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Full text of "Deutsche Grammatik, gotisch, alt-mittel- und neuhochdeutsch"

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DEUTSCHE GRAMMATIK 



GOTISCH, ALT- MITTEL- UND NEUHOCHDEUTSCH 



VON 



W/WILMANNS 



O. PROF. DER DEUTSCHEN SPRACHE UND LITTERATUR 
AN DER UNIVERSITÄT BONN. 



ERSTE ABTEILUNG: LAUTLEHRE. 



ZWEITE, VERBESSERTE AUFLAGE. 



STRASSBURG 

VERLAG VON KARL J. TRÜBNER 

1897. 






« 



• • 



[Alle Rechte, besonders das der Übersetzung, vorbehalten.] 






Vorrede. 



^ 



Als ich vor siebzehn Jahren meine deutsche Schulgram- 
matik ausarbeitete, erwachte der Gedanke, ihr ein mehr wissen- 
schaftliches Buch als Hilfsmittel für Lehrer zur Seite zu stellen. 
Ich schwankte, ob ich es in der Form eines Commentai-s halten 
sollte, in dem einzelne wichtige Punkte behandelt und Litte- 
ratumachweise gegeben würden, oder ob ich, wie einst Adelung, 
dem Schulbuch ein 'umständliches Lehrgebäude' sollte folgen 
lassen. Schwerlich hätte ich mich für das letztere entschieden, 
wenn ich vorausgesehen hätte, wie viel Zeit über der Ausfüh- 
rung verstreichen würde; denn eine innere Neigung, Jahre 
meines Lebens in den Dienst der Grammatik zu stellen, be- 
seelte mich keineswegs. MüUenhoffs Vorlesung über deutsche 
Grammatik, die ich einst mit regelmässigem Fleiss gehört hatte, 
wäre wohl geeignet gewesen, ein lebhafteres Interesse für 
grammatische Fragen zu wecken; aber ich hörte sie, wie leider 
noch jetzt viele, ohne gehörige Vorbereitung. Gotische Sprach- 
formen drangen damals zuerst an mein Ohr, ein mittelhoch- 
deutsches Buch hatte ich kaum in der Hand gehabt, geschweige 
denn gelesen; wie ich es von der Schule her gewohnt war, 
sah ich in der Grammatik nur ein notwendiges Übel, ein Mittel 
zum Lesen der Texte zu gelangen, und mehr wollte ich auch 
in der Vorlesung nicht erwerben; ihr eigentlicher Zweck und 
Gehalt blieb mir also verborgen. Ganz fem lag mir, wie allen 
meinen Genossen, das Studium des Sanskrit und der vergleichen- 
den Grammatik. Bopps Name übte keine Anziehung, ich habe 
4en berühmten Mann nie gesehen. An Lerneifer hätte es mir 



rv Vorrede. 



nicht gefehlt, aber die Aufgabe lag ausserhalb des engen Ge- 
sichtskreises, den zu durchbrechen die eigene Kraft nicht aus- 
reichte. 

Eine Ahnung von den hohen und anziehenden Aufgaben 
der Sprachwissenschaft gab mir erst sechs Jahre später Sehe- 
rera berühmtes Buch 'Zur Geschichte der deutschen Sprache', 
ein Werk, in welchem der ideenreiche Geist und die wunder- 
bare Combinationsgabe des glänzend beanlagten Mannes sich 
aufs herrlichste offenbarte. Persönliches Interesse veranlasste 
mich zunächst, das Buch in die Hand zu nehmen, das mich 
mit einer Fülle neuer Probleme bekannt machte, ungeahnte 
Mittel zeigte, sie zu lösen, und Zusammenhänge erkennen Hess, 
wo ich sonst nur zufällige Einzelheiten wahrgenommen hatte* 
Ich fühlte wohl, dass es mir an Kenntnissen fehlte, den Reich- 
tum zu bewältigen und richtig zu schätzen, aber ich freute 
mich an dem kühn in die Höhe geführten, breit und tief ge- 
gründeten Bau und las nicht ohne einen gewissen Unwillen 
A. Kuhns doch anerkennende Recension, die mir den Glauben 
an die Zuverlässigkeit des Werkes in manchen Punkten zu 
erschüttern drohte. 

Aber die Anregung, die Scherers Buch mir gegeben hatte,, 
blieb zunächst ohne Frucht. Das Schulamt gewährte nicht 
viel Müsse und zwang die wissenschaftlichen Liebhabereien 
einzudämmen. Das grammatische Interesse blieb wesentlich 
beschränkt auf das Gebiet, auf welches der Unterricht hinwies, 
auf die Elementargrammatik und die Methode des gramma- 
tischen Unterrichts. Eine Änderung brachte die Berufung zum 
akademischen Lehramt und die Nötigung Vorlesungen über 
die ältere deutsche Sprache zu halten. Die Wendung fiel in 
eine günstige Zeit. Die Thätigkeit für die deutsche Gram- 
matik hatte zwar in den letzten Jahrzehnten nicht geruht, be- 
sonders hatte Weinhold mit unverdrossenem Fleisse die deutschen 
Mundarten in ihrer historischen Entwickelung verfolgt; aber 
die Teilnahme der Fachgenossen an diesen Arbeiten war im 
ganzen gering, das allgemeine Interesse auf andere Aufgaben 
gerichtet. In den siebziger Jahren wurde das anders. 1870 
erschien A. Holtzmanns Altdeutsche Grammatik, 1874 R^ 



Vorrede. 



Heinzeis Geschichte der Niederfräukischen Geschäftssprache 
«nd 0. Erdmanns Untersuchungen tLber die Syntax der Sprache 
Otfrieds, 1875 H. RtLckerts Geschichte der neuhochdeutschen 
Schriftsprache^ 1877 K. Weinhoids Mittelhochdeutsche Gram- 
matik, und unmittelbar darauf folgten dann die epochemachen- 
den Untersuchungen, die bald eine völlige Umgestaltung der 
indogermanischen Lautlehre herbeiführten. Die neue Zeitschrift, 
die Paul und Braune seit dem Jahre 1874 herausgaben, hatte 
«chon in ihrem ersten Hefte wichtige Beiträge zur germanischen 
Lautlehre gebracht und wurde der eigentliche Mittelpunkt für 
die Arbeiten, in denen die neuen Theorieen auf die germa- 
nischen Sprachen angewandt und weiter ausgebildet wurden. 

Keiner, der berufen war, die deutsche Grammatik zu 
lehren, konnte sich dieser Bewegung entziehen; die überraschen- 
den Aufschlüsse, die neuen Probleme, die Bedenken und Zweifel, 
zu denen sie führte, bannten auch den Widerstrebenden 
in ihren Kreis. Oft genug habe ich mich ungern von andern 
lieb gewordenen Arbeiten getrennt, um diesen grammatischen 
Studien nachzugehen, aber der reiche Gewinn, den ich 
heim brachte, entschädigte für das Opfer; und trotz der Qual, 
die es bereitet, wenn man sich von alten festgewurzelten An- 
schauungen los sagen muss, kann ich doch sagen, dass ich 
ihnen viele glückliche Stunden verdanke. Der Abschluss des 
geplanten Buches freilich wurde durch diese gährende Ent- 
wickelung der Wissenschaft in weite Feme gerückt ; doch das 
bekümmerte mich wenig; ich vertraute, dass die Zeit von selbst 
mich ihm wieder näher bringen würde. 

Den bahnbrechenden Untereuchungen folgten bald Lehr- 
bücher; zuerst 1880 W. Braunes Gotische Grammatik, dann 
die Mittelhochdeutsche von H. Paul, die den Blick auch auf 
die jüngere Sprache richtet und sich dadurch auszeichnet, dass 
«ie die Syntax nicht ausschliesst; endlich 1886 W. Braunes 
Althochdeutsche Grammatik, die mit musterhafter Klarheit und 
Sicherheit ausgeführt, zum ersten Mal einen Überblick über die 
sprachlichen Erscheinungen in dem ahd. Zeitraum ermöglichte. 
Und ihr folgte noch in demselben Jahre der erste Band von 
K. Brugmanns Grundriss der vergleichenden Grammatik, ein 



VI Vorrede. 

Werk; das eine empfindliche Lücke glücklich ausfüllte und allen 
denen^ die den Wunsch und das Bedürfnis haben^ die Gram- 
matik der einzelnen Sprachen auf den unentbehrlichen gemein- 
samen Unterbau zu stellen^ höchst willkommen sein musste. 

Neben diesen Werken und durch sie gefördert gestaltete 
sich allmählich meine Arbeit. Der erste, jetzt vorliegende 
Teil war im wesentlichen schon vor vier bis fllnf Jahren ab- 
geschlossen. Ich verschob es, die letzte Hand anzulegen und 
ihn druckfertig zu machen, weil ich erst das Übrige weiter 
fördern und wo möglich das Ganze in ununterbrochener Folge 
wollte erscheinen lassen. Aber ich kam zu der Überzeugung, 
dass ich auf diese Weise vielleicht nie fertig werden würde, 
ich musste einen Teil abstossen, um ungestört an der Fort- 
setzung arbeiten zu können. Den Aufschub bedaurc ich gleich- 
wohl nicht; denn die Beiträge Kluges und Behaghels zu Pauls 
Grundriss der germanischen Philologie sind mir noch sehr zu 
statten gekommen. Im September des vorigen Jahres habe 
ich das Ms. abgeschlossen; einige später erschienene Abhand- 
lungen haben, wenigstens in den ersten beiden Lieferungen, 
noch bei der Correctur Erwähnung gefunden. 

Ob nun neben den Arbeiten, die ich benutzt habe, über- 
haupt noch ein Bedürfnis nach meinem Buche vorhanden ist, 
werden andere beurteilen. Ich selbst weiss, dass ich meinen 
Vorgängern das Beste verdanke, und dass die, welche die 
grammatische Forschung der letzten zwanzig Jahre verfolgt 
haben, kaum etwas finden werden, das sie nicht wüssten; 
aber vielleicht wird auch diesen die Zusammenstellung brauchbar 
sein. Einen guten Dienst hoiffe ich den Jüngeren, die sich 
mit den Ergebnissen der historischen Grammatik bekannt machen 
wollen, geleistet zu haben. 

Den Plan habe ich ausgeführt, wie ich ihn ursprünglich 
entworfen hatte. Mein Ziel war, ein Lehrbuch der historischen 
Grammatik für die zu schreiben, die sich für das höhere Lehr- 
fach vorbereiten. Daher habe ich mich beschränkt auf die 
Sprachen, deren Kenntnis von ihnen vorausgesetzt wird, auf 
das Gotische, Althochdeutsche, Mittelhochdeutsche und Neuhoch- 
deutsche. Dass ich das Gotische zum Ausgangspunkt nahm. 



Vorrede. VII 

obwohl es nicht die Mattersprache des Dentschen ist^ erschien 
mir durchaus nnbedenklich und wird niemanden irren. Die 
andern germanischen Sprachen habe ich bei Seite gelassen, 
so viel als möglich auch das vielgestaltige Leben, welches die 
dentschen Mundarten neben der Schriftsprache entfalten. Selbst 
die Fremdwörter sind fast ganz ausgeschlossen, weil ihre Be- 
handlung auf andere Gebiete ftLhrt und die einfache Entwicke- 
lung des heimischen Sprachgutes verwirrt hätte. Also weder 
eine historische Grammatik in dem weiten Rahmen, den Grimms 
umfassender Geist einst erfüllte, noch eine Darstellung des ge- 
sammten deutschen Sprachlebens war mein Ziel. Ich führe 
den Leser durch ein schmales Gebiet und suche seinen Blick 
auf bekannte Erscheinungen zu beschränken, dass er mit ihnen 
um so vertrauter werde und den Zusammenhang um so leichter 
erkenne. Von fremden Sprachen habe ich aus demselben 
Grunde fast nur das Griechische und Lateinische herangezogen 
und bloss construierte Sprachformen, so viel es anging, ge- 
mieden. Überall habe ich mich bemüht, die Hauptsachen und 
die wichtigsten Gesichtspunkte hervorzuheben und eine Form 
der Darstellung zu gewinnen, die dem Leser das Verständnis 
leicht macht. Dass auch der Verleger durch die Ausstattung 
des Buches alles gethan hat, was diesem Zweck dienen kann, 
wird jeder gern anerkennen. 

Schliesslich gedenke ich mit warmem Herzen der immer 
bereiten Teilnahme und Förderung, die J. Franck mir gewährt 
hat, nicht nur beim Abschluss des Werkes in der Durchsicht 
des Ms. und der Druckbogen, sondern auch während der Vor- 
bereitung in jahrelangem, nie getrübtem freundschaftlichem 
Verkehr. Vielleicht wäre die Arbeit doch liegen geblieben, 
wenn nicht ein gütiges Geschick mir diesen gleichstrebenden 
Freund zur Seite gestellt hätte. Möge es mir nun vergönnt 
sein, das Begonnene zu Ende zu führen. 

Bonn, den 12. April 1893. 

W. Wilmanns. 



Vorrede zur zweiten Auflage. 



Diese zweite Auflage weicht von der ersten ziemlich 
stark ab; kanm ein Paragraph ist unverändert geblieben, 
manche ganz neu gestaltet. Bald gab die Form, bald der 
Inhalt den Anlass, bald eigne Erwägungen des Verfassers, 
bald die Arbeiten anderer. Auch der Umfang des Buches ist 
um einige Bogen gewachsen, besonders dadurch dass sehr viel 
mehr Beispiele für die einzelnen Lauterscheinungen angeführt 
sind. Durch die Einrichtung des Druckes hofl^e ich erreicht 
zu haben, dass die Erweiterung der Übersichtlichkeit nicht 
schadet. — Dagegen konnte, da der Plan des Werkes derselbe 
geblieben ist, die Anordnung des Stoffes und die Reihenfolge 
der Paragraphen im ganzen beibehalten werden (Verschiebungen 
namentlich in § 5—16. § 54—58. § 117—123. § 170. 171. 
254. 258—260, und von § 340 bis zum Schluss). Auch die 
geographische Verbreitung mundartlicher Eigentümlichkeiten 
habe ich diesmal nicht genauer verfolgt als früher ; nur schien 
es mir nützlich für alle, die in der Schriftsprache zur Aner- 
kennung gekommen sind, auf die Berichte über den Sprach- 
Atlas, die Wrede im AfdA. veröffentlicht, zu verweisen; denn 
ich zweifle nicht, dass dies grosse Unternehmen Wenkers trotz 
mancher unvermeidlichen Mängel, die sich die Bearbeiter des 
reichen Stoffes selbst am wenigsten verhehlen, Ausgangspunkt 
und Grundlage für alle Untersuchungen werden wird, die sich 
auf die Geographie der deutschen Mundarten beziehen. — Als 
fast selbstverständlich füge ich schliesslich noch hinzu, dass 
mir die treue Hülfe meines Freundes Franck auch bei dieser 
neuen Auflage nicht gefehlt hat. 

Bonn, den 27. September 1896. 

W. Wilmanns. 



Inhalt. 



Einleitung. 

Übersicht der Laute. — AllgemeiDcs § 1. 2. S. 1. — Vocale 
§ 3. S. 2. Einfache Vocale § 4. S. 2. Diphthonge § 5. S. 4. 
Halb vocale §6. S. 4. — Consonanten. Allgemeines § 7. S. 5. 
Nasale und Liquidae § 8. S. 6. Spiritus lenis § 9. S. 7. ^ § 10. 
S. 7. Aspiraten und Affricaten § 11. S. 8. 

Die Aufgaben der Lautlehre. — Sprache und Schrift § 12. 13. 
S. 8. Die Änderungen der Sprachlaute § 14—16. S. 12. 



Geschichte der Oonsonanten. 

Erstes Kapitel. 

Die idg. Yerschlnsslante« 

Germanische Lautverschiebung. Allgemeines § 17. 18. S. 19. Idg. bh, 
dh, gh, {ph, th, kh) : germ. b, d, g (f, p, h) § 19. S. 20. Idg. p, t, 
k : germ. f,p,h% 20. S. 23. Idg. ö, d, g : germ. p, f, Ä: § 21. S. 26. 
— Übergang stimmloser in stimmhafte Spiranten (Ver- 
ners Gesetz) § 22. S. 28. Lautgesetz und Sj'stemzwang § 23. S. 29. 
Bedenken § 24. S. 35. — Germ. &, ef, j : ö, d, ^ § 25. S. 36. Inlaut 
§ 26. S. 37. Anlaut § 27. S. 37. — Ergebnis und Chrono- 
logie der Lautverschiebung. §28—30. S. 38. — Labiali- 
sierte Gutturale. Allgemeines § 31. S. 41. Verschiebung § 32. 
S. 43. Erlöschen des labialen Elementes § 33. S. 44. Erlöschen 
des Velaren Elementes § 34. S. 44. Assimilation der beiden Ele- 
mente §35. S. 46. — Störungen der Lautverschiebung. 
Die idg. Verschlusslaute vor suffixalem t (und 8)\ germ. ft^ ht^ 
88 § 36. S. 47. Inlautend {ßt^ sk, sn) § 37. S. 49. Germ, *p, «f, 
8k', ft, ht § 38. S. 50. 

Zweites Kapitel. 
Hochdeutsche Lautverschiebung. Allgemeines § 89. S. 51. 
Germ, p, <, k. Einfacher Anlaut. Germ, ^is, P'Pfif) § 40. S. 51. 
Xc : Ac (cA) § 41. 42. S. 54. ~ In- und Auslaut. Germ. ^ : ««, p : /; 



X Inhalt. 

k:ch % 43. S. 56. Geschichte der Schreibung und Lautwert § 44. 
45. S. 57. Lage der Silbengrenze § 46. S, 60. — Inlautend pp^ 
tt, kk :pfy z, ck § 47. 48. S. 60. — p, t, k nach Liquida und Nasal 
§ 49. S. 63. — Beseitigung der Affricata im Wort- und Silben- 
auslaut §50. S. 65. — Störungen der Verschiebung. Germ. 
spy st, 8Cf ft, ht § 51. S. 67. — Tenuis vor Liquida und Nasal: 
fr, fcr, klf kn, pr, pl § 52. S. 69. — Berührung der Tenuis mit 
der Media; 5, d, g für p, t, k, bes. in Fremdwörtern § 53. 54. 
S. 70. — Jüngere Entartungen. 2:«, chih § 54. S. 72. 
2 : seh, ch:g % 55. S. 73. sk : seh (s) § 56. S. 74. — Neue Tenucs, 
bes. in ndd. Lehnwörtern § 58. S. 76. 

Germ, d : hd. t § 59. S. 79. Vermischung mit d aus germ. p § 60. 
S. 81. hd. d = germ. d im Inlaut {nd u. a.) § 61. S. 82. im An- 
laut § 62. S. 85. 

Germ, b, g % 63. S. 85. — b, g als Verschlusslaute. Bezeich- 
nung § 64. S. 87. Notkers Kanon § 65. 66. S. 88. Im Ober- 
fränkischen § 67. S. 91. — 5, g als Spiranten. b:v\w §68. 
S. 91. gih % 69. S. 91. g : ch % 70. S. 93. g :j § 71. S. 94. 
g : gh % 72. S. 95. — Jetzige Aussprache, b § 73. S. 96. 
g § 74. S. 96. Mustergültige Aussprache § 75. S. 97. — Ver- 
doppelung pPj ck (bb, gg) § 76. S. 98. — J ü n g e r e E n t- 
artungen. Stimmlose Verschlusslaute: p für &, k für g § 78. 
S. 99. Spiranten: f für b, j für g § 79. S. 101. — Assimilation 
von mb, ng § 80. S. 102. — Schwund von b und g zwischen 
Vocalen § 81. S. 103. 

Germ. pihd. d (f) § 82. 83. S. 104. — pp:tt,p:t § 84. S. 106. 
pw, div : tw : zw, qu § 85. S. 108. 

Germ, h, Aussprache und Bezeichnung § 86. S. 108. — Anlaut § 87. 
S. 109. — Inlaut nach Vocalen § 88. S. 112; nach Consonanten 
§ 89. S. 113. — Auslaut § 90. S. 114. — ä vor Consonanten § 9L 
S. 115. h als Verschlusslaut § 92. S. 116. 

Germ, f, Aussprache und Bezeichnung § 93. 94. S. 117. — fsis, pSj 
sp-, ft'.pt % 95. S. 122. mt : mft, nft § 96. S. 122. — Wechsel 
von f und b § 97. S. 123. ft : cht § 98. S. 124. — Romanisches 
V § 99. S. 124. 

Drittes Kapitel. 

Der ^-Laut. Allgemeines § 100. S. 125. s : g. «, hd. r (Unterdrückung' 
des Lautes und Hinzufügung) § 101. S. 126. — Jüngere Spaltung 
§ 102. S. 128. s : seh im Anlaut (Articulationsstelle des alten s^ 
Hannoversches «p, st) § 103. S. 129; im Inlaut § 104. S. 132. 
Stimmhaftes und stimmloses 5 § 105. S. 133. 

Die Nasale. Arten und Bezeichnung der Nasale, m und n im 
Anlaut § 106. S. 134; im Inlaut. Schwund und Hinzufügung eines 



Inhalt. Xr 

Nasals § 107. S. 135. — w : n § 108. S. 137. n:m % 109. S. 138. — 
Übergang von Nasalen in andere Laute § 110. S. 139. 

Liquidae. Zwei Liquidae l und r §111. S. 140. — Veränderungen 
des l § 112. S. 141. — Unterdrückung (und Hinzufügung) voa 
inl. r § 113. S. Ul. r : l (Aussprache des r) § 114. S. 142. 

Halbvocale. 

t^. Bezeichnung und Aussprache; Berührung mit b und g § 115. 
116. S. 143. — «; im Anlaut § 117. S. 146; in Verbindung mit 
andern Consonanten § 118—120. S. 146. — w im In- und Aus- 
laut; Vocalisierung § 121. S. 149. Schwund und Übergang in 
b § 122. 123. S. 150. — Einfluss des w auf vorangehende Vocale 
§ 124. S. 152. — Geschärftes w § 125. S. 152. 

I, Beschränkter Gebrauch § 126. S. 154. Bezeichnung und Aus- 
sprache § 127. S. 155. — y im Anlaut § 128. S. 156. Im In- 
laut, im Got. § 129. S. 157; im Hd. nach Consonanten § 130. 
S. 157; nach Vocalen § 131. S. 158. — Geschärftes j § 132. 
S. 159. 

Viertes Kapitel. 

Consonantverdoppelung. Allgemeines § 133. 134. S. 159. — Assi- 
milationen. Verdoppelte Tenues § 135. S. 163. Verdoppelte 
Medien und stimmlose Spiranten § 136. S. 169. Verdoppelung 
anderer Consonanten: W, rr, mm^ nn, ss § 137. S. 171. — Con- 
sonantverdoppelung unter dem Einfluss ableitender Con- 
sonanten; vor j § 138. 139. S. 176; vor w § 140. S. 179; vor 
l, r % 141. S. 179; vor m, n % 142. S. 181. — Unregelmässig- 
keiten in der Lautverschiebung als Zeugen der Ver- 
doppelung § 143. S. 123. — Nhd. Consonantverdoppelung 
durch Verschiebung der Silbengrenze § 144. S. 187. 

Wechsel stimmhafter und stimmloser Spiranten im In- und 
Anslaut. Gotisch § 145. S. 188. Ahd. § 146. S. 189. Mhd. und 
Nhd. § 147. S. 191. 

Schwund von Consonanten im Wortauslaut. Allgemeines § 148. 
S. 192. Abfall von m, n, d, t in vorhistorischer Zeit § 149. 
S. 192. Abfall von 8 im Hd. § 159. S. 194. Jüngere Erschei- 
nungen § 151. S. 195. 

Epithese von Consonanten. t, d, r, n % 152. S. 197. 

Consonantische Zwischenlaute; zwischen Consonanten § 153. S. 199. 
— Intervocalische Zwischenlaute. Allgemeines § 154. S. 200. 
A, Wf j in den Verba pura auf ä, uo § 155. S. 201 ; in andern 
Wörtern § 156. S. 201. Erlöschen der Übergangslaute § 157. 
8. 202. 



XII Inhalt. 

Ekthlipsis § 158. S. 203. 

Metathesis von Vocal und Consonant § 159. S. 207; von zwei Con- 

sonanten § 160. S. 208. 
Partielle Assimilation § 161. S. 209. 



Oeschichte der Vocale. 

Ablaut. Allgemeines § 162. 163. S. 210. — Die c-Reihe. Hoch- 
stufe § 164. S. 212. Wurzeln mit i und y, § 165. S. 213. Tief- 
stufe § 166. S. 213. Liquida und Nasalis Sonans § 167. S. 214. 
Lange Vocale § 168. S. 216. Übersicht der Vocale in den 
6-Wurzeln und andere Ablautreihen § 169. S. 217. — Verfall 
des Ablauts § 170. S. 219. Beispiele von Ablaut in den Wurzel- 
silben verwandter Wörter § 171. S. 220. 



Vocale in betonten Silben. 

Erstes Kapitel. 

Die Vocale im Gotischen. § 172. S. 224. Idg. c, i : g. i, ai § 173. 
S. 226. — Germ, u : ^, u^ au % 174. S. 227. — Germ, eu : g. iu 
§ 175. S. 228. 

Zweites Kapitel. 
Die Vocale im Hochdeutschen. Idg. e : ahd. ^, i, ä erhalten § 176. 
S. 229. e zu i vor Nasal Verbindungen § 177. S. 230; vor i und J 
§ 178. S. 230; vor u (und w) § 179. S. 231. Unregelmässigkeiten 
§ 180. S. 232. — Idg. i : hd. ä (Aussprache) § 181. S. 233. — 
Germ, u : hd. u, o % 182. S. 236. — Germ, eu : ahd. tu, io % 183. 
S. 166; oberdeutsch m, fränkisch io (iu, io anderes Ursprungs) 
§ 184. S. 239. — Germ, ai^ au : ahd. ce\ ou (Aussprache von g. 
ai, au) § 185. S. 241. Zusammenziehung der Diphthonge, ei : € 
§ 186. S. 241. ou:6 % 187. S. 243. — Idg. €, g. € : hd. ä § 188. 
S. 243. — Diphthongierung von germ. i und 6, € : «a, ie § 189. 
S. 245. ö:uo % 190. S. 247. 

Drittes Kapitel. 
Umlaut. Allgemeines § 191. S. 248. — a : e (alter Umlaut) § 192. 
S. 249. Hemmungen des Umlauts durch lautliche Einflüsse § 193. 
S. 250; durch Systemzwang § 194. S. 252. Einfluss der Tonver- 
hältnisse § 195. S. 253. Wirkung eines i in der dritten Silbe 
§ 196. S. 254. Qualität des Umlaut-6 (Umlaut von h') § 197. S. 254. 
— a: ä (junger Umlaut) Qualität und Aussprache des Lautes 
§ 198. S. 257. Bereich der Geltung § 199. S. 258. Orthographie 



Inhalt. Xlir 

§ 200. S. 259. Nhd. Aussprache der c-Laute § 201. S. 260. — 
Andere Umlaute. Bezeichnung § 202. S. 261. o:ö % 203. 
S. 262. u:ü % 204. S. 263. ä:cB % 205. S. 264. öicß % 206. 
S. 266. ü : iu, ü § 207. S. 266. uo : üe, ü § 208. S. 267. (m : öw, 
äu § 209. S. 267. iuiiü § 210. S. 268. — Wesen des Um- 
lautes. Alter § 211. S. 268. Ursprung § 212. S. 270. 

Viertes Kapitel. 

Jüngere Monophthongierungen und Diphthongierungen. Mono- 
phthongierung von iw § 213. S. 272. — Diphthongierung 
von ö, f, ü. Allgemeines § 214. S. 273. Ausbreitung und Ur- 
sache der Diphthongierung § 215. S. 274. Verhältnis der jungen 
zu den alten Diphthongen ; { : ei^ üiou % 216. S. 276. üiiui öu 
§ 217. S. 278. Unregelmässigkeiten im Nhd. § 218. S. 280. — 
Monophthongierung von ic, uo, üe. Allgemeines § 219. 
S. 280. ieit % 220. S. 282. uo, üeiü, ü % 221. S. 284. 

Fünftes Kapitel. 

Einzelne Stöningen des Voealsystems. Übergänge zwischen 
den benachbarten Lauten iie % 222 S. 285. ^^ e:i § 223. 
S. 286. o:u % 224. S. 286. u:o, ü:ö % 225. S. 287. ä:o% 226. 
S. 288. ö:a % 227. S. 289. ä:ö % 228. S. 289. — Übergänge 
zwischen ö, ü, euie, i, ei. Allgemeines § 229. S. 290. e,ä^€z 
ö § 230. S. 291. 2, t:ü % 231. S. 292. eiieu % 232. S. 293. ö, üe : i 
§233. S.293. öu,iu:ei §234.8.294. — Berührung zwischen 
Diphthongen und einfachen Vocalen. ei:e, oiiö, ou: 
o, a % 235. S. 294. d, ö : au § 236. S. 295. 

Sechstes Kapitel. 
Änderungen in der Quantität. Allgemeines §237. S.296. — Deh- 
nung kurzer Vocale. Allgemeines (Leichte und schwere 
Consonanz. Siibenscheide. Einfluss der Ableitungssilben -er, -el, 
-en) § 238. 239. S. 297. Dehnung in offner Silbe. Stämme 
mit vocalischem Auslaut § 240. S. 300. Stämme mit consonan- 
tischem Auslaut § 241. S. 301. Ausnahmen § 242. S. 302. Stämme 
auf m, f, (p, k) § 243. 244. S. 303. — Dehnung in geschlos- 
sener Silbe. Durch Systemzwang § 245. S. 304. Spontane 
Dehnung vor einfachen Consonanten § 246. S. 306; vor r 4- Con- 
sonant § 247. S. 307. — Verkürzung langer Vocale in der 
älteren Sprache § 248. S. 308. Lange Vocale in geschlossener 
Silbe bewahrt § 249. S.309; verkürzt vor Consonantverbindungen 
§ 250. 251. S. 310; in Stämmen, die auf einen einfachen Conso- 
nanten ausgehen § 252. S. 311. 



ICIV Inhalt. 



Vocale in den unbetonten Silben. 

Erstes Kapitel. 

Allgemeines § 253. S. 313. Qualitative Eigentümlichkeiten der un- 
betonten Vocale § 254. S. 313. 

Flexionssilben. Die sog. Auslautgesetze. Allgemeines (Un- 
sicherheit der Resultate) §255. S. 316. — Kurze Vocale in ur- 
sprüngl. letzter Silbe. Gotisch § 256. S. 317. Ahd. § 257. S. 318. 

— LangeVocale in urspr. letzter Silbe verkürzt; Allgemeines 
§ 258. S. 319. Die einzelnen Verkürzungen § 259. 260. S. 321. 
Lange Vocale, die im Got. erhalten sind § 261, S. 324; lange 
Vocale vor ursprünglich ausl. s; Chronologie der Verkürzungen 
§ 262. S. 326. — Vocale in ursprünglich vorletzten Silben § 263. 
S. 327. — Änderung des Vocales durch vorangehendes j im 
Ahd. § 264. S. 328. 

Verfall der Endungen im Ahd. und Mhd. Allgemeines 
§ 265. S. 329. Notkers Sprache: lange Vocale § 266. S. 329; 
kurze Vocale § 267. S. 330. Formübertragungen § 268. S. 330. 
Erlöschen der Vocalunterschiede im Mhd. § 269. S. 331. — 
Unterdrückung der unbetonten Vocale. Elision (Got. 
Ahd. Mhd.) § 270. S. 332. — Apokope und Synkope im Ahd. 
§ 271. S. 333. Apokope und Synkope im Mhd. Allgemeines 
§ 272. 273. S. a33. In der Sprache der Minnesänger. Unter- 
drückung des e nach langer Silbe § 274. S. 335; nach kurzer 
Stammsilbe § 275. S. 336; nach Ableitungssilben § 276. S. 337; 
in zweisilbigen Flexionen § 277. S. 337. — Epithese unbe- 
tonter Endungen § 278. S. 338. 

Unterdrückung des e im Nhd. Allgemeines § 279. 280. S. 339. 

— Verba. Apokope § 281. S. 342. Synkope § 282. S. 342. 
Verba auf -er, -el, -enif -en § 283. S. 344. — Adjectiva. Er- 
haltung des flexivischen, Apokope des stammhaften e § 284. 
285. S. 345. Adjectiva auf -el und -er § 286. S. 346. Adjec- 
tivische Adverbia § 287. S. 346. — Substantiva. Flexivi- 
sches e nach betonter Stammsilbe. Apokope im Plural § 288. 
S. 347; im Dativ § 289. S. 347. Synkope § 290. S. 348. Flexi- 
visches e nach Ableitungssilben § 291. S. 349; in Compositis 
und minderbetonten Wörtern § 292. S. 350. Apokope des 
stammhaften e. Allgemeines § 293. S. 350. Feminina § 294. 
S. 351. Neutra § 295. S. 352. Masculina § 296. 297. S. 353. — 
Partikeln § 298. S. 355. 



Inhalt. XV 

Zweites Kapitel. 

Ableitungssilben. Die Ableitungssilben in der älteren Zeit. 
Allgemeines ; Verfall des Ablauts § 299. 300. S. 355. Entwicke- 
lung neuer Vocale im Ahd. und später § 301. S. 357. Assimila- 
tionen im Ahd. § 302. S. 359. Schwächung zu 6 § 303. S. 360. 

Die Ableitungssilben im Mhd. undNhd. Vocale in den 
Ableitungssilben: e § 304. S. 361. i § 305. S. 362. a § 306. 
S. 363. Erhaltung ursprünglicher Vocale § 307. S. 363. — Syn- 
kope. Allgemeines § 308. S. 364. Synkope in Ableitungs- 
silben auf Verschluss- und Reibelaut § 309—313. S. 364. — 
Synkope vor Nasalen und Liquiden § 314. 315. S. 368. 

Drittes Kapitel. 

Abßchwäehung des zweiten Compositionsgliedes § 316. 317. S. 370. 

Der Vocal in der Compositionsfuge. Gotisch § 318. S.372. 
Synkope im Ahd., bei Otfried § 319. 320. S. 374. Qualität des 
Vocales im Ahd. § 321. S. 376. Später § 322. S. 377. 

Unbetonte Vorsilben. Allgemeines § 323. S. 378. ent- § 324. 
S. 380. er- § 325. S. 381. ver- § 326. S. 381. zer- § 327. S 382. 
be- § 382. S. 297. ge- § 329. S. 383. — Unterdrückung des 
Vocales in gi-^ aj-, &i-, ver- § 330. S. 383. 

Lautschwächung in pro- und enklitischen Wörtern. 
Verkürzung und Schwächung des Vocales § 331. S. 386. Eli- 
sion und Synaloephe im Ahd. § 332. S. 387; im Mhd. (Ver- 
stärkung des Vocaleinsatzes) § 333. S. 388. Unterdrückung 
eines Vocales zwischen Consonanten § 334. S. 388. Unter- 
drückung consonantischer Laute § 335. S. 389. Nhd. Ver- 
schmelzungen § 336. S. 389. 



Der Wortaccent. 

Der indogerm. und germ. Accent*, Lage § 337. 338. S. 391. Ge- 
schlifiTener und gestossener Accent § 339. S. 393. 

Betonung nicht zusammengesetzter Wörter. Lage desHaupt- 
tons § 340. S. 394. Neben ton. Allgemeines § 341. S. 396. 
Notkers Accente. Betonung im ahd. Verse § 342. 343. S. 397; 
im mhd. und nhd. Verse § 344. S. 400. Nebenton und Laut- 
entwickelung. Lage des Nebentones im Nhd. § 345. S. 401. 



XVI Inhalt. 

Betonung zusammengesetzter Wörter. Allgemeines §346. S.403. 

— Composita mit Partikeln, die vor dem Verbum un- 
betont bleiben. Got. § 347. S. 404; Hochdeutsch § 348. S. 405. 
Dieselben Partikeln im Nomen § 349. 350. S. 407. Composita 
mit voll- und miss- § 351 S. 410. — Andere Composita: 
Nomina. Allgemeines § 352. S. 411. Substantiva § 353. S. 412. 

— Adjectiva § 354. S. 415. — Zahlwörter und Pronomina § 355. 
S. 419. — Adverbia und Partikeln § 356. S. 420. — Kraft 
und Verschiebung der untergeordneten Haupttöne 
in Compositis § 357. 358. S. 422. 



Berichtigungen. 

S. 125. Z. 9 lies: mlat. pulver neben pulvis^ J. pulvis^ -eris statt 

1. pulver, 
S. 285. Z. 2 von unten lies: md statt nd. 



Abkürzungen. 



Die meisten der gebrauchten Abkürzungen dürfen als be- 
kannt vorausgesetzt werden; so die Bezeichnung der grammatischen 
Termini (N. = Nominativ, PI. = Pluralis, sw. V. 1 = schwaches 
Verbum der ersten Conjugation, st. M. (a) = starkes Masculinum der 
a-Declination etc.), der Sprachen (1. = lateinisch, mlat. = mittellatei- 
nisch, ai. = altindisch, ndl. = niederländisch etc.); der wichtigsten 
ahd. Denkmäler (Is. = Isidor, 0. = Otfried, N. = Notker, T. = Ta- 
tian). Anführen will ich die Zeitschriften und Bücher, die mit 
Sigeln oder nur .mit dem Namen der Verfasser citiert sind. 

AfdA. Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Litteratur. 
Berlin 1876 f. vgl. ZfdA. 

von Bahder. Grundlagen des neuhochdeutschen Lautsystems. 
Strassburg 1890. 

BB. Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen herausg. 
von A. Bezzenberger. Göttingen 1877 f. 

Böhme. Zur Kenntnis des Oberfränkischen im 13., 14. und 15. Jh. 
(Leipziger Diss. 1893). 

Br. Gotische Grammatik von W. Braune. 4. Aufl. Halle 1895. 
„ Althochdeutsche Grammatik von W. Braune. 2. Aufl. Halle 1891. 

Bremer. Sammlung kurzer Grammatiken deutscher Mundarten 
herausg. von O. Bremer. I. Deutsche Phonetik. Leipz. 1893. 
— HI. Beiträge zur Geographie der deutschen Mundarten. 
Leipz. 1895. 

Brgm. Grundriss der vergleichenden Grammatik der indogerma- 
nischen Sprachen vnn K. Brugmann. Strassburg 1886 f. 

DWb. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 
Leipzig 1854 f. 

Festschrift für Hildebrand. Forschungen zur deutschen Philo- 
logie. Festgabe für R. Hildebrand. Lpz. 1894. 

Fischer. Geographie der schwäbischen Mundart von H. Fischer. 
Mit einem Atlas von 28 Karten. Tübingen 1895. 



XVIII Abkürzungen. 



Franck, Wb. Etymologisch Woordenboek der nederlandsche Taal 
door J. Franck. s'.-Gravenhage 1892. 

Frangk. Fabian Frangk, Orthographia (1531); abgedruckt in J. 
Müller, Quellenschriften und Geschichte des deutsch-sprach- 
lichen Unterrichtes bis zur Mitte des 16. Jahrh. Gotha 1882. 

Franke. Grundzüge der Schriftsprache Luthers. Versuch einer 
historischen Grammatik der Schriftsprache Luthers. (S. A. aus 
dem Neuen Lausitzischen Magazin. Bd. LXIV). Görlitz 1888. 

Germ. Germania. Vierteljahrsschrift für deutsche Altertumskunde, 
herausg. von Franz Pfeiffer etc. Wien 1856 f. 

Gr. Deutsche Grammatik von Jacob Grimm. 2. Ausg. neuer ver- 
mehrter Abdruck. Berlin 1870 f. (Die Citate bezeichnen die 
Seitenzahlen der Original-Ausgabe.) 

Graff. Althochdeutscher Sprachschatz von Dr. E. G. Graff. 6 Bde. 
Berlin 1834 f. 

Grdr. Grundriss der germanischen Philologie. Herausgegeben von 
H. Paul. Strassburg 1891 f. Darin: 

Fr. Kluge, Vorgeschichte der altgermanischen Dialekte. I, 

S. 300-406. 
0. Behaghel, Geschichte der deutschen Sprache. I, S. 

526—633. 

Helber. Sebastian Helbers Teutsches Syllabierbüchlein (1593), her- 
ausgeg. von G. Röthe. Freiburg und Tübingen 1882. 

Heyse. Dr. J. C. A. Heyse's ausführliches Lehrbuch der deut- 
schen Sprache. Neu bearbeitet von Dr. K. W. L. Heyse. 2 Bde. 
Hannover 1838. 

Ickelsamer. Valentin Ickelsamer, Teutsche Grammatica. s. Frangk. 

Kelle. Die Formen- und Lautlehre der Sprache Otfrids, bearbeitet 
von J. Kelle. Regensburg 1869. 

Kluge, Wb. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache 
von Fr. Kluge. 5. Aufl. Strassburg 1894. 
, Luther. Von Luther bis Lessing. Sprachgeschichtliche Auf- 
sätze von Fr. Kluge. 2. Aufl. Strassburg 1888. 

KOgel, K. Gl. Über das Keronische Glossar, Studien zur ahd. 
Grammatik von R. Kögel. Halle 1879. 

KolrOBB. Johann Kolross, Enchiridion; s. Frangk. 

KZ. Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung von Th. Auf- 
recht und A. Kuhn etc. Berlin 1851 f. 

Lezer. Mittelhochdeutsches Handwörterbuch von Dr. M. Lexer. 
3 Bde. Leipzig 1872 f. 

Mhd. Wb. Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des 
Nachlasses von G. Fr. Benecke, ausgearbeitet von W. Müller 
und Fr. Zamcke. 3 Bde. Leipzig 1854 f. 



Abkürzungen. XK 



Noreen, A. Abriss der urgerm. Lautlehre, vom Verf. selbst be- 
sorgte Bearbeitung nach dem schwedischen Original. Strass- 
bürg 1894. 

Orth. Die Orthographie in den Schulen Deutschlands. Zweite um- 
gearbeitete Ausgabe des Kommentars zur preussischen Schul- 
orthographie von W. Wilmanns. Berlin 1887. 

Paul. Mittelhochdeutsche Grammatik von H. Paul. 3. Aufl. Halle 
1889. 
„ Principien der Sprachgeschichte. 2. Aufl. Halle 1886. 

PBb. Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Litte- 
ratur, herausg. von H. Paul und W. Braune. Halle 1874 f. 

QP. Quellen und Forschungen zur Sprache und Culturgeschichte 
der germanischen Völker, herausg. von B. ten Brink und W. 
Scherer etc. Strassburg 1874 f. 

Scherer. Zur Geschichte der deutschen Sprache von W. Scherer. 

2. Ausg. Berlin 1878. 

Sievers, E. Grundzüge der Phonetik. 4. verbesserte Aufl. Leip- 
zig 1893. 

Socin. Schriftsprache. und Dialekte im Deutschen nach Zeugnissen 
alter und neuer Zeit. Beiträge zur Geschichte der deutschen 
Sprache von A. Socin. Heilbronn 1888. 

Spr. At. Ferd. Wrede, Berichte über G. Wenkers Sprachatlas des 
deutschen Reichs. AfdA. Bd. XVIII ff. 

Streitberg, W. Urgermanische Grammatik. Einführung in das 
vergleichende Studium der altgermanischen Dialekte. Heidel- 
berg 1896. 

Trautmann. Die Sprachlaute im Allgemeinen und die Laute des 
Englischen, Französischen und Deutschen im Besondern. Leip- 
zig 1884-86. 

Vietor, W. Elemente der Phonetik des Deutschen, Englischen und 
Französischen. 3. verb. Auflage. Leipzig 1894. 

Weigand, Wb. Deutsches Wörterbuch von Dr. Fr. L. K. Weigand. 

3. Aufl. 2 Bde. Giessen 1878. 

Whd. Mittelhochdeutsche Grammatik von Dr. R. Weinhold. 2. Ausg. 
Paderborn 1883. 
9 a. Gr. Alemannische Grammatik von Dr. K. Weinhold. Berlin 

1863. 
„ b. Gr. Bairische Grammatik von Dr. R. Weinhold. Berlin 1867. 
Wrede, Ostg. Über die Sprache der Ostgoten in Italien. QF. 68. 
Strassburg 1891. 
„ Ulf. F. L. Stamm's Ulfilas neu herausg. Text und Wörterbuch 
von M. Heyne. Grammatik von F. Wrede. 9. Aufl. Pader- 
born 1896. 



XX Abkürzungen. 



ZfdA. Zeitschrift für deutsches Altertum, herausg. von M. Haupt etc. 

Berlin 1841 f. 
ZfdPh. Zeitschrift für deutsche Philologie, herausgeg. von Dr. E. 

Höpfner und Dr. J. Zacher etc. Halle 1869 f. 
ZfdU. Zeitschrift für den deutschen Unterricht. Unter Mitwirkung 

von Prof. Dr. R. Hildebrand, herausgeg. von Dr. 0. Lyon. 

Leipzig 1887. 
ZfOG. Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien, herausg. von 

Seidl, Bonitz, Mozart etc. Wien 1850. 



Einleitung. 



Übersicht der Laute. 

1. Die Voraussetzung aller Lautlehre ist die Fähigkeit 
die zusamnienhaugende Rede in ihre sinnlichen Elemente auf- 
zulösen. Anlass diese Fähigkeit zu üben fanden unsere Vor- 
fahren zuerst vennutlich in der allitterierenden Dichtung, 
möglicher Weise aber und jedenfalls in viel höherem Masse in 
der Lautschrift, die sie von benachbarten Völkern aufnahmen. 
Im Dienste der Schreibkunst, der xexvn ^pa^^aT\KT\ im eigent- 
lichen Sinne, wui*den die Laute beobachtet, und die Ände- 
rungen, die das fremde Schriftsystem schon in ahd. Zeit er- 
fuhr, um es dem eigentümlichen Charakter der deutschen 
Sprache anzupassen, zeigen das ernste und erfolgreiche Be- 
mühen. Einen neuen Anstoss, der die Aufmerksamkeit nicht 
sowohl auf die Laute selbst, als auf ihre Erzeugung lenkte, 
gab dann seit dem 16. Jh. der Taubstummenunterricht. Zum 
Gegenstand eigentlich wissenschaftlicher Forschung wurden 
beide, Laute und Lautbildung, erst in unserem Jahrhundert. 
Neben der Grammatik entstanden als zwei neue Zweige der 
Wissenschaft: die Lautphysiologie und die Phonetik. Die 
Aufsätze, die E. Brücke 1856 in der Zeitschrift für die öster- 
reichischen Gymnasien veröffentlichte und später als besonderes 
Buch erscheinen Hess: 'Grundzüge der Physiologie und Syste- 
matik der Sprachlautc, 2. Ausg., Wien 1876' darf man als 
den Anfang wissenschaftlicher Behandlung ansehen*). — Die 

1) Viele andere haben die Bestrebungen Brücke« fortgesetzt. 
Angeführt seien: E. Sievers, Grundzüge der Phonetik. 4. Aufl., 
W. Wilmanns, Deutsche Grammiitik I. 1 



2 Einleitung. Übersicht der Laute. [§ 1—3. 

folgenden Bemerkungen sollen nicht in die Physiologie und 
Phonetik einführen; sie heben nur kurz heraus, was unmittel- 
bar zum Verständnis der Grammatik nötig ist. 

2. Die Hauptgruppen, in welche man die Sprachlaute 
einteilt, sind Vocale und Consonanten. Die Vocale ent- 
stehen, indem die aus der Brust getriebene Luft frei durch 
den offenen Mundcanal entweicht; die Consonanten, indem man 
durch Verengung oder Verschluss des Mundcanals der aus- 
strömenden Luft einen Widerstand entgegensetzt. Die Ver- 
schiedenheit der Laute hängt von der Form ab, welche man 
dem Mundcanal durch die Stellung des Kieferwinkels, der 
Zunge, der Lippen und des Gaumensegels (§11) giebt; ausser- 
dem von der Spannung oder Lösung der Stimmbänder. Wenn 
diese gespannt sind, so werden sie durch die ausströmende 
Luft in Schwingungen versetzt und stimmhafte Laute erzeugt, 
andernfalls stimmlose. In der gewöhnlichen Hede zeichnen 
sich die Vocale besonders durch den deutlich vernehmbaren 
Stimmton aus. Doch ist derselbe kein wesentliches Moment 
für die Unterscheidung von Vocalen und Consonanten; denn 
auch ein Teil der Consonanten verlangt die Spannung der 
Stimmbänder, und die Vocale unterscheiden wir deutlich auch 
dann, wenn wir sie flüsternd, ohne Stimmton hervorbringen. 

Vocale. 
3. Die Vocale sind teils einfache Vocale, teils Diph- 
thonge. Bei den ersteren ruhen die Sprachwerkzeuge in fester 
Lage; die Diphthonge verlangen, während sie hervorgebracht 
werden, eine Bewegung der Sprachwerkzeuge aus einer Vocal- 

Leipzig 1893. — M. Trautmann, Die Sprachlaute im allgemeinen 
und die Laute des Englischen, Französischen und Deutschen im 
besonderen, Leipzig 1884—86 (hat besondern Wert durch eine 
Fülle guter Beobachtungen und Mitteilungen über die nach den 
verschiedenen Gegenden mannigfach wechselnde Aussprache des 
Nhd.). — W. Victor, Elemente der Phonetik und Orthoepie des 
Deutschen, Englischen und Französischen. 2. Aufl., Heilbronn 1887. 
— 0. Bremer, Deutsche Phonetik ( Grammatiken Deutscher Mund- 
arten. Bd. I). Leipzig 1893. — Andere Litteratur bei Sievers, 
S. 281—290. Bremer S. IX f. 



§ 3. 4.] Einleitung-. Übersicht der Laute. 3 

Btellnng in die andere. Die Grenze ist wandelbar. Zwar wenn 
wir die Laute einzeln aussprechen, ein a oder ein au, so er- 
scheint der Unterschied fest und klar; im Zusammenhang der 
Bede aber tritt er oft weniger hervor. Denn die Sprachwerk- 
zeuge brauchen auch; um die für den einfachen Vocal nötige 
Lage zu gewinnen oder aufzugeben, eine gewisse Zeit; es 
können Vor- und Nachschlagslaute entstehen und den Über- 
gang des einfachen Vocales in einen Diphthongen veranlassen, 
und umgekehrt kann der Diphthong zum einfachen Vocal wer- 
den, indem die Sprachwerkzeuge die für den Diphthongen 
charakteristische Bewegung einschränken und allmählich ganz 
aufgeben. 

4. Einfache Vocale. — 1. Da die Mundhöhle durch die 
Stellung der Zunge, der Lippen und des Kiefei*winkels un- 
endlich viele verachiedene Formen annehmen kann, so ist auch 
die Zahl der vocalischen Laute an und für sich unbegränzt; 
daraus folgt aber natürlich nicht, dass die Zahl der in einer 
bestimmten Sprache unterschiedenen Laute unendlich gross ist. 
Wie viele Laute man für die einzelne Sprache annehmen soll, 
ist nicht leicht zu bestimmen; vor allem darf man nicht aus 
der Zahl der Schriftzeichen auf die Zahl der Laute schliesseu. 
Die lateinische Schrift und im Anschluss an sie die deutsche 
bietet fünf einfache Vocalzeichen: a, e, i, o, u. Mit jedem 
dieser Zeichen verbinden wir eine bestimmte Lautvorstellung, 
die sich klar und scharf von den andern abhebt. Aber wie 
leicht wahrzunehmen ist, decken sich diese Ideallaute nicht 
mit den wirklichen Lauten, die wir im Zusammenhang der 
Bede sprechen. In Biene und hinnen, fehlt und Feld, Sohle 
xmd sollen, Rune und Brunnen bezeichnen wir zwar die 
Vocale durch dasselbe Zeichen, aber wir sprechen, wenigstens 
nach norddeutscher Aussprache, sie verschieden, wir unter- 
scheiden geschlossene i, e, o, u von offnen. Verschiedene 
Buchstaben {ä und e) bietet unsere Schrift nur für den offenen 
und geschlossenen e-laut; doch macht die Orthographie keinen 
consequenten Gebrauch von diesen Zeichen. 

2. Wenn man die angeführten Vocale vom höchsten 
zum tiefsten fortschreitend in der Reihe i e ä a o u ausspricht. 



4 Einleitung. Übersicht der Laute. [§ 4—6, 

nimmt man deutlich eine stufenweise Bewegung der Sprach- 
werkzeuge, besonders der Zunge, aber auch der Lippen wahr^ 
Der Klang des a entfaltet sich am freisten. Bei äj 6, i wird 
die Hinterzunge dem harten, bei o, u dem weichen Gaumen 
genähert, und zwar beim o dem hinteren, beim u dem vor- 
deren Teil (Bremer a. 0. S. 142 Anm.). — Ausserhalb der 
Reihen a, äy e, i und a, o, u stehen ö und ü. Sie verbinden 
ungefähr (vgl. Bremer S. 143 f.) die Zungenstellung des e und i 
mit der Lippenstellung des o und u und erscheinen dadurch 
gewissermassen als gemischte Vocale. Auch sie können ge- 
schlossen oder offen ausgesprochen werden: Höhle und HölUy 
fühlen und füllen. 

5. Diphthonge. Diphthonge haben wir in unserer jetzi- 
gen Sprache drei, für die aber fttnf Zeichen zur Verfügung 
stehen: ai und ei, au, eu und äu. Dieser Überfluss an Zeichen 
ist ein Mangel unserer Orthographie; ein anderer ist der, dass 
die Zeichen der Beschaffenheit der Laute nicht entsprechen ► 
Denn wenn die Diphthonge Laute sind, bei denen eine Be- 
wegung der Sprachwerkzeuge aus einer Vocalstellung in eine 
andre stattfindet, so sollte die Anfangsstellung durch den 
ersten Buchstaben, die Endstellung durch den zweiten be- 
zeichnet werden; wie aber leicht wahrzunehmen, ist das bei 
den nhd. Diphthongen nicht der Fall, am wenigsten beim eu. 

6. Halbvocale. In der Regel bildet jeder Vocal allein 
oder in Verbindung mit benachbarten Consonanten eine Silbe ;^ 
in den Diphthongen verschmelzen zwei Vocale zur Silbenein- 
heit. Auf andere Weise verlieren i und u ihre silbenbildende 
Kraft in Wörtern wie Lydia, Jaguar. Man nennt diese Laute,^ 
weil sie wie die Consonanten keine selbständige Silbe bilden^ 
consonantische i und u oder Halbvocale. Sie berühren sich 
nahe mit den Consonanten j und w und gehen in sie über, 
wenn die Enge des Mundcanals, die schon bei den Vocalen 
i und u gebildet wird, einen so hohen Grad eiTcicht, dasa 
ein vernehmbares Reibungsgeräusch entsteht. 

Anm. In der vergleichenden Grammatik bezeichnet man 
neuerdings die i und tiy die keine selbständige Silbe bilden, durch 
i und Uj also auch in den Diphthongen: ai, aij.. 



§ ?.] Einleitung. Übersicht der Laute. 5 

Consonanten. 

7. 1. Bei der Einteilung der Consonanten fasst man zwei 
Punkte ins Auge: 1. an welcher Steile und 2. in welcher Art 
und mit welcher Kraft die Verengung oder der Verschluss 
4es Mundcanals gebildet wird. Eine Tabelle gewährt leichten 
Überblick: 



Explosivae 


Spirantes 


Naaales 


stimml. stimmh. 


stimml. stimmh. 




Tenues Mediae 






Lippenl. p b 


f W 


m 


Zungenl. t d 


s seh r 


n 


Gaumenl. k g 


ch j 


n(k) 



Ir 



2. Mit Bezug auf die Articulationsstelle sind die Laute 
in die horizontalen Reihen eingetragen: die erste enthält die 
Lippenlaute (labiales), die zweite die Zahn- oder Zungen- 
laute (dentales, linguales), die dritte die Gaumenlaute. 
Bei den Gaumenlauten wird wie bei den Zahn- oder Zungen- 
lauten der Verschluss mit Hülfe der Zunge gebildet, aber bei 
diesen durch die Zungenspitze oder den vorderen Teil der 
Zunge, bei jenen durch den Rücken der hinteren Zunge. — 
Genau und erschöpfend ist diese gangbare Einteilung nicht. 
In unserer Sprache selbst nehmen wir Unterschiede wahr, die 
sie nicht bezeichnet. Bei p^ 6, m bilden wir den Verschluss 
zwischen den Lippen; sie sind reine Lippenlaute (bilabiales, 
labio-labiales) ; /*, gewöhnlich auch w^ articulieren wir zwischen 
der untern Lippe und den obern Schneidezähnen; sie sind 
labio-dentales. Die Gaumenlaute werden teils an dem hintern 
weichen Gaumen hervorgebracht (Velarlaute), z. B. Aachen, 
Kucheuy teils an dem vordem harten Gaumen (Palatallaute), 
z. B, Mamachen, Küche. 

3. Was die verticalen Reihen betriflft, so enthalten die 
erste und zweite die Consonanten, bei denen der Mundcanal 
vollständig geschlossen wird : Verschluss- oder Schlaglante 
(explosivae); die dritte und vierte solche, bei denen nur eine 
Enge gebildet wird: Reibelaute (fricativae, spirantes). — 
Verschluss- und Reibelaute bilden weiter je zwei Gruppen, je 
nachdem sie mit dem Stimmton verbunden sind oder nicht; 



6 Einleitung. Übersicht der Laute. [§ 7. 8. 

die erste und dritte Reihe umfasst die stimmlosen; die zweite 
und vierte die stimmhaften Consonanten. Die stimmlosen 
klingen schärfer und härter als die stimmhaften; denn bei 
den stimmhaften wird der Luftstrom durch die gespannten 
Stimmbänder getrieben und dadurch in seiner Kraft gemildert, 
bei den stimmlosen stösst er mit ungebrochener Stärke auf 
den Verschluss oder die Enge; bei jenen kann die Mund- 
articulation schlaffer sein, bei diesen ist sie stärker und ener- 
gischer, und daraus ergiebt sich, dass der Unterschied zwischen 
beiden Gruppen auch dann noch nicht aufgehoben ist, wenn 
den Lauten der zweiten und vierten Reihe der Stimmton ent- 
zogen wird; die Laute unterscheiden sich dann aber nur noch 
als fortes und lenes und gehen leicht in einander über. Vgl. 
die alle Momente sorgfaltig abwägende Darstellung Bremers^ 
a. 0. S. 87 f. 

4. Ein gleichmässig entwickeltes Consonantensystem 
sollte ebenso viel Reibelaute wie Verschlusslaute haben und 
beide Arten sollten genau an derselben Stelle articuliert werden. 
Dieses Gleichmass haben die germanischen Sprachen zu keiner 
Zeit erreicht, früher aber vielleicht mehr als jetzt. Unsere 
/*, w werden an anderer Stelle articuliert als j), &; «, seh, f 
an anderer als t, d; der dem ch entsprechende weiche Reibe- 
laut ist mundartlich beschränkt (das Norddeutsche g in sagen 
etc. § 74) und ohne besonderes Zeichen im Alphabet. Um 
die den Verschlusslauten genau entsprechenden Reibelaute 
zu bezeichnen, nimmt man früher gebräuchliche Zeichen zur 
Hülfe: für die stimmhaften Spiranten 6, d, j, für den stimm- 
losen dentalen Reibelaut p ; ein anerkanntes Zeichen für das 
dem p entsprechende labio-labiale f fehlt; man kann q) dafür 
brauchen. 

8. Nasale und Liquidae. 1. In der fttnften Verticalreihe 
stehen die Nasale; Laute, welche hervorgebracht werden, indem 
man den Mundcanal schliesst, aber durch Senkung des Gaumen- 
segels der ausströmenden Luft den Weg durch die Nase öffnet. 
Je nach der Stelle, an welcher der Mundcanal geschlossen 
wird, entsteht der labiale Nasal m, der dentalen oder der 
velare, für den unserer Schrift ein besonderes Zeichen fehlt. 



§ 8—10.] Einleitung'. Übersicht der Laute. 7 

Wir sprechen ihn in Wörtern wie lange, Anker -^ in dem 
ersteren ist er durch ng (§ 80), in dem andern durch n be- 
zeichnet. 

2. Die beiden Liquiden sind Z und r. Bei l wird ein 
Vei^schluss zwischen der Zunge und der obera Wandung der 
Mundhöhle gebildet, aber ein unvollständiger, so dass die Luft 
seitwärts entweichen kann. Bei r, nach seiner ursprünglichen 
Articulation, wird die Zungenspitze gehoben und durch die 
ausströmende Luft in eine vibrierende, die obere Wandung 
der Mundhöhle berührende Bewegung gesetzt. Daneben hat 
sich ein jüngeres r entwickelt, das sogenannte Zäpfchen-r, 
das sich mit spirantischem j und ch nahe berührt. § 114A. 

3. Liquiden und Nasale können ähnlich wie die Vocale 

silbenbildend gebraucht werden. In unserer jetzigen Sprache 

geschieht dies nicht selten in den unbetonten Endungen, denen 

die gewöhnliche Rede den Vocal zu entziehen liebt; z. B. 

Adely Winter, Faden\ in früherer Zeit aber wurden die Laute 

nach gemeiner Annahme so auch in Stammsilben gebraucht. 

Man bezeichnet sie durch /, r, m, n. 

Anm. Nasale und Liquidae werden ebenso wie w und j sowohl 
stimmhaft als stimmlos gebildet; vgl. Bremer S. 146. 

9. Spiritus lenis. Den Consonanten reiht sich der Kehl- 
kopfverschluss an, den wir zu bilden pflegen, wenn wir ein 
betontes, vokalisch anlautendes Wort aussprechen. Wir sind 
ans dieses Lautes in der Regel nicht bewusst, weil wir ihn 
nicht schreiben, aber man bemerkt ihn leicht, wenn man z. B. 
achten mit beobachte7i, Abend mit gtitenabend ' yergleiGht 
Bezeichnen kann man ihn durch den griechischen Spiritus 
lenis. Sievers, Phonetik* § 358 f. Bremer 177 f. 

10. Ä. Eine eigentümliche Stellung zwischen Vocalen 
und Consonanten nimmt das h ein. Als Consonant erscheint 
es nicht, weil bei seiner Bildung eine Verengung des Mund- 
canals nicht stattfindet; als Vocal nicht, weil ihm der Stimm- 
ton fehlt, der für die Vocale der gewöhnlichen Rede besonders 
charakteristisch ist. Man hat es daher nicht ungeschickt 
einen stimmlosen Vocal genannt. Früher bezeichnete h die 
Gaumenspirans. § 86. 



8 Einleitung. Die Aufgaben der Lautlelire. [§ 11. 12. 

11. Aspiraten und Affricaten. Schliesslich sind noch 
einige Lautverbindungen zu erwähnen, die Aspiraten und 
Affricaten. 

Aspiratae sind Yerschlusslaute, denen unmittelbar ein 
Hauch folgt, phj th, kh sind tenues aspiratae; bh, dh, gh 
mediae aspiratae. Die idg. Ursprache besass beide Arten, 
bes. häufig die letzteren. Wir sprechen tenues aspiratae, wo 
wir py t, k scharf articulieren : Pein, Tonne, Kind (vgl. Bremer 
a. 0. § 129). Gewöhnlich ist man sich der Aspiriening nicht 
bewusst, weil sie in der Schrift keinen Ausdruck findet, aber 
Völker, die reine Tennis sprechen, nehmen die deutschen 
Aspiraten wohl wahr. 

Aifricatae sind Verschlusslaute, denen ein homorgaues 
Reibungsgeräusch folgt. Aus dem Nhd. gehören hierher jp/* 
und z (=f«); mundartlich giebt es auch kch (§42). 

Die Aufgaben der Lautlehre. 

12. 1. Die historische Lautlehre hat die Aufgabe, die 
Änderungen, die im Laufe der Zeit die Sprachlaute erfahren 
haben, zu erforschen. Nur der Umstand, dass unsere Schrift 
eine Lautschrift ist, ermöglicht es ihr, dieses Ziel — nicht zu 
erreichen, aber wenigstens ins Auge zu fassen und bis zu 
einem gewissen Punkte zu verfolgen. Schon die nächste Auf- 
gabe, welchen Laut die Schreibenden durch den Buchstaben 
ausdrückten, lässt sich aus verschiedenen Gründen nicht voll- 
kommen lösen. Die Buchstaben geben uns durchaus kein 
treues Bild der ununterbrochenen Reihe von Klängen und 
Geräuschen, die der Strom der Rede an das Ohr führt, oder 
der Articulationsbewegungen, durch welche sie hervorgerufen 
werden. Viel öfter als es in den vorhergehenden Paragraphen 
bemerkt ist, bezeichnen die Buchstaben nicht einen in jeder 
Beziehung bestimmten Laut, nicht Articulationslinien, sondern 
mehr oder weniger weite Articulationsgebiete, die der Bewe- 
gung einen gewissen Spielraum lassen; ja genau genommen 
gilt das für alle Buchstaben. Die Wörter Tuch und Ti^ch 
fangen beide mit einem t an, aber das t ist nicht ganz das- 



§ 12.] Einleitung. Die Aufgaben der Lautlehre. 9 

selbe; denn indem wir den consonantischen Laut bilden, 
nehmen die Lippen schon die Stellung des folgenden Voeales 
ein, das eine mal die Stellung des u, das andere mal die des 
i. Ebenso ist der Vocal in Tisch -und Tinte, obwohl er in 
beiden Wörtern ein kurzes i ist, nicht genau derselbe Laut; 
denn in dem einen erklingt er, indem die Sprach Werkzeuge 
sich vom t zum seh, in dem andern, indem sie sich vom t 
zum n bewegen, und so in andern Fällen. Nur ungefähr 
werden die Laute durch die Schrift bezeichnet. 

2. Das Lautsystem gestattet es nicht, allen Bewegungen 
der Sprache zu folgen, der Schreibende will es aber auch 
gar nicht, weder jetzt noch früher. So angelegen Otfried es 
sich sein lässt, die Laute seiner Mundart zu fixieren und wieder- 
zugeben, so erklärt er doch anderseits (ad Liutbertum), dass 
er auch Buchstaben schreibe, die der Leser gar nicht aus- 
sprechen solle; der Vorleser habe darauf zu achten, dass er 
an richtiger Stelle die Synaloephe vornehme, weil sonst die 
Rede schlecht klinge. — Warum schrieb er denn überhaupt 
diese Laute? War die Synaloephe etwa nur eine dichterische 
Freiheit, eine Missachtung des geltenden Sprachgebrauchs? 
Daran ist nicht zu denken, auch sagt Otfried ausdrücklieh, 
dass diese Unterdrückung auch in der gewöhnlichen Rede vor- 
genommen werde. Er schrieb die Laute vielmehr, weil sie 
dem Worte an und ftlr sich zukamen. — Der Schreiber fasst 
das einzelne Wort ins Auge und bezeichnet alle Laute, die 
er bei langsamer, deutlicher Aussprache wahrnimmt, so weit 
es ihm sein Zeichensystem gestattet. Die mancherlei Ver- 
stümmelungen und Reductionen, welche die Laute im Zu- 
sammenhang der Rede, namentlich in der schnellen Rede der 
Umgangssprache erfahren, kommen in der Schrift im allge- 
meinen nicht zum Ausdruck; ebenso nicht die Silbengrenze, 
die Quantität, die Betonung und die Modulation der Rede. 
Die Schrift ist also ein Bild der Sprache, das von ihren 
natürlichen Zügen nur einen Teil darstellt, diesen aber in 
schärferer Ausprägung. — Für den praktischen Gebrauch liegt 
in dieser Ungenauigkeit der Schrift durchaus kein Fehler; im 
Gegenteil, eine Schrift, die dies abgekürzte Verfahren ver- 



10 Einleitung. Die Aufgaben der Lautlehre. [§ 12. 

schmähen wollte, würde, wenn überhaupt möglich, durch ihre 
unbeholfene Schwerfillligkeit sehr unbrauchbar sein. Für den, 
der die Sprache kennt, genügen die Andeutungen. Der 
historischen Kenntnis freilich werden dadurch zum Teil unüber- 
steigbare Schranken gezogen. 

3. Ein anderer umstand, der ihre Aufgabe erschwert^ 
ist, dass wir nicht einmal immer im Stande sind, genau zu 
bestimmen, welche Vorstellung der Schreibende mit dem ein- 
zelnen Zeichen verband. Das Verhältnis zwischen Buch- 
stabe und Laut ist ja rein conventionell. An und für sich 
könnte jeder Buchstabe für jeden Laut gebraucht, der f-Laut 
ebenso gut durch den Buchstaben fc, als der fe-Laut durch 
den Buchstaben t bezeichnet werden. Bis zu einem gewissen 
Grade gestattet freilich die jüngere Aussprache einen Schlus» 
auf die ältere; denn rein willkürliche Vertauschungen der 
Buchstaben haben in der Geschichte der Schrift nie statt ge- 
funden. Doch wäre es offenbar unberechtigt und unrichtig, 
in jedem Fall den Wert, den wir jetzt den Buchstaben bei- 
legen, für alle Zeiten vorauszusetzen. Die Aussprache kann 
sich ändern, ohne dass eine Änderung des Schreibgebrauch» 
eintritt, wie z. B. der einheitliche Laut, den wir jetzt durch 
8ch bezeichnen, etwas wesentlich anderes ist als die Lautver- 
bindung 8 + cA, aus der er hervorgegangen ist und die ursprüng- 
lich durch die Buchstabenverbindung bezeichnet wurde. Und 
umgekehrt kann der Schreibgebrauch geändert werden, ohne 
dass eine Änderung in der Aussprache eingetreten war, so 
z. B. wenn wir jetzt viele Wörter mit t schreiben, für welche 
bis in unsere Zeit th allgemein üblich war. Unmittelbaren 
Aufschluss über die Sprache giebt also die Lautschrift über- 
haupt nicht, die Wissenschaft muss den Wert der Zeichen erst 
zu bestimmen suchen. Eine gründliche Geschichte der Ortho- 
graphie, eine Darlegung der verschiedenen orthographischen 
Systeme, die anfangs neben einander bestanden zu haben 
scheinen, ihres gegenseitigen Einflusses und ihrer Fortentwicke- 
lung würde der Grammatik jedenfalls sehr förderlich sein')» 

1) Vgl. Kauffmann , Über althochdeutsche Orthographie. 
Germ. 37, 243 f. 



§ 13.] Einleitung*. Die Aufgaben der Lautlehre. 11 

13. 1. Mit den bisher erwähnten Schwierigkeiten hat 
schon der zu kämpfen, der die älteren Schriften nur richtige 
lesen will. Nene erheben sich, wenn man feststellen will, 
wann ein Lautwandel eingetreten ist und wie weit er sich 
verbreitet hat. Schwierigkeiten, die nicht nur in dem Mangel 
zeitlich und örtlich genau bestimmter Denkmäler, sondern auch 
wieder in dem Verhältnis von Schrift und Sprache liegen. Im 
ganzen folgt die Schrift der Sprache; aber von Anfang an. 
trägt sie den Keim einer selbständigen Entwickelung in sich. 
Wer sprechen lernt, richtet sich nach dem, was er sprechen 
hört; wer schreiben lernt nach dem, was er geschrieben sieht. 
Die natürliche Regel für die Lautschrift: 'schreib, wie du 
sprichst' wird von Anfang an durch die Einwirkung, welche 
der Schreibende durch das erfährt, was er liest, eingeschränkt. 
Durch dies Doppelverhältnis gewinnt die Schriftsprache einen 
eigentümlichen Charakter. Die Änderungen, welche die 
lebende Sprache in Formen und Lauten immerfort erleidet, 
kommen in ihr nicht gleich zur Anerkennung, weil sie der 
hergebrachten Schreibgewohnheit nicht gemäss sind. Diese 
wird immer die ältere Form begünstigen, besonders wenn die 
Entwickelung der Sprache zu einer Unterdrückung von Lauten 
führt, denn die Schriftsprache begünstigt schon an sich die 
vollständigere Form. Die zusammengezogenen Formen von 
haben und läzan z. B. haben sicher längst existiert, ehe sie 
geschrieben sind. 

2. Durch ihre relative Unabhängigkeit verliert die 
Schrift auch als Zeugnis für die Verbreitung gewisser Laut- 
erscheinungen an Zuverlässigkeit. Wie die Macht der Schreib- 
gewohnheit sieh den Änderungen widersetzt, die im Laufe 
der Zeit eintreten, so kann sie auch die Abweichungen über- 
winden, welche zwischen verschiedenen Mundarten bestehen, 
indem sie den Schreibenden veranlasst, nicht die Buchstaben 
zu setzen, welche den Lauten seiner Mundart am angemessensten 
sind, sondern die, an welche er durch das Lesen gewöhnt ist. 
Die litterarische Bildung spriesst nicht an tausend Orten 
zugleich und gleich mächtig hervor; sie ging in der ältesten 
Zeit von den Hauptstätten der geistigen Bildung, später von 



12 Einleitung. Die Aufgaben der Lautlehre. [§ 14. 

den Centren des politischen Lebens und des geschäftlichen 
Verkehrs aus, und es ist a priori anzunehmen, dass die Schreib- 
weise, die hier galt und eingeübt wurde, sich über den Ort 
ihres Ursprungs und natürlichen Rechtes zu verbreiten und 
mundartliche Eigentümlichkeiten wohl zu überwinden ver- 
mochte. Schliesslich kam man ja auf diesem Wege sogar zur 
Ausbildung einer gemeinen Schriftsprache. Je mehr man sich 
diesem Ziele näherte, um so weniger gab die Schrift noch 
Auskunft über die localen Grenzen der Sprachentwickelung. 
14. 1. Im Vorstehenden haben wir nur die Fragen 
nach den Thatsachen ins Auge gefasst. Die Wissenschaft 
aber will die Thatsachen auch begreifen und auf ihre Gründe 
zurückführen. Warum änderten sich die Laute? wodurch ist 
die Zeit, wodurch die geographische Ausbreitung der Än- 
derungen bestimmt ^) ? Wenn diese Fragen auf einen einzelnen 
Punkt gerichtet werden, so ist selten eine ganz befriedigende 
und sichere Antwort zu geben, und so kann es nicht wunder 
nehmen, dass es auch in ihrer Auffassung und Behandlung im 
allgemeinen noch an Einhelligkeit fehlt. Der Kernpunkt der 
Differenz ist, welchen Einfluss man dem Individuum und Ver- 
kehr auf die Ausbildung der Sprache beimisst. Unter den 
neueren Forschern hat ihn wohl niemand höher angeschlagen 
als Bremer. In seiner deutschen Phonetik (S. XIV f.) sagt 
er: 'Die organische Laut Veränderung bleibt immer auf einen 
kleinen Kreis von Personen beschränkt, örtlich oder social . . . 
Die lautlichen Veränderungen, die eine ganze Sprache durch- 
gemacht hat, sind, wie alle Veränderungen der Sprache über- 
haupt, bei der grossen Mehrzahl der Sprachgenossen nicht 
organisch entstanden, nicht autochthon, sondern von jenem 
kleineren Kreise, mit dem die übrigen in sprachlichem Aus- 
tausch stehen, im Laufe der Generationen übernommen worden'^). 



1) Vgl. hierzu nameutlich Paul, Principien Cap. II. III und 
Fischer, Geogr. S. 78 ff. 

2) Ähnlich Fischer, Geographie S. 83. Einschränkend: Kauff- 
mann ZfdPh. 38, 540. Heusler Lit.-Bl. 1S96 Sp. 149. Franck in der 
Anzeige von Bremer's Beiträgen zur Geographie der deutschen 
Mimdarten; AfdA. 23. 



§ 14.] Einleitung. Die Aufgaben der Lautlehre. 13 

Diese Ansichten schiessen weit über das Ziel. Natürlich 
können sich lautliche Veränderungen auch in einem engen 
Kreise vollziehen; es ist auch möglich, dass sie sieh von diesem 
engen Kreise aus weiter verbreiten; wir sehen, dass diese 
oder jene Eigentümlichkeit sich in Nachbargebieten festsetzt^ 
ja dass zuweilen alle Eigentümlichkeiten von den Nachbarn 
angenommen und die Dialektgrenze verschoben wird. Aber 
dieser Process geht langsam vor sich. Wie wäre es denkbar, 
dass Änderungen, die wir in verhältnismässig kurzer Zeit 
über weite Gebiete mit recht verschiedenen Mundarten sich 
verbreiten sehen, Änderungen wie die hochdeutsche Lautver- 
schiebung oder die Diphthongierungen, von einem kleinen 
Herde aus durch nachbarlichen Verkehr weiter getragen 
wären. Es würde das eine Stärke des Verkehrs voraussetzen, 
die nie bestanden hat, ein launenhaftes Verlangen einzelne 
Laute anzunehmen, andere abzulehnen, die schlechterdings 
unglaublich wären. Nicht der Verkehr bringt die überein- 
stimmende, weite Gebiete beherrschende Lautentwickelung zu 
Wege, sondern die Übereinstimmung in Vorbedingungen, die 
für das ganze Gebiet gelten. Wir müssen für solche An- 
deningen auf dem ganzen Gebiet, in dem sie eintreten, min- 
destens bei ieiner grossen Zahl von Individuen dieselbe Neigung 
voraussetzen, mag dann auch der Verkehr dazu beigetragen 
haben, dass diese Neigung zu gleichmässigem Durchbruch ge- 
kommen ist. Aus dem Verhältnis, in dem unsere Gemein- 
sprache zu den Mundarten steht, ist kein Einwand herzuleiten; 
schon darum nicht, weil die ganz eigenartigen Umstände, 
welche die Ausbildung der Gemeinsprache herbeigeführt hat, 
früher zu keiner Zeit existiert haben. 

2. Die meisten Änderungen der Sprachlaute reifen, wie 
jetzt wohl allgemein anerkannt wird, durch die Übertragung 
der Sprache von der älteren auf die jüngere Generation 
(Paul, Principien S. 58); denn obwohl das Kind durch die 
unausgesetzte Übung, die durch das Ohr empfangenen Ein- 
drücke selbstthätig nachzubilden , einen bewundernswerten 
Grad von Genauigkeit und Sicherheit erreicht, so ist doch 
anzunehmen, dass von vielen Individuen das Vorbild nicht in 



14 Einleitung. Die Aufgaben der Lautlehre. [§ 14. 

jedem Pünktchen erreicht wird. Jedoch genügt der allgemeine 
Hinweis auf die Unvollkommenheit menschlicher Nachahmung 
nicht. Denn da sie der Unvollkommenheit des Individuums 
entspringt, kann sie zunächst auch nur Abweichungen im 
individuellen Sprachgebrauch bewirken ; Abweichungen, die 
allgemeiner Gebrauch werden, setzen die Übereinstimmung 
vieler Individuen voraus, also Gründe, die nicht rein indivi- 
duell sind. In der tiberlieferten Sprache selbst muss der An- 
lass zu diesen Entartungen liegen. 

3. Ich vermute, dass er hauptsächlich in scheinbar 
gleichbedeutenden Doppelformen zu suchen ist, welche die 
jüngere Generation nicht aufnahm und bewahrte. — Die Sprach- 
laute werden nicht unter allen Umständen gleich energisch und 
sorgfältig gebildet. Worte, auf die der Nachdrack der Rede 
entiUllt, die dem Sprechenden als das wichtigste erscheinen, 
werden in ihren betonten Bestandteilen kräftiger und deut- 
licher articuliert als die unbetonten, unwichtigen, mehr oder 
weniger selbstverständlichen; feierlich ernste Rede articuliert 
besser als bequem lässige; hastige, leidenschaftliche anders als 
bedächtige, träge. So ergeben sich je nach den Umständen 
Nuancen in der Aussprache, die dem Sprechenden selbst 
unbemerkt bleiben. Sein Sprachbewusstsein bewahrt die Nor- 
malform des Wortes, aber die Normalform kommt oft nicht 
zum Ausdruck. Die jüngere Generation wird im Ganzen 
auch diese Nuancen mit richtigem Verständnis nachbilden; 
aber es ist begreiflich, dass es doch nicht immer geschieht 
und dass häufiger Gebrauch der entarteten Form die normale 
verschwinden lässt. Die Form, die früher nur unter Um- 
ständen zugelassen wurde, hat dann allgemeine Geltung ge- 
wonnen, ist selbst Normalform geworden und wird nun von 
denselben Kräften bedroht, die ihr Raum geschafft haben. 

4. Die Laute, die auf diese Weise entstanden, sind oft 
ganz neue, die vorher in der Sprache gar nicht vorkamen, 
und sich auch später in ihrer Besonderheit erhalten, z. B. 
die AfiVicaten, die im Hochdeutschen aus den germanischen 
Tenues entstehen; sie können aber auch mit bereits vorhan- 
denen Lauten zusammenfallen, entweder gleich in ihrem Ur- 



§ 14. 15.] Einleitung. Die Aufgaben der Lautlehre. 15 

Sprung oder in ihrer weiteren Entwiekelung. Die stimmhaften 
Spiranten z. B., die aus idg. Tenues hervorgehen, sind schon 
im Urgermanischen von den aus idg. Mediae aspiratae ent- 
standenen Lauten nicht zu unterscheiden ; und der Diphthong, 
der sieh im Ahd. aus germ. e^ entwickelt, bleibt zunächst zwar 
Yon io verschieden, fallt aber allmählich mit diesem in der 
Form ie zusammen. — Zuweilen räumen die älteren Laute den 
neuen ganz das Feld, öfter behaupten sie sich neben ihnen 
auf einem bestimmten Gebiet; die idg. Mediae z. B. wurden 
im Germanischen ganz durch die Tenues verdrängt, die Tenues 
aber nicht ganz durch die Spiranten. Wo eine solche Teilung 
stattfindet, ist meistens deutlich wahrzunehmen, dass der Lauf 
der Grenze durch die Lautform des Wortes bedingt ist, durch 
Betonungsverhältnisse oder die Natur der benachbarten Laute; 
innerhalb der Grenzen aber, in denen der Lautwandel statt- 
findet, scheint er, wenn nicht äussere Störungen hemmend 
eingreifen, sich ausnahmslos zu vollziehen; der Lautwandel 
erscheint als Äusfluss eines Lautgesetzes. 

5. Diese Consequenz könnte der Annahme, dass Parallel- 
formen mit normaler und entarteter Articulation die Voi*stufe 
des Lautwandels bilden, zu widersprechen scheinen. Denn 
da sicher nicht alle Worte der Entartung in gleichem Masse 
ausgesetzt sind, so möchte man eher erwarten, dass, wenn 
die Parallelformen aufgegeben werden, sich für einen Teil der 
Wörter die normale, ftlr einen andern die entartete festsetzte, 
je nachdem'diese oder jene häufiger gebraucht war. Dass dies 
nicht geschah, hat seinen Grund darin, dass dem Sprechenden 
der entartete Laut, wie er es ja auch eigentlich war, als iden- 
tisch mit dem normalen erschien. Er liess also den entarteten, 
der ihm geläufig war, überall eintreten, es sei denn, dass die 
Entartung schon vorher durch bestimmte im Sprachbewusst- 
sein deutlich empfundene Grenzen eingedämmt war. 

16. 1. Der Nachweis, dass Lautveränderungen möglich 
oder nötig sind, giebt noch gar keinen Aufschluss über die 
einzelnen Änderungen, die eingetreten sind. Um sie zu be- 
greifen, mUsste man genau wissen, welche Factoren die Ab- 
weichungen von der normalen Form veranlasst und in ihrer 



IH Einleitung. Die Aufgaben der Lautlehre. [§ 15. 

Richtung bestimmt haben. Aber davon ist man noch weit 
entfernt. Schon früh und oft bat man angenommen, dass die 
physikalische Beschaffenheit des Landes, Klima, Nahrung und 
andere äussere Umstände Einfluss auf die Sprache tlben ; wohl 
möglich. Aber kein einziger Lautwandel lässt sich auch nur 
mit einiger Wahrscheinlichkeit auf solche Ursachen zurück- 
führen. Zweifellos dagegen und kaum des Beweises bedürftig 
ist es, dass Völkermischnngen die Sprache ändern ; die Mund- 
arten im slawischen Golonisationsgebiet bieten zuverlässige 
Beispiele*), und eben solche, vielleicht sehr tiefgreifende Ein- 
wirkungen haben möglicher Weise in vorhistorischer Zeit statt- 
gefunden, wo germanische Stämme Länder besetzten, in denen 
eine ältere Bevölkerung mit anderer Sprache oder Mundart 
angesessen war; nur wird es schwer sein der dürftigen Über- 
lieferung sichere Resultate abzugewinnen. 

2. Die meisten und wichtigsten Factoren werden immer 
in der Beschaifcnheit der tiberlieferten Sprache selbst und 
in ihrem Gebrauch durch die Volksgenossen zu suchen sein. 
Die natürliche Neigung des Menschen, die Articulatiousbewc- 
gungen bequemer, leichter und schneller zu bewältigen, das 
mehr oder minder deutliehe Bewegungsgefühl, das die ver- 
schiedenen Laute hinterlassen, die verschiedenen Grade von 
Übung, welche die Sprechenden in den einzelnen Articulations- 
bewegungen gewinnen, je nachdem das Sprachmaterial sie 
öfter oder seltner verlangt, das sind solche Momente, die in 
einer ganzen Reihe von Erscheinungen bald mehr bald we- 
niger deutlich wirken und sie wenigstens bis zu einem ge- 
wissen Grade auch erklären; freilich nur insofern sie zeigen, 
dass gewisse Abweichungen nahe lagen. Das Ziel, diese Ab- 
weichungen vor andern als notwendig erscheinen zu lassen, 
bleibt unerreicht. — Und ebenso ist es mit dem Zeitpunkt, 
in dem die einzelnen Änderungen eintreten. Zwar nehmen 
wir zwischen manchen einen Zusammenhang wahr, man kann 
für viele Erscheinungen eine relative Chronologie construieren, 
aber die vorhergehende ermöglicht nur die folgende, verlangt 



1) Wrede, AfdA. 18, 309. 19, 100. 105. 106 u. öfter. 



§ lo. 16.] Einleitung. Die Aufgaben der Lautlehre. 17 

sie nicht. Die einzelnen Lautgesetze erscheinen also, soweit 
unsere Kenntnis bis jetzt reicht, doch nur als zufällige Er- 
scheinungsformen; ihre Notwendigkeit ist ein blosses Axiom, 
gegründet auf die Art ihrer Wirkung. 

