenmäßige Unterlagen über die hierbei
insgesamt erzielte Verkehrsentlastung
liegen nicht vor.
Ein kleines Beispiel aus dem Rhein-Main-
Gebiet mag jedoch die Verhältnisse be-
leuchten. Durch die Regelung des Milch-
absatzes dreier benachbarter Ortschaften
wurde eine tägliche Transporteinsparung
von 3Kilometer oder von jährlich 1095 Kilo-
meter erzielt. Ähnliche Ergebnisse werden
sich bei genauer Nachprüfung für alle
Gegenden des Reiches ermitteln lassen.
Da 60 Prozent der Milch durch Lastkraft-
wagen aus den Dörfern abgeholt werden, sind
bei einer durchschnittlichen Ladefläche von
5000 Kilogramm in der Milchanfuhr 6000
i
Frankfurt o M.
"Ees e =
e
=. an ana gëf
— `
Ch
1935
—
Motorfahrzeuge eingesetzt, so daß leicht zu
errechnen ist, wie sich jeder weniger ge-
fahrene Kilometer nach den verschieden-
sten Richtungen hin auswirkt.
In gleicher Weise wie in der Milchwirt-
schaft wurden die Einzugsgebiete der
Zuckerfabriken bereinigt. Hier gelang
es, die Reichsbahn weitgehend von Rüben-
transporten zu entlasten und die Zahl der
gefahrenen Tonnenkilometer nicht un-
wesentlich zu senken. Trotz beträchtlicher
Steigerung des Transportvolumens als Folge
der Ausdehnung des Zuckerrübenanbaus
konnten daher die Fabriken auch während
des Krieges selbst bei größter Anspannung
der allgemeinen Verkehrslage in der kurzen
Zeit der Kampagne stets ausreichend mit
Rohware versorgt werden.
Die unterschiedlichen Klima-, Boden-
und Betriebsgrößenverhältnisse einerseits
und die Bevölkerungsverteilung anderer-
seits bringen es im großdeutschen Raum
mit sich, daß wir es bei den meisten Le-
bensmitteln mit Uberschuß- und Zuschuß-
gauen zu tun haben, die sich durch den
gleichmäßigen Rationsanspruch während
des Krieges besonders deutlich heraus-
schälen. Obwohl sich demnach ein sinn-
voller Abfluß der Ware von dem einen in
das andere Gebiet von selbst verstehen
sollte, liegen genügend Beweise dafür vor,
daß das „freie Spiel der Kräfte” oft genug
den umgekehrten Weg einschlug. Auf-
gabe der Marktordnung war es
daher, neben der Regelung der Er-
fassung den zweiten Schritt zutun
und verkehrslenkend in den Waren-
strom vom Erfassungsbetrieb bis
zum Bedarfsort einzugreifen. In der
Viehwirtschaft führten die ständigen
Preisschwankungen infolge des Mißver-
hältnisses zwischen Angebot und Nachfrage
zu einem völlig unübersichtlichen Vieh-
versand, wobei es nicht selten vorkam, daß
Vieh bis zur Schlachtung über mehrere
Märkte gehandelt wurde. Hier hat die
viehwirtschaftliche Marktordnung sehr
schnell Wandel geschaffen und durch eine
Reihe von Bestimmungen, vor allem durch
die Einführung der Voranmeldepflicht des
zum Verkauf vorgesehenen Viehs, eine ver-
H
nünftige Warenbewegung durchgesetzt, die
sich neben der Sicherung des Viehabsatzes
und der Fleischversorgung in erheblichem
Umfang verkehrsentlastend ausgewirkt hat.
Diese schon im Frieden bewährten Maß-
nahmen wurden im Krieg durch die Ein-
führung des sogenannten Richtstrahlen-
systems weiter verfeinert, das den Ver-
sand von Schweinen, Kälbern und Schafen
aus den einzelnen Uberschußgebieten nur
an bestimmte Märkte gestattet, den Einsatz
besonderer Viehzüge und eine volle Aus-
nutzung des verfügbaren Laderaums er-
möglicht.
Für die Kartoffelwirtschaft ergab
sich aus dem in den letzten Jahren steil an-
steigenden Speisekartoffelverbrauch die
zwingende Notwendigkeit einer straffen
Verkehrslenkung, die jeden Umweg aus-
schloß und den Waggonumlauf wesentlich
beschleunigte. Nur so war es der Reichs-
bahn möglich, die Waggongestellung von
100 Prozent im Jahre 1938/39 auf 349 Pro-
zent im Jahre 1942/43 zu erhöhen. Für jedes
Kartoffelüberschußgebiet wurde ein
Gruppenverteiler eingesetzt, der die
Versandaufträge laufend vom zuständigen
Kartoffelwirtschaftsverband nach den An-
weisungen der Hauptvereinigung erhält.
Alle Kartoffelhändler dieses Gebietes
sind andererseits verpflichtet, die von ihnen
erfaßten Kartoffeln dem Gruppenverteiler
anzudienen und nach dessen Verfügungen
abzufertigen. Eine entsprechende Regelung
sichert in den Empfangsgebieten eine rei-
bungslose Abnahme der einlaufenden Sen-
dungen. Statt daß wie früher 200 Berliner
Großhändler wahllos im ganzen Reich ein-
kaufen, ist nunmehr für die Reichshaupt-
stadt eine Arbeitsgemeinschaft von 9 Groß-
verteilern eingesetzt, die als Empfänger
aller ankommenden Waggons auftritt, für
deren Zulauf zu den zweckmäßigsten Güter-
bahnhöfen und ihre schnellste Entladung
durch den zugelassenen Kartoffelhandel
verantwortlich ist.
In beachtlichem Umfang verkehrsent-
lastend hat sich die in diesem Zusammen-
hang kurz erwähnte Beseitigung von Miß-
ständen in der Trinkmilchversorgung
unserer Großstädte dadurch ausgewirkt,
315
daß grundsätzlich nur das stadtnahe Gebiet Gastwirt) wurde als nächste Stufe in der
lieferberechtigt und somit u.a. ein Milch- Warenverteilung aber nicht nur von der
versand aus Ostpreußen, Schlesien oder Milchwirtschaft Aufmerksamkeit geschenkt.
dem Wartheland nach Berlin unter- So waren in der Brauwirtschaft die
sagt wurde. Auch bei der Milchverteilung Absatzverhältnisse infolge der früheren
im Stadtgebiet selbst wurden Transportein- Konkurrenzkämpfe derart zerrüttet, daß in
sparungen erzielt. Seit der Regelung des großem Ausmaß Kreuz-, Quer- und Gegen-
Trinkmilchmarktes ist beispielsweise Wien läufe an der Tagesordnung waren. Der
in 13 Bezirke eingeteilt, die von je einer Kampf um den Kunden hatte den Bier-
Molkerei mit Milch und Milcherzeugnissen transport völlig unwirtschaftlich gestaltet,
versorgt werden. Früher erfolgte die Be- so daß hier mit starker Hand eingegriffen
lieferung der 12500 Kleinverkaufsstellen werden mußte. In mühseliger Arbeit
durch Molkereien und Milcheinführer, haben die Brauwirtschaftsverbände eine
deren Gesamtzahl weit über dem Zehn- Bereinigung vorgenommen, durch die bis
fachen der Zahl der jetzt zugelassenen jetzt jährlich 3,5 Milliarden Hektoliter-
Molkereien lag und die, sich nach allen Kilometer eingespart und demnach sowohl
Richtungen überschneidend, die Milch auf Kohle durch geringere Belastung der
die unsinnigste Weise spazierenfuhren. Schiene, ferner Treibstoff durch geringere
Den Beziehungen zwischen Ver- Belastung der Straße als auch Fahrzeuge und
sorgungsbetrieb (Großhandel, Mühle, Personal in beachtlichem Umfang frei wur-
Brauerei) und Kleinhandel (Bäcker, den. Bezogen auf den jährlichen deutschen
1 unwirtschaftlcher Transport in der Bulterversorgeng
a, gezeigt am Beispielder Butterlieferungen u. -bezuge
o yon Sachsen-Anhalt und Thüringen.
e fynant
83
e d
d dé *
2 RTL
di K
L Si
.
V)
3
35
7, Wechentliche Butterheferungen und reg für
a j Grog- u.klleınwerberler sowie Verbraucher mn da
Leferungen ah hb.
Ze ron außerhalb e —
TE Ee DE a EE
> 8
4 VIIJ JIR FF te,
a v Ma
316
vi
Fr
Bierausstoß von 55000000 Hektoliter er-
gibt sich, daß dieser im Jahr insgesamt
65 Kilometer weniger bewegt wird. Diese
Arbeit war besonders deswegen so ver-
wickelt, weil im Falle eines Kundenaus-
tausches die oft erhehlichen finanziellen
Verflechtungen zwischen Gastwirt und
Brauerei in langwierigen Verhandlungen
geklärt werden mußten. Schwierigkeiten
bot nicht selten auch der Umstand, daß
Brauereien Inhaber van Gaststätten waren,
die sie nun nicht mehr beliefern durften.
Wir sahen, daß verkehrslenkende Vor-
schriften den Warenstrom vom Hof des Er-
zeugers über den Versand- und Empfangs-
großhandel bis zum Kleinverteiler nach-
haltig beeinflußt haben. Der Vollständig-
keit halber muß jedoch auch erwähnt wer-
den, daß dort, wo es nötig war, noch einen
Schritt weitergegangen und in die un-
mittelbare Belieferung des Ver-
brauchers eingegriffen wurde. So wurde
der ambulante Milchhandel vielfach auf
bestimmte Straßenzüge beschränkt; eine in
Friedenszeiten besonders stark kritisierte
Maßnahme, ohne die aber heute eine ord-
nungsgemäße Milchversorgung kaum denk-
bar wäre, da sie wesentliche Einsparungen
an Treibstoff, Zeit und Arbeitsaufwand zur
Folge gehabt hat. In ähnlicher Weise wurde
schließlich auch bei der Belieferung von
Privathaushaltungen, insbesondere Selbst-
versorgern, mit Brot und Backwaren ver-
fahren.
Die Abhängigkeit Deutschlands von Ein-
fuhren aus Übersee hat verschiedentlich zu
einer Zusammenballung von Ver-
arbeitungsbetrieben, insbesondere
von Getreide- und Olmühlen, in zu
den Einfuhrhäfen frachtgünstig gelegenen
Gebieten geführt. Mit der Umstellung der
deutschen Ernährungswirtschaft nach den
Grundsätzen der nationalen Selbstversor-
gung ergab sich hieraus eine außergewöhn-
lich starke Belastung des Verkehrs, solange
z.B. die Getreidemühlen im Westen und
Nordwesten desReiches entsprechend ihrer
früheren Beschäftigung an der Vermahlung
der deutschen Getreideernte beteiligt wur-
den. Die Mühlenkontingentierung
des Jahres 1934, fußend auf der Verarbei-
tung im Durchschnitt der Jahre 1927 bis
Deier weilterbewegt
innerhalb der Nahzone noch erforderlich,
1932, mußte demzufolge zunächst zu un-
befriedigenden Ergebnissen führen. So war
es auf die Dauer unhaltbar, daß in Pom-
mern gewachsener Weizen nach Baden ver-
frachtet, dort vermahlen und dann als Mehl
und Kleie wieder nach Pommern zurück-
transportiert wurde. Die Bestrebungen der
Hauptvereinigung der deutschen Getreide-
und Futtermittelwirtschaft zur notwendigen
Bereinigung derart unwirtschaftlicher Wa-
renbewegung setzten daher auch schon vor
dem Kriege ein, wurden aber durch diesen
wesentlich beschleunigt. Sie haben ihren
vorläufig endgültigen Niederschlag im so-
genannten „Mühlenplan“ gefunden, der
am 1. Januar 1944 in Kraft getreten ist.
Dessen Grundgedanke, die Vermahlung des
Getreides und den Absatz der Mahlerzeug-
nisse in erster Linie unter weitgehender
Einsparung an Transportmitteln und -lei-
stungen vorzunehmen, erforderte eine Ab-
kehr vom Begriff des bisherigen Mühlen-
grundkontingentes. An seine Stelle trat für
jede Mühle die Verarbeitungsanweisung
der Hauptvereinigung, losgelöst von der
Betriebsausnutzung in den Vergleichs-
jahren, allein den Gesichtspunkten des
Mühlenplanes tolgend, wobei zur An-
passung der Vermahlung an die Anbau-
und Verzehrsverhältnisse auch an eine Um-
wandlung früherer Roggenkontingente in
Verarbeitungsanweisungen für Weizen ge-
dacht wurde. Der Erfolg dieser Verlage-
rung der Mehlherstellung ergibt sich aus
nachstehender Überlegung. Während im
Wirtschaftsjahr 1942/43 im Altreich und
Sudetenland auf eine Entfernung von über
25 Kilometer rund 1,3 Millionen Tonnen
Mahlerzeugnisse befördert werden mußten,
‚sind es nach dem Mühlenplan jährlich nur
noch 710 000 Tonnen. Nimmt man bei vor-
sichtiger Schätzung an, daß die restlichen
600 000 Tonnen früher mindestens 25 Kilo-
wurden, als heute
so kann mit einer Verkehrsentlastung in
Höhe von 15 Millionen Tonnenkilometer
gerechnet werden. Hinzu kommt noch, daß
der verbleibende Ost-West-Verkehr von
Mehl einer eingehenden Prüfung unter-
zogen wurde mit dem Ziel, nur zusammen-
gefaßte Lieferungen aus begrenzten Über-
317
*
schußgebieten in geschlossene Zuschuß-
bezirke unter überwiegender Inanspruch-
nahme des Wasserweges zu dulden.
Die im Mühlenplan verankerten Gesichts-
punkte gelten auch für die Verarbei-
tung der Olsaaten. Allerdings liegen
hier die Verhältnisse ungleich schwieriger,
da der Anteil der überseeischen Einfuhren
noch bei Kriegsausbruch wesentlich größer
war als die inländische Erzeugung. Nach-
dem jedoch nunmehr durch die gewaltige
Steigerung des Olfruchtanbaues im Reichs-
gebiet auf 600 000 Hektar und den Fortfall
größerer Auslandszufuhren eine völlige
Umwälzung Platz gegriffen hat, wird sich
die Beschäftigung der Olmühlen im kom-
menden Wirtschaftsjahr so weit wie irgend
möglich nach ihrer Lage zu den Anbau-
gebieten richten.
Der Versuch, an Hand einer Reihe von
Beispielen aus Teilgebieten der Ernäh-
rungswirtschaft zu zeigen, daß die Markt-
ordnung des Reichsnährstandes in um-
fassender Weise verkehrslenkend und
verkehrsentlastend gewirkt hat, könnte
noch in mancher Hinsicht vervollständigt
werden. Der verstärkte Übergang
von der Bahn auf die Binnenschiff-
fahrt (z.B. beim Versand von Winterobst
und Grobgemüse), vom Lastkraftwagen
auf Pferdefuhrwerk (vor allem bei der
Milchanfuhr), die bessere Ausnutzung
des Laderaumes und die Bildung von
Transportgemeinschaften (beides
vorbildlich durchgeführt in der Fischwirt-
schaft) verdienen ebenso Erwähnung wie
die planvolle Lenkung der Einfuhren, die
u.a. in der Wein- und Trinkbranntwein-
wirtschaft eine besondere Rolle spielt. In
diesem Zusammenhang sei auch auf die
Tätigkeit der Verkehrsreferenten
bei den Landesbauernschaften hin-
gewiesen, die als Verbindungsmänner zwi-
schen Ernährungs- und Verkehrswirtschaft
in ihrem Bereich auf alle Fragen des Trans-
ports Einfluß nehmen. Sie sorgen für eine
ordnungsgemäße Gestellung von
Waggons ebenso wie für deren be-
schleunigte Entladung, spüren jedem
noch unentdeckt gebliebenen gebietlichen
Umweg mit Eifer nach, teilen zur Verfü-
gung stehende alte oder neue Lastkraft-
wagen sowie Treibstoffmengen je nach
318
Dringlichkeit auf die Bedarfsträger auf und
haben sich nach jeder Richtung hin als un-
entbehrlich herausgestellt. Ferner muß auch
die mittelbare Transporteinsparung an-
geführt werden, die dadurch angestrebt
wird, daß die Zuschußgebiete in diesem
Jahr 375 000 Tonnen Speisekartoffeln mehr
aufbringen sollen bei gleichzeitiger Ent-
lastung der Überschußgaue; eine Absicht,
deren Erfolg allerdings wesentlich vom
Ernteausfall abhängt. Erstmalig wurde auch
der Versuch unternommen, den Gemüse-
anbau in stärkerem Umfange in die Be-
darfsgebiete zu verlagern, selbst wenn
dabei in den ostwärtigen Teilen des Reiches
geringere Erträge in Kauf genommen wer-
den müssen. Schließlich verdient auch
noch die Herstellung konzentrierter Le-
bensmittel (Trockenspeisekartoffeln, Trok-
kengemüse, Trockenfleisch usw.) Erwäh-
‘nung, ohne die eine reibungslose Versor-
gung des Frontheeres unmöglich wäre.
Wir kommen wieder zum Ausgangspunkt
unserer Betrachtungen zurück. Im Gegen-
satz zur liberalistischen Wirtschaft hat es
die nationalsozialistische Agrarpolitik als
eine, ihrer grundlegenden Aufgaben an-
gesehen, den Absatz der Nahrungsmittel
vom Erzeuger bis zum Verbraucher nach
volkswirtschaftlichen Maßstäben zu lenken.
Sie hat sich dabei unterschiedlicher Me-
thoden bedient, die in ihrer Gesamtheit
nicht nur zu einer festgefügten Marktord-
nung, sondern auch zu einer Verkehrseni-
lastung geführt haben, deren Ausmaß
kriegsentscheidende Bedeutung beigemes-
sen werden kann. Wo auf einigen Gebieten
noch nicht alle Möglichkeiten der Trans-
porteinsparung ausgeschöpft sein sollten,
wird keine Mühe von den verantwortlichen
Stellen gescheut, um dem Idealzustand trotz
vielfacher Schwierigkeiten näherzukom-
men. Es darf jedoch nicht unberücksichtigt
bleiben, daß wechselnde Ernteergebnisse
und unerwartete Verschiebungen in der
Einfuhr immer wieder vor neue Lagen
stellen und alte Pläne über den Haufen
werfen. Gereift an den gesammelten Er-
fahrungen und den erzielten Erfolgen, wird
man jedoch das einmal für richtig erkannte
Ziel nicht aus den Augen verlieren, son-
dern stets vollkommener zu erreichen ver-
suchen.
VIKTOR VON BULOW:
. Zuckerwirtschaft
in der Kriegsbewährung
Mae im gleichen Maße wie andere
Zweige der Ernährungswirtschaft hat schon
von jeher die Zuckerwirtschaft über die Reichs-
grenzen hinausblicken müssen, denn ihre Sorge
um die Erhaltung des Zuckerrübenbaues in Eu-
ropa ist so alt, wie der Kampf zwischen
Rohrzucker und Rübenzucker. Als es
deutschen Züchtern gelang, Zuckerrüben zu
züchten, und deutschen Technikern, daraus
Zucker herzustellen, war dem Zuckerrohr, des-
sen Veredlungserzeugnis, der Rohrzucker, bis
dahin die Welt beherrschte, ein gefährlicher
Widersacher erstanden. In der Folgezeit nahm
die Rübenzuckererzeugung einen dauernd wach-
senden Aufschwung und dann neigte sich die
Waage des Weltverbrauches bald zur einen,
bald zur anderen Seite. Die Brüsseler
Zuckerkonvention 1902 und das Chad-
bourne-Abkommen 1931 waren Krisen-
zeichen dieses Kampfes. Europa ist ausschlie3-
lich Rübenzuckergebiet und seine Landwirt-
schaft mußte daher immer betroffen werden,
wenn der Absatz des Rübenzuckers unter dem
Angebot billig erzeugten tropischen Rohzuckers
litt. Zusammenarbeit der europäischen Rüben-
bauländer war deshalb schon immer geboten,
und stets verfolgte dabei England um seiner
händlerischen Interessen willen eigene Wege.
In diesem Zusammenhange gesehen, eröffnen
sich gerade der Zuckerwirtschaft des euro-
pdischen Festlandes für die Nachkriegszeit Aus-
sichten, die die Fortsetzung durch den Krieg nur
teilweise unterbrochener Aufgaben bedeuten.
Europas größter Zuckererzeuger ist Deutschland
und damit ist für seine Landwirtschaft die künt-
tige Gestaltung der Zuckerwirtschaft des euro-
päischen Festlandes von größter Bedeutung.
Umgekehrt dürfte aber auch das Bild der deut-
schen Zuckerwirtschaft von besonderer Wich-
tigkeit für seine Nachbarn sein.
Die Zuckerrübenanbaufläche verteilt
sich keineswegs gleichmäßig über die Gaue
unseres Vaterlandes. Sie hat ihren Kern im
mitteldeutschen Raum, also den Gegenden von
Halle, Magdeburg und Hildesheim, und strahlt
von dort nach allen Richtungen aus. Weitere
wichtige Rübenbaugebiete sind Schlesien, War-
theland, Westpreußen und das Rheinland. Auch
in Mecklenburg und Pommern hat der Rübenbau
seit einigen Jahrzehnten starke Ausdehnung er-
fahren. Süddeutschland, das Donauland und das
Sudetenland haben mit diesen Reichsteilen zwar
nicht Schritt halten können, weisen aber auch
bedeutenden Rübenbau auf. Die Zucker-
fabriken, in denen die Rüben unter Anfall
von Schnitzeln und Melasse teils auf Rohzucker,
teils unmittelbar auf Verbrauchszucker verarbei-
tet werden, befinden sich zu einem wesentlichen
Teil im Besitz der Rüben bauenden Landwirt-
schaft, die ihnen dafür eine Verfassung beson-
derer Eigenart mittels Aktien mit Neben-
leistungspflicht geschaffen hat. Diese Form
herrscht besonders in den alten Rübenbaugebie-
ten in weitem Bogen um den Harz herum vor
und hat das Beispiel abgegeben für die jüngeren
Fabriken besonders im deutschen Osten. Außer-
dem gibt es aber auch Zuckerfabriken, an denen
die Rüben bauende Landwirtschaft nur gering
oder gar nicht, jedenfalls nicht mit Lieferpflich-
ten, beteiligt ist. Landwirtschaftliche Beteiligung
kommt auch bei reinen Weißzuckerfabri-
ken häufig, bei reinen Raffinerien jedoch
selten vor. So bietet sich ein buntes Bild ent-
sprechend einem zeitweise ziemlich stürmischen
Wachstum der Zuckerwirtschaft in Deutschland
zu einer Zeit, in der der liberalistische Staat
seinen Einfluß darauf beschränkte, diesen Wirt-
schaftszweig als Steuerquelle anzusehen. Die
Rüben bauende Landwirtschaft aber war, allen
Wechselfällen des Weltmarktes ausgesetzt, auch
dort nur ganz unzureichend in der Lage, Rück-
schläge aufzufangen, wo sie als Inhaberin der
Zuckerfabriken sich um Ausgleich bemühte.
Wenn eine stetige Entwicklung eintreten sollte,
so konnte diese nur das Reich auf dem Verwal-
tungswege einleiten, und das war im libera-
listischen Staate unmöglich. Ein Wandel konnte
erst eintreten, als der Nationalsoziallsmus die
Zügel in die Hände nahm und auch auf dem
Gebiete der Zuckerwirlschaft die Rüben bauende
319
Landwirtschaft von jener Wellenbewegung be-
freite, die nun einmal naturnotwendig für sie das
ungesundeste Wirtschalftsklima ist.
Als sich die nationalsozialistische Führung der
deutschen Zuckerwirischaft annahm, war der
Rübenbau von einem Höchststand von 469000 ha
auf einen Tiefstand von 241000 ha im Altreich
abgesunken. Damit drohte den intensivsten Be-
trieben der deutschen Landwirtschaft Rückgang
der Bodenfruchtbarkeit und Rückgang der tie-
rischen Erzeugung. Es kam also für die landwirt-
schaftliche Führung darauf an, Wege zur Wie-
derausdehnungdesZuckerrübenbaues
zu finden, wobei in Rechnung gestellt werden
mußte, daß allein der Inlandsabsatz des Zuckers
möglich war, da eine Auslandsverwertung bei
den damaligen Weltmarktpreisen untragbare
Verluste gebracht hätte. Der Inlandabsatz
konnte jedoch bei der Verarmung des deutschen
Volkes und der zu jener Zeit erst im Abbau be-
findlichen ungeheuren Arbeitslosenziffer nur
beschränkt sein. Aus dieser Zwickmühle bot
sich nur ein Ausweg, der, mit größter Entschluß-
kraft beschritten, einen vollen Erfolg brachte,
nämlich die Trocknung von Rüben zu
vollwertigen Zuckerschnitzeln. Die
hierfür erforderlichen Anlagen wurden inner-
halb weniger Jahre in allen Zuckerfabriken des
damaligen Reichsgebietes geschaffen und liefer-
ten bei durch die Verbindung mit der Zucker-
fabrikation verhältnismäßig geringen Unkosten
ein wertvolles einheimisches Futtermittel, das
nicht nur die bis dahin starke Einfuhr auslän-
dischen Futtergetreides ersparen, sonders auch
die Verwendung von Brotgetreide auf nicht
gerstenfähigen Böden zu Futterzwecken über-
flüssig machen half. Die Erzeugung dieser
vollwertigen Zuckerschnitzel ermög-
lichte damit die Befreiung der deut-
schen Schweinemast von einer frem-
den Hypothek und darüber hinaus die
unmittelbare Nutzbarmachung der
gesamten Brotgetreideernte zur Brot-
vermahlung. Die Menge der hergestellten
vollwertigen Zuckerschnitzel stieg vom Frie-
densjahre 1934/35 auf mehr als das Fünffache im
Durchschnitt der Kriegsjahre. Diese Steigerung
geschah, trotzdem der Zuckerabsatz im Inland
entsprechend dem steigenden Wohlstande des
deutschen Volkes laufend stieg, denn der
Zuckerrübenbau dehnte sich bis zum Kriegs-
beginn im Altreich von 241 000 ha auf mehr als
das Doppelte aus. Als die Alpen- und Donau-
gaue und das Sudetenland zum Reiche zurück-
kehrten, kamen wertvolle Zuckerrübengebiete
hinzu. Von wesentlich größerer Bedeutung war
in zuckerwirtschaftlicher Hinsicht die Rückge-
winnung Danzig-Westpreußens und des Warthe-
landes. Auf der anderen Seite wuchsen die Auf-
gaben der deutschen Zuckerwirtschaft wieder
320
in den großen festland-europäischen Rahmen
hinein, denn nun galt es, Gebiete Europas mit
Zucker zu versorgen, die entweder keine oder
nur eine nicht ausreichende Zuckerversorgung
besitzen. Daß nicht nur diese Aufgaben in
jedem Kriegsjahr gelöst, sondern daneben die
schon vor dem Kriege hinsichtlich der Futter-
mittelerzeugung für die deutsche Schweinemast
gestellten außerdem voll erfüllt werden konnten,
muß als eine der wahrhaft großen Kriegs-
leistungen des deutschen Volkes bezeichnet
werden. Die Kultur der Zuckerrübe bedingt be-
kanntlich einen ungleich größeren Aufwand von
Sorgfalt und menschlicher und tierischer Ar-
beitskraft, als die jeder anderen im großen an-
gebauten Kulturpflanze. Die Zuckererzeugung
bedeutet technisch neben einer sehr großen An-
forderung an die Verkehrswirtschaft auch in
bezug auf die Beschaffung von Hilfs- und Be-
triebsstoffen einen sonst bei der Veredlung
landwirtschaftlicher Erzeugnisse nicht im ent-
ferntesten erforderlichen Aufwand chemischer
und physikalischer Energien. Ein Vergleich mil
den dauernd absinkenden Leistungen während
des ersten Weltkrieges zeigt, daß die Friedens-
leistung im zweiten Weltkrieg nicht nur ge
halten, sondern übertroffen ist. Damit hat die
Heimat auch auf dem Gebiete der Zuckemirl-
schaft sich der kämpfenden Front und der dem
Luftkrieg trotzenden Bevölkerung in vollem
Maße würdig erwiesen und den Beweis erbracht,
daß sie nach dem Endsieg allen Aufgaben ge-
wachsen ist, die Europa der deutschen Zucker-
wirtschaft stellen wird.
In welchem Umfang die Notwendigkeiten des
Krieges und seiner veränderten Wirtschaft die
Lösung dieser verschiedenartigen Aufgaben von
Rüben bauender Landwirtschaft und Zucker-
industrie erschwerten, wird späterer Unter-
suchung vorbehalten bleiben müssen, denn noch
stehen wir mitten im Schicksalskampf unseres
Volkes. Es bedurfte wesentlicher Umorgani-
sation auch der Lieferbeziehungen
zwischen Landwirtschaft und Zuckerfabriken
schon vor dem Kriege, um der Verkehrswirt-
schaft die Bewältigung der deutschen Zucker-
rübenernte von fast 20000000 t zu einer Zeit
ihrer höchsten Anspannung in ungünstiger Jah-
reszeit überhaupt zu ermöglichen. Von den etwa
500000 Rübenanbauern mußte ein sehr großer
Teil einer anderen als der gewohnten und be-
kannten Zuckerfabrik zugewiesen werden, um
soviel Frachtwege und soviel Laderaum einzu-
sparen, wie nur irgendmöglich. Dabei galt es.
möglichst viel Zuckerrüben der Beförderung mit
landwirtschaftseigenen Fuhrwerken zuzuführen.
Wer die enge Verbindung zwischen Rüben-
anbauern und Zuckerfabrik, besonders wenn
diese sich im gemeinsamen Besitz der Rüben-
bauer befindet, kennt, wer berücksichtigt, daß
oft mehrere Bauerngeschlechter hintereinander
diese Fabriken nicht nur beliefert, sondern an
ihrem Gedeihen und ihrem Ausbau mitgewirkt
haben, wird ermessen können, daß hier vielen
deutschen Rübenanbauern Opfer zugemutet
werden mußten, deren Notwendigkeit ihnen erst
erklärt werden mußte. Das traf ganz besonders
dort zu, wo sich der Rübenbau neue Gebiete
erobert hatte, in denen bisher nur einzelne
Pioniere diesen betrieben und sich dabei weit
entfernten Zuckerfabriken mit Beteiligung an-
geschlossen hatten. Dort waren nun im Laufe
der Jahrzehnte neue Zuckerfabriken entstanden,
ohne jedoch bisher Anspruch auf die Rüben der
anderwärts beteiligten Rübenanbauer zu haben.
Im Interesse der Verkehrswirtschaft war untrag-
bar geworden, was seit Generationen der Rüben
bauenden Landwirtschaft Selbstverständlichkeit
schien. Auf der anderen Seite mußte die sehr
verschiedene Höchstverarbeitungsmöglichkeit
jeder einzelnen Fabrik berücksichtigt werden,
um die volle Ausnutzung jedes Werkes nicht
nur in volkswirtschaftlichem Interesse, sondern
auch zwecks Erzielung eines angemessenen Rü-
benpreises zu gewährleisten. Da infolge der ver-
schiedenen Leistungsfähigkeit der deutschen
Zuckerfabriken deren Rübenpreise niemals
gleich sein können, haben manche Rübenanbauer
das weitere Opfer einer auf lange Sicht gerin-
geren geldlichen Rübenverwertung in Kauf neh-
men müssen, während andere sich natürlich ent-
sprechend verbesserten. So galt es also, einen
Ausgleich zwischen der notwendigen
Verkehrsentlastung einerseits und
der vollen Ausnutzung der Zucker-
fabriken andererseits zu schaffen.
Daß ein solcher Ausgleich niemals völlig ge-
lingen kann, dürfte klar sein. Es kann aber nicht
bestritten werden, daß der bestmögliche Zustand
trotz des Krieges erreicht wurde. Dieser Ver-
kehrsentflechtung auf dem Gebiete der
Zuckerrübenbewegung folgte eine gleiche
auf dem des Rohzuckers und des Verbrauchs-
zuckers. Immer aber mußten die geographischen
Grundlagen der Zuckerwirtschaft hierbei die
ausschlaggebende Rolle spielen. Diese sind nun
einmal derart, daß die Gebiete gehäuften
Zuckerverbrauches im Westen und Südwesten
unseres Vaterlandes, die Erzeugungsgebiete aber
im wesentlichen in dessen Mitte und Osten
liegen.
Da Zucker nicht nur dem unmittelbaren Ver-
zehr, sondern auch irf großem Umfange der Ver-
wendung in anderen Zweigen der Ernährungs-
wirtschaft dient, handelt es sich darum, allen
diesen Zwecken die ausreichenden Mengen,
auch unter den veränderten Bedingungen der
Kriegswirtschaft, zur Verfügung zu stellen. Das
ist in allen bisherigen, auch im fünften Kriegs-
jahr gelungen. Der größte Abnehmer war die
Süßwarenindustrie. Diese allerdings hat
sich, soweit sie nicht unbedingt kriegswichtig
ist, starke Einschränkungen im Zuckerverbrauch
gefallen lassen müssen. Allerdings waren die
Einschränkungen in diesem Rohstoff auch schon
deshalb unvermeidlich, weil die zahlreichen
anderen Rohstoffe ohnehin nur noch in dem für
die Kriegführung notwendigen Umfang zur Ver-
fügung stehen. So mußte sich die Süßwaren-
industrie auf diese Fertigung beschränken. Das
deutsche Volk hat diese Notwendigkeit ver-
standen, und zwar um so eher, als ihm die
Menge des friedensmäßig verbrauchten Zuckers
zum Verzehr ungekürzt zur Verfügung steht.
Daß dieser recht hohe Verbrauch je Kopf der
Bevölkerung bisher aufrechterhalten werden
konnte, dankt Deutschland dem Fleiß seiner
Bauern und Zuckertechniker. Das Reich selbst
hat in Fällen, wo die Erfüllung volkswirtschaft-
licher Aufgaben der Zuckerwirtschaft nur mit
Opfern möglich war, die den gerechten Preis der
Zuckerrüben zu beeinträchtigen drohten, ein-
gegriffen, indem es dafür aus Reichsmitteln Be-
träge zur Verfügung stellte, die den Rübenpreis
in angemessener Höhe sicherten. Solche Hilfe
von seiten des Reiches war selbst nach dem
strengen Winter 1941/42 nicht die Regel, sondern
nur für kriegsbedingte Sonderfälle notwendig.
Die Zuckerfabriken sind nach wie vor bestrebt,
aus eigener Kraft ihre volks- und kriegswirt-
schaftlichen Aufgaben so zu erfüllen, daß dabei
ein Rübenpreis erwirtschaftet wird, der ein ge-
rechter Lohn für die schwere Arbeit der Rüben-
anbauer ist. Es muß anerkannt werden, daß das
auch in der fünften Kriegskampagne in hohem
Maße gelungen ist. Die Vorbedingung für eine
ausreichende Zuckerrübenernte, also die Bestel-
lung einer genügend großen Fläche Zuckerrüben,
war damit wiederum auch für 1944 gegeben. Es
ist schon heute zu übersehen, daß die Rüben-
anbauer trotz aller anderen Anbaunotwendig-
keiten der Zuckerrübe wieder eine Fläche ein-
geräumt haben, die zur Erfüllung der verstärkten
Aufgaben der Zuckerwirtschaft genügt.
Deutschland und die von ihm mit Zucker be-
lieferten Länder Europas können also damit
rechnen, daß auch auf diesem Gebiet der Er-
nährungswirtschaft die Versorgung weiter den
Anforderungen gerecht werden kann, die zur
Erhaltung der Volkskraft und Gesundheit nötig
sind, wenn auch entsprechend dem Ernteaustall
mit Schwankungen in der Höhe der jährlichen
Rationen gerechnet werden muß. Den Völkern
Europas aber wird damit der schlüssigste Beweis
erbracht sein, daß der eigene Boden ihm genug
auch dieses hochwertigen Nahrungsmittels lie-
fern kann, so daß für das Festland der Kampf
zwischen Zuckerrohr und Zuckerrübe ausge-
kämpft ist,
321
—
GEORG BLOHM:
DAS WARTHELAND
Seine betriebswirtschaftlichen und agrarpolitischen Aufgaben
nmitten der weiten ostdeutschen Ebene zeigt
das Wartheland in klimatischer Beziehung eine
so weitgehende Einheitlichkeit, wie wohl kein
anderer Gau des Großdeutschen Reiches. Be-
stimmend ist dabei das kontinentale Uber-
gangsklima, das insbesondere durch seinen
Trockenheitscharakter, geringe Niederschläge,
niedrige Luftfeuchtigkeit, hohe Sommertempe-
raturen, starke, austrocknende Winde die
Organisation und Wirtschaftsführung der Land-
wirtschaft beeinflußt. Selbstverständlich treten
auch im Wartheland in den einzelnen Gebieten
gewisse klimatische Unterschiede auf, so neh-
men z.B. die Niederschläge im Westen und
Süden des Gaues und auch im Osten zu, während
sich ein ausgesprochenes Trockengebiet nord-
östlich von Posen bis hinauf nach Kujawien er-
streckt. Diese Unterschiede kommen auch wohl
in der Anbauwürdigkeit einzelner Kultur-
pflanzen zur Auswirkung, sie sind aber keines-
wegs so ausgeprägt, daß durch sie die Betriebs-
form der Landwirtschaft beeinflußt werden
könnte. Infolgedessen werden im Warthegau
die verschiedenen Betriebstypen
nicht durch die klimatischen Unter-
schiede, sondern durch die jeweiligen
Bodenverhältnisse und nicht zuletzt
durch die Betriebsgröße bestimmt.
Der Boden ist außerordentlich wechselnd,
wie überall der Glazial-Boden Nord- und Ost-
deutschlands, angefangen von der wertvollen
Schwarzerde Kujawiens bis zum leichtesten
Sandboden, der in Zukunft der Aufforstung zu-
geführt werden muß, weil er unter den heutigen
Anforderungen des bäuerlichen Lebensstan-
dards nicht mehr kulturwürdig erscheint. Fast
jeder Kreis verfügt über guten und minder-
wertigen Boden, wenn auch selbstverständlich
sich innerhalb des Reichsgaues gewisse Distrikte
besonders durch die Verbreitung bester Kultur-
böden auszeichnen. Aber durchweg charakte-
ristisch für den Boden des Warthelandes ist als
Folge des niederschlagarmen Klimas seine
günstige Tätigkeit und leichte Bearbeitbarkeit,
322
während schwere, bindige Tonböden, wie wir
sie in dem feuchten, kühlen Küstenklima Nord-
deutschlands, z.B. in Ostpreußen, weit ver-
breitet finden, vollkommen fehlen.
Nicht minder bedeutungsvoll wie die Boden-
verhältnisse ist allerdings für die Gestaltung
der landwirtschaftlichen Betriebstypen die
Betriebsgröße. Während z.B. angesichts
des schon recht extremen Kontinentalklimas in
den Großbetrieben und großbäuerlichen Wirt-
schaften der intensive Ackerbau die Betriebs-
organisation beherrscht, sind die bäuerlichen
Familienwirtschaften vorwiegend aus arbeits-
wirtschaftlichen Gründen auch in dem Trocken-
gebiet des Ostens auf eine autark entwickelte
Veredelungswirtschaft angewiesen. Es läßt sich
daher nicht leugnen, daß rein betriebswirt-
schaftlich gesehen die Groß- und groß-
bäuerlichen Betriebe sich leichter den im
Wartheland gegebenen natürlichen Standorts-
verhältnissen in ihrer Betriebsorganisation an-
zupassen vermögen als die kleinbäuerlichen
Wirtschaften. Aus diesem Grunde ist es auch
durchaus zweckmäßig, wenn man in diesen Ost-
gebieten dem Großgrundbesitz und vor allem
den großbäuerlichen Betrieben einen höheren
Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche
zubilligt, wie dies unter niederschlagsreicheren,
mehr futterwüchsigen natürlichen Bedingungen
wünschenswert erscheinen mag.
Das Wartheland umfaßt heute Gebietsteile, die
über ein Jahrhundert verschiedenen Staaten
zugehört haben, so die ehemals preußischen
Westkreise und die ehemals russischen Ost-
kreise. Die kurzen zwanzig Jahre polnischer
Herrschaft haben es keineswegs vermocht, die
sich aus dieser verschiedenartigen historischen
Entwicklung ergebenden Unterschiede im wirt-
schaftlichen und agrarpolitischen Gefüge nen-
nenswert auszugleichen, So ist vor allem in den
ehemals russischen Kreisen die verkehrs-
technische Erschließung noch denkbar
unbefriedigend, und sie zwingt die landwirt-
schaftlichen Betriebe, die jeweiligen Absatz-
und Verkehrsverhältnisse in ihrer gesamten
Betriebsorganisation wesentlich stärker zu be-
rücksichtigen, als wir dies heute bei der sehr
einheitlichen Verkehrserschließung des Alt-
reiches gewohnt sind.
Die außergewöhnliche Ausgeglichenheit der
natürlichen Standortsbedingungen im Warthe-
land muß sich naturgemäß auf die betriebs-
wirtschaftliche Lenkung der land-
wirtschaftlichen Erzeugung durchaus
günstig auswirken, denn sie erleichtert einmal
die Ausrichtung der Erzeugungspropaganda und
ermöglicht zum anderen eine sehr einheitliche
Schulung der Betreuer und Wirtschaftsberater.
Soweit der Krieg eine systematische Landwirt-
schaftsförderung überhaupt zuläßt, ist in der
Tat bereits in den letzten Jahren eine außer-
ordentlich einheitliche Ausrichtung der gesam-
ten landwirtschaftlichen Produktion erzielt
worden, die insbesondere durch folgende zwei
Tatsachen unterstützt wurde: Der gesamte ehe-
mals polnische Grundbesitz wurde der Wirt-
schaftsführung der Reichslandbewirtschaftungs-
gesellschaft im Interesse des Reiches übergeben,
sei es, daß auf den Großbetrieben reichseigene
Wirtschaftsoberleiter zum Einsatz kamen, oder
daß der polnische Kleingrundbesitz nur der
Oberaufsicht der Reichsland unterstellt wurde,
Immerhin bedeutet die Einschaltung der Reichs-
land eine außerordentlich gleichartige Wirt-
schaftsführung nach vollkommen einheitlichen
Richtlinien. Zum anderen wurden in den
vier ersten Kriegsjahren nicht weniger als
35 000 landwirtschaftliche Umsiedlerfamilien im
Wartheland angesetzt, die in ihrer früheren
Heimat grundsätzlich andersartigen natürlichen
und wirtschaftlichen Produktionsbedingungen
entstammen und sich daher in ihrer gesam-
ten betriebswirtschaftlichen Wirtschaftsführung
völlig neu auf die hier vorgefundenen Verhält-
nisse einstellen müssen. Auch dieser Umstand
bot Gelegenheit, durch die Betreuer des Reichs-
nährstandes, des Landwirtschaftlichen Treu-
handverbandes und der Bauernsiedlungen eine
sehr einheitliche Ausrichtung der landwirt-
schaftlichen Betriebsorganisation durchzusetzen.
Dabei muß das Schwergewicht der landwirt-
schaftlichen Betriebsorganisation im Wartheland
selbstverständlich auf der intensiven Feld-
wirtschaft und insbesondere auf dem Hack-
fruchtbau mit Zuckerrüben und Kartoffeln
liegen. So ist in den letzten Jahren die gesamte
Erzeugungsschlachtpropaganda in erster Linie
auf die Ausdehnung des Hackfruchtbaues ab-
gestellt gewesen, womit auch erreicht wurde,
daß heute kaum ein Betrieb über einen gerin-
geren Hackfruchtbau als 20 v.H. der landwirt-
schaftlichen Nutzfläche verfügt, und daß dieser
— besonders in den großbäuerlichen und Groß-
betrieben — sehr häufig den Anteil von 30 v.H.
der landwirtsehaftlichen Nutzfläche übersteigt.
Im Hinblick auf die Entwicklung des Hack-
fruchtbaues liegt die betriebswirtschaftliche
Aufgabe heute kaum mehr in einer weiteren
Steigerung seiner Anbaufläche, sondern viel-
mehr in der Erhöhung seiner Erträge, die mit der
schnellen Ausweitung des Anbaues nicht haben
Schritt halten können.
In der Steigerung der Felderträge muß
überhaupt eines der wichtigsten betriebswirt-
schaftlichen und agrarpolitischen Probleme des
Reichsgaues erblickt werden, denn allgemein
liegen sie mindestens um 25 v.H. unter den-
jenigen der Gebiete des Altreiches mit ähnlichen
natürlichen und wirtschaftlichen Voraussetzun-
gen. Ausgangs des vorigen Weltkrieges mit
Beginn der polnischen Herrschaft übertrafen die
Erträge der ehemals preußischen Gebiete die
der russischen Kreise um etwa 30 v.H. Im Laufe
der zwanzig Jahre polnischer Herrschaft ist aber
allmählich eine fast völlige Angleichung
zwischen den beiden Teilgebieten zuungunsten
der preußischen Kreise. Zu den wichtigsten
Maßnahmen für die Erzielung einer nachhalti-
gen Ertragssteigerung gehört insbesondere eine
Verbesserung der Humusversorgung
desAckers, die angesichts der Vernachlässi-
gung der Viehwirtschaft zur polnischen Zeit
keineswegs den Anforderungen einer inten-
siven Kulturwirtschaft mit umfangreichem Hack-
fruchtbau entspricht. Sie kann dabei vor allem
auf den leichten Böden durch eine Zwischen-
frucht-Gründüngung günstig ergänzt wer-
den. Unerläßlich ist auch eine Erhöhung der
Handelsdüngeranwendung, die jedoch
erst nach dem Kriege in Aussicht genommen
werden kann. Fast alle Bodenuntersuchungen
zeigen, daß der Phosphorsäure- und Kaligehalt
des Ackerlandes völlig ungenügend ist. Drin-
gend notwendig ist ferner eine Verbesse-
rung der Anbautechnik. Wohl bei keiner
Kulturpflanze wirkt sich die Güte der Anbau-
technik so durchschlagend aus, wie bei der Kar-
toffel. Es ist verständlich, daß den Umsiedlern,
die hier zum erstenmal einen intensiven Kar-
toffelbau betrieben, die Erfahrungen in der
Anbautechnik noch vielfach fehlen.
Während des Krieges konnte die Steigerung
des Hackfruchtbaus, insbesondere der Kartof-
feln, unbedenklich vorgenommen werden, weil
bei dem hohen Bedarf des Altreiches an Speise-
kartoffeln Absatzschwierigkeiten in keiner
Weise zu befürchten sind. Während der Absatz
der Zuckerrüben dank der Verarbeitung in den
Zuckerfabriken auch für die Zukunft gesichert
ist, wird die Unterbringung der Kartoffeln nach
dem Kriege auf außerordentliche Schwierig-
keiten stoßen, da der derzeitige Produktions-
umfang des Warthelandes den Eigenbedarf weit
überragt, dies um so mehr, wenn es einmal ge-
lingt, volle Hektarerträge zu erzielen. Infolge-
dessen muß der Verwertung der Kartoffeln in
einer genügend ausgebauten landeseigenen
Verarbeitungsindustrie größte Aufmerk-
samkeit geschenkt werden. Aber noch wichtiger
ist der Aufbau einer ausgedehnten
323
è
Schweinemast als einem der wichtigsten
Betriebszweige bäuerlicher Familienwirtschaf-
ten, der allein eine hinreichende Verwertung
der Kartoffeln in dieser Betriebsgröße ermög-
licht. Das Wartheland bietet in jeder Beziehung
günstigste Voraussetzungen für die Schweine-
haltung, so daß nach dem Kriege zumindest
eine Verdoppelung der derzeitigen
Schweinebestände anzustreben ist, um die
Aufrechterhaltung des umfangreichen Kartoffel-
baues in den bäuerlichen Familienwirtschaften
sicherzustellen. Zur polnischen Zeit ist als Folge
der Absatzschwierigkeiten die Schweinehaltung
stark vernachlässigt worden.
Die Kriegswirtschaft zwingt dazu, auch im
Wartheland im großen Umfange Spezialkul-
turen, wie z. B. Ol-undFaserpflanzen, zum
Anbau zu bringen und ihre Verbreitung durch
schematisch auferlegte Anbau- und Abliefe-
rungskontingente sicherzustellen, ohne ihre
Anbauwürdigkeit unter den gegebenen Stand-
ortverhältnissen hinreichend erforscht zu haben.
