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Full text of "Deutsche Agrarpolitik N.F. 2.1943-1944, Nr. 8-9"

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| Date Due 


DEVISCH 
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HerausgebesHerbert Bacher 


DRTOBERNRN 1943 NUMMER 1 Jodi RO FON GC 2 


INHALT 


Tree Wee EES feiere Gi ; 1 


Staatssekretär Oberbefehlsleiter Herbert Backe: Ins fünfte Jahr Kriegserzeu- 
gungsschlacht — Zum Erntedanktag 19 UP UUUMæ P “l. l. 3 


Stoßtrupp gegen die Landflucht (Bildbeilage) 


Gauamtsleiter Landesbauernführer Wilhelm Bloedorn: Partei und Landvolk.... 10 
Ministerialdirektor Hans-Joachim Riecke: Das Landvolk in der Front der 


il. ⁰ 13 
Walter Horn: Lob der Bauernarbeit (Bildbeilage) 


Staatsrat Hanns Johst, Präsident der Reichsschrifttumskammer: Die Quelle 


unserer. KR fi n...... ere E NA 18 
Dr. Klaus Schmidt: Pflug und Schwert as ss 29 
Ritterkreuzträger aus Bauernblut (Bildbeilage/ Sesini n. S. 24 
Agrärpölitische Rundschau ⅛ Be E Ne E éier 26 
Randgbemerküngen EE EE ĩ Eeer eg 8 28 
DCC ²⁰²Ü ww ⁵ðV³N ³ĩðW0A . 32 


Bildnachweis: Unser Titelbild — eine Aufnahme von Enno Folkerts — zeigt „Brotbacken in Osttirol“. 
— Von den Photos zur Bildbeilage „ Landverbundene Stadtjugend' stammen drei vom Landwirtschaft- 
lichen Bilderdienst, die übrigen, die wir dem Bildarchiv der Reichsjugendfuhrung entnahmen, fertigten: 
Barbara Soltmann (2), Meiners-Bölken (1), Lüdecke-Felser (1) und Archiv RJF. (2). — Das farbige Bild 
in unserer Beilage „Lob der Bauernarbeit’' veröffentlichten wir nach einem Hlandkupferdruck aus dem 
Verlag Ludwig Moller’Lübeck; die photographischen Wiedergaben der Gemälde besorgten: Jaeger A 
Goergen (1), Erika Schmauß (1), Berolina-Photo (t), Archiv (1) und Archiv des Reichsnährstandes {4}. — 
Die fur die Bildbeilage „Ritterkreuzträger aus Bauernblut“ verwendeten Aufnahmen erhielten wir von: 
Tita Binz (1), Aschenbroich (3), vom Scherl-Bilderdienst (2) und dem 5 Fuhrungshauptamt A. M. Mul- 
ler (1). Die übrigen Bilder der Beilage sind PK.-Aufnahmen von Fischer, Jüsto, Busch, Kurt Stephan 
und 5 Kriegsberichter Augustin und Photos au, Privatbesitz (4). 


Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna, 

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Tei: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensce; fur den Bilderteil: 

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 196051. 

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts- 

ruf 110022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzugl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 
gultig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43. 


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ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EH ER NACHF. GMBH., BERLIN 


DEUTSCHER POLITIK 
Le RER, , 9 i y \ N. N 


N Herbert Backe 


Oktober 1943 Jahrgang 2 | Nummer 1 
See .ö-w ...: —0—T ᷑ ᷑ ᷑— ::.: FE u EEE EEE Eu EE — . ————P?P'—? 


TREUE UM TREUE . 


H.-J.R. — Der Erntedanktag war von jeher für den deutschen Bauern ein Tag der 
Rechenschaftslegung, der Rückschau auf die geleistete Arbeit und der Vorschau auf die 
neuen Aufgaben. Zu Beginn des fünften Kriegsjahres ist er das mehr denn je, und mehr 
denn je richten sich dabei die Augen des ganzen deutschen Volkes ayf sein Bauerntum, 
denn der Krieg hat es auch dem letzten zum Bewußtsein gebracht, daß in des Bauern Arbeit 
die Kampf- und Arbeitskraft der ganzen Nation wurzelt. Das deutsche Landvolk kann den 
Erntedanktag in dem Bewußtsein begehen, seine Pflicht treu erfüllt und so das Seine in 
dem Existenzkampf der Nation getan zu haben. Das Schicksal hat der Arbeit des Land- 
volkes den verdienten Erfolg nicht versagt. So ist eine Ernte herangereift, die die 
ungeschwächte Entfaltung der Kampf- und Arbeitskraft der Nation auch im fünften 
Kriegsjahr sichert. l 


Dieser Erfolg baut sich nicht nur auf der Arbeit des letzten Jahres auf, sondern ist das 
Ergebnis langjährigen unentwegten Bemühens, wie es in der Erzeugungsschlacht Jahr für 
Jahr zum Ausdruck gekommen ist. Er ist damit, wie der Aufsatz von Herbert Backe mit 
seinem Rückblick auf die zehn Jahre nationalsozialistischer Agrarpolitik unterstreicht, die 
erneute Bestätigung, daß es dem Nationalsozialismus gelungen ist, die durch die Mißwirt- 
schaft des Liberalismus schwer erschütterten Kräfte der deutschen Landwirtschaft wieder 
zu festigen und zu höchster Leistungssteigerung für den Freiheitskampf des deutschen 
Volkes mobil zu machen. Diese Mobilmachung deutscher Bauernkraft, die allen sichtbar 
machte, daß die nationalsozialistische Freiheitsbewegung sich wirklich zum Aufbruch der 
Nation gesteigert hatte, ist ein eindringlicher Beweis dafür, daß die Agrarpolitik mehr ist 
als lediglich ein Zweig der Wirtschaftspolitik, denn die Mobilmachung deutscher Bauern- 
kraft beruhte darauf, daß sich das deutsche Landvolk mit allen seinen Fähigkeiten 
angesprochen fühlte, daß es sich wieder in seinem wahren Wesen nicht nur als Träger der 
Landwirtschaft, sondern auch, in seiner lebensgesetzlichen Urfunktion als Blutsquell des 
Volkes anerkannt, getragen wußte von dem Willen der ganzen Nation. 


Herausgeber 


Dieses Bekenntnis des deutschen Volkes zu seinem Landvolk ist und bleibt das Verdienst 
der Partei, der politischen Willensträgerin der Nation. Damit ist auch die Stellung des 
deutschen Landvolkes zu und in der Partei, die Wilhelm Bloedorn auf Grund seiner 
Erfahrungen als Gauamtsleiter und Landesbauernführer in Pommern schildert, gegeben. 
Partei und Landvolk sind zwei für immer untrennbare Begriffe, auf deren Einhalt die Stoß- 
kraft der deutschen Agrarpolitik beruht. In dem Reichsamt für das Landvolk ist das 
Führungsorgan geschaffen worden, das der Ausdruck dieser Einheit ist. 


Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, noch einmal die Bedeutung des Reichserbhof- 
gesetzes und der Marktordnung für die Mobilmachung deutscher Bauernkraft zu unter- 
streichen. Nur auf eins sei auch in diesem Zusammenhange hingewiesen, Beide Gesetze 


—— 


i À l U 
sind mehr als lediglich Instrumente berufsständischer Fürsorge, sind, jedes in seiner Art, 
Werkzeuge einer umfassenden deutschen Volksordnung, die keine Rechte ohne ent- 
sprechende Pflichten kennt. Beide Gesetze entspringen einer Lebensauffassung, für die der 
Sinn der Arbeit sich nicht in dem Streben nach persönlichem Wohlergehen erschöpft, 
sondern im Dienst am Volk besteht. 


Diese Auffassung konnte sich im deutschen Landvolk nur deswegen so restlos bis in das 
letzte Dorf durchsetzen, weil sie dem innersten Wesen des deutschen Bauerntums ent- 
spricht. Daher ist auch die vom Nationalsozialismus geschaffene Selbstverwaltungskörper- ` 
schaft des deutschen Landvolkes, der Reichsnährstand, von Anfang an mehr gewesen als 
eine ständische Interessenvertretung. Er war stets die Stätte unermüdlicher gemein- 
nütziger Tätigkeit, die gerade in der sie kennzeichnenden Selbstverantwortung die höchste 
Verpflichtung gegenüber Volk und Staat sah. Die den Reichsnährstand leitenden ehren- 
amtlichen Bauernführer haben damit bewiesen, daß für sie der Grundsatz „Gemeinnutz 
geht vor Eigennutz“ selbstverständlicher Ausdruck eines Sozialismus der Tat ist, dessen 
oberste Richtschnur das Wohl des Volksganzen ist. 


Diese Gesinnung machte die Marktordnung zu einer Waffe im Freiheitskampf des 
deutschen Volkes. In dieser Gesinnung trat das deutsche Landvolk zur Erzeugungsschlacht 
an. Es verzichtete damit darauf, die Besserung seiner Einkommensverhältnisse nach 1933 
zu einer Aufbesserung seiner im Zeitalter des Wirtschaftsliberalismus so tief herab- 
gedrückten Lebenshaltung auszunutzen, und verwendete sein Mehreinkommen — man darf 
wohl sagen — restlos zur höchstmöglichen Steigerung der landwirtschaftlichen Produk- 
tionskraft. So wurde die Erzeugungsschlacht zu dem ersten großen Siege über den Ver- 
nichtungswillen des internationalen Judentums, bevor noch der erste Schuß in diesem 
Kriege gefallen war, denn sie schlug England die gefährlichste Waffe, gegen die auch der 
beste Soldat wehrlos ist, aus der Hand: die Waffe der Hungerblockade. Dieser Wille, alle 
Kraft einzusetzen für den Selbstbehauptungskampf der deutschen Nation, hat auch die 


hinter uns liegenden Kriegsjahre hindurch, wie der Verlauf der Kriegserzeugungsschlacht 


beweist, die Stellung des Landvolkes in der Front der Schaffenden bestimmt und wird 
sie in Zukunft bestimmen. 


So ist der Erntedanktag nicht nur ein Tag der Rechenschaftslegung über die rück- 
liegenden Leistungen, sondern auch ein Tag erneuter Ausrichtung auf die Aufgaben, die 
im nächsten Erntejahr der deutsche Freiheitskampf stellt. Das deutsche Landvolk weiß, 
daß es in diesem Kampfe der Hergabe der letzten Kraftreserve bedarf. Das ist für das 
deutsche Landvolk eine Selbstverständlichkeit, an die es nicht erinnert zu werden braucht, 
denn der Einsatz auch der letzten Kraftreserve ist ein Gebot der Selbstbehauptung, dessen 
Mißachtung nicht nur Vernichtung der eigenen Generation, sondern Preisgabe der Kinder 
und Kindeskinder an ein hoffnungsloses Schicksal bedeutet. Das deutsche Landvolk ge- 
horcht diesem Gebot nicht mit dem Mute der Verzweiflung, die keine andere Wahl hat, 
sondern mit der freudigen Zuversicht dessen, der das Tor zu einer glückhaften Zukunft 
bereits geöffnet sieht. 


Daß das deutsche Landvolk dies kann, verdankt es dem Nationalsozialismus, denn dieser 
bürgt dafür, daß das deutsche Volk Treue um Treue vergelten wird, daß das große agrar- 
politische Aufbauwerk nach dem Kriege, das die Grundlage zu einer dauernden Wieder- 
gesundung und zu neuer Kraftentfaltung des deutschen Landvolkes schaffen soll, mit den 
Hilfsmitteln der gesamten deutschen Volkswirtschaft gefördert werden wird. Mit diesem 
entschlossenen Einsatz der gesamten deutschen Volkswirtschaft erweist die deutsche 
Nation gleichzeitig sich selbst den besten Dienst. Eine dauerhafte Eindeutschung und damit 
Sicherung des neugewonnenen, für die deutsche Zukunft so unentbehrlichen Lebensraumes 
kann nur durch ein gesundes, lebensstarkes Bauerntum erfolgen. So ist die Treue des 
deutschen Volkes zu seinem Bauerntum im tiefsten Grunde nichts anderes als Treue gegen 
sich selbst, Ausdruck seines Willens zum Leben. 


2 


HERBERT BACKE: 


INS FÜNFTE JAHR 


Kriegserzeugungsſchlacht 


ZUM ERNTEDANKTAG 1943 


Wen wir zum Erntedanktag 1943, der 

auch im Kriege als Staatsfeiertag der 
gesamten Nation begangen wird, auf zehn 
Jahre nationalsozialistische Agrarpolitik 
zurückblicken, so können wir die hier in 
Angriff genommenen großen Aufgaben nur 
dann richtig beurteilen, wenn wir uns völlig 
frei machen von überkommenen Begriffen 
und Maßstäben aus dem Zeitalter der libe- 
ralen Wirtschaft. Dort stand im Mittelpunkt 
der wirtschaftspolitischen Zielsetzung in 
erster Linie das Streben nach einem 
möglichst großen Anteil am Volkseinkom- 
men, das dann in den meisten Fällen weiter 


zu einem einseitigen Betonen rein privat- 


wirtschaftlichen Profitstrebens führte, wie 
wir es heute noch täglich in der Wirtschaft 
unserer Gegner, vornehmlich am Beispiel 
der Farmerpolitik in USA. beobachten 
können. Die dabei erzielten privatwirt- 
schaftlichen Leistungen haben jedoch: nie- 
mals auf das Volk in seiner Gesamtheit 
Rücksicht genommen, insbesondere nicht 
auf die berechtigten Ansprüche der arbei- 
tenden Menschen. 


Demgegenüber hat der Nationalsozialis- 
mus den Menschen und die Arbeit in den 
Mittelpunkt seiner Zielsetzung gestellt, dem 
sich die privatwirtschaftlichen Interessen 
unlterzuordnen haben. Nur auf diese Weise 
ist es möglich, die Leistung für das Volk 
zum ersten und wichtigsten Wertmesser bei 
der Planung und Durchführung wirtschafts- 
politischer Maßnahmen zu machen. Es ist 
kein Zufall, daß der Nationalsozialismus in 
der Wirtschaftspolitik auf dem Gebiete der 
Agrarwirtschaft zuerst durchgebrochen ist. 
Der Führer hat von Anfang seines Wirkens 
an immer wieder die tragende Bedeu- 
tung des Bauerntums für die bio- 


logische Zukunft unseres Volkes 
hervorgehoben. Da auf dem Höhepunkt der 
Krise des liberalen Systems das Bauerntum 
am schärfsten getroffen war und sein völli- 
ger wirtschaftlicher Zusammenbruch not- 
wendigerweise auch den Bestand des Land- 
volks bedroht hätte, war es selbstverständ- 
lich, daß der Nationalsozialismus nach der 
Machtergreifung hier grundlegend Wandel 
schaffen mußte. Mit kleinen Mittelchen war 
dabei nichts zu erreichen. Einzelmaßnah- 
men, wie sie im Zeitalter des parlamentari- 
schen Kuhhandels gelegentlich durch Zölle, 
Preisstützungen oder Subventionen ver- 
sucht wurden, konnten das Problem niemals 
lösen. Es wurden stets nur Teilgebiete er- 
faßt; an der völligen Vernachlässigung der 
Landwirtschaft und der falschen Beurtei- 
lung aller Fragen des Landvolks änderte 
sich im Grunde nichts. Die Folgen des Jahr- 
hunderts der „Aufklärung“ und insbeson- 
dere der einseitigen Betrachtung der ge- 
werblichen Wirtschaft als Quelle schnell- 
wachsenden Reichtums zeigten sich in einer 


verhängnisvollen Verkennung der biologi- 


schen und wirtschaftlichen Probleme des 
Landvolks. Darüber war auch völlig das 
Gefühl verlorengegangen, daß hier eine 
der wichtigsten Ursachen der sich immer 
wiederholenden Wirtschaftskrisen und 
letzten Endes der Bedrohung der politischen 
Freiheit lag. Deshalb waren eine ent- 
schlossene Loslösung der bisheri- 
gen Wirtschaftspolitik und eine 
grundlegende Neugestaltung not- 


wendig. 


Man kann hier Vergleiche ziehen mit der 
schöpferischen Neugestaltung staatlichen 
und volklichen Lebens, wie sie von 
Friedrich Wilhelm I. und seinem ge- 


3 


* 


nialen Sohn vor zweihundert Jahren in 
Preußen durchgeführt wurde. Auch damals 
finden wir den Aufbau eines Funda- 
ments vom Land volk her, das schließ- 
lich ein gesunder Träger sowohl der staat- 
lichen und militärischen Organisation wie 


einer aufstrebenden Entwicklung in der ge- 


werblichen Wirtschaft wurde. 
Damit soll festgestellt werden, daß eine 


kraftvolle Agrarpolitik keineswegs nur in 


einem reinen Agrarstaat ihr Lebensrecht 
hat, sie ist vielmehr die sicherste Grundlage 
für eine gesunde und erfolgreiche Entwick- 
lung der Gesamtwirtschaft auch in einem 
großenteils oder überwiegend industriell 
ausgerichteten Staat. Gerade in einem In- 
dustriestaat wie Deutschland mit nur 
18 v. H. landwirtschaftlicher Bevölkerung 
ist die Gesunderhaltung und das Wachstum 


"Rechnung, daß die Scholle — dér ien E 
Boden — die Grundlage der Existenz des 
Bauerntums ist. Der Grund und Boden 
drei Eigenschaften: die Uobeweglichkeit, i] 
Unzerstörbarkeit und Unvermehrbarkeit. 
Demgegenüber ist das Kapital durch Be- 


weglichkeit, Zerstörbarkeit und Vermehr- = 


barkeit gekennzeichnet. Diese Gegenüber- 


stellung zeigt deutlich, warum der Beweg- | 


lichkeit als Kennzeichen und Grundlage 
des liberalistischen Auflösungszeitalters 
die Stetigkeit der nationalsozialistischen 


Agrargesetzgebung entgegengesetzt werder K 
mußte. Das Reichserbhofgesetz umfaßt bio- 


logische ebenso wie wirtschaftliche Ziele 


Dies ist im Anfang nicht immer überall 


richtig verstanden worden. Seine Anwen- 
dung in der Praxis in den vergangenen zehn 
Jahren hat jedoch inzwischen wohl auch 


die Gegner dieses Gesetzes davon über- 
zeugt, daß es ebensowohl die Grundlage 
für eine gesunde biologische Ent- 


i 


des Landvolks von noch größerer Bedeu- 
tung als in einem überragenden Agrarstaat. 
Wie in der Landwirtschaft diejenigen Be- 


e E 


triebe am gesündesten sind, die keine 
Monokulturen betreiben, sondern in sich 
möglichst ausgeglichen sind, so vermeidet 
oder mildert eine kraftvolle Agrarpolitik 
die Folgen krisenhafter Entwicklungen, wie 
sie in einseitigen Industriewirtschaften 
unter normalen Verhältnissen immer wieder 
auftreten. 


Aus der Erkenntnis dieser Lage hat die 
nationalsozialistische Agrarpolitik im ersten 
Jahrzehnt ihres Wirkens nicht nur die wirt- 
schaftlichen Fragen der Landwirtschaft, son- 
dern ganz allgemein die biologischen und 
sozialen Fragen des Landvolks überhaupt 
neu gestaltet. Die weite Fassung des Auf- 
gabengebietes kam schließlich bei der vor 
Jahresfrist erfolgten Umbenennung des 
Reichsamtes für Agrarpolitik in „Reichs- 
amt für das Landvolk" zum Ausdruck. 
Wenn in dem abgeschlossenen Jahrzehnt, 
vor allem in der Offentlichkeit, die wirt- 
schaftlichen Fragen wegen der durch die 
Notwendigkeit unserer militärischen Wie- 
deraufrüstung gekennzeichneten Entwick- 
lung oftmals einseitig im Vordergrund stan- 
den, so besteht doch kein Zweifel, daß die 
nationalsozialistische Agrarpolitik alle 
Fragen des Lebens auf dem Dorf erfaßt. 


Als erstes Grundgesetz der nationalsozia- 
listischen Agrarpolitik erging das Reichs- 
erbhofgesetz. Es gab dem Bauerntum 
die ihm eigene Beständigkeit, Stetigkeit und 
Verwurzelung zurück, Es trug der, Tatsache 


4 


wicklung desLandvolks wie für ge- ` 
waltige wirtschaftliche Leistungen 


ist. Das Reichserbhofgesetz war erst ein 
Anfang und ist dann im Laufe der Jahre 
durch zahlreiche andere bodenrechtliche 
Bestimmungen ergänzt worden, die alle dem 
Grundsatz Rechnung trugen, daß der 
Boden wichtigstes Gut des gesam- 
ten Volkes und unersetzbare Grundlage 


der Sippe als biologischer Einheit des 


Volkes ist. 


Neben der Neugestaltung des Rechts am 
Boden, als der wichtigsten natürlichen Ent- 
wicklungsgrundlage unseres Landvolkes, 


wurde eine völlig neue Ordnung geschaffen, 


die ihren Rahmen im Reichsnähr- 
standsgesetz fand. Das Reichsnähr- 
standsgesetz umfaßt weit mehr als lediglich 
eine Korporationssatzung, wie man sie auch 
sonst bei ständischen Rahmengesetzen oder 
ständischen Verfassungen kennt. Hätte das 
Reichsnährstandsgesetz nur 'neue Organi- 
sationsformen geschaffen, so würde es sich 
lediglich in der Spielart, nicht aber im 
Grundsatz von seinen liberalen Vorgängern 
unterscheiden. Die nationalsozialistische 
Agrarpolitik hat aber den Grundsätzen der 
allgemeinen nationalsozialistischen Politik 
entsprechend sich nicht nur auf den Aufbau 
eines organisatorischen Gebäudes be- 
schränkt, sondern zugleich die sach- 
lichen Grundlagen geschaffen, die der Ar- 
beit dieser neuen nationalsozialistischen 


Organisation eine ganz bestimmte Entwick- 
lungsrichtung gaben. Heute ist es un- 
bestrittene Allgemeinerkenntnis, daß die 
nationalsozialistische Agrarpolitik damit 
eine einmalige Pionierarbeit für die 
Durchsetzung nationalsozialistischer Grund- 
sätze in der Wirtschaftspolitik überhaupt 
geleistet hat. 


Wenn auch diese Aufbauarbeit zunächst 
von den Nationalsozialisten aus der Land- 
wirtschaft getragen wurde, so zeigte es sich 
doch sehr bald, daß das Reichsnährstands- 
gesetz alles andere als ein Standesgesetz 
und die Reichsnährstandspolitik alles an- 
dere als eine Interessenpolitik darstellte. 
Dies kam schon äußerlich darin zum Aus- 
druck, daß der Personenkreis des Reichs- 
nährstandes sich nicht nur auf die Ange- 
Hörigen der Urproduktion, der Landwirt- 
schaft, beschränkte, sondern von vorn- 
herein die Be- und Verarbeitung sowie die 
Verteilung einbezog. Damit war in der Er- 
nährungswirtschaft zum erstenmal in der 
Wirtschaftsgeschichte eine totale Zusam- 
` menfassung aller Wirtschaftsstufen eines 
ganzen Wirtschaftszweiges erreicht. 


Diese Organisationsform paßte in keiner 
Weise in das überkommene Schema libe- 
raler Wirtschaftsorganisationen, die ihre 
Schlagkraft in der Zusammenballung be- 
stimmter Unternehmungen meist nur auf 
horizontaler Grundlage zu erhöhen such- 
ten. Das bekannteste Beispiel hierfür sind 
die Kartelle, deren wirtschaftliches 
Machtstreben fast immer auf Kosten volks- 
wirtschaftlicher Gesamtinteressen ging. Es 
ist nicht verwunderlich, daß der Weg der 
vertikalen Zusammenfassung im Agrar- 
sektor zunächst auf zahlreiche Widerstände 
stieß. Trotzdem ist die nationalsozialistische 
Agrarpolitik auf dem mit dem Reichsnähr- 
standsgesetz einmal eingeschlagenen Wege 
unbeirrbar weitergegangen. Sie wurde da- 
bei unterstützt durch zielbewußte National- 


sozialisten in anderen Zweigen unserer 


Volkswirtschaft. Heute haben sich die in 
jahrelanger Arbeit fortentwickelten Grund- 
sätze auch in anderen Wirtschaftszweigen 
durchgesetzt, wie wir es bei Neugestaltung 
unserer Kohle-, Eisen-, Chemie- und Textil- 
wirtschaft erlebt haben. Es wäre müßig, 
heute noch den Nachweis dafür führen zu 
wollen, daß die Schlagkraft unserer Er- 
nährungswirtschaft im Kriege in erster 
Linie auf dieser totalen vertikalen Zusam- 


menfassung, wie sie das Reichsnährstands- 
gesetz schuf, beruht. | 

Es wurde aber schon angedeutet, daß die 
Stärke einer Wirtschaftsverfassung niemals 
in irgendeiner Organisationsform 
liegt, daß es vielmehr in erster Linie auf 
den grundsätzlichen Inhalt ankommt, 
der für die Arbeit im einzelnen richtung- 
gebend ist, g 

Wirtschaft ist Leben und kann sich des- 
halb wie jede andere Äußerung volklichen 
Daseins nicht nach abstrakten Gesetzen 
richten. Deshalb war die nationalsozia- 
listische Agrarpolitik stets Gegnerstar- 
rer Dogmen. Das Schwergewicht der 
Arbeit des früheren agrarpolitischen Appa- 
rates der NSDAP., des heutigen Reichsamts 
für das Landvolk, das innerlich untrennbar 
mit dem Reichsnährstand verbunden ist, lag 
deshalb im Einsatz der richtigen Män- 
ner, die auf Grund ihrer nationalsozialisti- 
schen Weltanschauung für die einzelnen, 
vielseitigen Wirtschaftsaufgaben die grund- 
sätzlich richtigen Entscheidungen trafen. 
Mit starren Dogmen hätten die Aufgaben 
der Ernährungswirtschaft schon im Frieden 
nicht, ganz bestimmt aber niemals im 
Kriege gemeistert werden können. Diese 
Grundeinstellung darf keineswegs als 
ein Bekenntnis zum Improvisieren 
angesehen werden. Improvisieren kann 
vielleicht im einen oder anderen Falle ein- 
mal mithelfen, um schwierige Lagen zu 
überwinden, es darf aber niemals ganz all- 
gemein an die Stelle planmäßiger Lenkung 
und von Grundsätzen treten, wie sie nun 
einmal für die Durchführung großer Auf- 
gabengebiete, die sich auf weite Zeiträume 
erstrecken, notwendig sind. 


Diese Grundsätze für die Arbeit der 
nationalsozialistischen Agrarpolitik sind im 
Reichserbhofgesetz und im Reichsnähr- 
standsgesetz enthalten. Während das 
Reichserbhofgesetz den Grundgedanken 
der Sicherheit der Sippe und damit des Be- 
standes des Volkes zuverwirklichen suchte, 
so verkörpert das Reichsnährstandsgeseiz 
den Grundgedanken der Ordnung. Das 
Reichserbhofgesetz erfaßte den Boden und 
den Menschen in seiner Beziehung zum 
Boden, während das Reichsnährstandsgesetz 
den Menschen und seine Arbeit, das Er- 
gebnis und die Früchte seiner Arbeit in den ` 
Mittelpunkt stellt. Damit wurde alles, was 
in der liberalen Theorie Produktionsfakto- 


5 


nr un, 


- 
— — — 


ren genannt wurde, aus der kapitalistischen 
Verflechtung und den Erschütterungen des 
Kapitalismus herausgenommen und auf dem 
nationalsozialistischen Wirtschaftsprinzip 
der gebundenen Wirtschaft aufgebaut. 


Dabei trat insbesondere an die Stelle des 
zufälligen kapitalistischen Marktgeschehens 
die bewußte nationalsozialistische Markt- 
ordnung, an die Stelle des zufälligen Aus- 
gleichs von Angebot und Nachfrage der 
bewußte Ausgleich von Bedarf und Deckung. 
Das hatte zur Folge, daß die beinahe skla- 
vische Unterwerfung des Menschen und 
seiner Tätigkeit unter die angebliche Ge- 
setzmäßigkeit wilder Preisschwankungen 
an allen möglichen Börsen abgelöst wurde 
durch die bewußte Beherrschung des Mark- 
tes und des Marktgeschehens mit einer 
verantwortungsbewußten Bestimmung und 
Festlegung des Preises. 


Es entsprach folgerichtig der national- 
sozialistischen Grundhaltung, daß die Markt- 
ordnung nicht nur eine Sicherung so- 
wohl des Bauerntums wie der Ver- 
braucher anstrebte, sondern gleichzeitig 
mit diesem gebundenen Wirtschaftsprinzip 
die Voraussetzung zu einer Leistungs- 
steigerung der deutschen Landwirtschaft 
geschaffen wurde. Gerade dies aber sollte 
sich später von weittragender Bedeutung 
erweisen, als die steigenden Anforderungen 
der Wiederaufrüstung den Kampf um die 
Nahrungsfreiheit immer wichtiger werden 
ließen. 


Es sei daran erinnert, daß bei der Ver- 
kündung des ersten Vierjahresplanes die 
Freimachung größerer Devisenmengen zur 
Erleichterung vermehrter Lebensmittelein- 
fuhren als ein wichtiges Ziel genannt wurde, 
ein Ziel, das aber dann angesichts steigen- 
den Rohstoffbedarfs für Rüstungszwecke 
sehr bald in den Hintergrund treten mußte. 
So wurde die Leistungssteigerung der ein- 


heimischen Landwirtschaft, die in der Er- 


zeugungsschlacht ihren Ausdruck fand, ge- 
radezu zur wichtigsten Triebfeder 


der nationalsozialistischen Agrar- 


politik in den letzten Jahren. Da- 
durch ist in der Offentlichkeit gelegentlich 
der Eindruck entstanden, als ob auch in der 
nationalsozialistischen Agrarpolitik Wirt- 


schaftsfragen allzu einseitig das Uberge- 


wicht erlangt hätten. Die Arbeit, die heute 
vor allem im Reichsamt für das Landvolk in 


6 


engster Zusammenarbeit mit dem Reichs- 
nährstand und dem Reichsministerium für 
Ernährung und Landwirtschaft geleistet 
wird, zeigt, daß diese Auffassung ebenso 
falsch ist wie etwa die Meinung, daß die 
NSDAP. infolge des Einsatzes, den der totale 
Krieg fordert, ihre politischen, biologischen 
und kulturellen Ziele aufgegeben habe. 


Der Erntedanktag 1943, der fünfte Ernte- 
danktag in diesem Kriege, ist der gegebene 
Anlaß, besonders die Frage zu prüfen, in 
welchem Maße die nationalsozialistische 
Agrarpolitik das Ziel der Leistungssteige- 


rung zum Zwecke der Nahrungssicherung 


für das Reich und für Europa erreicht hat. 


Wenn es gelungen ist, unsere Nahrungs- 
versorgung insgesamt trotz der Beschrän- 
kungen des Krieges auf der bisherigen be- 
achtlichen Höhe zu halten, so mußten dabei 
allerdings bei der Zusammensetzung unserer 
Nahrung im Kriege erhebliche Verschie- 
bungen gegenüber den Gewohnheiten des 
normalen Verbrauchs in Kauf genommen 
werden. Das wesentliche Merkmal dieser 
Verschiebungen ist die Verlagerung 
unserer Ernährung von Nahrungs- 
mitteln tierischen auf solche 
pflanzlichen Ursprungs. Maßgebend 
dafür waren zwei Gründe: einmal der Aus- 
fall mancher tierischen Veredlungserzeug- 
nisse bzw. der Futtermittel durch den Krieg; 
zum zweiten: die Notwendigkeit, den an 
der Front kämpfenden Teil unseres Volkes 
— den Soldaten — stärker mit hochwertigen, 
meist tierischen Nahrungsmitteln zu ver- 
sorgen. So steht dem Absinken der tie- 
rischen Kalorien in unserer Kriegs- 
nahrung ein Ansteigen von pflanzlichen 
Kalorien auf 124 v. H. je Kopf der Be- 
völkerung gegenüber. 


Nebenbei sei bemerkt, daß die Gesund- 
heitsführung die stärkere Verlagerung 
unserer Ernährung auf Nahrungsmittel 
pflanzlichen Ursprungs ernährungsphysio- 
logisch keineswegs als einen Nachteil an- 
sieht. Das soll nun allerdings keine wirt- 
schaftspolitische Begründung sein, sondern 
nur am Rande miterwähnt werden. Der 
ernährungspolitische Grund für diese Ver- 
schiebung liegt in der nun einmal nicht 
abzuändernden Tatsache, daß im Durch- 
schnitt für die Erzeugung von tie- 
rischer Nahrung siebenmal so viel 
Fläche benötigt wird wie zur Er- 


zeugung vonpflanzlicher Nahrung. 
Ein Volk, dessen Ernährungsgewohnheiten 
viel Fleisch, Eier usw. bevorzugen, benötigt 
also einen viel größeren Nahrungsraum als 
ein Volk, das überwiegend Pflanzenkost be- 
vorzugt. Diese Tatsache muß nicht nur bei 
der Sicherung der Ernährung im Reich be- 
rücksicht werden, sie spielt auch eine 
ausschlaggebende Rolle beim 
Kampf um die Nahrungsfreiheit 
Europas. Hier ist auch für die Zukunft 
die Umstellung der menschlichen Ernäh- 
rungsweise auf pflanzliche Nährstoffe Vor- 
aussetzung für den Ausgleich der euro- 
pdischen Ernährungswirtschaft 
Grundlage der Eigenerzeugung bei gleich- 
zeitiger voller Abdeckung des Bedarfs an 
Nährwerten. 


Heute ist es nicht mehr erforderlich, 


darauf hinzuweisen, um wieviel besser die 
Ernährung des deutschen Volkes an der 
Schwelle des fünften Kriegsjahres im Ver- 
gleich zum Jahre 1918 ist. Der grundlegende 
Unterschied gegen damals liegt in der Tat- 
sache, daß heute die auf den Karten auf- 
gedruckten Rationen auch wirklich zur Aus- 
gabe gelangen, während sie damals zum 
großen Teil nur auf dem Papier standen. 
Außerdem wird heute durch ein vielseitiges 
und sorgfältig berechnetes System von 
Zulagen den höheren Nahrungsbedürf- 
nissen bei besonderen Arbeitsleistungen 
oder Lebensumständen (Jugendliche, wer- 
dende Mütter usw.) Rechnung getragen. Es 
ist eine nur wenig beachtete Tatsache, daß 


überhaupt nur 36 v.H. aller Verbraucher 


die normalen Rationen erhalten, während 
alle übrigen Verbraucher (von den gemäß 
ihres physiologischen Bedarfs unter den 
Rationen der erwachsenen Normalversor- 
gungsberechtigten liegenden Kindern ab- 
gesehen) Zulagen bekommen, die im Wege 
des Familienausgleichs vielfach eine Ver- 
besserung der gesamten Lebenshaltung er- 
möglichen. E 

Wenn die Lebensbedingungen in 
den übrigen europäischen Ländern 
ein ungünstigeres Bild ergeben, so liegt das 
in erster Linie daran, daß dort die Folgen 
der verfehlten liberalen Wirtschaftspolitik, 
die zu einer Vernachlässigung der landwirt- 
schaftlichen Eigenerzeugung führte, noch 
nicht überwunden sind. In diesen Ländern 
hat jahrzehntelang der Wille zu einer posi- 
tiven Agrarpolitik gefehlt. Deshalb waren 


auf der 


dort weder gesetzliche noch organisato- 
rische Grundlagen vorhanden, die, wie in 
Deutschland der Reichsnährstand, das 
Reichserbhofgesetz oder die Marktordnung, 
von vornherein wichtige Voraussetzungen 
für die Leistungssteigerung in der landwirt- 
schaftlichen Erzeugung schufen. In den 
anderen Ländern Europas blieb, wenn man 
vor schwierigen Aufgaben stand, nichts 
übrig als der Einsatz von Behörde und 
Polizei. Beide können aber nun einmal 
eine gesunde Wirtschaftspolitik nicht er- 
setzen. Der Einfluß der deutschen 
Agrarpolitik, der auch in diesen Län- 
dern eine bessere Ausnutzung der landwirt- 
schaftlichen Erzeugungsgrundlagen erreicht 
hat, wird aber hier von Jahr zu Jahr immer 
mehr Wandel schaffen. Im Gegensatz zur 
feindlichen Agitation, die behauptet bat, 
daß Deutschland die besetzten Länder aus- 
geraubt habe, muß festgestellt werden, daß 
gerade von deutscher Seite nicht nur viel- 
fach Nahrungsmittel geliefert wurden, um 
akute Versorgungsschwierigkeiten bei ver- 
bündeten oder besetzten Ländern zu lindern, 
sondern daß vor allem durch Lieferung 


- wichtiger Produktionsmittel, wie Saatgut, 


Zuchtvieh, Maschinen und Düngemittel, sehr 
viel getan wurde, um die Bemühungen zur 
dauernden Hebung der landwirtschaftlichen 
Eigenerzeugung wirksam zu unterstützen. 


Der geschilderte Umfang der Nahrungs- 
mittelversorgung im Reich war nur mög- 
lich, weil es dank der planmäßig und mit 


` weitgesteckten Zielen schon im Jahre 1934 


eingeleiteten Erzeugungsschlacht gelang, 
die landwirtschaftliche Erzeugung in ganz 
anderer Weise leistungsstark zu erhalten 
als im ersten Weltkriege. Selbstverständ- 
lich sind Produktionsausfälle eine 


notwendige Folge jedes Krieges. Die 


Führung der nationalsozialistischen Agrar- 
politik hat deshalb von Anfang an alle 
Kräfte in Bewegung gesetzt, um den natür- 
lichen Hemmungen, die der Krieg für die 
land wirtschaftliche Erzeugung mit sich 
bringt, entgegenzuwirken. Die Mobilisierung 
der in den land wirtschaftlichen Betrieben 
selbst noch vorhandenen Produktionsreser- 
ven und die Organisation der Gemein- 
schaftshilfe des Dorfes, die im letzten Jahr 
in der Einrichtung der Hofpatenschaft ihren 


besonderen Ausdruck fand, standen im 


vierten Kriegsjahr im Vordergrund. 
Der Erfolg dieser Arbeit wird besonders 


7 


— — —— — 


deutlich, wenn man die Produktions- 
leistungen der Landwirtschaft 1943 
und 1918 vergleicht. So betrug die Ernte- 
fläche an Getreide 1918 nur noch 84 v. H. 
von 1914, bei Kartoffeln nur 83 v. H., bei 
Zuckerrüben sogar nur 71 v. H. 1943 er- 
reichte dagegen die Erntefläche bei Ge- 
treide 90 v. H. von 1939, bei Kartoffeln 
95 v. H., bei Zuckerrüben sogar 105 v. H. 


Dabei ist zu berücksichtigen, daß gleich- 


zeitig die Erntefläche von Olsaaten um etwa 
das Achtfache, die Erntefläche für Gemüse 
um das Dreifache gesteigert wurde. Die 
Steigerung des Ulfrucht- und des Gemüse- 
anbaues und die Erhaltung des Hackfrucht- 
baues, der im Kriege sowohl aus Arbeits- 
einsatzgründen wie aus Gründen der be- 
schränkten Düngemittelverwendung stark 
behindert wird, sind ein besonders deut- 
liches Zeichen für den Leistungspwillen der 
. Landwirtschaft. 


Dasselbe gilt auch für die Ernte- 
‚erträge. Im ersten Weltkrieg lagen beim 
Getreide die durchschnittlichen Hektar- 
erträge der fünf Kriegsernten um 13 bis 


18 v.H. niedriger als im langjährigen Durch- . 


schnitt der Vorkriegszeit. In diesem Kriege 
sind die Durchschnittserträge sogar um ein 
geringes höher als im Durchschnitt der 
Vorkriegsjahre. Das gilt ebenso für die 
Hackfrüchte, deren Hektarerträge im ersten 
Weltkrieg um etwa 10 v.H. unter, in diesem 
zweiten Weltkrieg dagegen um 5 bis 9 v.H. 
über dem mittleren Vorkriegsstand liegen. 
In diesen Vergleichszahlen kommt die 
Leistung insofern noch ungenügend zum 
Ausdruck, als diese Zahl sich 1918 auf die 
Basis 1904 bis 1913, die Zahlen 1942/43 auf 
die Basis 1929 bis 1938 beziehen. Die Ernte- 
zahlen von 1929 bis 1938 jedoch liegen höher 
— zum Teil erheblich höher — als die- 
jenigen der Jahre 1904 bis 1913. 


Noch günstiger wird das Bild, wenn man 
nicht nur die Anbaufläche und Hektar- 
erträge, sondern die Entwicklung der 
Gesamternten im ersten und zweiten 
Weltkrieg miteinander vergleicht. Danach 
erreichte die Getreideernte schon im Jahre 
1917 nur 57 v. H. der Vorkriegshöhe, 

. während im Jahre 1942/43 gegenüber 1939/40 
84 v.H. geerntet wurden. Die Kartoffel- 
ernte war im ersten Weltkrieg auf 77 v.H. 
zurückgegangen, in diesem Kriege ist sie 


8 


annähernd gleich geblieben. Während die 
Zuckerrübenernte damals auf 57 v.H. sank, 
erreicht sie heute 95 v.H. Bei Futterrüben, 
für die Zahlen aus dem ersten Weltkrieg 
nicht vorliegen, ist die Ernte im Kriege so- 
gar auf 109 v. H. gestiegen. 


Beim Vergleich der Viehbestände ergeben 
sich bei den Rindern, besonders beim 
Kuhbestand, erhebliche Unterschiede. Die- 
ser war 1917 gegenüber der Vorkriegszeit 
bereits um 10 v.H. gesunken. während er 
sich 1942 noch ungefähr auf dem Vorkriegs- 
stand hielt. Diese Entwicklung war aus- 
schlaggebend für die günstige Milcherzeu- 
gung, die trotz der Verschlechterung der 
Futterversorgung 1942/43 noch 95 v.H. von 
1939/40 erreichte. Noch günstiger als die 
Entwicklung der Milchleistung sind die 
Ziffern für die Entwicklung der Butter- 
erzeugung. Diese war im Jahre 1942/43 
gegenüber 1939/40 auf 104 v. H., gegenüber 
1938/39 sogar auf 126 v.H. gestiegen. Der 
günstigen Entwicklung des Kuhbestandes 
stehen allerdings Rückgänge beim Jung- 
vieh gegenüber, die zur Sicherung der 
künftigen Milch- und Fleischerzeugung eine 
sorgsame Beachtung erfordern. 


Der Schweinebestand ist auch in die- 
sem Kriege zwangsläufig zurückgegangen. 
Die zur Anpassung an die Futterbasis not- 
wendige Verringerung ist allerdings viel 
langsamer und organischer vor sich gegan- 
gen als im ersten Weltkriege, in dem schon 
das Jahr 1915 infolge der planlosen Heraus- 
nahme von Schweinen den starken Rück- 
schlag brachte. Mit dem im vorigen Herbst 
eingeleiteten Aufbau des Schweine- 
bestandes, der jetzt durch eine vor- 
sichtige Lenkung hinsichtlich des Zeit- 
punktes der Sauenbedeckung ergänzt wird, 
sind auch hier die notwendigen Maßnahmen 
getroffen worden. In diesem Zusammenhang 
muß die Futtermittelpolitik noch Gegen- 
stand besonderer Sorgfalt sein. Angesichts 
dieser Lage muß vor allem größtes Ver- 
ständnis bei der Haltung von Geflügel 
und anderen Kleintieren erwartet 
werden. Die Kleintierhaltung darf in ihrem 
Gesamtumfang nicht größer sein als die zu 
ihrer Ernährung verfügbare Menge an Ab- 
fällen oder Futtermitteln, die für die 
Großviehhaltung nicht verwendet werden 
können. 


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Mit frischem Mut geht es 
an das Tagewerk 


Er muß es ganz genau wisst! 


Wo in den Jahren des Niederganges wurde im 
Bund Artam der Gedanke geboren, der heute im 
Landdienst der Hitler-Jugend in breitester Form ver- 
wirklicht wird: die Stadtjugend zurück aufs Land zu 
WS führen, um ihr die Vielseitigkeit und Wichtigkeit der 
Kur bäuerlichen Arbeit vor Augen zu stellen. Nur wer 
AW selbst die Wahrheit des Wortes Friedrichs des Großen 
erfahren hat, daß der Landbau die erste aller Künste 
ist, kann voll ermessen, wie ungerecht und falsch es 
= war, über die Landarbeit verächtlich die Nase zu 
CS rümpfen. Aus den 500 Landdienstfreiwilligen des 
l Jahres 1934 sind inzwischen im laufenden Jahre 38 500 
Jungen und Mädel geworden, die stolz und freudig die 
Wende der deutschen Jugend zum Bauerntum und zum 
Lande mit der Tat beweisen. Der Landdienst hilft allent- 
halben auf dem Hofe der Bäuerin und springt heute 
überall da ein, wo die Männer zu den Waffen gerufen 
sind. Ständig steigt auch die Zahl der Landdienstfrei- 
willigen, die nach ihrer Dienstzeit für immer mit der 
Landarbeit verbunden bleiben und einen landwirt- 
schaftlichen Lebensberuf wählen. Im Landdienst hat 
der Junge die ersten Voraussetzungen für den Neu- 
bauernschein erworben und kann nun ohne Ansehen 
des Standes und der Finanzkraft der Eltern, mit der 
inneren Bereitschaft und den notwendigen fachlichen 
Kenntnissen ausgerüstet, am bäuerlichen Siedlungs- 
werk unserer Tage teilhaben. So wird wertvolles Blut, 
das einstmals in den Vätern oder Großvätern dem 
Bauerntum durch Abwanderung verlorenging, in den 
E Kindern dem Lande zurückgeführt, um im erweiterten 
deutschen Lebensraum neu zu verwurzeln. Die Rück- 
führung der Stadtjugend auf das Land im Zeichen der 
Freiwilligkeit kann auch den Jungen und Mädeln 
unserer Dörfer ein sichtbarer Beweis der neuen Be- 
wertung ihrer bäuerlichen Arbeit sein und sie in ihrem 
Selbstbewußtsein und ihrer Schollentreue stärken. 


Landdienstmädel von heute — Bäuerin von morgen 


Te = mE ER — "WE 


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ATIR 


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Jeder Tag des bäuerlichen Arbeitsjahres zeigt etwas von der vielseitigen Landarbeit. — Zur Wintes 
zeit müssen Mieten geräumt werden 


Nach Feierabend findet sich die Landdienstgruppe zur weltanschaulichen Schulung oder zum Hem 
abend zusammen 


— — 


Die Produktionsleistungen im Stall und 
auf dem Acker werden ergänzt durch ge- 
steigerte Leistungen bei der Be- und Ver- 
arbeitung sowie im Handel und durch 
ständig verbesserte Methoden der Vorrats- 
haltung und des räumlichen und zeitlichen 
Marktausgleichs. Hier arbeiten Erzeugungs- 
schlacht und Marktordnung als wichtigste 
Garanten unserer Ernährungssicherung 
Hand in Hand. 1 

Die Ernte 1943 bietet die Gewähr dafür, 
daß die Ernährung auch im fünften 
Kriegsjahr gesichert bleibt. Die sehr 
guten Erträge beim Getreide und bei den 
Olfrüchten ermöglichten gewisse Erleich- 
terungen und Verbesserungen. Bei ihrer 
Beurteilung muß man berücksichtigen, daß 
die Verstärkung der Wehrmacht, die Ver- 
mehrung der Zahl ausländischer Arbeiter 
und die Zuschüsse an verbündete und be- 
setzte Länder ebenso erhöhte Ansprüche an 
die Versorgungsbilanz stellen wie die Not- 
wendigkeit, gewisse Reserven für den Über- 


gang zum neuen Erntejahr und ausreichende 


Futtermittel für den Aufbau unseres 
Schweinebestandes bereitzustellen. Die Er- 
trägnisse der Kartoffel- und Gemüseernte 
werden infolge der in entscheidenden 
Wachstumswochen trockenen Witterung 
hinter den Vorjahren zurückbleiben. Hier 
wird also ein besonders sorgsames Haus- 
halten mit den zur Verfügung stehenden 
Mengen notwendig sein. 


Auch zum Erntedanktag im fünften 
Kriegsjahr brauchen dem deutschen Land- 
volk keine neuen Parolen gegeben zu wer- 
den. Es gilt nur, entsprechend den unver- 
meidlichen steigenden Schwierigkeiten mit 
verstärkter Kraft auf den erprobten Wegen 
weiterzuarbeiten, getreu der Parole für die 
fünfte Kriegserzeugungsschlacht: Nahrung 
ist Waffe! 

Wir wissen alle, daß die ausreichende 
Ernährung Voraussetzung ist für die Erhal- 
tung der Kraft unserer Soldaten und Rü- 
stungsarbeiter ebenso wie der Heimat, die 
heute infolge des Luftterrors unserer Gegner 
ganz anderen Belastungen ausgesetzt ist als 
in den ersten Kriegsjahren. Dag gesamte 
Landvolk und alle Angehörigen der Ernäh- 
rungswirtschaft wissen, was sie dem Führer 
schuldig sind. Die zunehmende Härte des 
Krieges verlangt? nach größere An- 


strengungen, um die Leistungen 
der Ernährungswirtschaft zu er 
halten und nach Möglichkeit zu 
steigern. u 

An der Spitze stehen immer wieder die 
Forderungen, nicht nur mehr zu erzeugen 
sondern auch mehr abzuliefern. Nur die- 
jenigen Nahrungsmengen, die der 
ordnungsgemäßen Bewirtschaf- 
tung zugeführt werden, dienen 
wirklich der Sicherung unserer Er- 
nährung. Das gilt nicht nur für die Haupt- 
nahrungsmittel, sondern ebensosehr für 
Eier, Geflügel, Obst und Gemüse. Die Um- 
quartierung von hunderttausenden Volks- 
genossen aus den luftgefährdeten Gebieten 
auf das Land macht es notwendig, immer 
wieder darauf hinzuweisen, daß die vor- 
übergehende Zunahme der Bevölkerung 
auf dem Lande nicht dazu führen darf, daß 
irgendwelche Nahrungsmengen der Ge- 
samtversorgung entzogen werden. Die Auf- 
klärungsarbeit der Partei wird dazu beitra- 
gen, das hierfür notwendige Verständnis 
auch bei unseren Gästen aus der Stadt zu 
stärken. 


Die zweite Forderung wiederholt die 
Parole des vorigen Jahres, allenoch,un- 
genutzten Produktionsreserven in 
den Betrieben selbst zu mobilisie- 
ren. Dadurch wird es möglich sein, 
mancherlei Schwierigkeiten, die sich infolge 
der Beschränkungen beim Arbeitseinsatz, 
bei den Zugkräften sowie bei der Bereit- 
stellung von Treibstoff, Düngemitteln und 
anderen Betriebsmitteln ergeben, auszu- 
gleichen. Seitens der Führung wird auf der 
anderen Seite alles geschehen, um unter 
allen Umständen Mindestmengen der un- 
entbehrlichen Produktionsmittel bereitzu- 
stellen, ohne die nun einmal intensive Land- 
wirtschaft nicht betrieben werden kann. 


Wenn zum Erntedanktag auch in diesem 
Jahr unserem Landvolk, insbesondere aber 
unseren Landfrauen, die nun schon vier 
Kriegsjahre lang mit unvergleichlichem 
Einsatz oftmals über ihre Kräfte arbeiten, 
der Dank der Nation zum Ausdruck ge- 
bracht wird, so wird das Landvolk an 
diesem Tage die Reihen noch fester 
schließen in dem unbeirrbaren Wollen, 
alles zu tun, um dem Führer die 
Voraussetzungen für den Endsieg 
zu schaffen. 


9 


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WILHELM BLOEDORN: 


Partei und Lanovolk 


ls in den Jahren nach der schändlichen 

Revolte vom November 1918 dem deutschen 
Volk durch die Inflation das gesamte Barver- 
mögen entwertet wurde, traf dieser Schlag die 
an sich schon in den Jahrzehnten vorher wirt- 
schaftlich stark geschwächten bäuerlichen und 
landwirtschaftlichen Kreise besonders hart. Die 
damaligen Führer der Landwirtschaft suchten 
zunächst bei den alten oder neu entstandenen 
politischen Parteien Hilfe, die der Landwirt- 


schaft jedoch nicht gebracht werden konnte, 


weil selbst der Wille dazu bei den Parteiführern 
des damaligen Systems nicht vorhanden war. In 
dieser Zeit der wirtschaftlichen Zerrüttung und 
vaterländischen Zersplitterung schuf der un- 
bekannte Soldat des Weltkrieges Adolf Hitler 
die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter- 
partei, die dazu berufen ist, dem deutschen 
Bauerntum die ihm gebührende Stellung im 
deutschen Volksleben wiederzugeben. 

Halten wir einmal Rückschau auf die Anfänge, 
so kommt uns in Erinnerung, daß zunächst 
schon der Name der neuen Partei dem 


Bauerntum nicht sonderlich zusagte. Von einer 


„Arbeiterpartei“ glaubte man nicht das Heil für 
den Bauern erwarten zu können, Zu sehr hatte 
man sich unter dem Einfluß von Marxismus und 
Liberalismus daran gewöhnt, in einer solchen 
Namensgebung den Ausdruck von eigensüchti- 
gen und klassenkämpferischen Bestrebungen zu 
sehen. Auch vermieden es der Führer und seine 
Partei bewußt, uns vom Landvolk goldene Berge 
zu versprechen, Eine scharfe Unterscheidung be- 
stand hier von Anfang an gegenüber den poli- 
tischen Parteien und den vielen Interessen- 
vertretungen, die sich um die Landwirtschaft 
bemühten, wenigstens soweit man sie für die 
parlamentarischen Wahlen zur Stimmabgabe be- 
nötigte. Wer aber zur Gefolgschaft Adolf Hitlers 
gehören wollte, mußte sich frei bekennen von 
Eigennutz, durfte nur als opferbereiter, blut- und 
glaubensvoller Idealist zu ihm kommen. 

In dieser wahrhaft verworrenen Zeit nach dem 
Weltkriege war es natürlich, daß eine solche aus 
der Tiefe der Erkenntnisse genährte Einstellung 
nicht gleich in weiten Kreisen der Bauern und 
Landwirte zu finden war. Was sagte denn auch 
der Führer in seinem Bekenntniswerk „Mein 
Kampf” über die Rechte der bäuerlichen Men- 
schen: „Vergeßt nie, daß das heiligste Recht auf 
dieser Welt das Recht auf Erde ist, die man 
selbst bebauen will, und das heiligste Opfer 
das Blut, das man für diese Erde vergiebt, 


10 


d , e 

Neben dem Recht steht hier as sogleich D" 
Opfer. Wieviel bequemer war es aber doch bei 
den sogenannten politischen Parteien, die nur 
Rechte verhießen und keine Opfer forderten 
Allerdings hatte der Führer in „Mein Kampf" 
auch die Sätze geprägt: „Die Möglichkeit der 
Erhaltung eines gesunden Bauernstandes als 
Fundament der gesamten Nation kann nie mals d 
hoch genug eingeschätzt werden. Viele 
unserer heutigen Leiden sind nur die Folge des 
ungesunden Verhältnisses zwischen Land- un 
Stadtvolk. Ein fester Stock kleiner und mittlerer 
Bauern war noch zu allen Zeiten der beste 
Schutz gegen soziale rankt 
wie wir sie heute besitzen. Dies ist aber auch 
die einzige Lösung, die eine Nation das tägliche i 
Brot im inneren Kreislauf einer Wirtschaft finden 
läßt.” i 


Auch diese starke Hervorhebung der Bedeu- 
tung gerade der kleinen und mittleren Bauern 
wurde von den gegnerischen Parteien, besonders 
aber von den Parteikreisen, die sich auf den 
Großgrundbesitz stützten und nun glaubten ein 
übriges tun zu müssen, in klassenkämpfe- 
rischem Sinne mißdeutet. Es wurden der 
NSDAP. ähnliche Aufspaltungstendenzen zwi- 
schen Klein und Groß unterschoben, wie sie sich 
bei den demokratischen und marxistischen Par- 
teien beobachten ließen. Wir alle wissen weiter 
noch, welche Rolle die übelwollende Mißdeutung 
des Punktes 17 des Programmes der Bewegung 
vom 24. Februar 1920 über die „unentgeltliche 
Enteignung" in dem Kampf um die Gewinnung 
der Seele des Landvolkes für die deutsche Er- 
neuerung durch die NSDAP. spielte. 


Welche Bedeutung aber gerade der Führer 
diesem Kampf um das Landvolk als dem starken 
Träger des zukünftigen deutschen Staates bei- 
maß, das kam für jeden sichtbar und einprägsam 
zum Ausdruck durch die von Adolf Hitler selber 
unterzeichnete „Parteiamtliche Kund- 
gebung über die Stellung der NSDAP. 
zum Landvolk und zur Landwirt- 
schaft‘ vom März 1930, dem einzigen Sonder- 
programm, das Adolf Hitler neben dem grund- 
sätzlichen Parteiprogramm von 1920 in Kraft 
setzte. 


Aus diesem Leitprogramm des Führers für das 
Landvolk und die zukünftige agrarpolitische 
Ausrichtung der Partei möchte ich nur die zwei 
Kernsätze hervorheben: „Wir erkennen nicht 


nur die überragende Bedeutung des Nährstandes 
für unser Volk, sondern sehen im Landvolk auch 
den Hauptträger volklicher Erbgesundheit, den 
Jungbrunnen des Volkes und das Rückgrat der 
Wehrkraft. Die Erhaltung eines leistungsfähigen, 
im Verhältnis zur wachsenden Gesamtzahl auch 
zahlenmäßig entsprechend starken Bauernstan- 
des bildet einen Grundpfeiler der natio- 
nalsozialis tischen Politik, gerade des- 
halb, weil diese auf das Wohl des Gesamtvolkes 
auch in den kommenden Geschlechtern gerich- 
tet ist.” 


Der zweite von mir gemeinte Kernsatz aus der 
parteiamtlichen Kundgebung ist gerade für 
unsere heutige Zeit von tiefem verpflichtendem 
Sinn: „Der Staat hat die Aufgabe, die wirtschaft- 
liche und kulturelle Hebung des Bauernstandes 
entsprechend seiner Bedeutung für das ganze 
Volk zu fördern und dadurch eine Haupt- 
ursache der Landflucht zu beseitigen.” 


Zur entscheidenden Ausführung dieser Grund- 
gedanken der nationalsozialistischen Agrar- 
politik schuf der Führer im gleichen Jahre den 
Agrarpolitischen Apparat der NSDAP. 
Im Februar 1931 fand in Weimar die erste 
Tagung dieses Agrarpolitischen Apparates der 
Partei mit den für die Mitarbeit gewonnenen 
Männern des Landvolkes in Gegenwart des Füh- 
rers statt. Das Land Thüringen erlebte somit die 
erste Reichsbauernkundgebung unter der Füh- 
rung der NSDAP. mit Adolf Hitler selbst als 
Redner und Verfechter der berechtigten Forde- 
rungen des Landvolkes entsprechend den von 
ihm schon vorher bekanntgegebenen Grund- 
sätzen, die er in klarer Prägnanz mit dem einen 
Satz umriß: „Die Landwirtschaft ist die Basis 
des Lebens der Nation an sich.“ 


Diese Bauernkundgebung von Weimar können 
wir heute als einen entscheidenden 
Wendepunkt in der Geschichte des 
Bauerntums unter der nationalsozialistischen 
Führung überhaupt ansehen. Von dieser Zeit an 
wuchs auch die Zahl der Anhänger der NSDAP. 
aus dem Landvolk stärker als die aus den städti- 
schen Kreisen, und bei den darauffolgenden 
Wahlen von 1931 und 1932 wurde ein Anzahl 
Bauern und Landwirte durch die NSDAP. in die 
Parlamente gewählt. Es wäre falsch, die Tätig- 
keit dieser Abgeordneten nach dem messen zu 
wollen, was in dieser Zeit für Landvolk und 
Landwirtschaft in den Parlamenten durchgesetzt 
wurde; denn das Hineingehen in die Parlamente 
geschah ja nicht aus dem Wunsche, dem dort 
herrschenden Parteienklüngel diese oder jene 
Hilfsmaßnahme abzuringen. In diesem Abschnitt 
des nationalsozialistischen Freiheitskampfes 
mußten sich vielmehr alle Kräfte auf die Schaf- 
fung der innerpolitischen Voraussetzung 
eines Neubauwerkes von Grund auf, auf die 
Erringung der Macht im Staate, kon- 
zentrieren. Immerhin konnte durch das starke 
Eintreten der NSDAP. für die Landwirtschaft 
verhindert werden, daß die gesamte Landwirt- 


schaft und somit das Bauerntum ein Opfer der 
Vernichtungspolitik der damaligen Machthaber 
wurde. 


Nach der Machtübernahme am 30. Januar 
änderte sich mit einem Schlage die Lage zu- 
gunsten der Landwirtschaft. Es ergab sich, daß 
zur Durchführung aller wirtschaftlichen Spezial- 
aufgaben eine besondere Organisation, der 
Reichsnährstand, gegründet werden mußte, 
dem alle die vielen bestehenden Organisationen, 
wie Landbund, Landwirtschaftskammer, Ge- 
nossenschaften usw., ein- bzw. angegliedert wur- 
den. Somit wurde eine einheitliche Arbeitskraft 
auf diesem Gebiet der Selbstverwaltung ge- 
schaffen. In engem Zusammenhang damit stan- 
den einschneidende wirtschaftliche 


Sofortmaßnahmen. 
t 


Der Führer selbst hob die laufenden Zwangs- 
versteigerungen auf, in allen Fällen wurden die 
Ursachen nachgeprüft und den unschuldig in 
Not geratenen Bauern und Landwirten die Exi- 
stenz erhalten. Die Marktordnung und Preis- 
gestaltung, nationalsozialistischen Wirtschafts- 
gedanken entsprungen, schufen die Voraus- 
setzungen, um dem Bauern einen gerechten Lohn 
für seine Arbeit zukommen zu lassen. Das 
Reichserbhofgesetz als ein unerläßliches Gebot 
für die Erhaltung des deutschen Bauerntums 
wurde in Kraft gesetzt. Neubauernhöfe zur Ver- 
wirklichung des Gedankens eines gesunden und 
lebensfähigen Bauerntums entstanden in großer 
Zahl, solange nicht die Notwendigkeit schnell- 
ster und stärkster militärischer Aufrüstung in 
steigendem Maße alle Kräfte der Volkswirt- 
schaft beanspruchte, und die von der Systemzeit 
her nicht lebensfähigen Neubauern wurden ent- 
bzw. umgeschuldet. ` 


Dies alles war nur möglich, weil immer die 
politische Kraft des gesamten Volkes 
in der NSDAP. wurzelte, die sich diese 
Forderungen zu eigen machte, und weil der 
Reichsnährstand durch das Amt für Agrarpolitik 
von der Partei ausreichend unterstützt wurde. 
Von der NSDAP. erst sind die starken Kräfte des 
Landvolkes zur aktiven Entfaltung im ge- 
schlossenen Einsatz geführt worden. Die totale 
Bindung an die Partei gibt uns einzig die Ge- 
währ dafür, daß die Mobilmachung der deut- 
schen Bauernkraft auch in Zukunft von der 
gesamten Nation gefördert und erhalten werden 
wird, entsprechend der Erkenntnis: „Die Land- 
wirtschaft ist die Basis des Lebens der Nation 
an sich.“ 


Auf die enge Verbindung, die aus meiner 
Wirksamkeit als erster Leiter des agrarpoli- 
tischen Apparates der NSDAP. im Gau Pommern 
und meiner nach der Machtübernahme erfolgten 
Ernennung zum Landesbauernführer für Pom- 
mern begründet ist, darf ich es wohl zurück- 
führen, daß die Zusammenarbeit mit der Partei 
im Gau Pommern im großen und ganzen durch- 
aus befriedigend und fruchtbringend war. Den- 
noch ergaben sich aber zwischendurch Fälle, die 


11 


1 


ä 


mir bewiesen, daß auf manchen Gebieten und 
vor allem in solchen Kreisbauernschaften, wo 
die Kreisbauernführer nicht den notwendigen 
Kontakt mit den Kreisleitern behalten hatten, 
mitunter ein an sich vermeidbares Nichtver- 
stehen oder Nebeneinanderarbeiten mancher 
guten Sache schadete, bzw. sie nicht so zur Aus- 
wirkung kommen ließ, wie es im Interesse der 
agrarpolitischen Gestaltung und der Wichtigkeit 
aller Arbeiten zur Sicherung der Ernährung des 
deutschen Volkes in jeder Beziehung sein muß. 
Es darf nicht vorkommen, daß auch nur gelegent- 
lich ein Redner der Partei sich zu wichtigen 
Fragen der Reichsnährstandsarbeit nicht ge- 
nügend ausgerichtet erweist, und auf der ande- 
ren Seite darf auch bei den Politischen Leitern 
kein Grund zu berechtigten Klagen darüber ge- 
geben sein, daß in den Dingen der weltanschau- 
lichen Ausrichtung und Schulung, der Jugend- 
erziehung usw. die Erwartungen, die an die 
Führung im Reichsnährstand gestellt Ren 
nicht voll erfüllt werden. 


Wenn solche (Erscheinungen im großen ge- 
sehen ohne ernste Rückwirkungen auf das sicht- 
bare Ergebnis unseres Einsatzes blieben, war das 
dem im allgemeinen doch durchaus befriedigen- 
den Kontakt mit dem politischen Führerkorps zu 


verdanken. Wie die Verhältnisse hier in Pom- 


mern lagen, so war es nach meiner Kenntnis — 
in der letzten Zeit mindestens, nachdem der 
Agrarpolitische Apparat in der Partei mehr und 
mehr zum Ruhen gekommen war — auch in den 
meisten anderen Landesbauernschaften, Der ge- 
meinsame Marschweg von Partei und Reichs- 
nährstand wurde zwar nur selten durch einen 
falschen Schritt verunziert, es war aber doch so, 
daß im Interesse der Aktivierung und zur Ver- 
meidung auch des kleinsten Leerlaufes ein noch 
engeres Zusammenwirken für die praktische 
Arbeit dringend wünschenswert blieb, So konn- 
ten wir es alle nur begrüßen, daß seit dem Vor- 
jahr durch den mit der Führung der Geschäfte 
des Reichsbauernführers und des Reichsministers 
für Ernährung und Landwirtschaft beauftragten 
Staatssekretär Backe auch nach außen hin die 
dominierende Stellung der Partei für alle großen 
agrarpolitischen Fragen durch die Erneuerung 
des Amtes für Agrarpolitik in der Partei in der 
Form des Reichsamtes für das Landvolk wieder 
unzweideutig zum Ausdruck gebracht wurde. 


In der kurzen Zeit seit dieser Neuregelung 
haben wir eine Entwicklung erlebt, die über- 
zeugend beweist, daß diese Maßnahme des 
Parteigenossen Backe einem Bedürfnis ent- 
spricht, das nicht länger unberücksichtigt blei- 
ben durfte. Zugleich hat sie das erfreuliche Er- 
gebnis gebracht, daß heute an keiner Stelle mehr 
irgendwie der Eindruck entstehen kann, als ob 
der Reichsnährstand vielleicht den Ehrgeiz 
hätte, so etwas zu sein oder werden zu wollen, 
was man einen Staat im Staate nennen könnte, 
Es kann gar kein Zweifel mehr daran bestehen, 
daß alle Mitarbeiter im Reichsnährstand gern 


12 


tums vorbehaltlos und mit allen Kräften 3 


der Daseinsgrundlagen des Bauerntums für e 


Krieges die agrarpolitische Gestaltung und d 


und ing: Zi Së die Partei, der ih 
erhaltende Arbeit letztlich ja auch 1 sch 
galt, in der Führung des bäuerlichen Mensc a 


unterstützen. 7 7 


Wir haben noch schärfer sehen gelernt ı nd 
verspüren, wie unersetzlich gerade diese > 
rung der Partei für unsere Aufgaben auch auf 
bäuerlich-kulturellem Gebiet ist und daß nur 
durch und über die Partei der 
gespannte Rahmen gewonnen werden kann, e 
wir für die Erfüllung unserer bevölkerur 
biologischen Berufung ebenso wie zur Sich 


Zukunft brauchen. Ich möchte nur auf die ur 
Führung des Reichsamtes für das Landvolk nu 0 
ins Fluten gekommene Welle des bäuerlict 
Berufserziehungswerkes hinweisen. 
hätte bei noch so gutem Willen und noch so- 
starkem und zielbewußtem Einsatz allein durch 
die Reichsnährstandsarbeit niemals die Ausden- 
nung und auch niemals die nachhaltige Resonanz 
im allgemeinen gefunden, die jetzt bereits für 
dies schicksalhafte Werk erreicht worden ist. 


Es besteht wohl nirgends ein Zweifel darüber, 
daß nach dem siegreichen Abschluß dies E: 
30 
agrarwirtschaftliche Entfaltung im Großd 
schen Reich sowohl wie in den neuen Wirt d 
schaftsgebieten, die uns dann im europäischen 
Ostraum zur Verfügung stehen werden, nut 
durch die wegbereitende Stoßkraft und unter 
dem starken Schirm der Partei zu den Ergeb- 
nissen geführt werden kann, wie wir alle, es zum 
Segen des bäuerlichen Berufsstandes und zur 
Sicherung der Fundamente des Reiches erhoffen, 
das im weltgeschichtlichen Sinne einmal von 
ewigem Bestand sein soll. Was das Landvolk im 
besonderen anbetrifft, so werden wir auch die 
ausschläggebenden Ziele der Aufrüstung des 
Dorfes, der Steigerung der sozialen Leistungen 
für den Bauernstand und vor allem der stärkeren 
Freistellung unserer Bäuerinnen für ihre eigent- 
lichen Aufgaben als Frau und Mutter nur er- 
warten können, wenn die Erkenntnis dieser Not: 
wendigkeiten in der Partei wurzelt, die Volks- 
gemeinschaft bis zu ihrem letzten Gliede durch- 
dringt und so zu lebensgesetzlicher Kraft 
gedeiht. 


Zusammenfassend darf ich wohl sagen: Die 
Arbeit des ehrenamtlichen Bauern- 
führers hat in vier Kriegsjahren die 
Probe voll bestanden. Das Vertrauen, das 
der Führer 1933 in die Bauern gesetzt hat, ist 
durch die Leistungen in der Erzeugungsschlacht 
bestätigt worden. Sämtliche ehrenamtlichen 
Bauernführer sind nicht nur Parteigenossen, 
sondern sie erfüllen auch ihre Aufgaben im 
Vertrauen auf den Führer in tieferem Sinne als 
die Treuhänder der Partei. Es wird auch 
bestimmt die Anerkennung nicht ausbleiben. 
So wie das deutsche Volk zur Zeit gemeinschaft- 
lich seinen schweren Kampf kämpft, kann nu! 


an Goode 
Digitized by GOC CA 


— 


das Endziel voll erreicht werden, wenn die 
große politische Macht, verkörpert in der 
NSDAP., wie bisher die Arbeit des Landvolkes 
schützt. Den organisatorischen Apparat dafür 
haben wir in dem Amt für das Landvolk. Jeder 
Hoheitsträger hat seinen Amtsleiter für das 
Landvolk zur Verfügung, und diese enge, ver- 
bindende Zusammenarbeit spornt alle an, weiter 
wie bisher ihre Pflicht zu tun. E 

Wenn wir nach vier Kriegsjahren auch das 
Erntedankfest nicht mit lautem Jubel feiern, so 


HANS-JOACHIM RIECKE: 


H 


kann das Landvolk doch mit Befriedigung darauf 
zurückschauen, daß es ihm gelungen ist, das 
Volk durch seiner Hände Arbeit satt zu machen, 
und in stiller Freude steht das ganze deutsche 
Volk ihm zur Seite. Uns ist es bewußt: Es geht 
um die Freiheit des Bauerntums, es 
geht um die deutsche Nation. Darum 
kämpfen und arbeiten wir weiter für Heimat und 
Scholle, für Führer, Volk und Vaterland. 


“ Deutsche Bauernkraft wird auch hier ihrer alten 


geschichtlichen Mission gerecht werden. 


Das Landvolk 
in der Front der Schaffenden 


„Heut ist es, wo das Morgen, in der 
Gegenwart ist es, daß die Zukunft ge- 
schaffen wird.“ 


Carl von Clausewitz, 1808. 


De beispiellose Steigerung des kriegerischen 
Krafteinsatzes, die wir in den letzten Jahr- 
hunderten erlebt haben, beruht nicht in erster 
Linie äuf der Entwicklung der modernen Waffen- 
technik seit der Erfindung der Feuerwaffen, 
denn diese hat ja an der Grundforderung des 
Krieges, des Einsatzes des Lebens um der Be- 
hauptung des Lebens willen, nichts geändert. 


Die Steigerung des kriegerischen Krafteinsatzes . 


beruht vielmehr vor allem auf der immer 
stärkeren Erweiterung des Kreises der 
Kämpfenden bis zu der Totalmobil- 
machung aller verfügbaren Kräfte, die 
wir heute erleben. Noch die Kriege des 19. Jahr- 
hunderts wurden trotz der Einführung der all- 


gemeinen Wehrpflicht nur von Minderheiten 


der kämpfenden Nationen geschlagen. In dem 
gegenwärtigen uns aufgezwungenen Existenz- 
kampfe gibt es keine Abseitsstellung mehr. Der 
Fronteinsatz des waffenfähigen Teils des deut- 
schen Volkes stellt nur einen — wenn auch den 
stärksten — Ausschnitt der kriegerischen Aus- 
einandersetzung dar. Hinter der Front unserer 
Heere steht, auf Gedeih und Verderb untrennbar 
miteinander verbunden, die Front der Schaf- 
fenden in der Heimat. Zu dieser Front in der 
Heimat gehören nicht nur Rüstungsindustrie, 
Ernährungswirtschaft und Verkehrswesen, son- 
dern gehören ebensosehr, um nur einige Bei- 
spiele zu nennen, die zahlreichen Aushilfskräfte 
zur Aufrechterhaltung des täglichen Lebens- 


ablaufes, deren Einsatz wertvolle Kräfte für das 
Heer freimacht, die freiwilligen Helfer und Hel- 
ferinnen in unseren sozialen Fürsorgeeinrich- 
tungen und alle, die unser kostbarstes Volks- 
gut, unsere Kinder, betreuen, um diese der Be- 
drohung durch den feindlichen Vernichtungs- 
willen zu entziehen. 


Es war den Engländern und Amerikanern vor- 
behalten, mit der rücksichtslosen Anwendung 
der Waffengewalt gegen die Zivilbevölkerung 
ohne geringste Schonung der Alten und Kran- 


ken, Frauen und Kinder die letzte Grenze zu 


durchbrechen, die bisher Recht und Sittlichkeit 
der Ausdehnung der Kriege gezogen hatten; 
denn bisher galt es als ein unantastbares Gesetz 
der Kriegführung, daß Waffengewalt nur gegen 
Bewaffnete angewendet werden dürfe. Die Miß- 
achtung dieses Grundsatzes hat den Kampf 
mitten in die Heimat hineingetragen und den 
Kreis der unmittelbar am Kampfe Beteiligten un- 
geheuer erweitert. Gerade die Formen, die der 
Luftkrieg angenommen hat, lehren uns das 
Wesen des uns. aufgezwungenen Kriegeg er- 
kennen als das eines Vernichtungs- 
krieges, der sich mit allen verfüg- 
baren Kampfmitteln gegen die Exi- 
stenz unseres Volkes schlechthin 
richtet. Dieser hemmungslose Vernichtungs- 
wille bestimmt das Wesen dieses Krieges. Die 
moderne Luftwaffentechnik ist dabei nur Mittel 
zum Zweck. Sie ist nicht einmal das Mittel, das 
diesen Wesenswandel des Krieges erst ermög- 
licht hat. Im ersten Weltkriege war es die über 
das deutsche Volk verhängte Hungerblockade. 
die England zum gleichen Zwecke diente, und 


13 


diese hat — das wollen wir nicht vergessen — 
ein Mehrfaches an Opfern gefordert, als uns bis- 
her der Luftkrieg auferlegt hat, ohne daß damals 
eine Gegenwehr möglich war. 


Im Wesen dieses Vernichtungskrieges liegt es 
begründet, daß dieser keinen Frieden kennt, 
der dem besiegten Volke eine auch noch so be- 
scheidene Existenzmöglichkeit gewährt. Schon 
die „Frieden“ von Versailles und Saint Germain 
waren ja nur eine Fortsetzung des Krieges mit 
anderen Mitteln, Instrumente des internatio- 
nalen Judentums zur ewigen Versklavung des 
deutschen Volkes. Nachdem aber unsere Feinde 
haben einsehen müssen, daß sich das deutsche 
Volk nicht auf die Dauer in die Sklaverei herab- 
drücken läßt, kennt ihr Haß nur ein Ziel: 
die restlose Auslöschung der deut- 
schen Volksexistenz. Zu diesem Ziele hat 
sich denn auch das internationale Judentum mit 
der zynischen Offenheit bekannt, die ihm nach 
seiner Demaskierung durch den Nationalsozia- 
lismus nur noch übrigblieb. Die „Friedenspläne“, 
die die Sprecher des Judentums veröffentlicht 


haben, haben daher nur bestätigt, was schon. 


längst offensichtlich war, daß es in diesem 
Kriege für das deutsche Volk nur ein Entweder- 
Oder gibt: Sieg oder Untergang. 


Totalmobilmachung deutscher Volks 
kraft | 


Diesem Vernichtungswillen hat der National- 
sozialismus die Totalmobilmachung deut- 
scher Volkskraft entgegengesetzt, deren 
oberstes Ziel es ist, jeden auf den Posten zu 
stellen, auf dem er seine Fähigkeiten am wir- 
kungsvollsten für den Selbstbehauptungskampf 
seines Volkes einsetzen kann. So ist der Krieg 
die große Bewährungsprobe des 
Nationalsozialismus als Sozialismus 
der Tat. Diese Totalmobilmachung deutscher 
Volkskraft erfordert eine bisher beispiellose 
Organisationsleistung, die naturnotwendig tief 
in den Alltag jedes einzelnen eingreifen muß, 
um diesen auf die Erfordernisse des Krieges 
auszurichten. Gerade deswegen aber ist sie 
mehr als bloß eine Organisationsfrage, ist sie 
eine volkserzieherische Aufgabe, deren Bedeu- 
tung nicht hoch genug eingeschätzt werden 
kann; denn mehr als je gilt in diesem Falle die 
alte Erfahrungstatsache, daß auch die beste 
Organisation letzten Endes nur die Leistung er- 
zielen kann, der die Seelenstärke und Willens- 
kraft der Organisierten fähig ist. 


Die Kampfkraft des deutschen Volksheeres 
hat von jeher darauf beruht, daß es für jeden 
deutschen Soldaten ein selbstverständliches Ehr- 
gebot ist, sich bis zum Letzten einzusetzen. Die 
innere Überzeugung von dieser Notwendigkeit, 


14 


in Herz und Hirn gleich stark verwurzelt, gab 
dem Soldaten nicht nur die Kraft der Bewährung 
in den Stunden der Schlacht, sondern auch die 
Disziplin, sein ganzes Sein den Erfordernissen 
des militärischen Dienstes unterzuordnen, und 
jeder, der Soldat gewesen ist, weiß, daß diese 
zweite Bewährungsprobe oft die schwierigere 
ist, weil hier die Beziehung zu dem letzten Sinn 
des Soldatenseins nicht mehr für jeden so offen- 
kundig ist wie beim Einsatz in der Schlacht. 


In dieser weniger starken Unmittelbarkeit der 
Beziehung zwischen dem uns aufgezwungenen 
Existenzkampf und der eigenen Tätigkeit liegt 
auch die besondere Schwierigkeit der Total- 
mobilmachung aller Kraftreserven in der Hei- 
mat; denn nur bei einem Teil der in der Heimat 
Schaffenden ist diese Beziehung so klar gegeben 
wie etwa bei der Rüstungsindustrie oder der 
Landwirtschaft. Nahrung ist Waffel Diese 
Erkenntnis, daß die Kampfkraft der Front, die 
Arbeitskraft der Heimat von einer ausreichen- 
den Nahrungsversorgung abhängt, ist dem deut- 
schen Landvolk so in Fleisch und Blut über- 
gegangen, daß sie einer verstandesmäßigen 
Begründung kaum noch bedarf. Aber bei der 
Übertragung dieser Erkenntnis auf 
den Alltag derLandarbeit zeigt sich doch 
sehr bald, daß es einer stets wachen Selbst- 
kontrolle bedarf, um jede einzelne Handlung, 
wie es notwendig ist, wirklich gemäß dieser Er- 
kenntnis auszurichten. Immer wieder tritt an 
den einzelnen die Versuchung mit der das Ge- 
wissen einschläfernden suggestiven Frage heran: 
Kommt es denn auf diese unbedeutende „Klei- 
nigkeit“ wirklich an? Und es bedarf der Einsicht 
in die Gesamtzusammenhänge der Ernährungs- 
wirtschaft, um zu erkennen, daß deren Funktio- 
nieren von dem reibungslosen Zusammenwirken 
einer Fülle kleiner und kleinster Einzel- 
maßnahmen abhängt, daß daher jeder stets so 
zu handeln verpflichtet ist, als ob von ihm 
allein der Erfolg oder Mißerfolg der deutschen 
Ernährungspolitik abhänge. 


Ist also selbst bei der Landarbeit immer 
wieder eine strenge, unnachsichtige Selbstkon- 
trolle notwendig, um sich der verpflichten- 
den Beziehung zwischen demExistenz- 
kampfunseres Volkesund der eigenen 
Tätigkeit bewußt zu werden, so gilt das in 
noch viel höherem Maße von zahlreichen ande- 
ren Berufen. Hier bedarf die Erkenntnis, daß der 
Existenzkampf unseres Volkes keinem gestattet, 
sein Tun und Handeln als „Privatangelegenheit“ 
anzusehen, daß eines jeden Verhalten zum 
mindesten mittelbar Einfluß auf den Kriegsver- 
lauf hat, eines noch höheren Grades der Einsicht 
in den Lebenszusammenhang der Nation. 


Allerdings muß man sich darüber klar sein, 


O nn u ie dee DE FE TTT 


daB der Verstand allein noch keine 
Bürgschaft für eine Haltung, wie sie der 
Krieg erfordert, bietet. Auf der Annahme, daß 
der Verstand die menschliche Haltung bestimme, 
beruht einer der gefährlichsten Irrtümer des 
Liberalismus. Er hat zu jener Uberschätzung und. 
Uperzüchtung des Intellekts geführt, über deren 
verderbliche Folgen uns erst der Verfall und das 
Versagen des Bürgertums im ausgehenden Zeit- 
alter des Liberalismus die Augen geöffnet hat. 
Die Haltung des Menschen wird vielmehr von 
einer Reihe unwägbarer Eigenschaften bestimmt, 
von denen es abhängt, wie sich der Verstand 
auswirkt. | 
Ob ich den Eigennutzen zur Richtschnur mei- 
nes Handelns wähle oder all mein Tun den 
Geboten des gemeinen Nutzens unterordne, ist 
eine Frage meiner Weltanschauung 
und meines Lebensgefühls, und mein 
Verstand ist nur Anwalt der Entscheidungen, die 
diese getroffen haben. Ob sich mein Schaffen in 
dem Bemühen um das eigene Wohlergehen er- 
schöpft oder ob es seine beste Kraft der Sorge 
um die Zukunft der Kinden und Kindeskinder 
entnimmt, ob es sich in den großen Lebens- 
zusammenhang unseres Volkes dienend einzu- 
fügen vermag, hängt von einer Bewertung mei- 
nes Lebens ab, bei der Gemüt und Geist den 
Ausschlag geben, der Verstand aber nur der 
Sprecher ist. OB der einzelne fähig ist, sich zu 
dem höchsten Standpunkt, den Carl von Clause- 
witz uns lehrt, durchzuringen, zu der Erkenntnis, 
„daß einzelne Geschlechter nichts sind als ein 
geringes Werkzeug der Vorsehung, daß sie 
ihren Wert nur darstellen können in dem Werke, 
was durch sie geschaffen wurde, daß es gleich- 
gültig ist, ob das Werkzeug ein wenig früher 
oder später zerbricht“, darüber entscheidet die 
ganze Artung des Betreffenden, bei der die 
Entwicklung des Verstandes nur ein Faktor von 
vielen ist. | 


Der Einfluß deutscher Bauernart 


Pür die deutsche Menschenart ist die Tatsache 
von schicksalhafter Bedeutung geworden, daß 
das deutsche Volk als Bauernvolk seinen Gang 
in die Geschichte angetreten und als solches 
Jahrhunderte gelebt und gewirkt hat, so daß 
sein Wesen in allen seinen Grund- 
zügen durch sein Bauerntum bestimmt 
und geformt worden ist. Dieser Einfluß läßt 
sich daher auch in allen seinen Lebensäuße- 
rungen beobachten. Seine Stärke wird durch die 
Tatsache, daß er den meisten unbewußt sich 
auswirkt, nicht gemindert. Er wird zudem stän- 
dig erneuert; denn Jahr für Jahr strömen aus 
dem Landvolk allen Gliedern des Volkes neue 
Kräfte zu. Der Einfluß des Bauerntums ist daher 
nicht nur eine aus ferner Vergangenheit stam- 


mende Tatsache, Geht man der Herkunft der 
städtischen Familien nach, so ergibt sich bei der 
überwiegenden Mehrzahl, daß die zweite oder 
dritte, fast mit Sicherheit aber die vierte oder 
fünfte Generation vom Lande stammt. So ist 
auch das starke Anwachsen der Städte an und 
für sich noch kein Beweis für den abnehmenden 
Einfluß des Bauerntums. Die Funktion einer 
Baumwurzel wird ja nicht dadurch gemindert, 
daß der Stamm, der dieser Wurzel entsprießt, 
sich immer höher emporreckt, daß die Krone, die 
er trägt, sich mehr und mehr ausbreitet. Aller- 
dings darf auch nicht übersehen werden, daß bei 
gesundem Baumwuchs sich Wurzelwerk, Stamm 
und Krone in einem bestimmten Verhältnis zu- 
einander befinden müssen, daß, wenn das Wur- 
zelwerk verkümmert, das Wachstum des ganzen 
Baumes naturnotwendig leiden muß; denn dieser 
bildet ja eine organische Einheit, von der sich 
kein Glied separieren kann. So ist der bäuer- 
liche Einschlag, der alle Glieder unseres Volkes 
bis in seine letzte Verästelung kennzeichnet, nur 
der Ausdruck der naturgegebenen Einheit deut- 
schen Volkstums. Wer daher deutsche Volksart 
In ihrer letzten Tiefe erkennen will, muß um das 
Wesen deutschen Bauerntums wissen. 

Das zeigt sich in den großen Bewährungs- 
stunden der Nation mit besonderer Eindringlich- 
keit. An einer anderen Stelle dieses Heftes wird 
den geschichtlichen Zusammenhängen zwischen 


deutschem Soldatentum und deutschem Bauern- 


tum nachgegangen. (Vgl. Dr. Klaus Schmidt, 
Pflug und Schwert, Seite 20 ff.) Aber auch ohne 
Kenntnis dieser Zusammenhänge zeigt sich 
der wesenbestimmende Einfluß des deutschen 
Bauerntums auf das deutsche Soldatentum in der 
das ganze deutsche Volk kennzeichnenden 
Grundeinstellung zum Kriege. For den 
Bauern ist der Krieg weder Selbstzweck noch 
Mittel zu jedem beliebigen Zweck. Der deutsche 
Bauer hat stets nur dann zum Schwerte -ge- 
griffen, wenn er seinen Hof, seine Familie, den 
Lebenskreis seiner Heimat bedroht sah oder 
wenn die Enge seines Lebensraumes ihn zwang, 
neue Heimat zu suchen. Diese entschlossene 
Verteidigung seiner Heimat beschränkte sich 
allerdings nie auf die Sicherung lediglich der 
materiellen Existenz. Der deutsche Bauer wollte 
stets auf seiner Scholle mit der Selbstverant- 
wortlichkeit des freien Mannes wirken. Daher 
nahmen seine Kämpfe um Haus und Hof immer 
wieder den Charakter von Freiheitskämpfen an. 
Nur Kriege, die diesen Zielen galten,. empfand 
der deutsche Bauer als gerecht, d. h. als, weil 
seiner ganzen Art entsprechend, innerlich not- 
wendig. Nur in solchen Kriegen gelang es, seine 
ganze Kraft aufzubieten. Demgemäß ist auch 
stets die Einstellung des ganzen deutschen Vol- 
kes zum Kriege gewesen. Die geballte Kraft der 


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ganzen Nation mobil zu machen, ist stets nur 
dann gelungen, wenn es galt, Heimat und 
Freiheit zu verteidigen, neue Heimat 
zu erringen. Kämpfte das deutsche Volk in 
diesem Bewußtsein, so war es noch immer 
unüberwindlich und wird es auch in diesem 
uns aufgezwungenen Existenzkampfe sein. 


Drei Grundgesetze deutscher Bauern- 
arbeit 


Die Anspannung aller Kräfte, die dieser Kampf 
um Sein oder Nichtsein erfordert, hat nicht nur 
den Soldaten an der Front, sondern jeden 
Schaffenden in der Heimat zum Kämpfer gemacht. 
In dieser Stunde zeigt sich daher mehr denn 
je auch die schicksalbestimmende Bedeutung, 
die der Einfluß deutscher Bauernart auf die 
Arbeitsauffassung des deutschen Vol- 
kes hat. Arbeit und Leben stehen für den 
Bauern in einem so unmittelbaren ursäch- 
lichen Zusammenhang, daß für ihn die Auf- 
fassung der Arbeit als Dienst am Leben eine 
naturgegebene Selbstverständlichkeit ist, die 
keiner Begründung bedarf. Bäuerliche Pflicht- 
treue ist daher Ausdruck des Willens zum Leben 
und wird nicht etwa als Verdienst empfunden. 
Nur so ist es erklärlich, daß der Bauer seine 
Arbeit zu leisten vermag, ohne daß er jemals 
mit Sicherheit weiß, ob die Natur diese Arbeit 
mit der erhofften Frucht segnen wird. Er weiß 
nur eins: Wer leben will, muß arbeiten. 
So fühlt sich der Bauer stets in der Hand eines 
allwaltenden Schicksals, das den Arbeits- 
unfähigen ebenso wie den Arbeitsunwilligen als 
untauglich oder unwürdig zum Leben unerbitt- 
lich zerbricht. Nichts lag dem Bauern ferner als 
etwa Gotteslästerung, wenn er den Spruch ge- 
prägt hat: „Hilf dir selbst, dann hilft dir auch 
dein Herre Gott.“ Der Bauer erlebt es ja stets 
von neuem am eigenen Leibe, daß Gott nur 
in den Starken mächtigist. 


Das zweite große Gesetz aber, unter 
dem seine ganze Lebensarbeit steht, beruht auf 
der Erkenntnis, daß, wie sein eigener Arbeits- 
erfolg aufbaut auf der Arbeitsleistung seiner 
Ahnen, er selbst mit seinem Schaffen berufen 
ist, den Grund zu legen für das. Wirken seiner 
Kinder. So wächst der Bauer mit seinem Werke 
über sich hinaus und greift gestaltend ein in 
eine Zukunft, die er mit eigenen Augen nicht 
mehr erlebt. So lernt er aus ureigener Erfahrung 
heraus in Geschlechtern denken. So 
weitet sich für ihn die Erkenntnis: „Wer leben 
will, muß arbeiten” zu dem Gebot: „Schaffe, 
damit deine Kinder zu leben haben.“ 
Dieses Wissen um die Einordnung seiner 
Lebensarbeit in den großen Lebensstrom von 
Geschlecht zu Geschlecht bewahrt den Bauern 


16 


schichte. 


nicht nur vor kurzsichtigem Raubbau am Boden, 
der wohl reiche Väter, aber arme Söhne macht, 
sondern gibt ihm Kraft und Mut, sich an Werke 
heranzuwagen, die er nie anpacken würde, wenn 
für. sein Schaffen nur der persönliche Lebens- 
erfolg ausschlaggebend wäre, So geht von der 
Erkenntnis, daß die eigene Arbeitsleistung viel- 
fältig in der Arbeitsleistung der Kinder fort- 
wirkt, der Antrieb zu einer steten Lei- 
stungssteigerung aus, die den deutschen 
Bauern zum Pionier intensivster Landeskultur in 
der ganzen Welt gemacht hat. 

Wie so als Dienst am Leben die Arbeit zum 
Dienst an der Familie wird, so wird sie in wei- 
terer Konsequenz zum Dienst in und an den über 
dıe Familie hinausgreifenden Lebensgemein- 
schaften wie Nachbarschaft, Dorf, Berufsstand, 
die die Zellen des .Volksorganismus bilden. 
Damit ist dast dritte Gesetz gegeben, unter 
dem die bäuerliche Arbeit steht: der Dienst 
in und an den Lebens gemeinschaften, 
die in ihrer letzten großen Zusammen- 
fassung sich zur Volks gemeinschaft 
ausweiten. Auch dieses dritte Gesetz gründet 
sich auf das unmittelbare Erleben des 
Bauern. Die großen Kulturleistungen des deut 
schen Bauerntums — es sei nur an die Geschichte 
der Ostsiedlung erinnert — sind in erster Linie 
der Kraftkonzentration zu verdanken, die sich in 
den bäuerlichen Lebens gemeinschaften vollzog. 
Um die Bedeutung der Gemeinschaft für den 
Lebenskampf zu erkennen, bedarf der Bauer 
aber nicht erst des Rückblickes in die Ge 
Jedes Bauernleben bietet Beispiele 
genug, was eine gute Nachbarschaft, eine fest- 
gefügte Dorfgemeinde in Zeiten, die höchste 
Kräfteanspannung erfordern, zu leisten vermag, 
und der Krieg unterstreicht diese alte bäuerliche 
Lebenserfahrung mit besonderem Nachdruck. 

So war für den deutschen Bauern von jeher 
ein fester genossenschaftlicher Zusammenhalt in 
den verschiedensten Formen nicht etwa der 
Ausdruck sentimentaler Schwarmgeisterei, son- 
dern Ausfluß der Erkenntnis, daß das Schaffen 
in Gemeinschaft zu höchster Leistungssteigerung 
befähigt. Die bäuerlichen Lebensgemeinschaften 
entsprangen nicht dem Anlehnungsbedürfnis 
von zu selbständiger Tat unfähigen Schwäch- 
lingen, sondern dem Willen ihrer persönlichen 
Leistung wohlbewußter Starker, durch festen 
Zusammenschluß noch stärker zu 
werden. So ist es auch erklärlich, daß gerade 
der deutsche Bauer mit seinem so ausgeprägten 
Selbständigkeitsdrang, der in dem Bewußtsein, 
Herr auf eigener Scholle zu sein, seinen höchsten 
Ausdruck findet, in so reichem Maße genossen- 
schaftliche Lebensformen entwickelt hat. Als 
Gebot bäuerlichen Lebenskampfes, als Willens- 
bekenntnis zu höchstmöglicher Leistungssteige 


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Julius Paul Junghanns 


Lob der Bauernarbeit” 


von Walter Horn 


A, dem steilen Berghang sind die Mäher am Werk. Vor dem tiefblauen Himmel, in der 

klaren reinen Luft des Hochgebirges, klingt der feierliche Rhythmus der bäuerlichen 
Arbeit. Mit kühnen, klaren Linien sind die Gestalten der drei arbeitenden Bauern um- 
rissen, mit zügigem Schwung verrichten die kräftigen Mähergestalten ihr schweres 
Tagewerk. Hellgrün glänzt das frisch gemähte Gras, weiß leuchten die Hemden aus derbem 
Leinen in der Sonne. Was die Kraft der Farben auszusagen vermag, was die vom Künstler 
geformte Linie unserer Phantasie an Erlebniswerten vermitteln kann, hat Albin Egger- 
Lienz in seinem Bild „Bergmäher' zu einem Symbol von einmaliger Ausdrucksfülle ver- 
dichtet. Es gibt wenige Bilder, in denen der Verzicht auf alle malerischen Effekte, auf 
Rührung des Gemüts und poetisch lyrische Stimmungen so kompromißlos durchgeführt 
worden ist. Die Kraft der reinen Formen, von aller Zufälligkeit und kleinlichen Alltäglich- 
keit befreit, redet eine erhabene Sprache. Das Werk des Bauern, in die Urgewalt der 
Landschaft gestellt, ersteht als künstlerisches Sinnbild in elementarer Größe, ein Hymnus 
der bäuerlichen Arbeit, ein Andachtsbild für den erdverbundenen Menschen, ein Preislied 
auf die Arbeit des Landmannes, wie es in der Kunst niemals schlichter, sparsamer und 
ergreifender geformt worden ist. 

Die Kunst gibt einen zuverlässigen Maßstab für den Besitz des Volkes an seelischer Kraft 
und schöpferischer Eingebung. Was die Gemeinschaft im Innersten bewegt, offenbart sich 
im Spiegel der bildnerischen Impulse. Aber wie weit auch der Künstler die Grenzen seiner 
schöpferischen Einsicht steckt, im Mittelpunkt seines Ringens um ein gültiges Abbild des 
Weltgeschehens steht immer der Mensch. Kunst kann Ausdruck des Gefühls sein. Im 
höheren Sinne strebt sie nach einer Ordnung und Klärung der sichtbaren Wirklichkeit. 


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24 14 0 CX Ten? (9 
Digitized by NJI U OU XI 
Se d — ` 


Pflüger 


Die echte Kunst will umgeformtes seelisches 
Erleben vergegenwärtigen, schöpferische 
Spannung, die zur Gestaltung drängt, klare 
Form, die innere Klarheit voraussetzt. Des- 
halb bemüht sich der Künstler nicht nur um 
das Abbild des Menschen, sondern er er- 
kennt eine hohe und verpflichtende Auf- 
gabe, ihn tätig und schaffend darzustellen, 
einer Leistung gerecht zu werden, die im 
Dienste der Gemeinschaft vollbracht wird, 
So erleben wir die Kunst als ethisches 
Bindeglied zwischen dem Lebenskreis der 
Persönlichkeit und dem Volksganzen. 


Es ist bemerkenswert, daß Wilhelm 
Leibl, der bedeutendste Maler bäuer- 
licher Charaktere, für sich die Darstellung 
des arbeitenden Bauern abgewiesen hat. 
Dieser um seine innere schöpferische Voll- 
endung ringende Meister meinte der Eigen- 
art des erdverbundenen Menschen nur mit 
den Mitteln künstlerischer Charakterisie- 
rung gerecht zu werden. Der Wert der Per- 
sönlichkeit offenbarte sich der individua- 
listischen Epoche vor allem im Porträt, in 
einer sorgfältigen Darstellung der äußeren 


D 


Georg Ehmig Der Sensendengler 


Willy Waldapfel Erntesegen 


Leonhard Sandrock 


Mittagspause am Dampf-Pflug 


Wesenszüge, die auch eine Ahnung vom inneren Gesicht, vom seelischen und charakter- 
lichen Eigenwert des Menschen vermittelt. Das schlechte Beispiel der süßlichen und 
verflachten Bauerndarstellung um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hat selbst einen 
Leib] abgeschreckt, den bäuerlichen Menschen in seiner Arbeit darzustellen. Der kom- 
pr Öse und einsam um die Verwirklichung seiner Aufgabe bestrebte Leibl lehnte jede 
lerische Darstellung, die den bäuerlichen Menschen in eine tätige Beziehung zu 
er Arbeitswelt setzte, als einen billigen Tribut an unkünstlerische Gefühlswerte ab. 


bb hatte die Erfahrung eines langen, mühseligen Arbeitslebens unter den Bauern der 
oberbayerischen Landschaft hinter sich, als er seinem künstlerischen Bemühen um ein 
Gültiges Abbild des bäuerlichen Menschen bewußt enge Grenzen zog. Die Darstellung des 
Andmanns als wirkende und tätige Persönlichkeit, das uralte heilige Handwerk an der 
Erde im unabänderlichen Rhythmus von Saat und Ernte, muß auf anderen künstlerischen 
Grundgesetzen aufbauen, als sie Leibl seinem schöpferischen Wesen gemäß empfand. Die 
Verkörperung des tätigen Menschen, die schöpferische Bezwingung der kraftvollen 
Arbeitsbewegung, die unser Auge als eine rastlose Folge von Eindrücken in sich aufnimmt, 
| die Malerei zwangsläufig in den Bereich der monumentalen Gestaltung. Der 
Rhythmus des Schaffens will einen Widerklang im Gefüge des Bildes finden. Die bedrän- 
gende Vielgestaltigkeit des Tuns, von dem die Photographie einen Sekundenausschnitt 
letet, muß sich im Bild gleichsam als Akkord einer leiseren und gemäßigteren Formung 
der Linien vergegenwärtigen. Deshalb strebt die monumentale Malerei vom Abbild des 
Geschehens zum Sinnbild, von der bewegten Form zur strengen Linie, vom flüchtigen 
Erfassen der Gegenwart zur Vergeistigung und Verinnerlichung. 


Nun haben die Künstler unseres Volkes seit alter Zeit die harte Arbeit des Bauern immer 
teder mit naiver Ursprünglichkeit dargestellt, weil sich in der Arbeit auf Acker und Feld 
die Sorge des Menschen um Nahrung und Brot am sinnfälligsten offenbarte. Schon vor 
709 Jahren hat ein unbekannter Meister an der Fassade des Straßburger Münsters, an den 


Sockeln des Reigens der klugen und törichten Jungfrauen, die ewige Wiederkehr der 
zwölf Jahresmonde in sinnbildlichen Darstellungen der Bauernarbeit im Jahreslauf ver- 
körpert. Uraltes, bildgewordenes Volksgut, ein kräftiges und natürlich-derbes Loblied auf 
die Arbeit des Landmannes, klingt auf ungezählten Holzschnitten, Stichen und Tafel- 
bildern, in Bilderhandschriften und auf Kalenderblättern volksliedhaft wider. Wie alle 
Kunst, die noch am naiven Ursprungsort des schöpferischen Bildens verharrt, bleiben diese 
alten Darstellungen der Bauernarbeit im Bereich des einfachen künstlerischen Vorwurfs, 
über den der Künstler fabulierend berichtet, ohne das Motiv durch eine bewußte ästhe- 
tische Durchformung vor den Augen des Betrachters zu erhöhen und zu vergeistigen. Auch 
wo die Darstellung der Bauernarbeit einen moralisierenden Charakter gewinnt, wo bauern- 
feindliche Bestrebungen der Zeit den Maler zu karikierender Verzerrung verführen oder 
wo der Künstler vor der harten Wirklichkeit in das vermeintliche Idyll des Landlebens 
flüchtet, bleibt der künstlerische Wert der Darstellung auf formale Wesenszüge beschränkt 
und kann sich von der Enge individueller Begrenzung nicht frei machen. Auch die mit 
Recht gerühmten niederländischen Bauernmaler des 16. und 17. Jahrhunderts, die Feniers, 
Brouwer, Ostade, spiegeln in ihrem Werk bei hohem künsterischem Eigenwert ihrer Bilder 
immer noch eine zeitgebundene Auffassung von Bauernleben und Bauernarbeit, die von 
einer ethischen Wertung des bäuerlichen Schaffens weit entfernt ist. 


Aus dem Erscheinungsbild dieser erdhaften Darstellungen bäuerlicher Menschen erhebt 
sich einsam und groß das Werk des Pieter Breughel, der den Ehrennamen „Bauern— 
Breughel” trägt. In seinen Bildern offenbart sich überraschend, mit elementarer Kraft, eine 
unbefangene Darstellung des Bauernlebens. Das bäucrliche Dasein wird in seiner Mühe 


Carl Ederer Am Marktplatz 


gheit, in seiner Lebensfülle und überquellenden Kraft mit sittlichem Ernst be- 

Die Bauernarbeit in der üppigen Landschaft Brabants, die Breughel mit der 
nigen Versenkung des Genies in das urtümliche Wesen bäuerlicher Menschen 
gewinnt durch schöpferische Verinnerlichung den Rang eines Beispiels von 
yralischer Sinnbildlichkeit. Die unbestechliche Sachlichkeit dieser Darstellung der 
n Lebenswelt weiß mit scheinbar altertümlichen Ausdrucksmitteln vollendet 
Wirkungen zu erzielen. Hier wird zum erstenmal in der Kunst ein Bauer geschil- 
als Herr und Diener der Natur sich über allem Irdischen als tätige Lebensmacht 


‘oße Vorbild Breughels hat im vorigen Jahrhundert in Frankreich einen künst- 
ı Nachhall gefunden, in dem sich lebendiges Empfinden für die Überlieferungs- 
oßer Vorbilder mit einem ernsten Bemühen um neue Ausdruckswerte verbindet. 
orfe Barbizon fand sich ein Kreis von Malern, betreut von einer deutschen Wirtin, 
»emühte, in dem arbeitenden Bauern mehr als eine Staffage der Landschaft zu sehen 
;chaffende Werk des Menschen in der Natur mit sparsamen künstlerischen Mitteln 
cken. Millet war der bedeutendste dieser französischen Bauernmaler. Seinen 
ler Landarbeit eignet ein andächtiger Wesenszug, das ernsthafte Bemühen, mit 
enen Mitteln viel auszusagen. Doch soll man die zeitgebundene soziale Tendenz 
lder Millets nicht übersehen, die vor der Last der Arbeit einen Ausweg sucht, ohne 
che Kraft des bäuerlichen Werktags als schicksalhaft zu empfinden. Ein Brief 
pricht diesen Zwiespalt deutlich aus: „Auf den bestellten Feldern... erblicken 
ende, hockende Gestalten. Von Zeit zu Zeit sehen Sie, wie sie sich das Kreuz 
urechtrücken, wie man sagt, und den Schweiß mit dem Rücken der Hand ab- 
Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen! Ist das die fröhliche, 
sene Arbeit, an die manche Leute uns glauben machen möchten? Und doch befindet 
de hier auch die wahre Menschlichkeit, die große Poesie.“ 


bt Millets Verdienst, daß er den Bauern nicht im Sonntagsgewand, sondern bei der 
»malt hat, nach einer ernsten und innerlichen Auffassung des Landlebens strebend. 


Die Bergmäher 


Rudolf Schramm-Zittau 


Dieses schlichte Wesensbild des bäuerlichen Menschen wurde von der deutschen Malerei 
zu einer neuen, ernsten und wahren Kunstauffassung vertieft. Leibl und Uhde, die Maler- 
kreise in den Dörfern Willingshausen, Worpswede und Dachau, Heinrich von Zügel und 
seine Schule in dem rheinischen Dorf Wörth haben einer elementaren künstlerischen 
Deutung und ethischen Begründung der Notwendigkeit des bäuerlichen Tuns den Weg 
gebahnt. Diesen Künstlern danken wir, daß die unechte und verlogene Schilderung des 
Bauernlebens, die für viele Jahrzehnte das Feld der Kunst als süßliche Situationsmalerei 
und redseliges Panorama beherrschte, von einer künstlerisch gestalteten Lebenswirklich- 
keit abgelöst wurde. 


Albin Egger-Lienz, ein echt bäuerlicher Mensch, in einem kleinen Tiroler Dorf 
geboren und von Kind auf mit den Mühen und Gefahren der Bergbauernarbeit vertraut, 
hat als erster deutscher Maler den Weg zur monumentalen Darstellung der bäuerlichen 
Arbeit konsequent bis zur Vollendung durchschritten. Er erkannte die Aufgabe des 
Künstlers, die Welt der Sichtbarkeit zu einem Ausdruck zu entwickeln und von allem 
Zufälligen zu befreien. Höchste künstlerische Aufgabe erschien ihm, ein Sinnbild des 
Menschen zu schaffen, der mit der Arbeit seiner Hände der Erde das Brot für sich und sein 
Volk abringt. Sein künstlerischer Ernst verleiht den schlichten Handhabungen der bäuer- 
lichen Arbeit Größe und Dauer. Vor der Unermebßlichkeit der Natur kann nur die erhabene 
Arbeitsmühe des Bauern bestehen. Egger-Lienz hat, wie einer seiner Biographen auf- 
zeichnet, den Stadter" als einen künstlerisch für ihn kaum in Betracht kommenden 
menschlichen Vorwurf bezeichnet, den Arbeiter ausgenommen, denn dieser erschien ihm 
wie der Bauer als das Abbild des werktätigen Menschen, „dessen Daseinsberechtigung 
schon durch den physischen Ausdruck seiner Arbeitsleistung gegeben ist“. „Seine Glied- 
maßen, seine Haltung, sein Gang, das alles ist auf den täglichen Lebenskampf eingestellt 
und daher noch unverbildet, noch nicht überkultiviert.“ 


Wenn man die monumentalen Gemälde der Bauernarbeit von Egger-Lienz mit Bildern 


Frau mit Ziege 


Carl Kayser-Eichberg Pflügender Bauer 


Millets vergleicht, spürt man, wie der Deutsche alle Fesseln der zufälligen Erscheinung 
gesprengt hat, nach einer großgefügten Ordnung des Bildganzen strebt, die den arbei- 
tenden Bauern und seine Landschaft gleichsam von neuem schafft. Der Sämann schreitet 
über den Acker und streut mit weitausholender Gebärde das Korn. Der Pflüger mit dem 
Ochsengespann steht einsam zwischen Himmel und Erde auf seinem Acker wie ein grauer 
Felsblock. Die Bergmäher, fast nur Silhouetten vor dem dunkelblauen Himmel, führen die 
Sensen mit sausendem Schwung durch das frische Gras, so handgreiflich im rhythmischen 
Einklang und Widerklang der linearen Umrisse dargestellt, daß man die Bewegung ihrer 
angespannten Arbeitsenergie förmlich zu sehen und hören vermag. Der alte Bauer mit dem 
breitkrempigen Hut tritt am Feierabend wie ein riesenhaftes Urwesen, ein Mensch aus 
Fülle und Kraft, über die Schwelle seines Hauses und erhebt die arbeitsharte Hand zur 
segnenden Gebärde. Die wenigen starken Farben, in denen Egger-Lienz alle Kraft sammelt, 
verklingen mit den Jahren, am Leben reifend, zu einem tonigen Erdbraun. Das ist die Farbe 
des heimatlichen Bodens, die „Eggerfarb‘, die der Vater des Künstlers, der Dorfmaler, ihm 
einstmals als Ausdruck bäuerlicher Empfindungen gerühmt hat. Egger-Lienz hat zu einem 
Freund von dem Wesen dieser Bauernmalerei gesprochen: „Sie sehen da, wie ich nicht 
am Modell klebe und nicht am Detail, sondern durch die Form aus der Natur das Symbol 
des Charakters und umgekehrt den Charakter des Symbols herausreiße... Das organische 
Leben des Menschen wie der Dinge liefert mir das Material zum Bau meiner Form, aber 
ich halte mich durchaus nicht an den optischen Eindruck, an das äußerlich Sichtbare, ich 
schmelze um, ich baue auf, verdeutliche, beseele, versinnbildliche... das Gewöhnliche, 
das Alltägliche zum Symbol, zum Dauernden, zum allgemein Gültigen. Ich trachte, Wahr- 
heit in der Klarheit und Klarheit in der Wahrheit zu geben.“ 


In der Bauernmalerei unserer Zeit wirkt diese große Überlieferung fort, bereichert um 
neue Wesenszüge, die eine Einsicht in die ethische Bestimmung der bäuerlichen Arbeit 
erkennen lassen. Viele deutsche Künstler unserer Zeit, die den Bauern und seine Arbeit 


schildern, haben auf dem deutschen Dorf inmitten des Landvolks ihre schöpferische Heimat 
gefunden. Vor allem die alljährlich im Sommer stattfindende Große Deutsche Kunst- = 
ausstellung im Münchener Haus der Kunst zeigt in Bildern der Bauernarbeit immer 
wieder Beispiele einer volksnahen Kunstgestaltung. Auch die diesjährige Münchener 
Ausstellung hat das Erscheinungsbild der deutschen Kunst durch eine Reihe von Gemälden 
bereichert, die Bilder des ländlichen Alltags und Sinnbilder aus dem Kreislauf des bäuer- 
lichen Jahres sein wollen. Sie mahnen den Beschauer: Ehre das Landvolk, dessen Arbeit 
das Leben des Volkes sichert! 


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Manche Künstler bedienen sich stimmungsgebundener Ausdrucksmittel und lassen uns 
Mensch, Landschaft und Himmel als stillen Zusammenklang in der heißen Mittagsstunde 
der Erntezeit erleben. Andere Maler streben nach einem harmonischen Bildgefüge, dessen 
innere Ordnung in monumentaler Sprache den Sinn des bäuerlichen Lebens, den Segen 
der Bauernarbeit und die Fülle der Ernte kündet. Dabei zeigt Leonhard Sandrock als ein 
Künstler der älteren Generation, der als Industriemaler wegweisend geworden ist, daß die 
Bauernarbeit auch in ihrer modernen Form ein dankbares Motiv des Künstlers sein kann, 
daß die Zusammenarbeit von Landarbeit und Technik der Kunst dankbare Vorbilder gibt. 


Die künstlerische Eindringlichkeit, mit der in unseren Bildern die Bauernarbeit geschil- 
dert wird, vermag im Betrachter ein seelisches Erlebnis zu wecken. Als schöpferisches 
Zeugnis vom Leben des Volkes werden diese Gemälde der Aufgabe der Kunst in ernster 
Zeit gerecht. 


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Rudolf Hermann Eisenmenger Schafhirl 


rung will daher auch das oberste Gesetz aller 
genossenschaftlichen Zusammenschlüsse des 
Bauerntums von alters her verstanden sein, das 
Urgesetz deutschen Sozialismus: Gemeinnutz 
geht vor Eigennutz. Aus dem Willen zu 
höchster Kraftentfaltung erklärt sich die eiserne 
Entschlossenheit, mit der dieses Gesetz von den 
Vertretern der bäuerlichen Eigengerichtsbarkeit 
und Selbstverwaltung gehandhabt wurde. Es ist 
daher auch kein Zufall, daß Aufstieg, Nieder- 
gang und Wiedergesundung des deutschen 
Bauerntums aufs engste mit der Entwicklung 
der bäuerlichen Lebensgemeinschaften zusam- 
menhängen. 

So kennzeichnet die bäuerliche Arbeitsauf- 
fassung die Arbeit als Dienst in dreifacher Be- 
ziehung: als Dienst am Leben und daher als 
Dienst an der Familie und in weiterer Konse- 
quenz als Dienst in und an den volklichen 


Lebensgemeinschaflten. Damit aber wird die ` 


Bauernarbeit zum dreifachen Dienst am Volke. 
Diese Dreieinigkeit des Dienstes ist dem deut- 
schen Bauerntum eingeboren. Sie ist kein Ver- 
dienst, sondern des Bauern Natur. Gerade darin 
aber besteht die schicksalbestimmende Bedeu- 
tung der bäuerlichen Arbeitsauifassung für den 
Lebenskampf unseres Volkes. 


Bäuerliche Arbeitsauffassung und 
deutsches Arbeitsethos 


Mit dem bäuerlichen Blutstrom ist auch das 


Blutserbe der bäuerlichen Arbeits- 
auffassung in alle Teile des deutschen 
Volkes übergegangen und hat seine Kraft 
auch in den so anders gearteten städtischen 
Lebensverhältnissen im Dienste am Volksganzen 
vielfältig bewährt. Wenn wohl kein anderes 
Volk wie das deutsche so sehr geneigt ist, seinen 
Lebensinhalt in der Arbeit zu suchen, so ist 
diese Einstellung, die von jeher das Rückgrat 
deutscher Leistungsfähigkeit gebildet hat, ein 
Widerhall der bäuerlichen Arbeitsauffassung, 
für die Leben und Arbeit eine lebens- 


gesetzliche Einheit bildet. Wenn deutsches 


Wesen dahin gekennzeichnet werden konnte, 
daß Deutschsein heißt: eine Sache um ihrer 
selbst willen tun, d. h. aus innerer Not- 
wendigkeit heraus und nicht um des Erfolges 
willen, s0 spricht daraus das aus deutscher 
Bauernart stammende Pflichtbewußtsein, das 


dem Ruf des Ackers gehorcht, ohne zu wissen, 


ob die dem Acker anvertraute Saat mit Frucht 
lohnen wird, weil das Leben es so gebietet. 
Wenn im Deutschen immer wieder die Sehn- 
sucht mächtig zum Durchbruch kommt, durch 
sein Werk das Wohl der Kinder und 
Kindeskinder zu unterbauen und zu 
5 chern, so folgt das deutsche Volk dem alten 

usrlichen Lebensgebot, für die Ernte auch der 
folgenden Generationen vorzusorgen. 


Die stärkste Allgemeinauswirkung der bäuer- 
lichen Arbeitsauffassung aber erleben wir im 
deutschen Sozialismus in seinen ver- 
schiedenen geschichtlichen Erscheinungsformen, 
der immer wieder den Grundsatz „Gemeinnutz 
geht vor Eigennutz“ zum L&bensgesetz des gan- 
zen deutschen Volkes erhoben hat. Aber 
es wäre nie möglich gewesen, diesem Le- 
bensgesetz die notwendige allgemeine An- 
erkennung zu verschaffen, die dieses in den 
groBen Epochen deutscher Geschichte stets ge- 
funden hat, wenn die innere Bereitschaft 
zur Anerkennung dieses Gesetzes dem deut- 
schen Volke nicht als Erbe deutscher Bauernart 
im Blute gelegen hätte. So. hat auch die volks- 
wirtschaftliche Arbeitsteilung, wie sie sich 
durch die Herausbildung der Städte und die 
fortschreitende Industrialisierung vollzog, nur 
deswegen zu einer gewaltigen Leistungssteige- 
rung der Nation geführt, weil die Idee der 
Gemeinnützigkeit das sittliche Fundament 
der deutschen Arbeitsauffassung bildete. Ohne 
diese Vorherrschaft des gemeinen Nutzens be- 
steht die Gefahr, daß die volkswirtschaftliche 
Arbeitsteilung, wie das durch den National- 
sozialismus überwundene Zeitalter des Liberalis- 
mus warnend beweist, zur Aufspaltung des 
Volkes in gegenseitig sich bekämpfende Inter- 
essentenhaufen führt. Die revolutionäre Kraft 
des Nationalsozialismus, in dem der deutsche 
Sozialismus seine intensivste Ausprägung ge- 
funden hat, aber beruht gerade auf der 
Wiederausrichtung des Blickes aller 
Schaffenden auf das Wohl des Volks- 
ganzen. 


In diesem Sieg der Idee des gemeinen Nutzens 
offenbart sich die trotz aller Irrungen und Wir- 
rungen des Liberalismus ungebrochene 
Kraft des deutschen Blutes. Sie wird 
sich auch in dem Schicksalskampfe der Gegen- 
wart bewähren und das ganze deutsche Volk 
zur Hergabe des Letzten befähigen. Der deutsche 
Bauer kennt in diesem Schicksalskampf nur ein 
Bestreben, sich an Pflichttreue durch niemanden 
überbieten zu lassen. Er fühlt sich in diesem 
Bestreben einig mit allen Deutschen, die diesen 
Namen verdienen, auf welchem Posten sie auch 
stehen mögen, sei es als Soldat an der Front, 
sei es als Schaffender in der Heimat. Er weiß 
mit dem ganzen deutschen Volke, daß die Zu- 
kunft so sein wird, wie wir die Gegenwart 
meistern, mehr noch, daß, wenn wir des Heute 
nicht Herr werden, uns kein neuer Morgen auf- 
leuchtet. In diesem Wissen aber liegt auch die 
Gewißheit des Erfolges; denn der deutsche 
Bauer braucht nur seiner selbst getreu 
zu bleiben, um seine Aufgabe in der Front 
der Schaffenden zu erfüllen, 


17 


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HANNS JOHST: 


Die Quelle unserer Kultur 


ls die Verstädterung begann, löste 

sich die Zivilisation von der Kultur, 
das technische Element vom einfachen 
Leben. Das Brot, das auf dem Lande heute 
noch kultisch vom Bauer als Korn gesät, ge- 
erntet, gemahlen, als Teig geknetet, geformt 
und gebacken wird, das gleiche Brot ist 
Massenware, die elektrisch am laufenden 
Bande fabrikmäßig hergestellt wird. Dieser 
Unterschied etwa charakterisiert so Geist 
wie Seele, so Symbol wie Gehalt, so Natur 
wie Technik, so Zustand wie Fortschritt. 


Wir ländlichen Leute sehen heute noch 
die Dinge so ursprünglich wie vor tausend 


Jahren. Eine Quelle ist uns heute noch eine 
Quelle, und kein Gleichnis für Forschung, 
kein Quellennachweis. Die Dinge sind uns 
alle noch sinnfällig, eindeutig und gegen- 
ständlich. Das heißt, sie stehen gegen uns, 
und wir müssen sie meistern im handwerk- 
lichen Sinne, wir müssen ihrer Herr wer- 
den, sie aus dem Wege räumen oder sie 
nutzen, aber wir sehen sie nicht symbolisch. 


Das Leben ist unmittelbar lebendig ge- 
blieben. Das Dasein ist keine Hausnummer 
in einer kasernenhaften Mietwohnung, 
keine Telephonnummer geworden. Der 
Nachbar ist der Originalität verhaftet ge- 
blieben und hat sich zu keinem Titel oder 
irgendeiner Charge .oder einem Klischee 
verwandelt. Die Originalität, das Ursprüng- 
liche ist bei uns auf dem Dorfe zu Hause. 


Kultur ist aber nichts anderes als bewußt 
gewordene oder zum Bewußtsein ge- 
meisterte Ursprünglichkeit. Sich selber und 
seine Beziehungen zu den Dingen der Um- 
welt erleben und dieses Erlebnis in seinen 
Grundrissen und seinem Plan nachgestal- 
ten, das eben ist das schöpferische Moment, 
das wir als Kulturaufgabe ansprechen. Daß 
die Fassungen, das Erfassen und das Auf- 
fassen der Dinge, der Gegenstände unserer 
Umwelt, sich ständig verändern, diese Tat- 
sache ergibt den Wandel im Wesen der ver- 
schiedenen Kulturepochen. 

Wer sich daher mit Kultur oder Kultur- 
kreisen befaßt, muß zurück zum Ursprüng- 
lichen. Er muß sich selbst als Einfalt beob- 
achten und das Vielfältige seiner zur zwei- 


18 ` 


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ten Natur gewordenen zivilisatorischen 
Routine ablegen, um von diesem unkompli- 
zierten Standpunkte aus sein und das Leben 
überhaupt in die Hand zu nehmen. 


Ja, in die Hand nehmen; er muß alle Be- 
griffe wieder zu Griffen, zu - Handgriffen 
machen, die Eindrücke hinterlassen. Ein- 
drücke in den Gegenständen, um deren Be- 
tracht es ihm geht. Das Oberflächliche muß 
überwunden und die Fläche wieder Mittel 
zum Zweck des Inhaltes werden. Flächen 
bedeuten immer Inhalte, und Inhalte haben 
Sinn. Diese Sinngebung ist Kultur. 


Den Dingen und ihrem Raumanspruch, ` 
ihrem wirklichen Inhalt, ihrer inneren Hal- 
tung Sinn geben, bedeutet einen schöpfe- ` 
rischen Akt, stellt eine Gabe von höchster 
kultureller Deutung und damit Bedeu- RS 
tung dar. 


Der verstädterte Mensch geht etwa E 
das Land, um Motive für sein Atelier zu 
holen, um für seine Heime (der Heimat ging 
er verlustig) Kultur anzureichern. K 

Was malt er eigentlich? s 


Er malt immer und überall die kulturelle 
Leistung des Landmannes. Er malt nämlich 
eine Landschaft, die in jeder Einzelheit das 
Werk, das Meisterwerk ihres Bauherrn, des 
Bauern, ist. Der Bauer hat das Gesicht und. 
das Gesetz der Landschaft bestimmt. Der 
Bauer, und niemand anders, hat die Flächen 
verteilt in das Geviert der Felder. Er hat 
den Waldsaum gemeistert, er hat den Wald 
selbst in seiner Mischung, Farbe und Struk- 
tur wachsen lassen. Er hat den Obstbaum 
gesetzt, er hat den Johannisbeerstrauch ge- 
pflanzt. Er hat die Stelle der Brücke be- 
stimmt, den Fußweg abgeschritten, die erste 
Straße in ihrer Zielsicherheit, ihren Bedin- 
gungen gelegt. Er hat die Mühle an den 
Bach gebaut, genau an der Stelle, die der 
verstädterte Mensch dann schön, idyllisch, 
poetisch oder malerisch findet. 

Alles, aber auch alles ist jahrhunderte- 
altes, natürliches, naturverbundenes Kul- 
turgut des Landmannes, so weit das Auge 
über das offene Land hinschauen mag. Die 
Städter geben nur Maltechnik dazu, Finger- 
fertigkeit und den Holz- oder Gipsrahmen. ` 


Ich spreche keiner Romäntik der bäuer- 
lichen Kultur das Wort. Beileibe nicht. Ich 
weiß genau, was ein Kuhfladen ist und daß 
Hühnerdreck kein französisches Parfüm ist; 
ebenso, daß man bei uns auf dem Lande auf 
manchen Feldwegen bei schlechtem Wetter 
im Dreck stecken bleibt und nicht in hym- 
nischem Rohstoff. 


Kein Wort gegen den Fortschritt der 
Technik. Die Elektrizität ist eine feine, 
saubere Sache, ein nüfzliches Ding. Aber 
alle diese technischen Errungenschaften 
haben mit der quellenden ewigen Anregung 
der immer primitiven, aber schöpferischen 
Natur, der immer verrätselten und wunder- 
vollen, weil voller Wunder, geheimnis- 
vollen Natur nicht das geringste gemein- 
sam. Die Zivilisation des sogenannten 
modernen Lebens, des Lebens auf der sozio- 
logischen Gesellschaftsebene des Asphalts, 
ist eine großartige Tatsache, durch die eine 
bestimmte Spezies von Künsten zur Welt 
gefördert werden wird, die als Zukunfts- 
musik ganz bestimmte Perspektiven eröff- 
net. Sie interessiert hier nicht. Daneben 
wird der Ruf, der Hilferuf: Zurück zur Na- 
tur, immer wieder durch die Jahrhunderte 
klingen. 

Denn immer wieder wird der Musiker 
nicht nur die Geräusche der Motoren und 
Propeller, der Sägen und Elektrischen zur 
Symphonie zwingen wollen, sondern immer 
wieder auch wird der Wind über den Wip- 
feln und das Lied der Vögel am Morgen 
zum Akkord auffordern, und dem Atmen 
des Himmels gleich wird sich die Brust im 
Lied der eigenen Kehle entspannen. In der 
Erinnerung und der Verklärung daran 
werden immer wieder ganz natürliche, land- 
schaftlich gebundene Lieder geboren wer- 
den. Und sie — erlösen diese Gebilde, ihre 
Empfängnis- und Geburtsstunde, ihre Hei- 
mat ganz, sind sie also das, was wir uns 
klassisch zu nennen gewöhnten — sie sind 
die Unsterblichkeiten ihrer Art, jenseits 
vom Experiment und Laboratorium, jenseits 
einer Virtuosität, durch die nackte Technik 
nur zu oft ihr schlechtes Gewissen dem 
natürlichen Leben gegenüber tarnt. 


Haben wir so Volkslied und Beethovens 
Pastorale etwa prinzipiell einmal als länd- 
liches Motiv, als bewußtgewordene Natur 
erkannt, haben wir die gesamte Landschaft 
als Meisterschöpfung des ländlichen Men- 
schen erschaut, brauchen wir nur noch die 
Stile, in denen die Städte ihre Zelte zur 
Versteinerung brachten, zu studieren, um 


zu sehen, wie stark die bäuerliche Bauart 
Beispiel und Anregung für Giebelund Dach, 
für Fenster und Tür bot. Ich habe noch kein 
Stadttor kleinerer, mittelalterlicher Städte 
gesehen, das nicht wie ein Echo auf die 
Scheunentore der Bauernhöfe gewirkt hätte, 
von deren Agrikultur das Leben dieser 
Stadt betreut wurde. 


Warum, wozu treffe ich diese generellen 
Feststellungen? Um erstens: der Gottähn- 
lichkeit des verstädterten Bewußtseins Vor- 
sicht anzuempfehlen bei Quellenangabe 
seiner kulturellen Werke, und zweitens: 
das ländliche Leben vor einer falschen 
Romantik zu warnen. 


Wir Landleute sollen uns tapfer aus den 
Städten an elektrischer Kraft und moto- 
rischer Hilfe, an Technik und Fortschritt 
holen, was wir brauchen, aber wir sollen 
wissen, daß es sich dabei um Nützlichkeiten 
handelt und keine kulturellen Werte. Und 
wir dürfen niemals vergessen, daß unsere 
Kulturwerte sehr schlicht sind, und im Ein- 
fachen, im Natürlichen allein ihren Höchst- 
wert entwickeln und erreichen. Bildung ist 
immer erzieherische Nachbildung natür- 
licher Vorbilder oder sie bleibt eitle Ein- 
bildung! 
` Kino und Radio? Respekt! — Aber ein 
Gang am Feierabend über das Eigene, ein 
selbständiger Betracht des Himmels und 
ein Überblick über die Felder, ein Gespräch 
mit dem Nachbarn, eine Schafschur und ein 
paar Meter selbstgesponnenes Leinen sind 
originelle Köstlichkeiten, die in ihrer seg- 
nenden Ursprünglichkeit nie aus der Stadt 
bezogen werden können, sondern immer 
nur bodenständig erlebt sein wollen und zu 
reinerer Steigerung der eigenen Kräfte 
führen als Abhören und Abgucken ver- 
städterter Vorstellungen. Das eigene boden- 
ständige, landschaftliche Erlebnis ist und 
bleibt der Nährboden aller kulturellen 
Ernten, die deutsche Menschen bisher ein- 
brachten und die sie noch einbringen 
werden. 


Sich dessen zu erinnern ist immer wieder 
gut und richtig. Einkehr bei den Dingen, 
dort, wo sie noch Wuchs sind und orga- 
nische Natur, Stamm und Wipfel, Erde und 
Stein, Pflanze und Tier, solche Einkehr lehrt 
die kultische Nähe ihres Sinnes. Und die 
erste Sinngebung, die erste Behandlung 
dieser Dinge gibt alle Anfänge jeden kul- 
turellen Lebens preis. 


Dieser Preisgabe, dieser Offenbarung aber 
gilt unsere Besinnung. 


19 


KLAUS SCHMIDT: 


PFLUG „SCHWER 


„Pflug und Schwert 

sind aus einem Stahl; 

es bleibt dir keine Wahl: 

Du mußt sie beide schmieden.“ 


De Dichter schrieb diese Worte aus dem Er- 
lebnis unserer Zeit heraus, und doch kleidete 
er mit ihnen eine Wahrheit in poetisches Ge- 
wand, die zu allen Zeiten für alle Staatslenker 
und für alle Völker unseres Kulturkreises ihre 
Gültigkeit gehabt hat. 


Die Geschichte lehrt uns, daß Wehrhaftigkeit 
und bäuerliche Lebensgestaltung der Bewohner 
die solidesten Grundlagen der Staaten sind, die 
Fundamente,-aus denen heraus sie sich zu Groß- 
und Weltmächten entwickeln. Sie lehrt uns 
weiter, daß Wehrkraft und Bauerntum zum min- 
desten bei den Völkern nordischer Rasse in 
einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zuein- 
ander stehen, insofern bäuerliche Lebenshaltung 
und bäuerliche Gesinnung die besten Voraus- 
setzungen der Wehrkraft einer Nation sind. Am 
deutlichsten zeigt das aus dem Kreis der alten 
Völker das Beispiel Roms, dessen Bauern- 
heere Italien eroberten und latinisierten und so 
das Weltreich schufen, an dem das Bauerntum 
nachher zugrunde ging. Schließlich kämpften in 
den Heeren Roms die Söhne germanischer 
Bauern, weil Rom mit seinem Bauerntum auch 
seine Wehrkraft eingebüßt hatte. 


Germanisches Wehrbauerntum 


Auch die deutsche Geschichte ist die Ge- 
schichte eines Volkes, dessen Bestand inmitten 
einer oft feindlichen Umweltimmervonzwei 
Faktoren entscheidend abhängig war: 
von seiner Wehrhaftigkeit und von der Bluts- 
kraft und Arbeitskraft seiner bäuerlichen Sippen. 
Heute erleben wir diese Tatsache sehr eindring- 
lich. Bauer und Soldat kämpfen jeder an seinem 
Platz in engster Schicksalsverbundenheit um die 
Sicherung der Zukunft des Volkes. Pflug und 
Schwert sind so — allen sichtbar — die großen 
Symbole unserer Zeit geworden. 


In ihrem Zeichen stand aber schon die dämmer- 
erfüllte Frühzeit germanischen Menschentums. 
Bäuerliche Lebenshaltung und hochgezüchtete 
Wehrkraft sind die bestimmenden Kennzeichen 
der germanischen Kultur gewesen. Sie waren 
von so prägender Kraft, daß für diese auf der 
Welt einmalige Verschmelzung die Bezeichnung 


20 


als Schutzmaßnahme gedacht, wirkte sich jedoch 


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„Bauernkriegertum“ gefunden ke 
Während seiner ganzen Geschichte ist der deut- 
sche Bauer schwertkundig und schwertfreud 
geblieben, wenngleich sich durch die Ausbildung 
eines besonderen Kriegerstandes im frühen 
Mittelalter das Waffenrecht des Bauerntums er- 
heblich verschlechterte und es weder das Fehde- 
recht noch das der Heerfolge besaß. GP 


Trennung von Nähr- und Wehrstand 


Es ist natürlich kein Erlahmen des alteı 
Kampfgeistes der germanischen Bauern gewesen, 
wenn sich mehr und mehr ein ausgesprochener 
Nährstand und ein ausgesprochener Krie- 
gerstand voneinander absetzten. Die En 
lung vom sozial wenig gegliederten Kleinstaat 
zum großräumigen karolingischen Imperium mi = 
seinen anspruchsvollen Aufgaben der Ve 
tung, Verteidigung, Kulturpflege und Wi € 
bedingfe eine Aufgabenteilung, aus der allm äh 
lich die Berufsstände erwuchsen. Großraui 
politik ließ sich auf die Dauer nich 
mit den Mitteln und Möglichkeit 
einer schwerfälligen Landwent 
machen, und eine allgemeine Wehrpflicht mit 
gewissen Ausbildungszeiten, ähnlich wie wir sie 
heute haben, lag noch außerhalb der Möglich- 
keiten der Zeit. 


Unter Karl dem Großen bahnt sich die Tren- 
nung der Stände an. Zunächst wurde der arme 
Bauer vom Kriegsdienst ausgenommen. Das wär 


als Minderung der sozialen, später auch der 
'rechtlichen Stellung aus. Eine Capitula von 
825 nannte bereits die Freibauern, die wegen 
ihrer Armut nicht oder nur mit Hilfe fremder 
Unterstützung ausziehen konnten, Freie zweiter 
Ordnung, liberi secundi ordinis. Damit ist schon 
die im Mittelalter aufgebrochene Kluft zwischen 
Kriegerstand und Nährstand angedeutet. Seit 
dem 11. Jahrhundert ist der Bauer als Träger des 
Waffenrechts im Heer nicht mehr anerkannt, er 
hat nicht mehr das Recht der Heerfolge. Der 
Dienst im Reichsheer ist feudaler Ritterdienst 
geworden. Es war dann nur eine natürliche 
Folge, daß der Bauer auch im Waffenhandwerk 
weniger geübt war als der Ritter. Die tiefe Kluft, 
die mit der Zeit zwischen dem entarteten Ritter- 
tum und dem mißachteten Bauerntum entstand 
— wie sie uns z. B. das Gedicht vom ‘Meier 
Helmbrecht, gegen Ende des 13. Jahrhunderts, in 


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so eindrucksvoller Weise zeigt —, ist mit ein 
Grund gewesen für die schmachvolle 
Schwäch edes Reichs in den Jahrhunderten 
des späten Mittelalters. Wenn irgendwo, dann 
hat sich hier erwiesen, wie verderblich sich für 
Volk und Staat der Riß zwischen einem bevor- 
rechtigten Kriegerstand und einem vom Kriegs- 
dienst ausgeschlossenen Bauerntum auswirken 
muß. 


Zeugnisse bäuerlicher Wehrkraft 


Wenn also das Bauerntum dem Waffendienst 


weitgehend entfremdet wurde, so war es das 
Opfer einer Entwicklung geworden, die doch 
nicht den Geist der Wehrhaftigkeit betraf, der 
im deutschen Bauerntum zu keiner Zeit ge- 
schwunden ist und der überall dort wieder auf- 
lebte, wo er angesprochen wurde. Das ganze 
Mittelalter hindurch war der Bauer zur Land- 
folge und später zur Gerichtsfolge ver- 
pflichtet, die beide den Besitz und das zum min- 
desten gelegentliche Tragen von Waffen voraus- 

setzten. Die Landfolge trat ein, wenn der Feind 
in das Land drang. In diesem schwersten Fall 
der Bedrohung des Vaterlandes — wobei dieser 
Begriff sich zunehmend territorial verengte — 
konnte man auf die im Bauerntum ruhenden 
Reserven an Wehrkraft niemals verzichten. Wir 
kennen sogar Beispiele aus der Blütezeit des 
ritterlichen Feudalheeres, in denen das bäuer- 
liche Aufgebot zur Verstärkung herangezogen 
wurde. Die späteren Gottes- und Landfrieden 
des hohen Mittelalters kannten allerdings nur 
noch die Gerichtsfolge gegen Verbrecher, Diebe 
und Räuber. Diese Gerichtsfolge ist also eigent- 
lich Polizeidienst gewesen, und bei diesem spiel- 
ten die Bauern eine große Rolle, waren sie doch 
sogar verpflichtet, vor Herankommen des ritter- 
lichen Aufgebotes die Belagerung der Burg des 
Friedensbrechers zu übernehmen. Landfolge 
und Gerichtsfolge haben entwick- 
lungsgeschichtlich ihre besondere 
Bedeutung als Brücke vom alten 
Volksaufgebot zum Volksheer, das frei- 
lich erst durch Scharnhorst verwirklicht wurde, 
uns aber schon in verheißungsvollen, aber 
wieder gescheiterten Anfängen im späten Mittel- 
alter entgegentritt. Landfolge und Gerichtsfolge 
haben erhaltend auf die Wehrkraft des deut- 

schen Bauern gewirkt, indem sie seinen Aus- 
schluß von der Heerfolge und die Beschränkung 
des bäuerlichen Waffenrechts durch gewisse 
Forderungen an die NEN teilweise 
wieder ausglichen. 


Die überzeugendsten Beispiele bäuerlicher 
Wehrhaftigkeit aus der Zeit des hohen Mittel- 
alters finden sich jedoch im Zuge der Ostsied- 
lung und in jenen Randgebieten des Reiches, in 
denen das feudale Herrschaftssystem nur un- 
vollkommen oder sehr spät Eingang fand. Am 


d & 
bekanntesten sind die kriegerischen Leistungen 
der Dithmarscher, Friesen, Stedinger und 
Schweizer Eidgenossen geworden, die ihre von 
den Vätern ererbten Freiheiten und Rechte 
gegen alle Fürsten verteidigten, die es versuch- 
ten, sie in Untertänigkeit zu zwingen. Ein eng- 
lischer Mönch schrieb von den friesischen 
Bauern im Jahre 1230: „Um der Freiheit willen 
setzen sie ihr Leben aufs Spiel und wählen lieber 
den Tod als die Knechtschaft.“ Bei den Dith- 
marscher Bauern mußte jeder männliche Ein- 
wohner zur Landesverteidigung bereit sein. Die 
Wehrmannschaften waren straff durchorgani- 
siert, und jedes Jahr versammelten sie sich an 
bestimmten Orten zur Waffen- und Heeresschau. 
Als Waffen dienten den Dithmarscher Bauern 
Schwert, Schild, Speer, Lanze, Hellebarde und 
Streitaxt; später traten noch Armbrust und 
Büchse hinzu. In drei großen Schlachten bewies 
der Dithmarscher Bauer seine durch die ge- 
schickte Ausnutzung der Gegebenheiten seines 
Landes unterstützte kämpferische Überlegenheit 
über die Ritter- und Söldnerheere seiner fürst- 


lichen Gegner, %19 bei Oldenwörden, 1404 in 


der Hamme und 1500 bei Hemmingstedt. Beson- 
ders die letzte Schlacht ist ein ewiges Ruhmes- 
blatt bäuerlicher Kriegstüchtigkeit geworden. 
Noch jahrhundertelang kündeten Lieder und Ge- 
schichten von der Schlacht bei Hemmingstedt, 
in der die Blüte des dänischen und holsteini- 
schen Adels elend umkam. 


Die schweizerischen Eidgenossen haben in 
der Kriegsgeschichte noch mehr Ruhm geerntet, 
weil sie mit ihrer neuen Taktik des Hellebarden- 
kampfes zu Fuß das Ende des feudalen Ritter- 
kampfes zu Pferde ankündigten. Ihre Infanterie 
erwies sich dem Ritterheer gegenüber als über- 
legen, und so sind diese alemannischen Bauern 
eigentlich die Väter des im,späten 
Mittelalterauftauchenden Lands- 
knechtstums geworden, das im 16. Jahr- 
hundert als Berufskriegertum die ausschlag- 
gebende Heeresformation wurde. Die Schlachten 
bei Morgarten 1315 und Sempach 1386 sahen wie 
die bei Altenesch, Hemmingstedt und Hart- 
werden auf der einen Seite fast rein bäuerliche 

„Aufgebote, auf der anderen Seite Ritter oder 
Söldner, jedenfalls Berufskrieger. 


Es ist bekannt, wie aus den großen militä- 
rischen Erfolgen der Schweizer Eidgenossen sich 
das „Reislaufen‘ entwickelte. Es ist ein Vor- 
gang, der sich später in Süddeutschland wieder- 
holt und der bemerkenswert ist für den kriege- 


rischen Geist des gesamten deutschen Bauern- 


tums. Dem Schweizer Bauern fehlte die Möglich- 
keit eines kolonisatorischen Ausgriffs; der arme 
Boden seiner Bergheimat konnte andererseits 
das wachsende Volk nicht ernähren, so wählte 
er in seiner einsatzfreudigen und tüchtigen Art 
den Weg des Soldaten in fremden Diensten — 


21 


einen Weg, den ja Millionen deutscher Men- 
schen zu allen Zeiten gehen mußten, weil das 
Vaterland ihnen zu wenig Möglichkeiten für 
ihre Fähigkeiten und Wünsche bot. Auf diesem 
Weg winkten Glück und Erfolg, allerdings auch 
bei höchstem Einsatz. Es wäre falsch, Aben- 
teuerlust als Hauptmotiv des Reislaufens anzu- 
sehen. Der Zusammenhang zwischen 
Heimat und Söldner blieb immer gewahrt. 
Er wurde bewußt von beiden Seiten, vom Söld- 
ner und von der heimischen Obrigkeit gepflegt, 
. und die Rückkehr in die Heimat blieb immer der 
Wunsch der meisten. Bei Mürten (1476) und 
Nanzig (1477) haben diese bäuerlichen Söldner 
die glänzenden Ritter- und Söldnerheere Karls 
des Kühnen vernichtet und damit die Entstehung 
eines burgundisch-niederländischen Zwischen- 
reiches vereitelt. 


Aus ähnlichen Gründen wie die Schweizer 
Bauern schwor im 16. Jahrhundert — die Ost- 
Siedlung war ja längst versiegt — der süd- 
deutsche Bauer gern dem Fähnlein der Lands- 
knechte zu. Bestes deutsches Bauernblut ist 
hauptsächlich Träger des Landsknechtswesens 
gewesen. Sympathien zwischen Landsknechten 
und Bauern, wie sie während des Bauernkrieges 
oft zu beobachten waren, sind sicher zum Teil 
auf verwandtschaftliche Bindungen zurückzu- 
führen. Die Donauwörther Chronik berichtet: 
„Aber kain knecht wolt am ersten wider die 
bauern ziehen, sprachen: das weren ihre ernerer, 
so sy nitt krieg hetten, weren auch zum tail ihre 
vatter, bruder und schweger.“ 


Die große deutsche Ostsiedlung wird 
immer ein Beispiel nicht nur für die kolonisato- 
rische Fähigkeit der deutschen Bauern, sondern 
auch für ihre wehrhafte und kämpferische Ge- 
sinnung sein. Zwar ist es richtig, daß der Ritter 
die eigentliche Aufgabe der Eroberung über 
nahm. Weit mehr als im Reich hat hier aber das 
bäuerliche Aufgebot für die Sicherung des 
gewonnenen Landes eintreten müssen und, allein 
auf sich gestellt, hat es im stillen und zähen 
Grenzkampf mit und ohne Waffen jahrhunderte- 
lang eine harte und wehrhafte Gesinnung be- 
wiesen. Die Runddörfer im deutsch-slawischen 
Grenzgebiet und die Bauernburgen in Sieben- 
bürgen zeugen noch heute von dieser Zeit, in 
der der Grenzlandbewohner täglich bereit sein 
mußte, den Pflug mit dem Schwert zu ver- 
tauschen. In der Neuzeit fand dieser Grenz- 
kampf der Bauern eine Parallele in der öster- 
reichischen Militärgrenze. Unter deutscher Füh- 
rung hielt hier der kroatische Bauer, in der 
Grenzorganisation straff zusammengefaßt, die 
osmanische Springflut jahrhundertelang von den 
Grenzen des Reiches fern. Zahlreiche bäuerliche 
Sippen sind in diesem blutigen und grausamen 
Kleinkrieg bis auf den letzten Knaben und das 
letzte Mädchen ausgerottet worden. 


22 


Gegen Ende des Mittelalters, im 14. und 
15. Jahrhundert, ist die Erkenntnis vom Wert des 
allgemeinen Volksaufgebotes wieder im Wach- 
sen. Sie ist sicher durch den Ruhm der Schweizer 
mit angeregt worden. Der werdende Landesstaat 
konnte die Reserven an bäuerlicher Wehrkraft 
nicht ungenutzt lassen, wenn er sich gegen seine 
Widersacher durchsetzen wollte. So kommt der 
Bauer wieder auf das Schlachtfeld als Soldat 
des Landesherrn. Bauern entscheiden z. B. 
die Schlacht bei Dörffingen, in der Graf Eberhard 
von Württemberg gegen die Städte siegte, und 
Kurfürst Friedrich der Siegreiche von der Pfalz 
verwendete bei allen seinen Kriegszügen bäuer- 
liche Aufgebote. 


Wiederaufleben des Volksheeres 


Es waren mehrere Gründe, die zu den ersten 
Versuchen der Bildung von Volksheeren führ- 
ten, die in damaliger Zeit selbstverständlich 
Bauernheere sein mußten. Am weitesten ge- 
diehen diese Versuche in Bayern und in der 
Kurpfalz. Das alte feudale Ritteraufgebot be- 
fand sich in voller Auflösung. Der Ritter war 
vielfach Raubritter geworden, und es fehlte ihm 
längst die moralische Kraft seiner Blütezeit. 
Ferner hatte der Fußknecht seine Überlegenheit 
über den Ritterkampf nachdrücklich bewiesen. 
Die Einführung der ersten Feuerwaffen ver- 
stärkte diese Überlegenheit. Schließlich war das 
Bauernheer für den Landesherrn billiger als das 
Söldnerheer, denn es wurde nicht oder nur sehr 
gering besoldet. Ständisch-soziale, militärisch 
taktische und staatsrechtlich-politische Gründe 
haben also zum Wiederaufleben des 
Volksheergedankens geführt. Der Bauer 
erhielt das Waffenrecht, das ihm der Ritter ge- 
nommen hatte, vom Landesherrn wieder. 


Der Weg, auf dem das Volksheer organisato- 
risch aufgebaut wurde, war der allmähliche 
Ausbau der Gerichtsfolge zu einem Land- 
sturm und einer Landwehr durch den Erlaß 
strenger Ordnungen, die den Einsatz der Bauern 
als militärisch organisierter Truppe regelten. 
Es wurden militärische Hauptleute eingesetzt, 
Sammelstellen bestimmt, ein Meldedienst ein- 
gerichtet und eine periodisch wiederkehrende 
Überprüfung der Waffen eingeführt. Diese 
Harnischschauen fanden meistens im Frühjahr 
statt. Besonderer Wert wurde seitens der Regie- 
rung darauf gelegt, daß die Waffen bei den 
Häusern blieben, damit im Ernstfalle mit ihnen 
gerechnet werden konnte. Sie gehörten zum un- 
veräußerlichen Inventar des Hauses. Im Weis- 
tum von Bermersheim, das eine der Quellen ist, 
die uns die bäuerlichen Wehrverhältnisse dieser 
Zeit am ausführlichsten schildern, werden Har- 
nisch und Wehr als unpfändbar erklärt. In einer 
bayerischen Regierungsanweisung, die sich mit 
der Landesverteidigung befaßt, heißt es: „Es 


sollen die Verordneten und Ambtleute nicht 
minder den Gerichtsleuten und Untertanen 
ernstlich sagen und gebieten lassen, daß ihrer 
jeder und männiglich im Lande ihre Wehre und 
Harnisch, so ihnen in der Musterung auferlegt 
sind, dennoch bei ihren Häusern und Herbergen 
haben sollen.” | 


Aus dem Landsturm hat sich die Landwehr 


entwickelt als ein Aufgebot der Tüchtig- 


sten und Kampferprobtesten, das Auf- 
gaben zu lösen hatte, die man dem Landsturm 
nicht zumuten konnte. Zu größeren Zügen 
konnte der Landsturm nicht verwendet werden, 
weil er alle Tauglichen umfaßte und so das Land 
von Arbeitskräften entblößte. Der Landsturm 
blieb daher im allgemeinen nur wenige Tage im 
Felde. In der Landwehr wurde zuerst eine. Art 
Musterung eingeführt, um einen genauen Uber- 
blick über das verfügbare Menschenmaterial zu 
gewinnen. Die Landwehr war zu Unternehmun- 
gen bestimmt, die unter Umständen über die 
Grenzen des Landes hinausführen konnten. Im 
Bermersheimer Weistum mußte der bäuerliche 
Landwehrmann im Felde stehen „als lang unser 
gnediger Herr das haben will”, jedoch hatte er 
Ablösungsrecht nach vier Wochen. 


Die so glücklich begonnene Entwicklung zu 
einem starken bäuerlichen Volksheer, die sogar 
schon zu den Anfängen der Uniformierung und 
Versorgung der Angehörigen vorgestoßen war, 
kamnicht zu ihrem Abschluß. Das Volksheer 
scheiterte an der Frage der Aus- 
bildung. Als die Feuerwaffen sich ständig ver- 
besserten, ihre Handhabung schneller wurde, als 
die Artillerie auftrat, hätte das bäuerliche Auf- 


gebot nur durch ständige Schießübungen, wie 


sie z.B. in den Städten üblich waren, militärisch 
Schritt halten können. Hierzu wurde aber nichts 
getan, nicht zum wenigsten, weil seit den Bauern- 
unruhen des 15. und 16. Jahrhunderts die Landes- 
tegierungen von Furcht vor revolutio- 
nären Umtrieben der Bauern erfüllt 
waren. Ein Gutachten von 1583 gibt dieser 
Furcht in folgender Weise Ausdruck: „Gebe 
man dem Volk die Waffe in die Hand, so ent- 
stünden daraus mancherlei Ubel, Feindschaft 
und Rumor. Viele würden sich auf Müßiggang, 
Garten, Wildpretschießen, Mord und Straßen- 
raub verlegen. Dem Bauersmann sei nicht immer 
zu trauen; er könne, also bewehrt, sich leicht 
des schuldigen Gehorsams gegen Fürst und Adel 
entschlagen wollen und einen Aufruhr anfangen, 
der schwer zu dämpfen wäre.” Verbot von 
Schießständen auf dem Lande und Entziehung 
der Feuerwaffen waren ebenfalls Folgen dieser 
Furcht. Auch Wehranlagen und Dorfbefestigun- 
gen wurden vielfach geschleift. 


Mit dem Anwachsen der Söldnerheere im 
16. Jahrhundert gingen zudem die unterneh- 
Mungslustigsten und kriegstüchtigsten Elemente 
dem Bauernaufgebot verloren. Die Werbungen, 
die die Landesherren in eigenen Ländern unter- 


nahmen, bewiesen, daß sie die bäuerliche Wehr- 
kraft wohl zu schätzen wußten, daß sie sie aber 
nicht-im Rahmen eines Volksheeres zu nutzen 
verstanden, sondern nur in der Form des 
Söldnerheeres. Wilhelm von Oranien schlug die 
Schlachten, die zur Befreiung der Niederlande 
führten, zum großen Teil mit Söldnern, die er in 
seiner Westerwälder Heimat anwerben ließ. 


Es war eine der vielen für das deutsche Volk 
so tragischen Verkettungen, daß das entartete 
Söldnertum des 17. Jahrhunderts, wie es uns in 
erschütternder Weise Grimmelshausen in seinem 
Simplizissimus schildert, zu großen Teilen auch 
aus dem Bauerntum stammte. Mißgeleitete 
bäuerliche Wehrkraft richtete sich 
gegen die Quelle seiner eigenen Kraft. 
Hermann Löns hat uns ein Bild des grausamen 
Verzweiflungskampfes der geschundenen Bauern 
gegen das umherziehende Kriegsvolk in seinem 
„Wehrwolf” gezeichnet. 


Die ersten Schritte zur allgemeinen 
Wehrpflicht 


Der Gedanke der Aufstellung der Söldner- 
heere aus der Wehrkraft des eigenen Landes 
schwand, nachdem er einmal der Verwirklichung 
nahe gewesen, nicht mehr aus den Erörterungen 
der Militärschriftsteller. Die Grunderkenntnis, 
von der diese Schriftsteller ausgingen, kleidete 
der kaiserliche General und Diplomat Lazarus 
von Schwendi in folgende Worte: „Bei dem 
fremden und besoldeten Kriegsvolk ist nimmer- 
mehr die Einmütigkeit und Treue und der Eifer 
wie bei denen, die für ihr Vaterland, Weib und 
Kind streiten.” Die bedeutendste aus der Reihe 
dieser Schriften ist die „Landesdefensions-Ord- 
nung“ des Grafen Johann von Nassau. Diese mit 
„Defensions-Werk bezeichneten Bemühungen 
gelangten kaum zu praktischer Bedeutung. Sie 
hielten aber den Gedanken der allge- 
meinen Wehrpflicht lebendig, der dann 
von Preußen aus nach den Erschütterungen der 
Französischen Revolution in die Tat umgesetzt 
wurde. Lediglich die Landmiliz als modernere 
Form der alten Landfolge blieb vom Defensions- 
werk übrig. Was die bäuerliche Miliz, die im 
allgemeinen dem ordentlichen Kriegsvolk an 
Ubung und Bewaffnung unterlegen war, doch 
durch Tapferkeit und geschickte Führung leisten 
konnte, zeigt der durch den Großen Kurfürsten 
veranlaßte Einsatz gegen die in Brandenburg 
eingefallenen Schweden im Jahre 1675. Auf 
ihren Fahnen trug diese Miliz den seither be- 
rühmt gewordenen Spruch: „Wir sind Bauern 
von geringem Gut — und dienen unserem gnä- 
digen Kurfürsten mit unserem Blut.“ 


Das Kantonsreglement vom 15. September 
1733, erlassen von Friedrich Wilhelm I., war der 


erste bescheidene Schritt zur allge- 


meinen Wehrpflicht. Es zog zum ersten- 
mal seit dem Mittelalter einen Teil der bäuer- 
lichen Wehrkraft des Landes zur Ergänzung des 


23 


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ordentlichen Heeres heran. Friedrich der Große 
sagte vom Kantonsreglement: „Hierdurch wurde 
die Armee unsterblich, da sie nun eine 
stets fließende Quelle erhielt, aus der sie sich 
seitdem immer wieder erneuert hat.“ Wie 
kriegstüchtig das preußische Heer gerade durch 
die systematische Einziehung der Bauern- 
burschen wurde, wird durch Friedrichs des 
Großen Ausspruch beleuchtet: „Setze ich mich 
vor meine Pommern und Märker und habe schon 
die Hälfte meiner Monarchie verloren, nur selbst 
den Kopf nicht, so jage ich den Teufel aus der 
Hölle.” Die Bauernschutzgesetze Fried- 
rich Wilhelms I. und Friedrichs des Großen 
hatten ihren wichtigsten Grund in den Be- 
mühungen, das Bauerntum als Quell der Wehr- 
kraft zu schützen und zu erhalten. 


Den überzeugendsten Beweis der kriegstüch- 
tigen und wehrhaften Gesinnung des deutschen 
Bauerntums im 18. Jahrhundert bieten jedoch 
die erbitterten Kämpfe, die das westdeutsche 
Bauerntum den eindringenden Heeren der 
Französischen Revolution lieferte. Von 
der Kanalküste bis zu den Alpen entstand spon- 
tan, aber ohne einheitliche Führung eine bäuer- 
liche Front, wie sie die deutsche Geschichte bis 
dahin noch nicht gesehen hatte. Unter örtlichen 
Führern haben die bäu£rlichen Aufgebote in 
Flandern und Luxemburg, in der Pfalz und im 
Odenwald, im Elsaß, im Schwarzwald, in den 
Schweizer Alpen den Franzosen schweren 
Schaden zugefügt. Es waren nicht nur die Heere 
der Revolution, gegen die sich die Bauern für 
Kaiser und Reich stellten, auch der Geist der 
Revolution wurde von ihnen als zersetzend und 
gefährlich erkannt. Vor allem in Flandern und 
Luxemburg erforderte dieser Kleinkrieg von den 
Bauern große Blutopfer. Die Geschichtsschrei- 
bung hat diese bäuerliche Abwehrbewegung 
nahezu vergessen, wie sie auch vergessen hat, 


daß später, als die Befreiungsarmeen über den 


Rhein drangen, bäuerliche Milizen ihnen wirk- 
same, zum Teil entscheidende Unterstützung 
gaben. Nur der Kampf der Tiroler Bauern unter 
Andreas Hofer gegen die Franzosen ist in die 
Geschichtsbücher eingegangen. Die Schlacht am 
Iselberg gesellt sich als ein ewiges Beispiel 
bäuerlicher Kriegstüchtigkeit zu den großen 
Bauernschlachten des Mittelalters. 


Bauernbefreiung und Volkserhebung 


Der entscheidende Schritt vom Kantonsregle- 
ment zur allgemeinen Wehrpflicht konnte nur 
auf Grund einer ganz anderen Anschauung von 
Volk und Nation erfolgen, als sie der absolute 
Untertanenstaat hatte. Als König Friedrich Wil- 
helm III. von Preußen am 17. März 1813 den be- 
rühmten Aufruf „An mein Volk” erließ, durch 
den der Befreiungskrieg eröffnet wurde, hatte, 
unbemerkt von den meisten Zeitgenossen, diese 
neue Epoche deutscher Geschichte begonnen. 
Der alte absolutistische Staat war infolge seiner 


24 


inneren Morschheit bei Jena und Auerstedt 
zusammengebrochen. Ihm war der Begriff des 
Volkes nur im Sinne des Untertanenverbandes 
geläufig. Der berühmt gewordene Satz aus der 
Proklamation des Grafen Schulenburg an die 
Berliner Bevölkerung: „Ruhe ist die erste, 
Bürgerpflicht!” drückt so recht die Beziehung 
des Durchschnittsbürgers zum absolutistischen 
Staat aus. Was ging es ihn schon an, wenn der, 
Fürst Krieg führte? Er ging in Ruhe seinen Ge 
schäften nach wie im Frieden und betrachtete es 
als sein gutes Recht, dies möglichst ungestört 
vom Kriegsgeschehen zu tun. Aus dem Geiste 
dieses absolutistischen Untertanenstaates, der 
seine Bürger bewußt in politischer Unmündig- 
keit hielt, konnte die Befreiung vom Joche des 
korsischen Eroberers nicht erfolgen. Das war 
allen wahren Patrioten klar. Es bedurfte viel- 
mehr einer politischen Erneuerungs- 
bewegung, die alle Volksschichter? mit einem 
neuen Geist leidenschaftlicher Vaterlandsliebe 
und nationaler Ehre erfüllte und so die Voraus 
setzungen schuf für eine Volkserhebung, die alle 
Kräfte der Nation für den Kampf um die Frei- 
heit zusammenfaßte. 


Mehr noch als der Bürger hatte der Bauer 
Veranlassung, mit Gleichgültigkeit dem Schick- 
sal eines Staates zuzusehen, der ihm jedes poli- 
tische Recht versagte. Wenn es auch dem preu- 
Bischen Staate gelungen war, durch seine 
Bauernschutzgesetzgebung die schlimmsten 
Auswüchse der Leibeigenschaft zu beseitigen 
so verharrte doch der größte Teil des preuß 
schen Bauerntums nach wie vor in qutsher- 
licher Erbuntertänigkeit und war nicht einmal 
im Besitz seiner persönlichen Freiheit. Keine 
völkische Erneuerungsbewegung konnte, wenn 
sie Aussicht auf Erfolg haben wollte, an dieser 
Tatsache der bäuerlichen Leibeigenschaft vor- 
beigehen. In der Stunde der Not des Staates 
wurde es vielen klar, daß die Unterdrückung 
und Rechtlosigkeit eines großen Volxksteiles 
nicht nur menschenunwürdig, sondern auch 
volkspolitisch schädlich war und daß sie das 
größte Hindernis eines allgemeinen Volks- 
krieges sein mußte. Es war also zunächst als 
Voraussetzung jeder Volkserhebung 
nötig, die Abseitsstellung des 
Bauerntums zu beseitigen. Man mußte 
dies um so mehr tun, als der Weg zu Preußens 
Wiederaufstieg über das Volksheer führte, das 
zwangsläufig nur im Bauerntum seine Grundlage 
haben konnte, denn das Bauerntum stellte da- 
mals rein zahlenmäßig die überwiegende Mehr- 
heit des Volkes dar. Wollte man den Bauern in 
das allgemeine Volksheer einreihen, und zwar 
als freiwilligen und opferfreudigen Kämpfer, so 
mußte man ihm auch die persönlichen Rechte 
geben, die jeder andere Bürger des Staates hatte, 
weil man von ihm ja auch dieselbe Opferfreu- 
digkeit forderte. 


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| Ritterkreuzträger aus 


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Oberst d. R. Hyazinth Graf Strachwitz 


Kommandeur des Panzerregiments Groß deutschland, Träger des Eichenlaubs mit Schwertern zum Ritterkreuz, wurde 
am 30, Juli 1893 in Groß-Stein (Kreis Groß-Strehlitz, Oberschlesien) geboren und ist im Zivilberuf Land- und Forstwirt. 


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Oberst Walter Gorn 


dem der Führer am 8. Juni 1943 als 30. Soldaten 

das Eichenlaub mit Schwertern zum Ritterkreuz 

verlieh, ist Kommandeur eines Panzer-Grena- 

dier-Regiments und wurde am 24, September 

1898 zu Biegamin (Wartheland) als Sohn eines 
Landwirts geboren. 


Oberieldwebel Otto Brakat 


war als Landwirtschaftsgehilfe auf einem großen 
ostpreußischen Bauernhof tätig. Auch er stammt 
aus bäuerlichem Blut, sein Vater hatte einen 
Hof in der Elchmederung. Oberfeldwebel Brakat 
wurde am 15. Januar 1916 zur Kermuschienen, 
jetzt Herzfelde, geboren und crhielt das Ritter- 
kreuz am 27. Juli 1941 als Unteroffizier und 


Gruppenführer in einem Grenadier-Regiment. 
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Hauptmann Dr. Wolfgang Meinhold 


wurde am 8. Oktober 1902 in Neuruppin (Gau 
Maık Brandenburg) geboren. Nach seiner Schul- 
entlassung studierte er Landwirtschaft und war 
bis zum Ausbruch des Krieges als Leiter der 
Bauernschule in Grunzig Kr. Meseritz) tätig. 
Hauptmann Dr. Meinhold erhielt das Ritterkreuz 
am 15. Mai 1943 als Kompanieführer in einem 
Grenadier-Regiment. Kurz darauf wurde er zum 
Oberlandwirtschaftsrat befördert. 


Feldwebel Karl Heinz Roßbach 


wurde am 7. Mai 1920 in Greiz geboren. Die 
Großeltern beiderseits waren Bauern und er 
selbst erlernte mehrere Jahre auf verschiedenen 
Bauernhöfen die Landwirtschaft. Während eines 
Fronturlaubs machte er die Prüfung als Land- 
wirtschaftsgehilfe. Das Ritterkreuz wurde Feld- 
webel Roßbach am 22. Juni 1943 verlichen. 


Leutnant d. R. Alfred Schreiber 


stammt ebenfalls äus bäuerlichem Blut. f 
wurde am 3. März 1914 als Sohn des Baus 
Paul Schreiber in Praterschatz bei Meißen & 
Sachsen) geboren. Er ist im Zivilberuf Ba 
und besitzt in Schönbrunn bei Sagan in Sie 
sien einen Erbhof von 32 Morgen. Das Riller 
kreuz erhielt er als Kompanieführer in eines 
rheinisch- westfälischen Grenadier-Regimenf am 
20. April 1943. 


Unteroffizier Josef Schuß 


wurde am 17. September 1917 als Sohn des 
wirts Josef Schuß in Geißling (Kr. Reg 
Gau Bayreuth) geboren und war nach demi; 
such der Volks- und Fortbildungsschule RP 
Landwirtschaft seines Vaters tätig. Das Ritter 
kreuz erhielt er als Obergefreiter in einen 
Grenadier-Regiment am 4. September 1942. 


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„Lu 


4#-Obersturmbannführer Theodor Wisch 


ist der Sohn eines Holsteiner Bauern. Er wurde am 13. Dezember 
1907 im Wesselburener Koog geboren. Nach dem Schulbesuch 
erlernte er auf Gütern in Holstein und Holland die Landwirt- 
schaft. 1933 trat er in die Leibstandarte #4 „Adolf Hitler‘ ein. 
Das Ritterkr erhielt er als Bataillonskommandeur am 
15. September 1941. 


Major Herbert Ihlefeld 


Träger des Eichenlaubs mit Schwertern zum Ritterkreuz des 
Eisernen Kreuzes, ist der Sohn eines Landarbeiters und wurde 
am 1. Juni 1914 zu Pinnow, Kr. Rendow, in Pommern geboren. 
Major Ihlefeld, der auch mit dem Spanienkreuz in Gold der 
Legion Condor ausgezeichnet wurde, erhielt das Ritterkreuz am 
13. September 1940. Nach seinem 40. Luftsieg errang er sich 
das Eichenlaub und nach seinem 98. bis 101. Luftsieg die 
| uh schwerter zum Eichenlaub, 


HU 


#4-Oberscharführer August Zingel 


ist im Zivilberuf Landwirt, Er wurde am ?20. Januar 1921 in 
Schortens/Heidmühle (Oldenburg) geboren. Das Ritterkreuz 
erhielt er am 4. Oktober 1942, 


2. Ak e o 


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3 
A 
sid wel 


Hauptmann Heinz Bär 


war vor seinem Eintritt in das Heer als Gutsverwalter tätig, 

nachdem er vorher zwei Jahre die Höhere Landwirtschafts- 

schule in Wurzen besucht hatte. Auch sein Vater, der im 

vorigen Weltkrieg 1916 auf dem Felde der Ehre fiel, war Land- 

wirt, Hauptmann Heinz Bär ist Staffelkapitän im Jagdgeschwa- 

der Mölders und Träger des Eichenlaubg mit Sehweriegn zum 
| 


Ritterkreuz ue His nen Kreuzes. 


— — EP.f— T.. — — 


Oberfeldwebel Siegfried Engfer 


wurde am 27. April 1915 als Sohn eines Land- 

wirts geboren und arbeitete nach seiner Schul- 

entlassung sechs Jahre auf dem elterlichen 
Hofe in der Landwirtschaft, 


Korvettenkapitän Reinhard Suhren 


Träger des Eichenlaubs zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes, 


Am 16. April 1916 
wurde er zu Langenschwalbach bei Wiesbaden als Sohn eines 


stammt ebenfalls aus dem Bäuerlichen. 


Landwirts geboren. 


Feldwebel Eduard Lindinger 


der als achtes Kind auf dem Bauernhofe in 

Sattlern (Niederbayern) am 17. Januar 1915 ge- 

boren wurde, arbeitete nach Beendigung seiner 

Schulzeit im landwirtschaftlichen Betrieb seiner 
Eltern. 


Wachtmeister Bernhard Hi 


erhielt „das Ritterkreuz zum Eisen 
Anfang des Jahres 1943. Auch disa 
Soldat, der am 12. September 19 z 
(Kr. Warendorf i. W.) geboren wurde 
Sohn eines Landwirts. 


Kapitänleutnant Nicolai Clausen 


ist ein Sohn des in Großen-Wiehe ansässigen Bauern As 
Clausen. Geboren wurde Kapitänleutnant Clausen am 2. Jumi 
1911 in Flensburg. Das Ritterkreuz erhielt er am 13. März IC 


0 


Es war also folgerichtig, daß die großen 
Patrioten und Vorkämpfer der Befreiung, Ernst 
Moritz Arndt, der Freiherr vom Stein, Gneise- 
nau, Scharnhorst und noch viele andere, leiden“ 
schaftlich für die Bauernbefreiung eintraten. 


„Lasset den Bauern frei sein auf seinem Eigen- , 


tum, denn nur der freie Mann weiß seinen Staat 
zu verteidigen”, so schrieb der Freiherr vom 
Stein, und sein Gefolgsmann Ernst Moritz Arndt, 
selbst der Sohn eines leibeigenen Bauern, hat in 
seinen Schriften immer wieder dem Gedanken 
Ausdruck gegeben, daß die Wehrkraft eines 
Volkes in seinem Bauerntum wurzelt: „Einer der 
großen Punkte, warum ich so für den Bauern 
spreche, ist endlich noch der, daß der Bauer 
nicht allein jederzeit der Fähigste ist, die Waffen 
für sein Land zu führen, sondern daß er auch 
immer der Bereiteste ist, es zu tun. Je mehr freie 
Bauern ein Land zählt, desto schwerer ist es zu 
unterjochen.” Im Bauerntum wohnt für Ernst 
Moritz Arndt mehr als in anderen Schichten des 
Volkes „die ursprüngliche und gediegene Natur- 
kraft, die Reinheit der Sitten, die Treue und Red- 
lichkeit der Gesinnung“, in ihm wohnt „der Mut 
und die Ausdauer, welche die tapfersten und 
rüstigsten Verteidiger des Vaterlandes geben”. 
Alle diese Männer erkannten die außerordent- 
liche Reserve an Wehrkraft, die im Bauerntum 
ruhte. 


Das Bauernbefreiungsedikt von 1807 
ist also vom Freiherrn vom Stein bewußt als 
wichtigste Voraussetzung des Volks- 
kriegs gegen Napoleon erlassen worden. 
Er und seine Mitarbeiter und Gesinnungs- 


genossen wollten damit eine Mobilmachung der 


gesamten Volkskraft des preußischen Staates 
einleiten und den Bestand dieser Volkskraft für 
die Zukunft sichern. 


Welch zündende Wirkung der Aufruf „An 
mein Volk“ gerade im Bauerntum hatte, das be- 
weisen zahlreiche Zeugnisse über den Zustrom 
von jungen Freiwilligen aus allen Teilen des 
Landes. Der französische General Labaume 
schrieb später in seinen Erinnerungen über die 


Freiwilligen aus der Mark: „Wir sahen oft Ab- 


teilungen ungeschlachter Bauern, die sich nach 
Schlesien begaben, durch unsere Bataillone 
marschieren — ohne Ordnung, ohne Waffen und 
ohne Führer. Sie stießen Freudenschreie aus und 
betrachteten mit drohenden Blicken unsere er- 
staunten Soldaten.” Und der französische Gene- 
ral fährt dann fort: „Eine solche Begeisterung, 
wie sie die Liebe zum Vaterland einflößt, ist der 
passiven Kraft überlegen, die oft nur widerwillig 
der Gewalt gehorcht, die sie beherrscht.” 


In der neugeschaffenen Landwehr, vor allem 
auch im Landsturm erstand das alte bäuerliche 
Aufgebot wieder, so wie es sich im Mittelalter 
einst aus dem germanischen Bauernheer ent- 


wickelt hatte. Wie sehr sich Landwehr und Land- 


sturm auf das Bauerntum stützten, ver- 
mag allein schon der Satz aus dem ebenfalls am 


17. März 1813 erlassenen Landwehrgesetz zu 
zeigen, der da lautet: „Jeder Landwehrmann ist 
verpflichtet, sich selbst zu kleiden. Dies wird ihn 
um so weniger drücken, als dem guten Rock des 
Landmannes leicht die Rorm einer Litewka ge- 
geben werden kann." Die große Kriegsgeschichte 
berichtet von den Taten der bäuerlichen Land- 
wehr und dem Landsturm nicht viel. Ihr Einsatz 
vollzog sich meistens abseits der großen 
Schlachten, aber mit welcher Leidenschaft 
und mit welchem Erfolg für die engere Heimat 
dieser Einsatz gtattfand, das zeigt z. B. eine Mel- 
dung des „Preußischen Correspondent” vom 
14. April 1813: „Am Sonnabend, dem 10. April, 
waren fünfhundert Franzosen über die Elbe ge- 
kommen, und sind aufs neue von den Bauern 
zurückgejagt worden. Als in denselben Tagen 
ein Alarm in der Uckermark war, zog alles 
rüstig aus und trieb die Feinde nach Stettin 
zurück. Ein Reisender fand in Templin nur einen 
achtzigjährigen Mann und begegnete nachher 
dem blutig und jubelnd zurückkehrenden 
Bauernvolk.“ 


Der durch Scharnhorst begonnene Aufbau des 
deutschen Volksheeres wurde durch Boyen 
gegen die Einflüsse der Reaktion wirksam ver- 
teidigt und später von Roon vollendet. Es be- 
gann die Epoche der „Völker in Waffen”, 
die in dem totalen Krieg von heute ihren 
Höhepunkt gefunden hat. Die für das Aus- 
land so überraschende Kriegstüchtigkeit der 
deutschen Armee, mit der zum Beispiel die 
Gegner 1870 nicht rechneten, ist zweifellos nicht 
zuletzt der bis dahin brachliegenden Kraft des 
deutschen Bauerntums zu verdanken, das Bis- 
marck als den Kern der Armee bezeichnet hat. 
Der kluge Beobachter Langbehn hat diesem Ge- 
danken mit folgenden Worten Ausdruck ge- 
geben: „Wer einmal ein Holsteiner Landwehr- 
regiment gesehen hat, diese geraden, festen, 
breitstirnigen Köpfe, diese vollen blonden vier- 
eckigen Bärte, diese blauen, redlichen, frommen, 
tapferen Augen, der weiß, daß Deutschland 
nicht zugrunde gehen kann.” 


Auch in diesem, dem deutschen Volke auf- 
gezwungenen Existenzkampf hat das deutsche 
Bauerntum seine Stellung bezogen in der Front 
der Waffen wie in der Heimatfront. Den Pflug, 
den der Bauer verlassen mußte, hat der nicht 
mehr waffenfähige Ahn, hat zu ihrer Arbeit noch 
hinzu die Frau ergriffen. Ihnen zur Seite steht 
die deutsche Landjugend. Wo die Kräfte der von 
Männern entblößten Höfe nicht ausreichen, da 
bewährt sich der dörfliche Gemeinschaftsgeist in 
alter, so oft gezeigter Stärke. So sind in dem 
Lebenskampfe der Nation alle Kräfte des Land- 
volkes, ob alt oder jung, ob Mann oder Frau, zu 
höchster Leistung mobil gemacht. Heute so wie 
immer führt der Bauer den Pflug und das 
Schwert, und so lange er Blutsquell und Träger 
der Wehrkraft bleibt, so lange wird das Reich 
bestehen. 


25 


— —— m gu Fr - + Ze m. 


7 


£ 


Auf einer Arbeitstagung des Reichsamtes für 
das Landvolk hat kürzlich der Stabsleiter des 
Reichsamtes, von Rheden, eingehend über die Stellung 
des Reichsamtes als politische Führungsstelle des 
Landvolkes und über die grundsätzlichen und vor- 
dringlichen Aufgaben während des Krieges berichtet. 
Zur Zeit steht die Weiterentwicklung des Reichs- 


erbhofgesetzes nach den Erfahrungen der vergangenen 


zehn Jahre und besonders während der Kriegsjahre 
im Vordergrund. Außerdem stellt der länger anhal- 


tende Einsatz fremdvölkischer Arbeitskräfte politische 


und soziale Aufgaben, die in erster Linie von der 
Partei gemeistert werden müssen. Einen breiten 
Raum in den Beratungen nahm ferner eine Reihe 
sozialer und gesundheitlicher Hilfsmaßnahmen zur 
Hebung der biologischen Kraft des Landvolkes ein. 
Hier sind vor allem die im Krieg vorhandenen Möglich- 
keiten eines Mutterschutzes und sonstige Hilfen für 
die mit Arbeit überlastete Landfrau zu erwähnen. 
Im Rahmen der übrigen Betreuungsmaßnahmen für 
das Landvolk wurde auch der gegenwärtige Stand des 
bäuerlichen Berufserziehungswerkes im Sinne der 
großen Ziele von Berufserziehung und Berufsführung 
auf dem Lande eingehend erörtert. Schließlich hat 
sich das Reichsamt für das Landvolk gerade im Augen- 


blick mit den vielseitigen Fragen zu befassen, die sich 


aus der vorsorglichen Umquartierung vieler Volks- 


genossen aus den Großstädten auf das Land und ihrer 


Aufnahme in. die einzelnen Bauernfamilien ergeben. 
Eine befriedigende Lösung aller dieser Fragen ist 
deshalb besonders wichtig, weil man die Hoffnung 
haben kann, daß aus dieser Notmaßnahme eine nicht 
zu unterschätzende Förderung für das gegenseitige 


"Verständnis von Stadt und Land erweckt wird, dem 


im Hinblick auf die großen Zukunftsaufgaben des 
Gesamtvolkes am Bauerntum besondere Bedeutung 
zukommt. 


Auf dem Gebiet der allgemeinen Wirtschaftspolitik 
ist als wichtigstes Ereignis der Führererlaß über 
die Konzentration der Kriegswirtschaft zu 
verzeichnen. Danach gehen für die Dauer des Krieges 
die Zuständigkeit des Reichswirtschaftsministers auf 
dem Gebiet der Rohstoffe und Produktion in Industrie 
und Handwerk auf den Reichsminister für Bewaffnung 
und Munition über, der im Hinblick auf seinen er- 
weiterten Aufgabenkreis die Bezeichnung „Reichs- 
minister für Rüstung und Kriegsproduktion“ führt. 
Der Reichswirtschaftsminister bleibt zuständig für 
die Versorgung der zivilen Bevölkerung mit Ver- 
brauchsgütern und die Regelung ihrer Verteilung. Er 
ist weiter zuständig auf dem Gebietd der Rohstoffe 
und der Produktion in Industrie und Handwerk und 
auf dem Gebiete des Handels für die Behandlung von 


26 


AGRARPOLITISCHE KK 


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jap 


dé 


Außenwirtschaftsfragen im Rahmen der Auße 
handelspolitik des Reiches. Ferner hat er auf < 
Gebiete des gesamten Außenhandels für die Wahı 
der allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkte ií 

Rahmen der gesamten deutschen Wirtschaftspl SÉ i 
Sorge zu tragen und die deutsche Wirtschaft « 7550 / 
sprechend auszurichten. Er führt auch die ob 
Aufsicht über die Kreditinstitute und bearbeitet e 
Finanzierungsfragen der deutschen Wirtschaft. 
Rahmen dieser Vereinfachung der Erzeugungslenku 
wird der Reichsminister für Rüstung und K 
produktion die Aufgaben der bisher vom Re 
wirtschaftsminister mit Bewirtschaftungsaufgaben b pe? 
trauten Stellen, z.B. der Reichsstellen der erb- 
lichen Wirtschaft und deren Bewirtschaftungsst le S 
sowie der Reichsvereinigungen usw., in bezug a 
die Steuerung der Erzeugung unter Berücks ht, 
gung der Befugnisse der Hauptausschüsse und Ring 
durch eine sinnvolle Arbeitsteilung neu regeln. 
zu diesem Zeitpunkt werden die genannten n 
ihre Tätigkeit in der bisherigen Weise zu ée 
fortführen. g 


Im „Völkischen Beobachter“ nimmt 
Nonnenbruch in einem Leitaufsatz „Straffun 
Kriegsproduktion‘ eingehend zu dieser Neuregel 
Stellung. Dort heißt es u. a.: „Diese Neugliede 
der Zuständigkeit war nötig geworden, nachdem 
beim bisherigen Ministerium für Bewaffnung und Mu- 
nition in den Ausschüssen und Ringen eine newe Or- 
ganisation zur Steigerung der Rüstungsproduktion 
entwickelt hatte. Sie hatte sich neben die bisherigen 
Organisationen zur Marktregelung und Erzeugungs- 
lenkung auf dem gewerblichen Sektor gestellt. Da 
die Organisationen des früheren Reichsministeriums 
für Bewaffnung und Munition auf einem anderen Prin- 
zip aufgebaut waren als dem für die übrige gewerb- 
liche Wirtschaft gültigen, mußte es sich die Aufgabe 
einer Vereinheitlichung stellen. Jetzt werden zugleich 
mit der gesamten Erzeugung auch alle in der gewerb- 
lichen Wirtschaft bestehenden Organisationen ein- 
heitlich auf den Krieg ausgerichtet werden. Das wird 
Veränderungen in der organisatorischen Zusammen- 
fassung der wirtschaftlichen Kräfte nach sich ziehen, 
die von Reichsminister Speer durchzuführen sind, der 
ja zuständig für die gesamte Lenkung der indu- 
striellen Erzeugung ist. Nun hat Reichsminister 
Speer durch die Ausgestaltung der Ausschüsse und 
Ringe auf seinem Sektor schon seine glückliche Hand 
für die Lösung von Organisationsaufgaben bewiesen. 
In seinem ausschließlichen Streben nach Leistungs- 
steigerung hat er ein Prinzip für die Neugestaltung 
der Organisationen in der Hand. ... Daß in der Er- 
weiterung des Zuständigkeitsbereichs von Reichs- 


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minister Speer der Wille zum Ausdruck kommt, die 
Erzeugung der deutschen Wirtschaft noch stärker 
als bisher auf die Kriegsproduktion auszurichten, ist 
selbstverständlich.... Wir haben uns verhältnismäßig 
spät auf den totalen Krieg umgestellt, um die Heimat 
möglichst zu schonen. Nachdem nun einmal diese Um- 
stellung erfolgt ist, muß sie aber auch vollständig sein, 
und so ist der Führererlaß als eine weitere Straffung 
unserer wirtschaftlichen Kräfte für den totalen Krieg 
zu werten.“ 


Die Ernährungs wirtschaft wird von dieser 
Neuregelung der Zuständigkeiten unmittelbar 
nicht berührt. Schon bei einer früheren Gelegen- 
heit hatte der „Völkische Beobachter‘ festgestellt, 
daß in der Ernährungswirtschaft die Umstellung auf 
ausschließliche Kriegsaufgaben im Gegensatz zur 
übrigen Wirtschaft, die noch andere Aufgaben zu 
erfüllen hatte, bereits bei Ausbruch des Krieges 
erfolgt sei. Maßnahmen wie die Einstellung der Voll- 
milchabgabe an den allgemeinen Verbrauch oder die 
Beschränkung des Blumen- und Zierpflanzenbaues zu- 
gunsten des Gemüseanbaues sind hier nur als äußere 
Symptome zu werten. Das äußere Gerippe einer auf 
die Aufgaben des totalen Krieges ausgerichteten 
Ernährungswirtschaft war bereits durch die auf Grund 
des Reichsnährstandsgesetzes aufgebaute Marktord- 
nung geschaffen und brauchte dann nur durch die 
Einführung der erforderlichen Bewirtschaftungsvor- 
schriften auf den Krieg umgeschaltet zu werden. Die 
natürlichen Beschränkungen, mit denen unsere Kriegs- 
ernährungswirtschaft rechnen mußte, erforderte von 
Anfang an die Umstellung auf ausschließliche Kriegs- 
aufgaben. Da überdies beim Aufbau der Marktordnung 
bereits eine Rationalisierung der Verarbeiterbetriebe 
ausschließlich nach den Gesichtspunkten der zweck- 
mäßigsten Produktionsbedingungen und der not- 
wendigen Versorgungsaufgaben unter gleichzeitiger 
Bereinigung der Lieferbeziehungen zwecks Entlastung 
des Verkehrsapparates erfolgt war, dürften sich hier 
jetzt weitere Maßnahmen als nicht erforderlich er- 
weisen, 


In diesen Wochen befindet sich die Landwirtschaft 
bereits mitten in der Herbstbestellung für den Auf- 
bau der Ernte des nächsten Jahres. Im Vordergrund 
der Anbauparolen steht die Forderung nach der 
Ausweitung des Brotgetreideanbaues ensprechend dem 
Umfang der Jahre 1938/39, sowie die weitere Aus- 
weitung des Ölfruchtanbaues. Der Ölfruchtanbau soll 
gegenüber dem Vorjahre nochmals um etwa 30 v. H. 
erweitert werden. Dies darf jedoch keinesfalls auf 
Kosten des Hackfruchtanbaues geschehen, da die 
Hackfrüchte von der Flächeneinheit die höchsten 
Erträge an Nährwerten liefern und überdies für die 
Erhaltung der Intensität und Produktionskraft der 
Betriebe entscheidend sind. Die Erweiterung des 
Ölfruchtanbaues wird also gewisse Anbauvermin- 
derungen beim Sommergetreide notwendig machen. 
Schon deshalb ist es erforderlich, jetzt den Winter- 
getreideanbau ensprechend zu vergrößern. Bei der 
Herbstbestellung wird ferner zu berücksichtigen sein, 
daß die unvermeidlichen Beschränkungen in der Zu- 
teilung von Handelsdünger eine um so sorgfältigere 
Bodenbearbeitung sowie die Verwendung hochwer- 


tigen Saatgutes erfordert. Erfreulicherweise wird die 
Versorgung mit hochwertigem Saatgut in diesem 
Herbst bei Getreide und Ölfrüchten keinerlei Schwie- 
rigkeiten machen. Der Aufbau der neuen Ernte wird 
dadurch erleichtert, daß die frühzeitige Beendigung 
der diesjährigen Ernte nicht zur Überhastung bei 
den Ackerarbeiten zur Herbstbestellung zwingt. 
Wichtig ist neben der rechtzeitigen Anbauplanung 
eine ebenso sorgfältige Planung bei der Anwendung 
der verfügbaren Menge an Handelsdüngemitteln. 


Auch in der Viehwirtschaft müssen jetzt wich- 
tige Maßnahmen beachtet werden. Im Vordergrund 
steht hier die pünktliche und vollständige Erfüllung 
der Rinderumlage sowie die rechtzeitige Vorsorge 
für den Nachwuchs im Rindviehstall, um hier der 
für die künftige Entwicklung der Milcherzeugung 
ungünstigen Überalterung der Kuhbestände ent- 
gegenzuwirken. In der Schweinehaltung steht nach 
wie vor im Vordergrund der Wiederaufbau unserer 
Schweinebestände, der im Hinblick auf den geringeren 
Ertrag der Kartoffelernte eine besonders sorgfältige 
Planung im Futtermittelhaushalt, insbesondere die 
beste Ausnutzung aller im Betriebe vorhandenen 
Futtermittel verlangt. Ferner gilt es, das jetzt be- 
stehende Mißverhältnis zwischen Bedarf und Angebot 
auf dem Ferkelmarkt durch eine zielbewußte Er- 
zeugungsienkung zu beseitigen. Die Ursachen der 
bisherigen Schwierigkeiten liegen darin, daß das 
Hauptangebot der Ferkel etwa zwei Monate hinter 
der dringenden Nachfrage im zeitigen Frühjahr zu 
spät kommt. Deshalb soll eine Vorverlegung des 
Ferkeltermins und damit der Deckzeit um etwa 
A bis 6 Wochen erfolgen. Die bevorstehende ruhigere 
Zeit des Winters wird wie in den vorhergehenden 
Jahren dazu benutzt werden, dm eine möglichst 
wirksame Durchführung der fünften Kriegserzeu- 
gungsschlacht vorzubereiten. 


Als Erfolg der vierten Kriegserzeugungsschlacht Ist 
am 20. September eine Erhöhung der Brotration 
möglich gewesen, die bei allen Normalverbrauchern 
in der Kartenperiode, also in vier Wochen, 400 Gramm 
Weizenbrot oder andere Weizenware je Kopf aus- 
macht. Außerdem erhalten die Kinder von 6 bis 10 Jah- 
ren 500 Gramm Roggenbrot sowie die Lang- und 
Nachtarbeiter auf ihre Zulagekarten 400 Gramm 
Roggenbrot je Zuteilungsperiode. Dank der guten 
Weizenernte ist es ferner möglich gewesen, den 
Anteil des Weizengebäcks an der Gesamtbrotration 
zu erhöhen und damit den friedensmäßigen Ver- 
zehrsgewohnheiten anzupassen. Die Leistungen der 
deutschen Landwirtschaft, die in dieser Rations- 
erhöhung zum Ausdruck kommen, werden beson- 
ders deutlich, wenn man berücksichtigt, daß an unsere 
Brotgetreidebilanz mannigfach erhöhte Anforderungen 
gestellt wurden. Wenn trotzdem die Brotration in 
diesem Jahr zum zweitenmal erhöht werden konnte, 
und damit sogar die Brotzuteilung zu Beginn des 
fünften Kriegsjahres etwas größer wurde als im 
ersten Kriegsjahr, so ist dies ein besonders deutliches 
Zeichen für die unerschütterliche Leistungskraft der 
deutschen landwirtschaftlichen Erzeugung. 


Dr. Kurt Haußmann 


27 


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Zehn Jahre Rölchserbhiofgesei 


An dem Bürgerlichen Gesetzbuch, das 1900 als 
Ausdruck einer bürgerlichen Zeit im Altreich in 
Kraft trat, hat ungefähr dreißig Jahre lang eine Anzahl 
hochgelehrter Männer gearbeitet. Und, nicht viel 
länger als dreißig Jahre hat dieses Gesetz notdürftig 
gehalten. Dann bröckelte es auseinander in die vielen 
Bestandteile, in die es geglaubt hatte das Leben 
aufgliedern und einschachteln zu können. Es zerbrach 
endgültig in dem gleichen Zeitpunkt, in dem ein paar 
beherzte deutsche Männer sich im Jahre 1933 an- 
schickten, als Ausdruck des nationalsozialistischen 
Wollens, ausgestattet mit einem sicheren Instinkt 
für das Bäuerliche und für unsere völkischen Not- 
wendigkeiten, dem deutschen Volk ein „bäuerliches“ 
Gesetzbuch zu schenken, das als Reichserbhofgesetz 
am 1. Oktober 1933 in Kraft trat. Zwei Welten stan- 
den sich dabei gegenüber: die vergehende bürgerliche 
und die um die Zukunft ringende bäuerliche. 


So unterschiedlich die Entstehung dieser beiden 
Gesetze ist, so verschieden war aber auch ihre Auf- 
nahme durch das Volk. Während das Bürgerliche 
Gesetzbuch als die höchste Krönung der Rechts- 
gestaltung des vergangenen Zeitalters angesehen 
wurde, fand das Reichserbhofgesetz mit seinem Er- 
scheinen in der Allgemeinheit unseres Volkes nicht 
die Aufnahme und den Widerhall, den man, an seiner 
Bedeutung gemessen, hätte erwarten dürfen. Das ist 
aber auch verständlich. Denn dieses Reichserbhof- 
gesetz ist seiner Zeit weit voraus und schuf in einer 
noch bürgerlich denkenden, überwiegend städtischen 
Welt ein Recht, das in weiten Teilen des Volkes, ja 
sogar des Bauerntums, nicht mehr verstanden wurde. 
Während also das Bürgerliche Gesetzbuch seinerzeit 
als Samen in einen wohlbereiteten Acker gelegt 
wurde, fiel das Reichserbhofgesetz auf einen Boden, 
der noch keineswegs allgemein zur Aufnahme ge- 
eignet war. Die erste Aufgabe mußte es daher 
sein, nach Erlaß dieses Gesetzes nun diesen 
Boden vorzubereiten, damit die Saat auf- 
gehen und gedeihen konnte. 


Heute nach zehn Jahren ist es an der Zeit, einmal 
Rechenschaft darüber abzulegen, ob der Boden von 
uns richtig aufgebrochen und bearbeitet wurde, 
damit das Reichserbhofgesetz reiche Frucht tragen 
konnte. Der Boden ist in diesem Vergleich das Volk. 
Hier liegt die erste große Schwierigkeit. Der weitaus 
größte Teil unserer Anfang des vorigen Jahrhunderts 
noch überwiegend bäuerlichen Bevölkerung lebte 1933 
in der Stadt, zum nicht unerheblichen Teil sogar in 
der Großstadt. Viele der ursprünglich vom Bäuer- 
lichen kommenden deutschen Menschen hatten damit 
seelisch und geistig den Zusammenhang mit dem Lande 
verloren. Erst dieser große Krieg ist es, der hier den 


28 


Boden vorbereitet und auch in der Stadt er 
die Erkenntnis reifen läßt, daß ohne genügend Land 
und ein genügend starkes Landvolk das gesamte Voll dk 
zugrunde gehen muß. 9 


Die Arbeit der Durchdringung des Volkes mit de 
Gedanken des Erbhofrechtes mußte daher zun 
zwangsläufig auf den klein gewordenen Teil des L 
volkes beschränkt bleiben. Hier ist aber g 
worden, wenn auch hier der Boden zum Teil 
nicht mehr aufnahmebereit war, weil ein 
Recht und fremde Ideen ihn steril gemacht hatten 
In aller Stille ist aber im Landvolk, vielfach unbemerkt 
von der Stadt, an und mit diesem Recht u dich 
gearbeitet worden. Rund 2000 Bauerngerichte s i 
seit Jahren im Großdeutschen Reich an der Arbeit, 
dieses Bauernrecht wachsen und Frucht n 1 
lassen. Ungezählte Bauernführer aber haben in e 
Zeit unermüdlich um die Anerkennung dieses f 
gerungen. Und nicht umsonst. Wie sehr auchdi 
Reichserbhofgesetz, wie alles Neue und Unerp e: te, 
zunächst im Bauerntum recht kritisch aufge = 
wurde, so sehr hat es sich in jenen Gegenden e 
gesetzt, in denen das Bauerntum noch stark und ge 
sund geblieben war und sich nicht allzuweit von dem 
deutsch-germanischen Rechtsempfinden entfernth 
Das aber war der beste Beweis für die Richt 
dieses Gesetzes und der unbedingte Ansporn, 
das Bauerntum auch in jenen Teilen des Reiches ® 
dieses Gesetz auszurichten, in denen es an vielen 
tatsächlichen Voraussetzungen, wirtschaftlicher und 
kultureller Art zum Verständnis dieses Gesetzes fehlte. 
Diese Voraussetzungen, wie zum Beispiel Verbesse- 
rung der Einkommensverhältnisse, bessere maschi- 
nelle Ausstattung, Durchführung notwendiger Melio- 
rationen und Umlegungen usw. zu schaffen, ließen 
die Verhältnisse wegen des ständig drohenden und 
dann auch eingetretenen Krieges nicht zu. So ist e 
verständlich, daß das Reichserbhofgesetz in manchen 
Teilen unseres Bauerntums noch nicht auf das tiefe 
Verständnis stößt, das es verdient hat und das auch 
zu seiner Durchsetzung notwendig ist. 


oO 
> 9 
2 


Dennoch aber ist es in den zehn Jahren gewachsen 
und gediehen und wird es weiter wachsen, bis es 50 
reiche Frucht trägt, daß es nicht nur allgemein auf 
dem Lande, sondern auch in der Stadt als das Grund- 
gesetz unseres Volkes anerkannt wird. Das muß auch 
kommen. Denn wenn wir nur leben werden als Bauern- 
reich, wie der Führer sagte, dann wird dieses Bauern- 
reich nur festen Bestand haben können, wenn es ein 
starkes Bauernrecht besitzt. 


Dieses starke Bauernrecht aber wird nicht nur 
allein durch ein Gesetz geschaffen. Das Gê- 
setz ist nur das in den Boden gelegte Saatkorn. Es 
muß als aufgegangene junge Pflanze gepflegt und be: 
hütet werden, damit es eines Tages ein starkes 


\ 


Wachstum zeigt. Das aber kann nach zehn Jahren 
noch nicht der Fali sein. Und doch sehen wir heute, 
schon, wie sich dieses Reichserbhofgesetz entwickelt 
hat. Es hat sich dem Leben im Einzelfall durch die 
unermüdliche Rechtsprechung unserer Bauernge- 
richte angepaßt, und dort, wo seine Paragraphen nicht 
ausreichten, ist es im Laufe der jahre verändert und 
verbessert worden. Es wird auch weiterhin so ver- 
bessert, daß es eines Tages als ausgewachsenes, art- 
eigenes und volksverbundenes Recht vor uns steht, 
vor uns, die wir bis dahin ebenfalls in einer neuen 
Weltanschauung gereift sind und alle die Bedeutung 
dieses Rechts erkennen gelernt haben. $ 


So wollen wir am zehnten Geburtstag dieses Ge- 
setzes nur deshalb zurückschauen, um an der bisher 


geleisteten Arbeit zu erkennen, welch ein groß 


Stück Weges zum gesteckten Ziele noch 
vor uns liegt. Wir wollen bekennen, daß wir 
weiterhin im Bauerntum mit aller Kraft im Sinne 
dieses Bauernrechts zur politischen Aufgeschlossenheit 
und Aktivität, zum Wollen eigener Rechtsgestaltung 
und zur Tat der Rechtsschöpfung erziehen müssen, 
vor allem bei der Jugend angefangen, well ihr die 
Zukunft gehört und sie alles vollenden muß, was bei 
uns nur Sehnsucht und vorbereitende Tat sein kann. 


Dr. Meyer in der Stroth 


Beruf und Kinderzahl im Lichte der 
Statistik r 


Statistiken geht zwar der Ruf voraus, sie wirkten 
zu trocken, bei näherer Betrachtung erweisen sich 
aber auch nüchterne Zahlenreihen als sehr auf- 
schlußreich und zeigen etwas von dem Leben, das sie 
festhalten sollen. Aus den Veröffentlichungen In 
Heft 5/1943 der Zeitschrift „Wirtschaft und Statistik“ 
erhalten wir manchen wertvollen Hinweis auf die 
gegenwärtige biologische Lage unseres Volkes. Hier 
hat das Statistische Reichsamt erstmalig auf Grund 
der-familienstatistischen Erhebungen bei der Volks- 
zählung von 1939 Ergebnisse über die Kinderzahl der 
bestehenden Ehen nach dem Beruf und der sozialen 
Stellung der Ehemänner sowie nach der Wohnweise 
in Stadt und Land und nach der etwaigen Boden- 
bewirtschaftung bekanntgegeben. Für dle. Zahlen- 
tabellen ist eine standardisierte Meßzahl (nämlich die 
Klnderzahl der Ehen der Bauern und selbständigen 
Landwirte in den ländlichen Gemeinden im Durch- 
schnitt = 100) zugrunde gelegt und dann die ver- 
schiedensten Berufsgruppen jeweils nach dem Beruf 
des Ehemannes und der Tatsache, ob Bodenbewirt- 
schaftung nachweisbar ist oder nicht, aufgetellt. 
Allerdings sind hier nur die ländlichen Gemeinden 
und die Großstädte berücksichtigt, während die 
mittlere Gruppe der Gemeinden mit 2000 bis 100000 
Einwohnern leider nicht behandelt wird. 


Wir können’ diesen Zahlenreihen entnehmen, daß 


die Landarbeiter In den ländlichen Gemeinden er- 
heblich mehr Kinder aufweisen als die selbständigen 
Bauern und Landwirte. Auch die Bauarbeiter und in 
geringerem Maße die Stein- und Bergarbeiter haben, 
soweit sie auf. dem Lande wohnen und Land bewirt- 
schaften, durchschnittlich mehr Kinder als die Bauern. 


t 


Weiter ersehen wir aus dieser Zusammenstellung, 
daß die Kinderzahlen in den ländlichen Gemeinden 
erheblich über denen der Großstädte liegen und daß 


die Ehepaare mit Landbewirtschaftung immer er- 


heblich kinderreicher sind als die ohne. Auch zeigt 
es sich deutlich, daß Bodenbewirtschaftung den 
geburtenmindernden Einfluß der Stadt wesentlich 
abschwächt, wenn. auch nicht aufhebt. 


„Wirtschaft und Statistik“ knüpft hieran die Fest- 


stellung: „Bemerkenswert ist, daß die Vertreter 


vieler Berufe, sofern sie auf dem Lande wohnen, 
ganz gleich, ob sie eigenen Boden bewirtschaften oder 
nicht, prozentual mehr Kinder aufweisen als die 
16000 Bauern, die am Rande der Großstadt ansässig 
sind.“ Hier ist zu bemerken, daß es sich bel diesen 
16000 Ehepaaren einmal nur um einen verschwindend 
kleinen Prozentsatz aller Ehepaare der Bauern und 
Landwirte (0,9 v. H.) handelt und sie schon deshalb 


kaum zum Vergleich mit ‚Berufsgruppen heran- 


gezogen werden dürfen, die zu wesentlich größeren 
Teilen in Großstädten wohnen (z.B. bei den Berg- 
arbeitern 28, 2 v. H.), und daß weiter der Begriff 
„Bauer“ bei diesen sich doch vielfach nur einer 
Spezialkultur widmenden Landwirten nicht summa- 
risch angewandt werden darf. Nur so ist es zu er- 
klären, daß viele Berufsgruppen, „sofern ihre Ver- 
treter auf dem Lande wohnen und ein Stück Land 
bearbeiten, kinderreicher oder wenigstens ebenso 
kinderreich‘‘ wie die Ehepaare der Bauern und Land- 
Wirte erscheinen, „die im Bereich der Großstadt 
ansässig sind.“ 


. Es ist wichtig festzustellen, daß der Anteil der 
Ehepaare von Bau-, Berg- und Steinarbeltern, die auf 
dem Lande mehr Kinder als die Bauern und Landwirte 
aufweisen, in den ländlichen Gemeinden bei gleich- 
zeitiger Bodenbewirtschaftung verschwindend klein 
ist und daB hier 5 der Ehepaare der Bauern 
und Landwirte viel bedeutsamer ins Gewicht fällt. 


‚Außerdem kann ein großer Teil dieser Arbeiter- 


gruppen, der in den ländlichen Gemeinden Land be- 
wirtschaftet und zum allergrößten Teil selbst aus der 
Landwirtschaft stammt, mit gutem Recht als Land- 
wirte im Nebenberuf angesprochen werden. 
Wir müssen hier die Tatsache der Herkunft und Zu- 
gehörigkeit zum landwirtschaftlichen Beruf — der 
z.T. nur unter dem Zwang der Verhältnisse zur 


Nebenbeschäftigung wurde — besonders hervorheben, 
und sehen dann gleichzeitig, welche Bedeutung die - 


Sprengung der deutschen Raumenge und die nun er- 
möglichte weitausgreifende Siedlungspolitik für die 
Zukunft unseres Volkes hat. So erhalten wir einen 
neuen Beweis für die Berechtigung der These von der 
Schicksalsverbundenheit von Blut und Boden. Die 
in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung ist, wenn 
man alle Gemeindegrößenklassen zusammenfaßt, 
nach den Aussagen: der Statistik nach wie vor bei 
weitem kinderreicher als die nichtlandwirt- 
schaftliche Bevölkerung, und ohne eine breite Basis 
der selbständigen Bauern und Landwirte auf dem 
Lande und ohne ihren Kinderreichtum wäre unser 
Volk zum allmählichen Aussterben verurteilt. Das 
Bauerntum ist und bleibt der Jungbrunnen des Volkes! 


Dr. Albrecht Timm 


29 


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Kartoffeln 
für die Verarbeitungsindustrie 


Ihre vielseitige Verwendungsfähigkeit hat der Kar-- 


toffel in der deutschen Ernährungspolitik eine be- 
sondere Stellung zugewiesen. Zehn Jahre lang haben 
wir uns um eine Ertragssteigerung dieser Frucht 
bemüht mit dem Erfolg, daß Anbauflächen und Er- 
träge bei normaler Witterung eine ständig steigende 
Kurve aufwiesen. Bessere Bodenbearbeitung, häufi- 
gerer Saatgutwechsel, die Verwendung ertragsrei- 


_cherer und ertragssicherer Sorten, erhöhter Aufwand 


und nicht zuletzt der verstärkte Einsatz technischer 
Hilfsmittel haben mit dazu beigetragen, daß die Er- 
träge laufend stiegen. Heute wissen wir, wie richtig 


die Parolen waren, die zu einer Steigerung des Hack- 


fruchtanbaus aufriefen. Die Kartoffel hat, je länger 
der Krieg dauert und je mehr die tierische Kost durch 
die pflanzliche ersetzt wird, eine immer wachsende 
Bedeutung für die menschliche Ernährung. War vor 
dem Kriege der Speisekartoffelbedarf auf etwa 
13 Millionen Tonnen angestiegen, so kann man heute 
mit einer Verdoppelung dieses Satzes rechnen. Rund 
26 Millionen Tonnen müssen zur Zeit für Speisekar- 
toffeln des deutschen Volkes bereitgestellt werden. 
Das ist eine Menge, die schon rein transportmäßig 
ungeheure Anforderungen an den Verkehr stellt, 
selbst wenn davon fast 40 v. H. den Bedarf der Selbst- 
versorger ausmachen und daher transportmäßig 
nicht ins Gewicht fallen. 


Unter den übrigen Interessenten für die Kartoffel- 
ernte steht das Schwein mit seiner sehr erheblichen 
Forderung an Futterkartoffeln an erster Stelle. Ihm 
folgen die Pflanzkartoffeln und schließlich der Be- 
darf an Fabrikkartoffeln. Wenn die Verarbeitungs- 
industrie auch mit ihrem Kartoffelbedarf an letzter 
Stelle steht, so sind ihre Erzeugnisse doch für die 
Ernährungswirtschaft und auch für die gewerbliche 
Wirtschaft — nicht weniger als rund 70 Industrie- und 
Gewerbezweige bedürfen zur Herstellung ihrer 
Produkte der Erzeugnisse der Kartoffelverarbeitungs- 
industrie — von so grundsätzlicher Bedeutung, daß 


dieser Bedarf sowohl bei der Anbauplanung berück- 


sichtigt wird, als auch in der Marktordnung eine wach- 
sende Rolle spielt. Die Sicherung der Rohstoffgrund- 
lage für die Kartoffelverarbeitungsindustrie Ist nach 
dem jeweiligen Ausfall der Ernte und den Bedürfnissen 
des Verbrauchs entscheidend. Daher hat die Kartoffel- 
marktordnung schon vor Jahren Einzugsgebiete für 
jeden Flocken- und Stärkeverarbeitungsbetrieb fest- 
gelegt und hierfür bestimmte Fabrikkartoffelliefer- 
mengen an die Landwirtschaft herausgegeben. Für 
jeden Erzeugerbetrieb ist ein Grundlieferungskon- 
tingent an Fabrikkartoffeln festgesetzt. Da im Wirt- 
schaftsjahr 1943/44 die Pflichtverarbeitungsmenge der 
Flockenberiebe vorläufig auf höchstens 40 v. H., der 
Stärkebetriebe vorläufig auf höchstens 60 v. H. der 
Fabrikkartoffelgrundliefermengen der Erzeuger des 
jeweiligen Einzugsgebietes festgesetzt worden ist, 
wird der Erzeuger zum Zwecke der vorrangigen 
Sicherstellung der Speisekartoffeln verpflichtet, die 
Restmenge des Fabrikgrundkontingents als Speise- 
kartoffeln zusätzlich abzuliefern. Durch die Umlagen 


30 


der Grundlieferungsmengen bei den Erzeugern inner- 
halb der Einzugsgebiete ist eine gesicherte Basis für 
die Arbeit der Flocken- und Stärkefabriken gegeben, 
die sich selbstverständlich nach der zu erwartenden 
Ernte richtet. Durch diese elastische Anpassung 
der Marktordnung an die Erzeugungsmöglich- 
keiten wird gleichzeitig der Anfall der zahlreichen 
Erzeugnisse aus Kartoffeln, die für die Kriegsernäh- 
rungswirtschaft wichtig sind und die in der allge- 
meinen Kriegsproduktion zum Teil Schlüsselstellungen 
einnehmen, sichergestellt. 

Erich Borkenhagen 


Vom Abfallprodukt 
zum Nahrungs- und Futtermittel 


Der Anbau von Zuckerrüben erfolgte in früheren 


‚Jahren lediglich zur Gewinnung von Zucker aus den 


geernteten Rübenkörpern. Das bei der Ernte an- 
fallende Rübenblatt betrachtete man im allgemeinen 
als ein lästiges Beiwerk, das viel Arbeit bereitete 
und den Betrieb belastete, ohne einen größeren Wert 
zu besitzen. In ausgesprochenen Rübenwirtschaften 
wurde daher das Blatt vielfach auf dem Felde liegen- 
gelassen, wo es langsam verfaulte, um dann später 
untergepflügt zu werden. 


Ein Teil des Blattes wurde in frischem Zustande 
oder eingesäuert zur Fütterung des Rindviehs und 
der Schafe herangezogen. Welch geringe Bedeutung 
man diesem Futtermittel beimaß, geht unter anderem 
auch aus der höchst primitiven Art der Aufbewahrung 
hervor. Im allgemeinen wurde das Blatt in große 
Haufen zusammengefahren und mit Erde bedeit, 
Dabei entstand ein übelriechender Patsch, der de 
ganze Umgebung des Betriebes mit seinem unange- 
nehmen Geruch erfüllte und für die Fütterung infolge 
der dabei entstehenden Nährstoffverluste von nicht 
allzu großer Bedeutung war. Nachdem man im Ver- 
laufe der letzten zwei Jahrzehnte den Wert des Rüben- 
blattes für die Milchviehfütterung mehr und mehr 
erkannt hatte, ging man vor allem in ſortschrittlichen 
Betrieben dazu über, dem Rübenblatt bei der Ein- 
säuerung eine größere Sorgfalt einzuräumen. Es ge- 
lang dadurch, die Nährstoffverluste ganz erheblich 
herabzusetzen und somit ein Futtermittel zu gewinnen, 
das sich durch einen hohen Eiweißgehalt und vor- 
zügliche Futtereigenschaften auszeichnete. Im Ver- 
laufe der Erzeugungsschlacht wurde der Wert dieses 
Futtermittels immer mehr erkannt und das Zucker- 
rübenblatt weitgehend als Ersatz für die feh- 
lenden Kraftfuttermittel herangezogen. Dem- 
entsprechend erfolgte die Ernte von jahr zu jahr 
sorgfältiger unter Vermeidung von Verschmutzung — 
besonders durch das Pommritzer Verfahren — und 
die Einsäuerung nach Möglichkeit In festen Behältern 
oder la mit Silopapier ausgelegten Erdgruben bzw. 
Strohbehältern. 


In neuester Zeit hat sich nunmehr durch wissen- 
schaftliche Versuche und praktische Erfahrungen 
gezeigt, daß das Rübenblatt nicht nur ein wertvolles 
Milchviehfutter darstellt, sondern sich auch für die 
Schweinemast hervorragend eignet. Wie Prof. 


Richter, Kraftborn, und Prof. Nehring, Rostock, 
in eingehenden Versuchen feststellen konnten, ist es 
durch die gemeinsame Einsäuerung von Kartoffeln 
und Zuckerrübenblatt im Verhältnis 2: 1 möglich, 
ein hervorragendes Mastfuttermittel für die Schweine- 
mast bereitzustellen und damit auch erhebliche 
Mengen von Kartoffeln bei der Schweinemast ein- 
zusparen. Dies dürfte In diesem Herbst von ganz 
besonderer Bedeutung sein. 


Darüber hinaus hat es sich des weiteren gezeigt, 
daß das Zuckerrübenblatt auch als Gemüse einen 
hohen Wert besitzt, der zumindestens dem des 
Spinats gleichkommt. Seit dem vorigen jahr Ist man 
daher dazu “übergegangen, Zuckerrübenblatt plan- 
mäßig und mit bestem Erfolg in der Gemüsever- 
sorgung einzusetzen. Damit ist aus einem wertlosen 
Abfallprodukt im Laufe der letzten Jahre ein überaus 
geschätztes, hochwertiges Futter- und Nahrungsmittel 
geworden. Dies bedingt, dag diesem hochwertigen 
Erzeugnis in der Praxis Insbesondere bei der Ernte 
auch die nötige Beachtung geschenkt werden muß. 
Verluste durch unsachgemäße Ernte, Verschmutzung, 
langes Liegenlassen auf dem Felde usw. müssen wel- 
testgehend vermieden werden. Der Einsatz des Blattes 
in der Fütterung muß überlegt und planvoll erfolgen, 
um allen Anforderungen, die in immer höherem Maße 
an dies Erzeugnis gestellt werden, gerecht zu werden. 


Dr. Ernst Schneider 


Das Deputaf und die Landarbeiterin 


Deputat, auf deutsch „das Zustehende“, Ist seit 
alters her in der Landwirtschaft ein Teil des Lohnes. 
Es umfaßt Sachwerte (Naturalien) wie etwa Getreide, 
Viehhaltung, Wohnung, Brennholz, Garten- und 
Ackerland usw. Genau so, wie man beizeiten lernen 
muß, das Geld richtig einzuteilen, muß man auch 
lernen, das Deputat richtig zu verwerten. je 
nachdem, in welchem Maß die Landarbeiterin das 
versteht, kann sie ihr Einkommen steigern und die 


wirtschaftliche Kraft des eigenen Haushaltes stärken. 


Früher meinte man, da8 jede Landarbeiterin das 
„von selbst können“ müsse. Wie aber eine junge 
Mutter nicht allein dadurch, daß sie einem Kind das 
Leben gegeben hat, von selbst weiß, wie es gepflegt, 
großgezogen und erzogen werden muß, wenn sie 
nicht entsprechende Unterweisungen erhalten, am 
besten entsprechende Kurse oder Kurzlehrgänge be- 
sucht hat, genau so wenig kann die Landarbeiterin 
„von selbst” richtig mit dem Deputat umgehen. Wohl 
lernt die Tochter viel von der Mutter. Aber die Zeit 
geht weiter und stellt immer neue Anforderungen 
an uns und unsere Leistungsfählgkeit. Deshalb müssen 
wir mit der Zeit mitgehen und unsere Arbeit immer 
wieder neu ausrichten. .- 


Durch das Bäuerliche Berufserziehungswerk 
wird auch den Landarbeitertöchtern die Möglichkeit 
gegeben, daB sie durch die Hausarbeitsiehre 
eine geordnete Berufsausbildung erhalten 
können, d.h. daB sie neben der Feldarbeit auch alles 
das lernen, was sie zur Führung ihrer kleinen Land- 


arbeitereigenwirtschaft brauchen. Dazu gehört so- 
wohl die Haushaltführung wie die Pflege des Viehs, 
Geflügels, Gartens usw. Auch den sogenannten Hof- 
gängerinnen bietet sich: diese Möglichkeit, wenn sie 
in die Hausarbeltslehre eintreten. Der Betriebsführer 
muß sich in diesen Fällen verpflichten, die junge 
Landarbeiterin während des Winters für mindestens 
acht Wochen vorwiegend in der ländlichen Haus- 
wirtschaft zu beschäftigen. Dort, wo dies nicht mög- 
lich ist, wird durch einen besonderen vierwöchigen 
Lehrgang erreicht, daß die einseitige Feld- und Hof- 
arbeit die notwendige hauswirtschaftliche Ergänzung 
erfährt. Auf diese Weise ausgebildet, kann künftig 
jede Landarbeiterin das Rüstzeug erhalten für die 
zweckmäßigste Deputatsvor wertung und Führung 
ihrer Eigenwirtschaft. | 


Der jetzigen Generation aber, für die die Lehre 
nicht mehr in Frage kommt, kann durch entspre- 
chende Beratung oder Kurzlehrgänge geholfen 
werden, sich die Haushaltführung zu erleichtern und 
erfolgreicher zu gestalten. Erst einmal für diese Ge- 
dankengänge aufgeschlossen, merkt die Landarbeiter- 
frau sehr bald, wie sie sich manches praktischer ein- 
richten kann. Sie beobachtet und vergleicht und bringt 
schließlich von sich aus mancherlel Fragen aus Ihrer 
Haushalt- und Wirtschaftsführung vor, die ihr bisher 
Kopfzerbrechen machten. Dabei geht es nicht allein 
um das Kochen, dem in manchem Landarbeiter- 
haushalt aus Zeitmangel viel zuwenig Sorgfalt zu- 
gewendet wird, und nicht nur um die Ernährung 
der Kinder, bei der gerade auf dem Lande noch viele 
Irrige Meinungen vorherrschen, sondern Insbesondere 
um die zweckmäßige Deputatverwertung, z.B. 
das Einschlachten des Schweines und die Ausnutzung 
des Gartenlandes so, daß die Ernährung der Familie 
nach neuzeitlichen Erkenntnissen mit ausreichenden 
Mengen an Gemüse und Obst auch wirklich möglich Ist. 
Derartige Kurzlehrgänge hat die Landesbauernschaft 
Sachsen-Anhalt schon seit mehreren Jahren In nun- 
mehr fast allen Kreisbauernschaften als sogenannte 
Sprechabende durchgeführt. Die rege Teilnahme der 
Landarbeiterinnen bewies das große Interesse, das 
sie dieser Maßnahme entgegenbringen, und das starke 
Bedürfnis, etwas dazuzulernen, wenn sich die 
richtige Möglichkeit dazu bietet. Trotz des Krieges 
werden diese Sprechabende im Hinblick auf ihre 
wirtschaftliche Bedeutung weitergeführt — wenn 
auch in kleiner Zahl — und sind von anderen Landes- 
bauernschaften ebenfalls aufgenommen worden. Die 
Landarbeiterin wird dadurch nicht nur wirtschaft- 
lich beraten, sondern es wird auch ihr Selbst- 
bewußtsein gestärkt, und sie lernt gleichzeitig, 
sich genau so wie die Bäuerin als richtige Landfrau 
zu fühlen. Eine Landarbeiterin aber, deren Haushalt 
wirtschaftlich gefestigt ist und die mit Recht stolz 
auf ihre Arbeit und ihre Leistung für den Hof, für die 
Landwirtschaft und damit für die Ernährungswirt- 
schaft überhaupt ist, wird dafür sorgen, daß ihre 
Kinder nicht den Verlockungen der Großstadt er 
liegen, sondern dem Lande treu bleiben und einen 
Beruf ergreifen, der in irgendeiner Form ebenfalls 
dem gleichen Ziel dient, 

Irmgard Genthe 


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H. Schmidlin 


Arbeit und Stellung der Frau in der 


Landgufs wirtschaft der Hausväter 


Carl Winters Universitätsbuchhandlung, 
Heidelberg 1941, 115 Seiten 


Schon Adam Müller, der Staatsphilosoph der Ro- 
mantik, hat die Beobachtung gemacht, daß Albrecht 
Thaer in seinen Schriften die Hausfrau, „die unsicht- 
barste, aber einflußreichste Potenz der Landwirtschaft, 
die Sparende, die Erhaltende“, kaum berücksichtigt 
hat. „Der Gesetzgeber der rationellen Landwirtschaft 
erwähnt sie in allen seinen Werken kaum dem Namen 
nach.“ Auf dem Wege zur modernen Landwirtschafts- 
wissenschaft schied die Landbaulehre das Land- und 
Gartenleben sowie die Innere Hauswirtschaft aus, 
damit wurde der Bereich der hausmütterlichen Arbeit 


. aus den Darstellungen der praktischen Landwirtschaft 


fast ganz entfernt. Die Vorläufer der rationellen Land- 
wirtschaftsiehre, die. Hausväter, brachten dagegen 
regelmäßig in ihren Werken Teile über die Arbeit 
der Frau In Haus und Garten, ja verschiedene Ver- 
fasser stellten neben ihren „Hausvater“ auch eine 
„Hausmutter“, wie z.B. Germershausen. Schmidlin 
hat die Hausväterliteratur nach der Stellung der Haus- 
frau in ihr durchforscht und ein eindrucksvolles und 
lebendiges Bild von der vielseitigen Tätigkeit der 
Hausfrau in der Landgutswirtschaft entworfen. 


Da berichten die Hausväter z. B. ausführlich über 
das Kochen und Einmachen, über das Schlachten, 
Lichteziehen, Seifekochen, Waschen, über das Backen, 
Brauen und Destillieren, das Spinnen, Weben, Färben 
und Schneidern und schließlich über die vielgestaltige 
Tätigkeit in der Milchküche und im Stall, im Garten, 
auf dem Feld und im Weinberg. Außer diesen Haupt- 
tätigkeiten gibt es aber noch viele, an denen die 
Hausfrau der Hausväter beteiligt ist oder die sie ver- 
antwortlich beaufsichtigt, wie z. B. die Seidenraupen- 
zucht, die Imkerei usw. Weitere Abschnitte zeigen 
die Frau bei der Regierung des Gesindes und der Er- 
ziehung der Kinder, hat doch schon Roscher den 
Inhalt der Hausväterliteratur dahin gekennzeichnet, 
daß In ihr der Gedanke des Familienlebens in 
gleicher Weise vorherrsche wie in der landwirtschaft- 
lichen Literatur des späteren 18.}jahrhunderts der Ge- 
danke des Reinertrages. Die Verfasser der Haus- 
väterliteratur betrachteten den landwirtschaftlichen 
Betrieb eben als eine erweiterte Haushaltung und 
nicht als landwirtschaftlichen Betrieb im späteren enge- 
ren Sinne des Begriffes. 


Der Verfasser vertritt die Anschauung, daß das 
Verschwinden der Haushaltskunde aus den Schriften 
der Rationellen nicht aus einer an sich höheren Ent- 
wicklung zu erklären war, sondern aus der einstwei- 


32 


ligen Notwendigkeit, zu einer Landwirtschaftswissen- 
schaft zu gelangen. Daher sei auch in der heutigen Zeit 
eine gewisse Wiederkehr der ländlichen Haus- 
haltskunde festzustellen, z. B. innerhalb der Land- 
arbeitsiehre. Der Verfasser bezeichnet seine Unter- 
suchung als „Beiträge zur Agrarphilosophie“. Er sieht 
also hinter den aufgezeigten Tatbeständen das Wir- 
ken weltanschaulicher Beweggründe, die an 
dere waren als bei den Rationellen. Die Romantik 
rügte bereits an Thaer, daß die Landwirtschaft nicht 
nur ein nach höchstem Reinertrag strebendes Gewerbe 
sein dürfe, sie schätzten die Hausvärer als späte Aus- 
läufer des Mittelalters, die das Landgut als Lehen Got- 
tes ansahen, woraus sich eine besondere Verantwor- 
tung gegenüber den Vorfahren und den kommenden 
Geschlechtern ergab. — Das interessante Buch leidet 
stellenweise unter einem wenig geschickten Stil. 


Dr. Klaus Schmidt 


Karl Rumpf 


Eine deutsche Bauernkunst 


Schriften des Landesamtes für Volkskunde. Heng 

gegeben von B. Martin. — Elwertsche Verlagsbuchkar* 

lung Marburg/Lahn 1943. 103 Seiten, 134 Abbildung 
24 Tafeln. Halbleinen RM. 24,— 


Das neue ins Leben gerufene Hessische Landesamt 
für Volkskunde hat seine Aufgabe, auf die reichen 
Zeugnisse des bodenständigen Volkstums hinzuweisen 
und das übernommene Erbe für die Gegenwart und 
Zukunft nutzbar zu machen, schon mit dem ersten 
Band seiner Veröffentlichung trefflich erfüllt. Karl 
Rumpf hat auf seinen jahrelangen Wanderungen die 
Wurzel der deutschen Kunst in der Bauernkunst 
aufgespürt und ihre mannigfachen Gestaltungsformen 
an den täglichen Gebrauchsgegenständen in zahlte 
chen Zeichnungen und Abbildungen festgehalten und 
gedeutet. Er widmet hier der Ornamentik und den 
Sinnbildformen in der Bauernkunst sein besondere 
Augenmerk. Strich- und Kerbschnittmuster reichen 
als gleichsam geometrische Ornamentik bis weit in 
die Frühzeit unseres Volkes. Sie haben sich In der 
wahren bäuerlichen Kunst immer organisch mit dem 
zeitlich bedingten Stil verbunden. Die Stärke und 
Ausdruckskraft der bäuerlichen Lebensordnung wird 
gerade beim Betrachten aller der Gebrauchsstücke 
aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts deutlich, 
die uns der Verfasser in so meisterhaften Wieder 
gaben zeigt. Auf diese reiche Tradition muß sich die 
Gegenwart besinnen, um hier altes Überlieferungsgt! 
mit den technischen Errungenschaften unserer Zeit 
zu einer neuen lebensstarken Einheit zu verbinden- 


Dr. Albrecht Timm 


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Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit 
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen 
auf dem Hoi meistnur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht 
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf 
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer 
Stelle zur anderen bringen läßt. 


Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der 
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese 


Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. 


SIEMENS-SCHUCKERTWERKE.AG 


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REINGAS-BULLDOG 


für Holzgas - Betrieb 


GREIFERKETTEN 
MIT STAHLPIATIEN 
ZUM PILUGEN 


ZICKZACK-LEITERKETTE 
FUR SIRASSEN 


KREUIKETIEN ILR ACKER 
UND FELDWIEGI 


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Rutschsicher 
das ganze Fahr 


Kettenwerk Max Többicke 


100 jährige Fabrikationserlahrungen 


| 
| Gesarol 
| ist Fraß- und Berührungs- 


gift zugleich! 


Das Anwendungsgebiet von Ge- 
| sarol ist wegen seiner Doppel- 
| wirkungsehrgroß. Gesarolkann 
sowohl vorbeugend als auch zur 
unmittelbaren Bekämpfung ge- 
gen saugende und fressende In- 
sekten im Acker-, Wein-, Obst- 
und Gartenbau verwendet wer- 
den. Es ist für Menschen und 
Haustiere ungiftig und bedeutet 


aufdem Gebiete derSchädlings- 
bekämpfung einen beachtlichen 
Fortschritt. 


Gesarol 


(auf Grund einer Lizenz der J. R. Geigy 
A.G.) 


Das Wort ‚einwecken“ stammt 
von Johann Weck, dem Mann, der 
das WECK-Verfahren begründet, 
der die WECK-Gläser und WECK- 
Geräte geschaffen hat. 


wW ECK 
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J.WECK & CO., ÖFLINGEN IN BADEN 


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Wie die Saak- 
A0 die &rnde ! 


Ernteausfälle werden 
vermieden durch Bei- 
zung des Saatguts. mit 


Ceresan 4 


Tròcken-oder Naßbeize 
für alle Getreidearten! 


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LG Farbenindustrie Aktiengesellschaft = 
Pllanzenschutz: Abteilung LEVERKUSEN 


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INHALT 


Marktordnung und Erzeuqungslenkuna dsds .e 33 
Dr. Hanskarl Freiherr von Manteuffel, Ministerialdirigent im Reichsministerium 

für Ernährung und Landwirtschaft: Sippenschutz im Erbhofr echt. 35 
Günther Pacyna: Bauerntum im Übergang ................ VV 39 
Blick ins Ostland (Bildbeilage w yyꝓ u n. S. 40 


Dr. Emil Woermann, ord. Professor für Land wirtschaftliche Betriebslehre an 
der Universität in Halle a. d. Saale: Die europäische Schweinehaltung — 
Ihre leistungen für die Fleisch- und Fettwirtschaf iI 44 


Oberlandwirtschaftsrat Dr. Wilhelm Heuckmann: Fragen der internationalen 
EREECHEN 51 


Weinlese in Europa (Bildbeilageꝛꝛi . ( m n. S. 32 


Dr. Hans Heinrich, Ministerialrat im Reichsministerium für Ernährung und 
Landwirtschaft, Mitglied des Reichserbhofgerichts: Der Abschluß der land- 


wirtschaftlichen Entschuldngg u ꝛ ꝛ rr 55 
Die Holmer Fischerzunft (Bildbeilage) ......::....2 css. n. S. 56 
Agrarpolitische ee ß . 59 
Ranabemerkungen: ] ]xé— 7«˙]ꝝ... ] h - a m. ˙ . 61 
Die Buchwacgn tt. %% ĩðù ͤ ᷣ⁰wi... ee 63 


Bildnachweis: Hennig Nolte, der uns auch die Aufnahmen für die Bildbeilage ‚Die Holmer Fischer- 

zunft‘' (15) zur Verfügung stellte, ist der Photograph des Titelbildes. Es zeigt die Fischer beim 

Einbringen der Netze nach der Heimkehr vom Fang. — Die Beilage „Blick ins Ostland! enthalt 

Aufnahmen von Dr. Stock (5) und vom Landwirtschaftlichen Bilderdienst (4). — Die Bilder zur „ Weinlese 

in Europa" stammen aus dem Archiv der Schriftleitung „Der Weinbau“ (4), von Weltbild (2), der 
AFI. (1), der Ungarischen Gesandtschaft (1) und von Kriegsberichter Bernick (1). 


Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15, Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna. 

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil: 

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 196051 

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts- 

ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43. 


OLITIK 


Herbert Backe 


November 1943 Jahrgang 2 Nummer 2 
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MARKTORDNUNG UND 
ERZEUGUNGSLENKUNG 


G. P. — Jede Marktordnung, die sich zum obersten Ziel die Bedarfsdeckung der Bevölke- 
rung ihres Wirkungsbereiches gemacht hat, führt naturnotwendig zur Erzeugungslenkung. 
Die nationalsozialistische Ernährungswirtschaft ist dafür ein kennzeichnendes Beispiel; 
denn die ernährungswirtschaftliche Marktordnung konnte ihre soziale und nationale Auf- 
gabe der Nahrungssicherung des deutschen Volkes nur durch planmäßige Mobilmachung 
der landwirtschaftlichen Produktionskraft lösen. In der Gesamtheit der Maßnahmen, die in 
dem Begriff der Erzeugungsschlacht zusammengefaßt wurden, kam daher von vornherein 
neben dem Willen zu einer allgemeinen Erzeugungssteigerung die Ausrichtung der land- 
wirtschaftlichen Erzeugung auf die Deckung der wichtigsten Versorgungslücken zur 
Geltung. Die Erzeugungslenkung wird um se notwendiger, je vielseitiger die Ernährungs- 
weise der zu versorgenden Bevölkerung ist und je mannigfaltiger die sich daraus 
ergebenden Erzeugungsaufgaben sind. Der hohe Lebensstand des deutschen Volkes aber 
erforderte darüber hinaus schon deswegen von vornherein eine besonders zielbewußte 
Erzeugungslenkung, weil der beschränkte Nahrungsspielraum, über den das deutsche Volk 
nur verfügte, eine Ausnutzung der landwirtschaftlichen Produktionskraft gebot, die zu- 
nächst und vor allem der Befriedigung der wichtigsten Lebensnotwendigkeiten diente; 
denn die Erfahrungen im ersten Weltkrieg hatten gezeigt, was es für ein Volk bedeutet, 
wenn diese Vorbedingung nationaler Selbstbehauptung nicht erfüllt ist. 

Mit dieser Konzentration der Produktionskraft der deutschen Landwirtschaft auf die 


Deeg 


vordringlichsten volkswirtschaftlichen Versorgungsaufgaben zur Sicherung der deutschen 


Nahrungsfreiheit war aber gleichzeitig auch das wirtschaftspolitische Verhältnis zu den 
Agrarländern Europas bestimmt. Die deutsche Erzeugungsschlacht entsprang nicht etwa 
einem grundsätzlichen Abschlußwillen, der sich selbst genug war, sondern dem Bestreben, 
den landwirtschaftlichen Zufuhren aus dem Auslande wieder ihre natürliche volkswirt- 
schaftliche Ergänzungsfunktion zuzuweisen. Dementsprechend wurde die ernährungs- 
wirtschaftliche Einfuhrregelung zu einem unentbehrlichen Bestandteil der deutschen 
Marktordnung. So sehr diese Einfuhrregelung von den nationalpolitischen Notwendig- 
keiten des deutschen Volkes diktiert war, so sehr entsprach sie andererseits aber auch den 
natürlichen Lebensinteressen gerade der europäischen Agrarländer. Damit wurde die 
ernährungswirtschaftliche Marktordnung Deutschlands zu einem Tragpfeiler der wirt- 
schaftlichen Neuordnung Europas. 

Und dies aus zwei Gründen: Während für England — wie der Aufsatz „Bauerntum im 
Ubergang” an dem Beispiel der baltischen Agrarländer zeigt — die landwirtschaftlichen 
Überschüsse der europäischen Agrarländer nur die Rolle eines vorübergehenden Lücken- 
büßers spielten, der den vorherrschenden überseeischen Interessen Englands immer wieder 
— oft von heute auf morgen — weichen mußte, während auf diese Weise die Landwirt- 
schaft Europas nur zu einem unbedeutenden Anhängsel der Landwirtschaft in Übersee 
wurde und völlig im Schatten von deren Entwicklung stand, bildete für das deutsche Volk, 
das infolge seiner kontinentalen Mittellage von der Verbindung nach Übersee nur zu leicht 
abgeschnitten werden konnte, Europa den naturgegebenen ernährungswirtschaftlichen 


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Ergänzungsraum. Deutschland hatte also im Gegensatz zu England an einer dauerhaften 
Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen ein natürliches Interesse, das dem Ausfuhr- 
bedürfnis der europäischen Agrarländer um so mehr entgegenkam, je mehr sich diese 
entschlossen, ihre Erzeugung auf die Deckung des zusätzlichen deutschen Nahrungs- 
bedarfes abzustellen. Dadurch bekamen die Marktordnung und Erzeugungslenkung in 
Deutschland eine gesamteuropäische Bedeutung, die nicht etwa erst durch den Krieg 
hervorgerufen, aber durch ihn noch stärker, da allen sichtbar, unterstrichen wurde. Sie 
weisen den Agrarländern Europas die Möglichkeit zu einem Ausbau ihrer landwirtschaft- 
lichen Erzeugung, daß diese das sichere und dauerhafte Fundament ihres nationalen 
Wohlstandes bilden kann. 

Allerdings ist zur Erreichung dieses Zieles — darüber að man , sich an verantwortlicher 
Stelle in diesen Agrarländern klar sein — eine bewußte Erzeugungslenkung, d.h. eine 
Umstellung der Erzeugung auf die Deckung des zusätzlichen Bedarfs des deutschen Volkes 
notwendig. Der Aufsatz von Professor Emil Woermann zeigt an dem besonders wichtigen 
Kapitel der europäischen Schweinehaltung und ihrer Leistungen für die Fleisch- und Fett- 
wirtschaft die Wichtigkeit dieser Erzeugungslenkung, die, im Grunde genommen, Wieder- 
besinnung auf die natürlichen Erzeugungsgrundlagen der europäischen Landwirtschaft, 
bedeutet. Diese Tatsache ist ein Beleg mehr für den organischen, d.h. den den natur- 
gegebenen Interessen entsprechenden Charakter der notwendigen Erzeugungsumstellung 
und gleichzeitig damit ein weiterer Beweis dafür, daß eine enge ernährungswirtschaftliche 
Zusammenarbeit mit Deutschland den Lebensnotwendigkeiten der europäischen Wirt- 


„schaftsgemeinschaft entspricht. Der Aufsatz von Wilhelm Heuckmann über Fragen der 


internationalen Weinbauwirtschaft unterstreicht diese Erkenntnis, denn er zeigt, wie sehr 
eine zielbewußte Erzeugungslenkung selbst auf „Nebengebieten“ zur wirtschaftlichen 
Gesundung und sozialen Festigung des Bauerntums in den europäischen Agrarländern 
beitragen kann. 

Wenn man sich diese Tatsache Feng scene so wird man auch vor den Schwierig- 
keiten, die die notwendige Erzeuqungslenkung zweifellos mit sich bringt, nicht zurück- 
schrecken, und das um so weniger, als ja auch die Abhängigkeit von dem englischen 
Weltwirtschaftssystem und die damit gegebene Notwendigkeit, die wechselnden, vom 
englischen Interesse diktierten Konjunkturen auszunutzen, immer wieder zahlreiche 
Produktionsumstellungen erforderten, die nur zu oft, kaum durchgeführt, Wieder sinnlos 
wurden, weil inzwischen England seinen überseeischen Interessen zuliebe einen plötz- 
lichen Kurswechsel seiner Handelspolitik vorgenommen hatte. Dagegen bietet die Aus- 
richtung der landwirtschaftlichen Erzeugung auf die Zusammenarbeit mit Deutschland den 
sonst nirgends gebotenen Vorteil der Dauerhaftigkeit. Das ist aber gerade die entscheidende 
Voraussetzung einer Gesundung der europäischen Agrarländer von Grund auf, der gegen- 
über die Umstellungsschwierigkeiten, die gewiß nicht verkleinert werden sollen, doch nur 
gering wiegen. Auch der deutschen Landwirtschaft wurde ja in der Erzeugungsschlacht 
eine Produktionsumstellung zugemutet, die bei ihrer hochintensiven Betriebsweise beson- 
ders einschneidend und schwierig war. Ihre fundamentale Bedeutung für den Lebenskampf 
des deutschen Volkes wird erst die Geschichte voll zu würdigen wissen. 


Diese Umstellung, die an die wirtschaftliche Beweglichkeit des deutschen Landvolkes 
höchste Anforderungen stellte, war nur möglich, weil sie gleichzeitig mit einer sozialen 
Festigung des Bauerntums verbunden war, die in dem Reichserbhofgesetz ihren stärksten 
Ausdruck fand. Die durch dieses gewährleistete Sippengebundenheit des bäuerlichen 
Grundeigentums diente nicht nur der Sicherung des bäuerlichen Blutquells als des Jung- 
brunnens der Nation, sondern gab auch der bäuerlichen Arbeit den unentbehrlichen 
Schutz, der ihre unbedingte Ausrichtung auf die Pflichterfüllung gegenüber Volk und Staat 
ermöglichte. Die neue Erbhoffortbildungsverordnung beweist, wie Freiherr von Man- 
teuffel in seinem Aufsatz „Sippenschutz im Erbhofrecht“ zeigt, daß dieser richtung- 
gebende Gedanke über den Ernährungssorgen des Krieges nicht etwa vergessen, sondern 
zielbewußt weiter ausgebildet worden ist. Gleichzeitig kann dieses Heft in dem Aufsatz 
von H. Heinrich den Abschluß der landwirtschaftlichen Entschuldung behandeln, ein 
Beweis mehr für die durch den Nationalsozialismus bewirkte soziale Rückgratstärkung des 
Landvolkes, die bewirkt hat, daß die Landwirtschaft die Erzeugungsschlacht mit unüber- 
bietbarem Erfolg durchführen konnte. 


34 


HANSKARL FREIHERR VON MANTEUFFEL: 


SIPPENSCHUTZ 


IM ERBHOFRECHT 


Die Reichsregierung will unter Sicherung alter deut- 
scher Erbsitte das Bauerntum als Blutquell des deut- 
schen Volkes erhalten. 

Die Bauernhöfe sollen vor Uberschuldung und Zer- 
splitterung im Erbgang geschützt werden, damit sie 
dauernd als Erbe der Sippe in der Hand freier Bauern 
verbleiben. Reichserbhofgesetz. 

IE einem Aufsatz „Landfamilie — Bauern- 
reich“ hat Horst Rechenbach im Juni- 
Heft der „Deutschen Agrarpolitik“ die Be- 
deutung der Sippe, insbesondere der Land- 
volkgeschlechter, für die Zukunft unseres 
Volkes klar unterstrichen. Er hat in den 
Abschnitten seiner Ausführungen, die das 
Bauerntum als Ausgangs- und Mittelpunkt 
des völkischen Lebens überhaupt darstel- 
len, sich auch eingehend mit dem Zusam- 
menhang zwischen dem Sippenschutz und 
dem Reichserbhofrecht beschäftigt. Und 
während er aufzeigt, daß in weiten Kreisen 
des Bauerntums heute noch das Klein- 


familiendenken verständlicherweise vor- 


handen ist, fordert er doch sehr bestimmt 
die Umstellung des Bauerntums vom Klein- 
familiendenken auf das Geschlechter- 
denken, das zwar nicht von oben ange- 
ordnet werden kann, aber unbedingt von 
unten wachsen muß. Mit ihm sind wir der 
Ansicht, daß die Bodengebundenheit der 
Geschlechter die wesentliche Voraus- 
setzung für ihre Lebensdauer und ihre 
Aufartung ist und daß für den Wert der 
Bodengebundenheit die richtige Erbfolge 
und Gattenwahl die entscheidende Voraus- 
Setzung ist. So muß das Reichserbhofgesetz 
diesem Geschlechterdenken, zu dem wir im 
Laufe der Zeit das gesamte Landvolk er- 
ziehen wollen, nicht nur Rechnung tragen, 
sondern darüber hinaus muß der Schutz 
des Geschlechts oder der Sippe auf dem 
Hof ein Kernstück der EEN 
Gesetzgebung sein. 

Hat das Reichserbhofgeseiz selbst oder 
die es zunächst erweiternde Erbhofrechts- 
verordnung diesem Grundsatz bereits voll 
Rechnung getragen oder blieb einiges zu 
wünschen übrig? 


Um das beurteilen zu können, müssen 
wir uns vergegenwärtigen, was von den 


einzelnen wesentlichen Bestimmungen dem 
Sippegedanken Rechnung trägt. Die ein- 
zelnen Vorschriften des Reichserbhof- 
gesetzes sind nichts weiter als technische 
Hilfsmittel, um die in der Präambel auf- 
gestellten Grundforderungen verwirklichen 
zu helfen. Einleitend zum Gesetz stehen 
aber die beiden oben über diesen Beitrag 
gesetzten Sätze, die bei der Bedeutung der 
Präambel für die Auslegung der nachfol- 
genden Paragraphen eine klare Richt- 
schnur für die Anwendung jeder einzelnen 
Bestimmung des Gesetzes insbesondere für 
die bäuerlichen Anerbenbehörden dar- 
stellen. Damit stellt das Reichserbhofgesetz 
selbst als Ziel seiner Maßnahmen einen 
Rechtszustand hin, in dem der Bauernhof 
dauernd als Erbe der Sippe in der Hand 
freier Bauern verbleiben soll. 


Es erreicht diesen Sippenschutz zunächst 
durch das generelle Veräußerungs- 
verbot, das nur dann durchbrochen wer- 
den kann, wenn die Sippe nicht mehr 
schutzwürdig ist oder aus besonderen Um- 
ständen des Falles, z.B. aus einem öffent- 
lichen Interesse heraus, die Verpflanzung 
der Sippe sich als notwendig herausgestellt 
hat. Bei der Enteignung eines Erbhofs ist 
deshalb auch in den entsprechenden neue- 
ren Gesetzen die Ersatzlandbeschaffung 
zwingend vorgeschrieben. Wenn somit die 
Erhaltung des Hofes in der Sippe gegen 
eine Fremdveräußerung gesichert ist, so 
hat sich der Gesetzgeber auch bemüht, 
diesen Sippenschutz bei der tat- 
sächlichen und verfrühten Erb- 
folge eintreten zu lassen. Die Anerben- 
folgeordnung des Reichserbhofgesetzes um- 
faßt nur einen eng umgrenzten Kreis der 
nächsten Sippenangehörigen und schafft 
bewußt den Vorrang der Träger der 
Namenssippe. Das Erbhofrecht geht davon 
aus, daß, um mit Rechenbach zu reden, die 
Landvolkgeschlechter die Grundlage jeder 
Menschenzüchtung sind und die Hand- 
habung ihrer Erbfolge eines der wesent- 
lichsten Mittel dieser Züchtung ist. 


35 


Die Erbhofrechtsverordnung hat über die 
Anerbenfolgebestimmungen des Reichserb- 
hofgesetzes hinaus dem Bauern die Mög- 
lichkeit geschaffen, in einer Hofsatzung 
mit Geltung für alle künftigen Erbfälle zu 
bestimmen, daß der Hof sich zunächst aus- 
schließlich im Mannesstamme vererbt, also 
nur auf Personen männlichen Geschlechts, 
die durch Männer mit dem Bauern ver- 
wandt sind. Hierbei können Schwestern 
und weibliche Abkömmlinge des Bauern 
von der Erbfolge ganz ausgeschlossen wer- 
den. Durch die allerdings an die Genehmi- 
gung des Reichsjustizministers und Reichs- 
ernährungsministers geknüpfte Hofsatzung 
hat der Bauer also die Möglichkeit, die Er- 
haltung des Hofes in der Namenssippe so 
lange sicherzustellen, wie die Sippe stark 
genug ist, männliche Träger, die bauern- 
fähig sind, für den Erbhof zur Verfügung 
zu stellen. 


‘Außer dem Sippenschutz durch Ver- 
äußerungsverbot und Anerbenfolgeordnung 
schützt all das die Sippe, was dem Hof 
dient. Der wirtschaftlich gesunde 
Hofist, auf die Dauer gesehen, die 
wertvollste Grundlage für ein ge- 
sundes Bauerntum. Und deshalb muß 
ein Schutz des Hofes sich gleichzeitig zu 
einem Sippenschutz auswirken. Da ist zu- 
nächst darauf hinzuweisen, daß durch die 
Schaffung des Begriffs der Ackernah- 
rung für den Erbhof eine Mindestgröße 
vorgeschrieben ist, die es der Familie als 
Grundlage der Sippe ermöglichen soll, un- 
abhängig vom Markt und der allgemeinen 
Wirtschaftslage in einer Form zu leben, die 
die Erfüllung der biologischen, kulturellen 
und wirtschaftlichen Aufgaben des Bauern- 
tums sicherstellt. Der Schutz des Hofes vor 
Überschuldung und Zersplitterung dient 
gleichfalls tatsächlich der Stärkung der 
Sippe und damit ihrem besonderen Schutz. 


Der vor Überschuldung und Zersplitte- 
rung geschützte Hof von ausreichender 
Größe fällt nur dann einem Angehörigen 
der Sippe zu, wenn dieser Angehörige 
bauernfähig ist. Je größere Anforderungen 
an den Begriff der Bauernfähigkeit ge- 
stellt werden, um so mehr wird es ge- 
lingen, die auf dem Hof herrschende Sippe 
heraufzuzüchten. Deshalb liegt in der Aus- 
merze untüchtigen Blutes durch verant- 
wortungsbewußte Handhabe der Bauern- 
fähigkeitsbestimmung ein besonders star- 
ker Schutz für die Kraft und Gesundheit 
des zum Hof gehörigen Geschlechts, 


36 


Von der Erkenntnis ausgehend, daß erst 
die Bodengebundenheit der Geschlechter 
eine Voraussetzung für ihre Lebensdauer 
und ihre Aufartung ist, findet im Erbhof- 
recht ein Sippenschutz wertvoller Sippen 
dadurch statt, daß sie ohne Rücksicht auf 
die Tatsache, daß ihr Betrieb über 125 ha 
groß ist, mit dem Boden durch das Erbhof- 
gesetz fest verbunden werden können. In 
der vom Reichsminister für Ernährung und 
Landwirtschaft erfolgenden Zulassung 
wertvoller Sippen zum Bauerntum 
und in ihrer erbhofmäßigen Bindung an die 
Scholle zeigt sich, völkisch gesehen, ein 
starker Schutz für diese Sippe, die ihre 
Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis ge- 
stellt hat. 


Wenn wir bisher gesehen haben, daß das 
Reichserbhofgesetz und die Erbhofrechts- 
verordnung schon in starkem Maße be- 
müht waren, die Grundgedanken der Prä- 
ambel auch paragraphenmäßig zu veran- 
kern, so müssen wir doch feststellen, daß 


der Gesetzgeber — damals wohl für die 
Übergangszeit mit Rücksicht auf das 
Kleinfamiliendenken — einige Durch- 


brechungen des Sippengedankens 
in Kauf genommen hatte: 


1. Wenn ein Bauer den Hof von der Mutter 
oder der mütterlichen Verwandtschaft er- 
halten hatte, dann gehörte sein Vater zu 
seinen gesetzlichen Anerben, so daß e 
möglich war, daß der Hof über den Vater 
in eine fremde Sippe abwanderte. Weder 
die Mutter noch ihre Verwandtschaft, um 
deren Hof es sich doch handelte, gehörte 
zur Anerbenfolge, noch konnten sie über- 
haupt zum Anerben bestimmt werden. 


2. Halbbürtige Geschwister eines Bauern ge- 
hörten ohne Ausnahme zu den gesetzlichen 
Anerben, gleichgültig, ob sie mit dem 
Bauern auch den Elternteil gemeinsam 
hatten, von dem der Hof stammte. 


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Wenn gesetzliche Anerben nicht vorhan- 
den waren, konnte der Bauer den Anerben 
frei bestimmen. Da die Folgeordnung des 
Gesetzes nur einen sehr engen Kreis der 
Sippe umfaßte, konnte es geschehen, daß 
ein alter Sippenhof der Familie verloren- 
ging, obwohl noch durchaus geeignete 
nahe Sippenangehörige vorhanden waren. 


4. Mit den ersten Durchführungsverordnungen 
und dem Inkrafttreten der Erbhofrechts 
verordnung ergaben sich weitere Möglich- 
keiten für ein Abwandern des Hofes in 
eine fremde Sippe. Hier war es vor allem 
die wenig glückliche Regelung der An- 
erbenfolge beim Ehegattenerbhof. Abge- 
sehen von der Bestimmung des Anerben 


durch einen der beiden Ehegatten standen 
die Mannes- und die Weibessippe bei der 
Anerbenfolge vollkommen gleich. Die Ehe- 
gatten hatten es völlig in der Hand, wohin 
sie den Hof vererben wollten, gleichgültig, 
welcher Sippe der Hof zugehörig war. 
Beim Tode des Mannes waren seine An- 
erben gesetzlich zur Anerbenfolge be- 
rufen, und so konnte es geschehen, daß 
die Frau bei einem Ehegattenerbhof nach 
bisherigem Recht schon zu Lebzeiten den 
Hof, den sie aus ihrer Sippe in die Ehe 
eingebracht hatte, an die Sippe ihres ver- 
storbenen Ehemannes verlor, wenn nicht 
testamentarisch Vorsorge getroffen war. 
Welche Bedeutung diese Regelung bei 
Ehegattenerbhöfen hatte, geht daraus her- 
vor, daß etwa die Hälfte aller Erbhöfe, 
wenn nicht mehr, Ehegattenerbhöfe sind. 
So ist die bisherige Regelung des Anerben- 
rechts bei Ehegattenerbhöfen mit ihrer 
weitgehenden Möglichkeit des Abwan- 
derns des Hofes in eine fremde Sippe die 
stärkste Lücke im Sippenschutz des Reichs- 
erbhofgesetzes gewesen. 


Eine weitere Durchbrechung des Sippe- 
gedankens finden wir außerdem in den 
Durchführungsverordnungen, nach denen 
unter bestimmten Voraussetzungen auch 


ein Adoptivkind ein Anerbenrecht für sich 


und seine Verwandten erhält. 


Vor wenigen Wochen ist nun mit dem 
1, Oktober 1943 die Erbhoffortbil- 
dungsverordnung in Kraft getreten. 
Wer den Inhalt der Erbhoffortbildungsver- 
ordnung nur aus der Presse kennt oder nur 
die in die Augen fallenden vermeintlichen 
Kernpunkte der Verordnung beachtet — 
Anerbschaft der Ehefrau, Neueinführung 
des Ehegattenerbhofes —, neigt leicht 
dazu, in der Erbhoffortbildungsverordnung 


eine Rückentwicklung vom Sippedenken 


zum Familiendenken zu sehen. Sinn dieses 


"Beitrages ist es, das Verkehrte dieser Auf- 


assung herauszustellen und darauf hinzu- 


weisen, daß die Erbhoffortbildungsverord- 
gung in erster Linie der Fortbildung und 


dem Ausbau des Sippenschutzes dient und 
Zwar selbst dort, wo es auf den ersten 
Blick nicht der Fall zu sein scheint. 


Es sei zunächst festgestellt, daß die nach 


dem Reichserbhofgesetz und der Erbhof- 
Techtsverordnung noch bestehenden Lücken 
im Sippenschutz durch die Erbhoffortbil- 
dungsverordnung im wesentlichen ge- 
schlossen sind. 

1. Es ist wohl richtig, daß der Alleineigen- 


tümer eines Erbhofs seinen Ehegatten 
zum Anerben bestimmen kann. Diese 


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Anerbschaft ist aber eine sippegebun- 
dene Anerbschaft; denn die weitere An- 
erbenfolge richtet sich nicht nach dem 
Anerbe gewordenen Ehegatten, den man 
bezeichnender Voranerbe genannt ‚hätte, 
sondern nach dem Ehegatten, von, dem der 
Hof stammt, so daß der Hof auf jeden 
Fall der angestammten Sippe erhalten 
bleibt. 


Dasselbe gilt jetzt bei einem Ehegatten- 


erbhof. Die Eheleute sind gegenseitig 
gesetzliche Anerben. Nach dem Tode des 


Letztverstorbenen ist aber die Sippe 


anerbenberechtigt, ausderder 
Hof stammt, und damit bedeutet die 
Neueinführung des Ehegattenerbhofes nicht 
eine Durchbrechung des Sippegedankens, 
sondern mit der Ausrichtung des An- 
erbenrechts aller Ehegattenerbhöfe eine 
Abkehr von der bisherigen Durchbrechung 
des Sippegedankens auf diesem Gebiet und 
einen ausgesprochenen e zum 
Sippegedanken. 


« Während nach dem Reichserbhofgesetz die 


Mutter auch dann nicht anerbenberechtigt 
war, wenn der Hof von ihrer Sippe stammte, 
tritt nunmehr in diesen Fällen die 
Mutter als Anerbin an Stelle 
des Vaters. Auf diese Weise wird der 


Hof der Sippe erhalten, der er zugehört hat. 
Die nach dem bisherigen Recht bestehende 


Eingruppierung der Töchter, Töchtersöhne 
und deren Söhne in der Anerbenfolge ist 
zwar bis auf weiteres bestehengeblieben. 
Die Erbhoffortbildungsverordnung bringt 
aber eine Stärkung des Sippenschutzes 
auch auf diesem Gebiet dadurch, daß der 
Bauer in sehr einfacher Form für seinen 
Hof das Bruderrecht eintragen lassen 
kann. Unter Bruderrecht versteht die Ver- 
ordnung den für alle künftigen Erbfälle 
geltenden Ausschluß des vorgesehenen 
Vorrangs der Töchter, Töchtersöhne und 
deren Söhne. Ist mit Genehmigung des 
Anerbengerichts die Bildung des Bruder- 
rechts erklärt, so kann der jeweilige Hof- 
eigentümer auch nicht mit Genehmigung 
des Anerbengerichts eine Tochter . oder 
deren Abkömmlinge vor den Brüdern, 
deren Söhnen und Sohnessöhnen zum An- 
erben bestimmen. 


.‚ Halbbürtige Geschwister sind 


nicht mehr anerbenberechtigt, wenn sie 
nicht einen Elternteil mit dem Erblasser 
gemeinsam haben, von dem oder aus 
dessen Sippe der Hof stammt. 


Adoptivkinder können den Hof nur 


dann an einen Seitenverwandten ver- 
erben, wenn sie nach dem Adoptivvater 
anerbenberechtigt gewesen wären, wenn 
sie also zur Hofessippe gehören. 


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7. Der Bauer kann beim Fehlen eines 


11. 


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gesetzlichen Anerben den An- 
erben nur noch dann frei bestimmen, wenn 
dieser zu der Sippe gehört, von der der 
Erbhof stammt, im anderen Falle bedarf er 


zur Anerbenbestimmung der Zustimmung 


des Anerbengerichts. 


. Während bei Auseinandersetzung ge- 


legentlich einer Ehescheidung bei 
Ehegattenerbhöfen der Hof bisher auch 
dem Ehegatten zugesprochen werden 


konnte, von dem er nicht stammte, kann 


dies jetzt nur noch in der Form ge- 
schehen, daß dieser Ehegatte die Rechts- 
stellung eines sippegebundenen Anerben 
erhält. Damit ist die Abwanderung des 
Hofes in die fremde Sippe unterbunden. 


Durch eine Anderung der Fassung des 


Paragraphen des Reichserbhofgesetzes, der 
die Entstehung eines Erbhofes 
durch besondere Zulassung be- 
handelt, ist die Verwurzelung eines wert- 
vollen Geschlechts mit einem Erbhof und 
damit der Schutz dieser Sippe erleichtert 
worden. 


Ein besonderer Durchbruch des Sippe- 


gedankens gegenüber rein wirtschaftlichen 
Überlegungen liegt bei der neuen Rege- 
lung der Prüfung, von welchem 
der beiden Ehegatten der Hof 
stammt, vor. Während grundsätzlich 
auch die Erbhoffortbildungsverordnung in 
Anlehnung an die bisherigen Vorschriften 
sagt, daß der Ehegattenerbhof von dem- 
jenigen Ehegatten stammt, der den wirt- 
schaftlich bedeutenderen Teil des den Erb- 
hof bildenden Besitzes bei der Ehe- 
schließung oder später eingebracht hat, 
weicht sie dann von dieser Begriffsbestim- 
mung ab, wenn die Sippe des einen Ehe- 
gatten bereits in mehrfacher Geschlechter- 
folge auf dem von ihm eingebrachten Teil 
des Hofes ansässig war und dies für den 
anderen Ehegatten nicht zutrifft. In diesem 
Falle kann nämlich das Anerbengericht, 
sofern dies bäuerlichem Denken entspricht, 
ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Be- 
deutung der von den Ehegatten einge- 
brachten Teile des Hofes entscheiden, daß 
der Hof von dem alteingesessenen Ehe- 
gatten stammt. Damit der Schutz dieser 
Sippe auch erfolgt, wenn die Ehegatten 
selbst auf eine derartige Feststellung keinen 
Wert legen, hat in diesen Fällen auch 
der Kreisbauernführer das An- 
tragsrecht. 


Die Erbhoffortbildungsverordnung hat zur 
Förderung der Wiederverhei- 
ratung des überlebenden Ehe- 
gatten eine Reihe von wesentlichen Be- 
stimmungen getroffen. Sie hat insbeson- 
dere dem neuen Ehegatten und den Kin- 
dern aus der neuen Ehe weitgehende wirt- 


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schaftliche Rechte Engere Es is 
für die Haltung des Gesetzgebers be 
nend, daß er den Kindern aus SH 
Ehe, die sippenmäßig mit dem Hof mi 
gemein haben, zwar mit Rücksicht e 
Verdienste um den Erbhof und im Ra 
der Leistungsfähigkeit dieses Hofes inte er 
halts-, Erziehungs- und Ausstattungs- 
ansprüche gewährt, daß er aber das 
Recht der Heimatzuflucht 
versagt hat. Erfahrungsgemäß spielt ee 
tisch das Recht der Heimatzuflucht . 
wesentliche Rolle. Es wäre daher wi 
schaftlich von keiner großen we 
gewesen, das Recht der Heimatzufluc 
auch den Kindern der fremden Sippe € 
zuräumen. Das Heimatzufluchterechi iH 
aber ein sehr starker Ausfluß des d 
schlechterdenkens und in ihm kommt € 
Gesamteigentum der Sippe am Hof au en- 
fällig zum Ausdruck. Wenn das in d lie 
Stadt abgewanderte Glied des Geschlec 
nach wie vor den Stammhof als seine F oer 
mat empfinden soll, dann dient der Ge- 
danke, daß es in schweren Zeiten auf d 
Hof wieder Heimat und Zuflucht 8 3 
kann, sehr stark der Verbundenheit 
Sippe untereinander und mit diesem Hof 
Das Sippedenken der Erbhoffortbildur 
verordnung kommt also darin dess ers 
zum Ausdruck, daß es das Heimatzufluch sit 
recht auf die Angehörigen der Hofsip 
beschränkt und bewußt sippenfrer 
Kinder, obwohl sie auf dem Hof e 
worden sind, von ihm ausschließt. S 


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So sehen wir, daß der Gesetzgeber er 
Erbhoffortbildungsverordnung sich se iner 
Verantwortung der Sippe gegenüber vo 
bewußt war und daß er sich streng ane 
aus der Präambel zum Reichserbhofges 
diesem Beitrag vorgesetzten Leitsätze ei 
halten hat. i 

Auch in denjenigen Fällen, in denen mil 
Rücksicht auf Sonderverhältnisse der 
an Sippenfremde fallen kann, sind 
strenge Anforderungen gestellt — das F 
halten an der, Anerbenfolge der Hofes: 
muß nach den besonderen Umständen 
Falles eine unbillige schwere Härte be 
deuten, es muß sich um besondere Aus 
nahmefälle handeln, die Zustimmung des 
Anerbengerichts muß vorliegen, der m- 
desbauernführer ist zu hören und baue 
fähige eheliche Abkömmlinge des 
eigentümers dürfen nicht vorhanden ge 
daß von einer Lücke im Sippenschutz r 
zu sprechen ist. Die Erbhoffortbildu 
verordnung bedeutet somit eine wel 
wesentliche Verstärkung des 5 : 
penschutzes zur Sicherung der lebens 
notwendigen Einheit von Sippe und 


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GUNTHER PACYNA: . 


Hauerntum im Ubergang ` 


Nor wenige Kilometer von Riga entfernt, an 
dem waldigen Ufer des Jägelsees, an dem 
einst Herder den Sommer zu verbringen pflegte, 
befindet sich ein nach schwedischem Vorbild 
angelegtes Freiluftmuseum, auf dessen geräu- 
miger Fläche die wichtigsten Bauernhoftypen 
Lettlands vereinigt sind. (Zwei Beispiele bringt 
die erste Seite der Bildbeilage „Blick ins Ost- 
land“.) Sie sind wie alle in dem Jägel- Museum 
errichteten Bauernhöfe keine Nachbildungen, 
sondern alte, mit ihrem gesamten Zubehör von 
ihrem ursprünglichen Standort verpflanzte Ge- 
höfte. Nur einzelne stammen aus der Zeit vor 
dem Nordischen Kriege, der das flache Land 
furchtbar verwüstet hat. Die große Mehrzahl 
ist in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhun- 
derts errichtet worden und bildet so einen ein- 
dringlichen Beweis für die belebende Kraft der 
Bauernbefreiung, die, von dem baltischen Adel 
mit politischer Weitsicht durchgeführt, dem let- 
tischen und estnischen Bauerntum eineim Zaren- 
reiche einzigartige Sonderstellung verschaffte. 


Trotzdem spricht aus der ganzen Bauweise bis 
in alle Einzelheiten hinein eine jahrhunderte- 
lange Überlieferung, so daß uns die Bauernhöfe 
wie Zeugen aus einer fernen Vergangenheit an- 
muten. Dem Volkskundler drängt sich bei ihrer 
Betrachtung die Erkenntnis auf, wie stark diese 
Bauweise von den ost- und nordgermanischen 
Stilformen beeinflußt worden ist, so daß sie in 
jeder Beziehung dem nordischen Kulturbereich 
zuzuweisen ist. Für den Wirtschaftshistoriker 
aber sind diese Gehöfte Dokumente der 
geschlossenen Hauswirtschaft, die vor 
der Einbeziehung des Bauerntums in die Markt- 
wirtschaft dem ganzen Bauernleben ihr eigen- 
ständiges Gepräge gab. Den Baustoff der Wohn- 
häuser, Stallungen und Scheunen, das Holz, lie- 
ferten die Bauernwälder. Es wurde so bearbei- 
tet, daß es ohne Zuhilfenahme von eisernen 
Nägeln, Krampen, Winkeln oder dgl. zusammen- 
gefügt werden konnte. In den Häusern selbst 
aber befindet sich kein Möbel, kein Gerät oder 
sonstiger Einrichtungsgegenstand, kein Klei- 
dungsstück, dessen Werkstoff nicht dem eigenen 
- Grund und Boden entstammte und die nicht in 
den langen Wintern von bäuerlichem Hand- 
werksfleiß geschaffen worden wären. Das gilt 
selbst von dem meisten Ackergerät. Nur für die 
Herstellung von Pflug und Hacke, Sense und 
Sichel waren Eisenteile notwendig, die käuflich 
erworben werden mußten; aber auch sie sind 


fast ausnahmslos handgeschmiedet, das Werk 
des Dorfschmiedes. 


Für die Selbstgenügsamkeit dieser Lebens- 
und Wirtschaftsweise spielte naturgemäß die 
Notwendigkeit des Gelderwerbs durch den Ver- 
kauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse nur eine 
äußerst geringfügige Rolle. So diente die bäu- 
erliehe landwirtschaftliche Erzeugung im we- 
sentlichen der eigenen Bedarfsdeckung. Aber 
diese Wirtschaftsweise ließ sich nur so lange 
aufrechterhalten, als die wenigen Städte des 
Landes selbst noch, auch landwirtschaftlich 
gesehen, im wesentlichen autarke Wirtschafts- 


Kreise darstellten oder als der städtische Bevöl- 


kerungsanteil so gering war, daß er im Verhält- 
nis zur landwirtschaftlichen Gesamterzeugung 
nur einen geringen Lebensmittelbedarf hatte, der 
von den Großgütern mit Leichtigkeit gedeckt 
werden konnte, und sehließlich als das Land in 
seiner Gesamtheit außerhalb der europäischen 
Wirtschaftsverflechtung stand. Keine dieser drei 
Voraussetzungen trifft heute für die Gebiete des 
Reichskommissariats Ostland mehr zu, und dar- 
aus erklärt sich, zwingender als aus jedem 
anderen Grunde, daß heute die Gehöfte auf dem 
Gelände des Jägel-Museums museumsreif sind, 
d. h. ein Stück nicht wieder belebbarer 
Vergangenheit darstellen, obwohl ihre Bau- 
weise der Zeit zu trotzen scheint, obwohl sie so 
viel Schönes und Wertvolles bergen. Jede Zeit 
hat ihre eigenen Aufgaben, und die Gegenwart 
will mit anderen Mitteln gemeistert werden als 
die Vergangenheit. 


Blickt man sich im Lande selbst um — wozu 


eine kürzlich vom Reichsministerium für die 


besetzten Ostgebiete veranstaltete Pressefahrt 
dank ihrer sorgfältigen Vorbereitung und Durch- 
führung gute Gelegenheit bot —, so kann man 
bei den Bauernwirtschaften alle Stadien des 
Überganges von der geschlossenen 
Hauswirtschaft zur Marktwirtschaft 
beobachten. Im ganzen gesehen aber repräsen- 
tiert die bäuerliche Landwirtschaft einen Ent- 
wicklungsstand, der dem der deutschen Bauern- 
wirtschaften vor 60 bis 80 Jahren entsprechen 
dürfte. Das Ostland verfügt also, auch wenn 
man die klimatischen Schwierigkeiten, die sich 
einer Erzeugungssteigerung entgegenstellen, 
voll berücksichtigt, noch über große Produk- 
tionsreserven, die der Selbstversorgung Europas 
mit Nahrungsmitteln dienstbar gemacht werden 


39 


— — — 


können. Daraus ergibt sich die Bedeutüng, aber 
auch die Schwierigkeit der Einbeziehung der 
Landwirtschaft des Ostlandes in die europäische 
Wirtschafts gemeinschaft. 


Die land wirtschaftliche Rückständigkeit der 
Bauernwirtschaften im Ostland ist in erster Linie 
entwicklungsgeschichtlich bedingt. Die za- 


ristische Wirtschaftspolitik hatte, wenn man - 


von einigen bedeutungslos gebliebenen Ansätzen 
absieht, an einer Förderung der Landwirtschaft 


in den Ostseeländern nur ein geringfügiges In- 


teresse. Für sie waren diese Länder nur ein 
Korridor für die landwirtschaftlichen Uber- 
schüsse des weiten Hinterlandes. Dement- 
sprechend war auch die Transporttarifgestaltung, 
die einen starken Druck auf die landwirtschaft- 
liche Preisbildung der Ostseeländer ausübte; 
denn praktisch führte sie zu einer ausgesproche- 
nen Dumpingeinfuhr aus den Überschußgebieten 
des Binnenlandes, gegen die sich selbst die Groß- 
betriebe nur schwer behaupten konnten. Ihr 


‚wirtschaftliches Rückgrat bildete denn auch ihr 


reicher Waldbesitz. Andererseits bildete dieser 
Durchgangsverkehr die Grundlage der wirt- 


schaftlichen Blüte der Ostseestädte, in 


denen das deutsche Bürgertum auf Grund seiner 
geschichtlichen Leistung ein nur schwer zu er- 
schütterndes Handelsmonopol behauptete, an 
dem übrigens auch der baltische Adel einen 
nicht unwesentlichen Anteil hatte. Der ein- 
heimischen Landwirtschaft aber kam diese wirt- 
schaftliche Blüte der Ostseestädte infolge der 
zaristischen Wirtschaftspolitik nur wenig zugute. 
Auch war der städtische Bevölkerungsanteil 
noch zu gering, um eine ausreichende Grundlage 
für eine intensive Produktionssteigerung zu 
bieten. 


Die mit dem Zusammenbruch des Zarenreiches 
verbundene Entstehung der baltischen Rand- 
staaten führte zu einem grundstürzenden Wan- 
del des Wirtschaftsaufbaus im gesamten 


Ostland. Schlagartig wird der einst so gewinn- 


bringende Durchgangsverkehr abgeschnitten 
und damit die wirtschaftliche Grundlage der Ost- 
seestädte zerstört. Die bei weitem wichtigste 


wirtschaftliche Kraftquelle bildete jetzt die Pro- 


duktionsleistung der Landwirtschaft. Nur aus ihr 
konnten die Überschüsse herausgeholt werden, 
die wenigstens einen bescheidenen Ausgleich 
für den Verlust der bisherigen Stellung im Ost- 
handel versprachen. Aber die gegen den bal- 
tischen Adel gerichteten Agrarreformen 
führten zunächst zu einer schweren Beeinträch- 
tigung der landwirtschaftlichen Leistungsfähig- 
keit; denn mit der Aufteilung des baltischen 
Großgrundbesitzes wurden nicht nur die lei- 
stungsfähigsten landwirtschaftlichen Betriebe 
zerschlagen, die bisher allen wirtschaftspoli- 
tischen Hemmungen zum Trotz Schrittmacher 
des landwirtschaftlichen Fortschrittes gewesen 
waren, sondern auch in Massen ein Kleinbauern- 
tum geschaffen, dessen Wirtschaftsgrundlage für 
die Erzielung wesentlicher Überschüsse zu 


40 


schmal war, ganz abgesehen davon, daß ihm 
zum mindesten in der Übergangszeit im weiten 
Ausmaß auch die persönlichen Voraussetzun- 
gen für die erforderliche Intensivierung fehlten. 
Wenn trotzdem die Agrarreformen nicht in weni- 
gen Jahren zum offenen Staatsbankrott geführt 
haben, so ist das nur durch einen rücksichtslosen 
Raubbau an den verstaatlichten Wal, 
dern verhindert worden, mit dessen Hilfe die 
Agrarreformen finanziert wurden. 


Aber selbst, wenn die Landwirtschaft in den 
unter Kriegs- und Revolutionswehen entstande- 
nen Kleinstaaten nicht durch die Agrarrefofmen 
schwer erschüttert worden wäre, so hätte die 
plötzliche Notwendigkeit, die gesamte Wirt- 
schaft auf der Leistungsfähigkeit der Landwirt- 
schaft aufzubauen, doch Aufgaben gestellt, die 
nur in zäher, zielbewußter organischer Aufbau- 
arbeit lösbar waren. Dafür aber fehlten nicht nur 
in den Ländern selbst, sondern vor allem auch 
in dem durch das Knechtungssystem von Ver- 
sailles und Saint Germain zerrissenen Europa so 
gut wie alle Voraussetzungen; denn die im 
Osten Europas entstandenen Staaten von Eng- 
lands und Frankreichs Gnaden waren ja nur 
Marionetten der Herrschsucht dieser beiden 
Mächte, die ohne Rücksicht auf das eigene Wohl 
und Wehe gebraucht oder vielmehr mißbraucht 
wurden. Frankreich konnte trotz seiner groß- 
tönenden Versprechungen, selbst wenn es ernst- 
haft gewollt hätte, wegen seiner ganzen Wirt- 
schaftsstruktur zu dem Wirtschaftswiederaufbau 
im Osten nichts Wesentliches beitragen. Für 
England jedoch waren die Agrarländer an der 
Ostsee nur wirtschaftspolitische Lük- 
kenbüßer, die je nach dem augenblicklichen 
Interesse genutzt oder beiseitegeschoben wur- 
den. So diktierte das britische Interesse die 
schwankenden landwirtschaftlichen Ausfuhrkon- 
junkturen. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis 
wäre nur erträglich gewesen, wenn sich daraus 
eine dauerhafte Zusammenarbeit hätte ergeben 
können, die den Agrarländern an der. Ostsee 
eine landwirtschaftliche Produktionsausrichtung 
auf lange Sicht gestattet hätte. Das war aber 
nicht der Fall und konnte es nicht sein, da Eng- 
land bemüht sein mußte, den immer lebhafteren 
Emanzipationsbestrebungen seiner Dominions 
und Kolonien durch stärkere wirtschaftliche Bin- 
dungen entgegenzuarbeiten. So mußte sich die 
landwirtschaftliche Intensivierung in den Agrar- 
ländern an der Ostsee — ob wir nun nach 
Litauen, Lettland oder Estland blicken — nach 
den von Englands wechselnden Interessen dik- 
tierten Ausiuhrkonjunkturen richten und voll- 
zog sich in einem sprunghaften Zickzackkurs, 
dessen jeder Berechnung sich entziehende Un- 
sicherheit eine organische Entwicklung, aul- 
gebaut auf den natürlichen Produklionsgrund- 
lagen, unmöglich machte. Diese Unsicherheit 
aber war um so größer, als der ausgleichende 
Faktor eines starken aufnahmelähigen Binnen- 
markes fehlte. 


BLICK INS OSILAND 


m: Livländischer Bauernhof mit Sommerhütte, erbaut um 1850, aus der Gegend von Westena. Unten: Bauernhof 
in Lettgallen, Kr. Dünaburg, erbaut um 1860. Beide Höfe jetzt im Jägel-Museum bei Riga 


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Schloß Groß-Roop bei Wolmar. Baltischer Adelssitz aus dem 13. Jahrhundert 


Lettisches Braunvieh auf Anglerg 


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Estnischer Bauer beim Heuaufreutern 


mnloses Finnenvieh, eine in Estland 
enständige Rinderrasse. Unten: 
ennzeichnendes estnisches Land- 
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Russisches Straßendorf in Südost-Estland. Im allgemeinen herrscht in Estland ebenso wie in Lettland die Streusiedlung vol 


Russischer Bauer (Südost-Estland) mit seinem primitiven Holzpflug bei der Feldarbei 


—— — 


So erblickt man als Erbe dieser Vergangenheit zwar so 
manchen Ansatzpunkt, dessen großzügige Planung aber in 
krassem Gegensatz zu dem wirklich Erreichten steht. Ein 
Beispiel dieser Art ist die „M-aistas’ in Litauen. Sie 
sollte, als sie vor zwanzig Jahren gegründet wurde, wie 
schon ihr Name (Maistas = landwirtschaftliche Produktion) 
andeutet, der Verwertung der gesamten Agrarproduktion 
des litauischen Bauerntums dienen. Dieses Ziel ist jedoch 
nie erreicht worden; denn die wirtschaftliche Betätigung der 
Maistas mußte sich von vornherein nach dem Einfuhr- 
bedürfnis Englands richten, das stets nur an wenigen 
Spezialprodukten Interesse hatte, und diese Abhängigkeit 
wurde um 30 drückender, als unter dem Einfluß der Wirt- 
schaftskrise in Deutschland die deutsch-litauischen Han- 
delsbeziehungen mehr und mehr erloschen. Stand anfangs 
die Ausfuhr von Butter und Eiern im Vordergrunde, so 
verschob sich sehr bald das Schwergewicht auf die 
Schweineausfuhr. Bacon hieß die. Parole, die dem litau- 
ischen Bauern goldene Berge zu versprechen schien. Sie 
erforderte zwar eine völlige Umstellung der Zuchtrichtung; 
aber der Litauer ließ sich keine Mühe verdrießen, und der 
Erfolg schien wirklich jede Erwartung zu übersteigen. So 
konnten nicht nur die Hauptanlagen der Maistas in Kauen 
zu einer hochmodernen Großschlächterei am laufenden Band 
ausgebaut werden, sondern zu ihr gesellten sich noch wei- 
tere Exportschlächtereien und Fleischwarenfabriken in 
Ponewesch, Tauroggen und Schaulen. Der so dringlich 
erstrebte Anschluß an den Weltmarkt schien erreicht zu 
sein, als England das Steuer seiner Handels- 
politik herumwarf und sich im Verfolg dieses Kurs- 
wechsels im Vertrage von Ottawa verpflichtete, Fleisch- 
lieferungen aus dem eigenen Empire zu bevorzugen. Inner- 
halb von zwei Jahren ging damals der litauische 
Schweineexport um 82 v. H. seines Wertes zu- 
rück, um sich seitdem nie wieder zu erholen. 


Aber selbst zur Zeit der größten Ausfuhr hatte doch nur 
ein kleiner Teil des litauischen Bauerntums Anteil an 
der Gunst der Konjunktur; denn die von England vor- 
geschriebenen Produktionsnormen waren bewußt so eng 
gehalten, daß ein Abweichen nur zu leicht vorkommen 


konnte. In diesem Falle aber wurden die Preise rücksichts-. 


los gedrückt, und der litauische Bauer, der keine andere 
Absatzmöglichkeit hatte, mußte sich diesen Ausbeutungs- 
methoden fügen. So war die Geschäftsausweitung 
der Maistas nichts weniger als ein getreues 
Spiegelbild der litauischen Landwirt- 
schaftsentwicklung. Als dann der Schweineexport 
mit einem Schlage auf einen Bruchteil zusammenschrumpfte, 
kam es zu einer allgemeinen Absatznot, die mit dem Bau- 
erntum den litauischen Staat an den Rand des Zusammen- 
bruches brachte. Nichts war kennzeichnender für die Hilf- 
losigkeit gegenüber dieser Situation als die Abwehrmittel, 
die man in der Verzweiflung ergriff. So wurden z.B. die 
litauischen Staatsbeamten gezwungen, einen Teil ihres 
recht kärglichen Gehaltes regelmäßig in bestimmten Men- 
gen von Butter und Gänsen anzulegen, die weit über den 
natürlichen Bedarf hinausgingen. Die Geschichte der 
Maistas ist nur ein Beispiel für viele Es zeigt, auf 
wie unsicheren Füßen infolge der Abhängigkeit von Eng- 
land der Aufbau der Landwirtschaft in den Agrarländern an 
der Ostsee stand, und gleichzeitig, da8 von ihm nur ein 
verhältnismäßig kleiner Teil des Bauerntums erfaßt wurde. 


Darin liegt einer der Hauptgründe, weswegen 
neben einer Minderzahl von Bauernwirtschaften, 
die sich an Intensität der Betriebsweise selbst 
mit guten Bauernhöfen in Deutschland messen 
können, die große Masse noch mit einer selbst 
genügsamen Extensität wirtschaftet, die die na- 
türliche Produktionsfähigkeit des Bodens nur zu 
einem äußerst geririgen Grade ausnutzt. Diese 
krassen Leistungsunterschiede fallen 
selbst dem flüchtigen Besucher dieser Gebiete 
als besonders hervorstechendes Merkmal auf, 
weil man sie immer wieder unmittelbar neben- 
einander beobachten kann, ein Beweis dafür, 
daß sie keineswegs landschaftsbedingt sind. 


Daneben macht sich allerdings im Reichs- 
kommissariat Ostland ein starkes Kultur- 
gefälle in doppelter Richtung von 
Westen nach Osten und von Norden nach Süden 
bemerkbar. Während in Litauen noch eine 
primitive Dreifelderwirtschaft mit hohem Brache- 


anteil üblich ist, herrscht in Lettland bereits. 


die Fruchtwechselwirtschaft vor, bei der neben 
Kartoffeln und Futterrüben auf den geeigneten 
Böden (so vor allem in Semgallen) sogar die 
Zuckerrübe eine gewisse Rolle spielt. Dement- 
sprechend übersteigen die Hektarerträge Lett- 
lands durchweg beträchtlich diejenigen Litauens, 
die zwischen 50 und 70 v.H. der ostpreußischen 
schwanken. Selbst die Hektarerträge Estlands 


liegen trotz seines wesentlich ungünstigeren ` 


Klimas, das den Anbau der Zuckerrübe verbietet, 
teilweise, so bei Roggen und Winterweizen, über 
denjenigen Litauens. Ein ebenso starker Lei- 
stungsunterschied läßt sich bei der Rinderzucht 
und Milchwirtschaft beobachten, wobei aller- 
dings die natürlichen Produktionsbedingungen 
stärker mitsprechen; denn in Litauen sind die 
Grünlandverhältnisse im allgemeinen recht un- 
günstig. Das Nord-Süd-Gefälle findet auch seinen 
Ausdruck im landwirtschaftlichen Organisa- 
tionswesen. Zur Zeit sind bei den drei baltischen 
Landesverbänden des Genossenschaftsverbandes 
Ostland über 4000 Genossenschaften registriert, 
die zu 95 v.H. landwirtschaftlichen Charakter 
haben. Davon entfallen auf Estland 51 v.H., auf 
Lettland 32 v.H. und auf Litauen nur 17 v. H., 
obwohl das Verhältnis, gemessen an der Bevöl- 
kerungszahl, genau. umgekehrt sein sollte. 


Dieses ausgeprägte Kulturgefälle ist zweifellos 


geschichtlich bedingt und in erster Linie 
darauf zurückzuführen, daß Litauen nicht nur 
stets außerhalb des unmittelbaren. deutschen 
Einflußbereiches lag, sondern auch jahrhunderte- 
lang der polnischen Mißwirtschaft ausgeliefert 
war. In Estland und Lettland dagegen waren die 
aus der Ordenszeit stammenden deutschen Guts- 
wirtschaften bis zu ihrer Enteignung und Auftei- 
lung stets Pioniere des landwirtschaftlichen 
Fortschritts und gaben damit ein Beispiel, das 
um so nachhaltiger wirkte, als der deutsche 
Landadel, wie schon eingangs erwähnt, zu Be- 
ginn des 19. Jahrhunderts eine Bauernbefreiung 
durchführte, die im Zarenreich ohne Beispiel 
dastand. So verfügten Estland und Lettland 
schon vor den Agrarreformen nach dem ersten 
Weltkriege über eine breite, am deutschen 
Vorbild geschulte Bauernschicht, die 
etwa 35 v. H. der land wirtschaftlichen Nutzfläche 
zu eigen hatte und im Gegensatz zu der durch 
die Agrarreformen entstandenen kleinbäuer- 
lichen Masse wirtschaftlich gut fundiert war. 
Dieses alteingesessene Bauerntum ist daher auch 
den Neusiedlern in jeder Beziehung überlegen 


und bildet geradezu das Rückgrat der Landwirt- 


schaft in Lettland und Estland. 


41 


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Es ist kennzeichnend, daß der Bolschewis- 
mus, als er sich dieser Länder bemächtigte, 
sofort daran ging, die Axt an die Wurzel dieses 
alteingesessenen Bauerntums zu legen, um es 
restlos auszurotten. Zwar wurde das gesamte 
Grundeigentum sofort enteignet. Während aber 
die Bolschewisten den Kleinbauern wenigstens 
vorläufig das Nutzungsrecht belieben, nahmen 
sie alles Land über 30 Hektar sofort 
weg, eine Maßnahme, die sich der ganzen 
Sachlage nach ausschließlich gegen das 
alteingesessene Bauerntum richtete. Zu 
dem Landraub gesellte sich eine regelrechte 
Ausplünderung in der Form von Steuern, Re- 
quirierungen oder offenen Gewaltmaßnahmen, 
deren Schlußakt nur zu oft die Verschleppung in 
das Innere der Sowjetunion bildete. 


Das geraubte Land wurde in Betriebe von 
durchschnittlich 10 Hektar aufgeteilt 
und wahllos mit Landarbeitern be- 
setzt. Diese so entstandenen Betriebe wären 
zwar angesichts der herrschenden Erzeugungs- 
bedingungen auch dann lebensunfähig gewesen, 
wenn es ihnen nicht an dem notwendigen In- 
ventar gefehlt hätte; aber es ging ja auch den 
Bolschewisten nicht etwa um die Schaffung eines 
neuen lebensfähigen Kleinbauerntums. Ihre Ab- 
sicht war, sich zunächst einmal nach bekanntem 
Rezept eine willfähige Anhängerschaft unter der 
Landbevölkerung zu schaffen, die sie gegen das 
alteingesessene Bauerntum ausspielen konnten. 
Gleichzeitig aber sollte deren Lebenslage so ge- 
staltet werden, daß sich ein Bauernproletariat 
bildete, das den zweiten Akt des bolsche- 
wistischen Umsturzes, der allgemeinen Kollek- 
tivierung der Betriebe nach kommunistischem 

Auster, wegen seiner gedrückten Lebensverhält- 
nisse sich zugänglich zeigte. Diesen zweiten Akt 
hat der Sieg des deutschen Soldaten dem Bauern- 
tume in den baltischen Generalbezirken erspart, 
während die gegen das Mittel- und Großbauern- 
tum gerichteten Zerstückelungsmaßnahmen auf- 
gehoben und die früheren Besitzverhältnisse 
wiederhergestellt wurden. Darüber hinaus ist 
die mit der grundlegenden Verordnung des 
Reichsministers für die besetzten Ostgebiete vom 
18. Februar 1943 eingeleitete Reprivatisierung 
des landwirtschaftlichen Grundeigentums in 
vollem Gange. 


* 


Kennzeichnend für die Pläne der Bolsche- 
wisten war auch die von ihnen eingeleitete 
Umgestaltung des Genossenschafts- 
wesens. Aus den Kreditgenossenschaften 
wurden Zahlstellen der sowjetischen Staatsbank, 
aus den Warengenossenschaften Verteilungs- 
und Erfassungspunkte. Die Versicherungs- 
genossenschaften, die besonders in Estland und 
Lettland in vorbildlicher Weise ausgebildet 
waren, wurden „nationalisiert“ und so wie auch 
die anderen Genossenschaften aus bäuerlichen 
Selbsthilfeeinrichtungen zu einem Machtinstru- 
ment der bolschewistischen Versklavungspläne. 


42 


Nach der Befreiung der baltischen Länder von 
der bolschewistischen Zwangsherrschaft konn- 
ten die Genossenschaften ihre Arbeit nach den 
alten Satzungen wieder aufnehmen. Sie sind 
damit wieder echte Selbsthilfegemein- 
schaften im Sinne Raiffeisens geworden. 
Durch die Verordnung des Reichskommissars 
für das Ostland vom 23. Februar 1942 erhielt das 
Genossenschaftswesen darüber hinaus eine orga- 
nisatorische Ausgestaltung entsprechend der 
reichsdeutschen Verbandsorganisation, die eine 
kraftvolle Zusammenfassung der genossenschaft- 
lichen Arbeit ermöglichte. 

So sind die Bolschewisten nur teilweise zur 
Durchführung ihrer kommunistischen Um- 
sturzpläne gekommen. Trotzdem hat das blutige 
bolschewistische Zwischenspiel die Landwirtschaft in den 
baltischen Generalbezirken schwer geschädigt. Die zur 
Vertreibung der Bolschewisten notwendigen Kriegshand- 
lungen gingen zwar verhältnismäßig schnell über das Land 
hinweg; aber auch sie haben zwangsläufig zu einer erheb- 
lichen Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Leistungs- 
fähigkeit geführt. Besonders nachteilig wirkt sich die 
Verschleppung von über 110000 größtenteils in den 
besten Jahren stehenden Menschen aus, um so mehr, da 
schon vor dem Kriege die Landwirtschaft in Lettland und 
in geringerem Maße auch in Estland auf die Hilfe pol- 
nischer Wanderarbeiter angewiesen war. In Estland, das 
zwei Monate länger Kriegsgebiet war als Litauen und Lett- 
land, wurde auch eine beträchtliche Zahl von 
Bauernhöfen vollständig zerstört. Dabei kam 
es auch zu einer erheblichen Einbuße an Maschinen und 
Geräten. Mit räuberischer Rücksichtslosigkeit wurde von 
den Bölschewisten vor allem in den Viehbestand 
eimgegriffen, wobei wiederum Estland am schwersten 
zu leiden hatte. Det damit verbundene Rückgang der vieh- 
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird durch den kriegs- 
bedingten Wegfall der Kraftfutterzufuhren noch verschärft 
Auch die Bodenbearbeitung hat unter den Kriegswirren an 
Intensität eingebüßt. Der Mangel an mineralischem Dünger 
hat, wenn auch sein Verbrauch im Durchschnitt sehr gering 
war, gerade die Leistungsfähigkeit der besten Betriebe 
erheblich beeinträchtigt. 

Zu den aus der bolschewistischen Schreckens- 
herrschaft und den Kriegsverheerungen sich 
ergebenden Wiederaufbauaufgaben hat die 
landwirtschaftliche Verwaltung im Reichskom- 
missariat Ostland die bäuerliche Selbst- 
verwaltung so stark wie möglich zu 
verantwortlicher Mitarbeit heran- 
gezogen. Das ist schon deswegen mit gutem 
Erfolge gelungen, weil es in allem um Maßnah- 
men geht, die im ureigenen Interesse der ein- 
heimischen Landbevölkerung liegen. So ist der 
Viehbestand langsam im Wiederaufbau begrir 
fen. In dem auf Anglergrundlage hochgezüch- 
teten Braunvieh besitzen Lettland und Estland 
eine zähe und robuste Rinderrasse, deren Milch- 
erträge sich durch hohen Fettgehalt auszeichnen; 
während sie mengenmäßig allerdings zu wün- 
schen übrig lassen. Daneben stößt man in Est- 
land auf eine hornlose Rinderrasse (vgl. Bild- 
beilage), deren Milch sich zwar ebenfalls durch 
hohen Fettgehalt auszeichnet, die aber wegen 
ihrer geringen mengenmäßigen Ergiebigkeit 
mehr und mehr zurückgedrängt wird. In Litauen 
dagegen herrscht ein Rassenmischmasch vor, 
der durch strenge Auslese und zielbewußte 
Zuchtverbesserung stark der Auffrischung be- 
darf. Um den Wiederaufbau des Rinderbestan- 


$ 


des zu beschleunigen, ist ein Schlachtverbot von 
Kuhkälbern ausgesprochen worden. Es ist kenn- 
zeichnend für die konjunkturbedingten unorga- 
nischen Intensivierungsmethoden der Vorkriegs- 
zeit, daß trotz der günstigen Vorbedingungen für 
die Schaffung einer wirtschaftseigenen Futter- 
grundlage, die vor allem in Lettland und Estland 
gegeben waren, gerade die fortschrittlichen Be- 
triebe sich in weitem Ausmaß auf den Zukauf 
ausländischer Kraftfuttermittel stützten. So ge- 
hört trotz der bereits in dieser Beziehung erziel- 
ten Erfolge eine weitere wesentliche Verstär- 
kung der wirtschaftseigenen Futter- 
grundlage zu den wichtigsten Aufgaben. 


Besondere Aufmerksamkeit wird auf eine 
allgemeine Verbesserung der Boden- 
bearbeitung gerichtet. Ohne erhöhten Be- 
triebsmittelaufwand lassen sich gerade dadurch 
beträchtliche Produktionssteigerungen erzielen. 
So ist es gelungen, den Hackfruchtbau im Rah- 
men der gegebenen Möglichkeiten erheblich 
auszuweiten. U. a. konnte die Anbaufläche für 
Zuckerrüben um 50 v.H. vergrößert werden. Von 
den LO.-Betrieben, den von der Landbewirtschaf- 
tungs-Gesellschaft-Ost treuhänderisch verwal- 
teten früheren Staatsgütern, sind zahlreiche an 
führende deutsche" Kartoffel- und Getreidesaat- 
zuchtfirmen verpachtet worden, die mit bestem 
Erfolg um die Züchtung und Vermehrung 
hochwertigen Saatgutes bemüht sind. 
Besonders Estland kann bei zielbewußter Wei- 
terarbeit auf dem Gebiete der Kartoffelsaatgut- 
vermehrung eine führende Stellung erringen, da 
es von Viruskrankheiten so gut wie verschont 
ist. So stößt man überal in den baltischen Gene- 
ralbezirken mitten im Kriege auf die erfreulichen 
Zeichen einer auf lange Sicht ausgerichteten 
Wiederaufbauarbeit, die von dem Willen zu 
organischer Entwicklung der natürlichen Kräfte 
des Landes geleitet wird. 


Welche Bedeutung diese Arbeit künftig für die 
Nahrungsversorgung Europas haben kann, zeigt 
ein Vergleich mit Ostpreußen. Auf 
2,5 Millionen Hektar erzeugte Ostpreußen im 
Jahre 1937 Verkaufswerte von über 500 Mil- 
lionen RM. Es vermochte damit außer der 
eigenen Bevölkerung von 2,4 Millionen ungefähr 
weitere 3 Millionen Menschen zu ernähren. 
Dagegen erzeugen (nach einer Berechnung vom 
Abteilungsleiter Ernährung beim Reichskom- 
missariat für das Ostland, A. Ortmann) die drei 
baltischen Generalbezirke auf einer landwirt- 
schaftlichen Nutzfläche von rund 10,6 Millionen 
Hektar, gemessen nach ostpreußischen Verkaufs- 
preisen, heute Verkaufswerte von höchstens 
400 Millionen RM. Sie müßten aber, selbst wenn 
man ihnen wegen des ungünstigeren Klimas 
einen Abzug von 30 v.H. zubilligt, Werte von 
1,4 bis 1,5 Milliarden RM., also mehr als das 
Dreifache, erzeugen. Gewiß läßt sich die 
damit gekennzeichnete gewaltige Aufgabe nicht 
während des Krieges lösen. Dafür fehlen zur 
Zeit wichtige Voraussetzungen. Die deutsche 

7 


Landwirtschaftsverwaltung im Ostland hat aber 
durch die Tat bewiesen, daß schon jetzt die 
Lösung dieser Aufgabe mit gutem Erfolge vor- 
bereitet werden kann. 


Durch die von der deutschen Führung gewähr- 


leistete dauerhafte Einbeziehung des Ostlandes - 


in die europäische Wirtschaftsgemeinschaft wird 
dem Bauerntum in den baltischen Generalbezir- 
ken eine Entwicklungsmöglichkeit geboten, die 
mit besten Kräften auszunutzen das ureigene 
Interesse vorschreibt. Noch hat das Bauerntum 
dieser Länder die sich bietende Chance nicht 
in vollem Ausmaße erkannt. Zu lange hat es in 


einer Abseitsstellung gelebt, für die eine ziel- 


bewußte Ausrichtung der Produktion auf die 
Bedürfnisse eines großen Marktes ein unbekann- 
ter Begriff war. Zu lange hat es unter den von 
englischer Eigensucht diktierten Konjunktur- 
schwankungen gelitten, um allgemein erkennen 
zu können, daß die- Aussichten, die die Neu- 
ordnung Europas unter nationalsozialistischer 
Führung bietet, sich grundsätzlich von 
den Eintagsgeschäften englischer In- 
teressenpolitik unterscheiden. So läßt 
die auf Grund des gegenwärtigen Produktions- 
standes schon heute mögliche Marktleistung des 
Bauerntums in den baltischen Generalbezirken 
noch manches zu wünschen übrig. Während von 
der ostpreußischen Landwirtschaft 55 v.H. der 
Jahreserzeugung auf den Markt kommt, betrug 
die Marktleistung in den baltischen Gebieten 
höchstens 25 bis 30 v.H. Für die Bauern dieser 
Gebiete gilt daher in erhöhtem Maße die Parole, 
der im Interesse der Nahrungsversorgung Euro- 
pas das deutsche Bauerntum mit vorbildlichem 
Eifer gehorcht, durch Einschränkung des Eigen- 
verbrauchs in Wirtschaft und Haushalt die 
Marktleistung zu erhöhen. 


Bei dem herrschenden Mangel an Austausch- 
waren ist durch Einführung eines ausgebauten 
Waren-Prämiensystems ein kräftiger An- 
reiz zur Verstärkung des Ablieferungswillens 
geschaffen worden. Damit ist auch ein Weg 
beschritten, der die zur Zeit noch gegebene 
Preisschere zwischen landwirtschaftlichen und 
industriellen Erzeugnissen in ihrer ablieferungs- 
hemmenden Wirkung wenigstens mildert. So 
ist von der deutschen Landwirtschaftsverwal- 
tung das Menschenmögliche getan worden, um 
die Landwirtschaft des Ostlandes dem Selbst- 
behauptungskampf Europas gegen bolsche- 
wistische Anarchie und englische Ausbeutung 
dienstbar zu machen. Mehr und mehr setzt sich 
daher auch in der Landbevölkerung des Ostlan- 
des die Erkenntnis durch, daß der Übergang von 
der geschlossenen Hauswirtschaft zur Markt- 
wirtschaft, der erst durch das nationalsozia- 
listische Deutschland in geordnete Bahnen ge- 
lenkt worden ist, zugleich den einzig 
möglichen Weg zu einer dauerhaften 
Gesundung der baltischen Agrarländer dar- 
stellt, da er diesen Ländern eine volle Entfaltung 
ihrer natürlichen Produktionskräfte ermöglicht. 


43 


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EMIL WOERMANN: 


Die europäilche Schweinehaltung 
Ihre Leiſtungen für die Fleiſch- und Fettwirtfcbaft 


Kei Zweig der Nutzviehhaltung hat unter 
dem Einfluß des Krieges und der rückläu- 
figen Futtermittelzufuhr in seinem Umfang und 
auch in seiner Betriebsweise so tiefgreifende 
Veränderungen erfahren wie die Schweinehal- 
tung. Damit wurden auch in der Fleisch- und 
Fettversorgung Wirkungen ausgelöst, die 
das eigentliche Kernproblem der gan- 
zen Ernährungswirtschaft im Kriege 
bilden. Diese Feststellung gilt nicht nur für 
Deutschland, sondern für alle west- und mittel- 
europäischen Länder. Die Stellung der Schweine- 
haltung in der europäischen Ernährungswirt- 
schaft wird einmal durch den Kraftfutteraufwand 
gekennzeichnet, der bei dem in der Vorkriegs- 
zeit gegebenen Umfang der Mastschweineerzeu- 
gung aufgewandt werden mußte, und zum ande- 
ren durch die anteiligen Leistungen der 
Schweinehaltung für die Fleisch- und Fettpro- 
duktion in den einzelnen Ländern. Die ernäh- 
rungs- und futterwirtschaftlichen Fragen stehen 
wiederum mit den betriebswirtschaftlichen 
Standortsverhältnissen in engem Zusammen- 
hang, so daß sie einleitend einer kurzen Betrach- 
tung unterzogen werden müssen, 


1. Die Schweinebestände und der Futter- 
aufwand 


Ebenso wie in Deutschland hat die Schweine- 
haltung auch in den übrigen europäischen Län- 
dern in den letzten Jahrzehnten von allen Nutz- 
viehzweigen die stärkste Ausdehnüng erfahren. 
In dem Zeitraum seit 1890 hat sich die euro- 
päische Schweinehaltung mehr als verdoppelt, 
in West- und Mitteleuropa sogar verdreifacht. 
Die treibende Kraft für diesen Vorgang war die 
rasche Bevölkerungsvermehrung und die starke 
Industrialisierung und Kaufkraftsteigerung in 
allen west- und mitteleuropäischen Ländern. Die 
Landwirtschaft sah sich vor die Aufgabe ge- 
stellt, eine ständig wachsende und mit großer 
Kaufkraft ausgestattete Bevölkerung nicht nur 
mit den wichtigsten Nahrungsmitteln zu versor- 
gen, sondern auch steigende Ansprüche an Art 
und Qualität der Erzeugnisse zu befriedigen; 
denn Hand in Hand mit der Bevölkerungsent- 
wicklung und den sozialen Umschichtungen voll- 


44 


zogen sich die bekannten Wandlungen in der 
Ernährungsweise der Masse der Verbraucher. 
Es gibt kaum einen Vorgang, der die Richtung 
der landwirtschaftlichen Erzeugung und damit 
die ganze Struktur der europäischen Ernährungs- 
wirtschaft so tiefgreifend beeinflußt hat, wie die 
Verlagerungen des Schwergewichtes in der Er 
nährung von pflanzlichen zu tierischen Erzeug- 
nissen. Diese Veränderungen zusammen mit den 
Preiswandlungen zugunsten der Tiererzeugnisse 
waren die Hauptgründe für die Ausdehnung der 
Viehhaltung. Daß dabei die Schweinehal- 
tung den Vorrang gewann, erklärt sich 
aus der Tatsache, daß die Schweine sich von 
allen Nutztiergattungen am raschesten vermeh- 
ren lassen und physiologisch am rationellsten 
geeignete Mastfuttermittel in Fleisch und Fett 
umsetzen. Hinzu kommt, daß durch die Fort- 
schritte im Ackerbau gerade die Gewinnung von 
Mastfuttermitteln wesentlich gesteigert wurde 
und daß alle Betriebsgrößen sich daran beteili- 
gen konnten. Endlich ist auch zu berücksich- 
tigen, daß die Schweinehaltung einer weitgehen- 
den Arbeitsteilung zwischen Aufzucht 
Mast und Futterversorgung zugänglich ist, und 
daß die für die Schweinemast geeigneten Futter- 
stoffe sich über große Strecken verfrachten las 
sen. Die Schweinehaltung konnte also im Ge- 
gensatz zu den Wiederkäuern, die in erster Linie 
auf Rauhfutter angewiesen sind, auch dort gro» 
Beren Umfang annehmen, wo die wirtschafts- 
eigene Futtergrundlage nicht ausreichte. Eine 
solche Entwicklung, die in einer Reihe von Län» 
dern, vor allem in Nordwesteuropa, zu einem 
Mißverhältnis zwischen Schweins 
bestand und betriebseigener Futter- 
grundlage führte, konnte sich selbstver 
ständlich nur so lange reibungslos abspielen, als 
die Futtermittelzufuhr zwar einer Regelung, aber 
keiner einschneidenden Beschränkung unterwar- 
fen war. Als mit Ausbruch des Krieges die über- 
seeischen Zufuhren ausfielen, kam es in den auf 
starke Einfuhr von Futtermitteln angewiesenen 
Ländern zu weitgehenden Verlagerungen und 
Bestandseinschränkungen, die auch die Fleisch- 
und Fettversorgung tiefgreifend beeinflußten. 


Bei Ausbruch dieses Krieges hatte der 
Schweinebestand Kontinentaleuropas mit rund 


76 Millionen Stück seinen bisher höchsten Stand. 
Der auf Großdeutschland entfallende Anteil be- 
trug fast ein Drittel. Demgegenüber wiesen die 
Zählungsergebnisse den europäischen Rinder- 
bestand mit 98 Millionen, den Schafbestand mit 
122 Millionen und den ale mit rund 
600 Millionen Stück aus. 