16. 1. Wesentlich verschieden von dem bisher betrach- 
teten Lautwandel sind die Änderungen, welche Wortschöpfung 
und -bildung in der Lautgestalt der Wörter veranlassen; aber 
da auch diese Änderungen sich oft nur auf einzelne Laute 
erstrecken, können sie den Wirkungen der Lautgesetze äusser- 
lich ganz ähnlich sehen. Früher hatten z. B. viele starke 
Verba im Sg. und PI. Perf. verschiedene Vocale; es hiess 
gab : gäben, haut : hunden, steig : stigeriy bot : hüten, wir sagen 
gab : gaben, band : banden, stieg : stiegen, bot : böten ; nach 
dem Muster der zahlreichen Verba, die im Sg. und PI. den- 
selben Vocal haben, ist der Unterschied ausgeglichen. — 
Früher sagte man bocke, boume, vögele, jetzt Böcke, Bäume, 
Vögel'^ da viele Substantiva den Plural vom Singular durch 
den Umlaut unterschieden, erschien der Umlaut als Zeichen 
des Plurals und wurde so auf Wörter übertragen, denen er 
eigentlich nicht zukam. Also hier sind einzelne Laute ver- 
ändert, aber nicht durch Lautgesetze, sondern durch Acte der 
Wortschöpfung. 

2. Der Anlass zu solchen Wort- oder Fonnschöpfungen, 
die nicht neue Worte schaffen sondern nur alte umbilden, 
liegt darin, dass sich das Individuum von dem Wort- und 
Formenschatz reich entwickelter Sprachen immer nur einen Teil 
aneignet, zugleich aber befähigt ist, diesen Teil selbstthätig 
zu vermehren, indem es nach dem Muster der erworbenen 
Formen und Wörter neue bildet. Im Kinde, dessen dem Ge- 
dächtnis fest eingeprägter Formenschatz noch klein ist, waltet 
dieser schöpferische Trieb am freiesten, ist aber keinem 
Lebensalter versagt. Die Gebilde, die er hervorruft, können 
mit der überlieferten Sprache übereinstimmen, sie können aber 
auch von ihr abweichen (falsche Analogie). Die meisten dieser 
Abweichungen lässt das Individuum mit der wachsenden 
Sprachkenntnis fallen; viele, aber haben, wie die Sprachge- 
schichte zeigt, sich erhalten und sind in den allgemeinen Ge- 

W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 2 



18 Einleitung. Die Aufgaben der Lautlehre. [§ 16. 

brauch übergegangen. Möglieb war dies nur bei solchen, auf 
die viele Individuen übereinstimmend geführt wurden, und 
diese Übereinstimmung konnte nur da eintreten, wo die Ver- 
hältnisse der Sprache sie f&r viele besonders nahe legten. 

3. Dieselben Umstände also, die einem Lautwandel zur 
Anerkennung verhelfen, wirken auch hier. Aber in ihrem 
Wesen sind die beiden Acte durchaus verschieden. Der eine 
ist lediglich ein Act der Lautbildung, dessen Resultat zwar 
nachträglich zum Träger einer Bedeutung werden kann (z. B. 
der Umlaut im Plural), der aber an sich gar nichts mit der 
Bedeutung zu thun hat; der andere ist ein Act der Wortbil- 
dung, der das Gefühl der Bedeutung zur Voraussetzung hat. 
Nur weil man gab, band, steig, bot, bocke, bäume, vögele als 
Angehörige gewisser grammatischer Kategorien empfand und 
sie mit andern Angehörigen derselben Kategorie verglich, er- 
fuhren oder veranlassten sie lautliche Änderungen. Das Laut- 
gesetz wirkt in allen Wörtern, die denselben Laut unter den- 
selben Bedingungen haben; die Analogiebildung betrifft immer 
nur einzelne Wörter und kann, wenn sie innerhalb eines be- 
stimmten Kreises allgemeine Geltung gewinnen soll (wie der 
Ausgleich in den Vocalen des starken Perf.), diese nur durch 
die Bewältigung aller einzelnen Wörter erreichen. 

4. Gegenstand der Lautlehre sind die durch Wort- 
schöpfung herbeigeführten Lautveränderungen nicht; nur inso- 
fern kommen sie für uns in Betracht, als zuweilen schwer zu 
entscheiden ist, wie gewisse Laute entstanden sind (z. B. ge- 
wisse Verdoppelungen), und namentlich dadurch, dass die 
Analogiebildungen oft die Wirkungen der Lautgesetze gehemmt 
oder wieder aufgehoben haben; zuweilen so stark, dass das 
Lautgesetz unter den zerstörenden Wirkungen der Analogie 
kaum zu erkennen ist. 



Oeschichte der Consonanten. 



Erstes Kapitel. 

idg. Verschlusslaute. 

Germanische LautTersehiebniig. 

17. Die Geschichte der einzelnen Consonanten, die das 
Germanische aus der indogermanischen Urzeit übernommen 
hatte, ist sehr verschieden verlaufen. Während manche die 
Jahrtausende ziemlich unversehrt überdauert haben, sind andere 
zu wiederholten Malen stark umgestaltet. Zum Teil hängen 
die Änderungen von der Stellung der Laute im Wort und dem 
Einfluss benachbarter Consonanten ab, mehr aber namentlich 
in der frühesten Zeit von der Natur der Consonanten selbst. 
Besonders wiederstandsfähig erwies sich das l, bis in die jün- 
gere Zeit auch r, weniger «; die Nasale zeichnen sich durch 
geringe Festigkeit ihrer Articulationsstelle ans, j und lo fangen 
früh an sich ganz zu verflüchtigen; bei weitem die lebhafteste 
Bewegung aber herrscht auf dem Gebiet der idg. Verschluss- 
laute. Zwar die Artikulationsstellen haben sich, wenn auch 
nicht nnverschoben, so doch in deutlicher Sonderung fast ganz 
rein erhalten, bis auf den heutigen Tag; wo wir Lippenlaute 
sprechen, galten sie auch im Idg., wo dort Zahn- und Gaumen- 
laute articuliert wurden, thun auch wir es; aber in betreff des 
Verschlusses und des Stimmtons sind häufig Änderungen ein- 
getreten. Aus Verschlusslauten sind Affricaten und Reibelaute, 
aus Reibelauten wieder Verschlusslaute geworden, stimmlose 
gingen in stimmhafte Laute über, stimmhafte wieder in stimm- 
lose. Schon in urgermanischer Zeit gerieten die Laute in 



20 Germ. Lautverschiebung. Idg. 5Ä, dh, gh, [§ 17—19. 

diese Bewegung, sie wiederholte sich in gewisser Weise später 
auf hochdeutschem Gebiete. Diese Lautverschiebungen sind 
es vor allem, die dem Consonantismus sein eigentümliches Ge- 
präge gegeben haben, das Germanische von den verwandten 
idg. Sprachen, das Hochdeutsche von den übrigen germanischen 
Mundarten unterscheiden. 

18. Das Verdienst den Umfang und die Gesetzmässig- 
keit der germanischen Lautverschiebung erkannt zu haben,, 
teilen der Däne Rasmus Kristian Rask und Jacob Grimm^)» 
Wichtige Gruppen von Ausnahmen haben namentlich durch 

Grassmann und V e r n e r *) ihre Erklärung gefunden. 
Grassmann wies nach, dass, wenn im Indischen und Griechi- 
schen zwei auf einander folgende Silben mit einer Aspirata be- 
ginnen, der Anlaut der ersten die Aspiration verliert (daher gr. 
T(-8ii)Lii, ir^KpuKa, K€-xütipiiKa etc.) ; über Verners Entdeckung 8. § 22. 

Die wichtigsten *idg. Verschlusslaute und die Laute, die ihnen 
gewöhnlich im Griechischen, Lateinischen und Germanischen ent- 
sprechen, stellt die folgende Tabelle dar. Die idg. Tenues aspiratae 
{§ 19, 2), die verschiedenen Arten von Gaumenlauten (§ 31) und 
Lautentwickelungen, die nur unter gewissen Bedingungen ein- 
treten, sind nicht verzeichnet. Die germanischen Sprachen werden 
durch das Gotische vertreten. 

bh, gr. <p, 1. f{h\ g. 6. j dh, gr. 6, 1. f, d{f)\ g. d. \ gh, gr. x, 1. ä, g, g. g. 
Pj gr. TT, 1. p, g. f, ' t, gr. T, It, g. p. j k, gr. k, 1. c, g. h. 

ft, gr. ß, 1. 5, g. p. : li, gr. ö, 1. rf, g. t \ g, gr. t, 1- flr, g. k. 

Verschiebung der idg. Aspiratae hh, dh, gh, (ph, th, kh) ^). 

19. 1. Die Mediae asp. sind auch in andern idg. 
Sprachen vielfachen Veränderungen unterworfen; so sind im 
Griechischen Tenues asp. cp, 6, x an ihre Stelle getreten; im 
Lateinischen f, h und Medien; in der balt.-slav. Urgemein- 
schaft fielen sie wie im Iranischen und Keltischen mit dea 



1) s. Raumer, Geschichte der germ. Philologie S. 512 f. 

2) Grassmann, Die Aspiraten und ihr gleichzeitiges Vor- 
handensein im An- und Inlaute der Wurzeln (KZ. XII, 81—138). 
K. Venier, Eine Ausnahme der ersten Lautverschiebung (KZ. XXIIT^ 
97-130). 

3) Brugmann I § 537. Noreeu S. 112. Streitberg § 122. 



-§ 19.] Genn. Lautverschiebung. Idg. bh, dh, gh. 21 

Medien zusammen (Brgm. I § 495. 509. 549.) ; im Germanischen 
gingen sie in Medien über oder wenigstens in Laute, die wir 
durch bf d, g zu bezeichnen pflegen; (über den Lautwert 
8. § 25 f.). 

a. idg. 6li im Anlaut: g. badi N., ahd. betti Bett: 1. fodiOy 
gr. ßöOpo^ (Wz. öAecfÄ) ; g.bairan, ahd. b^an tragen, nhd. gebären: 
gr. <pipw, 1. fero\ g. banja F. Wunde, ahd. bana F. Mord, bano M. 
Mörder: gr. cpövcx;; g. *bari8 Gerste (vgl. barizeins): 1. far Spelt; 
g. bauan, ahd. büan wohnen, bewohnen, nhd. batten: gr. cpüuj, 1. fui; 
g. beitatif ahd. &fzan beissen: 1. findo; g. bidjan^ ahd. &eY^en bitten 
und g. beidan^ ahd. &f^an warten: gr. ireiOw, 1. /{do (?Wz. ö^eid^); 
g. 6indan, ahd. bintan binden: 1. of-fend-imentum Band, Tau, gr. 
ircta^a Band, irevöcpö^ Schwiegervater (Wz. bhendh); g. biudan, 
ahd. biotan bieten: gr. 1Tuv6dvo^al fragen (Wz. bhudh)\ g biugan, 
ahd. biogan biegen: gr. cpcufu), 1. fugio\ g. 5öÄ:a F. Buchstabe, ahd. 
buohha Buche: gr. (piiT<^(;, \.fagiL8\ g. brikan, ahd. &r^cAan brechen: 
1. frango\ g. bröpar, ahd. bruoder Bruder: gr. cppar^p Geschlechts- 
genosse, 1. frater\ g. brUkjarif ahd. brücken brauchen: hfruor (aus 
*frugvor), — Im Inlaut: g. aröi N. das Erbe, g. aröja M. der 
Erbe: gr. 6p(pav6(;, 1. orbus verwaist; g. daufs (5), ahd. toubi g. 
TOq)o^ Rauch, Stumpfsinn, Tu<pXö^ blind (Wz. dhubh)\ ebenso viel- 
leicht g. dumbs, ahd. tumb stumm, dumm; g. gibla M. Zinne, ahd. 
^ii M. Giebel, gäbal M., gibilla F. Schädel: gr. KCcpaXi^ (Wz. ghebh); 
g. habarif ahd. hab^ haben: 1. habere (Wz. A:Aa&A); g. A:aZ&^ F. junge 
Kuh, ahd. kälba Kalbe und ahd. kalb N. Kalb: gr. 6€X(pu^, &oX(p6(; 
Gebärmutter, b^XcpaH Schwein, Ferkel, d&eX(pö(; Bruder; g. Hufs ijb), 
ahd. Hob lieb: 1. lübet (Wz. lubh). 

b. idg. d^ im Anlaut: g. daddjan^ ahd. ^dan säugen: gr. 
6f)aeat melken, 8nX/| Mutterbrust, Or^Xu^ weiblich, 1. /lemma; g. daufs^ 
dumbs s. unter a; g.daug bin nützlich, ahd. toug: gr. nüxili TUTXdvui 
{Wz. dhugh)?; g. dauhtar, ahd. tohter Tochter :gr. öurdriip; g. ^a- 
cZar« ich wage, ahd. gi-tar: gr. ea^^eiv, Gapcrclv mutig sein, Gdpao^ 
Mut; g. daur N., ahd. tor Thor und ahd. ^wri F. Thür: gr. Güpa, 
1. fores; g. ga-dids F., ahd. ^4^ That und g. cZ^m« M. Urteil, ahd. 
tttom: gr. T(6r|-m etc.; g. deigan kneten (vgl. ahd. teig M. Teig): 
1. fingere, figura, gr. tcIxo? (Wz. dhigh). — Im Inlaut: g. badi, 
bidjan, beidan, bindan, biudan (s. unter a); g. midjis, ahd. ntitti: 
1. medius, gr. li^ao^; g. mizdö, ahd. miata F. Lohn, nhd. Miete: gr. 
^toOÖ^; g. raudSj ahd. rö< rot: gr. ^puGpöq, 1. ruber; g. sidus, ahd. 
«7u M. Sitte: gr. ?6o^; g. tracfi N. Unterpfand, ahd. tt'ef^i N., nhd. 
TFett« F.: 1. va« vadis, vadimonium\ g. widuwö, ahd. wituioa Wittwe: 
1. vidtuz, gr. /|(6€oc ledig, unverheiratet; g. tcaurd, ahd. wort N.: 
1. verbum. 



22 Germ. Lautverschiebung. Idg. jp, t, k, [% 19. 

c. idg. ffh im Anlaut: g. gaits, ahd. gei^ F. Geis: 1. haedus^ 
g. gards M. Hof, Haus, g. garda M. Stall, ahd. ^ar^ M. Kreis, garta 
M. Garten: gr. x^^pTo^ Gehege, Hof, 1. co-hors -tis Hofraum ttir Vieh 
und Geflügel, hortits Garten; g. gasts M., ahd. gast: L hostis; g. 
^ozd« M. Stachel, ahd. gart und ahd. gerta F. Rute, Gerte : 1. hasta 
(idg. ghazdhd) ; g. ^i&2a (s. unter a) ; g. bi-gitan finden, ahd. ir- 
g^an, fir-g^an vergessen : 1. pre-hendo, gr. xctv6dvu) ; g. gitdan^ 
ahd. gio^an giessen : 1. fundo, gr. x^ui (Brgm. I 294) ; g. ahd. ^a&an^ 
graben : gr. TpA<p€iv(?); g.gras N. Gras : L grämen, g. x^^Pto^ Gras; 
g. <7ri/>5 M. Schritt: 1. gradior; g. guma Mann, ahd. gomo: 1. homo. 
— Im Inlaut: g. dau^jr (unter b); g deigan (unter b); g. laggs, 
ahd. Zan^: 1. Zon^/t^; g. hidaig&n lecken: gr. Xcixw; g.ligan liegen, 
g. 22<7r«, ahd. l^gar M. Lager: gr. X^xo< N. Bett, dXoxo^ Gattin, L 
lec'tus u. a.; g. ^^ ich fürchte mich, agis N. Furcht, ahd. egiso M» 
Schrecken: gr. dxo^; g,rignN,, a.hd, räganM.: gr. ßp^eiv; g.steigan^ 
ahd. sttgan steigen: gr. aTctxuj, 1. ve-stigium; g. ga-wigan, ahd. 
w^gan sich bewegen, g. trt^jr«, ahd. tc;^^ M. Weg, ahd. wagan M. 
Wagen: 1. vc^crc, via, gr. öxo^. 

Über das Wesen dieser Verschiebung sind die Ansichten 
nicht ungeteilt ; manche nehmen an, dass die Mediae aspiratae 
unmittelbar zu den einfachen Lauten h, d, g geworden sind, 
andere, dass zunächst Mediae affricatae {Jbh, dd, gj) entstanden, 
d. h. Laute, in denen der Hauch der Aspirata durch eia 
homorganes Reibungsgeräusch ersetzt war, also hinter b durch 
eine labiale, hinter d durch eine dentale, hinter g durch eine 
gutturale stimmhafte Spirans; (Scherer S. 103. 147. Paul, PBb. 
1, 189 f.). Aus diesen Affricaten hätten dann die Medien auf ver- 
schiedene Weise hervorgehen können. Scherer hielt es für wahr- 
scheinlich, dass das Reibungsgeräusch einfach erlosch, so dass 
der erste Bestandteil in seiner alten Form übrig blieb; Paul 
nahm an, dass der Spirant zunächst den vorangehenden Ver- 
schlusslaut verzehrte, so dass reine stimmhafte Spiranten ent- 
standen, aus denen sich erst später, soweit dies überhaupt ge- 
schehen ist, Medien entwickelten (vgl. § 20). Dass dieser Weg 
möglich war und zum Teil wirklich eingeschlagen ist, hatte 
auch Scherer nicht verkannt; (ZföG. 1870. S. 659. d. Spr. 
136; vgl. § 25 und Streitberg S. 120 Anm.). 

2. Neben den mediae asp. besass das Idg. auch tenues 
asp., doch ist es noch nicht gelungen, eine sichere Grenze 
zwischen den idg. tenues und tenues asp. zu finden. Aus dem 



§ 19. 20.] Germ. Lautverschiebung. Idg. p, t, k, 23 

Germanischen ergiebt sich nichts, da hier die beiden Lant- 

arten zusammengefallen sind; eben deshalb aber kommt auch 

ihre Sonderung für die Entwickelung der Sprache innerhalb 

des Germanischen nicht in Betracht. 

Tenues asp. zeigen verwandte Sprachen z. B. in folgenden 
Wörtern. Idg. pA, anlautend: g. us-fratwjan klug machen: gr. 
<ppd2:u); ahd. fallan: 1. fallOf gr. a<pdXXu) fällen, stürzen; ahd. feim 
M. Schaum; unverschoben (§ 38) ahd. spuri-halz lahm : gr. aqpupöv 
Knöchel; ahd. spän M. : gr. a<pi\v Keil(?). — Inlautend: ahd. 
htiof M. Huf. — Idg. Üi, anlautend: g. pragjan laufen : gr. Tp^xu) 
(Fut. Op^EoMai). — Inlautend: g. akapjan schaden : gr. daKiiOi^^ 
schadlos; ahd. fl^o M. Fladen : gr. irXddavov Kuchenbrett; ahd. 
hadara F. Lumpen; mhd. liederlich : gr. ^Xe06€po^(?); un verschobenes t 
in der 2.P.Sg.Pert., z.B. g,mahty vgl.gr.olaea. — Idg.lri^, anlautend: 
g. haban haben : 1. habeo', ahd. hämo M. Angelhaken : 1. Aamiur; ahd. 
hinkan hinken : gr. axd^ui; unverschoben: g. skaidan : gr. oxilxUf 
1. scindo; g. skal soll. — Inlautend: g. ahana F. Spreu : gr. &xvr\; 
ahd. rtlian reihen; mit erweichtem Spiranten (§ 22): g. pragjan 
laufen; g. nagljan nageln, ahd. nagäl M. : gr. övuE, övuxo^, 1 unguis'^ 
unverschoben: ahd. forskön forschen : 1. posco. Brgm. I § 553. 
Kluge Grdr.§10, Ib. § 11c. Streitberg S.97. 112.114.126. Noreen 
S. 110. 118 f. und die dort angegebene Litteratur. 

Verschiebung des idg. Tenues p, t, k ^). 

20. Die idg. Tenues sind im Germanischen zu f, p, h 
geworden. Diese f, p, h sind nicht, wie das früher vielfach 
geschah, als Aspiraten anzusehen und zu bezeichnen, sondern 
es sind Spiranten. 

a. idg. p im Anlaut: g. fadar, ahd. fater Vater : gr. iraTrjp, 
1. pater\ g. fähan, ahd. fähan fangen : I. pax^ pacisci\ g.faihUf ahd. 
fihu N. Vieh :1. pecw; g. filu-faihs mannigfach, ahd. f€h bunt : gr. 
iToiKiXo^; g. fair-, ahd. fir- : gr. iT€p(; g. fairra^ ahd. verro fern und 
g. faimeis, ahd. fimi alt : gr. ir^pa weiter, ir^pav jenseits; g. fairzna^ 
ahd. firsana F. Ferse : 1. perna (aus *per8na); g. -falpSy ahd. 
'faÜ Adj., g. falpauy ahd. faltan falten : gr. bi-irAdoio^ etc.; g. /ana 
M. Tuch, Lappen, ahd. fano^ mhd. vane M. Fahne : 1. pannus\ g. 
/a/>a M., mhd. vade Zaun, ahd. fadxiTn M. Faden : gr. ircxdwuiüii; 
g. ahd. faran fahren : gr. iröpo^, YTopeO€a6ai, 1. peritus ; g. faur, faura^ 



1) Brgm. I § 527. Noreen S. 115. Streitberg § 117 f. 



24 Germ. Lautverschiebung. Idg. jo, t, fc. [§ 20. 

ahd. furiy fora, nhd. für^ vor : gr. irpö, 1. jpro; dazu auch g. frtima 
der erste (vgl. gr. irpd|üio(;), ahd. furisto M. Fürst und g. frauja^ ahd. 
/rö Herr, ahd. frouwa F. Herrin, Frau; ferner g. fra- und g. /ram 
Präp. fern, von, ahd. fram Adv. fort, vorwärts, g. framdps Adj., 
ahd. vremidi fremd und ahd. vruma F. Nutzen, Vorteil; g. fiU N., 
ahd. f^l{ll) Fell : 1. pelliSy gr. Tr^XXa; g. ahd. /?/u viel : gr. iroXO; 
g. /Jm/i ahd. finf^ fünf fünf : g. ir^vrc, 1. quinque (für *pingue); g. 
/S«fc5, ahd. /2äc M. Fisch : 1. piscis ; g. flödus M., ahd. /Zuo^ K. Flut : 
gr. irXUiu; schwimmen, itXujtö^ schwimmend, schiffbar; g. flökan be- 
klagen, ahd. fluochön fluchen, verwünschen : gr. irXi^aaui schlagen, 
4E-€irXdYr|v, 1. plango; g. födjan ernähren, dazu ahd. ftiotar M. Nah- 
rung, Futter : gr. itario^ax essen ; g. fötus, ahd. /moj M. Fuss : gr. 
iroi^ YTO&öc, hpeSy -dis; g. fraihnan fragen, ahd. frdgin : 1. prccari; 
g. fula, ahd. /bio M. Fohlen : gr. itujXoc ; g. frapjan verstehen, fröps{d) 
Adj. weise : 1. inier-pres, -tis ; g. /Wu« N. Frost, ahd. friosan frieren : 
1. pruina; g. fulls^ ahd. foKJl) voll: 1. ptenw«, vgl. im-pleo, gr. 1^^^- 
irXnni; g. /*öZä, ahd. fid faul (Wz. pu) : 1. piUeo stinke, puter ver- 
west, faul, gr. irOov, 1. pus Eiter, dazu auch mhd. vut. Gen. vüde 
cunnus. — Im Inlaut: g. hafjan^ ahd. he/fen heben : 1. capio, gr. 
KuOirri Griff; g. hlifan stehlen : 1. clepo^ gr. kX^ittui; g. ufarj ahd. 
tt5ar : gr. öir^p, 1. super. 

b. idg. f im Anlaut: g. ga-pairsan verdorren, ahd. dorren 
verdorren und derren dörren, g. paursuSy ahd. durri dürr, g. 
paurstei F. Durst u. a. : gr. T^pöoimai trocken werden, xcpöaivui trocken 
machen, t. torrere\ g. Pahmi, ahd. dag&n schweigen : 1. taceo-, g. 
pugkjaUy ahd. duiiken dünken, g. pagkjan denken, g. pagks Dank : 
lat. tongere kennen; g. panjan, ahd. dcwncn dehnen, dazu ahd. 
dunni dünn, ahd. dona Zweig, mhd. done Spannung, nhd. Dohne, 
ahd. donar M. Donner : gr. tcCvuj spanne, xavu- ausgedehnt, 1. tenuis, 
gr. TÖvo^ Sehne, Spannung, Ton, 1. toniis, tonare, tonitrus; g. Pata, 
ahd. da^ : gr. to ; g. peihs N., Gen. peihsis Zeit, ahd. dingf Gericht, 
Gerichtstag, Ding (vorgerm. tenkos) : 1. tempus\ g. preis, ahd. rfre 
drei : 1. ^rc«, gr. xpctt;; g. us-priutan belästigen, schmähen, ahd. 
ir-drio^aUf nhd. vcr-dHcÄScn : 1. trudo', g. />u, ahd. rfw du : 1. tu, gr. 
<J^; §■• pidan, ahd. doZ^n dulden : 1. ^i/Ze, tolero, gr. TXfjvai dulden; 
g. pwairhs, ahd. dwfirah zwerch, quer : 1. torqueo, dazu vielleicht 
auch g. pairhy ahd. durah durch. — Im Inlaut: g. 6r(5/>ar (§ 19,a); 
g. 'falps (§ 20, a); g. munps M, ahd. mund : 1. mentum Kinn; g. 
tunpus, ahd. zan(c/) M. Zahn : gr. AboO^ Gen. öbövroc;, 1. dens dentis ; 
g. wairpaUy ahd. tvSrdan werden, g. -wairps, ahd. -M'?rf -wärts, 
-wärtig : 1. vertere\ g.wiprus, ahd. widar M. Widder : 1. vitxdus, und 
viele andere mit einem «-Suffix gebildete (II § 254 f. 336 f.). 

c. idg. k im Anlaut: g. hafjan (unter a); g. hdhan, ahd. 
hähan hangen : 1. cunctari (?); g. ^atA« einäugig : 1. caecus; g. hairtö, 



§ 20.] Germ. Lautverschiebung. Idg. p, t, k, 25 

Ahd. h&rza : 1. cor, cordis, gr. Kapöla; g. hallus Felsen : 1. collis\ 
g. Aa^9 M. Hals : 1. Collum (IF. 4, 322 f.); g. halts lahm : 1. claudus; 
g. ^na M., ahd. Aano Hahn : 1. cano singe; g. hardiis, ahd. T^er^z 
hart : gr. Kpartü^, xaprcpö^ ; g. hanbip, ahd. houbit N. Haupt : 1. ca- 
j9u< (? der Vocal entspricht nicht); g. haurds F. Thür, ahd. Äwr^ 
F. (t) Hürde : gr. KuprCa Fiechtwerk, 1. crates; g. kaum N. Hörn: 
1. comUy gr. K^pac;; g. Ät-, Pronominalstamm: 1. ci- in m, citra; 
g. hlifan stehlen (unter a) ; g. hliuma Gehör, ahd Jfliumunt M. Leu- 
mund, JjLlüt laut, Hlüdo-ictg : gr. kXOuj höre, 1. c^uo, in-clidtts etc.; 
g. hlütrs, ahd. ftlüttar lauter: gr. kXO&uiv Wogenschlag, kXOJIui waschen; 
g. Äör« M. Ehebrecher, ahd. huor N. Ehebruch, huorra F. : 1. ctfn*« (?); 
g. hrainSy ahd. lireini rein, ebenso ahd. ^rttora Sieb : gr. xpivu; 
scheiden, 1. cri&rt^m Sieb; g. huJjan verhüllen, u^-^t^Zdn aushöhlen, 
halja F. Hölle, ahd. Mlan st. V. verbergen, ÄoZ Adj. hohl etc. : 1. 
oc-culOf celoj gr. KaXOrrTui; g. hund, ahd. Aun^ N. hundert zu 1. cen- 
tum, gr. ^KOTÖv; g. hunds, ahd. At/n^(f) M. Hund : 1. cani«, gr. kuuiv 
Kuvö^; g. -Äö« N. Haus, ebenso ahd. hvita F. Hütte, vielleicht auch 
g. Ä«2d N., ahd. hört N. Hort : gr. kcOGuj verberge; g. /mp** M., ahd. 
hufF. {i) Hüfte : gr. KOßo^ Höhlung vor der Hüfte beim Vieh ; g. has, 
A?a, ahd. itwer, ^wa^ : 1. quis^ quod; g. fvapar, ahd. IvtvMar welcher 
von beiden : gr. irÖTcpo?, K6Tepo<; ; g. heila F. Zeit, ahd. tütla Weile : 1. 
quietuSf tranquillus, — Im In laut: g. aha, ahd. a?ia Wasser : 1. aqua\ 
g. arhazna Pfeil : 1. arcu8\ g. fdhan^ -faihs, faihu, fraihnan (unter a); 
g. -A, -tiA : 1. que ; g. leihan, ahd. 2{Aan leihen : 1. linquoj gr. Xeiirui ; 
g. liiüiap N. Licht, liuhtjan leuchten, ahd. Höht Adj., g. lauhmuni 
F. Blitz, mhd. /oAe M. Flamme : gr. Xcukö^, 1. lux^ luceo etc. ; g. ^a- 
nah es genügt, ga-nöhs genug, ga-nauha Genüge : 1. nanciscor; 
g. saihan sehen : 1. sequi, gr. ^ireoBai; g. swaihra, ahd. sw^hur 
Schwiegervater: gr. ^xupö^, 1. socer; g. tahjan reissen, zerren, vgl. 
ahd. zangar beissend, vielleicht auch zanga F. Zange : gr. ödKvw; 
g. taihun, ahd. z^han : 1. decem, gr. ödxa; g. ga-teihan anzeigen, ahd. 
s^han zeihen : gr. &€(icvuMt, 1. dico\ g. tiuhan^ ahd. ziohan ziehen :1. 
di^ere'^ g. peihs, pwairhs (unter b); g. weihan kämpfen : 1. vincere. 

Ad Stelle des stimmlosen Explosivlautes ist hier also 
die stimmlose Spirans getreten; anstatt des Verschlusses wurde 
nur eine Reibungsenge gebildet. Es Hesse sich denken, dass 
der Übergang von der Tenuis zur Spirans unmittelbar erfolgte, 
doch machen es ähnliche Vorgänge in andern Sprachperioden 
nicht unwahrscheinlich, dass zuerst nur aspirierte, dann affri- 
cierte Tenuis eintrat und schliesslich der jüngere Schmarotzer- 
laut den Verschlusslaut unterdrückte. Als schwere, positions- 
bildende Laute wie die jüngeren aus Aflfricaten entstandenen 



26 Germ. Lautverschiebung. Idg. b, d, g, [§ 20. 21. 

Spiranten erscheinen freilich diese germanischen Spiranten 

nirgends mehr; ebenso wenig wie die aus den Mediae aspiratae 

entwickelten Laute ^). 

Anm. Wenn die Verschiebung der Tenuis ihren Weg über 
die Tenuis asp. nahm, ergab sich von selbst, dass sie mit dieser 
zusammenfiel; § 19, 2. 

Verschiebung der idg. Mediae 6, d, g^). 

21. Die Mediae werden zu Tenues, d. h. zu stimmlosen 
Verschlusslauten mit fester Articulation. Die Festigkeit der 
Articulation war vielleicht eine unmittelbare Folge davon, dasa 
der Media der Stimmton entzogen wurde (vgl. § 7, 3. Bremer, 
Phon. § 101 Anm.). 

1. Beispiele fllr die Dental- und Guttural-Reihe sind häufig: 

a. Idg. d im Anlaut: g. tahjan (§ 20, c); g. taihswö F. die 
rechte Hand, ahd. z^swa : gr. bc^iöc;, 1. dexter\ g. taihun, ga-teihan 
(§20, c); g, ga-tairan, ahd. fir-z^ran zerstören, vernichten, mhd. 
zem verzehren : gr. b^pciv; g. tagr N., ahd. zahar M. Zähre : gr, 
5dKpu; g. Harns, ga-tarnjan, ahd. zamy zemmen zahm, zähmen : 1. 
domare, gr. öa^dv; ebenso vermutlich g. gatiman, ahd. z^man 
ziemen, passen, g. ga-t&ms passend und ahd. Zunft Schicklichkeity 
Regel, Zunft; g. timrjan {timhrjan), ahd. zimbiren zimmern und 
ahd. zimbar M. Bauholz, Wohnung, Zimmer : 1. domus, gr. 56|uio<;,. 
b^nui; g. tiuhan (§ 20, c); g. triu N. Baum : gr. bpO^; g. tunpus, ahd. 
zan{d) (§ 20, b); g. tuz-y ahd. zur- (II § 421) : gr. 6u^-; g. twaiy ahd. 
zw&ne : gr, bOo, 1. duo. — Im Inlaut: g. asts, ahd. ast Ast : gr. 
6lo<; (ÖaöoO; g. beitan (§ 19, a); g. fötus (§ 20, a); g. gaüs, gitan, 
giutan (§ 19, c); g. hairtöj halts, Mütrs (§20, c); g. itan, ahd. tfjjan: 
I. edo, gr. £6o^al; g. mitan, ahd. m^^an messen und g. mitön be- 
denken, dazu ahd. m^j N. Mass und mä^a F., g. mitaPs Kornmass^ 
ahd. Tii^zzo Metze : gr. fLi^bofüiai, )Li^5i)Livo^, 1. Tnodus, modius; g. sitan, 
ahd. sizzen sitzen, dazu g. satjan setzen, g. sitlSf ahd. s&^al Sessel : 
gr. ^to\ia\, 1. sedeOy gr. ^öpa, I. «eZZa (aus &'ed/a); g. stautariy ahd. 
stö^an stossen : 1. tundo] g. «u^« oder 5t2^«, ahd. «uoji : gr. i\h<}<i, 
1. suavis (aus «uadvi«); g. swarts, ahd. ^uarz schwarz : 1. sorde«; 
g. uS'priutan (§ 20, b); g. ?ra27, ahd. wei^ ich weiss, dazu g.witaiv 
beobachten, fra-weitan rächen, ahd. fir-wt^en vorwerfen, nhd. ver- 



1) Paul, PBb. I, 153 f., Kräuter, Lautversch. S. 72. 86 f. Scherer 
S. 167 u. a. 

2) Brgm. I § 533. Noreen S. 121. Streitberg § 125. 



§ 21.] Genn. Lautverschiebung. Jdg. b, d, g. 27 

weisen : 1. video^ gr. I5€iv; g. watö N., ahd. wa^ar Wasser : gr. Ö6uip; 
g. waurts, ahd. «mrz F. Wurzel, Kraut: gr. ^d^iE, ^dba^vot; Zweig, 
Bute, 1. radix, 

b. Idg. g im Anlaut: g. kalds, ahd. A;aZ^ und ahd. A;t^2i 
kühl : 1. gelu ; g. kann^ ahd. fean (nn) ich verstehe, dazu g. kannjan 
bekannt machen, ahd. kennen \ g. kunps, ahd. Arund bekannt; ahd. 
XruTi«^ Kenntnis, Kunst; ahd. ir-cndan erkennen, ahd. kuoni kühn 
u. a. : gr. TurviiiaKu), 1. gnosco; ebenso g. kunij ahd. kunni Geschlecht, 
g. knöds F., ahd. knuot Geschlecht, ahd. kuning König : gr. T^Tvo^ai, 
T ivo?, 1. gigno, genus ; g. /(:aum N., ahd. fcom Korn und ahd. k^mo 
M. Kern : 1. granum ; g. kinnus F. Wange, ahd. Armni N. Kinnlade, 
Kinn : gr. t^vu<;, 1. ^ena; g. kiusan, ahd. kiosan kiesen; g.kusttis 
Prüfung : gr. t^öuj, 1. gustus, gustare; g. fcntu N., ahd. fcnfeo, fcwitt 
Knie : 1. genu, gr. tövu. — Im Inlaut: g. afcr« M., ahd. ackar 
Acker : 1. ager^ gr. dYp6^; g. aukan st. V. vermehren, ahd. oitchön 
sw. V. hinzufügen : 1. augere ; g. &($A:a, brikan (§ 19, a) ; g. flökan 
(§ 20, a); g. lÄ:, ahd. ih : 1. e^o, gr. iyw'y g. JuA: N., ahd. joh Joch : 
1. jugumt gr. 2utöv; g. ahd. marka F. Grenze, rahd. nhd. mark: 1. 
margo; g. müuks F., ahd. miluh Milch und ahd. m&kan melken : 
1. mulgeo, gr. djui^XTw; g. mikils, ahd. michil gross : gr. |ui^To?> MCTaXo-, 
1. ma^nt/«; g. w/'- rakjan ausstrecken, ahd. recfcen : gr. öpifiUf l.por- 
rigo; ebenso g. rikan st. V. anhäufen, dazu ahd. rShho M. Rechen; 
g. sökjan^ ahd. suochen suchen : 1. sagiOj gr. i^T^oimai; ebenso ver- 
mutlich g. sakan vor Gericht streiten, alid. sachan, und dazu g. 
«aA:jö F. Streit, ahd. sacha F. Streitsache, Ursache; g. stiks M. Zeit- 
punkt, ahd. stih (ch) Punkt, Stich, zu ahd. stächan st. V. : gr. öxiCuj, 
GT(TMa, 1. in-stigare; g. striks M., ahd. strih{ch) Strich, Linie und 
ahd. strtchan streichen : 1. strnga, stringere; g. waurkjan, ahd. 
tt?wrA:en wirken und ahd. w^rk N. Werk : gr. (iitMi (aus Fp^T»"'), gr. 
^pfov; g. wakjan, ahd. tüccArcn wecken und g. wakan st. V., ahd. 
wachin sw. V. vermutlich zu 1. r?V*^» ve^fere; dazu auch g. wökrs 
M., ahd. wuochar M. N. Ertrag, Gewinn, nhd. Wucher; gr. wrikan 
verfolgen, ahd. rechan rächen : gr. ctptu), 1. urgeo. — Über g. reifc* 
Herrscher : 1. reXy regia s. Kluge s. v. reich, 

2. Die labiale Media war in der idg. Ursprache ein sehr 

seltner Laut^). In den geim. Sprachen giebt es kein Wort mit 

anlautendem p = idg. b, das mit Sicherheit auf vorgermanische 

Sprachgemeinschaft hinwiese, und nicht viele mit inlautendem jp. 
— Gotische Wörter, denen im Griechischen oder Lateinischen ver- 
wandte mit inl. b zur Seite stehen, sind: hups (§ 20, c); g. sUpan, 
ahd. släfan schlafen und ahd. slaf schlaff : 1. labi gleiten, läbare 



1) Brgm. I § 325. Kluge, PBb. 9, 184. ühlenbeck, PBb. 18,236f. 



28 Germ. Lautverschiebung. Idg. b, d^ g, [§ 21. 22. 

fichwauken, asl. släbü schlaff; g. sliupan^ ahd. sliofan schlüpfen : 
1. Iubricu8\ g. weipan kränzen, waips Kranz, mhd. wtfen schwingen, 
winden, ahd. wipfil Baumspitze, nhd. (ndd.) Wippe : 1. vibrare. 
Manche stellen auch g. wairpan, ahd. w^rfan werfen zu 1. verberare ; 
g. paurp Acker, ahd. dorf Dorf zu 1. trabs Balken oder 1. turba, 
gr. Ttipßn Schaar. — In manchen Wui-zeln stehen schon im 
Idg. b und p nebeneinander, s. § 143, 5. 

Anm. Die meisten Wörter, die im Gotischen mit p anlauten, 
sind aus dem Griechischen aufgenommen. Ein altes, über alle 
germanischen Sprachen verbreitetes Lehnwort aus dem Lateinischen 
ist g. pund N. Pfund. Anderer Art sind paida Kleid, praggan 
drängen, puggs od. pugg Beutel, peika-bagms (PBb. 17, 33) Palm- 
baum, plapja Strasse, plats Lappen, pUnsjan tanzen (PBb. 20, 44). 
Nur die drei ersten kommen in entsprechenden Formen auch in 
andern germanischen Sprachen vor (s. § 40). plats vergleicht sich 
mit mndl. plet^ ndd. pleite Lappen (vgl. ahd. plezy blez). 



Übergang stimmloser Spiranten in stimmhafte 

(Verners Gesetz)^). 

22. Aas dem Idg. besass das Germanische einen stimm- 
losen Spiranten ä; drei neue /*, p, h kamen durch die Ver- 
schiebung der Tenues hinzu (§ 20); alle vier gingen unter ge- 
wissen Bedingungen in stimmhafte Laute über, die im Got. 
durch 2, b, d, g bezeichnet werden. Den idg. Tenues ent- 
sprechen also teils germ. f, p, h, teils by d, g] z. B. / in g. 
hlifan stehlen, gr. kX^tttuj, b in g. sibun sieben, 1. septem, 
gr. ^TTTOt. — ^ in g. bröpar Bruder, gr. qppaxrjp, 1. frater^ 
€l in g. fadar Vater, gr. Trairip, 1. pater. — /i in g. pahan 
schweigen, 1. taceo, g in g. tigus Zehnzahl, 1. decem, gr. 
biKGL. Selbst derselbe Stamm zeigt verschiedene Formen ; vgl. 
g. frawairpan verderben: g. frawardjan entstellen; hührus 
Hunger: huggrjan hungeni; neben dem Positiv juggs jung: 
der Comparativ jühiza jünger ^ neben filhan verbergen: fulgins 
verborgen; neben naups. Gen. naupais Not: das Compositum 
naudibandi Zwangsfessel u. a. Diese merkwürdige Ungleich- 
heit hatte längst die Aufmerksamkeit erregt; auch hatte man 



1) Brgm. I § 530. Noreen S. 124. Streitberg § 123. 124. 



§ 22. 23.] Germ. Lautvei'Bchiebung. Verners Gesetz. 2^ 

richtig erkannt, dass die idg. Tenues nicht unmittelbar, sondern 
erst durch f^p, h zu 6, d, g geworden waren; aber den Factor^ 
der die Erscheinung geregelt hat, erkannte zuerst 1877 K. 
Verner in dem idg. Accent (KZ. 23, 97 — 130): „Die stimm- 
losen Spiranten, welche sich in stimmhafter Nachbarschaft 
befinden, blieben stimmlos nur nach betonter Silbe, sonst wurden 
sie stimmhaft^. Es heisst bröpar mit stimmlosem Spiranten, 
weil die Stammsilbe ursprünglich den Accent trug, ai. bhrätar-; 
dagegen fadar mit stimmhaftem Laut, weil die Stammsilbe 
ursprünglich unbetont war, ai. pttär-. 

Dieses „Venersche Gesetz" gehört zu den wichtigsten 
grammatischen Entdeckungen der neueren Zeit. Es zeigte^ 
wie jung verhältnismässig die geimanische Betonungsweise 
ist (§ 337) und wie stark noch innerhalb des Germanischen 
der alte idg. Accent auf die Lautentwicklung gewirkt hat. 

23. Lautgesetz und Systemzwang. — 1. Die Wirkungen 
des Lautgesetzes haben sich in den gennanischen Sprachen 
nicht rein gehalten. Da in vielen Worten bald die Stamm- 
silbe, bald die Endung den Accent trug, so mussten sich für 
den Auslaut der Stammsilbe verschiedene Formen ergeben; 
aber der Systemzwang hat diese Verschiedenheit oft wieder 
aufgehoben ^). 

2. In der Nominalflexion ist der Wechsel sowohl im 
Gotischen als im Ahd. beseitigt, grade wie der Ablaut, der 
gleichfalls auf dem indg. Accent beruht; auch g. ainlif elf: 
ainlibim Dat., twalif zwölf: twälibim lassen sich nicht als Bei- 
spiele brauchen, da die uuflectierte Form auf jeden Fall f 
verlangt (§ 145). 

3. Besser hat sich das ursprüngliche Verhältnis im 
starken Verbum erhalten. Zwar das Gotische hat auch 
hier fast überall denselben Consonanten und zwar den stimm- 
losen Spiranten. Nur neben parf ich bedarf gilt regelmässige 
der Plur. paurbum, neben aih ich habe: aigtcm od. aihtcm. 
Häufiger ist die Erscheinung in den westgermanischen Sprachen. 



1) Vgl. über solche Störungen Paul, PBb. 6, 538 f. Noreen, 
eb. 7, 431. Kluge KZ. 26, 92 f. Br. ahd. G. § 163 A. 6 u.a. 



30 Germ. Lautverschiebung. Verners Gesetz. [§ 23. 

Auf der alten unter dem Einfluss des Accentes vollzogenen 
Erweichung der Spiranten beruht der Wechsel zwischen f und 
5; d und t^ h und g, 8 und r, den wir vielfach in der ahd. 
Gonjugation wahrnehmen (Fl.) ; denn diese Lautpaare vertreten 
nach der hochdeutschen Verschiebung die stimmlosen und 
stimmhaften Spiranten der älteren Zeit; z. B. heffen huöbun, 
snidan snitun, sldhan aluogun, loesan wärun. Die spätere 
Zeit hat weitere Ausgleichungen vorgenommen^ aber bis auf 
den heutigen Tag sind noch nicht alle Spuren der alten Ord- 
nung getilgt. Wir bilden jetzt zwar heben hoben, schlagen 
schlugen mit gleichen Consonanten, unterscheiden aber noch 
schneiden schnitten, gewesen waren, — Diese Verschiedenheit 
in der Gonjugation bezeichnete man, ehe ihr Grund bekannt war, 
als 'grammatischen Wechsel* und diesen Namen pflegt man nun 
für alle durch das Vernersche Gesetz hervorgerufenen Erschei- 
nungen anzuwenden. 

Anm. 1. Der stimmlose Laut galt ursprünglich für die Prä- 
sensformen und den Sg. Prät., der stimmhafte für Plur. und Opt. 
Prät., sowie für das Partie. Prät., und wo ein Ausgleich eingetreten 
ist, haben gewöhnlich die Präsensformen gesiegt. Doch giebt es 
auch Verba, die in Folge ihrer Betonung von Hause aus auch im 
Präs. stimmhaften Laut hatten oder unter dem Einfluss der andern 
Formen angenommen haben; s. Flex. 

4. Leichter als innerhalb des Flexionssystems eines 
und desselben Wortes konnte die Verschiedenheit sich in den 
Ableitungen aus derselben Wurzel halten. 

a. Besonders finden wir neben starken Verben Nomina 

und schwache Verba mit grammatischem Wechsel; ziemlich 

oft im Hochdeutschen, viel weniger, wie zu erwarten, im 

Gotischen. 

g. p (ahd. d): g, d (ahd. t), g. fraPjan verstehen, frapi N. 
Verstand : g. fr6ps{d) verständig, ahd. fruot\ g. wairpan werden, 
fra-wairPan zu Grunde gehen : g. frawardjan verderben, mhd. 
ver-werten^ ahd. wurt F. Geschick, mhd. wirtel M. Spindelring. — 
ahd. findan : ahd. vantön^ vandön (§ 61) examinare, tentare; ahd. 
Itdan gehen : ahd. leiten sw. V. 1 führen, leita F. Führung, Leichen- 
begängnis, leito, leitid M. Führer, leitida F. Führung; ahd. quMan 
sagen : quetten sw. V. 1 grüssen, quiti quidi F. Ausspruch^- qu&a 
F. dictio, harm-qu^Ön maledicere; sceidan scheiden, sceidön schei- 
den, sceida F. Scheide, sceido M. der Scheider, scidön scheiden: 



-§ 23.] Germ. Lautverschiebung. Verners Gesetz. 31 

^ceitüa F. Scheitel, sctt Scheit (mhd. schtten spalten); auch ahd. 
gi-skeit N. Trennung, untar-sceit M. Unterschied u. a. haben oft 
oder meist t; ahd. siodan sieden : ahd. salz-suti F. salina, mhd. 
suttem überwallen; ahd. sntdan schneiden : ahd. aneitia^ sneita F. 
durch den Wald gehauener Weg, »neit{hi beschneiden, snita F. 
{snida) Schnitte, snitari Schnitter. 

f:b. g. Parf ich bedarf : g. parha der Arme, ahd. darbo, 
g. parba F. Mangel, ahd. darba^ g. ga-parban sw. V. darben, ahd. 
darbin u. a. — ahd. heffen heben, Äeüc, hevilOf mhd. heve, hevel, 
hebel M., nhd. Hefe F. : ahd. ur-hab Ursache, hevig und hebig schwer, 
hevenön und hebenön aufnehmeui behandeln, habuh M. Habicht; 
ahd. en-seffen verstehen : en-sebida F. Einsicht. — In umgekehrtem 
Verhältnis steht g. bi-leiban bleiben : af-Ufnan übrig bleiben, dazu 
auch g. liban leben und ahd. Hb M. N. Leib (vgl. gr. Xiirapeiv be- 
harren u. a.). 

h: g. g. aih ich habe : aigin N. Eigentum, ahd. eigan Adj., 
eigan N., eigo M. Besitzer; g. ga-faihan sich freuen, ahd. gi-fehan 
(nur im Tatian), g. faMps F. Freude, fulla-fahjan Genüge thun : 
g. ahd. faginön sich freuen, ahdl gi-fag Adj. contentus, gi-fagön 
satisfacere, weiter auch g. /Vx^r« schön, ahd. fagar und ahd. fuogen 
sw. V. 1 fügen; g. filhan verbergen, fulhsmi N. das Verborgene: 
g. fulgins verborgen. -> ahd. dthan gedeihen : gi-dig das Gedeihen, 
bi-digida F.: ahd. fdhan fangen : ahd. fang M. Fang, -fangön sw. 
V. 2, fangida F., -fangalön sw. V. 2; ahd. fliohan fliehen : ir-flougjan 
efTugare; g. fraihnan fragen : ahd. fragen sw. V. 3, fräga {fräha) 
F., ant'frähida F. interrogatio; ahd. hähan hangen : ahd. hengen 
sw. V. 1, hangin sw. V. 3, hang M., -hengida F., hengil-bouiUf mhd. 
hengel das Hängende; ahd. rfAan reihen : ahd. rl^a Linie, Reihe, 
nhd. Biege; ahd. slahan schlagen : ahd. slag M. Schlag, «2a^a F. 
Hammer, slagön schlagen, slago oder slaho interfector, slegil M. 
Schlegel; ahd. gi-wahinen erwähnen : ahd. giwago M. Erwähnung; 
ahd, tcihan kämpfen : ahd. wtg M. N. Kampf, -icigo M. Kämpfer, 
totgant M. Held, weigar tollkühn, weigar&n sich weigern; ahd. 
£fAan zeihen : ahd. zeiga F. Anweisung, zeigen zeigen, mhd. zic{g) 
M. Anschuldigung; ahd. ziohan ziehen : ahd. al-zoges Adv. om- 
nino, zogön, mhd. zogen gehen, rupfen, nhd. zögern, ahd. -zogo od. 
zoho M. der zieht, ahd. zug M., zugida F. Zug, Ziehen, zt/^27 (zuhil) 
M. Zügel. 

« : z (hd. r). g. driusan fallen : ahd. fr^r M. N. das Herab- 
fallende, Regen, Tau, Blut, ahd. frören sw. V. 1 triefen, übergi essen; 
ahd. friosan frieren, frost M. : ahd. frören congelare; ahd. kiosan 
kiesen, kust F. : kuri F. Wahl, kora F. Versuchung, korön ver- 
suchen, kosten; g. lais ich weiss, ahd. -leisa, mhd. Zme F. Geleise, 
Spur, g. 2ai«^« Spur, ahd. mhd. leist M. Form, Leisten des Schuh- 



32 Germ. Lautverschiebung". Verners Gesetz. [§ 2S. 

machers : liren sw. V. 1 lehren, lira F., limin lernen ; ahd. gi-näsan 
genesen, ge-nist F. Rettung : ahd. nerren sw. V. 1 retten, nähren, 
ahd. nara F. Heil, Unterhalt; ahd. T^san fallen, steigen, ur-rist 
Auferstehung, reisa F. Kriegszug : ahd. r^ren sw. V. 1 fallen 
machen; g. ga-pairsan verdorren, ga-paursnan vertrocknen, Paursus 
trocken, paurstei F. Durst : ahd. derren sw. V. 1 und dorren sw. 
V. 3, darra F. Darre, durri dürr; ahd. tc^san sein : ahd. w&ren 
währen, dauern. 

b. Andere verwandte Wörter zeigen dasselbe Verhält- 
nis; z. B. 

p (hd. d) : d (hd. t), g. Hiup N. Lied (vgl. g. liupareis Sänger), 
ahd. liod : g. awi-liudön preisen; g. sinps M., ahd. sind Weg, gga- 
sinPjUf ahd. gi-sindo Weggen oss : g. sandjan^ ahd. senden. — mhd. 
liederlich : ahd. Zo^ar leer, eitel. 

/* : h, ahd. dmt;a, diüba F. Diebstahl : g. piufsip), ahd. ^f 20& 
M. Dieb; ahd. scr^von einschneiden, mhd. schrove^ schrof M. Fels- 
klippe : ahd. scarbön zerschneiden. — mhd. hof{v) M. : mhd. ku- 
bisch hübsch. 

hl g, g. aha M. Verstand, ahjan glauben, ahma Geist, ahd. 
ahta Aufmerksamkeit, ahtön achten : g. augö, ahd. ouga N. Auge 
(Wz. oq)\ g. hührus M. : g. huggrjan\ g. jühiza jünger : g. juggs 
jung; g. taihun, ahd. z^han : g. fZj^u«, ahd. -«m^, -ztjy. — g. liiihaP 
N. Licht, ahd. Zto^ Adj. licht, g. lauhatjan leuchten, ahd. lohazzen^ 
mhd. ZoAe M. F. : ahd. long M. Flamme, lougazzen Feuer speien ; 
ahd. suühurj g. swaihra Schwäher : ahd. swigar (g. sicaihrö) Schwie- 
ger, mhd. stvdger Schwager; ahd. zdhi Adj. zähe : ahd. zanga F. 
Zange, zangar beissend, scharf (gr. hdKvuj). — mhd. ahd. höh, g. 
hauhs hoch, g. hiuhma M. Haufe : mhd. houc{g) M. Hügel, nhd. 
(md.) hügel M.; mhd. rcehe starr, steif, mhd. rahe Stange : mhd. 
racig) straff, steif, ragen ragen, r^gen sich erheben, regen aufrich- 
ten, erregen. 

s : z (hd. r). mhd. verse F. Färse : ahd. farro, far M., g. *farza 
Stier; g. aw.?^ N. Ohr, nhd. (md. ndd.) Öse : ahd. 6ra Ohr, ahd. ort 
N. Ohr; g. raus N. Rohr, ahd. »»tlÄa, rüssa F. Reuse : ahd. r<5r; ahd- 
^{^jfe^ thöricht, nhd. (nd.) Dusel M. ; mhd. töre, tör M. Thor. 

c. Da der Ausgleich der Formen sich nach verschie- 
deneu Richtungen vollziehen konnte, ist es begreiflich, dass 
öfters in der einen Mundart diese, in der andern jene Form 
durchgedrungen ist. (Br. ahd. Gr. § 163. A. 6). In der Regel zeigt 
das Gotische dem Hochdeutschen gegenüber den stimmlosen 
Laut. Zunächst, wie zu erwarten, in solchen Wörtern, die zu 
starken Verben gehören: g. ga-fdhs M. : ahd. fang\ g. höhan sw 



§ 23.] Germ. Lautverschiebung. Verners Gesetz. 33 

V. 3 : ahd. ha7igin\ g, häh N. : ahd. hang M.; g. ga-nöhs : ahd. 
ginuog; g. alahs M. : ahd. slag', g. drausjan : ahd. trörenx g. lais- 
Jan : ahd. Uren; g. nasjan : ahd. nerjen\ g. raisjan : ahd. r€rcn. 
Dasselbe Verhältnis waltet aber auch sonst gewöhnlich: g. u/Vir: 
ahd. ubary obar über, ober; g. ahana Spreu: ahd. agana\ g. AllA- 
ru« : ahd. hungar*^ g. ßahan schweigen : ahd. dag^; g. peihs 
N. Zeit : ahd. de7i(7; g* preihan drängen : ahd. dringan; g. asans 
F. : ahd. aran Ernte; g. au«d N. : ahd. 6ra Ohr; g. basi N. : ahd. 
&eri N. Beere; g. hausjan hören : ahd. hörren; g. rau« N. : ahd. 
rör ; g. wasjan kleiden : ahd. werjen ; g. wröhjan anklagen : 
ahd. mögen y nhd. rügen. Seltner hat umgekehrt das Gotische 
den stimmhaften Laut: g. haurds F. Thür : ahd. hurd, PI. hurdi 
Hürde ; g. skaidan : ahd. sceidan ; g. skuldn schuldig : ahd. 
sculd] g. fairzna F. : ahd. f^rsana Ferse; g. ^ar/r N. Zähre : ahd. 
zahar M. 

Anm. 2. Paare, wie g. u« : ahd. t/r-, g. 9nt7> : ahd. mi^, g. t//*: 
ahd. o6a, g. af: alid. aöa, die Flexionsendungen g. -i/> : ahd. -«<, g. 
-u/> : ahd. -t/^ u. a. gehören nicht hierher. In ihnen erklärt sich der 
gotische stimmlose Laut aus § 145; vor enclitischen Wörtchen tritt 
d, b ein : aft-w, ub-uh, nimid-uh u. dgl. (Br. § 56 Anm. 2, § 74). 

d. Auch für dieselbe Mundart konnten sich Doppel- 
formen ergeben. Stimmloser und stimmhafter Laut galten neben 
einander in einigen starken Verben: ahd. foLdan (g. fäipan) : fal- 
tauy swelhen schlingen : stetigen; neben ahd. hwerban werben kommt 
hiwerfan vor, neben hiufan klagen : hiuban\ neben sihan seihen in 
differenzierter Bedeutung stgan sinken, fliessen. Dieselbe Doppel- 
formigkeit zeigen manche zu diesen Verben gehörige Nomina und 
schwache Verba : ahd. vald M. Falte und valt, valdön und valtön^ 
wiruil M. und wirbil. Dagegen hat -faJi Adj. fast durchaus t (ab- 
weichend von g. -falps); an hwk'rban schliessen sich hwerben sw. 
V. 1, hioarbön, hwarb M., htcarba F., an htivErfan : gewerf, umbi- 
werf\ an sthan : slha F. die Seihe, an sigan : gasig M. N. Sumpf. 
— Andere Wörter mit Doppelformen sind bereits neben den Ver- 
ben sceidan, heffen, slahan, ziohan angeführt; vgl. auch mhd. kerbe , 
k€rve F. Kerbe : kerben (ags. ceorfan st. V.). Ungestützt durch 
ein Verbum sind ahd. diuva F. Diebstahl : diuba; ahd. knodo M. 
Knoten (vgl, nhd, Knödel) iknoto; ahd. mägo M. Mohn : mhd. md/iew; 
ahd. rado M. Kornrade : rafo\ ahd. zwirör, zwiro zweimal (II § 465), 
mhd. zwirn M. Zwirn : ahd. zwiski zweifach, mhd. zwiat M.; scarva F. 
Scharbe (ein Vogel) : scarba\ nhd. Atem M., ahd. ätum : nhd. Odem 
(mundartl, vgl. as. ddom, J. Schmidt, Sonantentheorie S. 115 f.) u. a.; 
vgl. auch § 34, 3. § 61 Anm. 1. Freilich bleibt zu erwägen, wie weit 
etwa jüngere Vorgänge nur den Schein grammatischen Wechsels 

hervorrufen (s. § 79. 97). 

W. Wüm&nns, Deutsche Grammatik. I. 3 



34 Germ. Lautverschiebung. Verners Gesetz. [§ 23. 

e. Wie in den Wurzelsilben, so tritt die Erweichung 
der stimmlosen Spiranten auch in den Suffixen ein: p : d 11 

§ 255, 3. 263. 336; pw : dw 11 % 183, 4 ; jf>r : dr II § 219, 1. 2. 323; ipa : 
ida II § 258, 2; opus : ödus, ahd. 6di : 6ti II § 261, 2. 3; h : g 11 
§275, 2. §342, 3; s:z (hd. r) II § 251, 2. 4. § 80; vgl. auch g.w&m: 
ufni II § 244, 3, ufli : ubli II § 214, 3. Auch hier kommt es vor, 
dass dasselbe Wort oder nächst verwandte in den verschiedenen 
Sprachen verschiedene oder in derselben doppelte Form haben; 
vgl. g. daups {p) Adj. : ahd. tot; g. -kunds stammend : ahd. -kund; 
g. ahs N. Ähre : ahd. ahir\ g. sap$ {d) Adj. satt : g. söp N. oder 
söps M., söp Jan sättigen; g. staps M. (/>) Ufer: staps{d) M. Stätte; 
ahd. I)lüt laut: Hludotvtg; ahd. lefs M. Lippe : ahd. Uffiir\ ahd. aW 
Adj. : eldiron Eltern (II § 329, 2); ahd. andar der andere : antarön 
aemulari, imitari; ahd. anadön, nhd. ahnden : antön. Andere Bei- 
spiele in II § 255, 3. 251, 4. 

f. Der grammatische Wechsel ist für nicht wenige 
Wörter mit inl 6, d, g ein Anzeichen, dass ihnen idg. Wurzeln 
auf Pj t, k zu Grunde liegen ; andere, die aus eben solchen 
Wurzeln entsprossen sind, ohne dass ihnen verwandte Wörter 
mit /*, p, h zur Seite stehen, sind z. B. 

mit b aus idg. jp : g. bi-rauhönt ahd. rouhön rauben : 1. rumpo; 
g. salbön salben : gr. ^Xiroc;; g. scaban schaben : gr. aKdirrui graben, 
aKairdvr) Grabscheit; g. sibun sieben : 1. Septem, gr. ^irrd. — Ahd. 
äbur M. Eber : 1. apev, ahd. sctba F. Scheibe : gr. aKoiiTo<; Töpfer- 
scheibe; ahd. uoben üben : 1. optis. 

mit d (hd. t) aus idg. t: g. födjan ernähren, ahd. fuotar N. 
Nahrung, Speise, nhd. Futter : gr. iraTdoinai esse; g, hardus, ahd. 
herti : gr. kpqtCk;; g. hund, ahd. hunt hundert : 1. centumy gr. ^Karöv. 

mit g aus idg. k: ahd. angul M. Stachel, Angel : gr. ötko^, 
1. unais\ ahd. mangön mangeln : 1. mancus; ahd. sagin sagen : 1. 
in-sece erzähle. 

mit z aus idg. s : g. aiz N. Erz, ahd. ir : 1. aes, 

Anm. 3. hd. f (=germ. p): b kann nicht auf grammatischem 
Wechsel beruhen; also nicht ahd. roufen (g. raupjan) : ahd. ro%ibön\ 
ahd. sweifan (ags. swäpan) : ahd. sweibön^ swt'b&n'^ ahd. uf (ndd. 
up) : ahd. oba; auch nicht ahd. kuofa F. Kufe : *kubil M. Kübel 
(§ 53, 2). 

Anm. 4. Da sowohl der Ablaut als der grammatische Wechsel 
eine Folge des Accentes sind, so müssten die Form der Spirans 
und die Form des Vocales von rechtswegen überall auf den gleichen 
Accent führen. Wir finden jedoch Bildungen, in denen der Vocal 
auf unbetonte Stammsilbe schliessen lässt, der Consonant auf be- 



S 23. 24.] Germ. Lautverschiebung. Verners Gesetz. 35 

tonte; z. B. das Adj. g. kunps {ktinpa-), ahd. kund lässt durch den 
Vocal auf Endbetonung schliessen, durch den stimmlosen Spiranten 
auf Stammbetonung; ebenso g. maurPr Mord; g. gulp, ahd. gold; 
g. umlfSf ahd. wolf u. a. Ein solches Miss Verhältnis konnte sich 
dadurch ergeben, dass der Accent, als die Erweichung der Spiranten 
erfolgte, nicht mehr auf derselben Silbe ruhte, wie zu der Zeit, da 
•der Vokal sich entwickelte, oder dadurch, dass in demselben Stamm 
wechselnde Formen galten, von denen diese den Consonanten, jene 
-den Vokal bestimmten. S. über solche Störungen Osthoff, M. U. 4, 78 
und die dort angegebene Litteratur. 

24. Bedenken. Da im Zusammenhang der Rede der 
anlautende Spirant sehr häufig nach unbetonter Silbe und 
zwischen stimmhaften Elementen stehen musste, so sollte man 
erwarten, dass auch der Anlaut häufig durch die Wirkung 
des Vernerschen Gesetzes wäre betroflFen worden. Aber der 
Versuch Bugge's^) für eine nicht unbeträchtliche Zahl von 
Wörtern grammatischen Wechsel nachzuweisen, giebt nicht 
die Überzeugung, dass Verners Gesetz ebenso für den Anlaut 
wie für den Inlaut gegolten habe. Vielmehr scheint das Ver- 
hältnis zwischen An- und Inlaut darauf hinzuweisen, dass, 
obwohl der Grund zum grammatischen Wechsel in der Zeit 
des freien Accentes gelegt sein muss, doch der uns bekannte 
Abschluss erst erfolgte, als bereits die gennanische Betonung 
^alt. Nur in Silben, die nach germanischer Weise unbetont 
blieben, stellte sich der stimmhafte Laut ein; dagegen im An- 
laut der Silben, die im Germanischen den Ton erhielten, haftete 
der stimmlose Laut. Daher finden wir die erweichte Spirans 
nicht im Anlaut betonter Wörter, wohl aber im Anlaut der 
unbetonten Partikel ga-, die bereits Grimm mit lat. co- iden- 
tificierte (g. gamains = 1. com-munis) und zuweilen im Anlaut 
eines zweiten Compositionsgliedes, obwohl hier, wie leicht be- 
greiflich, in der Regel das Simplex die gesetzliche Lautent- 
wickelung gehindert oder aufgehoben hat; vgl. ThuringiiHer- 
-mun-duri; ahd. sahs M. Messer, Schwert : me^i-raJiSf me^^-sahs 
Messer ; vielleicht auch ahd. eli-bemo Landstreicher, ele-vem : mhd. 
fanz Taugenichts (DWb. 3, 1320); ahd. r&a F. Spreu : gd-bissa F. 
quisquiliae, ga-vissa, ga-vessahi (Kluge, Grdr. § 18 A). So Hesse 



1) PBb. 12, 408 f.; vgl. Noreen S. 125 A. Streitberg S. 125A. 



36 Germ. Lautverschiebung. Got. &, d, g. [§ 24. 25^ 

sich auch g. hi bei zu gr. ^iri stellen, doch steht hier auch die Ver- 
gleichung mit gr. d^-<p{ zu Gebote. 

Anna. Dass im Anlaut einiger bedeutungsverwandter Wörter 
Verschiedenheiten vorkommen, die äusserlich dem grammatischen 
Wechsel gleich sind, ist nicht zu leugnen, z. B. ahd. barug^ hark 
M., ags. bearh^ bearg verschnittenes Schwein : ahd. farh N., ags. 
fearh Schwein (1. porcus); mhd. vrademen dunsten, mndl. vradem- 
Dampf : mhd. brädemen dunsten, brädem M. Dampf; ahd. gouh M. 
Kuckuck : gr. kökkuE, 1. cucültis u. a. (vgl. Noreen § 88 A. 1. 2. 3. 
S. 125 f. 129. 132); doch fragt sich, ob die Wörter wirklich aus der- 
selben Wurzel entsprossen sind, und wenn es der Fall ist, zu wel- 
cher Zeit und auf welche Weise die Doppelformen gebildet sind. 
Lautgesetzliche Entwickelung lässt sich nicht nachweisen. Für 
manche Wurzeln nimmt man schon idg. Doppelformen mit anl. 
Tenuis und Med. asp. an (Noreen S. 186 f.), doch reicht sicher nicht 
bei allen Wörtern die Verschiedenheit in so frühe Zeit zurück; vgl. 
bif % 97 Anm.; rf : ^ § 84, 2. 

Übergang der stimmhaften Reibelaute 5, rf, j in die 

Versehlusslaute 6, d, g. 

25. Die germanischen inlautenden 6, d, g, welche idg. 
Tenues entsprechen, sind aus den tonlosen Spiranten f, p, h 
hervorgegangen und können von diesen zunächst nur durch 
den Stimm ton unterschieden gewesen sein ; sie waren also stimm- 
hafte Spiranten: 6, rf, j. In der nhd. Schriftsprache sind Ver- 
schlusslaute an ihre Stelle getreten; hohen und zogen sprechen 
wir mit inlautender Media, schnitten mit inlautender Tenuis; 
aber diese Verschlusslaute haben sich erst im Laufe der Zeit 
aus den älteren Spiranten entwickelt (§ 59. 63). 

Die germanischen inlautenden 6, d, g, welche den idg. 
Mediae aspiratae entsprechen, erscheinen im Nhd. gleichfalls 
als Verschlusslaute; wir sprechen in weben und bewegen in- 
lautende Media, in Sitte inlautende Tenuis. Wir dürfen für 
diese Verschlusslaute dieselbe Entwickelung voraussetzen, und 
wir müssen es, da von Anfang an und in allen germanischen 
Sprachen die aus den Med. asp. und die aus den Tenues ent- 
standenen b, d, g als durchaus identische Laute erscheinen, 
deren spirantische Aussprache für die älteren wie filr die 
jüngeren Sprachen in vielen Fällen ausser Zweifel steht (Paul, 
PBb. I, 153 f.). Also auch hier erklangen einst 5, d, j. 



% 26. 27.] Germ. Lautverschiebung. Got. b, d, g, 37 

26. Inlaut. — Der Übergang in Yerschlusslaute erfolgte 
nicht auf einmal und nicht in allen germanischen Sprachen 
in gleicher Weise ^)'. Im Got. behaupten sich b, d im Inlaut 
zwischen Vocalen; dagegen nach Consonanten sind die Medien 
bf d eingetreten; es heisst giban geben aber swairban wischen; 
bidjan bitten aber bindan binden. Die gotische Schrift zwar 
bezeichnet diesen Unterschied nicht, da sie für Media und 
stimmhafte Spirans dasselbe Zeichen anwendet; aber der 
Auslaut lässt auf den Inlaut schliessen; zu g^an heisst das 
Prät. gaf, zu swairban aber swarb] zu bidjan bap, aber zu 
hindan band. Die durch die Schrift fixierte spirantische Aus- 
sprache des Auslautes bekundet fQr giban und bidjan auch 
die spirantische Aussprache des Inlauts; (vgl. § 145). Dass g 
im Got. noch spirantische Aussprache hatte, lässt sich nicht 
erweisen; denn nie tritt im Auslaut h daftlr ein; es heisst 

biugan baug, biegen bog (vgl. Jellinek, PBb. 15, 276). — 
Die gemeine Annahme, dass nichtsdestoweniger biujan bduh ge- 
sprochen sei*), beruht auf der nicht begründeten Voraussetzung, 
dass die Laute der Gutturalreihe sich in derselben Weise wie die 
der Dental- und Labialreihe entwickelt hätten, was doch auch im 
Hd. nicht der Fall ist (§ 63) ; und der Versuch, die gotische Schreib- 
weise mit dieser Annahme in Einklang zu bringen und daraus zu 
erklären, dass h ein zu schwacher Laut gewesen sei, um die kräf- 
tigere Spirans j zu bezeichnen, befriedigt nicht, weil erstens nicht 
bewiesen ist, dass ein auslautendes h ebenso schwach war wie ein 
an- und inlautendes, und zweitens auch das inlautende g. g nur 
ein schwacher Laut war (Wrede, Ulf. § 72 Anm. 2). 

27. Anlaut. — Die anlautenden germanischen &, d, g 
gehen immer auf idg. Media asp. zurück; für ihre Geschichte 
ergiebt sich also aus den vorstehenden Erwägungen nichts. 
Da aber die inlautende Med. asp. ihren Weg über die stimm- 
hafte Spirans nimmt, so ist dies auch für die anlautende vor- 
auszusetzen. Denn es ist durchaus unwahrscheinlich, dass zu 
der Zeit, da die Verschiebung erfolgte, der Anlaut anders be- 
handelt wurde als der Inlaut; erst der germanische Accent 



1) Brgm. 1 § 530. Kluge , Grdr. § 13, 4. Noreen S. 136 f. 
Streitberg § 122. 

2) Br. § 79. Wrede, Ulf. § 72 Anm. 3. Brgm. 1 § &31 u. a. 



38 Germ. Lautverschiebung. Chronologie. [§ 27—29. 

begründete einen wesentlichen unterschied zwischen der 
Stammsilbe und ihren Affixen, und die Verschiebung der 
Aspiraten erfolgte jedenfalls früher als die Festlegung des 
Accentes auf der Stammsilbe. Also auch im Anlaut galten 
einst die Spiranten 8, d, j und erst später traten Verschluss- 
laute an ihre Stelle. Im Gotischen, nimmt man an, war diese 
Entwickelung bereits vollzogen, während sie im Nordischen 
zur Zeit der ältesten Runendenkmäler noch Spiranten waren 
(Noreen S. 136 f. vgl. auch § 30 über g. KrSks). 

Ergebnis und Chronologie der Lautverschiebung. 

28. Drei Hauptverschiebungsacte haben wir in den vor- 
stehenden Paragraphen kennen gelernt: die Mediae sind zn 
Tenues geworden, die Tenues zu stimmlosen, die Mediae aspi- 
ratae zu stimmhaften Reibelauten. Zwei weniger umfassende 
schliessen sich an: die stimmlosen Reibelaute gehen unter ge- 
wissen Bedingungen in stimmhafte über, und diese entwickeln 
sich dann zum Teil zu Medien. Das Lautsystem, das sich 
auf diese Weise ergab, zeigt eine wesentlich andere Gestalt 
als das ältere. Die neuen Tenues finden wir da, wo ehedem 
Medien galten; neue Mediae fangen erst an, sich aus den 
stimmhaften Spiranten zu entwickeln; drei alte Laute, die 
Mediae asp., sind ganz verschwunden, dafür sechs neue, sämmt- 
lich Spiranten, eingetreten, die Zahl der Verschlnsslaute also 
ist stark vermindert, die Zahl der Spiranten um ebensoviel 
vermehrt. Aber trotz dieser bedeutenden Umwälzung bestehen 
im ganzen die alten Lautgruppen in gesonderten Massen fort; 
sie haben sich geändert, ohne sich zu vermischen; nur ein 
Teil der Tenues ist durch die Wirkung des Vernerschen Ge- 
setzes mit den Mediae asp. zusammengefallen. 

29. 1. Über die chronologische Ordnung dieser Laut- 
processe sind die vei*schiedensten Ansichten aufgestellt; die 
älteren (Grimm, Bopp, Curtius, v. Raumer) hat Scherer S. 151 
besprochen und zurückgewiesen; aber auch seine Deduction 
erwies sich als nicht haltbar, weil sie auf der irrigen Vor- 
aussetzung beruhte, dass die Mediae aspiratae unmittelbar zu 



§ 29.] Germ. Lautverschiebung. Chronologie. 39 

Medien geworden seien. Als wahrscheinlich mag folgende 
Ordnung der Verschiebungsacte gelten (vgl. Brgm. I § 541. 
Kluge Grdr. § 10): 

a. Die Mediae asp. bh, dh, gh werden zu stimmhaften 
Spiranten by d, j. 

b. Die Tenues p, t, fc, werden zu stimmlosen Spiranten 

r, p, Ä. 

c. Die Mediae 6, d, g werden zu Tenues p, t, k. 

Die Verschiebung der Tenues muss begonnen haben, ehe 
die Mediae zu Tenues wurden, weil diese sonst mit den Tenues 
weiter verschoben sein würden; erst musste sich t zum p hin be- 
wegen, dann konnte d in die Stelle des t einrücken. Die Verschie- 
bung der Mediae asp. konnte vor oder nach diesem Process er- 
folgen oder nebenher laufen; denn da sich hier stimmhafte Spi- 
ranten ergaben, Laute, die noch nicht vorhanden waren, konnte 
eine Vermischung der Reihen weder auf die eine noch auf die 
andere Weise erfolgen. Da aber die Mediae asp. auch in den ver- 
wandten Sprachen früh ihre Art ändern, so nimmt man wohl mit 
Recht an, dass sie auch im Germanischen zuerst in Bewegung 
kamen. Streitberg lässt ihre Verschiebung nach der der Tenues 
eintreten. 

Diese Ordnung begründet aber nicht die Vorstellung, 
dass jeder Act abgeschlossen war, ehe der folgende begann. 
Denn da zwischen den Mediae asp. und den stimmhaften 
Spiranten als Übergangslaute vermutlich stimmhafte Affricaten, 
zwischen den Tenues und stimmlosen Spiranten vielleicht 
aspirierte Tenues und stimmlose AflFricaten liegen (§ 19. 20), 
so konnte, wenn nur eine dieser Zwischenstufen erreicht war, 
die je folgende Reihe in die Bewegung eintreten, ohne eine 
Störung des Lautsystems zu veranlassen; der Abschluss der 
Verschiebungsacte konnte viel später erfolgen. 

2. Was die beiden minder umfassenden Verschiebungen 
betrifft, so glaubt man die Erweichung der stimmlosen Spiranten 
(Wirkung des Vernerschen Gesetzes) zwischen den zweiten 
und dritten Act einreihen zu müssen^). Die Annahme stützt 
sich auf die Doppelconsonanten pp^ tt^ kk, welche durch Vermitte- 
lung von bb, dd, gg aus der Assimilation eines n an vorhergehende 
5, (f, j entstehen, sowohl wenn diese letzteren aus hh, dh, gh^ als 



1) s. Kluge, PBb. 9, 173. Brgm. I § 541. Streitberg S. 135. 



40 Germ. Lautverschiebung. Chronologie. [§ 29. 30. 

wenn sie aus f^ p^ h hervorgegangen sind (§ 135, 3). Indem man nun 
voraussetzt, dass derselbe Act, welcher die einfachen Mediae zu 
Tenues werden Hess, auch die Doppelmedien beseitigte, kommt man 
allerdings zu dem Schluss, dass die Erweichung der stimmlosen 
Spiranten früher als die Verschiebung der Medien erfolgt sein 
müsse. Es leuchtet aber ein, dass die Voraussetzung wenig zuver- 
lässig ist. Denn die gedehnten Verschlusslaute sind nach ihrer 
Natur von den einfachen wesentlich verschieden; Doppelmedien 
können zu einer Zeit entstanden und weiter verschoben sein, als 
die einfachen Medien längst ihre Bewegung durchgemacht hatten. 

Den Übergang stimmhafter Spiranten in Verschlusslaute 
sieht man allgemein und ge>Yiss mit Recht als den jüngsten 
der besprochenen Acte an. 

30. Ans der Übereinstimmung, welche alle germanischen 
Sprachen in den drei Hauptacten der Lautverschiebung und 
in der Erweichung der stimmlosen Spiranten zeigen, schliesst 
Mttllenhoff (Altertumskunde 3, 197) wohl mit Recht, dass wir 
uns die Germanen 'damals nicht als ein sonderlich grosses, 
ausgedehntes Volk, jedenfalls nur als ein Volk mit unbe- 
deutenden dialektischen DiflFerenzen denken können*. Schlüsse 
auf Ort und Zeit gestatten einige Fremdwörter, die die Ver- 
schiebung mit durchgemacht haben ^). Nur sehr wenige lassen 
sich nachweisen, ags. hcenep, ahd. hanef M. Hanf, das ebenso 
wie gr. Kdvvaßig vermutlich von den Skythen entlehnt ist 
(Kluge Wb.); g. paida, ahd. pfeit Kleid : thrak. ßaixTi; ahd. 
apful, ags. ceppel = \v, äball etc. (Kluge Wb.). Dann einige 
Orts- und Volksnameu: ags. Wealh, ahd. Wallis ursprünglich 
Bezeichnung der Kelten, dann als Gallien romanisches Land 
geworden war, in Deutschland Bezeichnung der Romanen, ist 
der Name der keltischen Volcae-^ den Namen der Finnen 
(Fenni bei Tacitus) hat man mit ihrem heimischen Namen 
Quänen identificiert (/* aus jp = g), an. Har facta mit Carpathi\ 
den Bergnamen Finne in Thüringen auf gall. penn Kopf be- 
zogen. Auch in der Bezeichnung des mitteldeutschen Wald- 
gebirges, der Silva Hercynia folgten die Germanen den Kelten: 
mlat. Virgunnia, Virgundia, Virgunda, mhd. Virgunt : kelt. 

1) Kluge, Grdr. I S. 325. Streitberg § 126 und die dort an- 
gegebene Litteratur. Kossinna PBb. 20, 29 i f. 



^ 30. 31.] Germ. Lautverschiebung. Labialisierte Gutturale. 41 

erkynia aus *perJcunia. Die Wörter würden beweisen, dass 
die Germanen schon ehe die Verschiebung eintrat, nachbar- 
liche Beziehungen zu den Finnen einerseits, zu den Kelten 
anderseits hatten, dass sie in Deutschland angesessen waren 
und die Elbe bereits überschritten hatten. — Mit den Volcae 
kamen die Germanen wahrscheinlich durch die grosse Kelten- 
wandrung, den Zug des Sigovesus, um 400 v. Chr. in Berührung, 
also damals wäre die Verschiebung der Tenues noch nicht 
erfolgt gewesen. Dass anderseits die Verschiebung der Medien 
bereits c. 100 y. Chr. abgeschlossen war, schliesst man aus 
dem Namen der Donau 1. Danuuius, der unverschobenes D 
behalten hat. In verhältnismässig sehr kurzer Zeit also müsste 
die Umwälzung des gennanischen Consonantensystems sich 
vollzogen haben. — Andere Wörter, die man auf keltischen Ur- 
sprung oder keltische Vermittlung zurückführt, zeigen unverscho- 
bene Laute, wären also später entlehnt: g. kilikn Obergeschoss, 
sipöneis Jünger, peika-bagms Palmbaum (PBb. 17, 33). Ebenso alle 
aus dem Griechischen und Lateinischen aufgenommenen Wörter; 
g. Eriks = 1. Graecus, das im Anlaut veränderten Laut zeigt, 
braucht nicht vor der Verschiebung aufgenommen zu sein; denn 
da im Germanischen anlautende Media nicht existierte (§ 27), kann 
hier Ersatz des stimmhaften durch den stimmlosen Laut stattge- 
funden haben ^). Ebenso in g. reiks König, das, wie der Vocal 
zeigt, auf kelt. rtg beruhen muss (s. Kluge Wb.) und in g. likeis 
Arzt, das wahrscheinlich kelt. liagi- ist. — Über g. and-bahts Diener 
= kelt.-lat. atnbactus s. Streitberg a. 0. und Kluge Wb. s.v. Amt; 
über den Flussnamen Waal (Caesar VacaluSt Tacitus Vahalis) Kos- 
fiinna PBb. 20, 294 f. 

Labialisierte Gutturale^). 

31. 1. Nicht selten finden wir in der älteren Sprache 
neben den Gaumenlauten kj g, h einen tr-artigen Laut, wie 

1) S. G. Kossinna% Zur Geschichte des Volksnamens Griechen 
(Festschrift zur 50jährigen Doctor Jubelfeier K. Weinholds. 1896) 
S. 27 f. Nach seinen eingehenden Erörterungen haben die Goten 
den Namen um die Mitte des 3. Jh. von den Römern in Dacien 
übernommen, zu den Westgermaneu kam er im 5. Jh. mit andern 
zur christlichen Terminologie gehörigen Wörtern von den West- 
goten in Gallien. 

2) Brgm. I § 440. Noreen S. 110 f. 142 f. Streitberg S. 101 f. 



42 Germ. Lautverschiebung. Labialisierte Gutturale. [§ 31. 

er sieb in qu bis auf den heutigen Tag erhalten bat. Der 

Ursprung dieser 'labialisierten Gaumenlaute* ist verschieden. 

In manchen Stämmen liegen ihnen gewöhnliche Consonantver- 

bindungen (Guttural -f u) zu Grunde, in den meisten aber 

erscheint der labiale Laut als ein unselbständigeres zum 

Gaumenlaut gehöriges Element. Man unterscheidet also idg. 

ghuj Tc^y gy^ und g^h^ k^, g^\ jene finden in allen idg. Sprachen 

ihr Gegenbild, diese treten nur im Griechischen, Italischen, 

Keltischen und Germanischen hervor, das Arische und Litu- 

slawische weisen auf reine Gaumenlaute. — Ob in den Lauten 
g^h, k^, g^ das labiale Element von Anfang an den Gaumenlaut 
begleitete oder sich erst später als ein Schmarotzerlaut einstellte, ist 
nicht zu entscheiden; jedenfalls müssen diese Gaumenlaute schon 
in der idg. Ursprache eine eigentümliche Articulation gehabt haben; 
vermutlich waren es weit nach hinten liegende velare Laute. 

2. Im Germanischen sind diese velaren Laute und die 
Verbindungen von Gaumenlaut mit ^ zusammengefallen. Die 
Laute, die hier für beide gelten, sind nicht gewöhnliche Con- 
sonantverbindungen — sie bilden keine Position — , sondern 
Laute die man als Consonanten mit doppelter Articulation be- 
zeichnen kann: mit der Hauptarticulation am weichen Gaumen 
verbindet sich eine Nebenarticulation der Lippen. Im Goti- 
schen werden daher die labialisierten k und A ganz ange- 
messen durch einheitliche Zeichen U (q) und © (h) wieder- 
gegeben; nur für gw fehlt ein entsprechender Buchstabe 
(Collitz, ZfdPh. 12, 481). 