So wird es in Zukunft die Aufgabe der zweck-
mäßigen betriebswirtschaftlichen Lenkung sein,
den Anbau dieser Spezialkulturen, insbesondere
die Auswahl der betr. Kulturpflanzen sach-
gemäß den jeweiligen Standortsbedingungen
der einzelnen Gebiete anzupassen. Denn je mehr
es gelingt, die landwirtschaftliche Betriebs-
organisation und den Anbau der Kulturpflanzen
auf die jeweiligen natürlichen Voraussetzungen
auszurichten, um so günstiger für die Entwick-
lung der Leistungskapazität und für die Senkung
des Risikos in der Landwirtschaft, worauf im
Kontinentalklima besonderer Wert gelegt wer-
den muß. Dank der derzeitig günstigen Kon-
junktur und unterstützt durch die sehr guten
Arbeiterverhältnisse wurde während des Krie-
ges ein umfangreicher Gemüsebau entwickelt,
der keineswegs überall im Reichsgau die geeig-
neten natürlichen Voraussetzungen findet. All-
mählich aber zeichnen sich hinsichtlich Klima
und Boden gewisse Gebiete ab, die für einen
dauerhaften, hinreichend ertragssicheren Ge-
müsebau die gewünschten Standortsbedingun-
gen aufweisen.. Nach Vorliegen genügender
Erfahrungen sind in Zukunft diese Anbaugebiete
abzugrenzen und als Grundlage für einen dauer-
haften Gemüsebau die entsprechenden Verwer-
tungsmöglichkeiten, vor allem im Aufbau einer
Gemüseverwertungsindustrie zu schaffen. Eine
besondere Eignung besitzt das Klima dagegen
durchweg für den Gemüsesamenbau.
Das betriebswirtschaftliche Grundproblem der
ostdeutschen Trockengebiete stellt die Schaf-
fung einer guten Futtergrundlage für
einen ausreichenden Viehbestand, eine Aufgabe,
die um so schwerer wiegt, weil der Grünland-
anteil gering und dieses außerdem zumeist von
mangelhafter Qualität ist. Auch die im großen
Umfange beabsichtigten und teilweise bereits
eingeleiteten Meliorationen werden nicht immer
zu der gewünschten Besserung führen, denn das
324
Problem dieser erschöpft sich nicht allein in der
Entwässerung, sondern verlangt vielmehr eine
geregelte Wasserbewirtschaftung überhaupt. So
wird in Zukunft die Nutzung der künstlichen
Beregnung, wie z.B. zwecks Anlage von Jung-
viehweiden, nicht unwesentlicher sein als die
Entwässerung weiter Grünlandflächen. Die
Futterversorgung aus dem Ackerfutterbau ist
vorwiegend auf die Luzerne und den Zwischen-
fruchtbau mit Gärfuttergewinnung abzustellen,
denn nur so kann die schwierige Forderung
einer gleichmäßigen und ausreichenden Futter-
versorgung der Rindviehbestände während des
ganzen Jahres im Trockenklima erfolgreich ge-
löst werden. In Zukunft können hierbei die neu-
zeitlichen Trocknungsanlagen einen wertvollen
Dienst leisten, weil sie es ermöglichen, auch
den Zwischenfrucht- und Zweitfruchtbau zur
Rauhfuttergewinnung heranzuziehen.
Die Entwicklung eines betriebswirtschaftlich
wohlorganisierten Futterbaues wird 2. Z. durch
die kriegsbedingten Erschwernisse in der
Futtersaatbeschaffung unangenehm behindert.
Und hierunter leidet naturgemäß auch der Auf-
bau der Nutzviehbestände, die allein
schon im Hinblick auf die Stalldungversorgung
des Ackers als unzureichend zu bezeichnen sind.
Denn auch in den Trockengebieten des Ostens
ist eine gesunde Humuswirtschaft die unerläß-
liche Voraussetzung für die Entwicklung einer
befriedigenden Bodenfruchtbarkeit. Somit ist
trotz der Erschwernisse im Futterbau eine Er-
höhung der Nutzviehbestände und damit in
erster Linie der Rindviehbestände
unerläßlich, wobei außerdem die zu erwartende
Einschränkung des heute noch außerordentlich
hohen Besatzes an tierischen Zugkräften zu be-
rücksichtigen ist, der bei vollem Einsatz der
Schlepper in wenigen Jahren nach dem Kriege
ohne Zweifel eine Verminderung von etwa
50 v.H. erfahren wird. Das Schwergewicht der
Rindviehhaltung liegt heute auf der Milch-
wirtschaft, und auch für die Zukunft wird
sie das Rückgrat der Nutzviehhaltung im
Wartheland bilden müssen. Aber stets wird die
Jungviehaufzucht und die Gesundheitspflege
der Mikchviehbestände angesichts des Mangels
an Dauerweiden und der Schwierigkeit der
Rauhfutterbeschaffung erhebliche Sorgen ver-
ursachen. Demgegenüber machen sich diese
Nachteile der natürlichen Standortsbedingun-
gen in der Rindermast keineswegs derart
unangenehm bemerkbar, ganz abgesehen davon,
daß in den intensiven Hackfruchtbetrieben wie
in dem Rübenblatt der Zuckerrübenwirtschaf-
ten und der Schlempe der Brennereiwirtschaften
eine hervorragende Futtergrundlage für die
Mastwirtschaft zur Verfügung steht. So hat vor
dem ersten Weltkriege die Rindermast in den
ehemaligen preußischen Kreisen eine sehr große
Bedeutung gehabt, und es ist anzustreben, diese
auch neben einer ausreichenden Milchvieh-
haltung nach Beendigung dieses Krieges wieder
aufzubauen. Da sie aber als Altrindermast ın den
ES
8
S
IS
=
S
S
Š
z
\
N mm eren TI:
Infolge des ausgeprägten Kontinentalklimas beherrscht in den Großbetrieben und großbäuerlichen Wirtschaften der
intensive Ackerbau die Betriebsorganisation. Charakteristisch für den Boden des Warthelandes ist als Folge des |
niederschlagarmen Klimas seine günstige Tätigkeit und leichte Bearbeitbarkeit
Vorbildliche
Schweinestallungen
Das Wartheland bietet in jeder Beziehung günstigste Voraussetzungen für eine starke Schweine-
haltung. Diese ist besonders für die bäuerlichen Familienwirtschaften einer der wichtigsten
Betriebszweige
= —
v vv O zo
= | - ~il RI
"4 )
sf AC wé (a
Y
dorf Wilhelmswalde gemacht
ü
Kai
E
©
E
OI
©
77
©
E
E
(e5)
8 mm
—
8
Ba
E o
© v
O 5
O
8 `
—
©
2
—
un
Ou
Bal
©
D
A
0
D
2
D
Bauern aus dem Nachbardorf haben einen Be-
such in dem vorbildlich neuerrichteten Bauern-
Die Schafhaltung findet im Wartheland ausgezeichnete Voraussetzungen; denn für sie stehen in den inten-
siven Hackfruchtbetrieben mit umfangreichem Leguminosenbau stets ausreichende Abfallfutterstoffe zur Verfügung
Warmblutfohlen auf der Koppel — Das Schwergewicht der Rindviehhaltung liegt auf der Milchwirtschaft.
Die Jungviehaufzucht und die Gesundheitspflege der Milchviehbestände bereiten im Wartheland infolge des
Mangels an Dauerweiden und der Schwierigkeit der Rauhfutterbeschaffung dem Landwirt erhebliche Sorgen
Ländlicher Kinderreichtum ist die sicherste Bürgschaft der Eindeutschung und Behauptung des Warthe-
landes als deutscher Volksboden
a
Digitized by. CS
E
Eine der wichtigsten Aufgaben war der Wiederaufbau des deutschen Schulwesens. Das Bild oben zeigt
bauern, der für den eingezogenen Lehrer eingesprungen ist, beim Unterricht
ut
- großbäuerlichen und Großbetrieben auf den
Zukauf von Magervieh angewiesen ist,
muß der zukünftigen Versorgung des Reichs-
gaues mit preiswertem Magervieh im Herbst
aus den Weidegebieten der Küste oder des Ge-
birges besondere Aufmerksamkeit geschenkt
werden. Ebenso ungenügend wie der Umfang
der Nutzviehhaltung ist heute im allgemeinen
die viehwirtschaftliche Leistung, wie insbeson-
dere der Milchertrag in der Rindviehhaltung.
Ihre Hebung ist wiederum eine Aufgabe der
zweckmäßigen Futterversorgung ebenso wie
einer sachgemäßen Gesundheitspflege der Vieh-
bestände.
Ausgezeichnete Voraussetzungen findet im
Reichsgau Wartheland schließlich auch die
Schafhaltung, denn für sie stehen in den
intensiven Hackfruchtbetrieben mit umfang-
reichem Leguminosenbau stets ausreichande
Mengen Abfallfutterstoffe zur Verfügung. Aller-
dings wird sie fast ausschließlich als Guts-
schäferei auf die Großbetriebe beschränkt blei-
ben, aber im Gegensatz zu dem abnormen
Rückgang der Schafhaltung zur polnischen Zeit
bieten sich. ihr heute wieder beste Entwick-
lungsmöglichkeiten.
Die Arbeitsverfassung des Warthe-
landes zeigt auch heute noch die typischen
Merkmale eines osteuropäischen Agrarstaates.
Die billigen und stets reichlich zur Verfügung
stehenden Arbeitskräfte und demgegenüber die
unverhältnismäßig hohen Preise für landwirt-
scha ftliche Maschinen und Geräte haben zur
polnischen Zeit nicht die geringsten Voraus-
setzungen für eine neuzeitliche Technisierung
der Landwirtschaft geboten. Besonders in den
ehemaligen russischen Kreisen ist daher die
gesamte Arbeits wirtschaft noch in einem der-
artig en Ausmaße auf die Handarbeit eingestellt,
wie wir es im Altreich schon seit Jahrzehnten
nicht mehr kennen. Wenngleich in den letzten
Jahren schon beachtliche Zahlen von landwirt-
schaftlichen Arbeitern in das Altreich ab-
gegeben wurden, verfügt die Landwirtschaft
auch heute noch über einen sehr reichlichen
Besatz an Arbeitskräften, von denen infolge des
Kinderreichtums der polnischen Landarbeiter
und der bisher gänzlich unbedeutenden Abwan-
derung der Anteil der jugendlichen Arbeits-
kräfte außerordentlich hoch ist. Diese reichlich
zur Verfügung stehenden noch sehr billigen
Arbeitskräfte gestatten es heute noch, die Zah)
der Beschäftigten auf den Höchstbedarf der
wichtigsten Arbeitsspitzen des Hackfruchtbaues
einzurichten.
Wenngleich der hohe Besatz mit Arbeitskräf-
ten die Intensivierung der Landwirtschaft im
Sinne der Kriegswirtschaft während der letzten
Jahre bestens gefördert hat, ist naturgemäß
aber angesichts der völlig unzureichenden Me-
chanisierung die Erzeugungsleistung je
Arbeitskraft heute noch unverhältnismäßig
gering. Sie beträgt im Durchschnitt kaum
50 v.H. derjenigen Erzeugung, die von deut-
schen Landarbeitern im Altreich vor diesem
Krieg in zweckmäßig organisierten Betrieben
erreicht wurde. Es bedarf kaum der Erwähnung,
daß eine derartige Arbeitsverfassung für die
Zukunft untragbar ist, zumal wenn die allmäh-
liche Eindeutschung des Landarbeiterstandes
und damit die unerläßliche Hebung ihres
Lebensstandards eine erhebliche Lohnsteigerung
unvermeidlich macht. Das Ziel der Hebung der
Erzeugung je Arbeitskraft kann nur durch
wesentliche Verminderung des Gesamtarbeits-
kräftebesatzes unter weitgehender Me-
chanisierung insbesondere der ausgepräg-
testen Arbeitsspitzen der Hackfruchternte und
Hackfruchtpflege usw. erreicht werden. Und da
auch im Wartheland mit zunehmender Entwick-
lung der Industrie in den Städten eine starke
Abwanderung der jugendlichen Arbeitskräfte
in den nächsten Jahren eintreten wird, ist die
Zahl der ständigen Landarbeiterfamilien erheb-
lich zu erhöhen, vor allem in den mittel- und
großbäuerlichen Betrieben.
Aber das größte Problem bleibt die An-
setzung deutscher Landarbeiter, die
am zweckmäßigsten durch die Schaffung von
Freiarbeiterstellen mit Eigenheim und Eigenland
in den Bauerndörfern und durch Einstellung
von deutschen Spezialarbeitskräften, wie Auf-
sichtspersonal, Viehpflegern, Handwerkern in
den Großbetrieben eingeleitet wird.
Diese kurze Betrachtung zeigt, wie groß die
betriebswirtschaftlichen Aufgaben sind, die in
der Landwirtschaft des Warthelandes in den
kommenden Jahren der Lösung harren. Dem-
gegenüber ist zu bedenken, daß sowohl die alt-
eingesessenen deutschen Bauern im ehemaligen
russischen Teilgebiet wie auch die größte Zahl
der Umsiedler aus der extensiven Selbstversor-
gungswirtschaft stammen und ihnen daher die
betriebswirtschaftlichen Anforderungen unserer
intensiven Kulturwirtschaft bisher weitgehend
fremd waren. Weiterhin ist selbstverständlich,
daß sowohl den Alteingesessenen wie den Um-
siedlern vor dem Kriege eine umfassende Be-
treuung, Anleitung und Berufsausbildung nicht
zuteil geworden ist. Diese Tatsache wirkt sich
heute in einer außerordentlichen Streu-
breite in der Leistungsentwicklung
der einzelnen Betriebe aus und erfordert
für die Zukunft ein bestens aufgebautes
System der Berufsschulung der Ju-
gend wie auch der Betreuung und Wirtschafts-
beratung der bereits angesetzten Bauern, eine
Aufgabe, für welche während des Krieges die
erforderlichen Kräfte beim besten Willen nicht
zur Verfügung gestellt werden können.
Die größte agrarpolitische Aufgabe, die das
Wartheland uns für die Zukunft stellt, ist die
Schaffung einer Betriebsgrößenord-
nung, wir wir sie heute auf Grund unserer
Erfahrungen im Altreich als wünschenswert er-
achten, und wie wir sie aber kaum in irgend-
325
einem Gau vorfinden. Die Betriebsgrößenstruk-
tur, wie wir sie im Reichsgau Wartheland im
Jahre 1939 übernommen haben, entspricht dabei
auch keineswegs dem Ideal, das uns heute
vorschwebt. Sie kann kurz folgendermaßen
charakterisiert werden: |
In den ehemaligen preußischen Kreisen über-
wiegt insbesondere als Folge der sogenannten
Stein-Hardenbergschen Reform der Großgrund-
besitz mit etwa 40 v. H. der Nutzfläche. Dem-
gegenüber findet sich nur der kleinbäuerliche
Besitz unter 25 ha Nutzfläche in größerer Aus-
dehnung, während die mittel- und großbäuer-
lichen Betriebe fast völlig fehlen. In den ehe-
maligen kongreßpolnischen Kreisen überwiegt
bei weitem der kleinbäuerliche Besitz mit star-
kem Anteil kleinster Parzellenbetriebe unter
10 ha Nutzfläche. Die Großbetriebe haben einen
wesentlich geringeren Anteil an der Nutzfläche
inne als in den ehemaligen preußischen Kreisen
und der mittelbäuerliche Besitz fehlt auch hier
wieder fast völlig. Die ersten Richtlinien für
den Aufbau der Betriebsgrößenstruktur wurden
vom Reichskommissar für die Festigung deut-
schen Volkstums in der Allgemeinen Anord-
nung 7/II vom 26. November 1940 gegeben. Im
Gegensatz zu den Siedlungsbestrebungen nach
dem ersten Weltkriege im Altreich ist diese
Bodenordnung zum erstenmal nicht auf eine
einzige Betriebsgröße als dem Idealtyp aus-
gerichtet, sondern kennt die agrarpolitische und
betriebswirtschaftliche Bedeutung jeder Be-
triebsgröße an und erstrebt somit eine mög-
lichst günstige Mischung aller.
Das Schwergewicht der Bodenordnung soll
auf der bäuerlichen Familienwirt-
schaft beruhen, dem sogenannten Hufen-
betrieb, denen etwa 50 bis 60 v.H. der landwirt-
schaftlichen Nutzfläche zugedacht werden. Die
Größe dieser Hufenbetriebe wird etwa 20 bis
30 ha, bis zum Höchstfall 40 ha betragen, und
damit werden sie über eine wesentlich umfang-
reichere Ackernahrung verfügen, wie sie im
allgemeinen den bäuerlichen Familienwirt-
schaften heute im Altreich zur Verfügung steht.
Die Mehrzahl der etwa 40 000 alteingesessenen
deutschen Bauernwirtschaften gehören dieser
Betriebsgröße an oder wurden bereits in den
letzten Jahren durch Landzulage auf diese ge-
bracht. Auch die überwiegende Zahl der ein-
gesetzten Umsiedler erhielten Betriebe in dieser
Größenordnung. Wenngleich auch unter den
gegebenen Standortsverhältnissen des Kon-
tinentalklimas der Futterbau gegenüber dem
Hackfruchtbau zurücktreten muß, so liegt doch
auch hier die wichtigste Aufgabe dieser bäuer-
326
*
lichen Familienbetriebe in der möglichst um-
fassenden Veredlung aller auf der Nutzfläche
geernteten Erzeugnisse durch die Viehwirt-
schaft. Für die Verwertung der Ackererzeug-
nisse ist aber in erster Linie die Schweinemast
berufen, und infolgedessen werden diese
Bauernwirtschaften die vorwiegen-
den Träger der Schweinemast sein.
Wenn diese erst einmal nach Beendigung des
Krieges voll aufgebaut sein wird, kann von
einer bäuerlichen Familienwirtschaft von 20 bis
30 ha eine Ablieferung an Fleisch mit min-
destens 2 dz je Hektar erwartet werden.
Demgegenüber wird dem Großgrund-
besitz über 125 ha 15 v.H. der landwirtschaft-
lichen Nutzfläche eingeräumt werden, und dieser
Anteil ist bereits heute etwa mit alteingesesse-
nen deutschen Betriebsleitern und zugewander-
ten Umsiedlern besetzt. Entsprechend den
gegebenen natürlichen Standortsbedingungen
liegen die Aufgaben des Großgrundbesitzes im
Trockengebiet des Ostens auf der intensiven
Feldwirtschaft mit umfangreichem
Hackfruchtbau. Die Marktbelieferung durch
ihn wird sich daher vorwiegend auf den Direkt-
verkauf von Ackererzeugnissen erstrecken. Die
Nutzviehhaltung hat hier vor allem die Aufgabe
der Humusversorgung des Ackers. Sie bedarf
hierfür nicht des Umfangs, wie er den bäuer-
lichen Fanmilienwirtschaften zusteht, nur die
Schafhaltung und die Rindermast werden ihren
Standort fast ausschließlich in den Großbetrie-
ben finden. Eine besondere Aufgabe fällt ihnen
schließlich in der Erzeugung hochwertigen
Saatgutes an Getreide, Kartoffeln usw. zu.
Der mittel- und großbäuerliche Be-
sitz von 40 bis 125 ha Nutzfläche hat während
der letzten Jahre bereits eine beachtliche Aus-
weitung erfahren, weil eine größere Zahl von
Umsiedlern in dieser Betriebsgröße angesetzt
wurden. Ihm ist endgültig ein Anteil von 25 v. H.
der Nutzfläche zugedacht, und damit soll ihm
eine Ausdehnung eingeräumt werden, wie wir
sie, im Gegensatz zu Nordwestdeutschland, im
Osten bisher kaum irgendwo kennen. Auch sie
werden unter den gegebenen natürlichen Ver-
hältnissen ähnlich wie der Großgrundbesitz ihre
Betriebsorganisation vorwiegend auf dieinten-
sive Feldwirtschaft einzustellen haben.
Gegenüber den bäuerlichen Familienwirtschaf-
ten bieten sie insbesondere den Vorteil, daß sie
sich weitergehend den Spezialkulturen,
wie Gemüsebau, Olfrucht- und Leguminosenbau
zuwenden können, für welche in ersteren
angesichts des umfangreicheren Futterbaues
kein genügender Raum auf dem Acker zur Ver-
—
fügung steht. Als besonders wünschenswert
muß es bezeichnet werden, daß sich die
großbäuerlichen Betriebe in Zukunft der
Nutzviehhochzucht, der Rindvieh- und
Schweinezucht, zuwenden möchten. Vor allem
aber soll der ausgedehnte großbäuerliche Be-
sitz die Lebensgrundlage für ein gehobenes
Bauerntum schaffen, von dem angesichts der
größeren Unabhängigkeit vom täglichen Ar-
beitsrhythmus und der gehobenen Einkommens-
verhältnisse ebenso wie vom Großgrundbesitz
besonders hochstehende und fortschrittliche
Leistungen erwartet werden müssen. So wird
auch das Großbauerntum vorwiegend die Kräfte
für die Führung in der Selbstverwaltung und im
Genossenschaftswesen zur Verfügung zu stellen
haben.
Und schließlich wird auch der bäuerliche
Kleinbesitz mit einer Nutzfläche von etwa
10 bis 20 ha nicht völlig entbehrt werden kön-
nen, allein aus Gründen der Arbeitsordnung
nicht. Aber vor allem bietet diese Betriebsgröße
unentbehrliche Aufstiegsstellen für
tüchtige Landarbeiter, und so wurden
bereits eine geringe Zahl von Umsiedlern auf
solche Kleinbetriebe angesetzt. Doch ihre Aus-
dehnung wird z.B. im Gegensatz zu Süd- und
Westdeutschland auf ein Mindestmaß be-
schränkt bleiben, das durch die jeweiligen wirt-
schaftlichen Voraussetzungen in den einzelnen
Gebieten des Warthelandes vorgeschrieben wird.
Aber die Aufgabe einer gesunden Boden-
ordnung erschöpft sich keineswegs allein in der
Schaffung eines leistungsfähigen und sozial
wohlgestellten Bauerntums, sondern sie wird
erst dann dem erstrebten Ideal entsprechen,
wenn sie gleichzeitig die Grundlage für
einen ausreichenden und zufriedenen
Landarbeiterstand stellt. In diesem Sinne
muß zum ersten Male der Versuch unternom-
men werden, im Zuge der neuen Bodenordnung
auf Grund eines zweckvollen Verhältnisses der
einzelnen Betriebsgrößen zueinander und durch
wohlausgewogene Abstimmung der landwirt-
schaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Be-
völkerung aufeinander die Grundlage für einen
gesunden Landarbeiterstand und damit für eine
restlos befriedigende Arbeitskräfteversorgung
der Landwirtschaft zu legen. In diesem Sinne ist
vor allem der Arbeitskräftebedarf der mittel-
und großbäuerlichen Betriebe ebenso wie des
Großärundbesitzes soweit wie irgend möglich
durch die Ansetzung verheirateter
Landarbeiter zu decken, so daß die aus-
schließliche Beschäftigung von ledigen Gesinde-
arbeitskräften auf die bäuerlichen Familien-
wirtschaften zur Ergänzung der familieneigenen
Arbeitskräfte beschränkt bleibt. Der Einsatz
einer genügenden Zahl verheirateter Land-
arbeiterfamilien, die auch in erster Linie die
Gesindekräfte der Hufenbetriebe zu stellen
haben, soll eine übertriebene Abhängigkeit der
Landwirtschaft in ihrer Arbeitskräfteversorgung
von der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung
vermeiden, ohne daß hiermit ein gesunder Aus-
tausch von Jungarbeitern zwischen Landwirt-
schaft und nichtlandwirtschaftlichen Berufen
unterbunden werden soll.
Die völlige Umgestaltung der vorgefundenen
Bodenordnung des Reichsgaues verlangt dem-
entsprechend auch eine grundlegende Neu-
ordnung der Landschaftsgestaltung,
der Flureinteilung und des Aufbaues der Haupt-
und Nebendörfer. Dieser Neuaufbau ist um So
unentbehrlicher, weil der bauliche Zustand der
überalterten und weitgehend vernachlässigten
landwirtschaftlichen Gebäude schon in den ehe-
mals preußischen Kreisen äußerst mangelhaft
ist, in den früher russischen Gebieten aber nur als
katastrophal bezeichnet werden kann. Und so
erheben sich die unzähligen Probleme des land-
wirtschaftlichen Bauens in architektonischer,
arbeitswirtschaftlicher und hygienischer Be-
ziehung, und es zeigt sich immer wieder, wie
viele Fragen noch ungeklärt sind. Denn das ge-
samte landwirtschaftliche Bauwesen hat auch
im Altreich während der letzten Jahrzehnte
völlig stagniert, und infolgedessen war es nicht
möglich, in der Gestaltung unserer Bauernhöfe
und Dörfer mit den stets wachsenden Anforde-
rungen unserer intensiven Kulturwirtschaft auch
nur annähernd Schritt zu halten. So steht der
Neuaufbau im Osten in dieser Beziehung fast
vor einem gänzlichen Neuland mit der Aufgabe,
endlich einmal grundlegende Richtlinien für die
zweckmäßige bauliche Gestaltung der Bauern-
höfe und -dörfer zu entwickeln. Betrachtet man
so die agrarpolitischen und betriebswirtschaft-
lichen Aufgaben, die uns der Aufbau der Land-
wirtschaft und des Landstandes im Warthelend
stellt, so begnügen sie sich nicht mit der Kor-
rektur einiger Mißstände, sie sind auch keine
logische Fortführung einer sich seit langem klar
abzeichnenden Entwicklung, sondern sie be-
deuten nichts wenigeralseinen Neubau
von Grund auf, für den kaum mehr als die
natürlichen Standortsbedingungen als bleibende
Voraussetzungen gegeben sind. Diese Aufgabe
ist in der Tat ebenso reizvoll wie großartig, sie
wird viel Arbeit, Kraft und Zeit erfordern, zu-
mal sie nur dann einmal als wirklich erfüllt wird
gelten können, wenn sie bis zum letzten Ziel
durchgeführt wurde, ohne auf halbem Wege
steckenzubleiben.
327
CHARLOTTE LORENZ:
Das Gesetz
in der Verbra uchswirtschaft
I. Der Verbrauchshaushalt in der auto-
ritären Wirtschaft
m nationalsozialistischen Volksstaat bildet
neben der soziälpolitischen Erhaltung und
Förderung der Familie die verbrauchspoli-
tische Betreuung des Haushalts den
obersten Grundsatz einer gesunden Gemein-
schaftsordnung. Diese Einstellung ist von der
Grundidee beherrscht, mit der Besserung der
wirtschaftlichen und kulturellen Lebensverhält-
nisse die notwendigen Voraussetzungen für eine
freie Entfaltung der völkischen Wachstums-
kräfte zu schaffen. Im Verbrauchshaushalt über-
schneiden sich die vielfachen Bestrebungen
sozialer Gemeinschaftspflege, die den Konsu-
menten als den verantwortlichen Nutznießer
und letzten Verwerter des völkischen Arbeits-
produktes am stärksten treffen. Mit dieser Auf-
fassung hat die staatspolitische Führung im
Ideen- und Tatbereich die Abkehr von
der liberalistischen Denkweise vollzogen, welche
die Erwerbswirtschaft der freien Marktordnung
in den Vordergrund der nationalökonomischen
Kausalforschung gestellt und damit zum Angel-
punkt ihrer wirtschaftspolitischen Doktrinen
erhoben hat.
Auch in den staatspolitischen Systemen
der Vergangenheit treten Maßnahmen zur
Lenkung des Verbrauchs, wenn man von ge-
legentlichen Eingriffen in die persönliche Le-
bensführung absieht, nur in Verbindung mit
gesetzgeberischen Aktionen in anderen Auf-
gabenbereichen des Staates auf. Im Zeitalter. des
Merkantilismus, dessen Maßnahmen auf eine
Mehrung des Volksreichtums durch forcierte
Begünstigung des Exportgewerbes gerichtet
sind, dienen Eingriffe in das Verbrauchsleben, -
wie Einfuhrverbote auf ausländische Luxus-
artikel und Propagierung inländischer Erzeug-
nisse für den Verbrauch, in erster Linie der
Exportsteigerung. während der Erlaß spezieller
Verbrauchsvorschriften für bestimmte Artikel
von steuerpolitischen Erwägungen diktiert war.
So zielen Verbrauchsverbote und Luxussteuern
auf Genußmittel, insbesondere alkoholische Ge-
tränke, Tabak und Kaffee in erster Linie auf
eine Entlastung der Einfuhrbilanz. Im System
des Liberalismus der von der Idee einer unein-
geschränkten wirtschaftlichen Freizügigkeit be-
herrscht wird, vollzieht sich die Versorgung des
328
Verbrauchshaushalts unabhängig von jeder
obrigkeitlichen Einflußnahme im freihändle-
rischen Marktverkehr. Erst mit dem Übergang
zu autoritären Wirtschaftsformen wird der Ver-
brauchshaushalt, wenn auch zunächst nur mit-
telbar, in den Wirkungsbereich der Staatspoli-
tik einbezogen. So dienen die zum Schutz der
Arbeitskraft und Familie getroffenen Maßnah-
men der sozialen Gesetzgebung, der Lohnpolitik.
des Wohnungs- und Siedlungswesens ebenso wie
die steuerpolitischen Begünstigungen der Fa-
milie auch der Hebung des Verbrauchsstandes.
Spätere Ansätze zu einer mittelbaren staatlichen
Beeinflussung der Lebenshaltung sind in den
Bestrebungen zur Krisenbekämpfung und zur
Milderung der Konjunkturschwankungen auf
dem Gebiete der Einkommen-, Preis-, Steuer-
und Zollpolitik wirksam gewesen.
Ähnlich wie die Verbrauchsregulierung in der
allgemeinen Wirtschaftspolitik hat auch bis in
die Jetztzeit hinein die Verbrauchswirt-
schaftslehre im Arbeitsbereich der Sozial-
wissenschaften keinen Anspruch auf eine selb-
ständige Forschungsaufgabe erhoben. Erst mit
dem Umbruch des weltanschaulichen und poli-
tischen Denkens hat neben dem Werkbetrieb
der Verbrauchshaushalt als Objekt und
Träger der gestaltenden Planung die gebührende
Anerkennung erlangt.
So findet im System der autoritären Wirt-
schaftsordnung der Produktions voran-
schlag seine Ergänzung im Verbrauchs-
vor anschlag. Die Bereitstellung von Kon-
sumgütern stützt sich hierbei auf die verglei-
chende Gegenüberstellung des tatsächlichen
Verbrauchs der voraufgegangenen und der mut-
maßlich verfügbaren Gütermenge der folgenden
Wirtschaftsperiode, die nach Abschätzung der
Erzeugungskapazität, der Vorratshaltung und
Einfuhrlage vorhanden sein wird. Dem tatsäch-
lichen Verbrauch oder „Ist-Verbrauch”
steht der „Soll-Verbrauch” zur Seite, der
das nach Lage der Güterbeschaffung mögliche
und zulässige Quantum an Sachgütern und son-
stigen Verbrauchsnutzungen umfaßt; er enthält,
abweichend vom Ist-Verbrauch, Gütergruppen,
in denen eine Minderung, Steigerung oder Um-
lenkung des natürlichen oder des Wunschbedarfs
zu anderen Erzeugnissen angestrebt wird. Eine
weitere Rechnungsgröße, die eine auf lange
Sicht arbeitende Verbrauchslenkung in ihre
Planung einstellen muß, ist der „Kann-
Verbrauch“, d. h. die Verbrauchskapa-
zität, die eine Bevölkerung bestimmter Größe
und Zusammensetzung bei vollkommener Be-
iriedigung ihrer Bedarfswünsche im Rahmen der
verfügbaren Einkommenskaufkraft als Höchst-
leistung einsetzen könnte. Während die Fest-
stellung des Ist- und des Soll-Verbrauchs von
tatsächlichen und vorausbestimmbaren Wirt-
schaftsleistungen ausgeht, sind die Ermittlungen
über das Verbrauchsmaximum im wesentlichen
auf Mutmaßungen und Schätzungen angewiesen,
die an bestimmte Erfahrungen der Einkommens-
verwendung und Verbrauchsentwicklung an-
knüpfen.
Aus dem Aufgabenbereich der staatlichen
Sozialordnung und Wirtschaftslenkung eröffnen
sich der Forschung grundlegend neue Aufgaben;
sie werden bestimmt durch den Informations-
bedarf der staatlichen Planungsstellen, die
neben der laufenden Bereitstellung von Tat-
sachenmaterial zur Erfassung und Entwicklung
der Verbrauchs wirtschaft eine laufende Rech-
nungslegung über die Wirkungen der getrof-
fenen Maßnahmen fordern. Darüber hinaus hat
die Verbrauchsforschung ihr Augenmerk auf
eine grundsätzliche Klarstellung der zwischen
Erwerbs- und Verbrauchs wirtschaft, zwischen
Staats- und Privathaushalt wirksamen Zusam-
menhänge zu richten. Das Arbeitsfeld der mo-
dernen Verbrauchsforschung bewegt sich dem-
nach in den Bahnen der Tatbestandsauf-
nahme und der Kaus alerkenntnis. Mittel
und Wege hierzu bieten Statistik und monogra-
phische Beschreibung sowohl in Form größerer
Bestandsaufnahmen und laufender Beobachtun-
gen sowie Spezialuntersuchungen, welche den
Einfluß der innerhalb und außerhalb der Ver-
brauchssphäre wirksamen Faktoren auf die
Lebenshaltung und den Markt klarlegen. Inner-
halb der Ursachengruppen, die von der Willens-
haltung des Verbrauchers nicht oder nicht direkt
abhängen, sind die häuslichen Lebensumstände,
der Wohn- und Siedlungsweise, des Einkom-
mens, Berufs, der gesellschaftlichen Bindungen
und der Marktbeziehungen des Haushalts zu
berücksichtigen; neben diesen objektiven
Faktoren sind die subjektiven Voraussetzun-
gen, die in der Erfassung des Verbrauchers
selbst begründet liegen und sein persönliches
Verbrauchsverhalten bestimmen, klarzulegen.
Während die Verbrauchsforschung im
weiteren Sinne darauf abzielt, Beziehungen
zwischen Haushalt und Markt im Gesamtbereich
der sozialwirtschaftlichen Wirkungszusammen-
hänge zu untersuchen, stellt sich die Ver-
brauchserforschung oder Verbrauchs-
forschungimengeren Sinne die Aufgabe,
die Eigentümlichkeiten des Verbrauchsorganis-
mus in seinen wesentlichsten Erscheinungstypen
zu beschreiben und zu ergründen. Gegenstand
und Arbeitsziel dieser Fachdisziplin ist es, die
Gesetzmäßigkeiten des Verbrauchs-
lebens zu finden, um damit der obrigkeitlichen
Verbrauchslenkung klärende Erkenntnisse für
die Durchführung und Begründung ihrer gesetz-
geberischen Maßnahmen an die Hand zu geben.
II. Die Erscheinungstypen des Ver-
brauchshaushalts À
Die Untersuchungen über die Gesetzmäßig-
keiten im Verbrauchsleben gruppieren sich um
Wirtschaftsgebilde, dié wir unter dem Ober-
begriff des Verbrauchshaushalts zusammenfas-
sen. Es sind hjerunter folgende Hauptgruppen
von Haushaltswirtschaften zu verstehen:
1. Verbrauchshaushalte mit familiärem Cha-
rakter,
a) reine Familienhaushalte,
b) Haushalte mit familienfremden Haushalts-
angehörigen,
c) Haushalte mit familienfremden Betriebs-
angehörigen.
2. Verbrauchshaushalte von Einzelpersonen.
3. Verbrauchshaushalte mit Anstaltscharakter.
Neben dem reinen Familienhaushalt, der ledig-
lich Personen einer blutsverwandten Gemein-
schaft umfaßt, bilden Haushalte mit Angestellten
für den privaten Haushaltungsbedarf sowie mit
Angehörigen des Erwerbsbetriebs (Gesellen,
Verkaufspersonal, Gesinde) in der handwerk-
lichen und bäuerlichen Wirtschaft die vorherr-
schenden Erscheinungsformen; demg&genüber
findet sich im Anstaltshaushalt eine Verei-
nigung von einander unabhängiger Hausinsassen,
die durch andere Gemeinschaftsschicksale zu-
sammengehalten wird. Hierhin gehören Anstalts-
haushalte, die sowohl aus Gründen des Erwerbs
(Gasthäuser, Fremdenheime) betrieben werden,
als auch solche mit gemeinschaftswirtschaft-
lichen Aufgaben im Bereich der öffentlichen
Verwaltung der Gebietskörperschaften und Par-
teigliederungen, auf dem Gebiet des Schul-
wesens, der Wohlfahrt- und Gesundheitspflege,
der Strafrechtspflege und der Schulungsunter-
künfte Dazu kommen Anstaltshaushalte mili-
tärischen Charakters, wie sie von Wehrmacht,
Polizei und Reichsarbeitsdienst unterhalten
werden, ferner Lagerhaushalte für landwirt-
schaftliche und gewerbliche Arbeiter- und
Anstaltshaushalte der religiösen Gemeinschaften
(Klöster, Ferienheime und andere Vereinsunter-
künfte).
/
III. Faktoren der Verbrauchsgestaltung
Das Schwergewicht der Verbrauchslenkung
liegt auf der Überwachung und Versor-
gung des eigentlichen Familienhaushalts,
der als Urzelle des völkischen Lebens die Be-
dingungen und Gestaltungen der Verbrauchs-
329
ordnung beherrscht. Die soziale und orga-
nische Lebenshaltung der Familie diktieren
such die Gesetze des Verbrauchs. Eine
gemeinschaftsdienliche Lenkung des Ver-
brauchshaushaltes setzt daher die Kenntnis
seiner Wesensarten und Lebensäußerungen vor-
aus, die den Umfang und die Art der Versor-
gungsleistung bestimmen. Diese ergeben sich
aus dem Zusammenwirken von Faktoren, die als
Grundanlagen, Strukturmerkmale und
Entwicklungstendenzen der Ver-
brauchsgestaltung zu kennzeichnen sind.
Die Grundanlagen führen ihre letzte Wurzel auf
die organische, physische, geistige und psy-
chische Verfassung des Verbrauchers zurück.
Hierbei sind zwei Arten von Faktoren zu unter-
scheiden, nämlich 1. subjektive, individual-
typische, die dem Verbrauchsindividuum
eigen sind und 2. objektive, familientypische.
die dem Verbrauchshaushalt als Wirtschafts-
gemeinschaft eigentümlich sind. Zur ersten
Gruppe gehören in erster Linie die psycho-
physischen AnlagenundRegungendes
Konsumenten, während innerhalb der zwei-
ten Gruppe die Besonderheiten des organischen
und sozialen Familienaufbaus eine Rolle spielen.
/ 1. Individualtypische Faktoren
a) Das Gesetz des physiologischen.
Mindestbedarfs
Die Bedarfsdeckung, die der Konsument als
organisches Lebewesen vornimmt, wird von
dem Naturgesetz des physiologischen
Mindestbedarfs beherrscht. Dieses elemen-
tare Gesetz der Verbrauchsordnung hat die
Wirtschaftspolitik in ihrer Planung zu berück-
sichtigen, in dem sie bei der Aufstellung des
Nahrungsvoranschlages das Bedarfs-
minimum des Menschen an Eiweiß, Fetten, Koh-
lehydraten und Mineralsalzen einsetzt. Die Ge-
samtmenge der zur Erhaltung von Arbeits- und
Lebenskraft notwendigen Grundsubstanz ist in
Kalorienwerten meßBbar, die von den Ernäh-
rungs-Physiologen in einer nach Geschlecht,
Alter, Körperbeschaffenheit und Betätigungsart
des Menschen bestimmbaren Abstufung fest-
gestellt werden. Wesentlich für eine gerechte
Rationierung des Nahrungsbedarfs für den ar-
beitenden Menschen ist hierin auch die Berück-
sichtigung der Arbeitsleistung. In diesem
Zusammenhang sird die vom Kaiser-Wilhelm-
Institut für Arbeitsphysiologie in Dortmund
durchgeführten Spezialuntersuchungen über den
kalorimetrischen Normalbedarf bestimmter Ar-
beitergruppen von Bedeutung; sie stützen sich
auf die Ermittlung des Grundumsatzes (G.U.),
d. h. die Berechnung derjenigen Kalorienmenge,
die der menschliche Körper seiner organischen
Beschaffenheit und Arbeitsleistung entsprechend
bei völliger Ruhelage in 24 Stunden abgibt. Dem
G.U. ist der Arbeitsstoffwechsel, d. h. der Ka-
lorienverbrauch für die gesamte Tätigkeit in
330
1] Veröffentlicht in de. Zeitschrift:
Anteilen des G. U. zuzurechnen, wobei die in der
G. U.-Berechnung enthaltene Verschiedenheit des
Körperbaus bereits berücksichtigt ist. Man er-
hält dann bei Beziehung der Werte auf ½ der
Tageszeit (eine Einteilung, die wegen der größe-
ren Genauigkeit der Drittelteilung vorzuziehen
ist) eine Abstufung der Kalorienabgabe für
Schlaf, Freizeit und Arbeit, die bei Berücksichti-
gung der unterschiedlichen Arbeitsschwere er-
hebliche Abweichungen zeigt. Wenn man die
Kalorienabgabe für die Ruhezeit auf / G. U.
und für die Freizeit auf °'s G. U. ansetzt, so be-
trägt die Kalorienabgabe für Berufe mit leichter
körperlicher Arbeit / G. U., dagegen für Schwer-
arbeiter % G. U.; einem Gesamtverbrauch von
8/6 G. U. bei Berufstätigen mit leichter Arbeit
steht demnach ein solcher von / G. U. bei
Schwerstarbeitern gegenüber. Bei Arbeite rkate-
gorien mit einem Verbrauch von 1% G. U. pro
Tag ist der entsprechend geringere Kalorien-
verbrauch für den Sonntag und Schichtwechsel
in Ansatz zu bringen.
Eine gewisse Vorstellung über die durch die
Arbeitsschwere bedingten Unterschiede der
Kalorienabgabe gibt nachfolgendes Vergleichs-
bild aus einem vom Institut für Arbeitsphysio-
logie Dortmund entworfenen Vorschlag zu einer
Ernährungsstatistik auf der Grundlage des Nah-
rungsbedarfs der einzelnen Berufe):
Kalorienabgabe für verschiedene Berufe
8/6 G.U. Uhrmacher, Schreiber, Glasmaler, Bü-
cherrevisor.
9 G. U. Goldschmied, Optiker, Chemiker. In-
genieur, Putzmacherin, Stenotypistin,
Telegraphist, Zeichner, leitender Ange-
stellter und Beamter.
10% G.U. Spinner, Weber, Zwirner, Färber.
Schriftsetzer, Drucker, Drechsler, Kon-
ditor, Zigarrenmacher, Verkäufer, Loko-
motivführer, Koch, Lehrer, Arzt, Friseur,
technischer Angestellter.
11/6 G.U. Messerschleifer, Töpfer, Mechaniker,
Sattler, Schuhmacher, Maler, Schaffner.
Tierarzt, Hausangestellte,
12/6 G.U. Gärtner, Fischer, Melker, Glasarbeiter,
Gießer, Maschinenarbeiter in der Me-
tallindustrie, Schlosser, Klempner, Mül-
ler, Bäcker, Fleischer, Brauer, Stein-
setzer, Kellner.
13/8 G.U. Landarbeiter, Steinmetz, Former, Nieter,
Tischler, Stellmacher, Matrose.
14% G.U. Winzer, Ziegelarbeiter, Schmied, Maurer,
Zimmermann, Dachdecker.
15/6 G.U. Säge- und Walzwerkarbeiter.
16/6 G. U. Bergmann, Berufssportler, Holzfäller.
17/ G. U. Ausnahmefälle bei verlängerter Ar-
18/6 G. U. f beitszeit. |
„Arbeitsphysiologie”
Berlin 1939, 10. Bd., 4. Heft, S. 455.
.
Die G.U.-Tafeln sind nicht nur für die
Abstufungen des Nahrungsbedarfs von Inter-
esse; sie bieten auch wertvolle Grundlagen und
rechnerische Anhaltspunkte für die Be-
stimmung der Verbrauchskraft nach
Altersstufen. Diese Berechnungen bieten
wiederum die Möglichkeit, die Verfassung und
Leistung von Verbrauchshaushalten verschie-
dener Struktur sowie gleicher Haushalte zu
verschiedenen Zeiten miteinander zu verglei-
chen. So erscheint bei fortschreitender Überalte-
rung der Bevölkerung, in deren Verlauf der
Bestand an erwachsenen Vollverbrauchern ge-
genüber den Kindern und Jugendlichen ver-
gleichsweise stark ansteigt, eine Verbrauchs-
zunahme beispielsweise an Genußmitteln relativ
höher, als es der Wirklichkeit entspricht. Aus
diesem Grunde ist es richtiger, an Stelle der
sonst gebräuchlichen Pro-Kopf-Raten Quoten zu
berechnen, bei denen die Verbrauchsmenge auf
Vollpersonen-Einheiten bezogen wird. Zu die-
sem Zweck wird die Kopfzahl der Bevölkerung
entsprechend der Verbrauchskraft der einzelnen
Altersstufen auf die Verbrauchs-Einheit eines
erwachsenen Mannes umgerechnet.
b) Die psychische Haltung des
Verbrauchers
Während die Gesetze der Verbrauchsphysio-
logie in quantifizierbaren Größen bestimmbar
sind, lassen sich für die psychische Hal-
tung und die daraus resultierenden Neigungen
und Handlungen des Konsumenten keine ent-
sprechenden Belege erbringen. Denn einmal
können die in der Bedarfsdeckung wirksamen
Äußerungen der Verbraucherpsyche nicht als
solche, sondern bestenfalls nur in gewissen
Wirkungsergebnissen und Symptomen erfaßt
werden; und zweitens treten zu den bekannten
Erfahrungstatsachen und Erkenntnissen auch
unwägbare und unberechenbare Faktoren, die
einer sozialpsychologischen Ergründung im
Wege stehen. Erst in der neueren Sozialfor-
schung machen sich Bestrebungen geltend, auch
diese Seite der Verbrauchsbetätigung in die
Untersuchungsarbeit einzubeziehen. So hat sich
das Institut für Verbrauchsforschung in Nürn-
berg die Aufgabe gestellt, „das typische Ver-
halten des Durchschnittskonsumenten” zu er-
gründen und auf seine Wirkungsrichtung zu
untersuchen. Die Arbeiten, die sich auf Sonder-
befragungen der Verbrauchshaushalte über
deren Einstellung zu bestimmten Kaufobjekten
verschiedener Güte und Nutzungsdauer stützen,
sollen dazu beitragen, der Verbrauchsplanung
gewisse Ansatzpunkte für die Lenkung und Be-
einflussung der Kaufneigung des Konsumenten
an die Hand zu geben?). Kennzeichnend für das
8) Vgl. hierzu die von H. Proesler im Handbuch der
Verbrauchsforschung angeführten Spezialerhebungen Ber-
lin 1940, Bd. II.
psychische Verhalten des Verbrauchers ist vor
allem seine Einstellung in der Verwendung
des Einkommens für Verbrauch und
Kapitalbildung, die mit der Änderung der
äußeren Lebensumstände gewissen Wandlungen
unterworfen ist. In der Verbrauchsbefriedigung
zeigen sich die Veranlagungsunterschiede bei
der Verausgabung des Einkommens für den
elastischen und unelastischen Bedarf; in der
Kapitalbildung finden die unterschiedlichen
Neigungen des Konsumenten bei der Gestaltung
der Spartätigkeit ihren Ausdruck, die entweder
auf „Konsumsparen‘, d. h. auf Gewinnung
von Rücklagen für spätere größere Anschaffun-
gen, oder auf „Rentensparen”, d. h. auf
Sicherung von Rücklagen für Altersversorgung
und Erwerbsunfähigkeit gerichtet ist.