Die jährliche Kraftfuttermenge, ausgedrückt 
in Getreidewerten, die für die gesamte Arbeits- 
und Nutzviehhaltung aufgewendet 
mußte, betrug etwa 90 Millionen Tonnen. Der 
Kraftfutterauf wand übertraf damit den 
gesamteuropäischen Bedarf an Brotgetreide, 
Nährmitteln und Speisekartoffeln wesentlich. 
Allein der jährliche Kraftfutteraufwand für die 
Schweinehaltung belief sich auf etwa 38 Mil- 
lionen Tonnen Getreidewert. 
einer durchschnittlichen Getreide- und Kartoffel- 
ernte Groß deutschlands. Obwohl in einer Reihe 
von Ländern, besonders in Deutschland, große 
Anstrengungen gemacht wurden, die Boden- 
erzeugung zu steigern und die Getreideeinfuhr 
Europas gegenüber dem Stand von 1925 auch 
tatsächlich auf die Hälfte herabgedrückt werden 
konnte, blieb doch vor dem Kriege eine wesent- 
liche Abhängigkeit von überseeischen Zufuhren 
bestehen. Betriebswirtschaftlich betrachtet han- 
delt es sich dabei fast ausschließlich um Fut- 
tergetreide. Es wurden zwar auch einige 
Millionen Tonnen Brotgetreide eingeführt, aber 
die im ganzen verfütterte Brotgetreidequote war 
wesentlich größer als die eingeführte Menge. 
In Frankreich wurde sogar der Reis in größerem 


Umfange an die Schweine verfüttert. Die be- . 


stehende Abhängigkeit war also in erster Linie 
eine Abhängigkeit der Futterversor- 
gung, die bei der europäischen Schweinehal- 
tung und Schweinemast etwa 25 v.H. betrug. 


Im Verlauf des Krieges haben ausfallende 
Einfuhren aus Übersee und wesentlich erhöhter 
menschlicher Verbrauch an Getreide und Kar- 
toffeln zu einer starken Schmälerung der verfüg- 
baren Kraftfuttermengen geführt. Im Zuge dieser 


Veränderungen mußte die Hauptlast des 


Kraftfutterausfalls auf die Schweine- 
haltung abgewälzt werden, da nach 
Sicherstellung des Brotgetreide- und Speisekar- 
toffelbedarfs zunächst die Gespanntiere aus- 
reichend zu versorgen sind, die Geflügelhaltung 
keine wesentliche Einschränkung, teilweise so- 
gar zugunsten der Enten- und Gänsehaltung eine 
Ausdehnung erfahren hat, und bei der Rindvieh- 
haltung der Kraftfutterverbrauch im Verhältnis 
zum wirtschaftseigenen Grundfutter keine ent- 
scheidende Rolle spielt. Hinzu kommt, daß Ge- 
treide und Kartoffeln die Hauptmastfuttermittel 
bilden, also Erzeugnisse, die der menschlichen 
Ernährung auch unmittelbar dienen. Eine schritt- 


weise Einschränkung der Schweinebestände war 


daher unvermeidlich, um einen Ausgleich her- 
beizuführen. Welchen Einfluß dieser Ausgleich 


werden ` 


Das entspricht 


auf die Fleisch- und Fettversorgung ausübte, 
wird deutlich, wenn man prüft, welche Leistun- 
gen die Schweinehaltung für die Fleisch- und 
Fettwirtschaft in den einzelnen Ländern aufwies. 


2. Die Leistungen der Schweinehaltung für 
die Fleisch- und Fettwirtschaft 


Die Fleischerzeugung Kontinentaleuropas im 
Durchschnitt der Jahre 1935—1938 ist mit rund 
12,4 Millionen Tonnen zu veranschlagen. Der 
Außenhandel mit Fleisch war gering. Die Ab- 
hängigkeit bestand lediglich in den bereits er- 
örterten Futtermitteleinfuhren. Einer Ausfuhr an 
Schweinefleisch aus den nordwesteuropäischen 
Veredelungsländern nach England stand eine 
Einfuhr an Rindfleisch aus Nordamerika gegen- 
über. Im Endergebnis wat die Ausfuhr sogar 
größer als die Einfuhr. Von der Gesamterzeu- 
gung entfielen fast drei Fünftel auf Schweine- 
fleisch. DieSchweinehaltungnahm also 
eine zentrale Stellung in der euro- 
päischen Fleischwirtschaft ein. Das 
gilt für fast alle Länder; denn wie ein Blick auf 
die folgende Tabelle zeigt, war lediglich in den 
rindviehstarken Ländern Nordwesteuropas und 
in den Ländern mit umfangreicher Schaf- und 
Ziegenhaltung in Südosteuropa der Anteil des 


Fleischerzeugung 1935-38 


davon in v. H 
Gesamte z 
Fleisch- Fan 
erzeugung 3 E. 2 
in 1000 t ES 
Ecke 
Deutschland........ 1,5 
Osterreich 1,4 
Tschecho-Slow akei 1,9 
Polens 2.0 
1.7 
Litauen i 3,2 
Lettland. neu e 8,7 
Estland 1,1 
Finnland dg 7,5 
Schweden 1,2 
Norwegen 15,3 
6,0 
Dänemark.......... - 0,3 
Niederlande ....... 1,9 
Belgien ~ 1.0 
Luxemb rr , 
Frankreich 6,2 
Schweiz en 2,0 
3,9 
A 
Ungarn 2,2 
Jugoslawien 12,4 
Bulgarien .......... 31.0 
Rumänien 13,4 
3,9 
Griechenland 50, 
Albanien S 54,7 
Italien 10,4 
Spanſen ; 14,8 
Portugal 20,1 
16,8 
f 5,5 


„ om. ` Wi e 
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Rind- bzw. Schaffleisches größer als im euro- 
päischen Durchschnitt. Die erheblichen Unter- 
schiede im Gesamtfleischverbrauch je Kopf 


der Bevölkerung sollen hier unberücksichtigt 
bleiben. 


Da.das Schwein in erster Linie Fleisch und 
erst an zweiter Stelle Fett liefert, war der An- 
teil an der Gesamtfetterzeugung we- 
Immerhin erreicht die 


zufuhr aus Übersee. 


Während wir beim Fleisch in allen Länder- 


Fetterzeugung Reinfett) 1935-38 


davon in Ve H. 


2 G Zb 
ke — 2 H e 
3 83 23 
— EA on 
a |È * 
Deutschland .. 45,1 4,8 ste 
Osterreich .... 37,0 2,2 Re 
Tsche:ho-Siow. 46,7 9,9 — 
Polen 45,0 14,3 — 
— 
44, 8 7,2 — 
Litauen 47,7 14,1 2 
Lettland 64,6 8,4 an 
Estland ....... 66,2 7,5 Be 
Finnland...... 78,0 — z= 
Schweden..... 70,8 = = 
Norwegen e — 70, 6 
15,9 
Dänemark..... = 
Niederlande .. Sg 
elgien ....... 
Luxemburg = 
Frankreich... 
Schweiz 25 
Kë — 
Ungarn ‚7 — 
'ugoslawien 4 Sg 
Bulgarien 0 Lu 
Rumänien..... 5 u 
72 
Griechenland . 6 
Albanien..... 8 
Italien ...... 7 
Spanien....... 3 
Portugal 2 
46 


gruppen einen ziemlich gleichen Anteil der 
Schweinehaltung an der Gesamtfleischerzeugung 
und auch am Verbrauch feststellen konnten, 
sind die Verhältnisse beim Fett länderweise viel 
differenzierter. 


Die aus der vorstehenden Tabelle ersichtlichen Unter- 
schiede sind ein ziemlich zutreffendes Abbild der natur- 
lichen und wirtschaftlichen Standortsbedingungen der drei 
fettliefernden Betriebszweige: der Milchviehhaltung, der 
Schweinemast und des Olfruchtbaues, einschließlich Oliven. 
In Südeuropa spielen Schlacht- und Butterfett gegen- 
über dem Pflanzenfett nur eine geringe Rolle. Das Schwer- 


ist noch größer, 
und Käse hinzurechnen. Völlig entgegengesetzte Verhält- 
nisse treffen wir in Südosteuropa an. Hier steigt der 
Anteil der Schlachtfette auf 60 v.H., in Ungarn sogar auf 
das Butterfett nur eine nebengeordnete 
Dagegen liefern die Pflanzenfette aus 
Sonnenblumen, Soja, Raps usw. bereits ein Drittel in 
Viertel der Gesamtfetterzeugung. 


Waage, wobei die Futterbaugebiete des Westens, des Nord- 
westens und der Mittelgebirgslagen die Milcherzeugung 
Getreide-Hackfruchtzonen 


viehhaltung, die Kohlehydratzonen dagegen, abgestellt auf 
Getreide-, Kartoffel- und Zuckerrübenbau, eine kombinierte 
Fleisch- und Fetterzeugung. Um SO größere Anstrengungen 
mußten in allen europäischen Ländern gemacht werden, um 


Westeuropa 


, mit einer 
Deutschland stärkeren Neigung zur Milch- 
erzeugung. 


Wenn man vom Norden und Nordwesten nach 
Südosten einen Querschnitt durch Europa legt, 


gegenüber 
und Butter- 


genommen. 


m . 


Schweinebestand in Europa 


Jeder Punkt (-) = 1000 Schweine 


3. Die Betriebsform der europäischen 
Schweinehaltung 


Die dargelegten ernährungs- und futterwirt- 


schaftlichen Zusammenhänge der Schweinehal- 
tung stehen in enger Beziehung zu den Betriebs- 
formen, die sich in den einzelnen Ländern 
herausgebildet haben. Diese Betriebsformen 
sind das Ergebnis des Zusammenyir- 
kens der natürlichen und wirtschaft- 
lichen Standortsfaktoren. Dabei spielen 
Futtergrundlage, Fütterungstechnik, Preisver- 
hältnisse und Stand der Züchtung die Haupt- 
rolle. Jeder Nutzviehzweig hat seine betriebs- 
wirtschaftlichen Eigenarten und besonderen 
Standortsbedingungen, die in der Hauptsache 
durch unterschiedliche Ansprüche an Futter, 
Stallung, Wartung und»Pflege bedingt werden. 


Das Schaf ist das Tier des rohfaserreichen 
Trockenfutters mit weitem Eiweiß-Stärkewertverhält- 
nis. Trockenes Klima mit Dürreperioden ist der Schafhal- 


tung durchaus zuträglich, einmal weil das Schaf futter- 
knappe Zeiten, die im trockenen Klima regelmäßig auf- 
treten, gut übersteht und zum anderen, weil es durch seine 
Marschfähigkeit große Flächen gut ausnutzen kann, deren 
Erträge für das Rind nicht mehr ausreichen. Außerdem ist 
das Schaf in hervorragendem Maße für einen Wechsel der 
Weideplätze geeignet, der in klimatischen Einflüssen seine 
Hauptursache hat. In Süd- und Südosteuropa wandern die 
Schafherden regelmäßig zwischen den Winterquartieren 
im Tal und den Sommerquartieren in den Bergen. Bei 
diesem Weidewechsel sind oft Hunderte von Kilometern zu 
überwinden. Auch in Ländern mit hoher landwirtschaft- 
licher Kultur ist dieser Weidewechsel anzutreffen. So ist 
namentlich in Süddeutschland, Westfalen und Schleswig- 
Holstein die Wanderschäferei noch weit verbreitet. 


Der Schwerpunkt der Schafhaltung liegt in Süd- und 
Südosteuropa. Drei Umstände wirken dabei zusammen: 
Trockenes Klima, marktferne Lagen und eine verhältnis- 
mäßig extensive Bodennutzung, die entweder durch aus- 
gedehnte Hutungen oder durch ein Ackerbausystem mit 
vorherrschendem Getreidebau und größerem Brachanteil 
einen Reichtum an natürlichem Schaffutter gewährleistet. 


Im Gegensatz zur Schafhaltung bevorzugt die Rind- 
viehhaltung feuchte Lagen mit hoher Futter- 
wüchsigkeit. Die Fähigkeit des Rindes, Rauhfutter 


47 


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und Grünfutter, Hackfrüchte und Kraftfutter, trockenes 
und nasses Futter gleich gut auszunutzen, erleichtert es 
dem Landwirt, eine lückenlose Futtergrundlage in den ein- 
zelnen Jahresabschnitten zu schaffen, die namentlich für 
eine erfolgreiche Milchviehhaltung unerläßlich ist. Unter 
sonst gleichen Bedingungen kann die Milchviehhaltung 
um so mehr in den Vordergrund treten, je nährstoff- 
reicher das Futter ist und je enger sich das Eiweiß- 
Stärke-Verhältnis gestalten läßt. Der Schwerpunkt der 
Milchviehhaltung liegt daher im futterwüchsigen Nord- 
westeuropa und in den grünlandreichen Mittelgebirgslagen. 
Endlich weist auch die dicht besiedelte und mit Bewässe- 
rung ausgerüstete Po-Ebene einen hohen Bestand an Milch- 
kühen auf. 


Im Gegensatz zum Schaf und-Rind ist das Schwein 
in hohem Maße auf konzentrierte und hoch- 
verdauliche Futterstoffe angewiesen. Dar- 
über hinaus verwertet das Schwein die Abfälle der Haus- 
wirtschaft und infolge seines Wühlvermögens alle Ernte- 
rückstäande, die sich auf den Feldern und im Boden 
befinden. Der Anteil dieser Futterstoffe aus Brache, Wald- 
weide, Nachweide der Getreide-, Mais- und Hackfrucht- 
felder ist in den Ländern mit extensiver Bodennutzung 
sehr erheblich. Hinzu kommt, daß bei den primitiven 
Schweinerassen, die in diesen Ländern vorwiegend gehal- 
ten werden, Spürsinn und Wühlvermögen besonders aus- 
gebildet sind. In Spanien und Portugal wird die Schweine- 
haltung auf der Grundlage der Waldweide noch heute 
ausgedehnt betrieben. Im Südosten sind es mehr die Brach- 
und Stoppelweiden, die einen Teil der Futtergrundlage für 


‚die Zuchtsauen und Jungschweine abgeben. Das je nach 


der Bodennutzung in den einzeinen Ländern unterschied- 
liche Verhältnis von konzentrierten und ballastreichen 
Futterstoffen ist sowohl für die zweckmäßigste Produktions- 
form der Schweinehaltung als auch für die Wahl der Rasse 
von erheblicher Bedeutung. 


Unter den stärkereichen und konzentrierten Futterstoffen 
sind es außer den Abfällen der Hauswirtschaft vor allem 
Gerste, Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben, die der 
Schweinemast die Hauptfuttergrundlage liefern. Die 
Schweinehaltung folgt daher dem inten- 
siven Acker be u und steht, soweit nicht betriebsfremde 
Futterstoffe in größerem Umfang zugeführt werden, in 
Abhängigkeit von den Erträgen des Futtergetreide- und 
Hackfruchtbaues. ` 

Wie das Schaubild auf Seite 47 zeigt, sind die 
Hauptstandorte der Schweinehaltung 
die Klimalagen mit ausgedehntem Mais- und 
Hackfruchtbau und endlich jene Gebiete, in 
denen die Molkereiwirtschaft größere Bedeu- 
tung erlangt hat, wie dies für ganz Nordwest- 
europa in besonderem Maße zutrifft. Die 
Schweinehaltung in Anlehnung an die Milch- 
und Molkereiwirtschaft, soweit sie sich nicht 
auf Aufzucht beschränkt, bedarf allerdings einera 
sehr weitgehenden Ergänzung, entweder durch 
selbstangebaute Futterstoffe oder durch zuge- 
kaufte Futtermittel. Da in Nordwesteuropa 
Dauergrünland und Ackerfutterbau einen großen 
Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche 
einnehmen und dementsprechend der Getreide- 
und Hackfruchtbau zurücktritt, konnte die um- 
fangreiche Schweinehaltung und Schweinemast 
nur mit Hilfe ausländischer Futtermittel betrie- 
ben werden, wenn ‘sich auch die Bestrebungen 
immer mehr durchsetzten, durch Grünlandum- 
bruch und Zurückdrängung des Feldfutterbaues 
den Kartoffelbau auszudehnen und damit die 
betriebseigene Mastfuttergrundlage zu verstär- 


ken. Allein in Nordwesteuropa wurden mehr 


als 4 Millionen Tonnen überseeische Kraftfutter- 
mittel, in der Hauptsache Mais und Gerste, in 
der Schweinehaltung eingesetzt. In diesen Ge- 


48 


t 


bieten ist daher auch der durch den Krieg er- 
zwungene Rückgang des Bestandes am stärksten. 


Die Betriebsformen der Schweine- 
haltung können nach verschiedenen Gesichts- 
punkten gekennzeichnet und abgegrenzt werden. 
Wählt man als Unterscheidungsmerkmal die Art 
der verabfolgten Futterstoffe und ihre Beschaf- 
fung, so spricht man bekanntlich von haus- 
wirtschaftlicher, landwirtschaft- 
licher und gewerblicher Schweinehaltung. 


Die hauswirtschaftliche Schweinehal- 
tung ist in den mittel- und westeuropäischen 
Ländern in der Hauptsache nur noch in Par- 
zellenbetrieben und in den Haushaltungen der 
Landarbeiter und dörflichen Handwerker ver- 
treten, spielt aber in allen Kleinbauernländern 
noch eine erhebliche Rolle. Der hauswirtschaft- 
liche Charakter kommt nicht nur in der Art der 
verwendeten Futterstoffe, wie Küchen- und Gar- 
tenabfälle, Kürbis usw., sondern auch darin zum 
Ausdruck, daß Zucht und Mast nicht klar gegen- 
einander abgegrenzt sind. Die Zuchtsauen brin- 
gen häufig nur einmal Ferkel und werden dann 
gemästet. 


Die land wirtschaftliche Schweinehal- 
tung hat mit der Steigerung der Hektarerträge 
und der ausgedehnten Hackfruchterzeugung 
immer größere Bedeutung gewonnen. Sie steht 
heute in Mittel- und Westeuropa beherrschend 
im Vordergrund und bildet den wichtigsten Ver- 
wertungszweig des Mais- und Kartoffelbaus, 
namentlich bei fehlenden technischen Neben- 
gewerben und in ungünstigen Absatzlagen. 


Wenn man als gewerbliche Schweinehal- 
tung jene Formen bezeichnet, die den größten 
Teil des Futterbedarfs aus zugekauften Futter- 
stoffen decken, so war sie vor dem Kriege in 
Dänemark, Holland, Belgien, teilweise auch in 
Nordwestdeutschland und in Westfrankreich in 
der Nähe der Einfuhrhäfen weit verbreitet. Er- 
möglicht wurde die Ausbildung solcher Betriebs- 
formen durch den der Schweinehaltung eigenen 
geringen Bedarf an Streustroh, durch die weit- 
gehende Arbeitsteilung zwischen Aufzucht und 
Mast und durch die umfangreiche Zufuhr. geeig- 
neter und preiswürdiger Futtermittel. Jede ge 
wollte oder durch außenwirtschaftliche Vor- 
gänge erzwungene Einschränkung der Futter 
mitteleinfuhr muß die stark oder gar ausschließ- 
lich auf Futterzukauf abgestellte Schweinehal- 
tung und -mast zum Erliegen bringen. 


Größere Unterschiede in der Erzeugungs- 
richtung konnten naturgemäß nur bei der 
landwirtschaftlichen Schweinehaltung zur Aus 
bildung kommen. Die Unterschiede bestehen 
einmal in dem wechselnden Verhältnis von Aui- 
zucht und Mast und zum anderen in dem ge 
wählten Mastverfahren, wodurch wiederum das 
Fleisch-Fett-Verhältnis der Schlachttiere be- 
stimmt wird. Auf Grund des wechselnden Ver- 
hältnisses von Aufzucht und Mast unterscheidet 
man folgende Betriebsweisen: 


1. Aufzuchtbetriebe mit Verkauf von Ferkeln 
oder Läufern, 


2. Aufzucht-Mastbetriebe, die sich bezüglich 
des Ferkel- und Läuferbestandes selbst er- 
gänzen, 


3. Mastbetriebe ohne oder mit schwacher 
Aufzucht, die zugekaufte Läufer oder Ferkel 
mästen. s | 


Diese, namentlich in Deutschland, Dänemark, 
Holland und Belgien, aber auch in Schweden 
und Frankreich weit verbreitete zwischen- 
betriebliche Arbeitsteilung ist im Sü- 
den und Südosten weniger anzutreffen. Große 
Unterschiede sind dagegen in der Erzeugungs- 
richtung und im Mastverfahren vorhanden. Beide 
stehen wiederum in Abhängigkeit von der Fut- 
tergrundlage und von den Preisverhältnissen. 


In den europäischen Ländern lassen sich je 
nach dem Fleisch-Fett-Anteil, der bei der Mast 
der Tiere erreicht werden soll, zweitypische 
Formen der Mastschweineerzeugung 
unterscheiden: die Erzeugung von Fleisch- 
schweinen und die Erzeugung von Speck- 
schweine n. Während bei der Erzeugung von 
Fleischschw einen in erster Linie Fleisch gewon- 
nen werden soll, zielt die Mast von Speck- 
schweinen auf Fettansatz ab. Zwischen diesen 
beiden extremen Erzeugungszielen gibt es in der 
Praxis alle Übergänge. 


Die Erzeugung von Fleischschweinen erstrebt auf dem 
Wege der Schnellmast in allen Ländern ein Endgewicht 
von 90—100 kg lebend. Für die Baconherstellung bzw. für 
die Gewinnung eines fettarmen Brat- und Delikatessen- 
schweines, das den bekannten Prager Schinken lieferte, 
waren die Lebendgewichte auf 70—85 kg abgegrenzt. Da 
bei der Entwicklung des jungen Schweines zunächst vor- 
wiegend Fleisch und im weiteren Verlauf Fett angesetzt 
wird, soll bei diesem Erzeugungsverfahren das Jugend- 
wachstum der Tiere durch reichliche Fütterung zur Ge- 
winnung von Fleisch ausgenutzt werden. Je höher jedoch 
der anteilige Fleischgehalt der Zunahme ist, um so höher 
sind auch die Anforderungen an den Eiweißgehalt und an 
die Verdaulichkeit der täglichen Futtergabe. Die betriebs- 
wirtschaftlichen Voraussetzungen für diese Art der Er- 
zeugung von FPleischschweinen sind also erst dann gegeben, 
wenn das Preisverhältnis zwischen ballastreichen und kon- 
zentrierten Futterstoffen zugunsten der letzteren ausfällt, 
und wenn damit gleichzeitig eine ausreichende Versorgung 
der preiswürdigen Eiweißfuttermittel Hand in Hand geht. 
In den nordwesteuropäischen Molkereiländern, voran in 
Dänemark, waren diese Voraussetzungen in hohem Maße 
gegeben. Auf der Grundlage der reichlichen Magermilch- 
versorgung, der umfangreichen Gersteeinfuhr und bestimm- 
ter röchterischer Maßnahmen ist es in Dänemark zu einer 
Form der Baconproduktion gekommen, die in ihrer Quali- 
tät auf den englischen Märkten bei weitem an der Spitze 
stand. Auch in Schweden, in den baltischen Ländern und 
im ehemaligen Westpolen kam es in der Vorkriegszeit zu 
„ Art, jedoch waren die Schlachtgewichte 
öder. 


Im Gegensatz zur Fleischschweineerzeugung mit früh- 
reifen Rassen, intensiver, eiweißreicher Ernährung und 
schnellem Umschlag benutzt die Speckschweine- 
Produktion spätreife Tiere, die zuerst langsam auf der 
Weide oder durch Verabreichung ballastreicher Futterstoffe 
heranwachsen und dann in einem bestimmten Alter, das 
nach Rasse und Erzeugungsziel wechselt, zur Mast gestellt 
werden. Da die Schweine bei Beginn der Mast ihr Wachs- 
lum fast abgeschlossen haben, liefern sie vorwiegend 
Speck und Schmalz, sowie ein festes Fleisch, das sich zur 
Herstellung von Dauerware besonders eignet. 


Obwohl der Fettansatz bedeutend mehr Nährstoffe er- 
fordert als der Ansatz von Fleisch, behält die Speck- 
schweineproduktion den Vorzug, daß ein wichtiger Teil des 
Zuwachses durch Weidegang oder mit weniger 
konzentrierten billigen Futterstoffen erzielt 
wird und damit die Gesamtmenge hochwertigen Mastfutters, 
die man zur Erzeugung von 1 kg Zuwachs benötigt, ver- 
hältnismäßig gering bleibt. Die Speckschweineproduktion 
ist daher überall dort vertreten, wo die ballastreichen 
Futterstoffe im Verhältnis zu den konzentrierten relativ 
billig sind und durch den ganzen Zuschnitt der Boden- 
nutzung auch reichlicher zur Verfügung stehen. 

Die geschilderte Ernährungs- und Produktions- 
weise bei der Erzeugung von Speckschweinen 
ist in allen Ländern, in denen sie größeren Um- 
fang hat, nicht nur eine Anpassung an die Art 
der Futtergrundlage, sondern auch an den 
jahreszeitlichen Futterablauf. Früh- 
reife Schweinerassen sind unter solchen Ver- 
hältnissen nicht zweckmäßig. Vielmehr müssen 
spätreife Rassen gehalten werden, die robust 
und genügsam sind, um während der ausgedehn- 
ten Läuferperiode und bei den weiten Wegen, 
die bei der natürlichen Futtersuche zu überwin- 
den sind, noch befriedigende Zunahmen zu er- 
zielen. Andererseits müssen die Tiere auch eine 
gute Verwertungsmöglichkeit für konzentrierte 
Futterstoffe haben. Das Mangalitzaschwein be- 
sitzt diese Eigenschaften in ausgeprägtem Maße. 


s hat zwar nur geringe Fruchtbarkeit, ist aber 


widerstandsfähig, eignet sich für extensive Hal- 
tung, verträgt hohe Hitzegrade und ist besonders 
befähigt, in der Hauptmastperiode Mais in Speck 
umzusetzen. | 


Daß die Speckschweineproduktion in Ungarn 
und in angrenzenden Teilen der Balkanländer 
namentlich in deri Maisbaugebieten noch vor- 
herrschend ist, hat verschiedene Gründe, Ein- 
mal sind sie futter wirtschaftlicher Art. 
Die Ackerebenen des Südostens sind ausge- 
sprochene Kohlehydratzonen, begünstigen also 
die Fettproduktion, zumal die Milchwirtschaft 
schwach entwickelt ist und andere für dıe 
Schweinemast geeignete Eiweißstoffe auch aus 
Preisgründen bisher keinen Eingang gefunden 
haben. Zum anderen sind die Verkehrs- 
verhältnisse in weiten Teilen der .Balkan- 
lönder nur schwach entwickelt. Der bäuer- 
liche Betrieb steckt noch tief in der Natural- 
wirtschaft. Fett ist transportfähiger und halt- 
barer als Fleisch und außerdem ein geeignetes 
Hilfsmittel bei Verarbeitung von Magerfleisch 
zu Dauerware. Die Speckschweine stehen daher 
auch wesentlich höher im Preis als Fleisch- 
schweine. In Nordwesteuropa war es vor dem 
Kriege häufig umgekehrt. 


Wie bereits erwähnt, gibt es zwischen den 
beiden Extremen der Fleisch- und Fettschweine- 
produktion in der Praxis alle Übergänge, 
sowohl was die Schwere der Schweine als auch 
die Art der Ernährung betrifft. Schweine mit 


49 


einem Lebendgewicht von 120—140 kg stehen 
bei unseren heutigen weißen Rassen zwischen 
Fleisch- und Speckschweinen. Die oft erörterte 
Frage der zweckmäßigsten Form der Schweine- 
produktion und damit des anzustrebenden End- 
gewichtes bei der Mast kann auch für deutsche 
Verhältnisse nicht generell entschieden 
werden, da die Futterverhältnisse im Einzelfall 
zu verschieden liegen. Man kann nur die be- 
triebswirtschaftlichen Bedingungen abgrenzen, 
unter denen die verschiedenen Produktions- 
formen und Erzeugungsziele zweckmäßig er- 
scheinen. Weiter ist zu berücksichtigen, daß 
jetzt im Kriege auch die Futterversorgungslayge 
den Ausmästungsgrad weilgehend bestimmt. Bei 
knappen Schweinebeständen und guter Futter- 
getreide- und Kartofielernte wird man im Inter- 
esse der Versorgung die Mästung von schweren 
Schweinen fördern und. umgekehrt, 


Tatsächlich hat die deutsche Agrarpolitik in 
den letzten Jahren durch eine entsprechende 
Preisstaffelung der Gewichtsklassen eine Steu- 
erung der Produktion wiederholt vor- 
genommen und dabei die gesetzten Ziele auch 
erreicht. Betriebswirtschaftlich kann es keinem 
Zweifel unterliegen, daß die verknappte Eiweiß- 
versorgung und die verstärkte Einschaltung von 
weniger konzentrierten Futterstoffen die Mast- 
verfahren im Sinne eines verlang- 
samten Umschlagesbeeinflußthat. Daß 
die hier entwickelten Beziehungen zwischen 
natürlichen und wirtschaftlichen Standortsfak- 
toren einerseit$ und den Produktionsformen der 
Schweinehaltung andererseits in der Vorkriegs- 
zeit in den europäischen Ländern weitgehend 
ausgeprägt waren, bestätigt die folgende Über- 
sicht: 


Produktionsverhältnisse der europäischen 


Schweinehaltung. 

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328 3323 323 225 
v Ey gun” 2 e 228 
ER | AN og | #5 | 00% 
5883828 [K 
SZ ju ? Dem | 838 

2 9,6 ehem. Tschecho- Sl 90 145 17 

d 13,8 (Dänemark, 93 150 17 

d 12,5 [Belgien 110 100 18 

0 56 Itallen 110 90 | 18 

5 4,8 [Griechenland 110 90 18 

4 HA [Frankreich 115 105 18,5 

4 10,9 Norwegen 115 100 18,5 

3 11,5 Schveden 115 110 18,5 

9 9,5 [Baltische Staaten| 120 95 19 

4 6,8 Spanien 125 75 19,5 

3 8,2 |ehem. Polen..... 128 80 19,5 

‚5 12,7 | Niederlande..... 130 115 20,0 
26,8 | 12,6 [Deutschland | 130 | 95 | 20,0 

0 4,6 Rumänien | 145 70 140-60*°) 

2 6,2 [ehem. Jugosl. ...| 150 65 | 40-60*) 

9 | 7,2 Ungarn | 160 65 |40-60°) 

9 


— sonst. Länder....| — — | 


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| | Kontin.-Europa 


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J Angaben beziehen sich auf Mangalitzaschweine. 


50 


Die Tabelle zeigt für den Durchschnitt der Jahre 1835 
bis 1938 außer dem Schweinebestand zunächst einmal die 
je Zuchtsau und Jahr erzielte Ferkelzahl in den einzeinen 
Ländern. Die Ferkelzahl ist das Ergebnis der Wurfhäu- 
figkeit und der Wurfstärke. Während in den Län- 
dern mit hochentwickelter Schweinehaltung jährlich regel- 
mäßig zwei Würfe mit insgesamt 12—14 Ferkeln,, nach 
Abzug der Verluste, erreicht werden, ist die Wurfhäufig- 
keit und Wurfstärke in den süd- und südosteuropäischen 
Gebieten bei den dort vorherrschenden Schweinerassen und 
Haltungsverhältnissen wesentlich geringer, so daß nur 
5—9 Ferkel je Zuchtsau und Jahr erzielt werden. Sodann 
zeigt die Tabelle die durchschnittlichen Lebendgewichte der 
Schlachtschweine, den Jahresumschlag in v.H. des Bestan- 
des und den Anteil des Fetts am Schlachtgewicht. Auch 
hıer werden im ganzen die Beziehungen zahlenmäßig be- 
stätigt, die auf Grund der geschilderten betriebswirtschalt- 
lichen Verhältnisse zu erwarten sind. 


Der Wiederaufbau der europäischen Schweine- 
haltung ist weniger ein züchterisches Problem — 
so sehr die Zucht auf Leistung auch einer Ver- 
besserung bedarf — sondern in erster Linie eine 
Frage der Futterversorgung. In allen Ländern, 
die eine starke Einschränkung ihrer Schweine- 
haltung vornehmen mußten, ist die Zahl der 
Zuchtsauen vorsorglich in einem Umfange er 
halten, daß eine rasche Wiederauffüllung der 
Gesamtschweinebestände erfolgen kann, wenn 
die Futterversorgungslage dies als zweckmäßig 
und notwendig erscheinen läßt. Die produk- 
tionspolitischen Bestrebungen aller Länder sind 
daher zunächst mit Recht darauf abgestellt 
durch eine entsprechende Gestaltung des An- 
baus die Erzeugung von Mastfuttermitteln im 
Rahmen der Grenzen zu verstärken, die durch 
die Versorgung mit Brotgetreide und Speisekar- 
toffeln gezogen sind. 

Darüber hinaus sind die Futtermittel auf die 
einzelnen Nutzviehzweige so zu verteilen, dab 
damit ernährungswirtschaftlich der 
größte Nutzeffekt erzielt wird. In der Fut 
terverwertung stehen Schweine- und Ge- 
flügelhaltungineinemgewissen Wett- 
bewerb. Solange sich die Geflügelhaltung in 
ihrem Umfange in der Hauptsache auf das na- 
türliche Geflügelfutter beschränkt, d. h. aui 
Futterstoffe, die sonst ungenutzt blieben, ist sie 
durchaus am Platze. Wenn jedoch bei steigender 
Geflügelzahl zwangsläufig größere Getreide- und 
Kärtoffelmengen zur Verfütterung kommen 
müssen, dann wird die Schweinehaltung in der 
Futterverwertung überlegen, weil sie je Kg 
Fleischzuwachs einen geringeren Futteraufwand 
erfördert. Ähnliches gilt für die übrigen Zweige 
der Kleintierhaltung. Wenn man bedenkt, dab 
in der Geflügelhaltung der Vorkriegszeit in Höhe 
von rund 600 Millionen Stück jährlich etwa 
13 Millionen Tonnen Getreidewert als Futter 
aufgewendet wurden — eine Menge, die de 
Gesamtgetreideeinfuhr Kontinentaleuropas ent 
spricht —, so erhält man einen Maßstab für die 
ernährungs- und futterwirtschaftliche Bedeutung, 
die einer sinnvollen Einschränkung der Geflügel- 
haltung beizumessen ist. 


‚WILHELM HEUCKMANN: 


FRAGEN DER INTERNATIONALEN 


WEINBAUWIRTSCHAFT 


ast alljährlich fanden sich vor dem Kriege 


die Vertreter der dem internationalen Wein- 
amt angeschlossenen Weinbauländer Europas zu 
Besprechungen über einschlägige Fragen zusam- 
men. Aus der Fülle der Tagesordnungen trat 
jedesmal ein Problem besonders hervor: nämlich 
die Frage des Absatzes der in diesen Län- 
dern erzeugten Weine. In diesen Jahren machte 
sich nämlich fast überall ein Uberangebot von 
Wein bemerkbar, das verschiedene Ursachen 
hatte. Extrem hohe Ernten je Flächeneinheit 
pflegen nur ab und zu aufzutreten. Die sich 
hieraus ergebenden Schwierigkeiten können 
meist durch direkte Eingriffe behoben werden, 


wobei eine staatlich unterstützte Werbung und 


Vorratshaltung in allen möglichen Formen eine 
besonders hohe Rolle spielt. Bedeutend nach- 
haltiger wirken sich aber zu hohe Ernten aus, 
die alljährlich aus einer Anbaufläche gewonnen 
werden, welche in keinem Verhältnis zu der 
Zahl der Bevölkerung, bzw. deren Kauflust oder 
deren Kaufkraft steht. Hierin lag wohl eine der 
Hauptursachen der Absatzschwierigkeiten in 
den zur Sprache stehenden Ländern. Es würde 
den Rahmen dieser Abhandlung überschreiten, 
wollte man hier alle Maßnahmen erwähnen, die 
von den einzelnen Länderregierungen erlassen 
wurden, um der bestehenden Schwierigkeiten 
Herr zu werden, und die dann auch zur Behe- 
bung der Absatznot durch das internationale 
Weinamt empfohlen wurden. Meistens betrafen 
sie reine Fragen der Erfassung und Verwertung 
der Erntemengen, die Werbung und schließlich 
die Empfehlung, die Zollgrenzen zu öffnen und 
den überflüssigen Wein in andere Länder ab- 
fließen zu lassen. Solchen Empfehlungen war 
nur in den seltensten Fällen ein Erfolg beschie- 
den. Dies beweisen die Maßnahmen, die dann 
später jedes Land auf Grund seiner handels- 
politischen Lage für sich selber traf. 


Es dauerte eigentlich ziemlich lange, bis man 
das Grundübel des Weinüberflusses mancher 
Länder erkannte, das, kurz gesagt, in der Un- 
ordnung der Erzeugung lag, die typisch 
für eine freie Wirtschaft ist. Jeder Winzer oder 
sonstige Interessent konnte praktisch soviel 
Rebanlagen erstellen, wie er wollte, ohne Rück- 
sicht darauf, ob der dort erzeugte Wein in 
Gegenwart oder Zukunft abgenommen werden 


konnte. Es fehlte meistens selbst die primitivste 
Steuerung durch den Staat, deren Sinn es sein 
sollte, die vorhandene Rebfläche mit der durch- 
schnittlichen Aufnahmefähigkeit des Landes in 
Einklang zu bringen. Das galt nicht nur für die 
Menge der Erzeugung, sondern auch für die 
Qualität des Produktes. Die Folge davon war, 
daß selbst bei geringsten Preisen, die heute 
geradezu märchenhaft klingen, die Winzer den- 
noch oft auf ihrem Wein sitzen blieben. Dies 
führte zu einer außerordentlichen Schwächung 
der Winzerbetriebe, die in einer extensiven 
Wirtschaftsweise ihren Niederschlag fand 
und ein starkes Herabsinken des Quali- 
tätsgedankens auslöste. 


Wenn sich in irgendeinem landwirtschaft- 
lichen Betriebszweig eine Spekulation ungünstig 
auswirkt, so ganz besonders in solchen Betrie- 
ben, in denen das Schwergewicht bei den lang- 


‘jährigen Kulturen liegt. Hier ist der Einsatz von 


Kapital und Arbeit natürlich weit höher als bei 
einjährigen Kulturen, und eine Fehlspekulation 
muß sich besonders ungünstig auswirken, weil 
das Kapital für Jahre, oft sogar für Jahrzehnte, 
festgelegt ist. Eine Änderung dieses Zustandes 
durch Aushauen der Reben bringt nicht nur 
keinen Gewinn, sondern hat einen direkten 
Verlustim Gefolge. Wir wissen, daß der deutsche 
Weinbau mit der Qualität der Weine 
steht und fällt. In Zeiten des Überflusses an 
Wein bleiben die geringsten Weine stets bis 
zuletzt liegen; in Zeiten des Mangels wird der 
Qualitätswein immer noch am besten bezahlt. 
Dies gilt im gewissen Sinne auch für die Weine 
der außerdeutschen Länder. Untersucht man die 
Wirtschaftlichkeit der europäischen Weinbau- 
betriebe, so kommt man zu dem Ergebnis, daß 
die Betriebe mit Qualitätsweinbau sich durch- 
schnittlich am besten stehen. 


Ein spekulativer Weinbau bewirkt oft eine 
einseitige Betriebskultur. Der gesunde Wein- 
baubetrieb ist bestrebt, auch eine land- 
wirtschaftliche Grundlage zur Ernäh- 
rung der Betriebsangehörigen, zur Sicherung 
einer Futter- und Düngerbasis zu schaffen. Wäh- 
rend in Krisenzeiten der einseitige Weinbau- 
betrieb nicht einmal das Ernährungsminimum 
für seinen Betrieb hervorbringen kann, ist ein 
gemischter Betrieb verhältnismäßig krisenfest 


51 


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und kann vor allen Dingen seine Boden- 


fruchtbarkeit aus eigener Kraft er- 
halten. Der Monokulturbetrieb aber ist auf 
die Zufuhr fast aller Betriebsmittel angewiesen 
und.in Notzeiten besonders gefährdet. Wie sich 
solche Verhältnisse auswirken können, zeigt 
sich z.B. in vielen Weinbaubetrieben Frank- 
reichs, welche nicht einmal in der Lage sind, 
genügend Gemüse für ihre Betriebsangehörigen 
aufzubringen. 


Ebensowenig wie die Regierungen einzelner 
Länder den Grundfragen der weinbaulichen Er- 
zeugung ein von Weitblick getragenes Interesse 
entgegengebracht haben, sorgten sie auch für 
eine ordentliche Berufsbetreuung des 
Winzers. Nur wenige Länder verfügen über 
eine Organisation zur Beratung der Winzer, die 
angesichts dieser arbeitsintensiven, den Schäd- 
lingen und Krankheiten ausgesetzten, sowie vor 
allen Dingen von der jeweiligen Jahreswitterung 
so abhängigen Kultur erforderlich ist. Meistens 
waren die Winzer auf sich angewiesen, mußten 
ihre Erfahrungen mehr oder weniger selbst 
sammeln, denn nur wenige verfügten über eine 
bessere fachliche Ausbildung. Gewiß muß der 
Weinbau an der Grenze des Möglichen, wie z.B. 
in Deutschland, viel exakter betrieben werden 
als in anderen vom Klima mehr begünstigten 
Gebieten. Aber nicht nur deshalb findet man bei 
uns eine derartige Zahl von wissenschaftlichen 
Instituten, Versuchsanstalten und Fachschulen, 
und ein Beratungsnetz, das praktisch den letzten’ 
Winzer erfaßt. Mangelndes Interesse an der Er- 
zeugung heißt soviel wie mangelnder Schulz, 
und in der Tat —, in vielen Ländern waren die 
Winzer schutzlos gewissen Kreisen ausgeliefert, 
die an dem „status quo“ Interesse hatten.« Des- 
halb zeigt sich auch überall dort eine gewisse 
Rückständigkeit in den Betrieben, in denen der 
Winzer ohne diesen 'heute in Deutschland selbst- 
verständlichen Schutz der Erzeugung seine man- 
nigfaltigen Arbeiten oft bei kärglichem Einkom- 
men durchführt. ` 


Aus der Fülle der für viele europäische Wein- 
baubetriebe typischen Zeichen der Isolierung 
der Winzer sei zunächst einmal die Versor- 
gung mit Rebenpflanzgut herausgegriffen. 
Was nützt es dem Winzer, wenn er bei der Aus- 
wahl des Geländes, bei der Vorbereitung des 
Bodens einschließlich aller Maßnahmen, welche 
die Grundlage eines neuen Weinberges aus- 
machen, die größte Sorgfalt walten läßt und 
dann schlechte Reben pflanzt? Für den deut- 
schen Winzer ist es völlig unverständlich, daß 
sich in manchen Ländern ein gewissenloser 
Rebhandel auftat, der nicht einmal der ge- 
ringsten Kontrolle von seiten des Staates oder 
der berufsständischen Einrichtungen unterlag. 
Einer bewurzelten Rebe, wie sie im zeitigen 
Frühjahr gehandelt wird, kann, man kaum an- 


52 


merken, um welche Sorte es sich handelt, ge- 
schweige denn, ob sie — da vegetativ ver- 
mehrt — von einem fruchtbaren Mutterstock 
abstammt. Wir konnten in manchen Ländern be- 
obachten, daß auf den Wochenmärkten einige 
Musterexemplare von Reben vorgezeigt und 
daraufhin Kaufabschlüsse von Tausenden von 
Reben, die angeblich „zu Hause” in derselben 
Qualität lagerten, zustande kamen. Schon bei 
der Lieferung stellte dann der Winzer fest, daß 
die vorgezeigten Musterexemplare besonders 
ausgesucht waren, die gesamte Lieferung aber 
etwas ganz anderes darstellte. Vollends belehrt 
wurde er aber erst nach einigen Jahren in sei- 
nem mit solchen Reben bepflanzten Weinberg. 
Hier zeigte sich oft ein buntes Sorten- 
gemisch, und der Stand der Jungpflanzung 
bewies ihm die Unbrauchbarkeit vieler Reben. 
Es fehlte einfach die Kontrolle der Mutterstöcke 
auf Sortenechtheit, Sortenreinheit und Gesund- 
heit und ebenso die entsprechende Überwachung 
der Rebschulen. Hinzu kommt noch, daß es sich 
meistens wegen der Reblausverseuchung um 
gepfropfte Reben handelt, bei denen außerdem 
noch böse technische Fehler unterlaufen können. 
Der kapitalkräftige Winzer kaufte Reben I. Qua- 
lität, der weniger kapitalkräftige solche II. Qua- 
lität und der arme Winzer Reben III. Qualität. 
Die Folge davon war, daß der arme Winzer da- 
durch nie kapitalkräftig, sondern nur noch 
ärmer wurde. Keiner von den dreien hatte die 
Sicherheit, daß Unterlage und Edelreis tatsäch- 
lich die richtigen vom Händler „garantierten“ 
Sorten waren. Dabei gibt es nur, eine Qua- 
lität, nämlich die sortenechte, pflanz- 
fähige Rebe. 


Das Kapitel „Rebenpflanzgut“ ist eines der 


traurigsten für die Winzer, und auch heute wird 


ihnen in den meisten Ländern in dieser Be- 
ziehung noch nicht der geringste Schutz zuteil. 
Deshalb machte sich auch vielfach ein speku- 
latives Händlertum breit, das wild aufgekaufte 
Reben ohne Kenntnis der Herkunft an die Win- 
zer veräußerte und jährlich „die Preise machte”, 
bei denen der ebenso schutzlose Rebenvermeh- 
rer oft das Nachsehen hatte. Mit der Einfüh- 
rung der Rebenanerkennung, einer 
scharfen Kontrolle des Rebenverkehrs, 
hat man in Deutschland dem Winzer den not- 
wendigen Schutz angedeihen lassen. Nur dort, 
wo eine bis in die letzten Einzelheiten kontrol 
lierte Herstellung von Pflanzreben einschließ- 
Ich des Rebenverkehrs garantiert ist, kann der 
Winzer mit Sicherheit und Ruhe den großen 
Kapitalaufwand einer Neuanlage wagen. Denn 
unter deutschen Verhältnissen kostet die Anlage 
eines neuen Weinberges bis zum Ertrag etwa 
10000 bis 15000 RM. je ha. Daraus sieht man, 
wie wichtig gerade diese Frage für die Wirt- 
schaftlichkeit der Winzerbetriebe ist. 


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Die neuen Wege, welche Deutschland in 
dieser Beziehung beschritt, werden von allen 
Ländern als vorbildlich anerkannt. Es dürfen 
nur Reben aus anerkannten Beständen in. den 
Verkehr gebracht werden; dadurch ist gesichert, 
daß schon der Rebenvermehrer (Rebschulbesit- 
zer) nur brauchbare Reben erhält. Auch die 


Rebenvermehrung wird ständig technisch und 


züchterisch überwacht und vor allen Dingen 
die Sortierung der verkaufsfertigen Ware unter 
scharfe Kontrolle gestellt. Kein Wunder, daß bei 
Einführung dieser Maßnahmen mancher speku- 
lative Rebenvermehrer sein Geschäft einstellte. 
Eine gerechte Preisherabsetzung für das Pflanz- 
gut gab dem Rebenvermeh?er und Winzer die 
notwendige Sicherheit und Produktionsfreudig- 
keit. So erhält der deutsche Winzer den erfor- 
derlichen Schutz und damit die Grundlage zur 
Wirtschaftlichkeit seines Betriebes. 


Durch solche Kontrollmaßnahmen ist auch die 
Einflu8 möglichkeit in der Sorten- 
frage gegeben. In jedem weinbautreibenden 
Land hat sich eine Fülle von Rebsorten breit- 
gemacht, die nicht nur die Arbeit des Winzers 
erschwert, sondern sich letzten Endes auf gie 
Eigenart, die Qualität und damit auf den Absatz 
der Weine auswirkt. Eine Ordnung der Erzeu- 
gung mit dem Ziel, solche Sorten von der Ver- 
mehrung auszuschalten, die durch die Erzeugung 
von geringem Wein den Markt belasten und 
damit auch von Nachteil für die Weinbau- 
betriebe werden, ist notwendig und wünschens- 
wert, Hierzu gehört die Schaffung von 
Rebsortimenten für die einzelnen 
Länder, ähnlich wie dieses in Deutschland in 
allen Einzelheiten bereits besteht. 


Aus der Erkenntnis, daß gerade die Qualität 
des Weines den Bestand der Weinbaubetriebe 
sichert, faßte man in manchen Ländern als ersten 
Schritt in der Ordnung der Erzeugung den Plan, 
den Anbau der „Hybriden‘“), der vielfach 
eine ungehemmte Ausdehnung erfahren hatte, 
zu beschränken oder zu verbieten bzw. die Ver- 
nichtung der Hybriden anzuordnen. Wieviel Re- 
solutionen sind in dieser Beziehung auf den 
internationalen Weinbaukongressen gefaßt wor- 
den und wie wenig wurde praktisch erreicht! Bei 
dem Plan ist es meistens geblieben, denn fast 
überall war derEinfluß der Regierungen oder der 
Weinbauverbände mangels Organisation und Be- 
ratungsstellen zu schwach. Noch heute bemühen 
sich fast alle weinbautreibenden Länder Europas, 
ihren Ruf durch schnellste Ausmerzung der 


Hybriden wieder sicherzustellen. Leichter ge- 


sagt als getan! Dazu sind oft Eingriffe notwen- 
dig, die die Zukunft, d. h. den Bestand mancher 
Weinbaubetriebe in Frage stellen. Und dennoch, 
jedes Weinbauland wird sich später mit der 


) Eine Kreuzung von Europäer- und Amerikanerreben, 
die hohe, aber minderwertige Erträge bringen. 


je 


restlosen Entfernung dieser Rebsor- 
ten abfinden müssen. Das verlangt schon 
der „gute Ruf“. Denn die aus diesen Reben 
gewonnenen Weine entsprechen nicht den 
Anforderungen, welche man an ein sauberes 
Getränk stellen muß. Wie man in den einzelnen 
Ländern von der Absatzseite aus durch Verbot 
des Verkaufs der Hybridenweine, durch aus- 
schließliche Verwertung dieser Trauben zum 
Brennen, zu Wermutwein oder zur Essigberei- 
tung an die Lösung dieser Frage geht, ist sehr 
aufschlußreich. Auch hier zeigt sich wieder 
die Notwendigkeit einer geordneten 
Wirtschaft. 


Anfangs vermerkten wir, daß in manchen 
Ländern unter dem Einfluß verschiedener Um- 
stände, die sowohl in der Erzeugung als auch 
im Markt oder in einem von beiden begründet 
sein können, die Winzer zu einer extensiveren 
Bewirtschaftung übergingen, die vielfach als 
direkt primitiv bezeichnet werden muß. Man 
betrachte nur einmal, wie man vielfach die für 
die Wirtschaftlichkeit der Betriebe so ausschlag- 
gebende Bekämpfung der Schädlinge und Krank- 
heiten behandelte. Die heute in den meisten 
europäischen Ländern noch gebräuchlichen Ma- 
schinen und Geräte zur Schädlingsbekämpfung 
entsprechen in keiner Weise den neuzeitlichen 
Erkenntnissen der Biologie und der Bekämpfungs- 
methoden. Hier haben nicht nur die Winzer 
selber oder die Stellen versagt, die sie betreuen 
mußten, sondern vor allem die Industrie. Von 
dieser wurden unzureichende Geräte sowohl für 
den Kampf gegen Krankheiten und Schädlinge 
als auch für die Bodenbearbeitung hergestellt 
und kaum der Versuch unternommen, durch 
technische Verbesserungen Pionierarbeit zu 
leisten. 


Wenn man bedenkt, daß die jährliche Ernte 
mindestens zu 50 v.H. von einer ordnungs- 
mäßigen Schädlingsbekämpfung abhängt, so 
müßte wenigstens dieser Arbeitszweig die so 
notwendige Intensivierung und neuzeitliche Ge- 
staltung erfahren haben. Hinzu kommt noch, daß 
es in manchen Ländern an einer jeglichen Orga- 
nisation in der ordnungsmäßigen Beratung der 
Winzer bei der Schädlingsbekämpfung fehlt. In 
Deutschland wurde durch den Rebschutz- 
dienst des Reichsnährstandes diese 


. Organisation in wohl idealer Weise geschaffen. 


Auch hat die Verwendung neuzeitlichster Ma- 
schinen und Geräte weitestgehend Eingang 
gefunden. Die wechselvolle Kurve der Ernte- 
mengen in anderen Ländern ist oft eine Folge 
mangelnden Rebschutzes. Dabei wirkt sich mei- 
stens das bessere Klima in den außerdeutschen 
Weinbaugebieten günstig auf die Entwicklung 
der Schädlinge und Krankheiten aus und erhöht 
die Gefahr der Ernteverluste. 


53 


Angesichts der Tatsache, daß durch wechsel- 
volle äußere Einflüsse die Weinernte dauern- 
den Schwankungen unterworfen ist, muß e 
die erste Aufgabe sein, durch geeignete Maß- 
nahmen ausgleichend zu wirken. Das gilt 
für den Einzelbetrieb wie für die gesamte Wein- 
bauwirtschaft eines Landes; denn die Ordnung 
der Erzeugungs- und Absatzverhältnisse ist die 
erste Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit. 


Absatzfragen im Weinbau hängen eng mit der 
Kellerwirtschaft zusammen. Vielfach 
gingen die Bestrebungen des Handels dahin, 
möglichst alle Weine selbst kellerwirtschaftlich 
zu behandeln. Man tat dies unter dem Hinweis, 
daß die Winzer hierzu nicht in der Lage seien, 
was für einen gewissen Teil, aber nicht für alle, 
zutraf, Auf diese Weise wurde der Winzer 
zum Erzeuger der Rohprodukte ge- 
stempelt. Er war aus Geldmangel oder 
mangels eigener Kellerwirtschaft gezwungen, 
seine Weine im unfertigen Zustand abzustoßen 
und erhielt nur einen relativ geringen Preis, 
Diese unfertigen Weine konnten vielfach dann 
die Händler durch eine wenig kostspielige Be- 
handlung zu einem brauchbaren Wein gestalten. 
Sie zogen daraus einen in keinem Verhältnis 
zu ihren Aufwandskosten stehenden hohen 
Gewinn, der dem Winzer, dem Urproduzenten 
also, verlorenging. Da unfertige und nicht 
richtig behandelte Weine dem Verderb und 
dadurch der Wertminderung ausgeliefert sind, 
müssen sie abgestoßen werden. In Jahren 
reicher Ernten kann der Winzer keine Vor- 
ratshaltung betreiben, und bei geringen 
Ernten muß er den Wein oft noch unter Preis 
abstoßen. Abgesehen von wenigen Betrieben, 
deren Inhaber über die notwendigen Kenntnisse, 
Einrichtungen und Kapitalien verfügen, treten 
diejenigen, welche das größte Risiko haben, 
nämlich die Erzeuger, in den Hintergrund. 


Auch nach außen hin ging in Verbindung mit 
dem Wein vielfach der Name des Er- 
zeugers verloren. Wir hatten oft Gelegen- 
heit festzustellen, daß auf dem Flaschenschild 
wohl die Gemarkung und allenfalls noch die 
Lage, aus der der Wein stammte, zu lesen waren, 
im übrigen aber nur der Name des Weinhändlers 
erwähnt wurde. Am deutlichsten zeigte sich dies 
in manchen außerdeutschen Ländern, wo auch 
noch vielfach die Bezeichnung der Gemarkung 
und Traubensorte verschwand und lediglich der 
Name des Weinhändlers auf dem Flaschenschild 
zu lesen war und die Weine beispielsweise als 
„Lehmann-Weine“ verkauft wurden. Selbstver- 
ständlich wollen wir hier nicht einer zu starken 
Individualisierung das Wort reden. Denn nicht 
älle Gewächse können als Markenweine auf den 
Markt kommen. Oft ist auch eine Typisierung 
notwendig und angebracht. Nicht erforderlich 
ist aber, daß der oder die Erzeuger noch nicht 


54 


einmal dann am Rande erwähnt werden, wenn 
dies möglich ist. Ein solches Gebaren ist 
typisch für das Fehlen der Erzeugungsordnung 
und des Erzeugerschutzes. Aus dieser Erkenninis 
heraus haben sich in den letzten Jahren viele 
Winzer zu Genossenschaften zusammengeschlos 
sen. Diesen obliegt vornehmlich die Aufgabe, 
die Weine derjenigen Winzer kellerwirtschall- 
lich zu behandeln, denen die Voraussetzungen 
dazu fehlen. Durch die sachgemäße Behandlung 
wird der Wein besser und erzielt höhere Preise. 


Außerdem ist auch auf diese Weise die Mög- 
lichkeit einer ordentlichen Vorraäts- 
haltung mit allen günstigen Rückwirkungen 
auf die Winzerbetriebe gegeben. Dies soll na- 
türlich nicht heißen, daß man dem Handel die 
Fähigkeit überhaupt absprechen soll, Weine zu 
behandeln, auszubauen und in den Verkehr zu 
bringen. Beide können harmonisch nebenein- 
ander, oder noch besser zusammen arbeiten, Die 
Hauptsache ist, daß hierdurch der Erzeuger- 
betrieb die ihm gebührende Stärkung und Stel- 
lung erhält, denn ohne gesunde Winzer- 
betriebe wirdesauch keinen gesunden 
Handel geben, da der eine von dem anderen 
abhängig ist. Daß alle diesbezüglichen Wünsche 
bei einer freien Wirtschaft nicht erreicht werden 
können, dürfte gerade bei den Schwierigkeiten 
der Weinbauwirtschaft selbstverständlich sein. 


Im engsten Zusammenhang mit diesen Fragen 
steht noch die der Wahrheit und Klarheit 
beider Bezeichnung der Weine und des 
Erlasses bzw. der Durchführung der Wein- 
gesetze. Gerade auf diesem Gebiete könnte 
durch internationale Vereinbarungen sicherlich 
soviel erreicht werden, daß nicht nur dem Win- 
zer, sondern auch dem Verbraucher ein aus- 
reichender Schutz gewährt wird. Beide haben 
das Recht darauf,. daß die äußere Bezeichnung 
der Weine mit dem Inhalt übereinstimmt, Auf 
diese Weise könnte auch eine Reihe anderer 
Fragen der Weinbehandlung, welche für die Er- 
haltung der Eigenart der Weine wichtig sind, 
abgestimmt werden, Jedenfalls haben manche 
Länder durch eine straffe Organisation der 
Weinbehandlung sowie der Kennzeichnung 
schon ganz Vorzügliches geleistet, so daß es 
nicht schwer sein dürfte, an Hand dieser Bei- 
spiele zu einer europäischen Regelung zu 
kommen. 


Aus diesen kurzen Ausführungen, welche 
natürlich nur die wichtigsten Gebiete streifen 
konnten, möge man ersehen, daß eine Gesun- 
dung der weinbauwirtschaftlichen Verhältnisse 
hauptsächlich von einer Neugestaltung 
derErzeugung abhängt, die-gleichzeitig auch 
die Martkverhältnisse ergreifen müßte Als 
erste Aufgabe sehen wir, dem Winzer durch 
eine ordentliche Ausbildung und Beratung zu 
zeigen, auf welche Weise er bisher nicht sach- 


gemäß durchgeführte Arbeiten ohne zusätzlichen 
Aufwand von Kapital zum Wohle seines Be- 
triebes richtig durchführen kann. In diesem 
Zusammenhang sei auch auf arbeitserleichternde 
Maßnahmen hingewiesen. Hier gibt es in jedem 
Betriebe unter allen Verhältnissen eine Reihe 
Aufgaben zu lösen, die natürlich eine ent- 
sprechende Organisation und das Vorhandensein 
von tüchtigen Fachkräften voraussetzen. Auf 
diese Weise läßt sich schon eine gewisse Inten- 
sivierung der Betriebe erreichen und das wirt- 
schaftliche Niveau wesentlich heben. In har- 
monischer Verbindung mit den obenerwähnten 
Fragen der Weinbehandlung, zum Teil auch 
über ein neu zu bildendes Genossenschaftswesen 
werden die Betriebe sicherlich in einigen Jahren 
so weit sein, daß sie nunmehr auch an die In- 
tensivierung durch zusätzlichen Einsatz 
von Kapital herangehen können. 


Durch weitblickende staatliche Lenkung der 
Erzeugung unter besonderer Berücksichtigung 


HANS HEINRICH: 


der Qualität, durch umwälzende Maßnahmen aut 
dem Gebiete der Weıinbehandlung, sowie end- 
lich durch Gewährung eines Erzeugerschutzes 
wird es möglich sein, die Winzerbetriebe und 
damit die Erzeugung In den Mittelpunkt der 
Weinbauwirtschaft zu stellen. Wer eine der- 
artig arbeitsintensive und risikoreiche Kultur 
betreibt, hat ein Anrecht auf staatliche Förde- 
rung, schon allein auf Grund seiner wirtschalts- 
politischen Leistung. Warum muß qusgerechnet 
ein armer Winzerstand den bessergestellten 
Volkskreisen die Freude bringen? 


Die früheren internationalen Veranstaltungen 
haben gezeigt, daß gerade auf dem Gebiete des 
Weinbaues ein internationaler Erfahrungsaus- 
tausch sehr fruchtbar sein kann. Es ist aber 
notwendig, die Grundfragen zuerkennen und 
dementsprechend die bisher bestehende inter- 
nationale Vereinigung organisatorisch 
auszubauen, um endlich dem zu helfen, dem 
geholfen werden muß, nämlich dem Winzer. 


Der Abschluß 
der landwirtschaftlichen Entschuldung 


I. 


m 1. Juli 1943 haben die Landstellen, 

denen die Durchführung der landwirtschaft- 
lichen Entschuldung, in den Alpen- und 
Donau-Reichsgauen daneben auch die des 
Zetriebsaufbaues übertragen war, als 
selbständige Behörden der landwirtschaftlichen 
Verwaltung zu bestehen aufgehört. Nach zwei 
gemeinschaftlichen Erlassen des Reichsministers 
für Ernährung und Landwirtschaft und des 
Reichsministers des Innern vom 30. Juni 1943 
(Reichsministerialblatt der Landwirtschaftlichen 
Verwaltung Nr.27) sind zu dem genannten Zeit- 
punkt im Zuge der Verwaltungsvereinfachung 
die Landstellen des Altreichs in die Behörden 
der Preuß. Oberpräsidenten, die Landstellen in 
den Alpen- und Donau-Reichsgauen in die Be- 
hörden der Reichsstatthalter eingegliedert wor- 
den. Die Landstellen bilden fortan im Altreich 
eine dem Oberpräsidenten und seinem allgemei- 
nen Vertreter unmittelbar unterstellte Abtei- 
lung, in den Alpen- und Donau-Reichsgauen 
eine Unterabteilung der AbteilungIV derReichs- 
statthalterbehörde. Da der Begriff der „Land- 


stelle“ durch deren langjährige Tätigkeit all- 


gemein bekannt ist und sowohl für Behörden 
wie für Privatpersonen von jeher eine bestimmte 
Vorstellung ihres Arbeitsgebietes in sich 


schließt, wird diese Bezeichnung als Zusatz zu 
der Bezeichnung der Behörde, in die die Land- 
stellen eingegliedert sind, weitergeführt; es 
heißt also „Der Oberpräsident der Provinz 
— Landstelle = „Der Reichsstatthalter, Unter- 
abteilung IV... . (Buchstabe) — Landstelle —“. 


Da die den Landstellen gesetzlich und ver- 
waltungsmäßig übertragenen Zuständigkeiten 
für ihren gesamten bisherigen Geschäftsbereich 
auf die Oberpräsidenten und Reichsstatthalter 
übergeleitet sind, sind sämtliche den Land- 
stellen verbliebenen Aufgaben sowie das vor- 
handene, durch die Einberufungen zur Wehr- 
macht stark zusammengeschrumpfte Personal, 
das zur Erledigung der Restaufgaben erforder- 
lich ist, am 1. Juli 1943 uno actu geschlossen 
auf die in den Erlassen vom 30. Juni 1943 ge- 
nannten Oberpräsidenten und Reichsstatthalter 
übergegangen. Die sachliche Weisungs- und 


-Entscheidungsbefugnis des Reichsministers für 


Ernährung und Landwirtschaft ist dadurch 
selbstverständlich nicht berührt worden, son- 
dern besteht nach wie vor fort. 


Da vor dem Uberleitungszeitpunkte die schwe- 
benden Verhandlungen über Fragen des Per- 
sonal-, Haushalts-, Kassen- und Rechnungs- 
wesens sowie der Verwaltung der Dienst- 


55 


gebäude nicht mehr zu Ende geführt werden 
konnten, ist in den Eingliederungserlassen vor- 
gesehen, daß es auf diesen Gebieten bis zum 
Ende des laufenden Rechnungsjahres, d.h. bis 
zum 31. März 1944, bei der bisherigen Rege- 
lung verbleibt. Weitere Weisungen werden 
nach Abschluß dieser Verhandlungen ergehen. 
1 


= si. 


Die einschneidende Organisationsänderung, 
die sich mit der Eingliederung der Landstellen 
in die Behörden der Oberpräsidenten und 
Reichsstatthalter vollzogen hat, stellt gleich- 
sam den Schlußstrich unter das Ka- 
pitelderlandwirtschaftlichenEnt- 
schuldung dar, deren Bedeutung im Gesamt- 
rahmen der deutschen Agrarpolitik nicht immer 
und überall voll anerkannt worden ist. Es 
rechtfertigt sich daher, aus diesem Anlaß einen 
Rückblick auf die Entwicklung und Tätig- 
keit der Landstellen zu werfen und sich die 
Ergebnisse ihrer langjährigen und erfolg- 
reichen Arbeit zu vergegenwärtigen. 


1. Ostgebiete 


Die jetzt in die Behörden der Preuß. Ober- 
präsidenten eingegliederten Landstellen 
sind in den Jahren 1930 und 1931 zur Durch- 
führung der landwirtschaftlichen Hilfsmaß- 
nahmen in den Ostgebieten, zunächst auf 
Grund der Notverordnung vom 26. Juli 1930, 
dann vor allem auf Grund des Osthilfegesetzes 
vom 31. März 1931 errichtet worden. Der Ar- 
beit der Landstellen stellten sich namentlich in 
den ersten Jahren außergewöhnliche Schwierig- 
keiten entgegen. Es handelte sich bei der Ost- 
hilfeentschuldung um die ersten Ent- 
schuldungsmaßnahmen größeren Umfangs, die 
in einem bis dahin noch unbekannten Verfah- 
ren durchgeführt werden mußten, um dem 
immer weiter fortschreitenden Verfall der 
Landwirtschaft Einhalt zu gebieten. Erstmalig 
wurden in der Sicherungsverordnung vom 
17. November 1931 ein Vollstreckungsschutz 
sowie die Möglichkeit einer zwangsweisen Kür- 
zung von Gläubigerforderungen vorgesehen. 
Diese einschneidenden Maßnahmen riefen natur- 
gemäß die Gläubigerschaft auf den Plan und 
zwangen die Landstellen zu umfangreichen und 
schwierigen mündlichen und schriftlichen Ver- 
handlungen, die den Fortgang der einzelnen 
Verfahren wesentlich erschwerten. 


Dazu kam, daß infolge der sich damals stän- 
dig verschärfenden Wirtschafts- und Finanz- 
krise die finanziellen, organisatorischen und 
materiellen Grundlagen des Osthilfegesetzes in 
den folgenden Jahren durch eine umfangreiche 
Gesetzgebung wiederholt geändert werden 
mußten. Durch zahlreiche einzelne Vorschriften 
wurde versucht, die notwendige Beschleuni- 
gung des Fortgangs der Entschuldungsarbeiten 


56 


zu erreichen; dem stellte sich jedoch die immer 
mehr um sich greifende Verschlechterung der 
allgemeinen Wirtschaftslage hindernd in den 
Weg, und andererseits verzögerte die Ent- 
stehung neuer Schulden während der Dauer der 
Entschuldungsverfahren immer weiter deren er- 
folgreiche Beendigung. Es stellte sich heraus, 
daß durch die bis dahin angeordneten einzelnen 
Hilfsmaßnahmen das Abgleiten der landwirt- 
schaftlichen Betriebe nicht aufgehalten wer- 
den konnte; außerdem griff die Notlage der 


Landwirtschaft über das Osthilfegebiet hinaus 


mehr und mehr auf das gesamte Reich über. 
so daß die deutsche Landwirtschaft bei der 
Machtübernahme am Anfang des Jahres 
1933 vor dem Zusammenbruch stand. Dieser 
konnte nur noch durch eine umfassende 
undgrundlegende Neuordnung auf 
allen Gebieten des Agrarwesens 
und durch sinnvoll ineinandergreifende Maß- 
nahmen verhindert werden, die nach der Macht- 
ergreifung sogleich eingeleitet wurden. 


Zunächst wurde durch die Notverordnung 
vom 14. Februar 1933 ein umfassender Voll- 
streckungsschutz eingeführt, um der Landwirt- 
schaft eine Atempause zu gewähren; sodann 
folgten Schlag auf Schlag die großen Agrar- 
gesetze, die in ihrer Gesamtheit dazu bestimmt 
waren, den Zusammenbruch der Landwirtschaft 
abzuwenden und den Wiederaufbau eines 
starken und gesunden Bauerntums zu sichern. 
Zur Regelung der landwirtschaftlichen Schuld- 
verhältnisse im gesamten Reichsgebiet- wurde 
das Schuldenregelungsgesetz vom 
1. Juni 1933 erlassen, das in seinen Grund- 
gedanken sowohl materiell wie organisatorisch 
andere Wege als das Osthilfegesetz ging, aber 
ebenso wie dieses die Zurückführung der 
Schulden auf das der Leistungsfähigkeit des 
Betriebes entsprechende Maß zum Hauptziel 
batte. 


B 

Die in der Folgezeit durchgeführte Anglei- 
chung der Osthilfegesetzgebung an die 
materiellen Grundgedanken des Schuldenrege- 
lungsgesetzes brachte den Landstellen abermals 
manche neuen Umstellungsschwierigkeiten und 
Mehrarbeit. Zu berücksichtigen ist auch, daß 
Hie Tätigkeit der Landstellen in der Osthilfe- 
entschuldung nicht allein darin bestand, im 
Rahmen des Entschuldungsverfahrens die Ver- 
bindlichkeiten der einzelnen Betriebe zu regeln, 
sondern daß diese Stellen als Verwaltungs- 
behörden auch weitgehende wirtschaftliche 
Aufgaben hatten; so lag es ihnen z.B. ob, die 
Betriebe zu überwachen und zu betreuen, durch 
die im Sicherungsverfahren eingesetzten Treu- 
händer für eine ordnungsmäßige Bewirtschaf- 
tung zu sorgen und die Betriebe mit Ernte- 
krediten sowie mit den notwendigen Mitteln 
für  Inventarergänzungen, Gebäudeinstand- 
setzungen und dgl. zu versehen, mit anderen 


es 


IE HOLMER FISCHERZUNF 


Fischercigerechtigkeit seit soo Fahren 


12 Verfuͤgungen 


re Wm, — — —— — — rw — 
— —„— —“—E3ä p De) we) ACC — — es 


1) Koͤnigs Chriſtian l. Privilegium und Conceßion, betreffend 
die freye Fahrt, Kaufmannſchaft und Fiſcherey fuͤr die 
Schleswiger auf dem Schleyſtrom. d d. Flensburg, am 
Abende Sancti Michaelis Archangeli, 1480.) 


ir Chriſtiern van Gades Gnaden, to Dennemarcken, Schweden, 


Norwegen, der Wenden unde Gothen Koͤnigh, Hertogh to Schleßwigk, 
ock Hertogh to Holſteen, Stormarn unde der Dithmarſchen, Greve to Olden: 
borgh unde Delmenborſt ꝛc. Don witlick bekennen unde betüegen, apenbar vor 
als weme, de duͤßen Unſen Bref ſehen, effte hoͤren leſen, dat als denn de Erſamen 
Borgermeſter, Radmann, Inwaner unde gange Gemeynheyt, gheiſtlich unde ge: 
wertlick, in watterleye State de ſin, Unſer Stadt Schleßwigk, van Unſen zeligen 
Vorfahren, Hertoghen to Schleßwigk, tor Todt weſende begifftiget unde bes 
privilegirct fin, myt der Vrigheit Unſes Stromes unde Waters Schligh, des 
ſrigh, ungehindert to erer Viſcherygen, Kopenſchop, Segelatien unde Neringe, 
von der genoͤmten Unfer Stadt Schleßwigk an, by benden Erden des Landes, 
wer the ar dae gemen Marr. effte lite See, enn Wecke Sees“) burben Schlyes 


Am großen Barometer wird die letzte Entscheidung über die Ausfahrt getroffen 


(Pë Schleswiger Schlei-Holm ist ein Stadtteil von Schleswig, mit der Altstadt nur durch einen 
schmalen Zugang verbunden. Er schiebt sich als Halbinsel weit in die Schlei hinaus und beher- 
bergteinekulturgeschichtlich bedeutsame Siedlung: die Holmer Fischerzunft. Hier wohnen seit Jahr- 
hunderten die Schleswiger Fischer, deren Häuser sich auf dem Holm um den runden Friedhof grup- 
pieren, wo nur Zunftmitglieder begraben liegen dürfen. Die örtliche Abgeschlossenheit hat die- 
sen zunftmäßigen Zusammenschluß stark gefördert. Die älteste Grundlage der Holmer Fischereirechte 
ist wohl der sogenannte Schleibrief vom Jahre 1480, der seinerseits auf das vom König Sven Grathe 
1155 erlassene Schleswigsche Stadtrecht zurückgeführt wird, so daß die Fischereigerechtigkeit sett 
800 Jahren besteht. 

Nach alter Zunftgerechtigkeit haben die Handwerker, denen die alleinige Gewerbeausübung über 
tragen ist, dafür zu sorgen, daß die Bürger der Stadt ausreichend und gewissenhaft mit den Erzeug- 
nissen ihres Handwerkes versorgt werden. So auch auf dem Holm. Es durften erst Fische ins Land 
hinein ausgeführt werden, wenn die Stadt nicht mehr aufnahmefähig war. Das hat sich zwar 
heute geändert, sonst aber haben sich fast alle Privilegien, Bräuche und Zunftgesetze durch die 
Jahrhunderte erhalten. Da ist die „Holmer Beliebung“ — eine alte Totengräbergilde, die in den furcht 


baren Pestjahren gegründet wurde, um die Toten zu beerdigen, wozu jeweils acht gesunde Zunft 
mitglieder ausgewählt wurden. Noch heute sind alle Holmer der Reihe nach verpflichtet, ihre: 
Toten zu Grabe zu tragen. Der Friedhof liegt mitten auf der Halbinsel, und niemand findet hier: 
Platz, der nicht Mitglied der Beliebung ist. 


Ferner sind die strengen und exklusiven Satzungen der Zunft: $ 9..... es können in die Zunft nur 
Söhne von Fischern aufgenommen werden, welche die Fischerei von der Konfirmation an auf g 
Holm erlernt und betrieben haben. $ 10..... Fischer, welche nach auswärts ziehen und längı 
als fünf Jahre fernbleiben, sind sämtlicher Rechte der Zunft verlustig und können kein Mitglie: 
mehr werden, auch die Fischerei von Schleswig nicht mehr betreiben. J 

Die Befischung der Schleigewässer ist genau geregelt. Alle Fischer sind in „Waaden“ Was 
gleich altes Fischzeug), Genossenschaften zu acht Mann, eingeteilt und unterstehen den „Älterleutez 
Jeder bringt seinen „Part“ an Netzen und Tauwerk hinein und hat den gleichen Anteil an dem Eni 
des gemeinsamen Fanges. Die Gerechtsame der Holmer bezieht sich übrigens auf das Gewerbe, G 
das Fangen der Fische, und nicht auf das Eigentum an dem Schleistrom selbst. Sie erhalten den Doh 
für ihre Mühe des Fischfanges, der dann selbstverständlich als Preis für die Fische, die Ware, 
scheint. Das ist der Grundgedanke der Fischereigerechtigkeit nach alter Zunftordnung. Wenn s 
daher eine Pacht für die Schleibefischung zahlten, würden sie ihr altes Recht an der Ausübung ih 
Gewerbes aufgeben; dieses zu wahren, ist ihre Pflicht und ihre Absicht. 

Aber auch heute noch werden die 800 Jahre alten Privilegien von Staat und Stadt anerkannt W 
dieses einzigartige und ehrwürdige Zeugnis einer alten deutschen Arbeitsgemeinschaft wird sich 
lich für alle Zukunft erhalten werden. 


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H 


Jer Fischzug: Eine Waade besteht immer aus zwei Booten. Das eine Boot, von dem das Netz Meter für Meter ins 
Wasser geworfen wird, rudert im weiten Bogen den Fischgrund ab. Das andere, an dem der Netzanfang be- 


estigt ist, bleibt solange vor Anker liegen. — Sobald der Bogen, den beide Boote gebildet haben, geschlossen ist, 
ird das Netz von beiden Booten aus gleichmäßig eingezogen. Der Fischzug bewegt sich immer vom tieferen 
Wasser zum flacheren 


Im Netzende — einem geschlossenen Sack — sammeln sich die gefangenen Fische und werden in den Fisch 
des Bootes ausgeschüttet. Jeder Fischzug dauert fast zwei Stunden, sieben Fischzüge täglich ist der Durchs 


Heimkehr der Fischer vom nächtlichen i 


o ANRA DONA VRR 
GEIER EE ue da 


— BEE —— mt fe Ze — — nn — 


# 


Acht Tage ist der Holmer Fischer oft von 
Hause fort. Seinen Proviant nimmt er in der 
sogenannten „Mattkiste“ mit. Sie dient ihm 
gleichzeitig beim Schlafen als Kopfunterlage 


` 


it draußen an den Ufern der Schlei treffen sich in der unmittelbaren Nähe der Fischgründe sämtliche Waaden 
f der Ausfahrt zu einer kurzen Rast, bei der nach Übereinkunft den einzelnen Waaden die Fischgründe für 
die kommenden Tage zugewiesen werden 


— ee 


s 
fi 
A 


Sonntags beim Netzeflicken 


In den Netzen steckt das Hauptvermöge 
der Fischer. Jedes Netz einer Waak 
stellt einen Wert von etwa zwei- bis dre- 
tausend Reichsmark dar. Alle acht Tax 
werden die Netze zum Trocknen u 
Ausbessern über Sonntag aufgehänd 


lén Fischräuchereien auf dem Holm dürfen sich nur Fischerfrauen mit der Räucherei befassen. Unser Bild zeigt 
sie beim Säubern der Aale 


Auch am Sonntagvormittag gibt es auf dem Hof eines Holmer Fischerhauses allerhand zu tun 


Der Ältermann der Fischerzunft, 
Heinrich Witt, 73 Jahre alt, hat 
sich seit 1912 stets für das Ge- 
meinwohl seiner Fischerzunft 
eingesetzt. In seinen Muße- 
stunden beschäftigt er sich mit 
der Durchsicht der uralten Ur- 
kunden und Privilegien der 
Holmer 


Nach getaner Arbeit ein kleiner 
„Snack“ zwischen Tür und Angel 


5 An Be 
u ur b A sz 2. as 


Worten also auch den Betriebsaufbau 
durchzuführen. 


Die Landstellen haben in unermüdlicher 
Pflichterfüllung und mit vollem Einsatz ihrer 
Kräfte alle sich aus der Entwicklung der Ver- 
hältnisse ergebenden Hemmnisse überwunden 
und ihre schwierigen Aufgaben unbeirrt in 
langjähriger Tätigkeit erfolgreich durchgeführt. 
Insgesamt sind im Osthilfegebiet etwa 80 000 
Entschuldungsanträge gestellt worden. In etwa 
42000 Fällen hat die Deutsche Industriebank 
auf Grund eines von der Landstelle genehmig- 
ten oder bestätigten Entschuldungsplanes Ent- 
schuldungsdarlehen gewährt; daneben sind noch 
etwa 8000 Osthilfebetriebe ausschließlich mit 
Betriebssicherungsmitteln des Reiches entschul- 
det worden. Die Deutsche Industriebank hat 
aus der Aufbringungsumlage der Industrie ins- 


: gesamt Entschuldungsdarlehen in Höhe von 


etwa 570 Millionen RM. aufgewendet. Dazu 
kommen Reichsmittel in Gestalt von Betriebs- 
sicherungsmitteln (für Eigentümerbetriebe, für 
die Entschuldung von Pächtern und Siedlern, 
die Erstattung von Genossenschafts forderungen 
und sonstige Leistungen) in Höhe von etwa 
450 Millionen RM. Der Gesamtaufwand, 
den die Osthilfeentschuldung an Dar- 
lehen und verlorenen Zuschüssen erfordert hat, 
ist also ohne die allgemeinen Unkosten der 
Landstellen, der Deutschen Industriebank usw. 
auf etwa 1 Milliarde RM. zu beziffern. 


Außer der Durchführung der eigentlichen 
Entschuldungsverfahren, die schon seit längerer 
Zeit bis auf wenige noch schwebende Wieder, 
aufnahmefälle erledigt sind, lagen den Land- 
stellen im Altreich auch zahlreiche andere 
wichtige Aufgaben ob. Genannt seien nur 
die Ablösung von mündelsicheren Forderungen 
und von Erbhofüberhangsforderungen, die Ent- 
scheidungen über die Genehmigung von Grund- 
stücksverkäufen nach der Veräußerungsverord- 
nung, die Befreiung von Entschuldungsbeschrän- 
kungen und die Löschung des Entschuldungs- 
vermerks, Entscheidungen nach der Mit- 
schuldnerverordnung, die Durchführung von 
Landauflagen für die Siedlung, die Ubernahme 
von Zinsrückständen der Deutschen Industrie- 
bank nach der Osthilfeschlußverordnung, vor 
allem aber die Durchführung der Grundbuch- 
bereinigung auf Grund des II. Abschnitts der 
Osthilfeabwicklungsverordnung sowie die Ver- 
waltung der ausgegebenen Entschuldungsdar- 
lehen, Genossenschaftsforderungen, Ernteauf- 
baukredite und sonstigen Vermögenswerte der 
Osthilfe. Diese Arbeiten haben die Landstellen 
nach ihrer Eingliederung in die Behörden der 
Preuß. Oberpräsidenten weiterzuführen und 
zum Abschluß zu bringen. 


e 


2. Alpen- und Donau-Reichsgaue 


Die Landstellen in den Alpen- und 
Donau-Reichsgauen, die am 1. Juli 1943 
in die Behörden der Reichsstatthalter einge- 


gliedert sind, wurden durch die für diese Gaue 
erlassene Entschuldungs verordnung vom S. Mai 
1938 ins Leben gerufen. Nach der Wiederver- 
einigung des früheren Landes Osterreich mit 
dem Deutschen Reich wurde der Wiederaufbau 
der darniederliegenden Landwirtschaft sofort 
mit Nachdruck in Angriff genommen. Den Land- 
stellen wurde durch die genannte Verordnung. 
die sich im Gegensatze zu der umfangreichen 
Entschuldungsgesetzgebung im Altreich erst- 
malig auf den Erlaß weniger Rahmenvorschriften 
beschränkte, die Entschuldung der not- 
leidenden land wirtschaftlichen Betriebe über- 
tragen. Gleichzeitig wurde auch die Durch- 
führung der dort besonders wichtigen Wieder- 
a uf bauma nahmen in ihre Hand gelegt. 


Die Vereinigung dieser beiden Aufgaben bei 
einer Stelle, der der Reichsminister für Er- 
nährung und Landwirtschaft unmittelbar im 
Verwaltungswege die erforderlichen Anwei- 
sungen erteilt, hat sich als außerordentlich 
zweckmäßig erwiesen und sehr gut bewährt. 
Mit den ihnen zugeteilten juristischen, land- 
wirtschaftlichen und bautechnischen Arbeits- 
kräften haben die Landstellen in den Alpen- 
und Donau-Reichsgauen in verhältnismäßig 
kurzer Zeit äußerst ersprießliche Arbeit ge- 
leistet und die Landwirtschaft finanziell und 
betriebswirtschaftlich durch die Entschuldungs- 
und 'Wiederaufbaumaßnahmen in den Stand 
gesetzt, ihre Aufgaben im Rahmen der Sicher- 
stellung der Volksernährung zu erfüllen. Es 
sind etwa 115000 Entschuldungs- und Aufbau- 
anträge in den Alpen- und Donau-Reichsgauen 
gestellt worden; etwa 60 000 Entschuldungsver- 
fahren wurden eröffnet, rund 100 000 landwirt- 
schaftliche Betriebsbesichtigungen und 56 000 
Vergleichsverhandlungen durchgeführt. Bis jetzt 
wurden insgesamt etwa 53 000 Entschuldungs- 
und Aufbaupläne bestätigt. Den Betrieben sind 
an Entschuldungsmitteln rund 75 Millionen RM., 
an Aufbaumitteln rund 90 Millionen RM. zu- 
geflossen. 


Bereits aus diesen Zahlen ergibt sich das 
Ausmaß der den landwirtschaftlichen Betrieben 


durch die Landstellen gewährten Hilfe. Die 


eigentlichen Entschuldungs verfahren sind auch 
in den Alpen- und Donau-Reichsgauen zum 
weitaus größten Teil abgeschlossen; als 
wesentliche Aufgaben verbleiben den Land- 
stellen nach der Eingliederung in die Be- 
hörden der Reichsstatthalter der weitere Wieder- 
aufbau der Betriebe, die Verwaltung der aus- 
gegebenen Mittel und die Grundbuchbereinigung. 


3. Sudetengau 


Auch im Sudetengau sind nach dessen 
Wiedervereinigung mit dem Reich Entschul- 
dungs- und Aufbaumaßnahmen durchgeführt 
worden. Die Sudetendeutsche Betriebsaufbau- 
und Entschuldungsverordnung vom 24. August 


57 


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1939 übertrug die Durchführung der dort im 
Vordergrunde stehenden Betriebsaufbaumaß- 
nahmen der beim Reichsstatthalter errichteten 
Landstelle in Reichenberg und ihren Neben- 


‚stellen. Der Landstelle stehen in den Fällen, in . 


denen die Gewährung von Aufbaumitteln allein 
nicht zur Gesundung des Betriebes führt, son- 
dern ein Schuldenregelungsverfahren notwendig 
ist, auch im Rahmen dieses Verfahrens wich- 
tige Befugnisse, insbesondere die bindende Fest- 
stellung der Leistungsfähigkeit des Betriebes, 
zu. Die Regelung der rechtlichen Verhältnisse 
zwischen Schuldnern und Gläubigern ist im 
SudetengauEntschuldungsämternüber- 
tragen. Für Aufbaumaßnahmen sind in etwa 
21 000 Fällen rund 25 Millionen RM. ausgezahlt 
worden. Für die Durchführung des Schulden- 
regelungsverfahrens kommen etwa 11 000 Fälle 
(von rund 21 000 gestellten Anträgen). mit einem 
Gesamtaufwand von rund 34 Millionen RM, in 
Betracht. Auch im Sudetengau wird die 
Schuldenregelung in Kürze abgeschlossen sein. 


4. Ubriges Reichsgebiet 


Das bereits erwähnte Schuldenrege- 
lungsgesetz vom 1. Juni 1933 hat die Ent- 
schuldungsmaßnahmen über das Osthilfegebiet 
hinaus auf dass gesamte Reichsgebiet 
ausgedehnt. Es übertrug die Durchführung 
der Schuldenregelungsverfahren Entschuldungs- 
ämtern. Der Betriebsaufbau wurde die Aufgabe 
der Reichsnährstandsstellen, da die Entschul- 
dungsämter als Gerichtsbehörden für diese be- 
triebswirtschaftlichen Aufgaben nicht geeignet 
waren. Insgesamt sind 316000 Schuldenrege- 
lungsanträge gestellt worden; etwa 152 000 Ver- 
fahren wurden durch Bestätigung eines Ent- 
schuldungsplanes abgeschlossen, rund 163 000 
Fälle anderweitig (durch Ablehnung, Antrag- 
zurücknahme und dgl.) erledigt. Einige hun- 
dert Fälle sind noch in Bearbeitung, so daß 
auch hier die Schuldenregelung im wesent- 
lichen als abgeschlossen bezeichnet werden 
kann. Ohne die Unkosten der Entschuldungs- 
ämter und Entschuldungsstellen sind an baren 
und unbaren Entschuldungsmitteln für die 
Durchführung der Schukdenregelungsverfahren 
mehr als 900 Millionen RM. aufgewendet 
worden. 


Entschuldungsmaßnahmen werden ferner in 
den übrigen zum Reich zurückgekehrten Ge- 
bieten, nämlich im Saarland, im Memel- 
land und in Eupen-Malmedy durch- 
geführt, und zwar von Kreditanstalten außer- 
halb eines förmlichen Entschuldungsverfahrens 
auf Grund einfacher Verwaltungsrichtlinien. Die 
Zahl der Fälle ist hier verhältnismäßig gering; 
an Mitteln werden für diese Gebiete voraus- 
sichtlich insgesamt etwa 45 Millionen RM. 
aufzuwenden sein. In Danzig war bereits vor 
der Rückkehr der bisherigen Freien Stadt in 


58 


das Reichsgebiet eine „ Rache 


Grund der Verordnungen vom 24. 


maßnahmen und die zahlenmäßige Darste 


ohne die Entschuldungsmaßnahmen in vie 


wf 
A 


3 
Ga? 


der Verordnung zur Regelung der | 
schaftlichen Schuldverhältnisse vom 2 80 ep 
tember 1933/23. Oktober 1937 durchgeführt wor- 
den. Da die Gläubiger hierbei hinsichtlich de 
Ablösbarkeit ihrer Forderungen schlechter g 
stellt waren als im Altreich, hat das Reich e 
Dez m i 
1940 und 16. Januar 1942 zur Ablösung ı 
Gläubigerforderungen Beträge in Höhe 
bisher etwa 5 Millionen RM. bereitgestellt; w 
tere Aufwendungen sind zu erwarten. we A 
I. dk, 
Die vorstehende kurze Tana ay dai 
im Reichsgebiet durchgeführten Entschuldung 


TA 
an 


ihrer Ergebnisse zeigt mit aller Deutlichkeit, 
daß der landwirtschaftlichen Entschuldung e 
Rahmen des gesamten de Meileren 
wesentliche Bedeutung zukam. Die Ents 
dungsbehörden haben nach den Darleg 
unter II insgesamt -für Entschuldun 
und Betriebsaufbauzwecke an 
nähernd 300000 Betriebe einen 80 
samtbetrag von etwa 2 Milliar 
Reichsmark vergeben. Es liegt auf d 
Hand, daß diese Betriebe ohne die ihnen g 
währte Hilfe infolge ihres finanziellen u vd b d 
triebswirtschaftlichen Zusammenbruchs 1 d 
Erzeugungsschlacht und die 8. 8 
Volksernährung ausgefallen wären. Sie ko 
die ihnen gestellten, besonders im , 
lebenswichtigen Aufgaben nur erfüllen, 

dem die Betriebe aus der Schuldverstricku 
der Vergangenheit befreit, vor neuer Übe 
schuldung geschützt und auch betrieb 
schaftlich wieder in die Lage versetzt ware 
ordnungsmäßig zu wirtschaften und dem Boden 
die größtmöglichen Erträge abzuringen. 


Die genannten Mittel sind überdies nicht 
der Landwirtschaft, sondern auch der allg 
meinen Wirtschaft zugute gekommen; de 
es kann kein Zweifel sein, daß die Gläubi 
Fällen bei der Zwangsversteigerung der 
triebe ihre Forderungen ganz oder zum 9 
Teil verloren hätten, während ihnen durch d 
Entschuldung zum mindesten ein erheblic 
Teil der ihnen geschuldeten Beträge im We 
der Ablösung zugeflossen ist. Eine Aktion, 
im Laufe der Jahre für die Landwirtschaft q 
die allgemeine Wirtschaft so Erhebliches * 
leistet hat, wie es schon im zahlenmäßi 
Ergebnis der Entschuldung zum A * n 
kommt, ist aus der Entwicklung nicht weg 
zudenken und kann für sich in Anspi 
nehmen, einen wesentlichen Teil zum Wi 
aufbau der deutschen Landwirtschaft 11 
Sicherung der- Volksernährung im Frieden u 
im Kriege beigetragen zu haben. In dieser G 
wißheit werden alle, die an den Entschuldun 
maßnahmen beteiligt waren, den schöns 
Lohn für ihre Arbeit finden! 


AGRARPOLITISCH 


Aun de aU 


Zum fünften Erntedankfest im Kriege waren die 
Augen des gesamten Volkes auf das deutsche Landvolk 
gerichtet, dem an diesem Tage der Dank des Führers 
und der Nation für die kriegsentscheidende Leistung 
bei der Ernăhrungssicherung und im Kampf gegen 
die feindliche Blockade zum Ausdruck gebracht wurde. 
Im Mittelpunkt des Tages standen die Veranstaltungen 
in der Reichshauptstadt, die eingeleitet wurden durch 
einen Empfang der Landjugend beim Reichsjugend- 
führer und einen Empfang der Abordnungen des 
deutschen Landvolkes beim Reichsbauernführer am 
Vortage des Erntedanktages. Sie fanden ihren Höhe- 
punkt im Staatsakt im Mosaiksaal und in der Groß- 
kundgebung in der alten Kampfstätte der NSDAP., im 
Berliner Sportpalast. Hier gab der mit der Führung 
der Geschäfte des Reichsministers für Ernährung und 
Landwirtschaft, des Reichsbauernführers sowie des 


Reichsamts für das Landvolk beauftragte Oberbefehls- . 


leiter Herbert Backe bekannt, daß der Führer für 
besondere Verdienste um die Sicherstellung der Er- 
nahrung des deutschen Volkes den Militärverwaltungs- 
vizechef Landesbauernführer Hellmuth Körner und 
Dr. Fritz Reinhardt das Ritterkreuz des Kriegs- 
verdienstkreuzes mit Schwertern und dem Vorsitzen- 
den der Hauptverelnigung der deutschen Getreide- 
wirtschaft, Kurt Zschirnt, das Ritterkreuz des 
Kriegsverdienstkreuzes verliehen hat. Die Ritter- 
kreuze wurden den Ausgezeichneten unter dem Jubel 
der Versammlung durch den Befreier des Duce 
#}-Hauptsturmführer Skorczeny übergeben. Hierauf 
ergriff Reichsminister Dr. Goebbels das Wort zu 


einer großen politischen Rede, an deren Spitze er- 


dem Landvolk im Namen des Führers seinen Dank 
für seine großen Leistungen aussprach. „Wenn kein 
Krieg wire", so führte Dr. Goebbels aus, „so würden 
zu dieser Stunde des heutigen Tages auf dem Bücke- 
berg Hunderttausende von deutschen Bauern und 
Bäuerinnen den Führer erwarten, um ihm zur Feier 
des Erntedanktages ihre Huldigungen darzubringen. 
Wie so oft in früheren Jahren, so würde er auch dies- 
mal durch die unübersehbaren Reihen des deutschen 
Landvolkes auf die Spitze des Berges hinaufschreiten, 
um von dort aus über den Rundfunk den Millionen 
Männern und Frauen des deutschen Bauerntums seinen 
Dank und seine Anerkennung für ein Jahr harter und 
schwerer Arbeit und für eine mit der gnädigen Hilfe 
des Allmächtigen gesegnete Ernte zum Ausdruck zu 
bringen. Der Krieg verbietet bis auf weiteres dieses 
schöne, farbenprächtige deutsche Fest. Der Führer 
weilt in seinem Hauptquartier, um den Krieg, um 
das Leben und die Zukunft des Reiches zu führen. 
Die deutschen Bauernsöhne stehen zum größten Teil 


an den Fronten. Ihre Väter und Mütter haben ihre Arbeit 


zusätzlich übernommen, und diese duldet auch beim 
Abschluß einer gesegneten Ernte kaum einen Aufschub. 


Trotzdem haben wir“, so fuhr Dr. Goebbels fort, 
„uns im Berliner Sportpalast zu einer Stunde des 
Erntedankes zusammengefunden, die über den Rund- 
funk die Millionenmassen unseres Volkes, Männer 
und Frauen vom Lande und aus der Stadt, verbindet, 
um vor der Nation Rechenschaft abzulegen über die 
harte und schwere Jahresarbeit von ungezählten 
deutschen Bauern und Bäuerinnen, die im Kriege die 
Verantwortung für das tägliche Brot unseres arbel- 
tenden und kämpfenden Volkes tragen. Sie haben 
sich dieser Verantwortung würdig erwiesen und das 
in sie gesetzte Vertrauen des Führers und des deut- 
schen Volkes nicht enttäuscht. Wieder haben sie in 
unermüdlichem Fleiß durch viele schwere Monate 
hindurch dem helmatlichen Boden mit Gottes Hilfe 
eine Ernte abgerungen, die auch für das kommende 
Kriegsjahr unsere Ernährung absolut sicherstellt und 
damit eine der wesentlichsten Hoffnungen unserer 
Feinde auf Aushungerung des deutschen Volkes zu- 
nichte macht. 


Nutet es nicht fast wie ein Wunder an, daß wir 
zu Beginn des fünften Kriegsjahres in der Lage sind, 
die Brotration pro Monat um 400 g auf 9600 g und 
damit um 100 g höher zu stellen, als selbst zu Kriegs- 
beginn? Nächst der, Gunst der Witterung Ist das vor 
allem dem Fleiß und der Tüchtigkeit des deutschen 
Landvolkes zu verdanken, das die ihm zukommenden 
Aufgaben des Krieges auch unter den wesentlich er- 
schwerten Bedingungen vollauf erfüllt hat. Es Ist mir 
eine hohe Ehre, dafür allen deutschen Bauern und 
Bäuerinnen den Dank und die Anerkennung des 
Führers zum Ausdruck bringen zu dürfen. Er weiß, 
daß er sich wie auf seine Soldaten und Arbeiter, so 


auch auf seine Bauern verlassen kann. Sie scheuen 


keine Mühe und Arbeit, um zu ihrem Teil zum kom- 
menden großen Sieg beizutragen. Welch ein Unter- 
schied zu 1918, da der Feind unser Volk durch Hunger 
in die Knie zwang. 


Wir stehen heute am Beginn des fünften Kriegs- 
jahres ernährungspolitisch auf festen Füßen. 
Das deutsche Bauernvolk wird auch in Zukunft dafür 
sorgen, daß der Krieg auf diesem wie auf allen anderen 
Gebieten unter allen Umständen gewonnen wird. 
Das weiß das deutsche Volk. Ich mache mich zu seinem 
Dolmetsch, wenn ich auch in seinem Namen den 
Millionen deutscher Bauern und Bäuerinnen dafür 
danke, daß ihre Arbeit und ihr Fleiß unsere Scheuern 
füllten und damit auch für das neue Ernährungsjahr 
unser tägliches Brot sichergestellt ist. 


Es ist mir persönlich eine Pflicht der Kameradschaft, 
in diesen Dank vor allem unseren Parteigenossen 
Staatssekretär Backe, den Leiter der deutschen Er- 
nährungswirtschaft, mit seinem engeren und weiteren 
Mitarbeiterstab, aus dem heute drei hervorragende 


59 


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Vertreter wegen ihrer hohen Verdienste vom Führer 
mit dem Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes aus- 
gezeichnet worden sind, mit einzubeziehen. Ich weiß 


welchem Fleiß, aber auch mit welcher großzügigen 


Umsicht Sie die oft außerordentlich verwickelten 


Probleme der deutschen Kriegs ernahrungs wirtschaft 
immer wieder meistern. Sie können heute am Tage 


mit der Aufschrife: „Pflug und Schwert die Ga- 


ranten des Sieges!“ Brot und Waffe sind un- 


erläßliche Voraussetzungen einer erfolgreichen Krieg- 
führung.“ 


Diesem Dank an das Landvolk, mit dem sich Dr. 
Goebbels nach seinen Worten zum Dolmetsch des 
deutschen Volkes schlechthin machte, schloß sich 
ein Überblick über die Richtlinien der politischen 
und militärischen Kriegführung an, die alle Teil- 
nehmer und ebenso alle Hörer am Rundfunk mit 
dem unerschütterlichen Glauben erfüllte, daß ebenso 
wie unser Ernährungspotential im fünften Krlegsjahr 
unerschüttert ist, auch das gesamte Rüstungspotential 
‚Europas dem Ansturm der kapitalistischen und bol- 
schewistischen Feinde trotzen wird. 


die Erntemenge mindestens 4,2 Millionen Tonnen aus- 


machen, gegenüber nur 2,3 Millionen Tonnen 1918, 
d. h. wir liegen in diesem Jahre um 82 v. H. über dem 
Ergebnis des Jahres 1918. Bei Gerste beträgt die 
Erntemenge 2,6 Millionen Tonnen — im Jahre 1918 nur 
1,9 Millionen Tonnen. Bei Hafer 1943: 5,3 Millionen 
Tonnen gegenüber nur 4,3 Millionen Tonnen 1918. 
Bel Zuckerrüben ist das Ergebnis noch durchschla- 
gender, denn einer Erntemenge von nur 7,5 Millionen 
Tonnen im Jahre 1918 steht ein Ertrag von rd. 16 Mil- 


und Ernährungspolitik eindeutig untermauern, vor 
allem, wenn man bedenkt, daß diese Ergebnisse trotz 
aller kriegsbedingten Erschwernisse, trotz des Mangels 
an Menschen und an wichtigen landwirtschaftlichen 
Betriebsmitteln erreicht wurden. 


Selbstverständlich darf, wie Oberbefehlsleiter Backe 
nachdrücklich betonte, diese günstige Beurteilung 
vor allem der Brotgetreideernte nicht dazu führen, 
daß nun in Zukunft weniger sparsam mit den Erzeug- 
nissen umgegangen wird. Trotz der günstigen Ernte 
bleiben selbstverständlich rechtzeitige und volle 


60 


A 


Ablieferung und Sparsamster Verbrauch 

oberstes Gebot. Die Futtergetreideernts, die auch 

mehr erbringt, als es zunächst schien, wird entachei. 

dend dazu beitragen müssen, die der deutschen Land. 

wirtschaft gestellte Aufgabe des Schwelneauf. 
baus durchzuführen, um so mehr, als bei den Kar- 
toffeln infolge der langandauernden Trockenheit 
namentlich im Osten Deutschlands, nur mit elner 
mittleren Ernte gerechnet werden kann. Trotz dieses 
zu erwartenden mittleren Ernteergebnisses wird der 
Kartoffelanfall — für das Altreich berechnet — 
immer noch um rd. 10 Millionen Tonnen höher sein 
als 1918 und sogar um rd. 15 Millionen Tonnen höher 
als 1916. Es kommt daher entscheidend darauf an, 
alle für die menschliche Ernährung tauglichen Kar- 


Die Zuckerrübenernte und die Glfrucht- 
ernte zeigen ein günstiges Bild, während die Ge- 
müseernte ebenfalls unter der Trockenheit gelitten 
hat. Oberbefehlsleiter Backe würdigte dann besonders 
die Leistungen des deutschen Landvolkes in der Milch- 


und Buttererzeugung. Die Butterleistung ist im 


vierten Kriegsjahr höher als jemals zuvor gewesen, 
Dies ist um so bedeutungsvoller, als die Butterver- 
sorgung das Rückgrat unserer Fettversorgung dar- 
stellt. 60 v. H. unseres Fettbedarfs werden heute 
durch die eigene Buttererzeugung gedeckt gegenüber 
nur etwa einem Drittel während der Friedensjahre. 


Herbert Backe unterstrich In seinem Rechenschafts- 
bericht besonders die Leistung der Landfrau, die 
in unzähligen Betrieben den zur Front eingerückten 
oder gefallenen Mann ersetzen muß, oft mit einer Schar 
kleiner Kinder, die zusätzlich noch ihrer Betreuung 
bedarf. Die Landfrau mußte zu ihrem Tagewerk von 
14 bis 16 Stunden noch ein paar Stunden Zeit zugeben, 
um auch diese vielfach für sie ungewohnte Arbeit 
verrichten zu können. Dazu hatte sie als Hilfskräfte 
oft nur Ausländer, die niemals einen vollen Ersatz 
bieten konnten. So verdankt das deutsche Volk diese 
Ernte in erster Linie der deutschen Landfrau, neben 
den Männern, die noch mit 70 und 80 Jahren wieder 
voll in die Arbeit einrückten, neben den Jungen und 
Mädels, die auf ihre Schultern einen großen Teil der 
Arbeit nahmen. Wir verdanken, so fuhr Herbert Backe 
fort, die Ernte aber auch den Männern, die in der 
Heimat ihren Acker bestellten und darüber hinaus 
durch Nachbarschaftshilfe eine ganze Anzahl Betriebe 
zusätzlich betreuten. 


Als sichtbarer Ausdruck des Dankes des Führers 
waren vor der Kundgebung im Sportpalast in einem 
feierlichen Staatsakt im Nosalksaal 100 Bauern 


vom deutschen Volk fordert. 


und Bäuerinnen, darunter Altbauern und Altbäuerin- 
nen, Landwirtschaftsführer, Landarbeiter, darunter 


Nelker. Hofmeister, Gespannführer und Angehörige 


der ernährungswirtschaftlichen Sonderberufe, mitdem 
hohen Orden des Kriegsverdienstkreuzes erster Klasse 
ausgezeichnet worden. Diese tragen ihre Auszeichnung 
als Repräsentanten. des gesamten Landvolks. 


Bei dem Staatsakt hatte als Sprecher der deutschen 
Wehrmächt der Ritterkreuzträger Oberfeldwebel 
Dörfel vom Wachtbataillon Großdeutschland den 
Gruß des Führers und der kämpfenden Front mit 
folgenden Worten überbracht: „Pflug und Schwert 
sind die Garanten des Sieges — dieser Kernspruch 
begleitet den heutigen Erntedanktag. Wir Front- 
soldaten verstehen am besten, wie richtig er ist. 
Nur deshalb hatte der deutsche Soldat die Kraft, 
vier Jahre lang an allen Fronten siegreich das Schwert 
zu führen, weil er wußte, daß hinter ihm neben 
Millionen von Arbeitern Millionen deutscher Bauern 
und Bäuerinnen, deutscher Landarbeiter und Land- 
arbeiterinnen standen. Dem Einsatz ihrer rastlosen 
Arbeit ist es zu verdanken, daß die Ernährungsgrund- 
lage für Front und Heimat gesichert wurde. So 
mancher von uns hat noch die Not kennengelernt, 
die während des ersten Weltkrieges durch Hunger 
entstand und Front und Heimat gleich schwer be- 
lastete. Wenn wir heute in felsenfestem Vertrauen 
auf den endgültigen Sieg auch in ein weiteres Kriegs- 
jahr hineingehen können, dann verdanken wir das 
nicht zuletzt Eurer nimmermüden Tätigkeit. Neben 
die Opfer, die der deutsche Soldat im Glauben an 
Führer und Volk still und entschlossen auf sich nimmt, 
stellen sich Euer Mühen und Plagen und Eure Hingabe 
für den deutschen Sieg. Deshalb fühlen wir Soldäten 
der Front uns in Kameradschaft mit Euch verbunden. 
Wir haben das Vertrauen, daß Ihr mit Euren Händen 
den Pflug auch weiterhin so aufopferungsbereit führen 
werdet, wie Ihr das bisher getan habt. Ich bin stolz, 
daß ich Euch am heutigen Erntedanktag für Euren 
Einsatz und Eure Arbeit den Dank und den Gruß 
des Führers überbringen darf. Ich danke Euch 
ferner im Namen der Kameraden aller Wehrmachts- 
teile, des Heeres, der Luftwaffe, der Kriegsmarine 
und der Waffen- und bringe Euch, Männer und 
Frauen des Landvolkes, die herzlichsten Grüße der 
kämpfenden Front.“ 


Herbert Backe hatte in seiner Ansprache beim 


Staatsakt besonders die grundsätzliche Einstellung des 


Führers zum Bauerntum unterstrichen. Ihm ist die 
entscheidende Tat des Nationalsozialismus zu ver- 
danken, nämlich die Zusammenfassung aller 
Menschen zu einer unüberwindlichen Ge- 
meinschaft und die Zusammenführung aller 
Kräfte zu einem Kraftstrom, der allein die 
Zukunft sichern kann. Er forderte in dieser 
Stunde das Landvolk auf, dem Führer zu geloben, 
für das nächste Jahr alles für die Sicherung der Er- 
nährung des deutschen Volkes zu tun, aber auch daran 
zu denken, daß wir im Bauerntum als Lebensquell 
des Volkes die Pflicht haben, durch reichen Kinder- 
segen die Blutopfer auszugleichen, die dieser Krieg 


Dr. Kurt Haußmann 


ARandbemerkungen 


Hüterin des deutschen Lebens 


Immer wieder hat der Führer in seinen Reden und 
Proklamationen der Achtung Ausdruck verliehen, die 
unsere Nation vor der deutschen Mutter empfindet. 
Neben dem einen Tag im Jahr, der ihr besonders 
gewidmet ist, und neben den Bestimmungen, die 
unsere nationalsozialistische Staatsführung zum 
Schutze der Mutter erlassen hat, steht auch das 
schlichte Mutterkreuz, das als ein kleines äußeres 
Zeichen der Dankbarkeit, die ihr der einzelne und 
unser ganzes Volk schuldet, vor nunmehr fünf Jahren 
gestiftet wurde. Im besonderen Maße sind allezeit 
unsere Landfrauen Hüterinnen des deutschen Lebens 
gewesen, denn sie stellen die kinderreichsten Mütter 
in unserem Volk. Ein Blick in einen der überwiegend 
landwirtschaftlich gegliederten Gaue unseres Reiches 
kann uns das deutlich zeigen. Im Reichsgau Kärnten, 
der 1939 etwa 440000 Einwohner zählte, sind bisher 
fast 30000 Mutterehrenkreuze verliehen worden, 
ohne daß damit schon alle kinderreichen Mütter geehrt 
wären. 9500 Mütter, die 8 und mehr Kindern das 
Leben geschenkt haben, erhielten hier das goldene 
Mutterkreuz und ihre Zahl übersteigt in Kärnten 
sogar die der Träger silberner Ehrenkreuze. Über 
die Kinderzahlen der geehrten Mütter wird aus dem 
Kärntener Kreis Villach berichtet: Die 5446 bisher 
geehrten Mütter haben insgesamt 34946 Kinder, im 
Durchschnitt hat also jede kinderreiche Mutter über 
6 Kinder. 1543 dieser Mütter wurden mit dem gol- 
denen Mutterkreuz ausgezeichnet. Sie schenkten 
zusammen 14770 Kindern das Leben, jede dieser 
Mütter ako im Durchschnitt mindestens 9 Kindern! 


Wie groß gerade in Kärnten der Kinderreichtum 
des Bauerntums ist, wird deutlich, wenn wir berech- 
nen können, daß in diesem Reichsgau von 100 Ehe- 
paaren, deren Famillenvorstände einen landwirt- 
schaftlichen Beruf ausüben, im jahre 1939 45,3 mehr 
als 4 Kinder hatten, während wir von 100 Ehepaaren, 
deren Familienvorstände einem nichtlandwirtschaft- 
lichen Beruf nachgehen, zur gleichen Zeit nur 25,5 als 
kinderreich ansprechen können. Mehr als die Hälfte 
aller Bauernfamilien in Kärnten hat mindestens 4 Kin- 
der, aber nur jedes vierte Arbeiter- und gar nur jedes 
achte Angestelltenehepaar kann sich im Kinderreich- 
tum mit ihnen vergleichen. Die Tatsache des Kinder- 
reichtums unseres Landvolkes in Kärnten wird auch 
sichtbar, wenn wir feststellen, daß bei der letzten 
Volkszählung Im Jahre 1939 100 Ehepaare, die einen 
landwirtschaftlichen Hauptberuf ausüben, ohne Rück- 
sicht auf die Ehedauer durchschnittlich 400 Kinder 
hatten, die gleiche Zahl von Ehepaaren mit einem 
nichtlandwirtschaftlichen Beruf aber nur 250 Kinder 
Die entsprechenden Zahlen für den Durchschnitt 
des Gesamtreiches liegen in beiden Fällen bedeutend 
niedriger bei 319 bzw. 219. 

So trägt die deutsche Landfrau in Kärnten mit 
ihrer Liebe zum Kind in besonderem Maße dazu bei, 
daß der Blutsquell unseres Volkes nicht versiegt. 
Wie jedesmal, wenn die Männer dieses Grenzgaues 


61 


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in den Kampf um die Sicherheit ihrer Heimat ziehen 
mußten, steht sie auch heute still und bescheiden 
auf ihrem Platz, leitet den Hof, bestellt den Acker 
und legt ihren Kindern die Treue, die Tapferkeit und 
die Liebe zur Heimat in die Wiege. Hier wie überall, 
, wo deutsche Landfrauen mit ihrem Muttertum, das 
im Blut und im Boden verankert ist, der Nation neues 
Leben schenken, kann uns um die Zukunft unseres 
Volkes und Reiches nicht bange werden. 


Dr. Albrecht Timm 


Retour A la terre 


Französische Rechtskreise weisen in Aufsätzen, Vor- 
trägen usw. immer wieder darauf hin. daß die Gesetz- 
gebung der letzten drei jahre zu einer Revolutionie- 
rung auf Teilgebieten geführt habe. Es ist kennzeich- 
nend, daß durch diese Revolution Rechtsverhältnisse 
aufgelöst wurden, die auf dem Code Napoléon auf- 
bauten. Dieser Codex, der weit über hundert Jahre 
die Grundlage der französischen Rechtspflege bildete, 
wurde — trotz aller Bemühungen, ihn durch Ergän- 
zungen usw. der Gegenwart anzupassen — zum 
Hemmschuh für eine Aufwärtsentwicklung auf allen 
Gebieten und hat sich besonders auf die Landwirtschaft 
und Bevölkerungsentwicklung negativ ausgewirkt. 


„Bauerntod ist Volkstod!“ Dieses Wort, das schon 
vor langer Zeit geprägt wurde, hat sich In Auswirkung 
dieser Gesetze an Frankreich bewahrheitet. Die Real- 
teilung, die bevorzugte Behandlung der Städte und 
eine falsche Volkstumspolitik haben zu einer Ent- 
völkerung des flachen Landes geführt. Einmal wirkte 
der Sog der Städte, zum anderen die ständige Ver- 
ringerung det Geburtenzahl, und so wird es erklärlich, 
daß der Anteil der Landbewohner von 75 v. H. (1846) 
auf etwa 30 v. H. in der Gegenwart zurückging. In 
rund 60 Jahren nahm die Geburtenzahl um 40 v. H. ab. 
Selbst so fruchtbare und mit allen natürlichen Vor- 
zügen ausgestattete Departements wie die Norman- 
die und Mayenne verioren von 1872 bis 1936 fast 
460000 Einwohner, das sind 20 v. H. der Bevölkerung. 


In Auswirkung dieser Entwicklung verringerte sich 
allein von 1892 bis 1929 die Zahl der landwirtschaft- 
lichen Kleinstbetriebe unter 1 ha um 72 v. H., die 
der Kleinbetriebe (bis 10 ha) um 28 v. H. Über 1,5 Mil- 
lionen Familien mit Agrargrundlage gingen dem Lande 
durch Abwanderung oder geringe Fruchtbarkeit ver- 
loren. Die demokratischen Regierungen versuchten 
diesen Ausfall durch Hereinnahme und Naturalisierung 
von Ausländern auszugleichen, um dadurch über den 
biologischen Verfall hinwegzutäuschen. Ohne die 
naturalisierten und farbigen französischen Staats- 
angehörigen wurden 1939 rund 4 Millionen Ausländer 
gezählt. Aber auch diese Zahl reichte nicht aus, um 
die absinkende Leistung der Landwirtschaft aufzu- 
halten. So ist es nicht verwunderlich, daß seit 1914 
über 2,5 Millionen Hektar Getreideland in Wiesen 
umgewandelt wurden und das Brachland auf weit 
über 5 Millionen Hektar anwuchs, während die durch- 
schnittlichen Ernteergebnisse trotz steigender Hektar- 
erträge absanken. 


62 


Die Gefahr dieser Entwicklung wurde fast aus- 
schließlich von der wirtschaftlichen Seite her beleuch- 
tet und nur bei der Behandlung machtpolitischer Fr- 
gen vollesblologisch gesehen. Alle Abwehrmaßnahmen 
trugen den Stempel des, Notverbandes“ und brachten 
keine grundsätzliche Wandlung der bestehenden Ver- 
hältnisse. Dazu kam, daß dle um die Stimme der Ar- 
beiterschaft buhlenden Parteien Gesetze durch, 
brachten, die den ländlichen Arbeitern und Hand- 
werkern zugute kamen. den oft unter wesentlich 
schwierigeren Umständen schaffenden Kleinlandwirten 
und Pächtern aber keine Erleichterung brachten. Das 
gilt in gleichem Maße von den Ehestandsdariehen und 
Famillenunterstützungen, wie von Verbesserungen der 
Löhne und Arbeitsverhältnisse. 


Nach dem Frankreichfeldzug ergriff die Regierung 
Pétain alle Möglichkeiten, um die negativen Aus 
wirkungen des französischen Wirtschaftssystems zu 
beseitigen und einen agrarischen Neuaufbau einzu- 
leiten. Der Ruf , retour à la terre“ wurde zum Leit- 
satz des Staatsprogramms. Um die bäuerliche 
Familie in ideeller, sozialer und wirtschaftlicher Hin- 
sicht zu sichern, wurde am 2, Dezember 1940 das 
Gesetz über den ständischen Aufbau der französischen 
Landwirtschaft erlassen. Andere Verordnungen regeln 
die einheitliche Führung der Berufsorganisationen, 
die Nutzbarmachung verlassener Betriebe und Llin 
dereien, die Bodenverbesserung, die Förderung des 
Wohnungsbaues usw. 


Aufbau und Zielsetzung dieser Gesetze lassen 
erkennen, daß vielfach die natlonalsozialistische 
Agrarpolitik als Richtschnur gedient hat. Aber nur 
langsam setzt sich die Erkenntnis durch, daß alle diese 
Maßnahmen erst durchschlagenden Erfolg haben 
können, wenn sich im französischen Volk eine grund- 
legende geistige Wandlung vollzogen hat und dem 
Bauerntum wieder die ihm gebührende Achtung und 
Anerkennung gezollt wird. H. Gerdesmann 


Der Kapitalismus in den USA. stärkt 


seine Stellung 


Die stetige Zunahme der us-amerikanischen 
Pacht- und Leihlieferungen, die — wie sich immer 
mehr zeigt — nicht zuletzt auf Kosten des Lebens- 
standards in den Vereinigten Staaten gehen, haben 
vor allem in den Kreisen der Wallstreetleute eine 
gewisse Besorgnis hervorgerufen. Aus den Erfah 


rungen, welche man mit der Kriegsschuldenrück- 


zahlung und -verzinsung nach 1918 machen mußte, 
erklärte sich die anfängliche geschäftliche Zurück- 
haltung und die vorsichtigere Einstellung zu diesem 
Problem. Über die Presse war man bemüht, auf die 
Gefahr dieser Verbindlichkeiten hinzuweisen und in 
Erfahrung zu bringen, welche Garantien der Regierung 
zu erwarten seien. 


Als aber die Lage der Alliierten immer schwieriger 
wurde und die Wirtschaftsdepression im eigenen 
Lande sich verschärfte, stellte man diese geschäftlichen 
Bedenken zurück. Erleichtert wurde die Situation 
dadurch, daß schon nach kurzer Zeit gewisse Äqui- 


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valente in Form von Flugstützpunkten, strategisch 
wichtigen Inseln usw. geboten wurden. Das Auftreten 
amerikanischer Soldaten im Mittelmeerraum, im 
Nahen Osten und in den englischen Dominions und 
die Besetzung ehemals europäischer Kolonien in 
Afrika boten unter der Parole „Aufmarsch zur Er- 
richtung der zweiten Front‘ viele Möglichkeiten zur 
Ausbeutung dieser Gebiete. Die dem Militär auf dem 
Fuße folgenden bevollmächtigten Wirtschaftssachver- 


ständigen und Studienkommissionen zeigen mit aller 


Deutlichkeit, daß Roosevelt die wirtschaftliche Be- 
herrschung der besetzten Räume am wichtigsten Ist. 
Sie zeigen aber auch, in welch starkem Maße das 
Kapital, vertreten durch Morgenthau, Jones usw., den 
Profit aus diesem Kriege zieht und seine Stellungen 
ausbaut. Den gleichen Eindruck erweckt auch die 
Vielzahl der in Washington ins Leben gerufenen Be- 
hörden und Dienststellen. Seit Kriegsbeginn über- 
stürzen sich die Meldungen über Neubildungen und 
Umbenennungen von Organisationen, deren Aufgabe 
die Stärkung der amerikanischen Wirtschaftsposition 
im Auslande ist. Namen wie Planungsamt für die 
Wirtschaftskriegsführung, Amt für Gleichschaltung 
der Auslandswirtschaft, Büro für Auslandshilfe, 
Pachtleihkommission usw., sind ein Ausdruck 
dafür. 


Wenn man bedenkt, daß England vor Beginn dieses 
Krieges mit seinen Besitzungen über die größte Wirt- 
schaftskapazität und alle Schlüsselstellungen der Weit 
verfügte, so ist es klar, daß es den Expansionsgelüsten 
der Vereinigten Staaten am meisten ausgesetzt ist. Die 
permanenten Verhandlungen zwischen den angel- 
sächsischen Partnern über Fragen der Welternährung. 
des Rohstoffhaushalts und der Währung, die Ver- 
stärkung der Englischen Botschaft und Handels- 
kommissionen durch prominente Sachverständige und 
nicht zuletzt der immer wieder verlängerte Aufenthalt 
Churchills in Washington lassen die Heftigkeit des 
hinter verschlossenen Türen geführten Kampfes ver- 
muten. Bei der gegenwärtigen Machtfülle der USA. 
it England eindeutig in die Defensive ge- 
drängt, während Roosevelt und das hinter ihm 
stehende Kapital immer neue Positionen erringen oder 
die Voraussetzungen dafür schaffen. 


In diesem Sinne ist auch die Ernennung des Unter- 
- staatssekretärs Stettinius im Außenamt zu werten. 
Stettinius ist als ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender 
der United Steel Corporation der Repräsentant der 
Schwerindustrie, aus seiner Tätigkeit als Leiter der 
Leih- und Pachtkommission heraus der Wirtschafts- 
politiker des. Außenamts. Daß Roosevelt gleichzeitig 
mit dieser Ernennung das „Amt für Auslandswirt- 
schaft“ ins Leben rief, zeigt klar, wohin der Weg geht. 
Wenn es weiterhin heißt, daß Stettinius das Pacht- 
und Leihsystem als Eckpfeiler seiner wirtschaftlichen 
Außenpolitik bezeichnet habe, und die enge Ver- 
bindung zwischen ihm und Crawley, dem Leiter des 
Amts für Auslandswirtschaft, betont wird, so Ist 
sicher, daß diese Maßnahmen ausschließlich dem einen 
Ziel dienen: Ausbau des Pachtleihsystems als 
Grundlage für die wirtschaftliche Beherr- 
schung der Welt nach dem Kriege. 


H.Gerdesmann 


DieBuchwacht 


Das Recht der besetzten Ostgebiete 


Sammlung der Verordnungen, Erlasse und 
sonstigen Vorschriften über Verwaltung, Rechts- 
pflege, Wirtschaft, Finanzwesen und Verkehr mit 
Erläuterungen der Referenten. Herausgegeben 
von Dr. Alfred Meyer, Gauleiter und Stän- 
digem Vertreter des Reichsministers für die be- 
setzten Ostgebiete, unter Mitarbeit von Dr. 
Walter Wilhelmi, Dr. Walter Labs, Dr. Hans 
Schäfer. C. H. Beck'sche Verlags buchhandlung. 
München und Berlin 1943. 


Die Ausdehnung der unter Zivilverwaltung ge- 
stellten besetzten Ostgebiete und die Verschieden- 
artigkeit ihrer Völker und Räume machten es erklärlich, 
daß das neue deutsche Recht für den Ostraum aus 
zahlreichen Rechtsquellen fließt. Dem Reichsminister 
für die besetzten Ostgebiete ist durch den Erlaß des 
Führers vom 17. Juli 1941 mit der Zivilverwaltung die 


Rechtssetzungsbefugnis übertragen worden. Er pflegt 


davon nur aus besonders wichtigen Anlässen und In 
grundsätzlichen Fragen Gebrauch zu machen und hat 
seine Befugnisse auf die Reichskommissare und im 
Reichskommissariat Ostland wegen der verschiedenen 


Struktur der Generalbezirke Ostland, Lettland, 


Litauen und Weißrughenien auch auf die General- 
kommissare weiter übertragen. Im Reichskommissarlat 
Ukraine, in dem die längere bolschewistische Herr- 
schaft die Verhältnisse bereits gleichförmiger gemacht 
hat, endet die Rechtsschöpfung im allgemeinen beim 
Reichskommissar. Die zur Rechtssetzung befugten 
Behörden verkünden ihre Gesetze in folgenden 
Blättern: der Reichsminister im „Verordnungsblatt 
des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete“, die 
Reichskommissare im „Verordnungsblatt des Reichs- 
kommissars für das Ostland“ oder im „Mitteilungs- 
blatt des Reichskommissars für das Ostland“ und im 
„Verordnungsblatt des Reichskommissars für die 
Ukraine‘ oder im „Zentralblatt des Reichskommissars 
für die Ukraine“ und die Generalkommissare in Ihren 
Amtsblättern. 


Es gibt also, wenn außer dem Minister und den 
Reichskommissaren nur die vier ostländischen General- 
bezirke in Betracht gezogen werden, nicht weniger 
als neun Gesetzbiätter, aus denen das in den Zivil- 
verwaltungsgebieten des Ostraumes geltende Recht 
zusammengesucht werden müßte. Die Sammlung 
„Das Recht der besetzten Ostgeblete“ leistet den am 
Recht des Ostraumes Interessierten amtlichen oder 
privaten Stellen und Personen durch eine übersicht- 
liche Zusammenfassung des Rechtsstoffes Hilfe, sich 
trotz dieser Rechtsaufsplitterung rasch und zuver- 
lässig zu unterrichten. Es hat zu diesem Zweck die 
bereits bewährte Form der Loseblattausgabe ge- 
wählt. Es gliedert sich zunächst in zwei Bücher: 
Ostland und Ukraine. Innerhalb jedes Buches Ist der 
Rechtsstoff sachlich in fünf Hauptgruppen (Verwal- 
tung, Rechtspflege, Wirtschaft, Finanzwesen und Ver- 
kehr) und diese wiederum in zahlreiche Untergruppen 
geteilt. 


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Unter der Hauptgruppe Wirtschaft findet sich 
der Rechtsstoff der „Ernährung und Landwirt- 
schaft“. Davon sind zunächst für das Ostland 
fünfzehn und für die Ukraine neun Rechtsgebiete be- 
handelt worden, darunter die Verordnungen zur Auf- 
hebung der bolschewistischen Maßnahmen im Ostland 
und die Neue Agrarordnung mit ihren Nebenge- 
setzen, das Recht der Landbewirtschaftungsgesell- 
schaften Ostland und Ukraine, denen als General- 
verwalter des landwirtschaftlichen Bodens die öffent- 
liche Landbewirtschaftung in den beiden Reichs- 
kommissariaten obliegt, pachtrechtliche Bestimmun- 
gen, allgemeine Gesetze zum Schutze der landwirt- 
schaftlichen Erzeugnisse und verschiedene Verord- 
nungen zum Aufbau der einzelnen Zweige des 
Ackerbaues und der Tierzucht. Die wichtigeren 
Gesetze sind mit kurzen Erläuterungen der Refe- 
renten des Östministeriums versehen, andere nur 
mit Einführungen, in denen der Zweck des Ge- 
setzes dargestellt wird; von Verordnungen, die aus 
sich verständlich sind, wird nur der Text gebracht, 
auf weniger wichtige Anordnungen wird lediglich 
unter kurzer Schilderung ihres Inhalts und unter 
Angabe der Fundstelle hingewiesen. 


Das Werk soll durch regelmäßig erscheinende Er- 
gänzungslieferungen auf dem laufenden Stand gehalten 
werden. Es kann jedem empfohlen werden, der sich 
mit dem Recht der besetzten Ostgeblete befassen 
muß oder die dortige Rechtsentwicklung verfolgen 
will. 

Dr.Szogs 


Willy Krebs 


Raiffeisen — 


ein Kapitel bäuerliche Selbsthilfe 


Heft 52 der Schriftenreihe „In Deutschlands Na- 
men“. Herausgegeben von W. Ihde/Wilh. Lühe. 
Verlag Leipzig / Berlin. 49Seiten. Preis: 1,20 RM. 


Selten nur hat sich der Name einer Persönlichkeit 
so eng mit seinem Werk verknüpft, wie wir es bei 
Raiffeisen beobachten können. „Raiffeisen-Genossen- 
schaften“ gibt es heute überall, wo Deutsche wohnen. 
Vor fast 100 Jahren hat dieser Landbürgermeister zum 
erstenmal den Gedanken der bäuerlichen Selbsthilfe 
praktisch aufgegriffen und so einen Gegenpol gegen 
den jüdisch-kapitalistisch verseuchten Liberalismus 
geschaffen. Seine ländlichen Konsumvereine und 
landwirtschaftlichen Genossenschaften haben seither 
im Dienst des deutschen Bauerntums gestanden. 
„Vater Raiffeisen“ gehört mit vollem Recht in die 
Reihe der Männer, die „In Deutschlands Namen“ 
wirkten. Willy Krebs hat nicht nur ein eindringliches 
Bild seines Lebenskampfes entworfen, sondern auch 
gleichzeitig einen Einblick in den Werdegang: des 
mit seinem Namen untrennbar verknüpften Teiles des 
deutschen Genossenschaftswesens vermittelt. Die an- 
schauliche Darstellung, deren ausstrahlende Wärme 
die persönliche Verbundenheit des Verfassers mit dem 
Lebenswerke Raiffeisens spüren läßt, kann einen wei- 
ten Leserkreis ansprechen. 

Dr. Albrecht Timm 


64 


Carl Hinrichs 
Der allgegenwärtige König 


Friedrich der Große im Kabinett und 
auf Inspektionsreisen. R.v. Deckers Ver- 
lag — G. Schenk, Berlin, 1942, 2. Auflage, 308 S. 


Kaum ein Zeitalter aus der reichen Geschichte 
unseres Volkes spricht heute so unmittelbar zu uns 
wie das Friedrichs des Großen. ‚Der allgegenwärtige 
König“ hat in unermüdlicher Arbeit in Krieg und 
Frieden die großen wie die kleinen Dinge seines 
Staates durch persönlichen Einsatz gemeistert. Von 
der Größe dieser Leistung berichten die hier von 
Hinrichs aus zum Teil von bisher unveröffentlichten 
Quellen gesammelten Zeugnisse. Neben Auszügen 
aus den größeren  Veröffentlichungen des Königs 
stehen zahlreiche bisher weitverstreute Berichte von 
Zeitgenossen über Kabinettsentscheidungen, Unter- 
redungen und vor allem über die Reisen des Königs. 
Hier finden wir den Alten Fritz in Gesprächen mit 
allen Schichten seines Völkes, mit Beamten, Hand- 
werkern und nicht zuletzt mit seinen Bauern, denen 
seine besondere Fürsorge galt. So hören wir von Ge- 
sprächen mit verantwortlichen Landräten oder mit 
einfachen Bauern, und immer wieder müssen wir be- 
wundern, wie gut der König über alle landwirtschaft- 
lichen Fragen, sei es nun der Getreidepolitik oder des 
Lupinenanbaues bis in die Einzelheiten unterrichtet 
war. Er wußte, daß auch das Kleinste dem großen 
Ganzen dient und daß nur die unermüdliche Aufbau- 
arbeit aller die Zukunft eines Staatswesens gewähr- 
leistet. Aus der gut ausgewählten und zusammen- 
gestellten Quellensammlung können wir nicht nur ein 
Spiegelbild der einzigartigen Natur des Preußenkönigs 
gewinnen, sondern auch manch verpflichtendes Bei- 
spiel für unsere große Gegenwart entnehmen. 


Wilhelm Abel 


Die Wüstungen des ausgehenden 


Mittelalters 


Ein Beitrag zur Siedlungs- und Agrargeschichte 
Deutschlands. Verlag Fischer, Jena 1943. 165 S. 


Seit langem haben die Heimatforscher fast aller 
deutschen Landschaften, ja sogar des Auslandes, die 
Tatsache des Wüstwerdens im 14. und 15. Jahrhundert 
beobachtet und zu deuten versucht, ohne dabei zu 
allgemeinen gültigen Ergebnissen vorzustoßen. Nun 
bietet der Verfasser, als einer der wenigen Volkswirt- 
schaftler, die sich auch mit der Agrargeschichte be- 
fassen, eine erste Zusammenschau dieser Einzel- 
betrachtungen. Hier hat sein früheres Werk über die 
Agrarkrisen Europas seit dem 13. Jahrhundert eine 
wertvolle Ergänzung gefunden. Auch der Wüstungs- 
vorgang wird im Zusammenhang mit einer Agrar- 
krise und wirtschaftlichem Niedergang im Zuge der 
Rhythmik der Landwirtschaftsentwicklung gesehen. Er 
ist letzten Endes die Ausdrucksform einer übermäßigen 
Abwanderung vom Lande. Die Arbeit bietet als ein 
Beitrag zur Siedlungs- und Agrargeschichte gleich- 
zeitig einen guten Einblick in das Sozial- und Wirt- 
schaftsgefüge Deutschlands im ausgehenden Mittel- 
alter. Dr. Albrecht Timm 


— ——————— 


Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit 
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen 
auf dem Hof meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht 


wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der au! 
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer 
Stelle zur anderen bringen läßt. 


Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der Generatorg ds 


Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese 


Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. ACKERSCHLEPPER RLO 


SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG 


23r. EE 
10 Ps. "m 


läßt die Flamme über den Topf. 
rand schlagen, verbrennst dir so 
die Pfoten und willst auch noch 
ein TRAUMAPLAST drauf 
haben. — Hinaus! — Für uns gilt: 
Klein die Flamme, Gas, Kohle und 
Strom sparen für die Rüstungs- 
industrie 


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S läßt wehe Wunden schnell gesunden 
für Holzgas - Betrieb. 


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SI 


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O die intel 
Ernteausfälle werden 


vermieden durch Bei- 
zung des Saatguts mit 


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für alle Getreidearten! 


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. G Farbenindustrie Aktiengesellscha `` 
Pllanzenschutz- Abteilung LEVERKUSEN D 


FÜR INDUSTRIE 


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LANDWIRTSCHAFT 


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d RTOFFEI- 
Oele, 


Das Wort ‚einwecken“ stammt - TE) | = 
von Johann Weck, dem Mann, der e Bez s 
das WECK-Verfahren begründet, $ 12 
der die WECK-Gläser und WECK- z — 
Geräte geschaffen hat. z S 
2. 


1 
davo grg nany 


J.WECK & CO. ÖFLINBEN IN BADEN 


DEZEMBER 1943 


NUMMER 3 


JAHRGANG 2 


EINZELPREIS 120 RM. 


— 


an M 


s 


INHALT 


Bäuerliche und völkische Selbstbesinnunn gn san m 


Dr. habil. Gisbert Kg, Dozent am Institut für Sozial- und Staatswissenschaften 


der Universität Heidelberg: Amerikanismus und Bauerntum .,, nn 67 
Dr. Peter von Werder: Verstädtertes und ländliches Lebensgefühl ............ 70 
Eichenlaubträger wird Wehrbauer (Bildbeilage) `... 0.8. 72 
Oberlandwirtschaftsrat Dr. Kurt Meyer in der Stroth: Das Bauernrecht als 

/ ae era 75 
WEBIIWINTET TBIOBEIEGET ana en n. S. 80 
Dr. Albrecht Timm: Dorfgeschichte — ein Spiegel deutscher Kulturgeschichte 82 
Weihnachtsbrauch im deutschen Dorf (Bildbei lage n. S. 84 
Regierungsrat Heinz Gerdesmann: Japan ordnet den ostasiatischen Agrar- 

Ei ne a ] EE 88 
/// rear e MI 
/ ͥ ͥͥͥ² ²»i¹w¹r ... et e n A N O AE 93 
R/ era ¼˙—½— 14 . S6 
Bildnachweis: Unser Titelbild — eine Auinahme von Prof. Rudolf Koppitz zeigt einen Salzburger 
liolzarbeiter. — Die Bildbeilage „Waldwinter statteten mit Lichtbildern aus: Photo-Ufa (6), Prof. 
Rudolf Koppitz (3), Scherl-Bilderdienst (2), Agfa-Bildarchiv (1), Archiv des Reichsnährstandes (1) und 
Hans Retzlaff (1). — Die Aufnahmen zur Beilage ‚Eichenlaubträger wird Wehrbauer’' fertigten Erich 
Bauer (5), Barbara Soltmann (2), Leutnant Kintscher (1) und Willy Römer (2). — Als Photographen 


der Bildbeilage „Weihnachtsbrauch im deutschen Dorf’ nennen wir Hans Retzlaff (3), Hilde Brinck- 
mann-Schröder (1), Brinckmann-Schröder-Bavaria (1), Ernst Baumann (1), Schrammen (1) und Reichs- 
nährstandsarchiv (1). 


Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna, 

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil: 

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 196051. 

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH,). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts- 

ruf 11 0022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. vom 1. Nov. 1942 
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43. 


— 


ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN 


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STÄÜRSPOLITIK 
N S 
Herausgeber & Herbert Backe 


Dezember 1943 Jahrgang 2 Nummer 3 
—̃— re en ae a Ey — ud ee AL . te —̃ p ci ee nn Be Zu ee I En — De u Fe ʃ ——. 


Bäuerliche und völkische 


SELBSTBESINNUNG 


G.P. — Noch immer ist die Ansicht häufig verbreitet, daß Stadt und Land zwei Lebens- 


formen verkörperten, die sich naturnotwendig feindlich gegenüberstehen müßten.. 


Diese Ansicht zeugt von einer geringen Kenntnis des geschichtlichen Werdeganges 
unseres Volkes. Die deutschen Städte sahen immerhin auf eine achthundertjährige Ent- 
wicklung zurück, als sich der Gegensatz zwischen Stadt und Land als zweier wesens- 
fremder Lebensformen allmählich herauszubilden begann. Selbstverständlich hat es auch 
früher schon Gegensätze zwischen Stadt und Land gegeben; aber diese beruhten nicht 
auf unüberbrückbarer Fremdheit der Lebensweise, berührten also nicht die Wurzeln 
des menschlichen Seins, sondern bezogen sich auf Nebenfragen sozialer und politischer 
Natur, wie sie innerhalb eines vielgestaltigen Volkskörpers stets bis zu einem gewissen 
Grade unvermeidbar sein werden und die zu meistern eine der wesentlichen Aufgaben 
jeder auf das Gemeinwohl bedachten Staatsführung ist. Ein so angesehener Historiker 
wie Maurer hat daher die Stadt jener Epoche geradezu als ein „mit einer Mauer um- 
gebenes Dorf“ gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung war zwar eine Vereinfachung, aber 
eine jener fruchtbaren Vereinfachungen, die den Blick auf das Wesen der Dinge richtet; 
denn in ihr kam die Gemeinsamkeit der Stadt und Land formenden Lebensurkräfte 
sinnfällig zum Ausdruck. | 


Für die Stadt der Gegenwart, die ein typisches Gebilde der letzten Jahrzehnte des 
neunzehnten Jahrhunderts ist, trifft die Kennzeichnung Maurers — darüber kann kein 
Zweifel herrschen — allerdings nicht mehr zu, obwohl es noch immer in Deutschland 
viele Städte gibt, deren Straßen, wie es einst Riehl beobachtet hat, leer von Bürgern sind, 
wenn die Ernte die Ackerbesitzer zur Arbeit ruft. Die moderne Großstadt ist ein Gebilde, 
das seine Wurzeln nicht mehr im deutschen Dorfe hat, obwohl auch sie sich ständig 
aus dem Blutzustrom vom Lande ergänzt und erneuert; denn der ländliche Mensch wird 
in der Großstadt Lebensbedingungen unterworfen, die ihm völlig wesensfremd sind. Daher 
muß — so folgert man — die Abwanderung in die Großstadt zwangsläufig zur seelischen 
Entwurzelung der Abwandernden führen, die in der Vermassung des menschlichen Lebens 
ihren sichtbarsten Ausdruck findet. Damit ist die entscheidende Frage gegeben. Sie 
lautet: Müssen die großstädtischen Lebensbedingungen wirklich zwangsläufig zu 
dieser Entwurzelung und damit zu einem schroffen Gegensatz zwischen Großstadt und 
Land führen, der angesichts der starken Tendenz zur Vergroßstädterung sich immer mehr 
zu einem allgemeinen Gegensatz zwischen Stadt und Land verschärft? 


Eine Antwort auf diese Frage gibt der Aufsatz von Dr. Peter von Werder „Verstädter- 
tes und ländliches Lebensgefühl”, wenn er darauf hinweist, daß auch in der Großstadt 
eine mehr oder minder große Zahl von Menschen ihr ursprüngliches ländliches Lebens- 
gefühl als Quell ihrer menschlichen Haltung zu wahren weiß. Er stellt daher auch in 
seiner vergleichenden Untersuchung dem ländlichen Lebensgefühl nicht das städtische 
schlechthin, sondern das verstädterte Lebensgefühl gegenüber. Damit ist auch auf die 


* 


——— — u — — 


Wée hingewiesen, von ieh Lösung das künftige Verhältnis der: Stadt Lang i 
entscheidend mitabhängt: die Schaffung von Lebensbedingungen in der Stait pp | o 
wie bisher die Tendenz zur Vermassung, die echter Gemeinschaftsbildung ebenso feine 
lich ist wie freier Persönlichkeitsentfaltung, noch künstlich fördern, sondern dieser 
bewußt entgegenarbeiten. Dadurch wird eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, 
daß die Gestaltungskraft des ländlichen Lebensgefühls besser als bisher auch bës 
städtischen Umwelt zur Auswirkung kommt. 


Mit materiellen Mitteln allein, mit wirtschaftlichen Maßnahmen, Be kee 
rellen Einrichtungen ist allerdings die Gefahr der Verstädterung, d.h. der Entw 
deutschen Menschentums, nicht zu überwinden. Wenn Dr. von Werder die Verstädte n 
als in erster Linie seelischen Vorgang schildert, so ist damit auch gesagt, daß die U wer 
Windung dieser Erscheinung letzthin nur vom Seelischen her möglich ist und daß di 
materiellen Mittel, so wichtig sie sind, nur Werkzeuge sind, die erst ein gewandeltes 
Lebensgefühl zu brauchbaren Waffen gegen die Verstädterung macht. 


Es bedeutet die Aufrollung der gleichen Fragestellung nur von einem anderen ( sic ats- 
punkt her, wenn Dr. Gisbert Rittig in seinem Aufsatz „Amerikanismus und Bauern CS $ 
schon mit dieser Überschrift die zwei grundsätzlich verschiedenen Denkhaltungen g gen: 
überstellt, auf deren Kampf die großen Auseinandersetzungen der Gegenwart, beruft dc 
Wenn Dr. Rittig als Amerikanismus jede Haltung kennzeichnet, die sich von 
zivilisatorisch-technisch-mechanischen Entwicklung treiben und sich von ihr formen läß 
statt diese Entwicklung selbst zu meistern, so zeigt sich, daß sich die Begriffe Ameri 
nismus und Verstädterung auf den gleichen seelischen Vorgang beziehen. Der Begri 
Amerikanismus ist nicht nur deswegen treffend, weil in den Vereinigten — 
durch ihn gekennzeichnete Krankheit der Vermassung des menschlichen r 
unüberbietbaren Höhepunkt erreicht hat. Er hat auch, vom rein deutschen Ste ) 
aus betrachtet, seine besondere Berechtigung, weil es sich bei dieser Krankheit nich e 
die Auswirkung eines Konstitutionsfehlers deutscher Art handelt, sondern um SN 
Ansteckung durch wesensfremde Einflüsse, die der Amerikanismus in besonders konzen- 
trierter Form repräsentiert. Dr. Rittig weist mit Recht darauf hin, daß das E tum 
nicht nur von dem Bazillus der amerikanischen Krankheit am wenigsten stark infiziert 
worden ist, sondern daß es auch der Hauptträger der dem Amerikanismus entgegen- 
gesetzten Haltung ist, aus der heraus allein eine Überwindung des Ame anism 
möglich ist. $ d 


d No * 

Die bäuerliche Gegenkraft wird um so stoßkräftiger sein, je stärker das Bauernfü 
seiner Eigenart und des Wertes dieser Eigenart sich bewußt ist. Stärkung des bä ei ` 
Selbstbewußtseins ist daher eine Erziehungsaufgabe, die nicht nur im Eigeninteresse de 
Bauerntums liegt, sondern ein volkspolitisches Gebot ist. Gelingt es, wieder wie € dei | 
die ländlichen Lebenswerte zum vom ganzen deutschen Volke anerkannten Maßstal 
seiner Lebensbewertung zu machen, so ist die Gefahr der Verstädterung als einer see che 
Verbildung und Erkrankung gebannt und der Gegensatz von Stadt und Land als 2 weie 
wesensfremder Lebensformen überwunden. Dann ist — nebenbei bemerkt — auch Í 
gefährlichste Quelle der Landflucht verstopft. Unter diesem Gesichtspunkt betrachte t ist 
die Dorfgeschichte, deren Bedeutung als „Spiegel deutscher Kulturgeschichte" Dr. Albrech 
Timm in seinem Aufsatz darstellt, nicht nur „ein historisches Quellenbuch von ur — tz 
barem Wert“, sondern ein volkserzieherisches Mittel ersten Ranges zur Selbstbe ul 
auf die dem deutschen Volke wesensgemäßen Werte. | 


| 
| 
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| 
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Die gleiche Bedeutung kommt auch der Stärkung des Rechtsempfindens und Rec ht 
bewußtseins durch eine entsprechend ausgerichtete bäuerliche Erziehung zu, die Dr. — 
Meyer in der Stroth in seinem Aufsatz „Das Bauernrecht als politisches Gestalt ing 
mittel“ fordert. In der Rechtsauffassung eines Volkes zeigt sich am deutlichsten, welchen 
sittlichen Wertmaßstäben wirklich lebensgestaltende Kraft innewohnt, so daß s 
Verpflichtung und Richtschnur des Handelns empfunden werden. Daher ist die Wieder- 
herstellung des alten deutschen Bauernrechts, wie sie im Reichserbhofgesetz zum Au 
druck kommt, ein Akt der Selbstbesinnung gewesen, der zunächst im Bauerntum d 
Gesetze seines Seins wieder zur Geltung gebracht hat, dadurch aber weiterwirkend ein 
Quell der Gesundung der Lebensauffassung des ganzen deutschen Volkes werden ird. 


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66 


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GISBERT RITTIG: 


- Amerikanismus una Bauerntum 


Fs geht heute um den Kampf zweier 
grundsätzlich verschiedener Denkhal- 
tungen, die über unsere Kultur entscheiden. 
Der Sieg der einen vernichtet unsere Kultur 
und die Kultur des ganzen Abendlandes. 
Der Sieg der anderen schafft die Bausteine 
für den Weiterbau an unserer Kultur. Der 
Kampf dieser Denkħaltungen ist das, was 
im Grunde und letzten Endes hinter den 
großen Auseinandersetzungen der Gegen- 
wart steht. Die eine Denkhaltung ist der 
„kulturelle“ Amerikanismus. Was hat der 
Bauer mit Amerikanismus zu tun? Eben 
nichts. Und das ist seine Stärke. Daraus 
ergibt sich auch seine Aufgabe und seine 
große und bestimmende Rolle in den Aus- 
einandersetzungen der Gegenwart. 

Diese Auseinandersetzungen sind letzten 
Endes geistig. Es ist das Auffallende und 
Notwendige, daß gerade in dieser geistig- 
kulturellen Hinsicht das Bauerntum eine 
Hauptrolle spielen kann. Denn es ist der 
hauptsächlichste Träger der dem Amerika- 
nismus entgegengesetzten anderen Denk- 
haltung. Dabei ist es zunächst gleichgültig, 
ob das Bauerntum dies bewußt oder unbe- 
wußt ist. Aber Wachheit wird nichts 
schaden, es kommt nicht auf Romantik an. 

Macht sich der Bauer klar, welche Bedeu- 
tung seiner Denkhaltung heute im Kampf 
der grundsätzlichen Denkhaltungen zu- 
kommt, macht er sich klar, daß er der 
hauptsächlichste Träger der von der ameri- 
kanischen Grundhaltung freien Denkhal- 
tung ist, und macht er sich klar, daß es 
heute bei allem Ringen gerade um den Sieg 
dieser Denkhaltung geht, dann bedeutet das 
für ihn nicht mehr und nicht weniger als 
die geistige Aufwertung des 
Bauerntums. Der Bauer sieht sich auf 
einer kulturellen Ebene stehen, auf die es 
ankommt. Sie ist für das Fortleben 
unserer Kultur entscheidend und wird sich 
auf die Dauer allen anderen kulturellen 
Schichten überlegen zeigen. 

Für diese Behauptung und den Wert der 
sich so eröffnenden Aussichten ist der 


Beweis anzutreten. Wir verstehen unter 
Amerikanismus jede Haltung, die sich von 
der zivilisatorisch-technisch-mechanischen 
Entwicklung treiben und sich von ihr 
iormen läßt, statt diese Entwicklung selbst 
zu meistern. Das klingt noch harmlos, es 
bedeutet aber nicht weniger als eine 
Kulturkrankheit, die amerikanische 
Krankheit. Sie ist die allgemeine 
Krankheit aller modernen Kulturen und 
eine Welterscheinung. Zunächst handelt es 
sich um nicht mehr als eine Entwicklungs- 
phase im Zuge der geschichtlichen Ent- 
wicklung der europäischen Kultur. Die 
Bevölkerungen sind größer geworden und 
die Beziehungen der Menschen zueinander 
vielfältiger. Die Technik hat sich zusam- 
men mit dem kapitalistischen Wirtschafts- 
system durchgesetzt, wahllos und nicht ge- 
bunden an volkswirtschaftliche und kul- 
turelle Erfordernisse. Die kapitalistisch 
angewandte Technik begann die Bevöl- 
kerung zu mobilisieren, zu entwurzeln und 
verwandelte die Menschen zu hin- und her- 
wogenden Massen, ohne Durchgliederung. 
Die Bevölkerungen und die Völker wurden 
chaotische Massen. An die Stelle durchge- 
gliederter, in ihren Teilen aufeinander ab- 
gestimmter Völker trat durch die kapita- 
listisch angewandte Technik und die Fulgen 
einer übermäßigen Zivilisation eine immer 
stärkere Vermassung der Menschen. 

Jeder Staat mit moderner Zivilisation er- 
reichte diese Stufe und mußte sich mit ihr 
auseinandersetzen. Er muß es, da die in den 
Industriegebieten und Großstädten sich zu- 
sammenballenden Massen über jeden bis- 
her üblichen Rahmen der politischen Lei- 
tung hinausquollen und diese Massen, zu- 
nehmend kulturell amerikanisiert, ins Form- 
lose wuchsen. Es kam darauf an, diese 
Massen wieder irgendwie in die Hand zu 
bekommen. In Amerika, das bei dem Fehlen 
jeder volkhaften Struktur die geringsten 
Hemmungen auf dem Wege zur Vermassung 
hatte, in England, das den Amerikanisie- 
rungstendenzen keinen genügenden Wider- 


67 


stand bot, in Deutschland, das die Versailler 
Rückschläge am besten durch weitestmög- 
liche Nachahmung der amerikanischen 
Wirtschaft aufholen zu können glaubte, in 
der Sowjetunion, wo auf eine primitive, 
bereits massenartige landwirtschaftliche 
Grundlage eine hochamerikanisierte In- 
dustrie aufgepflanzt wurde, überall kam 
man an den Punkt der Entwicklung, bei dem 
es ohne den Versuch, die Massen zu 
organisieren und zu formen, nicht 
weitergehen konnte. Dies ist die zeit- 
geschichtliche Situation, die zu erkennen 
viel zum Verständnis dessen, was heute 
vorgeht, beiträgt. Die Lösungsversuche sind 
verschieden. Aber in den Vereinigten 
Staaten wie in der Sowjetunion laufen sie 
auf eine weitere, nunmehr systematisierte, 
immer straffer werdende Amerikanisierung 
hinaus. Weitere Amerikanisierung bedeu- 
tet weitere Unifor mierung, weitere bloße 
Multiplikation der bisherigen „Errungen- 
schaften” und damit weitere Ausschaltung 
des Kulturellen. Denn Multiplikation ist 
nichts Schöpferisches, und daher führt jede 
Amerikanisierung in eine Sackgasse. 


Die deutsche Aufgabe ist eine andere, 
und der deutsche Weg ist ein anderer. Es 
gilt der Versuch, die Vermassungen wieder 
aufzulösen und in Gemeinschaften zusam- 
menzuführen, um so wieder zu einem durch- 
gegliederten Volkskörper zu kommen. Je 
mehr es gelingen wird, zu entamerikani- 
sieren, desto erfolgreicher wird man auf die 
Dauer sein. Man wird um so erfolgreicher 
sein, je mehr man erkennt, daß es sich bei 
aller Anwendung und Nutzbarmachung der 
Technik um Entamerikanisierung handeln 
muß. Es muß die entamerikanisierte 
Anwendungsform der Technik ge- 
funden werden, die von Amerikanisierung 
entgiftete Technik. Daß es um die An- 
wendungsform geht, zeigen deutlicher denn 
je die Zerstörungen der europäischen Kul- 
turdenkmäler durch amerikanische Bomber. 
In der Entamerikanisierung der modernen 
Kultur liegt erstens die europäische 
Kulturaufgabe Deutschlands. Ame- 
rikanisierung, ist der Tod der Kultur. Die 
„amerikanismusfreie“ Haltung ist die 
schöpferische und führt weiter. In ihr allein 
liegt also zweitens die Fortsetzung der 
Kultur. 


Die amerikanische Krankheit ist eine 
schleichende und gefährliche, und ihr zu 
unterliegen erscheint oft verführerisch. Um 
so mehr, je mehr man die Vorteile der 


68 


y SN 4 iz 
Technik und der modernen Zis 
nutzen, je mehr man den a No 
stand heben will. Je mehr man in < 
Richtung gehen will, desto mehr De 
man eine festgefügte Haltung, die der Ame- 
rikanisierung widerstehen kann. ` 


Die Bazillen der amerikanischen Krank- 
heit sind nicht leicht zu finden, denn sie 
verkörpern sich nicht in den realen Dingen 
der Technik und der Zivilisation als 
solchen, sondern in der Denkhaltung, die 
dahinter steht. Die Frage Amerikani- 
sierung — Entamerikanisierung ist aber 
deutlich genug, um auch bei der stä 
Haltung das Gesunde vom Kranken zu un- 
terscheiden und den Streit um die Bedeu- 
tung der Stadt zu klären. Sie wird genau 
angeben, wo die Grenze liegt, bis zu der ein 
städtisches Gebilde gesund ist. Sie wird 
also das geeignete Werkzeug sein, > 
Kriterium, das zeigt, wie weit die recht 
haben, deren Instinkt etwas Schädliches 
der städtischen Denkhaltung Werer an 
ebenso die, welche die Stadt als Kul el 
zentrum verteidigen. Be 

J3 Ba 


Entscheidend aber ist die Der haltur 
Die Amerikanisierung kommt nicht von un- 
gefähr. Und nicht einmal zu dieser negati- 
ven Kulturerscheinung hat Amerika selbst 
die Wurzeln gelegt. In Amerika nur konnte 
sie sich hemmungslos entwickeln und 
von da aus zurück die alten Kulturen ver- 
giften. Die Wurzeln der Amerikani- 
sierung gehen weit zurück, mindestens 
bis in die Zeit der Aufklärung, vielleicht 
auch noch weiter bis zu den Nominalisten 
und Scholastikern, vielleicht auch bis in die 
Antike zurück. Dies wird noch notwendig 
sein zu erforschen, um den ersten Keim 
einer Fehlentwicklung des menschlich 
Geistes zu finden, die unmittelbar neben 
der positiven modernen Entwicklung liegt 

Sie zeigt sich am deutlichsten in der 
früher üblichen Haltung einer gewissen 
städtischen Schicht der Halbbildung, die 
so gerne mit einer gewissen Überlegenheit 
auf die bäuerliche Denkhaltung herab- 
blickte und die glaubte — von den wahren 
Kulturträgern der Städte ist hier nicht die 
Rede — es käme nur auf eine, man kör 
sagen, gewisse Virtuosität des Modernen 
an, auf Technik um der Technik willen und 
Zivilisation um der Zivilisation willen, statt 
um tieferer Menschenwerte willen. Sie hat 
sich aber verrechnet. Sie führte zur 
Weckung unechten Bedarfs, zu Zusammen- 
ballungen des menschlichen Lebens, die nur 


ed 7 


F 


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mit vielen Hilfseinrichtungen, die nur 
wegen der Zusammenballung nötig, also 
eigentlich unproduktiv sind, existieren 
können, und heute sehen wir, daß sie 
schließlich zur Amerikanisierung des Lebens 
führt, die nur Massen, aber keine in- 
neren Werte kennt. Wo das nicht so 
deutlich wird — und es ist oft schwer zu 


erkennen — verdankt man das der Ver- 


mischung mit der anderen Denkhaltung. 


Nur die bäuerliche Denkhaltung 
führt uns weiter, die bisher nur als 
eine Stufe geringerer „geistiger Fähigkeit 
angesehen wurde, zu der man sich allen- 
falls leutselig herablassen konnte, ganz 
ähnlich wie sich etwa auf dem Gebiet der 
geistigen Arbeit Virtuosen der Dialektik 
dem echten Denker überlegen dünkten. Die 
Zeiten haben sich geändert. Gerade diese 
unterschätzte oder allenfalls romantisierte 
Denkhaltung ist es, die nämlich auch die 
geistig überlegene auf die Dauer sein wird, 
die allein den Kampf gegen die Amerikani- 
sierung der Kultur aufnehmen kann. Sie 
hat alle Trümpfe in der Hand. Sie hat weni- 
ger Dialektik, sie ist schweigsamer, sie läßt 
sich Zeit, weil sie ein Gefühl für Reife hat, 
sie prüft und wägt den echten Bedarf, sie 
wird imstande sein, die Mittel der Technik 


und Zivilisation nur da anzuwenden, wo es 
auf echten Bedarf und echte Werte an- 
kommt, und sie darf nur das anwenden, was 
sie innerlich verarbeiten kann, will sie sich 
nicht selbst zerstören; sie betrachtet mit 
einer gesunden Skepsis all das, was sich als 
sogenannter Fortschritt ausgibt, und wird 
fähig sein, die Spreu vom Weizen zu unter- 
scheiden. 


Wir müssen diese Denkhaltung ent- 
wickeln und fördern, wenn wir nicht ver- 
amerikanisieren wollen. Wir finden sie noch 
am stärksten im gesunden Bauerntum, 
wenigstens dort, wo es noch nicht durch 
die Verstädterung angekränkelt ist; wir 
vermuten sie aber auch überall dort, 
wo echte Kulturleistungen erbracht werden. 
Auch in der Stadt muß sie entwickelt wer- 
den, die, solange sie sich vor der Ver- 
massung bewahrte, größte Kulturleistung 
erbracht hat. Aber wie die Träger der 
Kultur auch in der Stadt biologisch aus dem 
Bauerntum stammen, ist dieses vorzüglich 
Träger jener Denkhaltung, die der einzige 
Weg unserer geschichtlichen europäischen 


Kulturaufgabe ist. Nur die vom National- 


Sozialismus geforderte bäuerliche Denk- 
haltung befreit und entgiftet die moderne 
Entwicklung von der Amerikanisierung. 


Die Bildung der Amerikaner ist eine bloß merkantile, eine 


| technische. Hier entfaltet sich der „praktische Mensch” in 


seiner furchtbaren Nüchternheit. Was wir Vaterland nennen, 


ist hier bloß eine Vermögensassekuranz. Der Amerikaner 


sieht nichts als nur Geld; er hat keine Idee; folglich ist der 


Staat für ihn kein geistiges Institut (Vaterland), sondern nur 


eine materielle Konvention. 


Der Dichter Nikolaus v. Lenau (1852) 


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PETER VON WERDER: 


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Verstädtertes 


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und ländliches Lebensgefühl 


Der folgende Beitrag stellt einen Auszug aus dem 
Schlußkapitel eines neuen Buches dar, das Dr. von 
Werder demnächst unter dem Titel „Die Landflucht als 
seelische Wirklichkeit“ im Schwarzhäupter-Verlag, 
Leipzig, erscheinen läßt. Nach der Darstellung der 
modernen Landflucht als eines im Grunde seelischen 
Vorgangs entwickelt der Verfasser in diesem Buch, 
unter gleichzeitiger Forderung nach einer besonderen 
Landvolkpsychologie und an Hand von praktischen 
Beispielen, die Grundlagen einer seelischen Landilucht- 
therapie. 
De Gegenwart erwächst mit dem Vorhanden- 

sein von Verstädterung und Entländlichung 
eine Fülle von Einzelproblemen materieller wie 
ideeller Art. Je tiefer die technische Struktur 
unseres Zeitalters den modernen Menschen er- 
faßt, desto dringlicher wird ihre Lösung, wenn 
das Schicksal des „Zauberlehrlings“ vermieden 
werden soll. Zweifellos hängt Erfolg oder Mib- 
erfolg bei dieser Aufgabe von der Art ab, in der 
sie begriffen wird. Denn Romantik oder Kultur- 
pessimismus liegen, in welcher Verkleidung 
auch immer, gerade angesichts der Landflucht 
gefährlich nahe beieinander und lenken von der 
Grundfrage ab. Dieselbe besteht darin, daß die 
Landflucht als soziale Krankheit mehr ist als 
eine seelische Erscheinung, die für sich selbst 
betrachtet werden darf. Darüber hinaus ist sie 
eine Teilerscheinung in einem großen psycho- 
logischen Gesamtprozeß. Als solche vermag man 
sie erst richtig einzuordnen, wenn man sie als 
ein Ergebnis der seelischen Entwicklung des 
modernen Menschen im Raum der Zivilisation 
überhaupt versteht. 


Eine derartige Entwicklung ist nur insofern 
vorstellbar, als man einen Anfangszustand und 
einen Endzustand für ihren Ablauf annimmt. Ihr 
Anfangszustand ist durch das Land und 
seine ursprüngliche Lebensform, ihr End- 
zustand ist durch die moderne Stadt und deren 
Lebensform gegeben. Zwischen Anfang und vor- 
läufigem Ende findet die gemeinte Entwicklung 
statt. Ihre einzelnen Phasen sind uns erst unvoll- 
kommen bekannt — in ihrer Verursachung, in 
ihrer Erscheinungsweise, in ihrer Gestalt und in 
ihrem Zusammenspiel. Es bedarf folglich 
der eingehenden psychologischen Erforschung, 
warum, wodurch und wie sich der Ubergang von 
der einen in die andere Lebensform vollzieht. 


Vor allem aber bedarf es auch der Klärung, 
was diesem Übergang letztlich zugrunde 
liegt. Denn beide Lebensformen, die ländliche 
wie diejenige der modernen Stadt, sind in ihrem 
eigentlichen Gehalt nicht durch eine summative 


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Aneinanderreihung von äußeren Merkmalen zu 
begreifen, sondern einzig von ihrer see- 
lischen Beschaffenheit als Ganzes her. 
Nicht die Außenseite also, sondern die Innen- 
seite führt zum Kern, dieser zwei grundlegenden 
Lebensformen, den man als ihr spezifisches Le- 
bensgefühl bezeichnen kann. Das Lebens- 
gefühl darf als seelischer Ausdruck der Le- 
bensform gelten: erst das Lebensgefühl gibt die 
Impulse, die aus der Lebensform lebendige 
Wirklichkeit werden lassen. Als solches stellt 
das Lebensgefühl gleichsam den Quell der 
menschlichen Haltung dar, die sich in 
der jeweiligen Lebensform verwirklicht. Es bil- 
det auf diese Weise das innere Zentrum, 
von dem aus sich alles menschliche Tun zur 
geschichtlichen Gestalt formt. Deshalb kann 
man auch das Problem der Landflucht kaum mit 
Aussicht auf konkreten Ertrag erörtern, wenn 
man sich nicht um eine Erkenntnis des in iht 
wirksam werdenden Lebensgefühls bemüht. 


Ehe wir in dieser Absicht den Versuch unter- 
nehmen, das Lebensgefühl der beiden genannten 
Lebensformen näher zu kennzeichnen und von- 
einander abzugrenzen, müssen wir uns aber klar- 
werden, daß der Gegensatz von ländlichem und 
städtischem Lebensgefühl im Rahmen unse- 
rer Betrachtung keine Berechtigung hat. Der 
unserem Gedankengang entsprechende Gegen- 
satz heißt vielmehr: ländliches und verstäd- 
tertes Lebensgefühl. Denn auch in der Stadt 
der Gegenwart kann erfahrungsgemäß einer 
mehr oder minder großen Zahl von Menschen 
ein Lebensgefühl eignen, das demjenigen des 
Landes ähnlich, ja in manchen Punkten sogar 
gleich ist. Erst wo unter modernen Existenz- 
bedingungen die seelische Verfassung im stren- 
gen Sinne verstädtert, tritt dem ländlichen auch 
ein verstädtertes Lebensgefühl entgegen. 


Das verstädterte Lebensgefühl erwächst aus 
einer inneren Situation, deren Wesen in einer 
unheilvollen Kluft zwischen Bewußtsein 
und Unterbewußtsein beruht. Diese Kluft 
tritt in mannigfacher Weise zutage und ent- 
steht auf dem Boden eines Zerfalls der leib- 
seelischen Einheit des Menschen. Mit der fort- 
schreitenden Zivilisation tut nämlich der mensch- 
liche Körper, wie man sagen kann, für sich allein 
zunehmend mehr, als die menschliche Seele 
mitzuerleben und gutzuheißen vermag. Je me 
chanischer vor allem die beruflichen Tätigkeiten 


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des modernen Menschen werden und je mehr an 
Raum und Zeit das mechanische Tun auch im 
nichtberuflichen Bereich beansprucht, desto 
schlechter kommt dabei die Seele in ihren unbe- 
wußten Tiefenschichten weg. Indem die Zivili- 
sation in unerschöpflicher Fülle Arbeitsauf- 
gaben über Arbeitsaufgaben stellt, die vornehm- 
lich Bewußtheit und Wachsein, Verstand und 
Überlegung erfordern, desto mehr und häufiger 
zwingt oder verleitet sie den Menschen zu 
„seelenlosem“ oder „entseeltem‘ Tun. 


Die ganze Arbeit der Zivilisationsberufe hat 
denn auch, verglichen mit der Arbeit der Ur- 
berufe, einen eigenartig abgeleiteten Charakter. 
Sie versetzt die ihr verpflichteten Menschen in 
eine Atmosphäre der Mittelbarkeit und 
bringt sie in ein gewisses Zwielicht der un- 
eigentlichen Betätigung. Die beruflichen Auf- 
gaben haben keine unmittelbar selbstverständ- 
liche Natur mehr, sondern dienen zum großen 
Teil bloß der Vermittlung. Ihr Sinn ist nicht von 
vornherein anschaulich und damit überzeugend 
zu erleben, sondern immer mehr nur durch ab- 
strakte Vorstellungen zu gewinnen. Der Mensch 
übersieht in der Regel nicht das Ganze seiner 
beruflichen Anstrengungen, sondern lediglich 
einzelne Bruchstücke. In dieser sozusagen halb- 
fertigen Welt muß er deshalb notgedrungen 
dauernd seinen Verstand zu Hilfe 
rufen, um dem naturhaften Drang nach Ganz- 
haftigkeit seines Lebens nachzukommen. Letz- 
teres gelingt ihm aber immer weniger, je mehr 
Zeit und Energie die Bewältigung seiner zivili- 
satorischen Aufgaben verlangt. So kommt es 
dann schließlich zu dem mechanischen Tun, das 
Körper und Seele nicht mehr in jener engen 
Beziehung zueinander beläßt, die zur vollen 
Gesundheit beider notwendig ist. 


Sowohl in ihrer Gesamtheit als auch in ihren 
Einzelheiten betrachtet, ist die Leistung der 
technischen Zivilisation für sich ge- 
nommen weder sonderlich moralisch noch son- 
derlich unmoralisch. Hinsichtlich des von ihr 


bewirkten Effekts für den modernen Menschen 


indessen hat sie unleugbar eine positive und 
eine negative Seite. Beide gilt es unbefangen 
zu sehen, wenn man der Wirklichkeit im Urteil 
und im Handeln gerecht werden will. Denn die 
nur mit höchster intellektueller Anspannung zu 
meisternde Zivilisation und insbesondere ihr 
Kernstück, die moderne Technik, ist einmal ein 
Zeugnis menschlicher Schaffenskraft 
und ein Beweis menschlichen Scharfsinns. Zum 
anderen aber bedeutet sie auch eine ständige 
Cefährdung des Menschen als In- 
stinktwesen, und zwar durch die einseitige 
Benutzung der rationalen Kräfte seines see- 
lischen Haushalts. Angesichts der Doppelpolig- 
keit des menschlichen Seelenlebens, das Ver- 
stand und Gefühl umfaßt, wird deshalb die große 
Frage nach der Zukunft der Zivilisation oder 
vielmehr nach der Zukunft des Menschen in der 
Zivilisation dahin zu beantworten sein, daß 


zwischen Bewußtsein und Unterbewußtsein, In- 
tellekt und Instinkt, Verstand und Gefühl ein 
Verhältnis relativer Ausgewogenheit 
herrschen muß. Je kälter das Verstandesleben 
wird, desto wärmer muß das Gefühlsleben sein. 
Je mehr Raum die intellektuellen Vollzüge 
beanspruchen, desto nachhaltiger müssen die 
ohnehin kurzen Gefühlserlebnisse sein. 


Mit anderen Worten: je weiter die Zivilisation 
voranschreitet, desto dringender wird die 
Notwendigkeit eines Ausgleichs und 
desto zwingender wird die Schaffung von ent- 
sprechenden Ausgleichsmitteln. Unterbleibt die 
systematische Konsequenz aus dieser Notwen- 
digkeit, dann droht Gefahr. Wird die innere 
Gleichgewichtslage zwischen den rationalen 
Kräften der „Höhe“ und den emotionalen Kräf- 
ten der „Tiefe“ allzulange und auf Dauer gestört, 
überwiegt also im seelischen Geschehen die 
Welt des Verstandes, des Bewußtseins, des In- 
tellekts oder wie immer man die rationale Seite 
des menschlichen Seelenlebens bezeichnen mag, 
so widerlegt sich die Zivilisation am Ende im 
und am Menschen selber. Die ihr drohende Ge- 
fahr besteht dem Prinzip nach in einer Ent- 
wurzelung, die alle Gebiete des indi- 
viduellen und sozialen Daseins und 
Verhaltens ergreifen kann. In Erschei- 
nungen wie dem Marxismus und Liberalismus ıst 
sie bereits weithin sichtbar aufgetreten. Aber 
auch die Landflucht gehört zu diesen Er- 
scheinungen, in denen sich eine zu weite Entfer- 
nung von den Ursprüngen des Tuns und Lassens 
ausspricht, die den natürlichen Forderungen des 


Lebens zuwiderläuft. Gehandelt wird zwar nach 


wie vor auch von dieser seelischen Verfassung 
aus, aber unbewußt vom falschen Ansatz her 
und folglich mit falschem Ergebnis. Denn nun 
wird ja das Unterbewußtsein in gefährlicher 
Weise frei, wird ungebunden und steuerlos und 
kann unerwartet eruptionsartig hervorbrechen 
aus der mißachteten Tiefe, ahnungslos gegen- 
über den Formen echter Kultur, in der rationale 
und emotionale Kräfte, Bewußtsein und Unter- 
bewußtsein zum Einklang kommen. 


Aus dem dargelegten Entwicklungsgang see- 
lischer Art folgt, daß die Grundposition des ver- 
städterten Lebensgefühls das Machen ist — und 
zwar im Sinne eines mehr oder weniger scharf 
ausgeprägten Gegensalzes zum Wachsen, dus 
die entsprechende Grundposition des ländlichen 
Lebensgefühls bildet. Tun und Handeln, Lassen 
und Beiseitestehen erfolgt bei diesem Lebens- 
gefühl aus der unbewußten Annahme heraus, 
daß alles gemacht werden kann. Damit ver- 
drängt eine wesentlich künstliche Vorstellung 
vom Charakter der Dinge die natürliche Vor- 
stellung, derzufolge alles wächst, sich ent- 
wickelt, groß wird. Genauer gesagt, die Vor- 
stellung vom künstlichen Charakter der für den 
Menschen bestehenden Welt überlagert die 
frühere natürliche Vorstellung. Denn zweifellos 
weiß auch der Mensch mit verstädtertem Le- 


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bensgefühl, daß es Wachstum gibt. Aber er ver- 
hält sich gerade auch. im sozialen Leben der 
modernen Stadt unbewußt immer mehr so, als ob 


alles künstlich und auf rationalem Wege ge- 


macht werden könnte. 


Eine solche Ausgangslage legt ihm die Zivilisa- 
tion beinahe auf Schritt und Tritt so nahe, daß 
er ohne die Fähigkeit zur kritischen Betrachtung 
kaum anders kann, als sie über kurz oder lang 
unbesehen anzunehmen. Das beginnt schon bei 
der untersten und ursprünglichsten Erfahrungs- 
stufe des täglichen Lebens, bei der Ernährung, 
wie die moderne „Konservendosenkultur” bei- 
spielhaft zeigt, bei der die weitgehend denatu- 
rierteNahrung künstlich erwärmt wird, nachdem 
sie beim ursprungsfernen Verteiler erworben 
wurde. Bereits beim Kinde der modernen Zivili- 
sation wird diese denaturierte Ernährungsform 
angewendet, deren physiologische Wirkungen 
uns bisher bekannter sind als die sicherlich 
gerade auch im Unbewußten vorhandenen psy- 
chologischen Wirkungen. 


Dieser Mangel an anschaulicher Einsicht in 
den Vorgang des natürlichen Wachsens und 
Werdens setzt sich dann in zahllosen Varianten 
bis in die höheren und höchsten Stufen der Er- 
fahrung fort. Außerordentlich verstärkt wird 
die damit gegebene psychologische Verfassung 
ferner durch den Eindruck der durchaus künst- 
lichen Umwelt der modernen Zivilisation, die 
das Wuchshafte nach Möglichkeit ausschaltet 
oder doch mit dem Schein der Künstlichkeit 
umkleidet. Von morgens bis abends, bei Arbeit 
und Muße, durch Monate und Jahre hindurch 
beherrschen mit geringen Unterbrechungen also 
die Einflüsse des künstlichen Machens den mo- 
dernen Menschen bis in die Tiefe, der selber in 
der Regel „macht“ und nicht mehr in einem 
organischen Wachstumsvorgang tätig ist, dem 
er gleichsam nur zu seiner Vollendung hilft. 


Es leuchtet ohne weiteres ein, daß dies alles 
nicht ohne tiefe Folgen für das gesamte Lebens- 
gefühl bleiben kann. Das konkrete, in dauernder 
Erfahrung bestätigte und daher lebendige Wesen 
um das Wachsen als Grundvorgang des Lebens 
weicht zunehmend einem abstrakten, nur noch 
spärlich erfahrbaren und‘ daher unlebendigen 
Wissen um diese Voraussetzung gesunder 
Existenz. Der Mensch fühlt sich infolgedessen 
nicht mehr in die ihm übergeordneten 
Zusammenhänge eingeordnet und ein- 
gebettet, sondern er steht gleichsam immer 
öfter draußen und allein da, verliert meist 
unbemerkt den Kontakt mit dem Gewachsenen 
und Natürlichen und überschätzt alles Künst- 
liche und Gemachte als das eigentliche Element 
seines Lebens, das es doch in Wahrheit niemals 


zu sein vermag. Aus der einstigen Höhenwelt 


des Verstandes wird ohne den ständigen Bezug 
zur Tiefenwelt der Instinkte und Gefühle, des 
Ursprünglichen und Unbewußten eine Welt der 
Oberfläche, der eine steuerlos werdende Welt 


72 


stalt einer 


unterbewußter Triebhaftigkeit entspricht — dies 
ist etwa im Extrem die sozialpsycholo- 
gische Situation Nordamerikas, wo das 
verstädterte Lebensgefühl bis in die Methoden 


der Kriegführung hinein jenes Nebeneinander 


von höchster zivilisatorischer Entwicklung und 
äußerster seelischer Barbarei umfaßt, das auf 
eine tiefe Kluft zwischen Bewußtsein und Unter- 
bewußtsein schließen läßt. 


Im Bereich des individuellen Lebens führt 
diese seelische Verfassung des verstädterten 
Lebensgefühls außer zur Vereinzelung und Ver- 
einsamung zu einer weitgehenden charakter- 
lichen Indifferenz. Sie tritt sowohl in Ge- 
zunehmenden äußeren und 
inneren Schablonenhaftigkeit der 
Menschen in Erscheinung als auch in Gestalt 
einer zunehmenden Unbekümmertheit ge- 
genüber charakterlichen Schwächen 
bei sich und anderen. Je größer die Zahl der 
Menschen wird, mit denen der verstädterte 
Mensch lebt, desto weniger kümmern ihn ihre 
Schwächen, desto weniger sieht er aber auch 
eigene Schwächen, für die es zahllose Erklärun- 
gen und Entschuldigungen gleichsam situations- 
technischer Art gibt. Wille und Verstand 
werden eben von der Zivilisation so stark an- 
gesprochen, daß ihr Regiment alle Korrekturen 
aus tieferen seelischen Bereichen zu verhindern 
neigt. Hier liegt die psychologische Wurzel für 
die Tatsache der modernen Korruption im wer- 
testen Sinne dieses Wortes, die zwar nicht von 
ungefähr im zivilisationssüchtigen Nordamerika 
ihren besten Nährboden gefunden hat, aber auch 
anderswo stets ein verläßliches Kennzeichen 
dafür ist, daß der ihr erliegende Mensch von 
einem verstädterten Lebensgefühl bestimmt wird. 


Und im Bereich des sozialen Lebens läßt das 


verstädterte Lebensgefühl die Überzeugung ent- 
stehen, daß das Zusammenleben der Menschen 
lediglich Gegenstand einer vollendet mecha- 
nischen Regelung zu werden braucht, um seine 
eigentliche Höchstform zu erreichen. Gemein- 
schaft, Volk und Rasse haben als eine Art von 
Wachstumsbegriffen im Dunstkreis dieses Le- 
bensgefühls keine Bedeutung, wohl aber Gesell- 
schaft, Menschheit und Masse, also Begriffe, die 
nichts Wuchshaftes enthalten. Infolge dieser 
Anschauung, die das Seelische praktisch aus 
dem sozialen Leben verbannt und statt dessen 
Zweck und Nutzen einsetzt, ergibt sich erst die 
Möglichkeit zu jenen großen Kollektiv- 
erkrankungenseelischer Art, von denen 
nicht nur im Hinblick auf die Landflucht wieder- 
holt die Rede war. Auch hier ist die innere Ver- 
wandtschaft zwischen dem zivilisatorischen 


Denken und den angedeuteten Gegensätzen 


jener sozialen Wachstumsbegriffe offenbar. 


Die fabrikatorische Eigenart des zivilisato- 
rischen Denkens, die eben durch die ständig vor- 
dringende Vorstellung des Machens gegeben ist, 
beeinflußt die Menschen mit verstädtertem Le- 


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Der bisherige Verwalter, Bauer Hoffmann, überreicht dem neuen Hofbesitzer 
vor dem Betreten des Hauses als symbolische Ubergabe Salz und Brot. — 
Ein Landdienstmädel übergibt den Erntekranz 


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WW ährend noch die Schlachten an allen Front 
ausgefochten werden, hat es sich die Heimat ur 
vordringlichen Aufgabe gemacht, ihren Dank de: 
kämpfenden Soldaten in der ständigen Hilfe gen 
Kriegsversehrten gegenüber abzustatten. Der Sold 
der seinen Eid auf Führer und Volk mit seine 
ganzen Einsatz und mit der Hingabe von Piot 
kräftigt hat, der sich draußen an der Front bewäl 
und über das Maß der täglich aufs neue bewies 
Tapferkeit jedes einzelnen hinaus hervorrag: 
kühne Taten vollbrachte, muß und wird den D 
der Heimat spüren. 


Im Reichsgau Wartheland wurde der Anfang 
macht, Kriegsversehrte dieses und des vorigen) 
krieges auf selbständigen Höfen cinzuse 
und da leistet auf den Bauernhöfen des 
schon so mancher Kriegsversehrte, der ber 0 
den Fronten mit dem Schwerte siegreich 
mit dem Pflug auf deutscher Scholle neue 
Kampf um Deutschlands Freiheit. 

In diesen Kreis der jungen und alten np 
deutschen Boden tritt nun ein neuer, hervon 
bewährter Soldat dieses Krieges, ein alter pol 
Soldat des Führers, Oberbannführer der Hitler 
Eichenlaubträger Hauptmann Gerhard Heii 
kürzlich vom Gauleiter des Reichsgaues Wa 
Greiser, den Bauernhof Wollheim im Kreise 0 
als Geschenk überreicht bekam. Diese 
schenk soll als Symbol für alle deut 
Soldatengelten; mit ihm will das Wa 
einen Teil seiner Dankesschuld abtragen 
Gau dem Führer für die Befreiung dieses 
schuldig ist. Denn nur der Pflug zusammen 1 mi 
Schwert sind und werden in der Lage seim, $ 
tonte Gauleiter Greiser bei der Geschenkü 
diesen hart umkämpften Boden als Zukunf 
unseres Volkes zu sichern. Mit der UÜbergabi 
Bauernhofes an diesen vorbildlich soldat 
Kämpfer bringt das deutsche Volk und der Rem 
gau Wartheland seine tiefe Verbundenheit und seine 
großen Dank dem deutschen Soldatentum gegenüb® 
zum Ausdruck. 


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mit den Pferden 


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Eichenlaubträger Hauptmann Hein trägt kämpferischen 
Grenzlandgeist in sich; er wurde im Jahre 1916 als Sohn 
eines oberschlesischen Bergmannes in Klein-Panie ge- 
boren. Schon während der Schulzeit hat er als HJ.- 
Führer in der Arbeit an der deutschen Jugend seine 
Pflicht erfüllt. Seine landwirtschaftliche Ausbildung erwarb 
er sich auf einer Landjahrschule. Auch hier erwies er 
hervorragende Befähigung, so daß er nach Abschluß des 
Lehrganges als Landjahrführer-Anwärter angestellt, nach 
kurzer Zeit zum Landjahrgruppenführer und nach weiterer 
Bewährung zum Lagerführer befördert wurde. 


Das Ritterkreuz errang sich Hauptmann Hein im West- 
feldzug als Unteroffizier in einem Schleswig-Holsteinischen 
Grenadierregiment, wo er sich bei den Kämpfen um St. Evre 
durch besondere Tapferkeit auszeichnete. Auch den Ost- 
feldzug hat Gerhard Hein von Beginn an mitgemacht und 
sich dort ebenfalls in jeder Kampflage als umsichtiger und 
draufgängerischer Führer bewährt. Seine hervorragenden 
Leistungen wurden mit den höchsten Tapferkeitsauszeich- 
nungen belohnt; er erhielt als erster Infanterieleutnant des 
Heeres das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen 
Kreuzes. 


Zur Feier der Übergabe des 300 Morgen großen Bauern- 
hofes an Hauptmann Hein war der schöne große Innenhof 


dicht gefüllt mit Menschen. Da 
war die Parteiführerschaft des 
Kreises Gnesen, die dem alten 
politischen Soldaten ihren Gruß 
entbot, es waren in dichten 
Reihen die Jungen und Mädel 
des Landjahres und Landdien- 
stes der Hitler-Jugend ange 
treten, die dem Oberbannführer 
ihre Ehrung bezeigten; es hatten 
sich die im Umkreis von Gnesen 
bereits eingesetzten Kriegsver- 
sehrten eingefunden, um ihren 
neuen Kameraden zu begrüßen, 
und neben der Belegschaft des 
Bauernhofes waren ansässige 


Der junge Wehrbauer und seine Fres 
bei einem Rundgang durch den neuen Hot 


Bauern und Bäuerinnen in große 
Zahl erschienen, um dem junge 
Wehrbauern die Hand zu drücke 


Ein tapferer Soldat, ein hervo 
ragender Führer und sympaiki= 
scher Mensch —, das ist Gerharz 
Hein, der nun als Wehr baue 
seinen Dienst an der deutsche 
Scholle antritt, um den mit BE 
erkämpften Boden im Osten zu 
deutschen Bauern- und Heim 
land zu machen. 


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bensgefühl so sehr, daß sie sich. auch in ihrem 
sozialen Verhalten und Handeln nach ihm rich- 
ten: das soziale Problem wird wesent- 
lichzueiner Frage des bloßen Machens 
und der künstlichen Regelung nach 
dem Gebot der Zweckmäßigkeit und 
der Nützlichkeit. Und auch hier rächt sich 
die einseitige Betonung von Wille und Verstand 
in bezeichnender Weise. Es löst nämlich im 
Banne dieses Lebensgefühls nicht bloß eine 
soziale Krise die andere ab, es weicht nicht nur 
die natürliche Gläubigkeit an nationale Werte 
einem zunehmenden Skeptizismus gegenüber 
nationalen Verpflichtungen, wie die Geschichte 
der modernen Demokratie zeigt, sondern es 
werden auch immer mehr intime soziale 
Grundbeziehungen der Menschen me- 
chanisiert und damit seelisch aus- 
gehöhlt. Auf diese Weise bewirkt das ver- 
städterte Lebensgefühl im Verein mit der cho, 
rakterlichen Indifferenz, die es im individuellen 
Bereich nach sich zieht, eine innere Entleerung, 
die nach einer rigorosen Kräftigung durch das 
ihm entgegengesetzte Lebensgefühl verlangt. 


Wie bereits aus der bisherigen Schilderung 
hervorging, ist dieses ländliche Lebens- 
gefühl von Grund auf anderer Natur. 
Daß es nicht ans Land als solches gebunden ist, 
sondern ebenso unter städtischen Verhältnissen 
zu gedeihen vermag, wurde bereits erwähnt. 
Man braucht gar nicht so weit in die geschicht- 
liche Vergangenheit hinabzusteigen, um dort 
noch umfangreiche Beweise für das natürliche 
Wesen auch des städtischen Lebens zu finden — 
die seelische Verstädterung mit ihrer zwangs- 
läufigen Mechanisierungstendenz ist eben erst 
eine moderne Erscheinung. Und die bereits Ge- 
schichte gewordene deutsche Gegenwart be- 
weist gleichfalls mit dem Erstarken des natür- 
lichen Denkens auf den verschiedensten Gebie- 
ten, daß ein nichtverstädtertes und d. h. eben ein 
ursprüngliches, im Kern ländlich bestimmtes 
Lebensgefühl auch unter zivilisatorischen Ver- 
hältnissen bestehen kann. Die moderne Stadt 
macht seine Erhaltung bloß im Gegensatz zu 
früher zu einer lebensgesetzlichen Aufgabe. 


Die Darstellung des ländlichen Lebensgefühls 
befindet sich von vornherein ganz anderen 
Schwierigkeiten gegenüber als die Darstellung 
des verstädterten Lebensgefühls. Denn die 
innere Geschlossenheit der Lebensform, die von 
diesem Lebensgefühl erfüllt wird, ist einer be- 
grifflichen Aufteilung nur bedingt zugänglich. 
Während bei der Beschreibung des verstädterten 
Lebensgefühls die ihm zugehörige Lebensform 
gerade infolge ihrer besonderen Eigenart, jener 
Bruchstückhaftigkeit, der zergliedernden Er- 
kenntnis entgegenkommt, verhält es sich beim 
ländlichen Lebensgefühl genau umgekehrt. Aber 
mit der einfachen Feststellung, daß es sich bei 
letzterem eben im wesentlichen um das Gegen- 
teil des ersteren handelt, kann es trotzdem nicht 
sein Bewenden haben, so zutreffend diese Fest- 


stellung auch sein mag. Dringen wir über sie 
hinaus, so stoßen wir gleich auf die grund- 
legende Eigenschaft des ländlichen Lebens- 
gefühls, die in seinemorganischenCharak- 
ter besteht. Ihm entspricht die innere Gestalt 
der ländlichen Lebensform, die sich stets als ein 
natürliches Ganzes darstellt, von welcher 
Seite man sie auch zu erfassen sucht. Die ein- 
zelnen Teile dieses Ganzen, die nur auf begriff- 
liche Weise voneinander zu scheiden sind, 
stehen stets in einem engen, wuchshaften Zu- 
sammenhang miteinander. Anders als beim 
städtischen Leben wird man daher beim länd- 
lichen Leben immer wieder von den Teilen zum 
Ganzen geführt. Daraus ergibt sich denn auch 
die entscheidende Grundposition des ländlichen 
Lebensgefühls, das Wachsen. 


Das ländliche Lebensgefühl wird nicht von der 
Vorstellung getragen, daß im Grunde alles 
künstlich gemacht werden kann und gemacht 
worden ist, sondern hier ist in allem Tun und 
Lassen die schweigende Überzeugung lebendig, 
daß im Grunde alles organisch gewachsen ist 
und wächst. Das Wachsen als Grund- 
vorstellung für alles, was ist, durchzieht 
sämtliche Außerungsformen dieses Lebens- 
gefühls, von der untersten bis zur höchsten Stufe 
der Erfahrung. Dadurch wird allem künstlich 
Gemachten von Anfang an ein bestimmter Rang 
zugewiesen, demzufolge es nach dem wuchshaft 
Gewordenen rangiert. Und zwar geschieht dies 
nicht etwa auf Grund bewußt angestellter Uber- 
legungen, sondern eben unbewußt als selbstver- 
ständliche Folge eines Lebensgefühls, das selber 
nur Ausfluß einer inneren Einheit mit Werden 
und Entwicklung ist. Ländliches Lebensgefühl 
verfährt also bei der Einschätzung des Gewach- 
senen und des Gemachten, wie man sagen kann, 
nach einer natürlichen Aufbaulehre des 
Seins, in der das Wachsen vor dem 
Machen kommt. Das ist bloß durch einen 
weitgehenden Einklang zwischen Bewußtsein 
und Unterbewußtsein möglich und auf der Basis 
einer leibseelischen Einheit, die dem Menschen 
innere Ruhe und Festigkeit gewährt. Im Rah- 
men dieses Lebensgefühls tut gewissermaßen 
der menschliche Körper nur oder doch vorwie- 
gend nur so viel, wie die menschliche Seele mit- 
zuerleben und gutzuheißen vermag. Den Boden 
dazu liefert die ländliche Arbeit und das ge- 
samte ländliche Leben selber, das für den länd- 
lichen Menschen von Kindesbeinen an konkret 
und anschaulich beschaffen ist. Deshalb ist es 
auch in der Lage, den naturhaften Drang 
nach Ganzhaftigkeit zu befriedigen 
und zu erhalten, der im Menschen als see- 
lische Notwendigkeit angelegt ist und bloß bis 
zu einer gewissen Grenze ohne Schaden unbe- 
rücksichtigt gelassen werden kann. 


In Ubereinstimmung mit der Grundvorstellung 
dieses Lebensgefühls kann es hier wenigstens 
prinzipiell auch kein „seelenloses“ oder „ent- 
seeltes“ Tun geben. Wo der zivilisatorische 


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Fortschritt dennoch Ansätze dazu aufs Land 
bringt, da reagiert das ländliche Lebensgefühl 
ganz folgerichtig darauf. Alles Mechanische 


wird nämlich von diesem Lebensgefühl aus be- 


wußt oder unbewußt lediglich als Hilfs- 
mittel gewertet, das niemals zum Selbst- 
zweck wird. Während es beim verstädterten 
Lebensgefühl gleichsam im Mittelpunkt des In- 
teresses steht, steht es beim ländlichen Lebens- 
gefühl stets mehr oder weniger an der Peri- 
pherie, ohne daß eine innere Beteiligung an 
seinem Vorhandensein eintritt wie dort. Dort 
wird dietechnische Zivilisation und das heißt das 
künstlich Gemachte vielfach zwangsläufig zum 
Wesen des modernen Lebens, dem der Mensch 
in zahllosen Berufen dient. Hier aber bleibt das 
Wesentliche unverrückbar die lebendige Natur 
und das heißt das organisch Gewachsene. Dem- 
gemäß sieht sich der Mensch dort den Dingen 
der Erscheinungswelt gegenüber, ist hier 
aber in die gewordene und werdende Welt der 
Erscheinungen eingefügt, eingebettet 
undeingeordnet. So fließend der darin zum 
Ausdruck kommende Gegensatz in der Wirklich- 


keit auch oft sein mag, man kann ihn sich gar 


nicht als bedeutsam genug vorstellen, denn er 
greift schlechterdings überall hin, wo sich 
menschliches Leben regt. Alle Erfahrung wird 
von ihm aus bestimmt, alles Tun erfährt von ihm 


‚aus seine Sinngebung nach der einen oder an- 


deren Seite, ohne daß sich der handelnde Mensch 
darüber im klaren zu sein braucht. Das gilt für 
das soziale Leben wie für das individuelle, tür 
Arbeit und Muße, für Sitte und Glauben des alten 
und des jungen Menschen beiderlei Geschlechts. 


Hinsichtlich der Entwicklung des Lebens- 
gefühles vermögen wir nunmehr zu erkennen, 
wiesich mitundinderLandfluchteine 
allmählich fortschreitende Verdrän- 
gung des ländlichen durch das ver- 
städterte Lebensgefühl abspielt. Die 
Vorstellung, daß alles wächst, wird durch die 
Vorstellung ersetzt, daß alles gemacht worden 
ist und gemacht werden kann. Oder vorsichtiger 
ausgedrückt: das Machen beschäftigt den Men- 
schen bewußt oder unbewußt mehr als das 
Wachsen. Ohne daß er die Vorstellung vom 
organischen Wachsen der Dinge völlig aufzu- 
geben braucht, tritt die Vorstellung des künst- 
lichen Machens mehr und mehr in den Vorder- 
grund und nimmt schließlich den ersten Platz 
in seinem Seelenleben ein. Damit vollzieht sich 
eine Entwicklung, die das gesamte menschliche 
Verhalten bis in die Tiefe beeinflußt und bestimmt. 


Wird dort, aus dem ländlichen Lebensgefühl 
heraus, unter der Vorstellung des Wachsens 
gehandelt, so wird hier, aus dem verstädter- 
ten Lebensgefühl heraus, unter der Vorstellung 
des Machens nur getan. Handeln und bloßes 
Tun unterscheiden sich in diesem Sinne wesent- 
lich voneinander, wenn man ihre seelische Be- 
gründung ins Auge fat. Das Handeln besitzt 
jenen im großen wie im kleinen ganzheitlichen 


74 


PER E Ze 


CS FIR, 


| an Ei Ki Sie 
Charakter, der aus einer erlebten Eins cht in de a ` 
ganzen Sinn der Handlung und ihres c schen 
Zusammenhangs zwischen. Ane ` End- 
stadium entsteht. Das bloße Tun jedoch hat 
jenen bruchstückhaften Charakter, der auf einen 
Mangel an solcher Einsicht zurückgeht. Hier 
wird also kein organischer Zusammenhang mehr 
zwischen Anfangs- und Endstadium erlebt, son- 
dern höchstens eine rationale Beziehung zwi- ` 
schen Ursache und Wirkung gesehen. | 


Ein untrügliches Zeichen für den in der F 
unbemerkt vor sich gehenden Wechsel ee, 
den beiden Vorstellungen des Wachsens und Aw: 
Machens oder zumindest für das 
des bloßen Tuns über das eigentliche Handeln 
stellt beim ländlichen Menschen die tatsäch 
liche Abwanderung vom Lande dan 
Dieser Wechsel oder dieses Uberwiegen Era 
denn auch dem Vorgang der inneren und äuße 
ren Entwurzelung und damit dem Verlust d 
Bodentreue zugrunde zu liegen. Wo nämliche e 
Wachsen als Grundvorstellung vorherrscht, da 
kann auch ein Heimatgefühl entstehen. Bis e 
einem gewissen Grade ist das noch in der g d? D 
Stadt möglich, denn selbst dort bilden 5 N 
gleichsam seelische Wurzelschichten um 
Wohnung im Mietsblock. Wo aber das N 1c 
vorherrscht, da fehlen die Vorausset: o j 
die Entstehung eines echten Heim 
Denn nun ist das, was als Heimat gelten k 
ja nur gemacht und kann ebenso beliebig zi 
nichte wie andernorts neu gemacht w 85 m „ 
ohne andere Bedingung als Zweck und Nutzen. 


Die Gegenüberstellung des vorsti diaa und 
des ländlichen Lebensgefühls muß notwendig zu 
einer gewissen Einseitigkeit führen. D Jenn 
tatsächlich handelt es sich bei ihrem Grundzug 
des Machens oder des Wachsens wohl im 5 
nur um eine Tendenz, von einer der b — 
Grundvorstellungen auszugehen. Beim Jeng e 
lichen Lebensgefühl wie beim verstädterten L 
bensgefühl schwingen gewöhnlich Einschlä * 
auch der entgegengesetzten Art in ven jen- 
ster Stärke mit. In reiner Form, d. h. als absolute 
Natürlichkeit und absolute Künstlichkeit, wird 
sich also in der Gegenwart weder das eine noch 
das andere Lebensgefühl verwirklicht finden, 
ebenso wie die entsprechenden Lebensformen 
der Regel nicht rein auftreten, sondern veri 
mit Wesenszügen der jeweils anderen 
form. Dennoch ist der praktische Erkenntni ew 
beider Arten des Lebensgefühls dadurch r icht 
beeinträchtigt oder gar in Frage gestellt. Die d 
Erkenntniswert besteht darin, daß wir durch d d | 
Rückgang auf das Lebensgefühl Grundr sh- 
tungen des Handelns und Denkens ve Bu 
stehen können, die den Menschen in seiner sec- 
lischen Eigenart unter dem Einfluß der mode rr n | 
Zivilisation bestimmt haben und bestimm en 
werden — und zwar im Sinne der Entwicklung 
von einem Anfangszustand zu einem vorläufige 
Endzustand. ' 


D 


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KURT MEYER IN DER STROTH: 


DAS BAUERNRECHT 


ALS POLITISCHES GESTALTUNGSMITTEL 


Des deutsche Mensch hat ein ausge- 
sprochenes Empfinden für Gerech- 
tigkeit, eine rassisch bedingte Eigenschaft, 
die ihn von Angehörigen anderer Völker mehr 
oder weniger stark unterscheidet. Mit dieser 
rassischen Bedingtheit hängt es zusammen, daß 
dieses Gefühl für Gerechtigkeit am besten im 
Bauerntum erhalten ist und dort wiederum 
am stärksten bei jenen gesunden Bauern, die 
rassisch ausgeglichen auf leistungsfähigen 
5 mit vielseitiger Wirtschaftsweise 
in &chter Dorfgemeinschaft leben. Und das ist 
auch erklärlich. Der germanisch - deutsche 
Mensch ist von Anfang seiner Geschichte an 
Bauer gewesen. Durch ständige Auslese und 
Ausmerze hat sich so das Wesen des deut- 
schen Menschen als bäuerlich geprägt. Zu einer 
Zeit aber, in der dieses Volk nach mehrtausend- 
jähriger Entwicklung und Entfaltung seit etwa 
70 Jahren sich in einem für unsere moderne 
Zeit so typischen Tempo vom bäuerlichen 
Wesen und von bäuerlicher Lebens auffassung 
vielfach weitgehend entfernt, muß das wahre 
deutsche Wesen besonders klar im 
echten Bauerntum in Erscheinung 
treten. Das finden wir bestätigt in der deut- 
schen Eigenschaft des starken Rechtsempfin- 
dens. 


Und weiter: das Rechtsempfinden ist in 
erster Linie ein Ausfluß des Gefühls, 
es wurzelt mehr im Seelischen als im Ver- 
standesmäßigen. Gerade aber der Bauer lebt 
mehr im Unbewußten. Die Sicherheit des Ge- 
fühls ist im gesunden Bauerntum noch nicht 
so „von des Gedankens Blässe angekränkelt”, 
wie wir das so häufig bei städtischen Menschen 
finden und wie es geradezu das Wesen des 
Intellektuellen ausmacht. Der Intellektuelle 
— als Gegenpol zum bäuerlichen Menschen — 
gründet seine Erkenntnisse fast ausschließlich 
auf den Verstand, während das Gefühl als Aus- 
fluß des seelischen Erlebens bei ihm kaum noch 
Platz hat. Zu dieser Art Menschen gehörte auch 
jener Teil der „Juristen“, der im krassen Gegen- 
satz zum Bauern meinte, das Recht ausschließ- 
lich aus den Gesetzen und aus verstandesmäßig- 
logischen Uberlegungen „finden“ zu können, 
während der Bauer es aus dem Urquell der 
Lebenseinheit end -gesamtheit „schöpft“. 


Hinzu kommt endlich, daß der Bauer in einer 
Umwelt lebt, in der dienatürlichen Ge- 
setze des Lebens noch Geltung 


haben, daß er ihnen in seiner ganzen Le- 


bens- und Arbeitsweise viel stärker unter- 
worfen ist als der Mensch in der Stadt. In 
dem ländlichen Lebenskreis behaupten die Ge- 
setze des natürlichen Wachstums, des ewigen 
„Stirb und Werde“ ihren Platz und lassen sich 
nicht ersetzen durch behördliche Verfügungen 
und Anordnungen oder gar durch papierne 
Verträge. Beispielsweise wohnt der Bauer auf 
dem Dorfe nicht in einer Wohnung auf Grund 
eines Mietsvertrages, sondern in einem Bauern- 
hof als der angestammten natürlichen Wohn- 
und Arbeitsstätte seines Geschlechtes, dessen 
Glied er ist. Das besagt der alte Bauernspruch: 


„Das Haus ist mein und doch nicht mein, 
Du gingst hinaus, ich ging herein, 
Und nach mir wird's genau so sein.“ 


Der Bauer arbeitet nicht irgendwo außer- 
halb seiner Wohnung — wie in der Stadt — 
unter Bedingungen, die in allen Einzelheiten in 
einem behördlich festgesetzten Tarifvertrag 
oder einem Sonderarbeitsvertrag festgelegt 
sind, sondern er bearbeitet den Boden und 
züchtet das Vieh unter jenen natürlichen, unge- 
schriebenen Gesetzen, die einem die Natur 
unerbittlich und wnabänderlich vorschreibt, 
genau so, wie es schon beim Vater und Ur- 
ahnen der Fall war, wenn sich deren Arbeit, 
zum Teil auch unter anderen Formen und mit 
anderen Geräten abwickelte. Was sich 
hierbei änderte, ist höchstens die 
äußere Form, nie aber das innere 
Gesetz, das wir aber vielfach mit unserem 
Verstand übersehen oder gar vergessen haben. 
So ist der einzelne, seiner Berufung als Bauern- 
sohn folgend, in den Beruf ganz natürlich 
hineingewachsen, vom Kind zum Manne ge- 
reift, indem allmählich aus Spiel immer mehr 
Ernst wurde. Das Objekt des Spiels war beim 
Kinde aber dasselbe wie später das Objekt der 
Arbeit beim Bauern oder bei der Bäuerin. Des- 
halb ist auch im Grunde beim Bauern die Ar- 
beit — wenn sie nicht infolge Uberbeanspru- 
chung zur Plage wird — noch Freude und nicht 
etwas, man man gegen Entlohnung für andere 
tut. Die sich aus einem Arbeitgeber- und Ar- 


75 


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beitnehmerverhältnis ergebenden sozialen Span- 
nungen sind daher auch der Bauernarbeit und 
gemeinschaft an sich fremd, weil sie unnatür- 

lich sind. Erst als der Knecht und die Magd als 
„Landarbeiter“ aus der Hausgemeinschaft aus- 
‚geschlossen und in ein „Arbeitsverhältnis’ 
hineingestellt wurden, begannen diese Span- 
nungen. 


Es greift auch normalerweise in das Leben 
Ges Bauern — im Gegensatz zum Leben des 
Großstädters — nicht täglich oder stündlich 
etwas ein, was den Ablauf seiner Lebensgesetze 
stört oder gar hindert. Vielmehr geht alles 
seinen natürlichen Gang. Jede empfindliche, ja 
sogar vernichtende Störung, wie Blitzschlag, 
Brand, Hagel oder Seuche, ist selbst ein Teil 
der Gesetzmäßigkeit der Natur und 
wird daher auch als solche mit einer Selbst- 
verständlichkeit hingenommen, die dem städti- 
schen Menschen unverständlich ist und ihn 
leicht veranlaßt, den Bauern gefühllos, ja roh 
zu finden, ihm also gerade das abzusprechen, 
was dem Städter selbst in Wahrheit am meisten 
fehlt. 


Alles das ist es, was dem Bauern, dem bäuer- 
lichen Menschen überhaupt das ihm eigentüm- 
liche Rechtsempfinden bewahrt hat. Alles das 
ist es aber auch, das solchen Menschen Ruhe 
und Sicherheit, Stolz und Freude, Mut und Be- 
harrlichkeit, Selbstbewußtsein und Gemein- 
schaftsverbundenheit vermittelt. Das bäuerliche 
Rechtsempfinden ist daher engstens mit all den 
Werten gekoppelt, die das Leben des Bauern 
ausmachen. Ohne diese Lebenswerte hätte der 
Bauer nicht sein tiefes Gefühl für Recht und 
Unrecht. Und wenn ihm sein tiefes Rechts- 
empfinden abhanden käme, würden ihm diese 
Werte des Lebens erschüttert sein und das 
Dasein nicht mehr lebenswert erscheinen. Nur 
aus dieser Schau ist derewige Kampfdes 
Bauern um sein Recht zu verstehen. 
Indem der Bauer für sein Recht blutet, kämpft 
er um sein Leben. Tausende und aber Tausende 
von Bauern sind im Kampf um ihr Recht in 
den Bauernkriegen in den Tod gegangen, weil 
sie ohne ihr Recht nicht leben konnten. Wie 
es zu allen Zeiten war, so gibt es auch heute 
noch viele Bauern, die lieber ihren ganzen Hof 
verprozessieren, um ihr wirkliches oder ver- 
meintliches Recht zu verteidigen, als sich von 
ihrem Recht auch nur einen Deut nehmen zu 
lassen. Die Gegner aber versuchten, in diese 
Auffassung mit ihrem andersgearteten Geist 
einzudringen, indem sie den Satz aufstellten: 
„Ein Quentlein Gold wiegt mehr als ein Zentner 
Recht.“ Der wahre deutsche Mensch blieb aber 
seiner Auffassung treu, die ein alter Spruch 
bezeugt: „Das Recht ist so heilig, daß man es 
mit Kaufen nicht verunehren soll.‘ Viele 
Städter aber halten heute solche Bauern für 
dumm, die bis zum letzten um ihr Recht 
kämpfen, da sie nicht mehr wissen, daß der 


76 


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Bauer mitseinem Rechtsgeft 
und fällt. SES 


Wenn man den Bauern in seinem | 
treffen, d.h. ihn vernichten will, brauct 
ihm also „nur“ sein Recht neh Das h 
aber anders gesehen, daß man dieses R 
die stärkste Kraft des Bauern — u 
um ihn ganz unterzukriegen. Not, meng g mm 
wirtschaftliche Vernichtung, alles das b t de e 
deutschen Bauern — und gerade so den ech n 
deutschen, Menschen — nicht um, solar ge er 
sich sein Recht bewahrt, ihm sein Recht er erha a 
bleibt. Wir finden das in der Geschichte 15 
deutschen Bauerntums immer wieder bestäti 
Nur ein Beispiel für viele: Einst forderten Bi 
als sie aus Deutschland auszogen, um 
Katharina der Großen in Rußland : 
lassen, in erster Linie ihr eigenes Recht. 
das bekamen und solange sie das aui 
mit ihnen bergauf, biologisch, wirtschaf 
kulturell. Als ihnen 1917 in der 
wistischen Revolution dieses arteigene 
genommen wurde, gerieten sie nicht nur wirt- 
schaftlich, sondern auch biologis Ze 5 o 
in Verfall. Diese auch durch das Ein hi “ksal 
manches deutschen Bauern im Reich k 
Erkenntnis ist ein wichtiger Schlusse! č 
sung der Frage der Neubildung und der N 
gestaltung unseres deutschen Bauerntun * 
Großdeutschen Reich. 

LI e 


Diese Geschichte zeigt uns auch, daß | í 
ewigen Gegner des germanisch-deutschen M 
schentums entweder unbewußt aus 
gearteter Rassenseele oder aber 
der Kenntnis dieses Wesenskern des 
manisch-deutschen Menschen das Rechtsem 
den und das Rechtsbewußtsein des Ba € 1 
zerstören suchten. Diese Gegner Ge d 
wußten, daß nur auf diese Weise, aber so au 
um so sicherer, der deutsche Mensch zuv 
nichten ist. So zwangen sie dem Bauerntu Se 
Fremdrecht auf, das die lebensgesetzliche 
heit der Bauernhöfe mehr und mehr zersc = 
bis als letztes die Ideen der Französischen iR Revo 
lution dieses Zerstörungswerk germ chen 
Rechtsempfindens und Rechtsdenkens Y 
endeten und zu dem „Bürgerlichen“ tzb 
von 1900 führten, das den Namen „Bauer“ n 
einmal mehr kannte und lediglich den e — 
deutschen Ländern überließ, für die bé GC 
Vererbung, also für die Erhaltung der B 
höfe, im gewissen Rahmen Sondervorsch 
zu erhalten oder neu zu erlassen. 


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113 


Wenn aber auf diese Weise d lie 
störung des bäuerlichen Rechts das Bauer 
an den Abgrund gebracht wurde, so 
wird es möglich sein, auf dem umge 
Wege durchdie Stärkung des bäu 
lichen Rechts wieder zu einer 
staltung des Landvolks zu "EB 
men, bei der ein freies und stolzes Bauern 
tum, bestehend aus starken Landvolkgeschlec end ) 
tern, wieder die Grundlage von Volk und 8 


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bildet und das Fundament ist, auf dem allein 
eine hohe Kultur auf die Dauer ruhen kann. 
Das Recht ist somit ein Mittel, 
dessen sich die Politik bedient; 
eine feindliche Politik, um das Deutschtum 
durch Zerstörung seines. Rechts zu vernichten, 
eine deutsche Politik aber, um mit Hilfe des 
Rechts Volk und Staat zu beleben und zu ge- 
stalten. 


So wie das „Bürgerliche Recht" das politische 
Mittel und der weltanschauliche Ausdruck 
der vergangenen liberalistisch-kapitalistischen 
‚Staatsauffassung war, so wird das „bäuerliche 
Recht“ das starke Bindemittel zur Schaffung und 
Festigung des bäuerlich gesinnten und gesitteten 
Volkes mit einer ebenfalls bäuerlich denkenden 
und handelnden Staatsverwaltung des Großdeut- 
schen Reiches der Zukunft sein. Das eine muß 
doher bleibende Erkenntnis eines jeden Po- 
litikers werden: Es gibt keine politische Führung 
und Erziehung ohne das Recht und kein Recht 
ohne eine starke politische Macht. Das gilt vor 
allem auch für das Bauerntum und seine Füh- 
sung. Zur Neugestaltung unseres Landvolkes 
bedarf es daher seiner politischen Aktivierung 
nicht zuletzt mit Hilfe seines arteigenen Rechts. 

So haben Recht und Gesetz im Dienste der 
Politisierung und Neugestaltung des Land- 
volkes zu stehen. Das vom Führer 1933 er- 
lassene Reichserbhofgesetz ist dafür 
ein schlagender Beweis. Während auf dem 
Gebiete der Judengesetzgebung und der Erb- 
gesundheitsgesetze zunächst vor Erlaß der ein- 
schlägigen Gesetze die Volksaufklärung zum 
größten Teil mit Hilfe der Propaganda ein- 
setzen mußte, um auf diese Weise das Volk 
politisch reif für diese Gesetze zu machen, ist 
das Reichserbhofgesetz — dazu noch als das 
größte und wichtigste Rassegesetz — bereits 
1933 erlassen worden, um erst mit Hilfe dieses 
in Paragraphen gefaßten ursprünglichen bäuer- 
lichen Rechtsempfindens das Bauerntum poli- 
tisch zu aktivieren und zu erziehen. Denn 
zwei große Aufgaben stellt dieses Ge- 
setz dem Landvolk, indem es ihm zwei seiner 
seit vielen Jahrhunderten verlorengegangenen 
Rechte wiedergibt: erstens die Befugnis durch 
eigene Bauernführer sein Recht wieder -selbst 
zu gestalten und sich auf diese Weise selbst 
zu verwalten, und zweitens mit Hilfe 
eigener Bauernrichter wieder das Recht selbst 
zuschöpfen. 


Selbstverständlich ist es nun notwendig, daß 
die gesamte Bauernführung diese Bedeutung 
des Rechts für das Landvolk und diese durch 
das Reichserbhofgesetz der Bauernführung ge- 
stellte große Aufgabe erkennt und tatkräftig 
anpackt. Diese Erkenntnis zunächst einmal zu 
fördern und zu vertiefen, muß vor allem Auf- 
gabe der NSDAP. mit Hilfe des Reichs- 
amtes für das Landvolk sein. Die tat- 
kräftige Erfüllung aber dieser mit dem Reichs- 
arbhofgesetz gestellten Aufgabe ist in erster 


Linie Sache der Bauern und des gesamten Land- 
volkes selbst. Dazu sind folgende Wege zu 
beschreiten: 


I. Stärkung des Rechtsempfindens und 
Rechtsbewußtseins durch bäuerliche Er- 
ziehung 


Viele meinen, es sei heute nicht mehr mög- 
lich, den Bauern wieder allgemein dahin zu 
bringen, daß er zu dem stolzen, selbstsicheren 
Gefühl seines Wesens und zum Erkennen seiner 
Kraft kommt, das nicht zuletzt auf dem sicheren 
Rechtsempfinden beruht. Dazu ist zunächst mit 
aller Klarheit festzustellen, daß es weite Teile 
des Reiches gibt, in welchen das Landvolk 
diese Bedingungen auch heute noch erfüllt, 
weil dort noch echtes Bauerntum zu Hause ist. 
In diesen Gegenden gibt es noch genügend 
Bauern, die beste Führereigenschaften mit 
politischer Aufgeschlossenheit und einem eben- 
solchen Weitblick verbinden, wie es dort auch 
zahlreiche Jungbauern gibt, die alle Voraus- 
setzungen zum Jugendführer nicht nur in sich 
tragen, sondern diese Eigenschaften auch wirk- 
sam zeigen können, wenn sie die Waffe aus 
der Hand gelegt haben, die sie zur Zeit ebenso 
gut führen, wie sie bisher mit dem Pflug fest 
und sicher die heimatliche Scholle gebrochen 
haben. In diesen Gegenden fehlt es aber auch 
nicht an tüchtigen Bauernrichtern für unsere 
Bauerngerichte. Dort wird es keine Schwierig- 
keiten machen, geeignete Dorfrichter zu finden, 
die als Schöffenrichter wieder ein bäuerliches 
Recht schöpfen und im Ort lebendig werden 
lassen. Das hat die Vergangenheit gelehrt und 
wird die Zukunft noch bestätigen. 


Es ist andererseits aber auch richtig, daB 
unser Bauerntum in einzelnen Teilen des 
Reiches wirtschaftlich so stark vernachlässigt, 
fast vernichtet worden ist und deshalb ohne 
eigene Schuld kulturell so weit zurückblieb, 
daß es kaum noch teilnimmt an unserem heu- 
tigen Kulturleben. Gleichzeitig weist es sogar 
biologisch teils einen Rückgang, teils eine Ent- 
artung auf, die, weiter um sich greifend, den 
nicht fernen Tod unseres gesamten Volkes be- 
deuten würde. Diese Entwicklung ist in jenen 
einst ebenfalls mit bestem Bauerntum besie- 
delten Gebieten zu beobachten, in denen die 
Verfälschung des Bauern- und Bodenrechtes 
die größten Zerstörungen angerichtet hat, in 
denen das Bauerntum laufend in großer Zahl 
seine besten Söhne und Töchter „zur höheren 
Ehre Gottes“ zum Aussterben in die Stifte und 
Klöster schickte oder in denen es unter dem 
Druck der kapitalistischen Entwicklung mehr 
und mehr den Landwirtschaftsbetrieb vom 
Standpunkt des Gelderwerbs aus betrachtete. 
In diesen Gebieten hat auch der Sog aus der 
Stadt seit 70 Jahren leichte Arbeit und zieht 
die wenigen noch aufstrebenden, d.h. die 
besten, aber auch die letzten Kräfte in die 
Großstadt. In diesen Gebieten will heute der 


77 


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Bauernsohn, nachdem er Soldat geworden ist, 
nicht mehr zurückkehren, predigen die eigenen 
Eltern den Kindern, daß sie nicht auf dem 
Lande bleiben, sondern es einmal besser haben 
sollen in der Stadt und in anderen Berufen, 
während ihnen selbst nichts anderes mehr 
übrig bliebe, weiter ihre Pflicht zu tun bis zur 
Abberufung aus diesem wahren Jammertal in 
ein besseres Jenseits. Wie schwer es ist, in 
diesen Gegenden mit unserer nationalsozialisti- 
schen Agrarpolitik Fuß zu fassen, weiß jeder, 
der dort einmal tätig war. Der weiß aber auch 
— was viele noch übersehen —, daß dort nicht 
in erster Linie mit wirtschaftlichen Maßnahmen 
geholfen werden kann, weil selbst solche viel- 
fach auf Unverständnis stoßen. Dort hilft 
nureineBlutsauffrischungunddie 
seelische Zurückeroberung des 
deutschen Menschen, um das Gefühl 
wieder freizumachen für das trotz allem noch 
vorhandene, aber durch fremde Mächte ein- 
genebelte und durch die eigene Sorge und Not 
abgetötete bäuerliche Rechtsempfinden. 


Hier brauchen wir in erster Linie die 
Jugend. So schwer durchführbar die nach- 
stehende Forderung dem einzelnen erscheinen 
mag: in diese Gegenden gehören unsere besten 
Lehrer als seelische Betreuer und Erzieher der 
Jugend. Hier muß von uns mit denselben ein- 
fachen, aber ansprechenden Mitteln gearbeitet 
werden, mit denen dort seit Jahrhunderten 
unsere Bauernjugend seelisch entgermanisiert 
wurde. Diese Mittel sind: Erfassung der jüng- 
sten Jugend durch Spiel und Gesang, wobei 
bewußt deutsche Art und das deutsche Wesen 
in bäuerlicher Form gepflegt werden muß. Der 
BDM. wird seine besten bäuerlich empfindenden 
Kindergärtnerinnen in diese Gegenden zu 
schicken haben. Nur eine auf diese Weise auf- 
geschlossene und deutsch erhaltene Kinder- 
seele ist in der Lage, in dem dann folgenden 
Schulunterricht, der ebenfalls in erster Linie 
auf das natürliche Empfinden und das gegen- 
ständliche Denken der Landjugend im Gegen- 
satz zu der zum abstrakten Denken neigenden 
Stadtjugend Rücksicht zu nehmen hat, die Bil- 
dung zu erfahren, die das Landvolk benötigt, 


um den Einflüssen des so andersgearteten 


Denkens der heutigen städtischen Welt wider- 
stehen zu können. Hierbei muß das gesunde 
Rechtsempfinden bewußt gepflegt 
werden. Das ist schon in frühen Jahren 
durch eine anschauliche Darstellung der Be- 
deutung unseres bäuerlichen Rechts, vor allem 
des Erbhofrechts, für den einzelnen Bauernhof 
und darüber hinaus für das ganze Landvolk 
möglich. Für das bäuerliche Fühlen und Denken 
des deutsch-germanischen Menschen ist das 
Recht etwas ebenso Göttliches wie das Leben 
selbst, weil es ein untrennbarer Bestandteil des 
Lebens des einzelnen und des ganzen Volkes ist. 


Erste Voraussetzung einer solchen Erziehung 
unserer Landjugend ist natürlich die Auswahl 


78 


und Heranbildung hierfür geeigneter Erzieher. 
Es darf daher keine Lehrerbildungsanstalt, keine 
Hochschule versäumen, den künftigen Dorflehrer 
und Erzieher unserer Jugend auf die Notwendig- 
keit der bäuerlichen Rechtserziehung hinzu- 
weisen. Daher muß auch der Erziehernachwuchs 
über die Fragen des bäuerlichen Rechts, seiner 
Bedeutung, insbesondere aber des Erbhofgedan- 
kens und seines Rechts gründlich aufgeklärt 
werden. Die Dinge werden sicher langsam 
wachsen und reifen müssen. Wir müssen aber 
nunmehr erkennen, daß hier ein reiches Be- 
tätigungsfeld für Erziehungsfachleute ist, das 
wohl deshalb — wie so manches Feld unserer 
Landvolkbetreuung — solange brachgelegen 


hat, weil es in den diese Fragen bearbeitenden 


Zentralen in unserem verstädterten Staat vor 
1933 an den bäuerlichen Menschen gefehlt hat, 
die diese Dinge klar sahen. Soweit diese aber 
vorhanden waren, konnten sie ihre Erkennt- 
nisse nicht in die Tat umsetzen, weil es viel- 
fach im heutigen Landvolk selbst an dem 
nötigen Verständnis noch fehlte. . 


Die Landjungen und Landmädel, die so bereits 
ir dem Kindergarten erfaßt und in der Dorf- und 
Hauptschule geformt und gebildet wurden, wer- 
den — das ist meine feste Überzeugung — den 
auf die Jugend eindringenden ganz anders ge- 
arteten Einflüssen der Stadt nicht mehr unter- 
liegen. Aber auch später dürfen wir unsere 
Landjugend noch nicht aus der Hand lassen, 
denn sie soll ja nicht nur vorm Verdorbenwerden 
geschützt werden, sondern soll den Sauerteig 
bilden, der eine Verländlichung unserer 
ganzen Gesinnung und Gesittung be- 
wirkt. Es muß daher in der Hitler-Jugend auf 
dem eingeschlagenen Wege ebenso weiter 
garbeitet werden wie im Arbeitsdienst und in 
der Wehrmacht, wobei diese Nacherziehung sich 
jedoch mehr auf die geistige Schulung der be- 
treuten Menschen erstrecken wird, ohne daß 
aber die seelische Beeinflussung im bäuerlichen 
Sinne unterlassen werden darf. Und wenn dann 
in den Bauernschulen und Bauernführerschulen 
der so gebildete Mensch weiter in diesem Sinne 
ausgerichtet wird, dann wird keine Macht in der 
Lage sein, unser Bauerntum erneut anzukränkeln 
oder zu zerstören. Im Gegenteil, dann wird unser 
Landvolk die Kraft haben, sich durchzusetzen 
und das Wesen von Volk und Staat zu bestim- 
men, so wie das Bürgertum der Stadt einem 
ganzen Jahrhundert den Stempel aufdrückte. 
Die Hauptforderung ist daher: Bäuerlicher 
Rechisunterricht in allen Schulungsstätten und 
Bildungseinrichtungen zur Stärkung des Rechts- 
empfindens und zur Schulung des Rechtsbewußli- 
seins unseres Landvolkes und damit unseres 
Gesamtvolkes. Diese Forderung wird vor allem 
im Rahmen des bäuerlichen Berufserziehungs- 
werkes erhoben und durchgesetzt werden 
müssen. 


Doch nicht allein in der Schule ist diese 
Arbeit zu leisten. Die beste Schule ist 


— 


nach wie vor das Leben selbst. Das 
ganze Leben auf dem Dorf muß wieder durch- 
drungen sein von bäuerlichem Rechtsfühlen 
und Rechtsdenken, wie es bis zum vorigen 
Jahrhundert vor Einsetzen der großen Zer- 
störung unseres Brauchtums durch die falsche 
Beeinflussung und Erziehung des Landvolkes in 
den vielen Festen und Spielen auf dem Lande 
selbstverständlich war. Dieses ist bei der kul- 
turellen Aufrüstung unseres Dorfes, also vor 
allem bei der Feiergestaltung zu beach- 
ten. Keine Reden und Vorträge über das bäuer- 
liche Recht fehlen uns, sondern Feste, Feiern 
und sonstige Handlungen als Ausdruck des 
bäuerlichen Rechtsempfindens tun uns not. 
Neben dem alten Brauchtum, das, soweit es 
heute noch im Landvolk in seinem urtümlichen 
Sinne lebendig ist und in seiner Form in unsere 
Zeit paßt, sorgsam gepflegt werden sollte, wird 
ein neues Brauchtum wachsen 
müssen. Und es wird wachsen, wenn die 
bäuerliche Seele durch richtige Beeinflussung 
wieder aufgeschlossen worden ist. Wir müssen 
nur die ersten Pflanzen dieses neu entstehenden 
Brauchtums sorgsam hüten, sie vor der Ver- 
nichtung retten, die Unverstand — aber auch 
der böse Wille unserer Gegner — ihr anzutun 
drohen. Auch das Unkraut, das hier in über- 
reichem Maße zu sprießen beginnt, müssen wir 
rechtzeitig erkennen und gleich mit der Wurzel 
ausreißen, ehe es treibt und Früchte trägt. Die 
Förderer bäuerlicher Lebensgestaltung werden 
hier einen wachen Sinn für das Rechtsempfin- 
den des Landvolkes haben und sich selbst 
wenigstens in großen Zügen in dieses Recht 
einleben müssen. 


Nur wenige praktische Beispiele seien hier 
zur Verwirklichung dieser großen Forderung 
genannt: Neben der „Hochzeit“ ist im Leben 
des Bauern die Übergabe seines Hofes 
auf den Sohn, auf die Tochter oder den sonsti- 
gen Anerben das wichtigste Ereignis seines 
Lebens. Meist fällt diese Hofübergabe mit der 


Hochzeit des den Hof übernehmenden Anerben ` 


zeitlich zusammen. Beides soll sogar zusammen- 
fallen. Dieser Rechtsakt der Hofes- 
übergabe hat daher auch ebenso in 
feierlicher Form zu erfolgen wie 
dieHochzeit, da sich durch die Übergabe 
des Hofes der Sinn des Bauernlebens erfüllt: 
Der Hof geht auf die kommende Generation 
der Hofessippe über. Die vergangene Zeit hat 
diese Handlung zu einem nüchternen juristi- 
schen Akt gemacht mit einem juristisch ver- 
klausulierten notariellen UÜbergabevertrag, der 
in seiner juristischen Ausdrucksweise nicht 
mehr in erster Linie für den Bauern und seine 
Sippe, sondern für die Grundbuchjuristen ab- 
gefaßt zu sein schien. Dabei waren viele Klau- 
seln und juristische Spitzfindigkeiten seit dem 
Einbruch des „bürgerlichen“ Rechts aus ge- 
sunder Abwehr des Bauern deswegen nötig, 
weil dieses unbäuerliche „bürgerliche“ Recht 
den Ubergabevertrag gar nicht mehr kannte und 


dieser daher in die Zwangsjacke eines Kaufver-. 


trages gezwängt werden mußte. Durch das 
Reichserbhofgesetz ist nun seit zehn Jahren der 
Weg wieder frei, zu einer bäuerlichen 
Abfassung des Übergabevertrages 
durch die Rechtswahrer zu kommen. Möge auch 
hier mit Hilfe der Erziehungsarbeit des NS.- 
Rechtswahrerbundes die nötige Aufgeschlossen- 
heit bei allen Rechtsanwälten und Notaren da 
sein. Die Anregung zu einer Familien- und 
Sippenfeier anläßlich der Übergabe liegt aber 
bei der Führung des Landvolkes. Wie solche 
Feiern zu gestalten sind, soll und muB das 
Leben und der gesunde Sinn des Landvolkes 
selbst entscheiden. 


Ein zweites Beispiel: Wenn eine Sippe so 
kinderarm geworden ist, daß ein Erbhofbauer 
ohne eigene bauernfähige Abkömmlinge, Ge- 
schwister oder Geschwistersöhne stirbt, so be- 
stimmt nach den Regeln des Reichserbhof- 
gesetzes der Reichsbauernführer den Anerben, 
es sei denn, daß der Bauer selbst eine ent- 
sprechende Verfügung von Todes wegen vor- 
genommen hat. Eine solche — übrigens häufig 
vorkommende — Bestimmung des Anerben aus 
dem Kreis entfernter Verwandter, nach Mög- 


lichkeit eines Namensträgers des Verstorbenen 


oder auch nur eines Blutsverwandten, der sich 
besonders durch Leistung und Kinderreichtum 
ausgezeichnet hat, oder gar eines ganz Sippen- 
fremden, nimmt der Reichsbauernführer durch 
Ausstellung einer Urkunde vor. Die Uber- 


reichung dieser Urkunde erfolgt im Auftrage 


des Reichsbauernführers bisher durch den zu- 
ständigen Kreisbauernführer. Dieser Akt 
der Verleihung mit einem Erbhof 
drängt geradezu dahin, eine Feier 
des Dorfes auszulösen, weil ja die 
ganze Dorfgemeinschaft davon berührt wird, 
wenn in dem Dorf ein neues Bauerngeschlecht 
mit einem Erbhof verwurzelt wird. Nichts ist 
so geeignet, wie eine derartige Feier, dem 
Bauern der Gemeinde den Sinn und die Be- 
deutung des Reichserbhofgesetzes sinnfällig vor 
Augen zu führen, ja ihn selbst durch seine An- 
wesenheit und Handlung teilhaben zu lassen 
an solchem bedeutungsvollen Rechtsakt. Und 
wenn kein Mensch im Dorf mehr von einem 
im Dorf über das Reichserbhofgesetz noch so 
gut gehaltenen Vortrag sprechen wird, dann 
werden alle noch lange lebhaft davon er- 
zählen, durch welch schöne Feier der Bauer X. 
durch Uberreichung der Urkunde des Reichs- 
bauernführers für alle Zeiten mit seinem Erb- 
hof verbunden und dadurch in die Dorfgemein- 
schaft aufgenommen wurde. Die Ausgestaltung 
der Feier und damit des Rechtsaktes richtet 
sich auch hier wieder nach den örtlichen Ver- 
hältnissen und vor allem nach der Aufge- 
schlossenheit der Bauernführer und der Dorf- 
gemeinschaft selbst. 


Wieweit es neben solchen rechtlich bedeut- 
samen Feiern möglich ist, durch Einführung 
des Wortes „Erbhofbauer oder durch ein an 


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das Bauernhaus anzubringendes passendes Erb- 
hofzeichen oder durch sonstige Dinge den Erb- 


hofgedanken und das Erbhofrecht zu beleben 


und zu vertiefen, wird die weitere Entwicklung 
der bäuerlichen Lebensgestaltung auf dem Dorfe 
zeigen müssen. Wir können dieser Entwicklung 
nur Antrieb und Richtung geben. Das aber 
müssen wir tun. l l 


II. Ausbau und Stärkung der bäuerlichen 
Selbstverwaltung , 


Die zweite Möglichkeit, das Recht im Land- 
volk wieder lebendig werden zu lassen und 
es als Mittel zu dessen politischer Belebung 
einzusetzen, liegt in der bäuerlichen Selbst- 
verwaltung. Denn Selbstverwaltung ist nichts 
anderes als Klarlegung und Betäti- 
gungdereinerGemeinschaftinne- 
wohnenden Ordnungsgesetze aus 
dem Wesen und durch eigene Or- 
gane dieser Gemeinschaft. Sie ist 
daher Rechtsgestaltung im Sinne der Ordnung 
der eigenen Verhältnisse einer solchen Ge- 
meinschaft aus Kenntnis der praktischen Ge- 
gebenheiten unter Berücksichtigung der poli- 
tischen Notwendigkeiten. Weil dem so ist, ist 
die Selbstverwaltung die beste Art der 
Führung und Gestaltung des Land- 
volkes. Denn es liegt vor allem im Wesen 
des deutsch-germanischen Menschen begrün- 
det — und daher am deutlichsten beim Bauern 
erkennbar —, daß er neben einer starken Be- 
tonung der Einzelpersönlichkeit, besser gesagt 
gerade deswegen, ausgesprochen gemeinschafts- 
verbunden ist. Das ist eine Eigenschaft, die 
dem bäuerlichen deutschen Menschen genau so 
innewohnt wie das starke Rechtsempfinden und 
die auch wieder in diesem sicheren Rechts- 
gefühl und damit im Leben des Bauern selbst 
ihren Grund hat. 


So ist die bäuerliche Selbstverwaltung am 
- besten dazu angetan, den Bauern, der nach Mög- 
lichkeit in seinem Rechtsfühlen und -denken 
gestärkt und geschult wurde, das Recht seiner 
eigenen Gemeinschaft selbst gestalten zu lassen. 
Der Bauer selbst muß so durch eigene bäuerliche 
Rechtsgestaltung die Gemeinschaften ordnen, zu 
denen er gehört. Auf diese Weise ist auch die 
beste Gewähr gegeben, daß nicht unnötig Ge- 


meinschaften „organisiert“ werden. Denn dort, 


wo das Bauerntum noch wesensecht und der ein- 
zelne noch eine starke Persönlichkeit ist, besteht 
gewachsene Gemeinschaft, die nicht erst organi- 
siert oder gepredigt werden muß. Dort aber, 
wo diese Gemeinschaft nicht mehr besteht, kann 
sie mit Hilfe einer Organisation nur dadurch ge- 
fördert werden, daß die Organisation als Selbst- 
verwaltungseinrichtung dem Bauern einen 
neuen Ansatzpunkt seiner Betätigung bietet. Der 
Bauer selbst aber muß die durch die Organisa- 
tion geschaffene Form mit einem wesensechten 


80 


Inhalt füllen und durch seine eigene Selbstver- 
waltung so die Gemeinschaft bilden, deren er 
zur Erfüllung der ländlichen Gemeinschaftsauf- 
gaben bedarf. 


So ist es klar, daß die gesamte Organi- 


‘sation des Landvolkes, „der Reichsnährstand“, 


sich der Selbstverwaltung bedienen muß und 
auch bedient, wenn diese Organisation dem 
bäuerlichen Wesen und der Form entsprechen 
will und mit dem rechten bäuerlichen Geist 
ausgestaltet werden soll. Der Reichsnährstand 
ist daher wegen der zu erfüllenden staatlichen 
Aufträge und Aufgaben zwar eine Körper- 
schaft des öffentlichen Rechts, aber eine solche 


der Selbstverwaltung, die vom Bauern selbst 


geführt wird. Es ist das für die Entwicklung 
unseres Landvolkes von grundsätzlicher Be- 
deutung. Hätte man nicht die Form der Selbst- 
verwaltung gewählt oder würde man sie in 
Zukunft verlassen, so wäre es nicht möglich. 
das gesamte Landvolk als eine große Gemein- 
schaft zu den Leistungen zu bringen, die es 
zum Beispiel in der Erzeugungsschlacht vor und 
während des Krieges vollbracht hat und die es 
weiter vollbringen wird. Man muß sich darüber 
klar sein, daß der wahre Grund dieser großen 
Leistung deswegen in der Selbstverwaltung 
liegt, weil durch diese der Bauer selbst die Ge- 
meinschaft führt, d. h. er selbst die Ordnung 
und das Recht gestaltet und die Verantwor- 
tung für die Durchführung der lebenswichtigen 
Aufgaben trägt. 


Es wird daher notwendig sein, den Ortsbauern- 
führer, den Kreisbauernführer und Landesbauern- 
führer als selbstverantwortlich tätige Bauern für 
alle Zeiten ehrenamtlich als Führer der Gemein- 
schaft des Landvolkes zu erhalten und diese 
ehrenamtlichen Bauernführer ständig in ihrer 
Führungsaufgabe zu stärken und zu festigen, 
genau so, wie die deutsche Gemeinde als lei- 
stungsfähige Gemeinschaft nicht denkbar ist, 
wenn man die ihr vom Freiherrn vom Stein 
gegebene Form der Selbstverwaltung nähme. 


Die Selbstverwaltung darf sich dabei nicht 
nuraufdiegroße Gemeinschaft des 
gesamten Landvolkes beschränken. 
Sie muß auch dort bleiben, wo in nicht so um- 
fassenden Gemeinschaften Sonderaufgaben oder 
kleinere Aufgaben durchzuführen sind. Das gilt 
für alle die Organisationen öffentlich-recht- 
licher oder privater Natur, die sich mit wirt- 
schaftlichen Fragen beschäftigen, also z.B. für 
die Wirtschaftsverbände mit den Hauptvereini- 
gungen, für die Genossenschaften, für die 
Zuchtverbände, die Maschinengemeinschaften 
und alle sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen, 
ebenso wie für die Gemeinschaften auf den 
anderen, insbesondere kulturellen Gebieten des 
ländlichen Lebens, die bereits bestehen oder 
aus dem Leben des Landes, besonders im 
Rahmen der Aufrüstung des Dorfes noch er- 


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Ein seltenes Tieridyll i | 


Die Pflege des Dam- 

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Holzarbeiter aus dem 


Salzburgerland 


Sudetendeutsche Holz- 


fäller aus dem Riesen- 


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Weihnachtstanne im Schnee 


wachsen werden. Alle die großen und kleinen 
Gemeinschaften werden sich selbst führen und 
tragen und ihr Recht aus eigener Kraft und 
aus eigenem Wesen gestalten durch eigene 
bodenverwurzelte und damit dem ländlichen 
Beruf verbundene Menschen, von denen der 
alteingesessene Erbhofbauer als Glied seiner 
Sippe der klarste und reinste Vertreter des 
Landvolkes sein muß und für alle Zukunft sein 
wird. 


Auf diese Aufgaben das Landvolk geistig vor- 
zubereiten und auszurichten, ferner alle Maß- 
nahmen zur Verwirklichung dieser Aufgabe ein- 
zuleiten, ist Führungsaufgabe des Reichsamtes 
für das Landvolk, das sich zur Verwirklichung 
dieses Zieles in erster Linie der Seibstverwal- 
tungsgemeinschaft des Landvolkes bedienen 
muß. Das heißt nicht etwa das Landvolkin 
größere oder kleinere Gemein- 
schaften zersplittern. Dadurch wird 
vielmehr die Kraft des einzelnen so auf ein 
Ziel und in einem Sinne ausgerichtet, daß jeder 
einzelne und jede einzelne Gemeinschaft an 
besonderer Stelle die Sonderaufgaben aus der 
gleichen Haltung und dem gleichen Bestreben 
meistert und so zu dem festen und stolzen Bau 
des deutschen Landvolkes einen haltbaren Bau- 
stein liefert. Das von den einzelnen Bauern- 
führern und der einzelnen Gemeinschaft im 
Rahmen dieser Aufgaben selbst gestal- 
teteRechtaberistdasBindemittel, 
das all die vielen Gemeinschaften zusammen- 
hält zu diesem stolzen Bau, der die Grundlage 
des Großdeutschen Reiches sein muß und sein 
wird. 


Ul. Die Rechtsschöpfung in bäuerlichen 
Sondergerichten 


In diesem Bau aber muß und soll das Land- 
volk nicht nur durch eigene Verwaltung selbst 
Ordnung schaffen und halten, sondern auch bei 
Störung der Ordnung, vor allem bei Streit, das 
Recht selbst schöpfen und sprechen. Als drittes 
und. bedeutsamstes Mittel, sich des Rechts im 
Landvolk zu seiner politischen Betätigung und 
Behauptung zu bedienen, ist daher die Recht- 
sprechung in eigenen bäuerlichen Sondergerich- 
ten zu nennen. Hierüber ist im einzelnen des- 
wegen am wenigsten zu sagen, weil die Bauern- 
gerichte selbst als Anerbengerichte bereits seit 
zehn Jahren, aber auch als Landbewirtschaf- 
tungsgerichte und Pachtämter ihre Bedeutung 


für das Bauerntum und das gesamte Landvolk 


in immer steigendem Maße unter Beweis ge- 
stellt und dabei ihre Kraft bewiesen haben, 
sich im Landvolk selbst durchzusetzen und 
wieder die Anerkennung zu gewinnen, die von 
jeher das Landvolk seinen eigenen Gerichten 
gezollt hat. i 


Es will schon etwäs bedeuten, daß in rund 
2000 bäuerlichen Sondergerichten das Erbhof- 


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recht unter maßgebender Mitwirkung der Bauern 
selbst gesprochen wird. Nicht nur weil damit 
die Gewähr gegeben ist, daß das Recht sich 
nicht vom wahren bäuerlichen Leben entfernt 
und so lebensfremd oder gar bauernteindlich 
wird, wie wir es in der vergangenen Zeit des 
„bürgerlichen“ Rechts so häufig erlebt haben. 
Wichtiger ist, daß das Landvolk selbst auf diese 
Weise wieder Vertrauen zu dem 
Rechtundzu den Gerichten bekommt 
und ebenso stolz auf diese seine eigenen Ge- 
richte wird, wie es als höchste Ehre für den 
Erbhofbauern angesehen werden muß, als 
ehrenamtlich tätiger Richter in ein solches Ge- 
richt für einige Jahre berufen zu werden. Man 
muß selbst die Entwicklung einzelner Bauern 
als Bauernrichter erlebt haben, um mit aller 
Deutlichkeit zu erkennen, welch persönlich- 
keitsbildende Kraft für das Landvolk 
und seine einzelnen Vertreter in der Betätigung 
mit dem Recht vor allem. als Rechtsschöpfer 
und als Rechtssprecher liegt. Eine ganz wesent- 
liche Aufgabe der Bauernführung muß es dabei 
sein, dafür Sorge zu tragen, daß wirklich nur 
beste Bauern und Landwirte als Richter in diese 
Bauerngerichte, Landbewirtschaftungsgerichte 
und Pachtämter berufen werden, und daß die 
Berufenen alsdann ständig so mit ihrer Auf- 
gabe vertraut gemacht werden, daß in diesen 
Gerichten nur Bestes geleistet wird. Auch hier 
ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. 
Und so erstaunlich einzelne — und zwar gar 
nicht wenige Bauern — in ihrer Tätigkeit als 
Richter hervorragen, so sehr ist bei einer 


großen Anzahl doch nötig, sie in ihre neuen 


Aufgaben einzuführen, da ja die vergangene 
Zeit in der Ausbildung des Bauern nichts getan 
hat, um ihn auf das Amt eines Richters vorzu- 
bereiten, im Gegenteil, ihn systematisch von 
seinem Recht, dessen Gestaltung, Schöpfung 
und Sprechung seit Jahrhunderten entfernt hat. 


Wenn man so Recht und Politik im Hinblick 


auf unser Landvolk und seine Erhaltung und, 


Förderung sieht, so schließt sich der hier aut- 
gezeigte zwingende Weg zu einem Kreis: Er- 
ziehung zum Recht — von der jüngsten 
Jugend angefangen — durch Stärkung des 
Rechtsempfindens und Schulung des Rechts- 
verständnisses; Betätigung und Gestal- 


tungdesRechts durch das Landvolk selbst 
in den Gemeinschaften, besonders durch die. 


bäuerliche Selbstverwaltung; als Höchstes end- 
lich die Schöpfung und Sprechung 
des Rechts im Bauerngericht als sicht- 
‚barster Ausdruck der Stärke und Kraft eines 
in sich selbst ruhenden und sich selbst ver- 
trauenden Landvolkes. Durch diese praktische 
Rechtsbetätigung aber wächst in Zukunft auf 
dem Lande die Jugend, geführt und geleitet 
durch die Erziehung, von selbst in ihre großen 


Aufgaben hinein, um für alle Zeiten sich das. 


Recht als politisches Gestaltungsmittel zu be- 
wahren. 


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Bäuerliche Zustände studieren, heißt Geschichte 
studieren. Die Sitte des Bauern ist ein lebendiges 
Archiv, ein historisches Quellenbuch von unschätz- 
barem Wert. H. Riehl 


ie deutsche Geschichtswissenschaft hat dem 
deutschen Bauerntum trotz der Mahnung 
Riehls in der verflossenen Zeit nicht immer die 
Beachtung geschenkt, die ihm gemäß seiner 
Stellung in unserem Volkskörper zukommt. Die 
Wissenschaft hat zwar festgestellt, daß das 
Bauerntum der Urstand unseres Volkes ist und 


daß die Vorfahren fast aller Städter erst in den 


letzten hundert Jahren vom Dorfe in die Stadt 
abgewandert sind, trotzdem ist aber die Bauern- 
tumskunde und Dorfgeschichtsforschung eines 
der Stiefkinder der deutschen Wissenschaft ge- 
blieben. Das liegt wohl vor allem an der Tat- 
sache, daß man häufig genug den aktiven Anteil 
des Landvolkes an der Geschichte unterschätzte, 
weil es nur selten auf dem politischen Parkett 
oder im großen Welttheater auftrat, und seine 
kulturellen Leistungen ganz beiseite schob. Bis 
in die jüngste Vergangenheit glaubte man viel- 
fach, Kultur sei nichts weiter, als die Summe 
der Wissenschaften und Künste, wie sie das Bür- 
gertum des 19. Jahrhunderts in seinen Städten 
entwickelt hat. Wir wissen heute, daß dies nicht 
die alleinigen Kulturwerte unseres Volkes sind, 
sondern oft lediglich die Ausdrucksformen einer 
Kulturtechnik und einer zuweilen sogar kultur- 
feindlichen Zivilisation, die die breiten Schich- 
ten aus dem Bereich der eigenschöpferischen 
und selbstgestaltenden Kultur hinausdrängt in 
die große Masse der Kulturverbraucher, die 
häufig nur das für Kultur hält, was ihr als Aus- 
drucksform einer nivellierenden Zivilisation ge- 
boten wird. 


Erst die nationalsozialistische Weltanschau- 
ung hat mit dem deutschen Volksbewußtsein 
auch das Volkstum neu geweckt und umfas- 
senden Inhalt des Begriffes Kultur wiederher- 
gestellt. Wir wissen jetzt, daß wir deutsche 
Kultur auf allen Gebieten des gestaltenden 
Lebens antreffen und nicht zuletzt in der Eigen- 
ständigkeit unseres Bauerntums und in dem 
Lebenskreis unserer Dörfer finden. Wir dringen 
in die Vergangenheit unseres Volkes und ge- 
winnen Einblick in das Werden und Wachsen 
unserer Kultur, wenn wir neben dem rassisch 
blutsmäßigen Erbe auch den Einfluß der 
Landschaft auf die menschliche Entwicklung 


82 


zwischen Mensch und Dorf zu streben; 


darum schon mancher gedacht CR 


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beachten. Jede Landschaft ist zwar Au asdrui 
der Gestaltungskraft des Menschen und 
deutsche Landschaft in besonders hohem M 
Aber wesentlich sind auch die Kräfte, die 
gekehrt der Mensch aus der Verbind ng J 
dem Boden und mit seiner Heimat zieht. 

gends sind diese Beziehungen so biz 

deutschen Dorf und so fruchtbar wie 
schen Bauerntum. Hier,erwuchs und e 
echte deutsche Kultur, die tief wurze 
gånzen Sein ihrer Träger, aus den Urkrö te 
deutschen Volkes quillt. Es ist GEBE 
gabe einer Dorigeschichte, nach der E 
der Beziehungen zwischen Volk und E 


2 


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diesen Wechselwirkungen beruht die E 
und der Wert des bäuerlichen Beitra 
deutschen Kultur, dessen entscheidene 
tung für die gesamte deutsche Kul 
lung erst durch den Nationalsozialisz 
deutschen Volke wieder voll zum Be 
gebracht worden ist. f 


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9 


Erst wenige Dorfmonographien * : 
Frage nachgegangen. Die Mehrzahl der 
geschichtlichen Arbeiten bietet kaum m 
als einen Abklatsch der PRS 
geschichte unseres Volkes im Spiegel 
Dorfes und geht an seinen kulturgeschich 
Denkmälern und Eigenwerten vorüber., 
ist doch so wenig los, wie in unserem 


a 


Sprochen, Er meinte dann entweder, 

nie ein entscheidendes bn, 
hier abgespielt habe, oder dachte unter e 
fluß der städtischen Zivilisation an die fi hle 
Zerstreuungen, die ja — unbestritten - 
Städte in viel größerem Maße bieten. Er v 
aber alles, was viel wesentlicher ist, 
Inhalt eines Menschenlebens ausmacht, . 
Naturgeschehen, im Schaffen und Werk ten d 
Leben und Sterben, im Kommen und Ge 
Generationen die Menschen deen 
und das Gesicht unseres Volkes formt, a 
was an deutscher Kultur gerade im deu 
Dorf entstanden und lebendig gebliek 
Richtet er aber erst einmal seine A ks al 
keit auf diese Kernfragen menschlich: 
Werdens, so wird mitten in der Welt d 
fällig Bedingten in der tagverhafteten, oft n 
ternen Zuständlichkeit dörflichen Dasein 


pg „Google 


Tor aufgebrochen in eine andere Welt, in die 
der Zeit enthobenen, in sich notwendigen und 
sinnbedeutenden deutschen Kultur. 


Wenn unsere Dörfer auch scheinbar arm sind 
an historischen Denkmälern, wie sie der Dehio 
oder der Baedecker verzeichnen, so finden wir 
doch in und an ihren Häusern manch beachtens- 
wertes Kunstwerk und Kultürzeugnis. Es gibt 
mancherlei verborgene Kunstwerke 
abseits von den verkehrsreichen 
Straßen, die, fast in der Landschaft vergraben, 
nur der Heimatkundige finden kann. Aber im. 


Grunde ist ja jedes Kunstwerk etwas Verbor- . 


genes. Hinter dem optischen Eindruck verbirgt 
sich noch vieles und erschließt sich nur dem, 
der dafür, aus seiner Alltagswelt heraustretend, 
seinen inneren Blick öffnet. Verstehen wir es 
als Zeugnis der Landschaft und der Menschen, 
die es gestalteten und deren Nachfahren es 
noch heute, wie seit altersher anspricht, dann 
verspüren wir etwas von der Kraft deutscher 
Kultur. Das noch von der Landschaft und von 
dem Volkstum seines Entstehungsraumes um- 
schlossene Kunstwerk hat daher vor dem Mu- 
seumsstück etwas Unersetzbares voraus: es hat 


seine eigene Atmosphäre, seine geschichtliche 


Tıefe, eg ist etwas auf dem Wurzelboden Ge- 
wachsenes und kann gerade im deutschen Dorf 
als alle Zeiten überdauernde Verdichtung einer 
bis in das Heute reichenden Welt erfaßt werden. 
Schon allein deshalb ist der Besuch von Dörfern 
und alten Bauernhöfen, in denen die Kulturgüter 
noch mitten im ländlichen Leben stehen, wesent- 
licker und wirksamer als der Besuch von Hei- 
matmuseen. 


Neben die ewigen Zeugen deutscher Kultur 
in unseren Städten dürfen wir die Bauern- 
häuser mit Fug und Recht als gleichwertige 
Zeugnisse deutscher Baukunst stellen. Als 
schöpferische Arbeiten unzähliger namenlosen 
Baumeister und als Gemeinschaftsleistungen 
von Generationen sind sie im Laufe eines Ent- 
wicklungsprozesses von vielen Jahrhunderten 
entstanden. Denken wir an den gewaltigen Bau 
des Niedersachsenhauses, den wuchtigen Vier- 
kanter in den Donaugauen, das fröhlich aus- 
schauende südbayrische Haus oder an das be- 
häbige mitteldeutsche Fachwerkhaus, um nur 
einige der wichtigsten deutschen Hausformen 
zu nennen! Ihr Formenreichtum und ihre Schön- 
heit sind nicht zuletzt in ihrer durch lange Zeit- 
räume ausgebildeten Zweckmäßigkeit begrün- 
det. Der dörfliche Baumeister schuf sie mit dem 
heimischen Werkstoff aus dem urtümlichen 
Bau- und Formwillen der Gemeinschaft heraus, 
der sich je nach Landschaft, stammesmäßiger 
Eigenart und Wirtschaftsweise zwar verschieden 
äußerte, aber doch immer von der großen 
künstlerischen, technischen und handwerklichen 
Begabung, kurz von der kulturellen Haltung des 
Dorfes und seiner Bewohner zeugte. Im Bauern- 
haus selbst gilt es den Blick zu öffnen für die 
Schönheit und Sinnfälligkeit, die im alten 


bäuerlichen Werkgüt verkörpert ist, in alten 
Möbeln und vielen Handarbeiten, eben beim 
ganzen Hausrat und allem, was die Eigenstän- 
digkeit und den Wert alter dörflicher Wohn- 
kultur ausmacht. Das eigene Haus ist der Lebens- 
raum für die Gemeinschaft der dörflichen Fa- 
milie und es verbirgt uns die Entfaltung und 
Überlieferung arteigener Lebens- und Kultur- 
formen won Generation zu Generation. 


Bei den greifbaren Kulturdenkmälern im deut- 
schen Dorf, zu denen neben den Bauernhäusern 
auch schriftliche Überlieferungen, Urkunden 
oder Akten gehören, werden wir in den meisten 


. Dörfern nicht weit über die Zeit des Dreißig- 


jährigen Krieges hinauskommen. Nur die Dorf- 
kirche weist als Baudenkmal oft in das Mittel- 
alter hinein. Auch sie — und mag sie noch so 
klein und unscheinbar sein — verdient unsere 
besondere Beachtung. Sie ist zwar zumeist kein, 
geschlossenes und stilechtes Werk genialer Bau- 
meister und Bauhütten, wie viele ihrer alten 
Schwestern in der Stadt, aber als eine Gemein- 
schaftsleistung des. dörflichen Handwerks und 
überhaupt des ganzen Dorfes, das im wahrsten 
Sinne des Wortes die Bausteine herzutrug, auch 
eine Ausdrucksform der Gemeinschaftshaltung 
des Dorfes. Das gleiche gilt von den dörflichen 
Rathäusern und Gerichtslauben, die 
wir in vielen Gegenden unseres Vaterlandes an- 


treffen. Die Dorfkirchen sind zum nicht geringen 


Teil auf alten, von Wällen umgebenen vorchrist- 
lichen Kultstätten, die gleichzeitig Zufluchts- 
stätten bei Gefahr waren, gegründet und waren 


oft bis in die Neuzeit hinein als einziges festes 


Gebäude im Dorf mit ihrem trutzigen Turm der 
beste Schutz in unruhigen Zeiten. Wir dürfen 
hier nicht nur an die Kirchenburgen der Volks- 
grenze im Südosten denken, auch sonst finden 
wir in vielen deutschen Landschaften die Kir- 
chen von festen Mauern und Gräben umgeben 
und das Kirchengebäude selbst inmitten des 
Kirchhofringes wehrhaft ausgebaut. | 


Die Dorfgeschichtsforschung darf aber bei der 
Suche nach Kulturdenkmälern ihr Augenmerk 
nicht nur auf das Dorf und seine Gebäude selbst 
richten, sie muß auch in die Flur hinaus- 
gehen. Da findet sie häufig genug schon an der 
Dorfeinfriedung Reste der alten Dorfbefesti- 
gung, sei es beispielsweise eine dichte Hecke, 
ein Wall mit Graben oder eine feste, das Dorf 


- umschließende Scheunenreihe. Konnten diese 


Befestigungen auch nicht dem Ansturm größerer 
Truppenmassen widerstehen, so boten sie doch 
sicheren Schutz gegen die im Lande herum- 
ziehenden Marodeure, die ständige Begleit- 
erscheinung der Söldnerheere der Vergangen- 
heit, eine Plage, unter der naturgemäß das flache 
Land besonders zu leiden hatte. Den gleichen 
Zweck hatten in unruhigen Zeiten auch die 
Landwehren, denen wir oft an den Grenzen 
der Dorffluren begegnen. An den Feldrainen 
liegen oder stehen häufig kunstvoll gefertigte 
Grenz- und Kreuzsteine, hier finden wir auch 


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Reste von Wallburgen, von alten frühgeschicht- 
lichen Ding- und Versammlungsstätten, die teil- 
weise auch Fliehburgen in Kriegszeiten waren. 
Fast in jeder Flur lassen sich Wüstungen nach- 
weisen und zuweilen berichtet nur noch ein 
dornenheckenbestandener Steinhaufen von dem 
Schicksal einer aufgegebenen Siedlung. 


Hier in der Dorfflur erleben wir vor allem 
das größte Geschenk des deutschen 


Bauerntums an unser Volk, die deut- 


sche Kulturlandschaft. Deutschem Bau- 
ernfleiß ist es aus seiner Naturverbundenheit 
heraus gelungen, aus der ursprünglich vorherr- 
schenden Waldlandschaft eine Feld-Wald-Land- 
schaft zu gestalten, die den Nahrungsbedürfnis- 
sen einer dichten Bevölkerung gerecht wird und 
gleichzeitig durch ihren Reichtum an Baum- 
beständen der verschiedensten Art SE dem 
naturbedingten Wesen der deutschen Landschaft 
zeugt, gegen dessen Gesetze, ohne die Frucht- 
barkeit des Bodens zu gefährden, nicht ver- 
stoßen werden darf. Diese deutsche Kulturland- 
schaft stellt sich in ihrer Schönheit ebenbürtig 


neben ihren Antipoden, die von Menschenhand 


noch nicht berührte Wildlandschaft. 


Wir dürfen bei der Betrachtung der Kultur- 
denkmäler im Dorf und seiner Flur nicht bei 
den an der Oberfläche greifbaren Dingen stehen- 
bleiben, noch unendlich größer ist die Fülle 
dessen, was wir hier an unsichtbaren und doch 
nicht weniger lebendigen Werten entdecken 
können. Fast alle deutschen Wissenschafts- 
disziplinen haben hieraus ihre Erkenntnisse ge- 
wonnen. Die deutsche Frühgeschichts- 
wissenschaft baut, um hier zu beginnen, ihr 
ganzes Lehrgebäude auf den Funden auf, die 
Jahrtausende im deutschen Boden lagen, die 
durch Grabungen in den Fluren deutscher Dörfer 
neu zutage treten und die uns der frühgeschicht- 
liche Mensch als letzte Reste und Hilfsmittel zur 
Erforschung seiner Rasse und seines Lebens- 
stiles zurückgelassen hat. Hier gewinnen wir 
Einblicke in die besondere Art dörflicher Sied- 
lungsweise unserer germanischen Vorfahren 
und in die Höhe ihrer rein bäuerlich bestimmten 
Kultur. Nur mit Hilfe der Spatenforschung kann 
die dörfliche Kulturgeschichte so weit in die 
Vergangenheit zurückgreifen. 


Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß dieser 
einmal aufgenommene Faden ohne Unter- 
brechung fortgesponnen werden muß, über die 
Zeit der germanischen Stammeswanderungen in 
die der fortschreitenden Besiedlung des deut- 
schen Bodens. Hier .reicht die Siedlungs- 
geschichte der Frühgeschichte die Hand. Das 


Überwiegen des Dorfes, des Weilers oder des 


Einzelhofes — alle drei Formen reichen in die 
frühgeschichtliche Zeit zurück — zeigt schon in 
der Siedlungsform den bäuerlichen Grundcha- 


rakter unseres Volkes. Bei der Mannigfaltigkeit 


der Orts- und dementsprechend auch der Flur- 
formen im deutschen Lebensraum sind, weil 
diese stets bestrebt sind, sich den natürlichen 


84 


Gegebenheiten anzupassen, neben den Grund- 
formen zahlreiche Varianten zu unterscheiden, 
die zwischen den Grundformen eine Vielzahl 
von Übergängen herstellen. Immer wieder be- 
obachten wir in allen Teilen Deutschlands die 
der Landschaft und dem stammesmäßigen Emp- 
finden der ersten Siedler angepaßte Dorfanlage, 
die trotz ihrer scheinbaren Regellosigkeit doch 
letzten Endes ein festes Ordnungsprinzip ver- 
körpert, das Prinzip genossenschaftlichen Zu- 
sammenhaltens. Diese Ordnung können wir als 
speziell deutsches Kennzeichen überall im Sied- 
lungsraum unseres Volkes beobachten, finden 


-sie dagegen nie in Vergangenheit und Gegen- 


wart bei den Slawen, unseren östlichen Nach- 
barn. In geradezu klassischer Schönheit ist die 
Plangestaltung in den Dorfsiedlungen des deut- 
schen Ostens von den deutschen Bauernsiedlem 
durchgeführt worden. 


Im Verein- mit der Siedlungsgeschichte 
arbeitet die Geographie. Sie berück- 
sichtigt die natürlichen Siedlungsbedingungen, 
die Gestaltungs möglichkeiten von Dorf und 
Flur in geologischer, morphologischer und witt- 
schafts geographischer Hinsicht. Auch der 
Geograph bestätigt immer wieder, wie planvoll 
und instinktsicher unsere Dörfer an den zweck- 
mäßigsten Plätzen im Gelände entstanden sind, 
und wie der bäuerliche Mensch bereits vor Jahr- 
hunderten bemüht war, Weide, Feld und Wald 
im gleichen Maße zu pflegen. Die Flur wurde 
nie im wilden Durcheinander ausgenützt, son 
dern die Allmende, die Gewannflur in West 
deutschland oder die Blockflur im deutschen 
Osten waren sorgsam verteilt. 


Wie sehr das Leben der Dorfbewohner 2 
allen Zeiten um ihre Flur kreiste, ersehen wir 
schon allein aus der Tatsache, daß jedes Flur- 
stück seinen eigenen Namen erhielt. Hier stellt 
sich die Philologie in den Dienst der Dort- 
forschung. Die Fülle der Flurnamen, die uns 
manchen Hinweis auf die Kultur und Lebenshal- 
tung unserer Vorfahren in den deutschen Där: 
fern geben, ist in langen Jahrhunderten deit: 
scher Geschichte als ein Gemeinschaftswerk 
einer langen Geschlechterkette entstanden. Sie 
vermitteln uns, ebenso wie die Ortsnamen selbst 
manche Uberlieferung und helfen uns Zeit, Art 
und Stärke der ersten menschlichen Besiedlung 
bestimmen. Wer Orts- und Flurnamenforschung 
treiben will, muß mit der Landschaft ebenso 
vertraut sein wie mit der Mundart ihrer Be 
wohner. Es wäre falsch, die Sprache und ihre 
Entwicklung gesondert zu betrachten. Sie lebt 
vorwiegend in der Bindung an dörfliche und 
bäuerliche Menschengruppen in einer räumlich 
begrenzten Landschaft und im engen Zusammen 


hang mit den anderen dörflichen Kulturgüter 


und ist als landschaftliche gebundene Volks 
sprache nur hier noch rein zu finden. Gerade 
die Sprachgeographie ist zu einem wich 
tigen Forschungsinstrument für die Stammes- 


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Im „Nikolaus“ 
erscheint auch 
heute noch der 
Schimmelreiter 
Wodan, der gü- 
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Gaben und der 
Rute, die heute 
ein Kinder- 
schreck ist, einst 
aber die Lebens- 
rute, also ein 


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Fruchtbarkeits- 
A symbol dar- 
i stellte. 


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im Heidedorf 


Zur Zeit der Wintersonne 
wende feierten unsere gemi 
nischen Vorfahren das Julfest i 
Als später die Kirche ihr gôt 
tes Fest auf diese Zeit Je 
blieb trotzdem das alte bam: 
liche Brauchtum erhalten, w% 
bei die Umzüge und Heis 
gänge der Kinder, die Ve 
kleidungen, die Scherz- wi 
Lärmbräuche, Licht- und Feus 
bräuche, oft nur ganz äußer 
mit irgendeinem christi 
Heiligen verknüpft wunder 


In einigen Gegenden Deutschlands ist seit alters her statt des 
Weihnachtsbaumes die „Tunschäre‘ oder der „Klausenbaum 
im Gebrauch, ein Holzgestell, das mit Äpfeln, Nüssen und Back- 
werk in Tierform, Sinnbildern aus der Glaubenswelt unserer 
germanischen Vorfahren, geschmückt ist. 


Alter Brauch in neuer Form: Arbeitsmaiden bringen den Bauern- 
familien, auf deren Höfen sie eingesetzt sind, den Lichterkranz. 


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In manchen Landschaften bringt nicht Nikolaus 
sondern Frau Holle, heute zum „Christkindel ge 
worden, den Kindern die weihnachtlichen Gaben. 
ln der Gestalt von Frau Holle verkörperten sich für 
den deutschen Volksglauben die Wachstumskräfle 

der „Mutter Erde‘, Sie ist eng verwandt mit Frau 
d Berchta, der Gottesmutter, die in christlicher Zeit zur 

|  Unholdin erklärt und so zum Kinderschreck wurde 


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Das Bild oben stammt aus der Oberlausitz, das Bi 
unten aus dem Banat. Hier kommt das „Chis 
kindel“ am Weihnachtsabend in langem weißen 
Gewande, um die Kinder zu bescheren. Set 
Begleiter ist der „Pelzmärtel“, wie der Rnech 
Ruprecht auch heißt. 


kunde und besonders auch für die deutsche Ost- 
forschung geworden. 

Das bunte Bild des Volks- und Kulturlebens 
auf dem Dorfe, wie wir es heute und noch weit 
lebendiger in der Vergangenheit bemerkten, zu 
schildern, ist eine der schönsten Aufgaben der 
Volkskunde. Das Gebiet des Brauchtums 
erfreut sich heute allgemeinen Interesses. Un- 
endlich vielgestaltig sind die Arten des Lebens- 
laufs-, des Jahreslaufbrauchtums und des 
Brauchtums bei der bäuerlichen Arbeit und beim 
dörflichen Handwerk. Nirgends finden wir an 
anderen Stellen eine solche Fülle von Formen. 
Hier tut sich die Welt unserer Vorfahren in 
sinnvoller Einfachheit und schlichter Größe auf, 
besonders wenn es gelingt, neben den Feststel- 
lungen der hier sichtbaren Kulturwerte auch die 


Volksseele selbst in ihren Schwingungen und 


Stimmungen kennenzulernen, wie sie die Ein- 
drücke des Kultur- und Naturgeschehens erlebt, 
erfaßt und wiedergibt. 


Besondere Beachtung verdienen die Sinn- 
bilder, denen wir in den Formen des Fach- 
werkes am Hause, in Hausmarken, Heilszeichen 
und allerlei figürlichem Schmuck begegnen. 
Immer wieder finden wir hier das Sonnenrad, 
den Donnerbesen, den Fünfstern oder allerlei 
Getier, das nur dem oberflächlichen Blick als 
ornamentale Spielerei erscheint. Diese zum Teil 
nur unbewußt vererbten. Zierformen erinnern 
uns an die Glaubenswelt unserer Vorfahren und 
zählen zu den frühesten Zeugen deutscher Kul- 
tur. Die gleichen altüberlieferten Zeichen sehen 
wir noch an altem .selbstgefertigtem Hausgerät 
und Handwerkszeug. Wichtigste Ergebnisse für 
die Erkenntnis alten deutschen Volkstums hat 
die Kulturgeschichtsforschung schon hieraus ge- 
zogen. Von hier ist es nur ein Schritt zu den 
Inschriften, denen wir als Zeugen der Vergan- 
genheit an vielen Stellen im Dorf begegnen. 


Zwar keine sichtbaren, aber noch nicht minder 
lebendige und wesentliche Zeugnisse alten 
Volksglaubens und alter vom Bauern bestimmter 
Volkskultur sind die Märchen und Sagen, die 
Fabeln und Schwänke, die Sprichworte und Rät- 
sel, die Volkslieder und Kinderspiele. Das Mär- 
chen gehört zu dem urtümlichen Erzählgut, das 
in den breiten bäuerlichen Volksschichten 
unserer Dörfer seine Heimat hat und sich dort 
jahrhundertelang von Mund zu Mund weiter 
vererbte. Hier sind diese Gemeinschaftsdichtun- 


gen auch entstanden, denn unser Bauerntum hat 


am ehesten, am besten und am reinsten die Ge- 
danken der alten germanischen Glaubenswelt, 
die sich hier widerspiegeln, bewahrt. Schon 
deshalb sind unsere Märchen ein Stück alter 
deutscher Volkskultur und ihr Tod wäre nicht 
nur ein Verlust für unsere Kinder, sondern ein 
noch größerer für die ganze deutsche Volks- 
seele. Die Sage ist als eine ortsgebundene Er- 


zählform ebenfalls von altersher in unseren Dör- - 


fern lebendig. In ihr offenbart sich der historische 
Sinn unseres Bauerntums ebenso wie seine 


Erzählkunst und Erzählfreudigkeit. Treffliche 
Beobachtungsgabe und Schlagfertigkeit zeigt 
sich beim Schwank — dessen köstlicher Hu- 
mor nie zum seichten Witz ausartet — beim 
Rätsel und nicht zuletzt beim Sprichwort. 
Hier verbirgt sich unter einem schlichten Ge- 
wand eine Fülle von Lebensweisheit und Erfah- 
rung, die von Generation zu Generation durch 
die Jahrhunderte überliefert wurde Alle 
Kräfte, die in der Vergangenheit versuchten, die 


bäuerliche Sprache und ihre Schöpfungen ver- 


ächtlich zu machen, sie als gänzlich ungehobelt 
und unliterarisch hinzustellen, hatten vergessen, 
daß gerade die deutsche Sprache als Ausdrucks- 
form eines bäuerlichen Volkes in unseren Dör- 
fern entstanden ist. 


Nicht nur die Sprache, ja überhaupt das 
ganze kulturelle Leben. unseres Volkes und 
seine Geschichte nimmt hier ihren Ausgang. 
Wir dürfen die Dorfkultur in allen ihren Aus- 


drucksformen nicht als gleich alt ansehen, son- 


dern beachten, daß sie zwar von unserer Gegen- 
wart her als alt, d. h. urtümlich erscheint, des- 
halb aber doch aus qanz verschiedenen Zeit- 
abschnitten stammen und von den verschie- 
denen Generationen geprägt worden sein kann. 
Wenn sich in einer wahrhaft fruchtbaren Zu- 


- sammenschau verschiedener Wissenschaften die 


Möglichkeit bietet, alle Zweige der Dorffor- 
schung in übersichtlicher und anschaulicher 
Weise zu behandeln, dann kommt hier der Ge- 
schichtswissenschaft eine ganz beson- 
dere Bedeutung zu. 

Die Vielgestaltigkeit historischer Forschungen 
bietet in jedem Falle Gelegenheit, Erkenntnisse 
über Recht, Wirtschaft und soziale Schichtung, 


die alle mit der Kultur im deutschen Dorfe eng 


verknüpft sind, zu gewinnen. Die Geschichts- 
wissenschaft kann auch dann im Dienste der 
Dorfforschung stehen, wenn es scheint, daß ein 
Dorf niemals vom Atem der politischen Welt- 
geschichte berührt worden ist. Einige der in den 
letzten Jahrzehnten veröffentlichten Dorf- 
geschichten berichtet schlicht und wahrheits- 
getreu von der Vergangenheit eines deutschen 
Dorfes, wenn auch anscheinend kein besonderer 
Anlaß dazu vorliegt und ihm historische oder 
landschaftliche Besonderheiten versagt geblie- 
ben sind. Was diese Schilderungen, bei denen 
meist die Liebe zur Heimat und zum deutschen 
Bauerntum die Feder führte, immer wieder le- 
senswert macht, ist die Tatsache, daß kein Dorf 
haargenau dem anderen gleicht und wir somit 
stets neue Einblicke in den unend- 
lichen Reichtum der deutschen Kul- 
turgeschichte gewinnen. 


Wenn wir hier hören, wie alt diese Dörfer 
sind, ihren Weg in der Vergangenheit von der 
ersten Besiedlung im Auf und Ab durch die Zeit 
des freien Bauerntums, der sich entwickelnden 
Grundherrschaften und Landesfürstentümer, 
durch Reformation und Bauernkrieg, durch die 
Zeiten kleiner Fehden und großer Deutschland 


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verwüstender Kriege, durch die Bauernbefreiung 


des 19. Jahrhunderts und erneute Verknechtung 
durch den Kapitalismus bis zur Gegenwart ver- 
folgen, dann erkennen wir erst richtig, wie sich 
rund zweitausend Jahre deutscher Geschichte im 
Schicksal eines kleinen Dörfes spiegeln. 


Nirgends gelingt es so gut wie im deutschen 
Dorf den Weg einer Sippe im Laufe unserer 
Volksgeschichte zu verfolgen. Die Dorf- 
geschichte bietet die beste Einführungin 
die Sippenkunde, die hier auf dem Friedhof 
begonnen werden kann, wo alte, halbverwitterte 
Grabsteine oder schmiedeeiserne Grabkreuze 
Zeugnis von längst versunkenen Generationen 
"ablegen, an die in den meisten Städten kein 
Denkmal mehr erinnert. Es genügt nicht allein, 
Stammbäume und Ahnentafeln alter Sippen auf- 
zustellen. Unter dem Blickpunkt „Blut und 
Boden“ kommt dem verbindenden Worte „und“ 
eine wesentliche Bedeutung zu. Es ist für die 
Kulturgeschichtsforschung sehr wesentlich, 
wenn sie immer erneut Klarheit über die unlös- 
liche Verbundenheit gewinnt, die das Blut mit 
dem Boden, d. h. die unserer Bauernsippen aus 
ihrem volkseigenen Blutserbe heraus mit den 
ebenso eigentümlich gestalteten landschaft- 
lichen Erscheinungsformen unserer deutschen 
Heimat eingegangen sind. 


Auch die Bevölkerungs geschichte des 
Dorfes liefert uns wichtige Bausteine. Sie ist 
zwar erst in den letzten Jahren Gegenstand der 
Forschung geworden und findet nurzahlenmäßig 
nüchtern ihren Niederschlag in alten Kirchen- 
büchern, Grundbüchern oder Steuerakten. Wer 
aber die geheimnisvollen Zusammenhänge der 
Volkwerdung erkennen will, muß sich an diese 
wichtigen Anhaltspunkte halten. Als Ergebnis 
entsteht dann ein Zahlenbild vom Wachsen des 
Dorfes und von der Zu- oder Abwanderung, das 
trotz seiner Nüchternheit etwas von dem Leben 
ahnen läßt, von dem es berichten soll, ohne 
allerdings seine letzten Geheimnisse zw ent- 
hüllen. Noch schwerer läßt sich die Bevölke- 
rungsart in ihrer körperlichen oder in ihrer 
rassischen Zusammensetzung erfassen. Bei der 
engen Verflechtung von Rasse und Kultur 
kommt aber anthropologischen Erhebungen her- 
vorragende Bedeutung zu. Während in den 
Großstädten und Industriezentren die beson- 
deren Merkmale vielfach stark verwischt sind, 
ist in den Dörfern immerhin die rassische Zu- 
sammensetzung unseres Volkes am sichersten 
festzustellen. 


Besonders aufschlußreich ist die Dorf- 
geschichte auch für die Entwicklung der 
inneren deutschen Volksordnung. In 
der bäuerlichen Gemeindeordnung und ihren 
genossenschaftlichen Organen, z. B. den Mark- 
genossenschaften, fand das Grundgesetz deut- 
schen Sozialismus „Gemeinnutz geht vor Eigen- 
nutz” seine erste geschichtlich faßbare Ausprä- 
gung. Nach dem Vorbild der bäuerlichen Ge- 
meindeordnungen sind einst die ersten Städte- 


86 


den gleichen Prinzipien wie die bäu 


nicht mehr befriedigen konnte, und erm£ 


ordnungen geschaffen worden und tie | 
werkszünfte und Kaufmannsgilden w asch | 
nossenschaften errichtet. > Ze 


Wenn der Historiker die Dynamik d 
schichte in ihrem ganzen Umfang begreife 
dann muß er auch jenen Momenten F 
tragen, die, obgleich sie scheinbar 
Rande des politischen Gescheher P 
gen, doch einen nachhaltigen EinfluB ar 9 
Gang der Ereignisse ausgeübt haben. Wie e in 
von der Erfindung des Pfluges eine lum 
sende Umwälzung des gesamten nen chl 
Lebens ausging, so haben immer | 
züchtungen revolutionäre Veränderunger 
serer Lebensbedingungen ‚hervorge rufe 
unsere gesamte Wirtschaftsstruktur 
ten. Hierzu gehört beispielsweise in der N 
die unscheinbare Kartoffel, die du 
Einführung in unsere deutschen Dörfer den A 
stoß zu der letzten grundstürzenden Wandlun: 
der deutschen Agrarstruktur gab. Ihr Anbau 
ermöglichte die Uberwindung der alten Dreifel- 
derwirtschaft, die die vermehrten Nahr ung: 
bedürfnisse der rasch wachsenden Bevöl erur j 


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den Ubergang zur Fruchtwechselr 


deren intensive Bodenausnutzung die Grur 14 


der neuzeitlichen Nahrungsversorgung 
Eine zweite Neuzüchtung, die Zuckerrü 
hat nicht nur dadurch, daß sie Europa von d 
überseeischen Zuckerzufuhren unabhär 
machte, den Zucker zu einem neuen, 
unentbehrlichen Volksnahrungsmittel 
sondern auch den allgemeinen Intensitätsg 
der Fruchtwechselwirtschaft so erhöht, da8 o 
ihre Einführung der beispiellose fsch 
der landwirtschaftlichen Erzeugung in der N 
zeit unmöglich‘ gewesen wäre. So haben wei 
Neuzüchtungen, die beide in Deum 
wickelt wurden, Revolution gemacht. Ist sch 
die allgemeine volks wirtschaftliche Bedeutu S 
dieses Vorganges kaum genügend ge kee gt 
worden, so ist der einschneidende wat 
del des gesamten Dorflebens, dere 
verbunden war, kaum beachtet worden, obwohl 
er mit seinen Licht- und Schattenseiten für d ie 
Entwicklung der gesamten deutschen Kultur a 
entscheidender Bedeutung war. Auch in dieser 
Beziehung ist der Dorigeschichte der Zukun 
die Aufgabe gestellt, wichtige, bisher noch k = 
lende Bausteine für eine umfassende deutsche 
Kulturgeschichte zu liefern. 


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Die gleiche enge Verflechtung KZ 
schen Kultur und Wirtschaft zeigt uns 
die Geschichte des Dorfes im 19. Jahrhur 
wenn wir die erheblichen Besitzverschie- ja 
bungen betrachten. Einmal sind in jest d 
Zeitraum alte große Bauernhöfe vielfach 9 ` 
und neue zwischen ihnen angelegt oder 
anderer Stelle mehrere kleine Besitzungen 2 * 
Großbetrieben zusammengelegt. Gerade die 
sitzzersplitterung und a Abwanderung ( 


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Digitized by Google 3 


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zwar persönlich freien, aber vom Boden gelösten 
Landarbeiter aus dem Osten in die Städte be- 
wirkte einen Rückgang der Dorfkultur, der eine 
der schwierigsten Erbschaften der Vergangen- 
heit darstellt. Wenn es in diesem Zusammen- 
hange gelingt, dem deutschen Bauern an Hand 
der Geschichte seines Dorfes, seines Hofes und 
seiner Sippe klarzumachen, daß das Reichs- 
erbhofgesetz nichts weiter will, als dem 
gesetzliche Form geben, was eigentlich von 
altersher Gewohnheit war, so wird er dieses 
Grundgesetz unseres Bauerntums sofort mit ganz 
anderen Augen ansehen, als bisher mit seinem 
von der Not und den Schwierigkeiten der letzten 
Jahrzehnte getrübten Blick und auch dessen 
letztlich kulturerhaltende, ja kulturerneuernde 
Aufgabe anerkennen. 


Aber der Hinweise genug! Alle diese Dinge 
waren im letzten Jahrhundert stark,in Verges- 
senheit und Mißachtung geraten. Eines der 
Kulturdenkmäler nach dem anderen entschwand 
aus dem Gesichtskreis oder der Erinnerung des 
Dorfes und seiner Bewohner und damit des 
ganzen Volkes. Ihre Verzeichnung ist die Aui- 
gabe unserer Wissenschaft, ihre Wiederbele- 
bung eine Aufgabe der nationalsozialistischen 
Dorfkulturarbeit, bei der es gilt, vom Bauerntum 
aus unser ganzes Volk in seiner Lebenshaltung 
und Kultur wieder bodenständig zu machen. 
Auch die Wissenschaft kann ikr Material nur 
zum geringen Teil aus Urkunden und schrift- 


lichen Überlieferungen erarbeiten, die Quellen, ` 


die uns diese Erkenntnisse eröffnen, sind boden- 
gebunden und müssen mit aulmerksamem Ohr 
unmittelbar aus der lebendigen Landschaft ge- 
schöpft werden. Nur solche Betrachtungen kön- 
nen bei der älteren Generation liebe Erinnerun- 
gen wachrufen, bei der jüngeren das Heimal- 
bewußtsein und die Schollentreue stärken und 
allen fernen Söhnen und Töchtern des Dorfes 
einen Gruß bleten.. 


Die Heimatgeschichte, angefangen von der 
kleinen Dorfgeschichte, darf sich niemals von 
dem großen Ganzen abschließen. Wir 
wollen sie nicht als engstirnige oder eigenbröt- 
lerische Lokalgeschichte, sondern als 
deutsche Geschichte in bäuerlich und land- 
schaftlich geprägter Form ansehen und sie vor 
aller Enge bewahren, die doch niemals Leben 
spendet. Auf der Ortsgeschichte beruht haupt- 
sächlich die Landeskunde und diese Landes- 
kunde ist wiederum eine Hauptquelle der 
Volkskunde, die im Sinne Riehls gleichzeitig 
eine soziale Lebenskunde darstellt. 


Die Dorfgeschichtsforschung ist demnach nicht 
allein eine Angelegenheit kulturgeschichtlichen 
Erkenntnisbedürfnisses, sondern auch zugleich 
eine Aufgabe von höchst gegenwarts- 
bezogener Bedeutung. Der Kulturpolitik 
geht es um die Kultur als lebendig wirkende 
Kraft der Gegenwart, sie muß aber doch auf 
diesen im deutschen Dorf gestalteten Zeugen 
deutscher Kultur der Vergangenheit aufbauen. 


Der große Reichtum des Materials einer deut- 
schen Dorfgeschichte und damit eines gut Teils 
deutscher Kulturgeschichte liegt meist noch un- 
geordnet durcheinander. Hier gilt es, die ge- 
sammelten Einzelerkenntnisse aufeinander ab- 
zustimmen und sie der Allgemeinheit zugänglich 
zu machen, zum Nutzen unseres Volkes, denn 
auch hier wirkt „eine hervorragend na- 
tionale Wissenschaft” lebendig in unsere 
Gegenwart. Wir stehen am Anfang eines be- 
merkenswerten Abschnittes in der dorfgeschicht- 
lichen Erforschung des Reiches, Wie vor Jahr- 
zehnten die „beschreibende Darstellung der Bau- 


und Kunstdenkmäler” in den einzelnen deut- 


schen Landkreisen eine Bestandsaufnahme und 
sichere Grundlage für die weitere Erforschung 


der deutschen Kunstgeschichte geschaffen hat, 


so muß heute die Kulturgeschichte des deut- 
schen Dorfes den Weg bahnen zu einer neuen 
vielschichligen deutschen Kulturgeschichte. 


Die Dorfgeschichtsforschung ist also mehr als 
ein müßiger Zeitvertreib für Liebhaber oder aber 
nur lediglich ein neues Arbeitsfeld für die zu- 
künftige Kulturgeschichtsforschung, sondern 
eine wichtige Aufgabe unseres ganzen Volkes. 
Sie darf sich nicht darauf beschränken, nur ge- 
legentlich in örtlicher oder sachlicher Hinsicht 
mehr. oder weniger zufällige Fragen in Angriff 
zu nehmen, sondern sie muß planmäßig auf 
der ganzen Linie begonnen und durch- 
geführt werden. Kein noch so genialer Bau- 
meister kann ein Gebäude errichten, ohne die 
Hilfe der zahllosen oft unbekannten Vorarbeiter, 
die ihm die Bausteine formen und herbeischaffen. 
Auf diese fleißige Kärrnerarbeit, die jede echte 
Wissenschaft niemals verachten darf, kommt es 
auch bei der Dorfgeschichtsforschung entschei- 
dend an. Die großen Zusammenhänge aufzu- 


spüren und darzustellen, wird freilich immer die 


Aufgabe der Wissenschaft bleiben müssen. 


Wenn zur Erforschung der Vergangenheit des 


deutschen Bauerntums die Erfassung aller Dörfer 
notwendig wird, dann kann das Bauerntum allein 
und aus sich heraus diese Aulgabe nicht lösen, 
hier bedart es der Hilfe der deutschen Wissen- 
schaft. Der Bauer und Dorfbewohner vermag 
zwar dem Hofbuch und dem Doribuch allein 
wirkliches Leben einzuhauchen, die Zusammen- 
schau aller dieser Monographien ist die Aufgabe 
eines Kreises von der Dorfforschung und dem 
Bauerntum besonders verbundenen Wissen- 
schafllern. 


Wenn das Dorfbuch heute jeden Dorfbewoh- 
ner anspricht, dann soll die Zusammenfassung 
aller Zeugnisse deutscher Kultur in unseren 
Dörfern den Deutschen auf dem Lande und vor 
allem auch in der Stadt den Wert und Reichtum 
deutschen Volkstums, den es gegenwärtig für 
die Zukunft zu bewahren gilt, vor Augen führen. 
Hier ist für uns alle ein „Quellenbuch 
von unschätzbarem Wert aufgeschla- 
gen! 


87 


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1 


H. GERD ES MANN: 


Japan ORDNET DEN 


OS TASIATISCHEN AGRARGROSSRAUM 


Mu der Auflösung des Systems der liberalen 
Weltarbeitsteilung vollzog sich die Her- 
ausbildung von Groß- Wirtschafts- 
räumen, ein Ausdruck für die Gleichheit poli- 
tischen Gestaltungswillens von Völkern gleicher 
oder verwandter Rasse. Als eine Übergangs- 
erscheinung kann der Versuch Eng- 
lands gewertet werden, sein Empire zu einem 
autarken Länderblock zu machen. Diesem fehlte 
nämlich eine der wichtigsten Voraussetzungen, 
denn das Empire war unorganisch und ohne 
direkte Verbindung über alle Erdzonen verteilt 
und ein interner Austausch nur gesichert, wenn 
auch die Seeverbindungen nicht gestört wurden. 
Wie wichtig gerade die letztgenannte Tatsache 
ist, zeigt sich im gegenwärtigen Krieg, da große 
Mengen an Nahrungsmitteln und Rohstoffen in 
Kanada, Australien und Neuseeland lagern, 
während andererseits auf der englischen Insel 
schärfste Rationierungsmaßnahmen durchgeführt 
werden müssen. Als echte Großräume sind 
deshalb nur Europa, Amerika und Ostasien zu 
bezeichnen. 


Charakteristisch für die Aufbauarbeit in den 
Großräumen ist die Beseitigung der durch die 
Weltarbeitsteilung entstandenen Schäden oder 
Mängel. Aut landwirtschaitlichem Gebiet be- 
deutet das die Rückführung der in andere Erd- 
teile oder Zonen hinaus verlegten Kulturen, die 
Abkehr von der Monokultur zugunsten der 
Polykultur, kurz die Sicherung der organischen 
Grundlagen der Landwirtschaft. 


Das sind auch die Aufgaben, die Japan zu 
lösen hat und die deshalb besonders dringlich 
sind, als es auf Grund seiner militärischen Er- 
folge nunmehr über Gebiete verfügt, die zum 
bisherigen Machtbereich der Engländer, Ameri- 
kaner und Holländer gehörten und unter deren 
Einfluß zu ausgesprochenen Monokulturländern 
geworden waren. 


Der ostasiatische Großraum liegt etwa 
zwischen den Breitengraden 50° Nord und 10° 
Süd; er umfaßt mit Mandschukuo, Indochina, 
Thailand, Burma, Malaya, den Philippinen, 
Sumatra und Borneo eine Fläche von fast 4,1 
Millionen Quadratkilometern und rund 280 Mil- 
lionen Menschen. Weiterhin muß China mit 
5,7 Millionen Quadratkilometern Fläche und 426 
Millionen Menschen dazugerechnet werden. Die 
wirtschaftliche Bedeutung dieses Raumes ist aus 
den Angaben des Deutschen Instituts für Wirt- 
schaftsforschung ersichtlich, Danach betrug 1938 


88 


der Anteil an der Weltproduktion bei Reis rund 
90 v. H., Rohrzucker 14 v. H., Hanf 28,7 v. H. und 
Kautschuk 89,2 v.H. Unter Außerachtlassung des 
Handels zwischen den südostasiatischen Ländern 
wird der Anteil an der Weltausfuhr bei Reis mit 
54,9 v. H., bei Rohrzucker mit 14,7 v. H., bei Hanf 
mit 48,1 v. H., bei Kautschuk mit 85,9 v. H., bei 
pflanzlichen Olen mit 34,4 v. H. und bei Kopra 
mit 72,3 v. H. ausgewiesen. 


Noch deutlicher wird der Reichtum dieser Ge- 
biete an landwirtschaftlichen Rohstoffen, wenn 
man einige Produktionszahlen aus dem Jahre 
1938 herausstellt. Danach betrug die Sojaproduk- 
tion in China und Mandschukuo 216 Millionen 
Bushel bzw. 140 Millionen Bushel. Die Philippi- 
nen erzeugten unter anderem 1,5 Millionen 
Ballen Manila-Hanf, 0,8 Millionen Tonnen Kopra 
und 1,5 Millionen Tonnen Zucker. Burma pro- 
duzierte 4,6 Millionen Tonnen Reis und 0,18 Mil- 
lionen Tonnen Erdnuß, während sich die Erzeu- 


gungsmenge von Niederländisch-Indien auf 19 


Millionen Tonnen Mais, 0,82 Millionen Tonnen 
Kopra, 0,27 Millionen Tonnen Palmöl und 1,4 
Millionen Tonnen Zucker belief. Ohne Berück- 
sichtigung von China und Mandschukuo werden 
die Erzeugungsmöglichkeiten in den neuen Ge- 
bieten bei Pflanzenölen aus den wichtigsten Roh- 
stoffen auf 2,9 Millionen Tonnen geschätzt, und 
zwar entfallen auf: 


Niederländisch-Indien . . . . 54 v. H. 


Files Ee See 27 v.H. 
U ˙ : ²˙ Ä 9 v. H 
aleng, eee 7 v. H 


während sich der Rest auf Thailand und Indo- 
china verteilt. 


Für das Japanische Reich war die Stabili- 
sjerung des Reishaushalts bisher ein 
schwieriges Problem, da der Bedarf — trotz 
stärkster Förderung der Eigenerzeugung — nur 
durch Einfuhren gedeckt werden konnte. Nach 
Einbeziehung der neuen Räume verfügt Japan. 
das mit 8.6 Millionen Tonnen Reis rund 9 v. H. 
der Weltproduktion erzeugte, nunmehr über be- 
deutende Überschußgebiete. So betrug im Durch- 
schnitt der Jahre 1935/36 bis 1939/40 die Reis- 
ausfuhr von 


Korea ei Kies 1,10 Mill. Tonnen 
Formosa ....... a 0,62 „ KR 
Indochina ...... 1,32 T 7) 
Thailand ...... 191 ü 
Burma. kauen 2,99 „ u 


durch deren Überschüsse auch der Fehlbedarf in 
Malaya, Niederländisch-Indien und den Philip- 
pinen gedeckt werden kann. 


Die äußerst günstigen Produktionsverhältnisse 
verleiten nur zu leicht zu dem Trugschluß, daß 
die wirtschaftliche Neuordnung dieser Gebiete 
ohne nennenswerte Schwierigkeiten durchzu- 
führen sei. Dem stehen aber die unterschiedliche 
organische Gestaltung, die Weitläufigkeit des 
Raumes und nicht zuletzt die Auswirkungen der 
bisherigen Wirtschaftseinflüsse imperialistischer 
Prägung entgegen. Es ist kennzeichnend, daß die 
japanische Agrarpolitik der Neuordnung ebenso 
wie die Deutschlands dem Gesetz der Stär- 
kung von innen heraus dient und ein ent- 
sprechendes Programm entwickelt wurde, das in 
dem früheren Fünfjahresplan und dem erweiter- 
ten gegenwärtigen Zehnjahresplan seinen Nie- 
derschlag findet. Im Mittelpunkt der Aufgaben- 
stellung stehen folgende Ziele: 


1. Neuordnung im „Stammreich“; 

2. Neuordnung der autonomen oder schon 

. länger besetzten Gebiete wie Mandschukuo 
und National-China; 

3. Neuordnung der Südsee-Gebiete aus dem 
ehemalig englischen, amerikanischen und 
holländischen Besitz; 

4. Neuordnung der Austauschbeziehungen 
zwischen den Ländern. 

Wenn trotz der verfügbaren bedeutenden 
Agrargebiete die Stärkung der heimischen Land- 
wirtschaft im Vordergrund steht, so zeigt das 
eindeutig, daß es sich bei den Maßnahmen nicht 
um kriegsbedingte Notwendigkeiten, vielmehr 
um zukunftsweisende Sicherungsbestrebungen 
handelt. Die japanische Landwirtschaft arbeitet 
zum größten Teil unter schwierigsten Verhält- 
nissen; denn die Ackerfläche umfaßt nur 15,8 
v.H. des Gesamtareals bei einer Besiedlungs- 
dichte von 182 Menschen je Quadratkilometer. 
1933 hatten 68,5 v.H. der Betriebe eine Größe 
von weniger als J Hektar, unter 5 Hektar lagen 
sogar 98,7 v. H. Die ungünstige Besitzstruktur — 
47 v.H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind 
Pachtland — wirkte sich zusammen mit anderen 
krisenhaften Erscheinungen dahingehend aus, 
daß von 1913 bis 1930 der Anteil der in der 
Landwirtschaft Tätigen an der Gesamtzahl der 
Berufstätigen von 50 v. H. auf 21,9 v. H. zurück- 
ging; während die Bevölkerungszahlen von 1909 
bis 1925 um 23,4 v.H. stieg, erhöhte sich die 
landwirtschaftliche Bevölkerungszahl nur um 
26v.H. 

Diese Entwicklung der japanischen Wirt- 
schafts- und Sozialstruktur — die unter dem 
Einfluß der Industrialisierung ähnlich verlief wie 
in den meisten europäischen Staaten — wurde 
von der japanischen Regierung als politische 
Gefahr erkannt und entsprechende Abwehrmaß- 
nahmen eingeleitet. Seit 1931 ist die staatliche 
Kontrollpolitik der Produktion und des Marktes 
im Rahmen eines Fünfjahresplanes durchgeführt. 
Die Überwachung der Preise und die Festsetzung 


o 


von Variationsgrenzen, die Regelung des Reis- 
und Getreidemarktes (1933), Dorfplanungen, 
Gründung von Genossenschaften und Ordnung 
der Schuldverhältnisse waren staatliche Maß- 
nahmen mit dem Ziel, die Basis für eine wirt- 
schaftliche Gesundung auf dem Agrarsektor zu 
schaffen. Professor Shiroshi Nasu, Tokio, faßte 
die zu bewältigenden Aufgaben zusammen und 
stellte als wichtigste Forderungen auf: 


1. die Befreiung der Betriebe vom wirtschaft- 
lichen Druck als Folgewirkung der Welt- 
wirtschaftskrise; 

2. die Reform der Gesellschafts- und Wirt- 
schaftsstruktur; 

3. die Bekämpfung der sozialen Mißstände 
und der Verstädterungstendenz; 

4. den Aufbau eines gesunden und lebens- 
fähigen Bauerntums und einer bodenstän- 
digen Kultur. 


Die Verwirklichung vieler dieser Forderungen 
wurde bereits eingeleitet und im Zehnjahresplan 
programmatisch verankert. Das gilt einmal von 
der Stabilisierung der Betriebsstruktur, d. h. der 
Abkehr von der wenig krisenfesten 
Parzellen- und Pächterwirtschaft. Ein 
weiteres Problem lag schon damals in der 
zwischen landwirtschaftlichen und industriellen 
Produkten bestehenden Preisschere, die man 
seit 1931 durch die Bestimmung von Fest- und 
Mindestpreisen allmählich zu schließen, ver- 
suchte. Zur Sicherung der Versorgung mit den 
wichtigsten Nahrungsmitteln (Reis und Ge- 
treide) wurde 1933 ein Kontrollgesetz für 
diese Produkte erlassen, deren Erzeugung über 
80 v. H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche be- 
ansprucht. 


In Fortsetzung dieser Maßnahmen wurde 
neuerdings eine kaiserliche Verordnung ver- 
öffentlicht, die die Einführung eines aŭto- 
ritären Marktkontrollsystems bedeutet. 
Danach erfolgt von Staats wegen der restlose 
Aufkauf der Erzeugung (abzüglich des Eigen- 
bedarfs). Nach Befriedigung des Wehrmacht- 
bedarfs übernehmen halbstaatliche Nahrungs- 
mittelbewirtschaftungsstellen die Restmengen 
und verteilen sie über ihre Provinzorganisation 
direkt an den Verbraucher. Die Festsetzung der 
Preise nach der Marktlage, eine Qualitätskon- 
trolle und die Lenkung der gesamten Agrar- 


produktion sind ebenfalls Ausdruck der autori- 


tären Wirtschaftsführung. 


Wenn die japanische Regierung auch während 
des Krieges große Beträge für die Aufrüstung 
des Dorfes bereitgestellt hat und mit allen 
Mitteln an der Neubelebung der Landwirtschatt 
aus eigener Kraft arbeitet, wenn man als Zu- 
kunfisziel die Stabilisierung des Anteils der 
landwirtschaftlichen Berufstätigen an der Ge- 
samtzahl der Berufstätigen auf 40 v. H. verlangt 
und das Bauerntum „das Rückgrat des Volkes" 
nennt, so zeigt sich auch darin der feste Wille, 
die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu sichern. 


89 


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Nur ein Studt, der wirtschaftlich selbständig ist, 
ist zur politischen Führung eines Großraums 
befähigt. f 


Als am 1. November 1942 das Großost- 
asien-Ministerium ins Leben gerufen 
wurde, erhielt der ostasiatische Großraum damit 
seine höchste Befehlsstelle, in deren Händen die 
gesamte Planung liegt und die sich der Militär- 
verwaltungen als ausführender Organe bedient. 
Der privaten Initiative steht u. a. im Rahmen der 
halbstaatlichen Gesellschaften ein weites Be- 
tätigungsfeld offen. 


Sofort nach Besetzung der Südseegebiete 
bildete der Nippon-Zentral-Genossenschaftsrat 
ein Untersuchungskomitee, das Boden, Klima, 
die Produktions- und Anbauverhältnisse, den 
Arbeitsbesatz und das Betriebssystem studierte: 
Diese Grundlagenforschung war die erste Vor- 
aussetzung für eine agrarische Neuordnung, die 
sich ebenso auf die Anbaustruktur und Erzeu- 
gung wie auch auf die Austauschbeziehungen 
erstreckt. Die sporadische Lage der Gebiete des 
ostasiatischen Großraumes und das Vorherrschen 
von Monokulturen, besonders auf den Inseln der 
Südsee, hätte unter Beibehaltung dieser ein- 
seitigen Produktionsmethoden einen bedeuten- 
den Austauschverkehr notwendig gemacht, dem 
die Handelstonnage nicht gewachsen gewesen 
wäre. Deshalb sieht der Zehnjahresplan der 
Japaner nicht nur die Erhöhung der Erzeugung 


im „Stammreſch“ vor, sondern ebenso in den 
neuen Räumen, deren Landwirtschaft gleich- 


zeitig zur Polykultur übergehen soll. 


Die Vielfältigkeit der im Zehnjahresplan fest- 
gelegten Einzelmaßnahmen, die dem Ziel der 
agrarwirtschaftlichen Unabhängigkeit dienen, 
lassen in der Aufgliederung nach Zonen, 
die nahezu autark werden sollen, die groß- 
räumige Konzeption erkennen. Man strebt für 
Nippon mit Formosa und Korea nach einer 
Autarkie, die bei Reis, Weizen, Hafer, Speise- 
bohnen, Erbsen, Zucker und Fisch bereits er- 
reicht ist, und will China, die Mongolei und 
einige Südseegebiete durch Umstellung und Er- 
höhung der Erzeugung von allen Einfuhren un- 
abhängig machen. Zur Stabilisierung des Fett- 
haushalts ist die Steigerung der Sojaproduktion 
in Korea und Mandschukuo vorgesehen. Mit der 
Aufstellung eines Zuckerplanes für Java und die 
Philippinen, der eine Einschränkung der Zucker- 
produktion auf 750000 Tonnen bzw. auf 500000 
Tonnen verlangt, verbindet man die Förderung 
der Polykultur. Auf Kosten der Zuckerplantagen 
sollen in beiden Gebieten Reis, Mais und Baum- 
wolle, teilweise noch Jute und Sisalgras in den 


Anbauzyklus aufgenommen werden. Besonders 


die Ausweitung der Baumwollgebiete ist für 
Ostasien von Wichtigkeit, da der Friedensbedarf 
nur etwa zu einem Drittel im eigenen Raum ge- 
deckt werden konnte. Das Hauptanbaugebiet 
war bisher Mittelchina, das dank der japanischen 
Initiative schon 1942 den Baumwollertrag um 
20 v. H. erhöhen konnte. Während sich in frühe- 


90 oo. 


. waren. 


ren Jahren die Ernte auf etwa 18000 Tonnen 
belief, soll sie bis 1944 auf das Dreifache gestei- 
gert werden. Für die Philippinen, die bisher über 
rund 15000 Hektar Baumwollfläche verfügten, 
wurde ein Fünfjahresplan aufgestellt mit dem 
Ziel, eine Ausweitung um nahezu 450000 Hektar 
durchzuführen. Auch auf Java, wo die Planung 
für 1942 eine Anbaufläche von 20000 Hektar 
vorsah, ist mit weiteren Flächenausweitungen 
zu rechnen. Über allem aber steht die Sicherung 
des Bedarfs an Reis, dem Hauptnahrungsmittel 
der Asiaten, bei dessen Kultur immer mit Miß- 
ernten gerechnet werden muß, die eine groß- 
zügige Vorratswirtschaft notwendig machen. 
Aber nicht allein in der Produktionsumstellung 
und Flächenausweitung erschöpft sich das japa- 
nische Aufbauprogramm. Als ebenso wichtig gilt 
die Intensivierung, d. h. die Verbesserung 
der Bodenbearbeitungsmethoden, die Verwen- 
dung einwandfreien Saatgutes und der erhöhte 
Einsatz von Betriebsmitteln, wie Maschinen und 
Handelsdünger. Gerade hierin liegen noch 
bedeutende Reserven, die auszuschöpfen 
eine der schwierigsten Aufgaben der japanischen 
Behörden sind. Denn die im Rahmen der. Welt- 
arbeitsteilung entwickelten Monokulturen haben 
den Landwirten und Plantagenbesitzern, speziell 
der Südseegebiete, nicht nur eine ausgeprägte 
Einseitigkeit aufgezwungen, sondern haben 
ihnen auch durch das wirtschaftliche Abhängig- 
keitsverhältnis die freie Entwicklung der 
privaten Initiative unmöglich ge: 
macht. Wenn man bedenkt, daß die Philippinen 
im Jahre 1941 1,5 Millionen Tonnen Zucker pro- 
duzierten, denen ein Eigenverbrauch von mur 
150000 Tonnen gegenüberstand, daß sich im 
Durchschnitt der Jahre 1929 bis 1937 die Kopra- 
ausfuhr von Niederländisch-Indien, Britisch- 
Malaya und den Philippinen auf 886000 Tonnen 
belief, von denen allein mehr als ein Drittel, 
nämlich 318000 Tonnen, nach England und den 
USA. gingen, so kann man ermessen, unter 
welchem wirtschaftlichen Druck diese Produk- 
tionszweige standen, die auf Gedeih und Ver- 
derb von den imperialistischen Staaten abhängig, 
Ebenso kennzeichnend für die Aug: 
beutungsmethoden sind die Hektarerträge als 
Ausdruck des Intensitätsgrades. Ohne Rücksicht 
auf die Bedürfnisse der Einwohner hielt' man an 
den extensivsten Bewirtschaftungsmethoden 
fest, die den größten Reinertrag garantierten. 
Nur so erklärt es sich, daß die Reiserzeugung je 
Hektar in Japan bei 38,3 Doppelzentner lag. 
während sie in Burma nur 16,1 Doppelzentner, in 
Thailand 15,9 Doppelzentner und auf den Philip- 
pinen gar 10,2 Doppelzentner je Hektar betrug. 
In der Aktivierung dieser Kräfte liegt die Auf- 
gabe Japans und die Sicherung der Nahrungs 
freiheit des ostasiatischen Großraumes begründet. 
Am Beispiel Japans zeigt sich genau wie in 
Europa das Bestreben, die Schäden der Welt- 
wirtschaft zu überwinden, um sich mit der wirt- 
schaftlichen Unabhängigkeit im Großraum das 
Gesetz des politischen Handelns zu sichern. 