3. Der germanischen Verschiebung und dem grammati- 
schen Wechsel sind die labialisierten Gaumenlaute ebenso 
unterworfen wie die andern; einer besonderen Behandlung be- 
dürfen sie, weil die beiden Elemente nicht immer deutlich 
hervortreten. In gewissen Fällen ist bereits im Urgermanischen 
oder noch früher das eine aufgegeben, entweder das labiale, 
so dass reine Gaumenlaute, oder das velare, so dass nur w 
übrig bleibt (§ 33); in andern sind beide zu einheitlichen 
Lippenlauten verschmolzen, indem das labiale Element die 
Articulationsstelle, das velare die Articulationsart bestimmte 
(§ 35). — Ähnliche Änderungen zeigt das Lateinische, stärkere 



§31.32.] Germ. Lautverschiebung. Lab ialisierte Gutturale. 43 

das Griechische, wo teils Lippen-, teils Zungenlaute gelten, wie die 
folgende Tabelle zeigt. 

idg- ^Ä gr. <p, e 1. f, b, gu, v germ. gw, g, mj; b. 

kv ir, T qu h, h; gw, g, w; f:b. 

gv ß, b gu, V q\ p 

Anm. Während im Indo-iranischen und Lituslawischen die 
reinen und die labialisierten Velare zusammengefallen sind, be- 
wahren diese Sprachen einen Unterschied, den die andere Sprach- 
gruppe nicht erkennen lässt, den Unterschied von Palatalen und 
Velaren. In der idg. Ursprache sind also drei Arten von Gaumen- 
lauten zu unterscheiden: Palatale, Velare, labialisierto Velare; aber 
in jeder einzelnen Sprache sind nur zwei Arten erhalten; im Ger- 
manischen gewöhnliche Gaumenlaute und labialisierte. (Unsere 
jetzige Unterscheidung von ach- und icA-Lauten hat mit der idg. 
zwischen palatalen und velaren nichts zu thun.) ~ Dass in der idg. 
Ursprache verschiedene Arten von Gaumenlauten bestanden, hat 
zuerst (1870) Ascoli nachgewiesen. Andere, unter denen nament- 
lich Fick, Bezzenberger (BB. 16, 234 f.), Osthoflf (MU. 5, 63 f.) zu 
nennen sind, haben die von ihm gegebenen Anregungen weiter 
verfolgt. Litteratur verzeichnet Brugmann I S. 289 Anm., Streit- 
berg § 107- A. 7, eine Geschichte der Forschung giebt Bechtel, 
Hauptprobleme S. 291 f. 

32. Für die in ihren beiden Bestandteilen erhaltenen 

Laute bietet das Gotische ziemlich viele Beispiele; das Ahd. 

versagt für Inlaut und Auslaut ganz und hat auch im Anlaut 

früh Störungen erfahren (§ 87). 

g. q anlautend: g. qins, qinö Weib : gr. t^v^j, böot. ßavd; 
g. qitnan kommen, qums M. Ankunft : gr. ßaivtu, 1. venio; g. qiiis 
lebendige ahd. quec : 1. vivus, gr. ß(o^ Leben; ahd. qtiärcha, quär- 
chala Gurgel : 1. gurgulio, — Inlautend: g. naqaps nackt : \,nudiLS 
(aus nog^edos); g. riqis N. Dunkelheit : gr. £peßo^; g. stigqan stossen: 
1. 8tinguere\ g. tvraiqs schräg, krumm : gr. ^atßö^. 

g. h anlautend: Pronominalstamm g. Iva- {hos, hapaVy fvi, 
fvaprö etc.) : 1. quis^ gr. ri^, irÖTcpo^, iroO etc.; g. fveila F. Weile : 1. 
quieSf quietiLS] g. Ivilftri F. Sarg, ahd. IjLwelben wölben : gr. köAttg^. 
— Inlautend: g. aJva F. Wasser : 1. aqua*^ g. aifva- (aifva-tundi F. 
Domstrauch) ; 1. equus, gr. tiriro^; gr. arhazna F. Pfeil : 1. arqui- 
tenens; g. leihan leihen : 1. linqtw, gr. Xciirui; g. saifvan sehen : 1. 
sequi, gr. Iir£06ai. 

g. gw begegnet nur inlautend : g. siggwan lesen : gr. b\x^i\ 
Stimme (aus *song^hä)\ g. aggwus enge : 1. angusttis, ango schnüre 
zusammen^ gr. äfxiu. 



44 Germ. Lautverschiebung. Labialisierte Gutturule. [§ 33. 94. 

33. Beseitigung des labialen Elementes. — Das Gotische 
zeigt uns das labiale Element vor allen Vocalen ; gesetzmässig 
aber, nimmt man an, stehe es nur vor den hohen Vocalen 
e, i, e und dem ans idg. ä entstandenen o; vor u dagegen 
habe die Labialisierung vielleicht nie gegolten und vor a, 
^ = idg. 0, ö sei sie in urgennanischer Zeit aufgegeben; ebenso 
im Auslaut und vor Consonanten. Hiernach sollte es also nicht 
fvapar heissen, sondern *hapar^ nicht has^ hamma Jvana sondern 
*haSy *hamma, *hana (aber fvisj /y€); zu qiman sollte als Prät. 
nicht qam sondern *kam, als Subst. nicht qums sondern *kum$ ge- 
hören, zu Ivairhan das Prät. *harh und das sw. V. *harbön statt 
fvarb und fvarbön^ zu saihip er sieht die 1. Pers. *saiha, Inf. *sai- 
han etc. Systemzwang und Formübertragung hätten die unge- 
setzlichen Formen mit ic hervorgerufen. — Zeugen der regel- 
mässigen Entwickelung wären: 

k in g. kara Sorge neben ahd. queran seufzen; g. kaurus 
schwer: gr. ßapO^, 1. gravis^ ahd. kuo : gr. ßcOi;, 1. bos, 

h in g. haims F. Dorf, hd. heim neben g. lveila\ g. hals M. 
Hals : l. Collum aus ^quolsum^ vgl. gr. t^Xo<;, T^acv Wende; g. hunds 
N. Hund {h aus idg. kn) : gr. kuujv, 1. canis\ ahd. heisi heiser neben 
ahd. hivispalön lispeln. — Inlautend: g. pwairhs zornig, pwairhei 
F. Zorn : 1. torqueo. 

g in ahd. gundea Kampf zu gr. ecivtu (aus *g^heniö), Aor. 
€ir€<pvov. — Inlautend g. magus Knabe, magaps Jungfrau (aus 
*maghyotis) neben mmvi Mädchen (aus *maghul). 

Im Auslaut behalten im Gotischen die Stämme den labialen 
Laut, die ihn im Inlaut haben: sagq er sank : sigqan\ sah er sah: 
saihan, n&v nahe : n^ha^ auch vor dem t der Flexion : saJvt du 
sähest. Dass er hier auf Formübertragung beruht, schliesst man 
aus dem enclitischen h *und' : gr. t€, 1. que , g. nih : 1. neque. — 
Auch vor ableitenden Consonanten nimmt man Unterdrückung des 
w an; s. Noreen S. 142 f. und die dort angegebene Litteratur. 
Streitberg S. 110. 122. 125. — Mir scheint es nicht, dass die Be- 
dingungen unter denen das labiale Element auftritt und 
schwindet schon ganz erkannt sind. — Über den weiteren 
Schwund des w im Ahd. s. § 119. 

Anm. H. Webster, Zur Gutturalfrage im Gotischen (Boston 
1889) kommt zu dem Resultat, dass im Gotischen der vorgerm. Laut- 
stand fast unverändert erhalten sei (AfdA. 17, 256 f.). 

34. 1. Dauerhafter als das labiale ist das velare 
Element. Das Ic in qu hat sich bis heute erhalten, h in h 



§ M.] Germ. Lautverschiebung. Labialisierte Gutturale. 45 

schwindet erst im Hd., viel schwächer zeigt sich nur die stimm- 
hafte Spirans j, mag sie auf idg. Media aspirata beruhen 
oder durch grammatischen Wechsel aus idg. Tennis entstanden 
sein. Die Verbindung gto finden wir im Hochdeutschen über- 
haupt nicht mehr, im Gotischen nur, wenn ihr ein Nasal vor- 
hergeht, wo j also zum Verschlusslaut geworden war (siggwan 
singen, ga-aggiojan beengen, af-swaggwjan schwankend machen) 
und in bidagwa M. Betteler; sonst ist überall entweder das 
labiale Element verschwunden (§ 33), oder das velare ^). (Über 
ggw als Bezeichnung des geschärften w &. § 125). 

2. Zuverlässige Belege für den Übergang eines anlautenden 

gto in M? fehlen. Dass g. *warms warm (vgl. warmjnn wärmen) 
zu gr. 6€pfAÖc, 1. formuSy g. tviljau ich will zu gr. e^Xuj gehöre, ist 
nicht zweifellos. Streitberg S. 123 A. 3. Noreen S. 180 A. 12. 
Kluge Wb. Viele Beispiele bietet der Inlaut; bald ist w als 
Consonant erhalten, bald lautgesetzlich (§ 116) mit einem vor- 
angehenden a oder i zum Diphthongen verbunden, bald nach 
langem Vocal vor folgendem Consonanten ganz unterdrückt. 

3. Nicht selten haben die Lautgesetze derselben Wurzel 
verschiedene Form gegeben, je nachdem das labiale oder das 
velare Element verschwunden, die stimmlose Spirans bewahrt 
oder durch grammatischen Wechsel erweicht ist. Es können 
also w und gr, w und Jv, h wechseln und dieser Wechsel ist 
zugleich ein Zeichen, dass der zu Grande liegende Laut ein 
von w begleiteter Gaumenlaut war. 

Wechselnde Formen innerhalb desselben st. Verbums belegt 
nur das Ahd. noch einigemal: Ithan : liwumj giliwan\ sthan : bi-siican 
(auch bi-sigan)\ s^han : gi-sewan. Öfter und auch im Gotischen 
zeigen rfe Paare selbständiger Wörter; innerhalb derselben Sprache 
g. magus, magaps : mawi; g. saifvan : g. siuns F. Gesicht, ana-siuns 
sichtbar, ahd. gi-siuni F. N. Anblick, ana-siuni F. Angesicht, bi-siuni 
Adj. accuratus u. a.; auch seU-säni selten (aus *'Siju:ni-). Ahd. 
aha, g. afva : ahd. ouua Insel (aus *ajwjö)\ ahd. ouga Auge : aivi- 
zoraht offenbar, gewöhnlich nach dem Subst. zu ouga-zoraht umge- 
bildet (das au in ouga, g. augö ist selbst unregelmässig aus einer 
Vermischung der Formen mit und ohne Velar hervorgegangen. 
8. Brgm. I, 333 A. 3.; anders Kluge Wb.; vgl. auch ac-siuni Tat. 88, 
12); ahd. zShön färben : zäwa F. Farbe, zäicen sw. V. 1 färben, ziosaL 



1) Litteraturangaben bei Noveen S. 177 f. 



46 Germ. Lautverschiebung. Labialisierte Gutturale. [§ 34. 35. 

(germ. *t^W'Slo-) Farbe. — Zwischen dem Gotischen und Ahd.: g, 
bagms M. Baum : ahd. boum ; ahd. ntgan st. V., neigen sw. V. : g. 
hneiwaUf hnaiwjan (vgl. 1. co-niveo^ -nixi); ahd. gi-z&iön anordnen, 
richten, mhd. zHchen : g. t^a F. Ordnung, ga-tiwjan ordnen. — 
Einige Wörter zeigen im Ahd. Doppeltbrmen : ahd. ö'&aA, ^botce 
N. Epheu; ahd. tha, tgo, twa F. Eibe; ahd. dweräher^ dw^aw^, mhd. 
twerch, twSr quer; zwi^ zwig Zweig, mhd. schuhen^ schilwen schielen. 

Andere Wörter mit w, die ursprünglich einen Gaumenlaut ge- 
höht haben, sind g. natis Leiche : gr. v^ku<;; g. snaiws Schnee, 
ahd. sntwan schneien (vgl. ver-snigo Adj. verschneit) : 1. ntx, niviSf 
gr. v{q)a, 1. ninguit^ gr. v€((p€i; ahd. nioro M. : gr. veq>po{, it. nefrones; 
nhd. Möwe (ndd. mewe, ndl. meeuw F.) : ahd. mih, [Auch für g. 
saiws See, sai2t*a2a F. Seele, g. />m« Diener und seine Ableitungen, 
ahd. bräwa Braue, büUa Beule, douwen, dewen tauen, €gi'd¥hsa 
Eidechse, gräo grau, gi-hiuri lieblich, sp. mhd. nouwe genau, ahd. 
swalawa Schwalbe, vsie M. Weih vermutet oder erwägt man Ursprung 
des w aus einem Gutturalen. Kluge Wb. Noreen S. 177, Streitberg 
S. 122 f., 132]. 

Anm. In welchem Zeitverhältnisse die beiden Processe, der 
Schwund des labialen und des velaren Elementes stehen, ob das 
j überall zu gleicher Zeit beseitigt wurde oder nur an gewissen 
Stellen, etwa nur im Inlaut nach unbetonter Silbe (Sievers PBb. 
5, 149. Streitberg S. 123 A. 2), und dann der Rest später, in den 
einzelnen Sprachen vielleicht auf verschiedene Weise, in w oder g 
überging, scheint mir noch nicht genügend festgestellt; vgl. die 
verschiedene Behandlung welche fv im Hochdeutschen im Anlaut 
und Inlaut erfährt (§ 87. 122). 

36. Wie im Griechischen, so sind auch im Germani- 
scheu zuweilen die labialisierten Gaumenlaute zu Lippenlauten 
zusammengezogen (§ 31 , 3), doch sind Bedingungen und 

Grenzen des Übergangs nicht genau zu erkennen ^). Am sicher- 
sten lässt sich die Ent Wickelung von idg. k^, germ. h zxk germ. f 
nachweisen. Anlautend: g. fidwör vier : 1. quatuoTt gr. rdoaapc^; 
inlautend: g. fimf fünfigr. irdvrc, 1. quinque (aus *penque); g, 
Wulfs Wolf : gr. XOko^, 1. luptis. Zu b erweicht ist der stimmlose 
Spirant in g. ain-lify twa-lif (vgl. § 23, 2) : lit. -lika, 1. linqtLo, gr. 
Xciiruj; ahd. habaro M. Hafer; ahd sib N.. Sieb : sfihan seihen. — Zu- 
weilen stehen Formen mit Gaumen- und Lippenlaut nebeneinander : 
g. auhns M. Ofen : ahd. ovan, gr. lirvö^; ahd. zwSho M. Zweifel : 



1) Bechtel S. 340. 352. Brgm. I § 444a. Kluge, PBb. 11, 560 f.; 
Grdr. § 14, 4. Noreen S. 147 und die dort angegebene Litteratur. 
Streitberg S. 111. 



§ 35.36.] Germ. Lautverschiebung. Unregelmässigkeiten ; ft^ ht, ss. 47 

ahd. zwlfo M.; ahd. slito-chöha Schlittensehnabel : nhd. Kufe\ (dass 
in Schwab, fuchze fünfzehn eine alte Form erhalten sei, ist schwer 
zu glauben). — [Ferner vermutet oder erwägt man Ursprung des 
Lippenlautes aus dem Gaumenlaut in g. wairpan werfen; ahd. 
Uhara F. Leber (vgl. gr. fjirap, \. jecur)\ ahd. scdfN. Schaf; ahd. 
sweiban aufhören^ nachlassen, swiftön stille sein (vgl. ahd. swigin 
schweigen) ; mhd. sumpf M. Sumpf; mhd. strumpf M. Strumpf (vgl. 
mhd. strunc M.); mhd. züpe^ zuppe Hündin {p=bn § 143, 2; vgl. 
ahd. zöha F.); md. krüfen, as. kriupan (vgl. ahd. kriochan); md. 
schief (vgl. mhd. skieg); auch in ahd. hovar M. Buckel (vgl. mhd. 
hocker, hogger, hoger Höcker); ahd. sltfan gleiten, sinken, glätten 
(vgl. ahd. slihhan schleichen); ahd. üfo M. Auf, Uhu (vgl. ahd. 
ütüüa Eule) ; ahd. zorft sichtbar, (vgl. ahd. zoraht und g. ga-tarhjan 
auszeichnen); nhd. humpeln (vgl. hinken) u. a.]. 

Störungen der regelmässigen Lautverschiebung. 

36. Die idg. Verschlusslaute vor suffixalem t (und s) ^). 
— L Erhebliche Störungen erleidet die Verschiebung der 
alten Verschlusslaute vor suffixalem t. Die empirische Regel 
heisst, dass vor Dentalen alle Verschlusslaute in die tonlose 
Spirans übergehen und der folgende Dental stets als t erscheint. 
In den meisten Fällen erweist sich die Regel als richtig und 
als gültig bis auf den heutigen Tag; vgl. mögen : Machte 
mochte; wägen : Gewicht'^ pflegen : Pflicht'^ geben : Gift; 
haben : Haft; laden : Last; denken : dachte; bringen : brachte; 
dünken : däuchte. Formen wie liebte, legte, steckte wider- 
sprechen nichty da in ihnen erst in später Zeit zwischen dem 
Stammauslaut und dem t der Vocal unterdrückt ist (§ 309); 
wo der Stammauslaut bereits in germanischer Zeit dem f-Suffix 
benachbart war, gilt jetzt durchaus Spirans + ^* Aber in der 
älteren Zeit finden wir einige Ausnahmen und die angegebene 
Regel bezeichnet keinen einheitlichen Lautprocess sondern das 
Ergebnis mehrerer. 

2. Schon im Idg. verloren die Medien vor folgendem t 
den Stimmton und gingen in die entsprechenden Tenues über; 
die Aspiraten erscheinen in derselben Form wenigstens in den 



1) Brgm. I § 527. 552. Noreen S. 181. 185. 190. Streitberg 
§ 119. 120. 



48 Germ. Lautrerschieb. Unregelmässigkeiten. Inl. /U, hty ss. [§ 36- 

europäischen Sprachen; also bereits vorgermanisch waren vor 
folgendem t die verschiedenen Articulationsweisen aufgegeben, 
so dass hier py t, k auch für idg. b, d, g und bh, dh, gh 
galten (Brgm. I § 469, 1. 552). Vermutlich wurden nun schon 
ehe die allgemeine Verschiebung der Tenues eintrat (OsthofF, 
Perf . S. 568 A. Brgm. I § 528) die Laute in dieser Stellung 
weiter gewandelt und zwar pt zu ft, kt zu ht, aber tt zu ss. 
t unterlag in den Verbindungen fty ht einer weiteren Ver- 
schiebung nicht (§ 38) ; für ss trat nach langen Vocalen ein- 
faches 8 ein. 

Es kann hiernach den /*, A, s dieser ^Ableitungen in andern 
derselben Wurzel entsprossenen Wörtern germ. h und />; g und k\ 
d, t und p entsprechen; z. B. 

/ : 6. g. gifts F. Gabe, gaft du gabst : giban. — f: p. g. 
ga-skafts F. Geschöpf : ga-skapjan. 

h : ff. g. inahts F. Macht, mahta ich mochte : mag. — h : k 
g. raihts recht (Wz. reg^ vgl. 1. regere, rectus, por-rigo, gr. öp^TUJ)^ 
g. -rakjan recken; g. sauhts F. Krankheit : siuks krank; g. pdhta 
dachte : pagkjan \ g. waurhta wirkte : tvaurkjan (wz. uerg, gr. fpTov). 

88 : <l. g. af-stdss F. Abstand : g. standan\ g. gaiviss Gelenk, 
usiL'iss ungebunden : ga-widan binden. — S8 : f. g. tvasa scharf : 
g. *fvatjany ahd. it'ezzen schärfen; g. loissa ich wusste, ahd. gitvisso 
Adv. gewiss : g. tfai7; ahd. gussa F. Überschwemmung : g. giutan 
giessen; ebenso in der Endung -niss (II § 2))9). — ss \p. g. missa- 
miss- : g. *meipany ahd. mldan (s. II, § 98, 1) ; g. ga-qiss F. Verab- 
redung : g. qipan. — Mit vereinfachtem Consonanten, g. » : cf . ahd. 
hüs N. Haus : ahd. hutta {*hudjö) Hütte ; ahd. weiso M. Waise : g. 
tviduwö Wittwe (vgl. g. widuwaima M. Waise). — « : f . g. weis, 
ahd. i6*{6-i weise : g. traeY; ahd. ^^ N. Aas : g. 27an essen; ahd. inuosa 
ich musste : g. ga-^möt\ ahd. wmoä N. gekochte Speise : g. ma^* 
Speise. — 8:p. ahd. ö*a F. Ode, ösen diripere : g. awjb«, ahd. örfi 
öde ; md. sneise Schneise : g. sneipan. — Vgl. auch II § 254 f. 336. 

Anm. 1. Über die Art, wie sich die Eutwickelung des t {dy 
dh) ~\- t zu ss vollzog, ist zuletzt von Braune (IF.4, 341) gehandelt 
und dabei überzeugend dargelegt, dass das Verhältnis der Namen 
Chatti und Hassii, die früher in dieser Frage eine grosse Rolle ge- 
spielt hatten, hier überhaupt nicht in Betracht kommt; die Namen 
sind gar nicht identisch, violleicht aber verschiedene Ableitungen 
aus derselben Wurzel. 

Anm. 2. Demselben Wandel wie vor t unterliegen die indo- 
germanischen Verschlusslaute vor 5; bereits vorgermanisch sind 
sie zu Tenues geworden und gehen dann weiter in die Spiranten 



§ 36. 37.] Germ. Lautverschiebung. Unregelmässigkeiten. Inl. 6-^. 49 

hf f, 8 über (Brugm. I § 527). Da aber nur wenigen dieser ä- Ab- 
leitungen sicher und augenscheinlich verwandte Wörter ohne s zur 
Seite .stehen, so tritt in den germanischen Sprachen selbst die 
eigentümliche Entwickelung der Laute in dieser Verbindung wenig 
hervor; doch vgl. ahd. wefsa Wespe : ahd. w^ban; mhd. knospe, 
aus *knofse (§ 95) : ahd. knöpf (Noreen S. 186). 

37. Obwohl Dental -{-tznas wird, giebt es doch nicht 
wenige Wörter auf st, die zu Wurzeln mit dentalem Auslaut 

gehören. Einige entstanden, indem f-Suffix au die durch ein s-Suffix 
erweiterte Wurzel trat und der Wurzelauslaut vor diesem Suffix 
unterdrückt wurde (§ 158, 3); z. B. g. beist N. Sauerteig aus *bheid' 
s-tO' zu g. beitan beissen; ahd. hlast F. zu g. hlapan^ rost M. aerugo 
zu Wz. rüdh rot. — Andere sind mit #r-Suffix gebildet, z. B. g. 
blöstreis Opferer zu blötan'^ g. gilstr N., ahd. g'Üstar Steuer zu 
yildan; bei ihnen kann man zweifeln, ob sich t unter dem Schutze 
des folgenden r erhalten, oder als Ubergangslaut zwischen dem 
aus tt entwickelten s und r eingestellt hat (g. gilstr aus gelsro- 
gelssro' ghelttro-; vgl. § 153). — Oft liegen analogische Neubildungen 
vor; so in der 2. P. Sg. Perf. g. baust von biudan, gast von qipan, 
warst von wairpan für *bau8, *qass, *wars (Br. § 170. A. 1) und 
öfter im schwachen Präteritum: g. mösta, ahd. muosta neben dem 
regelmMssigen ahd. muosa; g. kaupasta ohrfeigte zu kaupatjan\ 
ahd. wista, westa neben regelmässigem ahd. wissay wessa, g. wissa, 

Anm. 1. Auch in Wörtern, deren Wurzel nicht auf einen 
Dental ausgeht, finden wir nicht selten st in derselben Weise wie 
t; str wie tr als Suffix gebraucht (II § 254, 4. §219,3); auffallend 
häufig sind Substantiva auf nst neben Verben auf wn, z. B. Gunst, 
Kunst; vgl. auch ahd. konsta konnte neben konda. In der Gemi- 
nata nn sucht man den Grund für das s (Yerner ZfdA. 21, 425. 
Möller, PBb. 7, 459. 462 f. auch Kluge s. v. Brunst). Doch ist kaum 
anzunehmen, dass das s in der Verbindung nst einen ganz andern 
Ursprung haben sollte, als das genau entsprechende f in der Ver- 
bindung mft (§ 96). Die Verbreitung der Endung st beruht zum 
Teil jedenfalls auf Analogie (vgl. Kluge, PBb. 9, 150 f. 154 f.). 

Anm. 2. In einigen Wörtern die mit dentalem Suffix aus 
Wurzeln mit auslautendem Dental gebildet sind, findet man germ. 
zd, ahd. rt : g. huzd N., ahd. hört M. (vgl. gr. kOoGo^ zu k€08€iv, ags. 
hydan verbergen); g. razda Sprache, ahd. rarta (vgl. g. rödjan 
sprechen). Früher versuchte man diese zd durch grammatischen 
Wechsel aus st zu erklären (Bechtel ZfdA. 21, 214 f. Dagegen 
Kögel PBb. 7, 192), jetzt setzt man zd = d-^dh und erklärt diese 
Verbindung im Anschluss an Bartholomae für dh -j- t (Noreen 
S. 189 f. vgl. Brgm. I § 552 Anm. 2). [Eine entsprechende Entwicke- 
lung von <7Ä + ^ bh-{-t nimmt Kluge und Noreen (S. 185 f.) für die 
W. Wilmanns, Deutsche Orammatik. I. 4 



50 Germ. Lautverschiebung. Unregelmässigk. sp, st, sk;ffj ht f§ 38. 

seltnen gd, hd in g. gahugds und in den Perfectformen sagda, 
hugda, hdbda an, was gewiss nicht richtig ist; vgl. Streitberg 
S. 337]. 

Anm. 3. Übergang von tk in sk nimmt Brugmanu I § 527 
wie im Keltischen so auch im Germanischen an; andere erklären 
solche Wörter durch Schwund des t vor einem «fc-Suffix (s. § 158, 3). 

38. Die idg. Tenues (und Tenues aspiratae) werden 
nicht zu Spiranten verschoben, wenn ihnen ein Spirant vor- 
angeht, gleichgültig ob dieser ursprünglich, oder erst durch 
die in § 36 f. besprochenen Vorgänge entstanden ist. Also 
in den Verbindungen «p, st^ sk, ft, ht entsprechen germ. p^ 
t, Je den idg. Tenues (oder Tenues asp.). ft und ht kommen 
nur im In- oder Auslaut, sp, st, sk auch im Anlaut vor. 

ünverschobenes t in der Verbindung st. Anlautend : g. staimö 
F., ahd. Storno M. : gr. dar^jp, 1. Stella (aus *sterla)\ g. stairö die 
Unfruchtbare : gr. arctpo^, 1. sierüis-, g. standan : 1. sto, gr. iffTimi. 
Inlautend: g. ist : 1. est, gr. ^axi; g. waist (statt *wais § 37) : gr. 
o!a6a. — ft : g. hafts behaftet : 1. captus\ g. hliftus Dieb : gr. kX^tttti?; 
— htig, ahtati : 1; octo, gr. ÖKTib ; g. nahts : 1. nox, noctis, gr. vOE, 

VUKTÖ<;. 

Ünverschobenes p in «p : g. speiwan : 1. spiLO. 

Ünverschobenes h m sh : g. scaban scheeren : gr. aKdirru) 
graben ; g. skapjan schaden : gr. &-aKr]Qr]<; schadlos ; g. skeinan scheinen : 
gr. öKid Schatten ; g. skaidan scheiden, vgl. gr. axiZuj, 1. scindo. — 
g. fisks M. : 1. piscis. 

Besonders zahlreich sind die Beispiele für ünverschobenes, 
inl. t, da t als beliebtes Suffix häufig nach allen drei Spiranten 
steht; suffixales k kommt viel seltner und nur in der Verbindung 
mit s vor, p gar nicht. Beispiele in § 36 f. und in der Wortbildung. 

Dass die Tenues in diesen Verbindungen unverändert 
blieben — auch der hochdeutschen Verschiebung widerstehen 
sie (§51) — Hesse sich wohl aus der engen Verbindung der 
benachbarten Laute erklären. Auch in der Reduplication und 
in der allitterierenden Dichtung werden sie, soweit sie im An- 
laut vorkommen, als untrennbare, einheitliche Verbindungen 
angesehen (Scherer S. 155). Vielleicht aber hatte doch eine 
Verschiebung zu Aspiraten stattgefunden, so dass die Laute 
erst später durch eine rückläufige Bewegung wieder zu Tenues 
geworden wären ^). 



1) Bechtel, ZfdA. 21, 219. Brgm. I § 528. Noreen S. 115. 



-§ 39. 40.] Hochd. Lautverschiebung. Germ, p, t, k. 51 



Zweites Kapitel. 
Hochdeutsche LautTerschlebung. 

39. Die Consonanten, welche im Germanischen aus den 
idg. Verschlusslauten entstanden waren, geraten im Hoch- 
deutschen von neuem in Bewegung. Diese hochdeutsche Ver- 
schiebung ist besonders interessant und lehrreich, weil sie sich 
2um grossen Teil vor unsern Augen vollzieht und genauere 
Einsicht in die stätig fortschreitende Änderung der Consonanten 
und die sie regelnden Kräfte gewährt; zu so einfachen und 
gleichmässigen Ergebnissen wie die ältere Verschiebung führt 
sie nicht. Die Laute der verschiedenen Articulationsstellen 
und -arten zeigen sich nicht gleich erapftlnglich für die Um- 
wandlung; stärker als in der früheren Verschiebung macht 
sich der Einfluss benachbarter Consonanten geltend, und vor 
allem der Einfluss des germanischen Accentes, insofern der 
Inlaut der Änderung mehr ausgesetzt ist als der Anlaut, d. h. 
der Anlaut der schwach betonten Silbe mehr als der stark 
articulierte Anlaut der Stammsilbe. 

Der Beginn der Verschiebung filllt in die Zeit vom 5. 
bis 7. Jahrb. unserer Zeitrechnung und deshalb sind ihr auch 
viele romanische Lehnwörter, die bis zum 8. Jahrb. ins Deutsche 
aufgenommen sind, unterlegen. In Oberdeutschland zeigt sich 
die Bewegung zuerst; die Sprache der Langobarden, Baiern, 
Alemannen und eines Teiles der Franken wird von ihr ergriffen; 
je weiter nach Norden, um so schwächer wird die Wirkung *). 

Germ, jp, t, k. 

40. Die entschiedenste Umgestaltung haben die ger- 
manischen Tenues durch die hochdeutsche Verschiebung er- 
fahren. Tennis — Aspirata — Affricata — Spirans bezeichnen 
die Bahn, in der sich die Laute bewegen. Im Anlaut kommen 



1) Braune, PBb. I, 1—56; Litteratumachweis bei Br. ahd. Gr. 
§ 83A. Verzeichnis altgermanischer Lehnwörter^ Kluge, Grdr. I 
S. 309 f. — Über die normale Verschiebungslinie s. § 43 Anm. 



52 Hochd. Lautverschiebung. Germ, p, t, k im Anl. [§ 40, 

sie über die Affrieata im allgemeineu nicht hinaus, im Inlaut 
gedeihen sie bis zur Spirans; die dentale Tenuis eilt voran, 
die gutturale bleibt am weitesten zurück. Nachbarschaft von 
Consonanten hemmt oder hindert die Bewegung, Mehrfach 
ist vorhandene Aspiration oder Affrication später wieder auf- 
gegeben. 

Germ, p, t, k im Anlaut. 

1. Germ, t : hd. ;8f; z. B. g. tagl N.: ahd. zagal Schwanz; 
g. taikns F. : ahd. zeichan N. Zeichen ; g. tains M. Zweig : ahd. zein ;. 
g. tandjan anzünden, tundnan brennen : ahd. zunten zünden, ahd. 
zuntara F., mhd. zunder M. N. Zunder; g. taujan machen : ahd. 
mhd. zouwen, zöuwen ; g. tils passend, ga-tilön erzielen : ahd. zu N. 
Ziel, ahd. zilön sich beeilen; g. tuggö F. : ahd. zunga Zunge; g. 
tweifls M. : ahd. zwtval Zweifel. — Im Idg. entspricht also dem hd, 
z ein d; Belege § 21, a. — z ist von Anfang das gangbarste 
Zeichen; daneben gilt früher vor e und i auch c; beide Buch- 
staben in gleichem Wert als Affricaten. Dass der Affrieata 
die Aspirata vorangegangen ist, lassen unsere Denkmäler nicht 
erkennen. 

Anni. 1. Die Spuren eines älteren orthographischen Systems, 
welches den verschobenen Laut noch durch t bezeichnete, verfolgt 
Möller, Allitterationspoesie S. 58 f. ; das wichtigste Denkmal ist das 
Hildebrandslied. — Die jetzige Grenze von i{tc)/z{tv) verzeichnet 
der Spr. A. für zwei und zwölf (AfdA. 20, 100. 21, 274). 

2. Germ, p : hd. pf] g. paida F. Rock (gr. ßaCrn Hirten- 
kleid aus Fellen) : ahd. mhd. pfeü\ g. papa Bischof : ahd. pfaffa 
Pfaffe (s. Kluge); g. praggan drücken : mhd. pfrengen\ g- puggs 
Beutel : ahd. pfung (in scaz-fimg); g. pund N. : ahd. pfunt{t) Pfund. 
Alle diese sind vielleicht Fremdwörter (§ 21); viele andere kommen 
hinzu; die meisten werden aus dem Lateinisclien, einige auch aus^ 
dem Griechischen vor der hd. Verschiebung, aber doch zu ver- 
schiedenen Zeiten und auf verschiedenen Wegen aufgenommen 
(Die Belege in den Wbb.). Auch mhd. pfinz-tac Donnerstag : gr. 
iT^|üi7rTT|, pf er sich Pfirsich : lat. persicum gehören dieser Gruppe und 
Zeit an, obwohl sie erst später nachweisbar sind. Schwerer ist da» 
Verhältnis von ahd. pfad Pfad : gr. irdroc;; ahd. pfanna F. Pfanne: 
\. patina'^ ahd. pfarra F. Pfarre: xnXtii. parochia, gr. irapoiKia zu 
bestimmen. — Andere Herkunft ist anzunehmen für ahd. pfant{t) 
N. Pfand; Pfenning^ pfenting Pfennig; pfarrih^ pherih{ch) M. 
Pferch; pflägan pflegen; pflnog, pfluoh M. Pflug; pfuol M. Pfuhl; 
sp. mhd. pflocke, pfloc M. Pflock; mhd. pflücken (aus vulgärlat» 



§40.] Hochd. Lautverschiebung. Germ, p, t, k im Anl. 53 

*püuccare? Kluge); pfrieme M. Pfriem; nhd. /ybfc F., pfuschen. 
Dass auch die erst spät belegten Wörter der Sprache schon vor 
der Zeit der Verschiebung angehörten, braucht man nicht anzu- 
nehmen; nach dem bekannten Verhältnis von hd. pf zu fremdem 
p können sie auch später bei der Aufnahme ins Hochdeutsche pf 

angenommen haben. — Die Lautverbindung pf verhält sich zu p 
gerade wie zit; nur brauchte man hier die Ligatur, weil das 
Alphabet für die labiale Affricata ein einfaches Zeichen nicht bot. 
Auch phf das im Ahd. und später neben pf üblich ist, sollte wohl 
nicht die Aspirata bezeichnen, sondern wie das lateinische jpA 
für gr. 9 einen spirantischen oder spirantisch afBcierten Laut. 
Erst im Nhd. ist das dem Lautwert besser entsprechende pf 
zu allgemeiner Anerkennung gelangt. Orth. § 112. Über das 
Mhd. s. Whd. § 169. 

3. Die Verschiebung des p greift nicht so weit wie die 
des t\ p behauptet sich im Mittel- und Rheinfränkischen. 
Otfried hat überall z, aber kein anlautendes ph; er schreibt. 
päd Pfad, pluag Pflug, puzzi (1. puteus) Brunnen etc. und 
so ist es noch heute in weiten Gebieten; Wrede (ZfdA. 37, 
295) sieht die plpf-hinie als die Scheide zwischen Ober- und 
Mitteldeutsch an (vgl. Bremer III, 127). 

4. Im Nhd. verlangt sorgfältige Aussprache die AflFricata 
pf; aber im östlichen Mitteldeutschland (Thüringen, Sachsen, 
Schlesien) ist pf weiter zu f verschoben und demgemäss ge- 
stattet sich bequeme Aussprache in Nord- und Mitteldeutsch- 
land gerne die Spirans statt der Affricata: Ferd, Fand, Fund 
st. Pferd y Pfand, Pfund, — In Flaum, Flaumfeder (mhd. 
phlüme, h pluma) ist dieses ^ zur Anerkennung gekommen; der 
Wunsch einer graphischen Unterscheidung von Pflaume {Lprunum) 
hat hier wohl das f gefördert. 

Anm. 2. Die jetzige Grenze p/pf f verzeichnet der Spr. A. 
für Pfund (AfdA. 19, 103; vgl. ZfdA. 36, 136); vgl. auch Behaghel, 
Grdr.§ 104. Trautniann § 1060. Vietor § 114. Über das Fränkische 
insbesondere, das nur in einem Teil des Süd fränkischen den ver- 
schobenen Laut kennt, Wahlenberg S. 115. Böhme S. 39. 67. 73. Be- 
merkenswert ist Otfrieds p gegenüber dem pf der Weissenburger 
Mundart. Böhme S. 40 f. — Wie fränkische Denkmäler des 14. 15. 
Jh. im Widerspruch zur Mundart pf annehmen, verfolgt Böhme 
S. 67 f. 



54 Hochd. Lautverschiebung. Germ, p, ^, k im Anl. [§ 40. 41» 

Anm. 3. Als Vorstufe für f=pf ist wohl ein mit labioden- 
talem p gesprochenes pf vorauszusetzen (Victor § 114 A. 2); eine 
andere Erklärung giebt Wrede im AfdA. 19, 103. — Das f (= pf), 
dem wir schon in den ältesten hochalemannischen Denkmälern be- 
gegnen (z. B. fluoc Pflug, fSfor Pfeffer, forzih porticus u. a. Kögel,. 
PBb. 9, 317 f.) ist nicht als Spirans, sondern als Affricata aufzu- 
fassen; vgl. Franck, AfdA. 17, 104. — f für pf in späterer Zeitr 
Whd. § 174. 

41, Germ, k : hd. Ic ; z. B. g. kara F. Sorge, Trauer : ahd. 
kara (nhd. Kar-freitag)\ g. kas N. Gefäss, Krug : ahd. kar\ g. kaur- 
pön Handel treiben : ahd. koufön (Franck, AfdA. 21, 299); g. keinani 
ahd. Wrw, kXmo M. Keim. Ebenso in Fremdwörtern g. kaisar^ ahd. 
keistir Kaiser : Caesar (s. Kluge, Wb.) ; g. karkara F., ahd. karkari 
M. Kerker : 1. carcer\ g. katils^ ahd. ke^^il M. Kessel : 1. catinus, 
catülus. — Im Idg. entspricht also dem hd. wie dem g. k ein g*y 
vgl. ausser den in § 21 angeführten Beispielen noch : ahd. karrib M. 
Kamm : gr. T^^imqpoc; Backzahn ; kankur M. Kanker (Krebs an Bäumen): 
gr. T<^TTpo<; Auswuchs an Bäumen; ahd. k'ela Kehle : 1. gula\ ahd. 
k^rran schreien, knarren : 1. garrio schwatze, gr. thP'^w' töne; ahd. 
kind N. zu Wz. gen (§ 21, b) ; ahd. kiol M. ein grösseres Schiff, Kiel 
vielleicht zu gr. TouXöq (s. Kluge Wb.); ahd. kleini zierlich, sauber, 
gering (Wz. ^rZz gloi) : gr. yXoiö<; fettes, klebriges Ol; dazu auch mhd. 
kltster Kleister und nhd. Klei M. (ndd.), sowie ahd. klünan kleben, 
schmieren und mhd. kltster Kleister; ahd. kliuwa F. Kugel, Knaul : 
1. gluere zusammenziehen; hhd, klioban spalten : gr. T^Opiu, 1. gltibo; 
ahd. kolbo M. Kolben, Keule : 1. globus; ahd. kratiuh, kranih M., 
md. krane, nhd. Kranich und Krahn: gr. T^pavoc, 1. gras; ahd. 
kümo Adv. mit Mühe, kaum und ahd. kümön trauern: gr. fodw 
klagen. — Eine dem z und pf entsprechende Affricata ist also 
hier nicht zur Geltung gekommen. Gleichwohl war auch fc in 
dem eigentlichen Verschiebungsgebiet einer ähnlichen Affection 
wie t und p unterlegen. In den ältesten oberdeutschen Denk- 
mälern wird der Laut in der Regel durch ch, seltener durch 
kh bezeichnet; die einfachen k und c, welche anfangs daneben 
gebraucht werden, weichen allmählich zurück; in den Quellen 
des 10. und 11. Jahrb., namentlich auch bei Notker, wird ch 
die regelmässige Bezeichnung (Br. § 144 A. 2). — Auch das 
Südfränkische muss bis zu einem gewissen Grade an dem 
Process teil genommen haben. Im Isidor ist regelmässig die 
Schreibimg ch angewandt, und Otfried schreibt zwar k, giebt 
aber durch eine Stelle seiner lateinischen Vorrede deutlich zu 



§ 41. 42.] Hochd. Lautverschiebung. Germ, p, t, k im Anl. 55 

erkennen, dass dieses Tc nicht die reine Tennis bezeichnete. 
Die lateinischen Grammatiker, sagt er, erklärten z und k für 
überflüssige Buchstaben; das Deutsche aber verlange z ob 
stridorem dentiunij k ob faucium sonoritatem. Er nahm 
also augenscheinlich einen Unterschied zwischen dem deutschen 
und romanischen k wahr. — So zeigt die ahd. Orthographie, 
dass germ. k nicht als reine Tennis gesprochen wurde, zweifel- 
haft lässt sie nur, ob Aspirata oder Affricata galt. 

Anm. Die Aufnahme und Verbreitung des Buchstaben k in der 
altdeutschen Orthographie verfolgt Kaufifmaun, Germ. 37, 245 f. 

42. Später wurde k die herrschende Schreibung. An 
dem alten oberdeutschen ch halten am längsten die bairisch- 
österreichischen Schreiber fest, auch die der kaiserlichen 
Kanzlei; bis ins 18. Jahrh. lässt sich in diesem Gebiet die 
Neigung zu khy kch, ch verfolgen (Socin S. 134. 158). Da- 
gegen im alemannischen Gebiet zeigt sich schon im 11. und 
12. Jahrh. häufig k neben ch und vom 12. bis 15. Jahrh. 
wird es ihm ohne erkennbare Regel vorgezogen (Whd. § 227). 
Doch ist aus dieser Änderung keineswegs zu folgern, dass 
seit dem 11. Jahrh. auf alemannischem Gebiet die einfache 
Tennis wieder vorgedrungen sei; wir haben es hier vielmehr 
nur mit einer orthographischen Neuerung zu thun, die ver- 
mutlich dadurch begünstigt wurde, dass man mit dem ch eine 
andere Lautvorstellung zu verbinden anfing (§ 45). 

Was die jetzige Aussprache betriff't, so gilt die dem 
pf und z entsprechende AflFricata nur iu kleinen Teilen des 
Sprachgebietes, im südlichen Elsass und im St. Gallischen 
Rheinthal. Gutturale Spirans, welche ältere Affricata voraus- 
setzen lässt, wird in den meisten Schweizer-Dialekten ge- 
sprochen; beide Laute neben einander in den Tiroler Mund- 
arten. Am weitesten verbreitet ist die Aspirata und sie gilt 
auch in der nhd. Schriftsprache ^). Da wir in derselben Weise 
aber auch t f=germ. d) und das p in Fremd wörtera aspirieren 
(§ 11), so erscheint k gegenüber dem t und p als unver- 
schobener Laut. 



1) Behaghel Grdr. § 106. 98. Jellinek ZfdA. 36, 80 f. 



56 Hochd. Lautverschiebung. Germ, p, t^ k im In- u. Ausl. [§ 43. 

Anm. Die Ar/cÄ-Grenze verzeichnet der Sprachatlas für kind 
(AfdA. 19, 111); vgl. Fischer, Geogr. § 58. 

Germ, p, ty k im In- und Auslaut nach Vocalen. 

43. Während der kräftig articulierte Anlaut der hoch- 
betonten Silbe zur Affricata wurde, wandelte sich der schwä- 
chere der unbetonten in eine Spirans; z. B. 

a. Germ, t : hd. j (6, ff). Got. batiza : ahd. be^^iro besser; 
g. böta F. Nutzen : ahd. buo^a Ersatz, Busse; g. hatis N. Hass, 
hatan sw. V. : ahd. ha^ M., ha^Sn, ha^6n\ g. haitan : ahd. hei^an\ 
g. hlauts M. : ahd. ftlö^ M. N. Loos; g. Iveits : ahd. wi3 weiss; g. 
litan : tihd. lä,^an lassen; g. maitan hauen, abhauen : ahd. wic/jaw, 
dazu ahd. mei^il M. Meissel ; g. ga-möt ich habe Raum : ahd. muo^ 
muss; g. skauts M. : ahd. scö^ Schoss; g. bi-smeifan beschmieren: 
ahd. sml^aiif nhd. schmeissen; g. writs M. Strich, Punkt: ahd. rtj 
Buchstabe zu rt^an st. V. reissen, g. *M;r^a7i. — Dem hd. 5 ent- 
spricht also idg. d\ vgl. ausser den in § 21, a angeführten Wörtern : 
ahd. hni^ F. Niss, Lausei : gr. kov{<;, {öo<;; ahd. JjLwa^ : 1. quod\ ahd. 
slio^an : 1. claudo; ahd. swei^ Schweiss : 1. sudor. — mhd. ra^eUj 
ra^^eln toheUj rasseln (r=Är, ags. hrcßtele) : gr. Kpafcaivu) schwinge. 

b. Germ. 2^ • b^- /• Grot. diu]?s : ahd. fio/* tief ; g. greipan : 
ahd. grtfan greifen; g. hlaupan : ahd. hloufan^ g. Aröp« M. : ahd. 
hruof Ruf; g. t'if/? aufwärts, vgl. ahd. Ä/" (as. up)\ g. «A:«/» N. : ahd. 
seif, scef Schiff; g. tt?^p7i N. : ahd. icdfan Waffe, Schwert. — Im 
Idg. entspricht b\ vgl. ausser den Beispielen in § 21, b noch: ahd. 
laffan lecken : 1. lairibere\ ahd. Uffur M. und ahd. l'^fs M. Lefze : 1. 
labium; ahd. n^vo M. Neffe : 1. nepos, gr. dvdiiJioc;; über ahd. hanaf 
M. Hanf : gr. lat. kannäbis s. Kluge Wb. 

c. Germ, k : hd. eh. Got -friks habgierig : ahd. fr^h{c1i) be- 
gierig, mhd. vr'ech mutig, dreist; g. laiks M. Tanz : ahd. leih{ch) M. 
Tanz, Gesang; g. ieiA: N. Fleisch, Leib : ahd. lth(ch) F. N., mhd. lieh 
und ^fcÄ6 F., nhd. Leiche ; g. lükan schliessen : ahd. lüchan^ dazu 
ahd. loh{ch) N. Loch; g. taikns F. : ahd. zeihhan N. Zeichen; g. 
it'ifco F. : ahd. wechüj wocha Woche. — Im Idg. entspricht g] vgl. 
ausser den Beispielen in § 21, c noch: ahd. dah{ch) N. Dach : 1. 
togay tegere. 

Es wäre denkbar, dass dieser Übergang unonittelbar er- 
folgte, doch ist kaum zu bezweifein, dass sich auch hier 
zunächst eine Afifricata einstellte, nur dass bei diesem minder 
betonten Laut der Verschlusseinsatz schwächer gebildet wurde 
als im Anlaut. Es war damit von vornherein der Keim einer 
Unterscheidung gegeben, der sich je länger um so mehr ent- 



§ 43. 44.] Hochd. Lautverschiebung. Germ.p, t^ k im In- u. Ausl. 57 

faltete. Wann der Verschluss von dem folgenden Reibungs- 
geräuseh ganz überwuchert wurde, ist nicht zu erkennen, auch 
trat diese Entwickelnng schwerlich überall und bei allen Lauten 
zu gleicher Zeit ein. Dass bereits im Ahd. allgemein reine 
Spirans gegolten habe, halte ich flir unwahrecheinlich, ver- 
mute vielmehr, dass noch ein Laut galt, den man im Gegen- 
satz zu der starken Aifricata des Anlautes etwa als schwache 
Affricata oder Spirans mit leichtem Verschlusseinsatz bezeichnen 
könnte. 

Aum. 1. Die Verschiebungsgebiete der verschiedenen Tenues 
decken sich nicht. Nach den Berichten über den Spr. A. laufen die 
Grenzlinien von der Quelle der Sieg an nach Westen fächerförmig 
auseinander (AfdA. 19, 98. 21, 159). Die nördlichste ist die Linie 
ik/ich; dann folgt der Verlauf der meisten Tenuis Verschiebungen 
<belegt durch wasser 19, 282, heiss 20, 96, gros8 19, 347, tveisse 22, 
109, beissen 22, 322, aus 20, 210, besser 20, 329; schlafen 21, 166, 
seife 21, 270; machen 20, 207, gebrochen 22, 98; sitzen 19, 357, salz 
19, 29), die sich freilich keineswegs völlig decken; dann darf (20, 
325), auf (21, 158. 161), endlich was (19, 97); eine ganz singulare 
Verbreitung hat die Verschiebung in äffe (20, 328), — Als Cardinal- 
grenze zwischen Hoch- und Niederdeutsch erscheint die ik/ich- 
Linie (18,307), nicht wie man früher wohl annahm die dcU/da^-hmie 
<vgl. watjwa^ 19, 97). Als normale Verschiebungslinie für 
die Tenues überhaupt bezeichnet Wrede (21, 166) die Grenze 
kjch in machen, pjf in schlafen. 

Anm. 2. Erweichung eines inl. ch zu g und vollständigen 
Schwund belegt der Spr. A. auf beschränktem Gebiet für machen 
(AfdA. 20, 207); w für f in schlafen (21, 167); vgl. § 54. 

44, Geschichte der Schreibung. — Bezeichnet w^erden 
die neuen Laute im Ahd. gewöhnlich durch z, f, h oder deren 
Verdoppelung. 

In der Dentalreibe gilt also für die Affricata im Anlaut 
und die Spirans im Inlaut im allgemeinen dasselbe Zeichen. 
Eine consequente Unterscheidung beider finden wir nur im 
Isidor, wo die Spirans regelmässig durch zss ausgedrückt wird; 
2. B. wazssar, heizssan. Dies Beispiel sorgfältiger Scheidung 
fand aber wenig Nachfolge (Br. § 160 A. 2). — «2, woraus 
unser ß hervorging, findet sich im Adh. nur hier und da; 
häufiger wird es erst im 14. Jahrh. zu derselben Zeit als man 



58 Hochd. Lautverschiebung'. Germ. /?, tj k im In- u. Ausl. [§ 44. 45. 

auch im Anlaut zusammengesetzte Zeichen cz od. tz brauchte 
(Whd, § 203. 204). Aber während man in diesen differen- 
zierenden Zusätzen Mittel gewann, die AflFricata und Spirans 
zu unterscheiden, war die letztere der alten germ. Spirans s 
bereits so nahe getreten, dass sich ihre Unterscheidung in der 
Schrift nicht mehr halten Hess (§ 105). Seit Mitte des 13. 
Jahrh. kam auch ss oder s für z in Gebrauch und nach langem 
Schwanken ist die Orthographie so geregelt, das wir ff nach 
kurzen, ^ nach langen Vocalen und im Auslaut schreiben: g. 

beitaji beiden, bittm 6iffcu, beit beiß. (Orth. S. 135 f.) — In gram- 
matischen Schriften bezeichnet man nach Grimms Vorgang die 
Atfricata oft durch z, die Spirans durch 3: mhd. ztt, bi^an, 

Anm. sz bezeichnet die Affricata weniger gut als Isidors zs. 
Es ist ebenso aufzufassen wie die fp, hc, denen man im Ahd. zu- 
weilen begegnet; das differenzierende Zeichen ist vorangesetzt: fp 
ist ein p das dem /*, hc ein c das dem h nahe steht. 

45. Die aus p und Je verschobenen Spiranten werden 
im Ahd, gewöhnlich durch f und h bezeichnet, also durch 
dieselben Buchstaben, welche für die alten gcrm. Spiranten 
in Gebrauch waren, jedoch mit dem Unterschiede, dass im 
Inlaut zwischen V'^ocalen /* oft, A regelmässig verdoppelt wurde; 
also släffan od. shlfan, brehharif buohha etc. Den Missstand, 
dass zwei Laute, die nicht nur nach ihrem Ursprung sondern 
auch noch in der Aussprache verschieden waren, auf gleiche 
Weise gesehrieben wurden, suchte man schon in der ahd. 
Periode zu beseitigen. Bei den Labialen dadurch, dass man 
für den älteren Laut den Buchstaben v aufnahm, bei den 
Gutturalen dadurch, dass man für den jüngeren ch schrieb. 
Über V ist später zu handeln (§ 93 f.); inl. ch findet sich 
schon früh neben hh und hat es seit dem 10. Jahrh. fast ganz 
verdrängt (Br. § 145 A. 1). Länger, bis ins Mhd. hinein 
(Whd. § 234. 246), hielt h sich im Auslaut, weil hier auch 
germ. h eine kräftige spirantische Aussprache hatte, während 
es sich im Inlaut früh verflüchtigte (§ 88). Man schrieb also 
zunächst sprehhan sprah, johhes jo1i\ dann sprechan sprah, 
Joches joh (vgl. § 50). — Das Ä, wo es kräftigere Aussprache 
hatte, durch ch zu ersetzen, lag nahe, weil dieses von den 
Romanen längst für germ. h gebraucht war (§ 87). Doch 



§45.] Hochd. Lautverschiebung. Germ. />, t, k im In- u. Äusl. 5^ 

ergab seine Aufnahme, indem sie einerseits eine Verbesserung 
der Orthographie herbeiführte, anderseits den Missstand, dass 
jetzt für die Schreiber, welche gewohnt waren, die starke 
Affricata im Anlaut durch ch zu bezeichnen, die Unterscheidung 
dieser und der schwächeren im Inlaut fortfiel. Bei Otfried, 
der im Anlaut h schrieb, blieben Anlaut und Inlaut ange- 
messen unterschieden, für Notker aber hatte das anlautende 
ch in chind, chalp einen wesentlich anderen Wert als das 
inlautende in brechaUf joches. Jedenfalls hat dieser Umstand 
nicht wenig dazu beigetragen, das ch aus dem Anlaut zu 
verdrängen (§ 42). Einen Lautprocess bezeichnen diese Än- 
derungen nicht, nur eine Verbessening des Schriftsystems. 

Anm. Daraus dass im In- und Auslaut für die aus k und p 
verschobenen Laute dieselben Zeichen gewählt wurden wie für die 
alten Spiranten f und Ä, während man im Anlaut durch ph und ch 
deutliche Affricaten bezeichnete, ist nicht zu erweisen, dass sie ebenso 
wie diese reine Spiranten gewesen wären, sondern nur, dass sie den 
reinen Spiranten näher standen als den starken Affricaten des An- 
lauts. Man behalf sich mit den Zeichen, so gut es ging; dass sie 
sich mit den Lauten nicht deckten, beweisen die späteren Verbesse- 
rungßversuche. Umgekehrt kann freilich aus diesen Verbesserungs- 
versuchen auch nicht geschlossen werden, dass im Inlaut noch Spi- 
ranten mit Verschlusseinsatz gesprochen wurden. Denn wenn auch 
dies nicht der Fall war, waren die alten und jungen Spiranten doch 
noch unterschieden, die gutturalen durch die Stärke der Articula- 
tion, die labialen ausserdem vermutlich noch durch die Articulations- 
stelle. § 93. 

Sehr merkwürdig ist, dass noch im 16. Jahrh. Helber S. 7 ch 
als Affricata auffasst, 'das nemlich das c schwach, wie ein halbes g^ 
und das h gleichsam gedopelt gehört wirdt*, also eine Auffassung 
des Lautes ganz ähnlich wie die, welche dem Isidorischen zss zu 
Grunde liegt. Helber erweist sich als ein so guter Beobachter, dass 
ich seine Angabe nicht als Selbsttäuschung verwerfen möchte. Frei- 
lich giebt sie keinen sicheren Beweis, dass die alte Affricata unun- 
terbrochen fort bestanden habe; denn die Möglichkeit ist nicht aus- 
geschlossen, dass diese Spirans mit leichtem Verschlusseinsatz sich 
erst später wieder aus reiner Spirans entwickelt habe. Für einige 
seiner Beispiele, wo ch = germ. h ist (rechte nacht, schlecht), ist 
diese Annahme unabweislich (s. § 92); andere Indicien für die Gel- 
tung der inlautenden Affricata s. § 50 Anm. 



60 Hochd. Lautverschiebung. Germ. pp, U, kk : pf, tz, ck, [§46.47. 

46. Lage der Silbengrenze. Die häufige Verdoppelung, 
welche z, /*, h sowohl nach kurzem als langem Vocal erfahren 
{ezzan hizzan, offan släffan^ sprähhan zeihhan), zeigt, dass 
man den Laut als zu beiden Silben gehörig empfand, er war 
Auslaut für die betonte, Anlaut für die unbetonte Silbe. (Im 
Auslaut gilt das einfache Zeichen, wie überhaupt die alten 
Schreiber die Gemination nur zwischen Vocalen anzuwenden 
pflegen; §. 134, 2.) So lange einfache Tennis gesprochen 
wurde, war das sicher nicht der Fall; die Verschiebung der 
Silbengi-enze trat zugleich mit der Aspiration oder AflFrication 
ein; aus e-tan wurde ef-san, aus wre-kan torek-chan, aus sU- 
pan släp-fan etc. Die betonte offene Silbe wurde eine ge- 
schlossene, daher bilden /*, 2, ch in ahd. und mhd. Verse Po- 
sition. Bald aber machte sich die alte Neigung die Conso- 
nantverdopplung nach langem Vocal aufzugeben und die Silbe 
dadurch auf das Normalmass herabzusetzen geltend (§ 134, 2); 
freilich ohne dass Consequenz erreicht wurde (Br. § 132 A. 1. 
§ 145 A. 2. § 160). Das Lautgefühl, in dem die Verdopplung 
begründet war, wandelte sich nur langsam und erst spät im 
Nhd. setzte die Orthographie die einfachen Zeichen durch. 
Schottel verlangte nocli lauffen, reissen, werffen, weil er in 
diesen Wörtern eine Verdopplung wahrzunehmen glaubte, 
ebenso wie in stimmen^ allej rennen] und noch Adelung be- 
hauptet, dass man schleif-fen reissen reit-zen spreche (Orth. 
S. 134. A. 1). Ich wage diesen Beobachtungen nicht zu 
widersprechen, obwohl es merkwürdig ist, dass bereits im 
Isidor ff' nur nach kurzen, f stets nach langen Vocalen ge- 
setzt ist (Br. § 132. A. 2; vgl. auch die Bemerkung im 

AfdA. 10, 195). 

Anm. Der Spr. A. belegt die Schreibung ff in manchen Ge- 
bieten für die Wörter schlafen und seife (AfdA. 21, 167. 270); Ver- 
kürzung des Vocals kann nur in einem Teil der Aufzeichnungen 
Anlass der Verdoppelung gewesen sein. 

Inlautende pp, tt, kk : hd. pf, tz, ck. 

47. Die gedehnte Tennis im Inlaut wird im allgemeinen 
ebenso behandelt wie die einfache im Anlaut; also für ge- 
dehnte t und p setzen sich die AflFricaten fest, gedehntes k 



§ 47.] Hochd. Lautverschiebung. Germ, pp^ tt, kk : pf, tz, ck. 61 

bleibt k. Als Beispiele führe ich Wörter an, in denen die Ver- 
doppelung durch ein ableitendes j hervorgerufen ist (§ 138); oft 
stehen ihnen verwandte Wörter ohne dieses j zur Seite, so das» 
also durch die hochdeutsche Verschiebung ein Wechsel von pf\fy 
z:3, k\ch entsteht. Andere Belege in § 135 f. 

pf\ ahd. scepfen schöpfen, schaffen (as. sceppian, g. ga-skap- 
jan) : ahd. scaffOn schaffen, sceffin M. Schöffe, sceffil M. Scheffel. — 
z (sehr häufig) : ahd. ezzen zu essen geben : ^35an\ ahd. gruzzi 
F. Grütze : abd. grio^ M. N. Sand, Korn; hizza F. Hitze (as. hittia): 
ahd. hei^ Adj.; ahd. lezzen hemmen, hindern, nhd. ver-letzen (g. 
Uttjan) : ahd. la^ träge (g. lats)\ ahd. nezzen : na^ Adj.; ahd. nuzzi 
Adj. nütze : nio^an geniessen ; sizzen (as. sittian)^ sezzen (g. satjan) : 
ahd. sa^ er sass, se^al M. Sessel ; svnzzen : ahd. swei^ M. Schweiss, 
Blut; ahd. scuzzo M. der Schütze, mhd. schützen : scio^an schiessen ;. 
ahd. hwezzeji wetzen : ahd. hwas (^ 36) scharf. — cki ahd. decchen sw. V., 
deccht F. : ahd. dah N. Dach ; ahd. stecchen stecken, stechend be- 
festigen (g. ^stakjarif vgl. -stakeins F.) : ahd. sUchan stechen; ahd. 
wrecko M. der Verbannte (as. wrekkio)^ nhd. Recke : g. torikan^ 
ahd. r^chan rächen. — In solchen Wörtern gehen also hd. pf, z, 
ck auf idg. &, rf, g zurück; vgl. ahd. sivizzen : gr. lÖiui; ahd. blecken : 
gr. <pX^TUJ etc.; ahd. decken: \, tegere; ahd. recken (g. uf'räkjan)i 
1. por-rigoy gr. öpdtuj. 

Dieselbe Lautform zeigen auch alte vor der Verschiebung 
aufgenommene Fremdwörter mit Doppeltenuis, mag die Verdoppe- 
lung schon dem fremden Worte zukommen oder erst wie in den 
angeführten heimischen Wörtern durch j bewirkt sein. ahd. pfuzzi^ 
pfuzza F. Brunnen, mhd. pfütze Lache : 1. puteu8, ahd. sac sackes 
M. (g. sakku8\ dazu ahd. seckil M. Seckel : 1. Saccus ] ahd. beccht{n) 
Becken : vulgärl. baccinum ; soc sockes M., mhd. soc, socke : 1. soc- 
cmä; ahd. wiccha F. Wicke : 1. vicia. Zweifelhaft ist, ob ahd. kopf^ 
chuph M. Becher, mhd. köpf Becher, Kopf, dazu ahd. kupfa, kuppa 
mitra, mhd. gupfy gupfe M, Spitze, Giebel, md. kuppe auf lat. cüpa, 
cuppa; ahd. stop fön, stoppön stopfen, verstopfen auf 1. stuppa^ stup- 
pare\ mhd. strupfe^ nhd. Strippe F. (md. ndd. aber auch Schweiz. 
struppe Riemen) auf 1. siruppus, stroppus zurückzuführen ist. [kky 
das in unserer Schriftsprache unverschoben bleibt, lUsst nicht er- 
kennen, ob ein W-ort vor oder nach der Verschiebung aufgenommen 
ist. Vgl. nhd. Jacke : frz. jaque^ kacken : 1. caccare ; Lack : it. lacca.] 

Die Behandlung des gedehnten Lautes ist leicht zu be- 
greifen. Wie im einfachen Inlaut entwickelt sich hinter der 
Tennis, im Anlaut der schwach betonten Silbe, der spirantische 
Klang, ist aber nicht im Stande, den kräftigeren Verschluss 
zu überwinden. Dass die Verschiebung im Inlaut leichter ein- 



62 Hochd. Lautverschiebung. Germ.pp, tt kk : pf, tz, ck, [§ 47. 48. 

tritt als im Anlaut, zeigt Otfrieds Behandlung des p ; während 
er dasselbe im Anlaut durchaus unverschoben lässt, schreibt 
€r ftlr inl, pp regelmässig ph : aphul, scephen, intsluphen etc. 
{Kelle 2, 477), ein Unterschied, der sich noch heute in der 
Mundart behauptet (ZfdA. 36, 137). 

Anm. 1. Über Doppelformen, die sieb aus einfacher und ge- 
-dehnter Tennis erklären, s. § 135, 2 ; vgl auch § 49, c. 

Anm. 2. Der Spr. A. verzeichnet die Grenze tt/zz für sitzen 
<AfdA. 19, 357), pp/pf für Apfel (Wrede, ZfdA. 37, 299). 

Anm. 3. Auffallend steht hd. tt neben got. ndd. tt in g. atta 
M. Vater : ahd. atto, mhd. atte (dagegen g.Ättüa : mhd. Etzel; vgl. 
PBb. 9, 160 A. 12, 534) ; ahd. tutta F., tuttüi N. (vereinzelt auch mit 

einfachem t\ mhd. tiUte^ tüttej tuttüi Brustwarze : ags. dott M. Punkt, 

Fleck; oberd. ndd. hhUt bloss. 

Anm. 4. z in Fremdwörtern beruht oft auch auf fremdem c 
oder z; z. B. ahd. crüci^ mhd. kriuze Kreuz : 1. crux crucis\ mhd. 
litze F. : 1. lidum; sp. mhd. totzen Dutzend : frz. douzaine\ nhd. 
Latz M. : fr. lacet\ nhd. Skizze : it. schizzo. 

48. Die gewöhnliche Bezeichnung des verschobenen tt 
ist im Ahd. zz. Im Isidor wird regelmässig tz gebrauch t, 
das sonst im Ahd. selten ist; häufiger wird es erst als die 
Lautentwickelung zu deutlicherer Scheidung von Spirans und 
AflFricata führte (Orth. § 103. 120). 

Das verschobene pp wird in der Regel durch ph od. pf 
bezeichnet, daneben nicht selten durch pph und ppf (Br. 
^ 131 A. 1). Wie im Anlaut dringt pf allmählich durch. 

Das verschobene kk wird in oberdeutschen Denkmälern 
und im Isidor entsprechend dem anlautenden k in der Regel 
durch k oder ch bezeichnet, daneben auch durch cfe, eck 
{Br. § 144 A. 3). Otfried, der im Anlaut k schreibt, pflegt 
auch im Inlaut k zu schreiben, also das einfache Zeichen 
anzuwenden, obwohl die Silbeuscheide in den Laut fällt und 
jsein k Position bildet; z. B. irreken, wakar (Br. § 143 A. 1). 
Dass er zuweilen ch zulässt, womit er sonst die schwache 
Affricata bezeichnet, zeigt wie das vorhin erwähnte ph, dass 
der Inlaut auch bei diesen gedehnten Lauten dem Process 
der AflFricierung stärker ausgesetzt war, als der Anlaut. Wir 
schreiben jetzt ck (Whd. § 228. Orth. § 103). 



i 49.] Hochd. Lautverschiebung. Germ, p, f, k nach Liq., Nasal. 63 

Pf t, k, nach Liquida oder Nasal. 

40. Geht der Tenuis Liquida oder Nasal voran, so 
steht sie im Anlaut der sehwach betonten Silbe; z. B. g. 
hair-tö, skdlrköy wair-pan. Aber die schwache AfFricata, die 
sich an dieser Stelle entwickeln musste, fand in den vorher- 
gehenden Consonanten oft eine Stütze, so dass der Verschluss- 
einsatz der Unterdrückung durch den spirantischen Nachklang 
mehr oder weniger Widerstand leistete. Es ergeben sich hier 
also ähnliche Erscheinungen wie bei den gedehnten Tenues. 

a. t wird allgemein verschoben, wird aber nach r, l, 
n — m vor t kommt nicht vor (§ 108) — nicht zur Spirans wie 
nach Vocalen, sondern nur zur AflFricata. Da r, Z, n dentale 
Laute sind wie t, gaben sie dem Verschlusseinsatz des z 

Halt und Dauer. Also hd. rz aus rt : ahd. h^rza Herz : g. hairtö ; 
ahd. smerzo M. Schmerz^ sm'&rzan schmerzen : ags. smeortan (vgl. 
L mardeOf gr. o^ephvöt;); ahd. suarz schwarz : g. swarts; ahd. ivurz 
F. Wurzel : g. waurts, — hd. iz aus It : ahd. holz lahm : g. halts\ 
ahd. holz Holz : an. ags. holt (vgl. gr. KXdöo^ Zweig); ahd. Tnalz Adj. 
hinschmelzend, weich, schlaff, malz N. Malz : an. malts Adj. verfault, 
as. an. malt N. (vgl. ags. mt7tan schmelzen, g. ga-mälteins Auf- 
lösung und gr. im^Xbuj) ; ahd. salz N. Salz : g. sält, — hd. nz aus nt ; 
vergleichbare gotische Wörter fehlen, aber vor der Verschiebung 
aufgenommene Lehnwörter nehmen nz an: ahd. pflanza Pflanze : 1. 
Planta; ahd. minza Minze : 1. menta. 

b. p wird im Oberdeutschen und einem Teil des Frän- 
kischen verschoben, behauptet sich aber als Affricata nur nach 
m, denn nur hier stand der Laut unter derselben Bedingung 
wie das t überall, dass er nämlich dieselbe Articulationsstelle 
wie der vorangehende Consonant hatte; nach r und l ist wie 
nach Vocalen die Spirans durchgedrungen. Also hd. mpf aus 
tnp : mhd. dampf y tampf M. Dampf : ndl. damp Feuchtigkeit; ahd. 
kämpf M. N. Zweikampf (Lehnwort) : 1. campus\ ahd. gi-limpfan 
angemessen sein, ahd. gi-limpf-lth angemessen, mhd. ge-limpf M. : 
ags. ge-limpan sich zutragen; ahd. rimpfan zusammenziehen, run- 
zeln, mhd. rimphen rümpfen : ags. ge-rumpen gekrümmt, ndl. rim- 
pelen runzeln, rompelig holpericht; mhd. rümpf M. Rumpf, Leib : 
ndd. rump\ sihd.scimpf M. Scherz, nhd. Schimpf: ndl. schimp; mhd. 
schrimpfen runzeln, nhd. schrumpfen : ndl. schrompelen ; ahd. stampf 
M. Werkzeug zum Stosscn, ahd. stampfön stampfen : ndl. stampen 
(vgl. gr. ar^imßui trete mit Füssen); mhd. strumpf M. Baumstumpf, 



64 Hochd. Lautverschiebung. Germ. /?, t, k nach Liq., Nasal. [§ 49. 

Rumpf, nhd. Strumpf (d. i. Hosenstrumpf, kurz abgeschnittene 
Hose) : ndd. strump] ahd. stumpf: ndl. stom^p'^ mhd. sumpf M. :ndl. 
somp. — Aber hd. rf aus rp : ahd. dorf N. : g. paurp Acker, Land ; 
abd. w'trfan werfen : g. wahpan; hd. If aus //>: ahd. Mlfani g. 
hilpan\ ahd. JjLwHf M. N. das Junge von Tieren : ags. hw'elp. In 
diesen Wörtern ist /" schon im 9. Jahrh. die gewöhnliche Bezeich- 
nung (Br. § 131 A. 5); in andern, die bis ins Mhd. und darüber 
hinaus mit pf geschrieben und mit Affricata gesprochen wurden, 
liegt nicht einfaches sondern geschärftes p zu Grunde (§ 143, 3). 
In Karpferiy ahd. karpfo M., sp. lat. carpa hat sich die Affricata 
bis jetzt gehalten, in den übrigen ist sie allmählich durch die 
Spirans verdrängt: ahd. ^reZpÄ, mhd. g^pf ^gZ^Adj. glänzend, über- 
mütig, und st. M. Lärm, Übermut : as. gelp N. Übermut, Hohn ; ahd. 
harpha^ harfa F. mhd. harfe^ harpfe Harfe : sp. lat. harpa; ahd. 
scarpf scarf und sarpf scharf : as. skarp. Luther schreibt noch : 
scherpffy Harpffe (Francke § 74). 

Anm. Der Spr. A. bezeichnet die Grenze tjz für salz (AfdA. 
19, 99), pif für dorf (20, 325); vgl. § 4:3 Anm. 

c. Auch k setzte sich in Bewegung. Otfried pflegt wie 
im Anlaut k (aspirierte Tenuis) zu schreiben; im Isidor und 
den oberdeutschen Quellen gilt ch : g. drigkan : ahd. trinchan\ 
g. skalJcös : ahd. 8calcha\ g. waurkjan : ahd. wurchen etc. — 
Wäre k nun ebenso behandelt wie p, so sollten wir nach dem 
Gaumen- Nasal wie im Anlaut k, nach l und r aber die Spirans 
eh erwarten, und in der That macht sich in Mundarten ein 
solcher Einfluss des vorhergehenden Consonantcn geltend ^). 
Aber die Schriftsprache verlangt überall fc, bekundet also 
auch hier, dass die Gaumenlaute der Verschiebung weniger 

zugänglich waren, nk : nhd. Darik, ahd. dank : g. pagks\ Trank 
M. mhd. tranc : g. dragk N.; trinken y ahd. trinkan : g. drigkan \ 
ebenso Bank F., ahd. panch : ndl. bank; Funke, ahd. funko : mndd. 
vunke. — rk: nhd. Mark F. Grenze, ahd. marka : g. warfca; Werky 
ahd. tv^'rCf wMi und nhd. ivirken. ahd. wirkan^ wurchan : g. waurk- 
jan\ ebenso nhd. stark Adj., ahd. starCy starah : as. stark] Furke 
F., ahd. furcha (Lehnwort) : 1. furca. — Ik: nhd. Schalk, ahd. scalc, 
scalh : g. scalks\ ebenso melken, ahd. m^älchan : ndl. melken (vgl. 1. 
mulgere, gr. dM^Xifciv) ; welk, ahd. w&c, wHch, wülh und welken, ahd. 
w^lkin, weichin : mengl. welken. 

Anm. 1. Da z, pf, k nur in der unmittelbaren Nachbarschaft 
zu den vorangehenden Consonanten begründet sind, so haben sie 



1) Behaghel, Grdr. § 107 und dazu Jellinek, ZfdA. 36, 79 f. 



§ 50.] Hochd. Lautverschiebung. Beseitigung der Affricata. 65 

da kein Recht, wo zu der Zeit, als die Verschiebung eintrat, eiA 
Vocal die beiden Consonanten trennte. In diesem Falle gilt im 
allgemeinen, wie überhaupt nach Vocalen, der spirantische Laut, 
auch wenn durch jüngere Synkope der Vocal beseitigt ist, also im 
Nhd. stimmloses s, f und cÄ. Das stimmlose » finden wir oft nach 
Verschlusslauten, z. B. Krebs, ahd. kr^ba^, Obs-t^ ahd. oftcrj; nach 
Nasal in dem Lehnwort Bimsstein : ahd. bume^ (1. pumex) (s. II 
§ 273. 274); vor Vocal ist nach Nasalen weiches } eingetreten: nhd. 
Geniaef mhd. gam^j genieße; Binse, ahd. binu^ (vgl. § 54); nach r 
gilt Hch in Hirsch, ahd. hiru^, mhd. Äirej, hirz, hirs', die Affri- 
cata z haben wir in Münze, ahd. muni^a (I. moneta)\ Pilz, ahd. 
buli^, gr. lat. boletus; (der Verschlusslaut stellt sich als Übergangs- 
laut zwischen n, l und stimmlosem s leicht ein, vgl. § 153). Regel- 
mässiges /zeigt Hanf, ahd. hanaf : Ags. hmnep, gr. lat. cannabis; 
regelmässiges ch: Fenchel, ahd. fenahhal, 1. feniculuvi; Kelch, ahd. 
kelih, l.calix; Lärche, ahd. Herihha, X.larix*, tünchen, ahd. tunihhön 
zu 1. tunica. — Ebenso wirkt der Svarabhakti-Vocal, der sich zwi- 
schen l, r und Gaumenlaut leicht einstellt: Arche, ahd. arahhaig, 
arka, aus 1. arca\ Storch, ahd. storah (vgl. gr. TÖp^o^ Geier); mhd. 
ahd. Walh der Wälsche, ahd. Wäläh aus dem keltischen Volksnamen 
Volcae. Da dieser Vocal nicht fest ist, können sich auch Doppel- 
formen ergeben: mhd. arche, ahd. arahJia : mhd. arke, ahd. archa; 
mhd. birche, ahd. birihha : mhd. birke, ahd. bircha; nhd. Storch, 
ahd. storah : mundartl. stork, ahd. storc. Übergang des Spiranten 
in den Verschlusslaut g zeigen nhd. Sarg, mhd. sarch, -ches, ahd. 
saruh : mhd. sarc, -kes, ahd. sarck; nhd. Werg, mhd. icerch, ahd. 
w^rah : mhd. ahd. w'€rc, g war hier zunächst jedenfalls nur Zeichen 
für den Spiranten, aber die Aussprache ist der Schrift gefolgt. 
[Als Zeichen für die Spirans braucht Luther das g auch in Marg- 
graf, handwerg, wergzeug u. e. a. Dagegen in kräng, spugnissen 
ist es Verschlusslaut; s. Franke § 99.] 

Anm. 2. Auf Einfluss des Svarabhakti-Vocales, der sich am 
leichtesten vor auslautendem k einstellt, ist wohl auch die Schreib- 
weise Notkers zurückzuführen, dass er zwar im Inlaut überall ch 
schreibt: danchen, sterchen, scatcha-, aber im Auslaut nach l und r 
h : scalh, starh, w'erh ; nach n hingegen als Zeichen des Verschluss- 
lautes ^ : cfan^, wang, trang; zu sterchen stärken bildet er das 
Prät. Starhta, zu ivenchen : wangta (§ 50). 

50. Beseitigung der AflFrieata im Wort- und Silbenaus- 
laiit. — 1. Die Affricata Jch ist im In- und Auslaut teils zur 
Tcnuis (§ 48. 49), teils zur Spirans (§ 45) geworden ; wo der 
Verschlusseinsatz kräftig war, schwand das Keibnngsgeräusch, 
wo das Reibnngsgeräusch überwog, der Verschlusseinsatz. 
Zuerst vollzog sich dieser Process im Auslaut. 

W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 5 



66 Hochd. Lautverschiebung. Be8eitigung der Affricata. [§ 50. 

2. Dass das Eeibungsgeräusch im Auslaut weniger ver- 
nehmbar war als im Inlaut, zeigen unsere Denkmäler ganz 
deutlich. Otfried schreibt im Inlaut nach Consonanten fc, im 
Auslaut finden wir in der Wiener Hs. auch g: thang, wang, 
toerg, scalg u. a., die, mögen sie auch dem Schreiber ange- 
hören, ftlr die Neigung der Sprache nicht weniger charak- 
teristisch sind. Im schw. Prät. gelten nebeneinander dranJcfa 
drangfüj wankta tcangta, sarikta sangta, thagta thakta, 
scrigta scrikta (Br. a. 0. A. 4). Überall bezeichnet dieses 
g den unaspirierten Laut. Auch Notker braucht im Auslaut 
gf, wo seine Mundart kräftigen Verschlusseinsatz bewahrt hatte 
d. h. wo Tck zu gründe liegt, oder dem fc ein n vorangeht 
(§ 49 c): cheg keck : Gen. checches, plig Blick : plicches; pog 
Bock : pocche8\ danchon : dangy wenchen : wang, trinchen : 
trang, und vor t finden wir in seinen Schriften neben wanchta, 
tranchta häufiger toangta, trangta, scangta und etwas seltener 
loancta, scancta. — Über eine ähnliche Erscheinung in jüngerer 
Zeit s. Behaghel, Grdr. § 90, 2. 

3. Wie die starke Affricata ihr Reibungsgeräusch zuerst 
im Auslaut verlor, so ist anzunehmen, dass an derselben Stelle 
des Wortes die schwache Affricata zuerst ihren Verschluss- 
einsatz einbtlsste; denn beide Processe bekunden das gleiche 
Streben, die Affricata zu beseitigen und durch die Unter- 
drückung eines Elementes zu erleichtern. Der Wechsel der 
ahd. Orthographie zwischen inlautendem ch und auslautendem 
A {sprechan sprüh, joches joh) findet hierdurch erst befriedi- 
gende Erklärung. Man hielt an dem auslautenden h ftlr ver- 
schobenes k fest, nicht nur weil man mit diesem Zeichen im 
Auslaut die Vorstellung eines kräftigeren Lautes als im Inlaut 
zu verbinden gewohnt war (§ 45), sondern namentlich deshalb, 
weil das verschobene k im Auslaut in der That früher zum 
einfachen Reibelaut wurde als im Inlaut. Hier, wo sich die 
beiden Elemente der Affricata, Verschlusseinsatz und Reibung»- 
geräusch, auf zwei Silben verteilten, kam sie zu freierer Ent- 
faltung und hielt länger stand. 

Anm. Wenn man voraussetzen darf, dass die Neigung die 
Affricata im Auslaut aufzugeben alt und nicht auf das k beschränkt 



-§ 51.] Hochd. Lautverschiebung, sp^ st, sc ; ft, ht. 67 

war, so erklären sich daraus vielleicht einige auffallende Erschei- 
nungen. Wie thagta zu thecken, scHgta zu scricken verhält sich 
bei Otfried intslupta zu intslupfen (Br. § 131 A. 2); ferner mfränk. 
latte gelat zu letzen, groete gegroet zu groe^en (= grüe^en) und das 
bis ins Alemannische verbreitete satte, gesät zu setzen (Paul, mhd. 
Gr. § 92 f.). — Femer ist das merkwürdige unverschobene t in den 
pronominalen Neutra mfränk. dat, wat, it, dit, allet (dit auch südfr.) 
vielleicht hier anzuführen. Man darf annehmen, dass die Unbetont- 
heit der Formen die Entwickelung des Reibungsgeräusches beein- 
trächtigte (vgl. Böhme S. 81 f.), und der Umstand, dass ihnen flec- 
tierte Formen mit inlautendem 3 nicht zur Seite stehen, dem ein- 
fachen Laute zum dauernden Siege verhalf. (Die Annahme, dass 
die Verschiebung überhaupt nur dem Inlaut zukomme und von 
ihm erst auf den Auslaut übertragen sei (Paul, PBb. 6, 554. Wrede, 
ZfdA. 37, 291), findet in der Überlieferung keine Stütze. Nur so 
viel ergiebt sich, dass die Affection der Tenuis im Inlaut vor fol- 
gendem Vocale einen günstigeren Boden fand als im Auslaut.) — 
Endlich einige Eigentümlichkeiten im Isidor, wo inlautendem ch 
aual. c entspricht {folches, scalche, w^chum : folc, chidhanc, fleisc, 
Br. § 143 A. 3) und für das regelmässige ausl. f (= germ. p) zu- 
weilen p geschrieben wird {scaap, ubarhlaupnissi, Br. § 132 A. 2). 
Für diese versucht freilich Kögel ( AfdA. 19, 222 f.) eine ganz andere 
Erklärung. 

Störungen der Verschiebung. 

5L In den Verbindungen st, sp, sJc, ft, ht bleiben die 
Tenues p, t, Je unverschoben. — Unverschobenes t in der Ver- 
bindung 9t. Anlautend: g. stains M. : ahd. stein', g. steigan : ahd. 
sttgan; g. stilan stehlen : ahd. st^lan; g. stöls M. Stuhl : ahd. stuol. 
Inlautend: g. hrusts F.: ahd. brüst; g. fastan festhalten, fasten: 
ahd. f<i8tin\ g. gasts M. : ahd. gast-, g. lists F. List : ahd. list M. 
ELlugheit; g. lustus M. : ahd. lust F. — ft: g, luftus M. : ahd. luß 
M. F.; g. paurfls F. Bedürfnis : ahd. durß (vgl. Notdurft). — hti 
g. faurhtjan : ahd. furihten fürchten; g. leihts leicht: ahd. Ithti; g. 
mahts F. : ahd. Tnaht; g. slaihts eben, schlicht : ahd. sl^ht. — Un- 
verschobenes p. Anlautend: g. sparwa M. Sperling : ahd. sparo; 
g. spiU N. Rede : ahd. spt'l{ll); g. spinnan : ahd. spinnan, — In- 
lautend: an. ösp Espe : ahd. aspa, — Unverschobenes h. Anlau- 
tend: g. skadüs M. Schatten : ahd. scato (Gen. -awes) M.; g. skatts 
Geld : ahd. scaz\ g. skauts Schoss : ahd. «c<$j; g.skip N. : ahd. seif, 
3c(Sf; g. skiuban : ahd. scioban. — Inlautend : g. fisks M. : ahd. fisc ; 
g. priskan : ahd. dr^scan; g. -isk (Adjectivendung) : ahd. -isc. 

Da die Tenues in diesen Verbindungen auch der ger- 
manischen Verschiebung nicht unterlagen (§ 38), so entsprechen 



08 Hochd. Lautverschiebung, sp, st, a*c; ft, ht [§ 51^ 

hier also die hd. p, t, fc den idg. Tenues (oder Tenues asp.); 
vgl. ausser den Beispielen in § 38 noch folgende. Un verschobenes *: 
ahd. st^'chan : gr. otHiu, 1. in-stigo; ahd. nift F. Nichte : 1. neptis'y 
&hd,scaft Schaft : gr. aKfjiTTpov, dor. aKÖTTTOv; ahd. flehtan (vgl. auch 
g. flahta F. Flechte) : 1. plecto. — Unverschobenes p: ahd. spehon 
spähen : 1. spicere; ahd. sporo M. Sporn, spomön und mit Ablaut 
.spirnen mit Füssen stossen : 1. spemo, gr. oiraipui zappeln; as. 
spado M. Spaten : gr. airden Schwert. — Unverschobenes ki ahd. 
forscön forschen zu 1. poscere (aus *porscere), 

sc unterliegt bald einer eigenen Entwickeliing (§ 56) ; 
in den übrigen haben sich die Tenues bis heute erhalten. 
Der Grund, dass hier die Tennis nicht aflfriciert wurde, liegt 
vielleicht darin, dass man es vermied hinter der Tenuis einen 
spirantischen Laut eintreten zu lassen, da ein gleichartiger 
ihr unmittelbar voranging; vielleicht aber fehlte schon die 
Vorbedingung der Affrication. Kräuter^) hat darauf aufmerk- 
sam gemacht, dass wir den Lautverbindungen sp und st nicht 
den Hauch folgen lassen, den die einfache anlautende Tenui» 
erhält; wir sprechen p'as (Pass), aber spas (Spass); fäl (Thal) 
aber stal (Stahl). Derselbe Unterschied bestand vielleicht 
schon in der älteren Sprache; es galt hier nicht die gewöhn- 
liche germanische Tenuis, sondern eine leichtere; es fehlte 
die Aspiration, und darum trat auch die Affrication nicht ein. 