2. Familientypische Faktoren
a) Der organische Aufbau des
Familienhaushalts
Neben den individuellen Anlagen des Ver-
brauchers, die durch seine persönliche Willens-
haltung betätigt werden, sind in der Gestaltung
der Bedarfsdeckung auch objektive, außerhalb
der Willenssphäre liegende Tatbestände im Ver-
brauchsleben des Volkes wirksam. Hierhin ge-
hören vor allem die biologischen Besonderheiten
des Volksorganısmus. Sie werden gekennzeich-
net durch seine Größe, das zahlenmäßige Ver-
hältnis der Geschlechter, die Familienstands-
gliederung und Altersschichtung der Bevölke-
rung. Das Verhältnis der Geschlechter wirkt
sich für die Verbrauchsgestaltung dann beson-
ders aus, wenn infolge Überwiegens der weib-
lichen Bevölkerung in den heiratsfähigen Al-
tersklassen ein relativ höherer Teil der Frauen
nicht zur Eheschließung kommt, wodurch die
Zahl der Einzelhaushalte wesentlich vergrößert
wird. In derselben Richtung wirkt eine ver-
gleichsweise starke Zunahme der Ehelösungen,
bei welchen in der Mehrzahl der Fälle die Frau
als Einzelwirtschafter zurückbleibt, wie auch
eine allgemeine Abnahme der Ehefrequenz. Der
Aufbau des Familienorganismus fällt für die
völkische Verbrauchsgestaltung dadurch ins
Gewicht, daß er in seiner Gliederung nach Haus-
haltstypen — vom Einzelhaushalt bis zum kin-
derreichen Haushalt — auch den Umfang und
den Charakter der Versorgung bestimmt. Je
nach dem Anteil der Einzelwirtschafter und je
nach der Bedeutung der kinderlosen, kinder-
armen und kinderreichen Familienhaushalte im
Gesamtorganismus der Verbrauchswirtschaft
ist auch die Größe und Struktur des Ver-
brauchsvolumens verschieden. Der Aufbau des
Familienorganismus ist wiederum abhängig von
der Altersschichtung, welche der Bevölkerung
das Gepräge eines jugendlichen oder eines
alternden Organismus verleiht.
331
Nach den durch statistische Erhebungen be-
stätigten Erfahrungen ergibt sich, daß mit stei-
gender Kinderzahl bei gleich hohen Aufwen-
dungen für den Gesamtverbrauch die Ausgaben
für den unelastischen Bedarf anteilsmäßig stei-
gen. Bei geringerer Kinderzahl treten dagegen
die Aufwendungen für den elastischen (kultu-
rellen) Bedarf stärker zutage, da in den klei-
neren Familien für die Aufzucht und Bildung
des Kindes entsprechend mehr Mittel verwendet
werden. Auch außerhalb der einzelnen Bedarfs-
gruppen ändert sich die Zusammensetzung des
Verbrauchs nach Güterarten mit zunehmender
Kinderzahl. Gliedert man beispielsweise die
Ausgaben für den Nahrungsbedarf nach den
Anteilssätzen für einzelne Lebensmittel auf, so
tritt mit zunehmender Kinderzahl der Posten der
hochwertigen, fett- und eiweißhaltigen Artikel,
wie Butter, Eier, Fleisch und Fisch, hinter dem
Anteil der Kindernährmittel zurück. Für den
Verbrauchspolitiker ist die Erkenntnis dieser
Zusammenhänge von größter Bedeutung, da die
zur allgemeinen Hebung und Lenkung des Le-
bensstandards getroffenen Maßnahmen sich mit
den Bestrebungen einer wachstumsfördernden
Familien- und Bevölkerungspolitik aufs engste
berühren.
b) Dersoziale Charakter des Haushalts
Neben der biologischen Eigenart der Familie
sind auch die Verfassung und Wandlung in der
sozialen Schichtung der Haushalte bei der
Durchführung des verbrauchswirtschaftlichen
Versorgungsprogramms in Ansatz zu bringen.
Abweichend von der früheren sozialen Stufen-
ordnung des Volkskörpers zeigt der heutige
Gliederbau der Bevölkerung eine Struktur, in
welcher durch Besitzstand und Tradition ge-
‚zogene Grenzen teilweise verwischt und ver-
schoben sind. Die mit der fortschreitenden
Industrialisierung zunehmende Verbreitung des
Massenluxus und der technischen Lebensver-
besserungen, die fortschreitende Erschließung
kultureller Darbietungen und Einrichtungen für
Minderbemittelte bringen eine zunehmende
Nivellierung der Lebensweise und da-
mit ein Abgehen von traditionellen Gepflogen-
heiten der Haushaltsführung mit sich.
Innerhalb dieses neuen Lebensstils bestehen
jedoch auch neben der in der Rasse, Landschaft,
Wohnweise und im Brauchtum begründeten
Eigenart Verschiedenheiten der völkischen Le-
benshaltung, die durch Beruf und soziale
Stellung bedingt sind. Erfordert doch schon
die Art der Arbeitsverrichtung, je nachdem ob
sie Körper- oder Geisteskraft beansprucht, in
Verbindung mit der Schwere und Dauer der
Tätigkeit, eine nach Menge und Qualität unter-
schiedliche Ernährungsweise. Dies wird durch
die abweichenden Aufwendungen, die von Haus-
halten verschiedener Berufsschichten bei glei-
332 | - |
chem Einkommen für den Nahrungsbedarf und
andere Zweige des unelastischen Bedarfs ge-
macht werden, bestätigt. Auf diese Zusammen-
hänge soll in den Betrachtungen des folgenden
Abschnitts noch näher eingegangen werden.
3. Äußere Lebensbedingungen und
Umwelteinflüsse
al Das Gesetz der Einkommens-
verwendung
Für die Bewertung der hauswirtschaftlichen
Verbrauchskapazität ist die Erkenntnis wesent-
lich, daß die natürlichen Neigungen und Regun-
gen, die das Verhalten des Konsumenten in der
Bedarfsdeckung bestimmen, sich in den durch
die äußeren Lebens- und Umweltverhältnisse ab-
gesteckten Grenzen betätigen. So werden die Be-
ziehungen des Verbrauchshaushaltes zum Markt
durch die Größe, reale Kaufkraft und Zu-
sammensetzung des Einkommens nach
Einkunftsarten (Geld, Naturaleinkommen) und
Einkommensträgern (innerhalb der Familie) ge-
lenkt. Hierbei ist es eine bekannte, durch
frühere Forschungen erwiesene Tatsache, daß
sich die Größenordnung der Ausgaben mit
steigendem und fallendem Einkommen verän-
dern. Nach den amtlichen Wirtschaftsrechnun-
gen der Jahre 1927/28, die einen Kreis von 3000
buchführenden Haushalten umfassen, ergibt sich,
daß die Ausgaben für Nahrungsmittel sich bei
einem Durchschnittssatz von 42,8 v.H. in einem
Spielraum von 39,8 bis 47,0 v.H. bewegen. Für
die Gesamtheit der Nahrungs- und Genußmittel
beläuft sich die Spanne der Ausgabequoten
zwischen niedrigster und höchster Einkommens-
stufe auf 50,8 bis 43,7 v.H. Demgegenüber zeigen
die Ausgaben für den elastischen Bedarf eine
mit wachsendem Einkommen steigende Tendenz.
Innerhalb der unteren Einkommensstufen, in
denen eine weitere Einschränkung des Nah-
rungsverbrauchs nicht möglich ist, macht sich
im Nahrungshaushalt ein Ausweichen auf Er-
zeugnisse geringerer Qualität bemerkbar. Es
findet sonach in der Ausgabenstruktur des
Haushalts das Engel’sche Gesetz, nach
welchem der Ausgabenteil für den Nahrungs-
aufwand mit steigendem Einkommen abnimmt,
seine Bestätigung. Dagegen wird in anderen
Zweigen der Bedarfsdeckung der bestimmende
Einfluß der Einkommenshöhe durch das Einwir-
ken anderer Faktoren der äußeren Lebensver-
hältnisse in gewissem Umfange ausgeschaltet.
b) Sonstige Lebensumstände
Für die Art der Einkommensverwendung im
Verbrauchshaushalt ist, wie bereits angedeutet
wurde, nicht allein die Höhe der verfügbaren
Einkünfte bestimmend. Auch Besonderheiten
der durch die berufsständische Ordnung ge-
schaffenen Verhältnisse geben der völkischen
| !
Mädel weben für Soldaten
V or mehreren Jahren wurde in Lyck in Ostpreußen eine Gauwebschule eingerichtet, deren Zweck
die Förderung der ganz in Vergessenheit geratenen Spinnerei und Handweberei war. Aus vielen
Gauen kamen die jungen Mädchen, um sich in diesem alten bäuerlichen Brauchtum unterrichten
zu lassen.
Heute, im Kriege, hat die Schule ihren Aufgabenkreis erweitert. Es wird nicht nur gesponnen
und gewebt, sondern das zu verarbeitende Material wird selbst gezogen. Vor der Webschule wurde
Flachs angebaut, den die Schülerinnen bearbeiten, und die gute Ernte schafft immer eine beson-
dere Freude; bedeutet sie doch neues Web- und Spinnmaterial. Aber der Flachs ist nicht das
einzige selbstgezogene Material. Im Mittelpunkt des Interesses der Schülerinnen steht eine
Kaninchenzucht. Die schönen Angorakaninchen werden mit besonderer Liebe gepflegt, denn
ihre weichen, langen Haare sind kostbares Gut. Ihre Verarbeitung gilt kriegswichtigen Zwecken;
schon unendlich vielen Soldaten hat die aus ihnen gesponnene wärmende Kleidung großen Nutzen
getan. Dieses Wissen um den guten Zweck ihrer Arbeit spornt den Eifer der Schülerinnen sehr an.
Singend und mit freudigen Gesichtern verrichten sie ihre Arbeit, die sie nicht nur einer alten,
schönen Bauernkunst wieder nahebringt, sondern ihnen das befriedigende Bewußtsein gibt, im
Kriege notwendige Aufgaben erfüllen zu helfen.
—
nn
—
— m Ber —
e" ef —
PIE m —
u.”
Die für die Ver-
arbeitung wert-
vollen Haare der
Angorakaninchen
werden sorgfältig
ausgekämmt
Am Spinnrad
D e r 4
hir ww * Fep
Baute Asia":
1 e
* an
Big M a GE H, dr
A
n
*
An,
N U +t
bh
=
"ert Apari EN Yi
*
Sr PRN CL A
f u
R-
%,
$
IK È
Zi
Aus vielen dünnen Faden wird ein fester Faden gespult
Die Muster werden von den Schülerinnen meist selbst entworfen und aufgezeichnet
Die Schulleiterin beim Unterricht in der Grundlehre des Musterentwurfs
Lebenshaltung Ihr charakteristisches Gepräge.
So stellt sich der Ausgabesatz des Arbeiterhaus-
halts für Nahrungsmittel vergleichsweise höher
als die entsprechende Quote, die beim Angestell-
ten- und Beamtenhaushalt der gleichen Ver-
dienergruppe festzustellen ist. Die Ergebnisse
der amtlichen Wirtschaftsrechnungen der Jahre
1927/28 lassen erkennen, daß sich die Verschie-
bungen in den Ausgaben für den elastischen
und unelastischen Bedarf in den Kreisen der
Arbeiter, Angestellten und Beamten verschieden .
abspielen. Es ergibt sich hierbei innerhalb glei-
cher Einkommenslagen eine Abstufung der Aus-
gabesätze für Güter verschiedener Qualität und l
Bedarfsdringlichkeit. Den höheren Ausgabe-
sätzen, die im Arbeiterhaushalt auf den Nah-
rungsbedarf entfallen, śtehen entsprechend nie-
drigere Aufwendungen für den sonstigen
Lebensbedarf gegenüber. So ergibt sich aus
einem Vergleich der Ausgabestruktur, daß im
Beamtenhaushalt die Aufwendungen für Beklei-
dung und Wäsche anteilsmäßig höher liegen als
beim Arbeiter und Angestellten; des weiteren
zeigt sich, daß auch der Aufwand, für den Woh-
nungsbedarf im Beamtenhaushalt den im Ar-
beiter- und Angestelltenhaushalt erzielten Satz
überschreitet. S .
Diese Zusammenhänge werden deutlich, wenn
man die Verbrauchshaltung zwischen verschie-
denen Einkommensgruppen gleicher Berufs-
schichten und zwischen verschiedenen Berufs-
schichten von Haushalten gleicher Einkommens-
lagen gegenüberstellt. So lassen Vergleiche der
Lebenshaltung in typischen Handwerkerkreisen
erkennen, daß die Aufwendungen für den Woh-
nungsbedarf, die in bestimmten Berufskreisen
durch betriebswirtschaftliche Erfordernisse be-
dingt sind, die sonstigen Ausgaben, selbst für
den elementaren Lebensbedarf, beeinträchtigen;
hierdurch wird die erwartete Rangordnung in
der Ausgabestruktur verändert. Auch kann man
an Hand monographischer Ermittlungen für
einzelne Haushaltstypen nachweisen, daß zwi-
schen Haushalten mit Eigenbewirtschaftung und
solchen mit rein marktwirtschaftlicher Bedarfs-
deckung unter sanst gleichen Lebensbedingun-
gen erhebliche Verschiedenheiten in bezug an
die Ausgabegestaltung bestehen. So bleibt der
Eigenheimstättenhaushalt des Handwerkers, der
beträchtliche Aufwendungen für Heimstätte und
Gartenpachtland zu machen hat, gegenüber dem
städtischen Haushalt des gleichen Berufsstandes
in den Ausgaben für Bekleidung und Kultur-
bedarf merklich zurück.
4. Tendenzen der Verbrauchsgestaltung
Neben den Grundgesetzen der natürlichen
Verbrauchshaltung, die als feste Tatbestände
von der Planung zu übernehmen sind, müssen
auch die tendenziellen Wandlungen,
denen der Verbrauchshaushalt im Zuge des wirt-
schaftlich-kulturellen Fortschritts und des so-
zialen Aufstufungsprozesses unterworfen ist, in
Rechnung gezogen werden. Hierbei ist einerseits
die Umstellungin den Lebensbräuchen
und Verbrauchsgewohnheiten namentlich in der
Nahrungsversorqung und andererseits die fort-
schreitende Kultivierung der allgemei-
nen Lebenshaltung zu berücksichtigen. So
haben sich unter dem erzieherischen Einfluß des
medizinischen Fortschrittes und der ernährungs-
physiologischen Forschung, mit den Wandlungen
der Wohn- und Siedlungsweise sowie mit der
Ausdehnung der sportlichen Betätigung bemer-
kenswerte Änderungen in der persönlichen und
hauswirtschaftlichen Lebensführung vollzogen.
Die Umstellung des physiologischen Bedarfs
zeigt sich, wie aus einem Vergleich des durch-
schnittlichen Ernährungskonsums für die Zeit
vor und nach dem ersten Weltkrieg hervorgeht,
in einer Abnahme des Verzehrs an mehl- und
stärkehaltigen Nahrungsmitteln auf der einen
und in der Zunahme des Verbrauchs an Fisch
und frischer Pflanzennahrung auf der anderen
Seite. Eine merkliche Zunahme hat auch der
Zuckerverbrauch aufzuweisen,. der damit den
schon früher erkennbaren Aufstieg im völ-
kischen Speisezettel fortsetzt. Auch Tendenzen “
zur Steigerung des Verzehrs an tierischen Er-
zeugnissen, vor allem Fetten und Eiern sind
festzustellen. Hand in Hand hiermit geht eine
Zunahme des Fischverbrauchs bis auf mehr als
das Doppelte des Vorkriegsstandes. Besonders
augenfällig sind die Verschiebungen im Genuß-
mittelverbrauch, die durch einen bemerkens-
werten Rückgang des Alkoholverbrauchs bei
gleichzeitiger Zunahme des Tabakverbrauchs
gekennzeichnet werden. Mit der Umstellung des
natürlichen physiologischen Bedarfs geht eine
bewußte Rationalisierung der allge-
meinen Lebensweise einher, die sowohl auf
rationalen Erwägungen des Verbrauchers selbst,
als auch auf planmäßiger Anpassung der Ver-
sorgung an das verfügbare Gütervolumen beruht.
So findet die Verringerung des Verzehrs an Süd-
früchten und anderen Importwaren, die durch
Unterbindung und Kontingentierung bestimmter
Einfuhrerzeugnisse bedingt war, einen Ausdruck
in der stärkeren Belieferung der Bevölkerung
mit einheimischem Obst. Durch die planmäßige
Förderung der Veredlungsproduktion konnte die
Versorgung der Bevölkerung mit inländischen
Nahrungsfetten an Stelle der durch Einfuhr-
beschränkung erschwerten Kunstfetterzeugung
erweitert werden. Hierdurch war es möglich, in
den ersten Jahren der nationalsoꝛzialistischen
333
Wirtschaftsordnung eine qualitative Aufbesse-
rung des Nahrungsverbrauchs herbeizuführen,
die dem Kaloriengehalt nach auf 1,6 und dem
Eiweißgehalt nach auf 2,7 v.H. der entsprechen-
den Menge des Jahres 1926 zu veranschlagen ist.
Während im Ernährungssektor die freie
Entfaltung der Verbrauchswünsche aus physio-
logischen Gründen begrenzt ist, hat sich unter
dem anregenden Einfluß verbrauchsfördernder
Wirtschaftsmaßnahmen in anderen Be-
reichen der Lebenshaltung eine bemer-
kenswerte Ausweitung des Verbrauchs
vollziehen können. Dieses Ergebnis wird durch
die Verbrauchsentwicklung in den Jahren 1933
bis 1937 bestätigt, in denen die Befriedigung der
persönlichen und hauswirtschaftlichen Lebens-
ansprüche in allen Zweigen des elementaren
und kulturellen Bedarfs noch ohne einschrän-
kende Reglementierung unterstützt wurde. Mißt
man die Verbrauchsleistungen der Jahre 1933
und 1937 am Stande des Jahres 1932 unter Be-
rücksichtigung des volkswirtschaftlichen Ver-
brauchs und der Umsatzziffern des Einzelhandels,
so ergibt sich für die einzelnen Bedarfsgruppen
und die Gesamtheit des Lebensbedarfs folgendes
Bild:
Kennziffern des Gesamtverbrauchs?)
bezogen auf 1932 (=100)
Bedarfsgruppe 1933 1937
Nahrungs- und Genußmittel.. 99,4 106,2
Bekleiduunngggez 105,0 133,4
Heizung und Beleuchtung... 966 120,1
Hausrat und Wohnbedarf .... 110,7 162,7
Drogen und Apothekerwaren 984 127,5
Unterhaltung, Sport, Luxus .. 120,8 272,5
Gesamtbedarrrkk . 102.0 124,2
IV. Praktische Folgerungen für die
Verbrauchsplanung
Würdigt man die Entwicklung des deutschen
Verbrauchslebens vom Standpunkt einer höhe- |
ren Wirtschaftsplanung, so ergibt sich, daß die
bisherigen Maßnahmen zur Ordnung und Len-
kung des Konsums den „Gesetzen der Ver-
brauchswirtschaft“ weitgehend Rechnung getra-
gen haben. Dies gilt vor allem für den in die
erste Phase des 1. Vierjahresplanes fallenden
Wirtschaftsabschnitt, in welchem die Planung
darauf abzielte, neben dem „aufgestauten
Lebensbedarf“ der vorangegangenen De-
pressionszeit auch den „zusätzlichen
D Vgl. hierzu meinen Beitrag: „Sinn und Aufbau einer
allgemeinen Verbrauchskennziffer“, in: „Allg. Stat.-Archiv,
1939, Heft 3.
334
Wunschbedarf” im kulturellen Sektor zu
befriedigen. Es sei hier nur erinnert an die viel-
fachen wirtschaftlichen Erleichterungen, die den
minderbemittelten Verbraucherschichten durch
Ausgabe von Fettverbilligungsscheinen und von
Bezugsausweisen für Wäsche, Kleidung und
Hausrat gewährt wurden; ferner an die mit der
Förderung der Familiengründung verbundenen
Maßnahmen und Vorkehrungen zur Errichtung
von Eigenheimen, zur Beschaffung von Möbeln
und Hausrat, des weiteren an die besonderen
Vergünstigungen zum Bezuge von Radioappa-
raten und Kleinautos, wie überhaupt die Bereit-
stellung und Nutzbarmachung von zahlreichen
Einrichtungen des kulturellen Lebens für alle
Verbraucherkreise. Auch während des anschlie-
Benden, mit der Verkündung des 2. Vierjahres-
planes eingeleiteten Abschnitts de Wirtschafts-
planung, der bereits im Zeichen einer teilweisen
Kontingentierung stand, konnte die ursprüng-
liche Kursrichtung im Bereich des eigentlichen
Lebensbedarfs zunächst fortgesetzt werden. Mit
dem Eintritt in die Kriegszwangswirt-
schaft, in deren Verlauf sich der Übergang
von der Teilrationierung zur totalen
Lenkung des Verbrauchs vollzog, hat die
Planung an den durch das „Verbrauchsgesetz“
beherrschten Prinzipien der Versorgung im
wesentlichen festgehalten. Abweichend von den
während des ersten Weltkrieges durchgeführten
Maßnahmen, die, von der jeweiligen Bedarfs-
lage diktiert, nur auf kurze Sicht getroffen
wurden, ist die Zwangsrationierung des gegen-
wärtigen Krieges darauf gerichtet, die in den
verschiedenen Bereichen des Haushaltsver-
brauchs erforderlichen Maßnahmen aufeinander
abzustimmen und in einem organischen
System der Gesamtplanung zu vereini-
gen; in diesem System wird dem elementaren
Mindestbedarf des Konsumenten in. einer nach
Geschlecht, Alter und Berufstätigkeit gestaffel-
ten Zuteilung geitgehend entsprochen.
Unabhängig von den kriegsbedingten
Einschränkungen der Gegenwart hat die
verantwortliche Führung die ursprüngliche
Zielsetzung einer allgemeinen Kulti-
vierung der Lebenshaltung nicht aus
dem Auge verloren. Mehr denn je gilt für
die Betreuung des Verbrauchshaushalts
nach siegreicher Beendigung des Krieges
der Grundsatz der völkischen Ver-
brauchspflege, nach welchem die Be-
schaffung der Konsumgüter und die Rang-
ordnung der Bedarfsdeckung von dem
höheren Gebot einer gerechten Sozial-
ordnung gelenkt werden.
E EE E WE Wire ea Er EE Ze 1 ei
ALF NOLL:
FINANZIERUNGSPROBLEM UND GELD-
FLUSSIGKEITINDER LANDWIRTSCHAFT
Die Schriftleitung veröffentlicht den nachfolgenden
Aufsatz, ohne sich in allen Einzelheiten auf den Stand-
punkt des Verfassers zu stellen. Andererseits hofft sie,
durch diese Veröffentlichung eine fruchtbare Diskussion
über die Probleme der Finanzierung der Landwirtschaft
damit einzuleiten.
Ds Finanzierungsproblem in der deutschen
Landwirtschaft ist in seinen künftigen For-
men noch in der Schwebe. Dabei ist klarzu-
stellen, wa® hier unter „Finanzierungs-
problem” zu verstehen ist: Es ist die Frage,
daß der Landwirtschaft als Summe aller land-
‚wirtschaftlichen Betriebe und als ein volklicher
Wirtschafts- und Aufgabenbereich jeweils die
geldlichen Mittel zur Verfügung stehen, um so-
wohl die Einzelbetriebe wie auch die Gesamt-
heit des ernährungswirtschaftlichen Raumes
und Rahmens im organischen Wachstum und
bei besonderen Aufgaben ausreichend zu ver-
sorgen. Es handelt sich also um die Beschaffung
der jeweils notwendigen Geldmittel einmal für
die lJandwirtschaftlichen Betriebe und zum
anderen für den volkswirtschaftlichen Raum,
auf und in dem die Betriebe leben, der ihnen
die Voraussetzung und Möglichkeit des Wirt-
schaftens bieten muß, also sozusagen die
„Umwelt“ der Betriebe; erst die verkehrs-,
versorgungsmäßige, technische, organisatorische
Entwicklung des „Landes“, die Regulierung von
Wasserläufen und Bodenverhältnissen u.a.m.
gibt dem „Hof“ die Existenz und Entwicklungs-
möglichkeit. Das sind somit zwei deutlich
getrennte Finanzierungsbereiche, was
für die Art der Finanzierung vor. grundlegender
Wichtigkeit ist.
Eine Finanzierung der Landwirtschaft im
eigentlichen Sinne gibt es erst, seitdem die
Bewirtschaftung von Land und die Hervor-
bringung von Nahrungsmitteln in den volkswirt-
schaftlichen Umsatz eingegliedert, die Land-
wirtschaft also der Geld- und Marktwirtschaft
angeschlossen ist. Zum „Problem“ geworden ist
sie wiederum erst, seitdem Umstände besonderer
Art die geldmäßige Versorgung der Landwirt-
schaft entweder in Frage stellten oder sie in
einer Weise erfolgen ließen, die grundsätzliche
Fragen landwirtschaftlicher, volkswirtschaft-
licher und sonstiger Art aufwarf. Diese beiden
Momente haben die bisherige Finanzierung der
Landwirtschaft wesentlich bestimmt: ein tat-
sächlicher oder vermeintlicher Mangel an
Finanzierungsmitteln und eine Zuführung von
Geldmitteln in Formen und zu Zwecken, die und
deren Nutzen sich als fragwürdig erweisen
mußten, So verschieden die Verhältnisse in den
einzelnen Teilen des Reiches in den letzten zwei
Jahrhunderten auch gewesen sind: Was sich
besonders heraushebt aus der Fülle von Einzel-
zügen und -entwicklungen der Geldwirtschaft
des Landes, ist das Entstehen eines Finanzie-
rungsproblems hauptsächlich dort, wo Struktur
und Ordnung landwirtschaftlicher Betriebe sel-
ber problematische Entwicklungen durchmach-
ten (so beim großen Gutsbesitz und beim
kleineren Bauerntum), während für andere Teile
(wie das erbmäßig gefestigte Bauerntum) die
Finanzierungsfrage weit weniger akut in Er-
scheinung trat.
Verfehlter Krediteinsatz
Das Hauptkennzeichen der Auffassungen des
landwirtschaftlichen Finanzierungsproblems der
Vergangenheit ist der Versuch seiner Lösung
durch Kredit gewesen. Das hing zusammen
mit der allgemeinen Bewertung des Kredits, dem
mit der Entwicklung und Ausprägung des kapi-
talistischen Wirtschaftssystems eine ganz außer-
ordentliche Wertschätzung zuteil wurde. „Kre-
dit“ war das Zaubermittel, um zu Geld zu
kommen. Nachdem der Staatskredit im 18. Jahr-
hundert seine wissenschaftliche Begründung
erhalten hatte, entwickelte sich auch Theorie
und Praxis des Wirtschaftskredits, besonders
von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ab,
in der der Realkredit in Preußen durch die Ent-
wicklung des Hypothekenwesens eine als vor-
bildlich angesehene rechtliche Ordnung erhielt.
Finanzierung wurde geradezu gleichbedeutend
mit Kreditzuführung, somit die Möglichkeit der
Kreditbeschaffung entscheidend für die Entwick-
lung wirtschaftlicher Unternehmungen über-
haupt. „Die größte Benutzung des Kredits ist die
sicherste Probe eines zunehmenden Reichtums“,
sagte Justus Möser. Man war berauscht von der
Zauberkraft des Kredits, der Kapital aus nichts
schaffen könne, und übersah über dem Zauber-
mittel vorhandene Krankheitsursachen, die
durch Kredit nur zeitweise verschleiert, ja zum
Teil erst geschaffen wurden. Die Forderung nach
335
Kreditfreiheit, mit einem damaligen Voraus-
setzungen entsprechenden Kern von Berechti-
gung, wirkte sich praktisch mangels eines aus-
reichenden Regulativs in einer Kreditent-
fesselung aus, die schließlich. die gerufenen
Geister nicht mehr los werden ließ. Dem Inter-
esse am Kreditempfang entsprach das allmäh-
lich das Übergewicht erlangende Interesse an
eiher Kreditgabe bzw. Kreditvermittlung, das
nach und nach über die formalrechtliche Kredit-
sicherung überhaupt vorherrschend wurde und
teilweise den Kredit zum Selbstzweck machte.
Die Behauptung der Notwendigkeit und Nütz-
lichkeit des Kredits wurde damit auch suggestiv
angewandt, um Kreditnehmer anzuziehen, um
Schuldner zu schaffen. )
Das Ergebnis dieser Kreditpsychose ist der
deutschen Landwirtschaft nur zu drastisch vor
Augen geführt worden: in der Tatsache ihrer
Verschuldung. Dabei ist aber weniger der Ge-
samtumfang von 18—20 Milliarden Mark Schulden
vor dem Weltkrieg das Wesentliche, sondern,
daß drei Viertel bis vier Fünftel bloße, über-
wiegend unproduktive Besitzverschuldung wa-
ren mit der Folgewirkung einer vielfach
ungezügelten Bodenspekulation und einer Ver-
drängung von Hofbesitzern von ihrer Scholle
in zeitweilig riesigem Umfange. Von einer Pro-
duktivität des landwirtschaftlichen Kredites
kann für die Zeit vor dem Weltkrieg also nur
in einem recht beschränkten Umfange die Rede
sein, auch wenn man der Tatsache und den Zu-
sammenhängen der Besitzverschuldung noch so
große Objektivität entgegenbringt. Denn gerade
das genaue Verfolgen der einzelnen Entwick-
lungsstufen der landwirtschaftlichen Verschul-
dung läßt erst erkennen, wie sehr rein kapita-
listische Momente für das Entstehen und Wachsen
dieser Verschuldung maßgeblich beteiligt ge-
wesen sind. Und die Tätigkeit von Kreditein-
richtungen in den letzten zwei Jahrhunderten
muß sich unter diesem Gesichtspunkt manche
berechtigte Kritik gefallen lassen.
Eine unvoreingenommene Nachprüfung kommt
jedenfalls zu folgender Beurteilung dieser
geschichtlichen Epoche: Der weitaus größte
Teil der ganzen Kreditversorgung der Land-
wirtschaft bis zum ersten Weltkrieg ist nicht
der Verbesserung der Boden- und Wirtschafts-
verhältnisse zugute gekommen, sondern hat in
erster Linie eine Bodenpreissteigerung
finanziert, deren Nutznießer zu einem großen
Teil landwirtschaftsfremd waren. In einem ganz
wesentlichen Umfange also ist Kredit an die
Landwirtschaft auf ihre Kosten fehlgeleitet
worden, sie hat aus ihrem Ertrag und ihrem
Vermögen außerlandwirtschaftliche Geldver-
wendungen finanzieren müssen, wodurch in der
Endbilanz ein Vermögensausfall entstan-
den ist; zu einem Teil hat diese Kreditfinanzie-
rung Mitschuld an der Landflucht. Die land-
wirtschaftliche Kreditfinanzierung dieser Epoche
ist also zum großen Teil verfehlt gewesen,
welche richtigen und wohlmeinenden Absichten
336
im einzelnen auch damit verbunden gewesen
sind oder welche an sich zweckmäßigen Me-
thoden dabei angewandt wurden. Die Gründe
waren vor allem: eine falsche Bewertung des
Kredits überhaupt, der Mangel an einer sicheren
und einheitlichen Volkswirtschafts- und Land-
wirtschaftspolitik, eine finanzorganisatorische
und rechtliche Ordnung, die aus „Eigengesetz-
lichkeiten” heraus neue Entwicklungen im
Interesse einer Finanzgeschäftsorganisation nach
sich zog — kurz: ein verhängnisvoll gewordenes
Eindringen und schließlichkes Vordrängen
kapitalistischer Momente, die mit der
Natur der Landwirtschaft unvereinbar waren.
Auch in einer zweiten Periode wurde durch
Zuführung von Kredit an die Landwirtschaft die
offene Finanzierungsfrage zu lösen versucht,
wieder mit katastrophalem Mißerfolg: in der
Nachinflationszeit, als in wenigen Jahren
— von 1925 bis 1931 — die Verschuldung auf
rund 11% Milliarden RM. (davon 1!/z Mrd. Auf-
wertungsschulden) stieg. Hierbei waren gerade
die Betriebs- und Produktionsverhältnisse der
Landwirtschaft zum Anlaß der Bes@haffung und
Zuführung der Kreditmittel genommen worden,
aber das Mißverhältnis zwischen Schuldendienst
und Wirtschaftlichkeit sowie die teilweise Ver-
wendung der Kredite zu Steuerzahlung und
unrentabler Investierung machten praktisch
auch diese Verschuldung großenteils zu einer
unproduktiven Besitzverschuldung.
Das geschichtliche Urteil über diese
beiden Perioden kann unbestritten nur lauten,
daß das Instrument des Kredites in weiten Tei-
len der Landwirtschaft ohne ausreichende Be-
rücksichtigung des Produktivitätsmomentes an-
gewandt worden ist mit der Folge, daß sich
verhängnisvolle strukturelle Verschiebungen im
Besitzstand und in der Kapitalverlteilung ergaben,
die letzten Endes nicht eine Anreicherung, son-
dern — meistens in längerer mittelbarer Folge-
wirkung — Verarmung der Landwirtschaft an
Menschen und Vermögen bedeuteten. Verschul-
dung und Landflucht hängen in vielfacher Weise
zusammen, in merkwürdigem Gegensatz zu einer
Theorie von der segensreichen Wirkung des
Kredits, wie sie in der Vergangenheit nur zu
häufig bedenkenlos vertreten worden ist, um
aus Kredit Geschäft zu machen.
Wenn heute der absolut noch keineswegs
wesentlich verminderte Schuldenbetrag — nach
„Bankwirtschaft“ 1943/45 wären bis dahin im
Kriege 1½ bis (iv Mrd. RM. zurückgezahlt, wo-
mit die gesamte Schuldensumme im Altreichs-
Gebiet auf 11 bis 11,5 Mrd. RM. zu veranschlagen
sei; heute ist eine weitere Verminderung an-
zunehmen — infolge der Zinssenkung die Land-
wirtschaft scheinbar nicht mehr wesentlich
belastet, so darf damit das Schuldenproblem
weder bagatellisiert noch als gelöst betrachtet
werden, denn wichtiger als Symptome sind Ur-
sachen, und werden letztere nicht beseitigt bzw.
vermieden, so kann eine zeitweilige Minderung
bei den Symptomen zu gefährlichem Trug
H
werden. Hat die landwirtschaftliche Finanzie-
rung über den Kredit in zwei Jahrhunderten
zweimal zu katastrophalen Fehlentwicklungen
geführt, so stellt sich die Kreditfrage in der
Landwirtschaft grundsätzlich und muß jedenfalls
zu einer Lösung führen, die wesentlich von
Kredittheorien und -praktiken der Vergangen-
heit abweicht.
Die Kreditfrage vor neuen Tatsachen
Die kritische geschichtliche und grundsätz-
liche Betrachtung der Anwendung des Kredits
in der Landwirtschaft kann selbstverständlich
den Kredit nicht ohne weiteres bestreiten und
verwerfen. Aber der #olkswirtschaftliche
Sinn des Kredits kann nur sein die wirkliche
Mehrung der Wirtschaftskraft durch Vorweg-
einsatz von Geldmitteln, die erst in einer mehr
oder minder längeren Umschlagsperiode aus den
Erträgen bzw. aus der Abwicklung des Geld-
aufwandes wieder anfallen. Man spricht daher
vom produktiven, schöpferischen Kredit Nur
die Mehrung von Wirtschaftskraft rechtfertigt
ja auch den Zins als eine Anteilnahme des Geld-
gebers an der schöpferischen Wirkung des
Kredits. Jeder Zins, der nicht aus einem Mehr
an Wirtschaftskraft und -vermögen gezahlt wird,
geht zu Lasten der Substanz, des Vermögens.
Die deutsche Landwirtschaft hat ungeheuer dafür
in die Substanz ihres Vermögens eingreifen
müssen, daß diese einfache wirtschaftliche Tat-
sache — die sonst so allgemein geläufig ist —
ihr gegenüber nicht berücksichtigt worden
ist, gewiß nicht ohne teilweise eigene Schuld.
Damit ergibt sich aber, daß jede Kreditgewäh-
zung und Kreditnahme in der Landwirtschaft,
deren Schuldendienst nicht aus einem höheren
Ertrag bestritten werden kann, ein Vergehen
gegen die Grundgesetze der Land- wie Volks-
wirtschaft ist. Nicht wesentlich anders ist es
auch mit der Auferlegung von Schuldlasten auf
landwirtschaftliche Betriebe, denen keine Kre-
ditzufuhr vorausgeht, sondern die sich aus
Besitzverhältnissen und Berechtigungen er-
geben: überschreiten sie einen Anteil am
Ertrag, daß die notwendige Vermögensentwick-
lung in Frage gestellt wird, so tun sie der
Aufgabe des Betriebes (Hofes) als einer leben-
digen Zelle des volklichen und volkswirtschaft-
lichen Organismus Abbruch. Es handelt sich
hierbei freilich nicht um eine bloße geldtech-
nische Verschuldungsfrage, sondern um weiter-
greifende Interessen agrar- und sozialpolitischer
Art, die — man denke an eine angemessene
Abfindung weichender Erben — in ebenso ge-
rechter wie wirtschaftlich tragbarer Weise
gewahrt werden müssen.
Die Entwicklung hat nun von selbst auch
hinsichtlich der Kreditfrage der Landwirtschaft
Tatsachen geschaffen, die zu einem Teil als
Lösung des Kreditproblems anzusehen sind: die
kapitalistische Theorie und Praxis der Auswer-
tung des Bodens als Kapital und seiner „Mobi-
lisierung“ ist abgelöst worden durch die Grund-
sätzlichkeit einer volksverpflichteten Auf-
gabenstellung, die der Boden als letztliche
Quelle jeder Arbeit und jeder Existenz hat, und
durch eine daraus entstandene Boden- und
Rechtsordnung. Einen Markt für landwirt-
schaftlichen Boden gibt es nicht mehr,
die Erbhofgesetzgebung hat dazu ausdrücklich
den größten Teil der Landwirtschaft einem ver-
kehrsmäßigen Umsatz entzogen; damit sind alle
Voraussetzungen und Einrichtungen entfallen.
einen Bodenmarkt umsatz- und gewinnmäßig zu
nutzen; est entfällt aber auch ein entsprechen-
der „Kreditbedarf“. War ein ganz wesentlicher
Teil der Hunderte von Millionen, um die vor
dem Weltkrieg der Realkredit der Landwirt-
schaft jährlich stieg, nichts weiter als Kredite
für den Bodenmarkt, so kann es nicht wundern,
wenn mindestens in diesem Ausmaß ein Kredit-
bedarf der Landwirtschaft nicht mehr besteht,
und bei Aufrechterhaltung dieser Ordnung nicht
mehr entstehen wird. Das ganze Problem der
Besitzverschuldung, das vor dem Welt-
Krieg der landwirtschaftlichen Verschuldung
geradezu das Gepräge gegeben hat, ist im
wesentlichen unaktuell geworden — und muß
es bleiben, abgesehen von Sonderfragen, die
sich aus Siedlung und Abfindung ergeben, die
aber ohne unangemessene Belastungen gelöst
werden können.
Ein zweiter wichtiger Punkt für die Frage der
landwirtschaftlichen Finanzierung ist die wach-
sende grundsätzliche Erkenntnis und Forderung,
daß die landwirtschaftlichen Betriebe die zu
ihrer normalen und organischen Entwicklung
notwendigen Geldmittel in erster Linie aus der
Leistung, aus dem Ertrage des Betriebes selber
gewinnen, daß sie also genügendes Eigen-
vermögen bilden, um den Hauptteil der im
Betriebsinteresse erforderlichen Geldaufwen-
dungen selbst bestreiten zu können. Das ist eine
Grundforderung für jeden gesunden wirtschaft-
lichen Betrieb, und das ist der Sinn der Forde-
rung nach „reichen Bauern“, wie sie Bernhard
Köhler verstand und aufstellte, nicht in erster
Linie zur Entfaltung einer bäuerlichen Lebens-
haltung, sondern zur Entwicklung bäuerlicher
Wirtschaftskraft. Und wenn man die Gleich-
bedeutung von Wirtschaftskraft und Wirt-
schaftsvermögen erkannt hat, so läßt sich auch
begrifflich ohne weiteres auf das Fremdartige
des Wortes „Kapital“ verzichten, das in die
natürliche Geldordnung und das natürliche
Wirtschaftsdenken der Landwirtschaft eine so
unheilvolle Wirkung gebracht hat. Der ge-
sunde landwirtschaftliche Betrieb
muß so viel echtes Eigenvermögen
bilden, daß er sich daraus für die
laufenden Bedürfnisse selbst finan-
zieren kann. Das ist eine Grundforderung
und Grundvoraussetzung einer natürlichen
Lösung der Finanzierungsfrage in der Landwirt-
schaft. Es ist sowohl eine betriebswirtschaft-
liche wie wirtschafts- und agrarpolitische Auf-
337
gabe, eine Aufgabe des besten Wirtschaftens
der Einzelbetriebe wie derSchaffung allgemeiner
Wirtschaftsverhältnisse, unter denen die Einzel-
betriebe ihr Höchstmaß an Leistung und Ver-
mögensbildung (., Vermögen“ nicht nur im rein
geldlichen, sondern auch im allgemeinen Sinne
des Könnens und der Kraft verstanden) erfüllen
können. Daß dies nicht einfach eine Preisfrage
ist, bedarf keiner besonderen Betonung. Die
Frage, ob es gelingen wird, eine ausreichende
Eigen vermögenbildung der land wirtschaftlichen
Betriebe zu ermöglichen und zu erreichen, ist die
Schicksalsfrage der land wirtschaftlichen Finan-
zierung und der bäuerlichen Struktur der Land-
wirtschaft. Keinerlei Form und Höhe von Kredit
kann hierbei ersatzweise einspringen. Die Ge-
schichte der beiden letzten Jahrhunderte ist
eine furchtbare Warnung vor einer Wieder-
holung der Fehlfinanzierung durch Kredite da,
wo er durch Eigenvermögen überflüssig sein
muß. Der Einsatz des Kredits muß auf eine
wirklich schöpferische, die Wirtschaft meh-
rende, im besten und weitesten Sinne pro-
duktive Finanzierung landwirtschaftlicher
Aufgabenstellungen beschränkt bleiben.
Streicht man den gesamten Besitzkredit aus
den landwirtschaftlichen Krediten (und dazu
gehört auch ein großer Teil Pseudo-Investitions-
kredite von 1925 bis 1931), so erscheint der
echte landwirtschaftliche Kreditbedarf insgesamt
weitaus geringer, als die früher tatsächliche
Verschuldung und Verschuldungszunahme ge-
wesen ist. Unter der Voraussetzung einer ge-
nügenden Eigenvermögenbildung könnten —
unterschiedlich je nach der Besitzgröße — die
landwirtschaftlichen Betriebe im allgemeinen die
normalen Aufwendungen aus dem Eigenver-
mögen bestreiten. Der hauptsächliche Kredit-
bedarf der landwirtschaftlichen Betriebe ent-
stünde dann aus dem betrieblichen Umschlags-
rhythmus zur Uberbrückung jahreszeitlich
bedingter Spannungen (Düngemittel, Ernte,
Saatgut, Vieh usw.) und aus der Anlage und
Beschaffung intensivierender und rationalisie-
render Arbeitsmittel. Er ist seiner Form nach
kurz- und mittelfristig und stellt sich haupt-
sächlich als „Personalkredit“ dar. Die Entwick-
lung hat in dieser Hinsicht bereits die wesent-
lichen Formen klar entstehen lassen, wobei sich
eine nätürliche Stufenfolge der Kre-
ditgewährung herausgebildet hat: mittelbare
Kredite der zentralen Finanzierungsinstitute an
die betriebsnahen Einrichtungen der Betreuung
des landwirtschaftlichen Geldwesens, der
Warenbesorgung, Absatzvermittlung usw. und
unmittelbare Kredite dieser betriebsnahen Ein-
richtungen an die Betriebe selber.
338
—
In einem geordneten Landwirtschaftswesen
wird der Krediteinsatz für diese be-
trieblichen Zwecke und in diesen Formen
den weitaus größten Teil der unmittelbar von
land wirtschaftlichen Betrieben benötigten pro-
duktiven Kredite ausmachen. Dabei ist voraus-
gesetzt, daß alle Not- und Katastrophenverhält-
nisse im volks wirtschaftlichen Kreditsinne keine
geeigneten Anlässe für einen Krediteinsatz sind,
sondern daß diese in anderer Weise aus dem
Grundsatz der volksgemeinschaftlichen Solida-
rität heraus zu beheben sind. Ebenfalls sind
rentenmäßige und ähnliche Verpflichtungen
aus Erbabfindungen nicht abzahlungsmäßig
durch Kredite, sondern anzahlungsmäßig aus
frühzeitig vorsorglichen Bereitstellungen und
Versicherungen zu sichern. Es ergibt sich dann
von selbst, daß eine gesunde, vermögenbildende
Landwirtschaft einen Bedarf nach Hypothekar-
kredit im Stile und Umfang früherer Zeit nicht
hat, so daß dieser, der einmal weitaus den
größten Teil der gesamten landwirtschaftlichen
Kredite ausmachte, nur noch eine nachgeordnete
Bedeutung für die landwirtschaftlichen Betriebe
“haben kann.
Um ein ganz anderes Finanzierungsgebiet
handelt es sich bei den notwendigen Auf-
wendungen für den überbetrieblichen
landwirtschaftlichen Gesamtbereich,
für dielandwirtschaftliche „Umwelt“,
Herrichtung des Bodens zur Besiedlung, Regu-
lierung von Wasserläufen für die Wasser- und
Energieversorgung, Verkehrserschließung, für
weitläufige Bodenverbesserungen usw. Diese
ausgedehnten überbetrieblichen Aufgaben er-
fordern einen zentralen Mitteleinsatz, der zu
einem Teile ebenfalls nicht kreditmäßig vor-
zunehmen ist. Im übrigen liegt hier das Haupt-
gebiet eines langfristigen Investitions-
kredits, für den ebensosehr größte Billigkeit
wie größte Einfachheit in der technischen
Durchführung der Finanzierung unter Anwen-
dung der bestehenden rationellsten Verfahren —
so des weitgehend entstückelten Emissions-
wesens — vorauszusetzen ist. Diese Finanzie-
rung zu tragen kann nicht ausschließliche
Aufgabe der Landwirtschaft sein, sondern in
einer Mithilfe hierbei hat sich die volkswirt-
schaftliche Solidarität zu erweisen, aber auch
eine gewisse Wiedergutmachung zu erfolgen
für die gewaltigen und verhängnisvollen Ver-
mögensverluste, die der Landwirtschaft durch
eine teilweise falsche Kreditwirtschaft und
Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit zu-
gunsten anderer, auch fremder Volks- und
Wirtschaftsbereiche zugefügt worden sind.
Geldvermögensbildung und Schulden-
tilgung
Der Krieg hat die allgemeine Erscheinung der
Geldflüssigkeit gebracht. Innerhalb der Land-
wirtschaft hat sie zuerst ein etwas langsames
Tempo gehabt, dann aber beschleunigt zugenom-
men. Ausdruck dafür ist die außergewöhnliche
Einlagensteigerun der landwirtschaft-
lichen Kreditgenossenschaften, die in den
letzten Jahren von allen Gruppen der Kredit-
wirtschaft weitaus die stärkste seit Kriegsbeginn
ist. Ende 1943 betrugen die Einlagen bei den
ländlichen Genossenschaften etwa 13,3 Mil-
liarden RM. gegen 4,1 Mrd. Ende 1939, Bei Unter-
stellung des früher angenommenen Verhältnisses
von 50 bis 60 v.H. Anteil eigentlich landwirt-
schaftlicher Gelder könnte man die landwirt-
schaftlichen Einlagen bei den ländlichen Ge,
nossenschaften in einer Größenordnung von
etwa 7½ Milliarden RM. annehmen. Dazu käme
noch ein Anteil von etwa einem Viertel an
den Einlagen bei den gewerblichen Genossen-
schaften, die 9,3 gegen rund 3 Mrd. betrugen.
Bei beiden Gruppen von Geldsammelstellen
hätte also die Landwirtschaft Einlagen in einer
Größenordnung von rund 10 Mrd. RM. Der
Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giro-
verbandes, Dr. Heintze, hat vor einiger Zeit die
Gesamteinlagen der Landwirtschaft bei Spar-
kassen und Genossenschaften sowie die Anlagen
in Wertpapieren auf etwa 13 Mrd. RM. geschätzt.