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Run desch aU 


Die Erinnerung an den 9. November 1918, der 
nunmehr 25 Jahre zurückliegt, gab Veranlassung, den 
grundsätzlichen Unterschied unserer ernährungs- 
wirtschaftlichen Lage im ersten und zweiten Welt- 
krieg zu beleuchten. Dieser besteht vor allem darin, 
daß die Führung sich nicht darauf beschränkt hat, 
schematisch vorhandene Nahrungsgüter zu verteilen; 
sie war vielmehr in erster Linie bedacht, die land- 
wirtschaftliche Produktion trotz der Erschwernisse 
des Krieges leistungsfähig zu erhalten. Hierin liegt 
der wichtigste grundsätzliche Unterschied zu damals. 
Ungünstige Witterungsverhältnisse, wie sie in den 
letzten drei jahren die Entwicklung der Getreide- 
und Öffruchternte und in diesem jahr die Kartoffel- 
ernte beeinträchtigten.“ können uns zwar Sorge 
und Schwierigkeiten bereiten, auch unsere Gegner 
haben sich jedoch mit der Tatsache abfinden müssen, 


dab die Sicherheit der Ernährung deswegen nicht ins 


Wanken gerät. 

In der Vielgestaltigkelt der deutschen landwirt- 
schaftlichen Betriebe und in der gesunden Abstim- 
mung der verschiedenen Betriebszweige aufeinander 
liegt die Stärke unserer landwirtschaftlichen Erzeu- 
gung, die in den letzten vier Jahren den Stürmen 
das Krieges so erfolgreich getrotzt hat. Dies wird 
in Zukunft ebenso der Fall sein. Auch in der Er- 
nährungswirtschaft gibt es keine Wiederholung der 
Vorgänge von 1918. Begründet ist diese Tatsache 
nicht zuletzt darin, daß die nationalso- 
zialistische Agrarpolitik kelne abstrakte 
Wirtschaftstheorle kennt, sondern von An- 
fang an, wie es vom Oberbefehlslelter Her- 
bert Backe immer wieder. betont worden 
Ist, die politisch weltanschauliche und cha- 
rıkterliche Ausrichtung der in der Ernäh- 
rungswirtschaft tätigen Menschen in den Vor- 
dergrund gestellt hat. Dies ist beste und erprob- 
teste Arbeit der NSDAP., die sich in der Kampfzeit 
vor der Machtergreifung ebenso bewährt hat, wie 
heute im Entscheidungskampf um die Zukunft unseres 
Volkes. Wesentlich dabei ist, daß die willensmäßigen 
Voraussetzungen für die beispiellosen Leistungen, die 
jetzt im Kriege vom Landvolk gefordert werden müs- 
sen, bereits im Frieden geschaffen worden sind. 
Der Träger des Ritterkreuzes zum Kriegsverdienst- 
kreuz, Bauer Kurt Zschirnt, hat kürzlich einmal 
darauf hingewiesen, daß es nur deshalb möglich war, 
weil die Männer des agrarpolitischen Apparates der 
NSDAP. und des Reichsnährstandes die Sprache der 
Menschen auf dem Lande verstanden und selbst 
sprachen, die in der Systemzeit fast vernichteten Kräfte 
des Landvolkes zu beleben und zu den heutigen Lel- 
stungen zu führen. Dabei darf auch nicht übersehen 
werden, daß die Preise für die wichtigsten Nahrungs- 


mittel im Gegensatz zum ersten Weltkrieg keine we- 
sentliche Erhöhung erfahren haben. Damals waren 


die Butterpreise von 1913-1918 um nahezu das 
‚Viegfache, die Schweinefleischpreise fast um das 


Dreifache gestiegen. Die Preise für Milch hatten sich 
mehr als verdoppelt, für Kartoffeln mehr als ver- 
dreifacht. Die stabile Preispolitik Ist ebenso wie die 
Produktionsleistung ein Erfolg der Marktordnung, 
die gleichermaßen auf Erzeuger und n 
Rücksicht nimmt. 


Man muß sich dabei darüber klar sein, daß die 
Voraussetzungen für die günstige Entwicklung, die 
wir heute feststellen, keineswegs immer aus der 
natürlichen Entwicklung erwuchsen; sie mußten im 
Gegenteil immer wieder heiß erkämpft werden. 
Manche Umstellung mußte unter erschwerten Ver- 
hältnissen vom Bauernhof gefordert werden, die für 
das Dorf nicht immer leicht verständlich war. Trotz- 
dem wurden alle Parolen befolgt, nicht zuletzt, weil 
es gelungen war, in der vertikalen Organisations- 
form der Hauptvereinigungen die Grund- 
lage für eine wirkliche Gemelnschaftslel- 
stung von der Erzeugung über die Verarbel- 
tung bis zur Verteilung zu schaffen. 


Heute ist wohl die Überzeugung Allgemeingut 
geworden, daß an dieser Form niemals etwas geändert 
werden darf, weil man nach den bisherigen Erfahrun- 
gen nichts besseres an ihre Stelle setzen kann. Man 
muß sich besonders davor hüten, die landwirtschaft- 
liche Produktion etwa ähnlich wie die gewerbliche 
Wirtschaft rein vom Technischen her zu sehen. Die 
landwirtschaftliche Erzeugung ist naturbedingt und 
bedarf deshalb einer eigenen Form und Führung, 


wenn sie die Leistungen vollbringen soll, die wir 


auch für die Zukunft brauchen. 


Das deutsche Landvolk ist nach der ihm zum Ernte- 
danktag zuteil gewordenen Ehrung mit neuer Kraft 
wieder an seine Arbeit gegangen. Es wird auch in 
der fünften Kriegserzeugungsschlacht, die Herbert 
Backe kürzlich auf einer Großkundgebung des 
württembergischen Landvolks eröffnete, Führer und 
Nation nicht enttäuschen. 


Als besonders erfolgreich im Kriege hat sich immer 
wieder die Milchwirtschaft erwiesen, dies kam 
auch bei der Auszeichnung der Sieger im Milch- 
lelstung wettbewerb zum Ausdruck, die der Ober- 
befehlsleiter Herbert Backe in seiner Eigenschaft als 
Reichsernährungsminister und Reichsbauernführer in 
diesem jahr in Dresden vornahm. Dabei wurden die 
im Milchleistungswettbewerb 1942 jeweils besten 
Betriebsführer, der erfolgreichste Melker und der 
erfolgreichste Molkarelleiter ausgezeichnet. Herbert 
Backe erinnerte daran, daß die Hoffnungen unserer 


91 


— — 


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Gegner auf einen baldigen Zusammenbruch der 
deutschen Ernährungswirtschaft vor allem darauf 
beruhten, daß man glaubte, ähnlich wie im ersten 
Weltkrieg durch die Fettblockade die deutsche Er- 


nährung zu untergraben. Man lächelte im Ausland 


darüber, wenn man sich in Deutschland über die 
steigenden Milchleistungen unserer hochwertigen 
Herden freute, weil man sich sagte, daß ihre Lei- 
stungen nur mit Hilfe ausländischer Ölkuchenfütte- 
rung erzielt wurden und sofort empfindliche Rück- 
gänge eintreten müßten, wenn diese Zufuhren einmal 
aufhörten. Mit Befriedigung hatte man sich im Aus- 
lande ausgerechnet, daß die deutsche Widerstands- 
kraft bei einer Bedarfsdeckung des Fettbedarfs yon 
nur 45 v. H. im Inland sehr bald erlahmen müßte. 
Hierin sah man sich aber gründlich getäuscht. Denn 
der Reichsnährstand hatte seit Beginn der Erzeugungs- 
schlacht dem Ausbau der inländischen Futtergrund- 
lagen immer stärkere Beachtung geschenkt. Hohe 
Leistungen auf Grund bodenständiger Futtergrund- 
lagen waren zur Richtschnur der deutschen Tierzucht 
geworden. Die Wirtschaftsberatung des Reichsnähr- 
standes hatte alles darangesetzt, um diese Gedanken 
nicht nur bei den Tierzüchtern, sondern auch in den 
Millionen bäuerlicher Betriebe zum Durchbruch zu 
verhelfen. 

Diese erfolgreiche Milchwirtschaft ist aber nur ein 
Beispiel, wie es auf allen anderen Gebieten der Kriegs- 
ernährungswirtschaft ebenso vorhanden ist. Gerade 
in den letzten Monaten mit den mannigfachen Anfor- 
derungen, die der Luftkrieg zur Beseitigung -der 
Katastrophenschäden oder im Zuge der Umquar- 
tierung gestellt hat, konnte immer wieder die Schlag- 
kraft und Anpassungsfähigkeit der ernährungswirt- 
schaftlichen Maßnahmen unter Beweis gestellt werden. 
Dies konnte nur geschehen, weil der grundsätzliche 
Ausbau jeweils eine sofortige Anpassung ermöglichte. 

Ein ganz anderes Bild zeigt hier die Entwicklung 
bei unseren anglo-amerikanischen Gegnern, 
die sich immer gerühmt haben, dank ihrer unerschöpf- 
lichen Kräfte, aller Schwierigkeiten ohne weiteres 
Herr werden zu können. Die Entwicklung hat diese 
Auffassung sehr bald und sehr hart Lügen gestraft. 
Das gilt insbesondere für die hochmütige Ablehnung 
der umfassenden Lenkungsmaßnahmen, die von der 
nationalsozialistischen Agrarpolitik getroffen wurden. 
Besonders deutlich zeigte sich dies kürzlich bei der 
Botschaft, die der USA-Präsident Roosevelt zur Be- 
seitigung wirtschaftlicher Notstände an den USA- 
Kongreß richtete. Er legte dort dem Kongreß drin- 
gend ans Herz, die dauernd steigenden Geldsummen, 
die zur Durchführung der verschiedenen Wirtschafts- 
programme notwendig sind, zu bewilligen. Im Vorder- 
grund stehen dabei die für die Stabilisierung der 
Lebenshaltungskosten erforderlichen Nittel. Die großen 
Anforderungen, die das Pacht- und Leihsystem auch 
an die USA-Ernährungs wirtschaft stellt, insbesondere 
aber auch der erhebliche Bedarf der anglo-amerika- 
nischen Streitkräfte, der trotz der Hungerpeitsche 
in den von ihnen besetzten Gebieten aus diesen Räu- 
men nicht gedeckt werden kann, hat dazu gezwungen, 
viele und sehr wichtige Erzeugnisse zu rationieren. 
Diese Feststellung will keineswegs sagen, daß nun 
deswegen in USA der Hunger drohe. Wir erinnern 


92 


uns aber daran, daß vor noch gar nicht langer Zeit 
von sehr prominenter Seite in USA darauf hingewiesen 
wurde, daß der Mannschaftsersatz für Heer und Ma- 
rine zum großen Teil unterernährt sei. Diese Unter- 
ernährung ist sicherlich nicht auf die dort in den 
letzten Monaten durchgeführte Rationierung zurück- 
zuführen, sondern eine Folge jahrelanger Unter- 
lassungssünden in der verfehlten Sozial- und Wirt- 
schaftspolitik. Diese hat es in keiner Weise fertig 
gebracht, den Ertrag der Wirtschaft entsprechend 
den wirklichen Leistungen zu verteilen. Die in USA 
in höchster Blüte stehende Spekulation mit den 
wichtigsten Nahrungsgütern ist Schuld daran, daß 
dort trotz materiellen Überflusses weite Volks- 
schichten Not leiden. Sie ist aber auch die Ursache 
dafür, daß die Erfordernisse der Kriegsernährungs- 
wirtschaft trotz der großen materiellen Kräfte nur 
unter Schwierigkeiten erfüllt werden können. Roose- 
velt schätzt den für Kriegszwecke benötigten Nah- 
rungsbedarf auf etwa ein Viertel der Gesamterzeugung 
an Nahrungsmitteln. Da gleichzeitig die Mehrbe- 
schäftigung der Rüstungswirtschaft einen erheblichen 
Mehrbedarf an Nahrungsmitteln im Inland verursacht 
hat, hat der USA-Präsident schon vor Monaten Wege 
eingeschlagen, die ihr Vorbild in der Erzeugungs- 
schlacht der deutschen Landwirtschaft haben. Während 
man in USA der Agrarkrise in den vergangenen Jahren 
nur dadurch glaubte Herr werden zu können, daß 
man die Produktion drosselte, wurde jetzt das Ruder 
herumgeworfen. Allerdings fehlen für den Erfolg 
dieser Maßnahmen die Voraussetzungen, nämlich 
gesunde, betriebswirtschaftliche Verhältnisse, die 
allein eine organische Steigerung der Leistungen er- 
möglichen könnten. Es fehlt vor allem auch das, was 
bei uns auf dem Gebiet der Erfassung und Verteilung 
durch die Marktordnung erreicht wurde. Der USA- 
Präsident sieht deshalb als einzigen Ausweg die Bereit- 
stellung erheblicher Geldmittel für Subventionen, die 
einen Anreiz zur Produktion bilden sollen und auf 
der anderen Seite durch Zuschüsse zu den Lebens- 
haltungskosten ausgeglichen werden. Derartige Zu- 
schüsse können sich aber nur dann segensreich aus- 
wirken, wenn sie organisch in die einzelnen Betriebs- 
zweige geleitet werden. Eine verfehlte ZuschuB- 
politik, die in den Vereinigten Staaten von Nord- 
amerika bereits nach dem ersten Weltkrieg zu 
Agrarkrisen führte, und die wir auch bei uns aus 
der Systemzeit kennen, führt nur zu neuen Krisen, 
niemals aber zu der erhofften Leistungssteigerung. 
Der USA-Präsident vermag jetzt nichts anderes zu 
bieten, als die Fortsetzung seiner stumpfsinnigen 
Subventionspolitik. Überdies hat hierbei der Kon- 
greß, soweit es die Lebensmittelpreise betrifft, bis- 
her stets erhebliche Schwierigkeiten gemacht, weil 
die Farmer entsprechend ihrer starken Position im 
Kongreß an Stelle der Subventionen eine weitere echte 
Erhöhung der Agrarpreise fordern. Ganz gleich wie 
diese Spannungen noch gelöst werden, eines wird 
der Mann im Weißen Hause auf diesem Wege be- 
stimmt niemals erreichen, nämlich die notwendige 
Mobilisierung der landwirtschaftlichen Produktions- 
kräfte in USA. Er mag dabei noch so sehr die von 
Deutschland erprobten Wege zu kopieren versuchen. 

Dr. Kurt Haußmann 


—— E nn nn > rf, EN EUÄ— 


ARandbemerkungen 


Leistungswettstreit der 
ländlichen Jugend 


Ein Aufruf des Führers und eine Kundgebung in 
der Krolloper haben den Auftakt zum Kriegsberufs- 
wettkampf der deutschen Jugend gegeben. Die Gruppe 
Nährstand, deren Wettkampf der Reichsnährstand 
mit seinen Dienststellen durchführt, wird auch dies- 
mal den hohen Prozentsatz von Wettkampfteilneh- 
mern stellen, den sie schon bei dem Reichsberufs- 
wettkampf in den Jahren vor Ausbruch dieses Krieges 
aufzuweisen hatte. Die Zahl der Angehörigen der 
ländlichen Jugend, die sich zum friedlichen Wett- 
kampf einfanden, war von 66000 im Jahre 1934 auf 
271000 im Jahre 1939 gewachsen. Und trotz aller 
Schwierigkeiten werden auch jetzt die Jungen und 
Mädel im Lehr- und Arbeitsverhältnis aus dem letzten 
Dorf, aus den Bauernhöfen, Großbetrieben, Land- 
dienstlehrhöfen und Landwirtschaftsschulen freiwillig 
zu diesem Leistungswettstreit zusammenkommen. 


Die Tatsache, daß die Teilnehmerzahl der Gruppe 


Nährstand von Jahr zu jahr gewachsen ist, beweist 
allein, daß die ländliche Jugend die Aufgabe des 
Berufswettkampfes, Leistungsstelgerung des Ein- 
zelnen zum Wohle des Ganzen, verstanden hat. 
Mit ihr weiß heute jeder Deutsche auf dem Land 
und auch in der Stadt, welche Schwierigkeiten letzten 
Endes für das gesamte Volk daraus entstanden sind, 
daß die Landarbeit jahrzehntelang unter dem Makel 
einer ungelernten Arbeit stand und dementsprechend 
abfällig bewertet wurde. Die Landflucht findet nicht 
zuletzt ihre Ursache in diesem Tatbestand. 


Dabei verlangt gerade die Landarbeit ein besonders 
großes Maß an beruflichem Können, an Umsicht und 
Organisationstalent. Die Anforderungen, die an die 
einzelnen gestellt werden, sind heute bei den viel- 
fachen Aufgaben der Kriegserzeugungsschlacht noch 
weiter gewachsen. So mancher Junge und manches 


Mädel muß heute im Bauernhof den Platz ausfüllen, 


den im Frieden der Bauer und die Bäuerin innehatten, 
und mit Ihrer Hände Arbeit das tun, was in normalen 
Zeitläuften schon das Tagewerk eines Erwachsenen 
voll ausfüllte. Welche Verantwortung, welche Fähig- 
keit zum Improvisieren und zum Anpassen an die 
jeweiligen Gegebenheiten heute das Werken während 
des ganzen bäuerlichen Arbeitsjahres von diesen 
jungen Menschen erfordert, kann der Außenstehende 
nur schwer ermessen. Mehr arbeiten kann der ein- 
zeine hier kaum. Was er aber noch kann, Ist: seine 
Arbeitskraft durch erhöhtes Berufskönnen 
weiter steigern und durch Verfeinerung 
aller Arbeitsmethoden manchen Ausgleich 
und manche Erleichterung schaffen. Hier wird 
der Kriegsberufswettkampf zum Ansporn für die 
kämpferische Aktivität unserer ländlichen Jugend und 
ein Ansporn zur Leistungssteigerung bei der Arbeit 
in der deutschen Landwirtschaft und auf dem Bauern- 


hof. Gerade diese Arbeit der Jugend ist ein Dienst an 
der Gesamtheit des Volkes und ein besonderer für 
unsere Front, denn „Nahrung ist Waffe“, sogar eine 
Waffe von kriegsentscheidender Bedeutung. 


jede Leistungssteigerung der ländlichen Jugend 
stellt einen wesentlichen Beitrag für die Kriegs- 
erzeugungsschlacht dar. Deshalb werden die Be- 
triebsführer, die bei dem drückenden Mangel an 
Arbeitskräften jede Hand dringend brauchen, ebenso 
wie alle Eltern und Lehrer im Bewußtsein der erziehe- 
rischen und nationalpolitischen Bedeutung des Kriegs- 
berufswettkampfes mit weitherzigem Verständnis das 
kleine Opfer auf sich nehmen, die Jungen und Mädel 
einen Tag lang auf dem Hof, in der Schule oder in 
der Hauswirtschaft zu entbehren. Sie tun das nicht 
nur, weil sie wissen, daß dieser kleine Arbeitsausfall 
später hundertfache Zinsen bringt, sondern well 
dieser Wettstreit den Berufsstolz und die Schaffens- 
freude aller Beteiligten hebt. Es kann sie selbst mit 
besonderem Stolz erfüllen, wenn dann einer ihrer 
Gefolgschaftsangehörigen In diesem Wettkampf einen 
Preis erringt, weil es sich hier zeigt, daB der für die 
Berufsausbildung verantwortliche Bauer oder Lehrer 
und die Landfrau ihre Pflichten ernst genommen haben. 


Der Kriegsberufswettkampf Ist auch gerade für 
die ländliche Jugend ein Ausleseinstrument, das 
den Begabten die Möglichkeit zum weiteren beruf- 
lichen Aufstieg öffnet. Die Selbständigkeit in der Land- 
wirtschaft ist heute nicht mehr vom Geld oder von 
Beziehungen abhängig, sondern allein von der fach- 
lichen Leistung und charakterlichen Haltung, die 
beide gerade im Wettkampf gemessen und gestählt 
werden können. Nur eine starke, selbstbewußte, 
weltanschaulich ausgerichtete und fachlich durch- 
gebildete jugend kann die Aufgaben übernehmen, 
die ihr bei der Neubildung deutschen Bauerntums in 
der Zukunft gestellt werden. 

Dr. Albrecht Timm 


— 


Ein Jahr Berufserziehungs werk 


Vor einem Jahre wurde in Posen, der Hauptstadt 
des ersten deutschen Siedlungsgaues, von Staats- 
sekretär Backe das bäuerliche Berufserziehungswerk 
verkündet. Er rief damals In seiner Rede die deutsche 
Jugend auf, sich zur Arbeit am Boden zu bekennen 
und sich für die kommende Siedlungsaufgabe im 
Osten zu rüsten. Eine wichtige Voraussetzung für 
die Gewinnung der Jugend ist aber, daß jeder deutsche 
Vater, jede deutsche Mutter weiß, welchen Weg ihre 
Kinder beschreiten müssen, um dieses Ziel zu errei- 
chen. Hierfür ist ein klar geordneter Berufsweg 
von der Schulbank bis zum Erbhof und zur 
selbständigen Existenz im ländlichen Le- 
benskreis erforderlich. Im bäuerlichen Berufser- 
ziehungswerk findet er seine Gestaltung und For- 


93 


— Pr 


OT u ET ET DEE GDC TE BET dE WEE UL ORIG 


mung. Es gilt, alle Erziehungskräfte im ländlichen 
Lebenskreis zusammenzufassen und aufeinander ab- 
zustimmen in der Zielsetzung, die deutsche Jugend 
fachlich und haltungsmäßig für den bäuerlichen Le- 
bensberuf vorzubereiten. Das bäuerliche Berufser- 
ziehungswerk umfaßt also in seiner totalen Sinn- 
bedeutung die bäuerliche Erziehung im Elternhaus, 
Kindergarten, in der Volksschule, praktischen Lehre, 
Berufs- und Fachschule, in der Bauernschule, sowie 
in der Dienstgestaltung der HJ. und findet erst seine 
Begrenzung in der selbständigen bäuerlich bestimm- 
ten Existenz des jungen Menschen. Mit diesem ganz- 
heitlichen Erziehungsziel vor Augen muß um jeden 
einzelnen wertvollen Jugendlichen gerungen wer- 
den, um ihn für das Bauerntum zu gewinnen, damit 
er auf eigenem Grund und Boden einst Ahnherr 
eines starken heimatgebundenen Geschlechtes werden 
kann. Zur Zeit ist allerdings die Nachwuchslage in 
allen bäuerlichen Berufen so ernst, daß sogar der 
Bestand unseres Bauerntums äußerst gefährdet ist. 


Diese Aufgabe konnte aber nur erfolgreich ange- 
packt werden, wenn sie nicht nur Sache der Verwal- 
tung bleibt, sondern das Bauerntum selbst sie 
übernimmt. Aus diesem Grunde wurden bis in die 
kleinsten Bezirke hinein Bauern und Bäuerinnen ehren- 
amtlich mit der Aufgabe der Nachwuchsgewinnung 
und Berufserziehung betraut, um die Landjugend für 
die großen bäuerlichen Zielsetzungen zu begeistern, 
aber auch, um eine ausreichende Zahl von Lehrherren 
und Lehrfrauen aus dem Bauerntum zu gewinnen, 
und sie von der großen Erziehungsaufgabe zu über- 
zeugen, die sie andem Nachwuchs für das Bauerntum 
zu erfüllen haben. 


Im ersten Jahre des Bestehens des BEW. ist auf diese 
Weise schön viel erreicht worden und das Landvolk 
hat die Parole „Landarbeit ist Facharbeit“ begriffen 
und setzt sie in die Wirklichkeit um. Nach den bisher 
hier vorliegenden Berichten konnte die Zahl der 
Landarbeitslehrbetriebe um 48 v. H., die der Haus- 
arbeitslehrbetriebe sogar um 60 v. H. gesteigert wer- 
den. Wenn auch die Landwirtschaftslehrbetriebe 
nur eine Steigerung von 13 v. H. aufweisen, so liegt 
sie dagegen bei den Hauswirtschaftslehrbetrieben bei 
47 v. H. Die Zahl der Landarbeitslehrlinge nahm im 
gleichen Zeitraum um 14 v.H., die der Landwirt- 
schaftslehrlinge um 15 v. H. zu, während die Haus- 
arbeitslehrlinge eine Zunahme von 28 v. H., die 
Hauswirtschaftslehrlinge eine solche von 3 v. H. 
zu verzeichnen hatten. 


Wir sind uns bewußt, daß diese Erfolge im Ver- 
gleich zu den vor uns liegenden Zielen der Nach- 
wuchssicherung für den Bestand und die Neubildung 
des deutschen Bauerntums nur einen kleinen An- 
tang bedeuten können. Für die nächste Zeit gilt es 
in erster Linie durch Ausrichtung und Schulung von 
Lehrherren und Lehrfrauen die Lehrausbildung zu 
vertiefen sowie die Mitglieder der Prüfungsaus- 
schüsse auszurichten, um mit der Zeit einen einheit- 
lichen Ausbildungsstand der Lehrlinge zu erreichen. 
Hierfür ist engste Zusammenarbeit mit den 
Berufs- und Fachschulen wesentliche Voraus- 
setzung; für sie ist das bäuerliche Berufserziehungs- 
werk ebenfalls die wichtigste Schlüsselaufgabe der 


94 


so 
Zukunft. Auch die Hitler-Jugend stellt sich voll 
in den Dienst des Bauerntums. Der Landdienst 
dazu beitragen, der besten städtischen Jugend den 
Weg zum Lande zu zeigen und sie in eine geordnete 
bäuerliche Berufsausbildung zu führen. Das ländliche 
Pflichtjahr erfaßt jährlich rund 100000 Mädel und 
erzieht sie zu hausfraulichem Können. Im Landjahr 
wird mit bestem Erfolg eine Auslese ländlicher ju- 
gend für künftige Führungsaufgaben im Dorf heran- 
gebildet; so regen sich auf allen Seiten Kräfte, um den 
bäuerlichen Erziehungsauftrag in die Wirklichkeit 
umzusetzen. 


Für die rechtzeitige Erfassung der Jugend und ihre 
Aufgeschlossenheit für die bäuerlichen Lebensfragen 
ist engste Fühlung mit der ländlichen Volks- 
schule unbedingt erforderlich. Ihre Sorgen und Nöte 
sind die Sorgen des gesamten Landvolkes. Der Lehrer 
muß sich als Stoßtruppführer für die Belange des 
Bauerntums fühlen; darum ist er auch immer wieder 
zu allen Fragen des bäuerlichen Lebens mit heran- 
zuziehen. 


Wenn alle Führungskräfte des Dorfes, der Orts- 
gruppenleiter, der Ortsbauernführer, der Bürger- 
meister und auch der Lehrer erkannt haben, daß e 
sich im bäuerlichen Berufserziehungswerk um eine 
volkspolitische Aufgabe ersten Ranges handelt, dann 
werden sie gemeinsam den Kampf um ihre eigene 
Jugend mit Erfolg aufnehmen und ihre größte Genug- 
tuung darin finden, mit einer bewußt bäuerlich er- 
zogenen, fachlich gut ausgebildeten Jugend alle Zu- 
kunftsaufgaben meistern zu können. 
Dr. Siefert 


Brot im Entscheidungskampf ` 


Ganz Kontinentaleuropa hat den Brotverzehr 
rationiert. Die Rationen liegen aber in den einzelnen 
Ländern in sehr verschiedener Höhe; hoch dort, wo, 
wie in Deutschland, jeder irreguläre Handel unter- 
bunden ist, und niedrig dort, wo illegaler Handel den 
Zuteilungen engere Grenzen steckt, wie in Frankreich 
und Italien. Die Sätze für den Normalverbraucher wie- 
derum müssen dort hoch liegen, wo eine breite städti- 
sche Verbraucherschicht auf sie angewiesen ist. Nied- 
riger liegen sie dort, wo, wie in Italien, Finnland, 
Belgien, nur die körperlich Nichtarbeitenden auf die 
Normalkost verwiesen sind, alle körperlich Arbeiten- 
den aber Zulagen erhalten. Aus all diesem resultieren 
die großen Streuungen in den Normalratio- 
nen, die mit dem Ernährungsstandard des gesamten 
Volkes wenig zu tun haben. Niedrige Normalver- 
brauchersätze täuschen eine Brotknappheit häufig 
auch dort vor, wo sie gar nicht existiert. 


Die diesjährige Ernte ermöglichte eine Aufbesse- 
rung der Brotsätze in Europa. Die allgemeine deutsche 
Aufbesserung beträgt für alle Verbraucher 100g In 
der Woche. Legt man die außerhalb Deutschlands 
auf dem Kontinent seit dem Tiefststand im Sommer 
erfolgten Aufbesserungen auf die gesamte außer- 
deutsche Bevölkerung um, so liegen sie fast in doppel- 
ter Höhe, und bezieht man sie nur auf die aufgebesser- 
ten Bevölkerungsteile, so erreichen sie je Kopf mehr 
als das Dreifache der deutschen Aufbesserung. Die 


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E" 


deutsche Brotzulage geht also keineswegs auf 
Kosten Europas, und auch die Zulagen im ganzen 
belasten es wenig. Sie erfordern einen Getreide- 
mehrbedarf, den beispieliweise schon Rumänien aus 
seinen Überschüssen decken könnte. 


Schon bisher übertraf der Brotverzehr der meisten 
europäischen Länder das Friedensmaß. Galt es doch, 
Abschläge am Fleisch- und Fettverzehr auszugleichen, 
die der Verzicht auf überseeische Futtermittel er- 
zwang, und doch haben sich die Viehbestände be- 
achtlich gehalten. Europa (11 Länder) verfügt 
derzeit je 100 Einwohner über 26 Rinder und 
12 Schweine. Für England errechnen sich Zahlen, die 

der Hälfte näher liegen als dem Ganzen. Deshalb hat 

Deutschland doppelt so hohe Buttersätze wie Eng- 
land, und Kontinental-Europa im ganzen ist in der 
Fettversorgung, abgesehen von den Olivenländern, 
Butterland geblieben. Nach vorkriegsdeutschen 
Schlachtnormen errechnet sich aus diesem Vieh- 
besatz für die fragliche Ländergruppe ein mittlerer 
Anfall von über 500 g Rind- und Schweinefleisch pro 
Kopf und Woche. Auch dies kommt in den Fleisch- 
Normalrationen nicht zum Ausdruck. Länder, die 
mit ihren städtischen Fleischsätzen am niedrigsten 
liegen, wie Finnland, haben je Kopf den höchsten 
Rinderbesatz. 


Kontinentaleuropa hatte sich mit seinen bisherigen 
Brotsätzen seiner Getreidedecke gut angepaßt, und 
auch für die jetzigen Zulagen fehlt es nicht an Deckung. 
Die gleichzeitige Hochhaltung des Nutzviehs erleich- 
tert den Wiederaufbau der Landwirtschaft. So wird 
die diesjährige gute Brotgetreideernte im Kampf um 


die Freiheit Europas eingesetzt. Dies schafft gute 


Voraussetzungen für den Erfolg in naher und ferner 
Zukunft, Walter Hahn 


Jetzt: Anbau der Generatoren! 


Im jahre 1943 konnte die deutsche Landwirtschaft 
Ihre Ackerschlepper Infolge der Treibstofflage nicht 
so einserzen, wie das früher unter friedensmäßigen 
Voraussetzungen üblich war. Manche produktions- 
fördernde Arbeit, wie z.B. das Schälen unmittelbar 
nach der Getreidemahd u.a. mußte aus Treibstoff- 
mangel unterbleiben. Wenn trotzdem größere Schä- 
den nicht eingetreten sind, so liegt das nicht an der 
ausreichenden Versorgung mit flüssigem Treibstoff, 
sondern in erster Linie an den Witterungsverhält- 
nissen, die vom Februar an in fast allen Teilen des 
Reiches für die Bodenbearbeitung sowie für die Ar- 


beiten der Pflege und Ernte bis in den November 


hinein außergewöhnlich günstig waren. Es stand 
immer so viel Zeit zur Verfügung, daß die Zugtiere 
— zugunsten der Schlepper — einen wesentlichen Teil 
der Arbeiten bewältigen konnten. Daß sich die 
Witterungsverhältnisse Im kommenden Jahr wiederum 
so günstig entwickeln wie im vergangenen, kann kaum 
angenommen werden. Selbst bei gleichbleibender 
Versorgungslage wird daher mit einem schwerwie- 
genden Mangel an Zugkraft im kommenden Jahr zu 
rechnen sein, wenn es nicht gelingt, die flüssigen 
Treibstoffe weitgehend durch feste zu ergänzen. 


Als nal eliegenden Gründen muß daruber hinaus 


aber jederzeit mit einschneidenden Kürzungen des 
landwirtschaftlichen Kontingents gerechnet werden. 
Es sprechen daher die allerernstesten Gründe dafür, - 
die vorhandenen Ackerschiepper nunmehr so rasch 
wie möglich auf feste Kraftstoffe umzustellen. Die 
Entwicklungszeit der Schleppergeneratoren hat meh- 
rere Jahre in Anspruch genommen und ist heute so 
weit abgeschlossen, daß ihre Einführung in die 
Praxis auf breitester Basis verantwortet 
werden kann. Ganz bewußt hat man während der 
Entwicklungszeit die landwirtschaftliche Praxis mit 
Umstellungssorgen verschont und das schwere Opfer 
der Zuteilung großer Mengen flüssiger Kraftstoffe 
in Kau‘ genommen, um die landwirtschaftliche Er- 
zeugung nicht zu gefährden. Nunmehr liegen aber 
weitgehende Erfahrungen vor: Seit Jahren laufen 
Nutzfahrzeuge aller Art mit Holz- und Kohlen- 
generatoren. In Schweden z.B. sind neben den 
Straßenfahrzeugen auch die Ackerschlepper fast voll- 
zählig unter Verwendung eines deutschen Generator- 
systems mit bestem Erfolg auf Holzgas umgestellt. 
Desgleichen sind in den besetzten Ostgebleten an 
mehrere tausend Schlepper zur Zufriedenheit der 
deutschen Agrarverwaltung Generatoren angebaut 
worden. Im Reich ist die Zahl der neuen Holzgas- 
schlepper inzwischen auf über 6000 gestiegen. Mit 
wenigen Ausnahmen sind auch die im Reich erzielten 
Ergebnisse außerordentlich befriedigend. Wo Klagen 
laut geworden sind, handelt es sich fast nle um tech- 
nische Fehler der Anlagen, sondern vorwiegend um 
Bedienungsschwierigkeiten. Ähnliche Klagen wurden 
zunächst auch aus den Kreisen der Nutzfahrzeughalter 
laut, doch haben sich hier die Verhältnisse bereits 
eingespielt. 


Es muß unter den heutigen Verhältnissen in Kauf 
genommen werden, daß die Leitung der Maschinen 
gegenüber dem Betrieb mit flüssigen Treibstoffen um 
einen gewisser Prozentsatz absinkt und daß Betrieb 
und Wartung der Generatormaschinen mehr Sorg- 
falt erfordern. Dem steht aber der entscheidende Vor- 
teil gegenüber, daß die Schlepper nun wieder wäh- 
rend der ganzen Saison betrieben werden können 
und daß keine Feierschichten aus Treibstofimangel 
mehr eingelegt zu werden brauchen. 


in den letzten Monaten ist nun die Auslieferung 
der Generatoren an die über das ganze Reich ver- 
teilten Umbauwerkstätten angelaufen. Parallel dazu 
erfolgt der Aufruf der Schlepper durch den Reichs- 
nährstand und die Schulung des Personals. — Die 
Wintermonate werden dazu dienen, die Umbau- 
aktion so weit zu treiben, daß zur Frühjahrsbestellung 
1944 bereits eine namhafte Menge an Generator- 
schleppern zum Einsatz kommt. Ebenso wie die Um- 
stellung auf wirtschaftseigene Futtermittel bei aller 
dadurch bedingten Mehrarbeit zu einer inneren Festi- 
gung der Betriebe gegen Einflüsse von außen geführt 
hat, wird auch die Umstellung der Generatoren auf 
heimische‘ Treibstoffe sich auf die Widerstandskraft 
der deutschen Landwirtschaft in positivem Sinne 
auswirken, besonders dann, wenn es im kommenden 
Jahre gilt, der Wehrmacht noch mehr als bisher die 
Verwendung der flüssigen Treibstoffe vorzubehalten. 


H. von Waechter 


95 


on." TRATEN - 


an FREE sa DE e 


| SE 


Diebuchwacht 


Hans Ff. K. Günther 


Bauernglaube 


Verlag B. G. Teubner, Leipzig / Berlin 1942. 
244 Seiten. Preis 6,20 RM. 


Hans F. K. Günther hat bereits vor wenigen Jahren 
mit seinem Buch „Das Bauerntum als Lebens- und 
Gemeinschaftsform“ eines der wesentlichsten Werke 
zur Bauerntumsforschung geschaffen. Er hat nun die- 
sem Buch ein weiteres folgen lassen, das eine der 
bereits in dem ersten Buch angeschnittenen Fragen 
auf breiterer Grundlage behandelt, die Frage nach 
den Glaubensvorstellungen und der Art der Frömmig- 
keit des deutschen Bauern. Es ist wichtig hervorzu- 
heben, daß Günther nicht wie Grabert in seinem 
Buch „Der Glaube des deutschen Bauerntums 
(Bauerntum und Christentum)‘ eine weltanschauungs- 
kundliche und glaubensgeschichtliche Untersuchung, 
sondern eine schlichte Darstellung der Tatbestände 
geben wollte. Er will das Buch aufgefaßt wissen als 
Vorarbeit und Materialsammlung für eine einmal 
anzustellende Untersuchung, die ihm seit langem 
vorschwebt, nämlich aus dem Glauben des bäuerlichen 
Volkes eine Aussage über die germanischen Grund- 
lagen deutschen Wesens und Volkstums zu gewinnen. 
Eine solche Aussage kann nach Günthers Meinung 
nicht aus den üblichen Darstellungen bäuerlichen 
Brauchtums gewonnen werden, die ein „Fortleben“ 
germanischer Glaubensvorstellungen im deutschen 
Bauerntum erweisen sollen. „Dieses Brauchtum ent- 
hält für den städtisch Gebildeten diese und jene 
Bestandteile germanischer Herkunft, nicht aber für 
den Bauern. Nicht in Sitten oder in Gegenständen 
des Brauchtums kann ein eigentliches Fortleben des 
Germanentums verspürt werden, sondern allein in 
vererbten. Triebkräften des frommen Gemüts, 
und zwar besonders des bäuerlichen Gemüts.“ 

In sorgfältiger und liebevoller Sammelarbeit hat 
Günther eine Fülle von Zeugnissen über das Glau- 
benslesen der Bauern zusammengestellt. Sie stammen 
meistens von Pfarrern oder Lehrern, also aus unmittel- 
barer Kenntn s bäuerlichen Lebens. In dieser kriti- 
schen und geordneten Zusammenstellung liegt vor 
allem der Wert des Buches. 

Der Bauer hat stets Religion, eine glaubenlose, ehr- 
furchtslose, unfromme Haltung widerspricht — wie 
Günther zeigt — dem Wesen des Bauerntums selbst. 
„Religion muß sein" das ist die Meinung der großen 
Mehrheit des Bauerntums, und auch der Kirche steht 
dieses Bauertum als einer Institution gegenüber, die 
bereits Herkommen und Sitte geworden ist. Aber 
das, was der Bauer unter Religion versteht, hat — 
hierfür liefert Günther unzählige Beweise — nur 
wenig mit den Inhalten des Christentums zu tun. 
Als Wesensmerkmale bäuerlicher Frömmigkeit be- 
zeichnet Günther den Sinn für Feierlichkeit, die Ver- 
ehrung einer göttlichen Allmacht, den Gedanken 
einer sinnvollen Weltordnung, die Vorstellung eines 
strengen Weltordners und Richters und eines ewigen 
Gerichtes, den Gedanken der Gegenseitigkeit der 


96 


Leistungen von Mensch und Gott (do ut des) und ein 


starkes Schicksalsgefühl. Günther untersucht dann, 
inwieweit die Lehren des Christentums dem bäuer- 
lichen Gemüt entgegenkommen und inwieweit es 
sich ihnen widersetzt. Als Ergebnis dieser immer 
auf eine außerordentliche Kenntnis des Schrifttums 
gestützten Ausführungen stellt Günther in den 
Schlußkapiteln fest, daß die bäuerlichen Glaubens- 
vorstellungen weit mehr aus dem Bereich einer natür- 
lichen Religion als aus dem des Christentums erwach- 
sen. Es handelt sich bei bäuerlichem Glauben und 
bäuerlicher Frömmigkeit nicht um ein Halb- oder 
Viertelchristentum, sondern um etwas ganz Eigen- 
artiges, das, aus nichtchristlicher Wurzel entstanden, 
in christlichem Gewande lebt. 

Hans F. K. Günther hat uns mit seinem neuen Buch 
wieder einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der 
geistigen und seelischen Struktur unseres Bauern- 
tums gegeben. Dr. K. Schmidt 


Klaus Schmidt 


Der Schicksalsweg 
des deutschen Bauerntums 


Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt a. M., 1943. 
115 Seiten, Preis 2.80 RM. 

Der Verfasser dieser knappen geschichtlichen 
Übersicht über das deutsche Bauernschicksal ist den 
Lesern der „Deutschen Agrarpolitik‘ bereits durch 
mehrere Aufsätze bekannt, die von seiner gediegenen 
Sachkenntnis zeugen. Auch die vorliegende Schrift, 
die sich besonders an die älteren Landjungen und 
Landmädel wendet, empfiehlt sich, obwohl sie auf 
jeden gelehrten Anmerkungsapparat bewußt ver- 
zichtet, durch ihre streng wissenschaftliche Fun- 
dierung, die ihr eine beachtenswerte Sonderstellung 
verschafft. Sie ist das Ergebnis eigener langjähriger 
stiller Forschungsarbeit und einer geschicktzusammen- 
fassenden Auswertung der umfangreichen Sonder- 
untersuchungen der letzten Zeit. Sie kann daher allen 
empfohlen werden, die bestrebt sind, sich einen Ein- 
blick in den Zusammenhang zwischen Bauern- und 
Volksschicksal zu verschaffen, denen aber die Muße 
fehlt, sich in die umfangreiche Spezialliteratur der 
Zeit zu vertiefen, denn es ist ihr gelungen, die in der 
geschichtlichen Vergangenheit des deutschen Bauern- 
tums wirkenden Kräfte und Mächte sichtbar zu ma- 
chen und so der Erkenntnis zu dienen, die das Vor- 
wort in dem Satze zusammenfaßt: „Nicht die ge- 
schichtlichen Kenntnisse an sich sind das Entschei- 
dende, sondern die Kraft, die aus ihnen gewonnen 
wird und die sich in politischen Willen umsetzt.“ 
Die Schrift ist daher ein Geschichtsbeitrag im Sinne 
Treitschkes, der dem Geschichtsschreiber die ver- 
antwortungsvolle Aufgabe zugewiesen hat, „unserm 
Geschlechte ein denkendes Bewußtsein seines Wer- 
dens zu erwecken“. Dieses Bestreben unterstützt 
eine klare Gliederung des so umfangreichen Stoffes, 
eine Darstellungsmethode, die bestrebt ist, in den 
geschickt ausgewählten Dokumenten die Zeit un- 
mittelbar zum Leser sprechen zu lassen, und nicht 
zuletzt die Beigabe zahlreicher zeitgeschichtlicher 
Bilder, die eine bemerkenswerte Spezialkenntnis ver- 
raten. Günther Pacyna 


5 


— 


D \ A 


Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit 
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen 
auf dem Hof meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht 
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf 
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer 
Stelle zur anderen bringen läßt. 


Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der 
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese 


Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. 


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Wie viele Anlässe dazu gibt es das gonze 
Johr hindurch: Geburtstag, Taufe, Schul- 
beginn - Ostern und Weihnachten - Berufs- 
onfang, Hochzeiten usw. 

Sie erhalten bei jedem Amt und jeder Amts- 
stelle des Postsparkassendienstes unent- 
geltlih eine Geschenkpostsparkarte oul 
den Nomen dessen, den Sie beschenken 
möchten. Freimarken auf ihr im Gesamt- 
betrag von 3 bis 100 RM machen sie zu 
einem wertvollen und zeitgemäßen Ge- 
schenk das jederzeit zu haben ist. 

Der in freimorken entrichtete Betrag wird 
als Einlage oul ein schon bestehendes oder 
ein neues Postsporbuch angenommen. 


DEUTSCHE REICHSPOST 


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— — 


ZMO Dr A 
S P m N 
Lé — 


17ſt 


REINGAS-BULLDOG 


für Holzgas - Betrieb 


Das Wort „einwecken“ stammt 
von Johann Weck, dem Mann, der 
das WECK-Verfahren begründet, 
der die WECK-Gläser und WECK- 
Geräte geschaffen hat. 


J.WECK & CO. ÖFLINGEN IN BADEN 


PFLANZENSCHUTZ 


. Landwirte, Winzer, Obstbouern, Gärt- 
oer und Förster stehen dauernd im 
‚Kampf gegen eine Unzahl von Un. 

kräutern, Pflanzen-Schädlingen und 

- Krankheiten. IhreWoftensindbewährpe 


chemische Mittel der Schering AG., die 
in langjähriger Forschunpsarbeit zum 


Schutz der Eroten und zur Sicherung 
unserer Ernährung geschoften wurden 


SCHERING AG. BERLIN 


+. - — ege 
wë 


kolloidaler flüssiger Schwetel 
gegen 


Oidium / Aescherich 


Gezug durch Handel und Genossenschalten 


Picedel - de Haen A.-G. Berlin 


\ 


Kä EN. 
8 


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A0 die cus! 


Ernteausfälle We ` 
vermieden durch Bei, 2 
zung des Saatguts mit 


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für alle Getreidearten! 


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Ein Nagel ist kein Niet. Solche 
Pfuschereien sind die Ursache 
vieler Verletzungen, die gerade 
heute vermieden werden müssen. 
Wenn Sie sich aber trotzdem mal 
eine Arbeitsschrammeholen,dann 
gleich ein Wundpflaster auflegen. 


Carl Blank, Verbandpflasterfabrik 
Bonn / Rh. $ 


JANUAR/FEBRUAR 1944 NUMMER 45 : JAHRGANG 2 : EINZELPREIS 2,40 RM. 


d 
f 


| 


INHALT 


Die Eigenpersönlichkeit in der sozialistischen Wirtschaffᷣtiwitiw li. H 


Staatssekretär Oberbefehlsleiter Herbert Backe: Die Erzeugungsschlacht im 
fünften Kriegsjahr `... e e 399 


Der Ortsbauernführer (Bildbeilage) ......... een HEEN ee DS.. 108 
Ministerialdirektor Hans-Joachim Riecke: Kritik der Kritik..........s.s..... 111 


Dr. Emil Woermann, ord. Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre an der 
Universität in Halle a. d. Saale: Zehn Jahre Erzeugungsschlacht und Er- 
nährungswirtschaft ` SERIES ne en een 113 


Landdienst-Lehrhof (Bildbeilage·eůᷣᷣ)))m̃ at . . . . . D.S. 120 


Dr. Friedrich Sohn, Militärverwaltungsrat beim Militärbefehlshaber in Frank- 
reich: Die Zukunftsausrichtung der französischen Agrarpolitik ............ 121 


Landwirtschaftsführer im Einsatz (Bildbeilage) ....... EE e AS. 128 
Hildegard Melzer: Die Wirtschaftswende der Niederlande .................. 129 
Dr. Heinrich Strathus: Der Pfandbrief im Agrarkredit ............ air 134 


Dr. Kurt Reinl, Beauftragter für Schulung im Reichsamt für das Landvolk, z. Z. 
im Felde: Der bäuerliche Wesenskern des germanischen Volkstums ...... 137 


Deutsches Bauerntum auf Vorposten (Bildbeilage) ................. . . . . . D.S. 140 


Oberlandwirtschaftsrat Hans Hansen: Landfrauengesundheitsfürsorge im 
Kriege — Erfahrungsbericht aus dem Gau Bayreuth k 4 ͥꝗ 144 


Agrarpolitische Rundschahall!nnnnnnnnnnn ee ee e "AE 
Randbemerkungen a ĩ ² AA NANE REG e 
Die Buchwacht ............ EE EE E re o. 


Bildnachweis: Das Titelbild „Aus einem Bergbauerndorf'‘ ist eine Aufnahme von Enno Folkerts. Die 
Bildbeilage „Landwirtscheftsführer im Einsatz“ enthält Aufnahmen von der Presse-Bild-Zentrale (2), 
von Kriegsberichter Collmer (2), Georg Piper (2) und Privat (3). — Der Landwirtschaftliche Bilder- 
dienst (9) stattete den „‚Landdienstlehrhof’' mit Bildern aus, — und die Aufnahmen zur Bildbeilage 
„Der Ortsbauernführer hilft überall“ erhielten wir vom Bildarchiv des Reichsnährstandes (8). — Hans 
Retzlaff (14) ist der Photograph der Bilder zur Beilage „Deutsches Bauerntum auf Vorposten“. 


Das vorliegende Heft erscheint als Doppelheft für Januar und Februar. 


Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna, 

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil: 

Lotte Wille, Berlin- Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 19 60 51. 

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts- 

ruf 1100 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43. 


ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN 


— 


Januar/Februar 1944 Jahrgang 2 Nummer 4/5 
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Die Eigenpersönlichkeit 
in der sozialistischen Wirtschaft 


K. H. — Die Verfechter der liberalen Wirtschaft haben immer behauptet, daß wirtschaft- 
liche Höchstleistungen nur dann erzielt werden können, wenn der Ablauf der wirtschaft, 
lichen Vorgänge sich selbst überlassen bleibe. Gemeinwirtschaftlich ausgerichtete 
wirtschaftliche Maßnahmen wurden als unerwünschte Hemmnisse angesehen, die angeb- 
lich stets die volle Entfaltung aller Kräfte hindern. Die Entwicklung in den beiden 
Weltkriegen hat diese Auffassung gründlich widerlegt, auch wenn man die besonderen 
Verhältnisse berücksichtigt, die jeder Krieg mit sich bringt. Es ist heute vielfach in Ver- 
gessenheit geraten, daß schon im ersten Weltkriege selbst in den liberalen Hochburgen 
unserer Gegner beachtliche Ansätze zur Überwindung des freien Spiels der Kräfte in der 
Wirtschaftspolitik zu finden waren. Noch im Jahre 1925 hat der englische Wirtschafts- 
wirtschaftler Keynes in einem Vortrag in Berlin erklärt, daß das Zeitalter des „laissez 
faire-laissez passer” in der Wirtschaft für alle Zeiten überwunden sei. Die Entwick- 
lung ist jedoch dann zunächst andere Wege gegangen. Die jüdischen Kapitalmächte haben 
es vor allem von USA.-Amerika her verstanden, den alten Spielregeln des Liberalismus 
nochmals zur Geltung zu verhelfen und die natürlichen Ansätze zur Zusammenfassung von 
Wirtschaftskräften innerhalb ihrer Machtbereiche zu beseitigen. Die Völker in ihrer 
Gesamtheit haben hiervon keinerlei Vorteile gehabt, denn die sozialistischen Gemein- 
schaftskräfte blieben hierbei zugunsten des Kapitals ausgeschaltet. Die Krisenjahre zu 
Ausgang des dritten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts waren das Ergebnis dieser Wieder- 
belebung des „freien Spiels der Kräfte‘ in der Wirtschaft. 


Die Landwirtschaft in aller Welt, besonders aber das Bauerntum in Europa, ist am 
stärksten von den Schäden dieser verfehlten Wirtschaftspolitik betroffen worden. Dabei 
wurden nicht nur in Jahrhunderten gewachsene Werte zerstört, Menschen von der 
angestammten Scholle vertrieben oder vom Genuß der Vorteile neuzeitlicher Technik 
ausgeschlossen, es wurden sogar — wenn wir an die riesenhaften Bodenverwüstungs- 
erscheinungen in USA.-Amerika, der Sowjetunion oder China denken — Grundlagen 
derlandwirtschaftlichen Erzeugung zerstört, die vielleicht in späteren Jahr- 
zehnten für die Ernährung einer wachsenden Bevölkerung in allen Ländern dringend 
benötigt werden. 


In Deutschland ist seit 1933 ganz bewußt eine Abkehr von den liberalen Spielregeln der 
Wirtschaft erfolgt. Dies geschah aber nicht schematisch durch rücksichtslose Eingriffe in 
allmählich gewachsene Zustände, sondern mit Hilfe einer planvollen Lenkung. Diese 


wurde allerdings nach klaren, feststehenden Grundsätzen gehandhabt, wie sie In der 
NSDAP. folgerichtig entwickelt worden waren. Die Agrarpolitik ist hierbei an der Spitze 
marschiert, steht aber heute nicht mehr wie damals 1933 allein, sondern inmitten einer 
nach nationalsozialistischen Grundsätzen ausgerichteten Gesamtwirtschaft. Die Leistungen 
im Kriege haben gezeigt, daß eine so geführte sozialistische Wirtschaft gerade unter den 
Schwierigkeiten des Krieges zu Höchstleistungen fähig ist. Die Prophezeiungen der 
liberalen Gegner, daß Sozialisierung stets Schematisierung und damit Leistungsschwund 
mit sich bringt, sind durch die Tat widerlegt. i 


Worin liegen nun aber die Ursachen dafür, daß die vom Nationalsozialismus durch- 
geführte Neugestaltung der Wirtschaft nicht zu den gleichen Mißerfolgen geführt hat wie 
die bekannten „Sozialisierungsversuche“ vergangener Epochen? Man geht wohl nicht fehl 
in der Annahme, daß eine der wichtigsten Kraftquellen der nationalsozialistischen Wirt- 
schaftspolitik in der Bewertung der selbständigen Persönlichkeit in der 
Wirtschaft zu suchen ist. Immer wieder ist von der Führung betont worden, daß die 
durch die Lenkung bewirkte Ausrichtung auf die Gesamtinteressen nicht zu einer Abtötung 
der Unternehmerinitiative tatkräftiger Persönlichkeiten führen darf. Das gilt im kleinen 
ebenso wie im großen. Gerade unter diesem Gesichtspunkt betrachtet ist es wohl kein 
Zufall, daß die nationalsozialistische Agrarpolitik bei der Neugestaltung unseres Wirt- 
schaftslebens so wesentliche Pionierarbeit leisten konnte. Hier ist es schon die Vielzahl 
der Betriebe, die einen Erfolg aller von der Führung eingeleiteten Maßnahmen nur dann 
ermöglicht, wenn der Bauer und Landwirt in jedem einzelnen Betrieb selbständig und 
zielbewußt mitarbeitet. 


Die große grundlegende Rede, die Oberbefehlsleiter Herbert Backe als Auftakt zur 
fünften Kriegserzeugungsschlacht in Ulm hielt, läßt dies ganz besonders deutlich erkennen. 
Sie wird deshalb auch in der vorliegenden Folge unserer Zeitschrift der breiten Offent- 
lichkeit im Wortlaut zugängig gemacht. Auch der Aufsatz „Kritik der Kritik", in dem Staats- 
minister a.D. Hans-Joachim Riecke sich mit kritischen Stimmen an den agrarpolitischen 
Maßnahmen auseinandersetzt, unterstreicht diese Linie, indem er sich mit Auffassungen 
falsch verstandener „Eigenpersönlichkeit“ auseinandersetzt. Professor Emil Woermann 
betrachtet die Maßnahmen der Agrarpolitik vom Standpunkt der Betriebs wirtschaft aus. Er 
läßt dabei auf Grund umfangreicher Unterlagen auch dem Fernerstehenden Einblick 
nehmen, wie die politischen Maßnahmen der Führung nur dadurch zum Erfolge führen 
können, daß jeder einzelne Betrieb entsprechend seinen Möglichkeiten richtig eingesetzt 
wird. Dr. Friedrich Sohn vermittelt in seinen Betrachtungen zur französischen Agrar- 
politik einen Eindruck von den Schwierigkeiten, die noch überwunden werden müssen, um 
die Landwirtschaft in den einzelnen Ländern Europas in vollem Umfange entsprechend 
ihren natürlichen Möglichkeiten im Sinne der europäischen Zielsetzung einzusetzen. 
Hildegard Melzer zeigt dies am Beispiel der niederländischen Landwirtschaft. 


Eine wichtige Einzelfrage, die aber für die künftige Entwicklung von erheblicher Be- 
deutung ist, beleuchtet Dr. Heinrich Strathus in seinem Aufsatz „Der Pfandbrief im 
Agrarkredit“. Gerade die Stellung des Agrarkredits bei der weiteren land wirtschaftlichen 
Entwicklung in Europa im Sinne der nationalsozialistischen Agrarpolitik wird noch eine 
eingehende Klärung erfordern. Bei der starken Bewertung der Einzelpersönlichkeit in der 
nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik ist es selbstverständlich, daß den allgemein - 
politischen Fragen unseres völkischen Lebens stärkste Beachtung geschenkt wird. Dies 


zeigt der Aufsatz von Dr. Kurt Reinl „Der bäuerliche Wesenskern des germanischen 
Volkstums“. 


98 


HERBERT BACKE: 


Die Erzeugungsschlacht 
im fünften Kriegsjabr 


Den Vortrag des Oberbefehlsleiters, Reichsbauern- 
führers Herbert Backe zum Beginn der Erzeugungf- 
schlacht im 5. Kriegsjahr veröffentlichen wir nech- 
folgend im Wortlaut, weil die Ausführungen nicht nur 
vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt aus grund- 
sätzliche Bedeutung haben, sondern entscheidende 
egrarpolitischa und volkspolitische Probleme an- 
.schneiden, die ebenso wie für das Bauerntum euch für 
die Volksgenossen der Stadt in der Zukunft ausschlag- 
gebend sein werden. 


S eit ich vor zwölf Monaten vom deutschen 

Osten aus zu euch über die Weiter- 
führung der Erzeugungsschlacht sprach, 
hat unser Kampf um Freiheit und Lebens- 
raum gigantische Ausmaße angenommen. 
Vor zwölf Monaten verkündeten unsere 
Gegner frohlockend, daß das Jahr 1943 
die Niederwerfung des Großdeutschen 
Reiches bringen werde. Besonders in den 
Wochen vor dem 9. November versuchten 
sie mit ungeheurem Einsatz aller Propa- 
gandamittel das deutsche Volk durch den 
Hinweis auf den 9. November 1918 mürbe 
zu machen. Da sie aber selbst daran 
zweifelten, Deutschland und seine Verbün- 
deten mit Waffengewalt niederringen zu 
können, gründeten sich all ihre Hoffnungen 
auf einen vielleicht doch noch möglichen 
Zusammenbruch unserer Ernährungsfront. 
Nun, inzwischen werden die Herren Chur- 
chill, Roosevelt und Stalin wohl begriffen 
haben, daß Deutschland auch am Ende des 
vierten Kriegsjahres durch den Hunger 
nicht zu besiegen ist und gar keine Aus- 
sichten bestehen, das Reich überhaupt je- 
mals durch eine Hungerblockade zu zer- 
brechen. 


Lebensmitteln und landwirtschaftlichen 
Rohstoffen so gestiegen, daB bei den not- 
wendigen kriegsmäßigen Beschränkungen 
eine ausreichende 


Selbstversorgung gesichert 


war. Mit der Marktordnung hatten wir 
darüber hinaus ein verläßlich arbeitendes 
Instrument zur Durchführung einer nach 
menschlichem Ermessen gerechten Ver- 
teilung der anfallenden Lebensmittel ge- 
schaffen. Anläßlich des Erntedankiestes 
dieses Jahres sind der deutschen Land- 
und Ernährungswirtschaft der Dank und 
die Anerkennung des ganzen Volkes für 
diese kriegsentscheidenden Leistungen aus- 
gesprochen worden. 


Es berührt uns darum sehr wenig, wenn 
die plutokratisch-bolschewistischen Draht- 
zieher dieses Krieges heute so tun, als ob 
sie das angeblich verhungernde Europa 
vor dem Verderben retten müßten. Mit 
seinen Anstrengungen zur Steigerung der 
agrarischen Produktion hat Deutschland 
nicht nur für sich selbst das Problem der 
Versorgung weitgehend gelöst, sondern 
ganz Europa ein überzeugendes Beispiel 
gegeben. Ein Blick in die Welt zeigt, daß 
der Hunger überall im Gefolge der eng- 
lischen und amerikanischen Armeen mar- 
schiert. Ich glaube nicht, daß die hungern- 
den Inder, Iraner, Afrikaner, Araber oder 
etwa die süditalienische Bevölkerung 
der Uberzeugung sind, unsere Gegner 


Nein, meine Volksgenossen, den Kampf „Hätten im Hinblick auf die Lebensmittel- 


um das Brot hatten unsere Gegner schon 
verloren, ehe der erste Schuß in diesem, 
dem deutschen Volke aufgezwungenen 
Existenzkampf fiel. Durch die in den vor- 
hergehenden Friedens jahren geführte Er- 
zeugungsschlacht war die Produktion an 


versorgung mit größerem Erfolg gearbeitet 
als wir. Die Versorgungslage ist dank der 
durch deutsche Arbeit in Europa gestiege- 
nen Produktion so ausgeglichen, daß eine 
Gefährdung der Kampfmoral von dieser 
Seite her praktisch nicht eintreien kann. 


99 


Allerdings könnten wir wohl eine solch 
günstige Bilanz nicht aufstellen, wenn nicht 
Deutschland von sich aus jede mögliche 


Hilfe für die anderen Länder ` 


geleistet hätte. Das Reich hat trotz aller 
kriegsbedingten eigenen Einschränkungen 
landwirtschaftliche Produktionsmittel und 
selbst Lebensmittel an die verbündeten 
Länder ebenso wie in die besetzten Gebiete 
geliefert. Deutsche landwirtschaftliche 
Maschinen, Düngemittel, Saatgut, Zucht- 
tiere u.dgl. haben in vielen europäischen 
Staaten erst die Voraussetzungen für die 
gegenwärtige Produktion und Versorgung 
geschaffen. 


Deutschland hat also im Gegensatz zu 
den bei unseren Gegnern üblichen Me- 
thoden nicht nur allein für sich, sondern 
gleichzeitig in größtem Maße für Europa 
gearbeitet. Wir haben nicht von Völker- 
befreiung und Völkerbeglückung geredet 
und dabei die Menschen in den von uns 
besetzten Gebieten hungern und verhun- 
gern lassen) sondern haben — ohne viel 
Aufhebens davon zu machen — gearbeitet 
und unter schwierigsten Verhältnissen da- 
für gesorgt, die Menschen in Europa aus- 
reichend zu ernähren. 


Welches sind nun die Aufgaben, die 
ich im fünften Jahre der Kriegserzeugungs- 
schlacht euch Bauern und Bäuerinnen 
stellen muß? Da der Bedarf der Wehrmacht 
und des gesamten deutschen Volkes keinen 
grundsätzlichen Veränderungen unter- 
worfen ist und da wir uns schon in den 
Jahren vor dem Kriege auf diesen Bedarf 
eingestellt haben, sind die Parolen für die 
Erzeugungsschlacht auch im nächsten 
Jahre dieselben wie in der vergangenen 
Zeit. Im vorigen Jahre habe ich in Posen 
diese Aufgaben folgendermaßen umrissen: 


1. Erreichung der 
fläche, 


2. Erzielung von Höchsterträgen im Hack- 
fruchtbau, vor allem bei Kartoffeln und 


normalen Brotgetreide- 


Zuckerrüben, 
3. Höchstleistung im Gemüsebau, 
4. Neue Großleistung im Olsaatenbau, ue 
3. Weiterhin verstärkte Milcherzeugungs 
schlacht, 


6. Wiederaufbau des Schweinebestandes. 


Heute müssen wir rückschauend zunächst 
feststellen, wie diese Parolen befolgt wur- 
den, damit jeder Betriebsführer weiß, auf 


100 


welchen dieser Gebiete in Zukunft das 
Schwergewicht der Arbeit liegen muß 


Beim Brotgetreide hat sich die An- 
baufläche gegenüber dem unter ungünsti- 
gen Bedingungen stehenden Vorjahre aus- 
gedehnt. 


Zur Aulrechterhaltung des Hack- 
fruchtanbaues können wir mit Be- 
friedigung sagen, daß die Kartoffel- und 
Rübenanbaufläche im großen und ganzen 
erhalten geblieben ist, obgleich infolge der 
kriegsbedingten Erschwernisse, namentlich 
des Arbeitskräftemangels, sich hier und 
dort gewisse Tendenzen bemerkbar mach- 
ten, den Anbau einzuschränken. 


Im Gemüsebau sind die Flächen noch- 
mals um 80000 ha ausgedehnt worden. 
Diese Ausweitung konnte sich leider nicht 
zu dem gewünschten Erfolg auswirken, 
weil die Witterung einen harten Rück- 
schlag brachte. 


Der Olfruchtbau ist meiner Parole 


entsprechend sogar über die vorgesehene 


Größe ausgeweitet worden. 


Die Parole, die Milcherzeugungs- 
schlacht fortzusetzen, ist in vorbildlicher 
Weise durchgeführt worden. Es ist un- 
nötig, an dieser Stelle auszusprechen, was 
damit für die Fettversorgung des deutschen 
Volkes gewonnen wurde! 


- Schließlich ist es durch eure Arbeit 
auch gelungen, allen Futterschwierig- 
keiten zum Trotz einen kräftigen Ansatz 
zur Aufstockung unserer Schweine- 
bestände durchzuführen. 


Diese kurzen Hinweise lassen erkennen, 


daß alle von mir für das vierte Jahr der 


Kriegserzeugungsschlacht gegebenen Pa- 
rolen unter Einsatz aller gegebenen Mög- 
lichkeiten befolgt wurden. Wenn trotzdem 
auf einzelnen Gebieten witterungsbedingte 
Rückschläge eintraten, so lag die Ursache 
nicht bei uns und nicht bei unserer Arbeit. 
Wir Bauern wissen, daß man mit solchen 
Ereignissen immer rechnen muß. Was sagt 
aber ein Weniger in dem einen Jahre 
gegenüber guten Erträgen in anderen 
Jahren. Allerdings muß man dabei an dem 
einmal aufgestellten Plan des Anbaus 
beharrlich festhalten und sich nicht 
durch äußerliche Einflüsse davon abbringen 
lassen. Auch hier muß jeder von uns 80 
handeln, als wenn das Schicksal des Krieges 


| 


von seiner Leistung und von der Befolgung 
der ihm gegebenen Parolen allein abhängt. 


Wenn ich vorhin ausführte, daß die 
Marschroute für das kommende Jahr den 
Aufgaben der Jahre gleichbleibt, die hinter 
uns liegen, so könnte natürlich die Frage 
aufgeworfen werden, warum ich dann in 
dieser Zeit der härtesten Anspannung über- 
haupt zu euch spreche. Es ist aber nun 
einmal so im Leben, daß man große Auf- 
gaben immer wieder in das Bewußtsein 
jedes einzelnen hämmern muß. Wir alle, die 
wir in der Praxis stehen, wissen, wie leicht 
das Grau des schweren Alltags den Blick 
für die Notwendigkeiten des Ganzen und 
der Zukunft trübt. Darum also ist es not- 
wendig, diese Parolen immer wieder her- 
auszustellen. Wie soll der einzelne Be- 
. triebsleiter sonst erkennen, was die Reichs- 
führung von ihm verlangt. Der einzelne 
steht unter dem Einfluß der Bedingungen 
seiner Wirtschaft und seiner besonderen 
Lage. Er kann nicht immer die Übersicht 
‚haben, um zu wissen, was Volk und Reich 
jeweils von ihm erwarten. 


Und schließlich: die Landwirtschaft ist 
nicht nur auf einen oder wenige Konzerne 
beschränkt wie manche industrielle Pro- 
duktion; dort allerdings genügt oft eine 
interne Sitzung, um einen Erzeugungsplan 
aufzustellen, der dann von den Angestell- 
ten und Arbeitern durchgeführt wird. In 
der Landwirtschaft haben wir es mit Mil- 
lionen von einzelnen Betrieben zu tun, und 
jeder Betrieb verlangt den selbständigen, 
schöpferischen Betriebsiührer. Diese Men- 
schen können nicht ausschließlich aus- 
führende Werkzeuge für Befehle von oben 
sein. Sie stehen auf Grund der besonderen 
Bedingungen in der Landwirtschaft immer 
auch unter dem Gesetz eigener Verantwor- 
tung. Jeder Betrieb ist nach Größe, Boden, 
Klima und Lage verschieden. Und ebenso 
verschieden sind danach die Möglichkeiten, 
das Höchste aus ihm herauszuholen. Die 
Produktion kann daher nicht allein vom 
grünen Tisch aus gesteuert werden, son- 
dern muß für den einzelnen Betrieb vom 
Betriebsleiter selbst gelenkt werden. Die 


Aufstellung eines allgemeinen Erzeugungs- 


planes ist hier also viel schwerer als 2. B. 
in der gewerblichen Wirtschaft. Allerdings 
ist die Aufgabe auch dankbarer, weil sie 
voraussetzt, daß jeder einzelne dieser Mil- 
lionen bäuerlicher Betriebsführer überzeugt 


werden muß. Aus dieser Überzeugung ent- 
steht dann die Haltung, die verpflichtende 
Haltung gegenüber den Aufgaben der Ge- 
meinschaft. Deshalb spreche ich, Männer 
und Frauen des Landvolks, heute zu euch 
über den notwendigen Einsatz im neuen 
Jahr der Kriegserzeugungsschlacht. 


Die erste Aufgabe ist in diesem Jahre die 
Beibehaltung der Hackfruchtifläche, 


ja, sogar eine Erweiterung bei den 
Kartoffeln. Diese Ausweitung muß 
auf Kosten der nicht marktfähigen Hack- 
früchte, der Futterrüben, Wruken und auf 
Kosten des Sommergetreides gehen. Die 
Gründe für diese Ausdehnung sind nicht 
nur ernährungswirtschaftlich bedingt, son- 
dern auch betriebswirtschaftlich von größ- 
ter Wichtigkeit. Ernährungswirtschaftlich 
erlebt heute ganz Europa eine Umkehr in 
seinen Lebensgewohnheiten von tierischen 
zu pflanzlichen Erzeugnissen. Der starke 
Anteil der tierischen Erzeugnisse an der 
Ernährung der europäischen Völker und 
namentlich Deutschlands beruhte ja darauf, 
daß durch die liberale Weltwirtschaft 
riesige Flächen jungfräulichen Bodens in 
den Kolonialländern erschlossen wurden, 
die Europa billige Futtermittel zur Verfü- 
gung stellten. Hierdurch wurde nicht nur 
der Futterbau und speziell der Hackfrucht- 
bau in Deutschland vernachlässigt, sondern 
die Billigkeit erlaubte es erst, die Ernäh- 
rungsgewohnheiten in dem starken Aus- 
maß auf tierische Erzeugnisse umzustellen. 
Bei der Umwandlung von pflanzlichen Nah- 
rungsmitteln in tierische Erzeugnisse gehen 
ungeheure Nahrungswerte verloren. So 
werden bei der Schweinemast z.B. nur 
25 Prozent der Nährwerte gewonnen, die 
die verbrauchten Futtermittel enthalten, bei 
der Geflügelhaltung sogar nur 10 Prozent. 
Der Veredlungsprozeß bringt also nüchtern 


+ 


gesehen eine Verschwendung von Nah- 


rungsgütern mit sich. Schon die Abkapse- 
lung des Auslandes vor diesem Kriege 
gegen Deutschland, insbesondere aber der 
gegenwärtige Krieg haben die Möglichkeit 
einer Zufuhr von Futtermitteln aus Uber- 
see ausgeschlossen. Daraus entsteht 
zwangsläufig eine geringere Bereitstellung 
von tierischem Eiweiß und tierischem Fett 
und die Notwendigkeit, einen Ausgleich 
durch stärkere Gaben von pflanzlichen 
Nährstoffen zu schaffen. So ist die Kar- 
toffel in Deutschland mehr als im Frieden 


101 


zum Grundnahrungsmittel geworden. Neben 
dem Brot ist sie die Basis unserer Ernäh- 
rung. Wir stehen daher vor der zwingen- 
den Notwendigkeit, den Kartoffelanbau — 
dasselbe gilt im übrigen für den Gemüse- 
bau — so auszuweiten, daß wir dem ver- 


größerten Bedarf Rechnung tragen können. ` 


Daß durch die industrielle Verarbei- 
tung der Kartoffel und neuerdings 
auch der Zuckerrüben der Bedarf 
noch gesteigert wird, liegt auf der 
Hand. Für diese Gebiete ist in der Zukunft 


daher jegliche Einschränkung ausgeschlos- 


sen. Im Hinblick auf die Bedürfnisse unse- 
rer Rüstung ist im Gegenteil eine Aus- 
weitung sogar unerläßliche Forderung. 


Schließlich ist die Kartoffel eines 
unserer Hauptfuttermittel für die 
Erzeugung von Schweinefleisch 
und Fett. Gerade die Erhöhung des 
Speisekartoffelbedarfs hat ja dazu geführt, 
daß die Verhältnisse sich im Kriege gegen- 
über dem Frieden umgekehrt haben. Da- 
mals stand der Speisekartoffelverzehr zu 
den Futterkartoffeln im Verhältnis wie 1:2; 
heute stehen die Speisekartoffeln zum 
Futterrest wie 2:1. Mangel an Kartoffeln 
bedeutet daher weiteren Abbau der 
Schweinebestände. Da aber der Fleisch- 
bedarf bleibt, erwächst hieraus der zusätz- 
liche Eingriff in die Rinderbestände. Jeder 
von uns muß sich über diesen Zusammen- 
hang klar sein. Wenn heute einer von uns 
zuviel Rinder abgeben muß, so ist dies 
letzten Endes die Folge eines zu geringen 
Kartoffelanbaus. Das Rind aber ist für uns 
nicht Erntebestandteil, sondern Produk- 
tionsmittel. Eingriffe in die Rinderbestände 
sind daher so folgenschwer, weil sie dem 
Betrieb ein Mittel entziehen, das dieser für 
die Erstellung neuer Ernten und zur Ge- 
winnung unserer gehaltvolisten Lebens- 
mittel, Milch und Butter, notwendig 
braucht. Aus diesen Gründen habe ich im 
vergangenen Jahre mit besonderem Ernst 
auf die Notwendigkeit der Parole, die 
Schweinebestände aufzustocken, hinge- 
wiesen. Nur hierdurch ist ein Eingriff in 
die Substanz des Hofes zu Lasten der Zu- 
kunft zu vermeiden. Wir müssen also der 
Gefahr des Abbaus von zwei Seiten be- 
gegnen: 


Einmal — und das ist entscheidend — 
durch Erweiterung unserer Fut- 
tergrundlage auf dem Wege über die 
Kartoffel. 


102 


zweitens durch stärkere Aufstok- 
kung der Rinder, um den Entzug aus 
zugleichen. 


Nicht nur der Anbau der Kartoffel, son- 
dern auch der Anbau der Zuckerrübe und 
darüber hinaus der Zucker-Futterrübe muß 
ausgeweitet werden. Durch die früheren 
Preisverhältnisse ist die Verwendung von 
Futtergetreide und Kartoffeln zur Schweine- 
mast Gewohnheit geworden. Heute wissen 
wir, daß wir einen erheblichen Teil der 
Kartoffeln durch Zucker-Futterrüben er- 
setzen können. Nun bringt die Zuckerrübe 
und die Zucker-Futterrübe gerade auf den 
besseren Böden, auf denen sie angebaut 
wird, einen höheren Ertrag als die Kar- 
toffel. Volkswirtschaftliche Notwendigkeit, 
zusätzliches Futter zu schaffen und be- 
triebswirtschaftliche Notwendigkeit, die 
Mast zu verbilligen, laufen hier in der- 
selben Richtung. Ich sehe gerade auf 
diesem Gebiet eine neue Möglichkeit, die 
eigene Futterbasis zu erweitern und halte 
es daher für besonders wichtig, daß jeder 
einzelne Betriebsleiter diesen Weg be- 
schreitet. Wir wollen uns darüber im 
klaren sein, daß es sich bei dieser Um- 
stellung der Mast nicht um eine vorüber- 
gehende Kriegserscheinung handelt, son- 
dern daB diese Maßnahme in erster Linie 
der zukünftigen Entwicklung einer euro- 
päischen Autarkie liegt. Je schneller der 
einzelne diesen Weg einschlägt, um so 
mehr nützt er der Volkswirtschaft und um 
so gesunder wird sein Betrieb. So wird die 
Ausweitung des Hackfruchtbaus in dem 
eben ausgeführten Sinne eine der entschei- 
dendsten Aufgaben im fünften Kriegsjahr 
und darüber hinaus für alle Zukunft sein. 
Von ihrer Befolgung hängt es ab, ob wir 
die anderen uns gestellten ernährungswirt- 
schaftlichen Ausgaben lösen können. 


Brotgetreideflächen erhalten 


Wie ich vorhin schon sagte, geht die 
zukünftige Entwicklung zu einer stärke- 
ren Betonung der pflanzlichen 
Kost. Neben der Kartoffel spielt hier das 
Brot die entscheidende Rolle. Daher muß 
die Brotgetreidefläche in ihrer bis- 
herigen Größe erhalten bleiben. 
Was die Brotgetreideernte für Deutschland 
bedeutet, haben uns die beiden letzten Jahre 
gezeigt. Im vergangenen Jahre hatten wir 
— durch die Auswinterung bedingt — eine 
unterdurchschnittliche Ernte, mit der Folge, 


daß wir über 1,5 Millionen t Gerste dem 
Futtersektor entziehen mußten. Dieses Jahr 
brachte uns eine weit überdurchschnitt- 
liche Ernte, die der Landwirtschaft und 
dem gesamten deutschen Volke das Gefühl 
einer unbedingten Sicherheit gegenüber 
allen denkbaren Ereignissen gab. 


In Anbetracht der gegebenen natürlichen 
Verhältnisse und der von der Landwirt- 
schaft zu bewältigenden Aufgaben war ein 
Rückgang der Brotgetreideanbaufläche 
nicht überall zu vermeiden. Wirfordern 
erneut eine Vergrößerung der An- 
bauflächen bei den Hackfrüchten, 
bei Olsaaten und beim Gemüse. Da- 
her muß irgendeine andere Frucht die 
Flächen für diese Ausweitung hergeben. 
Es kommt hinzu, daß betriebswirtschaftliche 
Verhältnisse, Zwangslagen aus der Frucht- 
folge heraus, ja oft die verschiedene Größe 
der einzelnen Felder, dazu zwingen, auch 
einmal aus der Brotgetreideanbaufläche ein 
Feld für eine auszuweitende Frucht zu 
nehmen. Diese Ausnahmen dürfen jedoch 
eben nur Ausnahmen sein. Wir wissen 
nicht, ob die Witterung im nächsten Jahre 
unsere Brotgetreideernte so begünstigt wie 
im vergangenen Jahr. Wir haben aber die 
Pflicht, dem deutschen Volke das tägliche 
Brot zu gewährleisten. Die Flächen für die 
Ausdehnung anderer Früchte sind daher 
dort herzunehmen, wo Pflanzen angebaut 
werden, die nur mit einem geringen Pro- 
zentsatz oder gar nicht an der Markt- 
leistung beteiligt sind. Wie die Ausweitung 
im Hackfruchtbau, soweit es irgend geht, 
auf Kosten von Fulterrüben gehen muß, so 
muß der Futtergetreidebau die Flächen- 
erweiterung anderer Früchte tragen. 


100 000 Hektar mehr Olfrüchtel 


Trotz der großen Erfolge im Olfrucht- 
bau des letzten Jahres muß der Anbau 
wiederum um rund 100 000 ha steigen. Je 
länger der Krieg dauert, um so mehr sind 
wir beim Fettsektor auf unsere eigene Er- 
zeugung angewiesen. In den ersten Kriegs- 
jahren hatten wir noch große Reserven an 
lsaaten und Waltran; auch hatten wir 
noch bedeutende Bezugsmöglichkeiten, ins- 
besondere aus Ostasien. Heute sind unsere 
Fettquellen im wesentlichen: die Milch 
und der eigene Ulfruchtbau. Die 


deutsche Landwirtschaft ist unserer Parole 
auf Ausweitung des Dlfruchtbaus seit Be- 
ginn des Krieges trotz der harten Rück- 
schläge durch Auswinterung und Schäd- 
lingsbefall so willig gefolgt, daß ich gewiß 
bin, sie wird die diesjährige Aufgabe, 
600 000 ha anzubauen, genau so bewältigen 
wie die Aufgabe des vorigen Jahres. Ent- 
scheidend kommt hinzu, daß der Difrucht- 
bau unmittelbar durch Ulkuchen und 
mittelbar durch Nachbau von Grünfutter 
keinen Futterausfall kostet. | 


Gemüseanbau verstärken 


Haben wir in den letzten Jahren die 
Gemüseanbaufläche stark vergrößert, 
so ist jetzt der Augenblick eingetreten, in 
dem es weniger auf flächenmäßige Ausdeh- 
nung als auf Intensivierung des An- 
baus ankommt. Die flächenmäßige Aus- 
dehnung hat ja nur dann einen Erfolg, 
wenn für diese zusätzliche Fläche aus- 
reichende Düngung zur Verfügung steht. 
Das ist aber großenteils nicht der Fall. 


Mancher von Ihnen, der in diesem Jahre 
gemäß unserer Parole mehr Gemüse oder 
überhaupt zum erstenmal Gemüse gebaut 
hat, ist durch den Ernteausfall infolge der 
Trockenheit enttäuscht. Diese Tatsache be- 
lastet nicht our den Bauern und den Be- 
triebserfolg seiner Wirtschaft, sondern 
trifft vor allem auch den Verbraucher. 
Trotz der Rückschläge, besonders im Osten 
des Reiches, dürft ihr, deutsche Bauern und 
Landwirte, euch nicht entmutigen lassen. 
Ich weiß, was es bedeutet, soviel Arbeit 
in die Aussaat und in die Pflege der Ge- 
müsefelder zu legen, und wenn man dann 
nach soviel Mühe und Arbeit vor einem 
Felde steht, das die aufgewandte Leistung 
überhaupt nicht oder nur durch einen ge- 
ringen Ertrag entschädigt. Trotzdem muß 
der jetzige Stand der Gemüseanbaufläche 
unter allen Umständen gehalten, im Vor- 
und Nachbau sogar noch erweitert werden. 
Jeder Anfänger fühlt sich zunächst un- 
sicher. Ein Rückschlag in den ersten An- 
baujahren läßt Zweifel aufkommen, ob der 
Betrieb sich für den Gemüsebau überhaupt 
eignet. Meine Bauern! Das ist aber doch 
nicht nur beim Gemüsebau so. Ich erinnere 
nur an die Einführung der Kartoffel, der 
Zuckerrübe oder der Dlfrüchte, wo die 


103 


gleichen Erfahrungen gemacht wurden. So 
müßt ihr unter allen Umständen auch in 
diesem Jahre den Gemüsebau weiterführen. 
Die Zahl der Konsumenten in den Städten 
ist durch die ausländischen Arbeiter be- 
trächtlich gewachsen. Der Ausfall Süd- 
italiens bedeutet ebenfalls keine Erleichte- 
zung unserer Gemüseversorgung. Es ist 
daher eine eurer wichtigsten Aufgaben, 
den Gemüsebau zumindest zu halten und 
sogar auszudehnen, wo es irgend geht. 
Denn es ist jedem bekannt, welche Bedeu- 
tung das Gemüse nicht nur für die Sätti- 
gung, sondern auch als Träger wertvoller 
Nährstoffe für die Gesunderhaltung und 
Arbeitsleistung hat. 


Die Voraussetzung einer derartigen Pro- 
duktion, nämlich die Saatgutversor- 
gung, hat dank der vorausplanenden 
Maßnahmen des Reichsnährstandes eine 
beträchtliche Verbesserung erfahren. In- 
folge der günstigen Samenernte im In- und 
Auslande kann die Saatgutbereitstellung 
für fast alle Gemüsearten als vollauf ge- 
sichert bezeichnet werden. Diese Steige- 
rung der eigenen Erzeugung und die von 
Deutschland planmäßig gesteuerte Ausrich- 
tung der europäischen ProdukMon dürfen 
so als ein glückliches Beispiel der kon- 
tinentalen Zusammenarbeit angesehen 
werden. i 


Durch den Krieg zeigen sich auch 
Mangelerscheinungen auf früher als neben- 
sächlich erachteten Gebieten, z. B. beim 
Obstbau. Der Obstbau hat unter den 
vergangenen strengen Wintern sehr ge- 
litten. Durch neue Methoden des Nieder- 
stammobstbaues versuchen wir, den not- 
wendigen Wiederaufbau unseres Obstbaum- 
bestandes stärkstens zu fördern. 


Auch der Weinbau erfährt eine ent- 
sprechende Förderung, der zusätzlich zur 
Weinproduktion während des Krieges 
einen beträchtlichen Beitrag zur Pro- 
duktion von Gemüse und anderen Feld- 
früchten leistet. 


Wie ich beim Difruchtbau schon aus- 
führte, stellt die 


Butter unsere wichtigste Fettquelle 


dar. Mir ist vor kurzem eine Berliner 
Zeitung aus dem Herbst 1917 in die 


104 


merkte Ration 


Hände gefallen mit der Ankündigung 
des Magistrats der Stadt Berlin, daß die 
Butterration für eine Woche pro Person 
5 Gramm betrage. Die auf der Karte ver- 
lautete allerdings auf 
120 Gramm. Man vergleiche die tatsächlich 
ausgegebene Ration mit derjenigen, die 
wir dank der Leistungen unserer Landwirt- 
schaft heute zu geben, in der Lage sind. 
Wenn wir danach fragen, warum es gerade 
auf dem Milchsektor möglich gewesen ist, 
derartige Leistungen zu erzielen, so muß 
ich feststellen, daß wir hier die Grundsätze 
der nationalsozialistischen Marktordnungs- 
politik konsequent durchführen konnten. 
Die Anstrengungen der Erzeuger konnten 
weiter in größtem Umfange durch den Auf- 
bau praktischer pflegerischer Maßnahmen 
— wie Milchkontrolle, Gärfutter- 
behälterschau, Zwischenfrucht- 
bau usw. — unterstützt werden. Durch die 
vor dem Kriege von der Reichsregierung 
durchgeführte Preisaufbesserung 
wurde die Landwirtschaft schließlich in die 
Lage versetzt, die wirtschaftseigene Futter- 
basis stärkstens auszubauen, so daß der 
Kraftfutterausfall keine Ertragsminderung 
durch die geringere Einfuhr zur Folge 
hatte. Für die Zukunft bleibt es entschei- 
dend, die Milcherzeugung nicht nur auf 
dem hohen Stand der letzten Jahre zu 
halten, sondern sie noch mehr zu intensi- 
vieren. Dieses Ziel kann aber nur erreicht 
werden, wenn alle produktionsfördernden 
Maßnahmen genauestens durchgeführt wer- 
den und darüber hinaus der Eigenverbrauch 
von Vollmilch auf das geringste Maß herab- 
gesetzt wird, vor allem aber der letzte 
Tropfen Milch zur Ablieferung in die Mol- 
kerei kommt, mögen sich auch Produktions- 
schwierigkeiten vielerlei Art ergeben. Rest- 
lose Ablieferung ist bei anständiger Hal- 
tung keine Schwierigkeit. Diese vorbild- 
liche Bereitschaft darf sich auch unter den 
Bedingungen des fünften Kriegsjahres nicht 
lockern. Je länger der Krieg dauert, desto 
härter und konsequenter muß das deutsche 
Landvolk seine Pflichten bei der Abliefe- 
rung erfüllen. Gerade bei der Bewirl- 
schaftung der täglich anfallenden Milch- 
mengen entsteht vielleicht am ehesten der 
falsche Eindruck, daß es doch auf einen 
halben oder einen viertel Liter weniger in 
Stall und Küche nicht ankommen könne. 


Ein Liter Milch von 3,5 Millionen Be- 
trieben täglich mehr abgeliefert, bedeutet 
aber eine zusätzliche Produktion von 
53000 t Butter im Jahr, eine Menge, die 
ausreichen würde, rund 8,1 Millionen 
Normalverbraucher ein Jahr lang mil 
Butter zu versorgen. 


Aufstockung des Schweinebestandes 


Ich komme nunmehr zur sechsten meiner 
Parolen, zur Frage der Aufrechterhal- 
tung der Schweinebestände. Die 
Aufstockung auf diesem Gebiet ist eine der 
dringendsten Forderungen, die die Führung 
der Ernährungswirtschaft an euch stellt. 
Sie hängt aufs engste mit der Auswei- 
tung der Futterbasis, vor allem der 
Intensivierung des Hackfrucht- 
baus und mit den Eingriffen in die 
Rinderbestände zusammen. Dieses 
Problem ist so wichtig, daß es sich der 
einzelne Betriebsleiter gar nicht oft genug 
ins Bewußtsein rufen kann. Ich weiß: das 
Schweineablieferungssoll bedeutet für euch 
im Augenblick die größte Sorge. Wir 
gingen in diesen Krieg mit einem sehr 
hohen Bestand an Schweinen. Euch ist be- 
kannt, warum hier ein Abbau vorgenom- 
men werden mußte. Zwei Auswirkungen 
hatte dieser Abbau des Schweinebestandes: 
Er verringerte einmal den Futterbedarf an 
Kartoffeln und Getreide, die der unmittel- 
baren menschlichen Ernährung zugeführt 
werden konnten; zum anderen stärkte er 
unsere Fleischbilanz. Aber es wurde aus 
dem Bestand abgeschöpft, ohne ihn wieder 
zu ergänzen. Die Weiterführung einer sol- 
chen Entwicklung mußte in dem Augenblick 
aufhören, als der Bestand unter das Niveau 
des vermutlichen Futteranfalls absank; 
denn damit wurde das Fleischaufkommen 
aus dem Schweinesektor so gering, daß in 
die Rinderbestände eingegriffen werden 
mußte. Als daher im vergangenen Jahre 
die Hoffnung bestand, die Lücke im Brot- 
getreidesektor z.B. durch Einfuhren aus 
dem Südosten zu verringern, als wir also 
damit rechnen konnten, wenigstens einen 
Teil der als Brotergänzung vorgesehenen 
Gerste für die Schweinemast freizubekom- 
men, habe ich die Parole zur Auf- 
stockung der Schweinebestände 
gegeben, Heute schon kann ich feststellen, 


daß auch diese Forderung von der deut- 
schen Landwirtschaft trotz aller Schwierig- 
keiten erfüllt wurde. Wie bei allen der- 
artigen sich erst nach längerer Zeit aus- 
wirkenden Aufgaben hat sich der Erfolg im 
verflossenen Jahr weniger in einer höheren 
Zahl von Mastschweinen gezeigt, als viel- 
mehr in einer Steigerung des Sauen- 
und Ferkelbestandes. Entgegen unse- 
ren Erwartungen war jedoch die Futterlage 
infolge des Ausfalls von Einfuhren schlech- 
ter geworden. Darüber hinaus brachten zu- 
sätzlich nach Deutschland hereingekommene 
Millionen ausländischer Arbeitskräfte eine 
weitere Belastung für den Kartoffelsektor, 
während die notwendige Vergrößerung 
unserer Wehrmacht erneut hohe Ansprüche 
an das Lieferungsvermögen der Landwirt- 
schaft stellte. So mußte eine noch weitere 
Aufstockung der Schweinebestände unmög- 
lich werden, weil die Futterdecke zu knapp 
wurde. Die Folge davon war das schon 
erwähnte Eingreifen in die Rinderbestände, 
um die Fleischbilanz auszugleichen. In- 
zwischen sind die Anforderungen bei der 
Fleischversorgung nicht etwa geringer, 
sondern eher größer geworden. Die Auf- 
stockung des Schweinebestandes 
wird damit um so zwingender. 


Der deutsche Bauer wird sich nun fragen, 
wie er die aufgestellten Schweine in den 
kommenden Monaten sattmachen soll. Vom 
einzelnen Betrieb aus gesehen, scheint das 
jetzige Soll schon zu hoch zu sein, von 
einer weiteren Verstärkung des Bestandes 
ganz abgesehen. Die unterdurchschnittliche 
Kartoffelernte dieses Jahres bedeutet dabei 
eine weitere Belastung; denn darüber darf 
kein Zweifel herrschen, meine Bduern: Bei 
der Ablieferung stehen die Speisekartoffeln 
an der Spitze, selbst wenn der Futtervorrat 
zu gering werden sollte. Heute kann ich 
natürlich noch nicht übersehen, in welchem 
Umfange ich die zusätzlichen Getreide- 
mengen für Mastzwecke hereinbekomme, 
die zum Ausgleich des Futterdefizits ge- 
braucht werden. Schließlich ist es aber 
doch so, daß auch der Bauer einen Vor- 
anschlag für seinen Betrieb macht, bevor 
er die gesamte Ernte gedroschen hat. Auch 
er muß, ohne letzten Endes genau zu 
wissen, wieviel Futter ihm zur Verfügung 
steht, vorher bestimmen, wieviel Ferkel er 


105 


zur Mast ansetzt. Wieviel größer ist der 
Zwang dieses Vorausdenkens bei mir, der 
ich den Bedarf des nächsten Jahres an 
Fleisch kenne und deshalb frühzeilig jene 
Maßnahmen einleiten muß, die diesen Be- 
darf gewährleisten. Darüber hinaus ist es 
immer noch leichter, unreife Schweine ab- 
zuschlachten, als zusätzlich Schweine aus 
dem Boden zu stampfen, wenn die Futter- 
grundlage eine höhere Schweinemast er- 
laubt. Um das aufzubringende Soll an 
Schweinen zu sichern, sind in diesem Jahre 
erstmalig Aufbringungsumlagen auf jeden 
Hof gelegt. Diese Aufbringungsumlagen 
sind ein Mittel, um dem einzelnen Hof 
klarzumachen, welche Mindestleistung das 
Reich von ihm fordern muß. Wenn die 
Sorge um diese Umlage euch heute sehr 
bedrückt, .so denkt daran, daß ich mit 
meinen Mitarbeitern vor dieser Um- 
lage diese Sorgen allein zu tragen hatte. 


Zur Futtergrundlage im allgemeinen 
noch folgendes: Ich bin der Meinung, daß 
dort, wo ein Wille ist, sich auch meistens 
ein Weg findet. Niemand sollte sich an alt- 
hergebrachte Gewohnheiten der Schweine- 
mast klammern, ohne zu bedenken, daß es 
auf jedem Betrieb doch noch Quellen gibt, 
die zusätzlich Futter aufzubringen ver- 
mögen. Eine dieser Quellen ist zweifellos 
die 

Einschränkung der Kleintierhaltung 


Wir haben im Frieden, als genügend 
Futter zur Verfügung stand, die Klein- 
tierhaltung durch zahlreiche Förderungs- 
maßnahmen unterstützt. Gegenüber den 
Aufgaben jedoch, die der Krieg im 
fünften Jahr von uns fordert, ist es 
wichtiger, eine durch die Fleischkarte ge- 
gebene Ration zu erfüllen, als Geflügel zu 
erzeugen, Kaninchen zu mästen u. dgl. 
mehr, Dinge, die vornehmlich der zusätz- 
lichen Versorgung einzelner zugutekom- 
men. Wenn sich diese Verhältnisse hart 
im Raume stoßen, dann ist es eher erträg- 
lich, die gesamte Kleintierhaltung bis auf 
den notwendigen Zuchtbestiand abzu- 
schaffen, als einen Einbruch in der Fleisch- 
versorgung der Gesamtbevölkerung hinzu- 
nehmen. 


Über eines wollen wir uns doch keiner 
Täuschung hingeben: Der Krieg hat auf 


106 


die Viehbestände im allgemeinen 
abbauend gewirkt, am stärksten 
beim Schwein.. Nur bei der Kleintier- 
haltung sind die Bestände um das Doppelte, 
Dreifache, ja Fünffache gewachsen. Hier 
einen Riegel vorzuschieben, verlangt nicht 
nur die Aufgabe der Versorgung an sich, 
sondern das selbstverständliche Gefühl 
sozialer Gerechtigkeit. Wenn ich hier vor 
allem zu euch Bauern zum Thema Klein- 
tierhaltung spreche, so geschieht das aus 
Sorge um das notwendige Aufkommen an 
Schweinen. Dabei bin ich mir natürlich 
völlig darüber im klaren, daß die Ver- 
größerung der Kleintierbestände ganz be- 
sonders in nichtlandwirtschaftlichen Be- 
trieben stattgefunden hat. Ich habe nicht 
die Absicht, hier unhaltbare Zustände ein- 
reißen zu lassen! 


Die Herabsetzung des Kleintier- 
bestandes ist also eine der Quellen, um 
die Schweinemast zu erleichtern. 
Darüber hinaus aber gibt es noch manche 
andere Möglichkeit, zusätzlich Futter zu ge- 
winnen. Abgesehen von der schon er- 
wähnten Umstellung der Masttechnik 
durch Ersatz eines erheblichen Teils von 
Kartoffeln durch Zucker-Futterrüben bzw. 
Zuckerrüben, bietet vom Frühjahr an das 
Grünfutter viele Möglichkeiten, eine 
größere Schweinemast bis zur nächsten 
Kartoffelernte durchzuhalten. Schließlich 
glaube ich, daß mancher Zentner Hafer 
volkswirtschaftlich richtiger den Pferden 
entzogen wird, um ihn den Schweinen zu- 
gute kommen zu lassen. Wer den heutigen 
Futterzustand der Pferde in den meisten 
Gebieten Deutschlands mit dem vergleicht, 
wie er etwa im vierten Jahre des vorigen 
Krieges war, der wird zugeben müssen, 
daß hier zugunsten der Schweine Futter 
eingespart werden kann. Ich will damit 
natürlich nicht sagen, im vergangenen 
Weltkriege sei der Futterzustand der 
Pferde ausreichend gewesen. Es ist be- 
kannt, wie stark die Leistung dieser Pferde 
zu Lasten der zukünftigen Ernte zurück- 
ging. Schließlich sind aber unsere Herbst- 
arbeiten wie selten vorwärts gekommen, 80 
daß die besonders schwere Arbeit des Ab- 
fahrens von Kartoffeln und Rüben nur 
einen Bruchteil der Pferdekraft gekostet 
hat wie zur Zeit der vorigen Ernten. 


> 


Die Lage bei den Produktionsmitteln 


Ich habe euch, deutsche Bauern, Land- 
wirte und Landfrauen, für das vor uns 
liegende Jahr der Kriegserzeugungsschlacht 
wieder schwere Aufgaben gestellt. Ihr 
würdet diese Aufgaben leichter und ein- 
facher erfüllen können, wenn ich jetzt eine 
stärkere Bereitstellung der wichtigsten 
Produktionsmittel und eine Vermeh- 
rung der. Arbeitskräfte zusagen könnte. 
Auf Grund des außerordentlichen Bedarfs 
an der Front und in der Rüstungsindustrie 
ist diese Erleichterung nicht möglich. Es 
ist im einzelnen auch nicht zu übersehen, 
welche weiteren Einsparungen noch ge- 
tragen werden müssen. Ihr könnt aber 
überzeugt sein, daß eure Sorgen auch 
meine Sorgen sind und daß von mir aus 
alles nur Denkbare getan wird, um der 
Landwirtschaft zu helfen. Diese Fest- 
stellung darf wiederum nicht dazu führen, 
alle Hilfe ausschließlich von der Zen- 
trale zu erwarten. Schwierige Lagen 
können nur gemeistert werden, wenn 
draußen im Lande ebenso entschlossen 
an ihrer Überwindung gearbeitet wird wie 
in den Führungsstellen, und in vielen 
Fällen wird es nur über den Weg der 
Selbsthilfe möglich sein, die Lage zu 
meistern. Ich halte es daher für notwendig, 
zu diesem Problem der Produktionsmittel 
kurz Stellung zu nehmen, und zwar von 
jener höheren volkswirtschaftlichen Ebene 
aus, zu der ich verpflichtet bin, und zum 
anderen als praktischer Landwirt, der die 
Verhältnisse vom Betrieb aus ebensogut 
kennt. 


Wir wissen als Bauern und Landwirte, 
daß für unsere Betriebe die vorhandenen 
Arbeitskräfte und noch mehr der tüchtige 
Betriebsführer entscheidend sind. Der 
Krieg zwingt uns, hier zu Aushilfs- 
mitteln zu greifen. Auf der einen Seite 
versuchen wir, die zur Wehrmacht ein- 
gezogenen Arbeitskräfte weitgehend durch 
Ausländer zu ersetzen. Der Betriebsführer 
selbst wird — vor allem in den kleineren 
Betrieben — meist durch die Bäuerin er- 
setzt. Zu deren Unterstützung habe ich 
schon im Frühjahr dieses Jahres die Hof- 
patenschaften eingelührt und die in der 
Heimat verbliebenen Männer verpflichtet, 


diesen Landfrauen mit ganzer Kraft zur 
Seite zu stehen. 


Der Krieg wird für die Verteidigung der 


-Heimat weiterhin Menschen von uns for- 


dern. Die Bereitschaft zum Fronteinsatz ist 
für uns Bauern eine Selbstverständlichkeit. 
Die entstehenden Lücken müssen durch 
noch stärkeren Einsatz der in der Heimat 
Verbleibenden und durch 


noch mehr Gemeinschafts- und 
Nachbarschaftshilfe 


als bisher ausgeglichen werden. Vieler- 


“orts wird durch den freiwilligen Land- 


nutzungstausch, der ohne Berührung der 
Eigentumsfrage durchgeführt wird, große 
Erleichterung in der Arbeit geschaffen. 
Für die Realteilungsgebiete bedeutet der 
freiwillige Landnutzungstausch 
eine Überwindung der Kleinparzellenwirt- 
schaft und ermöglicht dadurch vielfach 
erst einen zweckvollen Maschineneinsatz, 
vor allem den gemeinschaftlichen Einsatz, 
die Einsparung von Treibstoff und unnötig 
langen An- und Abmarschwegen und eine 
zusätzliche Nutzung bisheriger Wegraine, 
Reststücke usw. 


Der gemeinschaftliche Maschi- 
neneinsatz muß auf der ganzen Linie 
noch mehr gepflegt werden. Ich weiß, daß 
manche Maschine, die notwendig wäre, 
heute nicht gekauft werden kann. Die für 
den Maschinenbau notwendigen Rohstoffe 
gehören vordringlich der Rüstung, und so 
müssen wir uns hier mit dem bescheiden, 
was die Front nicht braucht. 


Dasselbe gilt für die Düngemittel. 
Auch hier wissen wir: sind die Handels- 
düngemittel für uns auch noch so wichtig, 
der Bedarf der Rüstungsindustrie geht im 
Interesse unserer Frontsoldaten vor. Wenn 
die Zuteilung an Stickstoff und an 
Phosphorsäure heute wesentlich unter 
dem Höchststand von 1938/39 liegt, so darf 
andererseits nicht vergessen werden, daß 
im fünften Kriegsjahr trotzdem größere 
Mengen zur Verfügung stehen als vor 1933. 
Bei Kali und Kalk dürften durch die ge- 
ringeren Zuteilungen noch keine schwer- 
wiegenden Ernteausfälle entstanden sein. 
Es ist selbstverständlich mein Bestreben, 
die Zuteilung an Düngemitteln so umfang- 


107 


reich wie irgend möglich zu gestalten. Es 
wird aber erst Aufgabe einer späteren Zeit 
sein, den notwendigen Ausgleich der ein- 
zelnen Nährstoffe im Boden vorzunehmen. 
Wir haben darum heute mehr denn je die 
Pflicht, im Interesse der Gesunderhaltung 
unserer Böden den im Betrieb anfallenden 
wirtschaftseigenen Dünger beson- 
ders pfleglich zu behandeln und richtig zu 
verwenden. Wichtig ist auch, den Anbau 
von Leguminosen — sei es als Grün- 
düngung, sei es als Einsaat — mehr 
auszunutzen als bisher. 


Sieht es also beim Stickstoff, bei den 


Arbeitskräften und bei den Maschinen und 
Geräten im wahrsten Sinnes des Wortes 
kriegsmäßig aus, so kann ich mit Befriedi- 
gung feststellen, daß eine der wichtigsten 
Erzeugungsvoraussetzungen — die Saat- 
gutversorgung — während des Krieges 
laufend verbesser! werden konnte. 


So gelang es z.B. im Herbst 1943 beim 
Wintergetreide eine um das dreifache 
höhere Menge an Hochzuchtsaatgut gegen- 
über 1939 bereitzustellen. Beim Sommer- 
getreide verlief die Entwicklung ähnlich. 
Erfreulich ist auch die Entwicklungskurve 
bei der Grassamenversorgung. In 
Deutschland wurden früher nennenswerte 
Mengen an Grassamen nicht erzeugt. 1933 
machte die Produktion nur rund 5000 dz 
aus. Dank der im Rahmen der Erzeugungs- 
schlacht ergriffenen Maßnahmen wurde die 
Produktion bis zum Jahre 1939 auf rund 
45000 dz erhöht und es gelang dann in 
den Kriegsjahren, weiter eine Steigerung 
auf 146000 dz zu erzielen. Im übrigen 
wird sich in steigendem Maße gerade auf 
dem Gebiet der Grassamenversorgung die 
von uns propagierte europäische Zu- 
sammenarbeit günstig auswirken, weil 
bei wichtigen Gräserarten besondere An- 
zuchtbedingungen bestehen, auf die eine 
Reihe europäischer Staaten sich speziali- 
siert hat. Es ist gelungen, den Anbau in 
diesen Ländern auf die europäischen Be- 
dürfnisse auszurichten, so daß von dieser 
Seite her auch für uns gewisse Erleichte- 
rungen eintreten werden. Das gilt vor 
allem auch für Klee- und Luzerne- 
samen, denn Sie werden mir mit Recht 
entgegenhalten, daß hier die Versorgung 
noch zu wünschen übrig läßt. Wenn ich 


108 


auch nach wie vor fordern muß, daß die 
deutsche Landwirtschaft wenigstens einen 
Teil ihres Kleesamenbedarfes aus wirt- 
schaftseigenem Anbau zu decken hat, so 
wird doch die europäische Zusammenarbeit 
auf diesem Sektor den Bedarf in Zukunft 
immer besser befriedigen können. 


Von weittragender Bedentung ist schließ- 
lich auch die Steigerung beim Kartoffel- 
pflanzgut. Einer Anbaufläche von 
35000 ha im Jahre 1934 steht heute eine 
solche von 270000 ha gegenüber, wobei 
allein auf die Kriegsjahre eine Ausweitung 
von rund 170000 ha entfällt. Der Anbau 
anerkannten Kartoffelpflanzgutes ist damit 
um nicht weniger als 800 Prozent erhöht 
worden. 


Zur Frage des Zugkräftebesatzes 
unserer Betriebe ist nach Lage der Dinge 
nicht viel zu sagen. Was an Treckern und 
Treibstoff herangeschafft werden kann, wird 
zur Verfügung gestellt. Daß dieser Einsatz 
für eure Arbeit nicht immer genügt, weiß 
ich. Jedoch auch hier geht die Front allem 
anderen voran. Um so erfreulicher ist 
darum die Entwicklung unseres Pferde- 
bestandes, da das Pferd als Zugkraft in 
den vergangenen Kriegsjahren immer 
größere Bedeutung gewonnen hat. Die 
Pferdeaushebungen zu Beginn des Krieges 
haben in den im Wiederaufbau befindlichen 
Pferdebestand zunächst erhebliche Lücken 
gerissen. Durch eine planmäßig geförderte 
Vermehrung der Stutendeckungen von 
320 000 im Jahre 1933 auf 520 000 im Jahre 
1939 und 740 000 im letzen Jahr ist es je- 
doch gelungen, größere und einschneiden- 
dere Beschränkungen zu vermeiden. 


Der Ablieferungswille ist entscheidend! 


Männer und Frauen des Landvolkes! Für 
die ausreichende Versorgung des Volkes 
mit Lebensmitteln ist nicht nur die Erzeu- 
gung an sich ausschlaggebend, sondern 
auch die Marktleistung der Be- 
triebe. Wir wollen nicht vergessen, daß 
die Lebensmittelkarten, die trotz aller 
Schwierigkeiten immer rechtzeitig beliefert 
wurden, einen der wesentlichen Vertrau- 
ensfaktoren in unserem gegenwärtigen 
Ringen überhaupt darstellen. Es kommt 
daher wesentlich darauf an, daß die Land- 
wirtschaft sich hier ihrer hohen Verant- 


D. Ortsbauernführer hat im Kriege mehr denn je eine verantwortungsvolle und arbeitsreiche Tätigkeit. Wenn 
der größte Teil der Bauern im Wehrdienst steht, ist es seine erste und große Aufgabe, der alleinstehenden, 
Schwer belasteten Bäuerin mit seinem Rat und seiner Hilfe zur Seite zu stehen, weil es notwendig ist, alle 
Arbeiten selbst unter kriegsbedingten Erschwernissen in jedem Jahr erfolgreich zum Abschluß zu bringen. Der 
Ortsbauernführer ist es, der dafür zu sorgen hat, daß die Betriebe seines Dorfes ihren Ablieferungspflichten und 
Men Anforderungen in bezug auf die zweckmäßigste Bodennutzung voll nachkommen. Da er selbst vor allem 
ein Bauer ist, kennt er die Schwierigkeiten und Nöte derer, die er betreuen und führen muß, aus eigener Erfah- 
mng, daher wird er als erfahrener und praktischer Landwirt immer wieder mit Rat und Tat zur Seite stehen 
können. Sind doch gerade jetzt im Kriege auf dem Gebiet der Steigerung der Ernteerträge, richtigen Feldbestel- 
Jung usw. nur zuverlässige Vorschläge am Platze. 


Tritt irgendwo auf dem Hof der Bäuerin eine Schwierigkeit auf, ist eine der landwirtschaftlichen Maschinen 
Dicht in Ordnung, so genügen oft der geschulte Blick und ein paar geschickte Handgriffe des Ortsbauernführers, 
Dm den Schaden zu beheben und die Maschine wieder für die richtige Ausnutzung der Volksernährung in Gang 
zu bringen. Seine Aufgabe ist es auch, zur Erntezeit oder bei drängenden Feldbestellungsarbeiten die Nachbar- 
Schaftshilfe zu organisieren, die den alleinstehenden Bäuerinnen schon überall nutzvolle Dienste brachte, wie 
überhaupt der planmäßige Einsatz der Landarbeiter, der Gesinde- und Hilfskräfte zu seinen Obliegenheiten gehört. 


Aber er ist nicht nur Führer und Berater seines Dorfes, er hat außerdem auch noch die verwaltungstech- 
Mischen Aufgaben des Dorfes zu meistern. Er ist der Dolmetsch zwischen dem Reichsnährstand und den Bauern 
eines Dorfes. Einmal gibt er die erforderlichen Richtlinien und Erlasse des Reichsnährstandes erklärend weiter, 
Auf der anderen Seite übermittelt er Anregungen und Wünsche seiner Bauern. 


So erstreckt sich die Tätigkeit des Ortsbauernführers auf ein weites und verantwortungsvolles Gebiet. Was 
der Ortsbauernführer von seinen Bauern auch immer für die Sicherstellung unserer Ernährung fordern muß, 
les, was er von ihnen verlangt, muß er auch selbst erfüllen. Und so ist er täglich immer wieder aufs neue der 
dorfgemeinschaft Vorbild und wirklicher Führer. 


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Auf der Jungviehkoppel eines Bauernhotes im Kreise Dannenberg 
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Der Bäuerin gilt im Kriege die besondere Hilfe des 
Ortsbauernführers. Hier wird sie über die rich- 
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tige Handhabung des Düngerstreuers unterrichtet 


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Der gemeinschaftliche Treckerführer des Dorfes berät mit den Bauern den Arbeitsplan. — Abends wird beim gelegent- 
lichen Schoppen weiter die erfolgreiche Gemeinschaftsarbeit besprochen 


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2 D Ki r — 7 


* 


wortung bewußt ist und dafür sorgt, daß 
jeder Volksgenosse die Lebensmittel kaufen 
kann, die ihm auf Grund der Lebensmittel- 
karten zustehen. Ich habe in meiner Rede 
zum Erntedanktag an überzeugenden Bei- 
spielen dargelegt, wie vorbildlich der 
Ablieferungswille der deutschen 
Landwirtschaft gewesen ist. Jeder ein- 
zelne muß seinen Stolz darein setzen, daß 
hier im weiteren Verlauf des Krieges kein 
Absinken der Moral stattfindet. Ich weiß, 
mit der Länge des Krieges werden die Ver- 
suchungen größer; die Verlockungen des 
Tauschhandels treten gerade an das Land- 
volk heran. Es gibt auch keine Gemein- 
schaft, in der nicht der eine oder andere 
solchen Versuchungen erliegt. Ich er- 
warte aber, daß die Gemeinschaft des deut- 
schen Landvolks aus sich heraus, vor 
allem die Orts- und Kreisbauernführer und 
ihre Beauftragten, gerade auf diesem Ge- 
biet für absolute Sauberkeit und Korrekt- 
heit sorgen. Die Millionen Kanäle, durch 
die die Lebensmittel vom Bauernhof bis 
zum Verbraucher strömen, sind schwer zu 
kontrollieren. Gerade deshalb muß jeder 
einzelne sich verantwortlich dafür fühlen, 
das vom deutschen Volke bisher in die 
nationalsozialistische Agrarpolitik gesetzte 
Vertrauen nicht zu enttäuschen! 


Wenn ich heute immer wieder Forderun- 
gen an euch stelle, Forderungen insbeson- 
dere an die ehrenamtlichen Bauerniführer, 
so bin ich mir bewußt, daß der eine oder 
andere sich manchmal nicht mehr stark ge- 
nug fühlt, diese Belastung zu tragen. Dazu, 
meine Volksgenossen, 'muß ich euch eins 
sagen: Was wir in der Heimat auch auf uns 
nehmen und was wir auch tragen müssen, 
es ist wenig im Vergleich zu dem, was der 
deutsche Soldat an der Front leisten und 
aushalten muß. Wir wollen doch nicht 
klein erscheinen vor diesen Männern, die 
den Frieden unserer Heimat schützen und 
bedingungslos ihr Leben opfern für die Zu- 
kunft unseres Reiches. Wie wir die harten 
Schläge und Belastungen heute aushalten, 
das wird zeigen, ob wir uns als Volk vor 
der Geschichte bewähren oder nicht. Ein 
Volk, das in den Feuern des Schicksals 
hart geschmiedet wird, zerbricht niemals, 
sondern findet an allen Widerständen nur 
noch mehr Kraft, um die letzte Schlacht zu 
bestehen. 


Wenn wir gerade im vergangenen Jahre 
die Arbeit des Reichsamtes für das 


Landvolk stärkstens aktiviert haben, so 
geschah dies, um diesen fanatischen Kampf- 
willen der alten Nationalsozialisten bis auf 
den letzten Hof zu bringen. Jener Natio- 
nalsozialisten, die gerade dann ihre 
äußerste Kraft mobilisierten, wenn der 


Widerstand fast unmeßbar vor ihnen auf- 


stieg. Der Führer hat uns nicht nur den 
Glauben an unsere Sendung wieder- 
gegeben, nicht nur unsere Herzen mit einer 
hehren Weltanschauung erfüllt, sondern 
auch die organisatorischen Voraussetzun- 
gen geschaffen, die zum Wirken einer 
volksgebundenen Führerschaft notwendig 
sind. So hat er auch dem deutschen Land- 
volk ein Führerkorps gegeben, das stolz 
darauf ist, sein Willensträger zu sein. 
Dieses Bewußtsein gibt mir auch die Kraft, 
inmitten der gegenwärtigen Schwierig- 
keiten den Blick von den Tagesereignissen 
wegzureißen und heute schon die Grund- 
lagen zu schaffen für eine Arbeit, die ent- 
scheidend in die Zukunft weist. 


Vor einem Jahre habe ich von Posen 
aus das 


bäuerliche Berufserziehungswerk 


verkündet. Warum? All unsere Arbeit 
wird letzten Endes vergebens sein, wenn 
nicht die deutsche Jugend zum Bauern- 
tum zurückfindet, wenn sie nicht arbeits- 
hart und willensstark das bäuerliche Erbe 
der Vorfahren übernimmt. Seien wir 
uns darüber klar, daß die Zukunft des 
deutschen Volkes im Dunkel liegt, wenn 
die bäuerliche Bevölkerung, wie es jetzt 
der Fall ist, nur 18 Prozent des Gesamt- 


volkes ausmacht. Ich glaube, daß hier der 


Angelpunkt unserer Bewährung als Natio- 
nalsozialisten ist. Wir werden das Pro- 
gramm der Bewegung niemals verwirk- 
lichen, wenn wir nicht wieder einen breiten 
Strom landwaälliger deutscher Jugend in 
die bäuerliche Siedlung leiten. 


Es ist im vergangenen Jahre bewußt 
darauf verzichtet worden, das bäuerliche 
Berufserziehungswerk durch Massenver- 
anstaltungen in das Bewußtsein des Volkes 
zu bringen. Wir haben mit der notwendigen 
Kleinarbeit begonnen und über das Reichs- 
amt für das Landvolk der NSDAP. zu- 
nächst die notwendigen Mitarbeiter ge- 
wonnen und für ihre Aufgabe geschult. Ich 
freue mich, heute feststellen zv können, 
daß bereits nach einem halben Jahr dieser 
Kleinarbeit ein sichtbarer Erfolg des Be- 


109 


rufserziehungswerkes nachgewiesen wer- 
den kann. Die Zahl der Landarbeitslehr- 
stellen konnte bis zum 31. Juli 1943 um 
fast 50 v. H., die der Hausarbeitslehrstellen 


um 60 v.H. gesteigert werden. Die Land- . 


wirtschaftslehrstellen haben eine Zunahme 


von 13 v. H., die Hauswirtschaftslehrstellen 


eine solche von 47 v. H. aufzuweisen. 
Wenn auch die Wirtschaftslehrstellen nicht 
alle sofort besetzt werden konnten, so er- 
höhte sich doch die Zahl der Landwirt- 
schaftslehrlinge um 15 v. H., die der Haus- 
wirtschaftslehrlinge um 33 v. H. 


Auch auf diesen Erfolg unserer im 
wesentlichen durch das Reichsamt für das 
Landvolk geleisteten politischen Erziehungs- 
arbeit des letzten Jahres dürfen wir mit 
Stolz zurückblicken. Ich danke in diesem 
Zusammenhang vor allem dem Reichs- 
jugendiührer, der sich selbst immer 
wieder dafür einsetzte, deutsche Jugend für 
die Landarbeit zu gewinnen, und der mir 
bei allen meinen Bemühungen auf diesem 
Gebiet kameradschaftlich zur Seite stand. 


‚Durch die 


Zusammenarbeit zwischen NSDAP. und 
Reichsnährstand 


wird ein weiteres Problem in Angriff 
genommen, das durch die Terrorangriffe 
der Anglo - Amerikaner auf deutsche 
Städte und durch die Evakuierung zahl- 
reicher Volksgenossen auf das Land beson- 
ders stark in den Vordergrund gerückt ist. 
Wenn der Gegner glaubt, durch die Ver- 
nichtung unserer Städte die deutsche 
Kultur entscheidend treffen zu können, so 
gibt er sich einer /grundsätzlichen Täu- 
schung hin. Die deutsche Kultur wurzelt 
im Bauerntum, und die Neuordnung des 
kulturellen Lebens des deutschen Volkes 
überhaupt wird ihren Anfang nehmen 
müssen von der uralten überlieferten 
Kulturkraft des Landes. Die Anordnung 
des Reichsleiters Bormann zur 


Aktivierung der Dorfkultur 


macht es darum auch allen Hoheitsträgern 
zur Pflicht, das kulturelle Leben unserer 
Dörfer als entscheidendes Führungsmittel 
zu pflegen. Ich habe gerade dem Reichsamt 
für das Landvolk der NSDAP., das in eng- 
ster Zusammenarbeit mit dem Hauptkultur- 
amt der Partei steht, daher die Anweisung 
gegeben, alle Maßnahmen zu treffen, um 


110 


dem 


gerade zu diesem Zeitpunkt jene dent- 
schen Volksgenossen, die zu einem großen 
Teil zum ersten Male für längere Zeit mit 
ländlichen Leben in Berührung 
kommen, mit der dörflichen Kultur und der 
bäuerlichen Gesittung wieder vertraut zu 
machen. Wir müssen auf diesem Wege 
nicht nur das gegenwärtige kulturelle 
Leben unserer Dörfer verstärken, sondern 
das Bewußtsein bodenständiger und bluts- 
gebundener Kulturträgerschaft zu neuer 
Blüte bringen, und arteigener deutscher 
Volkskultur, die in den vergangenen Jahr- 
zehnten vielfach verlorengegangen ist, 
einen neuen Mutterboden bereiten. 


Deutsches Landvolk! Geh nun wieder an 
deine Arbeit. Wenn die Arbeit auch schwer 
wird, denk' an deine Männer, Brüder und 
Söhne, die draußen an allen Fronten den 
schwersten Kampf, der bisher um das 
deutsche Schicksal geführt wurde, mit bei- 
spielloser Opferbereitschaft tragen. Wehre 
jede Kleinmütigkeit, Engherzigkeit und 
Schwäche ab. Denke daran, daß du einmal 
mit Stolz vor deine Kinder treten willst, um 
ihnen zu sagen, unter welchen Leistungen 


und Opfern dieser Krieg gewonnen wurde. 


Was der Führer in einer seiner letzten 
Reden aussprach: „Je entschlossener und 
härter wir alle die Opfer auf uns nehmen, 
die ein solcher Krieg mit sich bringen mag, 
um so sicherer werden wir jenen Frieden 
erringen, den unser Volk erstrebt“, das 
wollen wir uns jeden Tag neu ins Bewußt- 
sein hämmern. Die bisher in der Erzeu- 
gungs- und Ablieferungsschlacht erreichten 
Erfolge sind einmalig und werden in der 
Zukunft“ ihren Lohn finden. Die An 
erkennung, die der Führer unserer Arbeil 
gezollt hat, ist unser Stolz, bedeutet zu- 
gleich aber auch die Verpflichtung, noch 
mehr und noch entschlossener für die 
kommenden Aufgaben einzustehen. Die 
Sorgen aber des Alltags, ganz gleich wie 
groß sie in Zukunit werden sollten, sollen 
euch nicht bedrücken, sondern diese Sorgen 
und Schicksalsschläge sollen euch und 
uns alle zu noch härteren Kämpfern machen, 
die noch beharrlicher und noch fanalischer 
alles einsetzen für den Sieg. Eure Arbeit 
ist dabei die Voraussetzung der Arbeit für 
das ganze deutsche Volk. Weil das so isl, 
werden wir Männer und Frauen des deul- 
schen Landvolkes mit noch größerem und 
fanatischerem Glauben und Willen an 
unsere Arbeit gehen für unseren Führer 
und unser deutsches Volk. 


HANS-JOACHIM RIECKE: 


KRITIK a KRITIK 


We so im Licht der Offentlichkeit steht 
wie die Führung der deutschen Agrar- 
politik, hat sich längst an Kritik gewöhnt. 
Da jeder Mensch ißt und dazu Nahrungs- 
mittel braucht, ist auch jeder Mensch in 
den Fragen der Ernährungswirtschaft 
„sachverständig”. Außerdem haben wir 
uns längst an den Zustand gewöhnt, daß 
jeder etwas von der Landwirtschaft „ver- 
steht”, nur anscheinend der nicht, der sie 
gelernt hat. Diese vielleicht etwas bissig 
klingenden Feststellungen sollen nun etwa 
keineswegs bedeuten, daß die Führung der 
deutschen Agrarwirtschaft über jede Kritik 
erhaben ist und Kritik von vornherein ab- 
lehnt. Wir wissen im einzelnen sehr genau, 
daB auch bei uns Fehler vorkommen 
können, nur dürfen die Kritiker ihrerseits 
nicht übersehen, daß oft bewußt Dinge im 
einzelnen anscheinend „falsch” gemacht 
werden müssen, weil das große Ganze es 
erfordert, d.h. oft muß ein Teilgebiet ver- 
nachlässigt werden, weil sonst ein anderes, 
größeres und wichtigeres Gebiet notleiden 
würde. Das läßt sich aus der Perspektive 
des einzelnen oft nicht erkennen, — ist nur 
zu sehen, wenn man das Ganze überschaut. 
„Gemeinnutz vor Eigennutz.“ Mancher der 
Kritiker würde sich bei Durchführung seines 
Vorschlages wundern, wenn er neben der 
Anerkennung durch eine kleine Minder- 
heit, die „besser fährt“, das berechtigte 
millionenfache Echo der zugunsten der 
Minderheit geschädigten Masse des Volkes 
zu hören bekommt. Von solchen Fällen der 
Kritik an Einzelgebieten soll nun im nach- 
folgenden die Rede sein. 

Vorweg aber noch eine Bemerkung: Es 
ist nicht der Sinn dieses Aufsatzes, zu 
kritischen Stimmen des Auslandes, vor 
allem des feindlichen Auslandes, Stellung 
zu nehmen. Dies würde auch kaum noch 
lohnen. Zu den Grundsätzen der deutschen 
Agrarpolitik wird draußen nur noch ganz 
selten Stellung genommen. Hier scheinen 
sich auch für die feindlichen Stimmen kaum 
noch Ansatzpunkte zu finden. Das einzige, 


was man noch kann, ist der Versuch, die 
Erfolge der deutschen Ernährungspolitik 
herabzusetzen. Jede Kürzung von Rationen 
wird ganz groß herausgestellt, jede Er- 
höhung bagatellisiert. Das kann uns wenig 
berühren.. Im übrigen beschränkt man sich 
auf Nachrichten über Massenerkrankungen 
nach Genuß von Ersatzlebensmitteln — an- 
scheinend unter Benutzung von alten 
Klischees aus dem letzten Weltkrieg — 
oder über Bauernzusammenrottungen gegen 
nazistische Erfassungskommandos, die dem 
Bauern das letzte Ferkel aus dem Stall 
holen. Dabei müssen dann Ortsbauern- 
führer ihr Leben lassen, die, um die Sache 
glaubhafter zu machen, meist sogar mit 
Namen genannt werden. Daß diese Orts- 
bauernführer meist Meier, Schulze oder 
Lehmann heißen und die Orte Schönheide, 
Kaltenbrunn oder andere weitverbreitete 
Namen tragen, ist ganz sicher nur „Zu- 
fall“. Mit diesen Dingen sich auseinander- 
zusetzen, lohnt weder Tinte, Drucker- 
schwärze noch Papier. | 


Zweck dieses Aufsatzes ist vielmehr — 
wie gesagt —, aus den uns zugegangenen 
kritischen Stimmen einzelne Beispiele, die 
uns besonders typisch und aktuell er- 
scheinen, herauszugreifen und uns mit 
ihnen auseinanderzusetzen. Da schreibt 
uns z.B. ein Mann aus Ostpreußen, daß er 
nicht verstehen könne, daß nichts für die 
Ausdehnung des Futterpflanzensaatgut- 
anbaues getan worden sei, und nun fehle 
es überall an Futterpflanzen, und die Folge 
sei ein katastrophaler Rückgang in der 
Milchleistung und -ablieferung. Eine Land- 
wirtschaftsführung, die derartig versagt 
habe, müsse selbstverständlich sofort ab- 
treten — zwischen den Zeilen empfiehlt 
sich der Briefschreiber selbst als künftigen 
Leiter der Ernährungswirtschaft mit der 
Begründung, daß er eine große Anzahl von 
Gütern geleitet habe. 


Wie sieht es nun mit dem Versagen in 
Wirklichkeit aus? Es ist bekannt, daß der 


111 


größte Teil unseres Futtersaatgutes vor dem 
Kriege aus dem Ausland kam, weil für so 
viele Arten die Erzeugungsbedingurgen in 
Deutschland ausgesprochen ungünstig sind. 
Trotzdem wurde während des Krieges der 
Anbau ausgeweitet und auch mit Erfolg. 
Die klimatischen Verhältnisse und die 
Rücksicht auf die Aufrechterhaltung des 


. Anbaues der für die menschliche Ernäh- 


rung notwendigen Hauptkulturen setzen 
dieser Ausweitung selbstverständlich eine 
enge obere Grenze. Auch die noch be- 
stehenden Einfuhrmöglichkeiten wurden 
weitgehend ausgenutzt. Daß der Bedarf 
trotzdem nicht voll gedeckt werden konnte, 
ist bekannt. Daran wird sich leider auch 
während des Krieges nichts ändern lassen, 
wenn auch die Hauptabteilung II des 
Reichsnährstandes weiterhin be- 
müht bleiben wird, ihr möglich- 
stes zu tun. Das kann natürlich in ein- 
zelnen Fällen zu Leistungsrückgängen 
führen. Dies ist bedauerlich, hat aber auf 
die Gesamtlage nur geringen Einfluß. Be- 
kanntlich ist ja die Milchablieferung und 
Buttererzeugung während dieses Krieges 
von Jahr zu Jahr gestiegen, selbstver- 
ständlich auch in Ostpreußen. Im übrigen 
würde ich es diesem Briefschreiber von 
Herzen gönnen, für einige Zeit einmal 
einen der leitenden Bauernführer des 
Reichsnährstandes zu vertreten. Ich 
glaube, er würde dann sehr viel vorsich- 
tiger in den Folgerungen aus einer Einzel- 
feststellung sein. Es gibt manche Sparte, 
die man ausdehnen müßte, wenn ... ja, 
wenn nicht der beschränkte Boden zu dem 
Anbau und meist vermehrten Anbau der 
wichtigsten Nahrungsgüter, die die Grund- 
lage der Ernährung sind, zwingt. 


Ein anderer Briefschreiber nimmt sich 
an Hand des Aufsatzes von Pg. Hunke in 
Heft Nr. 10 der „Deutschen Agrarpolitik“ 
die Schweinepreise vor und errechnet, was 
er an 10 Schweinen, die er auf Grund von 
Schweinemastverträgen fettmacht, verliert. 
Dazu ist zunächst einmal zu sagen, daß der- 
artige Berechnungen von Einzelgebieten 
aus dem landwirtschaftlichen Betriebe 
sowieso bedenklich sind. Ich erinnere 
dabei an früher sehr berühmte Buch- 
führungssysteme, bei denen man nach Be- 
lieben entweder den Ackerbau oder die 
Viehwirtschaft zur Rentabilität oder zur 
völligen Unrentabilität bringen konnte, je 
nachdem, wie hoch man geldmäßig das 
selbst gewonnene Futter, das Stroh, den 


112 


Stallmist und die in der Eigenwirtschaft 
erzeugten. Ferkel bewertete. Derartige 
Rechnungen können allein kein Maßstab 
sein. Der vielseitigste Betrieb ist 
nun einmal in der Landwirtschaft 
der sicherste. Zu einem normalen Be- 
trieb gehört auch eine Schweinehaltung. 
Wie weit man sie ausdehnt, ist in erster 
Linie von der Futtergrundlage abhängig 
und läßt sich nur von Fall zu Fall entschei- 
den. Ein Urteil über die Rentabilität 
gibt aber — und das gilt für alle Be- 
triebszweige — erst das Gesamt- 
rechnungsergebnis. Entscheidend ist 
aber ganz etwas anderes. Wie schon oft 
betont, ist es das Ziel der deutschen Er- 
nährungspolitik, zunächst einmal die Er- 
nährung des Volkes mit pflanzlichen Nah- 
rungsmitteln — Brot, Kartoffeln, Zucker, 
Pflanzenfett und Gemüse — sicherzustellen. 
Darüber hinaus muß die Milcherzeugung 
auf voller Höhe bleiben, auf der die Fett- 
versorgung zu zwei Dritteln beruht. Erst 
der dann verbleibende Futterrest steht für 
die Schweinehaltung zur Verfügung. Diesen 
Grundsätzen ist das Preisgebäude während 
des Krieges angepaßt worden. Es wäre 
völlig verfehlt, durch Erhöhung des Preises 
für Schlachtschweine einen Sog zur 
Schweineerzeugung zu schaffen mit dem 
Ergebnis, daß Kartoffeln und Getreide im 
Ubermaß in den Schweinemagen wandern, 
anstatt daß sie. der menschlichen Ernährung 
unmittelbar zur Verfügung stehen. Im 
Rahmen der verfügbaren Futterrestmengen 
muß aber trotzdem jeder Betrieb seine 
Schweine mästen und das ihm auf- 
erlegteKontingent zuerfüllentrach- 
ten, und wenn der Briefschreiber einmal 
seine Rechnung nicht losgelöst vom Ge- 
samtbetrieb, sondern in seinem Gesamt- 
rahmen (Futter- und Strohverwertung, Mist- 
und Jaucheerzeugung) noch einmal durch- 
sieht, dann wird er feststellen, daß er zwar 
keine großen Gewinne im Schweinestall 
erzielt, aber auch nichts zusetzt, und dieses 
im Rahmen der Gesamtleistung geringe 
Opfer muß er während des Krieges schon 
für die Sicherstellung der Gesamternährung 
bringen, nicht, weil ihm ein höherer Preis 
nicht gegönnt wird, sondern weil der 
höhere Preis Anreiz ist, Brotgetreide und 
Speisekartoffeln zu verfüttern. 


Wie sehr die Betrachtung eines Einzel- 
abschnittes der Ernährungswirtschaft in 
die Irre führen kann, zeigt ein weiterer 


PR R 


Ae, De , 


Brief, diesmal von einem höheren Staats- 
beamten, von dem man an sich hätte an- 
nehmen sollen, daß er genügend Übersicht 
über die Gesamtlage besitzen müßte. Der 
Briefschreiber sieht von der gesamten Er- 
nährungswirtschaft anscheinend nur die 
Eierversorgung und schlägt deshalb in 
seinem Schreiben vor, die ungenügende 
Zuteilung von Eiern an die Verbraucher 
dadurch zu verbessern, daß die Eierbewirt- 
schaftung sofort aufgehoben und höhere 
Eierpreise festgesetzt werden. Dann gäbe 
es nach seiner Ansicht sofort genügend 
Eier für den Verbraucher. Sehr einfach in 
der Tat! Aber was würde die wirkliche 
Folge der Durchführung dieses Vorschlages 
sein? Zu normalem Preis würden kaum 
Eier zu bekommen sein. Es würde sich 
ein schwunghafter Schleichhandel zu weit 
höheren illegalen Preisen entwickeln. Für 
einen erheblichen Teil der Verbraucher 
würden Eier völlig unerschwinglich; sie 
würden keine oder noch weniger Eier er- 
halten als bisher. Nur diejenigen, die die 
Uberpreise zahlen könnten, würden sich 
ausreichend mit Eiern versorgen Können. 
Die erwartete Mehrerzeugung 
würde aber zu Lasten des Brot- 
getreides und der übrigen Futterver- 
sorgung gehen, also mit der Zeit erhebliche 
Lücken in die Gesamtversorgung reißen. 
Daß das Geflügel tatsächlich zum ernst- 
haften Konkurrenten der mensch- 
lichen Ernährung werden kann, zeigt 
das Beispiel Hollands. Vor diesem Kriege 
verbrauchten die Niederlande für den un- 
mittelbaren Verzehr durch den Menschen 
800 000 t Getreide, für die aus Export- 
gründen stark ausgeweitete Geflügelhaltung 
dagegen 1,2 Millionen t, also um die Hälfte 
mehr. Dies ging so lange gut, wie ein aus- 
reichender Import von Futtergetreide er- 
folgen konnte. Als dieser durch den Krieg 
in Wegfall kam, brach das System zu- 
sammen, und nur die rücksichtslose Drosse- 
lung des Geflügelbestandes auf 10 Prozent 
der Friedenszahl sicherte den notwendig- 
sten Brotbedarf für das niederländische 
Volk. Allein dieses Beispiel zeigt, wie sehr 
der Briefschreiber mit seiner Kritik fehl- 
geschossen hat und wie wenig am Platze 
die von ihm gewählten herben Worte über 
den Leiter der deutschen Eierwirtschaft 
sind. Bei der Austauschbarkeit der land- 
wirtschaftlichen Erzeugnisse und bei der 
durch den Krieg bedingten Situation ist es 
nun einmal nicht möglich, ein Teilgebiet 


aus der Bewirtschaftung herauszulassen. 
Ein Ausweichen auf dieses Gebiet und die 
Schädigung anderer mindestens ebenso 
wichtiger oder wichtigerer Ernährungs- 
gebiete wäre die naturnotwendige Folge. 


Mit der Frage der Eierbewirtschaftung 
haben wir das weite Gebiet der Kleintier- 
haltung berührt. Das Problem der Klein- 


tierhaltung hat in letzter Zeit zu einer be- 


sonders großen Zahl von Meinungsäuße- 
rungen geführt. Dabei kann man zwei sich 
extrem gegenüberstehende Ansichten fest- 
stellen. Die einen wünschen im Interesse 
der Gesamternährung eine rück- 
sichtslose Drosselung der Klein- 
tierhaltung nach holländischem Muster, 
die anderen treten für ihre völlig un- 
beschränkte Ausdehnung ein. Die Anhän- 
ger der ersten Richtung verkennen, daß 
bei einer derartig starken Drosselung eine 
gewisse Menge Futter — das sogenannte 
absolute Hühnerfutter — nicht verwertet 
werden könnte, das nur durch Kleintiere 
zu nutzen ist. Die Anhänger der anderen 
Meinung übersehen — ebenso wie der 
Briefschreiber zur Eierwirtschaft —, daß 
die Erfüllung ihres Wunsches nicht mehr 
und nicht weniger als den Zusammenbruch 
der gesamten Versorgung der Masse der 
Bevölkerung zugunsten eines kleinen 
Kreises von Bevorzugten bedeuten würde. 
Nur der Blick auf das Ganze kann hier die 
richtige Antwort geben. 


Inwieweit die Kleintierhaltung zu er- 
halten oder zu fördern ist, ist nicht eine 
Frage des Verbrauches, sondern in erster 
Linie eine Futterfrage. Da die meisten 
Kleintiere im Verhältnis zu den Großtieren 
schlechte Futterverwerter sind, darf ihre 
Haltung nur in dem beschränkten Rahmen 
erfolgen, als Futter zur Verfügung steht, 
das für andere Tierarten, aber vor allem 
auch zum direkten menschlichen Verzehr 
nicht verwertbar ist. Dabei ist für den 
landwirtschaftlichen Betrieb die Richtlinie 
gegeben: Er darf nicht mehr Klein- 
vieh halten, als es ihm ohne Be- 
nachteiligung seiner Viehabliefe- 
rungsauflagen möglich ist. Für den 
nichtlandwirtschaftlichen Kleintierhalter 
bedeutet der oben ausgesprochene Grund- 
satz, daß er nur soviel Kleintiere halten 
soll, als ihm der Anbau im Kleingarten oder 
das Sammeln vom Wegrande gestattet. Der 
Bauer oder Landwirt, der statt 30 Schwei- 
nen, die er früher hielt, 300 Enten im Stall 
hat, der an Stelle von 5 Kühen 20 Ziegen 


113 


hält, versündigt sich ebenso an der All- 
gemeinheit wie der Städter, der ohne ein 
Stück Eigenland oder ohne die Arbeit des 
Futtersammelns mit durch Hintenherum- 
bezug besorgtem Futter seine Kleintiere 
versorgt. Beider Verhalten ist besonders 
verwerflich, wenn dabei für den mensch- 
lichen Verzehr erzeugte Nahrungsmittel, 
wie Speisekartoffeln und Gemüse, in den 
Kleintiermagen wandern. In diesem Sinne 
ist auch der Erlaß des Reichsernährungs- 
ministers zu verstehen, der sich gegen das 
Ubermaß der Kleintierhaltung wendet, und 
in diesem Sinne muß er draußen auch aus- 
gelegt werden. Dieser Erlaß ist keine 
Schikane des „kleinen Mannes“ — es sind 
übrigens durchaus nicht nur „kleine Leute”, 
die auf dem Gebiet der Kleintierhaltung 
sündigen —; sondern er soll die Gesamt- 
heit vor denen schützen, die im Interesse 
ihres eigenen Magens die allgemeine Ver- 
sorgung schädigen. 


Denn es darf nicht vergessen werden, daß 
11 Hühner — von Enten ganz abzu- 
sehen — im Jahr das einem deutschen 
Verbraucher zustehende „tägliche Brot“ 
wegfressen. 


Zum Schluß soll noch eine Frage be- 
rührt werden, die allerdings nicht ein 
Einzelgebiet behandelt, sondern im wahr- 
sten Sinne des Wortes „aufs Ganze geht‘, 
bei der sich die Kritik am reichsten und 
auch am negativsten austobt. Das ist die 
Frage der Notwendigkeit der 
Zwangsbewirtschaftung. Es gibt 
nichts, wofür die Zwangsbewirtschaftung 
nicht verantwortlich gemacht wird. Sie ist 
schuld an der geringen Zuteilung von 
Eiern, an der unterschiedlichen Obst- und 
Gemüsezuteilung (obwohl bei Obst und 
Gemüse gar keine echte Zwangsbewirt- 
schaftung besteht), an dem Seltenwerden 
von Fischen usw. usw. Dabei verkennen 
die Kritiker völlig, daß nicht die Zwangs- 
wirtschaft die Knappheit hervorgerufen 
hat, sondern daß die Knappheit auf ein- 
zelnen Lebensmittelgebieten erst zur 
Zwangswirtschaft geführt hat. Wie wenig 
das / im letzten Kriege viel verbreitete 
Wort: „Man nehme reichlich vorhandene 
Ware in Zwangsbewirtschaftung, und sie 
wird vom Markt verschwinden“, heute gilt, 
zeigt allein das Beispiel der Milchbewirt- 
schaftung mit den sich immer steigernden 
Ablieferungszahlen. Daß die Zwangs- 
bewirtschaftung bei einzelnen Menschen 
das Bestreben hervorruft, auf andere Ge- 


114 


biete oder auf den schwarzen Markt aus- 
zuweichen, wissen wir. Das ist ja auch, 
wie oben bemerkt, der Grund, weshalb die 
Zwangsbewirtschaftung sich auf alle Haupt- 
gebiete der Ernährungswirtschaft aus- 
dehnen mußte. Daß das Ausweichen auf 
den schwarzen Markt im Gegensatz zum 
letzten Kriege nur in geringem Umfange 
von verantwortungslosen Menschen statt- 
findet, verdanken wir der sehr viel besse- 
ren und bereits im Frieden vorbereiteten 
Organisation. Trotzdem sehen auch wir in 
der Zwangswirtschaft nichts anderes als ein 
notwendiges Übel: „notwendig“, um bei 
der bestehenden Knappheit an Lebens- 
mitteln eine gerechte Verteilung durchzu- 
führen, „Ubel“, weil die Zwangswirtschaft 
stets mit einem Mehr an Organisation und 
einem erheblichen Mehr an Arbeit ver- 
bunden ist. Die Zwangsbewirtschaftung 
und damit das Kartensystem werden daher 
nach Kriegsende Zug um Zug zum Abbau 
kommen. Das ist sicher! Dabei darf aber 
nicht — bewußt oder unbewußt — Zwangs- 
wirtschaft mit Marktordnung verwechselt 
werden. Marktordnung ist nicht Zwangs- 
wirtschaft. Die Marktordnung, wie wir sie 
vor dem Kriege hatten, wird und muß auch 
nach dem Kriege, wenn keine Knappheit 
an Lebensmitteln mehr besteht, bleiben. 
Marktordnung bedeutet, wie schon der 
Name sagt, Regelung der Zufuhren zum 
Markt, Herausnahme und Verwertung der 
saisonbedingten Überschüsse und Ergän- 
zung der heimischen Erzeugung durch ge- 
lenkte Einfuhren. Marktordnung gewähr- 
leistet ausreichende Versorgung der Be- 
völkerung und sichert dem Landwirt die 
Abnahme des von ihm Erzeugten und einen 
gerechten Preis. Sie ist damit auch für die 
Zukunft der einzige Garant für die Erhal- 
tung des hohen Standes der heimischen 
Erzeugung. Sie ist gleichzeitig auch die 
wichtigste Voraussetzung für den Aufbau 
der europäischen Ernährungswirtschaft auf 
arbeitsteiliger Grundlage. Ohne Markt- 
ordnung läßt sich die europäische 
Landwirtschaft nicht zu der er- 
forderlichen hohen Stufe ent- 
wickeln. Alle Maßnahmen zur Produk- 
tionssteigerung in der Landwirtschaft setzen 
Stetigkeit des Absatzes voraus, die nur 
durch die Marktordnung zu schaffen ist. 
Das sollen sich alle die noch einmal gesagt 
sein lassen, die so gern Marktordnung und 
Zwangswirtschaft in einen Topf werfen 
möchten. 


| 
| 


äer Sie" tg — — 


EMIL WOERMANN: 


Zehn Jahre Erzeugungsschlacht 
und Ernahrungswirtschaft 


1. Ziele und Methoden 


F: ist das Kennzeichen aller Umschichtungs- 
prozesse von historischen Ausmaßen, daß 
mit der Neuformung des politischen und kultu- 
rellen Lebens auch eine Neugestaltung des wirt- 
schaftlichen Lebens Hand in Hand geht, und daß 
diese Neugestaltung ihre Richtung erhält von 
den tragenden weltanschaulichen und politi- 
schen Ideen der Zeit. So ist auch das hinter uns 
liegende Jahrzehnt deutscher Wirtschafts- 
geschichte von tiefgreifenden Wandlungen und 
Reformen erfüllt, die wohl in keinem Bereich 
so weit vorgetragen sind wie in der Landwirt- 
schaft. Man muß in der Geschichte weit zurück- 
gehen, um einem landwirtschaftlichen Reform- 
werk von solcher Tragweite zu begegnen, wie 
es die nationalsozialistische Agrarpolitik begon- 
nen und in die Tat umgesetzt hat. Die Schaffung 
eines neuen Bodenrechts, die organisatorische 
Zusammenfassung des ganzen Berufsstandes, die 
Ordnung der Agrarmärkte in Verbindung mit 
dem Festpreissystem, und zahlreiche andere 
Maßnahmen sollen die Landwirtschaft für ihre 
nationalen und völkischen Aufgaben kräftigen. 
Obenan stehen dabei auf wirtschaftlichem Ge- 
biet die ernährungspolitischen Ziele der Be- 
darfsdeckung und, im Zusammenhang damit, die 
Möglichkeiten der Steigerung der landwirt- 
schaftlichen Erzeugung überhaupt. Die Wirt- 
schaftsnot der Krisenzeit, die allgemeine Abkehr 
der Völker von der privatkapitalistisch gelei- 
teten Weltwirtschaft, die Schrumpfung des 
zwischenstaatlichen Handels, und nicht zuletzt 
die Besinnung auf unsere eigenen Kräfte haben 
die Versorgung unseres Volkes mit Nahrungs- 


mitteln und landwirtschaftlichen Rohstoffen zum: 


Mittelpunkt der staatlichen Fürsorge und zur 
Zentralfrage der Agrarpolitik gemacht. An die 
Landwirtschaft erging der Ruf, dem Boden 
höhere Erträge abzuringen und das Erzeugte 
sparsamer zu verwenden. 


Dieser Ruf erfolgte zu einem Zeitpunkt, als 
die Agrar- und Industriekrise das Wirtschafts- 
leben fast aller Völker in den Grundfesten er- 
schütterte. Die deutsche Landwirtschaft hatte 
zwar unter Inanspruchnahme großer Kredite die 
Schäden des ersten Weltkrieges in ihrem Pro- 
duktionsapparat ausgeglichen und die alte 
Leistungskraft wieder hergestellt, aber kaum 
war dieses Ziel erreicht, da wurde sie in den 


Strudel der allgemeinen Krise gezogen. Bei dem 
Ausmaß der Wirtschaftsnot und den völlig 
anders gearteten weltwirtschaftlichen Verhält- 
nissen mußten auch die alten agrarpolitischen 
Methoden versagen. Die Zölle für verschiedene 
Gruppen der land wirtschaftlichen Erzeugnisse 
wurden zwar wiederholt erhöht und durch Mag- 
nahmen auf dem Binnenmarkt ergänzt, aber es 
fehlte an einem einheitlichen Plan, um die Wirt- 
schaftsnot zu bannen und die landwirtschaft- 
liche Produktion nach ernährungswirtschaft- 
lichen Erfordernissen auszurichten. Während es 
durch wiederholte Erhöhung der Zölle in Ver- 
bindung mit anderen Maßnahmen gelang, die 
Getreidepreise, namentlich die Preise für Brot- 
getreide, vom Weltmarkt zu lösen, gerieten die 
Erzeugnisse der Viehwirtschaft unter dem Druck 
der durch die Arbeitslosigkeit fortschreitend 
geschmälerten Kaufkraft weiter Verbraucher- 
schichten in einen immer stärkeren Preisverfall. 
Ende 1932 waren die Preise für tierische Erzeug- 
nisse auf 65 Prozent des Standes von 1911—1913 
und die gesamten Verkaufserlöse der deutschen 
Landwirtschaft auf etwa 70 Prozent abgesunken, 


Die Wirkung des Preisverfalls für tierische 
Erzeugnisse auf den Umfang der viehwirtschaft- 
lichen Produktion wurde zwar dadurch gemil- 
dert, daß eiweißreiche Futterstoffe in Form von 
Olsaaten und Olkuchen in großen Mengen und 
zu billigen Preisen ins Land strömten, und über- 
schüssige Roggenmengen von staatlichen Stel- 
len verbilligt als Mastfutter in den Handel 
kamen, aber damit wurde das Futtergetreide in 
steigendem Maße aus der Futterwirtschaft ver- 
drängt und der Anbau desselben zugunsten des 
Brotgetreides eingeschränkt. In einigen Gebie- 
ten des Reiches nahm damit die Bodennutzung 
eine Richtung an, die alle Merkmale der Ein- 


. seitigkeit trug und damit den Grundsätzen einer 


ausgewogenen und nachhaltig leistungsfähigen 
Betriebsgestaltung zuwider lief. Um das Gleich- 
gewicht der Erzeugung und der Preise zwischen 
den Hauptgruppen der pflanzlichen und tierischen 
Produkte wieder herzustellen, bedurfte es einer 
grundsätzlichen produktionspolitischen Rege- 
lung, die in dem sog. Fettplan ihren ersten 
Niederschlag fand. Die Maßnahmen zur Rege- 
lung der Fettwirtschaft wurden darauf abgestellt, 
durch Kontingentierung der Margarineerzeu- 
gung, bei gleichzeitiger Erhebung einer Fett- 


115 


steuer, den Wettbewerb der Margarine mit den 
Speisefettarten tierischer Herkunft auf ein ge- 
sundes Maß zurückzuführen und damit die 
Milchwirtschaft zu heben. Ein weiterer Bestand- 
teil des Fettplanes wurde die Förderung des 
heimischen Dlfruchtbaus und die Verteuerung 
der ausländischen Ulkuchen durch die Olkuchen- 
monopolabgabe. Sie verfolgte das Ziel, in Ver- 
bindung mit der Ausdehnung des Zwischen- 
fruchtbaus und der Gärfutterbereitung, die Ge- 
winnung von wirtschaftseigenen Futterstoffen 
zu steigern. 


Das eigentliche Kernstück der Ernäh- 
rungspolitik bildete das Reichsnähr- 
standsgesetz und die Neuordnung der 
Märkte mit der gleichzeitigen schrittweisen 
Einführung des Festpreissystems. Auf dem 
Wege, den Bauernbetrieb aus dem wechselvollen 
wirtschaftlichen Kräftespiel auszugliedern und 
gegen die. Stöße der freien Marktwirtschaft ab- 
zusichern, war das Reichserbhofgesetz der erste 
Schritt. Der zweite Schritt war die Neuregelung 
der Marktbeziehungen und das System der Fest- 
preise. Die liberale Wirtschafts entwicklung hat 
an der besonderen Marktstruktur der Landwirt- 
schaft ihre Schranke gefunden. Während maß- 
gebliche Teile der Industriewirtschaft im Zuge 
der fortschreitenden Kapitalintensivierung und 
Zusammenfassung der Produktion die Kräfte zur 
Selbstorganisation der Erzeugung und des Ab- 
satzes hervorbrachten, war in der Landwirtschaft 
wegen der Zersplitterung ihrer Erzeugung in 
Millionen von Einzelbetrieben und wegen ihrer 
Abhängigkeit von unbeeinflußbaren Naturbedin- 
gungen eine derartige Selbstorganisation nicht 
möglich. Eine durchgreifende Organisation der 
landwirtschaftlichen Märkte, als notwendige 
Voraussetzung für eine vorausschauende, lang- 
fristige Planung der Erzeugung, konnte nur vom 
Staat oder doch nur mit seiner Hilfe geleistet 
werden, indem die Landwirtschaft von der 
marktpolitischen Funktion befreit und die syste- 
matische Stabilisierung des Agrarmarktes dem 
staatlich autorisierten Organ, dem Reichsnähr- 
stand, übertragen wurde. So entstand das viel- 
gliedrige, aber in seinen Grundzügen einheit- 
liche System der Marktordnung für fast alle 
landwirtschaftlichen Erzeugnisse, das jetzt im 
Kriege seine Bewährungsprobe bestanden hat. 


Im ganzen ist bei der Gestaltung des 
Produktionsprogramms und des Preis- 
gefüges der Grundsatz vom Vorrang 
der Urproduktion zur Geltung ge- 
bracht. Dieser Grundgedanke geht von der 
Erkenntnis aus, daß die landwirtschaftliche Er- 
zeugung von der Urproduktion bis zu den Ver- 
edlungszweigen ein Ganzes bildet und daß die 
Versorgung eines Volkes mit Nahrungsmitteln 
nur dann gesichert ist, wenn neben der Bedarfs- 
deckung mit Brotgetreide und anderen wich- 
tigen pflanzlichen Erzeugnissen auch die Vieh- 
wirtschaft möglichst ausschließlich mit Futter- 
stoffen aus inländischer Erzeugung versorgt 
wird. Dieser Grundgedanke besagt weiter, daß 


116 


jede Steigerung der tierischen Produktion, so- 
weit sie sich auf heimischer Futter- 
grundlage abspielen soll und nicht lediglich 
aus züchterischen Fortschritten und verbesser- 


ten Fütterungsmethoden resultiert, eine Inten- 


sivierung der Bodenerzeugung, also der 
Urproduktion, zur Voraussetzung hat. Die Inten- 
sivierung der Bodenerzeugung spielt sich haupt- 
sächlich in drei Formen ab. Die eine besteht in 
der Erhöhung des Aufwandes bei der- 
selben Frucht mit dem Ziel, die durchschnitt- 
lichen Ernten je Flächeneinheit zu steigern. Die 
zweite besteht in der fortschreitenden Be- 
schränkung des Brachlandes und der 
Ackerweide. Gleichzeitig wird die Boden- 
bearbeitung während des Wachstums der Kul- 
turpflanzen verstärkt, bis endlich auch der 
Zeitabschnitt zwischen der Ernte und Wieder- 
aussaat zweier Hauptfrüchte mehr und mehr 
dazu benutzt wird, um Zwischenfrüchte 
oder, unter günstigen Bedingungen, sogar zwei 
Hauptfrüchte in einem Jahr auf dem gleichen 
Felde aufeinander folgen zu lassen. Eine dritte 
sehr wirkungsvolle Form der Intensivierung der 
Bodenerzeugung ist die steigende Bevor- 
zugung des Anbaus solcher Acker- 
früchte, die je Flächeneinheit große 
Nahrungsmengen liefern. Obenan steht 
dabei der Hackfruchtbau, der mit seinen er- 
giebigsten Zweigen, dem Kartoffel-, Zucker- 
rüben- und Gemüsebau, dem Getreidebau in der 
Nährstoffleistung je Flächeneinheit um ein 
Mehrfaches überlegen ist. Hackfrüchte und Ge- 
müse erfordern zwar zur Erzielung einer mitt- 
leren Ernte einen höheren Aufwand an Arbeit 
und Dünger als die Getreidearten, und diese 
wiederum einen höheren als Dauergrünland und 
Futterpflanzen auf dem Ackerland, aber die zu- 
erst genannten Gruppen lohnen diesen Aufwand 
auch durch einen Ertragszuwachs, der erst bei 
einer viel höheren Aufwandsstufe abzufallen 
beginnt. Die genannten Hauptformen 
der Intensitätssteigerung sind also 
gleichzeitig die wichtigsten Hebel, 
den Nährstoffertrag des bewirtschaf- 
teten Bodenszuheben. Indirekt wird eine 
Erweiterung des Nahrungsspielraumes auch da- 
durch erreicht, daß durch verbesserte Emte- 
verfahren und Rohstoffausbeuten bei der 
Verarbeitung der Bodenprodukte die Verluste 
vermindert und durch eine planvolle Mechani- 
sierung tierische Zugkräfte eingespart und da- 
mit Futterflächen für die menschliche Ernährung 


freigesetzt werden. Je mehr es auf diesen Wegen 


gelingt, die gesamte Bodenerzeugung zu heben, 
um so größere Flächen können naturgemäß den 
Olfrüchten und Faserpflanzen als Rohstoffliefe- 
ranten der Margarine- und Textilindustrie ein- 
geräumt werden. In voller Erkenntnis dieser 
Tatsachen hat die Agrarpolitik ein abgewogenes 
und nach den ernährungswirtschaftlichen Er- 
fordernissen ausgerichtetes System von Preis- 
relationen zum Mittelstück der Festpreisordnung 
gemacht und diese durch allgemeine Förde- 
rungsmaßnahmen ergänzt, soweit die angestreb- 


T, urn —— Sur Eat ee AEN, Ai 


ten Ziele auf dem Wege der Preisgestaltung 


allein nicht erreichbar erschienen. Es stellt sich 
also die Frage, in welchem Maße die Landwirt- 
schaft den produktionspolitisch fundierten Er- 
zeugungsparolen gefolgt ist, welche ernährungs- 
wirtschaftlichen Ergebnisse mit diesen Mitteln 
erzielt wurden und mit welchem Erfolg die er- 
zielten Ergebnisse auch unter den erschwerten 
Verhältnissen des Krieges gehalten werden 
konnten. Um diese Frage zu beantworten, 
müssen wir die Entwicklung der Hauptzweige 
der Erzeugung und insbesondere die gesamte 
Bodenproduktion verfolgen, weil sie das Fun- 
dament bildet, auf dem das ernährungswirt- 
schaftliche Gebäude ruht. Da sich ein solcher 
Vergleich nur für das Altreich über einen 
längeren Zeitraum anstellen läßt, ist die Unter- 
suchung auf dieses Gebiet beschränkt. 


2. Entwicklung der Bodenerzeugung 


Die ernährungswirtschaftlichen Leistungen 
sind in ihrem Gesamtergebnis im wesentlichen 
von folgenden Bedingungen abhängig: 


1. Von der Verteilung der landwirtschaftlichen 

Nutzfläche auf Dauergrünland und Acker- 
land und von der Gestaltung des Anbaus 
auf dem Ackerland. Dabei sind die Leistun- 
gen im allgemeinen um so höher, je mehr 
das Grünland intensiven Nutzungsformen 
zugeführt und das Ackerland Fruchtarten 
eingeräumt wird, die von der Flächeneinheit 
hohe Nährstofferträge liefern; 


2. von den Hektarerträgen; 


3. von den Ernteverlusten und dem rationellen 
Einsatz der Bodenerzeugnisse bei der Ver- 
fütterung ur.d Verarbeitung in technischen 
Nebengewerben; 


4. von den Erträgen der Nutzviehhaltung. 


Umfang und Richtung der landwirtschaftlichen 
Erzeugung folgen den wirtschaftlichen Einflüssen 
und Markterfordernissen um so mehr, je gerin- 
ger die Hemmungen sind, welche die natür- 
lichen Bedingungen den Veränderungen in der 
Bodennutzung entgegenstellen. Daß das Kul- 
turartenverhältnis, insbesondere das Ver- 
hältnis von Acker- und Dauergrünland, in erster 
Linie durch die Oberflächengestaltung und durch 
die Boden-, Klima- und Grundwasserverhältnisse 
bestimmt wird, ist es gegenüber wirtschaftlichen 
Einflüssen viel widerstandsfähiger als das 
Fruchtartenverhältnis auf dem Ackerland. Die- 
sem’durch die natürlichen Verhältnisse beding- 
ten Beharrungsvermögen ist es zuzuschreiben, 
daß sich seit 1878, dem Zeitpunkt der ersten 
umfassenden Bodennutzungserhebung für das 
gesamte Reichsgebiet, in dem Acker: Grünland- 
Verhältnis trotz der Umwälzung der wirtschaft- 
lichen Verhältnisse und der Preisverschiebungen 
keine wesentlichen Veränderungen durchsetzen 
konnten. So ist es auch verständlich, daß der 
im Rahmen des landwirtschaftlichen Produk- 


tionsprogramms seit 1936 geförderte Grün- 
lan dumbruch keine Erfolge zeitigte, soweit 
die Erweiterung des Ackerlandes als Ziel ver- 
folgt wurde. Wie die folgende Tabelle zeigt, ist 
sogar eine geringe Ausdehnung des Dauer- 
weidelandes eingetreten, allerdings bei gleich- 
zeitiger Einschränkung der Ackerweide und des 
übrigen Futterbaus auf dem Ackerland. 


Die Bodennutzung im Altreich seit 1930 


Ackerland e 
EE 


in 1000 ha in % der Nutzfläche 


1928/30 ....... 
1931ꝑ·.1mu... 


m. 


e ee e 


Kb bet ke bh be bh ke ka 
e CO = pi pt dub jah da eh O OD 


Wenn also das Nutzflächenverhältnis 
im wesentlichen unverändert blieb, was auch 
für Großdeutschland gilt, so sind andererseits 
große Teile des Dauergrünlandes selbst durch 
Neueinsaat, Einkoppelung und verbesserte 
Pflege- und Düngemaßnahmen einer intensive- 
ren Nutzung zugeführt. Die beste Ausnutzung 
aller Leistungseigenschaften des Dauergrün- 
landes läßt sich bekanntlich bei geregeltem 
Wechsel von Mahd und Weide erzielen, 
der bei dem System der Umtriebweide 
weitgehend zur Geltung kommt. Die Umtrieb- 
weide gibt uns bei entsprechender Handhabung 
der Weidetechnik die Mittel in die Hand, höch- 
sten Futterwert mit höchsten Leistungen von 
der Flächeneinheit zu verbinden. Da die Um- 
triebweide nicht nur in ihren Leistungen, son- 
dern auch in ihrem Düngeraufwand den Hack- 
früchten wenig nachsteht, diese häufig sogar 
übertrifft, hat die von Staats wegen eingeleitete 
Verbilligung der Handelsdüngemittel die inten- 
sivere Bewirtschaftung des Grünlandes kräftig 
gefördert, die auch darin zum Ausdruck kommt, 
daß in wenigen Jahren fast 10 Prozent des ge- 
samten Wiesenlandes durch Einzäunung einer 
Doppelnutzung als Wiese und Weide zugeführt 
wurden. 


Im Gegensatz zum Kulturartenverhältnis ist 
das Anbauverhältnis der Hauptfrucht- 
arten auf dem Ackerland einer Verände- 
rung durch wirtschaftliche Einflüsse durchaus 
zugänglich. Zwar gibt es auch hier Grenzen, die 


dorch Boden, Klima, Arbeitsverteilung, Frucht- 


wechsel, Stallmistversorgung, Notwendigkeiten 
der Futterbeschaffung und andere Richtpunkte 
einer ausgewogenen Betriebsgestaltung gezogen 
sind, aber die Fortschritte im Maschineneinsatz, 
in der Düngerwirtschaft und in der Pflanzen- 
züchtung haben die Grenzen beweglicher ge- 
macht, da durch Anbauverschiebungen verur- 


117 


sachte jahreszeitliche Arbeitsspitzen über- 
wunden und erhöhte Nährstoffansprüche der 
Kulturpflanzen befriedigt werden können. So 
sind auch die Veränderungen in der Nutzung 
des Ackerlandes in den letzten Jahrzehnten 
tiefgreifender gewesen, und trotz des dadurch 
bereits erreichten hohen Intensitätsgrades haben 
sich unter dem Einfluß der Förderungsmaß- 
nahmen auch in den letzten Jahren im Anbau- 
verhältnis noch, wesentliche Wandlungen voll- 
zogen. Diese Wandlungen kommen darin zum 
Ausdruck, daß bei rückläufigem Anteil 
derFutterpflanzenundBracheder Um- 
fang desHackfrucht- und Gemüsebaus 
undderAnbauvonHandelsgewächsen 
ständig gestiegen ist. Bei den Handels- 
gewächsen handelt es sich fast ausschließlich 
um Faserpflanzen und Difrüchte, die auch im 
letzten Jahr noch eine kräftige Anbauausdeh- 
nung erfahren haben. Da die Ackerfläche sich 
nicht vergrößerte, sondern durch Inanspruch- 
nahme von Ländereien für Wohnzwecke, Indu- 
strieanlagen, Flug- und Ubungsplätze sogar 
rückläufig war, mußte die Erweiterung des 
Hackfrucht- und Gemüsebaus teilweise auch 
auf Kosten des Getreides erfolgen. Die Einzel- 
heiten der Entwicklung zeigt die folgende Uber- 
sicht. | | 


Die Nutzung des Ackerlandes seit 1930 in v. H. 
der Ackerfläche } 


6 E SE E S „„ „„ 


2222228288388 
* Or d ο D d do de do To 


Bei der Intensivierung des Fruchtbaus, die für 
den bisherigen reibungslosen Ablauf der Kriegs- 
ernährungs wirtschaft nicht hoch genug ein- 
geschätzt werden kann, haben verschiedene 
Maßnahmen zusammengewirkt: auf Ausdehnung 
des Hackfrucht- und Gemüsebaus abgestellte 
Preisrelationen, verstärkte und verbilligte Nähr- 
stoffversorgung der Böden, wirkungsvolle Be- 
ratung in der Sortenwahl und im Saatgutwechsel 


und bessere technische Ausrüstung der Betriebe, 


die wiederum durch Steuerbegünstigungen ge- 
fördert wurde, Nichts bezeugt besser den 
Leistungswillen der gesamten deutschen Land- 
wirtschaft, als die Entwicklung der Erträge und 
die steigende Intensität der Bodennutzung. 


118 


Mit dem jetzt erzielten Anteil des Hackfrucht- 
und Olsaatenanbaus, der, zusammengenommen, 
von keinem anderen europäischen Land erreicht 
wird, dürfte das betriebswirtschaftliche Höchst- 
maß erreicht sein, da die Sicherung der Brot- 
versorgung eine weitere Schmälerung des 
Getreidebaus nicht verträgt und die Versorgung 
der Viehbestände bei gekürzten Kraftfutter- 
mengen einen bestimmten Umfang des Futter- 
baus erfordert. Hinzu kommt, daß die meisten 
Hackfrüchte und Gemüsearten zwar hohe Nähr- 
stoffleistungen vollbringen, aber auch einen 
mehrfachen Arbeits- und Düngeraufwand er- 
fordern. Mit dem Übergang zu düngerintensive- 


ren Formen der Bodennutzung ist die Anwen- 


dung von Handelsdünger zwar rasch gestiegen, 
wobei auch die Senkung der Preise und die 
dadurch erzielte höhere Wirtschaftlichkeit der 
Düngergaben eine wichtige Rolle spielte, aber 
im Verlauf des Krieges mußte der Stickstoff- 
verbrauch mit steigenden Ansprüchen der 
Rüstungsindustrie wieder eine wesentliche Ein- 
schränkung erfahren. Das gleiche gilt für die 


Phosphorsäure, die bei der starken Abhängigkeit 


von ausländischen Rohphosphaten bereits im 
ersten Kriegsjahr gekürzt wurde. 


Verbrauch der deutschen Landwirtschaft ap 
Handelsdünger in Kilogramm Reinstickstoff je 
Hektar Nutzfläche (Altreich) 


(E E E E 8, 0, „„ ea „% „ % % 1001008 


.... . .......en...... 


2 6 666 „ „„ 6 „ „ „„ „„ „06 „„ „ 6 „6 0 


2 2 2 6 „ „„ „ „ „6 „ „ „6 „6 „ „ „„ 


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Trotz der kriegsbedingten Einschränkungen 
erreichte der Verbrauch an Phosphorsäure je 
Hektar Nutzfläche im Jahre 1942 noch etwa den 
Stand von 1932 und lag bei Stickstoff und Kali 
nur 80 Prozent bzw. 100 Prozent darüber. Bei 
diesem Vergleich ist jedoch zu berücksichtigen, 
daß durch die inzwischen erreichten Anbau- 
verschiebungen die Nährstoffansprüche wesent- 
lich anstiegen und von der Befriedigung der- 
selben die Entwicklung der Erträge weitgehend 
abhängt. | 


Das ernährungswirtschaftliche Ergebnis der 
zur Leistungssteigerung der deutschen Boden- 
wirtschaft getroffenen organisatorischen und 
wirtschaftspolitischen Maßnahmen läßt sich in 
Zahlen nur ausdrücken, wenn man die Emte 
erträge der wichtigsten Fruchtarten, ihrem 
Nährstoffgehalt entsprechend, auf Getreidewert 
umrechnet und über einen längeren Zeitraum 
verfolgt. Eine solche Umrechnung ist natur- 
gemäß mit mancherlei Fehlern behaftet, aber 


A u — — — 


wenn man für die Vergleichsjahre die gleiche 
Methode zur Anwendung bringt, so kommt man 
zu durchaus brauchbaren Ergebnissen, 


Entwicklung der Bodenerzeugung des Altreiches 
in 10000 t Getreidewert 


Ein Blick auf die Zahlenreihe der Tabelle 
zeigt, daß der Ertrag der wichtigsten Nähr- 
früchte bis zum Jahre 1939, bezogen auf den 
Durchschnitt der Vergleichsjahre 1928—1932, 
um 20 Prozent und der Ertrag der gesamten 
Bodenwirtschaft um 15 Prozent gestiegen ist. 
Dabei sind die Leistungen des Dauergrünlandes, 
soweit sie nicht als Heu gewonnen werden, und 
die Erträge des Gemüse- und Zwischenfrucht- 
baus nicht in Ansatz gebracht. Auch ist nicht 
berücksichtigt, daß durch verbesserte Ernte- 


verfahren, Erweiterung der künstlichen Trock- ` 


nung und Neubau von Gärfutterbehältern mit 
einem Fassungsraum von mehr als 4 Mill. cbm 
die Ernteverluste herabgedrückt werden konn- 
ten. Die künstliche Trocknung gab das Mittel in 
die Hand, überschüssige Hackfruchtmengen und 
ihre Nebenerzeugnisse in haltbare und über 
große Strecken transportfähige Futterstoffe um- 
zuwandeln und sie in Form von Kartoffelflocken 
und vollwertigen Zuckerschnitzeln für den 
regionalen Futterausgleich einzusetzen. Dieser 
Entwicklung der deutschen Bodenproduktion, 
insbesondere der Verstärkung der wirtschafts- 
eigenen Futtergrundlage, ist es zu verdanken, 
daß die Milchkuh- und Schafbestände trotz 
rückläufiger Futtermitteleinfuhr bis zum Aus- 
bruch des Krieges vermehrt und durch Aus- 
gestaltung der Leistungskontrolle in ihren Er- 
trägen gehoben werden konnten. Wenn man die 
in den eingeführten pflanzlichen und tierischen 
Erzeugnissen enthaltenen bzw. zu ihrer Erzeu- 


gung erforderlichen Nährstoffmengen in Be- 


ziehung setzt zu der gesamten deutschen Boden- 
produktion, so ergibt. sich eine schrittweise 
Verminderung der Auslandsabhängigkeit bis 
auf etwa 15 Prozent im Jahre 1939. 


3. Die unter dem Einfluß des Krieges 
eingetretenen Veränderungen 


Die deutsche Landwirtschaft hatte den 
Höchststand ihrer pflanzlichen und 
tierischen Produktion, auch dank günsti- 
ger Witterungsverhältnisse, in den Jahren 1938 
und 1939 erreicht. Damals wurde eine Rekord- 
ernte an Getreide und Hackfrüchten eingebracht, 
und die Schweine- und Rinderbestände Groß- 
deutschlands mit 28 bzw. 24 Mill. Stück waren 
voll aufgefüllt. In Anbetracht der erzielten 
Ergebnisse gab es keine wirkungsvollere Ernäh- 
rungspolitik, als den eingeschlagenen Weg auch 
im Kriege fortzusetzen und dabei die Anpassun- 
gen zu vollziehen, die durch den Ausfall der 
überseeischen Zufuhren unvermeidlich wurden. 
Trotz zielbewußter Arbeit war die deutsche 
Speisefettversorgung, wie in fast allen mittel- 
und westeuropäischen Ländern, in starkem Maße 
von überseeischen Zufuhren abhängig geblieben. 
Es war daher von vornherein klar, daß der 
Speisefettverbrauch eine erhebliche Einschrän- 
kung erfahren mußte. Der notwendige Ausgleich 
erfolgte durch höhere Zuteilungen von Brot und 
Kartoffeln. Es ist vielfach nicht bekannt, daß der 
deutsche Brot- und Nährmittelverzehr gegen- 
über dem Stand von 1939 um ein Viertel und 
der Speisekartoffelverbrauch fast auf das Dop- 
pelte gestiegen ist. Zum Teil ist diese Ver- 
brauchserhöhung auch auf den erweiterten 
Wehrmachtbedarf und auf die steigende Zahl 
der ausländischen Arbeitskräfte zurückzuführen. 
Die Kraftfutterversorgung der Viehbestände als 
Grundlage der Fleisch- und Fetterzeugung 
wurde also von zwei Seiten wesentlich ein- 
geengt: einmal durch beschränkte Einfuhren, 
zumal Deutschland denjenigen europäischen 
Ländern, die sich aus eigener Kraft nicht zu 
ernähren vermögen, erhebliche Zuschüsse ge- 
währt, und zum anderen durch Erhöhung des 
Direktverzehrs an Brot, Nährmitteln und Kar- 
toffeln. Ein schrittweiser Abbau der Vieh- 
bestände wurde unvermeidlich. Den stärksten 
Rückgang hat die Schweinehaltung erfahren, 
während der Rinderbestand nur un- 
wesentliche Einbußen erlitten hat. Bei 
der Neuabgrenzung der Viehbestände hat auch 
der Gesichtspunkt eine wesentliche Rolle ge- 
spielt, die Zahl der Milchkühe im Interesse der 
Fettversorgung möglichst zu erhalten, zumal bei 
der Milcherzeugung die Ausnutzung der mit dem 
Futter zugeführten Energien mit etwa 25 Prozent 
noch relativ günstig liegt, während die Rind- 
fleischerzeugung nur mit einem Effekt von etwa 
10 Prozent arbeitet. Es galt also, auch produk- 
tionspolitisch durch eine entsprechende Staffe- 
lung der Preisrelationen den Vorrang der 
Milcherzeugung zu sichern, die anfallende Milch 


119 


möglichst vollkommen zu erfassen und ihre Ver- 
arbeitung den ernährungswirtschaftlichen Er- 


fordernissen anzupassen. Dieses Ziel ist, wie 


gleich noch gezeigt wird, in weitgehendem Maße 
erreicht. 


Aus dem Abbau der Schweinehaltung konnte 
der Verbrauch insofern zunächst Nutzen ziehen, 
als der aus der Bestandseinschränkung resul- 
tierende Fleischanfall der Versorgung zugute 
kam. Die Fleischration wurde also aus 
echter Erzeugung und aus dem Abbau 
der Bestände erfüllt. Im Verlauf des 
vierten Kriegsernährungsjahres wurde dann 
insofern ein Wendepunkt erreicht, als nun- 
mehr bei mittleren Ernten ein Gleich- 
gewicht zwischen Futtererzeugung 
und Futterbedarf eingetreten ist. Die 
durch den verfügbaren Futtervorrat abgegrenzte 
Entwicklung der Schweinehaltung mußte natur- 
gemäß auch die Fettversorgung in Mitleiden- 
schaft ziehen. Wenn es bei fehlendem übersee- 
ischem Import, mäßigen Einfuhren aus dem 
europäischen Raum und rückläufiger Schlacht- 
fetterzeugung trotzdem gelang, die Speisefett- 
versorgung auf dem gegenwärtigen Stand zu 
halten, so ist dies der zielbewußten Arbeit auf 
dem Gebiet der Milchwirtschaft und der Förde- 
rung des Olfruchtbaues zu verdanken. Es ist aus 
naheliegenden Gründen nicht möglich, die hier 
geschilderten Zusammenhänge im einzelnen 
zahlenmäßig zu belegen, nur die Entwicklung 
der Viehbestände, der Buttererzeugung und der 


Entwicklung der Viehbestände und der Bett, 
erzeugung (ohne Schlachtiette) 


Jahr 


Rindvieh | Schafe 
in Mill. | in Mill. 
Stück Stück 


CCC 3,5 
N ee 3.4 

193ũ55 . 3.9 22,8 
1956 ne 4,3 25,8 
ISO ee re 4,6 23,8 
. 4,8 23,5 
1989 )ũu:m-˖-˖· 5,2 29,0 
1940... 5 5,2 24,5 
JJC as, 5.4 21.0 
e A REENEN 6,7 17,3 
CA NEEN 6,9 15,4 


Butter- 


1) Ab 1939 Großdeutschland. 
3) Junizählung. 


120 


aus dem inländischen Ulfruchtbau stammenden 
Fettproduktion soll in der vorstehenden Ta- 
belle verzeichnet werden. 


Es drängt sich die Frage auf, welchen Einfluß 
die Rationierung auf den Nährgehalt der Ra- 
tionen ausgeübt hat. Betriebswirtschaftlich und 
ernährungsökonomisch stellte sich die Auf- 
gabe, die verringerte Einfuhr und den gestie- 
genen Direktverzehr an pflanzlichen Erzeug- 
nissen durch Ersparnisse in der Futterwirtschaft, 
d. h. durch Einschränkung der mit großen 
Energieverlusten arbeitenden Nutzviehhaltung 
auszugleichen. Dabei mußten naturgemäß die- 
jenigen Nutzviehzweige die stärkste Einschrän- 
kung erfahren, die nach der Art ihrer 
Futteransprüche als Nahrungskonkurrenten des 
Menschen zu werten sind, wie dies für die 
Schweinehaltung zutrifft. Ernährungsphysio- 
logisch bedeutete diese Umstellung eine 
weitgehende Wandlung der Kostformen. Im 
ganzen kann zunächst gesagt werden, daß im 
volkswirtschaftlichen Durchschnitt, also unter 
Einschluß der zulageberechtigten Verbraucher- 
gruppen, der Kaloriengehalt der täg- 
lichen Nahrung nurum wenige Prozent 
unter dem Stand des letzten Vor- 
kriegsjahres liegt, wobei die einzelnen 
Verbrauchergruppen allerdings stärkere Ab- 
weichungen zeigen. Dieses Ergebnis konnte nur 
durch den Ubergang zu einer fleisch- und fett- 
ärmeren Kost erreicht werden. Während nach 
Hahn die Nahrungsmittel tierischer Herkunft 
in der Vorkriegszeit mit etwa 37 Prozent an der 
Abdeckung der im volkswirtschaftlichen Durch- 
schnitt verzehrten Kalorien beteiligt waren, ist 
ihr Anteil im Verlauf des Krieges um mehr als 
ein Drittel gesunken, der Anteil der pflanzlichen 
Nährwerte entsprechend gestiegen. Die durch 
den Krieg erzwungenen Veränderungen in der 
Ernährungsweise und in der Erzeugung sind also 
sehr tiefgreifend. Es soll, auch nicht geleugnet 
werden, daß in der Produktion viele Schwierig- 
keiten zu überwinden sind und vom gesamten 
Landvolk den höchsten Krafteinsatz erfordern. 
Wenn man sich aber vergegenwärtigt, daß die 
landwirtschaftliche Bodenerzeugung im ersten 
Weltkrieg um fast 30 Prozent absackte, und mit 
diesem Ergebnis den bisherigen Ablauf der 
Kriegsernährungswirtschaft vergleicht, dann 
kommt man zu dem Ergebnis, daß es der deut- 
schen Landwirtschaft bisher gelungen ist, die 
Schlagkraft und Leistungsfähigkeit des Produk- 
tionsapparates ziemlich ungeschmälert durch 
alle Kriegsnöte zu erhalten. Darüber hinaus 
wird es in der Emährungsgeschichte dieses 
Krieges immer ein Ruhmesblatt der deutschen 
Landwirtschaft bleiben, daß sie nicht nur ihr 
ÄAußerstes tat, um die gesteckten Erzeugungs- 
ziele zu erreichen, sondern auch in der Abliefe- 
rung ihre Pflichten gegenüber dem gesamten 
Volke vorbildlich erfüllt. 


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Straff wie das Leben der Gemeinschaft im ganzen beim Landdienst der HJ. ist auch der Marsch zur Arbeit, auf dem 
ein frohes Lied die Schaffensfreude weckt. — Vom Pflügen hängt die Ernte und der Erfolg der Jahresarbeit ab. Die 
Ausbildung in dieser Grundarbeit des Bauern wird deshalb besonders gründlich vorgenommen 


* 


Digitizedhny Gooćl 
RK aer" ech ` 


Die Gespanngruppe geht in ihrem Ausbildungsweg vom Ochsen- über das Pferdegespann zum Treckerzug. So 
von der einfachsten bis zur technisch schwierigsten Gespannart jeder Junge geübt. — Im Bild unten links wi 
die Maschinenarbeit und -pflege des näheren erörtert, und rechts sehen wir die Jungen beim Ausmessen des AC 


un. 
u „re Wé 
A ER 
WW "e T 
— E 
` Weg" vr. 


ädel stehen den Jungen bei der 
inder Landwirtschaft nicht nach. 
Brotbacken oder der sach- 
Pflege und Behandlung der 
e, der im Kriege besonders er- 
Aufmerksamkeit gilt, alles wird 
Fickt und froh angepackt und er- 
ledigt 


Viel Freude macht den Mädeln die Arbeit im Schweinestall mit den Ferkeln; und die Anweisungen dei 
Wirtschafterin über die sachgemäße Fütterung des Geflügels werden schnell in die Tat umgeselzl 


DR. FRIEDRICH SOHN: 


Die Zukunftsausrichtung 
der französischen Agrarpolitik 


I. der zweiten Ausgabe seines Buches „Um die 
Nahrungsfreiheit Europas” wendet sich Her- 
bert Backe in einem Frankreichkapitel gegen 
die von vielen Franzosen vertretene These, daß 
die Zukunft der französischen Land- 
wirtschaft — jedenfalls soweit es den 
Export betrifft — bei den Spezial- 
erzeugnissen und den Luxusgütern 
gelegen sei, nicht aber bei den Mas- 
senerzeugnissen, die die Grundlage 
für die menschliche Ernährungbilden. 
Es wurde damit ein Problem aufgegriffen, das in 
Frankreich heute lebhaft diskutiert wird. Die 
Sorge der französischen Agrarpolitiker und auch 
der praktischen Landwirte nach der Zukunft der 
französischen Landwirtschaft ist verständlich. 
Einmal sind die Erfahrungen in der Vergangen- 
heit denkbar schlecht gewesen, man ist also 
gegenüber allen Voraussagen mit einer erheb- 
lichen Skepsis behaftet. Dann erstrebt der 
französische Bauer, von dem man im 
Augenblick unter denkbar ungünstigsten Um- 
ständen größte Anstrengungen verlangt, und der 
in langen Zeiträumen planen möchte, eine 
klare Linie in der Erzeugungspolitik. 
Um so notwendiger ist es, die Möglichkei- 
ten und Chancen der französischen 
Landwirtschaftim Rahmeneinereuro- 
päischen Wirtschaft klar aufzuzeigen und 
die Bedingungen, unter denen die aufgestellten 
Ziele zu verwirklichen sind, zu erkennen. Es ist 
nicht allein damit getan, durch statistische Be- 
rechnungen und Vergleiche mit anderen Län- 
dern die noch vorhandenen Erzeugungsreserven 
in roher Weise abzuschätzen und auf dieser 
Grundlage vielleicht ein reichlich theoretisches 
Erzeugungsprogramm zu konstruieren. Es ist 
außerdem notwendig, auf der Grundlage der 
natürlichen, wirtschaftlichen und soziologischen 
Gegebenheiten die Faktoren zu analysieren, die 
einer besten Ausnutzung der Erzeugungs- und 
Absatzmöglichkeiten entgegenstehen. Bei einer 
solchen Betrachtungsweise kommt man dann 
ganz automatisch zu Richtlinien für eine künf- 
tige Agrarpolitik. Viele Franzosen — vor allem 
soweit sie der älteren Generation angehören — 
gehen von der Meinung aus, daß in der Zukunft 
ähnliche Kräfte wirken werden wie in der Ver- 


gangenheit!). Sie machen sich dabei vielfach 
nicht die Mühe, nach den Gründen des früheren 
Verfalls zu fragen. Sie gelangen daher auch 
nicht zu einem schöpferischen Aufbauprogramm, 
das die sich bietenden neuen Chancen auzunut- 
zen sucht. Ihr ausschließliches Ziel ist meistens 
die Verteidigung der Interessen der Landwirt- 
schaft gegenüber anderen Berufsständen, aber 
nicht der Angriff zur Schaffung neuer und bes- 
serer Lebensmöglichkeiten für das Landvolk. 
Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht 
damit abgetan, von einer neuen europäischen 


‚Wirtschaftsordnung ohne eigenes Zutun die Lö- 


sung aller Schwierigkeiten zu erwarten. Der auf 
das neue Europa ausgerichteten französischen 
Literatur kann man oft genug den Vorwurf nicht 
ersparen, daB man die Probleme nicht in ihrer 
vollen Schwere sieht. Den von Natur aus gün- 
stigen Umständen für die landwirtschaftliche 
Erzeugung stehen in Frankreich stark hemmende 
Faktoren gegenüber, die sich vor allem aus der 
historisch gewordenen Struktur seiner Wirt- 
schaft und seiner Bevölkerung ergeben. Diese 
Hindernisse müssen von der Agrarpolitik über- 
wunden werden; es bedarf einer in die Tiefe 
gehenden Erforschung der Zusammenhänge und 
dann einer aktiven Agrarpolitik, die auch schon 
während des Krieges wertvolle Vorarbeiten für 
die Zukunfisentwicklung leisten muß, 


Was kann der französische Boden 
leisten? 


Zu dieser Frage liegen neuere Schätzungen 
bekannter Autoren vor. In der Regel gehen die 
neueren Arbeiten, die zu dieser Frage Stellung 
nehmen, vom europäischen Blickfeld aus. Man 
sucht, auf Grund der Statistik einen Überblick 
darüber zu gewinnen, was bisher in Europa und 
in den einzelnen Ländern erzeugt und ver- 
braucht wurde. Aus den Lücken in der Versor- 
gungsbilanz ergeben sich die Ziele für die Er- 
zeugungspolitik; aus der vergleichenden Be- 
trachtung einzelner Länder mit verschiedener 


1) In diesem Zusammenhang ist besonders zu erwähnen: 
Auge-Laribe&, Situation de l'Agriculture Française de 
1930 A 1939, ses capacites de developpement, sa part dansles 
échanges internationaux, Paris 1941. Neuerdings hat der 
Nationalsyndikus der „Corporation Nationale Paysanne’, 
M. Pointier, in verschiedenen Reden Äußerungen getan, die 
wenig Verständnis für die Lage erkennen lassen. 


121 


Intensität der landwirtschaftlichen Erzeugung 
gewinnt man Anhaltspunkte für die noch zu 
erschließenden Reserven. In einer Untersuchung 
von von der Decken und Metzdorf?) wird 
z. B. ermittelt, daß der vor dem Krieg 83 Pro- 
zent betragende Selbstversorgungsgrad 
Frankreichs auf 158 Prozent erhöht 
werden könnte, wenn Frankreich die gleiche 
Intensitätsstufe erreicht wie das Reich. Solche 
Schätzungen sind für die Aufstellung 
ganz langfristiger europäischer Pro- 
gramme von größtem Wert. Sie bedür- 
fen jedoch der Ergänzung, wenn man 
die Arbeit für ein einzelnes Land 
planen will. Es gewinnt dann die Frage ent- 
scheidende Bedeutung, nach welcher Richtung 
hin die gegebenen natürlichen Bedingungen die 
Erzeugung des betreffenden Landes weisen. Es 
ist weiter zu prüfen, wie diese Möglichkeiten mit 
dem zu erwartenden Bedarf am besten in Ein- 
klang zu bringen sind. Schließlich muß gefragt 
werden, was mit Hilfe von agrarpolitischen 
Maßnahmen erreicht werden kann, um den Weg 
für die Ausnutzung der erkannten Möglichkeiten 
freizumachen. 

In alten Kulturländern, deren Struktur in 
langen Zeiträumen geworden ist und die oft ein 
erhebliches Beharrungsvermögen aufweisen, 
gibt es in der Regel mancherlei Hindernisse, die 
eine erwünschte Entwicklung erschweren. Die 
Betriebsgrößen können z. B. unzweckmäßig 
sein, die ganze Betriebsstruktur und die 
Bodenverteilung können die moderne 
Bewirtschaftung des Bodens pn mög- 
lich machen. Aus dem geltenden Boden- und 
Besitzrecht können sich Hemmungen ergeben, 
die eine sonst eintretende Entwicklung verhin- 
dern. In Frankreich treffen im allgemeinen 
günstige natürliche Erzeugungsbedingungen und 
eine günstige verkehrspolitische Lage mit oft 
ungünstigen historisch gewordenen Besitz- und 
Betriebsverhältnissen zusammen. Die Agrar- 
politik, die in längeren Zeiträumen auf diese 
Dinge einen gewissen Einfluß ausüben kann, hat 
daher eine ganz entscheidende Bedeutung. 


Fragen wir zunächst nach den natürlichen 
Möglichkeiten der Erzeugung imfran- 
zösischen Wirtschaftsraum, so stellen 
wir eine außerordentliche Variationsbreite in 
den Erzeugungsmöglichkeiten fest. Wir finden 
auf relativ kleinem Raum die Möglichkeit, so 
ziemlich alle Erzeugnisse der gemäßigten Klima- 
zone unter recht günstigen natürlichen Bedin- 
gungen hervorzubringen. e Daneben gibt es in 
Frankreich Teillandschalften, die sich für Spe- 
zialkulturen eignen, welche besondere, im all- 
gemeinen in Europa nicht gegebene Bedingun- 

D von der Decken und Metzdorf, Europas Er- 
nährungswirtschaft, Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg 
1943. — In diesem Zusammenhang verdienen weiterhin die 
folgenden Arbeiten Erwähnung: 


Hahn, Die Ernährungswirtschaft Europas in den Jahren 
1936—1938, Verlag Gustav Fischer, Jena 1942. 

Mielck, Die Emährungswirtschaft Europas und der 
Mittelmeerländer im Durchschnitt 1935—1938, Ber. über 
Landw. Band XXVIII, Heft 3, 1942, 


122 


gen erfordern. In den meisten Teilen des Landes 
sind gemischte Betriebsformen zweckmäßig, die 
je nach den örtlichen Verhältnissen, aber auch 
der Fähigkeit der Betriebsleiter eine verschie- 
dene Struktur haben können. In anderen Gebie- 
ten wiederum weist die Natur die Landwirtschaft 
auf eine starke Spezialisierung, wie z. B. in den 
sehr trockenen Weindeparlements der Mittel- 
meerzone. Große Flächen vor allem in Süd- 
frankreich können nur als extensive Schafweide 
verwendet werden, wenn nicht durch künstliche 
Bewässerung — also durch einen sehr starken 
menschlichen Eingriff mit erheblichem Kapilal- 
aulwand — von der Natur abweichende Erzeu- 
gungsbedingungen geschaffen werden. 

Wenn wir zunächst nur die gegebenen natür- 
lichen Bedingungen ins Auge fassen, so hat 
Frankreich günstige Erzeugungsmög- 
lichkeiten für die meisten Massen- 
güter, welche die allgemeine Grundlage 
unserer Ernährung bilden (Brotgetreide, Kar- 
toffeln, Zucker, Hülsenfrüchte, Gemüse und alle 
tierischen Veredelungserzeugnisse). Bei der 
Erzeugung pflanzlicher Fette, die in der 
modernen Ernährung eine sehr bedeutende Rolle 
spielen, bestehen wie in allen Ländern der ge- 
mäßigten Zone Nachteile gegenüber den tro- 
pischen und subtropischen Gebieten, jedoch ist 
Frankreich beim Winterraps wegen der gerin- 
gen Auswinterungsgefahr gegenüber den öst- 
lichen Nachbarn ganz entschieden im Vorteil. 
Die Gunst des französischen Klimas gestattet es 
aber auch, viele Produkte als Massengüter zu 
erzeugen, die in den -weniger von der Natur be- 
günstigten Ländern ausgesprochenen Luxus- 
charakter haben; man braucht in diesem: Zu- 
sammenhang nur an den Wein zu denken, der 
in Frankreich ein ausgesprochenes Volksgetränk 
ist, oder — um noch ein anderes Beispiel zu 
nennen — an den Blumenkohl der Bretagne, 
der in den französischen Großstädten während 
der Wintermonate als Massenerzeugnis ver- 
zehrt wird. Schließlich läßt sich auf Grund der 
in Frankreich gegebenen natürlichen Bedingun- 
gen die Erzeugung ausgesprochener Luxusnah- 
rungsgüter weit über die Bedürfnisse des 
inneren Marktes hinaus entwickeln. Starke An- 
sätze ‚dazu sind in der Luxusobsterzeu- 
gung, wie wir sie z. B. in den Pariser Vor- 
städten finden, und der Produktion von 
Qualitätsweinen bereits gegeben. 

Frankreich hat also Chancen nach den ver- 
schiedensten Richtungen hin. Maßgebend für die 
Richtung, nach der mit besonderem. Nachdruck 
zu arbeiten ist, sind aber nicht allein die natür- 
lichen Bedingungen. Der Bedarf, dessen Dek- 
kung Frankreich in einer europäischen Ernäh- 
zungswirtschaft zweckmäßigerweise zu über- 
nehmen hat, spielt eine entscheidende Rolle. Es 
ist weiterhin die Frage von Bedeutung, was mit 
Hilfe der nur sehr beschränkt vorhandenen Ar- 
beitskräfte getan werden kann, und wie sich der 
Einsatz der menschlichen Arbeitskräfte am wir- 
kungsvolisten-gestalten läßt. 


ui iin einige linie en. 


Wenn in Frankreich in der Vergangenheit die 
Gunst der natürlichen Erzeugungsmöglichkeiten 
nur schlecht ausgenutzt wurde, so waren dafür 
schwerwiegende Gründe vorhanden. Die Enge 
des inneren Marktes, die mit dem seit 
vielen Jahrzehnten erreichten Bevölkerungsstill- 
stand zusammenhängt, gestattete nur eine sehr 
beschränkte Ausdehnung der Erzeugung, wenn 
man einen vollkommenen Preisverfall vermeiden 
wollte Es kam hinzu, daß die Kolonien 
unter noch günstigeren natürlichen und wirt- 
schaftlichen Bedingungen mit den Haupterzeug- 
nissen der französischen Landwirtschaft in Wett- 
bewerb traten. Durch die Ausfuhr konnte 
unter den bisher in Europa herrschenden Ver- 
hältnissen kein Ausweg gefunden werden. 
Frankreichs Landwirtschaft besaß auch nicht die 
Kraft, die der Ausfuhr entgegenstehenden 
Schwierigkeiten zu überwinden. Auch In der 
Zukunft wird Frankreich, wenn es seine land- 
wirtschaftlichen Möglichkeiten voll entwickelt, 
bald zu einem UÜberschußland werden. Dabei 
werden sich jedoch, wenn der europäische Kon- 
tinent zu einer Wirtschaftseinheit zusammen- 
wächst, sehr viel bessere Absatzmöglichkeiten 
als in der Vergangenheit ergeben. Drei Fragen 
erheben sich in diesem Zusammenhang für die 
französische Agrarpolitik: 


1. Bei welchen Erzeugnissen kann Frankreich 
einen Auslandsabsatz erwarten? 


2.Nach welcher Richtung hin läßt sich die 
französische Erzeugung unter den gegebenen 
Verhältnissen am besten entwickeln? 


3. Welche inneren Hemmungen müssen aus 
dem Wege geräumt werden und welche 
Aufgaben ergeben sich daraus für die 
Agrarpolitik? i 


Zu der ersten Frage liegen die Arbeiten an- 
erkannter Fachleute vor. Es steht fest, daß für 
die verschiedensten Produkte der Ernährungs- 
wirtschaft ein erheblicher europäischer 
Einfuhrbedarf besteht. Man darf dabei 
. nicht von den Bedarfsverhältnissen des Augen- 
blicks oder auch der Vorkriegszeit ausgehen. 
Einmal ist die Bevölkerung Europas im 
Wachsen begriffen, sie wird sich nach Been- 
digung des Krieges wahrscheinlich noch erheblich 
schneller vermehren. Dann aber tritt mit Besse- 
rung der Wirtschaftsverhältnisse eine allge- 
meine Verbrauchserhöhung ein, wobei 
sich innerhalb des Verbrauchs ganz erhebliche 
Verschiebungen ergeben. Frankreich kann — 
rein technisch gesehen — auf den verschie- 
densten Erzeugungsgebieten Ausfuhrüberschüsse 
hervorbringen. Für den Franzosen hat jedoch 
die Frage entscheidende Bedeutung, wo für ihn 
die relativ größten Vorteile und die relativ 
größte Sicherheit gelegen sind. Bei der Erörte- 
rung der Zukunftsmöglichkeiten kommt immer 
wieder zum Ausdruck, daß die Konkurrenz- 
fähigkeit der französischen Landwirt- 


schaft bei den einzelnen Erzeugnissen 
durchaus verschieden beurteilt wird. 
Man glaubt sich z. B. beim Weizen, für den 
in Nordfrankreich ausgezeichnete natürliche 
Erzeugungsbedingungen gegeben sind, gegen- 
über dem Osten und Südosten und den Übersee- 
ländern im Nachteil. Viele sind sogar der Mei- 
nung, daß die in Frankreich als Massengüter zu 
erzeugenden Spezialprodukte (Obst, Ge- 
müse, Wein, Weintrauben) nur be- 
schränkt absatzlähig seien. Man redet daher 
für die Ausfuhr einer ausgesprochenen Luxus- 
erzeugung das Wort in der Hoffnung, dem sonst 
zu erwartenden Konkurrenzdruck zu entgehen 
und auch die Fähigkeiten des französischen 
Menschen bestens auszunutzen. Die vorgetra- 
gene Gedankenführung ist jedoch vom fran- 
zösischen wie vom europäischen Standpunkt 
falsch. Wenn Kontinentaleuropa als wirtschaft- 
liche Einheit betrachtet wird, so ist der Gesamt- 
bedarf dafür entscheidend, was erzeugt werden 
muß. Die natürlichen Erzeugungsmöglichkeiten 
müssen bestens ausgenutzt werden, wobei das 
Streben der Gesamtführung des Kontinents 
dahin geht, auch die wirtschaftlichen Voraus- 
setzungen in den einzelnen Teilräumen für die 
Ausnutzung dieser Möglichkeiten zu schaften. 
Frankreich wird bei dieser europäischen Auf- 
gabenstellung dank seiner günstigen natürlichen 
Verhältnisse und auch seiner geographischen 
Lage nicht schlecht abschneiden. 


Der nordfranzösische Raum bietet 
günstige Bedingungen für eine viel- 
seitige landwirtschaftliche Erzeu- 
gung. Große Teile des Landes — besonders 
das Pariser Becken und die nördlich 
und südlich davon gelegenen Land- 
schaften — sind von Natur für den Ackerbau 
besonders geeignet, während die Kanalküste, 
Westfrankreich und zum Teil auch der Nord- 
osten von Natur aus mehr für die Weidewirt- 
schaft bestimmt sind. Ein verhältnismäßig großer 
Anteil des Bodens in Nordwestfrankreich 
ist von großer natürlicher Fruchtbarkeit und für 
den Anbau von Weizen und Zuckerrüben ge- 
eignet. In Teilen der Champagne und in Ost- 
frankreich sind die Bodenverhältnisse im all- 
gemeinen schlechter, zum Teil sogar ausge- 
sprochen ungünstig. Der Raum nördlich der 
Loire ist jedoch im ganzen gesehen von der 
Natur aus dazu bestimmt, vor allem die Erzeug- 
nisse des allgemeinen Lebensbedarfs hervorzu- 
bringen. Es lassen sich in diesem Gebiet bei 
richtiger Ausnutzung der gegebenen natürlichen 
Möglichkeiten in den Erzeugnissen der allge- 
meinen Landwirtschaft erhebliche Überschüsse 
erzielen, die den Zuschußbedarf Südfrankreichs 
decken und darüber hinaus zur Versorgung Bel- 
giens und Nordwestdeutschlands beitragen 
können. In den letzten Jahrzehnten ist in diesem 
Raum der Ackerbau gegenüber der extensiven 
Weidewirtschaft ständig zurückgedrängt wor- 
den. Zur besseren Ausnutzung der Erzeugungs- 


123 


möglichkeiten müßte eine entgegengesetzte Ent- 
wicklung in Gang gebracht werden, wobei der 
Ertrag der bisher nur extensiv genutzten Weiden 
durch bessere Bewirtschaftung beträchtlich zu 
erhöhen ist. In den Weide- und Grünlandgebie- 
ten muß der Ackerbau an Bedeutung gewinnen, 
während in den ausgesprochenen Ackerbau- 
gebieten die bisher vernachlässigte Tierhaltung 
verstärkt werden muß. Innerhalb der Acker- 
flächen nehmen die Hackfrüchte nur einen 
sehr bescheidenen Anteil ein; ihre Anbaufläche 
muß erhöht werden, während sich gleichzeitig 
das Brachland in der Fruchtfolge vermindern 
läßt. Eine zweckmäßige Gestaltung der 
wirtschaftlichen Beziehungen zwi- 
schen den Weidegebieten und den 
Ackerbaugebieten kann die wirt- 
schaftlichen Leistungen des nord- 
französischen Raumes wesentlich ver- 
bessern. 


Neben den Gütern des allgemeinen Lebens- 
bedarfes hat Nordfrankreich jedoch auch für die 
Spezialerzeugnisse einige Bedeutung. In 
der Gegend von Reims und Epernay und weiter 
westlich an der Loire reicht der Weinbau in 
dieses Gebiet hinein. Im Westen und in der 
Kanalzone schafft das dort vorherrschende 
Klima, das Fröste nur an wenigen Tagen des 
Jahres kennt, Voraussetzungen, wie sie in Eu- 
ropa nur an wenigen Stellen gegeben sind. 
Diese besonderen klimatischen Bedingungen 
finden schon heute in ausgedehnten Gemüse- 
kulturen und einem beträchtlichen Frühkar- 
toffelanbau einen sichtbaren Ausdruck. Nach 
dieser Richtung hin bestehen bei entsprechender 
Marktausweitung noch erhebliche Möglichkei- 
ten. An der Kanalküste finden sich weiterhin 
für die Apfelkultur ausgezeichnete natür- 
liche Bedingungen. Die dort jetzt vorhandenen 
etwa 30 Millionen Mostapfelbäume liefern we- 
gen ihrer vollkommenen Vernachlässigung nur 
gelegentlich einmal einen reichen Ertrag. Das 
Land ist jedoch von Natur aus dazu bestimmt, 
Apfel von guter Durchschnittsqualität für die 
Mostherstellung, die Marmeladenerzeugung und 
den menschlichen Verzehr in großen Massen 
hervorzubringen. Auch im Inneren des Landes 
sind besonders in den Flußtälern und Senken 
günstige Möglichkeiten für eine Ausdehnung 
des Obst- und Gemüsebaues gegeben. 


Während Nordfrankreich von Natur aus ein 
Überschußgebiet bei den Erzeugnissen des all- 
gemeinen Lebensbedarfes ist, liegt das Schwer- 
gewicht der Erzeugung in Südfrankreich 
sehr viel stärker bei den Spezialitäten. Trotz der 
dünnen Besiedlung dieses Raumes besteht ein 
erheblicher Zuschußbedarf an Brot- 
getreide, Kartoffeln, Zucker und tie- 
rischen Veredelungs-Erzeugnissen. 
Eine auf die beste Ausnutzung des Bodens be- 
dachte Agrarpolitik muß danach streben, wenig- 
stens bei den wichtigsten Erzeugnissen dem 
Grad der Selbstversorgung näher zu kommen. 


124 


Bei manchen Erzeugnissen, wie z.B. beim Zucker, 
wird das nicht einmal möglich sein. In Südfrank- 
reich ist nur ein verhältnismäßig kleiner Teil des 
Bodens für eine intensive landwirtschaftliche 
Erzeugung geeignet. Es scheiden im Gebirgs- 
land der Alpen, des Juras, des Zentralmassivs 
und der Pyrenäen erhebliche Flächen für die 
landwirtschaftliche Kultur ganz aus. In anderen 
Gebieten beschränkt der Mangel an Nieder- 
schlägen die Nutzungsmöglichkeiten auf wenige 
oder nur eine Verwendung. Auch die Boden- 
qualität setzt den landwirtschaftlichen Möglich- 
keiten oft enge Grenzen, z. B. in der Kiefern- 
waldzone südlich und westlich der Gironde 
(Departements Gironde und Landes). Nur auf 
einen verhältnismäßig kleinen Teil der Boden- 
fläche des Südens finden wir eine gemischte 
Landwirtschaft, deren Bedeutung über die lokale 
Versorgung hinausgeht. Im Rahmen der Volks- 
wirtschaft spielen jedoch die Spezialerzeugnisse 
eine bedeutende Rolle, obwohl auch sie nur 
einen relativ kleinen Anteil der Gesamtfläche 
ausmachen. In den Departements Herault und 
Aude am Mittelmeer beträgt der Anteil der Reb- 
fläche 52 bzw. 41 Prozent des landwirtschaftlich 
genutzten Bodens. Die Spezialisierung wurde 
hier außerordentlich weit getrieben. In anderen 
Landschaften ist unter dem Einfluß der natür- 
lichen Bedingungen und der Absatzverhältnisse 
eine Spezialisierung auf Obst, Frühgemüse, Blu- 
men usw. eingetreten, während gleichzeitig die 
allgemeine Landwirtschaft unter dem Konkur- 
renzdruck des Nordens an Bedeutung verlor. 
Man konnte hier — ganz ähnlich wie auf dem 
amerikanischen Kontinent — mit dem Ausbau 
der Transportmöglichkeiten eine immer Stärkere 
Spezialisierung auf die Erzeugnisse feststellen, 
für die von Natur besonders günstige Produk- 
tionsbedingungen gegeben sind und die sich 
infolgedessen am besten rentieren. 


Es besteht kein Zweifel, daß sich auch in der 
Zukunft die landwirtschaftlichen Überschüsse 
Südfrankreichs auf die pflanzlichen Spezialpro- 
dukte erstrecken werden, und zwar vorwiegend 
auf Erzeugnisse, die für den Massenabsalz be- 
stimmt sind. Das Schwergewicht der Konsum- 
weinerzeugung liegt schon immer in den 
Mittelmeerdepartements, während die Qualitäts- 
weine — abgesehen von den bei Bordeaux 
gelegenen Anbaugebieten — in der Hauptsache 
am Nordrand der Südzone erzeugt werden. 
Wenn die Preise größere Aufwendungen zu- 
lassen, so ist mit Hilfe künstlicher Bewässerung 
noch eine erhebliche Steigerung des Anbaus 
von Spezialerzeugnissen möglich. Bei den le- 
bensnotwendigen Gütern wird jedoch Südfrank- 
reich noch für lange Zeit ein Zuschußgebiet blei- 
ben; die durchschnittlichen Hektarerträge liegen 
z. B. beim Weizen im Mittelmeergebiet bei etwa 
9 bis 13 dz, während im Pariser Becken 20 bis 
23 dz und an der belgischen Grenze etwa 31 dz 
(Departement Nord) geerntet werden. Diese 
gewaltigen Unterschiede sind nur zum Teil aul 


Er 


die Bewirtschaftungsmethoden und den Dünge- 
mittelaufwand zurückzuführen, sie werden zu 
einem Teil auch durch die Unterschiede in den 
natürlichen Produktionsbedingungen verursacht. 
Für die Schafhaltung hat Südfrankreich mit 
seinen ausgedehnten, kaum anders zu nutzenden 
Odtlächen noch erhebliche Möglichkeiten. 


Die Überwindung hemmender Faktoren 


Wenn wir die durchschnittlichen Hektar- 
erträge, bzw. die Leistungen je Flächeneinheit 
mit benachbarten fortschrittlichen Ländern ver- 
gleichen, so kommen wir zu dem Ergebnis, daß 
eine Mehrerzeugung auf der ganzen 
Linie möglich ist. Diese Tatsache bleibt auch 
bestehen, wenn man berücksichtigt, daß die 
natürlichen Erzeugungsbedingungen keinesfalls 
überall so günstig sind, wie man oft annimmt. 
Der Erschließung dieser Möglichkeiten stehen 
zahlreiche Hemmungen entgegen, die nur 
mit Hilfe einer außerordentlichen 
aktiven Agrarpolitik überwunden wer- 
den können. Die Agrarpolitik war seit dem 
Waffenstillstand beherrscht von den Notwendig- 
keiten der Gegenwart. Doch hat man dabei die 
auf lange Sicht notwendigen Schritte keines- 
wegs übersehen. Es ist aber eine Tatsache, daß 
die Tragweite der auf lange Sicht abgestellten 
Maßnahmen von vielen Franzosen bisher noch 
nicht klar erkannt wurde. 


Als Aufgabe der französischen Er- 
zeugungspolitik in einer europäischen 
Großraumwirtschaft kann man auf Grund der 
gegebenen Erzeugungsmöglichkeiten und der 
Bedarfslage des Kontinents die folgenden Ziel- 
setzungen aufstellen: Ein Teil des europäischen 
Zuschußbedarfesan Weizen kann relativ leicht 
aus dem nordfranzösischen Raum gedeckt wer- 
den. Es wäre vom Standpunkt Frankreichs 
falsch, sich diese Chance entgehen zu lassen, 
ebenso wie es verfehlt wäre, wenn die nord- 
wesiteuropäischen Zuschußgebiete auf die Be- 
darfsdeckung aus den nahegelegenen Überschuß- 
gebieten verzichten würden. Auf dem Gebiet 
der Futtergetreideerzeugung ist, um 
die bisherige starke Einfuhr auszugleichen, eine 
erhebliche Erzeugungssteigerung notwendig. 
Selbst dann, wenn Nordafrika wieder in starkem 
Umfang als Lieferant auftritt, liegt eine Haupt- 
lücke in der europäischen Versorgungsbilanz 
beim Futtergetreide, die irgendwie ausgeglichen 
werden muß. Auf dem Fleischgebiet kann 
Frankreich, wenn es die Futlererzeugungsmög- 
lichkeiten auf den Wiesen und Weiden, beim 
Feldfutterbau und in dem auszudehnenden Hack- 
fruchtbau richtig ausnutzt, sich eine starke Stel- 
lung erkämpfen. Ahnliches gilt für die Erzeug- 
nisse der Milchwirtschaft, die, wenn wir 
von Spezialitäten wie beim Käse absehen, in der 
Vergangenheit stark vernachlässigt wurden. Die 
Stellung des Olfruchtbaus im Rahmen einer 
künftigen französischen Landwirtschaft hängt 


* 


davon ab, wie stark der afrikanische Raum zur 
Ergänzung der inländischen Versorgung heran- 
gezogen werden kann. Da Frankreich vor dem 
Krieg seinen Nahrungsfettbedarf zu über 60 Pro- 
zent durch Einfuhr deckte und die pflanzlichen 
Fette neben den tierischen auch in der Zukunft 
eine erhebliche Bedeutung haben werden, ist 
auch für die Zukunft für den französischen Ol- 
fruchtbau ein weiter Spielraum gegeben. 


Die angedeuteten Ziele sind in Frankreich zu 
erreichen, ohne daß das Gesetz vom abneh- 
menden Bodenertrag sobald in gleicher Schärfe 
wie in manchen Nachbarländern in Erscheinung 
tritt. an kann im Gegenteil noch manche 
Kostensenkung erreichen. Dabei ist es 
durchaus möglich, eine auf die Erhaltung der 
Bodenfruchtbarkeit gerichtete Bodennutzuhg zu 
betreiben und Fehler, die in dieser Beziehung ın 
der Vergangenheit gemacht worden sind, zu 
vermeiden. 


Vom Standpunkt einer europäisch ausgerich- 
teten Erzeugungspolitik wäre es verfehlt, die 
vorhandenen Kräfte. weitgehend auf Spezialitä- 
ten zu konzentrieren. Man müßte dann auf die 
im Interesse der Gesamtheit erwünschte Aus- 
nutzung von Landflächen verzichten, die wegen 
ihrer natürlichen Erzeugungskraft und auch 
ihrer geographischen Lage zur Deckung lebens- 
notwendiger Bedürfnisse herangezogen werden 
müssen. Ein Verzicht auf diese Möglichkeiten 
ist von einem höheren europäischen Standpunkt 
nicht zu verantworten. 


Dort, wo die Natur besonders günstige Vor- 
aussetzungen für die Massenerzeugung von 
Spezialprodukten (Obst, Gemüse, Wein, Trauben 
usw.) schafft, ist es jedoch notwendig, auch 
nach dieser Richtung hin Kräfte einzusetzen. 
Im Vordergrund steht dabei die Massen- 
er zeugung guter Durchschnitts quali- 
täten, die dank der günstigen natürlichen Be- 
dingungen billig für einen breiten Verbraucher- 
kreis geliefert werden können. Erst in zweiter 
Linie und in begrenztem Umfang hat die Erzeu- 
gung für ausgesprochene Luxusbedürfnisse eine 
Daseinsberechtigung. 


Die angedeuteten Zielsetzungen einer künf- 
tigen Erzeugungspolitik machen die Uberwin- 
dung vieler Hindernisse notwendig. Die stärk- 
sten Hemmungen kommen von der Seite der 
menschlichen Arbeit. In Frankreich sind 
die Verhältnisse grundverschieden von denen 
Südosteuropas: dort ist die Neuaufnahme inten- 
siver Kulturen das natürliche Mittel, um die 
zahlreich vorhandenen Arbeitskräfte besser als 
bisher auszunutzen; in Frankreich aber hat der 
Menschenmangel in den letzten Jahrzehnten zu 
einer immer extensiveren Ausnutzung des Bo- 
dens geführt. Eine Umkehr in dieser Entwick- 
lung erfordert daher ganz außerordentliche An- 
strengungen. Allen Maßnahmen, welche die 
Wirkung der menschlichen Arbeit 


125 


irgendwie verstärken helfen, muß größte 
Aufmerksamkeit geschenkt werden. Von der 
Aufbesserung der Wohnverhältnisse 
angefangen, der sozialen Betreuung der Men- 
schen bis zur fachlichen Ausbildung des Nach- 
wuchses und der wissenschaftlichen Arbeit ist 
eine neue Aktivität zu entwickeln. Es muß ver- 
sucht werden, innerhalb des französischen 
Wirtschaftsraumes eine bessere und zweck- 
mäßigere Verteilung der Arbeitskräfte zu er- 
reichen, wobei auf das künftige Erzeugungspro- 
gramm Rücksicht zu nehmen ist. Auf die noch 
stärkere Heranziehung ausländischer Arbeits- 
kräfte wird man nicht verzichten können, wenn 
der Boden auch nur einigermaßen ausgenutzt 
werden soll. Daraus ergeben sich weitere Pro- 
bleme, die von der Politik gelöst werden müssen. 
Eine Hauptaufgabe aber der agrarpolitischen 
Arbeit ist es, die menschliche Arbeit in der 
Landwirtschaft durch Anwendung zweckmäßiger 
Methoden und die Benutzung arbeitsparender 
Maschinen wirkungsvoller zu gestalten. 


Läßt man den Dingen in Frankreich freien 
Lauf, so ist wie in der Vergangenheit eine 
Flucht von den arbeitsintensiven zu 
den arbeitsextensiven Bodennutzun- 
gen zu erwarten. Das agrarpolitische Ziel — 
die beste Ausnutzung der gegebenen natürlichen 
Möglichkeiten — erfordert jedoch eine ent- 
gegengesetzte Entwicklung, d. h. es muß eine 
Umwandlung von Grünland zu Acker- 
land vorgenommen werden und es ist auch 
innerhalb des Ackerlandes eine Verschie- 
bung zu den arbeitsintensiven Kul- 
turen, d. h. den Hackfrüchten, zu erstre- 
ben. Diese Ziele lassen sich in Frankreich nur 
erreichen, wenn die Leistungen der mensch- 
lichen Arbeit durch eine entsprechende Arbeits- 
organisation und die Anwendung arbeitsparen- 
der Maschinen erheblich gesteigert werden. 
Frankreich müßte seiner ganzen Struktur nach 
zum Schrittmacher moderner Arbeitstechnik 
werden. Vorerst kann es jedoch in erheblichem 
Umfang von seinen östlichen Nachbarn — vor 
allem auch von Deutschland — lernen. Im Reich 
ist seit Verkündung der Erzeugungsschlacht eine 
erhebliche Intensivierung trotz gleichzeitiger 
Verminderung der Arbeitskräfte erreicht wor- 
den, so daß Deutschland in vieler Beziehung 
Anregungen geben kann. Die Knappheit an 
Arbeitskräften verbietet es in Frankreich, allzu 
große Energien auf die einen besonders hohen 
Arbeitsaufwand erfordernden Luxuserzeugnisse, 
die insgesamt nur einen geringen Kalorienwert 
verkörpern, zu konzentrieren. Die beschränkte 
Zahl der Arbeitskräfte darf jedoch nicht dazu 
führen, daß, wie in den Uberseeländern, eine zur 
Ausbeutung führende Maschinenkultur entsteht. 
Das Ziel ist ganz ähnlich wie im Reich auf die 
Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit ge- 
richtet, woraus sich ganz zwangsläufig auf 
agrartechnischem Gebiet eine enge Zusammen- 
arbeit mit dem Reich ergeben muß. 


126 


In diesem Zusammenhang gewinnt für Prank- 
reich die fachliche Schulung und Wirt- 
schaftsberatung geradezu entscheidende 
Bedeutung. Auf diesem Gebiet ist bisher in 
Frankreich nur wenig getan worden. Im allge- 
meinen übt der Bauer seinen Beruf noch immer 
auf Grund der Kenntnisse und Fähigkeiten aus, 
die ihm vom Vater beigebracht worden sind. Er 
ist nicht darauf eigestellt, daß sich die tech- 
nische Entwicklung in schnellem Fluß befindet, 
und daß man sich dieser Entwicklung laufend 
anpassen muß. Da aber die französische Land- 
bevölkerung im Durchschnitt intelligent ist und 
praktische Fähigkeiten besitzt, sind erhebliche 
Erfolge zu erwarten, wenn durch eine ent- 
sprechende Schulung der aus der Tradition er- 
wachsende Widerstand gegen technische Neue- 
rungen überwunden ist. 


In der Forschung wird man den Fragen der 
Arbeit und Arbeitstechnik in ihren betriebs- 
wirtschaftlichen Zusammenhängen besondere 
Aufmerksamkeit schenken müssen. Es gilt ja, 
den besonders knapp vorhandenen Produktions- 
faktor — die menschliche Arbeit — in 
wirkungsvollster Weise auszunutzen. Dabei 
müssen die Vorteile, die das ausgeglichene 
Klima mit seinen langen Wachstumsperioden 
bietet, zur Einsparung menschlicher Arbeit voll 
ausgenutzt werden. Die französische Landwirt- 
schaftswissenschaft, die große Einzelforscher 
hervorgebracht hat, hatte bisher nicht einen 
genügend engen Kontakt mit der Praxis. In der 
schon seit der Königszeit bestehenden „Acade- 
mie d’Agriculture de France‘ besteht zwar eine 
Plattform, auf der sich die Wissenschaftler mit 
den besten Praktikern zu gemeinsamer Arbeit 
zusammenfinden; jedoch sind die Auswirkungen 
dieser Zusammenarbeit recht begrenzt. Der In- 
dividualismus, der einer der markantesten Merk- 
male französischer nationaler Eigenart ist, 'hat 
es weitgehend verhindert, die Probleme in ihren 
großen betriebs- und volkswirtschaftlichen Zu- 
sammenhängen zu sehen. Der einzelne Betriebs- 
leiter hat in der Regel die größten Hemmungen, 
einem Außenstehenden Einblick in das Innere 
seines Betriebes zu geben. Aus diesem Grund 
ist auch die landwirtschaftliche Statistik in 
Frankreich außerordentlich unzulänglich, so daß 
manche Fragen auf Grund exakter Unterlagen 
überhaupt nicht studiert werden können. In der 
Wissenschaft hat man die Zusammenfassung der 
Erkenntnisse verschiedener Arbeitsgebiete zu 
einer Gesamtschau weitgehend vermieden. Eine 
landwirtschaftliche Betriebslehre ist 
in Frankreich nur in Ansätzen vor: 
handen; in der volkswirtschaftlichen 
Literatur treten die wirtschaftlichen Kern- 
probleme gegenüber den sich auf die äußere 
Form beziehenden Betrachtungen (oft von Ju- 
risten geschrieben) an Bedeutung zurück. Um 
die landwirtschaftlichen Möglichkeiten in der 
Zukunft besser auszunutzen, müssen auf der 
Basis der Forschungsarbeiten allge- 


meineRegeln und Grundsätze aufgestellt 
werden, welche die Grundlage für die Agrar- 
politik und eine auf Breitenwirkung bedachte 
Erziehungsarbeit bilden. Man darf nicht an- 
nehmen, daß die Betriebsleiter in einer Zeit so 
starker Wandlungen, wie wir sie jetzt durch- 
leben, von sich aus immer die richtigen Wege 
finden. | 


Nun kommen von der Seite der menschlichen 
Arbeit nicht allein die Hindernisse, welche die 
Ausnutzung der von Natur günstigen Bedin- 
gungen erschweren. Die Betriebsstruktur 
entspricht in Frankreich keineswegs überall den 
Erfordernissen einer rationell geführten Wirt- 
schaft. Das schlimmste Ubel ist ganz zweifellos 
die Bodenzersplitterung, die durch die 
freie Erbteilung hervorgerufen wurde. Die Sta- 
tistik der letzten Jahrzehnte läßt einen Rückgang 
der kleinen und kleinsten Betriebe und eine 
wachsende Bedeutung der mittleren und größe- 
ren Betriebe erkennen. Die Liquidierung vieler 
Betriebe, die durch die Landflucht verursacht 
wurde, führte zu einer Vergrößerung der 
durchschnittlichen Betriebsfläche. 
Mit dieser Entwicklung trat jedoch im allgemei- 
nen nicht eine Zusammenlegung der zersplitter- 
ten Feldstücke ein; die Atomisierung des Grund 
und Bodens hal vielmehr zum Teil sogar weitere 
Fortschritte gemacht. Bei dem Mangel an Men- 
schen verursachte diese Entwicklung einen 
Zwang zur Extensivierung und eine Aufgabe 
früher landwirtschaftlich genutzten Bodens. Die 
Flurbereinigung ist für große Teile Frankreichs 
die wichtigste Voraussetzung für eine intensive 
Bodennutzung. Am notwendigsten ist die Zu- 
sammenlegung in den Gebieten der geschlosse- 
nen Dorfsiedlung Ostirankreichs. Hier wirkt 
nicht nur die Aufsplitierung des Grund und Bo- 
dens erzeugungshemmend; es tritt eine weitere 
erhebliche Erschwerung ein durch die großen 
Entfernungen zwischen den einzelnen Dörfern, 
die eine intensive Bewirtschaftung der am Rande 
der Gemarkungen liegenden Ländereien prak- 
tisch unmöglich machen. Hier ist es nicht mit 
einer radikalen Zusammenlegung allein getan; 
es muß außerdem eine räumliche Auflockerung 
der Siedlungsweise erstrebt werden. Nach fran- 
zösischen Schätzungen sind in Ostfrankreich 
50 Prozent, im Süden und Südwesten 36 Prozent, 
im Zentrum 31 Prozent, im Zentralmassiv 20 Pro- 
zent und im Südwesten und Norden 17 Prozent 


der landwirtschaftlichen Nutzfläche umlegungs* 


bedürftig. In Westfrankreich, wo der Einzelhof 
vorherrscht, tritt zum Teil durch die Hecken und 
die auf den Feldern stehenden Obstbäume eine 
Erschwerung der Arbeit ein. Auch hier sind 
Reformen in der Bodenverteilung und in der 
Ausnutzung der Flächen, die den Grundcharak- 
ter der Heckenlandschaft keinesfalls zu zer- 
stören brauchen, dringend am Platz. 

Das Gesetz vom 9. März 1941 über die 
Flurbereinigung und Neuordnung des 
Grundbesitzes, durch das die bestehenden 

$ 


gesetzlichen Möglichkeiten ganz wesentlich 
ausgeweitet wurden, schafft für die Zukunft 
die Möglichkeit ganz wesentlicher Verbesserun- 
gen. Es hat jetzt der Staat das Recht, Flurberei- 
nigungen anzuordnen und im Zusammenhang 
damit auch räumliche Neugliederungen in der 
Siedlung vorzunehmen. Das Gesetz verwirklicht 
einen Lieblingsgedanken des damaligen Land- 
wirtschaftsministers Pierre Caziot, der schon 
vor Jahrzehnten eine gründliche Bodenreform 
gefordert hat. Es besteht jedoch bei der allge- 
meinen Mentalität der Franzosen die Gefahr, 
daß man bei der Durchführung des Gesetzes auf 
halbem Wege stehenbleibt, weil man zwar die 
Vorteile der Zusammenlegung für die tägliche 
Arbeit der Bauernfamilie erkennt, nicht aber die 
Bedeutung dieser Maßnahme für die Erzeugungs- 
kraft und Konkurrenzfähigkeit der gesamten 
französischen Landwirtschaft in der richtigen 
Weise würdigt. Es besteht kein Zweifel, daß 
eine radikale Flurbereinigung in Ver- 
bindung mit NMeliorations arbeiten 
ganze Landschaften, die bisher 
Verfallserscheinungen aufwiesen, zu 
neuer Blüte führen könnte. 


Auch die Besitzverhältnisse üben in 
Frankreich einen hemmenden Einfluß auf die 
Erzeugung aus. Rund 40 Prozent der land- 
wirtschaftlichen Fläche sind in Pacht oder 
Teilpacht vergeben. Das bisherige Pachtrecht 
verleitete die Pächter dazu, den Boden rück- 
sichtslos auszunutzen, während bei der schlech- 
ten allgemeinen Wirtschaftslage der Verpächter 
wenig Neigung verspürte, um von sich aus 
etwas zur Hebung der Leistungsfähigkeit des 
Betriebes zu tun. Die inzwischen eingeleitete 
Pachtreform wird, wenn sie richtig durchgeführt 
wird, im Verlauf der kommenden Jahre einen 
langsamen Wandel herbeiführen. Als außer- 
ordentlich fortschrittshemmend erweist sich das 
vor allem in Südwestfrankreich verbreitete 
Teilpachtsystem. Bei der Teilung der Er- 
träge und des Aufwandes zwischen Verpächter 
und Teilpächter folgt man alten Gebräuchen und 
Regeln, die sehr oft nicht den Erfordernissen der 
Gegenwart entsprechen. Es ist daher außer- 
ordentlich schwer, die als richtig erkannten 
Neuerungen in der Praxis einzuführen. Auch 
für das Teilpachtwesen wird eine Reform vor- 
bereitet. 


Außerordentlich wichtig für die Zukunft der 
französischen Landwirtschaft ist es, das land- 
wirtschaftliche Kreditwesen auszu- 
bauen und den Bedürfnissen der Landwirtschaft 
anzupassen. Die volle Ausschöpfung der Erzeu- 
gungsmöglichkeiten im französischen Raum 
wird in der künftigen Friedenswirtschaft einen 
erheblichen Kapitalbedarf erfordern. In der Ver- 
gangenheit war es aber so, daß die Erspar- 
nisse des Landvolkes zu einem großen 
Teil nicht zur Verstärkung der Betriebs- 
ausrüstung Verwendung fand, sondern 


127 


anderen, oft sehr zweifelhaften Verwendungen 
zufloß. Der mit Hilfe des Staates aufgezogene 
genos senschaftliche Kreditapparat 
war in der Hauptsache eine Verteilungs- 
stelle für staatliche Kredite und Sub- 
sidien; die Erfassung von Spargeldern durch 
diese Organisation war äußerst gezing und hatte 
keine nennenswerte Bedeutung. 


Die Kriegserzeugungspolitik als Weg- 
bereiter 


Die Kriegserzeugungspolitik wird 
durch die Umstände gezwungen, sich vornehm- 
lich der Mittel und Wege zu bedienen, die auch 
heute noch angewandt werden können. Sie ist 
von manchen Autoren als eine Politik der vielen 
kleinen Mittel angesprochen worden. Trotzdem 
aber führt diese Arbeit an den Kern des fran- 
zösischen Agrarproblems heran. Es wäre leicht 
gewesen, durch einen erheblichen Mehraufwand 
von Kunstdünger, anderen Produktionsmitteln 
und menschlicher Arbeitskraft eine schnelle 
Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung 
hervorzurufen. Man war durch die Umstände 
gezwungen, einen unbequemeren und beschwer- 
licheren Weg zu gehen, um durch Verbesse- 
rungen in der Arbeitsweise, die Ein- 
führung moderner Erzeugungsmetho- 
den und die fachlich-technische Erzie- 
hung derLandbevölkerung dem sonst zu 
erwartenden Produktionsrückgang entgegen- 
zuwirken. Alles was heute zur Förderung der 
landwirtschaftlichen Erzeugung getan werden 
kann — ganz gleich, ob es sich um die Boden- 
bearbeitung, den Pflanzenschutz, das Saatgut 
oder irgendein anderes Arbeitsgebiet handelt —, 
verstärkt die Fundamente, auf denen die Land- 
wirtschaft in der Zukunft weiterbauen kann. 
Von französischer Seite wird man erst in einer 
späteren Zeit offen anerkennen, welche Rolle 


hierbei die Erfahrungen der deutschen Efzeu- 
gungsschlacht und die Mithilfe deutscher Sach- 
verständiger in der Militärverwaltung gespielt 
haben. 


Diese Kriegserzeugungspolitik schafft aber 
auch Klarheit über die vielen Hindernisse, die 
in einem so stark mit Tradition belasteten Lande 
wie Frankreich die Ausnutzung der günstigen 
natürlichen Möglichkeiten erschweren. Im agrar- 
politischen Gesetzgebungswerk der letzten 
3% Jahre sind bereits viele Grundsätze fest- 
gelegt worden, die bei richtiger Anwendung für 
die Zukunftsentwicklung der französischen 
Landwirtschaft entseheidende Bedeutung gewin- 
nen können. Die gewonnene Klarheit über die 
Möglichkeiten und Notwendigkeiten muß dazu 
führen, daß man auch an die geistige Vorberei- 
tung der künftigen Agrarpolitik herangeht. 


Die nüchterne Wirklichkeit des Alltags, die 
von den Sorgen des Tages überschattet wird, 
macht es allerdings schwer, sich einen freien 
Ausblick zu verschaffen. Das ist ganz besonders 
der Fall in einem Lande mit so vielen Alters- 
erscheinungen wie Frankreich. Man denkt dort 
mit Vorliebe an die Vergangenheit, erschöpft 
sich in der Enge individualistischen Denkens 
und übersieht oft genug, daß die Erkämpfung 
einer europäischen Stellung der französischen 
Landwirtschaft eine gewaltige Gemeinschafts- 
leistung und die Abkehr von überkommenen 
Anschauungen und Doktrinen zur Vorbedingung 
hat. In der agrarpolitischen Diskussion ist man 
geneigt, sich in unfruchtbaren Erörterungen — 
wie der von Herbert Backe gerügten These 
„Qualität oder Quantität“ — zu verlieren. 
Man ist innerlich nur auf die Verteidigung ein- 
gestellt und versäumt dadurch wahrscheinlich 
die großen Chancen, welche der mutige Angriff 
bei der Neuordnung des europäischen Raumes 
einem Lande mit so günstigen natürlichen und 
geographischen Bedingungen bieten würde. 


Der Liberalismus sah nur das abstrakte Ich, losgelöst von 
Rasse, Volk und Überlieferung, der Kommunismus sah nur 
das Kollektiv, d. h. den gestaltlosen Quantitätshaufen, der 
durch eine Tyrannei in politische Aktion gesetzt wird. 
Ich und Kollektiv sind deshalb Symbole eines Zerfalls und 
nicht Zeichen eines wirklichen organischen Spannungs- 


verhältnisses. 
mus Persönlichkeit 


Dem entgegengesetzt hat der Nationalsozialis- 
und Gemeinschaft gegenübergestellt, 


d. h. die Persönlichkeit als in Blut und Erde verwurzelte, 
wachsende, nie ohne eine Bindung entstehende schöpferische 
Kraft, und die Gemeinschaft als nicht bloße Summe wurzel- 
loser Individualitäten, sondern als Einheit von Persönlichkeiten. 


128 


Alfred Rosenberg 


Landwirtschaftsführer schlagen unmittelbar 
nach der Besetzung des Ortes die ersten Auf- 
rufe für die Bevölkerung an. — Gespannt 
folgen die Bauern den Ausführungen desLand- 
wirtschaftsführers Ritterkreuzträger Leffler 


Getreidedrusch sofort nach der Ernte auf einem | 


zahlreichen Druschplätze. 


Der Mähdrescher wird 


hier stationär benutzt 


Anfuhr, Lagerung und Abtransport muß auf 


en 


Getreidepunkten sorgfältig geregelt und 


Der Landmaschinenpflege wird jetzt 

besondere Aufmerksamkeit gewid- 

met — eine früher im Osten un- 
gewohnte Erziehungsaufgabe 


Eine Molkerei arbeitet wieder. 
Schmackhafte Rundkäse werden für 
die Truppe hergestellt 


Deutsche Zuchthengste wer- 
den zur Hebung der von den 
Sowjets völlig vernachlässig- 
ten Pferdezucht eingeführt 
und nach ihrem Eintreffen 
fachmännisch beurteilt 


Ein freundliches Wort zur rechten Zeit fördert das 
Vertrauen zur deutschen landwirtschaftlichen Ver- 
waltung 


Vielseitig sind die Kenntnisse und Aufgaben des 
Landwirtschaftsführers. Auch die Felle müssen vo 
der Verarbeitung richtig behandelt werden 


HILDEGARD MELZER: 


DIE WIRTSCHAFTSWENDE 
der Niederlande 


Die nachstehende Arbeit ist der Ertrag einiger Rei- 
sen in den Niederlanden und eines Studiums der Dinge 
in Gesprächen und Arbeiten von Deutschen und Nie- 
derländern. Es sind Eindrücke mit dem besonderen 
Einschlag des 5. Kriegsjahres und unter dem Zeichen 
des totalen Krieges. — Einer Frau kommt es dabei 
nicht darauf an, eine verstandesmäßig geschlossene 
Wirtschaftsbetrachtung anzustellen. Vielmehr liegt mir 
daran, den Umkreis der Entwicklungen und ihre Vor- 
dussetzungen aus Geschichte und Volkspsychologie zu 
erfählen und damit auch für die Wirtschaftsarbeit der 
Gegenwart und Zukunft einen ganz und gar nicht auf 
Voilständigkeit Anspruch erhebenden Beitrag der 
Hintergründigkeit auch der nüchternen Wirtschafts- 
gestaltung zu liefern. 


Erbschaft des Liberalismus 


I. den letzten Jahrzehnten vor 1940 haben die 
niederländischen Landwirte, Bauern und Gärt- 
ner sich nicht der Deckung des Bedarfes des 
eigenen Volkes an landwirtschaftlichen Erzeug- 
nissen gewidmet, sondern nach Absatzhoffnun- 
gen im Ausland ausgerichtet. Die Landwirtschaft 
hatte mit dieser Haltung lediglich der herr- 
schenden Auffassung in Staat und Volkswirt- 
schaft folgen müssen. Diese herrschende Mei- 
nung des orthodoxen Liberalismus duldete ja 
auch keinen Widerspruch. Wer von der Freiheit 
des Handels und der internationalen Arbeits- 
teilung keinen Gebrauch machte, mußte zu- 
grunde gehen. 


Als Ergebnis der Realteilung des Bodens und 
seiner freien Belastbarkeit und Käuflichkeit 
weist von knapp einer viertel Million landwirt- 
schaftlicher Betriebe fast die Hälfte nur eine 
Größe von 1 bis 5 ha auf, wobei die 138 000 Be- 
triebe unter einem ha, deren Inhaber nicht 
hauptberuflich Landwirte sind, außer Ansatz 
geblieben sind. Es ist klar, daß bei dieser Struk- 
tur auch vorübergehend nicht die Möglichkeit 
für das Landvolk gegeben war, im wesentlichen 
selbstgenügsam nur für den eigenen Bedarf zu 
produzieren. Bei der Raumenge am Mündungs- 
delta von Rhein, Maas und Schelde hatte sich 
dieses germanische Volk seine biologische Kraft 
so vorbildlich und einzigartig erhalten, daß die 
Niederlande nach Bulgarien in Europa den 
größten Geburtenüberschuß aufweisen. Selbst- 
genügsamkeit in diesem neben Belgien dichtest 


besiedelten Landstrich Europas mit 273 Einwoh- 


nern pro qkm wäre aus der Initiative des ein- 
zelnen oder eines Standes — und wenn er auch 
über ein Fünftel der Gesamtbevölkerung stellte 
— nur auf Kosten des Kinderreichtums möglich 
gewesen. 


Die Niederlande sind ein Schulbeispiel dafür, 
wie der Liberalismus einem besonders tüchtigen, 


intelligenten und lebenskräftigen Volk auf der 


Grundlage alten Wohlstandes unter dem An- 
schein einer üppigen Blüte schwere wirtschaft- 
liche Schäden beibringen konnte. Es ist im 
Grunde auch wirtschaftlich ein Glück für die 
Niederländer, daß mit dem Fünftagekrieg von 
1940 der Eingriff so rechtzeitig vorgenommen 
worden ist, daß Volkskörper und Wirtschafts- 
körper noch nicht unheilbar krank sind und 
noch die Möglichkeit besitzen, in organischer 
Entwicklung aus eigener Kraft zur Gesundung 
zu kommen. 


WÉI 

Einst als Teil des dbutschen Reiches hatten 
die Friesen, Sachsen und Franken, die in den 
niederen Landen ihre Heimat gefunden hatten, 
ihre große gesamtvölkische Aufgabe, die in den 
Zeiten der Hanse und der Ostkolonisation auch 
bewußt empfunden wurde. Durch die Schuld 
des Reiches; das die niederländischen Beschwö- 
rungen, besonders kraß 1578 auf dem Reichstag 
zu Worms, in den Wind schlug, haben sich die 
Niederlande nach dem heldisch durchgefoch- 
tenen 80jährigen Kriege gegen die spanisch- 
katholische Fremdherrschaft zu einem selbstän- 
digen Staat neben dem Reich entwickelt. Im 
17. Jahrhundert, in dem „Goldenen Jahrhundert‘, 
das auch die einmalige Blüte von Kunst und 
Kultur brachte, schufen sie sich eine Kolonial- 
macht, von der Staat und Volk im Grunde bis 
jetzt gelebt hatten, wenn auch seit dem Anfang 
des 19. Jahrhunderts auch in Niederländisch- 
Indien die Krisenzeichen sich mehrten. Seit 
jener einmaligen Großleistung des 16. und 
17. Jahrhunderts war das Volk immer mehr 
geschichtslos geworden. Es kannte keine Ver- 
pflichtungen gegenüber einem größeren Ganzen. 
Abseits von der politischen Geschichte Europas 


129 


durch Meer und Unwegsamkeit in Sumpf- oder 
später Poldergebiet in seinem Hauptteil vor 
ernsthaftem Kriegsgeschehen geschützt, hat es 
ein Eigenleben geführt, konnte jedem wirk- 
lichen Kampf ausweichen und bei hervorragen- 
den Fähigkeiten zu technischer Lebensbeherr- 
schung kaufmännisch und händlerisch eine 


Idylle des Wohlstandes konservieren. Wie durch 


Jahrhunderte der Generalgouverneur von Indien 
den Titel „Oberkaufmann” führte und danach 
im eigentlichen Sinne des Wortes „handelte“, 
so lebten die Niederländer durch drei Jahrhun- 
derte eigentlich nur vom Verwalten des Erbes 
großer Vorfahren. 


Geschäftsführer von hohem Rang in der Aus- 
wertung des in die Häfen fließenden über- 
seeischen Reichtums zeigten die Niederländer 
in verhaltener, ruhiger Lebensführung bis zur 
Gegenwart eine Fähigkeit zur Meisterung des 
Lebens, die als Charakterkraft beweist, welche 
- Anlagen und Leistungen in diesem Volk leben- 
dig sind und fruchtbar gemacht werden können. 
Doch es blieb Geschichte im kleinen, würdige 
Gestaltung. des Alltags in möglichst idyllischer 
Ruhe. 


Die Kaufherren der Westprovinzen Nord- und 
Südholland wurden mit ihrem Reichtum so weit- 
gehend die Träger der Macht, daß man schließ- 
lich von Holland sprach, obwohl das Herz der 
Niederlande eigentlich in den Landprovinzen 
von Groningen über Drenthe, Gelderland, Ut- 
recht und Brabant (der Heimat Karls des Großen) 
bis Limburg schlug. Der dort wohnende völkisch 
außerordentlich wertvolle Teil konnte nicht zur 
Führung kommen, sich den Holländern gegen- 
über nicht recht durchsetzen, die ihr Wesens- 
gesetz auf das ganze Land übertrugen. Das 
hieß: Freiheit. Damit war jedoch nur die Pflege 
der kleinsten Gemeinschaften gemeint. Das Prin- 
zip dieser Gemeinschaften war, wie es der Lei- 
dener Geschichtsphilosoph Prof. Dr. H. Kreckel 
ausgedrückt hat, nur eine allgemeingültige 
Form, in die sich die Flucht aus der tieferen 
Verantwortung hüllte. 


Zur kleinen Gemeinschaft gehören nach der 
Darlegung Kreckels Eigentum und Familie, das 
Erworbene, Wohlfahrt, Häuslichkeit, Gelehr- 
samkeit, die Scheu, die feine Rücksicht und die 
Pflege der Reinheit. Alles kostbare Werte an 
sich. Doch die große Gemeinschaft quillt aus 
dem Wissen um die Verantwortlichkeit, dient 
einem das Ganze überragenden Ziel, erlebt die 
Ehrfurcht in umfassender Schau. Wo die große 
Gemeinschaft den Wurf wagt, ist die kleine nur 
zum Schutz ihrer Angehörigen da und fordert 
von dem Ganzen nur Rechte. In diese kleine 
Gemeinschaft flüchtete der holländische Mensch 
immer wieder zurück. Es war die Freiheit, sein 
Sondergemeinwesen auf jeglichem Gebiet der 
Lebensäußerungen zu erhalten. Jeder ließ jeden 
gewähren. Und doch führte diese falsch ver- 
standene Freiheit ohne höhere Bindung schließ- 


130 


lich zu einer freilich weithin noch nicht emp- 
fundenen Unfreiheit. 


Wie in der Politik daraus die Abhängigkeit 
von den Westmächten erwuchs, so führte wirt- 
schaftlich die ängstliche Sucht nach unveränder- 
ter Erhaltung des ererbten Wohlstandes zur 
Diktatur fremder Kapitalinteressen in der ge 
samten Wirtschaft. Handel und Seeschiffahrt 
waren von der Gnade der seebeherrschenden 
fremden Mächte abhängig. Die Kolonien lie- 
ferten längst nicht mehr ihren alten Ertrag. Die 
Industrie, wie das ganze Land, dem seit derMitte 
des 17. Jahrhunderts jeder Aderlaß erspart ge- 
blieben war, gewohnt, mit angeborener Spar- 
samkeit aus der Fülle zu wirtschaften, war nicht 
auf heimische Rohstoffe aufgebaut, da Nieder- 
land außer Kohle keine Bodenschätze besitzt. 
So wurde in vielen Fällen nur eine Veredelung 
eingeführter Waren zur Wiederausfuhr vor- 
genommen —, eine solide und handwerklich 
saubere Industrie, der im allgemeinen die Ra- 
tionalisierung der Serienerzeugung z. B. fernlag. 


Was blieb da der Landwirtschaft anderes 
übrig, als Menschen zu exportieren oder Ver- 
edelungswirtschaft zu betreiben. Die Nieder- 
lande entwickelten als Glied des Weltmarktes 
eine in ihrer Intensität und serienmäßigen Qua- 
litätsproduktion bewundernswerte Landwirt- 
schaft, die es selbst lange nicht empfand, 
wie sie in der Zwangsjacke des Liberalismus ein 
Opfer der Unfreiheit wurde. Bei einer Eigen- 
produktion von 1,4 Millionen t Getreide und 
Futtermittel wurde fast das Doppelte, 2,6 Mil- 
lionen t, eingeführt, vor allem als Kraftfutter, 
um bei der tierischen Veredelungsproduktion 
wieder Ausfuhren zu erzielen. Gut 10 v.H. der 
Fleischerzeugung, fast die Hälfte der Eier und 
die Hälfte des Käses wurden ausgeführt; bei 
Butter sogar mehr als die Hälfte, wobei jedoch 
die doppelte Menge als Rohstoff für Speisefette, 
Ole und Margarine wieder ins Land kam. Wer 
kennt nicht die Edelerzeugnisse des niederlän- 
dischen Gartenbaues, die Tomaten und das Ge- 
müse, die Pflanzen und Blumenzwiebein? Das 
sah in den ersten Jahren nach dem ersten Welt- 
krieg sogar nach einer schönen Blüte aus. Es 
war aber nur eine Konjunktur. Mit der Welt- 
wirtschaftskrise ab 1930 ging es bergab. Da man 
sich politisch im Schlepptau der Westmächte 
befand und deshalb der Warenaustausch mit dem 
neu erstehenden Reich nicht intensiviert wurde, 
kam es schließlich so weit, daß man weithin für 
die organisierte Vernichtung produzierte. Die 
Maiereignisse des Jahres 1940 haben einen 
schnellen, tiefgreifenden Wandel gebracht, der 
sich allmählich immer schärfer auswirkt. Es 
kommt nun darauf an, daß der Aufschwung 
nicht wieder nur eine Konjunktur wird, sondern 
eine grundsätzliche Wandlung im Gefüge und in 
der Haltung des niederländischen Landvolkes 
unter Erhaltung all der wertvollen menschlichen 
und natürlichen Grundlagen des reichen schò- 
nen Landes bringt. 


—— 9° 


— ——— 


Das Bevölkerungsproblem der Wirt- 
schaftswende 


Als im Mai 1940 der Führer den Befehl zur 
Besetzung der Niederlande gab, ist er damit 
gerade nicht der englischen Besetzung als Auf- 
marschgebiet gegen das Ruhrrevier zuvorge- 
kommen. Das Verhalten der landflüchtigen Re- 
gierung hat bewiesen, daß sie bereit war, das 


ahnungslose niederländische Volk auch noch. 


Kriegsdienste gegen das Reich und damit gegen 
Europa leisten zu lassen. Durch das schnelle 
Zupacken ist den Niederlanden zugleich das 
Schicksal eines ernsteren Kriegsschauplatzes 
und die sonst unvermeidlichen größeren Blut- 
opfer erspart worden. Was das bedeutet, be- 
ginnen die einsichtigeren Niederländer erst jetzt 
allmählich einzusehen. Außerhalb der Erneu- 
erungsbewegung von Mussert, der National- 
Sozialistischen Bewegung (NSB.), kann man 
selbst heute noch finden, daß die bolsche- 
wistische Gefahr mit der naiven Begründung, 
daß man ja selbst vom Kommunismus noch 
nichts erlebt habe, abgetan wird. Auch hier 
scheint sich langsam angesichts der Ereignisse 
im Osten und der spontanen Volkserhebungen 
der Randvölker im Ostland, nicht zuletzt auch 
auf Grund der Erfahrungen der niederländischen 
Freiwilligen im Osteinsatz, eine Änderung an- 
zubahnen. 


Kündigt sich so sehr leise ein politischer 
Wandel an, so ist er wirtschaftlich im Landvolk 
schon mit recht weittragenden Ergebnissen 
greifbar. Gerade bei der Fortschrittlichkeit und 
Intensität haben die Maßnahmen, die sich aus 
dem deutschen Einmarsch ergaben, die nieder- 
ländische Landwirtschaft vor einer Katastrophe 
bewahrt, die das Ende des noch aus der Ver- 
gangenheit geretteten Wohlstandes des ganzen 
Volkes hätte bringen müssen. 


Bei 9 Millionen Einwohnern finden über 
20 v.H. ihren Erwerb in Landwirtschaft und 
Gartenbau. Es ist also nicht, wie man vielfach 
annimmt, ein stark überwiegendes Agrarland. 
Daß Handel und Verkehr mit fast 30 v.H. der 
Bevölkerung besonders stark vertreten sind, er- 
klärt sich aus der überragend verkehrsgünstigen 
Lage am Rheindelta, ist aber auch eine Folge der 
Ubervölkerung und des Versuchs, in der Aus- 
wertung der hohen kaufmännischen Qualitäten 
einen Ausweg zu finden. 


Bei der engen Verflechtung auf knappem 
Raum ist es ein hervorragendes Kennzeichen, 
daß der Abstand zwischen Stadt und Land längst 
nicht so groß ist wie sonst in Europa. Im Land- 
schaftsbild wechseln wuchtige Bauernhöfe mit 
breit verstreuten Dörfern und weit aufgelocker- 
ten Städten, die nur in Amsterdam und Rotter- 
dam und schon kaum in Den Haag im Kern 
Großstadtcharakter annehmen. Man bewegt sich 
durch eine einzigartige Kulturlandschaft, in der 
nirgends die weitverteilte Besiedlung abreißt, 


selbst kaum in den Sandheidestrichen des 
Ostens. So ist der Städter unter idealen Wohn- 
verhältnissen landverbunden geblieben. Er weiß 
noch unmittelbar um die Arbeit des Landmannes 
und hat in weit größerem Maße als sonstwo sein 
Gärtchen. Das macht gerade heute die Ernäh- 
rungsfrage in der Stadt um so vieles leichter 
(allerdings auch den Schwarzhandell). 


Andererseits ist der Landmann überall in der 
Stadtnähe. Er kennt nicht die weiten und 
schwierigen Wege des Absatzes und der Heran- 
schaffung seines Bedarfes wie etwa der deutsche 
Osten. Er hat auch sonst Anteil an der Zivilisa- 
tion der Stadt. Viele Landprobleme des Reiches 
gibt es also hier gar nicht. 


Infolgedessen ist auch die Grenze zwischen 
Stadt und Land labil. In vielen Fällen hängt es 
von .der Konjunktur ab, ob der einzelne nun 
seinen Haupterwerb auf dem Land oder in der 
Stadt findet. Wenn bei der schan weitgehenden 
Zersplitterung nach einem Todesfall die Ab- 
findung der Erben in vielen Gegenden im Wege 
der Realteilung dort nicht mehr erträglich er- 
scheint, wird der Besitz Kapitalanlage und von 
der Familie oder einem fremden Käufer verpach- 
tet. Der Pächter aber hängt meist nicht am 
Boden. Wenn er unter ungefähr gleichen Ver- 
hältnissen einen anderen Betrieb bekommen 
kann, ist er schnell zu einem Wechsel bereit. 
Als Ergebnis dieser Entwicklung wird die Hälfte 
aller Betriebe von Pächtern bewirtschaftet. 


Neben dem vielen Klein- und Kleinstbesitz 
fällt eine starke Ubersetzung des Nährstand- 
gewerbes und der ungewöhnlich hohe Anteil des 
Handels auf. Hierzu trägt bei, daß manch ein 
Landwirt gleichzeitig Handel treibt oder neben- 
her gewerblich, meist saisonmäßig, tätig ist, vor 
allem aber sind die Verarbeitungs- und Ver- 
wertungsbetriebe, gerade auch Bäcker und 
Schlächter, zo zahlreich, daß sie bisher nur auf 
der längst im Schwinden begriffenen ehemaligen 
Wohlstandsgrundlage existenzfähig waren. 


Kommt dazu noch bei der Bevölkerungsdichte 
die Möglichkeit, leicht Arbeitskräfte zu bekom- 
men, so war das die Grundlage für eine Inten- 
sivierung, die in der Welt beispiellos ist. Je ha 
werden bei Freilandgemüse 1 bis 17 Arbeits- 
kräfte, bei Treibgemüse unter Glas 3 bis 4, bei 
Schnittblumen bis 12 und bei Topfpflanzen bis 
30 Arbeitskräfte beschäftigt. So hat die Uber- 
völkerung von der Arbeitsseite her die Inten- 
sivierung mit Qualitätsleistungen, auch in der 
Viehzucht und Veredelungswirtschaft, die in der 
Welt unerreicht sind, möglich gemacht. Um- 
gekehrt war aber eine solche Arbeitsintensität 
zur Uberdeckung der Ubervölkerung nur mög- 
lich, solange diese Qualitätserzeugnisse auch 
rentablen Absatz fanden. 


Das war seit 1930 in steigendem Maße nicht 
mehr der Fall. Bei der rein händlerischen Ein- 
stellung der maßgebenden Stellen wußte man 


; 131 


sich da nicht anders zu helfen, als schließlich auf 
Grund einer besonderen Krisengesetzgebung 
unter Bezahlung dürftiger Mindestpreise an die 
Erzeuger die unabsetzbaren Edelerzeugnisse zu 
vernichten. Wie in Südamerika Getreide ver- 
feuert und Kaffee ins Meer geschüttet wurde, 
nur um zum Zwecke der Hebung der Preise das 
Angebot zu verringern, so wurden hier Toma- 
ten, Weintrauben, Zwiebeln und andere gute 
Dinge gleich von der Veiling in die Kalkgrube 
gefahren. 


Auch in Industrie und Handel hatte die Uber- 
völkerung bei der Abhängigkeit von der Willkür 
des sogenannten Weltmarktes zu steigernder 
Erwerbslosigkeit geführt. Bei der Landverbun- 
denheit der Stadt schon etwas erträglicher 
flossen die Mittel hierfür und für die Krisen- 
gesetzgebung letzten Endes aus den Resten des 
ererbten Wohlstandes der Gesamtwirtschaft. 
Nur aus der noch von der Leistung der Vor- 
fahren aus dem 17. Jahrhundert überkommenen 
Fülle und der günstigen Verkehrslage als poli- 
tischer Zuschauer am europäischen Tor zur Welt 
war diese ganze wirtschaftliche Haltung des 
Liberalismus erklärlich. 


Da aber auch die Kolonien kapitalistisch er- 
traglos wurden, zeichnete sich schon das Ende 
des Wohlstandes und damit der Zusammenbruch 
des ganzen Systems drohend am Horizont ab. 


Voraussetzung der Gesundung 


Wir wissen, daß der Mai 1940 den Wandel 
gebracht hat. Es gibt heute schon längst keine 
Absatzkrise mehr und auch keine Arbeitslosig- 
keit. Das Reich würde auch eine vielfache 
Qualitätserzeugung abnehmen. Es muß im Wege 
der mit Erfolg eingeführten Selbstverwaltung 
eher dafür gesorgt werden, daß die Preise nicht 
überhöht werden. 

So hat für die Landwirtschaft ein neuer, echter 
Aufstieg eingesetzt, der zu einer schnellen Ent- 
schuldung der Betriebe und durch Agrargesetze 
nach deutschem Vorbild zur Sicherstellung auch 
der Pächter geführt hat. Der Einsatz niederlän- 
discher Arbeitskräfte im Reich hat dazu im Aus- 
gleich zum Ruhen mancher Gewerbe, insbeson- 
dere in den großen Uberseehäfen zunächst den 
schlimmsten Druck des Uberangebots an Ar- 
beitskräften genommen. Bei der Ubervölkerung 
und der engen Verbundenheit zwischen Stadt 
und Land ist damit der drohende Zusammen- 
bruch des Gebäudes der niederländischen Volks- 
wirtschaft abgewendet. Mit innerer Wandlung 
und äußerer Umstellung der Landwirtschaft und 
den entsprechenden Schlußfolgerungen in der 
übrigen Wirtschaft, sowie mit einem positiven 
schöpferischen Einsatz des wertvollen Bevölke- 
rungsüberschusses werden darüber hinaus die 
Voraussetzungen zu einem gesunden Aufbau der 
Wirtschaft der Niederlande sich schaffen lassen. 


Wer würde die Forderung aufstellen, daß sich 
die Mark Brandenburg einschließlich Berlin 


132 


lediglich aus der eigenen landwirtschaftlichen 
Erzeugung ernähren solle. Das ist aber der 
ungefähr zutreffende Vergleich zu den Nieder- 


- landen, die mit ihren 9 Millionen Menschen auf 


35000 qkm, also 273 Einwohner je qkm, zu den 
Gebieten mit der höchsten Bevölkerungsdichte 
gehören. Ist auch die niederländische Land- 
wirtschaft hoch intensiv, so waren doch früher 
zur Lebensführung erhebliche Einfuhren erfor- 
derlich. Bei der damaligen Einstellung auf dem 
Weltmarkt waren zur Ermöglichung der Ausfuhr 
der tierischen Veredelungsprodukte und der 
Gartenbauerzeugnisse, durch die sich die nieder- 
ländische Landwirtschaft ihren Weltruf geschaf- 


. fen hat, so umfangreiche Einfuhren vor allem an 


Getreide, Futtermitteln und Dlfrüchten notwen- 
dig, daß unter Berücksichtigung der Nährwert- 
verluste bei Verwertung durch die Tiermägen 
rund ein Drittel der Bevölkerung seine Ernäh- 
rungsbasis im Ausland hatte. 


Drei Jahre nach der Einordnung des Staates 
in die europäische Großraumwirtschaft ist das 
Ergebnis festzustellen, daß die planmäßige Um- 
stellung grundsätzlich die volle kriegsmäßige 
Eigenversorgung der Niederlande und bei Auf- 
rechterhaltung des Intensitätscharakters det 
altbewährten Spezialerzeugung einen recht an- 
sehnlichen Beitrag für die kontinentale Gemein- 
schaft gebracht hat. Das ist unter den vielfachen 
besonderen Schwierigkeiten des Krieges nur ein 
vorläufiges Ergebnis. Bei entsprechender Fort- 
entwicklung werden sich später unter normalen 
Verhältnissen zur dauerhaften kontinentalen 
Bodenständigkeit einer mustergültigen Intensiv- 
wirtschaft wohl manche inneren Verschiebungen 
ergeben; insgesamt wird aber die niederlän- 
dische Leistung noch erheblich steigen. 


Dieser Beitrag zur europäischen Erzeugungs- 
schlacht ist das Verdienst der Leiter der Haupt- 
abteilung Ernährung und Landwirtschaft beim 
Reichskommissar für die besetzten niederlän- 
dischen Gebiete, des inzwischen im Osten ge 
fallenen mecklenburgischen Landesbauernfüh- 
rers Graf Grothe und des Ministerialrates 
von der Wense mit ihren Mitarbeitern. Sie 
haben es verstanden, mit klarer und stetiger 
Führung das niederländische Landvolk zur An- 
eignung und Ausnutzung der bewährten Me- 
thoden des Reichsnährstandes zu bringen. Die 
Leistung selbst ist das Werk der niederlän- 
dischen Bauern und der nach dem Vorbild des 
Reichsnährstandes ausgebauten Wirtschaftsver- 
bände und landwirtschaftlichen Verwaltung. 


In der großen Linie läßt sich der erstaunlich 
schnell und wirksam durchgeführte Wandel so 
umreißen: 


Um die nicht mehr mögliche Einfuhr von jähr- 


| lich rund 3 Millionen t Getreide und Futtermittel 


zu ersetzen, mußte die mehr als die Hälfte der 
Nutzfläche umfassende Grünlandfläche ein- 
geschränkt werden. Bis Frühjahr 1943 waren 
über 200000 ha umgebrochen, ohne daß damit 


die Entwicklung schon abgeschlossen ist. So 
konnte u. a. die Brotgetreidefläche seit 1940 um 
90000 ha und die Kartoffelfläche um 85000 ha 
vergrößert werden. 


Ein weiterer wesentlicher Ausgleich ergab 
sich aus der Rückführung des Viehstapels auf 
die wirtschaftseigene Grundlage. Der Bestand 
von früher 33 Millionen Hühnern hatte mehr 
Getreide erfordert, als für die Ernährung der gan- 
zen Staatsbevölkerung erforderlich war, weil drei 
Hühner mehr fressen als ein Mensch benötigt. 
Der frühere Anfall von 2,6 Milliarden Eiern, 
von denen 1 Milliarde ausgeführt wurde, war 
kriegswirtschaftlich kein voller Gegenwert. 
Daher ist der Bestand auf 3,7 Millionen ver- 
ringert worden. Ähnlich ist bei dem nächst- 
großen Getreidefresser, dem Schwein, das ja 
ebenfalls meist in gewerblichen Betrieben ge- 
halten wurde, der Bestand von 1,6 auf 0,5 Mil- 
lionen herabgedrückt worden. Da von den auf 
dem Veredelungswege über den Viehmagen 
verwerteten, auch für den Menschen geeigneten 
Nahrungsmitteln beim Huhn 90 v.H. beim 
Schwein 70 v.H. verlorengehen, sind hier die 
Bestände auf das mit absolutem Futter und Ab- 
fällen durchzuhaltende Maß gebracht worden. 
In gleicher Weise ist der hochwertige Rindvieh- 
stapel mit 2,4 Millionen Tieren den gegebenen 
Verhältnissen angepaßt. 


Zum Ausgleich im Fetthaushalt ist der Ol- 
fruchtanbau von 3000 auf über 50000 ha aus- 
gedehnt worden. Dabei fallen neben 30 Mil- 
lionen kg Fett noch 60 Millionen kg Olkuchen 
als zusätzliches Kraftfutter an. Bei einer ge- 
wissen Ausweitung des Zuckerrübenanbaues 
hat außerdem die Gemüseanbaufläche eine Er- 
weiterung um 30 v.H. erfahren. Schließlich ist 
— um nur die wichtigsten Änderungen heraus- 
zugreifen, die Anbaufläche für Saatgut und 
Sämereien von 8100 auf 23400 ha gesteigert 
worden, während der Blumenbau um die Hälfte 
verringert worden ist, 


Mit diesen Maßnahmen, zu denen noch u. a. 
die verbesserte Verwertung der Nebenerzeug- 
nisse, die Absatzorganisation und andere Aus- 
hilfen der Wirtschaftsführung und Arbeitslen- 
kung kommen, ist über die Eigenversorgung des 
Landes hinaus auch die Kontinentalwirtschaft 


unmittelbar und mittelbar gefördert worden. 


Die Lebensmitteldecke des Landes ist knapp, 
aber ausreichend. 


Die Ubergangszeit nach dem Einmarsch im 
Mai 1940 bis zum Beginn der Auswirkungen der 
organisch erfolgten Eingliederung in die Er- 
zeugungsschlacht haben die zum Teil großen, 
im Lande lagernden Vorräte erleichtert, so daß 
Lebensmittellieferungen nicht nötig waren. Es 
konnten sogar zunächst in erheblichem Umfange 
aus dem Abbau der Bestände und Vorräte Nah- 
rungsmittel nach dem Reich geliefert werden. 
Die Getreide- und Futterbilanz einschließlich 


Hackfrüchte geht jetzt auf. Als Beitrag zur 
europäischen Versorgung werden gegenwärtig 
nach Angaben des niederländischen General- 
direktors für die Ernährung, Ing. S. L. Louwes, 
von der Gesamterzeugung geliefert: Etwa 10 v.H. 
bei Käse, 20 v.H. bei Eiern, 25 v.H. bei Fleisch 
und Hülsenfrüchten und noch mehr bei Gemüse. 
Bei Fett war ein Drittel der alten Bestände aus- 
geführt worden, in geringerem Maße auch noch 
bis 1941 Butter. Im Zusammenhang mit der Um- 
stellung der Erzeugung wird seitdem nur noch 
technisches DI geliefert. Von besohderer Be- 
deutung ist die umfangreiche Ausfuhr von Saat- 
gut und Sämereien. 


Dreierlei, was sich nicht in der Augenblicks- 
wirkung berechnen läßt, ist aber noch als be- 
sonderer Beitrag zur europäischen Erzeugungs- 
schlacht zu verzeichnen. 


Das ist neben der Lieferung von Saatgut die 
Befruchtung der europäischen Viehwirtschaft 
mit hochleistungsfähigem Zuchtvieh als Grund- 
lage für die Leistungssteigerung vor allem der 
europäischen Milchwirtschaft. Das ist weiter 
die Fortsetzung der Landgewinnungsarbeiten, 
besonders in der ehemaligen Zuidersee, und die 
entsprechende schöpferische Arbeitsleistung 
dieser unerreichten Künstler der Wasserwirt- 
schaft in ganz Europa. Und schließlich wird 
dafür gesorgt, daß nach dem Maße der anderweit 
in Europa gegebenen Möglichkeiten, insbeson- 
dere in späteren Friedenszeiten, die wertvollen 
Grundlagen der hochintensiven Kulturen weiter 
ausgewertet werden können. 


Die Niederlande sollen ja nicht entgegen 
ihrer Struktur über die Lieferung der Grundlagen 
zur eigenen Ernährung hinaus zu einem Ge- 
treidebaugebiet zurückentwickelt werden. Sie 
sollen sich als Veredelungsland im europäischen 
Kontinent voll auswirken können. So bleibt 
alle Sorgfalt vor allem dem Viehstapel gewid- 
met. Unter Beibehaltung der wertvollen Zucht- 
viehbestände sind jetzt rund 30 v.H. des Rinder- 
stapels abgebaut worden, um sich der natür- 
lichen und bodenständigen Futterbasis anzupas- 
sen. Bei Schweinen ist der Aufbau infolge Scho- 
nung des hochwertigen Sauenbestandes jeder- 
zeit leicht möglich. Ebenso sind bei Hühnern 
die hochleistungsfähigen Stämme bei weiterer 
scharfer Auslese beibehalten. Daß die Gemüse- 
und Obstkulturen, vor allem die unter Glas ohne 
weiteres zur vollen Ausnutzung dieses euro- 
päischen Gartens ausgeweitet werden können, 
ist klar. So bleibt durchaus die Basis gewahrt, 
um so bald wie möglich über die heimische Er- 
nährung hinaus nach Menge und Güte den künt- 
tigen niederländischen Beitrag für den Kontinent 
auf den denkbar höchsten Friedensstandard zu 
bringen. In bodenständig umgestellter In- 
tensivwirtschaft haben sich die Niederlande 
ihren Platz in der europäischen Erzeugungs- 
schlacht dieses Krieges und des kommenden 
Friedens gesichert. 


133 


HEINRICH STRATHUS: 


Der P fanobr ief im Agrarkredit 


0 


Ik einer Zeit, in der ein nennenswerter Kredit- 
bedarf der Landwirtschaft nicht vorhanden ist, 
sondern im Gegenteil die Tilgung vorhandener 
Schulden zunimmt und gleichzeitig erhebliche 
Geldguthaben in Gestalt von Spar- und Konto- 
korrenteinlagen, Wertpapieren sowie von Ver- 
sicherungsansprüchen angesammelt werden, 
mag es manchem müßig erscheinen, die Frage 
der Einschaltung des Pfandbrief- 
kredits in das künftige Gesamt- 
system des Agrarkredits zu unter- 
suchen. Wer aber über die kriegsbedingten Er- 
scheinungen der Erzeugung, der Substanzent- 
wicklung und des Geld- und Kreditbereichs 
hinaus sich den offenen Blick für die künftigen 
Notwendigkeiten und Möglichkeiten landwirt- 
schaftlicher Finanzierung bewahrt, wird eine 
solche grundsätzliche Betrachtung keineswegs 
für überflüssig halten. Die heutige Geld- 
flüssigkeit in der Landwirtschaft 
erklärt sich im wesentlichen aus der Unmög- 
lichkeit, die erforderlichen Ergänzungs- und Er- 
neuerungsanschaffungen vorzunehmen. Die Ver- 
wendung des weitaus größten Teils der gegen- 
wärtigen Geldüberschüsse der Landwirtschaft 
ist nach dem Kriege vorausbestimmt für die 
Nachholung von unterbliebenen Reparaturen, 
Erneuerungen und Neuanschaffungen sowohl 
im Betrieb als auch im Haushalt. 


In welcher Höhe sich nach Kriegsende ein 
Kreditbedarf der Landwirtschaft 
herausstellen wird, läßt sich heute nicht über- 
sehen und hängt von folgenden Faktoren ab: 


1. von der Größe der dann vorhandenen 
Geldüberschüsse im Verhältnis zur 
Größe des gesamten Nachholungs- und Er- 
gänzungsbedarfs, bzw. vom Umfang der 
im Kriege erfolgten Schuldentilgung 
im Verhältnis zur Neuverschuldung zwecks 
Deckung dieses Bedarfs; 


2. von der Größe der notwendigen Neu- 
investitionen zwecks Leistungsstei- 
gerung und der jeweiligen Möglichkeit 
ihrer gütermäßigen Durchführung, 


3. von den künftigen Realerträgen der 
Landwirtschaft, d.b. dem Verhältnis der 


134 


Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse 
zu den Preisen der landwirtschaftlichen 
Bedarfsgüter und damit von der Möglich- 
keit, Teile der Investitionen aus eigenen 
Geldüberschüssen im Wege der Selbst- 
finanzierung zu decken; 


4 von der Zinsleistungsfähigkeit 
der Landwirtschaft im Verhältnis zu den 
künftigen Zinssätzen im Personal- und 
Realkredit. 


Alle diese Bedingungen lassen sich in ihren 
Auswirkungen nicht abschätzen. Nur gewisse 
Tendenzen heben sich schon jetzt heraus. 
Es ist zum mindesten zweifelhaft, ob die Geld- 
überschüsse bzw. der neugewonnene Verschul- 
dungsspielraum ausreichen, um den vollen Aus- 
gleich der Substanzverluste des Krieges herbei- 
zuführen. Möglicherweise muß also später aus 
laufenden Uberschüssen oder durch zusätzliche 
Kreditaufnahme dieser volle Ausgleich ermög- 
licht werden. Dies hängt von den allgemeinen 
wirtschaftspolitischen Maßnahmen nach dem 
Kriege zwecks Verringerung des volkswirt- 
schaftlichen Kaufkraftüberschusses ab. Auf 
jeden Fall wird die Notwendigkeit bestehen, das 
Verhältnis der landwirtschaftlichen Erlöspreise 
zu den Kostenpreisen zugunsten der Landwirt- 
schaft zu verbessern, sei es durch Heraufsetzung 
der ersteren oder durch Senkung der letzteren. 
Damit würde auch sichergestellt werden, daß die 
Landwirtschaft die Voraussetzung für ein gesun- 
des Maß einer Selbstfinanzierung ihrer wich- 
tigen Investitionen erhält. 


Weiter kann es als sicher gelten, daß die 
ungeheuren Aufgaben auf dem Gebiete landwirt- 
schaftlicher Neuinvestition, wie das Aufbau- 
programm „Aufrüstung des Dorfes“, Ver- 
besserung des lebenden Inventars, des landwirt- 
schaftlichen Wohnwesens, die Auflockerung der 
Dorflagen, die Landeskulturarbeiten usw., für 
die im Rahmen eines Zehnjahresprogramms 
Kosten errechnet waren, die weit über 60 Mil- 
liarden RM. hinausgehen, erst im Laufe der Zeit 
mit einer normalen Quote durchführbar sein 
werden, da die gütermäßigen Vorbedingungen 
erst nach und nach geschaffen werden müssen. 


Aber auch wenn man die güterwirtschaftlichen 
Hemmungen der riesigen landwirtschaftlichen 
Investitionsprogramme in Rechnung stellt, wird 
der Kreditbedarf im Rahmen der praktischen 
Durchführung groß sein und mit der Zeit 
ständig anwachsen. Da viele dieser Pla- 
nungen erst auf lange Sicht die beabsichtigte 
Leistungssteigerung und den entsprechenden 
Mehrerlös erwarten lassen, muß in der Haupt- 
sache neben der Gewährung von Beihilfen, die 
bei dieser Betrachtung außer Erwähnung bleiben 
können, dafür echter unkündbarer Dauer- 
kredit zur Verfügung stehen, wenn das erfor- 
derliche Gleichgewicht zwischen Mehrerlös und 
Mehrkosten gewahrt werden soll. Damit haben 
wir den Standpunkt gewonnen, der für die 
Beurteilung der künftigen Mitwirkung des 
Pfandbriefkredits an der Erfüllung der 
agrarkreditpolitischen Aufgaben entscheidend 
ist. Es liegt im besonderen Wesen des Pfand- 
briefkreditsystems, daß es sich nicht einfach 
auf eine Kreditvermittlung beschränkt, sondern 
daß es den aufgenommenen Kredit in für den 
Schuldner zweckmäßiger Form umwandelt. Der 
Gläubiger, also der Pfandbriefbesitzer, kann 
seine Forderung gegen das Pfandbriefinstitut 
nicht zurückziehen, kann aber seinen Anspruch 
mit Hilfe eines bei uns in Deutschland be- 
sonders gut funktionierenden Kapitalmarktes 
jederzeit mobilisieren. Dem Hypothekenschuld- 
ner erwächst daraus der Vorteil, daß der ihm 
gewährte Kredit seitens des Darlehnsgebers 
ohne jede Einschränkung unkünd- 
bar ist, nicht nur praktisch sondern auch 
rechtlich, und daß er es trotzdem nicht — wie 
etwa im Verhältnis von Industriewerken zu 
ihren Anleihegläubigern — mit einer Masse 
anonymer Gläubiger zu tun hat, sondern mit 
einem Pfandbriefinstitut, das die Erforder- 
nisse, Sorgen und berechtigten 
Wünsche der Schuldner kennt und 
auf sie weitgehend Rücksicht nimmt und das 
ein ausgesprochenes Vertrauensverhält- 
nis zu den Darlehnsnehmern wahrt. Diese be- 


sondere Konstruktion des Pfandbriefkredits bat 


sich seit Friedrich dem Großen in einer nun 
fast 200jährigen Geschichte bewährt und bietet 
auch in Zukunft allein die Möglichkeit, unkünd- 
bare Amortisationshypotheken in individueller 
Form auszuleihen. 


Dieser Tatbestand ist aber für die landwirt- 
schaftliche Kreditversorgung von größter Be- 
deutung. Denn gerade die Landwirtschaft benö- 
tigt infolge ihrer langen Umschlagsfristen und 
der Dauer des Zeitraums, in der sich zahlreiche 
Investitionen über normale Abschreibungen in 
den Erlösen der Produkte niederschlagen kön- 
nen, des langfristigen Amortisationskredits. Sie 
muß auf die absolute Unkündbarkeit und die 


* 


daraus resultierende langfristige Begren- 
zung des Aufwandzinses nach oben 
deshalb Wert legen. Diesen Notwendigkeiten 
trägt aber der Pfandbriefkredit in besonders 
hohem Maße Rechnung und gibt dabei trotzdem 
die Gewähr, daß Senkungen des landesüblichen 
Zinsniveaus im Wege der im Pfandbriefkredit 
besonders erfolgreichen Zinskonversionen auch 
in einer Ermäßigung der landwirtschaftlichen 
Hypothekenzinssätze ihren Ausdruck finden. 
So bietet also das Pfandbriefdarlehn Schutz vor 
Kündigung zu unpassender Zeit, im Gegensatz 
vor allem zur privaten Fälligkeitshypotkek, und 
Schutz vor Zinssteigerungen in der ganzen Laut- 
zeit bis zur völligen Abtilgung, bietet aber 
gleichzeitig die Chance einer Zinsermäßigung. 
Bei so langen Zeiträumen bis zu einem Men- 
schenaller ist dies auch unter den gegenwärtigen 
und künftigen Verhältnissen von großer prak- 
tischer Bedeutung. 


Man muß dabei allerdings in Zukunft die 
Grenzen der Hypothekarkredit- 
aufnahme in der Landwirtschaft 
wesentlich strenger beachten, als 
dies in der Vergangenheit geschehen ist. Dabei 
sind drei Gruppen des Geldbedarfs zu unter- 
scheiden. Eine Verlustfinanzierung 
durch Kreditaufnahme, wie sie nach 1924 in 
nicht unerheblichem Maße erfolgte, muß unbe- 
dingt unterbleiben. Eine zusätzliche Verschul- 
dung wird aber in der Regel auch überall dort 
nicht in Frage kommen, wo der Verwendungs- 
zweck des Kredits nicht eine ungefähr ent- 
sprechende Ertragssteigerung gewährleistet, 
durch die die Zinsdifferenz gedeckt wird. Das 
wird vor allem bei den hochverschuldeten Be- 
trieben, ob Erbhof oder nicht Erbhof, zu berück- 
sichtigen sein, während in Grenzfällen bei 
unverschuldeten oder gering verschuldeten Be- 
trieben ein etwas weniger strenger Maßstab 
angelegt werden könnte. Auf jeden Fall müssen 
die Erbabfindungen künftig aus eigenen 
Überschüssen durch Sparguthaben oder Ver- 
sicherungen gedeckt werden. Aber auch für die 
Durchführung etwa des Landarbeiter- 
wohnungsbaus oder desjenigen Teils der 
Aufgaben im Rahmen der Aufrüstung des 
Dorfes, der keinen annähernden Mehrertrag 
bringt, muß, soweit nicht aus volkswirtschaft- 
lichen Gründen eine Beihilfengewährung er- 
folgt, auf den Weg der Selbstfinan- 
zierung verwiesen werden, wofür die erlös- 
mäßigen Voraussetzungen zu gegebener Zeit 
geschaffen werden müssen. 


Für diejenigen Investitionen, die sich prak- 
tisch in wenigen Jahren amortisieren, ist die 
Inanspruchnahme mittelfristiger Per- 
sonalkredite bis zu fünf bis sechs Jahren 
Dauer unbedenklich, wobei allerdings in 


135 


manchen Fällen höhere Abzahlungsraten 


zu empfehlen sind, da darin eine gewisse Kon- 
trolle dafür liegt, daß für bestimmte Finan- 
zierungen auch die zweckentsprechende Kredit- 
form benutzt wird. In diese zweite Gruppe des 
Geldbedarfs fallen vor allem die Anschaffungen 
von Geräten, Maschinen, Einrichtungen usw. 


Die dritte Gruppe umfaßt den echten un- 
kündbaren Dauerkredit, der in langen 
Zeiträumen amortisiert wird und dessen Ver- 
wendungszweck z. B. in der Errichtung von 
Wirtschaftsgebäuden, der Durchführung von 
Meliorationen, des Aufbaus der Viehbestände, 
der erfahrungsgemäß lange Zeit dauert, usw. 
liegt. Bei genügender wirtschaftlicher Fun- 
dierung ist selbstverständlich auch gegen die 
Aufnahme von Hypothekarkredit zwecks Er- 
richtung von Wohngebäuden ebensowenig 
volks- und betriebswirtschaftlich etwas einzu- 
wenden, wie dies z.B. gegen die Errichtung von 
Eigenheimen in der übrigen Bevölkerung mög- 
lich ist. In dieser Gruppe der langfristigen 
Kreditaufnahme wird der Pfandbriefkredit in 
Zukunft angesichts seiner natürlichen Vorzüge 
eine wichtige Rolle zu spielen haben. 


Wenn die obengenannten Grundsätze einer 
künftigen Kreditaufnahme in der Landwirtschaft 
gewahrt werden und man auf den Zusammen- 
hang zwischen dem Kredit und seinem Verwen- 
dungszweck und seiner wirtschaftlichen Unter- 
lage einerseits und das Verhältnis zwischen 
Zinsleistungsfähigkeit und Zinslast andererseits 
streng achtet, dann kann die Aufnahme auch 
von Pfandbriefkredit niemals zu ernsteren Span- 
nungen führen. Dann ist die Wiederholung jener 
Entwicklung nach 1924 unmöglich, in der 75 bis 
80 v.H. der gesamten Aufnahme von langfristi- 
gem Kredit entweder zur Verlustfinanzierung 
oder zu Erbabfindungen oder zur Finanzierung 
von Bodenerwerb (Restkaufgelder) Verwendung 
gefunden haben. Zusammen mit der Stabilhal- 
tung der Erlöse im Rahmen der landwirtschaft- 
lichen Marktordnung wird durch zweckmäßigen 
Einsatz der Kredite und Wahrung angemessener 
Relationen zwischen Erlösbesserung und Zins- 
last für den Gläubiger ein hohes Maß an 
Sicherheit seiner Geldhergabe erreicht. Ange- 
sichts der erheblichen Risikenstreuung Im Piand- 
briefkredit werden diese Tatsachen auf die Be- 
dingungen der Kreditbeschaffung über den 
Ptandbrief nicht ohne günstige Auswirkungen 
bleiben. 


Dazu kommt, daß auch von der Seite der 
Kapitalmarktpolitik der Pfandbriefkredit eine 
wesentliche Stärkung erfahren hat und auch in 
Zukunft erfahren wird. Eine straffe Kapi- 
tallenkung wird unter allen Umständen 
solche Schwankungen in den Pfandbriefkursen 


136 


daB Pfandbriefe 


und damit auch in der Zinsbelastung der Land- 
wirtschaft unmöglich machen, wie sie nach 
1924 zunächst eintraten und wie sie sich teil- 
weise auch in der großen Krise wiederholten. 
Ein schrankenloser Wettbewerb um anlage 
bereite Ersparnisse ist schon seit Jahren unter- 
bunden, wobei das Instrument der offenen 
Marktpolitik der Reichsbank zum Zwecke der 
Stabilisierung des Kapitalmarktes bisher noch 
kaum eingesetzt zu werden brauchte. Aber auch 
in sich selbst hat das deutsche Pfandbriefkredit- 
system in der Vergangenheit wesentliche 
Voraussetzungen geschaffen, die seine hohe 
Eignung auch im Agrarkredit sichern. Niemand 
bestreitet heute, Was auch die Erfahrung immer 


wieder gelehrt hat, daß unter allen Renten- 


werten die Pfandbriefe ganz beson- 
ders sorgfältig und dauerhaft bei 
den Sparern untergebracht sind, daß 
die Kurspflege der Pfandbriefinstitute vor- 
bildlich ist und daß dadurch auch die Bedin- 
gungen für möglichst billige Kreditver- 


sorgung der Schuldner, also nicht zu- 


letzt auch der Landwirtschaft, gegeben 
sind. Zu den Daueranlegern von Pfandbriefen 
gehört nicht zuletzt auch die Landwirtschaft 
selbst — man denke nur an die Pfandbriefe der 
Landschaften und anderer öffentlich-rechtlichen 
Kreditinstitute in Norddeutschland und die der 
Hypothekenbanken vor allem in Süddeutsch- 
land. 


Bei dem besonders guten Emissionskredit des 
Pfandbriefsystems, der während des Krieges 
stark geschont worden ist, unterliegt es keinem 
Zweifel, daß Pfandbriefe nach dem Kriege zu 
gleich günstigen Bedingungen wie z.B. die 
gegenwärtig mit dem niedrigsten Nominalzins 
ausgestatteten Reichsschatzanweisungen glatt 
und dauerhaft untergebracht werden können. 
Der gegenwärtige Zinsabstand von 
%ProzentzwischenReichsanleihen 
und Pfandbriefen, dessen relativ ver- 
teuernde Wirkungen sich bei der Geringfügig- 
keit des Beleihungsgeschäfts nicht nennenswert 
bemerkbar machen, kann nach dem Kriege 
um so eher verschwinden, als von einer 
Konkurrenz zwischen Reichskredit und Pfand- 
briefkredit im Zeichen staatlicher Kapital- 
merktlenkung keine Rede mehr sein kann und 
als im Rahmen der dringlichen volkswirtschaft- 
lichen Finanzierungen die Durchsetzung des 
jeweils billigsten Zinssatzes eine Selbstver- 
ständlichkeit ist. Die Voraussetzungen dafür, 
zum landesüblichen lang- 
fristigen Zinssatz abzusetzen sind und dab 
damit auch die Finanzierung der Landwirt- 
schaft mit Pfandbriefhypotheken zu den gün- 
stigsten Bedingungen erfolgen kann, werden 
unbedingt gegeben sein. 


KURT REINL: 


Der bäuerliche Wesenskern 
des germanischen Volkstums 


Die in dem folgenden Aufsatz umriesenen Gedanken- 
ginge wurden in einem in Vorbereitung befindlichen Buch 
des Verfassers ‚Das Bauerntum im völkischen Umbruch“, 
Keier C. Engelhardt, Berlin, näher ausgeführt und be- 
gr et. 


Fest alle groBen Umwälzungen der Geschichte 


spielen sich auf dem Hintergrund rassen- ` 


seelischer Gegensätze ab, die nichts anderes be- 
deuten als eine Auseinandersetzung verschie- 
dener menschlicher Wesensrichtungen, die in 
ein und demselben Raum um die Vorherrschaft 
ringen. Auch das weltumspannende Geschehen, 
dessen Zeugen wir sind, ist in seinem tiefsten 
Grunde ein solcher Zusammenprall einander 
entgegengesetzter Rassenseelen, nämlich — so- 
weit es sich im europäischen Raum abspielt — 
die endgültige Austragung des Zwie- 
spalts, der seit Jahrhunderten zwi- 
schen dem Germanentum einerseits 
und jenem jüdisch-vorderasiatischen 
Geist andererseits besteht, der erstmalig 
über das Rom der Verfallszeit in den germani- 
schen Lebensbereich einzudringen vermocht 
hatte. Demgemäß verkörpern die beiden Kraft- 
zentren, zwischen denen die Entscheidung fallen 
wird, in Idee und Wille das Wesensabbild jener 
Rasse, die jeweils als ihr Ausgangspunkt bzw. 
Träger anzusehen ist: der Nationalsozialismus 
als Erscheinungsform der deutschen Erneue- 
rung das Idealbild eines geläuterten germa- 
nischen Volkstums, der Bolschewismus dagegen 
die unverhüllte Fratze des ewigen Juden, der 
seit Jahrhunderten den germanischen Lebens- 
bereich zu unterhöhlen versucht. 


Daraus folgt, daß die Erkenntnis der 
wesensmäßigen Grundlagen jenes 
germanischen Volkstums eine notwen- 
dige Voraussetzung für das Verständnis der sich 
anbahnenden Entscheidungen und der Kraft- 
linien ist, die sich in dem gewaltigen Ringen 
unserer Tage kreuzen. Unter diesem Wesens- 
kern verstehen wir die Summe aller jener Eigen- 
schaften, die sowohl biologisch als auch geistig- 
seelisch der Bestandserhaltung und Weiterent- 
wicklung des nordischen Menschentums zu den 
höchsten und leistungsfähigsten Formen dien- 
lich sind; er bedeutet daher gleichzeitig den 
Angelpunkt, von dem alle schöpferischen Kräfte 
dieser Rasse ihren Ausgang nehmen und der 
somit auch allein Träger einer Entwicklung sein 


` 


kann, die sich die Entfaltung aller dieser Kräfte 
zum Ziele gesetzt hat. 


Diesen Wesenskern nun finden wir, je mehr 
wir die uns bekannten Eigenschaften der nor- 
dischen Rasse auf ihren Ausgangspunkt zurück- 
zuführen suchen, desto deutlicher in dem 
eigenartigen Verhältnis des nor- 
dischen Menschen zu Natur und Kos- 
mos, in dem wir zugleich den Quell seiner 
Kraft und das gestaltende Gesetz seines Wesens 
zu erblicken haben. Niemand ist in seinem 
Inneren stärker, dabei bewußter und in so aus- 
gesprochen schöpferischer Weise mit Erde und 
Weltall verbunden wie er. Im Gegensatz zu den 
Menschen primitiverer Stufe — die entweder, 
wie die sogenannten „Naturvölker“, mehr oder 
weniger passiv in den Rahmen der Schöpfung 
hineingestellt oder durch ihren nomadenhaften 
Trieb in die Rolle des reinen, in seinem Wirken 
letzten Endes unfruchtbaren Nutznießers ge- 
wiesen sind — steht er zur Erde in einem Ver- 
hältnis, in welchem Einordnung unter ihre Ge- 
setze schöpferische Kraft bedeutet, weil sie 
auf einer tieferen, geist-seelischen Ebene erfolgt, 
die ihn näher an die Wurzeln allen Seins heran- 
führt. Es ist die instinktiv erfühlte Ahnung einer 
unendlichen göttlichen Kraft und eines gött- 
lichen Ordnungswillens, der das Weltall durch- 
dringt, was seinem Verhältnis zu diesem den 
entscheidenden Inhalt und seinem Wesen die 
grundsätzliche Richtung gibt. Er empfindet die 
Unwandelbarkeit der Naturgesetze weder als 
Fessel noch als unentrinnbares Fatum, dem man 
sich willenlos zu fügen hat, sondern als den 
Ausdruck einer höheren Ordnung, die 
ihre gestaltende Macht bis tief in das Einzel- 
leben hinein erstreckt, dabei aber niemals ent- 
wicklungshemmend wirkt, sondern im Gegenteil 
eine fruchtbare Entfaltung des Lebens überhaupt 
erst ermöglicht. Ordnung als Grundlage und 
Voraussetzung eines erhabenen Schöpfertums — 
das ist der eigentliche Inhalt des Naturlebens 
des nordischen Menschen. Dieses Erlebnis 
schafft gleichsam die Brücke, über die ein Teil 
dieses Schöpfertums auch in seine eigene Seele 
überströmen und ihm biologisch wie geistig 
unvergleichliche Antriebe verleihen kann. 


Hier liegen unzweifelhaft die tiefsten Wurzeln 
der einzigartigen Leistungskraft und Fruchtbar- 


137 


keit der nordischen Rasse — zugleich aber 
auch die Grenzen beider, die in dem 
Augenblick sichtbar werden, in dem sich dieses 
sein Verhältnis zu Natur und Erde löst. Der 
Primitive mag unberechenbare Erdgeister an- 
beten oder sich aus den Geschöpfen seiner 
Phantasie Fetische machen — der nordische 
Mensch spürt hinter allem Erdhaften den großen 
Atem eines unendlichen Gottes walten, und was 
das Entscheidende ist: er fühlt, daß dieser Atem 
auch sein eigenes Dasein mit belebender Kraft 
durchdringt, solange er sich in die Ordnung der 
Schöpfung fügt. Der „Naturmensch“ bevölkert 
die Erde mit Göttern, dem nordischen Menschen 
dagegen ist die Erde selbst ein Teil Gottes, er 
ist Pantheist in dem Sinne, daß ihm alles 
Irdische von dem Geist, den wir „Gott“ nennen, 
beseelt erscheint. Und, was wiederum wesent- 
lich ist: er fühlt sich in dieser Weise durchaus 
als zur Natur, zur Erde — und damit zu Gott! — 
gehörig, eins mit ihr und ihrer Ordnung aus 
voller innerer Bejahung heraus untertan. 


Von diesem Wesenskern aus sind ohne 
Schwierigkeiten die markantesten Eigenschaften 
abzuleiten, aus denen sich das Charakterbild des 
germanischen Menschen zusammensetzt. Das 
gilt vor allem für zwei typische Merkmale, die 
von größter Bedeutung für die Entwicklung und 
das Schicksal aller nordischen Völker waren 
und in alle Zukunft sein werden: eine tiefe, 
gläubige Lebensbejahung und ein 
klarer Sinn für Ordnung als Voraus- 
setzung allen schöpferischen Wir- 
kens. Die enge Naturverbundenheit des 
germanischen Menschen läßt ihn das Leben als 
das erkennen, was es ist, nämlich als das größte 
Wunder der Schöpfung, dem zu dienen den Sinn 
des eigenen Daseins erfüllen heißt. Aus dieser 
Erkenntnis entspringt eine unbedingte Be- 
jahung des Lebens in allen seinen Erscheinun- 
gen, gleichzeitig aber auch jene Ehrfurcht vor 
ihm, die allezeit das Kennzeichen germanischen 
Wesens war. In der lebendigen Kreatur offen- 
bart sich dem Germanen jederzeit die Gegen- 
wart Gottes auf Erden, sie ist ihm die 
Verkörperung des unablässig schöpferischen 
Willens des Allmächtigen, der kein Beharren 
kennt, sondern nach stetiger Entwicklung. 
ewiger Verjüngung des Geschaffenen drängt. 
Diesen Kreislauf aufrechtzuerhalten, bedeutet 
ihm daher „Gottesdienst“ schlechthin. Er sieht 
darin die tiefste Rechtfertigung seines Daseins, 
die diesem eine Aufgabe und Verantwortung 
überträgt, die schwer genug wiegt, um es mit 
einer bestimmten Größe, ja Weihe, zu erfüllen. 


Diese zutiefst im religiösen Empfinden wur- 
zelnde Lebensbejahung hat nichts mit „Primi- 
tivität“ zu tun, sondern ist vielmehr Ausfluß 
einer viel tieferen und reineren Schau der 
irdischen Dinge, als sie unserer „modernen“ 
Zeit eigen war, die den Sinn des Daseins vor- 
wiegend in Zusammenhang mit dem Glücks- 
streben des einzelnen brachte. Daß eine Auf- 
fassung wie die letztgenannte gegenüber der 


138 


dem nordischen Menschen eigentümlichen als 
unorganisch und lebensfremd erscheint, bedarf 
keiner weiteren Erläuterung. Die Natur erkennt 
dem individuellen Glücksbedürfnis nirgends den 
Vorrang vor den Lebensinteressen der Gattung 
zu. Ihr Ziel ist und bleibt vielmehr in erster 
Linie die Erhaltung der Art, und sie läßt 
keinen Zweifel darüber, daß ihr das Einzelleben 
nur von diesem Gesichtspunkt her wesentlich 
erscheint. Der nordische Mensch entkleidet 
diese Tatsache ihrer scheinbaren Primitivität, 
indem er den höheren, göttlichen Willen er- 
kennt, der sich dahinter birgt. Wenn Gott im 
Lebendigen allgegenwärtig auf Erden ist, dann 
bedeutet Pflege und Weitergabe des Lebens 
Fortzeugung des Göttlichen selbst, einen Bei- 
trag zur „Unsterblichkeit“ Gottes, Bannung 
seiner Majestät in den Kreis des Irdischen — 
also „Gottesdienst“ von einer unmittelbaren 
Kraft und Wirksamkeit, der gegenüber alle 
kirchlichen Riten als blutleer und wirklichkeits- 
fremd erscheinen müssen. So tritt im Bereich 
der germanischen Seele immer wieder die Vor- 
stellung zutage, daß Gott irgendwie des Men- 
schen bedarf, um im irdischen Umkreis Gott 
zu sein. 


Es wirkt daher wie der Vollzug eines unent- 
rinnbaren Gesetzes rassenseelischer Bindung, 
daß der Edelste aller deutschen Christen, 
Meister Eckehard, in seinem Suchen nach 
einem deutschen Glaubensinhalt im römischen 
Dogmengerüst zuletzt zu seinem gewaltigen 
Bekenntnis von der verborgensten Einheit von 
Gott und Mensch kommen mußte — zu der 
Lehre, daß Gott den Menschen braucht, um sich 
in ihm in seiner ganzen Herrlichkeit offenbaren 
zu können. Eckehard lag naturgemäß das bio- 
logische Denken, wie es uns heute geläufig ist, 
fern, und er konnte seine Erkenntnisse nur in 
das Gewand der Vorstellungen seiner Zeit 
kleiden; was ihnen aber unzweifelhaft zugrunde 
liegt, ist jenes urnordische Wissen vom gött- 
lichen Wesenskern alles Lebendigen — das 
übrigens im denkbar krassesten Gegensatz zu 
der jüdischen Lehre des Alten Testaments steht, 
wonach alles Leben von Natur aus sündhaft 
sei — und von der daraus entspringenden Ver- 
pflichtung, es zu erhalten, um Gott auf Erden 
nicht „sterben“ zu lassen. 


Eine solche positive Einstellung gegenüber 
dem Leben führt von selbst zu einer ebenso 
unbedingten Bejahung von Kampf und 
Arbeit als den beiden Elementen, von denen 
es getragen wird. Kampf und Arbeit sind seit 
Urzeiten die beiden Grundpfeiler jener natür- 
lichen Auslese, die die Voraussetzung für jede 
höhere Entwicklung war und immer bleiben 
wird. Durch sie allein hat sich das Leben zu 
seinen heutigen Formen emporgezüchtet, und 
sie sind es auch, die es in Zukunft vor Erstar- 
rung oder Erschlaffung bewahren. Wenn irgend- 
wo, dann muß sich daher die Eigenart des nor- 
dischen Menschen in seiner Einstellung ihnen 


gegenüber offenbaren. Dem Germanen ist der 
Kampf der natürliche Ausfluß desvon 
Gott in das Leben gelegten Gesetzes, 
daß es sich in steter Bewährung gegenüber einer 
feindlichen Umwelt erhalten muß, um seine 
Daseinsberechtigung immer aufs neue zu er- 
proben. Er kann sich daher nicht zur Natur und 
ihrer Ordnung bekennen, ohne auch den Kampf 
in der gleichen Weise zu bejahen. Die Natur 
will, daß sich jedes Lebewesen selbst verteidigt 
und in stetem Messen mit der Umwelt seine 
Kräfte entfaltet. Darum greift auch der Germane 
jederzeit zum Schwert, wenn es das Leben oder 
dessen hohe Güter zu verteidigen gilt. Damit 
erhält sein Kampferleben einen ganz bestimm- 
ten Sinn, durch den es von vornherein auf eine 
höhere sittliche Ebene gehoben wird. Gerade 
das aber macht den Menschen nordischen 
Blutes zu dem harten, unbeugsamen Kämpfer, als 
der er sich in diesem Kriege wieder so über- 
zeugend bewährt; denn wer im Kampfe einen 
tiefen, ja gottgewollten Sinn erblicken kann, der 
weiß anders zu fechten als der, der in ihm nur 
die Befriedigung eigener Lüste sucht. 


Dieses nordische Kämpfertum hat höchste, für 
alle Zukunft bindende, formende Kraft in dem 
Erleben des gewaltigen europäischen Freiheits- 
kampfes gegen die von Ost und West andrän- 
genden Mächte der Zerstörung erlangt. Das 
künftige Bild des Deutschen wird wesentlich 
durch den Soldaten dieses Krieges bestimmt 
werden, der in langen, harten Jahren alle 
Schlacken abgestreift und aus den tiefsten Quel- 
len seines germänischen Wesens die Kraft zu 
kämpferischen Leistungen geschöpft hat, die In 
der Geschichte ohne Beispiel sind. 


Aus ganz ähnlichen Quellen wird auch die 
Einstellung des nordischen Menschen zur Arbeit 
gespeist. Arbeitistihm die lebenerhal- 
tende Macht, die in besonderem Maß der 
Entfaltung aller schöpferischen Kräfte der Rasse 
dient. Bedeutet Kampf die Verteidigung des 
Lebens, so erfüllt es die Arbeit mit jenem posi- 
tiven Inhalt, der ihm im Rahmen einer höheren 
Weltordnung seine Rechtfertigung verleiht. 
Denn diese Ordnung ist erfüllt von schöpfe- 
rischem Willen, ihr Zweck ist, Schoß eines 
unablässigen Werdens und Neuschaffens zu 
sein, das die Welt von Stufe zu Stufe einer nie 
endenden Fortentwicklung führt. Die Arbeit be- 
deutet den Vollzug dieses Willens im 
Bereich des Menschlichen. Sie ist die 


Gabe, die den Menschen — als einzigen unter 


allen Lebewesen! — selbst schöpferisch macht 
und ihn damit in gewissem Sinne der Gottheit 
an die Seite stellt. So wenigstens empfindet sie 
der Mensch nordischen Blutes — nicht als den 
Fluch, als der sie dem Hebräer erschienen ist, 
oder als bescheidenes Mittel zur Fristung eines 
mehr oder weniger kümmerlichen Daseins, wie 
sie uns bei den primitiven Völkern entgegen- 
tritt. Sie ist ihm gleichsam die Bestätigung seiner 
eigenen schöpferischen Kraft, damit letzte 


Rechtfertigung seines Daseins vom Gesichts- 
punkt einer höheren Ordnung aus und wesent- 
licher Inhalt seines Lebens, der dieses erst 
wahrhaft lebenswert macht. Darum ist der 


Deutsche wie der beste Soldat so auch der beste 


Arbeiter der Welt, dessen Erzeugnisse uner- 
reicht und dessen Leistungen als Bahnbrecher 
des menschlichen Fortschritts ohne Beispiel sind. 


Hat sich so die nordische Lebensbejahung als 
Ausgangspunkt einer Reihe entscheidender 
Wesenszüge des germanischen Menschen er- 
wiesen, so gilt Ähnliches auch für seinen Sinn 
für eine feste Ordnung in allen Dingen 
in und über der Welt. Auch dieser Sinn 
hat seinen Ursprung in dem erwähnten zentralen 
Angelpunkt des nordischen Wesens, d. h. in 
seiner seelischen Aufgeschlossenheit gegenüber 
dem kosmischen Geschehen. Der Germane ist 
zutiefst von dem Glauben an eine unerschütter- 
liche Ordnung durchdrungen, die das gesamte 
All beherrscht. Der von ihm frühzeitig erforschte 
Lauf der Gestirne, der ihm ebenfalls zuinnerst 
vertraute, Jahr für Jahr wiederkehrende Kreis- 
lauf alles Lebendigen in der Natur, all das lehrt 
ihn erkennen, wie sehr das ganze Weltall einer 
unwandelbaren Gesetzmäßigkeit unterworfen 
ist, in deren Schoß sich der schöpferische Wille 
vollzieht. Mit ehrfürchtigem Schauer hat der 
nordische Mensch immer wieder die Allmacht 
und Größe dieser Ordnung empfunden, aus ihr 
hat sich sein Weltbild entwickelt, und sie hat 
schließlich sein eigenes Wesen so geprägt, daß 
er fortan zum stärksten Träger des 
Ordnungsgedankens in der Welt ge- 
worden ist. S 


Demgemäß ist das nordische Wesen, wo es 
unverfälscht zutage tritt, durch eine innere 
Zucht gekennzeichnet, die in engstem Zusam- 
menhang mit der Entfaltung seiner schöpfe- 
rischen Kräfte steht. Diese Zucht beherrscht nicht 
nur die germanischen Vorstellungen vom 
menschlichen Zusammenleben, sie äußert sich 
nicht minder auch in seinem künstlerischen 
Schaffen und in den sittlichen Grundlagen seines 
Rechtsempfindens, vor allem aber ist sie die 
Voraussetzung für seine hohe staatsmän- 
nischeBegabungundraumgestaltende 
Kraft, die sich im Laufe der Geschichte so oft 
in einzigartiger Weise bewährt hat. Das nor- 
dische Schöpfertum wäre undenkbar ohne seine 
gleichzeitige Verbindung mit einem solchen 
ordnenden Geist, wie ja große schöpferische 
Leistungen überhaupt nur innerhalb der Grenzen 
einer strengen Gesetzmäßigkeit möglich sind. 
Daß die nordische Rasse beides in so starkem 
Maße in sich vereint, hat sie zu der leistungs- 
fähigsten Rasse der Erde gemacht, deren Auf- 
treten überall so fruchtbar im Sinne der Schaf- 
fung positiver Werte, d.h. der Begründung neuer 
oder Neubelebung bereits vorhandener Kulturen 
gewesen ist, 


Von dieser Eigenart des nordischen Wesens 
führen mannigfaltige Ausstrahlungen bis in die 


139 


einzelnen Verzweigungen seines Charakter- 
bildes. So entspringt ihr vor allem eine aus- 
geprägte Bodenverbundenheit, die die 
Grundlage für eine echte Seßhaftigkeit und 
den Ausgangspunkt für eine ebenso stark ent- 
wickelte Heimatliebe bildet. Wie stark die 
nordische Rasse in ihrem Heimatboden wurzelt, 
dafür liefert uns die Geschichte hundertfältige 
Beispiele, die uns berechtigen, darin eine ihrer 
hervorstechendsten Eigenschaften zu erblicken. 
Tatsächlich kommt der Deutsche nie ganz von 
einem innerlichen „Verhaftetsein“ im Boden los. 
Wo sich diese Bindung dennoch löst, dort gibt 
er damit die biologischen wie geist-seelischen 
Grundlagen seines Daseins preis. Die Folgen, die 
die Verstädterung als gewaltigster Entwurze- 
lungsprozeß aller Zeiten für die Substanz unseres 
Volkes nach sich gezogen hat, sprechen in 
dieser Hinsicht eine unzweideutige Sprache. 