Anm. 1. Der Lautunterschied zwischen dem einfachen an- 
lautenden k und dem auf s folgenden findet in den alten Denk- 
mälern vielfach Ausdruck. Otfried bezeichnet die anlautende aspi- 
rierte Tenuis durch A;, nach s aber pflegt er c zu wählen (Kelle 2, 
506), das Zeichen des leichteren nicht aspirierten Lautes. Isidor 
bezeichnet den aspirierten Laut durch c/i, in der Verbindung mit s 
aber schreibt er sc : scaap, scoldi, sculd. Nur vor e und i fügt er 
dem c ein h hinzu: schefpdhes, nicht um eine Spirans zu bezeich- 
nen, sondern um dem c den Wert des Verschlusslautes zu sichern, 
wie h auch im Italienischen gebraucht wird. Andere, die sonst sc 
schreiben, entschliessen sich vor e und i zu fc; vgl. Br. § 143 A. 3. 
§ 146 A. 1 und unten § 57. 

Anm. 2. In nhd. seufzen, mhd. siuften ist z nicht durch laut- 
liche Entwickelung, sondern durch Übertragung der Endung -zen 
von Wörtern wie ächzen, jauchzen etc. eingetreten (II § 84). 



1) Lautverschiebung S. 153. K. Z. 21, 40 f.; vgl. auch Bremer 
I S. 104 A. 109 A. 



-§ 52.] Hochd. Lautverschiebung, p, t, k vor Liq., Nasal. 69 

52. Tenuis vor Liquida od. Nasal. — L Abweichend 
von der germanischen Verschiebung unterbleibt im Hochdeut- 
schen die Affrication des t in der Verbindung tr. Anlautend : 
g. triggwa : ahd. triuua Treue; g. trudan : ahd. tretan\ 
inlautend g. haitrs : ahd. hittar bitter; g. hlütrs : ahd. hlüttar, 
hlütar lauter; g. wintrus : ahd. uuintar'^ ebenso ahd. eittar, 
eitar N. Gift, nhd. Eiter neben ahd. eij Geschwür (vgl. gr. 
oTbo^); ahd. zittarön zittern : an. titra. Im Inlaut ist, wie 
die Beispiele zeigen, die unmittelbare Verbindung tr durch 
die Entwickelung des Secundär-a (§ 300) aufgehoben; der 
Mangel der Verschiebung zeigt, dass dieser Laut erst einge- 
ti'eten ist, nachdem der Verschiebungsact im Inlaut seinen 
Abschluss erreicht hatte; sonst hätten bizzar, hMzzar, tiuinzar 
entstehen müssen. 

Anm. 1. Da germ. dr zu hd. tr verschoben wird, fallen also 
vor r germ. d und t zusammen; auf germ. dr beruht tr z. B. in 
irageriy träge^ Traum, treffen, treiben, triefen^ trinken, trübe, trügen^ 
Trümmer\ zweifelhaft ist traut ; vielleicht auch trauern (Franck Wb.). 

2. Ähnliche Verbindungen wie tr sind tl (nur inlautend); 
TcTj M, Tcn\ plj pr\ auch in ihnen folgt Liquida oder Nasal 
anf eine Tenuis; doch sind diese der gewöhnlichen Verschie- 
bung unterlegen. Wir sagen pflegen : westgerm. plegan\ 
Pflaume : 1. prunum\ pfropfen j Pfropfreis : 1. propago: 
Pfründe : mlat. provenda, d. i. praebenda etc. und die Ver- 
schiebung tritt hier nicht seltner und nicht später ein als die 
des einfachen anlautenden p. — Die Verschiebung des k ist 
im Nhd. natürlich nicht wahrzunehmen, weil ja auch das ein- 
fache selbständige k nicht zur Aflfricata geworden ist; wohl 
aber zeigen sie die alten Denkmäler. In den oberdeutschen 
wird das k vor Consonanten ebenso behandelt wie das k vor 
Vocalen und auch im Isidor ist chnechtj chraft mit ch ge- 
schrieben wie chalpy chind. — Über die Verschiebung im In- 
laut, wo zugleich Dehnung des Consonanten eintritt, s. § 141. 

Der Grund, warum in der Verbindung tr die Tenuis 
unverschoben bleibt, aber nicht in den ähnlichen kr, kl, kn, 
dr, pl, liegt in dem Verhältnis der Laute zu einander. Die 
Verbindung der dentalen Tenuis und des dentalen Zitterlautes, 



70 Hochd. Lautverschiebung. Media für Tenuis. [§ 53. 

welche dieselbe Articulationsstelle haben, ist enger, als die 
der labialen und gutturalen Tenuis mit dem folgenden den- 
talen Laute und gestattete der Entfaltung des Hauches und 
der Afifrication, die jene nicht hinderten, keinen Raum. Doch 
ist nicht zu verkennen, dass auch die gutturale Tenuis dem 
Einfluss der folgenden r, Z, n bis zu einem gewissen Grade 
unterliegt (Anm. 1); am freisten hält sich der labiale Laut. 
Auch in unserer Aussprache ist wahrzunehmen, dass der Hauch 
zwischen j9 und folgender Liquida sich am leichtesten einstellt; 

vgl. plagen, klagen, kragen. 

Anm. 1. Otfried schreibt vor folgender Liquida gewöhnlich 
k, wie im einfachen Anlaut, daneben aber auch das schwächere c, 
das er sonst anlautend nur in dem Namen Cain zulässt: bicleibUf 
gicleiptin, inclottbf cleini, crüte (vgl. § 53). 

Anm. 2. Anlautendes tu wird natürlich verschoben, denn y 
war noch kein Spirant (§ 115); g. twai zwei, g. twalif zwölf; g. 
tweifls Zweifel; vgl. § 85. 

53. Berührung der Tenuis mit der Media; 6, d, g für 
Py t, k. — 1. Die nicht aspirierte Tenuis erscheint der 
aspirierten gegenüber als ein schwacher Laut und daher 
kommt es, dass wir an den Stellen, die der Aspiration und 
Aflfrication widerstreben, fllr ^, f, k in manchen ahd. Denk- 
mälern mehr oder weniger oft 6, d, g finden. — So begegnen 
für sp, 8Cf 8t hier und da ah, ag, ad\ z. B. ar-sgeidan für arscei- 
dan, sbr^chan für sprSchan^ dursdage für durstage, durstige (Br. 
§ 133 A. 2. § 146 A. 3. § 161 A.3); anlautendes gn für kn : gnecht 
(Br. § 143 A. 4; vgl. § 52 A. 1); gr für auslautendes kh (vgl. § 50); 
hd, fd ziemlich häufig im Rhein fränkischen für ht, ft : wihd, r¥hd, 
bigihdi, durfdige (Br. § 161 A. 3). Besonders beliebt ist inlautendes 
ag : asgCf mennisgo^ fleisgeSf das Otfried regelmässig braucht (Br. 
§ 146 A. 3; vgl. Paul, PBb. 7, 129 A.). Endlich anlautendes dr, das 
sonst im Ahd. ganz selten, von Otfried regelmässig im Anlaut ge- 
schrieben wird: driuwa, dröst, drüt, dretan (Br. § 161 A. 3. 4). — 
In manchen Dialekten fallen die alten Tenues in solchen Verbin- 
dungen ganz mit den Medien zusammen; s. Nörrenberg PBb. 9, 
395 f. Paul, PBb. 7, 129 A. Kögel Ker. Gl. S. 68 ff. Über dr Böhme 
S. 11 und unten § 84. 

2. Für die Schriftsprache wird diese Auffassung der 
reinen Tenuis nur wichtig in den Fremdwörtern. Durch 
die hochdeutsche Verschiebung waren im Anlaut die alten 



§53.] Hochd. Lautvei*schiebung. ö^^jr für/?, ein Fremdwörtern. 71 

germanischen Tenues beseitigt und nur in der Dentalreihe 
eine neue entwickelt (§ 59). In der Labial- und Gutturalreihe 
gab es nur Affricaten oder Aspiraten ph und ch und neben 
ihnen die alten germanischen Medien 6 und g, Fremdwörter 
die mit den reinen Tenues p und c anlauteten, hatten also 
im Deutschen kein genaues Gegenbild; namentlich stand das 
p von ph od. pf weit ab, weniger das c von cA, weil die 
Aflfection des Ar schwächer war und schwerer durchdrang (§ 42. 
50). Unter diesen Umständen ist es begreiflich, das Fremd- 
wörter mit p und c sich den deutschen mit h und g anschlössen 
und die mit p früher und öfter als die mit c. Wie man jetzt 
aus ungeschultem Munde das franz. weiche g wie seh ver- 
nimmt {8chemmt)f weil unserer Sprache der Laut abgeht, so 
ersetzte man früher das ungewohnte p durch 6. Besonders 
nahe lag diese Übertragung den oberdeutschen Mundarten, in 
denen die Medien 6 und g sich frühzeitig zum Übergang in 
stimmlose Laute anschickten (§ 66). Freilich bleibt bei den 
einzelnen Wörtern zu erwägen, wie weit sie etwa schon vor 
ihrer Aufnahme ins Deutsche ihre Laute verändert hatten. 

Der Gebrauch des b für fremdes p beginnt bereits im Ahd. 
und hat sich in einigen Wörtern bis heute erhalten. Schon in ahd. 
Zeit begegnen beizen, pelzen pfropfen, ahd. belzön, vgl. provenz. 
empeltar; Birne, ahd. hira zu i. piruni', Bischof, ahd. biscof, gr. 
iiriaKOTTo^; Büchse, ahd. buhsa, vulgärl. buxis, gr. itu^k; Bimsstein, 
ahd. bnmi^ zu 1. puniex; Bürzel (Pflanze), ahd. burzel aus 1. portu- 
laca; Bütte, ahd. butina, mlat. butina, gr. iruTivn. Später kommen 
hinzu Bremse (Hemmschuh), mhd. bremse, mndd. premese; bunt, 
mhd. bunt aus mlat. punctus gefleckt-, nhd. Bunzen M. Grabstichel, 
mhd. punze zu it. punzone. Inl. b für p hat Pöbel aus frz. peuple 
(im Mhd. povel, pcevel, bovel, Luther pöfel). — In andern haben wir 
p wieder hergestellt; so in Papst, Pate, Pech, Pelz, Perle, Planke, 
platt, Plunder, predigen, Propst, prüfen', inlautend in Alp, Kappes^), 
— b und f nebeneinander gelten in Kufe, ahd. kuofa, und Kübel 
M., mhd. kübel, ahd. chubilt N. zu 1. cupa, cupellus. 

Nicht 80 häufig und meist später belegt ist die Vertretung 
des c durch ff. Von den Wörtern, in denen sie sich behauptet hat, 
begegnet schon im Ahd. Glocke, ahd. glocka, mlat. clocca (vgl. Anm. 1); 
später kommen hinzu Gant F., mhd. gant zu prov. Vencant aus 1. in 



1) V. Bahder, Grundlagen S. 224 f. — Über Luther, Franke § 68. 



72 Hochd. Lautverschiebung, z zu s\ ch zu h, [§ 54. 

quantum\ GalmeiM., mhd. kaleminef frz. calamine^ Tol&t. lapis cala- 
minaris\ Graupe F. (slawisches Lehnwort); Günsel (PlBanze) aus l. 
consolida. In schwankender Form werden seit der mhd. Zeit «re- 
braucht Gemer, Kemer (Beinhaus) aus mlat. camarium\ GoUer, 
Koller (Teil der Rüstung, die den Hals deckt), frz. collier^ mlat. 
coUarium, (Whd. § 220. Orth. § 40. 41). 

Anm. L Vor einem folgenden Consonanten (r, i, n) wird 
mundartlich auch in nicht entlehnten Wörtern A: zu g erweicht; 
z. B. glombe Klumpen, gnutsche kneten, grische kreischen; daher 
nhd. Klucke oder Glucke, klucken oder glucken, wie schon im Mhd. 
Aber Grieche für das ältere Krieche (§ 30) beruht natürlich auf 
dem Einfluss humanistischer Gelehrsamkeit; Luther schreibt noch 
Krieche. — Der Spr. A. (AfdA. 21, 289) verzeichnet dieses g in dem 
Worte kleider verstreut in allem hochdeutschen Lande mit Aus- 
nahme des Ripuarischen und Schlesischen, besonders in den ale- 
mannischen Strichen; vgl. Fischer, Geogr. § 58. 

Erweichung von p zu &, die nur in den Mundarten eintreten 
konnte, die p nicht zur AfFricata verschoben hatten, hat keine 
dauernden Spuren in der Schriftsprache hinterlassen; aber früher 
finden sich bl, br für 2>h P^ {^'S^- platzen, plötzlich, prangen in 
§ 58, 1). Nicht selten ist umgekehrt p für b durchgedrungen; § 78. 
— ht/hd verzeichnet der Spr. A. für rechte (AfdA. 21, 165). 

Anm. 2. Erweichung eines fremden t zu d gilt im Mhd. 
namentlich in dön, dornen Ton, tönen (Whd. § 184). Später kommen 
hinzu: die slaw. Lehnwörter Dolmetsch, mhd. tolmetsche und Dolch. 
Auch Dinte, mhd. tinte, 1. tincta hat lauge gegolten. — Luther 
schreibt dohn, dönend, gedöne, dasche, disch, dinte, dromete, drum- 
mel (Kluge, Wb.). Franke § 80. 82. — Inl. d für lat. t zeigen Kreide, 
ahd. krUla, 1. creta\ Seide, ahd. stda, mlat. sita\ Seidel N.M., mhd. 
stdel, stdeltn N., 1. situla. Hier ist die Erweichung aber sicher nicht 
erst im Deutschen eingetreten. 

Jüngere Entartungen. 

54. Dadurch, dass die aus den Temies verschobenen 
fy z, ch zu reinen Spiranten wurden, fielen sie zum Teil mit 
den alten germanischen Spiranten f, 8, h zusammen. Zwischen 
f aus germ. p und f aus germ. f besteht jetzt gar kein unter- 
schied mehr fs. § 94); j und ch sondern sich im allgemeinen 
von 8 und A dadurch ah, dass diese in Folge ihrer schwächeren 
Articulation sich weiter entwickelt haben, h zum reinen Hauch 
geworden oder ganz weggefallen (§ 86 f.), 8 im Inlaut zwischen 
stimmhaften Elementen stimmhaft geworden ist (§ 105). Nur 
selten sind auch j imd ch dieser Entwickelung unterlegen. 



§ 56.] Hochd. Lautverschiebung, z zu seh, ch zu g. 73 

Für 5 ist stimmhaftes s eingetreten in Ämeisej mhd. ämei^e; 
KreiSf kreisen^ mhd. krei^j kreiden; Los, loseUy mhd. Z<5j, lö^efi] 
Taausem, Mause (Federwechsel der Vögel), mhd. mö^en, aus 1. r?iw- 
tare\ VenceiSy verweisen (tadeln), mhd. verwl^, verwt^en; einigemal 
auch nach stimmhaften Consonanten: Binse, mhd. hine,^\ Gemse, 
mhd. gamZf emsig, mhd. em^ig; Sims, Gesimse, mhd. «me,3; Pajise 
oder Pansen, mhd. panse aus frz. pance. In dem Fremdwort Lasur 
wechseln z und s schon im Mhd.; in Nössel ist inlautendes s nicht 
anzuerkennen; über Schneise s. § 26. — Alter ist die Vertretung 
des 3 durch s in ahd. tvtzago Prophet, wtzagön weissagen, wo sich 
schon im Ahd. wissago findet, mhd. wlssage, wtssagen mit Anleh- 
nung an wlse und sagen. Unerklärt ist s in ahd. ftins neben engl. 
flint\ ahd. linsi, mhd. linse Linse neben 1. lens, lentis s. Kluge 
Wb. s. V. Linse; zweifelhaft ist ahd. morsari, mhd. morsmre Mörser 
(II § 227, 2). 

Anm. In einigen andern Wörtern sprechen wir zwar stimm- 
losen Spiranten, schreiben aber nicht den Buchstaben fe, der ge- 
wöhnlich das alte j vertritt, sondern f oder ö; so in den Wörtern 
es, mhd. ej; das, mhd. <7a,3; was, mhd. traj; aus, mhd. ??z; bis, mhd. 
hi^', dies, mhd. diz\ im N. und A. Neutr. der Adj. gutes, mhd. guo- 
fe,5; ferner feist, b\\^. fei^it\ Obst, mhd. oöc^; Samstag, a}\d.samba3 
(IV, 4, 326); Kürbis, ahd. kurbi^; Krebs, mhd. kr'^be,y, Bims, ahd. 
pumi^; IHps, ahd. phiphi^, 1. pituita; Erbse, mhd. arewi,^, ereweij. 
Zur Erklärung s. Orth. § 125. 

ch ist einigemal dem h folgend verschwunden: allmäh- 
lich, mhd. almechlich zu gemach', Blei, Bleie (Fisch), ahd. bleicha\ 
geruhen, mhd. geruochen, as. rökian, zu unterscheiden von ruhen 
(quiescere), ahd. inioiv&n, räwen', Gleissner, mhd. gelichsencere, zu 
gelthsen, ahd. gillhhisön sich verstellen, zu unterscheiden von 
gleissen glänzen, ahd. gli^an^ vgl. § 43 Anm. 2. 

55. Noch seltener haben andere Übergänge stattgefunden. 
Für den aus 5 entstandenen S-Lant ist seh eingetreten 

(vgl. § 104): ahd. hiru^, hirz sollten nhd. Hirfs und Hirz er- 
geben; demgemäss schreibt Luther Hirs od. Hirfs-, die Form mit 
seh dringt im 16. Jahrh. langsam vor. anheischig ist unter Anleh- 
nung an heischen aus anthei^ic hervorgegangen. In lauschen haben 
sich wohl verschiedene Stämme gemischt; s. Gr. 1, 527 A. und 
die Wbb. 

In den Endungen -lieh und -ich neigt das schwach 
articulierte ch dazu im Inlaut stimmhaft zu werden. Daher 
werden einige Wörter, denen diese Endungen zukommen, jetzt mit 
g, dem Zeichen des stimmhaften palatalen Spiranten (§ 70 f.), ge- 



74 Hochd. Lautverschiebung, sk zu sch^ («). [§ 56. 

schrieben: adelig^ billig^ eklig, heikligy untadelig, unzählig, Reisig, 
Essig (Orth. § 88 f. ; vgl. Behaghel Grdr. § 99). — g für ch (oder k) 
hat sich auch festgesetzt in prägen, mhd. brcechen, preschen und iu 
Sarg, Werg (§ 49 Anm. 1). Luther schreibt noch Sarcfc, adelich, 
billich, vnzelich (Franke § 102. 106), dagegen öfters -ligkeit für unser 
-lichkeit (eb. § 98) z. B. Herrligkeit, fertigkeit, freundligkeit, nie 
'lig für 'lieh. Das g in ligkeit bezeichnet Verschlusslaut (§ 49) und 
zeigt, dass die Aussprache aus einer Zeit stammt, in der ch noch 
nicht zur reinen Spirans geworden war. 

Anm. Entartung von j in die Lenis s und seh lässt auch 
der Spr. A. wahrnehmen in beissen (AfdA. 22, 322). 

56. Die wichtigste Entartung erfuhr die Consonant- 
verbindung sk, die allmählich zu einem durchaus einheitlichen 
Laute {s) geworden ist, für den wir freilich kein einheitliches 
Zeichen haben; g. sköhs : Schuh -^ sl'illiggs : Schilling; skaits : 
Schatz \ skildus : Schild'^ fisks : Fisch, priskan : dreschen etc. 
Der Verschiebung unterlag die Tennis in dieser Verbindung^ 
ebenso wenig wie in st und «/>; Aspiration und AflFrication 
fand nicht statt oder drang nicht durch (§ 51 A. 1), die Arti- 
culation des Lautes war schwächer, daher althochdeutsche 
Schreiber nicht selten, namentlich im Inlaut, sg setzen (§ 53) : 
arsgeidan, wasgan, asga u. a. In Teilen des nordwestlichen 
Deutschlands hat diese gesonderte Aussprache sich bis heute 
erhalten; im Gemeindeutschen aber ist sie aufgegeben. 

Die Entwickelung von sc zu s ging, wie aus dem zu- 
sammengesetzten Zeichen seh zu schliessen ist, in der Weise 
vor sich, dass zunächst die Tennis c zum Spiranten ch wurde. 
Statt des Verschlusses, der von Anfang an verhältnismässig 
schwach war, wurde bald nur eine Reibungsenge gebildet 
und die beiden Laute dann in der Weise verschmolzen, dass 
die Articulation des ch schon während der Articulation des 
s vorgenommen wurde; es entstand also ein Reibelaut mit 
doppelter Reibungsenge. In dieser Verschmelzung wurden 
beide Laute wohl etwas geändert; das ch insofena als es 
flüchtiger und unvollkommener gebildet wurde, das s, indem 
die Zungenspitze vielleicht etwas mehr nach hinten gehoben 
wurde. Im übrigen unterliegt die Articulationsstelle des seh 
dem Einfluss der benachbarten Vocale in ähnlicher Weise wie 



§ 57.] Hochd. Lautverschiebung*, sk zu sch{s), 75 

die des ch (vgl. sie schiebt : du schobst). Bremer I S. 74 f. 
— Dass das c, ehe es verschwand, palatalisiert war (Br. § 146. 
Whd. § 206), hat man keinen Grund anzunehmen. 

Anm. Im Spr. A. lässt die Schreibung des Wortes fleisch 
(AfdA. 20, 332) eine dreifache Aussprache des Auslauts erkennen, 
indem im nordwestlichen Deutschland neben dem «fc-Gebiet Striche 
liegen, wo nur s oder fs geschrieben ist. Aber diese Verschieden- 
heit ist in der Etymologie des Wortes begründet und gestattet 
keinen Schluss auf andere seh; s. Franck, Wb. Sp. 1089. 

57. Was die Zeit dieser Umbildung betrifft, so hat 
man geglaubt, die Wandlung des c zur Spirans bis in das 
9. und 8. Jahrhundert hinaufrücken zu dürfen (Whd. a. 
6r. § 192. mhd. Gr. § 206); aber daraus, dass die Schrei- 
ber nicht selten seh schreiben, z. B. scheffoy bischein, for- 
schön (Br. § 146 A. 2.), ist dies nicht zu schliessen. Denn 
dass das ch in dieser Verbindung irgendwo den Spiranten be- 
zeichne, lässt sich nicht erweisen; für manche Schreiber hat 
es ohne Zweifel nur die Bedeutung des Verschlusslautes 
(§ 51 Anm.). Wäre schon im Ahd. Spirans gesprochen, so 
würde man auch das gewöhnliche Zeichen der gutturalen 
Spirans gebraucht und sh geschrieben haben. Die normale 
Bezeichnung bleibt bis ins 11. und 12. Jahrb. sc (ßk)\ (Br. 
a. 0. Whd. § 206). Dann erst dringt seh vor und in aleman- 
nischen Handschriften des 13. Jahrh. erscheint sc nur noch 
ausnahmsweise. Während also das Alemannische ch als Zeichen 
für einfaches ä: aufgiebt (§ 42), setzt es sich in der Verbin- 
dung seh fest und beweist dadurch die eigentümliche Ent- 
wickelung dieser Consonantgruppe. Daneben finden wir im 
12. — 14. Jahrh. sowohl oberdeutsch als mitteldeutsch sh (Whd. 
§ 206. 210.). Damals also fassten die Schreiber, soweit sie 
neben dem s überhaupt noch einen eigentümlichen Laut ver- 
nahmen, denselben als gutturalen Spiranten auf. 

Die schwache Articulation, der das c hinter dem s unter- 
liegt, äussert sich frühzeitig darin, dass die Schreiber das c 
ausliessen. Einige s für sc in den Keronischen Glossen {sepit 
= seephit, samalih = scamalih, Kögel K. Gl. S. 93) mögen 
Schreibfehler sein, doch begegnet dieses s auch sonst in ahd. 
Schriften, namentlich wenn noch ein dritter Consonant folgt, 



76 Hochd. Lautverschiebung. Neue Tenues. [§ 58. 

vor dem das schwache c am wenigsten zur Entfaltung kommen 
konnte (§ 158); z. B. wista fftr wiskta wischte, fleisUchemo 
fleischlichem; (Br. § 146 A. 5). Öfter aber begegnet dieses 8 
erst seit dem 12. Jahrb., also zu derselben Zeit, wo auch sh 
aufkommt, im Ober- wie ihm Mitteldeutschen; (Whd. § 206. 
210)*). Die Schreibung bekundet, dass seh jetzt als einheit- 
licher Laut, ein modificiertes 5, aufgefasst werden konnte. Das 
gangbare Zeichen blieb nichts destoweniger seh ; Versuche, die 
das 5-artige mehr hervortreten lassen {ssh, ssch, sschs), drangen 
nicht durch, auch gelang es nicht ein neues einheitliches 
Zeichen in Aufnahme zu bringen, obwohl die Schreibmeister 
bereits früh den Mangel des Alphabetes erkannten; (s. Orth. 

§ 114). 

Anm. Zwei Wörter nehmen eine besondere Stellung ein, das 
Verbum sollen und dasAdj. scharf, scal scolan heisst seit dem 11. 
Jahrb. meist sal sol solen^ selten begegnen die Formen ohne c in 
den älteren Quellen. Vermutlich hat die geringe Betonung des 
Wortes den Verlust des Lautes veranlasst. Franck, Wb. {zullen). 
Umgekehrt hat das Adj. scharf in den älteren Quellen fast durch- 
aus s als Anlaut, erst seit dem 10. und 11. Jahrb. häufiger sc; Br. 
§ 146 A.4; vielleicht sind sarf und scarpf zwei verschiedene Wör- 
ter; vgl. V. Fierlinger KZ. 27, 190. KaufFmann, PBb. 12, 505 A. 2. 
Kögel, Lbl. 1887, Sp. 111. J. Schmidt, Sonantentheorie S. 40. 

Neue Tenues. 

58. Während die hochdeutsche vSprache die alten gerin. 
Tenues zum grossen Teil beseitigt, gewinnt sie neue, teils 
durch die Verschiebung der Medien (§ 59 f. 143, 2), teils durch 
Entlehnung, namentlich aus dem Ndd. oder auch durch Bil- 
dung neuer Wörter. Die meisten gehören erst der nhd. Zeit 
an; von Fremdwörtern, die schon durch ihre äussere Form 
den fremden Ursprung verraten, sehe ich ab. 

p musste am leichtesten Eingang* finden, da es nicht nur im 
Ndd., sondern auch im Md. un verschoben blieb (§ 40, 3). — Anlau- 
tend: mhd. j>haht^ phahfe, paht M. F., nhd. Pacht F. (mlat. pactum^ 
pactus); mhd. papy pepjje F. Kinderbrei, nhd. Pappe (mlat. pappa)\ 
mhd. platzerij Matzen, hlesten, nhd. platzen, platschen, plätscheim 
(vgl. mndd. jüasken, ndl. plassen); spät xn\i^. plötzlich (Luther Wufz- 
ling) plötzlich; mhd. prälen prahlen (mnd. ndl. pralen); mhd. prangen, 

1) Vgl. zu der ganzen Frage: Aron, PBb. 17, 249 f. 256. 270. 



§ 58.] Hochd. Lautverschiebung. Neue Tenues. 77 

brangen prang-en (mnd. prangen) dazu nhd. Pracht (mndd. pracht, 
wohl verschieden von ahd. braht Lärm); mhd. pranger, branger 
M. Prang-et (g. anapraggan bedrängen, ndl. prangen pressen, 
drücken, pranger Halseisen, mhd. pfrengen) ; mhd. prellen^ nhd. 
prellen und prallen, Nhd. paff Interj. (ndl. paf); pah Interj. ; passen 
lauern, acht haben (ndl. passen aus frz. passer nicht mitspielen); 
Pass M. (ndl. pas Schritt, Durchgang, Pass); Paus-back (vgl. mhd. 
pfüsen schnauben); Pegel M. (ndl. pegel AichmarkeV; Pelle F. (ndl. 
pcZ, 1. pellis)'^ Petze F. Hündin; picken (engl, to pik); piepen (ndl. 
piepen, vgl. 1. pipare etc.); Pips (ahd. pfiffiz aus mlat. pipita)\ 
pissen (ndd. ndl. auch frz. pisser etc.); plump (ndl. plomp); Pocke 
F. Blatter (ndl. 7>oÄ:); pochen klopfen (mnd. puchen, ptiggen, ndl. 
pochen); Pökel M. (ndl. pekel)\ Pott M. (ndl. />oi); Prahm M. (ndl. 
jjraaw Transportschiff etc., slaw.); prickeln (ndl. prikken, prikkelen^ 
vgl. mhd. pf recken); lYunk M. (ndl. pronk); puffen (ndl. j^o/* Stoss, 
Schlag, engl, puff); Pampe F. (ndl. pomp); pusten (vgl. mhd. pfüsen). 
— Im Inlaut nachVocalen: mhd. (md) s^i2/>c Schandpfahl (afries. 
stüpa, mnd. .if^tlpe), dazu nhd. stäupen; mhd. tvdpen, wäfen N. nhd. 
B^appcn (g. wipna PI. etc.). Nhd. Graupe F. (slaw. Lehnwort); 
Kamp M. (ndd. ndl. kampj aus 1. c«m^MÄ); Kämpe (vgl. as. fccm/>?o, 
ags. cempa zu lat. campus); Kaper M, Seeräuber, kapern (ndl. fcacij> 
Seeraub, kaper); kneipen, kneifen (ndl. knijpen\ dazu vermutlich 
Kneipe F.; Krampe F. Thürhaken, Krampe F. Hutrand (vgl. ahd. 
krampf Haken, Adj. gekrümmt), piepen (s. o.); Stapel M. (ndl. 
«^aj9ei=hd. Staffel), —Nach Consonanten: mhd. dörper, dörpel, 
törpel, nhd. TöZpcZ M. (Ableitung von dor/' N.); sp. mhd. lumpe 
M. Lumpen (ndl. ^ow/>); mhd. slamp Gelage (ndl. slemp leckere 
Mahlzeit, slempen prassen), dazu auch nhd. Schlempe F. Spülicht; 
mhd. trampeln {vgL g. trimpan). Nhd. Humpen M.; humpen, hum- 
peln; klimpern; Klumpen M. (ndl. klomp); verplämpern; Stempel 
(mhd. stempfei zu stampf M.. und stampfen); stolpern; strampeln 
(ndl. strompelen stolpern, straucheln); Stulpe F., stülpen (ndl. s^mZ/? 
Deckel, stülpen bedecken); Tümpel (mhd. tümpfel, ahd. tumpfilo); 
zimperlich (oberd. zimpferlich); zirjjen; zulp M. — p/> (in einigen 
nur nhd. Verdoppelung § 244): ahd. kuppa F., mhd. kupj)e eine 
Kopfbedeckung, nhd. Kuppe Bergspitze (lat. cuppa, cupa); ahd. 
ia/>pa F., mhd. läppe ^F. M. Lappen (ags. loRppa, ndl. Zap), dazu mhd. 
irtpp6 M. einfältiger Mensch, nhd. läpjnsch. Mhd. klappern; kuppeln, 
koppeln (1. copulare); mhd. (niederrh.) klippe F. (ndl. fcZep F., mhd. 
cliffe); pap (s. o.); md. slepen schleppen (ndl. slepen zu hd. schleif e7i\ 
dazu Schleppe (ndl. sleep); sp. mhd. suppe, soppe F. Brühe, Suppe 
(ndl. «op, vgl. mhd. supfen schlürfen, trinken); mhd. snappen 
schnappen (ndl. snappen), dazu nhd. Schnaps M.; mhd. <rcrp, trappe 
M. Trappe; mhd. trappe, treppe M. F. (ndl. ^ra;>), dazu auch mhd. 



78 Hochd. Lautverschiebung. Neue Tenues. [§ 58. 

trappelfif trippeln (ndl. trappen trippen). Nhd. Eppich M. (ahd. 
mhd. epfichj 1. apium); jappen (ndl. japen, vgl. ndl. tjapen gähnen, 
an. gapa, nhd. gaffen)'^ kapjyen abhauen (ndl. kappm spalten); 
klappen, Klappe, Klapp, Klaps (ndl. klappen. Map, mhd. klapfen, 
klaffen, klapf); Klepper M. zu mhd. klepfen einen klapf thun; 
Knüppel (mhd. knüpf el)\ Kuppel F. (it. ctipolä)\ knapp (ndl. knap, 
gnap, vgl. auch an. hneppr ens^e); Knappsack Futtertasche (ndl. 
knap-zak, knappen essen, westfäl. knapp M. Stück Brot); Lippe 
(ndl. lip, ags. Iip2)a neben ahd. l^fs M. Lefze); nippen (ndl. nippen^ 
daneben oberd. nejyfen, nöpfen); Quappe, Aalquappe {Andd. quappa); 
rappeln (vgl. engl, to rap, mhd. raffeln lärmen, klappern); ruppig 
zu rupfen (?) ; schlapp (ndl. slap = hd. schlaff, ahd. «Za^, dazu 
Schlappe F. Pantoifel; Schnuppe, Sternschnuppe F. (vgl. hd. 
Schnupfen) ; schrapen, schrappen (vgl. ndl. schrapen, schrappen, an. 
skrapa, vgl. mhd. sehr äffen, schrapfen)] Schoppen (ndd. «cAopcn); 
Schuppe F. (ndl. schup, schop zu mhd. schupfen und «cAtcöen); 
Schuppen M. (vgl. ahd. mhd. schöpf, schaff; Topp M. Ende des 
Masts (ndl. <op = hd. zop/) ; vnppen, Wippe F. (ndl. wippen, vgl. 
ahd. mhd. tt-ij;?/* M., tvipfen). 

Anm. 1. Auf Assimilation beruht dasp im nhd. Wimper, aus 
mhd. wint'hrä, Ruprecht aus ahd. Hru^dbr&it (dazu auch Rüpel) \ 
ähnlich muss ahd. winpal, wimpal, mhd. wimpel M. F. Wimpel, ags. 
u'inpel, wimpel entstanden sein. — Auffallend sind einige Wörter 
mit inl. p, die man nicht als Md. oder Ndd. ansehen kann: mhd. 
gumpen hüpfen, gumpelman Possenreisser, sp. mhd. gümpel M. 
Blutfink, nhd. Gimpel (vgl. Winteler, Naturlaute S. 14); spät mhd. 
holpeln, mhd. holpern, aleni. hülpen\ auch nhd. hapern (ndl. ha- 
peren) begegnet in oberd. Ma., schwäb. häperen). 

2. * im Anlaut: nhd. Takel N., takeln (ndl. takel); Talg 
M., mndd. talchig); Tang M. (engl, tang); Tau N. Schiffseil (ndl. 
touw, engl, totv); Teer M. (ndl. teer); Thran M. (ndl. traan)\ Topp 
M. Ende des Mastes {ndl. top, vgl. hd. zopf); Torf M. (ndl. ags. turf, 
auch Schweiz, durfte : ahd. zurba Rasen); Tüte, Düte F. (ndl. tuit 
F.); tuten (mndd. tüten, ndl. tuiten, toeten, engl. ^oo^). —Im Inlaut: 
mhd. bilde F. Beute (mnd. büte, an. fti/ft). Nhd. JBoo^ (ndl. boot, 
ags. 6a0; -fVin< (früher Fant(e) und i^ewi(e), an. fantr nebulo, 
«rrans etc. : mhd. vanz Schalk, Betrug, vgl. mhd. ale-fanz M. Possen, 
nhd. Alfanzerei; DWb. 3, 1320); klaterig; Kot{e) F. Hütte, dazu 
Köter M. Bauerhund (ndl. kot, ags. cot N., cote F.). — tt: nhd. JBu^e 
F. JBwfi M. ein Fisch (ndl. bot, engl, but); fett Adj. (ndd. fett aus 
*/*(g^id = ahd. /*ei3i7 feist); flott Adj. (ndl. r^o^ flott, schwimmend 
zu flio^an); Satte, Sette F. (ndd. zu sitten sitzen); Sprotte F. (ndl. 
sprot ags. sprott); Watte (ndl. w'a^^e, ein Fremdwort). 

Anm. 2. Über ahd. müta F. Zoll, Maut : g. wö^a s. Kluge s. v. Maut. 



§ 59.] Hochd. Lautverschiebung. Germ, d zu t 79 

3. Bei h tritt die Abweichung der von der Verschiebung 
nicht betroffenen Wörter nur nach Vocalen hervor: nhd. Bake F. 
<ndl. haäk)\ blaken sw. V. (ndl. blaken brennen glühen); blöken 
mndl. bloiken)\ Höker M. (ndl. heuker^ mnd. hoker, daneben mit 
verdoppeltem Auslaut mhd. hucke M.); Kruke F. (as. krüka, mhd. 
krüche F. daneben in unklarem Verhältnis ahd. kruog M. Krug); 
Küken (ags. cycen^ ndl. kieken, kuiken); Laken (andd. lakan, ahd. 
lahhan); Luke F. (mndd. lüke zu g. lükan, ahd. lüchan schliessen); 
mäkeln^ mäkeln Maklergeschäfte treiben (üdl. makelen zu mäken 
machen); Mauke F. Fusskrankheit des Pferdes (mhd. milche^\ quaken, 
quieken (ndl. kwaken)\ Quäker (engl. quaker)\ Schnake» F. lustige 
Erzählung (s. Franck s. v. snaak) ; Spuk M. (ndl. spook) ; Staken M. 
<ndl. staak). — In eigentlich hochdeutschen Wörtern kann ein ein- 
faches k nach Vocalen nicht vorkommen, es sei denn für verschärf- 
tes g (§ 143); dagegen im Anlaut und nach Consonanten gilt k auch 
im Hochdeutschen für germ. k\ ebenso in der Verdoppelung. Doch 
fiind einige Wörter mit ck hier anzuführen, weil ihr ck nur in Folge 
des kurzen Vocales für einfaches k eingetreten ist : Back-bord (mndl. 
bak, ags. boBCj an. bak N. Rücken, ahd. bah), dazu auch Ärsch-, 
Hinter-backe (ahd. bahho, mhd. bache M. Schinken, aber durch Ver- 
mischung mit backe Wange schon mhd. ari(-backe M.); Brack N. 
Ausschuss (mndd. brak Gebrechen, Mangel zu br^chan)', leck Adj., 
davon lecken leck sein (mndl. lec, PI. l€ke, ndl. lek und lekken zu 
ndl. leken st. V. Wasser durchlassen, ahd. Uhhan, dazu mhd. l'^che- 
säen); Quecke F. (ndl. kweek). Dagegen in Block M. beruht das ck 
auf alter Verdoppelung: mnd. block N., mndl. bloc(ck), daneben- mit 
einfachem Auslaut ahd. bloh, mhd. bloch N., doch auch ahd. blocchan, 
mhd. blocken in den Block setzen. Alte Doppelform zeigt auch 
Pocke F., ags. pocc, mndd. pocke und poche, nhd. (mundartlich) 
poche, pfoche\ Wrack, mndd. xcrak und wrack Adj. beschädigt, 
untauglich. 

Germ. d. 

59. 1. Die germanischen Tenues haben im Hoch- 
deutsehen wesentlich gleiche Behandlung erfahren. Denn 
wenn auch die dentale Tennis in ihrer Entwickelung der 
labialen und gutturalen voraneilt und die gutturale schliess- 
lich in einer Form erscheint, die von der des p und t erheb- 
lich abweicht, so ist doch die Entwickelung zunächst dieselbe 
und ffthrt im Inlaut zwischen Vocalen auch zu übereinstimmen- 
den Resultaten. Anders liegen die Verhältnisse bei den germ. 
b, d^ g. Schon in unseren ältesten Denkmälern nimmt d 



80 Hochd. Lautverschiebung. Germ, d zu t. [§ 59. 

eine ganz besondere Stellung ein; 6 und g gehen nicht mit 
dem in seinem Ursprung gleichartigen d zusammen, sondern 
mit der Spirans th. Wir betrachten daher zunächst d, dann 
&, 9, und th. 

2. Die Bahn, in der sich die Entwickelung des d be- 
wegt, wird bezeichnet durch: stimmhafte Spirans, Media, 
Tenuis. Im Gotischen steht der Laut je nach den Umständen 
auf der ersten oder zweiten Stufe (§ 26); im Hochdeutschen 
gilt, wie .überhaupt im AVestgerm., Verschlusslaut tiberall; auf 
einem Teil des Gebietes wird die letzte Stufe, stimmloser 
Verschlusslaut gewonnen. Dieser stimmlose Verschlusslaut 
muss zunächst eine Lenis gewesen sein; jetzt erscheint er in 
sorgfältiger Aussprache als eine kräftige, in betonter Stellung 
aspirierte Tenuis. Es hat sich also, vielleicht erst im Nhd» 
(Behaghel Grdr. § 94, 3) der Process wiederholt, den die idg. 
Tenuis im Urgernianischen, die germanische im Hochdeutschen 
erfahren hatte (§ 20. 40). 

3. Diese Verschiebung von d zu t reicht nicht gans^ 
so weit wie die von t zu z. Unsere ahd. Denkmäler zeigen 
sie heimisch in Oberdeutschland und Ostfranken; dagegen in 
Mittelfranken behauptet sich d, und in Rheinfranken finden wir 
teils dj teils t. Besonders ausgeprägt ist der Gebrauch Otfrieds 
im südlichsten Rheintranken. Er schreibt im Inlaut stets t, im An- 
laut last durchaus cZ; z. B. dcuß Tag : g. dags^ deil Teil : g. dails 
dal Thal : g. dal^ dragan tragen : g. dragaUj drinkan trinken : g. 
drigkan, u. a.; dagegen im Inlaut rätan raten : g. rMan-^ biatan 
bieten : g. hiudan\ dät That : g. ded-s; guatt Güte : g. gödei; hintan 
binden : g. bindan] geltan gelten : g. gildan; Herta Herde : g. hairda 
u. a. Früher meinte man, diese consequento Scheidung beruhe eher 
aut* willkürlicher orthographischer Regelung als auf wirklichen 
Laut Verhältnissen; jedoch hat gründlichere Untersuchung der Über- 
lieferung gelehrt, dass sie in der Mundart des Dichters begründet 
war. Zwar so consequent durchgeführt wie bei Otfried finden wir 
den Wechsel zwischen anl. d und inl. t nur noch in der PfHIzer 
Beichte ; aber der Unterschied lässt sich auch in andern Denkmälern 
und in Urkunden wahrnehmen und verfolgen bis in das 14. und 
15. Jahrh. In der jetzigen Mundart tritt er freilich nicht mehr her- 
vor. Die auffallende Thatsache, dass der stimmlose Laut sich früher 
im InLiut zwischen stimmhaften Elementen einstellt als im Anlaut, 
erklärt sich aus demselben Verhältnis zwischen In- und Anlaut,^ 



§ 60.] Hochd. Lautverschielning". Genn. d = hd. d. 81 

das wir in der Tenuisverschiebung wahrnehmen: der schwächer 
articulierte Anlaut der unbetonten Silbe ist dem Wandel mehr aus- 
gesetzt als der der betonten Stammsilbe. 

Anm. Klar gelegt sind diese Verhältnisse von 0. Böhme, 
Zur Kenntnis des Obertränkischen im 13., 14. und 15. Jh. (Leipziger 
Diss. 1893). Die ältere Ansicht vertrat mit grosser Bestimmtheit 
Kräuter, Lautverschiebung S. 42. 78. 93 f., auch Braune § 163 A. 3. 
— Ein ähnlicher Unterschied zwischen An- und Inlaut wie im- Süd- 
fränkischen, d. h. der Mundart südlich vom Wormsf'eld, macht sich 
auch im Schwäbischen und ElsÜssischen bemerkbar. Böhme S. 38 f. 

4. Die nhd. Schriftsprache erkennt im allgemeinen die 
Tennis an; nhd. t entspricht also gerni. d, idg. dA, oder 
wenn grammatischer Wechsel eingetreten ist, idg. t. 

hd. t = g. d im Anlaut, g. daüs F. : ahd. teil M. N.; g. 
daupjan : taufen \ g. daups{d) Adj. : tot', g. diups : tief; g. dragan: 
tragen; g. dreiban : treiben^ g. drigkan : trinken; g. dröbjan : trü- 
ben; g. dübö F.; Taube; g. dwals thöricht : toi. — Inlautend: 
g. hraidü : breit; g. gildan : gelten; g. haldan : halten; g. nadrs M. : 
ahd. ndtara (mit Ablaut) F. Natti'-r; g. ga-raids :be-reit; g. r€dan: 
raten; g. trud an : treten (mit Ablaut); g. undar : unter; g. waldan: 
walten; g. wöds besessen: ahd. wuot Adj. 

Beispiele lur hd. ^ = idg. dh in § 19, b; ferner: ahd. toldoM^ 
mhd. tolde F. Wipfel einer Pflanze (nhd. Dolde) : gr. GdXXuj sprossen; 
ahd. torso, turso M. Stengel : gr. Gupao^. — Inlautend: ahd. wieYo, 
mitu : gr. ^i^eu; ahd. ütar, ütiro M. Euter : gr. ouOap, 1. über; ahd. 
watan gehen, waten : 1. vadere^ vadum. — hd. t = idg. t durch 
grammatischen Wechsel s. in § 23. 

5. In der Verdoppelung wird d überall, auch im Rhein- 
fränkischen, zu t verschoben. Wörter, in denen die Ver- 
doppelung durch j bewirkt ist, sind : g. badi N. : ahd. betti 
Bett; g. ludja F. Angesicht: ahd. ant-lutti N. ; g. midjis : 
ahd. mitti; g. pridja : ahd. dHtto\ g. icadi N. Pfand : ahd. 
wetti, nhd. Wette F.; ebenso in ahd. hutta F. Hütte; ahd. 
sJcutten schütteln. — Kladde ist ndd. Lehnwort. 

60. Abweichungen. — In den meisten Mundarten sind 
gerra. d und das aus germ. p verschobene d (§ 82) zusammen- 
gefallen, und zwar in Mittelfranken und Niederdeutschland 
dadurch, das p zwar zu d, aber d nicht zu t wurde, in ober- 
deutschen Mundarten dadurch, dass sie p über d hinaus zu t 
verschoben, g. dags Tag und pagls Dank werden also mit 

W. WUmanns, Deutliche Grammatik. I. (j 



82 Hochd. Lautverschiebung. Germ, d = hd. d, [§ 61 . 

demselben Anlaut gesprochen; hier dag, dank, dort tac, tank 
(Behaghel, Grdr. § 94, 4). In gewissen Fällen trat auch da- 
durch eine Vermischung ein, dass die stimmlose, aus d regel- 
mässig verschobene Lenis t wieder stimmhaft wurde, also zu 
ihrem Ursprung zurückkehrte (§ 61). Unter diesen Umstän- 
den ist es begreiflich, dass auch die jetzige Schriftsprache 
mancherlei Störungen zeigt; zuweilen finden wir t für germ.py 
viel öfter d für germ. d. Ob eich die Wandelungen des Lautes 
aus unserer Überlieferung genau bestimmen lassen, ist mir zweifel- 
haft. In der mhd. Zeit zeigen die elsässischen Denkmäler d (= 

j germ. d) im Anlaut, west-mitteldeutsche im An- und Inlaut (Whd. § 184. 

I 187 f.), während der Osten den Unterschied be'wahrt. Den vielfach 

schwankenden Gebrauch der späteren Zeit untersucht von Bahder, 

i Grundlagen S. 239—262. Namentlich die oberdeutschen Schreiber 

j bemühen sich vergebens die Gebiete der beiden Laute zu sondern ; 

oft schreiben sie t für germ. />, oder d für germ. d, oder sie drücken 

i den unsicheren Laut durch dt aus. Schliesslich ist es gelungen 

einen festen Gebrauch zu erzielen, doch entspricht er nicht überall 
dem etvmoloffischen Wert der Laute. 

Anm. 1. Über das Zurückweichen des d auf rheinfränkischem 
Gebiet im 14. 15. Jh. s. Böhme S. 66. 

Anm. 2. Die Aufzeichnungen des Sprachatlas lassen die 
Grenze d/t nicht deutlich erkennen, weil die Schreibenden mit den 
herkömmlichen Zeichen verschiedene Vorstellungen verbinden; vgl. 
AfdA. 20, 322 f. Anm. Bremer III, 122. Behandelt sind mit anl. t: 
tot (19, 350), trinken (21, 293); tische (22, 325); mit inl. t : leute (20, 
221), roten (20, 321); alte (21, 277). kalte (21, 279); mit inl. U: bette 
(19, 356). 

Anm. 3. Durch Dissimilation ist t zu k geworden in Kar- 
toffelj früher Tartuffel, it. tartufo, tartufolo, — Unerklärt ist das 
Verhältnis von g. du : ahd. zi, ze zu, und von g. dis- : ahd. zi-, 
zer-, — Über dw : tw^ zWj kw § 85. — Über Schwund und Assimi- 
lation des ^ s. § 158. 

61. Inlautendes d = germ. d. — 1. Schon im Ahd. 
kehrt t nach Nasalen, namentlich nach n zu d zurück, indem 
das t durch eine Art Assimilation den Stimmton des voran- 
gehenden ihm durch die gleiche Zungenarticulation am nächsten 
verwandten n annimmt: bindan fftr bintan, g. bindan. Man 
könnte vermuten, dass in dieser Verbindung das d überhaupt 
unvei-schoben geblieben sei (Whd. § 185), doch müsste dann 
nd grade in den ältesten Quellen am öftesten begegnen, was 



I 



I 



§ 61.] Hochd. Lautverschiebung. Germ. d = hd,d. 83 

nicht der Fall ist (Br. § 163 A. 5). Bei Notker ist der Ge- 
branch bereits durchgeführt , nicht durch orthographische 
Kegelung, sondern nach sorgfältiger Lautbeobachtung. Ob 
der Übergang auf dem ganzen Sprachgebiet erfolgte, mag 
zweifelhaft sein (v. Bahder S. 256), jedenfalls war er weit 
verbreitet, und so ist er auch von der Schriftsprache ange- 
nommen. Germ, np und nd fallen jetzt in nd zusammen. 
Otfried unterscheidet findan (g. finpan) und hintan (g. hin- 
dan)\ fbr uns ist finden : binden ein reiner Reim. 

In den meisten Wörtern, in denen wir nd haben, beruht es 
auf germ. nd, ahd. nt; z. B. binden : g, bindan; blind : g. blinds; 
Ende N. : g. andeis', Feind : g.fijand8\ Grund : g. grundus; Hand; 
g. handu$\ Binde F. : ahd. hinta'^ Hund : g. hund$', hundert : g. 
hund N.; Land : g. land'^ Band : ahd. rant; Binde : ahd. rnnta; 
Sand : ahd. sant-^ Schande : g. $kanda\ schinden : ahd. 8cintan\ 
senden : g. 8andjan\ ge-sund : ahd. gi'8unt\ Sünde : ahd. 8unta\ 
wenden : g. wandjan\ Wind : g. winds\ winden : g. windan; wund: 
g. vmnds; zünden : ahd. zunten^ vgl. g. tandjan. Ebenso in den 
Part. Praes. gebend : g. gibands. — [Auf w/> geht es zurück in 
ander : g. anpar; finden ; g. finPan; Mund : g. munps (dagegen 
FoTMRunc^, Mündel : ahd. mun^ F. Schutz, g. ^munds) ; jßincf : ahd. 
firind; ge-sinde N. vgl. g. ga-sinpa M. Weggenoss; geschwind : g. 
stüinps, — Flunder, Strand, Sund haben Tid als niederdeutsche 
Lehnwörter; aus dem Französischen stammt es in rund, mhd. 
runt(d), frz. rond und blond, mhd. &2un/(c^), frz. bZoncf; dagegen 
in Schindel, 1. scindula war es zunächst verschoben: ahd. scintäla, 
und dann erweicht.] 

Nur in wenigen Wörtern hat sich nt = germ. nd behauptet, 
namentlich in solchen auf -er (vgl. § 141 Anm.): hinter (aber hin- 
dern, ahd. hintar&n täuschen), hinten, unter, unten, munter, Sinter, 
auch Winter, dessen t auf germ. t beruht (§ 52), g. wintrtis. Da- 
gegen sonder : ahd. suntar; Wunder : ahd. wuntar; zunder M.: 
ahd. 2un<ara F. — Durch Systemzwang ist nt hergestellt im sw. 
Prät.; z. B. nannte, kannte, wähnte: mhd. nande, kande, wände, 
und in Ordinalzahlen : siebente, neunte, zehnte : mhd. sibende, niunde, 
zehende, — [Fremdwörter sind: bunt, \,x>^inctus\ entern, ndV enteilen, 
nach Span, entrar \ Flinte, vgl. schwed. flinta Stein, Feuerstein; 
Kante, frz. cant\ kunterbunt zu mhd. kunterfeit = contraf actus; 
Lunte ndl. lont, engl, lunt etc. — Über Ernte s. II § 260 A. 1.] 

Anm. Der Spr. A. behandelt das Wort winter, und Wrede 
<AfdA. 19, 108) bemerkt, dass sich das nt, nd dieses Wortes in fast 
allen Mundarten von dem hd. nt = germ. nd und dem hd. nd = 



Ö4 Hochd. LautverBchiebung. Gi-rm. d = hd. d. [§61- 

genn. np scharf getrennt erhalten hat. ~ Mundartlichen Übergang 
von ndj nt zu ng nimmt Kluge in nhd. schlingen schlucken (Luther)^ 
mhd. slinden, ahd. slintan (vgl. Schlund) an; anders Franck Wb. 894. 

2. Jtlnger und weniger verbreitet ist die Neigung t nach 
l und r zu erweichen ^). Doch hat sich auch hier d in einigen 
Wörtern festgesetzt: Geduld, geduldig, dulden : ahd. giduU, gidul- 
tig^ dxdten\ 6?e/fZ : ahd. g'elt, g. gild (zu gälten); mild : ahd. milti; 
Schild: ahd. seilt, g. skildus; Mulde : mhd. mulde, muolte, mtiolter^ 
ahd. muoltera aus 1. mulctra. In den meisten hat sich U behauptet^ 
obwohl in der kursächsischen Kanzlei Id beliebt war; also: aU^ 
gelten^ iccdten, Getcält, schelten, spalten etc. — Noch weniger 
hat d nach r Wurzel gefasst. Wir haben es in: Herde, ahd. 
Mrta, g. hairda (aber Hirte : ahd. hirti, g. hairdeis); und in dem 
ndd. Bord; sonst gilt rt: Fahrt, Geburt, hart, Garten, Schwert^ 
Warte u. a. 

3. Auch nach langem Vocal ist d sporadisch eingetreten 
(Whd. § 185): niedlich, vgl. ahd. nietsam, as. niudsam ange- 
nehm; Ried, mhd. riet; Waid M., abd. weit'^ Kleinod, mhd. 
Jcleinöt. 

Anm. 1. In Brot, woneben bis in die neueste Zeit Brod galt^ 
ahd. bröt und bröth, lässt sich die Doppelheit auf grammatischen 
Wechsel zurückführen (Br. § 163 A. 6); ebenso in Hürde, mhd. 
hurt PI. hilrte, hürde, ahd. hurt, hurd PI. hurdi, g. haurds F. (Thür)^ 
vgl. 1. crates (v. Bahder S. 244); vielleicht auch in roden, rotten, 
mhd. roden, roten zu riuten, reuten; vgl. § 23, 4 d. 

Anm. 2. Bei Luther ist das d verbreiteter; nach n besonders 
in den Ordinalzahlen siebende, neunde, zehende; im Prftt. von kön- 
nen: künde, auch in hinder, under; nach r in vierde; nach i in cZ- 
dern (alte Form d aus p Br. ahd. Gr. § 163 A. 6), übenceldiget. Dem 
entsprechend zuweilen im Auslaut. Aber auch sonst findet sich d 
für t. Bis c. 1525 schreibt er deutsch, dann aber deudsch, zuweilen 
auch deudlich; vereinzelt Widwe. In disseyt und jenseit weicht seit 
1524 das richtige t immer mehr dem d. Ebenso schwankt brot und 
brod, Rad und rat (radt, rath), stad wird schliesslich die herrschende 
Form für Stadt; häufig ist tod (Adj.), vereinzelt rödlich, tcebd, ge- 
lobd, breudgam (Franke § 81. 82). Neben d ist dt beliebt: bundt, 
kandte. sandte, gesandt, wandte, gewandt, Gefreundte, Emdte, tindte-y. 
radt, nodt, Stadt, stedte, todt, tödten (Franke § 83. 122, 9). — Umge- 
kehrt hat er echtes t für unser d in Kleinote, vereinzelt auch in 
geltis (Geldes), hurten (a. 0. § 86). 



1) Whd. § 185; Paul § 71 A. 1—3; v. Bahder S. 243. 248 f. 



§ 62. 63.] Hochd. Lautverschiebung. Germ, b und g. 85 

62. Anlautendes d = germ. d. Mehrere sind als nieder- 
deutsche Lehnwörter anzusehen: Damm, Daune, deftig, Deich, 
Döbel, Dorsch, Drohne (§ 228), Drossel, Düne. — Andere 
sind gemein-deutsche Wörter: Dampf, dauern (miseret), 
dengeln, Dill, Docke, Dohle, Dolde, Dotter, Drude, ducken, 
Duft, Dult, dumm, Dung, dunkel, Dunst, verdutzt, aher 
verhältnismässig viele von ihnen gehören mehr der Verkehrs- 
ais der Schriftsprache an und daher kommt auch das d', 

(vgl. § 78). — In einigen Fremdwörtern, deren d in der älteren 
Sprache zu t verschoben war, ist d wieder hergestellt: Dammwild, 
1. dama, mhd. täme, ahd. tämo, dämo; dauern (währen), 1. durare, 
mhd. düren und türen; Daus, afrz. doues, mhd. düs, tüs-, dichten, 
1. dictare, mhd. tihten, ahd. tihtön; Dom, 1. domus, ahd. d&m, tuom, 
mhd. tuom; verdoppeln, doppelt, vgl. mhd. doppeln, topelspil. frz. 
double; Drache, l. draco, mhd. trache, ahd. trahho; Dutzend ml. 
dozena, frz. douzaine, mhd. totzen. Erhalten hat sich das deutsche 
t in mhd. tanzen, it. danzare. 

Anm. Luther schreibt abweichend von unserm Gebrauch 
einerseits: tham (Damm), totter, tiimm, tun gen, tunkel und in Fremd- 
wörtern tichter, trache, tum (Dom 1. domus), anderseits doli, draube, 
daumein, dapfer (Franke § 82. 84). 

Germ. 6 und qr. 

63. Trotz der Ausnahmen kann man es doch als Kegel 
ansehn, dass germ. d in der nhd. Schrittsprache zur Tenuis 
geworden ist. Dagegen haben sich germ. 6 und g, abgesehen 
vom Auslaut, ttber den besonders zu handeln ist (§ 146), nicht 
über die Stufe der Media erhoben. Nhd. b, g entspricht 
also im allgemeinen got. b g, idg. bh, gh, oder wo grammati- 
scher Wechsel eingetreten ist, idg. p, k. 

1. hd. 6 = g. ö im Anlaut: g. bayms M. : Baum; g. bairgan : 
bergen; g. balgs M. Schlauch : Balg; g. balps kühn, ahd. bald kühn, 
schnell : bald Adv. ; g. baM N. : Beere; g. batiza : besser; g. bl^san : 
blasen; g. bliggwan stihlfigen : bläuen; g. blöma M. : Blinne F.; g, 
braids : breit; g. briggan : bringen; g. brinnan st. V,, brannjan 
flw. V. : brennen; g. brunjö F. : Brilnne; g. brunna M. : Bminnen; 
g, brusts F,: Brust; g. brüfis F. Schwiegertochter : Braw^. — Im 
Inlaut: g. arbaips F. : Arbeit; g. dreiban : treiben; g. giban : geben; 
g. graban : graben; g. halbs : halb; g. laufs{b) M. : Laub N.; g. skiu- 
ban : schieben; g. stafs{b) : Stab; g. ubils : Übel. 



86 Hochd. Lautverschiebung. Germ, b und g. [§ 63. 

Beispiele für hd. & = idg. hh in § 19, a; ferner: anlautend: 
ahd. bachan backen : gr. (piirfxu ; ahd. ban {nn) M. Gebot, Gerichts- 
barkeit : gr. q>d-aKU), <pr\-^i, 1. fari; ahd. bart Bart : 1. barba; ahd. 
blöjan blähen : 1. /^re; ahd. bläo blau : 1. flavus; ahd. bodam M. 
Boden : 1. fundua^ gr. iruOiiiifiv (Wz. bhudh)\ ahd. öor<5n bohren : 1. 
forare ; ahd. brdtan Braten : gr. irpifiOuj verbrennen (Wz. bhr^dh) ; 
ahd, bräman st. V. brummen : 1. fremere ; ahd. buog M. Bug : gr. 
irf\xu<; (VVz. bhägh). — ,mhd. baue F. M. freier Platz, Rennbahn, Bahn 
und mhd. büenen glätten, bohnen : gr. q>a(vu). — Inlautend: ahd. 
kamb M. Kamm : gr. f6|Lxq)o<; Backzahn etc.; ahd. klivban st. V. 
spalten : gr. TXi3q>w, 1. glubo\ ahd. naba F. Nabe, nabalo M. Nabel : 
gr. ö^q)aXö^, 1. um&o; ahd. nSbul M. : gr. v€q>^Xii, 1. nebula\ ahd. 
UTnbi um : gr. <i>iq)(; ahd. iveban : gr. {iqpaivw. — Beispiele für hd. 
b = idg. p durch grammatischen Wechsel in § 23. 

2. hd. g = g, g\ anlautend: g. gaggan gehn : ahd. gangan\ 
g. gcUga M. Kreuz : Galgen; g. *gails froh, gailjan erfreuen : ahd. 
geil froh, üppig, übermütig; g. gairdan st. V, : ahd. gurten sw. V. 
gürten ; g. gaims verlangend : gern Adv. ; g. ^at(;i N. Landschaft^ 
Gegend : Gau\ g. giban : ^eöen; g. gildan : gelten; g. du-ginnan r 
6c-<7mn6n; g. «yörf* : ^t^; g. greipan : greifen; grundus M. : Grund; 
gups : Gott. — Inlautend: g. bairgan : bergen; baurgs F. : Burg\ 
g. c2a^5 M. : TVz^; g. dragan : tragen; g. fliugan st. V. ifiiegen; g. 
/k^is M. : Fo^ei; g. liugan : ahd. liogan lügen; g. ma^r : ich mag^ 
g. maurgins M. : ahd. niorgan Morgen; g. saurga F. : Sorge; g. 
siggwan : singen; g. ä2^2ä N. : ahd. «i^ri, «i^u M. Sieg; g tuggö F. : 
Zunge; g. *waggö N. (vgl. waggareis M. Kopfkissen) : ahd. wanga 
N., Wange. 

Beispiele für hd. 5r = idg. ^Ä in §19,c; ferner anlautend: 
ahd. .gaZZa F. Galle : gr. xoXf|, 1. /(ßi; ahd. ^ran« F. Gans : gr. xif\y, 
1. anser; ahd. ^rarn N. Garn, Netz, eig. Darm : 1. haru-spex; ahd. 
g^lo gelb : 1. AeZz;^^; ahd. g^sta F. Gerste : 1. hordeum; ahd. g^staron 
Adv. gestern : 1. Äeri, hestemuSj gr. x®^^; ft^id. ^t^w, ginin, geinön 
gähnen : 1. hiare; ahd. gram Adj. zornig : gr. xpöinaöo^ Knirschen. — 
Nhd. Grand M. (ndd., vgl. ags. grindan mahlen) : 1. frendo knirschen 
(Wz. ghrendh), — Inlautend: ahd. buog M. (s. unter 1); ahd. 
igil M. Igel : gr. Ix'^vot;; ahd. gi-lingan gelingen, lungar hurtig, 
schnell, vgl. nhd. lungern : gr. iXacppö^ (Wz. lengh, dazu auch g. 
leihts leicht, ahd. lungun F. Lunge); ahd. springan springen : gr. 
air^pX€a9ai eilen. — hd. flr = idg. k durch grammatischen Wechsel 
in § 23. 

In der Schrift erscheinen also gerni. 6, g unverändert^ 
die Geschichte der Laute aber ist noch nicht genügend auf- 
geklärt; mundartliche Unterschiede treten stark hervor, bald 



§ €4.] Hochd. Lautverschiebung, b, g als Verschlusslaute. 87 

erscheinen sie als Medien, bald als Spiranten, bald als leichte 
Tenues und die Bezeichnung lässt uns oft im unklaren, welcher 
Laut von dem Schreiber gemeint war. 

Da 6 und g ebenso wie d ursprünglich spirantisch ge- 
sprochen wurden, so lag es nahe, die spirantische Aussprache, 
wo sie uns im Hd. begegnet, als treu bewahrten Rest urger- 
manischer Articulation anzuseilen (§ 25 f.); doch lässt sich 
diese Auffassung mit der historischen Überlieferung nicht ver< 
einen. Vielmehr scheint, dass auf dem eigentlich hochdeut- 
schen Gebiet die Entwickelung überall von stimmhaften Ver- 
schlusslauten aasgeht und dass diese später teils zu stimmlosen 
Verschlusslauten, teils wieder zu Spiranten geworden sind. 

h und g als Verschhisslaute. 

64. Bezeichnung. — 1 . Den oberdeutschen Schreibern, 
welche germ. p der veränderten Aussprache gemäss durch ph 
oder pf bezeichneten (§ 40), standen für die Bezeichnung des 
Lautes, der dem germ. h entsprach, zwei Buchstaben zu Gebote, 
6 und p. In den ältesten oberdeutschen Denkmälern ist p das 
gewöhnliche Zeichen ; in einigen findet man nur p\ z. B. poto 
Bote, hapen haben; in den meisten aber p und b nebenein- 
ander, b dringt im Laufe der Zeit vor und zwar früher in 
den alemannischen Quellen als in den bairischen und ent- 
schiedner im Inlaut als im Anlaut. Im Anlaut dauert das 
Schwanken zwischen p und 6 während des ganzen Mittelalters 
fort (Whd. § 159); dagegen inlautendes^ tritt in den aleman- 
nischen Schriften schon im 9. Jahrb., in den bairischen vom 
11. Jahrb. ab zurück; also pote od. bote^ aber haben (Br. 
§ 126, 1-4). 

2. Ganz ähnliche Verhältnisse finden wir bei germ. g. 
Den Schreiben!, welche der veränderten Aussprache gemäss 
germ. k durch ch oder kh bezeichneten (§ 41), standen für 
die Bezeichnung des Lautes, der dem germ. g entsprach, die 
Buchstaben gr, c, k zur Verfügung. Alle drei kommen auch 
vor; doch überwiegt von Anfang an g und drängt k und c 
allmählich ganz zurück. Die inlautenden k, c sind bereits 
vom 10. Jahrh. ab völlig verschwunden; im Anlaut nimmt 



88 Hochd. Lautverschiebung. Notkexs Kanon. [§ 65. 

die Schreibung mit g immer mehr zu und viele der späteren 
ahd. Quellen kennen auch anlautend nur g^ (Br. § 149 A. 6). 
Die Bewegung verläuft also genau in derselben Richtung wie 
die des h, nur kommt sie hier früher 7,u Gunsten des g zum 
Abschluss, woraus sich der Vorteil ergab, dass k nun zur Be- 
zeichnung der Aflfricata oder Aspirata gebraucht werden 
konnte (§ 42). 

3. Aus dem Schreibgebrauch, wie er im Vorstehenden 
angegeben ist, folgt einmal, dass germ. 6 und g in den ober- 
deutschen Mundarten Verschlusslaute waren, denn auf solche 
weisen die Zeichen p, c, A- mit voller Sicherheit; sodann dass 
für die Schreiber ein wesentlicher Unterschied zwischen 6, g 
einei*seits und p, c, Je anderseits nicht bestand. Höchstens 
wäre aus der Bevorzugung von 6 und g im Inlaut zu schliessen, 
dass sie mit diesen Buchstaben die Vorstellung schwächerer, 
mit p, c, k die stärkerer Laute verbanden. 

65. Notkers Kanon. — Genauere Unterscheidung übt 
Nofker. Seine Schriften zeigen, wie bereits J. Grimm ge- 
sehen hat, einen an bestimmte Bedingungen geknüpften Wechsel 
von h und p, g und fc, und ebenso von d und t, wenn germ. 
p zu Grunde liegt. 

Im Inlaut schreibt er immer b, dj g; im Anlaut nur, 
wenn das vorhergehende Wort auf Vocal, Liquida oder Nasal 
ausgeht; dagegen p, t, k: l. nach einer Pause, also am An- 
fang eines Satzes oder Satzteiles ; 2. nach Worten, welche auf 
Verschlusslaute (Tenues und Mediae) oder stimmlose Spiranten 
ausgehen; z. B. Ter hrüoder, ünde des prüoder, Tes köldes, 
ünde demo golde, — Einem ähnlichen Wechsel unterliegt 
germ. /*:«(§ 93. A. 1), aber nicht hd. f, das aus germ. d 
gewonnen ist; dies wird immer durch t bezeichnet: tes fäges 
und temo tage (nicht ddge\ ih tüon und tu tüost (nicht duost); 
Br. § 103. 

Die Grundlage des Gebrauchs, den Notker consequent 
ausgebildet hat, ist bereits in 8t. Gallischen Urkunden des 
8. 9. Ih.'s zu erkennen^); Spuren davon finden sich auch in 

1) Fr. Wilkeus, Zum Iiochalemaimischen Konsonantismus der 
ahd. Zeit (Leipzig 1891) S. 25 f. 



§ 66.] Hoclid. Lautverschiebung. Notkers Kanon. 89 

andern alt- und mittelhochdeutschen Aufzeichnungen , aber ver- 
hältnismässig nicht viele (Br. § 103. Whd. § 155). Sie 
würden jedenfalls öfter hervortreten, wenn alle Schreiber die 
Sorgfalt und Beobachtungsgabe Notkers besessen hätten. 
Schreibern, die nur das einzelne Wort ins Auge fassten, um 
seine Schreibung festzustellen, musste ein Lautwandel, der 
sich nur im Zusammenhang der Rede zeigt, entgehen. 

66. Dass der Gebrauch N.'s nicht eine willktlrliche 
Regelung der Orthographie ist, sondern irgendwie in der 
Sprache begründet sein muss, wird von niemand bezweifelt. 
Aber worin der Unterschied der Laute bestand, ist schwer zu 
bestimmen. Wenn wir den Buchstaben den Wert beimessen 
dürften, den wir in der nhd. Schriftsprache mit ihnen ver- 
binden, so hätte man b, d, g al^ stimmhafte, p^ f, k als 
stimmlose Laute anzusehen. Zwischen stimmhaften Elementen ^) 
hätte N. ft, d, g geschrieben, weil die Laute in solcher Um- 
gebung selbst stimmhaft waren, zwischen stimmlosen p, t, ä*, 
weil sie dort keinen Stimmtou hatten. In seiner Mundart 
-wären die inlautenden 6, rf, g Medien gewesen, die anlautenden 
aber weder Mediae noch Tenues; sie wären als das eine oder 
andere erschienen je nach ihrer Umgebung; ähnlich wie unser 
nhd. ch weder palataler noch velarer Laut ist, sondern nach 
der Natur des vorangehenden Lautes das eine oder das andere 
wird. Wir hätten also anzunehmen, dass in N.'s Sprache die 
Neigung den stimmhaften Lauten &, g, d den Stimmton zu 
entziehen bereits weit um sich gegriffen hatte, aber noch nicht 
unbeschränkt herrschte. 

Aber es fragt sich, ob wir berechtigt sind, mit den 
Zeichen N.'s unsere Vorstellung zu verbinden; ob nicht viel- 
mehr anzunehmen ist, dass germ. ft, g, p in N.'s Sprache wie 
in der jetzigen Mundart stimmlose Laute waren. Dann könnte 
sein Schreibgebrauch nichts anderes bedeuten als die Unter- 



1) Dass die ausl. ö, rf, g nicht wie die Vocale, Liquiden und 
Nasale, sondern wie die stinmiioseu Tenues und Mediae wirken, 
kann nicht befremden, da die Mediae für die Entfaltung des Stimui- 
toncs immer nur geringen Raum geben. Sie können, wenn sie 
auch als stimmhafte Laute einsetzen, doch stimmlos schliessen. 



90 Hochd. Lautverschiebung. Notkers Kanon. [§ 66. 

Scheidung von Lenis und Fortis. Die Sprache hätte sich 
unter dieser Voraussetzung in den Lauten 6 und g von ihrem 
ursprünglichen Zustande weiter entfernt als unter der andern; 
sie hätten den Stimmton überall verloren gehabt und die 
stimmlosen Lenes, die wir zunächst als Vertreter der ursprüng- 
lichen stimmhaften Laute voraussetzen müssen, wären unter 
gewissen Bedingungen : nach einer Pause, nach Verschlusslauten 
und stimmlosen Spiranten, zu Fortes geworden. Für germ. 
^ aber wäre wohl anzunehmen, dass es nie stimmhafter Laut 
geworden war. 

Wie diese Alternative zu entscheiden sein mag: jeden- 
falls zeigt auch Notkers Kanon, dass in seiner Mundart germ. 
6, (/, p Verschlusslaute waren. 

Anm. Die Ansicht, dass Notker ö, </, d stimmlos gesprochen 
habe und durch p, A:, t die Fortis bezeichne, ist von vielen aufge- 
stellt (Behaghel, Grdr. § 58), die entgegengesetzte, dass germ. h, d, 
g in seiner Ma. im allgemeinen noch stimmhaft waren und nur 
unter gewissen Bedingungen stimmlos wurden, ist in neuerer Zeit 
von Wilkens (a. 0.) vertreten; dass sie durch die Erwägungen 
Schild's (PBb. 18, 302 ff.) widerlegt sei, kann ich nicht finden (vgl. 
auch Heusler, AfdA. 19, 42. 21, 26). Ich halte sie auch jetzt noch 
für wahrscheinlich, obgleich ich sie nicht mehr so zuversichtlich 
hinzustellen wage wie in der ersten Auflage. Beide erregen 
Bedenken; bei der ersten scheint mir unerklärt, dass im Satz- 
anfang immer Fortis steht, auch in ganz unbetonten Wörtchen; 
bei der andern befremdet, dass wir die Zeichen jt>, c, k grade in 
den ältesten Denkmälern so oft, in manchen ausschliesslich finden, 
da doch in der ältesten Zeit die stimmhaften Laute auf keinen 
Fall seltner gewesen sein könnten als späterhin. Zur Erklärung 
dieser Thatsache hatte ich nur die unerwiesene Vermutung oder 
Frage, ob vielleicht das oberdeutsche Schri/tsystem von Männern 
ausgebildet wurde, die mit den Buchstaben h und g die Vorstellung 
von Spiranten verbanden und sie deshalb als Zeichen für Ver- 
schlusslaute verwarfen. Über den ausgedehnten Gebrauch, den die 
Bezeichnung des germ. g durch c und k — durch k namentlich 
vor e und t, dann vor a, zuletzt vor o und u — fand, s. Kauffmann, 
Germ. 37, 249 f. 

Anm. 2. Ahnliche Sandhierscheinuugen, wie sie Notkers 

Schriften bekunden, sind auch in lebenden Mundarten beobachtet. 

Den Wechsel stimmhafter und stimmloser Laute erwähnt von Bah- 

der S. 226; den Wechsel von Lenis und Fortis S. 241; vgl. auch 

j Schild, Brienzer Mundart I (Liestal 1891. Göttinger Diss.) S. 26 f. 



I 



§ 67—69.] Hochd. Lautverscliiebung. b, g als Spiranten. 91 

— Über die Schwierigkeit Lenis und Fortis in den lebenden Mund- 
arten zu unterscheiden vgl. Fischer, Geogr. § 51. 

67. Im Oberfränkischen (Ost- und Rheinfränkischen) 

sind 6 und g an allen Stellen des Wortes die gewöhnlichen 
Zeichen für germ. 6 und g\ z. B. garto Garten, geban geben^ 
gurten gürten, sagen sagen, angust Angst, magad Magd, 
badön baden, brunno Brunnen, lobön loben, Jcolho Kolben etc. 
Man hat keinen Grund diesen b und g eine andere als die 
jetzt übliche mediale Aussprache beizumessen. Germ. 6 und g 
sind hier also Verschlusslaute wie im Oberdeutschen, doch 
haben dieselben nicht die Verschiebung zu stimmlosen Lauten 
erlitten. 

b und g als Spiranten. 

68. Spuren spirantischer Aussprache von germ. 6 und 
g begegnen auf eigentlich hochdeutschem Gebiet in den ältesten 
Denkmälern fast gar nicht, aber je länger um so mehr. 

Spirantische Aussprache des inlautenden h ist fUr das 
Mittelfränkische früh durch die Schreibung v gesichert; 
z. B. selvOy erve, leven, belive, ergeven. Auch in einigen aus 
den nördlichsten Teilen der oberfränkischen bez. mitteldeut- 
schen Mundarten stammenden Quellen findet sich dies inl. t?; 
(Br. § 134 A. 1). Später im südlichen Franken, dem Mosel- 
lande, Hessen, Thüringen und im Osten; (Whd. § 176). — 
Für das B airische bekundet der häufige Wechsel von b und 
w in Schriften des 15.— 16. Jahrh. seine nahe Berührung mit 
dem Spiranten ; z. B. ban^ berden, bort für wan, werden, wort ; 
offenwär, erwcer, gewurt für offenbar ^ erbcere, gehurt \ (Whd. 
§ 159. 178). — Auch Helber S. 5 bezeichnet das in- und aus- 
lautende b als einen linden Laut, fast wie w, das anlautende 
aber als einen starken, fast wie p. Auf stimmhafte Aussprache 
lässt die Berührung mit w nicht schliessen, da w selbst stimm- 
haft und stimmlos sein kann. 

Anm. Wie im Rheinfränkischen die spirantische Aussprache 
des inl. b Fortschritte gemacht hat, bekundet der Wechsel von inl. 
w mit ausi. p^ b. Böhme S. 41. 

69. Auf spirantische Aussprache des g weist einerseits 
seine Bezeichnung durch A, cA, gh, anderseits die Verwendung 
des Zeichens g für die Laute A, cA, und j hin. Doch ist aus^ 



92 Hochd. Lautverschiebung', g als Spirans. [§ 69. 

der Schreibweise nicht unmittelbar auf die Aussprache zu 
schliesseu. Denn eine genaue phonetische Schreibung giebt es 
nicht; oft bezeichnen die Buchstaben nur ver\\'andte, nicht 
identische Laute. 

Ä : gr. — Einen ziemlich zuverlässigen Beweis für die 
spirantische Aussprache des g giebt der Gebrauch von A für 
g oder von g für A. Denn da A Spirans ist und nur in sel- 
tenen Fällen in Vcrschlusslaut übergeht (§91 f.), lässt der 
wechselseitige Gebrauch von g und A im allgemeinen sich 
nicht anders verstehen, als dass die Schreiber mit g die Vor- 
stellung eines spirantischen Lautes verbanden. In der älteren 
Zeit aber fehlt dieser Gebrauch fast ganz. — Wäre, wie man 
gewöhnlich annimmt, inl. g als stimmhafte Spirans gesprochen, 
80 wäre in den Denkmälern, welche dem stimmhaften Laut 
im Wort- und Silbenschluss den Stimmton entziehen, A sein 
natürlicher Vertreter im Auslaut {ta^e : tah)\ aber dieses A 
findet sich sehr selten, und mit Recht schliesst Jellinek (PBb. 
15, 268 f.) daraus, dass g eben keine Spirans war. Aus der 
Litteratur des 9. Jahrh. werden nur zwei Beispiele angeführt: 
genäthih im Augsb. Gebet und icirdih in den Hymnen (Br. 
§ 148 A. 1. § 149 A. 5). Auch die spätere Zeit bietet wenige 
Beispiele (Whd. b. Gr. § 196. a. Gr. § 223. Jellinek a. 0.). 

Die umgekehrte Bezeichnung von germ. A durch g ist 
den ahd. Denkmälern gleichfalls fremd; erst in einigen spä- 
teren fränkischen Denkmälern, wie im Arnsteiner Marienl. 
findet sich ausl. g für A : nogr, darg^ sag, gescag; (Br. § 154 
A. 3). und so pflanzt sich der Gebrauch durch die nihd. 
Zeit fort (Whd. § 224. 226). Für die Gebiete, in denen er 
stattfindet, ist spirantische Aussprache des g anzunehmen. 

Auch Keime zwischen ausl. A : g beweisen die spiran- 
tische Aussprache, vorausgesetzt dass die Dichter genau reimen 
(Whd. § 234. 237; vgl. unten § 91 A.). 

Anm, 1. Die beiden Belege aus dem 9. Jahrh. darf man, 
obwohl sie vereinzelt dastehn, nicht als Schreibfehler verwerten: 
Beide betreffen die f]ndung -ig-^ der Consonanj; der schwach betonten 
Silbe hinter dem Vocal, der am entschiedensten palatale Aussprache 
wirken niusste, wurde zuerst als Spirans aufgefasst. Auch später 



§ 70.] Hochd. Lautverschiebun«^. g als Spirans. 93 

nimmt diese Endung eine Ausnahmestellung ein. In den Wiener 
Predigten des 13. Jahrb., die Jellinek S. 272 untersucht, kommt aus- 
lautendes g 152 mal vor, nur dreimal wird es durch h bezeichnet 
in ledihy hcßiUh^ .scelih] nur in dieser Endung Iflsst Luther ch zu: 
sandich, untcrthenicK widdersinnich^ einicher^ einicherlei\ (Franke 
S 108); und auch lebende Mundarten, die sonst Verschlusslaut 
sprechen, haben in dieser Endung die Spirans (Behaghel Grdr. 
§ 82, 3. § 90, 1. Fischer, Geogr. S. 64). — Ob auch der Schwund 
des inl. <y, dem wir gleichfalls in der Endung -ig schon früh im 
Ahd. begegnen (z. B. innewendiun, üzzenewendiun^ predioriy bimu- 
niun^ gnädie Er. a. 0.) spirantische Aussprache beweist, ist zweifel- 
haft; jedenfalls beweist er die schwache Articulation, in der die 
Unterscheidung von Verschluss- und Reibelaut unterging. 

Anm. 2. In Verben mit grammatischem Wechsel konnte g 
für h natürlich auch durch Formübertragung eintreten; so in nhd. 
T^og, zogen = mhd. zöh^ zugen\ schlagen, geschlagen = mhd. slahen^ 
geslagen. — So sind vermutlich die wenigen Formen aufzufassen, 
in denen bei Luther, abweichend von unserem Gebrauch, g für h 
erscheint (Franke § 101): flog, (flöge, flöge) = floh iflöhe); zeugt 
= zeucht, zieht; denn auch von fliehen kommen im Mndd. und 
Mndl. Formen mit grammatischem Wechsel vor. Die Formüber- 
tragung konnte sich unabhängig von der spirantischen Aussprache 
des g vollziehen, wurde aber durch sie begünstigt. 

70. ch : g. — Schon früh und nicht selten wird aus- 
lautendes g durch ch bezeichnet: z. B. mach, tach, ginuachy 
burch, warchy junch (Br. § 149 A. 5. § 148 A. 1). Doch 
beweist diese Schreibweise nicht ohne weiteres spirantische 
Aussprache des aus- und inlautenden g. Unbedingt ausge- 
schlossen ist die Annahme für solche Denkmäler, welche die 
auslautende Spirans, mag sie germ. h oder k sein, durch h 
bezeichnen; z. B. aehen sah, sprechen sprah. In ihnen muss 
cA = genn. g einen andern Wert als die Spirans ausdrtlckcn, 
vielleicht wie Jellinek (PBb. 15, 268 f. ZfdA. 36, 77 f.) an- 
nimmt, eine Affricata. In andern Denkmälern ist die Annahme 
möglich, wenn auch an und für sich nicht notwendig. — In 
der mhd. Zeit finden wir ch = g oft im Auslaut und vor ty 
wo g seinen Stimmton verliert, z. B. lach lag, tach Tag, 
flouch flog, volchten folgten, gesachte sagte; namentlich in 
nid. Schriften, hier zuweilen sogar im Inlaut zwischen Vocalen 
(Whd. § 235. 237): dache Klage, versache versage, bescmders 
in der Endung -ich (vgl. § 09 A.). 



S4 Hochd. LaTitverschiebung. g als Spirans. [§ 71. 

g fttr ch (=germ. Tc) findet sich gleicbfalls in md. Denk- 
mälern; log Loch, wtroug Weihrauch, ig ich, dig dich, spräge 
Sprache, breige bräche u. a., ebenso wie inl. ch fttr g nament- 
lich in Ripuarien (Whd. § 223. 226). Auch Luthers Schriften 
zeigen einige Spuren (§ 49 Anm.). 

Reime zwischen ausl. ch : g begegnen sowohl bei ober- 
als mitteldeutschen Dichtem (Whd. § 234. 237). 

Anm. 1. Dass g für ch auch die ihres Reibungsgeräusches 
«ntblösste Afifricata bezeichnen, kann, ist § 50 bemerkt. 

Anm. 2. Jellineks Annahme, dass ch in den Denkmälern, in 
denen es den Wert der einfachen Spirans nicht haben kann, die 
Affricata bezeichne, liegt am nächsten; auch würde sie einige auf- 
fallende h für g nach Consonanten erklären, zumal nach n in Wör- 
tern wie vanhntissid^f Adalunh, Ratinh^ vielleicht auch in Ellan- 
purh, Heilpurh, Isinpurh, Ililtipurh (Whd. b. Gr. § 196, a. Gr. § 223); 
diese consonantischen Verbindungen wären durch Unterdrückung 
des Verschlusseinsatzes erleichtert (vgl. § 50). Aber da man beim 
k gerade im Auslaut Abneigung gegen die AfTrication wahrnimmt, 
scheint mir die Annahme eines affricierten g nicht unbedenklich; 
ungerechtfertigt ist es jedenfalls, sie auch für solche Denkmäler 
aufzustellen, welche ch für h brauchen, und ganz unwahrscheinlich 
dünkt mich die Behauptung, auch das inl. ^, dieser schwache, nie 
positionbildende, leicht verklingende Laut sei eine Affricata gewesen 
<vgl. dagegen Jellinek ZföG. 1893. S. 1086 f.). 