Vielleicht dürfte diese Ziffer noch etwas höher
angesetzt werden, jedenfalls ist sie wohl in-
zwischen überschritten worden.
Daß ein großer Teil dieses Zuwachses aus
einer Substanzverflüssigung und Unterlassung
an sich normaler Ausgaben kommt, steht außer
Zweifel. Nach Geh. Rat Kißler (RKA.) macht
allein der Abbau des Viehbestandes bei vor-
sichtigem Ansatz für das Altreichsgebiet einen
Wert von etwa 4 Mrd. RM. aus. Es sind gerin-
gere Aufwendungen für Dünger, Maschinen,
Reparaturen, Erneuerung erfolgt. Andererseits
waren teilweise Lohnausgaben niedriger, ebenso
mußte an Aufwendungen für Bekleidung und
manche Formen der Lebenshaltung gespart
werden. Schließlich kamen von der Preisseite
her teilweise höhere Geldeingänge. Im Saldo
gegenüber auch gestiegenen Ausgaben und er-
höhten Steuern hat sich also ein Überschuß von
Nominalgeld gebildet, der nur zu einem Teil
mit Substanzverflüssigung erklärt werden darf.
Da bei einer Rückkehr von Kaufmöglichkeiten
nicht mit einer sofortigen Vornahme aller
unterlassenen und notwendigen Arbeiten und
Käufe gerechnet werden kann, wird ein
zweifellos erheblicher Teil der gesamten land-
wirtschaftlichen „Geldkapitalbildung”, die, sich
bis zum Kriegsende noch ansehnlich erhöhen
kann, langfristig bestehen bleiben. Die Land-
wirtschaft wird dann in weitaus höherem Um-
fang, als dies jemals der Fall gewesen ist, später
eigene Geldmittel zur Verfügung haben, und
das um so mehr, je bewußter in den breitesten
Kreisen des Landvolkes die Zeit zur Bildung
von Geldrücklagen, zum Sparen, benutzt wird.
Bedenkt man, daß ein Mangel an ausreichenden
geldlichen Betriebsmitteln ein Hauptgrund der
verhängnisvoll gewordenen Verschuldung so-
wohl vor dem Weltkrieg wie unmittelbar nach
diesem gewesen ist, so wird die tiefgehende
Bedeutung einer erhöhten Geldrücklagenbildung
der Landwirtschaft klar. Sie kann gar nicht hoch
und wichtig genug eingeschätzt werden. Das
Symptom einer Verarmung, das die allgemeine
Geldflüssigkeit im Grunde teilweise ist, kann
zur Grundlage einer größeren finan-
ziellen Bewegungsfreiheit der Land-
wirtschaft werden, wenn diese einzigartige und
einmalige geschichtliche Lage und
Schicksalsstunde genutzt wird. Das Be-
stehen allgemeinwirtschaftlicher Verhältnisse,
die der landwirtschaftlichen Leistung den an-
gemessenen Ertrag lassen, und eine nachhaltig
betriebene Eigenvermögenbildung auf der
Grundlage der nunmehrigen Geldein- und
-anlagen würden die Wiederkehr von Ver-
schuldungsverhältnissen wie in der Vergangen-
heit ausschließen.
Damit ergibt sich auch eine klare Lage in der
Frage der Schuldentilgung. Eine aus
reichende geldliche Eigenvermögenbildung ist
das erste Erfordernis, unter ihrer Voraussetzung
Schuldabtragung eine betrieblich und ethisch
begründete Selbstverständlichkeit. Aufbau eines
Geldvermögens, das den landwirtschaftlichen
Betrieben einmal die Möglichkeit geben wird,
ohne jedesmaligen Bittgang zum Kreditfonds zu
wirtschaften und das dem Bauer erst die volle
Freiheit und das volle Eigentum seines
Besitzes gewährt, und Abbau einer Schulden-
last, die ihrem wirklichen Charakter nach zum
größeren Teil unproduktiv gewesen ist, diese
zwei Forderungen: Sparen und Schulden-
tilgung, sind heute an das Landvolk im Inter-
esse seines künftigen Finanzierungsvermögens
und seiner Zukunft überhaupt zu stellen. Dann
kann auch ein Krediteinsatz zur Spitzen-
finanzierung wertschöpferischer Leistung oder
produktiver Investitionen und Meliorationen
sowie zur Überbrückung regelmäßiger Spannun-
gen im betrieblichen Umschlag u. a. m. neue
Kräfte bilden und neue Energien erschließen
helfen.
339
Aygnarbultische,
Der Beginn des neuen Wirtschaftsjahres bei Ge-
treide und Kartoffeln veranlaßt zu einem Überblick
auf das abgelaufene Wirtschaftsjahr und die Auf-
gaben, die im neuen Wirtschaftsjahr voraussichtlich
zu meistern sein werden. Beim Getreide ist festzu-
stellen, daß das abgelaufene jahr die in die gute
Ernte 1943 gesetzten Hoffnungen erfüllt und dadurch
die reibungslose Deckung des Bedarfs sowie eine
Erhöhung der Übergangsbestände ermöglicht
hat. Dieses Ergebnis muß als ein neuer Erfolg der
Kriegsernährungswirtschaft angesehen werden, denn
die Getreidewirtschaft hat im letzten jahr infolge
der geringen Kartoffelernte in einem Umfang als
Ausgleichsfaktor antreten müssen, wie es nach der
in den vorgehenden Jahren notwendig gewesenen
Auflösung der Reserven nicht für möglich gehalten
und am wenigsten bei unseren Gegnern erwartet
wurde. Nicht weniger als mehrere hunderttausend
Tonnen Brotgetreide wurden als Ausgleichsration für
fehlende Kartoffeln bereitgestellt. Bei der Durch-
führung dieses Ausgleichs hat sich erneut die An-
passungsfähigkeit unserer Marktordnung erwiesen,
die in der Zuverlässigkeit der statistischen Erhebungs-
grundlagen, ohne die eine Führung niemals arbeiten
könnte, ebenso wie bei der Durchführung der Einzel-
maßnahmen ihre Wendigkeit erneut unter Beweis
stellte. Dabei gilt es darauf hinzuweisen, daß die
Schwierigkeit der Aufgabe nicht allein in der Bereit-
stellung der erforderlichen Ausgleichsmen-
gen lag, sondern auch In der Durchführung der Ver-
arbeitung und Verteilung. Es ist im Kriege nicht
einfach, mit den zur Verfügung stehenden zahlen-
mäßig geringen Fachkräften stillgelegte Kapazitäten
in der Verarbeitungsindustrie wieder in Gang zu
bringen und je nach der Verschiedenheit der Er-
zeugnisse die entsprechenden Verteilungsmaßnahmen
zu treffen. Verwaltungsmaßnahmen in der Spitze und
in den Gauen bis zum letzten Verbraucher stellen
hier ebenso hohe Anforderungen wie die Beschaffung
der erforderlichen Verkehrsmittel. Enge Zusammen-
arbeit der Ernährungsämter und der Reichs-
nährstandsdienststellen mit der Reichsbahn
und den übrigen Verkehrsträgern sind eine
wesentliche Voraussetzung für das reibungslose
Funktionieren, zumal die im letzten Jahr in größtem
Umfang durchgeführten Umquartierungen diese
Lenkungsaufgaben der Ernährungswirtschaft nicht
gerade erleichtert haben. Wenn jetzt die Anspannung
unserer Verkehrswirtschaft im fünften und sechsten
Kriegsjahr und die Verlagerung zahlreicher Industrie-
betriebe in vom Verkehr weniger erschlossene Ge-
biete zu den Bevölkerungsverschiebungen im Rahmen
der Umquartierung neue zusätzliche Aufgaben brin-
gen, so wird man sich damit abfinden müssen, daß
in Zukunft nicht. mehr wie in der Vergangenheit da-
mit gerechnet werden kann, stets die Geschmacks-
richtungen der Verbraucher zu berücksichtigen, wie
340
dies bisher im Rahmen der Marktordnung vom
Reichsnährstand nach Möglichkeit angestrebt wurde.
Man wird sich vielmehr damit begnügen müssen, die
erforderlichen Nahrungsmengen in ihrer Ge-
samtheit sicherzustellen, ohne daß es möglich sein
wird, das bisherige vielseitige Angebot aller Lebens-
mittel überall aufrechtzuerhalten. In dieser Richtung
können noch mancherlei Kräfte freigemacht werden,
wenn man darauf verzichtet, im Interesse einer weit-
gehenden Befriedigung aller Geschmacksrichtungen
Lebensmittel im bisherigen Umfange aus einer Ge-
gend in die andere und damit oftmals aneinander
vorbeizufahren. Es sei hier nur gedacht an die Möglich-
elt eines gewissen Austausches von Nährmitteln
gegen Kartoffeln oder an die Versorgung mit
den verschiedenen Gemüsearten. Mehr als bis-
her wird es darauf ankommen, zunächst einmal den
wichtigsten Nahrungsmittelbedarf aus denjenigen
Lebensmitteln zu decken, die ohne große Transporte
in den einzelnen Gauen anfallen. Das Beschreiten
dieses Weges macht uns noch stärker und unabhängi-
ger von Maßnahmen, die unter Umständen der Feind-
einwirkung ausgesetzt sind. Man wird erwarten
können, daß auch die Verbraucher Verständnis für
diese Notwendigkeiten aufbringen, zumal gerade das
letzte Jahr gezeigt hat, daß die Organisation unserer
Kriegsernährungswirtschaft trotz zahlreicher neuer
Belastungen, die nach der Auffassung unserer Gegner
den Zusammenbruch unserer Nahrungsmittelver-
sorgung hätten herbeiführen müssen, eine ausrel-
chende Versorgung mit den wichtigsten Nahrungs-
mitteln ermöglicht hat, auch bei solchen Lebens-
mitteln, deren Erzeugung im vergangenen jahr weit
hinter dem erwarteten Umfang zurückgeblieben war.
Wenn im letzten Jahr die Last des Ausgleichs in
erster Linie von der Getreidewirtschaft getragen
werden konnte, so ist dies der deutschen Landwirt-
schaft zu verdanken. Es soll aber nicht vergessen
sein, daß außer der Landwirtschaft selbst auch alle
übrigen an der Mehl-, Brot- und Nährmittelver-
sorgung beteiligten Betriebe der Getreidewirtschaft
ebenfalls durch äußerste Pflichterfüllung ihren An-
teil dazu beigetragen haben, daß trotz fünf Kriegs
jahren und Bombenterror alle Ansprüche der Ver-
braucher pünktlich befriedigt werden konnten.
Inzwischen sind durch die Jahresanordnung der
Hauptvereinigung der Deutschen Getreide-
und Futtermittelwirtschaft die organisatorischen
Grundlagen für das neue Getreidewirtschaftsjahr be-
kanntgegeben worden. Dabei konnten die wich-
tigsten Bestimmungen im wesentlichen unverändert
bestehen bleiben. Dabei wird im neuen Getreide-
wirtschaftsjahr das Schwergewicht in der rechtzei-
tigen und restlosen Ablieferung des Brotge-
treides zu liegen haben, die heute wichtiger denn
je Ist. Für die Ablieferung von Hafer und Gerste
werden landwirtschaftlichen Betrieben wahrschein-
lich: höhere Mindestablieferungsverpflichtungen auf-
erlegt werden als im Vorjahr, weil zur menschlichen
Ernährung für die Herstellung von Nährmitteln und
für die Brauwirtschaft sowie für die Versorgung der
nichtlandwirtschaftlichen Tierhaltungen bestimmte
‚Mengen unbedingt aufgebracht werden müssen. Diese
Maßnahme stellt erneute Anforderungen an die innere
Elastizität der landwirtschaftlikhen Betriebe, die bei
der Aufstellung ihres eigenen Futterhaushaltes mit
diesen Tatsachen rechnen und rechtzeitig für einen
Ausgleich durch eigenen Futterbau, vor allem im Wege
des Zwischenfruchtbaues, sorgen müssen. Be-
denkliche Auswirkungen auf die Viehhaltung sind
aus dieser Maßnahme nicht zu befürchten, da die
Viehbestände allgemein auch im letzten Jahr noch in
einem Umfange gehalten werden konnten, daß ein
geringer Abbau in den einzelnen Betrieben ohne wei-
teres in Kauf genommen werden kann. Dabei ist
schon jetzt darauf hinzuweisen, daß die landwirt-
schaftlichen Betriebe mit ihren Viehablieferungen
möglichst nicht erst bis zum Weideabtrieb im Herbst
warten, sondern schlachtreife Tiere bereits früher
zur Ablieferung bringen, damit auch hier eine Ord-
nung des Angebots erfolgt und die Ablieferungsspitze
im Herbst eine Milderung erfährt. Von den übrigen
Bestimmungen der Getreidejahresanordnung sind die
Maßnahmen zur Förderung des Hülsenfrüchte-
anbaus zu erwähnen, die durch eine Verbesserung
der Preise und eine Vereinfachung der Preisklassen
beim Verkauf der Speisehülsenfrüchte erreicht wer-
den soll. Die Hülsenfrüchte gewinnen für die Ver-
sorgung von Wehrmacht und Zivilbevölkerung mit
längerer Kriegsdauer immer größere Bedeutung. Sie
sind nicht nur sehr vielseitig verwendbar und als
Ausgleich für verschiedene andere Nahrungsmittel
geeignet; der Anbau der Hülsenfrüchte kann darüber
hinaus mit Rücksicht auf die Einsparung von Handels-
stickstoff auch in den Betrieben, die bisher keine
Hülsenfrüchte anbauten, eine immer größere Rolle
spielen.
Bei Beginn des neuen Kartoffeljahres muß
nochmals an die ungewöhnlich schweren Verhältnisse
des abgeschlossenen Wirtschaftsjahres erinnert wer-
den, das mit seiner kleinen Ernte an die Marktordnung
eine außerordentliche Belastungsprobe stellte. Es galt,
neben der Sicherung der notwendigen Speise-
kartoffelversorgung vor allem für eine genügende
Bereitstellung von Pflanzkartoffeln zur Len-
kung der neuen Ernte zu sorgen. Beide Aufgaben
sind gemeistert worden, allerdings nur durch eine
starke Zurückdrängung der Verarbeitung und der
Verfütterung von Kartoffeln. Diese Entscheidung
war außerordentlich schwer, wenn man berücksichtigt,
daß die Kartoffelveredelungserzeugnisse sowohl in
der Ernährungswirtschaft als auch in der Industrie
eine wichtige Stellung einnehmen und die Schweine-
haltung gegenüber dem vorangegangenen Jahr er-
heblich vergrößert worden war. Heute kann fest-
gestellt werden, daß die gestellten Ziele in vollem
Umfangs erreicht wurden. Es muß besonders hervor-
gehoben werden, daß die deutschen Bauern nur
2 Millionen Tonnen Speisekartoffeln weniger
abgeliefert haben als aus der um 20 Millio-
nen Tonnen größeren Ernte im Jahre 1942.
Bei der Beurteilung digser Leistung muß man berück-
sichtigen, daß der übergebietliche Verkehr mit Speise-
kartoffein, der zum großen Teil von den durch die
schlechte Ernte besonders betroffenen Gebieten des
deutschen Ostens getragen wurde, nur um 15 v. H.
hinter der vorjährigen Ernte zurückblieb. Infolge der
besonders schlechten Ernte in einzelnen Gebieten
des Reiches mußte dabei der übergebietliche Verkehr
in vollkommen neue Bahnen gelenkt werden. Er er-
reichte infolgedessen den 3½ fachen Umfang des
letzten Friedensjahres. Diese Aufgabe konnte nur
gelöst werden, weil auch die Reichsbahn ihren Ein-
satz über alles Maß steigerte und bei der Anpassung
an die schwierige Lage die erforderliche Wendigkeit
zeigte. Für die künftige Versorgung ist durch die
Verlagerung eines stärkeren Spätkartoffel-
anbaus in die wichtigsten Zuschußgebiete
von vornherein auf eine Erleichterung dieser Lage
hingearbeitet worden.
Von den Maßnahmen zur Förderung der Kriegs-
erzeugungsschlacht ist die erste Arbeitstagung
des Reichsbeirats Ackerbau im Reichsnähr-
stand von besonderer Bedeutung. An dieser Ta-
gung, die vom Reichsfachwart Ackerbau im Reichs-
nährstand, Dr. Roemer, geleitet wurde, nahmen
Vertreter aus Wissenschaft und Praxis und aus den
Dienststellen des Reichsnährstandes aus allen Teilen
Großdeutschlands teil. Im Vordergrund der Bera-
tungen stand die Möglichkeit der Ausweitung des
Hülsenfruchtanbaues und die Erhaltung der natür-
lichen Fruchtbarkeit der Böden. Der richtigen Boden-
pflege kommt im Kriege, wenn die letzten Leistungen
aus der deutschen Scholle herausgeholt werden
müssen, während auf der anderen Seite die Möglich-
keiten der Versorgung mit zusätzliehen Düngemitteln
beschränkt sind, allergrößte Bedeutung zu. Wenn
jetzt durch die Bodenuntersuchungen, die nach dem
Muster von Professor Sekera durchgeführt werden,
den landwirtschaftlichen Betrieben durch entspre-
chende Aufklärungsmaßnahmen bedeutsame Rat-
schläge gegeben werden, um mit den im Kriege be-
schränkten Betriebsmitteln doch alle möglichen Vor-
aussetzungen zu schaffen, die durch zweckmäßigste
Bearbeitung sowie durch eine entsprechende Ge-
staltung der Fruchtfolge der Gefahr der Verarmung
unserer Böden und der Verbreitung von Bodenkrank-
heiten entgegenwirken, so wird damit einer Ent-
wicklung entgegengewirkt, die nicht zuletzt an den
fallenden Leistungen unserer Landwirtschaft im ersten
Weltkrieg schuld war. Auch hier zeigt sich wieder,
wie die Kriegsernährungswirtschaft sich nicht darauf
beschränkt, das Vorhandene gerecht zu verteilen,
sondern vor allem dafür sorgt, daß die wichtigste
Grundlage der Verteilung, nämlich eine aus-
reichende Erzeugung, vorhanden ist. Es ist nicht
immer leicht, angesichts der anderen bedeutenden
Aufgaben der Kriegs- und Rüstungswirtschaft diesem
Grundsatz auf allen Gebieten zum Siege zu verhelfen.
Dank der Einsicht der politischen Staatsführung, die
heute der Landwirtschaft volle Gleichberechtigung
neben der gewerblichen Wirtschaft beimißt, werden
die Hoffnungen der Gegner auch in dieser Richtung
zerschellen.
341
Wegweiser
zum treffenden Ausdruck?
Der zersetzende Einfluß des Liberallsmus oder
— richtiger — des Judentums hinter der Maske des
Liberalismus auf das deutsche Volksleben hat sich
nicht zuletzt in einer starken Verbildung und Ver-
manschung des deutschen Sprachgutes ausgewirkt.
Dieser Entartungsprozeß äußerte sich neben zahl-
reichen undeutschen „Neuschöpfungen“. die ihre
Herkunft aus dem Getto nicht verleugnen konnten,
vor allem in einer Abwertung vieler urtümlicher
deutscher Worte, die Ausdruck einer bewußten
Verächtlichmachung der durch sie verkörperten Be-
griffe ist. Kennzeichnend für diese Tendenz ist bel-
spielsweise die Herabwürdigung des Begriffes „Volk“,
mit dem sich „die Vorstellung der „ungebildeten
Masse“ verbindet, die Vergröberung des Begriffes
„Weib“ und die Verunglimpfung des Begriffes
„Bauer“, der zu einem ausgesprochenen Schimpfwort
wird. Angesichts dieser Entwicklung, deren Folgen
keineswegs überwunden sind, ist der Versuch, einen
Wegweiser „zum treffenden Ausdruck“ zu schaffen,
wie ihn das Buch „Deutscher Wortschatz‘ von
Dr. Hugo Wehrle (Verlag Ernst Klett, Stuttgart)
unternimmt, durchaus zu begrüßen, um so mehr, da
es den Anspruch erhebt, auf „zeitgemäße Grundlage“
gestellt worden zu sein.
Ist diese lobenswerte Absicht wirklich gelungen?
Schlägt man unter dem Stichwort „Grobheit“ nach,
dann stößt man neben Ausdrücken wie Pöbelhaftig-
keit, Boxerethos usw. als gleichbedeutend auch auf
den Ausdruck „bäuerisches Benehmen“. Das
Eigenschaftswort „grob“ wird dementsprechend mit
Ausdrücken wie flegelhaft, pöbelhaft, , mürrisch wie
ein Esel“ und — „bäuerisch“ erläutert und gleich-
gestellt. Nun ließe sich vielleicht einwenden, daß die
Endsilbe „isch“ im Gegensatz zu „ lich“ vielfach dem
betreffenden Eigenschaftswort einen geringschätzigen
Unterton verleiht, wie etwa bei , kindisch“ im Gegen-
satz zu „, kindlich“, und daß dies auch von dem Worte
„bäuerisch“ im Vergleich zu , bäuerlich“ gelte. Doch
abgesehen davon, daß diese Parallele bei dem sehr
feinen Unterscheidungsvermögen der deutschen
Sprache nur sehr bedingt stimmt, macht der Verfasser
diese Unterscheidung überhaupt nicht, denn unter
dem Stichwort „Unhöflichkeit‘‘ findet man neben
Tölpelhaftigkeit, Unmanierlichkeit, Ungezogenhelt
Unanständigkeit usw. nicht nur die Bezeichnung
„bäuerisches Benehmen“, sondern auch „bäuer-
liches Benehmen“ und „Bauermanier“.
Unter diesen Umständen ist es auch nicht weiter
verwunderlich, daß unter dem Leitwort „Pfuscher“
nebeneinander angeführt werden Ausdrücke wie
Nichtwissen, Stümper, Schlumpschütze, Tölpel, Holz-
342
andbemerkumgen
bock, Dummkopt und dann schlicht und recht:
„Bauer“. Dementsprechend findet sich unter dem
Stichwort „Leichtgläubigkeit“ der Ausdruck Bauer
u. a. neben dem Wort Gimpel. Unter dem Stichwort
„breite Masse‘ sind u.a. nebeneinandergestellt die
Ausdrücke Pöbel, Pack, Plebs, Mob, Janhagel, Ge-
lichter, Bagage, Kanaille, Abschaum, Auswurf der
Gesellschaft, Zigeuner, Flintenweiber und dann
„Bauernflegel“ und „Bauernkerl“. Für die — bewußte
oder unbewußte — Einstellung des Verfassers zu der
bäuerlichen Arbeit ist kennzeichnend, daß Rede-
wendungen wie „sich ungezogen benehmen“, „ent-
gleisen“, „anrüpeln‘“ im gleichen Atemzug mit dem
Ausdruck „nach dem Stall riechen“ genannt werden.
Das Buch registriert also in bezug auf die Begriffe
„Bauer“ und „bäuerlich“ alle Möglichkeiten der
Beschimpfung deutschen Bauerntums, die
unter dem Einfluß des Judentums im Zuge der
geistigen Verstädterung des deutschen Volkes er-
funden worden sind, und Ist zum mindesten In dieser
Beziehung im nationalsozialistischen Deutschland
nichts weniger als ein Wegweiser zu einem treffenden
Ausdruck. Da anzunehmen ist, daß dem Bearbeiter
eine kränkende Absicht ferngelegen hat, ist es ein
ungewollter Beweis dafür, wieviel noch zur Ent-
giftung von den letzten Einflüssen des liberalistischen
Zeitalters durch eine zielbewußte volkspolitische
Erziehungsarbeit zu tun übrigbleibt. G. P.
Professor E. A. Mitscherlich zum
70. Geburtstag
Ein Altmeister der landwirtschaftlichen Wissen-
schaft, Prof. Dr. Eilhard Alfred Mitscherlich
begeht am 29. August 1944 seinen 70. Geburtstag.
Weit über die Grenzen Großdeutschlands ist sein
Ruf als a in die ganze Welt gedrungen.
Mitscherlich entstammt väterlicherseits einer alten
Gelehrtenfamilie, in der sich Wissenschaft und For-
schung seit einer Reihe von Generationen vererbt
haben. Sein Großvater war der berühmte Berliner
Chemiker Eilhard Mitscherlich, sein Vater ein be-
kannter Berliner Chirurg. Dieses väterliche Erbteil
in Verbindung mit dem Erbteil der Mutter, deren
Familie in Schlesien auf dem Lande ansässig ist, haben
die Liebe zur Land- und Forstwirtschaft und zu deren
wissenschaftlicher Durchforschung auf Professor E. A.
Mitscherlich übertragen.
Mitscherlich studierte Chemie, Physik und Land-
wirtschaft in Kiel, Berlin und dann wieder in Kiel
und begann seine wissenschaftliche Laufbahn als
Assistent von Professor Dr. Hermann Rodewald,
nachdem er ein Jahr nach seiner Promotion (11. 3. 98)
bei Professor Dr. Hermann Ebert in München physi-
kalische Studien betrieben hatte. Am 7. März 1901
habilitierte er sich an der Kieler Universität für
Landwirtschaft und Agrikulturchemie. 1906 wurde er
als außerordentlicher Professor an die Universität
Königsberg berufen und erhielt dort kurz darauf
das Ordinariat für Pflanzenbau.
Bereits frühzeitig war Professor Mitscherlich auf
volkspolitischem Gebiet tätig. So gründete er zu
Beginn des Weltkrieges während des Russeneinfalls `
in seinem Institut eine Auskunfts- und Nachrichten-
stelle für ostpreußische Flüchtlinge. Außerdem leitete
er als Rektor der Universität während des ersten
Weltkrieges die Zweigstelle des Akademischen Hilfs-
bundes für Ostpreußen. Als der nationalsozialistische
Geist in der akademischen Jugend zum Durchbruch
kam und wegen der Unterbindung nationaler Kund-
gebungen Studentenunruhen an der Universität
Königsberg ausbrachen, übernahm Professor Mit-
scherlich wieder das Rektorat und schuf in kürzester
Frist eine Einheit zwischen Studenten und Lehrer-
schaft. Nicht umsonst wurde er damals als „Vater der
Studentenschaft“ bezeichnet.
Eine besondere Liebe und Verehrung genoß Mit-
scherlich in der gesamten Provinz Ostpreußen, in
der er über 30 Jahre gewirkt und die ihm unendlich
viel zu danken hat. Die Schlichtheit und Herzensgüte,
die Ruhe und Sicherheit, die von ihm ausstrahlten,
haben ihm die besondere Liebe und Verehrung seiner
Schüler und seiner zahlreichen Anhänger in der
praktischen deutschen Landwirtschaft eingetragen.
Zahlreiche Ämter und Ehrenämter, deren Gesamt-
aufzählung an dieser Stelle zu weit führen würde, sind
ihm während seiner langen Tätigkeit in Königsberg
zuteil geworden. Von 1922 bis 1934 bekleidete er
unter anderem das Amt des geschäftsführenden Di-
rektors der Landwirtschaftlichen Institute der Univer-
sität Königsberg. Ein besonderes Zeichen der Ver-
bundenheit mit der praktischen Landwirtschaft war
die Gründung der Mitscherlichgesellschaft, die im
Jahre 1923 von praktischen Landwirten der Provinz
Ostpreußen vorgenommen wurde. Durch diese Ge-
sellschaft wurden Untersuchungen über die Nähr-
stoffbedürfnisse des Bodens mit der von ihm ent-
wickelten Gefäßversuchsmethode vorgenommen. In
den über die damalige Provinz Ostpreußen verteilten
Stationen wurden jährlich bis zu 22000 Kulturgefäß-
versuche durchgeführt. 1924 wurde Mitscherlich Prä-
sident der 4. Kommission der Internationalen Boden-
kundlichen Gesellschaft, die sich mit der Erforschung
der Bodenfruchtbarkeit befaßte, und 1934 Vize-
präsident der neu gegründeten landwirtschaftlichen
` Kommission der Internationalen Botanischen Ge-
sellschaft.
Zahlreiche Veröffentlichungen sind von ihm in den
verschiedensten wissenschaftlichen Zeitschriften und
landwirtschaftlichen Fachorganen herausgebracht. Be-
sonders bekannt wurde sein Lehrbuch „Bodenkunde
für Land- und Forstwirte“, das im Jahre 1905 erschien
und eine Reihe von Auflagen erlebte, sowie sein Werk
„Bestimmung des Düngebedürfnisses des Bodens“.
In besonders hohem Maße war Mitscherlich zu eigen,
in die Zusammenhänge der Natur einzudringen und
sie wissenschaftlich nach allen Richtungen zu durch-
forschen. So kam er auf pflanzenphysiologischem Wege
zu dem Ergebnis, daß die Pflanzenerträge sich aus
einer Reihe von äußeren und inneren Wachstums-
faktoren zusammensetzen. Das bekannte „Liebig’sche
Gesetz vom Minimum“ wurde von ihm vollkommen
umgestaltet zu dem „Mitscherlich'schen Wirkungs-
gesetz der Wachstums faktoren“, das ihn in der ganzen
Welt berühmt gemacht hat.
Es ist bisher noch beinahe jedem, der in seinem
Forschungsdrang neue Wege beschritt und neue For-
men fand, so ergangen, daß er auf heftigsten Wider-
stand gestoßen ist und mühsam seine neuen Erkennt-
nisse hat durchkämpfen müssen. Auch bei ihm be-
wahrheitete sich leider wie bei vielen berühmten
deutschen Forschern zunächst das Sprichwort „Der
Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande“: denn zu-
erst wurde das Ausland auf die fundamentalen Er-
kenntnisse Mitscherlichs aufmerksam. Die Wogen
des Streites um seine Arbeit und sein Werk sind in
Deutschland mitunter sehr hoch gegangen. Unbeirr-
bar, in unerschütterlichem Selbstvertrauen ging
Mitscherlich seinen Weg. Immer wieder hat er seine
Lehren und seine Methoden zielbewußt weiter ent-
wickelt und der naturwissenschaftlichen Forschung
auf pflanzenphysiologischer Grundlage Wege zu neuen
Erkenntnissen gewiesen, auf der eine Reihe von land-
wirtschaftlichen Wissenschaftlern bereits weitergebaut
haben und die noch spätere Generationen beschäftigen
werden. Für die Erzeugungsschlacht und allgemein für
die nationalsozialistische Agrarpolitik ist Mitscherlichs
Werk von entscheidender Bedeutung. Seine Methoden
zur Bestimmung des Düngerbedürfnisses des Bodens,
die zunächst in dem Bestreben geboren waren, der
damals notleidenden deutschen Landwirtschaft eine
Rentabilität durch die richtige Anwendung des natür-
lichen und künstlichen Düngers zu haben, haben eine
wesentliche Voraussetzung für das Ziel und die Durch-
führung der Erzeugungsschlacht geschaffen.
Dr. Jürgen Stock
DieBuchwadt
Albrecht Timm:
Moltke und das Bauerntum
Verlag C.V. Engelhard G. m. b. H., Berlin 1943.
80 Seiten. Preis gebunden 3,60 RM.
Der bäuerliche Grundcharakter unseres Volkes muß
sich naturgemäß gerade in Art und Wesen der Größten
unseres Volkes in besonders ausgeprägter Form wider-
spiegeln; denn in ihrer Persönlichkeit konzentriert
sich deutsche Volksart in ihren besten Eigenschaften
zu höchster Leistungsfähigkeit. Ein eindringliches
Beispiel für die Richtigkeit dieser These ist das Wesen
und Wirken des Generalfeldmarschalls Graf Helmuth
von Moltke. Er selbst ist sich dieses engen Lebens-
zusammenhanges mit deutscher Bauernart stets be-
wußt gewesen, und hat dem symbolhaft Ausdruck ge-
geben, wenn er ein Telegramm an den Deutschen
Bauernbund mit „Graf Moltke, Bauer“, unterze'chnet.
343
„Graf Moltke, Bauer“ könnte auch der Titel der
Schrift sein, in der Dr. Albrecht Timm, der den Lesern
unserer Zeitschrift durch mehrere geschichtliche
Beiträge bekannt ist, den bäuerlichen Wesenszügen
des Generalfeldmarschalls nachspürt und nachweist,
wie stark Charakter und Leistung, Lebensauffassung
und Lebenshaltung des siegreichen Heerführers und
Lehrmeisters des deutschen Generalstabes in seinem
bäuerlichen Blutserbe wurzeln. So Rt die Schrift
gleichzeitig ein neuer Beweis für die Wesenseinheit
von Bauerntum und Soldatentum, Pflug und Schwert.
Dieser wirkt um so eindringlicher, als der Verfasser
unter Verzicht auf jede billige Phrase in schlichter
Erzählungsform die Fülle der Tatsachen als solche:
sprechen läßt. Der schmale, aber gehaltvolle Band Ist
daher geeignet, besonders auch unsere Jugend an-
zusprechen. Der Verlag hat ihn liebevoll mit zum Teil
noch wenig bekannten Bildern ausgestattet, was die
Wirkung des Buches noch erhöht.
Günther Pacyna
Wilhelm Hensler:
Das Brot der Wälder
Hünenburg Verlag, Straßburg 1943, 365 Seiten
Es ist eln sehr innerliches und besinnliches Buch,
das uns Wilhelm Hensler hier vorlegt, ein Buch von
den einsamen Höfen des hohen Schwarzwaldes, ihren
dunklen Bergwäldern und ihren wortkargen. zähen,
von harter Arbeit gebeugten und doch tatfrohen
Menschen.
Das Mädchen Hanna kommt aus der Stadt und wird
Magd auf dem Hot, auf dem schon ihre Mutter diente.
Sie lebt sich so ein. daB der Hof sie nicht mehr ent-
behren kann und eines Tages wird sie die Frau des
ältesten Sohnes. Für den jüngeren Sohn scheinen nur
nocn zwei Wege übrig zu bleiben, entweder aus-
zuwandern oder zeitlebens als Knecht zu dienen.
Beide könnte er nur schweren Herzens gehen, weil
er mit Leib und Seele Bauer ist und die Welte des
Hofes braucht. Da bietet sich die Gelegenheit einen
` verwalfiriosten Nachbarhof zu kaufen. Aber muß dieser
Kauf nicht zu schwerer Verschuldung führen?
in die abgeschlossene Stille des Bergwaldes dringt
immer mehr die neue Zeit mit ihren technischen Er-
rungenschaften. Sie baut Straßen über den Berg und
schlägt In den als ein Erbe der Väter jahrhundertelang
gehüteten Wald breite Wunden. Der alte Bauer findet
sich schwer damit ab, hatte er doch nie „daran ge-
dacht, sich von dem Wald beschenken zu lassen“. Die
junge Generation weiß, daß die stadtferne Abge-
schlossenheit nicht immer bleiben kann. Man kann
auch, wenn man sich die technischen Mittel der Zeit
dienstbar macht, ein echter Bauer bleiben. Die Straße
bringt Segen für das Land und seine Menschen, wenn
sie nur dem bäuerlichen Gesetz, nach dem sie an-
getreten sind, treu bleiben. Auf einer höheren Stufe
der Bewußtheit als sie bei den Vorfahren nötig war,
müssen sie sich zum Bauersein bekennen.
Der junge Bauer, der seine Sippe auf dem verwahr-
iosten Hof einpflanzen will, nimmt in seinem Wald
344
einen Steinbruch ın Betrieb und arbeitet für die
Straße. Er hat diesen Gedanken nicht aus sich selbst,
sondern von einem Freund, der nach Amerika ging
und wieder heimkehrte. Dieser Freund ist das Beispiel
des schöpferischen Menschen, dessen große künst-
lerische Begabung im armen Bergland kein Feld der
Betätigung findet, der daher in die Stadt gehen muß,
der aber mit den Wurzeln seines Seins immer dem
e heimatlichen Boden verhaftet bleibt und aus ihm für
sein Werk die besten Kräfte zieht.
Die Straße schlägt den Wald, aber Straße und Stein-
bruch geben die Mittel für den Hof, sie geben Arbeit
tür manchen Sohn der kargen Scholle, dem sonst nur
der Weg in die Stadt übrig bliebe. Inmitten der bäuer-
lichen Welt dienen sie ihr und dem Wald und nicht
einem fernen kapitalistischen Zweck.
Das ist — ganz kurz skizziert — das Geschehen In
diesem Buch Es ıst breit und geruhsam erzählt und
bietet dem Leser nicht die Krücken einer spannenden
Handlung, an denen er sich flüchtig über die Seiten
zu schwingen vermag, sondern es verlangt, daß er
ihm mit dem, was es selbst geben kann, entgegen-
kommt: mit Besinnlichkeit und ein wenig innerer
Ruhe und Geduld, ohne die sich die dichterischen
Feinheiten und Schönheiten des Buches nicht er-
schließen. Sie beruhen nicht nur in der Art wie mit
zarten Strichen die Bilder der Landschaft ausgemalt
sind, sondern auch wie den Regungen der Seelen und
den menschlichen Beziehungen behutsam und innig
nachgegangen wird. Wer aber dem Buch so entgegen-
kommt, wird bereichert und beglückt sein und die
Überzeugung gewinnen, daß sich hier ein Erzähler
dem deutschen Volk vorgestellt hat, von dem das
bäuerliche Schrifttum noch manche schöne Gabe
erwarten darf.
Dr. Klaus Schmidt
Dr. Alfred Thoß:
Heinrich I.
Der Gründer des deutschen Volksreiches
Verlag C.V.Engelhard, Berlin 3. Aufl. 1943, 2725.
Wenn wir heute die Neugestaltung des national-
sozialistischen Großdeutschen Reiches als des Kraft-
zentrums eines neuen Europas miterleben, dann
wenden wir auch gern den Blick in die Zeit zurück,
In der das erste Reich der Deutschen vor einem jahr-
tausend dem zerrissenen Europa für längere Zeit eine
feste Ordnung gab. Das erstmalig zur Feier des
tausendsten Todestages des Begründers des deutschen
Volksreiches erschienene Buch ist In seiner nunmehr
vorliegenden dritten Auflage gründlich überarbeitet,
erweitert und verbessert. Der Verfasser verwendet
alle in den letzten Jahren gewonnenen Forschung
ergebnisse und vermag auf Grund der wenigen
Quellenzeugnisse ein umfassendes Bild der Persönlich-
keit und Lebensleistung des ersten Sachsenkönigs Zu
entwerfen, der wie jeder wahre Volkskönig auch ein
Bauernkönig war.
Dr. Albrecht Timm
r
—— m P "ss
= 1
Achtung! An alle Verfracnter!
Vorsatzbretter für gedeckte Güterwagen!
Ein neues Hilfsmittel der Deutschen Reichsbahn
für die Verladung von Schüttgütern!
Bei Fehlen von Verpackungs-
material können Schüttgüter
wie Getreide oder Hülsen-
früchte lose verladen werden.
Die Reichsbahn hat hierfür Vor-
satzbretter beschafft (a obige
Abbildung) Sie passen für je-
den Güterwagen, werden von
innen in die Türen gestellt und
sind mit 2 Entlade-
DER schiebern versehen
Räder müssen rollen für den Sieg!
Fordern Sie diese bahneigenen
Vorsatzbretter bei Ihrer Güter
abſertigung an. Die Mietgebũhr
beträgt je Stück RM 2,-. In kei-
nern Falle ist es also mehr not-
wendig, das wertvolle Wagen-
material durch Vernageln der
Cũterwagentũren mit Brettern
zu beschädigen. Jede Repara-
tur entzieht den Güterwagen
dem Verkchr.
5
Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen
auf dem Hof meistnur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der aut
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer
Stelle zur anderen bringen läßt.
Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß.
SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG
Wer sat - wird
vorausgesetzt, daß
er sein Saatgut
gebeizt hat.
Ceresan
Trocken- oder Naßbeize
für alle Getreidearten!
n Bayer«
F B
AKTIENGESELLSCHAFT A
Pilanzenschutz-Ableilung BAYER
Gleitschutzketten
Das Wort ‚einwecken“ stammt
von Johann Weck, dem Mann, der
das WECK-Verfahren begründet,
der die WECK-Gläser und WECK-
Geräte geschaffen hat.
— rs k k
BE Rn
WEEK derte ee, edel:, e,
Wesi E A a
ei ech 2
= das
Kettenwerk Max Többicke
J.WECK &C0 Vertretung: H. Vahle, Letmathe in Westfalen
POSTSPARKANTE
Rain GIBT JEDES 1
> IE —
SEPTEMBER OKTOBER 1944
NUMMER 12
, JAHR GRIIIZEe
ETNZELPQIBIS 1,20
RM
MB 4
INHALT
Bauer Gustav Behrens, Reichsobmann des Reichsnährstandes: Zum Erntedanktag im
sechsten Kriegsjabh nn %%%%% TUV 345
* „ * Die Ernährungs wirtschaft an der Wende des fünften Kriegsjahres.. .. ...... 349
Brot für das sechste Kriegsjahr (Bildbeilage, j . n. Seite 352
Curt Strohmeyer: Mensch oder Mähdreschereers»˖e··· d e 355
Landwirtschaftsrat Rudolf Friedrich, Geschäftsführer des Gauamtes für das Landvolk der
NSDAP Gau Sachsen: Gesunde Lebensordnung im Erbhof .....sesserosesssessea. 338
Spreewälder Gemüsebau (Bildbeilageꝶᷣꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛ ou nenn nenn n. Seite 360
Lehrer Hugo Stübs: Dorfbucharbeit im Kriegel 361
Ministerialrat Wilhelm Thies: Die Schule in der bäuerlichen Erziehung ...... . . ... 365
Agrarpolitische Rundschau `... EE . . 369
i ß , 371
Die: Buchbwächt .. werner ee 375
Bildnachweis: Das Titelbild „Generatorgasschlepper mit Kultivator, Egge und Walzen“ stellte der Hanomag-Bilderdienat
zur Verfügung. Die Bilder für die beiden Bildbeilagen entstammen dem Bildarchiv des Reichsnährstands
Hauptschriftleiter Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil Günther Pacyna, Berlin- Wilmersdorf: für den
wirtschaftlichen Teil Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil Lotte Wille, Berlin Charlottenburg. Anschrift der Schrift-
leitung Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf 19 55 41. Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.), Zweigniederlassung
Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Ortsruf 11 0022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Einzelne Nummern können bis
auf weiteres nicht nachgeliefert werden, Z. Z. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck August Scheri Nachf. Berlin SW 68
ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN
El. ee vg —
— e TR © m ia
ET
— — — — —— a
"e
Herausgeber
September / Oktober 1944
GUSTAV BEHRENS
Jahrgang 2
Herbert Backe
Nummer 12
Sum Exntedanktag OR I IR Keiegsjahr
n früheren Jahren haben wir das Erntedank-
fest stets in einem größeren Rahmen ge-
feiert. Heute erleben wir diesen Tag beschei-
dener, wie es der totale Krieg vorschreibt;
aber wir wissen, daß die Bedeutung des Ernte-
danktages heute in unserm Volke besser er-
kannt wird als früher. In friedlichen Zeiten
machen sich nur wenige Gedanken um das
tägliche Brot. Kaum einer überlegt, wo das
Brot und alles, was zur Ernährung gehört, her-
kommt. Die Läden sind gefüllt mit den Er-
zeugnissen aus aller Welt. Man geht in die
Geschäfte und kauft, was man gerade kaufen
will. Ob das, was man ißt, im eigenen Lande
wächst oder aus Übersee stammt, interessiert
den Durchschnittsbürger nicht.
Im Krieg sieht er dann plötzlich, wie sich
die Läden leeren, wie viele der Dinge, die er
früher so gedankenlos gekauft und gegessen
hat, mit einem Male nicht mehr vorhanden
sind. Da wendet er sich mit einem ganz
andern Verständnis als früher den Lebens-
mitteln zu, die der Mensch zum Leben braucht:
Brot, Kartoffeln, Fett, Fleisch, Gemüse. — Die
angenehmen Beigaben der Friedenskost fallen
aus. Aber dieGrundnahrungsmittel müssen da-
sein. In diesem Augenblick gehen der Be-
völkerung die Augen auf. Jetzt zeigt es sich,
ob ihre Führung für diese Grundnahrungs-
mittel gesorgt hat.
Wir haben in unserer Generation zwei Welt-
kriege größten Ausmaßes erlebt und haben
die seltene Gelegenheit, auf dem Gebiete der
Kriegsernährung unmittelbar Vergleiche
ziehen zu können. Die Älteren von uns
wissen, wie es schon bald nach dem Beginn
des ersten Weltkrieges mit der Ernährung aus-
sah. Da es damals nicht sofort Lebensmittel-
karten und eine straffe Bewirtschaftung gab,
fehlte die Voraussetzung dafür, das Volk
sozial und gerecht nach Leistung zu ernähren,
wie es heute geschieht. Auch für die landwirt-
schaftliche Erzeugung waren keine klaren
Richtlinien gegeben, was dazu führte, daß man
die Produktion nicht übersah. Hinzukam,
daß alle statistischen Unterlagen fehlten und
daher kein Überblick vorhanden war. Ein
krasses Beispiel dafür ist der berüchtigte
Schweinemord, der im Jahre 1915 neun Mil-
lionen Schweine forderte, weil angeblich nicht
genügend Futtermittel vorhanden waren. Als
man schließlich entdeckte, daß doch genügend
Kartoffeln vorrätig waren, waren die Schweine
schon längst abgeschlachtet, und es fehlte
nun an den Verwertern dieser plötzlich auf-
tauchenden Kartoflelvorräte. Es ist uns heute
unverständlich, mit welchem Leichtsinn man
auf ernährungswirtschaftlichem Gebiet in den
ersten Weltkrieg hineingegangen ist. Bei der
daraus entstandenen Lage wurde es im weiteren
Verlauf des Krieges völlig unmöglich, Front
und Heimat noch ausreichend zu versorgen.
Auf organisatorischem Gebiet war nichts ge-
schehen, was einen befriedigenden Verlauf der
Kriegsernährung hätte garantieren können. Es
gab weder ein Reichsministerium für Ernäh-
rung und Landwirtschaft noch eine einheit-
lich geführte Selbstverwaltung des deutschen
Bauerntums. Erst im Jahre 1916 wurde ein
Kriegsernährungsamt gegründet, das aber bei
der parlamentarischen Verwirrung auf allen
Gebieten die notwendigen Maßnahmen weder
einheitlich lenken noch straff durchführen
konnte.
Die Landwirtschaft hatte den folgenschwe-
ren Mangel einer straffen Organisation und
das Fehlen jeglicher Voraussicht für den Fall
eines Krieges schon lange vor 1914 erkannt
345
und immer wieder entsprechende Vorsichts-
maßregeln gefordert. Aber ob sie eine na-
tionale Getreidereserve für den Kriegsfall ver-
langte oder eine Stärkung der heimischen
Produktionskraft, immer wurde ihr von den
liberalen Ministern in der Regierung und von
den landwirtschaftsfeindlichen Parteien im
Reichstag entgegengehalten, daß ihr „Ge-
schrei“ lediglich „das patriotische Mäntelchen
für eigennützige Zwecke“ und dergleichen sei.
Reichstag und Reichsregierung verkannten in
ihrer parteipolitischen Verblendung ganz und
gar, daß bei einem Zweifrontenkrieg, mit dem
man angesichts der politischen Wirren von
1914 fast täglich rechnen mußte, lediglich die
eigene Landwirtschaft die Gewähr für eine
gesicherte Ernährung geben würde.
Wie sich die Dinge entwickelt haben, mußten
wir in den Jahren 1914-1918 leider am eigenen
Leibe spüren. Nicht zuletzt hat der Hunger
den verbrecherischen Machenschaften der Re-
volutionäre von 1918 Vorschub geleistet und’
zum 9. November 1918 und damit zum Diktat
von Versailles geführt.
So lagen die Dinge im ersten Weltkrieg.
Die Folge dieser Wirtschaft hat das deutsche
Volk nicht nur mit dem Hungertod von
750 000 Frauen und Kindern bezahlen müssen,
sondern auch mit einer politischen Knecht-
schaft und jahrelangen Unterdrückung.