Derselbe feine Sinn für die kosmische Ver- 
flechtung allen irdischen Geschehens hat im 
Bereich der nordischen Seele auch den Begriff 
desSchicksals zu jener dramatischen Größe 
heranreifen lassen, der für die nordischen 
Heldengestalten typisch ist. Ein solches Schick- 
sal drückt selbst in seiner tiefsten Tragik den 
Menschen nicht zu Boden oder macht ihn, wie 
den Fatalisten, zum willenlosen Werkzeug einer 
unverstandenen Macht, sondern hebt ihn über 
„ sich selbst hinaus in eine höhere Ebene des 

Geschehens, zu deren Blutzeugen es ihn gleich- 
sam erkürt. Gleichem Grund entstammt auch der 
dem nordischen Menschen wie keinem anderen 
eigene Sinn für menschliche Größe, die 
ja immer nur in Beziehung zu dem Einzelwesen 
übergeordneten Werten denkbar ist und somit 
die Anerkennung einer höheren Ordnung der 
Dinge zur Voraussetzung hat. Weitere als 
typisch germanisch angesprochene Eigenschaf- 
ten, die in diesem Zusammenhang zu nennen 
sind, sind Ehrgefühl und Treue. Nichts 
galt bei den Germanen als schimpflicher als 
eine „Meintat“, denn sie wurde als ein An- 
schlag gegen die Grundfesten der menschlichen 
und göttlichen Ordnung empfunden, und der 
Germane erkannte instinktiv, daß das eine ent- 
scheidende Bedrohung der Grundlagen seines 
gesamten Seins bedeutete. Daher wurde der 
Täter selbst außerhalb jeder Ordnung gestellt 
und als gefährlicher Schädling gnadenlos 
vertilgt. 


Aus demselben Grunde entsprang auch die 
Entwicklung des germanischen Frei- 
heitsbegriffes, der mit Zügellosigkeit nie- 
mals etwas gemein hatte, sondern sich im 
Gegenteil stets als festes Bollwerk gegen alle 
anarchistischen Strömungen erwiesen hat. Wenn 
Kant vom „Kategorischen Imperativ” spricht 
yd damit das sittliche Grundgesetz des nor- 
ischen Menschen meint, so bedeutet das eine 
Anerkennung der Selbstzucht als allen anderen 
Systemen mindestens ebenbürtiger, ja über- 
legener Träger menschlicher Gesittung; eine 


140 


solche Kraft kann sie aber nur besitzen, wenn 
sie so tief in der Weltanschauung tnd in der 
seelischen Eigenart der Rasse wurzelt, wie das 
beim nordischen Menschen der Fall ist. Der 
trotzige Germane, der sich gegen jeden äußeren 
Zwang aufbäumte, beugte sich ebenso selbst- 
verständlich dem Gesetz in seiner eigenen 
Brust, das in jahrhundertealter Uberlieferung 
Gestalt gewonnen hatte, weil er als freie, keiner 
„Weltangst” unterworfene Persönlichkeit zum 
Bewußtsein seiner eigenen Verantwortung 
gegenüber dem Hüter des Alls gekommen war 
und darum die sittliche Kraft besaß, sich selbst 
Gesetze zu geben und sein Leben daran zu 
binden. Treue, Ehre, Pilichtgefühl, alle die viel- 
gerühmten Tugenden der germanischen Völker, 
sind also letzten Endes nichts als Ausstrahlun- 
gen jener inneren Zucht, die das nordische 
Wesen so sehr beherrscht. 


So hat sich uns von jenem Kernpunkt aus, den 
wir als entscheidend für die Ausprägung der 
nordisch- germanischen Rassenseele erkannt 
haben, ein umfassendes Bild eines Menschen- 
tums enthüllt, das alle wesentlichen Merkmale 
germanischen Volkstums in sich vereinigt und 
gleichzeitig vollauf geeignet erscheint, Träger 
künftiger schöpferischer Entwicklungen zu sein. 
Indes ist uns noch eine letzte Aufgabe vor- 
behalten, deren Lösung in gewissem Sinne 
Voraussetzung für seine Wirksamkeit als ge- 
staltende Macht in der vor unseren Augen 
abrollenden weltgeschichtlichen Auseinander- 
setzung ist. Denn wenn wir feststellen, daß der 
eigentliche Kern des nordisch-germanischen 
Wesens in seiner „kosmischen Aufgeschlossen- 
heit“ liegt, so ist damit zwar die erkenntnis- 
mäßige Grundlage, aber noch nicht die 
eigentlich brauchbare Formel für ihren prak- 
tischen Einsatz im Ringen der Völkerseelen 
gefunden. Sie ist zu abstrakt, umin das völkische 
Dasein, das stets real und lebensnahe ist, ent- 
scheidend eingreifen zu können. Wir müssen 
daher versuchen, diesem Wesenskern eine Deu- 
tung zu geben, die es möglich macht, ihn in die 
uns allen geläufigen tatsächlichen Erscheinungs- 
formen des völkischen Lebens einzuordnen, oder 
mit anderen Worten gesagt: den bloßen Be- 
griff zum lebendigen Vorbild weiter- 
entwickeln, das einerseits den Begriff voll aus- 
schöpft, gleichzeitig aber gleichsam als Wesen 
von „Fleisch und Blut‘ im völkischen Bewußt- 
sein Leben gewinnen und richtungweisend 
wirken kann. 


Dieses Vorbild zu finden, kann nach all dem 
Gesagten keine Schwierigkeiten bereiten. Wie 
anders können wir ein Wesen, das der Natur, 
der Erde, der kosmischen Ordnung — und ihrem 
Schöpfer! — so nahe steht wie das germanische, 
nennen als — bäuerlich? Das setzt allerdings 
voraus, daß wir diesen Begriff nicht in ständische 
Schranken einengen, die seinem Wesen oft 
alles eher als gerecht werden und darum neue 


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Das Städtchen Stannern, der Geburtsort von Reichsminister Seiß-Inquart 


Die Iglau, das Igelland, bildet den südlichen 
Pfeiler der böhmisch- mährischen deutschen Sied- 
lungsbrücke und wurde gegen Ende des 12. Jahr- 
hunderts von deutschen Bauern besiedelt, deren 
charakteristische Siedlungsformen noch heute 
dem Lande das Gepräge einer deutschen Kultur- 
landschaft geben. Ihre Nachfahren haben trotz 
eines wechselvollen Schicksals deutsche Bauer: 
art treu bewahrt, wie auch die Bilder dieser Bei- 
lage (Seite 1—4) bezeugen. Dessen dürfen sich 
auch die Bauern der Wischau, der im mittleren 
Mähren in der fruchtbaren Hanna gelegenen 
deutschen Volksinsel, rühmen (Seite 5—8). — 
In der Iglau herrscht das mitteldeutsche Wohn- 
stallhaus vor (Seite 1). Hier ist wie in der 
Wischau noch die alte farbenfreudige Tracht 
lebendig. So zeigt das Bild links eine Bäuerin 
aus Deutsch-Gießhübel bei Iglau in Festtracht 


Bäuerin aus Deutsch-Gießhübel beim Brotbacken 


Der Sonntagskuchen ist fertig 


Braut im weißen „Kitterl” mit 
Spitzenkrause und Puffärmeln, dar- 
über das mit bunten Blumen bestickte 
„Leiberl”, vorn durch ein breites 
rotes Band, das „Hinundwieder”, zu- 
zusammengehalten, dazu die silber- 
glitzernde Krone 


Mit Arbeitsmaiden in froher Runde 


* 


Blick in eine charakteristische Bauernstube in Rosternitz 


Deutsche Bauernhäuser aus der Wischau mit dem eigenartigen Sölder 


Beim Mittagsmahl in der Wohnküche 


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Die Dorfstraße von Swanowitz 
in der Wischau 


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Beim Ringelreihen unter Obhut einer Arbeitsmaid 


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Bauernbraut mit Kranzeljungfern und Bittfrau 


Verwirrung in die eben gewonnene Klarheit 
bringen könnten. „Bäuerlich” muß hier als 
ein menschlicher, vorwiegend geist- 
seelischer Erscheinungstyp, nicht als 
mehr oder weniger äußerliches Kennzeichen 
eines Berufes verstanden werden. Aber auch so 
bleibt der Begriff real und lebensnahe genug, 
um die oben gestellten Anforderungen zu er- 
füllen; denn der deutsche Bauer ist uns seit 
langem über das rein Wirtschaftliche hinaus 
zum Inbegriffeinerbestimmten, geist- 
seelischen Verfassung, einer ein- 
deutig umrissenen menschlichen Hal- 
tung geworden, so daß wir nur das Äußerliche 
abzustreifen brauchen, um ein abgerundetes Bild 
von typischer Geschlossenheit vor uns zu sehen. 
Dieses Bild enthält in gleich klarer Ausprägung 
alle die Eigenschaften, die wir zunächst rein 
gedanklich aus dem Kern des germanischen 
Wesens abgeleitet haben: Lebensbejahung und 
Sinn für eine über dem Leben stehende Ordnung 
als unerläßliche Voraussetzung für dessen Ge- 
deihen; Bejahung des Kampfes und der Arbeit 
als Inhalt des Lebens, Erkenntnis des Schicksal- 
haften im Lebensablauf ohne schwächliches Re- 
signieren; Zucht und Kraft überlieferter Sitte, 
Bodenverbundenheit und Liebe zur Heimat als 
Ausdruck einer tiefen Verwurzelung des Wesens 
in Natur und Erde, schließlich Pflichtgefühl, 
Ehre und Treue als Tugenden, die gerade dem 
germanischen Freibauerntum stets in beson- 
derem Maße eigen waren. So vermag dieser 
deutsche Bauer tatsächlich als lebendige Ver- 
körperung jenes germanischen Wesens zu gel- 
ten, dessen Eigenart uns von seinem welt- 
anschaulichen Ausgangspunkt her offenbar ge- 
worden ist. 


Darin ist mehr zu sehen als ein auf mehr oder 
weniger zufälliger Übereinstimmung einzelner 
Merkmale beruhender Vergleich. Tatsächlich 
liegt darin der Ausdruck einer Wesens- 
gleichheit, die dem tiefsten nur möglichen 
Quell entspringt, nämlich dem bäuerlichen 
Ursprung und Artbild der nordischen 
Rasse. Es kann nach allem, was wir über 
Eigehart und Daseinsform der nordischen Völker 
wissen, nicht zweifelhaft sein, daß wir in ihnen 
seit Urzeiten echte „Bauernvölker“ zu erblicken 
haben, und zwar in einem viel tieferen Sinne, 
als sich aus der bloßen Tatsache ihrer ursprüng- 
lich überwiegend land wirtschaftlichen Lebens- 
grundlage ergibt. Recht, Kultur und Sitte eines 
Volkes pflegen ein eindeutiger Spiegel seiner 
Seele zu sein. Wenn sie auch in ihren Einzel- 
heiten vielfach von den wirtschaftlichen 
Existenzbedingungen beeinflußt werden, so wird 
ihre grundsätzliche Richtung doch nicht so sehr 
von diesen als vom Volkscharakter her be- 
stimmt. Das gilt besonders für das Recht, das 
sich zwar vielleicht am stärksten den Bedürf- 
nissen des täglichen Lebens anzupassen pflegt, 
aber gerade in der Art, wie es das tut, grund- 
legende Unterschiede zwischen den Völkern 
erkennen läßt. So hat z.B. auch das späte Rom 


in den weiten Grenzen seines Reiches nicht 
weniger Ackerbau betrieben als die Germanen, 
und umgekehrt sind auch bei diesen ausgedehn- 
teste Handelsbeziehungen, selbst mit weit ent- 
fernten Ländern, nachgewiesen. Dennoch ver- 
körpern das germanische und das römische 
Recht zwei Welten, die miteinander kaum mehr 
etwas Gemeinsames haben: nämlich die Welt 
des bodengebundenen Bauern und die eines 
liberalistischen Händlertums, das jede Bindung 
an dem Individuum übergeordnete Werte nur 
als lästige Hemmnisse in seinem Profitstreben 
empfindet. Gleiches gilt auch für Kultur und 


Sitte beider Völker: Beides weist in Germanien 


unverkennbar auf eine bäuerliche Lebens- 
auffassung und auf ein ausgesprochen bäuer- 
liches Lebensgefühl hin, das in scharfem 
Gegensatz zu der reinen Stadtkultur Roms steht, 
dessen sittlicher Verfall nur zu deutlich den 
Stempel einer völligen inneren Entwurzelung 
des Einzelwesens trägt. So zeigt sich uns das 
seelische Bild des Germanen als das eines 
echten, in all seinen Lebensäußerungen als sol- 
chen gekennzeichneten „Bauern“, dessen Rolle 
als Bluts- und Kulturträger mindestens eben- 
bürtig neben seiner wirtschaftlichen Leistung 
steht und sein Wesen viel stärker bestimmt hat 
als diese. Diese verschiedene Wesensfärbung, 
die uns hier bei den Germanen und im späten 
Rom entgegentritt, lehrt uns in eindrucksvoller 
Weise, wie tief sich bäuerliche bzw. unbäuer- 
liche Art in die Seele eines Volkes einzuprägen 
vermag, wie sehr wir also mit dem „Bauern- 
tum” als einer typenbildenden Macht 
zurechnenhaben, wenn wir eine Charakte- 
risierung der geist-seelischen Eigenart der 
Völker versuchen wollen. 


Dabei müssen wir uns allerdings darüber klar 
sein, daß zwischen „Bauerntum” in diesem 
Sinne, d.h. als Verkörperung der rassen- 
seelischen Eigenart der germanischen Völker, 
und bäuerlichem Beruf (ungeachtet der immer 
wieder hervorgehobenen überständischen Gültig- 
keit jenes Begriffes) doch ein sehr enger, 
wechselseitiger Zusammenhang besteht, der das 
eine bis zu einem gewissen Grad als Voraus- 
setzung für das andere erscheinen läßt. Es hat 
nicht nur sinnbildliche Bedeutung, wenn 
wir in der Gestalt des deutschen Bauern den 
Repräsentanten echten nordischen Wesens 
sehen und ihn damit zum lebendigen Vorbild 
einer auf die Wiedergeburt des nordisch-germa- 
nischen Volkstums abzielenden Entwicklung 
erheben. Denn wenn dieses Volkstum in seinen 
Grundzügen „bäuerlich“, d.h. gottnahe und 
naturverbunden ist, dann kann kein Zweifel 
darüber bestehen, daß eine der wichtigsten 
Quellen, aus denen heraus es sich immer wieder 
erneuern kann, die bäuerliche Lebens- 
weise selbst sein muß. Es gibt ja keine 
andere Lebensform, die den Menschen so sehr 
in den Rhythmus der Natur hineinstellt und ihm 
das Bestehen einer großen, schöpferischen Ord- 
nung über den Dingen so eindringlich offenbart 


- 141 


wie die des Landmannes, dessen ganzes Leben 
nichts als Dienst am Boden und an der lebendi- 
gen Kreatur ist. Hat doch die Arbeit des Bauern 
geradezu die Anerkennung eines schöpferischen 
und ordnenden Willens über allem Irdischen zur 
Voraussetzung, der der Saat jahraus, jahrein 
die Gewißheit der Ernte gibt. Der Bauer erlebt 
Jahr für Jahr in der unmittelbarsten und darum 
einprägsamsten Weise den elementaren Zeu- 
gungswillen, der alles Lebendige beherrscht und 
nichts Altes sterben läßt, ohne dafür zu sorgen, 
daß Neues an seine Stelle tritt. Führt doch selbst 
das kleinste Samenkorn, das er in die Erde senkt, 
seinen verbissenen Kampf um Auferstehung, 
Wachstum und Reife, allen Gewalten zum Trotz, 
die sich {hm dabei in den Weg stellen. So wird 
der sich unablässig wiederholende Sieg des 
Lebens über den Tod, der dem Bauern die Vor- 
ausseizung für sein Dasein schafft, zu der gestal- 
tenden Macht, die auch sein Wesen formt. Seine 
Arbeit wird zu einer einzigartigen Schule des 
Lebensglaubens und der Gewißheit einer sinn- 
vollen Ordnung über allen Dingen, die immer 
wieder alles zum Guten, d. h. zum Triumph der 
schöpferischen Kräfte über die der Vernichtung 
wendet. 


So finden also gerade jene Wesenszüge, die 
das kennzeichnende Merkmal der germanischen, 
bäuerlichen Seele sind, im täglichen Erfahrungs- 
schatz des Landmannes eine sich immer von 
neuem wiederholende, unwiderlegliche Bestäti- 
gung. Daraus folgt aber, daß die bäuerliche Ar- 
beit der beste Mutterboden für das Entstehen 
und die fortlaufende Vertiefung jenes Lebens- 
gefühls sein muß, in dem sich die rassenseelische 
Eigenart unseres Vblkstums offenbart und das 
wir in einem übergeordneten Sinne als „bäuer- 
lich” bezeichnet haben. Damit erfüllt das 
Landleben eine auslesende Funktion 
innerhalb der Ausprägung des deut- 
schen Volkscharakters, durch die nicht 
allein die blutsmäßigen, sondern ebensosehr 
auch die seelischen Kräfte eine fortlaufende 
Verstärkung erfahren, von denen aus die natio- 
nale Wiedergeburt ihre stärksten Antriebe 
erhält. Auf diese Weise wird die „Neubildung 
deutschen Bauerntums“ in einem weit über alle 
ernährungs- und raumpolitischen Erwägungen 
hinausreichenden Umfang zu einem Kernpunkt 
der deutschen Erneuerung, indem sie dieser die 
Voraussetzungen für die Erschließung der tief- 
sten rassenseelischen Quellen unseres völki- 
schen Wesens schaffen hilft. So sehr wir also 
einerseits in dem hier behandelten Zusammen- 
hang die Bedeutung des „Bauerntums” als Aus- 
druck rassenseelischer Eigenart und damit einer 
geist-seelischen Veriassung von verpflichtender 
Kraft für die Gesamheit unseres Volkes heraus- 
stellen müssen, so sehr bleiben wir uns anderer- 
seits dabei bewußt, daß seine typenbildende 
Macht auf die Dauer nur wirksam bleiben kann, 
wenn sie eine tragfähige Grundlage in einem 
Landvolk findet, das seiner Bestimmung, Sam- 


142 


melpunkt der besten Kräfte unseres Volkes zu 
sein, wieder gerecht zu werden vermag. 


Andererseits liegt die Annahme nahe genug, 
daß die mit der höheren Entwicklung der 
Rasse zunehmende seelische Aufgeschlossenheit 
gegenüber den Wurzeln allen Seins, die zu der 
Erkenntnis der innigen Verflechtung alles 
Menschlichen mit der Natur und der kosmischen 
Ordnung führte, einstmals bei der Wahl 
zwischen einem unstet schweifenden Jägertum 
und der Gründung eines festen Herdfeuers auf 
der Grundlage eines seßhaften Ackerbaues die 
Entscheidung zugunsten des letzteren begünstigt 
hat. So ist vor allem auf die kultische Bedeutung 
des Herdfeuers bei den nordischen Stämmen 
besonders hingewiesen und damit die weit- 
gehend weltanschauliche Verankerung des nor- 
dischen Bauerntums herausgestellt worden. 
Sicherlich haben sich also seit undenklichen 
Zeiten Auslesevorgänge abgespielt, die in 
wechselseitiger Bedingtheit von 
naturnaher Lebensweise und wesens- 
mäßiger Ausprägung jenen seelischen Typ 
hervorgebracht haben, der schließlich unab- 
hängig von der jeweiligen wirtschaftlichen 
Tätigkeit zum Sinnbild des nordischen Menschen- 
tums schlechthin geworden ist. 


So können wir also, ohne den Dingen Zwang 
anzulun, den Kern des nordischen Wesens in der 
Tat gleichsetzen mit bäuerlicher Art, ja wit 
finden in dieser die einzige erschöpiende Be- 
zeichnung für eine innere Wesensrichtung, die 
wie die nordisch-germanische so stark im Natur- 
haften und Kosmischen wurzelt. Wenn daher 
der revolutionäre Umbruch unserer Zeit letzten 
Endes auf die Schaffung bzw. Durchsetzung 
eines Menschentyps abzielt, der als Träger 
künftiger großer Aufgaben und einer Entwick- 
lung, durch die die biologischen wie geistigen 
Kräfte unserer Rasse zu höchster Entfaltung 
gebracht werden sollen, gewertet werden kann, 
dann kann es nur der bäuerliche sein, der 
auf diese Weise als Repräsentant des europäi- 
schen Erneuerungswillens dem plutokratischen 
Schieber auf der einen, dem bolschewistischen 
Mordbrenner auf der anderen Seite entgegen- 
tritt. Dementsprechend findet die Revolution des 
germanischen oder ihm artverwandten Volks 
tums gegen seine jahrhundertelange Verfäl- 
schung, deren Anzeichen wir bereits in allen 
sich zum neuen Europa bekennenden Ländern 
feststellen können, ihren konkreten Ausdruck 
fast überall in einem mehr oder weniger aus 
geprägten Hinwenden zum Bauerntum, 
und zwar in einer Weise, die darin mehr als 
nur den Ausfluß einer ernährungspolitischen 
Zwangslage, nämlich den unmittelbaren 
Inhalt echter Erneuerungsbestrebun- 
gen erkennen läßt. Die Verbreitung des Land- 
dienstgedankens, des Arbeitsdienstes mit seiner 
ebenfalls deutlich auf das Land ausgerichteten 
Zweckbestimmung, die Wiederbesinnung auf die 
völkischen Werte, die im bodenständigen Lied, 


Tanz, Brauchtum usw. Negen — all das, heute 
bereits zum festen Bestandteil der Erneuerungs- 
bewegungen in all diesen Ländern geworden, ist 
als unzweifelhaftes Symptom in dieser Richtung 
zu werten; bedeutet es doch ein immer bewußter 
hervortretendes Hinwenden zu den biologischen 
und seelischen Kraftquellen, die in Boden und 
Heimat liegen, somit zu einem bäuerlichen Le- 
bensgefühl als dem Ausgangspunkt einer Neu- 
ordnung, die sich die Wiederherstellung der 
bluts- und wesensmäßigen Grundlagen des 
eigenen Volkstums zum Ziel gesetzt hat. So 
kann man die tiefgreifende Umwälzung, die sich 
heute im europäischen Raum teils vollzieht, teils 
schbn vollzogen hat (zum Teil sich vielleicht 
auch erst in ihren ersten Anfängen abzeichnet), 
von ihren rassischen Quellen und letzten Ziel- 
selzungen aus betrachtet, mit Fug und Recht als 
die bäuerliche Revolution unseres Jahrhunderts 
bezeichnen, d. h. als die Reaktion des euro- 
päischen Menschen auf seine künstlich betrie- 
bene Entwurzelung unter dem Einfluß ihm 
wesensfremder Mächte, die jahrhundertelang 
wie ein Alp auf seiner Seele gelegen waren. 


Innerhalb des deutschen Volkes aber wird 
der Begriff des Bauern zur verbindenden 
Brücke, die über Berufe und Stände 
hinweg die Einheit des deutschen Le- 
bensgefühls zu festigen oder, wo 
nötig, neu zu begründen vermag. Der 
„Bauer“ hinter dem Pflug sowohl wie hinter dem 
Schraubstock, im Laboratorium wie im Kontor, 
im grauen Rock des Soldaten wie im Braunhemd 
des politischen Kämpfers, alle die Menschen, 
in denen der Grundton germanischer Wesensart 
wach geblieben ist, sind der lebendige Kitt, der 
diese so lange vergeblich ersehnte Einheit nun- 
mehr zur unauflöslichen geschichtlichen Tat- 
sache mächt. Damit aber ist nicht nur der 
Schlußstrich unter eine lange Periode seelischer 
Irrungen und daraus entspringender gefähr- 
lichster Krisen gezogen, sondern hat auch die 
deutsche Volkwerdung an der Schwelle 
eines neuen Zeitalters ihre letzte Vollendung 
gefunden. Was das für die Rolle, die der 
Deutsche in diesem Zeitalter zu spielen haben 
wird, bedeutet, muß jedem klar sein, der aus der 
Geschichte zu lernen versteht. 


Wer ehrlich zu den praktischen Auswirkungen der 
Freiheitsidee Stellung nehmen will, der muß von der 
unmittelbarsten Betätigung des Menschen auf der 
Erde ausgehen. Der Bauer ist nicht in der Lage, 
nach Gutdünken seine Arbeit zu verrichten, sondern 
die Natur zwingt ihm den Rhythmus dieser seiner 
Arbeit auf. Pflügen, Säen, Ernten, Verarbeiten und 
Verkaufen sind naturbedingt in ihrem Ablauf. Die 
Jahreszeiten zwingen den Bauern, im Sommer früh- 
morgens zu beginnen, und erst im Winter vermag 
er eine andere, ihm ebenfalls von der Jahreszeit 
aufgenötigte Form seiner Tätigkeit zu finden. 


Alfred Rosenberg 


143 


HANS HANSEN: 


Landirauengesundheitsfürsorge 
im Kriege 


Erfahrungsbericht aus dem Gau Bayreuth 


ie Sorge um die völkische Sicherung unserer 

Nation beginnt beim Bauerntum als unserer 
Daseinsgrundlage und hier wieder vor allem 
bei den Landfrauen, den ersten Trägerinnen des 
Lebens unseres Volkes. 23000 Landfrauen, die 
ihrem Volke über 220000 Kinder schenkten, sind 
allein im Gau Bayreuth mit dem goldenen Müt- 
terehrenkreuz ausgezeichnet und viele hundert- 
tausende werden es im ganzen deutschen Bau- 
erntum sein. In wunderbaren Akkorden klingt 
das Hohelied der Mutterliebe über das deutsche 
Land. Es gilt immer mehr als hohe und drin- 
gende Aufgabe unserer Zeit, der deutschen 
Landfrau neben der hohen Achtung, die ihr das 
neue Deutschland schenkt, auch weitgehende 
praktische Fürsorge zu geben, damit sie ihrem 
Volke immer wieder reiches und gesundes Le- 
ben schenken kann. Denn einmal wird ohne die 
völkische Sicherung der Nation alles Sorgen 
unserer Tage, werden alle Opfer dieses Krieges 
ohne dauernden Gewinn für unser Volk sein und 
zum anderen trugen auch die Töchter der oben- 
genannten Mütter, unsere heutige Landfrauen- 
generation, durch viele Jahre schon so hohe 
Last aus ihrer Pflicht, daß sie immer mehr die 
Kräfte verloren, um es ihren Müttern gleich- 
zutun und wie sie vielen Kindern das Leben zu 
schenken. Immer stärker beeinflußten wirtschaft- 
liche Nöte, Arbeitsüberlastung, Mangel an ein- 
fachster sanitärer Fürsorge den Geburten- und 
Gesundheitsstand auf dem Lande. Schon gab es 
einzelne Dörfer, die fast ganz von Jugend ent- 
blößt waren und manche Höfe wiesen keinen, 
vor allem keinen gesunden Erben mehr auf. 


Der Nationalsozialismus hat inzwischen vieles 
in der biologischen Sicherung des Landvolkes 
zu bessern vermocht, viel ist aber noch zu tun 
übrig, und vor allem hat der Krieg die begonnene 
Entwicklung einer besonderen, systematischen 
Gesundheitsbetreuung für das Landvolk wenn 
auch nicht unterbrochen, so doch notgedrungen 
verlangsamt. Auch die seit Beginn des Krieges 
von der Landesbauernschaft — heute vom Gau- 
amt für das Landvolk — Bayreuth in Verbin- 
dung mit dem Gaugesundheitsamt und der NSV. 


144 


durchgeführte besondere Gesundheitsbetreuung 
der Landfrau beweist überzeugend, daß es auf 
diesem Gebiet noch schwere Schäden aus ver- 
gangener Zeit zu beheben gilt. Von unseren 
Landfrauen, die eine solche Gesundheitsbetreu- 
ung in Anspruch nahmen, weist, laut ärztlichem 
Attest, die Mehrzahl körperlichen Zusammen- 
bruch, schwere Herzfehler, chronischen Gelenk- 
rheumatismus, Unterleibsleiden, schwere Fuß- 
leiden usw. infolge Mangels an ausreichender 
Gesundheitsbetreuung und rechtzeitiger Gesund- 
heitspflege auf. 


Auch diese Ergebnisse fordern da- 
mit kategorisch, daß trotz wichtigere 
Kriegs aufgaben weiterhin jede noch 
gegebene Möglichkeit voll ausge- 
schöpft wird, um von der körperlichen 
undseelischen Leistungskraft unserer 
Landfrau zu erhalten, was irgend 
erhalten werden kann. Daß dabei die erste 
Voraussetzung für einen vollen Erfolg die vom 
Nationalsozialismus vorbereitete grundsätzliche 
wirtschaftliche Neuordnung des Bauerntums, die 
es endlich auch dem Lande erlaubt, am kul- 
turellen und technischen, damit auch am sani- 
tären Fortschritt unserer Zeit umfassend teil- 
zuhaben, vorerst nur bedingt erfüllt werden 
kann, ist selbstverständlich. Es ist dabei aber 
bestimmt nicht so, um gleich einem oft aus 
gesprochenen Urteil zu begegnen, daß das Land- 
volk keinen Sinn für Körper-, Gesundheits- und 
Heimpflege, für gesunde Ernährung, Kleidung 


usw. hätte. Der frühere jahrzehntelange Kampf 


mit wirtschaftlichen Sorgen, das Unvermögen, 
sich aus dieser Lage den allgemeinen Fortschritt 
unserer Zeit dienstbar zu machen, hat hier viele 
sich mit etwas abfinden lassen, was ihnen durch- 
aus nicht gewohnt ist, was auch in nichts der 
Bedeutung und Würde eines deutschen Bauern- 
tums entspricht. Und selbstverständlich hat 
ihm auch der Krieg wieder, neben höchsten An- 
forderungen an seine Arbeitsleistung, die Not- 
wendigkeit des Verzichtes auf manche, sagen 
wir, mehr persönliche Betreuung auferlegt. Es 
ist unnötig hier auszuführen, welche außer- 


ordentliche Arbeitsbelastung, welche Beschrän- 
kung in solchen persönlichen Wünschen dabei 
insbesondere der Landfrau zugemutet werden 
mußte, es mag hier nur gesagt sein, daß sie 
trotz allem ihre ganze Kraft für den 
Sieg einsetzt, daß ihre Treue zum 
Führer grenzenlos und ihr kein Opfer 
für ihr Volk zu groß ist. Es muß aber, wie 
betont, dafür gesorgt werden, daß sich der 
Brunnen ihrer Kraft nicht voll ausschöpft, daß 
noch gute Kräfte für die bleibenden Kriegsauf- 
gaben und für die hohen Pflichten erhalten 
werden, die der Landfrau die Nachkriegszeit 
übertragen wird. 


Und hierin das im Kriege Mögliche zu leisten, 
ist als dringendste Aufgabe aller verantwort- 
lichen Stellen zu erkennen. Darum wurde ins- 
besondere auch das oben erwähnte, nunmehr 
vom Gauamt für das Landvolk übernommene 
Abkommen zwischen der Landesbauernschaft 
Bayreuth und dem Amt für Volksgesundheit der 
NSDAP. getroffen und eine noch größere Pflich- 
tenvereinigung als bisher durchgeführt. Jede 
bedürftige Landfrau und ihre jüngeren Kinder 
im Gau haben hiernach das Recht, für geringsten 
Betrag und mit Beihilfe des Gauamtes jeden 
ihr genehmen Arzt ihres Kreises zu einer ge- 
sundheitlichen Beratung aufzusuchen. Und dort, 
wo sie nicht aus freien Stücken dazu bereit ist, 
obgleich ihr Gesundheitszustand es dringend 
erfordert, versuchen nach weiterer Vereinbarung 
NSV -Schwestern und Hebammen des, Gaues, 
die Landfrau zu ihrem Besten zu einer solchen 
Behandlung zu bewegen. Der Arzt stelit dann 
über die erfolgte Untersuchung ein Attest aus, 
das dem Gauamt eingereicht wird und ihr ein- 
mal eine genaue Übersicht über den Gesund- 
heitszustand des Landvolkes im allgemeinen 
gibt, ihr zum anderen Unterlagen für ihre wei- 
tere Betreuungsarbeit an der Landfrau bietet. 
Danach werden die Untersuchten in besonderen 
Fällen der NSV. zur vordringlichen Aufnahme 
in ihre Erholungsheime und zur Beihilfeerstat- 
tung bei Operationen usw. gemeldet. Es ist mit 
Genugtuung festzustellen, daß die NSV. bereits 
Tausenden von Landfrauen längere Erholungs- 
zeiten und auch notwendige finanzielle Unter- 
stützung bei Operationen und besonderen Kuren 
gewährt hat. Ein weiterer Teil stärker erholungs- 
bedürftiger Frauen wird darüber hinaus dem 
Schwefelbad Abbach im Gau zugewiesen, mit 
dem ein weiteres Abkommen über besondere Be- 
handlung der Landfrauen getroffen ist. 


Die an sich gesunden, aber nur durch Uber- 
arbeitung in ihren Pflichten gegen Familie und 
Hof beeinträchtigten Frauen werden in die 
„Heimzeiten” des Gauamtes selbst geladen. 
Diese Heimzeiten sind im Gegensatz zu den 


mehr sanitären Hilfsmaßnahmen der NSV. und 
von Bad Abbach nur Arbeitspausen, Ruhepausen 
für die Landfrauen, in denen sie in einem Kreis 
gleicher Seelen verbleiben, aber in einem 
schönen Heim sich durch mehrere Tage wieder 
die Kräfte sammeln, die ihnen die schwere 
Tagesarbeit vorübergehend genommen hat. Das 
Heim, in dem diese Heimzeiten stattfinden, ist 
also kein Erholungsheim schlechthin, es ist ein 
Heim der Entspannung, des Ausruhens für 
pflichtgetreue Landfrauen. Es könnte sogar 
„Sommerfrische“ im bürgerlichen Sinne genannt 
werden, wenn nicht eine einfache Schulung in 
den Grundbegriffen gesunder Körperpflege, 
Kochkunst, Kleidung, Heimpflege, Säuglings- 
pflege und Kindererziehung, über vernünftige 
Einstellung zum Arzt, zu neuzeitlichen Gesund- 
heitsmaßnahmen usw. den Frauen dabei noch 
Erkenntnisse geben würden, nach denen sie 
ihrer eigenen Gesundheit und der ihrer Familie 
und durch ihre Beratung auch der ihrer Dorf- 
gemeinschaft dienlich sein kann. So bedeuten 
die Freizeiten Ausruhen und Lernen zugleich, 
sie bieten eine verantwortungsbewußte Arbeits- 
pause, die nicht nur vor dem Geiste der Front 
bestehen kann, sondern von ihm gefordert wird. 


Die ersten Heimzeiten fanden in geeigneten 
Landgasthöfen statt. Seit 1940 aber steht hierfür 
ein eigenes Landheim zur Verfügung. Es ist in 
einem kleinen Badeort des Fichtelgebirges, in 
Zell, gelegen und bietet in Einrichtung und Um- 
gebung alle Voraussetzungen, die zur Zeit an 
ein Heim für Landfrauen gestellt werden können. 


Die Heimzeiten dauern vorerst nur zwei 
Wochen, länger können die Frauen heute dem 
Hof nicht fernbleiben. Aber es ist erstaunlich, 
was in dieser kurzen Zeit durch eine sachgemäße 
und liebevolle Betreuung erreicht werden kann. 
Viele fühlen schon nach dem ersten Bad und 
nach wenigen einfachen körperlichen Ubungen, 
nach einigen Ruhestunden im Liegestuhl im 
Garten, einem Spaziergang in Feld und Wald, 
wie sehr eine nur kurze Ausspannung Körper 
und Geist zu neuem Einsatz für Haus, Hof und 
Vaterland stärken kann. Mit Überraschung stel- 
len die meisten Frauen auch fest, daß schon mit 
kleinen und billigen Mitteln in wenigen Minuten 
täglich dem Körper und Geist eine Pflege zuteil 
werden kann, die Entscheidendes für sie selbst, 
aber auch für ihre ganze Familie bedeutet. 


Die Kost im Heim ist gut, wenn sie natürlich 
auch durchaus kriegsmäßig ist. Dennoch ist 
festzustellen, daß kaum eine der Frauen in den 
zwei Wochen weniger als sechs Pfund zunimmt. 
Diese Ergebnisse beweisen, was es bedeutet, 
wenn sie nur einmal wenige Tage Ruhe haben, 
Liebe und Frohsinn um sich sehen und andere 
für sich sorgen lassen können, Sie erkennen 


145 


auch hier, daß man dem Soldaten draußen und 
seinem Volk nicht mit trüben Gedanken helfen 
kann, sondern nur mit starker Lebensbejahung 
und bestem Wollen zur Leistung. 


Schon nach wenigen Tagen beginnen unsere 
Landfrauen sich nicht mehr als Sklavin, sondern 


. als Beherrscherin der Arbeit zu fühlen. Das 


Heim in Zell gibt auch einen Einblick in eine 
einfache, aber schöne Wohnkultur, wodurch 
sich die Auffassung vom Wert der Pflege des 
eigenen Ichs, der Kinder, des Heimes usw. in 
ihrer Bedeutung für den Lebensinhalt aller in 
der bäuerlichen Gemeinschaft grundsätzlich 
einprägt. Es wird auch hier wieder bewiesen, 
daß der Wille zur Pflege des eigenen Körpers, 
damit der Gesundheit, des Heimes usw., nur 
geweckt zu werden braucht, um ihn zu viel- 
fältigem Segen für die Familie, den Hof und den 
ganzen eigenen Lebenskreis werden zu lassen. 
Einfache Unterhaltungen über die Einstellung 
des Nationalsozialismus zum Begriff Frau, Mut- 
ter und Kind helfen dann noch mit, der Landfrau 
klarzumachen, welchen Wert die neue Zeit ihr 
beimißt, und schenken ihr damit ein neues und 
gesundes Selbstbewußtsein. 

Eine gediegene Bücherei im Heim sorgt dafür, 
daß sich die Landfrau allmählich wieder daran 
gewöhnt, in den knappen Feierstunden, die ihr 
die ländliche Arbeit erlaubt, etwas Gutes zu 


lesen und daraus ihrem Geist und ebenso dem 


Körper Entspannung zu geben, 


Im Heim ist auch ein Kindergarten mit etwa 
fünfzig — springlebendigen — Jungens und Mä- 
dels untergebracht, ebenso ist eine Webstube 
dabei, so daß in der Heimzeit auch stets Jugend 
und Frohsinn um die Landfrau ist und der 
Wunsch in ihr geweckt wird, auch in ihrem Dorf 
einen Kindergarten zu sehen, auch ihre Töchter 
das Weben als wertvolle Ausgleichstätigkeit für 
schwere Tagesarbeit lehren zu lassen, 


Da die Betreuung unserer Frauen während der 
Heimzeit in fachkundige Hände gelegt ist, so 
kann in diesen Tagen auch auf alle landwirt- 
schaftlich fachlichen Fragen eingegangen werden. 
Hierbei wird die Besichtigung nahe gelegener 
landwirtschaftlicher Betriebe und die praktische 
Aussprache in einem zum Heim gehörigen bäu- 
erlichen Gewürzgarten usw. durchgeführt. Der 
Gewürzgarten enthält alle Kräuter, die für Ge- 
sundheitspflege und gesundes Kochen zukünftig 
wieder in jedem Bauerngarten zu finden sein 
sollen. Auch besondere persönliche Wünsche 
werden gern erfüllt. Die meisten Landfrauen 
haben noch keine „Wochenschau”, viele über- 
haupt noch kein Kino gesehen; auch hierzu wird 
ihnen möglichst verholfen. Im Sommer, soweit 
in diesen Monaten Heimzeiten durchzuführen 
sind, wird auch die Freilichtbühne bei Wun- 


146 


siedel besucht. Fällt der Geburtstag einer Land- 
frau gerade in ihre Heimzeit, so wird er zu einem 
Fest für alle gestaltet, und der blumenbedeckte 
Platz während der Mahlzeiten läßt viele dankbar 
bekennen, ihren Ehrentag selten so schön wie 
hier verlebt zu haben. Auch Heimabende, bei 
denen die Jungbäuerinnen der Webschule ge- 
staltend mitwirken, werden durchgeführt. So oft 
als möglich erscheint zur Aussprache ernsterer 
agrarpolitischer Fragen Besuch vom Gauant 
oder der Landesbauernschaft. So bietet die 
Heimzeit Stunden vollkommener Neueinstellung 
zu den Dingen ihres Daseins. 

Das letztere soll, so wichtig die Ruhepause an 
sich sein mag, einmal die Hauptaufgabe der 
Heimzeit sein! Sie will mit ihrer Betreuungsart 
und ihren Einrichtungen jenen vielen Land- 
frauen, die bisher keinen Anschluß an ihre wei- 
tere Umwelt fanden, die räumlich und damit auch 
geistig zu sehr von ihr 1 waren, den 
besten Weg zu ihr bieten. Sie will sie auf- 
schließen für alles Neue unserer Zeit, an dem sie 
um ihres Bauerntums und Volkes willen nicht 
mehr unbeteiligt vorübergehen kann. Die 
Heimzeit will der Landfrau vor allem 
die Brücke zum Verständnis aller 


Maßnahmen des neuen Staates in der 


NSV. in der Frauenschaft, der Hitler- 
Jugend, im Amt für das Landvolk usw. 
bieten, die ihr und ihrem Volke dienen 
wollen. Die Heimzeit will somit in erster Linie 
Umschulungszeit zu gesunder, bäuerlicher Le- 
bensgestaltung für unsere Landfrau sein. Durch 
Aufklärung will sie ihr auch Befangenheit und 
Mißtrauen nehmen und ihr wieder so viel Selbst- 
bewußtsein geben, wie es ihr als erster Trägerin 
des Lebens ihres Volkes frommt und wie es von 
ihr um der Bedeutung ihres Bauerntums willen 
erwartet werden muß. Und daß dieses Ziel tat- 
sächlich erreicht wird, ist schon heute dadurch 
bewiesen, daß unsere Landfrauen, die eine 
Heimzeit erlebten, sich nunmehr freier in der 
Welt fühlten, leichter und vertrauensvoller den 
Weg zum Arzt, zur Hilfsstelle für Mutter und 
Kʒind, in die Erholungszeit der NSV., zu den 
Parteidienststellen usw. fanden. Die Landfrauen 
hatten im Heim viel gehört und gesehen, so daß 
sie jetzt mitreden konnten, hatten neue Erkennt- 
nisse gewonnen, durch die ihnen die Befangen- 
heit vor dem vielen Neuen unserer Zeit, auch im 
Verkehr mit Frauen anderer Berufskreise, vor 
allem Frauen aus der Stadt, genommen wurde. 
Kurzum, die Heimzeit ist ihnen auch das Tor 
zum \/eg in das neue, große Geschehen unserer 
Zeit und in die große deutsche Volksgemein- 
schaft geworden. Von der Landfrau selbst soll 
das Erworbene dann auf die Kinder übergehen 
und so in Zukunft das ganze deutsche Bauerntum 
beeinflussen. 


Gewiß, es wird die Zeit kommen, da sich die 
Neuordnung des deutschen Bauerntums auf allen 
seinen Lebensgebieten so vollzogen hat, daß auf 


solche, eigens für die Landfrau vorgesehene 


„Umschulungszeit“ verzichtet werden kann, daß 
die Landfrau sich dann mit Selbstverständlich- 
keit in den Rahmen des großen Ganzen ein- 
gliedert. Für die nahe Zukunft aber sind solche 
Umschulungen unentbehrlich und von aller- 
höchstem Wert und bieten die besten Voraus- 
setzungen, unsere Landfrauen organisch in ihre 
Umwelt, in die neue Zeit, in ihr Volk zu führen. 


Selbstverständlich sind unter der Bezeichnung 
Landfrau auch in unserem Falle alle Frauen des 
Landvolkes zu verstehen. Es ist gar nicht leicht, 
bei den im Gemeinschaftsraum unseres Heimes 
oder im Garten mit dem Strickstrumpf oder 
anderer Handarbeit beschäftigten und bei frohem 
Plaudern zusammensitzenden Landfrauen zu 
unterscheiden, welche von ihnen Bäuerin, 
welche Landarbeiterin ist. Beide verkörpern 
den gleichen Lebenskreis, der sie, wie bei der 
gemeinsamen Arbeit in Haus, Hof und Feld auch 
hier, in bestem Einvernehmen zueinanderkom- 
men läßt. Es hat im Heim Zell noch kein hartes 
Wort gegeben; Sinn und Inhalt des Heimes ver- 
bieten alles Ungute von selbst. Auch das ist ein 
Ziel unserer Heimzeit: den Voraussetzungen 
einer wahren bäuerlichen Betriebs- und Dorf- 
gemeinschaft zu dienen. 


Um den Landfrauen das Fortgehen vom Hof 
zu erleichtern, wurde auch, in engster Zu- 
sammenarbeit mit der NS.-Frauenschaft, die Zahl 
und Befähigung der von der NSV. zum Einsatz 
gebrachten Haushaltshelferinnen so weit als 
irgend möglich gesteigert. Fast 600 Haushalts- 
helferinnen konnten bisher eingesetzt werden. 
Darüber hinaus wurde in gleich guter Zusam- 
menarbeit mit den Arbeitsämtern der ländliche 
Pflichtjahreinsatz gefördert. Von 7500 Pflicht- 
jahrmädchen sind heute 4500 im ländlichen Ein- 
satz tätig; selbstverständlich gilt es, diese Zahl 
zukünftig noch weitgehend zu erhöhen, 


Auf dem Gebiet der Landfrauengesundheits- 
fürsorge und -betreuung allgemein gibt es kaum 
eine schönere und wertvollere Aufgabe als jene, 
der Landfrau von Zeit zu Zeit Ruhepausen zu 
gewähren, die sie in ihrem eigenen Lebenskreis 
bleiben läßt, ihr aber doch gleichzeitig hohen 
körperlichen und geistigen Gewinn zu schenken 
vermag. Jedenfalls haben sich unsere Heim- 
zeiten so bewährt, daß ihr Ausbau durch Ein- 
richtung weiterer Heime erfolgen soll und daß 
sie allen Gauen, wo sie noch nicht bestehen, zur 
Errichtung empfohlen werden können. Voraus- 
setzung ist dabei keinesfalls das Äußere des 
Heimes — Landfrauen sind ja darin durchaus 


nicht verwöhnt —, entscheidend ist der Geist, 
der in ihm wohnt, dem neben klugem Verständ- 
nis für Wesen und Aufgabe der Landfrauen auch 
echte Liebe und richtige Fürsorge für sie ent- 
springt. Und entscheidend ist ferner, daß alles, 
was im Heim um sie ist, echt, klar und wahr ist. 
Der Dank, den die Landfrau hierfür äußert, ist 
meist beschämend für den, der ihn empfängt. Er 
beweist aber, daß durch aufrichtige Betreuung 
tiefste Wünsche in ihrem Herzen Erfüllung 
finden. Wie sehr die Heimzeit als seltenes Ge- 
schenk gewertet wird, mag daraus ersehen 
werden, daß alle Landfrauen sie im letzten als 
Werk des Führers deuten — und das ist ja auch 
so — und ihm den höchsten Dank bekunden. 


Während des Krieges sind besondere Richt- 
linien in der Auswahl der Landfrauen zur Auf- 
nahme in das Heim nicht festgelegt. Jede Land- 
frau, die durch Überarbeitung und Nöte zur 
Wiederherstellung ihrer körperlichen und see- 
lischen Kräfte für den Dienst am Ganzen, für die 
Kriegsaufgaben, eine Zeit des Ausruhens bedarf, 
ist herzlich willkommen. Vor einiger Zeit z. B. 
wurden fast die gesamten Frauen eines Dorfes, 
jung und alt, in unser Heim geladen. Durch 
einen Dammbruch der Donau hatte das Dorf 
durch Wochen schwere Not zu leiden. Und keine 
dieser Frauen ist ungestärkt für den wirtschaft- 
lichen Kampf, der gerade in diesem Dorf noch 
durch Monate besonders hart sein mußte, in die 
Heimat zurückgekehrt. Jetzt im Kriege heißt es 
nur helfen, wem Hilfe gebührt, Liebe und Für- 
sorge schenken, wer sie benötigt. Nach dem 
Kriege aber, wenn die Heimzeiten länger währen 
können, auch eine umfassendere Schulung statt- 
finden kann, wird eine gewisse Auslese statt- 
finden müssen. Dann werden in erster Linie 
Frauen der Entspannung, Schulung und Aufklä- 
rung in unserem Heim zugeführt werden, die 
Kinder besitzen, ihrem Bauerntum noch Kinder 
schenken können und die vor allem auch als 
Trägerin des Gedankens einer bäuerlichen Le- 
bensgestaltung auf das Dorf zurückkehren und 
dort im Sinne des Neuerworbemen zu wirken 
vermögen. 


Sie sollen dann Wegbereiterinnen einer wah- 
ren Kultur, einer gesunden bäuerlichen Lebens- 
gestaltung am Menschen, am Heim und Hof 
unserer Dörfer sein. Denn das wird, wie betont, 
die Hauptaufgabe unseres Landfrauenheimes 
werden, die Frauen mit einer ihrem wahren 
Wesen und ihrer Berufung für das Volk ent- 
sprechenden bäuerlichen Lebensführung be- 
kannt zu machen, aus der heraus einzig und allein 
ein Bauerntum erwachsen kann, das tatsächlich 
äußerlich und innerlich erster Träger der völ- 
kischen, kulturellen und wirtschaftlichen Kräfte 
unseres Volkes zu sein vermag. 


147 


— 


A De ht sche Ru nads, en 


Vor wenigen Wochen sind bei der Einführung des 
neuen Leiters der Wirtschaftsgruppe Privates 
Bankgewerbe,Freiherrn v. Schroeder, grundsätzliche 
Ausführungen zur Wirtschaftspolitik gemacht worden, 
die auch vom Standpunkt der nationalsozlalistischen 
Agrarpolitik aus um so größere Beachtung verdienen, 
weil sie als weiterer Beitrag zur Stellung der tat- 
kräftigen Einzelpersönlichkeit in der nationalsozia- : 
listischen Gemeinwirtschaft anzusehen sind. Der Lei- 
ter der Reichsgruppe Banken, Dr. Christian Fi- 
scher, betonte in seiner Einführungsansprache, daß 
Kenntnisse und Erfahrungen stets die feste Grund- 
lage für ein erfolgreiches Handeln im Wirtschafts- 
leben sein müssen. Nur dadurch kann der Wirt- 
schaftsführer jene Autorität in seinem Kreise er-ı 
langen, die unbedingt notwendig ist, um auch die 
erforderliche Autorität außerhalb dieses Kreises zu 
genießen. Autorität läßt sich nicht verleihen, sondern 
muß durch Taten erworben werden, und Taten führen 
wiederum nur dann zum Erfolg, wenn sie vom Geist 
bestimmt, geführt und vollendet werden. Nur da- 
durch wird auch das Leistungsprinzip zu einer Reali- 
tät, an der die bloße Phrase scheitern muß. Dr. Fischer 
betonte weiter, daß die Wirtschaft ohne einen starken 
Staat nicht gedeihen kann und daß nur die Ideen, 
wie sie durch den Nationalsozialismus verkörpert 
werden, Deutschland jenen Aufschwung geben konn- 
ten, ohne den es seine Großmachtstellung und seine 
Selbstbehauptungsmöglichkeit für immer eingebüßt 
hätte. 


Diese Worte stehen in stärkstem Gegensatz zu den 
Auffassungen früherer jüdischer Bankmächte, die vom 
Staat immer nur verlangten, daß er den Wirtschafts- 
kräften eine ungehemmte Bewegungsmöglichkeit zu 
sichern habe. In der gleichen Richtung liegt die An- 
sprache des neuen Leiters der Wirtschaftsgruppe 
Privates Bankgewerbe, Freiherrn v. Schroeder, der 
zeigte, wie die Initiative der deutschen Bankmänner 
im vergangenen Jahrhundert die wirtschaftliche Ent- 
wicklung im besten Sinne gefördert hat. Alle diese 
Verdienste mußten in Vergessenheit geraten, als mit 
Beginn dieses Jahrhunderts und mehr noch seit Be- 
endigung des ersten Weltkrieges jüdische Einflüsse 
sich des Bankwesens zu bemächtigen begannen und 
nicht mehr in gemeinnützigem Einsatz und in der 
Weiterentwicklung deutscher Industriebelange das 
Hauptziel ihrer Tätigkeit sahen, sondern in dem 
reinen Gewinnstreben und der Verfolgung eigen- 
nütziger Ziele. Die Vorherrschaft des jüdischen 
Elements im Bankgewerbe hat dazu geführt, daß 
vielfach die Meinung verbreitet war, als ob das ganze 
deutsche Bank; ewerbe verjudet und minderwertig sei. 
Freiherr v. Schroeder gab der Hoffnung Ausdruck, 
daß ebenso, wie nur wenige J:hre genügten, um das 
Bankgewerbe in Mißkredit zu bringen, auch nur 
wenige jahre nötig sein werden, um Volk und Partei 


148 


. 2 

zu der Überzeugung gelangen zu lassen, daß das 
deutsche Bankgewerbe ebensosehr wie die übrige 
Wirtschaft, erfüllt mit nationalsozialistischem ideen- 
gut, sich einsetzen wird für das Wohl des Gesamt- 
volkes. Er kennzeichnete als Hauptaufgabe der 
Banken die Aufrechterhaltung des Geld- und 
Zahlungsverkehrs und die Erfüllung der 
Finanzierungsaufgaben für Reich und Kriegs- 
industrie. 


Gerade in .der Landwirtschaft wird man diese 
Äußerungen aus Kreisen der Bankwirtschaft stärkstens 
begrüßen, erinnert man sich doch immer noch daran, 
wie seinerzeit auf dem Höhepunkt der Agrarkrise 
der deutschen Landwirtschaft von einem Banken- 
konsortium unter Heranziehung von USA.-Professoren 
Ratschläge zur besseren Wirtschaftsführung gegeben 
wurden, mit deren Hilfe angeblich die Krise über- 
wunden werden sollte. An die Kernfragen der 
Agrarpolitik und des Bauerntums ist dieses „Agrar- 
programm der Großbanken” niemals herange- 
kommen, weil es den Geist vermissen ließ, der jetzt 


aus den Ausführungen des neuen Leiters def Privat- 


banken spricht. 


Bei dieser Gelegenheit sei aber auch an die be- 
sondere Stellung erinnert, die sich die Institute 
des Agrarkredits in dieser Zeit errungen haben. 
Gerade der Ursprung der Agrarkreditinstitute geht 
immer wieder auf gemeinwirtschaftliche Wurzeln 
zurück, die mit der Politik der Großbanken zu Be- 
ginn dieses Jahrhunderts nicht in Einklang zu bringen 
waren. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wurde im 
Jahre 1925 als Landwirtschaftliche Zentralbank die 
Deutsche Rentenbank-Kreditanstalt geschaffen, die 
stets auf gemeinnütziger Grundlage arbeitete und in 
den schwersten Krisenjahren dem landwirtschaft- 
lichen Kreditapparat einen festen Rückhalt gab. Bei 
der Besonderheit der agrarpolitischen Aufgaben der 
Zukunft wird dieser eigene Agrarkreditapparat auch 
in Zukunft notwendig sein, weil nun einmal der 
Ablauf des landwirtschaftlichen Betriebes ganz 
andere Kreditaufgaben stellt als in der gewerblichen 
Wirtschaft. 


Kann man so die Entwicklung der Bankenpolitik 
im nationalsozlalistischen Deutschland als stärkstes 
Zeichen der Durchsetzung nationalsozialistischer 
Grundsätze in der Wirtschaftspolitik überhaupt an- 
sehen, so zeigt bei unseren Gegnern gerade die Be- 
handlung ernährungspolitischer Fragen immer wieder, 
wie sich dort auch bei den wichtigsten Lebensfragen 
der Völker immer wieder das nackte Profitstreben 
durchsetzt. Dies war schon bel der Ernährungskön- 
ferenz in Hot Springs der Fall und hat sich noch 
stärker auf der Fortsetzung der dort begonnenen 
Verhandlungen gezeigt, die kürzlich in Atlantic City 


stattfanden. Hatte in Hot Springs USA. die Aner, 
kennung -des amerikanischen Herrschaftsanspruchs 
hinsichtlich der Kartellierung und zentralen Lenkung 
der Lebensmittelwirtschaft für die Nachkriegszeit 
erzwungen, so sollte in Atlantic City unter dem Vor- 
wand der Vorbereitung umfassender Hilfsaktionen 
zugunsten der vom Kriege unmittelbar betroffenen 
Völker und Länder das ganze Gebiet der Be- 
wirtschaftung der Weltrohstoffe, Nahrungs- 
mittel und gewisser Halb- und Fertig- 
erzeugnisse planmäßig im Zeichen der 
USA.-Vorherrschaft organisiert werden. Hier- 
bei wirkten bezeichnenderweise auch die Sowjets 
mit, die ihre Unterstützung der amerikanischen 
Forderungen mit dem nachdrücklichen Verlangen 
sofortiger Hilfslieferungen an die Sowjet- 
union verbanden. Das wichtigste Ergebnis in At- 
lantic City war die Gründung der United Nations 
Relief and Renabilition Administration 
(UNRRA.). Selbstverständlich ist der Tätigkeit der 
UNRRA. äußerlich das bei unseren anglo-amerika- 
nischen Gegnern bekannte heuchlerische Mäntelchen 
der menschenfreundlichen Hilfeleistung umgehängt 
worden. So soll angeblich die UNRRA. das Ziel 
verfolgen, die Bevölkerung der besetzten Gebiete 
sogleich nach ihrer „f Befreiung“ mit Lebensmitteln, 
Kleidern, Unterkünften und sanitären Hilfsmitteln 
zu versorgen. Die beispiellose Not der Bevölkerung 
in Süditalien läßt schon nach wenigen Wochen die 
wahren Arbeits methoden der UNRRA. erkennen. 
Tatsächlich soll sie ja auch in erster Linie den USA. 
die dauernde Kontrolle der wichtigsten Warenmärkte 
sichern. Selbst den nichthilfsbedürftigen Staaten, also 
den devisenstark gebliebenen Neutralen, soll nicht 
etwa erlaubt sein, die für ihre wirtschaftliche Ent- 
wicklung erforderlichen Rohstoffe nach Belieben auf 
dem Weltmarkt zu kaufen. Auch diese Staaten sollen 
hierbei stets an die Zustimmung der UNRRA. ge- 
bunden sein. So sieht die Freiheit aus, für die angeblich 
Anglo-Amerikaner Arm In Arm mit den Sowjets 
kämpfen. Da ist es nicht verwunderlich, daß in den 
Richtlinien für die UNRRA. ausdrücklich festgelegt 
wird, daß es sich niemals um eine kostenlose Hilfe 
für die vom Kriege betroffene. Länder handeln kann. 
Die leihweise Lieferung von Lebensmitteln und Roh- 
stoffen an die kapitalschwachen Länder soll vielmehr 
dazu dienen, diese für immer in die Gewalt des 
USA.-Wirtschaftsimperialismus zu bringen. Dieser 
bedroht ganz allgemein die Lebensmöglichkeiten 
der europäischen Völker ebenso wie insbesondere 
die Entwicklung der Landwirtschaft. Das zeigt nicht 
nur die Lage derjenigen Länder, in denen sich anglo- 
amerikanische Wirtschaftsgrundsätze seit Jahren un- 
gehindert betätigen können, das zeigt vor allem auch 
die Unruhe, die unter den Farmern in USA. und 
England trotz der eingeschränkten Meinungsfreiheit 
erkennbar wird. Über die Streitigkeiten im USA.- 
Parlament um die Regelung agrarpolitischer, insbe- 
sondere preispolitischer Fragen ist schon mehrfach 
‚berichtet worden. Jetzt wird auch ein Telegramm 
bekannt, das die Nationale Farmer-Union in 
England kürzlich an Churchill geschickt hat. 
Danach soll Churchill in die preispolitischen Er- 
örterungen der Farmer mit dem Landwirtschafts- 


minister eingreifen. Es wird dringend um Empfang 
einer Farmerabordnung gebeten, ehe die Fragen im 
Parlament erörtert werden; weil dort keine ordnungs- 
mäßige Behandlung zu erhoffen sei. Die Farmer wen- 
den sich gegen den Landwirtschaftsminister Hudson. 
dessen statistische Unterlagen abgelehnt werden. Sie 
weisen ebenso die Regierungserklärung zu den im 
Februar 1942 gegebenen Versprechungen zurück, denn 
es habe keinen Zweck, den Farmern Zuschüsse zu 
gebem und dann die Preise zu senken. Die ganze Hal- 
tung der Farmer in USA. und England ist getragen 
von tiefstem Mißtrauen gegenüber den Regierungs- 
versprechungen, die gegeben wurden, um jetzt die 
landwirtschaftliche Erzeugung auf die notwendigen 
Hochleistungen zu bringen. Alle diese vorliegenden 
Nachrichten stellen immer wieder eine erneute 
Bestätigung dafür dar, wie richtig die Auffassung des 
Leiters der deutschen Kriegsernährungswirtschaft 
Herbert Backe ist, bei der Planung der europäischen 
Ernährungswirtschaft der Tatsache Rechnung zu tra- 
gen, daß auch für die Nachkriegszeit mit sicheren 
Zuschüssen für die europäische Ernährung aus Über- 
see nicht gerechnet werden kann. 


Der Weg der deutschen Agrarpolitik wird deshalb 
unbeirrbar weitergegangen werden. Dazu gehört 
immer wieder die Sicherung des notwendigen 
Nachwuchses für die landwirtschaftlichen 
Berufe. Hierbei steht erfreulicherweise das Land- 
volk nicht mehr allein. Gerade jetzt hat der Reichs- 
jugendführer angeordnet, daß ebenso, wie die Hitler- 
jugend seit längerem die männliche und weibliche 
Jugend in Industrie und Handwerk aufsucht und immer 
wieder neu ausrichtet, auch die Jungen und Mädel 
im Dorf zu Appellen zusammengerufen werden, um 
ihnen die großen Ziele nahezubringen. Als Auftakt 
zu dieser Großaktion der Hitlerjugend fand Mitte 
Januar in Alt-Reichenau ein Eröffnungsappell statt, 
auf dem der Reichsjugendführer Axmann und der 
Reichsbauernführer Oberbeſehlsleiter Backe in 
Anwesenheit von Gauleiter Hanke zur ländlichen 
jugend sprachen. Der Reichsjugendführer erklärte 
u. a., „beim Einsatz der Landjugend in der Erzeu- 
gungsschlacht handelt es sich um einen Kriegs- 
einsatz, der nicht wie alle anderen tm großen Rampen- 
licht der Öffentlichkeit erscheint und dennoch zu 
den wichtigsten und beständigsten gehört.“ Er dankte 
der ländlichen Jugend, die neben dem Bauern und der 
Bäuerin ihre Pflicht trotz ungeheurer Schwierigkeiten 
getan hat. Der Reichsbauernführer zeigte, wie heute 
jedem einzelnen unter der deutschen Landjugend eine 
Aufgabe gestellt ist. „Seid euch klar darüber, meine 
deutschen Jungen und Mädel“, so erklärte Ober- 
beſehlsleiter Backe, „daß eure Nachfahren einmal 
mit euch rechten werden, ob eine große Zeit auch 
eine große Jugend gefunden hat, die die Aufgaben 
eines großen Geschlechtes zu lösen verstand. Ihr 
werdet und ihr müßt es schaffen; denn wenn wir 
Älteren, die wir bereits einen großen Kampf hinter 
uns haben, die Fahne aus der Hand legen müssen, 
dann müßt ihr sie aufpflanzen und neu emporreißen. 
Darum liegt bei euch die größte Verpflichtung." 


Dr. Kurt Heußmann 


149 


Krieg und Kapitalismus 


Als Gustav Ruhland vor 30 Jahren für immer seine 
Augen schloß, verfolgten ihn bis in seine letzten 
Stunden auf dem Krankeniager die Sorgen um das 
Schicksal des deutschen Volkes, dessen Bedrohung 
durch die plutokratischen Großmächte er mit wach- 
„sender Unruhe verfolgte. Diese Sorge machte ihn 
zum Vorkämpfer einer straffen Marktordnung zum 
Schutze und zur Hebung der nationalen Produktions- 
kraft, insbesondere der Landwirtschaft. Schon in 
einer seiner ersten größeren Jugendschriften stoßen 
wir auf den sein ganzes Werk beherrschenden Grund- 
gedanken, mit eindringlicher Präzision ausgesprochen, 
wenn er betont: „In dem Maße, als der Grundbesitz 
aufhört, Basis der Brotversorgung des Volkes zu sein, 
In dem Maße hängt auch die Zukunft des Staates in 
der Luft.“ Er ist daher stets der Meinung gewesen, 
„daß alle agrarpolitischen Weisheiten der Menschen 
nicht über den alten einfachen Satz hinauskommen 
werden: DasLand soll in der Regel das Brotgetreide für 
das Volk bauen.“ 


Zur Sicherung dieser volkspolitischen Funktion der 
Landwirtschaft, von der nach Ruhlands nie wankender 
Überzeugung eine harmonische Entwicklung des ge- 
samten Volkslebens abhing, forderte er eine Markt- 
ordnung, für die es „nur einen untrüglichen Maß- 
stab“ gebe: das Verhältnis zwischen Produktion und 
Bedarf an Brotgetreide. Ausgangspunkt für diese 
Forderung war die Erkenntnis der sozialen Be- 
deutung der Brotpreise als „volkswirt- 
schaftlicher Lohnregulator‘. Wie in der Tem- 
peraturkurve des Menschen sich sein Wohlbefinden 
am sichersten widerspiegelt, so zeichnet für Ruhland 
die Bewegung der Getreidepreise das Wohlbefinden 
des Volkskörpers mit absoluter Zuverlässigkeit auf, 
wobei er zu hohe Getreidepreise als ebenso verderb- 
lich wie zu niedrige erkannte. So kommt er natur- 
notwendig zu der Forderung der Bindung der Ge- 
treidepreise auf mittlerer Linie. 


Je mehr sich Ruhland, veranlaßt durch die heftigen 
Angriffe seiner Gegner, in die Geschichte der Völker 
und Staaten versenkte, um aus ihr neue Beweismittel 
für seine Lehre zu schöpfen, um so mehr drängte 
sich ihm neben der sozialpolitischen Funktion der 
Marktordnung deren nationalpolitische Bedeu- 
tung als Waffe im Selbstbehauptungskampf 
der Völker auf. Er erkennt die Mehrzahl der Kriege 
als „Lösungsversuche wirtschaftlicher Fragen im 
kapitalistischen Sinne“. In diesem Zusammenhange 
weist er, zu seiner Zeit in dieser Beziehung fast allein- 
stehend, Immer wieder auf die Rolle der USA. 
als plutokratische Vormacht hin und beobachtet 
die sich anbahnende. Entwicklung mit geschärfter 
Aufmerksamkeit. Er erkannte mit untrüglichem 


150 


cnudbemerkungen 


Instinkt, daß es mehr war als die Stimme eines Außen. 
seiters, wenn der nordamerikanische Schatzsekretär 
Shaw vor den Studenten der Harvard- Universitit 
in einer Rede, die auch sonst durch ein Gemisch von 
offener Brutalität und frömmeinder Scheinheiligkeit 
gekennzeichnet wird, ausführte: „Das neue (20.) 
Jahrhundert wird Zeuge sein eines erbitterten und 
riesenhaften internationalen Handelskrieges zwischen 
England, Frankreich, den Vereinigten Staaten und 
Deutschland um die Märkte der Welt. Gebe Gott. 
daß der Krieg unblutig bleibe. Aber er wird genau 
so heftig und unerbittlich geführt werden wie nur 
irgendein Krieg in früheren Zeiten.‘ So wird für 
Ruhland die von ihm geforderte Marktordnung zur 
Waffe in dem drohenden Existenzkampf des deutschen 
Volkes, von dessen Unentrinnbarkeit der in Sorge 
um sein Volk sich verzehrende einsame Denker 
mehr und mehr überzeugt war, zu einer Waffe, die 
ebenso unentbehrlich war wie eine starke militärische 
Rüstung. \ 


Ruhland ließ sich daher auch keinen Augenblick 
durch die Friedensbewegung seiner Zeit, durch die 
mit viel Lärm aufgezogenen Friedenskonferenzen 
usw., täuschen. Die entscheidende Frage der Friedens- 
bewegung lautet für ihn: „Wird es gelingen, den 
heute herrschenden Kapitalismus aus der Gesellschaft 
zu beseitigen!” Und er betont: „Bleibt das kapita- 
listische Erwerbssystem herrschend, dann müssen die 
Zeiten der ewigen Kriege fortdauern trotz aller 
Friedenskonferenzen.“ Aus dieser Erkenntnis heraus 
wird für Ruhland die Marktordnung zum Instrument 
einer Neuordnung der Völkerbeziehungen, 
das geeignet ist, eine dauerhafte friedliche Zusammen- 
arbeit zu sichern, 


Als Ruhlands Stimme verstummte, stand der Aus- 
bruch des Weltkrieges, den er kommen sah, unmltte - 
bar bevor. Seitdem sind dreißig Jahre vergangen, in 
denen wohl für wenige Jahre die militärischen Waffen 
ruhten, der Wirtschaftskrieg aber keinen Augenblick 
unterbrochen wurde; denn der dem deutschen Volke 
diktierte „Frieden“ war nur die Fortsetzung des 
Kampfes mit den Waffen in der Form rücksichtsloser 
wirtschaftlicher Ausbeutung. In dem Augenblick aber, 
als sich das deutsche Volk unter nationalsozialistischer 
Führung gegen diese Ausbeutung zur Wehr setzte, 
entschlossen sich die plutokratischen Großmächte, 
den Kampf mit den militärischen Waffen wieder 
aufzunehmen. Es ist das Glück des deutschen Volkes 
In dem zweiten ihm aufgezwungenen Weltkrieges, 
daß die nationalsozialistische Staatsführung die kurze 
ihr verbleibende Atempause mit unübertrefflicher 
Tatkraft benutzte, um das deutsche Volk für diesen 
neuen Existenzkampf nicht nur militärisch, sondern 
auch wirtschaftlich zu rüsten. Welche Bedeutung dabei 
der ernährungswirtschaftlichen Marktordnung zu 


kommt, Ist In dieser Zeitschrift zur Genüge dargelegt 
worden, so daß es einer Wiederholung nicht bedarf. 
Der fast in Vergessenheit geratene Name Ruhlands 
aber hat durch die nationalsozlalistische Agrarpolitik 
neuen Klang bekommen; denn sie hat sich stets zu 
ihm als dem Vorkämpfer einer bodengebundenen 
Voiksordnung bekannt, dessen wesentliche Gedanken- 
ginge durch sie in zeitgemäßer Form verwirklicht 
wurden. So ist aus Ruhlands theoretischer Denkarbeit 
doch, was er selbst kaum noch zu erhoffen wagte, 
die lebendige Tat erwachsen, eine scharfe 
Waffe im Selbstbehauptungskampf des deutschen 
Volkes und zur Befreiung Europas von der pluto- 
kraischen Vorherrschaft. 

Günther Pacyna 


Appelle der ländlichen Jugend 


Die totale Kriegführung hat unsere ländliche Jugend 
in einer bisher noch nicht dagewesenen Weise in die 
bäuerliche Arbeit auf Hof und Acker eingeschaltet. 
Überall da, wo Bauern oder Landarbeiter zu den 
Waffen gerufen wurden, ist nicht nur die Landfrau 
an ihre Stelle getreten, sondern vor allem auch 
unsere Jungen und Mädel auf dem Lande greifen 
stets dort tatkräftig mit zu, wo während des ganzen 
bäuerlichen Arbeitsjahres schaffende Hände auf den 
Höfen fehlen. Nach der starken beruflichen Be- 
anspruchung während des Sommers und Herbstes, 
auf die der H)J.-Dienst auf dem Lande weitgehend 
Rücksiche nahm, wird nun die ländliche Jugend in 
Appellen eine Anerkennung ihrer bisherigen Leistun- 
gen finden und darüber hinaus zu weiterem Kriegs- 
einsatz im Dienste des Volksganzen angespornt. Hier 
soll ihr die Bedeutung des Bauerntums für die Nah- 
rungsfreiheit und für die biologische Erneuerung 
unseres Volkes eindringlich zum Bewußtsein gebracht 
und in unserer dörflichen Jugend das Pflichtgefühl 
wachgerufen werden, dem Lande aus innerer Über- 
zeugung treu zu bleiben. Darüber hinaus können 
diese Appelle das Gemeinschaftsbewußtsein und 
Zusammengehörigkeitsgefühl der Jugend im Dorf 
stärken, zumal auch die über 14 jahre alten Jugend, 
lichen teilnehmen, die bisher noch nicht im H).-Dienst 
‘erfaßt sind: Träger der Appelle ist die Hitlerjugend 
in enger Zusammenarbeit mit den Gau- und Kreis- 
ämtern für das Landvoik sowie den Landes- bzw. 
Kreisbauernschaften. Zur festlichen Ausgestaltung 
werden die Hj.-Spieleinhelten mit ihren Chören, 
Orchestern und Laienspielgruppen sowie die Musik- 
und Spielmannszüge herangezogen. 


Mit einem Reichsappell der ländlichen Jugend, bei 
dem Oberbefehlsleiter Reichsbauernführer Backe 
und der Reichsjugendführer Axmann zu der Jugend 
eines niederschlesischen Dorfes sprachen, wurde nun 
die Reihe der Appelle eröffnet, die in diesem Winter 
in jedem Dorf durchgeführt werden. Der Reichs- 
jugendführer legte hier erneut ein eindrucksvolles 
Bekenntnis der Hitlerjugend zum deutschen Bauern- 
tum ab und sprach von einem unlöslichen We- 
sensbündnis, das die Jugendführung mit der 
Bauernführung verbindet, denn nur ein kämpfe- 


risches Bauerntum und eine einsatzbereite 
Jugend gewährleisten die Verjüngung un- 
seres Volkes. Das Bauerntum und die Jugend sind 
auch in ihrem gemeinsamen Bekenntnis zum deut- 
schen Osten eng verbunden. Oberbefehlsleiter Backe 
zeigte in seiner Ansprache die Notwendigkeit auf, 
dem Bauerntum seine jungen Kräfte unbedingt zu 
erhalten und hob den besonderen rassisch-bluts- 
mäßigen, ernährungspolitischen und erzie- 
herischen Auftrag an unsere ländliche ju- 
gend hervor. Durch die Maßnahmen des bäuerlichen 
Berufserziehungswerkes ist es heute jedem fähigen 
Jungen und Mädel möglich, auch ohne besondere 
schulische Vorbildung und unabhängig von der 
Finanzkraft der Eltern Im landwirtschaftlichen Beruf 


dis zur verantwortlichen Selbständigkeit vorwärts- 


zukommen. Daraus ergibt sich die nationalpoll- 
tische Bedeutung einer geordneten Be- 
rufsausbildung gerade beim Bauerntum. In 
der Zukunft soll das wertvollste deutsche Bauernblut 
nicht wieder wie in der Vergangenheit nach Übersee 
oder in die großen Städte abwandern, sondern im 
Dienst an der deutschen Scholle der gesamten Volks 
gemeinschaft dienen. 


Gerade diese schlichte Feierstunde im Walden- 
burger Bergland wird wie alle die anderen Appelle 
der ländlichen Jugend zum Kriegseinsatz der HL den 
Jungen und Mädeln auf dem Dorfe klarmachen, daß 
berufliches Können, hohe fachliche Leistungen, eine 
starke charakterliche Haltung und ein lebendiges 
Gemeinschaftsgefühl alle Schwierigkeiten des Alltags 
überwinden helfen. 

Dr. Albrecht Timm 


Df BU AAN. 


Deutsche Ostforschung 


Ergebnisse und Aufgaben seit dem ersten Welt- 

krieg. Bd. 2. Herausgegeben vonAubin, Brunner, 

Kohte, Papritz. Verlag S. Hirzel In Leipzig, 1943. 
642 Seiten. 


Die deutsche Wissenschaft und Publizistik der letz- 
ten Jahrzehnte hat ihr Augenmerk immer wieder auf 
den Osten gerichtet und auf die großen geschicht- 
lichen Taten unseres Volkes in diesem Raum hinge» 
wiesen. Doch dieses Schrifttum ist so weit in Einzel- 
schriften und Aufsätzen der Zeitschriften aller 
Wissenschaftsdisziplinen verstreut, daß es bisher 
schwerfiel, darüber eine schnelle Übersicht zu 
gewinnen. Es bleibt das große Verdienst dieses 
Sammelbandes, hier eine erste Zusammenfassung, die 
zugleich auch eine Würdigung bedeutet, zu bieten. 
Der erste Band, der Im wesentlichen den Stand der 
deutschen Forschungen und Beziehungen zum ost- 
europäischen Raum während des Mittelalters behan- 
delt, konnte bereits im 1. Jahrgang Nr. 7/8 unserer 
Zeitschrift angezeigt werden. Der vorliegende zweite 
Band führt nun diese fruchtbare Arbeit vom Mittel- 
alter in die Neuzeit fort. Wenn auch die zweite 


151 


deutsche Ostsiediung, wie sie W. Kuhn im Kernstück 
des Bandes, der 21 Einzelbeiträge namhafter Wissen- 
schaftler enthält, darstellt, bei weitem nicht die 
Stärke der mittelalterlichen Bauernsledlungen er- 
reicht, so ist sie doch bei ihrer Zersplitterung räum- 
lich ausgedehnter und zeitlich vielschichtiger. Im 
17. Jahrhundert bestimmen der niederdeutsche und 
alpendeutsche Bauernsiedler Stärke und Richtung, im 
13. Jahrhundert treten diese mehr großbäuerlichen 
Landschaften zurück, während nun der Kleinbauer 
aus den westdeutschen Realteilungsgebieten oder 
der Häusler und Gärtler aus dem Nordosten die 
Träger des Siedlungswerkes werden. 


Bemerkenswert ist das, was Th. Schieder an sinn- 
fälligen Beziehungen zwischen ständischer Ofdnung 
und volkhaft nationalem Bewußtsein bei den Außen- 
posten des deutschen Volkstums, besonders in den 
baltischen Ländern und in Siebenbürgen, feststellt. 
Hier zeigt sich die Stärke des Deutschtums, das seiner 
Umgebung verfassungsrechtlich und kulturell ebenso 
überlegen war wie in wirtschaftlicher Hinsicht. 
W. Kohte macht uns die engen Verflechtungen zwi- 
schen Volkstumskampf und Wirtschaftsentwicklung 
deutlich und zeigt, daß die preußische Agrarreform, 
besonders die Deklaration von 1816, die den Boden 
veräußerlich machte und mit der Beschränkung der 
Regulierung die nicht spannfähigen Bauern zu Land- 
arbeitern stempelte, gänzlich vom Boden löste und 
in die Städte abwandern ließ, das Vordringen des 
Slawentums ebenso förderte, wie die einseitige und 
verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik des 19. Jahr- 
hunderts es getan hat. Nur deshalb konnte auch der 
verhängnisvolle EinfluB des Judentums, auf den 
P.H.Seraphim hinweist, ständig zunehmen und der 
Jude, der einst im Gefolge der deutschen Bauernsied- 
ler als Parasit ins Land kam, nun als Erbe des Deut- 
schen eine beherrschende Stellung im Wirtschafts- 
leben einnehmen. Th.Oberländer kennzeichnet 
die agrarische Überbevölkerung und das Vorhanden- 
sein der Kleinst- und Zwergbetriebe in der Landwirt- 
schaft bei den slawischen Völkern als durch die alte 
Bodenverfassung — in Rußland die Mirverfassung — 
bedingt. Sie wurde durch eine falsch verstandene Agrar- 
reform in der Neuzeit nur verschärft, und zum Teil 
wurden somit marktgebundene Produktionsstätten 
in halb naturwirtschaftliiche Zustände zurückge- 
worfen. Die fortschreitende Verarmung ist nur ein 
Kennzeichen dieser Entwicklung, die allein durch 
die Verstärkung positiver agrarpolitischer Maßnahmen 
und durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Groß- 
deutschen Reich aufgehalten werden kann. 


Hier können die vielfachen Probleme, die dieser 
Sammelband berührt und behandelt, nur angedeutet 
werden. Verschiedene Arbeiten beleuchten den 
befruchtenden Einfluß deutschen Geisteslebens und 
deutscher Kunst, und andere schildern die historische 
Aufgabe Deutschlands, des Erben Preußens und 
Österreichs, Js politische Ordnungsmacht. Wichtig 
sind vor alleın die zusammenfassenden Berichte über 
den Stand deutscher Volksforschung im ehemaligen 
Polen, im Baltikum, in Böhmen und Mähren und in 
Ungarn. Gerade der Südosten Ist in diesem Band 
ausführlicher behandelt, als es im ersten Band möglich 


152 


war. Jeder Leser muß in diesen Beiträgen erkennen, 
wie entscheidend die deutsche Arbeit und vor allem 
die deutsche Bauernarbeit im deutschen Ostraum 
war und ist, und kann schon aus diesem Leistungs- 
bericht ermessen, was es heute im Osten zu ver- 
teidigen gilt. 

Dr. Albrecht Timm 


Werner Zimmermann 


Landwirtschaftszonen in Übersee 


Die jetzige Agrarstruktur und ihre Entwicklung. 
Wilhelm Goldmann Verlag, Leipzig. 
132 Seiten. 


Gerade während eines Krieges gewinnen agrar- 
politische und -technische Probleme an Bedeutung, 
wirkt sich das kriegerische Geschehen doch immer in 
irgendeiner Form auf die Ernährungsweise der Völker 
aus und steigert zwangsläufig das Interesse für alle 
diesbezüglichen Fragen. Während die Tagespresse 
dazu Stellung nehmen muß, fällt dem agrarwirtschaft- 
lichen Schrifttum die Aufgabe zu, die großen Ge 
dankengänge aufzuzeigen, die Synthese aus vielen 
Bestrebungen und Richtungen zu ziehen und von einer 
höheren Warte die Probleme zu sehen und zu be- 
handeln. 


Dieser Aufgabe hat sich Zimmermann im Rahmen 
der Bücherreihe „Weltgeschehen“ des Gold- 
mann-Verlages unterzogen. Seine einleitenden Be- 
trachtungen befassen sich mit der Herausbildung der 
überseeischen Agrarzonen. Damit schafft er die 
Grundlagen für das Verständnis der nachfolgenden 
Abschnitte, die sich mit speziellen Untersuchungen 
über die Entwicklung und Strukturveränderungen 
in den verschiedenen Kontinenten und Großwirt- 
schaftsräumen befassen. Gerade diese Untersuchungen 
haben für weite Kreise besondere Bedeutung, bringen 
sie doch viel instruktives Zahlenmaterial über 
Erzeugung, Verbrauch, Ein- und Ausfuhr 
usw. Darüber hinaus findet man historische Über- 
sichten, Zahlen über die Bevölkerungs- 
entwicklung, Siedlungsdichte und schließ- 
lich geologische und klimatologische Hin- 
weise. Diese Konzentration von grundlegenden 
Daten aus dem Wirtschaftsleben gibt die Möglichkeit, 
sich auch durch das Studium eines Abschnittes über 
bestimmte Agrarfragen zu orientieren. Aber auch 
hier muß darauf hingewiesen werden, daß die Gesamt- 
schau der Probleme im Vordergrund zu stehen hat; 
denn letztlich sind die wiedergegebenen Zahlen doch 
nur Ausdruck für eine Entwicklung, die entscheidend 
beeinflußt wurde von den beiden Weitkriegen dieses 
Jahrhunderts und allen daraus geborenen oder davon 
beeinflußten Wirtschaftsepochen. So kommt dem 
Buch gerade in dieser Hinsicht die größte Bedeutung 
zu. Es ist ein Beitrag zur Agrargeschichte der 
Welt, wie sie Herbert Backe, Ferdinand Fried und 
andere in ihren Standardwerken aufgezeigt haben. 


H. Gerdesmann 


5 


— — Ze 
See Gë, 
Sen — J ED — 

a . , Ch — — 


Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit 
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen 
auf dem Hof meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht 
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf 
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer 
Stelle zur anderen bringen läßt. 


Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der 
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese 


Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. 


SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG 


Verpackt so fest, wie nur möglich. Der. 
Weg Ist weit. Nur was Stoß und Dreck 
aushäk, kann gut ankommen. Schreibe 
die richtige Feldpostaummer! 
Streichhölzer und gefüllte Benzinfeuer 
zeuge gehören nicht ia 
Feldpostpäckchen! 


DEUTSCHE A REICHSPOST 


Kein Saatgüt 


darf ungebeizt aus- 

gesät werden, sonst 

ist die Getreideernte 
gefährdet! 


Ceresan 


Trocken- oder Naßbeize 
für alle Getreidearten! 


ages. 
1.G.FARBENINDUSTRIE 
AKTIENGESELLSCHAFT 


Pflanzenschutz-Abtellung 
LEVERKUSEN 


Auf eigenem 
Grund und Boden. 


wächst der Kralistofl (ër den 
Ackerschlepper, das Hols Weit 
mehr als hundertiiausend 
Imbert-Holsgas-Generatoren 
sind die Gewähr (är höchste 
Betriebssicherheill. Darum 
wählı auch der Jausr den 
Schlepper mii 


IMBERT 
AGB TARGA 


IMBERT-GENERATOREN CLSELLSCHATT MBH » KOLN 


Fe - 


— 


L 


: 
=| 
-—{ 
. 


E 


Fir 


a 


Achtung! An alle Verfracnter! 


Vorsatzbretter für gedeckte Güterwagen! 


Ein neues Hilfsmittel der Deutschen Reichsbahn 
für die Verladung von Schüttgütern! 


Beı Fehlen von Verpackungs- 
material können Schüttguter 
wie Getreide oder Hülsen- 
früchte lose verladen werden. 
Die Reichsbahn hat hierfür Vor- 
satzbretter beschafft (s. obige 
Abbildung). Sie passen fur je- 
den Güterwagen, werden von 
innen in die Türen gestellt und 
sind mit 2 Entlade- 

DER schiebern versehen. 


Fordern Sie diese bahneigenen 
Vorsatzbretter bei Ihrer Güter- 
abſertigung an. Die Mietgebühr 
betragt je Stück RM 2,—. In kei- 
nem Falle ist es also mehr not- 
wendig, das wertvolle Wagen- 
material durch Vernageln der 
Guterwagentüren mit Brettern 
zu beschädigen. Jede Repara- 
tur entzieht den Guterwagen 
dem Verkehr. 


Räder müssen rollen für den Sieg! 


Der Transportarbeiter wird sich 
an diesem Nagel die Hand auf- 
reißen. Solche Verletzungen 
lassen sich verhüten. Auf die un- 
vermeidlichen Arbeitsschrammen 
und kleinen Wunden aber gleich 
ein Wundpflaster auflegen. 


Trauma Dias? 


Carl Blank, Verbandpflasterfabrik 
Bonn / Rh. 


von Johann Weck, dem Mann der 

das WECK-Verfahren begründet, 

der die WECK-Gläser und WECK- 
Geräte geschaffen hat. 


kolloidaler flüssiger Schwefel 


gegen 


Oidium / Aescherich 


Bezug durch Handel und Genossenschaften 


Riedel - de Haen A.-G. Berlin 


R M. 


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Herausgeb 


INHALT 


Staatssekretär Oberbefehlsleiter Herbert Backe: Die historische Mission des 
deutschen Bauerntums `... 153 


Landtechnik in der Kriegserzeugungsschlacht (Bildbeilage) ............ n. S. 156 


Ministerialdirektor Hans-Joachim Riecke: Aufgaben und Ziele der Technik 


in der Landwirtschaft... EE 8 157 
Dipl.-Ing. Heinrich von Waechter: Landtechnik im Kriege ER 160 
Friedrich Griese: Im alten Dorf ............ CCC 164 
Das Gesicht des deutschen Bauern (Bildbeilage-æevrſ:ſ: f n. S. 168 
Josef Martin Bauer: Der bäuerliche Veeeẽtiui AMX! .“hhh . en . 170 
Dr. Klaus Schmidt: Das Bauerntum in der Dichtung.. ie, ID 
Dorfgemeinschaftshaus im Erzgebirge (Bildbeilage) ............. a Meo L76 
Agrarpolitische Rundschau nenn ee 181 
Randbemerkungen e 8 Ee EENS 
Die Buchwacht .............. EN CC 


Bildnachweis: Unser Titelbild , Vorfrühling im Mattigtal’' ist eine Aufnahme von Hans Retzlaff, von 
dem wir auch einen Teil der Photos (6) zur Bildbeilage ‚Das Gesicht des deutschen Bauern“ erhielten; 
die übrigen stammen von Anna Koppitz (2), Enno Folkerts (1) und aus dem Bildarchiv des Reichsnähr- 
stands (1). — Heinrich von Waechter (9) und das Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft (1) 
lieferten die Bilder zur Beilage „Landtechnik in der Kriegserzeugungsschlacht''. — Von der Landes- 
bildstelle Sachsen (9) erhielten wir die Photos zur Bildbeilage ‚‚Dorfgemeinschaftshaus im Erzgebirge“ 


Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna. 

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil: 

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 1955 41. 

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts- 

ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43. 


ZENTRALVERLAG DER NSDAP. , FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN 


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Herausgeber 


März 1944 


HERBERT BACKE: 


Jahrgang 2 


N Herbert Ba cke 


Nummer 6 


DIE HISTORISCHE MISSION DES 
DEUTSCHEN BAUERNTUMS 


De gegenwärtige Krieg hat alle bisher 

gekannten Ausmaße militärischer Aus- 
einandersetzungen gesprengt. -Der Kampf 
geht nicht um das Einzelschicksal eines 
Volkes, sondern um eine neue gerechte 
Grundlage des volklichen Miteinander- 
lebens in der Welt und wird das Gesicht 
des nächsten Jahrtausends bestimmen. 
Dieses gewaltige Geschehen erfordert das 
Letzte an Einsatzbereitschaft von jedem 
Deutschen, verlangt vor allem das Höchste 
von unseren Brüdern, Vätern und Söhnen 
an der Front. Uber den Ausgang dieses 
Ringens entscheidet dabei zuletzt nicht 
allein die mengenmäßige, die materielle 
Überlegenheit, sondern die klare welt- 
anschauliche Haltung. Allein die welt- 
anschauliche Festigkeit gibt uns die Kraft, 
die schwerste Beanspruchung dieses Krie- 
ges tapfer zu bestehen und jeder vom 
Führer gestellten Aufgabe gewachsen zu 
sein. 


Die geschichtliche Mission der 
nationalsozialistischen Bewegung 
besteht darin, dem deutschen 
Volke einen unverbrüchlichen 
Glauben und ein nüchternes Ur- 
teils vermögen gegeben zu haben 


und damit einen Standpunkt, von dem aus 


ein weitsichtiges Wissen über die Notwen- 
digkeit und Schicksalsbedingtheit unseres 
Kampfes möglich ist. Der Kernpunkt 
der nationalsozialistischen Welt- 
anschauung ist die Rassenlehre. Sie 


sagt uns, daß keine Gleichheit der Men- 
schen in der Welt ist, sondern die einzel- 
nen Rassen verschieden sind, weil ihre 
Erbmasse verschieden ist und damit das 
Erreichen einer Kulturhöhe und eines allge- 
meinen völkischen Leistungsstandes nicht 
allein von der Erziehung abhängt, wie es 
der Liberalismus gelehrt hat und wie es 
der Bolschewismus zu letzter Konsequenz 
führt, sondern daß die geschichtliche Be- 
währung eines Volkes im Erbwert seiner 
Rasse verankert ist. Das deutsche Volk hat 
damit zu den ursprünglichen und natür- 
lichen Gesetzen des Lebens zurückgefun- 
den. Bekenntnis zur Rasse bedeutet 
letzten Endes ein Bekenntnis zur 
bäuerlichen Grundhaltung und zur 
bäuerlichen Herkunft unseres Vol- 
kes, denn Bauerntum ist damit schließlich 
Träger aller völkischen Schöpfunskraft, 
weil es der Erhalter unseres Blutes ist. 
Bauerntum ist damit auch Träger 
unserer Wehrkraft. 


Deutschland ist nicht nur das Land der 
Dichter und Denker, sondern auch das Land 
ausgeprägter soldatischer Haltung. Wahr- 
haft soldatische Haltung aber hat nichts zu 
tun mit Freibeuterei, mit reiner Lust am 
Waffenhandwerk an sich, hat nichts zu 
tun mit imperialen Eroberungsgelüsten. 
Wahrhaft soldatische Haltung will Volk 
und Heimat schützen und dem wachsenden 
Volk den notwendigen Lebensraum zur Er- 
zielung seiner völkischen Aufgabe ge- 


winnen. Diese Art soldatischer Hal- 
tung ist erstanden aus der germa- 
nisch-bäuerlichen Geschichte. Der 
bodenständige Bauer lebt in einer fest- 


gefügten Ordnung von Familie, Sippe und 


Volk. Er müht sich um sein Land, er pflegt 
es, aber er beutet es nicht aus. Er ist zu- 
tiefst mit seiner Scholle verbunden, aber 
er wandert nicht von Ort zu Ort. Er unter- 
wirft sich den Gesetzen der Natur, er hat 
in täglicher harter Arbeit die Gesetze der 
Auslese kennengelernt, er schöpft Kraft 
aus dem Zusammenhang seiner Sippen- und 
Volkszugehörigkeit. Er ist also das Gegen- 
teil des nomadischen Menschen, der nur 
dem Raub, der Ausplünderung, dem Gegen- 
wärtigen lebt. Aus dieser Einstellung er- 
wächst aber auch der Wille, seinen Boden, 
sein Geschlecht, sein Volk vor jedweder 
Gefahr zu schützen. Dieses Gesetz eines 
wahrhaftigen Soldatentums war 
allen germanischen Völkern ge- 
meinsam. Es hat seine klare Prägung im 
sogenannten germanischen Bauernkrieger- 
tum gefunden. Die Geschichte der vergan- 
genen zweitausend Jahre zeigt uns, daß 
diese bäuerliche Lebenshaltung, diese 
bäuerliche Wehrhaftigkeit die unerschütter- 
lichen Grundlagen eines Staates sind. 
Sparta ging zugrunde, Rom ging zugrunde, 
als sich ihr Bauerntum erschöpfte. Auch 
das mittelalterliche Kaiserreich war schließ- 
lich zur Ohnmacht verurteilt, als es sich 
nicht mehr auf die lebendigen Kräfte des 
Bauerntums stützte. Es ist die Tragik der 
deutschen Geschichte, daß mit der Tren- 
nung der Stände und mit dem Aufkommen 
des feudalen Ritterdienstes der schwert- 
kundige Bauer aus dem geschichtlichen 
Leben ausgeschaltet wurde. Feudal- 
herren und Kirche vernichteten 
die volkliche Wehrkraft, um die 
bäuerlichen Massen um so einfacher und 
leichter arbeitsmäßig ausnutzen zu können. 
Und die kaiserliche Macht, die Reichs- 
macht fand nicht die Kraft, das politische 
Streben des deutschen Bauerntums in seine 
abendländische Mission einzuspannen. 
Etwa seit dem 11. Jahrhundert ist der Bauer 
als Träger des Waffenrechtes ausgeschie- 
den. Dieser Vorgang ist zweifellos der 
letzte entscheidende Grund an dem Zu- 
sammenbruch der zeitweilig so glanzvollen 


154 


Herrschaft des mittelalterlichen deutschen 
Kaisertums. 


Der deutsche Bauer hat sich mit allen 
Kräften, zuletzt im Großen Bauernkrieg, 
gegen seine Ausschaltung aus der Ge- 
schichte gewehrt. Wenn wir heute die 
Dokumente der großen bäuerlichen Auf- 
stände der letzten Jahrhunderte studieren, 
so erkennen wir mit tiefer Erschütterung, 
daß hier revolutionäre Kräfte am Werk 
waren, den feudalen Partikularismus zu 
zerschlagen und dem Reichsgedanken zu 
neuem Aufstieg zu verhelfen. Die bäuer- 
lichen Aufstände gegen die herr- 
schenden Gewalten gingen erstin 
zweiter Linie um eine soziale 
Besserstellung, es war ein Kampf 
um die Idee des Reiches und um die 
Teilnahme des Bauerntums am ge- 
schichtlichen Leben der Nation. 


In diesen Kämpfen ist das Bauerntum da- 
mals unterlegen. Nachdem der Truchseß 
von Waldburg die letzten Bauernheere 
niedergeworfen hatte, war das deutsche 
Bauerntum in seiner Wehrkraft jabr- 
hundertelang als politisch tragender Faktor 
ausgeschaltet. Bäuerlicher Wehrwille aller- 
dings hat sich in dieser Zeit immer aufs 
neue bewährt. Wir wissen, daß die Lands- 
knechtsheere, die schließlich auch dem feu- 


dalen Ritterheer den Garaus machten, sich 


überwiegend aus bäuerlichen Menschen 
zusammensetzten. Das überzugendste 
Beispiel bäuerlicher Wehrhaftig- 
keit aber finden wir in den großen 
Siedlungsbewegungen in den ehe- 
maligen Randgebieten, den Mar- 


ken des Reiches, vor allem in der 


Ostsiedlung, die angestammten germa- 
nischen Volksboden dem Deutschtum zu- 
rückeroberten. Die deutsche Ostsiedlung 
wird für alle Zeit ein bleibendes Dokument 
nicht nur für die kolonisatorischen Fähig- 
keiten des deutschen Bauern sein, sondern 
auch für seine wehrhafte, kämpferische 
Gesinnung. Zwar haben die Ritterheere des 
deutschen Ordens und der Volksherzöge, 
Heinrich der Löwe und Albrecht der Bär, 
die Eroberung der Ostgebiete im wesent- 
lichen getragen, die Sicherung des ge 
wonnenen Landes aber ist eine Leistung 
des deutschen Bauerntums. Wir finden hier 
das beste Beispiel für die geschichtliche 


Tatsache, daß das Schwert allein niemals 


eine dem Volke wesensgemäße Herrschaft 


zu errichten vermag, daß durch das 
Schwert allein niemals der Bestand eines 
Volkes gesichert ist, sondern daß erst der 
Pflug, des Bauern Arbeit, Raum 
und Boden endgültig für ein Volk 
gewinnt. Die Runddörfer im ostdeutschen 
Raum, die Bauernburgen im Südosten, die 
bäuerliche Militärgrenze der alten öster- 
reichisch-ungarischen Monarchie sind Zeu- 
gen eines stillen, zähen Kampfes bäuer- 
licher Menschen um Boden und Volkstum. 


Mit der Bildung der Nationalstaaten ist 
auch das Bewußtsein von der politischen 
Bedeutung eines wehrhaften Bauerntums 
wieder gewachsen. Welche Heimatliebe, 
welche volkliche Kraft zeigt sich doch in 
dem Fahnenspruch des bäuerlichen Land- 
sturms des Großen Kurfürsten, als es galt, 
brandenburgische Erde gegen den Einfall 
der Schweden zu verteidigen. „Wir sind 
Bauern von geringem Gut — und dienen 
unserern gnädigen Kurfürsten mit unserem 
Blut.” Mit diesem Schwur standen die 
Bauern der Mark auf und wagten den letz- 
ten Einsatz um den Frieden ihrer Heimat 
und um das Lebensrecht ihres Volkstums. 
Mit dem Kantonsreglement Fried- 
rich Wilhelms des Ersten wurde der 
erste bescheidene Schritt zur allgemeinen 
Wehrpflicht und damit einer neuen Akti- 
vierung der bäuerlichen Wehrkraft getan. 
Der Soldatenkönig und Friedrich 
der Große haben diese Entwicklung wei- 
ter gefördert, die dann der Freiherr vom 
Stein, Schärnhorst, Gneisenau, 
Ernst Moritz Arndt und andere bis zum 
Werk der Bauernbefreiung führten, „Lasset 
den Bauern frei sein auf seinem Eigentum, 
denn nur der freie Mann weiß seinen Staat 
zu verteidigen", so schrieb Freiherr vom 
Stein, und Ernst Moritz Arndt schließ- 
lich erhob die leidenschaftliche Forderung: 
„Einer der großen Punkte, warum ich so 
für den Bauern spreche, ist, daß der Bauer 
‚nicht allein jederzeit der Fähigste ist, die 
Waffen für sein Land zu führen, sondern 


daß er auch immer der Bereiteste ist, es zu 


tun. Je mehr freie Bauern ein Land zählt) 
desto schwerer ist es zu unter jochen.“ Die 


Militärgeschichte zeigt uns, daß in dem da- 


mit eingeleiteten Zeitalter der „Völker 
in Waffen’ wiederum das Bauerntum das 


Fundament der völkischen Wehrkraft bil- 
det. Das kinderreiche Bauerntum hat seit 
jener Zeit bis in die Gründerjahre fast aus- 
schließlich das Aufgebot der deutschen 
Armee gestellt. Kein Geringerer als Bis- 
marck hat nach seiner Entlassung, als er 
die verheerenden Folgen des damaligen 
politischen Kurses der einseitigen Indu- 
strialisierung unter Vernachlässigung der 
Landwirtschaft voraussah, folgende bleiben- 
den Worte als politisches Vermächtnis dem 
deutschen Volke hinterlassen: „Der Bauer 
ist der Kern unserer Armee, der auch in 
Not und Drang aushält, denn er ist mit dem 
Lande verwachsen und hat schon aus 
Selbsterhaltungstrieb ein Interesse an der 
Erhaltung. Ohne Bauernstand kein 


Staat und keihe Armee.“ 


Dieser Wiedereintritt des Bauerntums als 
politisches Element in die Geschichte unse- 
res Volkes hat durch die liberalistischen 
Wirtschaftsmethoden eine neue Rück- 
setzung erfahren. Aber auch bis zum Welt- 
krieg ist nach den Rekrutierungsstatistiken 
der Tauglichkeitsgrad -der ländlichen Be- 
völkerung wesentlich höher als der der 
Städte. Dabei ist diese Statistik für die 
Bedeutung der bäuerlichen Wehrkraft gar 
nicht entscheidend, denn wir wissen, daß 
die besten und aktivsten Menschen des 
Landes in die Städte abwandern mußten 
bzw. durch Auswanderung dem Volke 
überhaupt verlorengingen, weil der eigene 
Staat ihnen keine Arbeitsmöglichkeiten und 
gesunde Lebensbedingungen zu geben ver- 
mochte. Hier hat sich das Gesetz der Aus- 
lese gegen uns selbst gewendet. Die Ab- 
wandernden stellten zweifellos eine Auslese 
des Landes dar, es waren jene Bauern und 
Bauernsöhne, die sich nicht mit der wirt- 
schaftlichen Beeinträchtigung des Land- 
volkes abfinden wollten, die aus der eige- 
nen Verantwortung heraus es ablehnten, 
sich mit zuwenig Land und einem zu klei- 
nen Hof brachlegen zu lassen. Aber diese 
bäuerlichen Menschen, die in die Städte 
abwanderten oder ins Ausland gingen, sind 
ein Teil der Blutskraft des Landes. Wenn 
sie auch von der Stadt her zur Wehrmacht 
kamen, sie waren auf dem Lande auf- 
gewachsen und Glieder des Bauerntums. 
Eines wollen wir nicht vergessen: Über die 
Wehrkraft eines Landes entscheidet letzten 
Endes die Kinderzahl. Je kinderreicher die 


155 


Familien, desto stärker der Strom jener, die 
sich unter den Fahnen sammeln. Der 
-Kinderreichtum aber — und das ist 
das Eptscheidende — der bluts- 
mäßig, rassenmäßig wertvolle Kin- 
derreichtum ist immer noch beim 
Landvolkundbeiallden Millionen, 
die auch in der Stadt aus bäuer- 
licher Wurzel stammen und ihr 
treu geblieben sind. 

Mit der liberalistischen Wirtschaft be- 
gann nun in großem Ausmaß eine wirt- 
schaftliche Verelendung des Landvolkes. 


Der bisher bestehende Kinderreichtum ging 


merklich zurück, und die ungeheure arbeits- 
mäßige Uberanstrenqung führte zu schwe- 
ren körperlichen Schädigungen. Für die 
Wehrkraft mußte dieser Vorgang von ein- 
schneidender Bedeutung sein. Die Rekru- 
tierungsleistungen des Landes ließen nach. 
Wenn hier bisher ausschließlich von den 
blutsmäßigen Leistungen des Bauerntums 
für die Wehrkraft des Reiches gesprochen 
wurde, so soll damit in keiner Weise die 
Bedeutung der wirtschaftlichen Arbeit für 
das militärische Durchhaltevermögen unse- 
res Volkes herabgesetzt werden. Mit leerem 
Magen marschiert auf die Dauer keine 
Armee. Unsere Generation hat im ersten 
Weltkrieg dieses in bitterem eigenem Leid 
zu spüren bekommen. b 

Der Liberalismus hat also den 
Wiedereintritt des Bauerntums in 
die Geschichte unterbrochen. Erst 
der Nationalsozialismus hat aus seiner Idee 
und den Lehren der Geschichte die ent- 
scheidende Konsequenz gezogen. Immer 
wieder hat der Führer darauf hin- 
gewiesen, daß er im Bauerntum die 
Grundlage unseres Volkes sieht, 
daß das Bauerntum Blutsquell unseres Vol- 
kes und sein Ernährer sein muß. Indem der 
Nationalsozialismus die natürlichen Ge- 
setze des volklichen Lebens zur grundsätz- 
lichen Lehre erhob, anerkannte er auch die 
Bedeutung des Bauerntums für das völki- 
sche Schicksal unserer Nation. Wenn die 
Vorsehung den deutschen Bauern seit dem 
Mittelalter aus dem aktiven geschichtlichen 
Geschehen verbannte, so hat der National- 


sozialismus den bäuerlichen Geschichts-. 


willen wieder zum tragenden Element des 
deutschen Lebens gemacht. Das deutsche 
Landvolk ist sich dieser hohen ge- 
schichtlichen Mission bewußt. Es 
setzt gegen die artvernichtenden 
Theorien des Liberalismus und da- 


156 


mit letzten Endes des Bolschewis- 
mus die arterhaltenden Gesetze 
der Rasse, des Volkstums, der 
schöpferischen Kraft der Persön- 
lichkeit. Es setzt gegen den Massenwahn, 
gegen den Kollektivismus die persönliche 
Leistung, die in der volksverbundenen Ver- 
pflichtung höchste Erfüllung findet. Der 
Vernichtungswille des Feudalismus und des 
Liberalismus haben die Kraft des deutschen 
Bauerntums nicht brechen können. Indem 
der Nationalsozialismus dem Landvolk 
seine geschichtliche Mission zurückgab, 
fand es sich auch wieder in der Bereit- 
schaft zu geschichtlicher Tat. 


Die bisher die Lebenskraft des deutschen 
Volkes einschränkende Raumenge ist durch 
die unvergänglichen Taten unserer Sol- 
daten überwunden. Der Boden für eine 
gesunde Ausbreitung unseres Volkes ist 
gewonnen. Nun kommt es darauf an, das 
Gesetz zu erfüllen, nach dem allein der 
gewonnene Raum deutscher Heimatboden 
als Pflegestätte zahlreicher Geschlechter 
werden kann. Deutsch wird das neue 
Land nur, wo neben dem Schwert 
der Pflug geführt wird. Erst ein 
starkes, seiner blutsmäßigen Auf- 
gabe bewußtes und sozial gesundes 
Bauerntum wird in diesen neuen 


Räumen zu einem Quell uner- 
schöpflicher Volkskraft und zu 
einem sicheren Bollwerk gegen 


jede Bedrohung von außen. Bäuer- 
liche Siedlung wird damit nicht 
nur eine Angelegenheit der bäuer- 
lichen Männer und Frauen und der 
Jugend, sondern eine hohe Ver- 
pflichtung für das ganze deutsche 
Volk. Dabei ist es aus unserer welt- 
anschaulichen Haltung als Nationalsozia- 
listen heraus selbstverständlich, daß wir 
damit nicht nur einer mengenmäßigen 
Vermehrung des Landvolkes das Wort 
sprechen, sondern ‚gleichzeitig auch einer 
Auslese der Erbmasse nach. Sind wir bereit, 
uns diesen biologischen Gesetzen folge- 
richtig zu unterstellen, so ist es unnötig, 
sich über die notwendigen wirtschaftlichen 
Leistungen des Landvolkes für die Unab- 
hängigkeit des Reiches weiter auszulassen. 
Bewältigen wir die blutsmäßigen Aufgaben, 
dann lösen sich die wirtschaftlichen von 
selbst. Pflug und Schwert aber werden so 
zu den ewigen Sinnbildern des Kampfes, 
nach dem wir Nationalsozialisten ange- 
treten sind! 


Z/ANDTECHNIK 


nder Kriegserzeugungschlacdt 


Auf der ersten Seite zeigen wir im Bilde oben einen Anhänge-Schlepperpflug, im unteren Bild einen Klein- 
schlepper, der in einem 25-ha-Betrieb eines Bauern nach und nach die ganze tierische Zugkraft — vier 
Ochsen — verdrängte. Dafür werden 10 000 bis 12 000 Liter Milch mehr erzeugt. Außerdem wurde durch den 
Schlepper das Ackergrünlandverhältnis umgekehrt (früher 30: 70 %, heute 65: 35%) und dadurch die zusätz- 
liche Futterbasis für 35 Schweine geschaffen 
Die rasche Vermehrung der Schlepper zog die Entwicklung geeigneter Anhänge- und Anbaugarnituren nach 
sich; insbesondere beim Kleinschlepper sind die Anbaugarnituren von Vorteil, da sie vom Führersitz aus 
leicht zu bedienen und sehr wendig sind (s. Bild oben). — Der Gummiwagen bringt eine Zugkraftersparnis bis 
zu 50% und erhöht dadurch die Zugkraft des Betriebes erheblich. Die Transportentfernungen schrumpfen 
zusammen. Oft bildet der Gummiwagen in Verbindung mit dem Vielfachgerät die Voraussetzung für die 
Ausweitung des Hackfruchtanbaues (s. Bild unten) 


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Durch vielseitige Verwendbarkeit des Vielfachgerätes, wie wir es im Bilde oben zeigen (verschiedene 
Arbeitsgänge in Hackfrucht und Getreide), ist der Aufwand an Material und Anschaffungskosten relativ 
gering, Zeit- und Arbeitsersparnis dagegen durch die gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Reihen sehr erheblich 
In den meisten Gebieten des Reiches kann durch Zwischenfruchtbau nach Getreide noch eine Futterernte 
eingeschoben werden. Rasche Aussaat unmittelbar nach der Getreideernte ist dabei besonders wichtig. 
Neuentwickelte Geräte (Bild links unten) führen die Bearbeitung der Stoppel und die Futteraussaat in einem 
Arbeitsgang durch. — Neuzeitliche Kartoffel-Erntemaschinen (Bild unten rechts) leisten so saubere Arbeit, daß 
bei richtiger Bedienung nur minimale Ernteverluste entstehen 


Transportanlagen beschleunigen die Ernte- 

bergung und setzen damit das Ernterisiko herab, 

sie sparen Arbeitskräfte in einem besonders 
kritischen Zeitpunkt 


Die Einsäuerung der Futterkartoffeln verhindert 
den Verderb, gestattet die Verfütterung zu be 


liebiger Zeit und spart die täglich zeitraubende 
Arbeit des Dämpfens (letzteres besonders wichtig 
für den Familienbetrieb) 


HANS-JOACHIM RIECKE: 


Aufgaben und Ziele der Technik 
in Oer Landkwirt/chaft 


D* Begriff „Technik in der Landwirtschaft” 
soll sich im Sinne dieses Aufsatzes nicht 
allein auf den Einsatz von Maschinen und Ge- 
räten im landwirtschaftlichen Betriebe be- 
schränken; der Begriff sei hier erheblich weiter 
gefaßt. Mit einbezogen werden sollen alle Teile 
der Betriebsausrüstung, die in ihrem Arbeits- 
ergebnis an die Stelle einer Maschine oder 
eines Gerätes treten können. Ein Beispiel dafür, 
wie dies gemeint ist, ist die Hochfahrtscheune, 
die in ihrer Entstehung eine Bauangelegenheit 
ist, buchmäßig zum Gebäudekapital gehört, 
aber-im Arbeitsergebnis einen Höhenförderer 
oder eine Greiferanlage erspart. Ein weiteres 
Beispiel sind die Heutrocknungsgerüste, die bei 
richtigem Einsatz Schwadenrechen und Heu- 
wender ganz oder zum Teil ersetzen, ohne 
selbst im eigentlichen Sinne Arbeitsgeräte zu 
sein. Eine ähnliche Rolle in der Landtechnik 
spielt auch der Silo. Doch möge es mit diesen 
Beispielen genug sein. Sie werden genügen, um 
aufzuzeigen, in welchem erweiterten Sinne in 
diesem Aufsatz der Begriff Landtechnik ausge- 
legt werden soll, 


Die Aufgabenstellung für einen so umfassend 
gesehenen landtechnischen Einsatz ergibt sich 
klar und folgerichtig aus den beiden großen 
Zielsetzungen der deutschen Agrarpolitik: Nah- 


rungsfreiheit und Sicherung des Landvolkes als- 


Blutsquell der Nation! Die Landtechnik 
hat also einmal — und das ist wohl stets klar 
gewesen — der Intensivierung der 
Landwirtschaft zu dienen, zum an- 
dern hat sie die Aufgabe — und das ist in der 
vergangenen Zeit keineswegs immer genügend 
beachtet worden —, die Arbeit des Lan d- 
volkeszu erleichtern und die täglichen 
Arbeitszeiten, insbesondere der Landfrau, auf 
ein normales Maß zu verkürzen. 


Das klassische Beispiel für die Erfüllung der 
ersten Aufgabe ist der gummibereifte Acker- 
schlepper, mit dessen Hilfe erst der Betrieb 
über die Zugkraftreserve verfügt, die nötig 
ist, um die bei intensivster Ackerwirtschaft 
auftretenden Arbeitsspitzen (Stoppelschälen, 
Zwischenfruchtbau, rechtzeitige Winterfurche 


usw.) zu brechen. Darüber hinaus ermög- 
licht der Ackerschlepper die Ausdehnung des 
Hackfrucht- und Gemüsebaues, und schließ- 
lich macht er durch Einsparung von tierischen 
Zugkräften bisherige Futterflächen für die un- 
mittelbare menschliche Ernährung oder für die 
vermehrte Haltung von Nutzvieh frei. Der 
gummibereifteAckerschlepperist 
also ein Intensivierungsfaktor 
ersten Ranges. Die Fortsetzung der durch 
den Krieg unterbrochenen Motorisierung der 
Landwirtschaft wird die Erreichung einer 
wesentlich höheren Intensitätsstufe in der deut- 
schen Landwirtschaft zur Folge haben. Die Ent- 
wicklung in der Landwirtschaft hat in den 
letzten Jahrzehnten eine ganze Reihe neuer oder 
verbesserter Geräte gebracht, die einer inten- 
siveren Landbewirtschaftung zugute gekommen 
sind, so als besonders markante Beispiele das 
Vielfachgerät und die verschiedenen 
Kartoffelvorratsrode’r. Wenn auch 
die ertragsteigernden Wirkungen nicht immer 
so klar erkennbar sind wie bei diesen und bei 
den Ackerschleppern, so ließe sich doch noch 
eine ganze Reihe anderer Maschinen und Ge- 
räte anführen, an denen gezeigt werden kann, 
wie stark die Landtechnik ertragfördernd zu 
wirken in der Lage ist. 


Die Aufgabe, Beiträge zur Intensivierung zu 
leisten ist — wie gesagt — auch in der Ver- 
gangenheit richtig gesehen worden. Sehr viel 
weniger ist dies jedoch — wie ebenfalls bereits 
bemerkt — bei der zweiten Aufgabe des Ein- 
satzes der Technik zur Arbeitserleichterung 
und Arbeitszeitersparnis der Fall gewesen. 
Wenn überhaupt davon die Rede war, dann nur 
im Zusammenhang mit der Frage, wie man die 
dem Land entzogenen Arbeitskräfte durch ver- 
stärkten und verbesserten Maschineneinsatz 
ersetzen könne. Die Landtechnik lief also ge- 
wissermaßen hinter der Landflucht her, und das 
ist gerade das Gegenteil von dem, was sie hätte 
tun sollen, denn richtig eingesetzt ist sie eines 
der wichtigsten Mittel gegen die Land- 
flucht. Schaffen wir durch den Einsatz der 
Technik bessere Arbeitsbedingungen auf dem 


157 


Lande, so wird der Landflucht eine der bisheri- 
gen Triebkräfte genommen. Leisten wir mit 
einer Maschine die Arbeit in kürzerer Zeit und 
in erleichterter Form als bisher, so kommt dies 
nicht nur der Betriebsintensität zugute, sondern 
auch dem arbeitenden Menschen selbst. Hier ist 
oft auch mit kleinen Mitteln sehr viel zu er- 
reichen. Wie viele Maschinen gibt es heute 
noch auf dem Acker, an denen sich mühelos ein 
Sitz für den Gespannführer anbringen ließe 
und bei denen es aus reiner Denkfaulheit bis- 
her noch nicht geschehen ist. Es fördert weder 
das Arbeitstempo noch die Arbeitsfreudigkeit, 
wenn man so ohne Not den Bauern und Land- 
arbeiter viele Stunden über den Acker laufen 
läßt, obwohl er ebensogut fahren könnte. Noch 
sehr viel mehr Möglichkeiten, Arbeit zu er- 
leichtern und die für sie aufzuwendende Zeit 
zu kürzen, als auf dem Felde, gibt es auf dem 
Hofe. Daß dies oft mit kleinen Mitteln möglich 
ist, zeigen die Beispielsbetriebe des 
Reiehskuratoriums für Technik in 
der Landwirtschaft (RKTL.). 


Intensivierung, Arbeitserleichterung und Ar- 
beitszeitverkürzung — das sind also die großen 
Parolen für die Landtechnik. Welche Arbeits- 
ziele ergeben sich nun im einzelnen daraus? Ehe 
davon gesprochen werden kann, muß noch 
etwas anderes klargestellt werden. Die Agrar- 
gesetzgebung hat den Erbhof, also den Bauern- 
hof, als Kernstück der Landwirtschaft heraus- 
gestellt. Dem muß nun endlich einmal auch die 
Landtechnik Rechnung tragen. Seine — des 
Erbhofes — technische Ausrüstung muß im 

Vordergrund der landtechnischen Entwick- 
lungsarbeit stehen. Deshalb braucht die Techni- 
sierung des Großbetriebes durchaus nicht ver- 
nachlässigt zu werden. Sie ist aber bereits sehr 
weit fortgeschritten, während auf dem Bauern- 
hofe oft nicht weniger als alles nachzuholen 
ist. Sicher wird der Großbetrieb noch auf 
manchem technischem Gebiet Träger des Fort- 
schrittes sein müssen; aber wir müssen auf 
der Grundlage unserer Agrar- 
gesetzgebung jetzt vorallem for- 
dern, daß alle entwicklungstrei- 
benden Stellen sich erheblich 
mehr alsbisher für den Bauernhof 
und seine technische Ausrüstung 
interessieren. Auch der genossenschaft- 
liche Einsatz der großen Maschine bringt keine 
Totallösung; er bleibt auf bestimmte Arbeits- 
gebiete beschränkt, — vor allem auf solche, 
deren Erledigung sich zeitlich nicht eng zu- 
sammendrängt (Drusch, Saatqutreiniqung usw.). 
Wir brauchen unmittelbar für den Bauern- 
betrieb konstruierte Maschinen und nicht, wie 
es bisher so manches Mal der Fall war, 
schlechte und unzulängliche Verkleinerungen 
von im Großbetrieb bewährten Maschinen. 
Deren Leistung ist meist schlecht, und erst nach 
langem Umkonstruieren entsteht das, was der 
Bauer braucht. Man hat scheinbar noch nicht 


158 


überall begriffen, wie sehr sich auch rein tech- 


nisch die Zeiten gewandelt haben. Lokomobile 


und Dampfpflug waren nicht zu verkleinern und 
daher auch nicht für den Bauernbetrieb einsetz- 
bar. Sie bleiben allein dem Großbesitz vorbe- 
halten, (Wobei hier nicht untersucht werden 
soll, wieweit die Tieffurche des Dampfpfluges 
wirklich ein Fortschritt war.) Kleinschlepper 
(mit Anbaugeräten) und Elektromotor haben 
aber nunmehr alle Voraussetzungen für die 
technische Ausrüstung des Bauernhofes ge- 
schaffen. Es gilt nur noch, die letzten Folge- 


rungen daraus zu ziehen. 


Wenn so die technische Ausrüstung des 
Bauernhofes als erstes Arbeitsziel der Land- 
technik herausgestellt wird, so höre ich bereits 
den Einwand: „Das, was du da willst, ist das 
Ende des Bauerngedankens, das bedeutet die 
Entseelung des Bauern.“ Es gibt nun einmal 
immer noch Leute, die sich den Bauern an- 
scheinend nur in der Primitive lebend vorstellen 
können und (leider deht die bildende Kunst 
auch noch meist diesen Weg) ihn am liebsten 
nur mit der Sense und dem Holzpflug sehen. 
Solche Bilder mögen den Hang des Beschauers 
zur Romantik fördern; das Verharren in dieser 
Beschaulichkeit würde jedoch bedeuten, daß der 
deutsche Bauer im Gegensatz zum ganzen 
übrigen Volk keinerlei Anteil an den Erfolgen 
der Technik haben soll. Das kann unmöglich 
vertreten werden. Ebensowenig wie der Uber- 
gang von Schwert und Lanze über Gewehr und 
Kanone zum Panzerwagen und Flugzeug dem 
Geist des deutschen Soldaten geschadet und 
ihm auch nur etwas von seinen militärischen 
Eigenschaften genommen haben, ebensowenig 
werden Schlepper und Motor dem wahrhaft 
bäuerlichen Menschen etwas von seinem 
inneren Wesen nehmen. Im Gegenteil, der 
Bauer, der sich bei richtig durchgeführter tech- 
nischer Ausrüstung seines Hofes nicht mehr 
von klein auf und von früh bis abends krumm 
und schief zu arbeiten braucht, dem auch ein- 
mal nach leichterer und kürzerer Tagesarbeit 
einige besinnliche Minuten bleiben, der wird 
weit mehr unserem Ideal vom königlichen 
Bauern entsprechen als mancher Bauer der 
letzten Vergangenheit, der nicht mehr war als 
sein eigener schlecht bezahlter Knecht. Daß die 
Erreichung dieses Zieles nicht allein eine Ange- 
legenheit der Landtechnik ist, wissen wir selbst- 
verständlich; sie kann aber zu einem gehörigen 
Teil dazu beitragen. Also keine falsch ver- 
standene Romantik, die ja meist nur von Men- 
schen vertreten wird, die ihrerseits nicht einen 
einzigen Tag lang hinter dem Pflug hergegangen 
sind, — sondern, sobald der Weg wieder fiei 
ist, mit allen Kräften heran an die technische 
Ausrüstung des Bauernhofes! Wir glauben 
daran, daß unser Bauerntum im tiefsten Grunde 
noch stark und gesund genug ist, um sich die 
Technik dienstbar zu machen! 


Und nun noch einige Worte zu den Arbeits- 
zielen der Landtechnik im einzelnen, wie sie 
sich nach Kriegsende ergeben werden! Vorab 
muß alles geschehen, was der Verlagerung 
von der Handarbeit zur Gespann- 
arbeit und von dieser zur Schlep- 
perarbeit dient. Größte Ausweitung des 
Schleppereinsatzes, vor allem des Klein- 
schleppers, muß an der Spitze des Programms 
stehen. Hand in Hand damit muß die Entwick- 
lung der dazugehörigen Anbaugeräte gehen. 
Fast noch wichtiger als der Schlepper ist der 
vermehrte Einsatz des gummibereiften Acker- 
wagens. Seine Vorzüge sind nicht so in das 
Auge fallend; er bringt aber — die Landwirt- 
schaft ist nun einmal ein Transportgewerbe 
wider Willen — täglich und stündlich so viele 
Arbeits- und Kraftersparnisse, daß er unbedingt 
mit an die Spitze aller Programme zu stellen ist. 


Bei der Entwicklung aller übrigen Maschinen 
und Geräte wird es meist nicht nur um das 
Herausbringen einzelner vorteilhafter Spezial- 
maschinen und Geräte gehen, sondern im 
Vordergrund muß die Entwicklung ganzer ge- 
schlossener Arbeitsverfahren stehen. Engste 
Zusammenarbeit zwischen Indu- 
strie und Landwirtschaft, Wissen- 
schaft und Praxis istdazu erforder- 
lich. Gute Beispiele, wie vorgegangen werden 
soll, bieten die in Zusammenarbeit mit dem 
RKTL von Prof. Dencker bzw. Prof. 
Knolle durchgeführten Entwicklungsarbeiten 
für Kartoffel- und Rübenkulturgeräte. In beiden 
Fällen hät man sich nicht mit dem Heraus- 
bringen von Einzelgeräten begnügt; es wurden 
vielmehr von der Bestellung bis zur Ernte und 
zum Abtransport Gesamtarbeitsverfahren ent- 
wickelt, und zwar bisher mit bestem Erfolg und 
taschem Eindringen in die Praxis. In diesem 
Sinne muß nach dem Kriege weitergearbeitet 
werden. Hand in Hand mit der Aus- 
weitung der Intensivkulturen 
durch geeignete technische Maß- 
nahmen wird dabei die Ausschal- 
tung bzw. die Erleichterung der 
FrauenarbeitaufdemFeldestehen. 
Während des Krieges kann selbstverständlich 
auf die Frauenarbeit auf dem Felde nicht ver- 
richtet werden; im Gegenteil, die Frau muß nur 
zu oft den fehlenden Mann ersetzen. Die Sorge 
für ein gesundes Bauern- und Landarbeitertum 
verlangt aber nach dem Kriege gebieterisch, 
daß die Technik in der Feldwirtschaft Mittel 
und Wege findet, die Frauenarbeit auf leichte 
und der Leistungsfähigkeit der Frau angepaßte 
Arbeiten zu beschränken. Die erwähnten Kar- 
toffel- und Rübenbearbeitungsverfahren sind 
auch hierfür bereits beispielhaft. 


Daß das Arbeitsfeld der Landtechnik auf dem 
Hofe noch größer ist als auf dem Feld, wurde 
bereits gesagt. Einsatz des Elektro- 
mototzaufder ganzen Linie isthier 


lenkt und fördert. 


nach dem Kriege Trumpf. Die Entwick- 
lung der Tarife für elektrischen Strom, wie sie 
sich vor dem Kriege angebahnt hat, muß 
Schrittmacher dafür sein. Vorbildlich hat hier 
das Märkische Elektrizitätswerk mit der Land- 
wirtschaft zusammengearbeitet und gezeigt, was 
sich bei derartiger Zusammenarbeit erreichen 
läßt. Auch bei der Hofarbeit wird es sehr oft 
nicht nur auf den Einsatz von neuen Geräten, 
sondern auf die Entwicklung von Arbeitsver- 
fahren — verbunden mit Umbaumaßnahmen an 
den Gebäuden — ankommen. Daß mitunter mit 
kleinen Mitteln viel zu erreichen ist, dafür ein 
Beispiell Für die oft versuchte Lösung des 
Transportproblemes des Stallmistes auf dem 
Hofe scheint mir die Handkarre mit Gummirad 
in Verbindung mit leicht verlegbaren Rampen 
vorerst noch sehr viel zweckmäßiger, als alle 
bisher erfundenen Transportvorrichtungen und 
Kräne. Es kann einen oft das Grausen packen, 
wenn man die Eisenmengen sieht, die um einen 
Misthaufen herum aufgebaut worden sind und 
die in keinem Verhältnis zum erzielten Ergebnis 
stehen. Von weiteren Beispielen sei abgesehen. 
Es kommt im Rahmen dieses Aufsatzes nur auf 
das Herausschälen der wichtigsten Gesichts- 
punkte an. Noch mehr als auf dem Feld steht 
auf dem Hofe aller Einsatz der Technik unter 
dem Motto: Arbeitsersparung und Arbeits- 
erleichterung, insbesondere für Bauern- und 
Landarbeiterfrau. Die gute technische Aus- 
rüstung des Hofes ist wohl das wichtigste 
Kapitel in dem großen Werke der Dorfauf - 
rüstung. 


Damit glaube ich die wichtigsten Gesichts- 
punkte herausgestellt zu haben. Eine Bemer- 
kung möchte ich als Vorsitzender des RKTL. 
abschließend noch machen, ohne pro domo zu 
sprechen: In letzter Zeit sind wiederholt Stim- 
men laut geworden, die eine neue Stelle for- 
dern, welche die Entwicklung der Landtechnik 
Es wird dabei meist über- 
sehen, daß diese Stelle im RKTL. ja längst vor- 


‚handen ist. Im RKTL. sind Industrie und Land- 


wirtschaft vereint, und die wenigen Jahre 
wirklicher Entwicklung, die zwischen dem Ver- 
fall der Landwirtschaft und dem Kriege geblie- 
ben sind, haben gezeigt, daß das RKTL. durch- 
aus in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen. 
Daß es dabei nicht immer in der Offentlichkeit 
hervorgetreten ist, liegt in 'seiner Arbeitsweise 
begründet und ist meines Erachtens kein Feh- 
ler. Daß es während des Krieges durch Erfüllung 
anderer kriegswirtschaftlicher Aufgaben in 
seiner eigentlichen Tätigkeit stark behindert 
ist, wird von mir selbst am meisten bedauert, 
ist aber nicht zu ändern. Dieser Zustand wird 
nach dem Kriege auch sehr bald abgeändert 
werden. Es bedarf also durchaus keiner neuen 
Lenkungsstelle für die Landtechnik, sondern ist 
nur nötig, daß diejenigen, die bisher abseits ge- 
standen haben, recht bald den Anschluß an die 
Arbeit finden, 


159 


HEINRICH VON WAECHTER: 


J_ANDTECHNIK IM KRIEGE . 


Ire ausreichende Versorgung der deutschen 
Landwirtschaft mit technischen Betriebs- 
mitteln und insbesondere mit Maschinen und 
Geräten aller Art stellt eine der notwendigen 
Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der 
Nahrungsmittelerzeugung dar. Aus diesem 
Grunde werden auch noch heute, im 5. Kriegs- 
jahr, in jedem Quartal sehr erhebliche Material- 
mengen auf die Herstellung von neuen Land- 
maschinen und Geräten sowie von Ersatzteilen 
verwandt. Wenn trotzdem bei weitem nicht 
alle Wünsche der Praxis erfüllt werden können, 
so liegt das ua. vor allem daran, daß die In- 
vestitionsfreudigkeit der Landwirtschaft heute 
aus naheliegenden Gründen besonders stark 
ist und an dem Wunsch, den Betrieb unter 
gleichzeitiger Ersparnis von Arbeitskräften so- 
weit als möglich zu intensivieren. Bei der an- 
gespannten Rohstofflage können aber weit- 
gesteckte Ziele der Betriebs verbesserung heute 
nicht mehr verfolgt werden, es muß vielmehr 
angestrebt werden, den augenblicklichen Stand 
der Ausrüstung unter allen Umständen zu hal- 
ten und darüber hinaus allenfalls noch den 
Weg freizuhalten für eine künftige Weiterent- 
wicklung. l 

Da es äußerst schwer ist, den unter den vor- 
stehenden Gesichtspunkten vorhandenen echten 
Bedarf an Landmaschinen und Geräten von dem 
unechten zu unterscheiden, war es nicht mög- 
lich, die Regelung von Angebot und Nachfrage 
auf diesem Gebiet dem freien Spiel der Kräfte 
zu überlassen, sondern es wurde die Durchfüh- 
rung einer größeren Reihe von Lenkungsauf- 
gaben zum Teil sehr diffiziler Art erforderlich, 
um die Maschinen, die heute noch gebaut wer- 
den können, nach Möglichkeit dort zum Einsatz 
zu bringen, wo sie am dringendsten gebraucht 
werden, 


I. Lenkungsaufgaben bei der Erzeugung und 
beim Absatz landwirtschaftlicher Maschinen 


Dem landwirtschaftlichen Sektor steht heute 
ein Eisenkontingent zur Verfügung, aus dem in 
erster Linie die folgenden Bedürfnisse befrie- 
digt werden müssen: 


1. Neubau von Landmaschinen. 

2. Ersatzteilbeschaffung und Reparaturdienst. 
3. Herstellung von Handgeräten aller Art. 
4 


Bedarfsdeckung an Verpackungsmitteln 
für die Ernährungswirtschaft (zB. Kon- 
servendosen). 


160 


5. Ausbau der Nährmittelindustrie (vom 
Fischdampfer bis zur Brotfabrik). 


Während des Krieges hat sich der Kreis der 
Versorqungs aufgaben noch dadurch erweitert, 
daß die neu ans Reich angegliederten Gebiete 
und die für die landwirtschaftliche Erzeugung 
wichtigsten besetzten Länder wenigstens bis zu 
einem gewissen Grade mit technischen Betriebs- 
mitteln versorgt werden mußten. Aus diesem 
Grunde wurde auch das landwirtschaftliche 
Eisenkontingent im Laufe der ersten Kriegs- 
jahre erheblich über das Friedensniveau ge- 
steigert, doch reichte diese Steigerung nicht aus, 
um die durch die vergrößerten Aufgaben ge- 
wachsenen Eisenanforderungen restlos auszu- 
gleichen. Es sei gleich an dieser Stelle der viel- 
fach verbreiteten Ansicht entgegengetreten, 
nach der die Versorgung Deutschlands mit 
neuen Maschinen zur Zeit nicht in dem wün- 
schenswerten Umfang durchgeführt werden 
könne, weil ein sehr großer Teil der Erzeugung 
in den besetzten Ostgebieten eingesetzt worden 
sei. In diese Gebiete ist vom Zeitpunkt des Be- 
ginns der Besetzung an nur ein sehr geringer 
Bruchteil der deutschen Erzeugung geflossen, 
dessen Einsatz bereits heute als vollauf gerecht- 
fertigt angesehen werden kann, da der Nach- 
schyb der Verpflegung in den transportmäßig 
kaum erschlossenen Weiten des Ostens niemals 
aus der Heimat hätte durchgeführt werden kön- 
nen. Zur Erstellung der notwendigen Ernten 
unmittelbar hinter der Front aber war ein ge- 
wisses Minimum an Landmaschinen unbedingt 
erforderlich. — Von einer weitgehenden 
technischen Ausstattung dieser Gebiete kann 
jedoch noch nicht die Rede sein. — Im übrigen 
erfolgt die Verteilung der neu gebauten Ma- 
schinen ebenso wie die des flüssigen Treib- 
stoffs nach dem Gesichtspunkt, daß die För- 
derung der landwirtschaftlichen 
Erzeugung in erster Linie in 
Deutschland selbst durchgeführt 
werden muß. Hier war zunächst besonders 
wichtig die Angleichung der Betriebsintensität 
im Warthegau, in der Ostmark und in Elsaß- 
Lothringen sowie in den übrigen angegliederten 
Gebieten an die deutschen Verhältnisse. Diese 
Gebiete waren fast durchweg verhältnismäßig 
extensiv bewirtschaftet und »nur ganz unzu- 


reichend mit landwirtschaftlichen Maschinen 


und anderen Betriebsmitteln ausgerüstet. Heute 
lohnen sie die vorgenommenen Investitionen 


— 


K 8 ng H 
=- a we pg a 


bereits durch stetig wachsende Erzeugungsüber- 
schüsse. 


In steigendem Maße absorbiert auch der 
Ersatzteildienst Eisenmengen. — Die Her- 
stellung der Ersatzteile rangiert 
grundsätzlich vorder Neuanferti- 
gung, d. h. ein Fabrikant, der mit seinem 
Ersatzteilkontingent nicht mehr auskommt, muß 
sein Neufertigungskontingent so weit in An- 
spruch nehmen, bis der Ersatzteilbedarf ein- 
wandfrei gedeckt ist, denn es wäre sinnlos, mit 
hohem Materialaufwand neue Maschinen zu er- 
zeugen, solange man mit wesentlich weniger 
Material eine gebrauchte Maschine wieder be- 
triebsfähig machen kann. Wenn der Ersatzteil- 
bedarf in ständigem Steigen begriffen ist, so 
liegt das zum Teil daran, daß heute mehr alte 
Maschinen repariert werden als früher und zum 
Teil an der Überlastung der Reparaturwerk- 
stätten und an ihrem Personalmangel, der ihnen 
oft nicht mehr gestattet, ein zerbrochenes Zahn- 
rad oder dergl. fachmännisch zu schweißen 
und wieder verwendbar zu machen. 


Die Ersatzteilerzeugung konnte 
bisher im großen und ganzen dem 
steigenden Bedarf angepaßt wer- 
den. Wenn zeitweilige Störungen bei einzelnen 
Fabriken nicht vermieden werden konnten, 
so ließen sie sich im allgemeinen kurzfristig be- 
seitigen. Schwieriger liegen die Verhältnisse 
bei der Neufertigung. Hier reicht die Produktion 
zur Zeit gerade aus, um die Luftterrorausfälle 
auszugleichen und um gewisse notwendige Be- 
triebsumstellungen durchzuführen. Wenn bisher 
durch Mangel an neuen Landmaschinen ernstere 
Einbrüche bei der Produktion von Nahrungs- 
mitteln noch nicht eingetreten sind, so ist das 
einmal in der Langlebigkeit dieser Geräte be- 
gründet, zum andern aber auch in der Tat- 
sache, daß die deutsche Landwirtschaft in den 
Jahren seit Uberwindung der Krise für keine 
Betriebsmittel so hohe Aufwendungen gemacht 
hat wie für die technischen. 1939 betrugen 
diese Aufwendungen rd. 600 Millionen Mark 
gegenüber rd. 200 Millionen Mark 1937. Die in 
den dazwischenliegenden sechs Jahren getä- 
tigten Anschaffungen sichern der landwirt- 
schaftlichen Erzeugung auch heute noch eine 
deutlich spürbare Schlagkraft, wenn damit auch 
keineswegs behauptet werden soll, daß die 
deutsche Landwirtschaft ausreichend mit Ma- 
schinen ausgerüstet sei. Im Gegenteil, die Er- 
fahrungen aller modern und intensiv bewirt- 
schafteten Betriebe beweisen, daß der große 
Durchschnitt der Höfe in dieser Beziehung noch 
weit zurückliegt. Hierauf wird weiter unten 
noch eingegangen werden. 


Bereits mehrere Jahre vor dem Kriege zwan- 
gen die vielseitigen Aufgaben, die der deut- 
schen Industrie gestellt waren, zu einer Pla- 
nung der Landmaschinenerzeu- 
gung und zu einer Steuerung des Ab- 
katzen, beides mit dem Ziel, mit den zur Ver- 


fügung gestellten Materialmengen den größten 
Nutzeffekt zu erreichen. Früher mußte sich die 
Industrie mit ihrer Maschinenerzeugung weit- 
gehend nach den schwankenden und in ge- 
wisser Weise der Mode unterworfenen Forde- 
rungen des freien Marktes richten. Die Vertei- 
lung der Maschinen und Geräte im ganzen 
Reich war in erster Linie abhängig von der 
Tüchtigkeit und Kapitalkraft der einzelnen 
Händler oder vom Standort der Fabriken, so 
daß die übergeordneten Gesichtspunkte des 
optimalen Einsatzes im allgemeinen nicht zum 
Tragen kamen. Wenn auch anerkannt werden 
muß, daß der ansässige Handel seine Kund- 
schaft nach bestem Wissen und meist mit gutem 
Erfolg beraten hat, so lagen die Einsatzschwer- 
punkte der Landmaschinen doch keineswegs so, 
wie sie zur Erreichung des besten Erfolges 
hätten liegen sollen. (Beispiel: Konzentration 
der Kleinschlepper in Süddeutschland, weil 
dort die meisten einschlägigen Fabriken vor- 
handen sind.) ; 

Heute müssen Produktionsplanung und Ab- 
satzlenkung naturgemäß noch straffer durchge- 
führt werden als in der ersten Zeit der 
Materialbewirtschaftung. Im Einvernehmen mit 
dem Reichsministerium für Ernährung und Land- 
wirtschaft und dem Reichsnährstand führt der 
Bevollmächtigte für die Maschinenproduktion 
ein Kriegsbauprogramm durch, dessen Umfang 
und Inhalt bestimmt wird durch die Menge des 
zur Verfügung stehenden Materials, durch die 
vorhandenen Fabrikkapazitäten und durch die 
vorhandenen Arbeitskräfte An der Spitze 
dieses Kriegsbauprogramms 
stehen die für die Erzeugung wich- 
tigsten Maschinen, also die Boden- 
bearbeitungsgeräte, die Ernte- 
maschinen u. a., wobei eine einschneidende 
Typenbeschränkung durchgeführt worden ist. 
Zur Einsparung von Material und Arbeitsstun- 
den mußte auf die Herstellung einiger Ma- 
schinengruppen gänzlich verzichtet werden, — 
darunter besonders auf die Herstellung der 
Höhenförderer, Gebläse und Zangengreifer. 

Die Absatzregelung ist im Laufe der Jahre 
erheblichen Wandlungen unterworfen gewesen 
und ist heute den augenblicklichen Verhält- 
nissen entsprechend als vollkommen gelenkt 
zu bezeichnen. Bereits seit dem Jahre 1938 
haben der Preiskommissar und die zuständigen 
Wirtschaftsgruppenleiter durch entsprechende 


Anordnungen auf eine Ausrichtung des Land- 


maschinenhandels auf seine künftigen Auf- 
gaben im großdeutschen Raum hingewirkt und 
dabei insbesondere die Notwendigkeit der 
Schaffung geeigneter Reparaturwerkstätten und 
Ersatzteilläger in Verbindung mit den Hand- 
lungen berücksichtigt. Dabei blieb der Handel 
selbst zunächst noch im wesentlichen der ver- 
antwortliche Träger der Maschinenverteilung 
an den Kunden. 

Nach der letzten Anordnung des Bevollmäch- 
tigten für die Maschinenproduktion vom 


161 


— — — 


———— T2 —-— en 


9. Oktober 1943 dürfen Landmaschinen — mit 
wenigen Ausnahmen — nur noch gegen Bezug- 
schein von der Landesbauernschaft bzw. Kreis- 
bauernschaft abgegeben werden. Der Handel ist 
verpflichtet, Lagereingangsmeldungen zu er- 
statten, und seine Versorgung durch die In- 
dustrie erfolgt auf Grund eines vom Reichs- 
nährstand aufgestellten Gesamtplanes, in dem 
die Bedürfnisse der einzelnen Gebiete berück- 
sichtigt sind. Auf diese Weise ist es möglich, 
eine weitgehend gerechte Verteilung durchzu- 


führen und, falls nötig, auch Einsatzschwer- 


punkte zu bilden. 


II. Entwicklungstendenzen in der Landtechnik 


Da die Fabriken außerdem nur kundendienst- 
fähige Händler, beliefern dürfen, ist hiermit 
gleichzeitig eine erste Flurbereinigung ge- 
schaffen worden, die sich auch in der Nach- 
kriegszeit noch segensreich auswirken wird. 
Die Verantwortung für die Verteilung der noch 
zur Auslieferung gelangenden Maschinen ist 
durch die Anordnung V/43 im wesentlichen 
vom Händler auf die berufsständische Vertre- 
tung der Landwirtschaft übergegangen, eine 
Lösung, die in Anbetracht der augenblicklichen 
Lage nur als natürlich bezeichnet werden kann. 
Bei den Handgeräten ist in letzter Zeit in ver- 
schiedenen Teilen des Reiches ein besonderer 
Mangel zu verzeichnen gewesen, der zum Teil 
ebenfalls auf die bestehenden bzw. fehlenden 
Bindungen des Handels an die Hersteller 
zurückzuführen ist. Durch ein entsprechendes 
Verteilungsverfahren hat es nunmehr der 
Reichsnährstand in der Hand, die anfallende 
Produktion entsprechend dem natürlichen Be- 
darf prozentual auf die einzelnen Landesbauern- 
schaften zu verteilen. 


Die vorstehend geschilderten Maßnahmen 


können heute nur dazu dienen, den Status quo 


der technischen Ausrüstung der Landwirtschaft 
zu erhalten.’ Wenn das gelingt — und es 
sprechen bisher alle Anzeichen dafür —, dann 
ist schon sehr viel mehr erreicht als im vorigen 
Weltkrieg. Damals befand sich die Landtechnik 
entwicklungsmäßig in einem Stadium des Still- 
standes. Neue Maschinenarten, die auch in 
betriebswirtschaftlicher Hinsicht umwälzende 
Folgen nach sich gezogen hätten, waren zu- 
mindest seit der Jahrhundertwende nicht mehr 
auf den Markt gebracht worden. Nachdem die 
Lokomobile, der Dampfpflug und die Dresch- 
maschine sich ihr Feld, den Großbetrieb, weit- 
gehend drobert hatten, war die Landwirtschaft 
damals auch auf Grund ihrer finanziell günsti- 
gen Lage in technischer Beziehung weitgehend 
saturiert. Der Motorpflug war kaum bekannt 
und konnte bei der Höhe seiner Anschaffungs- 
und Betriebskosten (Benzinbetrieb bei hohem 
Verbrauch) noch nicht konkurrieren. Nach 
Kriegsschluß konnte es sich 1919 zunächst nur 
darum handeln, den in den Kriegsjahren einge- 
tretenen Verschleiß zu ersetzen, Eıst etwa vom 


162 


Jahre 1925 an werden wieder Ansätze des 
technischen, Fortschritts erkennbar, die dann 
immer rascher und in den letzten Jahren vor 
dem jetzigen Kriege in stürmischem Tempo zu 
einer Verbesserung und Vermehrung der tech 
nischen Hilfsmittel führten, weil sich die Not- 
wendigkeit ergab, die Erträge der heimischen 
Landwirtschaft zu erhöhen und den Bauer- 
stand auf eine gesunde wirtschaftliche Basis zu 
stellen. 


Bei der Vielzahl der in den letzten 10 Jahren 


vor dem Kriege erschienenen neuen Maschinen- 


arten kann aber von einer auch nur annähen- 
den Sättigung der Landwirtschaft im Augen- 
blick nicht die Rede sein. Man denke nur an 
die Hunderttausende von Betrieben, für die die 
Anschaffung eines Kleinschleppers, eines Leicht- 
binders und vor allen Dingen des Gummi- 
wagens und vieler anderer Geräte heute kein 
technisches Problem mehr, sondern nur eine 
Frage der Zeit ist. Im Gegensatz zu der Zeit 
nach dem vorigen Kriege braucht sich also die 
Landtechnik diesmal nicht damit 
zu begnügen, den in den Kriegs- 
jahren eingetretenen Verschleiß 
zu ersetzen, sondern sie hat die 
Aufgabe, weite Kreise des deut- 
schenBauerntumsmiteinergroßen 
AnzahlneuerGerätezuversorgen, 
von denen jedes einzelne bei richtigem Einsatz 
einschneidende betriebswirtschaftliche Umstel- 
lungen nach sich zieht, deren Einführung aber 
infolge des Kriegsausbruchs 1939 nur in einem 
verhältnismäßig engen Rahmen möglich war 
bzw. überhaupt in den Anfängen steckenge 
blieben ist. Daß sich gerade hieraus de Mög- 
lichkeit einer lebhaften Weiterentwicklung in 
ganz anderem Maße ergibt als nach dem vori- 
gen Kriege, liegt auf der Hand. Hinzu kommt 
noch, daß zur Zeit eine Fülle fertig ausgearbei- 
teter wissenschaftlicher Unterlagen über alle 
möglichen Fragen des Arbeitseinsatzes sowohl 
auf dem Felde als auch besonders in der innen: 
wirtschaft vorliegt, die nur noch der techni- 
schen Auswertung bedarf, um in der breitesten 
Praxis ihre Auswirkung zu finden. 


Als Beispiel sei hier nur eine vom RKTL 
durchgeführte Arbeit auf dem Gebiete der 
bäuerlichen Innenwirtschaft erwähnt: Es hat 
sich gezeigt, daß die Voraussetzung für 
einen erfolgreichen Einsatz det 
Technikin der Haus- und Hofwir!- 
schaftzunächstinderBereinigung 


des Grundrisses der Wohn- und 


Wirtschaftsgebäude besteht. Erst wenn 
die verschiedenen Wirtschaftsräume in sinn- 
voller Weise zueinander angeordnet sind, kön- 
nen die technischen Hilfsmittel, wie Transport- 
anlagen, Wasserleitung, elektrische Licht- und 
Kraftanlagen, Melkmaschinen u. a., mit bestem 
Wirkungsgrad eingesetzt werden. Wie unge 
heuer groß die auf diese Weise erzielbare Ar: 
beitserleichterung und Zeitersparnis auch oder 


u 


gerade in kleinen Familienbetrieben sein kann, 
zeigt folgender Fall: Ein Hof in Thüringen, in 
dem das alte Ehepaar mit dem verheirateten 
Sohn ohne fremde Hilfskräfte wirtschaften, 
konnte durch einen Aufwand von nur 5000,— 
Reichsmark für bauliche Umänderung derart 
umgestaltet werden, daß die beiden Frauen 
nach dem Umbau eine Wegersparnis von jähr- 
lich über 2000 km erreichten, von denen vorher 
die meisten Wege unter irgendwelchen Lasten, 
Wassereimer, Kartoffelkörbe u. dgl. zurück- 
gelegt werden mußten. Da der Betrieb oline 


` fremde finanzielle Hilfe umgebaut wurde, konn- 


ten die letzten technischen Hilfsmittel wie 
Melkanlage, Zangengreifer u. dgl., seinerzeit 
noch nicht einmal installiert werden; sie wür- 
den eine weitere, beträchtliche Erleichterung 
der Arbeit bringen. 


Das vorstehend angeführte Ergebnis stellt für 
den klein- und mittelbäuerlichen Betrieb keine 
Ausnahme dar. Bei der Betrachtung der meisten 
Hofgrundrisse ergibt sich, daß die einzelnen 
Wirtschafts- und Stallräume durchaus unzweck- 
mäßig zueinander angeordnet sind und daß die 
Höfe, wenigstens vom arbeitswirtschaftlichen 
Standpunkt aus, in den meisten Fällen ganz un- 
organisch gewachsen sind. Der Grund hierfür 
dürfte vornehmlich darin zu suchen sein, daß 
die Erzeugung in der Feldwirtschaft sich im 
letzten Jahrhundert rund verdreifacht hat und 
daß heute demzufolge in der Innenwirtschaft 
ein Vielfaches dessen verarbeitet werden muß 
wie früher. Das bedingt eine beträchtlich er- 
höhte Viehhaltung, eine größere Vorratswirt- 
schaft und einen erheblich gesteigerten Arbeits- 


\ 

aufwand. Der äußere Grundriß der Hofgebäude 
hat sich aber mit den gesteigerten Leistungen 
in den meisten Fällen nicht vergrößert, sondern 
die einander folgenden Generationen haben 
entsprechend ihren jeweiligen Bedürfnissen im 
alten Rahmen die Ställe verlegt und erweitert, 
so daß wir heute oft einem Konglomerat von zu 
kleinen, zu engen und unzweckmäßig ange- 
ordneten Wirtschaftsräumen gegenüberstehen, 
das die ursprünglich vielleicht einmal im 
Grundriß vorhandene Harmonie vollkommen 
vermissen läßt. Die Folge davon ist, daß die 
Bäuerin, der ja der größte Teil der 
Arbeit in der Innenwirtschaft ob- 
liegt, im Laufe des Tages eine Unzahl von 
Wegen zurückzulegen hat, daß sie aus dem 
Keller heraufschleppen muß, was gar nicht in 
den Keller gehört, und daß sie letzten Endes 
das Futter (Korn und Heu) auf steiler Treppe 
vom Boden herunterholen muß, was bei richti- 
ger Anordnung der Vorratslager direkt an den 
Verbrauchsort abgeworfen werden kann. 


Soweit es sich heute um die Errichtung neuer 
Hoflagen handelt, sind die Probleme verhältnis- 


mäßig einfach gelagert. Aber die bereits auf - 


diesem Gebiet durchgeführten Planungsarbeiten 


an alten Grundrissen haben gezeigt, daß auch 


hier noch große Möglichkeiten vorhanden sind. 
Es erhellt auch aus diesen Erfahrungen, von wie 
ungeheurer Wichtigkeit in der Nachkriegszeit 
die Dorfausrüstung werden wird, in deren 
Rahmen auch der weitere Ausbau der techni- 
schen Hilfsmittel neben der architektonischen 


Umgestaltung den wichtigsten Platz einnehmen 


wird. 


New York wird schon heute zum Symbol der kulturlosesten 


Stadt des Erdballs. Wir dürfen, glaube ich, schon sagen: Ein 


altdeutsches Bauernhaus hat mehr geistige Freiheit und 


Schöpferkraftinsich versammelt als alle Wolkenkratzer-Städte 


und Wellblechbuden zusammengenommen. 


Alfred Rosenberg 


163 


FRIEDRICH GRIESE; 


IM ALTEN DORF 


Friedrich Griese wurde als erstem deutschen Dichter 
der von Oberbefehlsleiter Reichsbauernführer Backe 
gestiftete Kulturpreis für das bäuerliche Schrifttum 
verliehen. In dem Schreiben, in deh Oberbefehlsleiter 
Backe seine Verleihung ankündigt,' heißt es: „Tief 
verwurzelt in Ihrer mecklenburgischen Heimat, haben 
Sie es in Ihren Werken verstanden, das Besondere 
dieser Heimat und ihrer Menschen ins Gleichnishafte 
und Allgemeingültige zu erheben, und so eindringlich 

` Zeugnis abgelegt von dem ewigen Ringen deutschen 
Bauerntums um die schöpferische Verbindung von 
Blut und Boden, aus der alles Leben quillt. Ich danke 
Ihnen für diese Ihre Tat, die Sie zum Mitkämpfer des 
Aufbruchs deutschen Bauerntums im Kampfe um die 
Gestaltung deutscher Zukunft macht.” 


E; sind viele Dörfer und solche der verschie- 
ensten Art, die ich im Laufe meines Lebens 
kennengelernt habe; aber so planlos durchein- 
andergebaut und unerfreulich im äußeren An- 
blick wie mein Heimatdorf war keins darunter. 
Empfunden habe ich das schon als Kind, aber 
ich habe es doch erst sehr viel später auf seine 
wahren Ursachen zurückfühfen können. Aller- 
dings ist es in den letzten Jahren darin besser 
geworden. Kinder des Dorfes — also die Söhne 
und Töchter derer, mit denen ich seinerzeit in 
die Schule gegangen bin — schenkten mir zu 
Weihnacht 1935, als ich noch in Kiel wohnte, ein 
unter Anleitung ihres Lehrers geschriebenes 
kleines Buch: „Was alte Leute erzählen“; und in 
dem Begleitbrief heißt es ein paarmal, ich möge 
sie doch bald besuchen. „Sie werden sich wun- 
-dern, wie sich Ihr Heimatdorf verändert hat.” 

Daß sie gerade dies mehrmals betonen, weist 
nach, daß ihre Eltern — meine alten Schul- 
kameraden — noch sehr gut wissen, was zu 
unserer Zeit dem Dorf gefehlt hat. Es zeigt aber 
auch, wie stolz sie darauf sind, daß ihnen mehr 
gelungen ist, als unseren Eltern gelingen 
konnte, nämlich: aus einem durcheinander- 
gewürfelten Häuserhaufen ein Dorf zu machen. 


Es handelt sich um eine Art Haufendorf im 
östlichen Mecklenburg. Den Innenteil des Dor- 
fes bildeten die Häuser der Büdner, deren jeder 
nur ungefähr. 600 Quadratruten Acker besaß, 
also viel zuwenig, um mit der Familie davon 
leben zu können. Wer nicht Handwerker oder 
Kaufmann war, mußte während des Sommers 
Arbeit auf den umliegenden Gütern suchen; im 
Winter war er in den Gutsforsten Waldarbeiter, 
machte Brennholz oder schnitt Bretter und Bal- 
ken. Auf diese Weise hatte die Familie Geld für 
die nötigen Anschaffungen; die tägliche Nah- 
rung trug ihnen die kleine Wirtschaft ein. 


164 


Fast jeder von ihnen gab mehreren Einwoh- 
nern Hausung; auch diese arbeiteten auf den 
Gütern oder in den Forsten. Im Stall hatten sie 
meistens eine Ziege und zwei Schweine; an 
Land besaßen sie ein wenig Pachtacker, gerade 
so viel, daß sie Kartoffeln genug hatten. Auf 
Gemüse wurde damals wenig gegeben; und 
eigentlich wurde nur Kohl gegessen, den im 
Herbst hochbeladene Wagen von den Gütern in 
das Dorf brachten. Ich weiß noch sehr gut, wäs 
für ein Aufsehen entstand als Mutter ein paar 
Rhabarberstauden im Garten ansetzte; gegessen 
hat außer uns keiner davon. Und als sie einmal 
sogar Pilze für das Abendessen zurechtmachte, 
da war dies das Ärgste, was dem Dorf für eine 
lange Zeit angetan werden konnte. 


Am nördlichen Ende des Dorfes lag das Guts- 
haus der Domäne mit seinen großen Scheunen 
und Viehställen, die das ganze Dorf gleichsam 
zudeckten, und nicht nur äußerlich. Morgens, 
mittags und zur Vesperzeit klang die Gutsglocke 
über das Dorf hin. Stellmacher und Statthalter 
hatten ihre eigene Wohnung, die mit den Tage- 
jöhnerkaten mitten in das Büdnerdorf hinein- 
gebaut war. Wenn wir im Sommer nach Unter- 
richtsende unsere Kühe auf den Dreesch — den 
abgeernteten Kleeacker — trieben, dann schau- 
ten wir gern ein wenig in die Fenster der Katen, 
in denen die Familien dann beim Mittagessen 
waren. Ich meine, daß die Leute immer nur 
Pelikartoffeln gegessen haben, weniger aus Ein- 
sicht als vielmehr aus Zeitmangel, da auch die 
Frauen auf der Domäne arbeiten mußten und 
also keine Zeit hatten, die Kartoffeln noch erst 
zu schälen. In die Mitte der Tischplatte war eine 
umfangreiche längliche Vertiefung hineingear- 
beitet, darin lagen die gekochten Kartoffeln, 
und mitten darauf stand die dreifüßige Pfanne 
mit „Speckstipp“. Nach ee der Mahl- 
zeit wurde alles mit einem nassen Tuch gesäu- 
bert, das war die Abwäsche; und jeder war satt 
geworden. Wir durften uns beim Zusehen vor 
den einzelnen Fenstern nicht lange aufhalten, 
die Frauen hatten das nicht gern; und wenn eine 
von ihnen vom Tisch aufsprang und das Stück- 
chen Tuch vorschob, das sie Gardine nannten, 
dann war das eine sehr gelinde Abwehr. Zu- 
weilen hatte aber der „Hofgänger“ schon hinter 
der Katenecke gestanden — ein junger Bursche, 
der auf der Domäne arbeitete und von seinem 
Tagelöhner für wenige Groschen unterhalten 


werden mußte —; und da wir trotz aller Vor- 
sicht von unserem Beobachtungsplatz aus ja 
nicht um die Ecke gucken konnten, gab es dann 
jedesmal sehr unbehagliche Augenblicke für 
uns. Bis dahin hatten wir viel Zeit gehabt, 
unsere Kühe weniger, da auf der Dorfstraße ja 
kein Gras wuchs; nun hatten wir es eilig, und 
da wir unsere vierbeinigen Kameraden plötzlich 
nicht so schnell in Gang bringen konnten, wie 
es den Umständen nach geboten war, ließen wir 
sie vorläufig im Stich. Da sie nach ihrer Er- 
fahrung aber nur in unserem Beisein zur Weide 
kommen konnten, warfen sie nach kurzem Be- 
sinnen den Schwanz auf den Rücken und sausten 
hinter uns her. Wenn der aufsässige Verfolger 
in Gestalt des Hofgängers nicht in der Nähe 
war, ging alles besser; wie es aber auch sein 
mochte: wo die Äcker anfingen, fanden wir uns 
alle zusammen, entweder ganz unangefochten 
oder um ein paar Ohrfeigen und Püffe reicher, 
wenn auch nicht klüger. Irgendwelche Dorf- 
rechte hatten die Tagelöhner nicht, sie waren 
also auch nicht zu den Dorfversammlungen zu- 
gelassen; in diesen übte der Pächter der Domäne 
dafür um so mehr Macht aus, worüber noch zu 
reden sein wird. 


Den südlichen Rand des Dorfes nahm ein 
anderer Dorfteil ein. Er gehörte nur äußerlich 
hinzu; in Wirklichkeit war er Bestandteil eines 
adeligen Gutes, das eine Viertelstunde vom Dorf 
entfernt lag und also in einem Gemeinwesen von 
Büdnern, Einwohnern und Tagelöhnern ein 
Stück „Ritterschaft“. Hier handelte es sich um 
den vornehmeren Teil des Dorfes. Es gab in 
dieser Häuserreihe einen Stellmacher, der ein 
paar hübsche Töchter hatte, die ich mir immer 
nurin strahlend weißer Schürze vorstellen kann. 
Eine von ihnen wurde später Haushälterin in der 
Stadt; und das war für die damalige Zeit etwas, 
was vor allem die Frauen mit unbegrenzter 
Hochachtung von ihr sprechen ließ. 


Der Nachbar war ein Kaufmann, der für dörf- 
liche Verhältnisse jener Zeit sehr unternehmend 
war: er ließ seine Waren mit einem Fuhrwerk 
auf die umliegenden Güter bringen. Der jüngste 
Sohn wurde gar Apotheker; und wenn er in 
seinen Ferien hinter dem Ladentisch stand und 
bedienen half, dann vergaßen wir Jungen vor 
lauter Staunen, ob wir nun eigentlich ein halbes 
Pfund Salz oder ein viertel Pfund Zucker holen 
sollten. 


Weiterhin wohnte ein Tischler, und dessen 
Nachbar war wieder ein Kaufmann, über dessen 
Tür ein Schild hing, das in der ersten Zeit für 
das ganze Dorf geradezu aufregend gewesen 
war: „Manufakturwaren“ stand darauf. Im La- 
den hingen Hosen und die sogenannten Joppen, 
bunte Schürzen und Bänder; und im Sommer gab 
es Strohhüte, auch die praktischen „Helgo- 
länder“, von denen ich nicht weiß, warum man 
diese nicht auch heute noch bei uns auf den Dör- 
fern trägt. Unklar ist mir freilich, wie ervondie- 
sem Geschäft gelebt haben will. Büdner und Ein- 


wohner und noch mehr die Tagelöhner mußten 
jedem Groschen, den sie ausgaben, mit klopfen- 
dem Herzen nachschauen; und als Vater sei-. 
nem Sechsjährigen einen Strohhut zu achtund- 
dreißig Pfennigen kaufte, da schlug die alte 
Wöllerten, unsere Einwohnerin, die Hände hoch 
über dem Kopf zusammen und nannte das eine 
Verschwendung, die sich noch einmal rächen 
werde. 


In den nächsten beiden Häusern wohnten zwei 
Gastwirte, die ihr gutes Auskommen hatten. Bei 
dem einen wurden alle Dorffestlichkeiten abge- 
halten, und außerdem hatte er für mehrere 
Büdner die jährlichen Ackerbestellungen; der 
andere war zugleich Schmied. 


Zum Dorf gehörten vier Bauernhöfe, die aber 
eine gute halbe Stunde außerhalb der Feldmark 
lagen. Wenn man zu ihnen wollte, mußte man 
am Dorfausgang über den Brink, einen ebenen 
Grasplatz, auf dem im Frühjahr die jungen 
Gänse gehütet wurden, mit einem runden Teich 
— einem Soll — inmitten. Von hier aus wurde 
das Land hügelig; und einer der jugendlichen 
Mitarbeiter an dem genannten Büchlein schreibt 
darin, bis hierher hätten in alter Zeit die Bauern 
des Dorfes ihre Acker gehabt, damals, als es 
noch keine Büdner, Einwohner und Tagelöhner 
gab. Im Dreißigjährigen Krieg seien die Hof- 
stellen zerstört worden, die wenigen Überleben- 
den seien „die Berge hinauf” gezogen und hätten 
aus dem Wald neue Acker gerodet. Als einen 


der Beweise dafür führt er an, daß noch jetzt in 


jedem Jahr mitten aus den Ackern seines Vaters 
heraus immer wieder Waldsträucher wüchsen. 
Diese vier Bauern und ihre Frauen hatten An- 
sehen und Gewicht, das jeder ihnen freiwillig 
zuerkannte. Sie waren die einzigen, die aus- 
reichende Äcker und sogar Wiesen und Wald 
besaßen; und ihnen erkannte sogar der Pächter 
der Domäne eine Art Gleichwertigkeit zu: wenn 
er sie einmal in einem der Landwege traf, hielt 
er an und unterbielt sich mit ihnen. Für das 
ganze übrige Dorf hatte er nur stillschweigende, 
aber gründliche Verachtung. 


So war dies also die Zusammensetzung des 
Dorfes: ein Stück Ritterschaft, eine Domäne, ein 
paar Bauern und — sozusagen als Kern — die 
Büdner mit ihren Einwohnern. Ritterschaft und 
Domäne hatten diese in die Zange genommen, 
daß sie sich nur ja nicht rühren konnten, schon 
äußerlich, da das wenige Büdnerland überall 
von den weiten Gutsäckern eingeengt war. Es 
war aussichtslos, irgendwo ein Stückchen er- 
tragreichen Pachtacker zu bekommen, um so 
die äußere Lage zu verbessern und damit auch 
das innere Selbstbewußtsein zu finden, den 
Rückhalt, der dem ländlichen Menschen nur 
vom Landbesitz zuwachsen kann. 


Uns Kindern fehlte freilich viel, aber es war 
unser Heimatdorf, von dem wir aus mangelnder 
Kenntnis heraus nicht wußten, mit welchem an- 
deren Dorf — das nicht nur ein Haufe Häuser 


165 


e 


war — wir es vergleichen sollten. Ringsherum 
gab es nur adelige Güter, die sich zu irgend- 
einem Vergleich nicht eigneten. Unsere Eltern 
aber mußten sich wohl darin fühlen, weil es ja 
nicht anders ging. Der Hunger nach Land zeigte 
sich nur am Rande eines abendlichen Gesprächs 
und gleichsam widerwillig, weil ihm ja doch 
nicht praktisch nachgegangen werden konnte. 
So gehört denn auch das zum Bild, daß es ip 
diesem Dorf keine alten und dorfgerechten Ge- 
bäude gab; meistens waren Häuser und Ställe 
mit Pappe gedeckt, steingedeckte Häuser waren 
selten. Allerdings hatte Vater über Stall und 
Scheune ein Strohdach, das ihm aber zuweilen 
Kummer machte, weil er nicht immer Zeit hatte, 
es ordentlich instand zu halten. Die Behäbigkeit 
und schöne Sicherheit, die auch bei uns zu 
Lande zum Wesen eines Dorfes gehört, hier 
allerdings gar nicht vorhanden sein konnte, 
fehlte also schon äußerlich. 


Nun könnte man meinen, die Büdner hätten 
doch wie alle Dörfer dieser Art ihre Dortver- 
sammlung gehabt, von der aus man Beschlüsse 
fassen konnte, um diese dann auch zur Abschaf- 
fung all der Ubel durchzuführen; wenn nichts 
geändert worden sei, müsse dies an der Un- 
tüchtigkeit und Gleichgültigkeit der Dorfbe- 
wohner gelegen haben. Das benachbarte Gut, 
dem der eine Dorfteil gehörte, kümmerte sich 
nicht einmal um die Dorfstraße, die in jedem 
beginnenden Frühjahr eine unvorstellbare 
Menge Schlamm hergab, weil vorhandene Mittel 
und verfügbare Arbeitszeit der Büdner eine 
grundlegende Anderung nicht zuließen. Die Ein- 
wohner hatten weder Recht noch Stimme, da sie 
keinen eigenen Grund und Boden besaßen, von 
den Tagelöhnern gar nicht zu reden. Auf den 
Dorfversammlungen wurde wahrscheinlich viel 
beschlossen, aber zur Durchführung war die Zu- 
stimmung des Amtes erforderlich, das den Dorf- 
leuten Selbsthilfe empfahl. Der eine, unter des- 
sen Führung die Dinge hätten gebessert werden 
können, war der Pächter der Domäne; und der 
stand aus Abneigung gegen die „kleinen Leute“ 
jedem gutgemeinten Beschluß von vornherein 
hinderlich im Wege. Außerdem hatte er den 
Schulzen des Dorfes für sich, und das entschied 
beim Amt. Hier müssen nun einige Worte über 
diesen wichtigsten Mann im Dorfe gesagt wer- 
den, der sein Amt gern zum Besten seiner Ge- 
meinde geführt hätte und es doch nicht dazu 
brachte, 


Er hatte eine freundliche Frau, und wir Kinder 
machten dort oft eine Bestellung. Von den Dorf- 
verhältnissen aus gesehen, war ein Schulze jener 
Zeit recht gut gestellt; so hob sich dieses Haus 
also aus allen übrigen heraus. Ich meine noch 
jetzt die Luft von Sauberkeit, frisch entrahmter 
Milch und geputztem Küchengeschirr zu spüren, 
die den Eintretenden empfing; trotzdem blieb es 
jedesmal — wie ich es auch noch nachträglich 
fühle — fremd um mich herum, wenn ich zu ihr 


166 


geschickt wurde. Heute meine ich, schuld daran 
sei gewesen, daß es in diesem Hause keine 
Kinder gab; das machte den Aufenthalt unge- 
wohnt. 


Das Fehlen der Nachkommen wird es auch 
gewesen sein, was den Mann als Vorsteher des 


. Gemeinwesens so unlustig zur Tat machte und 


ihm so wenig Widerstandskraft gab. Auf diese 
Weise konnte der alte Vater, der das Amt vor 
ihm gehabt hatte, in Wirklichkeit immer noch 
der Dorfschulze sein. Meistens sahen wir Kin- 
der ihn hinter dem ‚Fenster seiner Altenteiler- 
stube, wie er auf die Dorfstraße sah, stunden- 
lang und ohne in seiner Aufmerksamkeit nach- 
zulassen. Hielt er sich vor dem Hause auf, dann 
gingen wir in weitem Bogen um ihn herum; da 
stand er dann: breit, massig, vital, mit dem 
harten strähnigen Haar und dem weißgrauen ` 
Kinnbart. Ihn benutzte der Pächter der Domäne, 
der manches Glas mit ihm zusammen trank; und 
er wiederum bestimmte den Sohn in allem, was 
für das Dorf getan oder vielmehr unterlassen 
wurde. Für die fehlende Einigkeit unter den so 
Bedachten war entscheidend die in sich wider- 
spruchsvolle Zusammensetzung des Dorfes. Ein 
Mann, der wie der Pächter der Domäne gewohnt 
war, seine Pflüge über weite Ackerflächen gehen 
zu lassen und dabei alles aus einem Willen zu 
ordnen, konnte den Menschen eines solchen Ge- 
meinwesens Abneigung entgegenbringen; eine 
Erklärung für sein Verhalten, das jede Ver- 
besserung der Zustände im Dorf hinderte, wo er 
nur konnte, habe ich damals nicht gesucht, und 
heute finde ich keine andere. Wie gern aber 
wären die Dorfleute einem: einsichtigen Mann 
an der Spitze gefolgt, und wie viel Gutes hätte 
er schaffen können. 


Daß es den Büdnern dieses Dorfes trotzdem 
verhältnismäßig gut ging, lag daran, daß jeder 
von ihnen neben seiner kleinen Ackerwirtschaft 
einem Handwerk oder einem Gewerbe nachging. 
so weit er nicht auf einem der umliegenden 
Güter Arbeit fand. Es. gab fünf Schuster, ebenso 
viele Kaufleute, drei Schneider, zwei Bäcker, 
drei Schmiede, einen Böttcher, zwei Stellmacher: 
ja, der eine oder andere von ihnen vereinigte in 
seiner Person sogar zwei Berufe. Mit den 
Bäckern hatten wir am meisten zu tun. Dem 
einen war eine unüberwindliche Abneigung 
gegen übertriebene Sauberkeit eigen; für ihn 
kam es für die Brotzubereitung vor allem auf die 
Zutaten an, alles andere war in seinen Augen 
Ängstlichkeit oder Hochmut. Der andere war 
zugleich Schmied, und er war dies mehr als 
Bäcker. Hufeisen, Nägel, Türbeschläge und 
alles, was das Dorf immer wieder nötig hatte, 
war also in Ordnung; aber auch die Brote, die er 
lieferte, waren augenscheinlich mehr Schmiede 
als Bäckerarbeit. Uns Kinder störte das nicht, 
wir standen gern bei ihm vor der Esse, legten 
ihm dann das Geld für ein Brot auf das Fenster- 
brett. und bedienten uns selbst, er blieb der- 


weilen in der Schmiede; aber die Mutter hatte 
ihre Not mit dem Abkratzen der Rinde. Da seine 
Brote aber nicht nur dem Aussehen, sondern 
auch der Handfestigkeit nach immer mehr aus- 
gesprochene Schmiedearbeit wurden und vor 
allem im Magen der alten Leute wie auf dem 
Amboß gargeklopft wirkten, so bekam er immer 
weniger Zuspruch. Unsere Eltern stimmten ihm 
zu, dab man einen ganzen Ofen voll mißratener 
Brote ja nicht einfach wegwerfen könne, dafür 
hatten sie viel zuviel Achtung vor der lieben 
Gottesgabe; sie wollten es am Tisch aber durch- 
aus mit einem Bäcker und nicht mit einem 
Schmied zu tun haben. Eines Tages gab er diese 
Art seines Betriebes auf; und jedermann besah 
seine gewaltigen Fäuste und seine überaus 
rußigen Arme nun ohne innere Beschwerden. 
Der dritte seines Standes wirkte auf der ritter- 
schaftlichen Seite des Dorfes, hier waren Ord- 
nung und Sauberkeit das Kennzeichen; und des- 
halb kaufte das ganze Dorf am Sonntagmorgen 
bei ihm seine Tüte „Rosenbröte und Schnecken“. 
Vor allem letztere waren begehrt, weil sie sehr 
süß waren und weil es für drei Pfennige zwei 
Stück gab. 


All diesen Leuten, den Kaufleuten, Schustern, 
Schmieden und Bäckern, gab das weite Hinter- 
land in Gestalt der vielen und zumeist in ade- 
ligem Besitz befindlichen Güter das tägliche Aus- 
kommen, vor allem deshalb, weil diese allsom- 
merlich des Zuckerrübenbaues wegen ein Heer 
ausländischer Arbeiter — die sogenannten 
Schnitter einstellten. Aber es fehlte dem Dorf 
der Sinn, den wir Deutsche immer mit diesem 
Wort verbunden haben: Herr auf eigenem 
Grundund Boden zu sein. Und wenn einer 
seiner Bewohner besuchsweise einmal in eins 
jener wehrhaften Bauerndörfer kam, die auch 
schon damals bei uns zu Lande nicht selten 
waren, dann wußte er, was ihm und seiner 
Familie und in ihr vor allem den heranwach- 
senden Kindern abging. Wenn es dabei anschei- 
nend auch nutzlos war, so schaute jeder von 
ihnen doch nach einer kommenden Zeit aus, die 
den bestehenden Verhältnissen eine grund- 
legend andere Richtung weisen werde. 


Und doch gab es auch in diesem Dorf Men- 
schen, unter denen mancher prächtige dörfliche 
Eigenwuchs war, vielleicht gerade hier, weil er 
die Vorbedingungen dafür zumeist in sich selber 
tragen mußte. Da war unsere Nachbarin. Ihr 
Mann war früh gestorben, und so hatte sie sich 
allein mit eigenem Fleiß durchbringen müssen. 
Sie ‚war klein und rundlich und trug stets ein 
schwarzes Häubchen, dessen Bänder unter dem 
Bän verknotet waren. Sie kam fast täglich mit 
uns zusammen, weil wir gemeinsam mit ihr und 
dem Nachbar zur andern Seite die tägliche Zei- 


tung lasen, wenigstens während der Winter- 
monate, im Sommer war keine Zeit dafür. Sie be- 
kam das Blatt zuerst, weil Vater am Tage nicht im 
Hause war, und da brachte sie dann die Zeitung; 
der Nachbar bekam sie für den nächsten Abend, 
so eilig war es ja nicht damit. Wir hörten ihre 
helle, fröhliche Altfrauenstimme schon in der 
Haustür; bald darauf stand sie mit stets dem 
gleichen: „Herr du meines Läwens, Lüd un 
Kinner!” in der Stube, pustete die mitgebrachte 
Laterne aus und setzte sich in den Stuhl, der 
schon für sie bereitstand. Ihr Ausruf galt mei- 
stens dem unsäglichen Schmutz, durch den sie 
hatte hindurch müssen, aber auch den Neuig- 
keiten, die sie für den Abend mitbrachte. Ihre 
Meinung war, daß die Zeitung den Menschen 
verdürbe, weil gar zu viele Ubeltaten darin 
stünden. Wenn Vater dann erwiderte, daß diese 
ja bei uns zum Beispiel unter drei Familien auf- 
geteilt würden, sah sie ihn mit ihren blanken, 
kriegerischen Augen an und sagte, sie sehe 
schon die Zeit voraus, da nur zwei Häuser das 
gleiche Blatt gemeinsam lesen würden; die Welt 
werde ja immer großartiger. Das werde aller- 
dings Unglück und Untergang bedeuten, da eine 
solche Uberheblichkeit und zugleich Neugier auf 
vorgefallene Ubeltaten auch nur übel auslaufen 
könne. Sie selbst war, freilich am neugierigsten 
darauf; aber sie las das alles nur, um den Beweis 
zu haben, wie gut im Grunde noch alles bei uns 
im Dorf sei. Als sie ihre letzten Lebensjahre 
herankommen fühlte, hatte sie einen weißen 


Leinenbeutel in ihrer Lade; in jedem Frühjahr: 


schnitt sie ein wenig zartes Gras, trocknete es 
und tat es dann in den Beutel. Damit sollte ihr 
Totenkissen gefüllt werden. 


Ihr Gegenstück war die Nachbarin zur andern 
Seite, Ihr Mann war Einwohner beim „großen 


Johannjörn”, arbeitete in schwerem Tagelohn, ` 


schweigsam wie der Wald, in dem er wintertags 
zu Hause war, ein Riese von Gestalt und wohl 
gerade deshalb so gutmütig wie grob, aber auch 
so treffsicher in seiner Antwort, wenn er einmal 
eine gab. Sie hatte sieben Jungen mit ihm, von 
denen der eine immer noch gerader gewachsen 
war als der andere. Wenn bei einem der jähr- 
lichen Feste alle im Elternhaus zusammen waren, 
die schon verheirateten mit ihren Frauen und 
Kindern, dann saßen nur die verheirateten auf 
Stühlen; die andern mußten sehen, wie, sie an 
den Tisch kamen. Ihr Mann saß wortlos darunter 
und besah den Segen nachdenklich; sie selbst 
aber — klein und dürr und mit immer verarbei- 
teten Händen — bediente Enkel und Enkelinnen, 
ein Zug, der auf den alten Dörfern nicht selten 
war und die Achtung des sich schon untauglich 
fühlenden Alters vor dem aufstrebenden Leben 
versinnbildlichte. Im übrigen führte sie unter 
den noch im Hause lebenden Jungen ein stren- 


167 


ges Regiment; und wenn sie es für nötig hielt, 
wurde sie kräftig handgreiflich. Da diese sehr 
viel größer waren als sie selbst, war das immer 
ein schweres Mühen; sie ließ aber nicht ab und 
zerrte so lange an Weste und Rockkragen, bis 
sie den Kopf in erreichbarer Nähe hatte, und 
dann gab es keine Gnade. Aber sie kam jedes- 
mal bald außer Atem; und die Jungen freuten 
sich noch lange hinterher. 


Außer diesen beiden saß der „große Johann- 
jörn‘ oftmals. bei uns in der Stube: lang, mager, 
mit einem seltsam borstigen Bart um Kinn und 
Lippen. Er war der ewig unruhige Geist des Dor- 
fes, immer zu verbessernden Plänen aufgelegt 
und immer in grollendem Unmut, daß so wenig 
geschehe. Mit ihm zusammen, der Zimmermann 
war, schnitt Vater im Winter Bretter und Balken; 
der eine stand hoch oben auf dem Gerüst, den 
behauenen Stamm zwischen den Füßen, der 
andere stand darunter, und so führten sie die 
Säge von unten nach oben und wieder von oben 
nach unten. Ich sehe noch immer den mächtigen 
und ausdrucksvollen Daumen des großen Jo- 
hannjörn, den er beim Reden jedesmal verächt- 
lich seitwärts warf, wenn er wieder einmal bei 
einer ausgemachten Dummheit der Dorfgenos- 
sen angekommen war. Nichts in seiner dörf- 
lichen Welt konnte ihm die geringste Achtung 
abnötigen; nur seine kleine und sehr wendige 
Frau jagte ihn schon aus der Entfernung um 
sieben Häuser herum. Wenn man ihm diesen 
merkwürdigen Respekt vor einem so kleinen und 
zarten Wesen vorhielt, dann führte er das auf 
ihre vornehme Herkunft und künstlerische Ver- 
anlagung der Familie zurück: sie stammte aus 
der nahegelegenen Stadt, wo ihr Bruder — klei- 
ner Kaufmann — Dirigent eines Gesangsvereins 
war. Er nannte sie nur „die Geborene“. 


Einer der ganz Alten konnte „das Buch laufen 
lassen”; wenigstens ging so die Sage von ihm. 
Wenn eine der Dorffrauen sich von einer andern 
angeschwärzt oder sonst auf eine der: üblichen 
Arten verfolgt glaubte und die Urheberin nicht 
nennen konnte, ging sie zu dem Alten; der hörte 
sie aufmerksam an, langte ein Erbgesangbuch 


und einen Erbschlüssel vom Bort, schob den Bart. 


des Schlüssels in das Buch und schlug ein Band 
fest herum, um das Herausfallen des Schlüssels 
zu verhindern. Dann legte er das obere Ende des 
Schlüssels auf die ausgestreckten Daumen, 80 
daß das Buch daran hing; und nun sprach er 
langsam einen Namen nach dem andern aus. Vor 
den erschauernden Ohren der Bittstellerin — die 
hinterher regelmäßig sagte, daß sie die Augen 
vor Scheu und Entsetzen habe schließen müssen 
— löste sich dann bei einem der Namen das 
Buch vom Schlüssel; und die Beschwörung war 


mit Erfolg zu Ende geführt. Mehr als diese Sage 


kann ich nicht wiedergeben; ich wollte aber, ich 


168 


hätte dem Alten einmal bei seiner Zauberei zu- 
schauen können. Ganz zuverlässig müssen seine 
Fähigkeiten dem Dorf nicht vorgekommen sein; 
als man in späteren Jahren — vor allem bei 
Ubeltaten der schon genannten Schnitter — nach 
der Polizei rief, lebte er nämlich noch. Den Dorf- 
leuten ist also ein Verhör möglicher Ubeltäter 
sicherer erschienen als eine solche Berufung auf 
die unirdischen Mächte. Meiner Meinung nach 
hat der Alte wie eine Art freundlicher Wellen- 
brecher gewirkt. Strafaktionen erfolgten auf 
seine Offenbarungen hin nicht, der Frau war es 
genug, daß sie auf so geheimnisvolle Weise 
einen Namen erfahren hatte, den sie nun auf die 
gleiche Weise der Nachbarin weitergeben 
konnte. Und vor allem hatte sie wohl eine 
dunkle Vorahnung, daß sie selber einmal an das 
gleiche Messer kommen könnte, wo es ihr dann 
nur lieb sein konnte, daß weiter nichts daraus 
gemacht wurde — des eigenen. Mannes wegen, 
der es dem Alten und ihr selbst wohl nicht so 
geheimnisvoll machen würde. 


Zu diesem alten Dorf gehörte auch unser Pro- 
fessor Richard Wossidlo, Volkstumsforscher 
von europäischer Bedeutung, „de oll Voßlo“, 
wie er überall genannt wurde. Er erschien in 
größeren Abständen, unterhielt sich jedesmal 
auch mit Vater; und einige Jahre hindurch lag 
in unserem Glasschrank eine „VoBlo-Zigarre”, 
die Vater nicht hatte verweigern mögen, von 
der er aber auch keinen Gebrauch machen 


konnte, weil er nicht rauchte. Was aus ihr ge- 


worden ist, kann ich heute nicht mehr sagen. 
Als ich selber so weit war und mich ihr viel- 
leicht heimlich gern genähert hätte, war sie 
nicht mehr da; im andern Fall würde ich jetzt ja 
wissen, wo sie geblieben ist. Er verschonte nie- 
manden, von dem er irgendein Ergebnis für seine 
Sammlung erwarten durfte, vor allem die Alten 
nicht; und seine Unterhaltung war derart ein- 
dringlich, daß diese einen heillosen Respekt 
zeigten, wenn seine Ankunft gemeldet worden 
war. Wen er finden wollte, den fand er; trotz- 
dem brachen die am meisten Gefährdeten gem 
aus, wenn dies noch möglich war: in den Garten, 
den Stall oder auf einen verschwiegenen Ort 
der ihnen sicher genug vorkam. Wenn der eine 
oder andere nach vermeintlich ausreichender 
Sitzung vorsichtig um die Hausecke lugte, sad 
der Gefürchtete jedesmal gemütlich auf der 
Bank, wo er schon einige um sich herum hatte, 
denen es auch nicht besser geglückt war. Trott 
eifriger Unterhaltung nahm er den Ankömmling 
sogleich wahr; und die Dorffama meldet hierzu, 
es habe niemals erstauntere Mienen gegeben als 
in einem solchen Augenblick. Wenn dem 50 
Überraschten nun vielleicht eingefallen wäre, 
die Holzpantoffeln stehenzulassen, um dem 
Verhör doch noch zu entwischen, würde ibm 


Í. „2 


—— 


Das gesik 


des deutsden Faux 


Bauer aus Pöttelsdorf 


$ 
Bekenntnis zur Rasse bedeutet letzten 
Endes ein Bekenntnis zur bäuerlichen 
Grundhaltung und zur bäuerlichen Her- 
kunft unseres Volkes, denn Bauernium 
ist damit schließlich Träger aller völ- 
kischen Schöpfungskraft, weil es der 
Erhalter unseres Blutes ist. Bauerntum 


ist damit auch Träger unserer Wehi- 


kraft. HerbertBacke 


$. 


Links: Der Hufschmied 


Rechts: Bergbauer aus dem Kleinen Walsertal 


— er nn nz 


— — — 


Tiroler Jungbäuerin 


Friesinnen von der Insel Föhr 


Bauernbub aus Oberdonau 


( )ben 
Mitte: Osttiroler Bauernmädel 


Unten: Bauernjunge aus der Oberpfalz 


| | > 
w 


auch das nur vorläufig geholfen haben — „de 
oll Voßlo hadd lange Bein“. So wurde jeder. 
dieser Gewährsmänner also unter wohltätigen 
Zwang gestellt; und keiner wurde aus dem Be- 
reich des Schreibblockes entlassen, bevor „de 
olle niederträchtige Kier" ihm nicht das Hemd 
vom Leibe gezogen hatte, wie man das im Dorf 
nannte. Das Wort niederträchtig hatte dabei in 
der Sprache der alten Dörfler nicht den üblen 
Klang, den es im Hochdeutschen wohl immer 
gehabt hat. Ein niederträchtiger Kerl war einer, 
dessen Beharrlichkeit bekannt war und der nur 
den einen Willen hatte, die Beharrlichkeit des 
andern zú überwinden. Von dem Betroffenen 
aus war er im Unrecht, vor sich selbst jedoch 
durchaus im Recht. Seine Gegenwart verur- 
sachte also jedesmal ein sehr unbehagliches Ge- 
fühl, dem aber zugleich ein gut Teil Hochach- 
tung beigegeben war; denn die Dorfleute wissen 
aus alter Erfahrung, daß Beharrlichkeit immer 
ein sehr teures Gut gewesen ist. So war die 
Flucht der Alten begründet; wenn sie dann aber 
doch sehr schön stillhielten, kam ihnen das als 
eine Art Schicksal vor. Ihre Rache für das ihnen 
Angetane bestand zuweilen freilich darin, daß 
sie ihm mehr erzählten, als sie verantworten 
konnten. Und manche alte Mutter hat versucht, 
ihm etwas als dörfliche Überlieferung anzuhän- 
gen, was die kleine Enkelin ihr bei Gelegenheit 
aus dem Schullesebuch oder einer Märchen- 
sammlung vorgelesen hatte. Hier und da mag es 
wohl auch aus Not geschehen sein, um nur ja 
endlich freizukommen; jedenfalls war die Ge- 
nugtuung hinterher immer vollständig, wenn das 


Vornehmen geglückt schien. 
U 


Auch Ernst Feuerstein gehört hierher, ein 
Landstreicher wie viele andere, die allmonatlich 
unser Dorf heimsuchten, und nur dadurch von 
ihnen unterschieden, daß er seine bestimmten 
Tage im Frühjahr und Herbst hatte, an denen 
er bei uns erschien. Wir Jungen erwarteten ihn 
schon, weil er die ausbündigsten Geschichten 
und Neuigkeiten von den andern Dörfern mit- 
brachte; und wenn er den Weg von den vier 
Höfen herunterkam, gab es einen Aufruhr, daß 
ein paar betagte Mütterchen erschreckt Türen 
und Kellerklappen schlossen. Er hatte seine 
Stammhäuser; und den Besuch dort hielt er so treu 
inne, als ob es sich um alte liebe Verwandte 
handle. Nach seinem jährlichen Herbstbesuch, 
wenn die Luft schon kühl und der nächtliche 
Aufenthalt in irgendeiner Strohmiete unange- 
nehm wurde, verübte er jedesmal in einem der 
weiter abliegenden Dörfer eine kleine Untat 
— „bi juch hier mak ick so wat nich“ —, 
worauf ihn dann regelmäßig der Landreiter auf- 
griff und in behördlichen Gewahrsam brachte. 
Dort führte er sich so gut, daß er während des 
ganzen Winters Kost und Unterkunft behielt; 


im nächsten Frühling war er dann wieder da. Er 
sagte aber vor Ausübung seines Streiches im 
Herbst jedesmal Bescheid, was er vorhabe. „Wat 
meinen Sei, Fru, wenn ick mal —?“ Erschien 
sein Plan einmal gar zu leichtsinnig, riet man 
ihm zur Vernunft. Das sah er denn auch jedes- 
mal ein. 


Am Schluß meines Berichts will ich nun gern 
eingestehen, daß es sich in all diesem — streng 
genommen — um eine gar so weit zurücklie- 
gende Zeit nicht handelt; was ich erzählte, ist 
im allgemeinen an das Jahrzehnt von 1896 bis 
1906 gebunden. Hinwieder will es mir manch- 
mal aber auch scheinen, als seien Menschen und 
Verhältnisse, wie ich sie wiederzugeben ver- 
sucht habe, heute schon uralt. 

Später, als mir Wesen und Wert der Heimat 
zum unverlierbaren geistigen Gut geworden 
waren, sah ich über die oft mißlichen Verhält- 
nisse meines Heimatdorfes zu meiner Kinderzeit 
hinweg. In der Zeit sagte es mir sehr viel, daß 
dieses Dorf auf den alten Grabstätten des Drei- 
Bigjährigen Krieges neu erbaut worden ist; als 
Kind hätte ich damit nicht viel anfangen kön- 
nen. Da erkannte ich, daß es sich bei dem, was 
mir die Kinderzeit-zugetragen hatte, oftmals um 
Beiwerk und Vordergründiges handelte; das 
Wesentliche lag tiefer, es konnte sich in einem 
Dorf, das nicht einmal die Gewißheit ausreichen- 
den eigenen Bodens hatte, auch wohl nur sehr 
notdürftig zeigen. Man mußte wahrscheinlich 
durch die Zeiten hindurch, um dieses Wesent- 
liche zu erfassen; und mancher würde es dann 
vielleicht nicht mehr erkennen oder es gar ab- 
lehnen, was freilich nicht hinderlich sein konnte. 

„Sie werden sich wundern, wie sich Ihr Hei- 
matdorf verändert hat“, schrieben mir die Schul- 
kinder von 1935. Sie wollten mir damit eine 
Freude machen und haben es getan. Ja, heute 
ist dort vieles anders. Es gibt seit zehn Jahren 
keine Domäne und Tagelöhner mehr; wer von 
ihnen wollte und konnte, hat Land bekommen, 
auch die Einwohner, und von den Büdnern wirt- 
schaftet jetzt jeder mit eigenen Pferden aut aus- 
reichendem Grund und Boden. 

Geblieben ist mir bis heute der und jener 
originale Mensch jener Zeit. Einige von ihnen 
haben schon Aufnahme in dem einen oder an- 
dern meiner Bücher gefunden oder werden sie 
noch finden, wenn ihre Zeit gekommen sein 
wird. Und bleiben wird mir für alle Zeit die 
Erkenntnis, daß auch im sogenannten kleinen 
Mann und Tagelöhner der starke Kern bäuer- 
licher Art steckt und daß es heilige Pflicht 
unserer Zukunft sein wird, dem nachzugehen, 
soweit es in unserem Vermögen steht. Unzwei- 
felhaft wartet eine ganze Jugend darauf, wie 
auch wir schon zu unserer Zeit darauf gewartet 
haben, ohne daß wir Erfüllung unseres oft un- 
bewußten Sehnens hätten finden können. 


169 


JOSEF MARTIN BAUER: 


DER BAUERLICHE WEG 


Gleichzeitig mit der Verleihung des Kulturpreises 
für bäuerliches Schrifttum an Friedrich Griese wurde 
Josef Martin Bauer erstmalig der von Oberbefehlsleiter 
Reichsbauernführer Backe gestiftete Ehrenpreis des 
bäuerlich gebundenen Schrifttums der Gegenwart ver- 
liehen. In dem Ankündigungsschreiben betont Ober- 


befehlsleiter Backe: „Von innerer Verantwortung um 


die Probleme des deutschen Bauerntums getragen, ge* 
stalteten Sie Ihre Werke und vermittelten uns aus dem 
Erleben dieser Zeit wertvolle Erkenntnisse. Ich danke 
Ihnen für Ihre schöpferische Tat, die der Kultur und 
Geschichte des deutschen Bauerntums ein Denkmal 
setzt.‘ ` 


F: mag gut sein, unterwegs einmal umzu- 
schauen und dabei zu sehen, daß es ein ehr- 
barer bäuerlicher Weg gewesen ist, der von den 
Anfängen bis hieher führt; aber nach dem 
Warum dieses Weges zu fragen ist so schwer, 
wie wenn ich einen ackernden Bauern fragen 
wollte, warum die Furche so im schlanken 
Bogen über den Hügelhang gezogen wird, 
warum dem Pflug die Saat folgt und der Saat 
das Ängstigen um Hagel und Mißwachs, dem 
getreuen Ängstigen aber dann die Ernte, die 
Ende ist und doch wieder nur schmaler Anfang. 


In den selbstverständlichen Dingen des 
Lebens weiß der Mensch die Ursachen nie, die 
ihn zu solcher Selbstverständlichkeit geführt 
haben. Der Bauer fragt vielleicht einmal, wenn 
er Gott und der Welt einen Vorwurf machen 
will um der schweren Last willen, „Warum muß 
ich gerade Bauer sein?“, aber es erschiene ihm 
widersinnig, sich im wahrhaftigen Ernst zu fra- 
gen, warum er Bauer ist. Er pflügt, weil der 
Vater schon gepflügt hat, er plagt sich, weil 
seit je die Plage das beste Korn hervorgebracht 
hat, er ist Bauer, weil er Bauer sein muß und 
etwas anderes nicht sein kann. Bei nachge- 
borenen Söhnen, die in den Erwerb gegangen 
sind, haben wir alle es ja oft genug gesehen, 
daß sie in das Leben städtischen Erwerbs ihre 
hergebrachte Bauernwelt mit hineingetragen 
haben und dort einfach ihr bäuerliches Her- 
kommen fortsetzen. Selbst dort, wo die alte 
Herkunft und der spätere Erwerb weit ausein- 
anderzuklaffen scheinen, zieht durch das Leben 
eines solchen Menschen als haltendes Tau jene 
Selbstverständlichkeit, die nur lächelnd um- 
schaut auf den Weg, nie aber danach fragt, 
warum der Weg so gegangen werden mußte 
vom Hof zur Stadt, vom Pflug zum Handwerk, 
vom Kleinknecht zum Soldaten mit allen Ab- 
zeichen der Tapferkeit, vom Hütbuben zum Pro- 


170 


~ 


ihrem festlichen Sterben, 


AJ 


H 


fessor, vom ärmlichen Dorfknaben zum Dichter. 
Dabei hat der Dichter das schönste Los, weil er 
beides in einem sein darf. Mit jedem, der einen 
solchen Weg gewählt hat aus freien Stücken 
oder aus dem natürlichen Zwang, gehen doch 
in langen Reihen die bäuerlichen Väter und 


zwingen ihn, wo er auch weitergeht, immer 


Bauer zu sein und Bauer zu bleiben. 


Ais ich längst in meinem vermeintlich selbst- 
gewählten Leben stand, als ich nach Jahren 
bäuerlich schreibender Arbeit wußte, daß ich 
nie anders würde schreiben können, hat man 
mir auferlegt in alten, unordentlich geführten 
Matrikelbüchern zu suchen nach einer Unzahl 
toter Väter, und was ich gefunden habe, war 
mir weder überraschend noch erregend. Ich 
habe dieser auferstandenen Ahnenreihe alt- 
bayerischer Bauern nicht bedurft, um über die 
Jahrhunderte bauernhaften Vorlebens zu 
wissen, wo mich der eine, der mein Vater war, 
viele Male auf den Knien gewiegt und mit 
übersichtigen Augen an mir vorbei geschaut 
und an mich hin erzählt hatte von den Bauern 
auf Lederstatt, am Bach, in Coralden und auf 
Eiglsperg, die er erzählend vor uns Kindern zur 
Schranne fahren ließ, die auf ibre Art liebten 
und haßten, die ihn — meinen Vater — nicht 
als ihresgleichen gelten ließen, weil der ver- 
heiratete Bauer auf Lederstatt ihn neben der 
Ehe gezeugt und weil eine demütige Magd ihn 
geboren hatte im rechten Gehorsam der Magd. 
Diese Magd habe ich selbst noch gekannt und 
habe sie sterben gesehen. Von den Bauersleuten 
aber, die in der langen Reihe so herkommen aus 
der Vergangenheit, weiß ich nur, was in den 
Matrikelbüchern steht, und doch weiß ich von 
ihnen alles, wie sie geboren worden sind, wie 
sie gelebt haben, wie ihr Jahr hinlief in stetiger 
Arbeit, wie ihre Freuden und Leidenschaften 
den Platz um sie ausgefüllt haben, ich weiß sie 
bis zurück zu irgendeinem Bauernsohn, der mit- 
ging bei Napoleons Rußlandzug und irgendwo 
in jener weiten bäuerlichen Erde voll Kindlich- 
keit und Güte sein Grab gefunden hat. Jeden 
hat mir der Vater beschrieben. Die Namen weiß 
ich nicht mehr, aber ihr Tun weiß ich bis zu 
ich kenne ihre Ge- 
sichter, weil ich sie abgeprägt gesehen habe in 
dem guten Greisengesicht meines Vaters, wenn 
er in die Ferne des engen Raumes schaute und 
die Toten als Lebendige heraufbeschwor. 


) 


Er selbst hatte, von der Magd geboren, nicht 
Bauer sein dürfen. Das Hütbubendasein blieb 
ihm, der bescheidene Knechtplatz blieb ihm — 
und der Name „Knecht“ ist bei uns in Altbayern 
etwas Ehrenwertes — aber vom Knechtplatz 
hat er wieder emporzusteigen versucht zu einem 
bescheidenen Stück Eigentum. Als er in dem 
Alter stand, in dem ich heute stehe, hat er noch 

das Bäckerhandwerk gelernt, ehe er heiratete 
und in einem kleinen Dorf sich als Bäcker selb- 
ständig machte. Die er sich zur Frau nahm, 
mußte ebenso aus der Einfachheit und dem 
zähen Beharren alter Bäuerlichkeit kommen, 
und weil ihr Platz kein großer Platz hatte sein 
können bei der Fülle der Geschwister, war sie 
eben Magd geworden und hatte sich darin reif 
gedient. Ein bescheidenes Leben war es wohl, 
das die beiden sich aufbauten, aber es klam- 
merte sich an den Boden, der eine Kuh ernährte 
und später eine zweite, es war auch darin ein 
Bauernleben, daß es bei solchem Alter noch den 
Mut zu sechs Kindern fand. Ich war das dritte 
in der Reihe. Der geschundene Vater, der um 
ein Uhr jede Nacht aufstand zum Backen, fuhr 
am Morgen mit dem Brotwagen fort, von Hof zu 
Hof, von Bauer zu Bauer, und wenn er am Nach- 
mittag zurückkam, begann seine Arbeit für Heu 
und Vieh. Wenn die Lieferungen eines Jahres 
bei den Bauern ringsum aufgelaufen waren zu 
einer schönen Summe, gingen sogar wir Kinder 
hinaus, das Geld hereinzubringen, von dem 
doch so wenig für das eigene Leben blieb. Die 
Wege waren weit, das Gewand war dünn, die 
Tage waren kalt, und es war oft eine Menge 
Geld, die ich verkrampft in der Hand barg, 
wenn ich mit meinem Zettel von Hof zu Hof 
ging. Die Gesichter aber, die mich anschauten 
auf solchen Wegen, weiß ich heute noch, gute 
und harte Gesichter, die Physiognomien von 
geizigen und von wunderlich-gütigen Menschen. 


Des Vaters und unser aller Lebensbereich 
hörte dort auf, wo er von den Wegen des Brot- 
fahrens umgrenzt wurde. Was jenseits dieser 


Weltgrenze lag, gehörte in den Raum von Mär 


und Wunder, und weil ich mit den Augen des 
Vaters schauen lernte, war dies alles fast spiel- 
zeughaft als Welt und dabei auf eigene Art be- 
schienen vom Glanz bäuerlicher Lebensweisheit. 
Einmal in seinem Leben hatte mein Vater eine 
große Reise gemacht, eine, über die man heute 
lächeln darf: nach Nürnberg. Diese Reise hat 
mich das rechte Wunderschauen gelehrt, denn 
das Nachbild der Reise in den immer neu aus- 
geschmückten Erzählungen meines Vaters ist zu 
einer unerschöpflichen Fülle von Wundern ge- 
worden. Immer mehr wurden die Türme von 
Nürnberg, immer reicher die Pracht der Häuser, 
mit jedem Erzählen wurde die Reise länger und 
erlebnisreicher, das Erzählen zerbrach jede 
Grenze und führte uns aus der Enge der acht 
Höfe des Dorfes hinaus, dorthin, wo es Unwirk- 
liches gibt. Solches Erzählen war der Reichtum 
meines Vaters, und die Ungehemmtheit seiner 


blühenden Phantasie war die Gnade, die ihn 
sehr glücklich sein ließ in seinem karg bedach- 
ten Leben. Die Nürnberger Buntheit aber hat 
sich nie auf das übertragen, was er aus dem 
Bauernleben erzählte. Dorthin schlug in Wirk- 
lichkeit die Sehnsucht all seiner Träume aus, 
dorthin schaute er mit tiefen, alles sehenden 
Augen, und so habe ich mit ihm schauen ge- 


lernt, so habe ich die Ehrfurcht mitbekommen, 


die aus seiner halblaut erzählenden Stimme 
klang. Und dieser große, bäuerlich umgrenzte 
Mensch, dem eine Fahrt nach Nürnberg das Er- 
lebnis aller Erlebnisse geworden war, hat mich, 
als ich elfjährig war, nach der Aufnahme- 
prüfung für die Lateinschule in den Glaspalast 
geführt in die Kunstausstellung. Ich war bald 
müde und erschöpft, er aber hat mich durch 
alle Räume geschleift und hat sich erst am 
Bahnhof, knapp vor der Abfahrt, darauf be- 
sonnen, daß wir den ganzen Tag nichts ge- 
gessen hatten. ` 


An diese Dinge der Jugend erschienen mir 
lange Zeit so, als seien sie nur neben mir ge- 
wesen und nicht für mich. Bei zwölf Jahren fiel 
für mich der trennende Schnitt, ich kam in die 
Lateinschule, von dort ans Gymnasium, ein 


bäuerlich behaftetes Studentlein voll Scheu und 
Unbehilflichkeit, das vor sich eine andere 


bäuerliche Lebensrolle gestellt sah: in irgend so 
einem einsamen Dorf Pfarrer zu werden, ein 
Bauernpfarrer wie der unsere, mit achthundert 
Seelen, hundertfünfzig Tagwerk Ackern und 
Wiesen, einem schönen Waldschlag und alter- 
tümlichen Dkonomiegebäuden voller Vieh, ein 
Bauernpfarrer, der des Morgens vor der Messe 
schon in den Klee fuhr und in Zeiten drängen- 
der Arbeit dem Herrgott ein Schnippcheri 
schlug, damit ja alle Bauern rechtzeitig auf die 


. Felder kamen. 


Mit dieser Rolle bin ich zeitig schon zer- 
fallen, um die Zeit eben, da der Knabe Mann 
wird und alle Dinge in einem zwiespältig ge- 
brochenen Licht sieht. Es war so mein Wille, 
etwas anderes zu werden, dieser Wille freilich 
wußte sich kein Ziel, er mußte sich der mäch- 
tigeren Welt der Not beugen und sich korri- 
gieren lassen von der Last des freiwillig oder 
übermütig ganz auf die eigenen Schultern ge- 
nommenen Lebens. Da habe ich allerhand Be- 
rufe und Handwerke durchlaufen, von vorn- 
herein in der Absicht, nur den Erwerb darin zu 
sehen und von der Etappe so eines Erwerbes 
aus in das wirkliche Leben Ausschau zu halten. 
Vor jedem Menschen schwebt zu solcher Zeit 
eine Krone, jeder möchte König werden, keiner 
gibt sich im Verlangen mit einem kleinen Maß 
zufrieden, sein rechtes Maß aber bekommt der 
Mensch dann unbarmherzig vom Leben zuge- 
wiesen und muß zufrieden sein, wenn es an- 
statt der gesehenen Krone nicht ein löcheriger 
Bettlerhut ist. 


Ein dürftiger Gutsbuchhalter war ich auf 
einem Fideikommiß, als ich mich unter einem 


171 


Zwang zwischen Wollen und Müssen nächte- 
lang vor die Maschine setzte und leidenschaft- 
lich besessen an einem Roman schrieb. 


Nein! Nein! Ich habe niemals einen Bauern- 
roman zu schreiben vorgehabt. Die Welt ist so 
groß und reich, sie gibt ihre farbigste Buntheit 
überall, nur nicht in der einfachen, gradlinigen, 
erlebnislosen bäuerlichen Welt. Wenn ich schon 
schrieb, so doch um des Erfolges willen. Und 
gerade den Gedanken an den Erfolg habe ich 
im Schreiben vergessen. Die bunte Glanzwelt, 
von der ich phantasieren wollte, habe ich nicht 
vor das Auge bekommen. Geschrieben habe ich 
einen Roman von Bauern, weil ich von der 
eigenen Arbeit zurückgestoßen wurde in die 
Welt, die ich selber war. Die zwölf Jahre Dorf 
waren mächtiger als das ganze Wollen. Der 
Vater mit seiner still berichtenden Stimme war 
lauter als jeder Versuch der Flucht aus dieser 
Bindung, die mich jetzt grausam schmerzte. 


Nicht das war grausam, daß den Roman nie- 
mand nehmen wollte. 
daß ich bei einem zweiten Versuch wieder wie 
ein Behexter von Bauern schreiben mußte, daß 
ich nach dem zweiten Fehlschlag einen dritten 
Versuch anging und wieder nur von Bauern 
schrieb, vielleicht um davon loszukommen, in- 
dem ich mich daran ausschrieb, vielleicht 
schon halb versöhnt mit dem hartnäckigen 
Zwang. Einen ganz abseitigen Erfolg hatte mein 
Schreiben, einen völlig ungewollten Erfolg, den 
ich zu zertreten versuchte, sobald er an mich 
herankam. Scuriftleiter sollte ich werden, 
Schriftleiter unter Bauern, Schriftleiter für 
Bauern, ausgerechnet für die Bauern meiner 
Heimat. In meine Heimat aber wollte ich nicht 
zurück, ich wehrte mich, ich kannte doch meine 
Bauern und wußte, daß sie einen abweisenden 
Buckel machen würden gegen einen, der so 
wieder zu ihnen zurückkam. 


So bin ich denn, immer noch voller Wehren, 
wie ein Geschlagener dorthin a 
woher ich gekommen war. 


Nun ist das gute siebzehn Jahre her. 


Ich sitze anderthalb Wegstunden von dem 
Ort entfernt, an dem ich geboren bin. Knappe 
zwei Wegstunden muß ich gehen, wenn ich in 
das Dorf kommen will, das mit acht Häusern 
meine Heimat war, mit den acht Häusern im 
Tal und den schweren, königlichen Getreide- 
bauernhöfen ringsum auf den Hügelreihen. Ich 
habe diese herrenhaften Bauern gekannt aus 
dem gemeinsamen Emporwachsen und habe 
darum Scheu empfunden vor der Rückkehr, 
denn ich habe jung schon fühlen gelernt, daß 
die bäuerliche Welt keinen aufnimmt und jeden 
abstößt, der nicht vom Grunde her aus ihrer Art 
und ihrem Denken ist. Nie aber haben meine 
Bauern mich wie einen Fremden angesehen. Ich 
war für sie freilich einer, der studiert hatte, und 
meine neun Jahre Gymnasium wurden mir 
ebenso als ein neuer Wert anerkannt, wie sie 


172 


Viel grausamer war es, 


mir angerechnet wurden als die beschwerende 
Möglichkeit einer Entfremdung. So mußte ich 
wie ein Pferd, das man lange in fremden Ställen 
hat stehen lassen müssen, so etwa wie ein vom 
Kriegsdienst in die Ackerarbeit zurückgekehrtes 
Pferd, die Prüfung in wägender Behutsamkeit 
über mich ergehen lassen, die Mensch wie Tier 
schweigsam abhorcht, ehe sie zufrieden ist und 
den Zurückgekehrten wieder ganz zur Heimat 
zählt. 


Das ist schon siebzehn Jahre her. 


Ich hätte nicht siebzehn Jahre damit aus- 
füllen können, nur von einem Tag auf den an- 
deren für die Zeitung zu schreiben und dieses 
Tun in steter Wiederkehr aneinanderzureihen 
bis zum Verbrauchtwerden. Drum habe ich bei- 
zeiten wieder angefangen, aus dem Eigenen zu 
schreiben, wieder einen leidenschaftlichen Be- 
richt von bäuerlichem Leben, wieder umsonst. 
Alles schien unendlich Zeit zu haben, ich wollte 
so nun nicht mehr schreiben, vielleicht war ich 
der Erfolglosigkeit müde geworden. Da ging 
aber mit mir durch Tage und Zeiten ein unauf- 
hörlicher Vorwurf, vor dem ich flüchtete, ohne 
ihm zu entkommen. Vielleicht war auch diese 
Zeit gut und notwendig, aber ich kam mir dann, 
als ich wieder ernst und schwer zu arbeiten be- 
gann, nicht mehr so ärmlich vor. In dieser Zeit 
hatte ich unter der Gewalttätigkeit, der ich er- 
legen war, endgültig begreifen lernen müssen, 
daß ich nie etwas anderes zum Thema und In- 
halt meiner Arbeit nehmen konnte als die Men- 
schen und die Dinge der scheinbar so erlebnis- 
losen Bauernwelt. Wenn ich den Begriff des 
Bäuerlichen so groß nehme, daß ich voll bewußt 
von einer eigenen Welt des Bäuerlichen 
spreche, so tue ich es heute mehr als je mit 
letzter Überzeugung, nachdem ich zwei Jahr- 
zehnte daran geschöpft habe und nie und 
nirgends bis an ihren Rand gekommen bin. 
Beim Schreiben der „Notthafften“ war es mir 
bewußt, daß ich die Geschichte einer bäuer- 
lichen Familie niederlegte, eine Familien- 
geschichte von bäuerlicher Art aus unserer 
Gegend. Hernach sollte es des Bäuerlichen ge- 
nug sein. Ich glaubte, hernach überhaupt nichts 
Bäuerliches mehr zu wissen, was des Nieder- 
schreibens wert sein sollte. So klein erschien 
mir die Bauernwelt damals noch. Als ich die 
Ausschreibung las zum Wettbewerb um den 
Jugendpreis Deutscher Erzähler 1930, wußte ich 
sehr wohl, daß man dort doch keinen Bauern- 
roman wollte, daß ein Bauernroman keine Aus- 
sicht auf die Zuerkennung des Preises haben 
konnte. Und was habe ich dann für den Wett- 
bewerb geschrieben? Was habe ich in fünf 
säuberlich geschriebenen Manuskripten einge- 
reicht? — Den bäuerlichen Siedlerroman „Acht- 
siedel“. Ich hatte nicht anders gekonnt. Nun 
sollte ein würdiges Gremium verstehender 
Männer entscheiden, ob ein bäuerliches Buch 
das Recht hatte, aus seiner Welt heraus durch- 
zustoßen zum Erfolg im Wettbewerb gegen die 


Werke aus all den anderen Bereichen des 
Lebens. So maßlos und so fordernd wurde ich, 
daß ich in bäuerlicher Einfalt und Starrköpfig- 
keit mich mit derartiger Leidenschaft in den 
Gedanken verkrallte, ich werde der Preisträger 
sein, daß mir meine Frau die Nachricht nur so 
mitteilte: „Du, der Preis ist dal” 


Das mag nur nach dem Erfolg so lächerlich 
erscheinen. Vorher war es ein weher, schmer- 
zender Ernst. Es war ein wahrhaftig besessener 
Glaube, daß die bäuerliche Verkettung, wenn 
sie schon ihre Menschen nicht mehr losließ, sie 
auch zum Erfolg hinaufreißen müsse. 


. Und wenn ich von Treue sprechen darf, dann 
muß ich auch gestehen, daß meine Welt mir die 
Treue ebenso gehalten hat. Mich hat sie vorher 
zur Treue gezwungen, zu jenen Zeiten, da ich 
das Ohr nach allen Seiten hin bereitwillig 
offenhielt und nach jeder Melodie den Schritt 
ins Leben setzen wollte. Gehört habe ich nur 
die schlichte, klare, bäuerliche Melodie in 
ihrer ungeheuren Eindringlichkeit, nach der ich 
schwer und bedächtig den Schritt setzen mußte, 
bis ich auf dem Weg war, von dem es kein 
Zurück mehr gibt. Was mir zu Anfang mit einer 
zähen Härte begegnet ist, hat mir später eine 
herrliche Treue erwiesen, als ich mein Leben 
hin oder her entscheiden mußte, als ich mir 
selber die Frage stellte, wo ich denn seßhaft 
werden konnte, um nicht nur festzusitzen, son- 
dern anzuwurzeln und zu leben. 


So alt wie die ersten selbständigen Schritte 
m den Beruf bäuerlicher Dichtung ist der 
schreiende Wunsch nach einem eigenen bäuer- 
lichen Besitz. Einen Hof wollte ich bekommen. 
Das war der Wunsch schon vor sehr vielen 
Jahren. Vielleicht, wenn man ihn mir erfüllt 
batte, wäre ich zufrieden geblieben mit der 
wirklichen Erfüllung und hätte verzichtet auf 
das träumende Tun eines bäuerlichen Dichter- 
lebens. Vor acht Jahren aber habe ich mir 
wenigstens einen Wunsch erfüllen dürfen: hier 
endgültig zu wohnen, hier mit einem Haus für 
dauernd Fuß zu fassen. Es waren Freunde um 
mich, die gelacht haben: wie kann ein Mensch 
deines Berufes hier auf dem Land sich für 
immer festsetzen, wo die Stadt doch allem 
Leben und Entwickeln die einzige Grundlage 
und Förderung ist? Freilich, auf viele Dinge 
mußte ich verzichten, denn schließlich ist es 
keine von Verkehr begnadete Gegend, in der 
wir hier leben, schließlich mußte ich wissen, daß 
ich mit der Zeit der Mittelschule jedes Kind 
berzugeben hatte, weil es weit ist bis zur 
nächsten größeren Schule. Aber was sollte ich 
Mensch, der ich mit müden Augen und häm- 
merndem Schädel jedesmal aus der Stadt 
zurückkam, mich in die Stadt setzen, die mir 
nur Schmerzen verursachte und mir nichts, gar 
nichts zu geben hatte als ihr steinernes Leid? 
So habe ich mir denn mein Haus gebaut nach 
meinen Wünschen, weitläufig in einem einzigen 
Geschoß wie ein rechtes Bauernhaus auf einem 


Hügelausläufer, daheim, in der getreideträchti- 
gen Landschaft, die den Stier und die Weizen- 
ähre im Wappen haben sollte, wirklich daheim. 
Von hier sehe ich hinunter in einen moorigen 
Talausschnitt, von hier sehe ich große Hügel 
ringsum, Gott sei Dank, und werde von keinen 
fremdengierigen Bergen bedrängt, Gott sei 
Dank. Und die Menschen aus der Stadt, die zu 
mir kommen, fragen beim Heraufsteigen vom 
Bahnhof: Wie kann man bloß — ? Und wenn sie 
Platz genommen haben, wenn sie mit einem 
weiten Blick auch diesen wundervollen Hügeln 
verfallen, dann sagen sie: Gibt es so viel Ruhe 


denn überhaupt noch auf der Welt oder ist das. 


eine geträumte Unwirklichkeit? 


Hier oben auf meiner bescheidenen Höhe 
wuchs Weizen, als ich baute, und es wächst auf 
allen vier Seiten Weizen, Korn, Mais, es 
wachsen Kartoffeln und Rüben, es weiden 
Schafe zu herbstlicher Zeit, und im Winter wer- 
den wir eingeschneit, daß wir tagelang nicht 
mehr aus dem Haus kommen, um in den Mauern 
Raum zu finden zum Bedenken, ob es so recht 
war und ob es so recht ist. . 

Wie die vier Arten Getreide, so wachsen auf 
diesem Boden die Erkenntnisse. Die Arbeit 
wächst mir zu, wie sie den Bauern zuwächst 
von Jahreszeit. Weil ich meine Bauern kenne 
und mit den Bauern alles hasse, was nur so tut, 
als ob es bäuerlich wäre, habe ich hier meine 
Philippika geschrieben wider alle Verlogenheit 
eines Schrifttums, das auf gut gedüngtem 
Boden mit dem rünstigen Geruch von Blut und 
Scholle hochtrieb, bis es an sich selber ver- 
dorrte, weil das Bäuerliche in sich selbst Rache 
nimmt für jede Unwahrhaftigkeit. Ich bin 
hier mit bauernhafter Zähigkeit zu Felde gezo- 
gen gegen jene kränkliche Unausgewogenheit, 
die zu einer hysterischen Landabkehr, Land- 
scheu, Landflucht und Verachtung des Länd- 
lichen führte. Die Summe aller Erkenntnisse, 
aller an mir selbst erlittenen Nöte und aller 
von den Vätern überkommenen Weisheit ist 
doch jenes eine, daß der im Bäuerlichen heran- 
geführte Mensch auch im Bäuerlichen bleiben 
muß, wenn er nicht an der Verpflanzung zu- 


grunde gehen will. Freilich ist es eine Gewalt- 


tätigkeit, die so am Menschen, von innen her- 
aus, vollzogen wird, und diese Gewalt zu er- 
leiden, mag schmerzlich sein, aber ihr Erleiden 
wird am Ende zum Segen. Sehr weit muß der 
Mensch gehen können in seinem Verzichten, 
um nach allem Verzicht sein zu dürfen, was er 
ist. Mir ist aus dem schmerzhaften Gezwungen- 
werden langsam jene Liebe großgewachsen, die 
leidenschaftlich nach eigenem Bauerntum 
strebte. Ist es bis jetzt noch kein bäuerlicher 
Hof, so ist es eine bäuerliche Heimat. Und ist es 
kein Acker, so ist ein großes Stück Garten, 
das ich pflegen darf, wenn ich an meinen 
Büchern von Bauern schreibe und im Ermüden 
eine körperliche Arbeit brauche. 

Weil dies so ist, zähle ich zu meinen liebsten 
Büchern die dramatische Bearbeitung des ur- 


173 


— 


alten „Meier Helmbrecht“, ‚denn es gibt noch 
viel von den Helmbrecht-Söhnen, die Bauern 
verunehren und Knechte verhöhnen, die gleich 
als Herren wollen beginnen und nie gelernt 
haben, als Knechte zu dienen‘. Und bei aller 
Schmalheit des Bändchens zähle ich mit tiefer 
Liebe meine „Bäuerliche Anabasis über man- 
chem anderen, was mir vielleicht größeres An- 
sehen eintrug. Hier habe ich vor Jahren unter 
dem Nachklang einer Weise, die mir aus den 
Erzählungen meines Vaters in der Erinnerung 
geblieben ist, die Geschichte von achtzehn 
Bauern geschrieben, die 1812 nach Moskau 
zogen unter Napoleon und im Eis geblieben 
sind, weil der letzte sich noch opferte für einen 
Kameraden, der notwendiger zu Hause erwartet 
wurde. 


Für meine „Anabasis“ einzustehen, bin ich am 
Morgen des 22. Juni 1941 freiwillig mit ange- 
treten und habe den russischen Süden durch- 
zogen bis hinunter auf asiatischen Boden, 
meine Bücher und meine Bauern zurücklassend, 
um einer der bäuerlichen Soldaten zu sein, die 
im Krieg nicht den Tod sehen, sondern die 
Fruchtbarkeit, nicht das Sterben, sondern das 
Reifen des Weizens, nicht das Entsetzliche, son- 
dern das stille Wunder der Erschaffung. Was 
ich aus dem Jahr 1941 niedergeschrieben habe 
in meinem Kriegstagebuch „Die Kraniche der 
Nogaia“, ist von vielen Lesenden als das ver- 
standen worden, was ich ungewußt darin 
niedergelegt habe: das Buch eines Bauern, der 
Soldat geworden ist und als Soldat nur mit den 
Augen des Bauern sieht. Nie hat mich die End- 
losigkeit der Steppe bedrückt, denn ihre 
Fruchtbarkeit war viel ungeheuerlicher als ihre 
Weite. Menschen habe ich gesehen, Felder habe 
ich gesehen, Weizen habe ich in der Steppe auf- 
geschüttet gesehen zu Tausenden von Tonnen 
und bin, wie nur Bauern es werden können, 
berauscht worden von dem Erlebnis der Frucht- 
barkeit, daß ich den Krieg nicht mehr sah, son- 


dern nur noch dieses Berauschtsein ewiger 


Ernte über mich ergehen ließ. Hier habe ich es 
auch erlebt, daß ein Mensch, der wirklich Bauer 
ist, nicht umgestoßen werden kann von dem 
grausamen Äußerlichen, das bis zum Tod geht. 
Es waren ja fast nur Bauern, die dort mit uns 
gingen durch die Endlosigkeit der Ernte. Bauern 
waren es, mit denen ich im letzten Sommer weit 
im Norden stand, wo ein Roggenfeld schier wie 
eine Narrheit anmutete in der Wildnis von Sand 
und Sumpf. Wie selige Narren schauten wir auf 
um eines reifenden Roggenfeldes willen, und 
jeder hat in dem fremden Korn und dem frem- 
den, kärglichen Halm die Heimat gesehen. Ich 
habe wohl draußen sein müssen, um zu wissen, 
daß es wahr ist, was ich einmal in der Bäuer- 


174 


lichen „Anabasis“ geschrieben habe vom Sterben 
der Bauern um des Lebens willen. Ich habe auch 
das erleben müssen, um bestätigt zu finden, daß 
ich die ganze Welt anders nicht mehr sehen 
kann als durch die Augen eines Bauern. 


Der Weg, den ich hergekommen bin, ist in 
einen natürlichen. Rundlauf eingemündet, in 
dem Anfang und Ende sich unaufhörlich die 
Hand reichen. Der Sohn tut auf andere Art, was 
der Vater tat, was der Großvater lebte, was in 
bäuerlicher Leidenschaftlichkeit von weit her 
bis zu ihm heraufgekommen ist. Und wenn mein 
Tun überhaupt in einem Ziel fest zu umreißen 
ist, so ist dieser Zielgedanke das Leben selbst. 

Da ich dies niederschreibe in der Mitte eines 
Lebens getreuer Bauernarbeit, stehen wir zu- 
tiefst in gewaltsamen Austragungen ums Lebens- 
recht für alle Zukunft. Städte werden von 
klugem Vorbedacht geräumt oder mit der Wut 
von Waffen entvölkert, städtische Menschen 
gehen auf eine Völkerwanderung, wie die Ver- 
gangenheit keine kannte, der Flucht vom Land 
ist eine tiefe Scheu vor der Stadt gefolgt, und 
wir beide, die wir uns hier nun begegnen auf 
dem Land, der Städter und der Bauer, sind tief 
erstaunt darüber, daß es genau so steinver- 
wurzelte Menschen gibt wie boden verwurzelte, 
daß die Zugehörigkeit zur städtischen Welt in 
den städtischen Menschen eine Liebe ausge- 
prägt hat, die wir dort gar nicht geahnt haben. 
Der städtische Menschenkern kann nicht anders 
als städtisch sein, er fällt ins Bodenlose, wenn 
man ihn aufs Land verpflanzt. All jene aber, die 
nicht zu diesem gesunden Kern gehören, son- 
dern um ihn herum angeschwemmt wurden und 
den Städten erst jenes krankhaft Aufgeblähte 
gaben, um dessen willen der Bauer scheel nach 
der menschenfressenden Stadt geschaut hat, 
werden von dieser Zeit einer harten, grau- 
samen und brutalen Prüfung unterworfen: ob 
sie noch bodenhafte Kraft genug in sich haben, 
mit stiller Selbstverständlichkeit wieder ins 
Bäuerliche zurückzufinden. 


Nach diesem Krieg, so glaube ich, wird eine 
Zeit des Bäuerlichen kommen, eine Zeit klarer 
Einfachheit und Besinnung, getragen von den 
Menschen, die aus den Städten zurückgekehrt 
sind, und von den anderen, die im Osten das 
ungeheure Erlebnis der Erde hatten. Vielen 
Menschen ist in den Kriegsjahren das Wunder 
aufgegangen, in dem wir seit Jahr und Tag be- 
glückt leben ohne jede Sehnsucht nach der 
städtischen Buntheit. Und sie hereinführen zu 
helfen in die Fülle. dieses Wunders, aus der 
jahrzehntelang geflohen wurde, mag mir und 
uns allen, die wir von Bauern schreiben, eine 
noch größere Aufgabe sein als jede andere 
bisher. 


— 


-A T an 


KLAUS SCHMIDT: 


Das A ANER tum 


Ma Karl Immermann hat Hebbel einmal in 
bezug auf das Oberhofidyll aus dem großen 
satirischen Roman „Münchhausen“ gesagt, er 
habe einen neuen Weltteil in die Litera- 
tur geschleudert. Immermanns „Münchhausen“ 
erschien 1838. Zwei Jahre früher war der 
„Bauernspiegel“ Jeremias Gotthelfs erschienen. 
Ohne Immermanns Werk etwas von seiner Be- 
deutung zu nehmen, würden wir heute doch weit 
eher Jeremias Gotthelf als denjenigen bezeich- 
nen, der den neuen Weltteil, das Bauerntum, in 
die Literatur geschleudert hat, Nicht so sehr, 
weil sein erstes Buch zwei Jahre früher erschien 
als der „Oberhof“, sondern vor allem, weil in 
Gotthelfs ganzem gewaltigen Werk immer nur 
das Bauerntum im Mittelpunkt steht, während 
der „Oberhof“ im Gesamtwerk Immermanns nur 
eine Episode ist, wenn auch allein diese Episode 
Immermanns Namen berühmt gemacht hat. So 
wahr es also für uns Heutige ist, daß zweifellos 
der große Schweizer an der Spitze der neueren 
deutschen Volksdarstellung steht — was er- 
kannt zu haben besonders ein Verdienst von 
Adolf Bartels gewesen ist — so ist das Urteil 
Hebbels doch verständlich, denn literarisch weit 
einflußreicher war zu seiner Zeit Immermann, 
während es mindestens ein Jahrzehnt dauerte, 
ehe der deutsche Leser von dem großen aleman- 
nischen Bauerndarsteller Notiz nahm. — 


Die Literatur ist ein Spiegel der geistes- 
geschichtlichen Entwicklung. Wollen 
wir die geistesgeschichtlichen Ursprünge der 
modernen Bauerndichtung feststellen, so müssen 
wir noch weiter zurückgehen als zu Gotthelf 
und Immermann, zurück bis in die Zeit der Auf- 
klärung und der Romantik, vor allem zu Pesta- 
lozzi und Justus Möser. 


Durch die Aufklärung wurde eine ganz ent- 
scheidende Änderung der Stellung des Bauern 
im Bewußtsein der gebildeten Stände verursacht. 
Sie sah in der Vernunft und ihrer richtigen An- 
wendung auf alle Lebensgebiete den Weg, der 
die Menschen aus dem Zwang kirchlicher, po- 
litischer, gesellschaftlicher und wissenschaft- 
licher Autoritäten herausführen sollte. Kant 
hatte als zweite Regel zur Vermeidung von Irr- 
tümern die Forderung aufgestellt „sich an die 
Stelle eines anderen zu denken", Dieser Satz, 
auf das Bauerntum angewendet, mußte zu einem 
totalen Wandel des bisherigen Verhältnisses der 


e 


7 


in der Dichtun g 


höheren Stände zum Bauerntum führen. Man 
entdeckte hinter dem „Tölpel“, dem rohen, 
in Aberglauben und Unbildung versunkenen 
„Bauernkerl‘‘ wieder den Mitmenschen, dem 
gegenüber man wieder Menschenpflichten emp- 
fand, der auch Anspruch auf menschliche Würde 
und Freiheit hatte. Man war dabei ehrlich ge- 
nug, die Ursache des Bauernelends und der 
Leibeigenschaft nicht den Bauern selbst in die 
Schuhe zu schieben, sondern sie in den gesell- 
schaftlichen Verhältnissen und der falschen Ein- 
stellung der höheren Stände zu sehen. 


Auch die Dichtung der Aufklärung 
stelite sich den Bildungszwecken zur Verfügung, 


aber der Bauer, den sie uns schildert, steht noch 


ganz außerhalb seiner Lebenswirklichkeit. Ihm 
fehlen Urwüchsigkeit und Leidenschaft. Er ist 
sehr brav und fromm und die Fabeln Gellerts 
und Lichtwers stellen ihn mit Vorliebe als Mu- 
ster von Rechtschaffenheit, Nüchternheit und 
Mutterwitz hin. Geblieben ist von dieser Dich- 
tung nur Pestalozzis Roman „Lienhard 
und Gertrud", In diesem Werk erreicht der 
sozialpädagogische Impuls der Aufklärung eine 
reine Höhe. Als Roman geschrieben, ist dieses 
Buch doch eigentlich kein Roman in unserem 
Sinne, sondern die in eine Fabel gekleidete Dar- 
legung von Pestalozzis Erziehungssystem. Sein 
großer Gedanke war dabei, daß die Erneuerung 
des Bauerntums von der Besinnung auf die 
eigenen Kräfte auszugehen habe, die nur 
zu wecken seien. Keine wesensfremde Bildung 
sollte von außen an das Bauerntum herangetra- 
gen oder ihm aufgezwungen werden. 


War der Bauer erst einmal als Mensch wieder: 


entdeckt, so bedurfte es nur eines Schrittes, um 
ihn als Glied der Nation, als Träger der Volks- 
kraft zu erkennen. Diesen Schritt tat Justus 
Möser. Justus Möser ist der erste große 
Bauerndenker der deutschen Geistesgeschichte, 
zugleich der erste bedeutende Bauernkundler. 
Sein ganzes Werk durchzieht der Gedanke, daß 
das Land der eigentliche Urgrund der 
Schöpferkraft eines Volkes ist Im 
Bauerntum, wie Möser es zeichnet, wird mensch- 
liches Wesen in seiner ewig gültigen Form über- 
haupt sichtbar. Bäuerliche Lebensweise und Ar- 
beit sind für Möser Ausdruck echten vollen- 
deten Menschentums schlechthin. Am Vorbild 


175 


— —— —̃ ̃ A— — — E 


dieses so gezeichneten bäuerlichen Menschen- 


tums will Möser die ganze Nation erziehen, denn. 


auch er war seinem innersten Wesen nach 
Volkserzieher und Volksführer. Die Gedanken- 
welt Mösers ist für die spätere Bauerndichtung 
wegweisend geworden und hat auch noch für 
die Bauerndichtung unserer Tage ihre Bedeu- 
tung. Seine „Patriotischen Phantasien” sind 
zwar keine Dichtungen, sondern politische Auf- 
sätze und doch müssen sie bei einer Betrachtung 
über bäuerlicheDichtung erwähnt werden, nicht 
wegen des Erfolges, der weit über den manches 
guten Bauernromanes späterer Zeit ging, son- 
dern wegen des Einflusses, der von ihnen aus- 
ging. Nicht nur Goethes Anschauungen über 
das Bauerntum wurden weitgehend von Möser 
bestimmt, sondern auch Wilhelm Heinrich Rienl 
hat stets der Anregungen, die er durch Möser 
empfing, dankbar\gedacht und sein Werk oft 
als beispielhaft hingestellt. Vor allem ist auch 
in KarlImmermanns „Oberhof“ der Ein- 
fluß Mösers deutlich. 


Mit Immermanns „Oberhof“ und den ersten 


Werken Gotthelts beginnt ein Strom bäuerlichen 


Schrifttums, der wohl je nach Gunst oder Un- 
gunst der Zeit gelegentlich in seiner Mächtig- 
keit nachließ, aber bis in unsere Tage nicht mehr 
versjegte. Er war ebenso ein Ausdruck des 
. Herauikommens eines sozialistischen Zeitalters 
wie die gleichfalls in dieser Zeit beginnende 
Arbeiterdichlung. , 


Der „Oberhof“ wird gewöhnlich als die erste 
Dorfgeschichte bezeichnet. Mit diesen Dorf- 
geschichten, die in der Literatur des 19. Jahr- 
hunderts eine ganze Gruppe ausmachen, beginnt 
die erste große Mode der Bauern- 
darstellung im neueren deutschen 
Schrifttum. Zu dieser Gruppe gehören auch 
die Dorfgeschichten Anzengrubers, Gottfried 
Kellers und der Droste-Hülshoff. Von dieser 
ganzen breiten Strömung hat sich jedoch mit 
Recht wenig bis in unsere Zeit leben- 
dig gehalten, und dieses Wenige, wie z. B. 
die Dorfgeschichten Anzengrubers, Kellers und 
anderer, wirkt auf uns Heutige durch die hohe 
dichterische Darstellungskunst, trotzdem wir die 
bäuerliche Umwelt oft als unecht empfinden. 
‚Zwar spielen alle Dorfgeschichten in ländlicher 
Umgebung, jedoch ist das bäuerliche Ge- 
wand meistens einem wesensfremden 
Stoffnurlose übergeworfen. Das Bäuer- 
liche behält nur sekundäre Bedeutung. Die see- 
lische Haltung dieser bäuerlich sein sollenden 
Menschen wird nicht in Beziehung gesetzt zur 
Landschaft, weil Dorf und Bauer nur Szene und 
Objekt darstellen für irgendein soziales oder 
moralisch-ethisches Problem, das nicht mit 
innerer Notwendigkeit in der bäuerlichen Le- 
benswirklichkeit wurzelt. Die Eigengesetzlich- 
keit der bäuerlichen Lebenssphäre wird fast nie 
zur alleinigen Veranlassung des Erzählens. Nur 
wenige Zeitgenossen erkannten die innere Un- 
echtheit der Dorfgeschichtenliteratur. Wilhelm 
Heinrich Riehl war einer dieser seltenen 


176 


Geister. Er schrieb noch während der Blütezeit 
der Dorfgeschichtenliteratur: „Der deutsche 
Bauer ist in der neuesten Zeit eine Art Mode- 
artikel in der schönen Literatur geworden... es 
hat sich aber in die meisten Dorfgeschichten (die 
Auerbachschen nicht ausgenommen) neben 
manchen der Natur abgelauschten Zügen eine 
grundfalsche Zeichnung des Gemütslebens der 
Bauern eingeschlichen. Der Bauer ist himmel- 
weit entfernt von jeder modernen Sentimenta- 
lität und Gefühlsromantik: er ist dazu aus viel 
zu sprödem Stoff geformt, ja er ist in Sachen 
des Herzens oft geradezu roh. Dies wußte nur 
Jeremias Gotthelf haarsträubend wahr darzu- 
stellen... Indem unsere Dorfpoeten ihr eigenes 
Gefühlsleben auf den Bauer übertrugen, ver: 
wischten sie gerade einen seiner hervorragend- 
sten Züge, daß nämlich bei ihm die gattungs- 
mäßige Sitte an die Stelle desindivi- 
duellen Gefühls tritt. Zudem wird man in 
unserer Dorfgeschichtenliteratur den Bauer fast 
immer etwas sozial kränkelnd, halb zum Prole- 
tarier verkrüppelt gezeichnet finden, bereits an- 
gesteckt von städtischem verneinendem Geiste 
gegen Staat, Gesellschaft und Kirche.“ 


Ein ewiger Schandfleck wird es bleiben, daß 
es die Instinktlosigkeit einer deutschen Litera- 
turkritik fertigbrachte, die „Schwarzwälder Dort- 
geschichten” (1843) des Juden Berthold 
Auerbach als Krönung dieser ganzen Dorf- 
geschichtenliteratur hinzustellen, obwohl sie 
das kraftvolle und urwüchsige Bauerntum des 
Schwarzwaldes in unerträglich süßlicher Weise 
verniedlichen und idyllisch verfälschen. Es et 
scheint uns heute unfaßbar, daß einmal dieser 
Jude, der zweifellos ein gewisses Formtalent 
besaß, aber ohne innere Notwendigkeit schrieb 
und lediglich ein geschickter Modeschriftsteller 
war, von einer zünftigen deutschen Literatur- 
kritik über Gotthelf gestellt werden konnte. 


Zwei Jahre vor den Schwarzwälder Dorf- 
geschichten war unbemerkt von den meisten 
Zeitgenossen ein Werk erschienen, das in Wahr- 
heit das eigentlich klassische Werk des dörf- 
lichen Volksromans im 19. Jahrhundert ist. Es 
dauerte zehn Jahre, bis Jeremias Gotthelfs 
„UliderKnecht breitere Anerkennung fand. 
Im „Uli der Knecht" und in seiner Fortsetzung 


„Uli der Pächter“ stellt Gotthelf besonders das 


Arbeitsleben der großen Berner Bauernhöfe dar. 


Lange bevor die deutsche Literaturkritik die 


Forderung aufstellte, daß der Roman das 
deutsche Volk bei der Arbeit aufsuchen müsse, 
hat Gotthelf diesen Satz verwirklicht. Gotthelf 
stellt in der Form eines Entwicklungsromanes 
das Schicksal eines Knechtes dar, der sich 
schließlich zum Pächter und zuletzt zum Bauern 
und Eigentümer aufschwingt. Gotthelf schildert 
keinen besonders befähigten Menschen, keine 
ins Heroische gesteigerte Gestalt, sondern einen 
Durchschnittsmenschen, gesund an Leib und 
Seele, der durch Fleiß, Gewissenhaftigkeit und 
Ehrlichkeit, nicht durch irgendeine geniale Tat 


— — 


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Dor gemeinsch fl gi 


In Tellerhause:ı im Eızgebirge 
dem kleinsten Dort Sachsens 
schaffte sich die Dortgemeinde 
ein vorbildliches Gemeinschafts 
haus, das die Bilder dieser Seite 
in seiner äußeren Gestaltung zei 
gen und dessen geschmackvolle 
Inneneinrichtung wir aut den 
weiteren Bildseiten wiedergeben 


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Die Eingangstür zum Saal 


entwarf und arbeitete 
der BdM. 


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Im Bilde oben zeigen wir die ge- 
schmackvolle Dorfstube des Ge- 
meinschaftshauses mit der Leseecke 
am Ofen und dem Bücherschrank. 
— Links die von der Dorfgemein- 
schaft entworfene und gearbeitete 
Wandbekleidung, die sog. „Wand- 
spinne”. — Das Bild unten gibt das 
Zimmer des BdM. im Dorfgemein- 
schaftshaus wieder 


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Von der Dorfgemeinschaft 

entworfene und aus Na- 

turholz gearbeitete Stän- 
derlaterne 


Der Saal des Dorfgemeinschaftshauses 


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vorwärtskommt. Gerade von einer solchen Ge- 
stalt versprach er sich die meiste erzieherische 
Wirkung. Diese Entwicklung ist nun in eine 
bunte und wirklichkeitstreue Schilderung bäuer- 
lichen Lebens gestellt, die frei von jedem Pathos 
ist, aber durch ihren Reichtum und ihre an- 
schauliche Unmittelbarkeit wirkt. In der Art, 
wie Gotthelf uns — nicht nur in diesem Buch, 
das die Krönung seines Gesamtwerkes darstellt 
— ein Stück Erde mit aller Eigenart, selbst bis 
auf den Menschenschlag und die heimische 
Mundart schildert, steht er nicht nur am Beginn 
des realistischen Volksromans, sondern auch 
am Anfang der naturalistischen Heimatkunst. 
Auch als Dichter war Gotthelf in erster 
Linie Volkserzieher und er wäre nie Dich- 
ter geworden, wenn ihn nicht der Drang, er- 
zieherisch zu wirken, dazu getrieben hätte. Sein 
ganzes Werk ist ein „Bauernspiegel“, ein Spie- 
gel, dem Bauerntum selbst vorgehalten und zum 
andern ein Spiegel des bäuerlichen Lebens, eine 
großartige Natur- und Kulturgeschichte des 
südalemannischen Bauerntums. 


Der poetische Realismus zeichnete sich durch 
eine enischiedene Wendung zur Wirklichkeit 
des menschlichen und nationalen Lebens aus. 
Diese tiefere Einkehr ins Volksleben, die Hin- 
wendung zur Natur und zur Erde der Heimat, die 
Wiederentdeckung der Stammes- und Heimat- 
geschichte für die Dichtung hatten zur Folge, 
daß der poetische Realismus nicht nur in weit 
stärkerem Maße als Klassik und Romantik völ- 
kisch und national gebundene Dichtungen her- 
vorbrachte, sondern weitgehend geradezu Stam- 
mesdichtung war, aus der sich gegen Ende des 
Jahrhunderts im Zeichen eines naturalistisch ge- 
steigerten Realismus die Heimatkunst ent- 
wickelte. Adolf Bartels war der Schöpfer 
dieses Begriffes. Er umschrieb ihn mit folgenden 
Worten: „Heimatkunst ist die Kunst der vollsten 
Hingabe, des innigsten Anschmiegens an die 
Heimat und ihr eigentümliches Leben, Natur- 
und Menschenleben, aber dabei eine Kunst, die 
offene Augen hat, die weiß, daß Wahrheit und 
Treue der Darstellung unumgänglich, der Würde 
der Kunst allein entsprechend ist, daß nicht die 
blinde, sondern die sehende Liebe die höchste 
ist.” Es ist wohl richtig, daß die landschafts- 
gebundene Heimatkunst oft in der Enge klein- 
bürgerlicher Milieuschilderung steckenblieb und 
ihr häufig jeder große Zug, jede Beziehung zum 
Leben, Leiden und Werden des ganzen deutschen 
Volkes fehlte. Sie war leider in der Masse ihrer 
Vertreter bewußt und mit Fleiß unpolitisch. Sie 
blieb häufig bei der Verehrung bäuerlicher Ar- 
beit, bei der Hochschätzung des einfachen bäu- 
erlichen Lebens und seiner Werte stehen, ohne 


den Bauern als völkische Urkraft zu 


erfassen. Allenfalls begriff sie ihn noch als 
Emährer des Volkes, als Spender des Brotes. 
Und doch waren allein in der landschaftsgebun- 
denen Dichtung die Quellen beschlossen, an 
denen die gesamtdeutsche Dichtung langsam 


wieder gesundete. Dutch das Erlebnis des Welt- 
krieges und durch das nationalsozialistische 
Gedankengut erhielt die Heimatdichtung jenen 
politischen Impuls, der ihr in wilhel- 
minischer Zeit weitgehend fehlte und so er- 
wuchs aus dieser Verbindung landschaftsgebun- 
dener dichterischer Überlieferung mit der neuen 
Weltanschauung von Blut und Boden die große 
bäuerliche Dichtung unserer Tage, die im höch- 
sten Grade das ist, was wir unter dem Begriff 
der politischen Dichtung verstehen. 


Als Gegengewicht gegen den ständig zuneh- 
menden städtischen Geist hatte die Heimatdich- 
tung auch schon um die Jahrhundertwende, vor 
dem Weltkrieg, ihren großen Wert. Lang- 
behn, der Rembrandtdeutsche, forderte eine 
Ausrichtung der Erziehung und des Schrifttums 
auf bäuerliche Werte, eine „Verbauerung 
der Bildung‘, d. h. sowohl unserer persön- 
lichen Kultur wie des staatlichen Lebens, um 
gegenüber den zersetzenden Tendenzen der 
großstädtischen Zivilisation ein inneres Gegen- 
gewicht zu bilden. „Der Rauch, der aus der 
Scholle aufsteigt, ist die Seele des Landes. Zu 
dieser Seele muß die deutsche Bildung zurück- 
kehren. Die im jetzigen Deutschland so mannig- 
fach grassierende Bauernmalerei und Bauern- 
dichtung entspringt dem dunklen, aber nur zu 
häufig in gekünstelter Weise sich äußerndem 
Gefühl, daß die Nation sich von jener gesun- 
den Grundlage ihres geistigen Daseins entfernt 
hat und zu ihr wieder zurückkehren müsse.” 


Die bedeutendsten Vertreter der 
Heimatdichtung gehören meistens auch 
heute noch zu den gern gelesenen Bauerndich- 
tern, wir nennen hier nur: Peter Rosegger, Timm 
Kröger, Sohnrey, Hermann Löns, Gustav Frens- 


sen, Lulu von Strauß und Torney, Huggenbergar, 


Polenz. Manche von ihnen, haben noch die 
Heraufkunft des Nationalsozialismus erlebt und 
in ihm auch die Erfüllung ihres Wirkens und 
Wollens gefunden. Als das bedeutendste bäuer- 
liche Werk der gesamten Heimatkunstbewegung 
um die Jahrhundertwende möchten wir den 
„Büttnerbauer“ von Wilhelm von Po- 
lenz bezeichnen, nicht nur deshalb, weil in ihm 
schon der politische Wille spürbar ist, der 
unserer heutigen Bauerndichtung das Gepräge 
gibt, sondern weil dieser Wille ganz in der 
künstlerischen Form aufgelöst erscheint und 
nicht in unkünstlerischer Weise als falsches 
Pathos oder unangebrachte Programmatik her- 
vortritt, wie leider in einem Teil unserer heu- 
tigen Bauerndichtung. Kein Geringerer als Adolf 
Bartels hat dieses Buch ein abgerundetes Stück 
deutschen Lebens genannt, das weit mehr als ein 
Zeitroman im naturalistischen Sinne, sondern 
ein wirklicher völkisch-sozialer Ro- 
man, eine allseitige umfassende Schilderung 


ländlichen Lebens ist. Hinter der scheinbar lei- 


denschaftslos sachlichen und nüchternen Schil- 
derung vom Untergang des Büttnerhofes spürt 
man immer den tiefen Ernst, mit dem der Dichter 


177 


diese für das tragische Schicksal des deutschen 
Bauerntums in der Hochblüte des Liberalismus 
symptomatische Episode begleitet. Polenz po- 
lemisiert nicht. Das hätte den künstlerischen 
Wert seiner Dichtung nur eingeschränkt. Es fällt 
kein Wort der Anklage gegen Judentum, libera- 
listisches Bodenrecht, Bodenspekulation und 
kapitalistischen Eigennutz der Großgrundbesit- 
zer. Die unerbittlich dem tragischen Ende zu- 
schreitende Darstellung ist Anklage genug. 


Nach dem Weltkrieg nahm die bäuerliche 
Dichtung an Umfang und Wert einen stetigen 
Aufschwung. Je brennender die Not des Standes 
wurde, je schärfere Formen die Auseinander- 
setzung zwischen dem Bauerntum und den zer- 
störenden, auflösenden, zersetzenden Mächten 
des Liberalismus und des Judentums, die sich 
vor allem in den Großstädten konzentrierten, 
annahm, um so mehr wurde der aus dem großen 
Krieg heimkehrenden Generation klar, daß es 
‚sich hier um einen Schicksalskampf handelte, bei 
dem es um nichts weniger als das Leben und die 
Zukunft der Nation ging. 


In dieser Situation konnte es nicht mehr ge- 
nügen, allgemein menschliches Geschehen in 
bäuerliches Gewand zu kleiden, wie es die Dorf- 
geschichten des 19. Jahrhunderts taten, es konnte 
ebensowenig genügen, ein treues Abbild des 
ländlichen Lebens irgendeiner engbegrenzten 
Landschaft zu entwerfen. Es kam nun darauf an, 
in die Mitte der bäuerlichen Lebens- 
wirklichkeit zu treten und ohne romantische 
Verklärung und idyllische Verniedlichung von 
der Not und der Schuld, aber auch von der 
unerschöpflichen Kraftquelle und der völkischen 
Sendung des Bauerntums zu künden. 


In zweierlei Richtung wandte sich dabei 
der Wille der Dichter. Einmal mußte dem Bau- 
erntum ein Spiegel seiner selbst vorge- 
halten werden, um es wieder zur Selbstbesin- 
nung und Selbstachtung aufzurufen, aber auch, 
um ihm das Gewissen zu schärfen für das Wesen 
echter deutscher Bauernart. Vielfach war dem 
Bauerntum das Bewußtsein seines Wertes und 
seiner Bedeutung im Volksganzen schon abhan- 
den gekommen. Leichten Herzens hatte sich in 
manchen Gegenden das Bauerntum vom alten 
Herkommen abgewendet und sich die Formen 
der städtischen Zivilisation wie ein fremdes 
Kleid angezogen. Hier galt es, dem Bauern zu 
zeigen, gas auch die Untreue gegenüber der 
eigenen’ Art schließlich zum Untergang des 
Hofes und der bäuerlichen Sippe führen muß. 


Zum zweiten mußte die Dichtung an der gro- 
Ben Aufgabe mitwirken, dem übrigen Volksteil 
die volle bäuerliche Lebenswirklichkeit und die 
volkspolitische Bedeutung des Bau- 
erntums nahezubringen, um die Entfremdung 
beseitigen zu helfen, die durch jüdische Zer- 
setzungsarbeit und systematische Hetze zwi- 
schen dem Bauerntum und gewissen Schichten 
der Großstadtbevölkerung eingerissen war. 


178 


` — 


Im folgenden sollen einige Beispiele aus die- 
sem neuen, im besten Sinne politischen, bäuer- 


lichen Schrifttum unserer Zeit angeführt werden. 


In seinem Roman „Winter“ (1927) hat Friedrich 
Griese in unvergleichlicher Weise geschildert, 
wie ein Dorf, die Lange Reihe, untergeht, weil 
in den Menschen, deren Blut müde und ver- 
braucht ist, das Gefühl dafür verlorengegangen 
ist, daß die Erde nur dem, der ihr treu dient, 


die Herrschaft über sich einräumt und dauem- 


den Segen gewährt, den aber, der glaubt, sie 
ausbeuten zu können, ohne Gnade verstößt. Der 
Untergang des Dorfes wird sinnbildlich dar- 
gestellt in einem furchtbaren Winter. Dieser 
kündigt sich durch allerhand Zeichen an, aber 
die Menschen haben den Instinkt verloren und 
vermögen die Zeichen der Erde nicht mehr zu 
deuten. Der grausame Winter erstickt alles 
Leben. Nur ein Menschenpaar entzieht sich der 
Vernichtung und setzt einen neuen Anfang, 
Jona, in dem sich das müde Blut der alten Sip- 
pen mit einem kraftvollen Blutsstrom verbindet 
und dadurch erneuert — er ist der Sohn eines 
fremden Knechtes und der Tochter aus einer der 
alten Sippen —, und das Mädchen Grita. Sie 
haben sich die Einfachheit der Herzen und die 
Ehrfurcht vor der Erde bewahrt. Ihre Sinne sind 
noch scharf, und in ihrem wachen Blut lebt noch 
die alte bäuerliche Weisheit, die Griese einmal 
in die Worte geprägt hat: „Einer ist Herr der 
Scholle: der ihr Diener ist, / der von Tag zu Tag 
dies nicht vergißt, / daß sie älter noch als jedes 
alte Geschlecht, / Herr des Ackers hieß immer: 
der Erde Knecht.” - 


Es ist kein Zufall, daß es so oft die Frauen 
sind, die der bäuerlichen Gemeinschaft in Not- 
zeiten Rückhalt und Kraftquell sind, die den 
Untergang eines Hofes aufhalten und über die 
Zeit der Verwirrung einer Sippe hinweg, wenn 
sich das Blut im Mannesstamm erschöpft, Hū- 
terin des Erbes sind, bis wieder ein neuer An- 
fang gesetzt ist. Sie sind in ihrer größeren 
Heimat- und Erdgebundenheit das stärkste Boll- 
werk gegen die Landflucht. Sie sind wie die 
Sixta in Busses „Bauernadel“ die Bewahre- 
rinnen der Sitte, des alten Herkommens, der 
alten Trachten und des Hausfleißes und damit 
der Mittelpunkt der bäuerlichen Lebensordnung. 
Es gibt im Leben jeder bäuerlichen Sippe Zeiten, 


- wo es nicht auf den Mut des Ausgriffs ankommt, 


sondern wo das von Geschlechtern Errungene in 
den Stürmen eines widrigen Schicksals oder 
einer ungünstigen Zeit festgehalten und bewahrt 
werden muß. Dann schlägt die Stunde der 
Frauen, gerade weil ihr Denken einfacher ist 
und mehr der Erde verhaftet, instinktsicherer 
gegenüber den Gefahren, die dem Hof von 
außen drohen, voller Mißtrauen gegenüber den 
scheinbar so hochfliegenden Plänen der Männer. 
Der David Waßmann in Huggenbergers 
„Frauen von Siebenacker” verfällt, ge- 
trieben von Unzufriedenheit mit seinem Schick- 
sal auf die Idee, sich von der bäuerlichen Arbeit 


| 


= — — 


abzuwenden und einen Handel aufzumachen. Er 
will schnell zu Geld kommen und sieht nicht, 
daß er das Gesetz des Hofes mit Füßen tritt, das 
entsagungsvolle Arbeit verlangt und vor den 
Erfolg die schwere und oftmals bittere Pflicht 
des Tages setzt. Aber seine Frau Anna nimmt 
den Kampf um den Hof auf. Sie steht auf dem 
Acker und ringt gegen das Unkraut, sie hält 
den Hof zusammen, obwohl es fast über ihre 
Kraft geht. Ihr stiller Kampf gewinnt schließlich 
den Mann dem Hof zurück. 


Die „Notthaften“ in Josef Martin 
Bauers gleichnamigen Roman sind eine alte 
starke Bauernsippe, über die aus Unglück und 
Schuld gewoben ein schweres Schicksal kommt. 
Der Bauer wird vom Blitz erschlagen. Die Söhne 
mißraten. Die Tochter wirft sich einem Knecht 
in die Arme. Der Hof scheint verloren. Aber 
die Altbäuerin hält zäh am Erbe fest und erzieht 
den Sohn der Tochter zum rechten Erben des 
Hofes. „Was einst selbstverständlich gewesen 
war, mußte jetzt hart und mit ganzem seelischen 
Einsatz erkämpft werden. Es bedurfte eines 
Ubermaßes mütterlicher Liebe, um die bäuer- 
liche Familienordnung wieder herzustellen und 
die Fäden, die abzureißen drohten, wieder fest- 
zuknüpfen.” 


Das harte Lebensgesetz der Berghöfe verlangt 
von jedem einzelnen Opfer und ein Zurückstel- 
len der eigenen Wünsche, wenn der Hof und die 
Sippe Bestand haben sollen. Der Bauer Ule in 
Oberkoflers Roman „Die Flachsbrauf” 
vermag in seiner müden, schwermütigen Art 
dem Niedergang des Geschlechtes nicht mehr zu 
wehren. Er läßt die Dinge gehen wie sie treiben. 


Da bewährt sich das starke Blut der alten Sippe 


in der Tochter Gisela. In der Stunde der Ent- 
scheidung über das weitere Schicksal der Sippe, 
vor den Trümmern des abgebrannten Hofes, 
setzt sie sich dem Vater gegenüber durch. „Du 
scheust das, was ich möchte, das Harte. Nach 
dem Bequemen, das du vorziehst, Vater, möchte 
ich hicht greifen.” Sie veranlaßt den Neubau 
des Hofes an einem höher gelegenen Ort, wo in 
früherer Zeit schon einmal der Sippenhof ge- 
standen hat. Damit verschafft sie dem alten har- 
ten Lebensgesetz der Sippe wieder Geltung. Ihm 
hat sie auch ihr eigenes Leben geopfert. Die Not 
ihrer Sippe rief sie von dem eigenen reichen 
Hof im südlichen Weinland aus dem Kreise der 
Ihren in die rauhen Berge zurück. 


Es hat seine tiefe Bedeutung, daß in der 
Bauerndichtung der Nachkriegszeit der Sied- 
lungsgedanke so lebendig war. Er entsprang 
der inneren Abwehr, mit der der Frontsoldat 
dem neuen Staat und seiner jüdisch-mar- 
xistischen Führung gegenübertrat. Dieser Staat 
vermochte es nicht einmal, den Heimkehrern 
Arbeit zu geben. Mit Haß und Ekel wandten sich 
viele der Besten von dem durch Juden be- 
herrschten großstädtischen Zivilisationsgetriebe 
ab. Sie wußten es schon damals: nur von der 
Erde und der Arbeit konnte eine Erneuerung des 


politischen, kulturellen und geistigen Lebens 
ausgehen. Sie wollten für ihren Teil damit be- 
ginnen und so haben sie sich, wie es Sandér 
in seinem Siedlerroman „Kompost“ einmal 
ausdrückte, nach dem Kriege in ein beschei- 
denes Stück Erde eingegraben, um dessentwillen 
sie einmal umschnallten. Sie wurden Siedler 
aus Verzweiflung an der Gegenwart und aus 
tiefem Glauben an die verborgenen Kräfte des 
deutschen Blutes und der heimatlichen Erde, die 
einmal aufbrechen würden. 


Grieses gesamtes Werk ist von dem 
Siedlergedanken bestimmt. Der Dichter sagt ein- 
mal selbst darüber: „So bin ich fast mit all 
meinen Büchern aus Erfahkung und Uberliefe- 
rung zwangsläufig zum Künder lebendigen deut- 
schen bäuerlichen Lebens geworden. Und weil 
ich das Wesen dieses Bauerntums zu kennen 
glaube, deshalb ist sein Vertreter mir stets auch 
Siedler gewesen, das heißt: der Mann, der 
immer wieder von vorn beginnen, immer wieder 
den neuen Anfang suchen, die Einheit zwischen 
dem Blut und den Boden für sich herstellen muß. 
Diese Einheit, von der alle meine Bücher han- 
deln möchten, kann nur vom Menschen her 
zerstört oder aufgelöst werden, das heißt vom 
bäuerlichen Menschen; gegen ihn ist eine solche 
Zerstörung auf die Dauer nicht möglich.” Dieser 
Siedler ist das reine Urbild des bäuerlichen 
Menschen. Er ist ein Ruf an unsere Zeit. 


„Das letzte Gesicht” erzählt vom alten 
Dorf am Rethbach, das einst ein Fanna auf der 
Stätte einer im Dreißigjährigen Krieg unterge- 
gangenen Siedlung begründete. Von ihren fünf 
Söhnen verliert Mutter Fanna drei im Krieg, 
einer wird vermißt und einer geht in die Stadt. 
Die Mutter glaubt mit unbeirrbarer Zuversicht 
an die Wiederkehr des Vermißten und der kehrt 
auch eines Tages zurück, lange nach dem so- 
genannten Friedensschluß. Er findet keinen 
seines Geschlechtes mehr, auch die Mutter ist 
schon tot und der Hof ist vom entarteten Bruder 
verkauft. Auf Odland im heimatlichen Dorf 
beginnt er als Siedler ein neues Leben, rodet, 
sät und erntet und verkörpert — im Gegensatz 
zum wüsten und verderbten Taumel der Nach- 
kriegszeit, der auch das Dorf ergriffen hat — die 
Rückkehr zum Segen der Arbeit und der mütter- 
lichen Erde. In seinem letzten größeren Werk, 
in dem Roman „Die Weißköpfe“ hat Griese 
den Gedanken der am Anfang aller Dinge ste- 
henden schöpferischen Einheit von Mensch und 
Boden am tiefsten und eindringlichsten gestaltet. 
Die Handlung ist in eine sagenhafte Zeit zurück- 
verlegt, eine Sage, die er von einem Knecht 
hörte, hat dem Dichter auch den Anlaß zu die- 
sem Roman gegeben. Thie, der Weißkopf, wird 
gegen seinen Willen zum Totschläger an seinem 
Brautvater. Er muß nun den alten Hof seiner 
Sippe verlassen und zieht in die Einöde. Dort 
wird er in hartem Lebenskampf der Stammvater 
eines neuen Geschlechts, das sich lebenstüchtig 
und kraftvoll ausbreitet. Zu anderer Zeit wer- 


179 


den hier Höfe liegen, Höfe mit alten und jungen 
Menschen, denen keine weitere Vorbestimmung 
auferlegt wurde als die, in Ruhe und Sicherheit 
das zu halten, was der erste ihres Geschlechtes 
in Unruhe erwarb. Herdrauch wird in langen 
Zügen zu den Waldstücken hinüberwehen, von 
einem Hof zum andern, und niemand wird dann 
noch einen Weg wie diesen gehen müssen. Der 
eine geht ihn für alle.“ 


„Überall ist neue Erde, die den Menschen will 
und ihn an ihrem Tage herbeiruft.“ Dieses Wort 
Friedrich Grieses könnte auch über dem Roman 
„Brot“ von Karl-Heinrich Waggerl 
stehen. In ihm hat Waggerl die Geschichte des 
Simon Röck erzählt. Simon hat Sühne geleistet 
für einen Fehltritt. Als Mann mit geschorenem 
Kopf kommt er in die Einöde Eben und beginnt 
sein Leben neu als Siedler. Manchmal kommt 
ihn ein Verzagen an vor den Mühen und Ent- 
behrungen, die es kostet, ehe erst einmal die 
einfachsten Voraussetzungen zum Leben ge- 
schaffen sind. Es gelingt ihm schließlich und 
nach und nach spendet die Erde in steigender 
Fülle ihren Segen. Simon läßt sich nicht ver- 
wirren von den Lockungen, denen das Dorf ver- 
fällt, die es von der Erde abziehen und über 
schnell errungenen und wieder schnell verlo- 
renen Reichtum schließlich dem Verderben ent- 
gegenführen. Auch aus seiner eigenen Familie 
dringen Gefahren für den Hof, ja aus ihm selbst, 
denn in ihm wie in seiner Frau Regina sind hef- 
tige Triebe lebendig, aber sie werden gebändigt 
durch die Pflichten, die die tägliche Sorge um 
Haus und Hof, Mensch und Tier mit sich bringt. 


Im Jahre 1930 schrieb Josef MartinBauer 
sein Buch „Achtsiedel", für das, er den 
Jugendpreis deutscher Erzähler gewann. Es be- 
richtet von acht Männern, die in das einsame 
Moor ziehen, um dort zu siedeln. Aber nicht alle 
bewähren sich, „weil sie nicht alle den Ubergang 
vom landsknechtmäßigen Abenteurerleben zu 
einer geregelten schweren Arbeit im Bauernhof 
ertragen konnten.” Sie konnten sich nicht an 
ein neues Lebensgefühl gewöhnen, das für die 
folgenden Geschlechter bindend sein sollte. 
Nicht alle halten aus, aber bei den übrigen ist 
es doch schließlich soweit, daß sie aufhören, 
verkrachte Existenzen zu sein und in bäuerliches 
Sein und bäuerliche Lebenshaltung hineinwach- 
sen. Josef Martin Bauer schrieb über sein Buch 
selbst: „Im Tiefsten ist das Buch ein Buch des 
Dankes für eine wunderbare Kameradschaft, die 
diese Männer mir in einer Zeit der Verwirrung 
und der Bodenlosigkeit gehalten haben. Ich 
danke es vielleicht dieser Kameradschaft, daß 
ich meinen Weg gefunden habe, und mit dieser 
Robinsonade wollte ich im Geist meine Kame- 
raden von ehedem in das bessere Schicksal füh- 
ren, das sie wahrlich verdient haben. Es war 
mein Glaube — und aus diesem Glauben ist das 
Buch gewachsen —, daß des Menschen bestes 
Schicksal das Los des Bauern ist, auch wenn es 
schwer zu tragen sein mag.“ 


180 


Es ist an dieser Stelle nicht möglich, den 
Reichtum unserer bäuerlichen Gegenwartsdich- 
tung auch nur annähernd zu umreißen. Sie ist — 
das vermochten die wenigen Beispiele überzeu- 
gend klarzumachen über die rea- 
listische Wirklichkeitsschilderung 
hinaus längst Bekenntnis geworden 
In ihr lebt das deutsche Bauerntum, wie es in 
langer und schwerer Geschichte geworden ist, 
in ihr lebt aber auch der Mythusvom ewi- 
gen Bauerntum nordisch-deutscher 
Art. Diese beiden Sphären stehen zueinander 
in fruchtbarer, aber auch gefährlicher Spannung. 
Jedes Uberwiegen der einen über die andere 
kann entweder zur bloßen Abbildung der bäuer- 
lichen Lebenswelt ohne jeden im höheren Sinne 
politischen Akzent führen oder in falsche Ro- 
mantik ausarten. Beide Irrwege, vor allem der 
letztere, sind im bäuerlichen Gegenwartsschrift- 
tum nicht immer vermieden worden. So stark 
trat plötzlich das Bauerntum in den Mittelpunkt 
politischer und wissenschaftlicher Erörterung, 
daß sich auch Unberufene mit ihm zu beschäf- 
tigen begannen. Die Gefahr eines Konjunktur- 
schrifttums lag zu nahe, als daß sie ganz zu 
vermeiden gewesen wäre. Sie ist nur zu bannen 
durch rücksichtslosen Kampf gegen jede inner- 
lich unechte Phraseologie und jeden Versuch, 
den Mangel an dichterischer Gestaltungskraft 
durch Blut- und Boden-Pathos zu ersetzen, so 
gut sie auch gemeint sein mögen. Jede unechte 
Gestaltung der bäuerlichen Lebenswelt, sowohl 
der geistig-seelischen wie der materiellen muß 
als solche mit Nachdruck gekennzeichnet wer- 
den. Dazu muß nach der positiven Seite hin der 
ständige Hinweis auf beispielhafte Gestaltung 
bäuerlichen Lebens und deutscher bäuerlicher 
Art treten, wie wir sie bei Griese, Josef Martin 
Bauer, Albert Bauer, Oberkofler, Waggerl und 
anderen finden. Hier liegt eine wesentliche Be- 
deutung des Schrifttumspreises des Reichs- 
bauernführers füg das bäuerliche Schrifttum: 
Richtungweiser zu sein für alle, die sich mit dem 
Bauerntum als dichterischem Objekt befassen. 
Innerhalb der immer mehr anschwellenden 
Masse von bäuerlichem Schrifttum sollen auf 
diese Weise Maßstäbe für die Höhe der künst- 
lerischen Gestaltung geschaffen werden, auf die 
wir gerade beim bäuerlichen Schrifttum nicht 
verzichten wollen, denn nur sie verleiht dem 
Schrifttum längere. Lebensdauer und tielere 
Wirkung, 


Diese gute und künstlerisch gestaltete Bauern- 
dichtung vermag uns dann im Kampf um die 
Sicherung und die Erneuerung des deutschen 
Volkes vom Bauerntum her ein wertvoller 
Bundesgenosse zu sein, weil sie dem gan- 
zen deutschen Volk immer wieder die hohen 
Werte germanisch-deutschen Bauern- 
tums nahebringt: Treue zur Scholle und zur 
bäuerlichen Art, Sippenstolz und Gemeinschafts- 
geist, Verantwortungsgefühl gegenüber den 
Ahnen und den Enkeln und äußerste kämpfe- 
rische Hingabe im Dienst an Sippe und Volk. 


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Agarboltische, 


Bei Betrachtungen der Kasssarnährungewirichafe 
kommen häufig die Grundlagen unserer landwirt- 
schaftlichen Erzeugung zu kurz, die normalerweise 
dem Licht der Öffentlichkeit weniger ausgesetzt sind. 
Das gilt In besonderem Maße für unsere Pflanzen- 
und Tierzüchter, durch deren jahrzehntelange 
stille und sehr oft auch uneigennützige sowie privat- 
wirtschaftlich sehr risikoreiche Arbeit überhaupt erst 
wichtige technische Voraussetzungen dafür geschaffen 
wurden, daß die landwirtschaftliche Produktion in 
diesem zweiten Weltkriege nicht derart abgesunken 
ist wie im ersten Weltkrieg. Die Führung der national- 
sozialistischen Agrarpolitik hat von Anfang an die 
Arbeit der Tier- und Pflanzenzüchter bewußt ge- 
fordert und im Rahmen der agrarpolitischen Maß- 
nahmen gelenkt. Man muß sich immer wieder darüber 
klarwerden, daß ohne die deutsche Pflanzenzüchtung 
die Intensivierung unserer Landwirtschaft nicht mög- 
lich gewesen wäre. Der wichtigste Schritt, den die 
deutschen Pflanzenzüchter taten, war die Erfindung 
des sogenannten deutschen Ausleseverfahrens, 
das erstmalig in die Züchtung eine Prüfung der Nach- 
kommenschaften einführte. Nicht weniger bedeutsam 
war die Einführung des Begriffs der Bodenständig- 
keit der Züchtungen sowie der Kombinations- 
züchtung. Man strebt nicht nur nach guten Erträgen, 


sondern verlangt ebenso beste Qualität, größte Er- 


tragssicherheit, Immunität gegen Krankheiten und 
Schädlinge, Frühreife sowie andere wirtschaftlich 
wichtige Eigenschaften. Ohne diese Arbeiten wären 
die heutigen Produktionsleistungen undenkbar. Das 
gilt nicht nur für die Pflanzenzucht, sondern auch für 
die Tierzucht. Wenn die Pflanzenzucht die Aufgabe 
hat, Sorten zu schaffen, die unter gegebenen Boden- 
und Klimaverhältnissen und gleichzeitig unter Be- 


rücksichtigung des Kulturstandes der Böden die 


höchstmöglichen Leistungen hervorbringen, so hat 
die Tierzucht durch züchterische Auswahl die Rassen 
unserer Haustiere so zu verbessern, daß sie ebenfalls 


unter den gegebenen natürlichen Verhältnissen größte _ 


Leistungen aufweisen. Dabei ist die Aufgabe der Tier- 
zucht schwieriger als die der Pflanzenzüchtung. Es 
lassen sich aber die gleichen Erfolge erzielen, wenn 
hier ebenso systematisch vorgegangen wird. Hier 
kommt es vor allem ‚darauf an, die Leistungen der 
breiten Landestierzucht an die Leistungen der Hoch- 
zuchten heranzuführen. 


Dieses Ziel stand im Mittelpunkt einer großen 
Arbeitstagung der Rinderzüchter Deutsch- 
lands, zu der kürzlich der Reichshauptabteilungs- 


leiter Il, Dr. Brummenbaum, als Beauftragter des 
Reichsnährstandes für die deutsche Tierzucht die 
Vorsitzenden und Geschäftsführer der deutschen 
Rinderzuchtverbände sowie die Leiter der Abteilung 
Tiere bei den Landesbauernschaften und die Vertreter 
der deutschen Tierzuchtwissenschaft nach Passau 
eingeladen hatte. Welche entscheidende Bedeutung 
auch die Führung der deutschen Ernährungswirtschaft 
dieser Tagung beimaß, geht daraus hervor, daß Ober- 
befehlsleiter Bäcke und Reichsobmann Behrens an der 
Tagung teilnahmen. Ebenso bekundete auch 
Dr. Zweigler, der Vorsitzende der Hauptvereinigung 
der deutschen Milch- und Fettwirtschaft, durch seine 
Teilnahme die enge Verbindung seiner Hauptver- 
einigung mit der Arbeit der deutschen Rinder- 
zucht. 


Oberbefehlsleiter Backe entwickelte den deutschen 
Rinderzüchtern in grundlegenden Ausführungen ihre 
künftigen Aufgaben. Er legte Wert darauf, nicht allein 
durch reichseinheitliche Verfügungen die Arbeit der 
Rinderzüchter auszurichten, sondern betonte die 
Notwendigkeit, im offenen gegenseitigen Meinungs- 
austausch die Lösung aller Probleme zu finden. Reichs- 
bauernführer Backe erinnerte daran, wie die Parole 
der ersten Erzeugungsschlacht im Jahre 1934 ‚Mehr 
erzeugen und das Erzeugte sparsamer verwenden“ 
ganz auf Breitenwirkung eingestellt gewesen war. Sie 
richtet sich deshalb mit den für die einzelnen Zweige 
der Landwirtschaft gegebenen Rezepten nicht an die 
Spitzenbetriebe, sondern an die breite Masse der 
landwirtschaftlichen Betriebe. Das gilt heute nun in 
ganz besonderem Maße für unsere Viehwirtschaft. 
Dabei muß der Tatsache Rechnung getragen werden, 
daß der Herdbuchzuchtbetrieb in der Arbeit der 
deutschen Rinderzucht und -haltung nicht nur der 
Schrittmacher, sondern auch der Treuhänder 


der Landeszucht ist. Ganz besonders bei der Milch- 


erzeugungsschlacht kommt es nicht auf die an und 
für sich verhältnismäßig geringe Zahl der Herdbuch- 
zuchtbetriebe, sondern auf die Gesamtheit der Be- 
triebe an. Deshalb muß im Vordergrund die Ver- 
mehrung der wirtschaftseigenen Futtererzeugung als 
Grundlage für die tierische Erzeugung stehen. Damit 
ist erst die Voraussetzung für die notwendige Mehr- 
erzeugung von Milch, Fett und Fleisch gegeben. In 
Verbindung mit dieser Aufgabe — so betonte Herbert 
Backe — müssen gleichzeitig auch die züchterischen 
Probleme in Angriff genommen werden; es wäre 
völlig falsch, beide nacheinander lösen zu wollen. 


181 


Deshalb stehen wir heute gewissermaßen am Ende 
einer alten Zeit in der Tierzucht. Künftig soll auch 
aut dem Gebiet der Tierzucht nicht so sehr das Er- 
reichen von Höchstleistungen Im Vordergrund stehen, 
sondern das Schwergewicht der Arbeit auf der 
Hebung der breiten Masse des allgemeinen 
Durchschnitts der Landestierzucht liegen. Da- 
bei gilt es, den Begriff der bodenständigen Zucht nicht 
zu überspitzen. Die bisher häufige zu strenge Ab- 
schließung der Zuchtgebiete voneinander muß einer 
gewissen Lockerung Platz machen. Wegweiser hierbei 
soll das Kalser-Wilhelm-Institut für Tierzucht- 
forschung in Dummersdorf sein, das nicht nur die 
Grundlagenforschung der Tierzuchtwissenschaft 
betreibt, sondern auch praktisch verwertbare Kombi- 
nationszüchtungen durchführt. ° 


Innerhalb dieser grundsätzlichen Ausrichtung wird bei 
der Rinderzüchtung die Erhöhung der Fetterzeu- 
gung im Vordergrund stehen, ohne daß gleich- 
zeitig die entscheidende Bedeutung der Rinderhaltung 
als Fleischlieferant vernachlässigt wird. Nach Backes 
Auffassung wird in Zukunft das für die Volksernährung 
benötigte Fleisch zu einem größeren Teil, als es früher 
der Fall war, aus der Rinderhaltung gedeckt werden 
müssen. Im Rahmen der hier aufgezeichneten großen 
Ziele sprachen in Passau ferner Professor Dr. Woer- 
mann (Halle) über „Die betriebswirtschaftlichen 
Grundlagen der deutschen Rinderhaltung“ und der 
Reichsfachwart Tiere, Dr. Pflaumbaum, über „Die 
Bedeutung der deutschen Rindviehhaltung für die 
deutsche Ernährungswirtschaft”. So Ist auch die 
Passauer Tierzuchttagung ein Beweis dafür, daß die 
deutsche Ernährungswirtschaft Im Kriege nicht nur 
auf augenblickliche Höchstleistungen hinzlelt, sondern 
stets darauf bedacht ist, die Grundlagen unserer Er- 
zeugung weiterzuentwickeln. 


in der gleichen Richtung der Stärkung unserer 
Produktionsgrundlagen liegen die vorbereitenden 
Arbeiten zur weiteren Vereinfachung des Land- 
nutzungstausches. Hier gilt es, einheitliche Rechts- 
bestimmungen zu schaffen, um die in den Real- 
teilungsgebieten im letzten Jahr auf dem Wege der 
‚Selbsthilfe durchgeführte Zusammenlegung von land- 


wirtschaftlichen Grundstücken weiter zu vereinfachen 


und im ganzen Reichsgebiet zu fördern. Gerade diese 
Entwicklung ist besonders kennzeichnend, wie be- 
weglich und anpassungsfählg das von der national- 
sozialistischen Agrarpolitik neugestaltete deutsche 
Agrarrecht Ist. Hier zeigen sich ganz neue Möglich- 
kelten fruchtbarster Zusammenarbeit zwischen Rechts- 
schöpfung und landwirtschaftlicher Praxis, die auch 
für die künftige Entwicklung unseres Bodenrechts 
richtungweisend sein werden. 


182 


— 


Auf dem Gebiet der Handelspolitik Ist neben 
dem deutsch-schwedischen Abkommen das für unsere 
Ernährungswirtschaft besonders bedeutsame deutsch- 
rumänische Abkommen zu verzeichnen. Bel dem 
Abkommen handelt es sich um den üblichen Jahres- 
vertrag, dessen Aufgabe vor allem darin besteht, die 
gegenseitigen Bedürfnisse für das laufende Wirt- 
schaftsjahr aufeinander abzustimmen und dabei in 
umfassender Weise die wirtschaftlichen und finan- 
ziellen Beziehungen zu regeln. Die eingehende 


Prüfung aller Haupt- und Nebenfragen, die bei der 


engen Verflechtung der beiden Wirtschaften überaus 
zahlreich sind, hat den deutsch-rumänischen Waren- 
verkehr in jeder Weise sichergestellt. Insbesondere 
galt es, die Austauschkontingente für das laufende 
Vertragsjahr festzusetzen. Praktisch wird hierbei die 
gesamte Einfuhr Rumäniens von Deutschland be- 
stritten. Von anderen Märkten werden nur kleinere 
Warenkontingente bezogen, die nicht als unbedingt 
lebenswichtig anzusprechen sind. Die deutsche Wirt- 
schaft liefert dem rumänischen Partner nach wie vor 
Eisenwaren im weitesten Sinne, ferner Konserven- 
material, Erzeugnisse der Chemie und Elektrotechnik 
sowie verschiedene Gebrauchsgegenstände. Vor allem 
kommen aus dem Reich die notwendigen Anlagen zum 
Ausbau des rumänischen Verkehrswesens, gewisse 
Rohstoffe, Kohlen und Eisen sowie Arzneimittel und 
Textilien. Die Grundlage der rumänischen Ausfuhr 
dagegen bilden neben Erdöl vor allem Getreide, 
Hülsenfrüchte sowie Erzeugnisse landwirtschaft- 
licher Spezialkulturen. Diese Ausfuhr Rumäniens 
ermöglicht eine gewinnbringende Verwertung seines 
Ernteüberschusses und stellt bei den trotz der großen 
rumänischen Überschüsse, die Spekulanten liberaler 
Färbung willkommenen Anlaß zum Preisdruck gegeben 
hätten, vom deutschen Partner bewilligten guten 
Preise eine Sicherung der Lebensmöglichkelten der 
rumänischen Landwirtschaft dar. Allerdings muß durch 
entsprechende organisatorische Maßnahmen die Ge- 
währ dafür gegeben werden, daß der letzte Erzeuger 
auch wirklich in den Genuß dieser Preise kommt. 
jedenfalls zeigt sich gerade in diesem Jahr die Be- 
deutung einer gesamteuropäischen Ernährungspolitik. 
Das gilt um so mehr, als es gelungen ist, den deutsch- 
rumänischen Warenaustausch wertmäßig auszubalan- 
cieren und einen Zahlungsvorgang zu vereinbaren, der 
eine gleichmäßige Abwicklung ermöglicht. So wird 
auch im fünften Kriegsjahr das Potential unserer Er- 
nährungswirtschaft durch binnenwirtschaftliche und 
außenhandelspolitische Maßnahmen zielbewußt ge- 
stärkt. Ein besonderer Erfolg ist es, daß hierbel trotz 
unvermeidlicher Schwierigkeiten und trotz er- 
bittertster Agitation unserer Gegner Immer wieder 
eine Ausrichtung auf gesamteuropäische Belange 
erfolgen kann. 

Dr. Kurt Haussmann. 


— 


Kandbemerkungen 


Hypothekenrückzahlung im Kriege? 


in der „Deutschen Agrarpolitik‘, Augustheft 1943, 
ist in einem Aufsatz von Dr. Klingenberg, , Hypo- 
thekenrückzahlung im Kriege‘, für eine Rückzahlung 
der Schulden in einem bestimmten Rahmen ein- 
getreten worden. Die „Deutsche Bergwerks- 
zeitung“ (Nr. 228 vom 29. September 1943) greift 
diesen Aufsatz in einer allgemeinen Betrachtung über 
„Liquidität und Schuldentilgung“ auf und bemerkt 
dazu: „Tatsächlich handelt es sich hier (bei der Land- 
wirtschaft) um einen Schulfall notwendiger Ent- 
schuldung, da der vorhandene Schuldenstand ja 
noch erhebliche Teile eines verhängnisvollen Erbes 
umfaßt. je mehr dieses beseitigt wird, um so besser 
stellt sich die gesamte Finanzierungsfrage der Land- 
wirtschaft dar. Es sollte gar kein Zweifel darüber be- 
stehen, daß gerade für die Landwirtschaft die Parole 
heißen muß: Sparen und Schuldentilgen. Der 
Zustand wird aller Voraussicht nach lange genug an- 
halten, daß die Landwirtschaft sowohl weitgehend 
Schulden tilgen wie gleichzeitig flüssige Mittel für 


künftige Geldbedürfnisse ansammeln kann. Knapp an ` 


Mitteln wird dann im allgemeinen der Landwirt sein, 
der diese Gelegenheit nicht zur Sparsamkeit benutzt.“ 


Diesen Ausführungen kann ohne Einschränkung zu- 
gestimmt werden. Man muß sich nur stets vergegen- 
wärtigen, daß es sich bei der heute zu beobachtenden 
Ansammlung flüssiger Geldmittel in den Händen der 
Landwirtschaft keineswegs um echte Ersparnisse 
handelt, sondern daß diese Ansammlung einmal auf 
eine kriegsbedingte Substanzverminderung, zum 
andern auf die ebenso kriegsbedingte Unmöglichkeit, 
die notwendigen Anschaffungen für den Betrieb vor- 


zunehmen, zurückzuführen ist. Gerade aus dieser - 


Tatsache ist allerdings von anderer Seite gefolgert 
worden, daß eine Rückzahlung der langfristigen 
Schulden die notwendige Geldflüssigkeit der Land- 
wirtschaft nach dem‘ Kriege gefährden könne. So 
schreibt beispielsweise die , 
falische Zeitung“ (Nr. 47 vom 11. Oktober 1943): 
„Die vielen Anschaffungen, die man im Kriege zurück- 
stellen mußte und die dann sobald wie möglich nach- 
geholt werden sollen, lassen den Wunsch nach Geld- 
flüssigkeit begreiflich erscheinen. Wenn man also 
jetzt die langfristigen Schulden zurückzahlen würde, 
so müßte man nach dem Kriege ja doch wieder Geld 
aufnehmen, um sofort Anschaffungen machen zu 
können. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es unter diesen 
Umständen später schwierig sein wird, überhaupt 
Kredite zu erhalten, und wenn, dann vielleicht zu 
ziemlich ungünstigen Bedingungen. Es ist möglich, 
daß der Landwirt nach dem Kriege zum Beispiel von 
der Wehrmacht überflüssig gewordene Pferde, Wagen, 
Zugmaschinen usw. erwerben könnte — dazu ist aber 
eine gewisse Geldliquidität unbedingt erforderlich ... 
Unter diesen Umständen kann es für einen landwirt- 
schaftlichen Betrieb ziemlich unangenehm sein, wenn 
er nicht genug bare Mittel zur Verfügung hat.“ 


Dieser Einwand geht denn doch von einer falschen 


Rheinisch-West- 


Vorstellung aus, wie nach dem Kriege die Abstoßung . 


des überflüssigen Heeresmaterials vor sich gehen 


durfte. Da es sich dabei um wichtige, lange entbehrte 


— 


Produktlons mittel für die deutsche Landwirtschaft 


handelt, ist es unmöglich, daß man ihre Überleitung 


dem freien Markt überläßt. Sie wird vielmehr plan- 
mäßig nach dem Grundsatz des höchst erziel- 
baren Nutzeffekts gelenkt werden müssen, wobei 
besonders die Betriebe zu berücksichtigen sein 
werden, die durch Leistungen für das Heer die 
stärkste Einbuße an Produktionskraft zu. verzeichnen 
haben. Das von der „Rheinisch-Westfällschen Zei- 
tung“ erwähnte Beispiel ist also geradezu typisch für 
eine Bedarfsdeckungsaufgabe, deren Lösung man nicht 
von der mehr oder minder großen Geldflüssigkeit des 
einzelnen Betriebsinhabers abhängig machen dar, 
sofern die etwaige ungenügende Geldflüssigkeit nicht 
auf einem Verschulden des Betriebsinhabers beruht. 
In der Rückzahlung von Schulden aber wird man doch 
wohl kaum ein solches Verschulden sehen können. 


Darüber hinaus wird zur Erzielung des höchsten 
Nutzeffektes auch die Produktion von landwirtschaft- 
lichen Betriebsmitteln an die Stätten des größten 
Bedarfs gelenkt werden müssen. Daß dabei eine 
entsprechende Kreditzuteilung unentbehr- 
lich ist, muß festgehalten werden. Wenn also 
von verschiedenen Seiten betont worden ist, daß die 
Lenkung der Arbeitskräfte und Güterströme nie so 
lückenlos sein könne, daß nicht immer noch die Ver- 
fügung über jederzeit mobilisierbares Geldkapital, 
also eine möglichst große Liquidität der Wirtschaft, 
von Vorteil wäre, so ist dieser Einwand zwar nicht 
ganz von der Hand zu weisen, auf keinen Fall aber kann 
er für die betriebliche Neuausrüstung der Landwirt- 
schaft Geltung beanspruchen. Hier liegt vielmehr ein 
weiteres Schulbelspiel der volkswirtschaft- 
lichen Notwendigkeit gemeinnütziger Pro- 
duktionslenkung und Güterverteilung vor, in 
deren Dienst sich auch die Kreditpolitik zu stellen hat. 


Bei der Beurteilung der Frage, ob es richtiger Ist, 
die Ansammlung flüssiger Geldmittel in den Händen 
der Landwirtschaft zur Schuldentilgung oder zur An- 
sammlung eines jederzeit verfügbaren Sparkapitals zu 
benutzen, ist vor allem ein Gesichtspunkt ausschlag- 
gebend, der der bestmöglichen Erhaltung der 
Leistungsfählgkeit der Landwirtschaft. Es muß 
also vor allem verhindert werden, daß die Ansamm- 
lung flüssiger Geldmittel, die, wie gesagt, ja nur eine 
Scheinersparnis darstellt, in völliger Verkennung 
dieses Charakters unzweckmäßig, d. h. Insbesondere 
zu konsumtiven Zwecken, verwendet wird. Den 
besten Schutz dagegen bietet eine Rückzahlung der 
langfristigen Schulden, die zugleich die beste Sicherung 
der Kreditwürdigkeit der Landwirtschaft ist. Auch Ist 
nicht einzusehen, warum der Landwirt sich durch 
Aufrechterhaltung seiner Schulden mit einer Zins- 
differenz zugunsten seiner Gläubiger belasten soll, die 
ja auch einen gewissen Substanzschwund darstellt. 


Solbstverständlich soll und darf diese Rückzahlungs- 


tendenz nicht so weit gehen, daß sie zu einer völligen 
Entblößung der betreffenden Betriebe mit sofort frei 
verfügbaren Geldmitteln führt, wie ja überhaupt 
immer wieder betont werden muß. daß die Rück- 


183 


zahlung der Hypothekenschulden nur eine Teilaktion 
innerhalb des Gesamtbestrebens darstellt, mit allen 
Mitteln zu verhindern, daß die gegenwärtige Geld- 
flüssigkeit zu einer Substanzvergeudung der Land- 
wirtschaft führt, die zwangsläufig ihre Produktions- 
kreft nach dem Kriege schwächen müßte. Die 
Generalprobe lautet also: Sparen und noch 
einmal sparen! Die Rückzahlung der Hypotheken- 
schulden ist nur ein Ausdruck dieses Sparwillens. 
Daneben bleibt die Aufgabe der Ansammlung aller 
ersparbaren Geldmittel zur Bildung einer nach dem 
Kriege für die Neuausrüstung der Landwirtschaft ver- 
fügbaren Kapitalreserve bestehen. 


Im übrigen wird man der „Deutschen Bergwerks- 
zeitung“ auch darin zustimmen können, wenn sie zum 
Schluß ihrer Ausführungen betont: „Es besteht keine 
Veranlassung, die ganz unbekannten künftigen Finan- 
zierungsverhältnisse heute durch ein Festhalten an 
bestehenden Schuldverhältnissen oder gar ein neuer- 
liches Festlegen derselben vorbelasten oder präjudi- 
zieren zu” wollen Auf Liquidität bedacht zu sein, 
braucht heute um so weniger angeraten zu werden, 
als das große Problem ja Ist, eine übermäßige Liquidität 
zu steuern. Die Leistung der Betriebe nach dem Kriege 
wird nicht davon abhängen, wieviel Geld sie auf ihren 
Liquiditätskonten haben, sondern, wieviel Arbeits- 
kräfte und Arbeitsmittel ihnen zur Verfügung stehen 
und gestellt werden.“ G. P. 


Die Bud wa dt 


Alarich Mahler: 


Bäuerliches Bodenrecht in Rechts- 
sprichwörtern 


Verlag C. V. Engelhard G. m. b. H. Berlin, 1943. 
190 Seiten 


Bis zur Gegenwart sind in unserem Bauerntum 
viele Rechtssprichwörter lebendig geblieben, die uns 
ein beredtes Zeugnis von den alten uns artgemäßen 
Anschauungen unseres Volkes über Rechtsschutz und 
Rechtspflicht geben. Aus dem reichen und zugleich 
aber auch weit verstreuten Material von Sprich- 
wörtern hat nun Mahler erstmalig eine syste- 
matische Zusammenfassung und Erklärung 
der Rechtssprichwörter des Bodenrechts, eines be- 
sonders wichtigen‘ Gebietes im bäuerlichen Lebens- 
kreis, vorgenommen. Die Untersuchung des 1940 im 
Westfeldzug gefallenen Verfassers trägt zwar die 
Merkmale einer wissenschaftlich exakt durchgeführten 
rechtswissenschaftlichen Dissertation, sie Ist aber 
deshalb doch allgemein verständlich gehalten 
und läßt auch allenthalben spüren, mit welch Innerer 
Antellnahme der Verfasser, der selbst aus dem 
Bauerntum stammte, bei der Arbeit war, 


Wenn wir heute um die Formung eines uns art- 
gemäßen Rechtsbewußtseins bemüht sind, dann liegt 
nichts näher, als auch an das alte Überlieferungsgut 
des Bauernsprichwortes anzuknüpfen. Hier ist die 
anschauliche Sprache noch nicht vom teilweise farb- 


184 


* 


losen und lebens fremden Juristendeutsch ũber wuchert, 
und allein schon deshalb sind diese Rechtssprichwörter 
ein Mittel, die heute oft beklagte Kluft zwischen Volk 
und Recht zu überbrücken. Nicht nur der Jurist und 
insbesondere der Bauernrichter können Gewinn aus 
der neuartigen und vorbildlichen Arbeit von Mahler 
ziehen, sondern darüber hinaus wird auch jeder Le- 
ser, der an den Fragen des Bauerntums interessiert 
ist, hier Kenntnisse und Anregungen empfangen. 


Dr. Albrecht Timm 


Wirtschaftskunde 
der schlesischen Erbhöfe 


6. Jahrgang 1942/43 
Herausgeb. Landesbauernschaft Niederschlesien, 
Reichsnährstands-Verlags-Gesellschaft m. b. H. 


Mit diesem Buch wird jedem interessierten Leser 
die Möglichkeit gegeben, sich mit der schlesischen 
Landwirtschaft, ihrer Struktur und ihren Erzeugungs- 
grundlagen vertraut zu machen und Einblick in die 
Arbeitsergebnisse der Untersuchungsämter der Lan- 
desbauernschaft zu bekommen. Die Aufteilung des 
Buches in vier Hauptabschnitte erleichtert das Stu- 
dium und die Behandlung spezieller Fragen aus dem 
Agrarsektor. Es werden unterschieden: 

1. Bodenkundliche, klimatische und sonstige Grund- 

lagen der Landwirtschaft Schlesiens. 

2. Überblick über die natürlichen Erzeugungsgrund- 
lagen und die verschiedenen Betriebsformen der ein- 
zelnen schlesischen Kreise. ` 

3. Einzelbilder von beispielhaften BauernhöfenSchlesiens 
und Schlußfolgerungen für die Betriebslehre. 

4. Die Auswertung der Arbeitsergebnisse der Unter- 
suchungsämter der Landesbauernschaft Nieder- 
schlesien, 

Die ,d Wirtschaftskunde“ entstand ursprünglich aus 
der Überlegung, durch Beiträge aus allen Gebieten 
des Agrarsektors die geistigen Voraussetzungen 
für die Erzeugungsschlacht zu schaffen. Diese 
Aufgabe ist unter den Kriegsverhältnissen nicht nur 
beibehalten, sondern bedeutend erweitert worden, 
gilt es doch — trotz räumlicher Ausdehnung und der 
Einbeziehung des Ostens in den europäischen Nah- 
rungsraum — die sparsamer eingesetzten Kräfte zur 
vollsten Entfaltung zu bringen; denn das Altreich 
ist und bleibt das Kernstück unserer Ernährungsbasis. 


In dieser Beziehung kommt den Artikeln der 
Hauptabschnitte 2 und A eine besondere Bedeutung 
zu, erhält man aus ihnen doch eine genaue Charakte- 
risierung der Landwirtschaftsstruktur in kleineren 
Verwaltungseinhelten, aus denen gerade der Prak- 
tiker viele Anregungen schöpfen kann. Anschauliche 
Darstellungen, Bilder und Zahlenübersichten erleich- 
tern dem Leser das Eindringen in die Materie. 


Wenn Landesbauernführer Jaeschke im Vorwort 
dieser Gemeinschaftsarbeit sagt: „Die vorliegende 
Arbeit soll ein Mittel seln, das schlesische Bauerntum 
zu stärken“, so kann man im Hinblick auf das sorg- 
fältig zusammengetragene und reichhaltige Material 
sagen, daß sie ihrer Aufgabe gerecht wird. 


H. Gerdesmann 


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sich, daß eine Antriebskralt an den verschiedensten Stellen 
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JAHRGANG 2 


NUMMER 7 


RIL 1944 


INHALT 


Reichshauptabteilungsleiter Bauer Kurt Zschirnt: Die Getreidemarktordnung 


als Ausdruck nationalsozialistischen Wirtschaftsdenkens ........... ..... 185 
Regierungsdirektor Dr. Heinz K. Haushofer: Aus der Vergangenheit in die 
Zukunit:der Umlegung ans. deren 190 
Verwundete auf Landbesuch (Bildbeilage) `... n. Seite 192 
Bauer Kurt Hecht, Vorsitzender der Hauptvereinigung der deutschen Kartoffel- 
wirtschaft: Kartoffelwirtschaft im Frieden und im Kriege — Zehn Jahre 
Kartoflelmarklordnung ` ge EN de a 196 


Dr. med. Franz G. M. Wirz, o. ö. Professor an der Universität München: 
„Hot springs — cold water“, „Heiße Quellen — kalter Kaffee“, eine ernäh- 
rungsphysiologische Auswertung. e 199 

Die Kunst des Blaudruckes (Bildbeilageo᷑ᷣ 7777 n. Seite 200 


Hans-Udo von Grone, Leiter der Gruppe Forst des Reichsbauernführers und 
Leiter der Abteilung Privatwald im Reichsforstamt: Forstverbände vom 


Standpunkt des Bauern aus gesehen `... ... 202 
Mehr lernen — Mehr leisten (Bildbeilageꝝꝝũũ̃ꝛ . n. Seite 204 
Diplom-Landwirt Walter Stauß: Die Landtechnik als Beruf der Zukunft 205 
Gauhauptstellenleiter B. Obermayr, Gaubeauftragter für Dorfkultur: Die Dorf- 

stubenaktion im Reichsgau Wartheland e 203 
Agrarpolitische Rundschau `... ee ee 212 
Randbemerkungen EEN EE 214 
Die Buchwacht ...... Er SEN EEN E A 888 216 
Bildnachweis: Prof. Rudolf Koppitz ist der Photograph unseres Titelbildes „Bergbauern“. — Die Auf- 


nahmen zur Bildbeilage ‚Die Kunst des Blaudruckes'' stellten uns der Scherl-Bilderdienst (8) und Dr. 
Croy (1) zur Verfügung. — Vom Bildarchiv des Reichsnährstandes/Limberg (9) erhielten wir die Licht- 
bilder für die Beilage „Mehr lernen — Mehr leisten’. — , Verwundete auf Landbesuch' photo- 
graphierte Hermann Limberg (4) — und „‚Kriegsversehrte werden umgeschult“ Reichsnährstand/Dinges (4) 


Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Rlecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna, 

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil: 

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 1955 41. 

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts- 

ruf 11 0022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. Ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43. 


ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN 


April 1944 


KURT ZSCHIRNT: 


Jahrgang 2 


Nummer 7 


Die Geireidemarkiordnung als Ausdruck 
nationalsozialistischen Wirtschaftsdenkens 


ls im September 1939 der neue Krieg 

begann, waren neben den militärischen 
Ereignissen alle Augen im In- und Aus- 
land darauf gerichtet, wie die deutsche 
Ernährungswirtschaft sich in der nächsten 
Zukunft gestalten werde. Die Erinnerung 
an das kriegsentscheidende Versagen dieses 
Bereichs im vergangenen Weltkriege war 
noch zu deutlich im Gedächtnis von Freund 
und Feind. Um so wohltuender bei den 
Freunden, um so überraschender dagegen 
bei den Feinden mußte es sich auswirken, 
daß die Ernährungssicherung jetzt so ein 
ganz anderes Gesicht zeigte. Als dies nicht 
nur Augenblickserscheinung blieb, sondern 
sich immer deutlicher als festgefügtes Ge- 
bäude auf sicherer Grundlage erwies, kam 
die vielgebrauchte Redewendung von dem 
„Wunder der deutschen Kriegser- 
nährungswirtschaft” auf. 


Jedes „Wunder“, das sich über längere 
Zeiträume wiederholt, gerät in Gefahr, in 
die Alltäglichkeit abzusinken. Wir befinden 
uns jetzt im fünften Kriegsjahr. Trotzdem 
ist nach wie vor nichts von alledem ein- 
getreten, was unsere Feinde mit Sicherheit 
in Wiederholung der Hungerkatastrophe 
aus den Jahren 1917/18 erwartet und vor- 
ausgesagt hatten. Die Grundlagen der 
Ernährungssicherung, die gleich 
zu Beginn des Krieges von ziel- 
bewußter Führung festgelegt wur- 
den, gelten im wesentlichen auch 
heute noch unverändert. Neue Auf- 
gaben und Belastungen sind mit den Aus- 
wirkungen des verbrecherischen Luftkrieges 
unserer Gegner gegen die Zivilbevölkerung 
hinzugekommen. Was in den ersten Jahren 
des Krieges als das „Wunder der deut- 
schen Ernährungs wirtschaft“ galt, ist 


heute tatsächlich in den Augen zahl- 
reicher Beurteiler zu einer einfachen 
Selbstverständlichkeit geworden. Wer 
aber hinter die Kulissen dieser „Selbst- 


verständlichkeit“ zu sehen vermag, die sich 


für den Verbraucher in einer bisher noch 
jederzeit gesicherten vollen Erfüllung aus- 
reichender Lebensmittelrationen äußert, der 
weiß, wie wenig dies alles tatsächlich 
selbstverständlich ist, und welche unend- 


. liche Arbeit und Einsatzbereitschaft aller 


Beteiligten dazu gehört, um das „Wunder 
der deutschen Ernährungswirtschaft‘ auch 
im fünften und etwa folgenden weiteren 
Kriegsjahren immer wieder neu erstehen 
zu lassen. Grundlage all dieser Ar- 
beit ist neben den Auswirkungen der un- 
ermüdlich weitergeführten Erzeugungs- 
schlacht die Marktordnung des 
Reichsnährstandes. Sie hat bereits in 
vorausschauender Friedensplanung Stein 
für Stein zu dem festen Fundament zu- 
'sammengetragen, das auch heute noch für 
den Aufbau der Kriegsernährungswirt- 
schaft entscheidend ist. Dies an einem 
einzelnen Beispiel, nämlich an der Markt- 
ordnung der deutschen Getreidewirtschaft 
darzustellen, sei hier die Aufgabe: 


Ais es im Jahre 1933 galt, die deutsche 
Getreidewirtschaft als Grundpfeiler der 
Volksernährung und zugleich der Lebens- 
sicherung für das deutsche Bauerntum vor 
dem endgültigen Verfall zu retten und neu 
zu ordnen, ergab sich etwa folgendes Bild: 
Das deutsche Bauerntum als Träger der Er- 
zeugung war völlig zersplittert. Aufgeteilt 
in eine Millionenzahl nicht aufeinander ab- 
gestimmter Einzelexistenzen befand sich so- 
mit die Erzeugung in restloser Abhängigkeit 
vom jüdischen Getreidehandel, der seine 


höchsten Triumphe an den Getreidebörsen 
feierte und von hier aus eine nahezu un- 
beschränkte Herrschaft über Erzeugung und 
Absatz ausüben konnte. Die Konzentration 
aller wesentlichen Fäden der Marktbeein- 
flussung in der Hand verhältnismäßig weni- 
ger maßgebender Firmen gegenüber der 
völligen Zersplitterung bei Erzeugung und 
Verbrauch verschafften ihm hierbei leich- 
tes Spiel, — dies um so mehr, als ihm für 
seine. spekulativen Machenschaften nicht 
nur der inländische Markt, sondern auch 
das weite Feld des internationalen Getreide- 
handels zur Verfügung stand. Der Bauer 
wurde auf diese Weise genau so rücksichts- 
los um den Erfolg der mühsamen Arbeit 
eines ganzen Jahres gebracht, wie auf der 
anderen Seite dem Verbraucher nach Be- 
lieben der Brotkorb höher gehängt wurde, 
wenn es gerade in die geschäftlichen Inter- 
essen der mehr oder weniger anonymen 
Mächte an den Börsen hineinpaßte. Das Er- 
gebnis war bei der Machtübernahme im 
Jahre 1933 eine deutsche Landwirt- 
schaft, die unmittelbar vor dem end- 
gültigen Zusammenbruch stand, und 
ein Brotpreiswirrwarr für den Ver- 
braucher, der jede Übersicht und jede 
vernünftige Ordnung ausschloß. 