71. g : j. — j wird im Ahd. vor e und i in der Regel 
durch g, vor allen andern Vocalen durch i bezeichnet; z. B. 
gihuj gehan aber iahj iähun (§ 127). Es liegt nahe^ daraus 
zu schliessen, dass j und g vor e und i in der Aussprache 
nicht unterschieden waren; aber wäre dies der Fall, so mtiss- 
ten, da der erwähnte Schreibgebrauch überall und fast allge- 
mein gilt, die Laute in der Sprache überhaupt zusammenge- 
fallen sein ; während die Entwickelung der Schrift und Sprache 
zeigen, dass sie, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, geson- 
dert blieben. Es kann also das Zeichen ^ nicht gewählt sein, 
weil j mit g identisch war, sondern weil es von allen Zeichen 
des Alphabetes am geeignetsten schien, den consonantischen 
Klang, der sich aus dem Halbvocal i entwickelte, zu be- 
zeichnen. Erst in jüngeren Mundarten rückten die Laute ein- 
ander näher (§ 128). 



§ 72.] Hochd. Lautverschiebung, g als Spirans. 95 

72. gh : g. — Im Isidor und in einigen andern Denk- 
mälern finden wir vor folgendem e nnd i gh geschrieben, 
und zwar im Is. regelmässig im Anlaut: ghibu, gheba aber 
gab; bighinnan aber bigunsta etc.; im Inlaut wechselnd mit 
g : berghe od. bi^rge, arstigit neben araughit, üreprünglich 
war dies gh wohl in Aufnahme gekommen, weil die Romanen 
dem g vor e und i eine von dem deutschen g abweichende 
spirantische Aussprache gaben ; das h wurde dem g wie noch 
jetzt im Italienischen hinzugefttgt, um dem g den Wert des 
Verschlusslantes zu sichern^), und ist in diesem Sinne im Is. 
gebraucht; dena dass gh hier den Verschlusslaut bezeichnet, 
scheint zweifellos, da dem inl. g oder gh ein ausl. c entspricht. 
Später aber ändert sich dies. Indem das Zeichen auf Mund- 
arten übertragen wurde, die g spirantisch sprachen, erwuchs 
ihm die Bedeutung eines palatalen spirantischen Lautes, eines 
weichen icA-Lautes. Die ndfr. Belege für diesen Gebrauch 
reichen bis in das 9. Jahrh. hinauf; später finden wir ihn im 
Leidner Williram (z. B. honigh^ einigh)] in mhd. Zeit nament- 
lich in Ripuarien und benachbarten Strichen, im Anlaut ge- 
wöhnlich nur vor e und i, im Inlaut auch sonst (Franck mndl. 
Gr. § 9. Whd. § 222. 223). 

Antn. 1. Warum der Schreiber des Is. nur im Anl. seine 
Kegel streng beobachtete, im Inl. aber bald g^ bald gh schrieb, ist 
nicht sicher zu erkennen ; blosse Nachlässigkeit kann es nicht sein. 
Vielleicht schien das unterscheidende Zeichen hier weniger erfor- 
derlich, teils weil benachbarte Laute dem g seine Aussprache 
sicherten, teils weil inl. g wirklich dem j näher stand. In den 
unbetonten Ableitungssilben -eg, -ig, in denen der Laut besonders 
schwach war, kommen auf 11 ^ nur 8 gh (in dem Worte heilac 
auf 8 g nur 3 gh); in der Verbindung ng, in welcher das g gleich- 
falls schwach war — es ist jetzt verschwunden (§ 80) — auf 14 ng 
nur 6 ngh (in dem Worte angil auf 9 g nur 1 gh); sonst ist da- 
gegen ein zu betonter Stammsilbe gehöriges g nur 17 mal durch 
g, 39 mal durch gh bezeichnet. — In ganz anderer Weise sucht 
Kögel (AfdA. 19, 223 f.) den Schreibgebrauch im Isidor zu erklären. 

Das Resultat ist, dass im Ahd. Beweise fUr spirantische 
Aussprache des g fast ganz fehlen. Dann aber finden wir sie 



1) MSD. S. XXV. Kauffmann, Germ. 37, 248 f. 255 f. 



96 Hochd. Lautverschiebung. 5, g in jetziger Aussprache. [§ 73. 74. 

zahlreich, namentlich im Fränkischen. Ickelsamer (an» 

Rotenburg an der Tauber) giebt dem g schlechthin den Wert 

eines Reibelautes (Orth. S. 39 A. 3). 

Anm. 2. Der Dichter des Meier Helmbrecht setzt v. 704 für 
sagent (dicitis) ein falsch gebildetes niederdeutsches sakenf, sprach 
also im Inlaut j. 

Jetzige Aussprache. 

73. Die Verschiedenheiten in der Aussprache von b 
und g setzen sich bis in unsere Zeit fort, nicht nur in den 
Mundarten, sondern auch in der Gemeinsprache. Über diese 

teilt Trautmann § 999— 1002. 1024-1027 folgende Beobachtungen mit: 
Anlautendes b ist: Verschlusslaut, a. stimmhaft in 
Norddeutschland, in Schlesien und in dem Striche der Rheinprovinz, 
der die Städte Aachen, Düren, Köln, Bonn einschliesst. — b. stimm- 
los in Süd- und Mitteldeutschland. 

Inlautendes ö ist: 1. Verschlusslaut, a. stimmhaft im 
Norden und in Schlesien. — b. stimmlos in einem Teil des Südens^ 
namentlich auf schwabisch -alemannischem Gebiet. — 2. Reibe- 
laut a. stimmhaft im Mittellande und in dem ^rössten Teil de» 
südöstlichen Deutschlands, b. stimmlos im südlichen Rheinlande 
(Strassburg, Freiburg). Vj^l- Fischer, Geog^r. § r2. v. Bahder, Grund- 
lagen S. 220 f. 

74. Viel mannigfacher ist die Aussprache des gr; zu 

den Unterschieden von stimmhaftem und stimmlosem, Verschluss- 
und Reibelaut kommt hier die namentlich bei den Reibelauten deut- 
lich vernehmbare Verschiedenheit der Articulationsstelle hinzu. 

Anlautendes g ist: 1. Verschlusslaut, a. stimmhaft 
(gut) in Meklenbur^, dem nördlichen Pommern, Rügen, Holstein 
und dem grössten Teil der Provinz Hannover; ebenso in Schlesien. 

— b. Stimmlos {cut) im Süden und dem grössten Teil des Miitel- 
landes, namentlich in Obersachsen, dem Vog-tlande, Nassau und Ober- 
hessen. 2. Reibelaut, a. stimmhafter Velar (jtä) in Friesland. 

— b. stimmloser Velar {chut, mit ach-Laut) in fast ganz West- 
falen, angrenzenden Teilen der Rheinprovinz und in Schleswig. — 
c. Stimmhafter Palatal (Jut) im Maprdeburgischen, der Provinz 
Brandenburg, grossen Teilen Pommerns und vielfach in Ost- und 
Wehtpreus.sen; — ebenso in der Gebend Aachen-Düsseldorf-Köln- 
Bonn. — d. Stimmloser Palatal {chut mit ich-Laut) im Göttingi- 
schen, in Strichen am Niederrhein {Krefeld ?) und nördlichen Teilen 
des Mittellandes, so im Mansfeldischen und Hallischen. — In Ost- 
preussen endlich wird vor a, o, ii und Consonanteu stimmhafter 
velarer Laut gesprochen {jut)^ vor e und i stimmh. palataler {Jeben), 



§ 75.] Hochd. Lautverschiebung. Musterg-ült. Aussprache von 6, g, 97 

Inlautendes g ist: 1. Verschlusslaut, a. stimmhaft 
{lagen, legen) in Meklenburg mit Ausnahme des Südostens, in Hol- 
stein, dem grössten Teil der Provinz Hannover und in Schlesien. 
— b. Stimmlos {laken^ leken) im Süden (vgl. aber Fischer, Geogr. 
§ 54). — 2. Reibelaut, stimmhafter Velar {lajen, lejen) in 
Friesland, Westfalen und Teilen der nördlichen Rheinprovinz, d. i. 
in dem Gebiet, das anlautendes g als stimmhaften oder stimmlosen 
Velarlaut spricht. — 3. Im übrigen hängt die Unterscheidung von 
Velaren und palatalen Spiranten von den vorangehenden Lau- 
ten ab, die ersteren gelten nach a, o, u, aUj die andern nach c, e, 
äj öy ilj eiy eu, äu, i, r, und zwar a. stimmhaft {lajen, lejen) im 
niederdeutschen Teile der Provinz Sachsen, in der Provinz Bran- 
denburg, im südlichen Teile sowie wohl in allen Städten Pommerns, 
in Ost- und Westpreussen und Teilen Hannovers; ferner in einigen 
nördlichen Strichen des Mittellandes, so im Mansfeldischen und An- 
haltischen; in der Gegend Aachen-Düsseldorf-Köln-Bonn; in nörd- 
lichen Strichen des Südwestens. — b. Stimmlos {lachen^ lecken) 
im Mittellande. 

Anm. Über die Mundarten s. Behaghel, Grdr. § 81. 82. — 
Der Spr. A. verzeichnet die Grenze für ausl. f {w) b in dem Imp. 
bleib (AfdA. 21, 282) und in korb (eb. 21, 267;; die Verschieden- 
heiten in der Aussprache des g gestatten die Angaben nicht örtlich 
zu fixieren; behandelt ist fliegen (AfdA. 21, 284 f.). 

75. Mustergültige Aussprache. — Im gemeinen Gebrauch 
stehen die stimmhaften Verschlusslaute nur auf einem sehr 
kleinen Gebiete; nichts destoweniger unterliegt es keinem 
Zweifel, dass sie im allgemeinen als die normale correcte Aus- 
sprache angesehen werden, unbedingt anerkannt ist diese 
Aussprache für 6; über g gehen die Ansichten noch ausein- 
ander, doch schränken die, welclie sich einer dialektlosen 
Aussprache befleissigeu, auch hier die spirantische Aussprache 
sehr ein. Für die Mitglieder der königlichen Theater ist 1887 
angeordnet, dass der Buchstabe g im allgemeinen als leichter 
8chlaglaut gesprochen werden soll {Gotty Tag, Balg, kargt, 
siegt, Jagd)', in der Verbindung ng {fing, fangen) „nur kaum 
anschlagend" (§ 80); als Spirant nur in der Endung ig, wenn 
g im Auslaut steht {König, Königreich), oder das vorangehende 
i synkopiert ist {eicge), also nur in der Endung, wo wir zuerst 
spirantische Aussprache nachweisen können (§ 69 A. 1). Mir 
seheint diese Anordnung nicht unbegründet; als durchaus ver- 
fehlt bezeichnet sie Victor S. 169; vgl. Orth. S. 38. 

W. Wümanns, Deutsche Grammatik. I. 7 



98 Hochd. Laut vei Schiebung. Germ, bh, gg. [§ 76. 

Verdoppelung. 

76. Die verdoppelten b und g neigen mehr zur Ver- 
schiebung als die einfachen, aber doch weniger als der ent- 
sprechende dentale Laut d. Während die einfachen 6 und g 
inlautend im allgemeinen nicht über stimmhafte Verschlusslaute 
hinauskommen, vielfach zur Spirans hinabsinken, erscheinen 
sie in der Verdoppelung durchaus als Verschlusslaute; aber 
während das verdoppelte d auf dem ganzen hochdeutschen 
Gebiet zu stimmlosem tt wird (§ 59), werden 6 und g nur im 
Oberdeutschen zu stimmlosen Verechlusslauten, im Fränkischen 
erscheinen sie als stimmhafte. In den oberdeutschen Mund- 
arten wird also im allgemeinen pp, ck (Jck cc) geschrieben; 
im Fränkischen 66, gg\ z. B. ahd. stuppi, stubbi N. Staub : 
g. stubjiis M.; ahd. hucken, huggen : g. hugjan denken. Doch 
begegnet gg nicht selten auch auf schwäbisch-alemannischem 
Gebiet*). 

Im Nhd. gilt, soweit die Verdoppelung beibehalten ist, 

im allgemeinen wie beim d stimmloser Verschlusslaut. Bei- 
spiele, in denen die Verdoppelung durch j hervorgerufen ist; pp: 
ahd. krippa F. Krippe, as. kribbia zu mhd. krtl)e F. Korb; ahd. 
rippa F., rippi (ribi) N. Rippe (Luther Riebe) aus germ. *rifit;a-; 
ahd. sippea, sippa F. Sippe, g. 8ibja\ ahd. uppi unnütz, leichtfertig, 
tipptg, ubbtg, nhd. üppig aus germ. *tibja-; nhd. Schneppe F. 
Schnauze einer Kanne, verhochdeutscht aus ndd. snebbe, zu ndl. 
sneb Schnabel, dazu auch nhd. schnippisch, ndl. snebbig, snibbig, 
— ck: ahd. brucka F. Brücke (vgl. den Ortsnamen Brügge) aus 
germ. *brugj6-; ahd. ecka F. Spitze, Schwertschneide, nhd. Ecke, 
as. eggia (vgl. 1. acies); ahd. hecka, hegga F. Hecke zu Hag M.; 
ahd. hrucki M. Bücken, as. hruggi\ ahd. lucka F. Lücke (schweiz. 
lugg) aus *lugjö\ ahd. mticka, mugga F. Mücke, as. muggia; ahd. 
wecki M. Keil, keilförmiges Gebäck, nhd. Weck aus germ. wagja-. 
Andere Belege in § 136. 

Die Wörter mit 66, gg sind meist niederdeutsche Lehnwörter 
der nhd. Schriftsprache: Ebbe, Knubbe, Krabbe, Robbe, Bagger, 
Dogge, Flagge u. e. a. (§ 136). Auffallend ist eggen, Egge; in 
dem Verbum ahd. mhd. ecken, egen aus *agjan sollte man nhd. 
igen erwarten (vgl. § 138); als Subst. gilt ahd. egida, mhd. egede, 
mndd. egede, eide\ die Form egge begegnet in schwäb.-alem., aber 
auch in ndd. Mundarten (ndl. egge, eg, mndl. egghe). In Roggen 



1) Br. § 148 A. 3. § 135 A. 1. Whd. § 160. 162. 221. 225. 



-§ 77. 78.] Hochd. Lautverschiebung, b zu p. 99 

hat die Schreibung lange zwischen gg und ck geschwankt, den Sieg 
des gg hat der Wunsch entschieden, das Wort von Bocken (colus) 
«u unterscheiden, flügge verdankt sein gg der Verwandtschaft mit 
fliegen. [Von dem mit j-Suffix gebildeten flügge ist eine ältere Bil- 
dung zu unterscheiden: ahd. flucchi^ mhd. vlücke deren ck auf Assi- 
milation eines ableitenden n beruht; § 135,2a.] 

Jüngere Entartungen. 

77. Trotz der nahen Berührung, in welche auf einem 
gössen Teil des Sprachgebietes b und g einerseits zu den 
stimmlosen Verschlusslauten, anderseits zu den Spiranten treten, 
hat unsere Schriftsprache die ursprünglich geschiedenen Laute 
doch ziemlich gut auseinander gehalten. Denn ä; unterscheidet 
«ich von gy auch wenn dieses stimmloser Verschlusslaut ge- 
worden war, durch die Aspiration (§ 42) ; ch und f von dem 
spirantischen g und b durch den ]&Iangel des Stimmtones; j 
und w dadurch, dass sie zunächst Halbvocale waren, die erst 
allmählich zu Spiranten werden (§ 115. 127); nur der AuflFas- 
-Bung des b als p stand nichts im Wege, da altes p zu pf 
oder/* verschoben war; dieser Übergang hat daher am öftesten 
statt gefunden. 

78. Stimmlose Verschlusslaute für 6 und g. 

1. b : p. Der willkürliche Wechsel zwischen 6 und p, 
der bereits im Ahd. herrscht (§ 64), dauert in oberdeutschen 
namentlich in bairischen Schriften durch das Mittelalter bis 
in die neue Zeit und dringt, gefördert durch die kaiserliche 
Kanzlei, auch nach Mitteldeutschland vor. In Luthers älteren 
Schriften finden wir gegen vierzig Wortstämme, die öfter mit 
anlautendem p für 6 geschrieben werden ; z. B. peychty prauchj 
mispi'auch, pass, peste, gepew (Gebäu), gepeet u. a. Doch 
schon von 1521 — 1529 verschwindet p in den meisten, schliess- 
lich sind nur Pusch und Püffel übrig und -purg in Zusammen- 
setzimgen wie Augapurg^ Regenspurg, Wirtzpurg, Marpurg 
(Franke § 73). Von mitteldeutschen Mundarten, welche den 
Unterschied zwischen der Media b und der Tennis p festge- 
halten hatten, ging die Sonderung der Zeichen aus; nach 
langem Schwanken ist ein ziemlich feststehender Gebrauch 
erzielt; s. v. Bahder, Grundlagen S. 224 — 238. 



* » 



• o 



100 Hochd. Lautverschiebung. 6 zu p. [§ 78. 

p ist namentlich in solche Wörter gedrungen, die nicht 
zu dem alten und geläufigen Stammgut der Schriftsprache ge- 
hören. Nicht wenige sind Fremdwörter: Panier^ mhd. panier, 
banier, frz. banüre; pauschen und bausen, erst nhd. nach frz. pon- 
cer durchpausen und ebaucher entwerfen; Pavian^ ndl. bavian\ 
Pedell, mlat. bidellus und pedellus, it. bidellOy aus ahd. bital\ Pickel- 
hanhey mhd. beckenhübe, mlat. bacinetum; Pilz, mhd. bülez^ ahd. 
bulizj 1. boletiLs; Pokal, it. bocc(de; Posaune, mhd. bu^üne, basüne, 
afrz. ftm^me; prassen, ndl. brassen schwelgen; ebenso in den sla- 
vischen Wörtern Peitsche, Pekesche, Plinze, Popanz, vielleicht auch 
Preiselbeere. — Unter denen, die keine Fremdwörter sind oder als 
solche sich nicht nachweisen lassen, treten besonders onomato- 
poetische Bildungen hervor: päppeln, vgl. ndd. 6a66cZn, i'rz.babiller\ 
plappern, vgl. mhd. blepzen, ahd. blabbi^ön, nhd. ndl. blaffen; 
plärren, mhd. blerren, bUren, ndl. bldren, egl. öZarc; plaudern, mhd. 
plüdern, bläderen, blödem; poltern, sp, mhd. buldem; prasseln^ 
mhd. prasteln, brasteln zu mhd. brasten, ahd. brastön krachen. 
Andere sind keine onomatopoetischen Bildungen oder werden 
wenigstens nicht mehr als solche gefühlt: Plane, Planwagen, 
mhd. blähe-, pochen auf etwas trotzen, mhd. bochen sw. V., boch{e) 
M. Prahlerei (wohl verschieden von pochen klopfen); Polster, mhd. 
polster, bolster, ahd. bolstar; prägen, mhd. brcechen, preschen, ahd. 
brähhen (anders Franck a.v.prachen); Pritsche zn Brett {?)-, Prilgely 
sp. mhd. brügel Knüttel; Puckel M.Rücken, aus mhd. öwcfccZ (? vgl. 
Franck, Notgedrungene Beitr. S. 23A.); purzeln, mhd. burzen, bur- 
zeln vermutlich zu mhd. Bürzel (bei Luther Pirtzel); pxUzen, sp. 
mhd. butzen. Ungewiss ist die Herkunft von Pauke, mhd. püke, 
büke; Posse^ mnd. putze, pusse, ndl. poets, pots\ Pudel. — Da im 
Ahd. und Mhd. auch b für p eintreten kann (§ 53), so beweist ein 
älteres b nicht immer, dass b der ursprüngliche Laut ist. Auch 
ist wohl möglich, namentlich bei onomat. Bildungen, dass selbstän- 
dige Bildungen mit schwachem und starkem Anlaut, nach gewöhn- 
licher Ausdrucksweise also Wurzeln mit p und b, neben einander 
standen; vgl. Franck a. 0. 

Im Ganzen scheint die Feststellung der Orthographie durch 
willkürliche Entscheidung gewonnen, doch haben sich auch laut- 
liche Einflüsse geltend gemacht. Besonders fällt auf, dass verhält- 
nismässig viele dieser Wörter mit pl und ;jr anlauten; vor folgen- 
dem Consonanten trat am leichtesten Unsicherheit ein (vgl. § 53). 
Auch in Mundarten, welche den Unterschied von b und p fest- 
halten, ist ein Teil der anlautenden Medien in Tenuis übergegangen 
(von Bahder S. 226 f.). — Luther schreibt manche Wörter, die wir 
mit p schreiben, mit bi bracht (später öfters Pracht), brangen. 



§ 79.] Hochd. Lautverschiebung. Genn. b zu f. g zu j. 101 

brassen^ brasseln^ banier^ baucke (selten panier, paucke)^ basaune 
(Franke § 68). 

Inlautendes^ für b zeigt Wampe neben Wamme (g. wam,ba) ; 
Haupt (mhd. houbet, Luther: haubt) in Folge der Synkope des e; 
in empor ^ Wimper^ semperfrei ist p durch Assimilation entstanden 
<§ 161); in mehreren anderen unter dem Einfluss der Ableitungs- 
silben -et, -er (§ 141, 2. 3). 

2. k für anlautendes g tritt schon im Abd. zurück und 
hat keine wesentliche Spur in der Schriftsprache hinterlassen 

{knan^ knän =^ mh^, genanne aus ge-namne Namensvetter). Luther 
schreibt noch kauckelUf kucken und nach weit verbreitetem Ge- 
brauch entkegen, kegen, kegenwertig, wo das k auf Assimilation 
beruht (§ 161); wir sehreiben diese Wörter jetzt mit g\ nur kucken 
für gucken, mhd. gucken, gucken, ein Wort von dunklem Ursprung, 
ist ziemlich verbreitet. — Über g in Kuckuk s. Kluge, Wb.; über 
andere ^ für fc § 53, 2. 

Auslautendes k für g hat Mark (medulla), mhd. marc G. 
marges (vgl. ausmergeln). — Über andere Wörter mit ki g s. § 141, 
2. 3. § 142, 1. § 143, 3 1. 

79. Spiranten für b und g, — In einigen Wörtern ist 
unter mundartlichen Einflüssen, namentlich niederdeutschen, 
statt des gewöhnlichen hochdeutschen Verschlusslautes b im 
Inlaut die Spirans zur Geltung gekommen; aber nicht stimm- 
haftes 6, sondern stimmloses /; doch ist, da der Wechsel f : b 
auch andere Gründe haben kann (§97), nicht immer sicher 
anzugeben, ob eine mundartliche Vertretung von 6, 6 durch f 

anzuerkennen ist. Hafen M., ndd. Jiaven, mhd. habe, habene F.; 
Hafer M., mhd. habere, ahd. habaro (Luther haber und hafer); 
Hufe F., mhd. huobe {hüve, hüfe), ahd. huoba; Behuf, ndl. behoef 
zu beheben; Kofen M., mhd. kobe {kove, vgl. ahd. chubisi Hütte); 
Waffel F., ndl. wafel zu Wabe Honigwabe; Ungeziefer N., spätmhd. 
unziver, ungezibere zu ahd. zebar Opfertier (zifer, ziefer Kleinvieh 
auch in hd. Mundarten, ZfdPh. 26, 1). Ein ganz junges im 18. Jh. 
aus dem engl, elf entlehntes Wort ist Elfe F., mhd. elbe, elbinne. 
— Schon im Ahd. gilt v neben b in Schwefel M., mhd. sw^bel, 
swevel, ahd. sw^bal, sweval, g. sivibls; und herrschend ist es von 
Anfang an in Frevel M., ahd. fravili, frevili Adj., fravill F., mhd. 
vrevel F. M., doch daneben ahd. fraballtcho Adv., frabart F. audacia, 
mhd. vrebel. — Luther schreibt Schicebel und Schwefel, auch pöfel 
(§53) und einigemal Buffe für Bube; in früherer Zeit begegnen mhd. 
wivel Käfer für wibel zu weben, süver für süber u. a. — Anl. f für 
fremdes 6 hat, wie es scheint, Fibel = Bibel angenommen (s. Kluge Wb.). 



102 Hochd. Lautverschiebung. Germ, g zu j. [§ 80, 

J für g ist fast allgemein angenommen in jäh^ mhd. gdchy 
gcßhe'^ und in dem ndd. jappen, vgl. ndl. gapen den Mund aufthun, 
nhd. gaffen, — Im Inlaut ist stimmloses ch eingetreten in mancher 
(neben mannig fach)^ mhd. manec^ maneger^ g. manags. Umgekehrt 
ist nicht selten -ig für -ich eingetreten (§ 55. 69 A. 1, «anders von 
Bahder, IF. 2, Anz. S. 59). — Barch M. verschnittenes Schwein, 
mhd. bare ig) zeigt schon im Ahd. Doppelform : barug und barh, 

Anm. Vereinzelt d für b durch Dissimilation in mhd. bidemen 
für ahd. bibin&n; s. Kluge s. v. 

80. Assimilation von mb, ng, — Für mb ist zunächst 
wohl im Inlaut, dann durch Systemzwang auch im Auslaut überall 
mm eingetreten, d. h. der Verschluss des Nasenweges, den die 
Articulation des 6 verlangt, ist aufgegeben, b hat sich dem m^ 
assimiliert; z. B. Amt^ mhd. ambet\ dumm, mhd. tum^b] ebenso 
Eimer, Hummel, Imme, Kamm, klimmen, krumm, Kummer, Kumm,^ 
Lamm, schlimm. Simmer (ahd. sumbir), Stummel, Trommel (ahd. 
trumba), um, Wamme, Wams (mhd. wambes), zimmern. Der Ge- 
brauch zeigt sich zuerst in Mitteldeutschland (Whd. § 162), doch 
schreibt Luther noch Kamp, gewöhnlich auch umb, lamb, ampt Hei- 
ber S. 6 bemerkt, dass etliche dies 'stumme b* im Schreiben meiden. 

Der genau entsprechende Vorgang in der Verbindung nff 
ist nicht so consequent durchgeführt und hat in der Schrift 
keinen Ausdruck gefunden. Im Inlaut zwischen Vocalen wird 
der Verschlusslaut nirgends mehr articuliert, obwohl wir ihn 
schreiben, z. B. Junge, Dinge, gelingen, auch in länglich. 
Dagegen im Auslaut und vor Consonanten z. B. jung, Ding, 
gelang ist er noch nicht ganz aufgegeben; nach Trautmanns 
Angabe (§ 1053) ist er im Süden und im südlichen Mittel- 
lande erloschen (vgl. jedoch Fischer, Gcogr. S. 59, 6), während 
er im Norden und nördlichen Mittellande noch sehr über- 
wiegend gesprochen wird. Die Vorschrift für die Berliner 
Schauspieler (§ 75) verlangt, dass der Laut „nur kaum an- 
schlagend" gesprochen werde. 

Anm. Warum nach den Nasalen die homorganen Verschluss- 
laute besonders schwach klingen, setzt Bremer I S. 61 auseinander. 
Wegen des geringen Unterschiedes können die Verbindungen mb, 
ng, nd leicht zu einheitlichen Nasalen werden, und umgekehrt die 
Nasale sich in mb, ng, nd spalten. Aber merkwürdig ist, dass die 
Schriftsprache die Assimilation nur für den labialen, die Spaltun 
nur für den dentalen Laut anerkannt hat; nd wird nicht zu nn 
(vgl. §83A.), oft aber tritt nd oder nt für n ein; s. § 152. 153. 



gr 



§81.] Hochd. Lautverschiebung. Schwund von 6 und g. 103 

81. Schwund des intervocalischen 6, g, — Zwischen 
Vocalen ist besonders das g der Unterdrückung ausgesetzt. 
Im Mhd. sind Verbalfonnen wie Hat, lit zu Ugen\ leist, leit, 
leite zu legen] freist , treit zu tragen \ seist, seit, seite zu 
sagen weit verbreitet und sorgfältigen Dichtern genehm. Ur- 
sprüngliches igi und egi aus agi liegen ihnen zu Grunde (auch 
den Formen von sagen : seggen segist segit etc.), also Ver- 
bindungen, in denen die mngebendcn Vocale, vorangehendes 
i oder das hohe umgelautete e und folgendes i, palatale Aus- 
sprache des g vor allem begünstigten. In anderer Umgebung 
erfolgte die Zusammenziehung nicht oder wenigstens nicht 
in gleicher Ausbreitung. Sie galt also auch nicht für alle 
Formen des Verbums und darum hat sie die nhd. Schrift- 
sprache in ihrem Streben nach Vollständigkeit und Überein- 
stimmung wieder fallen lassen. Erhalten ist sie in Wörtern, 

wo kein W^echsel der Formen störte, namentlich in Nominibus. 
— Schon aus dem Ahd. stammt das Fremdwort meistar Meister, 1. 
magister, in dem die Zusanimenziehung wohl nicht auf deutschem 
Boden erfolgt ist. Aus späterer Zeit sind hinzugekommen: Maid, 
ahd. magadj PI. megidi\ Eidechse, ahd. egidehsa; Getreide, ahd. 
gitregidif wo also egi, igi zu Grunde liegt; ebenso in dem ndd. 
Eide (Ahrenspitze), Stamm ag-, (aus derselben Wurzel wie Ähre, 
ahd. ahir)', ähnlich in Teiding, verteidigen aus mhd. tegedinc, mit 
unechtem Umlaut aus mhd. tagedinc, ahd. tagading Tagsatzung. — 
Ein langer palataler Vocal geht dem g voran in Geweih, mhd. ge- 
ictge, ahd. *giwlgi\ ein paiataler Diphthong: steil, spät mhd. steil, 
steiget, ahd. Steigal^ Reiher, mhd. reiger (Franck Wb. Sp. 781). — 
Nicht palatale Laute: Hain (durch Klopstock in die poetische Sprache 
eingeführt), mhd. hagen, ahd. hagan; Rübezähl, mhd. Rüebe-zagel 
Hübenschwanz; Kaule, Kaul-harsch, -quappe, mhd. küle aus kugele, 
(zu demselben Wort vermutlich Keule, mhd. kiule); Scheune, mhd. 
schiune, ahd. scugina. — Zu c ist ei verkürzt in gen, gein, ahd. 
gagan, gegin; Elster F., mundartlich elster, eilster, mhd. agelster, 
ahd. agalstra, mit vielen Nebenformen; Nelke F. aus neilkln, negel- 
ktn zu nagel; Sense F. mhd. seinse, s'egense, ahd. s^gansa. — Wie 
weit in Fremdwörtern eine ähnliche Lautentwickelung sich auf 
deutschem Boden vollzogen hat, ist fraglich; vgl. kasteien, mhd. 
kastten, kasttgen, kestigen, ahd. kastigön, 1. castigo; (auch benedeien, 
mhd. benedlen aus 1. bene-dico; Laie, mhd. leie, leige, ahd. leigo, 
leijo zu 1. laicus). 

Den entsprechenden Schwund des 6 belegt mhd. gtst. 



104 Hochd. Lautverschiebung. Germ. /), hd. d, [§ 82. 

git zu geheiiy und Formen des Hilfzeitwortes haben] die letz- 
teren hat die Schriftsprache wenigstens zum Teil behalten. 

Anm. 1. Weiteren Umfang als in Oberdeutschland hat der 
Schwund des g im Mitteldeutsehen erreicht (Whd. § 225). — Über 
die Ausbreitung des ei aus ag, eg in der älteren Sprache handelt 
H. Fischer, Zur Geschischte des Mhd. Tübingen 1889; vgl. dazu 
Wrede, AfdA. 16, 275 f. und Fischer Geogr. § 37. Aus dem Spr. 
At. sind die Aufzeichnungen von fliegen (AfdA. 21, 283) und bleib 
(21, 282 f.) zu vergleichen. 

Anm. 2. Viel früher erfolgte der gemeingerm. Schwund des 
g vor suffixalem m in Traum as. d7^öm, an. draumr zu trügen^ und 
Zaum, as. t&in^ an. taumr zu ziehen-^ ebenso ahd. zeinen zeigen 
für Haignjan zu Wz. deik. Kluge, KZ. 26, 70 A. 

Anm. 3. Anl. g {=j?) ist in den Fremdwörtern Enzian (15. 
J&hrh.) = \. gentiana'^ Ingwer, mhd. ingewer, gingebere, vgl. frz. 
gingembre aufgegeben. — Über nagen s. § 158, 8. 

Germ, p zu d. 
82. Wie in der Entwickelung des germ. 6, d, g der 
dentale Laut die beiden andern ttberflügclt, so auch in der 
Entwickelung der germ. f, p, h. Indem d durch die Ver- 
schiebung zur Tenuis aus der Reihe der Medien ausscheidet, 
tritt p — oder wie im Ahd. gewöhnlich geschrieben wird th 
— als neue Media an seine Stelle; hd. d entspricht also im 
allgemeinen germ. p, idg. t. 

hd. d = g. p im Anlaut: g. parf: darf; g. paurnus : Dorn; 
p. paurp N. Acker, Land : Dorf; g. peihan : gedeihen; g. -pinsan 
ziehen : ahd. dinsan (dazu nhd. gedunsen); g. pittbs : Dieb; g. piunt 
Knecht : ahd. diio (vgl. De-mut); g. preihan : dringen; g. priakan : 
dreschen; g. pwahan : ahd. dwahen. — Inlautend: g.finpani fin- 
den; hlapan : laden belasten; g. hulps : hold; g. lapOn berufen: 
laden; g. leipan : ahd. lldan gehen, nhd. leiden; g. mapa M. : ahd. 
mado M. Made; g. neip N. : ahd. nid M. Neid; g. qipan : ahd. quMan 
sagen; g. sinps M. : ahd. sind Weg; g. sneipan : schneiden; g. 
staps (p) M. Ufer : ahd. stado M. Staden. — Beispiele für hd. d = 
idg. t in § 20, b; ferner: ahd. dahs M. Dachs, ahd. dehsäla F. Beil, 
Hacke: gr. töHov Bogen, t^ktuuv Zimmermann (Wz. teks bauen); ahd. 
darain M. Darm : gr.rpfj^a Loch, Öffnung, Tpd)ni(; Darm, \.trame8\^^^g; 
ahd. decken, dah{hh) Dach : 1. tego, toga; ahd. d^gan Gefolgsmann, 
Diener, nhd. Degen : gr. t^kvov; nhd. de'mar M. Dämmerung : 1. 
tenebrae; ahd. dräen drehen : gr. Terpaivu) durchbohren, TCp^o) bohren, 
drechseln, 1. terebra etc.; ahd. drdhsil M. Drechsler : gr. rpdiro^ai, 1. 
torqueo. — nhd. damisch, dämlich (md. ndd.): !• temulentus. — Im 
Inlaut: ahd. rad N. Rad : 1. rota. 



§ 82.] Hocbd. Lautverschiebung. Germ, p zu hd. d. 105 

Der bairische Dialect tritt zuerst in diese Bewegung. 
Schon die ältesten Denkmäler nach der Mitte des 8. Jahrh. 
zeigen nur noch wenige th-^ dann folgt in der zweiten Hälfte 
des Jahrh. das Alemannische; im 9. Jahr, das Oberfränkische, 
noch später im 10. und 11. Jahrh. das Mittelfränkische und 
die nördlichen mitteldeutschen Dialecte, denen sich endlich 
auch das Sächsische und Niederfränkische anschlössen; Br. 
^ 167. Behaghel, Grdr. § 85. 

Ober- und Mitteldeutschland haben die Verschiebung noch 
weiter fortgesetzt, indem sie das gemeindeutsche d grade so 
wie 6 und g und vermutlich zu derselben Zeit in die leichte 
unaspirierte Tenuis t tibertreten lassen. Notker behandelt die 
drei Laute ganz gleich (§ 65), zeigt uns also, dass die junge 
Media in seiner Mundart bereits zu Anfang des 11. Jahrh. im 
Übergang zur Tenuis begriflfen war. — Die Annahme, dass der 
oberdeutsche stimmlose Laut sich unmittelbar aus der stimmlosen 
Spirans entwickelt hätte (Kräuter, Lautverschiebung S. 90 f.), ist 
mir nicht wahrscheinlich; dies oberdeutsche t erwächst auf keiner 
andern Grundlage aU die oberd. p und X:; die gemeindeutschen 
Medien 6, </, d gingen ihnen voran. Die Stadien des ganzen Ver- 
laufes sind: stimmlose Spirans, stimmhafte Spirans, stimmhafter Ver- 
schlusslaut, und endlich auf einem Teil des Gebietes stimmloser 
Verschlusslaut. — Wann der erste Schritt, Übergang der stimmlosen 
in die stimmhafte Spirans, gethan wurde, ist ungewiss; aber ver- 
mutlich nicht früher, als germ. d, das vielfach noch Spirans war, 
zum Vcrschlusslaut geworden war; denn da bieten und laden in 
ihrem Inlaut gesondert geblieben sind, musste erst biudan zu hiudan 
-werden, ehe lapön sich in ladön wandeln durfte. Doch war diese 
EntWickelung jedenfalls in der Zeit, in die unsere Denkmäler fallen, 
schon erfolgt, obwohl das Zeichen th, das die alten Schreiber ge- 
wöhnlich brauchen, ohne Frage für einen stimmlosen Laut ange- 
messner wäre als für den stimmhaften. Br. § 166. 

Anm. 1. Ein geeignetes Zeichen für den stimmhaften Spiranten 
•war dh, das namentlich im Isidor gebraucht ist; vermuthlich eine 
orthographische Neuerung, die ohne den älteren Gebrauch über- 
wunden zu haben, durch die rasch fortschreitende Sprachentwicke- 
lung beseitigt wurde. Einige Denkmäler haben th im Anlaut, dh 
im In- und Auslaut (Kögel PBb. 9, 308). Sicherlich ist daraus nicht 
zu schliessen, dass die Schreiber im Anlaut stimmlosen, im Inlaut 
stimmhaften Spiranten sprachen; sie wählten für den Inlaut das 
Zeichen dh weil dieser dem d näher stand als der Anlaut; vgl. Br. 
§ 167 Anm. 4. 



106 Hochd. Lautverschiebung. Germ. /> zu hd. f. [§83.84. 

83. Die Verschiebung erfolgte wie beim d leichter iu 
dem minder betonten Inlaut (besonders nach l, r, n) als im 
Anlaut. Am dentlichsten lassen das die alten oberfräukischen 
Denkmäler, Otfried und Tatian erkennen, die im Anlaut regel- 
mässig th, im Inlaut aber d haben ; z. B. g. parf : tharf; g. 
paurnus : thorn\ g. pagJcjan : thenken\ dagegen g, hröpar : 
bruader; g. wairpan : werdan\ g. anpar : ander. Vielleicht 
ist es auf diesen Unterschied auch zurückzuführen, dass die 
oberdeutschen Denkmäler, die in der Regel zwar im An- und 
Inlaut d haben, doch im Anlaut öfter als im Inlaut das alte 
th bieten; vgl. Kögel Ker. Gl. S. 115. 

Anm. 1. Das aus p verschobene d ist in der Schriftsprache 
kräftiger und widerstandsfähiger als h und ^r; in Mundarten aber, 
namentlich in niederdeutschen, schwindet auch d leicht oder wird 
durch schwach articulierte Zwischenlaute r, j, g, auch l ersetzt. 
Der Spr. A. belegt den Vorgang für milde (AfdA. 19, 354). bruder 
(20, 109), kleider (21, 291); ebenso für germ. d = hd. t in leute (20, 
221 f.), roten (20, 321), gute (22, 115), bette (19, 355) und für germ. 
t = hd. 3 in besser (20, 329). Vgl. auch Böhme S. 54 f. Über die 
natürliche Verwandtschaft zwischen d und r s. Bremer I S. 90 A. 
Ein merkwürdiges s für hd. d, germ. th erscheint mundartlich in 
müde (19, 354), bnider (20, 110); für hd, t, germ. d in gute (22, 116). 
— Assimilation von nd zu nn (vgl. § 80 A.) ist belegt in pfund 
(19, 104), hu7id (19, 107), kind (19, 111); von Id zu II in bald Adv. 
(19, 284), felde (19, 286) und von ld = U in alte (21, 277), kalte 
(21, 279). 

Anm. 2. In einigen Wörtern hat sich schon vor der Verschie- 
bung die Articulationsstelle des Spiranten verändert. Für pl ist im 
Anlaut /?, im Inlaut/? oder hl eingetreten: g. plaihan : ahd. fl€hön; 
g. pliuhan : ahd. fliohan u. e. a. Inlautend g. -öpli : ahd. -ddili oder 
-övili (II § 214, 3); g. mapl : ahd. mahal^ mahalo, nhd. Gemahl (da- 
gegen in Eigennamen: Madal-^ wie in stadal, wadal^ nddla); germ. 
'*btplo- : ahd. bthal Beil. Scherer» 277 A. Sievers PBb. 5, 531 f. 
Osthoff eb. 8, 146 f. Kluge Grdr. § 30, 4. — Auffallend stehen auch 
nebeneinander: an. pel und ahd. fthala, ßla, ags. feol] as. thimmi 
ahd. dinstar und finstar, Noreen S. 197. (ags. pcecele neben fcBcele, 
as fakla, ahd. facchala^ lat. facula erklärt sich aus Anlehnung an 
eine germ. Wz. pak s. Kluge s. v.) — Über tw : kiv § 85 A. 

84. p ZW. t. — 1. Wie germ. b und g in der Ver- 
doppelung zu p und fc werden (§ 76) so tritt für das aus 
germ. p verschobene d in der Verdoppelung t ein, so dass 



§ 84.] Hochd. Lautverschiebung'. Germ, p zu hd. t 107 

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also in diesem Falle germ. p und d zusammenfallen (Paul, 
PBb, 7, 135). Wörter, in denen die Verdoppelung durch j her- 
vorgerufen ist, sind: ahd. smitta F., mhd. smitte Sclimiede aus germ. 
*$mipjö neben g. smipa M., ahd. smid Schmied (nhd. Schmiede ist 
neugebildet aus dem Verbum schmieden); ahd. ritto, rito M. Fieber 
aus *hripjo zu ahd. rtdön zittern. Andere Belege in § 136. § 141, 
2. 3. .In g. aippaUy ahd. Mdo^ odo ist in Folge der Unbetontheit 
der verdoppelte Laut früh aufgegeben. 

2. Nur in wenigen Wörtern ist auch das einfache p 
zu t geworden. Die ältesten Beispiele sind: tausend, g. püsundi, 
ahd. thüsunt, düsent, tüsent; tunken, ahd. thunkön, dunkön, tunkön\ 
vielleicht auch Traube (s. Kluge Wb.). In Dochty an. pättr Faden, 
Docht, ahd. tdht haben wir wieder d (vgl. § 228). Eine Erklärung 
versucht Bugge, PBb. 13, 325. — Im Mhd. schliessen sich an: tauen 
schmelzen, mhd. tauwen, töuwen, ahd. dauwen, dewen, ags. pdwan, 
an. peyja\ Thon, mhd. tdhe dähe, ahd. däha, g. pähö; Tülle, mhd. 
tüüe zu ahd. dola Röhre, Abzugsgraben. In deutsch, ahd. diutisc 
(zu g. piuda Volk), im Mhd. gewöhnlich tiutsch (vielleicht unter 
Einwirkung des frz. tudesque, tyois, mlat. teudiscus, Whd § 184) 
ist nach langem Schwanken d wieder hergestellt. — Später folgen: 
Tölpel, mhd. dörper, dörpel, törpel; tosen, mhd. dösen, ahd. dösön'y 
traben, mhd. droben, draven oder traben; Trümmer, mhd. drum, 
ahd. drum, thrum, und unter dem Einfluss gelehrt-verkehrter Ortho- 
graphie Thüringen, mhd. Düringen. — In tvert (aber Würde), ahd. 
tv^d {unrdt), g. wairps; Wort (Insel, Werder), ahd. werid; gescheit, 
mhd. geschtde hat sich t unter dem Einfluss der unflectierten Formen 
festgesetzt. — In falten, ahd. faldan und faltan, g. falpan und in 
Knoten ahd. knoto und knodo sind alte Doppelformen anzunehmen 
(§ 23 d). 

Bemerkenswert ist, dass im Nhd. so sehr viel weniger 
Wörter anl. t für d angenommen haben, als d für t (§ 60. 62)» 
Es zeigt dies, wie starken Einfluss auf die AnsbilduBg der 
nhd. Schriftsprache die Gegenden geübt haben, welche d un- 
verschoben gelassen hatten. Das unregelmässige d fand Ein- 
gang, weil es der Sprache dieser Gegenden nicht widerstrebte^ 
t blieb auf wenige beschränkt. In der älteren nhd. Litteratur 
ist es viel häufiger, namenth'ch in der Verbindung tr\ (vgl. § 53 und 
V. Bahder, Grundlagen S. 254—262). — Luther schreibt abweichend 
von unserem Gebrauch Duringen, werd, und verdoppelt fladdern, 
Zeddel; anderseits oft vorterben, vereinzelt tunkel (Dünkel), ticht, 
ertrucken, getruckt (drücken); oft schneiten, vereinzelt p/Vi^c (Pfade). 
Franke § 80. 86. 



108 Hochd. Lautverschiebung. Germ. h. [§ 85. 86. 

85. Besondere Schicksale hat die anlautende Verbin- 
dung pu. Im Ahd. tritt zunächst ganz regeh-echt du ein, 
dann aber gegen Ende der Periode tw und im spät Mittel- 
hochdeutschen zw^ z. B. pwahan (waschen), ahd. duahan^ mhd. 
iwahen^ dazu nhd. Zwehle Handtuch; an. pvinga, ahd. duingan^ 
mhd. twingeUj nhd. zwingen; g. pwairhSy ahd. duerh^ mhd. ttverh, 
nhd. zwerch (Zwerchfell). — In dem mhd. tw fallen also zwei, 
in dem nhd. zw drei verschiedene Laute zusammen; germ. 
tu : g. tweiflsy ahd. zwival Zweifel; germ. du : ags. dweorh, 
ahd. mhd. twerc, nhd. Zwerg '^ germ. py, : ags. pweorh, ahd. 
dwerahy mhd. tiDei% nhd. zwerch. 

Anm. Die anlautende Verbindung ftt* hat das Nhd. ganz ver- 
loren, wo nicht zw gilt, ist qu eingetreten, also der dentale Ver- 
schlusslaut durch den gutturalen ersetzt, zu dem das labiale ic be- 
sonders nahe Verwandtschaft hat; Qualm (ndd.) Dunst ist vermut- 
lich identisch mit mhd. twalm Betäubung zu ahd. twelan torpere; 
quängeln gehört zu zivingen, quer ist dasselbe Wort wie zwerch; 
Quirly ahd. dwiril zu dweran drehen, rühren; Quark mhd. twarc, 
quar<:y entweder auch zu dweran oder slavischcs Lehnwort; über 
Zicetsche, Quetsche s. KlugC; Wb. — Dieser Übergang zeigt sich in 
manchen Wörtern schon im Ahd. (Br. § 159 A. .5); häufiger ist er 
im Mhd. (Whd. § 153. 187. 229). Behaghel, Grdr. § 85. 97. Fischer, 
Geogr. S. 62 A. 4. 

Germ. ä. 

86. 1. Germ, h hatte das Ahd. in seiner ältesten Zeit 
noch fast tiberall als deutlich wahrnehmbaren Laut bewahrt. 

ahd. h = g. h anlautend vor Vocalen. g. haidus .M.Art 
und Weise : ahd. heit M. F., nhd. -heit; g. haih Adj. : heil; g. haims 
F. Dorf: ahd. heim N. Haus, Heim; g. hairda F. : ahd. h^rta Herde; 
g. haitan : ahd. hei^an heissen; g. haipi F. Feld : ahd. heida F.; 
g. halbs Adj. : ahd. halb; g. haldan : ahd. haitan; g. handus : ahd. 
hant; g. hauns niedrig : ahd. höni verachtet; g. hausjan hören: 
ahd. hörren; g. hawi N. Heu : ahd. hewi und houtvan st. V.; g. 
heiwa- Haus : ahd. htwo M. Gatte etc.; g. hilpan : ahd. Mlfan; g. 
hindar : ahd. hintar; g. himins M. : ahd. himil; g. huggrjan : ahd. 
hungiren; g. hulps Adj. : ahd. Äo/d. — Anlautend vor Conso- 
nanten: g. hlahjan st. V. : ahd. hlahhen sw. V.; g. hlaifs(b) M. 
Brot : ahd. ft/e^ö; g. hlaupan : ahd. hloufan; g. hlauts M. Loos: 
ahd. ft^öj M. N.; g. hröpjan : ahd. (iruofen; g. hrugga F. Stab : ahd. 
*hi^ingaj mhd. runge Wagenrunge; g. hneiwan sich neigen : ahd. 
tinigaii; g. Ivaiteis M. Weizen; ahd. liweizzi; g. hweits Adj. : ahd. 



§ 86. 87-1 Hochd. Lautverschiebunji^. Germ, h, anl. Ä. 109 

}jLXci^\ g. füairban wandeln : ahd. ^tt-eVöan. — In- und auslautend: 
g. hauhs Adj. : ahd. höh\ g, nauh : ahd. noh noch; g". nih : ahd. noh 
und nicht; g. sköhs M. Schuh : ahd. scuoh] g. pdhö F. Thon : ahd. 
däha; g. peihan gedeihen : ahd. dihan\ g. pliuhan fliehen : ahd. 
fliohan. — Nach Consonanten g. filhan verbergen : ahd. f^lhan. 

Im Idg. entspricht diesem h gutturaler Verschlusslaut. Bei- 
spiele in § 20c; ferner anlautend vor Vocalen: ahd. hadaraY.y 
mhd. hader M. Lappe, Lumpen, vgl. I. centOj gr. x^vxpujv aus Lum- 
pen gemachter Rock; ahd. hagal M. Hagel, vgl. gr. koxXiiE; ahd. 
hahsa F. Hachse : 1. coxa\ ahd. halni M. : gr. KdXa^o^, 1. ctdmus\ 
ahd. hanaf Hanf: gr. lat. cannabis; ahd. hasala Hasel : 1. corulus; 
ahd. herbist M.Herbst, vgl. \. carpere^ gr. Kapiröq; ahd. Äm^aHinde: 
gr. K€^dq F. Hirsch, Gazelle; ahd. hirfii N. Gehirn : gr. xpaviov 
Schädel etc.; ahd. hiru^ M. Hirsch : 1. cervus; ahd. holön holen, be- 
rufen : 1. calare^ gr. KaXetv; ahd. holz N. : gr. KXdboq Zweig; ahd. 
huoba Hufe : gr. Ktynoc, Garten; ahd. hüt F. Haut : 1. cutis. — Vor 
Consonanten: ahd. Itlifi^n lehnen (dazu auch ahd. leitara F. Lei- 
ter, Uta F. Abhang): gr. kXivuj; ahd. Jtni^ F. Niss, Lausei : gr. kov(<;; 
ahd. Jrö roh : 1. cruor^ cruenfus etc.; ahd. Jiwelben wölben, vgl. 
gr. KÖXTro^. — In- und auslautend: ahd. ahir N. Ähre: 1. acuSy 
'Ceris N. Getreidestachel etc.; mhd. mähen M. Mohn : gr. \ir\KWv; 
ahd. spehön spähen : 1. spicet^e^ ahd. gi-wahinnen erwähnen : 1. vox, 
vocare; ahd. zähi zähe : gr. bdKvuj. — Nach Consonanten: ahd. 
forha F. Kiefer : 1, quercus; ahd. forhana F. Foreile : gr. ircpKvöi; bunt. 

Beispiele für germ. Ä.s-, ht und inl. hiv in § 32. 36. 

2. Seinem Ursprung nach war dies h gutturaler Reibe- 
laut (=nh(l. ch), und ist als solcher noch jetzt im Auslaut und 
vor t erhalten, hier also mit dem aus germ. k gewonnenen 
hochdeutschen Spiranten (§ 43) zusammengefallen; in nhd. 
hoch, g. hauh sprechen wir dasselbe cA wie in nhd. bracht 
g. brak, in nhd. recht, g. raiht denselben wie in nhd. bricht, 
g. brikip. An andern Stellen des Wortes aber unterlag der 
Laut früh der Veränderung, indem er einerseits dazu neigt, 
sich zum blossen Hauch zu verflüchtigen und ganz zu ver- 
schwinden (z. B. g. haU : Hals, g. tiuhan : zielten), anderseits 
in Verschlusslaut überzugehen (z. B. g. saihs : sechs d. i. seks). 
Es sind also die verschiedenen Stellen besonders zu behandeln. 

87. 1. Das anlautende h vor Vocalen muss schon früh 
ein schwacher Laut gewesen sein. Die Goten setzen ihr h 
für den griechischen Spiritus aspcr nicht für gr. Xj und die 



110 Hochd. Lautverschiebung. An\. h, [§ 87. 

Lateiner lassen das g. h gelegentlich ganz weg z. B. Ariamirus 
= Harjamers der Heerbertthmte, eüs = hails heil. (Br. § 61). 
— Ähnliche Erscheinungen im Ahd. (Br. § 153 A. 2. § 152); 
weniger kundige oder sorgsame Schreiber lassen ä zuweilen fort; 
2. B. elfa = hälfa Hülfe, oder setzen es noch öfter, wo es nicht 
berechtigt ist; z. B. huns=uns, harbeiti=arbeiti, hensti=ensti 
(zu anst Gunst). Auch die mhd. Zeit bietet für die unrichtige 
Schreibimg nicht wenige Beispiele (Whd. § 241. 243); nament- 
lich fehlt h oft in dem unbetonten Adv. Tier und dem pro- 
klitischen her, her (= dominus). DWb. III, 692. Trotzdem 
ist das h bis auf den heutigen Tag ein deutlich Tcmehmbarer 
Laut geblieben, so dass die Sprache die mit Vocal und die 
mit h anlautenden Wörter ziemlich rein auseinander halten 

konnte. 

In betonter Stammsilbe hat sich das h im Nhd. überall be- 
hauptet (s. die oben angeführten Beispiele); das Fremdwort Uhr 
(1. höra^ mhd. höre^ 6re, üre) ist jedenfalls schon ohne h in die 
deutsche Sprache aufgenommen. — Undeutlicher wurde und wird 
h im Anlaut eines minder betonten zweiten Compositionsgliedes 
articuliert; z. B. Geivissheit-^ daher wird es in der älteren Zeit von 
den Schreibern hier oft ausgelassen (QF. 69, 38 f. Whd. § 245) und 
konnte, wo das Gefühl für die Zusammensetzung erloschen ist, 
ganz verschwinden (Kluge, PBb. 14, 585 f.). So schon im g.püsundi 
tausend für püs-hundiy im hd. Suffix -keit für ic-heity in Junker = 
junc'herre. In Namen wie Günther aus Gundi-hari, Walther aus 
Walt-hari^ Mathilde aus Maht-hüd ist h nur noch Buchstabe. — 
Umgekehrt ist ein unorganisches h zuweilen hinzugefügt : heischen, 
ahd. eisc&n (wohl unter dem Einfluss von heis8en\ vielleicht in 
heikel, ferner in einigen mundartlichen Wörtern (DWb. IV, 2, 1) 
und in den fremden Hartschier (it. arcierö), Hawarie (frz. avarie, 
it. avaria). In andern wie HoboS (frz. hautbois), Harpune (ndl. 
harpoen, frz. harpon), Harlekin (früher frz. harleqin, jetzt arlequin) 
ist das stumme Zeichen zum Laut erhoben. — Über Handwerk 
8. die Wbb. 

Anm. 1. Eine kräftigere Aussprache scheint das anlautende 
h bei einer Gruppe von Stämmen des nordwestlichen Deutschlands 
gehabt zu haben. Darauf deutet, dass die deutschen Namen mit 
ch geschrieben werden, z. B. Chamavi, Chatti, Cherusci etc., eine 
Schreibweise, die sich in Gallien bis ins 8. und 9. Jh. erhielt. 
Gr. 1, 184. Heinzel, Nfr. Geschäftssprache S. 42. Scherer S. 132. 
Kluge, Grdr. § 13, 3. Wilser, Rheinische Geschichtsblätter (1894) 
1, 111 f. Kauffmann, Germ. 37, 246. 



§87.] Hochd. Lautverschiebung. Anl. A. 111 

Anm. 2. Über Prothese uud Aphärese des h (im Ahd.) handelt 
eingehend H. Garke, QF. LXIX. Die Prothese erklärt er S. 8 richtig 
daraus, dass der feste Vocaleinsatz (vgl. § 333 A.) aufgegeben und 
durch einen leisen Hauch ersetzt wurde, der zum vollen Hauchlaut 
verschärft werden konnte. Auch darin wird er Recht haben, dass 
für die Entwickeluug des Lautes die Natur des folgenden Conso- 
nanten nicht gleichgültig war (S. 10 f.). Doch hat man keinen 
Orund überall da, wo die alten Schreiber ein h setzten, einen dem 
organischen h gleichen Laut anzunehmen. In vielen Fällen haben 
wir es sicher nur mit Schreiberversehen zu thun, in der Mehrzahl 
der andern wird das h nur den Verlust des Vocaleinsatzes be- 
deuten; das h in dem Pron. Ä6, her {=er) gehört überhaupt nicht 
hierher. Im Mbd. gilt das unorganische h ausser in eiscön nur in 
helfant Elefant, Mlfen-bein, ahd. helphant-bein Elfenbein, und in 
dem halb onomatopoetischen hüwo Uhu. Über dieses Wort s. Garke 
S. 25 f. 

Anm. 3. Die Unsicherheit im Gebrauch des anl. A, welche 
die Mundarten auf slawischem Colonisationsgebiet zeigen, belegt 
der Spr. A. einerseits für hund (AfdA. 19, 106), heiss (20, 96), hau^e 
<20, 215); anderseits für aus (20, 212), äffe (20,329), ochsen (21,265), 
€Ute (21, 277). 

Anm. 4. Die Apokope des h in dem proklitischen her, hir 
dominus veranlasste im Nhd. die Entstehung eines wunderlichen 
attributiven Ehren (DWb. 3, 52); aus Verbindungen wie ern Krä- 
mers, em Magisters wurde Ehren Kr., Ehren M. und diese Form 
drang dann auch in den Nominativ: hierauf sprang Ehren Loth 
herbei (Bürger). 

2. In den anlautenden Consonantverbindungen M, hr, hn, 
h vei-schwindet das h mit dem 9. Jahrb.; am längsten wird 
es in gewissen Eigennamen gescbriebeu; namentlich dem 
EOnigsnamen Hluduuuicus und ähnlichen (MSD. XIII. Br. 
§ 153). — Vereinzelt ist es in dem Worte Husten, ahd. huosto, 
ags. hwösta erhalten, weil vor dem uo w geschwunden war; die 
Schweizer Mundart hat wüsten. Aber ahd. hirni N. Gehirn und g. 
haimei F. Schädel gehören nicht zusammen. 

Beispiele, in denen die Vergleichung des Gotischen oder auch 
des Lateinischen und Griechischen den Schwund des gutturalen 
Anlauts ergiebt, sind im § 86 angeführt. Denselben Verlust haben 
auch folgende Wörter erfahren; vor Ix lau, lenken*^ vor n: Nacken, 
Napf, niesen, Niet, nieten, Nuss, Ntäe; vor r: Habe, Rachen, Rah- 
men, rasseln, Räude, Reff Gestell zum Tragen auf dem Rücken, 
retten, reuen, Riet, Rind, Ring, Rispe, Rogen, Ross, Rotz, Rücken, 



112 Hochd. Lautverschiebung. Inl. Ä. [§88, 

Ruhrriy RungCy rüsten; vor w: Wal^ Wal-fisch, -ross^ Weif, WelSy 
wetzen, wiehern, wispeln, wispern, 

Anm. Die Annahme, dass das aus /y entstandene anl. tc sich 
anders entwickelt habe als das gewöhnliche w (AfdA. 19, 98), ist 
nicht richtig. Bremer III S. 45. 

88. Inlautendes h vor Vocalen, also h im Anlaut 
sehwach betonter Silbe war selbstvei-stäudlich nicht kräftiger 
als das anlautende. 

1. Aju wenigsten Halt zeigt es naeh Vocalen. Die 
gotischen Schreiber der Bibel haben dieses h zwar ebenso 
wenig übersehen wie das anlautende, aber die Geschichts- 
schreiber lassen es in gotischen Namen zuweilen fort, und 
die Goten schieben umgekehrt ihr Zeichen h in fremden 
Namen zwischen Vocale ein, z. B. Johannes = 'lujdvvri^. Bei 
Gregor von Toure findet man die fränkischen Namen MeroveuSy 
Chlodoveus u. a. für Merovechus, Chlodovechus etc; und in 
ahd. Schriften fehlt das h nicht selten: sehaii wird sean, 
dthan, dian\ besonders in Notkers Mundart ist dieser Schwund 
des Ä ganz gewöhnlich und oft mit einer Contraction der 
umgebenden Vocale verbunden; z. B. zehen : zen, sweher : 
8uer (Br. § 154 A. 7). Im Mhd. setzt sich diese Erscheinung 
fort, und Reime beweisen, dass das h wirklich vcretummte, 
namentlich in mitteldeutschen Mundarten: vdhan fangen : vän\ 
sehan : sen; dihen gedeihen : d/en; stahel Stahl : stdl\ wthete 
weihte : wite\ trähene Thräne : trene'^ entfliehen : entflien u.a. 
(Whd. § 241. 244j. Auch die schon im Gotischen bemerkbare 
Neigung ein unorganisches h einzuschieben, nimmt im Hoch- 
deutschen zu (s. § 155 f.). 

Im Nhd. wird dieses intervocalische h nicht mehr ge- 
sprochen. — Wir unterscheiden seihen (colare) und seien (sint)^ 
sähen (viderent) und säen (screrc) ihrem Ursprung gemäss 
zw'ar in der Schrift, aber nicht in der Sprache. Doch muss 
das h für einen wesentlichen Teil des Sprachgebietes bis in 
späte Zeiten ein deutlich vernehmbarer Laut geblieben sein, 
weil sonst unsere Schrift das Zeichen nicht mit so grosser 
Festigkeit und Sicherheit hätte bewahren können. Lberall 
wo es zwischen Vocalen etymologisch begründet ist, wird es 



§ 89.] Hochd. Lautverschiebung. Inl. h, hh. 113 

auch geschriebcD ; in der Eegel sogar noch in solchen Wörtern, 
wo der zweite Vocal synkopiert ist; z. B. Ähre : mhd. eher, 
Dohle : mhd. tähele, erwähnen : mhd. gewehenen ; Gemahl, 
Mahlstatt, Mahhchatz : mhd. mahel u. a. (Orth. § 74). Hier 
erscheint das h also als Dehnungszeichen; unterdrückt ist es 
mit dem folgenden Vocal in Beil, ahd. bihal und Feile, ahd. 
flhala (Orth. § 95 f.). 

Anm. 1. Über die merkwürdigen noch unerklärten Wir- 
kungen, welche h in Notkers Schriften auf vorhergehenden Vocal 
ausübt 8. § 252 A. 

Anm. 2. Übergang von h : g, h : w beruht zunHchst auf gram- 
matischem Wechsel (§ 22 f. § 31), wiederholt sich aber mundartlich 
in jüngerer Zeit. Wie weit dieser Process um sich gegriffen hat, 
mag unerörtert bleiben; auf die Schriftsprache scheint er ohne Ein- 
fluss geblieben zu sein. In Betracht kommen Wörter wie höh : höge^ 
nach indgCy auch sah : sägen {== sähen). Am leichtesten konnte er 
in Mundarten eintreten, in denen germ. g spirantisch gesprochen 
wurde, also im Auslaut bei erlöschendem Stimmton mit dem gerro. 
h zusammenfiel (vgl. § 69 A. 2). 

Anm. 3. Über h : j : w als Ubergangslaut s. § 155 f. 

89. 1. Etwas besser als nach Vocalen hält sich das 
inlautende h nach Liquiden. Wenn bei Otfried V, 25, 87 ein- 
mal hifilu st. hifiluhu steht, so ist das Versehen; aber später 
werden die Belege häufiger, namentlich in mitteldeutschen 
Denkmälern, und die Reime beweisen das Verstummen des 
Lautes (Whd. § 244). Luther pflegt altem Gebrauch folgend 
bevelhen zu schreiben, aber gesprochen hat er das h schwer- 
lich (Franke § 112). Im Nhd. ist es überall aufgegeben; 

bevSlhen : befehlen; forhe : Föhre; ahd. forhana^ mhd. forhen : forne^ 
forel, forle^ forelle; merhe : Mähre; morhe : Möhre; salhe : Sahliceide; 
schilhen : schielen; weihisch : wäLsch, — In Furche hat sich der 
Spirant gehalten, weil er ursprünglich im Auslaut stand; ahd. furuh, 
mhd. furch. 

2. Als kräftiger Reibelaut behauptet sich, wie zu er- 
warten, das verdoppelte h (Paul, PBb. 7, 117. Kluge eb. 

9, 158). Durch j ist die Verdoppelung hervorgerufen in lachen^ 
g. hlahjan; unter dem Einfluss der Suffixe (vgl. § 141, 2) Ui ch 
erhalten in Morchel, das zu morhe gehört, in röcheln, mhd. rilcheln, 
rühein zu ahd. rohön grunzen, brüllen, und in den mundartlichen 
Achel, ahd. ahil und Echer, ahd. ahir (Ahrenspitze). Andere Belege 
in § 136. 

Anm. Reime von h : ch (= germ. k) Whd § 233. 
W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. S 



114 Hochd. Lautverschiebung. Ausl. Ä. [§ 90. 

90. Widerstandsfähiger als im An- und Inlaut war h 
im Auslaut. Zwar wird sebon im Gotischen das h der 
enklitischen Partikel -Ä, -uh gelegentlich nicht geschrieben 
und sehr häufig einem folgenden Consonanten, bes. p, assi- 
miliert (Wrede, Ulf. § 73); auch im Ahd. lassen die Schreiber 
zuweilen ein ausl. h fehlen, ziemlich früh und häufig besonders 
in der Präp. durch\ aber dass der Laut im allgemeinen als 
kräftige Spirans erklang, zeigt die Änderung der Orthographie, 
die das Zeichen h nur fUr den Anlaut und Inlaut beibehielt, 
für den Auslaut aber allmählich ch einführte. Im Ahd. ist dies 
ch noch selten, im Mhd. die Regel (Br. § 154 A. 3). — Trotz- 
dem haben im Nhd. die meisten Wörter den ausl. Spiranten 
verloren; in mhd. rech, schuoch, sach, vlöch, bevalh etc. ist 
der auslautende Consonant jetzt verstummt; jedoch wohl mehr 
in Folge von Formenausgleich als durch natürliche Entwicke- 
lung des Lautes. Der Inlaut wurde massgebend für den Aus- 
laut, in der Schrift wie in der Sprache; wir schreiben nicht 
mehr ch sondern A, und sprechen dies h ebensowenig wie im 
Inlaut. In unflecti erbaren Wörtern, auch in solchen, die in 
der Regel nur wenig betont sind, hat sich ch erhalten: äurchy 

ahd. duruh^ g. pairh'^ doch, ahd. rfoÄ, g. pauk; nochj ahd. woÄ, g. 
nauh'^ ach Interj., ahd. a?i. Ja selbst in einigen flectierbaren 
Stämmen : hoch, höchste : hoher; nach, nächste : nahe; Schmach (ein 
junges Wort) : schmähen ; jach neben jähe ; rau<^h mit differenzierter 
Bedeutung neben rauh, — In welchen Gebieten und unter welchen 
Bedingungen auch das ausl. h nach Vocalen lautgesetzlich geschwun- 
den war, bedarf noch genauerer Prüfung. 

Anm. 1. Walther von der V^ogel weide reimt h nach kurzem 
Vocal auf fÄ=:germ. k; nach langem Vocal ist es abgefallen, oft 
in' hö Adj. und Adv., je einmal in rü, drü (76, 16. 19). — Über 
Luthers Gebrauch s. Franke § 109. 67. Der Spr. A. verzeichnet 
den Schwund eines ausl. h in höh (präd. Adj.) lür viele Teile 
des Sprachgebietes (AfdA. 22, 101), aber grade bei diesem W^orte 
ist es zweifelhaft, wie weit ausl. h überhaupt vorauszusetzen 
ist; es scheint eine alte Nebenform auf gw (grammatischer W^ech- 
sel) bestanden zu haben. Kögel, IF. 3, 295. vgl. Fischer, Geogr. 
S. 69. 

Anni. 2. In mhd. marschalc, marstall zu ahd. marah Ross 
ist das ausl. h infolge der Consonanthäufung verschwunden, die 
die Composition herbeigeführt hatte (vgl. § 91). 



^ 91.] Hochd. Lautverschiebung, h als Verschlusslaut. 115 

91. Vor einem folgenden Consonanten war h stark ge- 
fährdet. Zwar im Gotischen findet es sich vor allerlei Lauten, 
vor Liquiden und Nasalen, vor 8 und tj auch vor 8 und t + 
•Cons.; z. B. 8waihra Schwager, milhma M. Wolke, rahnjan 
rechnen, waih8ta M. Winkel, fulhsni N. Verborgenheit, aihtrön 
bitten u. a., aber in waurstw N. Werk zu waurkjan ist das 
h unterdrückt und auch in andern, in denen es sich gehalten 
hatte, war dies vorconsonantische h ein schwacher Laut, wie 
aus verschiedenen Schreiberversehen zu schliessen ist (Wrede, 
Ulf. § 73, A. 1). 

Im Hochdeutschen behaupten sich, da sich vor Liquida 
und Nasal ein Hülfsvocal entwickelt, nur Tis und ht als feste 
Verbindungen. Zuweilen folgt diesen im Ahd. noch ein 
anderer Consonant, z. B. dehsmo, dihsmo fructus zu dihan\ 
wahst und waksmo Wachstum zu wahsan, loihslen wechseln 
zu weh8al, Formen, die zum Teil durch die Einwirkung der 
unabgeleiteten Wörter geschützt sind; aber g. maih8tu8 : ahd. 
mistj g. taihswö F. Rechte : ahd. z'esawa zeigen kein h mehr, 
und in einer beträchtlichen Zahl hd, Wörter mit zusammen- 
gesetzten Suffixen ist der etymologisch berechtigte Laut über- 
haupt nicht mehr nachzuweisen; in der Häufung consonan tischer 
Laute ist der schwächste unterlegen (§ 158). 

Nur vor den einfachen 8 und t hat sich der Laut be- 
hauptet, doi-t als Verschlusslaut (§ 92), hier als Reibelaut; 
z. B. Gesicht : sehen, sieht] Geschichte : geschehen, geschieht'^ 
Macht, g. mahts : mögen u, v. a. — Assimilation des hs zu ss 
hat die Schriltsprache nur in denn Fischnamen Brassen M., mhd. 
brahsemy hrasem, ahd. hrahsa, hrahsia, hrahsina anerkannt; Unter- 
drückung des h vor t in Eigennamen, die zu dem Adj. h'&rht glän- 
zend gehören, z. B. Adelbert, Berta und in der unbetonten Silbe 
von ahd. anibaht, mhd. ambet Amt. 

Als ein starker Laut erscheint gleichwohl das h in der Ver- 
bindung ht in der älteren Sprache nicht. Auf flüchtige Articulation 
deutet, dass die Schreiber es nicht selten auslassen, zumal wenn ein 
consonantisch anlautendes Compositionsglied folgt, z. B. liot-fa^, 
'kar für lioht-fa^^ -Arar; ret-ltche für r^ht-ltche u. ä. (Br. § 154 A. 5. 
Whd. § 241. 244); ebenso dass sie die Zeichen umstellen, z.B. nath 
für naht, lieth für lieht u. dgl., oft mit Verdoppelung des t : gesletthe 
für geslehte, motthen für mohten u. dgl., worin sich wohl eine Nei- 



116 Hochd. Lautverschiebung. A als Verschlusslaut. [%9'2, 

gung zur Assimilation bekundet. Dagegen ss oder s für hs be- 
gegnet im Ahd. höchst selten (Braune a. 0.). 

Anm. 1. Für die Unterdrückung des h vor «-f Cons. hat 
Kögel (Pßb. 7, 193 f.) Regel und Belege gegeben. Osthoff (PBb. 8, 
148) hat es versucht, sie für jedes auslautende hs als lautgesetzlich 
zu erweisen. — Über den Schwund des h vor andern inl. Conso- 
nanten vgl. Kögel, AfdA 19, 244. 

Anm. 2. In den Mundarten hat die Assimilation von hs zu 
SS ziemlich w^eite Verbreitung gefunden, namentlich gilt sie von 
Anfang an im Ndd., verbreitet sich aber auch in md. Mundarten 
und tritt später selbst im Oberdeutschen auf (Bremer III S. 40 f.). 
Der Spr. A. verzeichnet die Grenze für die Wörter secJis (18, 411), 
wachsen (21, 261), ochsen (21, 264); die Grenze von wachsen kommt, 
wie Wrede 21, 265 bemerkt, in Mitteldeutschland der ursprünglichen 
am nächsten. — Viel beschränkter, besonders dem Ripuarischen 
eigen, ist der Schwund des h in der Verbindung ht^ den der Spr, 
A. für recht und schlechte belegt (AfdA. 21, 163 f.), auch für cht 
AVLsft (19,277); vgl. auch Fischer, Geogr. S. 69. — Weit verbreitet, 
schon in mhd. Zeit, ist der Ausfall des h in dem oft unbetonten, 
vielgestaltigen nicht -^ der Spr. A. verzeichnet nichts (AfdA. 19, 205)' 

92. 1 . Wo das A nicht zum blossen Hauch vci-flüchtet 
wurde oder ganz verschwand, macht sich die Neigung geltend 
es als Verschlusslaut aufzufassen und festzuhalten. Durchge« 
drungen ist dieser Lautwandel in der Verbindung hs; 7s. B. 
Achse f Achsel j Dachs, Deichsel, drechseln, Eidechse, Flachs, 
Fuchs u. a. Auch die Fremdwörter Buchsbaum, 1. buxus 
und Büchse, vulgärl. buxis, gr. iruHig gehören hieher, denn 
das fremde x erscheint in den deutschen Denkmälern dem 
germ. hs ganz gleich, ahd. buhsboum, buhsa. Wir sprechen 
in dieser Verbindung also wieder Verschlusslaut, wie er im 
Idg. galt; vgl. Achse, ahd. ahsa F. : 1. axis, gr. äEujv; Hechse, 
ahd. hahsa F. : 1. coxa-^ sechs, g. saihs : 1. sex, gr. ?E; 
wachsen, g. wahsjan : gr. auHdvuj. — Einzelne Sparen der 
jetzigen Aussprache finden sich schon im Ahd., indem x flir 
hs geschrieben wird ; z. B. sex, uuaxan (Br. § 154 A. 4). 
Häufiger wird dies x oder gs seit dem 14. Jahr. (Whd. B. 
Gr. § 177). Helber S. 8 bezeichnet die Aussprache als 'ein 
lindes Ä\^\ Die Orthographie ist trotzdem nicht von dem ch 

losgekommen. 

Anm. Über Reste der älteren Aussprache und mundartliche 
Eigentümlichkeiten s. Trautmann § 1009. Behaghel, Grdr. § 87, 2. 



^ 93.] Hochd. Lautverschiebung. Germ, f und hd. f, 117 

AfdA. 21, 262. — Mundartlich ist cää, gs^ x auf beschränktem Ge- 
biet auch für 8 eingetreten. Der Spr. A. verzeichnet diese Er- 
scheinung für aus (AfdA. 20, 210) und weisse (22, 109). 

2. Sonst begegnet k für Ä nur vereinzelt. Im Auslaut 
ist der Verschlusslaut eingetreten in ahd. marah Streitross (dazu 
ahd. merihha Mähre), mhd. mark markes; im Inlaut in einigen 
Wörtern mit Z-Suffix (§ 141, 2). — dehein, nehein wurde zu dekein, 
nekeirif indem das Ä, das etymologisch Auslaut des ersten Bestand- 
teils war und als solcher kräftige Articulation hatte, durch Ver- 
schiebung der Silbengrenze (vgl. § 101 A. 1) zum Anlaut der zweiten 
Silbe wurde: de-chein, ne-chSin und dann, indem der anlautende 
Consonant schwand, in k überging (vgl. Paul PBb. 6, 556 f. Br. 
§ 154 A. 6). — Dick'bein ist unter Anlehnung an dick aus Dieh- 
bein (mhd. dieh Oberschenkel) umgebildet. — 

Wie weit das et für ht, das wir zunächst im Westfränki- 
schen, so schon bei Gregor von Tours, in Namen wie Droctov&us, 
Broctulfus, Mactifred^ Dructimund\ dann aber auch anderwärts 
finden in Wörtern wie rekt, knekt^ slecter etc. besonders im ale- 
mannischen Dialekt (Whd. a. Gr. § 208, b. Gr. § 173), aber auch im 
Md. (Whd. § 230), nur orthographische Bedeutung hat, bleibt ge- 
nauer zu untersuchen ; s. Heinzel, ndfr. Geschäftssprache S. 43. 124. 
Scherer S. 136 A. Br. § 154 A. 3. Kauffinann Germ. XXXVII, 247 f. 

Anm. 1. Über die Verbreitung eines ausl. k für h in Mund- 
arten s. Behaghel Grdr. § 90, 2; vgl. Whd. § 232. — Der Sprachatlas 
(AfdA. 22, 101) verzeichnet den Übergang für hoch (vgl. § 90 A. 1). 

Anm. 2. Da h also unter Umständen zur Affricata und zum 
Verschlusslaut werden kann, beweisen Reime wie werk : ferh, berg : 
verhj bürg : durh, schale : bevalh, nicht ohne weiteres für spirantische 
Aussprache der auslautenden c und g. 

Germ. f. 

93. 1. Während das germ. h je nach seiner Stellung 
als Reibelaut erhalten oder zum Hauch verflüchtigt oder ganz 
verschwunden ist, erscheint genn. f noch jetzt an allen Stellen 
des Wortes als ein kräftiger Spirant; dass wir ihn bald durch 
/, bald durch v bezeichnen, ist für die Aussprache gleichgültig. 
Beispiele für den Anlaut g. fani N. Kot: ahd. fenna F. Sumpf; 
g. fastan fest halten, beobachten : ahd. fast^n\ g. fauhö F.: 
ahd. foha Füchsin; g. faurhijan : fürchten\ g. figgrs M. : Finger \ 
g. fijands : Feind', g. finpan: finden; g. freis : frei\ g. frijönds : 
Freund; g. faihu-friks habsüchtig : frech; g. fugls : Vogel. — 
Inlautend: g. iculfs M. : Wolf; g. tweißs : Zweifel, 

Beispiele für hd. /^(f) =idg. p in § 20, /•=idg. fc» in § 35; 
ferner: ahd. falo Adj. isi\\\:\, palleo; ahd. fära F. Nachstellung, 



118 Hochd. Lautverschiebung. Germ, f und hd. f. \% 93; 

Gefahr, g. f^ja M. Nachsteller:!, periculum, gr. iT€tpa; ahd. farqh 
N. Schwein, farhel%{n) N. Ferkel : 1. porcus\ ahd. ßdara F. Feder t 
gr. TT^Toiiai; ahd. ßhtan fechten : J. pectere?; ahd. ßrzan, mhd. verzen^ 
varzen, vurzen : gr. ir^pbciv ; ahd. f^ara F. Fessel : 1. compeSy -diSf 
gr. ir^ÖTi; ahd. fiuhta^ fiohta Fichte : gr. itcOkii; ahd. /2a(fo M. Opfer- 
kuchen, Fladen : gr. iiXaruc;; ahd. fiUhtan flechten, g.flahta F.Flechte : 
1. plecto, gr. itX^kuj; Ahd, flio^an fliessen : Lpluerej gr. ttX^uj; ahd. forha 
F. Föhre : 1. quercus'^ ahd. fruo Adv., fruoji Adj. früh : gr. irpuit» 
irpiii'io^; ahd. fuir N. Feuer : gr. iröp; ahd. /ttoier» fühlen, dazu ahd. 
folma Hand : gr. iraXdiiii, 1. palma ; ahd. furuh F. Furche : 1. porca. 
— Beispiele für ft in % 36. 51. 

2. Von dem jüngeren aus p verschobenen f ist dieser 
Laut nicht mehr verschieden; vgl. Wolf, g. wulfs : Weif as. 
hwelp\ darfj g. parf: scharf as. 8carp\ Zweifel, g. ttceifls : 
greifen, g. greipan] in allen sprechen wir jetzt densel- 
ben /"-Laut. In der älteren Zeit war dies noch nicht der 
Fall. Zwar brauchte man anfangs sowohl fUr den älteren 
Laut, den ich durch f^, als auch für den jüngeren, den ich 
durch /** bezeichnen will, denselben Buchstaben f aber bald 
änderte man die Schreibweise, indem man im In- und Anlaut 
filr f^ mehr und mehr das Zeichen v oder u eintreten liess. 
Man hatte zunächst in Ermanglung geeigneter Mittel f, das 
alte Zeichen für germ. f, auch für den neuen aus germ. p 
verschobenen Spiranten gebraucht; aber da der Unterschied 
nicht verborgen war, so strebte man nach einer Verbesserung- 
und nahm nach dem Muster des Lateinischen und Romanischen 
V in das Schriftsystem auf. Die Orthographie erfuhr hier 
eine ähnliche Verbesserung wie in der Bezeichnung der Guttu- 
ralspiranten, nur wurde sie auf verschiedene Weise erreicht. 
Auch für den aus k entstandenen neuen Spiranten wurde zu- 
nächst das Zeichen des alten germ. h geschrieben, so dass 
zwei verschiedene Laute in der Schrift zusammenfielen; aber 
während h den Platz behauptete, der ihm ursprünglich zukam^ 
und seine spätere Eroberung allmählich an ch aufgeben musste, 
behauptete sich f umgekehrt auf dem jünger erworbenen Platz 
und verlor die alte Besitzung mehr und mehr an das neu auf- 
genommene V. Daran, dass dieses v zugleich den Vocal u be- 
zeichnete, nahm man keinen Anstoss, da dieselbe Doppel- 
geltung auch im Lateinischen bestand. 



§ 93.] Hochd. Lautverschiebung. Germ, f und hd. f, 119 

3. Die Änderung trat am frühesten im Inlaut ein, wo f 
nur in ganz alten Denkmälern überwiegt; im Auslaut und vor 
t und s {luft^ refsen) blieb f fest. Eine mittlere Stellung 
nimmt der Anlaut ein ; f behauptet sich länger als im Inlaut, 
aber im 10. und 11. Jahrh. werden beide Zeichen ziemlich 
regellos neben einander gebraucht und für Williram gilt nicht 
nur im Inlaut sondern auch im Anlaut v als die eigentliche Be- 
zeichnung von Z*^; nur vor l, r, u behielt er f bei, aus graphi- 
schen Rücksichten, wie bereits Grimm erkannte. Da v auch den 
Vokal u bedeutet, so wählte man in Verbindungen, die ein Ver- 
lesen besonders begünstigten, fifri nicht uri, fuore nicht uuore. 

4. Der Verlauf der Bewegung zeigt, dass im Inlaut der 
Unterschied zwischen p und f^ am stärksten empfunden wurde, 
im Auslaut erloschen war; und hieraus ist zu schliessen, dass 
in der älteren Sprache der Wert des germ. f je nach der 
Stellung sich ähnlich abstufte, wie der des ä, welches im Aus- 
laut sich als kräftiger Spirant hielt und mit dem aus Je ver- 
schobenen ch zusammenfiel, im Inlaut wesentlich schwächer 
articuliert wurde, so dass es jetzt ganz verstummt ist. Für 
das anlautende f aber dürfen wir eine ähnliche Mittelstellung 
voraussetzen wie für das anlautende h; es erschien dem 
schwachen Inlaut wesentlich gleich, stand aber doch dem 
starken Auslaut und dem jüngeren p näher als dieser; es 
nahm daher wohl die Bezeichnung v an, aber langsamer und 
weniger consequeut. Die ganze Bewegung aber erinnert an 
die Verschiebung, die der Gebrauch von jp : 6, Je : g erfuhr; 
auch hier setzte sich das Zeichen des schwächeren Lautes 
zuerst im Inlaut fest und drang dann allmählich in den Anlaut 
(§ 64; vgl. jedoch auch ZföG. 1893. S. 1087). — Dass zu der- 
selben Zeit, da sich die orthographische Änderung vollzog, die 
Articulation des f^ schlaffer und schwächer und so die Kluft 
zwischen dem alten und jungen Spiranten erweitert wurde, ist 
wohl möglich; vorhanden gewesen sein aber muss sie früher; 
denn wären die Laute im 9. Jahrh. zusammengefallen, so hätten 
sie im 10. und 11. nicht mehr in der Schrift gesondert werden 
können. Die spätere Zeit setzte die Mindeining des Lautes 
nicht fort; Ji Hess sie verfallen, f steht noch heute fest. 



120 Hochd. Lautverschiebung. Germ, f und hd. f. [§ 93. 

Anm. 1. Lehrreich, wenn auch nicht ganz consequent durch- 
gebildet, ist der Gebrauch Otfrieds, bei dem wir die Aufnahme 
des V in ihren ersten Anfängen beobachten. Im Auslaut steht f 
durchaus fest; auch im Anlaut wird es regelmässig gebraucht, von 
wenigen Ausnahmen abgesehen, die zum Teil noch von dem Correc- 
tor verbessert sind; im Inlaut dagegen gelten beide Zeichen: nach 
Consonanten pflegt 0. f zu schreiben: /?n/J, thurfut^ ihurfun (doch 
auch 1 woiua), ebenso vor l- und r-Suffix mit Secundär-a, die auch 
sonst den vorhergehenden Consonanten schärfen: diufal, düfar^ 
gewöhnlich auch afalön^ afar6n\ in andern Wörtern zwischen Vo- 
calen fast stets u : frauili Frevel, reues Mutterleibes, avur (g. afar) 
aber, auch zulval (g. tweifls) Zweifel, zutualön\ schwankend in halb- 
toniger Silbe zwelifl und zueliuij einlifl und eirdiui (Kelle, 2, 480. 
474). — Sehr beachtenswert ist auch Notkers Gebrauch, der 
zwischen f und v ähnlich unterscheidet, wie zwischen p t k und 
b d g {% 65), aber weniger durchgreifend und weniger consequent. 
Im Inlaut zwar schreibt er regelmässig v, im Anlaut aber f nicht 
nur wie p, <, k im Satzanftnig und nach stimmlosen Lauten, sondern 
auch nach stimmhaften, in manchen Schriften sogar ganz über- 
wiegend (Br. § 103 A. 3). Der Gebrauch von v erscheint also im 
Anlaut überall nur facultativ, nicht wie der von b d g unter ge- 
wissen Umständen geboten. Diese grössere Freiheit wäre auffallend, 
wenn man annimmt, dass N. ö, d, g und p, t, k wie v und f nur 
als Lenes und Fortes unterschied und dass er im Satzanfang und 
nach stimmlosen Lauten /?, ^, k schrieb, weil hier die Lenes als 
Fortes erklangen: man sähe nicht ein, warum dieses Lautgesetz bei 
germ. f weniger sicher gewirkt hätte, oder der Lautwandel weniger 
deutlich von ihm vernommen -würe. Dagegen begreift sich der Ge- 
brauch leicht unter der Voraussetzung, dass b d g für N. noch stimm- 
hafte Laute waren, die nur unter gewissen Bedingungen stimmlos 
wurden. Dieser Unterscliied zwischen stimmhaften und stimmlosen 
Lauten trat deutlich hervor und wurde consequent bezeichnet, 
weniger deutlich der zwischen der Lenis v und der fortis /*; ja die 
halb durchgeführte Unterscheidung von v und f im Anlaut ist 
vielleicht nur nach der Analogie von b d g : p t k vorgenommen. 