Und heute? Wir haben jetzt fünf Jahre
Krieg hinter uns. Dieser zweite Schicksals-
kampf unseres Volkes dauert schon ein Jahr
länger als der erste Weltkrieg. Er ist in seiner
Totalität weit umfassender als der Krieg von
1914-1918. Noch mehr Menschen stehen seit
Jahr und Tag an den Fronten, noch mehr
Volksgenossen in der Rüstung. Alle Produk-
tionsstätten des privaten Lebens sind ge-
schlossen. Städtische Wohnviertel und ein-
same Bauernhöfe werden täglich von feind-
lichen Terrorfliegern bombardiert. Und trotz-
dem läuft unsere Ernährung weiter. Fast rei-
bungslos für den Verbraucher, wenn auch
nicht — und das kann an diesem Erntedanktag
ruhig zugegeben werden — für die landwirt-
schaftliche Produktion und nicht für die Füh-
rung des deutschen Landvolkes. Es braucht
kein Geheimnis daraus gemacht zu werden,
daß die landwirtschaftliche Erzeugung im
sechsten Kriegsjahr nicht einfach sein wird.
Aber das ist nicht entscheidend. Ausschlag-
gebend für die bisherige Entwicklung unserer
Kriegsernährung war doch letzten Endes, daß
die nationalsozialistische Agrarpolitik von
Anfang an aus den Fehlern des ersten Welt-
346
kriegs die Konsequenzen gezogen hatte. Wir
haben im Deutschland Adolf Hitlers seit 1933
unsere Landwirtschaft neu aufgebaut. Wir
haben ihr durch das Reichsnährstandsgesetz
die wirtschaftliche Sicherung gegeben. Wir
baben bei der Steigerung der Produktion stets im
Auge gehabt, daß es in einem Kriege auf keinen
Fall an den notwendigen Grundnahrungsmittieln
ſeblen darf, und baben uns von Anfang an auf deren
verstärkte Erzeugung eingestellt.
Hätten wir z.B. den Kartoffelanbau nicht
schon lange vor dem Kriege bewußt gesteigert,
wir hätten unser Volk in diesem Kriege nicht
satt machen können. Hätten wir nicht unsere
heimischen Futtermittelquellen systematisch
ausgebaut, wir hätten nach dem Fortfall der
Futtermitteleinfuhren niemals einen so großen
Viehbestand und damit unsere Fleisch-, Milch-
und Fettversorgung aufrechterhalten können.
Dies alles mußte geschehen, ohne die Er-
zeugung der andern Nahrungsmittel, wie z. B.
Brot und Zucker, zu beeinträchtigen.
Daß dag gelungen ist, ist der Erfolg der
ganz klaren Erkenntnis der Lage durch unsere
agrarpolitische Führung und deren eindeutige
Zielsetzung für die Ernährungswirtschaft im
nationalsozialistischen Deutschland. Dies allein
hätte jedoch den Erfolg nicht garantiert, wenn
es im Laufe der Jahre nicht gelungen wäre,
unser deutsches Landvolk restlos auf diese
nationalsozialistische Ernährungswirtschaft
auszurichten. Gerade im Kriege hat das
deutsche Landvolk bewiesen, daß es den ge-
stellten Forderungen in jeder Weise gerecht
geworden ist. Man muß immerhin bedenken,
daß es galt, z, Millionen landwirtschaftlicher
Betriebe auf diese neue Zielsetzung auszurich-
ten. Das ließ sich natürlich nur mit einer --
straffen Organisation erreichen. So bildet
letzten Endes die Zusammenfassung der ge-
samten deutschen Landwirtschaft und der dazu
gehörigen Be- und Verarbeiterbetriebe so-
wie des Nährstandshandels im Reichsnähr-
stand die organisatorische Voraussetzung da-
für, daß man sowohl Erzeugung wie auch Er-
fassung und damit die Versorgung nur durch
diese Selbstverwaltungskörperschaft des deut-
schen Landvolkes führen und steuern kann.
Ein machtloses Kriegsernährungsamt wie
im Weltkriege wäre selbst bei der besten Hal-
tung des deutschen Landvolks nicht in der
Lage, die heute an uns herantretenden großen
Erzeugungs- und Versorgungsaufgaben zu
lösen. Der grundlegende Unterschied
aber besteht eben darin, daß im umfassendsten
Sinne die deutsche Landwirtschaft von einem:
3 A A l
3 — L
N
N
1—
— —
im nationalsozialistischen Geiste erzogenen
ehrenamtlichen Bauer nführerkorps geführt
wird. Der unbestreitbar vorhandene Erfolg
wäre staatlichen Organen alle in niemals mög-
lich gewesen. Gerade dadurch, daß man hier
dem Bauern Selbstverantwortung gegeben hat,
dadurch, daß man die Stellen der Bauernführer
mit bewährten Kämpfern aus der national-
sozialistischen Bewegung besetzt hat — sei
es in Gau, Kreis oder Ortschaft —, wurde die
Voraussetzung dafür geschaffen, daß sich die
3,5 Millionen Einzelbetriebe in den großen
Erzeugungsprozeß restlos eingeschaltet haben.
Ohne unsere 70 000 Ortsbauernführer und
ohne unsere 700 Kreisbauernführer hätten wir
das deutsche Landvolk niemals zu jenen Kraft-
anstrengungen und Leistungen angespornt,
auf die wir heute am Erntedanktag 1944 voller
Stolz blicken können. Dieses nationalsozialisti-
sche Banernführerkorps war die breite Grundlage
für alle Arbeit, die wir im Laufe der letzten zehn
Jabre an unserm Baserntum und damit für unser
Volk leisten konnten. |
Diese Arbeit war nicht immer leicht. Sie
wurde schon vor dem Kriege behindert durch
die vordringlichen Maßnahmen der Auf-
rüstung. Wir gaben nicht nur laufend Men-
schen frei für den Einsatz in der Rüstung, son-
dern ersparten auch durch die Stärkung unse-
rer heimischen Erzeugung Devisen für andere
kriegswichtige Importe. Auch brachte der
Krieg für die Landwirtschaft nicht wie für die
kriegswichtige Industrie eine Aufrüstung zur
Verstärkung ihrer. kriegsentscheidenden Pro-
duktion. Die Landwirtschaft wird in jedem
Kriege abgerüstet, obgleich ihre Er-
zeugung die Voraussetzung für jede Krieg-
führung ist. Sie muß Menschen und Gespanne
abgeben, sie muß sich mit unzulänglichen Er-
satzkräften begnügen, sie muß schon lange
vor dem allgemeinen Arbeitseinsatz ihren
Frauen die ganze Last der Betriebsführung und
Arbeitsleistung für den eingezogenen Bauern
aufbürden. Die Landwirtschaft muß aber auch
bei den Betriebsmitteln erhebliche Einschrän-
kungen auf sich nehmen. Während jede
Rüstungsfabrik die Maschinen zur Waffen-
herstellung und die Rohstoffe bekommt,
können der Landwirtschaft die für ihre Er-
zeugung unentbehrlichen Maschinen und Ge-
räte nicht in genügendem Ausmaß gegeben
werden. Die Landwirtschaft mußte von Jahr
zu Jahr geringere Zuteilungen an Handels-
dünger in Kauf nehmen.
Auch galt es, die Schwierigkeiten durch den
Entzug von Zugkräften zu überwinden, die
N
wegen des Mangels an Brennstoff oder der
Abgabe von Pferden an die Wehrmacht ent-
standen. Die Landwirtschaft hat sich hier
selbst geholfen durch Einsatz von Ochsen
und durch rechtzeitiges Nachziehen von
Pferden, deren Zahl größer ist als im Frieden.
Ohne diese Selbsthilfe der Landwirtschaft
wäre es nicht gegangen, denn die Landwirt-
schaft ist nun einmal auf ausreichende Zug-
kräfte angewiesen, und zwar sowohl bei der
Bestellung wie bei der Ernte und der Ab-
lieferung. Nicht ohne Grund hat man sie als
„Transportgewerbe wider Willen“ be-
zeichnet. Das ist sie ohne Frage, und sie kann
alle diese Transportleistungen nur vollbringen,
wenn ihr die notwendigen Transportmittel zur
Verfügung stehen. Das gleiche trifft im übri-
gen auch für die Be- und Verarbeitungs- und
die Verteilerbetriebe der Ernährungswirt-
schaft zu. Wenn z. B. die Fuhrwerke der Mol-
kereien nicht mehr intakt sind, um täglich die
Milch zusammenzuholen, so nutzt uns die
Milcherzeugung auf den einzelnen Höfen
nicht viel, weil wir nur mit der erfaßten und
verarbeiteten Milch die Verbraucher in Stadt
und Land mit Milch, Butter und Käse ver-
sorgen können. Erst wenn die vielen Einzel-
mengen, die täglich auf den 3,5 Millionen
landwirtschaftlichen Betrieben ermolken wer-
den, mit Fahrzeugen in die Molkerei geschafft
sind, kann die Butterversorgung sichergestellt
werden. Erst wenn die vielen Zentner Kar-
toffeln und Getreide aus unsern Höfen zum
Bahnhof, in die Mühle, zum Kaufmann oder
zur Genossenschaft gefahren sind, können wir
das deutsche Volk mit diesen wichtigen Le-
bensmitteln beliefern. Es hieße also die ge-
samte Versorung in Frage stellen, wenn die
Landwirtschaft nicht mehr in der Lage wäre,
alle diese Verrichtungen, die von ihr noch
neben der Erzeugung gefordert werden,
wegen Einsparung am falschen Platze aus-
zuführen.
Die Leistungen unseres EE sind
heute für unsere Kriegführung noch erheb-
lich stärker zu werten als vor zwei bis drei
Jahren. Damals standen unsere Truppen in
den weiten Räumen des Ostens und auf dem
Balkan. Damals hatten sie ganz Frankreich
besetzt, und wir konnten diese Gebiete zu-
sätzlich für die Ernährung Europas ein-
spannen. Wenn in jenen Jahren die ewig Un-
belehrbaren alle Erfahrungen des Weltkrieges
wieder vergaßen und die Kraft der deutschen
Landwirtschaft auf engem Raum messen
wollten an den Möglichkeiten, die die neuen
347
—
Gebiete jenseits unserer Grenzen boten, so
baben wir in der bäwrlichen Führung ganz bewußt
auch in jenen Jahren die deutsche Erzeugungsleistung
bochgsbalten und die deutsche Landwirtschaft nach
wie vor als Rückgrat unserer Versorgung bezeichnet.
In keiner Stunde dieses Krieges haben wir angesichts
der tatsächlichen oder erwarteten Zuschüsse aus den
nemen Gebieten unsere beimische Erzeugung über den
Möglichkeiten der fremden Räume vernachlässigt.
Wie richtig das war, hat besonders die Ent-
wicklung des letzten Jahres bewiesen. Wären
wir jenen falschen Propheten gefolgt und
hätten wir die Dinge im eigenen Lande laufen
lassen, so wäre es uns bei der schicksalhaften
Entwicklung in diesem Jahre nach dem Ver-
lust der Gebiete im Osten und Westen nicht
gelungen, die Erzeugung schnell genug wieder
zu verstärken und die unvermeidlichen Aus-
fälle mit jener Gelassenheit zu tragen, die heute
in der Erzeugungskraft unserer deutschen
Landwirtschaft begründet ist. Wir hätten
diesen Verlust mit erheblich mehr Rations-
kürzungen ausgleichen müssen als mit der
Brotsenkung, die erst Mitte Oktober in Kraft
tritt. Das Ganze ist ein unleugbares Verdienst
unserer Agrarpolitik und unseres Landvolkes,
das sich durch niemand und durch nichts in
seiner Pflichterfüllung har beirren lassen.
Die deutsche Landwirtschaft kann ohne
Überheblichkeit diese Feststellungen am heuti-
gen Erntedanktag treffen, denn ihr Produk-
tionsprogramm ist seit zehn Jahren im Grunde
unverändert und ihre Marktordnung ist sich
immer gleich geblieben. Gewiß haben wir
gelegentlich die Methoden der jeweiligen Lage
angepaßt, im Grundsatz sind wir uns
aber stets treu geblieben. Nicht zuletzt
haben wir dem Festhalten an unsern Grund-
‚sätzen den Erfolg unserer nationalsozialisti-
schen Agrarpolitik zu danken.
Es wird das Jahr stark und scharf hergehen, aber man muß die
Ohren steif halten, und jeder, der Ehre und Liebe für das Vaterland
hat, muß alles dransetzen; eine gute Husche, so wird alles klar werden.
Friedrich der Große
Große Zeit ist's immer nur, wenn's beinahe schief geht, wenn man
jeden Augenblick fürchten muß: Jetzt ist alles vorbei. Da zeigt
sich's: Courage ist gut, aber Ausdauer ist besser. Ausdauer, das
ist die Hauptsache.
Theodor Fontane
Wenn das Vaterland auf dem Spiele steht, gibt es für niemanden
Rechte, dann hat jeder nur Pflichten.
348
Ernst von Wildenbruch
*
Die Ernährungs wirtschaft
an der Wende des fünften Kriegsjahres
er Erntedanktag war für das deutsche Landvolk
von jeher ein Tag der Rückschau auf die geleistete
Jahresarbeit und der Vorschau auf neue Aufgaben und
Ziele. Alle Mühen und Sorgen, die sich im Jahreslauf
auftürmten, erscheinen an diesem Tage, wenn die Ernte
geborgen ist und die neue Saat der Erde anvertraut
werden kann, in milderem Licht. Mehr denn je richten
sich an der Wende des fünften Kriegsjahres die Augen
des gesamten Volkes auf das bäuerliche Schaffen und
die Erträgnisse des deutschen Bodens; denn der Krieg
hat allen erneut zum Bewußtsein gebracht, daß es in
Zeiten außenwirtschaftlicher Bedrängnis eine Schick-
salsfrage ersten Ranges ist, ob der gemeinsame Wirt-
schaftsraum auch genügend Nahrungsraum umfaßt und
die Möglichkeiten der Ertragsgewinnung voll ausge-
schöpft werden. Is Erinnerung an die Nahrungsnöte des
ersten Weltkrieges werden sich viele die Frage vorlegen, ob das
tägliche Brot auch im kommenden entscheidimgsvollm Jabr
für unser Volk gesichert ist und damit eine wichtige Voraus-
setzung für die ungeschwächte Kampf- und Arbeitskraft der
Nation.
Die Beantwortung dieser Frage muß von den
Grundsätzen ausgehen, die seit mehr als einem
Jahrzehnt der landwirtschaftlichen Erzeugung ihr Ge-
präge geben und den Ablauf. der Nahrungsversorgung
bestimmen. Sie muß darüber hinaus die Umstände
berücksichtigen, die durch die Verlagerung der Fronten
und den Verlust von landwirtschaftlichen Überschuß-
gebieten EinfluB auf die Ernährungswirtschaft ge-
winnen.
Die deutsche Emährungspolitik hat zwei zentrale
Grundsätze herausgestellt und mit allen wirkungs-
vollen Mitteln gefördert: erstens den Bodenertrag auf
ein Höchstmaß zu steigern und zweitens den ge-
wonnenen Bodenertrag mit dem Ziel einer gesicherten
Nahrungsversorgung rationell zu verwerten. Der
Grundsatz einer nährwertmäßig rationellen Verwertung
bedeutet nicht nur, den für die Brot-, Nährmittel-,
Speisekartoffel- und 7. uckerversorgung notwendigen
Anteil der Gesamtemte sicherzustellen, sondern be-
deutet gleichzeitig, den verbleibenden Rest des Boden-
ertrages mit dem Umfang der Viehhaltung abzu-
stimmen und dabei diejenigen Nutzviehzweige zu
bevorzugen, die für die Ermährungswirtschaft die
wichtigsten und unentbehrlichsten Erzeugnisse liefern.
Wir benötigen für die menschliche Ernährung nicht
nur ein bestimmtes Maß an Kalorien, sondern eine
gemischte Kost, an der die hochwertigen Nahrungs-
mittel einen bestimmten Anteil möglichst nicht unter-
schreiten sollen. Eine zu reichliche Bemessung der
pflanzlichen Kost schmälert die Grundlage der Vich-
haltung und damit die Fleisch- und Fetterzeugung, und
umgekehrt kann ein im Verhältnis zur Gesamternte
übersetzter Vichbestand die Brot- und Kartoffelver-
sorgung in Gefahr bringen. Die näbrwertmaßig er-
giebigste Ausnutzung und Verwertung der Ernte und Ein-
Jubren ist daber für die Nahrungsversorgung von entschei-
dender Bedeutung.
Ausschlaggebend bleibt naturgemäß die Höhe des
gewonnenen Bodenertrages als Grundlage und
Ausgangspunktaller ernährungswirtschaftlichen Einzel-
leistungen. Der Bodenertrag ist wiederum das Ergebnis
des gewählten Kulturarten- und Anbauverhältnisses
und der erzielten Hektarerträge. Die Nährstoflerträge,
die unter sonst gleichen Verhältnissen von den ein-
zelnen Fruchtarten je Flächeneinheit geliefert werden,
sind bekanntlich sehr unterschiedlich. Obenan steht
dabei der Hackfruchtbau, der mit seinen ergiebigsten
Zweigen, dem Kartoffel-, Zuckerrüben- und Gemüse-
bau, dem Getreidebau in der Nährstoffleistung je
Flächeneinheit um ein Mehrfaches überlegen ist. Hack-
früchte und Gremüse erfordern zwar zur Erzielung einer
mittleren Ernte einen höheren Aufwand an Arbeit und
Dünger als die Getreidearten und diese wiederum einen
höheren als die Futterpflanzen, aber die zuerst ge-
nannten Gruppen lohnen diesen Aufwand auch durch
einen Ertragszuwachs, der erst bei einer viel höheren
Aufwandsstufe abzufallen beginnt. Steigerung der Hektar-
erträge und Intensivierung des Anbaus im Sinne einer Bevor-
gung der fläcbenproduktiven Fruchterten sind daher die
wichtigsten Hebel, den Nabrungsspielraum zu erweitern.
Nichts bezcugt besser den Leistungswillen und
Leistungserfolg der deutschen Landwirtschaft als die
Tatsache, daß in den letzten acht Jahren vor Ausbruch
des Krieges die deutsche Buttererzeugung, trotz des
damals bereits erreichten hohen Intensitätsgrades, um
fast 20 vH gesteigert wurde. Bei der Intensivierung
des Fruchtbaus, die für den bisherigen reibungslosen
Ablauf der Ermährung im Kriege nicht hoch genug
eingeschätzt werden kann, haben verschiedene Maß-
nahmen zusammengewirkt: auf Ausdehnung des Hack-
frucht- und Gremüsebaus abgestellte Preisrelationen,
ausreichende Nährstoffversorgung der Böden, wirkungs-
volle Beratung in der Sortenwahl und im Saatgut -
wechsel, Förderung der wirtschaftseigenen Futter-
gewinnung und bessere technische Ausrüstung der
349
Betriebe, die es erleichtern, die bei umfangreichem
Hackfruchtbau auftretenden jahreszeitlichen Arbeits-
spitzen zu überwinden.
Die deutsche Landwirtschaft hatte den Höchststand
der pflanzlichen und tierischen Erzeugung, auch dank
günstiger Witterungsverhältnisse, im Jahre 1939 er-
reicht. Damals wurde eine Rekordernte an Getreide
und Hackfrüchten eingebracht, die Rinder- und
Schweinebestände waren voll aufgefüllt, und die Ge-
treidevorräte ermöglichten einen Ausgleich zwischen
. guten und schlechten Emtejahren. Die Zufuhren an
Agrarprodukten aus dem Ausland betrugen etwa
10 vH der Eigenerzeugung. Trotz zielbewußter Arbeit
war die deutsche Speisefettversorgung bei dem da-
maligen Stand des Verbrauchs, ebenso wie in fast allen
mittel- und westeuropäischen Ländern, in starkem Maße
von überseeischen Zufuhren abhängig geblieben. Aber
in Anbetracht des erreichten Gesamtergebnisses gab es keine
wirkungsvollere Ernäbrungspolitik, as den eingeschlagenen
Weg anch im Kriege fortzusetzen und dabei die Anpassungen
zu sollzieben, die durch den Ausfall der übersceischen Zu-
[uhren unvermeidlich wurden.
Da sich die Zahl der Verbraucher durch natürlichen
Bevölkerungszuwachs, Rückwanderer, ausländische
Zivilarbeiter und Kriegsgefangene wesentlich ver-
mehrte und die gegenüber der Vorkriegszeit fehlenden
Fettmengen durch höhere Zuteilungen von Brot und
Kartoffeln ausgeglichen werden mußten, stellte sich
ernährungsökonomisch die Aufgabe, den gestiegenen
Direktverzehr an pflanzlichen Erzeugnissen durch Er-
spamisse in der Futterwirtschaft auszugleichen. Dabei
mußten naturgemäß diejenigen Nutzviehzweige die
stärkste Einschränkung erfahren, die nach der Art ihrer
Futteransprüche als Nahrungskonkurrenten des Men-
schen zu werten sind, wie dies für die Schweinehaltung
- zutrifft. Erna hrungs physiologisch bedeutete diese
Umstellung eine weitgehende Wandlung der Kost-
formen. Aber im ganzen kann gesagt werden, daß im
volkswirtschaftlichen Durchschnitt, also unter
Einschluß der Selbstversorger und der zulageberech-
tigten Verbrauchergruppen, der Kaloriengehalt der
täglichen Nahrung den Stand der Vorkriegszeit kaum
unterschritten hat.
Welche Wandlungen sich im einzelnen vollzogen
haben, zeigt die folgende Übersicht:
Tagesverzehr in Kalorien je Kopf
im Durchschnitt der Bevölkerung
Differenz
1943/44
gegen
1938/39
Restiegen in
65% „„ „6
556225256 „„ „„ „ „ „ 06
DEE Zur Zur Zu Ber Be zur zur Zur Zr Er Zr re Zr u er
Dieses Ergebnis konnte nur erreicht werden einmal
durch planmäßige Anbaulenkung, straffe Bewirt- -
schaftung und nährwertmäßig rationelle Verwertung
der Ernte und Einfuhren und zum anderen durch
den Übergang zu einer fleisch- und fettärmeren. Kost.
Die stärkere Vegetabilisierung zeigt sich in dem An-
stieg des Tagesverzehrs an Mehl, Nährmitteln und
Kartoffeln. Der Mebrverzebr an diesen drei Haupimabrumngs-
mitteln bat den Minderverzebr an Fleisch, Margarine und
Schlachtfetien näabrwertmäßig reichlich ausgerlichen.
Der mit der Änderung der Kostformen rückläufige
Fettverbrauch betrug im volkswirtschaftlichen
Durchschnitt zwar rd. 30 vH, war jedoch mit nur
20 vH bei dem hochwertigen Butterfett wesentlich
geringer als bei den weniger wertvollen Schlacht- und
Pflanzenfetten. Die Umstellung der Ernährung auf
stärkeren Direktverzehr an pflanzlichen Erzeugnissen
führte zwangsläufig auch zu ciner Umstellung in der
Futterwirtschaft und darüber hinaus zu einer Re-
duktion der Viehhaltung. Bei der Neuabgrenzung
der Viehbestände hat auch der Gesichtspunkt eine
wesentliche Rolle gespielt, die Zahl der Milchkühe
im Interesse der Versorgung mit hochwertigem Fett
möglichst zu erhalten, zumal bei der Milchproduktion
die mit dem Futter zugeführten Energien wesentlich
günstiger ausgenutzt werden als bei der Fleisch-
erzeugung. So erfordert ı Kalorie Rindfleisch etwa
24 Kalorien, ı Kalorie Milch nur etwa 4 Kalorien und
ı Kalorie Schweinefleiseh 6 Kalorien Futteraufwand.
Hinzukommt, dal das Futfer der deutschen Rindvieh-
haltung zu mehr als go vH aus Rauh- und Saftfutter
besteht, also aus Futterstoflen, die der menschlichen
Ernahrung nicht unmittelbar dienstbar gemacht werden
können. Bei der Schweinehaltung liegen die Ver-
hältnisse umgekehrt. Der Umfang der Schweinehaltung
wird daher zwangsläufig durch die Menge der verfüg-
baren Mastfuttermittel abgegrenzt, die nach Sicher-
stellung des Getreide- und Kartoffelbedarfs für die
menschliche Ernahrung und unter Berücksichtigung
der Ansprüche der übrigen Zweige der Viehhaltung
verbleiben. Das ist auch der Grund, warum der
Schweinebestand im Verlauf des Krieges von 34 Schwei-
nen je 100 Einwohner auf 19 zurückging, während der
Rinderbestand keine Einbußen erlitt. Damit blieb
auch, im Gegensatz zum ersten Weltkrieg, die Grund-
lage der Stallmisterzeugung und der Bodenfruchtbarkeit
ziemlich ungeschmälert.
Der in der Tabelle und im Schaubild verzeichnete Pro-
Kopf-Verbrauch bezieht sich auf den Durchschnitt
der Gresamtbevölkerung. Diese Durchschnitts-
sätze liegen natürlich höher als die Sätze der Normal-
verbraucher, denen größere Beschränkungen auferlegı
werden mußten. Aber die Abstufungen in der Ratio-
nierung der Verbrauchergruppen werden allgemein
als gerecht empfunden. Ein erheblicher Teil der
Industriearbeiterschaft bezieht als Schwer- und Schwerst-
arbeiter namhafte Zulagen, und die Ansprüche, die von
den Soldaten und Selbstversorgern an das Gesamt-
aufkommen gestellt werden, sind geringer als in anderen
Lindern. Endlich ermöglichen die über dem Bedarf
liegenden Rationssatze für Kinder einen Familien-
ausgleich zugunsten der Erwachsenen.
Tagesverzehr in Kalorien je Kopf
Großdeutschland ohne been Ostgebiere
geklammerte Zoltien = Gramm natural
Kalorienwert der Nahrungsmittel
00
800
9
wo (58)
200
(27)
0
7942/43
Eiweißgehalt der Nahrun Nahrungsmittel
so Orren
35
1
Si
(dy
7938/39 — “3
351
Ernährungsbilanz und Ernteergebnis
1944
Wenn die deutsche Ernährungswirtschaft bisher allen
Belastungen des Krieges standzuhalten vermochte
und dabei in den letzten Jahren auf eine auswärtige
Zufuhr von etwa 10 vH der Eigenerzeugung zurück-
greifen konnte, so drängt sich die Frage auf, wie anf
Grund der diesjährigen Ernte die weitere Entwicklung der
Ernäbrungslage zu beurteilen ist.
Zunächst kann festgestellt werden, daß sich der pro-
duktionspolitische Grundsatz, den Bodenertrag auf
seinem hohen Stand zu halten, auch im letztjährigen
Anbauplan, der die Grundlage der jetzt eingebrachten
Ernte bildet, im wesentlichen durchsetzen ließ. Der
Anbau von Ölfrüchten hat eine weitere Steigerung er-
fahren, und die Gemüse- und Hackfruchtflächen konnten
ihren alten Stand behaupten. Die diesjährige Getreide-
ernte bleibt zwar nach den vorläufigen Schätzungen,
namentlich bei Futtergetreide, hinter den letztjährigen
Ergebnissen, die allerdings wesentlich über dem mehr-
jährigen Durchschnitt lagen, um etwa ı0—ı5 vH
zurück, aber dieser Minderertrag findet seinen Aus-
gleich in einer gegenüber dem Vorjahr höheren Kar-
toffelernte. Im ganzen wird man eine durchschnittliche
Ernte verbuchen können, die in ihrem Gesamtertrag
etwa die gleichen Nährstoffmengen liefert wie im abge-
laufenen Ernährungsjahr. Demgegenüber werden die
Lieferungen aus anderen Ländern, die bisher, wie be-
reits gesagt, etwa 10 vH der deutschen Eigenerzeugung
ausmachten, die letztjährige Höhe nicht erreichen.
Hinzukommt, daß wiederum erhebliche Teile der
Kartoffel- und Zuckerrübenernte für technische Zwecke
abgezweigt werden müssen und damit der mensch-
lichen Ernährung und Futterwirtschaft verlorengehen.
Um diesen Verhältnissen Rechnung zu tragen, muß daber dem
Grundsatz der böchsten nähbrwertmäßigen Ausnutzung der
Gesamternte noch mebr als bisher Geltung verschafft werden.
Dabei gebührt der gesicherten Versorgung mit
Brotgetreide und Kartoffeln wie bisher der
Vorrang. Beide Erzeugnisse, die in der täglichen
Nahrungsration zwei Drittel des Kalorienbedarfs
decken, können sich in der Versorgung je nach dem
Ausfall der Emte wechselseitig ergänzen. Ebenso wie
die knappe Versorgung mit Speisekartoffeln im letzten
Jahr durch vermehrte Abgabe von Mehl bzw. Brot
ausgeglichen wurde, so kann künftig, falls dies die
Verhältnisse erfordern, ein kleiner Teil der Brotration
von der Kartoffel übernommen werden. Jedenfalls ist
die Brot- und Speisekartoffelversorgung auch im neuen
Emährungsjahr unbedingt gesichert.
Auch die Fettversorgung wird sich im sechsten
Kriegsjahr in bewährten Bahnen abspielen. Die Butter-
erzeugung hat sich im Kriege nicht nur gehalten, son-
dern ist dank der Ablieferungsbereitschaft der deut-
schen Landwirtschaft sogar gestiegen. Damit blieb der
Grundstock der Speisefettversorgung bisher fest ge-
gründet. Die durch den Rückgang der Schweine-
bestände verringerte Schlachtfetterzeugung kam durch
den schrittweise erweiterten deutschen Ölfruchtar bau
voll zum Ausgleich. Dagegen mußten die fehlenden
überseeischen Zufuhren, die nur zu einem geringen
352
Teil durch Anlieferungen aus dem europäischen Raum
ersetzt wurden, vom Konsum getragen werden, Das
die diesjährige Ölfruchternte etwa den letztjährigen
Ertrag sichert und auch die Futtergrundlage der Rind-
viehhaltung bei unveränderter Zahl der Milchkühe
keine wesentlichen Veränderungen erfährt, wird die
Butter- und Margarincerzeugung, die fast zwei Drittel
des Bedarfs deckt, voraussichtlich den alten Stand er-
reichen. Dagegen hängt der Umfang der Schlachtfett-
erzeugung in weitgehendem Maße davon ab, welchen
Ausmästungsgrad der Schlachtschweine die nach Er-
füllung der Getreide- und Kartotfelablieferungs-
kontingente in den Betrieben verbleibenden Futter-
mengen zulassen. Ebenso wie Getreide und Kar-
toffeln können auch Fleisch und Fett sich innerhalb
gewisser Grenzen vertreten, ohne daß Kostform und
Kaloriengehalt wesentliche Veränderungen. erfahren.
Im jahreszeitlichen Ablauf der Produktion zeigt der
Fleisch- und Fettanfall häufig entgegen-
gesetzte Tendenzen. Während die Milcherzeugung
in den Herbst- und Wintermonaten regelmäßig absinkt,
steigt nach beendeter Weidezeit und Hackfruchternte
der Marktauftrieb an Rindern und Schweinen erheblich.
Diese Schwankungen haben sich im Laufe des Krieges
durch den Mangel an käuflichen Kraftfuttermitteln
wesentlich verstarkt. Da der Vorratsbaltung d-
läufig Grenzen gesetzt sind, ist es schon aus diesem. Grunde
unvermeidlich, die Fleisch- und Feitzuteilung zeitweise inner-
balb bestimmter Grenzen auszutauschen.
Die größten Schwierigkeiten sind im sechsten
Kriegsjahr zweifellos auf dem Gebiet der Futter-
wirtschaft zu überwirden. Diese Schwierigkeiten
sind zunächst betriebs wirtschaftlicher Art und daher in
den Einzelbetrieben zu lösen. Für die Ernährungs
wirtschaft gewinnen sie insofern gewisse Bedeutung,
als die durch den Futtervorrat begrenzte Mastschweine-
erzeugung auch die Fleisch- und Fettversorgung beein-
flußt. Dabei ist jedoch zu betonen, daß die Rindvieh-
haltung für beide Erzeugnisse den wesentlichsten
Grundstock liefert und Schweinefleisch und Schlacht-
fette nur ergänzende Bedeutung haben. Außerdem ist
hervorzuheben, daß bei dem vorhandenen Schweine
bestand die Zahl der Schlachtungen nicht zurückgeht,
sondern voraussichtlich sogar über dem letztjährigen
Ergebnis liegen wird. Es handelt sich also nur um den
Ausmästungsgrad und die dadurch bedingten
Schlachtgewichte, die wiederum den Anfall von Fleisch
und abtrennbaren Fetten bestimmen. Je mehr es in den
Einzelbetrieben gelingt, durch sorgfältige Furtervoran-
schlage die anfallenden Futterstofle nach dem Gesichts-
punkt des höchsten Wirkungsgrades bei der tierischen
Produktion einzusetzen, um so geringere Einbußen
wird die Schweinemast erleiden und um so sicherer
werden sich die Lieferkontingente abdecken lassen.
Im ganzen wird die Futterversorgungslage durch die
Tatsache bestimmt, daß die der Landwirtschaft nach
Erfüllung der Getreide- und Kartoffelablieferungr
pflicht zur Verfügung stehenden Kraftfutt ermengen
hinter den Vorräten des Vorjahres zurückbleiben. Der
Grund hierfür liegt einmal in der geringeren Futter-
getreideernte und zum anderen in dem höheren Bedarf
der Wehrmacht, der bisher zu einem wesentlichen Teil
g
g
2
"I
8
m5
8 Bä
BE - Ab
— w 5
E H
— S aD
8 +
— — E
.
Ge E
BR s E 8
m Z
— o <
2
C
2
y
A
F
|
— nn — EEE |
gg
yra
a — ED ch "RK:
2838 LE
e Ara a —
< si f fe, R —
$y F — 4 — Am. , pe ën, Dë 2 — —
1 ö — = u
Alle Zugkräfte werden für die Erntebergung benötigt — Arbeitsmaiden helfen beim Laden von Winterweizen
3.
DVD FH A
r Ab
dë P At ji
e Man U WI CA IM RN
i S N E \ * / € , .
N Ae D A N N Y
WW vn
Wel Ait iy
Politische Leiter benutzen ihre Freizeit zur Erntehilfe — Bei der Apfelernte wird die Arbeit zum Vergnügen — Der alleinstehenden Bäuerin
sind die beiden frisch zupackenden Arbeitsmaiden eine unentbehrliche Hilfe
C
<-
CAE kee: 3
SEN .
A * EM Aen S A .
i ` - — em 8 — — Ep — ͤ— — —— — —— >
—
ke "A.
" 7 e * Moe 23 Perry o, =.
J er * ` DC ak
HE De >
2 * . 1
* E A Zë A t wr
$ E Ze n GE 227 22 SP
e E EE I a
Die Betriebsgemeinschaft einer Fabrik hilft sonntags beim Flachsraufen — Auch für die älteren Schülerinnen bieten sich zahlreiche
Hilfsmöglichkeiten: Unter Anleitung des Lehrers bei der Maisernte
— ——
r E d
aus den besetzten Gebieten befriedigt werden konnte,
nunmehr aber in größerem Umfange von der heimi-
schen Landwirtschaft aufzubringen ist. Hinzukommt,
daß die für technische Zwecke aus der Kartoffel- und
Zuckerrübenernte abzuzweigenden Mengen in der
Haup@sche ebenfalls zu Lasten der Futterwirtschaft
gehen. Wie alljäbrlich, so stellt sich auch jetzt wieder die
Aufgabe, nach Sicherstellung der Brot- und Kartoffeiver-
sorgung den Umfang der tierischen Produktion mit der ver-
bleibenden Futtergrundlage in Übereinstimmung ⁊ bringen
und die Futtermengen so zu verteilen, daß damit ein Höchst-
maß von tierischen Erzeugnissen für die Ernährung gewonnen
wird,
Aus den verfügbaren Kraftfuttermengen sind zu-
nächst die Spanntiere zu versorgen. Wenn auch
bei verknappter Treibstoffzuteilung wieder schwere
Transport- und Bodenkulturarbeiten in verstärktem
Maße von den tierischen Zugkräften übernommen
werden müssen, so kann es doch keinem Zweifel unter-
liegen, daß in der Pferdefütterung während der arbeits-
ärmeren Zeit noch erhebliche Einsparungen möglich
sind, die für die Nutzviehhaltung freigesetzt werden
können. Nach Abdeckung des F der Zug-
tiere sind der Rindviehhaltung als dem wichtigsten
Zweig der Fetterzeugung die erforderlichen Kraft-
zuzuweisen. Wie bereits hervorgehoben,
besteht das Futter der deutschen Rindvichhaltung zu
mehr als 90 vH aus Rauh- und Saftfutterstoffen und
nur zu 10 vH aus Kraftfutter. Die Kraftfuttergaben
als Ergänzung der Futterration haben vornehmlich die
Aufgabe, das Grundfutter zu einer höheren Aus-
nutzung zu bringen. Sie können also bei der Milch-
erzeugung mit besonderem Nutzen, d. h. mit einem
nährwertmäßigen Erfolg eingesetzt werden, der bei
den übrigen Nutzviehzweigen nicht zu erreichen ist.
Der nach Abzug des Pferde- und Rindviehfutters
verbleibende Rest bildet die Grundlage der Schweine-
und Geflügelhaltung. Handelt es sich um Kraftfutter-
mittel, die wahlweise sowohl der Schweinemast als
auch der Getlügelhaltung zugewiesen werden können,
dann gebührt der Schweinemast im Interesse der
Fleisch- und Fettversorgung der Vorrang. Wenn auch
durch die Kleintier verordnung die krassesten Aus-
wüchse auf diesem Gebiet beseitigt sind, so kann es
doch keinem Zweifel unterliegen, daß auch bei dem
gegenwärtigen Umfang der Geflügelbestände noch mehr
als 1 Mill. t Getreidewert von der Kleintierhaltung in
Anspruch genommen werden. Dabei handelt es sich
nicht um absolutes Geflügelfutter im engeren
Sinne, also um Futterstoffe, die ohne Geflügelhaltung
nicht ausgenutzt würden, sondern zu einem wesent-
lichen Teil um Futtermittel, die auch für die Schweine-
mast geeignet sind. Da es um die entscheidende
Frage geht, dem deutschen Volk die Fleisch-
und Fettversorgung in dem hisherigen Um-
fange möglichst zu sichern, müssen diesem
Ziel alle übrigen Wünsche und Maßnahmen
untergeordnet werden, gleichgültig, ob es sich
um das Ausmaß der Herstellung von Genußmitteln und
Getränken oder um eine angemessene, d. h. auf den
Umfang des absoluten Geflügelfurters abgestellte
Abgrenzung der Geflügelhaltung handelt. Eine solche
Lenkung des Futtereinsatzes verschafft dem ernährungs-
ökonomischen Grundsatz Geltung, durch sinnvolles
organisatorisches Zusammenwirken der Hauptnutz-
viehzweige aus einer gegebenen Futtergrundlage die
höchstmögliche Menge an tierischen Erzeugnissen zu
gewinnen. Auf dem Gebiet der Futterwirtschaft ist
organisatorisch in der Masse der Betriebe noch viel
Arbeit zu leisten. Die weitreichende Bedeutung dieser
Fragen ergibt sich schon aus der Tatsache, daß trotz
der erzwungenen Einengung der Futterwirtschaft auch
heute noch zwei Drittel des deutschen Boden-
ertrages über die Vichhaltung verwertet
werden.
Die deutsche Landwirtschaft kann am Erntedanktag
mit Befriedigung auf die Arbeit des abgelaufenen Jahres
zurückblicken, denn trotz aller Schwierigkeiten und
trotz der eingetretenen Gebietsverluste ist auch im
sechsten Kriegsjahr die Versorgung mit den wichtigsten
Grundnahrungsmitteln, die mehr als go vH des
Kalorienbedarfs decken, gesichert. Wenn einmal die
Wirtschaftsgeschichte dieses Krieges geschrieben wird,
dann wird man für das deutsche Landvolk feststellen
dürfen, daß es die Tragweite seiner Aufgaben erkannte,
indem es den gesetzten Erzeugungszielen unbeirrt zu-
‘strebte und auch die Ablieferungspflicht gegenüber
dem Volksganzen vorbildlich erfüllte.
Richtlinien für die nächstjährige Anbau-
gestaltung
Es liegt im Wesen bäuerlicher Arbeit, daß bereits zu
einer Zeit, in der die Ernte noch nicht voll geborgen ist,
die neuen Planungen beginnen müssen. Mit der Herbst:
aussaat und den Vorbereitungen für die Frühjahrs-
bestellung wird der organisstorische Rahmen für die
kommende Ernte festgelegt, der dann durch die tägliche
Arbeit jm įm Laufe des Jahres mit Leistungen zu erfüllen
ist. Über der planenden Arbeit muß als Motto die Erkenntnis
stehen, daß die Ernährung unseres Volkes noch mebr, als dies
bisher schon der Fall war, auf den Schultern der deutschen
Landwirtschaft rubt.
Daraus folgt, daß die bisherigen Richtlinien
für die Anbaugestaltung unverändert Gel-
tung behalten: Aufrechterhaltung der Anbauflächen
für Brotgetreide, Ölfrüchte, Zuckerrüben und Gemüse,
Verstärkung des Kartoffel- und Hülsenfruchtanbaus und
Gewinnung der wirtschaftseigenen Futtermittel von
möglichst kleinen Flächen. Nachdem in den letzten
Jahren der Futteranbau an Ausdehnung gewonnen hat,
verdient gerade die zuletzt genannte Forderung be-
sondere Beachtung, denn jede Ausdehnung der Futter-
gewinnung in Form des Hauptfruchtanbaues ist zwangs-
läufig mit einem Flächenverlust für die Nährfrüchte
verbunden. Es ist nicht zu leugnen, daß der Erreichung
der gesteckten Anbauziele viele Schwierigkeiten ent-
gegenstehen, denn es ist sicher, daß die Treibstoffver-
sorgung äußerst knapp bleiben wird und Handels-
düngemittel, namentlich Stickstoffdünger, in dem
letztjährigen Umfange nicht zur Verfügung stehen.
Es gilt also, durch eine zweckmäßige Fruchtfolge und
353
durch sorgfältige Stallmist- und Bodenpflege die Nähr-
stoffmengen zu mobilisieren, die in der Zufuhr von
außen ausfallen.
Die Bedeutung der Fruchtfolge
Das Kernstück der Organisation der Boden-
nutzung bildet die Fruchtfolge. In ihr sind drei
Fragenkreise eng miteinander verflochten: die bio-
logischen und anbautechnischen Fragen der zweck-
mäßigen Aufeinanderfolge der Früchte, die Fragen des
zweckmäßigen Anbauverhältnisses im Hinblick auf den
Arbeitsablauf und die Versorgung mit Futter und Stall-
dünger und endlich die Fragen der Anpassung der
Fruchtfolge an die gegebenen örtlichen Verhältnisse.
Das Fruchtwechselprinzip gründet sich auf die Er-
kenntnis, daß die einzelnen Fruchtarten an die bio-
logischen, physikalischen, chemischen und sonstigen
Eigenschaften des Bodens sehr unterschiedliche An-
sprüche stellen und daß auch die Beschaffenheit, in
welcher die Pflanzen den Boden nach der Emte
zurücklassen, sehr verschieden ist. Die Nährstoff-
vorräte und sonstigen Fruchtbarkeitsbedingungen
lassen sich also nur durch eine Gruppe von Pflanzen
ausnutzen, die sich nach den verschiedensten Richtun-
gen ergänzen. Die Tiefwurzler (Hackfrüchte und Öl-
saaten) müssen aus dem Untergrunde das heraufholen,
was die Flachwurzler (Getreide) nicht erreichen
konnten. Die Leguminosen haben nicht nur die Auf-
gabe, die schwerlöslichen Nährstoffe des Bodens aufzu-
schließen, sondern sie sammeln den freien Stickstoff
der Luft, um diesen zusammen mit den in den Wurzel-
rückständen gebundenen Stickstoffmengen den nach-
folgenden Früchten zur Verfügung zu stellen. Die
einen Kulturpflanzen liefern Humusstoffe, mit deren
Hilfe die physikalische Bodenbeschafſenheit, insbe-
sondere die wasserhaltende Kraft des Bodens ver-
bessert wird, damit die anderen diese ohne dauernde
Schädigung der Ertragsfähigkeit wieder verschlechtern
können; die einen beschatten und mürben den Boden
mehr, erhalten und fördern also den Garezustand,
‚während die anderen ihn leicht verkrusten; die einen
brauchen die Mineralstoffe mehr in diesem Verhältnis,
sind z. B. kalkflichend, die anderen mehr in jenem, sind
z.B. kalksuchend. Die zu siner Fruchtfolge vereinigten
Kulturpflanzen bilden also eine Genossenschaft mit verteilten
Rollen, sowohl bezüglich der Ausnutzung der Näbrstoff-
rorräte des Bodens als auch im Hinblick auf die jabreszeit-
liche Inanspruchnahme der Arbeitskräfte und technischen
Einrichtungen der Betriebe.
Wenn man versucht, für die verschiedenen Eigen-
schaften der Kulturpflanzen bezüglich der Leistung
ihres Wurzelsystems, der Nährstoffansprüche, der
Bodenbeschattung, der Gareförderung usw. einen
gemeinsamen Ausdruck zu finden, dann ist eine Unter-
scheidung zwischen bodenanreichernden, boden-
schonenden und bodenangreifenden Fruchtarten
354
betriebswirtschaftlich besonders aufschlußreich und für
die Gestaltung der Fruchtfolge richtungweisend. Die
Leguminosen können wir ausnahmslos — wenn auch
mit Abstufung --- zu den bodenanreichernden Früchten
zählen. Auch die meisten Hackfrüchte und Gemüse-
arten gehören hierher, namentlich Kartoffeln und ver-
schiedene Kohlarten, während die Zuckerrübe erst in
weiterem Abstand folgt. Die Getreidearten zählen
dagegen zu den bodenangreifenden Kulturpflanzen.
Hier muß allerdings zwischen Weizen und Gerste auf
der einen Seite und Roggen und Hafer auf der anderen
Seite unterschieden werden. Dem Roggen kann man
in Anbetracht seiner geringeren Nährstoffansprüche
sogar. eine gewisse bodenschonende Wirkung zu-
sprechen.
Leguminosen, Hackfrüchte und die meisten Öl-
früchte werden unter dem Namen Blattfrüchte
zusammengefaßt und den Getreidearten als Halm-
früchten gegenübergestellt. Die biologischen und
anbautechnischen Aufgaben der Fruchtfolge werden
am vollkommensten erfüllt, wenn Blattfrüchte und
Halmfrüchte regelmäßig miteinander wechseln. Dieser
Grundsatz des Fruchtwechsels ist allerdings nicht unter
allen Verhältnissen durchführber, da bei der Wahl der
Fruchtfolge auch arbeitswirtschaftliche Gesichtspunkte
eine wesentliche Rolle spielen und aus ermährungs-
wirtschaftlichen Gründen der Getreideanbau einen be-
stimmten Umfang nicht unterschreiten darf. Wohl
aber läßt sich in vielen Betrieben auch ohne Änderung
des Fruchtartenverhältnisses oder aber durch stärkere
Einschaltung des Hülsenfrucht- und Hülsenfrucht-
gemengeanbaus die Folge der Früchte so gestalten, daß
sich auch bei geringerer Zufuhr von Handelsdünge-
mitteln die Ertragseinbußen in tragbaren Grenzen
halten.
In früberen Jahrzehnten bat das betriebswirtschaftlicht
Denken über die Probleme der Frucbtfoige in Wissenschaft
und Praxis eius zentrale Rolle gespielt. Erst mit der nm
schen technischen Entwicklung und der rasch enwachsenden
Versorgung mit preiswerten mineralischen Dünzemittehn, die
der Intensivierung der Bodenuntzung und der Steigerung der
Erträge einen storken Impuls verlieben, sind viele bewährte
Gramdsaize der Fruchtfolge in l ergessenbeit geraten. Sie
müssen mmmebr wieder yum tragenden Laune der Organi-
sation der pangen Bodenwirtschaft werden. Das ist die Anf-
gabe, die mit den bisherigen produktienspolitischen Zielen
barmonisch zu vereinigen und enzustreben ist.
Das deutsche Landvolk beginnt das neue Wirt-
schaftsjahr in der Erkenntnis, daß die zu bewältigenden
Aufgaben noch größer und schwerer sind als bisber.
Aber es geht in dem Bewußtsein ans Werk, daß nsch
dem Wort von Clausewitz der Krieg nicht nur ent-
schieden wird durch die Wucht der Waffen und durch
den Geist, mit dem die Waffen geführt werden, sondern
ebenso durch die moralische und physische Arbeits-
und. Widerstandskraft des ganzen Volkes. Eine der
wichtigsten Quellen, aus denen diese Kräfte gespeist
werden, ist eine leistungsfähige Ernährungswirtschaft.