Um hier endgültig Wandel zu schaften, 
war zunächst eine Organisationsauigabe ge- 
stellt: Die landwirtschaftliche Erzeugung als 
Ausgangspunkt und Gmindlage der gesam- 
ten Getreidewirtschaft mußte aus der bis- 
herigen Zersplitterung befreit und zu einem 
schlagkräftigen Instrument in der Hand 
zielbewußter Führung gemacht werden. 
Diesem Ziel diente die Errichtung des 
Reichsnährstandes mit seiner klaren Durch- 
gliederung in Landes-, Kreis- und Orts- 
bauernschaften bis in die letzte Gemeinde 
des Reiches. Die organisatorische Zusam- 
menfassung der landwirtschaftlichen Er- 
zeugung war aber nur ein Teil der notwen- 
digen Gesamtlösung. Sollte eine grund- 
legende Ordnung der Marktvorgänge er- 
reicht werden, so war es notwendig, nicht 
nur mit der Erzeugung die eine Seite des 
Marktes zu erfassen, sondern auch alle 
übrigen beteiligten Gruppen der Be- und 
Verarbeitung und der Verteilung bis zum 
Verbraucher hin einzubeziehen. Damit 
konnte zugleich die sicherste Gewähr dafür 
geschaffen werden, daß die angestrebte 
Ordnung der Märkte nicht etwa im 
Sinne einseitiger Interessenver- 
tretung der Landwirtschaft erfolgte, 


186 


sondern sich von vornherein klar eine 
Gesamtordnung zum Besten des 
Volksganzen zum Ziele setzte. 


So wurde als Werkzeug zur Durchführung 
der Marktordnung in der Getreidewirtschaft 
die Hauptvereinigung der deut- 
schen Getreide- und Futtermittel- 
wirtschaft als Spitzenorganisation der 
gebietlichen Getreidewirtschaftsverbände 
errichtet. Die Grenzen der Getreidewirt- 
schaftsverbände entsprechen in der Regel 
den Grenzen der Landesbauernschaften. Sie 
umfassen nicht nur die getreidebauende 
Landwirtschaft, sondern auch alle übrigen, 
im Getreideverkehr beteiligten Betriebe und 
Gruppen, also z.B. auch den Landhandel 
und die landwirtschaftlichen Genossen- 
schaften, den Getreidegroßhandel, sämt- 
liche Mühlen und sonstigen getreidever- 
arbeitenden Betriebe, den Mehlhandel, die 
Bäcker und die Brotfabriken. Der Mühlen- 
wirtschaft und der Mischfuttermittelindu- 
strie wurde hierbei anfangs noch eine ge- 
wisse Sonderstellung eingeräumt, indem 
beide Gruppen eigene, sogenannte „wirt- 
schaftliche Vereinigungen” bildeten. Auch 
diese Vereinigungen bewiesen sich jedoch 


in der Folge für eine einheitlich straffe Füh- 


rung unzweckmäßig, so daß sie 1937 und 
1938 aufgelöst und in die Hauptvereini- 
gung der deutschen Getreide- und Futter- 
mittelwirtschaft eingegliedert wurden. Die 
getreidewirtschaftliche Organisation ist da- 
mit weiter vereinfacht, ihre Schlagkraft 
vermehrt und die Sicherheit der einheit- 
lichen Führung verstärkt worden. 


Die Führung der Wirtschaftsverbände 
liegt wie auch bei der Hauptvereinigung 
grundsätzlich in der Hand ehrenamtlicher 
Bauernführer. Der Gedanke selbstveranl- 
wortlicher Führung der Wirtschaft, der 
heute auch in den übrigen Bereichen all- 
gemein anerkannt ist, wurde damit schon 
von Anfang an auf dem Gebiet der nähr- 
ständischen Marktordnung durchgesetzt. 


Zugleich kommt in der bäuerlichen Füh- 
rung der Gesichtspunkt zur Geltung, daß 
die landwirtschaftliche Erzeugung tragende 
Grundlage alles dessen ist, was zur Siche- 
rung der Volksernährung in den folgenden 
Stufen der Verteilung und Verarbeitung ge- 
leistet wird. Auch diese Stufen sind in den 
Wirtschaftsverbänden selbstverständlich 
entsprechend vertreten. Ihre Fachschafts- 
und Fachgruppenleiter bzw. die Innungs- 
meister stehen dem verantwortlichen 
Bauernführer als fachliche Berater ständig 


r 


zur Seite. Jede Einseitigkeit zugunsten 
oder zu Lasten der einen oder anderen 
Gruppe ist hierdurch ausgeschlossen. 
Verwaltungsräte und Fachausschüsse bei 
den Verbänden und in der Haupt- 
vereinigung schaffen in ständigem Mei- 
nungsaustausch die Grundlagen für die 
Entschlüsse und Anordnungen, die für die 
Durchführung der allen Mitgliedern gemein- 
sam gestellten Aufgabe maßgebend sind. 
Darüber hinaus sichert die Eingliederung 
der Wirtschaftsverbände in die Hauptabtei- 
lung III der örtlich zuständigen Landes- 
bauernschaft, daß auch solche Einseitig- 
keiten vermieden werden, die sich aus der 
ausschließlichen Berücksichtigung getreide- 
wirtschaftlicher Gesichtspunkte unter Ver- 
nachlässigung anderer Wirtschaftszweige 
ergeben könnten. Außerdem bedient sich 
der Wirtschaftsverband in letzter Stufe 
nach unten zur Durchführung seiner Maß- 
nahmen ohne eigenen weiteren Unterbau 
der Kreis- und Ortsbauernschaften, deren 
geschlossene Organisation von vornherein 
den nötigen Zusammenhalt sichert. 


Mit der so durchgebildeten Organisation 
war es möglich, die im liberalistischen Sy- 
stem zwangsläufige Preisunsicherheit 
für die landwirtschaftlichen Er- 
zeugnisse zu beseitigen und damit 
eine Grundforderung der nationalsozialisti- 
schen Agrarpolitik in Angriff zu nehmen. 
Im einzelnen war hierbei selbstverständlich 
auf die Besonderheiten der verschiedenen 
Erzeugnisse Rücksicht zu nehmen. In der 
Getreidewirtschaft war es möglich, den 
Festpreisgedanken sehr weitgehend durch- 
zuführen. So wurde das ganze Reich in 
Festpreisgebiete für die einzelnen Ge- 
treidearten aufgeteilt. Dem natürlichen 
Wirtschaftsgefälle aus den Überschuß- zu 
den Zuschußgebieten ist hierbei derart 
Rechnung getragen, daß eine einigermaßen 
gleichmäßige Ausnutzung der 
standortmäßig gebundenen Ver- 
arbeitungsbetriebe gesichert wird. 


Mit der Einführung der Preisgebiete war 
der Ablauf der Warenbewegung zwar im 
wesentlichen gesichert; trotzdem bedurfte 
es noch zusätzlicher Maßnahmen, um vor 
allem den Ernteschwankungen Rechnung 
zu tragen, die sich im Laufe der Jahre 
zwischen Überschuß- und Unterschuß- 
gebieten ergeben und damit von Fall zu 
Fall neue Voraussetzungen für die Abwick- 
lung der Warenbewegung schaffen. Ihr 
Ausgleich ist nur durch eine übergebiet- 


liche Steuerung zu sichern. Hierfür 
wurde die Andienungspflicht ein- 
geführt. Sie verpflichtet die Verteiler, die 
von ihnen beabsichtigten übergebietlichen 
Lieferungen vor Durchführung dem zu- 
ständigen Wirtschaftsverband zu melden, 
um sie sich bestätigen zu lassen, sofern 
der Verband nicht zur Vermeidung von 
Leerlauf oder Fehlleitungen eine andere 
Weisung für notwendig hält. Schließlich 
arbeitet die Marktordnung in der Getreide- 
wirtschaft mit einem weiteren wirksamen 
Steuerungsmittel: der Mühlenkontin- 
gentierung, mit der die Verarbeitung 
der Mühlen auf den jeweiligen Bedarf aus- 
gerichtet wird. Durch die Festsetzung 
monatlicher Vermahlungsmengen wird 
sichergestellt, daß jeweils soviel Mehl an- 
fällt, wie zur Deckung des laufenden Be- 
darfs einschließlich der erforderlichen 
Lagerhaltung benötigt wird. | 


Die getreideverarbeitenden Betriebe, be- 
sonders der Mühlenwirtschaft, erweisen 
sich zugleich als geeignete Nahtstellen, um 
mit Hilfe eines genau durchgebildeten 
Meldewesens eine laufende Übersicht 
über den Stand der Warenbewegung und 
der Lagerhaltung zu schaffen. Die Ver- 
arbeitungsbetriebe sind verpflichtet, monat- 
lich ihre tatsächlichen Verarbeitungs- 
mengen, ihre Bestände und ihre Ein- und 
Verkäufe zu melden, so daß hieraus jeder- 
zeit abzulesen ist, wie in den einzelnen 
Gebieten und sogar auch im einzelnen 
Betrieb die Rohstofflage für die Sicherung 
des täglichen Brotes aussieht. 


Es ist dabei von Wichtigkeit, daß die ge- 
ordnete Warenbewegung nicht nur von 
einer organisch festgelegten Preisregelung 
für den Erzeuger ausgeht, sondern auch die 
Wirtschaftlichkeit der an der Verteilung 
und Verarbeitung beteiligten Betriebe be- 
rücksichtigt. Die einheitliche Festsetzung 
angemessener Verarbeitungs- und Vertei- 
lungsspannen gehört somit ebenfalls zu den 
Aufgaben der Marktzusammenschlüsse. 
Für die Getreide wirtschaft ergab sich hier- 
bei die besondere Schwierigkeit, daß die 


- aus der liberalen Marktwirtschaft willkür- 


lich entstandenen Brotpreise unter poli- 
tischen Gesichtspunkten im wesentlichen 
unberührt bleiben mußten. Sollte trotzdem 
die Wirtschaftlichkeit von Erzeugung, Ver- 
arbeitung und Verteilung gewährleistet 
werden, mußte daher mit entsprechenden 
Stützungsmaßnahmen eingegriffen werden. 
Diesem Zweck dient ein ziemlich umfang- 


187 


Z 


f 


reiches System von Ausgleichskassen, die 
bei den Mühlen eingeführt worden sind, 
um hier zunächst einmal diejenigen Mittel 
abzuschöpfen und an anderer Stelle wieder 
einzusetzen, die aus eigener Kraft inner- 
halb der Getreidewirtschaft verfügbar ge- 


macht werden konnten. Mit wachsendem 


Ausmaße der gestellten Aufgaben ist es 
allerdings notwendig geworden, darüber 
hinaus später auch Öffentliche Mittel ein- 
zusetzen, um die politisch gewünschte Auf- 
rechterhaltung niedriger Brotpreise trotz 
höherer Erzeugerkosten zu ermöglichen. 


Auch in der Futtermittelwirtschaft 
erwiesen sich mit Einführung der Markt- 
ordnung mancherlei wesentliche Eingriffe 
als erforderlich. Vor allem war es unver- 
meidlich, im Wege der „Berufsbereini- 
gung“ auch unmittelbar darauf Einfluß zu 
nehmen, wer persönlich und vor allem 
auch fachlich überhaupt die notwendigen 
Voraussetzungen erfüllte, um auch weiter- 
hin an der verantwortungsvollen Aufgabe 
der Ernährungssicherung für das deutsche 
Volk mitzuarbeiten. Die Vielzahl kleiner 
und kleinster Mischfuttermittelverarbeiter 
mußten eingehend überprüft werden. Es 
kam darauf an, aus diesem Kreis jenen 
Stamm zu erhalten, der allein durch die 
entsprechenden technischen und fachmän- 
nischen Voraussetzungen die Gewähr dafür 
bot, qualitätsmäßig einwandfreie Futter- 
mittel herzustellen. Für diese Betriebe 
wurden dann außerdem bestimmte Grund- 
sätze für die Herstellung von Mischfutter 
aufgestellt, die die vorhandene Rohstoff- 
grundlage berücksichtigen und auf die der 
Landwirtschaft gegebenen Produktionsauf- 
träge betriebswirtschaftlich abgestimmt 
sind. Auch die städtische Tierhaltung 
kommt hierbei im Rahmen des Erforder- 
lichen zu ihrem Recht. Die damit erreichte 
Stabilisierung der Verhältnisse auf dem 
Mischfuttergebiet hat mit ihrer Bewährung 


auch im Kriege allgemein eine entsprechen- 


de Anerkennung von der Praxis gefunden. 


Dieses ganze Ordnungssystem in der Ge- 
treide- und Futtermittelwirtschaft ging zu- 
nächst davon aus, daß der Erzeuger über 
die Abgabe seiner Erzeugnisse selbst frel 
verfügt. Die Zuspitzung der politischen 
Lage und damit die Notwendigkeit- zur 
Sicherung einer nationalen Getreidereserve 
zwang jedoch schon im Jahre 1936 zu Ge- 
treideablieferungskontingenten, 
1937 zur Anordnung der totalen Ab- 
lieferungspftlicht für Brotgetreide 


188 


und in der Folge zur Festsetzung von Kon- 


tIngenten auch für Futtergetreide. 
Hier zeigt sich nun im eigentlichen Kern 
der Unterschied, der mit der Einführung 
der Marktordnung gegenüber der liberalk 
stischen Wirtschaftsordnung erreicht wur 
de: Auch im vorigen Kriege galt die Ab 
lieferungspflicht für Brotgetreide, und es 
galten Kontingente für andere Erzeugnisse. 
Der Erfolg dieser Maßnahmen war aber 
damals völlig negativ. Demgegenüber ist 
für die Kriegsernährungswirtschaft im 
Zeichen der Marktordnung des Reichsnähr- 
standes festzustellen, daß nunmehr bereits 
zwei Jahre nacheinander die Getreide- 
ablieferungen der deutschen Landwirtschaft 
nicht nur die statistisch ausgerechneten 
Möglichkeiten voll erfüllt, sondern diese 
sogar in erheblichem Ausmaße überschrit- 
ten haben! Die Erklärung für diesen so 
auffallenden Unterschied liegt einfach 
darin, dag die Marktordnung im Grunde 
viel weniger eine Angelegenheit- äußerer 
Vorschriften und Anordnungen als viel- 
mehr eine Führungsleistung darstellt. 


Die liberalistische Wirtschaftsauffassung 
arbeitete mit dem Begriff unpersönlicher 
sogenannter „Wirtschaftsgesetze“. Der 
Nationalsozialismus führt demgegenüber 
alle Begriffe er seine Beziehungen zum 
Menschen selbst zurück. Auch der Markt 
stellt durchaus nicht nur einen mechani- 
schen Ablauf unabänderlicher wirtschaft- 
licher Vorgänge dar. Er ist vielmehr das 
Betätigungsfeld von Menschen, die ihre 
Haltungen und danach ihre Handlungen am 
Markt so oder so ausrichten können. Ge- 
wiß kommt auch die Marktordnung nicht 
ohne verbindliche Vorschriften aus. Diese 
Vorschriften sind aber nur äußerer Rah- 
men, und sie werden ausgefüllt von der 
Bereitschaft zu selbstverantwortlicher Mit- 
arbeit aller Beteiligten. Voraussetzung hier- 
für war freilich zunächst einmal die Be- 
seitigung des Mißtrauens oder gar der 
offenen Gegnerschaft zwischen den ein- 
zelnen Gruppen, also einer Erscheinung, 
die für das liberalistische System gerade- 
zu lebensnotwendig war. Demgegenüber 
hat es die Führungsarbeit in der Markt- 
ordnung verstanden, je länger je mehr 
bestehende Gegensätze auszugleichen. 
So sind auch die erfreulichen 
Ablieferungsergebnisse noch im 
dritten, vierten und fünften Jahre 
dieses Krieges eindeutig das ET- 
gebnis nicht nur bäuerlicher Lei- 


stungsbereitschaft, sondern auch 
vertrauensvoller Mitarbeit und 
Gemeinschaftsleistung aller übri- 
gen Gruppen vor allem in den Reihen 
des Landhandels und der Genossenschaf- 
ten. Auch die bereitwillige Mitarbeit wei- 
tester Kreise der gewerblichen Ernährungs- 
wirtschaft: auf den verschiedensten Ge- 
bieten sei in diesem Zusammenhang be- 
sonders anerkennend erwähnt. Denn die 
vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Be- 
teiligten in der Leistungsgemeinschaft der 
nährständischen Wirtschaftverbände ist 
tatsächlich der Kern aller Erfolge unserer 
Marktordnung. 

Je sicherer und zuverlässiger dieser 
Kern ist, um so beweglicher und anpas- 
sungsfähiger läßt sich der äußere Rahmen 
der Marktordnung mit ihren Anordnungen 
und Vorschriften halten. Es ist daher eine 
ganz natürliche Entwicklung, daß mit fort- 
schreitender Bewährung der Marktordnung 
in zunehmendem Maße von der angeord- 
neten auf die freiwillige, selbstverantwort- 
liche Einschaltung. der Wirtschaft selbst 


umgeschaltet werden kann. Diese Entwick- ` 


lung ist zugleich von außerordentlichem 
Wert für den Erfolg der Marktordnung 
selbst. Denn wo auch immer Wirtschaft 
zu treiben ist, wird auf die Dauer selbst die 
bestgeführte Verwaltung niemals gleiche 
Erfolge zeitigen wie die freie Initiative 
selbstverantwortlicher Wirtschaftsführer. 
Gelingt es also, diese Initiative fort- 
schreitend vom äußeren Zwang zu befreien 
und sie nur durch entsprechende Führung 


in die gemeinsame Zielrichtung einzuglie- 


dern, so muß dies in jedem Falle dem 
Ganzen zum Besten dienen. Wie stark 
dieser Gedanke in der Marktordnung des 
Reichsnährstandes Geltung hat, ist daraus 
zu erkennen, daß selbst noch während des 
Krieges gerade auf dem Gebiet der Ge- 
treidewirtschaft eine bewußte Umschaltung 
von der zentralistischen Verwaltungsarbeit 
der Reichsstelle für Getreide auf die de- 
zentrale eigenverantwortliche Mitarbeit 
der Wirtschaft durchgeführt worden ist. 


Gerade die mit der Bewältigung der 
Luftkriegsschäden immer neu erwachsen- 
den Aufgaben bestätigen, daß es nicht so 
sehr auf die äußere Form und auf das Be- 
stehen dieser oder jener Anordnung als 
vielmehr darauf ankommt, jederzeit auf 
eine einsatzbereite Leistungsgemeinschaft 
zurückgreifen zu können, in der jeder Be- 
teiligte aus eigenem Entschluß und in 


eigener Verantwortung das tut, was im 
gegebenen Augenblick zum Besten des 
Ganzen notwendig ist. 


Es steht daher fest, daß der durch nun- 
mehr rund elf Jahre im allgemeinen und 
im Kriege bewährte Grundsatz der Markt- 
ordnung auch weiterhin folgerichtig bei- 
behalten werden muß. Die Verhältnisse 
des Krieges zwingen auf manchen Gebieten 
zu Verschärfungen und zu Zwangseingrif- 
fen, die das äußere Bild der Marktordnung 
gelegentlich verschieben mögen. Diese 
Kriegserscheinungen dürfen jedoch keines- 
falls zu einer grundsätzlichen Verfälschung 
und Verkennung der Marktordnung führen. 


Die Zielsetzung bleibt unverändert: Nicht 
Entmündigung, sondern Befreiung der Wirt- 
schaft zu selbstverantwortlichem Einsatz 
ihrer besten Kräfte. Es entspricht durch- 
aus dieser Zielsetzung, daß z.B. auch die 
Reichsstellen in der Ernährungswirtschaft 
mehr und mehr aller tatsächlichen oder 
nur vermuteten Tendenzen zur Monopoli- 
sierung der Ernährungswirtsehaft entklei- 
det worden sind. Aufgabe der Reichsstellen 
ist es ausschließlich, dort aushilfsweise ein- 
zuspringen, wo die zu lösenden Aufgaben 
über das Leistungsvermögen der privaten 
Wirtschaft hinausgehen. Das gilt z.B. für 
die privatwirtschaftlich nicht tragbare 
Sicherung nationaler Vorräte, für Einzel- 
vorgänge der Warenbewegung, für ge- 
wisse Aufgaben in der Ein- und Ausfuhr 
udgl. mehr. Entsprechend sind die Reichs- 
stellen als Geschäftsabteilungen eindeutig 
den Hauptvereinigungen des Reichsnähr- 
standes eingegliedert und ihnen damit als 
Instrument zur Verfügung gestellt worden. 


Es ist kein Zweifel, daß uns der Krieg 
noch vor außerordentlich schwere Aufgaben 
stellen wird, und diese Aufgaben werden 
keinesfalls mit dem Tage abreißen, mit dem 
die Waffen nach dem endgültigen Siege 
niedergelegt werden können, Die bisher 
erreichten Erfolge unter den verschiedensten 
vorhergesehenen und nicht vorhergesehe- 
nen Umständen berechtigen aber zu der 
felsenfesten Überzeugung; daß der Grund- 
satz der Marktordnung auch für die Zu- 
kunft richtig bleibt. Wenn im einzelnen 
Fehler auftreten, werden sie ohne Vor- 
eingenommenheit und ohne systematische 
Starrheit abzustellen sein. Im großen aber 
gilt für die Zukunft wie für heute, daß die 
Marktordnung des Reichsnährstandes zu 
den wirksamsten Waffen gehört, die der 
deutschen Sache den Sieg verbürgen. 


189- 


HEINZ K. HAUSHOFER: 


Aus der Vergangenheit 


IN DIE ZUKUNFT DER UMLEGUNG 


ie Umlegung steht heute im Mittelpunkt 

einer fruchtbaren Aussprache über die Neu- 
gestaltung des deutschen Dorfes auf dem 
alten deutschen Volksboden. Das liegt im 
eigensten Sinne des Umlegers. Denn auf 
keinem anderen Wege kann so deutlich wer- 
den, daß sie der Angelpunkt ist, um den sich 
die Entwicklung nicht nur der Verfahren, 
sondern auch der Ideen bewegt. Angelpunkt 
kann nur etwas Festes, Gewordenes sein, das 
dementsprechend schon eine Geschichte hinter 
sich hat — wie das bei der Umlegung der 
Fall ist. 


Nur diese gegenwärtige, einem sichtbaren 
Ziele dienende Aussprache kann es recht- 
fertigen, heute und hier auf die geschicht- 
lichen Grundlagen der Umlegung zurückzu- 
greifen. Dies auch nur dann, wenn dieses 
Zurückgreifen so offen und vorurteilsfrei erfolgt, 
daß davon wirklich Ergebnisse für die Zukunft 
zu erwarten sind. In diesem Sinne ist die 
Überschrift dieses Aufsatzes gewählt, der, auf 
dem Weg von der Vergangenheit in die Zu- 
kunft, die Erwähnung und Darstellung der 
Gegenwart scheinbar vermissen läßt. 


Die Gegenwart der Umlegung steht im 
Zeichen der Pause, welche der Krieg bis 
jetzt der Umlegung in ihrem deutschen Heimat- 
bereich auferlegt hat. Diese Pause könnte 
wohl dazu benutzt werden, um einen stolzen 
Rechenschaftsbericht über das von der Um- 
legung bis heute Geleistete abzulegen und um 
einen Überblick darüber zu geben mit welchen 
Kräften und welchen Erfahrungen die Um- 
legung für ihre zukünftigen Aufgaben auf den 
bereits erfaßten umlegungsbedürftigen Flächen 
bereitsteht. Ein solcher Rechenschaftsbericht 
wäre zur Ehre des sehr großen Teiles der 
„Landeskulturverwaltung”, der heute bei der 
Wehrmacht steht, durchaus berechtigt — soll 
aber nicht Aufgabe dieses Aufsatzes sein. 


Die alte Bezeichnung „Landeskulturverwal- 
tung”, die wir eben verallgemeinernd für den 
heutigen Umfang des Apparates der Umlegungs- 
behörden gebraucht haben, läßt bereits ein Pro- 
blem sichtbar werden, das auf den ersten Blick 


190 


vielleicht nachgeordnet erscheint, in Wirklich- 
keit aber ein ganz grundlegendes ist: Es 
mangelt uns an einer Bezeichnung, 
die den Umfang und die Bedeutung der „Um- 
legung“ im heutigen Sinne erfaßt und kräftig 
zum Ausdruck bringt! Die alte „Landeskul- 
tur” verkörperte wohl den größten und um- 
fassendsten Anspruch, den der gestaltende 
Mensch gegenüber der Landschaft erheben 
konnte. Der Begriff „Landeskultur“ ist seiner 
sprachlichen Herkunft (colo, cultus, cultura) und 
seiner geschichtlichen Entstehung — in der 
Goethezeit — nach so eng mit unserer geistigen 
Kultur verbunden, daß er für immer eine ge- 
wisse Ehrfurcht für sich beanspruchen kann — 
ein Grund, ihn für immer für die Geschichte der 
Landeskultur zu erhalten. Doch ist kaum zu 
erwarten, daß er noch einmal lebenskräftig 
werde wird. Ähnlich ist es mit den übrigen, 
überwundenen geschichtlichen Bezeichnungen 
für den Inhalt „Umlegung“, die wir nur ganz 
kurz ins Gedächtnis zurückrufen wollen, denn 
sie spiegeln oft genug den Grundgedanken 
wider, der zu den damaligen Verfahren führte. 
In Preußen z. B. begann die Tätigkeit unter dem 
Namen Separation, d. h. Auseinander- 
legung; die Tätigkeit des Herauslösens des 
Einzelbesitzes aus dem Gemeindeorganismus 
stand so im Vordergrund, daß es der Maßnahme 
den Namen gab. Später heißt die bisherige 
Auseinanderlegungin Preußen (wie später 
auch in Osterreich) Zusammenlegung, also 
begrifflich das genaue Gegenteil. Der alte 
Gemeindeorganismus besteht nicht mehr, und es 
steht nur das Zusammenfügen der einzelnen 
Teilstücke zu lebensfähigen Einheiten im Vor- 
dergrund. Dieser vom Einzelbesitz gewonnene 
Gesichtspunkt überwiegt auch in den Bezeich- 
nungen Verkoppelung (in Oldenburg und 
Hannover, Arrondierung (in Bayern). 
Konsolidierung (in Baden und Wöäürttem- 
berg) und Kommassierung (in Osterreich). 
Die Bezeichnung Flurbereinigung, die in 
Bayern die Arrondierung ablöste, läßt schon 
einen übergeoräneten Gesichtspunkt erkennen: 
die ganze Flur wird als Gegenstand des Ver- 
fahrens erkannt und bezeichnet. 


Was für die Verfahren gilt, gilt ebenso für 
die durchführenden Stellen. „Kulturamt“ 
und „Landeskulturamt‘ stammen noch aus einer 
ungebrochenen, ihrer geistigen Herkunft be- 
wußten Verwaltungstradition. Die — spätere — 
österreichische „Agrarbehörde“ läßt kurz und 
klar ersehen, um was es sich dabei handelt. 
Ahnlich sachlich und glücklich war die der 
„Agrarbehörde" parallele Prägung „Landstelle“, 
die sich in den Jahren ihres Bestehens so gut 
eingelebt hat, daß sie einer Erhaltung auch über 
den Rahmen der ursprünglichen Entschuldungs- 
aufgaben der Ländstelle hinaus für zukünftige 
Aufbauarbeit wert ist. Auch die Anwendung 
des Begriffs „Landbau“ bei den Landbauaußen- 


stellen des Reichsnährstandes war glücklich. ` 


Die Bezeichnung der „Siedlungs- und Umle- 
gungsbehörden‘ dagegen ist, obschon korrekt, 
so doch schwerfällig und wird sich kaum so 
einleben, wie es nötig wäre, um schon allein 
von sich aus eine agrarpolitische Wirkung aus- 
zuüben. 


Wir haben aus den ägrarpolitischen Erfah- 
rungen der letzten Jahrzehnte gelernt, daß 
unbedingte Klarheit des organisato- 
rischen Aufbaues und richtige Wahl 
seiner Bezeichnungen zu den Voraus- 
setzungen des Erfolgs einer bäuerlichen Bewe- 
gung gehören, deren Teil die Umlegung sein 
soll. Hier stellt sich also eine erste Aufgabe. 


Die Umlegung soll nicht eine reine Behörden- 
täligkeit sein, sondern Teil einer bäuerlichen 
Bewegung. Damit kommen wir zur Stellung der 
Umlegung im Rahmen einer Bauernpolitik, deren 


Grundsätze nicht oft genug und mit den besten 


Begründungen wiederholt werden können. Denn 
wir standen vor 1933 und stehen heute vor der 
merkwürdigen Tatsache, daß uns zwei raum- 
fremde Agrartheorien gegenüber- 
stehen, deren Lehrgebäude theoretisch schein- 
bar geschlossener und konsequenter sind, als 
unser eigenes: Erstens die Theorie unbe- 
schränkter individueller Freizügigkeit und indi- 
vidualwirtschaftlicher Arbeitsteilung, wie sie 
beute noch durch eine Anzahl von Wirtschafts- 
theoretikern der USA. und wieder durch ihre 
Kriegsagitation vertreten wird; und zweitens 
die Theorie der sozialistischen Planwirtschaft 
nach vollzogener Sozialisierung aller Produk- 


tionsmittel, heute verkörpert durch die Kollek- 


tiv- und Staatswirtschaft in der Sowjetunion. 


Beide Theorien sind offensiv. Sie 


haben sich vor dem Kriege gegen das „theore- 
tisch ungeformte“ Leben der europäischen 
Bauernvölker gewendet und haben deren Agrar- 
politik den Vorwurf eines reinen Konservieren- 
wollens gemacht. Dieser Vorwurf bestand durch 
einige Jahrzehnte zu Recht. Denn eine Agrar- 
politik des reinen Konservierens wäre gegen- 


über jeder der beiden revolutionären Thesen 
von vornherein die schwächere. Erst die bio- 
logische Begründung der europäji- 
schen Bauernwirtschaft ermöglichte uns 
die Aufstellung einer Erkenntnis und eines 
Lehrgebäudes, das nun im Vergleich zu 
den anderen Theorien notwendig das 
längerwirkende sein muß. Eine solche 
Formulierung erscheint heute kühn, ist aber 
auch vom strengsten wissenschaftlichen Stand- 
punkt aus haltbar. Denn die biologische Erfah- 
rung, die unserer Auffassung vom Bauernhof 
zugrunde liegt, konnte nur auf dem alten euro- 
päischen Kulturboden gemacht werden, nicht 
in den Vereinigten Staaten und nicht in der 
Sowjetunion! — beides Räume, welche die bio- 
logischen Probleme entweder noch nicht kennen 
oder noch in der Läge sind, sie zu vernach- 
lässigen.“ Mit geschichtlicher Notwendigkeit 
wird aber der Zeitpunkt kommen, wo auch diese 
Räume in unsere Probleme eintreten. Ob und 
wie sie in ihren Ausgangsländern gemeistert 
worden sind, wird dann für die heute in biolo- 
gischen Dingen noch „naiven“ Großräume ent- 
scheidend sein. 


Versucht man, unsere Erkenntnis ganz sach- 
lich und „unbeteiligt“ darzustellen, so liest sie 
sich etwa folgendermaßen: „Eine ganz be- 
stimmte, uns wohlbekannte Kombination von 
Ackerbau und Tierzucht vermag. durch ihr 
Gleichgewicht von entnommener Ernte und 
wirtschaftseigenem Dünger auch die in der 
Mehrzahl ungünstigen Böden Europas auf unbe- 
grenzte Dauer ohne Ausbeutung gesund zu 
erhalten. Bei einer gewissen Mindestgröße des 
Betriebs ist diese Kombination auch imstande, 
alle Errungenschaften heutiger und nach heu- 
tiger Voraussicht zu erwartender Technik zu 
nutzen. Der Umfang dieses Betriebes fällt zudem 
in eine Größenordnung, die von einer Familie 
zu bewirtschaften ist. Eine solche Familie hatte 
auf einem derartigen Beirieb die Möglichkeit, 
sich auf theoretisch unbegrenzte Zelt, praktisch 
durch eine Reihe von Jahrhunderten ohne Aus- 
beutung des Menschen zu behaupten. Sie kann 
dabei alle volkswirtschaftlichen Leistungen voll- 
bringen, welche außerdem im Lauf der Zeit von 
ihr verlangt werden können.” 


Die Richtigkeit dieser Theorie ist für die Ver- 
gangenheit bewiesen, und zwar durch das 
schärfste Kriterium, die Geschichte selbst. Der 
Beweis ist nicht für einige wenige, vom Glück 
begünstigte Betriebe erbracht worden, sondern 
für ganze geschlossene Landschaften, ja für 
Länder, die im Strukturgleichgewicht liegen. Für 
die Zukunft genügt Zufriedenheit mit dieser 
Feststellung nicht, weil in Krisenzeiten die 
ungesunden, labilen Strukturen danach drängen, 
die gesunden zu erschüttern. Die Zukunft der 


191 


Gebiete mit gesunder Struktur hängt also davon 
ab, ob sie die Kraft haben, ihr Vorbild so 
werbend zu machen, daß es eine ver- 
pflichtende Kraft ausstrahlt. Erst diese 
Kraft gibt dann dem Staat das Recht, einen 
Zwang zur Verwirklichung dieses Vorbildes 
auszuüben. 


Aus diesen grundsätzlichen Überlegungen 
wird die Angelstellung der Umlegung im großen 
agrarpolitischen Geschehen klar. Sie ist un- 
erklärlich ohne das in Wirklichkeit 
vorhandene Vorbild, das die Bauern- 
schaft selbst gestaltet hat. Sie ist ent- 
standen aus dem Willen der Bauernschaft und 
ihres Staates, dieses Vorbild auch da zu verwirk- 
lichen, wo die Voraussetzungen nicht im nötigen 
Maß vorhanden scheinen. Und sie wirkt, nach 
dem Ende einer jeden Umlegung, ausstrahlend 
weiter, und zwar in rein gebietlicher und in 
politischer Hinsicht. Die letzte große Auswir- 


kung der Umlegung ist der Freiwillige 


Landnutzungstausch von heute. Wir ver- 
stehen hier und im folgenden unter Umlegung 
also mehr als nur „ein Verfahren unter anderen“. 
Damit soll die Quintessenz an Erfahrung, d.h. 
letzten Endes an politischer und bäuerlicher 
Lebensweisheit, die in der Tradition eines ge- 
stalteten Verfahrens steckt und es ganz allein 


zu einem erfolgreichen macht, nicht verkleinert‘ 


werden, im Gegenteill Das gilt besonders auch 
für die Reichsumlegungsordnung von 1937. 


Von diesem Standpunkt aus ist es nur selbst- 
verständlich, daß die beiden großen Ausstrah- 
lungspunkte der Umlegung in Deutschland mit 
jenen Gebieten in einem geschichtlichen Zu- 


sammenhang stehen, die seit jeher in jenem. 


schon angedeuteten Strukturgleichgewicht be- 
harren. Die Karte der Verbreitung der landwirt- 
schaftlichen Betriebsformen in Deutschland 
zeigt zwei große Hauptverbreitungsgebiete des 
groß- und mittelbäuerlichen Betriebes, also der 
Betriebsgröße, die den oben formulierten Be- 


dingungen unter durchschnittlichen Boden- und 


Klimaverhältnissen entspricht: das nord- 
westdeutsche und das südostdeutsche 
Verbreitungsgebiet. (Kleinere Landschaf- 
ten, wie z.B. das Altenburger Land, dürften bei 
einer genaueren Darstellung nicht vergessen 
werden!) 


Die frühesten Mittelpunkte der Umlegung 
liegen nun in Niedersachsen und im (heute 
bayerischen und württembergischen) Allgäu mit 
dem eigentlichen Schwerpunkt in der ehe- 
maligen Reichsabtei Kempten. (Bildlich ge- 
sprochen nimmt jene kleine süddeutsche ge- 
fürstete Abtei eine agrargeschichtlich ebenso 
bedeutsame Stellung ein, wie etwa das osna- 
brückische Land unter seinem Kanzler Justus 
Möser!) Die ältesten Umlegungsgebiete liegen 
also in den Grenzgebieten zwischen Gebieten 
ältester Einzelhof- oder Weilerfluren (mit Block- 
fluren) und Dorffluren (mit Streifengewannen). 
Aus der Spannung zwischen empfundenem Miß- 


192 


stand und benachbartem Vorbild entstand die 
Abhilfe der Umlegung — selbstverständlich mit 
den der Zeit entsprechenden Namen. 


Diese frühesten Umlegungen sind nicht etwa 
deswegen so fesselnd, weil sie der größeren 
landwirtschaftlichen DOffentlichkeit fast un- 
bekannt sind und sie es deswegen verdienten, 
wieder bekannter zu werden, sondern deswegen, 
weil sich fast alle im Verlauf der späteren Ver- 
fahren entwickelten grundsätzlichen Gesichts- 
punkte schon bei ihnen finden und dazu noch 
einige, die später wieder in Vergessenheit 
gerieten. ` 

Bei der Planung bäuerlich besiedelter Land- 


schaften stößt man heute vielfach auf einen 


Mangelan Vorstellungskraft, der sich 
einer umwälkenden Strukturverände- 
rung entgegenstellt. Es ist deshalb wichtig 
zu wissen, daß die oben genannten Landschaften 
einer von uns heute als mustergültig empfun- 
denen Struktur nicht etwa von Urzeiten her so 
gewachsen sind, sondern daß sie das Er- 
gebnis bewußter, einschneidender 
Strukturveränderungen sind. Das Ge- 
sicht dieser Landschaften ist schon in vergan- 
genen Jahrhunderten völlig verändert worden. 


Vielleicht das großartigste Beispiel der Um- 
legung einer großen Landschaft ist die soge- 
nannte Vereinödung im Allgäu, über die wir 
durch die beiden Münchner Dissertationen von 
Ditz (1865) und Dorn (1904) sehr gut unter- 
richtet sind. Die älteste Vereinödungsurkunde 
stammt von 1550 — sie ist damit ein bedeutendes 
agrargeschichtliches Dokument. Nachweisbar 
seit Mitte des 16. Jahrhunderts erfüllt die Ver- 
einödung als eine wahre Volksbewegung die 
zweite Hälfte des 16. und das 17. Jahrhundert. 
Sie leitet mit ihren Ausläufern im 18. Jahrhun- 
dert in die Arrondierung des 19. Jahrhunderts 
und damit in die heutige Umlegung über. Um 
1830 heißt es noch deutlich „vereinöden oder 
arrondieren“. 


Der Begriff „Einöde” ist dem bayerischen 
Sprachgebrauch so vertraut, daß es für ihn kaum 
nötig ist, darauf hinzuweisen, daß er mit dem 
Begriff „Ode“ im heute gebräuchlichen Sinn 
nichts zu tun hat, sondern daß er den von 
Grunddienstbarkeiten freien arrondierten Einzel- 
besitz bezeichnet. Tatsächlich wurden ja auch 
durch die Vereinödung die alten enggebauten 
mittelalterlichen Dörfer zu jenen blühenden 
Einzelhoffluren „abgebaut“, die heute das Allgäu 
zu einer Perle unter den’ deutschen Agrarland- 
schaften machen. Von der Vereinödung an 
datiert auch die Möglichkeit seiner intensiven 
Milchwirtschaft. 


Ich hatte schon an anderer Stelle (in der in- 
zwischen kriegsbedingt eingestellten „Wiener 
landwirtschaftlichen Zeitung“) auf die Wichtig- 
keit des Beispiels der Vereinödung hingewiesen. 
Es zeigt, wie schnell sich die Bauernschaft der 
neuen Idee bemächtigte, als sie die großen Vor- 
teile eines radikalen Umbaues der Flurverfassung 


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Zum Wochenende im Spreewald: Jungbäuerinnen haben die Be- 


wirtung übernommen. — Aufbruch zur gemeinsamen Spazierfahrt 


In vielen Dörfern, deren Lage 
verkehrsgünstig ist, herrscht der 
schöne Brauch, als kleines Zei- 
chen des Dankes Verwundete 
zum Wochenende einzuladen, 
um ihnen ein paar frohe Stun- 
den zu bereiten. Unsere Bilder 
berichten von einer solchen 
Wochenendfahrt in den Spree 
wald. Selbstverständlich darfbei 


der Bewirtung die Spreewälder 
Gurke nicht fehlen 


Zu den selbstverständlichen 
Dankespflichten der Nation ge- 
hört auch eine sorgfältige Vor- 
bereitung der Kriegsversehrten 
auf ihren künftigen Beruf durch 
eine Umschulung, die es diesen 
ermöglicht, trotz ihrer körper- 
lichen Behinderung vollwertige 
Arbeit zu leisten. Auf landwirt- 
schaftlichem Gebiet findet die 
Umschulung auf zahlreichen 
von der Wehrmacht vertraglich 
verpflichteten Schulungsstätten 
statt. Die Versehrten müssen 
zunächst bei einfachen Arbeiten 
ihre Arbeitsprothesen gebrau- 
chen lernen (Bild rechts). 

Landmaschinenlehrgänge zeigen, 
wie die verschiedenen Maschinen 
zu handhaben sind (Bild oben: 
Einstellung einer Drillmaschine) 


Durch Einbau einer Handkuppelung & 
auch ein Beinverletzter einen Schlep 
einwandfrei bedienen (Bild links). 
Gründliche Motorenkenntnisse sind W 
aussetzung für jeden Schlepperführer. 
dem Bild unten wird die Einstellung $ 
Magneten geübt 


a "gëfteg e 


SL TTC 


erkannt hatte. Ein Vorgang, wie die Verein- 
oͤdung in Oberschwaben, der in Deutschland 
nicht allein dasteht, ist also der beste Gegen- 
beweis gegen die Anschauung, daß der Bauer 
aus grundsätzlichem Beharrungstrieb nicht im- 
stande sei, eine so große agrarpolitische Ver- 
änderung aus freien Stücken vorzunehmen. 


Während zu Beginn der Bewegung eine Zwei- 
drittelmehrheit zur Vereinödung nötig ist, ge- 
nügt bald der Antrag nur eines Drittels, ja auch 
nur eines Bauern. Auch die Durchführung 
erfolgte mit einem bemerkenswerten Schwung. 
Im Dorfe Kimratshofen z.B. wurde das ganze 
Vorverfahren vom Antrag bis zum Beginn der 
Vermessung in sieben Sitzungen in vier Tagen 
erledigt (vom 8. bis 11. Juli 1738). Die fürst- 
äbtlich kemptischen Feldmesser bewältigten 
dann die Umlegung eines Dorfes in der Regel in 
einem Zeitraum von einem Vierteljahr bis zu 
einem Jahr. Es gab also keine Hindernisse, die 
den einmal gefaßten Entschluß der Bauernschaft 
wieder hätten einschlafen lassen oder auch nur 
die geistige Bereitschaft zur Umlegung beein- 
trächtigt hätten. 


Die Quellen lassen immer wieder erkennen, 
wie sehr die Bauern „den Segen der Verein- 
ödung mit Händen greifen konnten“ und daß sie 
wollten, „daß auch für ihre Gemeinde diese und 
hundert andere Vorteile erblühen und zu ewigen 
Zeiten auch von ihrer Nachkommenschaft die 
herrlichen Früchte gesammelt werden möchten”. 
Wir lächeln heute über diese etwas über- 
schwenglichen Worte — aber hatten sie nicht 
recht, wenn man ein Menschenalter später las: 
„Manches Gut, das vorher nur eine Familie 
kärglich ernährte, nährt jetzt deren zwei.“ 
Trotzdem ist nicht zu übersehen, daß ein ge- 
wisser Prozentsatz der Bauernschaft auch in 
dieser großen Bewegung „beim alten bleiben 
wollte”. Den Neuerern war durchaus bewußt, 
daß sie mit der Vereinödung ein „ewiges Werk“ 
schufen, wie noch heute im Volksmund eine 
getane gute Arbeit genannt wird. In den Ur- 
kunden finden sich immer wieder Bemerkungen 
wie: „hinfür in Ewig Zeyt inhaben nuzen und 
nießen.” 


Das Gegenstück zum Allgäu, die Landschaft 
der Verkoppelung und Koppelwirt- 
‚schaft, ist schon durch Albrecht Thaer 
hervorgehoben worden. Er hat im gleichen 
. Sinne, wie wir heute die Vereinödung als Bei- 
spiel und geschichtliche Wurzel für die Um- 
legung der Zukunft heranziehen, die Verkoppe- 
lung des 17. Jahrhunderts zur Propagierung 
seiner Idee herangezogen. Er druckt in seinen 
Annalen ein Schreiben von 1665 ab, in dessen 
berühmtester Stelle die Auswirkung der Ver- 
koppelung folgendermaßen charakterisiert wird: 
u... daß durch diese Operationen wahre Wunder 
in der Agrikultur hervorgebracht werden. Wo 
sonst verfallene Wohnungen, ärmliche Men- 
schen, verkümmertes Vieh und kärgliches Ge- 
treide einheimisch war, fand sich in kurzer Zeit 
alles wie umgezaubert.“ 


Die vollen Konsequenzen aus dem südost- 
deutschen und nordwestdeutschen Vorbild des 
16. bis 18. Jahrhunderts sind dann — trotz 
Thaer — im 19. Jahrhundert nicht gezogen 
worden. Ja, auch die Arbeiten von Ditz und 
Dorn über die Vereinödung haben der dama- 
ligen Umlegung (Flurbereinigung) keine wesent- 
lichen Anregungen gegeben.. 


Die Bauernbefreiung des jungen 19. Jahrhun- 
derts und die gleichzeitige Einführung der 
„rationellen Landwirtschaft‘ auf dem Acker, der 
nun aus seiner Bindung in dem gewaltigen 
Automatismus des Flurzwanges entlassen war, 
blieb nur Stückwerk. Eine grundsätzliche 
Neuordnung der Feldflur und eine Auflockerung 
der Dorflagen (die im 16. und 17. Jahrhundert 
also schon eine Selbstverständlichkeit gewesen 
waren!) hätte erst recht in der Zeit nach Thaer 
folgen müssen, um den technischen Fortschritt, 
d.h. die Fruchtwechselwirtschaft und die besitz- 
rechtliche Reform, d.h. die Bauernbefreiung, zur 
Auswirkung kommen zu lassen. Statt dessen 
kam es in diesen Jahrzehnten fast regelmäßig 
nur zu einer Aufteilung der Gemein- 
ländereien. Die rückblickende Kritik hebt 
heute die negativen Auswirkungen dieses Vor- 
ganges hervor; bei den aufgeteilten Gemeinde- 
weiden wohl zu Unrecht, trotzdem die inzwischen 
da und dort erfolgte Einrichtung von Weide- 
genossenschaften die Korrektur anzeigt; bei den 
Gemeindewaldungen zu Recht, wie die Bewe- 
gung zur Bildung von Forstverbänden dartut*). 


Schon in den Anfängen der Umlegung liegen 
die beiden Grundtatsachen, die von damals bis 
heute für ihre Durchführung bestimmend ge- 
blieben sind: das Aufgreifen des Gedan- 
kens und der Entschluß zur Tat als 
Aktion einer bäuerlichen Bewegung, 
die vom Landesherrn als dem damaligen „Staat“ 
zwar ermöglicht und gefördert, aber nicht ver- 
anlaßt wird — und die Durchführung als 
Aufgabe eben dieses Staats, zu deren 
Bewältigung er sich des „Beamten“ bedient, ob 
es sich nun um den fürstäbtlichen Feldmesser 
des 16. Jahrhunderts, den Vermessungsrat einer 
Umlegungsbehörde oder den Leiter einer Land- 
bauaußenstelle von heute handelt. 


Dabei ist es einerseits nicht nur das technische 
Können des Beamten, das ihn notwendig macht, 
sondern auch die Tatsache, daß er von allen 
Spannungenim Dorfunbelastetist und 
daß ihm deswegen von der sonst dem Beamten 
gegenüber oft ablehnenden Bauernschaft Ver- 
trauen entgegengebracht wird. Andererseits war 
es die alte Prärogative des Staates, daß er sich 
zunächst die Beurkundung von Veränderungen 
im Grundbesitz seiner Bauern selbst vorbehielt 
und erst recht Eingriffe in den Besitzstand nur 
selbst durch seine Beauftragten vornahm. 


») In einzelnen Ländern und Landesteilen ist es indessen 
auch in der Zeit der Bauernbefreiung zu Umlegungen ge- 
kommen, die neben der besitzrechtlichen Regelung auch 
die totale Neuordnung der ganzen Flur und der Dorflage 
einschloß. Ein solches Land war Dänemark. 


193 


Wir stoßen also schon sehr früh auf die Ab- 


grenzung zwischen dem Staat und der bäuer- 
lichen Selbstverwaltung, und zwar an einem der 
wenigen Punkte, der seit jeher unbestritten war: 
daß Entscheidungen über den Besitz Sache des 
Staates seien, weil sie nicht dem Einfluß der 
übrigen Besitzenden unterworfen sein könnten. 


Inzwischen ist durch den Freiwilligen 
Landnutzungstausch eine neue Lage 
eingetreten. Dieses neue Verfahren ist aus 


dem dringenden kriegswirtschaftlichen Bedürfnis: 


nach einer beschleunigten, d.h. stark verein- 
fachten und auch im Kriege durchzuführenden 
Umlegung entstanden. In der Praxis zeigt sich 
auch überall, daß es sich in seinen Zielen der 
Umlegung zwangsläufig nähert. Denn kein Bauer 


will es bei dem einfachen Tausch der Land- 


nutzung bewenden lassen, sondern will Eigen- 
tümer werden, d.h. drängt mit seinen neuen 
Parzellen ins Grundbuch. Die wirtschaftlichen 
und rechtlichen Gründe dafür liegen vom Stand- 
punkt des Bauern auf der Hand. Außerdem ist 
dieses Streben agrarpolitisch sehr aufschluß- 
reich. Denn es läßt erkennen, wie sehr der Bauer 
ganz grundsätzlich jedes Auseinander- 
klaffen von Nutzen und Besitz, d.h. 
jeden Mir-ähnlichen Zustand ab- 
lehnt. Insofern ist der Landnutzungstausch 
den starken und einfachen Anfängen der Um- 
legung im 16. und 17. Jahrhundert nahe ver- 
wandt — einer Zeit allerdings, in der es noch 
kein Grundbuch und keinen Grundsteuerkataster 
gab. Nicht zuletzt läßt sich ein reiner Tausch 
bestehender Grundstücke mit ihren kataster- 
mäßigen Grenzen ohne Neuvermessungen nur 
mit geringem Nutzeffekt durchführen. Der 
Zwang zur Vermessung (ob nun in kleinerem 
oder größerem Umfang) läßt heute schon den 
Schluß zu, daß sich der Landnutzungstausch bei 
einer ungestörten Entwicklung immer mehr 
einer vereinfachten Umlegung annähern muß. 


Diese Entwicklung ist sehr bemerkenswert. 
Denn erstens konnte die Bedeutung der Um- 
legung durch kein geschriebenes oder ge- 


sprochenes Wort so bejaht werden wie durch 


den Landnutzungstausch. Weiterhin wird die 
Umlegung die Erfahrungen beim Landnutzungs- 
tausch bei der Fortentwicklung ihres eigenen 
Verfahrens nutzbringend verwerten können. 
Der Landnutzungstausch leistet hier eine sehr 
wertvollePionierarbeit, auch wenn seine 
Entwicklung eines Tages wieder in die kom- 
menden neuen Formen der Umlegung ein- 
mündet. 


Wenn festgestellt wurde, daß die Durchfüh- 
rung der Umlegung seit ihren Anfängen als 
Vereinödung oder Verkoppelung Sache des 
Beamten war, so ist damit für das 16., 17. und 


18. Jahrhundert ohne weiteres auch gesagt, daß 


194 


` 

sie Sache der politischen Herrschaft (oder in 
heutiger Terminologie: des Staates) war. 
heute ist diese Feststellung nicht so eindeutig, 
nachdem inzwischen die vom Staat eingerich- 
teten obligatorischen Selbstverwaltungskörper- 
schaften der Landwirtschaft zur Verkörperung 
des agrarpolitischen Willens der Bauernschaft 
erwuchsen. Träger der Arbeit in Staat und 
Selbstverwaltung ist der Typ des tech- 
nischen Beamten, in unserem Fall z.B. des 
beamteten Landwirts, der erst in den letzten 
Jahrzehnten ausgebildet wurde. Dieser neue 
Typ wird am deutlichsten durch die Ausbil- 
dungsverordnung von 1943 geprägt, die 
ihn gleichermaßen durch die staatliche Verwal- 
tung wie die Selbstverwaltung gehen läßt. Der 
Begriff der Selbstverwaltung in seinem früheren, 
reinen Sinn hängt dagegen mit der Ehrenamt- 
lichkeit ihrer Träger und auch mit der Ehren- 
amtlichkeit der Durchführung der Arbeit eng zu- 
sammen. Wenn das Schwergewicht der geleiste- 
ten Arbeit so weitgehend auf den beamteten 
Landwirt verschoben wurde wie schon heute, 
beginnt die Grenze zwischen Staat und Selbst- 
verwaltung undeutlich zu werden. Aus dem 
völlig gleichen Arbeitsstil dieses Fachmanns in 
Staat und Selbstverwaltung ist also ein An 
spruch auf ein Recht zur Durchführung der Um- 
legung von keiner Seite mehr abzuleiten. Wo 
die Durchfuhrung der Umlegung in Zukunft zu 
liegen hat, ist daher nur eine Frage der Zweck- 
mäßigkeit. 


Die Geschichte der Umlegung zeigt ein- 
deutig, daß es ebenso falsch ist, sie nur auf 
die Initiative des Staates, wie nur auf die 
Initiative der Bauernschaft zurückzuführen. Die 
‚Entwicklung der Umlegung verläuft nicht 
stetig durch die Generationen. Es hat Gene- 
rationen gegeben, in denen der staatliche 
Apparat mit der Zahl seiner Techniker den 
Anforderungen der Bauernschaft kaum nach- 
kommen konnte. Die Umlegung war in sol 
chen Jahrzehnten eine wahre Volksbewegung, 
das Beispiel wirkte weiter, und der Staat 
konnte auf jede anregende Tätigkeit verzich- 
ten. Er gab den gesetzlichen Rahmen, das 
Verfahren und führte durch, Die Anlässe zu 
einem derartig starken Mitziehen der Bauem- 
schaft waren — und das darf nicht vergessen 
werden — durchwegs wirtschaftliche! 
So konnte in der Vergangenheit ein aufblü- 
hender Wirtschaftszweig die Umlegung fördern 
oder erzwingen, wie heute der Einsatz der 
Technik und der Arbeitskraft. Auf der ande- 
ren Seite konnte es nötig sein, den Gedanken 
der Umlegung durch saturierte, rein konser- 
vativ denkende Perioden hindurchzutragen; 
Perioden, in denen vielleicht die Gedanken 
der Bauernschaft sich wirtschaftlich im ganz 


/ 


anderer Richtung bewegen mußten. Gerade 
dann, wenn kein augenblicklicher wirtschaft- 
licher Vorteil lockte, keine Not zwang und 
kein Beispiel zündete, war es die Aufgabe 
des Staates (und der Wissenschaft). 
die Linie der agrarpolitischen und 
der Arbeitstradition der Umlegung 
zu kalten. 

Wir wollen am Schlusse zusammenfassend 
die Verfahren oder Planungen aufzeichnen, die 
sich mit der Neugestaltung des deutschen Dor- 
fes befassen: Ohne Zweifel das älteste ist 
die Siedlung, heute als Neubildung deut- 
schen Bauerntums in ein erprobtes Verfahren 
gebracht. Ihr Stammbaum läuft durch alle Pe- 
rioden der deutschen Geschichte hindurch — 
nur ist die Kontinuität der zugrunde liegen- 
den Gedanken nicht allgemein bewußt. Das 
zweitälteste (wie es ja geschichtlich nicht 
anders sein kann) ist die Umlegung, die auf 
eine wissenschaftlich erforschte Geschichte 
von rund 400 Jahren zurückgeht. Der Land- 
nutzungstausch ist eine neue Phase im Be- 
streben, die Umlegung lebendig zu erhalten. 
Die dritte Gruppe von Verfahren und 
Planungen ist in den letzten Jahren entstanden: 
der Gemeinschaftsaufbau im Bergland 
und die Vorarbeiten für die Aufrüstung 
des Dorfes. Zwischen den drei Gruppen 
steht die Planungsarbeit der Bestandsaufnah- 
men und der Wunschbilder für zukünftige Be- 
und Aussiedlungsmaßnahmen. Die genannte 
dritte Gruppe ist der geschichtliche Ausdruck 
der technischen Revolution und ihrer Auswir- 
kung auf das Dorf. Weder das bisher ent- 
wickelte Siedlungs- noch das Umlegungs- 
verfahren hatte diese technische Entwicklung 
berücksichtigt: das Siedlungsverfahren hatte 
keinen Anlaß, sich um die bestehenden Dörfer 
zu kümmern, weil seine Aufgabe war, neu- 
zeitliche Neubauernhöfe zu begründen; der 
Umlegung war seit 1937 zwar die Dorfauflocke- 
rung als Aufgabe eröffnet, aber noch nicht 
die technische Aufrüstung des Dorfes. 

Es scheint eine geschichtliche Erfahrungs- 
tatsache, daß traditionsreiche Verfahren nur 
sehr selten in der Lage sind, von sich aus 
ewas Entscheidendes zu ihrer Verjüngung zu 
tun. Die Anstöße dazu müssen von außen 
kommen. Aufgabe der agrarpolitischen Füh- 
rung war es dann stets, zunächst die Anstöße 
gewähren zu lassen, bis sich die Richtigkeit 
ihres Ansatzes erwiesen hat; dann aber früher 
oder später die Einheit des erneuerten 
Verfahrens wieder herzustellen, um 
die Gefahr einer Parallelentwicklung zu ver- 
meiden. Der Vorgang beim Verjüngen eines 
Obstbaumes darf als Gleichnis vor Augen ge- 
bracht werden! S 


In einer ähnlichen Lage ist die Umlegung. 
Es ist nicht nur ihr Verhältnis zum Land- 
nutzungstausch, das eines Tages zu ihrer 
Weiterentwicklung beitragen wird. Auch ihr 
Zusammenhang mit der Neubildung deutschen 
Bauerntums wird ein unlösbarer in dem 
Augenblick, in welchem ganze Landschaften 
bearbeitet werden sollen. Diese Einheit wird 
heute schon andeutungsweise in Bestandes- 
aufnahme und Wunschbild verkörpert. Erst 
recht muß die Umlegung mit der Aufrüstung 
des Dorfes in ein enges Verhältnis treten, 
sobald deren Pläne in die Wirklichkeit um- 
gesetzt werden sollen. Das gleiche gilt für ihr 
Verhältnis zum Gemeinschaftsaufbau im Berg- 
land überall da, wo es sich auch im Bergland 
um geschlossene Dorflagen mit Gewannfluren 
handelt. Nicht zu vergessen ist ferner das 
Berücksichtigen der Anregungen, die von der 
Seite der Landschaftsgestaltung, also von den 
Schulen der Seifert und Wiepking- 
Jürgensmann gegeben wurden. Von dieser 
Schule der Landschaftsgestaltung ist das öffent- 
liche Interesse in einer sehr tiefgehenden Weise 
erregt worden. Dieses Interesse einer geistig 
sehr wesentlichen Schicht kann echterland- 
wirtschaftlicher Kulturarbeit einen 
nicht zu unterschätzenden Auftrieb 
geben. Der Umleger wird also den Land- 
schaftsgestalter nicht als Kritiker oder Hemm- 
schuh, sondern als einen seiner wichtigsten 
Verbündeten erkennen. 


Man kann sich sehr wohl vorstellen, daß zu 
unserem Siedlungs- und Umlegungsverfahren 
nun ein drittes technisches Aufbauverfahren 
tritt, dessen Bausteine inzwischen im Gemein- 
schaftsaufbau im Bergland erarbeitet werden. 
Diese drei Verfahren könnten auch wohl bei 
sorgfältiger Organisation der Zusammenarbeit 
nebeneinander weiterlaufen. Es ist aber nicht 
zuviel vermutet, daß die Entwicklung 
noch stärker wie jetzt zur Vereinheit - 
lichung in einem deutschen „Agrar- 
verfahren” oder „Landordnungsver- 
fahren” drängt, das alle die genannten 
bisherigen Verfahren als Spielarten der Anwen- 
dung auf das eine Ziel in sich vereinigt; ein 
Verfahren also, das es gestattet, die Umlegung 
der Feldflur im alten Stil, die Dorfauflockerung 
mit der Errichtung von Neubauernhöfen und 
die technische Aufrüstung des Dorfes nach 
Bedarf einzusetzen. 


Die Zukunft der Umlegung wäre schon dann 
keine kleine, wenn es nur bei einer Weiter- 
arbeit nach der heutigen Reichsumlegungsord- 
nung bei jener technischen Beschleunigung der 
Verfahren bliebe, die bereits in Arbeit ist: sie 
wird aber um so größer werden, je größere Ziele 
sie sich setzen darf! 


195 


KURT HECHT: 


'KARTOFFELWIRTSCHAFT 
IM FRIEDEN UND IM KRIEGE 


Z ehn Jahre EE E EAA S 


Is nach der Machtergreifung im Jahre 1933 

die nationalsozialistischee Agrarführung 
daranging, den landwirtschaftlichen Markt zu 
ordnen, erhob sich die Frage, inwieweit es not- 
wendig sei, auch auf dem Gebiet der Kartoffel- 
wirtschaft eine umfassende Marktordnung ein- 
zuführen. 


Nachdem ungefähr fünf Jahre nach Beendi- 
gung des Weltkrieges die Kartoffelernten wieder 
die Vorkriegshöhe angenommen hatten, trat 
von Jahr zu Jahr ein immer stärkerer Preis- 
verfallein, der seinen Tiefpunkt im Jahre 1932 
erreichte. Der Erzeuger erhielt zu diesem Zeit- 
punkt für seine an den Markt gebrachten 
Speisekartoffeln nur noch ungefähr 50 bis 


60 Prozent des Entgelts, das er 1913 erzielen . 


konnte. An diesem unerträglichen Zustand 
waren vor allem die Machenschaften des von 
jüdischen Großkapitalisten beherrschten Kar- 
toffelgroßhandels schuld. Es hatte sich bei Ab- 
satzschwierigkeiten eingebürgert, Speisekar- 
toffeln aus den Uberschußgebieten des Ostens 
nach den Verbrauchsgebieten des Westens ohne 
Bestellung zur kommissionsweisen Verwertung 
zu senden. Letzten Endes hatte nicht nur immer 
der Erzeuger den Schaden für diese zerrütteten 
Marktverhältnisse zu tragen, sondern auch der 
Verbraucher war der Willkür der Spekulation 
ausgesetzt. Er konnte sich niemals im voraus ein 
Bild über die zur Deckung seines Speisekartoffel- 
bedarfs notwendigen Ausgaben machen. Im 
übrigen wurden die Schwankungen bei der Kar- 
toffelpreisbildung oftmals zur Aufputschung po- 
litischer Leidenschaften benutzt. 


Daneben war der Absatz von Fabrikkar- 
toffeln ebenfalls von der Konjunktur der aus 
Kartoffeln hergestellten Erzeugnisse abhängig 
geworden. Durch den Weltkrieg hatten die 
deutschen Stärke- und Stärkeveredelungser- 
zeugnisse ihren vormaligen Absatz auf dem 
Weltmarkt verloren und außerdem mit dem 
Wettbewerb der aus eingeführtem billigem Mais 
hergestellten gleichartigen Erzeugnisse zu 
kämpfen. 

Ganz besonders schlechte Verhältnisse waren 
auf dem Frühkartoffelmarkt insofern ein- 
getreten, als durch die sinkende Kaufkraft der 
Bevölkerung und durch das Ansteigen einer 


196 


ungehemmten ausländischen Einfuhr der deutsche 
Frühkartoffelanbauer nur wenige Tage in den 
Genuß eines auskömmlichen Preises kam. Daher 
wurde der Hebel zuerst bei der Ordnung des 
Frühkartoffelmarktes angesetzt, indem im 


April A934 ein Sonderbeauftragter und Gebiets- 


beauftragte für die Regelung des Absatzes von 
Frühkartoffeln benannt wurden. Ihre Aufgabe 
war es, für auskömmliche Preise zu sorgen und 
den Absatz zu lenken. Dies wurde durch Fest- 
setzung von Mindestpreisen erreicht, die in be- 
stimmten Zeiträumen entsprechend den Erzeu- 
gungsbedingungen abgestuft wurden. Darüber 
hinaus wurden In den Haupterzeugungsgebielen 
die Frühkartoffeln über Ortssammel- und Be- 
zirksabgabestellen geleitet, um dadurch eine 
Zerrüttung des Marktes infolge zu starken An- 
gebotes zu vermeiden. Vor allem wurde die 
ausländische Einfuhr zurückgedrängt. Mit den 
ausländischen Lieferanten wurden über Preise 
und Lieferzeiträume Absprachen getroffen, die 
dem Schutze der deutschen Erzeugung dienten. 


Diese ersten revolutionären Maßnahmen 
waren von großem Erfolg begleitet. Nur die 
Spekulanten glaubten, daß mit Beendigung der 
Frühkartoffelzeit wieder die Zeit für ihre 
Machenschaften kommen würde Um das zu 
verhindern und vor allem den deutschen Er- 
zeugern einen gerechten Preis für die weitaus 
bedeutendere Menge der Spätkartoffeln zu ge- 
währleisten, wurde die Frühkartoffelmarktord- 
nung mit entsprechenden Abänderungen unter 
Beibehaltung des Systems der Beauftragten auch 
auf die Spätkartoffelbewirtschaftung ausgedehnt. 
Die zu lösende Aufgabe war für die gesamte 
Agrarpolitik von solcher Bedeutung, daß im 
Mai 1935 eine 


eigene Hauptvereinigung der 
deutschen Kartoffelwirtschaft 


ins Leben gerufen wurde. 


Nachdem nunmehr ein festumrissener Mit- 
gliederkreis gegeben war, wurde neben der 
Preisgestaltung vor allem die Bereini- 
gung des Handels in Angriff genommen. 
Für das ganze Reichsgebiet gültige Gütevor- 
schriften mit klaren Bestimmungen über die 
Verantwortlichkeit der am Handel beteiligten 


Gruppen dienten der Erziehung und dem gegen- . 


seitigen Schutz. 

Ganz besonders nahm sich die junge Haupt- 
vereinigung der be- und verarbeitenden Kar- 
toffelbetriebe an, indem sie durch Schaffung 
einer eindeutigen Kontingentierung den Aus- 
gangspunkt für den weiteren Aus- und Aufbau 
schaffte. Durch Bereitstellung von staatlichen 

Zuschüssen wurden die Betriebe, die infolge der 

vorhergegangenen Konjunkturwirtschaft finan- 
ziell geschwächt waren, zu neuzeitlicherer und 
wirtschaftlicher Gestaltung veranlaßt. Die seit 
Jahren unter Absatznot leidenden Kartoffel- 
{locken wurden mit staatlichen Mitteln so 
verbilligt, daß ihre Verwendung in der Schweine- 
mast und der sonstigen Viehhaltung wirt- 
schaftlich wurde. 


Die Unabhängigkeitsbestrebungen des Reiches 
von ausländischen Getreideeinfuhren erleich- 
terten die Aufgabe, Kartoffeln zum Grundfutter- 
mittel unserer ausgedehnten Schweinehaltung 
zu machen. Durch Reichsmittel unterstützt, wur- 
den die Erzeuger bestimmt, Siloraum für die 
Vorratshaltung von Futterkartoffeln zu bauen. 


Nachdem einige Jahre Mindest- und Höchst- 
preise für Speise- und Fabrikkartoffeln bestan- 
den hatten, stellte sich heraus, daß infolge der 
unterschiedlichen Frachtbelastung die am wei- 
testen von den Märkten oder Verarbeitungs- 
stätten entfernt liegenden Gebiete immer erst 
nach dem Ausverkauf der marktnahen Gebiete 
bei ihrem Absatz zum Zuge kamen. Dies war um 
so störender, als gerade der durch das libera- 
listische Zeitalter notleidend gewordene Osten 
des Reiches hiervon betroffen wurde. Diese toten 
Winkel in den Erzeugungsgebieten wurden 
insofern vermieden, als der Preis für Speise- 
und Fabrikkartoffeln auf einen Franko- 
preis umgestellt wurde, indem nunmehr der 
Erzeuger die Fracht tragen mußte und es dem 
Verbraucher gleichgültig sein konnte, aus wel- 
chen Gebieten des Reiches er seine Kartoffeln 
bezog. Diese Belastung nahm der Erzeuger so 
lange auf sich, als er sich um den Absatz seiner 
Kartoffeln bemühen mußte. Durch den seit 1938 


von Jahr zu Jahr steigenden Bedarf an Speise- 


und Fabrikkartoffeln wurden die Absatzerwar- 
tungen der Landwirtschaft befriedigt und dar 
über hinaus Mengen gefordert, die über diese 
Erwartungen hinausgingen. Da die Erzeuger 
nunmehr ein Interesse daran hatten, nicht zu 
hohe Frachten tragen zu müssen, bestand die 
Gefahr, daß von den Uberschußgebieten weit 
entfernte Versorgungsorte nur zögernd oder 
nicht ausreichend beliefert wurden. Nachdem 
einige Zeit zur Vermeidung dieses Umstandes 
Reichszuschüsse über eine gewisse Frachthöhe 
hinaus bezahlt wurden, wurde deshalb eine end- 
gültige Lösung durch die Einführung eines 
Frachtenausgleichs für Speise- und 
Fabrikkartoffeln geschaffen. 


Als im Jahre 1935 bei Beginn der Erzeugungs- 
schlacht die Forderung auf Erreichung der 


50 Millionen Tonnen Kartoftelernte gestellt 
wurde, glaubten viele, dagegen einwenden zu 
müssen, daß für solche Kartoffelernten über- 
haupt keine Verwertungsmöglichkelten vor- 
handen seien. Die Durchfuhrung der Marktord- 
nung bis zum Beginn des großen europäischen 
Krieges hatte bewiesen, daß bei richtigen Maß- 
nahmen keine Kartoffelernte zu groß sein 
konnte. Damit war gleichzeitig der Beweis er- 
bracht, daß eine erfolgreiche Ordnung des Mark- 
tes die Voraussetzung für die Steigerung der 
Erzeugung ist. Im Rahmen der Maßnahmen zur 
Erzeugungsschlacht war besonderer Wert neben 
der Steigerung der Düngung und der Verbesse- 
rung der Anbau- und Erntemethoden auf zweck- 
entsprechende Züchtung und die Ausdehnung 
des Pilanzkartoffelanbaus in den klimatisch 
hierzu geeigneten Gebieten gelegt worden. Von 
Jahr zu Jahr standen steigende Mengen von 
gesundem Pflanzgut den unter Abbauerschei- 
nungen leidenden Gebieten zur Verfügung. 


Zusammenfassend kann festgestellt werden, 
daß die Arbeit der Hauptvereinigung der deut- 
schen Kartoffelwirtschaft in den zurückliegenden 
Friedensjahren der Schaffung klarer Preis- und 
Absatzverhältnisse, der Verstärkung der Her- 
stellung von Kartoffelveredelungserzeugnissen, 
der Heranziehung und Ausbildung wirtschafts- 
politisch gleichgerichteter und tatkräftiger 
Nährstandskaufleute und Genossenschaften galt. 


In diesem Krieg, den das deutsche Volk zur 
Wahrung seiner Freiheit zu führen gezwungen 
ist, hat die Kartoffelals Nahrungsmittel, 
Rohstoff und FEFutter grundlage eine, 
von Kriegsjahr zu Kriegsjahr stei- 
gende Bedeutung. Es kommt daher darauf 
an, die Erzeugung trotz mangelnder Betriebs- 
mittel möglichst hoch zu halten. Durch eine 
starke Ausdehnung der Erzeugung anerkannter 
Pflanzkartoffeln in den ersten vier Kriegsjahren 
gelang es, den kriegsbedingten Rückgang der 
Kunstdüngeranwendung in hohem Maße auszu- 
gleichen. Der zunehmende Bedarf an Speise- 
kartoffeln für die Volksgenossen in den Städten 
und für die Wehrmacht hatte zur Folge, daß der 
östliche Teil des Reiches als Haupterzeugungs- 
gebiet immer größere Mengen an Speisekartof- 


feln aufbringen mußte. 


Bei einer Verdoppelung des friedensmäßigen 
Verzehrs von Speisekartoffeln der Nichtselbst- 
versorger stieg der übergebietliche Verkehr nun- 
mehr auf das Vierfache der Vorkriegsjahre. 
Hiermit ist eine Leistung vollbracht worden, die 
neben der Ablieferungswilligkeit der Erzeuger 
im besonderen dem Einsatz der Reichsbahn zu 
danken ist. l 

Zur Sicherung des Bedarfs der Zuschußgebiete 
und zur Vermeidung von Kreuz- und Quertrans- 
porten wurde der übergebietliche Verkehr durch 
die Hauptvereinigung der deutschen Kartoffel- 
wirtschaft gelenkt. 

Um rechtzeitig genügend Speisekartoffeln den 
Verbrauchern zur Verfügung stellen zu können, 


197 


mußte die Vorratshaltung gegenüber den 
Friedensjahren wesentlich gesteigert werden. 
Da diese Aufgabe über das Leistungsvermögen 
des bestehenden Apparates der Kaufleute und 
Genossenschaften hinausging, wurde in den 
ersten Tagen des Krieges der Hauptvereinigung 
der deutschen Kartoffelwirtschaft eine Ge- 
schäftsabteilung angegliedert mit dem Auftrag, 
zusätzlich große Aufkäufe und Lagerungen 
durchzuführen. So wurde im ersten Kriegswinter 
eine Reichskartoffelreserve geschaffen 
sowie im weiteren Verlauf des Krieges durch 
Abschluß von Einlagerungs- und Lieferungs- 
verträgen mit den Erzeugern, durch Anlage von 
Mietenlagerplätzen und zusätzlichen Behelfs- 
lagerräumen jährlich eine Menge von mehreren 
Millionen Tonnen von der öffentlichen Hand 
erfaßt, gelagert und dem Verbrauch zugeführt. 
Infolge vermehrter Inanspruchnahme bereits 
vorhandener Kartoffellagerräume für andere 
Zwecke machte sich der Bau von Kartoffellager- 
häusern notwendig. Es gelang, hierdurch im 
dritten und vierten Kriegsjahr eine Einlage- 
rungsmöglichkeit für fast eine halbe Million 
Tonnen Kartoffeln neu zu schaffen. 


Während in den Friedensjahren die Verteilung 
der Kartoffeln in den Städten vom Großhandel 
zum Einzelhandel nur in beschränktem Umfang 
beeinflußt wurde, forderten die Kriegsverhält- 
nisse eine straffe Lenkung der Ware bis zum 
Verbraucher. Zur Sicherung der im dritten 
Kriegsjahr eingeführten Bezugsregelung wurden 
deshalb in den Stadtgebieten Bezirkseintei- 
lungen für den Handel vorgenommen und 
jeweils alle Empfangsverteiler einer Stadt 
zusammengeschlossen, an deren Spitze ein 
Gruppenverteiler gestellt wurde, dem die 
zentrale Schleusung und gleichmäßige Vertei- 
lung der Kartoffeleingänge obliegt. 


Im Gegensatz zum vergangenen Weltkrieg 
wurde jetzt mit allen Mitteln versucht, die Ver- 
arbeitung von Kartoffeln auf Stärke, Flocken 
und Walzmehl in dem schon in Friedensjahren 
gesteigerten Ausmaß aufrecht zu erhalten. Kar- 
toffelerzeugnisse spielen besonders im Kriege 
eine größere Rolle, als allgemein angenommen 
wird. Neben dem Einsatz für dringendste Be- 
darfe der Ernährungswirtschaft wie Kinder- 
nähr mittel, Puddingpulver, Sago, 
Traubenzucker Dextrose), Stärkesi- 
rup für Süßwaren und Marmelade und 
Beimischung zu Mahlerzeugnissen aus Roggen 
nehmen die Kartoffelveredelungser- 
z eugnisse eine Schlüsselstellung in der 
Rüstungsin dustrie und in großer Zweigen 
der gewerblichen Wirtschaft ein. Diese 
Bedeutung forderte auch hier die zentrale Er- 
fassung der Ware und Lenkung des Absatzes. So 
arbeiten die Stärkeverkaufsgemein- 
scheaft und die Kartoffelflockenzentrale 
als rationalisierter Verkaufsapparat aller Her- 
stellerbetriebe nach den Weisungen der Haupt- 
vereinigung der deutschen Kartoffelwirtschaft 


198 


"Kriegsbewirtschaftung mit 


und sind auf diese Weise in die Marktordnung 
eingebaut. 


Die Spirituserzeugung beruht auch im 
Kriege im wesentlichen auf der Kartoffelverarbei- 
tung, wenn auch erntebedingt andere Rohstoffe 
wie z.B. Zuckerrüben eingesetzt werden müssen. 


Für das Gelingen der Umstellung auf die 
ihren wesentlich 
strengeren und schärferen Formen war die schon 
in Friedensjahren richtig aufgebaute und be- 
währte Marktordnung Voraussetzung. Bei dem 
Aufbau der Organisation der Kartoftfelwirtschaft 
war von dem Grundsatz ausgegangen worden, 
den notwendigen Verwaltungsapparat möglichst 
klein zu halten. Das bedingte, daß sich die 
Hauptvereinigung mit ihren Kartoffelwirtschalis- 
verbänden allein auf die Aufgabe der Führung 
beschränkte und die Durchführung den Kräften 
der beteiligten Wirtschaftskreise überließ. Die 
Kriegsbewirtschaftung stellte selbstverständlich 
wesentlich höhere Ansprüche an die Marktord- 
nungsorgane, die trotz Einberufung vieler wert, 
voller Kräfte zur Wehrmacht zahlenmäßig nicht 
erweitert wurden, sondern sogar eine Verringe- 
rung um 10 Prozent erfuhren. Auch die neu aut- 
gebaute Geschäftsabteilung wurde unter Befol- 
gung des genannten Führungsgrundsatzes klein 
gehalten, indem Kaufleute und Genossenschaften 
selbstverantwortlich weitestgehend eingeschal- 
tet wurden. 


Wo die Durchführung der Marktordnung un- 
bedingt eine Vertiefung erfahren mußte, wie bei 
der Durchorganisation der Erfassung, ist nicht 
der Verwaltungsapparat vergrößert, sondern 
sind ehrenamtliche Mitarbeiter herangezogen 
worden. Aus diesem Grundsatz heraus ist es zur 
Ernennung von Beauftragten für die Kar- 
toffelwirtschaft — jeweils für das Gebiet 
einer Kreisbauernschaft — gekommen. 


Uberblickt man noch einmal die zehnjährige 
Tätigkeit der Hauptvereinigung und ihrer Ver- 
bände, so ergeben sich folgende Erkenntnisse: 


1. Der Krieg hat die Kartoftelwirtschaft vor 
vollkommen neue Aufgaben gestellt. 


2. Diese Aufgaben wurden unter Wahrung des 
Führungsprinzips mit einem kleinen Stab von 
Mitarbeitern unter maßgebender Einschaltung 
der privatwirtschaftlichen Kräfte bewältigt. 


3. Die Marktordnung wird auch im Kriege 
gemäß den schon friedensmäßig gegebenen 
Grundsätzen weitergeführt. 


Auf dieser Grundlage wird auch in kommen- 
den Friedensjahren gearbeitet werden müssen, 
denn die Kartoffel als wichtigte Frucht für die 
Intensivierung der leichten Böden des deutschen 
Ostens muß in ihrem Anbau erhalten und in 
ihren Ertragsleistungen gesteigert werden. Bei 
einem dann zu erwartenden Rückgang des Speise- 
kartoffelbedarfs muß die Kartoffel Rückgrat 
einer ausgedehnten Schweinehaltung und Roh- 
stoff für eine erweiterte Herstellung höchstwer- 
tiger Veredelungserzeugnisse sein. 


FRANZ G. M. WIRZ: 


„HOT SPRINGS - COLD WATER: 
„HEISSE QUELLEN — KALTER KAFFEE” 


Eine ernäbrungspbysiologisce Auswertung 


ls es das Zeitalter der Industrialisierung 

England ermöglichte, seinem Überseehandel 
neue ungeahnte Möglichkeiten zu erschließen, 
opferte es sein Bauerntum und seine boden- 
ständige Ernährung dem Freihandel zuliebe, um 
mit diesem liberalistischen Wirtschaftssystem 
seine Industrieerzeugnisse in der ganzen Welt 


zu wirtschaftlichem und politischem Nutzen ab- 


setzen und unter anderem hochwertigste Nah- 
rungsgüter zu billigsten Preisen dabei ein- 
tauschen zu können. Diese Entwicklung führte 
in England selbst zweifellos zu einem außer- 
gewöhnlichen Wohlstand bestimmter Kreise und 
trug auch zu der politischen Machtvergrößerung 
wesentlich bei, während die Industriearbeiter 
nicht viel weniger als die Bauern die Leidtra- 
genden wurden. Ebenso wie hierbei die na- 
tionale Wirtschaft durch Weltwirt- 
schaft und die nationale Arbeitslei- 
stung durch Weltarbeitsteilung ab- 
gelöst wurde, so trat an die Stelle der boden- 
ständigen Ernährung die Weltwirtschaftsernäh- 
rung, bis diese mit 75 Prozent die Gesamt- 
ernährung des englischen Volkes decken mußte. 
Bodenständige Ernährung, die sich durch Jahr- 
hunderte und Jahrtausende in einem bestimmten 
klimatisch wie geologisch charakteristischen 
Lebensraum für Menschen bestimmter Art und 
Rasse aus Instinkt und Erfolg heraus entwickelt 
hat und diesem oder jenem Volke eine volle 
biologische Lebensmöglichkeit gewährt hat, ist 


ein organisches natürliches Gebilde, während . 


die Weltwirtschaftsnahrung ihrem ganzen We- 
sen nach ein spekulatives Produkt darstellt, ge- 
horcht sie doch nicht den ewig gültigen inneren 
Gesetzen zwischen artgebundenen Lebewesen 
und umweltbestimmter Ernährung, sondern ver- 
sucht im Rahmen des größtmöglichen wirtschaft- 
lichen Nutzens das rein mengenmäßige Nah- 
rungsbedürfnis zur Erhaltung billiger Arbeits- 


kräfte knapp zu befriedigen. S 
| 


- Ernährungsänderung, 


Viele Tausende von Jahren sind vergangen, 
seit der seßhafte, den Boden bearbeitende, pflü- 
gende, säende und erntende Bauer und Vieh- 
züchter den früchtesammelnden und tierjagen- 
den Nomaden ablöste. Englandabermachte 
im vorigen Jahrhundert sein ganzes 


. Volk wieder zu Nomaden, die sich ihre 


Nahrung so, wie sie die Weltwirtschaft darbot, 
kaufen mußten. Die Art der Ernährung 
wurde also nicht mehr den ernäh- 
rungsphysiologischen Bedürfnissen 
entsprechend gestaltet, wie dies zwangs- 
läufig bei der bodenständigen Ernährung der Fall 
gewesen war, sondern siewurdedurchdie 
Wirtschaft bestimmt. So kam es zu einer 
deren physiologische 
Schwächen und Schäden heute offenbar und 
auch von aller Welt anerkannt sind. Sogar die 
jahrelangen Untersuchungen einer eigenen 
Kommission des demokratischen Völkerbundes, 
die ihre diesbezüglichen Berichte in den Jahren 
1936 und 1937 veröffentlichte, endeten mit die- 


sem Ergebnis. Unter den vielen gleichlaufenden 


Einzeluntersuchungen ist besonders eine von 
dem Dänen Pedersen über die Ernährungs- 
wandlung bei den Eskimos Westgrönlands und 
deren Folgen hervorzuheben. Auch diese wur- 
den nämlich in die weltbeglückende Arbeits- 
teilung einbezogen und tauschten 60 Prozent 
ihrer vollgesunden Ernährung gegen Erzeugnisse 
der Weltwirtschaft ein. Die Folgen an Gesund- 
heit und Leistungsfähigkeit blieben nicht aus. 
Auch Deutschland war in den allgemeinen Stru- 
del dieser Entwicklung einbezogen worden. Mit 
der Machtübernahme wurde auch hier das 
Steuer herumgeworfen. Von da ab bietet die 
Welt das Schauspiel einer völlig divergenten 
Entwieklung: bei den demokratischen Ländern 
das Bestreben, die Weltwirtschaftsernährung 


199 


zum Weltprinzip zu machen; bei den autoritären 
Staaten demgegenüber der Wille zur nationalen 
bodenständigen Ernährung. 


Wie um die Weltanschauungen der beiden 


Gruppen schon längst vor dem jetzigen Krieg 


auf das heftigste gekämpft wurde, so versuchten 
auch die Betreiber der Weltwirtschaft die Be- 
strebungen nach bodenständiger Ernährung zu 
durchkreuzen. Eine verlorene Schlacht bedeu- 
tete es in diesem Sinne für die Demokratien, als 
es Deutschland bald fertiggebracht hatte, sich 
aus den Maschen des internationalen jüdisch 
beherrschtenWeltgetreidehandels frei zumachen. 
Die nationalsozialistische Dlsaatparole setzte 
dem Einbruch der englisch-jüdischen Margarine- 
wirtschaft einen Damm entgegen und der for- 
cierte Hackfruchtanbau machte Deutschland 
mehr und mehr unabhängig von dem auslän- 
dischen Futterkuchen. 


Noch einmal versuchten unsere Feinde, dieser 
Entwicklung im Frieden Abbruch zu tun. Auf 
dem internationalen Ernährungskongreß 1937 ih 
Paris wurde unter jüdischer Initiative die Er- 
richtung einer internationalen Ernährungsbank 
beschlossen, die es allen Staaten, auch den min- 
derbemittelten, ermöglichen sollte, an den Seg- 
nungen der Weltwirtschaftsernährung teilzu- 
nehmen. Man war also sogar zu goldenen 
Fesseln bereit, nachdem es nicht mehr anders 
ging. Dabei stand der Entschluß, diesen Weg zu 
wählen, sogar offensichtlich im Widerspruch zu 
der Empfehlung und dem Urteil der eben 
erwähnten Völkerbundskommission, die in 
ihrem Schlußbericht ausdrücklich erwähnte, daß 

die schlechten Ernährungsverhält- 
nisse, die in England und USA. beson- 
ders groß seien, nur durch nationale Maß- 
nahmen geändert werden könnten. So erfuhr 
die Weltwirtschaftsernährung der 
Demokratien durchihre eigenen Sach- 
verständigen damals eine vernich- 
tende Aburteilung. Aber das änderte 
nichts an der Haltung der Gegenseite. Die Welt- 
wirtschaftsernährung war doch nicht geschaffen 
und entwickelt worden, um den Völkern der 
ganzen Welt die beste und gesündeste Ernäh- 
rung zu ermöglichen, sondern um die Welt aus- 
zubeuten, genau so wie England seine eigenen 
Bauern und seine eigenen Industriearbeiter hier- 
bei ausgebeutet hatte und sie heute noch nach 
englischem Zeugnis genau so ausbeutet. 


Nach allem bedeutet daher die Entschließung 
von Hotsprings, die landwirtschaftliche Er- 


zeugung aller Länder der Welt restlos und 


bedingungslos der Weltarbeitsteilung jüdisch- 
plutokratischer Art zu unterstellen, eine ge- 
radlinige Fortsetzung der bisherigen Bestrebun- 


200 


gen der Feindseite zur Förderung der Weltwirt- 
schaftsernährung, und sie bildet in diesem Sinne 
das Schlußglied in der Kette, deren erstes zu 
Beginn des 19. Jahrhunderts von England ge- 


schmiedet wurde und unter dem Symbol des 


Freihandels die Völker täuschte, ihnen Wohl- 
stand verhieß, aber Elend und politische Knech- 
tung einbrachte. Das Schlußglied dieser Kette 
wird aber nicht mehr mit einem gleißenden Wort 
geschmückt, denn es bedarf nicht mehr des Be- 
trugs, der im Frieden angezeigt und einträglich 
genug war, sondern es soll jetzt die brutale 
Ankündigung einer totalen Vergewaltigung 
schrecken. Darum wurde in Hotsprings 
auch offen gefordert, daß Deutschland 
z.B. überhaupt kein Getreide mehrer- 
zeugen dürfe. Das Schlußglied der Kette, 
mit der Deutschland gefesselt und ausgehungert 
werden soll, bedeutet daher nichts weniger als 
die Apotheose, die Krönung und Verherrlichung 
der Weltwirtschaftsernährung. 


Es ist wichtig, sich dieser Dinge bis zum 
letzten bewußt zu sein, auch wenn längst erwie- 
sen ist, daß nicht irgendein idealer Weltbe- 
glückungsplan, sondern nacktes Geldinteresse 
und machtpolitisches Streben die Weltarbeits- 
teilung jetzigen Stils und in ihrem Rahmen die 
Weltwirtschaftsernährung herbeigeführt haben. 
Es soll auch ganz davon abgesehen werden, daß 
die Pläne von Hotsprings weder volkswirtschaft- 
lich noch technisch verwirklicht werden können. 
Nicht das ist entscheidend, was an den Plänen 
utopisch bleiben muß, sondern das, was durch- 
führbar ist. Wenn sich Deutschland und mit ihm 
ganz Europa auch nur so weit der Weltwirt- 
schaftsernährung überantworten würde, wie es 
England tatsächlich getan hat, als es drei Viertel 
seiner Eigenernährung aufgab, würde der Scha- 
den an der Gesundheit und der Leistungskraft 
Europas mindestens ebenso groß sein, als er 
auch in England und sonstwo bei der Aufgabe 
der bodenständigen Ernährung gewesen ist. Wer 
nur einigermaßen die Geschichte und die Geo- 
graphie der Ernährung übersieht, kennt die 
Größe der Unterschiede in den Volksernährun- 
gen, die nicht nur je nach Rasse, sondern auch 
nach Klima und Landschaften anzutreffen sind. 
Man vergleiche doch nur im eigenen Land die 
freigewählte Ernährung etwa eines Hamburgers 
mit der eines Bayern, eines Ostpreußen mit der 
eines Rheinländers, um dies bestätigen zu müs- 
sen. Jede dieser Ernährungsformen, 
so unterschiedlich sie auch sein mö- 
gen, ist in sich harmonisch, wenn sie 
bodenständigist,d.h. sie enthält nicht nur 
Energiestoffe, sondern auch alle Wirkstoffe, die 
je nach Ort und Klima durch verschiedene Na- 


! 
+ 


DieKunst 
des 


Blaudruckes 


— 


Ein 
altes 


22222 


Handwerk 


Zu den kaum noch geübten, fast ver- 
gessenen Handwerkskünsten qehört auch 
der Blaudruck. Nur in wenigen Land- 
städten und Dörfern begegnen wir noch 
vereinzelten Meistern als letzten Hütern 
ihrer Kunst, die im besten Sinne des 
Wortes die Bezeichnung „Volkskunst“ 
verdient, denn sie wurzelt zutiefst im 
bodenständigen Volkstum. Ihre Druck- 
stöcke überliefern uns in mannıgfaltiger 
Abwandlung die alten Sinnbilder deut- 
schen Bauernglaubens und sind ein ein- 
drucksvolles Zeugnis eines urtümlichen 
Stilgefühls. Auch heute noch werden die 
Druckstöcke, wie uns das rechte Bild 
zeigt, vom Meister selbst geschnitzt. Im 
Hintergrund des Bildes ein Teil der Borde 
mit den alten kostbaren Mustern 


Stoff aufge 
wird auf 
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strichen, 
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Druckstot 
werden k 
druckte 
einen Re 


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ie eigentliche blaue Farbe entsteht erst durch Oxydieren 

Farbstoffes an der Luft. Um einen gleichmäßigen Luft- 

tritt zu sichern, wird das eben gefärbte Leinen aus- 
einandergeklopft 


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Die Säure der Druckmasse wird durch Wässern in einem 
Bach entfernt. Die fertigen, getrockneten Decken werden 
gerollt und zusammengelegt 


Muster aus einem 
Tiroler Mu- 
sterbuch 


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turerzeugnisse gewährleistet werden. So ent- 


spricht der Zitrone als C-Vitaminträger in un- 


seren Breitengraden die Hagebutte und die 
schwarze Johannisbeere, um nur ein Beispiel zu 
nennen. Wie aber erst unterscheidet sich die 
Ernährung des Europäers etwa von der des Ja- 
paners, des Eskimos oder des Kirgisen! 
und Konstitution, wie z. B. mit der größeren 
Darmlänge des Japaners, spielen hierbei eben- 
falls eine wichtige Rolle. Wollte man demgegen- 
über einwenden, daß es möglich sein müsse, alle 
Menschen der Welt mit den drei Grundnah- 
rungsmitteln Getreide, Fleisch und Fett zu er- 
nähren ohne Rücksicht darauf, wo diese erzeugt 
seien, so hat gerade die Weltwirtschaftsernäh- 
rung in ihrer englischen Reinkultur den Beweis 
dafür erbracht, daß dies vielleicht theoretisch 
möglich ist, aber praktisch zum Mißerfolg führen 
muß. Je mehr sich nämlich eine Ernährung auf 
diese drei Grundnahrungsmittel beschränkt, um 
so größer ist die Gefahr der Mangelernährung 
mit Wirkstoffen aller Art, auch wenn eine 
Deckung des Nahrungsbedarfes hinsichtlich der 
nötigen Brennwertmenge gewährleistet er- 
scheint. Aber selbst die genannten drei Grund- 
nahrungsmittel weisen je nach ihrer Art und 


Herkunft große ernährungsphysiologische Un- ` 


terschiede auf.. Wenn 2. B. für große Gebiete 
Deutschlands der Roggen das boden- 
und klimageeignetste Getreide dar- 
. stellt, so weiß man heute, daß der Roggen für 
diese auf Grund seines Fluorgehaltes auch das 
physiologisch beste Getreide bedeutet. 
Der Bewohner der rauhen Nordseeküste bevor- 
zugt ebenso wie der Alpenländer im Gebirge, 
zumal etwa der Holzfäller, auf Grund seiner 


Arbeitsleistung fettes und derbes Fleisch, wäh- 


rend der Rheinländer wie der Badenser fett- 
freies und zartes Fleisch liebt. Das entspricht 
nicht allein dem unterschiedlichen Geschmack, 
sondern ebensosehr den verschiedenen physio- 
logischen Bedürfnissen. Und gar beim Fett spielt 
die Frage der Herkunft, ob pflanzlicher oder 
tierischer Art, ermährungsphysiologisch eine 
geradezu lebensentscheidende Rolle auf Grund 
des Bedarfes an fettlöslichen Vitaminen und be- 
sonderen Fettsäuren, denen von einigen For- 
schern sogar echter Vitamincharakter zuge- 
sprochen wird. Aber erst die Zukost, je nach 
Land und Volk wiederum verschieden, hier Kar- 
toffel, dort Soja, wieder woanders Reis oder 
Taro, die Art und die Menge von Obst und Ge- 
müse usw. entscheiden darüber, ob diese oder 
jene Gesamternährung, so verschieden sie auch 
sein mag, im Sinne der ernährungsphysiolo- 
gischen Voliseitigkeit harmonisch ist oder nicht. 
So muß jede Volksernährung eine ge- 


Rasse 


t 


schlossene Einheit bilden, wie sie 
nur durch jahrhundertealte Bewäh- 
rung und durch Bodenständigkeit ge- 
währleistetwerdenkann und bei der man 


nicht einzelne größere oder kleinere Teile wie 
etwa bei einer Maschine auswechseln kann. 


Etwas ganz anderes ist es natürlich, wenn 
eine raumgebundene und bodenständige Ernäh- 
rung zusätzlich erweitert wird. Das ist nicht nur 
vielfach nützlich, sondern sogar nötig. Wieder- 
holt ist in diesem Sinne gefordert worden, die 
auf Grund der Weltwirtschaft im Gefolge der 
Industrialisierung, Verstädterung und Bevölke- 
rungszunahme im ganzen zu einseitig und daher 
mangelhaft gewordene Ernährung vor allem 
wieder vielseitiger zu gestalten, Je vielsei- 
tiger eine Ernährung ist, um so besser 
gewährleistet sie die Zufuhr aller 
Arten von Stoffen, die zur besten Er- 
haltung von Gesundheit und Lei- 
stungsfähigkeit von Vorteil sind. So 
kann der Weg zur Verbesserung einer Volks- 
ernährung nur von dieser selbst ausgehen und 
auf dieser aufbauen. Dabei sind zuerst alle 
naturgegebenen Möglichkeiten zur Erweiterung 
des bodenständigen Anbaues auszuschöpfen, be- 
vor die Nahrungsergänzung aus anderen Lebens- 
räumen vorgenommen wird. Das System der 
Weltarbeitsteilung ist aber auf dem Gebiete der 
Ernährung den umgekehrten Weg gegangen, Es 
begann mit der Unterminierung der bodenstän- 
digen Ernährung durch den Freihandel und will 
nunmehr, noch darüber hinausgehend, mit Ge- 
walt und Zwang die Ernährung von Menschen 
und Raum, von Blut und Boden, d. h. von jeder 
naturgegebenen Bindung, deren Unversehrtheit 
allein Gesundheit und Leistungsfähigkeit ver- 
bürgen kann, lösen, um sie bestenfalls nach 
wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu gestalten. 
Statt die Ernährung aller Völker auf 
Grund von Erfahrung und Wissen- 
schaft in ernährungsphysiologischem 
Sinne durch gesundheitliche Ernäh- 
rungslenkung zu verbessern, würde 
der Plan von Hotsprings das ernäh- 
rungsphysiologische Chaos und die 
weitere Untergrabung von Gesundheit 
und Leistungsfähigkeit bedeuten. Aber 
dazu wird es nie kommen. Hotsprings bedeutet 
auf deutsch „heiße Quellen”. Mögen sich die, 
die an ihnen ihren Haß gegen Deutschland er- 
wärmten, ruhig die Finger verbrennen. Für uns 
Deutsche aber besagt Hotsprings nach dem eng- 
lischen Freihandelsergebnis für England selbst, 
der mißglückten Weltarbeitsteilung und dem 
Pariser Vorstoß noch im Frieden 1937 nur kalter 
Kaffee — auf englisch cold water. 


201 


HANS-UDO VON GRONE: 


_ FORSTVERBANDE 


VOM STANDPUNKT DES BAUERN AUS GESEHEN 


D: Bedarf der gegenwärtigen Kriegswirt- 
schaft, aber ebenso auch der künftigen 
Friedenswirtschaft an Holz, das zu einem der 
vielseitigst verwendbaren und kostbarsten Roh- 
stoffe geworden ist, zwingt zur Ausschöpfung 
aller forstlichen Produktionskräfte. Während 
der Wald der öffentlichen Hand und der größere 
und mittlere Privatwald sich bereits der oberen 
Grenze ihrer Ertragsfähigkeit genähert haben, 
ist die Ertragsmöglichkeit des privaten Klein- 
waldes bisher bei weitem nicht voll ausgenutzt. 
Auf die Gründe dieser Erscheinung, über die 
an anderer Stelle bereits ausführlicher ge- 
schrieben ist, hier näher einzugehen, würde 
im Rahmen dieser Abhandlung zu weit führen. 
Erwähnt mag nur werden, daß im wesentlichen 
drei Tatsachen dafür verantwortlich zu machen 
sind: die starke Besitzzersplitterung und die 
dadurch verursachte geringe durchschnittliche 
Größe des einzelnen Forstbesitzes, die, weit 
unter der optimalen forstlichen Besitzgröße 
liegend, eine eigentliche Forstwirtschaft auf 
dem einzelnen Besitz unmöglich macht oder 
zumindest sehr erschwert, die mangelnde Sach- 
kunde des Besitzers selbst, der überwiegend 
landwirtschaftlich eingestellt ist, und vor allem 
die Vernachlässigung des Bauerntums durch 
den liberalen Staat. 


Da rund 5 Millionen Hektar, also etwa ein 
Viertel der gesamten Waldfläche, auf den 
Kleinwald unter 100 Hektar Besitzgröße ent- 
fallen, würde schon eine Steigerung des Hektar- 
Ertrages dieser Fläche um 1 Festmeter die 
Holzernte um 5 Millionen Festmeter je Jahr er- 
höhen, wobei im Laufe der Zeit eine durch- 
schnittliche Erhöhung des Hektar-Ertrages um 
2 Festmeter durchaus im Bereiche des Mög- 
lichen liegt. Im Kleinwald liegen also gewal- 
tige Kraftreserven, die nur mobilisiert zu wer- 
den brauchen. Es händelt sich dabei nicht etwa 
um eine Mobilisierung in dem Sinne, daß alles 
vorhandene Holz eingeschlagen und er damit 
seines Holzvorrates beraubt werden soll. Das 
könnte nur zu einer einmaligen Erhöhung der 
Holzernte führen, um ihn dann in die völlige 
Ertragslosigkeit zurücksinken zu lassen. Ganz 
im Gegenteil soll seine Ertragsfähigkeit durch 
entsprechende Maßnahmen, wie den Anbau 
standortsgemäßer Holzarten, sachgemäße Pflege 


202 


~ 


der Kulturen und Bestände und richtige Holz- 
ernte nachhaltig gehoben und voll ausgeschöpft 
werden. 


So klar das Ziel ist, so schwierig ist der Weg 
zu seiner Verwirklichung. Vom rein forsttech- 
nischen Standpunkt aus gesehen, konnte es 
naheliegen, die sich aus der starken Besitz- 
zersplitterung des Kleinwaldes ergebenden nach- 
teiligen Folgen etwa durch seine Uberführung - 
in die öffentliche Hand zu überwinden, um nun 
auf großer Fläche unter einheitlicher Steuerung 
alle erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. 
Aus volkspolitischen Gründen mußte diese Lö- 
sung aber von vornherein ausscheiden, da sie 
allen nationalsozialistischen Grundsätzen und 
der Einstellung des Staates zum Bauerntum 
widersprochen hätte. Unter bewußter und aus 
drücklicher Ablehnung solcher Gedankengänge 
mußten daher Wege gefunden werden, bei 
denen unter voller Aufrechterhaltung des Eigen- 
tums die dem forstlichen Kleinbesitz zwangs- 


läufig anhaftenden Mängel in anderer Weise 


ausgeglichen und ihm die Vorteile des Groß- 
betriebes geboten werden. Diese Aufgabe soll 
in Zukunft durch die- Forstverbände über- 
nommen werden. 


-In der Verordnung über die Bildung wirt- 
schaftlicher Zusammenschlüsse in der Forstwirt- 
schaft vom 7. Mai 1943 hat der Beauftragte für 
den Vierjahresplan die ‚gesetzliche Grundlage 
für die Bildung von Forstverbänden geschaffen. 
Auf Grund der darin gegebenen Ermächtigung 
hat der Reichsforstmeister am gleichen Tage die 
Verordnung über die Bildung von Forstver- 
bänden erlassen, zu der unter dem 30. Juni 1943 
eine Durchführungsanordnung, eine Verfahrens- 
ordnung, zwei Mustersatzungen und ein Er 
läuterungserlaß ergangen sind. Die erstgenann- 
ten Verordnungen sind im Reichsgesetzblatt 
Teil I Jahrgang 1943 Nr. 50 Seite 298—301 und 
die Durchführungsbestimmungen in dem Reichs- 
ministerialblatt der Forstverwaltung Jahrgang 
1943 Nr. 18 Seite 134—145 abgedruckt. Damit 
ist ein Plan verwirklicht worden, der durch 
die Zeitumstände notwendig geworden war und 
in eingehender und enger Zusammenarbeit 
zwischen Reichsforstmeister, Reichsernährungs- 
minister und Reichsbauernführer seine Form 
gefunden hat. 


\ 


Auf den ersten Blick muß die Fülle der er- 
gangenen Vorschriften, die nun einmal nötig 
sind, um eine neue Organisationsform ins Leben 
zu rufen und sie arbeitsfähig zu machen, über- 
raschen. Es kann auch für den oberflächlichen 
Betrachter zunächst der Eindruck daraus ent- 
stehen, daß dem kleinen Waldbesitzer nun eine 
Zwangsjacke übergezogen werden soll, die ihn 
gewissermaßen unter Vormundschaft stellt und 
in seiner selbstverantwortlichen Eigenwirtschaft 
behindert. Ist das wirklich der Fall und, wenn 
überhaupt, wie weit gehen diese Einschrän- 
kungen? 


Wenn man diese Fragen untersuchen will, 
muß man vom Sinn und Wesen des Forstver- 
bandes ausgehen. Daß das Eigentum des ein- 
zelnen Waldbesitzers in vollem Umfange auf- 
rechterhalten wird, ist als oberster Grundsatz 
von vornherein in der Grundlagenverordnung 
des Beauftragten für den Vierjahresplan fest- 
gelegt und zieht sich wie ein roter Faden durch 
das ganze Gesetzgebungswerk hindurch. Der 
Forstverband dient hiernach nur zur Durch- 
führung einzelner oder mehrerer Maßnahmen 
des Forstbetriebes, wobei der privatwirtschaft- 
liche Zweck der Stärkung der wirtschaftlichen 
Kraft “der beteiligten Waldbesitzer gleich- 
berechtigt neben den volkswirtschaftlichen 
Zweck der Holzaufbringung für die deutsche 
Wirtschaft gestellt ist. Im Forstverband soll 
also, durch Zusammenfassung der Kräfte das er- 
reicht werden, was dem einzelnen Waldbesitzer 
zu erreichen nicht möglich ist, weil er allein 
zu schwach ist. Unleugbar ist damit eine ge- 
wisse Einschränkung der wirtschaftlichen Frei- 
heit des einzelnen Waldbesitzers und seine Bin- 
dung an Weisungen des Forstverbandes ver- 
bunden und muß damit verbunden sein, wenn 
nicht der Mangel an Einsicht oder der Eigensinn 
eines Einzelnen die Errichtung des ganzen 
Zieles in Frage stellen soll. Die Eingriffe in die 
private Wirtschaftsfreiheit beschränken sich 
aber unter Anpassung an die gegebenen Ver- 
hältnisse und unter Vermeidung aller Gleich- 
macherei auf das zur Erreichung des jeweiligen 
Zweckes unbedingt notwendige Maß. Auch auf 
landwirtschaftlichem Gebiete gibt es Zusammen- 
schlüsse mit ähnlichen Bindungen, wie z.B. An- 
bau- und Ablieferungsverpflichtung bei Zucker- 
fabriken, Kartoffelflockenfabriken, Molkereien. 
Niemand wird behaupten, daß dadurch das 
Eigentum in irgendeiner Weise berührt oder 
dem Eigentümer das Gefühl genommen ist, auf 
eigener Scholle selbstverantwortlich zu wirt- 
schaften. 


Im einzelnen lassen sich die im $1 der Ver- 
ordnung des Reichsforstmeisters über die Bil- 
dung von Forstverbänden aufgezählten sieben 
Aufgaben eines Forstverbandes nach der Tiefe 
des Eingriffes in die Wirtschaftsfreiheit des ein- 
zelnen Betriebes in folgende Gruppen auf- 
gliedern: 


I. Gruppe: 


1. Bau und Unterhaltung von Holzabfuhr- 
wegen und Holzbringungsanlagen; 


2. Durchführung von Maßnahmen des Forst- 
schutzes; 


3. Beschaffung von Forstsämereien und Forst- 
pflanzen. 


Obwohl diese Maßnahmen überhaupt nicht 
oder nur ganz geringfügig in die Wirtschafts- 
freiheit eingreifen, können sie in ihrer Auswir- 
kung für den einzelnen Waldbesitzer von größ- 
ter Bedeutung sein. Erst das Vorhandensein 
guter Abfuhrwege und sonstiger Bringungs- 
anlagen, besonders im Hochgebirge, gewähr- 
leistet einen sicheren Absatz allen eingeschlage- 
nen Holzes zu normalen Preisen. Fehlt es an 
solchen, so werden erhebliche Mengen wert- 
vollsten Holzes nicht bringbar sein und nutz- 
los verkommen. Die Aufschließung solcher 
Waldgebiete kommt daher allen Beteiligten zu- 
gute. Der Schutz der Forsten gegen Schäden 
aller Art kann schon aus dem Grunde nur von 
der Gemeinschaft der Waldbesitzer vorgenom- 
men werden, weil sich die meisten Schäden, 
wie Naturkatastrophen, pflanzliche und tierische 
Schädlinge, nicht auf das Eigentum eines ein- 
zelnen Kleinwaldbesitzers beschränken. Auch 
die Beschaffung von Forstsämereien und Forst- 
pflanzen durch den einzelnen Kleinwaldbesitzer 
stößt in der Regel auf größte Schwierigkeiten 
sowohl hinsichtlich der Auswahl des geeigneten 
Pflanzmaterials wie des Versandes. 


II. Gruppe: 
1. Verbesserungen des Bodens und der Holz- 
bestände; 


2. Ausführung von Forstkulturen, Aufforstung 
von Odland und anderen ungenügend ge- 
nutzten Flächen.. 


Mit diesen Maßnahmen ist bereits ein ge- 
wisser Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit ver- 
bunden, da der einzelne Waldbesitzer die 
Durchführung auf seinem Eigentum dulden muß. 
Aber auch sie wirken sich unmittelbar zu seinem 
Vorteil aus. In den meisten Fällen würde er 
allein gar nicht in der Lage sein, gie durchzu- 
führen/ 


III. Gruppe: 


Aufbringung und Verwertung von Holz und 
forstlichen Nebenerzeugnissen. | 


Hiermit ist bereits ein stärkerer Eingriff in 
die Wirtschaftsfreiheit verbunden, da der ein- 
zelne Waldbesitzer grundsätzlich seine Holz- 
ernte nur noch durch seinen Forstverband ver- 
werten, also nicht mehr frei über sie verfügen 
kann. Wichtig ist, daß sowohl sein Eigenbedarf 
wie der örtliche Brennholz- und Nutzreiser- 
absatz nicht davon betroffen wird. Der über- 
wiegende Vorteil liegt aber darin, daß seine 
meist geringe Holzernte durch die Zusammen- 


203 


fassung mit den übrigen Holzmengen überhaupt 


erst markt- und verkaufsfähig wird, während er 
bisher in der Regel auf jede geldliche Einnahme 
aus dem Walde verzichten mußte. Die Holz- 
umlage wird in Zukunft dem Forstverband er- 
teilt und von diesem auf die einzelnen Wald- 
besitzer nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit 
umgelegt, während bisher die Unterverteilung 
durch den Ortsbürgermeister in einem verhält- 
nismäßig rohen Verfahren erfolgen mußte. 


IV. Gruppe: 


Bestellung genügend ausgebildeter oder be- 
fähigter Dienstkräfte für die Bewirtschaf- 
tung und den Schutz der Waldung. 


Diese Maßnahme greift am weitesten in die 
Eigenwirtschaft ein und kann praktisch bereits 
eine Reihe der vorher aufgeführten Maßnahmen 
mit einschließen. 


Gegen eine Uberspannung des Gemeinschafts- 
begriffes sind verschiedene Schutzbestimmun- 
gen eingebaut. Der Eigentümer eines Wald- 
grundstücks, dessen ordnungsmäßige Bewirt- 
schaftung anderweit gesichert ist, kann gegen 
seinen Willen in einem Forstverband mit der 
ausschließlichen Zweckbestimmung der Gruppe 
IV nicht einbezogen werden. Das wird immer 
dann der Fall sein, wenn der Waldeigentümer 
selbst genügend ausgebildet oder befähigt ist 
oder eigene genügend ausgebildete oder be- 
fähigte Dienstkräfte in seinem Forstbetriebe be- 
schäftigt. Eine bestimmte Mindestgröße des 
Waldbesitzes ist absichtlich nicht genannt, weil 
die verlangten Voraussetzungen nicht allein 
von der Größe abhängig sind. Auch in Forst- 
betrieben unter 100 Hektar kann eine ordnungs- 
mäßige Bewirtschaftung durchaus gesichert 
sein. Waldbesitzer, die selbst Waldsamen- 
klengen oder Forstbaumschulen besitzen, dürfen 
ebenfalls nur mit ihrer Zustimmung zu der ge- 
meinschaftlichen Beschaffung von Forstsäme- 
reien und Forstpflanzen herangezogen werden. 
Auch in der Ordnung der Beiträge ist dafür 
Sorge getragen, daß grundsätzlich die Beiträge 
nur nach Maßgabe des Nutzens, der dem ein- 
zelnen daraus erwächst, erhoben werden. 


Ein weiterer Schutz der Einzelwirtschaft ist 
in folgenden Bestimmungen zu erblicken: 


Nach $4 der Verordnung über die Bildung 
von Forstverbänden soll die Bildung eines 
Forstverbandes grundsätzlich freiwillig ge- 
schehen; Voraussetzung ist, daß mehr als die 
Hälfte der beteiligten Eigentümer, die zugleich 
mehr als die Hälfte der beteiligten Flächen ver- 
treten, der Bildung des Forstverbandes zu- 
gestimmt haben. Nur hilfsweise findet eine Bil- 
dung von Amts wegen ohne Zustimmung der 
Beteiligten statt, wenn die Ziele, die mit der 
Bildung von Forstverbänden verfolgt werden, 
nur auf diese Weise erreicht werden können. 
Von besonderer Wichtigkeit ist, daß dem ein- 


204 


zelnen Mitglied des Forstverbandes ein Stimm- 
recht bei den Beschlußfassungen über alle 
wichtigen Angelegenheiten des Forstverbandes 
zusteht, das sich auch auf die Wahl der Or- 
gane des Forstverbandes erstreckt. Dieses 
Stimmrecht ist nach der Fläche gestaffelt, wo- 
bei jedes Mitglied mindestens eine Stimme hat 
und niemand mehr als zwei Fünftel der 
Stimmen haben darf. In der Regel wird auf je 
ein volles. oder angefangenes Hektar eine 
Stimme entfallen. Dadurch wird erreicht, daß 
das Schwergewicht der Stimmenzahl fast in 
allen Fällen in der Hand der bäuerlichen Mit- 
glieder des Forstverbandes liegen wird ($9 der 
Verordnung über die Bildung von Forstver- 
bänden). In 57 dieser Verordnung ist ferner 
die Selbstverwaltung ausdrücklich festgelegt, 
wonach die Forstverbände ihre Angelegen- 
heiten selbst unter eigener Verantwortung im 
Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu ver- 
walten haben. Die Bildung, Betreuung und Be- 
aufsichtigung der Forstverbände erfolgt in der 
Dienststelle des Reichsforstmeisters und in den 
Dienststellen der höheren Forstbehörden durch 
die Privatwaldabteilung, also Organe, die vom 
Reichsbauernführer dem Reichforstmeister im 
Rahmen ihrer gemeinsamen forstlichen Organi- 
sation zur Verfügung gestellt sind. An der 
Spitze dieser Privatwaldabteilungen steht je- 
weils ein ehrenamtlicher Leiter, der selbst 
Privatwaldbesitzer ist. 


Zusammenfassend kann gesagt werden, daß 
die Eingriffe in die private Wirtschaftsfreiheit 


sich auf das unbedingt erforderliche Maß be- 


schränken und weitgehend durch die eigenen 
Organe des im Reichsnährstand zusammen- 
gefaßten Privatwaldbesitzes im Sinne einer 
wirklichen Selbstverwaltung durchgeführt wer- 
den sollen. Der Bauer, der mit Recht allen 
Neuerungen mit einem gewissen natürlichen 
Mißtrauen gegenübersteht, kann dieser Neue- 
rung, die nur zu seinem eigenen Besten dient, 
vertrauensvoll entgegensehen. Er darf nur 
nicht in den Fehler verfallen, die Arbeit in den 
Forstverbänden anderen zu überlassen, sondern 
muß diese Arbeit selbst in die Hand nehmen 
und sich selbst einsetzen, damit er das Steuer 
in der Hand behält. Eine große Gelegenheit ist 
gegeben, es gilt, sie jetzt richtig zu nutzen. 


Die hier vertretenen Grundsätze haben einen 
weiteren Niederschlag in den kürzlich ver- 
öffentlichten gemeinsamen Richtlinien des 
Reichsforstmeisters und des Reichsministers für 
Ernährung und Landwirtschaft sowie des 
Reichsbauernführers zur Leistungssteigerung 
im Bauernwald gefunden. Auch diese gemein- 
same Arbeit ist ein Teil der Erzeugungsschlacht 
um die Sicherung der Nahrungsfreiheit und der 
Rohstofffreiheit, wie sie der Führer im Vier- 


. jahresplan als eine besonders wichtige Auf- 


gabe der nationalsozialistischen Wirtschafts- 
politik eingeleitet hat. 


Mehr lernen 


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Die Bildbeilage gewährt einen kleinen Einblick in das vielfältige Leben und Treiben einer Ackerbauschule, wenige 
Kilometer südlich von Ansbach in Mittelfranken. Oben: Beim Studium naturgetreuer Nachbildungen von Bauernpflügen. 
Unten: In Erwartung der ersten Schlepperfahrt 


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Digitized by GG OUYN 


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Ein tüchtiger Landwirt muß heutzutage 

über mannigfaltige technische Kenntnisse 

verfügen. Bild links: Den Schülern wird 

der Knüpfvorgang am Bindemäher erklärt, 

Gleichzeitig wird das Erkennen der Ur- 

sachen von Störungen und deren Beseiti- 
gung praktisch geübt 


Bild unten: Der unter Mithilfe der Schüler zerlegte Schleifringmotor mit dem Anlaßwiderstand gibt willkomme 
Gelegenheit, Wesen und Arbeitsweise des Elektromotors zu erklären, während der Kurzschlußmotor (rechts 
mit Sterndreiecksschalter noch auf die Entschleierung seiner Geheimnisse harrt 


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Istpresse 


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Unterweisung in der Altersbestimmung des Pferdes nach den Zähnen 


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Bei der Herbstabfischung eines Weihers. Die Schüler werden auch in fischereilichen Arbeiten praktisch unterwiese 
— Eine Kuh wird zur Untersuchung durch den Tierarzt auf den Boden gelegt. Auch das will gelernt werden 


WALTER STAUSS: 


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Die Lan otechnik 


ie Hörsäle der landtechnischen Institute an 

den technischen Hoch- und Mittelschulen 
sind nicht erst seit Beginn dieses Krieges fast 
leer, sie weisen schon seit vielen Jahren und 
Jahrzehnten eine erschreckende Leere auf. Der 
starke technische Impuls, den das deutsche Volk 
durch den Nationalsozialismus erhalten hat, 
füllte die Lehrsäle der flugtechnischen, auto- 
technischen, maschinentechnischen, werkzeug- 
technischen und anderen Disziplinen der tech- 
nischen Schulen mit technisch begeisterten 
jungen Menschen. Die Hörsäle der land- 
technischen Institute blieben leer. 
Die Arbeit am schnellsten Flugzeug, am 
schnellsten PK W., an der durchdachten Werk- 
zeug maschine begeisterte die Jugend mehr 
als die Arbeit am Pflug, an der Dresch- 
maschine, am Binder. Sie schien ihr nicht 
des Schweißes der Edlen wert, sie erschien ihr 
als Grobschmiedearbeit. Und selbst Stipendien, 
die von Staats- und Wirtschaltsstellen gegeben 
wurden, vermochten nicht, das Interesse der 
Jugend für die Landtechnik zu wecken. Natür- 
lich wußte sie, daß der Schlepper seinen Einzug 
in die Landwirtschaft hielt, der. Schlepper schien 
auch als technisches Phänomen ganz Interessant; 
aber er genügte den hochgespannten Anforde- 
rungen der Jugend nicht. Die Lehrsäle blieben 
leer. 


Woh! trägt der Krieg wesentlich dazu bei, die 
Bedeutung der Landwirtschaft allen klar- 
zumachen. Daß die Ernährung.im fünften Kriegs- 
jahr noch ausreichend ist, wird wohl von allen 
anerkannt. Auch daß die Landtechnik zu dieser 
Leistung ihren vollen Anteil beiträgt, wird von 
den Zeitungen ja häufig betont. Aber da ist ja 
alles in Ordnung: Der Pflug geht durch den 
Acker, in seinen Furchen wachsen Brotgetreide 
und Kartoffeln, der Binder mäht das Korn, die 
Dreschmaschine drischt es, die Kartoffeln wer- 


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ALS BERUF DER ZUKUNFT 


den aus dem Boden geholt und das Volk wird 
satt. Und jedes Bild und jede Plastik, die sich 
mit der Landwirtschaft künstlerisch befassen, 
zeigen die Pferde und Ochsen, die geruhsam den 
Pflug ziehen, und die Menschen, die die Sense 
schwingen, genau wie vor drei-, vier- oder fünf- 


.hundert Jahren. Was also soll die Jugend 


an der Landtechnik begeistern? 


Jeder Bauer weiß, daß diese Geruhsamkeit 
nur scheinbar ist. Er weiß, daß in den Zeiten 
der Bestellung und der Ernte die Arbeit nie 
schnell genug geht. Er wünscht, daß ihm die 
Technik eine bessere Hilfe geben möge, aber er 
ist nicht technisch genug, ym Ratschläge zu 
geben, wie ihm die Technik helfen könnte. Er 
nimmt die technischen Mittel als gegeben, und 
sein Sohn, der Ingenieur wird, nimmt ebenso die 
Landtechnik als gegeben und wendet sich der 
Elektrotechnik, der Flugzeugtechnik, der Auto- 
technik zu. Die Hörsäle der landtechnischen 
Institute an den technischen Schulen bleiben 
leer. 


Jugend will weitgesteckte Ziele sehen. Hat 
die Landtechnik solche Ziele auf weite Sicht 
oder ist sie bereits so weit entwickelt, daß 
große Anderungen nicht mehr zu erwarten sind? 
Wohl ist sie die älteste Technik, die der 
Mensch einsetzte. Aber im Sinne einer neuzeit- 
lichen Technik ist sie noch sehr jung. Nehmen 
wir eines der ältesten Geräte des Menschen, 
den Pflug. Er war ursprünglich ein ungefüges 
Holzgebilde, das den Boden lockerte; er wurde 
allmählich leichter, in der Arbeit besser, er 
wurde der Stahlpflug unserer Tage, der auch 
noch nicht fertig ist, sondern gerade jetzt 
wieder in neuer Entwicklung steht. Als nun der 
Schlepper seinen Einzug in die Landwirt- 
schaft hielt, wurde der Pflug verstärkt, und 
damit schien der Einsatz des Schleppers für die 
Bodenbearbeitung technisch gelöst. Nun ist aber 


205 


die Kraftabnahme am Treibrad sehr ungünstig. 
Um den Zugwiderstand des Pfluges zu über- 
winden, muß der Schlepper eine hohe Adhäsion 
haben. Die wird durch ein hohes Gewicht er- 
reicht und durch Greiferräder, Luft- 
gummireifen und Laufketten verstärkt. 
Aber damit wird der Kraftbedarf immer größer, 
den der Schlepper für seine eigene Bewegung 
braucht. Jetzt hat er etwa 50 v.H. seiner Mo- 
torenstärke am Zughaken, das heißt, er braucht 
die Hälfte seiner Kraft und damit die Hälfte 
seines Brennstoffs, um vor der Arbeitsmaschine 
oder dem Arbeitsgerät herzufahren. Das ist kein 
guter Wirkungsgrad. Also erhebt sich die Frage, 
ist der Pilug das allein mögliche Gerät für die 
e Bodenbearbeitung? Käme man zu einem Gerät, 
das mit der Bearbeitung eine eigene Fortbewe- 
gung hätte, so würde die Kraft von der Kraft- 
\ maschine durch die Zapfwelle oder eine andere 
günstige Art übertragen werden können, die 
Kraftmaschine könnte leicht sein und mit wenig 
Kraft ihre eigene Fortbewegung durchführen. 
Dos naheliegende Gerät dieser Art wäre die 
Fräse, die aber den Boden so bearbeitet, daß er 


leicht verschlämmt. Ob das der Fall sein muß, 


ist noch festzustellen, Untersuchungen in dieser 
Richtung sind im Gange und scheinen verhei- 
Bungsvoll. 
Antrieb der Scheiben an Scheibenpflügen den 
Zugwiderstand des Pfluges so vermindern, daß 
der Schlepper nicht mehr der hohen Schlupf- 
gefahr ausgesetzt ist. Die Zugkraft des Schlep- 
pers zum Transport könnte ebenialls verringert 
werden, wenn man die Räder der Wagen vom 
Motor des Schleppers antreibt. 
wäre dann: weg vom Schlepper als Schlepper 
und hin zu einer Kraftmaschine, die mit gerin- 
gem Kraltaufwand vor der Arbeitsmaschine oder 
dem Arbeitsgerät herfährt. Das würde eine völ- 
lig neue technische Entwicklung bedeuten, die 
nicht von heute auf morgen abgeschlossen wird, 
die aber des Schweißes der Edlen wert ist. 


Und wie steht es mit der bäuerlichen Tech- 
nik? In technischen Dingen ist immer der Groß- 
betrieb der Pionier gewesen. Und immer hat die 
Entwicklung einer Maschine mit einem teuren, 
schweren Aggregat begonnen, das erst im Laufe 
der Jahrzehnte kleiner, eleganter, billiger und 
trotzdem leistungsfähiger geworden ist. Der 
Volkswagen zeigt diese Entwicklung sehr deut- 
lich. Der Großbetrieb hat also für die bäuerliche 
Technik Pionierdienst geleistet. Kann er diese 
Aufgabe beibehalten? Es scheint, daß die tech- 
nischen Voraussetzungen im Großbetrieb doch 
wesentlich anders sind als im bäuerlichen Be- 
trieb, besonders in der Familienwirtschaft. Der 
Großbetrieb kann Ingenieur und Techniker an- 
stellen, die den Maschinenpark in Ordnung 


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® 


206 


Vielleicht aber könnte schon der 


Die Richtung 


halten. Er kann also mit technischen Aggregaten 
arbeiten, die vom Fachmann bedient und ge- 
pflegt werden; er kann sich der Hilfe des Spezia- 
listen bedienen. Der Bauer aber ist sein eigener 
landwirtschaftlicher Betriebsleiter, der in erster 
Linie Bauer sein muß. Er kann nur sehr bedingt 
zu der Fülle seines Fachwissens auch noch Tech- 
niker sein; er muß einfache Maschinen und Ge- 
räte haben, deren Einstellung und Pflege er 
selbst durchzuführen vermag. Da nun der bäuer- 
liche Betrieb sich nicht die vielen Spezial- 
maschinen und Spezialgeräte halten kann wie 
der Großbetrieb, hat man ihm Vielfach- 
geräte gegeben, mit denen er verschiedene 
Arbeiten durch Umbau durchführen kann. Es 
ist nicht anzunehmen, daß dem Bauern der Nach- 
kriegszeit das technische Verständnis fehlt, da 
er als Kradfahrer oder Panzerschülze schon mil 
technischen Dingen zu tun hatte. Am tech- 
nischen Verständnis wird das Vielfachgerät nicht 
seine Grenzen finden, wohl aber an dem Grad 
der technischen Ordnung, dem sich die bäuer- 
liche Wirtschaft widersetzt. Dicht am Misthaufen 
geht nur allzu leicht eine Mutter und ein Splint 
verloren. Wenn man also jetzt dabei ist, den 
Schlepper durch An- und Abbau von Pflug, 
Drillmaschine, Egge, Grubber, Kar- 
toffelroder und Rübenheber, Heuzet- 
ter und Hungerharke zu einem Vielfach- 
gerät zu machen, so besteht die Gefahr, daß die 
einzelnen Teile gerade dann nicht zur Hand 
oder nicht in Ordnung sind, wenn sie gebraucht 
werden. Uber einen Lochstern ist der Mistwagen 
gefahren und hat ihn verbogen und eine Grub- 
berzinke ist spurlos verschwunden. Dieses 
„Merklin-Baukasten”-Prinzip mag als 
Spielzeug für ‚Kinder gut sein, da es keinen 
Schaden macht, wenn die besten Teile des 
Kastens verschwunden sind. Für den bäuer- 
lichen Betrieb, der ja keine Kinderstube, sondem 
eine sehr wichtige, volkswirtschaftliche Produk- 
tionsstätte ist, werden sich bald Schwierigkeiten 
ergeben. l 
Welchen Weg geht nun die Technik, um dem 
Berufsstand zu helfen, der nur wenig tech- 
nischen „Sinn“ hat, der Hausfrau? Sie gibt 
ihr den Tauchsieder,den Elektrofleisch- 
wolf, die Elektrokaffeemühle, den 
Staubsauger, den Elektroventilator. 
Die einzige Bedienung besteht darin, das Kabel 
in die Steckdose zu stecken. Könnte hier die 
bäuerliche Landtechnik nicht lernen, könnte sie 
nicht versuchen, das „Steckdosenprinzip" 
anzuwenden? Dann würde aus dem Schlepper 
eine selbstfahrende Elektrozentrale, an die das 
neue Bodenbearbeltungsgerät, die Dreschma- 
schine, der elektrisch bewegte Plattiormwagen, 
die Häckselmaschine, die Jauchepumpe usw. an- 


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geschlossen würden. Ist das utopisch? Wir 
wissen es nicht. Vor 40 Jahren war unsere Flug- 
technik auch noch Utopie. Jedenfalls scheint die 
Zeit bald reif, neben der alten Landtechnik für 
die bäuerliche Technisierung ganz neue Wege 
zu gehen. Und diese Dinge fallen ja dem Men- 
schen nicht arbeitslos in den Schoß. Es gilt zu 
arbeiten, zu forschen, zu versuchen, welche 
Wege weiterführen. Die Technik, die im Flug- 
wesen die kühnsten Träume unserer Väter über- 
trumpft hat, muß auch in der Lage sein, dem 
Flieger die Nahrung zu verschaffen, wenn er 
wieder den Boden betritt. 


Aber die Landtechnik ist viel enger mit der 
Natur verknüpft als die anderen Sparten der 
Technik. In der Spinnerei kann das Klima er- 
zeugt werden, das für die Herstellung der fein- 
sten Garne notwendig ist. Die Flugtechnik findet 
Wege, die Vereisung der Flugzeuge zu verhin- 
dern. Die Landtechnik aber kann die Natur nicht 
bekämpfen, sie muß sich die Kräfte der Natur 
dienstbar machen. Das bedingt, daß der Land- 
ingenieur mit dem Bodenkundler, dem Acker- 
und Pilanzenbauer, dem Pflanzen- und Tierzüch- 
ter, dem Pilanzenschuizfachmann und Tierarzt 
eng zusammenarbeitet, ja daß er bis zu einem 


gewissen Grade in das Fachgebiet dieser Spe- 


zialisten eindringt. 


Das alles spielt in das Stroh-Stallmist-Problem 
hinein. Es ist überwiegend ein Transport- 
problem. Das Stroh wird vom Felde herein- 
gefahren, wird in Scheunen gelagert, wird täg- 
lich zur Einstreu in die Ställe gebracht und als 
Mist auf den Misthaufen gefahren. Wer die 
Bedeutung des Stallmistes erkannt hat, packt 
ihn und pflegt ihn noch besonders. Dann wird 
er auf den Acker gefahren, gebreitet und unter- 
gepflügt. Eine Fülle von verschiedenen Arbei- 
ten, die bei den großen Gewichtsmengen viel 
Energie kosten. Wie kann man die Arbeiten ver- 
einfachen? Sicher nicht dadurch, daß man jeden 
einzelnen Arbeitsgang mechanisiert, weil da 
TFördereinrichtungen notwendig werden, die, 
täglich nur Minuten gebraucht, sich zu teuer 
stellen. Vielleicht aber ginge es mit der Ver- 
güllung des Mistes, wie es in den Grünlandwirt- 
schaften des Allgäus seit langer Zeit geschieht. 
Sofort melden sich der Bodenkundler und der 
Acker- und Pflanzenbauer und sprechen ihre 
Bedenken aus. Was will man denn mit dem 
Abmisten der Äcker erreichen? Man will die 
Gare des Bodens herbeiführen und verbessern. 
Gare aber ist ein vielseitiger Begriff. Wir unter- 
scheiden schon zwischen Frostgare, Bearbei- 
tungsgare, Schattengare. Gare hat aber etwas 
mit biologischer Belebtheit zu tun. Also will man 
mit dem Mist die Kleinlebewesen im Boden füt- 


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tern, die ihrerseits wieder die Nahrung für die 
Pflanzen vorverdauen. Diese Kleinlebewesen , 
atmen genau wie die Menschen Kohlensäure 
aus, die die Pflanzen mit Hilfe des Chlorophylis 
und des Sonnenlichtes in Stärke umwandeln. 
Wird dieser Effekt mit der Begüllung statt der 
Bemistung erreicht? Kaum, denn sonst hätte 
sich die Güllerei nicht auf die Grünlandflächen 
der Voralpen beschränkt. Wir wissen wohl, daß 
die Krümelbeständigkeit nach einer Abmistung 
wächst. Die Krümelstruktur des Bodens ist ja 
die Voraussetzung für die hohe Fruchtbarkeit 
des Bodens, während die Einzelkornstruktur dem 
Pflanzenwachstum keine günstigen Bedingungen 
gibt. Die schwammartigen Krümel sind die 
Wohnstätten der Kleinlebewesen. Ob nun das 
Stroh in dem Stalldung eine große biologische 
Bedeutung hat, ist noch nicht sicher; es saugt 
vor allem die Jauche auf. Welche Teile des 
Kotes die besondere Bedeutung für die Krümel- 
festigung haben, ist auch noch offen. Aber 
gehen alle diese Fragen den Landingenieur et- 
was an? Wir meinen ja, denn Technik ist in der 
Landwirtschaft noch sehr viel mehr als in den 
anderen Gebieten der Wirtschaft Mittel zum 


Zweck. Das erste Wort hat der Biologe, der 


Acker- und Pflanzenbauer, der Bodenkundler, 
der Biochemiker, der Tier- und der Pflanzen- 
züchter. Da aber sie nicht wissen können, wie 
ihnen die Technik helien kann, ist die engste 
Zusammenarbeit des Technikers mit ihnen er- 
forderlich. 

Damit aber erweitert sich das Feld des Land- 
ingenieurs zu größten Ausmaßen. Hier kann 
die Spezialisierung, die in der Technik zu den 
großen Leistungen geführt hat, nur zu leicht 
Schäden bringen, wie die Vernichtung der Bo- 
denfruchtbarkeit großer Teile der Vereinigten 


Staaten von Nordamerika gezeigt hat. Hier legt 


ein Aufgabengebiet für die technisch begeisterte 
Jugend von einer Vielseitigkeit und Reichhaltig- 
keit wie nirgends auf den anderen Gebieten der 
Technik. Hier ist für die schöpferische Kraft 
junger Ingenieure ein geistiges Arbeitsfeld, das 
mitreißen und begeistern muß. Aber das Ar- 
beitsfeld ist ein steiniger Acker; hier fällt kei- 

nem ein Gewinn mit leichter Mühe zu. Hier muB 

alles genau wie in der bäuerlichen Wirtschaft 

mit Arbeit und Schweiß erkauft werden. Aber 

wer mit ernstem Wollen, harter Zähigkeit und 

klugem Anpassungsvermögen die Arbeit auf- 

nimmt, der wird eine innere Genugtuung emp- 

finden, wie sie andere Gebiete der Technik 

kaum zu geben vermögen. Denn mehr als 

auf allen anderen Gebieten der Tech- 

nik liegt in der Landtechnik noch 

neues Land, das zu kultivieren jeden 

jungen Menschen reizen muß. 


207 


B. OBERMAYR: 


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im Reichsgau Wartbeland 


Mme August des vorigen Jahres gab Gau- 
leiter Greiser den Auftrag, in allen dafür 
geeigneten Gemeinden Dorfstuben einzurichten 
zur Erhaltung des Zusammengehörigkeitsgefühls 
des Landvolkes. Die erste Dorfstube im Gau 
wurde von ihm am Erntedanktag in Büttin im 
Kreise Samter feierlich dem Landvolk über- 
geben, weitere Dorfstuben haben inzwischen 
ihre Pforten geöffnet. In allen Kreisen hat eine 
emsige Tätigkeit eingesetzt, um trotz aller 
Kriegserschwernisse möglichst viele „Wohn- 
stuben der Dorf gemeinschaften“, wie 
sie mit Recht bezeichnet werden, zu schaffen. Da- 
mit wurde eine Bewegung eingeleitet, die über 
den Rahmen des Gaues hinaus für die bäuer- 
liche Kulturarbeit Bedeutung gewinnen kann, 
wenn auch zunächst besondere Verhältnisse im 
Warthegau den Antrieb und das Recht dazu 
gegeben haben, im fünften Kriegsjahr mit dieser 
Aktion zu beginnen. ' 

Bestimmender Gedanke dabei ist die Wie- 
derherstellung, die Erhaltung und der 
Schutz der Dorfgemeinschaft. Daß hier 
eine Not vorliegt, wurde in den ersten Aufbau- 
jahren des Warthegaues vielfach nicht erkannt, 
oder richtiger ausgedrückt, die Zeit, an diese 
Fragen heranzugehen, war noch nicht gekom- 
men. Das Leben in einem neuen Gau verlangt 
erst einmal die Ordnung der materiellen Dinge. 
Der Prozeß der Umsiedlung, die Volkstumsfrage 
und die Aufgabe, aus dem Gau wieder die 
Kornkammer des Reiches zu machen, bean- 
spruchen alle verfügbaren Kräfte. Der Umsied- 
ler mußte erst einmal mit den neuen Verhält- 
nissen fertig, d. h. vor allem mit Boden und 
Klima vertraut werden. Leistungsmäßig konnten 
ihm keine Freijahre gegeben werden, denn der 
Erzeugungsstand des Gaues, der in der Beliefe- 
rung des Altreiches mit Roggen und Kartoffeln 
an der Spitze aller Agrargaue steht, durfte 
durch die Umsiedlung keine Einbuße erleiden. 
Die Umsiedier kamen aus agrarischen Uber- 
schußgebieten, wo die Begriffe der Höchsterzeu- 
gung und Leistung keinen Sinn hatten. Jetzt gilt 
es, sie in den Pflichtenkreis eines deutschen 
Bauern im Zeichen der Kriegserzeugungsschlacht 
einzuführen, wozu eine große innere Umstellung 
bei ihnen erforderlich war. Die bäuerliche Be- 
ruiserziekung der Erwachsenen und der Jugend 


208 


hatte deshalb für den Warthegau von Anfang 
an eine entscheidende Bedeutung. 


Eine Vorrangstellung besitzt auch von vorne- 
herein die politische Erziehung im 
Warthegau. Sie gibt die Gewähr für die po- 
litische Geschlossenheit gegenüber dem Polen- 
tum. Die Ruhe und Sicherheit, die dieser Gau 
ausstrahlt, hat ihre Ursache in der ausgezeich- 
neten Haltung der deutschen Bevölkerung. 


Ungünstiger wird das Bild, wenn wir nach 
der Dorfgemeinschaft im Warthegau fra- 
gen. Sie hat sich in den meisten Dörfern noch 
nicht entwickeln können. Das starke und schöne 
Gemeinschaftsleben, das die bäuerlichen Um- 
siedlergruppen in der alten Heimat besessen 
haben, ist nicht wieder auferstanden. Selbst in 
den Gemeinden der alteingesessenen Deutschen 
im Warthegau hat die dörfliche Gemeinschaft 
sehr gelitten; das gesellige Zusammensein, das 
sie früher gepflegt haben, ist verkümmert. Vor 
einigen Monaten hat eine Osteinsa tzgruppe 
landwirtschaftlicher Studentinnen, größtenteils 
Bauerntöchter aus dem Altreich, einige Dörfer im 
Warthegau untersucht. Wie sie in ihren Berich- 
ten feststellten, konnten sie bei ihrer Arbeit in 
den Kreisen „keinerlei wirkliche Dorf- 
gemeinschaften finden”. Die Umsiedler 
erinnern sich mit Wehmut an den Zusammenhalt 
und den nachbarlichen Umgang in der alten Hei- 
mat, den sie hier sehr vermissen müssen. Der 
Verlust des Rückhaltes der bäuerlichen Gemein- 
schaft hat sich für die Landjugend bitter aus- 
gewirkt; ein großer Teil ist bereits in andere 
Berufe abgewandert, l 


Im vorigen Jahr war für eine Ausstellung in 
Posen, die das Werk der Ansiedlung anschau- 
lich machen sollte, als Leitgedanke die schöne 
Prägung gewählt worden: Umsiedeln heißt 
umpflanzen! Es kommt bei dem Umsiedeln 
auf das Wiederwurzelfassen an. Arbeit, 
Mühsal und Not gehören sicher dazu, damit 
ein Bauer wieder Wurzel -fassen kann. Im 
Warthegau hat es daran nicht gefehlt! Es gehört 
aber auch dazu, daß er mit seinem Gemüt und 
seiner Seele von dem Land Besitz ergreift, in 
das er verpflanzt worden ist. Das Heimisch- 
werden ist davon abhängig, daß sich wieder eine 
Dorigemeinschaft bildet. 


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‚Bei der 


Im allgemenien sind wir daran gewöhnt, bei 
dem Wort .Gemeinschaft nur an die politische 
Gemeinschaft, d. h. an die Volksgemeinschaft 
zu denken. Es steht außer allem Zweifel, daß 
alle heimgekehrten auslandsdeutschen Gruppen 
auf das stärkste von dem Erlebnis der Volks- 
gemeinschaft erfaßt worden sind. Auch der 
kleinste wolhyniendeutsche Bauer weiß, daß er 
ein Glied in einer kämpfenden politischen 
Front geworden ist. Das politische Gemein- 
schaftsbewußtsein gehört aber zu einer ganz 
anderen Ebene als die Dorfgemeinschaft, so nahe 
sie sich auch berühren. Unser geschichtliches 


Schicksal wird von der Kraft der politischen 


Gemeinschaft entschieden. Das Landvolk kann 
aber nur existieren, wenn es sich die Fähigkeit 
bewahrt, im Rahmen der politischen Gemein- 
schaft, als dessen Pfeiler, ein bäuerliches 
Sippen- und Gemeinschaftsbewußt- 
sein zu entwickeln. 


Für die geschilderte ungünstige Situation des 
dörflichen Gemeinschaftslebens im Warthegau 
sind mehrere Gründe maßgebend: 


1. Durch die Umsiedlung wurden die alten 
dörflichen Zusammenhänge zerrissen. 
Streulage der landwirtschaftlichen 
Grundstücke im Warthegau war es eine Unmög- 
lichkeit, die Dorfgemeinden wieder geschlossen 
anzusiedeln; sachliche Gründe politischer und 
volksbiologischer Art sprachen auch dagegen. 
Es konnte auch bei der Eile, mit der die Ansied- 
lung vorgenommen werden mußte, keine Rück- 
sicht auf die früheren Bindungen genommen 
werden. Wenn in der Planung daran gedacht 
war, so sind in der Praxis oft andere Wege 
beschritten worden, weil die Auswahl unter den 
verfügbaren Höfen bei dem Zustand der Ge- 
bäude zu gering war. 


Das Ergebnis ist, daß die Dörfer im Warthegau 
in ihrer landsmannschaftlichen Struktur ein sehr 
buntes Bild bieten. Volkstumsmäßig kam ein 
Teil der Umgesiedelten in für die Gemeinschafts- 
bildung ungünstigere Verhältnisse, da sie früher 
in geschlossenen deutschen Dörfern saßen, 


während jetzt ihre Heimstätten von polnischen 


Familien umgeben sind. Der nachbarliche Ver- 
kehr zwischen den deutschen Familien kommt, 
wenn sie verschiedener Herkunft sind, nur 
schwer in Fluß. Der bäuerliche Mensch er- 
schließt sich nicht so leicht dem Volksgenossen, 
der andere Sitten und Gewohnheiten und, was 
das Entscheidende ist, mit seiner Sippe keine 
Berührung besitzt. So ist es eine typische Er- 
scheinung im Warthegau geworden, daß auf 
vielen Höfen am Sonntag die Kutschen ange- 
spannt werden, um die nächstgelegenen Ver- 
wandten oder Nachbarn aus früherer Zeit zu 
besuchen. 


2. Durch die Streylage der Höfe wird eine 
Kernbildung gesellschaftlicher Art 
erschwert. Wo soll sich das Landvolk tref- 
fen? In vielen Gemeinden, besonders in den 
östlichen Kreisen, ist nicht einmal eine Einrich- 
tung vorhanden, die in deutschem Sinne als 
Gasthof angesprochen werden kann. | 


3. Die Übertragung der differenzierten poli- 
tischen Organisationsformen des Altreiches auf 
die ausgesprochene ländliche Sphäre der Ost- 
gaue hat die Gemeinschaftsbildung im bäuer- 
lithen Sinne nicht gefördert. Durch die Viel- 
heit der Organisationen und ihrer Ver- 
anstaltungen ist die bäuerliche Gemeinschaft 
aufgespalten und der ungezwungene gesellige 
Verkehr der Dorfbewohner untereinander zu- 
rückgedrängt worden. Das Eigenleben der Dorf- 
gemeinden wird außerdem dadurch stark beein- 
trächtigt, daß alle Veranstaltungen gewöhnlich 
am Sitz der Ortsgruppen und Amtskommissa- 
riate — die jeweils eine Reihe von Dörfern 
umfassen — stattfinden. Vor Jahren wurde der 
Versuch unternommen, zur Unterstützung der 
Gemeinschaftspflege der Deutschen auf dem 
Lande „Deutsche Häuser" zu schaffen. Das Er- 
gebnis blieb unbefriedigend, da der Standort 


dieser Häuser — sie befinden sich meist am 


Sitz der Amtskommissariate — nicht richtig ge- 
wählt war, und die Räume selbst in der Regel 
von Organisationen und Verbänden besetzt und 
damit zweckentfremdet wurden. 

4. Das Ubermaß an Betreuung in den 
ersten Jahren — diese Periode ist jetzt über- 
wunden — hat das Eigenleben des Landvolkes 
ebenfalls ungünstig beeinflußt. Wie viele Dienst- 
stellen und Organisationen haben sich damit 
abgegeben, den Umsiedlern mit Rat und Tat bei- 
zustehen! Jede Pflanze braucht, wenn sie 
umgesetzt worden ist, vor allem Ruhe, um sich 
erholen zu können; der Mensch nicht minder. 


5. Von größtem Schaden für die Dorfgemein- 
schaft sind alle Bestrebungen, rein städtische 
Formen der Unterhaltung und Freizeitgestaltung 
auf das Land zu bringen. Das Vorherrschen der 
„Bringeveranstaltung” ist der Tod eines 
eigenständigen bäuerlichen Kulturlebens und 
zerstört die geistige Substanz des Landvolkes. 
Wir müssen uns davor. hüten, dem Landvolk 
anzugewöhnen, daß es Zerstreuung haben muß. 
Der bäuerliche Mensch braucht Sammlung, Stär- 
kung seines Selbstgefühls, seiner Bodengebun- 
denheit und die Ausbildung seiner Fähigkeiten, 
seinen Feierabend selbst einzurichten, sich selbst 
zu genügen. 

Die Not, in der sich das dörfliche Gemein- 
schaftsleben im Warthegau befindet, hat zu der 
Dorfs tubenaktion geführt. Richtunggebend ist 
die Überlegung gewesen, daß erst einmal 


209 


der Raum geschaffen werden muß, der Mit- 
telpunkt des Dorfgemeinschaftslebens werden 
kann. Jahrhundertelang ist die Spinnstube ein 
solcher Mittelpunkt gewesen, bis der Geist der 
Verstädterung auch das Dorf erreichte und den 
Untergang der althergebrachten Formen und 
Einrichtungen dörflicher Geselligkeit herbei- 
geführt hat. Die Dorfstube soll als Vorläufer des 
späteren Dorfgemeinschaftshauses dienen. Es 
wird bereits im Kriege mit dem Aufbau be- 
gonnen, denn der Krieg verlangt einen beson- 
ders festen Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft 
zur Stärkung ihrer seelischen, politischen und 
wirtschaftlichen Kräfte. 


Für die Einrichtung und Benutzung der Dorf- 
stuben sind folgende Richtlinien und An- 
regungen herausgegeben worden, die ich in 
zusammengefaßter Form wiedergebe: 

Die Dorfstube ist eine Einrichtung der 
Dorfgemeinschaft. Sie steht am Feier- 
abend, an Sonn- und Feiertagen allen Dorf- 
bewohnern zur Verfügung, ganz gleich, ob 
sich ein kleinerer oder größerer Kreis zu- 
sammenfindet. Sie dient für die Dorfbewoh- 
ner auch als Lesestube. Bücher, Zeitschriften 
und ein Rundfunkgerät (vor allem für den 
Gemeinschaftsempfang) sollen möglichst 
vorhanden sein. Im Winterhalbjahr müssen 
die Dorfstuben mit Licht und Heizung aus- 
gestattet sein. (Die Wirtschaftsämter sind 
angewiesen worden, auf Antrag der Kreis- 


leitungen für jede Dorfstube bis zu 30 Zentner 


Kohlen für das Winterhalbjahr und bis zu 
\ 12 Liter Petroleum für jeden Monat zur Ver- 
fügung zu stellen.) Als Raum mit Licht und 
Wärme wird die Dorfstube während des 
Krieges in den Wintermonaten für die Dorf- 
bewohner und auch für die umquartierten 
Volksgenossen von besonderer Wohltat sein! 


Die Dorfstube ist als Wohnstube und 


nicht als Feierraum einzurichten. Die 
Besucher sollen sich in ihr wie zu Hause 
fühlen. Wenn es auch erwünscht ist, daß 
diese oder jene Gliederung der Partei oder 
sonstige Organisationen die Dorfstube für 
Versammlungen oder Besprechungen be- 
nutzen, so darf unter keinen Umständen die 
Dorfstube von einer Organisation mit Be- 
schlag belegt werden. Die Dorfgemeinschaft 
muß das Bewußtsein haben, daß sie die Trä- 
gerin der Dorfstube ist. Vor allen Dingen 
muß verhindert werden, daß religiöse Sekten 
sich in der Dorfstube einnisten. 


Als Dorfstube ist ein geeigneter Raum 
ausfindig zu machen, z. B. in der Schule, 
NSV.-Station, einem ehemaligen Pfarrhaus, 
Gutshaus oder auch einem geräumigen Bau- 
ernhaus, und sauber herzurichten. Falls noch 


210 


ein weiterer freier Raum vorhanden ist, soll 
dieser gleich als Webstube mit vorgesehen 
werden, da die Verbindung Dorfstube 
und Webstube besonders er- 
wünscht ist. 

Die Einrichtung soll im Kriege mit ein- 
fachsten Mitteln erstellt werden. Die 
Dorfgemeinschaft ist an ihrer Ausgestaltung 
zu beteiligen. Es kommt nur eine solide, 
schlichte, geschmackvolle Ausführung in 
Frage. Tische, Stühle, Bänke, ein heizbarer 
Ofen und möglichst ein verschließbarer 
Schrank sollen vorhanden sein. (Für die bau- 
liche Umgestaltung ist der Bauapparat der 
Siedlungsgesellschaften zur Verfügung ge- 
stellt worden; die innere Ausgestaltung hat 
die NS.-Frauenschaft übernommen.) 

An der Ayfbringung der finan- 
ziellen Mitfel soll die Dorfgemeinschaft 


beteiligt werden. (Die einmalige Einrichtung . 


erfolgt zum größten Teil aus Mitteln des 
Gauamtes für das Landvolk, die laufenden 
Kosten müssen nach einer Verfügung des 
Reichstatthalters in den Gemeindeetat 
übernommen werden.) 


Der Aufbau der Dorfs tuben im Kreis 
wird von dem Kreisamtsleiter für das Land- 
volk geleitet. Im Rahmen der Ortsgruppe ist 
zuständig der Ortsamtsleiter für das Land- 
volk. In der Dorfgemeinschaft selbst soll das 
Bestimmungsrecht über die Dorfstube der 


Ortsamtsleiter für das Landvolk bzw. der 


Ortsbauernführer erhalten (mit entsprechen- 
der Einschaltung des Politischen Leiters). 


Für den Besuch einer Dorfstube darf kein 
Zwang ausgeübt werden. Die Dorfstube 
soll mit der Zeit der natürliche Mittelpunkt 
für alle geselligen, kulturellen und poli- 
tischen Veranstaltungen und Feiern im Dorf 
werden, soweit sie in den Rahmen einer 
Dorfstube hineingehören. Für das Landvolk 
soll es zu einer Selbstverständlichkeit wer- 
den, die Dorfstube regelmäßig zu besuchen. 

Für die Erreichung dieses Zieles ist ent- 
scheidend, daß eine geignete Persönlichkeit 
zur Führung des Dorfgemeinschaftslebens im 
Dorfe gefunden wird. Sie sammelt um sich 
einen Kreis von Mitarbeitern bzw. Mitarbei- 
terinnen. Dabei sind die Kräfte zu bevor- 
zugen, die bereits durch die Arbeit der NS.- 
Frauenschaft, BDM., Hitler-Jugend, Arbeits- 
dienst, Landjahr usw. gute Voraussetzungen 


mitbringen. 


) 

Die Dorfstube dient einmal der zwang- 
losen Geselligkeit der Dorfbewohner, 
zum anderen sollen im Winterhalbjahr von 
Zeit zu Zeit, etwa alle vier Wochen, die 
Dorfstubenabende unter einem be 


- 


stimmten Leitgedanken stehen. Die gestal- 
teten Nachmittage oder Abende sollen das 
kulturelle und geistige Eigenleben des Dor- 
fes wecken und fördern. Hierzu folgende 
Vorschläge: 

1. Besondere politische Tagesereignisse wer- 
den erläutert (in Verbindung mit dem Zellen- 

abend). 

2. Wenn Radio vorhanden, werden Gemein- 
schaftsübertragungen angehört. 

3. Fragen des Bauerntums und der Landwirt- 
schaft werden besprochen. 

4. Urlauber erzählen von der Front. 

5. Jede Volksgruppe berichtet von ihrem 
Schicksal und ihrer Arbeit. Erzählungen von 
Gebräuchen, ‚Sagen und Märchen, sowie 
Lieder aus der alten Heimat. Es įst erstaun- 
lich, wie wenig die einzelnen Gruppen oft 

voneinander wissen. 

6. Die Dorfbewohner lernen aus Schilderungen, 
Gedichten und Liedern in großen Zügen die 
Gebiete des Großdeutschen Reiches kennen, 
vor allem die Gaue, aus denen die Vorfahren 
der Volksgruppen stammen (möglichst mit 
Abbildungen oder Lichtbildern). 

7. Gute Heimatkenner erzählen vom Warthe- 
land, seinem Schicksal, seiner Wirtschafts- 
struktur, seinen Bodenverhältnissen usw. mit 
besonderer Berücksichtigung des jetzigen 
Heimatkreises (Kreiskarte). 

8. Vorarbeiten für die Dorfchronik und Anlei- 
tungen zu Sippentafeln und Sippenbuch. (Eine 
schöne Aufgabe für den Dorflehrer.) 

9. Vorlesen geeigneter Geschichten und Bücher. 

10. Gemeinschaftliches Singen. 

11. Zusammenstellen einer Dorfmusik (Mund- 
und Ziehharmonika, Geige, Flöten usw.). 

12. Gesellschaftsspiele und Scharaden. 

13. Gemeinsame Vorbereitungen für Feiern, dem 
Jahreslauf entsprechend, z. B. Herstellung 
von Kränzen und Schmuck für Erntedanktag, 
Weihnachten, Muttertag usw. 

14. Herstellung von Gebrauchsgegenständen, 
Spielzeug und dergleichen. 

15. Fröhliche Abende. 

Es handelt sich nicht um eine Vorschrift, son- 
dern nur um Anregungen, aus denen für die 
Dorfgemeinschaftsarbeit jeweils das Passende 
herausgenommen werden soll. 


Die Richtlinien lassen erkennen, daß die Ein- 
richtung der Dorfstube selbst nur als der 
Anfang der zu leistenden Arbeit angesehen 
wird. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, anzu- 
nehmen, daß nach der mehr oder weniger gelun- 
genen Durchführung einiger Dorfabende, an 
deren Gestaltung womöglich die Dorfgemeinde 
nicht einmal beteiligt worden ist, die Dorf- 


gemeinschaft sich wieder in bester Ordnung 


‚befindet. Als ein Beispiel, wie vorgegangen 


werden muß, zitiere ich den Bericht eines 
Kreisleiters: 

„Nach. eingehender EEN mit den 
Vertretern aus den Ortsgruppen habe ich 
festgestellt, daß die Einrichtung von Dorf- 
stuben einem dringenden Bedürfnis der Land- 
bevölkerung entspricht. Nach den bisherigen 
Erfahrungen genügt es auch nicht, wenn z.B. 
eine Landortsgruppe, die in ihrem Bereich 
der Größe eines Amtsbezirks entspricht, nur 
eine oder zwei Dorfstuben einrichtet. Ich bin 
der Auffassung, daß wir entsprechend den 
örtlichen Verhältnissen in jeder Land- 
zelle schon jetzt eine Dorfstube einzurich- 
ten haben. Ich bin bisher bemüht gewesen, 
die Parteiarbeit in den Landortsgruppen 
stark zu dezentralisieren. Dabei hat sich bei 
verstärkter Verlagerung der politischen Are 
beit auf die Zellen von selbst ergeben, daß 
Umschau gehalten werden mußte nach ge- 
eigneten Räumen in den einzelnen Zellen- 
bereichen. Diese Räume sind bereits zu 
einem gewissen Mittelpunkt im dörflichen 
Leben geworden, so daß nichts künstlich 
konstruiert werden muß.“ 

Ein Wunschbild ist, daß einmal die Kreis- 
leiter, Landräte und Kreisbauernführer regel- 
mäßig im Jahr die Dorfstuben aufsuchen, um mit 
den Männern und Frauen der Gemeinde über die 
dörflichen Angelegenheiten und ihre Sorgen 
und Nöte zu sprechen. Der Reichsnährstand hat 
in diesem Winterhalbjahr alle Erzeugungs- 
schlachtveranstaltungen in Form von Dorfver- 
sammlungen und Dorfbesprechungen durch- 
geführt und dadurch einen ausgezeichneten 
Kontakt mit dem Landvolk bekommen. 

In engstem Zusammenhang mit dem poli- 
tischen und berufsständischen Leben im Dorfe 
steht die FPeier gestaltung und die Ge- 
selligkeit, für die das Landvolk wieder 
eigene Formen herausbilden muß. Auch dazu 
sind Erkenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten 
notwendig, die sich vor allem unsere Land- 
jugend wieder erwerben muß. Ohne ein sicheres 
Wissen um diese Dinge kann es kein dörfliches 
Gemeinschaftsleben geben. Wertvolle Mitarbeit 
ist bereits von der Landjugend geleistet worden. 
Im Warthegau haben auch der BDM.-Osteinsatz, 
das Landjahr, der Landdienst und der Reichs- 
arbeitsdienst für die weibliche Jugend vorbild- 
lich gewirkt. Unsere Jugend schafft die 
Brücke zu einem neuen Leben auf dem 
Lande! Daß im Kriege diese Kräfte um die 
Erneuerung des Dorfes wirksam werden, sei uns 
ein Zeichen für die schöpferische“ 
Fülle unseres Volkes, das seine besten 
Werte der bäuerlichen Tradition verdankt. 


211 


Die Bestrebungen des USA.-Kapitals zur Erringung 
wirtschaftlicher Machtpositionen in der ganzen Welt 
werden immer deutlicher erkennbar. Sie begannen 
bereits damals, als für die Lieferung von 50 alten Zer- 
störern an England militärische Stützpunkte verlangt 
wurden, und traten noch deutlicher hervor, als die 
Organisation der Unrra zeigte, daß die angeblich zur 
Versorgung der notleidenden Völker geschaffenen 
Einrichtungen nichts weiter bezwecken als eine 
skrupellose monopolistische Beherrschung der Lebens- 


. - mittelversorgung der Welt. jetzt werden die Ab- 


sichten noch deutlicher: USA. verlangt eine Bezahlung 


der im Rahmen der Pacht- und Leihvertrage ge- 


lieferten Waren in erster Linie nicht durch Devisen 
oder Gegenlieferungen in Waren, sondern durch die 
Beteiligung des USA.-Kapitals an bisher in 
britischem Besitz befindlichen wichtigen 
Erdölvorkommen in der Welt. Hier werden also 
wirtschaftliche Produktionswerte gefordert, um für 
alle Zeiten die Herrschaft des jüdischen USA.- 
Kapitals zu befestigen. Die europäischen Völker 
werden jetzt auch dort, wo bisher noch romantische 
Vorstellungen über die Möglichkeit irgendwelcher 
Hilfeleistungen aus Übersee bestanden haben sollten, 
die wirkliche Lage erkennen. Vielleicht wird das dazu 
beitragen, z. B. die Anstrengungen der europäischen 
Völker im Kampfe um die Nahrungsfreiheit noch zu 
verstärken. Staatsminister Riecke hat kürzlich in 
einem Rundfunkvortrag einen Überblick über die 
europäische Ernährungswirtschaft gegeben. Er ging 
dabei davon aus, daß außer Deutschland und dem 
faschistischen Italien unter Mussolinis Führung die 
kontinentalen europäischen Länder in der Vergangen- 
heit ihre landwirtschaftlichen Erzeugungskräfte nicht 
in dem erforderlichen Umfang ausgebaut hatten. Er 
wies an Hand der Statistik nach, daß die Hektarerträge 
in den meisten festilandeuropäischen Ländern in der 
Zeit zwischen den beiden Kriegen nicht oder nur 
unwesentlich gestiegen sind. Fast in allen Ländern hat 
eine verfehlte Wirtschaftspolitik die eigene Scholle 
zugunsten der Einfuhr von Übersee vernachlässigt. 
Das typische Beispiel hierfür ist Frankreich, das es 
nicht verstanden hat, Agrar- und Kolonialpolitik in 
Übereinstimmung zu bringen. Die Kolonien wurden 
zur Konkurrenz der eigenen Landwirtschaft. Sie 
lieferten die gleichen Erzeugnisse wie das Mutterland, 
und das Fehlen aller marktordnenden Maßnahmen ließ 
die heimische Landwirtschaft mehr und mehr zum 
Erliegen kommen. Damit ist zugleich ein Beispiel 
dafür gegeben, wie im liberalistischen System ein an 
sich großer Reichtum sich zum Unsegen wandeln kann. 
Die Vernachlässigung der französischen Landwirtschaft 
haben wir in ihrer ganzen Tragweite erst nach dem 
Frankreich-Feldzug erkennen können. Sie findet ihren 
Ausdruck letzten Endes darin, daß ein Viertel der 
europäischen Vorkriegseinfuhr auf Frankreich entfiel, 


212 


l.. 


obwohl dessen natürlicher Reichtum es gestatten 
mußte, Überschüsse für das übrige Europa zur Ver- 
fügung zu stellen. Auch im Osten und Südosten 
Europas hat eine verfehlte Handelspolitik die Er- 
zeugungsmöglichkeiten der Landwirtschaft niemals 
voll zur Entfaltung kommen lassen. Beide Gebiete 
konnten zwar Überschüsse an den übrigen euro- 
päischen Raum abgeben, aber keineswegs in dem 
Ausmaß, wie es auf Grund der natürlichen Bedin- 
gungen möglich gewesen wäre. Und selbst die Länder 
im Nordwesten Europas — die Niederlande, Belgien 
und Dänemark —, in denen die Landwirtschaft am 
intensivsten betrieben wurde, waren in hohem Maße 
einfuhrabhängig von Übersee, da ihre hochgezüchtete 
Veredlungswirtschaft — ihre stark ausgebaute Pro- 
duktion tierischer Erzeugnisse — nur noch zu einem 
verhältnismäßig kleinen Teil auf der heimischen 
Futtererzeugung, zum größten Teil aber auch wieder 
auf Einfuhren basierte. 


Staatsminister Riecke wies ferner darauf hin, daß 
Rußland, das vor 1913 mit einer Ausfuhr von 10 Mil- 
lionen Tonnen Getreide den Hauptfehlbedarf Europas 
deckte, sich in der Zeit zwischen den beiden Welt- 
kriegen der europäischen Zusammenarbeit fast völlig 
versagte. Das Ergebnis der verfehlten wirtschafts- und 
agrarpolitischen Maßnahmen in den meisten euro- 
päischen Ländern war eine starke Einfuhrabhängigkeit 
Festlandeuropas von Übersee. Diese bestand zunächst 
bei Futtergetreide und Futtermitteln und wirkt sich 
auf die Produktion von eiweißhaltigen Nahrungs- 
mitteln — Fleisch und Eiern — aus und erreichte beim 
Fett mehr als ein Drittel des europäischen Verbrauchs 
an Fett. Die Einfuhrabhängigkeit bestand also gerade 
bei den beiden hochwertigsten Nahrungsgütern. 


Die Folgen dieses verfehlten Systems haben sich 
sofort bei Beginn des Krieges gezeigt. Sie mußten 
immer stärker zutage treten, je mehr Länder im Laufe 
der Kampfereignisse von der überseeischen Einfuhr 
abgeschnitten wurden. Ein Land nach dem andern 
mußte rationieren. je abhängiger ein Land vorher von 
der Übersee-Einfuhr gewesen war, um so niedriger 
mußten seine Rationen ausfallen. Die Folge davon 
waren Hilferufe an Deutschland. Sie zu erfüllen war 
nicht leicht, denn auch unsere Nahrungsdecke ist ja 
nicht allzu reichlich. Sie völlig abzulehnen war eben- 
falls nicht möglich. Wertvolle Bundesgenossen konnten 
ernährungsmäßig nicht im Stich gelassen werden; 
ebenso konnten besetzte Gebiete mit für uns wichtigen 
Industrien nicht sich selbst überlassen bleiben. Bei 


dieser Lage konnte der Hebel aber nicht bei der Ver- 


teilung, er mußte vielmehr bei der Erzeugung an- 
gesetzt werden. Herbert Backe hat deshalb schon 
sehr früh in diesem Kriege zur europäischen Er- 
zeugungsschlacht aufgerufen. Heute, im fünften Kriegs- 
wirtschaftsjahr, können wir feststellen, daß diesem 


Ruf auf der ganzen Linie Folge geleistet worden ist. 
So manches Land, das zu Beginn dieses Krieges noch 
in erheblichem Umfang Zuschüsse forderte, hat sich 
durch energische Umstellungsmaßnahmen auf eigene 
Füße gestellt. Andere haben sich vom Zuschuß- zum 
Überschußgebiet entwickelt. So manche Erleichte- 
rung, nicht nur für uns, sondern auch für die gesamt- 
europäische Ernährungswirtschaft, trat dadurch ein, 
daß es trotz aller Schwierigkeiten gelang, den be- 
setzten russischen Raum in die europäische Wirtschaft 
einzubeziehen. 


StaatsministerRiecke kennzeichnete dann die Aus- 
wirkungen des inzwischen eingetretenen Verlustes 
eines Teils dieses Raumes, der in seinen Auswirkungen 


nicht überschätzt werden darf, ohne das, was er- 


nahrungs wirtschaftlich im Osten verlorenging, zu 
bagatellisieren. Die noch im Aufbau begriffenen Ge- 
blete hätten uns in Zukunft manche zusätzliche Er- 
leichterung unserer Ernährungssituation bringen 
können; auf der anderen Seite haben wir aber stets 
betont, daß der Schwerpunkt der landwirtschaftlichen 
Erzeugung stets im heimischen Raum liegt. 40% der 
europäischen Getreide- und Kartoffelerzeugung kom- 
men in Großdeutschland auf. Ein Nachlassen der 
Intensität unserer deutschen Landwirtschaft würde 


sich deshalb erheblich stärker auswirken als noch so ` 


große Flächenverluste im Osten. Wir brauchen also 
den im Osten eingetretenen Verlusten auch keine 
übertriebene Bedeutung beizumessen. Das gilt um so 
mehr, als wir erfolgreich am Aufbau der Landwirt- 
schaft in den europäischen Ländern gearbeitet haben; 
außer durch Lieferung von Maschinen, Geräten, 
Handelsdünger, Zuchtvieh usw. geschah dies durch 
den Einsatz von sachverständigen Männern als Füh- 
rungs- und Beratungskräfte. Der deutsche Landwirt- 
schaftsführer, der ursprünglich nur im sowjetischen 
Raum tätig war, arbeitet heute auch in Italien und in 
Frankreich. Er hat sich in allen Ländern bestens be- 
währt, 30 daß sich schon jetzt überall die Ergebnisse 
der Zusammenarbeit zeigen. Ein gutes Beispiel dafür 
ist die Vermehrung des Ölsaatenanbaues im gesamten 
Europa, im Westen sowohl als auch im Osten. All- 
gemein hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß der 
verstärkte Ölsaatenanbau das sicherste Mittel ist, 
die Fettlücke zu schließen. Wie unangenehm dieses 
Ergebnis unseren Gegnern ist, zeigt allein die überall, 
wenn auch mit kümmerlichen Mitteln, betriebene 
Gegenpropaganda. Darüber hinaus beginnt sich all- 
mählich eine europäische Arbeitsteilung anzubahnen. 
Die Entwicklung der Landwirtschaft in europäischen 
Ländern wird in Zukunft nicht mehr abhängig sein 
von zufälligen Marktlagen in Übersee, sondern sie 
wird sich ergeben aus den natürlichen Erzeugungs- 
bedingungen und der jeweiligen Lage zu den großen 
ebenfalls naturbedingten Absatzgebieten. Auf lange 
Sicht kann deshalb auch ernährungswirtschaftlich die 
Lage durchaus positiv beurteilt werden. 


Selbstverständlich muß immer wieder die Not: 
wendigkeit zum vollen Einsatz der einheimischen Er- 
zeugungsmittel betont werden. Stark im Vordergrund 
steht hierbei im Augenblick die Milchleistung. Zu 
dieser wichtigen Frage sprach Reichsobmann Bauer 


"Gustav Behrens auf einer milchwirtschaftlichen 


Tagung in Posen. Er betonte, daß für die Ernährung 
des deutschen Volkes einzig und allein der deutsche 
Bauer und der deutsche Acker ausschlaggebend seien. 
Diese vom Reichsnährstand schon immer betonte Tat- 
sache wird jetzt im fünften Kriegsjahr auch von 
weitesten Kreisen anerkannt. Bei der Versorgung 
spielen Brotgetreide und Kartoffeln eine ausschlag- 
gebende Rolle. Nicht minder wichtig und im fünften 
Kriegsjahr besonders vordringlich ist die Fetterzeu- 
gung. Hier liegt das Hauptgewicht bei der Milchwirt- 
schaft, die in der Butter das hochwertigste Fett liefere. 
Durch Aufklärung sind in der Milchwirtschaft, noch 
manche Reserven zu aktivieren. Die Schweinehaltung 
ist soweit wie irgendmöglich aufrechtzuerhalten, dabei 
muß der Verwertung der Zuckerrübe als Schweine- 
futter größte Beachtung geschenkt werden. Der 
Reichsobmann schloß mit dem Hinweis, daß eine aus- 
reichende Ernährung Voraussetzung für den Sieg sei 
und daß der Rüstungsarbeiter gut ernährt werden 
muß. Die Sicherung der Ernährung ist daher nicht nur 
eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Auf- 
gabe. Die weit über den ernährungswirtschaftlichen 
Rahmen hinausgreifenden politischen Aufgaben des 
Landvolks bildeten den Mittelpunkt der Ausführungen, 
die Oberbefehlslelter Herbert Backe auf der Reichs- 
leitertagung in München machte. Er umriß die Auf- 
gaben und die Entwicklung des Reichsamtes für das 
Landvolk als des politischen Führungsamtes der Partei 
für das deutsche Bauerntum. Die politische Führung 
des deutschen Bauerntums habe es zu einer Kraft- 
entfaltung ohnegleichen gebracht, die die Ernährung 
des deutschen Volkes gesichert habe. Dies ist um so 
bedeutsamer, weil gleichzeitig im Kriege ein stärkerer 


Entzug der männlichen Arbeitskräfte unvermeidlich 


war. Ohne die deutschen Bauernführer wäre diese 
Leistung nicht denkbar gewesen. Oberbefehlsleiter 
Backe entwickelte aus diesen Zusammenhängen her- 
aus das Verdienst der NSDAP., deren politische Er- 
ziehungsarbeit diesen Typ des nationalsozialistischen 
Bauernführers geschaffen habe, in dem sich in be- 
sonders glücklicher Form politisches Wollen und wirt- 
schaftliches Können vereinigen. Es ist kein Zufall, daB 
gerade in dem jetzigen Augenblick des Krieges in den 
agrarpolitischen Fragen die politische Haltung eine so 
große Rolle spielt. Das wirtschaftliche Können hat der 
Reichsnährstand in den Jahren der Erzeugungsschlacht 
besonders im Kriege unter schwierigsten Verhält- 
nissen unter Beweis gestellt. Im jetzigen Stadium des 
Krieges gewinnt demgegenüber ebenso wie in den 
Entscheidungskämpfen vor der Machtergreifung die 
politische Haltung immer stärker an Bedeutung. 


213 


Statistische Erhebung und 
Menschenführung 


Die Ausfüllung statistischer Erhebungsbogen Ist 
eine allen Staatsbürgern auferlegte Pflicht, die sich 


einer allgemeinen Abneigung erfreut. jeder sieht 


diesen weißen, grünen oder anders gefärbten Formu- 
laren mit gerunzelter Stirn entgegen und ist erst 
zufrieden, wenn er die Fragen beantwortet hat (am 
liebsten durch einen Strich) und der Bogen aus dem 
Hause ist. Gerade für den Bauern und Landwirt, 
der durch die in kürzeren Zeiträumen durchgeführten 
betriebswirtschaftlichen Umfragen besonders oft die 
Feder In die Hand nehmen muß, ist dieser „ewige 
Paplerkrleg“ eine bittere Pille, die nicht gern ge- 
schluckt wird. Um so beachtlicher ist die Tatsache, 
daß die Ausfüllung der Zählbogen nach wie vor mit 
größter Sorgfalt vollzogen wird und diese wahrheits- 
getreue Unterlagen für die staatlichen Lenkungs- 
maßnahmen darstellen. Die Gründe für dieses vor- 
bildliche Verhalten liegen einmal darin, daß der Bauer 
es gewöhnt ist, in seinem Betrieb mehrjährige Anbau-, 
Düngungs-, Arbeits- und Fütterungspläne aufzustellen. 
Er führt Buch und treibt Statistik im kleinen Rahmen. 
Niemand weiß besser als er, wie wichtig für ihn diese 
Voranschläge und Planungen sind, wie von ihrer 
Richtigkeit das reibungslose Funktionieren seines 
Betriebes abhängt. Daraus allein ist aber die offen- 
kundig gewordene Sorgfalt bei der Ausfüllung der 
statistischen Fragebogen nicht zu erklären; denn die 
Führung elner Betriebsstatistik geschieht im eigenen 
Interesse, während die generelle Statistische Erhebung 
dem Egoismus zuwiderläuft, richtet sich nach jhr 
doch — besonders im Kriege — die Höhe der Umlage, 
d.h. der Mengen Getreide, Milch, Futtermittel usw., 
die es abzuliefern gilt. Ware es menschlich nicht ver- 
ständlich, wenn die Angaben „nach unten abgerundet“ 
würden? Und warum: werden die Werte doch der 
Wirklichkeit entsprechend eingesetzt? 


Vergegenwärtigen wir uns die Verhältnisse des 
ersten Weltkrieges. Nur wenige Hinweise sollen 
zur Charakterisierung der damaligen Lage dienen. 
Erst 1912, als bereits gewisse Anzeichen auf einen 
Krieg hinwiesen, entschloß man sich zur Bildung 
einer Kommission, die sich mit Fragen der wirtschaft- 
lichen Mobilmachung befassen und eine Bestands- 


aufnahme der vorhandenen Rohstoffe machen sollte. 


Der Reichstag lehnte diese Arbeit wegen der Kosten- 
höhe ab. Erst drei Monate vor Kriegsausbruch wurde 
dem Antrag stattgegeben, zu einem Zeitpunkt also, 
als es praktisch zu spät, vor allem die Beschaffung 


214 


bemerkungen 


notwendiger Rohstoffe nicht mehr möglich war. — 
Nicht anders lagen die Verhältnisse auf dem speziellen 
Gebiet der Ernährungswirtschaft. Da eine geordnete 
Statistik fehlte, ermangelte es allen aufzustellenden 
Wirtschaftsplänen an einer gediegenen Grundlage. 
Schätzungen, Improvisationen, kurz Wertängaben ohne 
feste Grundlagen bildeten das Werkzeug der „staat- 


lichen Planwirtschaft“. Der „Erfolg“ ließ auch nicht 
lange auf sich warten. Die Personenstandsaufnahme . 


z.B. lag um rund 5 Millionen über der tatsächlichen 
Bevölkerungszahl; sie bildete die Grundlage für die 
Ausgabe der Brotkarten und wirkte sich entsprechend 
aus. Im Jahre 1915 wurde die Anbaufläche um etwa 
10 v. H. überschätzt und danach der Voranschlag 
für die Ernte und damit für die Versorgung gemacht. 
Andererseits lag die 1915 durchgeführte Erhebung 
des Kartoffelvorrats um 4 Millionen t unter dem wirk- 
lichen Bestand. Dieses leichtfertig erstellte Ergebnis 


bildete die Ursache für den „Schweinemord“. Von 


Januar bis März 1915 wurde der Schweinebestand 
um über 30 v. H. verringert, als nfan feststellte, daß 
die Kartoffelvorräte um 40 Millionen dz höher waren 
als veranschlagt. Da weder die Konservenindustrie 
das anfallende Schweinefleisch noch die kartoffel- 
verarbeitende Industrie die , Üüberschũsslgen“ Kar- 
toffelmengen restlos verwerten konnten, mußte ein 
Teil verderben. Das waren die Erfolge staatlicher 
Planwirtschaft nach dem liberalistischen System des 
freien Spiels der Kräfte! 


Staatliche Planwirtschaft ist allerdings zuviel ge- 
sagt. Denn längst war die Exekutive auf sogenannte 
Kriegsgesellschaften verlagert worden, die — von 
Juden geführt und bis in die untersten Stellen durch- 
setzt — allein dem Prinzip privatkapitalisti- 
schen Gewinnstrebens huldigten. Während der 
Staat, d. h. das Volk, immer mehr in den Hintergrund 
gedrängt wurde, traten die „Kriegsgetreide-GmbH.”, 
die „Futtermittel-AG.", die „Kriegswollbedarfs-AG.“ 
u.a. als Aufkäufer vor den deutschen Bauern hin. — 
Wurde einerseits der Erzeugerpreis ständig unter 
Druck gehalten — „um der allgemeinen Notlage 
Angepaßt zu werden" —, so stiegen andererseits die 
Dividenden der Gesellschaften in gleichem Maße, 
wie die Verbraucherrationen absanken. Die Kriegs- 
ernährungswirtschaft, der Kampf gegen den Hunger. 
wurde zu einem Privatgeschäft, das wenigen auf 
Kosten der Allgemeinheit hohen Gewinn brachte. 


Ist es verwunderlich, daß der Bauer, der nur noch den - 


Juden als Nutznießer seiner Arbeit sah, zur Selbst- 


hilfe griff? Ist es unbegreiflich, daß die getroffenen - 


Abwehrmaßnahmen auch In dem schwarzgeschlach- 


teten Schwein und der frisierten Anbaustatistik zum 
Ausdruck kamen? 


\ 


Wer sich diese Verhältnisse des Weltkrieges 1914 


bis 1918 vergegenwärtigt und sie mit den heutigen 


vergleicht, weiß, warum der deutsche Bauer heute die 
gewünschten Angaben zwar nicht mit Freude, dafür 
aber richtig macht. Die natlonalsozialistische Agrar- 
politik ist auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens 
aufgebaut. Verantwortlich für die Entwicklung zeich- 
nen nicht mehr pseudonyme Kriegsgewinnler- 
gesellschaften, sondern Männer, die selbst 
Bauern sind und — genau so wie alle anderen — 
sofort im eigenen Betrieb die Auswirkung der von 
ihnen erlassenen Maßnahmen spüren. Das Prinzip 
der selbstverantwortlichen Führung bietet die Ga- 
rantie für eine allen gerecht werdende Aufgaben- 
teilung. Die Erkenntnis, daß die Statistik der wirt- 
schaftliche Gradmesser und die Grundlage für viele 
Staatsmaßnahmen, besonders bei einer autoritären 
Wirtschaftsführung ist, hat dazu geführt, daß sich 
der Bauer bei Ausfertigung der Erhebung mitver- 
antwortlich fühlt. So ist die statistische Erhebung 
auch ein Ausdruck für die erfolgreiche Menschen- 
führung im natlonalsozlallstischen Sinne. 


H. Gerdesmann 


Der alliierte Fleischmarkt 


Wer die Berichte der Presse über die Versorgungs- 
lage der Alliierten eingehend verfolgt, muß immer 
mehr zu der Erkenntnis kommen, daß der viel- 
gerühmte Überfluß dank der liberalistisch-kaplita- 
listischen Mißwirtschaft immer mehr einem chro- 
nischen Mangel weichen muß. Das trifft in erster Linie 
für einfuhrabhängige Staaten wie England zu und 


bezieht sich vornehmlich auf tierische Veredlungs- ` 


produkte, die mit der kriegsbedingten Verlagerung 
des Verbrauchs auf Vegetabilien den stärksten Er- 
zeugungsrückgang aufweisen. Wenn der englische 
Landwirtschaftsminister es als ein Wunder bezeichnet, 
daß die derzeitige Fleischration in England noch ge- 
halten werden konnte, so ist das unseres Erachtens 
nicht so überraschend, als wenn Überseestaaten wie 
die USA., Australien, Neuseeland u. a., mit bedeuten- 
den Flelschexporten in der Friedenszeit zu Rationie- 
rungsmaßnahmen gezwungen sind und Klagen über 
eine ungleichmäßige Versorgung und elne ständige 
Zunahme des Schwarzhandels führen. So wird aus 
New York berichtet, daß die Zufuhr an Rind-, 
Schweine- und Lammfleisch nur noch 25% des Normal- 
bedarfs ausmache, daß aber andererseits ein bedeuten- 
der Schwarzhändier (Meatlegger) in New York und 
New Yersey für 3 Millionen Dollar Rindfleisch um- 


gesetzt habe. Selbst die Agrarverwaltung kommt zu 
dem Ergebnis, daB mindestens ein Fünftel des an- 
fallenden Fleisches aus Schwarzschlachtungen stamme; 
sogar Fabriken treten auf dem Schwarzmarkt als 
Käufer auf, um ihre Belegschaft besser versorgen zu 
können. Und das trotz der seit dem 25. März 1943 
bestehenden Punktrationierung! 


Andere Fleischexportländer sind ebenfalls zu Ein- 
schränkungen gezwungen. So mußte die für die Aus- 
fuhr arbeitende amerikanische Großschlächterei 
Armour & Co. in Brasilien ihre Tore schließen, well 
die brasilianische Regierung wegen eigener Versor- 
gungsschwierigkeiten den Export für einige Monate 
untersagte. In Chile wurde die uneingeschränkte 
Vieheinfuhr aus Argentinien gefördert, um dem 
Fleischmangel zu begegnen. Australien und Neu- 
seeland, die im Frieden rund 250000 t Fleisch aus- 
führten, erleben einem Bericht des Nahrungsmittel- 
komitees des britischen Empire zufolge eine ständige 
Verschärfung der Lebensmittellage, und man weist 
darauf hin, daß der weiteren Ausfuhr an Veredlungs- 
erzeugnissen schon jetzt Grenzen gesetzt sind. Wie 
aus dem neuen Lieferungsvertrag zwischen Kanada 
und Großbritannien hervorgeht, ist die Baconausfuhr 
Kanadas um jährlich 225 Millionen Ibs. herabgesetzt 
worden — eine Folge des Mangels an Schweinefutter 
und der ungünstigen Preisrelation zwischen Futter- 
mitteln und Schweinen. Der Ernährungsminister der 
Südafrikanischen Union, Collin, erklärte vor 
Parlamentsmitgliedern, daß die Fleischvorräte Zu- 
sehends zur Neige gingen und er im Hinblick auf die 
Anlieferung und Preisgestaltung eine Kontrolle des 
Fleischmarktes angeordnet habe. Die notwendige 
stärkere Heranziehung der Viehwirtschaft in den 
Eingeborenen-Reservaten für die Versorgung ergab, 
daß die Sterblichkeitsziffer bei den Herden erstaun- 
lich groß ist und nur etwa 30% als Schlachtvieh in 
Frage kommen. 


. Wenn diese Stimmen aus den Überschußländern 
bereits von Schwierigkeiten auf dem Fleischmarkt be- 
richten, so kann es nicht weiter überraschen, wenn 
die von den Alliierten besetzten Gebiete, wie Nord- 
afrika, Syrien und Süditalien, zy Hungerzonen ge- 
worden sind. Kennzeichnend und entscheidend ist das 
Fehlen jeder Marktregulierung, d. h. die Alliierten 
haben schon eine Marktordnung rein liberalistischer 
Prägung, die bestimmt wird durch die Faktoren 
Preishöhe und Kaufkraft der Bevölkerung. Wird die 
Ware knapp, so steigt der Preis und erlaubt es immer 
weniger Menschen, als Kàufer auf dem Markt in Er- 
scheinung zu treten. Das nennt man dann sozialen 
Ausgleich. Daß die aufgeklärten Völker Europas sich 
unter diesen Umständen gegen eine Herrschaft der 
Alliierten wehren, ist ein Ausdruck für ihr gesundes 
Empfinden, ein Kampf für das „Recht zum Leben“. 


215 


DieBucwadr 


Lebensziel: Bäuerin 
Dieses mit einem gut deutschen und echt bäuer- 
lichen Stolz ausgesprachene Wort ist leider noch nicht 
wieder in dem Maße Allgemeingut unserer Landmädel 
geworden, wie es nicht nur für die Erhaltung und 
Stärkung unseres Bauerntums, sondern damit gleich- 
zeitig für den Bestand unseres Volkes überhaupt not- 


wendig ist. Um so begrüßenswerter ist es, daß Luise 


Essig im Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt a. M., 
unter diesem Titel ein Buch herausgegeben hat, das 
auf Grund ihres eigenen Lebensweges und ihrer 
eigenen Lebensauffassung alle an der Erziehung der 
ländlichen Jugend beteiligten Kräfte, Eltern, Lehrer, 
Lehrerinnen, BDM.-Führerinnen auf dem Lande, 
Jugendberufswartinnen des Reichsnährstandes und 
andere an der Erziehung der ländlichen Jugend inter- 
essierte Stellen von der Bedeutung der ein Leben aus- 
füllenden Aufgabe, die einer deutschen Bäuerin gestellt 
ist, überzeugt. Es zeigt das Wunschbild künftiger 
Bäuerinnen, wie sie Großdeutschland nach der sieg- 
reichen Beendigung dieses Krieges zu Hunderten und 
Tausenden braucht, und weist die Wege zur Verwirk- 
lichung dieses Wunschbildes. 

Das Buch ist nicht schlechthin ein Berufsberater 
oder eine Zusammenstellung aller bäuerlichen Berufe 
mit ihren Ausbildungsmöglichkeiten, sondern gibt 
daneben einen kurzen geschichtlichen Überblick über 
die Entwicklung des Bauerntums im aligemeinen und 
die Stellung der Bäuerin in Vergangenheit und Zu- 
kunft im besonderen. Es entkräftet den immer wieder 
auftauchenden Einwand bäuerlicher Mütter: „Meine 
Tochter soll es einmal besser haben als ich!“ Es weist 
nach, daß dies niemals dadurch erreicht wird, daß die 
Bäuerin ihre Tochter in die Stadt abwandern läßt und 
dadurch den Mangel an Arbeitskräften auf dem Lande 
noch weiter verstärkt, sondern daß nur durch die 
eigenen Kinder des Landes und über den Weg einer 
geordneten beruflichen Ausbildung diese Frage ent- 
scheidend zum Besseren gewendet werden kann. 
Überhaupt ist der Schlüssel zum Lebenserfolg der 
Bäuerin ihre berufliche Tüchtigkeit, die heute 


durch alle Maßnahmen des bäuerlichen Berufs- - 


erziehungswerkes in jeder Weise gefördert wird. 

Genau so wie In jedem anderen Beruf das Lebensziel 
eine gewisse Meisterschaft ist, so muß das Landmädel 
künftig seinen Ehrgeiz und seinen Stolz dareinsetzen, 
als Bäuerin Meisterin in seinem Beruf zu werden, 
gleichgültig, ob es nun als Frau eines Bauern diese 
Meisterschaft erreicht oder sie als Frau eines Land- 
arbeiters, Meikermeisters, Gutsbeamten usw. ausübt. In 
jedem Fall dient es durch sein berufliches Können dem 
Land, damit der Ernährungssicherung und dem völ- 
kischen Bestand unseres Vaterlandes. 

So wichtig diese Dinge alle sind, so darf doch dar- 
über nicht der weitere Auftrag an die Landfrau ver- 
gessen werden, und das ist der, Trägerin bäuer- 
licher Kultur zu sein. Wie diese Kultur im Bauern- 
tum wächst, wie sie gehütet und gepflegt werden 
muß, damit sie wieder wachsen und erstarken kann 
und welchen großen tragenden Anteil die Bäuerin 
daran hat, das weist die Verfasserin überzeugend und 


216 


unter Vermeidung aller billigen Schlagworte nach. 
Kultur muß wachsen können, und um dafür die Vor- 
aussetzungen zu schaffen, müssen unsere Landmädel 
von Anfang an entsprechend ausgerichtet und ge- 
leitet werden, damit die in ihnen schlummernden 
schöpferischen Kräfte zu eigenem Leben erwachen. 


Die gute Ausstattung des preiswerten Buches 
macht es zu einem geradezu- unterhaltenden Lese- 
stoff, zumal der Text durch Gedichte und Verse aus 
bäuerlichem Schrifttum und zahlreichen Bildern von 
bäuerlicher Landschaft, bäuerlicher Arbeit und bäuer- 
lichem Lebenskreis aufgelockert wird. Die Tatsache, 
daß heute bereits die zweite Auflage in Vorbereitung 
ist, beweist, wie groß das Bedürfnis nach einem solchen 
Buch gewesen ist, das nicht nur in die Hand der vor 
der Berufswahl stehenden jugend in Stadt und Land 
und aller Erziehungsberechtigten gehört, sondern ins- 
besondere von allen Lehrfrauen und Lehrlingen ge 
lesen werden sollte. Genthe 


Dr. Kurt Orphal. 


Alte Bauernregel neu gesehen 


Erläuterungen von altbewährten Bauernregeln 
nach neuzeitlichen Gesichtspunkten. Verlag 


C. V. Engelhard G. m. b. H., Berlin 1943. Zweite, 


erweiterte Auflage. 198 Seiten. 


In Zeiten, die, wie der gegenwärtige Krieg, eine Ver- 
breitung von Wetterberichten ausschließen, ist ein 
Besinnen auf alte und bewährte Bauernregeln nahezu 
zu einer praktischen Notwendigkeit geworden. Wenn 
Dr. Kurt Orphal in seiner sehr umfassenden Zu 
sammenschau’ solcher Bauernregeln den Jahreslauf und 
die mit diesem verbundenen, bäuerlichen Arbeiten 
begleitet, so geschieht es hier, um alte Weisheiten, 
die einstmals wohl aus mühsam gewonnenen Erfah 
rungen erwachsen waren, in enge Beziehung zu setzen 
zu der Fülle der Forderungen, die Feld und Haus, 
Garten und Stall täglich an den Bauern und seine 
Mithelfer stellen. Gleichwie immer wieder jeder 
Monat im Jahreslauf Aufgaben bringt, zu deren Lösung 
umfassende und vertiefte Beobachtungen beitragen, 
so ist es die. Bestimmung dieses mit sehr ansprechen- 
den Bildern ausgestatteten Buches, aus dem Wissen- 
um alle diese Aufgaben und aus der reichen Kenntnis 
aller Mittei zu deren praktischer Meisterung alte, zum 
Teil sicherlich schon vergessene Bauernregeln sinnvoll 
zu verlebendigen. Bei dieser Zielsetzung ist das Buch 
nicht nur hinsichtlich alter Sitten und Bräuche inter- 
essant und aufschlußreich zu lesen, sondern es vermag 
auch dem in der Arbeit stehenden Bauern ein freund- 
licher und ratender Begleiter zu sein. Über alle ein- 
zelnen Regeln hinaus zeichnet sich das Buch durch eine 
Art der Schau aus, die alles altbewährte Erfahrungsgut 
immer wieder in lebendige Gegenwartsnähe zu rücken 
weiß. Damit kommt dem Buche neben einer reichen 
Übermittlung alter und schöner Bräuche auch land- 
wirtschaftlich praktische Auswertbarkeit zu, so dab 
mancher Bauer überlieferte und eigene Beobachtungen 
bestätigt und sicherlich auch noch wesentlich vertieft 
finden kann. Besonders glücklich ist hierzu nach der 
Betrachtung durch alle Monate hindurch am Schluß 
des Buches die Zusammenfassung aller angeführten 
Bauernregeln in einem Sachregister. Dr. A. Liebe 


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Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit 
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen 


aul dem Hot meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht | 
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf 
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer 


Stelle zur anderen bringen läßt. 


Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der Generator, Gas IR 
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese | $ 
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. ACKERSCHLEPPER RAO IE. 


SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG ` 


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dann geordnet weglegen| So 
werden sie geschont und wertvolles 


Rohmaterial gespart. = Müssen Grund und Boden. 
wir unsere eigenen, uns von der wächst der Kralistolt 101 den 
Natur geschenkten weit wert. Acketschleppet, das Holz. Wein 


mehr als hundertiausend 


volleren „Werkzeuge“ nicht e Imbert-Holzgas-Generatoren 
S à sind die Gewäh: lür höchste 
ebenso pfleglich behandeln? Bettiebssicherheit. Darum 


Selbst eine kleine Verletzung kann | wählt auch der Äauer den 


Schlepper mii 
böse Folgen haben. Darum auch IMBERT 


solche Wunden schützen mit =} ENOLA 


Traum A P I a S t . IMBERT-GENERATOREN GESELLSCHAFT MBH » KOLN 


GREIFERKEITEN 
KZACK-LEITERKETTE MIT STAHLPLATTEN 
ZUM PFLUGEN 


KREUIKETTEN FUR ACKER 
UND FELDWEGE 


Rutschsicherung 


das Iah 


Kettenwerk Max Többicke 
Vertretung: H. Vahle, Letmathe. in Westfalen 


Unterbrochene Abonnements 


der Zeitschrift „Neues Bauern- 


tum“ mit dem ständigen Sonder- 


teil „Der Landbaumeister“ 


Die in Verlust geratenen Bezieherlisten des 


„Neuen Bauerntum‘ konnten nur zum Teil 


Alle 


vom Verlag wiederhergestellt werden. 
Bezieher, die die letzten Hefte des Jahrganges 
1943 des „Neuen Bauerntum“ nicht erhalten 
oder die sonst Mängel in der Belieferung fest- 
gestellt haben, werden gebeten, dies sogleich 


mitzuteilen dem Verlag 


Deutsche Landbuchhandlung 
Berlin - Lichterfelde - Ost, Bahnhofstraße 1 
Telefon 74 17 41 


Rapsanbauer! 


Der Rapsglanzkäfer kann in wenigen Tagen nicht 
wiederguizumachenden Schaden in den ` Rapsbe- 
ständen anrichten, ja, sie sögar praktisch vernichten. 
Sorgen Sie deswegen rechtzeitig vor. Beschalfen Sie. 
sich beim Pflanzenschutzamt Bezugsmarken für ? 


Huub. 
Gesarol 


(nach einer Lizenz der J. R. Geigy AG.) 


Staub-Gesarol haf sich gegen den Rapsglanzkäfer 
hervorragend bewährt ‚und ist auch amtlich geprüll 
und von der Biologischen Reichsanstaäll anerkennt. 
Es ist für Menschen und Haustiere ungiſtig Es wird 
von den Genossenschaften und dem Hendel in sus: 
reichendem Mahe vorrätig gehalten und zunächst aus- 
schliehlich zur Bekämpfung des Rapsglanzkäfers ab- 
gegeben. Die Bestäubung mit Gesarol soll grund- 
sätzlich vor der Blüte erfolgen, weil der Käfer nur 
Schaden anrichtet, solange die Blüten noch ge- D K 
schlossen sind. Der Reichsnährstand empfiehlt 10 4 ` 
Staub-Gesarol je Hektar. 


Das Wort ‚einwecken“ stammt 
von Johann Weck, dem Mann, der 
das WECK-Verfahren begründet, 
der die WECK-Gläser und WECK- 
Geräte geschaffen hat. 


J.WECK & CO. ÖFLINGEN IN BADEN 


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INZELPREIS 


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NUMMER 8 


INHALT 


Dichterehrung in Goslar (Bildbeilage) 


Anton Reinthaller, Unterstaatssekretär im Reichsministerium für Ernährung 
und Landwirtschaft: Bauern auf kargen Böden....... EURER ee —— . . . 217 


Professor Dr. Jonas Schmidt, Direktor des Kaiser-Wilhelm- Instituts für Tier- 
zuchtforschung in Dummerstorf: Die Tierzuchtforschung im Dienste der 


Ernährungssicherunnn g sirae LA ren ren. 220 
Oberlandwirtschaftsrat Dr. Robert Winnigstedt: Zuchtmethoden und Probleme 

der deutschen Tierzucht. FFC . 225 

Holländer an der Weichsel (Bildbeilage) ................. F n. S. 228 


Oberlandwirtschaftsrat Dr. Friedrich Walter, Leiter der Forschungsstelle für 
land wirtschaftliche Raumforschung, Breslau: Agrarstatistik im Umbruch... 229 


Dr. Albrecht Timm: Das wehrhafte DOorrr .. 238 
Bäuerliche Wehrbauten (Bildbeilageeoeꝝꝰꝶꝛw˙: j ehe deg Age M Se 240 
Agrarpolitische Rundechau. BRENNER EEE serite 249 
Randbemerkungen. r egtnr SC 
Die Buchwacht en Bere EEE ER 248 


Bildnachweis: Unter Titelbild — eine Aufnahme von Kurt Hielscher — zeigt das Tor der Bauernburg 

Rosenau (Siebenbürgen). — Die Photos zur Bildbeilage „Bäuerliche Wehrbauten“ erhielten wir vom 

Bildarchiv des Reichsnährstands (3), von Kurt Hielscher (2), Hans Retzlaff (2), Dr. Kulke/Reichsnähr- 

stand (1), Herm. Brühlmeyer (1), Angerer (1), der Staatlichen Bildstelle (1) und vom Deutschen 

Museum in München (1). — Scherl-Bilderdienst (4) und Betz/Posen (2) lieferten uns die Bilder für die 

Beilage ‚Holländer an der Weichsel“. — Die Aufnahmen zur Bildbeilage „Dichterehrung in Goslar“ 
fertigten: Scherl-Bilderdienst (3) und Hermann Limberg (1). 


Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna, 

Berlin- Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil: 

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 19 55 41. 

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.]. Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts- 

ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43. 


ZENTRALVERLAG DERN SDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN 


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Am 24. März fand in einer schlichten Feier- 
stunde im alten Rathaus der Reichsbauem- 
stadt Goslar die erstmalige Verleihung des 
Kulturpreises für das bäuerliche Schrifttum 
an Friedrich Griese und des Ehrenpreises 
des bäuerlich gebundenen Schrifttums der 
Gegenwart an Josef Martin Bauer durch 
Oberbefehlsleiter Reichsminister Backe 
statt. — Bild auf der Vorderseite: Reichs- 
minister Backe spricht Friedrich Griese 
seine Glückwünsche aus. In der Mitte 
Josef Martin Bauer. — Bild links: Die beiden 
Dichter betrachten ihre Ehrenurkunden. — 
Bild unten: Nach der Feierstunde trugen 
sich die Teilnehmer in das Goldene Buch 
der Reichsbauernstadt Goslar ein 


. 
— 


ERRPOLITIK 


DEUTSCH 


ANTON REINTHALLER: 


Herausgeber Gi Herbert Backe 


Mai 1944 Jahrgang 2 


Nummer 8 


Bauern auf kargen Böden 


ls die einmaligen Erfolge unserer 
Wehrmacht im Osten die für das 
deutsche Landvolk geltende Tatsache 
„Volk ohne Raum“ schicksalhaft in sein 
Gegenteil verkehrten, tauchte der Begriff 
„Bauern auf kargen Böden“ auf. Damit war 
ein Großteil unserer Bergbauern, im 
engefen und weiteren Sinne Bauern und 
Landvolk mit ungenügender Be- 
sitzgröße und Bauern auf nährstoff- 
armen Böden sowie in verkehrsent- 
legenen und klimatisch nicht be- 
günstigten Gebieten gemeint, die nun 
für die Besiedlung und Bewirtschaftung 
der meist guten Böden im Osten in Frage 
kommen sollten. Es wurde von berufener 
I ner Seite in berechtigter und 
iberechtigter Form die Forderung heraus- 
stellt, die Gesundung weiter Teile unse- 
s Landvolks durch Herausnahme und 
euans dlung von Teilen desselben im 
sten in großzügiger Form in die Wege 
ch iten. Als ein schier unerschöpfliches 
servoir für diesen Menschenstrom sah 
d i siet man „Bauern auf kargen Böden“ 
A ob 5 karge Böden als Land für zu 
rün a Forste und Waldgürtel gedacht 
Kë enn ich mir die Legitimation nehme, 
ses heikle Problem aufzurollen und dar- 
md d Ae deshalb, weil weite Teile unse- 
fobauerntums, das zu betreuen mi" 
mlich als Aufgabe gestellt wurde, 
J y den Prototyp der Bauern auf 
* darstellen, sondern seit Hun- 
Jahren auf diesen Böden sitzen 
o agen unvorstellbare Naturgewal- 
d — in den letzten hundert Jahren — 
g jrößte wirtschaftliche Bedrängnisse 
erb; isser ner Form erfolgreich halten. 
"Gedanke, Bauern von kargen Böden 
if -gute und beste Böden zu über- 
| ji t zweifellos bestechend, er setzt 


aber voraus, daß diese Bauern sich beengt, 
d.h. als Volk ohne Raum fühlen und daß 
Deutschland auf diese Menschen an- 
gewiesen ist, um die gewonnenen Osträume 
zu besiedeln. Das erstere trifft nur zu in 
jenen Gebieten, in welchen im Zuge fort- 
gesetzter Realteilung Kleinst- und Zwerg- 
besitze zur Norm geworden sind. Zu diesen 
zählen nur teilweise Kargbodenländer, da 
die Bauern instinktiv sich hüteten, die 
ohnehin bescheidene Ackernahrung durch 
Erbteilung noch aufzuspalten. Die zweite 
Voraussetzung ist nur berechtigt, wenn 
man die Möglichkeit, Menschen der Stadt 
auf das Land rückzuführen; verneint, ob- 
gleich es zweifellos feststeht, daß von Mil- 
lionen Städtern, diè willens sind, Siedler 
zu werden, nur ein Teil jene Entsagung und 
Bescheidenheit aufbringt, welche das Land- 
leben fordert, bin ich trotzdem der Ansicht, 
daß die nationalsozialistische Werbung und 
nicht zuletzt das Kriegserleben, im beson- 
deren der Bombenterror, in unserer städti- 
schen Jugend Bresche für die Rückkehr 
zum Bauerntume schlägt. Dieses gesiebte 
städtische Volk und die überzähligen Söhne 
und Töchter unserer Bauern, welche wegen 
ihrer angeborenen Zähigkeit und An- 
spruchslosigkeit das gottgegebene Element 
zur Gründung neuen Bauerntums sind, 
stellen die künftigen Bauernsiedler, nicht 
aber der abgemeierte Bauer auf kargen 
Böden, welcher, wie noch weiter ausgeführt 
sein soll, nach wie vor den besten Blut- 
spender der Nation und somit ein natio- 
nales Heiligtum und einen nicht unbeacht- 
lichen Wirtscħaftsfaktor darstellt. 

Bauern auf kargen Böden im Sinne der 
landesüblichen Meinung sind Bauern, die 
einen unverhältnismäßig höheren Anteil 
an Arbeitsaufwand für die Erzeugung 


irgendeiner Einheit an Nutzgütern wie 


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Bauern auf gutem Boden leisten müssen. 
Sei es, weil ihre Böden an sich kärglich, 
schwer zu bearbeiten, ungünstig gelegen 
oder auf wasserwirtschaftlichem Gebiet 
nicht in Ordnung sind. Sei es, weil die 
klimatischen Bedingungen einer vollen 


Ausschöpfung der landwirtschaftlichen Er- 


zeugungskraft schier unüberwindliche Hin- 
dernisse in den Weg legen, das heißt: die 
jährliche Vegetationszeit auf ein Minimum 
zusammengedrängt ist. Hinzukommt, daßdie 
Ausrichtung der landwirtschaftlichen Er- 
zeugung und die Ausschöpfung der trotz 
dieser Erschwernisse vorhandenen letzten 
Möglichkeiten gerade in diesen Gebieten 
vielfach nicht richtig liegt. Zu den natür- 
lichen Erschwernissen kommt eine gewisse 
Rückständigkeit in vielen Fragen der land- 
wirtschaftlichen Erzeugung, die sich aus 
der Entwicklung der Landwirtschaft in der 
liberalistischen Epoche und in den letzten 
Jahren der Systemzeit zwanglos erklärt. 
Bauern auf kargen Böden waren nicht nur 
uninteressant, sie waren vielfach lästig. 
Die brutal kapitalistisch und materia- 
listisch angestellten Vergleiche ihrer Lei- 
stungen mit jenen der Bauern auf reichen 
Böden mußten zu dieser Meinung führen. 

Die bisher übliche Auslegung des Be- 
griffs „Bauern auf kargen Böden“ wirft die 
Frage auf, ob die Leistung dieser 
Bauern denn mit dieser Umschreibung 


voll erfaßt sei oder ob tatsächliche Leistun- 


gen nicht beachtet und Leistungsmöglich- 
keiten nicht ausgeschöpft werden. Mit 
anderen Worten: Ob nicht ein großer Teil 
von Bauern auf kargen Böden Leistungen 
vollbringt und vollbringen könnte, die jenen 
ihrer glücklicher gebetteten Berufskame- 
raden gleichkommen, ja, sie in manchem 
übertreffen. Diese Frage ist eindeutig zu 
bejahen. Allein die biologische Leistung, 
ich denke hierbei in erster Linie an jene 
der Bergbauern, steht mit Abstand an der 
Spitze der Leistungen irgendeines Teiles 
des deutschen Volkes. Nicht nur die 
Kinderfreudigkeit, sondern noch viel mehr 
die Zahl der aufgezogenen Men- 
schen stellt eine Leistung dar, die zwar 
in den letzten Jahren immer mehr an- 
erkannt, die aber in ihrer Auswirkung viel- 
fach noch nicht voll gewürdigt wird. Diese 
biologischen Leistungen sind weder von 
ungefähr vom Himmel gefallen noch die 
Auswirkung von allgemeinen Stimmungs- 
momenten. Diese biologische Leistungs- 
fähigkeit hat neben großen ethischen Vor- 
aussetzungen, welche nur zum kleinen 


218 


Teil im religiösen Bekenntnis begründet 
sind, einen klaren realen Hintergrund. 


"Bauern auf kargen Böden brauchen zT. 


mehr Land, mehr Flächen wie Bauern in 
guten Lagen. Mehr Land oder schwer zu 
bearbeitendes Land erfordert mehr Arbeit, 
mehr schaffende Hände. Diese schaffenden 
Hände müssen billig sein, sonst sprengen 
sie den wirtschaftlichen Rahmen des Hofes. 
Also kommen nur Kräfte in Frage, die der 
Hof selbst hervorbringt. Darin, daß diese 
Kräfte vom Augenblick ihrer Einsatzfähig- 
keit an nur verhältnismäßig kurze Zeit dem 
Hof dienen und dann als Überschuß der ge- 
samten Volkswirtschaft zur Verfügung 
stehen, liegt die materielle Seite dieser un- 


` schätzbaren biologischen Leistungsfähigkeil. 


Diese biologische Leistungsfähigkeit, dieses 
laufende Abgeben von bestem Menschen, 
material, kann noch wesentlich ge- 
steigert werden, wenn der Bauer auf 
kargem Boden jene Voraussetzungen 
für sein Leben erhält, die ihm als 
deutschem Bauern zukommen und die 
andere Berufskreise vor dem Kriege längst 
gehabt haben. Die Leistung des Kinderaus 
tragens, Kindergebärens und Kinderaul- 
ziehens ist nur zu vollbringen, wenn die 
heute über alles Maß in Hof, Feld und Ho 
beanspruchten Frauen entlastet werden, 
d.h. die entsprechenden Voraussetzungen 
in Haus, Hof und Dorf vorliegen. 

Neben dieser überragenden biologischen 
Leistung stecken in Höfen mit kargen 
Böden stille Erzeugungsreserven, 
die freizulegen, zu mobilisieren und auszu- 
schöpfen Aufgabe einer zielbewußten Land- 
wirtschaftsführung ist. Ich erinnere in 
diesem Zusammenhang an die selbst für 
Kenner der Verhältnisse unerwartet hohen 
Erzeugungs- und Marktleistungssteigerun- 
gen der letzten Jahre auf dem Gebiet der 
Milchwirtschaft im Bergbauern- 
gebiet. Das Aufholen mancher Rück- 
ständigkeit, der Anschluß an das Verkehrs- 
netz, die Auswirkungen der intensiven 
Tierzuchtförderung haben die Erzeugung 
und Marktleistung vervielfacht. Ich ver- 
weise in diesem Zusammenhang auf die 
erst seit neuestem bekannte einmalige Vor- 
aussetzung von vielen dieser Gebiete für 
die Erzeugung von Saatgut im al- 
gemeinen und Kartoffelsaatgut im be 
sonderen. Der Ausspruch eines für die Er- 
zeuqungslenkung der Landwirtschaft im 
Großdeutschen Reich maßgeblichen Bauern- 
führers anläßlich einer Bereisung des 
Berglandes von Oberdonau (Mühlviertel): 


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„Diese Gegend ist das reinste 
Kartoffelsanatorium“, trifft den 
Nagel auf den Kopf. Nicht unerwähnt 
will ich die bisher viel zu wenig bekannte 
qualitativ höhere Wertigkeit der landwirt- 
schaftlichen Erzeugung im Bergland lassen. 
Wenn auch auf hochgelegenen Bergwiesen 
entsprechend geringere Mengen geerntet 
werden, so ist nicht zu übersehen, daß der 
relative Eiweißgehalt im Futter bedeutend, 
ja vielfach bis zu 50 Prozent höher als der 


Durchschnitt liegt. Wenn erst einmal die 


Frage der akzessorischen Nährstoffe, vor 
allem der Vitaminanteil von bergländischen 
Erzeugnissen, restlos geklärt und in meß- 
barer Form erfaßt werden kann, wird die 
Erzeugungsleistung ge gewertet wer- 
den können. 


Ich bin mir bewußt, ie ein kleiner Teil 
von Bauern auf kargen Böden, auch bei 
bester Ausrichtung und bestem Wollen, nur 
eine unbefriedigende Gesamtleistung voll- 
bringen kann und es nur eine Frage der Zeit 
ist, wie lange sie sich auf ihren Höfen 
halten können. Der überwiegende Teil ist 
aber so gelagert, daß mit einer einmaligen 
durchgreifenden Hilfe von Reichs wegen 
die Existenzgrundlage für ihre Höfe und 
ihre biologischen wie wirtschaftlichen Lei- 
stungen geschaffen und daüernd gesichert 
werden kann. Die erfolgversprechenden 
Versuche, die auf diesem Gebiete bereits 
vor drei Jahren eingeleitet und im Ge- 
meinschaftsaufbau (Dorfauf- 
rüstung) im Bergland ihren endgültigen 
Niederschlag gefunden und ihre Probe be- 
standen haben, beweisen das eben Gesagte. 
Die intensive und zielstrebige Betreuung, 
die diesem Problem u.a. im Reichsgau 
Tirol und Vorarlberg zuteil wird, legt 
immer mehr die Grundsätze klar, nach 
welchen dieses schwierige Gesamtproblem 
anzupacken ist. 


Ob es sich nun um die Aufforstung 
von fraglos zahlreich vorhandenen, bis- 
her landwirtschaflich genutzten abso- 
luten Waldböden um die nur von 
Bergkennern richtig zu planende Tren- 


nung von Wald und Weide, um die 


Schaffung von Bauernwald handelt, 
ob die Frage der Besitzgröße, der 
Ausrichtung derBetriebe, eineallen- 
falls notwendige Aussiedlung zur De- 
batte steht oder ob eine grundsätzliche 
Entscheidung über die Struktur der 
Dörfer zu treffen ist, alle diese Fragen 
und Probleme wurden in dem Augenblick 


faßbar und drängten zu einer Lösung, als 
sie im Zuge des Gemeinschaftsaufbaues 
freigelegt wurden. Daß hierbei oft ganz 
neue Problemstellungen aufscheinen, daß 
bisher nur oberflächlich oder sogar un- 
bekannte Tatsachen in Erscheinung treten, 


liegt in der Natur der Sache. Ich erwähne 
nur die erschütternde Feststellung, daß die 


soziale Betreuung, die an sich dem 
Landvolk nur in bescheidenstem Ausmaße 
zuteil wird, für Bauern auf kargen Böden 
oft überhaupt nicht vorhanden ist und für 
sie KdF. ein Märchen bedeutet, welches 
ihnen das soziale Gefälle zwischen 
StadtundLandalsUrgrund der töd- 
lichen Gefahr Landflucht nur um so 
augenscheinlicher werden läßt. Ich will 
Fragen, deren Lösung für den Städter eine 
Selbstverständlichkeit ist, nämlich nach 
der ärztlichen Betreuung, Krankenfürsorge, 
die Fragen „Mutter und Kind“, Freizeit- 
gestaltung, gar nicht erst anziehen. Ich 


verweise auf viel ursprünglichere Forde- 


rungen, die letzten Endes allesamt auf die 
Schaffung eines menschenwürdigen Daseins, 


vor allem der Bäuerin, hinauslaufen. Wenn. 


man sich die Tatsache vor Augen hält, daß 
im Jahre 1880, als 40 Prozent der städti- 
schen Bevölkerung gegenüber 15. Prozent 
der ländlichen Bevölkerung bei ihrer Prü- 
fung auf die Wehrtauglichkeit zurück- 
gestellt wurden, die soziale Gesetzgebung 
in großem Ausmaß einsetzte, muß die 
Forderung nach einer gewaltig verstärkten 
sozialen Betreuung des um 80 
mehr erhoben werden, als im Jahre 1943 
die Zurückstellungen genau im umgekenr 
ten Verhältnis standen. 

Der geschichtliche Ablauf der Besied- 
lung und zum Teil der zeitweiligen oder 
dauernden Entsiedlung der Alpentäler hat 
immer wieder gezeigt, daß die Frage nach 
der Inbesitznahme und Betreuung von 
kargen Böden durch deutsche Bauern nicht 
vorwiegend aus rein maleriellen Gründen 
zu klären ist. Wenn die Entwicklung der 
letzten hundert Jahre vielleicht auch eine 
stärkere materielle Beeinflussung des gan- 
zen Problems der Besiedlung bzw. der Ent- 
Siedlung (Höhenflucht-Landilucht) im Berg- 
land erkennen läßt, so ist doch festzu- 
halten, daß es vorwiegend ideelle, un- 
bewußt im Bergbauern schlummernde Ur- 
sachen sind, die ihn als kraftvollen Men- 
schen trotz härtester natürlicher Bedin- 
gungen und unzulänglicher betriebswirt- 
schaftlicher Voraussetzungen dem Hof er- 
halten. 


219 


JONAS SCHMIDT: 


Die Tierzuchtforschung 


IM DIENSTE DER ERNÄHRUNGSSICHERUNG 


ie Erzeugung tierischer Lebensmittel ist seit 

etwa den 70er Jahren des werflossenen Jahr- 
hunderts unter dem Einfluß der durch die In- 
dustrialisierung der 
Lebensweise weiter Bevölkerungskreise, ver- 
bunden mit der stärkeren Nachfrage nach 
Fleisch und Fetten aller Art, erheblich ge- 
stiegen. 


Die deshalb notwendig gewordene Vermeh- 
rung der deutschen Viehbestände ist 
seitdem so weitgehend gefördert worden, daß 
in Deutschland im Frieden zwei Drittel der ge- 
samten Bodenerzeugung, nach dem Kalorien- 
gehalt errechnet, für Futterzwecke aufgewandt 
wurden; nur 20 Prozent dienten unmittelbar als 
pflanzliche Stoffe der menschlichen Ernährung. 
Im Zeichen der Kriegsernährungswirtschaft ist 
eine stärkere Bevorzugung pflanzlicher 
Nahrungsstoffe zu verzeichnen, weil die 
erheblichen Veredlungsverluste bei der Um- 
wandlung pflanzlicher Nahrungsstoffe in tie- 
rische die Ernährungssicherung erschweren oder 
unmöglich machen. An der grundsätzlichen Be- 
deutung der Viehhaltung für die moderne Er- 
nährung wird aber auf die Dauer hierdurch 
nichts geändert. 


Fast in allen europäischen Gebieten, auch in 
Deutschland, ging die durch die steigende Be- 
deutung der Nahrungsmittel tierischer Herkunft 
bedingte Vergrößerung der Viehbestände und 
die Intensivierung der tierischen Produktion 
über die Leistung der landeseigenen Futter- 
erzeugung hinaus. Futterzufuhren aus Asien 
und Afrika wurden notwendig und brachten 
besonders Deutschland in dem ersten Weltkrieg 
in eine gefährliche Ernährungslage, die schließ- 
lich seinen Zusammenbruch mit verursachte. 


Dieser Mangel an ausreichendem Futter, für 
die ausgedehnten Viehbestände stellt auch heute 
noch den schwächsten Punkt unserer gesamten 
Ernährungswirtschaft dar. 


Wenn auch seit der Machtübernahme die ein- 
heimische Futtererzeugung erheblich gestärkt 
wurde und die Möglichkeiten auf diesem Gebiet 
noch längst nicht erschöpft sind, so muß doch 
jede Mehrerzeugung in der Hauptsache als 
Produktionsfutter nutzbringend verwandt wer- 
den. Das bedingt, daß steigende Futter- 
mengen nicht zur zahlenmäßigen Ver- 


220 


Wirtschaft veränderten- 


größerung der Bestände, die mit verstärk- 
tem Verbrauch an Erhaltungsfutter ver- 
bunden ist, benutzt werden, sondern daß es mehr 
als je heute darauf ankommen muß, die Lei- 
stungsfähigkeit des einzelnen Tieres 
durch züchterische Maßnahmen zu 
steigern und jede Verbesserung der Futter- 
erzeugung zur Gewinnung größerer Mengen an 
tierischen Lebensmitteln zu verwenden. 


Zwar ist jede tierische Erzeugung teuer be- 
zahlt im Vergleich zur pflanzlichen Produktion; 
sowohl die Milcherzeugung als auch die 


Fleischbildung über das Schwein brin- 


gen nur etwa knapp ein Drittel der Futterkalo- 
rien zurück. Je pflanzlicher die Nahrung, um 
so mehr Menschen können von derselben Fläche 
ernährt werden. 


Von dieser Einstellung muß aber überall dort 
abgewichen werden, wo es sich um Viehhal- 
tungen handelt, welche weitaus im Ubermaß 
auf absoluten Futterstoffen aufbauen, 
die für einen unmittelbaren menschlichen Ver- 
zehr nicht geeignet sind. Ohne das Tier als 
Mittler sind sowohl die weiten Grünland- 
flächen der menschlichen Ernährung. nicht 
nutzbar zu machen, als auch die großen Mengen 
des in jedem landwirtschaftlichen Betrieb an- 
fallenden Rauhfutters, die Abfälle der 
technischen Nebengewerbe usw. Außer- 
dem verlangt der Acker die umgewandelten 
Futterstoffe in Form des Düngers dringlichst 
zurück, wenn die Bodenfruchtbarkeit unge- 
schmälert bleiben soll. 


Insbesondere schrumpfen aus dem genannten 
Grund die so oft der Viehwirtschaft vorgehal- 
tenen Veredelungsverluste in ihrer Bedeutung 
stark zusammen für den wichtigsten Zweigunserer 
Viehwirtschaft, die Rindviehhaltung, die 
ja auch in diesem Krieg ihren friedensmäßigen 
Bestand halten konnte. Dasselbe gilt noch in 
verstärktem Maß für die Schafhaltung und 
auch die Erzeugung von Fleisch und Fett über 
das Schwein wird mit der Umstellung der 
Mast auf die Zucker- und Futterrübe wie Z. Z. 
in großem Ausmaß befürwortet, der ausreichen- 
den unmittelbaren Versorgung des Menschen 
mit pflanzlicher Nahrung immer ungefährlicher. 


Trotzdem muß dafür Sorge getragen werden 
daß diese Veredelungsverluste so weit wie mög 


lich durch züchterische Verbesserung der Lei- 
stungsfähigkelt unserer Viehbestände einge- 
schränkt werden. 

Züchten“ heißt nicht Tiere miteinander 
paaren, lediglich um sie zu vermehren, sondern 
es setzt eine Auswahl der zu paarenden Tiere 
nach bestimmten Grundsätzen voraus, mit deren 
Hilfe man ein bestimmtes Ziel erreichen will. 
Von Generation zu Generation soll auf diese 
Weise die Veranlagung für besonders wichtige 
Eigenschaften verbessert, also die Leistungs- 
fähigkeit für die Zwecke des Menschen gestei- 
gert werden. 


Ein derartiges Ziel läßt sich um so schneller 
erreichen, je mehr die angewandten Züchtungs- 
methoden den Vererbungsgesetzmäßigkeiten an- 
gepaßt sind. Ist diese erbliche Grundlage 
einer Eigenschaft bekannt und ihr Verhalten im 
Erbgang durch den Zuchtversuch geklärt, so 
sind alle Voraussetzungen für eine schnelle und 
sichere Erzüchtung gewünschter Merkmale 
gegeben. l 

Das ist für viele morphologische tierische 
Eigenschaften (Form und Farbe) bereits erreicht. 
Wir sind ja heute z. B. ohne Umweg in der Lage, 
` in der Pferdezucht Rappen, Füchse oder Schim- 
mel usw. herzustellen. 


Ebenso steht es mit der planmäßigen Heraus- 
züchtung bestimmter erwünschter Körper- 
formen. l | 


Viel wichtiger wäre es für die jetzt im Vorder- 
grund stehende Leistungszucht, wenn wir 
die physiologischen Eigenschaften auf Grund 
eingehend erforschter Vererbungsgesetzmäßig- 
keiten planmäßig und ohne Umwege verbessern 
könnten. 


Auf diesen Gebieten, z.B. der Vererbung der 
Milchleistung, der Fruchtbarkeit, der 
Futterverwertung usw., liegen die Verhält- 
nisse aber erheblich schwieriger, weil eine, 
ganze Reihe von Organen des Körpers bei dem, 
was wir als Leistung bezeichnen, mitwirken. 
Sie können jeweils in ihrer Teilleistung mehr 
oder weniger günstig für die Gesamtleistung 
beschaffen sein. Die erbliche Grundlage der 
Leistungseigenschaften, der Genotyp, ist also 
viel komplizierter und deshalb wesentlich 
schwieriger zu erfassen als bei den äußerlich 
leicht erkennbaren morphologischen Eigenschaf- 
ten, die meist nur durch eine Anlage bestimmt 
werden. 


Hinzu kommt, daß alle Leistungseigenschaften 
nicht nur von der Veranlagung, sondern weit- 
gehend von den Umgebungsverhältnissen, vor 
allem der Fütterung, mitbestimmt werden. Eine 
besonders günstige Haltung und Ernährung 
kann also weitgehend eine gute Veranlagung 
auch bei einem tatsächlich nur mittelmäßigen 
Erbtyps vortäuschen. 


Verstärkt wird die Schwierigkeit solcher Ver- 
suche durch die geringe Nachkommenschaft der 
meisten Haustierarten, die langsame Aufein- 


H 


anderfolge der Geburten und die beträchtlichen 
Aufwendungen, die mit Vererbungsversuchen 
an großen Haustieren verbunden sind. Diese 
Hindernisse erklären zur Genüge, weshalb wir 
bisher in der Ausnutzung der Vererbungsgesetze 
für die Züchtung auf dem Gebiet der Leistungs- 
eigenschaften noch nicht zum Ziel gekommen 
sind, und demnach mit empirischen Zuchtver- 
fahren rechnen müssen, die vielfach große Um- 
wege machen und weniger ergiebig sind. Vor 
allem fehlte es aber auch an Forschungsstätten, 
die so ausgedehnt und reichlich mit Mitteln 
ausgestattet sind, daß sie sich an derartige Ver- 
suche heranwagen könnten. Das ist ein Grund 
dafür gewesen, weshalb Reichsminister Herbert 
Backe über die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in 
dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Tier- 
zuchtforschung in Dummerstorf eine 
zentrale Forschungsstätte ausbaute, in welcher 
die Arbeitsmöglichkeiten auf diesem Gebiet in 
umfassender Weise gegeben sind. 


Die dem Institut zur Verfügung stehenden 
Versuchsgüter haben eine zum weit- 
aus überwiegenden Teil zusammenhängende 
Fläche von 1666 ha. Von der landwirtschaft- 
lichen Nutzfläche (1312 ha) entfallen rund 
550 ha auf Getreide, Hülsen- und Ulfrüchte, 
255 ha auf Hackfrüchte (162 ha Rüben), 165 ha 
auf den Ackerfutterbau, 300 ha auf Weiden und 
40 ha auf Wiesen. Die Waldfläche beträgt 282ha. 
Der überwiegende Teil der Ackerfläche besteht 
aus mildem Lehm; das Grünland liegt auf Moor. 
Die Niederschlagsmenge stellt sich auf 580 mm. 


Der Tierbestand setzt sich z. Z. zusam- 
men aus: 100 Arbeitspferden, davon zwei Drittel 
Kaltblüter und ein Drittel Warmblüter; darunter 
sind 60 Zuchtstuten; die Nachzucht besteht aus 
65 Fohlen. 


Der Rinderbestand weist insgesamt 
315 Kühe, 203 Sterken, 17 Bullen und etwa 
150 Kälber auf. Die Herde ist nach folgenden 
Rassen aufgeteilt: Schwarzbunt (deutsch und 
holländisch), Rotbunt (deutsch und holländisch), 
Fleckvieh, Rote Dänen, Jerseys und Kreuzungen. 


Die Schafhaltung wird durch eine Stamm- 
herde und eine Klassenherde des Merinofleisch- 
schafs vertreten; daneben ist eine Versuchsherde 
aufgestellt. Insgesamt werden 1500 Schafe ge- 
halten. 


Der Schweinebestand erstreckt sich auf 
8 Eber, 92 Sauen (veredeltes Landschwein, 
Edelschweine und Dänen), 400 Jungschweine 
und 300 Mastschweine. 


Die schwierige Frage der ausreichenden Fut- 


terbeschaffung wurde gelöst durch den Bau 


einer großen Trockenanlage. Der ausge- 
dehnte Zuckerrübenbau und die Durchführung 
eines umfassenden Zwischenfruchtbaues liefern 
neben dem eigentlichen Ackerfutterbau das zu 
trocknende Material. So ist nicht nur die Gewähr 
für eine ausreichende gesunde Futtergrundlage, 
sondern auch für ein in seiner Zusammensetzung 
auf lange Zeitperioden hinaus gleichbleibendes 


221 


Futter gegeben, wie es in einer derartigen Ver- 
suchswirtschaft benötigt wird. Mit diesem prak- 
tischen Zuchtbetrieb sind Arbeitsräume und 
Laboratorien verbunden, die sich noch im Aus- 
bau befinden. 


Einige Beispiele sollen zeigen, welche Ar- 
beiten das Institut zur Zeit beschäftigen: 


Eines der wichtigsten Probleme der Rindvieh- 
züchtung, das sofort nach der Gründung des 


Institutes in Angriff genommen wurde, liegt auf 


dem schwierigen Gebiet der Fettversor- 
gung, die insbesondere während des Krieges 
ganz vorwiegend von der Rindviehhaltung 
getragen wird. Der Bedarf an Fett ist ja so 
weitgehend, daß über das jetzt schon Geleistete 


hinaus alle Möglichkeiten einer noch vermehr- " 


ten Erzeugung ausgenutzt werden müssen. 


Es ist dabei auf tierischem Gebiet die Aufgabe 
zu lösen, unsere Rassen mit schon vorhandener 
boher Milchleistung durch Steigerung des pro- 
zentualen Fettgehaltes zur Abgabe größerer 
Butterfettmengen zu veranlassen. Auf diese 
Weise könnte nicht nur der Fettertrag ge- 
steigert, sondern vor allem auch, wie sich 
leicht nachweisen läßt, das kg Butterfett mit 
einem erheblich geringeren Futterauf- 
wand erzeugt werden. Schon eine Steigerung 
des Fettgehaltes um drei Zehntel Prozent bringt 
bei der großen Zahl der deutschen Milchkühe 
eine Mehrerzeugung an Butterfett, die den 
iriedensmäßigen Einfuhren entspricht. 


Die Möglichkeit der Lösung dieses Problems 
ist bisher mit der Behauptung angezweifelt wor- 
den, jede Erhöhung des Fettgehaltes ziehe eine 
entsprechende Erniedrigung der Milchmenge 


nach sich, so daß auf diesem Weg eine Steige- 


rung der Fettmenge praktisch nicht erreichbar 
sei. 

Dieser Behauptung widersprechen einmal die 
Züchtungserfolge der tierzüchterischen Praxis 
in Ländern, die schon seit langer Zeit auf die 
Herstellung großer Mengen an Milchfett ange- 
wiesen sind, wie z. B. Holland und Dänemark. 


Fernerhin hat inzwischen die Durchführung 
umfassender Kreuzungsversuche des soeben 
kurz beschriebenen Instituts zwischen schwarz- 


bunten Niederungsrindern mit einem Milchfett- 


gehalt von nur 3 Prozent und Jersey-Bullen mit 
Mutterleistungen von 6 bis 7 Prozent zu der 
Feststellung geführt, daß der prozentische Fett- 
gehalt der Kreuzungstiere erster Generation 
mit 4,8 bis 5 Prozent erheblich höher liegt als 
bei der mütterlichen Rasse, ohne daß die Milch- 
mengenleistung in der Nachzucht gemindert 
wird. Die Erblaktoren für Milchmenge 
und Fettgehalt verhalten sich also selbstän- 
dig im Erbgang und werden unabhängig von- 
einander übertragen. Sie lassen sich beide 
nebeneinander „hochzüchten”. 


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Aus diesem Ergebnis kann der Schluß gezogen 
werden, daß auch innerhalb der Rassen in der 
Fettleistung günstig veranlagte Bullen mit 
sicherer Vererbung in der Lage sind, den 
Fettgehalt der weiblichen Nachzucht aus 
minderleistungsfähigen Kühen zu steigern, ohne 
Einbußen in der Milchmengenleistung, die ja 
den erzielten Vorteil wieder ausgleichen würden, 


und zwar um so schneller, je mehr die Bullen 


den weiblichen Tieren im Fettgehalt überlegen 
sind. | 
Alle früheren Auffassungen, die nur dem 
weiblichen Tier einen Einfluß auf die Vererbung 
der Fettmenge zuschreiben wollen, sind nach 
diesen Ergebnissen hinfällig. 


Wir haben also für die praktische Züchtung 
ein ganz sicheres Mittel an der Hand, den Fett- 
mengenertrag unserer Bestände zu verbes- 
sern, wenn es uns gelingt, die vorhandenen 
Bullen mit der Anlage für eine hohe Fettleistung 
innerhalb der Rassen ausfindig zu machen. 


Diese Möglichkeit besteht mit verhältnis- 
mäßig großer Sicherheit durch den Schluß aus 
der Beschaffenheit der Vorfahren. Wenn Her Vater 
nach seinem Erbwert durch den Vergleich 
der Leistungen seiner Töchter mit ihren Müttern 
unter ähnlichen Umgebungsverhältnissen in der 
Abstammungstafel charakterisiert wird und für 
die Mutter die durchschnittliche Lebensleistung 
zugrunde liegt, so sind damit die Voraussetzun- 
gen für die Erkennung der besten und sichersten 
Fettvererber gegeben. 


Es ist zu erwarten, daß sich bei der straffen 
Führung der deutschen Zuchtverbände die Auf- 
fassung über die zweckmäßigste Auslese der zu 
paarenden Zuchttiere bald dem neusten Stand 
der wissenschaftlichen Erkenntnis anpaßt und 
diese Neuregelung uns wesentlich schneller in 
"einer verstärkten Fetterzeugung vorwärts bringt. 


Da sichere Vererber für hohe Milch- und Fett- 
leistungen vorläufig selten sein werden und erst 
durch züchterische Maßnahmen in verstärktem 
Umfang herausgebildet werden müssen, kommt 
es gerade in der nächsten Zeit darauf an, die in 
dieser Hinsicht bewährten Bullen besonders 
stark auszunutzen und ihre wertvolle Erbmasse 


so weitgehend wie möglich zu verbreiten. Das 


ist zunächst dadurch möglich, daß gute Fett- 


. vererber bei zweckentsprechender Haltung 


und Ernährung viel länger der Zucht 
dienstbar bleiben als es heute üblich ist. 
Uber sechsjährige Bullen sind in der deutschen 
Zucht eine Seltenheit, obwohl die normale Be- 
fruchtungsfähigkeit bis zum 10. und 12 Jahr 
und noch länger anhalten kann. 


Außerdem besteht die Möglichkeit, leistung 
fähige und sichere Vererber über die künst- 
liche Besamung wesentlich stärker zu ver- 
wenden, wie es heute schon in vielen Ländern, 


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insbesondere in Dänemark, geschieht. Es ist 
natürlich ein Unding, diese Methode in der 
Rinderzucht verallgemeinern zu wollen, aber für 
den genannten Zweck ist sie sicher brauchbar, 
wie das hiesige Institut in dreijähriger Arbeit 
und an etwa 4000 Besamungen im Kreise Rostock 
feststellen konnte. Die künstliche Besamung 
bringt in der vorgeschlagenen Form einer vor- 
übergehenden Benuizung keinerlei Schäden mit 
sich; sie erzielt mindestens dieselben Befruch- 
tungsziffern wie der natürliche Deckakt, gestat- 
tet aber eine zehnmal go starke züchterische 
Ausnützung der Bullen. 


Auch die züchterischeund wirtschaft- 
liche Verwendung der weiblichen 


X Tiere bedarf unbedingt einer wesentlichen Ver- 


längerung. Leider muß festgestellt werden, daß 
die Milchkühe in Deutschland im Durchschnitt 
nur sechs bis sieben Jahre alt werden. Damit 
sind die bedeutenden Nachteile verbunden, daß 
einmal der Höhepunkt der Milchergiebigkeit 
jeder Kuh mit acht bis neun Jahren nur selten 
erreicht wird, weiterhin die Nachzucht bei dem 
erforderlichen schnellen Umsatz durchweg zur 
Zucht eingestellt werden muß, also von einer 
intensiven Auslese nur ungenügende Benutzung 
gemacht werden kann. Vor allem aber wird auf 
diese Weise zu viel Aufzuchtfutter verbraucht, 
das für die Milchbildung und die Butterherstel- 
lung verloren ist. Alles das sind Ursachen ge- 
nug, die wissenschaftliche Arbeit nicht nur auf 
die Verstärkung der Langlebigkeit auf konstitu- 
tonellem Weg einzustellen, sondern auch mit- 
zuarbeiten an der Ermittlung einer für die Land- 
wirtschaft tragbaren Bekämpfungsmethode der- 
jenigen Seuchen und Krankheiten, die meist 
durch eintretende Sterilität ein frühzeitiges Aus- 
merzen der Kühe notwendig machen. 


Wenn auch die Deckung des Fleischbedarfs in 
der Kriegszeit zum überwiegenden Teil von den 
Rinderbeständen geleistet werden muß, weil ein 
erheblicher Teil der bisher gebrauchten Mast- 
futtermittel, insbesondere die Kartoffel, für die 
unmittelbare menschliche Ernährung benötigt 
wird, so wird doch in normalen Zeiten 
die Schweinehaltung dervorwiegende 
deutsche Fleischerzeuger bleiben, ins- 
besondere dann, wenn als Voraussetzung die 
Mast immer mehr von der Getreide- und Kar- 
toffelgrundlage zur Rübe mit ihren bedeutend 
höheren Erträgen von der Flächeneinheit ge- 
leitet wird. DieSchweinemast ist derVeredelungs- 
Zweig mit den geringsten Nährstofiverlustien, 
und die Gewichtseinheit Schweinelleisch bringt 
bei’der erheblichen Fettbildung kalorisch dop- 
pelt so viel Nährstoffe wie Rindfleisch, so daß 
ein Mastschwein von 150 kg etwa denselben ka- 
lorischen Wert besitzt wie ein 500 kg schweres 
Schlachtrind mit seinem wesentlich höheres 


Schlachtverlust. Hinzu kommt, daß das Schwein 
aus 1 kg Stärke auch etwa-35 Prozent mehr Fett 
als das Rind herstellen kann. 


Auch in der Schweinehaltung sind 
durch züchterische Arbeit noch weitgehende 
Verbesserungen möglich, die sich in der Ver- 
sorgung der Bevölkerung günstig auswirken 


"müssen. 


Zunächst kann die Fruchtbarkeit der 
Sauen noch wesentlich erhöht werden; gelänge 
es, sie von 10 auf 12 Ferkel je Wurf zu steigern, 
also die Zahl der geborenen Ferkel tatsächlich 
der Säugefähigkeit der 12zitzigen Sau anzupas- 
sen, so würden etwa 20 Prozent. des jetzt zur 
Fütterung der Zuchtsauen aufgewandten Futters 
überflüssig und könnte für die Mast von 1 bis 
1,5 Millionen Mastschweinen benutzt werden. 


Hier sind nicht nur die erblichen Verhältnisse 
einer völligen Klärung zuzuführen im Hinblick 
auf den Einfluß beider Elterntiere auf die Zahl 
der geborenen Ferkel, sondern auch die Ursachen 
der Tatsache eingehend zu prüfen, daß 7 Prozent 
der Ferkel bereits tot geboren werden. 


Besonders weitgehende Einsparungen an 
Futter sind während der Mast denkbar. 
Die Arbeit der staatlichen Mastprüfungsanstalt 
hat nachgewiesen, daß etwa 30 bis 40 Pro- 
zent des üblichen Kraftfutterverbrauchs mit 2,5 
bis 3 Millionen t Getreide in der Schweinemast 
eingespart werden könnten, wenn die nach- 
gewiesene günstige Verwertung in unseren 
Mastbeständen zu verallgemeinern wäre, 


Auch die Erzüchtung solcher Körperfor- 


men, die wertvollste Fleischteile besonders 
stark hervortreten lassen bei Einschränkung der 
Knochenstärke auf das konstitutionell zulässige 
Maß, also günstigste Ausschlachtungsverhält- 
nisse gewährleisten, bedeutet ein Ziel, das den 
Ertrag der Schweinehaltung noch weitgehend 
verbessern kann. 


Auch diese Fragen der Erzüchtung eines 
widerstandsfähigen Schweines mit möglichst 
hohem Schlachtertrag, das leichtfüttrig und 
fruchtbar ist, wurde in den Aufgabenkreis des 
Instituts mit einbezogen, genau so wie die Aus- 
schaltung der vielen Krankheiten, die auf 
erblicher Grundlage beruhen und die Leistung 
der Bestände schwer schädigen, auch wenn die 
Haltung in völlig einwandfreien gesunden Stäl- 
len erfolgt. i 


Trotz aller Fortschritte, die in den letzten 
Jahrzehnten auf dem Gebiete der Motorisierung 
gemacht worden sind, hat das Pferd in der Zeit 
von 1913 bis 1938 keine bedeutende zahlen- 
mäßige Einbuße erfahren. Im Altreich wurden 
1913 3,8 Millionen Pferde gehalten und 1938 in 
dem gleichen Gebiet 3,4 Millionen. Das ergibt 
nach Absetzen der in der Zahl von/ 1913 noch 


223 


enthaltenen Militärpferde ein Absinken des Ge- 
samtbestandes um 240000 Pferde. Dieser Rück- 
gang bezieht sich vor allem auf die verschie- 
denen städtischen Nutzungszweige. 


Nahezu 90 Prozent aller Pferde werden in der 
Landwirtschaft benutzt und 86 Prozent dieses 
Bestandes sind im Besitz der ausgesprochenen 
bäuerlichen Betriebe. 
Wirtschaften werden aber der Motorisierung 
immer gewisse Grenzen gezogen bleiben, wenn 
auch der Kleinschlepper hier eine erheblich 
veränderte Lage geschaffen hat. Auch für das 
Heer beweist dieser Krieg, daß auf das Pferd 
nicht verzichtet werden kann. Allerdings hat 
sich der Verwendungszweck in hohem Maße 
insofern verschoben, als hier vorwiegend Zug- 
pferde benötigt werden. Damit hat in großem 
Umfang eine Angleichung der 'Ansprüche, die 
von Heer und Landwirtschaft gestellt werden, 
stattgefunden. 


Das Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, 
an der Züchtung eines für den genannten Zweck 
geeigneten Arbeitspferdes mitzuwirken. Es 
muß zugwillig sein, über einen ausgiebi- 
gen Gang, große Härte und ein gut- 
artiges Temperament verfügen. Da es 
sowohl beim Heer als auch in der Landwirtschaft 
keinen einheitlichen Gebrauchszweck gibt, müs- 
sen die Pferde in verschiedener Schwere ge- 
züchtet werden. Wichtig ist, daß auf besonders 
tiefrumpfige futterdankbare Formen geachtet 
wird, die auf einen großen Hackfruchtanteil in 
der Ernährung eingestellt werden können. Das 
schwere -Pferd ist zweckmäßig auf der Grund- 
lage der Kaltblutzucht zu erzielen, während für 
das leichtere die Warmblutzucht das geeignete 
Fundament darstellt. Die eingeleiteten wissen- 
schaftlichen Arbeiten beziehen sich auf beide 
Kaltblutgruppen der Niederung, einmal auf das 
rheinische deutsche Pferd belgischer Abstam- 
mung, zum anderen auf das schleswig-dänische 
Pferd. Beide Gruppen werden z. Z. einer ein- 
gehenden Rasseprüfung unterworfen. Außerdem 
soll versucht- werden, durch Kreuzung beider 
Schläge die beiderseitigen Vorteile in einem 
Kombinationstyp zu vereinigen. 


In der Warmblutzucht gilt es, unter Entfer- 
nung vom Reitpferdetyp ein schweres Warmblut 
mit ruhigem Temperament zu züchten; die hier- 
für ausersehene hannoversche Zuchtgrundlage 
soll die Gewähr für die Erhaltung des notwen- 
digen Adels bieten. Daneben wird für die be- 
sonderen Bedürfnisse des Ostens vor allem das 
ostpreußische Pferd herangezogen werden. 


Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient in 
der Pferdezucht die Beachtung der Fruchtbar- 
keit, die ja so weit in der deutschen Zucht ge- 
sunken ist, daß man durchschnittlich nur durch 


224 


In diesen bäuerlichen 


die "Haltung von zwei Mutterstuten auf ein 
lebendes Fohlen rechnen kann. 


Die erfolge Vermehrung des Schaf- 
bestandes auf den Stand von rund 6,9 Mil- 
lionen in Großdeutschland, bedarf jetzt einer 
Ergänzung durch eingehende züchterische Be- 
arbeitung mit dem Hauptziel Steigerung der 
Wollmenge. 


Diese Arbeit kann sich als Selektion im Rah- 
men der gegebenen Variabilität der vorhan- 
denen Rassen abspielen. Schwieriger, aber aus- 
sichtsreicher im Hinblick auf den gesuchten 
Erfolg ist der Weg der Kreuzung, wenn er 
strenger Kontrolle unterliegt. 


Voraussetzung ist auch für diese züchterische 
Arbeit die Kenntnis des Erbgangs der in Frage 
kommenden Leistungsanlagen, die bisher nur 
lückenhaft vorliegt. Für den praktischen Zucht- 
versuch kommen eine Reihe besonders aus- 
ländischer Rassen in Frage, die vor der Ein- 
kreuzung einer exakten Prüfung ihrer Akklima- 
tisationsfähigkeit und ihrer morphologischen und 
physiologischen Leistungen zu unterwerfen sind. 
Dabei ist auch zu prüfen, inwieweit das Haupt- 
ziel einer verstärkten Wolleistung sich mit der 
notwendigen Fleischleistung verbinden läßt. 
Denn die Fleischgewinnung ist nicht nur volks- 
wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung, son- 
dern für die meisten Schafhaltungen ist die Ein- 
nahme aus der Fleischleistung die Vorausset- 


zung für eine ausreichende Wirtschaftlichkeit. 
t 


Diese Beispiele sind aus der Fülle der Pro- 
bleme herausgegriffen, die noch zu bearbeiten 
sind. Dabei wird man sieh vor Augen halten 
müssen, daß die Ergebnisse dieser Forschungs- 
arbeit nicht von heute auf morgen sichtbar 
werden können. Es handelt sich vielmehr um 
Aufgaben, deren Früchte erst nach Jahren reiten 
können. 


Sie mögen andeuten, wie sehr uns auf tier- 
züchterischem Gebiet Einrichtungen wie das 
Kaiser-Wilhelm-Institut für Tierzuchtforschung 
gefehlt haben und welchen umfassenden Nutzen 
die tierzüchterischen Forschungsarbeiten über- 
haupt, insbesondere der Ernährungswirtschaft, 
bringen kann. 


Die Viehwirtschaft ist das Rückgrat der 
Bauernbetriebe und jede Förderung ihrer Lei- 
stungsfähigkeit ist das beste Mittel, den Bauern- 
stand zu festigen. 


Für die gesamte deutsche Bevölkerung bedeu- 
tet die Forschung auf diesem Gebiet richt nur 
Erhaltung und Mehrung eines erheblichen An- 
teils ihres Nationalvermögens, sondern vor 
allem Steigerung der Erträge der tierischen 
Produktion, die sich für sie In der Sicherung 
ihrer Ernährung aus eigener Erzeugung äußert. 


ROBERT WIN NIG STEDT: 


4 kHg— —ͤ —ßv—ß«iE . 


Zuchtmethoden und Probleme 
der deutscben Tierzucht 


[iet und Pflanzenzucht arbeiten zwar 
nach den gleichen Vererbungsgesetzen, aber 
doch unter wesentlich anderen Voraussetzungen 
und dementsprechend auch mit wesentlich 
anderen Methoden. Aus diesem Grunde sind 
Unterhaltungen von Tierzüchtern und Pflanzen- 
züchtern zwar aufschlußreich, aber doch gerade 
in ihren praktischen Schlußfolgerungen für den 
Tierzüchter meist unbefriedigend. Resignierend 
muß er immer wieder feststellen, daß der Pflan- 
zenzüchter es leichter hat. Die Kombinations- 
züchtungen haben für den Pflanzenzüchter im 
Verlaufe der letzten Jahrzehnte die größten Fort- 
schritte gemacht. Aber gerade diese Zucht- 
methode ist für den Tierzüchter an sich heute 
am wenigsten anwendbar. Sie muß als Voraus- 
setzung eine größere Vermehrungsfähigkeit, 
einen schnellen Generationswechsel und die 
Möglichkeit des Ausmerzens ungeeigneter Zucht- 
produkte haben, dazu auch die entsprechenden 
Ausgangsindividuen. Die Erfolge der Pflanzen- 
zucht beruhen darauf, daß man zu der Auslese 
von erbfesten Nachkommen mit dem erstrebten 
Zuchtziel viele Tausende aufzieht, von denen 
nur einige wenige für die Weiterzucht benutzt 
werden. All dieses ist für den praktischen Tier- 
züchter in dem erforderlichen Umfange nicht 
gegeben und macht selbst in großen staatlichen 
Instituten erhebliche Schwierigkeiten. Daher ist 
auch in der praktischen Tierzucht von der 


Kombinationszüchtung bislang nur wenig Ge- 


brauch gemacht worden, in den letzten Jahr- 
zehnten überhaupt nicht mehr. 


Die Zuchtmethoden der Praxis waren in der 
Tierzucht Verdrängungskreuzung, Einkreuzung 
und die Kreuzung an sich, die man mit der Kom- 
binationszüchtung vergleichen kann. Die heute 
allgemein angewandte Zuchtmethode ist die 
Reinzucht innerhalb der bestehenden Rassen 
und Schläge, soweit man von Reinzucht bei den 
unterschiedlichen Erbanlagen überhaupt spre- 
chen kann. Unter den vorhandenen Schlägen 
werden die Tiere ausgelesen, die dem Zuchtziel 
am nächsten stehen und daher eine Weiterent- 
wicklung versprechen. 

Die Gebrauchskreuzung hat insofern, 
züchterisch gesehen, nur eine beschränkte Be- 
deutung, als ihre Zuchtprodukte züchterisch 
Dicht weiterbenutzt werden, sondern, wie das 
Wort sagt, gebraucht oder — besser gesagt — 


t 


verbraucht werden und dabei nach dem Gesetz 
des Luxurierens der Bastarde besondere Vor- 
züge aufweisen. Ich erinnere an die Gebrauchs- 
kreuzungen insbesondere in der Schweinezucht, 
Berkshire-Eber X veredelte Landschweinsauen 
oder deutsches Weideschwein mit veredelten 
Landschweinsauen. Solche Gebrauchskreuzun- 
gen haben zweifellos unter bestimmten Vor- 
aussetzungen ihre Bedeutung, sind aber immer 
mit der Gefahr verbunden, daß die Kreu- 
zungstiere miteinander gepaart werden und 
dann die vielfachen Aufspaltungen erheb- 
liche Rückschläge bilden. Es ist unbedingt 
notwendig, daß bei der Gebrauchskreuzung die 
Ausgangsrassen oder -schläge rein weiter- 
gezüchtet werden. 


Die Verdrängungskreuzung ist die in 
der deutschen Tierzuchtpraxis bislang am 
meisten angewandte Zuchtmethode. Durch Ver- 
drängungskreuzung mit Simmenthaler und spä- 
ter deutschen Fleckvieh-Bullen ist aus vielen 
deutschen Landschlägen Mittel- und Süddeutsch- 
lands das große Zuchtgebiet des deut- 
schen Fleckviehrindes entstanden, das 
heute rassenmäßig 40 Prozent des deutschen 
Rinderbestandes umfaßt. Ebenso ist vielfach 
durch Verdrängungskreuzung mit schwarzbun- 
ten Niederungsbullen aus den alten Landschlä- 
gen der norddeutschen Niederung das große 
schwarzbunte Zuchtgebiet entstanden, 
das heute rund 50 Prozent des deutschen Rinder- 
bestandes ausmacht. Dabei sei hervorgehoben, 
daß zu dieser Entwicklung der Überschuß der 
schwarzbunten Zucht an weiblichen Zuchttieren, 
der sofort zum Aufbau anderer Reinzuchten 
führen konnte, erheblich beigetragen hat. In der 
Pferdezucht ist das große Zuchtgebiet des 
rheinisch-deutschen Kaltblutpferdes 
vorwiegend durch Verdrängungskreuzung mit 
dem belgischen Kaltblüter und später dem 
rheinisch-deutschen Kaltblüter entstanden. Auch 
in der Schafzucht verdanken weite Gebiete der 
deutschen Schwarzkopfzucht und auch der deut- 
schen Merino-Fleischschafzucht ihre Entstehung 
der Verdrängungskreuzung der Landschafe mit 
entsprechenden Böcken. Ebenso ist in der Zie- 
genzucht das große Zuchtgebiet der deutschen 
weißen Edelziege durch eine Verdrängungs- 
kreuzung der alten Landziege mit der Schweizer 
Saanenziege entstanden, 


= 225 


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Von der Einkreuzung wird Gebrauch ge- 
macht, um durch vorübergehende Zuchtbenut- 
zung einzelner Tiere einer Rasse oder eines 
Schlages eine bestimmte Eigenschaft in die an 
sich rein weitergezüchtete Rasse hineinzubrin- 


gen So verdanken die rot- und schwarzbunten 


Niederungskühe ihre Fleischwüchsigkeit und 
ihre tiefen, tonnigen und breiten Formen zwei- 
fellos der vor Jahrzehnten durchgeführten Ein- 
kreuzung des nur auf Mastfähigkeit gezüchteten 
englischen Shorthornrindes. Es ist keine Frage, 
daß eine derartige Zuchtmethode schon das sehr 
scharf beobachtende Auge des Züchters benö- 
tigt, um nicht die vorhandenen anderen Nut- 
zungseigenschaften durch derartige Einkreu- 
zungen verderben zu lassen. 

In der Pferdezucht wurde von der Einkreuzung 
mit Vollblutpferden in der Warmblutzucht ver- 
hältnismäßig häufig Gebrauch gemacht. Wenn 
auch heute in der Warmblutzucht die über- 
wiegende Mehrheit der Züchter eine Kreuzung 
ablehnt, so gibt es doch auch heute noch gewisse 
Anhänger der Kreuzungszucht, 


Von welcher Bedeutung die Einkreuzung sein 
kann, ergibt sich aus der bemerkenswerten 
züchterischen Feststellung dieses Kriegsgesche- 
hens, daß unter allen europäischen Pferdeschlä- 
gen, mit denen unsere Soldaten in Berührung 


kamen, die sich durch besondere Härte, An- 
spruchslosigkeit und Trockenheit der Gelenke 


auszeichneten, die einen Schuß Araberblut in 
sich führten, gleichgültig, ob es sich um den 
Boulonnaiser Schimmel Frankreichs, ein leichtes, 
besonders gängiges Kaltblutpferd, handelt oder 
um die zähen Warmblutpferde Polens und Ruß- 
lands. 

Das deutsche veredelte Landschwein und das 
veredelte Landschaf sind Beispiele der Kom- 
binationskreuzung. Es waren zweifellos 


besonders begabte Züchter, die aus den Kreu- 


zungen der Landschweine mit den damals in 
größerer Zahl eingeführten englischen Yorkshire- 
schweinen eine in sich konsolidierte und ohne 
weitere Aufspaltung sich vererbende neue Rasse 


geschaffen haben, die heute mehr als 72 Prozent 


des deutschen Schweinebestandes umfaßt. Ver- 
gleichen wir heute das deutsche Edelschwein 
und das deutsche veredelte Landschwein, so 
haben wir das züchterische Kuriosum, daß die 


` Erbwertunterschiede innerhalb beider Rassen 


erheblich größer sind als der Unterschied des 
Durchschnitts beider Rassen. Dies gilt insbeson- 
dere für die so wichtige Futterverwertung. 


Die heute in Deutschland übliche 
Zuchtmethode ist die Reinzucht und 
die züchterische Auslese innerhalb der 
vorhandenen, in der Rinderzucht z.B. wenigstens 
in der Farbe gleichmäßigen Schläge. Ihr Zucht- 


prinzip verdankt seine Anwendung der in den 


226 


letzten vier Jahrzehnten in immer größerem 
Umfange eingeführten herdbuchmäßigen 
Bearbeitung aller Tiergattungen, ap 
deren Ausbau der staatlich oder berufsständisch 
angestellte Tierzuchtleiter maßgeblich beteiligt 
ist. Beginnend in den 80er Jahren des vorigen 
Jahrhunderts und sich allmählich zu einer immer 
größeren Ausdehnung ausbauend, bildeten sich 
die privaten Züchter-Vereinigungen, die heute 
dem Reichsnährstand angegliedert sind und in 
Gestalt der Tierzuchtleiter ihre meist speziali- 
sierten Zuchtleiter und Geschäftsführer haben. 
Hervorzuheben ist, daß es sich heute wie auch 
zur Zeit ihrer Entstehung bei den Züchter- 
vereinigungen um freiwillige Zu- 
sammenschlüsse oder Bauern handelt, die 
aus privater Initiative den Entschluß faßten, 
ihre Viehßestände zu verbessern, insbesondere 
leistungsfähiger zu machen. | 


Aus dem Kreis privater Überlegungen wurde 
die tierzüchterische Arbeit in dem Augenblick 
herausgeführt, als sich der Staat der Dinge 
annahm und entweder durch eigene Einrichtun- 
gen oder zum wenigsten durch die Gesetzgebung 
die tierzüchterische Arbeit beeinflußte. So hat 
z. B. der Preußische Staat durch die Hengste 
seiner Landgestüte sowie auch durch die Zucht 
seiner Hauptgestüte seit dem Jahre 1732 die 
preußische Pferdezucht maßgeblich beeinflußt 
Er ging dabei davon aus, daß der Bedarf des 
Heeres an Pferden es notwendig macht, durch 
die Aufstellung staatlicher Hengste der Zucht 
eine ganz bestimmte Richtung zu geben. Berück- 
sichtigt man, daß gerade aus dieser Überlegung 
heraus der Staat an der Kaltblutzucht und ihrer 
Entwicklung nicht interessiert war, teilweise 
sich sogar gegen diese Entwicklung gestemmt 
hat, so ist es verständlich, daß die Hengsthal- 
tung in der Kaltblutzucht ursprünglich vorwie- 
gend in privater und genossenschaftlicher Hand 
war und erst später der Staat in seinen Gestüten 
auch Kaltbluthengste aufstellte. Hervorzuheben 
ist, daß so hochstehende Warmblutzuchtgebiete 
wie Oldenburg und Ostfriesland sich aus pri- 


vater Initiative und ohne staatliche Gestüte ent- 


wickelt haben. Wenn heute für die Weiterent- 
wicklung unserer Pferdezucht Staats-, Genossen- 
schafts- und Privathengste nebeneinander ein- 
gesetzt sind, so wird nur der diese Art der 
Hengsthaltung für endgültig halten, für den das 
Leben ohne Dynamik zu sein scheint. 


In allen anderen Tierzuchtzweigen hat der 
Staat, beginnend im 19. Jahrhundert, mit einer 
Reihe von gesetzlichen oder polizeilichen Ver- 
ordnungen über die Vatertierhaltung, und zu 
einem gewissen Abschluß gebracht durch das 
Reichstierzuchtgesetz vom 17. März 
1936, sich vorwiegend gesetzgeberisch betätigt 
In seinen Verordnungen und Gesetzen gab er 


Kë 
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gewisse Vorschriften für die Auswahl der zur 
Zucht verwandten Vatertiere, die vor der 
Zuchtbenutzung angekört, d. h. auf ihre Zucht- 
tauglichkeit geprüft wurden und erst dann die 
Erlaubnis zum Decken bekamen. Die Züchtung 
dieser Vatertiere, Bullen, Eber, Schaf- und Zie- 
genböcke liegt in der Hand des Bauern, ebenso 
wie zumeist die Haltung dieser Vatertiere. An 
sich ist zwar auf Grund der Bestimmungen der 
Ersten Verordnung zur Förderung der Tierzucht 
die Gemeinde oder das Amt oder der Kreis zur 
Vatertierhaltung verpflichtet. Aber von dieser 
Verpflichtung wird nur in den kleinbäuerlichen 
Gebieten Süd- und Mitteldeutschlands Gebrauch 
gemacht. 


In den Gebieten selbständigen und leistungs- 
fähigen Bauerntums überwiegt die genossen- 
schaftliche oder die private Vatertierhaltung. 
Durch die Tatsache, daß in Deutschland die 
Zucht — man kann wohl sagen — ausschließlich 
in der Hand des Bauern liegt, unterscheidet sich 
die deutsche Tierzucht insbesondere von den 
Staaten des Südostens und auch des Ostens, wo 
die Zucht vorwiegend auf Staatsgütern betrieben 
wird. 

Für die Entwicklung der deutschen Tierzucht 
war weiterhin von ausschlaggebender Bedeu- 
tung, daß die Erste Verordnung zur Förderung 
der Tierzucht die Möglichkeit gibt, die Zucht- 
gebiete rassenmäßig nach Schlägen festzulegen. 
In vielen Landesbauernschaften ist es nicht not- 
wendig gewesen, von dieser Möglichkeit Ge- 
brauch zu machen, weil die einheitliche Zucht- 
richtung bereits seit Jahrzehnten festliegt, so 
die Schwarzbuntzuchtgebiete in Ostpreußen, 
Pommern, Mecklenburg, Kurmark, Niedersach- 
sen, Weser-Ems. Demgegenüber wurde gerade 
in manchen mitteldeutschen und süddeutschen 
Landesbauernschaften die derzeitige Rassen- 
verteilung oder wenigstens ein Wunschbild 
dieser Verteilung festgelegt, um sie damit auf 
ewige Zeiten zu verankern. 


Soweit bisherige Methode und Entwicklung 
deutscher Tierzuchtarbeit. Die Aufgabe. dieser 
Arbeit stand, entweder durch den Bauer selbst 
oder durch den Staat gegeben, immer fest, wenn- 
gleich sie je nach den zeitbedingten Anforderun- 
gen sich auch im einzelnen veränderte. Durch 
züchterische Maßnahmen, insbesondere ent- 
sprechende Zuchtwahl, sollen die Viehbestände 
so verbessert werden, daß sie unter den ge- 
gebenen Verhältnissen möglichst hohe Leistun- 
gen bei möglichst niedrigem Futteraufwand er- 
bringen. Nie ist diese Aufgabe so wichtig 
gewesen wie gerade heute im Kriege. Vielleicht 
ist gerade darum auch die Problematik 
deutscher Tierzuchtarbeit nie so 
offensichtlich gewesen wie heute: Da- 
bei ist klar, daß gerade das „Tierezüchten“ 


- früherer Zucht des einfarbig- 


Persönlichkeitssache _ 
Neigung, Wissen und Kön 
den Meister. Wahre Meiste A 
der richtigen Betrachtung der _ 
lichen Voraussetzungen der 
und züchtenden Betriebe, 
zucht, die Krönung finden. 
mancherlei Beispielen zeige 


Ein Verbrechen am Bauer: TG DICH 
eine 16 Zentner schwere Ku , r r TE 
leistungsfähigkeit in aol che 
drängungskreuzung oder Ei 
tieren verbringen zu wollen 
ein Futter für eine 9-Zentne 
Milch hergibt. So hat die 
viehzucht in vielen Gebiete 
ihre Bedeutung, zumal man 
gen rechtzeitig entsprecheı 


ist es aber, aus wirklichkeits 
einem wirtschaftlich vorwärt 
eine Kuh und eine Rasse m 
fähigkeit vorenthalten zu wog 
aufgestellten Rasseplan nich 
z. B. im rheinischen Wester 


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Bee DE 
EL AL BLA LA 

mit seiner neu eingeführte ...,. za 
rungsviehzucht heute je ha ASS. Së, IT 
Nutzfläche 1570 kg Milche P , e 
Kreis eines ähnlich gelag GG, . 
jedoch noch besseren bet: A 
Voraussetzungen mit seine Dee, 
farbig-gelben Zucht nur 57 CH GC SGG 
Frage, welche Maßnahme ric CC GG GE DD 
zweifellos der Gedanke der GOCH HE SE: 

zucht, so sehr er als das zü POOGCGzZo ZZ 


zusprechen ist, seine Begren .. 
Man kann sich manchmal LEE 
erwehren, daß manche Gebi GBR GG GGG GGF 


der Reinzucht zu früh erstarr. 
besondere für die Rinderzu 
aus den alten Landschläge 


und die auch heute noch ke 
als durchgezüchtet anzusehe . TG GH 


man manchmal statt der Re ASS 
sten von einer gewissen iRnn?ę AAA 
von einer Verdrängung 

machen, sofern man sich ni 
durchringen will, sofort 
neuen Rasse einzuführen u- 
zucht zu kommen. Der Begri 

keit ist hier manchmal auf 


rischen und wirtschaftlichei Sa G 
G 


gewaltigt worden. 

Auch die derzeitigen Zuc á 
planmäßigen Herdbuchzucht Ge 
Hinsicht problematisch, e 
Maßnahmen des Reichstie 
ohne Mängel sind. l 


Was dem Pflanzenzüchter z. B. nicht einleuch- 
ten will, ist, daß zumeist nur solche Vatertiere 
zur Zucht benutzt werden, bei denen über die 
Leistungen ihrer Nachkommenschaft keine ein- 
wandfreien Feststellungen vorliegen. Diesen 
Mangel empfindet der Tierzüchter auch, ohne 
ihn aber vermeiden zu können. Bei dem lang- 
samen Generationswechsel sind z. B. die meisten 
Bullen bereits verschwunden, wenn die Leistun- 
gen ihrer Nachkommen in Milch und Fett und 
auch in Fleisch vorliegen. Die Frage der Be- 
wertung gerade der Bullen, Eber, Schaf- und 
Ziegenböcke nicht nur nach ihrer äußeren Form, 
sondern insbesondere im Hinblick auf ihren 
nach der Abstammung zu erwartenden und ihren 
durch tatsächliche Leistungsfeststellungen gege- 
benen Erbwert ist das Problem, um das gerungen 
wird. Die Körung, d. h. Zuchtauswahl, und 
Zuchtverwendung junger, gerade deckfähig ge- 
wordener Vatertiere ist zweifellos eine sehr 
anfechtbare Maßnahme. Anfechtbar erscheint 
auch, wenn man sich solche Vatertiere regel- 
mäßig alle Jahre vorstellen läßt, um sie dann 
vielleicht trotz gleichgebliebener Abstammung 
und obgleich noch keine Feststellungen über die 
Vererbung vorliegen, abzukören. Dabei liegen 
die Dinge aber in der Praxis so, daß Vatertiere 
dann zumeist nur wegen schlechter Entwicklung 
und weil sie im Typ dem Zuchtziel nicht mehr 
entsprechen, abgekört wurden. Die erste Zucht- 
benutzung erfolgt in einem an sich zu frühen 
Alter, was sich praktisch aber nicht vermeiden 
läßt. Außerdem hatten die Körungen und regel- 
mäßige jährliche Vorstellung der Vatertiere eine 
erzieherische Aufgabe zu erfüllen, um die Vater- 
tiere nicht verkommen zu lassen. Jeder, der sich 
noch des Anblicks der Vatertiere bei der ersten 
Körung auf Grund des Reichstierzuchtgesetzes 
erinnern kann, wird diese Notwendigkeit be- 
stätigen. ! 


Andererseits ist klar, daß die Entwicklung uns 
ständig vor neue Aufgaben stellt. Es bedeutet 
zweifellos an sich einen erheblichen Fort- 
schritt in unserer Zuchtarbeit, wenn 
die zweite Körung der Vatertiere mit 
einer Besichtigung der Nachkommen 
erfolgt, wie sie der Reichsfachwart „Tier- 
zucht“ Dr. Pflaumbaum fordert. Wenngleich da- 
bei die Beurteilung der Nachkommen zunächst 
auch nur nach der Form vorgenommen werden 
kann, so gibt sie doch die Möglichkeit, gleich- 
zeitig auch die Art der Fütterung und Aufzucht 
der jungen Tiere kritisch zu beobachten. Die in 
der Herdbuchzucht durchgeführten Nach- 
zuchtbesichtigungen haben in dieser Hin- 
sicht schon mancherlei Anhaltspunkte und Er- 
fahrungen vermittelt. Sie gipfeln darin, daß die 
endgültige Bewertung der Vatertiere auf den 
Zuchtwert hin erst möglich ist, wenn nach- 
gewiesene Leistungen vorliegen. Leider sind 
dann die meisten Vatertiere, insbesondere die 
Bullen, bereits ausgeschieden. Möglichst lange 
Zuchtbenutzung ist daher an sich zu empfehlen. 
Scgensreich ist das zweifellos aber nur dann, 


228 


wenn die Bullen sich gut vererben. Manchem 
schlechten Vererber hat man hinterher schon 
einen früheren Tod gewünscht. Verbesserungs- 
würdig ist zweifellos trotz mancher Fortschritte 
das Richten unserer Ausstellungstiere. Viel- 
leicht ist es eine glückliche Fügung des Schick- 
sals, daß unter den Kriegsverhältnissen die 
Schauen ausfallen mußten und daher wäh- 
rend dieser Zeit mancherlei Fragen des Typs 
und des Zuchtziels in ihren Grundsätzen 
durch die praktische Arbeit geklärt werden 
können, ohne dabei in der Offentlichkeit 
auf Schauen Unruhe zu schaffen. Wer sich mit 
den Problemen der praktischen Tierzucht befaßt, 
stößt schneller als der Pflanzenzüchter auf die 
naturgegeben begrenzte Anwendbarkeit der an 
sich ebenso wie in der Pflanzenzucht geltenden 
Vererbungsgesetze. Das ist bedauerlich, aber 
unvermeidbar. Um so mehr begrüßt die Tier- 
zuchtpraxis, daß im Kaiser-Wilhelm- 
Institut für Tierzuchtforschung in 
Dummerstorf auf. Veranlassung von 
Reichsminister Backe die großzügige 
Möglichkeit zur tierzüchterischen Grundlagen- 
forschung gegeben ist und auch gegebenenfalls 
praktisch verwertbare Zuchtversuche gemacht 
werden. 


Klarheit muß darüber herrschen, daß Tiere zu 
züchten immer bedeuten wird, am Lebendigen zu 
gestalten. Das setzt nicht allein Verstand und 
Wissen, sondern auch angeborenes Gefühl und 
Beurteilungsvermögen voraus. Man wird Erb- 
werte nie im letzten papiermäßig bestimmen 
und im voraus berechnen können. Ausschlag- 
gebend wird zunächst sein, daß ein 
klaresundauflangeSichtberechnetes 
Zuchtziel gestellt wird. Daß hinter 
den reinen Nutzungsei genschaften 
dabei die Form zurücktreten muß, ist 
klar und gerade heute von niemandem be- 
stritten. Trotzdem wird die Form in bestimmten 
Grenzen immer der äußere Ausdruck der wirt- 
schaftlichen Eigenschaften der Tiere und damit 
nicht ohne Bedeutung sein. Entscheidend ist, 
daß der Tierzüchter zähe und fest in seinen 


Zielen ist, aber sich doch den wirtschaftlichen 


Erfordernissen .einer Weiterentwicklung der na- 
türlichen und betriebswirtschaftlichen Grund- 


lagen anpaßt. Er darf sich andererseits durch 


Rückschläge nicht entmutigen lassen, die ihm 
Seuchen und Krankheiten in seinen Stall bringen 
und manchmal in kurzer Zeit die Arbeit von 
Jahren und Jahrzehnten vernichten, Vieles hat 
die Arbeit des Tierzüchters in der erhöhten 
Leistungsfähigkeit unserer Haustiere geschaffen. 
Das beweisen die Leistungen in der Kriegswirt- 
schaft, die um ein beträchtliches höher liegen 
als im Weltkriege. Trotzdem kann und muß 
noch mehr erreicht werden. Es geht dem Tier- 
züchter wie jedem deutschen Menschen. Sind 
ihm Aufgaben klar gestellt, so wird er um ihre 
Lösung ringen, mag er nun im Osten oder im 
Westen, im Norden oder im Süden unseres 
weiten Vaterlandes stehen. 


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Bild Vorderseite: Vorlauben- 

haus in Tiege, Kreis Groß- Werdet. 

Noch heute wohnen in diesem 

Haus die Nachkommen hollän- 

discher Bauern, die einst die 

Weichselniederung in fruchtbares 
Land verwandelten 


Bild links: Ein Stuhl mit Flechtsitz 
und kunstvoll geschnitzter Rücken- 
lehne, ein schönes Beispiel der 
reichen Wohnkultur der hollän- 
dischen Bauern. — Bild unten: 
Scheunentore auf einem alten Hof 
in Tiege. — Bildrechts: Auch die 
Wirtschaftsgebäude dieser für die 
Jahrhunderte gebauten Höfe zeigen 
oft die Vorlaube 


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Im Zuge der sogenannten zweiten Ostsiedlung, die im 16. Jahrhundert begann, kamen, wie schon während der 
großen mittelalterlichen Ostsiedlung, wiederum viele Niederländer nach dem Osten, um sich dort eine neue Heimat 
zu schaffen. Mittelpunkt der holländischen Einwanderung war die alte Hansestadt Danzig, wo die niederländischen 
Kaufleute im Artushof eine eigene Bank hatten. Die in der Entwässerungstechnik geübten holländischen Siedler 
verwandelten den Danziger Werder in fruchtbares Land. Vom Werder aus drangen die Siedler in der Niederung 
stromaufwärts, wo sie sich mehr und mehr mit anderen Siedlern aus den Gebieten Niederdeutschlands 


vermischten. Von ihrer alten gediegenen Bauernkultur hat sich noch vieles bis in die Gegenwart erhalten 


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Bild links: Ziehbrunnen auf einem Bauernhof bei 
Slonsk an der Weichsel, Kreis Hermannsbad. Die 
Ziehbrunnen sind im Wartheland üblich. — Bild 
unten: Bauernhof in Slonsk an der Weichsel. Die 
auch auf dem oberen Bild zu erkennenden Flecht- 
zaune waren früher allgemein verbreitet 


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FRIEDRICH WALTER: 


Agrarstatistik 


Statistik ist das Sichtbarmachen 
des Unübersehbaren 


E” das Fernrohr hat uns ermöglicht, Tat- 
achen des Weltenraumes zu erkennen, die 
uns bis dahin unzugänglich und unbekannt 
waren. Durch das Mikroskop wurde eine un- 
geahnte Wunderwelt des Kleinen erschlossen. 
Mittels der Zeitlupe sind wir imstande, Einzel- 
heiten von Vorgängen zu studieren, die so rasch 
vor sich gehen, daß das Auge sie sonst nicht 
mehr genügend verfolgen kann. Und mittels 
Zeitraffer lassen sich Vorgänge, die sich über 
längere Zeiträume erstrecken, in allen Einzel- 
heiten beobachten und vergleichen. In ähnlicher 
Weise ist es erst durch statistische Beobachtun- 
gen möglich, Vorgänge und Zustände zu er- 
fassen, die der einzelne nicht zu erschauen und 
zu überblicken vermag, etwa weil ein Menschen- 
leben nicht ausreicht, um den Abschluß von 
bestimmten Vorgängen noch zu erleben, oder 
weil gleiche Vorgänge an vielen Orten zugleich 
zu erfassen sind oder weil die Einzelfeststellun- 
gen die Arbeitskraft eines einzelnen Menschen 
bei weitem übersteigen. Stalistik ist das Sicht- 
barmachen des Unübersehbaren. Mit dieser 
Auffassung der Statistik, die nicht unwesentlich 
von der bisher üblichen abweicht, ist zugleich 
die Grundlage für eine neue und andersgeartele 
Zielsetzung gewonnen. 


Manches sieht ganz anders aus 


Ein kleines Erlebnis beleuchtet das vielleicht 
am besten. Vor Jahren hatte ich gerade eine 
Karte über die Verbreitung der Zugkühe 
fertiggestellt und zeigte sie einem führenden 
Tierzuchtbeamten, einem erfahrenen Sachkenner 
des Gebietes, der beim Anblick der Karte in der 
ersten Aufwallung ausrief, das stimmt nicht. 
Nun lagen der Karte aber die eindeutig klaren 
und eingehenden amtlichen Unterlagen der 
Viehzählung zugrunde. Bei der weiteren Unter- 
haltung stellte sich dann auch heraus, daß sein 
etwas zu rasches Urteil abgeändert werden 
mußte, weil tatsächlich im Ravensberger Lande 
eine große Zahl Zugkühe vorhanden ist, zwar 
nicht in den Zuchtställen der größeren Betriebe, 


im Umbruch 


wohl aber bei den zahlreichen Heuerlingen, die 
aus Mangel an Arbeitspferden mit ihren Kühen 
die Arbeiten auf ihrem Lande verrichten. Die 
Statistik ermöglicht also das Erfassen auch des 
wenig Beachteten und des Unscheinbaren, das 
aber durch seine Häufung sehr wesentliche Aus- 
wirkungen haben kann. 


Bei der statistischen Ermittlung tritt die 
exakte Feststellung an die Stelle der 
„Meinung“. Genügend klargeworden sind 
uns die verheerenden Folgen irriger Meinungen 
und unzulänglicher Erkenntnisse allmählich bei 
den Schwankungen der Mastschweinebestände. 
Der einzelne glaubte durchaus richtig zu han- 
deln, wenn er bei niedrigen Schweinepreisen 
die Schweinehaltung einschränkte und bei 
hohen Schweinepreisen immer mehr Läufer auf 
Mast stellte. Wie viele Bauern nun in gleicher 
Weise handelten, konnte der einzelne nicht 
wissen. Alle aber bekamen schließlich zu füh- 
len, daß sie in beiden Fällen wirtschaftlich falsch 
gehandelt hatten, weil sie bei steigenden und 
hohen Preisen zunächst nicht genügend 
Schweine zum Verkauf hatten und andererseits 
ihre aufgefüllten Bestände bei sinkenden und 
niedrigen Preisen abstoßen mußten. Erst die 
statistischen Untersuchungen über die Schwan- 
kungen der Schweinepreise und Schweine- 
bestände schufen genügende Klarheit über die 
Zusammenhänge. 


Auffällig ist, auch für den kundigen Landwirt, 
daß die Kölner Bucht und. die Soester 
Börde, die beide als ausgesprochen gute Wei- 
zengebiete gelten können, doch zu den wich- 
tigen Roggenerzeugungsgebieten Deutschlands 
gehören und daß die Magdeburger Börde, 
das ausschlaggebende deutsche Zuckerrüben- 
gebiet, zu den wichtigen Kartoffelerzeugungs- 
gebieten Deutschlands gerechnet werden muß. 
Die an sich nicht außergewöhnlich großen An- 
bauflächen bringen infolge hoher Hektarerträge 
hohe Gesamternten. Diese Tatsachen konnten 
erst erkannt werden, seit de Verwendung 
der Dichtepunkte bei der kartographischen 
Darstellung ermöglicht, die wirklichen Ernte- 
mengen der einzelnen Gebiete wiederzugeben, 
während bis dahin nur die Anbauflächen (im 


229 


Abb. 


Or. Friedr. Waller 


Zuchtsauen 


Jeder Punkt entspricht 100 Zuchtsaven (Dear 1930) 


1. Die früher nicht BEN Darstellung von Zucht und Mast zeigt die wesentlichen Unterschiede in der landschalt- 


lichen Verbreitung beider Formen 


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Verhältnis zum Ackerland oder zur Getreide- 
fläche) oder die Erträge je SIACHENBIDAEN dar- 
gestellt wurden. 


Die richtige Darstellung der wirklichen Zu- 
nahme bzw. des Rückgangs gestattet z. B. auch 
vertiefte Einblicke in die Entwicklung der 
Schweinehaltung. In den Jahren nach der 
Machtübernahme wurde viel von der Verlage- 
rung der Schweinehaltung nach dem Osten ge- 
sprochen. Die Darstellung der Zunahme im 
Verhältnis zum bisherigen Bestand schien diese 
Auffassung auch zu bestätigen. Sobald man aber 
die absolute Zunahme vergleicht, zeigt sich, 
daß die tatsächliche Zunahme etwa im Ravens- 
berger Land immer noch größer ist als die in 
Pommern. Die Schweinehaltung der Bergleute 


und Ruhrarbeiter bewirkte durch ihr beträcht-. 


liches wirtschaftliches Ausmaß, daß vor der 
Machtübernahme der Ferkelmarkt Altenessen 
bestimmend für die Preisbildung des deutschen 
Ferkelmarktes überhaupt war, obwohl im Ruhr- 
gebiet keine Zucht vorliegt. Erst die getrennte 
Darstellung der deutschen Schweinehaltung 
nach Zuchtsauen und Mastschweinen ließ die 


eigenartigen Zusammenhänge und die örtlichen 


Gegensätze klar erkennen. (Abb. 1 u. 2.) 


230 


Während des ersten Weltkrieges hatte man 
sich entschlossen, bei den Viehzählungen auch 
die Zahl der Zugkühe und der Zugochsen 
zu erfragen. Manch führender Landwirt und 
mancher Tierzüchter wird überrascht gewesen 
sein, daß die Zahl der Zugkühe in Deutschland 
auch noch 1925 etwa der Zahl der Arbeitspferde 
in der Landwirtschaft gleichkam. 


Nach landläufiger Ansicht wird die Haupt- 
masse der landwirtschaftlichen Großbetriebe in 
Pommern und Ostpreußen gesucht. Daß die 
Großbetriebe sowohl nach Zahl wie nach Anteil 
an der Nutzfläche am stärksten in Mecklenburg 
vertreten sind und daß die Magdeburger Börde 
mehr Großbetriebe aufweist als weite Teile de! 
Mark Brandenburg und von Schlesien, ist durch- 
aus nicht ausreichend bekannt. (Abb. 3 u. 4.) 


Solcher Beispiele gibt es noch viele. 


Auch Statistik ist nicht immer auf dem 
rechten Wege 

Mittelwerte sind bei Erntemengen be- 

rechtigt, um bei den Schwankungen von Jahr zu 


Jahr zu vergleichbaren Durchschnittszahlen zu 
gelangen. Mittelwerte der Pegelstände eines 


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Mastschweine r alt 


Jeder Punkt entspricht 200 Mastschweinen ( Dez 1930). 


hat geringere Bedeutung als Mastgebiet als das von Heriord-Bielefeld 


Flusses sind aber kaum brauchbar, weder für die 
Schiffahrt noch für Brückenbauer. Die Schiff- 


fahrt kommt bei Niedrigwasser zum Erliegen, 


und die Brückenbauer müssen wissen, welche 
Höchststände ein Hochwasser erreichen kann. 
Hier ist also die Kenntnis der Extreme entschei- 
dend. Die Jahresmilchleistung je Kuh ist uns 
heute ein fester Begriff geworden. Stalldurch- 
schnitte, also Mittelwerte, geben aber kein völ- 
lig einwandfreies Bild, wel aus ihnen nicht 
ersichtlich ist, ob der Bestand ausgeglichen ist 


oder ob durch einzelne Tiere die sonst gute 


Leistung herabgedrückt wird. Richtiger ist hier 
die gruppenweise Gliederung nach Leistung, 
besser noch eine geeignete graphische Darstel- 
lung. Mittelwerte stellen meist eine Vergröbe- 
rung dar, können ‚sogar Verschleierung oder 
Verfälschung bewirken. Sie sind Notbehelt. 
Daher ist die Forderung nach einer Loslösung 
vom Mittelwert berechtigt. 


In ähnlicher Weise muß die Verhältnis- 
zahl kritisch betrachtet werden. Der Ernte- 
ertrag je Flächeneinheit, der Hektarertrag, ist 
ein brauchbares und berechtigtes Maß, um ört- 
liche und zeitliche Verschiedenheiten zu ver- 
gleichen. Streng genommen darf der Wert aber 


nur für einen Schlag oder schließlich noch für 
einen Betrieb mit gleichartigen Verhältnissen 
gelten. Ohne weiteres leuchtet ein, daß An- 
gaben über den Alkoholverbrauch je Kopf der 
Bevölkerung kein wirklicher Maßstab sind, auch 
nicht für Vergleiche von Land zu Land. Es 
müßte bei Erwachsenen zwischen Enthaltsamen, 
Gelegenheitstrinkern und Gewohnheitstrinkern 
geschieden werden. 


Nicht selten ist es überhaupt schwierig, eine 
geeignete Beziehungseinheit für Verhältnis- 
zahlen zu finden. Die Schweinehaltung hat bei 
starker Mast mit betriebsfremdem Futter oder 
bei Kleinhaltung keinerlei Beziehung zur Nutz- 
fläche des Betriebes oder zum Ackerland oder 
zum Großviehbestand, der dann oft fehlt. Ähn- 
lich ist es bei der Hühnerhaltung der Klein- 
betriebe, die auf Küchenabfälle und Futterzukauf 
angewiesen sind, oder bei Hühnerfarmen, ob- 
wohl in allen diesen Fällen recht erhebliche 
wirtschaftliche Bedeutung vorliegen kann. Auch 


-Beziehungen zu der Bevölkerungszahl haben nur 


sehr bedingten Wert und führen zu mancherlei 
Fehlschlüssen. i 


Es liegen allerdings auch Fehlerquellen vor, 
die rein menschlich, psychologisch begründet 


231 


Abb. 2. Das Ruhrgebiet gehört zu den wichtigsten Schweinemastgebieten Deutschlands. Das Zuchtgebiet an der unteren Weser 


Or. Frieder. Walter 
! 


Landw. Großbetriebe 
von 200-500 ha 


Jeder Punkt entspricht I Betrieb 


Abb. 3. Die übliche Zusammenfassung aller landwirtschaitlichen Betriebe über 100 ha als Großbetriebe hat uns die Erkenatuis 
verbaut, daß die einzelnen Größengruppen örtlich recht verschieden verbreitet sind 


sind. Daß die Ferkelzahlen bei Viehzählungen 
meist zu niedrig angegeben werden, wird damit 
begründet, daß man ja nicht wisse, wieviel von 
den Ferkeln am Leben bleiben. Daß aber selbst 
bei sonst verständigen Leuten recht törichte 
Auffassungen über den Zweck statistischer Er- 
hebungen auftreten, die zum statistischen 
„Massensterben” bei Geflügel führen können, 
det schon weniger erfreulich. Am seltsamsten 
aber ist wohl die bisher anscheinend überhaupt 
nicht beachtete Tatsache, daß es den Pferden 
ähnlich geht, wie es den Frauen gehen soll, daß 
sie mit zunehmendem Alter langsamer alt 
werden. Pferde z. B., die am 1. Dezember 1934 
drei- bis vierjährig waren, müssen ein Jahr 
später vier- bis fünfjährig sein. Es zeigt sich 
aber, daß die Zahl der vier- bis fünfjährigen 
stets viel größer ist, obwohl keine nennens- 
werte Einfuhr stattgefunden hat und außerdem 
ein natürlicher Abgang durch Tod in Rechnung 
gestellt werden muß. Die Pferdehalter geben 
also auch einen Teil ihrer Pferde, die schon 
über fünf Jahre alt sind, noch als vier- bis 
fünfjährig an. 


Wir müssen uns darüber Rechenschaft geben, 
welche Gesichtspunkte die Statistik klären soll. 


7 


232 


Bei der Schweinehaltung z. B. wollen wir nicht 
nur über Zucht und Mast Aufschluß haben nach 
Umfang, örtlicher Lagerung und zeitlicher 
Schwankung. Wir wollen auch den jeweiligen 
Altersaufbau kennen, den Umfang von Schnell- 
mast oder Spätmast, ob Ferkelaufzucht am Ort 
erfolgt oder Ferkelverkauf oder Läuferverkaut, 
wollen Genaueres wissen über den Umtrieb bei 
Zuchtsauen und die Zahl der Würfe, über Zeit- 
punkt der Schlachtreife der Schweine, über 
‚Alter und Gewicht beim Schlachten, über Um- 
fang und Formen der Schweinehaltung in den 
einzelnen Betriebsgrößen, bei gewerblicher Mast 
und bei der Kleinhaltung. 


Bisher galt die „Massenbeobachtung” 
als eine wesentliche Aulgabe der Statistik. Das 
Aufgliedern der Einzelfälle in wirklich zusam- 
mengehörige Gruppen und das gleichzeitige Aus- 
sondern ungewöhnlich gelagerter Fälle gestattet 
im Gegensatz dazu einen besseren Einblick. 
Aber erst das eingehende Durchprüfen der 
Einzelfälle schafft volle Klarheit und läßt gleich- 
zeilig die Zusammenhänge erkennen. Das aber 
ist die Forderung, die an die Statistik der Zu- 
kunft gestellt werden muß, die organischen 
Zusammenhänge zu wahren und sichtbar zu 


PAST aP AN 


Or. Friede. Walter 


Landw. Großbetriebe 


von 300 - 1000 ha 


Jeder Punkt entspricht I Betrieb 


Abb. 4 Die Betriebe von 200 bis 500 ha häufen sich besonders in Mecklenburg und Vorpommern. Und Betriebe von 


$00 bis 1000 ha sind in der Magdeburger Börde dichter gelagert als in Schlesien 


machen. Es wird Zeit, daß die biologische Be- 
trachtungsweise einselzt. 


Noch bleibt manches Geheimnis 


Gewisse Tatsachen vermag nur die Statistik 
zu klären. Noch immer ist die Wettervorhersage 
mit einer Menge Unsicherheiten behaftet. Wir 
wissen noch wenig über die Abhängigkeit 
der Pflanzenentwicklung von der Wit- 
terung, so daß heute neben manchen durch- 
aus richtigen Beobachtungen auch noch eine 
ganze Menge abwegige Folgerungen über das 
Verhältnis von Mond und Pflanzen- 
wuchs im Volke vorhanden sind und Glauben 
finden. Noch ganz ungeklärt ist die Frage, ob 
irgendwelche Zusammenhänge zwischen 
Geburt und Tod und dem Auftreten der 
Gezeiten bestehen. Eine Aufgabe für die 
Statistik ist die Ermittlung, wieweit eine 
Größenzunahme bei der heutigen Ju- 
gend eintritt. Unzureichend geklärt ist weiter 
die Abwanderung vomLande, der Rück- 
gang der ländlichen Bevölkerung, die 
Frage, wieweit die ländlichen Handwerker, die 
früher wohl alle nebenher landwirtschaftlich 
tätig waren, heute sich beruflich umgestellt 


haben. Wenig bekannt ist die Marktleistung 

der Betriebe. Erst aus einer sorgfältigen 

Marktbeobachtung heraus kann eine zuverläs- 
sige Marktvorhersage entwickelt werden, Auch 

Lebenshaltungskosten des platten 
Landes, landwirtschaftliche Preise und Erzeu- 
gungskosten bedürfen weiterer Klärung. Uber 
die innere Verkehrslage der Betriebe 
und die Zahl und Größe der Grundstücke und 
Schläge liegen nur allgemeine Schilderungen 
vor. Überhaupt sind die Betriebsverhältnisse 
noch zu wenig und dann meist ohne inneren 
Zusammenhang bearbeitet, Erst durch eine 
stärkere Aufgliederung in engere Größenklassen 
bei gleichzeitigem Aussondern der ungewöhn- 
lich gelagerten Fälle lassen sich eingehendere 
und zutreffendere Erkenntnisse gewinnen. 


Was wissen wir von fremden Ländern und 
ihrer landwirtschaftlichen Erzeugung? Bisher 
wurden von uns fast nur die statistischen An- 
gaben für die Staaten als Ganzes behandelt als 
Grundlage für Handelsvertragsverhandlungen. 
Die Wirtschaftsräume, ihre Lage und Möglich- 
keiten wurden kaum beachtet. Eigentlich hätte 
das Ausland längst eingehend und nach gleich- 
artigen Gesichtspunkten bearbeitet sein sollen. 


š 233 


— 


Manches verhängnisvolle Fehlurteil wäre ver- 
mieden, manche wichtige Folgerung rechtzeitig 
gezogen worden. j 


Wir können aber genau so fragen: Was wissen 
wir von unserm eigenen Land und Volk? Noch 
immer fehlen alle Ansätze zu einer Statistik 
der bodenständigen Bevölkerung in 
Stadt und Land und über ihre Seßhaftig- 
keit, über die Herkunftsgebiete der 
Ehegatten ‚(nicht Geburtsorte, die zufällig 
sein können), über Heiratsalter und über das 
Alter bei der Hofübergabe. Wir wissen nur 
Unzureichendes über das Alter unserer Bauern- 
häuser, obwohl aus den Unterlagen der Feuer- 
versicherungen ohne große Mühe bereits 
brauchbare Unterlagen gewonnen werden könn- 
ten. Die Größe der Hofstätten ist nicht nur 
betriebswirtschaftlich wichtig, sondern hat in 
ihrer geographischen Verbreitung auch Bedeu- 


fung für siedlungsgeschichtliche Forschung. 


Künftig wird es notwendig sein, bei. manchen 
Auswerlungen nach Stadt und Land zu trennen, 
um über bestimmte Erscheinungen besseren Auf- 
schlug zu erlangen. Man wird sich auch ent- 
schließen müssen, scheinbar abseits liegende 
Fragen aufzugreifen, wie etwa die Entfernung 
zu Arzt und Hebamme auf dem Lande, um auch 
über solche wirklich lebenswichltigen Fragen 
nicht lediglich gefühlsmäßige und unsichere 
Urteile zu besitzen. Eine Fülle vielgestaltiger 
Aufgaben liegt demnach noch vor uns. 


Künftige Ausgestaltung und Zielsetzung 


Es hat bei der amtlichen Statistik lange ge- 
dauert, bis neben den Fragen der staatlichen 


Verwaltung auch Gesichtspunkte der Wirtschaft 


und der Wissenschaft sich Geltung verschaffen 


‚konnten. Und noch immer laufen manche Dinge, 


so wie die geschichtliche Entwicklung sie all- 
mählich brachte, nebeneinander her. Die 
Viehzählungen, die Erhebungen der 
Fleischbeschau und die Schlachtvieh- 
statistik sind noch nicht aufeinander abge- 
stimmt, so daß manche wesentlichen Lücken 
in unseren Erkenntnismöglichkeiten noch klaf- 
ten. Wir werden eines Tages darangehen 
müssen, alle die vielen verschiedenartigen 
Fragestellungen und Aufgaben mit Rücksicht 
auf die Bedürfnisse sowohl der Führung wie der 
Praxis und der Wissenschaft von höherer Warte 
her zu ordnen und die Voraussetzungen für eine 
genügende Vergleichbarkeit nicht bloß für enge 
Gebiete, sondern für möglichst große Räume zu 
sichern. Außerdem wird es notwendig werden, 
die Stellen, die sich mit Statistik befassen, den 
künftigen Arbeitszielen entsprechend organisch 
aufzubauen, Heute haftet ihnen noch mancherlei 
von dem Erbe aus der Zeit der Kleinstaaterei aa. 


224 


Künftig wird ein Statistisches Reichsamt kaum 
mehr alle statistische Kleinarbeit für den ge- 
samten .großdeutschen Raum zentral verrichten 
können. Entsprechend der politischen Gliede- 
rung werden, wie es bereits vereinzelt ge- 
schehen, Statistische Amter der Reichsgaue 
einen Teil der Aufgaben übernehmen müssen, 
die besser in örtlicher Arbeitsteilung erledigt 
werden. Dazu gehört ein wesentlicher Teil der 
Agrarstatistik. Die gesamte Aufbereitung kann 
ohne weiteres und auch rascher in den Gau- 
ämtern durchgeführt werden. Es wird aber 
künftig notwendig sein, wesentliche Teile der 


Einzelauswertung überhaupt von den Sta- 


tistischen Amtern gbzutrennen, denn Statistik 
ist ja nicht Selbstzweck. Die wesentliche Auf- 
gabe der Statistischen Amter ist die Ermittlung 
und Aufbereitung der Unterlagen. Dazu sind 
Erfahrungen und besondere technische Kennt- 
nisse und Einrichtungen erforderlich. Ganz 
andere, und zwar fachliche Kenntnisse sind aber 
notwendig für die Auswertung. 


Für die Führung des Staates und Volkes muß 
die Auswertung bei den Spitzenstellen 
liegen, also beim Statistischen Reichsamt und bei 
den Fachministerien. Für die Landesverwaltung 
und für örtliche Fragen wird die Auswertung 
aber besser den örtlichen Stellen, etwa Sta- 
tis ischen Gauämtern, überlassen, und die Aus- 
wertung nach fachlichen Gesichtspunkten wird 
künftig weit mehr als, bisher die Aufgabe von 
besonderen Stellen oder wissenschaftlichen In- 
stituten sein müssen, weil nur dort alle die fach- 
lichen Grundlagen und das wissenschaftliche 
Rüstzeug zur Verfügung stehen, die für eine 
grundlegende Bearbeitung und Forschung not- 
wendig sind. So können die statistischen Unter- 
lagen wirklich lebendig gemacht werden und der 
Erkenntnis dienen. 


Während früher die Statistik im wesentlichen 
die jeweiligen Zustände zu erfassen suchte, 
werden heute die Vorgänge, die Wandlungen 
und Verlagerungen stärker in den Vordergrund 
gerückt. Die treibenden Kräfte, die verschie 
denen Einflüsse nach Art, Richtung und Ausmaß 
und ihre Auswirkungen sind zu verfolgen. Aller 


dings sind wir da noch stark in den Anfängen. 
Kaum noch angefaßt sind die Fragen der Zu- 


sammenhänge, der Rückwirkungen und Ver 
flechtungen. Vielfach lassen sich diese mit den 
bisherigen Unterlagen und Methoden überhaupt 
nicht klären. Es müssen also entschlossen andere 
Wege gesucht werden. 


Es ist nicht die Aufgabe der amtlichen Sta- 
tistik, eine riesige Menge von Zahlenangaben In 
den „Zahlenfriedhöfen” der Tabellenbände zu 
friedliichem Schlummer zusammenzustellen, som 
dern das Nutzbarmachen der Ergebnisse 


—— [ SE 


der statistischen Erhebungen muß 
oberstes Gesetz sein. Mit der Wiedergabe 
einiger Endzahlen und mit allgemeinen Erläute- 


rungen — ob knapp oder ausführlicher — ist es. 


nicht getan. Von dem Sachkenner, der die 
Bearbeitung vornimmt, wird erwartet, daß er 
alles Kennzeichnende eindeutig und eindringlich 
herausstellt. Man ist bisher gewissermaßen auf 
halbem Wege stehengeblieben, hat sich mit 
dem Ermitteln der Zahlen begnügt und sie ledig- 
lich durch andere Zahlen miteinander zu ver- 
gleichen versucht. Dabei stehen durch die gra- 
phischen und kartographischen Darstellungen 
Wege offen, die weitgehende Möglichkeiten 
bieten und die heute bei weitem noch nicht aus- 
reichend erkannt, geschweige denn erschöpfend 
genutzt worden sind. 


Zuweilen trifft man auch auf unzulängliche 
graphische oder kartographische Darstellungen. 


Es muß selbstverständlich gefordert werden, daß 


nicht nur der Text, sondern auch die bildlichen 
Darstellungen sachlich einwandfrei sind. Um 
das schaffen zu können, ist allerdings eine ein- 
gehende Vertrautheit mit den Formen und Mög- 
lichkeiten der Darstellung und eine genügende 
technische Sachkenntnis nötig, und zwar nicht 
nur beim Zeichner, sondern auch beim Bearbei- 
ter. Es geht auch nicht an, die Wahl der Dar- 
stellungsweise einfach dem Techniker zu über- 
lassen. | 


Eine graphische oder eine kartogra- 
phische Darstellung ist der knappestie 
Ausdruck einer Vielheit von Tat- 
sachen. Sie soll rasch und sinnfällig ein zu- 
verlässiges und klares Bild lielern, das die Tat- 
sachen eingehend und vollständig genug wieder- 
gibt. Darin kann zusammengefaßt werden, was 
bei einer Beschreibung viele Seiten Text erfor- 
dern würde. Grobe Darstellungen sind nur in 
wenigen Fällen zulässig, etwa bei eiligen Be- 
richten über vorläufige Ergebnisse. Denn es 
würde ja ein nicht zu rechtfertigender Wider- 
spruch darin liegen, wenn Material erst in ein- 
gehender Weise mühsam erfaßt und aufbereitet 
würde, um dann stark vergröbert dargeboten zu 
werden. Eine Vergröberung ist auch nicht etwa 
notwendig, um der Klarheit oder Deutlichkeit 
willen, denn man kann auch anders als durch 
Grobheit deutlich werden. Allerdings ist eine 
grob schematische Darstellung viel bequemer 
und — sie läßt Hintertürchen offen. 


Bei den Darstellungen, die bisher zu große 
und dadurch zu uneinheitliche Verwaltungs- 
gebiete zugrunde legten, entstand ungewollt 
jene Vieldeutigkeit, die zu schwer kontrollier- 
baren Fehlschlüssen führt und die ihrerseits dazu 


beiträgt, das Vertrauen zur Statistik überhaupt- 


zu erschüttern. Regierungsbezirke als Gebiets- 


einheit müssen fast durchweg als ungeeignet für 
kartographische Darstellungen abgelehnt wer- 
den. Selbst bei Kreisen als Gebietseinheit 
ergeben sich bei der Auswertung noch erheb- 
liche Fehlerquellen (vgl. Abb. 5 u. 6). Der Kreis 
Bielefeld besteht etwa zur Hälfte aus Weizen- 
boden nördlich des Teutoburger Waldes und zur 
anderen Hälfte aus dem armen Sandboden der 
Senne. Zum Kreis Sangerhausen gehört außer 
dem Anteil am hochgelegenen und waldreichen 
Südharz ein Teil der Goldenen Aue mit hoch- 
ertragreichem Zuckerrübenboden. Durchschnitts- 
werte solcher Kreise können kein klares Bild 
vermitteln, weder für den einen noch für den 
anderen Teil der Raumes. Nur wenn eine Be- 
arbeitung nach Gemeinden erfolgt, läßt sich die 
Verbreitung der verschiedenen Tatsachen klar 
und einwandfrei genug erkennen. Deshalb muß 
immer wieder die Forderung erhoben werden, 
daß die kleinstmöglichen Einheiten als Grund- 
lage für Erfassung, Aufbereitung und Darstellung 
verwendet werden. 