Anm. 2. Wenn die in § 43 über die Entwickelung der hoch- 
deutschen Spiranten aufgestellte Ansicht richtig ist, so hätten sich 
germ. f^ und f^ ursprünglich nicht nur als schwacher und starker 
Laut, sondern auch als reine Spirans und Affricata unterschieden. 
— Ein anderer Unterschied ergab sich vermutlich in der Articula- 
tionsstelle. Doch sind die Ansichten hierüber geteilt. Gemeinhin 
hält man f^ für labio-dental, p für labio-labial (Paul, PBb. 1, 168. 
Braune § 137), ich nahm die umgekehrten Werte an (Orth. S. 144 A.) 
und möchte an dieser Ansicht festhalten. Für labio-labiale Aus- 



§ 94.] Hochd. Lautverschiebung. Germ, f und hd. f, 121 

«prache des f^ spricht einmal, dass man zur Bezeichnung dieses 
Lautes denselben Buchstaben wählte, der für den Vocal u gebraucht 
wird; sodann der Übergang in ö, dem das v mehrfach unterliegt 
(§ 97), endlich der Umstand, dass noch jetzt manche Mundarten 
inl. f^ und f^ in der Weise auseinander halten, dass jenes labio- 
labial, dieses labio-dental gesprochen wird (Trautmann § 1023). 
Allerdings wird sich die labio-dentale Aussprache des /** erst im 
Laufe der Zeit als eine Begleiterscheinung der Fortis entwickelt 
haben (Sievers, Phon. § 304). 

94. Die Unterscheidung der beiden /"-Laute und die 
dreifache Abstufung, welche p nach In-, An- und Auslaut er- 
fährt, lasst sich auch in der späteren Zeit verfolgen. — In 
der inhd. Zeit ist für sorgßiltige Dichter släfen : gräven noch 
kein zulässiger Keim; die Schreiber pflegen im Inlaut noch 
V zu schreiben, im Anlaut folgen sie vielfach mehr oder weniger 
consequent Willirams Regel; noch Helber S. 13 nennt v 'ein 
halbes oder lindes /*'; ja noch heute ist der Unterschied 
in Mundarten erhalten. Während das jtlngere p überall ein 
kräftiger stimmloser Spirant ist, wird im nordwestlichen Deutsch- 
land, nach Holland zu, anlautendes/** sehr schwach und nicht 
selten halb stimmhaft gesprochen, und entschiedener und 
weiter verbreitet tritt dieselbe Aussprache im Inlaut auf (Traut- 
raann § 1023. Behaghel, Grdr. § 88). Aber Ickelsamer (Bl. 
C 5*) erkennt die Unterscheidung schon nicht mehr an und 
tadelt es, dass man v schreibe, wo man doch f spreche. Diese 
Anschauung hat allgemeine Geltung gewonnen. Die correcte 
Schrift- und Schulsprache hat sich augenscheinlich mit Be- 
wusstsein der schlaffen Articulation des Lautes entgegengestellt 
imd für f^ denselben Wert wie für p durchgesetzt; vermut- 
lich zunächst in den Gegenden, in denen das inlautende b 
durch seine spirantische Aussprache (&) sich nahe mit dem v 
berührte. Man suchte die beiden Laute durch Kräftigung des v 
auseinander zu halten; md. Schreiber bezeichnen inlautendes v 
besonders oft durch /", z. B. hofe oder hoffe statt hove. 

Unsere Orthographie ist der Sprache nicht ganz gefolgt; 
im Inlaut hat sich v nur in dem Worte Frevel gehalten, öfter 
im Anlaut; einige auffallende Unterscheidungen: vor neben /V/r, 
voll neben Fällen erinnern noch an die alte Willirarasche 
Kegel (Orth. § 110 f.). 



122 Hochd. L«autver8chieb. fs : «, j?s, sp.\ ft : pt\ mt : tnft, [§ 95. 96. 

95. fs : «, 2?«, «p; /? :^^ Die Verbindung fs unter- 
liegt ganz ähnlichen Änderungen, wie das häufiger gebrauchte 
}\s (§ 91). Wenn den beiden Spiranten noch ein Consonant 
folgte, wurde f schon vor der Zeit unserer Denkmäler beseitigt 
(§ 158, 3. Möller, PBb. 7, 459 A.). Wo sich die Verbindung 
fs gehalten hatte, macht sich die Neigung geltend, f in Ver- 
schlusslaut zu wandeln und Metathesis eintreten zu lassen: 
ahd. wefsa, mhd. wefse, tvehse, wespe Wespe; ahd. refsen (tadeln), 
mhd. refsen, repsen, respen\ mhd. tr^fse, trebse, trüspe Trespe; so 
vermutUch auch mhd. despen verbergen, bestatten, knospe Knospe 
(Kluge Wb.). Ahd. le'fs M., mhd. läfSy Ufse, lefz, l'4bs, Wps hat sich 
im Nhd. durch Einschub des t als Lefze gehalten. 

Anm. Auch pt für ft findet sich, grade wie et für ht. Br. 
§ 139 A. 7. Heinzel, Ndfr. Geschäftssprache S. 124. 

96. mt : rnft, nft. Ein merkwürdiges f stellt sich bei 

Wurzeln auf m vor ^Suffix ein. g. qiman : qumps, aber bd. 
kommen : Kunft\ z^man : Zunß] n^man : -ntinft; brummen : Brunft 
(Brunst des Rotwildes); Ranft, ahd. ram^ft (Rand, Rinde) gehört zu 
einer Wurzel rem, aus der auch Rand hervorgegangen ist. Es 

liegt nahe zu vermuten (Scherer S. 158 A.), dass dieses f auf 
älterem p beruht, das sich leicht als Übergangslaut zwischen 
m und t einschiebt (vgl. I. sumo sumptus) und diese Ver- 
mutung wäre dadurch nicht grade zu widerlegen, das germ. 
mp an dieser Stelle nicht zu mpf verschoben ist (§ 49); denn 
es wäre möglich, dass dieser leichte Übergangslaut mit dem 
selbständigen germ. p nicht identisch war, also auch ein 
anderes Verschiebungsresultat ergab. Doch steht auch der 
Annahme nichts im Wege, dass sich f unmittelbar als Uber- 
gangslaut entwickelt hatte. Jedenfalls muss das f in diesen 
Wörtern reine Spirans gewesen sein, die wie das hd. f^ ohne 
jeden labialen Vcrschlusseinsatz gesprochen wurde, weil sonst 
vor ihr m nicht hätte zu n werden können. — Vor s erscheint 
ein ähnliches f in ahd. amfsla, am^fsela, amphsela, Nebenformen zu 
amsla, amisala Amsel, vermutlich auch in g. sunimfsl N. Teich. 

Anm. Dass dem Got. ein leichter Übergangsiaut in mt nicht 
unbekannt war, obschon er in der Schrift nicht bezeichnet wurde^ 
lÄsst das un verschobene t in anda-num-t-s Annahme vermuten; vgl. 
II § 254, 4. 



§ 97.] Hochd. Lautverschiebung-, f : b. 123 

97. Wechsel von f und 6. — Manche Stämme haben 5 
ip) und V (f) im Inlaut neben einander. Zum Teil beruht das 
auf dem alten grammatischen Wechsel (§ 23, 4 d), zum Teil 
auf mundartlichem Übergang von &, S in r (§ 68. 73), zum 
Teil aber auch darauf; dass umgekehrt b für v eingetreten 
ist, wie z. B. in Kerbel M., mhd. kervele, ahd. Icervola slvlb 
1. caerifolium; nhd. Stuber M. aus ndl. stuwer. Die Mund- 
arten, in denen inlautendes b spirantisch gesprochen (§ 68. 
73), inlautendes v sehwach articuliert wurde, und in Folge 
dessen beide Laute wenig unterschieden waren (Whd. § 162. 
§ 176) konnten leicht zu solchen Entartungen führen. — 
Welcher von diesen drei Vorgängen statt gefunden hat, ist 
im einzelnen Fall oft schwer zu entscheiden. Grammatischen 
Wechsel anzunehmen ist um so bedeuklicher, je später die 
Wörter auftreten^). 

Wörter, in denen mundartliches /'zur Anerkennung gekommen 
ist, sind in § 79 angeführt, hier folgen solche, in denen h Geltung ge- 
wonnen hat. Verba: heben, mhd. heben {heven), ahd. heffen^ huob 
durch Ausgleich des grammatischen Wechsels; ebenso werben, mhd. 
tc^erben, ahd. werban und wervan; ferner kerben, mhd. kerben, urspr. 
St. V. (ags. ceorfan), dazu Kerbe F., mhd. Mrbe k^ve; traben, mhd. 
droben, draven (andd. thraböndi Traber). — Substantiva : Hobel M., 
mhd. hobel, hovel (Luther hofel, mndd. hövel); Scharbe F. (Vogel- 
name), mhd. Scharbe F. M., ahd. scarba, scarva, scarbo, scarvo\ 
Zauber M., mhd. zouber, zouver, ahd. zoubar, zouvar. — Adv. aber, 
g. afar, ahd. avur, erst später aber, dazu avarön wiederholen, mhd. 
oberen, — b und f nebeneinander in schnauben, schnaufen, mhd. 
snüben, snüven, snüfen, — Abgestorbene Wörter, die in der älteren 
Sprache b neben v zeigen, sind z. B. ahd. diuba diuva, mhd. diube 
diuve Diebstahl; ahd. eibar, eiver bitter; ahd. hiuban und hiufan 
klagen; ruaba, ruava F. Zahl; ahd. hevilo, mhd. hevel und hebet 
Hefe zu heffen heben. 

Anm. Ein auffallendes b für anl. f erscheint in md. blach 
(Blachfeld) : ahd. vlah flach (vgl. gr. irXdE Fläche); mhd. (md.? s. 
Weigand Wb.) balze M. Begattung des Federwildes := mhd. falz M.; 
mhd. biever, biver N., biber M. = vieber, 1. febris (vgl. biben beben). 
— Ober ahd. basa Base neben ags. fadu s. Kluge Wb.; vgl. auch 



1) Paul PBb. 1, 167. 6, 541. Scherer S. 133 f. Kögel Ker. Gl. 
S. 122 f. Br. § 139 A. 5. Paul. mhd. Gr. § 81. Kluge KZ. 26. 97 f. Vgl. 
auch § 88 A. 2 (Ä : g). 



124 Hochd. Lautverschiebung, ß : cht. Rom. v, [§ 98. 99. 

§ 24. — Auch pf (p) und f (v) kommen nebeneinander vor : mhd. 
vinnet pfinne F. Finne, fauler, ranziger Geruch, ndl. vin; Flegel, 
ahd. flegil (wahrscheinlich aus 1. flagellum), ndd. (in Angeln) pligel, 
in oberd. Mundarten pfleget u. ä. — Über nhd. daube : bair-östr. 
taufei, mhd. düge s. Kluge Wb. 

98. ft : cht, — cht für ft, also gutturale für labiale 
Spirans, gilt allgemein im As. und Niederfränkischen, begegnet 
aber auch im Mittelfränkiscben und angrenzenden mitteldeut- 
schen Mundarten (Br. § 139 A. 7. Whd. § 236). Aus diesen 
ist es in einigen Wörtern in die Schriftsprache gekommen: Ducht 
od. Duft (Ruderbank), ahd. dofta, an. popta ; echt, zusammengezogen 
aus mhd. ^haft, ndl. echt\ Nichte, mhd. niftel'^ Geraucht N., mhd. 
gerüefte N., ruoft M. Ruf, Leumund zu ruofen, ebenso hei*üchtigt, 
und mit Verlust des t ruxihhar für ruchtbar, anrüchig (unter An- 
lehnung an riechen) für anrüchtig; sacht mit differenzierter Bedeu- 
tung neben sanft, mhd. sanft, senfte\ ebenso Schacht neben Schaft; 
ferner sichten, erst nhd., rms siften, ndd. sichten zn Sieb, sieben', be- 
schmchtigen, erst in der 2. Haltte des vorigen Jahrh. aufgenommen, 
vgl. mhd. swiften ; Schlucht neben Schlaft, zu mhd. sliefen, g. sliupan 
schlüpfen; zweifelhaft ist Gelichter. — [lichten gehört zMltht leicht; 
Eintracht nicht zu treffen, sondern zu trägem vgl. mnl. over een 
draghen, Franck, Wb. Sp. 224.] 

Anm. Der Spr. A. verzeichnet die Grenze ft/cht für Luft 
(AfdA. 19, 277 f.). 

99. Romanisches v^). — Ein dem romanischen v ge- 
nau entsprechender Laut fehlte im Germanischen und Hoch- 
deutschen; es traten also ähnlich wie bei den anlautenden 
p, Je (§ 53 f.) die nächst verwandten dafür ein, und zwar in 
der ältesten Zeit das halbvocalische w, z. B. g. wein N. Wein : 
1. vinum; ahd. wiccha Wicke : 1. vicium\ dann die leichte 
Spirans v ( = germ. f), schliesslich der stimmhafte Spirant lo 
{§ 115). Über die Zeit, in welcher v aufkam s. Franz a. 0. 
und Kossinna PBb. 20, 299 f. 

Der stimmlose Laut hat sich nur in wenigen Wörtern erhalten. 
Anlautend: ahd. vers, f'irs M. Vers : 1. versus\ ahd. vdspera F., mhd. 
v^'sper Vesper : 1. vespera; ahd. fogat M., mhd. voget : mlat. vocatus. 
— mhd. velts M., nhd. Felleisen : frz. valise; spät-mhd. vätel F. : 1. 
vetula; mhd. viel, vtol M., lüole F. Veilchen : 1. viola (aber mit stimm- 



1) Br. § 137 A. 1. Whd. § 172. Franz, die lateinisch-romani- 
schen Elemente im Ahd. (Strassb. 1884) S. 20 f. 



§ 100.] Der «-Laut. 8 : g. z, hd. r. 12& 

haftem w : violett, Deminutiv zu violä); mhd. vimis Firnis : frz. ver- 
nis. — nhd. Profoss (ndl. provoost): afrz. prevost, it. prevosto, aus 
L priiepositits. — Inlautend: ahd. hriaf, hrief M. Brief: 1. breve; ahd. 
chevia F., mhd. fcerjc M. F. N. ATi/?^ : 1 cavea; auch ahd. tavala F.^ 
mhd. tavele Tafel : rom. tavola (= 1. tabula, vgl. ahd. zabal, mhd. 
z^de^ Brett). — In einigen andern concurriert der stimmlope Laut 
mit dem stimmhaften; anlautend: nhd. Vice- (vgl. mhd. viztuom M. 
Statthalter = 1. vicedomimis); inlautend: früh -nhd. Larve : I. larva\ 
mhd. pulver M. N. Staub, Asche, nhd. Pulver : Lpulver; auch wohl 
in mhd. slave, sklave M Sklave : it. schiavo, frz. e^cZavc; nhd. brav : 
frz. brave. Im allgemeinen sprechen wir das rom. v als stimmhaftes 
tu; vgl. Trautmann § 1099. 

Anm. Kossinna a. 0. benutzt den Gebrauch von f für rom. 
t?, um die Besiedelung romanischer Gegenden durch Deutsche zeit- 
lich zu bestimmen. 

Drittes Kapitel. 

Der «-Laut. 

100. 1. Das 8 ist im Germ, ein sehr häufiger, im 

ganzen wohl erhaltner Laut. Im Lateinischen ist er oft durch 

r, im Griechischen durch den Spiritus asper ersetzt oder ganz 

verschwunden. 

Beispiele. Anlautend vor Vocalen. g. sa, so : gr. ö, i^; g. 
saian säen : 1. sero (aus si-so); g. säihs : 1. sex, gr. ?E; g. Salt N. 
Salz : I. scU, gr. äX<;; g. sauil N. Sonne : 1. sol, gr. fjXio(;; g. sibun: 
1. Septem, gr. ^irrd; g, .yie^tijf M. Sitte : gr. ^6o(;; g. silan schweigen: 
1. süere'^ g. sineigs alt : 1. «enecc; g. «i^an sitzen : 1. sedeo, gr. ^Zlofiai; 
g. siujan nähen : 1. suo, gr. Koa-auu); g. sökjan suchen : 1. sagio, 
gr. i^T^o|iai; g. süts, ahd. «Moji (germ. swötu-) : I. suavis, gr. i^&0<;. 

— Anlautend vor Consonanten findet sich s vor <, j?, k (Belege 
§ 38. 51) und vor l, m, n, tc; im Lateinischen fehlen sl, sm, sn, im 
Griechischen sl, sn, stc. g. sliupan, ahd. sliofan schlüpfen : l. lu- 
bricus; mhd. slim M. Schleim : 1. limus, — g. smals klein, geringe 
ahd. «ma/, smala-nö,^ Kleinvieh : gr. ^n^a; Rhd.smerzo M.Schmerz: 
gr. a^€pbv6^, a|i€pbdX£o^, I. mordeo. — g. snaiios M. Schnee : 1. mx 
nitt'*, gr. vi<p£i es schneit ; ahd. snur F. Schwiegertochter : 1. nurus. 

— g. swaihra M., swaihrö F., ahd. swShur, swigar : l. soccr, socrus, 
gr. ^Kupöc, ^Kupd; g. »irw^ar : 1. so7'or; ahd. swamb M. Schwamm: 
gr. ao^qpö^; ahd. swizzen, swei^ : gr. lb(ui, ibpux;, 1. sudor; ahd. swtgen: 
gr. öiTäv. — Im Inlaut, gr. ausö N. Ohr : 1. auris (vgl. auscultare), 
gr. oö^; g.hau^jan hören : gr. d-Kouiu; g. kiusan : 1. gustus, gr. teOuj; 
g. ganisan genesen : gr. v^o|iai heimkehren, vöötoc; Heimkehr; g. 
wasjan kleiden : gr. ^wum, 1. vesfic. Nach Consonanten g. «wifa 



126 Der s-Laut. s : g, z, hd. r. [§ 101. 

M. Schulter : 1. umerus, gr. (b\iO(^; g. ga-dars : gr. OapacTv, Oappclv; 
g. fairznüy ahd. f^sana Ferse : gr. Ttr^pva, 1. pema Hinterkeule, 
SchiDken; g. ga-Pairsan : gr. x^pacaBai, 1. torrere. Auch in den 
Verbindungen sp, st, sk (§ 88. 51. 95), hs (§ 92). 

Anm. Über den physiologischen Unterschied der beiden 
dentalen Spiranten /> und s, die in der älteren Sprache gar keine 
Beruhigung zeigen, s. Braune IF. 4, 341 f. 

2. Im Indogermanischen war s meistens ein stimmloser 
Spirant; stimmhaftes z kam, wie man annimmt, nur in Ver- 
bindung mit nachfolgenden Mediae und Mediae aspiratae 
vor (Brgm. § 590) und nur in der letzteren konnte der stimm- 
hafte Laut sich im Germanischen halten, z. B. g. mizdö F. (gr. 
fiiaBöc;) Lohn, g. razda Sprache, g. azgö Asche; in der Verbindung 
mit idg. Media wurde er, da diese zur Tenuis verschoben wurde, 
wieder stimmlos z. B. g. asts Ast, gr. ö2[o^ aus ozdos'^ ahd. n^st^ 1. 
niduH aus ^ni-zd-o {ni nieder, Wz. sed sitzen). Andere Beispiele 
bei Noreen S. 138. Streitberg S. 134 A. 

In den germanischen Sprachen hat das stimmhafte z be- 
deutend an Umfang gewonnen und ist dann weiterhin in r über- 
gegangen. Von allen germanischen Sprachen kennt nur das 

Gotische der Bibeltibersetzung r für 5 fast gar nicht (§ 101 A. 2). 
Wie leicht sich dieser auch in andern Sprachen verbreitete Über- 
gang vollzieht, zeigt eine Mitteilung Trautmanns in der Anglia 3, 
212 f., wonach im 16. Jahrh. in Paris und in Frankreich überhaupt 
oftmals z und r mit einander wechselten, r für z und umgekehrt 
z für r gesprochen wurde. 

101. Veranlasst wird der Übergang von s zn z, r durch 
dieselben Verhältnisse wie die Erweichung der übrigen stimm- 
losen Spiranten /*, p, A, also nach dem Vernerschen Gesetz 
(§ 22 f.). Daher finden wir hier auch ganz ähnliche mund- 
artliche Unterschiede und im Hochdeutschen eine stärkere 
Neigung zum stimmhaften Laut als im Gotischen (Belege in 
§ 23). Besonders fehlt dem Got. der grammatische Wechsel im 
st. V. : g. kau8, kusum^ kusans zu kiusan wählen : ahd. kös, kurum, 
gikoran; g. was, wisum zu wisan sein : ahd. icas^ warum. Ander- 
wärts zeigt auch das Gotische den stimmhaften Laut; z.B. g.dius, 
diuzis, ahd. tior Tier; g. aizj ahd. er Erz; g.marzjan ärgern, ahd. 
merren; g. airzjan irre führen, ahd. irren. — Namentlich finden 
wir z, r in Suffixen zwischen Vocalen; so im Pron. und Adj. : g. 
izös, ahd. ira\ g. izai, ahd. iru\ g. iz^, ahd. iro\ g. hlindaizös^ ahd. 
blintera; g. hlindaizi, -zö, ahd. hlintero\ im Passiv g. hairaza du 
wirst getragen; im Comparativ: g. jükiza^ ahd, jungiro'^ g. frö- 



§ 101.] Der *-Laut. s : g. z, hd. r. 127 

döza, ahd. fruotoro] in Nominibus mit ä-SuASx; g. hatis Hass, Dat. 
hatiza; dazu hatizön zürnen; riqts Finsternis, Gen. riqizis; aqizi 
Axt u. a. In manchen Bildungen stehen s und z nebeneinander; 
vgl. hatizön zürnen : valvisön sich wälzen ; fUusna Menge, hlaiva»na 
Grab : arhazna Pfeil, fairzna Ferse. 

Anm. 1. Für g. z pflegt im Auslaut s einzutreten, da die 
stimmhaften Spiranten im Auslaut stimmlos werden (§ 145); aber 
wenn die enklitischen Wörtchen -m, -wä, -ei an einsilbige Pronomina, 
Partikeln und unbetonte Flexionsendungen treten, erscheint 25; z. B. 
U8 : uzuh, 18 : izei, vileis : vileizu ; vereinzelt auch in proclitischem 
US : uzön hauchte aus, uzita Krippe und in tuzwirjan zweifeln. — 
Ob z einst im Auslaut aller ursprünglich unbetonten Endungen 
eingetreten war und dann durch das jüngere gotische Gesetz wie- 
der beseitigt wurde (Paul, PBb. 6, 549 f.), ist mir zweifelhaft. Das 
Venier'sche Gesetz brauchte im Auslaut nicht dieselbe Wirkung 
zu üben wie im Inlaut, da selbst vor vocalischem Anlaut die Be- 
dingungen andere waren. Denn in der Regel wurde doch wohl 
der vocalische Anlaut mit stimmlosem Einsatz gesprochen. In der 
Oomposition konnte dieser Einsatz verloren gehen und s stimmhaft 
werden. Zwischen g. uzön und us-anan, uzita und tis-itan besteht 
dasselbe Verhältnis wie zwischen nhd. be-o-bachten und Ab-art, 
au'ferstehen und auf -essen. — Auffallend ist, dass auch im Ahd., 
wo stimmhafte Consonanten im Auslaut nicht stimmlos werden, im 
Auslaut 8 statt r (aus 2) erscheint: G. Sg. tages, 2. P. Sg. biris. 
Eine sichere Erklärung fehlt; vgl. Hirt, PBb. 18, 527. Streitberg 
S. 227. 320. — Über den Schwund des auslautenden « s. § 150. 

Anm. 2. Übergang von s in r erfährt im Gotischen nur die 
Partikel us durch Assimilation, und zwar regelmässig in Compositis, 
z. B. urreisan aufstehen, urruns Aufgang; einmal auch als Präpo- 
sition in proklitischer Stellung: ur riqiza] (Br. § 78). Später hat 
sich, wie westgotische und vandalische Namen des 7. Jh. zeigen, 
dieser Übergang auch im Gotischen weiter verbreitet; z. B. Ordul- 
phus = HuzdulfuSy Naribardus = Nasibardus. Dietrich, Aus- 
sprache S. 81. Scherer S. 180. 

Anm 3. Alten, gemeingerm. Schwund eines inl. s vor r 
nimmt man an in ahd. ür Auerochs : skr. usrd Stier; ahd. wär^ l 
vtrus aus ^wes-rö zu tc'€san\ das Hochdeutsche hat den Laut noch 
in einigen Wörtern verloren : g. mizdo, ags. meord, as. miday ahd. 
fniata; ndd. Hede, ags. heorde, mndl. herde'^ ebenso in Hirn und 
Hornisse (§ 158, 2). Erhalten ist das r aus z z. B. in ahd. gart M. 
Stachel, g. gazds; hört N. der Hort, g. huzd; rarta F. Sprache, g. 
razda'^ (in azgö F., ahd. asca Asche weicht das Got. von den an- 
dern germ. Sprachen ab) ; über g. izwar : ahd. iuwer, g. izxcis : ahd. 
iu s. Brgm. 2 § 436 A. 3. 



128 Der s-Laut. Jüngere Spaltung. [§ 102» 

Anm. 4. Nicht selten stehen Wörter, die aus derselben 
Wurzel gebildet zu sein scheinen, mit und ohne anlautendes s- 
neben einander. Zuweilen verteilen sich die verschiedenen Formen 
über verschiedene Sprachen. Das Germanische hat s, verwandte 
Sprachen nicht: g. staiUan stossen: \. tundere; ahd. .9c^'ran scheren: 
gr. K€(puj; a.hd. scouwön schauen, g. sfcu^y^it'a F. Spiegel, us-skaiojan 
zur Besinnung bringen : 1, caverCy gr. ko^iu merken; ahd. spec{ck} 
M. Speck: gr. ttCudv fett; ahd. storah M. Storch : gr. TÖpyo^ Geier; 
zuweilen umgekehrt: ahd. decchen sw. V., 1. tegere : gr. OTifiu; ahd. 
fallaUf 1. faUere : gr. aq>dXXuj ; ahd. hinkan : gr. aK&lu3 aus skhngjö. 
— In andern finden wir beide Formen innerhalb des Germanischen; 
z. B. g. stiury ahd. stior M. : an. pjörr^ gr. TaOpo(;; ahd. haran M. 
Urin: an. skarn N. Kot; ahd. scür Wetterdach, sciura F. Scheuer, 
scüm Schaum, mhd. schote, schotte F. Samengehiluse (vgl. g. skaitda- 
raip Schuhriemen), 1. scütum Schild, ob-scurus dunkel, gr. oköXov 
Rüstung (alle aus einer Wurzel sku bedecken) : ahd. Mit F. Haut, 
1. ciäis\ ahd. smelzan schmelzen: ags. mältan auflösen (g. ga-mal- 
teins F. Auilösung), ahd. malz M., gr. li^Xbuu; ahd. snabüi M., ndl. 
snavel und sneb : ndl. nc6, ags. nebb; ahd. snurring Possenreisser: 
narro Narr; ahd. strecken sw. V. : g. uf-rakjan, ahd. recken, gr. 
öp^T€iv, 1. por-rigo'^ mhd. schocke Getreide-, Heuhaufen : nhd. Hocke; 
mhd. schrimpfen runzeln, schrumpfen : ahd. krimp f an krumm zu- 
sammenziehen (vgl. auch ahd. rimpfan zusammenziehen, runzeln, 
rümpfen; nmdd. wrempen, wrimpen)\ mhd. stecken naschen, an. 
sleikja lecken : ahd. lecchönj g. bi4aigön; mhd. stro^^e F. Kehle: 
ahd. dro^a. — Zuweilen mögen sich die Doppelformen dadurch 
ergeben haben, dass ein anlautendes s abgefallen ist, öfter wohl 
dadurch, dass ein Teil der Wörter mit einem unsern unbetonten 
Vorsilben ähnlichen Präfix gebildet war, ein anderer nicht ; zuweilen 
mögen auch verschiedene Wurzeln zu Grunde liegen (z. B. mhd. 
swerben sich wirbelnd bewegen, ndl. zwerven : mhd. warben, g. 
hairban; mhd. swelc welk, mürbe : wetk feucht, lau, welk). Noreen 
8. 201—208 und die dort angegebene Litteratur, auch Aron, PBb. 
17, 2G0f. -— [Äusserlich gleich einige Fremdwörter: ahd. kurz Adj.; 
gleichbed. scurzj dazu mhd. schürzen sw. V., schürz M. aus 1. curtus 
und vulgärlat. excurtus\ vgl. auch Kluge s. v. Spund, scheuern.] 

Jüngere Spaltung des Lautes. 

102. So weit das s nicht geschwunden oder zu r ge- 
worden war, bestand es im Ahd. als stinnnloser Reibelaut fort. 
Jetzt haben wir an Stelle dieses einen Lautes drei: stimm- 
loses Sf stimmhaftes s und den durch seh bezeichneten stimm- 
losen Reibelaut, der sich zunächst aus sc entwickelt hatte. 



§ 103.] Der «-Laut. Jüngere Spaltung:, s : seh, 129 

(§ 57 f.). — Scherer (ZfdöG. 1870 S. 576. zGdSpr. S. 132 f.) hatte 
aDgenoramen, dass wie im Ahd. p zu d wurde, auch s allgemein 
stimmhaft geworden sei; aber gegen diese Annahme richtet sich 
mit Recht Paul (PBb. 1, 168 f. A. 6, 547), und Scherer selbst hat sie 
wenigstens zum Teil zurückgenommen. Im As. wurde das einfache 
inlautende s (ebenso /", p) schon stimmhaft gesprochen; denn zu 
lösian gehört als Prät. Lösda, zu kussian aber kusta. Für das Ahd. 
fehlen solche Anzeichen; die stimmlose Aussprache dauert hier im 
Mhd. wohl noch fort. 

103. 8 : sch im Anlaut^). — 1. Den «cÄ-Laut sprechen 
wir in den anlautenden Consonantverbindungen sl, sm, sn, sw, 
gty sp ; z. B. mhd, släfen : schlafen, smerze : Schmerz , sniden : 
schneiden^ swan : Schwan, spil : Spiel, stuol : Stuhl. In den 
Verbindungen sp und st hält zwar unsere Schrift, nicht aber 
die Sprache noch das einfache Zeichen fest. — Aus dem Ver- 
hältnis der jetzigen zur älteren Sprache kann man nicht ohne 
weiteres scbliessen, dass vor Vocalen der alte Laut bewahrt, 
vor Consonanten aber verändert sei. Wir schreiben zwar 
See fibereinstimmend mit mhd. se mit anlautendem s. Schlaf 
abweichend von mhd. sldf mit sch; aber daraus folgt nur, 
dass der alte Laut sich gespalten hat, nicht dass da, wo wir 
s schreiben, der alte Laut imverändert fortbesteht; vielmehr 
scheint diesem weder unser s noch unser sch genau zu ent- 
sprechen. Die Articulation des nhd. sch liegt, wie bemerkt 
(§ 57), vermutlich weiter nach hinten als die des alten s, die 
Articulationsstelle des nhd. s liegt umgekehrt vermutlich 
weiter nach vom. 

Drei Laute kommen für die Beurteilung in Betracht: das 
alte s, das aus t verschobene 5, ß und das aus sc gewonnene 
sch. Der aus t entstandene J9-Laut hatte vermutlich die am 
weitesten nach vorn liegende Articulation ; das aus sc entstan- 
dene sch die am weitesten zurückliegende; zwischen beiden 
lag das alte s, das mit stärker gehobener Zungenspitze als 
nnser gemeingültiges s gesprochen wurde, wie noch jetzt im 
Englischen und im nordwestlichen Deutschland; (Trautmann 

1) Aron, Zur Geschichte der Verbindun<i'en eines s bez. sch 
mit einem Consonanten im Nhd. Pßb. 17, 225—271. 

W. Wilmanns, Deutiicbe Grammatik. I. 3 



130 Der s-Laut. Jiiii«:ere Spaltung. « : sc?i. [§ 103. 

§ 1086). Dieser mittlere Laut wurde aufgegeben; vor Vocalen 
nahm er die Articulationsstelle des vorderen Lantes an, indem 
die Bildung der Vocale einen niedrigeren Stand der Zungen- 
spitze begünstigte; in den anlautenden Consonantverbindungen 
hemmte der folgende Consouant die Einwirkung des Vocales, 
das s behauptete zunächst seine alte Bildung und fiel dann 
mit dem benachbarten seh zusammen. Die Spaltung des »- 
Lautes dürfte hiernach sowohl die Entwickelung des z als 
namentlich die des sc zu reinen Spiranten voraussetzen; denn 
wo sich aus sc kein einheitliches seh entwickelt hatte, lag 
kein Grund vor die Articulation in Consonantverbindungen 
rückwärts zu schieben. — Andere Erklärungen versuchen 
Aron PBb. 17, 258 ff. und Bremer L S. 75 A. 

Anni. 1. Die Annahme, dass das alle s dem s naher stand als 
unser jetziges s hat zuerst Braune ausgesprochen und begründet. 
PBb. 1, 530; V{»1. IF. 4, 'MS Anni. 

2. Deutliche Anzeichen, das die Spaltung des Lautes vor 
sich gegangen war, treten um 1300 hervor. Als damals sc 
zu einheitlichem Laute geworden war, stand diesem das alte 
s noch nahe. Daher finden wir sowohl s für sc geschrieben 
(§ 58): satz, sepfen, sif, sriben, slUing, sulfheiz, hovisy mennes- 
lieh etc. (PBb. 17, 250), als auch umgekehrt namentlich im 
Alemannischen seh für Sy und zwar nicht nur in den Conso- 
nantverbindungen, in denen auch wir so schreiben oder sprechen 
z. B. sehiahen, schnür, sehmift, schwesfer, sehpill, sondern 
auch vor Vocalen; z. B. qisehehin st. gesehen, scheue st. sceUcy 
geschehehaff u. ä. (PBb. 17, 269). Aber der Gebrauch des 
scJi vor Vocalen begegnet doch nur selten; im ganzen bleibt 
das Zeichen auf die Verbindungen beschränkt, in denen es 
die spätere Zeit anerkannt hat, und bekundet dadurch, dass 
hier eine eigentümliche Lautentwickelung stattgefunden hatte. 
— Im Schwäbisch-Alemannischen sowie im Bairisch-Öster- 
reichischen verbreiten sich diese seh am schnellsten; zurück- 
haltender sind Elsass und Mitteldeutschland; auch zeigen sieh 
die verschiedenen Verbindungen der Änderung nicht gleich 
zugänglich; sw behauptet sich besser als sl, sm, sn; sp und 
besonders st widerstehen fast durchaus (PBb. 17, 248. 251 f.). 



§ 103.] Der «-Laut. Jüngere Spaltun«»:. s : seh. 131 

Aber auch bei den andern dauert es lange, ehe der alte Ge- 
brauch ganz überwunden ist. In Baiern begegnen noch im 
15. und 16. Jahrh. anlautende sl, snij sn, sie (Whd. b. Gr. 
§ 154), und noch im 17. Jahrh. möchte der Niederdeutsche 
S c h 1 1 e 1 diese seiner Mundart entsprechende Schreibung 
wieder einführen; aber bereits 120 Jahre früher l>raucht Luther 
im Anschluss an die sächsische Kanzlei seh (Francke § 89. 91) 
und für Frangk galt die jetzige Sprache und Schreibung 
als unbestritten feststehend, auch die eigentümlichen Ausnahmen 
sp und 8t (PBb. 17, 225 f. Victor S. 186 f.). — Den Grund 
für die Ausnahmestellung von 8p und st hat Aron S. 251 
richtig darin erkannt, dass sp und st auch im Inlaut vorkommen, 
die übrigen Verbindungen nur oder fast nur im Anlaut. Im 
Inlaut nach Vocalen war das s dem Übergang in ,v weniger 
ausgesetzt und hat sich ja auch in der Sprache im allgemeinen 
behauptet; die Schreibung die für die Lautverbindungen st 
und sp im Inlaut zu Recht bestand, schützte die herkömmliche 
Schreibweise auch im Anlaut. 

Anm. 2. Die anlautenden sp und st pfle«rt mau in einem Teil 
Norddcutschlands, namentlich in Hannover, Holstein, Friesland auch 
in Meklenbur«^ mit scharfem s zu sprechen, oft in dem (Glauben, 
damit die alte und eigentlich richtige Aussprache bewahrt zu haben. 
Wenn die oben vorgetragene Ansicht richtig ist, wSre diese An- 
schauung irrig; den alten Laut hätte weder diese mundartliche noch 
die gemeindeutsche Aussprache bewahrt. In dieser wHre wie in 
den andern Consonantverbindungen die Articulation zurückge- 
treten, in jener wie vor den Vocalen vorgeschoben. — Der Spr. A. 
lässt die verschiedene Aussprache der .v-Verbindun«ren zAvar er- 
kennen, aber nicht »^enau abgrenzen; verzeichnet sind Schnee 
(AfdA. 20, 102), schlecht (21, 1G4), schlafen (21, 166). 

Anm. 3. Über sp, st, sk in Fremdwörtern s. Victor S. 186; 
vgl. PBb. 17, 246. 257. 

Anm. 4. Etwas ganz anderes als der Übergang des s in s 
ist die Entwickelung eines c in der Verbindung sl, die bereits im 
9. Jahrh. und später begegnet; z. B. sclief st. slief sclahen^ sclaht, 
scleht etc. Whd. a. Gr. § 190. Br. § 169 A. 3, Vgl. auch die ger- 
manischen Namen bei Procop: GcubcTiaKXoc, ^putTiaKXoq neben lA6i- 
f\ad\ (Gr. 2, 495) und dieselbe Epenthese {^ J53) in andern Sprachen 
(PBb. 17, 248 f. J. Schmidt, Sonantentheorie S. 39 A.). — Fest ge- 
worden, aber nicht erst auf deutschem Boden entstanden, ist dies 



132 Der «-Laut. Jüngere Spaltung. 8 : seh, [§ 104^ 

sei in Sklave = Slave (Kluge, Wb.). Über die umgekehrte Unter- 
drückung des k in der Verbindung sei s. § 158, 8 und § 58 A. 

104. Im In- und Auslaut hat die uhd. Schriftsprache 
dem seh für altes s im allgemeinen keinen Raum gewährt,, 
fast überall hat s die vordere Articulation angenommen ; hösey 
FersCj halsen etc. Die Mundarten aber kennen das seh auch 
hier, namentlich das Alemannische, viel weniger das Bairische 
(Whd. a. Gr. § 193. b. Gr. § 154). Am weitesten verbreitet 
ist es nach r\ denn die Articulation des r stützte den altea 
cerebralen «-Laut mehr als irgend ein anderer Consouant^). 
Hier hat auch die Schriftsprache das seh aufgenommen: Arschy 

mhd. ars\ Barsch^ mhd. hars\ hirschen^ mhd, hirsen (frz. berser^ 
bercer)] Bursche^ mhd. biirse; Dorsche, mhd. torse (Kohlstrunk);. 
Kirsche, mhd. Mrse kirse (vgl. 1. cerasum)'^ herrschen, mhd. hersen, 
ahd. hirisön; knirschen, vgl. mhd. knirsunge, zerknürsen\ Kürschner^ 
mhd. kürsencere'^ morsch, vgl. mhd. zermürsen', doch nicht allgemeine 
Börse, Ferse, Hirse, Lerse\ namentlich nicht vor folgendem U Borste^ 
Bürste, Durst, garstig, Gerste, Horst, Karst, Wurst 

Sonst ist seh für altes s im Nhd. selten: Gischt mhd. 
jest, zu j^sen gähren, sprudeln, daneben mhd. gesehen, gischen;, 
löschen (Waaren ausladen), ndd. lossen, ist zusammengefallen mit 
löschen, mhd. leschen (exstinguere) ; Groschen, mhd. grosse, zu mlat. 
grossus; Harnisch, mhd. harnas, hamasch, aus frz. harnas, falsch. 
berührt sich mit 1. falsus, ist aber nicht davon abzuleiten, vgl. mhd. 
valsch, ahd. gifälscön etc. Über die Endung -sehen in abgeleiteten. 
Verben s. II § 84 A. 1. — Über seh für z § 55. 

Anm. 1. Dass die correcte Aussprache grade in der Ver- 
bindung rst den ^-Laut verlangt, ist auffallend und vielleicht nur 
die Folge einer jungen theoretischen Regelung, welche für das 
Zeichen st im Anlaut die Aussprache st, im Inlaut überall st ver- 
langte. Diese anerkannte Aussprache von rst widerstrebt der Eigen- 
art sehr verschiedener Dialektgruppen, und noch im vorigen Jahrh. 
hielt nicht nur der Österreicher Antesperg sondern auch Adelung 
die Aussprache des inl. st nach r als st für con*ect. Jellinek, ZföG. 
1893. S. 1088. 

Anm. 2. Der Spr. A. verzeichnet sjsch in eis (AfdA. 18, 411);. 
hause (20, 215), häuser (20, 216), gänse (18, 407); sechs (18, 412)^ 
wachsen (21, 262), ochsen (21, 265); nichts (19, 208); vgl. auch Fischer^ 
Geogr. S. 67 f. 



1) Vgl. PBb. 17, 256. 262. Anders Bremer I S. 75. 



^ 105.] Der .<r-Laut. Jüngere Spaltung*, s stimmhaft. 133 

105. Stimmhaftes s. — 1. Wann der Übergang des 
«timmlosen zu stimmhaftem s eintrat, ist nicht bekannt, da er 
in der Schrift unbezeichnet blieb. Correcte Aussprache ver- 
langt das stimmhafte s jetzt im Anlaut vor Vocalen; z. B. 
Saum, Sonne, sammeln; ebenso im Inlaut zwischen stimm- 
haften Elementen; z. B. leise, Linse, Amsel. Dagegen im 
Auslaut und im Inlaut zwischen stimmlosen Elementen sprechen 
wir stimmloses s\ z. B. Glas, Hast, Haspel-^ ebenso in der 
Verdoppelung: Messe, pressen, missen, küssen. In den Mund- 
arten hat das stimmlose s viel weitere Geltung behalten (Traut- 
mann § 1079 f.); aber für die Schriftsprache ist der Unter- 
schied anerkannt (s. Victor S. 194. Orth. S. 158 A. 1). 

2. Wo s stimmlos geblieben ist, im Auslaut und in der 
Verdopplung, fällt es in unserer Sprache mit dem aus ahd. 
j entstandenen Laute zusammen. Das j hat sich dem s ge- 
nähert, indem es aus der AflFricata zur Spirans geworden ist, 
s dem z, indem es seine Articulationsstelle aufgegeben hat. 
Sorgfältige mhd. Dichter meiden noch Reime wie da^ : gras, 
u:!s : fli^, me^^e : presse, masse : fa^^e, küsse : vlü^^e, weil 
die Laute nicht gleich klangen; für uns sind sie tadellos. 
Wie lange etwa noch Unterschiede wahrnehmbar gewesen sind, 
ist noch nicht genauer untersucht (vgl. Orth. S. 154 A. Victor 
'S. 195 f.). Reime zwischen auslautendem s : 3, inlautendem 
SS : jj begegnen schon im 13. und 14. Jahrhundert (Whd. 
§ 204. 205), beweisen aber nicht, dass die Laute überhaupt 
schon völlig gleich waren. (Vgl. § 44. 55 A. Behaghel Grdr. 
§ 100.) 

Anm. 1. In Mundarten, die stimmhaftes s nicht anerkennen, 
kann der Laut doch von altem ss und 3 verschieden sein, indem 
in reisen Lenis, in reissen, küssen Fortis gesprochen wird. Ja es 
ist anzunehmen, dass dieser Unterschied der ältere ist, und der 
Stimmton sich erst als eine Begleiterscheinung der Lenis zuge- 
49ellt hat. 

Anm. 2. In Fremdwörtern wird das anlautende s verschieden 
gesprochen: in den aus den alten Sprachen entlehnten stimmhaft 
wie im Deutschen; z. B. Session^ Summe, Silbe, Satire -, in den ro- 
manischen Lehnwörtern oft stimmlos, z. B. Souverän, Sergeant^ 
Service etc., in andern nach deutscher Weise, z. B. Sonett, Sere- 
nade, Sellerie, Sacrament 1. sacramentum spricht man mit stimm- 



134 Die Nasale. [§ 106^. 

haftem *, den Fluch Sackervient als französisches Lehnwort mit 
stimmlosem. 

Anm. 3. In wenigen Wörtern concurriert fs mit dem ctymo- 
lo|2:isch berechtigrten stimmhaften s : Vlies (Fell), Verlies, erbosen, 
vielleicht Preiselbeere (Orth. S. 15(5 A. 1). — z für « (d. h. nfs mit 
epenthetischem t für ns vgl. § 153) steht in Ranzen^ zu mhd. rans 
M. Bauch, Wanst; über tanzen s. Kluge, Wb. — Der umgekehrte 
Übergang von z zu nhd. s in § 55. 

Nasale. 

106. 1. Die Nasale hatte das Germanisehe in betonter 
Silbe im allgemeinen gut bewahrt, und oft finden sie sich ge- 
nau entsprechend in den verwandten Sprachen wieder. 

Der labiale Nasal m im Anlaut, g. ga-mains gemein : 1. 
com-7nunis; g. malan malen, zermalmen: 1. meiere; g. marei F.^ 
ahd. meri N. : I. wiare; g. maurpr N., ahd. viord N. : hmorif 7noi'Sf^ 
gr. ßpoTÖc; sterblich (aus *|ipoTÖq); g. midjis, alid. mitti : 1. mediuSf 
gr. |i^ao<;; g. mikils, ahd. michil : gr. li^TC^i |i€T<iXo-, I. magnits; g. 
militks F. Milch; ahd. m^lchan melken : 1. midgere^ gr. dii^Xyeiv. — 
Inlautend: g. guma Mann : 1. homo] g.iiajnö N. Name : gr. ö-vomo, 
I. nowie/j; g. qiman kommen : 1. venio, gr. ßa(vuj {n für ?n wegen 
des folgenden jf); g. ga-tarnjan zMhmen : 1. domare.^ gr. 5a|iav; g. 
timrjan erbauen, ahd. zimbar M. Bauholz : 1. domns, gr. bö^ioq und 
gr. hi\k\i3. 

Der dentale Nasal n im Anlaut, g. naA^« F. : 1. nox, gr. 
vOE; g. *nai(in, ahd. /ic2c?i nähen, g,n^pia F. Nadel, ahd. nd< : 1. wco^ 
gr. v^uj, vfJTpov Rocken u. a.; g. niitjis neu : gr. v^o^, 1. nor«.v; g. 
wittw neun : 1. novein, gr. iw^a; g. nw nun : gr. vu. — Inlautend, 
g. us-anan aushauchen : 1. animtis, gr. äv€Mo<;; g. banja F. Wunde: 
gr. q)övo<;; g. /W??a M. Lappen, ahd. fano Tuch, mhd. vane Fahne: 
1. pannus; g. hana M. Hahn : 1. canere\ g. panjan dehnen : gr. 
Tcfvuj; g. u'inds W^nd : 1. uentns. 

Der gutturale Nasal kommt nur inlautend vor gutturalen 
Consonanten vor. Im Gotischen wird er nach dem Muster des Grie- 
chischen durch g, in den übrigen germanischen Sprachen wie im. 
Lateinischen durch n bezeichnet, g. aggu-us^ ahd. engt : l, angere, 
angusfuSf gr. ÖTX^; g- tuggö F. Zunge : 1. lingua (für *dingua); 
g. pagkjan denken, Pugkjan dünken : ahlat. tongere kennen. Ein 
wesentlicher Nachteil für unsere Schrift ist der Mangel eines be- 
sonderen Zeichens für den gutturalen Nasal nicht; denn da er nur 
vor gutturalen Consonanten vorkommt, vor diesen aber, ausser in 
Compositis (z. B. ungern), der Nasal stets guttural gesprochen wird^ 
unterliegt die Bezeichnung keiner Zweideutigkeit. 



§ 107.] Die Nasale. Schwund. 135 

2. Im Anlaut hat das Geiiuanisclie keine wesentlichen 
Änderungen der Nasale erfahren, auch nicht das Gotische und 
Hochdeutsche; im Inlaut sind mehrfach Schwund und Wandel 
der Laute erfolgt. 

Anm. Urgermanischen Übergang von nnl. mr in 6r, r er- 
wägt man für breite Brägen, Regen und einige andere Wörter 
(Kluge Wb., Noreen S. 141). — In mhd. Zeit ging in vortoniger Silbe 
<ljis m des Adv. mit-alle in b über {betaue), vgl. das b in dem aus 
«lern Ndl. entlehnten Besän-mast, -segel (it. mezzaiia u. s. w.). Franck 
ZfdA. 35, 383. — Auch das kommt vor, dass ein Wort einen an- 
lautenden Nasal annimmt oder ablegt, weil das Sprachgefühl in 
der Worttrennung irre ging; mundartlich Äche für Nachen, Nast 
für Ast (Whd. § 215. Fischer, Geogr. § 48. 49 und die dort ange- 
gebene Litteratur). Weit verbreitet und in der Schriftsprache an- 
erkannt ist Otter F. (ndl. engl, adder) neben Natter, ahd. ndfara. 
— Der Spr. A. verzeichnet den Vorschlag eines n auf ganz be- 
schränktem Gebiet in näp = Affe (AfdA. 20, 329). 

107. 1. Schwund des gutturalen Nasals trat vor h 
bereits im ürgennanischen ein, aber erst nachdem Vcrners 
Gesetz gewirkt hatte. Der vorangehende Vocal wurde, in- 
dem der Nasal schwand, nasaliert und gedehnt, später der 
Nasalklang aufgehoben; im 1. Jh. nach Christus war der 
Lautwandel bereits vollzogen (Bremer, ZfdPh. 22, 251)*). 

g. inn-at-gähts F. Eingang: gaggan\ g. hükrus M. : huggrjan, ahd. 
hungar'j g. jühiza jünger : juggs \ g. peihs N. Zeit : ahd. dhig; g. 
tceihan kämpfen:!, vincere] ahd. dühhen premere, co^ere : ahd. 
dtcingan; ahd. suthi zMhe : as. bitengi drückend. Ebenso g. pdhö 
F., ahd. däha Thon; ahd. ähta F. Acht, Verfolgung. Selbst Formen 
desselben Wortes werden durch das Lautgesetz geschieden: g. 
ßagkjan denken : pdhta\ pugkjan dünken : pühta; briggan : brdhta\ 
«hd. /VlAan fangen : fieng; hähan hangen : hienc. Auch Störungen 
des Conjugationssystems sind dadurch veranlasst. Indem der 
Schwund des Nasals in den Präsensfornien inh zu th wandelte, 
bewirkte er übertritt aus der ersten in die zweite Conjugations- 
classe: g.jE^reiAan, /^rm'A hieben ahd. e^n'n^an, cZran^; *^. peihanj ahd. 
dihan gedeihen neben ags. PI. Prftt. dunjon, Prtc. dunjen, J. Schmidt, 
Voc. 1, 52 f. Zimmer, ZfdA. 19, 410. Br. ahd. Gr. § 128 A. 1. 

2. Jünger und weniger verbreitet ist der Schwund de» 
Nasals in andern Fällen. In den unbetonten Endungen -ing, nng 
xeigt er sich, wenn die Stammsilbe auf n ausgeht, schon im Ahd. 



1) Noreen S. 24 f. Streitberg S. 76 f. Kluge Grdr. § 15, 1. 2.5, 5. 



136 Die Nasale. Schwund und Hinzufügung. [§ 107. 

(Schröder, ZfdA. 37, 124 f.) und ist hier auch in der Schriftsprache 
anerkannt: König, ahd. kuning\ Pfennig, ahd. Pfenning'^ Honig^ 
ahd. honang; ausserdem in verteidigen, mhd. tage-, tege-, teidingen, 

— Unterdrückung- eines dentalen Nasales ist vereinzelt unter 
niederdeutschem Einfluss in Süd, Süden von der Schriftsprache 
anerkannt (die hd. Form ist sund); ferner in unbetonter Silbe in 
Pfalz, ahd. phalanza, mhd. phaleme, p falze (s. Kluge, Wb.)i und 
nach einem n der betonten Silbe in nhd. meinet-, deinet-, seinet- 
halben oder -icegeji und darnach auch unseret-, euret-, ihret-halben 
oder 'tcegen, aber allenthalben, — Über die Vertretung von -en 
durch -e in der Compositionsfuge s. Schröder a. 0. — Andere Ver- 
stümmlungen, die in mhd. Zeit aufkommen (Whd. § 215. 216, vgl. 
auch Br. § 126 A. 2), hat die Schriftsprache nicht anerkannt, auch 
nicht die im Mhd. sehr beliebte Unterdrückung des n in der Par- 
ticipialendung -ende : spilde, helde, sende, klagede, schamde, diende 
u. a. Whd. § 373. 401. 

Anm. 1. Auffallend begegnet neben g. sinteins täglich (II 
§ 415, 10) einmal seiteins. — Über mhd. sint (erhalten in sintemal 
= sint dem male) neben stt, nhd. seit s. Franck, Wb. ß. v. sedert. 

— Über Jugend neben jung § 115. 

Anm. 2. In manchen Mundarten geht der Ausfall des Nasals 
vor Spiranten viel weiter als im Gotischen und Hochdeutschen 
(IF. 4, 151'. Behaghel, Grdr. § 78); der Spr. A. verzeichnet ihn für 
das Wort Gänse (x\fdA. 18, 405, vgl. Bremer III, 90 f.). — V^or an- 
dern Lauten kommt Schwund des Nasals und Nasalier ung des vor- 
angehenden Vocales besonders, aber keineswegs ausschliesslich im 
Schwäbischen vor; vgl. im Spr. A. pfund (AfdA. 19, 104), hund 
(19, 107), kind (19, 111); eingeschränkter ist er in winter (19, 108) 
und trinken (21, 294). — Über den Abfall von ausl. w s. § 149. 

Anm. 3. Der Neigung, den consonantischen Nasal durch 
NasaÜcrung des vorangehenden Vocals zu ersetzen, steht die Nei- 
gung einen reinen Vocal zu imsalieren und den Nasalklang zum 
Consonanten (gutturalen Nasal) zu entwickeln, zur Seite. Im Ale- 
mannischen wird dieser Vorgang früh bekundet durch Schreibungen 
wie meinst, linse, siunfzen, chiunsch, wening, übring statt meist, 
Itse etc. (Whd. § 216. 217. Fischer, C^eogr. § 47). Der Spr. A. ver- 
zeichnet den Laut in ings = fs Eis (AfdÄ. 18, 411). — Entwicke- 
lung des labialen Nasals vor p ebendort vereinzelt in ämpe = äpe 
Affe (AfdA. 20, 329). 

Anm. 4. Unabhängig von der jungen, in der vorigen Anm. 
erwähnten Lautentwickelung ist die Erscheinung, dass nicht selten 
Wörter, die derselben Wurzel entsprossen sind oder zu sein schei- 
nen, mit und ohne Nasal neben einander stehen. Höchstens einige 
Wörter, in denen der Nasal erst spät auftritt, wie genung neben 



^ 108.] Die Nasale. Wechsel der Articulationsstelle. 137 

genug, könnte man auf jene mundartliche Neigung zurückführen. 
— Zum Teil sind die Formen uralt; die Articulationsstelle des Na- 
sals richtet sich nach dem folgenden Consonanten. Besonders ge- 
hören hierher starke Verba, in denen der Nasal ursprünglich dem 
Präsensstamm eigentümlich war (z. B. g. standan, 8töp\ im Germ, 
aber gewöhnlich zum festen Bestandteil des Verbalstammes ge- 
worden ist (11 § 18, 3. Streitberg S. 296 f.). — Vgl. ferner g. dumh» 
stumm, ahd. tumh töricht, taub : g. daufs {h) verstockt, ahd. toub 
taub, ahd. #o&^, -6n\ g. fähan fangen, 1. pango : 1. pepigi, pax, g. 
fagrs schön, passend, ahd. fuogen fügen; g. trimpan treten, mhd. 
trampeln : ndd. ndl. trappen, md. trappe, treppe F. — ahd. glam 
Adj. glänzend, hell = ahd. glat; ahd. scranc M. Hintergehung, 
Betrug, mhd. schrank M. schranke F. Schranke, Schrank, ahd. 
sci*enken hintergehen, schräg stellen: mhd. schräge M. der Schrägen, 
spät mhd. schrcege Adj. schräg; ah'd. stampf M. Stempel, stampf ön 
stampen, gr. ar^Mßw : ahd. stapfön treten, stuofa F., staffala F.; ahd. 
tumpfilo M. Tümpel : g. diups, ahd. tiof tief; ahd. winkan st. V. 
sich seitwärts bewegen, schwanken, nicken, winkil M. : g. waihsta M. 
Winkel, ahd. tvichan weichen. — mhd. genung Nebenform zu genuoCj 
ahd. ginuog, g. ganöhs, zu lat. nanciscor, nactus, nanctus; mhd. 
Sprenkel, sprinkel M. Fleck = mhd. sprickel\ mhd. strunc M. Strunk, 
ndl. stronc Strauch : mhd. strüch M.; mhd. trendel Kugel, Kreisel, 
spät mhd. trendein sich drehen : nhd. trödeln. — nhd. schmunzelHz 
mhd. smutzen, smotzen den Mund zum Lachen verziehen; mundart- 
lich Schunkel F. : nd. schuckel, mhd. schoc M., schocke F. Schaukel. 

108. Wechsel der Articulationsstelle. — Sehr oft ist 
der dentale Nasal für den labialen eingetreten. 

1. Im Wort-Auslaut war m bereits in nrgermanischer 
Zeit in n tibergegangen (§ 149); wo es ursprünglich durch einen 
folgenden Vocal geschützt war, hielt es sich bis ins Hochdeutsche. 
Die ältesten Denkmäler zeigen dies ursprünglich geschützte ni 
noch in allen Dialekten, aber seit dem Anfang des 9. Jahrh. 
geht es da, wo es Flexionselement ist, in n über: tagum wird 
taguUf gäbum gäbun, Jiabem haben u. a.; auch in einsilbigen: 
dem (D. PI. des Artikels) : den, bim : bin, tuom : tuon u. a. 
Dagegen stammhaftes m behauptet sieh noch, weil ihm das 
inlautende m der flectierten Formen zur Seite steht: nam nim^ 
zu neman, arm zu armer etc. (Er. § 124). In der mhd. Zeit 
Tcrmag sich auch dieses m nicht mehr zu behaupten, nament- 
lich nicht in der unbetonten Ableitungssilbe -em : besem^ 
iuosem, vadem, gadem werden zu besen, busen, faden, {gaden) 



138 Die Nasale. m:n;w:w. [§109, 

und sind von der Schriftsprache anerkannt (Whd. § 216. Be- 
ha^hel, Grdr. § 77), wiewohl Luther noch oft em hat (Franke 

§ 78). — Auch in den Dativ der pronominalen Declination dringt 
-en lür -eine ein, so dass scheinbar schwache Flexion entsteht 
(Whd. § 505). 

Anm. Einige Wörter zeigen schon in alter Zeit n und m 
nebeneinander; g, dauns Geruch :ahd. toum Dunst, Qualm; g.sain- 
jan zögern, rahd. seine träge : ahd. lanc-seimi langsam; aM. farni 
Farnkraut : ahd. farn; ahd. harn urina : mhd. härm, ham-^ inhd. 
Pfriem : ags. preön. Wie dieser Wechsel zu erklären ist, unter- 
sucht J. Schmidt, Sonantentheorie S. 110 f. 132 f. 

2. Aber auch im Inlaut vor Consonanten geht m i» 
n über*). Zuerst durch Assimilation an einen folgenden den- 
talen Laut ; an genn. d z. B. in g. skanda, ahd. scanta zu g. ska- 
man sich schämen; ahd. rant Rand und rinfa Rinde zu einer 
Wurzel rem\ ebenso in g.hund, ahd. hunt hundert; ahd. «aw^ Sand,, 
gr. fi^aOo^, vielleicht auch in hinta Hinde. — Vor germ. t in g. sin- 
teins (§ 107 A. 1). — Aber in g. gaqumps F. Zusammenkunft, am^a 
Schulter, mimz Fleisch hat sich m behauptet. — Im Ahd. wirkt 
die Neigung zu dem dentalen Nasal weiter: nhd.dinstar finster 
zu as. thimm Adj. und ahd. dümar N.; ja selbst vor germ. f tritt der 
Übergang ein, im Fränkischen seit dem 9. Jahrb., später im Ober- 
<Ieutschen, also in Wörtern wie finf fünf, kunft zu qu^man, zunß 
zu zeman, ranft^ Nebenform von rant, sanft u. a. (Br. § 123 A. 1). 
Als eine Assimilation an das folgende f kann man diesen Über- 
g'ang nicht ansehen, selbst wenn f labio-dentaler Laut gewesen 
wäre; denn die labio-dentale Articulationsstelle hat mit der den- 
talen des n nichts gemein: (vgl. jedoch Braune, Lit. Cbl. 1893 Nr. 40). 

Nachdem die Verbindung mf beseitigt war, bestand m 
im Hd. nnr vor den labialen Ycrschlusslauten und vor dem 
aus germ. p verschobenen ph, pfy f; z. B. umbi, lembiry Um- 
phaUj 1cempfo\ vor Dentalen nur, wenn jüngere Synkope eines 
Yocales stattgefunden hatte; z. B. zähmte^ ahd. zamita] schämte, 
ahd. scameta; Amsel ahd. amisala] Hemde ahd. hemidi. 

109. n : m. Das dentale n steht zunächst vor keinen 
andern als vor dentalen Consonanten; vor labiale Laute kann 
es nur in der Zusammensetzung kommen und unterliegt dann 
zuweilen der Assimilation zu m ; noch nicht im Gotischen wohl 



1) Brgm. I § 214. Kluge, Grdr. § 15. Noreen S. 152. 



§110.] Die Nasale, inn : biij fn u. &, 139 

aber im Ahd. Am häufigsten tritt dies bei den Vorsilben 
un- und in- ein; z. B. ummaht, umhUdi, imbot, imhizmi\ 
selten in andern, wie spambette, skimbäre, (Br. § 126 A. 1. 
Whd. § 182 f.) Aber nur in verdunkelten Zusammensetzungen 
kam dieses m zur Herrschaft: ahd. eewi6ar Eimer zu ft^Vrm tra- 
gen, GefÜss mit einem Griff; mhd. se'mperfrt reichsunmiltelbary 
aus s^ntbcere (zu sP'nt senatus, synodus) und /Vt; nhd. empor, mhd. 
enborey ahd. in bore d. h. in die Höhe; Imbiss zu mhd. enbtzen. 
Auch Wivipel muss zusammengesetzt sein, da im Ahd. wie im Ag's. 
das Wort noch mit np belegt ist. Aber ahd. ambaht Amt neben 
g. andbahts Diener beruht nicht auf Assimilation des nd, sondern 
die Form des got. Wortes auf einer volksetymologischen Umbil- 
dung des gall.-lat. ambactus (Klug-e, Wb.). 

Anm. 1. Hierher geholfen auch empfinden, empfangen, em- 
pfehlen. Hier ging zunächst das t der Vorsilbe etit- durch Assimi- 
lation an das folgende f in p, dann weiter n durch Assimilation 
an p in m über. Die Formen mit np sind die älteren; die mit 7np 
begegnen im Ahd. noch sehr selten. Br. § 138 A. 2. In Verben 
mit privativem Sinn hat die nhd. Schriftsprache ent wieder berge* 
stellt: entfremden, entfetten, entfallen. In Luthers Schriften ist die 
Regel noch nicht ganz fest; Franke § 79. 97. 

Aimi. 2. Einige alte Lehnwörter haben m für n; in ahd. 
phrüma Pflaume neben 1. prunum ist das ni wohl schon aus der 
Fremde übernommen; in ahd. piligrlm, \. peregHniis und in pfedama 
=^pepa7io (aus gr. lat. pc/?on) in Deutschland entstanden; s. Schmidt, 
Sonantentheorie S. 110 f. Auch in Turm, mhd. turn, türm ist m 
vielleicht jünger als n (Kluge, Wb.). 

Anm. 3. Übergang des dentalen in den gutturalen Nasal 
findet sich in Mundarten, bes. im Ripuarischen. Der Spr. A. ver- 
zeichnet ihn für wein {iving AMA, 19, 280), braun {brung 20, 213 f.),. 
gänse (gängs, ganges 18, 407); pfund (19, 104), hund (19, 107), kind 
(19, 111), Winter (19, 108). 

HO. Übergang eines Nasals in einen andern Laut ist 
abgesehen von der urgermanischen Assimilation des n an 
einen vorangehenden Consonanten (§ 135, 3) nicht sicher nach- 
gewiesen. Die Annahme, dass imter gewissen nicht bekannten 
Bedingungen mn zu bn, fn geworden sei, bestreitet J. Schmidt, 
Sonantentheorie S. 132 f. Gemeinhin, und doch Avohl mit Recht, 
nimmt man diesen Über^-ang in den gotischen Substantiven auf 
'Ubni, 'Ufni an, z. B. waldufni N. Gewalt, witubni N. Kenntnis. 
(II § 244. 4); manche auch in ^r, stibna F. Stimme (vgl. § 137, 3) 
g. ibns oben, ndd. Steven u. a. s. Xoreen S. 140. 



140 Liquidae. l und r, [§ 111. 

Nicht selten stehen Ableitungen auf n (m) und l neben- 
einander; doch hat hier nicht lautliche Entwickelung statt- 
gefunden, sondern es liegen entweder verschiedene Ableitungen 
-aus derselben Wurzel vor, oder /-Suffix ist durch Übertragung 
an die Stelle des nasalen Suffixes getreten (Noreen S. 193); 

z. B. nhd. tougal und tougan heimlich; ahd. himil M. : g, himins; 
ahd. igil M. Igel : gi\ ix\\0(; und bes. Fremdwörter: g. asilus M. 
Esel : 1. asinus'^ g. katils M. Kessel : 1. catinus] ahd. kumü M. Kümmel : 
1. cumlnum u. a. (II § 210, 2). Auch in den Verben sammeln, 
fädeln ist ein für -enen, -einen eingetreten (II § 77 Anm.). — 
Ebenso sind Doppelbildungen mit n und »• zu beurteilen (Noreen 
S. 194), z. B. g. tvatö sw. N. : ahd. wa,^^m\ Später treten sie selten 
ein; ahd. trahan M. Thräne, mhd. fragen : mhd. fraher (vgl. gl ei ch- 
bed. zäher); vgl. II § 216, 2. 

Über auslautende Nasale s. § 149. 151. 

Anm. Neben ahd. sniumi Adj. schnell, sniumo Adv. steht 
in gleicher Bedeutung ahd. sliunio Adv.; sniumo gehört jedenfalls 
zu g. snhvan eilen, sliumo ist vermutlich durch Dissimilation aus 
sniumo entstanden (vgl. § 112). Kögel IF. 3, 290 führt sliumo mit 
ahd. slünig prosper auf eine andere Wurzel zurück. 

Liquidae. 

111. Ob die idg. Ursprache schon beide Liquidae r und 
1, oder nur r besessen habe, ist eine Frage, welche noch 
immer nicht entschieden ist^). Jedenfalls war, wenn die 
Doppelheit nicht ursprünglich ist, schon in vorgermaniseher 
Zeit die Spaltung der beiden Laute, wie sie noch jetzt im 
wesentlichen unverändert besteht, eingetreten. 

r im Anlaut, g. rakjmi recken : gr. öp^T^, 1. rego\ g.rauds 
rot : 1. ruber, riifus, gr. ^puöpöq; g. raubön rauben : 1. rumpo; g. 
riqis N. Finsternis : gr. ^p€ßoq; g. rüna F. Geheimnis : gr. ^pcuvdui; 
ahd. riomo M. Riemen : gr. ^ö^a Seil; ahd. rwoira F. Ruhe : gr.£pujf|. 

— Nach Consonanten. g. hrikan brechen : 1. frango\ g. bröpar 
Bruder : Lfrater^ gr. (ppdrrip; g. brükjan brauchen : \.fruor\ g.fraih- 
nan fragen : X.precari; g.straujan streuen : X.stemo^ gr. orop^vvupuw; 
g. striks M. Strich : 1. sfringere; g. triu N. Baum : g. bpO^, ööpu; 
g. preis drei : 1. tres^ gr. Tp€l<;; g. tis-priutan belästigen : 1. trudo. 

— Im Inlaut, g. arjati pflügen : 1. arare^ gr. dpoOv; g. bairan : I. 

1) Bartholomae, IF. 3, 196 f. J. Schmidt, Sonantentheorie 
S. 1 Anm. 



§112.113.] Liquidftp. r unterdrückt. 14t 

/ero, gr. qp^puj ; g. daur N. Thor : 1. fores, gr. 0upa ; g. faran fahren r 
gr. Trop€Oui; g. haurti N. Hörn : 1. cornUf gr. K^paq; g. kaum N. 
Korn : 1. granum\ g. tüafr M. Mann : 1. vir, 

l im Anlaut: g. laigön lecken : gr. Xei'xuj; g. Za^.9 lässig : I 
l(MSU8\ g. Zz^an liegen : gr. X^xo^, 1. lectus\ g. liuhap N. Licht : I. 
InXt gr. X€uk6<;; g. fra-liusan verlieren : gr. Xöiw, 1. so-lv-o. Nach 
Consonanten. g. flökan beklagen : 1. plangere, gr. TrXfiaauj; ahd. 
fl^htan flechten : 1. plecto, gr. itX^kuj; ahd. flio.^an : gr. irX^uj. — Im 
Inlaut, g. alan ernähren : 1. alere\ g. aleina F. Elle : 1. ulna^ gr. 
tliX^vv] ; g. filu viel : gr. iroXu; g. huljan hüllen : 1. oc-culo, gr. KaXuirru;^ 
g. malan malen : 1. molere; g. wl^7^/> N. Honig : 1. mel, gr. li^Xi^ 
g. «27an schweigen : I. silere; g. pulan dulden : 1. iuliy tolerOj gr. 
TX^vai. 

Im Hochdeutschen wurden die anlautenden Liquidae durch 
den Schwund von h und w (§ 87. 120), die inlautenden durch den 
Übergang von stimmhaftem 5 in r (§ 101) vermehrt. 

Anm. Auffallend unterscheiden sich einige Wörter von glei- 
cher Bedeutung durch ein auf den anlautenden Consonanten fol- 
gendes r. ahd. spre'chan, ags. sprecan = ahd. sp^'hhan, ags. spä- 
can (vgl. IF. 4, 316 f.); ahd. waso M. Easeti, feuchter Erdgrund = 
mndd. tvraife, mhd. rase M. ; ahd. stumpf M. Stummel, Stumpf = 
mhd. strumpf; mhd. schranc = schanc. Ob hier und in einigen 
andern Wörtern, die ähnlichen Wechsel zeigen, ganz verschiedene 
Wurzeln vorliegen, oder jüngere Umbildung stattgefunden hat, ist 
schwer zu entscheiden. Kluge, Grdr. § 15, 2 A. Noreen S. 219 f. 
Franck, ZfdA. 21, 309 f. — Anl. pl neben p zeigt das Fremdwort 
nhd. Pumpe : ostmd. Plumpe, 

112. Von den beiden Liquiden erscheint l als der festere,. 
nur sehr wenigen Änderungen ausgesetzte Laut. Ausgefallen 
ist es bereits urgcrm. in g.fiigls Vogel, wenn das Wort mit fliegen 
zusammenhängt. Einigemal hat das Streben nach Dissimilation 
Übergang in n veranlasst: Knaul, mhd. knimvel und kliuwel, ahd. 
chliuiveliny zu chliuway chliwa Kugel; Knoblauch, mhd. knobe- und 
klobelauch, ahd. klobolouch (vgl. Brgm. I § 277. 282). freventlich 
ist eingetreten für frevellich (Whd. § 153.215.218). — Z für n §110. 

Anm. Mundarten zeigen die Neigung l zu mouillieren und 
schwinden zu lassen, wodurch natürlich auch der vorangehende 
Vocal verändert wird. Der Spr. A. belegt den Process für Salz 
(AfdA. 19, 100 f.), aU (21, 276 f.), bald (19, 283), felde (19, 287), zivölf 
(21, 275). 

113. Wandelbarer wird, doch auch erst in späterer Zeit, 
in- und auslautendes r. In einigen Wörtern ist es vor arti- 
culationsverwandten Lauten geschwunden; in Welt, ahd. w^- 



142 Liqiiidae. r:L [M14. 

^It (Menschenalter) ganz gewöhnlich schon im Mhd. (Whd. § 213); 
später in Ködere mhd. quvrder^ kerder. Neben fordern zeigt sich 
schon im 14. Jahrh. hier und da fodern, das sich bis auf Goethe 
und Schiller liält (bei Lutlier foddern neben fordern). Seltner 
findet sich födern^ füdern st. fürdern^ basch st. bar^sch. Über Ekel 
s. Kluge, Wb. — Fremdwörter, in denen ein r unterdrückt ist, sind 
Plakat, frz. placard, Polier aus pai'Uer(er)f zu parier, — Über 
Schwund des auslautenden r s. § 150 f. 

Anm. 1. Der Spr. A. belegt Ausfall eines anteconsonantischen 
r für dorf (AfdA. 20, 325), karb (21, 268), besonders im Ndd. und 
Bairischen. 

Anm. 2. Umgekehrt findet man zuweilen r, wo es etymolo- 
gisch unberechtigt zu sein scheint. Neben ahd. eV/o, odo oder g'. 
aippau begegnet ertho^ erdho^ ^rdo\ neben icidar wider, g. wipra, 
wirthar^ wirdar; neben wedar weder, g. fvapar, ver<»inzelt ni^rdar. 
Nirgends hat das r bestand; vielleicht ist rt/Ausdinick für verdop- 
peltes />; vgl. Br. § 167 A. 11. Über jüngere Mischungen von d 
und r 8. § 83 A. 1 und Whd. § 214. — Über Metathesis des r s. 
§ 159; über hiatusfüllendes ?• § 157 A. 3. 

114. Neigung / für r eintreten zu lassen, zeigt sich be- 
sonders in alten Lehnwörtern und mag zum Teil in der 
eigentümlichen Aussprache des fremden r zum Teil aber 
auch in dem Streben nach Dissimilation begründet gewesen 

sein. Am meisten giebt ihr die alemannische Mundart nach; 
schon Notker sagt cMlicha für kh'lbha Kirche, gr. KüpiOKi^ Haus 
des Herrn. In einigen Wörtern ist die Form mit / fest geworden: 
Maulbeere^ lat. mornm^ ahd. mör-, mürberi^ mhd. mülbere; I^aume^ 
lat. prunum^ spätahd. pfriijna F. Pflaume, pflumo Pflaumenbaum, 
mhd. pflihne^ pritme, pnlne; Pilyrim, \, peregrinua^ schon ahd.jw/t- 
crm; Tölpel ^ mhd. tölpel^ törpel, törper = dorpcere Dorfbewohner 
zu ndd. dorp. 

Dieselbe Neigung macht sich auch in den Ableitungs- 
silben geltend, in denen oft / für r eintritt, ohne freilich 
tiberall durchzudringen; z. B. ahd. aviar N. Sommerdinkel, mhd. 
amen, amel-^ ahd. hadara^ mhd. hader^ hadel Lumpen; ahd. zinseri 
N. Kauchfass, nihd. zhisel: mhd. tenferte^ nhd. Tändelei; mhd. dör- 
j)erie, nhd. Tölpelei'^ besonders in Fremdwörtern: ahd. martira^ 
martela F. Marter, martorön und martolOn^ mhd. marteln martern; 
marmul, viarmel M. Marmor; viortel, morter M. Mörtel, mlat. mor- 
tarinm\ miirviulön und murmurön murmeln; turtul-tüba, lat. tur- 
tvr\ m\\(X,ki)rj)er und körpel ^I. Körper; panier und pantel Panter. 
Aber daneben sind auch alte Doppelbildungen anzuerkennen und 
Suffixvertauschungen, die durch die Vorliebe zu dem Laut / nicht 



§ 115.] HalbvocaJe. u% Bezeichnung" und Aussprache. 143 

bedingt sind; vgl. II § 311 A. 1 (Adjectiva auf -el, -er), II § 73 
A. 2. § 77 A. (Verba auf -ern, -ein); Noroen S. 196. 

Zweifelhaft ist die Erklärung' der Doppclformen ahd. blödi 
und brödi sehwach gebrechlich (in den andern germanischen Spra- 
<!hen mit hl)\ nihd. smielen und sviieren lächeln (ganz verschiedeu 
von ahd. smiriven schmieren zu smP'ro Fett). 

Anm. 1. Der Spr. A. belegt den t^bergang von r zu { in 
den Gebieten zwischen Weser und Elbe für dorf (AfdA. 20, 325) 
und korb (21, 267), weniger verbreitet in denselben Gegenden den 
Übergang von / zu r für zwölf (21, 275). 

Anm. 2. Das r wird auf zwei wesentlich verschiedene Weisen 
gesprochen, als Zungcn-r und als uvulares oder Zäpfchen- r; über 
die natürliche Verwandtschaft beider s. Bremer I § 7ö. Vietor 
S. 164 f. Die Ausbreitung des Zäpfchen-r, welches dem j und, wenn 
€8 kräftig articuliert wird, dem ch nahe steht, hat Trautmanu 
§ 1065 ff. mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt; er glaubt es 
auf eine Unart der Pariser Gesellschaft zur Zeit Ludwig XIV. 
zurückführen zu dürfen. Ob diese Erklärung ausreicht, mag dahin 
gestellt bleiben (vgl. Orth. § 117); jedenfalls deutet in der Geschichte 
der Sprache nichts darauf hin, dass die Uvulare Aussprache alt ist. 
Ickelsamer Bl. B 2«'* bezeichnet das r als einen Laut „so die Zung 
Jvraus zittert." 

HalbTOcale w, ?r. 

115. 1. Unser Reibelaut tc ist ursprünglich ein conso- 
nantisüh gebrauchtes u und kann daher in Ableitungen aus 
derselben Wurzel, ja in demselben Worte mit u wechseln. 
Im Lateinischen entspricht w, v im (iriechischen v, F; doch 
ist im Lateinischen v öfters geschwunden, wo es sich im Ger- 
manischen erhalten hat, und F kommt in der griechischen 
Gemeinsprache überhaupt nicht mehr vor. Beispiele, tv im Au- 
laut. g. waksjan wachsen : gr. dF^Eu), aöHdvuj; g. waian wehen: 
gr. dPriMi; g. wigan bewegen : 1. rehere, gr. öxelaGai; g. wairpan 
werden : 1. verfere\ g. tcait : gr. oiba, ibdv, 1. videre\ g. waldan 
walten : 1. valere-^ g. waurd N. Wort : 1. verbum; g. waurkjan 
wirken : gr. (>^21uj (^Fpcfitu), ^PTov; g. u-aurts Würz : 1. radix (Wz. 
tcrad); g wipnis M. Widder : 1. vitxdus\ g. wraiqs schief : gr. ^ai- 
ßö^; g wulfs Wolf : 1. luptis^ gr. XOko<; (Wz. wlqo-); g. wuUa F. 
Wolle : 1. villus, veüus, lana. Nach Consonanten: g. aicaihra M. 
Schwäher, swaihrö F. Schwägerin : gr. ^Kupö;, ^Kupd, I. socer, socrns\ 
g. swarts schwarz : 1. sordes, sordidiis; g. swistar Schwester : 1. 
soror (**MJC5or); g. ticai zeiw : 1. duo^ gr. bOo; g. twis-itii, dvis. 



144 Halbvocale. w, Bezeichnung und Aussprache. [§ 115. 

gr, ^^-, 1. bis, — Im Inlaut, g. aiics Zeit : 1. aevum, gr. aluuv; g. 
fatut (St. fawa-) wenig : 1. paucus^ gr. Traöpoq g. fidwör vier : 1. 
quatuor; g. qius (St. qiica-) lebendig : l. vivuSj gr. ßio^; g. us- 
skawjan zur Besinnung bringen, skuggwa M. Spiegel, ahd. scouwön 
schauen : 1. caveo^ gr. ko^uj; g. speiwan speien: 1. spuo\ g.widuicö- 
F. Wittwe : 1. vidua. 

Über 117 neben Gaumenlauten s. § 31 f. 

2. Die nahe Beziehung zwischen consonantischem und 
Tocalisehem u zeigt sieh namentlich im got. Auslaut noch 
deutlieh (§ 121); doch müssen schon früh Unterschiede der 
Articulation hervorgetreten sein. Die LippenöflFnung wurde 
bei dem consonantischen ^ wohl noch mehr verengt, 'so dasa 
u nicht mehr klar und deutlieh, sondern von einem Reibungs- 
geräusch begleitet und überdeckt herauskommt* (Trautmann 
§ 182). Denn die Griechen geben das got. ^ zwar in der 
Regel durch ou wieder (OudvbaXoi, OuoiKiq etc.), aber auch 
durch ß, das damals die Bedeutung einer Spirans hatte (BdvbTi' 
Xoi, BaXd)LiT]po^). Cassiodor und spätere Lateiner schreiben Vu 
und Uu, in den Schriften der westgotischen Concilien steht 
auch Üb {Ubinibal, Ubadila). Dem gemäss werden auch in 
der gotischen Schrift vocalisches und consonantisches w unter- 
schieden, jenes durch fl, dieses durch V bezeichnet^). 

Anm. Bemerkenswert ist, dass im Gotischen das gr. u nicht 
nur in den Verbindungen au, eu, in denen es vielleicht schon spi- 
rantische Geltung hatte, durch w wiedergegeben wird, sondern auch 
da, wo es als selbständiger Vocal steht, z. B. ouvaxujT^ = svmagögi. 

3. Weniger gut scheidet das Hochdeutsche. Im Ahd. 
braucht man für den Vocal u oder v^ für den Consonanten 
in der Regel uu {uv, vu, vv), woraus sich gegen Ende der 
ahd. Periode die Ligatur w entwickelt. Nach Consonanten 
aber und vor folgendem u schreibt man im Ahd. und auch 
noch im Mhd. oft einfaches w; z. B. suarz schwarz, uuntar 
Wunder; und in der Verbindung qu hat sich dieses u bis 
heute erhalten (Br. § 105. Whd. § 178). — Was den Laut 
betrifft, so wird er, wo er sich hält, je länger um so be- 
stimmter zur Spirans ausgebildet, und wo diese Entwickelung 
nicht eintritt, neigt er dazu ganz zum Vocal zu werden oder 



1) Jellinek, ZfdA. 36, 266; vgl. dazu van Helten eb, 37, 121. 



§ 116.] Halbvocale. ir, Aussprache. 145 

ZU verschwinden. Im Bairischen muss er schon im 13. Jahrh. 
als Spirans gesprochen sein, denn seit dem 14. Jahrh. werden 
b und M7 als gleichwertige Zeichen gebraucht (§68). In ge- 
wissen Fällen wird er weiter zum labialen Verschlusslaut 
(§ 123). Auch die Articulationsstelle verschiebt sich allmählich, 
indem freilich erst spät und nicht allgemein der labio-Iabiale 
Laut in einen labio- dentalen übergeht. In den anlautenden 
Verbindungen schw, sw, qu dauert die labiale Aussprache zum 
Teil noch fort; in Mittel- und Stiddeutschland nach Traut- 
manns Angaben (§ 1100 f.) auch im einfachen Anlaut; vgl. 
Orth. § 20 A. 1. Victor S. 218 flf. 

116. 1. Indem die Zunge bei der Erzeugung des tiefen 
Lautes stark zurückgezogen \vurde, verband sich mit der 
Hauptarticulation zwischen den Lippen leicht eine Nebenarti- 
cnlation am hintern Gaumen. Daher erscheint das gedehnte 
jf im Ostgermanischen als ggw (§ 125), und daher haben ger- 
manische Lehnwörter im Romanisehen anl. gu = germ. w; 
z. B. frz. guerrcy ahd. werra\ frz. guepe. ahd. wespa; guise 
ahd. wtsa^). Auch der Übergang von w in spirantisches 
velares g, der in jüngeren Mundarten nach u eintritt, hängt 
damit zusammen: juncfrogen = juncfroiiwen , schaugen = 
schouwen, mögen = rnowen, fügir = fawir, fuir u. a. ^). 

Anm. Luther braucht dies g in rüge (Ruhe, mhd. ruoice\ 
rugig^ geruglich^ JRugebette. Umgekehrt kommt auch w für g vor 
Whd. § 181. 

2. Aber schon in früherer Zeit haben manche Wörter, 
die durch ihre Bedeutung als verwandt erscheinen, teils tc 
teils g im Auslaut des Stammes, ahd. jugund, as. juguth (idg. 

*iuunta): 1. juventa^ juvenis^ und durch j verschärft ahd. brucka 
F. Brücke, as. bruggia : an. brü; ahd. mucca F. Mücke, as.muggia: 
an. my, gr. jiula (? s. Franck s. v. mug). In andern finden wir <^erm. 
fc:«; ahd. nahho M. Nachen, ags. naca^ an. nökkviiX. naviS] ahd. 
speihhila F. Speichel : Äpf?6-/7;i ; — oder verschÄrftes kkin\ ahd. 
qu^ Adj. lebendig, ags. civicu : g. qius; ahd. spl'C, a^s. spie : g'r. 
wfujv; mhd. hacken ^ ags. hcßccean : ahd. houican\ nhd. spuckeni 

1) Zimmer, ZfdA. 19, 405. Scherer, ZföG. 1868 S. 854 f. 
Tomaschek, Wiener Sitz.-B. 60, 383. Schmidt, KZ. 23, 294 f. 