2 Me _.
K
CURT STROHME YER
Mensch oder Mähdrescher?
wei Symptome kennzeichnen derzeitig die Fragen
des deutschen Bauerntums nach der Richtung hin,
die auch den Laien interessiert: Zum einen hört man
kaum noch Schlagworte mehr, die das Bauerntum mit
dem Nimbus einer falschen und vor allem von allen
Landfremden mißverstandenen Romantik umgaben,
und zum andern hat es den Anschein, als wäre gegen-
über früher vertretenen Aufgaben des Bauerntums jetzt
die allein wichtige und entscheidende geblieben, daß
nämlich der Bauer Nahrung zu erzeugen hat und damit
in erster Linie seiner Aufgabe am deutschen Volk
gerecht wird. Alles übrige ist nebensächlich.
Über die erste Erscheinung kann man sich freuen.
Es hat keinen Zweck, ein brennendes Problem mit
schönen Worten zu verbrämen, und es hat erst recht
keinen Zweck, wirkliche Aufgaben und sehr ernste
Erscheinungen in volltönende Opernakkorde zu über-
setzen, die der Verhimmelung eines Standes nahe-
kommen, dessen Nöte und Sorgen und dessen wahrer
Lebensanspruch, vor allem aber dessen notwendige
Funktion im Volkskörper besser mit rauhen und
wirklichkeitsnahen Worten gesagt werden.
Das zweite Symptom ist falsch, weil der Krieg hier
ein Bild geschaffen hat, das der Wahrheit nicht ent-
spricht. Denn wenn das Bauerntum auch im Augen-
blick in erster Linie der Erzeugung von Nahrung für
das deutsche Volk dient, wenn dieser kategorische
Imperativ des Krieges alle andern Aufgaben des Bauern
zurücktreten läßt, so soll er doch selbst nicht ver-
gessen, daß diese Notwendigkeit derzeitig auch seiner
eigenen Erhaltung dient. Der verlorene Krieg würde
das Dasein des deutschen Bauerntums ebenso beenden,
wie das deutsche Dasein überhaupt beendet würde.
Damit hat es den Anschein, als träten die Lebensfragen
des Bauerntums hinter der vorherrschenden Nahrungs-
sorge zurück; doch in der Tat gibt es Sorgen — etwa
die der verwaisten Höfe durch hohe Verluste, die des
Nachwuchses, die der Unterwanderung durch Fremd-
stämmige und viele andere —, die auch jetzt schon
gebieterisch ihrer Lösung harren. Und trotz aller
Mühen müssen wir auch zur Lösung solcher Fragen
noch die Zeit und den Mut aufbringen. Denn alle
Fragen des Bauerntums sind reale Fragen. Jede Ver-
machlässigung einer bäuerlichen Frage wirkt sich umweiger-
lich heute oder später auf den Gesamtorganisuns des dent-
schen Volkes aus. Erkennen wir nicht diese Konzeptionen,
dann ist das Ende des Bt und damit des deutschen
Volkes nabe.
Es hat nie Sinn gehabt, um den Kern der Dinge
herumzureden. Seit der Industrialisierung Deutsch-
lands sind in der bäuerlichen Politik Fehler gemacht
worden, die nicht mit halben Maßnahmen beseitigt
werden können. Es ist darum such dem Ernst des
Problems kaum gerecht, wenn wir etwa heute uns
lediglich unter dem behaglich sonnen würden, was
in den letzten zehn Jahren für das Bauerntum getan
ist, und darüber vergessen würden, welches gewaltige
Maß von Arbeit noch zu tun übrigbleibt. Das, was
getan wurde, ist in Wahrheit der primitive Anfang
einer Entwicklung, die bedauerlicherweise durch den
Krieg unterbrochen wurde. Vielleicht kann man aber
auch sagen, daß der Krieg mindestens insofern vorteil-
haft gewirkt hat, als er gerade die Probleme des Bauern-
tums mit einer Realität aufwarf, die der Friede niemals
gezeigt hätte. So hat der Krieg zum Beispiel die kata-
strophalen Folgen der Abwanderung vom Lande
mit einer Aufdringlichkeit gezeigt, die selbst solchen
Politikern zu denken gibt, deren Herz ganz einseitig
an den rauchenden Schlöten unserer Städte hängt. Der
Friede nämlich vermochte die schleichenden Schäden
draußen auf dem Lande noch hinter einem dahin-
ratternden Mähdrescher zu verbergen. Der Krieg
versucht das nicht mehr. Er fragt nach dem Men-
schen. Er fragt danach, wo Ersatz für das Blut ist,
das an den Fronten verströmte und .nun als ewiger
Quell vom Lande wieder nach dem Herzen Deutsch-
lands fließen soll. Der Krieg erklärt klipp und klar, daf
wir nicht nur Mähdrescher, sondern vor allem Menschen
brauchen.
Diese Tatsache wurde mir. eines Tages besonders
eindringlich bewußt, als ich die Söhne ostmärkischer
Bauern in der lappischen Tundra in ihren Unterständen
und im Kampf erlebte. Denn als ich Jahre vorher
immer wieder auf den Berghöfen der Alpen war, als
damals viel über die Frage der Rentabilität dieser Höfe
diskutiert wurde, als man meinte, daß es vielleicht
besser sei, diese Höfe aufzuforsten oder zu Mietalmen
zu machen und den Bergbauern bessere Existenzmög-
lichkeiten auf „gesunden“ Höfen zu geben, da habe
ich mir immer wieder gesagt, daß schließlich die Berg-
bauern hierüber schon längst entschieden hätten; denn
wenn sie selbst dieser Meinung wären, dann wären
sie wohl auch schon von selbst abgewandert. Ich hielt
mich auch als ein Sohn der norddeutschen Scholle für
einen Richter sine ira et studio. Aber ich hatte doch
immerhin dies erlebt: Auf einem Bergbauernhof un-
weit Neumarkt in Steiermark errechnete ich mir für
den Bauern bei einer Hofgröße von 250 Tagewerk ein-
schließlich Wald, Alm und Ackerfläche einen Jahres-
umsatz von brutto 800 Mark in der Schuschnigg-Zeit.
Mögen da nun auch kaum beträchtliche Abzüge sein,
mögen also immerhin 400 Mark als Reinertrag bleiben,
so umfaßte doch die Familie des Bauern außer der
Magd und einem vierzehnjährigen Burschen sieben
355
Personen einschließlich der Altmurter und vier kleiner
Kinder, die recht gesund und sauber angezogen
waren. Auf andern Höfen war die Kinderzahl noch
wesentlich größer, die Gesundheit die gleiche, der
Nettoertrag oft noch geringer, besonders dort, wo
keine Ackerfläche mehr war und mithin Brotgetreide,
Kraftfutter und Rohleinen für die Kleidung gekauft
werden mußten. Die Familien sitzen seit vielen Gene-
rationen auf den Höfen. Ihr Gesichtskreis ist weiter
und aufgeschlossener trotz aller Einsamkeit als der
vieler reicher Talbewohner, die Jungens wie die
Mädels sind stark, mutig, konsequent, energisch und
zielsicher. Der weite Horizont ihrer Höhe gibt ihnen
das innere Gleichmaß der charakterlichen Kräfte; die
Auseinandersetzung mit dem Berg, mit Wind und
Wetter schafft die Verantwortungsfreudigkeit an der
Aufgabe. Diese Tatsachen wurden mir aber, wie ge-
sagt, erst an der Tundrafront wirklich bewußt. Hier
nämlich zeigte sich, was durch keinen noch so gut
arbeitenden Mähdrescher zu vertuschen ist: Vor
allem steht der Mensch. Das Leben eines Volkes
stellt immer wieder an seine Menschen die Frage, ob
sie sich bewähren. Ihre Bewährung macht überhaupt
erst das Leben des Volkes!
Ostmärkische Bergbauern haben an der Tundrafront
gezeigt, was die Berge sie lehrten, was Zucht und Sitte
der Bergbauern ibnen mit ins Blut und damit ins
Handeln gegeben hatten. Sie brauchten kaum die
Finnen als Lehrmeister, sie waren im Gegenteil sehr
oft Lehrmeister der Finnen. Sie bekamen weder
Komplexe vor der Eintönigkeit der Landschaft, der
Stille des Urwalds im Plußtal, der Widrigkeit der
Witterung oder der langen Winternacht, sie behaupte-
ten sich vielmehr gegen alle diese nervenzchrenden
Kräfte genau so wie gegen den Feind von Osten. Sie
hatten dafür von daheim das Gleichmaß ihrer Kräfte,
die Unerschütterlichkeit ihrer Seele, die Gelassenheit
ihres Gemüts. Wenn ich beim flackernden Feuer mit
diesen harten Söhnen Tirols und Kärntens oder Steier-
marks zusammensaß, wenn ich ihren Liedern zuhörte,
während draußen der Sturm der Tundra sein grausiges
eisiges Lied heulte, dann stiegen vor meinen Augen
die einsamen Berghöfe im Lesachtal, an der Enns oder
in Montafon auf, dann hörte ich die Glocken der Alm-
kühe, dann hörte ich die fröhlichen Kinderstimmen,
und ich sah den Mäher am Steilhang, wie er nach, dem
schöngeschnitzten Köcher langte, um seine Sense zu
wetzen! ` e
Nichts Verdorbenes war an diesen jungen Män-
nern. Die Beweglichkeit ihres Geistes war von einer
gesunden Philosophie bestimmt, wie sie die Freiheit
der Berge den schweigsamen Menschen lehrt, und ihre
Geradheit atmete etwas von einem erstrebenswerten
menschlichen Ziel: die Vereinigung einer wahren,
gesunden und immer logischen Natur mit unver-
schlacktem menschlichem Denken. In jedem Falle aber
schien mir von diesem Augenblick an noch mehr als
je die Unsinnigkeit nahezugehen, das bäuerliche Pro-
blem etwa unter dem Gesichtswinkel eines Mäh-
dreschers zu lösen.
Wenn wir nämlich heute der Meinung sein sollten,
daß der Mähdrescher oder überhaupt die Maschine
356
ein Ersatz für bäuerliche Kräfte ist, dann wäre der
alles abtötende Zeitpunkt nahe, daß wir uns nicht mehr
mit diesen Fragen zu beschäftigen brauchen. Es ist he-
dauerlich genug, daß in vergangenen Jahrzehnten die
Maschine an die Stelle abgewanderter Menschenkräfte
vom Lande treten mußte, an die Stelle jener Millionen,
die heute dem flachen Lande so bitter nötig fehlen, an
die Stelle der Bauernsöhne, Handwerker, Landarbeiter,
Mägde und Knechte. Denn alle sie vereinen sich im
Bauernrum, sie haben digselben biologischen und see-
lischen Kräfte. In abrbeis nämlich mußte die Maschine
der Intensivierung der deutschen 1endwirtschaft dienen, der
deutschen Nabrungsantarkie, nicht aber dem Ersatz von
Menschen.
Auch der menschlichen Arbeit am Acker sind Gren-
zen gesetzt. Selbst das Pferd ist kein geeignetes Ge-
spanntier für einen Untergrundhaken. Da macht vieles
der Schlepper weit besser. Jede Rückständigkeit ist
Unsinn: Der mechanische Drescher schafft mehr und
bessere Arbeit als der Dreschflegel, und unzählige
Maschinen ersetzen zermürbenden Krafteinsatz, der
allzu früh des Menschen Rücken beugte. Aber dieser
ganze umfassende Einsatz schaltete im Grunde ge-
nommen nicht eine einzige menschliche Arbeitskraft
aus, er erhöhte im Gegenteil die Leistung, er ver-
größerte mithin auch den Ertrag und rechtfertigte
sich damit von selbst. In der Tat hat sich die ab-
wandernde menschliche Arbeitskraft auf dem Lande
selbst ausgeschaltet. Siewarder Wahnidee der Ver-
farmung verfallen, sie verglich Lohn und Benzin-
kosten, sie verglich städtische und ländliche Löhne, das
Kino mit der ländlichen Gastwirtschaft, die Flitter-
fahne mit dem Beiderwandkleid und fiel auf den
Kitsch und den Scheinverdienst, den die Großstadt
sofort wieder auffraß, allzu leicht herein. Dies ist die
Perspektive des Mähdreschers, der Maschine.
Es ist lächerlich, einen Sturm gegen sie zu entfesseln,
richtig aber ist es, den Ausgleich der Seele und des
Geistes mit ihr zu suchen, damit wir ihr Herr bleiben
und sie nicht Herr über uns wird!
Man ist nun offenbar versucht, den Bergbauern
unter dem Blickwinkel des Mähdreschers zu betrach-
ten und in diesem Zusammenhang die Frage nach
seiner Existenzinöglichkeit zu stellen. Wir leben ja
im Zeitalter des technischen Fortschritts, und so
meint man, in einem Augenblick, wo man geflügelte
Bomben nach London schießt, hat ein Bauer, der auf
dem Rücken vom Berge sein karges Heu tragen muß,
bessere Verwendung als jene, einen unrentablen Hof
zu bewirtschaften. Sein ewiger Kampf gegen Stein
und Vermurung sei nutzlos: Das machen zwei Milliar-
den Fichten in diesem Gebiet viel’ besser, sein Brot sei
zu hart, seine Leistung, am Lohn gemessen, zu hoch,
sein Leben das eines Hundes.
Es ist indessen unwahrscheinlich, daß viele Berg-
bauern ihren Hof gegen einen solchen in der Börde mit
Mähdrescher und Rübenheber umtauschen würden.
Sie wollen eigenartigerweise, aber Gott sei Dank, dort
bleiben, wo sie sind. Betrachtet man sie nun einmal
nicht über den Blickwinkel des Mäbdreschers, sondern ·
über den der Bergbauernsöhne, die an der Tundrafront
ihren Mann standen, dann gewinnt das *
*
d
d
1
a — ——
Ma.
tum ein ganz anderes Aussehen. Es ist kein Problem
der Maschine, es ist ein Problem des Menschen.
Wo wollen wir denn in Hinkunft die genialen Pioniere
der Maschine hernehmen, wenn nicht auch die Berg-
bauern ihr gesundes Blut dazugeben? Und sie brau-
chen nun einmal, sollen sie dem deutschen Volk weiter-
hin unzählige Söhne ähnlich denen der Tundrakämpfer,
der stillen Helden, und dazu wagemutige Pioniere auf
allen Gebieten schenken, ihre Berge, ihre hohen Höfe.
Sie reden weder mit aufgeschlagenen Augen von edlen
Pflichten, die sie erfüllen wollen oder müssen, noch
wollen sie, daß man ihnen das Leben allzu leicht
macht, noch daß man an ihren Gürteln die goldgefüll-
ten Katzen sammelt, sie wollen nichts als schlichte
Bergbauern bleiben und im Rahmen des gesamt-
deutschen Bauerntums ihnen gemäße Aufgaben zu-
gewiesen bekommen: eine hochstehende Viehzucht,
- Käserei, Almwirtschaft. Sie wollen Künstler des
Holzes und der Wohnkultur bleiben und ihre Höfe
als autarke kleine Zellen halten, sie wollen ihren Gams-
bock schießen und am Abend die Zither spielen, sie
wollen einen Extragroschen bei der Holzabtrift ver-
dienen und sorgenvoll den Lawinenhang hinauf-
schauen, sie wollen wohl eine Güllestätte und einen
neuen Viehstall, auch eine Drahtseilbahn und ein
Radio, aber sie wollen nun einmal keinen Mähdrescher,
denn der Mähdrescher könnte sie auf den Gedanken
bringen, daß man Kinder nun in großer Zahl nicht
mehr braucht, weil ja die Maschine deren Arbeit gleich
mitmacht. |
Daß eine derartige Diskussion überhaupt möglich ist,
beweist im übrigen, wie wenig wir auch auf dem länd-
lichen Sektor eine wirklich menschliche Beziehung zur
Maschine gefunden haben. Vergleichen wir nämlich
einmal die landwirtschaftliche Ur maschine, den
Pf lug, mit dem Trecker oder dem Mähdrescher, dann
erkennen wir den Unterschied genau: Zur Urmaschine
Pflug fanden wir als entlastendem und intensivierendem
Arbeitshelfer eine so enge Bezichung, daß er zum
Symbol des Bauerntums schlechthin wurde, der an-
marschierende Mähdrescher hingegen kreuzt auf der
Straße menschliche Kolonnen, die vom Lande in die
` Stadt abmarschieren. Er rückt heran, so scheint es,
nicht allein die Leistung zu steigern, sondern auch
Kräfte zu ersetzen, die ja in Wahrheit keineswegs allein
dazu da sind, Landarbeit zu verrichten, sondern eben
auch darüber hinaus neue Kräfte zu schaffen, deren
Einsatz und Geistesleistung wiederum überhaupt erst
den Mähdrescher konstruierte und schuf. Soll also das
technische Kind seinen geistigen Vater ermorden?
Soll es ihn mindestens impotent machen ?
In all diesen Zusammenhängen und in neuen, die
der Krieg aufwarf, tritt an das deutsche Bauerntum die
schr ernste Frage der Selbstbehauptung. Nicht
die Maschine ist die Ursache der Landflucht, nicht die
Tatsache, daß arme Sandböden oder steile Berghänge
Mann und Familie nicht mehr emährten, sondern eine
Gesinnung, die weich gegenüber den Städten, den
Maschinen und der Zeit wurde. Dean Beer sein, das
ist in allen Schichten, die zum Bamerntum gebören, ein
immerwährendes Bekenntnis, das nie ausgesprochen wird und
doch so tief wurzelt, wie eben ein Bekenntnis wurzein Si
wenn es Segen tragen soll.
Suchen wir also die Fehler der Vergangenheit in uns
selbst! Schaffen wir endlich die richtige Synthese
zwischen Mensch und Maschine, die nahe-
liegende, die reale Synthese, die uns zum ewigen Herrn
macht über das, was wir uns zu unserer Erleichterung
und zum Schaffen neuen zusätzlichen Segens kon-
struiert haben, schauen wir auf zu den Bergbauern, die
da unbeirrt ihren Weg gehen, nicht weil sie rückständig
sind oder weil sie stur beim Werk des Vaters bleiben,
sondern weil sie instinktiv fühlen, daß Deutschland
zwar groß und stark ist, aber niemals groß und stark
genug, als daß es etwa auf die tapferen Tundrakämpfer
und all die anderen tüchtigen Söhne aus kinderreichen
Bergbauerngeschlechtern verzichten könnte. Denn:
nicht Mensch oder Mähdrescher ist für Deutschland
die Frage, sondern Mensch und Mähdrescher! Es
wird unsere kommende Aufgabe sein, beide in das
wahre und würdige Verhältnis zu bringen!
Wo wären wir, hätte nicht der Bauer die tacten Knochen,
die derben Nerven und das geſunde Blut?
Ausgelöſcht
hätten uns Hunger, Pet und Grieg, Und wo wäre unfer
eigenes Weſen geblieben unter dem römiſch⸗franzöſiſchen
Lag, den uns die Fivilifation brachte, wäre deutſcher Geiſt
nicht lebendig geblieben unter den Strohdächern der Dörfer?
Hermann Löns
357
RUDOLF FRIEDRICH
Befunde Lebensordnung im Erbhof
er Erbhof wird für alle Zukunft in unserem Volke
die Lebensgrundlage zahlenmäßig starker bäuer-
licher Familien zu bilden haben. Die gegenwärtigen
Verhältnisse und das zu erstrebende Ziel stehen jedoch
vielfach noch im Gegensatz zueinander. Es ist aus
diesem Grunde erforderlich, einmal grundsätzliche Über-
legungen über eine gesunde Lebensordnung unter den
bäuerlichen Menschen des Erbhofes anzustellen und
festzuhalten. Die Grundlage hierfür ist uns im Reichs-
erbhofgesetz mit seinen das bäuerliche Leben ordnenden
und sichernden Bestimmungen gegeben. Bei der Auf-
stellung eines Wunschbildes ist man als bäuerlicher
Mensch gezwungen, zurückzuschauen auf jene Höfe,
die, allen Stürmen der Zeit trotzend, sich heute noch
als gesunde Lebensgrundlage zahlenmäßig starker
bäuerlicher Familien erwiesen haben. Diese geschicht-
liche Betrachtung zeigt uns, daß in rein bäuerlichen
Gegenden vor Beginn der sich ausweitenden Welt-
wirtschaft mit ihren Erscheinungen der Arbeitsteilung,
Konjunkturen, Krisen und sonstigen das Leben der
Völker gefährdenden Zuständen im wesentlichen eine
geschlossene Hauswirtschaft im Bauernhof vorherrschte.
Die bäuerliche Großfamilie, die sich aus drei Genera-
tionen zusammensetzte, lebte auf dem Hof und durch
den Hof. Es war eine gewachsene Lebensform,
dienatürlichundgesund war, Krisen überstand
undeinefestebäuerliche Tradition begründete.
Die Ansichten, die nach Einbruch des liberalistischen
Wirtschaftsdenkens auch teilweise in unserem Bauern-
tum Fuß faßten, führten auch dort bald zum reinen
Gelddenken. Sie betrachteten den Hof vielfach nicht
mehr als die bleibende Lebensgrundlage einer bäuer-
lichen Familie, sondern saben in ihm einen Betrieb, der
kapitalmäßig einen bestimmten Wert darstellte und
demzufolge auch einer entsprechenden Verwertung
bei Erbauseinandersetzungen zugeführt werden konnte.
Die Folgen dieser Anschauungen waren einmal die sich
weiterhin durchsetzende Realteilung und in anderen
Gebieten die zunehmende Erbverschuldung der Höfe.
Wenn wir daher die Wege suchen, die im Interesse
der Sicherung des Lebens und der Ernährung unseres
gesamten Volkes zu gesunden bäuerlichen Verhältnissen
führen, so können wir nur dort beginnen, wo uns in
der Vergangenheit noch gesundes und natürliches
Denken als Vorbild vor Augen steht. Dieses Vorbild
ist für alle Zukunft der Erbhof, der, mit einer genügen-
den Landfläche ausgestattet, die Lebensgrundlage einer
bäuerlichen Großfamilie unter allen Umständen sichert.
Unter Großfamilie verstehe ich hierbei die Lebens-
gemeinschaft des Altbauernehepaares, des wirtschaften-
den Bauernehepaares und der heranwachsenden Jugend.
358
. wird mit allem
Für diese Menschen muß der Hof in wirtschaftlicher,
sozialer und kultureller Hinsicht alles das geben, was
bäuerliche Menschen als Lohn für den Fleiß ihrer Arbeit
nach dem Stande unserer modernen Volkswirtschaft
für sich erwarten dürfen. Wenn diese Voraussetzung
einmal erreicht ist und in den Planungen für die künftige
Neubildung deutschen Bauemtums hinsichtlich der
Ausstattung der Neubauernhöfe mit Land ihre Berück-
sichtigung findet, so ist es im Anschluß hieran erforder-
lich, weiterhin Überlegungen anzustellen über die
Stellung der Menschen innerhalb der gewünschten
ae starken bäuerlichen Großfamilie.
Frühehe und Hofübergabe
Von unseren "Bevölkerungspolitikern, Ärzten usw.
Nachdruck die Frühehe für alle
Volksgenossen gefordert und mit dieser Forderung
zugleich eine zweite Forderung erhoben, und zwar, daß
die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in allen
Berufskreisen so gestaltet werden, daß sie der ge-
wünschten Frühehe nicht hindernd im Wege stehen.
Wie sieht dies nun bei der Betrachtung unserer bäuer-
lichen Verhältnisse im Erbhof aus? Die vorberr-
schenden Ansichten gehen zur Zeit noch im über-
wiegenden Maße dahin, daß eine Verheirstung des
Jungbauern erst dann erfolgen kann, wenn der Alt-
bauer bereit ist, den Hof zu übergeben. Hier liegt als
erstes ein großes Hemmnis für die Durchsetzung der
Forderung nach einer Frühehe unserer Jungbeuern.
` Diese falschen Anschauungen müssen beseitigt werden.
Es ist dies eine Erziehungsaufgabe, die sowohl die
junge als auch die alte Generation angeht. Es ist
keineswegs zu vertreten, daß die einheirstende Jung-
bäuerin von vornherein die Bedingung stellt, nunmehr
die Regierung im Bauernhof, soweit es sich um die
Aufgaben der Frau handelt, allein übernehmen zu
wollen, wie es andererseits auch unmöglich ist, daß der
Altbauer bis zum höchsten Greisenalter sich weigert,
den Hof zu übergeben. Vertrauen gegen Vertrauen
muß hier die Losung sein. Wir müssen auch hierbei
zu einem organischen Denken und damit dann auch in
der Praxis zu einem organischen Handeln und Wollen
kommen. Es ist eine feststehende medizinische_Tat-
sache, daß der Mann seine völlige charakterliche,
seelische und geistige Reife im Alter von etwa 33 bis
40 Jahren erreicht, während seine geschlechtliche Reife
bereits im Alter von 18—22 Jahren vorhanden ist.
Für die Frau gilt dies sinngemäß, wobei gesagt werden
kann, daß ein Unterschied von ungefähr 3— 3 Jahren
im Durchschnitt richtig ist. Diese von der Natur
BE 5
=r >
gegebenen Tatsachen müssen uns bei unseren Über-
legungen leiten, d. h., wir müssen hieraus die Folgerung
ziehen und eine Frühehe auf dem Bauernhof durch-
setzen, ohne daß im Zusammenhang damit bereits eine
Übergabe des Hofes auf den Anerben vom Jungbauern-
ehepaar gefordert wird. Das Altbauernehepaar muß
seinerseits so viel Verständnis aufbringen, dem Jung-
bauern die Heirat zu erleichtern und zu ermöglichen,
ferner ihm im Hof die Stellung zu geben, die ihm als
künftigem Anerben und der Jungbäuerin als künftiger
Bäuerin gebührt.
Die weitere Frage, die in diesem Zusammenhang
auftaucht, ist die Stellung der anderen Kinder des Alt-
bauern, ihre Ausstattung und Versorgung. Auch hier-
bei muß immer ein natürliches Denken bewahrt bleiben,
d. b., der wirtschaftende Bauer muß in der Lage sein,
neben der Erziehung und Ausbildung des Anerben so
viel Mittel zu erübrigen, um die erwünschten heran-
wachsenden anderen Kinder für deren künftige Lebens-
existenz entsprechend auszubilden und, soweit es die
Kraft des Hofes ermöglicht, auszustatten. Die wert-
mäßige Höhe dieser Ausstattungen wird weitgehend
von der Tüchtigkeit des einzelnen Bauern abhängen
und ist nicht irgendwie zahlenmäßig zu benennen.
Die Wertung der Tüchtigkeit eines Bauern hat sich
dabei nicht nur auf seine wirtschaftlichen Leistungen,
sondern besonders auch auf seine biologischen Leistun-
gen zu erstrecken; beide müssen in Ordnung sein.
In welche Berufe die weichenden Erben dann ein-
münden, soll hier nicht erörtert werden. Die Schafung
neuen bäuerlichen Siedlungsraumes, die wachsende
Intensivierung der einheimischen Landwirtschaft und
die wachsende Volkskraft werden hier in aller Zukunft
die richtigen Wege für diese Menschen aufzeigen. Das
Vertrauen zur nationalsozialistischen Staatsführung
wird sich immer in den zahlreichen Kindern unserer
deutschen Familien beweisen.
Stellung des verheirateten Jungbauern
Es ist also eine der dringendsten biologischen
Forderungen, daß die Heirat des künftigen Anerben,
der nach dem Willen des Bauern ausersehen ist, den
Hof zu übernehmen, nicht gleichzeitig von der Hof-
übergabe abhängig gemacht wird, sondern daß diese
dann erfolgt, wenn der Bauer selbst ein Lebensalter
erreicht hat, in dem bei ihm die körperlichen Kräfte
nachlassen und es nunmehr an der Zeit ist, die Führung
des Hofes auf die kräftigeren und jüngeren Schultern
des nunmehr voll ausgebildeten und auch schon mit
Erfahrungen ausgestatteten Jungbauern zu legen. Dies
wird in normalen Fällen dann sein, wenn der Altbauer
das Alter von 60-65 Jahren erreicht hat, der Jung-
bauer seinerseits das Alter von 35—40 Jahren, in Ge-
bieten, in denen Jüngstenrecht gilt, entsprechend
früher.
Auch in anderen Berufen unseres Volkes wird ein
völliges Selbständigwerden der jungen Kräfte im
wesentlichen erst in diesem Lebensalter erreicht. Es
ist daher keineswegs eine Härte gegenüber der Jugend,
sondern im Gegenteil eine Förderung derselben, denn
dem Jungbauern ist während der Zeit, in der er noch
unter der Leitung des erfahrenen Altbauern steht,
Gelegenheit gegeben, sich nach allen Richtungen hin
bestens auszubilden und dieses Wissen dann bei der
Übernahme des Hofes zum Wohle desselben anzu-
wenden. Diese Lebensordnung würde, um ein Beispiel
Zu zeigen, ungefähr wie folgt aussehen: Angenommen
ist ein Erbhof, dessen Größe als eine gesunde Lebens-
grundlage einer bäuerlichen Großfamilie angesehen
werden. kann. Diese Größe wird verschieden sein,
je nach der Bodengüte, Lage usw. Es sollen daher
hierzu Zahlen nicht genannt werden. Der Bauer hat
sechs Kinder oder mehr, eins derselben ist von ibm
bestimmt, den Hof zu übernehmen. Es war ihm dank
seines Fleißes bei Lebzeiten möglich, für die Aus-
stattung der anderen Kinder und ihre Ausbildung zu
sorgen. Als günstige Voraussetzung hierzu war eine
nahezu völlige Schuldenfreiheit bei Übernahme des
Erbhofes durch den Bauern vorhanden, so wie dies
auch als zukünftiges Wunschbild unbedingt anzu-
streben ist. |
Aufgabe der Dorfaufrüstung
In normalen Verhältnissen wird der Anerbe nach
Ablegung der Landarbeits- und Landwirtschafts-
prüfung sowie der Ableistung seiner Arbeitsdienst-
und Militärdienstpflicht mit 21 oder 22 Jahren auf den
väterlichen Hof zurückkehren. In diesem Alter von
22 bis 25 Jahren ist es dringend erwünscht, daß er sich
die Gefährtin seines Lebens auswählt. Es ist weiterhin
gleichzeitig im Interesse seiner Berufsausbildung drin-
gend erforderlich, daß er in diesen Jahren den väter-
lichen Hof verläßt urid in gut geleiteten fremden Be-
trieben seine Kenntnisse vervollkommnet. Nach dieser
Zeit ist ihm nunmehr Gelegenheit zu geben, die Ehe
einzugehen. Er soll im väterlichen Betrieb selbstver-
ständlich bereits die Stelle eines Vertreters des Bauern
innehaben. Er soll also unter dem übrigen Gesinde
‚als der künftige Bauer eine entsprechende Vorrang-
stellung einnehmen, wobei er aber stets die Autorität
und Lebenserfahrung seines Vaters zu respektieren bat,
Der Jungbäuerin muß unter allen Umständen die Mög-
lichkeit geschaffen werden, in den ersten Jahren der
Ehe dem Hof den gesunden Nachwuchs zu schenken,
und sie soll vor allem als junge Mutter auch in der
Lage sein, sich diesen schönsten Freuden einer Frau
völlig hinzugeben und die erste Erziehung der jungen
Generation selbst zu lenken und zu leiten. Sie wird
mit dieser Aufgabe voll beschäftigt sein und gleich-
zeitig allmählich in die gesamte Wirtschaft des Hofes
hineinwachsen, während der Bauer selbst, und seine
Ehefrau noch im Vollgefühl ihrer Kraft sich der heran-
wachsenden Enkelschar erfreuen können. Bei einer
Schilderung der Lebensverhältnisse in dieser Weise
tauchen sofort die weiteren Fragen hinsichtlich der räum-
lichen Gestaltung der Hofwohnungen sowie des Zu-
sammenlebens zwischen Altbauernehepaar und Jung-
bauernehepaar auf. Auch hier sind Überlegungen anzu-
stellen.
Die Fragen, die bisher vielfach über die Wege der
geplanten Dorfaufrüstung erörtert worden sind,
liegen vielfach zu sehr im rein Technischen. Hier muß
359
mit aller Entschiedenheit gefordert werden, daß bei
aller Bejahung des Technischen der bäuer-
liche Mensch stets im Vordergrund zu stehen
bat und daß die Technik diesem Menschen ihre Dienste
zu geben hat, aber niemals umgekehrt. Es wird also
erforderlich sein, in jedem Erbhof neben den allge-
meinen Wohnräumen des wirtschaftenden Bauern eine
zweite Wohnung zu schaffen, sofern sie nicht schon
vorhanden ist.. Diese Wohnung soll dem Anerben und
seiner Familie zur Vefügung stehen bis zur Übernahme
des Hofes. Es muß in ihr also die Möglichkeit gegeben
sein, daß die beranwachsende zahlreiche Kinderschar
unter der Obhut der Jungbäuerin steht und diese so
auch schon eine gewisse Selbständigkeit entwickeln
kann. Inwieweit eine Vereinigung der gesamten
bäuerlichen Großfamilie zu den Mahlzeiten an einem
gemeinsamen Tisch hierbei als wünschenswert oder
für notwendig erachtet wird, ist von den örtlichen
und landsmannschaftlichen Bräuchen abhängig und
soll auf Grund des Althergebrachten und Bewährten
gehandhabt werden. Bei der in feierlicher Form durch-
zuführenden Übergabe des Hofes an den Anerben wird
dann der Altbauer die Wohnung mit dem Jungbauern .
vertauschen und er selbst nunmehr mit der Altbäuerin
für seinen Lebensabend in eigenen Räumen sein Dasein
führen können. Nach Abschluß des Lebensabends
des Altbauern wird sich dieser ewige natürliche Kreis-
lauf fortsetzen, so wie sich alles Leben dann ewig fort-
setzt, wenn junge gesunde Generationen nachwachsen.
Die Schilderung dieses an sich selbstverständlichen
und narürlichen Bildes einer bäuerlichen Lebens-
ordnung im Erbhof bedeutet , grundsätzlich nichts
Neues. Die Betrachtung der augenblicklichen tat-
sächlichen Verhältnisse auf dem Lande zwingt aber
dazu, auf diese Dinge eingehend hinzuweisen und sie
geradezu als Forderung für die Gestaltung des künftigen
bäuerlichen Lebens im Erbhof herauszustellen. Es ist
selbstverständlich, daß wir bierbei niemals zu einer
starren Normierung des bäuerlichen Lebens kommen
wollen,. es ist aber notwendig, daß wir das bäuerliche
Leben, das durch den Einbruch der bauemrumsfeind-
lichen liberalistischen Weltanschauung vielfach Irr-
wege gegangen ist, wieder auf die Grundlagen natür-
licher Lebensgesetze zurückführen.
Wenn das Erbhofgesetz seinen Sinn für die Zukunft
unseres Volkes erfüllen soll, dann muß der Erbhof
selbst hinsichtlich seiner Ausstattung und seiner Größe
eine gesunde bäuerliche Lebensgrundlage starker
deutscher Bauernfamilien bilden, wobei in diesem Zu-
sammenhang die Fragen weiterer Einzelheiten zunächst
nicht besprochen werden sollen. Man wird sich aber
wohl überlegen müssen, ob man die Höfe z. B. so groß
gestaltet, daß die Existenz einer weiteren Landarbeiter-
familie in Form eines Melkers oder Vogtes oder, wie es
früher hieß, Großknechtes noch für notwendig er-
achtet wird. Auch für diese Familie müßte dann ein
Eigenheim geschaffen werden, das wiederum die
Möglichkeit bietet, eine große Kinderzahl aufauziehen.
Es würde zu weit führen, nach dieser Richtung hin .
ins einzelne zu geben; eine gewisse Verschiedenheit
in.den Betriebsgrößen wird immer bleiben müssen und
auch durchaus gesund sein. Ich möchte daber zum
Schluß das Grundsätzliche meiner Ausführungen noch-
mals herausstellen. Es lauter ganz einfsch: Auf wirt-
schaftlich gesunden Erbhöfen ist dem künfti-
gen Anerben im Hinblick auf die gewünschte
zahlreiche und gesunde Kinderschar die
Frühehe unter allen Umständen zu ermög-
lichen, Sie soll und darf nie abhängig sein von der
sofortigen Übernahme des Hofes bei der Heirat des
Jungbauern. Es muß daher die Erziehung der Jugend
in dieser Beziehung beeinflußt werden und andererseits.
gleichzeitig das Verständnis der älteren Generstion für
die Aufgaben der Jugend erreicht werden. Auf diesem
Wege wird es möglich sein, unsere Erbhöfe wieder mit
so vielen gesunden deutschen bäuerlichen Menschen zu
füllen, daß sie unsdie augenblicklichen Sorgen des Men-
schenmangels auf dem Lande beseitigen helfen und
eine gesicherte und blühende Zukunft unseres ge-
samten Volkes herbeiführen.
Durch den Geist seiner Agrargesetzgebung erhält die ganze
innere Geschichte eines Volkes ihren Charakter und
ihre Richtung.
Justus Möser
E Ind —
A
V
*
ett AE e EET
Beim Stecken von Mceerrettichpflanzen — Herrichten des
Gemüscackers mit einem Handhäufelgerät
Gärtnerlehrlinge beim Erwärmen der für die Frühbeete bestimmten Erde durch Dämpfen — Schutz der jungen
Pflanzen gegen Frost durch Papierhauben
|
|
|
Der Spreewald erstreckt sich nordwestlich von
Kottbus in einem breiten Urstromtal, dessen
bruchige Niederung von zahlreichen Spreearmen
und Kanälen durchzogen wird. Der Wald, der, aus
Erlen, Eschen, Eichen und Weiden bestehend, einst
dem Gebiete den Namen gegeben hat, hat im Laufe
der Zeit immer stärker der Wiesennutzung und vor
alem einem intensiven Gemüscanbau weichen
müssen, — Rechts: Ein Gärtnerlehrling wird im
Anbinen von Tomatenpflanzen unterwiesen
Unten: Strauchbohnen, die zur Erzielung einer
möglichst frühen Ernte unter Glas herangezogen
wurden
Ra
elt
4
Feldanbau von Kopfsalat — Die
— a
383 8 13
z — J 5 D
e D Sg
KE
Aa 8
2 83 8 = f
8 Se 5 E 3 A
2
FES $
9239 8 g E
2 ap E O
c f 8 8 8 E
KE et ek.
200 a HN A
2 9 5
8 33 3 $
“azl < N
wé Di E AR
ET Let CA
ba A Zéi 5 i
S XS ros ` 12 r
.
N *
" wë? $ f
K AN $
A d
Kä iw?
H KI
` Ge:
— L
De 8
> „
* Kr
OK
` x į 22 d
CG Ne,
f $ 8 — a I — E eg Cé
+ o Ae e P
<d C Fe 8
Te
Ai
= *
—
ER ` St
—
a
|
Der Gemüseanbau gehört zu einem der arbeitsintensivsten landwirtschaftlichen Betriebszweige, bei dem es für alt und
jung zu jeder Jahreszeit eine Fülle von Arbeit gibt
A
R Ac ky
DEINES
ei
= 2 — 71 5 pre
NIP g
Die zahlreichen Wasserarme werden dem Gemüsetransport zu den Sammelstellen nutzbar gemacht
vr. —
T 2
i
—
8
A
A.
O
v
—
SA
"Oo
"I
t:
E
Y
v
E
Be
Q
Gei
=
—
ed
LA
Lil
C
Le
S
D
Ve
und in Steigen verpackt — Fertig zum Abtransport an die
städtischen Verteiler
HUGO STÜBS Zu
Dorfbucharbeit im Kriege
ährend die Dorfbucharbeit in Zeiten normalen
Lebens und einer ruhigen und stetigen Entwick-
lung dem Tagesgeschehen keine übergroße Aufmerk-
samkeit zu schenken braucht, sich vielmehr mit der
Durchforschung des dörflichen Raumes mit seinen
Lebensverhältnissen beschäftigen, die Vergangenheit
erschließen und das Werden des heutigen Zustandes
auf allen Gebieten verfolgen und die gewonnenen Er-
kenntnisse auswerten kann mit dem Ziele einer Er-
neuerung des dörflichen Gemeinschaftslebens und der
Rückführung der Menschen des Dorfes zu ihrer wahren
Art, d. h. zum wahren Bauerntum, steht im Kriege die
Behandlung des Gegenwartsgeschehens an erster Stelle,
erwachsen der Dorf bucharbeit zusätzlich besondere
Aufgaben. Kein Dorf und kein Hof im Reich, die nicht
durch den Krieg und die dadurch entstandenen be-
sonderen Verhältnisse unmittelbar berührt werden,
kein Dorf, das durch die Mobilisierung aller Kräfte
für die Führung des totalen Krieges nicht sich einreiht
in die große Abwehrfront aller Deutschen, kein Dorf,
dessen wehrfähige Mannschaft nicht an der Front steht
und wo nicht durch kriegsyedingte Notwendigkeiten
die Lebenshaltung des einzelnen, die Wirtschafts-
führung des. Hofes und die Verwaltung des Gemein-
wesens entscheidend beeinflußt werden.
Schicksal, Erleben, Einsatz und Opfer des Dorfes
und seiner Menschen in diesem Kampf um den Be-
stand von Volk und Reich und die hohen Güter einer
jahrtausendealten europäischen Kultur in allen Einzel-
heiten festzuhalten und damit kommenden Geschlech-
tem einen unmittelbaren Einblick in das Ge-
schehen unserer Tage und die Haltung der Menschen
zu gewähren, ist die eine Aufgabe der Dorfbucharbeit
im Kriege. Darüber hinaus aber gilt es, den Inhalt
des Kriegsdorfbuches für die lebende Generation
auszuwerten und fruchtbar zu machen. Das
ist so vordringlich und wichtig, daß dort, wo bereits
seit Jahren am Dorfbuch gearbeitet wird, alle andern
das Dorfbuch betreffenden Arbeitsgebiete dahinter zu-
rückstehen müssen, daß aber dort, wo ein Dorfbuch
noch nicht begonnen wurde, unverzüglich die Arbeit
in. die Wege geleitet werden muß, wenn nicht vieles in
Vergessenheit geraten soll. Was hier versäumt wird,
läßt sich nie mehr nachholen. Noch ist es möglich,
rückschauend die Ereignisse vom Beginn des Krieges
an zu erfassen und festzuhalten; in wenigen Jahren
aber wird das nicht mehr der Fall sein. Das Beispiel
des Weltkriegs zeigt, daß es wenige Jahre nach dem
Kriegsende nicht mehr möglich war, über alle Kriegs-
teilnehmer des Dorfes genauere Angahen zu machen,
viel weniger aber noch, ein lückenloses einwandfreies
Material über das Erleben des Dorfes zu sammeln.
Einsatz und Opfer unserer Zeit aber sind zu groß, als
daß sie jemals in Vergessenheit geraten dürften. So
wird das Dorfbwb zu einem durch nichts zu ersetzenden
Dokument unserer Zeit, das das geschichtliche Werden in
einer ganz neuen Schau, aus der Schau vom Volke ber, von
der kleinsten politischen Gemeinschaft, vom Dorfe ber, siebt.
Dieser Eigenart der Betrachtung entsprechend wird
die Arbeit am Kriegsdorfbuch hauptsächlich zunächst
darin bestehen, möglichst lückenioses und stichhaltiges
Material zusammenzutragen und zu bearbeiten, weniger
aber eigentliche Forschungsarbeit sein. Sie ist darum
aber nicht weniger wichtig. Sie berührt sich in ge-
wissem Sinne mit der Führung einer Chronik, reicht
aber insofern schon inhaltlich darüber hinaus, als sich
die Chronik in der Regel damit begnügt, die äußeren
Geschehnisse und deren Ablauf objektiv betrachtend zu
schildern. Das Dorfbuch aber will darüber hinaus das
Kriegserleben des Dorfes und seiner Men-
schen in der Totalität darstellen, keine Seite des
dörflichen Lebens außer acht lassen, auch nicht auf
die Darlegung der wirtschaftlichen, biologischen oder
hygienischen Verhältnisse in den einzelnen Kriegs-
jahren verzichten. Noch aufschlußreicher aber wird das
Dorfbuch, wenn es außerdem die Wechselwirkung
zwischen dem Geschehen im Dorf und im Reich, die
vielfachen Verkettungen und Beziehungen und den
Leistungsanteil des Dorfes zum Ausdruck bringt. Zu
einem wirklich umfassenden Dokument unserer Zeit
aber wird das Dorfbuch erst, wenn es abrundend auch
die geistige Haltung der Menschen in dieser schweren
Zeit schildert und zeigt, wie eine verschworene Kampf-
gemeinschaft alle Schwierigkeiten meistert.
Die Behandlung der Wechselwirkung zwischen
Dorf und Reich bedeutet nun aber keineswegs, aus
dem Dorfbuch eine allgemeine Geschichte des Krieges
zu machen. Gewiß gibt es zahlreiche Stoffe aus dem
dörflichen Erleben, sei es, daß es sich um die Aus-
wirkung gesetzgeberischer Maßnahmen oder kriegs-
wirtschaftlicher Anordnungen handelt, die nur dann
verständlich werden, wenn diese selber herangezogen
werden. Ebensowenig kann es Aufgabe des Dorf-
buches sein, strategische oder politische Situationen
eingehend zu erörtern. Grundsätzlich ist zu beachten,
daß das Gesamtgeschehen nur so weit dargelegt wer-
den darf, wie es zum Verständnis der dörflichen Ver-
hältnisse notwendig ist. Das Geschehen im Dorfe
selber aber ist in aller Ausführlichkeit zu behandeln.
Hier wird mit andern Maßstäben gemessen als in der
361
—
“spätere Geschlechter nur zu ihrem Do
Betrachtung vom Reiche aus, und gerade in der
Schilderung und Darlegung von Einzelheiten liegen der
Reiz und die Stärke des Dorf buches. Diese Art der
Darstellung entspricht auch der geistigen Art der Dorf-
menschen, und auch spatere Geschlechter werden zu
ihrem Dorfbuch einmal ein ausgesprochen persön-
liches Verhältnis haben. Diese Form der Darstellung
hat ihr Gegenstück außerdem in den PK-Berichten
unserer Kriegsberichtet, und so wird der Dorf-
buchbearbeiter gewissermaßen zum PK-Mann
der Heimatfront. Trotz aller Ausführlichkeit darf
sich der Dorfbuchbearbeiter jedoch nicht in der Ab-
schilderung von Nebensächlichkeiten und Nichtig-
keiten verlieren.
Es ist im Grunde genommen unnötig, noch beson-
ders zu betonen, daß jedes Dorf sein Dorfbuch
baben muß. Eis wurde schon darauf hingewiesen, daß
uch das per-
sönliche Verhältnis haben werden und daß es gerade
ihre Vorfahren sihd, auf deren Leistung sie mit Stolz
und Selbstbewußtsein zurückblicken können, und ge-
rade das wird ihnen Verpflichtung zu gleichen Einsatz
der Kräfte rein. - Aber noch aus einem andern Grunde
muß jedes Dorf sein eigenes Dorfbuch haben. Nicht
zwei Dörfer im Reich erleben den Krieg völlig gleich,
weil die Verhältnisse zu verschieden sind. Dörfer an
der Grenze erleben den Krieg und die ihm vorauf-
gehenden Ereignisse viel unmittelbarer, und die be-
vorstehenden F.reignisse zeichnen sich im Grenzland
viel eher und nachhaltiger ab als in Dörfern im Herzen
des Reiches. Und die Menschen des Grenzlandes stehen
den kommenden Dingen in einer ganz andern geistigen
Haltung gegenüber, sie werden durch das Geschehen
viel stärker beeindruckt. Aber auch unmittelbar be-
nachbarte Dörfer können den Beginn des Krieges bei-
spielsweise ganz verschieden erleben, wenn das eine
von ihnen an einer Hauptstraße liegt, die zus Grenze
führt.
Damit ist schon die Frage berührt, von welchem
Zeitpunkt an man rückschauend mit dem Kriegs-
dort buch beginnen soll. Das läßt sich nicht einheitlich
bestimmen, erst recht kein Datum angeben. Ganz all-
gemein läßt sich die Frage so heanrworten, da mit dem
Kriegsdorfbuch zu beginnen, sobald die bevorstehen-
den Ereignisse im dörflichen Leben erkennbar werden.