Die Agrarslalistik braucht eigene Methoden. 
Auf keinem anderen Gebiete statistischer Be- 
tätigung ist es notwendig, so eingehend die 
örtlichen Unterschiede zu erfassen. Dement- 
sprechend hat die Agrarstatistik vorzugsweise 
die geographische Arbeitsweise und insbeson- 
dere die kartographische Darstellung notwendig. 
Die Agrarstatistik bedarf genauer flächentreuer 
Karten, die für die einzelnen Großräume selbst 
heute noch nicht in einwandfreier und vergleich- 
barer Form vorliegen. Sie hat geeignete Karten 
mit genauen Verwallungsgrenzen nötig, die 
wieder mit den lopographischen Karten, den 
Boden-, Vegelations- und Klimakarten derselben 
Räume vergleichbar sind. Alle diese Grundlagen 
fehlen noch weitgehend oder sind, wo sie vor- 
liegen, nicht einheitlich, weichen in Maßstab und 
Ausführung voneinander ab. Karten mit Ge- 
meindegrenzen mußten bisher vielfach erst 
mühsam geschaffen werden, um eine kartogra- 
phische Darstellung statistischer Tatsachen 
überhaupt durchführen zu können. Eine geogra- 
phisch eingestellte agrarstatistische Forschung 
konnte daher, weil ihr die wichtigsten Voraus- 
setzungen fehlten, bisher nicht umfassend vor- 
gehen oder irgendwelche Fragen erschöpfend 


behandeln. Oft war es nur möglich, Fragen zu 


bearbeiten, für die gerade stalistische und karto- 
graphische Unterlagen zugleich vorhanden wa- 
ren, während andere und wichtigere mangels 
Unterlagen der einen oder anderen Art zurück- 
gestellt werden mußten. Dringend notwendig ist 
aber auch, daß der Forschung durch die Sta- 
tistischen Amter die Ergebnisse der Erhebungen 
in einer geeigneten Form zugänglich gemacht 
und daß die Art der Aufbereitung und die Glie- 
derung der Tabellen auf den besonderen Aus- 
werlungszweck zugeschnitten werden. 


we 


235 


Westfalen 


Fed, walter. 


m nn 


Wm gp 


— A — 


Von loo ha Ackerland wurden 
Wé winterweiren bedaut 


Winterweizen 


Anteil des Winterweizenandaus 
amfckerland I nach Kreisen 


—̃ !ſ᷑—d— 
= ER tis 


2-5 » 


3910 =» 


10-20 e 


15-20 — 


SR 
mm «= 20 - 


Abb. 5. Die übliche Darstellung nach Kreisen vermag die tatsächliche örtliche Verbreitung der einzelnen 
Erscheinungen nicht genügend klar wiederzugeben 


Die agrarstatistische Forschung muß 
sich einmal als landwirtschaftliche 
Raumforschung entwickeln, also die Stand- 
orttragen der Landwirtschaft und ihre 
Voraussetzungen behandeln. Sie muß aber auch 
den zeitlichen Gang des Geschehens verfolgen, 
etwa die Schwankungen der Ernten, der Preise 
oder der Verhältnisse des Arbeitsmarktes. Wäh- 
rend für die Bearbeitung der Fragen der Raum- 
forschung außer den statistischen und landwirt- 
schaftlichen Fachkenntnissen eine eingehende 
naturwissenschaftliche, geographische und kar- 
tographische Schulung und Erfahrung erforder- 
lich Ist, muß bei der anderen Zielsetzung vor- 
zugsweise eine volkswirtschaftliche und wirt- 
schaftsgeschichtliche Schulung vorausgesetzt 
werden. 


In anderer Hinsicht werden sich bei der land- 
wirtschaftlichen Statistik mehr und mehr zwei 
unterschiedliche Einstellungen herausbilden 
müssen, eine agrarwirtschaftlich und eine 
betriebswirtschaftlich ausgerichtete, 


Die Agrarwirtschaft betrachtet die Landwirt- 


236 


schaft von der Gesamtwirtschaft her als deren 
Teil und die Wechselwirkungen mit ihr. Die 
agrarwirtschaftliche Statistik wird ihre Unter- 
lagen im wesentlichen durch statistische Erhe- 
bungen gewinnen und ihre Ergebnisse für die 


‘politische Führung, die Landesverwaltung und 


die wirtschaftliche Lenkung auswerten. Die 
betriebswirtschaftlich eingestellte Statistik, die 
man als Einzelbetriebsstatistik oder als Hof- 


‚statistik bezeichnen kann, baut in der Haupt- 


sache auf Buchführungsunterlagen und Einzel- 
beobachtungen auf und ist bestrebt, ihre Ergeb- 
nisse für die Leitung von Einzelbetrieben und 
für die Wirtschaftsberatung nutzbar zu machen. 
Es genügt dabei allerdings nicht, nur wenige 
Auswahlbetriebe zu verfolgen, sondern die Hof- 


| statistik muß auf möglichst breiter Grundlage 


durchgeführt werden, um nicht falschen Ver 
allgemeinerungen zu erliegen. 


WowirimBegriff sind, uns auf großräumigeres 
Denken umzustellen, ist es auch erforderlich, die 
statistischen Erhebungen der einzelnen Länder 
und die Einzelheiten der Tabellen ooch weit 


Winterweizen 


Anteil des Winterweizenanbaus 
amAckerland 1913 nach Gemeinden 


Fes Dr. Friedr. Waiter. 


Von Too ha Ackerland wurden 
y ; Sa, ei i mil Winterweizen betau? 


d O2, ha 
ër 2-5 o 
5-0 e 
10-15 « 
15-20 e 
oder 20 : 


Abb. 6. Erst die Bearbeitung der gleichen statistischen Unterlagen nach möglichst kleinen Verwaltungs- 
einheiten (bei Westialen etwa 3000 Gemeinden) ergibt ein einwandfrei zutreflendes Bild 


mehr aufeinander abzustimmen als dies durch 
‚die Arbeiten des Internationalen Landwirt- 
schafts-Instituts Rom bisher geschehen ist. 
Durch die Anwendung der statistischen For- 
schungsmethode von fachkundiger Seite werden 
Lücken der Erfassung und ungünstige Gliede- 
Zungen der Tabellen erkannt, und damit können 
Erhebung und Aufbereitung überprüft und ver- 
feinert werden. Bei alledem darf aber nicht 
unbeschtet bleiben, daß die statistische For- 
schungsmethode nicht die einzige bleiben darf, 
um zu einwandfreien Erkenntnissen zu gelangen, 
sondern daß Sich Einzelbeobachtungen und Er- 
kundungen anderer Art planvoll anfügen müs- 
sen. Die zahlenmäßige Feststellung ist eben nur 
ein Teil der Erkenntnismöglichkeiten neben der 
Feststellung von Art, Wesen, Form und orga- 
nischem Zusammenhang. 


Die Statistik hat ihr Ziel nicht schon erreicht, 
wenn sie fein säuberlich den augenblicklichen 
Zusiand erkannt und dargelegt, gewissermaßen 
einen Buchführungsabschluß geliefert hat. Die 
Bedeutung statistischer Forschung 


liegt darin, daß aus der Kenntnis des Heutigen 
oder des Früheren Rückschlüsse auf Künftiges 
möglich sind. Es bedarf ein solches Vorgehen 
zwar ähnlich grundlegender Sachkenntnis wie 
die Diagnose eines verantwortungsbewußten und 
tüchtigen Arztes. Vorausschauende Maßnahmen, 
rechtzeitige und ausreichende Vorsorge für 
künftige Entwicklungen können jedoch durch- 
aus zuverlässig aus ‚genügend sorgfältigen Er- 
kenntnissen statistischer Forschung abgeleitet 
werden. 


So gewinnen scheinbar abseits liegende Unter- 
suchungen weittragende Bedeutung für die 
Staatsführung, aber auch für die Planung, Len- 
kung und Beratung im großen wie im einzelnen. 
Die eine Entwicklung kann rechtzeitig abge- 
bremst, die andere gesteigert oder umgestellt 
werden. Durch das Vertiefen unserer Erkennt- 
nisse der örtlichen Verschiedenheiten, ihfer Ur- 
sachen und Auswirkungen und durch das Er- 
kennen der Zusammenhänge lassen sich die 
testen, gesicherten Grundlagen für den weiteren 
Ausbau einer gesunden Agrarpolitik schaffen. 


237 


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Das wehrhalte bel 


E: ist ein ebenso hartnäckig wie weit ver- 
breiteter Irrtum, daß sich die deutsche Stadt 
der Vergangenheit vom Dorf vor allem gerade 
durch das Vorhandensein von Wehranlagen 
unterscheidet. Auf den ersten Blick hin, der 
nur die Festungen der Neuzeit und als ihre 
Vorläufer die mächtigen Mauerringe und 
Türme unserer alten Städte ins Auge faßt, will 
es allerdings so scheinen, daß Wehranlagen 
ein Merkmal städtischer Siedlungen sind. Wir 
finden auf der anderen Seite zwar nur selten 
schriftliche Nachrichten über das wehrhafte 
Dorf, wer aber aufmerksam durch die deut- 
schen Landschaften wandert, stößt überall in 
Dörfern und Fluren auf die Zeugen des bäuer- 


lichen Wehrwillens. Sie sind älter als manche 


Mauern und Türme und entstanden schon, 
bevor unsere Vorfahren in städtischen Gemein- 
wesen lebten. 


Der bäuerliche Mensch hätte bereits in 
der Frühzeit das Bedürfnis, seine Familie, 
seinen Besitz und seinen Acker zu schützen, 
indem er einmal seinen Wohnsitz auf einer 
von Natur aus besonders geschützten Stelle er- 
richtete oder sich an schwer zugänglichen 
Plätzen eine besondere Zufluchtsstätte für 
Augenblicke der Gefahr schuf. Die durch die 


Natur gebotene Befestigung solcher gesicherter 


Plätze wurde bald durch Menschenhand ver- 
stärkt. Schon in sehr früher Zeit wurden Wehr- 
anlagen aus Erde und Holz hergestellt und 
Zäune oder Palisaden aus nach oben zuge- 
spitzten Holzplanken hinderten jeden Eindring- 
ling empfindlich. Bergkuppen mit Steilhängen, 
vorspringende Hochflächen, die nur einen 
schmalen Zugang boten, durch Wasser oder 
Sumpf gesicherte Halbinseln waren ebenso ge- 
eignet wie die Verstecke in dichten Waldungen. 
Befand sich beispielsweise der Wohnsitz oder 
der Zufluchtsort auf einer natürlichen oder ge- 
rodeten Waldblöße, dann war es lediglich 
nötig, die Zwischenräume zwischen den an der 
Peripherie stehengebliebenen Bäumen auszu- 
füllen, was etwa dadurch geschah, daß man 
die seitlichen Zweige der Bäume herunterzog, 
knickte und miteinander verflocht. Die Eibe, 
die Eiche und die Hainbuche waren hier beson- 
ders geeignet. Um die Zweigbildung am unteren 
Stamm zu fördern, wurden die Bäume in der 
jeweils fassenden Höhe gekappt. So entstand 
ein sogenannter „Knick“, zuweilen auch Ge- 


238 


bück, Hain oder Hag genannt. In die im Ge- 
Zweig noch vorhandenen Zwischenräume wur- 
den dann Dornen- oder Brombeersträucher ein- 
gepflanzt. Auch der Haselstrauch, der Schwarz- 
oder Weißdorn bildeten mit ihrem Strauchwerk 
eine Füllung. Die Bedeutung der Rosenhecke 
als Schutz verdeutlicht uns das alte Märchen 
vom Dornröschen, 


Die vollkommenere Form des Schutzes für 
die Dorfbewohner stellen bereits in der Früh- 
zeit der mit einer Hecke gekrönte Wall und 
der Graben dar. Der Wall umzog nötigenfalls 
als „Ringwall' den ganzen Wohn- oder Zu- 
fluchtsplatz oder er sperrte ihn als „Ab- 
schnittswall” an der Stelle ab, die am 
leichtesten zugänglich war. Auf diese Weise 
entwickelten sich die Wallburgen, von 
denen wir Spuren überall im alten germanisch- 
deutschen Siedlungsraum finden, 


Wenn die Wallburgen wegen ihrer abseitigen 
Lage auch wohl nicht ständige Wohnungen ge- 
wesen sind, so dienten sie doch als Zufluchts- 
orte, in denen Menschen, Tiere und Vorräte 
geborgen werden konnten, weshalb sie auch 
die Bezeichnung „Burg“ führen. Die Bedeutung, 
die sie noch zur Zeit des Dreißigjährigen 
Krieges hatten, lernen wir aus der anschau- 
lichen Schilderung im „Werwolf“ von Hermann 
Löns kennen. Ein Teil solcher Wallburgen war, 
auch wenn sie nicht in unmittelbarer Nähe von 
Siedlungen liegen, zu allen Zeiten bis zur 
Gegenwart hin Versammlungsort bei Beratun- 
gen und Gerichtsverhandlungen, und noch 
heute lodern zuweilen Oster- und Johannisfeuer 
auf solchen Stellen. 


Schon hieraus schließen wir, und zahlreiche 
Bodenfunde erhärten diese -Ansicht, daß hier 
in vorchristlicher Zeit zugleich die Kult- 
stätte für die dazugehörige Gemeinde lag. 
Besonders große und weitläufige Anlagen, in 
deren Mitte sich ein bedeutendes vorchrist- 
liches Heiligtum, denken wir etwa an die 
Irminsul, die Externsteine oder die Queste, be- 
fand, lassen vermuten, daß sie einer ganzen 
Reihe von Dörfern, etwa einer Markgenossen- 
schaft, dienten. 


In diesen Volksburgen beobachten wir, 
soweit sie noch erkennbar oder zu rekonstru- 
ieren sind, Gräben als breite, bis zu drei Meter 
tiefe Mulden. Auch die Wälle end erstaunlich 


dick, In einem Falle wurden 17 Meter ge- 
messen. Hier, in der „Pippinsburg” bei Geeste- 
münde bestand der Wall anscheinend aus zwei 
Etagen. Die äußere, niedrigere stieß bis an den 
Graben vór; die innere erhob sich etwa acht 
Meter über das Gelände. Im Innenraum zog 
sich anscheinend ein Kranz von Hütten am 
Wall entlang, ähnlich wie wir es später bei 
den befestigten Kirchenburgen beobachten 
können. 


Solche Volks- und Wallburgen hatten bis zur 
Zeit der Merowinger eine besondere Bedeutung 
für die Landesverteidigung. Karl der Große 
ließ dann aber einen Teil der Anlagen im Osten 
seines Reiches, aus denen heraus die Sachsen 
ihren Widerstand geleistet hatten, zerstören. 
Erst Heinrich I. veranlaßte dann im durch die 
Einbrüche der Slawen 'und vor allem der Un- 
garn gefährdeten Grenzgebiet eine Neubefesti- 
gung dieser alten Volksburgen zum Schutze 
der Bevölkerung. Er kann hier also mit mehr 
Recht der „Burgenerneuerer“ als der „Burgen- 
dauer“ genannt werden. Seine Wehranlagen 
dienten nach wie vor der Sicherheit der bäuer- 
lichen Bevölkerung, die ausschließlich in 
Einzelhöfen, Weilern oder Dörfern wohnte, 


Kaiser Heinrich IV, ist später in Mittel- 
deutschland dem Beispiel Heinrichs I. gefolgt 
und hat wiederum die vorhandenen Volks- und 
Wallburgen, in deren Nähe sich häufig Königs- 
gut befand, neu befestigen lassen. Diesmäl galt 
es aber nicht die Bevölkerung vor dem äußeren 
Feind zu schützen, sondern den königlichen 
Besitz vor seinen inneren Feinden im Sachsen- 
land. Hier vollzog sich, wie auch an anderer 
Stelle, die Verengung von der Volks- 


burg zur späteren Ritterburg. Diese 


erscheint nun als eine durch die Maurerkunst 
bewirkte Fortentwicklung der alten Wallburg. 

Inzwischen waren in vielen anderen Wall- 
burgen an Stelle der germanischen Kultstätten 
längst christliche Kirchen oder Klöster ge- 
ieten. Schon der bekannte Papst Gregor I. 


empfahl die Umwandlung heidnischer Heilig- 
tümer in christliche, „weil die Neubekehrten 


bekanntermaßen gern die Stätten ihrer alten 
Heiligtümer aufsuchten“. Deshalb war für die 
Wahl des Kirchplatzes ebenso wie auf der 


anderen Seite für die Wahl des Burgplatzes oft 


das Vorhandensein, einer frühgeschichtlichen 
Wallburg bestimmend. Wir finden häufig abge- 
legene Einödkirchen, Wallfahrtskapellen und 
Klöster dort, wo sich vordem eine Volksburg 
befand. Auch wurde zumeist in den alten Wall- 
Burgen in der Nähe der Siedlungen die Dorf- 


kirche errichtet und dabei zugleich viele der 


alten Wehranlagen beibehalten. 


Man spricht in der Gegenwart viel von den 
Siebenbürger Kirchenburgen und glaubt oft, 
sie seien eine Besonderheit des Deutschtums in 
Südosteuropa. Hier haben die Kirchenbur- 
gen zwar eine bedeutendere Rolle gespielt als 
die befestigten Städte, die Siebenbürger 


Sachsen übernahmen aber die ihnen schon in 
ihrer Heimat bekannte Art der Kirchenbefesti- 
gung in den neugewonnenen Siedlungsraum 
und entwickelten sie hier zu besonders mar- 
kanten Formen. Die bekannten Kirchenburgen 
Siebenbürgens haben bescheidenere Vorläufer 
in vielen süddeutschen und westdeutschen 
Landschaften. 


Die mittelalterlichen deutschen Kirchen- 
befestigungen haben außer dem Platz auch 
vielfach Form- und Rechtsverhältnisse mit den 
alten Volksburgen gemeinsam. Beim Bau der 
Dorfkirche selbst wurde mit voller Absicht’ die 
wehrhafte Anlage beibehalten oder wiederher- 
gestellt, Sie ist häufig mit allem Zubehör da- 
maliger Befestigungskunst ausgestattet, so daß 
wir sie fast als die Dorfburg oder die 
Zitadelle im Dorf ansprechen können. 
Die Kirche war zunächst das einzige massive 
Gebäude im Dorf und wurde bald noch durch 
die Errichtung des Kirchturmes verstärkt. 


Die Ursache für den Kirchturmbau war 
nicht, wie man zuweilen von der heutigen Be- 
stimmung aus gesehen glaubt, die Glocke, son- 
dern vielmehr die Sicherheit des Dorfes und 
seiner Bewohner. Der St. Galler Plan bezeichnet 
um das Jahr 820 die beiden Kirchtüfme aus- 
drücklich als Wachtürme (ad universa 
superinspicienda). Die Stellung des Kirchturms, 
der in der Regel den wichtigsten Teil des dörf- 
lichen Verteidigungswerkes bildete, wurde nach 
ähnlichen Gesichtspunkten gewählt, wie für den 
Berchfrit einer: Burg. Deshalb finden wir auch 
viele alte Türme frei geben der Kirche stehen, 
konnten sie doch so die Aufgabe eines Berch- 
frits besonders vorteilhaft ausüben. In anderen 
Fällen war der Turm nur vom Dachboden des 
Kirchenschiffs aus zugänglich, Fast alle alten 
Türme haben zumindest hohe Einstiegstüren 
und sind nur durch außen an dem Turm ange- 
legte Leitern oder Holztreppen zu erreichen. 


Die Lichtschlitze sind sehr schmal und haben 


meist die Form von Schießscharten. Der Turm 
war immer die letzte Rettung, wenn sich die 
übrige Anlage in feindlicher Hand befand. Es 
kann deshalb nicht auffallen, daß die Stein- 
treppen zu den Turmobergeschossen recht 
schmal sind. Die Verfolger sollten immer nur 
einzeln nacheinander den Turm besteigen 
können. 


Noch im Dreißigjährigen Krieg haben wehr- 
hafte Dorfkirchen den Bauern vielfach Schutz 
gewährt, Es war indessen höchst selten, daß 
die Kirche selbst im Brennpunkt der Kämpfe 
stand, denn der sie umgebende befestigte Fried- 
hof hielt die Gegner in den meisten Fällen ab. 
Der Dorffriedhof an der Stelle der alten 
Wallburg war nach der Ableitung des Wortes 
„Friedhof“ aus dem Mittelhochdeutschen „vride 
= einfrieden“ auch stets umfriedet. Er hatte 
nicht nur die Aufgabe des Begräbnisplatzes der 
Dorfgemeinschaft, sondern hier wurde auch oft 
noch aus vorchristlicher Zeit her das Gericht 


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abgehalten. Alte, das Dorfbild beherrschende 
Linden oder Eichen geben davon zuweilen noch 
bis heute Zeugnis. 

Als befestigter Platz gewinnt der Kirchhof 
für das Dorf besondere Bedeutung. Er war die 
Zufluchtstätte oder besser gesagt der Verteidi- 
gungsort der Bauern und ihrer beweglichen 
Habe, wenn das eigentliche Dorf aufgegeben 
werden mußte. Gerade er wird häufig in mittel- 
alterlichen Urkunden und Chroniken gewisser- 
maßen als Zitadelle (quasi castrum) be- 
zeichnet. Der Wert der Kirchenbefestigung für 
de Verteidigung war naturgemäß sehr ver- 
schieden, je nach Stärke, Ausbau und Umfang 
der Anlage. Hier wurden alle Verteidigungs- 
möglichkeiten ausgenutzt. An die Stelle des 
Erdwalls trat später die Steinmauer. Ihr Zug 
richtete sich meist nach dem Gelände, bei 
hügligem Relief finden wir runde oder ovale 
Formen, in der Ebene nach Art der Wasser- 
burgen mehr oder weniger regelmäßige Vier- 
ecke. Der Eingang zum Kirchhof war beispiels- 
weise in Württemberg zuweilen durch Türme 
gesichert. Auch Schießscharten finden sich in 
der Kirchhofsmauer. 


An der Innenseite der bewehrten Kirchhofs- 
mauer ist ein Kranz von zweigeschossigen 
„heiligen Scheunen“ oder „Gaden“ 
angebracht. Das sind Vorratsräume, die den 
Dorfbewohnern familienweise zum Aufbewah- 
ren von. Nahrungsmitteln und Wertsachen und 
zum Unterstellen des Viehs für Notzeiten oder 
Kriegsfälle zugeteilt waren. Die „Gaden“ blieben 
zumeist während des ganzen Jahres mit Ge- 
treide gefüllt. Welch eine Menge von Vor- 
räten und Vieh hier untergebracht war, erkennen 
wir, wenn wir hören, daß im Jahre 1449 aus 
dem Kirchhof von Offenhausen (Franken) nach 
Abschluß der Belagerung 57 vollgeladene 
Wagen und 300 Stück Vieh erbeutet wurden. 


Im 15. Jahrhundert wurden auch Wehr- 
gänge um die Kirchhofsmauer angelegt, so 
daß diese gewiß ein vollkommenes, wenn auch 
viel kleineres Ebenbild der bekannten Wehr- 
gänge auf Stadtmauern, wie sie z.B. in Nürn- 
berg oder Rothenburg erhalten sind, darstellen. 

In solchen Wehranlagen um die Dorfkirche, 
die wir vor allem in fruchtbaren Gebieten und 
in der Nähe von Straßen- finden, konnten sich 
die Dorfbewohner zwar nicht lange gegen die 
Angriffe eines mächtigen Feindes halten, doch 
waren diese Befestigungen ein wichtiger Schutz 
bei Uberfällen kleinerer Gruppen. Die Eigen- 
art mittelalterlicher Fehden lag ja auch in 
einer möglichst ‘schnellen Plünderung des 
Feindgebietes, bei der man sich nur selten mit 
einer längeren Belagerung abgeben konnte. 
Deshalb finden zahllose Fehden dieser Zeit auf 
dem befestigten Dorffriedhof ihren vorläufigen 
Abschluß. 

Auf dem Friedhof eines hessischen Dorfes 
spielt sich, fast ist man geneigt zu sagen er- 
staunlicherweise, der Endkampf in der Fehde 
zweier — Äbte bedeutender Klöster ab. Der 


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Belagerte kann sich hier so lange verteidigen, 
bis,er entsetzt wird. Im Jahre 1460 stand der 
Kirchhof von Dörrenbach bei Bergzabern im 
Mittelpunkt von Kämpfen. Er war „vest und 
stark von guten mauren und :woll verboll- 
werket; und waren darin uf 130 gebauwern aus 
dem Dorfe“. — Dazu sei noch an ein bedeu- 
tendes Beispiel aus der Neuzeit, die Schlacht 
von Hochkirch vom Jahre 1758, erinnert. 


Inzwischen hatten die Wehranlagen um die 
Dorfkirche ihre Bedeutung für den Schutz und 
die Verteidigung der Dorfgemeinschaft ver- 
loren. Die kirchlichen Organe sahen den Aus- 
bau der Befestigungen im Laufe der Zeit mit 
wachsendem Unwillen und deshalb wandte 
sich mancher Synodalbeschluß dagegen. Auch 
die Landesfürsten schritten häufig ein, obgleich 
die ganze Anlage lediglich defensiven Cha- 
rakter trug. Diese Tatsache muß auch der 
Kaiser Friedrich III. unterstreichen, als er im 
Jahre 1472 in der Blütezeit des Fehdeunwesens 
bestimmt: „item es solln kirchen, kirchhöfe und 
wydemhöfe auch sicher sein ond daraus nit 
genommen werden dhein weer daraus ge- 
scheheen, doch ob yeman die . . darin weren 
(wären) sich onderstunde zu stürmen oder notte, 
so möchte man sich daraus weeren.“ Trotzdem 
konnte die Wehranlage um die Kirche im allge- 
meinen innerhalb des geschlossenen deutschen 
Siedlungsraumes mit der Entwicklung der 
Feuerwaffen wie überhaupt der Technik nicht 
standhalten. Lediglich in den Gebieten eines 
regen Volkstumskampfes im Südosten hat die 
Kirchenburg auch bis in die Neuzeit eine be- 
deutende Rolle gespielt. Diese Festungen des 
Deutschtums haben gerade im Burgenland und 
in Siebenbürgen den Türkenstürmen oft und 
erfolgreich Widerstand geleistet. 


Vor der Kirche und dem befestigten Kirch- 
hof lag meist eine andere Verteidi- 
gungslinie, die um das Dorf selbst ge- 
zogen war. Ursprünglich zur Zeit einer spär- 
lichen Besiedlung hatte jeder Einzelhof sein 
Besitztum mit einem Schutzwall oder einer 
lebenden Hecke umgeben. Solche Umwehrun- 
gen sind schon aus frühgeschichtlicher Zeit 
bekannt. Später wurden, wenn die Gehöfte 
dicht beieinanderlagen, der Weiler oder das 
Dorf von einer gemeinsamen Hecke, hier viel- 
fach auch Hagen genannt, umzogen. Bei der 
umfassenden Befestigung einer Siedlung kam 
es darauf an, ihren Umfang möglichst klein zu 
gestalten, dabei aber doch eine größere Fläche 
einzuschließen. Diese Bedingung erfüllt der 
Kreis am idealsten. Deshalb überwiegen bei 
den befestigten Dörfern die Formen des Rund- 
dorfes, das an sich mit dem slawischen 
Rundling nur die Tatsache gemein hat, daß hier 
wie dort die Kreisform als die am leichtesten 
zu verteidigende gewählt wurde. Das spätere 
Wachsen des Ortes und bauliche Verände- 
rungen im Laufe der Jahrhunderte machen es 
oft nicht leicht, noch heute den rundlichen 
Dorfkern zu erkennen. 


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Bild Vorderseite; Wehr 
kirche in Nordtirol. — Bild 
links: Armbrustschießen der 
männlichen Dorfjugend. Im Hin- 
tergrund ein Stück der Dor- 
befestigung. Miniatur aus einer 
Chronik des 16. Jahrhunderts. — 
Bild unten: Errichtung eines 
Palisadenzaunes. Holzschnitt aus 
dem 16. Jahrhundert 


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Bild rechts: Einbeziehung einer länd— 
lichen Siedlung in die Burgbefestigungen 


Bild links: Die Feldfrucht- 
kammern an der Innenseite der 
Verteidigungsmauer der Kir- 
chenburg Tartlau in Sieben- 
bürgen. — Bild unten: Modell 
eines Runddorfes. Diese Dorf- 
anlagen waren besonders für die 
Verteidigung geeignet 


Bild links: Alter Wehrturm als 
Rest einer Dorfbefestigung in 
einem Dorf des Gaues Nieder- 
donau. — Bild unten: De 
Kirchenburg bei St. Wolfgang bei 
Grades im Metnitztal. Gotische: 
Bau aus dem 15. Jahrhundert — 
Bild rechts: Die Kirchenburg 
von Deutsch-Weißkirch in Sieben 
bürgen 


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Bild oben: Die Bauernburg Reps in Siebenbürgen, — Bild 
links: Torturm einer ehemaligen Kirchenburg bei Ingweiler 
im Unterelsaß. — Bild unten: Bäuerliche Wehrkirchenanlage 


in Franken 


In den Volksrechten und Weistümern wird 
oft von den Dorfzäunen gesprochen. Hier 
handelt es sich um die oben beschriebenen 
Knicke, Planken- oder Flechtzäune. Unter den 
ohne Nägel zusammengefügten Flechtzäunen 
sei nur der niedersächsische „Eckenboltentun“ 
genannt. Am äußeren Rande des um das Dorf 
gezogenen Grabens stehen Palisaden in der 
Form oben dreieckig zugespitzter Planken. 
Am inneren Grabenrand ersetzen sie zuweilen 
den Wall. 


Man nannte diese Art der Einzäunung auch 
den „Bannzaun“, den „Hag“ und in Süd- 
westdeutschland den „Etter“. Dieses alte 
Wort kommt schon in langobardischen Volks- 
rechten vor. In Lehnsbriefen des Mittelalters 
lesen wir oft von Liegenschaften, „als der 
etter hat begriffen‘. Auf die Instandsetzung der 
Zäune und Gräben wie überhaupt der ganzen 
Dorfbefestigung wird im Mittelalter streng ge- 
achtet, ihre willkürliche Beschädigung durch 
Dorfbewohner mit harten Strafen geahndet. 


Wenn wir nun von der Dorfverteidigung 
durch Zaun, Wall und Graben zu der mit 
Mauern und Tortürmen übergehen wollen, dann 
müssen wir der Zielsetzung unserer Arbeit ent- 
sprechend die Bemerkung vorausschicken, daß 
wir hier nicht an die großen Handelszentren, 
die mächtigen Reichsstädte oder prachtvollen 
Residenzstädte denken. Den Stadtbefestigungen 
haben die Forschung und die Offentlichkeit seit 
langem ihre Aufmerksamkeit gewidmet. Den 
Befestigungen der kleineren Gemeinden des 
Mittelalters und der beginnenden Neuzeit ist 
dagegen bedeutend weniger Beachtung ge- 
schenkt worden. Sie haben zwar meist nicht 
die gleiche Stärke und vollendete Form aufzu- 
weisen, wie wir sie bei den berühmteren großen 
Schwestern finden, die vorzugsweise eine 
handel- und gewerbetreibende Bevölkerung 
umschlossen, sondern hier bildet neben dem 
Handwerk der Ackerbau den Haupterwerbs- 
zweig, und die Rücksicht auf ihn zeigt sich 
gerade bei diesen Zeugen der Wehrhaftigkeit 
unseres Bauerntums, Nicht allein Städte haben 
im Mittelalter Mauern und Türme aufzuweisen, 


wir kennen aus weiten Teilen des Reiches um- 


mauerte Dörfer, die niemals Stadtrecht 
besaßen. Auf der anderen Seite gibt es Orte, 
die bereits im Mittelalter als Stadt bezeichnet 
werden, aber nie durch eine Mauer geschützt 
wurden. Die Stadtrechtsverleihungen dieser 
Zeit stehen häufig mit der Größe und dem Cha- 
rakter des Ortes und seiner Bewohner in 
keinem unmittelbaren Zusammenhang. Soweit 
sie zur Ausführung kamen — manche Ge- 
meinde erhielt zwar Stadtrecht verbrieft, nutzte 
es aber nicht aus — traten zwar für die recht- 
liche Stellung der Bewohner Änderungen ein, 
die Wehrhaftigkeit hing aber meist nicht 
davon ab, 


Bei den Dorfbefestigungen mit Wall und 
Graben finden wir eine rundliche, im allge- 


meinen kreisförmige und ovale Form der Be- 
festigungsanlagen, bei der Anlage von Mauern 
treffen wir, einmal die gleiche Form, wenn die 
Steinbefestigungen das bisherige Verteidigungs- 
system ergänzten, oder auf der anderen Seite 
auch eine rechteckige, ja quadratische Art der 
Anlage, die auf eine bewußte Neuanlage 
schließen läßt. Hier haben meist nicht die Be- 
wohner selbst die Befestigung gestaltet, son- 
dern ein Grundherr zog sie nach einem 
vorher durchdachten Plan. Die Ummauerung 
bedeutete in jedem Fall einen höheren Grad 
der Entwicklung. Auch die Mauern der Dörfer 
sind vor allem in Süddeutschland zuweilen mit 
Türmen an den Mauerecken oder auch in- 
mitten der Mauerflucht verstärkt. Solche 
Türme stehen heute in vielen Fällen als 
letzte Reste der alten Befestigungsanlagen 
neben alten Dorftoren, während die Mauern 
selbst verfallen oder abgerissen sind. Aber 
auch in Norddeutschland sind Denkmäler dörf- 
licher Befestigungskunst zu finden. Neocorus, 
der Geschichtsschreiber Dithmarschens be- 
schreibt im 17. Jahrhundert einen befestigten 
Turm in der Sprache dieses alten Bauernlandes: 
„it hefft ein herlicher schoner hoger Torn mit 
einem Wendelsten tho Südwesten an dem 
Kerkhave gestaen — ock mit einem gewal- 


digen depen Graven buten ummeher unnd 
allenthalven mit Schetlökkern vorsehen." 
Ein Jahrhundert später berichtet Justus 


Möser von dem hohen Alter der steinernen 
Umfassungen münsterländischer Bauernhöfe. 
Wenn die Gehöfte eines Dorfes so angeord- 
net waren, daß die Außenmauern der Hinter- 
gebäude, d. h. in den meisten Fällen der 
Scheunen, aneinandergebaut werden konnten, 
bildeten diese dann einen fest geschlos- 
senen Mauerring, der dem Charakter einer 
Wehrmauer sehr nahe kam. 


Die Wehrhaftigkeit des Dorfes mußte mit der 
Vervollkommnung der Angriffswaffen und der 
Vermehrung der Angreifer ständig verstärkt 
werden. Eine Ummauerung war von vornherein 
durch das Vorhandensein von Baumaterialien 
und, wenn die nicht in unmittelbarer Nähe 
zur Verfügung standen, auch von Arbeits- 
kräften und Geldmitteln abhängig. Eine klei- 
nere Gemeinde war deshalb oft nicht in der 
Lage, aus eigenen Mitteln eine Mauer zu er- 
richten, hinzu trat noch die Tatsache, daß sich 
im Laufe der Zeit aus den kleineren Fehden 
des Mittelalters Kriege entwickelten, bei denen 
beide Seiten größere Heere aufboten. Hier war 
ein Ort mit geringer Einwohnerzahl, wenn er 
nicht von Natur für die Verteidigung hervor- 
ragend begünstigt war, von vornherein unter- 
legen. Aus desen Gründen haben viele Bauern, 
zumal nach der Einführung der Feuerwaffen, es 
überhaupt unterlassen, ihre Dörfer zu um- 
mauern. 


Ein Gedicht aus dem 15. Jahrhundert be- 
schreibt uns die Dorfbefestigung und zeigt da- 


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bei, dap man zu dieser Zeit unter dem 
Zaun auch gleichzeitig eine Mauer 
verstand: 


„dar zuo wir haben auch ein 'gfäß 
allen Dörffern mit ubermäß 

mit einem zaun gemauert wol. 
dar umb ein pach rint wassers vol 
zwäy tor und huotten (Hütten) vier 
mit einem teuffen graben zier 

hat dez dorff zuo seiner maur 
allen veinten gar zu saur.” 


Für das Jahr 1443 wird bestätigt, daß die 
Bauern „innerhalb der Ettern oder der Mure 
woonen“. Aus der Zeit nach dem Dreißig jäh- 
rigen Kriege hören wir dann wieder: „Heutigen 
Tags sind beynahe die meisten grose Flecken 
und Dörfer in Hessen mit einem Graben und 
Aufwurf umführet, damit sie sich für geringen 
Parteyen wehren können.“ Soweit die Dörfer 
bei den Wällen geblieben sind und nicht zur 
Errichtung einer Mauer kamen, haben sie den 
Wall und Graben heute unter dem Einfluß der 
Dorfer weiterung bis auf geringe Reste verloren. 


Treten wir nun durch die Dorfbefestigung 
in die Dorfflur hinaus, so treffen wir hier in 
vielen deutschen Landschaften bald auf die 
Reste einer Landwehr. Dienten die Wall- 
burgen und später die Kirchenburgen dem 


Schutz des einzelnen Dorfes selbst, dann war 


es die Aufgabe der Landwehr, die erste Ver- 
teidigungslinie für eine Anzahl von Dörfern 
und zugleich ihre Fluren zu bilden. Meistens 
hat ursprünglich eine Markgenossenschaft die 
Aufgabe, diese Wehrlinien instand zu halten und 
zu verteidigen. Die Mittel zur Befestigung der 
Landwehr waren sehr einfach und wurden ähn- 
lich angewandt wie bei den Wallburgen. Man 
20g zumeist einen Graben und warf mit der 
ausgehobenen Erde einen Wall auf, den man 
mit Dornenhecken bepflanzte. Längs der Land- 
wehr liefen oft Straßen, die nur an bestimmten 
Durchgängen die Wehrlinien kreuzen durften. 
Hier waren dann Schranken oder Schläge an- 
gebracht und zugleich oft Zollstellen errichtet. 
Häufig ergab sich an den Grenzen kleiner Ter- 
ritorien ein ganzes System von Wällen und 
Gräben, das allerdings nur selten noch un- 
versehrt bis zur Gegenwart erhalten ist. 


Aus alten Nachrichten ergibt sich, daß Grä- 
ben, Wälle und Knicke bei der Landwehr zu- 
weilen eine Breitenausdehnung bis zu 50 Meter 
hatten. Besonders die Hecken und Knicke bil- 
deten in dieser Breite als gleichsam lebende 


Mauer für den Reiter ein nur schwer zu über- 


windendes Hindernis und wiesen ihn zwangs- 
läufig auf die besonders bewachten Durchlaß- 
stellen. Es war gewiß nicht weniger beschwer- 
lich, sich durch eine derartige Verteidigungs- 
zone durchzuarbeiten, als eine Bresche in die 
Mauer einer Stadt oder Burg zu schlagen. Ein 
Teil der Landwehren reicht in die frühgeschicht- 
liche Zeit zurück, andere, die. nur kleinere Ge- 


242 


biete schützen sollten, sind aber erst in der Zeit 
des Fehdeunwesens entstanden. 

Hatte ein Ritter seinem Gegner die Fehde 
angesagt, dann ließ er seine Landwehr durch 
die Bauern überwachen und die Übergänge be- 
setzen. Dann beginnt die eigentliche Wirksam- 
keit der Warten, die überall zur Beobachtung 
der Flur oder der Landwehr angelegt waren, 
und die sich in Augenblicken der Gefahr durch 
Feuer- oder Rauchzeichen verständigten. 

An den Landwehren gab es dann für den An- 
greifer ein Hindernis und längeren Aufenthalt. 
Der Angegriffene gewann so Zeit, den Wider- 
stand an bestimmten Punkten zu organisieren. 
Die Landwehren wirkten als gewissermaßen 
mechanische Hindernisse für den Angreifer 
einer Landschaft oder eines einzelnen Ortes 
und hielten den Feind mindestens so lange auf, 
bis die Einwohner das Vieh in Sicherheit ge- 
bracht hatten. War der Überfall aber trotzdem 
gelungen und dem Bauer sein Vieh geraubt, 
dann fand der Gegner beim Rückzug die Durch- 
lässe an der Landwehr besetzt, und es ging 
längere Zeit verloren, bis es ihm möglich war, 
hier den Durchgang zu erzwingen. Galt es nun 
mehrere solcher Hindernisse zu überwinden, 
dann gelang es oft genug auf diese Weise, den 
Feind mit stärkeren Kräften einzuholen und 
ihm die Beute wieder abzujagen.. Für die Kugel 
des Feuerrohrs bildeten Wälle und Knicke kein 
ernsthaftes Hindernis mehr. So wird auch die 
Art der Befestigung mit dem Aufkommen der 
Feuerwaffen zwecklos, wenn sie auch noch im 
Dreißigjährigen Krieg einzelne Streifen und 
Banden abwehren konnte. 

Der übertriebene Rationalismus des 19. Jahr- 
hunderts hat mit seiner Flurbereinigung den 
Landwehren ebenso wie allen anderen Befesti- 
gungen im Dorf übler mitgespielt als alle Kriege 
und alle Feindeswut der Vergangenheit In- 
zwischen erwies sich die Beseitigung mancher 
Hecke, die Schutz vor Verwehungen und zu- 
gleich auch nützlichen Vögeln Nistplätze bot, 
als sinnlos. Daneben haben auch Wind, Regen 
und der Pflug des Bauern vieles eingeebnet. 
Nur noch wenige Reste legen heute Zeugnis 
ab für das klug durchdachte System der Wehr- 
bauten unserer bäuerlichen Vorfahren. 

Es liegt auf der Hand, daß alles, was wir hier 
an Wehranlagen kennengelernt haben, über 
den rein defensiven Charakter nicht hin- 
ausging. Der Schutz der Flur, des Dorfes, seiner 
Bewohner und ihrer Habe war der alleinige 
Sinn und Zweck von Wall, Graben und Hecke, 
war auch der Sinn des befestigten Kirchhofs 
und der Wehrkirche. Hier hat der deutsche 
Bauer seine Heimat, sein Vieh und die Früchte 
seiner Arbeit, die ihm immer erneut Gegner 
von innerhalb und außerhalb der Reichsgrenzen 
entreißen wollten, zäh verteidigt und so im Auf 
und Ab der Geschichte sein Erbe bis zur Gegen- 
wart getragen. An den alten Denkmälern bäuer- 
licher Wehrhaftigkeit soll auch die Gegenwart 
nicht achtlos vorübergehen. 


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ul, RURÄSENAU 


Am 7. April wurde veröffentlicht, daß der Führer 


den Staatssekretär im Reichsministerium für Er- 


nährung und Landwirtschaft, Herbert Backe, zum 
Reichsminister ernannt hat. Reichsminister Backe 
bleibt weiterhin mit der Führung der Geschäfte des 
Reichs- und Preußischen Ministers für Ernährung und 
Landwirtschaft und des Reichsbauernführers beauf- 
tragt. Die deutsche Presse hat diese Ernennung ein- 
gehend gewürdigt. So schreibt der „Völkische 
Beobachter“ u.a.: „Reichsminister Backe hat sich 
durch seine erfolgreiche Arbeit, die eine grund- 
sätzliche und einheitliche Linie in der deutschen Agrar- 
politik sicherstellte, nicht nur im Reich, sondern in 
ganz Europa den Ruf eines hervorragenden, neue 
Wege gehenden Agrarpolitikers erworben. Auf die 
Arbeit Backes geht zu einem wesentlichen Teil die 
Mobilisierung der Leistungskräfte der deut- 
schen Landwirtschaft sowie die gerechte Ver- 
tellung der Erzeugnisse des Bauernfleißes zurück.“ 
„Doch mit der Sicherung der deutschen und euro- 
päischen Ernährungsbasis“ — so fährt der VB. fort, 
„erschöpft sich die Tätigkeit Backes bei weitem nicht. 
Der Bauer Ist ja nach nationalsozialistischer Auf- 
fassung nicht nur Landwirt, sondern darüber hinaus 
stellt das Bauerntum den vornehmsten Blutquell 
der Nation dar. . . Während des Krieges stehen 
allerdings die praktischen landwirtschaftlichen Auf- 
gaben im Vordergrund der Notwendigkeiten; doch 
nach dem Kriege wird die bevölkerungspolitische 
Seite der deutschen Bauernführung um so stärker 
hervortreten. Ein erster vorbereitender Schritt zur 
Lösung dieser Zukunftsaufgabe war die Umwandlung 
des Reichsamtes für Agrarpolitik In das Reichsamt 
für das Landvolk, dem Backe als Oberbefehlsleiter 
vorsteht. Seitdem hat eine neue Welle der Aufklärung 
das deutsche Bauerntum ergriffen, die es über seine 
hohe volkspolitische Berufung aufklärt und zum Aus- 
harren in seiner harten Arbeit anspornt. Auf diesem 
Gebiet arbeitet Reichsminister Backe als H-Ober- 
gruppenführer eng mit dem Reichsführer ff zu- 
sammen, dessen volkspolitische Arbeit von ein und 
demselben nationalsozialistischen Gedanken getragen 
wird, nämlich der Stärkung und Durchsetzung des 
bäuerlichen Gedankens und der Zuführung der besten 
Blutskräfte der Nation zum Bauerntum. Nicht nur 
in der Volkswirtschaft, sondern im gesamten An- 
schauungsbilde der Nation wird und soll das Bauern- 
tum eine neue Stellung beziehen.“ 

Der „Zeitungsdienst Graf Reischach“ unterstreicht 
unter der Überschrift „Der Ernährungschef 
Europas“ neben den wirtschaftspolitischen Ver- 


diensten Backes besonders seine agrarpolitischen 
Auffassungen von der Bauernführung als totaler Auf- 
gabe. „In Goslar, der Reichsbauernstadt, saß er in 
diesen Tagen zwischen zwei Dichtern, dem Mecklen- 
burger Friedrich Griese und dem Bayern Josef Martin 
Bauer, die einige Stunden später aus seiner Hand die 
ihnen zuerkannten Preise für ländliches Schrifttum 


empfingen. Schlank, schmal, mit klugem, aufmerk- 


samem Gesicht, aus seinen verständigen, durch 
dünnwandige Brillengläser blickenden Augen den 


` Gesprächspartner forschend ansehend, sprach er mit 


ihnen, seine klaren und immer präzisen Sätze dann 
und wann durch einige ausdrucksvolle, sparsam an- 
gewendete Gesten unterstützend. . . So hat er oft 
auch zwischen seinen Bauern gesessen, freundlich, 
schlicht, einfach, ganz Mensch unter Menschen, in 
jener liebenswürdigen, zuvorkommenden Bescheiden- 
heit, die ein Teil seines Wesens ist, und hat sich von 
ihren Sorgen und Erfahrungen berichten lassen, jeder 
Stimme ein aufmerksames Ohr geliehen, manchmal 
einen guten Rat gewußt. Und diese Bauern, ob sie 
nun aus Niedersachsen oder aus der Ostmark, aus 
dem Wartheland oder den neuen Westgebieten zu 
ihm kamen, haben sich ehrlich zu ihm bekannt. 
Der Aufstieg Backes hat nichts von dem Tempo eines 
tüchtigen Karrieremachers und Glücksritters. Es Ist 
der Aufstieg eines fleißigen, gewissenhaften, seine 
Aufgaben restlos beherrschenden Mannes, der dank 
seiner fachlichen und menschlichen Qualitäten und 
dank der unverkennbaren Erfolge seiner Arbeit 
schließlich die Anerkennung findet, die ihm gebührt. 
So müssen! ihm selbst unsere Gegner heute zuge- 
stehen, daß er auf ernährungspolitischem Ge- 
biet die Autorität Europas ist. Hier ist er Fach- 
mann durch und durch. Hier besitzt er ein phäno- 
menales Wissen. Hier weiß er um die Erzeugungs- 
grundlagen, technischen Bedingungen und Produktions- 
reserven eines jeden europäischen Landes, hier ver- 
steht er endlose Zahlenreihen und ganze Statistiken 
gleichsam aus dem Ärmel zu schütteln, hier — inner- 
halb dieses Fachgebietes — dürfte es unmöglich sein, 


ihm eine Frage zu stellen, die er nicht sofort ausführ- 


lich und nach jeder Richtung hin beantworten könnte.“ 

Der „Berliner Lokalanzeiger‘ schreibt u. a.: 
„Die Ernennung Backes zum Reichsminister bedeutet 
praktisch keinerlei Veränderungen des tatsächlichen 
Zustandes, denn Backe ist schon seit längerer Zeit 
mit der Führung der Geschäfte des Reichsministers 
und Reichsbauernführers beauftragt. Vor fast 11 Jahren 
wurde er als Reichskommissar Ins Reichsministerium 
für Ernährung und Landwirtschaft berufen und hat 


243 


sich auf allen Gebieten der deutschen Agrar- und 
Ernährungswirtschaft formgebend beteiligt... Die 
Erfolge, die die deutschen Landwirtschaftsführer in 
den besetzten Gebieten zu verzeichnen” haben, sind 
zu einem großen Teil das Verdienst Backes, der in 
Ost und West eine schnelle Intensivierurig der viel- 


fach sehr rückständig gewesenen ausländischen Land- 


wirtschaft durchgesetzt hat. Backe hat aus der von 
ihm gewonnenen Kenntnis der sowjetischen Agrar- 
wirtschaft heraus Immer wieder hervorgehoben, daß 
der deutsche Bauer als Blutsquell der Nation be- 


‚sonders gefördert werden muß. Er Ist einer der 


eifrigsten Warner, das flache Land nicht etwa zu- 
gunsten einer Übertriebenen Mechanisierung zu ent- 
völkern. Als Natlonalsoziallst sieht Backe seine Auf- 
gaben vom Standpunkt des gesamten Volkes aus, 
hinter dem er, wenn es nötig ist, sogar Sonderbelange 
des Bauerntums zurückstellt. In seinem Buch „Das 
Ende des Liberalismus In der Wirtschaft“, das 
schon vor vielen Jahren erschienen Ist, vermittelte 
er ein geschlossenes Bild seines nationalsozialistischen 
Wirtschaftswollens. Backe sieht seine Aufgaben schon 
lange nicht mehr im Sinne einer Bedarfsdeckung des 
deutschen Volkes; erhat sich zu einem starken Kämpfer 
für die europäische Großraumpolitik entwickelt, wie 
es die Gedanken und Ideen erkennen lassen, die er 
in seinem vielbeachteten Buch „Die Nahrungs- 
freiheit Europas“ niedergelegt hat. Die Nahrungs- 
freiheit Europas ist das Ziel aller wichtigen Maßnah- 
men, die der nunmehrige Ernährungsminister im 
Krieg getroffen hat.“ 3 


Die „Berliner Illustrierte Nachtaus gabe“ 
schreibt: „Seine großen wirtschaftspolitischen Kennt- 
nisse und die Erfahrungen In der landwirtschaftlichen 
Praxis sowie sein klares und logisches Schaffen führten 
dazu, daß er maßgebend an der Ausarbeitung der 
Grundlagen der nationalsozialistischen Agrarpolitik 
beteiligt war.“ 


Auch die „Münchner Neuesten Nachrichten“ 
würdigen besonders die europäische Stellung 
Backes: „Seit zwei Jahren ist Backe der verantwort- 
liche Leiter der deutschen Ernährungswirtschaft. Mit 
großer Arbeitsenergie und sachlichem Weitblick hat 
er die vielfältigen Aufgaben, die der europäische 
Großraum seinem Arbeitsbereich stellt, in Angriff 
genommen. Seine Bücher „Das Ende des Liberalismus 
in der Wirtschaft“ und „Um die Nahruhgsfreiheit 
Europas“ zeugen von der gründlichen wissen- 
schaftlichen Fundierung, die er sich In langen 
Vorbereitungsjahren unter schwierigsten äußeren 
Umständen verschafft hat. Er vereint praktische Er- 
fahrung mit geistiger Schulung. Als Redner wirkt er 
durch die nüchterne Offenheit und klare Logik seiner 
Gedankengänge. Er wahrt sich den Blick für die großen 
Zusammenhänge, der für den Leiter einer Reichs- 
behörde unerläßlich ist. Im Gegensatz zu dem bol- 
schewistischen System hat Deutschland eine dem 
bäuerlichen Wesen und den modernen Aufgaben 
entsprechende Agrarordnung, die durch Reichserbhof- 
gesetz, Marktordnung und Festpreise umschrieben 
ist. Um sie herum baut sich heute die europäische 
Raumwirtschaft auf, die England durch den Blockade- 
krieg zu zerstören sucht. ln dem erwähnten Buch 


.244 


über die Ernährungsfreiheit Europas sagt Backe: 
„Die Blockierung Europas durch England trifft nicht 
Deutschland, sondern vernichtet den Rest der libe- 
ralen Welthandelswirtschaft englischer Prägung, den 
der Weltkrieg 1914-1918 übrigließ. Der Geschädigte 
dieser Blockierung Ist England selbst.“ 


In der „Kölnlschen Zeltung” helßt es: „Die 
Berufung Backes zum Reichsminister gibt dem Mann, 
der seit eineinhalb Jahren die deutsche Ernährungs- 
polltik leitet, auch äußerlich die Stellung, die seiner 
Arbeit gebührt. Backe hat der deutschen Landwirt, 
schaft die praktischen Richtlinien gegeben, die es 
ermöglichten, weittragende Umstellungen durch- 
zuführen und die deutsche und die europäische 
Ernährung auf der Grundlage der Leistungen des 
Kontinents sicherzustellen. Herbert Backe Ist weder 
einseitiger Theoretiker noch ausschließlicher Prak- 
tiker, vielmehr versucht er, wissenschaftliche Er- 
kenntnisse auf Grund der gegebenen Möglichkeiten 
in die Wirklichkeit umzusetzen. Diese Haltung hat 
eine Parallele in seiner. persönlichen Lebensarbelt.“ 


Das „Neue Wiener Tagblatt” würdigt vor 
allem Backes Arbeit in der NSDAP.: „Was in den von 
der Partei an agrarpolitischem Gedankengut erarbeitet 
wurde, daran hat Herbert Backe von Anfang an tat- 
kräftigen Anteil gehabt. Als Staatssekretär im Reich, 
ernährungsministerlum hat er insbesondere die 
großen und kleinen praktischen Fragen der Agrar- 
politik zu betreuen gehabt. Neben den beson- 
ders im Krieg immer ‚stärker In den Vordergrund 
rückenden elementaren Fragen der Ernährung läßt 
Herbert Backe aber nie die grundsätzlichen Fragen 
der Agrarpolitik aus dem Auge, wie er denn auch 
vorher am Reichserbhofgesetz, an der Markt- 
ordnung, an den Festpreisen usw. maßgebenden 
Anteil hatte. Die krlegswirtschaftlichen Erfordernisse 
führten später dazu, daß Backe mit der Führung des 
Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft 
betraut wurde. Heute ist Herbert Backe Chef des 
Reichsamts für das Landvolk, also der höchsten agrar- 
politischen Führungsinstanz.“ 


Die „Deutsche Allgemeine Zeitung” hebt 
hervor, daß Backes Denken und Planen niemals ein- 
seitig gewesen ist. „Er hat als einer der ersten die 
Zusammengehörigkeit des kontinentalen Wirtschafts- 
raumes erkannt und ist in allen seinen späteren Plänen 
stets für die großräumige Konzeption eingetreten. 
Backe war es auch, der der europäischen Erzeugung» 
schlacht die Initialzündung gegeben hat, der es ver- 
stand, befreundete und besetzte Länder von der 
Notwendigkeit einer Besinnung auf die eigene Kraft 
zu überzeugen." So ist die Ernennung Herbert Backes 
zum Reichsminister In der Presse Anlaß zu einer 
Würdigung der Arbeit des Landvolkes geworden. 


Immer wieder ist von der agrarpolitischen Führung 
die Auffassung dargelegt worden, daß trotz der vor 
dringlichen ernährungswirtschaftlichen Aufgaben im 
Kriege die großen agrarpolitischen Ziele nicht ia 
Vergessenheit geraten. Dies kam besonders In der 
Verleihung des Kulturpreises für das bäuerliche 
Schrifttum zum Ausdruck, die Oberbefehlsleiter 
Herbert Backe in der Relchsbauernstadt Goslar vor 


—— 
nn _ 


nahm. Dabei wurden, wie bereits in der letzten Folge 
unserer Zeitschrift angekündigt, zwei berufene Ver- 
treter der landgebundenen Epik, Friedrich Griese 
und Josef Martin Bauer, mit dem Kulturpreis für das 
bäuerliche Schrifttum, den der Reichsbauernführer 
Im Einvernehmen mit Reichsminister Dr. Goebbels 
gestiftet hat, ausgezeichnet. Diese Ehrung soll nach 
den Worten des Reichsbauernführers In einer Zeit 
der verbrecherischen Zerstörung europäischer Kul- 
turwerte durch die Feinde unseres Kontinents unser 
Volk an die unzerstörbaren Werte und Leistungen 
der germanischen Rasse erinnern, die im Bäuerlichen 
ihren Ursprung haben. Es ist ein Zeichen für die 
Zielstrebigkeit der nationalsozlalistischen Agrarpolitik, 
daß jetzt mitten in diesem Kriege zum ersten Male 
dieser Kulturpreis für bäuerliches Schrifttum zur 
Verleihung kommen konnte. Der Oberbürgermeister 
der Reichsbauernstadt, Droste, sprach in seiner 
Begrüßungsrede den Wunsch aus, daß die Förderung 
und’ Ehrung der bodenverbundenen Dichtung durch 
den Reichsbauernführer ein Appell an die Schaffenden 
sein möge, aus dem reichen Born des bäuerlichen 
Lebenskreises zu schöpfen. Oberbefehlsleiter Herbert 
Backe gab in seiner Ansprache ‘wesentliche kultur- 
politische Hinweise zur Form und Entwicklungs- 
möglichkeit des landgebundenen Romans. 
kamen die beiden Preisträger zu Wort. 


Die Veranstaltung fand nicht nur in der gesamten 
deutschen Presse, sondern auch im Ausland lebhaften 
Widerhall, der erkennen läht, wie gerade das Bauern- 
tum im Kriege nicht nur durch seine Arbeit für die 
Nahrungsfreiheit Europas, sondern auch durch seine 
kulturellen Leistungen einen der wichtigsten Genia 
für die Zukunft des neuen Europa darstellt. 


Der ernährungswirtschaftliche Erfolg der Arbeit 
Herbert Backes kommt besonders deutlich zum Aus- 
druck in einem Aufsatz „Kriegsernährung einst und 
heute“, den Staatsminister a. D. Riecke in der 
NS.-Presse veröffentlicht. Er geht davon aus, daß 
das rein zahlenmäßige Bild nicht ausreicht, um das 
bessere Ausmaß der heutigen Ernährungslage zu er- 
kennen. Zwar finden sich auch in den Rationssätzen 
beachtliche Unterschiede zugunsten der heutigen 
Verhältnisse. So betrug der Wochensatz des Normal- 
verbrauchers bei Brot z. B. im Oktober 1918 2050 g 
gegenüber 2425 g heute. Bei Fett treten noch stärkere 
Unterschiede auf: 1918 betrug die Ration des Normal- 
verbrauchers nur 70g, heute 219g in der Woche. 
Die geringe Fettration war es ja auch, die sich ent- 
scheidend auf den Ernährungszustand des deutschen 
Volkes im letzten Kriege ausgewirkt hat. Bei Fleisch 
lag der Wochenrationssatz des Normalverbrauchers 
allerdings gleich hoch wie heute, aber das hatte noch 
nichts damit ze tun, daß die auf den Karten stehende 
Menge auch wirklich ausgegeben wurde. Die damaligen 
Kartensätze waren lediglich Höchstsätze. Von Reichs 
wegen wurde nur die Menge der wichtigsten Lebens- 
mittel festgesetzt, die im Höchstfalle ausgegeben 
werden durfte. Die Festsetzung der Höhe der Be- 
lieferung der Kartensätze war den Kommunalverbän- 
‚den überlassen worden. Die auszugebende Menge 
wurde von den Kommunalverbänden in verschiedener 
Höhe festgesetzt, erreichte aber insbesondere beim 


Dann ` 


"Fleisch und Fett in der Regel nicht die von Staats 


wegen festgesetzten Höchstsätze. Aber auch die 
Brotsätze schwankten je nach Jahreszeit. Insbesondere 
wurden kurz vor der Ernte die Rationssätze wesentlich 
herabgesetzt, um nach der Ernte wieder eine Auf- 
besserung zu erfahren. So wurde Im Jahre 1918 für 
den Normalverbraucher der Brotsatz von Juni bis 
juli auf 1490 g herabgesetzt. Ein Ausgleich durch 
andere Nahrungsmittel erfolgte nicht. Heute werden 
außerdem die auf den Karten aufgedruckten Mengen 
in jedem Fall auch ausgegeben. Damit ist eine ganz 
andere Stetigkeit der Volksernährung erreicht. 
Riecke schildert dann die erhebliche Besserstellung 
der heutigen Wehrmachternährung gegenüber dem 
ersten Weltkriege. Dazu kommt die bessere Ver- 
sorgung der körperlich schwer arbeitenden Menschen. 
In steter Zusammenarbeit mit den Dienststellen der 
Gesundheitsführung ist das Ernährungsministerium 
bemüht, auch das Entstehen der biologischen Schäden 
am Volkskörper zu verhindern, die durch die Er- 
nährungsschwierigkeiten des letzten Krieges in so 
starkem Maße hervorgerufen wurden. So wird be- 
sonders darüber gewacht, daß die Versorgung der 
werdenden und stillenden Mütter und auch der Klein- 
kinder eine ausreichende ist. 


Selbstverständlich bleiben auch in diesem Kriege 
noch viele Wünsche offen. Unsere Nahrungsdecke 
ist knapp, und wir können daher auch mancher an sich 
berechtigt erscheinenden Forderung nicht gerecht 
werden. Der hier durchgeführte Vergleich von einst 
und heute hat in erster Linie den Sinn, aufzuzeigen, 
daß die Gefahren für das Volk, wie sie die Ernährungs- 
lage des letzten Krieges mit sich gebracht haben, 
heute In keiner Weise bestehen — trotz aller zu- 
sätzlichen Belastungen durch Luftterror und Nerven- 
krieg. Riecke schließt mit einem Hinweis auf die 
bessere Verteilung der Lebensmittel, wie sie 
durch die straffe Organisation der Marktordnung 
des Reichsnährstandes ermöglicht wird. Er knüpft 
daran einen Appell an alle Volksgenossen, auch 
im kleinen die Bewirtschaftungsvorschriften 
zu beachten. „Jeder Volksgenosse muh sich vor 
Augen halten, daß unsere Nahrungsdecke, insgesamt 
gesehen, nur eben ausreicht. Alles, was er sich zu- 
sätzlich nimmt, stiehlt er einem anderen. Wir wollen 
uns daher alle bemühen, auch weiterhin die Ablie- 
ferungsmoral des Erzeugers und die Disziplin des 
Verbrauchers im Gegen:atz zum ersten Weltkrieg 
auf einem Höchststand zu halten." 


In diesem Zusammenhang muß auch die neue An- 
ordnung über die Kleintierhaltung richtig ver- 
standen werden. Sie will das richtige Maß des Um- 
fangs der Kleintierhaltung zur tatsächlichen Futter- 
grundlage wiederherstellen und dafür Sorge tragen, 
daß diejenigen Futtermittel, die für die Großvieh- 
haltung geeignet sind und damit der Sicherung der 
Rationen dienen, dieser wichtigsten Aufgabe der 
Kriegsernährung zugute kommeh. Die Durchführung 
der Anordnung, die weitgehend in den Händen von 
örtlichen Ausschüssen liegt, wird dafür sorgen, daß 
auch hier die Ziele der nationalsozialistischen Agrar- 
politik voll zur Wirkung kommen. 


Dr. Kurt Haußmann 


7 


245 


ÄDEMEIKUNDER 


Das Butterbrot des Europäers 


Die Brotversorgung des europäischen Kontinents 
ist gesichert. Unterstellen wir die Ernteschätzungen der 
Wheat Studies des Food Research institute 
als richtig, so hat der Kontinent ohne Rußland in den 
letzten Vorkriegsjahren 122 Mill.t geerntet. Mit 
8 Mili.c Zufuhr standen 130 Mill. t zur Verfügung. 
Der Bedarf Jag etwas niedriger. 54 Mill.t wurden 
vom Menschen direkt verzehrt, 12 erforderte die 
Aussaat, 62 Mill.t, dazu 13 Kleie, wurden verfüttert. 
Von diesen 75 Mill. e Kraftfutter konnten reichliche 
Futtersätze gegeben werden. je Stück Pferd des 
Bestandes 1 t Getreide, je Rind 1,5 dz, je Schwein 
4 dz und je Stück Geflügel 20 kg. 6 Mill. t konnten 


hiervon im Krieg bei angespannter Ernährungslage ` 


sicher eingespart werden und tatsächlich ist in 
Deutschland bei allen Tierarten die Leistung im Krieg 
weniger abgesunken als der Verzehr an Kraftfutter. 


1940, im Jahre des Tiefstandes wurden der amerika- 
nischen Quelle zufolge 112 Mill. t geerntet, 1942 
wieder 115, 1943 wurde im ganzen mit ziemlicher 
Sicherheit eine Normalernte erzielt. Die Zufuhr nach 
dem Kontinent beschränkte sich auf 2 Mill. t. Inzwi- 
schen beschnitt der Kontinent seine Viehhaltung. 
Schätzen wir auf 8 Mill. Rinder, 30 Mill. Schweine, 
150 Mill. Geflügel, so resultiert hieraus zu obigen 
6 Mill. eine weitere Ersparnis von 16,2 Mill.t Ge- 
treideſutter. Seinen Brotverzehr konnte Europa selbst 
im Jahrg des Tiefstandes mindestens beibehalten, 
vermutlich konnte es, ebenso wie Deutschland, sogar 
die Einschränkungen im Fleisch- und Fettverzehr 
weitgehend kompensieren. 


Wenn die Schweinebestände stärker gelichtet 
wurden als die Rinderbestände, kam dies, so merk- 
würdig es klingen mag, der Fettbewirtschaftung 
zugute. Das Rind lieferte in Großdeutschland 1938/39 
die 2,5fache Fettmenge wie das Schwein. Im vierten 
Kriegswirtschaftsjahr aber die 4,3fache Fettmenge, 
und je Kilogramm gereichtes Kraftfutter erbringt 
das Rind die 7fache Fettmenge wie das Schwein. Seine 
Fettleistung hielt sich bis zum vierten Krlegsjahr in 
Deutschland fast auf 90% des Normalstandes. Und 
auf dem ganzen Kontinent mögen die Dinge ähnlich 
liegen. Europa bestreitet. mit Butter die Masse seiner 
Handelsfette. In Deutschland mit mehr als der Hälfte. 
In England besteht die Normalration nur zu 1 Viertel 
aus Butter. Die Entfettung, welche die Ernährung 
erfahren hat, erstreckt sich im wesentlichen auf die 
geringerwertigen pflanzlichen Öle. In zweiter Linie auf 
die Schlachtfette. Der Gehalt an hochwertigen Fetten 
aber ist in Deutschland nur um 20% vom Friedens- 
stand ses unken. Die starke Rinderhaltung gibt der 
gesamten kontinentalen Ernährung einen starken 
Rückhalt. Sie ist aber an ein starkes Bauerntum ge- 
bunden, für das Deutschland heute kämpft. 


246 


Der europäische Kontinent im ganzen hat allen 
gegenteiligen Behauptungen zum Trotz im Krieg 
seinen Brotverzehr nicht nur halten, sondern mut- 
maßlich sogar steigern können. Den Butterverzehr 
brauchte es nur um ein geringes einzuschränken. Aller- 
dings wurde die Verteilung nicht überall mit solcher 
Strenge und Straffheit durchgeführt wie in Deutsch- 
land. Das kommt in der recht unterschiedlichen Höhe 
der Normalrationen zum Ausdruck. Di es könnte inden 
meisten Fällen durch größere Straffheit in der natio- 
nalen Bewirtschaftung gemildert werden. Die rest- 
iichen Unebenheiten wären durch europäische Zu- 
sammenarbeit zu beheben. 

Walter Hahn 


Ein neuer Kurs der Agrarpolitik 
in den USA.? 


Seit etwa einem Jahr ist man in den USA. eifrigst 
bemüht,die, Landwirtschaft mit allen Mitteln zu akti- 
vieren. Die bedeutende Erhöhung der Landmaschinen- 
produktion von 23% auf 80% (1940/41 = 100), die 
Kennzifferfestsetzung beim Bezug von Rohstoffen 
unmittelbar nach dem militärischen Kontingent und 
die Herausbildung neuer Maschinentypen ist dafür 
ebenso kennzeichnend wie die nunmehr geübte grö- 
Bere Rücksichtnahme auf die landwirtschaftlichen 
Arbeitskräfte bei Einziehungen. Damit hat zwangs- 
läufig eine Entwicklung ihren praktischen Abschluß 
gefunden, die mit Hot Springs begann und in deren 
Mittelpunkt die „ unerschöpflichen“ Nahrungsmittel- 
reserven der USA. und ihrer Verbündeten als Basis 
eines Welternährungsplanes standen. Die schlechten 
Ernten, die zunehmenden Bodenzerstörungen und 
der ständig steigende Bedarf an Nahrungsmitteln 
waren Tatsachen, an denen unausgegorene Welt- 
beherrschungsabsichten scheitern mußten. 


Der Hinweis auf diese logische Entwicklung wäre 
nicht der Erwähnung wert, wenn sie nicht eine andere 
Erscheinung im Gefolge hätte, die immerhin Beach- 
tung verdient. Seit dem Bestehen der kapitalistisch 
ausgerichteten amerikanischen Landwirtschaft ist zum 
ersten Mal eine Rücksichtnahme auf die Eigentümer 
von Klein- und Mittelfarmen festzustellen. Die den 
Landmaschinenmarkt monopolistisch beherrschenden 
Industriekonzerne treten mit Plänen undNeukonstruk- 
tionen an die Öffentlichkeit, die ausnahmsweise ein- 
mal nicht auf den Bedarf der Großfarmen und kapita- 
listischen Landgesellschaften ausgerichtet sind. Galt 
noch vor 10 Jahren eine Farm von 150 bis 300 ha mit 
einem Maschinenaufwand von 5000 Dollar als Norm, 
so Ist man jetzt bemüht, Maschinen zu konstruieren, 
die auf kleinere Farmen mit einem Maschinenkapital 
von etwa 1000 Dollar zugeschnitten sind. Andere 


Stellen arbeiten an Konstruktionsplänen für Klein- 


farmen, die — neuzeltlich ausgestattet — Insgesamt 
nicht mehr als 4000 Dollar Kapital erfordern. Ford 
konstruierte einen mittelgroßen Tfecker, andere 
bringen kleinere Aggregate mit den verschiedensten 
Kombinationsmöglichkeiten heraus zur ausschließ- 
lichen Verwendung im Klein- und Mittelbetrieb. Mit 
diesen Maßnahmen hofft man auch die 4 Mill. Farmen 
— vor allem diejenigen mit größerer Betriebsfläche — 
erfassen und versorgen zu können, die bisher kaum 
mit Maschinen ausgerüstet waren. 


Diese plötzliche Umstellung wird verständlich, wenn 
man die Äußerungen aus führenden amerikanischen 
Agrarkreisen heranzieht. Die Neuorientierung“ der 
Landmaschinenindustrie Ist nämlich nur ein Teil des 
zur Zeit in Konjunktur stehenden Agrarprogramms. 
Man hat erkannt, daß die landwirtschaftliche Arbeit 
immer stärker abgelehnt werden wird und nach dem 
Kriege ein Niedergang der Landwirtschaft erfolgen 
muß, wenn die Lebens- und Arbeitsbedingungen auf 
dem Lande nicht grundlegend besser werden, die 
Existenzfähigkeit des kleineren Farmers erhöht und 
der Bevölkerung allgemein neue Aufstiegsmöglich- 
keiten gegeben werden. 


Diese sozialen Töne sind besonders in bezug auf 
die Landwirtschaft völlig neu, wenn man von den 
Reden bei den Wahlkampagnen absieht. Es ist kaum 
möglich, den wirklichen Wert und die Ehrlichkeit 
der zum Ausdruck gebrachten Absichten abzuschätzen. 
Allerdings hat die bisherige Entwicklung — besonders 
nach dem Weltkrieg 1914/18 — gezeigt, daB solche 
grundiegenden Umstellungen kaum zu erwarten sind, 
zumal die Agrarpolitik der USA, dem Großbetrieb 
bisher eindeutig den Vorzug gab. Man denke nur an 
die Auswirkungen der Krise nach 1929, als vor allem 
die kleineren Betriebe Ihre Existenzgrundlage ver 
-loren und von den ausbeutenden Landgesellschaften 
aufgekauft wurden. Viele Farmen wurden von den 
Hypothekengläubigern ersteigert; die ehemaligen 
Eigentümer aber blieben zumeist als Pächter auf den 
Betrieben. Hierzu ein bezeichnendes Beispiel: In 
einem amerikanischen Staatsdepartement wurden 
1920 rund 40000 Farmbesitzer und 36000 Farmpächter 
gezählt. 1934 gab es noch 30000 Besitzer, aber 45000 
Pächter. l 


Allein von 1922 bis 1926 wanderten über 4 Mill. 
Menschen vom Lande ab, ein Strom, der ständig 
flog, ohne elne „Entlastung“ zu bringen. Mindestens 
3,5 Mill. ländliche Familien, d. h. etwa jede 4. Familie, 
wurden während der Krisenzeit ín irgendeiner Form 
öffentlich unterstützt. Bei den Eigentümern lagen die 
Verhältnisse ebenso ungünstig, so daß etwa 2 Mill. 
durch staatliche Mittel vor dem plötzlichen Ruin 
gerettet werden mußten, allerdings nur, um bei der 
„sozialen Pflästerchenmethode“ der us-amerikanischen 
Regierung einem allmählichen, aber sicheren Unter- 
gange zuzusteuern. Obgleich auf diese Weise Tausende 
von Betrieben ausfielen, besserte sich die wirtschaft- 
liche Lage der anderen keineswegs. 1936 gab es nahezu 
1.7 Mill. Farmbetriebe (= mehr als 25% aller Betriebe), 
die einen jahresverdienst von weniger als 500 Dollar 
hatten; die Hälfte von diesen erreichte nicht einmal 
250 Dallar. 


Für die bisherige Tendenz der us-amerikanischen 
Agrarpolitik ist der von maßgeblicher Seite wieder- 
holt gemachte Hinweis kennzeichnend, daß rund die 
Hälfte der Farmbesitzer — also In erster Linie der 
Klein- und Mitteibesitz — praktisch keine Markt- 
leistung aufzuweisen hätten. Diesen gegenüber wur- 
den die kommerzialisierten Großfarmen der pazi- 
fischen Küste, vor allem Kaliforniens, als Versorgungs- 
träger der Vereinigten Staaten herausgestellt. Glei- 
chermaßen beurteilte man auch die Tätigkeit der 
Landgesellschaften, institutionen, die in Konkurs 
geratene Farmen gekauft oder ersteigert hatten und 


nun bemüht waren, den Boden mit möglichst geringen 
"Mitteln auszubeuten, um das investierte Kapita! 


herauszuwirtschaften. 


Bei der 1940 durchgeführten Zählung zeigte sich, 
daß die landwirtschaftliche Bevölkerung mit 32 Mill. 
Menschen seit 1930 um 2 Mill. gewachsen war. Offiziell 
stellte man fest, daß — abgesehen van dem oben ge- 
nannten Zuwachs von 2 Mill. — mindestens weitere 
1,6 Mill. Farmarbeiter „überflüssig“ seien; denn bei 
der fortschreitenden Technisierung der Landwirtschaft 
könne die Agrarproduktion auch ohne die Hilfe 
dieser 3,6 Mill. Menschen auf der dem Bedarf ent- 
sprechenden Höhe gehalten werden. 


Vergleicht man diese Äußerungen und Betrach- 
tungen mit dem derzeitigen „neuen Kurs“, so Ist 
es bedenklich, an einen sozialen Regenerationsprozeß 
der USA. zu glauben. Vielmehr muß man die Meinung 
der Realpolitiker gelten lassen, die von einem Zweck- 
sozialismus sprechen, der so lange aktuell ist und ge- 
fördert wird, wie die kapitalistische Regierung eines 
Roosevelt den kleinen Farmer als Vorspann benötigt. 


H. Gerdesmann 


Bienen tanzen zum Nutzen der 
Imkerei und Landwirtschaft 


Den Menschen Ist das Tanzen ein Vergnügen. Im 
Bienenstocke ist es eine durchaus ernste, ja lebens- 
wichtige Tätigkeit und dient der Verständigung. Hat 
eine Biene auf einem Erkundungsfluge eine lohnende 
Futterquelle entdeckt, etwa ein eben erblühtes, 
Nektar spendendes Kieefeld, so führt sie nach der 
Rückkehr in ihren Heimatstock auf den Waben 
einen lebhaften Rundtanz auf. Sie rennt im Kreise 
abwechselnd rechts herum und links herum, und ver- 
setzt dadurch die Bienen in ihrer Umgebung in Auf 
regung. Sie trippeln erst hinter der Tänzerin drein, 
dann laufen sie zum Flugloch, verlassen den Stock 
und zerstreuen sich nach allen Richtungen, um die 
Trachtquelle zu finden, die ihnen durch den Tanz 
angezeigt wurde. Sie suchen hierbei aber nicht blind- 
lings, sondern mit bestimmtem Ziel. Die heim 
kehrende Biene duftete erkennbar nach den Klee 
blüten, an denen sie gesammelt hatte. Die Stock- 
genossen bemerken diesen Duft und nach ihm suchen 
sie, wenn sie die Gegend abstreifen. So gelangen sie 
an die gleiche Blumensorte, welche die Tänzerin 
erfolgreich besucht hatte. Nach der Heimkehr tanzen 
auch sie und verstärken den Alarm Im Bienenstock, 


247 


„* f 


bis die Sammlerinnen so zahlreich sind, daß der Nek- 
tar in den Blüten spärlich wird. Bei spärlicher Tracht 
tanzen die Bienen nicht. Das Aufhören der Tänze 
hat zur Folge, daß keine weiteren Neulinge zur Ver- 
stärkung der Sammelschar mobilgemacht werden. So 
verständigen sich die Bienen untereinander über die 
Trachtquellen ihres Flugbereiches und regeln zugleich 
in eimachster Weise das Verhältnis von Angebot 
und Nachfrage. 


Die Kenntnis der „Bienensprache‘ läßt sich zur 
Steigerung der Honigernte und zur Erhöhung des 
Samenertrages mancher landwirtschaftlich wichtiger 
Nutzpflanzen auswerten. Denn sie gibt uns die 
Möglichkeit, den Bienenflug zu lenken, so, wie es 
unseren Wünschen entspricht. Es ist bekannt, wie 
unbefriedigend vielfach der Samenertrag unserer 
Rotkleefelder ist. Ihre natürlichen Bestäuber, die 
langrüsseligen Hummeln, sind spärlicher geworden, 
weil ihnen mit zunehmender Bodennutzung immer 
mehr ihre Brutplätze zerstört werden. Die Honig- 
bienen besuchen den Rotklee nicht gern, weil ihnen 
der Nektar in den tieren Kronröhren schlecht zu- 
gänglich ist. Man hat mit gewissem Erfolge Bienen- 
rassen mit längeren Saugrüss eln, die Kärntner- und 
die Italienerbienen herangezogen. Aber auch diese 
lassen sich leicht zum Schaden der Landwirte durch 
andere, für sie ergiebigere Trachten in der Nachbar- 
schaft von den Kleefeldern ablenken. Nun kann man 
Bienenstöcke in der Nähe der Felder aufstellen und 
täglich mit kleinen Gaben Zuckerwaser füttern, wel- 
ches durch Einlegen von Rotkleeblüten deren Duft 
angenommen hat; oder man gibt ihnen reines Zucker- 
wasser und umkränzt den Futterteller mit Rotklee- 
blüten. In beiden Fällen veranlaßt man die Bienen, 
die das Futter abtragen, auf den Waben zu tanzen; 
sie duften nach Rotklee und sie schicken so ihre 
Kameraden im Stock hinaus an die Blüten. In 8 Ver- 
suchen an Rotkleefeldern, die im Sommer 1943 durch 
die Reichsfachgruppe Imker durchgeführt wurden, 
ließ sich der Besuch der duftbelenkten Felder gegen- 
über den Kontrollfeldern im Durchschnitt auf das 
Zehnfache steigern. Der Samenertrag war in den 
bisher ausgewerteten Fällen bedeutend erhöht. 


Beim Rotklee bringt das Verfahren der Duftlenkung 
nicht immer einen Gewinn für den Imker. Wenn die 
Bienen durch diese Maßnahme von anderen, lohnen- 
deren Trachten abgezogen werden, kann sich die 
Honigernte dadurch sogar vermindern. Dagegen 
haben bei 15 Versuchen an guten Trachtpflanzen 
(Weißklee, Bohnen, Buchweizen, Raps, Zwiebel, 
Heidekraut, Himbeere, Kohldistel) die duftgelenkten 
- Völker im Durchschnitt doppelt so viel an Gewicht 
zugenommen als gleich starke Kontrollvölker, die 
mit den gleichen Zuckermengen, aber ohne Duft- 
beigabe gefüttert waren. Die Duſtlenkung bewirkt 
nicht nur einen zahlreicheren Beflug der belenkten 
Trachtpflanze, sondern sie veranlaßt auch die einzelnen 
Bienen zu besonders eifriger und ausdauernder Flug- 
tätigkeit. 


An der Verbesserung des praktischen Verfahrens 
und an der Prüfung der Frage, bei welchen Pflanzen 
sich seine Anwendung lohnt, wird: noch gearbeitet. 


` Prof. K v. Frisch 


243 


Die Budwadt 


Franz Sekera: 


Der gesunde und kranke Boden 


Reichsnährstandsverlag G. m. b. H., Berlin 1943, 
107 Seiten, Preis broschiert RM. 3,30 


Die stark eingeschränkte Produktion von Betriebs- 
mitteln und der Mangel an Arbeitskräften zwingt die 
Landwirtschaft, mit zunehmender Dauer des Krieges 
Reserven zu mobilisieren, die bisher meist unvoll- 
kommen genutzt, oft aber auch gänzlich unbeachtet 
blieben. Planmäßige Betriebsführung und Gemein- 
schaftsarbeit vermögen aber trotz ihrer steigenden 
Vervollkommnung die sich öffnenden Lücken nur 
mangelhaft zu schließen, wenn Bauern und Land- 
wirte bei der Bearbeitung des Bodens den Problemen 
der Bodenbiologie verständnislos gegenüberstehen. 

Die vorliegende Schrift des um die Erforschung 
der Bodengesundheit und ihrer Erfordernisse be- 
sonders verdienten Wissenschaftlers vermittelt gerade 
dem Praktiker in bestgeeigneter Form einen Einblick 
in die Probleme des Bodens. Die Gemeinschaft von 
Biologie und Technik, die unser ganzes Leben durch- 
dringen muß, ist eine wichtige Forderung auch an 
die Landwirtschaft. Nicht allein die mechanische 
Pflugarbeit ist ausschlaggebend für den Erfolg der 
Bodenbearbeitung, sondern das Zusammenwirken 
zwischen Boden, Pflanzenwurzelund Mikroorganismen. 
Letzte sind die Träger der „Lebendverbauung“ der 
Bodenhohlräume, ohne die eine Krümelstruktur auch 
mit modernsten Bodenbearbeitungsmaschinen auf die 
Dauer nicht zu erreichen ist. 

Um den Boden und die Vorgänge in ihm beurteilen 
zu können, müssen wir ihn — so fordert Sekera — 
vom Standpunkt der Pflanzenwurzel aus sehen. Diese 
ist, da sie im Mittelpunkt des Bodenlebens steht, das 
Spiegelbild ihres Lebensraumes. Ihr Gesundheits- 
zustand ist für uns der Gradmesser des Gesundheits- 
zustandes des Bodens. Das Anpacken des Boden- 
problemes von der Pflanzenwurzel aus ist die neue 
Taktik der Bodenbiologie, die der Verfasser uns 
in der vorliegenden Schrift vermittelt. | 

Von der Erkenntnis des Gesundheitszustande des 
Bodens führt ein gerader Weg zur Bodenhygiene, 
der im wesentlichen zwei Aufgaben gestellt sind: 


1. der Kampf gegen die natürlichen Entartungs“ 
erscheinungen, 

‚2. der Kampf gegen die Kulturkrankheiten. 

Die Gesunderhaltung des Bodens ist eine Existent- 
frage des ganzen Volkes, sie ist daher erstes Gebot 
der Landwirtschaft und der Landschaftspflege. „Der 
Bauer muß Hausarzt seines Bodens sein“. 

Die vorliegende Schrift gibt in anschaulicher Form 
einen wertvollen Beitrag zur Bereicherung des Wissens 
der Bauern um die Bodenbiologie. Als Lehrbuch 
bedeutet sie darüber hinaus angesichts der Verpflich- 
tung des Bauerntums, im Rahmen der Erzeugungs- 
schlacht durch Mobilisierung aller betriebseigenen 
Reserven mehr denn je zur Selbsthilfe zu greifen, eine, 


. gute Waffe im Kampf um die Zukunft des Volkes. 


Werner Gruenhagen 


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JUNI 1944 NUMMER JAHRGANG? EINZELPREIS 120&M 


INHALT 


Reichsminister Herbert Backe: Sinn und Gesetz wissenschaftlicher Forschung 249 
Bildbeilage Thünen ........... Bis een ee ee n.S. 252 


Professor Dr. Asmus Petersen, Direktor des Instituts für Landwirtschaftliche 
Betriebslehre der Universität Rostock und des Thünen-Archivs: Thünens 


LEeBEDSWEIK ss ee ĩ³ » 8 . 255 
Dr. A. Werner Schüttauf: Siedlungsballung und Arbeitsproduktivität — Ein 
Beitrag zur Frage: Zehnmillionenstadt Berlůnñg i • 259 


Jaques Groeneveld, Landesbauernführer der Landesbauernschaft Weser-Ems, 
Leiter des Gauamtes für das Landvolk: Vom Junghalten des Bauernführerkorps 262 


Karl Albach: Zweierlei Erzeugungsschlacht und Ernährungs wirtschaft 264 
Der Gärtnerlehrling (Bildbeilage·eõ7!D:D! n.S. 264 
Regierungsrat Heinz Gerdesmann: Bodenpolitische Maßnahmen der euro- 
päischen Staaten ....... 8 Beleg 77000 V . 266 
Günther Pacyna: Bauer, Landvolk, VoljñK. u en 270 
Ein bäuerlicher Geschlechterbund (Bildbeilageeãꝶ‚ſ᷑mmmùh i. n. S. 272 
Agrarpolitische Rundscaaoõurrrſrſrr r 3 i 276 
Randbemerkungen: ae ce 277 
Die Buchwacht ....... E ee 279 


Bildnachweis: Das Titelbild ist eine Aufnahme von Prof. Rudolf Koppitz. — Die Photos zur Bildbeilage 

„Der Gärtnerlehrling“ erhielten wir vom Reichsnährstandsarchiv, und zwar von folgenden Licht- 

bildnern: Limberg (2), Krack (2), Dinges (2), Pongratz (1) und Pauck (1). — Hermann Lim- 

berg (8) lieferte uns die Bilder zur Beilage ‚Ein bäuerlicher Geschlechterbund“. — Die Aufnahmen 

für die „Thünen’'-Bildbeilage stellte uns die Thünen-Gesellschaft zur Verfügung. Die Federzeichnung 

des Marschhofes Canarienhausen und der Grabstätte Thünens fertigte Richard Zscheked. Die Bild- 
beilage enthält außerdem ein Photo von Transozean. 


Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna. 

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil: 

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 19 55 41. 

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlip SW 68. Fernruf 116071. Orts- 

ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller A Sohn, Beriin SW 68, Dresdener Str. 43. 


ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN 


DEUIS 


Juni 1944 


Herausgeber 


HERBERT BACKE: 


Jahrgang 2 


Nummer 9 


Sinn und Gesetz 
wissenschaftlicher Forschung 


Reichsminister Herbert Backe hielt anläßlich der 

Gründungstagung der Thünen - Gesellschaft einen 

“ grundsätzlichen Vortrag über die Zielsetzung der 

ernährungswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen 

Forschungsaufgaben der Zeit, den wir nachstehend 
im Wortlaut veröffentlichen. 


W en wir mitten im fünften Kriegsjahr, 

mitten in dem gewaltigsten Ringen 
Europas um seinen Bestand und um den 
Bestand der abendländischen Kultur Sie, 
meine Herren, als die wichtigsten und 
führenden Männer der landwirtschaftlichen 
Praxis, Wissenschaft und Verwaltung 
Deutschlands und anderer Länder zur Er- 
öffnungsfeier derneugegründeten Thünen- 


Gesellschaft hierher nach Mecklenburg 


zusammenrufen, so muß dies mehr als nur 
wissenschaftliche Berechtigung haben. Es 
wäre nicht vertretbar, in dieser Zeit einen 
Wissenschaftler zu feiern, der uns für die 
Größe des politischen Geschehens nichts zu 
sagen hätte. Dazu ist die Zeit zu schwer. 


Johann Heinrich von Thünen ist jedoch 
mehr als nur der reine Wissenschaftler, für 
den man ihn bisher leider nur zu lange ge- 
halten hat. Wenn ich im vorigen Jahr mich 
entschlossen habe, eine Thünen-Gesell- 
schaft ins Leben zu rufen und ihr Präsidium 
zu übernehmen, so tat ich dies aus der Er- 
kenntnis heraus, daß Thünen nächst Albrecht 
Thaer der bedeutendste und wichtigste 
Begründer der landwirtschaftlichen Wissen- 
schaften überhaupt ist. Während Thaer die 
Landwirtschaft auf die Naturwissenschaften 


N 


begründete, ist Thünen der große Wirt- 


_schaftswissenschaftler gewesen, der der 


Landwirtschaft ihre Aufgabe im Rahmen 
der gesamten Volkswirtschaft zuwies, sie 
also wirtschaftswissenschaftlich und wirt- 
schaftspolitisch begründete. Er war über 
seine Bedeutung für die Landwirtschaft hin- 
aus neben Friedrich List der wahre 
Volkswirtschaftspolitiker seiner Zeit und 
stand dadurch in stärkstem Gegensatz zu 
jenen englisch-jüdischen Wissenschaftlern 
vom Schlage eines Ricardo, die der welt- 
wirtschaftlichen Entwicklung einen wissen- 
schaftlichen Unterbau zu geben sich be- 
mühten. 7 


Diese große Bedeutung Thünens ist 
lange Zeit verkannt worden. Seine Lehre 
von den Intensitätskreisen, die er in 
seinem Hauptwerk „Der isolierte Staat“ 
entwickelt hatte, glaubte man dahin- 
gehend auslegen zu müssen, daß sie die In- 
tensitäts- und Standorts verhältnisse in der 
Landwirtschaft erläuterte, und zwar in der 
Weise, daß die Intensität der Landwirt- 
schaft mit der Entfernung vom Markt ab- 
nimmt. Hierin, so sagte man, läge bereits 
der wesentliche Wert Thünens als Volks- 
wirtschaftler. Heute wissen wir, daß die 
eigentliche Bedeutung Thünens sehr viel 
weiter geht. Er hat in allen seinen 
Werken und Schriften immer wieder darauf 
hingewiesen und immer wieder zu erklären 
versucht, welche Stellung der Landwirt- 


schaft innerhalb der Gesamtvolkswirt- 
schaft zukommen muß, d. h. in welcher 
Weise die Landwirtschaft und darüber hin- 
aus die Volkswirtschaft in den Rahmen des 
Volksganzen einzugliedern sind. Er hat 
nicht nur Zustände geschildert, sondern ist 
vor allem den Beweggründen für diese Zu- 
stände nachgegangen und hat hierfür eine 
wirtschaftspolitische Erklärung zu finden 
versucht. Seine Eingliederungslehre ist 
deshalb nicht allein eine wirtschafts-wissen- 
schaftliche Angelegenheit, sondern hat 
darüber hinaus vorwiegend eminente poli- 
tische Bedeutung. i 


Insbesondere im politischen Geschehen 
unserer Tage finden wir in dem Werk 
Johann Heinrich von Thünens eine Richt- 
schnur, die unsere Aufbauarbeit von der 
wissenschaftlichen Seite aus rechtfertigt 
und ihr auch in Zukunft manches geben 
.kann. Wir wissen alle, daß das Zeitalter des 
freien Spiels der Kräfte, welches in seiner 


höchsten Entwicklungsstufe bis zur freien 


Weltwirtschaft geführt hatte, vorbei ist. 
Wieweit die Entfesselung aller ichsüchtigen 
Kräfte auf dem Gebiet der Wirtschaft für 
die Entwicklung des technischen Jahrhun- 
derts notwendig gewesen sein mag, soll da- 
hingestellt bleiben. Diese Frage ist für uns 
auch nicht mehr interessant. Wichtig ist 
allein die Feststellung, daß das Zeitalter des 
Liberalismus und damit der freien Wirt- 
schaft vorbei ist, daß es vorbei sein muß, 
weil sich sein Unwert für das Leben der 
Völker und Nationen auf die Dauer klar er- 
wiesen hat. Die Lehre, daß das höchste Maß 
an Wohlfahrt des einzelnen wie der Na- 
tionen sich nur aus dem „freien Spiel der 
Kräfte”, aus der „Entfesselung des rück- 
sichtslosen Individualismus" und dem Fal- 
lenlassen jeglicher Bindungen ergeben 
könnte, paßt nicht mehr in unser Jahr- 
tausend. Sie ist völlig zusammengebrochen. 


Wir würden allerdings einen großen 
Fehler begehen, wollten wir bei der Ent- 
wicklung neuer wirtschaftspolitischer 
Grundsätze nunmehr diejenigen wirtschaft- 
lichen und politischen Grundsätze oder Zu- 
sammenhänge, die sich während deg Zeit- 
alters der Weltwirtschaft als richtig er- 
wiesen haben, einfach verneinen und ohne 
sie auszukommen versuchen. Im Gegenteil: 
Wir dürfen nicht glauben, daß so hochent- 
wickelte Volkswirtschaften, wie die der 
europäischen Länder, etwa ohne eine Ar- 
beitsteilung auskommen könnten, ebenso 


250 


wie wir, um ein weiteresBeispiel zu nennen, 
nicht den Wert und die Wichtigkeit des 
Preises in seinem großen Einfluß auf Er- 
zeugung und Bedarf vergessen dürfen. Wir 
sind aber zu der Überzeugung gekommen 
— und hiermit stehen wir im krassen Ge- 
gensatz zu den Weltwirtschaftspolitikern 
des vorigen Jahrhunderts —, daß sich Ar- 
beitsteilung und Preise, um bei diesem Bei- 
spiel zu bleiben, nicht ungeordnet und un- 
gehemmt entwickeln dürfen. Sie sind nicht 
Selbstzweck, sondern nur Mittel zur orga- 
nischen Lenkung der Volkswirtschaft. Nur 
eine solche Arbeitsteilung ist nützlich, die 
auf einer klar durchdachten Ordnung be- 
ruht, nicht eine solche, die sich aus irgend- 
welchen Zufälligkeiten heraus entwickelt. 
Nur dann wird sich der Preis zum Wohle 
der Gemeinschaft auswirken, wenn er nicht 
das Ergebnis eines zufälligen Verhältnisses 
von Angebot und Nachfrage ist, d. h. sich 
ungeordnet ergibt, sondern wenn der Preis 
als Lenkungsmittel auf Grund der politisch- 
wirtschaftlichen Notwendigkeiten zum 
Wohle der Gemeinschaft angewandt wird. 


Die Weltwirtschaft mußte nicht deshalb 
zusammenbrechen, weil die wirtschaft- 
lichen Gesetzmäßigkeiten falsch waren, 
nach denen sie sich entwickelt hatte, son- 
dern weil ihr eine zenträle Ordnung fehlte. 
Dieses Fehlen einer zentralen Ordnung lag 
im Prinzip des Liberalismus begründet. Es 
gab in der Weltwirtschaft keine Bindung 
ihrer einzelnen Mitglieder an klare Ord- 
nungsprinzipien, das hätte ihrem Wesen 
widersprochen. Es gab keine zentrale 
Führung, die sich für das Wohl und Wehe 
und für die Erhaltung ihrer einzelnen Mit- 
glieder verantwortlich fühlte. Die Welt- 
wirtschaft mußte vergehen, weil der Welt- 
arbeitsteilung, auf der sie beruhte, die 
wesentlichste Voraussetzung fehlte, nām- 
lich eine Gemeinschaft der Beteiligten. 


Die Entscheidung, was für die Gemein- 
schaft nützlich war, blieb jedem einzelnen 
überlassen, der natürlich immer der Ansicht 
sein mußte, daß der Gesamtheit nur das 
nützen könne, was ihm nütze. 


Es wäre aber völlig verfehlt zu glauben, 
daß die weltwirtschaftliche Periode, die 
wir als abgeschlossen betrachten müssen, 
nun dadurch abgelöst werden könnte, daß 
wir das Rad der Entwicklung heute wieder 
zurückdrehen und etwa von der Verkehrs- 
wirtschaft zu sich selbst genügenden 
kleinen Volks wirtschaften, d. h. zu einer 


H 
Kë 


Unzahl von Autarkien oder gar zur ge- 
schlossenen Hauswirtschaft zurückschrei- 
ten müßten. Ich brauche Ihnen nicht klar- 
zumachen, warum eine solche rückläufige 
Entwicklung gar nicht möglich ist. Sie wäre 
schon deshalb verwerflich, weil damit die 
Grundlage für die notwendige bevölkerungs- 
politische Entwicklung unserer und der an- 
deren europäischen Nationen zerstört wer- 
den würde. Wir könnten mit diesen Wirt- 
schaftsformen gar nicht die großen Men- 
schenmengen ernähren, die Europa für 
seinen politischen Fortbestand benötigt. 
Auch für die Großraumwirtschaft, die wir 
in der Lebensraumgemeinschaft des ge- 


einten Europas aufzubauen im Begriffe sind, 


gilt das Gesetz, daß der vorhandene Bedarf 
durch eine möglichst große Erzeugung bei 
möglichst geringem Einsatz von Erzeu- 
gungsmitteln gedeckt werden muß. Dieses 
Ziel ist ohne eine Arbeitsteilung zwischen 
den Mitgliedern der europäischen Lebens- 
raumgemeinschaft gar nicht zu erreichen. 
Es wird Deutschland so oft fälschlicher- 
weise nachgesagt, daß es die Absicht habe, 
auf der Grundlage einer engen Autarkie 
seine Ernährung selbst zu sichern und in 
keiner Weise auf die Erzeugung der übri- 
gen europäischen Agrarländer zurückzu- 
greifen. Nicht nur die Entwicklung dieses 
Krieges, sondern vor allem auch die Ent- 
wicklung seit der nationalsozialistischen 
Machtergreifung bis zum Kriegsbeginn hat 
aber schon hinlänglich bewiesen, daß wir 
gewillt sind, auf der Grundlage einer 
klaren Ordnung innerhalb des Großraumes 
Europa und unter Ausnutzung der beson- 
deren Eigenarten und Erzeugungsmöglich- 
keiten der einzelnen europäischen Länder 
eine klare, geordnete und erfolgreiche Ar- 
beitsteilung aufzubauen, die allein sich 
zum Wohle der europäischen Gesamt- 
heit auswirken kann. Im Zeitalter der 
Weltwirtschaft deckten die nordwest- 
europäischen Länder, d. h. vorwiegend 
Deutschland, England, Dänemark, Bel- 
gien und Holland, ihren Bedarf überall 
dort in der Welt, wo die Erzeugung am 
billigsten war. Die übrigen europäischen 
Länder wurden hierbei oft nur zu sehr ver- 
nachlässigt oder konnten nur zeitweilig 
daran partizipieren. In der Lebensraumge- 
meinschaft Kontinentaleuropas, die wir als 
Zusammenfassung gleicher und verwandter 
Rassen aufzubauen bestrebt sind, sind die 
gesamten Hauptverbraucherländer einge- 
schlossen und daher in der Lage, alle Uber- 


schüsse der europäischen Agrarländer auf- 
zunehmen. Deutschland als das hauptsäch- 
lichste Verbrauchergebiet ist aber nicht 
gewillt, hierbei wirtschaftspolitisch in 
gleicher Weise vorzugehen, wie es England 
innerhalb der Weltwirtschaft getan hat. 
Soll diese landwirtschaftliche Arbeits- 
teilung innerhalb Europas sich wirklich zum 
Wohle und zum Segen aller beteiligten 
Völker auswirken, dann muß sie auf einer 
klaren Ordnung aufgebaut sein. Zu dieser 
Ordnung gehört auch eine feste Preis- 
regelung. Auf Thünen aufbauend, haben die 
führenden landwirtschaftlichen Betriebs- 
wirtschaftler, vor allem Friedrich 
Aereboe, uns nachgewiesen, wie sehr die 
Gestaltung der Landwirtschaft sowohl im 
einzelnen Betrieb als auch innerhalb einer 
Volkswirtschaft von den Preisen für die 
landwirtschaftlichen Erzeugnisse, vor allem 
von ihrem Verhältnis zueinander abhängig 
ist. Die wichtigste Eigenschaft des Preises 
liegt nicht darin, daß er sich aus Angebot 
und Nachfrage ergibt, sondern daß er als 
wesentlichster Faktor die Art und den Um- 
fang der Erzeugung zu beeinflussen vermag. 
Soll die Erzeugung landwirtschaftlicher 
Produkte die zur Bedarfsdeckung notwen- 
dige Stetigkeit aufweisen, so kann eine 
zentrale Wirtschaftsführung auf den Fest- 
preisals Lenkungsmittel der Wirt- 
schaft auf keinen Fall verzichten. Die 
Preisrelation — das ist uns in den mehr als 
zehn Jahren landwirtschaftlicher Marktord- 
nung wohl allen klargeworden — ist deshalb 
der wichtigste Zügel, mit dem wir die land- 
wirtschaftliche Erzeugung lenken. Dieser 
Grundsatz gilt nicht nur für Deutschland, son- 
dern muß auch beim Aufbau einer europäi- 
schen Großraumwirtschaft Anwendung fin- 
den. Dabei wird es notwendig sein, bei der 
Festsetzung der einzelnen Preise so vorzu- 
gehen, daß dieStandortentwicklung der ver- 
schiedenen ErzeugungszweigeimSinne Thü- 
nens nicht gehemmt, sondern vielmehr geför- 
dert wird. Die volkswirtschaftlich richtigen 
Preise zu finden, wird eine der schwierig- 
sten Aufgaben der zentralen Wirtschafts- 
führung der Landwirtschaft Europas sein. 
Denn die Verhältnisse sind natürlich nicht 
so einfach, wie Thünen sie in seinem „Iso- 
lierten Staat“ bewußt schematisch aufgebaut 
hat. Deshalb mußhierbeimit größter Sorgfalt 
und viel Geschick vorgegangen werden, 
denn Fehler in der Preisfestsetzung können 
nur zu leicht Fehlentwicklungen der Erzeu- 
gung einleiten, die volkswirtschaftlich 


251 


völlig falsch sind und zur unnötigen Ver- 
teuerung der Erzeugnisse führen können. Es 
wird deshalb nicht unwesentlich darauf an- 
kommen, die mathematischen Grundformeln 
der ThünenschenLehre so zuentwickeln, daß 
sie bei der Festsetzung von Preisen auf die 
verschiedensten Verhältnisse angewandt 
werden können. Gelingt dies — und das 
scheint auf Grund des vorliegenden Ma- 
terials möglich zu sein —, so würden wir 
damit zu einem sehr wesentlichen Hilfs- 
mittel für die Steuerung der landwirtschaft- 
lichen Erzeugung in den einzelnen euro- 
päischen Ländern einschließlich Deutsch- 
lands durch die Preise kommen und damit 
eine der entscheidenden Grundlagen für 
eine europäische Wirtschaftsordnung be- 
. sitzen. Denn wir dürfen nicht vergessen, daß 
ein klares Durchdenken und theoretisches 
Durchleuchten der Perspektiven auf jeden 
Fall die Arbeit des Wirtschaftspolitikers er- 


leichtert, selbst wenn man auf dem Stand- - 


punkt steht, daß es letzten Endes nur auf 
das Handeln ankommt. 


Die wirtschaftspolitische Verantwortung, 
die uns hiermit entsteht, ist also besonders 
groß. Nur im Gefühl dieser großen Ver- 
antwortung für den gesamten Wirtschafts- 
raum haben wir das Recht, für Deutschland 
die wirtschaftspolitische Führung zu bean- 
spruchen. Eine sinnvolle Arbeitsteilung 
und Festpreisordnung auf dem Gebiet der 
Ernährungswirtschaft ist in Europa unter 
deutscher Führung nur dann möglich, wenn 
Deutschland als Schwerpunkt in der Mitte 
Europas nicht allein den Bedarf bestimmt, 
d. h. den Hauptmarkt darstellt, sondern 
wenn es darüber hinaus auch in wirt- 
schaftspolitischer Hinsicht für alle euro- 
päischen Länder führung- und richtung- 
gebend wirkt. Stand in der von England 
entwickelten Weltwirtschaft das Kapital 
und das Gelddenken im Mittelpunkt aller 
Erwägungen, in der Erwartung, daß sich 
um das Geld. herum eine sinnvolle Ord- 
nung von allein ergeben würde, so muß die 
europäische Großraumwirtschaflt nun aus- 
gehen von der Überlegung, daß der Bedarf 
der Völker das Primäre zu sein hat und 
daß dieser Bedarf auf die sinnvollste und 
einfachste Weise gedeckt werden müsse 
zum Wohle der einzelnen europäischen 
Nationen und darüber hinaus zum Wohle 
des europäischen Menschen überhaupt. 
Denn es ist das Kennzeichen unserer heuti- 
gen Auffassung, daß die rein wirtschaft- 
lichen Faktoren ihre Vorherrschaft verloren 


252 


zer 


haben und daß das Volk und der Mensch in 
den Mittelpunkt aller Erwägungen getreten 
sind. Den Wert und den Erfolg aller wirt- 
schaftspolitischen Maßnahmen kann man 
demnach nur daran ermessen, wieweit sie 
sich zum Wohle der Völker ausgewirkt 
haben oder noch auswirken. Daraus ergibt 
sich, daß die gesamte Wirtschaft als 
Dienerin der Politik nur dann sinnvoll ge- 
staltet werden kann, wenn sie in einer 
festen, klar umrissenen Bindung an die poli- 
tischen Erfordernisse gestaltet wird. Nur 
durch eine sölche Bindung, die sich aller- 
dings nicht nur auf einen Teil der Wirt- 
schaft erstrecken kann, sondern neben. der 
Landwirtschaft auch alle übrigen Zweige 
der Wirtschaft umfassen muß, läßt sich die 
Wirtschaft zur Dienerin der Politik machen, 
kann sie überhaupt erst zu jenem Hilfs- 
mittel für die Politik werden, das wir bei 
der Dringlichkeit der großen politischen 
Forderungen unserer Zeit unbedingt benö- 
tigen. Die Erfolge der nach diesen Grund- 
sätzen seit der Machtübernahme ausgerich- 
teten deutschen Agrar- und Ernährungs- 
politik sprechen hier eine nur zu deutliche 
Sprache. Es erübrigt sich, Ihnen, meine 
Herren, im einzelnen zu beweisen, worin 
diese Erfolge liegen. Es muß aber immer 
wieder festgestellt werden, daß es allein 
das Prinzip der gebundenen Wirt- 
schaft gewesen ist, welches diese großen 
Erfolge hat möglich werden lassen. Nur die 
Einordnung aller wirtschaftlichen Vorgänge 
auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Er- 
zeugung einerseits und der Versorgung des 
Volkes mit Nahrungsmitteln andererseits in 
ein nach politischen Grundsätzen ausge- 
richtetes, wohldurchdachtes und klar geord- 
netes Ganzes hat uns in die Lage versetzt, 
die Ernährung des deutschen Volkes in 
diesem schwersten Kriege in einer Weise 
zu sichern, die mit den Verhältnissen des 
ersten Weltkrieges gar nicht verglichen 
werden kann. 

Die Richtigkeit der hierbei angewandten 
wirtschaftspolitischen Grundsätze hat sich 
also eindeutig erwiesen. Es wird nicht be- 
zweifelt werden können, daß sie auch für 
die Aufrichtung der europäischen Groß- 
raumwirtschaft die' einzig ausschlaggeben- 
den sein müssen. Es ist eben ein Kenn- 
zeichen unseres Jahrhunderts, daß die 
größten und sichersten politischen Erfolge 


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Die Überreichung des Teterower Ehrenbürgerbriefes auf Thünens Gut Tellow (1848) 


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(Mas Orasta: befindet fin unter Ar Trausreft Grasan der Aua) 


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kann durch kein won er gungen 
rucht durch Mang und Stand erlangt 
nucht durch Gold erkauft werden 
das Nohl ellen Um gern dem freun 

Innern und als freie 
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"ag, a 


Das obere Bild zeigt Thünen inmitten Koetz "Am, Mr 1 
Gutsarbeiter (nach dem Relief an ALL NE en 
Rauchs Thaer-Denkmal) — E lët 


„ RICHARD 
ZSCHEXED. ` 


u — — l.. ———öͤĩ ð —— CR FIT 00 E E VERBOTEN ER Po ⏑᷑ ůQ i / m ²⁰⁵w. m &q »æmꝓm; ]]]]½]½]ů ͤ wñ —˙.]ʃ. ⅛ —ü'ꝰͤ—tI !Nļ½⅜ͤ̃ʃà½ÄͤTTTTÄ TT ²—uul. ⁵ͤů1112 ¼—U ggf, 


— 


— 


(Gestalter 
der 
Thiinenscben Lehre 
in der 


Betriebswissenschaft | 


Johann Fühling 
(1823—1884) 
Professor in Heidelberg 


Adolph Kraemer 
(1833—1910) 


Professor in Zürich 


Theodor Engelbrecht 

(1853—1934) 
Marschhofbesitzer in 
Obendeich 


Franz Waterstradt 
(1872—1914) 


Professor in Hohenheim 


Friedrich Aereboe 
(1865—1942) 
Professor in Berlin 


nur jenen Ländern beschieden sind, die es 
verstehen, ihre Volkswirtschaft und inner- 
halb dieser ihre Landwirtschaft in organi- 
scher, sinnvoller und klarer Weise inner- 
halb des politischen Gesamtgeschehens zu 
ordnen. Auch der Großraum Europa wird 
sowohl in politischer wie in wirtschaftlicher 
Beziehung nur dann auf sicheren Füßen 
stehen können, wenn es gelingt, auf wirt- 


> schaftlichem Gebiet dieselbe Klarheit und 


sinnvolle Ordnung herzustellen. Hierbei 
können wir aber die bahnbrechenden volks- 
wirtschaftlichen Ergebnisse Johann Hein- 
rich von Thünens nicht entbehren. Mit 
seiner Eingliederungslehre hat er uns die 
Grundlage und das notwendige Wissen für 
die Beantwortung der Frage gegeben, in 
welcher Weise eine solche wirtschaftspoli- 
tische Ordnung und Arbeitsteilung inner- 
halb Europas aufzubauen sind. Aus seinem 
Werk können wir die Gesetze entnehmen, 
nach denen einmal die Eingliederung der 
verschiedenen Zweige der landwirtschaft- 
lichen Erzeugung in die gesamte Landwirt- 
schaft zu erfolgen hat, nach denen aber 
darüber hinaus auch die Ernährungswirt- 
schaft einzugliedern ist in den Rahmen der 
gesamten Volkswirtschaft überhaupt. 


Weiterhin sind in Thünens Werk auch 
jene Grundsätze entwickelt worden, die einer 
sinnvollen Gestaltung der Arbeitsteilung 
zwischen den verschiedenen europäischen 
Völkern auf dem landwirtschaftlichen Ge- 
diete zugrunde zu legen sind. Die Thünen- 
sche, Eingliederungslehre, die ja nicht nur 
auf die zu seiner Zeit herrschenden Ver- 
hältnisse anwendbar, sondern gerade wegen 
ihrer allgemein gültigen Formulierung 
für alle Verhältnisse zutreffend ist, hat 
zeitlosen Charakter, weil sie die Zu- 
sammenhänge der verschiedenen betriebs- 
wirtschaftlichen Zweige des Landbaues, 
ihre Beziehung zueinander und ihre Ein- 
ordnung in größere umfassende Zusammen- 
hänge vom kleinsten Bauernbetrieb über 
die Volkswirtschaft bis zu einer Großraum- 
wirtschaft zu klären imstande ist. Ich 
glaube, daß ohne die Eingliederungslehre 
Thünens eine Landwirtschaft weder privat- 
wirtschaftlich noch politisch verstanden 
oder gestaltet werden kann. Ich möchte 
sogar darüber hinaus behaupten, daß sich 


aus Thünens Werk auch diejenigen Ge- 
setze werden ableiten lassen, nach denen 
innerhalb der gesamten Agrarpolitik die 
Ernährungswirtschaft in ein geordnetes 
Verhältnis zu den beiden anderen großen 
Aufgaben des Bauerntums, nämlich den 
Bluts- und Kulturfragen, zu bringen ist. 
Gerade in einer derartigen Einordnung der 
Ernährungswirtschaft in die gesamte Agrar- 
politik sehe ich die wesentliche Aufgabe 
einer zukünftigen landwirtschaftlichen Zu- 
sammenarbeit der europäischen Völker. 
Im Zeitalter der Weltwirtschaft mußten 
bevölkerungspolitische und damit auch 
kulturelle Belange durch die unbedingte 
Vorherrschaft der Wirtschaft ganz in den 
Hintergrund rücken. Diese Entwicklung 
hat sich nicht nur in Deutschland in einer 
auf die Dauer untragbaren Unterbewertung 
des Bauerntums, nicht nur in wirtschaft- 
licher, sondern besonders auch in kul- 
tureller und blutsmäßiger Hinsicht aus- 
gewirkt; auch bei den anderen europäi- 
schen Völkern haben sich ähnliche schädi- 
gende Auswirkungen gezeigt. Nach dem 
Zusammenbruch der Weltwirtschaft sind 
wir aber in der Lage und haben vor allem 
die Pflicht, diese großen agrarpolitischen 
Aufgaben wieder in den Vordergrund aller 
unserer Erwägungen zu stellen. Wir sind 
hierzu deshalb insbesondere gezwungen, 
weil sonst der politische Bestand Europas 
infolge fortschreitender Gefährdung unse- 
rer biologischen Kraft einerseits und in- 
folge Untergrabung unserer kulturellen 
Werte durch den Amerikanismus anderer- 
seits durchaus in Frage gestellt werden 
könnte. Nur in der richtigen wirtschafts- 
politischen Untermauerung der großen 
agrarpolitischen Aufgaben des deutschen 
und darüber hinaus des europäischen 
Bauerntums, also in einer klaren Zuord- 
nung der verschiedenen bäuerlichen Auf- 
gabenkreise zueinander und ihrer Ein- 
gliederung in ein geordnetes Ganzes kann 
die Grundlage für eine erfolgreiche Lösung 
dieser wichtigsten politischen Probleme 
gesehen werden, von denen der Bestand 
des Abendlandes abhängen wird. 


Thünens Lebenswerk, aus der bisherigen 
rein wirtschaftlichen Betrachtung so hin- 
ausgehoben, bekommt auf diese Weise eine 


253 


ungeheure politische Wirkung. Aus der 
Erkenntnis dieser politischen Bedeutung 
heraus habe ich mich seinerzeit ent- 
schlossen, eine Thünen-Gesellschaft ins 
Leben zu rufen, deren Gründung wir heute 
in diesem Festakt feiern. Aufgabe dieser 
Thünen-Gesellschaft soll es sein, wie Pro- 
fessor Petersen vorhin bereits ausgeführt 
hat, das Lebenswerk des großen mecklen- 
burgischen Forschers und Landwirtes, das 
heute fast hundert Jahre nach seinem 
Tode noch in völlig ungenügender Weise 
ausgeschöpft und untersucht worden ist, 
zunächst einmal in einer kritischen Be- 
arbeitung vollständig herauszugeben und 
der Allgemeinheit zugänglich zu machen. 
Ich hielt es deshalb für richtig, der Gesell- 
schaft zunächst die Aufgabe zu stellen, 
möglichst bis zum hundertsten Todestag 
Thünens, d.h. bis zum Jahre 1950, die von 
Professor Petersen erörterte mehrbändige 
kritische Gesamtausgabe der Thünenschen 
Werke vorzubereiten. 


Darüber hinaus soll aber in der Gesell- 
schaft der Mittelpunkt für den wissen- 
schaftlichen und wirtschaftspolitischen 
Ausbau der Thünenschen Lehre entstehen. 
Ich halte es für notwendig, daß, aufbauend 
auf den Gedanken Johann Heinrich von 
Thünens, eine lebhafte Beschäftigung und 
starke Auseinandersetzung der Wissen- 
schaftler, der Agrarpolitiker und nicht zu- 
letzt der landwirtschaftlichen Praktiker 
entsteht, damit die Grundsätze und Er- 
kenntnisse von der sinnvollen und organi- 
schen Eingliederung der Landwirtschaft in 
den Gesamtorganismus des Volkes immer 
größere Verbreitung finden mögen. Man 
könnte sagen, wir haben die agrarwirt- 
schaftlichen Probleme der Jetztzeit, das 
Problem der politischen Festpreise, deren 
Einfluß auf Erzeugung usw. finden und ge- 
stalten müssen, obgleich uns diese Lehren 
von Thünens unbekannt, da sie größten- 
teils unveröffentlicht waren. Jedoch selbst 
wenn man die Erleichterung, die in der Er- 
kenntnis dieser Werke für unsere Arbeit 
gelegen hätte, nicht anerkennen wollte; 
selbst wenn man die Meinung vertreten 
würde, daß es im Leben stets so ist, daß 
Gesetzmäßigkeiten nur entdeckt werden, 
wern die Zeit reif zu ihrer Verwirklichung 


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254 


ist, so möchte ich zumindest einmal folgen- 
desinden Vordergrund stellen: Niemals wird 
ein Volk auf das Studium einer Volkswirt- 
schaftslehre verzichten können. Diese aber 
wird gelehrt werden nach den Systemen, 
die jeweils Wissenschaftler für ihre Zeit, 
sehr oft mit dem Anspruch der Allgemein- 
gültigkeit gestaltet haben. Sollten wir bei 
dem nun einmal notwendigen Studium 
unserer jungen akademischen Mannschaft, 
die später einmal selbst lehrend tätig sein 
wird, darauf verzichten, ihnen die Werke 
jener deutschen Volkswirtschaftler nahezu- 
bringen, die mehr denn alle anderen voraus- 
eilend die wirtschaftspolitischen Zusammen- 
hänge erkannten? Sollen wir uns darauf 
beschränken, stets nur diejenigen zu 
zitieren, deren Lehren sich als nur zeitbe- 
dingt und auf falschen Voraussetzungen 
aufbauend, erwiesen? So wie wir unser poli- 
tisches Urteil an den großen Persönlich- 
keiten der Geschichte bilden, so ist es eben- 
so notwendig, unser Urteil in volkswirt- 
schaftlichen Dingen an den Lehren großer 
deutscher Volkswirtschaftslehrer zu schulen. 


Ich würde es aber außerordentlich be- 
grüßen, wenn sich an dieser wissen- 
schaftlichen Gemeinschaftsarbeit 
auch das Ausland mit seinen besten 
Kräften beteiligte, damit auch der 
überstaatliche Gedankenaustausch und die 
Vertiefung der Thünenschen Lehre weit- 
gehend gefördert werden. Wenn der Kreis 
derjenigen, die das Lebenswerk Thünens in 
diesem Sinne verstehen, so von Jahr zu 
Jahr immer größer und größer wird, und 
wenn sich die Gedanken Thünens immer 
mehr und. mehr in der Wirtschaftspolitik 
Deutschlands und der anderen Völker aus- 
breiten, so werden wir in seinem Lebens- 
werk ein sehr wesentliches Hilfsmittel und 
Werkzeug für die Lösung unserer großen 
politischen Nachkriegsaufgabe finden, näm- 
lich der Aufgabe, die wirtschaftspolitische 
Entwicklung des Großraumes Europa auf 
landwirtschaftlichem Gebiet in erfolg- 
reicher Weise zu fördern. Damit schaffen 
wir dann auch die biologischen Voraus- 
setzungen, die das volkliche Leben des 
Reiches und alle anderen europäischen Na- 
tionen und seine unsterblichen kulturelles 
Schöpfungskräfte für alle Zukunft sichern. 


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ASMUS PETERSEN: 


THÜNENS LEBENSWERK 


hünens Lebenswerk ist so umfangreich, daß 
die Thünen-Gesellschaft, die eine kritische 
Ausgabe des Gesamtwerkes zu veranstalten hat, 
Schwierigkeiten haben wird, es in zehn starke 
Bände zu bannen“). Man wird also nicht er- 
warten können, das gewaltige Lebenswerk in 
einer kurzen Abhandlung auch nur andeutungs- 
weise skizziert zu finden. Im folgenden soll 
deshalb auch nur eine Leistung, die Kreis- 
‘ Jehre, herausgehoben werden. Auch diese eine 
Leistung wird mit wenigen Strichen in ihrem 
ganzen Umfange nicht darzustellen sein. Wohl 
aber soll versucht werden, sie so weit zu er- 
läutern, daß sie allgemeiner als groß und 
aktuell erkannt wird. Auch sollen die übrigen 
Leistungen wenigstens erwähnt werden. 


Die Kreislehre ist unter dem Namen der 
Thünenschen Intensitätstheorie allgemei- 
ner bekannt. Nach dieser Auffassung soll 
Thünen im ersten Teil seines berühmten Haupt- 
werkes „Der Isolierte Staat“ gezeigt haben, daß 
sich die Jandwirtschaftliche Produktion in einem 
gleichmäßig mit Verkehrsmitteln aufgeschlosse- 
nem Lande von überall gleicher Fruchtbarkeit 
in konzentrischen Kreisen abnehmender Inten- 
sität um den Markt herum anordnet. Diese 
Bagatellisierung der Kreislehre zu einer bloßen 
Intensitätstheorie hat ihren Grund darin, daß 
man sich statt an das Studium des Werkes selbst 
mehr an das bekannte Kreisbild im Anhang 
hielt. In diesem Kreisbild sind die Unter- 
suchungsergebnisse von einem Freunde Thünens 
teilweise bildlich dargestellt worden. In der 
Mitte einer überall gleich fruchtbaren Ebene 
liegt die Stadt, und um sie herum dehnen sich 
in dem gleichmäßig mit Verkehrsmitteln auf- 
geschlossenen Lande die Kreise wechselnder 
Betriebsgestaltung; dem Markt zunächst der 
Kreis der freien Wirtschaft, dann die Zone der 
Forstwirtschaft, dann die drei Getreidebauzonen 
(Fruchtwechsel-, Koppel- und Dreifelderwirt- 
schaft) und schließlich die Viehzuchtzone, die 
in die unkuftivierte Wildnis übergeht. In diesem 
vereinfachten Bilde sinkt allerdings schon die 
Intensität nicht durchweg mit der Entfernung 
vom Markt, wie es die zu einer Intensitäts- 
theorie verkleinerte Kreislehre voraussetzt. Die 
extensive Forstwirtschaft in der Nähe des 
Marktes fällt total aus dem vorausgesetzten 
Schema der abfallenden Intensität heraus. Aber 


) Asmus Petersen: „Der Arbeitsplan der Thünen-Gesell- 
schaft“, Fischer, Jena 1944. 24 Seiten. 


diese eine Ausnahme wurde als hoffentlich 
falsch geflissentlich übersehen. Stutzig machen 
aber muß eine vervollständigte Wiedergabe des 
Kreisbildes, wie ich sie in meiner Jenenser 
Antrittsrede (Die fundamentale Standortslehre 
Johann Heinrich von Thünens, wie sie als In- 
tensitätstheorie mißverstanden wurde, und was 
sie wirklich besagt. G.Fischer, Jena 1936) ge- 
bracht habe, die auch umstehend ihren Platz 
finden möge. 


Nach dieser vervollständigten Wiedergabe 
der Thünenschen Forschungsergebnisse mit dem 
intensiven Handelsgewächsbau und den inten- 
siven technischen Nebengewerben in der markt- 
fernsten Zone, mit der extensiveren Forstwirt- 
schaft in der marktnäheren Zone und der 
totalen Umkehrung der vermeintlichen Inten- 
sitätsverhältnisse innerhalb der Forstzone kann 
die Kennzeichnung der Kreislehre als Inten- 
sitätstheorie nicht mehr aufrechterhalten wer- 
den. Die Anordnung der landwirtschaftlichen 
Produktion um den Markt herum ist eine viel 
kompliziertere. Wir müssen also nach dem 
wirklichen Inhalt der Kreislehre suchen. Wir 
geben eine kurze Skizze im Anschluß an mein 
soeben bei Parey, Berlin, erschienenes Buch 
„Ihünens Isolierter Staat. Die Landwirtschaft 
als Glied der Volkswirtschaft“, in dem die 
Kreislehre im getreuen Anschluß an Thünen 
Wort um Wort und Zahl um Zahl erläutert und 
die Tragweite der gewonnenen Gesetze über- 
prüft wird. 


Die Kreislehre umschließt nun in der Tat auch 
eine Intensitätstheorie. In dem ersten 
großen Unterabschnitt des ersten Teils des 
Isolierten Staates ($$ 4—18, I, 1826 und 1842) 
wird am Beispiel der Koppel- und der Drei- 
felderwirtschaft (und hilfsweise auch der Frucht- 
wechselwirtschaft) tatsächlich eine Intensitäts- 
theorie entwickelt. Bei den höheren Getreide- 
preisen in der Nähe des Marktes muß das Ge- 
treide in dem intensiveren Getreideerzeugungs- 
system der Koppelwirtschaft (oder gar der 
Fruchtwechselwirtschaft) gewonnen werden, bei 
den niedrigeren Getreidepreisen ferner dem 
Markt ist aber das extensive Getreideerzeu- 
gungssystem, die Dreifelderwirtschaft, allein am 
Platze. Man bezeichnet diesen Teil der Kreis- 
lehre, um eine Verwechslung mit der vermeint- 
lichen allgemeinen Intensitätstheorie auszu- 
schließen, zweckmäßig als spezielle Intensitäts- 
theorie. Thünen hat diese spezielle Intensitäts- 


255 


Die Thünenschen Kreise 


C. Die vervollständigte Darstellung 


Erste Unterbrechung der Intensitätsreihe 
L Kreis: Heu, marktnah und doch extensiv 
Zweite Unterbrechung der Intensitätsreihe 


II. Kreis: Holz, marktnah und doch extensiv (Bauholz und Holzkohle marktferner als Brennholz und 


doch intensiver) l 
Dritte Unterbrechung der Intensitätsreihe 


VI. Kreis: Die Handelsgewächse marktfern und doch Intensiv (insbesondere Flachs, Tabak, Raps). 
Die technischen Nebengewerbe marktfern und doch intensiv (insbesondere Branntwein- und 


Zuckerfabrikation). 


theorie mit vollem Recht und mit vollem Be- 
wußtsein als wirtschaftliche Konsequenz aus 
dem Gesetz des abnehmenden Bodenertrags- 
zuwachses entwickelt. Nach diesem Funda- 
mentalgesetz der Landwirtschaft wird bei einer 
bestimmten Intensität, der Mindestintensität, die 
für jedes Produkt bei jedem Stande der Technik 
spezifisch ist, am billigsten produziert, weil das 
Naturalverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag 
hier am günstigsten ist. Eine über diese Mindest- 
intensität (im isolierten Staat bei der Getreide- 
erzeugung über die Dreifelderwirtschaft) hinaus 
gesteigerte Mehrintensität (bis zur Koppel- oder 
gar Fruchtwechselwirtschaft) ist bei gleich- 
bleibender Technik nur bei höheren Preisen 
möglich (im isolierten Staat also nur näher dem 
Markt). 


Das bei steigender Intensität immer ungün- 
stiger werdende Naturalverhältnis zwischen 
Aufwand und Ertrag muß durch immer günsti- 
gere Preis verhältnisse aufgewogen werden. 
Diese spezielle Intensitätstheorie gilt für jedes 
landwirtschaftliche Erzeugnis. Thünen hat die 
Theorie im Rahmen des isolierten Staates ab- 
geleitet. Sein Problem war aber nicht nur die 


256 


Wirkung von Preis unterschieden, die aus der 
verschiedenen Entfernung vom Markt er- 
wachsen, sondern von Preisunterschieden über- 
haupt, sie mögen rühren, woher sie wollen, so 
auch aus der verschiedenen Größe und Struktur 
des Marktes. In dieser Auffassung bleibt die 
spezielle Intensitätstheorie von entscheidender 
Bedeutung, auch wo die Lage zum Markt nicht 
mehr zu größeren Preis- und Intensitätsunter- 
schieden Anlaß gibt. In jedem Wirtschaftsraum 
muß zur Versorgung des Volkes mit den not- 
wendigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen 
eine bestimmte Intensität der Landwirtschaft 
eingehalten werden. Mit dem Studium dieser 
Intensitäts- und der entsprechenden Preis- 
verhältnisse muß man beginnen, wenn man die 
Landwirtschaft eines Landes verstehen oder gat 
gestalten will. Erwägungen im Sinne der spe- 
Zellen Intensitätstheorie müssen dabei obenan 
stehen. | 


Die spezielle Intensitätstheorie, so richtig Vie 
ist und bleibt, bildet aber nur einen Teil der 
Kreislehre. Im zweiten Unterabschnitt des ersten 
Teils des Isolierten Staates ($$ 19—31, I, 1826 


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und 1842) wird nicht mehr danach gefragt, mit 
welcher Intensität ein und dasselbe Erzeugnis 
je nach der Lage zum Markt zu erzeugen ist, 
sondern wo die verschiedenen Erzeugnisse, 
deren die Stadt bedarf, gewonnen werden, ob 
näher oder ferner der Stadt. Beantwortet wird 
diese Frage durch eine verkehrswirt- 
schaftliche Sfandortslehre der Land- 
wirtschaftszweige, die keineswegs auf 
eine Intensitätstheorie hinausläuft, und die 
einen weiteren wesentlichen Teil der Kreislehre 
ausmacht. Entscheidend bei der verkehrswirt- 
schaftlichen Standortsorientierung ist vor allem 
die Transportierbarkeit der Erzeugnisse, die, ab- 
gesehen von der Handlichkeit und der Verderb- 
lichkeit, von der Höhe- der Flächenerträge 
abhängt, wobei unter Flächenertrag bei ver- 
arbeiteten Erzeugnissen nicht der rohe, sondern 
der veredelte Ertrag, der absetzbare, auf den 
Markt gelangende Ertrag, zu verstehen ist. Das 
erste Thünensche Standortsgesetz lehrt denn 
auch die Anordnung der Landwirt- 
schaftszweige um den Markt herum 
nach fallenden Flächenerträgen. Land- 
wirtschaftszweige hohen Flächenertrages (bei 
denen also viel zu transportieren ist) haben 
ihren Standort in der Marktnähe. Landwirt- 
schaftszweige nigdrigeren Flächenertrages (bei 
denen also immer weniger zu transportieren ist) 
rücken immer weiter in die Ferne. 


Da nun Landwirtschaftszweige hohen Flächen- 
ertrages nicht durchweg spezifisch intensiv und 
Landwirtschaftszweige niederen Flächenertrages 
nicht durchweg spezifisch extensiv sind, sondern 
der Natur der Sache nach ein gewisser Wechsel 
stattfindet, so ergibt sich mit wachsender Ent- 
fernung vom Markt nicht eine stetige Abnahme 
der Intensität, sondern eine alternierende im 
Sinne Wagemanns und von der Deckens. Aller- 
dings spielen bei der endgültigen Anordnung um 
den Markt auch noch die wechselnden Produk- 
tions- und Verarbeitungskosten mit hinein. 
Thünen erfaßt diese Einwirkungen durch ein 
zweites Standortsgesetz, das aber im Gegensatz 
zum ersten nicht allgemeingültig, sondern zeit- 
gebunden ist, nur zu Thünens Zeiten stimmte, 
heute aber nicht mehr zutrifft, hier deshalb auch 
nicht näher auseinandergesetzt werden soll. All- 
gemeingültig aber ist die Zusammenfassung 
beider Gesetze zu dem verkehrswirt- 
schaftlichen Standortsgesetz der 
Landwirtschaftszweige. Thünen gewinnt 
es durch die vergleichsweise Summierung der 
Standortsformeln, die einen Vergleich der ge- 
samten Beschaffungskosten der verschiedenen 
landwirtschaftlichen Erzeugnisse bei ihrem Be- 
zug aus den verschiedenen Marktlagen zuläßt. 
Das sich bei dieser Kostenminimierung er- 
gebende Gesetz ist identisch mit dem Grund- 
rentenindex Th. Brinkmanns. Durch Einbeziehung 
der natürlichen Produktionskostenunterschiede 
läßt es sich noch mehr verallgemeinern. Mit 
dieser Anordnung der Landwirtschaftszweige ist 
ein bestimmtes landwirtschaftliches Preisgefüge 


gegeben, das volkswirtschaftlich die Bedarfs- 
deckung möglichst gewährleistet, und privat- 
wirtschaftlich den Landwirt auf seine Kosten 
kommen läßt. 


Nach diesen unseren bisherigen Ausführun- 
gen über die beiden Bestandteile der Kreislehre 
könnte man die Lehre zusammenfassend als die 
verkehrswirtschaftliche Betriebsgestaltungslehre 
bzw. die verkehrswirtschaftliche Standortslehre 
der Landwirtschaft bezeichnen. Im Isolierten 
Staat wird tatsächlich gezeigt, welche Richtung 
und Intensität der landwirtschattliche Betrieb je 
nach der Entiernung vom Markt einschlagen 
muß oder, was dasselbe ist, da Standortsiragen 
in der Landwirtschaft Betriebsgestaltungsfragen 
sind, wo der verkehrswirtschaftliche Standort 
der verschiedenen Landwirischaftszweige und 
ihrer Intensitäten ist. Aber eine solche Kenn- 
zeichnung der Kreislehre, so zutreffend sie ist, 
bleibt doch noch an der Oberfläche halten, stellt 
immer noch eine Verkleinerung der Thünenschen 
Lehre dar. Die Kreislehre ist weit mehr als eine 
Standorislehre der Landwirtschaft, die statt der 
vermeintlichen Anordnung der Landwirtschaft 
um den Markt herum nach fallender Intensität 
die wirkliche, viel kompliziertere einwandfrei 
lehrt. Nur sieht man das nicht so ohne weiteres. 
Vor allem macht Thünen am Eingang sejnes 
Werkes nicht darauf aufmerksam. Die Eingangs- 
worte über die Voraussetzungen der Unter- 
suchung und die Aufgabenstellung lassen in der 
Tat eine Standortslehre vermuten, sie bleiben 
aber weit hinter dem zurück, was später wirklich 
geboten wird. Sie sind nämlich aus einem unfer- 
tigen Entwurf von 1818/19 oder sogar aus einer 
Jugendskizze aus dem Jahre 1803 stehengeblie- 
ben, so daß die späteren Weiterungen dabei 
außer acht blieben. Dieser Mangel erklärt sich 
aus der Entstehung des Isolierten Staates. Er 
wurde 1826 aus verschiedenen Entwürfen zu- 
sammengestückelt. Nur an den Entwürfen aber 
arbeitete Thünen mit innerer Beteiligung, nicht 
aber an der Ausarbeitung für das Publikum. 


Nicht nur mit einer verkehrswirtschaltlichen, 
sondern mit einer marktwirlschaftlichen Be- 
triebsgestaltungslehre haben wir es im Grunde 
zu tun. Die Kennzeichnungen Aereboes als Lehre 
von den PreisenundPreisverhältnissen 
und Backes als Gesetz des Marktes dringen 
erst in die Tiefe. Wie ist die Landwirtschaft auf 
den Markt hin, auf die Preise hin auszurichten, 
das ist das von Thünen durchdachte Problem. 
Ja, die Problemstellung greift noch tiefer. Wer 
sich die von mir erklärte Standortsformel des 
§ 19 des Isolierten Staates erarbeitet, wird stau- 
nend feststellen, daß dort nicht nur die Anpas- 
sung der Landwirtschaft an irgendeinen Markt, 
an irgendwelche Preisverhältnisse, sondern viel- 
mehr an sinnvolle Preisverhältnisse, die die 
volkswirtschaftliche Bedarfsdeckung möglichst 
gewährleisten und den Landwirt auf seine 
Kosten kommen lassen, gelehrt wird. Die sinn- 
volle Eingliederung der Landwirt- 
schaft in den volkswirtschaftlichen 


257 


Gesamtorganismusist der Inhalt der Kreis- 
lehre. „Im Isolierten Staat“, so müßten eigentlich 
die Eingangsworte lauten, „liegt in der Mitte die 
Stadt, als Verkörperung der Volkswirtschaft, mit 
ihrem Bedart an landwirtschaftlichen Erzeug- 
nissen, und um sie herum dehnt sich die Land- 
wirtschaft, die diesen Bedarf zu decken hat. 
Untersucht wird nun, welche landwirtschaft- 
lichen Preise und Preisverhältnisse sich aus- 
bilden und ausbilden müssen, wenn der Bedarf 
der Volkswirtschaft möglichst gedeckt werden 
soll, und wie sich die Landwirtschaft diesen 
Preisverhältnissen entsprechend in ihrer Pro- 
duktion auszurichten hat, um so ihrer volkswirt- 
schaftlichen Aufgabe der Nahrungssicherung zu 
genügen und gleichzeitig dabei aber auch pri- 
vatwirtschaftlich auf ihre Kosten zu kommen.“ 
Die Kreislehre ist damit ebenso groß wie aktuell. 
Wenn es den isolierten Staat nicht gäbe, müßte 
man ihn heute konstruieren. So aber brauchen 
wir uns die Kreislehre nur zu erarbeiten und im 
Sinne unserer Zeit weiter auszubauen, wobei 
außer der Nahrungssicherung auch die anderen 
Aufgaben des Landvolks gebührend zu berück- 
sichtigen sind. Die Kreislehre ist somit „nichts 
Geringers als die Grundlage der vom Betriebs- 
leiter und der vom Agrarpolitiker durchzufüh- 
renden Landwirtschaftsgestaltung. 


Das haben die landwirtschaftlichen Betriebs- 
lehrer für ihr Fachgebiet auch schon immer er- 
kannt. Die Besten unter ihnen haben sich stets 
stolz als Thünen-Schüler bezeichnet. J. J. Füh- 
ling und A. Kraemer im vorigen Jahrhundert, 
Fr. Aereboe und Th. Brinkmann in diesem Jahr- 
hundert haben im Anschluß an den Isolierten 
Staat gelehrt, wie der Markt die Landwirtschaft 
im Zusammenwirken mit den natürlichen und 
persönlichen Verhältnissen und den inner- 
betrieblichen Notwendigkeiten bei beharrender 
und fortschreitender Wirtschaft prägt und die 
alte Schablonen- und Rezeptensammlung der 
vorwissenschaftlichen Zeit endgültig überwun- 
den. Die moderne landwirtschaftliche Betriebs- 
lehre ist anerkanntermaßen nichts anderes als 
betriebs wirtschaftlich ausgebaute Thünensche 
Theorie. 


Der agrarpolitische Ausbau steht dagegen 
noch in den ersten Anfängen. Wie falsch man 
hier noch vor kurzem sah, geht daraus hervor, 
‚daß man durch Preis- und Frachtausgleich das 
„Gegenteil von Thünens Isoliertem Staat” zu 
verwirklichen glaubte, obwohl Fracht- und 
Preisausgleich, sofern sie zu einer sinnvolleren 
Eingliederung der Landwirtschaft in den volks- 
wirtschaftlichen Gesamtorganismus führen (was 
allerdings nicht durch Behauptungen, sondern 
nur durch Untersuchungen erwiesen werden 
kann), selbstverständlich im Sinne der Thünen- 

- schen Eingliederungslehre liegen. Heute können 
wir dagegen mit aller Macht an die Arbeit 
gehen. Der Leiter unserer Agrarpolitik, Reichs- 
minister Backe, hat wie kein zweiter die Bedeu- 
tung Thünens für die heutige Zeit erkannt und 
die von ihm ins Leben gerufene Thünen-Gesell- 


258 


KL 


schaft ausdrücklich mit dem agrarpolitischen 
Ausbau der Eingliederungslehre betraut. 


Wenn man das gewaltige Lebenswerk J. H. 
von Thünens überblickt, kommt man immer 
wieder in Zweifel, welche Lehre man als die 
bedeutendste zu bezeichnen hat. Thünen selbst 
hat sich die Jap | als Grabsteininschrift ge- 
wählt und damit zum Ausdruck gebracht, dad 
er den Untersuchungen über den natur- 
gemäßen Arbeitslohn den Vorrang vor 
der Kreislehre gibt. Ob diese Auffassung haltbar 
ist, wird erst entschieden werden können, wenn 
die 1000 Seiten Entwürfe zur Pap! die weit über 
das veröffentlichte Bruchstück hinausreichen, 
erarbeitet worden sind. Groß sind Thünens 
Leistungen auf dem Gebiete der Landwirtschaft, 
lichen Buchführung, und ebenso groß ist Thünen 
als landwirtschaftlicher Taxator. Auf beiden 
Gebieten wurde er nicht nur zu seinen Lebzeiten 


. gehört, sondern er wirkt hier noch in die Gegen- 


wart und in die Zukunft hinein. Schließlich hat 
man heute erkannt, daß sogar die umfang- 
reichen statischen Untersuchungen über Erhal- 
tung und Hebung der Bodenfruchtbarkeit von 
größtem öffentlichem Interesse sind. Sie sind 
zwar als solche überholt, weil sie auf der Grund- 
lage der alten Humustheorie durchgeführt wor- 
den sind, aber die sorgfältigen Aufzeichnungen 
über Düngung und Ertrag liefern zusammen mit 
dem sonstigen Tellower Buchführungsmaterial 
den lange gesuchten Einblick in den tatsäch- 
lichen Ertragsverlauf eines wirklichen Gutes 


unter dem Einfluß der wechselnden Wirtschafts- 


weisen der letzten 150 Jahre. Auch methodisch 
wird man von den alten Statikern lernen kön- 
nen. Nur die von den alten Statikern geübte 
Messung des statischen Gleichgewichts an Hand 
der Ertrags- und Bewirtschaftungserfahrungen 
des praktischen Einzelbetriebes wird uns davor 
bewahren können, daß es wieder einmal unter 
dem Einfluß neuer unzulänglicher Theorien zur 
Verwerfung des statischen Gleichgewichts zu- 
gunsten des geschäftlichen kommen wird. Die 
Volkswirte wieder sehen in Thünen vor allem 
den Meister der isolierenden Methode und den 
theoretischen Bahnbrecher, der die Analyse mit 
Hilfe des Grenzbegriffs eingeführt hat. Andere 
wieder verehren in Thünen in erster Linie den 
feinsinnigen Schriftsteller. „Seine Briefe“, so hat 
man mit Recht gesagt, „gehören zu den schön- 
sten Dokumenten inniger Liebe zu Volk und 
Nation, die je ein deutscher Geistesheld schrieb.” 
Die zeitgenössischen mecklenburgischen Land- 
wirte aber kannten ihn hauptsächlich als tüch- 
tigen, erfolgreichen, praktischen Landwirt, der 
die Distriktsversammlungen des Mecklenbur- 
gischen Patriotischen Vereins zu Teterow und 
die Hauptversammlungen durch seine auf dem 
Tellower Buchführungsmaterial fußenden Stel- 
lungnahmen zu den brennenden Tagesfragen 
belebte und dem man 1850 nachrief, daß mit 
ihm nicht nur das älteste Mitglied des Vereins 
dahingegangen sei, sondern sein Ruhm und 
seine Größe, 


vr 


AWERNERSCHUTTAUF: 


Siedlungsballung und Arbeitsproduktivität 


` 


De Frage „Welche Arbeitsleistung ist produk- 
tiv?“ ist schon häufig erörtert worden. Erst 
vor kurzem haben Muthesius!) und Melle?) 
zu diesem Problem wieder einmal Stellung ge- 
nommen. Beide Autoren haben das Thema in 
sehr aufschlußreicher Weise vornehmlich vom 
betriebswirtschaftlichen Standpunkt erörtert. 
Man ist sich heute vollauf darüber im klaren, 
daß nicht nur die unmittelbare Gütererzeugung 
der Landwirtschaft und Industrie „produktiv“ 
ist, sondern auch die mittelbare Güterverteilung 
von Handel und Verkehr und die Güterverwal- 
tung und Güterordnung der „Öffentlichen 
Dienste“. Wenn auch die Produktivität sämt- 
licher Wirtschaftsabteilungen unbestritten ist, 
so erscheint es vom volkswirtschaftlichen 
Standpunkt trotzdem nicht gleichgültig, wie 
sich die Größenordnungen der einzelnen oben- 
genannten Wirtschaftsabteilungen in einer 
Volkswirtschaft zueinander verhalten. Ja, es 
will uns scheinen, als wollte diese Frage in den 
kommenden Jahren steigende Bedeutung er- 
langen. 


In der Gliederung der deutschen Bevölkerung 
nach Wirtschaftsabteilungen haben sich nach 
Angaben des Statistischen Reichsamtes in der 
Zeit von 1882 bis 1939 bemerkenswerte Wand- 
lungen vollzogen, die insbesondere in den 
letzten Jahren Gegenstand lebhafter Erläute- 
rungen gewesen sind: 


Gliederung des deutschen Volkes nach Wirt- 
schaftsabteilungen 1882 und 1939 (Altreich) 


Berufszugehörige (= Erwerbs- 
personen einschließlich ihrer 
Angehörigen) in v.H. 


. 1882 1939 

1. Land- und Forstwirtschaft 40,4 18,2 
2. Industrie und Handwerk 37,3 40,9 
1 und 2 zusammen 77,7 59,1 
3. Handel und Verkehr .......... 9,8 15,8 
4. Offentliche und private Dienste 4,0 10,1 
3 und A zusammen 13,8 25,9 
5. Häusliche Dienste 3.8 2.0 
6. Selbständige Berufslose ...... 4.7 13.0 
5 und 6 zusemmen 8.5 15,0 

1 bis 6 zusemmen 100,0 100,0 
Absolut in Millionen Menschen 39,4 67,4 


Von der Gesamtbevölkerung des Altreichs 
waren 1882 noch 77,7 v.H. Berufszugehörige der 


schaft, Industrie und Handwerk, im Jahre 1939 
dagegen nur noch 59,1 v. H. Dafür hat sich der 
Anteil der Wirtschaftsabteilungen Handel und 
Verkehr und Öffentliche und private Dienste im 
gleichen Zeitraum von 13,8 v.H. auf 25,9 v.H. 
nahezu verdoppelt. Der Anteil der Wirtschafts- 
abteilung Hausdienste hat sich halbiert. Beson- 
dere Beachtung verdient der von 4,7 v. H. auf 
13,0 v. H. vermehrfachte Anteil der Wirtschafts- 
abteilung Berufslose Selbständige (Überalte- 
rung). Abgesehen von dem kleinen Anteil der 
Wirtschaftsabteilung Hausdienste fällt der 
starke Anteilsrückgang der Landwirtschaft von 


40,4 v. H. im Jahre 1882 auf nur noch 182 v. H. 


im Jahre 1939 ins Auge. Der Anteil der Wirt- 
schaftsabteilung Handel und Verkehr (Güter- 
verteilung) hat sich dagegen fast verdoppelt und 
der Anteil der Wirtschaftsabteilung Offentliche ` 
Dienste (Güter verwaltung) verzweieinhalbfacht. 


Wenn man das Ausmaß der Bevölkerungs- 
vermehrung und der zunehmenden Siedlungs- 
dichte des Altreichs vergleicht mit dem Ausmaß 
der Strukturwandlungen der Berufsgliederung, 
dann kann man feststellen, daß Bevölkerung 
und Siedlungsdichte im Zeitraum von 1882 bis 
1939 um 68 v.H. zugenommen haben, während 
der Anteil der Wirtschaftsabteilungen Handel, 
Verkehr, Offentliche Dienste (Güterverteilung 
und Güterverwaltung) in der gleichen Zeit um 
87 v.H. und der Anteil der Wirtschaftsabtei- 
lungen Hausdienste und Berufslose Selbständige 
um 78 v.H. gestiegen ist. Insgesamt hat der 
Anteil der Wirtschaftsabteilungen 3 bis 6 um 
83 v.H. zugenommen. Gemessen am Ausmaß 
der Bevölkerungsvermehrung und zunehmenden 
Siedlungsdichte hat sich demnach die Verlage- 
rung auf die Wirtschaftsabteilungen 3 bis 6 
nicht proportional, sondern progressiv voll- 
zogen. Wenn man die Wirtschaftsabteilung 
Hausdienste ausklammert, dann ergibt sich für 
die Wirtschaftsabteilungen Handel und Verkehr, 
Offentliche Dienste und Berufslose Selbständige 
sogar ein anteilsmäßiger Zuwachs um 110 v.H. 
gegenüber einer Zunahme der Siedlungsdichte 
um 68 v.H. Diese relative Progression bei der 
Verlagerung der Berufe im Zuge steigender 


unmittelbaren Gütererzeugung in Landwirt- Siedlungsdichte verdient zweifellos grundsätz- 


1) Vgl. den Aufsatz: „Was heißt produktiv?” „Deutsche 
Allgemeine Zeitung" Nr. 29 vom 30. Januar 1944. 
t) Vgl. den Aufsatz: „Produktiv und unproduktiv?“ 


„Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 41 vom 11. Februar 1844. 


liche Beachtung. 


Da die Siedlungsdichte im volkswirtschaft- 
lichen Durchschnitt nur eine rechnerische Größe 


259 


im vielfältig gegliederten nationalen Wirt- 
schaftsraum ist, erscheint es zweckmäßig, die 
Anteile der Wirtschaftsabteilungen auch in den 
einzelnen größeren Verwaltungseinheiten des 
Reiches zu betrachten. Hier zeigen die beiden 
nachfolgenden Übersichten sowohl für die Be- 
rufszugehörigen insgesamt (Erwerbspersonen 
mit Angehörigen) wie für die Erwerbspersonen 
allein (ohne Angehörige), daß der Anteil der 
Wirtschaftsabteilungen Landwirtschaft und Indu- 
strie (unmittelbare Gütererzeugung) in den 
Teilräumen mit besonders starker Siedlungs- 
ballung (Berlin, Hamburg, Bremen, Wien) be- 
sonders niedrig ist. In den Zentren mit starker 
Siedlungsballung findet eine an der zugenom- 
menen Siedlungsdichte gemessene progressive 
Verlagerung der Berufe von der unmittelbaren 
Gütererzeugung zur mittelbaren Güterverteilung 
und Güterverwaltung statt. Diese Verlagerung 
der Berufsstruktur in den Großstädten und Mil- 
lionenstädten ist zweifellos in gewissen Aus- 
maßen erforderlich und richtig. Die Millionen- 
städte vereinigen in sich auch Organe der 
Verwaltung und Güterverteilung, die weit über 
den normalen Aufgabenkreis der eigentlichen 
Stadt hinausgehen. Das gilt z.B. für Berlin als 
Reichshauptstadt, für Hamburg und Bremen als 
Welthäfen und ebenso für Wien als Verbin- 
dungszentrale zum Südosten Europas. Das Aus- 
maß dieser Berufsverlagerung sollte sich jedoch 


Gliederung der ständigen Bevölkerung nach Wirtschaftsabteillungen 1939 in 1000 und v. H. 


) l | 
Stadt ern een 432 28 0,6 . 1 1 073 23 671 | 16 104 | 2 
Ostpreussen LOS ECHT e 2 413 881 | 37 580 | 24 1 461 | 61 306 | 13 280 12 47 |2 
Provinz Mark Brandenbu 2912 666 | 23 1 061 | 37 1 727 | 60 401 | 14 323 | 11 57 |2 
Provinz Pommern 2 330 189 | 34 594 | 27 1 383 | 60 329 | 14 264 | 11 48 |2 
Provinz Schles fen 4788 1 071 | 23 1 795 | 38 2 866 | 61 671 | 14 441 | 9 100 | 2 
Provinz Sachg en 3 549 636 | 18 1 548 | 44 2184| 62 522| 15 318 9 67 2 
Provinz Schleswig-Holstein..... 1 538 320 | 21 491 | 33 811 | 54 248 | 16 239 | 16 37 | 2 
Provinz Hannover 3 406 213 | 26 1144 | 34 2 057 | 60 545 | 16 337 |10 67 | 2 
Provinz Westfalen 5 146 585 | 11 2 103 | 53 3 288 64 691 | 13 400 8 112 |2 
Provinz Hessen-Nassau 2 632 483 | 18 1 041 | 40 1 524 | 58 431 | 17 266 | 10 51 2 
RHeINDIOVINE.. ds gu A ah nee 7 827 824113827 49] 4651|60| 130817] 677 | 9] 1802 
Land ProB naio asia aan 40 941 7232| 17] 16587|41 2381958 6536 161 4227 | 10 874 | 2 
Land Bet SE R as ga? 8 050 2 187 | 27 2 910 | 36 5 097 | 63 1 090 | 14 755 9 142 | 2 
La SACHSEN, en dg a 5 185 388| 7 2 65251 3 040 | 58 807 | 16 450 | 9 89 | 2 
Land Württemden gs 2 851 662 23 1 259 43 1 921 | 66 347 12 241 | 8 56 2 
Land en 91 2 457 546 22 989 39 1 535 | 61 359 | 14 241 | 9 50 2 
Land Thüringen. sure éch, 293 | 17 824 48 1 117 | 65 212| 12 150 | H 29 2 
Lan Hessen sa nee 1 445 280 | 20 620 | A4 900 | 64 201 | 14 133 | 10 23 | 2 
Hansestadt Hamburg 1 698 29| 2 609 | 35 638 | 37 575 | 34 198 |12 42 2 
Land Mecklenburg 876 279 | 31 242 27 521 | 58 122| 14 103 | 11 22 2 
Land Oldene um 555 15442 140 | 26 294 54 80 | 15 121 | 22 10 2 
Land Braunschweig 569 91615 247 41 338 | 56 85 14 56 | a 12 | 2 
Rm BOTEN. a Versace 445 92 196 49 205 | 51 129 | 32 45 |11 11 3 
n ee 420 54 14 213 | 54 267 | 68 51 | 13 38 | 10 9 |2 
Adept 183 35 18 80 40 115 | 58 21111 17 8 4 | 2 
Land Schaumburg-Lippe....... 52 10 | 20 21 | 42 31 | 62 7/14 — 8 112 
Sanrland „11 823 58 7 436 55 492 | 62 121 | 15 70 9 14 | 2 
Reichsgau Wilen 1912 39 2 71037 749 39 420 | 22 243 | 13 47 | 2 
Reichsgau Niederdonau ........ 1 671 700 41 483 28 118369 153 9 110 6 221 
Reichsgau Ober donau 1018 381 | 38 309 | 31 690 | 69 105 | 11 68 7 16 | 2 
Reichsgau Salzburg 254 7831 69 28 147 59 41116 23 9 G 2 
Reichsgau Steiermark 1 107 450 41 314 | 28 164 | 69 108 | 10 70 6 20 2 
Reichsgau Rärnten 439 169 42 122 | 30 291 |7 49 | 12 33 8 912 
Reichsgau Tirol 323 104 34 90 30 194 | 64 49| 16 32 |11 112 
Verwaltungsbezirk Vorarlberg .. 155 42| 24 343 105 | 67 20 | 13 12 | 8 3 |2 
Reichsgau Sudetenland ........ 2 920 599 | 21 44 1 885 | 65 367 | 13 207 7 40 1 
Deutsches REER aa fetegessge 78 072 | 14 880| 19 | 31 483 40 | 46 363591 12 125 16 | 7656 |10 2 


260 


I. II. III. IV. V. 
Land- und | Industrie- I und II Handel | Öffentliche | Häusliche 
Ins- Forst- wirtschaft | zusammen und und private Dienste 
gesamt | wirtschaft und Verkehr Dienste 
Handwerk 
1000 % 1000 | % 1000 | e 


* ` 
\ 
i | 
4 
in proportionalen Größenordnungen und nicht | 


in progressiven Größenordnungen vollziehen. 
Wir sind weit davon entfernt, die nicht unmittel- 
bar Güter erzeugenden Wirtschaftsabteilungen 
wie Handel und Verkehr als unproduktiv zu be- 
zeichnen. Ebenso wie man Muthesius und Melle 
vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt zu- 
stimmen muß, wenn sie feststellen, daß in der 
Fabrik nicht nur der das Gut formende oder. 
herstellende Facharbeiter produktiv ist, sondern 
auch der Erfinder, der Konstrukteur, der 
Pförtner usw. 

Mit diesen Ausführungen sollten nicht die 
Erörterungen der oben genannten Autoren 
kritisiert werden, vielmehr ging es darum, sie 
vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus zu 
ergänzen. Diese. Betrachtungen waren auch des- 
halb notwendig, weil man hier und da noch 
Vorstellungen antrifft, die die hier dargelegten 
Untersuchungsergebnisse nicht berücksichtigen. 
Wenn es richtig ist, daß die zunehmende Sied- 
lungsdichte eine, gemessen am Siedlungszu- 
wachs, überproportionale und sogar progressive 
Zunahme der Wirtschaftsabteilungen Handel, 
Verkehr und öffentliche Dienste mit sich bringt, 
und unsere Berechnungen deuten darauf kin, 
dann kann es für uns niemals wünschenswert 
sein, daß sich in Deutschland anomale Siedlungs- 
ballungen herausbilden.Denn dieDinge reiben sich 
im dichtgefüllten Raum viel mehr als im schwach 


besiedelten Raum. Deshalb ruft der dichtbesie- 
delte Raum in überproportionalen Ausmaßen 
Verteilungs- und Ordnungskräfte auf den Plan. 
Das ist ganz klar. So betrachtet, sind die Mil- 
lionenstädte „unproduktiver‘ als ein harmonisch 
gegliederter Raum. Gemessen an der Tragkraft 
des deutschen Wirtschaftskörpers dürfte in 
Deutschland eigentlich keine Stadt mehr als 
zwei Millionen Einwohner haben. Die übermäßige 
Großstadt-Ballung ist aus politischen, wirtschaft- 
lichen, sozialen, technischen, kulturellen und 
volksbiologischen Gründen abzulehnen. Der 
deutsche Raum ist im Gegensatz zu Frankreich 
2. B. seither vielgestaltig. Wir haben neben 
Berlin andere Mittelpunkte, wie Wien, Ham- 
burg, München, Leipzig, Dresden, Breslau usw. 
Je mehr in einem Lande Siedlungszentren 
auf Kosten des gegliederten Raumes ent- 
stehen, um so schwächer wird die Kraft 
des Wirtschaftskörpers, die Großstädte zu 
tragen, eben weil die Siedlungsballung eine 
überproportionale und sogar progressive Ver- 
schiebung in der Gliederung der volkswirt- 
schaftiichen Arbeitsproduktivität nach sich 
zieht. Diese Frage gewinnt in Zukunft im Rah- 
men des Wiederaufbaus der deutschen Volks- 
wirtschaft sicherlich besondere Bedeutung. 
Dieser Aufbau wird sich im sinnvoll geglieder- 


ten Wirtschaftsraum mit ausgewogenen Propor- 
tionen der Berufsgliederung zweifellos reihungs- 
loser und nicht zuletzt auch billiger vollziehen 
als in einem Wirtschaftsraum mit ständiger 
Landflucht und Stadtsucht. Denn woher sollten 
solche Ballungszentren wohl die Menschen neh- 
men als vom Lande? Aus eigener biologischer 
Kraft könnte sie das doch wohl nicht! Man kann 
Berlin nicht ohne weiteres vergleichen mit 
London oder New York. Die Kraft der eng- 
lischen Volkswirtschaft reicht bei weitem nicht 
aus, die 8-Millionenstadt London zu tragen. 
London wird vom britischen Weltreich getragen, 
das ein Viertel der festen Erdoberfläche umfaßt. 
New York wird mit seinen 11 Millionen Ein- 
wohnern vom amerikanischen Großraum getra- 
gen. Aber selbst für dieses Polster sind diese 
Riesenstädte zu schwer und ein ständiger Ge- 
fahrenherd für die Kraftentfaltung dieser Völker. 
Wir brauchen in der kommenden deutschen 
Friedenswirtschaft die Ordnung der raumrichtig 
gegliederten Leistung. In der Großstadt erfolgt 
ein übermäßiger Kräfteentzug für die Ordnung 
der Masse. Wenn wir eine solche Entwick- 
lung wollen, dann müssen wir damit rechnen, 
daß wir ärmer werden und daß ein noch 
steileres Wirtschafts- und Zivilisationsgefälle 
zwischen Großstadt und Land entsteht als bis- 
her. Dieses Gefälle ist schon jetzt zu steil. 


Ein Reich kann nur dann gesund und kräftig sein, 


wenn es als Träger ein starkes Bauerntum und ein 


, kräftiges Soldatentum hat. Pflug und Schwert gehören 


seit Jahrhunderten zusammen und sind auch heute 


noch nicht zu trennen. Die Geschichte hat immer 


wieder bewiesen, daß, wer den Pflug zu führen weiß, 


auch mit dem Schwerte umgehen kann. Menschen, 


die die fundamentale Bedeutung des Bauerntums 


nicht erkennen oder nicht erkennen wollen, haben 


den heutigen Staat noch nicht verstanden. Ich selbst 


bin Soldat und bin und bleibe Bauer! 


Heinrich Himmler 


261 


JAQUES GROENEVELD: 


VOM JUNGHALTEN DES 
BAUERNFÜHRERKORPS 


D: gewaltige Erfolg bäuerlichen Tatwillens 


liegt im reibungslosen Ablauf der deutschen 


Ernährungswirtschaft klar vor aller Augen. 
Die Führung durch Bauernführer, die selbst im 
landwirtschaftlichen Beruf stehen und auf ihrem 
Hof die Anordnungen durchführen müssen, die 
sie erlassen und die sıe propagieren, hat sich 
ebenso bewährt, wie das Selbstverwaltungs- 
system. Diese Methode stellt jedenfalls einen 
bimmelweiten Fortschritt dar gegenüber dem 
Stralprinzip, mit dem während des Weltkrieges 
versucht wurde, die landwirtschaftliche Er- 
zeugung und Ablieferung zu „regeln“. 


Für die Zukunftsarbeit wird es allerdings 
notwendig sein, den Reichsnährstand und seine 
Führung durch möglichst enge Bindung an die 
Trägerin der Menschenführung, die NSDAP, 
über das Reichsamt für das Landvolk zu stär- 
ken. Andererseits gilt es, unter denkbarster 
Vereinfachung, mit geringstem organisatorischem 
Aufwand und in weitgehender Dezentralisierung 
die Führung und die Verwaltung des Agrar- 
sektors so zu gestalten, daß die Bauernführer 
wie vor der Machtübernahme zu Sturmführern 
des Bauerntums werden, die mit kühnem, re- 
volutionärem Tatwillen Probleme aufgreifen 
und zur Lösung bringen. Dies zu betonen scheint 
mir jetzt besonders notwendig, da durch die 
Dezentralisierung die Berufung der Ortsbauern- 
führer den Kreisbauernführern übertragen ist, 
diese also die Verantwortung für die Qualität 
.des unteren Bauernführerkorps tragen. An 
ihnen liegt es, sich frische und wendige Orts- 
bauernführer heranzuziehen, damit die Führer- 
schaft jung bleibt. Sie wird nämlich nur so 
lange jung bleiben, wie wir sie jung halten. 
Jung halten werden wir aber das Führerkorps, 
wenn wir uns vor jedem Vorschlag zu einer 
Neuberufung darüber klarwerden, daß der zu 
Berufende 


neben absoluter weltanschaulicher Klarheit 
und Festigkeit, 

neben angeborener Führerqualität, Finger- 
spitzengefühl, Einfühlungs- und Anpassungs- 
vermögen, 

neben selbstbewußtem und sicherem Auf- 
treten l 


262 


einwandfreien Charakters ist, 


über ein überdurchschnittliches Können ver- 
fügt, 


durch eigene Leistung sich Ansehen erworben 
hat, 


daß er aber auch 


neben der Kenntnis vom Wollen, den Grund- 
lagen und den Gesetzen der Agrarpolitik 
und der Agrarwirtschaft, 


neben einer rechten Art, Menschen zu führen 
und Menschen zu leiten, 


den notwendigen revolutionären Schwung 
hat. 


Wir brauchen als Bauernführer Männer, die 
anpacken, zugreifen und schnelle, von büro- 
kratischen Hemmungen freie Entscheidungen 
fällen. Wir brauchen Mitarbeiter, die nicht nach 
Paragraphen suchen, notwendige Maßnahmen 
unmöglich zu machen, sondern die stets ver- 
suchen, für Notwendigkeiten die erforderliche 
gesetzliche Grundlage zu finden, soweit es 
dieser Grundlage überhaupt bedarf und der 
Anspruch nicht aus allgemein-rechtlichem 
Empfinden heraus führungsmäßig durchgesetzt 
werden kann. 


Bei Beachtung dieser Forderungen an unseren 
Führernachwuchs werden wir immer ein inner- 
lich junges Führerkorps haben, selbst dann, 
wenn einzelne Bauernführer in einem höheren 
Lebensalter stehen. Wir entsprechen damit in 
unserem Bereich auch der Forderung des 
Führers für sein politisches Führerkorps: „Wer 
jung bleiben will, muß junge Mitarbeiter um 
sich haben!” Diese Einstellung ist für das Jung- 
bleiben der. Führerschaft ungleich wichtiger 
als das Klammern an eine bestimmte Alters- 
grenze. Gewiß soll die Stellung des Bauern- 
führers keine Altersversorgung für ältere 
Bauern sein, aber das Ungesunde, das besonders 
auch in den sog. Vorgängerorganisationen in 
Erscheinung trat, war nicht das hohe Alter 
einzelner, sondern: das hohe Durchschnittsalter, 
das Zeichen der Durchsetzung der gesamten 
Leitung mit innerlich alten Menschen. 


x 


Betrachte ich daraufhin die Führerschaft der 
Kreisbauernschaften meiner Landesbauernschaft, 
so stelle ich fest, daß 


unter 25 Jahren kein 


von 26—35 S 9 
„ 36—45 8 28 

„ 46—55 1 35 

über 56 i 9 


Bauernführer im Dienst stehen. Gemessen am 
Durchschnittsalter in den Vorgängerorgani- 
sationen wird niemand bestreiten können, daß 
das Durchschnittsalter hier erheblich niedriger 
liegt. Gemessen aber an der Forderung eines 
jungen, frischen Nachwuchses, liegt das Durch- 
schnittsalter doch schon sehr hoch. Neben der 
Kampfgeneration, also der, die den Weltkrieg 
kämpfend miterlebte, die Systemnot in der 
eigenen Wirtschaft kennenlernte und durch 
aktiven Kampf in die Aufgaben hineingewach- 
sen ist, ist die junge Generation, das sind die, 
die Weltkrieg und Systemzeit nur durch Er- 
nährungs- und sonstige Mängel in Erinnerung 
haben, die aber Kampfzeit, nationalsozialistische 
Revolution und die Zeit des Aufbruchs in HJ. 
und Partei erlebten, die im aktiven Kriegs- 
erleben der Gegenwart stehen und die durch 
Bauernschulbesuch bewußt zu Führungsauf- 
gaben erzogen sind, sehr schwach vertreten. 
Wichtiger als die Abberufung mit 55 Jahren 
wird also für das Junghalten der Führerschaft 
sein, das Berufungsalter möglichst niedrig zu 
halten, um dadurch zu garantieren, daß Bauern, 
die mit ihrem ganzen Denken und Tun in der 
Gegenwart und nicht in der Vergangenheit 
verwurzelt sind, an die Führung gelangen. 


Um aber immer genügend Führerreserve zu 
haben, wird es vielleicht notwendig sein, für 
die Reichsnährstandsmitglieder die Pflicht zur 
Annahme von Ehrenämtern festzulegen, wie 
z.B. beim Amt des Schöffen, Waısenrats, Bür- 
germeisters. Man erlebt doch sehr oft, daß 
Menschen, die sich erst mit Händen und Füßen 
gegen ein Amt sträuben, nach der Verpflich- 
tung dieses vorbildlich führen. Die Abberufung 
mit 55 Jahren ist bei dem gewaltigen Kräftebedarf 
sowieso nicht mehr vertretbar, auch dann nicht, 
wenn diese Altbauernführer zuanderen Aufgaben 
als Bauernrichter, im Genossenschaftssektor, in 
den Deich- und Sielverbänden, Zuchtverbänden 
usw, herangezogen werden. Wie rüstig diese 
„Alten“ noch sein können, kann jetzt fest- 
gestellt werden, da sie sich in anerkennens- 
werter Weise zur Verfügung gestellt haben, 
um die Jüngeren zu vertreten, die zur Fahne 
einberufen sind. Der besondere Dank, den wir 
diesen Alten schulden, darf uns aber nicht von 
unserer grundsätzlichen Forderung eines jungen 
Führerkorps entfernen. Ich glaube, daß die 
oben erwähnten Aufgaben auch dem Altbauern- 
führer Befriedigung geben werden, der sich auf 
seinem Hof sowieso kaum mehr voll auswirken 
kann, da es normalerweise doch so sein wird, 
daß der Anerbe in dem Alter ist, da er, wo 


er den Hof wegen der ehrenamtlichen Bean- 
spruchung seines Vaters schon mehr oder 
weniger selbständig geführt hat, es ungern 
sieht, wenn der „Alte“ nun selbst die Leitung 
wieder übernimmt. 


Zum Schluß müssen wir noch folgendes be- 
achten: Nicht nur der Krieg mit seinen ge- 
waltigen Mehraufgaben ernährungswirtschaft- 
licher Art, sondern auch die Nachkriegszeit 
wird vor allem mit der Ost- und Umsiedlung 
die Arbeitskraft besonders der Kreis- und 
Ortsbauernführer derart in Anspruch nehmen, 
daß die Aufwandsentschädigung nur ein kleines 
Entgelt für das Opfer an Zeit, Kraft und Geld 
darstellen kann. Wie in der ehrenamtlichen 
Tätigkeit in Partei und Staat wird auch der 
Reichsnährstand diese Opfer fordern müssen. 
Wollen wir aber eine nicht nur junge, sondern 
überhaupt eine tüchtige Führerschaft halten, so 
werden wir nicht umhin können, den Bauern- 
führern einen gewissen Sozial- und Kündigungs- 
schutz zu geben, der zB. bei unverschuldeter 


Abberufung ein Uberleitungsgeld vorsieht, um 


es dem Betreffenden zu ermöglichen, durch ihn 
getätigte Verpflichtungen, wie Einstellung 
einer Ersatzkraft, Zwischenverpachtungen usw., 
abzuwickeln. Auch die Altersversorgung, etwa 
durch Abschluß einer Lebensversicherung, für 
die nicht durch einen Erbhof sichergestellten 
Bauernführer — es werden in Zukunft nur sehr 
wenige Ausnahmen sein — muß ermöglicht 
werden. 


Die Erfüllung dieser Forderungen ist um so 
dringlicher, als sonst sehr leicht die Auswahl 
der Bauernführer sich, vielleicht unbewußt, 
nach der Seite der größten Höfe verschieben 
würde und Bauern, die in mittelbäuerlichen 
Verhältnissen leben, sich aber doch ein um- 
fassendes Können und ein überragendes 
Wissen angeeignet haben, und die oft die 
Schwierigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse 
besonders gut beurteilen können, sich zurück- 
ziehen müßten. Dadurch würde eine weitere 
Verengung der an sich schon ziemlich knappen 
Auslese der Bauernführer eintreten, denn die 
Bauern, die als Aktivisten anzusprechen sind, 
sind ja nicht nur in unserem Unterführerkorps, 
sondern zum großen Teil auch in andere Auf- 
gaben, wie Ortsgruppenleiter, Bürgermeister 
usw. eingespannt. Die Auswahl ist also so- 
wieso nur klein. 


Der Erfolg unserer Zukunftsarbeit wird da- 
von abhängen, ob wir ein junges, frisches ` 
Führerkorps halten. Sorgen wir dafür, daß 
jüngere Männer in die Bauermführung berufen 
werden, die nach dem bekannten Schlieffen- 
Wort mehr sind als sie scheinen, die wissen, 
daß wichtiger als die äußere, die innere Bügel- 
falte ist, nämlich die Haltung und das Vorbild, 
das sie in Leistung und Opfer ıhren Bauern 
bringen, die bereit sind, in der geraden, sau- 
beren Haltung zu leben, zu der der Führer 
uns erzogen hat. 


263 


KARL ALBACH: 


1. 


Zweierlei Erzeugungsschlacht 
und Ernährungswirtschaft 


RK 


` 


ie Leistungen des deutschen Bauerntums 

sind unbestritten. Selbst unter den widrig- 
sten Bedingungen während des Zusammenbruths 
des kapitalistischen Zeitalters hat es die Erzeu- 
gung hochgehalten und sie danach in Befolgung 
der nationalsozialistischen Parolen von Jahr zu 
Jahr gesteigert, dergestalt, daß wir, von der 
nicht ganz zu schließenden Fettlücke abgesehen, 
in allem autark d. h. unabhängig von fremden 
Mächten geworden sind. Im Kriege mit seinen 
arbeitseinsatzmäßigen Erschwernissen, der aus 
diesen Gründen auch die mineralischen Dün- 
germittel knapper werden ließ und den Ma- 
schineneinsatz nicht begünstigte, wurde die 
landwirtschaftliche Erzeugung, wenn wir von 
den durch die Witterung bedingten Schwan- 
kungen absehen, trotzdem auf ihrer Höhe ge- 
halten. Von der Erzeugerseite aus ist demnach 
alles geschehen, um dem herannahenden Krieg 
ernährungspolitisch unter allen Umständen mit 
Erfolg zu begegnen. Wir wissen aber, daß es 
mit der Erzeugung von Nahrungsmitteln ‚allein 
nicht getan ist. Sie müssen dann auch an den 
Verbraucher herangebracht werden, was eine 
vielfältige und darum schwierige, aber auch zu- 
meist eine langwierige Transportaufgabe ist, 
wenn wir den Weg vom Felde des Bauern, zumal 
mit der Unterbrechung des Drusches, sowie den 
Stationen der Be- und Verarbeitung bis zur 
Küche des Verbrauchers ins Auge fassen. Der 
Transport von Gemüse, Kartoffeln, Obst usw. 
ist außerdem noch wesentlich von der Witterung 
abhängig, wenn sie nicht dem Verderb anheim- 
fallen sollen. 


Alle Nahrungsgüler sind aber mehr oder we- 
niger dem Verderb ausgesetzt. Ihn zu vermeiden 
ist höchste Pflicht und dringendes Gebot. Nicht 
etwa allein, weil wir ein großes Volk auf engem 
Raum sind, auch die europäische Völkerſamilie 
lebt in ihrem Gesamtraum unter wesentlich 
gleichen Bedingungen, und wir können somit auf 
nichts, was dem Boden durch Bauernfleiß ab- 
gerungen worden ist, verzichten. Bäuerlicher 
Gesinnung entspricht es viel mehr, das Brot, den 
Urbegriff der Nahrung, als Gottesgabe zu be- 
trachten, die man pfleglich behandeln muß und 
nicht umkommen lassen darf. Sie stimmt auch 
mit unserer neuesten volkswirlschaftlichen Er- 
kenntnis überein, die besagt, daß die Wirtschaft 
ihren höchsten Wirkungsgrad nur dann zu er- 


264 


reichen vermag, wenn der Stoffkreislauſ ge- 
schlossen ist, d. h. in ihr nichts umkommt, 
vielmehr auch das scheinbar Wertlose gesam- 
melt und durch Umwertung wieder von neuem 
in den Dienst der Menschen gestellt wird. Das 
Gesetz von der Erhaltung der Kralt, wie es die 
organische Welt dokumentiert, muß auch im 
anorganischen Leben seine Erfüllung änden. 


Wenn wir von diesem Blickwinkel aus die 
Aufgaben unserer Volkswirtschaft und insonder- 
heit diejenigen unserer Ernährungswirtschaft 
betrachten, die weit über das Betätigungsfeld 
des Bauern hinausreichen, so müssen wir wohl 
bekennen, daß zumindest in der Vergangenheit 
große Versäumnisse vorliegen oder Unterlas- 
sungssünden begangen worden sind. Ursächlich 
hängt das mit der Vernachlässigung des Landes 
und des Bauern zusammen, was dem Kapitalis- 
mus zur Last fällt. Dort, wo die Transportaufgabe 
in Wechselbeziehung die umfänglichste und 
auch in Ansehung verderblicher Witterungs- 
einflüsse die wichtigste ist, nämlich auf dem 
Land, fehlen uns die geeigneten Wege bzw. ihr 
Zustand trägt dieser Bedeutung nicht Rechnung. 
Ist aber der Erntesegen des Feldes trotzdem 
geborgen, so entsteht die Frage, ob er erhalten 
werden kann und nicht dem Verderb verfällt, 
denn von einer sachgemäßen Lagerung auf 
unseren Bauernhöfen kann wohl überwiegend 
nicht die Rede sein. Gerade aufdemLande 
fehlen uns moderne Lagerhäuser und 
Speicher, nicht nur für Getreide, sondern 
auch für Kartoffeln und viele andere Nährgüter 
mit Massencharakter. Zumindest dann ist die 
Verarbeitung auch eine ländliche Frage, wenn 
es sich um leicht verderbliche Lebensmittel 
handelt oder die Transportkosten der Rohpro- 
dukte ihre Verfrachtung auf weitere Entfernung 
unlohnend machen. Wohl nicht ohne Grund hat 
man bis in die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts 
beispielsweise noch bäuerliche Obstdarren ge- 
kannt, bis sie dann als vermeintlich überlebte 
Einrichtungen vollkommen verschwunden sind. 
Hätten wir auch nur moderne Getreidespeicher 
auf dem Land, so würden wir allein durch Schutz 
vor Verderb jährlich mehrere hunderttausend 
Tonnen Getreide einsparen. 

Das vermittelt einen Anhalt, welche Le 
bensmittelwerte insgesamt alljährlich verloren- 
gehen. 


e A —-—-— 


1 ee wen, 


ES Gartenbau ist ein so vielseitiger Wirt- 
schaftszweig, daß selbstverständlich auch der Lehr- 
ling entsprechend ausgebildet werden muß, wenn 
er später als Gärtnergehilfe, Gärtnermeister und 
Lehrmeister die an ihn gestellten Aufgaben er- 
füllen will. In der heutigen Kriegszeit aber muß 
auch der Gärtnerlehrling vielfach die Gehilfen, die 
bei der Wehrmacht stehen, schon ersetzen können 
und dem Betriebsführer oder gar der Gärtnersfrau, 
sofern der Gärtnermeister selbst ebenfalls den 
grauen Rock trägt, tüchtig zur Hand gehen. Dabei 
kommt es gerade im Gartenbau mit der intensiven 
Landnutzung und den zahlreichen verschieden- 
artigen Glaskulturen sehr viel auf gewissenhaftes, 
pünktliches und sorgfältiges Arbeiten an. So 
hängt zum Beispiel das Gedeihen der in einem 
Frühbeetkasten unter Glas heranwachsenden Ge- 
müsejungpflanzen oder auch Gemüsen, wie Kopf- 
salat, Kohlrabi, Blumenkohl, Gurken usw., wesent- 
lich davon ab, ob bei starker Sonneneinstrahlung 
rechtzeitig Schatten gegeben wird, wie es hier auf 
dem Bild der ersten Seite unserer Beilage durch 
Überrollen einer Papierleinwand über die Fenster 
geschieht, anderenfalls leiden die Kulturen Schaden 


durch ‚Verbrennen bzw, Vertrocknen. 


Die Bodenfräse, die wir im unteren Bild der 
ersten Seite wiedergeben, ist für den Gärtner eine 
der wichtigsten Maschinen. Ihre Führung erfordert 
Geschick und Umsicht, und der Lehrling muß bei- 
reiten lernen, damit umzugehen. Er kann auch im 


artenbau technisches Interesse entwickeln. 


Voraussetzung der Frühgemüsekulturen ist CH sorgfältige 
Jungpflanzenanzucht. Nach der Aussaat ist die wichtigste 
Arbeit das Pikieren, damit die Pflanzen einen kräftigen Wuna- 
ballen entwickeln. Diese Arbeit muß ebenfalls sehr sorgfältig 
ausgeführt werden, weil die jungen Pflänzchen natürlich sehr 
empfindlich sind und andernfalls leicht verletzt werden 
können. Aber die Mühe lohnt sich in jedem Fall, nicht nur, 
daß sie klingenden Ertrag einbringt, wenn man die Gemüse 
zum Markt gebracht hat, sondern noch größer ist eigentlich 
die Freude, die das tägliche Beobachten der Natur und der 
Pflanzen macht. Es ist ein erhabenes umd befriedigendes Ge- 
fühl, zu wissen, daß das Gedeihen all der Pflanzenkinder vom 
eigenen Können abhängt und daß es, je nachdem, ob man 
mehr weiß und mehr kann, ebenfalls entsprechend besser isl. 
Der Gärtner kann deshalb gar nicht zuviel lernen, und er lemt 
auch eigentlich niemals aus, weil die Boden-, Klima- und 
Betriebsverhältnisse überall wieder anders sind und ihn 
während seiner Lehr- und Wanderjahre, die der dreijährigen 
Lehrzeit folgen sollen, in verschiedenen Betrieben kennen- 
lernen läßt. 

Über die wirtschaftliche Bedeutung des Gartenbaus ist sich 
heute jeder klargeworden, denn wir wissen, daß das Gemüse 
im Rahmen der Kriegsernährungswirtschaft zu einem unen!- 
behrlichen Nahrungsgut geworden ist, daß Obst aus Gesund- 
heitsgründen unentbehrlich ist und daß gerade heute im 
Krieg auf Blumen als Kulturfaktor und Freudenspender nich! 
verzichtet werden kann. Aber auch hier ist es so wie bei 
jedem anderen Beruf: Nur wer es in seinem Beruf zu 
Meisterschaft bringt, wird vorwärtskommen und die Erwar- 
tungen erfüllen können, die der Berufsstand von ihm fordert. 
Dazu ist eine gründliche Lehre und sorgfältige Berulserziehung 
unerläßliche Voraussetzung. 


Sorgfältiges Pikieren der jungen Gemüsepflanzen 
ist notwendig, damit sie sich kräftig entwickeln 


Erste Gurkenernte im Treibhaus 


Altoer Rückschnitt der jungen Baumkrone nach dem Die Vorverlegung der Gemüseernte zur Schließung 
Hazen eines Obstbaumes ist unerläßlich, damit sich ein der Gemüselücke in den Frühjahrsmonaten ist nur 
es Astgerüst aufbauen kann. Es ist die Voraussetzung dann möglich, wenn die Gemüsejungpflanzen durch 


zegelmäßige reiche Ernten an einwandfreiem Obst. entsprechende Vorkultur sachgemäß herangezogen 
werden 


einkulturhaus, das im Kriege zur Verstärkung der Gemüseerzeugung zusätzlich mit Kohlrabi bepflanzt worden ist 


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Diese Papierhauben bilden. gewisser- 
maßen Gewächshäuser im kleinen; 
denn sie schützen die darunterstehen- 
den Frühgemüsepflanzen vor kalten 
Nächten und rauhen Winden. Wer- 
den die Pflanzen größer, so werden 
dese Witterungspapierschutzhauben 
zunächst oben etwas aufgerissen, um 
die Pflanzen allmählich an die normale 
Witterungzu gewöhnen. Später müssen 
sie seitlich gänzlich aufgerissen wer- 
den, damit die Pflanze hindurchwachsen 
kann. Diese Arbeit beansprucht zwar 
zusätzlich Arbeitszeit und Kosten, aber 
sie lohnt sich, weil dadurch eine Ver- 
frühung der betreffenden Gemüseernte 
um acht bis zehn Tage möglich ist 
und damit ein wichtiger Beitrag zur 
Schließung der Frühjahrsgemüselücke 
geleistet werden kann 


Erste Ernte aus dem Treibhaus: Die als 
Zwischenkultur zwischen Kohlrabi ein- 
gesäten Radieschen sind erntefertig 


In ähnlichem Größenverhältnis bewegt sich . 


auch unser Verlust an Kartoffeln, der 
durch Regen und Frost infolge notwendigen 
Feldeinmietens oder aber auch durch sonstige 
unsachgemäße Lagerung entsteht. Das alles 
könnte vermieden und durch vernünftige Vor- 
ratshaltung leicht ein Ausgleich für gelegent- 
liche geringere Ernten herbeigeführt werden, 
wenn wir in viel stärkerem Maße, als es ge- 
schehen, zum Trocknen übergegangen wären 
und uns eine Trockenkartoffel zur Verfügung 
stände, aus der wir Salat genau so wie aus der 
frischen Kartoffel machen können. Das bedarf 
lediglich eines entsprechenden Maschinenein- 
satzes. Wir hätten den Verkehr durch unnützen 
Wassertransport wesentlich entlastet und die 
Versorgung der Bevölkerung zu jeder Zeit ohne 
Rücksicht auf Frost und Schnee sichergestellt. 
Jetzt im Kriege ist das allerdings nur schwer 
darzustellen. 


Das gilt auch für das sachverständige Trock- 
nen von Gemüse mit dem Ziel der Vitamin- 
erhaltung. Ganz ohne Frage ist auf diesem Ge- 
biet manches geschehen. Insbesondere unsere 
Militärverwaltung hat hier für die Zwecke der 
Heeresversorgung Pionierarbeit geleistet. Sonst 
befinden sich aber die Dinge meistens noch im 
Versuchsstadium mit bereits vorliegenden inter- 
essanten Ergebnissen. Sie zeigen zumindest, was 
alles zur Werterhaltung und Vorratssicherung 
mit Ausgleichscharakter getan werden kann., 
Wir würden nicht mehr von der Spinatschütte 
sprechen, sondern gerne auf dieses Gemüse zu- 
rückgreifen, wenn es im frischen Zustand nicht 
mehr erhältlich ist. Erstaunlicherweise hat sich 
bei Trocknungsversuchen auch gezeigt, daß 
selbst Rübenblätter für die menschliche Ernäh- 
rung nutzbar gemacht werden können und nach 
der Zubereitung weniger dem Spinat als Rüb- 
stielgemüse ähnlich sind. In dieser Form konser- 
viert, könnten wir auch das ganze Jahr Rhabar- 
ber essen, was als Ausgleich für mangelndes 
Obst von nicht zu unterschätzender Bedeutung 
ist. Da dem Rhabarber beim Trocknungsprozeß 
auch die überschüssige Säure entzogen wird, 
ergibt sich zugleich eine Ersparnis an Zucker bei 
vorteilhafterem Geschmack gegenüber dem 
frischen Zustande. Verwundern wird es aber, 
daß aus Rhabarbersaft, wie es Proben bestätigen, 
auch noch Wermutwein hergestellt werden 
kann. Was uns insgesamt an Gemüse fehlt, ist 
wahrscheinlich gleich der Menge, die verdirbt, 
wegen zu weiter Transportwege sowie wegen 
unlohnender Transportkosten nicht aufden Markt 
gebracht und mangels Konservierungsmöglich- 
keit der Viehfütterung zugeführt wird. 


Was das für die Wirtschaft des Bauern, aber 
erst recht für die Ernährung des Volkes bedeu- 
tet, ist leicht zu ermessen. Wenn wir nach Er- 
nährungsreserven gefragt werden, so können 
wir nur antworten, daß sie vorhanden sind und 
verhältnismäßig leicht ersohlossen werden kön- 
nen. Die Eiweißfrage ist dabei die wich- 


tigste Frage unserer Ernährung. Nach sachver- 
ständigem Urteil lassen sich aber noch umge- 
heure Mengen Eiweiß gewinnen, wie ebenso 
der Fehllauf noch ganz bedeutender Mengen 
unterbunden werden kann. Die Kühlkette ist 
für unsere Vorratshaltung, insbesondere für ` 
Fisch und Fleisch, äußerst wichtig, aber die 
Lösung ist nicht einfach. Vor allem müssen wir 
uns darüber klar sein, daß die Konservierung 
durch Vereisung über die Kühlkette vom Er- 
zeuger bis zum Verbraucher ganz erheblich 
teurer ist als beispielsweise die Haltbarmachung 
durch Extraktionsverfahren mittels Dampf und 
auch gegenüber modernen Trocknungsverfah- 
ren. Darum wird stets sorgfältig abgewogen 
werden müssen, welches Verfahren für den 
jeweiligen Zweck am besten geeignet ist. 


Wesentlich für die menschliche Ernährung er- 
scheint der organische Aufschluß oder biolo- 
gische Abbau der Eiweißstoffe, der im Gegensatz 
zu chemischen Verfahren von einem jungen 
niederschlesischen im Ausbau begriffenen 
Unternehmen mit einem welterfahrenen Nah- 
rungsfachmann an der Spitze tatkräftig ins Werk 
gesetzt worden ist. Das neuartige Verfahren mit 
einer bisher sonst kaum erreichten Konzentra- 
tion der Eiweißstoffe wird wesentlich mit dazu 
berufen sein, unsere zukünftige Ernährungswirt- 
schaft und Ernährungsbilanz auf eine neue 
Grundlage zu stellen. Die nach dem Extraktions- 
verfahren hergestellten Büchsenerzeugnisse, wie 
Suppen, Soßen, Eintopfextrakte usw., erreichen 
eine 35fache Konzentration, so daß aus einem 
Kilogramm Konzentrat nur unter Zusatz von 
Mehl oder Kartoffeln dreißig bis vierzig Liter 
wohlschmeckende Suppen und Gerichte her- 
gestellt werden können. Technisch ist der 
niederschlesische Fachmann dabei vollkommen 
neue Wege insofern gegangen, als die konstante 
Wärmehaltung der Extraktionskessel zwischen 
78 und 80 Grad automatisch durch einen Glüh- 
ofen gesteuert wird und selbst die Raumluft 
durch Neutralisierung keimfrei gehalten wird. 
So ist es möglich, daß auf verhältnismäßig klei- 
nem Raum und unter Einsatz geringer, vorwie- 
gend weiblicher Arbeitskräfte, heute schon 
500 000 bis 600000 Essen pro Tag bereitgestellt 
werden und in Kürze, nach Ausbau des Betriebs, 
bis eine Million Teller Essen am Tage geliefert 
werden. Sie stehen zunächst vorwiegend noch 
den Großküchenbetrieben zur Verfugung, wie 
auch unsere Marine, insonderheit die U-Boote 
mit ihren beschränkten Raumverhältnissen, 
wichtige Bedarfsträger dieser Lebensmittelkon- 
zentrate sind, die bei ihrer Zubereitung ihr 
ursprüngliches Volumen wieder zurückgewin- 
nen. Es leuchtet aber ohne weiteres ein, daß 
in absehbarer Zeit auch die Haushaltungen da- 
von profitieren müssen, weil es sich nicht um 
eine Kriegsmaßnahme, sondern um eine solche 
von dauerndem Bestand mit allen Möglichkeiten 
der Ausdehnung zur Wertesicherung und über 
die Vorratshaltung um eine solche für den Er- 


265 


nahrungsausgleich handelt. Wenn es auf diese 
Weise bzw. durch ein neues ausgeklügeltes Ver- 
fanren möglich ist, die Eiweißstoffe aus Weizen 
und Roggen abzubauen und durch Zusatz von 
Leber eine Paste herzustellen, die als Brotbelag 
bester Leberwurst nicht nachsteht, auch hoch- 
weıtige Puddings u. a. m. auf solche Art ent- 
stehen, dann kann die Bedeutung dieser Ver- 
fahren für unseren Ernährungshaushalt kaum 
überschätzt werden. 

Was wir hier darstellten, zielt alles auf eine 
reichere und in der Konsistenz bessere Ernäh- 
rung unseres Volkes hin. Sie ist allein möglich 
durch restlose Ausschaltung des Verderbs sowie 
durch sinngemäße Verarbeitung und Verwertung 


HEINZ GERDESMANN: 


= d 


aller pflanzlichen und tierischen Nährstoffe. Dies 
führt zugleich zu einer scharfen Rationalisierung 
unserer Volkswirtschaft, und wir gelangen dabei 
zu einer lebensnotwendigen Vorratshaltung, die 
nicht nur ernährungswirtschaftlich ausgleichend 
zu wirken vermag, sondern auch ein wesent- 
liches Mittel zur Sicherung unserer Arbeits- 
währung, ja ihre Grundlage ist. Wenn ich genug 
Brot für mein Volk habe, so stellte der Führer 
einmal fest, dann brauche ich nur eine Organi- 
sation, um jedem Arbeit zu geben. Das heißt 
mit anderen Worten, daß die Schaffung reich- 
licher Ernährung alles, die Organisation jedoch 
nichts bedeutet, wenn sie diesem Ziele nicht 
dienstbar ist. 


Bodenpolitishe Maßnahmen 
der europäischen Staaten 


ie Grundbesitzpolitik im liberalen Zeitalter 

erwartete von dem freien Wettbewerb und 
der ungehemmten Bewegungsmöglichkeit des 
Eigeninteresses auch den größten Nutzen für die 
Allgemeinheit. Seit etwa 50 bis 60 Jahren ist 
aber bei vielen Staaten, in erster Linie bei den 
europäischen, eine Abkehr von dieser Auf- 
fassung festzustellen, da sich zu bedeutende 
Schäden entwickelten. Die Grundbesitzkonzen- 
tration — eine Folge der liberalen Preispolitik, 
die den Grund und Boden in die Hand des 
kapitalkräftigsten Käufers gelangen ließ — 
mußte zu strukturellen Störungen der Volks- 
wirtschaften, vor allem der Landwirtschaft, 
führen. Das veranlaßte die Mehrzahl der Regie- 
rungen zum Eingreifen. Man nahm aber keine 
grundsätzlichen Neuregelungen vor, sondern 
behielt durchweg das liberale System bei und 
schaltete sich nur dort ein, wo sichtbarste und 
dringlichste Schäden eine Beseitigung notwendig 
machten. Mit Zunahme der Landflucht wurde 
der Wunsch nach „innerer Kolonisation“ laut, 
dem aber auch in starkem Maße völkische und 
nationale Motive zugrunde lagen. In der Uber- 
wachung und Lenkung des Grundbesitzwechsels 
erblickten die Regierungen — vor allem von 
Ländern, deren Grenzen gleichzeitig Volkstums- 
grenzen sind — ein wichtiges Mittel, um eine 
fremdvölkische Unterwanderung zu verhindern. 


Neben politischen Motiven waren es wirt- 
schaftliche Überlegungen, welche eine staat- 
liche Einflußna!.me auf den Grundstücksverkehr 


266 


und die Bodennutzung auslösten. Man denke 
nur an die Auswirkung des Weltkrieges 1914/18, 
die viele Völker — in erster Linie solche mit 
Kolonialbesitz, starker Monokultur und ent- 
sprechender Auslandsabhängigkeit — wieder 
die überragende Bedeutung des heimischen 
Bauernstandes und der eigenen Scholle erken- 
nen ließen. Diese Erkenntnis ging auch in 
späteren Zeiten nicht verloren, sondern fand 
ihren Niederschlag in den Autarkiebestrebun- 
gen, die eine Produktionslenkung durch den 
Staat oder durch die von ihm beauftragten Or- 
gane notwendig machten. Als charakleristisches 
Beispiel mag hier Deutschland genannt werden, 
dessen Erfolge cuf ernährungswirtschaftlichem 
Gebiet gerade während dieses Krieges besonders 
hervortreten. Sie sind zusammen mit anderen 
kriegsbedingten Notwendigkeiten die Ursache 
dafür, daß viele europäische Staaten diese Maß- 
nahmen nachahmten oder auf eigenen Wegen zu 
demselben Ziel zu gelangen versuchten. Der 
Grundsatz der nationalsozialistiischen Boden- 
politik „Bauernland in Bauernhand” und seine 
Untermauerung durch das Reichserbhoigeselz, 
das Gesetz zur Neubildung deutschen Bauern- 
tums und die Grundstückverkehrsbekannt- 
machung haben beispielhaft gewirkt. Das zeigt 
sich bei den staatlichen Maßnahmen, dfe nahezu 
alle europäischen Länder ergriffen, um einmal 
die Möglichkeit der Bodenspekulalion auszu- 
schalten und zum anderen, um dem Bauern ein 
gesichertes und von liberalistischen Einllüssen 


. 
1P 


Be 


möglichst unberührtes Arbeitsiundament! zu 
geben. Es steht außer Zweifel, daß der erhöhte 
Nahrungsbedarf während des Krieges und der 
Zwang, diesen aus eigener Scholle zu sichern, 
die eingeleiteten Schritte beschleunigt haben. 


Die südosteuropäischen Staaten be- 
finden sich seit.langem in einer besonderen 
Zwangslage. Die ländliche Übervölkerung und 
die dadurch bedingte geringe Größe der Be- 
triebe hatten einen unproduktiven Arbeitseinsatz 
zur Folge und verhinderten jede umfassende 
Intensivierung, die bis dahin allein eine not- 
wendige Erweiterung des Lebensraumes dar- 
stellen konnte. Deshalb sahen es die Regierun- 
gen dieser Staaten als ihre wichtigste Aufgabe 
an, den Landhunger der bäuerlichen Bevölke- 
rung dadurch zu stillen, daß sie den Großgrund- 
besitz, der sich nur wenig um die Bestellung der 
eigenen Ländereien kümmerte und sie über die 
Teilpacht bearbeiten ließ, aufteilte. So führte 
Rumänien in den Jahren 1919/20 Agrar- 
reformen durch. Man verfiel dabei allerdings in 
den gleichen Fehler wie alle anderen Regie- 
rungen der Südoststaaten und teilte den Neu- 
siedlern zuwenig Land zu. So blieb einmal der 
Landhunger nur für eine kurze Zeit gestillt, 
andererseits fehlten immer noch Gesetze, die 
eine unerwünschte und gerade in diesem Sta- 
dium besonders stark betriebene Bodenspekula- 
tion ausschloß. Erst das Dekretgesetz der Re- 
gierung Antonescu vom 31. Dezember 1941 schuf 
einen grundsätzlichen Wandel, denn es be- 
stimmte, daß 


1. nur Arier und rumänische Staatsangehörige 
Eigentümer und Pächter sein dürfen, 


2. alle Besitzer landwirtschaftlicher Liegen- 
schaften den Boden selbst zu bebauen haben 
oder durch Pächter bebauen lassen, ; 


3. die allgemeine Pachtdauer mindestens fünf 
Jahre, bei Grundstücken der öffentlichen 
Hand mındestens sieben Jahre betragen muß. 


Damit wurde erreicht, daß alle landwirtschaft- 
lichen Grundstücke bebaut wurden, und zwar in 
erster Linie durch selbstwirtschaftende Kräfte. 
Weiterhin garantierte das Gesetz, daß der Päch- 
ter mit größerem Interesse arbeitete und Inten- 
sivierungsmaßnahmen durchführte, die er sonst 
mit Rücksicht auf die kurzfristige oder unbe- 
stimmte Pachtdauer kaum durchgeführt haben 
würde. 


In Ungarn fand 1920 unter der Regierung 
Teleki die erste Bodenreform statt, bei der 
575000 Hektar, das waren ein Sechstel des unga- 
rischen Großgrundbesitzes, aufgeteilt wurde, und 
zwar unter etwa 700000 Menschen. Diese Zwerg- 
betriebe blieben aber unrentabel, und ihre Lage 
konnte auch nicht verbessert werden, als 
Gömbös im Jahre 1936 einen neuen Boden- 
reformplan aufstellte. Diesem zufolge blieb die 
notwendige Landenteignung auf Fideikommisse 
und Güter über 3000 Katastraljoch beschränkt. 


Da in 25 Jahren aber nur 300 600 Joch — aller- 
dings in gioßere Parzellen aufgeteilt — zur Ver- 
teilung gelangen sollten, blieb dieser Plan prak- 
tisch ohne Erfolg; denn er hatte zu geringe 
Ausmaße und beanspruchte eınen zu großen 
Zeitraum. Am alten Zustand änderte sich also, 
wenig, und es blieb eın schwer arbeitendes 
Bauernproletariat. Allein die seit wenigen 
Jahren eingeleitete Arisierung konnte hier Ab- 
hilfe schaffen. Von diesem Verfahren erfaßt 
wurden rund 24 000 Güter mit 736 000 Katastral- 
joch. Die Durchführungsverordnung zum Ent- 
eignungsgesetz besagt also, daß Betriebe unter 
fünf Katastraljoch freihändig verkauft werden 
können, während die größeren zur Versteige- 
rung gelangen. Diese einschränkende Bestim- 


mung bedingte zwar eine Verringerung der Ent- 


eignungsfälle um 60 Prozent bei 30 Prozent der 
anfallenden Fläche, schloß aber alle Möglich- 
keiten der Preisüberbietung und des Wuchers ın 
sich. Das geht schon daraus hervor, daß 25 Pro- 
zent des Verkaufserlöses grundsätzlich einem 
Siedlungsfonds zugeführt werden mußten, der 
für die Landbeschaffung für Soldaten aus 
bäuerlichem Blut bestimmt ist. Es wäre über- 
trieben, wollte man die Auswirkungen dieses 
Gesetzes als Ausdruck des Willens bezeichnen, 
den Grund und Boden in die bäuerliche Hand 
zu geben. Es kann wohl mit Sicherheit angenom- 
men werden, daß das Gros der Betriebe zwar in 
arische Hände fiel, aber weniger in die von 
praktischen Landwirten. Im übrigen ist die laxe 
Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen ein 
Zeichen für die Judenfreundlichkeit des frühe- 
ren Kabinetts Kallay. Es wird eine der bedeu- 
tendsten Aufgaben der neuen ungarischen 
Regierung sein, die gesetzlichen Voraussetzun- 
gen für eine lebensnahe Bodenordnung zu 
schaffen. 


In Bulgarien bilden das Landbeschaffungs- 
gesetz und der Erlaß über das Katasterwesen 
vom 13. Juni 1941 ein wichtiges Fundament der 
agrarischen Bodenpolitik. Durch die Reformen 
von 1878 und 1918 wurde der Großgrundbesitz 
aufgeteilt. Die bei der Zuweisung schon geringe 
Betriebsfläche wurde im Laufe der Jahre infolge 
der Realteilung noch weiter verkleinert. So 
erklärt es sich, daß z.B. von 1926 bis 1934 die 
Zahl der Landbesitzer um 18 Prozent, die Anbau- 
fläche aber nur um 2 Prozent zunahm. Zwangs- 
läufig wurde die chronische Landnot zur 
Triebfeder einer grassierenden Spekulation. Aus 
diesem Grunde nahm das Sobranje ein Gesctz 
gegen die Bodenspekulation an, das grundsätz- 
lich nur solchen Leuten Landbesitz gestattet, die 
praktische Landwirtschaft betreiben. Kleinere 
Grundstücke (bis 30 Dekar) können nur dann 
von Nichtlandwirten erworben werden, wenn 
eine ausreichende Bodennutzung gesichert ist. 


Die 1940 in der Slowakei eingeleitete 
Bodenreform umfaßt 1,6 Millionen Hektar Wald 
und Acker, das sind 25 Prozent der gesamten 
land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche. Das 


267 


Ziel dieser Maßnahme war einmal die Ausschal- 
tung von Juden und Ausländern als Land- 
besitzer, zum anderen die Rückführung des 
Landes in bäuerliche Hand. Bis zum 15.Sep- 
tember 1942 kamen 68700 Katastraljoch von 
zunächst 163000 Katastraljoch durch Zutei- 
lung oder Kauf in arischen Besitz. Der Rest 
wird vom staatlichen Bodenamt verwaltet, das 
Musterbetriebe einrichtete und den Boden für 
zukünftige Siedlungsaufgaben bereithält. Der 
wirtschaftlichen Festigung und sozialen Besser- 
stellung des Bauerntums dient die 5 
siedlung. Man strebt nach Betrieben mit einer 
Fläche von 15 Hektar, die als Erbhöfe gelten 
und weitgehend vor Versteigerungen und Be- 
lastungen geschützt werden. In Serbien liegt 
die Lenkung des Grundstücksverkehrs beim 
Generalbevollmächtigten für die serbische Wirt- 
schaft. Gegenwärtig ist der Verkauf und Er- 
werb von Grundbesitz verboten. Ausnahmen 
macht allein der Generalbevollmächtigte, und 
diese sind bindend für die Landesbehörden und 
Gerichte. Unabhängig von dieser Regelung läuft 
das Verfahren der Eigentumsübertragung von 
Grundstücken, die Juden und Zigeunern gehören 
und die nunmehr zur Erweiterung der bäuer- 
lichen Betriebe verwandt werden. 

Eine besondere Stellung nehmen die ost- 
baltischen Staaten ein, die durchweg nach 
dem Weltkrieg 1914 bis 1918 sogenannte Agrar- 
reformen durchführten, d.h. den Großgrund- 
besitz durch Aufteilung liquidierten. Bei dieser 
Maßnahme handelte es sich aber fast ausschließ- 
lich um eine volkstumspolitische Aktion, die 
zweifellos auch der Stärkung des einheimischen 
Bauerntums diente. So besagen Berichte aus 
Lettland, daß es bis zu Beginn der Agrar- 
reform 2,6 Millionen Hektar bäuerlichen Besitz 
gab, der bis 1939 auf 4,7 Millionen Hektar er- 
weitert wurde. Das Agrarreformamt in Litauen 
gibt die den Bauern zur Verfügung gestellte 
Landfläche in den Jahren 1919 bis 1939 mit rund 
460 000 Hektar an. Davon wurden 362 000 Hektar 
für 38800 neue Höfe und 97 000 Hektar für die 
Landzuteilung verwandt. Estland brachte 1938 
das Bodenschutzgesetz heraus, dem ähnliche 
Grundgedanken wie dem Reichserbhofgesetz 
zugrunde liegen und das deshalb ausführlicher 
behandelt werden soll. Es ist die Hauptaufgabe 
dieses Gesetzes, die Zerstückelung des landwirt- 
schaftlichen Grundbesitzes zu vermeiden. Des- 
halb bestimmt es, daß bei einer Teilung von 
Landbesitz das zu teilende Grundstück min- 
destens 20 Hektar und die abgetrennte Fläche 
mindestens 10 Hektar groß sein muß. Um 
andererseits die Bildung von Großgrundbesitz 
und einen Landerwerb durch Landfremde zu 
verhindern, bedarf jeder Kauf und Verkauf 
einer Genehmigung durch den Kreischef. Wird 
ein Betrieb bei der Reelteilung zu klein, so 


268 


haben die Miterben keinen Anspruch auf Erb- 
teilung und müssen sich mit einer wirtschaftlich 
tragbaren Abfindung begnügen. Gerade in dieser 
Bestimmung kommt der Grundsatz des agrar- 
politischen Kurses zum Ausdruck: die Erhaltung 
des lebens- und leistungsfähigen bäuerlichen 
Betriebes, 


Als der Bolschewismus von den ostbaltischen 
Staaten Besitz ergriff, war eine der ersten Maß- 
nahmen der Kampf gegen das bodenständige 
Bauerntum. Mit Einführung der Kolchoswirt- 
schaft und der Verschleppung bester Kräfte des 
Landvolks wurde konsequent der bei den Bol- 
schewisten altbewährte Weg beschritten, mit 
der Liquidierung des bäuerlichen Menschen den 
nationalen Widerstand und damit das Rückgrat 
dieser Völker zu brechen. Die nach dem deut- 
schen Einmarsch sofort eingeleiteten Aufbau- 
maßnahmen, die Rückführung der Betriebe in 
bäuerliche Hand usw. ermöglichten den Wieder- 
anschluß an die alte Entwicklung. 


Das Siedlungswerk Finnlands ist besonders 
bekannt geworden, als es darum ging, im Ver- 
lauf dieses Krieges die karelischen Flüchtlinge 
zum Ansatz zu bringen. Dabei konnten in ver- 
hältnismäßig kurzer Zeit große Erfolge erzielt 
werden. Mit der dadurch bedingten Boden- 
verknappung wurde allerdings auch das Pro- 
blem der Bodenspekulation besonders aktuell. 
Deshalb legte der Staatspräsident dem finnischen 
Reichstag 1942 einen Gesetzentwurf vor, der 
einschränkende Bestimmungen über den Erwerb 
von Grundstücken und Grundstücksaktien (ö) 
enthält. Darüber hinaus wurde die Überwachung 
von Grundstückskäufen verlangt sowie die 
preisliche Kontrolle und Genehmigungspflicht, 
die auf alle Käufe ausgedehnt wird, die nach 
dem 10. Juli 1942 abgeschlossen wurden. 


Die Neuorientierung der Boden- und Sied- 
lungspolitik kommt auch in den Gesetzen und 
Maßnahmen der süd- und westeuropäischen 
Staaten zum Ausdruck. In Spanien ist es das 
Staatliche Institut für Ansiedlung, das die Aus- 
bildung und Auswahl der zukünftigen Siedler 
vornimmt und für die Bereitstellung von Land 
aus öffentlichem und privatem Besitz sorgt. 
Frankreich erweiterte laut „Moniteur offi- 
ciel” vom 1. Oktober 1942 das Gesetz über den 
Erwerb landwirtschaftlicher Güter. Dabei ver- 
dient die Bestimmung besondere Beachtung, die 
industriellen Unternehmungen den Erwerb land- 
wirtschaftlicher Güter untersagt, selbst wenn 
diese der Versorgung von deren Arbeitern mit 
Nahrungsmitteln dienen soll. Das Gesetz über 
die Flurbereinigung des Grundbesitzes vom 
9. März 1941, die Maßnahmen zur Wiederbevöl- 
kerung des Landes, die Verlängerung der Pacht- 
dauer usw. dienen der Stärkung der fran- 
zösischen Landwirtschaft. Bemerkenswert ist 


noch die Gründung des Conseil de restauration 
paysanne, eine Einrichtung, die sich mit der 
Umstellung der Betriebe auf eine Bauern- und 
Familiengrundlage befaßt und deren wichtigste 
Aufgabe die Änderung des Erbrechts ist, das 
bisher im Code Napoléon verankert war. Dieses 
Erbrecht ist die Ursache dafür, daß 85 Prozent 
der französischen Bauernwirtschaften infolge 
der Realteilung zu Kleinbetrieben geworden 
sind und nur 25,5 Prozent der landwirtschaftlich 
genutzten Fläche umfassen. 


Als im Jahre 1941 der Beschluß des Bundes- 
rates der Schweiz vom 19. Januar 1940 über 
den Verkehr mit landwirtschaftlichen Grund- 
stücken verschärft wurde, geschah das aus der 
Erkenntnis heraus, daß die bisherigen gesetz- 
lichen Handhaben nicht mehr ausreichten, um 
die Spekulation zu unterbinden. Deshalb wurde 
nunmehr die generelle staatliche Genehmigung 
beim Kauf, von Grundstücken verlangt, während 
diese bisher erst bei einer Mindestgröße der 
Landfläche von 2 Hektar vorausgesetzt wurde. 
Weiterhin wurde für Nichtlandwirte das Verbot 
des Grundstückskaufs ausgesprochen, während 
bei den landwirtschaftlichen Pachtverträgen 
eine Mindestdauer von drei Jahren angeordnet 
wurde. 


Die Tatsache, daß mehr als 50 Prozent der 
landwirtschaftlichen Nutzfläche in Holland 
Pachtland sind, war entscheidend für die Maß- 
nahmen, welche in diesem Staate getroffen 
wurden, In erster Linie galt es, die Pächter zu 
schützen und durch langfristige Verträge am 
Boden zu interessieren, zum anderen, um speku- 
lative Absichten der Eigentümer zu unterbinden. 
Durch das 1941 verkündete Pachtbesluit wurde 
die Pachtzeit für Bauernhöfe auf zwölf Jahre, für 
Parzellen auf sechs Jahre festgesetzt. Die zur 
gleichen Zeit erfolgte Umbildung der Pacht- 
behörden in Grundkammern gab diesen neue 
Befugnisse. Sie können z.B. auf Wunsch oder 
aus eigenem Ermessen Pachtverträge nach dem 
„Gemeinen Nutzen’ abändern und erhielten da- 
mit eine wichtige agrarpolitische Aufgabe. Im 
Jahre 1942 erhielt die Grundstücksverkehrs- 
verordnung im Hinblick auf die Bodenspeku- 
lation eine neue Fassung. Sie bestimmt u. a., daß 
landwirtschaftliche Grundstücke nicht mehr ge- 
teilt werden und bei Besitzwechsel nach Mög- 
lichkeit Landwirte den Kauf tätigen sollen. Von 
besonderer Wichtigkeit ist aber die Behandlung 
von Erbauseinandersetzungen. Hier heißt es, daß 
die Verwirklichung eines Erbanspruches durch 
Grundstücksteilung generell verboten ist. 


In Norwegen erließ der Ministerpräsident 
in jüngster Zeit ein Gesetz, das in gewissen 
Fällen die Zuständigkeit des Landwirtschafts- 
departements in Erbhofsachen begründet. Wie 
der Landwirtschaftsminister erklärend aus- 


führte, sei der Begriff des altgermanischen 
Odelsrechts für die norwegischen Bauern so 
heilig und unantastbar, daß Spekulationen mit 
dem Grund und Boden unter allen Umständen 
verhindert werden müßten. Der Hinweis auf 
dieses Recht zeigt den Willen, alte und bewährte 


Rechtsgrundlagen, die durch fremde Einflüsse 


sehr oft verschüttet wurden, wieder lebendig 
werden zu lassen. Das norwegische Odelsrecht 
ist seit jeher ein Familienrecht, dessen Sinn 
darin liegt, den Hof der Väter der Sippe zu er- 
halten. In alter Zeit wurde ein Erbhof erst dann 
Odelshof, wenn er in direkter Geschlechterfolge 
zum sechsten Male im Mannesstamm vererbt 
wurde! 


Die Verwurzelung mit dem Boden und der 
enge Zusammenschluß der Sippe hat das Selbst- 
vertrauen des norwegischen Bauern sehr ge- 
hoben. Damit stellte sich dieser in Gegensatz 
zu der vom Großgrundbesitz gewünschten Ent- 
wicklung, und deshalb verlangten die Vertreter 
des Großyrundbesitzes schon 1648 die Streichung 
des Odelsrechtes aus dem norwegischen Gesetz- 
buch. Ebenso bezeichnend ist, daß rund 110 Jahre 
später ein zweiter Vorstoß vom Stiftsamtmann (!) 
in Oslo unternommen wurde. Beide Anträge 
wurden abgelehnt. Es blieb erst viele Jahre 
später dem Königshause vorbehalten, durch 
Dekrete das Odelsrecht in seinen Auswirkungen 
zu beschneiden. Darin zeigte sich der Einfluß 
fremder Ideen, daß ein Herrscher sich veranlaßt 
fühlte, das elementarste Recht seiner Bauern zu 
mißhandeln. Die jetzige norwegische Regierung 
sieht ihre größte Aufgabe darin, dem Bauern 
wieder zu seinem Recht zu verhelfen und seine 
Lebensgrundlage zu sichern, 


Die aus dem hier gegebenen europäischen 
Querschnitt ersichtlichen boden- und siedlungs- 
politischen Maßnahmen lassen mit Deutlichkeit 
den gleichen Grundsatz erkennen, allerdings in 
einem Falle konsequent verwirklicht, im 
anderen mit liberalistischen Gedanken und Me- 
thoden vermischt. Die enge Berührung der euro- 
päischen Völker mit dem bolschewistischen 
Rußland und die genaue Kenntnis der Verhält- 
nisse, unter denen die Landbevölkerung dort 
lebt, hat zur richtigen Beurteilung der Bedeu- 
tung des bäuerlichen Lebenskreises geführt. 
Man lernt allmählich erkennen, daß gerade der 
Bauer auf eigener Scholle arbeiten muß, um als 
frei schaffende Persönlichkeit dem Volksganzen 
dienen zu können. Dabei spielen nicht zuletzt 
ideelle Motive eine Rolle, denn das Eigentum 
bringt die höchste Lebensfreude und ist letztlich 
die Triebkraft für große, einmalige Leistungen. 
Sie zu erreichen muß das Ziel der Agrarpolitik 
aller europäischen Völker sein. Daß ihre Not- 
wendigkeit erkannt wurde, zeigen die hier 
angeführten Beispiele aus vielen Ländern 
unseres Kontinents, 


259 


GÜNTHER PACYNA: 


Dauer Jauche) d Volk 


De Bauer“ — so mahnt Ernst Moritz Arndt — 
„ „ist des Vaterlandes erster Sohn. Wer ein 
festes und glorreiches Vaterland will, der mache 
festen Besitz und feste Bauern.“ Diese Erkennt- 
nis ist nichts weniger als Gemeingut der deut- 
schen Geschichte, und so sind auch Geltung und 
Klang des Namens „Bauer“ im Laufe der Ge- 
schichte, entsprechend dem Wandel der recht- 
lichen und sozialen Stellung des Bauerntums, 
sehr verschieden. Zeiten, in denen ein gesicher- 
ter Besitz, Freiheit und Wehrhaftigkeit selbst- 
verständliche Eigenschaften des Bauern waren, 
wechseln mit Zeiten, in denen drückende Armut 
und Unfreiheit bis zur Rechtlosigkeit das vor- 
herrschende bäuerliche Kennzeichen waren. 
Rückblickend müssen wir feststellen, daß Auf- 
stieg, Niedergang und Wiederaufstieg des deut- 
schen Volkes aufs engste mit dem Schicksals- 
weg des deutschen Bauerntums verknüpft sind. 
Die Hochzeiten deutscher Geschichte sind stets 
auch Zeiten der stärksten Kraftentfaltung des 
deutschen Bauerntums gewesen. 


Es ist des deutschen Volkes Glück gewesen, 
daß in den großen Schicksalsstunden der Nation, 
in denen es galt, alle Kräfte zu höchster Leistung 
zusammenzufassen, sich immer wieder über- 
ragende Persönlichkeiten gefunden haben, die 
das deutsche Volk zur Selbstbesinnung auf die 
Wurzeln seiner Kraft aufrüttelten. So ist es bei- 
spielsweise kennzeichnend, daß die Mobil- 
machung deutscher Volkskraft, die unter dem 
Druck der napoleonischen Gewaltherrschaft von 
Preußen ausging, eingeleitet wurde durch den 
Akt der Bauernbefreiung. Sinn und Ziel dieses 
Befreiungsaktes hat der Dichter von Schenken- 
dorf in dem schönen Vers zusammengefaßt: 


„vom Bauernstand, von unten aus 
Soll sich das neue Leben 

In Adels Schloß und Bürgers Haus, 
Ein frischer Quell, erheben.“ 


Die Bauernbefreiung war für die führenden 
Persönlichkeiten der preuBisch-deutschen Er- 
neuerungsbewegung niemals Selbstzweck, 
sondern sollte der Bindung an Pflichten dienen, 
die man nur einem wahrhaft freien Menschen 
auferlegen kann, weil ihre Erfüllung ein so hoch 
entwickeltes Selbstbewußtsein fordert, daß jede 
seiner Äußerungen Zeugnis eines stets wachen 
Verantwortungsbewußtseins ist. Die Bauern- 
befreiung war für die preußisch-deutsche Er- 
neuerungsbewegung so das Mittel, um den 
Bauern unmittelbarin denDienstvon 
Volk und Staat zu stellen. „Der Bauer 
muß! — so fordert Arndt mit unüberbiethbarer 


270 


Schärfe — „ein unmittelbarer Lehnsmann, er 
muß der Hörige des Staates werden.“ i 


Diese Indienststellung des Bauern aber war 
nur möglich — das erkannte niemand schärfer 
als Arndt —, wenn ein neues Bodenrecht die 
Unantastbarkeit der bäuerlichen Lebensgrund- 
lage, des Bauernhofes, sicherte und so den 
Bauern befähigte, seine ganze Kraft seinen 
volkspolitischen Aufgaben zu widmen. In seinen 
„Fantasien für ein künftiges Teutschland“ ent- 
wirft daher Arndt eine Bauernordnung, deren 
Grundlage ein bäuerliches Erohofrecht 
bilden sollte, das in allen wesentlichen Punkten 
mit dem nationalsozialistischen Reichserbhof- 
recht übereinstimmt. Mit dieser Forderung stand 
Arndt keineswegs allein. Auch Reichsfreiherr 
vom Stein sah in der Schaffung eines bäuer- 
lichen Erbhofrechtes die unerläßliche Ergänzung 
der von ihm eingeleiteten Bauernbefreiung. 


Vergeblich mahnte und warnte Arndt im An- 
schluß an sein eingangs zitiertes Wort: „Die 
Erde darf nicht wie Kolonialware aus einer 
Hand in die andere gehen. Des Landmannes 
Haus ist kein Taubenschlag; woraus mit leicht- 
fertigem Herz aus- und eingeflogen wird. Wo 
das ist, da stirbt Sitte, Ehre und Treue, da stirbt 
zuletzt das Vaterland.“ In der Mobilisierung des 
Grund und Bodens zur Handelsware sah der 
Wirtschaftsliberalismus den Motor der Wan- 
derung des Grundeigentums zum besten Wirt, 
ein unfehlbares Mittel zur Auslese der Besten. 
Der Wirtschaftsliberalismus ver- 
neinte also gerade den Grundgedan- 
ken der von Stein und Arndt erstreb- 
ten Bauernordnung, die durch das Erbho:- 
recht gewährleistete Verwurzelung der Bauern- 
geschlechter in ihrem angestammten Grund und 
Boden. Er sah in dem Erbhofrecht nichts als 
eine fortschrittsfeindliche Schutzwehr der Fau!- 
heit und Dummheit gegen die gebieterischen 
Forderungen der Zeit. 


Dieser verhängnisvolle Irrtum erklärt sich 
daraus, daß der Wirtschaltsliberalismus den 
Bauern nicht mehr in seiner Totalität sah als den 
Urstand der Nation, der, wie es Arndt formuliert 
hat, die „ursprüngliche und gediegene Natur- 
kraft“ des Volkes am stärksten repräsentierte, 
sondern daß er in dem Bauern lediglich einen 
Vertreter der Landwirtschaft und in dem Bauern- 
hof lediglich eine landwirtschaftliche Betriebs- 
ställe erblickte. Die Einseitigkeit dieser Be- 
trachtungsweise wurde noch verschärft durch 
die wachsende Heftigkeit der liberalen Oppo- 
sition gegen alle Mächte der Beharrung, in 
denen man (in ungerechter, aber nur zu ver- 


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ständlicher Verallgemeinerung) den Schutz- 
wallder Reaktion erblickte, die im Begriffe 
war, das deutsche Volk um die Früchte seines 
Freiheitskampfes zu bringen. Das Lob des 
Bauerntums als des Horts alter Sitte und Recht- 
lichkeit mußte unter diesen Umständen in den 
Ohren des Liberalismus sehr verdächtig klingen, 
zumal es besonders laut auch von Männern ver- 
kündet wurde — es sei beispielsweise an Adam 
Müller erinnert —, die als Helfershelfer der 
Unterdrücker der nationalen Freiheitsbewegung 
sich verhaßt gemacht hatten. War nicht gerade 
dieses Lob der beste Beweis dafür, daß das 
bäuerliche Verharren bei der Väter Brauch und 
Sitte Ausfluß eines starren Konservativismus 
war, der ebenso rückständig war wie die bäuer- 
liche Wirtschaftsweise? 

Die Neigung, diese Frage zu bejahen, war 
um so stärker, als der Liberalismus mit seinem 
Zivilisationsideal mehr und mehr Wert- 
maßstäbe entwickelte, die dem bäuerlichen Le- 
ben wesensfremd waren, die daher der Bauer 
ablehnen mußte, wenn er seine Art ungebrochen 
behaupten wollte. Unter dem Einfluß dieses 
Zivilisationsideals setzen sich in der Stadt Le- 
bensformen durch und beherrschen im Zuge der 
zunehmenden Verstädterung einen immer größe- 
ren Teil des deutschen Volkes, die zu der bäuer- 
lichen Lebensführung in einem unvereinbaren 
Widerspruch standen. 


Diese Entwicklung hat dazu geführt, daß eine 
immer stärker werdende Mehrheit des deutschen 
Volkes in dem Bauern den rückständigen Ver- 
treter einer überlebten Vergangenheit sah. Seine 
urwüchsige Art erscheint als roh und tölpelhaft, 
seine Überlieferungstreue als Dummheit, seine 
Gläubigkeit als Aberglauben. Diese Mißdeutung 
gab dem Namen „Bauer“ einen unausgesproche- 
nen, aber trotzdem unüberhörbaren Beiklang 
überheblicher Mißachtung, der noch heute 
nachklingt. Man brauchte nur „So ein Bauer“ 
zu sagen, und das Urteil war gesprochen. Gewiß 
war dieses Urteil nicht die alleinige, wohl 
aber die vorherrschende Meinung. Das 
Gedankengut Steins und Arndts fand immer 
wieder Verkünder und Vorkämpfer; aber Gel- 
tung und Klang des Bauernnamen bestimmten 
nicht sie, sondern die Anwälte des liberalen 
Zeitgeistes. 

Das Gefährlichste an dieser Entwicklung war, 
daß der Bauer selbst teils dem Einfluß des Libe- 


ralismus unterlag oder innerlich unsicher wurde, 


teils in Abwehr des Liberalismus in eine Ab- 
seitsstellung gedrängt wurde, deren Abgeschlos- 
senheit zu einer verderblichen Abschnürung von 
dem Gesamtleben der Nation führte, Der erste 
Einbruch des Liberalismus in das Bauerntum 
erfolgte über einen tiefgreifenden Wandel 
der Wirtschaftsgesinnung, der weite 
Kreise des Bauerntums ergriff und das bäuer- 
liche Verhältnis zum Grundeigentum geradezu 
umstürzte. Daß der Einbruch des Liberalismus 
gerade an dieser Stelle erfolgte, ist kein Zufall, 
sondern erklärt sich aus einer ganz bestimmten 


wirtschaftspolitischen Konstellation, die durch 
ein enges Zusammenwirken der betriebswirt- 
schaftlichen Agrarreformer und der agrarpoli- 
tischen Vorkämpfer des Wirtschaftsliberalismus 
gekennzeichnet wird. 


Besonders klar sichtbar wird dieses Zusam- 
menwirken bei Albrecht Daniel Thaer, der in 
seiner Person beide Bestrebungen zu höchster 
Wirksamkeit vereinigte. Als „Vater der deut- 
schen Landwirtschaftswissenschaft" verhilft er 
der neuzeitlichen Landwirtschaftsweise, die zu 
der gewaltigen Erzeugungssteigerung des 
19. Jahrhunderts führte, zum Durchbruch. Seine 
„Grundsätze der rationellen Landwirtschaft‘ 
wurden geradezu zum Katechismus des fort- 
schrittlichen Landwirts. In diesen Grundsätzen 
lehrt Thaer aber auch im § 1, daß „die Land- 
wirtschaft ein Gewerbe ist, welches den Zweck 
hat, durch Proguktion (zuweilen auch durch 
fernere Bearbeitung) vegetabilischer und tie- 
rischer Substanzen Gewinn zu erzeugen oder 
Geld zu erwerben.” Folgerichtig heißt es dann 
weiter im $ 2, daß die vollkommenste Landwirt- 
schaft die ist, „welche den möglichst höchsten 
nachhaltigen Gewinn“ aus ihrem Betriebe zieht. 
Durch diese Zweckbestimmung der Landwirt- 
schaft, die an Einseitigkeit nicht mehr Oberboien 
werden konnte, wird der Boden nicht nur seiner 
biologisch-volkspolitischen, sondern auch seiner 
volkswirtschaftlichen Funktionen entkleidet und 
zur rein privatwirtschaftlichen Erwerbsquelle 
erklärt. In diesem $ 1 sind alle agrarpolitischen 
Irrtümer des Wirtschaftsliberalismus wie in 
einem Samenkorn vereinigt. 


Ging diese Saat auf, so mußte sie zu einer 
tief einschneidenden Veränderung aller bäuer- 
lichen Lebensbeziehungen führen; denn alle 
bäuerlichen Lebensbeziehungen, welche sie auch 
seien, gehen zurück auf das Verhältnis des Men- 
schen zum Boden. Jeder Wandel dieses Verhält- 
nisses muß daher auf die Dauer zwangsläufig zu 
einem Wandel des ganzen bäuerlichen Seins 
führen. Mit der ausschließlichen Zweckbestim- 
mung des Bodens als Gelderwerbsquelle war, 
wenn auch zunächst unausgesprochen, vielleicht 
nicht einmal bewußt, eine Außerkursset- 
zung gerade der Lebenswerte verbun- 
den, die das Wesen des Bauerntums 
ausmachen. Bäuerliche Bodenständigkeit und 
Heimatliebe erscheint als romantische Gefühls- 
duselei. Das stolze Bewußtsein, Herr auf eigener 
Scholle zu sein, wird als schwacher Trost ab- 
getan, wenn es nicht durch entsprechende Geld- 
überschüsse fundiert ist. Die Lebensweisheit, 
die in dem Kinderreichtum den größten Reich- 
tum sieht, wird zu einem höchst fragwürdigen 
Rechenexempel. 

Wo daher die Saat Thaers aufging, vollzog 
sich eine innere Aushöhlung des Bau- 
erntums, die dieses dem Werben der libera- 


len Zivilisationsidee wehrlos auslieferte, weil es 


nicht mehr selbstbewußt genug war, ihren 
Lockungen die arteigenen Lebenswerte ent- 
gegenzustellen. Daß die Saat Thaers in so star- 


271 


kem Ausmaße aufging, aber erklärt sich in erster 
Linie aus der Berechtigung seiner be- 
triebswirtschaftlichen Reformforderun- 
gen, der sich niemand, der sich ein offenes Auge 
für die Lage der Landwirtschaft gewahrt hatte, 
verschließen konnte. War nicht die Berechti- 
gung dieser Forderungen der beste Beweis für 
die Richtigkeit auch seiner wirtschaftspoli- 
tischen Lehren? Rückblickend ist es leicht, den 
Irrtum, der in dieser Fragestellung lag, festzu- 
stellen. In der damaligen Zeit lag die Bejahung 
dieser Frage nur zu nahe. So vollzieht sich in 
weiten Kreisen des Bauerntums selbst eine Ab- 
wertung des Begriffes „Bauer“, die sich nicht 
zuletzt in der Tendenz äußert, diesen Namen als 
Beruisbezeichnung abzustreiien. In vielen Ge- 
genden bezeichnet man sich mit wachsender 
Vorliebe als „Landwirt“ oder gar als „Okonom“, 
wenn man nicht als Großbauer (e Titel „Guls- 
besitzer” vorzieht. 


Aber auch in den Gegenden, wo das Bauern- 
tum dem Einbruch des liberalen Gelddenkens 
und der damit verbundenen Umwertung seines 
Seins widerstand, hatte der Liberalismus, wenn 
auch indirekt, einen starken Einfluß auf die 
Haltung des Bauerntums. Der Bauer, der sich in 
seinen besten Eigenschaften verkannt und unter- 
schätzt sieht, zieht sich immer stärker auf sich 
zurück und schließt sich mehr und mehr gegen 
alle Einwirkungen von außen ab. Diese selbst- 
gewählte Isolierung des Bauerntums 
hat den unter der Vorherrschaft des Liberalis- 
mus immer stärker werdenden Gegensatz zwi- 
schen Land und Stadt noch mehr verschärft und 


damit die wechselseitigen kulturellen Beziehun- 


gen zwischen Land und Stadt sehr zum Schaden 
beider Volksteile noch mehr unterbunden. In 
Kritik dieser Entwicklung wird häufig zu ein- 
seitig der verderbliche Einfluß auf die städtischen 
Lebensformen hervorgehoben. Das Bauerntum 
hat unter dieser Entfremdung zwischen Land und 
Stadt nicht minder stark gelitten. 


Dadurch, daß sich der Bauer unter dem Ein- 
druck der Wesensfremdheit der Stadt zum Teil 
daran gewöhnte, alles, was aus der Stadt kam, 
ohne es einer näheren Prüfung zu unterziehen, 
als ihm nicht gemäß abzulehnen, verschloß er 
sich doch auch so manchem, das für die Gestal- 
tung des ländlichen Lebens gut und nützlich 
gewesen wäre. Auf diese ablehnende Haltung 
ist es beispielsweise mit zurückzuführen, daß 
die neuzeitliche Gesundheitspflege mit ihren Er- 
kenntnissen und Forderungen so schwer im 
deutschen Dorf Eingang gefunden hat, daß auf 
dem Lande die Leibesübungen nicht beizeiten 
zu der ihnen gebührenden Geltung kamen. 


Vor allem aber wird das Bauerntum infolge 
der Entfremdung zwischen Land und Stadt 
seinernatürlichen kulturellen Mittel- 
punkte beraubt. Gerade in der Zeit der 
fortschreitenden volkswirtschaftlichen Arbeits- 
teilung, die zu einer immer stärkeren Verlage- 
rung des Handwerks und Gewerbes in die Stadt 


272 


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führte, wäre eine um so engere Zusammenarbeit 
zwischen Land und Stadt notwendig gewesen. 
Nur dadurch wäre es dem Bauerntum möglich 
gewesen, sich einen mitgestaltenden Einfluß auf 
die Entwicklung des landstädtischen Handwerks 
zu sichern, dessen Arbeitserzeugnisse ja wesent, 
liche Elemente auch der ländlichen Lebens- 
gestaltung waren. Statt dessen hat die teilweise 
zu beobachtende Ablehnung. alles Städtischen 
schlechthin stark die Tendenz des landstäd- 
tischen Handwerks gefördert, sich nach der 
Großstadt, ihren Vorbildern und Moden zu rich- 
ten. Durch diese zunehmende einseitige Aus- 
richtung der Landstadt nach der Großstadt 
wurde der kulturelle Lebensbereich des Bauern- 
tums außerordentlich eingeengt. 


Zudem aber verlor der Teil des Bauerntums, 
der in Abwehr des Liberalismus sich mehr und 
mehr auf sich selbst zurückzog, seinen wich- 
tigsten natürlichen Bundesgenossen, den es in 
einer großen Zahl seiner abwandernden Söhne 
besaß. Das im Läufe des 19. Jahrhunderts mehr 
und mehr anwachsende UÜbermaß der Abwande- 
rung vom Lande, die zum Teil als Landflucht, 
zum Teil aber auch als Landvertreibung be 
zeichnet werden muß, darf den Blick nicht für die 
Tatsache trüben, daß einegewisse Abwanderung 
vom Lande der biologischen Funktion entspricht, 
auf der die volkspolitische Bedeutung des Bau- 
erntums in erster Linie beruht. Auf jeden Fall 
aber ist die Stellung des Bauerntums im deut- 
schen Volke entscheidend davon abhängig, ob 
es ihm gelingt, in den Abwandernden ein so 
lebendiges Zusammengehörigkeitsgefühl zu er- 
halten, daß diese ihre Abstammung als Halt 
und Verpflichtung empfinden. Die Abschließung 
eines Teils des Bauerntums gegen alles 
Städtische schlechthin stempelte aber alle Ab- 
wandernden, gleichgültig ob sie sich nach wie 
vor ihrer ländlichen Heimat verbunden fühlten 
oder nicht, zu verlorenen Söhnen. Die so Zu- 
rückgestoßenen haben dann oft auch ihrerseits 
in verbissenem Trotz einen Trennungsstrich 
gezogen, dessen Schärfe nur Ausdruck der 
Stärke ihrer verschmähten Liebe war. So erst 
wurde die Abwanderung zur wirklichen 
Abwendung vom Lande. 

Selbstverständlich ist — das sei noch einmal 
unterstrichen — die teilweise zu beobachtende 
Abkapselung des Bauerntums gegenüber der 


Stadt nur einer von vielen Gründen der für 


beide Volksteile so verderblichen Entfremdung 
zwischen Land und Stadt, und es wird viele 
geben, die der Meinung zuneigen werden, daß 
unter den gegebenen Umständen diese Abwehr- 
stellung eines Teils des Bauerntums gegen alles 
Städtische schlechthin die einzige Möglichkeit 
gewesen sei, um noch Schlimmeres zu verhüten; 
denn in der Stadt seien unter der Vorherrschaft 
des Liberalismus landfremde und landfeindliche 
Tendenzen übermächtig geworden, die nur durch 
schärfste Ablehnung, auch wenn dabei dieses 
oder jenes Gute mit darunter fiel, hätten be- 
kämpft werden können. So bestechend diese 


der Sippenkanzlei des 
@eärscher Geschlechter- 
© in Heide (Holstein) 
sen Wahlspruch und 
Wappen verschiedener 
Amarscher Bauern- 
chter, — Oben: Sie- 
ut dem Dithmarscher 
Landeswappen 


N ihmevkhen-Ehr. — folte Ebr 
lt EN eb Chu find DE mimmens-mebr. 
\ jch flegen ſondeyn Ton. 
E dal is in God aedon: 


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Blick in das Museum zu 
Meldorf: Gemälde mit sym- 
bolischer Darstellung der 
früheren Dithmarscher Selbst- 
herrschaft, im Vordergrund ein 
bäuerliches Ehepaar in der 
Tracht des 16. Jahrhunderts. — 
Oben: Interessante Siegel 
alter Dithmarscher Bauern- 
geschlechter. Das vierteilige 
Siegel ist von vier Bauernhöfen 
zusammengestellt, deren Fa- 
milien die Gründer einer Ort- 
schaft waren 


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Landesoldermann mit der Ehrenkette 


Unten: Anfertigung von Auszügen 
Aufstellung eines Stammbaumes in 
Sippenkanzlei 


Die Uberbetonung des Einzel-Ichs bis zur vollen- 
deten Herrschaft der Ichsucht, die für das Zeitalter 
des Liberalismus kennzeichnend ist, hat auch im 
deutschen Landvolk zur Lockerung, oft sogar zur 
T ZerreiBung der starken Bindungen geführt, die dem 
einzelnen als Glied seines Geschlechtes einen 
festen Halt gaben und seine Pflichten und Rechte 
im Dienste seines Geschlechtes zuwiesen; denn die 
Blutsgemeinschaften der Geschlechter waren früher 
echte Lebensgemeinschaften und als solche Rechts- 
gemeinschaften, Arbeits- und Kampfgemeinschaften. 
Der einzelne galt stets nur so viel, wie seine Ge- 
meinschaft im Rahmen des Ganzen Geltung hatte. 
Der eigene Lebenswille war mit dem des Geschlech- 
des gleichgeschaltet. Heute ist vielfach selbst die 
Erinnerung an diesen einst so lebensfördernden 
Zusammenhang verlorengegangen. Stätten bewuß- 
der Überlieferungspflege, wie sie der Dithmarscher 
Geschlechterbund mit seiner Sippenkanzlei dar- 
stellt, sind zur großen Seltenheit geworden; denn 
die geschichtlichen Voraussetzungen waren nur in 
Wreinzelten Ausnahmefällen so günstig wie in 
Dithmarschen. Deswegen hat es sich das Reichsamt 
für das Landvolk zur Aufgabe gestellt, die Land- 
vYolkgeschlechter, d.h. die Blutsgemeinschaften, die 
äle Namensträger gleicher Abstammung um- 
"fassen, die sich zueinander bekennen, zu neuem, 
selbstverantwortlichem Leben zu erwecken. Selbst- 
verständlich kann es sich dabei nicht um schema- 
tische Nachahmung früherer Einrichtungen han- 
deln. Jede Zeit schafft sich ihre eigenen Gesetze. 
s ist auch nicht an eine künstliche Organisation 
mit großem Mittelaufwand gedacht. Vielmehr 
sollen aus kleinen Anfängen heraus wieder die 
neuen Gemeinschaften wachsen und die Probleme 
der Zeit, Frühehe, Kinderreichtum und Boden- 
verwurzelung aller Glieder, zunächst in kleinem 
Rahmen meistern; denn, wer ein gesundes Ganzes 
erstrebt, muß bei den kleinsten Zellen anfangen 


Dithmarscher Geschlechterbundes. 


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berühmten Swynen-Geschlechtes. — Unten: Tür an einem reichgeschnitzten Schrank aus 
der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Wappen des Markus Swyn und seiner Ehefrau 


1 411 


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Begründung auf den ersten Blick erscheint, so 
kann ihr doch nicht beigepflichtet werden. 


Es soll einmal ganz davon abgesehen werden, 
daß diese Abschließung eines Teils des Bauern- 
tums von politischen Mächten wie z. B. dem 
politischen Klerikalismus dazu mißbraucht 
wurde, das Bauerntum vor ihren Wagen für Ziele 


einzuspannen, die nichts weniger als im In- 


teresse des Bauerntums lagen. Immerhin sollte 
es zu denken geben, daß die Gegenden, in denen 
die Abkapselung des Bauerntums am stärksten 


zur Geltung kam, in der Regel Hochburgen 


eines reichsfeindlichen Ultramontanismus waren, 
der alles tat, um die kulturelle Isolierung des 
Bauerntums zu einem die nationale Einheit ge- 
fährdenden Partikularismus zu steigern. 


Die Abwehrstellung eines Teils des Bauern- 
tums ‚gegen alles Städtische schlechthin war, 
im Grunde genommen, ein gefährliches 
Schwächezeichen, bedeutete die kampflose 


Preisgabe einer Position, deren Behauptung für 


eine wesensgemäße bäuerliche Lebensgestaltung 
unerläßlich war, bedeutete daher zwangsläu- 
fig Verkümmerung und Erstarrung des 
bäuerlichen Lebens. Über diese Tatsache 
darf man sich auch durch die Neigung einzelner 
Volkskundler früherer Zeit, alles Alte im Lichte 
romantischer Verklärung zu sehen, nicht hin- 
wegtäuschen lassen. Sehen wir uns doch mit 
offenen Augen in den Landschaften um, wo ein 
gesundes, lebensstarkes Bauerntum eine ihm 
artgemäße Lebensführung behauptet hat. In 
diesen Landschaften besteht auch heute noch 
ein enger Lebenszusammenhang zwischen Land 
und Stadt, sind die Städte landgebunden, orga- 
nische Bestandteile ihrer sie umgebenden Land- 
schaft und deren Volkstums. Auf Grund dieser 
Tatsache kann geradezu die These aufgestellt 
werden, daß die Gesunderhaltung des Bauern- 
tums und die Sicherung der dem Bauern gebüh- 
renden Stellung im Volke überhaupt nur dann 
möglich ist, wenn auch die Stadt landverbunden, 
landschaftsgeprägt, d. h. ihrem Wesen nach 
bäuerlich ist. Nur dann — und dieser -Gesichts- 
punkt sollte entscheidend sein — ist es möglich, 
den Gesamtorganismus des deutschen Volkes vor 
Zersetzung und Lähmung lebensnotwendiger 
Glieder zu bewahren. In dieser Fesistellung 
liegt aber nicht nur ein Anspruch, sondern eben- 
sosehr eine Aufgabe des Bauernlums und seiner 


. Führung begründet. 


Wohin der umgekehrte Weg, der einer 
allgemeinen Verstädterung führt, haben die 
letzten Jahrzehnte gezeigt. Die Überwindung 
seiner verderblichen Folgen ist die schwerste 
innerpolitische Aufgabe, vor die der National- 
sozialismus gestellt worden ist. Es handelt sich 
dabei, wie die nationalsozialistische Staats- 
führung von vornherein erkannt und stets betont 
hat, um eine Aufgabe der nationalsozialistischen 
Gesamtpolitik, die Anspannung aller Volks- 
kräfte erfordert. Im Rahmen dieses Aufsatzes 
soll und kann aber nur auf den Beitrag der 


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nationalsozialistischen Agrarpolitik zur Über- 
windung jenes verhängnisvollen Erbes des 
Liberalismus eingegangen werden. 


Die grundstürzende Wirkung des Liberalismus 
auf das Bauerntum beruhte in erster Linie auf 
der Veränderung des Verhältnisses des Men- 
schen zum Boden, die in‘ der Behandlung des 
Bodens als Handelsware ihren sichtbarsten Aus- 
druck fand. Eine Überwindung des Liberalismus 
war daher nur möglich durch ein neues Boden- 
recht, das die volksbiologische Funktion des 
Grundeigentums durch erneute Bindung des 
bäuerlichen Menschen an seine Scholle wieder- 


` herstellte. Diese Erkenntnis fand ihren gedank- 


lichen Ausdruck in der These von Blut und 
Boden und ihre Verwirklichung durch das 
Reichserbhofgeseiz. 


Allerdings erfaßte das Reichserbhofgesetz 
durch die gesetzlich festgelegte Begrenzung der 
Erbhofgröße nur einen Teil des Bauern- 
tums, den Teil, der trotz der Besitzzersplitte- 
rung.durch das liberale Bodenrecht ein Grund- 
eigentum behauptet hatte, das als feste Lebens- 
grundlage für eine kinderreiche Familie aus- . 
reichte, d. h. seine biologische Funktion noch 
ausüben konnte. Diese Begrenzung war notwen- 
dig, wenn nicht der Weg zu einer Gesundung 
der zerrütteten deutschen Bodenordnung ver- 
sperrt werden sollte. Das Reichserbhofgesetz 
mußte sich also zunächst einmal darauf be- 
schränken, den Teil des Bauerntums zu sichern, 
dessen Grundeigentumsverhältnisse noch ge- 
sund waren. 


Wenn es aber nur den Eigentümern der so 
neugeschaffenen Erbhöfe die Führung des Titels 
„Bauer“ zuerkannte, so schien das vielen als 
eine ungerechte Auszeichnung gegenüber der 
großen Zahl der Opfer des liberalen Boden- 
rechts, die zwar nicht mehr über ein ausreichen- 
des Grundeigentum verfügten, die sich aber wie 
ihre Vorfahren als Bauern fühlten und ihrer 
ganzen Lebensführung nach bäuerlich waren. 
Man kann für diesen Einwand volles Verständ- 
nis haben und trotzdem sich zu der Be- 
schränkung des Personenkreises, der sich Bauer 
nennen darf, bekennen; denn mit dieser Be- 
schränkung sollte kein ständisches Vor- 
recht einer Minderheit des deutschen Land- 
volkes begründet, sondern ein agrarpoli- 
tisches Ziel von größter volkspolitischer 
Bedeutung aufgestellt werden. 


Dadurch, daß der nationalsozialistische Ge- 
setzgeber die Führung des Bauernnamens bewußt 
auf die Grundeigentümer beschränkte, die in 
ihrem Grundeigentum noch über eine wohl fun- 

dierte Lebensgrundlage für ihre Familie ver- 
fügten, sollte dem deutschen Volke klargemacht 
werden, in welch erschreckendem Ausmaße be- 
reits die gesunde Bodenordnung des deutschen 
Volkes durch die Herabwürdigung des Bodens 
zur Handelsware zerstört worden war, wie ver- 
schwindend gering in weiten Gebieten des deut- 
schen Vaterlandes die Zahl derjenigen war, 


273 


deren Grundeigentum wirklich noch seine bio- 
logische Funktion erfüllen konnte. Deutlich 
brachte daher auch die Einleitung zum Reichs- 
erbhofgesetz zum Ausdruck, daß dieses nicht nur 
ein Mittel zum Schutze gegen eine weitere Zer- 
‚ splitterung des bäuerlichen Grundeigentums 
sein sollte, sondern ebensosehr ein Instru- 


ment zur Schaffung einer neuen ge-. 


sunden Bodenordnung. „Es soll’ — so 
heißt es in der Einleitung — „auf eine gesunde 
Verteilung der landwirtschaftlichen Besitz- 
größen hingewirkt werden, da eine große Anzahl 
lebensfähiger kleiner und mittlerer Bauern- 
höfe, möglichst gleichmäßig über das ganze 
Land verteilt, die beste Gewähr für die Gesund- 
erhaltung von Volk und Staat bildet.” Durch 
die Beschränkung des Kreises, der zur Führung 
des Titels „Bauer“ berechtigt war, sollte also 
das Ziel der Wiederverbäuerlichung boden- 
rechtlich klar umrissen werden. Nicht zuletzt 
dadurch bekam das Reichserbhofgeselz rich- 
tunggebende Bedeutung für die Maßnahmen 
zur Gesamtneuordnung der ländlichen Sozial- 
Struktur. 


Daß die erbhofrechtliche Begriffsbestimmung 
„Bauer“ im Widerspruch zu dem bisherigen 
Sprachgebrauch stand, war eher ein Grund mehr 
für als gegen sie; denn dieser war nur geeignet, 
das Ausmaß der Zerstörung der bäuerlichen 
Lebensgrundlage des deutschen Volkes zu ver- 
hüllen. Der Begriff „Bauer“ in seinem unver- 
fälschten Sinne — daran muß festgehalten 
werden — ist Ausdruck eines ganz be- 
stimmten Verhältnisses des Menschen 
zum Boden, bei dem dem Grundeigentum die 
Funktion einer dauerhaften voll ausreichenden 
Lebensgrundlage der bäuerlichen Familie von 
Geschlecht zu Geschlecht zugewiesen ist. Daher 
war auch zu allen Zeiten die Bezeichnung 
„Bauer“ an eine bestimmte Besitzgröße gebun- 
den, bis der Liberalismus in völliger Verken- 
nung der biologischen Funktion des Grundeigen- 
tums mit diesem wohl begründeten Sprach- 
gebrauch brach und so eine Begriffsverwirrung 
hervorrief, deren Auswirkung noch heute spür- 
bar ist. 


Das bäuerliche Verhältnis des Menschen zum 
Boden ist aber nicht nur von einer bestimmten 
Qualität des Grundeigentums, sondern 
ebensosehr von einer bestimmten Qualität des 
Grundeigentümers abhängig. Dieser Tat- 
sache hat das Reichserbhofgesetz durch die Ein- 
führung des Begriffes der Bauernfähigkeit 
Rechnung getragen. Dadurch wird das Reichs- 


— 


erbhofgesetz zu einem volkspolitischen Erzie- 


hungsinstrument ersten Ranges; denn es muß 


immer wieder betont werden, daß in dem Ver- 


hältnis des Menschen zum Boden der Mensch 
der bestimmende Faktor ist, von dessen 
Gesinnung die Gestaltung und Durchführung des 
Bodenrechtes abhängig ist. 


Gewiß ist das liberale Bodenrecht von außen 
her dem Bauerntum aufgezwungen worden; aber 


274 


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es darf doch nicht übersehen werden, daß dieses 
erst durch den Einbruch der liberalen Wirt- 
schaftsgesinnung in weite Kreise des Bauern- 
tums zu dem hohen Grad seiner Auswirkung 
kam. Andererseits hat die Mehrzahl des Bauern- 
tums gerade unter der Vorherrschaft des libe- 
ralen Bodenrechts durch zähes Festhalten an den 
Grundgedanken des alten Bauernrechtes bewie- 
sen, wie weitgehend das herrschende Recht 
durch die Gesinnung dor Betroffenen außer Kraft 
gesetzt werden kann. 


Auch die Wirksamkeit des Reichserbhof- 
gesetzes ist abhängig von dem Geist, in 
dem es durchgeführt wird. Die Art und 
Weise, wie der nationalsozialistische Gesetz- 
geber auf diese Tatsache reagiert hat, ist der 
beste Beweis für die Volksverbundenheit des 
Nationalsozialismus. Er war.so sicher, daß das 
Reichserbhofgesetz in seinen Grundzügen echter 
deutscher Bauernart entsprach, daß er im Ver- 
trauen auf die bäuerliche Gesinnung dieser 
durch die Institution der Anerbenbehörden und 
die Einschaltung der ehrenamtlichen Bauern- 
führer ein weites Wirkungsfeld bei der Gestal- 
tung und Durchführung des Erbhofrechtes ein- 
räumte. Dieses Vertrauen hat sich in jeder Be- 
ziehung bewährt. Die Tätigkeit der bäuer- 
lichen Anerbenrichter und ehren- 
amtlichen Bauernführer hat entscheidend 
dazu beigetragen, daß das Ziel des Reichserbhof- 
gesetzes, die Bezeichnung „Bauer“ wieder mit 
dem verpflichtenden Sinn zu erfüllen, den diese 
ursprünglich gehabt hatte, erreicht worden ist. 

Die Einführung und Durchsetzung des Be- 
griffes der Bauernfähigkeit hat aber eine weit 
über die Grenzen des Reichserbhofgesetzes 
hinausgehende Wirkung. In ihm ist ein Eig- 
nungsmerkmal gegeben, das zum Bildungs- 
ziel (in des Wortes umfassendster Bedeutung) 
des gesamten deutschen Landvolkes gewor- 
den ist. Bauer kann nicht, bauernfähig aber 
sollte jedes Glied des Landvolkes sein. 


Damit ist auch das Verhältnis von Bauer und 
Landvolk gegeben. Das deutsche Landvolk 
ist, seiner Deutschheit gemäß, nur als ein 
bäuerliches Landvolk denkbar. Ohne eine 
bäuerliche Grundhaltung des gesamten deut- 
schen Landvolkes wäre auch die vom National- 
Sozialismus erstrebte Wiederverbäuerlichung 
der ländlichen Sozialstruktur durch Siedlung, 
Umlegung und Dorfaufrüstung unerreichbar: 
denn alle diese Maßnahmen selzen, wenn sie 
den erstrebten Erfolg haben sollen, als Träger 
den geeigneten, d. h. bauernfähigen Men- 
schen voraus. 


Daraus ergibt sich auch die wichtigste 
AufgabedesReicäsamtesfürdasLand- 
volk. Sie besteht in der bäuerlichen Ausrich- 
tung und Erziehung des gesamten Landvolkes, 
in der Wiederbesinnung auf die durch den 
Liberalismus unterdrückten bäuerlichen Urkräfte 
und ihrer Aktivierung im Dienste der Nation, 
kurz und gut, in der geistigen und seelischen 


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Wiederverbäuerlichung des ländlichen Men- 
schen, die die entscheidende Voraussetzung für 


die erstrebte Erneuerung und Gesundung des 


deutschen Landvolkes ist. Daher bedeutet die 
Wahl der „Bezeichnung „Reichsamt für das 
Landvolk" auch alles andere als etwa ein 
Abrücken von der Bauerntumsidee Sie ist 
vielmehr Ausdruck 'des Willens, mit der 
Bauerntumsidee das gesamte Landvolk zu 
durchdringen und zu erfüllen; denn Bauern- 
tum, als geist-seelische Wesenseinheit ver- 
standen, ist nicht nur Angelegenheit der 
Summe aller Bauern und ihrer Familienangehö- 
rigen, sondern umfaßt alle bäuerlichen Men- 
schen. Die Bauerntumsidee ist daher, ent- 
sprethend dem bäuerlichen Ursprung und 
Grundcharakter des deutschen Volkes von 
wesensbildender Bedeutung nicht nur für das 
gesamte Landvolk, sondern darüber hinaus für 
das ganze deuische Volk. So schließt sich die 
Kette Bauer — Landvolk — Volk. 


Die wesensbildende Kraft der Bauerntumsidee 
wird um so stärker sein, um so tiefer sie im 
Landvolk selbst verwurzelt ist. Hier muß sie 
sich vor allem bewähren, wenn sie darüber 
hinaus auf das ganze deutsche Volk lebens- 
gestaltend einwirken soll. Nur von einem 
selbstbewußten und selbstgetreuen Bauerntum, 
verkörpert durch das gesamte deutsche Land- 
volk, kann die Uberwindung der unseligen, 
durch den Liberalismus hervorgerufenen Ent- 
fremdung zwischen Land und Stadt durch die 
geist-seelische Wiederverbäuerlichung des gan- 
zen Volkes ausgehen. Nur ein selbstbewußtes 
und selbstgetreues Bauerntum wird wieder die 
Stärke erreichen, die zur Ausübung seiner volks- 
biologischen Funktion notwendig ist, wird die 
vom Lande abwandernden Kräfte in Treue zu 
der angestammten Bauernart binden und die 
durch den Liberalismus entfremdeten Kräfte 
durch Wiederbesinnung auf das bäuerliche 
Blutserbe zurückgewinnen. Nur dadurch ist 
auch eine Uberwindung der Abseitsstellung 
möglich, in die ein Teil des Bauerntums durch 
den Liberalismus gedrängt worden ist oder in 
Abwehr des Liberalismus sich zurückgezogen 
hat. Das deutsche Bauerntum kann nur gedei- 
hen, wenn es als ein lebendiges Glied des deut- 
schen Volkskörpers von der Volksgesamt- 
heit als lebensnotwendig erkannt und 
gewürdigt wird, wie andererseits der 
deutsche Volksorganismus verkümmern müßte, 
wenn das Bauerntum in erzwungener oder selbst 
gewählter Isolierung verharren wollte. 


Der Bezeichnung „Landvolk“ liegt daher 
nichts ferner als die Vorstellung eines Volkes 
im Volke. Sie entspringt nicht der Tendenz, 
die Eigenart des Landvolkes hervorzuheben; 
denn die Notwendigkeit, die Eigenart des Land- 
volkes zu betonen und zu schützen, war ja nur 
die Folge einer weitgehenden Entartung des 
deutschen Volkes, die sich im Zeitalter des 
Liberalismus durch Verleugnung des bäuerlichen 


Bluterbes aller Volksglieder vollzog. Diese Not- 
wendigkeit wird um so mehr zurücktreten, um 
so weiter die geist-seelische Wiederverbäuer- 
lichung des deutschen Volkes fortschreitet, um 
so stärker deutsche Bauernart und deutsche 
Volksart wieder identisch werden. 


Die Bezeichnung „Landvolk” entspringt viel- 
mehr dem Bestreben, die besondere volkspoli- 
tische, vor allem volksbiologische Aufgabe und 
Verpflichtung hervorzuheben, die Natur und 
Geschichte dem ländlichen Menschen stellen. 
Mit Landvolk soll nicht ein Volk im Volke, 
sondern ein Organ des Volkes, die Wurzel des 
völkischen Lebensbaumes, bezeichnet werden, 
durch die der Lebenszusammenhang zwischen 
Blut und Boden, aus dem dem Ganzen immer 
wieder neue Kraft zuströmt, ständig erneuert 
wird. 


Daraus ergibt sich auch, daß die volkspoli- 
tische Aktivierung des Landvolkes nicht Auf- 
gabe einer ständischen Organisation 
sein kann — ein solcher Versuch würde das 
Landvolk erneut der Gefahr der Absonderung 
und Isolierung aussetzen —, sondern Auf- 
gabe der Partei als des politischen Willen- 
trägers der Gesamtnation ist. Nur durch den 
Einsatz der Partei kann und wird die Bauern- 
sache, wie es zum Wohle des ganzen Volkes 
notwendig ist, zur Volkssache werden. Aufgabe 
des Reichsamtes für das Landvolk als des dazu 
geschaffenen Organs der Partei aber Ist es, die 
aus der besonderen volkspolitischen Funktion 
des Landvolkes sich ergebenden besonderen 


Führungsaufgaben zu übernehmen; denn die 


Mobilmachung des Selbstverantwortungsbewußt- 
seins des Landvolkes ist der stärkste Motor der 
zu erstrebenden Wiederverbäuerlichung des 
deutschen Volkes, die, wie immer wieder betont 
werden muß, nur von einem seiner bäuerlicher 
Art bewußten Landvolk ausgehen kann. 


So stehen Bauer, Landvolk, Volk in 
einem so engen Schicksalszusammenhang, daß 
seine Mißachtung zu schwerster Schädigung 
aller drei führen muß und im Zeitalter des Libe- 
ralismus zu einer tiefgreifenden Zerrüttung der 
deutschen Volksordnung geführt hat. Die end- 
gültige Überwindung des Liberalismus auch in 
seinen letzten Folgen ist daher nur durch die 
Wiederherstellung dieses Lebenszusammenhan- 
ges in der ganzen Vielseitigkeit seiner Bezie- 
hungen möglich. Eine tiefsinnige griechische 
Sage berichtet von dem Riesen Antäus, däß er 
so lange unüberwindlich gewesen sei, als seine 
Füße die Erde berührten, aus der ihm immer 
wieder neue Kraft zuströmte. Das deutsche Volk 
gleicht diesem Riesen. Es wird so lange un- 
überwindlich. sein, als der Lebens- 
zusammenhang von Blut und Boden 
gewahrt bleıbt. Dieser Zusammenhang 
kennzeichnet daher Bauer, Landvolk, Volk als 
eine Dreieinheit, von deren Stärke und 
Festigkeit das Schicksal des deutschen Volkes 
bis in seine fernste Zukunft abhängt. 


275 


A [MATOU fi AY Ju Ru nd SZ 


Beim diesjährigen Kriegsberufswettkampf der deut- 
schen Jugend hat die Landjugend in hervorragender 
Weise mitgewirkt. In der großen Zahl der Teilnehmer 
von über 600000 Jungen und Mädchen aus allen land- 
wirtschaftlichen Berufen kommt besonders deutlich 
zum Ausdruck, daß heute die Arbeit in der Landwirt- 
schaft mit ihren vielen einzelnen Berufszweigen 
ebenso zur gelernten Facharbeit gehört wie jede 
andere Facharbeit. Darüber hinaus zeigt die große 
Teilnehmerzahl, daß der von Herbert Backe vor 
anderthalb Jahren in Posen mit der Begründung des 
landwirtschaftlichen Berufsausbildungswerkes ver- 
tretene Gedanke sich trotz des Krieges überall restlos 
durchgesetzt hat. Überall ist die Erkenntnis zum 
Durchbruch gekommen, daß eine gediegene Fachaus- 
bildung auch in der Landwirtschaft nicht nur trotz des 
Krieges notwendig ist, sondern gerade wegen des 
Krieges zu den wichtigsten Aufgaben gehört, weil mit 
der verringerten Zahl deutscher Menschen in den 
landwirtschaftlichen Betrieben die Aufgaben nur dann 
gemeistert werden können, wenn auch die in die 
praktische Arbeit hineinwachsende Jugend von vorn- 
herein eine gediegene Ausbildung erhält. Nur dann 
bleibt die Waffe der Erzeugungsschlacht scharf. Es 
verdient hervorgehoben zu werden, daß nicht nur 
Jungen und Mädel aus allen deutschen Gauen sich am 
Kriegsberufs wettkampf der ländlichen Jugend be- 
teiligten, sondern daß sich die als Prüfer mitwirkende 
Lehrherren und Lehrfrauen dieser wichtigen Aufgabe 
ebenso mit größtem Ernst und Eifer unterzogen. Auch 
hier liegt im Zusammenwirken von jung und alt die 
Voraussetzung zum Erfolg. | 

Der Reichsobmann des Reichsnährstandes, Bauer 
Gustav Behrens, der bereits die Ortswettkämpfe 
eröffnet hatte, eröffnete auch den Reichsentscheid im 
Kriegsberufswettkampf der Gruppe Nährstand in 
Posen, der vom 21. bis 26. April durchgeführt wurde. 
Er wies dabei darauf hin, daß die Leistung des deut- 
schen Landvolkes die Garantie dafür bietet, daß die 
Grundlagen der Ernährung stets gegeben sein werden. 
An dieser Leistung hat die deutsche Landjugend neben 
der deutschen Landfrau einen so starken Anteil, wie 
er in keinem anderen Beruf denkbar ist. Gustav 
Behrens unterstrich besonders die Begeisterung der 
Jungen und Mädel bei der Durchführung der Wett- 
kämpfe. Er sah darin einen besonderen Beweis dafür, 
daß die Jungen und Mädel in der Landwirtschaft nicht 
einen Beruf ergriffen haben, um hierbei yiel Geld zu 
verdienen, sondern um sich in die große Aufgabe 
hineinzuleben und hineinzuwachsen, die der Führer 
dem deutschen Bauerntum übertragen hat: die Er- 
nährung des Volkes zu sichern und Blutsquell der 
Nation zu sein. Gustav Behrens unterstrich besonders 
die Bedeutung des Landdienstes, der heute noch mehr 
jungen Menschen die Möglichkeit gibt, die Verbunden- 
heit mit dem Boden zu erleben. In ländlichen Berufen 
hat heute jeder die Möglichkeit, aufzusteigen. Die 
Größe der gestellten Aufgabe rechtfertigt das Be- 
streben nach einem wachsenden, Landvolk. Ein 


276 


wachsendes Landvolk kann diese Aufgabe im national- 
sozialistischen Staat erfüllen, je stärker die ländliche 
Jugend und je größer der Wille zur Arbeit am Leben- 
digen, am Grund und Boden, je sicherer die Garantie 
für das Leben und die Zukunft unseres Volkes ist. 
Diese Worte des Reichsobmannes haben bei all den 
jungen Menschen, die die Posener Feierstunde er- 
lebten, gezündet. Jeder ist stolz auf seine Leistung in 
den vielseitigen Berufen der Landwirtschaft und der 
Ernährungswirtschaft und glaubt an die Zukunft 
gerade dieser Berufe, die der Liberalismus fast schon 
abgeschrieben hatte, Es ist bemerkenswert und für 
den künftigen Erfolg des landwirtschaftlichen Berufs- 
erziehungswerkes und des Kampfes gegen die Land- 
flucht besonders bedeytsam, daß diese Überzeugung 
sich heute nicht nur auf die Angehörigen dieser Berufe 
erstreckt, sondern auch in Industrie und Handwerk 
geteilt wird. Auch dieses konnte man in Gesprächen 
mit Jungen und Nadeln oder Lehrherren und Lehr- 
frauen feststellen, die am 29. April zur Reichssieger- 
ehrung des Kriegsberufswettkampfes in Dresden zu- 
sammengekommen waren. Gemeinsam empfingen die 
jugendlichen Reichssieger aller Berufe ihre Sieger- 
urkunden aus den Händen des Reichsorganisations- 
leiters Reichsleiters Dr. Ley, des Oberbefehisleiters 
Reichsministers Herbert Backe und des Reichs- 
jugendführers Axmann. Diese Reichssiegerehrung 
auf dem Höhepunkt der Entscheidungen dieses Krieges 
bot ein Bild stärkster Geschlossenheit von Stadt und 
Land und war getragen vom Glauben an den Sieg. Ein 
Volk, das in der Lage ist, inmitten stärkster Kräfte- 
anspannungen im Entscheidungskampf auch derartige 
zukunftweisende Aufgaben, wie sie dieser Kriegs- 
berufswettkampf in sich schließt, zu meistern, wird 
auch den Vernichtungswillen der Gegner, wie sie 
Judentum, Kapitalismus und Bolschewismus ver- 
körpern, zunichte machen. Das deutsche Landvolk 
wird aber auch aus dieser Reichssiegerehrung das 
Bewußtsein empfangen, daß es heute nicht mehr 
abseits steht und seine Arbeit als überholt angesehen 
wird, sondern daß es im nationalsozialistischen 
Deutschland auch in seiner Berufsarbeit voll anerkannt 
in geschlossener Reihe mit allen anderen Berufen 
marschiert. Im Anschluß an die Reichssiegerehrung 
fand unter Leitung von Gauleiter Reichsstatthalter 
Martin Mutschmann eine Großkundgebung statt, 
auf der Oberbeſehlsleiter Reichsminister Herbert 
Backe, Reichsjugendführer Axmann und Reichsleiter 
Dr. Ley sprachen.- 
Herbert Backe stellte den Gedanken des Kampfes 
in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Der Kampf 
ist die Grundläge unseres Lebens, denn ohne Kampf 
gebe es kein Leben. Gerade der Bauer und der Land- 
mensch, der der Natur und ihren Gesetzen am 
stärksten verhaftet ist, weiß, daß alles Organische sich 
im Kampf durchsetzen muß und daß nur durch den 
Kampf höchste Entwicklung ist. Um die Schöpfe- 
rischen, Leistungsfähigen, Einsatzbereiten zu erkennen, 
um diese Menschen auf allen Gebieten unseres Lebens 


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zur Führung zu bringen, deshalb ist der Kampf not- 
wendig. Er ist die Voraussetzung jeder Auslese und 
macht innerhalb eines Volkes erst diejenigen sichtbar, 
die ais die Besten zur Führung berufen sind. Der 
Kampf stärkt darüber hinaus den Einsatzwillen aller, 
ihre Verantwortungsfreudigkeit, ihren Willen mitzu- 
gestalten in der Gemeinschaft. Der durch den National- 
sozialismus erkämpfte Umbruch hat die ewig gültigen 
Gesetze des Kampfes und der Auslese wiederher- 
gestellt, die jahrhunderte-, ja jahrtausendelang durch 
artfremde und lebensverneinende Kräfte und Ideen 
unterbrochen waren. Dieser Umbruch stellt daher 
dem deutschen Volke und darüber hinaus allen sich zu 
unseren Idealen bekennenden verwandten Völkern 
ungeheure einmalige Aufgaben, die in um so kürzerer 
Zeit gelöst werden müssen, je länger die Zeiten des 
Verfalls eine solche Lösung nicht zuließen. Dazu aber 
ist eine befähigte Mannschaft erforderlich, eine 
Führungsschicht, die fähig und bereit ist, diese seit 
Jahrtausenden ungelösten Aufgaben zu läsen und damit 
für Jahrtausende dem deutschen Volke die Lebens- 
grundlage, zu geben, die ihm die Freiheit seiner Art 
sichert. Eine solche Führungsschicht entsteht nur im 
Kampf, der die Grundlage der Auslese bildet. 


Eine solche Auslese kann, so betonte der Minister, 
aber nicht nur auf einem Lebensgebiet durchgeführt 
werden, etwa nur auf dem politischen oder 
kulturellen. Je umfassender die Fähigkeiten und das 
Können des einzelnen sind, je tüchtiger und einsatz- 
bereiter er auf allen Lebensgebieten ist, um so mehr 


-vereinigt er in sich die Voraussetzung, Persönlichkeit 


zu werden. Deshalb werden von der deutschen 
Jugend, aus der sich die Führungsschicht des deutschen 
Volkes dauernd ergänzt, nicht nur politische Tugenden 
wie Bekenntnis zur nationalsozialistischen Welt- 
anschauung, Treue, Opferbereitschaft und Beharrlich- 
keit, sondern ebenso höchstes Können im beruflichen 
Leben und in der beruflichen Arbeit gefordert. Die 
Leistung ist Maßstab guten Erbgutes. Sie zeigt somit, 
wer zum Führen berufen ist. Deshalb soll der Berufs- 
wettkampf höchstes Können fordern, indem er in den 
Siegerleistungen das Maß des beruflichen Könnens 
herausstellt, das notwendig ist, um die vor uns 
stehenden gewaltigen Aufgaben zu meistern. 


Oberbefehlsleiter Herbert Backe unterstrich 
dann die Aufgaben, die sich hieraus für die landwirt- 
schaftlichen Berufe ergeben. „Je größer die Aufgaben 
sind, die uns in Europa gestellt werden, um so größer 
müssen die Leistungen jedes einzelnen im Dienste der 
Nahrungsfreiheit unseres Volkes sein. Es ist den 
jungen Kräften, die oft genug für Erwachsene an ent- 
scheidender Stelle im Hofe oder auf dem Acker stehen, 
kaum noch möglich, länger oder mehr zu arbeiten, 
wohl aber können sie durch höheres Berufswissen 
ihre Leistung weiter steigern und verbessern. Deshalb 
ist der Kriegsberufswettkampf zu einem entscheiden- 
den Faktor für das bäuerliche Berufserziehungswerk 
geworden." Dieser Gedanke ist bereits Allgemein- 
gut des Landvolkes geworden, denn in diesem Jahre 
nahmen 600000 Jungen und Mädel der Gruppe Nähr- 
stand freiwillig an diesem Leistungskampf teil, wäh- 
rend es 1938 290000 und 1934 nur 67000 waren. 


Dr. Kurt Haußmann 


EFT SE 


Kandbemerkungen 


Schüler schreiben über Bauernarbeit 


Bodenverbundener Unterricht ist in den Salzburger 
Dorfschulen und namentlich in den Beispielschulen 
eine Selbstverständlichkeit. Darum war es gar kein 
Wagnis, als die Landesbauernschaft Salzburg unter 
tatkräftiger Unterstützung der Schulbehörde daran- 
ging, ein Preisausschreiben durchzuführen, das der 
weiteren Stärkung des bäuerlichen Gedankens in der 
Schule dienen sollte und ein Aufsatzthema aus dem 
umfangreichen Gebiet der Bauerntumsfragen Zum 
Gegenstand hatte. Welch fruchtbarer Boden da be- 
ackert wurde, bewies die Tatsache, daß weit über die 
Hälfte der Schulen dort bereits vorgesichtete Auf- 
sätze einsandten. Und wie sehr die Lehrer selbst mit 
dem Herzen bei der Sache waren, dafür zeugen die 
Begleitschreiben. So eines aus dem hintersten Rauris- 
tal, aus Wörth am Fuße des Sonnblicks: „Ich übersende 
vier Arbeiten meiner achten Schulstufe, die bis zum 
1. November restlos im Arbeitseinsatz stand und nur 
zwei Schüler hat, die nicht aus dem Bauernstand 
stammen. Einer davon, die Arbeit liegt bei, ist ein 
kleiner Dichter, probiert Verse, meistens aus heimat- 
lichem und volksgebundenem Stoff. Vielleicht — und 
welche Freude, welcher Ansporn wären das für 
unseren Winkel! — findet eine Arbeit Anklang. Mit 
ganzer Seele stehen sie jetzt schon mehr in der 
Bauernarbeit und bleiben es. Keiner von ihnen 
ergriff in den letzten fünf Jahren, seit ich hier 
bin, einen anderen Beruf." Heimatliebe und Ver- 
bundensein mit dem Hof kommen oft und oft zum 
Ausdruck. Ein Bub aus dem Pinzgau etwa: „Hart und 
mühsam ist die Arbeit eines Bergbauern, aber wenn 
man droben auf seinem Hofe steht, dann ist es wieder 
schön, für seine Heimat zu arbeiten.“ 

Immer wieder bricht auch der Ostgedanke durch. 
Ganz behutsam wird in Salzburg die Saat dafür gelegt 
und die Frucht soll von selber reifen. Voraussetzung 
ist einmal, bei den nachgeborenen Bauernsöhnen die 
Liebe zur Bauernarbeit nicht durch Einflüsse von 
außenher ertöten zu lassen. Dann kommt das Be- 
gehren nach einem eigenen Hof, auch wenn er weit 
von der Heimat entfernt sein müßte, von selber. Der 
Bub aus Wörth, von dem die Schulleiterin schrieb, 
daß er ein kleiner Dichter sei, eine Vollwaise und 
tüchtiger Arbeiter am Hofe seiner ältesten Schwester, 
gibt seinen Gefühlen in etwas romantischer Form 
Ausdruck: „Ein großes Opfer ist es wohl, die Urheimat - 
meiner Väter, mit der ich so verwachsen bin, wie ein 
Eichenbaum mit seinen Wurzeln verbunden ist, zu 
verlassen... Die Arbeiten lerne ich auf meiner Heimat- 
erde, daß ich einmal fähig bin, als junge Pflanze die 
fremde Erde zu pflügen. Und gestalte ich eine Familie, 
dann bin ich nimmer allein. Manchmal werde ich wohl 
zurückdenken an den schönen Jugendtraum, den ich 
in den Bergen träumte." 

Bei aller Romantik klingt das vollkommen echt. Das 
ist besönders erfreulich bei den Arbeiten, daß kaum 
ein falscher Ton aufklingt, auch dort nicht, wo ein 
Stadtkind. etwa ein Kind eines Umquartierten, über 
Bauerntumsfragen oder Bauernarbeit schreibt. Da ist 


H 


277 


H 


ihm natürlich das Bauernkind vor in der Ursprünglich- 
keit der Begriffsbildung, in der Anschaulichkeit der 
‚Darstellung. Eine Hauptschülerin schreibt: „Wie's 
einem im Blute liegt, so muß er es halten, und wessen 
Ahnen allezeit Bauern waren, dessen Blut und Leib 
und Sinn ebenso beschaffen, der soll seinen Ahnen 
treu bleiben. Ein anderes: „Es kommt auf jedes 
Körnlein an, so winzig und unscheinbar es ist. Jedes 
Korn hilft mit, unser großes, wachsendes Volk satt 
zu machen, oder es ist Samenkorn für die kommende 
neue Saat. Jedes Körnchen ist wichtig und jedes hat 
seine Bestimmung.“ 

Daß Kriegsgeschehen und Bauernarbeit im Kriege 
eine große Rolle in den Aufsätzen spielen, ist eine 
Selbstverständlichkeit und mit tiefem Verstehen hat 
die Parole „Nahrung ist Waffe Wurzeln geschlagen. 
Aus Altenmarkt im Pongau, einem ursprünglichen 
Dorf mit alten wunderbaren Holzhäusern, schreibt ein 
Mädel: „Große und schwere Aufgaben stellt der Krieg 
der Bauernfamilie, besonders dort, wo der Bauer in 
den Reihen der Soldaten steht und die Bäuerin allein 
mit den Kindern oder mit dem Hofpaten oftmals 
steile Berglagen zu bearbeiten hat. Ohne Ernte kein 
Sieg, ohne Sieg ein schmählicher Friede.“ Und dazu 
ein Verslein: 


Mit der Hand am Schwerte 

Führe deinen Pflug, 

Deiner Heimat Erde 

Ist dir Pflicht genug. 
| Dr. Hermann Legat 


„Gefärbte’' Lebenshaltungskosten 


Die enge Bindung des Lohnniveaus an die Lebens- 
haltungskosten hat zur Folge, daß diesen aus volks- 
wirtschaftlichen Erwägungen die besondere Aufmerk- 
samkeit der Regierungen gilt. Gerade mit Rücksicht 
auf die wirtschaftlich schlechter gestellten Volksteile 
ist man bemüht, die Ausgaben für Nahrungsmittel, 
Kleidung, Miete usw. möglichst niedrig zu halten oder 
sie zumindest vor allzu starken Schwankungen zu 
schützen. Dieses Problem wird besonders aktuell in 
Zeiten der Verknappung, sei es in Auswirkung eines 
Krieges, infolge von Mißernten oder anderen Ursachen. 
Gerade in solchen Zeiten stehen der Spekulation und 
dem Schwarzhandel alle Möglichkeiten offen. Das gilt 
natürlich in erster Linie für solche Länder, die dem 


liberalen Wirtschaftsprinzip huldigen und die Höhe: 


des Preises von dem Verhältnis zwischen Angebot und 
Nachfrage abhängig machen. 

Als typisches Beispiel gelten in dieser Beziehung 
die USA., die aber während dieses Krieges Maßnahmen 
ergriffen haben wie die Preisüberwachung, die Punkt- 
rationierung usw., die sie vorher als „Unterdrückungs- 
mittel autoritäreg Regierungen" großspurig abgelehnt 
hatten. Wie wenig erfolgreich diese Versuche einer 
Wirtschaſtslenkung waren, konnte immer wieder 
Pressemeldungen entnommen werden, die von der 
steigenden Bedeutung des Schwarzhandels sprechen. 
Offizielle Kreise schätzten den Anteil des Schwarz- 
handels am Fleischmarkt auf mindestens ein Fünftel 
der angelieferten Menge und wiesen andererseits auf 
die leeren Schlacht- und Kühlhäuser der Großstädte 
hin. In ‚sensationeller Aufmachung wurde einem 


278 


\ 


Schwarzhändier Im Hinblick auf seinen „großen 
Umsatz" der Titel eines „‚Meatlegger Nr. 1“ gegeben. 


Diese Symptome gestatten gewisse Rückschlüsse In 
bezug auf die Ordnung des Marktes und die Ver- 
sorgung der Bevölkerung. Ebenso verständlich ist die 
Vermutung, daß die Lebensmittellieferungen der 
USA. an die Alliierten, die bessere Versorgung eines 
vergrößerten Heeres u. a. m. nur auf Kosten der Zivil- 
bevölkerung geschehen konnten und Preisauftriebs- 
tendenzen nach sich ziehen mußten. 


Deshalb war es nicht uninteressant, die offiziellen 
Angaben über den us.-amerikanischen Lebenshaltungs- 
index zu verfolgen. Wenn z.B. die Steigerung der 
Lebenshaltungskosten von Januar 1941 bis Ende 1943 
offiziell mit 23,4% angegeben wurde, so konnte man 
diese Zahl wohl bezweifeln, ohne sie aber — infolge 
mangelnder Unterlagen — als falsch hinstellen zu 
können. ü 


Aller Zweifel enthebt uns nun eine Meldung aus 
USA., wonach die beiden großen Gewerkschaften in 
einem Gutachten nachgewiesen haben, daß die Zahlen 
des offiziösen Statistischen Amts viel zu niedrig 
seien — also falsch! Hier eine Gegenüberstellung: 


Stelgerung der Kosten von Januar 1941 bis 
Ende 1943 In % 


Lebensmittel 


Kleidung 72.2 
Rees 15.0 
Wohnungsbedarfs- 

artikeun 68,0 
Lebenshaltungskosten . 43,5 


Es bedarf keines Hinweises, daß die Berechnung von 
Preisindizes immer gewisse Fehlerquellen in sich birgt, 
die kleine Differenzen ergeben. Unterschiede aber 
von 100 und mehr Prozent können dabei nicht auf- 
treten — oder man hat die Ergebnisse aus politischen 
Gründen „gefärbt“. Dazu hat das im Auftrage der 
Regierung arbeitende Statistische Amt aber mehr 
Ursache als die Gewerkschaften; denn zwischen den 
Lebenshaltungskosten und dem Lohnniveau besteht, 
wie schon gesagt, eine enge Bindung. Es lag aber im 
Interesse des Kapitals, Lohnerhöhungen zu vermeiden. 
Deshalb ist es auch kein Zufall, daß die Vertreter des 
Statistischen Amts und die Industrie die Richtigkeit 
des gewerblichen Gutachtens bestreiten! Das dar- 
gebotene Bild rundet sich ab, wenn man in dem Gut- 
achten liest, daß die Realversorgung der Bevölkerung 
von 1941 bis 1943 zurückgegangen sei trotz Steigerung 
der Gesamtausgahen für Verbrauchsgüter. 


Nur selten bletet sich uns ein so charakteristischer 
Fall wie dieser. Er zeigt die Abhängigkeit, der Roose- 
velt- Regierung vom Kapital, die so welt geht, daß 
selbst staatliche Einrichtungen aus kapitalistischem 
Interesse , Korrekturen“ vornehmen müssen, um das 
Volk zu betrügen. Es hält uns aber auch mit aller 
Deutlichkeit vor Augen, wie die Verhältnisse bei uns 
sein würden, wenn es keine staatlich gelenkte Wirt- 
schaft gäbe. H.Gerdesmann 


VG — 


„Zucht und Sitte“ 


Schriften für die Neuordnung unserer Lebens- 
gesetze. Herausgeber Herbert Backe und Karl 
Cerff. Vierte Folge, Erscheinungsjahr 1944 


Die vierte Folge der nunmehr von Herbert Backe 
und Karl Cerff herausgegebenen „Zucht und Sitte“- 
Schriften dient, wie die drei vorhergehenden Hefte, 
wieder dem hohen Ziel, die Quellenart echter deut- 
scher Weltanschauung freizulegen und die Formung 
eines dieser Weltanschauung verpflichteten Menschen- 


bildes zu fördern. Wieder legt das Heft ein schönes 


Zeugnis ab für den unerschöpflichen Reichtum der 
deutschen Kultur an inneren Kräften, die Herz und 
Willen festigen und stärken können, damit sie diesen 
großen Kampf um das Lebensrecht des deutschen 


. Geistes und den Bestand der deutschen Seele durch- 


zustehen imstande sind. In dieser Festigung und 
Stärkung muß gerade heute der Sinn aller kulturellen 
Arbeit beruhen, wie Karl Cerff in dem das Heft er- 
öffnenden Aufsatz betont. So wie das Reich der 
politische Schwerpunkt Europas ist, so ist die deutsche 
Volkskultur das Herzstück der hohen Kultur Europas. 
Ihr erwachsen aus dieser Stellung bestimmte Aufgaben 
im europäischen Raum. Sie liegen nicht, wie Karl Cerff 
ausführt, in einer Angleichung, sondern in der An- 
erkennung aller germanischen Volkskulturen, die jede 
Art von Kulturdiktatur ausschließt. 


„Der Krieg ist der Vater aller Dinge" — diese 
Weisheit der Griechen wandelt Max Wegener ab, 
Indem er am Beispiel zahlreicher Zeugnisse aus der 
bildenden Kunst und der Dichtkunst zeigt, wie echte 
Kunst sich stets In der kämpferischen Auseinander- 
setzung mit Welt und Umwelt geformt hat. — Im 
Werden und Sein des deutschen Grenadiers, wie es 
Wolfgang Hünemarin sehr lebendig und anschaulich 
schildert, treten Pflichtgefühl und Wille zum un- 
bedingten Einsatz als innerste Kräfte ewigen deutschen 
Soldatentums hervor. — Selten hat sich wohl die hohe 
geistige Führungsaufgabe des Philosophen und Hoch- 
schullehrers in Kriegszeiten so wunderbar verkörpert 
wie in Fichtes Wirken. Hiervon gibt der Beitrag 
Walter Horns, dem Studien von Professor Kampf zu 
dem Gemälde ‚‚Fichtes Reden“ beigegeben sind, einen 
Begriff. Weil ihm versagt war zu kämpfen, wollte 
Fichte wenigstens nach seinen eigenen Worten 
Schwerter und Blitze reden, obwohl er dabei rechnen 
mußte, von den Schergen Napoleons ergriffen zu 
werden. — Dr. habil. Herbert Grabert zeigt die Ehe 
als wichtigsten Weg zum Ziel der Artverpflichtung. 
Das kommende Geschlecht darf nicht in die Bahn 
artblinder Ehetradition und Eheauffassung geraten. 
Der Sinn einer artverpflichteten Ehe erfüllt sich In 
ihrem Reichtum an gewollten Kindern. — Ähnliche 
Gedanken formt Georg Stammler zu einer ergreifen- 
den und inhaltschweren Traurede mit dem schönen 
Titel „Liebesbund und Volksdienst“. -- Dr. habil. Karl 
Tuppa gibt einen Überblick über die „Zwillings- 


W 


forschung unserer Zeit“, — Das Beiblatt „Die Aus- 
schau" enthält einige lehrreiche und anregende Be- 
richte. Franz von Frimmel referiert über die Arbeit 
des gärtnerischen Pflanzenzüchtungsinstituts in Eis- 
grub und Dr. habil. Martin Schmidt teilt in seinem 
Aufsatz „Züchtung auf Härte“ züchterische Erfah- 
rungen aus dem Osten mit, die sich für den Künftigen 
Obstanbau als fruchtbar erweisen werden. Dr. Clara 
Teschner gibt Kurzberichte aus der Forschung, und 
zwar aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut Berlin-Dahlem 
und aus Eisgrub. — Einige kleinere Beiträge aus der l 
Welt der Dichtung beschließen das reichhaltige Heft. 


Dr. Helmut Langenbucher ümreißt in dem Aufsatz 


„Verpflichtung der bäuerlichen Dichtung‘ die Auf- 
gaben, die der bäuerlichen Dichtung heute gestellt 
sind. Die beiden Preisträger des in diesem Jahr zum 
erstenmal verteilten Preises des Reichsbauernführers 
für bäuerliche Dichtung, Friedrich Griese und Josef 
Martin Bauer, sind durch einen kurzen Beitrag 
vertreten, | 

Es muß noch hervorgehoben werden, daß auch 
dieses Heft sich wieder durch eine außerordentlich 
gepflegte und reiche Ausstattung auszeichnet, die 
dazu reizt, es immer wieder in die Hand zu nehmen. 
Besonders hingewiesen sei auf die Studien zu dem 
Gemälde „Fichtes Reden“ von Professor Kampf, die 
farbige Zeichnung ., Grenadiere“ von E. Kretschmane 
und die farbigen Wiedergaben einiger Aquarelln 
Albrecht Dürers. - Dr. Klaus Schmidt 


Dr. Otto Schiller: 


DieLandwirtschaftspolitik der 


Sowjets und ihre Ergebnisse 
Jahrgang 1943 
Berichte über Landwirtschaft, 150. Sonderheft 


Das 150. Sonderheft der Berichte über Landwirt- 
schaft stellt eine Zusammenfassung der bereits vor 
dem Kriege einzeln veröffentlichten Arbeiten und 
Aufsätze des früheren landwirtschaftlichen Sachver- 
ständigen an der Deutschen Botschaft in Moskau, 
Dr. Otto Schiller, über die Fragen der Sowjetland- 


"wirtschaft dar. Im Verlaufe des Ostfeldzuges ist viel- 


fach bedauernd festgestellt worden, wie gering das 
Schrifttum über die wirklichen Verhältnisse In der 
UdSSR. ist und wie wenig man im allgemeinen über die 
Zustände in der Sowjetunion unterrichtet sei. Die 


‘vorliegende Schrift zeigt, daß man auf einem so 


wichtigen Teilgebiet wie gerade auf dem Agrarsektor 
über die wesentlichsten Zusammenhänge und die ge- 
samte Entwicklung bis in die jüngste Zeit einen ziem- 
lich genauen Überblick hatte. Trotzdem es im Sowjet- 
staate für einen Ausländer außerordentlich schwierig 
war, sich über die tatsächlichen Zustände, unbe- 
hindert durch Propaganda und GPU.-Überwachung, 
ein einwandfreies Bild zu verschaffen, so konnte doch 
die Landwirtschaft im Gegensatz zu der gewerblichen 


279 


WVirtschaft und der Rüstung nicht in gleicher Weise 
vor dem Einblick durch außenstehende Beobachter 
abgeschlossen werden. Selbstverständlich steht heute 
nach den mannigfaltigen Erfahrungen und Einblicken 
aus der Besetzungszeit für die Beurteilung. der Zu- 
stände der Sowjetzeit ein sehr viel umfangreicheres 
Material zur Verfügung als früher. Die Schillerschen 
Berichte besitzen jedoch auch nach den neuesten Er- 
kenntnissen einen besonderen Wert als eine einwand- 
freie historische Quelle aus der Einführung des 
Kolchossystems, seiner Entwicklung und Auswirkung 
auf die Landwirtschaft in der Sowjetunion. 


Man mag es bedauern, daß diese Schrift in der Zu- 
sammenſassung nicht bereits bei Beginn des Ostfeld- 
zuges fertig vorlag, da sie bei der Schulung und Unter- 
richtung der im landwirtschaftlichen Aufbau der be- 
setzten Ostgebiete mitwirkenden Fachkräfte wert- 
volle Dienste hätte leisten können. Was von diesem 
Material im einzelnen früher in Buchform veröffent- 
licht worden ist, war bereits seit langem vergriffen 
und die in den wissenschaftlichen Zeitschriften ver- 
öffentlichten Abhandlungen waren einem größeren 
Kreise schwer zugänglich. Immerhin haben die 
Schillerschen Berichte bereits seinerzeit den maß- 
gebenden Stellen nützliche Dienste geleistet. Sie sind 
auch bei änderen Abhandlungen und Schriften, die 
früher über die Fragen der sowjetischen Landwirt- 
schaft herausgegeben wurden, sehr stark verwendet 
worden. 


Von besonderem Interesse ist die Darstellung der Ein- 
führung und ersten Entwickiung des Kolchossystems, 
die Schiller als einer der wenigen ausländischen Beob- 
achter an Ort und Stelle in allen ihren Phasen miterlebt 
hat. Für viele Probleme und Einzelfragen, die sich bei 
der Abschaffung dieses Kolchossystems im Zuge der 
neuen Agrarordnung ergeben haben, gewinnt man 
hierdurch erst das notwendige Verständnis, so daß 
die Schrift gerade für diejenigen Landwirtschaftsführer 
und Fachleute, die mit der praktischen Durchführung 


der Agrarordnung an Ort und Stelle zu tun hatten, 


von besonderem Interesse ist. 


Daneben gibt aber die Schrift auch einen umfassen- 
den Überblick über die Erzeugungsgrundlagen der 
sowjetischen Landwirtschaft, die einzelnen Zweige 
des Ackerbaues, die Fragen der Viehzucht, die 
Mechanisierung,; das Sorten- und Saatgutwesen, die 
Anwendung künstlicher Düngemittel usw. Die Dar- 
stellung der sowjetischen Erfassung vervollständigt das 
Bild und gibt einen Einblick in die Besonderheiten des 
sowjetischen Wirtschaftssystems, das durch eine 
krasse Unterbewertung der landwirtschaftlichen Er- 
zeugnisse die Landbevölkerung rücksichtslos aus- 
beutet, um dadurch die Mittel für den Aufbau einer 
gigantischen Rüstungsindustrie zu gewinnen. So 
leistet die Schillersche Schrift auch einen wesentlichen 
Beitrag zu der Erkenntnis, wie die Sowjetunion 
systematisch ihre gesamte Wirtschaft und darunter 


vor allem die Landwirtschaft in den Dienst ihrer i 


weltrevolutionären Expansionspläne gestellt hatte, die 
erst im Verlaufe. des Krieges in ihrer ganzen Größe 
und Gefährlichkeit zutage getreten sind. 


Dr. Jürgen Stock 


Dr. Ludwig Spahr: 
„Der landwirtschaftliche Betrieb in 
Zahlen“ (Faustzahlen) 


Ein Wegweiser für Wirtschafts- und Hofberater, 

Betriebsleiter, Taxatoren, Bodenschätzer. Land- 

wirtschaftliche Verlags buchhandlung Wilsdorf 
K.G., Berlin-Halensee. 147 S. 

Von jedem Wirtschaftsberater wird bei seiner Tätig- 
keit auf den Höfen ein umfangreiches Wissen verlangt. 
Bei der Vielgestaltigkeit der Landwirtschaft ist es 
jedoch unmöglich, auch das Zahlenmaterial so zu be- 
herrschen, daß jederzeit die Beratung sofort an Ort 
und Stelle einwandfrei und ohne zeitraubenden Brief- 
wechsel erfolgen kann. In Kreisen der Wirtschafts- 
berater wurde schon oft der Wunsch geäußert, ein 
handliches Buch als Hilfe für die Beratungstätigkeit 
zur Verfügung zu haben. Bereits die landwirtschaft- 
lichen Taschenkalender waren seit Jahren bemüht, 
hier im Rahmen des ihnen verfügbaren Raumes Hilfe- 
stellung zu geben. Im Jahre 1938 hatte der Reichsnähr- 
stand ein handliches Taschenbuch für den Wirtschafts- 
berater im Loseblattverfahren herausgegeben. Leider 
konnte dies Taschenbuch aus kriegsbedingten Gründen 

nicht fortlaufend vervollständigt werden. — Ober- 
‚ landwirtschaftsrat Dr. Spahr hat nun ein Handbuch 
für diesen Zweck aus der Erfahrung des Wirtschafts- 
beraters heraus geschaffen. Sein Buch, das im Format 
von etwa 151½ 21 cm mit festem Einbanddeckel noch 
etwas groß ist, um es dauernd in der Tasche tragen 
zu können, bringt unentbehrliches, wertvolles Zahlen- 
material mit Erläuterungen aus folgenden Gebieten: 

` Hofbauten, Tierhaltung, Viehbeſörderung. Schlacht- 
ergebnisse, Viehkrankheiten, Tierernährung, Futter- 
mittel, Futterbau, Grünland, Futterwerbung, Dün- 
gung, Pflanzenernährung, Pflanzenkrankheiten, 

Bodenuntersuchung, Reichsbodenschätzung, Arbeits- 

und Kräftebedarf, landwirtschaftliche Nebenbe- 

triebe, mit 18 Spalten Sachregister. 

Im Vorwort wird betont, daß das Buch keinen An- 
spruch ayf Vollständigkeit erhebt, und in dem Unter- 
titel wird es ein Wegweiser für Wirtschafts- und 
Hofberater, Betriebsleiter, Taxatoren und Boden- 


— schätzer genannt. Ein Teil der angegebenen Zahlen 


sind Mittelzahlen, also Faustzahlen. Sie sollen nur als 
Richtschnur dienen, und ihre Anpassung an die oft 
von Betrieb zu Betrieb wechselnden Verhältnisse 
müssen der Erfahrung und Geschicklichkeit des Wirt- 
schaftsberaters überlassen werden. 

Das Buch bedeutet einen erfolgversprechenden 
Anfang und wird jedemWirtschaftsberater in der vor- 
liegenden Ausgabe schon ein guter Anhalt und eine 
große Hilfe sein. Im übrigen bittet der Verfasser in 
seinem Vorwort, ihm Anregungen zur Verwertung 
in der nächsten Ausgabe zuzuleiten. Bei weiterer 
Vervollkommnung dieses Handbuches wird sich meines 
Erachtens die Notwendigkeit ergeben, derartige 
Gedächtnisstützen für die Wirtschaftsberater einer 
oder einiger etwa gleichgearteter Landesbauern- 
schaften zu schaffen. Die landwirtschaftlichen Ver- 
hältnisse im Großdeutschen Reich sind derart ver- 
schieden gestaltet und die Aufgaben der Wirtschafts- 
berater sind so bedeutende, daß es sich lohnen wird, 
auf dem eingeschlagenen Wege weiterzugehen. 

Ernst Grimm 


AEG 
Elektrizität 
in der Landwirtschaft 


Betrieb eines Dreschsatzes 
durch einen Motorwagen 


SUGEMEINE BLERTEICITATS -=G 


ROCHE 
Heilmittel 


Die Arbeitsverhältnisse In der Landwirtschaft bringen es mit 
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen 
auf dem Hoi meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht 
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der au 
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer 
Stelle zur anderen bringen läßt. 

Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der 
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese 
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. 


SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG 


Das Wort „einwecken" stammt 
von Johann Weck, dem Mann, der 
das WECK-Verfahren begründet, 


der die WECK-Gläser und WEEK, 
Geräte geschaffen hat. 


l. ven & CO, ÖFLINGER IN BADEN 


| 


i 


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ONO N A 


F 


— 


REINGAS-BULLDOG 


für Holzgas - Betrieb 


dann geordnet weglegen! So 


werden sie geschont und wertvolles 
Rohmaterial gespart. = Müssen 
wir unsere eigenen, uns von der 
Natur geschenkten weit wert- 
volleren „Werkzeuge” nicht 
ebenso pfleglich behandeln? 
Selbst eine kleine Verletzung kann 
böse Folgen haben. Darum auch 
solche Wunden schützen mit 


TraumaPlast 


kolloidaler flüssiger Schwefel 


gegen 
Oidium / Aescherich ur 


Bezug durch Handel und Genossenschaften 


Riedel - de Haen A.-G. Berlin 


030 


Lin 
OCHWIRKSAME 
ofato EV 
Zur 
SCHADLINGSBEKAMPFUNG 


DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR SCHÄDLINGSBEKAMPFUNG M. B. H. 
FRANKFURT AM MAIN: POSTFACH 24 


As 


3 


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1944 


NUMMER 


10 


JAHRGANG 


— 


EIN ZELPREEN 


120 


NR N 


INHALT 


Dr. Ludolf Haase, Hauptarbeitsgebietsleiter im Reichsamt für das Landvolk: 
Das bäuerliche Berufserziehungswerk — eine politische Notwendigkeit .... 281 


Oberlandwirtschaftsrat Dr. Hermann Koch: Die Aufgaben des bäuerlichen 
Berufserziehungs werkes EUREN 285 


Kindheit auf dem Lande (Bildbeilage) e, n. S. 288 
Gauamtsleiter, Regierungsdirektor Karl Springenschmid: Der Hof erzieht .... 289 


Professor Franz Huber: Dorfkulturelle Erziehung durch die Landschule ...... 293 


In der Dorfschule (Bildbeilage) ..........eccccc2c... 8 Ne n. S. 295 
Dr. Karl Seiler, o. Professor, Psychologisches Institut der Hindenburg-Hoch- 
schule, Nürnberg: Landlehrer und Umquartierung ...... ER ES EEE . . 300 
Das Landjahr als Erziehungsstätte (Bildbeilage . .. . n. S. 304 
Reichs jugendberufswartin Frieda Herbold: Die Bedeutung der ländlich-haus- 
wirtschaftlichen Erziehung ....... een ee EE . H 305 
Agrarpolitische Rundscha?r̃ᷓ-᷑— Pœ e Ee 
Ee TE Te CC BEE EN el 


Bildnachweis: Das Titelbild ist eine Aufnahme von Saebens-Worpswede. — Für die Beilage „Kindheit 
auf dem Lande“ erhielten wir aus dem Bildarchiv des Reichsnährstands fünf Bilder von folgenden 
Photographen: Limberg (2), Krack, Heintze und Pongratz; zwei fertigte Hens Retzlaff und eine Auf- 
nahme stammt von Saebens-Worpswede. — Einen Teil der Bilder zur Beilage „In der Dorfschule“ 
entnahmen wir ebenfalls dem Reichsnährstandsarchiv, die Lichtbildner sind: Limberg (3) und Nolte 0): 
die übrigen erhielten wir von Presse-lllustrationen Heinrich Hoffmann (2) und von Franz Baumeister (1). 
— Landjahrführer Ludwig Wiek photographierte funf Bilder, Hoffstaetter zwei und Hans Pusen 
und Landjahr-Bezirksfuhrerin Thomas je ein Bild der Beilage „Das Landjahr als Erziehungsstätte. " 


Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna. 

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil: 

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 19 55 41. 

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Fr Eher Nacht GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts- 

ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43. 


ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN 


Juli 1944 


LUDOLF HAASE: 


Nummer 10 


Das bäuerliche Beruiserziehungswerk - 
eine politische Notwendigkeit 


E gibt kein gefährlicheres Zersetzungs- 

zeichen in der Entwicklung eines Volkes 
als die Tatsache, daß es nicht mehr im- 
stande oder willens ist, aus eigener Kraft 
seinen Boden zu bestellen, und daher die 
Landarbeit mehr und mehr Fremdblütigen 
überläßt; denn die zwangsläufig damit ver- 
bundene Unterwanderung hat noch immer 
zu einer Blutmischung geführt, die die ur- 
tümliche Art des betroffenen Volkes von 
Grund auf veränderte und so seine ganze 
künftige Entwicklung umbog. Große und 
mächtige Reiche wie das alte Rom sind in- 
folge des durch fremde Blutmischung 
hervorgerufenen Entartungsprozesses zer- 
brochen. Die starke Heranziehung fremd- 
völkischer Hilfskräfte zur Landarbeit wäh- 
rend desKrieges stellt daher nichts weniger 
als eine Dauerlösung der ländlichen Ar- 
beiterfrage dar. Sobald dieser Krieg vorbei 
ist, muß alles darangesetzt werden, um 
zunächst mindestens unsere bäuer- 
lichen Betriebe wieder rein deutsch 
und damit von der Gefahr einer 
Unterwanderung freizumachen. Das 
freilich verlangt nicht nur die Rückkehr 
zur kinderreichen Familie, sondern auch 
die Überführung vieler und bester städti- 
scher Jugend auf das Land. Wenn wir 
außerdem daran denken, daß die Nahrungs- 
freiheit erkämpft werden muß, die eine 
Steigerung unserer Friedenserzeugung um 
etwa ein Drittel verlangt, so kann kein 
Zweifel sein, daß zukünftig viel, viel mehr 
Menschen auf dem Lande und insbesondere 
im Bauerntum leben müssen, als es heute 
der Fall ist. Als Fernziel, das über Gene- 
rationen hinweg unerbittlich erkämpft wer- 


den muß, ist deshalb die Steigerung des in 
der Land- und Volkswirtschaft erwerbs- 
tätigen Bevölkerungsanteils auf 40 v. H. der 
Nation anzustreben. 

Mag dieses Vorhaben während dieser 
Jahre, in denen der Anteil des Landvolkes 
noch sinkt, als noch so kühn, ja geradezu 
undurchführbar erscheinen, es muß trotz- 
dem gelingen, denn es geht dabei ja nicht 
darum, etwa nur einen Berufsstand zu för- 
dern, sondern das Schicksal des gesamten 
Volkes fordert gebieterisch diese Maß- 
nahme, und drohend steht neben uns das 
Gespenst der Vergangenheit so mancher 
europäischer Nationen, die es nicht ver- 
mocht haben, ihr Bauerntum zahlenmäßig 
stark, gesund und lebenskräftig zu er- 
halten. Frankreich, das im Jahre 1800 
noch 26 Millionen Einwohner und damit 
zwei Millionen Menschen mehr zählte als 
Deutschland, ist inzwischen auf die Hälfte 
unserer Stärke zusammengeschmolzen und 
wird bei gleichbleibender Entwicklung in 
dreißig Jahren nur noch rund 30 Millionen 
Menschen zählen. Im Jahre 2000 wird es 
lediglich 21 Millionen Einwohner besitzen, 
und wie es dann um die Franzosen zwangs- 
läufig stehen wird, darüber bedarf es keiner 
Auseinandersetzung. Keine noch so wohl- 
wollende Macht der Welt könnte bei An- 
dauer seiner liberalen Haltung Frankreichs 
Untergang aufhalten. 