2) Whd. a. Gr. § 216. b. Gr. § 178. mhd. Gr. § 224. 
W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 10 



146 Halbvocale. w im Anlaut. [§ IH. 118. 

sptwan. Auch Knochen^ schmeicheln, Takel, knicken ziehen manche 
hierher. Unter welcben Bedingungen sieh diese verschiedenen 
Formen ergeben haben, ob überhaupt lautgesetzliche Entwicke- 
lung stattgefunden hat, ist unbekannt; manche mögen übcF- 
haupt nichts mit einander zu thuu haben'). 

w im Anlaut. 

117. Im Gotischen finden wir w an allen Stellen des 
Wortes im ganzen wohl erhalten; als ein schwächerer Laut 
zeigt es sich im Hochdeutschen. Die Stellung im An-, In- 
oder Auslaut ist für seine Wandlung von wesentlicher Be- 
deutung. 

Das einfach anlautende w hat sich bis heute erhalten 
(§115, 1); nicht selten auch vor u, o, z. B. : g. wulfs M. : 
Wolf: wulla F. : Wolle\ waurdis. : Wort; icaurms M. : Wurm; 
waurts F. : Wurzel u. a. (vgl. § 118 A.). Nur in besonders 
schwach betonten Wörtcni und Wortteilen ist es im Hd. ge- 
schwunden. So ist nicht aus ahd. m wiht, irgend aus io wergin, 
jeder aus io ivüdar entstanden. Ebenso erklftrt die geringe Arti- 
culationsstärke den Schwund eines anlautenden w in zweiten Com- 
positions^-Iiedern^;, namentlich in Eigennamen auf -olt, -elf, -acker 
= 'Walt, -icolf, -wacker, aber auch in einigen andern: spät mhd. 
herolt, her alt M, Herold aus *heri-wal(, *hari-wald\ ahd. wurzala 
F. Wurzel aus *wurz-wala ei^. Krautstock (vgl. das gleichbedeu- 
tende ags. wyrt-walu und g. tvalua Stab); ahd. ziciror zweimal, vgl. 
an. tviS'Var, iys-var («kr. vdra Zeit, Mal); vgl. auch Kluge s. v. 
B ärger y Eichhorn, Geisel, Iltis, Kobold. 

Anm. Übergangs eines anl. w in b haben wir in Brack Aus- 
schuss = ndd. Wrack imd in dem zweiten unbetonten Compo- 
sitionsglied von albern, mhd. alwcere; mundartlich begegnet er auch 
sonst. Der Spr. A. beleg-t ihn für tvas (AfdA. 19,99), wo (21, 158); 
vgl. § 68. 123 und Behaghel, Grdr. § 67. 

118. In Verbindung mit andern Consonanten, vor 
Liquiden und nach Dentalen und Gutturalen, hat sich w im 
Gotischen gut erhalten; nur gw ist nicht mehr vorhanden 



1) Bugge, PBb. 13, 504 ff. Kluge, Grdr. S. 334. Noreen § 43, 3. 
S. 153. § 47, 2. S. 167; v<?l. AfdA. 21, 309. 

2) Kluge, PBl. 12, 378 f. Br. § 109 A. 4. Whd. § 178. Behaghel, 
Grdr. § 69. 



§ 118.] Halbvocjile. w im Anlaut. 147 

(§ 34, 1). Im Hochdeutschen dagegen wurden diese Verbin- 
dungen zum grossen Teil beseitigt, und wo sie bestehen, lässt 
vielleicht schon die ahd. Schreibung u für uu auf einen 
schwachem Laut schliesseu. 

Am besten hat sich w nach Dentalen behauptet; 

z. B. ^. ticai : zwei\ g. tweiflst M. : Zweifel^ g. swistar F. : Schicester; 
g. swimmaii : schwimmen'^ g. pwairhs zoriii*»: : ahd. clwerah^ uhd. 
zwerch und quer-^ g. pwahan : ahd. duahan, dazu duahila F. Hand- 
tuch, nW. Zicehle. Aber die Unregelmässigkeiten in der Ver- 
schiebung der Dentale (§ 85) zeigen, dass auch diese Verbin- 
dungen im Hochdeutschen unbequem waren. — lieseitigt wird 
ic allmählich vor einem folgenden w, und zwar nicht nur vor 
germ. w, wo der Schwund des w wenigstens in manchen 
Fällen älter ist (s. Anm.), sondern auch vor tio = germ. ö; 

z. B. innd. söne, sivöne : ahd. suona Sühne; as. sicOti : i\\\d. siio.^i 
45ÜSS; ags. hwösta : ahd. huosto M. Husten. Doch komn)t neben 
suo.^i ahd. suua^i und selbst noch nihd. swuo,^e vor. Erhalten ist 
1«? vor u in nhd. schivül (ndd., vgl. ndl. zico€l)\ ebenso in ahd. gi- 
swulst F. Goschwulst, nihd. sivuor (ahd. auor) Schwur^ mhd. siciinc 
M. Schwung, nhd. Schwund^ die unter dem Einfluss der verwandten 
Verba stehen oder aus ihnen gebildet sind. Noch weniger konnten 
Formen wie ahd. suor er schwor zu sivei\jen, duog er wusch zu 
^uahan durchdrinofen (Br. § 107 A. 1. Paul, Pßb. 7, 162 f.). 

Anm. Unter gewissen Bedingungen muss schon früher u in 
Silben, die auf tiefster Vocalstufe standen, ^-eschwunden oder an 
die Stelle des schwindenden Vocales g-etreten sein (Br^m. I 180). 
Im Gotischen steht neben waurts Wurzel : aurtja Gärtner, aurti- 
gards Krautgarlen; g. saurga, ahd. sorga Sor^e neben afrk. stcorga 
(vgl. PBb. 12, 550); g. ga-suljan gründen neben ahd. sicelli N. 
Schwelle; g. suis süss neben as. swoti (KZ. 26, 380 A. 1); neben g. 
fidwör vier die Composita fidur-dögs viertilg-ig, fidur-faipa. In 
allen diesen Wörtern folgt dem Vocal Liquida oder Nasal, aus 
denen selbst sich der Vocal u entwickeln konnte; andrer Art ist 
ahd. ottar M. Fischotter (vg-l. gr. ööpa) aus derselben Wurzel wed 
aus der g. watö Wasser gebildet ist. Ferner können hierher ge- 
hören ahd. toi toll, tulisc thöricht neben g, dicah; vielleicht auch 
kunft F. (vgl. g. qums^ qumps zu quiman)-^ ahd. gi-dimgan Partie. 
zu dwingan; mhd. sumpf M. (ndl. somp, aber ags. sivamp^ vgl. 
auch ahd. gi-siiurnft und gi-sivamfst natatus, g. swumfsl N. Teich); 
nhd. Sund (ndd., ags. sund zu sicindan)', doch liisst sich, da das 
Hd. jedes postconsonantische w vor ti schwinden lässt, die Altere 
.und jüngere Schicht nicht scheiden. 



148 Halbvocale tv im Anlaut. [§ 119^ 

119. Die Verbindung von w mit den articulationsver- 
wandten Gaumenlauten ist besonders der Entartung ausge- 
setzt; bald schwindet der Gaumenlaut, bald w. Zuerst fällt 
gto (§ 34, 1); dann tritt im Hochdeutsehen w für hw (87, 2)- 
und in weitem umfang k für qu ein. — In oberdeutschen 
Mundarten verschwindet w hinter Je gegen Ablauf der ahd- 
Periode auch vor andern Vocalen als u. In Notkers Mundart 
fällt es einfach aus; z. B. chMen sagen : quedan, g. qipan; chelen 
quälen : quellen ; cheg lel)endig : quec, g. qius. Anderwärts hinter- 
lässt CS eine Trübung des folgenden Vocale.«, indem die Articu- 
lation des y, mit der des folgenden Lautes verschmilzt; für qua 
tritt ko, für qui : ku^ für qtte : ko ein, wobei zu erwägen ist ob u 
und o für tti und ye nicht auch die unigelauteten il und ö be- 
zeichnen können; z. B. kovi kam : quam\ kot sprach : quat, g. qap'y 
kone Weib : quena^ g. qinö'^ koln quälen : ahd. quellen^ kum, küm 
F. Mühle : quirn^ g. qaimus; kucken beleben : quicken, g. ana- 
qivjan (Br. § 107 A. 2. Whd. § 227). Da aber die md. Mundarten 
das qu besser halten, so sind die Formen ohne w nicht in 
allen Wörtern zur Geltung gekommen. Wir sagen: Qual,, 
quälen^ Quarz, Quast, quellen, Quendel, quetschen^ und ander- 
seits keck neben queck- (Quecksilber); kirre, mhd. kurve ,, 
kürre : g. qairrus sanftmütig; Köder M., mhd. korder, kör- 
der, kerder, keder, köder : ahd. querdar-, Kot M. : mhd. kot^ 
kät, quät, ahd. quät, — Die eigentümliche Entwickelung des u 
hinter dem k lüsst schliessen, dass der Laut hier nicht ganz ebenso 
wie in anderer Umgebung gesprochen wurde. Da das u durch 
die Zungenlage den Gutturalen innerlich verwandt ist, so hatte es 
hier vermutlich seine ursprüngliche Natur treuer bewahrt und war 
dadurch dem Untergang mehr ausgesetzt, als wo es schon eine 
entschiedenere Neigung zu spirantischer Aussprache genommen 
hatte. — Einen wesentlichen Zuwachs erhielten die Wörter mit anL 
qu teils durch den Übergang von tw in qu, teils durch die Auf- 
nahme von niederdeutschen und fremden Wörtern. 

Anm. 1. Während das anl. hu allgemein zu w geworden ist, 
findet sich für clen unbetonten Instrumental huiu neben dem regel- 
mässigen wiu auch hiu, ein Zeichen, dass die Neigung, postconso- 
nantisches w in unbetonter Silbe fallen zu lassen, früher eintrat 
als die Neigung vorconsonantisches h aufzugeben; vgl. PBb. 7, 162. 
Über ahd, hirni : g. hairnei s. § 87. 

Anm. 2. Einige Wörter, namentlich das Pron. 2. Pers. und 
das Pron. refl., lassen schliessen, dass bereits idg. Doppelformen. 



5 120. 121.] Halbvocale. w im In- und Auslaut. 149' 

mit und ohne nachconsonantisches u existierten. Brgm. I § 187. 
vgl. Noreen S. 217 f. In ahd. s6 neben g. sica^ sic^. ahd. sullh^ 
3olih neben g. swa-leiks ist w wohl erst später geschwunden. 

120. In Consonantverbindungen, in denen tc die erste 
Steile einnimmt {wr, wl) lassen die oberdeutschen Mundarten 
das w schon früh fallen, so dass in unserer Überlieferung nur 
noch wenige Spuren zu finden sind (Br. § 106 A. 1). ahd. 

rechan rächen : g. wrikan\ ahd. rl^mi einritzen, reissen : as. icrUan\ 
ahd. ruogen anklagen, nhd. rügen : g. tcr6hjan\ mhd. rist F. Hand- 
gelenk: nAd. wrist'^ ahd. /üpen mit der Zunge anstossen : mndd. 
tclispen zu ags. wlisp, ahd. lisp stammelnd; ahd. ant-luzzi, -litze 
N. Antlitz, vgl. g. tvlits M. — Im Mfrk. und Ndd. halten sich tur, 
wl, und daher stammen in unserer Schriftsprache einige mit tor 
anlautende Wörter : Wrack N., und die mehr mundartlichen ivribbeln, 
tcricken, wringen (Behaghel Grdr. § 68). In nhd. Friese! scheint fr 
auf wr zu beruhen ; vgl. auch ndd. wlispen und nhd. flispern, Neben- 
form von flistem^ flüstern^ ndl. fluisteren (ahd flistran kosen). 

w im In- und Auslaut. 

121. 1. In- und auslautendes tc findet sich im Gotischen 
ziemlich häufig und unter mannigfachen Bedingungen nach 
Vocalen, nach Consonanten und vor Consonauten, als ein 

fester Laut; z. B. aiws M. Zeit, lew N. Gelegenheit, Uwjan ver- 
raten, waurstw N. That, waurstwja Arbeiter, skadwjan beschatten, 
Auch vor u z. B. fairhus M. Welt, aggtcus enge und in unbetonten 
Silben, z. B. frijapwa Liebe, suniw^ der Söhne u. a. Nur für iw 

lind atc pflegt im Wort- und Silbenauslaut iu und au einzu- 
treten, so dass in demselben Wort vocalisches und consonan- 
tisches u wechseln können: sniivan eilGiij Prät. swau, sniumundd 
Adv. eilig; piwi Magd, PI. ]nujös\ maivi Mädchen, PI. viaujös\ 
taujan thun, Prät. taicida. Die Ausnahmen lasiws schwach und 
us-skawjan ernüchtern (vgl. auch das Fremdwort kawisjö = 1. cautio) 
suchen Sievers, Grdr. 1, 414, Jellinek, ZfdA. 36, 277 f. zu erklären. 
Anm. In der Verbindung niv ist tc bereits im Urgermani- 
schen durch Assimilation untergegangen (§ 137, 4); ebenso in 
«inigen Silben auf tiefster Vocalstufe (§ 118 Anm.): g. juggs 
jung (vorgerm. iunankös) : \,jiivenis] g.junda F. Jugend: 1. ju- 
venia; g. niun neun : 1. novem, — Durch die Wirkung des vocali- 
schen Auslautgesetzes scheint es entstanden in g. nkadus Schatten 
aus *8kaditoz (vgl. ahd. scato, scateives). — In g. ühteigs zeit- 
habend, ühtiugs zeitgemäss fehlt das ableitende w des Subst. ühtwö 
-Morgenzeit. 



•150 Halbvocale. iv im In- und Auslaut. [§ 12?.. 

2. Im Hocbdeiitschen wird das auslautende ic, so weit 
es noch erhalten ist, regelmässig durch o, selten durch ti be- 
zeichnet (Br. § 108 A. 1). Das dieses o mit dem gewöhn- 
liehen Vocal identisch sei, ist nicht anzunehmen (ZfdA. 36, 
268); Wörter wie seo, g. saiics gelten im Heliand als ein- 
silbig (ZfdA. 40, 215 A.). So finden wir don Laut nach Conso- 
nanten: melo N. Mehl, scafo M. Schatten (vgl. g. skadus), treso 
Schatz; nach langen Vocalen : «eo See (g. saitvs)^ sneo Schnee (g. 
snaiivs)^ speo spie (Prilt. zu spiwan\ bläo blau, grdo grau; nach 
kurzen Vocalen : frao froh, strao Stroh, kneo Knie (g. kniu). — 
ao verschmilzt dann frühzeitig zu ö : fö wenig (St. fawa- g. 
faus), fröj röy stro'^ eo wird zu io : knio Knie. — Nach 
langen Vocalen verschwindet der Laut schon seit Mitte de^ 
9. Jahrb. ganz (vgl. jedoch § 124); nur in den schwach be- 
tonten eo immer (g. aiw)j hueo wie (g. hmiica) stellt sieb 
Verkürzung des e und damit Übergang in den Diphthongen 
ein: io, wio, mhd. ie, wie (Br. § 108 A. 2. Kögel, PBb. 
9, 523 f.). 

122. Das inlautende w hält sich am besten, wo es als 
einziger Consonant im Anlaut unbetonter Silbe steht, beson- 
ders wenn eine noch weniger betonte Silbe vorangeht, wie 
in wifitwa F. Wittwe (g. widuic6)\ ebenso nach kurzen Stamm- 
silben, zumal solchen auf l und r, nach deren Consonanten 
sich leicht Svarabhakti-Vocal einstellt, z. B. melo Mehl : Gen. 
mülaives^ treso Schatz : ^r^'6'oetCÄ, scafo SvhHüen : scataicesi garo 
bereit : ^«rauer, zeso recht : zeV>a?t*« (g*. taihstvö)^ senawa Sehne. 
Auch nach betontem Vocal, z. B. ewa F. Gesetz, hlico M. Gatte, 
vgl. seo : Gen. s^wes^ grdo : gräuC^r^ frao : frexvida^ strao : streicit streut; 

doch ist in solchen Wörtern der Laut schwächer als in den 
beiden ersten Gruppen, bleibt nach langen Vocalen nicht 
selten unbezeichnet oder wechselt mit h und j {g) (§ 154 f., 
Br. § 109. 110. 114). 

Unter andern Verhältnissen dagegen schwindet w im 
Ahd.; also nach langer consonantisch auslautender Stammsilbe, 
nach Ableitungssilben und nach Gutturalen, wo sich Svara- 
bhaktiVokal nicht entwickeln kann, z. B. g. ivahtivö Wache: 
ahd. tcahta\ g. ühticö Morgenzeit : ahd. ühta\ g. uhiziva Halle : ahd. 
ohasa\ g. salipwa Herberge : ahd. selida\ g. aqizi F. Axt : ahd. 



§ 123.] Halbvocale. tv im In- und Auslaut. 151 

achus; g, naqaps nackt: ahd. nackot'^ g, saihan : ahd. sUhan^ g. 
siggwan : ahd. singan, g, sigqan : ahd. sinkan, g, *swiggwan (vgl. 
Hwaggwjan) : ahd. 8wingan\ an. slyngva werfen : ahd. slingan. 

Ebenso vor einem folgenden Consonanten (IF. 4, 310): ahd. 

hträt F. M., Stamm htwa-y vgl. ags. hiwrdden'^ Urahha I^erche, ags. 
Idwrice, Idtcerce; ahd. sMa aus *s^tvla^ got saiwala; doch finden 
sich daneben Formen, die auf die Existenz des alten w hin- 
weisen; Heurat hat sich bis ins Nhd. erhalten; vgl. van Helten, 
PBb. 20, 508 f. 

Anm. Wörter mit kurzer Stammsilbe ohne w sind ahd. ga^a 
F. Gasse neben g. gatwö (vgl. PBb. 7, 1G3), ahd. xcado M. Wade neben 
an. vödvi M. Muskel. 

123. Im Mhd. setzt sich der schwankende Gebrauch 
fort; in der nhd. Schriftsprache ist er folgendermassen ge- 
regelt. 

Das stärkste w im Anlaut unbetonter Silbe hat sieh als 
10 in Wittwe und dem Fremdwort Ziticer, ahd. zitawar^ mlat. 
ceduarium erhalten; sein gewöhnlicher Vertreter aber ist 6. (vgl. 
§ 117 A.). Dies 6, das im Spät-mhd. für w eintritt, zeigt, dass 
der Laut damals bilabiale Spirans war, wie v, welches die 
gleiche Entwickelung nimmt (§ 97). Es hat sich erhalten in 
Wittib neben Wittwe und nach l und r in Erbse, Farbe, Felber, 
gerben, herbe, Milbe, mürbe, Narbe, Schwalbe; aber «cAm/ercw, 
mhd. smirn, smirwen zu ahd. smero, sm^rawes Schmeer hat 
das w verloren. In andern hat die unflectierte Form, die 
schon im Ahd. das w eingebüsst hatte, gesiegt: kahl, ahd. 
Icalo, Tcalawer\ Mehl, ahd. melo, melawes neben Milbe, ahd. 
miliwa; gar, ahd. garo, garawer neben gerben, ahd. garaicen; 
Herlinge gehört zu herbe. Bei einigen sind Doppelformen 
entstanden: gelb und gehl, falb und fahl. 

Das schwächere w nach betontem Vocal erscheint als b 
in Eibe, mhd. twe, ahd. iwa, und in dem Fremdwort Aben- 
teuer, frz. aventiure', mundartlich auch sonst (Behaghel Grdr. 
§ 72). [An Stelle eines verschärften tc steht es in dem Prät. 
hieb, mhd. hie hiu hiuw hieb und dem gleichlautenden ganz 
jungen Subst. Hieb.] — Als w ist es erhalten in ewig (neben 
Ehe, mhd. S, eioe), dem Fremdwort Löwe, mhd. lewe, lötiwey 



152 Halbvocale. Die Vocale vor ^v. Geschärftes w. [§ 124. 125. 

ahd. UwOy louwo *) und dem ndd. Möwe. Die ttbrigen Wörter 
haben den Laut verloren. 

124. Einfluss des w auf den vorhergehenden Voeal. 
Die dem w vorangehenden Vocale zeigen manches Eigentum- 
liehe. Nach langen Vocalen kann schon im Ahd. das w 
ohne erkennbaren Einfluss erlöschen: ahd. sptwauj spian 
speien, seices, sees Sacs'^ für öic tritt d ein: bräj Jclä, lä, hldj 
grä sind die gewöhnlichen mhd. Formen; doch zeigen die 
entsprechenden nhd. Brauen Klaue, lau, blauy grau, dass sie 
nicht allgemein galten (vgl. PBb. 16, 306 f.). — Für die 
kurzen Vocale treten, indem das ir schwindet, lange Vocale 
oder Diphthonge ein; für die Nomina auf aw- und ew- werden 
die unflectierten Formen auf ö und ie (§ 121) zur Normal- 
form, die auch in den flcctierten Casus festgehalten wird; in 
den Verben frewen, drewen, strewen und dem Subst. frewida 
geht eic in eu über: freuen^ dräuen {drohen ist jüngere Bil- 
dung zu drö Drohung), streuen, Freude. O. bewahrt noch die 
alten Formen des Vocals; neben frö steht bei ihm frawaz^ frawa 
etc. und in freaui^ freuuita^ freuuida, threuuen, streuuita hat er 
re^ehnilssi«»: kurzes e; nur einmal in streuuent ist die erste Silbe 
lan^- «iebraucht, also Diphthon«»: anzunehmen. Entwickelung des 
Diphthono-en setzt auch die Schreibweise im Is. voraus (Kögel, PBb. 
9, 528); l)esonders früh aber ist sie im bairischcn Dialect eingetreten; 
denn hier heisst es fast immer gomciy houwi, frouwen, frouwiteu, 
strouwen^ strouivifa; der Diphthong <*alt also schon ehe der Um- 
laut von a eintrat. Br. § 114 A. 1 und Kögel, PBb. 9, 530, der die 
Sache anders auffasst. 

125. Geschärftes u. Neben dem einfachen ^ hat die 
ältere Sprache nach kurzen Vocalen auch den entsprechenden 
gedehnten Laut, der teils aus dem ürgermanischen überkommen 
war-), teils später durch den Einfluss eines folgenden j erzeugt 
wurde (§ 138), Bezeichnet wird er im 6ot. und An. durch 



1) Krjo-el, PBb. 9, 538. Bremer eb. 13, 384; über die Quantität 
Franck, AfdA. 17, 101. 

2) Die Bedinp^ungen, unter denen ursprünglich diese Ver- 
schärfun<f eintrat, shid nicht sicher zu erkennen; s. Kluge, Grdr. 
S. 334. Noreen S. 161 f. 16lJ Anni. Streitberg S. 60 und die dort 
an<»:e<>ebene Litteratur. 



§ 125.] Halbvocale. Geschärftes w. 158 

ggw : hliggtcan schlagen, hluggwans geschlagen, triggtos treu, 
triggwa Bund, glaggwus klng. Die hochdeutschen Schreiber 
unterscheiden ihn nicht hinlänglich von dem einfachen w und 
mehr als durch die Schrift verrät er sich durch seinen Ein- 
iluss auf die vorhergehenden Vocale: aus a wird ou, aus e, 
i : iu, aus u : üy im Auslaut erscheint er als u\ z. B. bliuwany 
blouy hlüwun, gibltiwan; triutoaj gitriuioi; glou glouwer; 
riuwany an. hryggva reuen; houwan^ an. höggva; scouwdn 
u. a. Ferner Ja-Stämme: z. B. niuwiy g. niujis neu; ouwa 
Au für awja; frouwa Frau für frawja u. a.^). Wie die 
Belege zeigen, unterliegt dieses auu nicht dem Umlaut, die 
Entwickelung zum Diphthongen muss hier also früher einge- 
treten sein als in der Verbindung au (§ 124). — AuffaHend ist» 
<las8 die ahd. Schreiber den consonautisehen Klang des gedehnten 
w öfter unbezeichnet lassen als den des einfachen. Sie setzen, "wie 
Kögvl S. 539 (vgl. Br. § 111. 105 A. 2) bemerkt, ou, iu (eu) vor Vo- 
caleu niemals für atr, iw (ew), sondern nur für auw, iuw {euw); z. B. 
scouön, scouötun, glaiier, rinan etc. Gleichwohl bildet der gedehnte 
Laut eine kräftij^ere Silben^renze. Wörter wie scouwen, frouicey 
ouwe, touweSf riuive, triuwe braucht Wallher zweisilbig, in solchen 
mit einfachem w zieht er die Stammsilbe und Endung zusammen, 
auch im Reim : hrd (ahd. bräwa) : ja, D. PI. hrän : hin, frön frohen : 
iön, knieten : gebieten', ich fröu, In)p. fröu, er fröut, ir fröut (nur 92, 
13 fröuet^ 93, 22 gefröuen ohne Verschmelzung, vgl. § 125 A.). — Der 
Grund, dass der Laut so oft unbezeichnet bleibt, liegt vermutlich 
darin, dass die j^utturale Nebenarticulation, die im Got. zu einem deut- 
lich vernehmbaren consonantischen Laute führte, im Hochdeutschen 
einerseits zu schwach war, um bezeichnet zu werden, aber ander- 
seits mächtig ^enug, um die Entwickelung des zweiten Lautteilfl 
zum labialen Spirtanten zu hemmen. Der erste Lautteil verband 
sich mit dem vorangehenden Vocal zum Diphthongen, der zweite 
erschien nur als schwacher Übergangslaut (§ 151 f.), dessen Bezeich- 
nung entbehrlicher war. 

Anm. Bei den sw. V. 1 und den ja-Stämmen mussten sich 

in demselben Worte verschiedene Vocale ergeben, je nachdem / oder 

j folgte; denn nur j erzeugt Dehnung. Es sollte also eigentlich 

flectiert werden: gewi, goutveSj gouwe, geici; frouwu frewis, fretcit, 

frouwen etc. Aber kein Denkmal zeigt diesen regelmässigen Wechsel- 



1) Kögel, PBb. 9, 523f. und abweichend, Streitberg, PBb. 
14, 186. 



154 Halbvocale. j Bezeichnung und Aussprache. [§ 126. 

So bildet 0. zwar neben dem Nom. getvi den D. PI. gouwon^ aber 
von dem Verbum freicen begegnen nur ganz selten frouwen, frou- 
wf*nty tiftst überall schreibt er euu. Die Erklärung kann nicht ein- 
facli in Formübertragung gesucht werden. Denn warum sollte 0., 
der bei andern Consonanten die Unterscheidung von einfachem und 
gedehntem Laut treu bewahrt (z. B. zellu, zelis, zelit\ sie beim ur 
aufgegeben haben, wenn nicht in der Natur des Lautes ein Aiilass 
dazu gelegen hätte. Der Process, der in der späteren Zeit die 
Dehnung aller stimmhaften Consonanten beseitigte, wenn in dem- 
selben Wort Formen mit und ohne Dehnung neben einander stan- 
den, hat beim w, als dem schwächsten Consonanten, vermutlich 
früher angefangen, sei es dass die Dehnung weniger scharf hervor» 
1r..t, oder dass die Sprache ihr mehr widerstrebte. 

h j- 

126. 1. Der /Laut kommt im Germanisclien und auch 
im Lateinischen nur im An- und Inlaut, im Griechischen über- 
haupt nicht mehr vor; doch lehrt das Griechische, dass im 
Germ, und Lat. vermutlich (vgl. § 128 A. 2) zwei ursprüng- 
lich verschiedene Laute zusammengefallen sind, das conso- 
nantische i und ein idg. Spirant j; diesem entspricht gr. l^ 
jenem der Spiritus asper. — Vergleichbare Beispiele stehen 
nur für den Anlaut zu Gebote: g. ja-h 'und' zu einem Prono- 
niinalstamm |o-, gr. öq, ti, ö; g. jtiggs jung: 1. juvencus\ g^ 
juk N. Joch : 1. jugum, gr. Cutöv; ahd. jesan gären : gr. 2!euj. 

2. Die nahe Beziehung zwischen i und j zeigt sich noch 
deutlich im Gotischen — deutlicher als die zwischen w und 
w — , indem einem inlautenden j vor Vocalen im Auslaut 
und vor Consonanten i entspricht; vgl. g. kuni Geschlecht : Gen. 

kunjis\ handi Band : Gen. bandjös; ebenso inl. aj- : ausl. ai : g. bai 
beide : bajöps; aiws Zeit : ajukdäps Ewigkeit; wai wehe : wajaviirjan 
lästern; iul. ij- : ausl. ei (contrahiert aus iii)\ g. preis drei i Prija\ 

freis frei: frija. — Auch ein alter von der Quantität der Stamm- 
silbe abhängiger Wechsel von % und «*) ist im Gotischeu 
wenigstens vor folgendem i noch zu erkennen. Ursprünglich 
nämlich galt nach kurzer Stammsilbe i, nach langer i\ au& 
*har%eso ergab sich g. harjis des Heeres, aus *hirdieao g. 
hairdeis des flirten; % hielt sich als Consonant, i verschmols^ 



1) Sievers, PBb. 5, 129 f. Kluge, Grdr. S. 333. Streitberg S. 62. 



§ 127.] Halbvocale. j Bezelchnun«' und Aussprache. 155' 

mit dem folgenden i zu ?; vor andern Vocalen gilt auch nach 
langer Stammsilbe j : g. hairdja, hairdjöSy hairäjam wie harja, 
harjöSj harjani. — Auch aus unbetontem e konnte .; entstehen : g, 
sunjus Söhne aus *si'inivizy *silneveSt ai. süncicas. (Streitberg S. 246.) 

127. Bezeichnung und Aussprache. — Ein ünterscliicd 
in der Articulation des vocalischen und consonantischen i 
muss ähnlich wie beim u (§ 115) früh hervorgetreten sein; 
denn das Gotische bezeichnet jenen durch i, diesen durch Q. 
Mangelhafter ist die Schreibweise im Hochdeutschen. Daa 
gewöhnliche Zeichen für den Consonanten wie für den Vocal 
ist i; daneben wurden in der älteren Zeit aber anch e und ff 
gebraucht, e gilt im Inlaut nach Consonanten vor folgendem 
o, a z. B. minnea, mdreo\ es tritt durch Assimilation ftlr i 
ein und beweist, dass an dieser Stelle das % noch nicht zur 
Spirans geworden war. g wird im Anlaut und im Inlaut nach 
r und Vocalen gebraucht z. B. gihuj gehan, nergen retten, 
und zeigt, dass hier die ahd. Schreiber i als Consonanten auf- 
fassten, wenn auch der consonantische Charakter noch nicht 
80 entschieden ausgeprägt war, wie jetzt. Darauf deutet der 
gelegentliche Gebrauch von y für j in mhd. Zeit (Whd. § 239) 
und der Umstand, dass in oberdeutschen Mundarten eine deut- 
liche Spirans noch jetzt nicht gesprochen wird; Trautmann 
§ 1037. 

In der Regel brauchen nun die ahd. Schreiber das g 
nur vor e und i: gihu, gehan aber jah. Daraus folgt aber 
nicht, dass j nur vor diesen Vocalen als Consonant gesprochen 
wurde, die Regel ergab sich vielmehr daraus, dass nur vor 
diesen Vocalen g al« einigermassen brauchbares Zeichen erschien^ 
denn nur vor den hohen Vocalen wurde g als palataler Laut 
gesprochen, vor den tiefen dagegen als velarer, der von dem 
palatalen j gar zu weit abstand. Ein orthographischer Miss- 
stand aber war der Gebrauch des g auch vor e und i, weil 
g in erster Linie Zeichen für den palatalen Verschlusslaut, 
nicht für den Reibelaut war. Daher schränkte man den Ge- 
brauch ein; in der mhd. Zeit pflegte man nur noch gi für ii 
zu schreiben, also gr?Ä^, aber JeÄew,JrtÄ, aus demselben graphi- 
schen Grunde, aus dem man fu für tu oder uu schrieb; § 93. 



156 Halbvocale. j im Anlaut. [§ 128. 

Endlich gab man auch hier g auf und fand in der Ausbildung 
•des Buchstaben J ein geeignetes Mittel den Laut zu bezeichnen. 
Aber erst seit dem 15. Jahrh. kommt das Zeichen auf und in 
<ler Majuskelschrift pflegen auch wir noch i und j nicht zu 
unterscheiden. DWb. 4, 2, 2185. 

128. 1. Die Geschichte des halbvocalischen i verläuft 
ähnlich wie die des u, doch ist der Laut noch schwächer und 
unselbständiger. Über den Wert eines Spiranten kommt es 
im allgemeinen nicht hinaus; aber wie aus u unter gewissen 
Bedingungen auch der Verschlusslaut 6 entsteht (§ 123), so 
kann auch i weiter zum Verschlusslaut g werden. Nur ist 
für die ältere Zeit nicht leicht festzustellen, wie weit dieser 
Lautwandel eingetreten war, da der Buchstabe g selbst 
schwankenden Wert hat (§ 69 f.) ; namentlich können die abd. 
g vor e und i, die mhd. vor i den Übergang nicht beweisen. 
Vgl. Kräuter, ZfdA. 21, 267 f. 

2. Die Entwickelung des Lautes hängt wesentlich von 
seiner Stellung im Worte ab. Das anlautende j, ein ziem- 
lich seltener Laut, hat sich bis heute erhalten ; z. B. g. ja : 
Ja-^ g. jer : Jahr; g.juJc : Joch u. a. — Vei*sch wunden ist es 
im Anlaut des zweiten Compositionsgliedes in mhd. biht F. 
Beichte aus mhd. ahd. hi-jiht zu bi-jehan bekennen. — Auf 
Berührung mit dem Verschlusslaut deutet der Gebrauch von g 
vor den tiefen Vocalen ; doch kann dieselbe ebensowohl durch 
eine Bewegung des j zum Verschlusslaut als durch eine Be- 
wegung des g zum Reibelaut veranlasst werden. Im Ahd. ist 
dies g für j äusserst selten (Br. § 116 A, 2). Öfter kommt es 
im Mhd. namentlich im Md. vor (Whd. § 220. 222); z. B. 
gdmer, gung, gudlHch\ und umgekehrt wird hier vereinzelt 
auch j für g geschrieben (Whd. § 240). Jetzt ist der Ver- 
schlusslaut in manchen Mundarten und zwar in den ver- 
schiedensten Teilen des Sprachgebietes allgemein geworden 
(Trautraann § 1038. Behaghel, Grdr. § 74). Die nhd. Schrift- 
sprache aber erkennt g nur in einzelnen Wörtern au: gäreuy 
mhd. jesen, dazu Gischt, mhd. jesf'^ Gauner für jauner\ auch 

guten für m\\A. jeten-, DWb. 4, 2, 2186. 

Anm. 1. In anlautenden Consonautverbindungen kommt 



§ 129. 130.] Halbvocale. j im Inlaut. 157 

j als erster Bestandteil gar nicht vor; wo es zweiter war, ist es^ 
durch Vorgänge, die bis in die idg. Zeit zurückreichen, beseitigt. 
Brgm. I § 143. 149. Noreen S. 176 A. 10. Streitberg S. 59. Doch, 
wurde in den ahd. unbetonten Pronominalformen siu^ sioj «ic, diOf 
dio, die vielleicht ein postconsonantisches j gesprochen; Wilmanns, 
Beitr. 3 § 61. 

Anm. 2. Sehr auffallend haben im alemannischen Dialekt 
Notkers jämer Jammer und jener jener ihr anl. j verloren, wÄhrend 
es andere Wörter wie jehan, jesan, jHan bewahren. Sievers (PBb.. 
]8, 407 f.) combiniert diesen Unterschied mit dem von idg. jf und j'y 
dieses habe stand gehalten, jenes sei verschwunden; vgl. auch 
Streitberg S. 60. 

Anm. 3. In je, jetzt, jeder hat sich je aus diphthongischem 
ie entwickelt; auf spirantische Aussprache deutet vielleicht schoa 
im 9. Jahrh. die Schreibung Mo, heo\ s. Garke QF. 69, 53. 

129. Das inlautende j war häufig, da viele Wörter, 

Verba und Nomina mit J-Suffix gebildet wurden. Im Gotische» 

findet es sich oft, nach einem Consonanten z. B. in na^yan, 

nasjiSj na^HJip\ hairdjöH, hairdje, hairdjam, hairdjans etc.; 

nach einem Vocal in ija sie, prija drei, fijan hassen, frijön 

lieben, stöjan richten, bajops beide, ajukdups u. a. Der Ge- 
brauch steht ziemlich fest; nur für ij findet sich hier und da i; 
z. B. fian, «zum; vielleicht weil zwischen t und folgendem Vocal j 
sich leicht von selbst als Ubergangslaut einstellt. Öfter fehlt es in 
friapwa Liebe neben frijapiva, frijön, frijOnds (Br. § 10 A. 4); aber 
g. maiza mehr ist nicht auf maiiz- sondern auf mö-iz zurückzu- 
führen; 'iz ist die Schwundstufe des Comparativsuflßxes -ios (II 
§ 330). — Über das j in saijip s. § 154. 

Zwei durch j getrennte Endsilben kommen im Gotische» 
nicht vor; inwieweit j lautgesetzlich oder durch Formüber- 
tragung beseitigt war, ist schwer zu entscheiden; s. Flex. 

Anm. 1. In vielen FHllen, wo mau früher unbedenklich Schwund 
eines J annahm, bieten sich andere Erklärungen; s. Streitberg, zur 
germ. Sprachgeschichte. (Er behandelt die sw. V. 2 S. 12 f. 105 f., 
8W. V. 3. S. 73 f., Verbalabstracta auf 0ns, ains, eins S. 15 f., annaio 
S. 16, die Infinitive auf 6n, jan S. 17, die Comparative auf 6za, 
68t S. 19); vgl. Kluge, Grdr. S. 334. 

130. Im Althochdeutschen ist das inlautende j 
schon ein sehr schwacher Laut. Nach Consonanten hält 
er sich als i oder e noch bis in das 9. Jahrh. vor den Vocalen 
a, («), o, w; z. B. mifinea, ftippea, minniu, gilouhiu. Dann 



158 Halbvocale. Ahd. j im Inlaut. [§ 131. 

verliert er sich, nachdem er Umlaut (§ 191 f.) und Consonant- 
verdoppelung (§ 138) erzeugt hatte. Bei 0. ist er schon fast 
ganz verechwunden (Möller, Alliterationspoesie S. 64 f.). 

Widerstandsfähiger erweist sich das % nur nach kurzen 
Stammsilben auf r; Formen wie nerien nergen nerigen, spurjen 
herje etc. zeigen sich auch noch in Denkmälern, die sonst das 
j tiberall aufgegeben haben, bis in die mhd. Zeit. Dass die 
Sprache hier das j zum Consonanten entwickelte, hängt jeden- 
falls mit dem Secundärvocal, der hinter r einzutreten pflegt, 
zusammen (ßr. § 118 A. 3); auch w geht namentlich nach 
Sccundär-a in b über (§ 123). Die Schriftsprache erkennt 
diesen Consonanten an in Ferge, ahd. ferjOf mhd. ver, verje, 
verge und Scherge, ahd. scario] Behaghel, Grdr. § 74, 3. 

Die Vorbindung ji kennt das Ahd. nicht; dorn g. 7iasja, nasjis, 
nasjip entspricht ahd. nerju^ neris^ nerit. Es kennt aber auch nicht 
das dem ji entsprechende ei: g. sandja^ sandeis^ sandeip, ahd. sentu, 
sentis, sentit. Die gotischen Formen können den ahd. niclit zu 
Grunde liegen; wie sie sich zu einander verhalten, ist unge- 
wiss; Paul, PBb. 7, 160. Streitberg, PBb. 14, 223. 227 f. Kluge, 
Grdr. § 34. 

Anm. Ähnlich wie bei den r-Stämmen haftet i auch in einigen 
andern; ahd. tvinia Freundin, brunia Brünne, redia Rede; hier muss 
das i einen andern Ursprung haben (Br. § 118 A. 4. Kluge, Grdr. 
§ 24). Hinter dem i kann sich dann als Ubergangslaut j od. g ent- 
wickeln; mhd. winnege^ brilnege neben tcinne, hrilnne (Whd. § 222). — 
Einige Fremdwörter schliessen sich an : 1. cavea^ mhd. kevje^ nhd. 
Käfig \ 1. miniumj mhd. mini, niinge, menig, nhd. Mennig; vermut- 
lich auch 1. deleOf ahd. itligön neben illöji^ nhd. tilgen (XtWA. 11,9); 
vgl. ferner 1. apium, ahd. ej)fi^ mhd. eppe^ ephichj nhd. Epinch\ 1. 
lolium, mhd. lulche, lullich, lulch Lolch (AfdA. 11, 23). 

131. Zwischen V o c a 1 e n ist j im Ahd. nirgend mehr 
fest. Nach kurzen Vocalen kommt es überhaupt nicht mehr 
vor; sie sind entweder gedehnt oder mit dem folgenden Vocal 
zu einem Diphthongen verschmolzen; g. frels, frija, ahd. /Vi, 
fri{i)o\ g.prije, ahd. dri(i)o; g. fijands, ahd. ti{i)ant; dagegen 
g. prijüy ahd. driu\ g. frijönds, ahd. friunt. Worin diese 
Verschiedenheit begründet ist, weiss ich nicht, j od. g wird 
in diesen und andern Wörtern oft und bis in die späte Zeit 
geschrieben und auch gesprochen, aber es erscheint doch nur 



§132.133.] Gc^schjlrrt3s i*. CoiiHonantverdoppp.lunt? . 159 

als ein Übergangslaut, der sich aus beuachbartem i inuner 
vou neuem erzeugen konnte; § 154 f. 

Je schwächer das intervocalische j im Ahd. ist, um so 
auffallender ist, da&s es abweichend vom Gotischen selbst zwi- 
49chen unbetonten Endsilben erscheint, nämlich in den längeren 
Optativformen der sw. V. 2. 3, die namentlich im Alemanni- 
schen gelten: minnü[i)en, chösö(i)en, habe{i)e8t, chdsd{i)e u. a.*)» 

132. Geschärftes i^). Wie zu w so gesellte sich unter 
gewissen Bedingungen auch zu i ein Vcrschlusslaut, der im 
An. in seiner ursprünglichen Gestalt als palatales gg, im 6ot. 
als dd erscheint; z. B. g. waddjus, an. veggr Wand; g. twaddje^ 
an. tweggja zweier (Braune, PBb. 9, 544). Im Westgerma- 
nischen fehlt diese consonantische Affection und der unter- 
schied ist verwischt. Nur im Auslaut bei vorangehendem a 
zeigt er sich deutlich. Wie au zu ö, so wurde im Hd. ai 
zu e contrahiert; z. B. g. tcaiy ahd. tce wehe; g. sai, ahd. «^ 
(ecee); dagegen aü ergab eiy wie auu oe^; z. B. ei (ovum), 
an. egg; screi (clamor), hei trocken. 

Viertes Kapitel. 

Nachdem die Geschichte der einzelnen Consonanten ver- 
folgt ist, bleiben noch mehrere Erscheinungen zu betrachten, 
die, weil sie verechiedene Laute in gleicher Weise angehen, 
«ich nicht w^ohl in die Behandlung der einzelnen einfägen Hessen. 

Consouaiitverdoppelung. 

133. Doppelconsonanten sind nicht selten das unmittel- 
bare Ergebnis der Wortbildung. Sie entstehen, wenn ein 
^sweites Compositionsglied oder eine Bildungssilbe mit dem- 
selben Consonanten beginnt, mit dem das erste Glied, bez. die 
Stammsilbe schliesst; z. B. g. faur-rinnan vorangehen, dis- 
mtan überfallen, viip-panei während; nhd. An-nähme, auf- 



1) Er. § 310 A. 4. 5. Streitborg, Zur germ. Sprachgeschichte 
S. 14. 83 erklärt die Formen als junge Analogiebildungen. 

2) Noreen S. 160 f. Streitberg S. 60 f. Kögel, PBb. 9, 642. 
Franck, ZfdA. 40, 10 f. Anm. 



160 Consonanti'erdoppelung-. [§ 133. 134. 

faüeUj RocJc'Jcragen; mhd. adel-lic\ unzal-Uch u. a. Zuweilen 
sind die beiden Consonanten erst durch die Unterdrückung 
eines Vocales zusammengerückt; z. B. ahd. eUlenti, mhd. 
eilende Ausland, Elend; ahd. heriro, herro Herr; ahd. leitta, 
nöttay scutta für leitita, nöiiia, scutita. Zuweilen sind sie 
anch erst durch Assimilation gleich geworden; z. B. g. ur- 
reisan aufstehen für us-reisanj mhd. ummaht = nnm9ht, rette 
= redete u. a. 

Nun giebt es aber auch Verdoppelungen, die sich nicht 
auf zwei etymologisch verschiedene Elemente verteilen lassen, 
sondern wie die einfachen Consonanten als einheitliche Bestand- 
teile einer Sprachsilbe erscheinen. Zum Teil sind sie ebenso 
entstanden, wie die erwähnten, nur dass ihre Bildung einer 
früheren Zeit angehört und ihre Auflösung auf dem Boden 
der einzelnen Sprache nicht mehr zu erreichen ist; zum Teil 
aber sind sie durch ganz andere Einflüsse, durch die Betonung^ 
Einwirkung folgender Consonanten, Verlegung der Silbenscheide, 
aus einfachen Consonanten entsprossen. Diese Verdoppelungen 
sind es, die im Folgenden zu behandeln sind; doch mögen zu- 
nächst noch einige allgemeine Bemerkungen Platz finden*). 

134. 1. Ihren eigentlichen Platz hat die Verdoppelung 
im Inlaut, wo eine Verteilung des Consonanten auf zwei 
Silben stattfinden kann. Eine Wiederholung der consonanti- 
schen Articulation findet nicht statt; Verschluss oder Reibungs- 
enge werden immer nur einmal gebildet und gelöst; aber die 
Silbengrenze fUllt in den Consonanten, so dass er zugleich als 
Auslaut der vorangehenden und als Anlaut der folgenden Silbe 
erscheint. Die doppelte Setzung des Buchstabenzeichens ist 
daher ein ganz natürlicher und angemessener, zu jeder Zeit 
gebrauchter Ausdruck der Gemination. 

2. Nun finden wir aber doppelte Setzung des Buchstaben 
auch im Auslaut. Zwar in den alten Denkmälern der hoch- 
deutschen Sprache wird im Auslaut nur einfacher Consonant 
geschrieben; z. B. fei feiles, grif griff es, l'ussen ktista, bouhhan 
Zeichen houhnita (Br. § 93), ebenso im Mhd., bis hinein in 



1) Sievers, Phonetik^ S. 184 ff. 



§ 134.) Consonantverdoppelung*. 161 

das Nhd. (von Bahder S. 91); und wenn wir jetzt die ver- 
doppelten Bnchstaben, wo sie im Inlaut gelten, auch im Aus- 
laut setzen, so ist das nur die Durchführung eines allgemeineren 
orthographischen Princips, das in der Aussprache nicht be- 
gründet ist (vgl. § 144). Anders liegt die Sache im Gotischen; 
hier finden wir nicht selten auch im Auslaut das doppelte 
Zeichen gesetzt; z. B. fullj skatts, ftdljariy skattja. Wie im 
Khd. sind es nur Wörter, die im Inlaut den Doppelconsonanten 
verlangen, doch ist nicht anzunehmen, dass wie im Nhd. die 
Bezeichnung des Auslautes sich nach dem Inlaut gerichtet habe, 
weil diese Abhängigkeit in andern Fällen im Gotischen nicht wahr- 
nehmbar ist (vgl. § 145), auch die Art, wie die Verdoppelung 
gebraucht wird, dieser Voraussetzung nicht entsprechen würde. 
Die Doppelschreibung findet nämlich in der Regel nur im abso- 
luten Auslaut, vor dem Nominativ-« und vor j statt, nicht 
vor andern Consonanten (Br. § 80). Die gotischen Doppel- 
schreibungen müssen also auch im Auslaut phonetische Gel- 
tung gehabt haben, sie müssen Consonanten bezeichnen, die 
entweder durch ihre Dauer oder durch die Art ihrer Aussprache 
(Änderung in der Energie oder der Tonhöhe während der 
Articulation) sich merklich von den einfachen Consonanten 
unterschieden. 

Dass ähnliche Modificationen in der Aussprache der Con- 
sonanten vom Anlaut der Worte nicht ausgeschlossen sind, 
zeigen die Mundarten (Behaghcl, Grdr. § 65). In der Schrift- 
sprache sind sie nicht nachweisbar, auch nicht für das Gotische. 

3. Von der Natur der vorangehenden Laute ist die Ver- 
doppelung an und für sich unabhängig; doch erweist sie sich 
als dauerhaft nur nach kurzem betontem Vocal. Verdoppelungen, 
die im Urgermanischen nach Consonanten, langen Vocalen und 
Diphthongen eingetreten waren, sind sowohl im Got. als im Alid. 
wieder aufgegeben ^). Im Got. ist Doppelconsonanz überhaupt nur 
nach kurzem Vocal belegt, im Ahd. ziemlich häufig auch nach 
langem, aber nur wenn sie durch jüngere Processe herbeige- 
führt war; z. B. galauppen : g. galaubjan, auckan : g. aug- 



1) Paul, PBb. 7, 109 f. Kluge, Grdr. § 16. Noreen S. 163. 
W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. H 



162 Coiisonant Verdoppelung. [§ 134. 

Jan (Br. § 96 A. 1). üud allmählich schwinden auch diese 
jüngeren Verdoppelungen, zuweilen sogar da, wo der zweite 
Consonant einem andern etymologischen Bestandteil angehörte. 
Für nötta nötigte, leitta leitete tritt schon im Ahd. nötUy Uita 
ein; herro aus heriro entartet zu hero, here oder herro, Jierre 
u. s. w. (Br. § 98). Jetzt kommt sogar in Compositis die Ver- 
doppelung nach langem Vocal schwer zur Geltung. Man spricht 
Ati'fahrtj Ei-nehmer st. Auf -fahrt, Ein-nehmer etc. 

Ebenso verliert sich die Verdoppelung leicht in unbe- 
tonten Silben. In den Endungen -inn- und -niss- hält unsere 
Schrift sie fest. Im Dat. des Inf. -anne, -enne aber fängt 
sie schon im Ahd. an zu schwinden; und in dem pronomi- 
nalen Dativ hat sie zwar das Got. noch (blindammaj pamma)y 
aber nicht das Hd. (blinfemu, demu; Br. §93 A. 1). Jetzt 
kommt sie selbst in der Gomposition oft nur unvollkommen 
zum Ausdruck. Man spricht ze-reissen, ve-reisen, e-reichen st. 
zer-reissen, ver-reisen, er-reichen\ vgl. PBb. 2, 570 f. 

4. Mit der Verdoppelung der Consonanten tritt oft zu- 
gleich eine Änderung ihrer Qualität ein; sie erfahren eine 
Verschärfung, d. h. sie werden mit grösserer Energie articu- 
liert. Bereits im Urgennanischen wurden 8, rf, j in der Ver- 
doppelung zu pp, tt, fcfc; im Gotischen werden die gedehnten 
j, 10 mit Verschlusseinsatz gesprochen: ddj, ggtOj im Hoch- 
deutschen erscheint gerni. f nicht als der schwache Spirant 
V (b), sondern als kräftiges ^; h wird nicht zum flüchtigen 
Hauchlaut, sondern zu cä; p über dd zu tt'^ die leichten Ver- 
Bchlusslaute &, d, g werden zu starken pp, tt, ck und die 
starken Verschlusslautc j), t, k zu kräftigen Affricaten pf, fe, 
cch. Diese Abweichungen in der Lautverschiebung lassen 
zuweilen auch da, wo die Verdoppelung wieder aufgegeben 
ist, noch erkennen, dass sie einst stattgefunden hatte. 

5. Ureprünglich sind diese Dehnungen und Verdoppe- 
lungen nirgends und daher in der ältesten germanischen 
Sprache, dem Gotischen, verhältnismässig selten. Abgesehen 
von den Halbvocalen j und w (§ 125. 132) kommen hier ver- 
doppelt vor namentlich die Liquiden Z, r, die Nasale nt, n, 
die Spirans s, vereinzelt auch k und f; für die Media g, die 



§ 135,] Consonaiitvcrdoppehinji:. Germanische Tenues. 163 

rstimmhaften Spiranten 6, d, die stimmlosen /", h ist Verdoppe- 
lung nicht zu belegen; pp begegnet nur in der Composition. 
In den jüngeren Sprachen sind die Verdoppelungen häufiger 
und mannigfaltiger. 

. 6. Unter welchen Bedingungen die Verdoppelung ein- 
getreten ist, lässt sich im einzelnen Fall oft nicht sicher 
erkennen; aber drei Gruppen treten deutlich hervor: 1. Wörter, 
in denen sie in der Entwickelung der Sprache vom Mhd. 
zmn Nhd. durch Verlegung der Silbengrenze herbeigeführt ist; 
2. Wörter, in denen sie von dem Einfluss gewisser Consonanten 
auf den Auslaut der Stammsilbe abhängt; 3. Wörter, in denen 
eine Assimilation statt gefunden hat. Mit dieser Grujipe, die 
in der frühesten Zeit beginnt und sich bis in die späteste 
vermehrt, fange ich an, schliesse ihr aber die grosse Zahl 
-solcher Wörter an, die sich einer der beiden andern Gruppen 
nicht einreihen lassen. Fast alle, die hierher gehören, sind 
flectierbare einsilbige Stämme, oder Wörter die augenschein- 
lich von solchen Stämmen abgeleitet sind. Die wenigen 
andern führe ich besonders auf. 

A. Assimilationen. 

135. Verdoppelte Tenues*). — 1. Die Assimilationen, 
welche Doppelconsonanz hervorrufen, sind bald progressiv, z. B. 
ahd. stimna : stimma, bald regressiv, z. B. ahd. nemnen : 
nennen. Der progressiven Assimilation sind besonders n und 
-IT unterlegen ; regressive ist besonders durch Z, auch durch m 
bewirkt. Als die wichtigste und folgenreichste aller Assimi- 
lationen erscheint die progressive des n, auf die man neben 
andern Doppelconsonanten namentlich die germanischen Doppel- 
tenues zurückführt. 

2. Im Gotischen sind nur wenige Wörter mit verdoppelter 

'Tennis überliefert; l'k in zwei Lehnwörtern g. sakkus Sack, 

1. saccusy gr. (Toikko^; smdkka Feige, ksl. smoky\ tt in zwei 

•etymologisch undeutlichen : atta Vater, 1. atta^ gr. ÄTta; skatts 

-Geld, ahd. scaz Schatz; pp gar nicht. — Viele Wörter auf 

1) Kluge, PBb. 9, 168 f. Grdr. § 16, S. 334. Kauffmann, PBb. 
.12, 504 f. Brgni. I § 530. 534. 538. Noreen S. 154 f. 



164 Consonantverdoppelung; hd. pf^ zz, ck. [§ 135^ 

pf, ZZ, cJc (germ. pp, tt, l^k) hat das Hochdeutsche. Neben 
manchen stehen verwandte Wörter mit einfachem Consonanten^. 
und zwar teils solche auf h, d, g\ v (f), d, h (=gerni. 6, 
rf, j; fyp, A), teils solche auf ^, jj, ch (=germ. |?, t, Jc)-^ viele 
stehen isoliert. Ich führe die drei Gruppen gesondert, an. 
Die Paare der ersten setzen voraus, dass vor oder neben der 
Verdoppelung eine von der gewöhnlichen Verschiebung unab- 
hängige Änderung der Articulationsweise statt gefunden hat; 
denn die Verdoppelung von germ. 6, d, j; /*, p, h hätten nicht 
hd. pfy zz, cJc ergeben können. Dagegen in der andern er- 
scheinen hd. pf, zz, ck als die natürlichen, nur durch die 
hochdeutsche Verschiebung modificiertcn Formen der Ver- 
doppelung. — Auch innerhalb desselben Wortes wechseln in 
der älteren Sprache nicht selten pf, zz, ck mit einfachen Con- 
sonanten; hier aber fast nur mit ff*, jj, ch. Solche Doppel- 
formen konnten dadurch entstehen, dass entweder die Ver- 
doppelung nur in einem Teil der Formen eingetreten oder 
in einem Teil wieder aufgegeben war, so dass ein Ausgleicb 
nach beiden Richtungen möglich war. 

a. Paare mit quantitativer und qualitativer Verschiedenheit. 
pf (= germ. pp) : b, v (/") (= germ. 5, f). Verba und zu ihnen ge- 
hörige Substantiva. ahd. scupfa F. Schaukelbrett, mhd. schupfen 
in schaukelnder Bewegung sein, schupf M. : g. skiuban schieben. 
— Substantiva. ahd. hepfo M. Hefe : gleichbed. heve und hevilo M., 
heffen heben, urhab etc.; ahd. knöpf M. Knopf, mhd. knüpf el M., 
nhd. Knüppel (ndd.) : mhd. knübel M. Knöchel am Finger, nhd. 
Knubbe (ndd.); ahd. chripfa F., mhd. kripfe Krippe : ahd. ktnppay. 
as. cribbia und mhd. krebe M. F. Korb; ahd. sn¥pfo M., sn^'pfa F. 
Schnepfe, ndl. snep : ndl. sneb Schnabel; ahd. topf tof topfo M. 
Kreisel, mhd. topf olla : ahd. gi-tubili N. incastratura, mhd. tilbel M. 
Pflock, Zapfen, nhd. Döbel (ndd.). — mhd. schöpf M. : g. skufts 
Haupthaar, ahd. scoub Bündel, Strohbund, ahd. scubil^ mhd. schiibel 
Büschel (PBb. 20, 54^; mhd. snujyfe äI. F. Schnupfen : mhd. snüben 
schnaufen, [ahd. köpf M. Becher, kuofa F. Kufe, kubili N. Kübel 
führt man auf 1. cupa^ cuppa zurück; vgl. § 47.] 

zz (= germ. tt) : t, d (= germ. d, p). Verba imd zugehörige 
Substantiva: ahd. tmdar-stuzzen^ mhd. under-stützen^ mhd. stütze F. r 
ahd. studen feststellen. — mhd. snitzen : sntdan ; mhd. smotzen schmutzig 
sein, smuz M. : ndd. smudden'^ mhd. sivetzen schwatzen, stvaz M.t 
gleichbed. sicadern, s watern. — Substantiva: ahd. kazza F. Katzen 



^ 135.] Consonant Verdoppelung; hd. p/", a«, ck, 165 

tihd. kätaro M. — mhd. glatz M. Kahlkopf : ahd. glat grlatt, glän- 
zend; inhd. knotze F. Rnorre iknoto^ knodo M. Knoten; mhd. snuz 
M. Rotz (vgl. ags. 8not{tt), mndd. s^nottc^ auch ahd. i»nt2zen sw. V. 1., 
mhd. sniuzen schneuzen und nhd. Schnauze^ ndd. sniite) : ahd. snü- 
den schnauben. — [Auffallend steht auch einigemal zz neben tt: 
ahd. kratto M. Korb, mhd. kratte : ahd. krezzo^ mhd. krezze; ahd. 
rarto M., rarta F. : mhd. ratz, ratze. — mhd. kutte F. Mönchsgewand : 
ahd. kozzo M., kozza F., mhd. fco/zc 'grobes Wollenzeug, Kleid daraus' 
erklärt sich daraus, dass der germ. Stamm kotta- in das Romanische 
und aus diesem wieder in das Deiitsche überging (inlat, cotta, 

COttUif)]. 

cchy ck (= germ. kk^) x g^ h (= germ. j, h). Verba und 
zugehörige Substantiva. ahd. drucchen drücken, druck M. : ahd. 
drüh Fessel, an. prüga drücken; ahd. lecchön lecken : g. bi-laigön; 
ahd. nicchen : ntgan; ahd. zuccheriy zocchön zucken, zücken : zio- 
han. — mha, hucken bücken : biogan; mhd. hecken (meugl. hacchen) 
fortpflanzen, nhd. Hecke F. Vogelhecke (niengl. hacche) : hagen M. 
Zuchtstier; mhd. schicken machen das etwas geschieht : geschehen 
(vgl. auch g. ükiwjan, Wz. skPq). — Adjectiv. ahd. flucchi üügge: 
fliogan. -— Substantiva. ahd. hacchun PI. calces, Hacken : ags. höh 
Ferse; ahd. smocko (ags. smocc) M. Unterkleid, mhd. smücken 
schmiegen, schmücken : smiegen, — sp. nilid. pfloc^ -ckes und pflocke 
M. : ndl. plug Pfropfen. — nhd. Bicke F. (g. *rikki) : mhd. ?*eÄ M. 
Reh. — [cch neben gg in ahd. luccha F. Lücke und lucka (= lugga) 
s. Kluge Wb.] 

b. Paare, die sich nur in der Quantität des Auslauts unter- 
«cheiden. — pf (= germ. pp) \ f, ff (= germ. p). Verba und zu- 
gehörige Substantiva. ahd. rapfen verharschen, mhd. rapfe, rappe 
F.Krätze, Räude : ahd. ?'tf;^; ahd. slupfen schlüpfen, mhd. slupf 
und sluf M. : ahd. sliufan st. V., slouf M., ki-slof N. Unterschlupf; 
ahd. stapfön treten, stapf o M. Tritt : ahd. stuofa F. Stufe, staffala 
F., stafal, stapf äl M. Schritt, Grundlage; ahd. tcipf M. Schwung, 
mhd. wipfen hüpfen, springen, ahd. icipfil, wifpl M. Wipfel : mhd. 
tvtfen St. V. winden, schwingen (vgl. g. weipan bekränzen). — mhd. 
rupfen, ropfen, dazu vielleicht nhd. ruppig (ndd.) : g. raupjan, ahd. 
roufen. — Substantiva. ahd. tropfo M. Tropfen, mhd. tropfen : ahd. 
triofan triefen, troffezen tröpfeln. 

zz (= germ. tt) : 35 (= germ. t). Verba und zugehörige Sub- 
stantiva. Spät-mhd. strotzen : mhd. striu^an sträuben, mhd. strü^ 
M. Strauss, Kampf; spät-mhd. stutzen plötzlich innehalten, stuz M. 



1) Ob hd. ck als germ. kk oder germ. gg aufzufassen ist, 
lässt sich nicht immer sicher entscheiden, da in der hd. Schrift- 
isprache beide in ck zusammenfallen. 



166 Consonantverdoppeluiig; hf.pfy zz, ck, [§ 135^ 

Stoss, Anprall : stöben st. V. — Substantiva: ahd. m^zzo M. Metze 
(ags. mitta) : me^^an messen; ahd. firoz M. N, Rotz, nhd. rotzem 
ahd. ril^an schnarchen, schnaufen; mhd. kloz M. N. : ahd. nihd, 
klö^ M. Klos. 

cchf ck (= g-erm. kk) : ch (= g-erm. k), Verba und zug-e- 
hörig-e Substantiva. ahd. hacchan backen : gleichbcd. bahhan (vgL 
gr, (pibfw röste, cch ^ vorgenn. gn gebührt eigentlich nur dem PrÄ- 
sensstamm) ; ahd. blic, -cches M. Glanz, Blitz, Blick, blicken glänzen r 
bltchan St. V. (vgl. die c-Wurzel in ahd. blecchen, gr. (pX^Yui etc. 
Kluge \Vb.); ahd. broccho M. Brocken, brocchön bröckeln : g. ga- 
bruka M. Brocken, g. brikan brechen; ahd. scoc schaukelnde Be- 
wegung, mhd. schoc M., schocke F. Schaukel, mhd. schocken, schucken 
in schaukelnder Bewegung sein : an. skaka schütteln (?); ahd. slucko 
M. Fresser, Schlemmer, mhd. slucken schlingen, schlucken: gleich- 
bed. ahd. slühho M., ferner mhd. slüch M. Schlund, Kehle, slüchen 
schlingen (vgl. gr. XuTT<ivo^ai, XOZui etc.). — mhd. knacken^ gnacken 
krachen, knacken : an. knoka klopfen, ags. cnocian; mhd. stecken 
naschen, slUc, stecke M. Schleckerei, Leckermaul : an. steikja lecken;, 
mhd. tiicJcen^ iilcken sich schnell nach unten bewegen : mhd^ 
tüchen tauchen. — nhd. hocken : mhd. hüchen sich ducken, kauern, 
— Substantiva. ahd. baccJio M., nhd. Backe F. und Backen M. : 
gleichbed. ahd. bahho M. {kinni-bahho^ as. kinni-bako)\ ahd. smac 
sniacches M. sapor : gleichbed. smah M., gi-smah Adj., sm^hhar 
elegans ; alid. st^cko M. Stecken (ags. sticca) : g'leichbed. ahd, 
stehho^ mhd. steche. — mhd. bloc, -cArcs, gewöhnlich bloch M. 
Klotz, nhd. Block (wie im Ndd.), vermutlich zu ahd. batko M. 
Balken; damit wohl identisch Block M. Gefftng'nis, mhd. bloch 
und bloc^ vgl. aber auch ahd. bi-loh claustrum zii lükan schliessen; 
schoc, -ckes und schoch Haufe, 60 Stück (as. skok), vermutlich zu 
mhd. schoche M. aufgeschichteter Haufe Heus, schochen schocken 
in Haufen setzen; mhd. wicke F. Docht, Lunte (ags. tcecca\ ahd. 
wicchill{n) N. Wickel ; gleichbed. mhd. wieche, ahd. iciohha (Franck 
8. v. u'iek). 

c. Andere Beispiele, jtf : ahd. finapf M. Napf; hopfo M. 
Hopfen; krapfo M., mhd. krapfe^ krape M. Haken, eine Art Gebäck f 
kröpf M., dazu mhd. krüppel, krüpel\ zapfo M. Zapfen; zopf M. — 
mhd. zipf^ Zipfel M. — ««. g. skatts M., ahd. scaz Schatz. — mhd» 
platz M. dünner Kuchen (vielleicht zu platt^ frz. plat)\ spHtmhd. 
ploz-lich plötzlich; mhd. tatze F. Pfote, Hand; tratz, trotz Interj. — 
nhd. Fratze F., Petze F. Hündin. — ck, ahd. boc M. (ags. bucca)y. 
dazu mhd. bUckinc Bücking; ahd. flec und fleccho M. Flecken (an. 
flekkr\ dazu mhd. vlicken sw. V.; ahd. flocko M. Flocke; ahd. hnac- 
M. Nacken (ags. hnecca); ahd. loc M. Locke (ags. loce, an. lokkr)^, 
ahd. i'oc yi. (ags. rocc, an. rokkr)*^ ahd. rocko M. Spinnrocken (an- 



$ 135.] Consonantverdoppelunj^. Germ. Doppeltenuis. 167 

rokkr); ahd. stoc M. Stock (a^s. stocc, ru. 8tokkr\ dazu »hd.stticchi 
N.; ahd. stric M. Strick, dazu stricken schnüren, heften, flechten, viell.zu 
sMchan; ahd. toccha F. Puppe. — mhd. dr¥c M. Dreck (an. prekkr)\ 
md.gk'Cj gh'cke M. Narr (ndl. ^eA:); mhd. klac M. Riss, Krach, dazu mhd. 
kltcken einen Kleck, Fleck machen; mhd. schicke M. «gestreifter Rock 
(vgl. ags. sciccels Rock), scMcke Adj. gestreift, scheckig; mhd. sirac 
Adj. grade, straff, dazu ahd. strecken sw. V. und sfrack&n sw. V. 
ausgedehnt sein (vielleicht zu strenge); mhd. /wc, duc M. Schlag, 
Stoss, listiger Streich, PI. tücke\ md. zacke M. F. Zacken (ndl. tak M.); 
mhd. z^cke M. F. Holzbock (engl, tike, tick)\ mhd. zwec M. Nagel, 
Pflock in der Scheibe, mhd. zwicken mit Nägeln befestigen, zu'ic M. 
Nagel, das Zwicken, mhd. zwacken zupfen, zerren. — Andere Verba 
und zugehörige Substantiva II § 67 c. f. [mhd. götze M. und hatze 
M. Batzen sind Deminutivbildungen]. 

Anm. In demselben Verhältnis wie hd. pf steht unverscho- 
benes pp (md. ndd.) zu germ. h, f, hd. &, v(f). md. s^nappen: mhd. 
snaben schnappen, schnaufen; niederrhein. klippe F. : ahd. kl^'p N., as. 
eil/* Vorgebirge; nhd. ruppig vielleicht zu ahd. hruf lepra, nhd. Buff 
und ahd. riob leprosus, scaber; nhd. Schnuppe : mhd. ttnüben; nhd. 
Schuppe F. : schieben. — Ebenso md. ndd. pp : germ. p, hd. /*. spät- 
mhd. suppe, soppe F. : süfen\ nhd. schlapp : släfen\ Wippe, wippen: 
mhd. tütfen st V. 

3. Die älteste Schicht dieser Doppeltenues entstand 
durch progressive Assimilation von n. Man nimmt an, dass 
nach dem Wirken des Vernerschen Gesetzes, aber vor der Ver- 
schiebung der Media zur Tenuis das n eines betonten Suffixes 
dem Auslaut der unbetonten Stammsilbe assimiliert wurde. 
In dem so entstandenen gedehnten Laut gingen dann in allen 
germanischen Sprachen die stimmhaften Spiranten &, d, j in 
Yerschlusslaute über und wurden weiterhin in stimmlose Ver- 
schlnsslaute gewandelt. Es mussten sich also in solchen 
Stammen immer die Tenues ppj tt, Jck ergeben, gleichgültig 
ob sie auf idg. &, d, g oder bh, dh, gh oder p, t, k aus- 
gingen; denn auch die letzteren waren durch die Lautver- 
schiebung und das Yerncrsche Gesetz, ehe die Assimilation 
eintrat, in fr, d, j verwandelt. So erklärt sich, dass neben 
den Wörtern auf Doppeltenuis verwandte mit einfachen Lauten 
von ganz verschiedener Qualität stehen können. 

4. Besonders sind es drei Gruppen von Wörtern, in 
denen diese Assimilation stattfinden konnte: a. partici])iale 



168 Consonant Verdoppelung. ' Germ. Doppeltenuis. [§ 135. 

Bildungen mit Suffix -wd-; b. Verba, die ihren Präsensstamm 
mit Suffix -nä' bildeten (II § 66); c. schwache Substantiva. 
In den Substantiven musste die Verdoppelung von den Casus 
ausgehen, die das n ohne venuittelnden Vocal an die unbe- 
tonte Stammsilbe treten lassen (vgl. g. auhsne, an. yxnaj 
ags. oxna PBb. 8, 299 A. 9, 169. 12, 543). Hier entstanden 
also Doppclformen mit und ohne Gemination, die durch Aus- 
gleich nach dieser oder jener Richtung beseitigt werden 
konnten; aber auch Doppelformen nach der starken und 
schwachen Declination, denn der Übertritt eines Substantivums 
aus der n- in die ^-Declination, der auch sonst nicht selten 
ist, fand hier um so leichter statt, da die Assimilation des 
n den charakteristischen Consonanten der w-Declination in 
einem Teil der Casus beseitigt hatte. Die unsichere Mannig- 
faltigkeit dieser Wörter in ihrer Lautform und Flexionsweise, 
die sich bald in demselben Dialekt zeigt, bald mundartliche 
Unterschiede hervorruft, ist also leicht zu begreifen. 

5. So befriedigend die Hypothese die Wörter im allge- 
meinen erklärt, so bleiben doch manche Zweifel. Auf keinen 
Fall darf sie unmittelbar auf jedes einzelne Wort angewandt 
werden. Wären die Doppeltenues tiberall durch eine urger- 
manische Assimilation des n entstanden, so würden wir sicher 
in den verwandten Sprachen öfter die entsprechenden Bil- 
dungen finden. An einzelnen Belegen zwar fehlt es nicht (vgl. 
ahd. leochöny Grdf. Highnd- und gr. Xixvo^ leckerhaft, Xixveuui 
naschen); aber ihre Seltenheit lässt schliessen, dass die Doppel- 
tenues zum grossen Teil erst in späterer Zeit auf irgend eine 
Weise entstanden sind. Am Imndgreifiichsten ist dies bei den 
Verben, in denen die Verdoppelung ein gern gebrauchtes Mittel 
wird Intensiva zu bilden, und zwar nicht nur in solchen mit ein- 
silbigem Stamm, sondern auch in abgeleiteten, besonders in solchen 
auf -atjan^ ahd. -ezzen, z. B. ahd. bl^cchazzen blitzen, tropfezzen 
tröpfeln, muccazan, mukkizen mutire (darnach erst nhd. Tnucken) 
u. a. (II § 69 A. 3. Kluge PBb. 9, 164). Den Verben schliessen 
sich dann natürlich auch Substantiva an, die mit ähnlicher Bedeu- 
tung aus oder neben ihnen gebildet werden. — Aber auch die 
andern Substantiva mit Doppeltenuis reichen gewiss nicht alle in 
die Zeit der gennanischen Lautverscliiebung ziu-ück; nur fragt e« 
sich, wie sie enstanden und 'wie sie gegen die Bildungen der |Üteren 



$ 136.] Consonantverdoppelun^. Mediae und Spiranten. 169 

Zeit abzugrenzen sind. KaufTmann nimmt an, dass im Westgerma- 
nisehen das n der schwachen Declination ähnlich wie j Dehnung* 
jedes unmittelbar vorangehenden Stammauslautes hervorgerufen 
habe, und setzt diese jüngere Dehnung für die Substantiva voraus, 
die der schwachen Declination verblieben sind, und in verschie- 
denen oder auch derselben Mundart bald mit einfachem bald mit 
gelehntem Laut erscheinen; z. B. ahd. broccho Brocken: g. gabruka, 
ahd. sprozzo Spross : ags. sprota, ahd. roggo Roggen : ags. rggt, 
ah. rugr etc. (PBb. 12, 520 f., vgl. Kluge (Irdr. § 33). Aber ich finde 
nicht erwiesen, dass n im Westgermanischen solche dehnende Kraft 
geübt habe, und bezweifle, dass die sogenannten syncopierten For- 
men in der westgerm. schwachen Declination so verbreitet waren, 
wie Kauffmaun annehmen muss (vgl. § 136. 142 A.). Um zu ein- 
leuchtenderen Resultaten zu kommen, wird man die verschiedenen 
Zeiten und Mundarten mehr auseinander halten, auch den Wert 
der alten Lautbezeichnung in den einzelnen Denkmälern sorglicher 
orwägen müssen. 

6. W^örter mit Ableitungssilben und verdoppeltem Stamm- 
auslant, sind, wenn mau von den intensiven Verben und von 
solchen Wörtern absieht, die augenscheinlich von Wörtern mit 
verdoppeltem Auslaut abgeleitet sind, nicht häufig: ahd. kiz- 

zl{n) N. junge Ziege, mhd. kitze N. : an. kid N. Ziege, tirol. kitteU; 
ahd. ziccht{n) X. junge Ziege (ags. ticcen) : ahd. zigw^ ahd. truechau^ 
trockan, nihd. trucken, trucheriy trocken : ndd. dröge, ndl. droog^ ags, 
dryge. — Über andere, in denen die Ableitungssilbe selbst den Aii- 
lass zur Dehnung gegeben hat s. § 141. 

Über pf, z, k nach langen Vocalen und Consonanten s. § 143. 

136. Verdoppelte Medien und Spiranten. — Auch Me- 
dien und Spiranten erscheinen zuweilen verdoppelt, ohne dass 
die Verdoppelung sich auf jüngere bekannte Lautgesetze zurück- 
führen Hesse ^). Kluge (9, 176) suchte diese Laute zu der 
im vorigen Paragraphen besprochenen urgermanischen Assi- 
milation des n in Beziehung zu setzen. Zwar konnte diese 
auf gradem Wege weder gedehnte stimmlose Spiranten noch 
gedehnte Medien ergeben; denn die stimmlosen Spiranten 
waren vor dem betonten Suffix in stimmhafte verwandelt, und 
diese sowohl als die Medien gingen in der Dehnung schon 
gemeingermanisch in stimmlose Verschlnsslaute über. Aber 
Form Übertragungen hätten die neuen Laute ergeben können. 



1) Kluge PBb. 9, 158 f. Kauffmann PBb. 12, 524. 526. 528. 



170 Consonantverdnppelung'. Mediae und Spiranten. [§ 136. 

Der Stamm des Wortes Knabe z. B. habe im Germanisclien 
neben einander die Formen Jcnab- und Tcnapp- (aus gnahn-) ge- 
wonnen; daraus seien Mischformen entstanden: einerseits Jcnap-j 
was in ae. cnapa erhalten sei, anderseits Jcnabb-, worauf mhd. 
knappe beruhe. Kauifmann dagegen erklärt diese Verdoppe- 
langen durch den jüngeren verschärfenden Einfluss des n (§ 142). 
— In den Verben dienen sie augenscheinlich der Intensivbil- 
dung, sowohl in einsilbigen, als in Ableitungen auf -ein und 
-er» (§ 141, 3). 

bb = hd. pp. Verba. mhd. snappen schnappen, schwatzen 
(vgl. ndl. snappen) : mhd. sndben schnappen, schnauben ; stoppen 
steppen, aus derselben Wurzel wie steife Stift, — nhd. schlappen 
(vgl. ndd. ndl. alabben). — Siibstantiva. ahd. klup2)a F. Zange, 
mhd. kluppe : Jclioban spalten ; ahd. knappo M. Knappe : ahd. knabo 
M. Knabe (vgl. auch ajrs. cnapa^ as. knapo und a«:s. cnafa); ahd. 
lappo M. palmula (erhalten in Bär-lapp) : ahd. laffa F. imd g, löfa 
M. Hand; ahd. scuoppa F., mhd. sckuoppe^ schtwpe, achuppe Schuppe: 
scäban schaben. — mhd. rappe M. Rabe : gleichbed. ahd. rabo und 
rabeUf hraban. Femer ahd. happa, heppa, mhd. happe^ heppe, hepe^ 
nhd. Hippe F. Sichelmesser : ^^r. ko7t(<; Messer, Dolch. — Ebenso bb- 
in Wörtern, die in mdd. ndd. Form in die Schriftsprache aufge- 
nommen sind: Ebbe (a<fs. P'bba M.) vermutlich zu ^. ibuks zurück; 
Knübbe (mengl. cnobbe, engl, knob) aus derselben Wurzel wie Knopf, 
Knubel (s. § 135); Krabbe (a*»:s. crabba^ ndl. krab) : ahd. krebi^ 
M. Krebs. 

gg = hd. ck, Verba. mhd. wacken wackeln : ahd. wagön^ 
mhd. wagen*, nhd. mucken : mhd. mügen brüllen (?); placken : plagen 
(Lehnwort). — Substantiva. ahd. rocko M. Roggen, as. roggo : ags» 
ryge, an. rugr. Ferner ahd. sne'cko M. Schnecke (ndd. snigge), vgL 
gleichbed. mhd. snegel, ndd. snagel\ vielleicht auch mhd. mP'cke M. 
Ziegenbock (Grdf. migga od. mikka, vgl. gr. |uiiiKdo|Liai?); mhd. placke M. 
Fleck, Gegend, nhd. Placken M. aus l.plaga?; mhd. ivacke M. Feld» 
stein, nhd. Wacke F. (engl, wacke). Ebenso ff ff in Wörtern, die aus- 
dem Ndd. in die Schriftsprache gekommen sind: Dogge F. : ndl. 
dogge, dog F., ags. docga\ Flagge : ndl. flagge, flag, engl, flog etc.. 

dd und pp fallen in hd. tt zusammen (§ 84). ahd. f^thdhah, 
f¥ttah M. Fittich : vP'dara Feder; ahd. getto M. Unkraut, Lolch, viel- 
leicht zu j^tan JÄten; ahd. latta, ladda, mhd. latte^ late F. Latte 
(mengl. läppe, aber auch aj^s. Icetta) : mhd. lade M. Brett, Fenster-, 
Kaufladen. — Ferner ahd. atto Vater (vgl. g. atta, afries. aththa 
PBb. 12, 534); ahd. kletto M., kmta, klHa F. (atys. clipe), dazu auch 
nhd. klettern^ ahd. /e/^o M. Lehm; ahd. spot M. Spott, spottön sw. V. ; 



§ 137.] Consonantverdoppelung. Assimilation : IL 171 

ahd. tMa Brustwarze (vgl. § 47 Anm.). — spiU-mhd. matte, motter 
tntitte F. Motte (ags. moppa\ vielleicht zu g. mapa, ahd. mado M.^ 
nhd. Made F. Nur vereinzelt steht tt in ahd. zoto M., zota F., uihd. 
zote, zotte M. F. Zotte. — Auffallend tt neben j in oberd. ndd. hlutt 
= ahd. mhd. hlö,^ bloss; vgl. tt^ t : zz § 135, 2a [nhd. fett neben 
mhd, vei^ ist ndd., zusammengezogen aus ndd. '^fitid = ahd. fei^ity. 
Partie, von feigen 'vei^ machen*. — In den Fremdwörtern ahd, 
aituh, -ah Attich, lat. acte und ahd. lattuh, lattohha F. Lattich, L 
lactuca entspricht tt dem 1. et], 

ff, — ahd. laffa F. Hand : g. löfa (vgl. oben ahd. lappo); 
mhd. schroffe, schrove M. Stein wand, Felsklippe, dazu nhd. schroff 
Adj. : ahd. screvön einschneiden. 

hh. — mhd. z^che F. Ordnung, Anordnung, Gilde u. s. w.y 
dazu mhd. zachen anordnen, veranstalten etc. (vgl. ags. teoh {hh} 
Ge-ciellschaft, Schar, teohhian anordnen) : ahd. gi-z^hön anordnen^ 
richten (vgl. ags. teogan und g. gat€ivjan verordnen). 

137. Andre Verdoppelungen. — 1. H. — Für diese 
häufige Verdoppelung sind zwei Quellen deutlieh zu erkennen; 
schon in urgermaniacher Zeit entstand es durch progressive 
Assimilation aus 7m, durch regressive aus dl. — U=ln^): g.fill 
N. Haut, ahd. fH {II) zu 1. pellis aus *pclnis, gr. ir^XXa aus *pelna ; 
g, fulls voll, ahd. fol (11), in Compositis fola- neben folla- : ai. pilr- 
nds etc., vgl. 1. pU-nus'^ g. u'uUa F., ahd. ivoUa F. Wolle : ai. ttrnä;. 
ahd. wella F. Welle : asl. vliinä, lit. vilnls, dazu auch ahd. wellan 
8t. V. wälzen und wallan st V. kochen. Später trat dieselbe Assi- 
milation ein in ahd. zol(ll) M. Zollhaus, Zoll, as. toi und tolna aus- 
1. leloneum (s. Kluge Wb); mhd. eile, eine F. Elle, ahd. elina, g. 
aleina; nhd. Müller M. aus mhd. mülner, mülncere, ahd. mulinäri 
aus 1. molinarius. — 11 = Öl^) (idg. dhl und tl) : ahd. mhd. bü(liy 
N. Steinhaue, Hacke, nhd. Bille F. vielleicht zu ahd. bthal N, Beil 
aus bipia- (§ 83 A. 2); ahd. gruntsellön gründen: s^'dal M.; ahd. 
stal{ll) aus *sta'dhlO' = \, stäbulum,:, ahd. wallön wallen, wandern r 
fcadal arm, eig. herumstreichend, wadalön vagari; mhd. knolle M. 
Klumpen : ahd. knodo Knoten; mhd. ti'olle M. Tölpel, trollen ii> 
kurzen Schritten laufen, vielleicht zu g. trudan treten. Ebensa 
lAsst sich II verstehen in ahd. stal(ll) M. das Stehen, der Wohnort,. 
dazu stellen sw. V., mhd. burcsta! N. Burg, ahd. bi-stallo, -Stella 
vicarius, defensor, nöt-stallo, nöti-gistaüo Geführte (vgl. ahd. stadat 
M. Stadel, Scheune, mhd. burc-stadel, nöt-stadel, nöt-gest adele, aucb 



1) Noreen S. 150 f. Kluge, Grdr. S. 335. Kauffinann, PBb, 
12, 519. 

2) Sievers, IF. 4, 335 f. 



172 Consonantverdoppelung durch Assimil. — IL [§ 137. 

nöt-gestalde) und in ahd. stollo M. Stollen, stollön fundare, stuUa 
Haltepunkt etc. (vgl. ahd. studen stützen, an. stuÖül Stütze); andere 
führen diese Wörter, ebenso ahd. stilli Adj. still auf idg. sthel (gr. 
-öT^XXiu, OTÖXo^, ahd. stollo aus ^stulno- : ai. stkünd Säule) zurück. — 
Dass übrigens auch in jüngerer Zeit Assimilation von dl in II 
•erfolgen konnte, zeigt mlat, rotulus^ rotula, mhd. rodelj rottet 
M. F. : mhd. roWe, nUlej nhd. EoUe; [ahd. guollth aber beruht nicht 
auf göd'llCf sondern gehört zu tir-guol berühmt (zu galan st. V.) 
AfdA. 19, 243]. — II aus zl^) vermutet man in mhd. krol Adj. lockig, 
Jc7'ol M. krolle F. Locke : mhd. krüs kraus ; auch in mhd. krellen 
kratzen, nhd. Kralle F. (anders Franck s. v. kndy kriel). Und um- 
gekehrt II aus Iz in büllan bellen (vgl. Noreen S. 160 A. 5). — Junge 
Assimilation von fil zu II zeigen ahd. spinnala, spinala F., mhd. 
spinel und spille^ nhd. Spindel; mhd. .spinlincj spülinc gelbe Pflaume; 
-ahd. zwinilingj mhd. zwinelinc^ zicülinc. 