Das ist je nach Lage der Dörfer verschieden. Beispiels-
weise ist der Bau des W'estwalls bereits als Gegenmaß-
nahme gegenüber dem immer stärker werdenden
Kriegswillen der Westmächte anzusehen, wie auch der
verschärfte, Volkstumskampf im Osten als Folge der
Rückenstärkung Polens durch England zu werten ist.
‚Gegen den Sommer 1939 aber wird es auch im klein-
sten Dorf vernehmbar, daß der Krieg unvermeidbar zu
sein scheint. Und nun soll das K riegadorf buch den
Ausbruch des Krieges schildern, wie ihn das Dorf
erlebt, soll nach Möglichkeit auch einen Vergleich zu
1914 bringen und aufzeigen, wie die Menschen von
1939 diese Tage ganz anders erleben als 1914, als
Menschen, die um die Schwere der kommenden Ereig-
nisse wissen. Weiter wäre darzulegen, wie durch den
Rundfunk das Dorf viel näher an die geschichtlichen
Ereignisse hergeruckt wird. wie die Menschen den
362
EN
~
~
Dorfes unmittelbare Zeugen bedeutsamer a
nisse werden.
“ Und nun soll der Soldatenband Erlebnisse, Taten,
Leistungen und Opfer der Soldaten des Dorfes be-
handeln, soll die Namen der Soldaten aufzeichnen, die
bei Kriegsbeginn bei der Wehrmacht stehen oder sufort
einberufen werden, soll sic verfolgen bei dem Siegeszug
durch Polen, soll von ihrer Wacht am Westwall in dem
harten Winter erzählen, ihren Einsatz in Dänemark und
Norwegen und den unvergleichlichen Siegeszug durch
Frankreich schildern, wie von ihren Erlebnissen und
Eindrücken auf den Kriegsschauplätzen im Südosten
Furopas und den weiten Steppen Rußlands und in
Nordafrika berichten. Besonders anschaulich werden
diese Darstellungen, wenn der Weg des einen oder
andern Soldaten des Dorfes auf einer Karte beigefügt
wird.
Unter den Soldaten des Dorfes befinden sich viele,
die wegen besonderer Tapferkeit mit den beiden
Eisernen Kreuzen oder gar mit dem Ritterkreuz aur-
gezeichnet wurden, die sich durch einzigartige Taten
in die Reihe der ersten Helden des Volkes stellten.
Wie mancher von ihnen hat als moderner Siegfried un-
erschrocken auch stärkste Panzer unschädlich gemacht
oder ist als Flieger vielfacher Sieger in Luftkämpfen ge
worden. Ihre Taten soll dan Dorfbuch in allen Einzel-
heiten berichten, weil hier engste persönliche Be-
ziehungen bestehen. Und was sie völlbrachten, wird
der Jugend des Dorfes Vorbild und Ansporn sein in
Gegenwart und Zukunft. In gleicher Weise soll auch
das Dorf buch von Beförderungen berichten. Und so
mancher trägt heute das Ehrenkleid des Offiziers wegen
besonderer Auszeichnung, der einfachsten Verhält-
nissen des Dorfes entstammt,
Diese Stoffe für das ISorfbuch wird der Bearbeiter
zu einem Teil aus unmittelbarer mündlicher Bericht-
erstattung gewinnen. Wo die Dorfbucharbeit bereits
langer getrieben wird und in ihrem Wert von den
Dorfbewohnern erkannt worden ist, der Bearbeiter
auch die rechte Stellung im Dorf und das Vertrauen
der Dörfler besitzt, werden ihm die Urlauber. freimütig
über ihr Ergehen und Erleben in der Zwischenzeit be-
richten. Leider tritt in den oft langen Zwischen-
räumen manches in den Hintergrund. Und da werden
die Feldpostbriefe unserer Soldaten eine der
wichtigsten Quellen für die Dorfbucharheit.
In ihnen ist so manches Erlebnis unter dem unmittel-
baren Eindruck niedergeschrieben, das in der Erinne
rung verblaßt. In diesen Briefen kommt sußerdem die
Verbundenheit mit der Heimat oft ungewollt zum
Ausdruck. Soweit diese Feldpostbriefe an die An-
gehörigen gerichtet sind, muß bei ihrer Verwendung
für das Dorfbuch mit größtem Takt verfahren werden.
Mitteilungen,- die nur für die nächsten Angehörigen
bestimmt sind, gehören nicht an die Öffentlichkeit,
und auf rein persönliche Angelegenheiten ist sters
Rücksicht zu nehmen. Der Bearbeiter sollte sich stets
bewußt sein, daß es ein Akt besonderen Ver-
trauens ist, wenn ihm Feldpostbriefe entweder im
Original oder zur Abschrift überlassen werden. Un-
vorsichtige Behandlung kann leicht eine unschätzbare
Quelle für das Dorfbuch verstopten. Wie verschieden
m
diese Dokumente unserer Zeit großen geschichtlichen
Werdens in der Dorf bucharbeit ausgewertet werden
können, soll hier nicht näher erörtert werden. Doku-
mente ähnlicher Art sind auch Bilder aus dem
Fronterleben unserer Soldaten. Bilder, zu denen
Soldaten des Dorfes eine unmittelbare Beziehung
haben, nicht aber Bilder allgemeiner ‚Art, erwa aus
Zeitungen und Zeitschriften. Ob nun ein Bilderband
angelegt oder die Bilder dem Text eingefügt werden,
muß den besonderen Verhältnissen überlassen bleiben.
Zu jedem Bild aber muß ein Begleittext vorhanden
sein, dadurch erst erhalten sie ihren Wert. Daß da-
neben in Verbindung mit. der Dorfhucharbeit auch
eine Kriegsheimarsch au geschaffen werden kann,
sei hier nur kurz erwähnt. Aber auch hier muß viel-
fach zu dem Gegenstand das erklärende Wort treten.
Doch mit dem Fronterleben selber ist der Inhalt
des Soldatenbandes nicht erschöpft. Das Dorfbuch soll
auch von den Verwundeten aus dem Dorf berichten
und ihr Opfer in gebührender Weise würdigen. Aber
es soll auch am Einzelfall dargelegt werden, welche
Fürsorge unsern Verwundeten zuteil wird, vom Trans-
port aus der Feuerlinie an bis zur Genesung, wie alles
getan wird, um ihre Schmerzen zu lindern, die Wunden
zu heilen und sie auch bei schwersten Verletzungen
wieder gesund und lebenstüchtig zu machen.
Eine besondere Ehrenpflicht aber ist es, im Dorf-
buch der Gefallenen zu gedenken. Es genügt nicht,
ihre Namen in Erz und Stein festzuhalten, da der bloße
Name den Menschen schon nach wenigen Jahrzehnten
kaum noch etwas sagt, besonders dann, wenn keine
näheren Angehörigen im Dorfe wohnen. Diese Lücke
soll das Dorfbuch schließen. Für jeden Gefallenen
muß im Dorf buch ein Ehrenblatt angelegt werden,
das neben dem Lebenslauf möglichst auch Einzelheiten
und bemerkenswerte Ereignisse aus seinem Leben ent-
halt, durch Feldpostbriefe ergänzt und durch die Nach-
richt des Einheitsführers vom letzten Einsatz und
höchsten Opfer. und vielfach auch noch durch einen
eingehenden Bericht eines Kameraden abgeschlossen
wird. Stets wird es möglich sein, dem Ehrenblatt das
Bild des Gefallenen und auch vielleicht das von seinem
Grabe beizufügen. Erst durch eine solche eingehende
Aufzeichnung aus dem Leben des Gefallenen wird
eine persönliche Gefallenenehrung möglich. Dabei
sollte stets Richtschnur sein, daß auch das
einfachste und unscheinbarste Leben durch
dessen Hingabe für die Zukunft von Volk
und Reich geadelt wird.
Aber nicht nur den Kampf der Soldaten des Dorfes
an allen Fronten soll das Dorfbuch schildern, sondern
auch den Einsatz des Dorfes im Kampf um die
Nahrungsfreiheit des deutschen Volkes, den der
Bauer bereits seit dem Beginn der Erzeugungsschlacht
siegreich bestanden hat und in dem er jetzt unter kriegs-
bedingten erschwerten Umständen die Bewährungs-
probe abzulegen hat. Schon gegen Ende der Ernte
werden Erntehelfer aus Wehrmacht und Reichsarbeits-
dienst abgerufen, dann beansprucht die Wehrmacht
außerdem Pferde und Wagen, Bauern und Landarbeiter
werden einberufen, überall entstehen Lücken, durch
die die normale Wirtschaftsführung gefährdet wird.
ge
Aber Alte, Frauen und Kinder springen in die Bresche,
und Herbstbestellung und Hackfruchternte werden
planmäßig durchgefuhrt. Kein Fleckchen Erde bleibt
unbestellt. Durch die Reihe der abnorm kalten Kriegs-
winter wird die Wirtschaftsführung weiter erschwert.
Auswinterungsschäden müssen wertgemacht, neue
Planungen getroffen, Öl- und Faserpflanzen auf Ver-
langen der Staatsführung angebaut werden. Und je
weiter der Krieg fortschreitet, desto fühlbarer werden
‚die Einengungen und größer die Anforderungen. Trotz-
dem werden alle Aufgaben erfüllt. Die Ernteergeb-
nisse — abgesehen von den durch Witterungseinflüsse
bedingten Schwankungen — bleiben auf gleicher Höhe,
und im ganzen kommt das Dorf seiner Ablieferungs-
pflicht auf allen Gebieten nach. Der deutsche Bauer
stellt die Ernährung von Front und Heimat sicher.
Außerordentlich lehrreich ist ein Vergleich zu den
Jabren 1914-18, wo die Ernten und damit die Ab-
lieferungs ergebnisse von Jahr zu Jahr sanken und die
Viehställe verödeten, der Niedergang der bäuerlichen
Wirtschaft immer mehr offenbar wurde. Daß wir beute
so ganz anders dastehen, ist nicht nur besserer Organi-
sation, sondern auch einer andern geistigen Haltung
zuzuschreiben, weil auch der letzte weiß, worum es
in diesem Kampfe geht. Ein eisernes Pflichtgefühl
steht der hell auflodernden, aber schnell verflackernden
Begeisterung des Weltkriegs gegenüber. Voll Stolz
und Selbstbewußtsein werden die Enkel in wenigen
Jahrzehnten, wenn unsere Zeit Geschichte geworden
ist, auf die Leistungen des Dorfes schauen. Front und
Heimat bilden eine mlösbare Kampfgemeinschaft, das soll
das Dorfbwb zum Ausdruck bringen, soll aucb bervor-
ragende Fimzelleistungen gebührend würdigen. Dazu bedarf
es keiner Selbstbeweibräscherung oder Schönfärberei, die
nackten Zahlen und Tatsachen sprechen für sich.
Es muß im Dorfbuch auch derer gedacht werden,
die diese Leistung vollbrachten. Es wurde schon kurz
darauf hingewiesen, daß Alte, Frauen und Kinder bis
an die Grenze der Leistungsfähigkeit zupackten, bis
der Einsatz von Kriegsgefangenen und zivilen aus-
ländischeh Arbeitskräften eine Erleichterung brachte,
die aber auch nur als Notlösung gewertet werden
kann und auch mancherlei Schwierigkeiten im Ge-
folge hatte. Wo die Lage des Hofes es nötig machte,
setzte unter dem Eingreifen des Ortsbauemführers
sofort die Nachbarschaftshilfe cin, in Zeiten
starker Arbeitshäufung während der Getreide- und
Hackfruchternte gritien sofort freiwillige Helfer
aus Dorf und Stadt zu, oft unter Opferung der Be
ruhe, und halfen den Segen der Felder bergen.
wurde eine Brücke geschlagen zwischen Dorf t
Stadt. Das Hauptverdienst am reibungslosen und ge-
regelten Ablauf der Wirtschaftsführung hat unstreitig
die Bauersfrau. Trotz der kriegsbedingten Er-
schwerungen in der Haushaltsführung, veranlaßt durch
die Rationierung von Lebensmitteln und Kleidung und
die Verknappung vieler Haushaltsgegenstăände,: mußte
sie viele Obliegenheiten übernehmen, die bisher nicht
in ihren Bereich gehörten. Trotz dieser Vergrößerung
ihres Arbeitskreises mußte sie ihren Kindern die
sorgende Mutter sein. Was die Bauersfrau auch in
diesem Kriege wieder leistet, das soll ihr unvergessen
363
sein, auch daß sie trotz alledem noch Zeit fand, sich
in den Dienst der größerer Gemeinschaft zu stellen.
Der Einsatz der Dorfes auch auf sozialem
Gebiet soll im Dorfhuch verankert werden. Die
stetig steigenden Spenden zum WHW und für das
DRK legen Zeugnis ab von dem ständig wachsenden
Opferwillen des Landvolkes. Das gleiche beweisen
die vielen Sammlungen für unsere Soldaten und zur
Stärkung unserer Rüstungskraft. Auch das Landvolk
hat erkannt, daß die Anspannung aller Kräfte not-
wendig ist, um den Endsieg zu erringen, es setzt sich
auch demgemäß ein. Die Sammellisten geben darüber
mancherlei Aufschluß,.
Einen tiefen Einblick in das dörfliche Leben geben
auch die Bevölkerungsverhältnisse, der Stand
der Bevölkerungszahl, die Bevölkerungsbewegung und
ihre Gründe, die Zahl der Heiraten und Geburten,
die im Gegensatz zu 1914-18 einen viel stärkeren
Lebenswillen erkennen lassen. Auch der Umquar-
tierten in unsern Dörfern soll das Dorfbuch ge-
denken, die hier vor dem Bombenterror eine vorüber-
gehende Unterkunft gefunden haben.
Die Betrachtung der Schulverhältnisse und der
Einsatz der Schulkinder bei der Sammlung von Alt-
stoffen, von Beeren, Pilzen, Heilkräutern und Ähren
darf ebensowenig versäumt werden wie die der ge-
sundheitlichen Verhältnisse im Dorf und des Für-
sorgewesens und der sozialen Einrichtungen. Ein ge-
treues Bild von der steigenden Wirtschaftskraft des
Dorfes gibt die Entwicklung der ländlichen
Spar- und Darlehnskasse und anderer wirtschaft-
licher Einrichtungen im Dorf. Besondere Aufmerk-
samkeit verdienen auch die Gemeindeverwaltung
und der Einsatz der Partei und ihrer Gliederungen
und Organisationen, die unermüdlich für die Stärkung
der Kriegsbereitschaft tätig sind. Es hat sich als
zweckmäßig erwiesen, zahlreiche Stoffe im Zusammen-
hang zu betrachten und sie durch graphische
Darstellungen zu ergänzen und anschaulich zu
machen
Nicht zuletzt aber muß das Erleben des Dorfes
in aller Ausführlichkeit dargestellt werden, wo das
Dorf selber zum Kriegsschauplatz wird durch die ver-
brecherische Kriegführung britischer und amerika-
nischer Terrorflieger, die Tod und Vernichtung such
in friedliche Dörfer tragen. Zahllos sind bereits die
Fälle, wo Dörfer zerstört oder. schwer beschädigt und
Menschen getötet oder verwundet wurden. Und in
ebenso zahllosen Fällen haben Männer und Frauen
durch unerschrockenes Eingreifen schwere Schäden
verhütet. Erlebnisse dieser Art aber müssen aus un-
mittelbarem Erleben heraus niedergeschrieben wer-
den, ehe sie in der Erinnerung verblassen.
Diese kurze Übersicht über den Inhalt des Dorf-
buches und seine Darstellung, die aber keinen An-
spruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern nur ledig-
lich an Beispielen die Vielseitigkeit der Arbeit zeigen
will, läßt bereits den Umfang der Dorfbucharbeit er-
kennen. Aus der Erkenntnis der Wichtigkeit heraus
sind zahlreiche Dorfbücher erst im Laufe des Krieges
begonnen worden. Um nun diesen Bearbeitern die
Arbeit zu erleichtern, haben wir im Gau Ponmiern
364
ein hauptsächlich nach dem zeitlichen Ablauf ge
otdnetes Stichwortverzeichnis zusammengestellt,
das zunächst dazu bestimmt ist, die Geschehnisse ins
Gedächtnis zurückzurufen. Dazu bedarf es oft nur
eines kleinen Anstoßes. Außerdem enthält es auch
noch kurze Hinweise auf gesetzgeberische Maßnahmen
und Anordnungen der Staats- und Parteiführung, die
im Dorfe wirksam werden könnten, und Daten aus
dem Zeitgeschehen, um eine oft zeitraubende Such-
arbeit zu ersparen. Es kann sich aber auch hier nur
um grobe Umrisse handeln. Bei der Vielfalt der Ver-
hältnisse schon in einem Gau ist es unmöglich, Be-
sonderheiten einzelner Dörfer zu berücksichtigen. Das
ist auch in keiner Weise notwendig, da diese Dinge
ohnehin fest im Gedächtnis haften, den Umfang des
Verzeichnisses aber über Gebühr belasten würden.
Trotz aller Arbeitshilfen wird in manchen Dörfern
die endgültige Bearbeitung aus kriegsbedingten Schwie-
rigkeiten kaum durchzuführen sein. Dort sollte aber
stets eine umfangreiche Materialsammlung durch-
geführt werden, damit nicht zuviel in Vergessenheit
gerät, was für die Vollständigkeit unentbehrlich ist.
Die Durchführung der Dorfbuchsrbeit ‚erfordert
einen nicht unerheblichen Aufwand an Zeit und Kraft,
verlangt Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt in der Arbeits-
weise und setzt auch mancherlei Kenntnisse voraus.
Aufgabe des Hoheitgträgers, dem auch die gesamte
kulturelle Betreuung des Ländvolkes untersteht, wird
es sein, den richtigen Bearbeiter zu finden. Bei
der Zusammensetzung der Landbevölkerung wird seine
Wahl wohl in den weitaus meisten Fällen auf den
Lehrer des Dorfes fallen. Dorf lehrer haben sich
schon vielfach als Heimatforscher betätigt und be-
sitzen reiche Erfahrungen auf diesem Gebiet. Von
ihnen stehen aber die aktivsten Kräfte auch an der
Front oder im Dienste der Wehrmacht. Die in ihrem
Amt verbliebenen sind außer in der Schule auch noch
mit zahlreichen Nebenämtern überlastet, so daß ihnen
Zeit für eine intensive kulturelle Betätigung auf dem
Dorfe, wie sie die Dorfbucharbeit darstellt, kaum ver-
bleibe. In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Arbeit,
die auch in verschiedenen parteiamtlichen Anord-
nungen betont wird, sollte der Hoheitsträger den
Lehrer, der sich der Kulturarbeit widmen will, von
allen Ämtern befreien, soweit das nur möglich ist.
Soll aber die Arbeit zu einem vollen Erfolg führen,
dann darf der Bearbeiter nicht nur auf sich telbet und
seine eigene Beobachtung und Sammlung von Stoffen
angewiesen sein, sondern das ganze Dorf muß die
Dorfbucharbeit zu seiner eigenen Sache
machen, zu der jeder nach seinen Kräften beiträgt.
Dann wird auch das Dorf buch das werden, was es sein
soll: für die kommenden Geschlechter ein Dokument,
das ihnen ein umfassendes Bild gibt von dem Werden
einer neuen Raumordnung in Europa; der (Gegenwart
aber werden die Stoffe aus dem Dorfbuch dazu dienen,
in auswertender Betrachtung das Verständnis für
unsere Zeit zu vertiefen und die bäu-rliche Kampf-
gemeinschaft zur höchsten Anspannung zu
stärken. Das ist notwendig für die ausreichende Er-
nährung unseres Volkes und damit entscheidend für
den Findsieg.
'
. A .
7
en —
LV
`
eg
WILHELM THIES
Die Schule in der bäuerlichen Erziehung
\
1° den letzten Jahren ist das Problem der durf-
eigenen Schule öfter erörtert worden. Geht man
den Einzelheiten nach, so zeigt sich, daß es im wesent-
lichen um zwei Grundfragen geht. Eigmal steht
die Schulorganisation und zum andern das Er-
ziehungsprinzip im Vordergrund.
In diesem Zusammenhang kann darauf verzichtet
werden, über die Gründe zu sprechen, die bei der
Auflösung einer einklassigen Schule zugunsten eines
größeren Systems ausschlaggebend sind. In den
meisten Fällen ist es die Folge eines narürlichen Inein-
anderwachsens der Gemeinden. Es wäre töricht, sich
gegen eine solche rein organisatorische Maßnahme
wehren zu wollen. In allen Fällen von Schulzusammen-
legungen prüft die Schulaufsichtsbehörde genau, ob
ein solcher Schritt gerechtfertigt ist. Infolgedessen
ist die Verringerung der dorfeigenen Schulen äußerst
gering.
Ein Blick in die Statistik genügt, um festzustellen,
daß die einklassige Landschule auch gegen-
wärtig den Hauptbestand unserer Volksschule
bildet. In den Stadtkreisen befanden sich im Jahre 1939
3141 Schulen mit 57962 Klassen, in denen 59676 haupt-
amtlich beschäftigte Lehrer 2 378 253 Schulkinder unter-
richteten, in den Landkreisen dagegen 45 604 Schulen
mit 127929 Klassen, 116876 Lehrern und 3108405
Schulkindern. Fast neun Zehntel der Volksschulen
(89,9 vH), 68,8 vil der Schulklassen, 62,2 vH der
Lehrer und 68,2 vH der Schulkinder kommen auf die
Landkreise. Bei der Gliederung der ötfentlichen Volks-
schulen nach Stufen, d. h. nach Jehrplanmäßig auf-
steigenden Klassen, entfällt der größte Anteil auf die
einstufigen Schulen mit 40 vH der Gesamtschulen.
79,7 vH der Schulen in den Landkreisen haben nur ein
bis drei Stufen, 44,3 vH nur eine Stufe.
Die Richtlinien für „Erziehung und Unterricht in
der Volksschule“ vom Jahre 1939 sind von dieser
Lage ausgegangen und bestimmen das gesamte Er-
` ziehungswesen wesentlich von der Landschule her:
„Als Erziebungsstätte des deutschen Lollies und damit als
Teil seines Volkslebens ist die Volksschule ein Abbild seiner
Einbeit, aber auch seiner Mannig faltıgkeit im den verschiedenen
Gauen, in Stadt und land.
Die besondere I.sbensnäbe, in der die dorſoi gens I andschule
steht, bietet erzieberische und unterrichtlicbe Vorteile, die vell
auszunutzen sind. Die Schule bat bier der frübzeitigen
Berufsverbundenbeit Rechnsmg zu tragen und sich in das
Leben des Dorfes einzugliedern. Dabei soll sie von sich aus
das Bewußtsein der Volksgemeinschaft erweitern. Sie logt
bk
zugleich den Grund für die „Arbeit der ländlichen Berufs-
schule, obne deren Aufgaben voruugzichmen.“ `
Damit ist dem Landlehrer cin Auftrag geworden,
der über die Anordnungen in den früheren Richtlinien
hinausgeht und ihn vor eine veranrwortungsvolle Auf-
gabe stellt. Nicht jeder Lehrer wird ohne weiteres in
der Lage sein, diese so zu meistern, wie es die Richt-
linien erfordern. Er wird vor allem das Vertrauen und
die Unterstützung des Dorfes nötig haben.
Bereits vor Erscheinen der Richtlinien für die oberen
Jahrgänge der Volksschule, am 19. September 1938,
hatte der Reichserziehungsminister einen Erlaß heraus-
gegeben, in dem die engere Zusammenarbeit mit
dem Reichsnährstand angestrebt wird. In 28 Ver-
suchskreisen (Kreisbauernschaften) begann mit diesem
Zeitpunkt eine Arbeit, deren Ziel es ist, die Boden-
verbundenheit zu fördern, die I. andflucht zu unter-
binden und das Nachwuchsproblem lösen zu helfen.
Ab und zu ist die Auffassung vertreten worden, daß
die Schule damit eine Sonderaufgabe zu lösen habe,
die während des Krieges zurückgestellt werden könne.
Dies ist jedoch ein Irrtam. Die Schule soll auch in
diesem Fall, den Richtlinien entsprechend, mit den ihr
gemäßen Mitteln erziehend wirken. Mit anderen
Worten: Aus der Zusammenarbeit mit dem Reichsnährstand
‘soll keine Sonderaktion enisteben, sondern ein Erziebungs- -
prinzip erwachsen, das den naturlichen bäuerlichen Verbält-
nissen entspricht. e `
Einer Anregung des Reichsleiters für das Landvolk
folgend, hatte der Reichserziehungsminister Ss
Deutsche Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht *
beauftragt, die Frage der Landflucht vom Standpunkt
der Landschule aus einer eingehenden Prüfung zu
unterziehen. Das Deutsche Zentralinstitut hat darauf
einen Arbeitskreis „Schule gegen Landflucht“
gebildet und diese Frage in einer Tagung des Arbeits- `
kreisen, die vom 8. bis ı3. Februar 1943 stattgefunden
hat, zum Gegenstand eingehender Erörterungen ge-
macht. Die Ergebnisse der Besprechungen zeigten,
daß nicht nur die Landschule, sondern auch die Stadt-
schule gewillt und in der Lage ist, sich in den Dienst
dieser wichtigen Aufgabe für unser Volk zu stellen.
Von den Leitsätzen der Arbeltstagung sind einige
von besonderer Bedeutung. |
Die erste Frage lautete: „Wesbalb muß und inwieweit
tam die Schule an der Aufgahe im Kampf gegen V’erstädte-
rung, Landfiucht md! Stedisucht beteiligt werden?“ Sie
wird im ganzen zustimmend beantwortet, wobei etwa
folgende Gründe angeführt werden:
365
Der Kampf gegen die Landtlucht ist eine politische
Aufgabe des ganzen Volkes. Da es sich hierbei im
wesentlichen um eine Frage der Haltung und Ge-
sinnung, also der Erziehung, handelt, muß dieser
Kampf Aufgabe der Schule, und zwar in Stadt und Land,
sein.
Während die damit zusammenhängenden sozialen
und wirtschaftlichen Fragen von anderen Stellen gelöst
werden müssen, ist es Aufgabe aller Erziehungs-
faktoren, besonders der Schule, und hier der Land-
schule, durch Erziehung und Unterricht auf Haltung,
Gesinnung und Willen der Jugend mit ihren besonderen
Mitteln einzuwirken.
Die Schule ist zu der ihr hier gestellten Aufgabe
besonders berufen, da sie die künftigen Iandmenschen
in der Zeit ihrer stärksten Aufnahmefahigkeit zu be-
treuen hat. Außerdem hat der rechte Landlehrer weite
Möglichkeiten, auf die Haltung des ganzen Landvolkes
einzuwirken.
Alle sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen
müssen wirkungslos bleiben, wenn nicht die geistig-
seelischen Ursachen der Landflucht beseitigt
werden, Während jene zum Teil als Sofortmaßnahmen
angesprochen werden können, handelt es sich bei diesen,
den Aufgaben der Erziehung, im wesentlichen um
Maßnahmen auf weite Sicht, die zwar sofort einsetzen
müssen, aber erst allmählich wirksam werden können.
Über die inbaltliche Gestaltung und Ausrichtung des Unter-
richts in der l andschule wird in den Leitsätzen unter
anderem gesagt:
Die ländliche Volksschule hat im Rahmen der
. rassisch-politisch-völkischen Erziehung die Sonder-
aufgabe, die ihr anvertrauten Kinder zu bewußt
biuerlich denkenden und handelnden Men-
schen zu erziehen. Als wahrhafte Bildungsstätte
des Landmenschen muß sie eine doppelte Funktion
für diesen übernehmen: Sie soll aufklären über den
ländlichen Lebenskreis und das ihn erfüllende Leben,
sie soll aber auch den Landmenschen auf alle Weise
in diesem Leben bestärken und gesinnungs- und willens-
mäßig festigen.. .
Indem sie die Erfahrungen und Einsichten sowie
auch die verantwortlichen Verpflichtungen des über-
schbaren Raumes seines Lebenskreises zum Ausgang
ihrer Arbeit nimmt, erfaßt sie den Landmenschen an
seiner Wesensverhaftung mit dem völkischen
Leben, somit da, wo er für seine Aufgaben am chesten
und nachhaltigsten gewonnen werden kann.
Dieser Forderung entspricht sie zu einem wesent-
lichen Teil schon dann, wenn sie ihre Stoffpläne
aus dem heimatlichen Lebenskreis der Kinder
gestaltet, auch beim Blick in die Weite von der Heimat
ausgeht und zu ihr zurückkehrt.
Als besonders wichtig bezeichnet der Arbeitskreis
die Schaffung geeigneter Lehr- und Lern-
mittel. Er hält es für notwendig, daß dem Lehrer ent-
sprechende Handreichungen, in denen er den Stoff
bereit findet, zur Verfügung gestellt werden. Die Lern-
bücher sollen für die besonderen Bedürfnisse für Stadt
und Land für die einzelnen Gaue abgestimmt werden.
Ebenso sollten entsprechende Lehrmittel gefunden
werden, die aus Auftrag und Lehrweise der Landschule
366
erwachsen. Die Herstellung solcher Lehr- und Lern-
mittel stößt gegenwärtig aus kriegsbedingten Gründen
auf große Schwierigkeiten.
Eine besondere Bedeutung hat die Mädchen-
erziehung auf dem Lande. In der Erziehung der
weiblichen Jugend zur Landfrau und Mutter liegt das
Schicksal unseres Volkes. In der Landschule kann aus
organisatorischen Gründen keine gesonderte Mädchen-
erzichung durchgeführt werden. Das ist nach den Er-
fahrungen der Landschule kein Unglück. Da das Land-
leben für den Bauern und die Bäuerin, deren
Arbeiten stark ineinandergreifen, eine geschlossene
Einheit bildet, ergibt sich für die Schule daraus die
Grundlage für den gemeinsamen Unterricht.
Nach den Richtlinien „Erziehung und Unterricht
in der Volksschule“ sind Handarbeit und Haus-
werk pflächtmäßige Unterrichtsfächer. Es kommt
darauf an, diesen Unterricht durch geeignete Lehrkräfte
und Finrichtungen so zu gestalten, daß in den beiden
letzten Schuljahren, in denen das Mädchen ohnehin für
die Arbeit der Hausfrau herangezogen wird, ein natür-
liches Eingehen auf die späteren Aufgaben erfolgt.
Aufgaben der landwirtschaftlichen Berufsschule dürfen
hierbei nicht vorweggenommen werden. Eine wesent-
liche Unterstützung erhält der Unterricht der Mädchen
in der Volksschule durch den Erlaß des Reichs-
erziehungsministers vom 3. Dezember 1942, der die
Förderung der Mädchenerziehung durch Hebung des
Hauswirtschaftsunterrichts und Einsetzung von
landwirtschaftlichen Fachberaterinnen bei der Schul-
aufsicht der Kreisinstanz anordnet.
Die Unterrichtsstoffe für die Handarbeit sind nicht
nur dem bäuerlichen Lebenskreis zu entnehmen,
sondern auch so zu wählen, daß sie einer guten Ge-
schmacksbildung dienen. Der durch den Krieg be-
dingte sparsame Verbrauch von Werkstotfen mach
ich dabei oft positiv geltend und zeigt, daß mit ein-
fachen Mitteln gute Erfolge zu erzielen sind.
Das gleiche gilt für die Jungen auf dem Gebiere des
Werkens, das schlechthin als bäuerliches Werken
bezeichnet werden könnte. Die Leiter der Werklehrer-
seminare in Halle, Hildesheim und Leipzig, in deren
Händen die Fortbildung der Lehrer im Zeichnen und
Werken liegt, stehen denen der Schule mit Rst und
Tat zur Seite.
Die Gemeinschaftserziehung der Jungen und
Mädchen läßt sich besonders gut durch die Schul-
gartenarbeit verwirklichen. Bauer und Bäuenn
teilen sich in die Gartenarbeit, wobei der Bäuerin in der
Regel der größte Teil zufällt. Somit ist der Ansatz-
punkt für die Erziehung durch Zusammenfassung voa
Jungen und Mädchen ein narürlicher, der von der ein-
klassigen und wenig gegliederten Schule ausgenutzt
wird.
Über die Einrichtung und Bewirtschaftung der
Schulgärten gibt der Erlaß vom 27. Juni 1937 An-
weisungen. Der Schulgarten soll sich in den ländlichen
Gemeinden in der Gestaltung dem orts- und landes-
üblichen Brauche anpassen, er soll zugleich ein
Mustergarten sein. Diese Aufgabe verlangt von der
Schule Zeit und Hingabe. Die Fortbildung der Lehrer
im Obstbau hat sich sehr segensreich ausgewirkt. Wie
2
stark der Einfluß auf diesem Gebiete wirken kann,
zeigt sich dort, wo die Schule der ganzen Gegend ein
wirtschaftliches Gepräge gegeben hat. Auch während
des Krieges entwickelt sich die Schulgartenarbeit dort
weiter, wo der rechte Erzieher am richtigen Ban
wirkt.
Der Schule ist die Frage vorgelegt worden, ob sie
durch erziehliche Maßnahmen das bäuerliche
Selbstbewußtsein stärken könne. Hierbei handelt
es sich richt nur um das Bewußtsein vom eigenen Ich,
sondern auch um alle andere, was damit in engerem
Zusammenhange steht, um Hof und Familie, Sippe und
Dorf, Stand und Stamm, Arbeit und Leistung usw.
Ohne Zweifel ist das bäuerliche Selbstbewußtsein in
manchen Gegenden im Schwinden. Die Gründe sind '
vielseitig und können keineswegs allein durch die Er-
ziehung ausgeglichen werden. Ohne bäuerliches Selbst-
bewußtsein müssen jedoch alle Bemühungen, auch die
Bekämpfung der Landflucht, ohne Wirkung bleiben;
deshalb wird die Schule den Reichsnährstand hierin
unterstützen müssen, Viel kann sie tun, wenn sie das
fernhält, was das bäuerliche Selbstbewußtsein schwächen
könnte. Sie wird solchen Erscheinungen in Film,
Litesatur und Kleinkunst entgegenzutreten haben.
Wichtig. und zugleich Voraussetzung ist aber, daß
auch der Lehrer das nötige Selbstbewußtsein besitzt.
Hier wäscht eine Hand die andere. Deshalb ist es Auf-
gabe des Bauern und des Reichsnährstandes, daß sie
dem Lehrer das nötige Vertrauen entgegenbringen.
Dann wird die Schule auch in dieser Richtung positiv
wirken können. Durch Vorbild, Schrifttum, Bild und
Film, Dorf buch und Dorfausstel lung lassen sich manche
Ansatzpunkte finden.
Damit trägt die Schule zugleich ihren Anteil an den
eigenständigen Kulturformen und dem Ge-
meinschaftsleben des Dorfes bei. Zunächst geht
es darum, im Dorf vorhandene Kulturformen zu er-
halten. Diese sind vielfach noch da, aber leider in be-
drohlicher Weise im Schwinden begriffen. Neue brauch-
bare Formen müssen gepflegt werden. Inwicweit die
Schule dabei mitwirkt, kann nicht abgegrenzt werden.
In der Regel ist ihr Anteil größer, als allgemein ange-
nommen wird, da sie nicht selten im Hintergrund
bleibt. Die Pflege eigenständiger Kultur ist nur inner-
halb des, dörflichen Gemeinschaftsicebens möglich.
Auch aus diesem Grunde ist die dorfeigene Schule die
Stätte,aus der das dörf liche Kulturleben emporwachsen
kann. Der Landschule nıuß in ihrer Arbeitsweise des-
halb so viel Spielraum gegeben werden, dafs sie an der
Gesamtaufgabe beteiligt werden kann.
Der volksverbundene Lehrer tritt somit über den
unmittelbaren Aufgabenkreis der Schule hin-
aus, indem er den übrigen im Dorfe tätigen Kräften
beratend und führend hilft. Hier liegt ein so weit ver-
zweigtes Aufgabengebiet, daß dem Lehrer nicht zuge-
mutet werden kann, sich allen herantretenden Fragen
zu widmen. Aus der großen Zahl seien nur folgende
genannt, die immer wieder in den Vordergrund treten:
Heimatpflege, Volkskunde, Volkstumspflege, Natur-
schutz, Volksbühnenarbeit, Leitung von Sing- und
Musikkreisen, Dorfgemeinschaftsabende, Anlage eines
Dorfarchives, leitung von Worfbüchereien usw.
—
Daraus ergibt sich, dal der Lehrer nicht mit zeit- und
kraftvergeudenden Aufgaben belastet werden darf, die
abseits seiner Erziehungsaufgaben liegen und auch von
anderen Dorfbewohnern geleistet werden können.
Man würde der Stadtschule unrecht tun, wenn ihr
Anteil an dem Kampf gegen die Verstädterung
in diesem Zusammenhang außer acht bliebe. Ver-
städterung ist der zersetzende Einfluß der Stadt auf das
Land, der das Bauerntum aus seiner Verwurzelung
im Boden löst, seine Lebenswerte zerstört, seine bio-
logische, wirtschaftliche und kulturelle Leistungsfähig-
keit schwächt und dadurch das Volk an den Wurzeln
seines Lebens trifft. Zwar schlummert in breiten
Schichten unserer Stadtbevölkerung noch eine Ahnung
von der. Bedeutung des Bauerntums, doch muß die
Schule das rechte Verständnis wecken. Die äußeren
Verhältnisse sind hierfür ungleich schwieriger als auf
dem Lande. Es gibt nur wenige Schulgärten, weniger
Möglichkeiten, die Arbeiten des Bauern kennenzu-
lernen. Deshalb müssen Lehrwanderungen und Ferien-
aufenthalt auf dem Lande mithelfen. Geeignete Lern-
mittel und Ganzschriften dienen zur Ergänzung und
Auswertung. | |
Voraussetzung für den Erfolg der Gegenwehr ist
eine Lehrerbildung und -furtbildung, und zwar
der Stadt- und Landlehrer, die sie mit der (sefahr der
Versrädterung und der Landflucht bekannt macht und
sie in unmittelbare Zusammenarbeit mit dem Bauern-
tum bringt. Eine solche Fortbildung einzuleiten und
durchzuſühren, ist u. a. eine Aufgabe der genannten
Versuchskreise.
Die Arbeit der Schule wird erschwert, wenn die
äußeren Voraussetzungen für eine dorfeigene Schul-
arbeit fehlen. Die Schulaufsichtsbehörde hat seit
Jahren dem Schulhaus auf dem Lande ihre be-
sondere Aufmerksamkeit gewidmet. Forderungen, die
früher nicht immer anerkannt werden konnten, gelten
heute als selbstverständlich. Hierher gehören: eine
bodenständige Bauweise, ausreichende Räume
und Flure mit Wasch- und Trinkgelegenheit und einer
Kleiderablage. Außerdem werden für jede Schule ein
Werkraum, eine Küche, ein Lehrerzimmer, ein Lehr-
und Lernmittelzimmer und ein Schülerbad gewünscht.
An das Schulhaus schließen sich ein Schulgarten und
Freiflächen für Leibeserziehung an.
Die Ausstattung der Schule soll der Eigenart
der Landschule dienen, Leider hat das Klassenzimmer
noch recht oft das Ausschen einer Werkstätte. In jedes
Klassenzimmer gehört ein guter Wandschmuck. Die
Lehrmittel der Dorfschulen müssen eine sinnvolle Er-
gänzung der durch das Dorfleben und die ländliche
Natur gegebenen Anschauungsmöglichkeiten bilden.
Für die stille Arbeit der Schüler sind geeignete Arbeits-
mittel nötig. Neben der Schulbücherei ist die Lehrer-
bücherei so auszubauen, daß sie als Arbeitsbücherei
dienen kann. In ihr dürfen vor allen Dingen gute
Handreichungen für die einzelnen Fächer nicht fehlen.
Eine wichtige Voraussetzung für die Bodenständig-
keit des Landlebrers ist eine schöne und zweckmäßig
gebaute Lehrerwohnung. In den letzten Jahren vor
dem Kriege sind zahlreiche vorbildliche Bauten ge-
schatlen worden, von denen eine Auswahl in dem Hett
367
„ Volksschulbauten“, auf Anregung des Reichs-
erziehungsministeriums berausgegeben vom Preußi-
schen Finanzministerium, wiedergegeben ist. Be-
sondere Erwähnung verdient auch die Arbeit des Ober-
regierungsrats Krüger in Danzig über „Neue Dorf-
schulen für die Ostgebiete“, in der mit viel Verständnis
für die Schule und die Forderungen der ostdeutschen
Landschaft Anregungen für ländliche Schulbauten ge-
geben werden, die auch für andere Landschaften von
Bedeutung sind. Zu der Lehrerwohnung gehört ein
ausreichender Lehrergarten, der als Ziergarten und
als Gemüsegarten eingerichtet werden kann. Er soll so
geräumig sein, daß sich der Lehrer auch im Obstbau
darin betätigen kann.
Die Besoldungsordnung des Lehrers zeigt, daß
der Landlehrer besonders berausgehoben ist und ihm
eine Zulage gewährt wird. Einen finanziellen Ausgleich
bat auch der Landlehrer ferner durch die Gewährung
ven Ausbildungsbeihilfe für seine Kinder erhalten, so
daß ihn die Familienverhältnisse künftig nicht zwingen,
in die Stadt zu ziehen.
Es ist bereits erwähnt worden, daß wir nicht nur
ein selbstbewußtes Bauerntum, sondern auch einen
selbstbewußten, bodenständigen Landlehrer nötig
haben. Recht oft begegnet man der Auffassung, daß
der Landlehrer vom Lande stammen müsse. Diese An-
sicht ist zum mindesten einseitig. Der Lehrernach-
wuchs vom Lande ist zu begrüßen und besonden zu
fördern, duch ist nicht allgemein zu folgern, daß nur
aus diesem dörflichen Nachwuchs der erstrebenswerte
Dorflehrer berauswächst. Viele in der Stadt geborene,
aufgeschlossene junge Lehrkräfte werden durch dic
Eigenart der Dorfarbeit angezogen und sind darin
erfolgreich tätig. Andererseits braucht auch die Stadt
Lehrkräfte, die den Wert des Landes und der Land-
arbeit kennen und bejaben. Fre Trema der Lebrer-
vorbildung nach Stadt- md Landlebrern ist daber nicht nel-
wendig. Dagegen könnte bei der Fortbildung der Lebrkraftı ge
Differenzierung einsetzen. Doch müßte beiden T eilen Gelegenbeit
Geben werden, von der Arbeit der andern Kenntnis zu nebmen.
Gegenwärtig stehen einer Weiterentwicklung des
Landschullebens große Hemmnisse entgegen.
Lehrermangel, Uberalterung der Lehrkräfte, Abwande
rung in andere Berufe und einseitige Zunahme der
weihlichen Lehrkrafte wirken sich auf die einklassige
Landschule nachteilig hus. Zu der zu erstrebenden Neu-
wertung von Schule und Lehrer muß daher die wirt-
schaftliche und kulturelle Vorsorge für den Landlehrer
weitergehen. In diesem Sinne wirkt für die Zukunft
schon während des Krieges die enge Zusammenarbeit
der Schulaufsichtsbehörde mit dem Reichsnährstand
auf dem Gebiete „Schule und Landvolk“.
Das Bauerntum muß Dlutsquell unſeres Volkes und fein
Ernührer fein. Indem der Tlationalfozialismus die natürlichen
Geſetze des völkiſchen Lebens zur geundfäßlidden Lehre erhob,
anerkannte er auch die Bedeutung des Bauerntums für das
völkiſche Schickſal unſerer Nation.
Wenn die Dotfehung den
deutſchen Bauern feit dem Mittelalter aus dem aktiven ge-
ſchichtlichen Geſchehen verbannte, fo hat der Natlonalſozialismus
den bäuerlichen Geſchichtswillen wieder zum tragenden Element
des deutſchen Lebens gemacht.
dieſer hohen geſchichtlichen Miſſion bewußt.
Das deutſche Landvolf ift fid
Es ſetzt gegen die
artvernichtenden Theorien des Liberalismus und damit letzten
Endes des Bolſchewismus die arterhaltenden Geſetze der Rafe,
des Volkstums, der ſchöpferiſchen Kraft der Perſönlichkeit
368
Herbert Bade
er EEE EEE eg mi a P — is
„
Agmpeltische Rundschau
An der Schwelle des sechsten Kriegsiahres
forderte der Reichsobmann des Reichsnähr-
standes, Bauer Gustav Behrens, in einem
grundsätzlichen Aufsatz das deutsche Landvolk
zur größten Kraftentfaltung auf. Er unterstrich
nochmals die leistungen des deutschen Land-
volkes in den vergangenen fünf Kriegsjahren.
Auch diese leistungen würden jedoch nichts
helfen, wenn nicht das Landvolk im sechsten
Kriegsiahr durch noch größere Kraftentfaltung
alles einsetzen würde, um den Sieg zu er-
ringen. Dort, wo in einzeinen Betrieben Schwie-
rigkeiten entstehen, gilt es in Ernte und Be-
stellung durch geeignete Hilfe den notwendigen
Ausgleich zu finden. „Kommt es in der Er-
zeugung darauf an, das letzte auszuschöpfen,
so trifft das erst recht und in nach viel höherem
Maße auf die Ablieferung zul Ist der Erfolg
bei der Erzeugung außer der leistung noch eine
Frage des Wetters, der Produktionsminel usw.,
so entscheidet bei der Ablieferung einzig und
allein die Haltung!” Reichsobmann Behrens er-
innerte an die Worte, die Reichsminister Backe
in der letzten Dienstbesprechung an die Landes-
bauernführer richtete: „Es ist selbstverständlich,
daß wir alle verpflichtet sind, das letzte zu
leisten. Der Bauernführer hat dabei Vorbild
zu sein. Es kommt hier nicht nur auf das Mo-
terielle, sondern auch auf das ideelle, auf den
Charakter und die Haltung an. Mit dieser Ein-
stellung werden wir auch diesen schwersten
Kampf durchstehen. Jeder von Ihnen muß nach
diesen Grundsätzen mithelfen und sich bis zum
letzten einsetzen, muß mit diesem Bewußtsein
seiner ganzen Verantwortung diesen Weg
gehen.”
Gleichzeitig gaben die beiden Reichshaupt-
obteilungsleiter Dr. Brummenbaum und
Zschirnt einen Überblick über fünf Jahre
erfolgreiche Kriegserzeugungsschlacht und über
fünf Jahre geordnete Volksversorgung. lm
Mittelpunkt der Kriegserzeugungs-
schlacht standen im fünften Kriegsjahr der
Olfruchtbau, die Leistungssteigerung in der
Milchfefter zeugung, die Sicherung des Schweine-
bestandes und die Aufrechterhaltung der Kar-
toffelerträge. Darüber hinaus erforderte allein
der Zwang, fast alle landwirtschaftlichen Be-
triebsmittel, seien es Handelsdünger, Maschinen
und Geräte, Kleineisenwaren, Treibstoff, Binde-
garn, Schädlingsbekämpfungsmittel usw., zu be-
wirtschaften, um ihren Einsatz nicht dem Zutall
und dem stärkeren Geldbeutel zu öbe lassen,
sondern nach volkswirtschaftlichen Gesichts-
punkten zu lenken, eine unendliche Fülle pla-
nender Arbeit, die noch dazu mit einer ganz
wesentlich geringeren Zahl an Kräften als vor
dem Kriege bewältigt werden muß. lm sechsten
Kriegsjohr muß bei der Fortführung der Erzeu-
gungsschlacht von vornherein mit erheblich
schwierigeren Bedingungen gerechnet werden,
denen durch geeignete Maßnahmen begegnet
werden wird. DerMangel an Handelsdünger wird
vor allem durch eine verstärkte Erschließung der
Nährstoffreserven unserer Böden, insbesondere
durch eine individuelle Bearbeitung des Bodens
in Verbindung mit einer Lockerung des Unter-
grundes zur Beseitigung der ertragsmindernden
Bodenverdichtungen und Pfiugsohlenbindungen,
sowie durch einen verstärkten Anbau von Hülsen-
früchten und stickstoffsammeinden Futterpflanzen,
vor allem als Zwischenfrucht, weitgehend über-
wunden werden müssen. Vom Standpunkt der
Nährstoffversorgung unserer Böden und der
Erhaltung der alten Bodenkraft und Bodengare
muß es als ein besonderer Erfolg unserer Er-
nährungspolitik bezeichnet werden, daß es ge-
lungen ist, selbst im fünften Kriegsiahr den
Rindviehbestand etwa auf Friedensumfang zu
halten und den Bestand an Schafen sogar
wesentlich zu erhöhen. Der dadurch gegen-
über dem Frieden nur unwesentlich verringerte
Anfall an Wirtschaftsdünger hat zweifellos in
besonderem Maße dazu beigetragen, den hohen
Leistungsstand unserer Betriebe bisher aufrecht-
zuerhalten. Er gibt auch im sechsten Kriegs-
jahr unter Voraussetzung bester Pflege und
Aufbewahrung sowie überlegten Einsatzes die
Gewähr, daß unsere Ernten nicht wie im ersten
Weltkriege aus Mangel an Nährstoffen einen
bedrohlichen Rückgang erfahren.