Das bäuerliche Berufserziehungswerk hat 
daher in Deutschland vor allem eine Auf- 
gabe, nämlich die geistige und seelische 
Rückführung des Landvolkes zu den höch- 
sten Werten der ihrer eingeborenen 
Wesensart nach bäuerlichen Nation und 


damit auch zur Verbindung mit dem Boden 
und .der sich darüber hinaus ergebenden 
stärksten Neubildung deutschen Bauern- 
tums in den Grenzgebieten. 


Massensiedlungen sind kinderfeindlich 


Seit Jahrzehnten schon spricht man bei 
uns davon, das Landvolk sei die Blutquelle 
der Nation, und nur Uneinsichtige können 
das bestreiten wollen. Man muß sich aber 
auch einmal klarmachen, daß es keiner im 
übrigen noch so erfolgreichen national- 
sozialistischen Erziehung gelingen kann, 
die städtischen Familien in ihrer Masse 
wieder kinderreich zu machen, wenn zu- 
gleich die deutsche Lebensform dem ent- 
gegensteht. Auf dem Bauernhofe waltet 
über allem ein Geist der Gemeinschaft. 
Jeder weiß um den anderen, und alle, ins- 
besondere Mann und Frau, sind von den 
gleichen Wünschen und dem Sinn der- 
selben Lebensaufgabe erfüllt. Wenn wir in 
unseren Dörfern so wenig Ehescheidungen 
kennen, und umgekehrt überall dort, wo 
der zersetzende Geist des Liberalismus 
noch nicht einzudringen vermochte, sich 
auch die kinderreiche Familie gehalten hat, 
so ist das kein Zufall, denn es kann ja gar 
nicht anders sein. In den ungeheuren 
Massensiedlungen aber sieht der Vater 
kaum seine Kinder, und die Frau ahnt nur 
wenig von dem, was ihren Mann beruflich 
den Tag über beschäftigt und bewegt. 
Kehrt er abends erschöpft zurück, so liegt 
es nur in der Natur der Sache, wenn die 
Eheleute verschieden darüber denken, wie 
sie den Rest des Tages verbringen sollen, 
und auch die ganze Nervosität, das Ge- 
dränge, die Eile und der Wechsel der 
Tagesumstände führen nur allzuleicht 
Mißverstehen oder ein Auseinanderleben 
herbei. Jeder, der die Dinge unvorein- 
genommen betrachtet, wird daher zugeben 
müssen, wie viel größer hier die Schwierig- 
keiten sind, die einer biologischen Gesun- 
dung der Familien entgegenstehen. So hat 
auch unser Staat trotz aller zahlreichen 
Maßnahmen es nur beim Landvolk er- 
reichen können, daß sich bis 1939 wieder 
ein echter Geburtenüberschuß einstellte. 
Er betrug 16,8 v.H. Die Großstädte aber 
wiesen durchschnittlich immer noch einen 
bösen Geburtenfehlbetrag auf, der volle 
26 v.H. ausmachte und damit mehr als den 
gesamten Uberschuß aufzehrte. In Berlin 
betrug vor Kriegsbeginn die Zahl der 
kinderlosen Ehen über die Hälfte, nämlich 


232 


52 v. H.]! Wem wären diese Tatsachen nicht 
eine Mahnung, daß wir schon aus bio- 
logischen Gründen den Anteil unseres 
Landvolkes erhöhen und damit letzten 
Endes auch unsere gefährdete Wehrkraft 
mehren müssen, ohne die wir in Zukunft 
nicht bestehen können. 


Nun geht es aber bei der Stärkung unse- 
res Landvolkes nicht allein um das Wachs- 
tum der Zahl, sondern auch um die He- 
bung der Güte unserer Erbmasse. 
Bekanntlich sind schon seit dem vorigen 
Jahrhundert immer die Besten in die Stadt 
gezogen und dort kinderarm geworden, 
während umgekehrt auch die weniger Wert- 
vollen das Dorf verließen und dann leider 
in den neuen Fabriken der Städte die 
Möglichkeit einer Existenzgründung fanden 
und sich dann meist hemmungslos fort- 
pflanzten. Wenngleich ähnliche Erscheinun- 
gen in allen weißen Völkern zu beobachten 
sind, so dürfen wir Deutsche sie doch 
keineswegs ohne Gegenmaßnahmen hin- 
nehmen, zumal die riesigen Leistungen 
unserer jetzigen Generation geeignet sind, 
über die Gefahr hinwegzutäuschen, in 
der wir uns befinden. Wir dürfen näm- 
lich nicht vergessen, daß wir einerseits 
durch die Errungenschaften der modernen 
Medizin unverhältnismäßig viele alte Men- 
schen noch sehr lange arbeitsfähig zu er- 
halten vermögen und so einen unnatür- 
lichen Altersaufbau des deutschen 
Volkes herbeiführen, der durch seine 
Kinderarmut noch verstärkt wird, wäh- 
rend uns außerdem nur ein Führer wie 
Adolf Hitler die so schnelle Wiederkehr 
unserer nationalen Geltung und mili- 
tärischen Kraft ermöglicht hat. Wer aber 
wollte behaupten, daß wir uns ohne den 
Führer inmitten so vieler Feinde noch je 
hätten emporraffen können! Die Hebung 
und Ausbreitung der deutschen Begabun- 
gen auf dem Wege der Aufartung ist aber 
vor allem im Bauerntum möglich, 
das auf seinen Höfen sitzt, stets überprüft 
werden kann und über viele Generationen 
hinweg zu schauen vermag. Wenn es ge- 
lingt, unsere Erbhofbauern, die ja den 
wichtigen Nachweis der Bauernfähigkeit zu 
erbringen gezwungen sind, zu einem sol- 
chen Kinderreichtum zu führen, daß sie 
noch erheblich stärker als bisher über dem 
allgemeinen Durchschnitt der gesamten 
Nation liegen, so wird damit unsere Be- 
gabungshöhe zwangsläufig wieder wachsen. 
Der Wettlauf der Erfinder in der Welt, das 


257. 


8 ö 
BI Kä KE: E 
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Ringen der Armeen im Kriege, der Zwang 
zu Höchstleistungen auf allen Gebieten 
stellen es uns täglich vor Augen, wie aus- 
schlaggebend es in Zukunft für das Leben 
eines Volkes ist, ob es über die besonders 
im Zeitalter der technischen Revolution 
unentbehrlichen Begabungen verfügt oder 
nicht. Auch hier liegt eine wesentliche 
Aufgabe des Berufserziehungswerkes, das 
den hochpolitischen Auftrag hat, eine 
durchschlagende Revolutionierung der 
Seelen im bäuerlichen und damit national- 
sozialistischen Geiste herbeizuführen. 


Dem Schwert muß der Pflug folgen 


Naturgemäß sind die gekennzeichneten 
Ziele nur dann zu erreichen, wenn es uns 
gelingt, den Boden des deutschen Ostens 
zu besiedeln. Wenn unsere bäuerlichen 
Väter des Mittelalters nicht 300 000 Qua- 
dratkilometer gewonnen hätten, so wäre 
Deutschland in seiner Enge längst dahin- 
gegangen. In einem Jahrhundert, das 
Kraftwagen, Panzer, schnellfahrende Schiffe 
und Flugzeuge gebracht hat, ist dergroße 
Raum noch viellebensnotwendiger 
als bisher. Die bisherige Tendenz zu 
immer größeren Menschenzusammenballun- 
gen in großstädtischen Massensiedlungen 
kann und darf nicht aufrechterhalten 
werden, sondern es gilt, Klein- und Mittel- 
städte zu begründen, während zugleich die 
Industrieverlagerung mehr und mehr durch- 
geführt werden muß. Das gilt für die Zu- 
kunft noch mehr als für den Augenblick. 
Dazu aber ist der Bauer erforderlich, 
dermitseinemPflugedemSchwerte 
folgen muß. Immer dringender wird die 
Aufgabe, deutsche Jugend zunehmend in 
die Bauernlehre hineinzubringen, damit sie 
dann in der alten Heimat und besonders 
an den Grenzen des Reiches das Leben des 
Volkes schützen kann. Unmöglich kann die 
heutige Lage bestehen bleiben, in der wir 
hur etwas mehr als die Hälfte des Nach- 
wuchses besitzen, der nötig ist, um den 
derzeitigen, schon so sehr geschmälerten 
Bestand unseres Landvolkes aufrecht zu er- 
halten. Würde es dennoch dabei bleiben, 
so müßten wir binnen dreißig Jahren mit 
einer weiteren Schrumpfung unseres Bau- 
erntums auf die Hälfte rechnen! Die Er- 
nährung des deutschen Volkes wäre schon 
nicht mehr durchzuführen, ehe sich diese 
wenigen Jahrzehnte vollendet hätten, und 
darum muß eben alles getan werden, um 
sämtliche Deutschen, insonderheit aber das 


Landvolk, zu dem gekennzeichneten wahren 
Sinn unseres nationalen Lebens zurückzu- 
führen. Der immer noch verbreiteten Flucht 
aus schwerer Arbeit haben wir uns mit 
aller Gewalt entgegenzuwerfen. Es gilt, 
wieder eine ganz klare Sicht der Lebens- 
pflichten und damit den Willen zur volks- 
politischen Gesundung herbeizuführen. In- 
sonderheit die Frau ist es, an die wir 
uns dabei wenden, denn der Liberalismus 
hat gerade sie durch Zerstörung des Fa- 
miliengedankens und vieler kulturellen 
Werte aufs schwerste getroffen. Sie muß 
den Sinn unseres Kampfes innerlich begrei- 
fen, denn um ihre Sache geht es zugleich! 
Wenn die Frau den Losungen des bäuer- 
lichen Berufserziehungswerkes für sich und 
ihre Kinder Folge leistet, so erkämpft sie 
damit zugleich den kommenden Geschlech- 
tern unserer Frauen wieder ein wür- 
diges und wirklich weibliches Da- 
sein! Es ist selbstverständlich, daß zu- 
gleich alle die Schäden abgestellt werden 
müssen, die unser Landvolk infolge einer 
verstädterten Lebensform und verstädterter 
Einrichtungen heute noch treffen. Es ist 
auch wichtig, die Ausgebombten und be- 
sonders die vorsorglich Ausquartierten in 
den Arbeitsprozeß des Dorfes mit einzu- 
gliedern. In Film und Funk, in Musik und 
Opertztte, in Presse und Bild muß alles ge- 
tan werden, um dem bäuerlichen Wesen 
Deutschlands Genüge zu tun. Die Partei 
selbst muß dabei überall die Initiative er- 
greifen und die Aufgaben des Bauerntums 
auf ihre Fahne schreiben! 


Das Ziel des bäuerlichen Berufs- 
erziehungswerkes 


Es darf in diesen großen Zusammenhän- 
gen darauf verzichtet werden, Sinn und 
Auswirkungen des Aufbaues einer gesetz- 
lich geordneten Bauernlehre zu schildern, 
die unser Landvolk bislang so sehr ent- 
behrt hat, obgleich die bahnbrechenden 
Anfänge schon rund 45 Jahre zurück- 
reichen. Darüber ist oft geschrieben wor- 
den. Bei allem ist sofort eine der vor- 
dringlichsten Aufgaben die Entwick- 
lung eines politischen bäuerlichen 
Führertums. Wenn wir hierbei vom an- 
gestrebten Ziele noch weit entfernt sind, 
so darf uns das nicht wundernehmen, denn 
nach dem Verlust der Bauernkriege hat es 
eine „politische Bauernführung“ bei uns 
nicht mehr gegeben. Die Schaffung eines 


283 


vorbildlichen Typs des kommenden deut- 
schen ehrenamtlichen Bauernführers ist 
daher die Krönung des bäuerlichen Berufs- 
erziehungswerkes, dessen politischer Sinn 
nirgends mehr zum Ausdruck kommt als 
gerade in dieser Aufgabe. 

Beim Bauernführer der Zukunft muß 
die allumfassende Erziehung sowohl die 
Verstandeskräfte stärken wie sich auch art- 
gemäßer Erlebnisketten bedienen, Leibes- 
ertüchtigung zum Zwecke der Körper- 
stählung wie auch der Einwirkung auf 
Charakter- und Entschlußfähigkeit werden 
wichtig sein. So muß es uns gelingen, eine 
Einheit der deutschen Schaffens- 
kraft wie auch der nationalsozia- 
listischen Führungsrichtung herzu- 
stellen und damit den Tatendrang unserer 
Menschen mit ihrer Freiheitssehnsucht zu 
verbinden. Die größte aller Naturgewalten 


ist die Leistungskraft, die in uns selbst 
schlummert. Wir aber sind auf Bauerntum 
gezüchtet, und die Politik soll die in uns 
wirkende Macht unserer Rasse entwickeln 
und lenken. Stadt und Land müssen das 
begreifen und sich gemeinsam im Ziele der 
Verbäuerlichung unseres ganzen Volkes 
finden. Die innere Revolution gegen die 
uns in der Vergangenheit aufgezwungene 
Vermassung mußte kommen, da wir bäuer- 
lichen Wesens sind, und der Sieg ist uns 
sicher, denn im Ringen werden wir immer 
neue und wachsende Kräfte entwickeln. 
Schon Clausewitz sagte: „Wer im Kriege 
entschlossen das Größte will, gibt 
dem anderen das Gesetz!" So haben 
auch wir für das Bauerntum und damit die 
ganze deutsche Nation das Größte zu 
wollen, um damit die uns entgegenstehen- 
den Mächte aus dem Felde zu schlagen. 


w 


„An unsere Arbeit wird letzten Endes vergebens sein, wenn 


nicht die deutsche Jugend zum Bauerntum zurückfindet, wenn 
sie nicht arbeitshart und willensstark das bäuerliche Erbe der 
Vorfahren übernimmt. Seien wir uns darüber klar, daß die Zu- 
kunft des deutschen Volkes im Dunkeln liegt, wenn die bäuer- 


liche Bevölkerung, wie es jetzt der Fall ist, nur 18 v.H. des 
Gesamtvolkes ausmacht. Ich glaube, daß hier der Angelpunkt 


- unserer Bewährung als Nationalsozialisten ist. Wir werden das 


Programm der Bewegung niemals verwirklichen, wenn wir 


nicht wieder einen breiten Strom landwilliger deutscher Ju- 
gend in die bäuerliche Siedlung leiten.” 


Herbert Backe am 28. November 1943 


284 


in Ulm 


HERMANN KOCH: 


Die Aufgaben des 


bäuerlichen Berufserziebungswerkes 


Durch die Verkündung des bäuerlichen Be- 
rufserziehungswerkes im November 1942 hat 
Oberbefehlsleiter Reichsminister Backe dem 
Reichsamt für das Landvolk und dem Reichs- 
nährstand eine Aufgabe unerhörten Ausmaßes 
und höchster Verantwortung gestellt, gilt es 
doch, die Erziehungsmächte, die den Land- 
menschen formen, so zu gestalten, daß sie dem 
bäuerlichen Erziehungsziel dienen können. Bis- 
her war der Erfolg der Erziehung nach dem 
technischen, wissenschaftlichen, wirtschaft- 
lichen, religiösen oder militärischen Sonderziel 
der jeweiligen Erziehungsmacht nur eben ein 
Teilerfolg, weil ein diese Einzelziele verbin- 
dendes Gesamtziel, die Erziehung zur bäuer- 
lichen Persönlichkeit, fehlte. Die Folge davon 
war im ganzen gesehen die Förderung der Land- 
flucht. Diese Diskrepanz der Erziehungsmächte 
muß überwunden werden. Ausgangspunkt ist 
die Gewinnung der Erzieherpersönlichkeiten für 
das Erziehungsbild des bäuerlichen Berufes, 


Die Erziehungsmächte, die gewonnen werden 
müssen, sind: das Elternhaus, die Volks- und 
Hauptschule, die Hitler-Jugend, die Lehrherren 
und Lehrfrauen, die Schulen, die dem bäuer- 
lichen Beruf in besonderem dienen sollen, ferner 
Arbeitsdienst und Wehrmacht. Alle diese 
Erziehungsmächte müssenihre eigene 
besondere Aufgabe unter dem Blick- 
punkt der Erziehung zur bäuerlichen 
Persönlichkeit erfüllen, denn jede dieser 
Mächte hat den jungen Menschen in einem 
wichtigen Lebensabschnitt in der Hand. Wenn 
man von der Einheit der Person des zu Er- 
ziehenden einerseits und der Notwendigkeit der 
bäuerlichen Erziehung im Interesse des Volkes 
andererseits ausgeht, so kann an der Berech- 
tigung dieser Forderung überhaupt nicht ge- 
zweifelt werden. Daß das große Erziehungsziel 
vergessen und nur Einzelziele gepflegt wurden, 
lag an dem Mangel grundsätzlicher Erkenntnisse 
der vorausgehenden Epochen, der scheinbaren 
Unerschöpflichkeit der bäuerlichen Volkskraft 
und zuletzt an der klaren Absicht der führenden 
Vertreter des jüdischen Materialismus, das 
Bauerntum zu vernichten. 


Es ist klar, daß so weitgesteckte Ziele nicht 
in Kürze zu erreichen sind. Die wichtigste Auf- 
gabe ist die Erziehung der Erzieher 
selbst. Der erste Schritt dazu ist vom Reichs- 
nährstand in der Schaffung einer Ausbildungs- 


ordnung getan worden, durch die auch die 
Auswahl, Anerkennung und Ausrichtung der 
Lehrherren und Lehrfrauen vorgeschrieben, 
ferner die Einsetzung von Bauern, Bäuerinnen 
und anderen Lehrmeistern als Beauftragte der 
Landes- und Kreisbauernschaften zur Aktivie- 
rung der Berufserziehung im Betrieb angeordnet 
wurde. Welche Schwierigkeiten besonders im 
Kriege bei der Auswahl der als Führungskräfte 
geeigneten Personen und ihrer Freimachung zur 
Mitarbeit auftreten, braucht nicht dargestellt zu 
werden. Von der Aktivität der Beauftragten 
hängt es weitgehend ab, ob überhaupt Lehr- 
herren und Lehrfrauen zur Verfügung stehen. 
Bauern und Bäuerinnen sind bei der ungeheuren 
Arbeitsbelastung oft schwer zu überzeugen, daß 
die Einstellung eines Lehrlings vor der Be- 
schäftigung einer fremdvölkischen Kraft vor- 
geht. Man darf hier zugeben, daß die Lehr- 
lingserziehung im Bauernhof, wo sie richtig 
durchgeführt wird, bedeutende Pflichten und 
Opfer von den Erziehern fordert, für die sie 
keine materielle Entschädigung erhalten. Auch 
der Vorteil der späteren Verwendung einer 
tüchtigen, im eigenen Betrieb als Lehrling aus- 
gebildeten Kraft besteht meist nicht, weil die 
Lehrlinge nach der Lehrzeit den Betrieb wech- 
seln wollen oder Schulen besuchen usf. Lehrherr 
und Lehrfrau sein, erfordert Opfersinn, Idealis- 
mus, und besonders dann, wenn sie sehen 
müssen, daß ihr Erziehungserfolg durch andere 
Erziehungsmächte wieder aufgehoben wird. 


Dies alles entbindet aber die Vertreter des 
bäuerlichen Berufes nicht davon, als die be- 
rufensten Erzieher des bäuerlichen Nach- 
wuchses Lehrlinge in möglichst großer Zahl 
auszubilden. Es gibt heute noch bei weitem 
nicht genug Lehrstellen, um die erfor- 
derlichen Nachwuchszahlen aufzunehmen. Die 
Zahl der Lehrstellen für die Landwirtschafts- 
lehre betrug am 31. Dezember 1943 im Reich 
24000; insgesamt waren an diesem Stichtag 
rund 8000 männliche und 500 weibliche Land- 
wirtschaftslehrlinge vorhanden. Neu eingetreten 
sind im Jahre 1943 rund 6600 männliche und 
350 weibliche Landwirtschaftslehrlinge. Be- 
sonders mangeln Lehrstellen für Mäd- 
chen. Die Zahl der Lehrstellen für die ländliche 
Hauswirtschaftslehre betrug am 31. Dezember 
1943 im Reich 14 600; insgesamt waren an die- 
sem Stichtag 13000 Hauswirtschaftslehrlinge 


288 


a — ———— —— . ¶—Q. en wen mn — 


vorhanden. Neu eingetreten sind im Jahre 1943 
9600 Hauswirtschaftslehrlinge. Da von Jahr zu 
Jahr erhebliche Steigerungen der Lehrlings- 
zahlen eintreten, ist der Mangel an Lehrstellen 
klar ersichtlich. Die Erziehung der Mädel ist 
auch im Kriege möglich und deshalb so wichtig, 
weil durch sie die bäuerliche Frage und damit 
die Zukunft des Volkes entschieden werden 
wird. 


Wenn ein junger Mann auf dem Lande keine 
Frau mehr findet, die Bäuerin oder auch Land- 
arbeiterfrau werden will, so ist er gezwungen, 
abzuwandern, auch wenn er selbst dem bäuer- 
lichen Beruf treu bleiben will. Heute ist es so, 
daß von den hauswirtschaftlichen Lehrlingen 
nur der kleinste Teil in der prak- 
tischen Arbeit im Hof verbleibt. Der 
größere Teil mündet in Berufe ein, die am 
Bauerntum und Volk fördernd tätig sind (z.B. 
als Lehrerinnen, Beraterinnen, RAD.-Führerin- 
nen, KLV.-Lagerleiterinnen usf.), um dort wich- 
tige erzieherische Aufgaben zu übernehmen, 
Ein großer Teil dieser Mädel stammt nicht vom 
Hof. Noch aber fehlen das Bauernmädel und das 
Landarbeiterkind, die sich freiwillig der bäuer- 
lichen Berufserziehung unterziehen, um Bäuerin 
und Neubäuerin zu werden! Zwar bleiben viele 
Töchter im elterlichen Hof und leisten dort 
wertvolle Mitarbeit. Der aktive Entschluß aber, 
die Zukunft des Bauerntums selbst mitzugestal- 
ten, fehlt. Es fehlen also nicht nur Lehrstellen, 
sondern auch Lehrlinge. Die Arbeit der Beauf- 
tragten und auch Jugendberufswarte und Ju- 
gendberufswartinnen steht noch im Anfang. 


Die Zahlen der Lehrlinge, die den ersten 
Teil der Lehre als Landarbeitslehrlinge oder 
Hausarbeitslehrlinge im elterlichen Betrieb ab- 
leisten, sind natürlich wesentlich höher. Sie 
betrugen am 31. Dezember 1943 110000 Land- 
arbeitslehrlinge und rund 117500 Hausarbeits- 
lehrlinge. Neu eingetreten sind davon im Jahre 
1943 63000 Landarbeitslehrlinge und 68 000 
Hausarbeitslehrlinge. Aber auch sie erreichen 
noch nicht die unterste Grenze des 
jährlichen Nachwuchssolls, die bei je 
150000 männlichen und weiblichen Jugend- 
lichen liegt und nur den Ersatzbedarf des 
Reichsgebietes, nicht die Wachstumsquote be- 
rücksichtigt. Darin sind auch nicht die Zahlen 
der anderen Berufe enthalten. Das Nachwuchs- 
soll z.B. für den Gärtnerberuf beträgt 8000, für 
Fischer und Molkereifachleute 2000. 


Um die Lehrherren und Lehrfrauen für die 
Erziehung des Nachwuchses im bäuerlichen Be- 
ruf und zur bäuerlichen Haltung zu befähigen, 
wird eine intensive Schulungs- und 
Aufklärungsarbeit betrieben, die in der 
Hauptsache von den Beauftragten zu leisten ist. 
Es sind nicht nur mit Hilfe der Wirtschafts- 
beratung Fragen technischer und betriebswirt- 
schaftlicher Art zu lösen, um den Lehrbetrieb 
zu vervollkommnen. Ausbildungspläne für die 
praktische Lehre und regelmäßige Uberprüfun- 


286 


‚Lehrlingslehrgängen, 


gen des Kenntnisstandes der Lehrlinge, Lehr- 
herren- und Lehrfrauenunterweisungen an Hand 
dieser Uberprüfungen, Merkhefte der Lehrlinge 
sichern einen Mindeststand der Ausbildung 
schon heute. Das Wesentlichste ist es aber, die 
Lehrherren und -frauen für die Aufgabe als 
bäuerliche Erzieher zu gewinnen, die es ver- 
stehen, der Jugend Vorbild zu sein und in 
ihre Herzen ein unverlöschbares Ideal ein- 
zupflanzen. Besonders im Beruf der Bäuerin 
müssen alle Aufgaben der bäuerlichen Kultur 
wie die Pflege der Familie, des Brauchtums, des 
Bauerngartens, die Wohn-, Feier- und Freizeit- 
gestaltung, die Entwickluug der Kleidung und 
Tracht, und andere, die die verbindenden 
Lebenswerte darstellen, wieder aufgezeigt und 
lebendig gemacht werden. Die freudlose Erstar- 
rung im reinen Wirtschaftsbetrieb, die die 
Bäuerin von ihren höheren Zielen ablenkte und 
heute oft die Jugend abschreckt, darf nicht mehr 
Vorbild für künftige bäuerliche Generationen 
sein. Die natürliche Fröhlichkeit des ländlichen 
Lebens und Erlebens trotz aller Härten muß das 
Gesicht des Lehrbetriebes bestimmen. Die Lehr- 
herren und -frauen müssen als bäuerliche Per- 


` sönlichkeiten werbend wirken, und ihre immer 


größer werdende Zahl muß sehließlich auch die 
Zahl des Nachwuchses sichern. 


Die Selbsthilfe des Bauerntums erschöpft sich 
aber nicht in der Stellung der Lehrbetriebe und 
der Unterweisung der Lehrherren und -frauen. 
Sie greift auch über den Lehrbetrieb hin- 
aus in die Erziehung der Lehrlinge ein, die in 
Arbeitsgemeinschaften, 
Lehrlingstreffen, Lehrfahrten und nicht zuletzt 
im Reichsberufswettkampf zu kleineren und 
größeren Leistungsgemeinschaften zusammen- 
gefaßt werden. Dort wird in erster Linie das 
Erlebnis des bäuerlichen Berufes gepflegt, das 
der Lehrbetrieb und die Dorfgemeinschaft heute 
oft noch nicht — oder nicht mehr — bieten. 
Diese Arbeit wird auch von der Hitler-Jugend 
mitgetragen, der vom Reichsjugendführer die 
stärkste Förderung der bäuerlichen Erziehung 
anbefohlen ist. 


So wird allmählich durch den Ausbau des 
Berufserziehungswerkes allen Maßnahmen der 
praktischen Berufserziehung der Charakter des 
Willkürlichen und nur Zufälligen genommen. 
Bei aller Freizügigkeit, die gerade der 
praktischen Ausbildung bleiben muß, schafft 
das Berufserziehungswerk grundsätzliche 
Linien und Mittel, nach denen die bäuer- 
liche Lehre im ganzen Reich gestaltet wird, und 
bringt so allmählich den Gedanken der Berufs- 
erziehung in der breiten Masse zum Bewußtsein 
und Durchbruch. 


Weit schwieriger als die Beeinflussung der 
ständigen Lehrherren und -frauen ist die Ge- 
winnung des bäuerlichen Eltern- 
hauses für die Erziehung zum bäuerlichen 
Beruf. Aus den unbäuerlichen Einflüssen der 
früheren Epochen heraus, deren Folge ja 


schließlich auch die materielle Unterbewertung 
der bäuerlichen Arbeit und die Betriebsver- 
kleinerung und -zersplitterung ist, drängen 
unbefriedigte Eltern ihre Kinder oft geradezu 
aus dem bäuerlichen Beruf hinaus. Dagegen ist 
Aufklärungsarbeit auf breitester Ebene zu 
leisten, für die alle Kräfte der Partei, des Staates 
und der Gemeinde einzuspannen sind, in beson- 
derem Maß aber die Lehrerschaft der Landschule. 


Das bäuerliche Berufserziehungswerk hat die 
Verbindung und Zusammenarbeit mit allen den 
Stellen, Erziehern und Beratern aufgenommen, 
die irgendwie am Elternhaus und an der Land- 
jugend arbeiten. Der Landlehrerschaft 
kommt dabei — neben den Berufsschullehrern, 
den Landwirtschaftslehrern und Wirtschafts- 
beratern — die größte Bedeutung zu. Ihrer Er- 
ziehungsarbeit ist es häufig zu verdanken, wenn 
die Jugend sich dem bäuerlichen Beruf zuwen- 
det, wie es umgekehrt auch oft der Lehrer ist, 
der die Landflucht begünstigt. Entscheidend 
sind dabei Herkunft und persönliche Erfahrun- 
gen wie auch die Fähigkeit des Lehrers, sich in 
die ihm vorher vielleicht unbekannten länd- 
lichen Verhältnisse einzufühlen. Auf jeden Fall 
ist aber festzustellen, daß die Landschule sich 
bisher grundsätzlich darauf beschränkt hat, 
Elementarwissen zu vermitteln, nicht aber der 
Erziehung der Landjugend zum bäuerlichen 
Beruf zu dienen. Darauf ist auch die Lehrer- 
ausbildung beschränkt worden. 


Es ist klar, daß frühere Versäumnisse in dieser 
Hinsicht, deren liberalistische Wurzel wun- 
zweifelhaft ist, schnellstens verbessert werden 
müssen. Die Schulung der Landlehrer im 
Rahmen des bäuerlichen Berufserziehungs- 
werkes ist im Einvernehmen mit den Unter- 
richtsbehörden in vollem Gang. Die Mitarbeit 
der Lehrerschaft an wichtigen Aufgaben, wie 
Dorfkulturarbeit, Schaffung von Dorfnachwuchs- 
plänen usf., ist vom Reichsamt für das Land- 
volk, Reichsnährstand und Reichsminister für 
Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ver- 
anlaßt worden. Der Lehrer soll wieder der 
Erzieher des Dorfes werden, eine Lebens- 
aufgabe, wie sie schöner und wesentlicher nicht 
gestellt werden kann und wie sie dem städti- 
schen Klassen- und Fachlehrer nie zuteil wird. 


Von größter Bedeutung ist daher auch die 
Erziehung der künftigen Lehrer. Dieser 
Frage muß vom bäuerlichen Berufserziehungs- 
werk größte Aufmerksamkeit gewidmet werden. 
Sie muß auf die Erfordernisse des Volkslebens 
mindestens ebenso stark wie auf die Fachfragen 
des Wissens und der Pädagogik abgestellt 
werden. 


Daß das Landkind in den bäuerlichen Beruf 
hineingeboren wird, daß es in ihm aufwächst 
und ihn nach Maßgabe seiner Körper- und 
Geisteskraft schon im Kleinkindalter ausübt 
und daß es deshalb vom Erlebnis seines Be- 
rufes, des Hofes, der Familie, des Dorfes und 
der ländlichen Kultur aus anzupacken ist, daß 


ferner zum bäuerlichen Beruf und Leben 
Leistungen und Werte gehören, die über den 
fachlich-wirtschaftlichen Aufgaben stehen und 
zu den höchsten Werten des Volkslebens ge- 
hören, haben viele Lehrer in ihrer persönlichen 
Arbeit berücksichtigt, weil sie das bäuerliche 
Leben kennen. Diese Fragen müssen aber In- 
halt des Lehrplanes und des Unter- 
richtes sowohl in der Lehrererziehung wie in 
der Landschule selbst werden, dann erst wird 
sie den ihr zukommenden Auftrag der Volks- 
erziehung erfüllen können. Die Lösung der 
Schulfragen in der Neugestaltung des ländlichen 
Erziehungswesens wird eine der wichtigsten 
Aufgaben der Nächstzeit sein. Dazu gehört auch 
das ganze Problem der dem bäuerlichen Beruf 
unmittelbar dienenden Schulen bis zur Land- 
wirtschaftlichen Hochschule wie auch die all- 
gemeinbildende Höhere Schule, 


Es muß dem Landkind ermöglicht werden, die 
praktische Ausbildung im bäuerlichen Beruf in 
den Jahren abzuleisten, die dafür die geeignet- 
sten sind, also in einer dreijährigen Lehre vom 
14. bis 17. Lebensjahr, ohne daß es dadurch die 
Möglichkeit der Hochschulbildung verliert. 
Wenn durch das bäuerliche Berufserziehungs- 
werk dafür gesorgt wird, daß in Zukunft für die 
Persönlichkeitserziehung in der Praxis alle 
Mittel ausgeschöpft werden, dann muß auch die 
Schule die im praktischen Leben erworbenen 
Bildungswerte berücksichtigen. Eine neue 
Schulform, die als ländliche Oberschule auf 
der praktischen Ausbildung aufbaut und in 
etwa zwei Jahren zur Hochschulreife führt, kann 
diesen besonderen Verhältnissen Rechnung 
tragen. Daß man den Landlehrer auch über die 
bäuerliche Berufserziehung und eine solche 
Oberschule gewinnen könnte, ist eine Frage, 
die ernsthafter Erörterung bedarf. Für die 
beruflichen Schulen einschließlich der Hoch- 
schule muß die Forderung erhoben werden, sie 
ihres Fachcharakters zu entkleiden und im Lehr- 
stoff wie auch in der Lehrerausbildung die 
totalen Aufgaben des bäuerlichen 
Berufes zu berücksichtigen. Es ist untragbar, 
daß die Landwirtschaftliche Hochschule nur 
Fachleute, aber keine totalen bäuerlichen Per- 
sönlichkeiten heranbildet. Auch der zeitigen 
Heranziehung und der Auslese des Hochschul- 
lehrernachwuchses muß viel mehr Bedeutung 
beigemessen werden als bisher. 


Ein besonderes Wort ist noch den künfti- 
gen Aufgaben der Bauernschulen und 
Webschulen zu widmen, die im bäuerlichen 
Berufserziehungswerk eine besonders wichtige 
Stellung einnehmen, weil sie bisher die einzigen 
Stätten weltanschaulicher und kultureller Aus- 
richtung des bäuerlichen Nachwuchses sind. Ihre 
Zahl ist gegenüber den übrigen Schularten sehr 
klein. Je mehr die übrigen Schularten in die 
Erziehung zur bäuerlichen Lebenshaltung ein- 
geschaltet werden, wird es Aufgabe der Bauern- 
schule sein, den Nachwuchs für die ehrenamt- 
lichen Führungsaufgaben auszulesen und poli- 


287 


— — NE ÉIER, BE ar on z e 


tisch auszurichten. Heute schon sind sie zum 
Teil damit betraut, Lehrgänge für Beauftragte 
und Jugendberufswarte(innen) durchzuführen. 


Die Webschulen des Reichsnährstandes, die 
bisher aus verschiedenartigen Anfängen ent- 
wickelt wurden, haben nun durch eine neue 
Anordnung des Oberbefehlsleiters Reichs- 
minister Backe eine endgültige Aufgabenstel- 
lung erhalten. Danach werden besonders die 
Kreiswebschulen zur breiten Grundlage für 
die kulturelle Erneuerung des Dorfes 
werden. Gauwebschulen und eine Reichsweb- 
schule haben für die Ausbildung der Lehrkräfte 
und der übrigen weiblichen Führungskräfte im 
bäuerlichen Berufserziehungswerk in den kul- 
turellen Fragen zu sorgen. Das tiefe Reservoir 
für die Auswahl der als Lehrkräfte geeigneten 
Mädel sind und werden die Kreiswebschulen, 
Die tüchtigsten Kräfte werden dann allmählich 
nach oben gesteuert. So wird sich für die Zu- 
kunft in dieser wichtigen Gruppe von Schulen 
eine planvolle Stetigkeit entwickeln, deren 
gerade die kulturelle Entwicklung des Dorfes 
bedarf. 

Da8 die Zusammenarbeit mit der 
Waffen- und der Wehrmacht mit dem 
Ziel aufgenommen wurde, auch innerhalb dieser 
für die Charakterbildung des Mannes entschei- 


denden Erziehungsmächte dem Gedanken der 
Erziehung zum Bauerntum zum Durchbruch zu 
verhelfen, soll an dieser Stelle nur erwähnt 
werden. 


Von den großen Aufgaben, die dem Berufs- 
erziehungswerk in erdrückender Fülle gestellt 
sind, konnten nur die wesentlichsten genannt 
und gestreift werden. Einzelaufgaben, wie sie 
etwa die Nachwuchsgewinnung und -werbung 
in großer Zahl und Vielgestalt bringt oder wie 
sie die Ausbildungsordnung für die rund Ai 
Berufsarten der Land- und Forstwirtschaft, der 
Fischerei und des Gartenbaues und die Stellung 
klarer Berufswege und -ziele, die Schaffung der 
Berufslehrgänge, Prüfungen und sonstigen Aus- 
bildungsmittel dafür stellt, konnten gar nicht 
berührt werden. Sie sind ja auch schon teilweise 
erfüllt worden. Ebensowenig konnte ein Gesamt- 
überblick über den im Gang befindlichen orga- 
nisatorischen und personellen Aufbau dessen, 
was man als bäuerliches Berufserziehungswerk 
zusammenfassen muß, gegeben werden. Die 
Dinge befinden sich hier noch im Fluß. Nur das 
eine muß zum Schluß erneut betont werden, daß 
die Größe der Gesamtaufgabe jeden 
Einsatz lohnt und daB es der besten Kräfte 
und der großzügigsten Mittel bedarf, um dieses 
Werk zum Wohle des Reiches zu vollenden. 


Der tüchtige Bauer leistet viel für die Erzeugungsschlacht. Der 


tüchtige Lehrherr leistet noch mehr für den Sieg und die 
deuische Zukunft. Die vornehmste Aufgabe jedes deutschen 
Bauern und jeder deutschen Bäuerin muß es sein, Jahr für Jahr 
Lehrlinge ausbilden zu können. Die tüchtigsten Bauern und 


besten Nationalsozialisten sollten ihren Ehrgeiz darein setzen, 


als Lehrherren und Lehrfrauen anerkannt zu werden. 


Herbert Backe am 29. Januar 1942 in Posen 


288 


Ahn und Enkel 


Lande 


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Der Mutter abgesehen Früh übt sich. 


Die Fahrten mit dem Milchwagen sind für die beiden Jüngsten eine besonders beliebte Arbeit 


Mit dem ersten selbständigen Schritt über die 
Schwelle der Kinderstube wächst das Kind auf 
dem Lande in die Arbeit des Hofes hinein. 
Leben und Arbeit sind auf dem Lande noch eine 
so natürliche Einheit, daß dieses frühzeitige 
Mitschaffen des Kindes eine Selbstverständlich- 
keit ist, die auch vom Kinde, das alles um sich 
herum stets in reger Tätigkeit sieht, so emp- 
funden wird. Das Kind fühlt sich einbezogen in 
seinen Lebenskreis, auch seine junge Kraft als 
voll genommen. Dieses Gefühl gibt ihm Freuden 
eigener Art, die nur das Landleben noch kennt. 
Rechts: Ausmarsch zur Hackarbeit auf dem 
Felde. — Unten: Der künftige Bauer unter 
väterlicher Anleitung hinter der Egge 


ge. e gf EE mn ——ů — 


7 4 


Großmutter erzählt. Ihre Geschichten aus dem 

Lebens des Hofes, aus der Sagen- und Märchen- 

welt der Heimat verleihen dem alltäglichen 

Geschehen einen eigenen Glanz, einen tiefen 

Sinngehalt, der das ganze Leben nachwirkt. 
Unten: Mutter beim Brotbacken 


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3 


KARL SPRINGENSCHAMID: 


DER HOF ERZIELT 


Ungebrochen ist des Hofes Kraft 


s ist wie immer. Im Grunde des Tales liegt 
ser Dorf. Die Berge stehen darüber ruhig 
und fest. In breiten, dunklen Flächen erfüllt der 
Wald ihre Hänge. Einzeln stehen die Höfe an 
den steilen Lehnen. Die Häuser sind fest gefügt. 
Aus Steinen ist der Grund gesetzt. Wind und 
Wetter haben das Holz des Oberstockes ge- 
bräunt. Weit ausladend greift das breite 
Schindeldach darüber. Die Scheune liegt, ab- 
gesetzt vom Hause, auf freiem Raume, geräumi- 
ger als das Haus selbst. Daneben steht der hohe 
Treidkasten. Unter den letzten Kirschbäumen 
ist die Immenhütte, seitab der Backofen und eine 
Wegbreite drüben das Ausgeding. Wie ein Dorf 
im kleinen sieht jeder Hof aus, und er ist es 
auch. Weitum liegt die Flur. Die Acker sind 
wohl bestellt. Wer auf dem Dorfplatz steht, 
kann genau erkennen, welches Feld auf jedem 
Hof in diesem Frühjahr unter dem Pflug ist; 
denn in kräftigen Gevierten liegt die auf- 
gebrochene Erde der Acker da. Die Wiesen da- 
neben stehen im ersten Grün. Weide und Hal- 
den ziehen bis an den Wald hinauf, von oben 
her reichen die Almwiesen herab. Das ist unsere 
Welt! 


Der Krieg ist weit. Ganz an das Ende des Erd- 
teiles, bis an das Eismeer, ist er hinausgerückt. 
Dort stehen viele der jungen Männer unseres 
Dorfes. Vierzehn Tage brauchen sie, bis sie von 
ihrer Front bis in das Dorf kommen. Diese vier- 
zehn Tage ununterbrochene Fahrt mit Wagen, 
Schiff und Bahn sind den Menschen des Dorfes 
das sichtbarste Zeichen dafür, wie weit der 
deutsche Soldat den Krieg über die eigenen 
Grenzen hinausgetragen hat. Andere stehen 
freilich näher der Heimat, in den Ebenen des 
Ostens, an der Front des Südens. Aber auch sie 
fahren noch viele Tage bis ins Dorf. Nirgends 
ist der Krieg so nahe, wie er damals in den 
Jahren von 1914 bis 1918 war. So ist der Frieden 
des Tales wohlbehütet. Und doch ist der Krieg 
im anderen Sinne wieder nahe genug, oft mitten 
unter uns. Es ist damit nicht die Unruhe ge- 
meint, die von der Art kommt, wie die Feinde 
den Luftkrieg führen; denn gerade diese Form 
des Krieges ist dem Bauer, dem jeder Kampf ein 
Kampf um Erde ist, völlig fremd. Gewiß, auch 
das Dorf spürt manches davon. Doch das Land 
ist weit und hat Raum genug. Die Berge werden 


den andern ein Land des Schreckens. Der Krieg 
ist dann nahe, wenn er mitten unter die jungen 
Mannsleute des Dorfes greift. Zu Ostern hat er 
den Jungbauern vom Pertillerhof gerufen, 
gestern den vom Obristhof, den Knecht Kaspar. 
Fremde Menschen sind dafür auf die Höfe ge- 
kommen. Das ist arg genug; denn der Hof duldet 
an sich nichts Fremdes. Es ist ein altes Gesetz 
des Bauern, wer seine Arbeit tut, gehört zu ihm. 
Und doch ist es not, ja notwendiger denn je, 
das Trennende zwischen uns und diesen Frem- 
den aufzurichten. Das gibt manche Sorge, 


Doch die Arbeit geht weiter. Der Hof bleibt, 
im Krieg wie im Frieden, er überdauert jede 
Not. Dies ist wahrhaft ein Segen; denn der Hof 
trägt das Leben. In einem einzigen Jahre sind 
auf unseren Höfen doppelt so viele Kinder in die 
Welt gekommen, als uns dieser Krieg von 
seinem Anbeginn bis heute genommen hat. Dies 
ist doch das Schönste und Tröstlichste, das wir 
in dieser Zeit sagen können. 


Vor jeder Schule steht der Hof 


Eines sei vorangestellt: Der Hof, nicht die 
Schule hat den Bauern erzogen. Zu sehr 
denken wir immer, wenn wir von Erziehung 
sprechen, an die Schule. Doch längst, ehe es 
Schulen gab, standen schon die Höfe im Lande, 
und ein kräftiges, gesundes Bauerntum wuchs 
auf ihnen heran. Wenn der Hof gut ist, geraten 
auch die Kinder gut. Was ein schlechter Hof 
aber an den Kindern sündigt, macht die beste 
Schule nicht wieder gut. 


Gewiß, Schulen müssen sein, gerade auch für 
den Bauern. Aber niemals darf die Schule in der 
Auffassung leben, sie allein müsse den Bauern 
erziehen, wie das die liberale Pädagogik lehrte. 
Alle Schulen, die dem Bauern helfen wollen, 
müssen auf jene „Urpädagogik" aufbauen, die 


von den Höfen kommt und weit vor jeder Schul- 


erziehung liegt. 

Man hat gesagt, eine Auffassung wie diese 
wäre rückständig; denn sie führe die Erziehung 
auf eine bloße Wirkung der Umwelt zurück. 
Einzelne Unentwegte meinten sogar, die längst 
überwundene „Milieutheorie“ würde durch 
solche Ansichten wiederkehren. Wahrscheinlich 
sind Menschen, die so urteilen, nie auf einem 
Bauernhof gewesen, jedenfalls haben sie nie 
dort gearbeitet. Sie müßten sonst erkannt haben, 


289 


daß es nicht eine bloße „Umwelt“ ist, die er- 
zieht, also nicht die Welt „um“ das Kind, son- 
dern die Welt, „in“ der das Kind steht. Es geht 
nicht um etwas, das außerhalb des Kindes 
liegt und auf dieses einwirken würde, sondern 
es handelt sich umgekehrt darum, daß die Welt, 
die das Kind in sich trägt, sich nach außen 
hin in seinem Wesen immer stärker ausprägt 
und schließlich den jungen Menschen völlig 
erfüllt. 


Der Bauernhof ist also nicht ein „Milieu“, er 
ist vielmehr eine kraftgeladene Welt, in der 
jeder Teil auf die andern wirkt und das Ganze 
den einzelnen bindet. Der Bauernhof ist eine 
Stätte echter, erzieherischer Wirkung. Diese 
Erziehung bleibt durchaus nicht im Unbewußten 
und Unbeabsichtigten stehen. Sie hat vielmehr 
ihre durch Sitte und Brauch genau festgelegten 
Formen und Gesetze. Der Hof erzieht nur ruhi- 
ger, unauffälliger, aber dafür auch stetiger als 
die Schule. 


Erziehung durch das Natürliche 


Dies hängt fürs erste damit zusammen, daß 
der Hof ein Stück Natur ist, von Menschen ge- 
staltet, aber auch den Menschen gestaltend. 
Gerade der Krieg, in dem wir stehen, beweist 
uns, daß in dieser Tatsache die Grundgesetze 
des bäuerlichen Wesens überhaupt beschlossen 
liegen. 


Der Farmer in Amerika, der Roboter auf dem 
Sowjetkollektiv, keiner von beiden steht noch 
in einem Stück Natur. Sie haben die Grenze, 
die zwischen dem Naturgebundenen und dem 
Unnatürlichen liegt, überschritten. Was sie hält 
und bindet, ist nicht mehr Natur, sondern 
äußerer Zwang. 


Der Hof des deutschen Bauern aber hält seit 
Jahrtausenden achtsam die Grenze ein, die ihm 
in der Naturgebundenheit gesetzt ist. Der Bauer 
auf dem Hofe zwingt einerseits die Natur, die 
„immer danach strebt, ihren ursprünglichen Zu- 
stand wieder zu erreichen. Alles Roden, Jäten, 
Züchten ist im Grunde genommen nur ein 
immerwährender Kampf gegen diese vor- 
brechende Natur; denn der Acker will wieder 
zum Wildwuchs werden. Der Wald drängt über 
die Zäune auf die Halden und Wiesen herein. 
Auch der Berg tritt dazwischen. Wildwasser, 
Mure und Lahn brechen in den behüteten Raum 
des Hofes ein. Der Bauer muß sich ständig 
wehren; wenn er die Hände in den Schoß legt, 
rückt ihm die ungebärdige Natur über den Hof. 


Doch diese Gegenwehr hat für ihn ihre deut- 
liche Grenze. Niemals, das spürt der Bauer als 
ungeschriebenes Gesetz in sich, trifft er in 
seiner Arbeit die Natur in ihrer eigenen Kraft 
selbst. Er beutet den Boden nicht bis zum letz- 
ten aus, er schlägt den Wald niemals völlig 
nieder. Er hält stets an jener Stelle inne, die 
ihm das innere Gesetz des Hofes vorschreibt. 
So steht der Hof nicht für etwas, das für immer 
unveränderlich so gegeben wäre. Der Hof ist 


290 


vielmehr eine Aufgabe, die Tag um Tag neu 
gelöst werden muß. 

Schon deshalb ist der Hof nicht irgendeine 
„Umwelt“, sondern tatsächlich eine ganze, 
insich geschlossene Welt für sich. Die 
erzieherische Wirkung des Hofes beruht gerade 
darauf, daß er ein Stück Natur, also ein „Leben- 
diges” ist. Der Mensch kann die Natur in die 
Schranken fordern, er kann ihr vorübergehend 
seinen Willen aufnötigen. Darauf beruhen die 
materiellen Erfolge der Sowjets und der Ameri- 
kaner, denn sie sind nicht durch Erfahrung und 
Einsicht in dieser Ausbeutung alles natürlich 
Gegebenen gehemmt. Aber im letzten setzt sich 
doch immer wieder die Natur selbst durch und 
bleibt die Stärkere. Deshalb bleibt schließlich 
auch der als letzter auf dem Plan, der sie nicht 
mißbraucht, sondern der sie klug zu nützen weiß 
und mit ihr geht. Dies gilt für die Produktion von 
Panzern ebenso wie für die Erziehung des 
Menschen. 


Leben und Arbeit sind eins 


Auf dem Bauernhof ist das Leben noch ein 
Ganzes. Es läuft nicht zwischen Heim und 
Arbeitsplatz getrennt, denn der Hof schließt 
alles Lebendige in sich, er ist Heim im besten 
Sinne des Wortes. Er ist zugleich aber auch 
Stätte der Arbeit. Das Bauernkind ist also wirk- 
lich „in der Arbeit daheim“, Bauernarbeit ist 
stets Heimarbeit. Das Kind kann nie Haus und 
Hof ohne die Arbeit, aber auch nicht die Arbeit 
losgelöst vom Hofe sehen, es erlebt stets beides 
zusammen. Leben und Arbeit sind daher nicht zu 
trennen. Dem Bauern ist dies so eins geworden, 
daß er sich ein Leben ohne Arbeit gar nicht 
denken kann. 


Ein tiefer Sinn liegt in dieser Einheit von 
Schaffen und Leben, denn auch dies ist wesent- 
lich, erst durch die eigene Arbeit wird das 
Leben selbst gesichert. Wer feiert, der hungert. 
Der Hof gibt alles Wesentliche, was der Bauer 
zum Leben braucht. Das Leben ist noch auf dem 
Hofe an die Arbeit gebunden, ohne daß sich das 
Geld als Mittler dazwischenzusetzen braucht. 
Aber auch die Arbeit empfängt daraus ganz ur- 
mittelbar ihren Wert: das Leben, nicht das Geld 
ist der Lohn der Arbeit. Bauernarbeit ist eine 
„ganze“ Arbeit, denn auch das Einzelne, das 
geschieht, hat seinen Sinn nur im Ganzen. 


Es geschieht nichts auf dem Hofe, das nicht 
in dieses Ganze gehören würde, vom einfachsten 
Viehhüten bis zum Pflugwerk. Deshalb auch ist 
die Arbeit auf dem Hof so vielgestaltig. Sie steht 
im Tage, sie steht im Jahr, steht schließlich im 
Lauf des Lebens selbst. 


In die Arbeit wachsen! 


So wirkt der Hof auf die Kinder ein als ein 
Stück gestaltete Natur, in der Leben und Arbeit 
in eins zusammengeschlossen sind. Wer von 
außen her auf den Hof kommt, kann allerdings 
kaum etwas von Erziehung sehen. Es läuft alles 


so selbstverständlich, obne besondere Absicht, 
ja ohne viel Worte ab, ganz im Gegensatz zur 
Schulerziehung, die mehr, als gut ist, das Wort 
braucht. Auf dem Hofe steht die Arbeit dafür. 
Kaum daß sich Bauer und Bäuerin um die 
Kinder kümmern. Man könnte im Gegenteil 
meinen, die Kinder seien völlig sich selbst über- 
lassen. Sie sind es auch, das heißt genauer ge- 
sprochen, sie sind dem Hofe überlassen. Bauer 
und Bäuerin spüren wohl, daß die Kinder dann 
am besten geraten, wenn sie beide das Ihre tun, 
damit der Hof gut gerät. Dann ist das Beste 
getan, damit die Kinder überall die Arbeit 
spüren und in ihr zu rechten Bauernmenschen 
heranwachsen. Kaum zum Leben erwacht, hat 
das Kind schon überall auf dem Hofe diese 
Arbeit um sich. 


Wir wissen, wie entscheidend gerade die 


ersten Eindrücke für das weitere Leben sind. 
Darum bedeutet es viel, daß das Bauernkind 
von kleinauf schon die Erinnerung an diese 
Arbeit in sich trägt. Es braucht sich später nicht 
aus der Welt seiner Kindheit auf die Welt der 
Arbeit umzustellen, es braucht sich nur, was 
ihm von früh an vertraut ist, bewußt zu 
machen, ein Vorgang, der viel natürlicher ist 
als der Umbruch, den junge Menschen bewäilti- 
gen müssen, die das Schicksal in andere Ver- 
hältnisse.gestellt hat. 


Wenn der Bauernbub einmal fest auf den 
eigenen Beinen steht und zufassen kann, ist auch 
die Arbeit schon da. Wenn er zuerst auch nur 
die Kühe hütet oder den pflügenden Ochsen 
weist, wenn er das Unkraut jätet oder als 
letzter beim Heuen hilft, die Arbeit gilt doch 
schon als solche. 


Sie wird nicht als Spiel, auch nicht als Hilfe 
gewertet, sie wird tatsächlich als Arbeit genom- 
men. Weil die Bauernarbeit so reich an Formen, 
an einzelnen Verrichtungen ist, findet der Bub 
sehr bald das „Ende“, an dem er anfassen kann. 
Dann läßt ihn die Arbeit nicht mehr aus. Er 
gilt dem anderen so viel, als er auf dem Hofe zu 
schaffen vermag. Dies gibt dem Bauernkinde 
schon von Grund auf eine ganz bestimmte 
Haltung. Der Bub weiß, wofür er auf der Welt 
ist, er weiß, was er gilt. Das gesunde, bäuerliche 
Selbstbewußtsein hat darin seine Wurzeln. 


Es könnte mancher meinen, dieses allzu frühe 
Hineinwachsen in die bäuerliche Arbeit zer- 
störe dem Kinde die ihm eigene Welt. Wir 
wollen nicht davon sprechen, daß der Krieg 
gewiß da und dort das natürliche Gesetz und 
den Rhythmus bäuerlicher Arbeit durchbrochen 
hat und die Kinder auf dem Hofe zu Arbeiten 
zwingt, die für ihre Jahre zu streng sind. Wir 
kennen die Gefahr, die daraus kommt. Und 
doch ist zu sagen, daß, wenn nur das innere 
Gefüge des Hofes fest und gesund bleibt, auch 
diese Gefahr überwunden werden kann. 


Arger wäre es, wenn die Kinder der Arbeit 
entfremdet würden. In gewissem Sinne ist es 
freilich richtig, wenn einer sagt, die Bauern- 


kinder hätten keine Kindheit. Eine Kindheit im 
Sinne eines von der Welt der Erwachsenen ab- 
gegrenzten Lebensbereiches gibt es auf dem 
Hofe allerdings nicht, denn es kann niemand 
neben dem anderen, sondern nur jeder mit dem 
anderen leben. Aber die Welt des Hofes ist, 
weil sie gestaltete Natur ist, in ihrem Wesen 80 
vielfältig und reich, daß das Kind darin alles 
zu finden vermag, was ihm nötig ist, 
um seine Kräfte richtig entfalten zu können. 


Erziehung durch die Sippe 


Das Bauernkind wächst erst der Mutter ent- 
gegen. Es lernt den Raum ihres Wirkens kennen, 
die Stube, die Küche, die Kammern, das Haus. 
Aber die Mutter ist ihm nicht nur Mutter allein, 
sie ist ihm auch die Schafferin im Hause, die 
Bäuerin des Hofes. Dann rückt es dem Vater 
näher in Stall und Scheune, Acker und Feld. Der 
Vater erscheint ihm nicht als Vater bloß, son- 
dern auch als bester Knecht, der jede Arbeit 
anzufassen und zu leiteh weiß. Der Vater ist der 
Bauer auf dem Hofe. 


Im Ausgeding drüben sitzen die Alten. Sie 
haben sich ihren Teil selbst abgesteckt. ` Die 
laute Arbeit des Tages schlägt bei ihnen ge- 
wissermaßen nach innen. Eine kleine Werk- 
statt hat sich der Altbauer geschaffen. Da 
bastelt und werkt er an diesem und jenem. Die 
Altbäuerin hat ihre ganze Liebe auf den Garten 
geworfen, auf Blumen und Obst, gar auf das 
Hennenvolk, für das die Bäuerin immer nur 
grobe Worte hat. 


In dieser Welt der Alten setzt sich für die 
Kinder die Welt der Schaffenden fort. Hier 
empfangen sie zu dem, was Haus und Feld 
geben, das „andere“, das jenseits des Tage- 
werkes liegt. Vom nahen Sterben überschattet, 
steht diese geruhsame Welt der Alten neben 
dem Werk der Bauersleute. Hier finden die 
Kinder Trost, wenn sie die Sorgen der Schule 
quälen. Hier fällt manches ernste Wort in junge 
Herzen. Hier offenbart das Leben seinen tiefsten 
und geheimsten Sinn. Das Ausgeding ist die 
Kinderstube des Bauernhofes. Daß aber auf 
einem Hof oft drei Generationen zu gleicher 
Zeit zusammenleben, hat eme tiefe, erziehe- 
rische Bedeutung. Das Kind sieht in der Welt 
des Bauern sein eigenes Leben vorgezeichnet, 
in der Welt der Alten sieht es den Abend des 
bäuerlichen Lebens. So hat es in gewissem 
Sinne förmlich das eigene Leben vor sich 
und gewinnt Maßstab und Richtung. 


Uber den Nachbar zu Gemeinde und 
Volk 


Die Welt, die außerhalb des Hofes liegt, be- 
ginnt drüben am Zaun beim Nachbar. Wenn 
auch dieser seinen Hof gut zusammenhält, kann 
es an rechter Nachbarschaft nicht fehlen. Je 
fester der Bauer auf eigenen Beinen steht, desto 
leichter ist es dem anderen, ihm mit Rat und 


291 


Beistand zu helfen, wenn es not ist. So beginnt 
jede soziale Erziehung auf dem Hofe bei der 
Erziehung zu guter Nachbarschaft. 

Alles, was später im Leben an den jungen 
Menschen herantritt, hängt davon ab, daß er 
von Anbeginn den Sinn des Nachbarseins be- 
griffen hat. Was der Hof oft zu einseitig, zu 
nüchtern für sich selbst fordert, wird durch 
eine gutverstandene Nachbarschaft in das rich- 
tige Maß gebracht. Auf guter Nachbarschaft 
baut sich das Leben im Dorfe auf. Wer sich im 
Dorfe richtig einfügen will, muß dem Bauern 
Nachbar sein. 


Viel mehr als mit dem, was er den Kindern 
im Unterricht beibringt, ist der Lehrer oft mit 
seinem Schulgarten, seinen Obstbäumen und 
seinen Bienenstöcken den Bauern Nachbar ge- 
worden. Auch die anderen Menschen im Dorfe, 
die Handwerker, die Kleinleute, haben ihr Stück 
Feld und Garten, weiden eine Kuh oder halten 
doch kleineres Vieh und sind damit dem Ganzen 


verbunden, denn der Boden beteiligt sie an 
Glück und Not der Gemeinde. Nur die „Quar- 
tierleute“, die kommen und gehen, haben keinen 
Boden. Nachbarschaft wächst bei ihnen aus 
gemeinsamer Arbeit, aus Hilfe und Rat. Sie gilt 
deshalb, wenn sie richtig verstanden wird, nicht 
weniger. Das Dorf nimmt den jungen Menschen 
anders als der Hof, stärker noch im Sinne der 
Gemeinschaft in die Hand. Es zwingt, was allru 
stark auf das Eigene bezogen war, zur Gemeis- 
schaft. 


Der Hof macht den Bauern, die Ge- 
meinschaft des Dorfes macht den 
Deutschen. Denn in dieser ersten und ent- 
scheidendsten Gemeinschaft begreift die bäuer- 
liche Jugend die höchste Gemeinschaft, die des 
Volkes. Vom Hof zum Nachbar, vom Nachbar 
zum Dorfe, dies ist der Weg bäuerlicher Ge- 
meinschaftserziehung, und durch die festgefügte 
Gemeinschaft des Dorfes in das Volk und in die 
Zeit, die wir bestehen müssen. 


Der Dorfschulmeister ist nicht da, um ein pädagogisches System 
zu verwirklichen, sondern um den Bauersmann in seiner echten 


Art verwirklichen zu helfen. 
Wilhelm Heinrich Riehl. 


Bäuerliche Gesinnung ins Herz der Landjugend wieder zu 
senken, ist Aufgabe aller, in deren Hand die Erziehung des 
ländlichen Nachwuchses liegt. Was ist aber bäuerliche Ge- 
sinnung anderes als Liebe zur Natur, Freude am Wachsen und 
Gedeihen, Treue zur Scholle, Verbundenheit mit allem Lebenden 
und der Wille, am Pflug dem großen Ganzen zu dienen! Unter 


diesem Leitstern stehe der ganze Unterricht der Landschule. 


Heinrich Sohnrey 


FRANZ HUBER: 


DORFKULTURELLE ERZIEHUNG 
DURCH DIE LANDSCHULE 


Wozu die Schule bemühen? 


lle Freunde des Landes:und des Landvolkes 

sind sich darüber klar, daß die Erneue- 
rung der Dorfkultur zu den vordringlich- 
sten, aber auch zu den schwierigsten Aufgaben 
unserer völkischen Erneuerung gehört. Es sind 
nicht die Schlechtesten, die aus tiefer Sach- 
kenntnis heraus und mit ernster Sorge Zweifel 
begen, ob eine Neubildung dörflicher Kultur 
noch möglich ist. Wenn man in das Landvolk 
hineinhört und in den Dörfern Umschau hält, 
beobachtet man eine sich steigernde Abkehr von 
allem Ländlich-Bäuerlichen und eine wachsende 
Hinwendung zum Städtischen. Nicht nur etwa 
die Jugend, auch die Alten zeigen vielfach eine 
Geringschätzung des Ländlichen und eine Hoch- 
schätzung des Städtischen, daß man an der Mög- 
lichkeit einer Wiederbelebung ländlich-bäuer- 
licher Kultur verzweifeln möchte. | 


Beim Stadtmenschen fällt es uns schon lange 


nicht mehr auf, daß vielen von ihnen der 
Schwerpunkt ihres Lebens nicht in der Ar- 
beit,sondern in der Erholung liegt: nicht 
der Beruf ist der eigentliche Lebensinhalt, son- 
dern die Freizeit; sie arbeiten nicht um der Ar- 
beit willen, sondern um in der Arbeit und durch 
die Arbeit die Mittel zu möglichst schöner Frei- 
zeitgestaltung zu gewinnen. Die Freizeit wird 
nicht erlebt als ein Freisein für etwas, sondern 
von etwas, nämlich von der Last des Berutes. 
Der Beruf ist nicht Berufung zu einer Aufgabe, 
zu der man gleichsam vom Schicksal aufgeruten 
ist; die Berufswahl (schon, daß man wählt, macht 
die Sache verdächtig) ist ein Rechenexempel: 
weicher Beruf gibt mir die Möglichkeit, unter 


den gegebenen Verhältnissen am meisten zu ver- 


dienen für die dienstfreie Zeit und für die Zeit 
nach der Ruhestandsetzung? 


Auch beim Landmenschen macht sich immer 
mehr diese Schwerpunktsverschie- 
bungbemerkbar; auch er erlebt vielfach im 
Beruf und in der Arbeit nicht mehr die Lebens- 
erfüllung, auch er sucht in der Freizeit das zu 
finden, was ihm die Arbeit nicht mehr zu bieten 
vermag — die Befriedigung des Lebenshungers. 
Auch hier zeigt sich die Verstädterung der länd- 
lichen Lebensauffassung und damit der länd- 
lichen Lebensführung. Auch auf dem Lande wird 
die Zahl derer, die sich erst nach der Arbeit und 
Rur in der Freizeit wirklich zufrieden und glück- 
lich fühlen, immer größer. Auch hier glaubt man 


immer häufiger das Faustwort zu hören: „Hier 
bin ich Mensch, hier darf ich's sein!“ Erst jetzt, 
in der Freizeit, bin ich wahrhaft Mensch; erst 
jetzt, nach der Arbeit, kann ich befreit aufatmen; 
erst jetzt kann ich leben und zu mir selber 
kommen. In der Arbeit durfte ich nur meine 
Kraft herleihen; durfte ich nur mein Können 
hingeben; hingeben an ein Werk, das mir inner- 
lich gleichgültig ist, das mir ja nur Geld ein- 
zubringen hat, damit ich dann nachher — sei es 
am täglichen oder wöchentlichen Feierabend 
oder am endgültigen Lebensabend — als Mensch 
leben kann. In der Arbeit bin ich ja nicht 
Mensch, da bin ich Arbeitstier, bin ich besten- 
falls ein mehr oder weniger wichtiges Rädchen 
des Getriebes oder Betriebes. 

Nicht daß dem schlichten Landmenschen diese 
Gedanken in dieser Form bewußt würden 
(sowenig als dem Durchschnittsstadtmenschen); 
aber die Ausstrahlungen, die sich im Le- 
bensalltag zeigen, stammen aus dieser inneren 
Haltung. Und diese Verstädterung des Landes 
und des Landvolkes ist heute schon so weit 
verbreitet und so tief hineingefressen, daß man 
schon ein hoffnungsfroher Optimist sein muß, 
um noch an eine durchgreifende Umkehr glau- 
ben zu können. Oder — ein Realist, derhinter 
die äußeren Erscheinungen und unter die 
trügerische Decke zu schauen vermag. 

Muß es denn so sein, daß diese Erscheinungen 
nur Ausdruck innerer Haltung sind; können sie 
nicht auch anders gedeutet werden? Wäre 
es nicht denkbar, daß viele Landmenschen sich 
nur deshalb dem Städtischen und der Stadt zu- 
wenden, weil ihnen das Dorf und der Hof nicht 
das bieten, was sie brauchen? Es ist nun einmal 
so, daß der Mensch in seiner Freizeit etwas will, 
was ihn anzieht und was ihn beschäftigt. Er will 
nach seiner Arbeit „Kurzweil”; er braucht etwas, 
was verhindert, daß ihm die freien Stunden 
nicht zur Langeweile werden. Glücklich der 
Mensch, der in seinen Mußestunden zu sich 
selbst oder zu den Musen findet; doch der ein- 
fache Landmensch unserer Tage versteht es 
nicht mehr, in sich hinein zu horchen und auf 
die Stimmen aus der Tiefe zu lauschen. Er weiß 
aber auch nicht, wo er von außen her Hilfe 
bekommen soll — es ist im Dorfe nichts da, was 
ihn angenehm beschäftigen könnte. So entflieht 
er der Einsamkeit und Langeweile des Hofes und 
Dorfes und enteilt in die Stadt, ins Kino oder 
auf den Tanzplatz, 


293 


Und noch eins muß beachtet werden. Wir 
heutigen Kulturmenschen sind bequem ge- 
worden; wir nehmen lieber passiv hin, als daß 
wir selber aktiv sind. Wir drehen lieber am 
Rundfunkgerät ein Konzert ein, als daß wir selber 
Hausmusik machen; wir lassen uns lieber etwas 
vorführen, als daß wir selber etwas tun. Das 
gilt auch für die Landmenschen, Auch auf dem 
Dorfe wirkt das gleiche „Trägheitsgesetz"; auch 
hier muß erst einmal dieser Bequemlichkeits- 
standpunkt überwunden werden, wenn wieder 
Dorfkultur werden soll. 


Der Aktivierung der Dorfkultur steht aber 
noch ein besonderes Hindernis im Weg. Dem 
Landmenschen fehlt vielfach der Glaube; es fehlt 
ihm der Glaube an Güte der eigenen Sache. Die 
Landmenschen haben im Laufe einer langen 
Entwicklung ihr Selbstbewußtsein ver- 
loren; damit haben sie schließlich alles, sogar 
sich selbst verloren. 


Wie war der Bauer ehedem so stolz und 
selbstbewußt! Wie ging er gerade und aufrecht 
einher, in seiner Tracht, in seinen schweren 
Stiefeln, mit seinen selbstsicheren Schritten! 
Wie klang seine Sprache frei und froh; wie 
sprach er in seiner Mundart unbekümmert um 
die Resonanz, die sie etwa in den städtischen 
Ohren finden könntel Er war Vollbauer, 
Bauer aus innerer Berufung und mit 
erlebter Lebenserfülltheit und -er- 
füllung. Er schielte nicht nach der Stadt und 
nach dem Städtischen; seine Welt und sein Werk 
war ihm Genügen. Seine Welt und sein Werk 
war ihm sein ein und alles. Er stand mit 
beiden Füßen auf seinem Grund und Boden; 
er lebte mit allen Sinnen und allem Sinnen seiner 
Aufgabe; sein Sinnen und Trachten galt seiner 
Scholle und seinem Geschlecht; sein Leben war 
Dienst am Hof, den er — nach altem Glauben — 
von der Gottheit selbst zum Leben erhalten 
hatte. 


Es ist hier nicht der Ort, aufzuzeigen, wie 
dieses einst so starke bäuerliche Selbstbewußt- 
sein geschwächt und erstickt wurde. Tatsache 
ist, daß dieses Selbstbewußtsein immer mehr 
einem Minderwertigkeitsbewußtsein 
Platz machte. Der Landmensch fing an sich zu 
schämen. Er schämte sich seiner Kleidung und 
Sprache; er schämte sich seines bäuerlichen 
Aussehens und seiner bäuerlichen Arbeit; er 
schämte sich seines Hauses und seines Haus- 
rates. Er trachtete danach, dem Städtischen 
gleichzukommen; er wollte auch wie der Städter 
sein. So fing er an, sich städtisch zu geben in 
Kleidung und Sprache, in Hausbau und Hausrat. 
Und mit der äußeren Lebenshaltung gab er mehr 
und mehr auch die innerliche Haltung 
auf — er verlor mehr und mehr das ländliche 
Lebensgefühl; er verlor mit dem bäuerlichen 
Selbstgefühl das Bäuerliche selber. Was 
ländlich ist, galt ihm als minderwertig; zum 
mindesten als nicht vollwertig. Was städtisch 
ist, galt als hochwertig und als erstrebenswert. 


294 


Konnte der Erwachsene nicht mehr zum Stadt- 
menschen werden, so sollte wenigstens die Ju- 
gend nicht mehr mit dem ländlichen Minder- 
wertigkeitsbewußtsein durchs Leben müssen. 
Die Jugend sollte es von vornherein besser be- 
kommen; sie wurde dem Lande erst entwöhnt 
und dann — entführt. 


Soll es noch einmal anders werden, dann muß 
erst die ländliche „Atmosphäre“ anders 
werden. Es muß erst wieder ein anderes länd- 
liches Lebensgefühl entstehen; es muß erst 
wieder im Landmenschen eine andere Selbst, 
einschätzung Wurzel fassen. Der Landmensch 
muß wieder Freude am Land und an der Land- 
arbeit finden; er muß wieder stolz werden auf 
sich und seine Art, auf seine Arbeit und auf 
seine Berufung, auf sein Werken und auf sein 
Werk. Er muß wieder so selbstbewußt werden 
wie seine Ahnen. Sein Selbstbewußtsein muß 
ihm wieder Nährquell eines Lebensgefühles und 
einer vollen Lebenserfüllung werden. 


Nur in solcher Atmosphäre gedeiht auch 
wieder eine ländlich-bäuerliche Kul- 
tur; nur auf diesem Boden und unter diesem 
Klima ist das Keimen und Wachsen einer neuen 
Dorfkultur möglich. Kultur läßt sich nicht von 
außen und von oben schaffen; sie läßt sich nicht 
anordnen. Wie jede Kultur Ausfluß eines Seelen- 
tums ist, so auch die dörfliche Kultur. Wie Kul- 
turwerke immer zuerst in einem Menschen leben 
und aus einem Menschen entwachsen, so kann 
auch bäuerliche Kultur nur aus leben- 
digemBauerntumentsteigen. Es ist kein 
grundsätzlicher Unterschied zwischen den Wer- 
ken unserer Hochkultur (etwa den Werken eines 
Beethoven oder Dürer) und den schlichten Wer- 
ken alter Dorfkultur (etwa einem schönen 
Bauernschrank oder einem Bauernspruch). Jedes 
Kulturgut wird in einem Menschen ausgeformt 
und nimmt von dessen Wesen in sich auf. Des- 
halb trägt ja auch jedes Kulturgut etwas vom 
Wesen seines Schöpfers in sich und läßt Rück- 
schlüsse auf ihn und seine Art zu. 


Solange es ein echtes selbstgenügsames und 
selbstsicheres Bauerntum gab, wuchs auch 
Bauernkultur. Erst als der Bauer sich selbst 
aufgab, entschwand auch mehr und mehr seine 
Kultur. Die Neuschöpfung stand still, als der 
Bauer mit der Geringschätzung seiner Kultur 
seine Kulturgesinnung und damit seinen Kultur- 
willen aufgab: Er wollte nichts mehr von einer 
eigenständigen Dorfkultur wissen; ganz natür- 
lich, daß er jetzt auch nicht mehr Kultur schuf. 


Ohne Bauerntum keine Bauernkul- 
tur! Wo echtes Bauerntum, da auch Bauern- 
kultur. Sie wächst aus und mit den Menschen. 
Indem die Menschen ihr echtes Leben leben, 
schaffen sie auch Kultur. Kultur ist ja nicht nur 
das Besondere, das neben und außer dem Alltag 
steht. Kultur umfaßt ja alle Lebensbereiche, 
auch die Arbeit, auch die Art zu wohnen und 
sich zu unterhalten. Dorfkultur ist das dörfliche 
Leben; sie ist Teil der ländlichen Lebenstorm, 


ja sie ist, im letzten Sinn und Begriff, die 
ländliche Lebensform selbst. 


„Die Lebensformen erziehen, indem sie 
funktionieren.” (E. Krieck.) Es bedarf keiner 
besonderen Maßnahmen: man braucht nur an 
der Lebensform teilzuhaben und teilzunehmen, 
dann vollzieht sich auch ganz von selbst die 
Erziehung. Man braucht nur mitzuleben, dann 
wird man auch mitgeformt. So wird auch die 
Jugend geformt, indem sie an der Lebensform 
ihrer Welt teilhat und teilnimmt. Freilich wird 
dieFormungnurdanninOÖrdnungsein, 
wenn die Lebensform in Ordnung ist. 
In diesem Sinne möchten wir das Kriecksche 
Wort so sagen: „Die Lebensformen erziehen, 
wenn sie funktionieren.” 


Das ist es ja eben: Die ländliche Lebensform 
ist in Unordnung geraten, Sie gehorcht nicht 
mehr ihren eigenen Gesetzen; sie ist fremdhörig 
geworden: sie hört auf die Anrufe der Stadt und 
auf die Lockungen aus einer anderen Welt. Das 
Land muß wieder zu sich selber zurück- 
finden; der Landmensch muß wieder auf die 
Stimmen hören, die aus dem Urgrund seines 
Wesens heraufklingen. Das Landvolk muß wie- 
der landstolz und landfroh werden. Dann wird 
die Jugend nicht schon von Kindheit an vom 
Lande weg- und auf die Stadt hingelenkt werden. 
Wie die ländliche Jugend ehedem ohne Schule 
und Lehrer in die bäuerliche Wert- und Kultur- 
welt hineinwuchs, so wird sie auch heute wieder 
schon von Haus aus ländliches Werten und 
Werk kennenlernen. Und wie die Landjugend 
ehedem ohne jede Schule das bäuerliche Wirt- 
schaften lernte und auch heute noch die Grund- 
lagen des Wirtschaftens auf dem Hofe und nicht 
ia der Schule erwirbt, so verhält es sich auch 
mit der dorfkulturellen Erziehung. Bs gilt aber 
auch folgender Satz: Sowenig das Landvoik 
heute in bezug auf Weltanschauung und Land- 
wirtschait ohne die Schule auskäme, sowenig 
kann heute die dorfkulturelle Erziehung ohne die 
Schule und den Landlehrer ihr Ziel erreichen. 


Wir wollen damit in keiner Weise etwa einer 
Auffassung das Wort reden, die dem Glauben 
an die Allmacht der Schulerziehung entstammt; 
doch werden wir zeigen, daß die Schule für die 
Erneuerung der Dorfkultur notwendig ist und 
was sie zu leisten vermag. Wir werden zeigen, 
daß Hof und Dorf das, was die Dorfschule leistet, 
gar nicht zu leisten vermöchten. Wir müssen 
allerdings von vornherein sagen: Wie auf dem 
Gebiege der Weltanschauung und Wirtschaft 
der Hof die grundlegende Erziehung 
zu übernehmen hat, so ist auch auf dem 
Gebiete der Dorfkultur alles vergeblich, wenn 
nicht Hof und Dorfgemeinschaft einen tragfähi- 
gen Grund gelegt haben. 


An der dorfkulturellenErziehung müs- 
sen alle Stellen teilnehmen, die auch sonst an 
der Erziehung des Volkes mitwirken. Es müssen 
alle Einrichtungen der Partei und des Staates in 
den Dienst dieser Aufgabe gestellt werden: Funk 


und Film, Buch und Bild, Presse und Propaganda, 
Ausstellungen und Führungen. Es muß zum 
mindesten gefordert werden, daß von keiner 
Seite her irgend etwas geschieht, was das länd- 
liche Selbstbewußtsein und den ländlichen Kul- 
turwillen zu schwächen vermöchte. Wir müssen 
aber über diese passive Haltung hinaus eine 
positive Mitwirkung verlangen; wir müs- 
sen fordern, daß der Sinn für das Ländlich- 
Bäuerliche in allen Volksgliedern, nicht nur 
etwa im Landvolk, geweckt und gestärkt wird. 
Von der Stadt ging die Minderbewertung des 
Landes und der Landarbeit aus; in der Stadt 
muß also auch vor allem für eine gerechte Be- 
wertung des Landes und der Landarbeit Sorge 
getragen werden. 


Unser Bemühen um die Erneuerung der Dort- 
kultur wird freilich seinen Schwerpunktin 
dem Dorf selbst haben. Hier gilt es, die 
Menschen für die neue Haltung und für die. 
neuen Aufgaben zu gewinnen und zu erziehen. 
Die ältere Generation ist vielfach schon ver- 
härtet und nicht mehr beweglich genug, um 
nochmal umzulernen. Die Jugend jedoch ist 
noch nicht verbildet; sie ist noch aufnahme- und 
gestaltungsfähig ihr gilt deshalb unsere beson- 
dere Aufmerksamkeit. Wer aber die Jugend will, 
der muß auch die Schule wollen. Schule und 
Lehrer stellen eine Macht von nicht zu unler- 
schätzendem Binfluß dar; Schule und Lehrer 
wirken nicht nur auf die Jugend selbst; sie ver- 
mögen über die Jugend auch auf die Alten 
mittelbar einzuwirken. 


Was kann die Schule leisten? 


Wir wollen uns im folgenden mit der Land- 
schule und ihrem dorfkulturellen Erziehungs- 
auftrag befassen; wir möchten aber doch wenig- 
stens darauf hinweisen, daß auch die an- 
deren Schulgattungen zur Mitarbeit auf- 
gerufen sind. Höhere und Hochschule, landwirt- 
schaftliche Berufs- und Fachschulen, auch die 
übrigen Schulen sollen in ihren Schülern eben- 
falls den Sinn für die ländlich-bäuerliche Welt, 
für ländlich-bäuerliche Kultur und für dörfliches 
Kulturschaffen wecken und damit die Voraus- 
setzungen für eine gerechte Einschätzung des 
Landes und der ländlichen Kultur schaffen. Man 
sage nicht, dies sei nicht nötig und nicht mög- 
lich. Es ist nötig, um all die Quellen zu ver- 
stopfen, die schon einmal das bäuerliche Selbst- 
bewußtsein anfraßen und wegspülten, es ist 
möglich, wenn nur die Lehrer der verschiedenen 
Schulen selbst vom richtigen bodenständigen 
Geist erfüllt sind; dann werden sie die sich an- 
bietenden Gelegenheiten spüren und die rich- 
tigen Worte finden. Geschichte und Erdkunde, 
Lebenskunde und Lektüre, Rechnen und Natur- 
lehre und andere Fächer bieten Möglichkeiten, 
Bauernwelt und Bauernwerk zu zeigen und zu 
zeichnen, sei es mit eigenen Worten, sei es mit 
den Worten von Dichtern und Denkern, sei es 
mit der Leuchtkraft von Bildern oder von Zahlen. 


295 


Gerade die Technik, die unsere heutige Jugend 
so mächtig fesselt, kann in städtischen Volks-, 
Berufs- und Fachschulen so dargestellt werden, 
daß Sinn und Möglichkeiten ländlicher Tech- 
nisierung verstanden werden und die Berufs- 
wunschbilder auch den ländlichen Lebenskreis 
umfassen. Im besonderen Maße eignen sich ent- 
sprechend ausgewählte Stellen aus dem Schrift- 
tum, den Schülern den rechten Sinn und die 
richtige Haltung für das Ländlich-Bäuerliche zu 
vermitteln; wir haben heute viele gute Bauern- 
und Dorfromane, die diesem Zweck dienstbar 
gemacht werden können. 


In der Landschule hat der Lehrer (nicht zuletzt 
in engster Zusammenarbeit mit der Hitler- 
Jugend) zwei Aufgaben zu lösen, wenn er den 
dorfkulturellen Erziehungsauftrag erfüllen will: 
Er hat die Dorfjugend entsprechend auszu- 
richten und auszurüsten. 


Die Ausrichtung der Landkinder be- 
steht vor allem in der richtigen Haltungserzie- 
hung: in den Kindern soll die richtige ländlich- 
bäuerliche Gesinnung geweckt und genährt 
werden. Es soll in ihnen der richtige boden- 
ständige Geist entfacht werden. Sie sollen das 
Land und die Landarbeit richtig verstehen und 
schätzen lernen. Es sollen ihnen die Werte des 
Landes und der ländlichen Welt bewußt werden. 


Da die Berufswünsche der Jugend, auch der 
ländlichen, auf die Modeberufe abzielen, muß 
der Landlehrer immer wieder auf dieinneren 
Qualitäten der Landarbeit hinweisen. Es 
muß den Landkindern im Laufe der acht Jahre 
der tiefere Sinn der Landarbeit aufgehen. Land- 
arbeit ist Arbeit in und an der Natur, am 
Lebendigen; es ist ganzheitliche Arbeit; 
sie gewährt besondere Freuden, die Freude 
am Werdenden und Wachsenden. Landarbeit ist 
von besonderer Bedeutung: das Land er- 
nährt die Stadt — das Bauerntum ist der Nah- 
rungsquell des Volkes. Diese Wahrheiten können 
den Kindern nicht als Lehrsätze übermittelt 
werden; sie müssen von den Kindern Stück um 
Stück erfaßt werden. Wir führen ihnen die 
Leistungszahlen, auch in Schaulinien, vor: unser 
Dorf liefert soundso viel Korn, Kartoffel, Eier, 
Milch usw. in die Stadt; davon leben soundso 
viele Menschen; also dürfen wir sagen: das Land 
ernährt die Stadt. Damit wird in den Kindern 
das rechte bäuerliche Selbstbewußt- 
seinlebendig werden. Sie sollen die Eigenart 
und den Eigenwert erfassen lernen, die in 
Bauernwelt und Bauernwerk verkörpert sind. 
Haben sie aber erst einmal die Schönheit und 
die Bedeutung der ländlich-bäuerlichen Welt 
erkannt, dann werden sie diese auch schätzen 
und lieben. Man muß ihnen auch die eigen- 
artigen Reize der ländlichen Natur und der dörf- 
lichen Kultur erschließen. Sie sollen sehen, wie 
der Mensch diese Schönheit zu gestalten und 
auszugestalten vermag. Sowohl das Landschafts- 
bild wie auch das Dorfbild kann vom Menschen 
geformt werden; hier wie dort kann guter Sinn 


296 


verderben und verschandeln. Ländliche Bau- 
weise sowohl wie ländlicher Hausrat sind Zeu- 
gen früheren ländlichen Kulturwillens; in Tracht 
und Schmuckstück, in Sitte und Brauch, in Haus- 
zeichen und Bauernsprüchen kommt die schöpfe- 
rische Kraft des alten Bauerntums zum Ausdruck. 


Die Hinführung und Einführung der Land- 
kinder in die Dorfkultur läßt sich nicht stun- 
denplanmäßig und mit einigen eingescho- 
benen Themen durchführen. Der ganze Unter- 
richt muß vom Gedanken der dorfkulturellen 
Erziehung durchdrungen sein. Jede sich bietende 
Gelegenheit muß dafür herangezogen werden. 
Gelegentliche, aber häufige Hinweise wirken 
mehr als eigens angesetzte Stunden, wenn diese 
nicht von einer grundsätzlichen Gesamthaltung 
getragen sind. 


Dabei darf diese dorfkulturelle Arbeit nicht 
aufdringlich erfolgen; es darf nicht ein 
Zerreden und Anpredigen Platz greifen. Wenn 
immer, so gilt besonders auf dem Gebiete der 
ländlichen Erziehung das Dichterwort: „Man 
merkt die Absicht und wird verstimmt.“ Wenn 
in den Kindern der Gedanke aufsteigt: man will 
uns „für das Land gewinnen“, man macht hier 
„in Kampf gegen Landflucht“ — dann ist alle 
Wirkung unterbunden. Das ist eben die Kunst 
des echten Landlehrers, daß er wirkt, ohne daß 
man dies Wirken merkt. 


In den verschiedensten Formen und 
mit mannigfaltigen Mitteln muß die kulturelle 
Ausrichtung der ländlichen Schuljugend vor 
sich gehen. Bald sind es nur kurze Hinweise, 
bald längere Ausführungen; bald ist es ein Un- 
terrichtsgespräch, bald der Vortrag des Lehrers; 
bald sind es des Lehrers eigene Worte, bald 
läßt der Lehrer den Dichter sprechen; bald ist es 
eine Schülerfrage, bald ist es ein Appell des 


Lehrers; bald ist es ein Bild, bald ein Film, bald 


eine Schallplatte, bald eine Rundfunksendung: 
bald ist es ein Unterrichtsgang, bald eine Lehr- 
wanderung; bald ist es eine Hofbegehung, bald 
ein Gang ins Museum oder in eine Ausstellung 
— immer aber ist es das gleiche Ziel, das 
wir verfolgen: wir wollen in den Kindern die 
richtige Kulturgesinnung und einen starken 
Kulturwillen erzeugen. Die Kinder sollen Ge- 
fallen und Freude an ländlich-dörflicher 
Kultur gewinnen; diese Freude an ländlich- 
dörflicher Kultur soll in den Kindern jene ınnere 
Unruhe hervorrufen, die immer Voraussetzung 
kulturellen Schaffens ist: Ruhe wird erst dann, 
wenn das in der Seele Drängende Form und Aus- 
druck gefunden hat. 


Besonders wirkungsvoll ist es, wenn Bild 
und Gegenbild einander gegenübergestellt 
werden. Dies gilt nicht nur für wirkliche Bilder, 
sondern auch für die Betrachtung der Wirklich- 
keit selber. Man kann das schöne und das ver- 
schandelte Bauernhaus sowohl im Bild als auch 
in der Wirklichkeit einander gegenüberstellen; 
man kann den Kindern sowohl im Bilde wie in 


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Das Heimatdorf in der Zeichenstunde 


Beim Nähunterricht Beim Werkuntertich 


der unmittelbaren Berührung 
“der Landarbeit ergibt sich für 
Schulunterricht die Möglichkeit 
chaulicher und lebensnaher Ge- 
ung aller Schulfächer, die ihre 
eherische Wirkung nicht ver- 
len wird; denn auf diese Weise 


fd den Schülern die Erkenntnis, 

£ht für die Schule, sondern fürs 
an zu lernen, zu einer eindring- 
lichen Selbstverständlichkeit 


Mit frohem Gesang zum Unterricht in der 
freien Natur. — Tauziehen einmal ohne Tau 


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der Wirklichkeit zwei Zäune vorführen, einen 
echten dörflichen Staketenzaun und einen „mo- 
dernen“ Betondrahtzaun. Das neuzeitliche 
Schrifttum bietet uns für solche kulturelle Schu- 
lung gutes Material; es sei nur erinnert an: 
A. Seifert, „Im Zeitalter des Lebendigen“ 
(Müllersche Verlagsbuchhandlung, Planegg vor 
München); Schoneweg, „Willst du deinen 
Bauernhof verschandeln?‘ (Bielefeld 1936). Man 
mache nur einmal mit Landkindern einen Ver- 
such und führe ihnen unverfälschte und ver- 
schandelte Beispiele ländlicher Gebiete vor; 
man wird über ihren sicheren Geschmack stau- 
nen; mindestens wird man sich überzeugen, wie 
leicht sie zum Sinn für das Echte und Gewach- 
sene zu erziehen sind. 


Als Gebiete der dorfkulturellen Ausrichtung 
kommen alle Gebiete des ländlichen 
Lebens in Frage. Wir erschließen den Land- 
kindern den Sinn für die Schönheiten der hei- 
matlichen Landschaft und die Reize des eigenen 
Dorfes, für die Schönheiten des Bauernhauses 
und des Bauernhausrates, für die Eigenart und 
den Eigenwert der ländlichen Arbeit und die 
Möglichkeiten ländlicher Freizeitgestaltung. Wir 
schärfen ihren Blick für das Bodenständige und 
Gewachsene und entwickeln ihren kritischen 
Sinn für das Eingeführte und Aufgeklebte. Wir 
zeigen ihnen die groben und die feineren For- 
men der Verschandelung im Landschafts- und 
Dorfbild, in Hausbau und Wohnungseinrichtung, 
in Gartenanlage und Garteneinfriedung (kit- 
schige schubkarrenfahrende Zwerge u. ä.). 


Ein Gebiet besonderer Betreuung ist uns der 
dörfliche Feierabend. Man spricht heute 
so viel von Freizeitgestaltung und in gewisser 
Hinsicht mit Recht. Wie ganz anders lagen die 
Dinge beim alten Feierabend. Hier bedurfte es 
keiner Programme und Organisationen. Feier- 
abend war zunächst nur ein Aufhören der Arbeit. 
Feiern hieß: nach vollbrachtem Werk die Hände 
in den Schoß legen, sich bequem auf die Bank 
vor das Haus setzen und einfach nichts tun. 
Damit war die einzige Voraussetzung gegeben, 
daß das Feiern beginnen konnte, nämlich das 
Feiern der Seele. Jetzt konnte die Seele zu 
sprechen beginnen; jetzt war jene Stille, die sein 
muß, wenn man die Seele sprechen hören will. 
Der Dichter hat recht, wenn er sagt: „Spricht die 
Seele, ach, dann spricht die Seele nicht mehr.“ 
Formt die Seele Worte, gibt ihnen der Kehlkopf 
Ton, dann übertönt dies Sprechen schon das 
leise Sprechen der Seele. Und das leise Sprechen 
der Seele war es auch, das so manchem Bauern- 
menschen zum Werk gedieh. In diesem 
Sprechen der Seele formte sich manch Ge- 
danke, der dann in einem Sinnspruch, in einem 
Vers oder Lied Ausdruck fand. Feierabend ist 
nicht lautes Vergnügen und geräuschvolle Lust- 
barkeit; Feierabend ist Zusichfinden und 
Zusichkommen; Feierabend kann auch Ge- 
meinschaft sein und Zwiesprache, die nicht 
wortreich sein muß. Wir kennen alle jene 


Bauernart, daß zwei Nachbarn zum Feierabend 
zusammensitzen und nichts sprechen und dann 
auseinandergehen mit dem Gefühl, sich schön 
unterhalten zu haben. Vom alten Feierabend- 
geist soll die Jugend auch in der Schule erfah- 
ren; sie soll hören, wie man früher einmal nach 
der Arbeit auf dem Hof und im Dorfe blieb und 
in der Gemeinschaft des Hofes und des Dorfes 
Feierabend hielt. Man ließ sich nicht unterhal- 
ten, indem man bloß zuhörte und zuschaute, man 
unterhielt sich selber, indem man sang und 
spielte und tanzte. ; 

Die vielen Stunden und Abende, die man auf 
dem Hofe und im Dorfe zur Freizeit blieb, gaben 
Muße, zu schulen und zu üben, zu werken und 
zu basteln, zu sinnen und zu planen. Man erwarb 


.sich so das, was man dann zu Fest und Feier 


brauchte an Lied und Spiel, Tanz und Reigen. 
Und vertrieb sich damit die Zeit, und zu Lange- 
weile fehlte die Zeit. 

Wir sehen also, wie wichtig es ist, die Land- 
jugend ans Land zu gewöhnen und sie in ihrer 
Freizeit fürs Dorf zu gewinnen. Hierbei erwächst 
neben der Landschule der Hitler-Jugend eine 
besonders wichtige Aufgabe. Dabei ist es schwer 
zu sagen: muß die Jugend erst ans Dorf gebun- 
den werden, damit sie Zeit hat, sich dorfkul- 
turell zu betätigen; oder: muß erst Dorfkultur 
werden, damit die Jugend gern im Dorfe bleibt? 
Eines geht eben mit dem anderen. Jedenfalls 
aber kann Dorfkultur nicht werden, wenn die 
Landmenschen und vor allem die heranwach- 
sende Jugend jede freie Stunde in der Stadt 
verbringen. Deshalb ist es so ungemein wichtig, 
daß die Schule alles aufbietet, in der Dorfjugend 
den Sinn für das Land und die Dorfkultur früh- 
zeitig zu wecken und zu stärken, und daß in der 
Jugend schon der Wille zu eigener kultureller 
Betätigung erwacht. l 

Diese kulturelle Betätigung kann schon in 
der Schule selbst erfolgen. Die Kinder 
werden mit der Gestaltung des schulischen 
Lebensraumes befaßt; besonders die Mädchen 
können dabei mitwirken. Auch die amtlichen 
Richtlinien fordern im Lehrgebiet „Hauswerk“ 
die Pflege der Dinge, die den Alltag verschönern. 
So wollen wir auch unseren Schulraum ver- 
schönern: durch einen entsprechenden Wand- 
schmuck, durch Spruchbänder, durch Blumen- 
stöcke und Schnittblumen. Wir wollen auch ein 
schulisches Brauchtum pflegen; so können 
wir eine Ehrentafel unserer dörflichen Gefal- 
lenen anbringen und diese an bestimmten Ge- 
denktagen durch Blumen oder Lichter schmücken. 
Auf diese und ähnliche Weise lernen die Kinder 
praktisch, wie man ein Heim gestaltet und was 
es bedeutet, wenn man die Bäuerin zur Gestal- 
terin des Heimes erziehen will. Durch ent- 
sprechend gestaltete Stunden lernen die Schü- 
ler, besonders auch die Mädchen, wie man Ge- 
selligkeit pflegt und was häusliche Lebenskultur 
bedeutet. 

Auch über die Schulstube hinaus wirkt die 
Landschule; sie läßt die Dorfgemeinschaft 


207 


anihren Feiern teilnehmen. Sie gliedert 
sich aber auch in das dörfliche Feierleben ein 
und nimmt daran aktiven Anteil: die Kinder 
bilden Gruppen beim Erntefest, sie machen durch 
Reigen und Volkstänze mit; sie singen Lieder 
und können vielleicht gar mit einem Puppen- 
oder Laienspiel aufwarten. 

Mit diesem kulturellen Tun wirkt die Schule 
stärker als durch die bloße Lehre; freilich setzt 
solch kulturelles Tun eine entsprechende Schu- 
lung voraus. So darf sich die Landschule mit 
der kulturellen Ausrichtung der Jugend nicht 
begnügen; sie muß die Kinder auch entsprechend 
ausrüstien. 

Die kulturelle Ausrüstung der Land- 
kinder geht mit der kulturellen Ausrichtung 
Hand in Hand. Sie ist ebenso wichtig wie die 
Haltungserziehung: der gute Wille allein tut es 
nicht; zum Kennen muß das Können treten. 
Der Kulturwille muß mit der Kulturfähig- 
keit gepaart sein. Was nützt es, wenn die 
künftigen Landmenschen sich kulturell betätigen 
möchten, aber nichts fertigbringen. Es ist gut, 
wenn die Landschule in den Kindern die rechte 
Kulturgesinnung entfacht; wenn in ihnen die 
Freude am Echten und Gewachsenen lebendig 
geworden ist. Es müssen aber auch die Voraus- 
setzungen zu ihrer Betätigung geschaffen 
werden. 

Diese Voraussetzungen lassen sich zweiteilen: 
die Jugend muß einen gewissen Schatz von 
Kulturgütern mit ins Leben hinausbringen; 
sie muß ferner gewisse Fähigkeiten besitzen, 
um sich später einmal kulturell betätigen zu 
können. 

Man kann geradezu von einem kulturellen 
„Repertoire” sprechen, das immer wieder 
verwendbar ist. Wenn im Bedarfsfall jedesmal 
von vorne angefangen werden muß, wenn nie 
aus dem Stegreif gestaltet werden kann, dann 
wird das dörfliche Kulturleben armselig bleiben. 
Die heutige Schule muß ihren dörflichen Kindern 
einen Schatz von Gedichten (vor allem auch 
mundartlichen, und zwar ernsten und heiteren) 
und von Liedern mitgeben. Die Kinder müssen 
in der Schule Reigen und Tänze lernen, und zwar 
volkhafte Reigen und Volkstänze. Sie müssen 
in ihrer Schulzeit spielen und Spiele gelernt 
haben. Wollen wir wieder eine „höfische“ und 
dörfliche Geselligkeit, dann muß das Landvolk 
auch spielen können. Scherz und Schabernack, 
Scharade und Rätsel, Schatten- und Puppenspiel 
haben den alten Feierabend verschönt; warum 
sollen sie dies nicht auch heute wieder können? 
Wir schaffen uns doch auch in der Stadt an den 
langen Wintersonntagnachmittagen solche Ge- 
selligkeit; wir brauchen nicht in Wirtschaft und 
Kino zu fliehen; warum sollten Landvolk und 
Landjugend an den Sonntagnachmittagen immer 
in die Stadt flüchten müssen, wenn sie sich 
unterhalten wollen. 

Besonders kurzweilig wird die Freizeit der 
Landjugend werden, wenn sie wieder selber 
gestalten kann. Dieses Gestalten muß auch 


298 


einmal gelernt werden. Schon immer haben 
landfrohe Landlehrer mit ihren Kindern gesun- 
gen und gespielt. Wenn ihnen passende Spiele 
nicht zur Verfügung standen, haben sie selbst 
kleine Spiele gemacht. So manches Lesestück 
enthält schon so viel Dialog, daß es nur eines 
kleinen Ausbaues bedarf und schon ist ein Spiel 
geworden. Auch Märchen können leicht spiel- 
fertig gemacht werden, wenn man nur einiges 
Geschick dazu hat. Und dann haben wir ja 
unsere Kinder. Man glaubt gar nicht, wie an- 
sprechend Stegreifspiele sein können, wenn nur 
erst einmal die erste Scheu überwunden ist 
Auch gekaufte Spiele bedürfen nicht selten der 
Umarbeitung und Umgestaltung; man muß sie 
den eigenen Verhältnissen anpassen, der Spiel- 
fähigkeit der Kinder, den „Bühnen- und Kostü- 
mierungsverhältnissen.” Da und dort und dann 
und wann können wir auch kleine schulische 
und dörfliche Vorkommnisse und Ereignisse zu 
Spielen gestalten — immer unter Heranziehung 
der Gestaltungsfähigkeit der Kinder. 


Wie äuf den Gebieten des Volksspiels der 
Grundsatz gelten muß: vom Einfachen zum Zu- 
sammengesetzten, vom Leichten zum Schweren, 
so auch auf den anderen Gebieten dorfkultu- 
reller Betätigung. Wir wollen überall bel 
den Elementen beginnen. Man kann auch 
hier nicht ernten, wenn man nicht gesät hat. 
So sollen die Kinder in der Schule die Elemente 
des Tanzens und der Volksmusik lernen. Wir 
üben mit ihnen in der Schule die ersten Schritte 
und Griffe. In einer Dorfschule des Pinzgaues 
habe ich hier Vorbildliches gesehen: in der 
Schule wird mit den Kindern Volkstanz um 
Volkstanz „erarbeitet“, die einzelnen Schritte, 
die einzelnen Figuren, der ganze Tanz; es wird 
einzeln und in Gruppen geübt, mit viel Eifer und 
Freude. Die Musik liefern größere Kinder; auch 
dieses Musizieren wird mit den Anfangsgründen 
begonnen. Wir finden Blockflöte, Hackbrett. 
Zither, Mund- und Zugharmonika. Daß das Sin- 
gen vom einstimmigen über das zweistimmige 
zum dreistimmigen Lied gelernt wird, daß mit 
dem Baß des Lehrers daraus der vierstimmige 
Chor wird, ist heute schon in vielen Schulen 
Lehrgrundsatz geworden. Und daß der Kanon 
das beste Mittel ist, die Kinder für das mehr- 
stimmige Chorlied einzuschulen, gehört auch 
schon zum Gemeingut musikalischer Bildung. 


Wir wollen beim Thema der dorfkulturellen 
Ausrüstung der Landjugend auch an all die 
Elementartechniken denken, die für ein 
tüchtiges Kulturschaffen unerläßlich sind. Es 
seien genannt: Sprechen, Lesen, Schreiben von 
Zierschrift, Erzählen, Zeichnen, Malen, Werken, 
Basteln. Es sei auch auf die Schulung der Aus- 
drucksfähigkeit durch Mimik und Pantomimik 
hingewiesen. Wenn man nur die Gelegenheiten 
wahrnimmt, sie bieten sich ungesucht an. Wir 
müssen in der Schule ungewohnte Ausdrücke 
erklären; dies kann vielfach am schnellsten 
erfolgen, wenn wir die Dinge spielen lassen. 


Feiergestaltung heranziehen, 


Am Beispiel: Mache ein Gesicht, wie wenn du 
in einen sauren Apfel beißt! Mache ein Ge- 
sicht, wie wenn du einen feinen Kuchen ißt! 
Mache vor, wie jemand hinkt, humpelt, torkelt, 
schleicht, schreitet. Das letztgenannte Beispiel 
beweist, daß sich Mimik und Pantomimik nicht 
trennen lassen: man kann nicht mit lächelnder 
Miene schreiten; zum Schreiten gehört ein 
feierlich-ernster Gesichtsausdruck. Dann lassen 
wir einmal — etwa in Stil- und Gestaltungs- 
übungen im Aufsatz — zuerst mimisch oder 
pantomimisch ausdrücken und die Kinder 
müssen das bezeichnende Wort suchen. Solche 
Ubungen sind so recht eine Vorschule des 
Laienspiels; denn h’er muß. ja der Spieler 
durch Mienenspiel und Bewegung darstellen, 
nicht nur durch das gesprochene Wort. 


Die kulturelle Ausrüstung der Landjugend 


erstreckt sich, wenn auch nur teilweise, auch 
auf größere Gebiete künftiger kultureller 
Betätigung, auf das Büchereiwesen und auf 
das Dorfbuch. Wir lassen die Schüler an der 
Verwaltung der Schülerbücherei mitarbeiten, 
und zwar bei der Bücherausgabe und bei der 
Einrichtung der Bücherei: sie können den Leih- 
verkehr übernehmen, sie können auch bei der 
Verzettelung und der Anlage der Kartei mit- 
wirken. Ahnlich lassen sich größere Schüler 
zu manchen Arbeiten für das Dorfbuch heran- 
ziehen: wir können ihnen Sammelaufgaben 
stellen, die sie zusammen mit den Angehörigen 
lösen; wir können ihnen manche Schreib-, 
Zeichen- und Malaufgabe übertragen (z.B. Ab- 
schriften und Reinschriften, Zeichnen von 
Kurven, Malen von Zierleisten u.ä.). 


Daß wir die Kinder in kulturellem Tun 
schulen, indem wir sie weitgehend zur schu- 
lischen Raumgestaltung, ferner zur Fest- und 
wurde oben 
schon gesagt. Wir können die Kinder weiter- 
hin anregen und anhalten, an der Gestaltung 
und Erhaltung des Dorf- und Landschaftsbildes 
mitzuwirken. Mindestens können sie an der 
Entrümpelung mitarbeiten; sie müssen 
ihren Ehrgeiz darein setzen, daß aus ihrem 
Dorf und dessen Umgebung alles Häßliche ent- 
schwindet. Wir kennen aus Berichten von 
Landlehrern schöne Beispiele, wie die Land- 
jugend zu Gruppen und unter Kommandos zu- 
sammengefaßt auszieht, um in Winkeln und 
auf Plätzen, auf Wegen und aus Bächen altes 
Gerümpel und gedankenlos weggeworfenen Ab- 
fall zu sammeln, und damit den Anfang zum 
schönen Dorf- und Landschaftsbild macht. Die 
Anlage von Wegen und Plätzen, das Pflanzen 
von Baum und Strauch, die Herstellung von 
Bänken und Tischen an Punkten, die zum ver- 
weilenden Schauen einladen, wird nur in sel- 
tenen Fällen von Schule und Schülern gemacht 


werden können; höchstens von der reiferen. 


Jugend. 


Damit stoßen wir auf das dunkelste Kapitel 
dörflichen Kulturlebens, nämlich: Wie kann die 


schulentlassene Dorfjugend zwischen 
Schulentlassung und Arbeits- bzw. Militärdienst 
an Dorf und Hof gefesselt und für eine dorf- 
ständige Freizeitgestaltung gewonnen werden? 
Dieses Problem ist nicht einfach zu lösen. Es 
muß aber angegriffen werden, wenn mit der 
dörflichen Kulturerneuerung ernst werden soll. 
Wir müssen die Jugend für das Dorf gewinnen; 
wir müssen dafür sorgen, daß sie nicht stadt- 
süchtig wird; ist sie das, dann wird sie be- 
stimmt landflüchtig. Das Ziel sehen wir klar: 
das Leben auf dem Dorf muß lebens- 
wert sein; auch die Freizeit muß so 
sein, daß man auf dem Hofe und im 
Dorf Befriedigung finden kann. Da- 
zu muß die Freizeit ausgefüllt sein, und zwar 
so, daß sie kurzweilig ist und Langeweile 
schon gar nicht aufkommen kann. Die Jugend 
muß beschäftigt sein; sie muß etwas zu tun 
haben, was sie interessiert und reizt; es muß 
etwas los sein. Was die Schule begonnen hat, 
muß weitergeführt werden. Hierbei ist wieder- 
um die HJ. der beste Bundesgenosse. Berichte 
aus manchen Dörfern zeigen, daß die Jugend 
daheim bleibt, wenn sie beschäftigt ist. Die 
Freizeit läßt sich ausfüllen mit Singen und 
Musizieren, mit Sport und Spiel, mit Tanz und 
Laienspiel, mit Puppen- und Schattenspiel, mit 
Basteln und Werken. Mädchen lassen sich zu- 
sammenhalten in Handarbeitskreisen, in denen 
auch erzählt und vorgelesen wird. Wer soll 
sich der Jugend annehmen? Es ist in den 
meisten Fällen auch wieder der Land- 
lehrer. Junge Lehrer und Lehrerinnen brin- 
gen immer wieder Idealismus genug auf, um 
ihre Freizeit der Betreuung der Dorfjugend zu 
opfern. Doch muß wiederholt darauf hingewie- 
sen werden, daß auch der Lehrer hin und 
wieder eine Freizeit, seine Freizeit haben muß, 
in der er die Stadt aufsucht oder für sich wan- 
dert; denn wenn er mit der Jugend wandert 
oder sie in die Stadt führt, ist er wieder im 
Dienst. 


Schließlich muß ja auch gesagt werden, daß 
der Landlehrer noch eine Fülle anderer kul- 
tureller Aufgaben zu erfüllen hat, die vielfach 
nur von ihm geleistet werden können. Es sei 
nur mit einem Wort auf einige hingewiesen: 
Dorfbücherei und Dorfbuch, dörfliche Gesang- 
und Musikpflege, Heimat- und Naturschutz, 
Heimatbild und Heimatfilm, Mitarbeit in der 
Gestaltung des Landschafts- und Dorfbildes so- 
wie der ländlichen Feste und Feiern, Beratung 
in Fragen der Wohn- und Gartenkultur u.a. 
Vielfältig sind die Aufgaben, die der Dorf- 
Schule und dem Landlehrer zugedacht sind; 
groß ist die Verantwortung; schön aber ist 
auch die Mitarbeit. Nicht alle Lehrer sind 
heute dieser Aufgabe gewachsen; es muß je- 
doch Ziel einer volks- und landverbundenen 
Staatsführung sein, Lehrer aufs Dorf zu 
führen, die landfroh und landtreu 
und landtüchtig zugleich sind. 


299 


KARL SEILER: 


Lan d lehrer un d U Imguartierun 8 


E: gibt wenig Berufe im Reich — den Bauern 
vielleicht ausgenommen —, die eine so große 
Anzahl verschiedener Fähigkeiten verlangen 
und eine solche Fülle verschiedener Pflichten in 
sich vereinigen wie der des Landlehrers. Neben 
die Tätigkeit, die seiner Stellung den Namen 
gibt, die Führung des Unterrichts für die Land- 
jugend, und neben die allgemeine Kulturpflege 
des Dorfes, die ihm selbstverständlich obliegt, 
treten unendlich viele kleine und große Ver- 
pflichtungen, besonders in Richtung auf die 
Überwachung und Betreuung der schulpflich- 
tigen Jugend innerhalb des Schulsprengels und 
in Richtung auf die verschiedensten Sammel- 
aktionen aller Art. Außerdem hat der Lehrer 
der Landgemeinde für die NSV., für die Hitler- 
Jugend-Führung, BDM.-Führung, für Parteiorga- 
nisationen, für den Reichsluftschutzbund usw. 
zeitraubende und verantwortliche Arbeiten zu 
übernehmen, die er nicht ablehnen kann, einfach 
deswegen, weil häufig niemand in der Gemeinde 
sonst in der Lage ist, sie auszuführen. Außerdem 
ist der Lehrer des Landes in vielen Fragen der 
Lebenssicherung — von der Gesundheitsbetreu- 
ung bis zur Vermögensrettung und der Steuer- 
erklärung, schließlich auch in Gerichtssachen 
— von jeher Berater und Helfer der Land- 
bewohner, der, wenn er schon nicht endgültig 
selber den Weg weisen kann, wenigstens anzu- 
geben hat, wohin sich der Hilfesuchende wenden 
muß. Kurz, es wäre unmöglich, hier alle die 
möglichen und nötigen Tätigkeiten des Land- 
lehrers aufzuzählen, schon deshalb, weil sich 
täglich neue, unabweisbare Verpflichtungen den 
alten beigesellen. 


Auch der Krieg hat dem Landlehrer neue Be- 
lastungen in Fülle gebracht. Besonders ein- 
schneidend ist für den Landlehrer die durch den 
Bombenterror der Feinde verursachte und not- 
wendig gemachte Umquartierung der Stadt- 
bevölkerung auf das Land. 


Bisher nämlich hatte der Landlehrer für alle 
seine Tätigkeiten dadurch festen Boden unter 
den Füßen, weil er mit einer verhältnis- 
mäßig kleinen, sich fast nicht verän- 
dernden Zahl von Familien rechnen 
konnte, die er einzeln genau kannte oder wenig- 
stens kennenlernte im Lauf der Jahre seiner 
Tätigkeit am Ort. Nur diese genaue Kenntnis 
aller Einzelbedürfnisse und Einzelnöte in den 
Landfamilien hat ihm die Möglichkeit gegeben, 
verhältnismäßig rasch Hilfevorschläge und Rat 
in allen Richtungen zu geben, ohne im ein- 


300 


zelnen jeweils sehr viel Zeit zu benötigen. Ab- 
gesehen von den Sterbefällen und Geburten 
ändert sich ja die Landbevölkerung verhältnis 
mäßig wenig. Die Fluktuation der Bevölkerung 
ist auf dem Lande ausgesprochen gering. Das 
hat seine Auswirkungen bis in die tägliche Un- 
terrichtstätigkeit hinein; denn auch die Be 
setzung der Klassen ändert sich von der ersten 
bis zur letzten, abgesehen von den seltenen 
Sterbefällen, fast gar nicht. Man kennt die 
Schüler und ihre Leistungsfähigkeit genau, ja 
man weiß sogar im allgemeinen, was man von 
den Kindern einer Familie zu erwarten hat, noch 
ehe sie in die Schule eingetreten sind. Im all- 
gemeinen kann man als Landlehrer Schwierig- 
keiten im Kenntniserwerb genau so vorher- 
sehen wie Schwierigkeiten in der Disziplin und 
im Anschluß an die Schulgemeinschaft. Da man 
die Geschwister entweder gleichzeitig in der 
Schule zu betreuen hat oder sie wenigstens vor 
kurzer Zeit betreut hat, gliedern sich die Schüler 
nach Familiengruppen auf; sogar die weiteren 
Familienzusammenhänge — der Sippen- und 
Vetternschaft — sind für den Landlehrer, der 
einen Blick für diese Zusammenhänge gewonnen 
hat, voll von Bedeutung und erleichtern den 
Entschluß für Maßnahmen aller Art. Besonders 
aber entsteht gerade in der Landschule leichter 
als irgendwo ein wirkliches Zusammengehörig- 
keitsbewußtsein zwischen Schülern und Lehrer, 
da eine Veränderung des Bestandes nur in geria- 
gem Maß, in häufigen Fällen gar nicht, eintritt 


Die Umquartierung hat für die Land- 
schule diese Verhältnisse vollständig 
verändert. Die Geschlossenheit der Schul- 
gemeinschaft ist durch das Hereinströmen von 
Stadtkindern zunächst einmal gesprengt. Nach 
allen Seiten hin entstehen Spannungen in sitt- 
licher, in unterrichtlicher Beziehung, aber auch 
in Richtung auf den Gemeinschaftszusammen- 
hang. 

Besonders erschwert ist diese Schularbeit auf 
dem Lande gegenwärtig dadurch, daß die Stadt- 
familien häufig nicht auf die Dauer an einem Ort 
bleiben, sondern den Aufenthaltsort wechseln, 
sei es, daß sie näher an ihre Heimatgemeinde 
heranziehen, sei es, daß sie aus irgendwelchen 
gesundheitlichen oder anderen Gründen eine 
Umquartierung von einer Landgemeinde in eine 
andere nachträglich erreichen, sei es, daß die 
Kinder mit ihren Eltern vorübergehend wieder 
in die Heimatgemeinde zurückkehren. Uberall 
dort, wo die Familien monate- oder gar jahre- 


lang in einer Gemeinde sich aufhalten, werden 
sie mit ihren Kindern heimisch, und damit kann 
auch der Landlehrer wirkliche Familienkenntnis 
von ihnen erwerben wie von seinen landgebür- 
tigen Familien. Unregelmäßigkeit des Schul- 
besuchs freilich wird bei den tmquartierten 
Familien immer größer sein, schon deswegen, 
weil die Stadtgebürtigen den weiten, oft auf- 
geweichten Wegen bei Sturm, Regen und Schnee 
gegenüber empfindlicher sind als die Landbe- 
wohner und weil immer wieder eine Reise in 
die Heimat nötig ist; das letzte besonders dann, 
wenn die Entsendestadt verhältnismäßig nahe 
am Umquartierungsort liegt. 


Die Schulklassen sind durch die Umquartie- 
rung natürlich größtenteils überfüllt worden. 
Es gibt Schulen, in denen nicht nur zweifacher, 
sonderndreifacher Unterricht in den Jahr- 
gängen und Schulklassen gehalten werden muß, 
einfach deswegen, weil die Schulzimmer die 
Zahl der Schüler nicht aufnehmen können. Da- 
durch wird die Schularbeit für den Lehrer nicht 
nur verlängert, sondern auch erschwert, weil 
für den einzelnen Klassenzug nur eine begrenzte 
Schulzeit übrigbleibt und infolgedessen in den 
Unterrichtsstunden angespannter, gehetzter ge- 
arbeitet werden muß. Überhaupt bringt die Um- 
quartierung, die Kinder verschiedenster deut- 
scher Gaue mit verschiedensten Schulverhält- 
nissen in eine Klasse zusammenführt, natürlich 
für den Lehrer immer neue, ungeahnte Schwie- 
rigkeiten. Dazu kommt, daß die Schwierigkeit 
der Beschaffung von Lernmitteln, von Heften, 
Bleistiften, Buntstiften, aber auch von Schiefer- 
tafeln, die Möglichkeiten der Stillarbeit und 
damit die Möglichkeiten der individu- 
ellen Führung der einzelnen Gruppen 
sehr begrenzt 


Die Beschaffung von Lernmitteln für 
die Klassen macht immer wieder groBe Mühe, 
mehr Mühe natürlich, wenn es für mehr Kinder 
geschehen soll. Diese Beschaffung ist bei den 
heutigen Verhältnissen fast ganz dem Lehrer 
zugefallen. Dazu sind viele Schreibereien, Rad- 
fahrten zum nächsten Markt, Bahnfahrten in 
die nächste Stadt nötig. Besonders erschwert 
wird der Unterricht für den Lehrer, wenn, wie 
das häufig der Fall ist, zwischen den einzelnen 
Unterrichtsabschnitten von je zwei bis drei 
Stunden ein kilometerweiter, manchmal sogar 
Stundenweiter Marsch ins Nachbardorf liegt. 
Daß die zur Klassen- und Schulführung nötigen 
Schreibarbeiten durch die Umquartierung nicht 
nur z. T. auf das Doppelte angestiegen, sondern 
auch durch den häufigen Wechsel erschwert und 
manchmal in der Art vervielfacht worden sind, 
führt auch zu einer oft großen Mehrbelastung 
des Lehrers. Manche Nachtstunde muß zur Er- 
ledigung dieser Arbeiten verwendet werden. 


Eine ganz besondere Aufgabe ist es für den 
Lehrer, dafür zu sorgen, daß die gänzlich andere 
Haltung der Stadtbewohner und Stadtkinder 
Innerhalb der Gemeinde den Kulturzusammen- 


hang nicht zerstört. Andere Bedürfnisse, andere 
Wünsche, andere Vorstellungen von Anstand 
und Sitte, andere Formen der Gemeinschafts- 
verbundenheit, ja auch ein ganz anderer Rhyth- 
mus des Lebens kommt hier herein. Es droht 
hier die Verstädterung und die Landfluchtbereit- 
schaft ganz plötzlich den Zusammenhalt des 
Landvolkes zu zerstören. 


Die Städter und Stadtkinder machen gar 
kein Hehl daraus, daß sie die Lebensweise 
auf dem Lande, Wohnung, Kleidung, Sitten, aber 


auch die Einkünfte und die Mühsal der täglichen 


Arbeit geringschätzen, daß sie den Mangel an 
Vergnügungsstätten, den Mangel an künstlichem 
Licht sehr schwer empfinden und daß sie alle 
Menschen, die diesen Mangel gar nicht sehen, 
wie die Landbewohner, schon deswegen für zu- 
rückgeblieben und unentwickelt und ausge- 
schlossen von alien „höheren Genüssen der 
Kultur‘ anschen. 


Die Landbewohner und besonders die Land- 
kinder kennen wenig Verhältnisse, die sich von 
ihren heimischen unterscheiden. Sie sind nicht 
so abgestumpft durch alle möglichen Reize wie 
die Stadtjugend; um so gefährlicher wirken 
solche Reden und solche Phantasien von der 
„goldenen Stadt“. Hier zeigt sich nun, ob der 
Landlehrer schon vor der Umquartierung die 
richtige geistige Grundlage im Dorf gewonnen 
hat. Es ist gar nicht so schwer, in den Dorf- 
bewohnern den Stolz auf das Althergebrachte, 
die Freude an den einfachen ländlichen Verhält- 
nissen in Sitte, Zusammenleben und Lebens- 
gestaltung wiederherzustellen. Ist das einmal 
geschehen, ist die Gemeinschaft der Schulklasse 
und die Gemeinschaft der Dorffamilien wieder 
zum bewußten Träger eines kulturlichen Zu- 
sammenlebens geworden — und dazu kann und 
muß der Landlehrer Wesentliches beitragen —, 
dann kann auch eine gewaltsame Störung wie 
die Umquartierung der Stadtbewohner auf das 
Land das Zusammenleben, die Gemeinschafts- 
und Bodenfestigkeit der Dörfler nicht so ohne 
weiteres untergraben. 


Ja, im Gegenteil, die Mehrzahl der Städter, die 
sich nach Tagen, mindestens aber nach Wochen, 
schon nach der Stadt unwiderstehlich zurück- 
sehnt, kann, wenn sie richtig in die Feinheiten 
und in die Tiefe der ländlichen Gemeinschaft 
eingebaut wird — das geschieht besonders da- 
durch, daß man sie langsam immer mehr zur 
Hilfe heranzieht —, den beruhigenden und ge- 
sundenden Einfluß solchen ländlichen Lebens 
kennenlernen. Wie oft hören wir von den Um- 
quartierten, wie sie in den Dörfern heimisch 
geworden sind, wie sie sich befreundet haben 
mit ihren Bauern und Handwerkern, in deren 
Häusern sie untergebracht oder deren Nachbarn 
sie geworden sind. Wir hören, wie sie helfen, 
besonders in den Zeiten großer Arbeitsanspan- 
nung im Frühjahr und im Herbst bei der Ernte, 
und wie sie sich gar nicht mehr vorstellen 
können, wie sie in der Stadt, losgelöst von der 


301 


natürlichen Selbstverständlichkeit des Lebens 
auf dem Lande, wieder leben sollen. Wenn sol- 
ches glückliches Einpassen der Umquartierten 
gelungen ist, dann ist meistens ein geschickter 
Landlehrer beteiligt, der die Vermittlung zwi- 
schen ländlichem und städtischem Denken 
leistet. 


Eine sehr wichtige Aufgabe des Landlehrers 
ist es, den Städter, der auf dem Lande zunächst 
durch die Wortkargheit und rastlose Arbeits- 
verbundenheit der Landbewohner abgeschreckt 
ist, zum Verständnis des ländlichen Verhaltens 
und ländlichen Fühlens zu führen. Dabei hilft 
dem Landlehrer, wenn er ganz bewußt vorher 
die Dorfkultur von innen her erfaßt und gestärkt 
hat, wenn er, der häufig als Fremder von außen 
in das Dorf hereingekommen ist, oft selbst aus 


der Stadt stammt, den Weg zum Herzen und em — 


Denken der Landbewohner mit Eifer und mit 
Freude vorher selbst gegangen ist; dann ist er 
auch imstande, den umquartierten Städtern die- 
sen Weg, den er kennt, vorsichtig zu zeigen. 


Dazu muß der Landlehrer sich freilich auch 
in die seelische Lage des umquartier- 
ten Städters hineindenken. Haute bringt 
weithin die Umquartierung für die Stadtmen- 
schen eine große seelische Belastung. Das Heim- 
weh nach den häufigen, starken seelischen Er- 
regungen, nach der Möglichkeit, in großen Krei- 
sen anerkannte Leistungen hervorzubringen, und 
nach Menschen, die weltoffen, leicht aufwühlbar 
und voll offen sich äußernder Teilnahme sind, 
ergreift einen Städter nach dem anderen und 
verführt ihn dazu, nach Wegen zu suchen, 
wieder in eine Stadt oder wenigstens wieder 
unter Städter zu kommen. 


Zunächst muß der Städter den Eindruck ge- 
winnen, als wären die Landbewohner stumpf, 
teilnahmslos und hartherzig. Der Städter steht 
wie vor einer Mauer. Er läßt sich — wohl um 
diese Mauer zu durchbrechen — dazu hinreißen, 
allzusehr zu klagen und sein Heimweh allzusehr 
nach außen zu zeigen. Er versteht gar nicht, daß 
er statt Mitleid nur heftige Abwehr und noch 
größere Verschlossenheit weckt. Es ist nun 
Sache des Landlehrers, dem Städter klarzu- 
machen, daß diese Abwehr nicht Charakter- 
schwäche, nicht Gemeinschaftsunfähigkeit und 
nicht Ichsucht ist, sondern der Ausdruck 
einer von alters her gewohnten und 
erzogenen Haltung die jede Äußerung 
von Gefühlsregungen für unbeherrscht und 
unanständig hält. Nur einige wenige Gefühls- 
äußerungen sind in bestimmten Situationen, und 
dann eng begrenzt, erlaubt, ja sogar vorgeschrie- 
ben, wie z. B. die Äußerung des Schmerzes am 
Sarg oder am offenen Grab, das Weinen der 
Mutter, wenn die Braut aus dem Haus geht, das 
Zeigen der Rührung beim Liedersingen oder das 
Zeigen der ausgelassenen Freude beim gemein- 
samen Tanz. 


Der Landlehrer, der lange genug auf dem 
Dorf gelebt hat, kennt diese Sitten und kennt 


302 


diese Haltung. Er ist imstande, den Städtern, 
die ja über eine größere und geübtere psycho- 
logische Phantasie verfügen als die Dörfler, die 
seelische Zwangslage der Dorfbewohner klar- 
zumachen und zu zeigen, daß diese Einstellung 
und diese Haltung, die in der Tiefe alteingewur- 
zelt ist, eine heftige Abwehr, ja innere Ableh- 
nung und Ekel hervorrufen muß, wenn die Städ- 
ter ihre starken seelischen Regungen häufig bei 
klein erscheinenden Anlässen offen sichtbar 
werden lassen. Der Lehrer kann zeigen, daß 
man auf dem Lande nicht gefühllos und hart- 
herzig, nicht ichsüchtig und geizig ist, daß man 
aber von sich und damit auch von anderen, die 
Anspruch auf Achtung erheben, erwartet, daß 
man überall Haltung und Selbstbeherrschung 
behält, daß man die Affekte menschlicher 
Schwäche, menschlichen Mitfühlens und mensch- 
licher Freude zwar besitzt, daß man sich aber ge- 
wöhnt und erzogen hat, die den Affekten ursprüng- 
lich zugeordneten Reflexbewegungen zu unter- 
drücken. Es kommt dabei daraufan, zu verstehen, 
daß durch diese Unterdrückung der Außenbewe- 
gungen dieTiefe der Gefühlsregungen keineswegs 
schwindet, sondern sich in ihrer Wirksam- 
keit verstärkt. Der Landbewohner ist im 
Grunde eigentlich rührseliger als der Städter, 
d. h. er wird von sainen Gefühlen viel stärker 
aufgewühlt und viel dauerhafter eingenommen, 
obwohl oder gerade weil er sie nicht äußern 
kann. 8 


Der Städler hat von Nat 
Interesse und eine große F 
dere Menschen einzudenken; 
keiten kann der Landlehrer bei 
tierten anknüpfen und sie anrufen. 


Es kommt ja alles darauf an, daß der Land- 
bewohner im Dorf für den Umquartierten nicht 
mehr bloßes Gegenüber — zunächst fremdes, 
feindliches Gegenüber — bleibt, sonder? ZUR 
Mitmenschen wird. Der erste Schritt ist, #8 er 
den Landbewohner verstehen will, und 
kann ihn der Landlehrer auf den richtigen V 
bringen. Die Fremdheit, die gegenseitige feit 
liche Einstellung wird dabei immer wieč 
durchbrechen, besonders dann, wenn der Lar 
bewohner aus seiner Einstellung zur Arb 
heraus scharfe Kritik übt, besonders an dł 
ohne nützliche Tätigkeit herumspielenden Stat 
kindern. Der Städter setzt sich im allgemein? 
aur in Bewegung auf den persönlichen Anri 
hin, d. h. auf einen Befehl oder eine Bitte 
ein Hilfeersuchen. Beim Landbewohner dageg” 
hat sich der Reiz zur Arbeit mit den Ding” 
seiner immer gleichbleibenden Umgebung af" 
bunden. Die vielfache Tätigkeit des Bauern, die 
aber im Ablauf des Jahres immer wieder bäi 
misch gleiche Folgen und Abläufe zeigt, mê 
es möglich, daß der Acker nicht mehr ein E 
stück“ oder ein „Stück Landschaft” ist, sau 
ein „Arbeitsfeld“ wird. Der Acker T uft 145 
Bestellung, der Kartoffelacker verlangt 
Hacken, die Pferde und Rinder stehen mit SE) 


ein psychologisches 
keit, sich in an 
diese Fähig- 
en Umquar- 


| 


mem Vorwurf in ihren Ställen, bis sie richtig 
gepflegt und versorgt sind; die reifende Frucht 
beim Wachsen und bei der Ernte, die geerntete 
Frucht auf dam Feld und im Haus, all das übt 
einen unabwehrbaren psychischen Zug auf alle 
Kräfte des Bauern aus, bis die richtige Arbeit 
geschehen ist. Für den Landbewohner, beson- 
ders für den Bauern, ist ein Mensch, der diesen 
Zug der Dinge, diesen Schrei seiner Umgebung 
nach Arbeit, der im Ablauf des Jahres ver- 
schieden stark und auch in verschiedener Rich- 
tung ertönt, nicht vernimmt, ein halber Mensch, 
ein Mensch, der entweder erst erzogen werden 
muß oder überhaupt unerziehbar ist. Ein Mensch, 
der den Arbeitsruf der ländlichen Umgebung 
nicht hört oder nicht mit Arbeit beantwortet, ist 
ihm psychologisch unverständlich. Eine richtige 
Bäuerin kann auch dann, wenn ihre Kräfte 
längst verbraucht sind und sie sich kaum mehr 
aufrecht halten kann, die Äcker nicht unbestellt 
lassen, sie wird sich lieber zu Tode arbeiten. 
Und ein Bauer, der getroffen von dem Arbeitsruf 
der ländlichen Umwelt sich, seine Kinder, sein 
Weib, die Knechte und Mägde, die Tagelöhner, 
auch die Alten, bis zur letzten Anspannung der 
Kräfte antreibt, folgt nur den psychologischen 
Gesetzen ländlichen, bäuerlichen Lebens. Kein 
Wunder, daß der Bauer unter Umständen auch 
schroff die nun aus der Stadt gekommenen Be- 
wohner seines Hauses mit einbezieht und den 
Arbeitsruf auch an sie mit der ihm eigenen 
Energie weitergibt. Die Empfindlichkeit des 
Städters, der Ermahnungen und schroffe Vorhal- 
tungen nicht vertragen kann, läßt daraus leicht 
einen unheilbaren Bruch, eine echte Feindschaft 
werden. 


Der Lehrer ist imstande, diese psychische Nö- 
tigung zur dauernden Arbeit, unter der die Land- 
bevölkerung lebt, dem Städter wenigstens 
einigermaßen verständlich zu machen. Es ist 
unerläßlich, daß zunächst einmal der Städter in 
seiner psychologischen Phantasie den Ruf zur 
Arbeit versteht, der den Bauern in jene 
seelische Bedrängnis bringt. Zunächst haben ja 
die Gegenstände und Teilstücke der ländlichen 
Umgebung nicht die Möglichkeit, ihren Arbeits- 
ruf den Städtern vernehmbar zu machen. Der 
Städter ist aus seiner Heimat gerissen; die Dinge 
der Heimat in der Stadt hatten für ihn auch 
solche Anreize zur Arbeit geboten, doch be- 
schränken sich diese Rufe, die verdinglicht 

. worden sind, auf die unmittelbare Umgebung 


ı seines Arbeitsplatzes, während er im weiteren 


: persönlichen Leben und in seiner Lebensgestal- 


i 
} 


tung nur dem persönlichen Ruf offensteht. 


Ein wirkliches Miterleben jener Arbeitsrufe 
der ländlichen Welt wird der Städter erst dann 
erhalten, wenn er längere Zeit mitgearbeitet hat. 
Es muß also — das kann wieder allein der Lehrer 

i tun, der beide Teile psychologisch versteht — 
‚nach Möglichkeiten gesucht werden, bei denen 


der Städter gern die Landarbeit mitmacht. Uber 
den Verstand und über die sich an den Verstand 


| 


richtende Ermahnung allein ist der Städter nicht 
einzuspannen, da er den Arbeitsanruf der Dinge 
in der ländlichen Umgebung nicht vernimmt, da 
ihm die bäuerliche Arbeit und die Arbeits- 
bedrängnis der Bauern infolgedessen rätselhaft 
und beschränkt erscheint und weil ihm der in 
der Stadt sich über jede Tätigkeit erstreckende 
Lohn- und Bezahlungsgedanke die unmittelbare 
Beziehung zur Zielhaftigkeit und Sinnhaftigkeit 
richtiger Arbeit verbaut hat. Man kann dem 
Städter also nicht irgendwelche Gründe vor- 
stellen, weswegen er dem Bauern helfen soll 
oder weswegen er die Arbeit mit leisten soll, 
die draußen nötig ist. Solche Begründungen 
können nur in den Menschen selber 
wachsen, deswegen muß das Mittun voraus- 
gehen. Viele Lehrer, die sich für die Volks- 
gemeinschaft und für die Gemeinschaft ihres 
Dorfes verantwortlich fühlen, haben hier in gu- 
ter Einfühlung manche „Erfindungen” gemacht, 
die es den Städtern und den Landleuten er- 
möglichten, zur gemeinsamen Arbeit zu kom- 
men. Nur ein Beispiel soll kurz erzählt 
werden, das aber keineswegs als Muster gedacht 
ist, denn es gibt unendlich viele mögliche Lö- 
sungen dieser Aufgabe: 


Eine junge Lehrerin hat außerhalb der Schule 
an einem Nachmittag der Woche regelmäßig die 
Kinder, die für Hitler-Jugend und BDM. noch zu 
jung sind, vereinigt. Sie hatte so viel Verständ- 
nis für das ländliche Leben, daß das bloße Spie- 
len und Spazierengehen nur eine ganz geringe 
Rolle dabei spielte. Die Kinder waren dauernd 
eifrig nutzvoll beschäftigt. Bald sammelten sie 
Heilkräuter, bald suchten sie Kartoffelkäfer oder 
andere Schädlinge, bald halfen sie den Bauern 
beim Heuen und beim Ernteeinbringen aller Art. 
Das machte den Kindern eine große Freude, so 
daß sie bald ihre älteren Geschwister mitbrach- 
ten. Heute kommen besonders die umquartierten 
Stadtkinder bis zu zwölf Jahren regelmäßig zu 
dieser fröhlichen gemeinsamen Arbeit. Die 
Kinder sprechen jetzt schon von „unserem“ 
Korn, „unseren“ Wiesen, „unseren“ Äckern, von 
„unseren“ Kartoffeln, von „unseren“ Äpfeln und 
Kirschen, d. h. sie sind in die Dorfgemeinschaft 
durch ihr Mittun und Mitsorgen hineingewach- 
sen und sie öffnen durch ihre freudigen Erzäh- 
lungen auch die Seelen der Eltern in der glei- 
chen Richtung. Wie gesagt, es gibt viele Mög- 
lichkeiten, ein solches Mittun und Mitsorgen der 
umquartierten Städter zu erreichen. Es wäre 
wichtig, wenn auch die Organisationen aller 
Art diesen Gedanken verfolgten und auch 
hier könnte der Landlehrer den Führern solcher 
Organisationen der Hitler-Jugend, der SA., der 
NSV. und anderen diese wichtigen Gedanken 
vermitteln. 


~ Gemeinsame Arbeit in der Überwindung einer 
gemeinsam empfundenen Not und Notwendig- 
keit kann allein das Sichversiehen der einander 
von Anfang an so fremden Menschen hervor- 
rufen. Erst wenn solch freies, nicht erbetenes, 


303 


aber erwartetes, nicht bezahltes, aber gern ver- 
goltenes Mittun und Mitsorgen in den umquar- 
tierten Städtern erwachsen ist, dann kann sich 
auch erst richtig das Mitdenken und Verstehen 
entwickeln. Und dann schließt sich bald das 
Band einer neugebildeten Gemein- 
schaft zwischen Landbewohnern und 
Städtern, das über aller Fremdheit und Ge- 


gensätzlichkeit steht und sie mehr und mehr 


zurücktreten läßt und schließlich überwinden 
hilft. Dann tritt aber der Fall ein, daß der Städter 
in solcher neuen Verbundenheit eine tiefe Be- 
friedigung und Befriedung findet, daß das Land 
anfängt, auch ihm, dem von zu Haus vertrie- 
benen Gast, zu einer Art vorübergehender Hei- 
mat zu werden. 


Dann bedeutet seine Gegenwart im Dorf nicht 
mehr eine Belastung und eine immer neue Ver- 
führung zur Verstädterung, sondern dann erhebt 
sich aus solchem Zusammenwachsen mit den 
Städtern ein neues Selbstbewußtsein, eine neue 
Sicherheit, ein neues Vertrauen zum Wertund zur 
Wirklichkeit der Volksgemeinschaft bei Bauern 
und Landbewohnern. 


Auf diese Weise ist gerade der Land- 


lehrer der Mann, von dem es abhängt, ob die 
große Volksbewegung der Umquartierung zu 
einer vollständigen Zerstörung unserer länd- 
lichen Kultur und zur unaufhaltsamen Weiter- 
führung der Verstädterung oder zu einer Stär- 
kung und Festigung des bäuerlichen Selbst- 
bewußtseins aus dem Zusammentreffen mit 
andersartigen und doch rassisch verwandten 
Menschen führt. Der Landlehrer ist derjenige, 
der wegen seiner Kenntnis der seelischen Re- 
gungen in der Stadt und auf dem Lande zu 
einem Vermittler werden kann: unter seiner 
Führung kann überall im einzelnen Dorf aus der 
Umquartierung nicht nur ein Fortschreiten der 
Verstädterung vermieden werden, sondem ein 
Wiedereinleben der städtischen Menschen in 
ländliche, boden-, luft- und sonneverbundene 
Lebens- und Arbeitsweise erwachsen. Mit viel 
Verantwortlichkeit, mit großer Mühe und Auf- 
opferung arbeiten mitten in ihrer sonstigen Über- 
lastung Tausende von Landlehrern an dieser 
großen, für die Gesundheit unseres Volkes wich- 
tigen Aufgabe, damit aus dem schweren Schick- 
sal des Krieges und gerade aus seinen Wirkun- 
gen sich Wege auftun für neues, gesünderes 
Leben unseres Volkes. 


Wir müssen uns das sehr dumme und verhängnisvolle Vor- 


urteil abgewöhnen, als ob die Umkehr zur Ländlichkeit, zur 


Natur Rückschritt bedeute. Das Heimfinden zur Natur ist viel- 


mehr das Ziel unserer Zivilisation. Aus der tierischen Natur 


heraus, in die menschliche Natur hinein, das ist die Straße der 


rechten Kultur. 


304 


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Landjahrmädel lernen weben (Bild oben) — Bei der 
Erdbeerernte im Lagergarten (Bild rechts) 


Das Landjahr ist das erste 
Jahr der bäuerlichen Be- 
rufsausbildung für ausge- 
lesene Jungen und Mädel 


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j * | 


Dä Landjahr ist ein neuartiges, bahnbrechen- 
des Erziehungswerk des Reichserziehungs- 
ministers für die deutsche Jugend. Es arbeitet 
maßgeblich mit an einer Erziehung zur bäuer- 
lichen Lebenshaltung. Eine Auslese 14jähriger 
Jungen und Mädel wird durch allgemeinbildende 
Schulung und grundlegende Berufserziehung für 
Beruf und Leben ertüchtigt, der Junge für seine 
Aufgaben als bäuerlich-politischer Soldat, das 
Mädel für seine Aufgaben als Frau und Mutter. 
Das Landjahr unterstützt die Bemühungen des 
Berufserziehungswerkes des Reichsnährstandes, 
die landgeborene Jugend dem Landvolk zu er: 
halten und für seine führungsmäßigen Aufgaben 
als Bauer und Bäuerin vorzubereiten. Es macht 
die ländliche Jugend durch seine den ganzen 
Menschen formende lagermäßige Gemeinschafts- 
erziehung innerlich bereit und fähig, sich stolz und 
selbstbewußt im dörflichen Leben einzusetzen. 

Die künftigen Träger einer im bäuerlichen 
Fühlen und Denken wurzelnden Weltanschau- 
ung werden am besten dort erzogen, wo die 
ursprünglichste Ordnung unseres völkischen 
Lebens den täglichen Erfahrungskreis der Jungen 


und Mädel bildet, in der gesunden 
Dorfgemeinschaft. Daher sind neben 
der Erziehungsgemeinschaft des La- 
gers der Bauernhof und das Dorf die 
Erlebniswelt, die formend auf Jungen 
und Mädel, Führer und Führerinnen 
einwirkt. Durchschnittlich leben 60 
Jungen oder Mädel mit drei Führern 
oder Führerinnen zusammen in einem 
schönen, schlichten Lagergebäude, Die 
Erziehungsarbeit erstreckt sich auf die 
vier Hauptgebiete nationalpolitische 
Schulung, praktische und vorberuf- 
liche Erziehung, Leibeserziehung und 
musische Erziehung. Am kulturellen 
Leben des Dorfes nimmt das Lager mit 
Musik, Spiel, Fest und Feier tätigen 
Anteil. Es hilft auch bei der Dorfbuch- 
arbeit. Die praktische Arbeit auf dem 
Bauernhof und im Lager wird den 
Jungen und Mädeln als erstes Jahr der 
Landarbeits- und ländlichen Haus- 
arbeitslehre angerechnet. 


Landjahrjungen bei vormilitärischer 
Ausbildung — Auch dem Dorfhand- 
werker wird geholfen 


VW 
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Volkstanz, Musik und 
Spiel sollen das Dorf- 
gemeinschaftsleben berei- 
chern (Bild oben) — Auf 
Großfahrt lernt die Land- 
jährjugend die Heimat 
kennen {Bild unten) 


| 


) 


FRIEDA HERBOLD: 


Die Bedeutung 
der ländlich=hauswirtschaftlichen 


Erziehung 


IE Zeiten, in denen wir so ernst und schwer um 
die Zukunft unseres Volkes ringen, erhärten 
sich die Grundsätze der nationalsozialistischen 
Weltanschauung und lassen uns die Werte er- 
kennen, die als Fundamente unseres Lebens 
gelten: das Gebundensein des Einzelnen an das 
Volk, die Erhaltung und Mehrung desselben in 
einem ausreichenden Lebensraum und dadurch 
die Entfaltung seiner ihm innewohnenden Kräfte. 


Diese Erkenntnis wird zum Maßstab 
unseres Denkens und Handelns und be- 
stimmt die Aufgabe der Frau. Sie verlangt von 
dem Mann den Kampf auf dem Schlachtfeld um 
die Freiheit unter Einsatz seines Lebens, ver- 
langt die schöpferische Gestaltung der Gegen- 
wart und macht die Frau als Mutter zur 
Hüterin des Lebens. In der Familie als 
sichtbarste und wertvollste Zelle, aus der sich 
das Volk erneuert, entfalten sich ihre natur- 
gegebenen Fähigkeiten. Sie formt ihre Um- 
gebung und erhält und pflegt in der Stille die 
inneren Werte, in denen die Kultur unseres 
Volkes liegt. Sie ist die Kameradin ihres Mannes 
und gibt ihm im Geborgensein der eigenen 
Häuslichkeit die Kraft zu allem Schaffen. Mit 
jedem Kinde, dem sie das Leben schenkt, ist ihr 
ein kostbares Gut anvertraut, es zu einem 
tapferen, einsatzbereiten Menschen zu erziehen 
und ihm die Lehre der nationalsozialistischen 
Idee in das Herz zu legen. So wird die heran- 
wachsende Generation immer entschei- 
dend von den Müttern geformt. Die Er- 
ziehung des Mädels für seine künftige Aufgabe 
als Frau und Mutter ist darum so notwendig, 
weil von ihm das Glück der Familie und damit 
das Wohlergehen des Volkes abhängt. 


Es ist geradezu erforderlich, jetzt davon zu 
sprechen, wo die unerbittliche Härte des 
Krieges den Mädeln und Frauen die leergewor- 
denen Arbeitsplätze der Männer zuweist. Nicht 
allein die gesundheitlichen Schäden durch die 
andauernde Überbelastung sind eine Gefahr, 
sondern auch eineEntfremdung von den der Frau 
ureigensten Aufgabengebieten darf nicht über- 
sehen werden. Die Fehlentwicklung der letzten 
50 Jahre schränkte bewußt die Kinderzahl ein 


und ist mit eine der Ursachen, daß uns bei dem 
Aufbau von 1933 an die notwendigen Menschen 
fehlten. Daraus ergab sich, daß die Arbeits- 
leistung des Mädels und der Frau mehr und 
mehr in das tägliche Wirtschaftsleben mit ein- 
gebaut werden mußte und auch vorerst noch 
nicht zu entbehren ist. 


Die Berufe, wie z. B. die Verkäuferinnen, die 
Stenotypistinnen, Buchhalterinnen usw. führen 
das Mädel bis zur Verheiratung außer in seiner 
freien Zeit an keine Hausarbeit, geschweige 
denn an die Haushaltsführung heran. Dieses 
hält es für selbstverständlich, einen Teil seines 
monatlichen Verdienstes nur für sich zu ver- 


wenden und großzügig damit umzugehen. Nach 


seiner Verheiratung aber soll das Einkommen 
des Mannes für beide und sogar für eine Zahl 
Kinder reichen. Dieses setzt voraus, daß die 
junge Frau sparsam wirtschaften kann, geht doch 
eine beträchtliche Höhe des Verdienstes des 
Mannes als Haushaltsgeld durch die Hand der 
Frau. Daran aber mangelt es, kann sie doch die 
in ihrem Beruf erworbenen Kenntnisse im Haus- 
halt nicht anwenden . 


Die weitere Möglichkeit einer gesunden Ent- 
wicklung der Familie und die damit verbundene 
Aufgabe der Frau wurde in der Stadt geradezu 
abgeschnitten. Durch die Enge unseres Raumes 
gezwungen, mußten die Menschen, die auf dem 
Lande keinen Lebensunterhalt fanden, ihren 
Weg in die Industrie und in die Stadt nehmen. 
Die sich daraus notwendig ergebenden Woh- 
nungsbauten brachten die vielstöckigen Miets- 
kasernen. In der für eine Familie vorgesehenen 
Zwei- bis Dreizimmerwohnung aber wird das 
Aufgabengebiet der Frau derart beengt, daß sie 
nicht ausgefüllt sein kann. Sie kann nicht teil- 
nehmen an dem, was den Mann in seiner Arbeit 
beschäftigt, weil er morgens das Haus verläßt 
und erst abends zurückkommt. Ihre freie Zeit 
weiß sie oftmals durch den Mangel an häus- 
licher Ausbildung nicht zu nutzen; ist sie doch 
gewohnt, alles, was sie braucht, leichter und 
einfacher zu kaufen, als es selbst herzustellen. 
Dann ist es nicht verwunderlich, wenn sich ihre 


305 


* 


Fähigkeiten nicht entwickeln, weil die Mög- 
lichkeit einer gesunden und natürlichen Be- 
tätigung fehlt. Darin aber liegt keine kulturelle 
Leistung der Frau, wenn sie sich möglichst auf- 
fällig kleidet und zurechtmacht und oft das 
Kino und Theater besucht. Das, was wir unter 
Kultur verstehen, will aus dem Menschen her- 
auswachsen und geformt werden. In der zu 
kleinen Wohnung und in dem Genießenwollen 
ihres Lebens wird die Unzufriedenheit genährt, 
die leicht zu ständigen Auseinandersetzungen 
mit dem Manne führt und die Ehe gefährdet. Es 
sind dies mit die Gründe für die Kinderarmut 
so vieler Ehen in der Stadt. 


Diese Feststellung muß zu der Folgerung 
führen, daß es lebensnotwendig für die Erhal- 
tung des Volkes ist, die Voraussetzungen für 
eine gesunde Entwicklung der Familie in der 
Stadt zu schaffen. Welches Glück würde es für 
die Familie, insbesondere für die Frau bedeuten, 
in einer ausreichend großen Wohnung zu wir- 
ken und gar in einem eigenen Garten arbeiten 
zu können. Auch volkswirtschaftlich betrachtet 
wäre es von weittragender Bedeutung. Als 
zweite Folgerung müßte die hauswirt- 
schaftliche Ertüchtigung des Mädels 
in den Vordergrund treten, ist doch die Haus- 
haltsführung eine Kunst, die eine gründliche 
Ausbildung verlangt. Danach erst dürfte sich 
das Mädel den übrigen Berufen zuwenden. 


Obwohl auf dem Lande die naturgegebenen 
Voraussetzungen für die Entfaltung der Familie 
und für die Aufgaben der Frau gegeben sind, 
müssen wir auch hier feststellen, daß die letz- 
ten Jahrzehnte der Bäuerin und Landfrau mehr 
Arbeit zumuteten, als sie ertragen konnte. Sie 
ist nicht nur die Mutter ihrer Kinder und nicht 
nur verantwortlich für die Führung ihres Haus- 
haltes, sondern nimmt mit ihrer Arbeit einen 
großen Anteil an der landwirtschaftlichen Er- 
zeugung. Die Pflichten gegenüber der Familie 
mußten zugunsten der Erhaltung des Hofes 
zurücktreten. Der Mangel an Arbeitskräften 
durch die Abwanderung in die Stadt, vor allem 
die geringe Einnahme der Landwirtschaft vor 
1933 zwangen sie dazu, zuerst die Arbeit in 
Stall und Feld zu verrichten. Manches erleich- 
terte sich durch die Maschinen, die in der 
Außenarbeit eingesetzt wurden. Bis die An- 
schaffung einer arbeitserleichternden Maschine 
für den Haushalt möglich war, vergingen einige 
Jahre. In vielen Dörfern fehlt heute noch die 
Wasserleitung. Was ließe sich durch die Aus- 
nutzung der Elektrizität im Bauernhaus erleich- 
tern! Ja, es ist geradezu eine Forderung, zuerst 
dem Lande alle Möglichkeiten der Arbeits- 
erleichterung zu verschaffen. Allerdings muß 
auch gesagt werden, daß der Bauer nicht immer 
in der richtigen Weise die Arbeit im Haus ein- 
zuschätzen weiß. Im Winter könnte der Bäuerin 
die Arbeit im Stall abgenommen werden, wozu 
auch das Melken und Schweinefüttern gehört. 
Noch mehr aber wirkt sich die Uberbean- 


306 


LU 


spruchung der Frau in Landschaften aus, in 
denen durch die Realteilung der Hof zersplittert 
wurde. Weil er keine Familie mehr ernähren 
konnte, mußte der Mann ein Handwerk ausüben 
oder zur Fabrik gehen. Der Frau aber fielen da- 
durch alle Feldarbeiten zu. Sie wurde die erste 
Arbeitskraft auf dem Hof und kam nicht mehr 
dazu, Bäuerin zu sein. 


Seit Beginn des Krieges ist es eine Selbstver- 
ständlichkeit, daß die Bäuerin und Landfrau den 
Hof für den als Soldat eingerückten Mann 
weiterführt. Wenn das Landvolk bis heute die 
Forderungen der Erzeugungsschlacht erfüllte 
und ihnen auch weiter nachkommt, dann ist es 
mit in erster Linie der Bäuerin und Landfrau zu 
verdanken. Durch ihrer Hände Arbeit trägt sie 
dazu bei, daß sich die Schweinebestände ver- 
mehren, die Milchleistungen steigern und die 
Hackfruchtanbaufläche vergrößert wird. Es ist 
ein Zeichen für ihre stille Pflichterfüllung, die 
keine Rücksicht auf sich selber kennt und ihr 
den ersten Platz in der Arbeitsleistung der Frau 
im Kriege zuspricht. Ernste gesundheitliche 
Schäden konnten bei dieser andauernden Uber- 
belastung nicht ausblefben. Manche Bäuerin ist 
dadurch nicht mehr in der Lage, Mutter vieler 
Kinder zu sein. 


Die ernährungswirtschaftlichen Forderungen, 
die im Kriege an erster Stelle stehen, und die 
täglichen Schwierigkeiten und Sorgen in der 
Führung des Hofes können ihr leicht den Aus- 
blick auf ihre wirkliche Aufgabe nehmen. 
Darum müssen wir sie jetzt besonders in den 
Vordergrund stellen, damit die Bäuerin den 
Glauben an die bäuerliche Zukunft nicht ver- 
liert und aus ihm den Mut und die Kraft für den 
Alltag findet. 


Der Bauernhof ist die Heimat, die durch 
generationenlange Arbeit und steten Kampf den 
Menschen fest verwurzelt und ihn daran er- 
innert, daß er ein Glied der unendlichen Kette 
seines Geschlechtes ist. Aus der Arbeit, die ge- 
bunden ist an den Ablauf des Jahres, wächst 
die Ganzheit des Bauernlebens und formt Ge- 
setz, Recht und Glauben in Sitte und Brauch. 
Der Bauer sieht in der Erhaltung und Mehrung 
des Hofes seine Lebensaufgabe. Die Bäuerin 
steht ihm als Kameradin zur Seite. Es gibt keine 
Sorge, die sie nicht auch bewegt, und keine 
Freude, die sie nicht mit ihm teilt. Sie ist die 
Mutter einer gesunden Kinderschar, in der ihrer 
beider Glück ruht, sie ist die Seele des Hofes. 
Von ihrem Wesen wird der Geist des Hauses 
und der Hofgemeinschaft getragen. In der 
frohen Pflichterfüllung ihres Tagewerkes macht 
sie allein die Arbeit leicht und gibt dem Feier- 
abend die Ruhe und Entspannung und den 
Feier- und Festtagen ihren Glanz. Ihren Fähig- 
keiten ist keine Grenze gesetzt, und indem sie 
sich ihrer Aufgabe unterordnet, wächst sie zur 
Persönlichkeit. Von ihrer Tüchtigkeit und Um- 
sicht im Haus, Stall, Garten und auch im Feld 
hängt mit der Erfolg des Hofes ab. 


Welche Werte schafft sie durch Spinnen und 
Weben, Stricken, Sticken und Nähen. Sind nicht 
in vielen Bauernhäusern die Truhen voller 
Leinen und Stickereien Zeugnis ihres Fleißesl 
Eine Fülle von Aufgaben drängen sich bei ihr 
zusammen und wollen wohlgeordnet und ge- 
plant sein. Sagt nicht ein Sprichwort aus der 
jahrhundertelangen bäuerlichen Erfahrung, daß 
ein Hof eher einen schlechten Bauern ertragen 
kann als eine schlechte Bäuerin? Wenn wir es 
emst mit der Erkenntnis meinen, daß das 
Höchste, was sich auf dieser Welt erreichen läßt, 
ein Leben voller Arbeit und Pflichterfüllung ist, 
dann kann sie es von sich sagen. Wir sehen in 
dem Lebenskreis der Bäuerin die schönste Auf- 
gabe der Frau, in der sich ihre Fähigkeiten und 
Anlagen entfalten und sie dem Volk am meisten 
dienen kann. | 


Zu diesem wahrhaften Dienst am Leben 
unseres Volkes, Mutter einer gesunden Kinder- 
schar und Trägerin einer arteigenen Kultur zu 
sein, kann sie aber nur gelangen, wenn sie rein 
arbeitsmäßig eine Entlastung erfährt. Die Zu- 
kunft des Bauerntums und damit unser Schicksal 
hängt davon ab und ist in die Hand der 
Bäuerin gelegt. Sie darf darum nicht aus ihrer 
augenblicklichen Lage heraus zu der Ansicht 
kommen, daß ihre heranwachsenden Kinder, und 
hier vor allem ihre Töchter, einen leichteren 
Alltag als sie haben sollen, denn mit jeder 
Kraft, die sich vom Land abwendet, vergrößert 
sich nicht nur ihre Arbeitslast, sondern es 
würde auch den Rückgang des Bauerntums be- 
deuten. Vielmehr muß sie als Lehrfrau mit 
dazu beitragen, daß unsere Mädel eine ord- 
nungsgemäße Ausbildung erfahren. Je gründ- 
licher das Mädel für seine künftige Arbeit als 
Bäuerin angeleitet wird, um so leichter wird es 
später seiner Aufgabe nachkommen. Esistdarum 
so unverständlich, wie oft noch die Meinung 
besteht, daß eine ordnungsgemäße Lehre für 
alle Berufe erforderlich sei, nur für die umfang- 
reiche Arbeit auf dem Lande nicht für notwendig 
gehalten wird. Gewiß wächst unser Landmädel 
von klein auf in das Leben auf dem Hofe hinein, 
verrichtet bald nach ihren Kräften von Jahr 
zu Jahr größere Arbeiten, in denen es von der 
Mutter zur Ausdauer, zur Verantwortung und 
zum selbständigen Handeln angelernt wird. Hat 
es die Schule verlassen, so stellt es schon eine 
willkommene und wertvolle Hilfe dar. 


Allein die beste Ausbildung der Mutter wird 
nicht annähernd in der Entwicklung des jungen 
Mädels das erreichen, was ihm die Fremd- 
lehre in dem Kennenlernen anderer Arbeits- 
weisen und der Formung seines Wesens und 
seiner Selbständigkeit zu geben vermag. Sie ist 
durch nichts zu ersetzen und wird ihm später 
das Anordnen und planmäßige Einteilen der 
Arbeiten erleichtern. So manche Bäuerin würde 
auch heute ihre Arbeit besser meistern, wäre 
auch in ihrer Jugend auf eine gründlichere 
Ausbildung Wert gelegt worden. Jetzt, wo die 
Bäuerin die Sorge um die Söhne an der Front 


hat, fällt es ihr besonders schwer, die Tochter 
abzugeben, da sie meistens ihre einzige deutsche 
Hilfe ist. Der Landjugendaustausch ist ein 
Weg, der gleichzeitig zwei Mädeln die Fremd- 
lehre ermöglicht und der Bäuerin an Stelle ihrer 
Tochter ein anderes Mädel zurückgibt. 


Der Lehrfrau liegt es ob, für eine gewissen- 
hafte Anleitung des Mädels bei allen Arbeiten 
in Stall, Garten und Haus zu sorgen. Sie wird 
durch den Besuch der Berufs- und Fach- 
schule ergänzt und vertieft. Die Webschule 
ist aber besonders zu erwähnen, lernt doch hier 
das Mädel die bäuerlichen Handfertigkeiten, die 
wieder im Bauernhaus gepflegt werden sollen. 
So übt sich das Mädel in allen Aufgaben- 
gebieten, die es später einmal zu übernehmen 
hat. Nach Abschluß der Hauswirtschaftslehre 
aber wird es der Bäuerin eine wertvolle Hilfe 
sein, die ihr meistens heute noch fehlt. 


Die Erziehung, die das Mädel vom 10. bis 
21. Lebensjahr im Mädelbund erhält, gibt ihm 
die weltanschaulich-politische Ausrichtung. Vor 
allem im BDM.-Werk „Glaube und Schön- 
heit“ lernt es die Gestaltung des bäuerlichen 
Lebens nach den Grundsätzen der national- 
sozialistischen Idee. Ganz besonders wichtig ist 
die körperliche Ertüchtigung. Die Freude an der 
Bewegung, die ihm durch die Leibeserziehung 
gegeben wird, läßt ihm die tägliche Arbeit leich- 
ter werden und fördert seine Gesundheit. Nur 
gesunde, weltanschaulich-politisch klar aus- 
gerichtete und beruflich gründlichst ausgebil- 
dete Mädel werden später die Aufgaben als 
künftige Bäuerinnen erfüllen können. Durch sie 
werden im Osten auf neuen Höfen Pflegestätten 
deutschen Wesens geschaffen. 


Darum ist die bäuerliche Erziehung und Aus- 
bildung des Mädels im Hinblick auf die beson- 
deren Aufgaben des Bauerntums im Volksganzen 
notwendig und eine höchst politische Aufgabe. 
Ihr sollen nicht nur die auf dem Lande gebore- 
nen Mädel zugeführt werden, sondern auch die 
gesunden Kräfte der Stadt. Die Hitler-Jugend 
hat sich diese große Aufgabe gestellt, wendet 
sie sich doch im Landdienst an die besten 
Jungen und Mädel, um sie von der Stadt zum 
Lande zurückzuführen, und spricht damit am 
eindeutigsten ihr Bekenntnis zum Bauerntum 
und zum Osten aus. Die Lagergemeinschaft er- 
leichtert dem Mädel das Einleben, und in den 
abendlichen Schulungsstunden lernt dieses seine 
Umgebung immer mehr verstehen, so daß es 
mit frohem Mut seiner Arbeit tagsüber auf dem 
Bauernhof nachkommt. Wenn dann die Bäuerin 
als Lehrfrau das Landdienstmädel in der rechten 
Weise in die Arbeit einführt und aus der 
Freude und der eigenen Überzeugung vom Wert 
der Bauernarbeit die Richtigkeit seines ein- 
geschlagenen Weges bestätigt, wird es gar bald 
in seinen neuen Lebenskreis hineinwachsen. 


Mit den Mädeln, die ihr Pflichtjahr auf 
dem Lande verbringen, muß die Bäuerin es auch 


307 


so halten. An ihr wird es mit liegen, ob sich das 
Mädel bei ihr wohlfühlt. Wie viele von ihnen 
können dadurch für das Land gewonnen werden! 
Im weiblichen Arbeitsdienst, der die Er- 
ziehung des Mädels in der nationalsozialisti- 
schen Weltanschauung vertieft, lernen die 
Mädel durch den Einsatz auf dem Bauernhof die 
Achtung vor der Landarbeit. Die Zeit aber bei 
„ihrem Bauern“ wird die Arbeitsmaid so leicht 
nicht vergessen. Wenn sie nachher auch 
meistens wieder der Ausübung ihres gelernten 
Berufes nachgeht, wird die bäuerliche Arbeit 
nicht ohne Einwirkung auf sie geblieben sein. 


In den meisten Fällen sind es die Eltern, 
die es verhindern, daß ihre Kinder durch die 
bäuerliche Berufsausbildung zum Lande zurück- 
finden. Mag das Schicksal der deutschen Städte 
unter dem Bombenterror hart sein, so bringt es 
doch eines mit sich, daß viele Frauen und Kin- 
der durch die Aufnahme in den Dörfern wieder 
mit den lebendigen Kräften der Natur in Ver- 
bindung gebracht werden. Sicher liegt es auch 
an dem Entgegenkommen der Familien auf dem 
Lande, den Frauen die Umstellung von der Stadt 
aufs Land nicht so schwer zu machen. Bei vielen 
jedoch zeigt die Erfahrung, daß sie mit dem 
Leben auf dem Dorf nichts mehr anzufangen 
wissen, weil in ihnen das Gefühl für die leben- 
dige und gesunde Umgebung und Arbeit ver- 
lorengegangen ist. 


20 fitt. 


t 


Anders ist es mit den Kindern. Sie ge- 
wöhnen sich bald ein und fühlen sich hier wie 
zu Hause. Wie stolz sind sie, auf dem Bauernhof 
Bescheid zu wissen, und wie gern gehen sie mit 
auf das Feld. Dieser Aufenthalt auf dem Lande 
wird für viele entscheidend für ihr Leben 
werden. Die Jugend muß und wird es sein, die 
sich lossagt von dem Besserhabenwollen einer 
alten Welt, die den Kampf bejaht und in der 
Pflichterfüllung und größeren Verantwortung 
für die Gemeinschaft ihre Kräfte einsetzt, so 
wie für uns Mädel als erstrebenswertes Ziel das 
Leben der Bäuerin vor uns steht. 


Wenn wir erkennen, daß die Zukunft unseres 
Volkes in gesunden, kinderreichen Familien 
liegt und seine Grundlage durch ein starkes 
Bauerntum erhält, dann müssen wir auch alles 
daransetzen, die Voraussetzungen zu schaffen, 
die eine glückliche Entwicklung der Familie 
und des Bauerntums mit sich bringt. Zu diesen 
Voraussetzungen gehört dann wohl als erstes: 
die Erziehung des Mädels seinen naturgegebenen 
Anlagen entsprechend für seine künftige Auf- 
gabe als Frau und Mutter, wie wir sie ihm in 
der ländlich-hauswirtschaftlichen Ausbildung 
geben, denn wie die Mutter ist, wird die 
Familie sein. Das Leben der Familie aber 
bestimmt die Kultur, Kraft und Größe unseres 
Volkes. 


Auseinandersetzungen um die künftige Gestaltung 
nationaler Wirtschaftsbeziehungen nehmen heute 
zeitweise In der anglo-amerikanischen Öffentlichkeit 
kaum einen geringeren Raum ein als die Erörterung 
militärischer Fragen. Soweit de von den treibenden 
Kräften des anglo-amerikanischen Imperialismus ge- 
führt werden, lassen sie immer wieder das hemmungs- 
lose Bestreben erkennen, den Wirtschaftsbedarf der 
Welt mit den Machtmitteln der Politik den jüdisch- 
kapitalistischen Profſtinteressen des Anglo-Ameri- 
kanismus dienstbar zu machen. Dabei hat sich mehr 
und mehr das Schwergewicht nach USA, verlegt, was 
bereits jetzt auch in England beginnt unangenehm 
empfunden zu werden. Die Anfänge dieser Entwick- 
lung liegen weit zurück. Sie waren bereits unmittelbar 
nach Abschluß des ersten Weltkrieges vor mehr als 
zwei Jahrzehnten deutlich erkennbar. Aufschluß- 
reiche Erkenntnisse hierüber hat kürzlich der frühere 
Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium Dr. 
Trendelenburg in einer Arbeit „Amerika und Eu- 
ropa In der Weitwirtschaftspolitik des Zeltabschnittes 
der Wirtschaftskonferenzen‘“ veröffentlicht. In den 
Jahren nach dem ersten Weltkrieg war England in 


308 


der irrigen Meinung, daß es selbst nur gewinnen 
könne, wenn Deutschland niedergehalten werde. 
Unter Mitwirkung der Vereinigten Staaten und 
Frankreich war es dahin einig, den Kampf gegen 
Deutschland als Wirtschaftskrieg und insbesondere 
als Kampf um die militärischen Kosten des ersten 
Weltkrieges fortzusetzen. Durch eine weltwirtschaft- 
lich nicht realisierbare Tributlast sollte Deutschland 
nledergehalten und zu Zahlungen gezwungen werden, 
mit denen man dem amerikanischen Übergewicht 
entgegenzuwirken und Deutschland insbesondere die 
Last der Kriegsschulden an Amerika aufzubürden 
hoffte. Dabei verkannte man völlig, daß Deutschland 
das wirtschaftliche Kerngebiet des europäischen Kon- 
tinents bildete, dessen Niederhaltung und Überlastung 
eine entsprechende Schwächung der gesamten euro- 
päischen weltwirtschaftlichen Haltung zur Folge haben 
mußte. England unterließ es, Europa planmäßig zu 
enger Zusammenarbeit und erhöhter Leistung sowie 
zu gemeinsamer Gegenwirkung gegen die weltwirt- 
schaftsfeindliche Haltung Amerikas zu ordnen. Nur 
dadurch aber hätte es Verlorenes zurückgewinnen 
können. Statt dessen stieß England durch die Fort- 


* 


setzung des Wirtschaftskrieges gegen Deutschland 
Europa in eine chaotische Entwicklung. Es Ist eine 
besondere Tragik und ein Zeichen der Kurzsichtigkeit 
der deutschen Außenhandelspolitik unter dem Wei- 
marer System, daB auch in Deutschland die tatsäch- 
liche Lage völlig verkannt wurde. Der Leidtragende 
dieser fehlerhaften Politik war in erster Linie die 
deutsche Landwirtschaft, deren national-wirtschaftlich 
eingestellte Kreise damals vergeblich gegen ein 
handelspolitisches System ankämpften, das durch 
die fehlerhafte Einschätzung der Meistbe- 
günstigungsklausel In der Handelspolitik gekenn- 
zeichnet war. Trendelenburg, der damals selbst an 
verantwortlicher Stelle mitarbeitete, bezeichnet es 
als tragisch für das europäische Wirtschaftsschicksal, 
da8 Deutschland am 8. Dezember 1923 mit USA. 
einen zehnjährigen Meistbegünstigungsvertrag ab- 
schloß, durch den nicht nur Deutschland selbst, son- 
dern auch der europäische Kontinent für zehn Jahre 
die handelspolitische Bewegungsfreiheit gegenüber 
USA. verlor. Die handelspolitische Entwicklung be- 
sonders auf landwirtschaftlichem Gebiet wurde in 
dieser Zeit geradezu zum Schulbeispiel dafür, wie im 
Zeichen des Liberalismus ein solcher auf die Förde- 
rung des. wechselseitigen Verkehrs bedachter Ver- 
tragsabschluß ins Gegenteil verkehrt werden kann. 
Deutschland ermäßigte unter dem Druck der libe- 
ralen Wirtschaftskreise zahlreiche Positionen seines 
Zollsystems und machte dadurch seinen Handels- 
vertrag mit USA. zu einem für den anderen Partner 
wirklich nutzbringendem Instrument. USA. jedoch 
dachte gar nicht daran, sein Zollsystem durch Einzel- 
zugeständnisse abzubauen, sondern arbeitete unter 
ständig steigenden hohen Schutzzöllen am Aufbau 
einer gewaltigen industriellen Autarkie, so daß der 
Meistbegünstigungsvertrag für Deutschland nahezu 
wertlos wurde. USA. mißbrauchte also die Meist- 
begünstigungsklausel zur einseitigen Förderung seiner 
eigenen Wirtschaft, indem es diese Absatzmärkte 
auf Kosten der europäischen Liefermöglichkeiten zu 
sichern suchte. 


Es erscheint gerade im jetzigen Augenblick ange- 
bracht, auf diese Dinge einmal hinzuweisen, denn auch 
heute geht die USA.-Handelspolitik, wenn auch mit 
teilweise anderen Mitteln, im Grunde denselben Weg. 
Nur richtet sich diesmal die Spitze nicht nur gegen 
Kontinentaleuropa, das man schon jetzt glaubt sich 
als Absarzgebiet ohne irgendwelche Hemmungen 
nutzbar zu machen. Dafür bekommt aber der englische 
Verbündete schon jetzt im Augenblick des Höhe- 
punktes der militärischen Entscheidung die wahren 
Absichten seines Partners recht deutlich zu spüren. 
Infolgedessen mehren sich die besorgten Stimmen in 
England, die ernsthafte Einwendungen gegen die 
hemmungslosen Ausdehnungsbestrebungen durch die 
USA. erheben. | 


jeder gesunden Entwicklung stehen insbesondere 
die Absichten der USA.-Agrarpolitik in Kontinental- 
europa entgegen. Hier will man nicht mehr oder 
weniger als die Aufgabe des Getreidebaues, an dessen 
Stelle die Beschäftigung mit Spezialkulturen treten 
soll. Mit diesen Forderungen glaubt man wohl zwei 
Ziele gleichzeitig zu erreichen: einmal die Eroberung 


eines neuen Feldes für die Getreidespekulation, zum 
anderen die Beseitigung der Voraussetzungen für 
irgendwelche politische Freiheit des europäischen 
Kontinents. Es ist bezeichnend, daß der englische 
Landwirtschaftsminister selbst für die englische 
Landwirtschaft diesen Bestrebungen der USA. nach- 
gibt. im Gegensatz zu früheren Erklärungen hat er 
es kürzlich abgelehnt, irgendwelche Zusicherungen 
für spätere Schutzmaßnahmen zugunsten der eng- 
lischen Landwirtschaft zu machen, die er vielmehr 
ausschließlich auf die Entwicklung der Selbsthilfe 
verweist. Bezeichnend ist demgegenüber eine er- 
heblich andere Agrarpolitik in USA. selbst. Dort ist 
die amerikanische Landwirtschaft infolge des poli- 
tischen Einflusses des Farmertums zu einem äußerst 
teuer arbeitenden Sektor der USA.-Wirtschaft ge- 
worden, da die die Lebenskosten verteuernden Ten- 
denzen sich heute stark gefestigt haben. Nach den 
Feststellungen amerikanischer Berichte muß dort das 
Volk heute dem Farmer beträchtliche Opfer bringen, 
die sich auch nach Kriegsende trotz aller Mechani- 
sierung fortsetzen dürften. Diese Berichte verkennen 
allerdings, daß die teueren Lebenshaltungskosten in 
USA, keineswegs dem Farmer zugute kommen, da 
ganz erhebliche Summen dem zwischengeschalteten 
Spekulantentum zufließen. Die 
des europäischen Kontinents, die im letzten Jahr- 
zehnt die Vorteile der von der nationalsozialistk- 
schen Agrarpolitik verfochtenen Idee der Marktord- 
nung schätzen gelernt haben, werden sich gegen diese 
Versuche zur Wehr setzen. Das gilt um so mehr, als 
die von Herbert Backe vertretene Auffassung einer 
gesunden Arbeitsteilung Innerhalb des europäischen 
Großraums überaus gesunde Möglichkeiten einer 
organischen Entwicklung ihrer natürlichen Produk- 
tlonsgrundlagen gibt. 


Zu diesen Fragen einer gesunden europäischen 
Arbeitsteilung hat Reichsminister Backe kürzlich vor 
geladenen Gästen des Reichskommissars der Nieder- 
lande, unter denen sich vor allem zahlreiche Vertreter 
aus Wirtschaft, Landwirtschaft und Industrie befanden, 
Stellung genommen. Im Rahmen der Richtlinien für 
die künftige Wirtschaftspolitik im europäischen Raum 
zeigte er, wie die liberalistisch - weltwirtschaftliche 
Arbeitsteilung nicht deshalb zusammengebrochen Ist, 
well die wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten falsch 
waren, sondern well ihr eine zentrale Ordnung 
fehlte. Dies lag im Prinzip des Liberalismus begründet, 
der weder eine Bindung der einzelnen Mitglieder an 
Grundsätze einer lebensnahen Wirtschaftsordnung, 
noch eine zentrale Führung kannte, die sich für das 
Wohl und Wehe der einzelnen Völker und ihrer An- 
gehörigen verantwortlich fühlte. Demgegenüber be- 
rücksichtigt das deutsche Ordnungsprinzip im euro- 
päischen Raum aus seinem Verantwortungsgefühl für 
Gesamteuropadienatürlichen Produktionsbedingungen 
und die nationalen Eigenkräfte der einzelnen Volks- 
wirtschaften. Auch für die Großraumwirtschaft, die 
sich heute im europäischen Lebensraum anbahnt, 
giit das Gesetz, daß der vorhandene Bedarf durch 
eine möglichst große Erzeugung beimöglichstgeringem 
Einsatz von Erzeugungsmitteln gedeckt werden muß. 
Dies Ziel aber ist ohne eine Arbeitsteilung zwischen 


A 


309 


Landwirtschaften `° 


den Mitgliedern der europäischen Lebensraum- 
gemeinschaft gar nicht zu erreichen. Deutschland hat 
durch die Tat bewiesen, daß es gewillt ist, auf der 
Grundlage einer klaren Ordnung innerhalb des Groß- 
raumes Europa und unter Berücksichtigung der be- 
sonderen Wirtschaftsbedingungen und Erzeugungs- 
möglichkeiten der einzelnen europäischen Länder, 
eine klare, geordnete und damit sicherlich erfolg- 
reiche Arbeitsteilung aufzubauen, die allein sich zum 
Wohle der europäischen Gesamtheit auswirken kann. 
Ausgehen muB der Aufbau einer europäischen Groß- 
raumwirtschaft von der Überlegung, daß der Bedarf 
der Völker das Primäre zu sein hat und daß dieser 
Bedarf auf die sinnvollste und einfachste Weise ge- 
deckt werden muß zum Wohle der einzelnen euro- 
päischen Nationen und des europäischen Menschen 
überhaupt. Daraus ergibt sich wieder, daß die Wirt- 
schaft als Dienerin der Politik nur dann sinnvoll. ge- 
staltet werden kann, wenn sie in einer festen, klar 
umrissenen Bindung an die politischen Erfordernisse 
gestaltet wird. Besonders eingehend befaßte sich 
Reichsminister Backe mit der Umstellung der nieder- 
landischen Landwirtschaft im Kriege, die erfreuliche 
Erfolge ergeben hat. Er ließ keinen Zweifei darüber, 
daß auch für alle Zukunft der Charakter der Vered- 
Iungswirtschaft in der niederländischen Landwirtschaft 
gewahrt bleibt, anderenfalls besteht Gefahr, daß ein 
Teil der niederländischen Bauern verarmt und andere 
ihre Scholle verlassen müssen, um den Zurückblei- 
benden die Basis für eine extensiver betriebene Land- 
wirtschaft zu geben. Eine solche Entwicklung würde 
aber auch für die kontinental-europäische Ernährungs- 
wirtschaft groBe Gefahren auslösen, obliegt der nieder- 
ländischen Landwirtschaft doch die Aufgabe, wesent- 
lich zur Versorgung der westeuropäischen Industrie- 
bevölkerung beizutragen. Deshalb war es notwendig, 
die Kenntnisse, Erfahrungen und Leistungen der 
niederländischen Landwirte voll zu nutzen und ihnen 
im Rahmen des Möglichen bei der Entwicklung von 
Spezialkulturen die notwendige Bewegungsfreiheit zu 
lassen. Deshalb blieben auch der Biumenzwiebel- 
anbau, Baumschulen, Biumenzüchtereien usw. in 
ihrem Kern erhalten, während man bei den Vieh- 
und Geflügelbeständen den Bestand des wertvollen 
Zuchtmaterials sicherte. Die erfolgreiche Umstellung 
der niederländischen Landwirtschaft führte innerhalb 
von 3 jahren zu einer Ausdehnung der Ackerfläche 
um rund 180000 ha. Der Brotgetreideanbau wurde 
um 25 vH., der Kartoffelanbau um 71 vH., der Ölsaaten- 
anbau sogar um 1700 vH. ausgeweitet. Der Viehbestand 
wurde der vorhandenen Futterfläche angepaßt. Die 
bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, wie gut diese 
Umstellung gelungen ist. Der erzielte Erfolg Ist aber 
nicht zuletzt das Verdienst des niederländischen 
Bauern, der — einmal seine große Aufgabe erkennend 
— verantwortungsbewußt an die gewünschte Um- 
stellung ging. Gerade hierin liegt ein erfreulicher 
Beweis dafür, daB durchaus praktische Voraus- 
setzungen für die Verwirklichung einer europäischen 
Arbeitsteilung gegeben sind. Hierin liegt auch der 
stärkste Garant dafür, daß die feindlichen Blockade- 
hoffnungen auch in Zukunft nicht in Erfüllung gehen 
werden. Mit dieser Frage beschäftigte sich Herbert 


310 


Backe kürzlich in einer Rundfunkrede, in der er zu 
den alljährlichen Diskussionen über den vorus- 
sichtlichen Ernteausfall und zu den Befürchtungen 
über die Folgen des durch die augenblickliche Front- 
lage bedingten Raumverlusts für unsere Ernährungs- 
wirtschaft Stellung nahm. Er will die ernährungswirt- 
schaftliche Bedeutung der Einbußen In Ölen weder ` 
übertreiben noch unterschätzen. Hierbei ist aus- 
schlaggebend, daß wir die tatsächliche Leistung der 
Ostgebiete niemals überschätzt haben. Auf der 
anderen Seite soll keineswegs übersehen werden, daß 
die Leistungen des Ostens in den beiden ersten Jahren 
der Besetzung den Ausgleich für die verhältnismäßig 
schlechten eigenen Ernten der Jahre 1940 bis 1942 
gegeben haben. Abschließend zu dieser Frage stellte 
der Reichsminister fest, daß durch den Ausfall der 
Gebiete im Osten auf einzelnen Gebieten beabsich- 
tigte Rationserhöhungen fallengelassen werden muß- 
ten, daß auf der anderen Seite aber ein einschneldender 
Einbruch in unsere bestehenden Ernährungsverhält- 
nisse durch die Ereignisse im Osten nicht erfolgt ist. 
Dies ist der Tatsache zu verdanken, daß es gelungen 
ist, die Leistungsfähigkeit der heimischen Landwirt- 
schaft trotz aller Schwierigkeiten, die die Länge des 
Krieges nun einmal in der Versorgung mit Arbeits- 
kräften und Betriebsmitteln mit sich bringt, voll 
und ganz aufrechterhalten zu haben. Stets muß des- 
halb der Grundsatz gelten, daß der Schwerpunkt der 
Versorgung unseres Volkes mit Nahrungsmitteln bei 
uns selbst und unserer eigenen Erzeugung liegt. Das 
gilt selbstversttändlich erst recht heute und muß 
auch In Zukunft gelten: Mögen die Räume, die uns 
im Osten zur Verfügung stehen, einmal wieder noch 
so groß sein, wir können es uns niemals leisten, un- 
sere heimische Erzeugung zu vernachlässigen. Das ist 
schon allein aus Transportgründen völlig unmöglich. 
Man kann nicht beliebige Massen von Nahrungsmitteln 
auf weiteste Entfernungen aus dem Osten in die 
Hauptverbrauchergebiete Mittel- und Westeuropas 
bringen. Dies wird besonders deutlich, wenn man 
bedenkt, daß allein von der Getreide- und Kartoffel- 
erzeugung des europäischen Festlandes 40 vH. im Grob- 
deutschen Reich gewonnen werden. Die Aufgabe des 
näheren und weiteren Ostens wird immer nur die eine 
sein, die Spitzenfehlbeträge, die in der Ernährungs- 
bilanz Deutschlands und Festlandeuropas offen sind, 
abzudecken, insbesondere durch Lieferungen von 
Futtergetreide und Ölsaaten. Das Ausland irrt, wenn 
es irgendwelche zur Zeit fehlende Einfuhrmöglich- 
keiten für maßgebend ansieht. Nur von diesem Stand- 
punkt aus Ist ein Ausblick auf die zukünftige Ent- 
wicklung unserer Ernährungswirtschaft möglich. Klima 
und Bodenverhältnisse unseres Raumes sind so viel- 
gestaltig, daß schlechte Ernten bei allen Kulturarten 
und in allen Teilen des Reiches ausgeschlossen sind. 
in der richtigen Ausnutzung der natürlichen Grund- 
lagen unserer Landwirtschaft liegt die Stärke der 
natlonalsozialistischen Agrarpolitik des Reiches, Wah- 
rend beim Gegner trotz der viel größeren natürlichen 
Möglichkeiten Infolge falscher oder fehlender wirt- 
schaftlicher Grundsätze immer wieder Schwierigkeiten 
auftauchen, die sich in der eingangs erwähnten Dis- 
kussion widerspiegeln. Dr. Kurt Haußmann 


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Kandbemerkungen 


Umstellung der Schweinehaltung 


im Frieden wurden im Deutschen Reich annähernd 
genau so viel Schweine gewerblich für den städtischen 
Verzehr geschlachtet wie für den Hausbedarf des 
Bauern. Die Zahl der Schlachtungen deckte sich etwa 
mit dem jahresdurchschnittsbestand, so daß ein 
Schwein im Jahr Im Durchschnitt etwa einmal um- 
gesetzt wurde. Das Durchschnittsschwein erreichte 
somit ein Lebensalter von etwa zwölf Monaten. Der 
Krieg stellte die deutsche Fleischwirtschaft vor das 
Problem, die Wehrmacht, den Bauern und die Zivil- 
bevölkerung mit Fleisch zu versorgen. In allen euro- 
päischen Ländern hatte sich schon im ersten Weltkrieg 
gezeigt, daß das Schweinefleisch vorwiegend auf dem 
Lande verzehrt wird. Die Städte wurden im Verlauf 
des Krieges zunehmend auf Rindfleisch verwiesen, 
sofern nicht etwa, wie in England, Schweinefleisch in 
sehr großen Mengen aus Importen anfiel. Es hatte dies 
zur Folge, daB dem Bauern ein Fleisch von höherem 
Nährwert zur Verfügung stand als dem Städter. 


Im zweiten Weltkrieg mußte zunächst won der Tat- 
sache ausgegangen werden, daß das Hausschlachtungs- 
schwein mit verhältnismäßig billigem wirtschafts- 
eigenem Futter und mit sehr viel Hausabfällen ge- 
füttert wird. Eine Ausschaltung der Hausschlachtung 
konnte deshalb von vornherein nicht angestrebt 
werden. Doch mußte die kriegsmäßige Verteilung des 
Anfalls daraus die richtigen Lehren ziehen. Die An- 
rechnung der Hausschlachtung wurde gegenüber dem 
ersten Weltkrieg erheblich verschärft. Selbstversorger 
mit Schlachtfetten erhalten je Woche aus Fettkarten 
nur 100 g Butter und Butterschmalz. während der 
Normalverbraucher derzeit 218 g Fett erhält, davon 
125 g Butter. Der Schwerarbeiter erhält zusätzlich 
hierzu 100 g Fett, der Schwerstarbeiter 369 g je 
Woche. Schwer- und Schwerstarbeiter erhalten auf 
Karten 219 bzw. 488 g Fett mehr als der Selbstver- 
sorger, und dieser letztere muß seinen Mehrbedarf an 
Fett dem selbstgeschlachteten Schwein entnehmen, 
das den Selbstversorger leistungsgemäß mit Fett und 
mit Fleisch versorgt. 


Die Lösung Ist in jeder Hinsicht sozial gerecht, doch 
bedingte sie die Aufrechterhaltung der Hausschlach- 
tungen etwa in friedensmäßigem Umfange, und das 
Absinken der Schweinebestände mußte zu Lasten des 
städtischen Verbrauchs gehen. Das für Schweine ver- 
fügbare Futter sank nun aber in einem stärkeren Ver- 
hälcnis ab als die Stückzahl der Schweine. Deshalb 
entfielen je Stück des Bestandes nur 87% der friedens- 
mäßig verfügbaren Stärkewerte. Zur Erreichung der 
Schlachtreife brauchte das Schwein des Durchschnitts- 
bestandes eine entsprechend größere Anzahl von 
Monaten, und die gewerbliche Frühmast mußte stärker 
beschnitten werden als die Spätmast im Hausschlach- 
tungsverfahren. Zudem ermöglicht es der langsamere 
Umschlag, mit einem relativ geringen Zuchtbestand 
auszukommen. Der Futterverbrauch je Doppeizentner 
erzeugtes Schlachtgewicht stieg um 14%. Dafür aber 
erbringt das Hausschlachtungsschwein mit seinem 


höheren Fettgehalt je Gewichtseinheit eine höhere 
Nährwertmenge, und das scheinbare Absinken der 
Rentabilität wurde hierdurch bis auf einen belang- 
losen Rest kompensiert. Die deutsche Schweine- 
haltung hat im Krieg eine Umstellung vorgenommen, 
die die nationale nährwertmäßige Ergiebigkeit der 
Schweinehaltung aufrechterhält und auch sonst in 
jeder Hinsicht sich als zweckmäßig herausstellt. 


Walter Hahn 


Europäische oder anglo- 
amerikanische Ernährungspraktik ? 


Die amerikanische Zeitschrift „Corn Trade News“ 
vom A März 1944 referiert über. eine Arbeit von 
J. N. Richter vom US-Office of agriculture relation in 
„Foreign agriculture“ über die deutsche Ernährung. 
Der Verfasser errechnet für die deutsche Bevölkerung, 
Wehrmacht und Ausländer inbegriffen, für 1942/43 
einen Tageskopfverzehr von 2650 Kalorien. Für 
1943/44 werde der Verzehr bel 2100 Kalorien liegen. 
Sollten die 20% bäuerliche Bevölkerung 3200 Kalorien 
für sich beanspruchen, so würden für die übrige Be- 
völkerung 1800 Kalorien täglich verbleiben. Dieser 
phantastischen Behauptung stehen aus dem Feind- 
lager amtliche Stimmen gegenüber, die sowohl dem 
Deutschen als auch dem Europäer einen durchaus 
leistungsgemäßen Verzehr zusprechen. Wir wollen den 
Verfasser nicht an dieser Steile über den deutschen 
Nahrungsverzehr im Jahre 1943/44 aufklären. Es wäre 
dies belohnte Torheit oder prämiierte Frivolität. Wir 
wollen aber über die europäische Ernährungsmöglich- 
keit in diesem Jahr einige Zahlen geben, die der Aus- 
länder der gewissenhafteren Fachliteratur seines 
eigenen Landes ebensogut entnehmen könnte. Und 
mit diesen Zahlen wenden wir uns in erster Linie an 
den Europäer. 


Für Kontinentaleuropa errechnen amerikanische 
Zeitschriften und auch der englische „Economist“ für 
1943 eine Normalernte. Selbst wenn man vorsichts- 
halber hiervon einen Abschlag vornimmt, errechnet 
sich angesichts der Einsparungen in der Getreidever- 
fütterung ein Mahlgut in Friedenshöhe von 63 Mill. t 
oder ein Tagesverzehr von 570 g Brot (85%ige Aus- 
mahlung) oder 1350 Kalorien für den kontinental- 
europäischen Durchschnitt. Aus den derzeitigen Vieh- 
beständen errechnet sich ein Anfall von 11 Mill. t 
Fleisch (ohne Schlachtfett) = 86 g täglich je Kopf 
es 150 Kalorien. Der derzeitige Milchviehbestand kann 
17 g Butter erbringen 136 Kalorien, die Schweine- 
bestände 9 g Schmalz — 108 Kalorien und die Oliven- 
und Ölfruchternte mit je 5 g Öl zusammen 90 Kalorien 
täglich. Die Kartoffelernte ist auf mindestens 
170 Mill. t zu veranschlagen, von denen 70 Mill. t nach 
Minderung der Schweinebestände dem Direktverzehr 
zugeführt werden können, das sind 550 g Kartoffeln 
= 410 Kalorien. Die europäische Zuckerernte er- 
möglicht einen Kopfverbrauch von 40 g täglich 
= 160 Kalorien. Diese Posten zusammengefaßt er- 
bringen 2400 Kalorien. Sie ergeben erfahrungsgemäß 
vier Fünftel der Gesamternährung. Mit dem fehlenden 
Fünftel errechnet sich ein Gesamtverbrauch von fast 
2900 Kalorien. Das Ist der europäische Friedens- 


311 


verzehr, wobei allerdings eine Vegetabilisierung Platz 
gegriffen hat, die aber keinerlei Gesundheitsschädi- 
gung erwarten läßt. 


Diese Feststellungen enthalten eine Mahnung an das 
Ausland, die europäische Ernährungskapazität nicht 
zu unterschätzen und den gewissenhafteren Sta- 
tistikern Gehör zu geben, die dies auch auf der Feind- 
seite vertreten. Wir möchten dabei auf die Tatsache 
verweisen, daß zahlreiche englische Statistiker auch 
über den englischen Nahrungsverzehr phantastisch 
niedrige Zahlen errechnen, denen auch wir keinen 
Glauben schenken. Für Kontinentaleuropa bedeuten 
diese Zahlen eine Mahnung, auf dem Wege gegen- 
seitigen Ausgleichs auch jedes einzelne europäische 
Land auf diesen Durchschnitt zu heben. Europa lebt 
in bescheidenen und im großen ganzen auch wohl- 
geordneten Verhältnissen. 


Der deutsche Soldat ist trotz seiner vorbildlichen 
Leistungen ernährungsmäßig gesehen der beschei- 
denste Soldat der Welt. Er lebt von Rationen, die 
hinter den Friedenssätzen mancher europäischer 
Neutralen noch zurückstehen und hat sich der 
kontinental-europäischen Nahrungsmittellage ange- 
paßt. Er bietet dem Europäer kein schlechtes Bei- 
spiel und wirbt durch seine eigene Bescheidenheit 
für eine angemessene Beschränkung des Verzehrs an 
Veredlungserzeugnissen. Der englische und amerika- 
nische Soldat verzehrt täglich zwei Drittel bzw. ein 
englisches Pfund Fleisch (454 g). Wo er hinkommt, gibt 
er einen bedenklichen Anreiz zu einer Verbrauchs- 
steigerung an Edeierzeugnissen. Dem deutschen 
Soldaten war das Betreten von Rom und das Aufkaufen 
von Lebensmitteln strengstens verboten. Von den 
amerikanischen und englischen Soldaten behauptet 
selbst die feindliche Presse das Gegenteil. — Nicht 
zuletzt, um dieses schlechte Vorbild zu bemänteln, 
verspricht die UNRRA In einer Zeit, in der die Welt- 
vorräte ihrer Neige entgegengehen und die Welt- 
produktion an Nahrungsmitteln eher einem Rückgang 
als einem Aufstieg entgegensteuert, der ganzen Welt 
eine Aufbesserung der Lebenshaltung. Diese Praktiken 
können die Welt nur verderben und ins Unglück 
stürzen. Das Heil der Menschheit liegt nicht in einer 
Nachahmung der amerikanischen Verbrauchssteige- 
rung, die angesichts der Tatsache, daß In der östlichen 
Welt die große Hälfte der Menschheit sich mit einem 
Nahrungsverzehr begnügen muß, der den Verbrauch 
der westlichen Welthälfte noch nicht zu zwei Dritteln 
erreicht, gerade als Frivolität wirkt, sondern in einer 
Anlehnung an die kontinental-europäische Umstellung 
auf eine bescheidenere Lebenshaltung. Die inter- 
nationale Ernährungsstatistik aber steht vor einer 
schweren, verantwortungsvollen Aufgabe, die sie 
mit der bisherigen oberflächlichen Praktik nicht wird 
meistern können. Walter Hahn 


Tauerngold 


Würde es uns nicht das mustergültige Dorfbuch des 
Hauptlehrers von Rauris künden, daß wir da in einem 
besonderen Tal stecken, wir müßten es als aufmerk- 
same Beobachter an den behäbigen Häusern des Dorfes 
erkennen, am kleinen Dorfmuseum und ganz hinten 


312 


im Tal an den Resten einstiger Aufbereitungsanlagen- 
Die Geschichte des sechs Gehstunden langen Tales 
der Rauriser Ache, die durch die enge und wilde 
Kitzlochklamm parallel dem bekannteren Gasteinertal 
der Salzach zustürmt, hebt mit Gold und Silber an. 
Über das Gebirge her, über jenen Teil des Tauern- 
hauptkammes, der heute die Goldberggruppe heißt, 
sind schon vor der Zeitrechnung die keltischen 
Taurisker und nach ihnen die Römer in das unwirtliche 
und unbesiedelte Tal gekommen. Nicht der Boden 
lockte sie, sondern das Gold, das sie bis In eine Höhe 
von 2000 m schürften. Die Salzburger Bischöfe, denen 
auch dieser Graben schließlich anheimfiel, setzten den 
Abbau fort, und es nimmt uns nicht wunder, daß auch 
das Judentum Beute witterte. Aber dessen interesse 
erlosch mit der immer geringer werdenden Fündig- 
keit. Ignaz Rojacher aus Rauris, der sich vom Hüte- 
buben zum Gewerken emporarbeitete, versuchte als 
Einheimischer vor vielen Jahrzehnten nochmals das 
Glück, und nach dem Anschluß ging man abermals 
daran, mit neuer Bergwerkstechnik nach dem edlen 
Erz zu schürfen. 


Aber der Krieg kam und mit ihm festigte sich noch 
stärker die Überzeugung, daß Gold als Gelddeckung 
eine Chimäre sel. So glaubt man in Rauris.nicht mehr 
an einen weiteren Abbau, er würde sich wohl auch 
kaum lohnen. Die 2000 Einwohner des Tales werden 
trotzdem nicht Hunger leiden. Die Landwirtschaft. 
auf die man sich erst spät besann, ist Haupterwerbs- 
zweig geworden, und als Aufbaudorf genießt Rauris 
eine Fülle von Förderungsmaßnahmen, von denen 


‚allerdings ein Teil infolge des Krieges zurückgestelit 


werden mußte. Das Wesentliche ist hier, die Futter- 
grundlage zu heben, denn die Viehzucht ist, da es im 
steilwandigen und regenreichen Tal bei 16314 ha 
Gesamtfläche bloß 528 ha Äcker gibt, Grundlage der 
Wirtschaft. 


Mit Feuereifer ist die in der Aufbaugenossenschaft 
zusammengefaßte Bauernschaft bei der Sache und 
keiner trauert dem Tauerngold nach. Zumal das Tal 
noch andere Schätze birgt, die das nationalsozialistische 
Reich höher wertet als edles Metall: der Kinder- 
reichtum der Rauriser ist weit bekannt, das Tal gilt 
nach dem Großarler als das kinderreichste Groß- 
deutschlands. Famillen mit einem Dutzend Kinder 
sind keine Seltenheit. 


Lebendiges Tauerngold hat totes Metall abgelöst. 
In den Höfen von Rauris und der Weiler Bucheben 
und Wörth gilt eine große Familie als wesentliches 
Zeichen einer Lebensbejahung, wie man sie sonst 
kaum noch kennt. Es ist schon einmal so, daB dort. 
wo es viele Kinder gibt, auch Lied und Musik zu Hause 
sind. Das überkommene Brauchtum hat nicht nur als 
Kapitel im Dorfbuch seinen Platz, sondern wurzelt 
standfest in der Gegenwart. Das bezeugen, um nur 
etwas zu nennen, die alljährlichen Perchtenläufe. Und 
wie bodenverwurzelt sie alle sind, darüber legt wieder 
die Lehrerin in Wörth ein Zeugnis ab: In den Jahren, 
da sie der Schule vorsteht, ist niemand von den Buben 
und Dirndin landflüchtig geworden, hat sich lebendiges 
Tauerngold nicht durch Landflucht zur Scheidemünze 
gewandelt. Dr. Hermann Legat 


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FÜR INDUSTRIE 


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LANDWIRTSCHAFT 


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AUTO UNION 
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AUTO UNION A-G, ABT. DKW-MOTOREN, CHEMNITZ 


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Landwirte, Winzer, Obstbouern, Gët, 
ner und Förster stehen dauernd im 
Kampf gegen eine Unzahl von Un- 
kräutern, Pflanzen-Schädlingen und 
-Krankheiten. Ihre Waffen sind bewährte 
chemische Mittel der Schering A.G., die 
in langjähriger Forschungsarbeit: zum 
Schutz der Ernten und zur Sicherung 
unserer Ernährung geschaffen wurden. 


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Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit 
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen 
auf dem Hoi meistnur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht 
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der au 
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer 
Stelle zur anderen bringen läßt. 

Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der 
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese 
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. 


SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG 


Generalorgas 


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Das sieghaite „S“ — Dein 
Losungswort, Sparkasse heißt 
es, spare dort, 


SPARKASSE 


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Achtung! An alle Verfracnter! 


Vorsatzbretter für gedeckte Güterwagen! 


Ein neues Hilfsmittel der Deutschen Reichsbahn 
für die Verladung von Schüttgütern! 


Bei Fehlen von Verpackungs- 
material können Schüttgüter 
wie Getreide oder Hülsen- 
früchte lose verladen werden. 
Die Reichsbahn hat hierfür Vor- 
satzbretter beschafft (s. obige 
Abbildung). Sie passen für je- 
den Güterwagen, werden von 
innen in die Türen gestellt und 
sind mit 2 Entlade- 

DER schiebern versehen. 


Räder müssen rollen für den Sieg! 


Fordern Sie diese bahneigenen 
Vorsatzbretter bei Ihrer Güter- 
abſertigung an. Die Mietgebũhr 
beträgt je Stuck RM 2.—. In kei- 
nem Falle ist es also mehr not- 
wendig, das wertvolle Wagen- 
material durch Vernageln der 
Cũterwagentüren mit Brettern 
zu beschädigen. Jede Repara- 
tur entzieht den Güterwagen 
dem Verkehr. 


Das Wort „einwecken“ stammt 
von Johann Weck, dem Mann, der 


das WECK-Verfahren begründet, 
der die WECK-Gläser und WECK- 
Geräte geschaffen bst. KI 


I. ECK & C0, ÖFLINGEN IN BADEN 


sei es wiris sha 


out kann Krankheits- 


erreger aufweisen. 
Beizunqꝗ ist daher un- 
bedinqt erforderlich. 


eresan 


Trocken- oder Naßbeize 
für alle Getreidearten! 


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. G. FARBENINDUSTRIE 758 
AKTIENGESELLSCHAFTf A 
Pflanzenschutz-Abteilung GALEN 
LEVERKUSEN R 


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eigenes Hochzucht- 
oder Handelssaat- 


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AUGUST 1944 NUMMERII JAHRGANG? E DNITZZEOLOP RB AS AV2K IRM 


INHALT 


Dipl.-Landwirt Otto Keune, Hauptschriftleiter: Verkehrslenkung als Aufgabe 
der Marktordnung ........ CCC EN RE EUER hear 313 


Viktor Freiherr von Bülow, Vorsitzender der Hauptvereinigung der deut- 
schen Zucker- und Süßwarenwirtschaft: Zuckerwirtschaft in der Kriegs- 
CV!!! ]VUci.. ðii x 919 


Dr. Georg Blohm, o. 6. Professor, Reichsuniversität Posen: Das Warthe- 
land — Seine betriebs wirtschaftlichen und agrarpolitischen Aufgaben 


Neues Leben im Wartheland (Bildbeilageõe'dd]s]]:ſ . . . .. D S. 


Dr. Charlotte Lorenz, Professor, Universität Berlin: Das Gesetz in der Ver- 
brauchswirts chatte 55 ĩ5ðĩiͥ g TE RR 


Mädel weben für Soldaten (Bildbeilageoe 77s DEET DS 


Dr. Alf Noll, Studiengesellschaft für deutsche Wirtschaftsordnung: Fi- 
nanzierungsproblem und Geld flüssigkeit in der Landwirtschaft 


Agrarpolitische Rundschau. „sus Vase 


Ranabemerkungen. eee x 


8 8 S8 8 RS RR 


Die. ///ſ/ĩ ] ðſqA ðQi] ĩð2iu i een ah 


Bildnachweis: Das Titelbild ist eine Aufnahme von Hans Heinig. — Die beiden Bildbeilagen , Neues 
Leben im Wartheland' und „Mädel weben für Soldaten“ statteten die Photographen Limberg (Reichs- 


nährstand) und Frau Lüdecke-Helbich mit Bildern aus. 


An unsere Leser! 


Der Präsident der Reichspressekammer hat in Durchführung der vom Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegs- 
einsatz erlassenen Richtlinien auf dem Gebiet des Zeitungs- und Zeitschrlitenwesens als Sofortmaßnahme verschiedene 
Einschränkungen angeordnet. Aus diesem Grunde erscheint unsere Zeitschrift „Deutsche Agrarpolitik‘ ab 1. September 
d. Js. nur noch vierteljährlich. Letzte Ausgabe des 3. Vierteljahres ist die Folge 11 vom August. Die nächste Ausgabe 
erscheint dann erst wieder im Oktober. Der Bezugspreis für das 4. Quartal 1944 beträgt deshalb nur 1,20 RM. zuzüglich 
Bestellgeld. Vom 1. Januar 1945 an kann die „Deutsche Agrarpolitik“ bei Bestellungen im Abonnement nur noch für 
eine Bezugszeit von einem Jahr statt bisher einem Vierteljahr bezogen werden. Der Abonnementspreis für das Kalender- 
jahr 1945 beträgt zur Verrechnung der bereits bezahlten Folgen, die in diesem Kalenderhalbjahr nicht mehr erscheinen, 
nur 3,60 RM. und vom 1. Januar 1946 an 4,80 RM. pro Kalenderjahr zuzüglich Bestellgeld. 


Heil Hitler! 


Zentralverlag der NSDAP., Franz Eher Nacht, GmbH., 
Zweigniederlassung Berlin. 


Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Tell: Günther Pacyna, 

Berlin-Wilmersdorf, tür den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil: 

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fermruf: 195541. 

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts- 

ruf 110022. Bezugspreis jährlich 4,80 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 
gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43. 


ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN 


DEUTS 


August 1944 


OTTO KEUNE: 


Nummer 11 


VERKEHRSLENKUNG ALS AUF; 
GABE DER MARKTORDNUNG 


De liberalistische These, daß die aus- 

schließlich auf Eigennutz abgestellte 
wirtschaftliche Tätigkeit des einzelnen 
Unternehmers und deren gegenseitige un- 
gehemmte Konkurrenz letzten Endes doch 
zu einem der Allgemeinheit dienlichen 
Ausgleich führt, ist nirgends schlagender 
widerlegt worden als in der Ernährungs- 
wirtschaft. Ganz abgesehen davon, daß 
unter diesem System das Landvolk seinem 
sicheren Ruin entgegensteuerte, hat es 
auch auf der anderen Seite dem städtischen 
Verbraucher mehr Nachteile als Vorteile 
gebracht. Man braucht hierbei nicht ein- 
mal auf das Problem einzugehen, das sich 
aus der völligen Abhängigkeit von der 
Nahrungszufuhr aus dem Ausland für die 
Versorgung der werktätigen Bevölkerung 
ergab. Es genügt schon der Hinweis dar- 
auf, da8 die — volkswirtschaftlich ge- 
sehen — so sinnlosen Kreuz- und Quer- 
läufe von Lebensmitteln als Wahr- 
zeichen liberalistischen Markt- 
geschehens ihre privatwirtschaftliche 
Rechtfertigung immer nur in niedrigen 
Erzeuger- oder hohen Verbraucher- 
Preisen, oft verbunden mit abfallenden 
Qualitäten, finden konnten. Denn es kann 
ja, um nur ein Beispiel herauszugreifen, 
schwerlich bewiesen werden, daß Hamburg 
zu den natürlichen, also preisgünstigen Ab- 
satzgebieten für Allgäuer Butter zählt und 
daß diese dort dem Konsumenten in frische- 
tem Zustand geliefert wird als Butter aus 
dem benachbarten Schleswig-Holstein. 


Es war daher eine der grundsätzlichen 
Erkenntnisse der nationalsozialistischen 
Agrarpolitik, daß die deutsche Volkswirt- 
schaft in ihrer Gesamtheit ein dringendes 
Interesse daran haben muß, den Weg der 
Ware, vornehmlich aber der Nahrungs- 
güter, vom Erzeuger zum Verbraucher so 
kurz und kostensparend wie nur möglich 
zu gestalten. Wer unter diesem Gesichts- 
punkt die Marktordnung des Reichsnähr- 
standes und die Arbeiten der Hauptvereini- 
gungen seit ihrer Gründung verfolgt, wird 
daher auf eine Fülle von Maßnahmen 
stoßen, die alle einer weitgehenden Ver- 
kehrsentilechtung und -vereinfachung die- 
nen sollten. Dieses Ziel wurde bei elasti- 
scher Anpassung an die Verschiedenheiten 
der einzelnen Lebensmittel so konsequent 
verfolgt, daß der Krieg, auch vom Stand- 
punkt der nun allgemein vordringlich wer- 
denden Verkehrsentlastung her gesehen, 
keine entscheidende Neuorientierung er- 
forderte. Es galt nur, bereits früher ge- 
plante und eingeleitete Arbeiten beschleu- 
nigt zum Abschluß zu bringen, sich auf 
anderen Gebieten auf die veränderten 
Verzehrsmöglichkeiten einzustellen und 
schließlich überall dort härter in die 
Lieferbeziehungen einzugreifen, wo der 
friedensmäßige Lebenssiandard einen grö- 
Beren Aufwand rechtiertigte. 

Es soll nun Aufgabe der nachfolgenden 
Ausführungen sein, an Hand von Einzel- 
beispielen zu zeigen, daß die Verkehrs- 
lenkung von den verantwortlichen Stellen 


schon frühzeitig als umfassende Aufgabe 
der Marktordnung angesehen wurde. 
Man wird dann auch erkennen, daß sich 
ohne die hierbei im Frieden geleistete Vor- 
arbeit die Ernährungssicherung während 
des Krieges kaum so reibungslos hätte 
durchführen lassen, wie es bis jetzt mög- 
lich gewesen ist. Dabei verdient die Tat- 
sache besondere Beachtung, daß sich die 
Steuerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse 
gegenüber der gewerblicher Produkte in- 
folge der Vielzahl der Erzeugerbetriebe 
wesentlich schwieriger gestaltet. So rech- 
nen wir in der Milchwirtschaft mit 
etwa 3 Millionen Lieferanten, deren Milch 
von rund 6000 Molkereien erfaßt wird. Man 
muß sich vergegenwärtigen, daß rund 
täglich 50 Millionen Kilogramm Milch in 
2 Millionen Milchkannen bewegt werden, 
um eine richtige Vorstellung von der riesi- 
gen Transportleistung zu erhalten, die 
hier entsteht. Wenn daher heute festgestellt 
werden kann, daß die 6000 Molkereien 
unter Ausschaltung früher üblicher Über- 
schneidungen über geschlossene Einzugs- 


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Verkürzung der Anfuhrstrecken bei der Milchbelieferung von 


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gebiete verfügen, in denen sich die Milch- 
anfuhr auf dem kürzesten und zweck- 
mäßigsten Wege vollzieht, so kommt in 
diesen wenigen Worten eine erfolgreiche 
Organisationsleistung zum Ausdruck, die 
die Voraussetzung dafür geschaffen hat, 
daß die Milcherfassung selbst im Kriege 
von Jahr zu Jahr gesteigert werden konnte. 
Zahlenmäßige Unterlagen über die hierbei 
insgesamt erzielte Verkehrsentlastung 
liegen nicht vor. 


Ein kleines Beispiel aus dem Rhein-Main- 
Gebiet mag jedoch die Verhältnisse be- 
leuchten. Durch die Regelung des Milch- 
absatzes dreier benachbarter Ortschaften 
wurde eine tägliche Transporteinsparung 
von 3Kilometer oder von jährlich 1095 Kilo- 
meter erzielt. Ähnliche Ergebnisse werden 
sich bei genauer Nachprüfung für alle 
Gegenden des Reiches ermitteln lassen. 
Da 60 Prozent der Milch durch Lastkraft- 
wagen aus den Dörfern abgeholt werden, sind 
bei einer durchschnittlichen Ladefläche von 
5000 Kilogramm in der Milchanfuhr 6000 


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Frankfurt o M. 


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1935 


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Motorfahrzeuge eingesetzt, so daß leicht zu 
errechnen ist, wie sich jeder weniger ge- 
fahrene Kilometer nach den verschieden- 
sten Richtungen hin auswirkt. 


In gleicher Weise wie in der Milchwirt- 
schaft wurden die Einzugsgebiete der 
Zuckerfabriken bereinigt. Hier gelang 
es, die Reichsbahn weitgehend von Rüben- 
transporten zu entlasten und die Zahl der 
gefahrenen Tonnenkilometer nicht un- 
wesentlich zu senken. Trotz beträchtlicher 
Steigerung des Transportvolumens als Folge 
der Ausdehnung des Zuckerrübenanbaus 
konnten daher die Fabriken auch während 
des Krieges selbst bei größter Anspannung 
der allgemeinen Verkehrslage in der kurzen 
Zeit der Kampagne stets ausreichend mit 
Rohware versorgt werden. 


Die unterschiedlichen Klima-, Boden- 
und Betriebsgrößenverhältnisse einerseits 
und die Bevölkerungsverteilung anderer- 
seits bringen es im großdeutschen Raum 
mit sich, daß wir es bei den meisten Le- 
bensmitteln mit Uberschuß- und Zuschuß- 
gauen zu tun haben, die sich durch den 
gleichmäßigen Rationsanspruch während 
des Krieges besonders deutlich heraus- 
schälen. Obwohl sich demnach ein sinn- 
voller Abfluß der Ware von dem einen in 
das andere Gebiet von selbst verstehen 
sollte, liegen genügend Beweise dafür vor, 
daß das „freie Spiel der Kräfte” oft genug 
den umgekehrten Weg einschlug. Auf- 
gabe der Marktordnung war es 
daher, neben der Regelung der Er- 
fassung den zweiten Schritt zutun 
und verkehrslenkend in den Waren- 
strom vom Erfassungsbetrieb bis 
zum Bedarfsort einzugreifen. In der 
Viehwirtschaft führten die ständigen 
Preisschwankungen infolge des Mißver- 
hältnisses zwischen Angebot und Nachfrage 
zu einem völlig unübersichtlichen Vieh- 
versand, wobei es nicht selten vorkam, daß 
Vieh bis zur Schlachtung über mehrere 
Märkte gehandelt wurde. Hier hat die 
viehwirtschaftliche Marktordnung sehr 
schnell Wandel geschaffen und durch eine 
Reihe von Bestimmungen, vor allem durch 
die Einführung der Voranmeldepflicht des 
zum Verkauf vorgesehenen Viehs, eine ver- 


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nünftige Warenbewegung durchgesetzt, die 
sich neben der Sicherung des Viehabsatzes 
und der Fleischversorgung in erheblichem 
Umfang verkehrsentlastend ausgewirkt hat. 


Diese schon im Frieden bewährten Maß- 


nahmen wurden im Krieg durch die Ein- 
führung des sogenannten Richtstrahlen- 
systems weiter verfeinert, das den Ver- 
sand von Schweinen, Kälbern und Schafen 
aus den einzelnen Uberschußgebieten nur 
an bestimmte Märkte gestattet, den Einsatz 
besonderer Viehzüge und eine volle Aus- 
nutzung des verfügbaren Laderaums er- 
möglicht. 


Für die Kartoffelwirtschaft ergab 
sich aus dem in den letzten Jahren steil an- 
steigenden Speisekartoffelverbrauch die 
zwingende Notwendigkeit einer straffen 
Verkehrslenkung, die jeden Umweg aus- 
schloß und den Waggonumlauf wesentlich 
beschleunigte. Nur so war es der Reichs- 
bahn möglich, die Waggongestellung von 
100 Prozent im Jahre 1938/39 auf 349 Pro- 
zent im Jahre 1942/43 zu erhöhen. Für jedes 
Kartoffelüberschußgebiet wurde ein 
Gruppenverteiler eingesetzt, der die 
Versandaufträge laufend vom zuständigen 
Kartoffelwirtschaftsverband nach den An- 
weisungen der Hauptvereinigung erhält. 
Alle Kartoffelhändler dieses Gebietes 
sind andererseits verpflichtet, die von ihnen 
erfaßten Kartoffeln dem Gruppenverteiler 
anzudienen und nach dessen Verfügungen 
abzufertigen. Eine entsprechende Regelung 
sichert in den Empfangsgebieten eine rei- 
bungslose Abnahme der einlaufenden Sen- 
dungen. Statt daß wie früher 200 Berliner 
Großhändler wahllos im ganzen Reich ein- 
kaufen, ist nunmehr für die Reichshaupt- 
stadt eine Arbeitsgemeinschaft von 9 Groß- 
verteilern eingesetzt, die als Empfänger 
aller ankommenden Waggons auftritt, für 
deren Zulauf zu den zweckmäßigsten Güter- 
bahnhöfen und ihre schnellste Entladung 
durch den zugelassenen Kartoffelhandel 
verantwortlich ist. 


In beachtlichem Umfang verkehrsent- 
lastend hat sich die in diesem Zusammen- 
hang kurz erwähnte Beseitigung von Miß- 
ständen in der Trinkmilchversorgung 
unserer Großstädte dadurch ausgewirkt, 


315 


daß grundsätzlich nur das stadtnahe Gebiet Gastwirt) wurde als nächste Stufe in der 
lieferberechtigt und somit u.a. ein Milch- Warenverteilung aber nicht nur von der 
versand aus Ostpreußen, Schlesien oder Milchwirtschaft Aufmerksamkeit geschenkt. 
dem Wartheland nach Berlin unter- So waren in der Brauwirtschaft die 
sagt wurde. Auch bei der Milchverteilung Absatzverhältnisse infolge der früheren 
im Stadtgebiet selbst wurden Transportein- Konkurrenzkämpfe derart zerrüttet, daß in 
sparungen erzielt. Seit der Regelung des großem Ausmaß Kreuz-, Quer- und Gegen- 
Trinkmilchmarktes ist beispielsweise Wien läufe an der Tagesordnung waren. Der 
in 13 Bezirke eingeteilt, die von je einer Kampf um den Kunden hatte den Bier- 
Molkerei mit Milch und Milcherzeugnissen transport völlig unwirtschaftlich gestaltet, 
versorgt werden. Früher erfolgte die Be- so daß hier mit starker Hand eingegriffen 
lieferung der 12500 Kleinverkaufsstellen werden mußte. In mühseliger Arbeit 
durch Molkereien und Milcheinführer, haben die Brauwirtschaftsverbände eine 
deren Gesamtzahl weit über dem Zehn- Bereinigung vorgenommen, durch die bis 
fachen der Zahl der jetzt zugelassenen jetzt jährlich 3,5 Milliarden Hektoliter- 
Molkereien lag und die, sich nach allen Kilometer eingespart und demnach sowohl 
Richtungen überschneidend, die Milch auf Kohle durch geringere Belastung der 
die unsinnigste Weise spazierenfuhren. Schiene, ferner Treibstoff durch geringere 

Den Beziehungen zwischen Ver- Belastung der Straße als auch Fahrzeuge und 
sorgungsbetrieb (Großhandel, Mühle, Personal in beachtlichem Umfang frei wur- 
Brauerei) und Kleinhandel (Bäcker, den. Bezogen auf den jährlichen deutschen 


1 unwirtschaftlcher Transport in der Bulterversorgeng 
a, gezeigt am Beispielder Butterlieferungen u. -bezuge 


o yon Sachsen-Anhalt und Thüringen. 


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Bierausstoß von 55000000 Hektoliter er- 
gibt sich, daß dieser im Jahr insgesamt 
65 Kilometer weniger bewegt wird. Diese 
Arbeit war besonders deswegen so ver- 
wickelt, weil im Falle eines Kundenaus- 
tausches die oft erhehlichen finanziellen 
Verflechtungen zwischen Gastwirt und 
Brauerei in langwierigen Verhandlungen 
geklärt werden mußten. Schwierigkeiten 
bot nicht selten auch der Umstand, daß 
Brauereien Inhaber van Gaststätten waren, 
die sie nun nicht mehr beliefern durften. 


Wir sahen, daß verkehrslenkende Vor- 
schriften den Warenstrom vom Hof des Er- 
zeugers über den Versand- und Empfangs- 


großhandel bis zum Kleinverteiler nach- 


haltig beeinflußt haben. Der Vollständig- 
keit halber muß jedoch auch erwähnt wer- 
den, daß dort, wo es nötig war, noch einen 
Schritt weitergegangen und in die un- 
mittelbare Belieferung des Ver- 
brauchers eingegriffen wurde. So wurde 
der ambulante Milchhandel vielfach auf 
bestimmte Straßenzüge beschränkt; eine in 
Friedenszeiten besonders stark kritisierte 
Maßnahme, ohne die aber heute eine ord- 
nungsgemäße Milchversorgung kaum denk- 
bar wäre, da sie wesentliche Einsparungen 
an Treibstoff, Zeit und Arbeitsaufwand zur 
Folge gehabt hat. In ähnlicher Weise wurde 
schließlich auch bei der Belieferung von 
Privathaushaltungen, insbesondere Selbst- 
versorgern, mit Brot und Backwaren ver- 
fahren. 

Die Abhängigkeit Deutschlands von Ein- 
fuhren aus Übersee hat verschiedentlich zu 
einer Zusammenballung von Ver- 
arbeitungsbetrieben, insbesondere 
von Getreide- und Olmühlen, in zu 
den Einfuhrhäfen frachtgünstig gelegenen 
Gebieten geführt. Mit der Umstellung der 
deutschen Ernährungswirtschaft nach den 
Grundsätzen der nationalen Selbstversor- 
gung ergab sich hieraus eine außergewöhn- 
lich starke Belastung des Verkehrs, solange 
z.B. die Getreidemühlen im Westen und 
Nordwesten desReiches entsprechend ihrer 
früheren Beschäftigung an der Vermahlung 
der deutschen Getreideernte beteiligt wur- 
den. Die Mühlenkontingentierung 
des Jahres 1934, fußend auf der Verarbei- 
tung im Durchschnitt der Jahre 1927 bis 


Deier weilterbewegt 
innerhalb der Nahzone noch erforderlich, 


1932, mußte demzufolge zunächst zu un- 
befriedigenden Ergebnissen führen. So war 
es auf die Dauer unhaltbar, daß in Pom- 
mern gewachsener Weizen nach Baden ver- 
frachtet, dort vermahlen und dann als Mehl 
und Kleie wieder nach Pommern zurück- 
transportiert wurde. Die Bestrebungen der 
Hauptvereinigung der deutschen Getreide- 
und Futtermittelwirtschaft zur notwendigen 
Bereinigung derart unwirtschaftlicher Wa- 
renbewegung setzten daher auch schon vor 
dem Kriege ein, wurden aber durch diesen 
wesentlich beschleunigt. Sie haben ihren 
vorläufig endgültigen Niederschlag im so- 
genannten „Mühlenplan“ gefunden, der 
am 1. Januar 1944 in Kraft getreten ist. 
Dessen Grundgedanke, die Vermahlung des 
Getreides und den Absatz der Mahlerzeug- 
nisse in erster Linie unter weitgehender 
Einsparung an Transportmitteln und -lei- 
stungen vorzunehmen, erforderte eine Ab- 
kehr vom Begriff des bisherigen Mühlen- 
grundkontingentes. An seine Stelle trat für 
jede Mühle die Verarbeitungsanweisung 
der Hauptvereinigung, losgelöst von der 
Betriebsausnutzung in den Vergleichs- 
jahren, allein den Gesichtspunkten des 
Mühlenplanes tolgend, wobei zur An- 
passung der Vermahlung an die Anbau- 
und Verzehrsverhältnisse auch an eine Um- 
wandlung früherer Roggenkontingente in 
Verarbeitungsanweisungen für Weizen ge- 
dacht wurde. Der Erfolg dieser Verlage- 
rung der Mehlherstellung ergibt sich aus 
nachstehender Überlegung. Während im 
Wirtschaftsjahr 1942/43 im Altreich und 
Sudetenland auf eine Entfernung von über 
25 Kilometer rund 1,3 Millionen Tonnen 
Mahlerzeugnisse befördert werden mußten, 


‚sind es nach dem Mühlenplan jährlich nur 


noch 710 000 Tonnen. Nimmt man bei vor- 
sichtiger Schätzung an, daß die restlichen 
600 000 Tonnen früher mindestens 25 Kilo- 
wurden, als heute 


so kann mit einer Verkehrsentlastung in 
Höhe von 15 Millionen Tonnenkilometer 
gerechnet werden. Hinzu kommt noch, daß 
der verbleibende Ost-West-Verkehr von 
Mehl einer eingehenden Prüfung unter- 
zogen wurde mit dem Ziel, nur zusammen- 
gefaßte Lieferungen aus begrenzten Über- 


317 


* 


schußgebieten in geschlossene Zuschuß- 
bezirke unter überwiegender Inanspruch- 
nahme des Wasserweges zu dulden. 


Die im Mühlenplan verankerten Gesichts- 
punkte gelten auch für die Verarbei- 
tung der Olsaaten. Allerdings liegen 
hier die Verhältnisse ungleich schwieriger, 
da der Anteil der überseeischen Einfuhren 
noch bei Kriegsausbruch wesentlich größer 
war als die inländische Erzeugung. Nach- 
dem jedoch nunmehr durch die gewaltige 
Steigerung des Olfruchtanbaues im Reichs- 
gebiet auf 600 000 Hektar und den Fortfall 
größerer Auslandszufuhren eine völlige 
Umwälzung Platz gegriffen hat, wird sich 
die Beschäftigung der Olmühlen im kom- 
menden Wirtschaftsjahr so weit wie irgend 
möglich nach ihrer Lage zu den Anbau- 
gebieten richten. 


Der Versuch, an Hand einer Reihe von 
Beispielen aus Teilgebieten der Ernäh- 
rungswirtschaft zu zeigen, daß die Markt- 
ordnung des Reichsnährstandes in um- 
fassender Weise verkehrslenkend und 
verkehrsentlastend gewirkt hat, könnte 
noch in mancher Hinsicht vervollständigt 
werden. Der verstärkte Übergang 
von der Bahn auf die Binnenschiff- 
fahrt (z.B. beim Versand von Winterobst 
und Grobgemüse), vom Lastkraftwagen 
auf Pferdefuhrwerk (vor allem bei der 
Milchanfuhr), die bessere Ausnutzung 
des Laderaumes und die Bildung von 
Transportgemeinschaften (beides 
vorbildlich durchgeführt in der Fischwirt- 
schaft) verdienen ebenso Erwähnung wie 
die planvolle Lenkung der Einfuhren, die 
u.a. in der Wein- und Trinkbranntwein- 
wirtschaft eine besondere Rolle spielt. In 
diesem Zusammenhang sei auch auf die 
Tätigkeit der Verkehrsreferenten 
bei den Landesbauernschaften hin- 
gewiesen, die als Verbindungsmänner zwi- 
schen Ernährungs- und Verkehrswirtschaft 
in ihrem Bereich auf alle Fragen des Trans- 
ports Einfluß nehmen. Sie sorgen für eine 
ordnungsgemäße Gestellung von 
Waggons ebenso wie für deren be- 
schleunigte Entladung, spüren jedem 
noch unentdeckt gebliebenen gebietlichen 
Umweg mit Eifer nach, teilen zur Verfü- 
gung stehende alte oder neue Lastkraft- 
wagen sowie Treibstoffmengen je nach 


318 


Dringlichkeit auf die Bedarfsträger auf und 
haben sich nach jeder Richtung hin als un- 
entbehrlich herausgestellt. Ferner muß auch 
die mittelbare Transporteinsparung an- 
geführt werden, die dadurch angestrebt 
wird, daß die Zuschußgebiete in diesem 
Jahr 375 000 Tonnen Speisekartoffeln mehr 
aufbringen sollen bei gleichzeitiger Ent- 
lastung der Überschußgaue; eine Absicht, 
deren Erfolg allerdings wesentlich vom 
Ernteausfall abhängt. Erstmalig wurde auch 
der Versuch unternommen, den Gemüse- 
anbau in stärkerem Umfange in die Be- 
darfsgebiete zu verlagern, selbst wenn 
dabei in den ostwärtigen Teilen des Reiches 
geringere Erträge in Kauf genommen wer- 
den müssen. Schließlich verdient auch 
noch die Herstellung konzentrierter Le- 
bensmittel (Trockenspeisekartoffeln, Trok- 
kengemüse, Trockenfleisch usw.) Erwäh- 


‘nung, ohne die eine reibungslose Versor- 


gung des Frontheeres unmöglich wäre. 


Wir kommen wieder zum Ausgangspunkt 
unserer Betrachtungen zurück. Im Gegen- 
satz zur liberalistischen Wirtschaft hat es 


die nationalsozialistische Agrarpolitik als 


eine, ihrer grundlegenden Aufgaben an- 
gesehen, den Absatz der Nahrungsmittel 
vom Erzeuger bis zum Verbraucher nach 
volkswirtschaftlichen Maßstäben zu lenken. 
Sie hat sich dabei unterschiedlicher Me- 
thoden bedient, die in ihrer Gesamtheit 
nicht nur zu einer festgefügten Marktord- 
nung, sondern auch zu einer Verkehrseni- 
lastung geführt haben, deren Ausmaß 
kriegsentscheidende Bedeutung beigemes- 
sen werden kann. Wo auf einigen Gebieten 
noch nicht alle Möglichkeiten der Trans- 
porteinsparung ausgeschöpft sein sollten, 
wird keine Mühe von den verantwortlichen 
Stellen gescheut, um dem Idealzustand trotz 
vielfacher Schwierigkeiten näherzukom- 
men. Es darf jedoch nicht unberücksichtigt 
bleiben, daß wechselnde Ernteergebnisse 
und unerwartete Verschiebungen in der 
Einfuhr immer wieder vor neue Lagen 
stellen und alte Pläne über den Haufen 
werfen. Gereift an den gesammelten Er- 
fahrungen und den erzielten Erfolgen, wird 
man jedoch das einmal für richtig erkannte 
Ziel nicht aus den Augen verlieren, son- 
dern stets vollkommener zu erreichen ver- 
suchen. 


VIKTOR VON BULOW: 


. Zuckerwirtschaft 
in der Kriegsbewährung 


Mae im gleichen Maße wie andere 
Zweige der Ernährungswirtschaft hat schon 
von jeher die Zuckerwirtschaft über die Reichs- 
grenzen hinausblicken müssen, denn ihre Sorge 
um die Erhaltung des Zuckerrübenbaues in Eu- 
ropa ist so alt, wie der Kampf zwischen 
Rohrzucker und Rübenzucker. Als es 
deutschen Züchtern gelang, Zuckerrüben zu 
züchten, und deutschen Technikern, daraus 
Zucker herzustellen, war dem Zuckerrohr, des- 
sen Veredlungserzeugnis, der Rohrzucker, bis 
dahin die Welt beherrschte, ein gefährlicher 
Widersacher erstanden. In der Folgezeit nahm 
die Rübenzuckererzeugung einen dauernd wach- 
senden Aufschwung und dann neigte sich die 
Waage des Weltverbrauches bald zur einen, 
bald zur anderen Seite. Die Brüsseler 
Zuckerkonvention 1902 und das Chad- 
bourne-Abkommen 1931 waren Krisen- 
zeichen dieses Kampfes. Europa ist ausschlie3- 
lich Rübenzuckergebiet und seine Landwirt- 
schaft mußte daher immer betroffen werden, 
wenn der Absatz des Rübenzuckers unter dem 
Angebot billig erzeugten tropischen Rohzuckers 
litt. Zusammenarbeit der europäischen Rüben- 
bauländer war deshalb schon immer geboten, 
und stets verfolgte dabei England um seiner 
händlerischen Interessen willen eigene Wege. 
In diesem Zusammenhange gesehen, eröffnen 
sich gerade der Zuckerwirtschaft des euro- 
pdischen Festlandes für die Nachkriegszeit Aus- 
sichten, die die Fortsetzung durch den Krieg nur 
teilweise unterbrochener Aufgaben bedeuten. 
Europas größter Zuckererzeuger ist Deutschland 
und damit ist für seine Landwirtschaft die künt- 
tige Gestaltung der Zuckerwirtschaft des euro- 
päischen Festlandes von größter Bedeutung. 
Umgekehrt dürfte aber auch das Bild der deut- 
schen Zuckerwirtschaft von besonderer Wich- 
tigkeit für seine Nachbarn sein. 


Die Zuckerrübenanbaufläche verteilt 
sich keineswegs gleichmäßig über die Gaue 
unseres Vaterlandes. Sie hat ihren Kern im 
mitteldeutschen Raum, also den Gegenden von 
Halle, Magdeburg und Hildesheim, und strahlt 


von dort nach allen Richtungen aus. Weitere 
wichtige Rübenbaugebiete sind Schlesien, War- 
theland, Westpreußen und das Rheinland. Auch 
in Mecklenburg und Pommern hat der Rübenbau 
seit einigen Jahrzehnten starke Ausdehnung er- 
fahren. Süddeutschland, das Donauland und das 
Sudetenland haben mit diesen Reichsteilen zwar 
nicht Schritt halten können, weisen aber auch 
bedeutenden Rübenbau auf. Die Zucker- 
fabriken, in denen die Rüben unter Anfall 
von Schnitzeln und Melasse teils auf Rohzucker, 
teils unmittelbar auf Verbrauchszucker verarbei- 


tet werden, befinden sich zu einem wesentlichen 


Teil im Besitz der Rüben bauenden Landwirt- 
schaft, die ihnen dafür eine Verfassung beson- 
derer Eigenart mittels Aktien mit Neben- 
leistungspflicht geschaffen hat. Diese Form 
herrscht besonders in den alten Rübenbaugebie- 
ten in weitem Bogen um den Harz herum vor 
und hat das Beispiel abgegeben für die jüngeren 
Fabriken besonders im deutschen Osten. Außer- 
dem gibt es aber auch Zuckerfabriken, an denen 
die Rüben bauende Landwirtschaft nur gering 
oder gar nicht, jedenfalls nicht mit Lieferpflich- 
ten, beteiligt ist. Landwirtschaftliche Beteiligung 
kommt auch bei reinen Weißzuckerfabri- 
ken häufig, bei reinen Raffinerien jedoch 
selten vor. So bietet sich ein buntes Bild ent- 
sprechend einem zeitweise ziemlich stürmischen 
Wachstum der Zuckerwirtschaft in Deutschland 
zu einer Zeit, in der der liberalistische Staat 
seinen Einfluß darauf beschränkte, diesen Wirt- 
schaftszweig als Steuerquelle anzusehen. Die 
Rüben bauende Landwirtschaft aber war, allen 
Wechselfällen des Weltmarktes ausgesetzt, auch 
dort nur ganz unzureichend in der Lage, Rück- 
schläge aufzufangen, wo sie als Inhaberin der 
Zuckerfabriken sich um Ausgleich bemühte. 
Wenn eine stetige Entwicklung eintreten sollte, 
so konnte diese nur das Reich auf dem Verwal- 
tungswege einleiten, und das war im libera- 
listischen Staate unmöglich. Ein Wandel konnte 
erst eintreten, als der Nationalsoziallsmus die 
Zügel in die Hände nahm und auch auf dem 
Gebiete der Zuckerwirlschaft die Rüben bauende 


319 


Landwirtschaft von jener Wellenbewegung be- 
freite, die nun einmal naturnotwendig für sie das 
ungesundeste Wirtschalftsklima ist. 


Als sich die nationalsozialistische Führung der 
deutschen Zuckerwirischaft annahm, war der 
Rübenbau von einem Höchststand von 469000 ha 
auf einen Tiefstand von 241000 ha im Altreich 
abgesunken. Damit drohte den intensivsten Be- 
trieben der deutschen Landwirtschaft Rückgang 
der Bodenfruchtbarkeit und Rückgang der tie- 
rischen Erzeugung. Es kam also für die landwirt- 
schaftliche Führung darauf an, Wege zur Wie- 
derausdehnungdesZuckerrübenbaues 
zu finden, wobei in Rechnung gestellt werden 
mußte, daß allein der Inlandsabsatz des Zuckers 

möglich war, da eine Auslandsverwertung bei 
den damaligen Weltmarktpreisen untragbare 
Verluste gebracht hätte. Der Inlandabsatz 
konnte jedoch bei der Verarmung des deutschen 
Volkes und der zu jener Zeit erst im Abbau be- 
findlichen ungeheuren Arbeitslosenziffer nur 
beschränkt sein. Aus dieser Zwickmühle bot 
sich nur ein Ausweg, der, mit größter Entschluß- 
kraft beschritten, einen vollen Erfolg brachte, 
nämlich die Trocknung von Rüben zu 
vollwertigen Zuckerschnitzeln. Die 
hierfür erforderlichen Anlagen wurden inner- 
halb weniger Jahre in allen Zuckerfabriken des 
damaligen Reichsgebietes geschaffen und liefer- 
ten bei durch die Verbindung mit der Zucker- 
fabrikation verhältnismäßig geringen Unkosten 
ein wertvolles einheimisches Futtermittel, das 
nicht nur die bis dahin starke Einfuhr auslän- 
dischen Futtergetreides ersparen, sonders auch 
die Verwendung von Brotgetreide auf nicht 
gerstenfähigen Böden zu Futterzwecken über- 
flüssig machen half. Die Erzeugung dieser 
vollwertigen Zuckerschnitzel ermög- 
lichte damit die Befreiung der deut- 
schen Schweinemast von einer frem- 
den Hypothek und darüber hinaus die 
unmittelbare Nutzbarmachung der 
gesamten Brotgetreideernte zur Brot- 
vermahlung. Die Menge der hergestellten 
vollwertigen Zuckerschnitzel stieg vom Frie- 
densjahre 1934/35 auf mehr als das Fünffache im 
Durchschnitt der Kriegsjahre. Diese Steigerung 
geschah, trotzdem der Zuckerabsatz im Inland 
entsprechend dem steigenden Wohlstande des 
deutschen Volkes laufend stieg, denn der 
Zuckerrübenbau dehnte sich bis zum Kriegs- 
beginn im Altreich von 241 000 ha auf mehr als 
das Doppelte aus. Als die Alpen- und Donau- 
gaue und das Sudetenland zum Reiche zurück- 
kehrten, kamen wertvolle Zuckerrübengebiete 
hinzu. Von wesentlich größerer Bedeutung war 
in zuckerwirtschaftlicher Hinsicht die Rückge- 
winnung Danzig-Westpreußens und des Warthe- 
landes. Auf der anderen Seite wuchsen die Auf- 
gaben der deutschen Zuckerwirtschaft wieder 


320 


in den großen festland-europäischen Rahmen 
hinein, denn nun galt es, Gebiete Europas mit 
Zucker zu versorgen, die entweder keine oder 
nur eine nicht ausreichende Zuckerversorgung 
besitzen. Daß nicht nur diese Aufgaben in 
jedem Kriegsjahr gelöst, sondern daneben die 
schon vor dem Kriege hinsichtlich der Futter- 
mittelerzeugung für die deutsche Schweinemast 
gestellten außerdem voll erfüllt werden konnten, 
muß als eine der wahrhaft großen Kriegs- 
leistungen des deutschen Volkes bezeichnet 
werden. Die Kultur der Zuckerrübe bedingt be- 
kanntlich einen ungleich größeren Aufwand von 
Sorgfalt und menschlicher und tierischer Ar- 
beitskraft, als die jeder anderen im großen an- 
gebauten Kulturpflanze. Die Zuckererzeugung 
bedeutet technisch neben einer sehr großen An- 
forderung an die Verkehrswirtschaft auch in 
bezug auf die Beschaffung von Hilfs- und Be- 
triebsstoffen einen sonst bei der Veredlung 
landwirtschaftlicher Erzeugnisse nicht im ent- 
ferntesten erforderlichen Aufwand chemischer 
und physikalischer Energien. Ein Vergleich mil 
den dauernd absinkenden Leistungen während 
des ersten Weltkrieges zeigt, daß die Friedens- 
leistung im zweiten Weltkrieg nicht nur ge 
halten, sondern übertroffen ist. Damit hat die 
Heimat auch auf dem Gebiete der Zuckemirl- 
schaft sich der kämpfenden Front und der dem 
Luftkrieg trotzenden Bevölkerung in vollem 
Maße würdig erwiesen und den Beweis erbracht, 
daß sie nach dem Endsieg allen Aufgaben ge- 
wachsen ist, die Europa der deutschen Zucker- 
wirtschaft stellen wird. 


In welchem Umfang die Notwendigkeiten des 
Krieges und seiner veränderten Wirtschaft die 
Lösung dieser verschiedenartigen Aufgaben von 
Rüben bauender Landwirtschaft und Zucker- 
industrie erschwerten, wird späterer Unter- 
suchung vorbehalten bleiben müssen, denn noch 
stehen wir mitten im Schicksalskampf unseres 
Volkes. Es bedurfte wesentlicher Umorgani- 
sation auch der Lieferbeziehungen 
zwischen Landwirtschaft und Zuckerfabriken 
schon vor dem Kriege, um der Verkehrswirt- 
schaft die Bewältigung der deutschen Zucker- 
rübenernte von fast 20000000 t zu einer Zeit 
ihrer höchsten Anspannung in ungünstiger Jah- 
reszeit überhaupt zu ermöglichen. Von den etwa 
500000 Rübenanbauern mußte ein sehr großer 
Teil einer anderen als der gewohnten und be- 
kannten Zuckerfabrik zugewiesen werden, um 
soviel Frachtwege und soviel Laderaum einzu- 
sparen, wie nur irgendmöglich. Dabei galt es. 
möglichst viel Zuckerrüben der Beförderung mit 
landwirtschaftseigenen Fuhrwerken zuzuführen. 
Wer die enge Verbindung zwischen Rüben- 
anbauern und Zuckerfabrik, besonders wenn 
diese sich im gemeinsamen Besitz der Rüben- 


bauer befindet, kennt, wer berücksichtigt, daß 
oft mehrere Bauerngeschlechter hintereinander 
diese Fabriken nicht nur beliefert, sondern an 
ihrem Gedeihen und ihrem Ausbau mitgewirkt 
haben, wird ermessen können, daß hier vielen 
deutschen Rübenanbauern Opfer zugemutet 
werden mußten, deren Notwendigkeit ihnen erst 
erklärt werden mußte. Das traf ganz besonders 
dort zu, wo sich der Rübenbau neue Gebiete 
erobert hatte, in denen bisher nur einzelne 
Pioniere diesen betrieben und sich dabei weit 
entfernten Zuckerfabriken mit Beteiligung an- 
geschlossen hatten. Dort waren nun im Laufe 
der Jahrzehnte neue Zuckerfabriken entstanden, 
ohne jedoch bisher Anspruch auf die Rüben der 
anderwärts beteiligten Rübenanbauer zu haben. 
Im Interesse der Verkehrswirtschaft war untrag- 
bar geworden, was seit Generationen der Rüben 
bauenden Landwirtschaft Selbstverständlichkeit 
schien. Auf der anderen Seite mußte die sehr 
verschiedene Höchstverarbeitungsmöglichkeit 
jeder einzelnen Fabrik berücksichtigt werden, 
um die volle Ausnutzung jedes Werkes nicht 
nur in volkswirtschaftlichem Interesse, sondern 
auch zwecks Erzielung eines angemessenen Rü- 
benpreises zu gewährleisten. Da infolge der ver- 
schiedenen Leistungsfähigkeit der deutschen 
Zuckerfabriken deren Rübenpreise niemals 
gleich sein können, haben manche Rübenanbauer 
das weitere Opfer einer auf lange Sicht gerin- 
geren geldlichen Rübenverwertung in Kauf neh- 
men müssen, während andere sich natürlich ent- 
sprechend verbesserten. So galt es also, einen 
Ausgleich zwischen der notwendigen 
Verkehrsentlastung einerseits und 
der vollen Ausnutzung der Zucker- 
fabriken andererseits zu schaffen. 
Daß ein solcher Ausgleich niemals völlig ge- 
lingen kann, dürfte klar sein. Es kann aber nicht 
bestritten werden, daß der bestmögliche Zustand 
trotz des Krieges erreicht wurde. Dieser Ver- 
kehrsentflechtung auf dem Gebiete der 
Zuckerrübenbewegung folgte eine gleiche 
auf dem des Rohzuckers und des Verbrauchs- 
zuckers. Immer aber mußten die geographischen 
Grundlagen der Zuckerwirtschaft hierbei die 
ausschlaggebende Rolle spielen. Diese sind nun 
einmal derart, daß die Gebiete gehäuften 
Zuckerverbrauches im Westen und Südwesten 
unseres Vaterlandes, die Erzeugungsgebiete aber 
im wesentlichen in dessen Mitte und Osten 
liegen. 


Da Zucker nicht nur dem unmittelbaren Ver- 
zehr, sondern auch irf großem Umfange der Ver- 
wendung in anderen Zweigen der Ernährungs- 
wirtschaft dient, handelt es sich darum, allen 
diesen Zwecken die ausreichenden Mengen, 
auch unter den veränderten Bedingungen der 
Kriegswirtschaft, zur Verfügung zu stellen. Das 
ist in allen bisherigen, auch im fünften Kriegs- 


jahr gelungen. Der größte Abnehmer war die 
Süßwarenindustrie. Diese allerdings hat 
sich, soweit sie nicht unbedingt kriegswichtig 
ist, starke Einschränkungen im Zuckerverbrauch 
gefallen lassen müssen. Allerdings waren die 
Einschränkungen in diesem Rohstoff auch schon 
deshalb unvermeidlich, weil die zahlreichen 
anderen Rohstoffe ohnehin nur noch in dem für 
die Kriegführung notwendigen Umfang zur Ver- 
fügung stehen. So mußte sich die Süßwaren- 
industrie auf diese Fertigung beschränken. Das 
deutsche Volk hat diese Notwendigkeit ver- 
standen, und zwar um so eher, als ihm die 
Menge des friedensmäßig verbrauchten Zuckers 
zum Verzehr ungekürzt zur Verfügung steht. 
Daß dieser recht hohe Verbrauch je Kopf der 
Bevölkerung bisher aufrechterhalten werden 
konnte, dankt Deutschland dem Fleiß seiner 
Bauern und Zuckertechniker. Das Reich selbst 
hat in Fällen, wo die Erfüllung volkswirtschaft- 
licher Aufgaben der Zuckerwirtschaft nur mit 
Opfern möglich war, die den gerechten Preis der 
Zuckerrüben zu beeinträchtigen drohten, ein- 
gegriffen, indem es dafür aus Reichsmitteln Be- 
träge zur Verfügung stellte, die den Rübenpreis 
in angemessener Höhe sicherten. Solche Hilfe 
von seiten des Reiches war selbst nach dem 
strengen Winter 1941/42 nicht die Regel, sondern 
nur für kriegsbedingte Sonderfälle notwendig. 
Die Zuckerfabriken sind nach wie vor bestrebt, 
aus eigener Kraft ihre volks- und kriegswirt- 
schaftlichen Aufgaben so zu erfüllen, daß dabei 
ein Rübenpreis erwirtschaftet wird, der ein ge- 
rechter Lohn für die schwere Arbeit der Rüben- 
anbauer ist. Es muß anerkannt werden, daß das 
auch in der fünften Kriegskampagne in hohem 
Maße gelungen ist. Die Vorbedingung für eine 
ausreichende Zuckerrübenernte, also die Bestel- 
lung einer genügend großen Fläche Zuckerrüben, 
war damit wiederum auch für 1944 gegeben. Es 
ist schon heute zu übersehen, daß die Rüben- 
anbauer trotz aller anderen Anbaunotwendig- 
keiten der Zuckerrübe wieder eine Fläche ein- 
geräumt haben, die zur Erfüllung der verstärkten 
Aufgaben der Zuckerwirtschaft genügt. 


Deutschland und die von ihm mit Zucker be- 
lieferten Länder Europas können also damit 
rechnen, daß auch auf diesem Gebiet der Er- 
nährungswirtschaft die Versorgung weiter den 
Anforderungen gerecht werden kann, die zur 
Erhaltung der Volkskraft und Gesundheit nötig 
sind, wenn auch entsprechend dem Ernteaustall 
mit Schwankungen in der Höhe der jährlichen 
Rationen gerechnet werden muß. Den Völkern 
Europas aber wird damit der schlüssigste Beweis 
erbracht sein, daß der eigene Boden ihm genug 
auch dieses hochwertigen Nahrungsmittels lie- 
fern kann, so daß für das Festland der Kampf 
zwischen Zuckerrohr und Zuckerrübe ausge- 
kämpft ist, 


321 


— 


GEORG BLOHM: 


DAS WARTHELAND 


Seine betriebswirtschaftlichen und agrarpolitischen Aufgaben 


nmitten der weiten ostdeutschen Ebene zeigt 

das Wartheland in klimatischer Beziehung eine 
so weitgehende Einheitlichkeit, wie wohl kein 
anderer Gau des Großdeutschen Reiches. Be- 
stimmend ist dabei das kontinentale Uber- 
gangsklima, das insbesondere durch seinen 
Trockenheitscharakter, geringe Niederschläge, 
niedrige Luftfeuchtigkeit, hohe Sommertempe- 
raturen, starke, austrocknende Winde die 
Organisation und Wirtschaftsführung der Land- 
wirtschaft beeinflußt. Selbstverständlich treten 
auch im Wartheland in den einzelnen Gebieten 
gewisse klimatische Unterschiede auf, so neh- 
men z.B. die Niederschläge im Westen und 
Süden des Gaues und auch im Osten zu, während 
sich ein ausgesprochenes Trockengebiet nord- 
östlich von Posen bis hinauf nach Kujawien er- 
streckt. Diese Unterschiede kommen auch wohl 
in der Anbauwürdigkeit einzelner Kultur- 
pflanzen zur Auswirkung, sie sind aber keines- 
wegs so ausgeprägt, daß durch sie die Betriebs- 
form der Landwirtschaft beeinflußt werden 
könnte. Infolgedessen werden im Warthegau 
die verschiedenen Betriebstypen 
nicht durch die klimatischen Unter- 
schiede, sondern durch die jeweiligen 
Bodenverhältnisse und nicht zuletzt 
durch die Betriebsgröße bestimmt. 


Der Boden ist außerordentlich wechselnd, 
wie überall der Glazial-Boden Nord- und Ost- 
deutschlands, angefangen von der wertvollen 
Schwarzerde Kujawiens bis zum leichtesten 
Sandboden, der in Zukunft der Aufforstung zu- 
geführt werden muß, weil er unter den heutigen 
Anforderungen des bäuerlichen Lebensstan- 
dards nicht mehr kulturwürdig erscheint. Fast 
jeder Kreis verfügt über guten und minder- 
wertigen Boden, wenn auch selbstverständlich 
sich innerhalb des Reichsgaues gewisse Distrikte 
besonders durch die Verbreitung bester Kultur- 
böden auszeichnen. Aber durchweg charakte- 
ristisch für den Boden des Warthelandes ist als 
Folge des niederschlagarmen Klimas seine 
günstige Tätigkeit und leichte Bearbeitbarkeit, 


322 


während schwere, bindige Tonböden, wie wir 
sie in dem feuchten, kühlen Küstenklima Nord- 
deutschlands, z.B. in Ostpreußen, weit ver- 
breitet finden, vollkommen fehlen. 


Nicht minder bedeutungsvoll wie die Boden- 
verhältnisse ist allerdings für die Gestaltung 
der landwirtschaftlichen Betriebstypen die 
Betriebsgröße. Während z.B. angesichts 
des schon recht extremen Kontinentalklimas in 
den Großbetrieben und großbäuerlichen Wirt- 
schaften der intensive Ackerbau die Betriebs- 
organisation beherrscht, sind die bäuerlichen 
Familienwirtschaften vorwiegend aus arbeits- 
wirtschaftlichen Gründen auch in dem Trocken- 
gebiet des Ostens auf eine autark entwickelte 
Veredelungswirtschaft angewiesen. Es läßt sich 
daher nicht leugnen, daß rein betriebswirt- 
schaftlich gesehen die Groß- und groß- 
bäuerlichen Betriebe sich leichter den im 
Wartheland gegebenen natürlichen Standorts- 
verhältnissen in ihrer Betriebsorganisation an- 
zupassen vermögen als die kleinbäuerlichen 
Wirtschaften. Aus diesem Grunde ist es auch 
durchaus zweckmäßig, wenn man in diesen Ost- 
gebieten dem Großgrundbesitz und vor allem 
den großbäuerlichen Betrieben einen höheren 
Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche 
zubilligt, wie dies unter niederschlagsreicheren, 
mehr futterwüchsigen natürlichen Bedingungen 
wünschenswert erscheinen mag. 


Das Wartheland umfaßt heute Gebietsteile, die 
über ein Jahrhundert verschiedenen Staaten 
zugehört haben, so die ehemals preußischen 
Westkreise und die ehemals russischen Ost- 
kreise. Die kurzen zwanzig Jahre polnischer 
Herrschaft haben es keineswegs vermocht, die 
sich aus dieser verschiedenartigen historischen 
Entwicklung ergebenden Unterschiede im wirt- 
schaftlichen und agrarpolitischen Gefüge nen- 
nenswert auszugleichen, So ist vor allem in den 
ehemals russischen Kreisen die verkehrs- 
technische Erschließung noch denkbar 
unbefriedigend, und sie zwingt die landwirt- 


schaftlichen Betriebe, die jeweiligen Absatz- 
und Verkehrsverhältnisse in ihrer gesamten 
Betriebsorganisation wesentlich stärker zu be- 
rücksichtigen, als wir dies heute bei der sehr 
einheitlichen Verkehrserschließung des Alt- 
reiches gewohnt sind. 


Die außergewöhnliche Ausgeglichenheit der 
natürlichen Standortsbedingungen im Warthe- 
land muß sich naturgemäß auf die betriebs- 
wirtschaftliche Lenkung der land- 
wirtschaftlichen Erzeugung durchaus 
günstig auswirken, denn sie erleichtert einmal 
die Ausrichtung der Erzeugungspropaganda und 
ermöglicht zum anderen eine sehr einheitliche 
Schulung der Betreuer und Wirtschaftsberater. 
Soweit der Krieg eine systematische Landwirt- 
schaftsförderung überhaupt zuläßt, ist in der 
Tat bereits in den letzten Jahren eine außer- 
ordentlich einheitliche Ausrichtung der gesam- 
ten landwirtschaftlichen Produktion erzielt 
worden, die insbesondere durch folgende zwei 
Tatsachen unterstützt wurde: Der gesamte ehe- 
mals polnische Grundbesitz wurde der Wirt- 
schaftsführung der Reichslandbewirtschaftungs- 
gesellschaft im Interesse des Reiches übergeben, 
sei es, daß auf den Großbetrieben reichseigene 
Wirtschaftsoberleiter zum Einsatz kamen, oder 
daß der polnische Kleingrundbesitz nur der 
Oberaufsicht der Reichsland unterstellt wurde, 
Immerhin bedeutet die Einschaltung der Reichs- 
land eine außerordentlich gleichartige Wirt- 
schaftsführung nach vollkommen einheitlichen 
Richtlinien. Zum anderen wurden in den 
vier ersten Kriegsjahren nicht weniger als 
35 000 landwirtschaftliche Umsiedlerfamilien im 
Wartheland angesetzt, die in ihrer früheren 
Heimat grundsätzlich andersartigen natürlichen 
und wirtschaftlichen Produktionsbedingungen 
entstammen und sich daher in ihrer gesam- 
ten betriebswirtschaftlichen Wirtschaftsführung 
völlig neu auf die hier vorgefundenen Verhält- 
nisse einstellen müssen. Auch dieser Umstand 
bot Gelegenheit, durch die Betreuer des Reichs- 
nährstandes, des Landwirtschaftlichen Treu- 
handverbandes und der Bauernsiedlungen eine 
sehr einheitliche Ausrichtung der landwirt- 
schaftlichen Betriebsorganisation durchzusetzen. 


Dabei muß das Schwergewicht der landwirt- 
schaftlichen Betriebsorganisation im Wartheland 
selbstverständlich auf der intensiven Feld- 
wirtschaft und insbesondere auf dem Hack- 
fruchtbau mit Zuckerrüben und Kartoffeln 
liegen. So ist in den letzten Jahren die gesamte 
Erzeugungsschlachtpropaganda in erster Linie 
auf die Ausdehnung des Hackfruchtbaues ab- 
gestellt gewesen, womit auch erreicht wurde, 
daß heute kaum ein Betrieb über einen gerin- 
geren Hackfruchtbau als 20 v.H. der landwirt- 
schaftlichen Nutzfläche verfügt, und daß dieser 
— besonders in den großbäuerlichen und Groß- 
betrieben — sehr häufig den Anteil von 30 v.H. 
der landwirtsehaftlichen Nutzfläche übersteigt. 
Im Hinblick auf die Entwicklung des Hack- 


fruchtbaues liegt die betriebswirtschaftliche 
Aufgabe heute kaum mehr in einer weiteren 
Steigerung seiner Anbaufläche, sondern viel- 
mehr in der Erhöhung seiner Erträge, die mit der 
schnellen Ausweitung des Anbaues nicht haben 
Schritt halten können. 


In der Steigerung der Felderträge muß 
überhaupt eines der wichtigsten betriebswirt- 
schaftlichen und agrarpolitischen Probleme des 
Reichsgaues erblickt werden, denn allgemein 
liegen sie mindestens um 25 v.H. unter den- 
jenigen der Gebiete des Altreiches mit ähnlichen 
natürlichen und wirtschaftlichen Voraussetzun- 
gen. Ausgangs des vorigen Weltkrieges mit 
Beginn der polnischen Herrschaft übertrafen die 
Erträge der ehemals preußischen Gebiete die 
der russischen Kreise um etwa 30 v.H. Im Laufe 
der zwanzig Jahre polnischer Herrschaft ist aber 
allmählich eine fast völlige Angleichung 
zwischen den beiden Teilgebieten zuungunsten 
der preußischen Kreise. Zu den wichtigsten 
Maßnahmen für die Erzielung einer nachhalti- 
gen Ertragssteigerung gehört insbesondere eine 
Verbesserung der Humusversorgung 
desAckers, die angesichts der Vernachlässi- 
gung der Viehwirtschaft zur polnischen Zeit 
keineswegs den Anforderungen einer inten- 
siven Kulturwirtschaft mit umfangreichem Hack- 
fruchtbau entspricht. Sie kann dabei vor allem 
auf den leichten Böden durch eine Zwischen- 
frucht-Gründüngung günstig ergänzt wer- 
den. Unerläßlich ist auch eine Erhöhung der 
Handelsdüngeranwendung, die jedoch 
erst nach dem Kriege in Aussicht genommen 
werden kann. Fast alle Bodenuntersuchungen 
zeigen, daß der Phosphorsäure- und Kaligehalt 
des Ackerlandes völlig ungenügend ist. Drin- 
gend notwendig ist ferner eine Verbesse- 
rung der Anbautechnik. Wohl bei keiner 
Kulturpflanze wirkt sich die Güte der Anbau- 
technik so durchschlagend aus, wie bei der Kar- 
toffel. Es ist verständlich, daß den Umsiedlern, 
die hier zum erstenmal einen intensiven Kar- 
toffelbau betrieben, die Erfahrungen in der 
Anbautechnik noch vielfach fehlen. 


Während des Krieges konnte die Steigerung 
des Hackfruchtbaus, insbesondere der Kartof- 
feln, unbedenklich vorgenommen werden, weil 
bei dem hohen Bedarf des Altreiches an Speise- 
kartoffeln Absatzschwierigkeiten in keiner 
Weise zu befürchten sind. Während der Absatz 
der Zuckerrüben dank der Verarbeitung in den 
Zuckerfabriken auch für die Zukunft gesichert 
ist, wird die Unterbringung der Kartoffeln nach 
dem Kriege auf außerordentliche Schwierig- 
keiten stoßen, da der derzeitige Produktions- 
umfang des Warthelandes den Eigenbedarf weit 
überragt, dies um so mehr, wenn es einmal ge- 
lingt, volle Hektarerträge zu erzielen. Infolge- 
dessen muß der Verwertung der Kartoffeln in 
einer genügend ausgebauten landeseigenen 
Verarbeitungsindustrie größte Aufmerk- 
samkeit geschenkt werden. Aber noch wichtiger 
ist der Aufbau einer ausgedehnten 


323 


è 


Schweinemast als einem der wichtigsten 
Betriebszweige bäuerlicher Familienwirtschaf- 
ten, der allein eine hinreichende Verwertung 
der Kartoffeln in dieser Betriebsgröße ermög- 
licht. Das Wartheland bietet in jeder Beziehung 
günstigste Voraussetzungen für die Schweine- 
haltung, so daß nach dem Kriege zumindest 
eine Verdoppelung der derzeitigen 
Schweinebestände anzustreben ist, um die 
Aufrechterhaltung des umfangreichen Kartoffel- 
baues in den bäuerlichen Familienwirtschaften 
sicherzustellen. Zur polnischen Zeit ist als Folge 
der Absatzschwierigkeiten die Schweinehaltung 
stark vernachlässigt worden. 


Die Kriegswirtschaft zwingt dazu, auch im 
Wartheland im großen Umfange Spezialkul- 
turen, wie z. B. Ol-undFaserpflanzen, zum 
Anbau zu bringen und ihre Verbreitung durch 
schematisch auferlegte Anbau- und Abliefe- 
rungskontingente sicherzustellen, ohne ihre 
Anbauwürdigkeit unter den gegebenen Stand- 
ortverhältnissen hinreichend erforscht zu haben. 
So wird es in Zukunft die Aufgabe der zweck- 
mäßigen betriebswirtschaftlichen Lenkung sein, 
den Anbau dieser Spezialkulturen, insbesondere 
die Auswahl der betr. Kulturpflanzen sach- 
gemäß den jeweiligen Standortsbedingungen 
der einzelnen Gebiete anzupassen. Denn je mehr 
es gelingt, die landwirtschaftliche Betriebs- 
organisation und den Anbau der Kulturpflanzen 
auf die jeweiligen natürlichen Voraussetzungen 
auszurichten, um so günstiger für die Entwick- 
lung der Leistungskapazität und für die Senkung 
des Risikos in der Landwirtschaft, worauf im 
Kontinentalklima besonderer Wert gelegt wer- 
den muß. Dank der derzeitig günstigen Kon- 
junktur und unterstützt durch die sehr guten 
Arbeiterverhältnisse wurde während des Krie- 
ges ein umfangreicher Gemüsebau entwickelt, 
der keineswegs überall im Reichsgau die geeig- 
neten natürlichen Voraussetzungen findet. All- 
mählich aber zeichnen sich hinsichtlich Klima 
und Boden gewisse Gebiete ab, die für einen 
dauerhaften, hinreichend ertragssicheren Ge- 
müsebau die gewünschten Standortsbedingun- 
gen aufweisen.. Nach Vorliegen genügender 
Erfahrungen sind in Zukunft diese Anbaugebiete 
abzugrenzen und als Grundlage für einen dauer- 
haften Gemüsebau die entsprechenden Verwer- 
tungsmöglichkeiten, vor allem im Aufbau einer 
Gemüseverwertungsindustrie zu schaffen. Eine 
besondere Eignung besitzt das Klima dagegen 
durchweg für den Gemüsesamenbau. 


Das betriebswirtschaftliche Grundproblem der 
ostdeutschen Trockengebiete stellt die Schaf- 
fung einer guten Futtergrundlage für 
einen ausreichenden Viehbestand, eine Aufgabe, 
die um so schwerer wiegt, weil der Grünland- 
anteil gering und dieses außerdem zumeist von 
mangelhafter Qualität ist. Auch die im großen 
Umfange beabsichtigten und teilweise bereits 
eingeleiteten Meliorationen werden nicht immer 
zu der gewünschten Besserung führen, denn das 


324 


Problem dieser erschöpft sich nicht allein in der 
Entwässerung, sondern verlangt vielmehr eine 
geregelte Wasserbewirtschaftung überhaupt. So 
wird in Zukunft die Nutzung der künstlichen 
Beregnung, wie z.B. zwecks Anlage von Jung- 
viehweiden, nicht unwesentlicher sein als die 
Entwässerung weiter Grünlandflächen. Die 
Futterversorgung aus dem Ackerfutterbau ist 
vorwiegend auf die Luzerne und den Zwischen- 
fruchtbau mit Gärfuttergewinnung abzustellen, 
denn nur so kann die schwierige Forderung 
einer gleichmäßigen und ausreichenden Futter- 
versorgung der Rindviehbestände während des 
ganzen Jahres im Trockenklima erfolgreich ge- 
löst werden. In Zukunft können hierbei die neu- 
zeitlichen Trocknungsanlagen einen wertvollen 
Dienst leisten, weil sie es ermöglichen, auch 
den Zwischenfrucht- und Zweitfruchtbau zur 
Rauhfuttergewinnung heranzuziehen. 


Die Entwicklung eines betriebswirtschaftlich 
wohlorganisierten Futterbaues wird 2. Z. durch 
die kriegsbedingten Erschwernisse in der 
Futtersaatbeschaffung unangenehm behindert. 
Und hierunter leidet naturgemäß auch der Auf- 
bau der Nutzviehbestände, die allein 
schon im Hinblick auf die Stalldungversorgung 
des Ackers als unzureichend zu bezeichnen sind. 
Denn auch in den Trockengebieten des Ostens 
ist eine gesunde Humuswirtschaft die unerläß- 
liche Voraussetzung für die Entwicklung einer 
befriedigenden Bodenfruchtbarkeit. Somit ist 
trotz der Erschwernisse im Futterbau eine Er- 
höhung der Nutzviehbestände und damit in 
erster Linie der Rindviehbestände 
unerläßlich, wobei außerdem die zu erwartende 
Einschränkung des heute noch außerordentlich 
hohen Besatzes an tierischen Zugkräften zu be- 
rücksichtigen ist, der bei vollem Einsatz der 
Schlepper in wenigen Jahren nach dem Kriege 
ohne Zweifel eine Verminderung von etwa 
50 v.H. erfahren wird. Das Schwergewicht der 
Rindviehhaltung liegt heute auf der Milch- 
wirtschaft, und auch für die Zukunft wird 
sie das Rückgrat der Nutzviehhaltung im 
Wartheland bilden müssen. Aber stets wird die 
Jungviehaufzucht und die Gesundheitspflege 
der Mikchviehbestände angesichts des Mangels 
an Dauerweiden und der Schwierigkeit der 
Rauhfutterbeschaffung erhebliche Sorgen ver- 
ursachen. Demgegenüber machen sich diese 
Nachteile der natürlichen Standortsbedingun- 
gen in der Rindermast keineswegs derart 
unangenehm bemerkbar, ganz abgesehen davon, 
daß in den intensiven Hackfruchtbetrieben wie 
in dem Rübenblatt der Zuckerrübenwirtschaf- 
ten und der Schlempe der Brennereiwirtschaften 
eine hervorragende Futtergrundlage für die 
Mastwirtschaft zur Verfügung steht. So hat vor 
dem ersten Weltkriege die Rindermast in den 
ehemaligen preußischen Kreisen eine sehr große 
Bedeutung gehabt, und es ist anzustreben, diese 
auch neben einer ausreichenden Milchvieh- 
haltung nach Beendigung dieses Krieges wieder 
aufzubauen. Da sie aber als Altrindermast ın den 


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Infolge des ausgeprägten Kontinentalklimas beherrscht in den Großbetrieben und großbäuerlichen Wirtschaften der 
intensive Ackerbau die Betriebsorganisation. Charakteristisch für den Boden des Warthelandes ist als Folge des | 
niederschlagarmen Klimas seine günstige Tätigkeit und leichte Bearbeitbarkeit 


Vorbildliche 
Schweinestallungen 


Das Wartheland bietet in jeder Beziehung günstigste Voraussetzungen für eine starke Schweine- 
haltung. Diese ist besonders für die bäuerlichen Familienwirtschaften einer der wichtigsten 
Betriebszweige 


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Bauern aus dem Nachbardorf haben einen Be- 
such in dem vorbildlich neuerrichteten Bauern- 


Die Schafhaltung findet im Wartheland ausgezeichnete Voraussetzungen; denn für sie stehen in den inten- 
siven Hackfruchtbetrieben mit umfangreichem Leguminosenbau stets ausreichende Abfallfutterstoffe zur Verfügung 


Warmblutfohlen auf der Koppel — Das Schwergewicht der Rindviehhaltung liegt auf der Milchwirtschaft. 
Die Jungviehaufzucht und die Gesundheitspflege der Milchviehbestände bereiten im Wartheland infolge des 
Mangels an Dauerweiden und der Schwierigkeit der Rauhfutterbeschaffung dem Landwirt erhebliche Sorgen 


Ländlicher Kinderreichtum ist die sicherste Bürgschaft der Eindeutschung und Behauptung des Warthe- 
landes als deutscher Volksboden 


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Eine der wichtigsten Aufgaben war der Wiederaufbau des deutschen Schulwesens. Das Bild oben zeigt 
bauern, der für den eingezogenen Lehrer eingesprungen ist, beim Unterricht 


ut 


- großbäuerlichen und Großbetrieben auf den 


Zukauf von Magervieh angewiesen ist, 
muß der zukünftigen Versorgung des Reichs- 
gaues mit preiswertem Magervieh im Herbst 
aus den Weidegebieten der Küste oder des Ge- 
birges besondere Aufmerksamkeit geschenkt 
werden. Ebenso ungenügend wie der Umfang 
der Nutzviehhaltung ist heute im allgemeinen 
die viehwirtschaftliche Leistung, wie insbeson- 
dere der Milchertrag in der Rindviehhaltung. 
Ihre Hebung ist wiederum eine Aufgabe der 
zweckmäßigen Futterversorgung ebenso wie 
einer sachgemäßen Gesundheitspflege der Vieh- 
bestände. 


Ausgezeichnete Voraussetzungen findet im 
Reichsgau Wartheland schließlich auch die 
Schafhaltung, denn für sie stehen in den 
intensiven Hackfruchtbetrieben mit umfang- 
reichem Leguminosenbau stets ausreichande 
Mengen Abfallfutterstoffe zur Verfügung. Aller- 
dings wird sie fast ausschließlich als Guts- 
schäferei auf die Großbetriebe beschränkt blei- 
ben, aber im Gegensatz zu dem abnormen 
Rückgang der Schafhaltung zur polnischen Zeit 
bieten sich. ihr heute wieder beste Entwick- 
lungsmöglichkeiten. 


Die Arbeitsverfassung des Warthe- 
landes zeigt auch heute noch die typischen 
Merkmale eines osteuropäischen Agrarstaates. 
Die billigen und stets reichlich zur Verfügung 
stehenden Arbeitskräfte und demgegenüber die 
unverhältnismäßig hohen Preise für landwirt- 
scha ftliche Maschinen und Geräte haben zur 
polnischen Zeit nicht die geringsten Voraus- 
setzungen für eine neuzeitliche Technisierung 
der Landwirtschaft geboten. Besonders in den 
ehemaligen russischen Kreisen ist daher die 
gesamte Arbeits wirtschaft noch in einem der- 
artig en Ausmaße auf die Handarbeit eingestellt, 
wie wir es im Altreich schon seit Jahrzehnten 
nicht mehr kennen. Wenngleich in den letzten 
Jahren schon beachtliche Zahlen von landwirt- 
schaftlichen Arbeitern in das Altreich ab- 
gegeben wurden, verfügt die Landwirtschaft 
auch heute noch über einen sehr reichlichen 
Besatz an Arbeitskräften, von denen infolge des 
Kinderreichtums der polnischen Landarbeiter 
und der bisher gänzlich unbedeutenden Abwan- 
derung der Anteil der jugendlichen Arbeits- 
kräfte außerordentlich hoch ist. Diese reichlich 
zur Verfügung stehenden noch sehr billigen 
Arbeitskräfte gestatten es heute noch, die Zah) 
der Beschäftigten auf den Höchstbedarf der 
wichtigsten Arbeitsspitzen des Hackfruchtbaues 
einzurichten. 


Wenngleich der hohe Besatz mit Arbeitskräf- 
ten die Intensivierung der Landwirtschaft im 


Sinne der Kriegswirtschaft während der letzten 


Jahre bestens gefördert hat, ist naturgemäß 
aber angesichts der völlig unzureichenden Me- 
chanisierung die Erzeugungsleistung je 
Arbeitskraft heute noch unverhältnismäßig 
gering. Sie beträgt im Durchschnitt kaum 


50 v.H. derjenigen Erzeugung, die von deut- 
schen Landarbeitern im Altreich vor diesem 
Krieg in zweckmäßig organisierten Betrieben 
erreicht wurde. Es bedarf kaum der Erwähnung, 
daß eine derartige Arbeitsverfassung für die 
Zukunft untragbar ist, zumal wenn die allmäh- 
liche Eindeutschung des Landarbeiterstandes 
und damit die unerläßliche Hebung ihres 
Lebensstandards eine erhebliche Lohnsteigerung 
unvermeidlich macht. Das Ziel der Hebung der 
Erzeugung je Arbeitskraft kann nur durch 
wesentliche Verminderung des Gesamtarbeits- 
kräftebesatzes unter weitgehender Me- 
chanisierung insbesondere der ausgepräg- 
testen Arbeitsspitzen der Hackfruchternte und 
Hackfruchtpflege usw. erreicht werden. Und da 
auch im Wartheland mit zunehmender Entwick- 
lung der Industrie in den Städten eine starke 
Abwanderung der jugendlichen Arbeitskräfte 
in den nächsten Jahren eintreten wird, ist die 
Zahl der ständigen Landarbeiterfamilien erheb- 
lich zu erhöhen, vor allem in den mittel- und 
großbäuerlichen Betrieben. 


Aber das größte Problem bleibt die An- 
setzung deutscher Landarbeiter, die 
am zweckmäßigsten durch die Schaffung von 
Freiarbeiterstellen mit Eigenheim und Eigenland 
in den Bauerndörfern und durch Einstellung 
von deutschen Spezialarbeitskräften, wie Auf- 
sichtspersonal, Viehpflegern, Handwerkern in 
den Großbetrieben eingeleitet wird. 


Diese kurze Betrachtung zeigt, wie groß die 
betriebswirtschaftlichen Aufgaben sind, die in 
der Landwirtschaft des Warthelandes in den 
kommenden Jahren der Lösung harren. Dem- 


gegenüber ist zu bedenken, daß sowohl die alt- 


eingesessenen deutschen Bauern im ehemaligen 
russischen Teilgebiet wie auch die größte Zahl 
der Umsiedler aus der extensiven Selbstversor- 
gungswirtschaft stammen und ihnen daher die 
betriebswirtschaftlichen Anforderungen unserer 
intensiven Kulturwirtschaft bisher weitgehend 
fremd waren. Weiterhin ist selbstverständlich, 


daß sowohl den Alteingesessenen wie den Um- 


siedlern vor dem Kriege eine umfassende Be- 
treuung, Anleitung und Berufsausbildung nicht 
zuteil geworden ist. Diese Tatsache wirkt sich 
heute in einer außerordentlichen Streu- 
breite in der Leistungsentwicklung 
der einzelnen Betriebe aus und erfordert 
für die Zukunft ein bestens aufgebautes 
System der Berufsschulung der Ju- 
gend wie auch der Betreuung und Wirtschafts- 
beratung der bereits angesetzten Bauern, eine 
Aufgabe, für welche während des Krieges die 
erforderlichen Kräfte beim besten Willen nicht 
zur Verfügung gestellt werden können. 


Die größte agrarpolitische Aufgabe, die das 
Wartheland uns für die Zukunft stellt, ist die 
Schaffung einer Betriebsgrößenord- 
nung, wir wir sie heute auf Grund unserer 
Erfahrungen im Altreich als wünschenswert er- 
achten, und wie wir sie aber kaum in irgend- 


325 


einem Gau vorfinden. Die Betriebsgrößenstruk- 
tur, wie wir sie im Reichsgau Wartheland im 
Jahre 1939 übernommen haben, entspricht dabei 
auch keineswegs dem Ideal, das uns heute 
vorschwebt. Sie kann kurz folgendermaßen 
charakterisiert werden: | 


In den ehemaligen preußischen Kreisen über- 
wiegt insbesondere als Folge der sogenannten 
Stein-Hardenbergschen Reform der Großgrund- 
besitz mit etwa 40 v. H. der Nutzfläche. Dem- 
gegenüber findet sich nur der kleinbäuerliche 
Besitz unter 25 ha Nutzfläche in größerer Aus- 
dehnung, während die mittel- und großbäuer- 
lichen Betriebe fast völlig fehlen. In den ehe- 
maligen kongreßpolnischen Kreisen überwiegt 
bei weitem der kleinbäuerliche Besitz mit star- 
kem Anteil kleinster Parzellenbetriebe unter 
10 ha Nutzfläche. Die Großbetriebe haben einen 
wesentlich geringeren Anteil an der Nutzfläche 
inne als in den ehemaligen preußischen Kreisen 
und der mittelbäuerliche Besitz fehlt auch hier 
wieder fast völlig. Die ersten Richtlinien für 
den Aufbau der Betriebsgrößenstruktur wurden 
vom Reichskommissar für die Festigung deut- 
schen Volkstums in der Allgemeinen Anord- 
nung 7/II vom 26. November 1940 gegeben. Im 
Gegensatz zu den Siedlungsbestrebungen nach 
dem ersten Weltkriege im Altreich ist diese 


Bodenordnung zum erstenmal nicht auf eine 


einzige Betriebsgröße als dem Idealtyp aus- 
gerichtet, sondern kennt die agrarpolitische und 
betriebswirtschaftliche Bedeutung jeder Be- 
triebsgröße an und erstrebt somit eine mög- 
lichst günstige Mischung aller. 


Das Schwergewicht der Bodenordnung soll 
auf der bäuerlichen Familienwirt- 
schaft beruhen, dem sogenannten Hufen- 
betrieb, denen etwa 50 bis 60 v.H. der landwirt- 
schaftlichen Nutzfläche zugedacht werden. Die 
Größe dieser Hufenbetriebe wird etwa 20 bis 
30 ha, bis zum Höchstfall 40 ha betragen, und 
damit werden sie über eine wesentlich umfang- 
reichere Ackernahrung verfügen, wie sie im 
allgemeinen den bäuerlichen Familienwirt- 
schaften heute im Altreich zur Verfügung steht. 
Die Mehrzahl der etwa 40 000 alteingesessenen 
deutschen Bauernwirtschaften gehören dieser 
Betriebsgröße an oder wurden bereits in den 
letzten Jahren durch Landzulage auf diese ge- 
bracht. Auch die überwiegende Zahl der ein- 
gesetzten Umsiedler erhielten Betriebe in dieser 
Größenordnung. Wenngleich auch unter den 
gegebenen Standortsverhältnissen des Kon- 
tinentalklimas der Futterbau gegenüber dem 
Hackfruchtbau zurücktreten muß, so liegt doch 
auch hier die wichtigste Aufgabe dieser bäuer- 


326 


* 


lichen Familienbetriebe in der möglichst um- 
fassenden Veredlung aller auf der Nutzfläche 
geernteten Erzeugnisse durch die Viehwirt- 
schaft. Für die Verwertung der Ackererzeug- 
nisse ist aber in erster Linie die Schweinemast 
berufen, und infolgedessen werden diese 
Bauernwirtschaften die vorwiegen- 
den Träger der Schweinemast sein. 
Wenn diese erst einmal nach Beendigung des 
Krieges voll aufgebaut sein wird, kann von 
einer bäuerlichen Familienwirtschaft von 20 bis 
30 ha eine Ablieferung an Fleisch mit min- 
destens 2 dz je Hektar erwartet werden. 


Demgegenüber wird dem Großgrund- 
besitz über 125 ha 15 v.H. der landwirtschaft- 
lichen Nutzfläche eingeräumt werden, und dieser 
Anteil ist bereits heute etwa mit alteingesesse- 
nen deutschen Betriebsleitern und zugewander- 
ten Umsiedlern besetzt. Entsprechend den 
gegebenen natürlichen Standortsbedingungen 
liegen die Aufgaben des Großgrundbesitzes im 
Trockengebiet des Ostens auf der intensiven 
Feldwirtschaft mit umfangreichem 
Hackfruchtbau. Die Marktbelieferung durch 
ihn wird sich daher vorwiegend auf den Direkt- 
verkauf von Ackererzeugnissen erstrecken. Die 
Nutzviehhaltung hat hier vor allem die Aufgabe 
der Humusversorgung des Ackers. Sie bedarf 
hierfür nicht des Umfangs, wie er den bäuer- 
lichen Fanmilienwirtschaften zusteht, nur die 
Schafhaltung und die Rindermast werden ihren 
Standort fast ausschließlich in den Großbetrie- 
ben finden. Eine besondere Aufgabe fällt ihnen 
schließlich in der Erzeugung hochwertigen 
Saatgutes an Getreide, Kartoffeln usw. zu. 


Der mittel- und großbäuerliche Be- 
sitz von 40 bis 125 ha Nutzfläche hat während 
der letzten Jahre bereits eine beachtliche Aus- 
weitung erfahren, weil eine größere Zahl von 
Umsiedlern in dieser Betriebsgröße angesetzt 
wurden. Ihm ist endgültig ein Anteil von 25 v. H. 
der Nutzfläche zugedacht, und damit soll ihm 
eine Ausdehnung eingeräumt werden, wie wir 
sie, im Gegensatz zu Nordwestdeutschland, im 
Osten bisher kaum irgendwo kennen. Auch sie 
werden unter den gegebenen natürlichen Ver- 
hältnissen ähnlich wie der Großgrundbesitz ihre 
Betriebsorganisation vorwiegend auf dieinten- 
sive Feldwirtschaft einzustellen haben. 
Gegenüber den bäuerlichen Familienwirtschaf- 
ten bieten sie insbesondere den Vorteil, daß sie 
sich weitergehend den Spezialkulturen, 
wie Gemüsebau, Olfrucht- und Leguminosenbau 
zuwenden können, für welche in ersteren 
angesichts des umfangreicheren Futterbaues 
kein genügender Raum auf dem Acker zur Ver- 


— 


fügung steht. Als besonders wünschenswert 
muß es bezeichnet werden, daß sich die 
großbäuerlichen Betriebe in Zukunft der 
Nutzviehhochzucht, der Rindvieh- und 
Schweinezucht, zuwenden möchten. Vor allem 
aber soll der ausgedehnte großbäuerliche Be- 
sitz die Lebensgrundlage für ein gehobenes 
Bauerntum schaffen, von dem angesichts der 
größeren Unabhängigkeit vom täglichen Ar- 
beitsrhythmus und der gehobenen Einkommens- 


verhältnisse ebenso wie vom Großgrundbesitz 


besonders hochstehende und fortschrittliche 
Leistungen erwartet werden müssen. So wird 
auch das Großbauerntum vorwiegend die Kräfte 
für die Führung in der Selbstverwaltung und im 
Genossenschaftswesen zur Verfügung zu stellen 
haben. 


Und schließlich wird auch der bäuerliche 
Kleinbesitz mit einer Nutzfläche von etwa 
10 bis 20 ha nicht völlig entbehrt werden kön- 
nen, allein aus Gründen der Arbeitsordnung 
nicht. Aber vor allem bietet diese Betriebsgröße 
unentbehrliche Aufstiegsstellen für 
tüchtige Landarbeiter, und so wurden 
bereits eine geringe Zahl von Umsiedlern auf 
solche Kleinbetriebe angesetzt. Doch ihre Aus- 
dehnung wird z.B. im Gegensatz zu Süd- und 
Westdeutschland auf ein Mindestmaß be- 
schränkt bleiben, das durch die jeweiligen wirt- 
schaftlichen Voraussetzungen in den einzelnen 
Gebieten des Warthelandes vorgeschrieben wird. 


Aber die Aufgabe einer gesunden Boden- 
ordnung erschöpft sich keineswegs allein in der 
Schaffung eines leistungsfähigen und sozial 
wohlgestellten Bauerntums, sondern sie wird 
erst dann dem erstrebten Ideal entsprechen, 
wenn sie gleichzeitig die Grundlage für 
einen ausreichenden und zufriedenen 
Landarbeiterstand stellt. In diesem Sinne 
muß zum ersten Male der Versuch unternom- 
men werden, im Zuge der neuen Bodenordnung 
auf Grund eines zweckvollen Verhältnisses der 
einzelnen Betriebsgrößen zueinander und durch 
wohlausgewogene Abstimmung der landwirt- 
schaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Be- 
völkerung aufeinander die Grundlage für einen 
gesunden Landarbeiterstand und damit für eine 
restlos befriedigende Arbeitskräfteversorgung 
der Landwirtschaft zu legen. In diesem Sinne ist 
vor allem der Arbeitskräftebedarf der mittel- 
und großbäuerlichen Betriebe ebenso wie des 
Großärundbesitzes soweit wie irgend möglich 
durch die Ansetzung verheirateter 
Landarbeiter zu decken, so daß die aus- 
schließliche Beschäftigung von ledigen Gesinde- 
arbeitskräften auf die bäuerlichen Familien- 
wirtschaften zur Ergänzung der familieneigenen 


Arbeitskräfte beschränkt bleibt. Der Einsatz 
einer genügenden Zahl verheirateter Land- 
arbeiterfamilien, die auch in erster Linie die 
Gesindekräfte der Hufenbetriebe zu stellen 
haben, soll eine übertriebene Abhängigkeit der 
Landwirtschaft in ihrer Arbeitskräfteversorgung 
von der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung 
vermeiden, ohne daß hiermit ein gesunder Aus- 
tausch von Jungarbeitern zwischen Landwirt- 
schaft und nichtlandwirtschaftlichen Berufen 
unterbunden werden soll. 


Die völlige Umgestaltung der vorgefundenen 
Bodenordnung des Reichsgaues verlangt dem- 
entsprechend auch eine grundlegende Neu- 
ordnung der Landschaftsgestaltung, 
der Flureinteilung und des Aufbaues der Haupt- 
und Nebendörfer. Dieser Neuaufbau ist um So 
unentbehrlicher, weil der bauliche Zustand der 
überalterten und weitgehend vernachlässigten 
landwirtschaftlichen Gebäude schon in den ehe- 
mals preußischen Kreisen äußerst mangelhaft 
ist, in den früher russischen Gebieten aber nur als 
katastrophal bezeichnet werden kann. Und so 
erheben sich die unzähligen Probleme des land- 
wirtschaftlichen Bauens in architektonischer, 
arbeitswirtschaftlicher und hygienischer Be- 
ziehung, und es zeigt sich immer wieder, wie 
viele Fragen noch ungeklärt sind. Denn das ge- 
samte landwirtschaftliche Bauwesen hat auch 
im Altreich während der letzten Jahrzehnte 
völlig stagniert, und infolgedessen war es nicht 
möglich, in der Gestaltung unserer Bauernhöfe 
und Dörfer mit den stets wachsenden Anforde- 
rungen unserer intensiven Kulturwirtschaft auch 
nur annähernd Schritt zu halten. So steht der 
Neuaufbau im Osten in dieser Beziehung fast 
vor einem gänzlichen Neuland mit der Aufgabe, 
endlich einmal grundlegende Richtlinien für die 
zweckmäßige bauliche Gestaltung der Bauern- 
höfe und -dörfer zu entwickeln. Betrachtet man 
so die agrarpolitischen und betriebswirtschaft- 
lichen Aufgaben, die uns der Aufbau der Land- 
wirtschaft und des Landstandes im Warthelend 
stellt, so begnügen sie sich nicht mit der Kor- 
rektur einiger Mißstände, sie sind auch keine 
logische Fortführung einer sich seit langem klar 
abzeichnenden Entwicklung, sondern sie be- 
deuten nichts wenigeralseinen Neubau 
von Grund auf, für den kaum mehr als die 
natürlichen Standortsbedingungen als bleibende 
Voraussetzungen gegeben sind. Diese Aufgabe 
ist in der Tat ebenso reizvoll wie großartig, sie 
wird viel Arbeit, Kraft und Zeit erfordern, zu- 
mal sie nur dann einmal als wirklich erfüllt wird 
gelten können, wenn sie bis zum letzten Ziel 
durchgeführt wurde, ohne auf halbem Wege 
steckenzubleiben. 


327 


CHARLOTTE LORENZ: 


Das Gesetz 
in der Verbra uchswirtschaft 


I. Der Verbrauchshaushalt in der auto- 
ritären Wirtschaft 


m nationalsozialistischen Volksstaat bildet 

neben der soziälpolitischen Erhaltung und 
Förderung der Familie die verbrauchspoli- 
tische Betreuung des Haushalts den 
obersten Grundsatz einer gesunden Gemein- 
schaftsordnung. Diese Einstellung ist von der 
Grundidee beherrscht, mit der Besserung der 
wirtschaftlichen und kulturellen Lebensverhält- 
nisse die notwendigen Voraussetzungen für eine 
freie Entfaltung der völkischen Wachstums- 
kräfte zu schaffen. Im Verbrauchshaushalt über- 
schneiden sich die vielfachen Bestrebungen 
sozialer Gemeinschaftspflege, die den Konsu- 
menten als den verantwortlichen Nutznießer 
und letzten Verwerter des völkischen Arbeits- 
produktes am stärksten treffen. Mit dieser Auf- 
fassung hat die staatspolitische Führung im 
Ideen- und Tatbereich die Abkehr von 
der liberalistischen Denkweise vollzogen, welche 
die Erwerbswirtschaft der freien Marktordnung 
in den Vordergrund der nationalökonomischen 
Kausalforschung gestellt und damit zum Angel- 
punkt ihrer wirtschaftspolitischen Doktrinen 
erhoben hat. 


Auch in den staatspolitischen Systemen 
der Vergangenheit treten Maßnahmen zur 
Lenkung des Verbrauchs, wenn man von ge- 
legentlichen Eingriffen in die persönliche Le- 
bensführung absieht, nur in Verbindung mit 
gesetzgeberischen Aktionen in anderen Auf- 
gabenbereichen des Staates auf. Im Zeitalter. des 
Merkantilismus, dessen Maßnahmen auf eine 
Mehrung des Volksreichtums durch forcierte 
Begünstigung des Exportgewerbes gerichtet 


sind, dienen Eingriffe in das Verbrauchsleben, - 


wie Einfuhrverbote auf ausländische Luxus- 
artikel und Propagierung inländischer Erzeug- 
nisse für den Verbrauch, in erster Linie der 
Exportsteigerung. während der Erlaß spezieller 
Verbrauchsvorschriften für bestimmte Artikel 
von steuerpolitischen Erwägungen diktiert war. 
So zielen Verbrauchsverbote und Luxussteuern 
auf Genußmittel, insbesondere alkoholische Ge- 
tränke, Tabak und Kaffee in erster Linie auf 
eine Entlastung der Einfuhrbilanz. Im System 
des Liberalismus der von der Idee einer unein- 
geschränkten wirtschaftlichen Freizügigkeit be- 
herrscht wird, vollzieht sich die Versorgung des 


328 


Verbrauchshaushalts unabhängig von jeder 
obrigkeitlichen Einflußnahme im freihändle- 
rischen Marktverkehr. Erst mit dem Übergang 
zu autoritären Wirtschaftsformen wird der Ver- 
brauchshaushalt, wenn auch zunächst nur mit- 
telbar, in den Wirkungsbereich der Staatspoli- 
tik einbezogen. So dienen die zum Schutz der 
Arbeitskraft und Familie getroffenen Maßnah- 
men der sozialen Gesetzgebung, der Lohnpolitik. 
des Wohnungs- und Siedlungswesens ebenso wie 
die steuerpolitischen Begünstigungen der Fa- 
milie auch der Hebung des Verbrauchsstandes. 
Spätere Ansätze zu einer mittelbaren staatlichen 


Beeinflussung der Lebenshaltung sind in den 


Bestrebungen zur Krisenbekämpfung und zur 
Milderung der Konjunkturschwankungen auf 
dem Gebiete der Einkommen-, Preis-, Steuer- 
und Zollpolitik wirksam gewesen. 


Ähnlich wie die Verbrauchsregulierung in der 
allgemeinen Wirtschaftspolitik hat auch bis in 
die Jetztzeit hinein die Verbrauchswirt- 
schaftslehre im Arbeitsbereich der Sozial- 
wissenschaften keinen Anspruch auf eine selb- 
ständige Forschungsaufgabe erhoben. Erst mit 
dem Umbruch des weltanschaulichen und poli- 
tischen Denkens hat neben dem Werkbetrieb 
der Verbrauchshaushalt als Objekt und 


Träger der gestaltenden Planung die gebührende 


Anerkennung erlangt. 


So findet im System der autoritären Wirt- 
schaftsordnung der Produktions voran- 
schlag seine Ergänzung im Verbrauchs- 
vor anschlag. Die Bereitstellung von Kon- 
sumgütern stützt sich hierbei auf die verglei- 
chende Gegenüberstellung des tatsächlichen 
Verbrauchs der voraufgegangenen und der mut- 
maßlich verfügbaren Gütermenge der folgenden 
Wirtschaftsperiode, die nach Abschätzung der 
Erzeugungskapazität, der Vorratshaltung und 
Einfuhrlage vorhanden sein wird. Dem tatsäch- 
lichen Verbrauch oder „Ist-Verbrauch” 
steht der „Soll-Verbrauch” zur Seite, der 
das nach Lage der Güterbeschaffung mögliche 


und zulässige Quantum an Sachgütern und son- 


stigen Verbrauchsnutzungen umfaßt; er enthält, 
abweichend vom Ist-Verbrauch, Gütergruppen, 
in denen eine Minderung, Steigerung oder Um- 
lenkung des natürlichen oder des Wunschbedarfs 
zu anderen Erzeugnissen angestrebt wird. Eine 
weitere Rechnungsgröße, die eine auf lange 


Sicht arbeitende Verbrauchslenkung in ihre 
Planung einstellen muß, ist der „Kann- 
Verbrauch“, d. h. die Verbrauchskapa- 
zität, die eine Bevölkerung bestimmter Größe 
und Zusammensetzung bei vollkommener Be- 
iriedigung ihrer Bedarfswünsche im Rahmen der 
verfügbaren Einkommenskaufkraft als Höchst- 
leistung einsetzen könnte. Während die Fest- 
stellung des Ist- und des Soll-Verbrauchs von 
tatsächlichen und vorausbestimmbaren Wirt- 
schaftsleistungen ausgeht, sind die Ermittlungen 
über das Verbrauchsmaximum im wesentlichen 
auf Mutmaßungen und Schätzungen angewiesen, 
die an bestimmte Erfahrungen der Einkommens- 
verwendung und Verbrauchsentwicklung an- 
knüpfen. 


Aus dem Aufgabenbereich der staatlichen 
Sozialordnung und Wirtschaftslenkung eröffnen 
sich der Forschung grundlegend neue Aufgaben; 
sie werden bestimmt durch den Informations- 
bedarf der staatlichen Planungsstellen, die 
neben der laufenden Bereitstellung von Tat- 
sachenmaterial zur Erfassung und Entwicklung 
der Verbrauchs wirtschaft eine laufende Rech- 
nungslegung über die Wirkungen der getrof- 
fenen Maßnahmen fordern. Darüber hinaus hat 
die Verbrauchsforschung ihr Augenmerk auf 
eine grundsätzliche Klarstellung der zwischen 
Erwerbs- und Verbrauchs wirtschaft, zwischen 
Staats- und Privathaushalt wirksamen Zusam- 
menhänge zu richten. Das Arbeitsfeld der mo- 
dernen Verbrauchsforschung bewegt sich dem- 
nach in den Bahnen der Tatbestandsauf- 
nahme und der Kaus alerkenntnis. Mittel 
und Wege hierzu bieten Statistik und monogra- 
phische Beschreibung sowohl in Form größerer 
Bestandsaufnahmen und laufender Beobachtun- 
gen sowie Spezialuntersuchungen, welche den 
Einfluß der innerhalb und außerhalb der Ver- 
brauchssphäre wirksamen Faktoren auf die 
Lebenshaltung und den Markt klarlegen. Inner- 
halb der Ursachengruppen, die von der Willens- 
haltung des Verbrauchers nicht oder nicht direkt 
abhängen, sind die häuslichen Lebensumstände, 
der Wohn- und Siedlungsweise, des Einkom- 
mens, Berufs, der gesellschaftlichen Bindungen 
und der Marktbeziehungen des Haushalts zu 
berücksichtigen; neben diesen objektiven 
Faktoren sind die subjektiven Voraussetzun- 
gen, die in der Erfassung des Verbrauchers 
selbst begründet liegen und sein persönliches 
Verbrauchsverhalten bestimmen, klarzulegen. 
Während die Verbrauchsforschung im 
weiteren Sinne darauf abzielt, Beziehungen 
zwischen Haushalt und Markt im Gesamtbereich 
der sozialwirtschaftlichen Wirkungszusammen- 
hänge zu untersuchen, stellt sich die Ver- 
brauchserforschung oder Verbrauchs- 
forschungimengeren Sinne die Aufgabe, 
die Eigentümlichkeiten des Verbrauchsorganis- 
mus in seinen wesentlichsten Erscheinungstypen 
zu beschreiben und zu ergründen. Gegenstand 
und Arbeitsziel dieser Fachdisziplin ist es, die 


Gesetzmäßigkeiten des Verbrauchs- 
lebens zu finden, um damit der obrigkeitlichen 
Verbrauchslenkung klärende Erkenntnisse für 
die Durchführung und Begründung ihrer gesetz- 
geberischen Maßnahmen an die Hand zu geben. 


II. Die Erscheinungstypen des Ver- 
brauchshaushalts À 


Die Untersuchungen über die Gesetzmäßig- 
keiten im Verbrauchsleben gruppieren sich um 
Wirtschaftsgebilde, dié wir unter dem Ober- 
begriff des Verbrauchshaushalts zusammenfas- 
sen. Es sind hjerunter folgende Hauptgruppen 
von Haushaltswirtschaften zu verstehen: 


1. Verbrauchshaushalte mit familiärem Cha- 
rakter, 


a) reine Familienhaushalte, 


b) Haushalte mit familienfremden Haushalts- 
angehörigen, 


c) Haushalte mit familienfremden Betriebs- 
angehörigen. 


2. Verbrauchshaushalte von Einzelpersonen. 
3. Verbrauchshaushalte mit Anstaltscharakter. 


Neben dem reinen Familienhaushalt, der ledig- 
lich Personen einer blutsverwandten Gemein- 
schaft umfaßt, bilden Haushalte mit Angestellten 
für den privaten Haushaltungsbedarf sowie mit 
Angehörigen des Erwerbsbetriebs (Gesellen, 
Verkaufspersonal, Gesinde) in der handwerk- 
lichen und bäuerlichen Wirtschaft die vorherr- 
schenden Erscheinungsformen; demg&genüber 
findet sich im Anstaltshaushalt eine Verei- 
nigung von einander unabhängiger Hausinsassen, 
die durch andere Gemeinschaftsschicksale zu- 
sammengehalten wird. Hierhin gehören Anstalts- 
haushalte, die sowohl aus Gründen des Erwerbs 
(Gasthäuser, Fremdenheime) betrieben werden, 
als auch solche mit gemeinschaftswirtschaft- 
lichen Aufgaben im Bereich der öffentlichen 
Verwaltung der Gebietskörperschaften und Par- 
teigliederungen, auf dem Gebiet des Schul- 
wesens, der Wohlfahrt- und Gesundheitspflege, 
der Strafrechtspflege und der Schulungsunter- 
künfte Dazu kommen Anstaltshaushalte mili- 
tärischen Charakters, wie sie von Wehrmacht, 
Polizei und Reichsarbeitsdienst unterhalten 


werden, ferner Lagerhaushalte für landwirt- 


schaftliche und gewerbliche Arbeiter- und 
Anstaltshaushalte der religiösen Gemeinschaften 
(Klöster, Ferienheime und andere Vereinsunter- 
künfte). 


/ 


III. Faktoren der Verbrauchsgestaltung 


Das Schwergewicht der Verbrauchslenkung 
liegt auf der Überwachung und Versor- 
gung des eigentlichen Familienhaushalts, 
der als Urzelle des völkischen Lebens die Be- 
dingungen und Gestaltungen der Verbrauchs- 


329 


ordnung beherrscht. Die soziale und orga- 
nische Lebenshaltung der Familie diktieren 
such die Gesetze des Verbrauchs. Eine 
gemeinschaftsdienliche Lenkung des Ver- 
brauchshaushaltes setzt daher die Kenntnis 
seiner Wesensarten und Lebensäußerungen vor- 
aus, die den Umfang und die Art der Versor- 
gungsleistung bestimmen. Diese ergeben sich 
aus dem Zusammenwirken von Faktoren, die als 
Grundanlagen, Strukturmerkmale und 
Entwicklungstendenzen der Ver- 
brauchsgestaltung zu kennzeichnen sind. 
Die Grundanlagen führen ihre letzte Wurzel auf 
die organische, physische, geistige und psy- 
chische Verfassung des Verbrauchers zurück. 
Hierbei sind zwei Arten von Faktoren zu unter- 
scheiden, nämlich 1. subjektive, individual- 
typische, die dem Verbrauchsindividuum 
eigen sind und 2. objektive, familientypische. 
die dem Verbrauchshaushalt als Wirtschafts- 
gemeinschaft eigentümlich sind. Zur ersten 
Gruppe gehören in erster Linie die psycho- 
physischen AnlagenundRegungendes 
Konsumenten, während innerhalb der zwei- 
ten Gruppe die Besonderheiten des organischen 
und sozialen Familienaufbaus eine Rolle spielen. 


/ 1. Individualtypische Faktoren 


a) Das Gesetz des physiologischen. 
Mindestbedarfs 


Die Bedarfsdeckung, die der Konsument als 
organisches Lebewesen vornimmt, wird von 
dem Naturgesetz des physiologischen 
Mindestbedarfs beherrscht. Dieses elemen- 
tare Gesetz der Verbrauchsordnung hat die 
Wirtschaftspolitik in ihrer Planung zu berück- 
sichtigen, in dem sie bei der Aufstellung des 
Nahrungsvoranschlages das Bedarfs- 
minimum des Menschen an Eiweiß, Fetten, Koh- 


lehydraten und Mineralsalzen einsetzt. Die Ge- 


samtmenge der zur Erhaltung von Arbeits- und 
Lebenskraft notwendigen Grundsubstanz ist in 
Kalorienwerten meßBbar, die von den Ernäh- 
rungs-Physiologen in einer nach Geschlecht, 
Alter, Körperbeschaffenheit und Betätigungsart 
des Menschen bestimmbaren Abstufung fest- 
gestellt werden. Wesentlich für eine gerechte 
Rationierung des Nahrungsbedarfs für den ar- 
beitenden Menschen ist hierin auch die Berück- 
sichtigung der Arbeitsleistung. In diesem 
Zusammenhang sird die vom Kaiser-Wilhelm- 
Institut für Arbeitsphysiologie in Dortmund 
durchgeführten Spezialuntersuchungen über den 
kalorimetrischen Normalbedarf bestimmter Ar- 
beitergruppen von Bedeutung; sie stützen sich 
auf die Ermittlung des Grundumsatzes (G.U.), 
d. h. die Berechnung derjenigen Kalorienmenge, 
die der menschliche Körper seiner organischen 
Beschaffenheit und Arbeitsleistung entsprechend 
bei völliger Ruhelage in 24 Stunden abgibt. Dem 


G.U. ist der Arbeitsstoffwechsel, d. h. der Ka- 


lorienverbrauch für die gesamte Tätigkeit in 


330 


1] Veröffentlicht in de. Zeitschrift: 


Anteilen des G. U. zuzurechnen, wobei die in der 
G. U.-Berechnung enthaltene Verschiedenheit des 
Körperbaus bereits berücksichtigt ist. Man er- 
hält dann bei Beziehung der Werte auf ½ der 
Tageszeit (eine Einteilung, die wegen der größe- 
ren Genauigkeit der Drittelteilung vorzuziehen 
ist) eine Abstufung der Kalorienabgabe für 
Schlaf, Freizeit und Arbeit, die bei Berücksichti- 
gung der unterschiedlichen Arbeitsschwere er- 
hebliche Abweichungen zeigt. Wenn man die 
Kalorienabgabe für die Ruhezeit auf / G. U. 
und für die Freizeit auf °'s G. U. ansetzt, so be- 
trägt die Kalorienabgabe für Berufe mit leichter 
körperlicher Arbeit / G. U., dagegen für Schwer- 
arbeiter % G. U.; einem Gesamtverbrauch von 
8/6 G. U. bei Berufstätigen mit leichter Arbeit 
steht demnach ein solcher von / G. U. bei 
Schwerstarbeitern gegenüber. Bei Arbeite rkate- 
gorien mit einem Verbrauch von 1% G. U. pro 
Tag ist der entsprechend geringere Kalorien- 
verbrauch für den Sonntag und Schichtwechsel 
in Ansatz zu bringen. 


Eine gewisse Vorstellung über die durch die 
Arbeitsschwere bedingten Unterschiede der 
Kalorienabgabe gibt nachfolgendes Vergleichs- 
bild aus einem vom Institut für Arbeitsphysio- 
logie Dortmund entworfenen Vorschlag zu einer 
Ernährungsstatistik auf der Grundlage des Nah- 
rungsbedarfs der einzelnen Berufe): 


Kalorienabgabe für verschiedene Berufe 


8/6 G.U. Uhrmacher, Schreiber, Glasmaler, Bü- 
cherrevisor. 


9 G. U. Goldschmied, Optiker, Chemiker. In- 
genieur, Putzmacherin, Stenotypistin, 
Telegraphist, Zeichner, leitender Ange- 
stellter und Beamter. 


10% G.U. Spinner, Weber, Zwirner, Färber. 
Schriftsetzer, Drucker, Drechsler, Kon- 
ditor, Zigarrenmacher, Verkäufer, Loko- 
motivführer, Koch, Lehrer, Arzt, Friseur, 
technischer Angestellter. 

11/6 G.U. Messerschleifer, Töpfer, Mechaniker, 
Sattler, Schuhmacher, Maler, Schaffner. 
Tierarzt, Hausangestellte, 


12/6 G.U. Gärtner, Fischer, Melker, Glasarbeiter, 
Gießer, Maschinenarbeiter in der Me- 
tallindustrie, Schlosser, Klempner, Mül- 
ler, Bäcker, Fleischer, Brauer, Stein- 
setzer, Kellner. 


13/8 G.U. Landarbeiter, Steinmetz, Former, Nieter, 
Tischler, Stellmacher, Matrose. 


14% G.U. Winzer, Ziegelarbeiter, Schmied, Maurer, 
Zimmermann, Dachdecker. 


15/6 G.U. Säge- und Walzwerkarbeiter. 
16/6 G. U. Bergmann, Berufssportler, Holzfäller. 


17/ G. U. Ausnahmefälle bei verlängerter Ar- 
18/6 G. U. f beitszeit. | 


„Arbeitsphysiologie” 
Berlin 1939, 10. Bd., 4. Heft, S. 455. 


. 


Die G.U.-Tafeln sind nicht nur für die 
Abstufungen des Nahrungsbedarfs von Inter- 
esse; sie bieten auch wertvolle Grundlagen und 
rechnerische Anhaltspunkte für die Be- 
stimmung der Verbrauchskraft nach 
Altersstufen. Diese Berechnungen bieten 
wiederum die Möglichkeit, die Verfassung und 
Leistung von Verbrauchshaushalten verschie- 
dener Struktur sowie gleicher Haushalte zu 


verschiedenen Zeiten miteinander zu verglei- 


chen. So erscheint bei fortschreitender Überalte- 
rung der Bevölkerung, in deren Verlauf der 
Bestand an erwachsenen Vollverbrauchern ge- 
genüber den Kindern und Jugendlichen ver- 
gleichsweise stark ansteigt, eine Verbrauchs- 
zunahme beispielsweise an Genußmitteln relativ 
höher, als es der Wirklichkeit entspricht. Aus 
diesem Grunde ist es richtiger, an Stelle der 
sonst gebräuchlichen Pro-Kopf-Raten Quoten zu 
berechnen, bei denen die Verbrauchsmenge auf 
Vollpersonen-Einheiten bezogen wird. Zu die- 
sem Zweck wird die Kopfzahl der Bevölkerung 
entsprechend der Verbrauchskraft der einzelnen 
Altersstufen auf die Verbrauchs-Einheit eines 
erwachsenen Mannes umgerechnet. 


b) Die psychische Haltung des 
Verbrauchers 


Während die Gesetze der Verbrauchsphysio- 
logie in quantifizierbaren Größen bestimmbar 
sind, lassen sich für die psychische Hal- 
tung und die daraus resultierenden Neigungen 
und Handlungen des Konsumenten keine ent- 
sprechenden Belege erbringen. Denn einmal 
können die in der Bedarfsdeckung wirksamen 
Äußerungen der Verbraucherpsyche nicht als 
solche, sondern bestenfalls nur in gewissen 
Wirkungsergebnissen und Symptomen erfaßt 
werden; und zweitens treten zu den bekannten 
Erfahrungstatsachen und Erkenntnissen auch 
unwägbare und unberechenbare Faktoren, die 
einer sozialpsychologischen Ergründung im 
Wege stehen. Erst in der neueren Sozialfor- 
schung machen sich Bestrebungen geltend, auch 
diese Seite der Verbrauchsbetätigung in die 
Untersuchungsarbeit einzubeziehen. So hat sich 
das Institut für Verbrauchsforschung in Nürn- 
berg die Aufgabe gestellt, „das typische Ver- 
halten des Durchschnittskonsumenten” zu er- 
gründen und auf seine Wirkungsrichtung zu 
untersuchen. Die Arbeiten, die sich auf Sonder- 
befragungen der Verbrauchshaushalte über 
deren Einstellung zu bestimmten Kaufobjekten 
verschiedener Güte und Nutzungsdauer stützen, 
sollen dazu beitragen, der Verbrauchsplanung 
gewisse Ansatzpunkte für die Lenkung und Be- 
einflussung der Kaufneigung des Konsumenten 
an die Hand zu geben?). Kennzeichnend für das 


8) Vgl. hierzu die von H. Proesler im Handbuch der 
Verbrauchsforschung angeführten Spezialerhebungen Ber- 
lin 1940, Bd. II. 


psychische Verhalten des Verbrauchers ist vor 
allem seine Einstellung in der Verwendung 
des Einkommens für Verbrauch und 
Kapitalbildung, die mit der Änderung der 
äußeren Lebensumstände gewissen Wandlungen 
unterworfen ist. In der Verbrauchsbefriedigung 
zeigen sich die Veranlagungsunterschiede bei 
der Verausgabung des Einkommens für den 
elastischen und unelastischen Bedarf; in der 
Kapitalbildung finden die unterschiedlichen 
Neigungen des Konsumenten bei der Gestaltung 
der Spartätigkeit ihren Ausdruck, die entweder 
auf „Konsumsparen‘, d. h. auf Gewinnung 
von Rücklagen für spätere größere Anschaffun- 
gen, oder auf „Rentensparen”, d. h. auf 
Sicherung von Rücklagen für Altersversorgung 
und Erwerbsunfähigkeit gerichtet ist. 


2. Familientypische Faktoren 


a) Der organische Aufbau des 
Familienhaushalts 


Neben den individuellen Anlagen des Ver- 
brauchers, die durch seine persönliche Willens- 
haltung betätigt werden, sind in der Gestaltung 
der Bedarfsdeckung auch objektive, außerhalb 
der Willenssphäre liegende Tatbestände im Ver- 
brauchsleben des Volkes wirksam. Hierhin ge- 
hören vor allem die biologischen Besonderheiten 
des Volksorganısmus. Sie werden gekennzeich- 
net durch seine Größe, das zahlenmäßige Ver- 
hältnis der Geschlechter, die Familienstands- 
gliederung und Altersschichtung der Bevölke- 
rung. Das Verhältnis der Geschlechter wirkt 
sich für die Verbrauchsgestaltung dann beson- 
ders aus, wenn infolge Überwiegens der weib- 
lichen Bevölkerung in den heiratsfähigen Al- 


tersklassen ein relativ höherer Teil der Frauen 


nicht zur Eheschließung kommt, wodurch die 
Zahl der Einzelhaushalte wesentlich vergrößert 
wird. In derselben Richtung wirkt eine ver- 
gleichsweise starke Zunahme der Ehelösungen, 
bei welchen in der Mehrzahl der Fälle die Frau 
als Einzelwirtschafter zurückbleibt, wie auch 
eine allgemeine Abnahme der Ehefrequenz. Der 
Aufbau des Familienorganismus fällt für die 
völkische Verbrauchsgestaltung dadurch ins 
Gewicht, daß er in seiner Gliederung nach Haus- 
haltstypen — vom Einzelhaushalt bis zum kin- 
derreichen Haushalt — auch den Umfang und 
den Charakter der Versorgung bestimmt. Je 
nach dem Anteil der Einzelwirtschafter und je 
nach der Bedeutung der kinderlosen, kinder- 
armen und kinderreichen Familienhaushalte im 
Gesamtorganismus der Verbrauchswirtschaft 
ist auch die Größe und Struktur des Ver- 
brauchsvolumens verschieden. Der Aufbau des 
Familienorganismus ist wiederum abhängig von 
der Altersschichtung, welche der Bevölkerung 
das Gepräge eines jugendlichen oder eines 
alternden Organismus verleiht. 


331 


Nach den durch statistische Erhebungen be- 
stätigten Erfahrungen ergibt sich, daß mit stei- 
gender Kinderzahl bei gleich hohen Aufwen- 
dungen für den Gesamtverbrauch die Ausgaben 
für den unelastischen Bedarf anteilsmäßig stei- 
gen. Bei geringerer Kinderzahl treten dagegen 
die Aufwendungen für den elastischen (kultu- 
rellen) Bedarf stärker zutage, da in den klei- 
neren Familien für die Aufzucht und Bildung 
des Kindes entsprechend mehr Mittel verwendet 
werden. Auch außerhalb der einzelnen Bedarfs- 
gruppen ändert sich die Zusammensetzung des 
Verbrauchs nach Güterarten mit zunehmender 
Kinderzahl. Gliedert man beispielsweise die 
Ausgaben für den Nahrungsbedarf nach den 
Anteilssätzen für einzelne Lebensmittel auf, so 
tritt mit zunehmender Kinderzahl der Posten der 
hochwertigen, fett- und eiweißhaltigen Artikel, 
wie Butter, Eier, Fleisch und Fisch, hinter dem 
Anteil der Kindernährmittel zurück. Für den 
Verbrauchspolitiker ist die Erkenntnis dieser 
Zusammenhänge von größter Bedeutung, da die 
zur allgemeinen Hebung und Lenkung des Le- 


bensstandards getroffenen Maßnahmen sich mit 


den Bestrebungen einer wachstumsfördernden 
Familien- und Bevölkerungspolitik aufs engste 
berühren. 


b) Dersoziale Charakter des Haushalts 


Neben der biologischen Eigenart der Familie 
sind auch die Verfassung und Wandlung in der 
sozialen Schichtung der Haushalte bei der 
Durchführung des verbrauchswirtschaftlichen 
Versorgungsprogramms in Ansatz zu bringen. 
Abweichend von der früheren sozialen Stufen- 
ordnung des Volkskörpers zeigt der heutige 
Gliederbau der Bevölkerung eine Struktur, in 
welcher durch Besitzstand und Tradition ge- 
‚zogene Grenzen teilweise verwischt und ver- 
schoben sind. Die mit der fortschreitenden 
Industrialisierung zunehmende Verbreitung des 


Massenluxus und der technischen Lebensver- 


besserungen, die fortschreitende Erschließung 
kultureller Darbietungen und Einrichtungen für 
Minderbemittelte bringen eine zunehmende 
Nivellierung der Lebensweise und da- 
mit ein Abgehen von traditionellen Gepflogen- 
heiten der Haushaltsführung mit sich. 


Innerhalb dieses neuen Lebensstils bestehen 
jedoch auch neben der in der Rasse, Landschaft, 
Wohnweise und im Brauchtum begründeten 
Eigenart Verschiedenheiten der völkischen Le- 
benshaltung, die durch Beruf und soziale 
Stellung bedingt sind. Erfordert doch schon 
die Art der Arbeitsverrichtung, je nachdem ob 
sie Körper- oder Geisteskraft beansprucht, in 
Verbindung mit der Schwere und Dauer der 
Tätigkeit, eine nach Menge und Qualität unter- 
schiedliche Ernährungsweise. Dies wird durch 
die abweichenden Aufwendungen, die von Haus- 
halten verschiedener Berufsschichten bei glei- 


332 | - | 


chem Einkommen für den Nahrungsbedarf und 
andere Zweige des unelastischen Bedarfs ge- 
macht werden, bestätigt. Auf diese Zusammen- 
hänge soll in den Betrachtungen des folgenden 
Abschnitts noch näher eingegangen werden. 


3. Äußere Lebensbedingungen und 
Umwelteinflüsse 
al Das Gesetz der Einkommens- 
verwendung 


Für die Bewertung der hauswirtschaftlichen 
Verbrauchskapazität ist die Erkenntnis wesent- 
lich, daß die natürlichen Neigungen und Regun- 
gen, die das Verhalten des Konsumenten in der 
Bedarfsdeckung bestimmen, sich in den durch 
die äußeren Lebens- und Umweltverhältnisse ab- 
gesteckten Grenzen betätigen. So werden die Be- 
ziehungen des Verbrauchshaushaltes zum Markt 


durch die Größe, reale Kaufkraft und Zu- 


sammensetzung des Einkommens nach 
Einkunftsarten (Geld, Naturaleinkommen) und 
Einkommensträgern (innerhalb der Familie) ge- 
lenkt. Hierbei ist es eine bekannte, durch 
frühere Forschungen erwiesene Tatsache, daß 
sich die Größenordnung der Ausgaben mit 
steigendem und fallendem Einkommen verän- 
dern. Nach den amtlichen Wirtschaftsrechnun- 
gen der Jahre 1927/28, die einen Kreis von 3000 
buchführenden Haushalten umfassen, ergibt sich, 
daß die Ausgaben für Nahrungsmittel sich bei 
einem Durchschnittssatz von 42,8 v.H. in einem 
Spielraum von 39,8 bis 47,0 v.H. bewegen. Für 
die Gesamtheit der Nahrungs- und Genußmittel 


beläuft sich die Spanne der Ausgabequoten 


zwischen niedrigster und höchster Einkommens- 
stufe auf 50,8 bis 43,7 v.H. Demgegenüber zeigen 
die Ausgaben für den elastischen Bedarf eine 
mit wachsendem Einkommen steigende Tendenz. 
Innerhalb der unteren Einkommensstufen, in 
denen eine weitere Einschränkung des Nah- 
rungsverbrauchs nicht möglich ist, macht sich 
im Nahrungshaushalt ein Ausweichen auf Er- 
zeugnisse geringerer Qualität bemerkbar. Es 
findet sonach in der Ausgabenstruktur des 
Haushalts das Engel’sche Gesetz, nach 
welchem der Ausgabenteil für den Nahrungs- 
aufwand mit steigendem Einkommen abnimmt, 
seine Bestätigung. Dagegen wird in anderen 
Zweigen der Bedarfsdeckung der bestimmende 
Einfluß der Einkommenshöhe durch das Einwir- 
ken anderer Faktoren der äußeren Lebensver- 
hältnisse in gewissem Umfange ausgeschaltet. 


b) Sonstige Lebensumstände 


Für die Art der Einkommensverwendung im 
Verbrauchshaushalt ist, wie bereits angedeutet 
wurde, nicht allein die Höhe der verfügbaren 
Einkünfte bestimmend. Auch Besonderheiten 
der durch die berufsständische Ordnung ge- 
schaffenen Verhältnisse geben der völkischen 

| ! 


Mädel weben für Soldaten 


V or mehreren Jahren wurde in Lyck in Ostpreußen eine Gauwebschule eingerichtet, deren Zweck 
die Förderung der ganz in Vergessenheit geratenen Spinnerei und Handweberei war. Aus vielen 
Gauen kamen die jungen Mädchen, um sich in diesem alten bäuerlichen Brauchtum unterrichten 
zu lassen. 


Heute, im Kriege, hat die Schule ihren Aufgabenkreis erweitert. Es wird nicht nur gesponnen 
und gewebt, sondern das zu verarbeitende Material wird selbst gezogen. Vor der Webschule wurde 
Flachs angebaut, den die Schülerinnen bearbeiten, und die gute Ernte schafft immer eine beson- 
dere Freude; bedeutet sie doch neues Web- und Spinnmaterial. Aber der Flachs ist nicht das 
einzige selbstgezogene Material. Im Mittelpunkt des Interesses der Schülerinnen steht eine 
Kaninchenzucht. Die schönen Angorakaninchen werden mit besonderer Liebe gepflegt, denn 
ihre weichen, langen Haare sind kostbares Gut. Ihre Verarbeitung gilt kriegswichtigen Zwecken; 
schon unendlich vielen Soldaten hat die aus ihnen gesponnene wärmende Kleidung großen Nutzen 
getan. Dieses Wissen um den guten Zweck ihrer Arbeit spornt den Eifer der Schülerinnen sehr an. 
Singend und mit freudigen Gesichtern verrichten sie ihre Arbeit, die sie nicht nur einer alten, 
schönen Bauernkunst wieder nahebringt, sondern ihnen das befriedigende Bewußtsein gibt, im 

Kriege notwendige Aufgaben erfüllen zu helfen. 


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Die für die Ver- 
arbeitung wert- 
vollen Haare der 
Angorakaninchen 
werden sorgfältig 
ausgekämmt 


Am Spinnrad 


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Aus vielen dünnen Faden wird ein fester Faden gespult 


Die Muster werden von den Schülerinnen meist selbst entworfen und aufgezeichnet 
Die Schulleiterin beim Unterricht in der Grundlehre des Musterentwurfs 


Lebenshaltung Ihr charakteristisches Gepräge. 
So stellt sich der Ausgabesatz des Arbeiterhaus- 
halts für Nahrungsmittel vergleichsweise höher 
als die entsprechende Quote, die beim Angestell- 
ten- und Beamtenhaushalt der gleichen Ver- 
dienergruppe festzustellen ist. Die Ergebnisse 
der amtlichen Wirtschaftsrechnungen der Jahre 
1927/28 lassen erkennen, daß sich die Verschie- 
bungen in den Ausgaben für den elastischen 
und unelastischen Bedarf in den Kreisen der 


Arbeiter, Angestellten und Beamten verschieden . 


abspielen. Es ergibt sich hierbei innerhalb glei- 
cher Einkommenslagen eine Abstufung der Aus- 


gabesätze für Güter verschiedener Qualität und l 
Bedarfsdringlichkeit. Den höheren Ausgabe- 


sätzen, die im Arbeiterhaushalt auf den Nah- 
rungsbedarf entfallen, śtehen entsprechend nie- 
drigere Aufwendungen für den sonstigen 
Lebensbedarf gegenüber. So ergibt sich aus 
einem Vergleich der Ausgabestruktur, daß im 
Beamtenhaushalt die Aufwendungen für Beklei- 
dung und Wäsche anteilsmäßig höher liegen als 
beim Arbeiter und Angestellten; des weiteren 
zeigt sich, daß auch der Aufwand, für den Woh- 
nungsbedarf im Beamtenhaushalt den im Ar- 
beiter- und Angestelltenhaushalt erzielten Satz 
überschreitet. S . 

Diese Zusammenhänge werden deutlich, wenn 
man die Verbrauchshaltung zwischen verschie- 
denen Einkommensgruppen gleicher Berufs- 
schichten und zwischen verschiedenen Berufs- 
schichten von Haushalten gleicher Einkommens- 
lagen gegenüberstellt. So lassen Vergleiche der 
Lebenshaltung in typischen Handwerkerkreisen 
erkennen, daß die Aufwendungen für den Woh- 
nungsbedarf, die in bestimmten Berufskreisen 
durch betriebswirtschaftliche Erfordernisse be- 
dingt sind, die sonstigen Ausgaben, selbst für 
den elementaren Lebensbedarf, beeinträchtigen; 
hierdurch wird die erwartete Rangordnung in 
der Ausgabestruktur verändert. Auch kann man 
an Hand monographischer Ermittlungen für 
einzelne Haushaltstypen nachweisen, daß zwi- 
schen Haushalten mit Eigenbewirtschaftung und 


solchen mit rein marktwirtschaftlicher Bedarfs- 


deckung unter sanst gleichen Lebensbedingun- 
gen erhebliche Verschiedenheiten in bezug an 
die Ausgabegestaltung bestehen. So bleibt der 
Eigenheimstättenhaushalt des Handwerkers, der 
beträchtliche Aufwendungen für Heimstätte und 
Gartenpachtland zu machen hat, gegenüber dem 


städtischen Haushalt des gleichen Berufsstandes 


in den Ausgaben für Bekleidung und Kultur- 
bedarf merklich zurück. 


4. Tendenzen der Verbrauchsgestaltung 


Neben den Grundgesetzen der natürlichen 
Verbrauchshaltung, die als feste Tatbestände 


von der Planung zu übernehmen sind, müssen 
auch die tendenziellen Wandlungen, 
denen der Verbrauchshaushalt im Zuge des wirt- 
schaftlich-kulturellen Fortschritts und des so- 
zialen Aufstufungsprozesses unterworfen ist, in 
Rechnung gezogen werden. Hierbei ist einerseits 
die Umstellungin den Lebensbräuchen 
und Verbrauchsgewohnheiten namentlich in der 


Nahrungsversorqung und andererseits die fort- 


schreitende Kultivierung der allgemei- 
nen Lebenshaltung zu berücksichtigen. So 
haben sich unter dem erzieherischen Einfluß des 
medizinischen Fortschrittes und der ernährungs- 
physiologischen Forschung, mit den Wandlungen 
der Wohn- und Siedlungsweise sowie mit der 
Ausdehnung der sportlichen Betätigung bemer- 
kenswerte Änderungen in der persönlichen und 
hauswirtschaftlichen Lebensführung vollzogen. 
Die Umstellung des physiologischen Bedarfs 
zeigt sich, wie aus einem Vergleich des durch- 
schnittlichen Ernährungskonsums für die Zeit 
vor und nach dem ersten Weltkrieg hervorgeht, 
in einer Abnahme des Verzehrs an mehl- und 
stärkehaltigen Nahrungsmitteln auf der einen 
und in der Zunahme des Verbrauchs an Fisch 
und frischer Pflanzennahrung auf der anderen 
Seite. Eine merkliche Zunahme hat auch der 
Zuckerverbrauch aufzuweisen,. der damit den 
schon früher erkennbaren Aufstieg im völ- 
kischen Speisezettel fortsetzt. Auch Tendenzen “ 
zur Steigerung des Verzehrs an tierischen Er- 
zeugnissen, vor allem Fetten und Eiern sind 
festzustellen. Hand in Hand hiermit geht eine 
Zunahme des Fischverbrauchs bis auf mehr als 
das Doppelte des Vorkriegsstandes. Besonders 
augenfällig sind die Verschiebungen im Genuß- 
mittelverbrauch, die durch einen bemerkens- 
werten Rückgang des Alkoholverbrauchs bei 
gleichzeitiger Zunahme des Tabakverbrauchs 
gekennzeichnet werden. Mit der Umstellung des 
natürlichen physiologischen Bedarfs geht eine 
bewußte Rationalisierung der allge- 
meinen Lebensweise einher, die sowohl auf 
rationalen Erwägungen des Verbrauchers selbst, 
als auch auf planmäßiger Anpassung der Ver- 
sorgung an das verfügbare Gütervolumen beruht. 
So findet die Verringerung des Verzehrs an Süd- 
früchten und anderen Importwaren, die durch 
Unterbindung und Kontingentierung bestimmter 
Einfuhrerzeugnisse bedingt war, einen Ausdruck 
in der stärkeren Belieferung der Bevölkerung 
mit einheimischem Obst. Durch die planmäßige 
Förderung der Veredlungsproduktion konnte die 
Versorgung der Bevölkerung mit inländischen 
Nahrungsfetten an Stelle der durch Einfuhr- 
beschränkung erschwerten Kunstfetterzeugung 
erweitert werden. Hierdurch war es möglich, in 
den ersten Jahren der nationalsoꝛzialistischen 


333 


Wirtschaftsordnung eine qualitative Aufbesse- 
rung des Nahrungsverbrauchs herbeizuführen, 
die dem Kaloriengehalt nach auf 1,6 und dem 
Eiweißgehalt nach auf 2,7 v.H. der entsprechen- 
den Menge des Jahres 1926 zu veranschlagen ist. 


Während im Ernährungssektor die freie 
Entfaltung der Verbrauchswünsche aus physio- 
logischen Gründen begrenzt ist, hat sich unter 
dem anregenden Einfluß verbrauchsfördernder 
Wirtschaftsmaßnahmen in anderen Be- 
reichen der Lebenshaltung eine bemer- 
kenswerte Ausweitung des Verbrauchs 


vollziehen können. Dieses Ergebnis wird durch 


die Verbrauchsentwicklung in den Jahren 1933 
bis 1937 bestätigt, in denen die Befriedigung der 
persönlichen und hauswirtschaftlichen Lebens- 
ansprüche in allen Zweigen des elementaren 
und kulturellen Bedarfs noch ohne einschrän- 
kende Reglementierung unterstützt wurde. Mißt 
man die Verbrauchsleistungen der Jahre 1933 
und 1937 am Stande des Jahres 1932 unter Be- 
rücksichtigung des volkswirtschaftlichen Ver- 
brauchs und der Umsatzziffern des Einzelhandels, 
so ergibt sich für die einzelnen Bedarfsgruppen 
und die Gesamtheit des Lebensbedarfs folgendes 
Bild: 


Kennziffern des Gesamtverbrauchs?) 
bezogen auf 1932 (=100) 


Bedarfsgruppe 1933 1937 
Nahrungs- und Genußmittel.. 99,4 106,2 
Bekleiduunngggez 105,0 133,4 
Heizung und Beleuchtung... 966 120,1 
Hausrat und Wohnbedarf .... 110,7 162,7 
Drogen und Apothekerwaren 984 127,5 
Unterhaltung, Sport, Luxus .. 120,8 272,5 
Gesamtbedarrrkk . 102.0 124,2 


IV. Praktische Folgerungen für die 
Verbrauchsplanung 


Würdigt man die Entwicklung des deutschen 


Verbrauchslebens vom Standpunkt einer höhe- | 


ren Wirtschaftsplanung, so ergibt sich, daß die 
bisherigen Maßnahmen zur Ordnung und Len- 
kung des Konsums den „Gesetzen der Ver- 
brauchswirtschaft“ weitgehend Rechnung getra- 
gen haben. Dies gilt vor allem für den in die 
erste Phase des 1. Vierjahresplanes fallenden 
Wirtschaftsabschnitt, in welchem die Planung 
darauf abzielte, neben dem „aufgestauten 
Lebensbedarf“ der vorangegangenen De- 
pressionszeit auch den „zusätzlichen 


D Vgl. hierzu meinen Beitrag: „Sinn und Aufbau einer 
allgemeinen Verbrauchskennziffer“, in: „Allg. Stat.-Archiv, 
1939, Heft 3. 


334 


Wunschbedarf” im kulturellen Sektor zu 
befriedigen. Es sei hier nur erinnert an die viel- 
fachen wirtschaftlichen Erleichterungen, die den 
minderbemittelten Verbraucherschichten durch 
Ausgabe von Fettverbilligungsscheinen und von 
Bezugsausweisen für Wäsche, Kleidung und 
Hausrat gewährt wurden; ferner an die mit der 
Förderung der Familiengründung verbundenen 
Maßnahmen und Vorkehrungen zur Errichtung 
von Eigenheimen, zur Beschaffung von Möbeln 
und Hausrat, des weiteren an die besonderen 
Vergünstigungen zum Bezuge von Radioappa- 
raten und Kleinautos, wie überhaupt die Bereit- 
stellung und Nutzbarmachung von zahlreichen 
Einrichtungen des kulturellen Lebens für alle 
Verbraucherkreise. Auch während des anschlie- 
Benden, mit der Verkündung des 2. Vierjahres- 
planes eingeleiteten Abschnitts de Wirtschafts- 
planung, der bereits im Zeichen einer teilweisen 
Kontingentierung stand, konnte die ursprüng- 
liche Kursrichtung im Bereich des eigentlichen 
Lebensbedarfs zunächst fortgesetzt werden. Mit 
dem Eintritt in die Kriegszwangswirt- 
schaft, in deren Verlauf sich der Übergang 
von der Teilrationierung zur totalen 
Lenkung des Verbrauchs vollzog, hat die 
Planung an den durch das „Verbrauchsgesetz“ 
beherrschten Prinzipien der Versorgung im 
wesentlichen festgehalten. Abweichend von den 
während des ersten Weltkrieges durchgeführten 
Maßnahmen, die, von der jeweiligen Bedarfs- 
lage diktiert, nur auf kurze Sicht getroffen 
wurden, ist die Zwangsrationierung des gegen- 
wärtigen Krieges darauf gerichtet, die in den 
verschiedenen Bereichen des Haushaltsver- 
brauchs erforderlichen Maßnahmen aufeinander 
abzustimmen und in einem organischen 
System der Gesamtplanung zu vereini- 
gen; in diesem System wird dem elementaren 
Mindestbedarf des Konsumenten in. einer nach 
Geschlecht, Alter und Berufstätigkeit gestaffel- 
ten Zuteilung geitgehend entsprochen. 


Unabhängig von den kriegsbedingten 
Einschränkungen der Gegenwart hat die 
verantwortliche Führung die ursprüngliche 
Zielsetzung einer allgemeinen Kulti- 
vierung der Lebenshaltung nicht aus 
dem Auge verloren. Mehr denn je gilt für 
die Betreuung des Verbrauchshaushalts 
nach siegreicher Beendigung des Krieges 
der Grundsatz der völkischen Ver- 
brauchspflege, nach welchem die Be- 
schaffung der Konsumgüter und die Rang- 
ordnung der Bedarfsdeckung von dem 
höheren Gebot einer gerechten Sozial- 


ordnung gelenkt werden. 


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ALF NOLL: 


FINANZIERUNGSPROBLEM UND GELD- 
FLUSSIGKEITINDER LANDWIRTSCHAFT 


Die Schriftleitung veröffentlicht den nachfolgenden 
Aufsatz, ohne sich in allen Einzelheiten auf den Stand- 
punkt des Verfassers zu stellen. Andererseits hofft sie, 
durch diese Veröffentlichung eine fruchtbare Diskussion 
über die Probleme der Finanzierung der Landwirtschaft 
damit einzuleiten. 


Ds Finanzierungsproblem in der deutschen 
Landwirtschaft ist in seinen künftigen For- 
men noch in der Schwebe. Dabei ist klarzu- 
stellen, wa® hier unter „Finanzierungs- 
problem” zu verstehen ist: Es ist die Frage, 
daß der Landwirtschaft als Summe aller land- 


‚wirtschaftlichen Betriebe und als ein volklicher 


Wirtschafts- und Aufgabenbereich jeweils die 
geldlichen Mittel zur Verfügung stehen, um so- 
wohl die Einzelbetriebe wie auch die Gesamt- 
heit des ernährungswirtschaftlichen Raumes 
und Rahmens im organischen Wachstum und 
bei besonderen Aufgaben ausreichend zu ver- 
sorgen. Es handelt sich also um die Beschaffung 
der jeweils notwendigen Geldmittel einmal für 
die lJandwirtschaftlichen Betriebe und zum 
anderen für den volkswirtschaftlichen Raum, 
auf und in dem die Betriebe leben, der ihnen 
die Voraussetzung und Möglichkeit des Wirt- 
schaftens bieten muß, also sozusagen die 
„Umwelt“ der Betriebe; erst die verkehrs-, 
versorgungsmäßige, technische, organisatorische 
Entwicklung des „Landes“, die Regulierung von 
Wasserläufen und Bodenverhältnissen u.a.m. 
gibt dem „Hof“ die Existenz und Entwicklungs- 
möglichkeit. Das sind somit zwei deutlich 
getrennte Finanzierungsbereiche, was 
für die Art der Finanzierung vor. grundlegender 
Wichtigkeit ist. 


Eine Finanzierung der Landwirtschaft im 
eigentlichen Sinne gibt es erst, seitdem die 
Bewirtschaftung von Land und die Hervor- 
bringung von Nahrungsmitteln in den volkswirt- 
schaftlichen Umsatz eingegliedert, die Land- 
wirtschaft also der Geld- und Marktwirtschaft 
angeschlossen ist. Zum „Problem“ geworden ist 
sie wiederum erst, seitdem Umstände besonderer 
Art die geldmäßige Versorgung der Landwirt- 
schaft entweder in Frage stellten oder sie in 
einer Weise erfolgen ließen, die grundsätzliche 
Fragen landwirtschaftlicher, volkswirtschaft- 
licher und sonstiger Art aufwarf. Diese beiden 
Momente haben die bisherige Finanzierung der 
Landwirtschaft wesentlich bestimmt: ein tat- 


sächlicher oder vermeintlicher Mangel an 
Finanzierungsmitteln und eine Zuführung von 
Geldmitteln in Formen und zu Zwecken, die und 
deren Nutzen sich als fragwürdig erweisen 
mußten, So verschieden die Verhältnisse in den 
einzelnen Teilen des Reiches in den letzten zwei 
Jahrhunderten auch gewesen sind: Was sich 
besonders heraushebt aus der Fülle von Einzel- 
zügen und -entwicklungen der Geldwirtschaft 
des Landes, ist das Entstehen eines Finanzie- 
rungsproblems hauptsächlich dort, wo Struktur 
und Ordnung landwirtschaftlicher Betriebe sel- 
ber problematische Entwicklungen durchmach- 
ten (so beim großen Gutsbesitz und beim 
kleineren Bauerntum), während für andere Teile 
(wie das erbmäßig gefestigte Bauerntum) die 
Finanzierungsfrage weit weniger akut in Er- 
scheinung trat. 


Verfehlter Krediteinsatz 


Das Hauptkennzeichen der Auffassungen des 
landwirtschaftlichen Finanzierungsproblems der 
Vergangenheit ist der Versuch seiner Lösung 
durch Kredit gewesen. Das hing zusammen 
mit der allgemeinen Bewertung des Kredits, dem 
mit der Entwicklung und Ausprägung des kapi- 
talistischen Wirtschaftssystems eine ganz außer- 
ordentliche Wertschätzung zuteil wurde. „Kre- 
dit“ war das Zaubermittel, um zu Geld zu 
kommen. Nachdem der Staatskredit im 18. Jahr- 
hundert seine wissenschaftliche Begründung 
erhalten hatte, entwickelte sich auch Theorie 
und Praxis des Wirtschaftskredits, besonders 
von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ab, 
in der der Realkredit in Preußen durch die Ent- 
wicklung des Hypothekenwesens eine als vor- 
bildlich angesehene rechtliche Ordnung erhielt. 
Finanzierung wurde geradezu gleichbedeutend 
mit Kreditzuführung, somit die Möglichkeit der 
Kreditbeschaffung entscheidend für die Entwick- 
lung wirtschaftlicher Unternehmungen über- 
haupt. „Die größte Benutzung des Kredits ist die 
sicherste Probe eines zunehmenden Reichtums“, 
sagte Justus Möser. Man war berauscht von der 
Zauberkraft des Kredits, der Kapital aus nichts 
schaffen könne, und übersah über dem Zauber- 
mittel vorhandene Krankheitsursachen, die 
durch Kredit nur zeitweise verschleiert, ja zum 
Teil erst geschaffen wurden. Die Forderung nach 


335 


Kreditfreiheit, mit einem damaligen Voraus- 
setzungen entsprechenden Kern von Berechti- 
gung, wirkte sich praktisch mangels eines aus- 
reichenden Regulativs in einer Kreditent- 
fesselung aus, die schließlich. die gerufenen 
Geister nicht mehr los werden ließ. Dem Inter- 
esse am Kreditempfang entsprach das allmäh- 
lich das Übergewicht erlangende Interesse an 
eiher Kreditgabe bzw. Kreditvermittlung, das 
nach und nach über die formalrechtliche Kredit- 
sicherung überhaupt vorherrschend wurde und 
teilweise den Kredit zum Selbstzweck machte. 
Die Behauptung der Notwendigkeit und Nütz- 
lichkeit des Kredits wurde damit auch suggestiv 
angewandt, um Kreditnehmer anzuziehen, um 
Schuldner zu schaffen. ) 


Das Ergebnis dieser Kreditpsychose ist der 
deutschen Landwirtschaft nur zu drastisch vor 
Augen geführt worden: in der Tatsache ihrer 
Verschuldung. Dabei ist aber weniger der Ge- 
samtumfang von 18—20 Milliarden Mark Schulden 
vor dem Weltkrieg das Wesentliche, sondern, 
daß drei Viertel bis vier Fünftel bloße, über- 
wiegend unproduktive Besitzverschuldung wa- 
ren mit der Folgewirkung einer vielfach 
ungezügelten Bodenspekulation und einer Ver- 
drängung von Hofbesitzern von ihrer Scholle 
in zeitweilig riesigem Umfange. Von einer Pro- 
duktivität des landwirtschaftlichen Kredites 
kann für die Zeit vor dem Weltkrieg also nur 
in einem recht beschränkten Umfange die Rede 
sein, auch wenn man der Tatsache und den Zu- 
sammenhängen der Besitzverschuldung noch so 
große Objektivität entgegenbringt. Denn gerade 
das genaue Verfolgen der einzelnen Entwick- 
lungsstufen der landwirtschaftlichen Verschul- 
dung läßt erst erkennen, wie sehr rein kapita- 
listische Momente für das Entstehen und Wachsen 
dieser Verschuldung maßgeblich beteiligt ge- 
wesen sind. Und die Tätigkeit von Kreditein- 
richtungen in den letzten zwei Jahrhunderten 
muß sich unter diesem Gesichtspunkt manche 
berechtigte Kritik gefallen lassen. 


Eine unvoreingenommene Nachprüfung kommt 
jedenfalls zu folgender Beurteilung dieser 
geschichtlichen Epoche: Der weitaus größte 
Teil der ganzen Kreditversorgung der Land- 
wirtschaft bis zum ersten Weltkrieg ist nicht 
der Verbesserung der Boden- und Wirtschafts- 
verhältnisse zugute gekommen, sondern hat in 
erster Linie eine Bodenpreissteigerung 
finanziert, deren Nutznießer zu einem großen 
Teil landwirtschaftsfremd waren. In einem ganz 
wesentlichen Umfange also ist Kredit an die 
Landwirtschaft auf ihre Kosten fehlgeleitet 
worden, sie hat aus ihrem Ertrag und ihrem 
Vermögen außerlandwirtschaftliche Geldver- 
wendungen finanzieren müssen, wodurch in der 
Endbilanz ein Vermögensausfall entstan- 
den ist; zu einem Teil hat diese Kreditfinanzie- 
rung Mitschuld an der Landflucht. Die land- 
wirtschaftliche Kreditfinanzierung dieser Epoche 
ist also zum großen Teil verfehlt gewesen, 
welche richtigen und wohlmeinenden Absichten 


336 


im einzelnen auch damit verbunden gewesen 
sind oder welche an sich zweckmäßigen Me- 
thoden dabei angewandt wurden. Die Gründe 
waren vor allem: eine falsche Bewertung des 
Kredits überhaupt, der Mangel an einer sicheren 
und einheitlichen Volkswirtschafts- und Land- 
wirtschaftspolitik, eine finanzorganisatorische 
und rechtliche Ordnung, die aus „Eigengesetz- 
lichkeiten” heraus neue Entwicklungen im 
Interesse einer Finanzgeschäftsorganisation nach 
sich zog — kurz: ein verhängnisvoll gewordenes 
Eindringen und schließlichkes Vordrängen 
kapitalistischer Momente, die mit der 
Natur der Landwirtschaft unvereinbar waren. 
Auch in einer zweiten Periode wurde durch 
Zuführung von Kredit an die Landwirtschaft die 
offene Finanzierungsfrage zu lösen versucht, 
wieder mit katastrophalem Mißerfolg: in der 
Nachinflationszeit, als in wenigen Jahren 
— von 1925 bis 1931 — die Verschuldung auf 
rund 11% Milliarden RM. (davon 1!/z Mrd. Auf- 
wertungsschulden) stieg. Hierbei waren gerade 
die Betriebs- und Produktionsverhältnisse der 
Landwirtschaft zum Anlaß der Bes@haffung und 
Zuführung der Kreditmittel genommen worden, 
aber das Mißverhältnis zwischen Schuldendienst 
und Wirtschaftlichkeit sowie die teilweise Ver- 
wendung der Kredite zu Steuerzahlung und 
unrentabler Investierung machten praktisch 
auch diese Verschuldung großenteils zu einer 
unproduktiven Besitzverschuldung. 


Das geschichtliche Urteil über diese 
beiden Perioden kann unbestritten nur lauten, 
daß das Instrument des Kredites in weiten Tei- 
len der Landwirtschaft ohne ausreichende Be- 
rücksichtigung des Produktivitätsmomentes an- 
gewandt worden ist mit der Folge, daß sich 
verhängnisvolle strukturelle Verschiebungen im 
Besitzstand und in der Kapitalverlteilung ergaben, 
die letzten Endes nicht eine Anreicherung, son- 
dern — meistens in längerer mittelbarer Folge- 
wirkung — Verarmung der Landwirtschaft an 
Menschen und Vermögen bedeuteten. Verschul- 
dung und Landflucht hängen in vielfacher Weise 
zusammen, in merkwürdigem Gegensatz zu einer 
Theorie von der segensreichen Wirkung des 
Kredits, wie sie in der Vergangenheit nur zu 
häufig bedenkenlos vertreten worden ist, um 
aus Kredit Geschäft zu machen. 


Wenn heute der absolut noch keineswegs 
wesentlich verminderte Schuldenbetrag — nach 
„Bankwirtschaft“ 1943/45 wären bis dahin im 
Kriege 1½ bis (iv Mrd. RM. zurückgezahlt, wo- 
mit die gesamte Schuldensumme im Altreichs- 


Gebiet auf 11 bis 11,5 Mrd. RM. zu veranschlagen 


sei; heute ist eine weitere Verminderung an- 
zunehmen — infolge der Zinssenkung die Land- 
wirtschaft scheinbar nicht mehr wesentlich 
belastet, so darf damit das Schuldenproblem 
weder bagatellisiert noch als gelöst betrachtet 
werden, denn wichtiger als Symptome sind Ur- 
sachen, und werden letztere nicht beseitigt bzw. 
vermieden, so kann eine zeitweilige Minderung 
bei den Symptomen zu gefährlichem Trug 


H 


werden. Hat die landwirtschaftliche Finanzie- 
rung über den Kredit in zwei Jahrhunderten 
zweimal zu katastrophalen Fehlentwicklungen 
geführt, so stellt sich die Kreditfrage in der 
Landwirtschaft grundsätzlich und muß jedenfalls 
zu einer Lösung führen, die wesentlich von 
Kredittheorien und -praktiken der Vergangen- 
heit abweicht. 


Die Kreditfrage vor neuen Tatsachen 


Die kritische geschichtliche und grundsätz- 
liche Betrachtung der Anwendung des Kredits 
in der Landwirtschaft kann selbstverständlich 
den Kredit nicht ohne weiteres bestreiten und 
verwerfen. Aber der #olkswirtschaftliche 
Sinn des Kredits kann nur sein die wirkliche 
Mehrung der Wirtschaftskraft durch Vorweg- 
einsatz von Geldmitteln, die erst in einer mehr 
oder minder längeren Umschlagsperiode aus den 
Erträgen bzw. aus der Abwicklung des Geld- 
aufwandes wieder anfallen. Man spricht daher 
vom produktiven, schöpferischen Kredit Nur 
die Mehrung von Wirtschaftskraft rechtfertigt 
ja auch den Zins als eine Anteilnahme des Geld- 
gebers an der schöpferischen Wirkung des 
Kredits. Jeder Zins, der nicht aus einem Mehr 
an Wirtschaftskraft und -vermögen gezahlt wird, 
geht zu Lasten der Substanz, des Vermögens. 
Die deutsche Landwirtschaft hat ungeheuer dafür 
in die Substanz ihres Vermögens eingreifen 
müssen, daß diese einfache wirtschaftliche Tat- 
sache — die sonst so allgemein geläufig ist — 
ihr gegenüber nicht berücksichtigt worden 
ist, gewiß nicht ohne teilweise eigene Schuld. 
Damit ergibt sich aber, daß jede Kreditgewäh- 
zung und Kreditnahme in der Landwirtschaft, 
deren Schuldendienst nicht aus einem höheren 
Ertrag bestritten werden kann, ein Vergehen 
gegen die Grundgesetze der Land- wie Volks- 
wirtschaft ist. Nicht wesentlich anders ist es 
auch mit der Auferlegung von Schuldlasten auf 
landwirtschaftliche Betriebe, denen keine Kre- 
ditzufuhr vorausgeht, sondern die sich aus 
Besitzverhältnissen und Berechtigungen er- 
geben: überschreiten sie einen Anteil am 
Ertrag, daß die notwendige Vermögensentwick- 
lung in Frage gestellt wird, so tun sie der 
Aufgabe des Betriebes (Hofes) als einer leben- 
digen Zelle des volklichen und volkswirtschaft- 
lichen Organismus Abbruch. Es handelt sich 
hierbei freilich nicht um eine bloße geldtech- 
nische Verschuldungsfrage, sondern um weiter- 
greifende Interessen agrar- und sozialpolitischer 
Art, die — man denke an eine angemessene 
Abfindung weichender Erben — in ebenso ge- 
rechter wie wirtschaftlich tragbarer Weise 
gewahrt werden müssen. 


Die Entwicklung hat nun von selbst auch 
hinsichtlich der Kreditfrage der Landwirtschaft 
Tatsachen geschaffen, die zu einem Teil als 
Lösung des Kreditproblems anzusehen sind: die 
kapitalistische Theorie und Praxis der Auswer- 
tung des Bodens als Kapital und seiner „Mobi- 


lisierung“ ist abgelöst worden durch die Grund- 
sätzlichkeit einer volksverpflichteten Auf- 
gabenstellung, die der Boden als letztliche 
Quelle jeder Arbeit und jeder Existenz hat, und 
durch eine daraus entstandene Boden- und 
Rechtsordnung. Einen Markt für landwirt- 
schaftlichen Boden gibt es nicht mehr, 
die Erbhofgesetzgebung hat dazu ausdrücklich 
den größten Teil der Landwirtschaft einem ver- 
kehrsmäßigen Umsatz entzogen; damit sind alle 
Voraussetzungen und Einrichtungen entfallen. 
einen Bodenmarkt umsatz- und gewinnmäßig zu 
nutzen; est entfällt aber auch ein entsprechen- 
der „Kreditbedarf“. War ein ganz wesentlicher 
Teil der Hunderte von Millionen, um die vor 
dem Weltkrieg der Realkredit der Landwirt- 
schaft jährlich stieg, nichts weiter als Kredite 
für den Bodenmarkt, so kann es nicht wundern, 
wenn mindestens in diesem Ausmaß ein Kredit- 
bedarf der Landwirtschaft nicht mehr besteht, 
und bei Aufrechterhaltung dieser Ordnung nicht 
mehr entstehen wird. Das ganze Problem der 
Besitzverschuldung, das vor dem Welt- 
Krieg der landwirtschaftlichen Verschuldung 
geradezu das Gepräge gegeben hat, ist im 
wesentlichen unaktuell geworden — und muß 
es bleiben, abgesehen von Sonderfragen, die 
sich aus Siedlung und Abfindung ergeben, die 
aber ohne unangemessene Belastungen gelöst 
werden können. 


Ein zweiter wichtiger Punkt für die Frage der 
landwirtschaftlichen Finanzierung ist die wach- 
sende grundsätzliche Erkenntnis und Forderung, 
daß die landwirtschaftlichen Betriebe die zu 
ihrer normalen und organischen Entwicklung 
notwendigen Geldmittel in erster Linie aus der 
Leistung, aus dem Ertrage des Betriebes selber 
gewinnen, daß sie also genügendes Eigen- 
vermögen bilden, um den Hauptteil der im 
Betriebsinteresse erforderlichen Geldaufwen- 
dungen selbst bestreiten zu können. Das ist eine 
Grundforderung für jeden gesunden wirtschaft- 
lichen Betrieb, und das ist der Sinn der Forde- 
rung nach „reichen Bauern“, wie sie Bernhard 
Köhler verstand und aufstellte, nicht in erster 
Linie zur Entfaltung einer bäuerlichen Lebens- 
haltung, sondern zur Entwicklung bäuerlicher 
Wirtschaftskraft. Und wenn man die Gleich- 
bedeutung von Wirtschaftskraft und Wirt- 
schaftsvermögen erkannt hat, so läßt sich auch 
begrifflich ohne weiteres auf das Fremdartige 
des Wortes „Kapital“ verzichten, das in die 
natürliche Geldordnung und das natürliche 
Wirtschaftsdenken der Landwirtschaft eine so 
unheilvolle Wirkung gebracht hat. Der ge- 
sunde landwirtschaftliche Betrieb 
muß so viel echtes Eigenvermögen 
bilden, daß er sich daraus für die 
laufenden Bedürfnisse selbst finan- 
zieren kann. Das ist eine Grundforderung 
und Grundvoraussetzung einer natürlichen 
Lösung der Finanzierungsfrage in der Landwirt- 
schaft. Es ist sowohl eine betriebswirtschaft- 
liche wie wirtschafts- und agrarpolitische Auf- 


337 


gabe, eine Aufgabe des besten Wirtschaftens 
der Einzelbetriebe wie derSchaffung allgemeiner 
Wirtschaftsverhältnisse, unter denen die Einzel- 
betriebe ihr Höchstmaß an Leistung und Ver- 
mögensbildung (., Vermögen“ nicht nur im rein 
geldlichen, sondern auch im allgemeinen Sinne 
des Könnens und der Kraft verstanden) erfüllen 
können. Daß dies nicht einfach eine Preisfrage 
ist, bedarf keiner besonderen Betonung. Die 
Frage, ob es gelingen wird, eine ausreichende 
Eigen vermögenbildung der land wirtschaftlichen 
Betriebe zu ermöglichen und zu erreichen, ist die 
Schicksalsfrage der land wirtschaftlichen Finan- 
zierung und der bäuerlichen Struktur der Land- 
wirtschaft. Keinerlei Form und Höhe von Kredit 
kann hierbei ersatzweise einspringen. Die Ge- 
schichte der beiden letzten Jahrhunderte ist 
eine furchtbare Warnung vor einer Wieder- 
holung der Fehlfinanzierung durch Kredite da, 
wo er durch Eigenvermögen überflüssig sein 
muß. Der Einsatz des Kredits muß auf eine 
wirklich schöpferische, die Wirtschaft meh- 
rende, im besten und weitesten Sinne pro- 
duktive Finanzierung landwirtschaftlicher 
Aufgabenstellungen beschränkt bleiben. 


Streicht man den gesamten Besitzkredit aus 
den landwirtschaftlichen Krediten (und dazu 
gehört auch ein großer Teil Pseudo-Investitions- 
kredite von 1925 bis 1931), so erscheint der 
echte landwirtschaftliche Kreditbedarf insgesamt 
weitaus geringer, als die früher tatsächliche 
Verschuldung und Verschuldungszunahme ge- 
wesen ist. Unter der Voraussetzung einer ge- 
nügenden Eigenvermögenbildung könnten — 
unterschiedlich je nach der Besitzgröße — die 
landwirtschaftlichen Betriebe im allgemeinen die 
normalen Aufwendungen aus dem Eigenver- 
mögen bestreiten. Der hauptsächliche Kredit- 
bedarf der landwirtschaftlichen Betriebe ent- 
stünde dann aus dem betrieblichen Umschlags- 
rhythmus zur Uberbrückung jahreszeitlich 
bedingter Spannungen (Düngemittel, Ernte, 
Saatgut, Vieh usw.) und aus der Anlage und 
Beschaffung intensivierender und rationalisie- 
render Arbeitsmittel. Er ist seiner Form nach 
kurz- und mittelfristig und stellt sich haupt- 
sächlich als „Personalkredit“ dar. Die Entwick- 
lung hat in dieser Hinsicht bereits die wesent- 
lichen Formen klar entstehen lassen, wobei sich 
eine nätürliche Stufenfolge der Kre- 
ditgewährung herausgebildet hat: mittelbare 
Kredite der zentralen Finanzierungsinstitute an 
die betriebsnahen Einrichtungen der Betreuung 
des landwirtschaftlichen Geldwesens, der 
Warenbesorgung, Absatzvermittlung usw. und 
unmittelbare Kredite dieser betriebsnahen Ein- 
richtungen an die Betriebe selber. 


338 


— 


In einem geordneten Landwirtschaftswesen 
wird der Krediteinsatz für diese be- 
trieblichen Zwecke und in diesen Formen 
den weitaus größten Teil der unmittelbar von 
land wirtschaftlichen Betrieben benötigten pro- 
duktiven Kredite ausmachen. Dabei ist voraus- 
gesetzt, daß alle Not- und Katastrophenverhält- 
nisse im volks wirtschaftlichen Kreditsinne keine 
geeigneten Anlässe für einen Krediteinsatz sind, 
sondern daß diese in anderer Weise aus dem 
Grundsatz der volksgemeinschaftlichen Solida- 
rität heraus zu beheben sind. Ebenfalls sind 
rentenmäßige und ähnliche Verpflichtungen 
aus Erbabfindungen nicht abzahlungsmäßig 
durch Kredite, sondern anzahlungsmäßig aus 
frühzeitig vorsorglichen Bereitstellungen und 
Versicherungen zu sichern. Es ergibt sich dann 
von selbst, daß eine gesunde, vermögenbildende 
Landwirtschaft einen Bedarf nach Hypothekar- 
kredit im Stile und Umfang früherer Zeit nicht 
hat, so daß dieser, der einmal weitaus den 
größten Teil der gesamten landwirtschaftlichen 
Kredite ausmachte, nur noch eine nachgeordnete 
Bedeutung für die landwirtschaftlichen Betriebe 


“haben kann. 


Um ein ganz anderes Finanzierungsgebiet 
handelt es sich bei den notwendigen Auf- 
wendungen für den überbetrieblichen 
landwirtschaftlichen Gesamtbereich, 
für dielandwirtschaftliche „Umwelt“, 
Herrichtung des Bodens zur Besiedlung, Regu- 
lierung von Wasserläufen für die Wasser- und 
Energieversorgung, Verkehrserschließung, für 
weitläufige Bodenverbesserungen usw. Diese 
ausgedehnten überbetrieblichen Aufgaben er- 
fordern einen zentralen Mitteleinsatz, der zu 
einem Teile ebenfalls nicht kreditmäßig vor- 
zunehmen ist. Im übrigen liegt hier das Haupt- 
gebiet eines langfristigen Investitions- 
kredits, für den ebensosehr größte Billigkeit 
wie größte Einfachheit in der technischen 
Durchführung der Finanzierung unter Anwen- 
dung der bestehenden rationellsten Verfahren — 
so des weitgehend entstückelten Emissions- 
wesens — vorauszusetzen ist. Diese Finanzie- 
rung zu tragen kann nicht ausschließliche 
Aufgabe der Landwirtschaft sein, sondern in 
einer Mithilfe hierbei hat sich die volkswirt- 
schaftliche Solidarität zu erweisen, aber auch 
eine gewisse Wiedergutmachung zu erfolgen 
für die gewaltigen und verhängnisvollen Ver- 
mögensverluste, die der Landwirtschaft durch 
eine teilweise falsche Kreditwirtschaft und 
Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit zu- 
gunsten anderer, auch fremder Volks- und 
Wirtschaftsbereiche zugefügt worden sind. 


Geldvermögensbildung und Schulden- 
tilgung 


Der Krieg hat die allgemeine Erscheinung der 
Geldflüssigkeit gebracht. Innerhalb der Land- 
wirtschaft hat sie zuerst ein etwas langsames 
Tempo gehabt, dann aber beschleunigt zugenom- 
men. Ausdruck dafür ist die außergewöhnliche 
Einlagensteigerun der landwirtschaft- 
lichen Kreditgenossenschaften, die in den 
letzten Jahren von allen Gruppen der Kredit- 
wirtschaft weitaus die stärkste seit Kriegsbeginn 
ist. Ende 1943 betrugen die Einlagen bei den 
ländlichen Genossenschaften etwa 13,3 Mil- 
liarden RM. gegen 4,1 Mrd. Ende 1939, Bei Unter- 
stellung des früher angenommenen Verhältnisses 
von 50 bis 60 v.H. Anteil eigentlich landwirt- 
schaftlicher Gelder könnte man die landwirt- 
schaftlichen Einlagen bei den ländlichen Ge, 
nossenschaften in einer Größenordnung von 
etwa 7½ Milliarden RM. annehmen. Dazu käme 
noch ein Anteil von etwa einem Viertel an 
den Einlagen bei den gewerblichen Genossen- 
schaften, die 9,3 gegen rund 3 Mrd. betrugen. 
Bei beiden Gruppen von Geldsammelstellen 
hätte also die Landwirtschaft Einlagen in einer 
Größenordnung von rund 10 Mrd. RM. Der 
Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giro- 
verbandes, Dr. Heintze, hat vor einiger Zeit die 
Gesamteinlagen der Landwirtschaft bei Spar- 
kassen und Genossenschaften sowie die Anlagen 
in Wertpapieren auf etwa 13 Mrd. RM. geschätzt. 
Vielleicht dürfte diese Ziffer noch etwas höher 
angesetzt werden, jedenfalls ist sie wohl in- 
zwischen überschritten worden. 


Daß ein großer Teil dieses Zuwachses aus 
einer Substanzverflüssigung und Unterlassung 
an sich normaler Ausgaben kommt, steht außer 
Zweifel. Nach Geh. Rat Kißler (RKA.) macht 
allein der Abbau des Viehbestandes bei vor- 
sichtigem Ansatz für das Altreichsgebiet einen 
Wert von etwa 4 Mrd. RM. aus. Es sind gerin- 
gere Aufwendungen für Dünger, Maschinen, 
Reparaturen, Erneuerung erfolgt. Andererseits 
waren teilweise Lohnausgaben niedriger, ebenso 
mußte an Aufwendungen für Bekleidung und 
manche Formen der Lebenshaltung gespart 
werden. Schließlich kamen von der Preisseite 
her teilweise höhere Geldeingänge. Im Saldo 
gegenüber auch gestiegenen Ausgaben und er- 
höhten Steuern hat sich also ein Überschuß von 
Nominalgeld gebildet, der nur zu einem Teil 
mit Substanzverflüssigung erklärt werden darf. 
Da bei einer Rückkehr von Kaufmöglichkeiten 
nicht mit einer sofortigen Vornahme aller 
unterlassenen und notwendigen Arbeiten und 
Käufe gerechnet werden kann, wird ein 
zweifellos erheblicher Teil der gesamten land- 


wirtschaftlichen „Geldkapitalbildung”, die, sich 
bis zum Kriegsende noch ansehnlich erhöhen 
kann, langfristig bestehen bleiben. Die Land- 
wirtschaft wird dann in weitaus höherem Um- 
fang, als dies jemals der Fall gewesen ist, später 
eigene Geldmittel zur Verfügung haben, und 
das um so mehr, je bewußter in den breitesten 
Kreisen des Landvolkes die Zeit zur Bildung 
von Geldrücklagen, zum Sparen, benutzt wird. 
Bedenkt man, daß ein Mangel an ausreichenden 
geldlichen Betriebsmitteln ein Hauptgrund der 
verhängnisvoll gewordenen Verschuldung so- 
wohl vor dem Weltkrieg wie unmittelbar nach 
diesem gewesen ist, so wird die tiefgehende 
Bedeutung einer erhöhten Geldrücklagenbildung 
der Landwirtschaft klar. Sie kann gar nicht hoch 
und wichtig genug eingeschätzt werden. Das 
Symptom einer Verarmung, das die allgemeine 
Geldflüssigkeit im Grunde teilweise ist, kann 
zur Grundlage einer größeren finan- 
ziellen Bewegungsfreiheit der Land- 
wirtschaft werden, wenn diese einzigartige und 
einmalige geschichtliche Lage und 
Schicksalsstunde genutzt wird. Das Be- 
stehen allgemeinwirtschaftlicher Verhältnisse, 
die der landwirtschaftlichen Leistung den an- 
gemessenen Ertrag lassen, und eine nachhaltig 
betriebene Eigenvermögenbildung auf der 
Grundlage der nunmehrigen Geldein- und 
-anlagen würden die Wiederkehr von Ver- 
schuldungsverhältnissen wie in der Vergangen- 
heit ausschließen. 


Damit ergibt sich auch eine klare Lage in der 
Frage der Schuldentilgung. Eine aus 
reichende geldliche Eigenvermögenbildung ist 
das erste Erfordernis, unter ihrer Voraussetzung 
Schuldabtragung eine betrieblich und ethisch 


begründete Selbstverständlichkeit. Aufbau eines 


Geldvermögens, das den landwirtschaftlichen 
Betrieben einmal die Möglichkeit geben wird, 
ohne jedesmaligen Bittgang zum Kreditfonds zu 
wirtschaften und das dem Bauer erst die volle 
Freiheit und das volle Eigentum seines 
Besitzes gewährt, und Abbau einer Schulden- 
last, die ihrem wirklichen Charakter nach zum 
größeren Teil unproduktiv gewesen ist, diese 
zwei Forderungen: Sparen und Schulden- 
tilgung, sind heute an das Landvolk im Inter- 
esse seines künftigen Finanzierungsvermögens 
und seiner Zukunft überhaupt zu stellen. Dann 
kann auch ein Krediteinsatz zur Spitzen- 
finanzierung wertschöpferischer Leistung oder 
produktiver Investitionen und Meliorationen 
sowie zur Überbrückung regelmäßiger Spannun- 


gen im betrieblichen Umschlag u. a. m. neue 


Kräfte bilden und neue Energien erschließen 
helfen. 


339 


Aygnarbultische, 


Der Beginn des neuen Wirtschaftsjahres bei Ge- 
treide und Kartoffeln veranlaßt zu einem Überblick 
auf das abgelaufene Wirtschaftsjahr und die Auf- 
gaben, die im neuen Wirtschaftsjahr voraussichtlich 
zu meistern sein werden. Beim Getreide ist festzu- 
stellen, daß das abgelaufene jahr die in die gute 
Ernte 1943 gesetzten Hoffnungen erfüllt und dadurch 
die reibungslose Deckung des Bedarfs sowie eine 
Erhöhung der Übergangsbestände ermöglicht 
hat. Dieses Ergebnis muß als ein neuer Erfolg der 
Kriegsernährungswirtschaft angesehen werden, denn 
die Getreidewirtschaft hat im letzten jahr infolge 
der geringen Kartoffelernte in einem Umfang als 
Ausgleichsfaktor antreten müssen, wie es nach der 
in den vorgehenden Jahren notwendig gewesenen 
Auflösung der Reserven nicht für möglich gehalten 
und am wenigsten bei unseren Gegnern erwartet 
wurde. Nicht weniger als mehrere hunderttausend 
Tonnen Brotgetreide wurden als Ausgleichsration für 
fehlende Kartoffeln bereitgestellt. Bei der Durch- 
führung dieses Ausgleichs hat sich erneut die An- 
passungsfähigkeit unserer Marktordnung erwiesen, 
die in der Zuverlässigkeit der statistischen Erhebungs- 
grundlagen, ohne die eine Führung niemals arbeiten 
könnte, ebenso wie bei der Durchführung der Einzel- 
maßnahmen ihre Wendigkeit erneut unter Beweis 
stellte. Dabei gilt es darauf hinzuweisen, daß die 
Schwierigkeit der Aufgabe nicht allein in der Bereit- 
stellung der erforderlichen Ausgleichsmen- 
gen lag, sondern auch In der Durchführung der Ver- 
arbeitung und Verteilung. Es ist im Kriege nicht 
einfach, mit den zur Verfügung stehenden zahlen- 
mäßig geringen Fachkräften stillgelegte Kapazitäten 
in der Verarbeitungsindustrie wieder in Gang zu 
bringen und je nach der Verschiedenheit der Er- 
zeugnisse die entsprechenden Verteilungsmaßnahmen 
zu treffen. Verwaltungsmaßnahmen in der Spitze und 
in den Gauen bis zum letzten Verbraucher stellen 
hier ebenso hohe Anforderungen wie die Beschaffung 
der erforderlichen Verkehrsmittel. Enge Zusammen- 
arbeit der Ernährungsämter und der Reichs- 
nährstandsdienststellen mit der Reichsbahn 
und den übrigen Verkehrsträgern sind eine 
wesentliche Voraussetzung für das reibungslose 
Funktionieren, zumal die im letzten Jahr in größtem 
Umfang durchgeführten Umquartierungen diese 
Lenkungsaufgaben der Ernährungswirtschaft nicht 
gerade erleichtert haben. Wenn jetzt die Anspannung 
unserer Verkehrswirtschaft im fünften und sechsten 
Kriegsjahr und die Verlagerung zahlreicher Industrie- 
betriebe in vom Verkehr weniger erschlossene Ge- 
biete zu den Bevölkerungsverschiebungen im Rahmen 
der Umquartierung neue zusätzliche Aufgaben brin- 
gen, so wird man sich damit abfinden müssen, daß 
in Zukunft nicht. mehr wie in der Vergangenheit da- 
mit gerechnet werden kann, stets die Geschmacks- 
richtungen der Verbraucher zu berücksichtigen, wie 


340 


dies bisher im Rahmen der Marktordnung vom 
Reichsnährstand nach Möglichkeit angestrebt wurde. 
Man wird sich vielmehr damit begnügen müssen, die 
erforderlichen Nahrungsmengen in ihrer Ge- 
samtheit sicherzustellen, ohne daß es möglich sein 
wird, das bisherige vielseitige Angebot aller Lebens- 
mittel überall aufrechtzuerhalten. In dieser Richtung 
können noch mancherlei Kräfte freigemacht werden, 
wenn man darauf verzichtet, im Interesse einer weit- 
gehenden Befriedigung aller Geschmacksrichtungen 
Lebensmittel im bisherigen Umfange aus einer Ge- 
gend in die andere und damit oftmals aneinander 
vorbeizufahren. Es sei hier nur gedacht an die Möglich- 
elt eines gewissen Austausches von Nährmitteln 
gegen Kartoffeln oder an die Versorgung mit 
den verschiedenen Gemüsearten. Mehr als bis- 
her wird es darauf ankommen, zunächst einmal den 
wichtigsten Nahrungsmittelbedarf aus denjenigen 
Lebensmitteln zu decken, die ohne große Transporte 
in den einzelnen Gauen anfallen. Das Beschreiten 
dieses Weges macht uns noch stärker und unabhängi- 
ger von Maßnahmen, die unter Umständen der Feind- 
einwirkung ausgesetzt sind. Man wird erwarten 
können, daß auch die Verbraucher Verständnis für 
diese Notwendigkeiten aufbringen, zumal gerade das 
letzte Jahr gezeigt hat, daß die Organisation unserer 
Kriegsernährungswirtschaft trotz zahlreicher neuer 
Belastungen, die nach der Auffassung unserer Gegner 
den Zusammenbruch unserer Nahrungsmittelver- 
sorgung hätten herbeiführen müssen, eine ausrel- 
chende Versorgung mit den wichtigsten Nahrungs- 
mitteln ermöglicht hat, auch bei solchen Lebens- 
mitteln, deren Erzeugung im vergangenen jahr weit 
hinter dem erwarteten Umfang zurückgeblieben war. 
Wenn im letzten Jahr die Last des Ausgleichs in 
erster Linie von der Getreidewirtschaft getragen 
werden konnte, so ist dies der deutschen Landwirt- 
schaft zu verdanken. Es soll aber nicht vergessen 
sein, daß außer der Landwirtschaft selbst auch alle 
übrigen an der Mehl-, Brot- und Nährmittelver- 
sorgung beteiligten Betriebe der Getreidewirtschaft 
ebenfalls durch äußerste Pflichterfüllung ihren An- 
teil dazu beigetragen haben, daß trotz fünf Kriegs 
jahren und Bombenterror alle Ansprüche der Ver- 
braucher pünktlich befriedigt werden konnten. 
Inzwischen sind durch die Jahresanordnung der 
Hauptvereinigung der Deutschen Getreide- 
und Futtermittelwirtschaft die organisatorischen 
Grundlagen für das neue Getreidewirtschaftsjahr be- 
kanntgegeben worden. Dabei konnten die wich- 
tigsten Bestimmungen im wesentlichen unverändert 
bestehen bleiben. Dabei wird im neuen Getreide- 
wirtschaftsjahr das Schwergewicht in der rechtzei- 
tigen und restlosen Ablieferung des Brotge- 
treides zu liegen haben, die heute wichtiger denn 
je Ist. Für die Ablieferung von Hafer und Gerste 
werden landwirtschaftlichen Betrieben wahrschein- 


lich: höhere Mindestablieferungsverpflichtungen auf- 
erlegt werden als im Vorjahr, weil zur menschlichen 
Ernährung für die Herstellung von Nährmitteln und 
für die Brauwirtschaft sowie für die Versorgung der 
nichtlandwirtschaftlichen Tierhaltungen bestimmte 
‚Mengen unbedingt aufgebracht werden müssen. Diese 
Maßnahme stellt erneute Anforderungen an die innere 
Elastizität der landwirtschaftlikhen Betriebe, die bei 
der Aufstellung ihres eigenen Futterhaushaltes mit 
diesen Tatsachen rechnen und rechtzeitig für einen 
Ausgleich durch eigenen Futterbau, vor allem im Wege 
des Zwischenfruchtbaues, sorgen müssen. Be- 
denkliche Auswirkungen auf die Viehhaltung sind 
aus dieser Maßnahme nicht zu befürchten, da die 
Viehbestände allgemein auch im letzten Jahr noch in 
einem Umfange gehalten werden konnten, daß ein 
geringer Abbau in den einzelnen Betrieben ohne wei- 
teres in Kauf genommen werden kann. Dabei ist 
schon jetzt darauf hinzuweisen, daß die landwirt- 
schaftlichen Betriebe mit ihren Viehablieferungen 
möglichst nicht erst bis zum Weideabtrieb im Herbst 
warten, sondern schlachtreife Tiere bereits früher 
zur Ablieferung bringen, damit auch hier eine Ord- 
nung des Angebots erfolgt und die Ablieferungsspitze 
im Herbst eine Milderung erfährt. Von den übrigen 
Bestimmungen der Getreidejahresanordnung sind die 
Maßnahmen zur Förderung des Hülsenfrüchte- 
anbaus zu erwähnen, die durch eine Verbesserung 
der Preise und eine Vereinfachung der Preisklassen 
beim Verkauf der Speisehülsenfrüchte erreicht wer- 
den soll. Die Hülsenfrüchte gewinnen für die Ver- 
sorgung von Wehrmacht und Zivilbevölkerung mit 
längerer Kriegsdauer immer größere Bedeutung. Sie 
sind nicht nur sehr vielseitig verwendbar und als 
Ausgleich für verschiedene andere Nahrungsmittel 
geeignet; der Anbau der Hülsenfrüchte kann darüber 
hinaus mit Rücksicht auf die Einsparung von Handels- 
stickstoff auch in den Betrieben, die bisher keine 
Hülsenfrüchte anbauten, eine immer größere Rolle 
spielen. 

Bei Beginn des neuen Kartoffeljahres muß 
nochmals an die ungewöhnlich schweren Verhältnisse 
des abgeschlossenen Wirtschaftsjahres erinnert wer- 
den, das mit seiner kleinen Ernte an die Marktordnung 
eine außerordentliche Belastungsprobe stellte. Es galt, 
neben der Sicherung der notwendigen Speise- 
kartoffelversorgung vor allem für eine genügende 
Bereitstellung von Pflanzkartoffeln zur Len- 
kung der neuen Ernte zu sorgen. Beide Aufgaben 
sind gemeistert worden, allerdings nur durch eine 
starke Zurückdrängung der Verarbeitung und der 
Verfütterung von Kartoffeln. Diese Entscheidung 
war außerordentlich schwer, wenn man berücksichtigt, 
daß die Kartoffelveredelungserzeugnisse sowohl in 
der Ernährungswirtschaft als auch in der Industrie 
eine wichtige Stellung einnehmen und die Schweine- 
haltung gegenüber dem vorangegangenen Jahr er- 
heblich vergrößert worden war. Heute kann fest- 
gestellt werden, daß die gestellten Ziele in vollem 
Umfangs erreicht wurden. Es muß besonders hervor- 
gehoben werden, daß die deutschen Bauern nur 
2 Millionen Tonnen Speisekartoffeln weniger 
abgeliefert haben als aus der um 20 Millio- 
nen Tonnen größeren Ernte im Jahre 1942. 


Bei der Beurteilung digser Leistung muß man berück- 
sichtigen, daß der übergebietliche Verkehr mit Speise- 
kartoffein, der zum großen Teil von den durch die 
schlechte Ernte besonders betroffenen Gebieten des 
deutschen Ostens getragen wurde, nur um 15 v. H. 
hinter der vorjährigen Ernte zurückblieb. Infolge der 
besonders schlechten Ernte in einzelnen Gebieten 
des Reiches mußte dabei der übergebietliche Verkehr 
in vollkommen neue Bahnen gelenkt werden. Er er- 
reichte infolgedessen den 3½ fachen Umfang des 
letzten Friedensjahres. Diese Aufgabe konnte nur 
gelöst werden, weil auch die Reichsbahn ihren Ein- 
satz über alles Maß steigerte und bei der Anpassung 
an die schwierige Lage die erforderliche Wendigkeit 
zeigte. Für die künftige Versorgung ist durch die 
Verlagerung eines stärkeren Spätkartoffel- 
anbaus in die wichtigsten Zuschußgebiete 
von vornherein auf eine Erleichterung dieser Lage 
hingearbeitet worden. 


Von den Maßnahmen zur Förderung der Kriegs- 
erzeugungsschlacht ist die erste Arbeitstagung 
des Reichsbeirats Ackerbau im Reichsnähr- 
stand von besonderer Bedeutung. An dieser Ta- 
gung, die vom Reichsfachwart Ackerbau im Reichs- 
nährstand, Dr. Roemer, geleitet wurde, nahmen 
Vertreter aus Wissenschaft und Praxis und aus den 
Dienststellen des Reichsnährstandes aus allen Teilen 
Großdeutschlands teil. Im Vordergrund der Bera- 
tungen stand die Möglichkeit der Ausweitung des 
Hülsenfruchtanbaues und die Erhaltung der natür- 
lichen Fruchtbarkeit der Böden. Der richtigen Boden- 
pflege kommt im Kriege, wenn die letzten Leistungen 
aus der deutschen Scholle herausgeholt werden 
müssen, während auf der anderen Seite die Möglich- 
keiten der Versorgung mit zusätzliehen Düngemitteln 
beschränkt sind, allergrößte Bedeutung zu. Wenn 
jetzt durch die Bodenuntersuchungen, die nach dem 
Muster von Professor Sekera durchgeführt werden, 
den landwirtschaftlichen Betrieben durch entspre- 
chende Aufklärungsmaßnahmen bedeutsame Rat- 
schläge gegeben werden, um mit den im Kriege be- 
schränkten Betriebsmitteln doch alle möglichen Vor- 
aussetzungen zu schaffen, die durch zweckmäßigste 
Bearbeitung sowie durch eine entsprechende Ge- 
staltung der Fruchtfolge der Gefahr der Verarmung 
unserer Böden und der Verbreitung von Bodenkrank- 
heiten entgegenwirken, so wird damit einer Ent- 
wicklung entgegengewirkt, die nicht zuletzt an den 
fallenden Leistungen unserer Landwirtschaft im ersten 
Weltkrieg schuld war. Auch hier zeigt sich wieder, 
wie die Kriegsernährungswirtschaft sich nicht darauf 
beschränkt, das Vorhandene gerecht zu verteilen, 
sondern vor allem dafür sorgt, daß die wichtigste 
Grundlage der Verteilung, nämlich eine aus- 
reichende Erzeugung, vorhanden ist. Es ist nicht 
immer leicht, angesichts der anderen bedeutenden 
Aufgaben der Kriegs- und Rüstungswirtschaft diesem 
Grundsatz auf allen Gebieten zum Siege zu verhelfen. 
Dank der Einsicht der politischen Staatsführung, die 
heute der Landwirtschaft volle Gleichberechtigung 
neben der gewerblichen Wirtschaft beimißt, werden 
die Hoffnungen der Gegner auch in dieser Richtung 
zerschellen. 


341 


Wegweiser 
zum treffenden Ausdruck? 


Der zersetzende Einfluß des Liberallsmus oder 
— richtiger — des Judentums hinter der Maske des 
Liberalismus auf das deutsche Volksleben hat sich 
nicht zuletzt in einer starken Verbildung und Ver- 
manschung des deutschen Sprachgutes ausgewirkt. 
Dieser Entartungsprozeß äußerte sich neben zahl- 
reichen undeutschen „Neuschöpfungen“. die ihre 
Herkunft aus dem Getto nicht verleugnen konnten, 
vor allem in einer Abwertung vieler urtümlicher 
deutscher Worte, die Ausdruck einer bewußten 
Verächtlichmachung der durch sie verkörperten Be- 
griffe ist. Kennzeichnend für diese Tendenz ist bel- 
spielsweise die Herabwürdigung des Begriffes „Volk“, 
mit dem sich „die Vorstellung der „ungebildeten 
Masse“ verbindet, die Vergröberung des Begriffes 
„Weib“ und die Verunglimpfung des Begriffes 
„Bauer“, der zu einem ausgesprochenen Schimpfwort 
wird. Angesichts dieser Entwicklung, deren Folgen 
keineswegs überwunden sind, ist der Versuch, einen 
Wegweiser „zum treffenden Ausdruck“ zu schaffen, 
wie ihn das Buch „Deutscher Wortschatz‘ von 
Dr. Hugo Wehrle (Verlag Ernst Klett, Stuttgart) 
unternimmt, durchaus zu begrüßen, um so mehr, da 
es den Anspruch erhebt, auf „zeitgemäße Grundlage“ 
gestellt worden zu sein. 


Ist diese lobenswerte Absicht wirklich gelungen? 
Schlägt man unter dem Stichwort „Grobheit“ nach, 
dann stößt man neben Ausdrücken wie Pöbelhaftig- 
keit, Boxerethos usw. als gleichbedeutend auch auf 
den Ausdruck „bäuerisches Benehmen“. Das 
Eigenschaftswort „grob“ wird dementsprechend mit 
Ausdrücken wie flegelhaft, pöbelhaft, , mürrisch wie 
ein Esel“ und — „bäuerisch“ erläutert und gleich- 
gestellt. Nun ließe sich vielleicht einwenden, daß die 
Endsilbe „isch“ im Gegensatz zu „ lich“ vielfach dem 
betreffenden Eigenschaftswort einen geringschätzigen 
Unterton verleiht, wie etwa bei , kindisch“ im Gegen- 
satz zu „, kindlich“, und daß dies auch von dem Worte 
„bäuerisch“ im Vergleich zu , bäuerlich“ gelte. Doch 
abgesehen davon, daß diese Parallele bei dem sehr 
feinen Unterscheidungsvermögen der deutschen 
Sprache nur sehr bedingt stimmt, macht der Verfasser 
diese Unterscheidung überhaupt nicht, denn unter 
dem Stichwort „Unhöflichkeit‘‘ findet man neben 
Tölpelhaftigkeit, Unmanierlichkeit, Ungezogenhelt 
Unanständigkeit usw. nicht nur die Bezeichnung 
„bäuerisches Benehmen“, sondern auch „bäuer- 
liches Benehmen“ und „Bauermanier“. 


Unter diesen Umständen ist es auch nicht weiter 
verwunderlich, daß unter dem Leitwort „Pfuscher“ 
nebeneinander angeführt werden Ausdrücke wie 
Nichtwissen, Stümper, Schlumpschütze, Tölpel, Holz- 


342 


andbemerkumgen 


bock, Dummkopt und dann schlicht und recht: 
„Bauer“. Dementsprechend findet sich unter dem 
Stichwort „Leichtgläubigkeit“ der Ausdruck Bauer 
u. a. neben dem Wort Gimpel. Unter dem Stichwort 
„breite Masse‘ sind u.a. nebeneinandergestellt die 
Ausdrücke Pöbel, Pack, Plebs, Mob, Janhagel, Ge- 
lichter, Bagage, Kanaille, Abschaum, Auswurf der 
Gesellschaft, Zigeuner, Flintenweiber und dann 
„Bauernflegel“ und „Bauernkerl“. Für die — bewußte 
oder unbewußte — Einstellung des Verfassers zu der 
bäuerlichen Arbeit ist kennzeichnend, daß Rede- 
wendungen wie „sich ungezogen benehmen“, „ent- 
gleisen“, „anrüpeln‘“ im gleichen Atemzug mit dem 
Ausdruck „nach dem Stall riechen“ genannt werden. 


Das Buch registriert also in bezug auf die Begriffe 
„Bauer“ und „bäuerlich“ alle Möglichkeiten der 
Beschimpfung deutschen Bauerntums, die 
unter dem Einfluß des Judentums im Zuge der 
geistigen Verstädterung des deutschen Volkes er- 
funden worden sind, und Ist zum mindesten In dieser 
Beziehung im nationalsozialistischen Deutschland 
nichts weniger als ein Wegweiser zu einem treffenden 
Ausdruck. Da anzunehmen ist, daß dem Bearbeiter 
eine kränkende Absicht ferngelegen hat, ist es ein 
ungewollter Beweis dafür, wieviel noch zur Ent- 
giftung von den letzten Einflüssen des liberalistischen 
Zeitalters durch eine zielbewußte volkspolitische 
Erziehungsarbeit zu tun übrigbleibt. G. P. 


Professor E. A. Mitscherlich zum 
70. Geburtstag 


Ein Altmeister der landwirtschaftlichen Wissen- 
schaft, Prof. Dr. Eilhard Alfred Mitscherlich 
begeht am 29. August 1944 seinen 70. Geburtstag. 
Weit über die Grenzen Großdeutschlands ist sein 
Ruf als a in die ganze Welt gedrungen. 
Mitscherlich entstammt väterlicherseits einer alten 
Gelehrtenfamilie, in der sich Wissenschaft und For- 
schung seit einer Reihe von Generationen vererbt 
haben. Sein Großvater war der berühmte Berliner 
Chemiker Eilhard Mitscherlich, sein Vater ein be- 
kannter Berliner Chirurg. Dieses väterliche Erbteil 
in Verbindung mit dem Erbteil der Mutter, deren 
Familie in Schlesien auf dem Lande ansässig ist, haben 
die Liebe zur Land- und Forstwirtschaft und zu deren 
wissenschaftlicher Durchforschung auf Professor E. A. 
Mitscherlich übertragen. 


Mitscherlich studierte Chemie, Physik und Land- 
wirtschaft in Kiel, Berlin und dann wieder in Kiel 
und begann seine wissenschaftliche Laufbahn als 
Assistent von Professor Dr. Hermann Rodewald, 
nachdem er ein Jahr nach seiner Promotion (11. 3. 98) 
bei Professor Dr. Hermann Ebert in München physi- 
kalische Studien betrieben hatte. Am 7. März 1901 


habilitierte er sich an der Kieler Universität für 
Landwirtschaft und Agrikulturchemie. 1906 wurde er 
als außerordentlicher Professor an die Universität 
Königsberg berufen und erhielt dort kurz darauf 
das Ordinariat für Pflanzenbau. 


Bereits frühzeitig war Professor Mitscherlich auf 
volkspolitischem Gebiet tätig. So gründete er zu 


Beginn des Weltkrieges während des Russeneinfalls ` 


in seinem Institut eine Auskunfts- und Nachrichten- 
stelle für ostpreußische Flüchtlinge. Außerdem leitete 
er als Rektor der Universität während des ersten 
Weltkrieges die Zweigstelle des Akademischen Hilfs- 
bundes für Ostpreußen. Als der nationalsozialistische 
Geist in der akademischen Jugend zum Durchbruch 
kam und wegen der Unterbindung nationaler Kund- 
gebungen Studentenunruhen an der Universität 
Königsberg ausbrachen, übernahm Professor Mit- 
scherlich wieder das Rektorat und schuf in kürzester 
Frist eine Einheit zwischen Studenten und Lehrer- 
schaft. Nicht umsonst wurde er damals als „Vater der 
Studentenschaft“ bezeichnet. 


Eine besondere Liebe und Verehrung genoß Mit- 
scherlich in der gesamten Provinz Ostpreußen, in 
der er über 30 Jahre gewirkt und die ihm unendlich 
viel zu danken hat. Die Schlichtheit und Herzensgüte, 
die Ruhe und Sicherheit, die von ihm ausstrahlten, 
haben ihm die besondere Liebe und Verehrung seiner 
Schüler und seiner zahlreichen Anhänger in der 
praktischen deutschen Landwirtschaft eingetragen. 
Zahlreiche Ämter und Ehrenämter, deren Gesamt- 
aufzählung an dieser Stelle zu weit führen würde, sind 
ihm während seiner langen Tätigkeit in Königsberg 
zuteil geworden. Von 1922 bis 1934 bekleidete er 
unter anderem das Amt des geschäftsführenden Di- 
rektors der Landwirtschaftlichen Institute der Univer- 
sität Königsberg. Ein besonderes Zeichen der Ver- 
bundenheit mit der praktischen Landwirtschaft war 
die Gründung der Mitscherlichgesellschaft, die im 
Jahre 1923 von praktischen Landwirten der Provinz 
Ostpreußen vorgenommen wurde. Durch diese Ge- 
sellschaft wurden Untersuchungen über die Nähr- 
stoffbedürfnisse des Bodens mit der von ihm ent- 
wickelten Gefäßversuchsmethode vorgenommen. In 
den über die damalige Provinz Ostpreußen verteilten 
Stationen wurden jährlich bis zu 22000 Kulturgefäß- 
versuche durchgeführt. 1924 wurde Mitscherlich Prä- 
sident der 4. Kommission der Internationalen Boden- 
kundlichen Gesellschaft, die sich mit der Erforschung 
der Bodenfruchtbarkeit befaßte, und 1934 Vize- 
präsident der neu gegründeten landwirtschaftlichen 


` Kommission der Internationalen Botanischen Ge- 


sellschaft. 


Zahlreiche Veröffentlichungen sind von ihm in den 
verschiedensten wissenschaftlichen Zeitschriften und 
landwirtschaftlichen Fachorganen herausgebracht. Be- 
sonders bekannt wurde sein Lehrbuch „Bodenkunde 
für Land- und Forstwirte“, das im Jahre 1905 erschien 
und eine Reihe von Auflagen erlebte, sowie sein Werk 
„Bestimmung des Düngebedürfnisses des Bodens“. 
In besonders hohem Maße war Mitscherlich zu eigen, 
in die Zusammenhänge der Natur einzudringen und 
sie wissenschaftlich nach allen Richtungen zu durch- 


forschen. So kam er auf pflanzenphysiologischem Wege 
zu dem Ergebnis, daß die Pflanzenerträge sich aus 
einer Reihe von äußeren und inneren Wachstums- 
faktoren zusammensetzen. Das bekannte „Liebig’sche 
Gesetz vom Minimum“ wurde von ihm vollkommen 
umgestaltet zu dem „Mitscherlich'schen Wirkungs- 
gesetz der Wachstums faktoren“, das ihn in der ganzen 
Welt berühmt gemacht hat. 


Es ist bisher noch beinahe jedem, der in seinem 
Forschungsdrang neue Wege beschritt und neue For- 
men fand, so ergangen, daß er auf heftigsten Wider- 
stand gestoßen ist und mühsam seine neuen Erkennt- 
nisse hat durchkämpfen müssen. Auch bei ihm be- 
wahrheitete sich leider wie bei vielen berühmten 
deutschen Forschern zunächst das Sprichwort „Der 
Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande“: denn zu- 
erst wurde das Ausland auf die fundamentalen Er- 
kenntnisse Mitscherlichs aufmerksam. Die Wogen 
des Streites um seine Arbeit und sein Werk sind in 
Deutschland mitunter sehr hoch gegangen. Unbeirr- 
bar, in unerschütterlichem Selbstvertrauen ging 
Mitscherlich seinen Weg. Immer wieder hat er seine 
Lehren und seine Methoden zielbewußt weiter ent- 
wickelt und der naturwissenschaftlichen Forschung 
auf pflanzenphysiologischer Grundlage Wege zu neuen 
Erkenntnissen gewiesen, auf der eine Reihe von land- 
wirtschaftlichen Wissenschaftlern bereits weitergebaut 
haben und die noch spätere Generationen beschäftigen 
werden. Für die Erzeugungsschlacht und allgemein für 
die nationalsozialistische Agrarpolitik ist Mitscherlichs 
Werk von entscheidender Bedeutung. Seine Methoden 
zur Bestimmung des Düngerbedürfnisses des Bodens, 
die zunächst in dem Bestreben geboren waren, der 
damals notleidenden deutschen Landwirtschaft eine 
Rentabilität durch die richtige Anwendung des natür- 
lichen und künstlichen Düngers zu haben, haben eine 
wesentliche Voraussetzung für das Ziel und die Durch- 
führung der Erzeugungsschlacht geschaffen. 


Dr. Jürgen Stock 


DieBuchwadt 


Albrecht Timm: 


Moltke und das Bauerntum 
Verlag C.V. Engelhard G. m. b. H., Berlin 1943. 
80 Seiten. Preis gebunden 3,60 RM. 


Der bäuerliche Grundcharakter unseres Volkes muß 
sich naturgemäß gerade in Art und Wesen der Größten 
unseres Volkes in besonders ausgeprägter Form wider- 
spiegeln; denn in ihrer Persönlichkeit konzentriert 
sich deutsche Volksart in ihren besten Eigenschaften 
zu höchster Leistungsfähigkeit. Ein eindringliches 
Beispiel für die Richtigkeit dieser These ist das Wesen 
und Wirken des Generalfeldmarschalls Graf Helmuth 
von Moltke. Er selbst ist sich dieses engen Lebens- 
zusammenhanges mit deutscher Bauernart stets be- 
wußt gewesen, und hat dem symbolhaft Ausdruck ge- 
geben, wenn er ein Telegramm an den Deutschen 
Bauernbund mit „Graf Moltke, Bauer“, unterze'chnet. 


343 


„Graf Moltke, Bauer“ könnte auch der Titel der 
Schrift sein, in der Dr. Albrecht Timm, der den Lesern 
unserer Zeitschrift durch mehrere geschichtliche 
Beiträge bekannt ist, den bäuerlichen Wesenszügen 
des Generalfeldmarschalls nachspürt und nachweist, 
wie stark Charakter und Leistung, Lebensauffassung 
und Lebenshaltung des siegreichen Heerführers und 
Lehrmeisters des deutschen Generalstabes in seinem 
bäuerlichen Blutserbe wurzeln. So Rt die Schrift 
gleichzeitig ein neuer Beweis für die Wesenseinheit 
von Bauerntum und Soldatentum, Pflug und Schwert. 
Dieser wirkt um so eindringlicher, als der Verfasser 
unter Verzicht auf jede billige Phrase in schlichter 


Erzählungsform die Fülle der Tatsachen als solche: 


sprechen läßt. Der schmale, aber gehaltvolle Band Ist 
daher geeignet, besonders auch unsere Jugend an- 
zusprechen. Der Verlag hat ihn liebevoll mit zum Teil 
noch wenig bekannten Bildern ausgestattet, was die 
Wirkung des Buches noch erhöht. 


Günther Pacyna 


Wilhelm Hensler: 


Das Brot der Wälder 
Hünenburg Verlag, Straßburg 1943, 365 Seiten 


Es ist eln sehr innerliches und besinnliches Buch, 
das uns Wilhelm Hensler hier vorlegt, ein Buch von 
den einsamen Höfen des hohen Schwarzwaldes, ihren 
dunklen Bergwäldern und ihren wortkargen. zähen, 
von harter Arbeit gebeugten und doch tatfrohen 
Menschen. 


Das Mädchen Hanna kommt aus der Stadt und wird 
Magd auf dem Hot, auf dem schon ihre Mutter diente. 
Sie lebt sich so ein. daB der Hof sie nicht mehr ent- 
behren kann und eines Tages wird sie die Frau des 
ältesten Sohnes. Für den jüngeren Sohn scheinen nur 
nocn zwei Wege übrig zu bleiben, entweder aus- 
zuwandern oder zeitlebens als Knecht zu dienen. 
Beide könnte er nur schweren Herzens gehen, weil 
er mit Leib und Seele Bauer ist und die Welte des 
Hofes braucht. Da bietet sich die Gelegenheit einen 
` verwalfiriosten Nachbarhof zu kaufen. Aber muß dieser 
Kauf nicht zu schwerer Verschuldung führen? 


in die abgeschlossene Stille des Bergwaldes dringt 
immer mehr die neue Zeit mit ihren technischen Er- 
rungenschaften. Sie baut Straßen über den Berg und 
schlägt In den als ein Erbe der Väter jahrhundertelang 
gehüteten Wald breite Wunden. Der alte Bauer findet 
sich schwer damit ab, hatte er doch nie „daran ge- 
dacht, sich von dem Wald beschenken zu lassen“. Die 
junge Generation weiß, daß die stadtferne Abge- 
schlossenheit nicht immer bleiben kann. Man kann 
auch, wenn man sich die technischen Mittel der Zeit 
dienstbar macht, ein echter Bauer bleiben. Die Straße 
bringt Segen für das Land und seine Menschen, wenn 
sie nur dem bäuerlichen Gesetz, nach dem sie an- 
getreten sind, treu bleiben. Auf einer höheren Stufe 
der Bewußtheit als sie bei den Vorfahren nötig war, 
müssen sie sich zum Bauersein bekennen. 


Der junge Bauer, der seine Sippe auf dem verwahr- 
iosten Hof einpflanzen will, nimmt in seinem Wald 


344 


einen Steinbruch ın Betrieb und arbeitet für die 
Straße. Er hat diesen Gedanken nicht aus sich selbst, 
sondern von einem Freund, der nach Amerika ging 
und wieder heimkehrte. Dieser Freund ist das Beispiel 
des schöpferischen Menschen, dessen große künst- 
lerische Begabung im armen Bergland kein Feld der 
Betätigung findet, der daher in die Stadt gehen muß, 
der aber mit den Wurzeln seines Seins immer dem 

e heimatlichen Boden verhaftet bleibt und aus ihm für 
sein Werk die besten Kräfte zieht. 


Die Straße schlägt den Wald, aber Straße und Stein- 
bruch geben die Mittel für den Hof, sie geben Arbeit 
tür manchen Sohn der kargen Scholle, dem sonst nur 
der Weg in die Stadt übrig bliebe. Inmitten der bäuer- 
lichen Welt dienen sie ihr und dem Wald und nicht 
einem fernen kapitalistischen Zweck. 


Das ist — ganz kurz skizziert — das Geschehen In 
diesem Buch Es ıst breit und geruhsam erzählt und 
bietet dem Leser nicht die Krücken einer spannenden 
Handlung, an denen er sich flüchtig über die Seiten 
zu schwingen vermag, sondern es verlangt, daß er 
ihm mit dem, was es selbst geben kann, entgegen- 
kommt: mit Besinnlichkeit und ein wenig innerer 
Ruhe und Geduld, ohne die sich die dichterischen 
Feinheiten und Schönheiten des Buches nicht er- 
schließen. Sie beruhen nicht nur in der Art wie mit 
zarten Strichen die Bilder der Landschaft ausgemalt 
sind, sondern auch wie den Regungen der Seelen und 
den menschlichen Beziehungen behutsam und innig 
nachgegangen wird. Wer aber dem Buch so entgegen- 
kommt, wird bereichert und beglückt sein und die 
Überzeugung gewinnen, daß sich hier ein Erzähler 
dem deutschen Volk vorgestellt hat, von dem das 
bäuerliche Schrifttum noch manche schöne Gabe 
erwarten darf. 

Dr. Klaus Schmidt 


Dr. Alfred Thoß: 


Heinrich I. 
Der Gründer des deutschen Volksreiches 
Verlag C.V.Engelhard, Berlin 3. Aufl. 1943, 2725. 


Wenn wir heute die Neugestaltung des national- 
sozialistischen Großdeutschen Reiches als des Kraft- 
zentrums eines neuen Europas miterleben, dann 
wenden wir auch gern den Blick in die Zeit zurück, 
In der das erste Reich der Deutschen vor einem jahr- 
tausend dem zerrissenen Europa für längere Zeit eine 
feste Ordnung gab. Das erstmalig zur Feier des 
tausendsten Todestages des Begründers des deutschen 
Volksreiches erschienene Buch ist In seiner nunmehr 
vorliegenden dritten Auflage gründlich überarbeitet, 
erweitert und verbessert. Der Verfasser verwendet 
alle in den letzten Jahren gewonnenen Forschung 
ergebnisse und vermag auf Grund der wenigen 
Quellenzeugnisse ein umfassendes Bild der Persönlich- 
keit und Lebensleistung des ersten Sachsenkönigs Zu 
entwerfen, der wie jeder wahre Volkskönig auch ein 
Bauernkönig war. 

Dr. Albrecht Timm 


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—— m P "ss 


= 1 


Achtung! An alle Verfracnter! 


Vorsatzbretter für gedeckte Güterwagen! 


Ein neues Hilfsmittel der Deutschen Reichsbahn 
für die Verladung von Schüttgütern! 


Bei Fehlen von Verpackungs- 
material können Schüttgüter 
wie Getreide oder Hülsen- 
früchte lose verladen werden. 
Die Reichsbahn hat hierfür Vor- 
satzbretter beschafft (a obige 
Abbildung) Sie passen für je- 
den Güterwagen, werden von 
innen in die Türen gestellt und 
sind mit 2 Entlade- 

DER schiebern versehen 


Räder müssen rollen für den Sieg! 


Fordern Sie diese bahneigenen 
Vorsatzbretter bei Ihrer Güter 
abſertigung an. Die Mietgebũhr 
beträgt je Stück RM 2,-. In kei- 
nern Falle ist es also mehr not- 
wendig, das wertvolle Wagen- 
material durch Vernageln der 
Cũterwagentũren mit Brettern 
zu beschädigen. Jede Repara- 
tur entzieht den Güterwagen 
dem Verkchr. 


5 


Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit 
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen 
auf dem Hof meistnur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht 
wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der aut 
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer 
Stelle zur anderen bringen läßt. 


Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der 
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese 
Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. 


SIEMENS-SCHUCKERTWERKE AG 


Wer sat - wird 


vorausgesetzt, daß 
er sein Saatgut 
gebeizt hat. 


Ceresan 


Trocken- oder Naßbeize 
für alle Getreidearten! 


n Bayer« 
F B 
AKTIENGESELLSCHAFT A 
Pilanzenschutz-Ableilung BAYER 


Gleitschutzketten 


Das Wort ‚einwecken“ stammt 
von Johann Weck, dem Mann, der 
das WECK-Verfahren begründet, 
der die WECK-Gläser und WECK- 
Geräte geschaffen hat. 


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BE Rn 


WEEK derte ee, edel:, e, 
Wesi E A a 


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Kettenwerk Max Többicke 


J.WECK &C0 Vertretung: H. Vahle, Letmathe in Westfalen 


POSTSPARKANTE 


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SEPTEMBER OKTOBER 1944 


NUMMER 12 


, JAHR GRIIIZEe 


ETNZELPQIBIS 1,20 


RM 


MB 4 


INHALT 


Bauer Gustav Behrens, Reichsobmann des Reichsnährstandes: Zum Erntedanktag im 


sechsten Kriegsjabh nn %%%%% TUV 345 
* „ * Die Ernährungs wirtschaft an der Wende des fünften Kriegsjahres.. .. ...... 349 
Brot für das sechste Kriegsjahr (Bildbeilage, j . n. Seite 352 
Curt Strohmeyer: Mensch oder Mähdreschereers»˖e··· d e 355 
Landwirtschaftsrat Rudolf Friedrich, Geschäftsführer des Gauamtes für das Landvolk der 

NSDAP Gau Sachsen: Gesunde Lebensordnung im Erbhof .....sesserosesssessea. 338 
Spreewälder Gemüsebau (Bildbeilageꝶᷣꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛ ou nenn nenn n. Seite 360 
Lehrer Hugo Stübs: Dorfbucharbeit im Kriegel 361 
Ministerialrat Wilhelm Thies: Die Schule in der bäuerlichen Erziehung ...... . . ... 365 
Agrarpolitische Rundschau `... EE . . 369 
i ß , 371 
Die: Buchbwächt .. werner ee 375 


Bildnachweis: Das Titelbild „Generatorgasschlepper mit Kultivator, Egge und Walzen“ stellte der Hanomag-Bilderdienat 
zur Verfügung. Die Bilder für die beiden Bildbeilagen entstammen dem Bildarchiv des Reichsnährstands 


Hauptschriftleiter Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil Günther Pacyna, Berlin- Wilmersdorf: für den 
wirtschaftlichen Teil Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil Lotte Wille, Berlin Charlottenburg. Anschrift der Schrift- 
leitung Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf 19 55 41. Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.), Zweigniederlassung 
Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Ortsruf 11 0022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Einzelne Nummern können bis 
auf weiteres nicht nachgeliefert werden, Z. Z. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck August Scheri Nachf. Berlin SW 68 


ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN 


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Herausgeber 


September / Oktober 1944 


GUSTAV BEHRENS 


Jahrgang 2 


Herbert Backe 


Nummer 12 


Sum Exntedanktag OR I IR Keiegsjahr 


n früheren Jahren haben wir das Erntedank- 

fest stets in einem größeren Rahmen ge- 
feiert. Heute erleben wir diesen Tag beschei- 
dener, wie es der totale Krieg vorschreibt; 
aber wir wissen, daß die Bedeutung des Ernte- 
danktages heute in unserm Volke besser er- 
kannt wird als früher. In friedlichen Zeiten 
machen sich nur wenige Gedanken um das 
tägliche Brot. Kaum einer überlegt, wo das 
Brot und alles, was zur Ernährung gehört, her- 
kommt. Die Läden sind gefüllt mit den Er- 
zeugnissen aus aller Welt. Man geht in die 
Geschäfte und kauft, was man gerade kaufen 
will. Ob das, was man ißt, im eigenen Lande 
wächst oder aus Übersee stammt, interessiert 
den Durchschnittsbürger nicht. 

Im Krieg sieht er dann plötzlich, wie sich 
die Läden leeren, wie viele der Dinge, die er 
früher so gedankenlos gekauft und gegessen 
hat, mit einem Male nicht mehr vorhanden 
sind. Da wendet er sich mit einem ganz 
andern Verständnis als früher den Lebens- 
mitteln zu, die der Mensch zum Leben braucht: 
Brot, Kartoffeln, Fett, Fleisch, Gemüse. — Die 
angenehmen Beigaben der Friedenskost fallen 
aus. Aber dieGrundnahrungsmittel müssen da- 
sein. In diesem Augenblick gehen der Be- 
völkerung die Augen auf. Jetzt zeigt es sich, 
ob ihre Führung für diese Grundnahrungs- 
mittel gesorgt hat. 

Wir haben in unserer Generation zwei Welt- 
kriege größten Ausmaßes erlebt und haben 
die seltene Gelegenheit, auf dem Gebiete der 
Kriegsernährung unmittelbar Vergleiche 
ziehen zu können. Die Älteren von uns 
wissen, wie es schon bald nach dem Beginn 
des ersten Weltkrieges mit der Ernährung aus- 
sah. Da es damals nicht sofort Lebensmittel- 
karten und eine straffe Bewirtschaftung gab, 


fehlte die Voraussetzung dafür, das Volk 
sozial und gerecht nach Leistung zu ernähren, 
wie es heute geschieht. Auch für die landwirt- 
schaftliche Erzeugung waren keine klaren 
Richtlinien gegeben, was dazu führte, daß man 
die Produktion nicht übersah. Hinzukam, 
daß alle statistischen Unterlagen fehlten und 
daher kein Überblick vorhanden war. Ein 
krasses Beispiel dafür ist der berüchtigte 
Schweinemord, der im Jahre 1915 neun Mil- 
lionen Schweine forderte, weil angeblich nicht 
genügend Futtermittel vorhanden waren. Als 
man schließlich entdeckte, daß doch genügend 
Kartoffeln vorrätig waren, waren die Schweine 
schon längst abgeschlachtet, und es fehlte 
nun an den Verwertern dieser plötzlich auf- 
tauchenden Kartoflelvorräte. Es ist uns heute 
unverständlich, mit welchem Leichtsinn man 
auf ernährungswirtschaftlichem Gebiet in den 
ersten Weltkrieg hineingegangen ist. Bei der 
daraus entstandenen Lage wurde es im weiteren 
Verlauf des Krieges völlig unmöglich, Front 
und Heimat noch ausreichend zu versorgen. 
Auf organisatorischem Gebiet war nichts ge- 
schehen, was einen befriedigenden Verlauf der 
Kriegsernährung hätte garantieren können. Es 
gab weder ein Reichsministerium für Ernäh- 
rung und Landwirtschaft noch eine einheit- 
lich geführte Selbstverwaltung des deutschen 
Bauerntums. Erst im Jahre 1916 wurde ein 
Kriegsernährungsamt gegründet, das aber bei 
der parlamentarischen Verwirrung auf allen 
Gebieten die notwendigen Maßnahmen weder 
einheitlich lenken noch straff durchführen 
konnte. 

Die Landwirtschaft hatte den folgenschwe- 
ren Mangel einer straffen Organisation und 
das Fehlen jeglicher Voraussicht für den Fall 
eines Krieges schon lange vor 1914 erkannt 


345 


und immer wieder entsprechende Vorsichts- 
maßregeln gefordert. Aber ob sie eine na- 
tionale Getreidereserve für den Kriegsfall ver- 
langte oder eine Stärkung der heimischen 
Produktionskraft, immer wurde ihr von den 
liberalen Ministern in der Regierung und von 
den landwirtschaftsfeindlichen Parteien im 
Reichstag entgegengehalten, daß ihr „Ge- 
schrei“ lediglich „das patriotische Mäntelchen 
für eigennützige Zwecke“ und dergleichen sei. 
Reichstag und Reichsregierung verkannten in 
ihrer parteipolitischen Verblendung ganz und 
gar, daß bei einem Zweifrontenkrieg, mit dem 
man angesichts der politischen Wirren von 
1914 fast täglich rechnen mußte, lediglich die 
eigene Landwirtschaft die Gewähr für eine 
gesicherte Ernährung geben würde. 

Wie sich die Dinge entwickelt haben, mußten 
wir in den Jahren 1914-1918 leider am eigenen 
Leibe spüren. Nicht zuletzt hat der Hunger 
den verbrecherischen Machenschaften der Re- 
volutionäre von 1918 Vorschub geleistet und’ 
zum 9. November 1918 und damit zum Diktat 
von Versailles geführt. 

So lagen die Dinge im ersten Weltkrieg. 
Die Folge dieser Wirtschaft hat das deutsche 
Volk nicht nur mit dem Hungertod von 
750 000 Frauen und Kindern bezahlen müssen, 
sondern auch mit einer politischen Knecht- 
schaft und jahrelangen Unterdrückung. 

Und heute? Wir haben jetzt fünf Jahre 
Krieg hinter uns. Dieser zweite Schicksals- 
kampf unseres Volkes dauert schon ein Jahr 
länger als der erste Weltkrieg. Er ist in seiner 
Totalität weit umfassender als der Krieg von 
1914-1918. Noch mehr Menschen stehen seit 
Jahr und Tag an den Fronten, noch mehr 
Volksgenossen in der Rüstung. Alle Produk- 
tionsstätten des privaten Lebens sind ge- 
schlossen. Städtische Wohnviertel und ein- 
same Bauernhöfe werden täglich von feind- 
lichen Terrorfliegern bombardiert. Und trotz- 
dem läuft unsere Ernährung weiter. Fast rei- 
bungslos für den Verbraucher, wenn auch 
nicht — und das kann an diesem Erntedanktag 
ruhig zugegeben werden — für die landwirt- 
schaftliche Produktion und nicht für die Füh- 
rung des deutschen Landvolkes. Es braucht 
kein Geheimnis daraus gemacht zu werden, 
daß die landwirtschaftliche Erzeugung im 
sechsten Kriegsjahr nicht einfach sein wird. 
Aber das ist nicht entscheidend. Ausschlag- 
gebend für die bisherige Entwicklung unserer 
Kriegsernährung war doch letzten Endes, daß 
die nationalsozialistische Agrarpolitik von 
Anfang an aus den Fehlern des ersten Welt- 


346 


kriegs die Konsequenzen gezogen hatte. Wir 
haben im Deutschland Adolf Hitlers seit 1933 
unsere Landwirtschaft neu aufgebaut. Wir 
haben ihr durch das Reichsnährstandsgesetz 
die wirtschaftliche Sicherung gegeben. Wir 
baben bei der Steigerung der Produktion stets im 
Auge gehabt, daß es in einem Kriege auf keinen 
Fall an den notwendigen Grundnahrungsmittieln 
ſeblen darf, und baben uns von Anfang an auf deren 
verstärkte Erzeugung eingestellt. 

Hätten wir z.B. den Kartoffelanbau nicht 
schon lange vor dem Kriege bewußt gesteigert, 
wir hätten unser Volk in diesem Kriege nicht 
satt machen können. Hätten wir nicht unsere 
heimischen Futtermittelquellen systematisch 
ausgebaut, wir hätten nach dem Fortfall der 
Futtermitteleinfuhren niemals einen so großen 
Viehbestand und damit unsere Fleisch-, Milch- 
und Fettversorgung aufrechterhalten können. 
Dies alles mußte geschehen, ohne die Er- 
zeugung der andern Nahrungsmittel, wie z. B. 
Brot und Zucker, zu beeinträchtigen. 

Daß dag gelungen ist, ist der Erfolg der 
ganz klaren Erkenntnis der Lage durch unsere 
agrarpolitische Führung und deren eindeutige 
Zielsetzung für die Ernährungswirtschaft im 
nationalsozialistischen Deutschland. Dies allein 
hätte jedoch den Erfolg nicht garantiert, wenn 
es im Laufe der Jahre nicht gelungen wäre, 


unser deutsches Landvolk restlos auf diese 


nationalsozialistische Ernährungswirtschaft 
auszurichten. Gerade im Kriege hat das 
deutsche Landvolk bewiesen, daß es den ge- 
stellten Forderungen in jeder Weise gerecht 
geworden ist. Man muß immerhin bedenken, 
daß es galt, z, Millionen landwirtschaftlicher 
Betriebe auf diese neue Zielsetzung auszurich- 


ten. Das ließ sich natürlich nur mit einer -- 


straffen Organisation erreichen. So bildet 
letzten Endes die Zusammenfassung der ge- 
samten deutschen Landwirtschaft und der dazu 
gehörigen Be- und Verarbeiterbetriebe so- 


wie des Nährstandshandels im Reichsnähr- 


stand die organisatorische Voraussetzung da- 
für, daß man sowohl Erzeugung wie auch Er- 
fassung und damit die Versorgung nur durch 
diese Selbstverwaltungskörperschaft des deut- 
schen Landvolkes führen und steuern kann. 
Ein machtloses Kriegsernährungsamt wie 
im Weltkriege wäre selbst bei der besten Hal- 
tung des deutschen Landvolks nicht in der 
Lage, die heute an uns herantretenden großen 
Erzeugungs- und Versorgungsaufgaben zu 
lösen. Der grundlegende Unterschied 
aber besteht eben darin, daß im umfassendsten 


Sinne die deutsche Landwirtschaft von einem: 


3 A A l 


3 — L 


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1— 


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im nationalsozialistischen Geiste erzogenen 
ehrenamtlichen Bauer nführerkorps geführt 
wird. Der unbestreitbar vorhandene Erfolg 
wäre staatlichen Organen alle in niemals mög- 
lich gewesen. Gerade dadurch, daß man hier 
dem Bauern Selbstverantwortung gegeben hat, 
dadurch, daß man die Stellen der Bauernführer 
mit bewährten Kämpfern aus der national- 
sozialistischen Bewegung besetzt hat — sei 
es in Gau, Kreis oder Ortschaft —, wurde die 
Voraussetzung dafür geschaffen, daß sich die 
3,5 Millionen Einzelbetriebe in den großen 
Erzeugungsprozeß restlos eingeschaltet haben. 
Ohne unsere 70 000 Ortsbauernführer und 
ohne unsere 700 Kreisbauernführer hätten wir 
das deutsche Landvolk niemals zu jenen Kraft- 
anstrengungen und Leistungen angespornt, 
auf die wir heute am Erntedanktag 1944 voller 
Stolz blicken können. Dieses nationalsozialisti- 
sche Banernführerkorps war die breite Grundlage 
für alle Arbeit, die wir im Laufe der letzten zehn 
Jabre an unserm Baserntum und damit für unser 
Volk leisten konnten. | 
Diese Arbeit war nicht immer leicht. Sie 
wurde schon vor dem Kriege behindert durch 
die vordringlichen Maßnahmen der Auf- 
rüstung. Wir gaben nicht nur laufend Men- 
schen frei für den Einsatz in der Rüstung, son- 
dern ersparten auch durch die Stärkung unse- 
rer heimischen Erzeugung Devisen für andere 
kriegswichtige Importe. Auch brachte der 
Krieg für die Landwirtschaft nicht wie für die 
kriegswichtige Industrie eine Aufrüstung zur 
Verstärkung ihrer. kriegsentscheidenden Pro- 
duktion. Die Landwirtschaft wird in jedem 
Kriege abgerüstet, obgleich ihre Er- 
zeugung die Voraussetzung für jede Krieg- 
führung ist. Sie muß Menschen und Gespanne 
abgeben, sie muß sich mit unzulänglichen Er- 
satzkräften begnügen, sie muß schon lange 
vor dem allgemeinen Arbeitseinsatz ihren 
Frauen die ganze Last der Betriebsführung und 
Arbeitsleistung für den eingezogenen Bauern 
aufbürden. Die Landwirtschaft muß aber auch 
bei den Betriebsmitteln erhebliche Einschrän- 
kungen auf sich nehmen. Während jede 
Rüstungsfabrik die Maschinen zur Waffen- 
herstellung und die Rohstoffe bekommt, 
können der Landwirtschaft die für ihre Er- 
zeugung unentbehrlichen Maschinen und Ge- 
räte nicht in genügendem Ausmaß gegeben 
werden. Die Landwirtschaft mußte von Jahr 
zu Jahr geringere Zuteilungen an Handels- 
dünger in Kauf nehmen. 
Auch galt es, die Schwierigkeiten durch den 
Entzug von Zugkräften zu überwinden, die 


N 


wegen des Mangels an Brennstoff oder der 
Abgabe von Pferden an die Wehrmacht ent- 
standen. Die Landwirtschaft hat sich hier 
selbst geholfen durch Einsatz von Ochsen 
und durch rechtzeitiges Nachziehen von 
Pferden, deren Zahl größer ist als im Frieden. 
Ohne diese Selbsthilfe der Landwirtschaft 


wäre es nicht gegangen, denn die Landwirt- 


schaft ist nun einmal auf ausreichende Zug- 
kräfte angewiesen, und zwar sowohl bei der 
Bestellung wie bei der Ernte und der Ab- 
lieferung. Nicht ohne Grund hat man sie als 
„Transportgewerbe wider Willen“ be- 
zeichnet. Das ist sie ohne Frage, und sie kann 
alle diese Transportleistungen nur vollbringen, 


wenn ihr die notwendigen Transportmittel zur 


Verfügung stehen. Das gleiche trifft im übri- 
gen auch für die Be- und Verarbeitungs- und 
die Verteilerbetriebe der Ernährungswirt- 
schaft zu. Wenn z. B. die Fuhrwerke der Mol- 
kereien nicht mehr intakt sind, um täglich die 
Milch zusammenzuholen, so nutzt uns die 
Milcherzeugung auf den einzelnen Höfen 
nicht viel, weil wir nur mit der erfaßten und 
verarbeiteten Milch die Verbraucher in Stadt 
und Land mit Milch, Butter und Käse ver- 
sorgen können. Erst wenn die vielen Einzel- 
mengen, die täglich auf den 3,5 Millionen 
landwirtschaftlichen Betrieben ermolken wer- 
den, mit Fahrzeugen in die Molkerei geschafft 
sind, kann die Butterversorgung sichergestellt 
werden. Erst wenn die vielen Zentner Kar- 
toffeln und Getreide aus unsern Höfen zum 
Bahnhof, in die Mühle, zum Kaufmann oder 
zur Genossenschaft gefahren sind, können wir 
das deutsche Volk mit diesen wichtigen Le- 
bensmitteln beliefern. Es hieße also die ge- 
samte Versorung in Frage stellen, wenn die 
Landwirtschaft nicht mehr in der Lage wäre, 
alle diese Verrichtungen, die von ihr noch 
neben der Erzeugung gefordert werden, 
wegen Einsparung am falschen Platze aus- 
zuführen. 

Die Leistungen unseres EE sind 
heute für unsere Kriegführung noch erheb- 
lich stärker zu werten als vor zwei bis drei 
Jahren. Damals standen unsere Truppen in 
den weiten Räumen des Ostens und auf dem 
Balkan. Damals hatten sie ganz Frankreich 
besetzt, und wir konnten diese Gebiete zu- 
sätzlich für die Ernährung Europas ein- 
spannen. Wenn in jenen Jahren die ewig Un- 
belehrbaren alle Erfahrungen des Weltkrieges 
wieder vergaßen und die Kraft der deutschen 
Landwirtschaft auf engem Raum messen 
wollten an den Möglichkeiten, die die neuen 


347 


— 


Gebiete jenseits unserer Grenzen boten, so 
baben wir in der bäwrlichen Führung ganz bewußt 
auch in jenen Jahren die deutsche Erzeugungsleistung 
bochgsbalten und die deutsche Landwirtschaft nach 
wie vor als Rückgrat unserer Versorgung bezeichnet. 
In keiner Stunde dieses Krieges haben wir angesichts 


der tatsächlichen oder erwarteten Zuschüsse aus den 


nemen Gebieten unsere beimische Erzeugung über den 
Möglichkeiten der fremden Räume vernachlässigt. 

Wie richtig das war, hat besonders die Ent- 
wicklung des letzten Jahres bewiesen. Wären 
wir jenen falschen Propheten gefolgt und 
hätten wir die Dinge im eigenen Lande laufen 
lassen, so wäre es uns bei der schicksalhaften 
Entwicklung in diesem Jahre nach dem Ver- 
lust der Gebiete im Osten und Westen nicht 
gelungen, die Erzeugung schnell genug wieder 
zu verstärken und die unvermeidlichen Aus- 
fälle mit jener Gelassenheit zu tragen, die heute 
in der Erzeugungskraft unserer deutschen 


Landwirtschaft begründet ist. Wir hätten 
diesen Verlust mit erheblich mehr Rations- 
kürzungen ausgleichen müssen als mit der 
Brotsenkung, die erst Mitte Oktober in Kraft 
tritt. Das Ganze ist ein unleugbares Verdienst 
unserer Agrarpolitik und unseres Landvolkes, 
das sich durch niemand und durch nichts in 
seiner Pflichterfüllung har beirren lassen. 
Die deutsche Landwirtschaft kann ohne 
Überheblichkeit diese Feststellungen am heuti- 
gen Erntedanktag treffen, denn ihr Produk- 
tionsprogramm ist seit zehn Jahren im Grunde 
unverändert und ihre Marktordnung ist sich 
immer gleich geblieben. Gewiß haben wir 
gelegentlich die Methoden der jeweiligen Lage 
angepaßt, im Grundsatz sind wir uns 
aber stets treu geblieben. Nicht zuletzt 
haben wir dem Festhalten an unsern Grund- 


‚sätzen den Erfolg unserer nationalsozialisti- 


schen Agrarpolitik zu danken. 


Es wird das Jahr stark und scharf hergehen, aber man muß die 
Ohren steif halten, und jeder, der Ehre und Liebe für das Vaterland 


hat, muß alles dransetzen; eine gute Husche, so wird alles klar werden. 


Friedrich der Große 


Große Zeit ist's immer nur, wenn's beinahe schief geht, wenn man 
jeden Augenblick fürchten muß: Jetzt ist alles vorbei. Da zeigt 
sich's: Courage ist gut, aber Ausdauer ist besser. Ausdauer, das 


ist die Hauptsache. 


Theodor Fontane 


Wenn das Vaterland auf dem Spiele steht, gibt es für niemanden 


Rechte, dann hat jeder nur Pflichten. 


348 


Ernst von Wildenbruch 


* 


Die Ernährungs wirtschaft 
an der Wende des fünften Kriegsjahres 


er Erntedanktag war für das deutsche Landvolk 

von jeher ein Tag der Rückschau auf die geleistete 
Jahresarbeit und der Vorschau auf neue Aufgaben und 
Ziele. Alle Mühen und Sorgen, die sich im Jahreslauf 
auftürmten, erscheinen an diesem Tage, wenn die Ernte 
geborgen ist und die neue Saat der Erde anvertraut 
werden kann, in milderem Licht. Mehr denn je richten 
sich an der Wende des fünften Kriegsjahres die Augen 
des gesamten Volkes auf das bäuerliche Schaffen und 
die Erträgnisse des deutschen Bodens; denn der Krieg 
hat allen erneut zum Bewußtsein gebracht, daß es in 
Zeiten außenwirtschaftlicher Bedrängnis eine Schick- 
salsfrage ersten Ranges ist, ob der gemeinsame Wirt- 
schaftsraum auch genügend Nahrungsraum umfaßt und 
die Möglichkeiten der Ertragsgewinnung voll ausge- 
schöpft werden. Is Erinnerung an die Nahrungsnöte des 
ersten Weltkrieges werden sich viele die Frage vorlegen, ob das 
tägliche Brot auch im kommenden entscheidimgsvollm Jabr 
für unser Volk gesichert ist und damit eine wichtige Voraus- 
setzung für die ungeschwächte Kampf- und Arbeitskraft der 
Nation. 

Die Beantwortung dieser Frage muß von den 
Grundsätzen ausgehen, die seit mehr als einem 
Jahrzehnt der landwirtschaftlichen Erzeugung ihr Ge- 
präge geben und den Ablauf. der Nahrungsversorgung 
bestimmen. Sie muß darüber hinaus die Umstände 
berücksichtigen, die durch die Verlagerung der Fronten 
und den Verlust von landwirtschaftlichen Überschuß- 
gebieten EinfluB auf die Ernährungswirtschaft ge- 
winnen. 

Die deutsche Emährungspolitik hat zwei zentrale 
Grundsätze herausgestellt und mit allen wirkungs- 
vollen Mitteln gefördert: erstens den Bodenertrag auf 
ein Höchstmaß zu steigern und zweitens den ge- 
wonnenen Bodenertrag mit dem Ziel einer gesicherten 
Nahrungsversorgung rationell zu verwerten. Der 
Grundsatz einer nährwertmäßig rationellen Verwertung 
bedeutet nicht nur, den für die Brot-, Nährmittel-, 
Speisekartoffel- und 7. uckerversorgung notwendigen 
Anteil der Gesamtemte sicherzustellen, sondern be- 
deutet gleichzeitig, den verbleibenden Rest des Boden- 
ertrages mit dem Umfang der Viehhaltung abzu- 
stimmen und dabei diejenigen Nutzviehzweige zu 
bevorzugen, die für die Ermährungswirtschaft die 
wichtigsten und unentbehrlichsten Erzeugnisse liefern. 


Wir benötigen für die menschliche Ernährung nicht 


nur ein bestimmtes Maß an Kalorien, sondern eine 
gemischte Kost, an der die hochwertigen Nahrungs- 


mittel einen bestimmten Anteil möglichst nicht unter- 
schreiten sollen. Eine zu reichliche Bemessung der 
pflanzlichen Kost schmälert die Grundlage der Vich- 
haltung und damit die Fleisch- und Fetterzeugung, und 
umgekehrt kann ein im Verhältnis zur Gesamternte 
übersetzter Vichbestand die Brot- und Kartoffelver- 
sorgung in Gefahr bringen. Die näbrwertmaßig er- 
giebigste Ausnutzung und Verwertung der Ernte und Ein- 
Jubren ist daber für die Nahrungsversorgung von entschei- 
dender Bedeutung. 

Ausschlaggebend bleibt naturgemäß die Höhe des 
gewonnenen Bodenertrages als Grundlage und 
Ausgangspunktaller ernährungswirtschaftlichen Einzel- 
leistungen. Der Bodenertrag ist wiederum das Ergebnis 
des gewählten Kulturarten- und Anbauverhältnisses 
und der erzielten Hektarerträge. Die Nährstoflerträge, 
die unter sonst gleichen Verhältnissen von den ein- 
zelnen Fruchtarten je Flächeneinheit geliefert werden, 
sind bekanntlich sehr unterschiedlich. Obenan steht 
dabei der Hackfruchtbau, der mit seinen ergiebigsten 
Zweigen, dem Kartoffel-, Zuckerrüben- und Gemüse- 
bau, dem Getreidebau in der Nährstoffleistung je 
Flächeneinheit um ein Mehrfaches überlegen ist. Hack- 
früchte und Gremüse erfordern zwar zur Erzielung einer 
mittleren Ernte einen höheren Aufwand an Arbeit und 
Dünger als die Getreidearten und diese wiederum einen 
höheren als die Futterpflanzen, aber die zuerst ge- 
nannten Gruppen lohnen diesen Aufwand auch durch 
einen Ertragszuwachs, der erst bei einer viel höheren 
Aufwandsstufe abzufallen beginnt. Steigerung der Hektar- 
erträge und Intensivierung des Anbaus im Sinne einer Bevor- 
gung der fläcbenproduktiven Fruchterten sind daher die 
wichtigsten Hebel, den Nabrungsspielraum zu erweitern. 

Nichts bezcugt besser den Leistungswillen und 
Leistungserfolg der deutschen Landwirtschaft als die 
Tatsache, daß in den letzten acht Jahren vor Ausbruch 
des Krieges die deutsche Buttererzeugung, trotz des 
damals bereits erreichten hohen Intensitätsgrades, um 
fast 20 vH gesteigert wurde. Bei der Intensivierung 
des Fruchtbaus, die für den bisherigen reibungslosen 
Ablauf der Ermährung im Kriege nicht hoch genug 
eingeschätzt werden kann, haben verschiedene Maß- 
nahmen zusammengewirkt: auf Ausdehnung des Hack- 
frucht- und Gremüsebaus abgestellte Preisrelationen, 
ausreichende Nährstoffversorgung der Böden, wirkungs- 
volle Beratung in der Sortenwahl und im Saatgut - 
wechsel, Förderung der wirtschaftseigenen Futter- 
gewinnung und bessere technische Ausrüstung der 


349 


Betriebe, die es erleichtern, die bei umfangreichem 
Hackfruchtbau auftretenden jahreszeitlichen Arbeits- 
spitzen zu überwinden. 

Die deutsche Landwirtschaft hatte den Höchststand 
der pflanzlichen und tierischen Erzeugung, auch dank 
günstiger Witterungsverhältnisse, im Jahre 1939 er- 
reicht. Damals wurde eine Rekordernte an Getreide 
und Hackfrüchten eingebracht, die Rinder- und 
Schweinebestände waren voll aufgefüllt, und die Ge- 
treidevorräte ermöglichten einen Ausgleich zwischen 

. guten und schlechten Emtejahren. Die Zufuhren an 
Agrarprodukten aus dem Ausland betrugen etwa 
10 vH der Eigenerzeugung. Trotz zielbewußter Arbeit 
war die deutsche Speisefettversorgung bei dem da- 
maligen Stand des Verbrauchs, ebenso wie in fast allen 
mittel- und westeuropäischen Ländern, in starkem Maße 
von überseeischen Zufuhren abhängig geblieben. Aber 
in Anbetracht des erreichten Gesamtergebnisses gab es keine 
wirkungsvollere Ernäbrungspolitik, as den eingeschlagenen 
Weg anch im Kriege fortzusetzen und dabei die Anpassungen 
zu sollzieben, die durch den Ausfall der übersceischen Zu- 
[uhren unvermeidlich wurden. 

Da sich die Zahl der Verbraucher durch natürlichen 
Bevölkerungszuwachs, Rückwanderer, ausländische 
Zivilarbeiter und Kriegsgefangene wesentlich ver- 
mehrte und die gegenüber der Vorkriegszeit fehlenden 
Fettmengen durch höhere Zuteilungen von Brot und 
Kartoffeln ausgeglichen werden mußten, stellte sich 
ernährungsökonomisch die Aufgabe, den gestiegenen 
Direktverzehr an pflanzlichen Erzeugnissen durch Er- 
spamisse in der Futterwirtschaft auszugleichen. Dabei 
mußten naturgemäß diejenigen Nutzviehzweige die 
stärkste Einschränkung erfahren, die nach der Art ihrer 
Futteransprüche als Nahrungskonkurrenten des Men- 
schen zu werten sind, wie dies für die Schweinehaltung 

- zutrifft. Erna hrungs physiologisch bedeutete diese 
Umstellung eine weitgehende Wandlung der Kost- 
formen. Aber im ganzen kann gesagt werden, daß im 
volkswirtschaftlichen Durchschnitt, also unter 
Einschluß der Selbstversorger und der zulageberech- 
tigten Verbrauchergruppen, der Kaloriengehalt der 
täglichen Nahrung den Stand der Vorkriegszeit kaum 
unterschritten hat. 

Welche Wandlungen sich im einzelnen vollzogen 
haben, zeigt die folgende Übersicht: 


Tagesverzehr in Kalorien je Kopf 
im Durchschnitt der Bevölkerung 


Differenz 
1943/44 
gegen 

1938/39 


Restiegen in 


65% „„ „6 


556225256 „„ „„ „ „ „ 06 


DEE Zur Zur Zu Ber Be zur zur Zur Zr Er Zr re Zr u er 


Dieses Ergebnis konnte nur erreicht werden einmal 


durch planmäßige Anbaulenkung, straffe Bewirt- - 


schaftung und nährwertmäßig rationelle Verwertung 
der Ernte und Einfuhren und zum anderen durch 
den Übergang zu einer fleisch- und fettärmeren. Kost. 
Die stärkere Vegetabilisierung zeigt sich in dem An- 
stieg des Tagesverzehrs an Mehl, Nährmitteln und 
Kartoffeln. Der Mebrverzebr an diesen drei Haupimabrumngs- 
mitteln bat den Minderverzebr an Fleisch, Margarine und 
Schlachtfetien näabrwertmäßig reichlich ausgerlichen. 

Der mit der Änderung der Kostformen rückläufige 
Fettverbrauch betrug im volkswirtschaftlichen 
Durchschnitt zwar rd. 30 vH, war jedoch mit nur 
20 vH bei dem hochwertigen Butterfett wesentlich 
geringer als bei den weniger wertvollen Schlacht- und 
Pflanzenfetten. Die Umstellung der Ernährung auf 
stärkeren Direktverzehr an pflanzlichen Erzeugnissen 
führte zwangsläufig auch zu ciner Umstellung in der 
Futterwirtschaft und darüber hinaus zu einer Re- 
duktion der Viehhaltung. Bei der Neuabgrenzung 
der Viehbestände hat auch der Gesichtspunkt eine 
wesentliche Rolle gespielt, die Zahl der Milchkühe 


im Interesse der Versorgung mit hochwertigem Fett 


möglichst zu erhalten, zumal bei der Milchproduktion 
die mit dem Futter zugeführten Energien wesentlich 
günstiger ausgenutzt werden als bei der Fleisch- 
erzeugung. So erfordert ı Kalorie Rindfleisch etwa 
24 Kalorien, ı Kalorie Milch nur etwa 4 Kalorien und 
ı Kalorie Schweinefleiseh 6 Kalorien Futteraufwand. 
Hinzukommt, dal das Futfer der deutschen Rindvieh- 
haltung zu mehr als go vH aus Rauh- und Saftfutter 
besteht, also aus Futterstoflen, die der menschlichen 
Ernahrung nicht unmittelbar dienstbar gemacht werden 
können. Bei der Schweinehaltung liegen die Ver- 
hältnisse umgekehrt. Der Umfang der Schweinehaltung 
wird daher zwangsläufig durch die Menge der verfüg- 
baren Mastfuttermittel abgegrenzt, die nach Sicher- 
stellung des Getreide- und Kartoffelbedarfs für die 
menschliche Ernahrung und unter Berücksichtigung 
der Ansprüche der übrigen Zweige der Viehhaltung 
verbleiben. Das ist auch der Grund, warum der 
Schweinebestand im Verlauf des Krieges von 34 Schwei- 
nen je 100 Einwohner auf 19 zurückging, während der 
Rinderbestand keine Einbußen erlitt. Damit blieb 
auch, im Gegensatz zum ersten Weltkrieg, die Grund- 
lage der Stallmisterzeugung und der Bodenfruchtbarkeit 
ziemlich ungeschmälert. 

Der in der Tabelle und im Schaubild verzeichnete Pro- 
Kopf-Verbrauch bezieht sich auf den Durchschnitt 
der Gresamtbevölkerung. Diese Durchschnitts- 
sätze liegen natürlich höher als die Sätze der Normal- 
verbraucher, denen größere Beschränkungen auferlegı 
werden mußten. Aber die Abstufungen in der Ratio- 
nierung der Verbrauchergruppen werden allgemein 
als gerecht empfunden. Ein erheblicher Teil der 
Industriearbeiterschaft bezieht als Schwer- und Schwerst- 
arbeiter namhafte Zulagen, und die Ansprüche, die von 
den Soldaten und Selbstversorgern an das Gesamt- 
aufkommen gestellt werden, sind geringer als in anderen 
Lindern. Endlich ermöglichen die über dem Bedarf 
liegenden Rationssatze für Kinder einen Familien- 
ausgleich zugunsten der Erwachsenen. 


Tagesverzehr in Kalorien je Kopf 
Großdeutschland ohne been Ostgebiere 


geklammerte Zoltien = Gramm natural 


Kalorienwert der Nahrungsmittel 


00 


800 

9 
wo (58) 
200 


(27) 
0 


7942/43 


Eiweißgehalt der Nahrun Nahrungsmittel 


so Orren 


35 
1 
Si 


(dy 


7938/39 — “3 


351 


Ernährungsbilanz und Ernteergebnis 
1944 
Wenn die deutsche Ernährungswirtschaft bisher allen 
Belastungen des Krieges standzuhalten vermochte 
und dabei in den letzten Jahren auf eine auswärtige 
Zufuhr von etwa 10 vH der Eigenerzeugung zurück- 
greifen konnte, so drängt sich die Frage auf, wie anf 
Grund der diesjährigen Ernte die weitere Entwicklung der 
Ernäbrungslage zu beurteilen ist. 


Zunächst kann festgestellt werden, daß sich der pro- 


duktionspolitische Grundsatz, den Bodenertrag auf 
seinem hohen Stand zu halten, auch im letztjährigen 
Anbauplan, der die Grundlage der jetzt eingebrachten 
Ernte bildet, im wesentlichen durchsetzen ließ. Der 
Anbau von Ölfrüchten hat eine weitere Steigerung er- 
fahren, und die Gemüse- und Hackfruchtflächen konnten 
ihren alten Stand behaupten. Die diesjährige Getreide- 
ernte bleibt zwar nach den vorläufigen Schätzungen, 
namentlich bei Futtergetreide, hinter den letztjährigen 
Ergebnissen, die allerdings wesentlich über dem mehr- 
jährigen Durchschnitt lagen, um etwa ı0—ı5 vH 
zurück, aber dieser Minderertrag findet seinen Aus- 
gleich in einer gegenüber dem Vorjahr höheren Kar- 
toffelernte. Im ganzen wird man eine durchschnittliche 
Ernte verbuchen können, die in ihrem Gesamtertrag 
etwa die gleichen Nährstoffmengen liefert wie im abge- 
laufenen Ernährungsjahr. Demgegenüber werden die 
Lieferungen aus anderen Ländern, die bisher, wie be- 
reits gesagt, etwa 10 vH der deutschen Eigenerzeugung 
ausmachten, die letztjährige Höhe nicht erreichen. 
Hinzukommt, daß wiederum erhebliche Teile der 
Kartoffel- und Zuckerrübenernte für technische Zwecke 
abgezweigt werden müssen und damit der mensch- 
lichen Ernährung und Futterwirtschaft verlorengehen. 
Um diesen Verhältnissen Rechnung zu tragen, muß daber dem 
Grundsatz der böchsten nähbrwertmäßigen Ausnutzung der 
Gesamternte noch mebr als bisher Geltung verschafft werden. 

Dabei gebührt der gesicherten Versorgung mit 
Brotgetreide und Kartoffeln wie bisher der 
Vorrang. Beide Erzeugnisse, die in der täglichen 
Nahrungsration zwei Drittel des Kalorienbedarfs 
decken, können sich in der Versorgung je nach dem 
Ausfall der Emte wechselseitig ergänzen. Ebenso wie 
die knappe Versorgung mit Speisekartoffeln im letzten 
Jahr durch vermehrte Abgabe von Mehl bzw. Brot 
ausgeglichen wurde, so kann künftig, falls dies die 
Verhältnisse erfordern, ein kleiner Teil der Brotration 
von der Kartoffel übernommen werden. Jedenfalls ist 
die Brot- und Speisekartoffelversorgung auch im neuen 
Emährungsjahr unbedingt gesichert. 

Auch die Fettversorgung wird sich im sechsten 
Kriegsjahr in bewährten Bahnen abspielen. Die Butter- 
erzeugung hat sich im Kriege nicht nur gehalten, son- 
dern ist dank der Ablieferungsbereitschaft der deut- 
schen Landwirtschaft sogar gestiegen. Damit blieb der 
Grundstock der Speisefettversorgung bisher fest ge- 
gründet. Die durch den Rückgang der Schweine- 
bestände verringerte Schlachtfetterzeugung kam durch 
den schrittweise erweiterten deutschen Ölfruchtar bau 
voll zum Ausgleich. Dagegen mußten die fehlenden 
überseeischen Zufuhren, die nur zu einem geringen 


352 


Teil durch Anlieferungen aus dem europäischen Raum 
ersetzt wurden, vom Konsum getragen werden, Das 
die diesjährige Ölfruchternte etwa den letztjährigen 
Ertrag sichert und auch die Futtergrundlage der Rind- 
viehhaltung bei unveränderter Zahl der Milchkühe 
keine wesentlichen Veränderungen erfährt, wird die 
Butter- und Margarincerzeugung, die fast zwei Drittel 
des Bedarfs deckt, voraussichtlich den alten Stand er- 
reichen. Dagegen hängt der Umfang der Schlachtfett- 
erzeugung in weitgehendem Maße davon ab, welchen 
Ausmästungsgrad der Schlachtschweine die nach Er- 
füllung der Getreide- und Kartotfelablieferungs- 
kontingente in den Betrieben verbleibenden Futter- 
mengen zulassen. Ebenso wie Getreide und Kar- 
toffeln können auch Fleisch und Fett sich innerhalb 
gewisser Grenzen vertreten, ohne daß Kostform und 
Kaloriengehalt wesentliche Veränderungen. erfahren. 
Im jahreszeitlichen Ablauf der Produktion zeigt der 
Fleisch- und Fettanfall häufig entgegen- 
gesetzte Tendenzen. Während die Milcherzeugung 
in den Herbst- und Wintermonaten regelmäßig absinkt, 
steigt nach beendeter Weidezeit und Hackfruchternte 
der Marktauftrieb an Rindern und Schweinen erheblich. 
Diese Schwankungen haben sich im Laufe des Krieges 
durch den Mangel an käuflichen Kraftfuttermitteln 
wesentlich verstarkt. Da der Vorratsbaltung d- 
läufig Grenzen gesetzt sind, ist es schon aus diesem. Grunde 
unvermeidlich, die Fleisch- und Feitzuteilung zeitweise inner- 
balb bestimmter Grenzen auszutauschen. 

Die größten Schwierigkeiten sind im sechsten 
Kriegsjahr zweifellos auf dem Gebiet der Futter- 
wirtschaft zu überwirden. Diese Schwierigkeiten 
sind zunächst betriebs wirtschaftlicher Art und daher in 
den Einzelbetrieben zu lösen. Für die Ernährungs 
wirtschaft gewinnen sie insofern gewisse Bedeutung, 
als die durch den Futtervorrat begrenzte Mastschweine- 
erzeugung auch die Fleisch- und Fettversorgung beein- 
flußt. Dabei ist jedoch zu betonen, daß die Rindvieh- 
haltung für beide Erzeugnisse den wesentlichsten 
Grundstock liefert und Schweinefleisch und Schlacht- 
fette nur ergänzende Bedeutung haben. Außerdem ist 
hervorzuheben, daß bei dem vorhandenen Schweine 
bestand die Zahl der Schlachtungen nicht zurückgeht, 
sondern voraussichtlich sogar über dem letztjährigen 
Ergebnis liegen wird. Es handelt sich also nur um den 
Ausmästungsgrad und die dadurch bedingten 
Schlachtgewichte, die wiederum den Anfall von Fleisch 
und abtrennbaren Fetten bestimmen. Je mehr es in den 
Einzelbetrieben gelingt, durch sorgfältige Furtervoran- 
schlage die anfallenden Futterstofle nach dem Gesichts- 
punkt des höchsten Wirkungsgrades bei der tierischen 
Produktion einzusetzen, um so geringere Einbußen 
wird die Schweinemast erleiden und um so sicherer 
werden sich die Lieferkontingente abdecken lassen. 

Im ganzen wird die Futterversorgungslage durch die 
Tatsache bestimmt, daß die der Landwirtschaft nach 


Erfüllung der Getreide- und Kartoffelablieferungr 


pflicht zur Verfügung stehenden Kraftfutt ermengen 
hinter den Vorräten des Vorjahres zurückbleiben. Der 
Grund hierfür liegt einmal in der geringeren Futter- 
getreideernte und zum anderen in dem höheren Bedarf 
der Wehrmacht, der bisher zu einem wesentlichen Teil 


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Alle Zugkräfte werden für die Erntebergung benötigt — Arbeitsmaiden helfen beim Laden von Winterweizen 


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Politische Leiter benutzen ihre Freizeit zur Erntehilfe — Bei der Apfelernte wird die Arbeit zum Vergnügen — Der alleinstehenden Bäuerin 
sind die beiden frisch zupackenden Arbeitsmaiden eine unentbehrliche Hilfe 


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Die Betriebsgemeinschaft einer Fabrik hilft sonntags beim Flachsraufen — Auch für die älteren Schülerinnen bieten sich zahlreiche 
Hilfsmöglichkeiten: Unter Anleitung des Lehrers bei der Maisernte 


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aus den besetzten Gebieten befriedigt werden konnte, 
nunmehr aber in größerem Umfange von der heimi- 
schen Landwirtschaft aufzubringen ist. Hinzukommt, 
daß die für technische Zwecke aus der Kartoffel- und 
Zuckerrübenernte abzuzweigenden Mengen in der 
Haup@sche ebenfalls zu Lasten der Futterwirtschaft 
gehen. Wie alljäbrlich, so stellt sich auch jetzt wieder die 
Aufgabe, nach Sicherstellung der Brot- und Kartoffeiver- 
sorgung den Umfang der tierischen Produktion mit der ver- 
bleibenden Futtergrundlage in Übereinstimmung ⁊ bringen 
und die Futtermengen so zu verteilen, daß damit ein Höchst- 
maß von tierischen Erzeugnissen für die Ernährung gewonnen 
wird, 

Aus den verfügbaren Kraftfuttermengen sind zu- 
nächst die Spanntiere zu versorgen. Wenn auch 
bei verknappter Treibstoffzuteilung wieder schwere 
Transport- und Bodenkulturarbeiten in verstärktem 
Maße von den tierischen Zugkräften übernommen 
werden müssen, so kann es doch keinem Zweifel unter- 
liegen, daß in der Pferdefütterung während der arbeits- 
ärmeren Zeit noch erhebliche Einsparungen möglich 
sind, die für die Nutzviehhaltung freigesetzt werden 
können. Nach Abdeckung des F der Zug- 
tiere sind der Rindviehhaltung als dem wichtigsten 
Zweig der Fetterzeugung die erforderlichen Kraft- 

zuzuweisen. Wie bereits hervorgehoben, 
besteht das Futter der deutschen Rindvichhaltung zu 
mehr als 90 vH aus Rauh- und Saftfutterstoffen und 
nur zu 10 vH aus Kraftfutter. Die Kraftfuttergaben 
als Ergänzung der Futterration haben vornehmlich die 
Aufgabe, das Grundfutter zu einer höheren Aus- 
nutzung zu bringen. Sie können also bei der Milch- 
erzeugung mit besonderem Nutzen, d. h. mit einem 
nährwertmäßigen Erfolg eingesetzt werden, der bei 
den übrigen Nutzviehzweigen nicht zu erreichen ist. 

Der nach Abzug des Pferde- und Rindviehfutters 
verbleibende Rest bildet die Grundlage der Schweine- 
und Geflügelhaltung. Handelt es sich um Kraftfutter- 
mittel, die wahlweise sowohl der Schweinemast als 
auch der Getlügelhaltung zugewiesen werden können, 
dann gebührt der Schweinemast im Interesse der 
Fleisch- und Fettversorgung der Vorrang. Wenn auch 
durch die Kleintier verordnung die krassesten Aus- 
wüchse auf diesem Gebiet beseitigt sind, so kann es 
doch keinem Zweifel unterliegen, daß auch bei dem 
gegenwärtigen Umfang der Geflügelbestände noch mehr 
als 1 Mill. t Getreidewert von der Kleintierhaltung in 
Anspruch genommen werden. Dabei handelt es sich 
nicht um absolutes Geflügelfutter im engeren 
Sinne, also um Futterstoffe, die ohne Geflügelhaltung 
nicht ausgenutzt würden, sondern zu einem wesent- 
lichen Teil um Futtermittel, die auch für die Schweine- 
mast geeignet sind. Da es um die entscheidende 
Frage geht, dem deutschen Volk die Fleisch- 
und Fettversorgung in dem hisherigen Um- 
fange möglichst zu sichern, müssen diesem 


Ziel alle übrigen Wünsche und Maßnahmen 


untergeordnet werden, gleichgültig, ob es sich 
um das Ausmaß der Herstellung von Genußmitteln und 
Getränken oder um eine angemessene, d. h. auf den 
Umfang des absoluten Geflügelfurters abgestellte 
Abgrenzung der Geflügelhaltung handelt. Eine solche 


Lenkung des Futtereinsatzes verschafft dem ernährungs- 
ökonomischen Grundsatz Geltung, durch sinnvolles 
organisatorisches Zusammenwirken der Hauptnutz- 
viehzweige aus einer gegebenen Futtergrundlage die 
höchstmögliche Menge an tierischen Erzeugnissen zu 
gewinnen. Auf dem Gebiet der Futterwirtschaft ist 
organisatorisch in der Masse der Betriebe noch viel 
Arbeit zu leisten. Die weitreichende Bedeutung dieser 
Fragen ergibt sich schon aus der Tatsache, daß trotz 
der erzwungenen Einengung der Futterwirtschaft auch 
heute noch zwei Drittel des deutschen Boden- 
ertrages über die Vichhaltung verwertet 
werden. 

Die deutsche Landwirtschaft kann am Erntedanktag 
mit Befriedigung auf die Arbeit des abgelaufenen Jahres 
zurückblicken, denn trotz aller Schwierigkeiten und 
trotz der eingetretenen Gebietsverluste ist auch im 
sechsten Kriegsjahr die Versorgung mit den wichtigsten 
Grundnahrungsmitteln, die mehr als go vH des 
Kalorienbedarfs decken, gesichert. Wenn einmal die 
Wirtschaftsgeschichte dieses Krieges geschrieben wird, 
dann wird man für das deutsche Landvolk feststellen 
dürfen, daß es die Tragweite seiner Aufgaben erkannte, 
indem es den gesetzten Erzeugungszielen unbeirrt zu- 
‘strebte und auch die Ablieferungspflicht gegenüber 
dem Volksganzen vorbildlich erfüllte. 


Richtlinien für die nächstjährige Anbau- 
gestaltung 


Es liegt im Wesen bäuerlicher Arbeit, daß bereits zu 
einer Zeit, in der die Ernte noch nicht voll geborgen ist, 
die neuen Planungen beginnen müssen. Mit der Herbst: 
aussaat und den Vorbereitungen für die Frühjahrs- 
bestellung wird der organisstorische Rahmen für die 
kommende Ernte festgelegt, der dann durch die tägliche 
Arbeit jm įm Laufe des Jahres mit Leistungen zu erfüllen 
ist. Über der planenden Arbeit muß als Motto die Erkenntnis 
stehen, daß die Ernährung unseres Volkes noch mebr, als dies 
bisher schon der Fall war, auf den Schultern der deutschen 
Landwirtschaft rubt. 

Daraus folgt, daß die bisherigen Richtlinien 
für die Anbaugestaltung unverändert Gel- 
tung behalten: Aufrechterhaltung der Anbauflächen 
für Brotgetreide, Ölfrüchte, Zuckerrüben und Gemüse, 
Verstärkung des Kartoffel- und Hülsenfruchtanbaus und 
Gewinnung der wirtschaftseigenen Futtermittel von 
möglichst kleinen Flächen. Nachdem in den letzten 
Jahren der Futteranbau an Ausdehnung gewonnen hat, 
verdient gerade die zuletzt genannte Forderung be- 
sondere Beachtung, denn jede Ausdehnung der Futter- 
gewinnung in Form des Hauptfruchtanbaues ist zwangs- 
läufig mit einem Flächenverlust für die Nährfrüchte 
verbunden. Es ist nicht zu leugnen, daß der Erreichung 
der gesteckten Anbauziele viele Schwierigkeiten ent- 
gegenstehen, denn es ist sicher, daß die Treibstoffver- 
sorgung äußerst knapp bleiben wird und Handels- 
düngemittel, namentlich Stickstoffdünger, in dem 
letztjährigen Umfange nicht zur Verfügung stehen. 
Es gilt also, durch eine zweckmäßige Fruchtfolge und 


353 


durch sorgfältige Stallmist- und Bodenpflege die Nähr- 
stoffmengen zu mobilisieren, die in der Zufuhr von 
außen ausfallen. 


Die Bedeutung der Fruchtfolge 


Das Kernstück der Organisation der Boden- 
nutzung bildet die Fruchtfolge. In ihr sind drei 
Fragenkreise eng miteinander verflochten: die bio- 
logischen und anbautechnischen Fragen der zweck- 


mäßigen Aufeinanderfolge der Früchte, die Fragen des 


zweckmäßigen Anbauverhältnisses im Hinblick auf den 
Arbeitsablauf und die Versorgung mit Futter und Stall- 
dünger und endlich die Fragen der Anpassung der 
Fruchtfolge an die gegebenen örtlichen Verhältnisse. 
Das Fruchtwechselprinzip gründet sich auf die Er- 
kenntnis, daß die einzelnen Fruchtarten an die bio- 
logischen, physikalischen, chemischen und sonstigen 
Eigenschaften des Bodens sehr unterschiedliche An- 
sprüche stellen und daß auch die Beschaffenheit, in 
welcher die Pflanzen den Boden nach der Emte 
zurücklassen, sehr verschieden ist. Die Nährstoff- 
vorräte und sonstigen Fruchtbarkeitsbedingungen 
lassen sich also nur durch eine Gruppe von Pflanzen 
ausnutzen, die sich nach den verschiedensten Richtun- 
gen ergänzen. Die Tiefwurzler (Hackfrüchte und Öl- 
saaten) müssen aus dem Untergrunde das heraufholen, 
was die Flachwurzler (Getreide) nicht erreichen 
konnten. Die Leguminosen haben nicht nur die Auf- 
gabe, die schwerlöslichen Nährstoffe des Bodens aufzu- 
schließen, sondern sie sammeln den freien Stickstoff 
der Luft, um diesen zusammen mit den in den Wurzel- 
rückständen gebundenen Stickstoffmengen den nach- 
folgenden Früchten zur Verfügung zu stellen. Die 
einen Kulturpflanzen liefern Humusstoffe, mit deren 
Hilfe die physikalische Bodenbeschafſenheit, insbe- 
sondere die wasserhaltende Kraft des Bodens ver- 
bessert wird, damit die anderen diese ohne dauernde 
Schädigung der Ertragsfähigkeit wieder verschlechtern 
können; die einen beschatten und mürben den Boden 
mehr, erhalten und fördern also den Garezustand, 
‚während die anderen ihn leicht verkrusten; die einen 
brauchen die Mineralstoffe mehr in diesem Verhältnis, 
sind z. B. kalkflichend, die anderen mehr in jenem, sind 
z.B. kalksuchend. Die zu siner Fruchtfolge vereinigten 
Kulturpflanzen bilden also eine Genossenschaft mit verteilten 
Rollen, sowohl bezüglich der Ausnutzung der Näbrstoff- 
rorräte des Bodens als auch im Hinblick auf die jabreszeit- 
liche Inanspruchnahme der Arbeitskräfte und technischen 
Einrichtungen der Betriebe. 

Wenn man versucht, für die verschiedenen Eigen- 
schaften der Kulturpflanzen bezüglich der Leistung 
ihres Wurzelsystems, der Nährstoffansprüche, der 
Bodenbeschattung, der Gareförderung usw. einen 
gemeinsamen Ausdruck zu finden, dann ist eine Unter- 
scheidung zwischen bodenanreichernden, boden- 
schonenden und bodenangreifenden Fruchtarten 


354 


betriebswirtschaftlich besonders aufschlußreich und für 
die Gestaltung der Fruchtfolge richtungweisend. Die 
Leguminosen können wir ausnahmslos — wenn auch 
mit Abstufung --- zu den bodenanreichernden Früchten 
zählen. Auch die meisten Hackfrüchte und Gemüse- 
arten gehören hierher, namentlich Kartoffeln und ver- 
schiedene Kohlarten, während die Zuckerrübe erst in 
weiterem Abstand folgt. Die Getreidearten zählen 
dagegen zu den bodenangreifenden Kulturpflanzen. 
Hier muß allerdings zwischen Weizen und Gerste auf 
der einen Seite und Roggen und Hafer auf der anderen 
Seite unterschieden werden. Dem Roggen kann man 
in Anbetracht seiner geringeren Nährstoffansprüche 
sogar. eine gewisse bodenschonende Wirkung zu- 
sprechen. 

Leguminosen, Hackfrüchte und die meisten Öl- 
früchte werden unter dem Namen Blattfrüchte 
zusammengefaßt und den Getreidearten als Halm- 
früchten gegenübergestellt. Die biologischen und 
anbautechnischen Aufgaben der Fruchtfolge werden 
am vollkommensten erfüllt, wenn Blattfrüchte und 
Halmfrüchte regelmäßig miteinander wechseln. Dieser 
Grundsatz des Fruchtwechsels ist allerdings nicht unter 
allen Verhältnissen durchführber, da bei der Wahl der 
Fruchtfolge auch arbeitswirtschaftliche Gesichtspunkte 
eine wesentliche Rolle spielen und aus ermährungs- 
wirtschaftlichen Gründen der Getreideanbau einen be- 
stimmten Umfang nicht unterschreiten darf. Wohl 
aber läßt sich in vielen Betrieben auch ohne Änderung 
des Fruchtartenverhältnisses oder aber durch stärkere 
Einschaltung des Hülsenfrucht- und Hülsenfrucht- 
gemengeanbaus die Folge der Früchte so gestalten, daß 
sich auch bei geringerer Zufuhr von Handelsdünge- 
mitteln die Ertragseinbußen in tragbaren Grenzen 
halten. 

In früberen Jahrzehnten bat das betriebswirtschaftlicht 
Denken über die Probleme der Frucbtfoige in Wissenschaft 
und Praxis eius zentrale Rolle gespielt. Erst mit der nm 
schen technischen Entwicklung und der rasch enwachsenden 
Versorgung mit preiswerten mineralischen Dünzemittehn, die 
der Intensivierung der Bodenuntzung und der Steigerung der 
Erträge einen storken Impuls verlieben, sind viele bewährte 
Gramdsaize der Fruchtfolge in l ergessenbeit geraten. Sie 
müssen mmmebr wieder yum tragenden Laune der Organi- 
sation der pangen Bodenwirtschaft werden. Das ist die Anf- 
gabe, die mit den bisherigen produktienspolitischen Zielen 
barmonisch zu vereinigen und enzustreben ist. 

Das deutsche Landvolk beginnt das neue Wirt- 
schaftsjahr in der Erkenntnis, daß die zu bewältigenden 
Aufgaben noch größer und schwerer sind als bisber. 
Aber es geht in dem Bewußtsein ans Werk, daß nsch 
dem Wort von Clausewitz der Krieg nicht nur ent- 
schieden wird durch die Wucht der Waffen und durch 
den Geist, mit dem die Waffen geführt werden, sondern 
ebenso durch die moralische und physische Arbeits- 
und. Widerstandskraft des ganzen Volkes. Eine der 
wichtigsten Quellen, aus denen diese Kräfte gespeist 
werden, ist eine leistungsfähige Ernährungswirtschaft. 


2 Me _. 


K 


CURT STROHME YER 


Mensch oder Mähdrescher? 


wei Symptome kennzeichnen derzeitig die Fragen 

des deutschen Bauerntums nach der Richtung hin, 
die auch den Laien interessiert: Zum einen hört man 
kaum noch Schlagworte mehr, die das Bauerntum mit 
dem Nimbus einer falschen und vor allem von allen 
Landfremden mißverstandenen Romantik umgaben, 
und zum andern hat es den Anschein, als wäre gegen- 
über früher vertretenen Aufgaben des Bauerntums jetzt 
die allein wichtige und entscheidende geblieben, daß 
nämlich der Bauer Nahrung zu erzeugen hat und damit 
in erster Linie seiner Aufgabe am deutschen Volk 
gerecht wird. Alles übrige ist nebensächlich. 

Über die erste Erscheinung kann man sich freuen. 
Es hat keinen Zweck, ein brennendes Problem mit 
schönen Worten zu verbrämen, und es hat erst recht 
keinen Zweck, wirkliche Aufgaben und sehr ernste 
Erscheinungen in volltönende Opernakkorde zu über- 
setzen, die der Verhimmelung eines Standes nahe- 
kommen, dessen Nöte und Sorgen und dessen wahrer 
Lebensanspruch, vor allem aber dessen notwendige 
Funktion im Volkskörper besser mit rauhen und 
wirklichkeitsnahen Worten gesagt werden. 

Das zweite Symptom ist falsch, weil der Krieg hier 
ein Bild geschaffen hat, das der Wahrheit nicht ent- 
spricht. Denn wenn das Bauerntum auch im Augen- 
blick in erster Linie der Erzeugung von Nahrung für 
das deutsche Volk dient, wenn dieser kategorische 
Imperativ des Krieges alle andern Aufgaben des Bauern 
zurücktreten läßt, so soll er doch selbst nicht ver- 


gessen, daß diese Notwendigkeit derzeitig auch seiner 


eigenen Erhaltung dient. Der verlorene Krieg würde 
das Dasein des deutschen Bauerntums ebenso beenden, 
wie das deutsche Dasein überhaupt beendet würde. 
Damit hat es den Anschein, als träten die Lebensfragen 
des Bauerntums hinter der vorherrschenden Nahrungs- 
sorge zurück; doch in der Tat gibt es Sorgen — etwa 
die der verwaisten Höfe durch hohe Verluste, die des 
Nachwuchses, die der Unterwanderung durch Fremd- 
stämmige und viele andere —, die auch jetzt schon 
gebieterisch ihrer Lösung harren. Und trotz aller 
Mühen müssen wir auch zur Lösung solcher Fragen 
noch die Zeit und den Mut aufbringen. Denn alle 
Fragen des Bauerntums sind reale Fragen. Jede Ver- 
machlässigung einer bäuerlichen Frage wirkt sich umweiger- 
lich heute oder später auf den Gesamtorganisuns des dent- 
schen Volkes aus. Erkennen wir nicht diese Konzeptionen, 
dann ist das Ende des Bt und damit des deutschen 
Volkes nabe. 

Es hat nie Sinn gehabt, um den Kern der Dinge 
herumzureden. Seit der Industrialisierung Deutsch- 
lands sind in der bäuerlichen Politik Fehler gemacht 
worden, die nicht mit halben Maßnahmen beseitigt 


werden können. Es ist darum such dem Ernst des 
Problems kaum gerecht, wenn wir etwa heute uns 
lediglich unter dem behaglich sonnen würden, was 
in den letzten zehn Jahren für das Bauerntum getan 
ist, und darüber vergessen würden, welches gewaltige 
Maß von Arbeit noch zu tun übrigbleibt. Das, was 
getan wurde, ist in Wahrheit der primitive Anfang 
einer Entwicklung, die bedauerlicherweise durch den 
Krieg unterbrochen wurde. Vielleicht kann man aber 
auch sagen, daß der Krieg mindestens insofern vorteil- 
haft gewirkt hat, als er gerade die Probleme des Bauern- 
tums mit einer Realität aufwarf, die der Friede niemals 
gezeigt hätte. So hat der Krieg zum Beispiel die kata- 
strophalen Folgen der Abwanderung vom Lande 
mit einer Aufdringlichkeit gezeigt, die selbst solchen 
Politikern zu denken gibt, deren Herz ganz einseitig 
an den rauchenden Schlöten unserer Städte hängt. Der 
Friede nämlich vermochte die schleichenden Schäden 
draußen auf dem Lande noch hinter einem dahin- 
ratternden Mähdrescher zu verbergen. Der Krieg 
versucht das nicht mehr. Er fragt nach dem Men- 
schen. Er fragt danach, wo Ersatz für das Blut ist, 
das an den Fronten verströmte und .nun als ewiger 
Quell vom Lande wieder nach dem Herzen Deutsch- 
lands fließen soll. Der Krieg erklärt klipp und klar, daf 
wir nicht nur Mähdrescher, sondern vor allem Menschen 
brauchen. 

Diese Tatsache wurde mir. eines Tages besonders 
eindringlich bewußt, als ich die Söhne ostmärkischer 
Bauern in der lappischen Tundra in ihren Unterständen 
und im Kampf erlebte. Denn als ich Jahre vorher 
immer wieder auf den Berghöfen der Alpen war, als 
damals viel über die Frage der Rentabilität dieser Höfe 
diskutiert wurde, als man meinte, daß es vielleicht 
besser sei, diese Höfe aufzuforsten oder zu Mietalmen 
zu machen und den Bergbauern bessere Existenzmög- 
lichkeiten auf „gesunden“ Höfen zu geben, da habe 
ich mir immer wieder gesagt, daß schließlich die Berg- 
bauern hierüber schon längst entschieden hätten; denn 
wenn sie selbst dieser Meinung wären, dann wären 
sie wohl auch schon von selbst abgewandert. Ich hielt 
mich auch als ein Sohn der norddeutschen Scholle für 
einen Richter sine ira et studio. Aber ich hatte doch 
immerhin dies erlebt: Auf einem Bergbauernhof un- 
weit Neumarkt in Steiermark errechnete ich mir für 
den Bauern bei einer Hofgröße von 250 Tagewerk ein- 
schließlich Wald, Alm und Ackerfläche einen Jahres- 
umsatz von brutto 800 Mark in der Schuschnigg-Zeit. 
Mögen da nun auch kaum beträchtliche Abzüge sein, 
mögen also immerhin 400 Mark als Reinertrag bleiben, 
so umfaßte doch die Familie des Bauern außer der 
Magd und einem vierzehnjährigen Burschen sieben 


355 


Personen einschließlich der Altmurter und vier kleiner 
Kinder, die recht gesund und sauber angezogen 
waren. Auf andern Höfen war die Kinderzahl noch 
wesentlich größer, die Gesundheit die gleiche, der 
Nettoertrag oft noch geringer, besonders dort, wo 
keine Ackerfläche mehr war und mithin Brotgetreide, 
Kraftfutter und Rohleinen für die Kleidung gekauft 
werden mußten. Die Familien sitzen seit vielen Gene- 
rationen auf den Höfen. Ihr Gesichtskreis ist weiter 
und aufgeschlossener trotz aller Einsamkeit als der 
vieler reicher Talbewohner, die Jungens wie die 
Mädels sind stark, mutig, konsequent, energisch und 
zielsicher. Der weite Horizont ihrer Höhe gibt ihnen 
das innere Gleichmaß der charakterlichen Kräfte; die 
Auseinandersetzung mit dem Berg, mit Wind und 
Wetter schafft die Verantwortungsfreudigkeit an der 
Aufgabe. Diese Tatsachen wurden mir aber, wie ge- 
sagt, erst an der Tundrafront wirklich bewußt. Hier 
nämlich zeigte sich, was durch keinen noch so gut 
arbeitenden Mähdrescher zu vertuschen ist: Vor 
allem steht der Mensch. Das Leben eines Volkes 
stellt immer wieder an seine Menschen die Frage, ob 
sie sich bewähren. Ihre Bewährung macht überhaupt 
erst das Leben des Volkes! 

Ostmärkische Bergbauern haben an der Tundrafront 
gezeigt, was die Berge sie lehrten, was Zucht und Sitte 
der Bergbauern ibnen mit ins Blut und damit ins 
Handeln gegeben hatten. Sie brauchten kaum die 
Finnen als Lehrmeister, sie waren im Gegenteil sehr 
oft Lehrmeister der Finnen. Sie bekamen weder 
Komplexe vor der Eintönigkeit der Landschaft, der 
Stille des Urwalds im Plußtal, der Widrigkeit der 
Witterung oder der langen Winternacht, sie behaupte- 
ten sich vielmehr gegen alle diese nervenzchrenden 
Kräfte genau so wie gegen den Feind von Osten. Sie 
hatten dafür von daheim das Gleichmaß ihrer Kräfte, 
die Unerschütterlichkeit ihrer Seele, die Gelassenheit 
ihres Gemüts. Wenn ich beim flackernden Feuer mit 
diesen harten Söhnen Tirols und Kärntens oder Steier- 
marks zusammensaß, wenn ich ihren Liedern zuhörte, 
während draußen der Sturm der Tundra sein grausiges 
eisiges Lied heulte, dann stiegen vor meinen Augen 
die einsamen Berghöfe im Lesachtal, an der Enns oder 
in Montafon auf, dann hörte ich die Glocken der Alm- 
kühe, dann hörte ich die fröhlichen Kinderstimmen, 
und ich sah den Mäher am Steilhang, wie er nach, dem 
schöngeschnitzten Köcher langte, um seine Sense zu 
wetzen! ` e 

Nichts Verdorbenes war an diesen jungen Män- 
nern. Die Beweglichkeit ihres Geistes war von einer 
gesunden Philosophie bestimmt, wie sie die Freiheit 
der Berge den schweigsamen Menschen lehrt, und ihre 
Geradheit atmete etwas von einem erstrebenswerten 
menschlichen Ziel: die Vereinigung einer wahren, 
gesunden und immer logischen Natur mit unver- 
schlacktem menschlichem Denken. In jedem Falle aber 
schien mir von diesem Augenblick an noch mehr als 
je die Unsinnigkeit nahezugehen, das bäuerliche Pro- 
blem etwa unter dem Gesichtswinkel eines Mäh- 
dreschers zu lösen. 

Wenn wir nämlich heute der Meinung sein sollten, 
daß der Mähdrescher oder überhaupt die Maschine 


356 


ein Ersatz für bäuerliche Kräfte ist, dann wäre der 
alles abtötende Zeitpunkt nahe, daß wir uns nicht mehr 
mit diesen Fragen zu beschäftigen brauchen. Es ist he- 
dauerlich genug, daß in vergangenen Jahrzehnten die 
Maschine an die Stelle abgewanderter Menschenkräfte 
vom Lande treten mußte, an die Stelle jener Millionen, 
die heute dem flachen Lande so bitter nötig fehlen, an 
die Stelle der Bauernsöhne, Handwerker, Landarbeiter, 
Mägde und Knechte. Denn alle sie vereinen sich im 
Bauernrum, sie haben digselben biologischen und see- 
lischen Kräfte. In abrbeis nämlich mußte die Maschine 
der Intensivierung der deutschen 1endwirtschaft dienen, der 
deutschen Nabrungsantarkie, nicht aber dem Ersatz von 
Menschen. 

Auch der menschlichen Arbeit am Acker sind Gren- 
zen gesetzt. Selbst das Pferd ist kein geeignetes Ge- 
spanntier für einen Untergrundhaken. Da macht vieles 
der Schlepper weit besser. Jede Rückständigkeit ist 
Unsinn: Der mechanische Drescher schafft mehr und 
bessere Arbeit als der Dreschflegel, und unzählige 
Maschinen ersetzen zermürbenden Krafteinsatz, der 
allzu früh des Menschen Rücken beugte. Aber dieser 
ganze umfassende Einsatz schaltete im Grunde ge- 
nommen nicht eine einzige menschliche Arbeitskraft 
aus, er erhöhte im Gegenteil die Leistung, er ver- 
größerte mithin auch den Ertrag und rechtfertigte 
sich damit von selbst. In der Tat hat sich die ab- 
wandernde menschliche Arbeitskraft auf dem Lande 
selbst ausgeschaltet. Siewarder Wahnidee der Ver- 
farmung verfallen, sie verglich Lohn und Benzin- 
kosten, sie verglich städtische und ländliche Löhne, das 
Kino mit der ländlichen Gastwirtschaft, die Flitter- 
fahne mit dem Beiderwandkleid und fiel auf den 
Kitsch und den Scheinverdienst, den die Großstadt 
sofort wieder auffraß, allzu leicht herein. Dies ist die 
Perspektive des Mähdreschers, der Maschine. 
Es ist lächerlich, einen Sturm gegen sie zu entfesseln, 
richtig aber ist es, den Ausgleich der Seele und des 
Geistes mit ihr zu suchen, damit wir ihr Herr bleiben 
und sie nicht Herr über uns wird! 

Man ist nun offenbar versucht, den Bergbauern 
unter dem Blickwinkel des Mähdreschers zu betrach- 
ten und in diesem Zusammenhang die Frage nach 
seiner Existenzinöglichkeit zu stellen. Wir leben ja 
im Zeitalter des technischen Fortschritts, und so 
meint man, in einem Augenblick, wo man geflügelte 
Bomben nach London schießt, hat ein Bauer, der auf 
dem Rücken vom Berge sein karges Heu tragen muß, 
bessere Verwendung als jene, einen unrentablen Hof 
zu bewirtschaften. Sein ewiger Kampf gegen Stein 
und Vermurung sei nutzlos: Das machen zwei Milliar- 
den Fichten in diesem Gebiet viel’ besser, sein Brot sei 
zu hart, seine Leistung, am Lohn gemessen, zu hoch, 
sein Leben das eines Hundes. 

Es ist indessen unwahrscheinlich, daß viele Berg- 
bauern ihren Hof gegen einen solchen in der Börde mit 
Mähdrescher und Rübenheber umtauschen würden. 
Sie wollen eigenartigerweise, aber Gott sei Dank, dort 
bleiben, wo sie sind. Betrachtet man sie nun einmal 


nicht über den Blickwinkel des Mäbdreschers, sondern · 


über den der Bergbauernsöhne, die an der Tundrafront 
ihren Mann standen, dann gewinnt das * 


* 


d 
d 
1 


a — —— 


Ma. 


tum ein ganz anderes Aussehen. Es ist kein Problem 
der Maschine, es ist ein Problem des Menschen. 
Wo wollen wir denn in Hinkunft die genialen Pioniere 
der Maschine hernehmen, wenn nicht auch die Berg- 
bauern ihr gesundes Blut dazugeben? Und sie brau- 
chen nun einmal, sollen sie dem deutschen Volk weiter- 
hin unzählige Söhne ähnlich denen der Tundrakämpfer, 
der stillen Helden, und dazu wagemutige Pioniere auf 
allen Gebieten schenken, ihre Berge, ihre hohen Höfe. 
Sie reden weder mit aufgeschlagenen Augen von edlen 
Pflichten, die sie erfüllen wollen oder müssen, noch 
wollen sie, daß man ihnen das Leben allzu leicht 
macht, noch daß man an ihren Gürteln die goldgefüll- 
ten Katzen sammelt, sie wollen nichts als schlichte 
Bergbauern bleiben und im Rahmen des gesamt- 
deutschen Bauerntums ihnen gemäße Aufgaben zu- 
gewiesen bekommen: eine hochstehende Viehzucht, 


- Käserei, Almwirtschaft. Sie wollen Künstler des 


Holzes und der Wohnkultur bleiben und ihre Höfe 
als autarke kleine Zellen halten, sie wollen ihren Gams- 
bock schießen und am Abend die Zither spielen, sie 
wollen einen Extragroschen bei der Holzabtrift ver- 
dienen und sorgenvoll den Lawinenhang hinauf- 
schauen, sie wollen wohl eine Güllestätte und einen 
neuen Viehstall, auch eine Drahtseilbahn und ein 
Radio, aber sie wollen nun einmal keinen Mähdrescher, 
denn der Mähdrescher könnte sie auf den Gedanken 
bringen, daß man Kinder nun in großer Zahl nicht 
mehr braucht, weil ja die Maschine deren Arbeit gleich 
mitmacht. | 

Daß eine derartige Diskussion überhaupt möglich ist, 
beweist im übrigen, wie wenig wir auch auf dem länd- 
lichen Sektor eine wirklich menschliche Beziehung zur 
Maschine gefunden haben. Vergleichen wir nämlich 
einmal die landwirtschaftliche Ur maschine, den 
Pf lug, mit dem Trecker oder dem Mähdrescher, dann 


erkennen wir den Unterschied genau: Zur Urmaschine 
Pflug fanden wir als entlastendem und intensivierendem 


Arbeitshelfer eine so enge Bezichung, daß er zum 
Symbol des Bauerntums schlechthin wurde, der an- 
marschierende Mähdrescher hingegen kreuzt auf der 


Straße menschliche Kolonnen, die vom Lande in die 


` Stadt abmarschieren. Er rückt heran, so scheint es, 


nicht allein die Leistung zu steigern, sondern auch 
Kräfte zu ersetzen, die ja in Wahrheit keineswegs allein 
dazu da sind, Landarbeit zu verrichten, sondern eben 
auch darüber hinaus neue Kräfte zu schaffen, deren 
Einsatz und Geistesleistung wiederum überhaupt erst 
den Mähdrescher konstruierte und schuf. Soll also das 
technische Kind seinen geistigen Vater ermorden? 
Soll es ihn mindestens impotent machen ? 


In all diesen Zusammenhängen und in neuen, die 
der Krieg aufwarf, tritt an das deutsche Bauerntum die 
schr ernste Frage der Selbstbehauptung. Nicht 
die Maschine ist die Ursache der Landflucht, nicht die 
Tatsache, daß arme Sandböden oder steile Berghänge 
Mann und Familie nicht mehr emährten, sondern eine 
Gesinnung, die weich gegenüber den Städten, den 
Maschinen und der Zeit wurde. Dean Beer sein, das 
ist in allen Schichten, die zum Bamerntum gebören, ein 
immerwährendes Bekenntnis, das nie ausgesprochen wird und 
doch so tief wurzelt, wie eben ein Bekenntnis wurzein Si 


wenn es Segen tragen soll. 


Suchen wir also die Fehler der Vergangenheit in uns 
selbst! Schaffen wir endlich die richtige Synthese 
zwischen Mensch und Maschine, die nahe- 
liegende, die reale Synthese, die uns zum ewigen Herrn 
macht über das, was wir uns zu unserer Erleichterung 
und zum Schaffen neuen zusätzlichen Segens kon- 
struiert haben, schauen wir auf zu den Bergbauern, die 
da unbeirrt ihren Weg gehen, nicht weil sie rückständig 
sind oder weil sie stur beim Werk des Vaters bleiben, 
sondern weil sie instinktiv fühlen, daß Deutschland 
zwar groß und stark ist, aber niemals groß und stark 
genug, als daß es etwa auf die tapferen Tundrakämpfer 
und all die anderen tüchtigen Söhne aus kinderreichen 
Bergbauerngeschlechtern verzichten könnte. Denn: 
nicht Mensch oder Mähdrescher ist für Deutschland 
die Frage, sondern Mensch und Mähdrescher! Es 
wird unsere kommende Aufgabe sein, beide in das 
wahre und würdige Verhältnis zu bringen! 


Wo wären wir, hätte nicht der Bauer die tacten Knochen, 


die derben Nerven und das geſunde Blut? 


Ausgelöſcht 


hätten uns Hunger, Pet und Grieg, Und wo wäre unfer 
eigenes Weſen geblieben unter dem römiſch⸗franzöſiſchen 
Lag, den uns die Fivilifation brachte, wäre deutſcher Geiſt 
nicht lebendig geblieben unter den Strohdächern der Dörfer? 


Hermann Löns 


357 


RUDOLF FRIEDRICH 


Befunde Lebensordnung im Erbhof 


er Erbhof wird für alle Zukunft in unserem Volke 

die Lebensgrundlage zahlenmäßig starker bäuer- 
licher Familien zu bilden haben. Die gegenwärtigen 
Verhältnisse und das zu erstrebende Ziel stehen jedoch 
vielfach noch im Gegensatz zueinander. Es ist aus 
diesem Grunde erforderlich, einmal grundsätzliche Über- 
legungen über eine gesunde Lebensordnung unter den 
bäuerlichen Menschen des Erbhofes anzustellen und 
festzuhalten. Die Grundlage hierfür ist uns im Reichs- 
erbhofgesetz mit seinen das bäuerliche Leben ordnenden 
und sichernden Bestimmungen gegeben. Bei der Auf- 
stellung eines Wunschbildes ist man als bäuerlicher 
Mensch gezwungen, zurückzuschauen auf jene Höfe, 
die, allen Stürmen der Zeit trotzend, sich heute noch 
als gesunde Lebensgrundlage zahlenmäßig starker 
bäuerlicher Familien erwiesen haben. Diese geschicht- 
liche Betrachtung zeigt uns, daß in rein bäuerlichen 
Gegenden vor Beginn der sich ausweitenden Welt- 
wirtschaft mit ihren Erscheinungen der Arbeitsteilung, 
Konjunkturen, Krisen und sonstigen das Leben der 
Völker gefährdenden Zuständen im wesentlichen eine 
geschlossene Hauswirtschaft im Bauernhof vorherrschte. 
Die bäuerliche Großfamilie, die sich aus drei Genera- 
tionen zusammensetzte, lebte auf dem Hof und durch 
den Hof. Es war eine gewachsene Lebensform, 
dienatürlichundgesund war, Krisen überstand 
undeinefestebäuerliche Tradition begründete. 
Die Ansichten, die nach Einbruch des liberalistischen 
Wirtschaftsdenkens auch teilweise in unserem Bauern- 
tum Fuß faßten, führten auch dort bald zum reinen 
Gelddenken. Sie betrachteten den Hof vielfach nicht 
mehr als die bleibende Lebensgrundlage einer bäuer- 
lichen Familie, sondern saben in ihm einen Betrieb, der 
kapitalmäßig einen bestimmten Wert darstellte und 
demzufolge auch einer entsprechenden Verwertung 
bei Erbauseinandersetzungen zugeführt werden konnte. 
Die Folgen dieser Anschauungen waren einmal die sich 
weiterhin durchsetzende Realteilung und in anderen 


Gebieten die zunehmende Erbverschuldung der Höfe. 


Wenn wir daher die Wege suchen, die im Interesse 
der Sicherung des Lebens und der Ernährung unseres 
gesamten Volkes zu gesunden bäuerlichen Verhältnissen 
führen, so können wir nur dort beginnen, wo uns in 
der Vergangenheit noch gesundes und natürliches 
Denken als Vorbild vor Augen steht. Dieses Vorbild 
ist für alle Zukunft der Erbhof, der, mit einer genügen- 
den Landfläche ausgestattet, die Lebensgrundlage einer 
bäuerlichen Großfamilie unter allen Umständen sichert. 
Unter Großfamilie verstehe ich hierbei die Lebens- 
gemeinschaft des Altbauernehepaares, des wirtschaften- 
den Bauernehepaares und der heranwachsenden Jugend. 


358 


. wird mit allem 


Für diese Menschen muß der Hof in wirtschaftlicher, 
sozialer und kultureller Hinsicht alles das geben, was 
bäuerliche Menschen als Lohn für den Fleiß ihrer Arbeit 
nach dem Stande unserer modernen Volkswirtschaft 
für sich erwarten dürfen. Wenn diese Voraussetzung 
einmal erreicht ist und in den Planungen für die künftige 
Neubildung deutschen Bauemtums hinsichtlich der 
Ausstattung der Neubauernhöfe mit Land ihre Berück- 
sichtigung findet, so ist es im Anschluß hieran erforder- 
lich, weiterhin Überlegungen anzustellen über die 
Stellung der Menschen innerhalb der gewünschten 
ae starken bäuerlichen Großfamilie. 


Frühehe und Hofübergabe 


Von unseren "Bevölkerungspolitikern, Ärzten usw. 
Nachdruck die Frühehe für alle 
Volksgenossen gefordert und mit dieser Forderung 
zugleich eine zweite Forderung erhoben, und zwar, daß 
die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in allen 
Berufskreisen so gestaltet werden, daß sie der ge- 
wünschten Frühehe nicht hindernd im Wege stehen. 
Wie sieht dies nun bei der Betrachtung unserer bäuer- 
lichen Verhältnisse im Erbhof aus? Die vorberr- 
schenden Ansichten gehen zur Zeit noch im über- 
wiegenden Maße dahin, daß eine Verheirstung des 
Jungbauern erst dann erfolgen kann, wenn der Alt- 
bauer bereit ist, den Hof zu übergeben. Hier liegt als 
erstes ein großes Hemmnis für die Durchsetzung der 
Forderung nach einer Frühehe unserer Jungbeuern. 


` Diese falschen Anschauungen müssen beseitigt werden. 


Es ist dies eine Erziehungsaufgabe, die sowohl die 
junge als auch die alte Generation angeht. Es ist 
keineswegs zu vertreten, daß die einheirstende Jung- 
bäuerin von vornherein die Bedingung stellt, nunmehr 
die Regierung im Bauernhof, soweit es sich um die 
Aufgaben der Frau handelt, allein übernehmen zu 
wollen, wie es andererseits auch unmöglich ist, daß der 
Altbauer bis zum höchsten Greisenalter sich weigert, 
den Hof zu übergeben. Vertrauen gegen Vertrauen 
muß hier die Losung sein. Wir müssen auch hierbei 
zu einem organischen Denken und damit dann auch in 
der Praxis zu einem organischen Handeln und Wollen 
kommen. Es ist eine feststehende medizinische_Tat- 
sache, daß der Mann seine völlige charakterliche, 
seelische und geistige Reife im Alter von etwa 33 bis 
40 Jahren erreicht, während seine geschlechtliche Reife 
bereits im Alter von 18—22 Jahren vorhanden ist. 
Für die Frau gilt dies sinngemäß, wobei gesagt werden 
kann, daß ein Unterschied von ungefähr 3— 3 Jahren 
im Durchschnitt richtig ist. Diese von der Natur 


BE 5 


=r > 


gegebenen Tatsachen müssen uns bei unseren Über- 
legungen leiten, d. h., wir müssen hieraus die Folgerung 
ziehen und eine Frühehe auf dem Bauernhof durch- 
setzen, ohne daß im Zusammenhang damit bereits eine 
Übergabe des Hofes auf den Anerben vom Jungbauern- 
ehepaar gefordert wird. Das Altbauernehepaar muß 
seinerseits so viel Verständnis aufbringen, dem Jung- 
bauern die Heirat zu erleichtern und zu ermöglichen, 
ferner ihm im Hof die Stellung zu geben, die ihm als 
künftigem Anerben und der Jungbäuerin als künftiger 
Bäuerin gebührt. 

Die weitere Frage, die in diesem Zusammenhang 
auftaucht, ist die Stellung der anderen Kinder des Alt- 
bauern, ihre Ausstattung und Versorgung. Auch hier- 
bei muß immer ein natürliches Denken bewahrt bleiben, 
d. b., der wirtschaftende Bauer muß in der Lage sein, 
neben der Erziehung und Ausbildung des Anerben so 
viel Mittel zu erübrigen, um die erwünschten heran- 
wachsenden anderen Kinder für deren künftige Lebens- 
existenz entsprechend auszubilden und, soweit es die 
Kraft des Hofes ermöglicht, auszustatten. Die wert- 
mäßige Höhe dieser Ausstattungen wird weitgehend 
von der Tüchtigkeit des einzelnen Bauern abhängen 
und ist nicht irgendwie zahlenmäßig zu benennen. 
Die Wertung der Tüchtigkeit eines Bauern hat sich 
dabei nicht nur auf seine wirtschaftlichen Leistungen, 
sondern besonders auch auf seine biologischen Leistun- 
gen zu erstrecken; beide müssen in Ordnung sein. 
In welche Berufe die weichenden Erben dann ein- 
münden, soll hier nicht erörtert werden. Die Schafung 
neuen bäuerlichen Siedlungsraumes, die wachsende 
Intensivierung der einheimischen Landwirtschaft und 
die wachsende Volkskraft werden hier in aller Zukunft 
die richtigen Wege für diese Menschen aufzeigen. Das 
Vertrauen zur nationalsozialistischen Staatsführung 
wird sich immer in den zahlreichen Kindern unserer 
deutschen Familien beweisen. 


Stellung des verheirateten Jungbauern 


Es ist also eine der dringendsten biologischen 
Forderungen, daß die Heirat des künftigen Anerben, 
der nach dem Willen des Bauern ausersehen ist, den 
Hof zu übernehmen, nicht gleichzeitig von der Hof- 
übergabe abhängig gemacht wird, sondern daß diese 
dann erfolgt, wenn der Bauer selbst ein Lebensalter 
erreicht hat, in dem bei ihm die körperlichen Kräfte 
nachlassen und es nunmehr an der Zeit ist, die Führung 
des Hofes auf die kräftigeren und jüngeren Schultern 
des nunmehr voll ausgebildeten und auch schon mit 
Erfahrungen ausgestatteten Jungbauern zu legen. Dies 
wird in normalen Fällen dann sein, wenn der Altbauer 
das Alter von 60-65 Jahren erreicht hat, der Jung- 
bauer seinerseits das Alter von 35—40 Jahren, in Ge- 
bieten, in denen Jüngstenrecht gilt, entsprechend 
früher. 

Auch in anderen Berufen unseres Volkes wird ein 
völliges Selbständigwerden der jungen Kräfte im 
wesentlichen erst in diesem Lebensalter erreicht. Es 
ist daher keineswegs eine Härte gegenüber der Jugend, 
sondern im Gegenteil eine Förderung derselben, denn 
dem Jungbauern ist während der Zeit, in der er noch 


unter der Leitung des erfahrenen Altbauern steht, 
Gelegenheit gegeben, sich nach allen Richtungen hin 
bestens auszubilden und dieses Wissen dann bei der 
Übernahme des Hofes zum Wohle desselben anzu- 
wenden. Diese Lebensordnung würde, um ein Beispiel 
Zu zeigen, ungefähr wie folgt aussehen: Angenommen 
ist ein Erbhof, dessen Größe als eine gesunde Lebens- 
grundlage einer bäuerlichen Großfamilie angesehen 
werden. kann. Diese Größe wird verschieden sein, 
je nach der Bodengüte, Lage usw. Es sollen daher 
hierzu Zahlen nicht genannt werden. Der Bauer hat 
sechs Kinder oder mehr, eins derselben ist von ibm 
bestimmt, den Hof zu übernehmen. Es war ihm dank 
seines Fleißes bei Lebzeiten möglich, für die Aus- 
stattung der anderen Kinder und ihre Ausbildung zu 
sorgen. Als günstige Voraussetzung hierzu war eine 
nahezu völlige Schuldenfreiheit bei Übernahme des 
Erbhofes durch den Bauern vorhanden, so wie dies 
auch als zukünftiges Wunschbild unbedingt anzu- 
streben ist. | 


Aufgabe der Dorfaufrüstung 


In normalen Verhältnissen wird der Anerbe nach 
Ablegung der Landarbeits- und Landwirtschafts- 
prüfung sowie der Ableistung seiner Arbeitsdienst- 
und Militärdienstpflicht mit 21 oder 22 Jahren auf den 
väterlichen Hof zurückkehren. In diesem Alter von 
22 bis 25 Jahren ist es dringend erwünscht, daß er sich 
die Gefährtin seines Lebens auswählt. Es ist weiterhin 
gleichzeitig im Interesse seiner Berufsausbildung drin- 
gend erforderlich, daß er in diesen Jahren den väter- 
lichen Hof verläßt urid in gut geleiteten fremden Be- 
trieben seine Kenntnisse vervollkommnet. Nach dieser 
Zeit ist ihm nunmehr Gelegenheit zu geben, die Ehe 
einzugehen. Er soll im väterlichen Betrieb selbstver- 
ständlich bereits die Stelle eines Vertreters des Bauern 
innehaben. Er soll also unter dem übrigen Gesinde 


‚als der künftige Bauer eine entsprechende Vorrang- 


stellung einnehmen, wobei er aber stets die Autorität 
und Lebenserfahrung seines Vaters zu respektieren bat, 
Der Jungbäuerin muß unter allen Umständen die Mög- 
lichkeit geschaffen werden, in den ersten Jahren der 
Ehe dem Hof den gesunden Nachwuchs zu schenken, 
und sie soll vor allem als junge Mutter auch in der 
Lage sein, sich diesen schönsten Freuden einer Frau 
völlig hinzugeben und die erste Erziehung der jungen 
Generation selbst zu lenken und zu leiten. Sie wird 
mit dieser Aufgabe voll beschäftigt sein und gleich- 
zeitig allmählich in die gesamte Wirtschaft des Hofes 
hineinwachsen, während der Bauer selbst, und seine 
Ehefrau noch im Vollgefühl ihrer Kraft sich der heran- 
wachsenden Enkelschar erfreuen können. Bei einer 
Schilderung der Lebensverhältnisse in dieser Weise 
tauchen sofort die weiteren Fragen hinsichtlich der räum- 


lichen Gestaltung der Hofwohnungen sowie des Zu- 


sammenlebens zwischen Altbauernehepaar und Jung- 
bauernehepaar auf. Auch hier sind Überlegungen anzu- 
stellen. 

Die Fragen, die bisher vielfach über die Wege der 
geplanten Dorfaufrüstung erörtert worden sind, 
liegen vielfach zu sehr im rein Technischen. Hier muß 


359 


mit aller Entschiedenheit gefordert werden, daß bei 
aller Bejahung des Technischen der bäuer- 
liche Mensch stets im Vordergrund zu stehen 
bat und daß die Technik diesem Menschen ihre Dienste 
zu geben hat, aber niemals umgekehrt. Es wird also 
erforderlich sein, in jedem Erbhof neben den allge- 
meinen Wohnräumen des wirtschaftenden Bauern eine 
zweite Wohnung zu schaffen, sofern sie nicht schon 
vorhanden ist.. Diese Wohnung soll dem Anerben und 
seiner Familie zur Vefügung stehen bis zur Übernahme 
des Hofes. Es muß in ihr also die Möglichkeit gegeben 
sein, daß die beranwachsende zahlreiche Kinderschar 
unter der Obhut der Jungbäuerin steht und diese so 
auch schon eine gewisse Selbständigkeit entwickeln 
kann. Inwieweit eine Vereinigung der gesamten 
bäuerlichen Großfamilie zu den Mahlzeiten an einem 
gemeinsamen Tisch hierbei als wünschenswert oder 
für notwendig erachtet wird, ist von den örtlichen 
und landsmannschaftlichen Bräuchen abhängig und 
soll auf Grund des Althergebrachten und Bewährten 
gehandhabt werden. Bei der in feierlicher Form durch- 
zuführenden Übergabe des Hofes an den Anerben wird 


dann der Altbauer die Wohnung mit dem Jungbauern . 


vertauschen und er selbst nunmehr mit der Altbäuerin 
für seinen Lebensabend in eigenen Räumen sein Dasein 
führen können. Nach Abschluß des Lebensabends 
des Altbauern wird sich dieser ewige natürliche Kreis- 
lauf fortsetzen, so wie sich alles Leben dann ewig fort- 
setzt, wenn junge gesunde Generationen nachwachsen. 

Die Schilderung dieses an sich selbstverständlichen 
und narürlichen Bildes einer bäuerlichen Lebens- 
ordnung im Erbhof bedeutet , grundsätzlich nichts 
Neues. Die Betrachtung der augenblicklichen tat- 
sächlichen Verhältnisse auf dem Lande zwingt aber 
dazu, auf diese Dinge eingehend hinzuweisen und sie 
geradezu als Forderung für die Gestaltung des künftigen 
bäuerlichen Lebens im Erbhof herauszustellen. Es ist 
selbstverständlich, daß wir bierbei niemals zu einer 
starren Normierung des bäuerlichen Lebens kommen 
wollen,. es ist aber notwendig, daß wir das bäuerliche 


Leben, das durch den Einbruch der bauemrumsfeind- 
lichen liberalistischen Weltanschauung vielfach Irr- 
wege gegangen ist, wieder auf die Grundlagen natür- 
licher Lebensgesetze zurückführen. 

Wenn das Erbhofgesetz seinen Sinn für die Zukunft 
unseres Volkes erfüllen soll, dann muß der Erbhof 
selbst hinsichtlich seiner Ausstattung und seiner Größe 
eine gesunde bäuerliche Lebensgrundlage starker 
deutscher Bauernfamilien bilden, wobei in diesem Zu- 
sammenhang die Fragen weiterer Einzelheiten zunächst 
nicht besprochen werden sollen. Man wird sich aber 
wohl überlegen müssen, ob man die Höfe z. B. so groß 
gestaltet, daß die Existenz einer weiteren Landarbeiter- 
familie in Form eines Melkers oder Vogtes oder, wie es 
früher hieß, Großknechtes noch für notwendig er- 
achtet wird. Auch für diese Familie müßte dann ein 
Eigenheim geschaffen werden, das wiederum die 
Möglichkeit bietet, eine große Kinderzahl aufauziehen. 
Es würde zu weit führen, nach dieser Richtung hin . 
ins einzelne zu geben; eine gewisse Verschiedenheit 
in.den Betriebsgrößen wird immer bleiben müssen und 
auch durchaus gesund sein. Ich möchte daber zum 
Schluß das Grundsätzliche meiner Ausführungen noch- 
mals herausstellen. Es lauter ganz einfsch: Auf wirt- 
schaftlich gesunden Erbhöfen ist dem künfti- 
gen Anerben im Hinblick auf die gewünschte 
zahlreiche und gesunde Kinderschar die 
Frühehe unter allen Umständen zu ermög- 
lichen, Sie soll und darf nie abhängig sein von der 
sofortigen Übernahme des Hofes bei der Heirat des 
Jungbauern. Es muß daher die Erziehung der Jugend 
in dieser Beziehung beeinflußt werden und andererseits. 
gleichzeitig das Verständnis der älteren Generstion für 
die Aufgaben der Jugend erreicht werden. Auf diesem 
Wege wird es möglich sein, unsere Erbhöfe wieder mit 
so vielen gesunden deutschen bäuerlichen Menschen zu 
füllen, daß sie unsdie augenblicklichen Sorgen des Men- 
schenmangels auf dem Lande beseitigen helfen und 
eine gesicherte und blühende Zukunft unseres ge- 
samten Volkes herbeiführen. 


Durch den Geist seiner Agrargesetzgebung erhält die ganze 
innere Geschichte eines Volkes ihren Charakter und 


ihre Richtung. 


Justus Möser 


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Beim Stecken von Mceerrettichpflanzen — Herrichten des 
Gemüscackers mit einem Handhäufelgerät 


Gärtnerlehrlinge beim Erwärmen der für die Frühbeete bestimmten Erde durch Dämpfen — Schutz der jungen 


Pflanzen gegen Frost durch Papierhauben 


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| 
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Der Spreewald erstreckt sich nordwestlich von 
Kottbus in einem breiten Urstromtal, dessen 
bruchige Niederung von zahlreichen Spreearmen 
und Kanälen durchzogen wird. Der Wald, der, aus 
Erlen, Eschen, Eichen und Weiden bestehend, einst 
dem Gebiete den Namen gegeben hat, hat im Laufe 
der Zeit immer stärker der Wiesennutzung und vor 
alem einem intensiven Gemüscanbau weichen 
müssen, — Rechts: Ein Gärtnerlehrling wird im 
Anbinen von Tomatenpflanzen unterwiesen 
Unten: Strauchbohnen, die zur Erzielung einer 
möglichst frühen Ernte unter Glas herangezogen 
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Feldanbau von Kopfsalat — Die 


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Der Gemüseanbau gehört zu einem der arbeitsintensivsten landwirtschaftlichen Betriebszweige, bei dem es für alt und 


jung zu jeder Jahreszeit eine Fülle von Arbeit gibt 


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Die zahlreichen Wasserarme werden dem Gemüsetransport zu den Sammelstellen nutzbar gemacht 


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und in Steigen verpackt — Fertig zum Abtransport an die 


städtischen Verteiler 


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Dorfbucharbeit im Kriege 


ährend die Dorfbucharbeit in Zeiten normalen 


Lebens und einer ruhigen und stetigen Entwick- 
lung dem Tagesgeschehen keine übergroße Aufmerk- 
samkeit zu schenken braucht, sich vielmehr mit der 
Durchforschung des dörflichen Raumes mit seinen 


Lebensverhältnissen beschäftigen, die Vergangenheit 


erschließen und das Werden des heutigen Zustandes 
auf allen Gebieten verfolgen und die gewonnenen Er- 
kenntnisse auswerten kann mit dem Ziele einer Er- 
neuerung des dörflichen Gemeinschaftslebens und der 
Rückführung der Menschen des Dorfes zu ihrer wahren 
Art, d. h. zum wahren Bauerntum, steht im Kriege die 
Behandlung des Gegenwartsgeschehens an erster Stelle, 
erwachsen der Dorf bucharbeit zusätzlich besondere 
Aufgaben. Kein Dorf und kein Hof im Reich, die nicht 
durch den Krieg und die dadurch entstandenen be- 
sonderen Verhältnisse unmittelbar berührt werden, 
kein Dorf, das durch die Mobilisierung aller Kräfte 
für die Führung des totalen Krieges nicht sich einreiht 
in die große Abwehrfront aller Deutschen, kein Dorf, 
dessen wehrfähige Mannschaft nicht an der Front steht 
und wo nicht durch kriegsyedingte Notwendigkeiten 
die Lebenshaltung des einzelnen, die Wirtschafts- 
führung des. Hofes und die Verwaltung des Gemein- 
wesens entscheidend beeinflußt werden. 

Schicksal, Erleben, Einsatz und Opfer des Dorfes 
und seiner Menschen in diesem Kampf um den Be- 
stand von Volk und Reich und die hohen Güter einer 
jahrtausendealten europäischen Kultur in allen Einzel- 
heiten festzuhalten und damit kommenden Geschlech- 
tem einen unmittelbaren Einblick in das Ge- 
schehen unserer Tage und die Haltung der Menschen 
zu gewähren, ist die eine Aufgabe der Dorfbucharbeit 
im Kriege. Darüber hinaus aber gilt es, den Inhalt 
des Kriegsdorfbuches für die lebende Generation 
auszuwerten und fruchtbar zu machen. Das 
ist so vordringlich und wichtig, daß dort, wo bereits 
seit Jahren am Dorfbuch gearbeitet wird, alle andern 
das Dorfbuch betreffenden Arbeitsgebiete dahinter zu- 
rückstehen müssen, daß aber dort, wo ein Dorfbuch 
noch nicht begonnen wurde, unverzüglich die Arbeit 
in. die Wege geleitet werden muß, wenn nicht vieles in 
Vergessenheit geraten soll. Was hier versäumt wird, 
läßt sich nie mehr nachholen. Noch ist es möglich, 
rückschauend die Ereignisse vom Beginn des Krieges 
an zu erfassen und festzuhalten; in wenigen Jahren 
aber wird das nicht mehr der Fall sein. Das Beispiel 
des Weltkriegs zeigt, daß es wenige Jahre nach dem 
Kriegsende nicht mehr möglich war, über alle Kriegs- 
teilnehmer des Dorfes genauere Angahen zu machen, 


viel weniger aber noch, ein lückenloses einwandfreies 
Material über das Erleben des Dorfes zu sammeln. 
Einsatz und Opfer unserer Zeit aber sind zu groß, als 
daß sie jemals in Vergessenheit geraten dürften. So 
wird das Dorfbwb zu einem durch nichts zu ersetzenden 
Dokument unserer Zeit, das das geschichtliche Werden in 
einer ganz neuen Schau, aus der Schau vom Volke ber, von 
der kleinsten politischen Gemeinschaft, vom Dorfe ber, siebt. 

Dieser Eigenart der Betrachtung entsprechend wird 
die Arbeit am Kriegsdorfbuch hauptsächlich zunächst 
darin bestehen, möglichst lückenioses und stichhaltiges 
Material zusammenzutragen und zu bearbeiten, weniger 
aber eigentliche Forschungsarbeit sein. Sie ist darum 
aber nicht weniger wichtig. Sie berührt sich in ge- 
wissem Sinne mit der Führung einer Chronik, reicht 
aber insofern schon inhaltlich darüber hinaus, als sich 
die Chronik in der Regel damit begnügt, die äußeren 
Geschehnisse und deren Ablauf objektiv betrachtend zu 
schildern. Das Dorfbuch aber will darüber hinaus das 
Kriegserleben des Dorfes und seiner Men- 
schen in der Totalität darstellen, keine Seite des 
dörflichen Lebens außer acht lassen, auch nicht auf 
die Darlegung der wirtschaftlichen, biologischen oder 
hygienischen Verhältnisse in den einzelnen Kriegs- 
jahren verzichten. Noch aufschlußreicher aber wird das 
Dorfbuch, wenn es außerdem die Wechselwirkung 
zwischen dem Geschehen im Dorf und im Reich, die 


vielfachen Verkettungen und Beziehungen und den 


Leistungsanteil des Dorfes zum Ausdruck bringt. Zu 
einem wirklich umfassenden Dokument unserer Zeit 
aber wird das Dorfbuch erst, wenn es abrundend auch 
die geistige Haltung der Menschen in dieser schweren 
Zeit schildert und zeigt, wie eine verschworene Kampf- 
gemeinschaft alle Schwierigkeiten meistert. 

Die Behandlung der Wechselwirkung zwischen 
Dorf und Reich bedeutet nun aber keineswegs, aus 
dem Dorfbuch eine allgemeine Geschichte des Krieges 
zu machen. Gewiß gibt es zahlreiche Stoffe aus dem 
dörflichen Erleben, sei es, daß es sich um die Aus- 
wirkung gesetzgeberischer Maßnahmen oder kriegs- 
wirtschaftlicher Anordnungen handelt, die nur dann 
verständlich werden, wenn diese selber herangezogen 
werden. Ebensowenig kann es Aufgabe des Dorf- 
buches sein, strategische oder politische Situationen 
eingehend zu erörtern. Grundsätzlich ist zu beachten, 
daß das Gesamtgeschehen nur so weit dargelegt wer- 
den darf, wie es zum Verständnis der dörflichen Ver- 
hältnisse notwendig ist. Das Geschehen im Dorfe 
selber aber ist in aller Ausführlichkeit zu behandeln. 
Hier wird mit andern Maßstäben gemessen als in der 


361 


— 


“spätere Geschlechter nur zu ihrem Do 


Betrachtung vom Reiche aus, und gerade in der 
Schilderung und Darlegung von Einzelheiten liegen der 
Reiz und die Stärke des Dorf buches. Diese Art der 
Darstellung entspricht auch der geistigen Art der Dorf- 
menschen, und auch spatere Geschlechter werden zu 
ihrem Dorfbuch einmal ein ausgesprochen persön- 
liches Verhältnis haben. Diese Form der Darstellung 
hat ihr Gegenstück außerdem in den PK-Berichten 
unserer Kriegsberichtet, und so wird der Dorf- 
buchbearbeiter gewissermaßen zum PK-Mann 
der Heimatfront. Trotz aller Ausführlichkeit darf 
sich der Dorfbuchbearbeiter jedoch nicht in der Ab- 
schilderung von Nebensächlichkeiten und Nichtig- 
keiten verlieren. 

Es ist im Grunde genommen unnötig, noch beson- 


ders zu betonen, daß jedes Dorf sein Dorfbuch 


baben muß. Eis wurde schon darauf hingewiesen, daß 
uch das per- 
sönliche Verhältnis haben werden und daß es gerade 
ihre Vorfahren sihd, auf deren Leistung sie mit Stolz 
und Selbstbewußtsein zurückblicken können, und ge- 
rade das wird ihnen Verpflichtung zu gleichen Einsatz 
der Kräfte rein. - Aber noch aus einem andern Grunde 
muß jedes Dorf sein eigenes Dorfbuch haben. Nicht 
zwei Dörfer im Reich erleben den Krieg völlig gleich, 


weil die Verhältnisse zu verschieden sind. Dörfer an 


der Grenze erleben den Krieg und die ihm vorauf- 
gehenden Ereignisse viel unmittelbarer, und die be- 


vorstehenden F.reignisse zeichnen sich im Grenzland 


viel eher und nachhaltiger ab als in Dörfern im Herzen 
des Reiches. Und die Menschen des Grenzlandes stehen 
den kommenden Dingen in einer ganz andern geistigen 
Haltung gegenüber, sie werden durch das Geschehen 
viel stärker beeindruckt. Aber auch unmittelbar be- 
nachbarte Dörfer können den Beginn des Krieges bei- 
spielsweise ganz verschieden erleben, wenn das eine 
von ihnen an einer Hauptstraße liegt, die zus Grenze 
führt. 

Damit ist schon die Frage berührt, von welchem 


Zeitpunkt an man rückschauend mit dem Kriegs- 
dort buch beginnen soll. Das läßt sich nicht einheitlich 
bestimmen, erst recht kein Datum angeben. Ganz all- 


gemein läßt sich die Frage so heanrworten, da mit dem 
Kriegsdorfbuch zu beginnen, sobald die bevorstehen- 
den Ereignisse im dörflichen Leben erkennbar werden. 
Das ist je nach Lage der Dörfer verschieden. Beispiels- 
weise ist der Bau des W'estwalls bereits als Gegenmaß- 
nahme gegenüber dem immer stärker werdenden 
Kriegswillen der Westmächte anzusehen, wie auch der 
verschärfte, Volkstumskampf im Osten als Folge der 
Rückenstärkung Polens durch England zu werten ist. 


‚Gegen den Sommer 1939 aber wird es auch im klein- 


sten Dorf vernehmbar, daß der Krieg unvermeidbar zu 
sein scheint. Und nun soll das K riegadorf buch den 
Ausbruch des Krieges schildern, wie ihn das Dorf 
erlebt, soll nach Möglichkeit auch einen Vergleich zu 
1914 bringen und aufzeigen, wie die Menschen von 
1939 diese Tage ganz anders erleben als 1914, als 


Menschen, die um die Schwere der kommenden Ereig- 


nisse wissen. Weiter wäre darzulegen, wie durch den 
Rundfunk das Dorf viel näher an die geschichtlichen 
Ereignisse hergeruckt wird. wie die Menschen den 
362 


EN 


~ 


~ 


Dorfes unmittelbare Zeugen bedeutsamer a 
nisse werden. 

“ Und nun soll der Soldatenband Erlebnisse, Taten, 
Leistungen und Opfer der Soldaten des Dorfes be- 
handeln, soll die Namen der Soldaten aufzeichnen, die 
bei Kriegsbeginn bei der Wehrmacht stehen oder sufort 
einberufen werden, soll sic verfolgen bei dem Siegeszug 
durch Polen, soll von ihrer Wacht am Westwall in dem 
harten Winter erzählen, ihren Einsatz in Dänemark und 
Norwegen und den unvergleichlichen Siegeszug durch 
Frankreich schildern, wie von ihren Erlebnissen und 
Eindrücken auf den Kriegsschauplätzen im Südosten 
Furopas und den weiten Steppen Rußlands und in 
Nordafrika berichten. Besonders anschaulich werden 
diese Darstellungen, wenn der Weg des einen oder 
andern Soldaten des Dorfes auf einer Karte beigefügt 
wird. 

Unter den Soldaten des Dorfes befinden sich viele, 
die wegen besonderer Tapferkeit mit den beiden 
Eisernen Kreuzen oder gar mit dem Ritterkreuz aur- 
gezeichnet wurden, die sich durch einzigartige Taten 
in die Reihe der ersten Helden des Volkes stellten. 
Wie mancher von ihnen hat als moderner Siegfried un- 
erschrocken auch stärkste Panzer unschädlich gemacht 
oder ist als Flieger vielfacher Sieger in Luftkämpfen ge 
worden. Ihre Taten soll dan Dorfbuch in allen Einzel- 
heiten berichten, weil hier engste persönliche Be- 
ziehungen bestehen. Und was sie völlbrachten, wird 
der Jugend des Dorfes Vorbild und Ansporn sein in 
Gegenwart und Zukunft. In gleicher Weise soll auch 
das Dorf buch von Beförderungen berichten. Und so 
mancher trägt heute das Ehrenkleid des Offiziers wegen 
besonderer Auszeichnung, der einfachsten Verhält- 
nissen des Dorfes entstammt, 

Diese Stoffe für das ISorfbuch wird der Bearbeiter 
zu einem Teil aus unmittelbarer mündlicher Bericht- 
erstattung gewinnen. Wo die Dorfbucharbeit bereits 


langer getrieben wird und in ihrem Wert von den 


Dorfbewohnern erkannt worden ist, der Bearbeiter 
auch die rechte Stellung im Dorf und das Vertrauen 
der Dörfler besitzt, werden ihm die Urlauber. freimütig 
über ihr Ergehen und Erleben in der Zwischenzeit be- 
richten. Leider tritt in den oft langen Zwischen- 
räumen manches in den Hintergrund. Und da werden 
die Feldpostbriefe unserer Soldaten eine der 
wichtigsten Quellen für die Dorfbucharheit. 
In ihnen ist so manches Erlebnis unter dem unmittel- 
baren Eindruck niedergeschrieben, das in der Erinne 
rung verblaßt. In diesen Briefen kommt sußerdem die 
Verbundenheit mit der Heimat oft ungewollt zum 
Ausdruck. Soweit diese Feldpostbriefe an die An- 
gehörigen gerichtet sind, muß bei ihrer Verwendung 
für das Dorfbuch mit größtem Takt verfahren werden. 
Mitteilungen,- die nur für die nächsten Angehörigen 
bestimmt sind, gehören nicht an die Öffentlichkeit, 
und auf rein persönliche Angelegenheiten ist sters 
Rücksicht zu nehmen. Der Bearbeiter sollte sich stets 
bewußt sein, daß es ein Akt besonderen Ver- 
trauens ist, wenn ihm Feldpostbriefe entweder im 
Original oder zur Abschrift überlassen werden. Un- 
vorsichtige Behandlung kann leicht eine unschätzbare 
Quelle für das Dorfbuch verstopten. Wie verschieden 


m 


diese Dokumente unserer Zeit großen geschichtlichen 
Werdens in der Dorf bucharbeit ausgewertet werden 
können, soll hier nicht näher erörtert werden. Doku- 
mente ähnlicher Art sind auch Bilder aus dem 
Fronterleben unserer Soldaten. Bilder, zu denen 
Soldaten des Dorfes eine unmittelbare Beziehung 
haben, nicht aber Bilder allgemeiner ‚Art, erwa aus 
Zeitungen und Zeitschriften. Ob nun ein Bilderband 
angelegt oder die Bilder dem Text eingefügt werden, 
muß den besonderen Verhältnissen überlassen bleiben. 
Zu jedem Bild aber muß ein Begleittext vorhanden 
sein, dadurch erst erhalten sie ihren Wert. Daß da- 


neben in Verbindung mit. der Dorfhucharbeit auch 


eine Kriegsheimarsch au geschaffen werden kann, 
sei hier nur kurz erwähnt. Aber auch hier muß viel- 
fach zu dem Gegenstand das erklärende Wort treten. 

Doch mit dem Fronterleben selber ist der Inhalt 
des Soldatenbandes nicht erschöpft. Das Dorfbuch soll 
auch von den Verwundeten aus dem Dorf berichten 
und ihr Opfer in gebührender Weise würdigen. Aber 
es soll auch am Einzelfall dargelegt werden, welche 
Fürsorge unsern Verwundeten zuteil wird, vom Trans- 
port aus der Feuerlinie an bis zur Genesung, wie alles 
getan wird, um ihre Schmerzen zu lindern, die Wunden 
zu heilen und sie auch bei schwersten Verletzungen 
wieder gesund und lebenstüchtig zu machen. 

Eine besondere Ehrenpflicht aber ist es, im Dorf- 
buch der Gefallenen zu gedenken. Es genügt nicht, 
ihre Namen in Erz und Stein festzuhalten, da der bloße 
Name den Menschen schon nach wenigen Jahrzehnten 
kaum noch etwas sagt, besonders dann, wenn keine 
näheren Angehörigen im Dorfe wohnen. Diese Lücke 
soll das Dorfbuch schließen. Für jeden Gefallenen 


muß im Dorf buch ein Ehrenblatt angelegt werden, 


das neben dem Lebenslauf möglichst auch Einzelheiten 
und bemerkenswerte Ereignisse aus seinem Leben ent- 
halt, durch Feldpostbriefe ergänzt und durch die Nach- 
richt des Einheitsführers vom letzten Einsatz und 
höchsten Opfer. und vielfach auch noch durch einen 
eingehenden Bericht eines Kameraden abgeschlossen 
wird. Stets wird es möglich sein, dem Ehrenblatt das 
Bild des Gefallenen und auch vielleicht das von seinem 
Grabe beizufügen. Erst durch eine solche eingehende 
Aufzeichnung aus dem Leben des Gefallenen wird 
eine persönliche Gefallenenehrung möglich. Dabei 
sollte stets Richtschnur sein, daß auch das 
einfachste und unscheinbarste Leben durch 
dessen Hingabe für die Zukunft von Volk 
und Reich geadelt wird. 

Aber nicht nur den Kampf der Soldaten des Dorfes 
an allen Fronten soll das Dorfbuch schildern, sondern 
auch den Einsatz des Dorfes im Kampf um die 
Nahrungsfreiheit des deutschen Volkes, den der 
Bauer bereits seit dem Beginn der Erzeugungsschlacht 
siegreich bestanden hat und in dem er jetzt unter kriegs- 
bedingten erschwerten Umständen die Bewährungs- 
probe abzulegen hat. Schon gegen Ende der Ernte 
werden Erntehelfer aus Wehrmacht und Reichsarbeits- 
dienst abgerufen, dann beansprucht die Wehrmacht 
außerdem Pferde und Wagen, Bauern und Landarbeiter 
werden einberufen, überall entstehen Lücken, durch 
die die normale Wirtschaftsführung gefährdet wird. 


ge 


Aber Alte, Frauen und Kinder springen in die Bresche, 
und Herbstbestellung und Hackfruchternte werden 
planmäßig durchgefuhrt. Kein Fleckchen Erde bleibt 
unbestellt. Durch die Reihe der abnorm kalten Kriegs- 
winter wird die Wirtschaftsführung weiter erschwert. 
Auswinterungsschäden müssen wertgemacht, neue 
Planungen getroffen, Öl- und Faserpflanzen auf Ver- 
langen der Staatsführung angebaut werden. Und je 
weiter der Krieg fortschreitet, desto fühlbarer werden 


‚die Einengungen und größer die Anforderungen. Trotz- 


dem werden alle Aufgaben erfüllt. Die Ernteergeb- 
nisse — abgesehen von den durch Witterungseinflüsse 
bedingten Schwankungen — bleiben auf gleicher Höhe, 
und im ganzen kommt das Dorf seiner Ablieferungs- 
pflicht auf allen Gebieten nach. Der deutsche Bauer 
stellt die Ernährung von Front und Heimat sicher. 
Außerordentlich lehrreich ist ein Vergleich zu den 
Jabren 1914-18, wo die Ernten und damit die Ab- 
lieferungs ergebnisse von Jahr zu Jahr sanken und die 
Viehställe verödeten, der Niedergang der bäuerlichen 
Wirtschaft immer mehr offenbar wurde. Daß wir beute 
so ganz anders dastehen, ist nicht nur besserer Organi- 
sation, sondern auch einer andern geistigen Haltung 
zuzuschreiben, weil auch der letzte weiß, worum es 
in diesem Kampfe geht. Ein eisernes Pflichtgefühl 
steht der hell auflodernden, aber schnell verflackernden 
Begeisterung des Weltkriegs gegenüber. Voll Stolz 
und Selbstbewußtsein werden die Enkel in wenigen 
Jahrzehnten, wenn unsere Zeit Geschichte geworden 
ist, auf die Leistungen des Dorfes schauen. Front und 
Heimat bilden eine mlösbare Kampfgemeinschaft, das soll 
das Dorfbwb zum Ausdruck bringen, soll aucb bervor- 
ragende Fimzelleistungen gebührend würdigen. Dazu bedarf 
es keiner Selbstbeweibräscherung oder Schönfärberei, die 
nackten Zahlen und Tatsachen sprechen für sich. 

Es muß im Dorfbuch auch derer gedacht werden, 
die diese Leistung vollbrachten. Es wurde schon kurz 
darauf hingewiesen, daß Alte, Frauen und Kinder bis 
an die Grenze der Leistungsfähigkeit zupackten, bis 
der Einsatz von Kriegsgefangenen und zivilen aus- 
ländischeh Arbeitskräften eine Erleichterung brachte, 
die aber auch nur als Notlösung gewertet werden 
kann und auch mancherlei Schwierigkeiten im Ge- 
folge hatte. Wo die Lage des Hofes es nötig machte, 
setzte unter dem Eingreifen des Ortsbauemführers 
sofort die Nachbarschaftshilfe cin, in Zeiten 


starker Arbeitshäufung während der Getreide- und 


Hackfruchternte gritien sofort freiwillige Helfer 
aus Dorf und Stadt zu, oft unter Opferung der Be 
ruhe, und halfen den Segen der Felder bergen. 

wurde eine Brücke geschlagen zwischen Dorf t 
Stadt. Das Hauptverdienst am reibungslosen und ge- 
regelten Ablauf der Wirtschaftsführung hat unstreitig 
die Bauersfrau. Trotz der kriegsbedingten Er- 
schwerungen in der Haushaltsführung, veranlaßt durch 
die Rationierung von Lebensmitteln und Kleidung und 
die Verknappung vieler Haushaltsgegenstăände,: mußte 
sie viele Obliegenheiten übernehmen, die bisher nicht 
in ihren Bereich gehörten. Trotz dieser Vergrößerung 
ihres Arbeitskreises mußte sie ihren Kindern die 
sorgende Mutter sein. Was die Bauersfrau auch in 
diesem Kriege wieder leistet, das soll ihr unvergessen 


363 


sein, auch daß sie trotz alledem noch Zeit fand, sich 
in den Dienst der größerer Gemeinschaft zu stellen. 

Der Einsatz der Dorfes auch auf sozialem 
Gebiet soll im Dorfhuch verankert werden. Die 
stetig steigenden Spenden zum WHW und für das 
DRK legen Zeugnis ab von dem ständig wachsenden 
Opferwillen des Landvolkes. Das gleiche beweisen 
die vielen Sammlungen für unsere Soldaten und zur 
Stärkung unserer Rüstungskraft. Auch das Landvolk 
hat erkannt, daß die Anspannung aller Kräfte not- 
wendig ist, um den Endsieg zu erringen, es setzt sich 
auch demgemäß ein. Die Sammellisten geben darüber 
mancherlei Aufschluß,. 

Einen tiefen Einblick in das dörfliche Leben geben 
auch die Bevölkerungsverhältnisse, der Stand 
der Bevölkerungszahl, die Bevölkerungsbewegung und 


ihre Gründe, die Zahl der Heiraten und Geburten, 


die im Gegensatz zu 1914-18 einen viel stärkeren 
Lebenswillen erkennen lassen. Auch der Umquar- 
tierten in unsern Dörfern soll das Dorfbuch ge- 
denken, die hier vor dem Bombenterror eine vorüber- 
gehende Unterkunft gefunden haben. 

Die Betrachtung der Schulverhältnisse und der 
Einsatz der Schulkinder bei der Sammlung von Alt- 
stoffen, von Beeren, Pilzen, Heilkräutern und Ähren 
darf ebensowenig versäumt werden wie die der ge- 
sundheitlichen Verhältnisse im Dorf und des Für- 
sorgewesens und der sozialen Einrichtungen. Ein ge- 


treues Bild von der steigenden Wirtschaftskraft des 


Dorfes gibt die Entwicklung der ländlichen 
Spar- und Darlehnskasse und anderer wirtschaft- 
licher Einrichtungen im Dorf. Besondere Aufmerk- 
samkeit verdienen auch die Gemeindeverwaltung 


und der Einsatz der Partei und ihrer Gliederungen 


und Organisationen, die unermüdlich für die Stärkung 
der Kriegsbereitschaft tätig sind. Es hat sich als 
zweckmäßig erwiesen, zahlreiche Stoffe im Zusammen- 
hang zu betrachten und sie durch graphische 
Darstellungen zu ergänzen und anschaulich zu 
machen 


Nicht zuletzt aber muß das Erleben des Dorfes 
in aller Ausführlichkeit dargestellt werden, wo das 


Dorf selber zum Kriegsschauplatz wird durch die ver- 


brecherische Kriegführung britischer und amerika- 
nischer Terrorflieger, die Tod und Vernichtung such 
in friedliche Dörfer tragen. Zahllos sind bereits die 
Fälle, wo Dörfer zerstört oder. schwer beschädigt und 
Menschen getötet oder verwundet wurden. Und in 
ebenso zahllosen Fällen haben Männer und Frauen 
durch unerschrockenes Eingreifen schwere Schäden 
verhütet. Erlebnisse dieser Art aber müssen aus un- 


mittelbarem Erleben heraus niedergeschrieben wer- 


den, ehe sie in der Erinnerung verblassen. 

Diese kurze Übersicht über den Inhalt des Dorf- 
buches und seine Darstellung, die aber keinen An- 
spruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern nur ledig- 
lich an Beispielen die Vielseitigkeit der Arbeit zeigen 
will, läßt bereits den Umfang der Dorfbucharbeit er- 
kennen. Aus der Erkenntnis der Wichtigkeit heraus 
sind zahlreiche Dorfbücher erst im Laufe des Krieges 
begonnen worden. Um nun diesen Bearbeitern die 
Arbeit zu erleichtern, haben wir im Gau Ponmiern 


364 


ein hauptsächlich nach dem zeitlichen Ablauf ge 
otdnetes Stichwortverzeichnis zusammengestellt, 
das zunächst dazu bestimmt ist, die Geschehnisse ins 
Gedächtnis zurückzurufen. Dazu bedarf es oft nur 
eines kleinen Anstoßes. Außerdem enthält es auch 
noch kurze Hinweise auf gesetzgeberische Maßnahmen 
und Anordnungen der Staats- und Parteiführung, die 
im Dorfe wirksam werden könnten, und Daten aus 
dem Zeitgeschehen, um eine oft zeitraubende Such- 
arbeit zu ersparen. Es kann sich aber auch hier nur 
um grobe Umrisse handeln. Bei der Vielfalt der Ver- 
hältnisse schon in einem Gau ist es unmöglich, Be- 
sonderheiten einzelner Dörfer zu berücksichtigen. Das 
ist auch in keiner Weise notwendig, da diese Dinge 
ohnehin fest im Gedächtnis haften, den Umfang des 
Verzeichnisses aber über Gebühr belasten würden. 
Trotz aller Arbeitshilfen wird in manchen Dörfern 
die endgültige Bearbeitung aus kriegsbedingten Schwie- 
rigkeiten kaum durchzuführen sein. Dort sollte aber 
stets eine umfangreiche Materialsammlung durch- 
geführt werden, damit nicht zuviel in Vergessenheit 


gerät, was für die Vollständigkeit unentbehrlich ist. 


Die Durchführung der Dorfbuchsrbeit ‚erfordert 
einen nicht unerheblichen Aufwand an Zeit und Kraft, 
verlangt Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt in der Arbeits- 
weise und setzt auch mancherlei Kenntnisse voraus. 
Aufgabe des Hoheitgträgers, dem auch die gesamte 
kulturelle Betreuung des Ländvolkes untersteht, wird 
es sein, den richtigen Bearbeiter zu finden. Bei 
der Zusammensetzung der Landbevölkerung wird seine 
Wahl wohl in den weitaus meisten Fällen auf den 
Lehrer des Dorfes fallen. Dorf lehrer haben sich 
schon vielfach als Heimatforscher betätigt und be- 
sitzen reiche Erfahrungen auf diesem Gebiet. Von 
ihnen stehen aber die aktivsten Kräfte auch an der 
Front oder im Dienste der Wehrmacht. Die in ihrem 
Amt verbliebenen sind außer in der Schule auch noch 
mit zahlreichen Nebenämtern überlastet, so daß ihnen 
Zeit für eine intensive kulturelle Betätigung auf dem 
Dorfe, wie sie die Dorfbucharbeit darstellt, kaum ver- 
bleibe. In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Arbeit, 
die auch in verschiedenen parteiamtlichen Anord- 
nungen betont wird, sollte der Hoheitsträger den 
Lehrer, der sich der Kulturarbeit widmen will, von 
allen Ämtern befreien, soweit das nur möglich ist. 

Soll aber die Arbeit zu einem vollen Erfolg führen, 
dann darf der Bearbeiter nicht nur auf sich telbet und 
seine eigene Beobachtung und Sammlung von Stoffen 
angewiesen sein, sondern das ganze Dorf muß die 
Dorfbucharbeit zu seiner eigenen Sache 
machen, zu der jeder nach seinen Kräften beiträgt. 
Dann wird auch das Dorf buch das werden, was es sein 
soll: für die kommenden Geschlechter ein Dokument, 
das ihnen ein umfassendes Bild gibt von dem Werden 
einer neuen Raumordnung in Europa; der (Gegenwart 
aber werden die Stoffe aus dem Dorfbuch dazu dienen, 
in auswertender Betrachtung das Verständnis für 
unsere Zeit zu vertiefen und die bäu-rliche Kampf- 
gemeinschaft zur höchsten Anspannung zu 
stärken. Das ist notwendig für die ausreichende Er- 
nährung unseres Volkes und damit entscheidend für 
den Findsieg. 


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WILHELM THIES 


Die Schule in der bäuerlichen Erziehung 


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1° den letzten Jahren ist das Problem der durf- 
eigenen Schule öfter erörtert worden. Geht man 
den Einzelheiten nach, so zeigt sich, daß es im wesent- 
lichen um zwei Grundfragen geht. Eigmal steht 
die Schulorganisation und zum andern das Er- 
ziehungsprinzip im Vordergrund. 

In diesem Zusammenhang kann darauf verzichtet 
werden, über die Gründe zu sprechen, die bei der 
Auflösung einer einklassigen Schule zugunsten eines 
größeren Systems ausschlaggebend sind. In den 
meisten Fällen ist es die Folge eines narürlichen Inein- 
anderwachsens der Gemeinden. Es wäre töricht, sich 
gegen eine solche rein organisatorische Maßnahme 
wehren zu wollen. In allen Fällen von Schulzusammen- 


legungen prüft die Schulaufsichtsbehörde genau, ob 


ein solcher Schritt gerechtfertigt ist. Infolgedessen 
ist die Verringerung der dorfeigenen Schulen äußerst 
gering. 
Ein Blick in die Statistik genügt, um festzustellen, 
daß die einklassige Landschule auch gegen- 
wärtig den Hauptbestand unserer Volksschule 
bildet. In den Stadtkreisen befanden sich im Jahre 1939 
3141 Schulen mit 57962 Klassen, in denen 59676 haupt- 
amtlich beschäftigte Lehrer 2 378 253 Schulkinder unter- 
richteten, in den Landkreisen dagegen 45 604 Schulen 
mit 127929 Klassen, 116876 Lehrern und 3108405 
Schulkindern. Fast neun Zehntel der Volksschulen 
(89,9 vH), 68,8 vil der Schulklassen, 62,2 vH der 
Lehrer und 68,2 vH der Schulkinder kommen auf die 
Landkreise. Bei der Gliederung der ötfentlichen Volks- 
schulen nach Stufen, d. h. nach Jehrplanmäßig auf- 
steigenden Klassen, entfällt der größte Anteil auf die 
einstufigen Schulen mit 40 vH der Gesamtschulen. 
79,7 vH der Schulen in den Landkreisen haben nur ein 
bis drei Stufen, 44,3 vH nur eine Stufe. 

Die Richtlinien für „Erziehung und Unterricht in 
der Volksschule“ vom Jahre 1939 sind von dieser 
Lage ausgegangen und bestimmen das gesamte Er- 


` ziehungswesen wesentlich von der Landschule her: 


„Als Erziebungsstätte des deutschen Lollies und damit als 
Teil seines Volkslebens ist die Volksschule ein Abbild seiner 
Einbeit, aber auch seiner Mannig faltıgkeit im den verschiedenen 
Gauen, in Stadt und land. 

Die besondere I.sbensnäbe, in der die dorſoi gens I andschule 
steht, bietet erzieberische und unterrichtlicbe Vorteile, die vell 
auszunutzen sind. Die Schule bat bier der frübzeitigen 
Berufsverbundenbeit Rechnsmg zu tragen und sich in das 
Leben des Dorfes einzugliedern. Dabei soll sie von sich aus 
das Bewußtsein der Volksgemeinschaft erweitern. Sie logt 


bk 


zugleich den Grund für die „Arbeit der ländlichen Berufs- 
schule, obne deren Aufgaben voruugzichmen.“ ` 

Damit ist dem Landlehrer cin Auftrag geworden, 
der über die Anordnungen in den früheren Richtlinien 
hinausgeht und ihn vor eine veranrwortungsvolle Auf- 
gabe stellt. Nicht jeder Lehrer wird ohne weiteres in 
der Lage sein, diese so zu meistern, wie es die Richt- 
linien erfordern. Er wird vor allem das Vertrauen und 
die Unterstützung des Dorfes nötig haben. 

Bereits vor Erscheinen der Richtlinien für die oberen 
Jahrgänge der Volksschule, am 19. September 1938, 
hatte der Reichserziehungsminister einen Erlaß heraus- 
gegeben, in dem die engere Zusammenarbeit mit 
dem Reichsnährstand angestrebt wird. In 28 Ver- 
suchskreisen (Kreisbauernschaften) begann mit diesem 
Zeitpunkt eine Arbeit, deren Ziel es ist, die Boden- 
verbundenheit zu fördern, die I. andflucht zu unter- 
binden und das Nachwuchsproblem lösen zu helfen. 

Ab und zu ist die Auffassung vertreten worden, daß 
die Schule damit eine Sonderaufgabe zu lösen habe, 
die während des Krieges zurückgestellt werden könne. 
Dies ist jedoch ein Irrtam. Die Schule soll auch in 
diesem Fall, den Richtlinien entsprechend, mit den ihr 
gemäßen Mitteln erziehend wirken. Mit anderen 
Worten: Aus der Zusammenarbeit mit dem Reichsnährstand 


‘soll keine Sonderaktion enisteben, sondern ein Erziebungs- - 


prinzip erwachsen, das den naturlichen bäuerlichen Verbält- 
nissen entspricht. e ` 

Einer Anregung des Reichsleiters für das Landvolk 
folgend, hatte der Reichserziehungsminister Ss 
Deutsche Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht * 
beauftragt, die Frage der Landflucht vom Standpunkt 
der Landschule aus einer eingehenden Prüfung zu 
unterziehen. Das Deutsche Zentralinstitut hat darauf 
einen Arbeitskreis „Schule gegen Landflucht“ 
gebildet und diese Frage in einer Tagung des Arbeits- ` 
kreisen, die vom 8. bis ı3. Februar 1943 stattgefunden 
hat, zum Gegenstand eingehender Erörterungen ge- 
macht. Die Ergebnisse der Besprechungen zeigten, 
daß nicht nur die Landschule, sondern auch die Stadt- 
schule gewillt und in der Lage ist, sich in den Dienst 
dieser wichtigen Aufgabe für unser Volk zu stellen. 
Von den Leitsätzen der Arbeltstagung sind einige 
von besonderer Bedeutung. | 

Die erste Frage lautete: „Wesbalb muß und inwieweit 
tam die Schule an der Aufgahe im Kampf gegen V’erstädte- 
rung, Landfiucht md! Stedisucht beteiligt werden?“ Sie 
wird im ganzen zustimmend beantwortet, wobei etwa 
folgende Gründe angeführt werden: 


365 


Der Kampf gegen die Landtlucht ist eine politische 
Aufgabe des ganzen Volkes. Da es sich hierbei im 
wesentlichen um eine Frage der Haltung und Ge- 
sinnung, also der Erziehung, handelt, muß dieser 
Kampf Aufgabe der Schule, und zwar in Stadt und Land, 
sein. 

Während die damit zusammenhängenden sozialen 
und wirtschaftlichen Fragen von anderen Stellen gelöst 
werden müssen, ist es Aufgabe aller Erziehungs- 
faktoren, besonders der Schule, und hier der Land- 
schule, durch Erziehung und Unterricht auf Haltung, 
Gesinnung und Willen der Jugend mit ihren besonderen 
Mitteln einzuwirken. 

Die Schule ist zu der ihr hier gestellten Aufgabe 
besonders berufen, da sie die künftigen Iandmenschen 
in der Zeit ihrer stärksten Aufnahmefahigkeit zu be- 
treuen hat. Außerdem hat der rechte Landlehrer weite 
Möglichkeiten, auf die Haltung des ganzen Landvolkes 
einzuwirken. 

Alle sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen 
müssen wirkungslos bleiben, wenn nicht die geistig- 
seelischen Ursachen der Landflucht beseitigt 
werden, Während jene zum Teil als Sofortmaßnahmen 
angesprochen werden können, handelt es sich bei diesen, 
den Aufgaben der Erziehung, im wesentlichen um 
Maßnahmen auf weite Sicht, die zwar sofort einsetzen 
müssen, aber erst allmählich wirksam werden können. 

Über die inbaltliche Gestaltung und Ausrichtung des Unter- 
richts in der l andschule wird in den Leitsätzen unter 
anderem gesagt: 

Die ländliche Volksschule hat im Rahmen der 
. rassisch-politisch-völkischen Erziehung die Sonder- 
aufgabe, die ihr anvertrauten Kinder zu bewußt 
biuerlich denkenden und handelnden Men- 
schen zu erziehen. Als wahrhafte Bildungsstätte 
des Landmenschen muß sie eine doppelte Funktion 
für diesen übernehmen: Sie soll aufklären über den 
ländlichen Lebenskreis und das ihn erfüllende Leben, 
sie soll aber auch den Landmenschen auf alle Weise 
in diesem Leben bestärken und gesinnungs- und willens- 
mäßig festigen.. . 

Indem sie die Erfahrungen und Einsichten sowie 
auch die verantwortlichen Verpflichtungen des über- 
schbaren Raumes seines Lebenskreises zum Ausgang 
ihrer Arbeit nimmt, erfaßt sie den Landmenschen an 
seiner Wesensverhaftung mit dem völkischen 
Leben, somit da, wo er für seine Aufgaben am chesten 
und nachhaltigsten gewonnen werden kann. 

Dieser Forderung entspricht sie zu einem wesent- 
lichen Teil schon dann, wenn sie ihre Stoffpläne 
aus dem heimatlichen Lebenskreis der Kinder 
gestaltet, auch beim Blick in die Weite von der Heimat 
ausgeht und zu ihr zurückkehrt. 

Als besonders wichtig bezeichnet der Arbeitskreis 
die Schaffung geeigneter Lehr- und Lern- 
mittel. Er hält es für notwendig, daß dem Lehrer ent- 
sprechende Handreichungen, in denen er den Stoff 
bereit findet, zur Verfügung gestellt werden. Die Lern- 
bücher sollen für die besonderen Bedürfnisse für Stadt 
und Land für die einzelnen Gaue abgestimmt werden. 
Ebenso sollten entsprechende Lehrmittel gefunden 
werden, die aus Auftrag und Lehrweise der Landschule 


366 


erwachsen. Die Herstellung solcher Lehr- und Lern- 
mittel stößt gegenwärtig aus kriegsbedingten Gründen 
auf große Schwierigkeiten. 

Eine besondere Bedeutung hat die Mädchen- 
erziehung auf dem Lande. In der Erziehung der 
weiblichen Jugend zur Landfrau und Mutter liegt das 
Schicksal unseres Volkes. In der Landschule kann aus 
organisatorischen Gründen keine gesonderte Mädchen- 
erzichung durchgeführt werden. Das ist nach den Er- 
fahrungen der Landschule kein Unglück. Da das Land- 
leben für den Bauern und die Bäuerin, deren 
Arbeiten stark ineinandergreifen, eine geschlossene 
Einheit bildet, ergibt sich für die Schule daraus die 
Grundlage für den gemeinsamen Unterricht. 

Nach den Richtlinien „Erziehung und Unterricht 
in der Volksschule“ sind Handarbeit und Haus- 
werk pflächtmäßige Unterrichtsfächer. Es kommt 
darauf an, diesen Unterricht durch geeignete Lehrkräfte 
und Finrichtungen so zu gestalten, daß in den beiden 
letzten Schuljahren, in denen das Mädchen ohnehin für 
die Arbeit der Hausfrau herangezogen wird, ein natür- 
liches Eingehen auf die späteren Aufgaben erfolgt. 
Aufgaben der landwirtschaftlichen Berufsschule dürfen 
hierbei nicht vorweggenommen werden. Eine wesent- 
liche Unterstützung erhält der Unterricht der Mädchen 
in der Volksschule durch den Erlaß des Reichs- 
erziehungsministers vom 3. Dezember 1942, der die 
Förderung der Mädchenerziehung durch Hebung des 
Hauswirtschaftsunterrichts und Einsetzung von 
landwirtschaftlichen Fachberaterinnen bei der Schul- 
aufsicht der Kreisinstanz anordnet. 

Die Unterrichtsstoffe für die Handarbeit sind nicht 
nur dem bäuerlichen Lebenskreis zu entnehmen, 
sondern auch so zu wählen, daß sie einer guten Ge- 
schmacksbildung dienen. Der durch den Krieg be- 
dingte sparsame Verbrauch von Werkstotfen mach 


ich dabei oft positiv geltend und zeigt, daß mit ein- 


fachen Mitteln gute Erfolge zu erzielen sind. 

Das gleiche gilt für die Jungen auf dem Gebiere des 
Werkens, das schlechthin als bäuerliches Werken 
bezeichnet werden könnte. Die Leiter der Werklehrer- 
seminare in Halle, Hildesheim und Leipzig, in deren 
Händen die Fortbildung der Lehrer im Zeichnen und 
Werken liegt, stehen denen der Schule mit Rst und 
Tat zur Seite. 

Die Gemeinschaftserziehung der Jungen und 
Mädchen läßt sich besonders gut durch die Schul- 
gartenarbeit verwirklichen. Bauer und Bäuenn 
teilen sich in die Gartenarbeit, wobei der Bäuerin in der 
Regel der größte Teil zufällt. Somit ist der Ansatz- 
punkt für die Erziehung durch Zusammenfassung voa 
Jungen und Mädchen ein narürlicher, der von der ein- 
klassigen und wenig gegliederten Schule ausgenutzt 
wird. 

Über die Einrichtung und Bewirtschaftung der 
Schulgärten gibt der Erlaß vom 27. Juni 1937 An- 
weisungen. Der Schulgarten soll sich in den ländlichen 
Gemeinden in der Gestaltung dem orts- und landes- 
üblichen Brauche anpassen, er soll zugleich ein 
Mustergarten sein. Diese Aufgabe verlangt von der 
Schule Zeit und Hingabe. Die Fortbildung der Lehrer 
im Obstbau hat sich sehr segensreich ausgewirkt. Wie 


2 


stark der Einfluß auf diesem Gebiete wirken kann, 
zeigt sich dort, wo die Schule der ganzen Gegend ein 
wirtschaftliches Gepräge gegeben hat. Auch während 
des Krieges entwickelt sich die Schulgartenarbeit dort 
weiter, wo der rechte Erzieher am richtigen Ban 
wirkt. 

Der Schule ist die Frage vorgelegt worden, ob sie 
durch erziehliche Maßnahmen das bäuerliche 
Selbstbewußtsein stärken könne. Hierbei handelt 


es sich richt nur um das Bewußtsein vom eigenen Ich, 


sondern auch um alle andere, was damit in engerem 
Zusammenhange steht, um Hof und Familie, Sippe und 
Dorf, Stand und Stamm, Arbeit und Leistung usw. 
Ohne Zweifel ist das bäuerliche Selbstbewußtsein in 


manchen Gegenden im Schwinden. Die Gründe sind ' 


vielseitig und können keineswegs allein durch die Er- 
ziehung ausgeglichen werden. Ohne bäuerliches Selbst- 
bewußtsein müssen jedoch alle Bemühungen, auch die 
Bekämpfung der Landflucht, ohne Wirkung bleiben; 
deshalb wird die Schule den Reichsnährstand hierin 
unterstützen müssen, Viel kann sie tun, wenn sie das 
fernhält, was das bäuerliche Selbstbewußtsein schwächen 
könnte. Sie wird solchen Erscheinungen in Film, 
Litesatur und Kleinkunst entgegenzutreten haben. 
Wichtig. und zugleich Voraussetzung ist aber, daß 
auch der Lehrer das nötige Selbstbewußtsein besitzt. 
Hier wäscht eine Hand die andere. Deshalb ist es Auf- 
gabe des Bauern und des Reichsnährstandes, daß sie 
dem Lehrer das nötige Vertrauen entgegenbringen. 
Dann wird die Schule auch in dieser Richtung positiv 
wirken können. Durch Vorbild, Schrifttum, Bild und 


Film, Dorf buch und Dorfausstel lung lassen sich manche 


Ansatzpunkte finden. 

Damit trägt die Schule zugleich ihren Anteil an den 
eigenständigen Kulturformen und dem Ge- 
meinschaftsleben des Dorfes bei. Zunächst geht 
es darum, im Dorf vorhandene Kulturformen zu er- 
halten. Diese sind vielfach noch da, aber leider in be- 
drohlicher Weise im Schwinden begriffen. Neue brauch- 
bare Formen müssen gepflegt werden. Inwicweit die 
Schule dabei mitwirkt, kann nicht abgegrenzt werden. 
In der Regel ist ihr Anteil größer, als allgemein ange- 
nommen wird, da sie nicht selten im Hintergrund 
bleibt. Die Pflege eigenständiger Kultur ist nur inner- 
halb des, dörflichen Gemeinschaftsicebens möglich. 
Auch aus diesem Grunde ist die dorfeigene Schule die 
Stätte,aus der das dörf liche Kulturleben emporwachsen 
kann. Der Landschule nıuß in ihrer Arbeitsweise des- 
halb so viel Spielraum gegeben werden, dafs sie an der 
Gesamtaufgabe beteiligt werden kann. 

Der volksverbundene Lehrer tritt somit über den 
unmittelbaren Aufgabenkreis der Schule hin- 
aus, indem er den übrigen im Dorfe tätigen Kräften 
beratend und führend hilft. Hier liegt ein so weit ver- 
zweigtes Aufgabengebiet, daß dem Lehrer nicht zuge- 
mutet werden kann, sich allen herantretenden Fragen 
zu widmen. Aus der großen Zahl seien nur folgende 
genannt, die immer wieder in den Vordergrund treten: 
Heimatpflege, Volkskunde, Volkstumspflege, Natur- 
schutz, Volksbühnenarbeit, Leitung von Sing- und 
Musikkreisen, Dorfgemeinschaftsabende, Anlage eines 
Dorfarchives, leitung von Worfbüchereien usw. 


— 


Daraus ergibt sich, dal der Lehrer nicht mit zeit- und 
kraftvergeudenden Aufgaben belastet werden darf, die 
abseits seiner Erziehungsaufgaben liegen und auch von 
anderen Dorfbewohnern geleistet werden können. 

Man würde der Stadtschule unrecht tun, wenn ihr 
Anteil an dem Kampf gegen die Verstädterung 
in diesem Zusammenhang außer acht bliebe. Ver- 
städterung ist der zersetzende Einfluß der Stadt auf das 
Land, der das Bauerntum aus seiner Verwurzelung 
im Boden löst, seine Lebenswerte zerstört, seine bio- 
logische, wirtschaftliche und kulturelle Leistungsfähig- 
keit schwächt und dadurch das Volk an den Wurzeln 
seines Lebens trifft. Zwar schlummert in breiten 
Schichten unserer Stadtbevölkerung noch eine Ahnung 
von der. Bedeutung des Bauerntums, doch muß die 
Schule das rechte Verständnis wecken. Die äußeren 
Verhältnisse sind hierfür ungleich schwieriger als auf 
dem Lande. Es gibt nur wenige Schulgärten, weniger 
Möglichkeiten, die Arbeiten des Bauern kennenzu- 
lernen. Deshalb müssen Lehrwanderungen und Ferien- 
aufenthalt auf dem Lande mithelfen. Geeignete Lern- 
mittel und Ganzschriften dienen zur Ergänzung und 
Auswertung. | | 

Voraussetzung für den Erfolg der Gegenwehr ist 
eine Lehrerbildung und -furtbildung, und zwar 
der Stadt- und Landlehrer, die sie mit der (sefahr der 
Versrädterung und der Landflucht bekannt macht und 
sie in unmittelbare Zusammenarbeit mit dem Bauern- 
tum bringt. Eine solche Fortbildung einzuleiten und 
durchzuſühren, ist u. a. eine Aufgabe der genannten 
Versuchskreise. 

Die Arbeit der Schule wird erschwert, wenn die 
äußeren Voraussetzungen für eine dorfeigene Schul- 
arbeit fehlen. Die Schulaufsichtsbehörde hat seit 
Jahren dem Schulhaus auf dem Lande ihre be- 
sondere Aufmerksamkeit gewidmet. Forderungen, die 
früher nicht immer anerkannt werden konnten, gelten 
heute als selbstverständlich. Hierher gehören: eine 
bodenständige Bauweise, ausreichende Räume 
und Flure mit Wasch- und Trinkgelegenheit und einer 
Kleiderablage. Außerdem werden für jede Schule ein 
Werkraum, eine Küche, ein Lehrerzimmer, ein Lehr- 
und Lernmittelzimmer und ein Schülerbad gewünscht. 
An das Schulhaus schließen sich ein Schulgarten und 
Freiflächen für Leibeserziehung an. 

Die Ausstattung der Schule soll der Eigenart 
der Landschule dienen, Leider hat das Klassenzimmer 
noch recht oft das Ausschen einer Werkstätte. In jedes 
Klassenzimmer gehört ein guter Wandschmuck. Die 
Lehrmittel der Dorfschulen müssen eine sinnvolle Er- 
gänzung der durch das Dorfleben und die ländliche 
Natur gegebenen Anschauungsmöglichkeiten bilden. 
Für die stille Arbeit der Schüler sind geeignete Arbeits- 
mittel nötig. Neben der Schulbücherei ist die Lehrer- 
bücherei so auszubauen, daß sie als Arbeitsbücherei 
dienen kann. In ihr dürfen vor allen Dingen gute 
Handreichungen für die einzelnen Fächer nicht fehlen. 

Eine wichtige Voraussetzung für die Bodenständig- 


keit des Landlebrers ist eine schöne und zweckmäßig 


gebaute Lehrerwohnung. In den letzten Jahren vor 
dem Kriege sind zahlreiche vorbildliche Bauten ge- 
schatlen worden, von denen eine Auswahl in dem Hett 


367 


„ Volksschulbauten“, auf Anregung des Reichs- 
erziehungsministeriums berausgegeben vom Preußi- 
schen Finanzministerium, wiedergegeben ist. Be- 
sondere Erwähnung verdient auch die Arbeit des Ober- 
regierungsrats Krüger in Danzig über „Neue Dorf- 
schulen für die Ostgebiete“, in der mit viel Verständnis 
für die Schule und die Forderungen der ostdeutschen 
Landschaft Anregungen für ländliche Schulbauten ge- 
geben werden, die auch für andere Landschaften von 
Bedeutung sind. Zu der Lehrerwohnung gehört ein 
ausreichender Lehrergarten, der als Ziergarten und 
als Gemüsegarten eingerichtet werden kann. Er soll so 
geräumig sein, daß sich der Lehrer auch im Obstbau 
darin betätigen kann. 

Die Besoldungsordnung des Lehrers zeigt, daß 
der Landlehrer besonders berausgehoben ist und ihm 
eine Zulage gewährt wird. Einen finanziellen Ausgleich 
bat auch der Landlehrer ferner durch die Gewährung 
ven Ausbildungsbeihilfe für seine Kinder erhalten, so 
daß ihn die Familienverhältnisse künftig nicht zwingen, 
in die Stadt zu ziehen. 

Es ist bereits erwähnt worden, daß wir nicht nur 
ein selbstbewußtes Bauerntum, sondern auch einen 
selbstbewußten, bodenständigen Landlehrer nötig 
haben. Recht oft begegnet man der Auffassung, daß 
der Landlehrer vom Lande stammen müsse. Diese An- 


sicht ist zum mindesten einseitig. Der Lehrernach- 
wuchs vom Lande ist zu begrüßen und besonden zu 
fördern, duch ist nicht allgemein zu folgern, daß nur 
aus diesem dörflichen Nachwuchs der erstrebenswerte 
Dorflehrer berauswächst. Viele in der Stadt geborene, 
aufgeschlossene junge Lehrkräfte werden durch dic 
Eigenart der Dorfarbeit angezogen und sind darin 
erfolgreich tätig. Andererseits braucht auch die Stadt 
Lehrkräfte, die den Wert des Landes und der Land- 
arbeit kennen und bejaben. Fre Trema der Lebrer- 
vorbildung nach Stadt- md Landlebrern ist daber nicht nel- 
wendig. Dagegen könnte bei der Fortbildung der Lebrkraftı ge 
Differenzierung einsetzen. Doch müßte beiden T eilen Gelegenbeit 
Geben werden, von der Arbeit der andern Kenntnis zu nebmen. 

Gegenwärtig stehen einer Weiterentwicklung des 
Landschullebens große Hemmnisse entgegen. 
Lehrermangel, Uberalterung der Lehrkräfte, Abwande 
rung in andere Berufe und einseitige Zunahme der 
weihlichen Lehrkrafte wirken sich auf die einklassige 
Landschule nachteilig hus. Zu der zu erstrebenden Neu- 
wertung von Schule und Lehrer muß daher die wirt- 
schaftliche und kulturelle Vorsorge für den Landlehrer 
weitergehen. In diesem Sinne wirkt für die Zukunft 
schon während des Krieges die enge Zusammenarbeit 
der Schulaufsichtsbehörde mit dem Reichsnährstand 


auf dem Gebiete „Schule und Landvolk“. 


Das Bauerntum muß Dlutsquell unſeres Volkes und fein 
Ernührer fein. Indem der Tlationalfozialismus die natürlichen 
Geſetze des völkiſchen Lebens zur geundfäßlidden Lehre erhob, 
anerkannte er auch die Bedeutung des Bauerntums für das 


völkiſche Schickſal unſerer Nation. 


Wenn die Dotfehung den 


deutſchen Bauern feit dem Mittelalter aus dem aktiven ge- 
ſchichtlichen Geſchehen verbannte, fo hat der Natlonalſozialismus 
den bäuerlichen Geſchichtswillen wieder zum tragenden Element 


des deutſchen Lebens gemacht. 


dieſer hohen geſchichtlichen Miſſion bewußt. 


Das deutſche Landvolf ift fid 
Es ſetzt gegen die 


artvernichtenden Theorien des Liberalismus und damit letzten 
Endes des Bolſchewismus die arterhaltenden Geſetze der Rafe, 
des Volkstums, der ſchöpferiſchen Kraft der Perſönlichkeit 


368 


Herbert Bade 


er EEE EEE eg mi a P  — is 


„ 


Agmpeltische Rundschau 


An der Schwelle des sechsten Kriegsiahres 
forderte der Reichsobmann des Reichsnähr- 
standes, Bauer Gustav Behrens, in einem 
grundsätzlichen Aufsatz das deutsche Landvolk 
zur größten Kraftentfaltung auf. Er unterstrich 
nochmals die leistungen des deutschen Land- 
volkes in den vergangenen fünf Kriegsjahren. 
Auch diese leistungen würden jedoch nichts 
helfen, wenn nicht das Landvolk im sechsten 
Kriegsiahr durch noch größere Kraftentfaltung 
alles einsetzen würde, um den Sieg zu er- 
ringen. Dort, wo in einzeinen Betrieben Schwie- 
rigkeiten entstehen, gilt es in Ernte und Be- 
stellung durch geeignete Hilfe den notwendigen 
Ausgleich zu finden. „Kommt es in der Er- 
zeugung darauf an, das letzte auszuschöpfen, 
so trifft das erst recht und in nach viel höherem 
Maße auf die Ablieferung zul Ist der Erfolg 
bei der Erzeugung außer der leistung noch eine 
Frage des Wetters, der Produktionsminel usw., 
so entscheidet bei der Ablieferung einzig und 
allein die Haltung!” Reichsobmann Behrens er- 
innerte an die Worte, die Reichsminister Backe 
in der letzten Dienstbesprechung an die Landes- 
bauernführer richtete: „Es ist selbstverständlich, 
daß wir alle verpflichtet sind, das letzte zu 
leisten. Der Bauernführer hat dabei Vorbild 
zu sein. Es kommt hier nicht nur auf das Mo- 
terielle, sondern auch auf das ideelle, auf den 
Charakter und die Haltung an. Mit dieser Ein- 
stellung werden wir auch diesen schwersten 
Kampf durchstehen. Jeder von Ihnen muß nach 
diesen Grundsätzen mithelfen und sich bis zum 
letzten einsetzen, muß mit diesem Bewußtsein 
seiner ganzen Verantwortung diesen Weg 
gehen.” 

Gleichzeitig gaben die beiden Reichshaupt- 
obteilungsleiter Dr. Brummenbaum und 
Zschirnt einen Überblick über fünf Jahre 
erfolgreiche Kriegserzeugungsschlacht und über 
fünf Jahre geordnete Volksversorgung. lm 
Mittelpunkt der Kriegserzeugungs- 
schlacht standen im fünften Kriegsjahr der 
Olfruchtbau, die Leistungssteigerung in der 
Milchfefter zeugung, die Sicherung des Schweine- 
bestandes und die Aufrechterhaltung der Kar- 
toffelerträge. Darüber hinaus erforderte allein 
der Zwang, fast alle landwirtschaftlichen Be- 
triebsmittel, seien es Handelsdünger, Maschinen 
und Geräte, Kleineisenwaren, Treibstoff, Binde- 
garn, Schädlingsbekämpfungsmittel usw., zu be- 
wirtschaften, um ihren Einsatz nicht dem Zutall 


und dem stärkeren Geldbeutel zu öbe lassen, 


sondern nach volkswirtschaftlichen Gesichts- 
punkten zu lenken, eine unendliche Fülle pla- 
nender Arbeit, die noch dazu mit einer ganz 


wesentlich geringeren Zahl an Kräften als vor 
dem Kriege bewältigt werden muß. lm sechsten 
Kriegsjohr muß bei der Fortführung der Erzeu- 
gungsschlacht von vornherein mit erheblich 
schwierigeren Bedingungen gerechnet werden, 
denen durch geeignete Maßnahmen begegnet 
werden wird. DerMangel an Handelsdünger wird 
vor allem durch eine verstärkte Erschließung der 
Nährstoffreserven unserer Böden, insbesondere 
durch eine individuelle Bearbeitung des Bodens 
in Verbindung mit einer Lockerung des Unter- 
grundes zur Beseitigung der ertragsmindernden 
Bodenverdichtungen und Pfiugsohlenbindungen, 
sowie durch einen verstärkten Anbau von Hülsen- 
früchten und stickstoffsammeinden Futterpflanzen, 
vor allem als Zwischenfrucht, weitgehend über- 
wunden werden müssen. Vom Standpunkt der 
Nährstoffversorgung unserer Böden und der 
Erhaltung der alten Bodenkraft und Bodengare 
muß es als ein besonderer Erfolg unserer Er- 
nährungspolitik bezeichnet werden, daß es ge- 
lungen ist, selbst im fünften Kriegsiahr den 
Rindviehbestand etwa auf Friedensumfang zu 
halten und den Bestand an Schafen sogar 
wesentlich zu erhöhen. Der dadurch gegen- 
über dem Frieden nur unwesentlich verringerte 
Anfall an Wirtschaftsdünger hat zweifellos in 
besonderem Maße dazu beigetragen, den hohen 
Leistungsstand unserer Betriebe bisher aufrecht- 
zuerhalten. Er gibt auch im sechsten Kriegs- 
jahr unter Voraussetzung bester Pflege und 
Aufbewahrung sowie überlegten Einsatzes die 
Gewähr, daß unsere Ernten nicht wie im ersten 
Weltkriege aus Mangel an Nährstoffen einen 
bedrohlichen Rückgang erfahren. 


Die Aufgaben der Versorgung 
sind im sechsten Kriegsjahr nicht grundsätzlich 
andere geworden. Bei ihrer Durchführung gilt 
es nur, ebenso größere Schwierigkeiten zu über- 
winden wie in der Erzeugung. Die Beweglich- 
keit und Anpassungsfähigkeit der Maßnahmen 
in der Organisation wird auch im sechsten 
Kriegsjahr dazu beitragen, diese Aufgaben zu 
meistern. Erleichtert wird dies durch die 
Stetigkeit der Grundlinien der 
Marktordnung. Hierbei ist von vornher- 
ein das Schwergewicht mehr auf Führung und 
weniger auf Anordnung, mehr auf Gefolgschaft 
und weniger auf Gehorsam gelegt worden. 
Dieser Grundsatz hat sich bewährt. Das wird 
auch in Zukunft der Fall sein, wenn es gilt, die 
vom Oberbefehlsieiter und Reichsminister 
Backe und seinen Mitarbeitern immer wieder 
geforderte noch straffere Durchführung der Ab- 
lieferung und Erfassung in die Wirklichkeit um- 
zuseizen. ` ` ) . 


369 


Der Beginn des sechsten Kriegsjahres traf das 
Landvolk inmitten der Erntebergung, die durch 
günstiges Wetter erleichtert wurde. Die Forde- 
rungen aus der diesjährigen Getreideernte sind 
schon in der letzten Folge dargelegt worden, 
jetzt gilt es, die Aufgaben zu kennzeichnen, 
die aus dem Ergebnis der Hackfruchternte, ins- 
besondere der Kartoffelernte, zu ziehen 
sind. Hier hat kürzlich Reichsobmann Behrens 
grundsätzliche Ausführungen auf einer Arbeits- 
tagung der Hauptvereinigung der deutschen 
Kartoffelwirtschaft gemacht. Er zeigte hierbei, 
wie im vergangenen Wirtschaftsjahr alles ge- 
tan worden sei, um durch eine restlose 
Erfoss ung und durch Ausgleichsliefe- 
rungen an Getreide, Hülsenfrüch- 
ten und Reis die infolge der geringen 
Kartoffelernte 1943 entstandene schwierige Ver- 
sorgungslage erfolgreich zu meistern. Das neue 
Kartoffelwirtschaftsiahr, das voraussichtlich gün- 
stigere Aussichten als im vergangenen Jahr 
bietet, wird trotzdem ebenfalls schwierige Auf- 
gaben stellen. Der vermutlich größeren Ernte 
stehen erheblich gesteigerte Aufgaben gegen- 
über, da nicht nur der Bedarf an Speise- und 
Pfianzkartoffeln gedeckt werden muß, sondern 
auch erhebliche Mengen für die technische Ver- 
arbeitung bereitgestellt werden müssen, wäh- 
rend auf der anderen Seite ein möglichst großer 
Futterrest für die Schweinehaltung angestrebt 
werden muß. Sparsamste Verwendung 
der diesjährigen Kartoffelernte 
ist also wichtigstes Gebot. Auf 
keinen Fall kann in diesem Jahr damit gerechnet 
werden, daß bei der Kartoffelversorgung durch 
die Getreide wirtschoft oder andere Sektoren 
eine Hilfsstellung erfolgt. 

In den nächsten Wochen wird vor allem die 
schnelle und rechtzeitige Bergung 
der Kartoffelernte im Vordergrund 
stehen. Diese Aufgabe konn unter den heutigen 
schwierigen Verhältnissen beim Arbeitseinsatz 
und in der Gespannbereitstellung nicht vom 
Londvolk allein gelöst werden. Da die Kar- 
toffelernte eine nationale Aufgabe erster Ord- 
nung ist, von deren erfolgreicher Lösung die 
Sicherheit unserer Ernährung im sechsten Kriegs- 
jahr zu einem erheblichen Teil abhängt, richtete 
Reichsobmann Behrens einen Appell an 
alle Volksschichten, jede freie 
Arbeitskraft für die Bergung der 
Kartoffelernte zur Verfügung zu 

stellen. 

Die letzte Entwicklung der Kriegsloge hat die 
Überprüfung der Versorgungsplao- 
nung für das begonnene sechste 
Kriegswirtschoftsjahr notwendig ge- 
macht. Entsprechend dem von Herbert Backe 
immer wieder betonten Grundsatz, daß bei der 
Sicherstellung der Volksernöhrung in erster 
linie die pflanzlichen Grund- 
nahrungsstoffe im Vordergrund 


370 


stehen müssen, weil hier von der Er- 
zeugungseinheit die höchsten Mengen an Nah- 
rungswerten ohne Verediungsverluste für die 
menschliche Ernährung nutzbar gemacht werden 
können, werden die notwendigen Ein- 
schränkungen im Futtersektor für 
diejenigen Tiergattungen vorgenommen, bei 
denen dies am ehesten ohne große Schädi- 
gungen für die Gesamtversorgung möglich ist. 
Aus diesem Grunde erfolgte wiederum eine 
Preisänderung für Schweine mit dem Ziel der 
Herabsetzung der Schlachtgewichte sowie eine 
Korrektur der bisherigen Mastverträge. Hierbei 
sei darauf hingewiesen, daß auch diese Maß- 
nahmen nichts mit dem Schweinemord des Welt- 
krieges zu tun haben, weil auch jetzt der 
Grundsatz der Aufrechterhaltung einer leistungs- 


‚starken und zahlenmäßig ausreichenden Nach- 


zucht nicht verletzt wird. 

Dem gleichen Ziel der Sicherung für die 
menschliche Ernährung geeigneter Pflanzen- 
nahrungsmittel bzw. der Verwendung der für 
die Großviehhaltung geeigneten Futtermittel 
dient die strikte Durchführung der 
im März erlassenen Anordnung 
zur Verminderung der Kleintier- 
bestände. Hier ist die Übergangsfrist mit 
dem 31. August abgelaufen. Durch entsprechende 
Anweisungen an die Düurchführungsstellen ist 
dafür Sorge getragen, daß unter allen. Um- 
ständen eine korrekte Durchführung der Anord- 
nung überall sichergestellt wird. Dabei wird 
von dem Grundsatz der gesunden Kleintier- 
haltung ausgegangen, die den Umfang der 
Kleintierhaltung mit der tatsächlich vorhandenen 
Futtergrundiage in Einklang bringt. Dieser 
Grundsatz ist allerdings in den neu errichteten 
und erweiterten Kleintierkaltungen oft nicht be- 
achtet worden, so daß erhebliche Mißstände eir- 
getreten sind. Schuld daran sind in erster Linie 
die neu erstandenen städtischen Kleintier- 
haltungen und die stark erweiterten Kenner, 
haltungen in den landwirtschaftlichen Betrieber. 
Entweder werden die Tiere nicht satt gefüttert 
und bringen keine leistung, oder das- Futter 
muß. irgendwie „besorgt“ werden, sei e 
„hintenrum” durch den Kauf beim. Landwirt, sei 
es durch Tausch gegen verknappte Waren oder 
sei es als Gegenleistung für handwerkliche oder 
sonstige nichtlandwirtschaftliche Arbeit. In allen 
Fällen handelt es sich aber um eine verbotene 
Futterbeschaffung und Futterhergabe, und in 
allen Fällen handelt es sich um Futter, das für 
Großtiere bestimmt ist und diesen entzogen 
wird. Auch wo im Garten an Stelle des bis- 
herigen Gemüseanbaves heute überwiegend 
Kleintierfutter erzeugt wird und der Kleintier- 
halter jetzt auf dem Gemüsemarkt als neuer 
Käufer auftritt, entzieht die Kleintierholtung der 
Allgemeinversorgung lebensmittel. Um zu ver- 
hindern, dog Kleintierhalter ihren Kleintieren 
Futter geben müssen, das für andere Zwecke 


vs 


bestimmt ist, schreibt die Anordnung die wirt- 
schaftseigene Futtergrundiage vor. Niemand 
darf mehr Kleintiere halten, als er mit seinem 
saibsterzeugten Futter ernähren kann. Landwirt- 
schaftliche Kleintierhalter dürfen für die Klein- 
tierhaltung aber kein Futter verwenden, das für 
die Großtierhaltung geeignet ist. Die Anord- 
nung begrenzt deshalb auch hier die Zahl der 
Kleintiere, die der einzelne halten und out, 
ziehen darf. Damit wird eine Verfütterung von 


_Großtierfutter an Kleintiere in den Betrieben 


verhindert, die an sich eine große eigene Futter- 
grundlage haben, also viele Kleintiere holten 


könnten. Abgesehen davon, daß das Futter über 


den Großtiermagen in Fleisch und Fett für die All- 
gemeinheit umgewandelt wird, ist auch die Ver- 
wertung des Futters durch Großtiere eine bessere. 

Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, 
daß das Huhn zur Erzeugung der Eier erheb- 
liche Mengen Futter selbst sucht, das sonst um- 
kommen würde, weil kein anderes Tier in der 


loge ist, dieses Suchfutter zu verwerten. Auch 


das Großgeflügel ernährt sich zu einem großen 
Teil aus Suchfutter, während die Kaninchen 
wieder hervorragende Abfallverwerter sind. 


Darin liegt der große volkswirtschaftliche Wert 
der Kleintiere, daß sie das absolute Kleintier- 
futter verwerten, das sonst eben unverwertet 
umkommen würde. Diese Bedeutung ver- 
lieren die Kleintiere jedoch in dem Augen- 
blick, in dem ihre Zahl so groß wird, daß ` 
das absolute, das Suchfutter, nicht mehr 
ausreicht, um dem Kleintierbestand als Futter- 
grundlage zu dienen und den Kleintieren über- 
wiegend oder fast nur noch Handfutter gegeben 
werden muß. Der Kleintierbestand muß sich 
also immer noch dem vorhandenen 
absoluten Futter richten. Die auf 
Grund der Kleintieranordnung gebildeten Aus- 
schüsse werden in den kommenden Wochen da- 
für Sorge tragen, daß der Umfang der Kleintier- 
haltung den genannten Vorschriften angepaßt 
wird. Sie werden ihre Entscheidung danach 
richten, daß die Versorgung der Allgemeinheit, 
insbesondere der Arbeiter in Rüstung und Kriegs- 
produktion und der Städter überhaupt, nit Fett 
und Fleisch gesichert wird, daß aber gleichzeitig 
dem anständigen Kieintierhalter die Freude on 
seinen Kleintieren und auch der Nutzen daraus 
verbleibt. Dr. KurtHaußmann 


Randbemerkungen 


Därfliche Kulturarbeit 
und totaler Krieg 


Die Konzentration aller Kräfte des deutschen 
Volkes auf den Entscheidungskampf macht es 
notwendig, die kulturellen Bringeveranstaltun- 
gen durch künstlerische Berufskräfte auf dem 
Lande auf das stärkste einzuschränken. Mehr 
denn je ist daher das Landvolk auf eine Ge- 
staltung seiner seltenen Fest- und Feierstunden 
aus eigener Kraft angewiesen, soll nicht 
ein wichtiger Kraftquell versiegen; gilt doch die 
olte Erfahrung nach wie vor, daß, wer seine 
Pflicht freudig und fröhlich tut, auch den härte- 
sten Anforderungen gewachsen ist. Der Leiter 
der Parteikanzlei hat daher bereits in seiner 
bekannten Anordnung vom 31. August 1941 zur 
„Aktivierung der Dorfkultur” be- 
tont, daß es gelte, „die zahlreichen Eigenkräfte 
des Dorfes, deren Bedeutung für das dörfliche 
Gemeinschaftsieben nicht immer in vollem Um- 
fange erkannt und gewürdigt worden .ist, 
wieder zu erwecken und sie in einer tragbaren 
organisatorischen Form unter dem unmittel- 
baren Einfluß der Partei als Mittel der 
politischen Führung für unsere Veran- 
staltungen und Feiern einzusetzen”. Die Akti- 
vierung dieser Eigenkröfte bedeutet, richtig an- 
gepackt, nichts weniger als eine Minderung des 
dörflichen leistungsvermögens im Kampf um 


die Sicherung der deutschen Nahrungsver- 
sorgung. Das deutsche Landvolk ist gewohnt, 
dem Ruf des Ackers zur Arbeit zu jeder Stunde 
zu gehorchen und nach der Länge der Arbeits- 
zeit nicht zu fragen. Diese Notwendigkeit liegt 
zutiefst in den Naturgesetzen der Landwirt- 
schaft verankert und ist dem Landvolk so sehr 
in Fleisch und Blut übergegangen, daß sie 
einer näheren Begründung nicht mehr bedarf. - 
Zu keiner Zeit wird dieses Pflichtgebot länd- 
lichen lebens so deutlich sichtbar wie gerode 
zur Erntezeit, wo es nicht nur gilt, die Früchte 
einer Jahresarbeit in unermüdlicher, jede Toges- 
stunde ausnutzender Arbeit zu sichern, sondern 
auch — was der Londfremde leicht übersieht — 
die zahlreichen Vorbereitungen für die neue 
Saat zu treffen. Und doch wird gerade diese 
Zeit höchster Arbeitsanspannung umrankt von 
mannigfoltigen fröhlichen Bräuchen, die noch 
immer ein Quell zu neuer, frisch zupackender 
Kraftanstrengung geworden sind. 


Auch in dieser Beziehung besteht eine ur- 
tümliche Verwandtschaft zwi- 
schen dem Soldaten und dem 
Bauern. Auch beim Soldaten paart sich 
härtester Einsatz mit dem natürlichen Bedürf- 
nis, dem Ernst des Krieges bei Sang und Spiel 
in kameradschaftlicher Runde ein trotzig-fröh- 
liches Dennoch entgegenzusetzen. Dieses 
natürliche Bedürfnis, das immer wieder beim 


371 


A 


Soldaten wie beim Landvolk zum Durchbruch 
kommt, stelt allen Verantwortlichen eine 
wichtige Gestaltungsaufgabe. Denn 
es ist keineswegs gleichgültig, in welcher Form 
es befriedigt wird. Dos gilt heute mehr 
denn je. Dieses Bedürfnis aber wird stets 
dort om besten befriedigt werden, wo es 
gelingt, aus der dörflichen Gemeinschaft selbst 
die notwendigen Kräfte zu entwickeln, denn 
dann wird sich aus gegenseitigem Geben und 
Nehmen ein Gemeinschaftsband flechten, das 


auch dem gemeinsamen Einsatz in Arbeit und 


Kampf zugute kommt. Zur Erreichung dieses 
Zieles bedarf es keiner anspruchsvollen Orga- 
nisation und Apparatur, sondern lediglich der 


Kraft, die vorhandenen Begabungen zu er- 


kennen und mit den vorhandenen Mitteln ein- 
zusetzen. Welche Wege zu diesem Ziele zu 
beschreiten sind, zeigt die Folge 2 der „Kul- 
turpolitischen Arbeitshefte der 
NSDAP“, die, der Kulturarbeit auf dem Dorfe 
gewidmet, vom Hauptkulturamt der NSDAP in 
der Reichspropagandaleitung (Amt Dorf- 
gemeinschaftsieben) und vom Reichsamt für 
das londvolk (Hauptarbeitsgebiet Bäuerliche 
Lebensgestaltung) bearbeitet worden ist. Das 
Arbeitsheft bietet ein vorzügliches Rüstzeug, 
das in die Hand oller in den Dörfern on leiten- 
der Stelle Mitwirkenden gehört. Es beweist 
gleichzeitig am besten, daß die dörfliche 
Kulturarbeit durchführbar ist, ohne daß dem 
notwendigen totalen Kriegseinsatz Kräfte ent- 
zogen werden. Günther Pacyna 


Verschuldung der Landwirtschaft — 


eine Wohlstandserscheinung? 


Die zweite Hälfte des vorigen. Jahrhunderts 
war auf dem Gebiete des landwirtschaftlichen 
Geldwesens beherrscht von Auseinander- 
setzungen um eine steigende Verschuldung der 
Landwirtschaft und eine sogenannte „Kredit- 
not”. Seitdem Rodbertus dargelegt hatte, daß 
unter dem Einfluß des Römischen Rechts der 
Boden naturwidrig als „Kapital“ behandelt, 


bewegt und ausgebeutet werde, während er 


als „immerwährende Rentenquelle” nur seinem 
wirklichen Ertrag entsprechend Schuldbelastun- 
gen tragen könne, ist das Schuldenthemo vor 
allem in den sechziger, achtziger und neunzi- 
ger Jahren Gegenstand umfangreicher Ausein- 
ondersetzungen und Forschungen wie auch 
Gegenstand der praktischen Finanzpolitik ge- 


worden. Dos die schließlich auf nahezu 
zwanzig Milliarden Mark ongewochsenen 
landwirtschaftlichen Belastungen zu einem 


großen Teil eine bedenkliche Gefahrenquelle 
für die gesamte Londwirtschaft seien, daß die 
Gesamtstruktur der landwirtschaftliihen Ver- 
schuldung mit einer weitaus überwiegenden 
Besitzverschuldung keinen entsprechenden pro- 
duktiven Krediteinsatz darstelle und daher den 


372 


landwirtschaftlichen Ertrag unangemessen be- 
anspruche, ja teilweise die Substanz selber 
angreife, war schließlich im wesentlichen all- 
gemeine Erkenntnis, Scheinlösungen landwirt- 
schaftlicher Grundprobleme wie Zölle und noch 
höherer und leichterer Krediteinsatz sowie der 
erste Weltkrieg mit der ihm folgenden inflatio- 
nistischen Schuldenminderung verschleierten bzw. 
verschoben weitere akute Krisenerscheinungen 
als Auswirkungen einer ständig zehrenden Ver- 
schuldung. 

Unmittelbar mit dem Abschluß der Inflation, 
die die alte Schuld bis auf einige Milliarden 
Reichsmark beseitigte, entstand aus einer „ge- 


'radezu katastrophalen Illiquidität" der Land- 


wirtschaft binnen wenigen Jahren ein neues 
Schuldengebäude, dessen verheerende Folgen 
außer jeder Bestreitung blieben. Zwölf bis drei- 
zehn Milliarden Reichsmark waren zu Zins- 
sötzen zu verzinsen, die zeit- und teilweise ein 
Mehrfaches des echten Überschusses betrugen. 
Dabei waren zu einem sehr großen Teil die 
geradezu in die Landwirtschaft gepumpten 
Fremdgelder für Zwecke aufgenommen wor- 
den, die unmittelbar oder mittelbar unproduk- 
tiv woren, selbst wenn die äußere Form des 
Aufwandes produktiv erschien. 
Beiden Verschuldungsperioden gemeinsam 
war, daß die Verschuldung zu einem wesent- 
lichen Teil nicht einem produktiven Aufwand 
zur Melioration im weiteren Sinne diente, 
sondern — abgesehen von der beträchtlichen 
reinen Besitzverschuldung — zur Schaffung 
fehlenden Betriebskapitals dienen mußte. Wie 
ein roter Faden zieht sich durch die Geschichte 
der deutschen Landwirtschaft ein verbreiteter 
Mangel on flüssigen Betriebsmitteln hin, Aus- 
druck einer unnatürlichen Mangellage. Armut, 
Wucher, Geldnot, Enteignung — jahrhunderte- 
lang waren sie teils Ursachen, tens Begleit- 
erscheinungen, teils Folgen einer zu einem be- 
trächtlichen Teil der Landwirtschaft sehr ab- 


träglich gewesenen Verschuldung. 


Diese Tatsachen sind so offenkundig und ge- 
schichtlich erhärtet, daß man sie als feste All- 
gemeinerkenntnii ansehen mochte. Um so 
mehr wird in der Landwirtschaft mit Erstaunen 
vernommen, daß im allgemeinen ihre Ver- 
schuldung „nicht die Auswirkung schlechter 
Wirtschaftslage, sondern im Gegenteil eine Be- 
gleiterscheinung stärkerer Vergrößerung des 
gesamten Wirtschaftsapparates und insoweit 
durchaus gesund“ sei. Die Interessentenkreise, 
die. sich hier zum Wort melden, erweisen sich 
selber den schlechtesten. Dienst, denn sie 
wecken nur den erregten Unwillen gegenüber 
einem Anschlag auf die einfachste Vernunft. 
Es wird keinem Landmann klargemacht werden 
können, daß er richtig handele, wenn er früher 
aufgenommenes Geld, für das er keine Ver- 
wendung mehr hat und das er zurückzahlen 
kann, behalte und dafür mindestens 4% vH 


4 


"we 


Zinsen zahle. Er liest weiter mit Verwunderung 
von der angeblich „geringen Zinsdifferenz”, 
wenn er 4½ vH zahlen muß, aber bestenfalls 
3Y vH für nicht benötigtes Leihgeld bei eige- 
ner Wiederanlage erhalte; eine Zinsdifferenz, 
„die heute für die Rentabilität aller Schuldner- 
kreise absolut unerheblich ist, selbst in der Land- 
wirtschoft“. Welche Großzügigkeit man da 
doch der landwirtschaftlichen Kalkulation zu- 
mutet, eine Zuzahlung von mindestens | vH 
als „absolut unerheblich” anzusehen, während 
von seiten der Gläubigerinstitute eine zeit- 
weise Anlage zurückerhaltener Darlehnsgelder 
etwa in Reichstiteln mit halbprozentiger Zins- 
einbuße als untragbar erklärt wird. Bis jetzt 
mußte es doch als notwendig erscheinen, ge- 
rade in einer Zeit allgemein größerer Geld- 
fülle zur Genauigkeit auch im kleinen anzu- 
halten, und es ist von amtlicher Seite oft genug 
gegen eine laxere Auffassung in Gelddingen 
Stellung genommen worden. Jetzt erst recht 
Pfennigrechnung! müßte doch die Parole sein. 
Und eine wahrhaft volkswirtschaftliche Sorge 
um landwirtschaftlichen Wohlstand und um eine 
Vermeidung einer so viel von Interessenten- 
seite beredeten „Kapitalzersplitterung”, die on- 
geblich mit einer vernünftigen Haltung eines 
genau rechnenden Landwirts verbunden sein 
könnte, müßte es besonders begrüßen, wenn 
alle Möglichkeiten ausgenutzt würden, auch 
auf dem Lande flüssiger gewordene Gelder zu 
„sterilisieren” und nicht unerwünschter Ver- 
wendung zufließen zu lossen. Dafür gibt es 
zwei Wege: Sparen oder Schulden tilgen bzw. 
beides zusammen. Das ist der Anfang von 
Wohlstand, nicht aber Schuldenmachen! 

Es scheint auch eine unnötige Sorge zu sein, 
daß bei der „erfreulichen Tatsache” eines ver- 
nünftigen Verhaltens von Schuldnern, die für 
Leihgelder keine Verwendung mehr haben, 
„die in vielen Jahrzehnten bewährten Be- 


rlehungen bäuerlicher Betriebe mit ihren Geld- 


instituten dadurch eine lockerung erfahren 
können, die sich, wenn die ‚Aufrüstung des 
Dorfes’ in Angriff genommen wird, doch in 
manchen Fällen als abträglich auswirken 
dürfte”. Soll das etwa heißen, daß Hypo- 
thekenbankeo sich später in der Annahme 
einer eigenen „starken Stellung” glauben sper- 
ren zu können, wenn volkswirtschaftliche Auf- 
gaben einen Krediteinsatz erfordern würden? 
Dieser Irrtum würde schnell verschwinden. Aber 
die Landwirtschaft wird nicht zu besorgen 
brauchen, daß ihr wirklich notwendige Gelder 
fehlen würden. Nur wird die ganze Ausein- 
andersetzung um ein „vernünftiges” Verhalten 
der Landwirte diesen noch stärker zum Be- 
wußtsein bringen lassen, daß es jetzt gilt, 
jeden überschüssigen Pfennig zu sparen, um 
später soweit wie möglich aus der eigenen 
Tasche bezahlen zu können und das Schulden- 
mochen zu vermeiden! A. Noll 


Protektionismus in der englischen 
Agrarpolitik? 


Unter dem Druck der Wirtschaftskrise von 1931 
wurde Englands Agrarpolitik protektionistisch, in- 
dem man die Preise für Iandwirtschaftliche Erzeug- 
nisse sicherte. Es wurde für eine begrenzte Menge 
Weizen ein Richtpreis festgelegt. Infolgedessen 
stieg der Anbau um 35 vH auf Kosten von 
Gerste, Hafer und Grünland. Durch eine ähn- 
liche Maßnahme erhöhte sich die bis dahin un- 
bedeutende Zuckererzeugung beträchtlich. Ferner 
führten Preissenkungen für Düngemittel zu einer 
Steigerung des Verbrauchs. Kredite wurden für 
Meliorationen gegeben. Die Schweinehaltung 
wurde gefördert und die Bakoneinfuhr zurück- 
gedrängt. Nach dem Ottawoabkommen wurde 
die Fleischeinfuhr aus Nichteinpireländern be- 
grenzt und von Lizenzen abhängig gemacht. Bei 
Ausbruch des jetzigen Krieges war die englische _ 
Agrarpolitik darauf ausgerichtet, die Lage der 
Landwirtschaft und damit zugleich den Stand 
der Selbstversorgung zu heben. Die angewen- 
deten Mittel bestanden in Schutzzöllen, Kontin- 
gentierungen, Subventionierungen, Bildung von 
Zwangsverbäönden usw. Etwa ein Drittel der für 
eine ausreichende Ernährung notwendigen Nah- 
rungsmittel konnte die englische Landwirtschaft 
aus eigener Erzeugung liefern. Der Rest wurde 
eingeführt. 


Als bald nach Kriegsbeginn Englond seine 
Tonnage schrumpfen sah, wurde die Erzeugung 
der eigenen Landwirtschaft stärker gefördert. 
Für das Umpflügen von Weideland wurden zu- 
erst Prämien gezahlt. Als der Ersatz nicht ge- 
nügte, wurde jeder Landwirt verpflichtet, einen 
Teil seiner Weidefſöche umzuackern. Die Aktion 
wurde 1941 — wohl aus Mangel an Landarbei- 
tern — unterbrochen, dann aber fortgesetzt. 
Für 1940 standen etwa 9 Millionen Hektar Acker- 
land (1938: 5,2 Millionen Hektar) zur Verfügung. 
Diese große Zunahme hat zu erheblichem Man- 
gel an Arbeitskräften geführt. Für 1944 fehlen 
etwa 750000, für die freiwillige Erntehelfer 
(auch Schüler) eingesetzt werden sollen. Von 
diesen sollen etwa 150 000 bis 200 000 in Lagern 
untergebracht werden. Die Freiwilligen sollen 
mindestens 36 Stunden je Woche arbeiten. Der 
Mindestlohn beträgt I sh je Stunde. Für Unter- 
kunft und Verpflegung werden wöchentlich 
28 sh einbehalten. 


Weitere Schwierigkeiten sind durch die Preis- 
politik entstanden. Nach Schätzungen des Land- 
wirtschaftsministers Hudson ist das Roheinkom- 
men der Farmer seit 1939 um 320 Millionen £, 
d.s. 121 vH, gestiegen und beträgt heute 570 
bis 600 Millionen £. Vermutlich ist auch der Auf- 
wand entsprechend höher geworden. Seit 
einiger Zeit sind die Landarbeiterlöhne erhöht, 
und die Farmervereinigungen verlangen infolge- 
dessen eine entsprechende Erhöhung der Preise. 


373 


Die Regierung will eine solche aber nicht zu- 
gestehen, weil sie befürchtet, daß die lebens- 
haltungskosten steigen und das bestehende Preis- 
gebäude ins Wonken gerät. 

Gegenwärtig hat die Regierung ihr Haupt- 
augenmerk auf einen Vierjahresplan gerichtet. 
Es soll 1. der Viehstand auf Kosten des Acker- 
landes vergrößert werden, weil Fett und Fleisch 
besonders fehlen und Boden und Klima für den 
Futterbau gut geeignet sind; 2. soll die Milch- 
erzeugung der Menge und Güte nach gehoben 
werden; 3. soll die Milcherzeugung mehr vom 
Sommer in den Winter verlogert und 4. die Züch- 
tung gehoben werden. Dieser Plon setzt eine 
Abkehr von der Forcierung des Ackerbaues vor- 
aus. Die englische Landwirtschaft macht sich da- 
her über die künftig einzuschlagende Agrar- 
politik Sorge. Da man nach dem ersten Welt- 
krieg die angestrengten leistungen der engli- 
schen Landwirtschaft bald’ wieder abbaute, so 
wird ähnliches nach diesem Kriege befürchtet. 
Landwirtschaftliche Vereinigungen haben vor- 
geschlagen: 1. Ablieferung der Erzeugnisse an 
eine Zentrale, die auch die Einfuhr aufnimmt 
und die gesamten Erzeugnisse an den Groß- 
handel weiterleitet; 2. die Erzeuger sollen über 
dem Weltmarktpreis liegende Preise erhalten, 
die Zentrale soll die Erzeugnisse zu einem 

Durchschnittspreis abgeben; 3. zwecks Besse- 
rung der Arbeitsverhältnisse sollen einige 100000 
moderne Arbeiterwohnungen auf dem Lande ge- 
baut werden, ferner die sozialen und kulturellen 
Einrichtungen auf dem Lande gebessert werden; 
4. die Erzeugung soll hauptsächlich auf Ver- 
edelungsmittel abgestellt werden. Ob es den 
interessierten Stellen gelingen wird, die Vor- 
schläge durchzusetzen, ist zweifelhaft. Die Scheu 
der Regierung vor bindenden Erklärungen spricht 
dafür, daß sie sich die Freiheit der Entschlüsse 
für die Zukunft vorbehält. Klauder 


Europas Nahrungsraum — durch die 
demokratische Brille gesehen 


Als sich bei den europäischen Völkern im 
Laufe der letzten dreißig Jahre immer mehr die 
Erkenntnis durchsetzte, daß die Weltarbeits- 
teilung englischer‘ Prägung die Gefahr eines 
Verlustes der wirtschaftlichen Selbständigkeit 
in sich schloß, zog man daraus die einzig 
richtige Konsequenz: man entwicelte die 
Kräfte des eigenen Siedlungsraumes. Die Ab- 
lösung der liberalen Weltwirtschaft durch die 
Großraumwirtschaft. gab vor allem dem bis 
dahin vernachlässigten Agrarsektor eine über- 
ragende Bedeutung. In diese Zeit fällt die 
Bildung des Wortes „Naohrungsraum”, 
das im Verlauf dieses Krieges immer mehr ver- 
wandt und zu einem festen Begriff wurde. Man 
versteht darunter die zur Verfügung stehende 
Fläche an Acker- und Grünland, wobei ent- 


374 


sprechend dem Ertrag on Nahrungskalorien 

fünf Einheiten Grünland gleich einer Einheit 

Ackerland gesetzt werden. Um eine große 

Übersicht zu gewinnen, wieviel Hektar Nah- 

rungsraum den europäischen Völkern je 100 

Einwohner zur Verfügung stehen, soll hier fol- 

gende Einteilung gewählt werden: 

1. Länder mit weniger als 25 ha Nahrungs- 
raum je 100 Einwohner: Belgien, Holland, 
Großbritannien und die Schweiz. 

2. Länder mit 26 bis 50 ha Nahrungsraum je 
100 Einwohner: Norwegen, Deutschland 
(Altreich), Italien, ehem, Österreich, Luxem- 
burg, ehem. Tschecho-Slowakei, Griechen- 
land, Albanien und Portugal. 

3. Länder mit 51 bis 75 ha Nahrungsraum je 
100 Einwohner: ehem. Polen, Frankreich, 
ehem. Jugoslowien, Schweden, Irland (Eire), 
Ungarn, Finnland und Bulgarien. i 

4. Länder mit mehr als 75 ha Nahrungsraum 
ie 100 Einwohner: Rumänien, Dänemark und 
Spanien. 


Es ist selbstverständlich, daß der Nahrungs- 
raum noch nichts über den Selbstversorgungs- 
grad der Länder besogt, denn der hängt von 
dem Verhältnis zwischen Eigenerzeugung und 
Bedarf ab. Das Verhältnis von Bevölkerungs- 
zahl und Nahrungsraum kann man auch anders 
darstellen, so wie es in einer Zeitung des mehr 
oder weniger neutralen Auslands geschah. Man 
kommt dann zu folgendem Ergebnis: 


Einw. je qkm 
Land ` Kulturboden 
Belgien 625 
Niederlande . . . . ..» , 588 
Schweiz . 384 
Deutschland . AM 
Hollen . 256 
luxemburg 233 
Österreich . 22 
Norwegen 232 
Tschecho-Slowakei . 22 
Griechenland . . . . 200 
Portugal `. . » » 2 2 20. 200 
polen 161 
Frankreih m 158 
Schweden 152 
Ungarn 14 
Finnland gaga 135 
Dänemark . . - 120 
Rumänien e 125 
Spanien . . . e Aë er, lef 


Die Art der Reeg bringt bei der Unter- 
schiedlichkeit der Statistiken gewisse Verschie- 
bungen in der Reihenfolge, wie sie beim Ver- 
gleich der beiden Übersichten zu erkennen 
sind. Das ist aber im Prinzip nebensächlich. 
Was hier interessiert, sind die Folgerungen, die 
in der neutralen Zeitung allgemein gez 
werden. So heißt es u. a.: „Aus dieser Tabelle 


ER 


> 


geht eindeutig hervor, daß gerade die aus- 
gesprochenen Agrarländer die geringste Zahl 
von Einwohnern aus den Erträgnissen eines 
Quadratkilometers landwirtschaftliher Nutz- 


. Näche erhalten können, wie z. B. Ungarn 141, 


Rumänien 125 usw., wogegen die hochindv- 
strialisierten Länder ein Mehrfaches dieser Be- 
völkerungszahl auf Grund eines viel engeren 
Nahrungsraumes erhalten können, wie z. B. 
Belgien 625, die Schweiz 384, Deutschland ` 304 
usw.” 

Uber die Logik des neutralen Autors kann 
man nur den Kopf schütteln und entsprechend 
folgern: Berlin ist demnach das landwirtschaft- 


lich am hervorragendsten bewirtschaftete Ge- 


biet, denn es kann auf seinem! noch engeren 
„Nahrungsraum“ immerhin 4910 Menschen je 
Quadratkilometer erhalten! Ist es noch not- 
wendig, darauf hinzuweisen, daß Länder wie 
Belgien, die Schweiz usw. nur deshalb ihre Be- 
völkerung ausreichend ernähren konnten, weil 
sie bedeutende Mengen an Nahrungsmitteln 
einführten? Bedarf es noch des Hinweises, daß 
der Selbstversorgungsgrad Belgiens 1938 nur 
51 %, der der Schweiz gar 47 % betrug? Man 


kann die Auswertung der Tabelle Über den 


Nahrungsraum Europas, so wie sie der „neu- 
trale” Kritiker gibt, nicht sachlich erklären. Viel- 
mehr ist man gezwungen, seine Schlußfolgerun- 
gen zu zitieren, um zu einem Ergebnis zu 
kommen. Der Verfasser sagt: „In der modernen 
Weltwirtschaft entscheidet nicht der ‚Nahrungs- 
raum’ und nicht der künstlich konstruierte Begriff 
des ‚Lebensraumes’, sondern die Arbeitsteilung 
und die Rationalisierung.” .. . „Nicht Nahrungs- 
raum, nicht Autarkie entscheidet, sondern der 
Wohlstand, die soziale Sicherheit, und diese 
sind nicht durch Autarkie, sondern auf dem 
Wege der wirtschaftlichen Freizügigkeit in der 
Weltwirtschaft zu erreichen.“ 

Hier hondelt es sich zweifellos um einen Ver- 
such, unter dem Deckmantel wissenschaftlicher 
Objektivität einige Seitenhiebe gegen die er- 
folgreiche Ernährungspolitik der autoritären 
Staaten Europas zu führen. Dazu bedarf es 
keiner weiteren Erläuterung. Jedes europäische 
Volk, das die „humane” Wirkung der Biockaden 
beider Weltkriege spüren mußte, das Tausende 
von Toten und Siechen infolge Unterernährung 
zu beklagen hat, weiß, was ihm der eigene 
Lebens- und Nahrungsraum wert ist. Man kann 
sich nur wundern, daß der Vertreter eines 
Landes, das nur ouf die Menschenfreundlichkeit 
seiner Nachbarn angewiesen ist, um Einfuhren 
tätigen und durch diese leben zu können, das 
seit Jahren einen großen Agrarplan verwirk- 
licht, um seinen Nahrungsraum zu vergrößern, 
die europäischen Ernährungsprobleme so sieht, 
wie es hier auszugsweise geschildert wurde. 
Das kann nur an einem liegen: an der pluto- 
kratisch-demokratischen Brille. | 

| H. Gerdesmonn 


DieBudhwadt 
S. Eberhard von der Decken | 


Die Front gegen den Hunger 


C. V. Engelhardt-Verlag, Berlin 1944, 175 Seiten. 
Preis broschiert 1,80 RM 


„Das vorliegende Buch” — so betont Ober- 
befehlsleiter Reichsminister Backe in seinem 
Geleitwort — „gibt einen für die Allgemeinheit 
bestimmten Einblick in die Strategie und Taktik 
des Ernährungskrieges sowie einen Überblick 
über die Aufgaben und leistungen der deutschen 
Kriegsernährungswirtschafl. Dadurch ermöglicht 
es dem Leser, sich einmal eine geschlossene Vor- 
stellung über unseren Kampf um Nahrungs- 
freiheit und Nahrungssicherheit unter den Be- 
dingungen des Krieges zu machen. Er bekommt 
durch diese im Vergleich zur Größe des Arbeits- 
gebietes kurze Zusammenfassung vor allem auch 
einen übersichtlichen Eindruck von der ganzen 
Vielfalt der ernsten Aufgaben, die zur Durch- 
führung dieses lebenswichtigen Kampfes immer 
wieder von neuem gelöst werden müssen und 
bisher trotz aller Schwierigkeiten gelöst worden 
sind. So soll dies Buch zu seinem Teil dazu bei- 
tragen, das Bewußtsein für die entscheidende 
Bedeutung der vorbildlichen Kriegsleistungen 
besonders des deutschen Landvolkes, aber auch 
aller anderen Mitarbeiter der Kriegsernährungs- 
wirtschaft zu vertiefen.” 


Das erste Kapitel, vom Herausgeber selbst 
verfaßt, hat dem Buch den Namen gegeben, 
und das mit Recht; denn es ordnet die deutsche 
Kriegsernährungswirtschaft in ihren großen ge- 
samtpolitischen Zusammenhang ein. Das zweite 
Kapitel, „Die deutsche Landwirtschaft im Kriegs- 
einsatz” von Ernst Schneider, schildert Ziele und 
Ablauf der Erzeugungsschlacht, insbesondere der 
Kriegserzeugungsschlacht. Im dritten Kapitel, 
„Die Versorgung von Volk und Wehrmacht” von 
Erich Borkenhagen, wird die Funktion der Markt- 
ordnung in der Kriegsernährungswirtschaft, die 
Entwicklung der Bewirtschaftungsmaßnahmen so- 
wie die Technik der Lebensmittelzuteilung und 
des Kartensystems dargestellt. Im vierten Kapitel, 
„Deutsche Pionierleistungen im Osten“, berichtet 
Hermann Bernick über das landwirtschaftliche 
Aufbauwerk in den zurückgewonnenen Ost- 
provinzen und im Generalgouvernement und 
über den Einsatz deutscher Landwirtschaftsführer. 
Eine wichtige Ergänzung bringt das fünfte Ka- 
pitel, „Die Länder im Ernährungskrieg” von E. Fritz 
Baer, das eine Übersicht in großen Zügen über 
die kriegsernährungswirtschaftlichen Maßnahmen 
der europäischen Länder gibt. Dos Schlußkapitel, 
„Um die kulturellen Grundlagen” von Walther 
Horn, richtet noch einmal, aber von einem an- 
dern Standpunkt als das erste Kapitel, den Blick 


375 


des Lesers auf den politischen Hintergrund des 
Ernährungskrieges. „Der Ernährungskrieg 1939 
bis 1943 ist” — so beiont schon von der Decken 
in seinen Ausführungen — „weit mehr als ein 
versorgungswirtschaftliches Teilproblem der wirt- 
schaftlichen Kriegführung. Die Überwindung 
des Aushungerungsversuches unserer Feinde 
setzte das Vorhandensein einer Front voraus, 
die auf der breiten Basis der Neuordnung des 
deutschen Volksiebens — auch des kulturellen — 
und der klaren Erkenntnis vom Wesen dieses 
Freiheitskampfes gebildet wurde.” Es ist daher 
durchaus folgerichtig, wenn sich das Schluß- 
kapitel der Wiederbelebung und Erneuerung 
der Dorfkultur zuwendet; denn die schöpferische 
Kraft eines neuen Kulturbewußtseins beschränkt 
sich ja nicht auf die Schaffung kultureller Werte, 
sondern durchdringt anregend und. befruchtend 
das ganze Volksleben, ja, ihre eigentliche Be- 
währungsprobe besteht gerade darin, daß sie 
auch im Alltag mächtig ist. G. P. 


Herbert Morgen - 


Bausteine zur ländlichen Volks- 
und Bodenordnung 


Deutsche Landbuchhondlung Berlin 1943 
96 Seiten. Preis broschiert 3,50 RM 


Das Buch behandelt in prägnanter Knappheit 
einige Grundfragen der ländlichen Volks- und 
Bodenordnung, die durch den Neubau in den 
wiedergewonnenen Ostgebieten und den Um- 
bau des Altreiches — beides Notwendigkeiten, 
die in enger Wechselwirkung zueinander stehen 
— der Lösung entgegenreifen, so u.a. den na- 
türlichen Raum als gestaltenden Faktor, die Fest- 
legung des Siediungstypus, das Betriebsgrößen- 
problem, die Stellung des Großbetriebes, das 
Reserveland und seine Bedeutung, das Dorf ols 
soziales Gefüge, die Dorf- und Gemarkungs- 
größe, die Ordnung der ländlichen Verkehrs- 
verhältnisse, die Bevölkerungsdichte ländlicher 
Räume, die betrieb wirtschaftlichen Umformun- 
gen in der Landwirtschaft und an drei Beispielen 
einige Bilder sozialer Erkrankungen. In seiner 
zusammenfassenden Betrachtung betont der Ver- 
fasser, daß es kaum möglich sei, beim Planen 
neuer ländlicher Gemeinden olle soziologischen 
Einzelfragen bewußt zu lösen. „Wesentlich ist 
jedoch, daß die Probleme erster Ordnung er- 
kannt und gelöst werden, dann werden sich 
auch die nachgeordneten Fragen beantworten 
lassen.” Das ist zweifellos richtig, und so ist es 
ein Verdienst des vorliegenden Buches, auf die 
Grundprobieme der ländlichen Volks- und Boden- 
ordnung hinzuweisen. Dabei spielt es keine 
wesentliche Rolle, ob man mit den angedeuteten 
Lösungsmöglichkeiten in jedem Falle einverstan- 
den ist. Daher ist es zu begrüßen, daß die 
demnächst‘ erscheinende zweite Auflage dem 
Buch einen weiteren Leserkreis eröffnet. G.P. 


376 


Johannes Bescherer 


Das Kirchspiel Stünzhain 
Ein Beitrag zur Rassenkunde und Sozialanthro- 
pologie Ostthüringens. Verlag Gustav Fischer, 
Jena 1940, 158 Seiten 
Die groflen Linien der bevölkerungsbiologi- 
schen Entwicklung in den letzten Jahrhunderten 


sind seit langem bekannt. Eine Verfeinerung und 


Differenzierung der wissenschaftlichen Erkennt- 
nisse konnte nur auf dem Wege sorgfältiger 
Untersuchungen an bestimmten kleineren Be- 
völkerungsgruppen und menschlichen Gemein- 
schaften gewonnen werden. Die Forschung hat 
daher systematisch ihr Augenmerk auf solche 
Untersuchungen gerichtet, und so sind auch zahl- 
reiche Abhandlungen über Dörfer oder kleinere 
ländliche Bezirke entstanden, die unser Wissen 
über die Beziehungen von Berufsgruppe, Rasse 
und Kinderzahl, über Wanderungsbewegungen, 
Heiratskreise, Seßhaftigkeit, über Zusammen- 
hänge von Begabungsleistung und Kinderzahl 
usw. sehr bereichert haben. Die sehr fleißige 
und gründliche Arbeit über das Kirchspiel Stünz- 
hain bei Altenburg reiht sich in diese Unter- 
suchungen ein. Der Verfasser zeigt on seinem 
sorgfältig aufgearbeiteten anthropologischen 
Moterial, daß die Bevölkerungsgruppe mit der 
höchsten erbbedingten Llebensleistung, die 
Bauern, am meisten nordisch-fälisch-dinarische 
Züge aufweist, die Landarbeiter dagegen eine 
ziemlich einheitliche Berufsgruppe . ostisch-ost- 
baltischer Prägung darstellen. Die übrigen Be- 
rufsgruppen der gelernten und ungelernten Ar- 
beiter und der Handwerker lassen sich nicht klar 
eingkedern. Um so schwerwiegender ist es, daß 
gerode die Bauern heute die 
kinderärmste Berufsgruppe sind, 
während noch die alten Bauernehen starke 
Kinderzahlen aufweisen. Dieses Ergebnis be- 
wegt den Verfasser zu der sorgenvollen Frage: 
„Wer soll später die Führungs- und Leistungs- 
aufgabe des Landes tragen?“ lm übrigen gə- 
langten ja schon die bekannten Untersuchungen 
von Stengel von Rutkowski on 20 000 Thüringer 
Bauern zu den gleichen Ergebnissen. 

Die bevölkerungsbiologischen Nebenunter- 
suchungen des Verfassers decken eine — übri- 
gens von vielen Dorfuntersuchungen bestätigte — 
nicht erwartete Unbestäöndigkeit der 
Erbstämme im laufe der letzten drei Jahr- 
hunderte auf, die auf Wanderungsverschiebun- 
gen und generative Auslesevorgänge zurück- 
zuführen ist. Die heiratsmäßige Vermischung er- 
folgt im ziemlich engbegrenzten Heimatraum. 
Der Verfasser vergleicht zum Abschluß andere 
mitteldeutsche Dorfbevölkerungen mit den 
Stünzhainern und umreißt ein rassisches 
Gesamtbild des ostthüringischen 


Raumes. Hierbei fallen interessante Streif- 


lichter auf die mittelalterliche Siedlung: und 
Siavenfrage. Dr. Klaus Schmidt 


— —— a dës 


r 


Wer erhält 
Stäube-Gesarol? 


Der Reichsnährstand hat sich die Bedarfs- 
lenkung für Gesarol vorbehalten, damit 
die Gewähr besteht, daß es auf den Ge- 
bieten angewendet wird, wo es am drin- 
gendsten gebraucht wird. Für 1944 ist vor- 
gesehen, daß Stäube - Gesarol in erster 
linie gegen Rapsglanzkäfer, Erdflöhe, 
Kohlweißlinge und Kümmelmotte einge- 
setzt wird. Die Genossenschaften und der 
Handel dürfen deshalb Gesarol an Ver- 
braucher nur gegen Bezugsmarken ab- 
geben. Die Bezugsmarken gibt das 
Pflanzenschutzamt aus. Stäube-Gesarol 
(nach einer Lizenz der J. R. Geigy AG.) 
ist amtlich geprüft und von der Biologi- 
schen Reichsanstalt anerkannt. Es ist für 
Menschen, Haustiere und auch für die 
behandelten Pflanzen unschädlich. 


ee J 


SCHADLINGSBEKAMPFUNG 


MATERiIiIALSCHUTZ 
VORRATSSCHUTZ 


SEUCHENABWEHR 


E 


„ 


DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG M. B. H. 
FRANKFURT AM MAIN - POSTFACH 248 


5 


KM 
i 


y 


K Ñ — 
N 


Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit 
sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen 
auf dem Hot meist nut für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht 
wird. Praktisch,und wirtschaftlich fur diesen Zweck ist der auf 
einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer 
Stelle zur anderen bringen läßt. 


Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der 
Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese 


Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weis. 


SIEMENS - SCHUCKERTWERKE AG 


| 


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—— — 
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um O mer — 
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CTT A — 7 
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Derne 


REINGAS-BULLDOG 


für Holzgas - Betrieb 


Ke bewährte RR 


H 


= 5 nd Kendir 


Tr 


Achtung! An alle Ferfrachter! 


Vorsatzbretter für gedeckte Güterwagen! 


Ein neues Hilfsmittel der Deutschen Reichsbahn 
für die Verladung von Schüttgütern! 


Bei Fehlen von Verpackungs- 
material können Schüttgüter 
wie Getreide oder Hulsen- 
früchte lose verladen werden. 
Die Reichsbahn hat hierfür Vor- 
satzbretter beschafft (s. obige 
Abbildung). Sie passen fur je- 
den Güterwagen, werden von 
innen ın die Türen gestellt und 
sind mit 2 Entlade- 

DER schiebern versehen. 


Röder müssen rollen für den Sieg! 


Fordern Sie diese bahneigenen 
Vorsatzbretter bei Ihrer Güter- 
abſertigung an. Die Mietgebũhr 
beträgt je Stück RM 2. In kei- 
nem Falle ist es also mehr not- 
wendig, das wertvolle Wagen- 
material durch Vernageln der 
Cüterwagenturen mit Brettern 
zu beschädigen. Jede Repara- 
tur entzieht den Güterwagen 
dem Verkehr. 


A 
AAA 


Generalorgas 


ACKERSCHLEPPER F 


B 
A 
BAYER 
= 
R 


ARZNEIMITTEL 


jitized.by Google 


E 
* 
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REDI COVER ww * 
USE W. FASTENERS \ - H 
FOR BINDING SHEETS . 
10 DUPLICATE REFER TÖ NUMBER ` / 


A Product of Wisan lones Gd KS A 


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