Die Aufgaben der Versorgung
sind im sechsten Kriegsjahr nicht grundsätzlich
andere geworden. Bei ihrer Durchführung gilt
es nur, ebenso größere Schwierigkeiten zu über-
winden wie in der Erzeugung. Die Beweglich-
keit und Anpassungsfähigkeit der Maßnahmen
in der Organisation wird auch im sechsten
Kriegsjahr dazu beitragen, diese Aufgaben zu
meistern. Erleichtert wird dies durch die
Stetigkeit der Grundlinien der
Marktordnung. Hierbei ist von vornher-
ein das Schwergewicht mehr auf Führung und
weniger auf Anordnung, mehr auf Gefolgschaft
und weniger auf Gehorsam gelegt worden.
Dieser Grundsatz hat sich bewährt. Das wird
auch in Zukunft der Fall sein, wenn es gilt, die
vom Oberbefehlsieiter und Reichsminister
Backe und seinen Mitarbeitern immer wieder
geforderte noch straffere Durchführung der Ab-
lieferung und Erfassung in die Wirklichkeit um-
zuseizen. ` ` ) .
369
Der Beginn des sechsten Kriegsjahres traf das
Landvolk inmitten der Erntebergung, die durch
günstiges Wetter erleichtert wurde. Die Forde-
rungen aus der diesjährigen Getreideernte sind
schon in der letzten Folge dargelegt worden,
jetzt gilt es, die Aufgaben zu kennzeichnen,
die aus dem Ergebnis der Hackfruchternte, ins-
besondere der Kartoffelernte, zu ziehen
sind. Hier hat kürzlich Reichsobmann Behrens
grundsätzliche Ausführungen auf einer Arbeits-
tagung der Hauptvereinigung der deutschen
Kartoffelwirtschaft gemacht. Er zeigte hierbei,
wie im vergangenen Wirtschaftsjahr alles ge-
tan worden sei, um durch eine restlose
Erfoss ung und durch Ausgleichsliefe-
rungen an Getreide, Hülsenfrüch-
ten und Reis die infolge der geringen
Kartoffelernte 1943 entstandene schwierige Ver-
sorgungslage erfolgreich zu meistern. Das neue
Kartoffelwirtschaftsiahr, das voraussichtlich gün-
stigere Aussichten als im vergangenen Jahr
bietet, wird trotzdem ebenfalls schwierige Auf-
gaben stellen. Der vermutlich größeren Ernte
stehen erheblich gesteigerte Aufgaben gegen-
über, da nicht nur der Bedarf an Speise- und
Pfianzkartoffeln gedeckt werden muß, sondern
auch erhebliche Mengen für die technische Ver-
arbeitung bereitgestellt werden müssen, wäh-
rend auf der anderen Seite ein möglichst großer
Futterrest für die Schweinehaltung angestrebt
werden muß. Sparsamste Verwendung
der diesjährigen Kartoffelernte
ist also wichtigstes Gebot. Auf
keinen Fall kann in diesem Jahr damit gerechnet
werden, daß bei der Kartoffelversorgung durch
die Getreide wirtschoft oder andere Sektoren
eine Hilfsstellung erfolgt.
In den nächsten Wochen wird vor allem die
schnelle und rechtzeitige Bergung
der Kartoffelernte im Vordergrund
stehen. Diese Aufgabe konn unter den heutigen
schwierigen Verhältnissen beim Arbeitseinsatz
und in der Gespannbereitstellung nicht vom
Londvolk allein gelöst werden. Da die Kar-
toffelernte eine nationale Aufgabe erster Ord-
nung ist, von deren erfolgreicher Lösung die
Sicherheit unserer Ernährung im sechsten Kriegs-
jahr zu einem erheblichen Teil abhängt, richtete
Reichsobmann Behrens einen Appell an
alle Volksschichten, jede freie
Arbeitskraft für die Bergung der
Kartoffelernte zur Verfügung zu
stellen.
Die letzte Entwicklung der Kriegsloge hat die
Überprüfung der Versorgungsplao-
nung für das begonnene sechste
Kriegswirtschoftsjahr notwendig ge-
macht. Entsprechend dem von Herbert Backe
immer wieder betonten Grundsatz, daß bei der
Sicherstellung der Volksernöhrung in erster
linie die pflanzlichen Grund-
nahrungsstoffe im Vordergrund
370
stehen müssen, weil hier von der Er-
zeugungseinheit die höchsten Mengen an Nah-
rungswerten ohne Verediungsverluste für die
menschliche Ernährung nutzbar gemacht werden
können, werden die notwendigen Ein-
schränkungen im Futtersektor für
diejenigen Tiergattungen vorgenommen, bei
denen dies am ehesten ohne große Schädi-
gungen für die Gesamtversorgung möglich ist.
Aus diesem Grunde erfolgte wiederum eine
Preisänderung für Schweine mit dem Ziel der
Herabsetzung der Schlachtgewichte sowie eine
Korrektur der bisherigen Mastverträge. Hierbei
sei darauf hingewiesen, daß auch diese Maß-
nahmen nichts mit dem Schweinemord des Welt-
krieges zu tun haben, weil auch jetzt der
Grundsatz der Aufrechterhaltung einer leistungs-
‚starken und zahlenmäßig ausreichenden Nach-
zucht nicht verletzt wird.
Dem gleichen Ziel der Sicherung für die
menschliche Ernährung geeigneter Pflanzen-
nahrungsmittel bzw. der Verwendung der für
die Großviehhaltung geeigneten Futtermittel
dient die strikte Durchführung der
im März erlassenen Anordnung
zur Verminderung der Kleintier-
bestände. Hier ist die Übergangsfrist mit
dem 31. August abgelaufen. Durch entsprechende
Anweisungen an die Düurchführungsstellen ist
dafür Sorge getragen, daß unter allen. Um-
ständen eine korrekte Durchführung der Anord-
nung überall sichergestellt wird. Dabei wird
von dem Grundsatz der gesunden Kleintier-
haltung ausgegangen, die den Umfang der
Kleintierhaltung mit der tatsächlich vorhandenen
Futtergrundiage in Einklang bringt. Dieser
Grundsatz ist allerdings in den neu errichteten
und erweiterten Kleintierkaltungen oft nicht be-
achtet worden, so daß erhebliche Mißstände eir-
getreten sind. Schuld daran sind in erster Linie
die neu erstandenen städtischen Kleintier-
haltungen und die stark erweiterten Kenner,
haltungen in den landwirtschaftlichen Betrieber.
Entweder werden die Tiere nicht satt gefüttert
und bringen keine leistung, oder das- Futter
muß. irgendwie „besorgt“ werden, sei e
„hintenrum” durch den Kauf beim. Landwirt, sei
es durch Tausch gegen verknappte Waren oder
sei es als Gegenleistung für handwerkliche oder
sonstige nichtlandwirtschaftliche Arbeit. In allen
Fällen handelt es sich aber um eine verbotene
Futterbeschaffung und Futterhergabe, und in
allen Fällen handelt es sich um Futter, das für
Großtiere bestimmt ist und diesen entzogen
wird. Auch wo im Garten an Stelle des bis-
herigen Gemüseanbaves heute überwiegend
Kleintierfutter erzeugt wird und der Kleintier-
halter jetzt auf dem Gemüsemarkt als neuer
Käufer auftritt, entzieht die Kleintierholtung der
Allgemeinversorgung lebensmittel. Um zu ver-
hindern, dog Kleintierhalter ihren Kleintieren
Futter geben müssen, das für andere Zwecke
vs
bestimmt ist, schreibt die Anordnung die wirt-
schaftseigene Futtergrundiage vor. Niemand
darf mehr Kleintiere halten, als er mit seinem
saibsterzeugten Futter ernähren kann. Landwirt-
schaftliche Kleintierhalter dürfen für die Klein-
tierhaltung aber kein Futter verwenden, das für
die Großtierhaltung geeignet ist. Die Anord-
nung begrenzt deshalb auch hier die Zahl der
Kleintiere, die der einzelne halten und out,
ziehen darf. Damit wird eine Verfütterung von
_Großtierfutter an Kleintiere in den Betrieben
verhindert, die an sich eine große eigene Futter-
grundlage haben, also viele Kleintiere holten
könnten. Abgesehen davon, daß das Futter über
den Großtiermagen in Fleisch und Fett für die All-
gemeinheit umgewandelt wird, ist auch die Ver-
wertung des Futters durch Großtiere eine bessere.
Dabei muß allerdings berücksichtigt werden,
daß das Huhn zur Erzeugung der Eier erheb-
liche Mengen Futter selbst sucht, das sonst um-
kommen würde, weil kein anderes Tier in der
loge ist, dieses Suchfutter zu verwerten. Auch
das Großgeflügel ernährt sich zu einem großen
Teil aus Suchfutter, während die Kaninchen
wieder hervorragende Abfallverwerter sind.
Darin liegt der große volkswirtschaftliche Wert
der Kleintiere, daß sie das absolute Kleintier-
futter verwerten, das sonst eben unverwertet
umkommen würde. Diese Bedeutung ver-
lieren die Kleintiere jedoch in dem Augen-
blick, in dem ihre Zahl so groß wird, daß `
das absolute, das Suchfutter, nicht mehr
ausreicht, um dem Kleintierbestand als Futter-
grundlage zu dienen und den Kleintieren über-
wiegend oder fast nur noch Handfutter gegeben
werden muß. Der Kleintierbestand muß sich
also immer noch dem vorhandenen
absoluten Futter richten. Die auf
Grund der Kleintieranordnung gebildeten Aus-
schüsse werden in den kommenden Wochen da-
für Sorge tragen, daß der Umfang der Kleintier-
haltung den genannten Vorschriften angepaßt
wird. Sie werden ihre Entscheidung danach
richten, daß die Versorgung der Allgemeinheit,
insbesondere der Arbeiter in Rüstung und Kriegs-
produktion und der Städter überhaupt, nit Fett
und Fleisch gesichert wird, daß aber gleichzeitig
dem anständigen Kieintierhalter die Freude on
seinen Kleintieren und auch der Nutzen daraus
verbleibt. Dr. KurtHaußmann
Randbemerkungen
Därfliche Kulturarbeit
und totaler Krieg
Die Konzentration aller Kräfte des deutschen
Volkes auf den Entscheidungskampf macht es
notwendig, die kulturellen Bringeveranstaltun-
gen durch künstlerische Berufskräfte auf dem
Lande auf das stärkste einzuschränken. Mehr
denn je ist daher das Landvolk auf eine Ge-
staltung seiner seltenen Fest- und Feierstunden
aus eigener Kraft angewiesen, soll nicht
ein wichtiger Kraftquell versiegen; gilt doch die
olte Erfahrung nach wie vor, daß, wer seine
Pflicht freudig und fröhlich tut, auch den härte-
sten Anforderungen gewachsen ist. Der Leiter
der Parteikanzlei hat daher bereits in seiner
bekannten Anordnung vom 31. August 1941 zur
„Aktivierung der Dorfkultur” be-
tont, daß es gelte, „die zahlreichen Eigenkräfte
des Dorfes, deren Bedeutung für das dörfliche
Gemeinschaftsieben nicht immer in vollem Um-
fange erkannt und gewürdigt worden .ist,
wieder zu erwecken und sie in einer tragbaren
organisatorischen Form unter dem unmittel-
baren Einfluß der Partei als Mittel der
politischen Führung für unsere Veran-
staltungen und Feiern einzusetzen”. Die Akti-
vierung dieser Eigenkröfte bedeutet, richtig an-
gepackt, nichts weniger als eine Minderung des
dörflichen leistungsvermögens im Kampf um
die Sicherung der deutschen Nahrungsver-
sorgung. Das deutsche Landvolk ist gewohnt,
dem Ruf des Ackers zur Arbeit zu jeder Stunde
zu gehorchen und nach der Länge der Arbeits-
zeit nicht zu fragen. Diese Notwendigkeit liegt
zutiefst in den Naturgesetzen der Landwirt-
schaft verankert und ist dem Landvolk so sehr
in Fleisch und Blut übergegangen, daß sie
einer näheren Begründung nicht mehr bedarf. -
Zu keiner Zeit wird dieses Pflichtgebot länd-
lichen lebens so deutlich sichtbar wie gerode
zur Erntezeit, wo es nicht nur gilt, die Früchte
einer Jahresarbeit in unermüdlicher, jede Toges-
stunde ausnutzender Arbeit zu sichern, sondern
auch — was der Londfremde leicht übersieht —
die zahlreichen Vorbereitungen für die neue
Saat zu treffen. Und doch wird gerade diese
Zeit höchster Arbeitsanspannung umrankt von
mannigfoltigen fröhlichen Bräuchen, die noch
immer ein Quell zu neuer, frisch zupackender
Kraftanstrengung geworden sind.
Auch in dieser Beziehung besteht eine ur-
tümliche Verwandtschaft zwi-
schen dem Soldaten und dem
Bauern. Auch beim Soldaten paart sich
härtester Einsatz mit dem natürlichen Bedürf-
nis, dem Ernst des Krieges bei Sang und Spiel
in kameradschaftlicher Runde ein trotzig-fröh-
liches Dennoch entgegenzusetzen. Dieses
natürliche Bedürfnis, das immer wieder beim
371
A
Soldaten wie beim Landvolk zum Durchbruch
kommt, stelt allen Verantwortlichen eine
wichtige Gestaltungsaufgabe. Denn
es ist keineswegs gleichgültig, in welcher Form
es befriedigt wird. Dos gilt heute mehr
denn je. Dieses Bedürfnis aber wird stets
dort om besten befriedigt werden, wo es
gelingt, aus der dörflichen Gemeinschaft selbst
die notwendigen Kräfte zu entwickeln, denn
dann wird sich aus gegenseitigem Geben und
Nehmen ein Gemeinschaftsband flechten, das
auch dem gemeinsamen Einsatz in Arbeit und
Kampf zugute kommt. Zur Erreichung dieses
Zieles bedarf es keiner anspruchsvollen Orga-
nisation und Apparatur, sondern lediglich der
Kraft, die vorhandenen Begabungen zu er-
kennen und mit den vorhandenen Mitteln ein-
zusetzen. Welche Wege zu diesem Ziele zu
beschreiten sind, zeigt die Folge 2 der „Kul-
turpolitischen Arbeitshefte der
NSDAP“, die, der Kulturarbeit auf dem Dorfe
gewidmet, vom Hauptkulturamt der NSDAP in
der Reichspropagandaleitung (Amt Dorf-
gemeinschaftsieben) und vom Reichsamt für
das londvolk (Hauptarbeitsgebiet Bäuerliche
Lebensgestaltung) bearbeitet worden ist. Das
Arbeitsheft bietet ein vorzügliches Rüstzeug,
das in die Hand oller in den Dörfern on leiten-
der Stelle Mitwirkenden gehört. Es beweist
gleichzeitig am besten, daß die dörfliche
Kulturarbeit durchführbar ist, ohne daß dem
notwendigen totalen Kriegseinsatz Kräfte ent-
zogen werden. Günther Pacyna
Verschuldung der Landwirtschaft —
eine Wohlstandserscheinung?
Die zweite Hälfte des vorigen. Jahrhunderts
war auf dem Gebiete des landwirtschaftlichen
Geldwesens beherrscht von Auseinander-
setzungen um eine steigende Verschuldung der
Landwirtschaft und eine sogenannte „Kredit-
not”. Seitdem Rodbertus dargelegt hatte, daß
unter dem Einfluß des Römischen Rechts der
Boden naturwidrig als „Kapital“ behandelt,
bewegt und ausgebeutet werde, während er
als „immerwährende Rentenquelle” nur seinem
wirklichen Ertrag entsprechend Schuldbelastun-
gen tragen könne, ist das Schuldenthemo vor
allem in den sechziger, achtziger und neunzi-
ger Jahren Gegenstand umfangreicher Ausein-
ondersetzungen und Forschungen wie auch
Gegenstand der praktischen Finanzpolitik ge-
worden. Dos die schließlich auf nahezu
zwanzig Milliarden Mark ongewochsenen
landwirtschaftlichen Belastungen zu einem
großen Teil eine bedenkliche Gefahrenquelle
für die gesamte Londwirtschaft seien, daß die
Gesamtstruktur der landwirtschaftliihen Ver-
schuldung mit einer weitaus überwiegenden
Besitzverschuldung keinen entsprechenden pro-
duktiven Krediteinsatz darstelle und daher den
372
landwirtschaftlichen Ertrag unangemessen be-
anspruche, ja teilweise die Substanz selber
angreife, war schließlich im wesentlichen all-
gemeine Erkenntnis, Scheinlösungen landwirt-
schaftlicher Grundprobleme wie Zölle und noch
höherer und leichterer Krediteinsatz sowie der
erste Weltkrieg mit der ihm folgenden inflatio-
nistischen Schuldenminderung verschleierten bzw.
verschoben weitere akute Krisenerscheinungen
als Auswirkungen einer ständig zehrenden Ver-
schuldung.
Unmittelbar mit dem Abschluß der Inflation,
die die alte Schuld bis auf einige Milliarden
Reichsmark beseitigte, entstand aus einer „ge-
'radezu katastrophalen Illiquidität" der Land-
wirtschaft binnen wenigen Jahren ein neues
Schuldengebäude, dessen verheerende Folgen
außer jeder Bestreitung blieben. Zwölf bis drei-
zehn Milliarden Reichsmark waren zu Zins-
sötzen zu verzinsen, die zeit- und teilweise ein
Mehrfaches des echten Überschusses betrugen.
Dabei waren zu einem sehr großen Teil die
geradezu in die Landwirtschaft gepumpten
Fremdgelder für Zwecke aufgenommen wor-
den, die unmittelbar oder mittelbar unproduk-
tiv woren, selbst wenn die äußere Form des
Aufwandes produktiv erschien.
Beiden Verschuldungsperioden gemeinsam
war, daß die Verschuldung zu einem wesent-
lichen Teil nicht einem produktiven Aufwand
zur Melioration im weiteren Sinne diente,
sondern — abgesehen von der beträchtlichen
reinen Besitzverschuldung — zur Schaffung
fehlenden Betriebskapitals dienen mußte. Wie
ein roter Faden zieht sich durch die Geschichte
der deutschen Landwirtschaft ein verbreiteter
Mangel on flüssigen Betriebsmitteln hin, Aus-
druck einer unnatürlichen Mangellage. Armut,
Wucher, Geldnot, Enteignung — jahrhunderte-
lang waren sie teils Ursachen, tens Begleit-
erscheinungen, teils Folgen einer zu einem be-
trächtlichen Teil der Landwirtschaft sehr ab-
träglich gewesenen Verschuldung.
Diese Tatsachen sind so offenkundig und ge-
schichtlich erhärtet, daß man sie als feste All-
gemeinerkenntnii ansehen mochte. Um so
mehr wird in der Landwirtschaft mit Erstaunen
vernommen, daß im allgemeinen ihre Ver-
schuldung „nicht die Auswirkung schlechter
Wirtschaftslage, sondern im Gegenteil eine Be-
gleiterscheinung stärkerer Vergrößerung des
gesamten Wirtschaftsapparates und insoweit
durchaus gesund“ sei. Die Interessentenkreise,
die. sich hier zum Wort melden, erweisen sich
selber den schlechtesten. Dienst, denn sie
wecken nur den erregten Unwillen gegenüber
einem Anschlag auf die einfachste Vernunft.
Es wird keinem Landmann klargemacht werden
können, daß er richtig handele, wenn er früher
aufgenommenes Geld, für das er keine Ver-
wendung mehr hat und das er zurückzahlen
kann, behalte und dafür mindestens 4% vH
4
"we
Zinsen zahle. Er liest weiter mit Verwunderung
von der angeblich „geringen Zinsdifferenz”,
wenn er 4½ vH zahlen muß, aber bestenfalls
3Y vH für nicht benötigtes Leihgeld bei eige-
ner Wiederanlage erhalte; eine Zinsdifferenz,
„die heute für die Rentabilität aller Schuldner-
kreise absolut unerheblich ist, selbst in der Land-
wirtschoft“. Welche Großzügigkeit man da
doch der landwirtschaftlichen Kalkulation zu-
mutet, eine Zuzahlung von mindestens | vH
als „absolut unerheblich” anzusehen, während
von seiten der Gläubigerinstitute eine zeit-
weise Anlage zurückerhaltener Darlehnsgelder
etwa in Reichstiteln mit halbprozentiger Zins-
einbuße als untragbar erklärt wird. Bis jetzt
mußte es doch als notwendig erscheinen, ge-
rade in einer Zeit allgemein größerer Geld-
fülle zur Genauigkeit auch im kleinen anzu-
halten, und es ist von amtlicher Seite oft genug
gegen eine laxere Auffassung in Gelddingen
Stellung genommen worden. Jetzt erst recht
Pfennigrechnung! müßte doch die Parole sein.
Und eine wahrhaft volkswirtschaftliche Sorge
um landwirtschaftlichen Wohlstand und um eine
Vermeidung einer so viel von Interessenten-
seite beredeten „Kapitalzersplitterung”, die on-
geblich mit einer vernünftigen Haltung eines
genau rechnenden Landwirts verbunden sein
könnte, müßte es besonders begrüßen, wenn
alle Möglichkeiten ausgenutzt würden, auch
auf dem Lande flüssiger gewordene Gelder zu
„sterilisieren” und nicht unerwünschter Ver-
wendung zufließen zu lossen. Dafür gibt es
zwei Wege: Sparen oder Schulden tilgen bzw.
beides zusammen. Das ist der Anfang von
Wohlstand, nicht aber Schuldenmachen!
Es scheint auch eine unnötige Sorge zu sein,
daß bei der „erfreulichen Tatsache” eines ver-
nünftigen Verhaltens von Schuldnern, die für
Leihgelder keine Verwendung mehr haben,
„die in vielen Jahrzehnten bewährten Be-
rlehungen bäuerlicher Betriebe mit ihren Geld-
instituten dadurch eine lockerung erfahren
können, die sich, wenn die ‚Aufrüstung des
Dorfes’ in Angriff genommen wird, doch in
manchen Fällen als abträglich auswirken
dürfte”. Soll das etwa heißen, daß Hypo-
thekenbankeo sich später in der Annahme
einer eigenen „starken Stellung” glauben sper-
ren zu können, wenn volkswirtschaftliche Auf-
gaben einen Krediteinsatz erfordern würden?
Dieser Irrtum würde schnell verschwinden. Aber
die Landwirtschaft wird nicht zu besorgen
brauchen, daß ihr wirklich notwendige Gelder
fehlen würden. Nur wird die ganze Ausein-
andersetzung um ein „vernünftiges” Verhalten
der Landwirte diesen noch stärker zum Be-
wußtsein bringen lassen, daß es jetzt gilt,
jeden überschüssigen Pfennig zu sparen, um
später soweit wie möglich aus der eigenen
Tasche bezahlen zu können und das Schulden-
mochen zu vermeiden! A. Noll
Protektionismus in der englischen
Agrarpolitik?
Unter dem Druck der Wirtschaftskrise von 1931
wurde Englands Agrarpolitik protektionistisch, in-
dem man die Preise für Iandwirtschaftliche Erzeug-
nisse sicherte. Es wurde für eine begrenzte Menge
Weizen ein Richtpreis festgelegt. Infolgedessen
stieg der Anbau um 35 vH auf Kosten von
Gerste, Hafer und Grünland. Durch eine ähn-
liche Maßnahme erhöhte sich die bis dahin un-
bedeutende Zuckererzeugung beträchtlich. Ferner
führten Preissenkungen für Düngemittel zu einer
Steigerung des Verbrauchs. Kredite wurden für
Meliorationen gegeben. Die Schweinehaltung
wurde gefördert und die Bakoneinfuhr zurück-
gedrängt. Nach dem Ottawoabkommen wurde
die Fleischeinfuhr aus Nichteinpireländern be-
grenzt und von Lizenzen abhängig gemacht. Bei
Ausbruch des jetzigen Krieges war die englische _
Agrarpolitik darauf ausgerichtet, die Lage der
Landwirtschaft und damit zugleich den Stand
der Selbstversorgung zu heben. Die angewen-
deten Mittel bestanden in Schutzzöllen, Kontin-
gentierungen, Subventionierungen, Bildung von
Zwangsverbäönden usw. Etwa ein Drittel der für
eine ausreichende Ernährung notwendigen Nah-
rungsmittel konnte die englische Landwirtschaft
aus eigener Erzeugung liefern. Der Rest wurde
eingeführt.
Als bald nach Kriegsbeginn Englond seine
Tonnage schrumpfen sah, wurde die Erzeugung
der eigenen Landwirtschaft stärker gefördert.
Für das Umpflügen von Weideland wurden zu-
erst Prämien gezahlt. Als der Ersatz nicht ge-
nügte, wurde jeder Landwirt verpflichtet, einen
Teil seiner Weidefſöche umzuackern. Die Aktion
wurde 1941 — wohl aus Mangel an Landarbei-
tern — unterbrochen, dann aber fortgesetzt.
Für 1940 standen etwa 9 Millionen Hektar Acker-
land (1938: 5,2 Millionen Hektar) zur Verfügung.
Diese große Zunahme hat zu erheblichem Man-
gel an Arbeitskräften geführt. Für 1944 fehlen
etwa 750000, für die freiwillige Erntehelfer
(auch Schüler) eingesetzt werden sollen. Von
diesen sollen etwa 150 000 bis 200 000 in Lagern
untergebracht werden. Die Freiwilligen sollen
mindestens 36 Stunden je Woche arbeiten. Der
Mindestlohn beträgt I sh je Stunde. Für Unter-
kunft und Verpflegung werden wöchentlich
28 sh einbehalten.
Weitere Schwierigkeiten sind durch die Preis-
politik entstanden. Nach Schätzungen des Land-
wirtschaftsministers Hudson ist das Roheinkom-
men der Farmer seit 1939 um 320 Millionen £,
d.s. 121 vH, gestiegen und beträgt heute 570
bis 600 Millionen £. Vermutlich ist auch der Auf-
wand entsprechend höher geworden. Seit
einiger Zeit sind die Landarbeiterlöhne erhöht,
und die Farmervereinigungen verlangen infolge-
dessen eine entsprechende Erhöhung der Preise.
373
Die Regierung will eine solche aber nicht zu-
gestehen, weil sie befürchtet, daß die lebens-
haltungskosten steigen und das bestehende Preis-
gebäude ins Wonken gerät.
Gegenwärtig hat die Regierung ihr Haupt-
augenmerk auf einen Vierjahresplan gerichtet.
Es soll 1. der Viehstand auf Kosten des Acker-
landes vergrößert werden, weil Fett und Fleisch
besonders fehlen und Boden und Klima für den
Futterbau gut geeignet sind; 2. soll die Milch-
erzeugung der Menge und Güte nach gehoben
werden; 3. soll die Milcherzeugung mehr vom
Sommer in den Winter verlogert und 4. die Züch-
tung gehoben werden. Dieser Plon setzt eine
Abkehr von der Forcierung des Ackerbaues vor-
aus. Die englische Landwirtschaft macht sich da-
her über die künftig einzuschlagende Agrar-
politik Sorge. Da man nach dem ersten Welt-
krieg die angestrengten leistungen der engli-
schen Landwirtschaft bald’ wieder abbaute, so
wird ähnliches nach diesem Kriege befürchtet.
Landwirtschaftliche Vereinigungen haben vor-
geschlagen: 1. Ablieferung der Erzeugnisse an
eine Zentrale, die auch die Einfuhr aufnimmt
und die gesamten Erzeugnisse an den Groß-
handel weiterleitet; 2. die Erzeuger sollen über
dem Weltmarktpreis liegende Preise erhalten,
die Zentrale soll die Erzeugnisse zu einem
Durchschnittspreis abgeben; 3. zwecks Besse-
rung der Arbeitsverhältnisse sollen einige 100000
moderne Arbeiterwohnungen auf dem Lande ge-
baut werden, ferner die sozialen und kulturellen
Einrichtungen auf dem Lande gebessert werden;
4. die Erzeugung soll hauptsächlich auf Ver-
edelungsmittel abgestellt werden. Ob es den
interessierten Stellen gelingen wird, die Vor-
schläge durchzusetzen, ist zweifelhaft. Die Scheu
der Regierung vor bindenden Erklärungen spricht
dafür, daß sie sich die Freiheit der Entschlüsse
für die Zukunft vorbehält. Klauder
Europas Nahrungsraum — durch die
demokratische Brille gesehen
Als sich bei den europäischen Völkern im
Laufe der letzten dreißig Jahre immer mehr die
Erkenntnis durchsetzte, daß die Weltarbeits-
teilung englischer‘ Prägung die Gefahr eines
Verlustes der wirtschaftlichen Selbständigkeit
in sich schloß, zog man daraus die einzig
richtige Konsequenz: man entwicelte die
Kräfte des eigenen Siedlungsraumes. Die Ab-
lösung der liberalen Weltwirtschaft durch die
Großraumwirtschaft. gab vor allem dem bis
dahin vernachlässigten Agrarsektor eine über-
ragende Bedeutung. In diese Zeit fällt die
Bildung des Wortes „Naohrungsraum”,
das im Verlauf dieses Krieges immer mehr ver-
wandt und zu einem festen Begriff wurde. Man
versteht darunter die zur Verfügung stehende
Fläche an Acker- und Grünland, wobei ent-
374
sprechend dem Ertrag on Nahrungskalorien
fünf Einheiten Grünland gleich einer Einheit
Ackerland gesetzt werden. Um eine große
Übersicht zu gewinnen, wieviel Hektar Nah-
rungsraum den europäischen Völkern je 100
Einwohner zur Verfügung stehen, soll hier fol-
gende Einteilung gewählt werden:
1. Länder mit weniger als 25 ha Nahrungs-
raum je 100 Einwohner: Belgien, Holland,
Großbritannien und die Schweiz.
2. Länder mit 26 bis 50 ha Nahrungsraum je
100 Einwohner: Norwegen, Deutschland
(Altreich), Italien, ehem, Österreich, Luxem-
burg, ehem. Tschecho-Slowakei, Griechen-
land, Albanien und Portugal.
3. Länder mit 51 bis 75 ha Nahrungsraum je
100 Einwohner: ehem. Polen, Frankreich,
ehem. Jugoslowien, Schweden, Irland (Eire),
Ungarn, Finnland und Bulgarien. i
4. Länder mit mehr als 75 ha Nahrungsraum
ie 100 Einwohner: Rumänien, Dänemark und
Spanien.
Es ist selbstverständlich, daß der Nahrungs-
raum noch nichts über den Selbstversorgungs-
grad der Länder besogt, denn der hängt von
dem Verhältnis zwischen Eigenerzeugung und
Bedarf ab. Das Verhältnis von Bevölkerungs-
zahl und Nahrungsraum kann man auch anders
darstellen, so wie es in einer Zeitung des mehr
oder weniger neutralen Auslands geschah. Man
kommt dann zu folgendem Ergebnis:
Einw. je qkm
Land ` Kulturboden
Belgien 625
Niederlande . . . . ..» , 588
Schweiz . 384
Deutschland . AM
Hollen . 256
luxemburg 233
Österreich . 22
Norwegen 232
Tschecho-Slowakei . 22
Griechenland . . . . 200
Portugal `. . » » 2 2 20. 200
polen 161
Frankreih m 158
Schweden 152
Ungarn 14
Finnland gaga 135
Dänemark . . - 120
Rumänien e 125
Spanien . . . e Aë er, lef
Die Art der Reeg bringt bei der Unter-
schiedlichkeit der Statistiken gewisse Verschie-
bungen in der Reihenfolge, wie sie beim Ver-
gleich der beiden Übersichten zu erkennen
sind. Das ist aber im Prinzip nebensächlich.
Was hier interessiert, sind die Folgerungen, die
in der neutralen Zeitung allgemein gez
werden. So heißt es u. a.: „Aus dieser Tabelle
ER
>
geht eindeutig hervor, daß gerade die aus-
gesprochenen Agrarländer die geringste Zahl
von Einwohnern aus den Erträgnissen eines
Quadratkilometers landwirtschaftliher Nutz-
. Näche erhalten können, wie z. B. Ungarn 141,
Rumänien 125 usw., wogegen die hochindv-
strialisierten Länder ein Mehrfaches dieser Be-
völkerungszahl auf Grund eines viel engeren
Nahrungsraumes erhalten können, wie z. B.
Belgien 625, die Schweiz 384, Deutschland ` 304
usw.”
Uber die Logik des neutralen Autors kann
man nur den Kopf schütteln und entsprechend
folgern: Berlin ist demnach das landwirtschaft-
lich am hervorragendsten bewirtschaftete Ge-
biet, denn es kann auf seinem! noch engeren
„Nahrungsraum“ immerhin 4910 Menschen je
Quadratkilometer erhalten! Ist es noch not-
wendig, darauf hinzuweisen, daß Länder wie
Belgien, die Schweiz usw. nur deshalb ihre Be-
völkerung ausreichend ernähren konnten, weil
sie bedeutende Mengen an Nahrungsmitteln
einführten? Bedarf es noch des Hinweises, daß
der Selbstversorgungsgrad Belgiens 1938 nur
51 %, der der Schweiz gar 47 % betrug? Man
kann die Auswertung der Tabelle Über den
Nahrungsraum Europas, so wie sie der „neu-
trale” Kritiker gibt, nicht sachlich erklären. Viel-
mehr ist man gezwungen, seine Schlußfolgerun-
gen zu zitieren, um zu einem Ergebnis zu
kommen. Der Verfasser sagt: „In der modernen
Weltwirtschaft entscheidet nicht der ‚Nahrungs-
raum’ und nicht der künstlich konstruierte Begriff
des ‚Lebensraumes’, sondern die Arbeitsteilung
und die Rationalisierung.” .. . „Nicht Nahrungs-
raum, nicht Autarkie entscheidet, sondern der
Wohlstand, die soziale Sicherheit, und diese
sind nicht durch Autarkie, sondern auf dem
Wege der wirtschaftlichen Freizügigkeit in der
Weltwirtschaft zu erreichen.“
Hier hondelt es sich zweifellos um einen Ver-
such, unter dem Deckmantel wissenschaftlicher
Objektivität einige Seitenhiebe gegen die er-
folgreiche Ernährungspolitik der autoritären
Staaten Europas zu führen. Dazu bedarf es
keiner weiteren Erläuterung. Jedes europäische
Volk, das die „humane” Wirkung der Biockaden
beider Weltkriege spüren mußte, das Tausende
von Toten und Siechen infolge Unterernährung
zu beklagen hat, weiß, was ihm der eigene
Lebens- und Nahrungsraum wert ist. Man kann
sich nur wundern, daß der Vertreter eines
Landes, das nur ouf die Menschenfreundlichkeit
seiner Nachbarn angewiesen ist, um Einfuhren
tätigen und durch diese leben zu können, das
seit Jahren einen großen Agrarplan verwirk-
licht, um seinen Nahrungsraum zu vergrößern,
die europäischen Ernährungsprobleme so sieht,
wie es hier auszugsweise geschildert wurde.
Das kann nur an einem liegen: an der pluto-
kratisch-demokratischen Brille. |
| H. Gerdesmonn
DieBudhwadt
S. Eberhard von der Decken |
Die Front gegen den Hunger
C. V. Engelhardt-Verlag, Berlin 1944, 175 Seiten.
Preis broschiert 1,80 RM
„Das vorliegende Buch” — so betont Ober-
befehlsleiter Reichsminister Backe in seinem
Geleitwort — „gibt einen für die Allgemeinheit
bestimmten Einblick in die Strategie und Taktik
des Ernährungskrieges sowie einen Überblick
über die Aufgaben und leistungen der deutschen
Kriegsernährungswirtschafl. Dadurch ermöglicht
es dem Leser, sich einmal eine geschlossene Vor-
stellung über unseren Kampf um Nahrungs-
freiheit und Nahrungssicherheit unter den Be-
dingungen des Krieges zu machen. Er bekommt
durch diese im Vergleich zur Größe des Arbeits-
gebietes kurze Zusammenfassung vor allem auch
einen übersichtlichen Eindruck von der ganzen
Vielfalt der ernsten Aufgaben, die zur Durch-
führung dieses lebenswichtigen Kampfes immer
wieder von neuem gelöst werden müssen und
bisher trotz aller Schwierigkeiten gelöst worden
sind. So soll dies Buch zu seinem Teil dazu bei-
tragen, das Bewußtsein für die entscheidende
Bedeutung der vorbildlichen Kriegsleistungen
besonders des deutschen Landvolkes, aber auch
aller anderen Mitarbeiter der Kriegsernährungs-
wirtschaft zu vertiefen.”
Das erste Kapitel, vom Herausgeber selbst
verfaßt, hat dem Buch den Namen gegeben,
und das mit Recht; denn es ordnet die deutsche
Kriegsernährungswirtschaft in ihren großen ge-
samtpolitischen Zusammenhang ein. Das zweite
Kapitel, „Die deutsche Landwirtschaft im Kriegs-
einsatz” von Ernst Schneider, schildert Ziele und
Ablauf der Erzeugungsschlacht, insbesondere der
Kriegserzeugungsschlacht. Im dritten Kapitel,
„Die Versorgung von Volk und Wehrmacht” von
Erich Borkenhagen, wird die Funktion der Markt-
ordnung in der Kriegsernährungswirtschaft, die
Entwicklung der Bewirtschaftungsmaßnahmen so-
wie die Technik der Lebensmittelzuteilung und
des Kartensystems dargestellt. Im vierten Kapitel,
„Deutsche Pionierleistungen im Osten“, berichtet
Hermann Bernick über das landwirtschaftliche
Aufbauwerk in den zurückgewonnenen Ost-
provinzen und im Generalgouvernement und
über den Einsatz deutscher Landwirtschaftsführer.
Eine wichtige Ergänzung bringt das fünfte Ka-
pitel, „Die Länder im Ernährungskrieg” von E. Fritz
Baer, das eine Übersicht in großen Zügen über
die kriegsernährungswirtschaftlichen Maßnahmen
der europäischen Länder gibt. Dos Schlußkapitel,
„Um die kulturellen Grundlagen” von Walther
Horn, richtet noch einmal, aber von einem an-
dern Standpunkt als das erste Kapitel, den Blick
375
des Lesers auf den politischen Hintergrund des
Ernährungskrieges. „Der Ernährungskrieg 1939
bis 1943 ist” — so beiont schon von der Decken
in seinen Ausführungen — „weit mehr als ein
versorgungswirtschaftliches Teilproblem der wirt-
schaftlichen Kriegführung. Die Überwindung
des Aushungerungsversuches unserer Feinde
setzte das Vorhandensein einer Front voraus,
die auf der breiten Basis der Neuordnung des
deutschen Volksiebens — auch des kulturellen —
und der klaren Erkenntnis vom Wesen dieses
Freiheitskampfes gebildet wurde.” Es ist daher
durchaus folgerichtig, wenn sich das Schluß-
kapitel der Wiederbelebung und Erneuerung
der Dorfkultur zuwendet; denn die schöpferische
Kraft eines neuen Kulturbewußtseins beschränkt
sich ja nicht auf die Schaffung kultureller Werte,
sondern durchdringt anregend und. befruchtend
das ganze Volksleben, ja, ihre eigentliche Be-
währungsprobe besteht gerade darin, daß sie
auch im Alltag mächtig ist. G. P.
Herbert Morgen -
Bausteine zur ländlichen Volks-
und Bodenordnung
Deutsche Landbuchhondlung Berlin 1943
96 Seiten. Preis broschiert 3,50 RM
Das Buch behandelt in prägnanter Knappheit
einige Grundfragen der ländlichen Volks- und
Bodenordnung, die durch den Neubau in den
wiedergewonnenen Ostgebieten und den Um-
bau des Altreiches — beides Notwendigkeiten,
die in enger Wechselwirkung zueinander stehen
— der Lösung entgegenreifen, so u.a. den na-
türlichen Raum als gestaltenden Faktor, die Fest-
legung des Siediungstypus, das Betriebsgrößen-
problem, die Stellung des Großbetriebes, das
Reserveland und seine Bedeutung, das Dorf ols
soziales Gefüge, die Dorf- und Gemarkungs-
größe, die Ordnung der ländlichen Verkehrs-
verhältnisse, die Bevölkerungsdichte ländlicher
Räume, die betrieb wirtschaftlichen Umformun-
gen in der Landwirtschaft und an drei Beispielen
einige Bilder sozialer Erkrankungen. In seiner
zusammenfassenden Betrachtung betont der Ver-
fasser, daß es kaum möglich sei, beim Planen
neuer ländlicher Gemeinden olle soziologischen
Einzelfragen bewußt zu lösen. „Wesentlich ist
jedoch, daß die Probleme erster Ordnung er-
kannt und gelöst werden, dann werden sich
auch die nachgeordneten Fragen beantworten
lassen.” Das ist zweifellos richtig, und so ist es
ein Verdienst des vorliegenden Buches, auf die
Grundprobieme der ländlichen Volks- und Boden-
ordnung hinzuweisen. Dabei spielt es keine
wesentliche Rolle, ob man mit den angedeuteten
Lösungsmöglichkeiten in jedem Falle einverstan-
den ist. Daher ist es zu begrüßen, daß die
demnächst‘ erscheinende zweite Auflage dem
Buch einen weiteren Leserkreis eröffnet. G.P.
376
Johannes Bescherer
Das Kirchspiel Stünzhain
Ein Beitrag zur Rassenkunde und Sozialanthro-
pologie Ostthüringens. Verlag Gustav Fischer,
Jena 1940, 158 Seiten
Die groflen Linien der bevölkerungsbiologi-
schen Entwicklung in den letzten Jahrhunderten
sind seit langem bekannt. Eine Verfeinerung und
Differenzierung der wissenschaftlichen Erkennt-
nisse konnte nur auf dem Wege sorgfältiger
Untersuchungen an bestimmten kleineren Be-
völkerungsgruppen und menschlichen Gemein-
schaften gewonnen werden. Die Forschung hat
daher systematisch ihr Augenmerk auf solche
Untersuchungen gerichtet, und so sind auch zahl-
reiche Abhandlungen über Dörfer oder kleinere
ländliche Bezirke entstanden, die unser Wissen
über die Beziehungen von Berufsgruppe, Rasse
und Kinderzahl, über Wanderungsbewegungen,
Heiratskreise, Seßhaftigkeit, über Zusammen-
hänge von Begabungsleistung und Kinderzahl
usw. sehr bereichert haben. Die sehr fleißige
und gründliche Arbeit über das Kirchspiel Stünz-
hain bei Altenburg reiht sich in diese Unter-
suchungen ein. Der Verfasser zeigt on seinem
sorgfältig aufgearbeiteten anthropologischen
Moterial, daß die Bevölkerungsgruppe mit der
höchsten erbbedingten Llebensleistung, die
Bauern, am meisten nordisch-fälisch-dinarische
Züge aufweist, die Landarbeiter dagegen eine
ziemlich einheitliche Berufsgruppe . ostisch-ost-
baltischer Prägung darstellen. Die übrigen Be-
rufsgruppen der gelernten und ungelernten Ar-
beiter und der Handwerker lassen sich nicht klar
eingkedern. Um so schwerwiegender ist es, daß
gerode die Bauern heute die
kinderärmste Berufsgruppe sind,
während noch die alten Bauernehen starke
Kinderzahlen aufweisen. Dieses Ergebnis be-
wegt den Verfasser zu der sorgenvollen Frage:
„Wer soll später die Führungs- und Leistungs-
aufgabe des Landes tragen?“ lm übrigen gə-
langten ja schon die bekannten Untersuchungen
von Stengel von Rutkowski on 20 000 Thüringer
Bauern zu den gleichen Ergebnissen.
Die bevölkerungsbiologischen Nebenunter-
suchungen des Verfassers decken eine — übri-
gens von vielen Dorfuntersuchungen bestätigte —
nicht erwartete Unbestäöndigkeit der
Erbstämme im laufe der letzten drei Jahr-
hunderte auf, die auf Wanderungsverschiebun-
gen und generative Auslesevorgänge zurück-
zuführen ist. Die heiratsmäßige Vermischung er-
folgt im ziemlich engbegrenzten Heimatraum.
Der Verfasser vergleicht zum Abschluß andere
mitteldeutsche Dorfbevölkerungen mit den
Stünzhainern und umreißt ein rassisches
Gesamtbild des ostthüringischen
Raumes. Hierbei fallen interessante Streif-
lichter auf die mittelalterliche Siedlung: und
Siavenfrage. Dr. Klaus Schmidt
— —— a dës
r
Wer erhält
Stäube-Gesarol?
Der Reichsnährstand hat sich die Bedarfs-
lenkung für Gesarol vorbehalten, damit
die Gewähr besteht, daß es auf den Ge-
bieten angewendet wird, wo es am drin-
gendsten gebraucht wird. Für 1944 ist vor-
gesehen, daß Stäube - Gesarol in erster
linie gegen Rapsglanzkäfer, Erdflöhe,
Kohlweißlinge und Kümmelmotte einge-
setzt wird. Die Genossenschaften und der
Handel dürfen deshalb Gesarol an Ver-
braucher nur gegen Bezugsmarken ab-
geben. Die Bezugsmarken gibt das
Pflanzenschutzamt aus. Stäube-Gesarol
(nach einer Lizenz der J. R. Geigy AG.)
ist amtlich geprüft und von der Biologi-
schen Reichsanstalt anerkannt. Es ist für
Menschen, Haustiere und auch für die
behandelten Pflanzen unschädlich.
ee J
SCHADLINGSBEKAMPFUNG
MATERiIiIALSCHUTZ
VORRATSSCHUTZ
SEUCHENABWEHR
E
„
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG M. B. H.
FRANKFURT AM MAIN - POSTFACH 248
5
KM
i
y
K Ñ —
N
Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen
auf dem Hot meist nut für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht
wird. Praktisch,und wirtschaftlich fur diesen Zweck ist der auf
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer
Stelle zur anderen bringen läßt.
Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weis.
SIEMENS - SCHUCKERTWERKE AG
|
|
—— —
— — —
— e EE
um O mer —
———
— —
— — =
CTT A — 7
— ———
e —
— — :
— ——— —
— — —
— 0 2
— —
nn — —
— —
EECH 2 u
— - a
EA —
~ —
Derne
REINGAS-BULLDOG
für Holzgas - Betrieb
Ke bewährte RR
H
= 5 nd Kendir
Tr
Achtung! An alle Ferfrachter!
Vorsatzbretter für gedeckte Güterwagen!
Ein neues Hilfsmittel der Deutschen Reichsbahn
für die Verladung von Schüttgütern!
Bei Fehlen von Verpackungs-
material können Schüttgüter
wie Getreide oder Hulsen-
früchte lose verladen werden.
Die Reichsbahn hat hierfür Vor-
satzbretter beschafft (s. obige
Abbildung). Sie passen fur je-
den Güterwagen, werden von
innen ın die Türen gestellt und
sind mit 2 Entlade-
DER schiebern versehen.
Röder müssen rollen für den Sieg!
Fordern Sie diese bahneigenen
Vorsatzbretter bei Ihrer Güter-
abſertigung an. Die Mietgebũhr
beträgt je Stück RM 2. In kei-
nem Falle ist es also mehr not-
wendig, das wertvolle Wagen-
material durch Vernageln der
Cüterwagenturen mit Brettern
zu beschädigen. Jede Repara-
tur entzieht den Güterwagen
dem Verkehr.
A
AAA
Generalorgas
ACKERSCHLEPPER F
B
A
BAYER
=
R
ARZNEIMITTEL
jitized.by Google
E
*
* t
REDI COVER ww *
USE W. FASTENERS \ - H
FOR BINDING SHEETS .
10 DUPLICATE REFER TÖ NUMBER ` /
A Product of Wisan lones Gd KS A
E ai —
e A. D b
ô
; 4 7