Noch viele andere Wörter haben U\ starke Verba (nicht im 
<jOtischen) und zu ihnen gehörige Nomina : ahd. bellan, gt'llan (da- 
neben galan st. V. singen, nahti-gala F.); hellan ertönen {Ml {II) 
Adj., mhd. hol {II) M., nhd. hallen)] qu^llan quellen; scällan tönen (g. 
skilliggs M. Schilling, ahd. scal {II) M-, mhd. schallen^ Scilla F. Schelle); 
^icellan schwellen (mhd. sical(ll) M. aber auch ahd. swilo M. sxcii 
N. Schwiele); wellan (s. ob.); mhd, grellen laut schreien (^rreil^/i) Adj. 
rauh, zornig, auch mhd. grüllen höhnen, spotten, nhd. grollen?);, 
-er-kn^llen erschallen (nhd. K7wll M. knallen sw. V.); ahd. falUxn 
{faUa F. fal{ll) M. vgl. 1. fallo, gr. öcpdXXu)). — Schwache Verba: 
mhd. lallen (onom. Bildung wie 1. lallare, gr. XaXciv). Nhd. lidlen, 
prellen, prallen, schmollen (zu smielen), — Adjectiva : g. aüs^ aU 
(in Cnmpositis auch ala-). Ahd. snel schnell (dazu mhd. snal M. 
schnelle Bewegung, snalle F., snellen sw. V.). Mhd. gedrollen rund, 
gedreht (vgl. ndl. drillen, nhd. drall Adj. (ndd.)); hellic ermüdet. 
Nhd. schrill (ndd., vgl. mengl. schrillen, ags. scraUetan laut schallen) ; 
drollig (ndd.). — Substantiva: ahd. ballo M. balla F. Ball, BaUen 
und mit anderer Ablautstufe ahd. bolla F. Knospe, kugelförmiges 
■Gefilss (engl, botvl, vgl. ahd. bolÖ7i rollen, werfen); ahd. galla F. 
Galle; ülitlso M. Iltis; scolla F. scollo M. Scholle eig. das Abge- 
spaltene zu Wz. skel spalten (vgl. g. skilja Metzger); ahd. swelle 
F. N. Balken, Schwelle (vgl. g. ga-suljan gründen). Md. halle F. 
Säulenhalle, Siedehalle der Salzwerke (zu M'lan verbergen?); mhd. 
zol(ll) M. cylinderförmiges Stück, Klötzchen, Knebel, Längenmass, 
is-zolle Eiszapfen. Nhd. Bulle (ndd.), Scholle eine Fischart (ndd.), 
JSchrulle (ndd.). — Fremdwörter: Bill, Brille, Grille, Keller, Teller^ 
Triller, Wall, 'Zelle. 



1) Kluge, PBb. 8, 524 f. Streitberg S. 141. 



§ 137.] Consonantverdoppelung durch Assimil. — rr, \TS^ 

Anm. Nach langem Vocal musste das aus bl entstandene U 
vereinfacht werden; so vermutlich in ahd. MaY, Studium, Wen ten- 
dere, niti etc. (vgl. an. ib^ ib Studium); ahd. W. M. Keil (dial. Keidel, 
mhd. kidel); ahd. ztla F. Reihe, Zeile (dial. Zeidel), 

2. rr. — Ob Assimilation von rn zu rr stattgefunden 
hat, ist sehr zweifelhaft*). In g. fairra Adv. Präp., ahd. vürro- 
fern, g. fairrajirö von fern her ist das zweite r wohl ein Compa- 
rativ-Suffix (II § 323) ; daneben Ableitungen mit n : g. faimeis alt, 
mhd. vorn früher, vormals, ahd. st^n^o M. neben stemo M., g. 
stairnö F. erklärt man durch Wechsel von n- und r-Suffix. — 

rr aus sr ergiebt sich im Gotischen in den Compositis mit 
U8j z. B. ur-reisan aufstehen (vgl. Anm.). — rz behauptet 
sich im Got., geht aber in den andern germanischen Sprachen 
in rr über, so dass also ein grammatischer Wechsel rs : »-r ent- 
stehen kann: g. airzeis : ahd. trW; g. gapairsan st. V., ga-paursnan 
8W. V, verdorren, paursus Adj. : ahd. durri^ dorren, darra F. (aber 
dunst M. g. paurstei F.); ebenso ahd. farro^ far M. Stier : md. vtrse 
F. junge Kuh; ahd. tc^rran verwirren, verwickeln, werraF. Krieg: 
ahd. warst F. Wurst (?). — Durch Unterdrückung des Mittel vocals :- 
ahd. hirro M. der Herr, eig. der Vornehmere aus Mriro, 

Andere Wörter mit rr : g. quairrus sanftmütig, ahd. kurri, 
nhd. kirre '^ g. and-staurran zornig anfahren, dazu ahd. storr€n 
herausstehen, ragen, storro M. Baumstumpf, nhd. störrig und nhd. 
starren starr werden, nhd. starr Adj. — Viele im Hochdeutschen. 
Starke Verba: ahd. k^ran, mhd. ke'rren knarren, sck'rran kratzen, 
scharren, mhd. scharren und scharren sw. V. — Schwache Verba: 
ahd. zerren reissen, spalten. Mhd. blerren^ bliren, nhd. plärren^. 
mhd. gerren, gurren, garren, nhd. girren*^ harren; knarren, gnarren, 
dazu nhd. knurren; snarren schnarren, snurren rauschen, sausen 
(vgl. ahd. snurring M. Possenreisser, nhd. Schnui*re F. und die In- 
tensivbildung mhd. snarchen). Nhd. klirren, murren (vgl. ndl. 
morren, ags. murcnian)^ schicirren (vgl. ahd. swarqm M. Sehwarm); 
surren, — Substantiv»: ahd. narro M.; pfarra F. Kirchspiel und 
pfarrih, pferrich Pferch; sparro M. Balken, dazu sperren sw. V.; 
gi'Scirri N. Geschirr, Werkzeug, dazu nhd. schirren, — Auch einige 
Fremdwörter: ahd. kai-ro M., karra F. (mlat. carrus, carra); mhd. 
barre F., nhd. Barre F. und Barren M. (frz. barre). 

Anm. Alten Cbergang von sr zu rr (nach langem Vocal r) 
vermutet Kluge in mhd. knorre, knüre M. Knoten, Knorren, dazu 
ahd. kniurig knotig, derb, fest; ahd. tt'<2r wahr X.vtrus aus *?i;e5-r<J- 
zu icüsan sein. 



1) Noreen S. 158 f. 



174 Consonant Verdoppelung" durch Assimil. — mm. [% 137. 

3. mtn^). — Assimilation von sni vermutet man (da- 
gegen Noreen S. 160 A. 6) im D. Sg. der pronominalen Decli- 

nation: g. pamina: &i,tdsmäi Dat., tdamäd Abi. Ebenso in g.im 
ich bin aus *immif Grdr. esmi. «(Streitber^ S. 141. IF. 7, 177 f.) — 
tun hat sich anter Bedingungen, die nicht sicher erkannt sind, 
und zu verschiedenen Zeiten teils zu bn (§ 110), teils zu mm 
oder nn (Nr. 4) entwickelt^); (in manchen Wörtern ist nin erst 
^us bn entstanden), ahd. firam M. Rabe, ags. hram : ahd. firaban ; 
alid. stam M. Stamm: ags. stemn (v^l. ags. siizfn^ mndd. ndl. steven, 
gr. OTdiuvo^ Ständer); ahd. stimma F. : ahd. sthnna^ as. stemna^ ags. 
stt'mn, st^friy g. stibna\ ebenso spUter in dem Fremdwort mhd. ver- 
dammen aus ahd. fir-damnön, 1. damnare, — Assimilation von Htn 
zu mm zeigt ahd. mammunti mild neben viand-munti; später nhd. 
Otnimmet : mhd. gruon-mät\ Zimmet : mhd. zinemtn, zinment^ mlat. 
cinamonium. — mw : mm, ahd. frammUrt, frammort weiter aus 
fram-U'^rt (II § 460). — Über die Assimilation von mb : mm s. § 80. 
Andere Wörter mit mm (öfters Nebenformen mit m, wi&, mp). 
Starke Verba: ahd. JjLlimman knurren, brüllen; krimman kratzen; 
swimman schwimmen (vgl. an. aymja, mhd. stvamen schwimmen). 
Mhd. bi'immen, dazu brummen sw. V. (vgl. ahd. br^man st. Y., 
1. frernOy gr. ßp^mw); glimmen, glamme F., glimmern sw. V., nhd. 
Glimmer M. (vgl. ahd. glei-mo Glühwürmchen u. a.); xahd, grimmen 
vor Zorn und Schmerz wüten, ahd. grim, grimmi Adj. unfreund- 
lich, schrecklich (vgl. ahd. gram Adj. zornig, an. gramr, gr. xp<i- 
^abo<i Knirschen) ; klimmen packen, zusammendrücken, klam (mm) 
M. Beklemmung, Haft, Fessel, klemmen sw. V. (vgl. mhd. klame F. 
Fessel, klnmen sw. V. klemmen, klamere F. Klammer, daneben For- 
men mit mb und mpf). — Schwache Verba: spÄt mhd. summen\ 
slemmen verprassen (vgl. spät mhd. slamp Gelage, ndl. slemp leckere 
Mahlzeit, slempen prassen); mhd. wimmen sich regen, wimmeln 
(vgl. ahd. wimidön, wimizzenj wamezzen), — Adj. g. Stamms, ahd, 
stam(mm)^ stammal stammelnd, ahd. stemmen sw. V. Einhalt thon, 
auch ahd. stum(mm) Adj. (daneben gleichb. ahd. stamfm), stamalj 
ungistuomi ungestüm); ahd. Kam (mm) lahm, verstümmelt (vgl. ahd. 
hamal Adj. verstümmelt, M. Hammel). — Substantiva: g. '^damm in 



1) Noreen S. 157 f. 

2) Gemeingermanischen Übergang von mn zu w?n leugnet 
J. Schmidt, Sonantentheorie S. 132, nimmt aber doch nach langen 
Vocalen einen bis in die idg. Ursprache hinaufreichenden Übergang 
von mn zu m und n an und erklärt daraus Doppelformen w^ie g. 
dauns : ahd. toum\ mhd. seine : ahd. lanc-seimi^ mhd. benuomen 
jiamhaft machen : ahd. nemnen nennen. S. 135 f. 147 f. 



§ 137.] Consonantverdoppelung durch Assimil. — nn. 175 

faur-dammjan verdammen, verhindern, mhd. tarn (mm), nhd. (ndd.) 
Damm M.; g. swamms M., ahd. mhd. sicamfmm) Schwamm (daneben 
ahd. swamb und au. svöppr aus *swampU'), 'Ahd. «wma F. Mutter; 
raw, rammo M. Widder, dazu mhd. (md.) ramme F. Fallklotz, ahd. 
rammalön sich begatten. Mhd. mamme, memme F. weibliche Brust; 
Slam (mm) M.Schlamm, Kot; tcimmer, ^ezrammcr M. Gewinsel, dazu 
nhd. wimmern, Nhd. (ostmd.) Bemme, Pemme, Bamme F; Mumme 
F. Verkleidung (ndl. wom Maske, moinmelen brummen, knurren); 
Bummel (ndd., ndl. rommelen durcheinander werfen, rasseln, tosen; 
vgl. mhd. rumpeln, mengl. romblen, engl, to rutnble). — Fremd- 
wort: mhd. vlamme F. (1. flamma), dazu nhd. flimmen und flimmern. 

4. nn. — nj^ geht schon urgerm. in nn über ^) : g. kinnus 
F. Wange, ahd. Armni N. Kinnlade, Kinn (vgl. gr. t^vu^» 1- dentes 
£enuini Backzähne, und ohne ?/ 1. gena) ; g. mtnniza, ahd. minniro 
minder (vgl. 1. minuo), Ahd. dunni Adj., an. punnr (vgl. 1. tenuis^ 
gr. Tavu- in Zusammensetzungen); ahd. tanna F. Tanne (vgl. ai 
dhanvan- Bogen). — Die Verbindung von w-Suffix mit einem 
auf 7} auslautenden Stamm hat nn ergebeu in g. manna, ahd. man 
(nn) M. (vgl. mit einfachem n g. ga-m^n Mitmensch und g. ahd. 
mann- in Compositis); vielleicht auch in g. «tinnd F., «unna M. 
(oder sunnö N.), ahd. sunna F. «t/nno M. (vgl. ahd. mä-no, stSr-no). 
£benso mit Unterdrückung eines Dentalen (Noreen S. 173): ahd. 
sinnan reisen aus *sinpnan zu g. sinps M. Weg, sandjan senden; 
mhd. Zinnen brennen (vgl. g. tandjan anzünden); ahd. hunno M. 
centurio zu hund Hundert; ahd. wanna F. Futterschwinge, aus 
*wanpn6- (vgl. g. dis-tvinpjan worfeln). — nn aus nifl (Xoreen 
S. 158 A. 1) zeigt ahd. nennen (daneben stemmen) aus 
nemneny g. namnjan ; as. ahd. -tinnia neben g. -ubni (II 
§ 242). — Unsicher ist Assimilation von tm zu nn in ahd. flannin 
das Gesicht verziehen (Kluge s. v. flennen). — 

Unter andern Wörtern mit nn sind besonders zahlreich 
starke Verba, in denen die Verdoppelung aus Präsensbildungen 
mit nejno und nuejn^o stammt (Streitberg S. 294 f.). Nach 
Kl. leg. brinnan brennen, duginnan beginnen, af-linnan weichen, 
rinnan rinnen, spinnan spinnen, winnan leiden. Ahd. trinnan sich 
ab.sondern. Mhd. grinnen mit den Zähnen knirschen (daneben 
(frinden^ grimmen, grtnen). Nach Kl. IV. ahd. bannan bannen, 
dazu ban(nn) M.; spannan spannen, dazu spanna F. Ferner die 
Praeter! to-Präsentia : g. kann ich weiss, ahd. an(nn) ich gönne. — 
Substantiva: g. brunna M. Quell; ahd. kanna F. (daneben kanta 



1) Noreen S. 159. Streitberg S. 140. 



176 Consonantverdoppelung vor j im Hd. [§ 138. 

F.). — Partikeln: g. inn hinein, inna, innana innen; ahd. danne^. 
denne(AgB.ponne Panne); hinnarij hinnana\ wanne, wenne. — Fremd- 
wörter: ahd. nunna F. Nonne (1. nonna\ ahd. tunna F. Tonne (kelt). 
5. 88 ergab sich schon im Urgermanischen aus tt (§ 36), 
— Der Übergang von hs zu 88 (§ 91 A. 2) ist der Schrift- 
sprache fast fremd geblieben. In nhd. prasseln entstand ss durch 
die Unterdrückung des t in der Verbindung stl: mhd. prastelny 
hrasteln zu ahd. hrasiön, — Andere Belege für ssi ahd.. kus M» 
KuMs; ro«, as. hross N. ; nhd. Assel (früher Kassel, No8sel\ hissen, 
Posse. Viel öfter beruht nhd. ss auf j (§ 43). — Auch Fremdwörter 
sind hHufig; Substantiva ahd. kusst(7i) N. Küssen; massa F. Masse; 
dazu mhd. messinc\ m^ssa, missa F. Messe; pressa^ pfr^'ssa F. Wein- 
kelter. Spät mhd. trosse F., nlid. Tross; nhd. Bussard M., Brause 
F., Kasse, Pass, Rasse, Tasse, Tresse. — Ad j. nhd. krass, — Verba: 
nhd. passen, pissen, prassen. 

B. Consonantverdoppelung unter dem Einfluss ableitender 

Consonanten*). 

138. Neben der Verdoppelung durch Assimilation lassen 
die westgermanischen Sprachen auch Verdoppelung eines Con- 
sonanteu vor gewissen andern Consonanten eintreten ; am öftes- 
ten vor j, aber auch vor lo, l, r, (w, n). Das Gotische zeigt 
sich davon noch ganz frei. 

Vor j erleiden alle Consonanten Verdoppelung ausser 
r; z. B. g. waljan: as. wellian, ahd. iceUen wählen; g. tarn- 
Jan : as. temmian, ahd. zemmen zähmen; g. panjan : as. 
thennian, ahd. dennen dehnen; g. 8atjan : as. settian, ahd. 
setzen; g. sTcapjan : as. sceppian, ahd. scepfen schöpfen; g. 
rakjan : as. reJckian, ahd. recJceu] g. hidjan : as. biddinnj 
ahd. bitten-^ g. sibja : as. 8ibbia, ahd. sijjpa Sippe; g. lagjan : as. 
leggian, ahd. 1 eggen] g. liafjan : as. heffjan, hebbian, ahd. heffen 
heben; g. hlahjan : ahd. Idhhen lachen. Zahlreiche Beispiele 
bieten die sw, V. 1 und die mit j-Suffix abgeleiteten Nomina. 

Eine Ausnahmestellung nimmt, wie bemerkt, r ein. Im 



1) Auf diesen Process richtete namentlich Holtzmann in der 
ahd. Grammatik die Aufmerksamkeit, später hat ihn Paul zum 
Gegenstand einer besonderen Untersuchung gemacht; PBb. 7, 106f.; 
vgl. ferner Kauffmann PBb. 12, 504 f. und zur Chronologie : Streit- 
berg PBb. 14, 184 f. 15, 494 f. 



§ 139.] Consonantverdoppclung vor j im Hd. 177 

As. und Ags. entwickelt sieh aus rj kein rr, im Ahd. zeigen 
die meisten Denkmäler ri und rr nebeneinander, auch solche 
die das postconsonantische j sonst aufgegeben haben (PBb. 
7, 107). Der Grund liegt ohne Zweifel in der Neigung der 
Sprache nach r einen schwachen Vocal (Svarabhakti) zu ent- 
wickeln; germ. faria, ahd. ferio wurde zu feriio\ die unmittel- 
bare Nachbarschaft von r und i war dadurch aufgehoben und 
damit der Grund der Verdoppelung. Aus ferio ergab sich 
ferro, ans feri%o ferijo und weiterhin ferigoy nhd. Ferge 
(§ 130). 

139. Die Wirkung, welche j auf den vorhergehenden 
Consonanten übte, ist nicht überall zu voller Geltung gekom- 
men. Nach Consonanten und langen Vocalen wurde die Deh- 
nung bald wieder aufgegeben (§ 14;J, 1), nach kurzen Vocalen 
sind die gesetzlichen Verhältnisse durch Fonnübeitragungen 
vielfach getrübt. Es konnten sich nämlich für dasselbe Wort, 
je nachdem die Endung mit j anfing oder nicht, verschiedene 
Formen ergeben. So schreibt 0. ganz regelrecht: icellu, welisy 
welity wellen, wellet, wellent, tcelita, ghcelit u. s. w., II da, 
wo Ij, l, wo U zu Grunde liegt. Diese Verschiedenheit inner- 
halb desselben Paradigmas konnte sich aber nicht halten, es 
traten Ausgleichungen ein, die bald den verdoppelten, bald 
den einfachen Consonanten zur Herrschaft brachten. Dabei 
treten in der Behandlung der Verba und der Nomina beach- 
tenswerte Unterschiede hervor. Im schwachen Verbum halten 
die Formen, welche Anspruch auf die Verdoppelung haben, 
den andern ungefähr die Wage, den nominalen Ja-^?tämmen 
kommt in den meisten Casus Verdoppelung zu. Daher tritt 
die Neigung zum Ausgleich bei diesen früher ein und fällt 
entschiedener zu Gunsten der Verdoppelung aus als bei jenen ^j. 

Das Nhd. zeigt demgemäss im Nomen fast überall Ver- 
doppelung. Belege für die Laute, welche der Verschiebung unter- 
liegeu, sind schon früher anj^eführt. Genn. pj, tj, kj erscheinen 
«Is hd. pfy tZy ck (§ 47), germ. dj und pj aU tt (^ 59, 5. ^4); «ierm. 
bjy gj als pp, ck (§ 76). Entsprechend wird IJ : II] z. B. «•. hafja 
F., ahd. hella Hölle; g. ^hulja F., ahd. hiilla Hülle, btnde zixhelan 



V Paul, PBb. 7, 113. Kögel, Ker. Gl. S. 105. Klu^re, Grdr. § 34. 

W. WUmanns, Deutsche Grammatik I. 12 



178 Consonantverdoppelung vor j im Hd. (§ 139. 

verberg'en; ferner ahd. gi-sello aus '*ga-salja zu sal M. N. HaiiSy 
Saal; ahd. tilli N., nihd. tüle F. M., uhd. Dill; g. uilja M., ahd. willo 
Wille; inhd. tülle N., Tülle F., vgl. ahd. dola Rühre. — «ij : nn; 
z. B. g. brunjö F., ahd. brunia, brunna Brünne; ahd. henna F. 
Henne zu hano M. Hahn; ahd. minna F., as. minnia zu g. 7nunan 
meinen; ahd. wunna^ tvunni F., as. uunnia Wonne zu g. tri/nan 
sich freuen; vgl. auch ahd. hevianna F., zinna F., Pfenning M. 
(§ 158, 2). — Äj : SÄ belegt ahd. essa F. Esse aus '*asjö^ vielleicht 
auch ahd. kresso M., kressa F. Kresse (Pflanze). — Beispiele für fj, 
hj^ mj fehlen mir. 

Bei den Verben hängt es von der Natur des auslauten- 
den Consonanten ab, ob sieh die Verdoppelung behauptet. Sie 
ist durchgedrungen bei germ. ju, f, k (§ 47); auch h erscheint 
verschärft als ch in lachen^ g, hlahjmi; der einfache Laut 
dagegen siegt bei g, h, f, l, m, n. gj : <7 in g. lagjan : legen^ germ. 
ligjan : liegen \ g. wagjan bewegen, ahd. bitvecken, biwegen\ ahd. 
hegen umzäunen, hegen aus *hagjan zu hag M. — bj : b. ahd- 
int-siveppen einschliitern : mhd. entsueben. — fj : v. g. hafjan, ahd. 
heffen : mhd. heven^ heben. — Ij : l. ahd. quellen quälen; g. waljan^ 
ahd. reellen wählen; ahd. zellen zählen. — mj : m. g. granijan an- 
reizen, ahd. gremen, gremmen, nhd. grämen; ahd. lernen lähmen 
aus *lmnjan zu lam Adj.; g. tamjan : zähmen, — nj in, g, pan- 
jan : dehnen; ahd. gi-icennen aus ^^wanjan^ nhd. ^c wohnen^ vgl. 
gi'Won Adj. — Für /»y, *;; fehlen Beispiele. — < aus germ. d ist ver- 
doppelt in nhd. bitten^ g. bidjan; retten, ahd. retten entreissen aus 
'*hradjan; schütten, ahd. scutten, as. sknddian schütteln, erschüttern; 
verzetteln zu ahd. mhd. zelten zerstreuen, ausbreiten aus germ. 
Hadjan; doch beweisen diese Belege nichts, da auch das einfache 
t im Nhd. verdoppelt sein würde (§ 244). 

Im ganzen kann man sagen: die stimmlosen Laute neigen 
zur Verdoppelung, die stimmhaften nicht. Dieser Zustand ist 
wesentlich schon im Mhd. herbeigeführt, doch finden sich auch 
noch ältere abweichende Formen: Uelzen für ligeiiy lecken für 
legen, icellen für tcehi, dennen für denen u. a.; namentlich 
schwankt der Gebrauch von t und tt: hiten (die gewöhnliehe 
mhd. Form) : bitten, sehnten : schütten, zeten : zelten (PBb. 7, 
115. 131. 135). 

Anm. 1. Von den Nominibus mit einfachem Stammauslaut 
sehen einige wie jf- Ableitungen aus, sind es aber nicht: Riese M., 
ahd. riso, risi, ein alter i Stamm; Schwiele F., ahd. swilo M. swil N., 
ein alter «-Stamm, germ. *swiliz aus derselben Wurzel wie schwellen^ 



§ 140. 141.] Consonantverdoppelung vor .7, u\ /, r im Hd. 179 

bei Diele sind zwei StÄinme zu unterscheiden, der eine mit ein- 
fachem l beruht vermutlich auf einem alten «-Stamm, germ. *'pelaz, 
*piliz (ahd. dil^ dilo M., mhd. dil M. F., md. </e7, ag-s. p'd^ mndd. 
dele^ ndl. deel), der andere ist zu einem yri-Stamm erweitert, hat 
also W, ist aber nicht ins Nhd. aufgenommen (ahd. dilla F., ags. pill^ 
pille, an. pUja Ruderbank). Ferner haben einfachen Auslaut Hefe^ 
Hefen F. M., mhd., mnd., ndl. Äcvc, heffe\ HUdeM., mhd. rilde^ ahd. 
rudo (vgl. ags. ryppa, hryppa)\ Hede, ahd. redia {^ 130 A.); vgl. 
auch II § 197 A. 3. — Verba, die gegen die Regel verdoppelten 
Consonanten hab^n, sind hüllen und eggeUy die sich an die Sub- 
stantiva Hülle und Egge (§ 7G) anlehnen. 

Anm. 2. Spuren der Dehnung nach langen Vocalen s. § 143, 1. 

140. Anders als j wirkt der Halbvoeal w. Nach langer 
i^tamm- und nach Ableitungssilben wird er im Hd. einfach 
aufgegeben, nach kurzer Stammsilbe tritt gern ein unbetonter 
Vocal vor 10: melawes, garawer, senawa etc. (§ 122. 301); 
in beiden Fällen kann keine Dehnung eintreten. Nur in der 
Verbindung des w mit einem Gaumenlaut, welche der Auf- 
lösung durch Svarabhakti widersteht, zeigt tc dehnende Kraft 
uild mit durchschlagendem Erfolge nur an der Tennis; ahd. 

acchus F. Axt : g. aqizi F.; ahd. nackut, nahhut Adj. nackt : g. 
naqaps; ahd. nicchessa F. Nixe und ahd. nihkus N. M. Krokodil: 
urspr. *niqizi, '*niku8'^ ahd. dicki (selten dihhi) : urspr. *piqus (vgl. 
an. pykkr, pjökkr, ags. picce). Die Formen mit hh neben ck er- 
klären sich daraus, dass auf den gutturalen Consonanten in der 
Flexion oder Ableitung bald u bald ein anderer Vocal folgte; vor 
diesen behauptete sich tt-, vor u verschwand es, ehe es die Verschär- 
fung hervorrief (Paul PBb. 7, 1G3) ; aber überall haben die starken 
Formen gesiegt. — Keine Spur des w verrät ahd. nahho M. Nachen (as. 
nakOj ags. naca) neben an. nökkvi M. — Dehnung dt^s A zeigt sich 
nur in einzelnen Spuren und hält nicht stand; g. oJva F. Wasser : ahd. 
ahha, aha (Br. § 109 A. 2. Kluge, Grdr. § 33. Kögcl, LEI. 1887, 109). — 

Über gw s. § 34. — Das lo wirkt also wie j dehnend nur, wenn 
es sich in unmittelbarer Nachbarschaft des vorangehenden 
Consonanten behauptet hat; aber es wirkt schwächer, nur auf 
den stimmlosen Verschlusslaut der betonten Silben. — Einige 
Wörter, in denen ck aus ic zu entstehen scheint, s. § 116, 2. 

141. 1. Auch die Liquiden / und r pflegen nur die 
Verdoppelung der germanischen Verschlussfort es j?, t, Je zu be- 
wirken, und nur wenn sie ihnen unmittelbar folgen. Wenn 



180 Consonantverdoppelung vor r, l im Hochd. [§ 14U 

die Verbindung durch den Secundär-Vocal aufgehoben war^ 
konnte die Dehnung also nicht eintreten. Da nun Secundär^ 
Vocal sich zunächst nur in den unflecticrten Formen ent- 
wickelte, mussten sich Doppelformen ergeben: g. aJcrs : al-avy 
achar\ g. akrisy dkra : ackres acc1i{ayi'esy ackre acch{ä)re\ 
g. Stils : setal sey;al'^ g. sitUs, sitla : setiles 8etz{a)leSy settle 
setz{ä)le. (Kluge, Grdr. § 34.) Durch Ausgleich konnte die 
eine oder die andere Form die Herrschaft gewinnen; merk- 
würdigerweise aber zeigt sich ein Ausgleich nach beidea 
Seiten nur vor ü, vor r ist tlberali die Dehnung durchge- 
drungen. 

hd. pfr aus pr : ahd. kupfar : 1. cuprum; ahd. opfarön sw. V.^ 
opfar N. : I. operari\ ahd. tapfar schwer, wichtig, erst im SplU- 
mhd. in dem jetzijren Sinne (vgl. randd. mndl. dapper): an. dapr 
traurig. — hd. itr (ohne Verschiebung, § 52) aus tr : ahd. biftar r 
an. bitr, mit anderer Abhiutstufe g. baitrs'^ ahd. ottar^^l, der Otter r 
an. otr; ahd. snottar klug : g. siiutra^ ahd. zittarön zittern : an. 
titra\ mhd. splitter M. F. : spU^en. Ursprünglich auch nach laufi^enh 
Vocal : ahd. hlxlttar, lüter lauter : g. hlütrs\ ahd. eittar^ eiter N. 
Gift : an. eitr. — hd. ckr aus kr : ahd. accharj ahhar M. Acker : g. 
akrs\ ahd. wackar, waccJiar wachsam, munter, nhd. wacker : an. 
vakr, [Scheinbar ebenso mhd. flackern : ags. flacor fliessend, flatternd,, 
nord. flökra, ndl. fackeren\ nhd. sickern : aj^s. siceriaA\ doch vgl. 
Nr. 3.] 

hd. pfl aus pl : ahd. apful^ afful M. Apfel, ags. Cßppel : an. 
epli. (daneben mit einfachem Laut, weil dem l ein Vocal voranging : 
ags. apuldr, ahd. affoltra Apfelbaum); ahd. stupfala F., mhd. stupfel^ 
nhd. Stoppel (md. ndd.) vielleicht aus spät-lat. Htupvla = stipula. 
— hd. tzl aus tl : ahd. kitzüön kitzeln : an. kitla. — hd. ckl aus kl : 
ahd. facla, facchala F. Fackel : lat. factila; ahd. stecchal^ mhd. steckel, 
stickel, (stechel, ags. s#?coZ) : Grdf. *stikla- (ZfdA. 40, 58 f.). — An- 
dere haben den einfachen Laut : ahd. stafal^ stapfal M., staffala F., 
mhd. Staffel, stapfei, nhd. Staffel : Grdf. *stapla', *staplö-'^ ahd. «^^5«^ 
M. Sessel (53 = germ. <) : g. s«7/5; ahd. stehhal M. Becher (M = 
germ. fc) : g. s^/A:/*'. — [ahd. wipfily tciffil M., mhd. Wipfel kann sein 
jp/* nicht dem l der Endung -e7 verdanken, sondern setzt einen 
Stamm auf pp voraus, vgl. ahd. wipf M. Schwung, rasche Be- 
wegung, mndd. tvippen.] 

2. Andere Laute als Tcnues bleiben vor l und r zu- 
nächst einfach: g. ligrs M. Lager: ahd. l^'gar; g. nadrs M. : ahd. 
natra^ natara Natter; g. hairpra PI. N. Eingeweide : ahd. A^'rrfar f. 



^ 142.] Consonantverdoppelung vor r, l (w, n) im Hd. 181 

:g, wiprus M. Widder : ahd. widar. — g*. fugls M. : ahd. vogal; g. 
^wibls M. Schwefel : ahd. su^hul, su^bal. 

Doch macht sich später allerdings ein verstärkender 
Einfluss von l und r auf den vorhergehenden Consonanten 
geltend, mag diesem ein Vocal oder ein anderer Consonant 
Torangehen. * : d, mhd. zedele^ z^'tele, zettele F. M. N., nhd. Zettel 
M. : it. cedola^ mlat. scedtda. — p-.b. mhd. knorbel,, knorpelbein, 
Luther knorhel, knörhel, kmirbel, jetzt Knorpel M. (v^l. ndl. knorf); 
mhd. toppel Würfelspiel, doppeln würfeln : frz. doublet Pasch; früh- 
nhd. doppel(t) : frz. double. ^ k : g, mhd. loger, locker Adj. locker; 
jnhd. hogger, hoger, hocker M. Höcker, Buckel. — k : h. mhd. dilrkel 
durchlöchert : ahd. durihil, durhil\ mhd. verhelf verheUn^ verkel 
N. Ferkel : ahd. farqh (lat. porcus), farheli; nhd. Schnerkel, Schnör- 
kel M. zu ahd. stiarha, snaraha F. Schlinge; vgl. auch § 89, 2 (Ä : ch)\ 
§ 93 Anm. 1 {vif) und die nhd. Verdoppelung § 242. 243. 252, 2. 

3. Verba intensiva auf -ern und -eZw, in denen jpp, 
itj ck erscheinen, sind nicht vollgültige Belege für den ver- 
schärfenden Einfluss von / und r, weil in solchen Verben die 
Verschärfung an sich beliebt ist (§ 135, 5). — />i>. ahd. zabalön, 
mhd. Zabeln, zappeln, dazu auch nhd. zip]jeln und spät-nihd. zipper- 
lein N.; mhd. krappein, krabelen, nhd. kräbeln, krabbeln (vgl. nord. 
krafla mit den Händen kratzen); mhd. rumpeln lärmen (vgl. mengt. 
romblenj engl, to mmble) ; nhd. päppeln aus ndd. babbeln (vgl. ndl. 
bäbbelen, mengl. babeln) ; nhd. plappern, ahd. blabbizön, mhd. blepzen 
und alem. plapen (vgl. engl, to blab, auch nhd. ndl. blaffen bellen, 
kläffen). — tt, mhd. vladern, vlüdern, nhd. flattern, flattern, flottern 
•(Luther fladdern); mhd. slottem schlottern (ndl. slodderen) : mhd. 
sloten zittern. — cfe. ahd. flogarön, flokrön (Jiogezen, flokzen) flattern 
zu fliegen-^ ahd. (selten) flagorön, mhd. vlackem flackern (vgl. ags. 
flacor fliessend, flatternd, mndi. flackeren u. a.); mhd. wackeln neben 
wacken zu mhd. wagen, ahd. wag6n\ nhd. sickern (vgl. ags. sicerian) 
AUS derselben Wurzel wie ahd. sihan seihen und sigan niederfallen; 
nhd. suckeln (vgl. ags. sügan, sücan, engl, to suck, suckle) zu sügan 
saugen. — Selbst nach langem Vocal zeigt schon im Ahd. der Stamm 
^oug Verdoppelung, neben gougarön vagari, bigougelön betrügen 
.steht gouggilari, goukel, goucgel u. dgl. 

142. Dafür dass auch die Nasale m und n in derselben 
Zeit und in derselben Weise wie die Liquiden auf die vor- 
hergehende Tennis gewirkt hätten, vermisse ich entscheidende 
Belege, wenn auch Wörter wie g. rign N. Regen : ahd. regan 
M.; g. ibns eben : ahd. ^ban-^ an. fadmr M. Faden : ahd. 



182 Consonantverdoppelun«: vor w, n im Hd. f§ 142^ 

fadum\ g, tcepna PI. N. : ahd. wäfan\ g. taikna F. : ahd. 
zeihhan N. nicht das Gegenteil beweisen. Denn in solchen 
Wörtern würde auch vor l und r die Verdoppelung nicht 
eingetreten oder nicht erhalten sein. — Alte Verdoppelung- 
oder Verstärkung des Auslautes zeigt trocken (§ 135, 6). — Das tt 
in nhd. Wittum N., mhd. tcideme M. F. Brautgabe (vgl. widmen) 
beruht auf ümdeutung und Anlehnung an Wittwe. — Auffallend 
ist k neben g nach langem Vocal in ahd. lougnen^ loucnen\ vgl. 
§ 143, 4. 

Anm. Eine andere Ansicht vertritt Kauffraann, PBb. 12, 504 
—547. Er nimmt nicht nur für m und n dieselbe Wirkung wie für 
tv^ l, r in Anspruch, sondern glaubt auch dass alle fünf in derselben 
Weise wie i auf alle vorangehenden Consonanten gewirkt haben f 
besonders sucht er diesen Einfluss für das n in der schwachen De- 
clination nachzuweisen. Den Grund der Verdoppelung sieht er 
darin, dass in den verschiedenen Formen desselben Wortes der 
Stammauslaut bald die erste Silbe beschlossen, bald die zweite be- 
gonnen habe, je nachdem das n unmittelbar auf ihn folgte oder 
erst ein Vocal. Aus dem Wechsel von ta-la : tahia^ na-ka : nak-uay 
a-ka : ak-raj rn-ha : rab-na etc. hätten sich die Formen tallia, nak- 
knaj ak-kray rab-bna ergeben und damit die Möglichkeit, in dem 
Paradigma den einfachen oder doppelten Consonanten durchzu- 
führen. Wenn vor ableitendem ii die Dehnung so oft fehle, wäh- 
rend sie vor dem n der schwachen Declination so oft eingetreten 
sei, so komme das eben daher, dass im ersteren Fall der Wechsel 
ra-ba : rab-na gefehlt habe ; denn vor n sei wenigstens nach kurzer 
Silbe der Secundärvocal im Westgermanischen nicht ein«:etreten 
(S. 540 f.). — So führt KauflFmann in vielen Wörtern die Verdoppe- 
lung, die Kluge als Ergebnis urgermanischer Assimilation ansah, 
auf jüngere Vorgänge zurück (12, 520 f.; vgl Kluge, Grdr. §33)» 
Aber so berechtigt dies Bestreben an sich mir zu sein scheint, so 
kann Kauffmanns Hypothese doch nicht befriedigen. Ich glaube 
zwar, dass für die Verdoppelung die Lage der Silbenscheide und 
die Accentuationsweise (Sievers PBb. 5, 161 f. vgl. 12, 541 A. 1) 
wesentlich in Betracht kommen, bezweifle aber dass die Unterschiede 
in der Silbentrennung, die Kauffmann annimmt, je bestanden haben, 
besonders vor jf und tj {tal-ia, nak-ua\ vg^l. Sievers, PBb. 16, 263 f, 
276 A.); für die Verdoppelung in den sw. Substantiven vermisse 
ich ausserdem den Nachweis, dass die sogenannten synkopierte» 
Formen in ihnen so verbreitet gewesen seien, wie Kauffmann vor- 
aussetzt. 



§ 143.] Consonantverschärfung' nach langen Voc. und Cons. 183 

Spuren gedehnter Consonanten nach langen Vocalen und 

Cousonanten. 

143. Die Kräftigung, die der Stammauslaut bald durch 
Assimilation bald durch den Einfiuss eines folgenden Conso- 
nanten erfuhr, konnte nicht nur nach einem kurzen Voeal 
eintreten, sondern auch nach einem langen, so wie vor und 
nach Consonanten. Nur behauptete sie sich in jenem Falle 
besser, weil mit der Kräftigung zugleich eine Verteilung des 
Lautes über zwei Silben eintrat und stand hielt. Da aber 
die Acte der Lautverschiebung bei verstärkten Consonanten 
zu andern Resultaten führten als bei einfachen, so konnten 
die Folgen der Verstärkung auch nach langen Vocalen und 
Consonanten bestehen bleiben. Es kann daher nicht befrem- 
den, dass wir auch in solchen Stämmen auslautende Conso- 
nanten finden, die sich als Entwickclung einfacher Consonanten 
nicht begreifen lassen, und wenn neben solchen Stämmen ver- 
wandte Wörter mit ganz ähnlichen Abweichungen im Auslaut 
stehen, wie neben denen, welche die Verdoppelung bewahrt 
haben. Ob freilich alle Variationen, die als Verstärkungen 
des Auslauts erscheinen, auf diese Weise entstanden sind, ist 
eine andere Frage (Nr. 6). 

1. Der Einfluss, den j auf den Stammauslaut übte, ist 
im allgemeinen nicht durchgedrungen, oft gar nicht nachweis- 
bar, wenn ein langer Vocal voranging. Jedoch entspricht 
germ. tj auch nach langem Vocal nicht eben selten die AflTri- 
cata Z, Neben den regehuHssigen flössen, büssen, grüssen, silsSj Ge- 
mäss etc., die die J-Ableitung nur durch den Umlaut noch erkennen 
lassen, stehen beizen : beissen, heizen : heiss^ reizen : reissen {?), 
spreizen {{ixT spreuzen, mhd. spriuzen und spriu,^en stcinmcn stützen): 
ahd. spro^o M. Leitersprosse (vgl. Franck s. v. sport)\ Weizen^ g. 
hfoUeis : weiss , schneuzen : ags. snytan, an. snjjta (vgl. sjiuz S. 165). 
PBb. 7, 119 f. Heinzel Ndfr. Gesch. S- 124. — pf = pj kommt im 
Nhd. nicht mehr vor; aber ahd. seipfa Seife neben seifa^ mhd. 
Mleipfen neben sleifen, streipfen neben streifen, PBb. 7, 123 f. — 
Auch nk steht zuweilen, wo ngj vorauszusetzen ist : henkelt, ahd. hen- 
ten, neben hengen zu hähan; Rinke, mhd. rinke F. M. Schnalle, Spange 
ans ^hringjön- zu hring M. Ring. Ob hier aber j gewirkt hat, ist 
zweifelhaft (vgl. Nr. 3). 

Anm. 1. Ein z, das sich nicht auf tj zurückführen lässt, hat 
nhd. Schnauze F. (add. snüte), vielleicht unter Anlehnung an schneit- 



184 Consonantverschärfung' nach langen Voc. und Cons. (§ 143. 

zen\ KauzM., mhd.küze küz^ vielleicht eine Deminutivbildung; Geiz 
M. ist aus geizen »gebildet, und dieses aus mhd. gltesen. 

2. lul. p und iul. Tc nach Vocalen kommen als einfache 

Consonanten eigentlich hochdeutschen Wörtern nicht zu (§ 58), 

können sich aber durch Verschärfung von 6 und g ergeben. 
Ganz deutlich ist diese Herkunft in den alten ^'^it-Stämmen mhd. 
diupe F. Diebin : diob M. ; wülpe Wölfin, d. i. *wulbjön' mit gramma- 
tischem Wechsel : wolf, — Andere oberdeutsche Wörter mit inl. p 
sind ahd. rüppa, rüpe^ mhd. rüppCj rüpe^ nhd. Raupe mit vielen 
mundartlichen Nebenformen; ahd. rüppa F. Aalraupe, ein Fisch, 
aus lat. r'ubeta; mhd. täpe F. Pfote, Tatze (schwäb. alem. Dopen 
M.), nhd. Tappe F., tappen sw. V., vgl. auch mhd. tappe M. einfäl- 
tiger, ungeschickter Mensch, dazu nhd. täppisch und Tapps; mhd. 
ziipe F. Hündin. — Ebenso k aus verschärftem g : ahd. häcko, häko^ 
häggOy hägo M. Haken; mhd. snäke M. F. Schnake, Müfcke; nhd. 
Pauke F. (Franck, Notgedrungene Beitrüge S. 23 Anm.). Über 
gaukeln s. § 141, 3. 

Anm. 2. Dass die Erhaltung der Verdoppelung zu einer Ver- 
kürzung des langen Vocales geführt hat, begegnet selten : ahd. 
Mriro der vornehmere : ahd. herro^ mhd. Mrre Herr; ahd. scuoppa 
F., mild, schuüjtpey schuope, schuppe, nhd. Schuppe; nhd. fett aus 
*ßtid (§ 136). Aber nhd. gruzzi Grütze neben ahd. grie.^y gruo^ ist 
selbständige Bildung mit schwacher Vocalstufe. 

3. Hd.jt?/* nach 7/1, sowie k und z nach Consonanten über- 
haupt lassen nicht darauf schliessen, dass eine Verschärfung 
stattgefunden hat, da auch die einfachen p, k, t in dieser 
Form erscheinen (§ 49). Aber öftei-s stehen sie wie die auf 
Verdoppelung beruhenden j^fy ^y cÄ: in Wechsel zu Stämmen 
auf gerni. h, gr, d=hd. fo, g, t, namentlich pf und k nach 
Nasalen. — i>/ (ndd. md. />) : h {v) nach Nasal, ahd. krumpf A^j.: 
gleichbed. ahd. krumh krumm, dazu ahd. krampf Adj. krumm, 
kramp f kramp fo M. Krampf, gleichbed. mhd. krimp f Adj. und M., 
ahd. krimpfan krumm zusammenziehen und in md. ndd. Form nhd- 
Ki^ampe F. Thürhaken, Krampe F. ; ahd. stumpf Adj. verstümmelt, 
unvollkommen, stumpf M., nhd. Stümpchen N., Stümper M. : ahd. 
sfumhal M. Stummel. — mhd. klampfern verklammern : gleichbed. 
klanibeuj dazu mhd. klampfer F. Klammer, klam,pfer M. Klempner, 
nhd. klempern verklammern, Klempner M. ; mhd. kumpf M. ein Ge- 
fass : ags. cumb Getreidemass. — nhd. Klumpen : an. klumba F. 
Keule. — Ebenso nach Liquida ahd. gelpf gelf schreiend, prahlerisch : 
ahd. gelbön gloriari ; ahd. scarpf scarf scharf : ahd. scr^oon ein- 
schneiden, scarbön in Stücke schneiden. Diese beiden Wörter 



5 143.] Consonant Verschärfung nach langen Voc. und Cons. 185 

lauten in der jungem Sprache zwar auf / aus, aber f dringt in 
ihnen doch später durch als in Wörtern mit unverschärftem p nach 
l und r (§ 49). In Karpfen M., ahd. karpfo, karpo (vermutlich 
Lehnwort) hat sich pf behauptet. — k : g. nach Nasal ahd. "^kranc 
(Adj. vgl. chrancholön schwach werden, straucheln), mhd. kranc 
(ags. cranc) : ags. cringan sich winden, im Kampfe fallen; ahd. 
renken drehend hin- und herziehen, nhd. renken (ags. wrencan)i 
gerin, wringan st. V., dazu mhd. ranc(k) schnelle Bewegung, 
Wendung, nhd. Ränke PI. (vgl. ags. ivrenc, engl, wrench); ahd. 
sicenken schwenken, mhd. swanc {g und k) Schwang und Schwank, 
mhd. sivanc(k) und swankel Adj. biegsam (vgl. ags. swoncor) : g. 
*swiggican (vgl. swaggwjan), ahd. swingan, mhd. swingen, swinken. 
— ahd. klang M., mhd. klanc (g und k) Klang (vgl. ndl. klank), 
mhd. klengen und klenken klingen machen : ahd. klingan klingen 
(nrll. klinken^ engl, to clink); ahd. slengira F. Schleuder, mhd. slenger 
und slenkert dazu mhd. slenkern sw. V., nhd. schlenkern : slingan\ 
dazu auch mhd. slanc schlank; mhd. glunke baumelnde Locke, 
glunkern baumeln, nhd. Klunker F. : ahd. chlunga Knaul; mhd. 
ziviugen und zwinken^ nhd. zwinkern (ags. twinclian), — k : g nach 
Liquida; nhd. Schurke (vgl. ndl. schurk eig. der Pfahl, an dem sich 
das Vieh reibt, Franck Wb.) : ahd. scurgen, mhd. schilrgen stossen, 
treiben, (vgl. ahd. fir-scurgen repellere, fir-scurgo furcifer, auch nhd, 
schlangeln); ebenso k : h; g. pairko F. Loch ißatrh durch (Wz. ferk); 
(vgl. § 78, 2). — z : t nach Nasal; mhd. schranz M. Riss, Spalte : ahd. 
scrunta F. Riss, Scharte; ahd. glänz Adj. glänzend, hell : mhd. glander 
Glanz, glänzend. — Nach Liquida; ahd. galza F. verschnittenes 
Schwein (an. göldr) vielleicht zu ahd. mhd. galt keine Milch gebend (an. 
geldr) ; ahd. falzen zusammenlegen : ahd. faldan, faltan, [Fremdwort 
ist ahd. sj)Hta, spelza F. Spelt, Spelz M. aus lat. rom. spelda, spelta,] 

4. Nach langen Vocalen finden sich im Stammauslaat 
verwandter Wörter ähnliche Wechsel, k : g. Neben g. laugnjctn, 
ahd. lougnen leugnen steht zuweilen ahd. louknen, mhd. {md.) loucnen 
und so zuweilen noch bei Luther leucknen; ahd. kruog M. Krug : 
as. krüka F., mhd. krüche (auch der Vocal weicht ab); mhd. A^uog 
Adj. fein, zierlich, stattlich etc. : ndd. kl6k\ also g oberdeutsch, k na- 
mentlich md. ndd. — Ebenso k (hd. cA) : h in ahd. zlhan zeihen: 
ahd. zeihhan N. Zeichen, g. taikns F.; ahd. seihhan harnen, ndd. 
^iken : ahd. sthan seihen und stgan tröpfeln. — p (hd. f) : 6. ahd. 
/)bana : g. iup, as. up, ahd. üf-^ ahd tobal M. Waldschlucht, Thal: 
g. diups Adj., ahd. tiof tief; ahd. sweibön schweben, schweifen: 
ahd. sweifan schwingen, sich schlängeln (ags. swdpan schwingen, 
fegen, reissen); ahd. weibön schwanken : g. weipan kränzen, ahd. 
tctfan schwingen, winden. — t (hd. 3) : d, ahd. sceidan scheiden: 
^clsfin, scheissen (?). 



18f> Consonant Verschärfung nach langen Vocnlen und Cons. [§ 14^. 

5. Aus der Vereinfachung von tt vor folgendem Codso- 
nanten erklärt man das Verhältnis von g. sWs M., ahd. ses^al 

(Wz. sed) : ahd. sMal M. N. Wohnsitz (urgerm. *s€pla- aus *setlo-, 
*8ettlo-f *S€d'ilo-) und ahd. satul M. Sattel (urgerm. *sadla-, *saplä 
etc. aus *sod-tlö-)\ g. beitan^ ahd. bt^an (Wz. bheid) : ahd. bVial N. 
Beil (germ. *blpla [vgl. § 83, A. 2] aus ^bheid-tlo). Diese Verein- 
fachung müsstc stattgefunden haben, schon ehe tt in ss überging; 
Norcen S. 200 f. 

6. Auch zwischen den germanischen Sprachen und den 

idg. verwandten finden sich solche Ungleichheiten. Da die 

Verdoppelung die idg. Verschlusslaute in den germ. Tenues 

zusammenfallen liess (§ 135^ 3), begreift man, dass z. B. germ. 

t scheinbar nnverschoben einem idg. t entsprechen kann: 
g. fveits weiss : ai. gvitnas (g. t nach langem Vocal für it aus dnJ. 
aus idg. tn). — t= idg. dh in ahd. st&rz^ starz M. Sterz : gr. OTÖpOii- 
— p = idg. dh in ahd. bodam M, Boden (aus *bhudhtmo nach Nr. 5): 
gr. iTu6-Mf|v. — p = idg. p in g. icepna N. PI., ahd. tvdfan N. : gr. 
£irXo; ahd. houf^ hüfo M. Haufen, as. höp : altbulg. küpu Haufen. 

Aber nicht alle Unregelmässigkeiten, die man an und für sich 
als Folgen der Verdoppelung begreifen könnte, sind auf sie 
zurückzuführen. Schon in vorgermanischer Zeit hat in man- 
chen Wurzeln ein Wechsel zwischen Tenuis und Media, auch 
zwischen Aspirata und Media stattgefunden; wie g. taiTinSy 
ahd. zeihhan : ahd. zlhan verhält sich gr. btiTMO, iat. prodi- 
gium : gr. bciKVu^i, 1. dico. Und so finden wir hin und wieder 
Wortpaare, deren Lautverhältnis sich scheinbar den Kegeln 
der Lautverschiebung entzieht und in der Verdoppelung keine 

Eliclärnng findet, z. B. germ. g : idg. g in ahd. sügan saugen: 
Iat. 8ugere\ ahd. swigßn schweigen : gr. öixäv; oder germ. <, k: idg. 
<, k in g. tvikö F., ahd. iv^hha Woche, ahd. wtchan weichen : 1. vices\ 
«hd. flah, ndd. vläk : gr. irXö?, irXaKoöq, 1. placentae ahd. s^h{fih) N. 
Pflugschar, sichila F. Sichel (vgl. s^ga^ saga Säge) : 1. secare\ g. hatis 
N. Hnss : gr. k6to(; und ahd. hadu- Streit in Compositis, nihd. hader; 
adh. fla^ Adj. platt (vgl. flado M. Kuchen) : gr. iiXarOq breit. — 

Also dieselben Erscheinungen können verschiedenen Ursprung^ 

haben und nicht immer wird sich entscheiden lassen, welchen 

Perioden sie ihren Ursprung verdanken. — Eine Sammlung 
solcher Wörter, in denen man bereits für das Idg. verschiedenen 
Auslaut vermutet, giebt Noreen § 49, 2 (S. 181). § 51 (S. 187). — 
UntiT welchen Bedingungen die idg. Ursprache zu den wechseln- 



§ 144.] Consonantverdoppelung im Nhd. 187 

den Formen kam, ob durch lautliche Entwickelnng oder durch 
Wurzelvariation, d. h. durch Wortbildung, ist nicht zu erkennen. 
Und dieselben Zweifel bleiben auch für die jüngere Zeit. 

C. Consonantverdoppelung im Nhd. durch Verschiebung der 

Silbengrenze. 

144. 1. Die Verdoppelungen, welche in alter Zeit durch» 
Assimilationen und consonantische Einflüsse hervorgerufen 
waren, haben sich nach kurzen Vocalen bis in unsere Zeit 
erhalten, wenigstens in der Schrift. Mhd. hellen, vülleny 
stimme, spannen, sperren, sippe, bette, nicke etc. werden 
noch heute mit Doppelzeichen geschrieben, nur fragt es sich, 
ob diese Zeichen noch dieselbe Bedeutung haben wie früher. 
Die jetzige Sprache besitzt eigentliche Doppelconsonanten, wie 
sie das Italienische, auf germanischem Boden das Schwedische, 
das Deutsch der baltischen Provinzen sowie einige Schweizer- 
mnndarten kennen, nicht mehr. Die Doppelconsonanten in it. 
anno, balla, basso, atfo, occhio, ebbe etc. werden anders ge- 
sprochen als in hd. Pfanne, Ballen, fassen, hatte, Pocke, 
Ebbe etc. Die Aussprache der fremden Wörter könnte man 
durch ctn-no, bal-lo, bas-so, at-to etc. bezeichnen, die des 
Deutschen durch Pfana, Bahn, fasen, hafe etc.; in jenen 
wird die zweite Silbe durch einen neuen Exspirationsdruck 
hervorgebracht, sie bestehen aus zwei Drucksilben; in diesen 
fehlt der neue Exspirationsdruck, ihre Zweisilbigkeit beruht 
nur auf der geringeren Schallfülle des inl. Consonanten im 
Gegensatz zu den umgebenden Vocalen; der Consonant selbst 
erscheint als ein einfacher Laut, der aber wie die eigentliche 
Geminata sowohl zur ersten als zur zweiten Silbe gehört 
(Sievers, Phonetik* § 513. 519). — Für die ältere deutsche 
Sprache sind jedenfalls eigentliche Geminaten vorauszusetzen; 
wann ihre Entwickelung zu einfachen, aber doch noch beiden 
Silben angehörigcn Lauten erfolgt ist, lässt sich nicht genau 
bestimmen; sie ergab sich dadurch, dass Flexions- und Ablei- 
tungssilben ihren selbständigen Nebenton verloren. 

2. Diese reducicrten Doppelconsonanten haben nun im 
Nhd. dadurch eine starke Vermehrung erfahren, dass die 



188 Stimmhafte und stimml. Cons. im In- und Auslaut. [§ 145. 

Sprache die offnen Silben mit kurzem betonten Vocal aufgab, 
indem sie entweder die Silbeugrenze in den Consonanten ver- 
legte, eo dass die Silbe zu einer geschlossenen wurde, oder 
den Vocal dehnte. Überall also, wo vor einem ursprünglich 
einfachen Consonanten kurzer Vocal bewahrt ist, gilt jetzt 
Doppelconsonant, z. B. mhd. gutes : Gottes, Meter : Blätter; 
zesämene : zusammen'^ hi-mel : Himmel; dö-ner : Donner; 
ne-ve : Neffe u. a. Manche Mundarten haben sich die offnen 
Silben mit kurzem Vocal bewahrt (Behaghel, Grdr. § 64) und 
unterscheiden noch Sitte (mhd. sl-te) und iViVfe (mhd. wIHe); 
für die nhd. Schriftsprache bilden die beiden Wörter einen 
durchaus reinen Reim. — Über die Bedingungen, unter denen 
Dehnung des Vocales oder Verlegung- der Silbengrenze stattge- 
funden hat s. § 237 f., über die Zeit § 244 A. 1. 

Anm. Da in der nhd. Orthographie das Princip gilt, dass 
die Stammsilben in allen Formen und Wörtern möglichst gleiche 
Gestalt zeigten, so ist die Verdoppelung, die zunächst nur dem In- 
laut zukam, allmählich auch im Auslaut zur Anerkennung gebracht. 
Phonetisch gerechtferti<i;t ist der Gebrauch insofern, als der Con- 
ßonant nach kurzem betontem Vocal kräftiger articuliert wird als 
nach langem oder unbetontem, also kräftiger z. B. in satt als in 
ßaat oder sähet (Orth. § 102 ff.). — Noch viel ausgedehnteren Ge- 
brauch hatten die Schreiber im Spät-Mhd. und den folgenden Jahr- 
hunderten von der Verdoppelung gemacht. Wie weit diese Doppel- 
achreibungen etwa sprachliche Bedeutung hatten, ist noch genauer 
zu untersuchen (von Bahder S. 90 f. Orth. § 99 f.); vielfach hat man 
es jedenfalls nnr mit einer Schreibergewohnheit zu thun, welche 
die Ligaturen an die Stelle der einfachen Zeichen treten liess. — 
Bei Luther werden so namentlich ff, tt, ff, tz, ck gebraucht, nur 
in der ersten Zeit verdoppelt er auch oft in den Endungen -en und 
-el. Aber anderseits Ijegnügt er sich im Auslaut und vor Conso- 
nanten oft auch nach altem Brauch mit dem einfachen Zeichen. 
Franke § 123, 3. 2. 122, 8. 

Wechsel stimmhafter und stimmloser Consonanten 

im In- und Auslaut. 

145. Zu wiederholten Malen und in verschiedener Weise 
bricht in der Sprache die Neigung hervor, stimmhaften Con- 
aonanten im Wort- und Silbenauslaut den Stimmton zu ent- 
ziehen. 



§ 14B.] Stimmhafte und stimml. Cons. im In- und Auslaut. IB^' 

Im Gotischen ergreift sie nur die stimmhaften Spiranteu 
b, dj Z', z. B. giban gif gaf, ainlif elf ainlibim, lauf (Ace.) 
Laub lauböSj grahan gr6f\ biudan bieten batip, bidjan bitten 
bafij 8tap8 stadis Stätte, Jiaubip haubidis Haupt, dius diuzis 
Tier, hatis hatizis Hass, airiza airis frtlher. — Die stimm- 
haften Verse hlusslaute (6 und d nach vorangehendem Conso- 
Danten, und g) bleiben unverändert: nwairban wischen swarbr 
dumbs stumm, lamb Lamm; giband sie geben, gards Haus,^ 
Jcalds kalt, gazds Stachel; bitigan baug biegen, mag ich ver- 
mag, ög ich fürchte, icigs Weg. 

Anm. Vor enklitischen Wörtchen hält sich wie im Inlaut der 
stimmhafte Consonant; vg\.af:ab-u, ufiub-uh, nimip \ nimid-uhy 
US : iiZ'Uh u. a. Doch finden sich auch sonst Ausnahmen; es heisst 
z. B. stets piiibs Dieb, decls That, braicls breit, minz weniger neben 
mins etc. Über diese handelt Kock, ZfdA. 25, 226 f.; vgl. Wrede, 
Ulf. § 63 A. 1. 

146. 1. Im Althochdeutschen fehlen die stimm- 
haften Spiranten; g. z ist zu r geworden, d zu t ver- 
schoben, b und g sind auch nach vorhergehendem Vocal in 
Verschlusslaute übergegangen. Die Medien 6, g und das aus 
germ. p neu gewonnene d behaupten zunächst wie im Goti- 
schen ihren Stimmton auch im Auslaut. 

Besonders fest steht das auslautende d\ z. B. bad^ baldy 
gold, mordj magad, rad etc.; wo wir in den älteren Denk- 
mälern auslautendes t finden, entspricht ihm regelmässig auch 
inlautendes f (= germ. d»; z.B. alt alter, blint bunter blind, 
breitj dat That, gelt geltes Geld, riU rätes etc. Der gramma- 
tische Wechsel zwischen germ. p : d = lid. d : t kann dazu- 
fbhren, dass grade umgekehrt wie wir nach unserer Sprech- 
weise erwarten, t im Inlaut, d im Auslaut erscheint; so bei 
Otfried: quad quätun, fand ftintun, ward witrtun. Erst vom 
11. Jahrh. an wird die Verhärtung des auslautenden d häufiger, 
80 dass nun germ. p und d in dem t zusammenfallen. 

Anm. 1. Nur vereinzelt findet sich in früherer Zeit ausl. t 
= germ. P\ z. B. im Isidor hifant, chunt^ baltlihho (daneben d 
und dh). Er. iJ 167 A. 6. Kö<rel sucht diese P^ormen aus d(»ni ortho- 
graphischen System des Schreibers zu erklären. AfdA. 19, 225. 



190 Stimmhafte und stimml. Cons. im In- und Aiisl. [§ 146. 

2. Weniger fest erscheint die Eegel bei b und gr, nicht 
deshalb weil diese Medien anders behandelt wären als d, 
sondern weil nur dem d ein etymologisch verschiedenes t zur 
Seite stand, von dem es sich auch in der Aussprache deutlich 
abhob. Neben b und g gab es weder alte Tenues (denn p 
und Je waren zu f und ch verschoben), noch hatten sich neue 
entwickelt. Wäre es der Fall, so würden sie im Auslaut ihren 
Platz ebenso unbestritten behaupten wie das d\ so aber er- 
scheinen im Auslaut beide Zeichen b und pj g und c neben 
einander, namentlich im Oberdeutschen, wie sie hier auch im 
An- und Inlaut neben einander gebraucht werden (§ 64). Für 
Otfried, der im An- und Inlaut nur 6 und g gebraucht, sind 
sie auch im Auslaut die regelmässigen Zeichen; z. B. bileib 
blieb zu biliban, gab zu gebmij Hb Leib, Hub lieb, fhiob Dieb; 
dag Tag, icäg Woge, floitg flog zu fliogan, zuig Zweig etc. 
Und auch in oberdeutschen Denkmälern finden sich oft genug 
auslautende b und g (Br. § 136 A. 1. 3. § 149 A. 4. 5. 6). 
Besonders ist zu beachten, dass Notker stets g im Auslaut 
schreibt; mag, tag, oiigta, gineigter. 

Wenn hiernach für die auslautenden b und g in der 
ältesten Zeit unbedingt stimmhafte Aussprache anzunehmen ist, 
so zeigt sich doch früh, dass sie den Inlauten nicht ganz gleich- 
wertig waren. In den oberdeutschen Denkmälern ist die Nei- 
gung 7; und c zu gebrauchen im Auslaut stärker als im Inlaut; 
im Isidor findet man im Auslaut c statt g, oft j? statt b; selbst 
Otfried schliesst p und c{k) nicht ganz aus; er lässt sie zu in 
den schwierigen Akrostichen; Ludoicic, icirdic, githic, ginä- 
thic, bileip, kleip, grap, gap\ aber auch sonst zuweilen, na- 
mentlich nach Consonanten; dumpheity lamp, irstarp\ ganky 
gifank, sank, edilinc (Br. § 135 A. 2. § 148 A. 1); also da, 
wo schon im Germanischen Verschlusslaut galt. 

Es fragt sich, wie diese j; und c aufzufassen sind; schrieb 
man sie, weil im Auslaut der Stinimton erlosch, oder nur, 
weil der Auslaut kräftiger klang als der Inlaut? denn dass 
man mit p, k (c) die Vorstellung eines kräftigeren Lautes ver- 
band als mit 6 und g unterliegt keinem Zweifel. Vennutlich 
haben beide Momente gewirkt, in den meisten Fällen (nämlich 



§ 147.] Stimmhafte und stimml. Cons. im In- und Auslaut. 191 

WO p und k im Auslaut betonter Silbe stehen) gemeinsam. 
Indem der Luftdruck gegen Ende des Wortes nachliess, wurden 
die stimmhaften Laute stimmlos und eben dadurch scball- 
kräftiger; denn die Geräuschlaute klingen kräftiger, wenn 
der Luftstrom nicht durch die gespannten Stimmbänder ge- 
hemmt wird; vgl. Bremer I S. 175 A. 1. 

Anm. 2. Auf einem Teil des Sprachgebietes galt im Ahd. auch 
noch germ. d als Media (§59); auch hier zeigt sich die Neigung im 
Auslaut t zu setzen; z. B. godes aber got (Br. § 163 A. 1). Ganz 
allgemein ist dieses auslautende t für germ. rf, idg. t in den schwach 
betonten Endungen des Verbums; b\\^. gibit^ g^bet, gSbant\ im Got. 
gilt dafür nach § 145 p oder d : gibip^ giband. 

147. L In der mhd. Zeit ist die Vertretung inlauten- 
der Medien durch auslautende Tennis die Regel: g^ben gap^ 
liden leit, bergen bare; doch halten die mittleren Landschaften 
gern an &, d, g auch im Auslaut fest; (Whd. § 163. 190. 226. 
Über Luthers Gebrauch s. Franke § 67). Unser jetziger 
Sprachgebrauch folgt der alten oberdeutschen Art; die Schrift 
dagegen hat die Übereinstimmung von In- und Auslaut zur 
Begel erhoben. (Orth. § 86 f. Über mundartliche Verschieden- 
heiten s. Behaghel, Grdr. § 60.) — 

2. Einen ähnlichen Wechsel wie zwischen Media und 
Tennis lässt die nhd. Sprache auch zwischen stimmhaftem 
und stimmlosem s eintreten. Aber während jener dadurch 
entstanden ist, dass die Media im Auslaut ihren Stimmton 
verlor, beruht der Wechsel der beiden «-Lante darauf, dass 
das stimmlose 8 im Inlaut stimmhaft wurde (§ 105). 

AniD. 1. Eine alte Vertretung von stimmhaftem durch stimm- 
loses 8 ist für ahd. tageSy biris anzunehmen; s. § 101 A. 1. 

Anm. 2. Das Verhältnis zwischen In- und Auslaut ist oft ein 
wichtiges Mittel, die Natur des inlautenden Consonanten zu be- 
stimmen. Da im allgemeinen anzunehmen ist, dass im In- und Aus- 
laut Laute gleicher Qualität stehen, entweder Verschlusslaute an 
beiden Stellen oder Reibelaute, so er<>^iebt sich aus g. giban gaf^ 
biudan baup^ dass b und d als Spiranten; aus mhd. borgen barc^ 
mtden meit, g^ben gap dass 6, g^ d als Medien gesprochen wurden. 
Freihch kann die Entwickelung der Sprache auch zu einer Störung 
•dieses natürlichen Verhältnisses führen; § 68 Anm. 



192 Schwund von Consonanten im Wortauslaut. [§ 148. 149. 



Schwnud Ton Consonantftn Im Wortanslaut ^). 

148. Die ConsODanten, die im Wortauslaut veratumnieny 
sind fast durchaus suffixale Elemente mehrsilbiger Wörter, 
also Laute, die nach der Festlegung des germanischen Accentes 
unbetont waren. In der ünbetontheit liegt auch der Grund 
ihres Verfalls. Einsilbige Wörter mit kurzem Vocal, die bald 
betont bald unbetont gebraucht wurden, müssen den Auslaut 
nicht verlieren. — Neben der ünbetontheit jedoch und früher 
als sie wirkte vielleicht auch der Umstand, dass im Zusammen- 
hang der Rede, in der Verbindung consonantisch aus- und 
anlautender Wörter oft Consonantgruppen entstehen, die nicht 
ohne Einfluss auf die Articulation der einzelnen Laute blieben, 
und schon ehe sie den Ton verloren, ihren Untergang herbei- 
führen konnten (vgl. § 158. Brgm. I § 644 und die dort 
angegebene Litteratiir). 

149. Abfall auslautender Consonanten in vorhistorischer 
Zeit. — Die Zahl der Consonanten, die im Wortauslaut ge- 
braucht werden, ist schon im Idg. beschränkt; die meisten, 
die Nasale m und n und die dentalen Verschlusslaute d und 
t hat das Germanische fallen lassen; r und s bleiben zunächst 
erhalten. Auf dieser Stufe steht das Gotische. Zwar giebt 
es genug Formen, die im Gotischen auf n und m, auf p und 
d ausgehen, z. B. giban, gibam, gibip, giband, aber in solchen 
Wörtern waren dem jetzt auslautenden Consonanten ursprüng- 
lich noch andere Laute gefolgt. 

Beispiele, n ist abgefallen im Nom. der n-Stllmine, z. B. 
g. hana Hahn, tuggö Zunge, hairtö Herz, die ursprünglich auf -en, 
'ön ausgingen (§ 260, 3. 261, 1). — m wurde zunächst in n ge- 
wandelt und verschwand dann, vermutlich zugleich mit dem idg. n; 
so im A. Sg. g. dag^ gast, sunUj bröpar; im G. PI. g*. gibö. Erhalten 
ist es als n in den einsilbigen g. pan dann, 1. tum; g. han wann, 



1) Schercr S. 177 f. Kluge, Grdr. §28. Noreen § 48 S. 169 f. 
Streitberg S. 146 f. — Über die Chronologie s. Leskien, Germ. 17, 
374; über die Dentalapokope insbesondere: Jellinek, Beiträge S. 60 f.; 
van Helten PBb. 16, 310 f.; über einsilbige Wörter: Jellinek S. 41. 60. 
van Helten PBb. 15, 473 f. Streitberg, Zur Sprachgeschichte S. 60. 



§ 149.] Schwund von Consonanten im Wortauslaut. 193 

wie, 1. quuni, quam, — d ist abgefallen in den alten Ablativen, 
z. B. den Adverbien auf -prö^ 1. -träd, wie g. Ivaprö woher (vgl. 
§ 261, 1); auch in dem einsilbigen ha was, 1. quod. — f in der 
3. Sg. Opt. g. gihai er gebe, gebi er gilbe; 3. PL gehun sie gaben 
etc.; erhalten in dem einsilbigen g. at, ahd. aj Prftp. zu, und nach 
langem Vocal in g. üt Adv., ahd. ü,^, vgl. ai. ud aus, hinaus. 

Dagegen r behauptet sich, z. B. N. Sg. bröpar, lat. frater. 
Ebenso « in zahlreichen Formen ; z. B. in den Nominativen g. dags, 
gastSj 8unu4iy in den Genitiven der consonantischen Stämme, z. B. 
fadrSj hanins u. a.; aber doch nicht allgemein. Das Nominativ-s 
kommt in den Stämmen auf s nicht zur Geltung; z. B. g. drus M., 
Gen. drusis Fall; su-^ä Adj. eigen. Gen. sivesis] und ebenso fehlt 
es in den Wörtern auf r, wenn dem r ein kurzer oder ein unbe- 
tonter Vocal vorangeht, z. B. icair Mann, baur Sohn, fidwör vier 
{Grdf, *fidwö7nz)'^ nach langem Vocal in stiur Stier, wenn das Wort 
nicht etwa Neutrum ist (ZfdA. 37, 319); dagegen akrs Acker, hörs 
Ehebrecher, skeirs klar u. a. (Br. § 78 A. 2. Wrede, Ulf. § 67). 
Warum grade diese Scheidung eingetreten ist, lässt sich nicht sicher 
erkennen (vgl. Brgm. 2, 531. Wrede, Ostg. S. 177 f.); die jüngere 
got. Sprache lässt das Nominativ-« in weiterem Umfange schwinden. 

Anm. 1. Spuren des ursprünglich auslautenden Nasals lassen 
sich auch später noch wahrnehmen; vgl. § 258. 

Anm. 2. Durch den Abfall des Dentals sind vermutlich einige 
Nominalstämme umgewandelt. Zu dem Stamme nepot-^ der im La- 
teinischen deutlich erhalten ist, gehört das Fem. 1. neptisj ahd. nift 
Nichte; das Masc. ahd. nl^vo Neflfe hat das ausl. t verloren und ist 
in die schwache Declination übergetreten; vgl. g. menOps Monat r 
m^a Mond; g. faheps F. Freude : ahd. gi-feho M.; ahd. zan Zahn 
(Grdf. *dont) neben zand, das aus den cas. obl. in den Nominativ 
hinübergeführt ist. Kluge, Grdr. § 28, 2. Noreen S. 170 f.; aber 
auch Meringer. AfdA. 18, 40 f. 

Anm. 3. Einsilbige Pronominalformen ohne den ursprünglich 
auslautenden Dental wie g. Iva hat vermutlich auch das Hoch- 
deutsche besessen (§ 335); die gewöhnlichen Formen da,5i ^'3, tt'rtj, 
ebenso c/^, ?7i, w^'n könnten als einsilbige Wörter den alten Aus- 
laut d und m bewahrt haben, setzen aber doch wohl dieselben 
durch eine enklitische Partikel erweiterten Formen voraus, die 
g. Pata, ita, paiia^ ina^ hana deutlich zeigen. — Auffallend sind 
g. sibuTij niun, taihun neben lat. Septem^ novem, decejn. Wenn man 
annehmen darf, dass die Flexion, welche diese Wörter schon im 
Gotischen gestatten, alt genug ist, lässt sich die Erhaltung des 
Auslautes leicht durch den Einfluss der flectiertcn Formen erklären; 
sonst muss man sich mit wenig wahrscheinlichen Analogiewirkungeu 
genügen lassen (vgl. Noreen S. 169 Anm. 1. Brgm. 1, 516. 2, 478). 
W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 13 



194 Schwund von Consonanten im Auslaut; hd. s. [§150. 

150. Die westgermanischen Sprachen haben 
weiteren Verfall eintreten lassen. Kluge, GrJr. § 31. 

1. Das ursprünglich auslautende 8, das im Gotischen 
stand hielt, ist im Hochdeutschen fast durchaus beseitigt. 

So im N. Sg'. g. dags : ahd. tag^ g. göds : ahd. guot, g. gasts : ahd. 
gast; im G. Sg. g. bröprsi ahd. bruoder, g. hanins : ahd, hanen'y im 
N. PI. g. mantf : ahd. wian, g. hanajis : ahd. hanon, g. dagös : ahd. 

^aj^a u. a. Wo wir in der hd. Flexion ein auslautendes 8 finden, 
hat es ursprünglich nicht im Auslaut gestanden, z. B. in der 
2. P. Sg. Ind. gihis du giebst, im G. Sg. der a-Stämme tages 
Tages. Das Hd. lässt also, obwohl es im Verfall der Laute 
weiter gegangen ist, die ursprünglichen unterschiede deut- 
licher hervortreten als das Gotische. Im Got. gehen der Nom. 
dags und der Gen. dagis, die Indicativform gibis und die 
Optativform wileis in gleicher Weise auf« aus, das Hd. unter- 
scheidet tag tageSy gibis wili. Die gotischen Formen können 
den hochdeutschen nicht zu Grunde liegen. 

2. Während das s in der Flexion überall gefallen ist, 
hat es sich in einigen einsilbigen Pronominal- und Partikel- 
formen als r gehalten: g. weis : wir, jus : ir, mis : miTj pus : 
dir, is : er, Jvas : wer, us : ur-, ar-, ir-; • ihnen schliesst sich 
das Adv. mery g. mais, das Pron. der (g. sa) und der merk- 
würdige N. Sg. Masc. der Adjectiva an : ahd. blintir^ g. hlinds. 
Der Übergang von 8 : r konnte nur in unbetonten Silben erfolgen. 
Dass trotzdem in diesen einsilbigen Wörtchen nicht wie in den 
Flexionsendungen der Consonant ganz beseitigt wurde, erklärt sich 
daraus, dass sie betont und unbetont gebraucht wurden, is wurde 
in unbetonter Stellung zu er, da er dann aber auch als betonte 
Form diente, erhielt sich das ausl. r. In dem Adv. w^, kann auch 
das Adj. mirOj g*. maiza das r geschützt haben; (vgl. Paul, PBb. 6, 
531 f. Zimmer, ZfdA. 19, 397 f.). — Die Vorsilbe zc-, g. dis-, die schon 
im Gotischen nur noch als unbetontes Compositionsglied gebrauchl 
wird, erscheint im Alt- und Mittelhochdeutschen gewöhnlich ohne 
auslautenden Consonanten (§ 327), oft auch noch bei Luther (Franke 
§ 94), erst die nhd. Schriftsprache verlangt überall r. [Übrigens 
kommen in verwandten Mundarten auch die Pronomina ohne ausl. 
r vor {wtj mij hi etc., Spuren auch im Hd.). Besonders bemerkens- 
wert ist, dass in einigen betontes de, he neben unbetontem der, er 
steht; Franck, ZfdA. 40, 17 f.] 

Anm. 1. Vielleicht darf man aus den angeführten Formen 
schliessen, das» das s überall, ehe es abfiel, in r übergegangen war 



« 151.] 



Schwund auslautender Consonanten im Hd. 



195 



i¥ie im An. Doch wäre daraus nicht zu folgern, was mir auch sonst 
nicht erwiesen ist, dass s zunächst in stimmhaftes z übergegangen 
sei; denn auch ein stimmloses s konnte in ein (zunächst stimmloses) 
-r übergehen und verstummen, ohne stimmhaft geworden zu sein; 
vgl. § 101 A. 1. 

Anm. 2. Als westgermanische Formen, in denen ein ursprüng- 
lich auslautendes s erhalten sei, und zwar in Folge von SuflSx-Be- 
tonung, sehen Paul PBb. 6, 550 und Brgm. I § 583 die Genitive 
hurges^ nahtes, kustes u. a., so wie die as. Pluralform dagos Tage 
= g. dagös an. Ich glaube nicht, dass die Auffassung richtig ist; 
s. Flexion und Hirt, PBb. 18, 527; van Helten, PBb, 20, 513 f. 

3. Ursprünglich ausl. n war schon im Germanischen 

verschwunden ; w, das dm'ch die Wirkung der vocalischen Ans- 

lautgesetze an die letzte Stelle gerückt war, hat das Ahd. in 

der Endung -in fallen lassen (Kluge, PBb. 12, 380 f.). Deut- 
lieh lassen Fremdwörter die Entwickelung wahrnehmen; mlat. hcLC- 
clnum : ahd. becchl, cussinum : chusst u. a. Sie erklärt auch die 
Plexionsweise der ahd. Adjectiv-Abstracta wie guott Güte, die Form 
der Verbalabstracta auf ahd. -l neben g. -eins (11 § 238) und Demi- 
nutiva auf -tfn), 4t(n) (II § 243). 

151. Jüngere Erscheinungen. — 1. In der Geschichte des 
Hochdeutschen erweisen sich als besonders schwach die aus- 
lautenden Dentale r, w, t, zumal im Fränkischen, wie bereits 
Hugo von Trimberg, Renner v. 22252 bemerkt: 'wan Te und 
eN und eRre sint von den Franken verre an maneges Wortes 
£nde (Whd. § 200). Die Schriftsprache aber hat unter diesen 
mundartlichen Verstümmelungen nur wenig gelitten, um so 
weniger je später sie auftreten. 

2. r schwand in einsilbigen oft wenig betonten Wörtchen 
mit langem Vocal, schon seit dem 11. Jahrh. in dar da, dort, 
war wo, 8är sogleich, er früher, Mar hier; in mhd. Zeit tritt 
auch äbe ah neben aber (ahd. avur, g. afar)\ me für mer 
^in (Br. § 120 A. 2. Whd. § 213). äbe und me hat die Schrift- 
sprache wieder aufgegeben, hier ist neben hie in überwiegen- 
dem Gebrauch, ehe und eher stehen in differenzierter Be- 
deutung neben einander, da und wo zeigen das alte r wenig- 
stens noch in der Composition vor folgendem Vocal: darin^ 

4€onn etc. 

Anm. 1. Wie weit das Adv. wo in Mundarten das auslau- 
tende r behält, verzeichnet der Spr. At. (AfdA. 21, 158). — Die Ge- 



196 Schwund auslautender Consonanten im Hd. [§ 151. 

biete, in denen die unbetonte Endung -er den Auslaut fallen lässt 
(namentlich ndd. und bair.)» sind verzeichnet für winter (19, 110), 
Wasser (19, 283), hrtider (20, 110), hesser (20, 330), feuer (22, 104) 
und für die Plurale häuser (20, 218 f.), kleider (21, 293). Dabei treten 
allerlei Abweichungen hervor. In den Pluralformen concurrieren 
mit -er auch andere Endungen. 

3. n fehlt im Ahd. nur hier und da, zuweilen aus Nach- 
lässigkeit der Schreiber (Br. § 126 A. 2). lu der mhd. Zeit 
greift der Verfall weit uui sich (Whd. § 215. 217), und von 
den lebenden Mundarten haben viele das ausl. n verloren 
(Behaghel, Grdr. § 79). Die Schriftsprache aber leistet kräf- 
tigen Widerstand. Wo sie den Laut hat fallen lassen, er- 
scheint Foi-mübertragung als das eigentlich treibende Element, 
wenngleich die schwache Articulation des Lautes die Form- 
Übertragungen jedenfalls gefördert hat. So ist das n in der 
1 P. Sg. Prs. überall aufgegeben. Das Ahd. unterscheidet noch: 
gihUj sentu aber leheUy salbönj tuon, gän, stein (Br. § 305 
A. 4); das Mhd. hält es nur in den einsilbigen noch fest: tnoiiy 
gä7ij stäriy Mn, län aber lebe, salbe; das Nhd. hat es überall 
beseitigt ausser in bin. Dagegen im Infinitiv, wo alle Verba 
auf n ausgingen, hat die Schriftsprache den Laut festgehalten, 
obgleich er in mhd. Zeit gerade hier besonders oft unbeachtet 
blieb. — Über die sehr willkürliche Behandlung der Endung -en 
in der Declination der Feminina s. Flexion. 

Anm. 2. Der Abfall eines ausl. n in betonter Silbe pflegt 
Nasalierung des Vocals zu hinterlassen (vgl. § 107). Der Spr. At. 
verzeichnet die Formen für 7nan?i (AfdA, 19, 201 f.), teein (19, 279), 
braune (20, 213), wem (22, 95). — Die unbetonte Endung -en in der 
Verbalflexion ist belegt durch das Part, gebrochen (22, 100), die In- 
finitive machen (20, 208), wachsen (21, 264), bauen (22, 108 f.), nähen 
(22, 331) und zu trinken (mhd. ze trinkenney 21, 294). [Über die 
3. PI. Präs. 8. Anm. 3.] — In der Nominalflexion durch leiden (D. PI., 

20, 222), ochsen (A. PI. 21, 266); roten (D. PI. Adj. 20, 323) [seife 

21, 273]; vgl. auch Bremer 3, S. 106 f. — Angehängtes -en in eis 
(18, 411), zicölf (21, 275), auch im D. PI. leuten (leutnen). — In jnan- 
chen Mundarten hängt der Gebrauch des auslautenden n gar nicht 
mehr von der grammatischen Form des Wortes sondern von dem 
folgenden Anlaut ab: vor ^, d, 2, h und Vocalen findet es sich 
immer, auch wo es etymologisch gar nicht berechtigt ist, vor an- 
dern Lauten nie (J. Meier, Untersuchungen über den Dichter und 
die Sprache der Jolande. 1888. S. 51 f. Behaghel, Grdr. § 79, G) 



•§ 152.] Epithese von Consonanten. 197 

Der Zustand muss dadurch entstanden sein, dass auslautendes n 
zunächst abfiel, ausser wo es durch die Verwandtschaft des fol- 
g-enden Consonanten {d, t, z) oder durch kräftigere Vernehmbar - 
keit (vor h und Vocalon) geschützt war. Und da in diesen Fällen 
der Gebrauch des n lediglich von seiner Umgebung abhing, stellte 
■es sich in derselben Umgebung auch bei solchen Worten ein, denen 
es ursprünglich gar nicht zukam; das n erscheint hier also als ein 
an und für sich bedeutungsloses rein euphonisches Zeichen; vgl. 
Paul, Principien S. 97. 

4. Auch ausl. t hält die Schriftsprache fest; sein Ver- 
lust in der 3 PL Ind. Präs. (mhd. g'ehent, nhd. geben) ist durch 
die übrigen in der 3. und 1. PL gebräuchlichen Formen (mhd. 
gehen, gäben, geeben) veranlasst. Über den Schwund des Lautes 
im Ahd. und Mhd. s. Br. § 161 A. 6. Whd. § 194. 200. — Über zan 
neben zant % 149 A. 2. 

Anm. 3. Den Abfall eines ausl. t in betonter Silbe verzeichnet 
der Sprachatlas für lucht = luft (AfdA. 21, 279), recht (21, 164). — 
In der unbetonten Endung ent (ndd. -et) für Hitzen (19, 258 f.), 
fliegen (21, 288 f.), heissen (22, 32.S), mähen (22, 333). — -et findet 
sich dem mhd. -ent entsprechend im Schwäbischen und in Teilen 
des Bairischen, der alten niederdeutschen Endung entsprechend in 
dem grössten Teile des nordwestlichen Deutschlands. Zusammen- 
fassende Betrachtung: 22, 333fr. — Auf die Behandlung der 
Endung -en in der Verbalflexion (3. PI. Ind. Präs., Inf., Ge- 
rund.) gründet Wrede 21, 295 die Einteilung und Begren- 
zung der ndd. Hauptmundarten. 

Anm. 4. Schwund des ausl. s (germ. t) in icas belegt der 
Spr. A. 19, 58; des ausl. ch (germ. k) in ich (18, 309). Über ausl. ^ 
&. § 90, über ausl. & § 81 A. 1. 

Epithese Ton Consonanten. 

152. 1. Dem Abfall steht die HinzufUgung eines aus- 
lautenden Consonanten gegenüber. Beide Vorgänge bilden 
fieheinbar einen starken Gegensatz, hangen aber oft jedenfalls 
eng zusammen. Wenn es den Sprechenden zum Bewusstsein 
kommt, dass sie gewisse Consonanten im Auslaut ungenügend 
oder gar nicht articulieren, können sie in der Absicht correct 
zu sprechen leicht dem Fehler verfallen, eben diese Conso- 
nanten auch da anzuwenden, wo sie nicht begründet sind. 
Es handelt sich hier fast durchaus um jüngere Vorgänge. 

2. Am öftesten ist ein dentaler Verschlusslaut hinzuge- 
fügt, t oder, wie wir nach n zu schreiben pflegen, d. Am 



198 Epithese von Consonanten. [§ 152^ 

leichtesten stellt sich dieser Laut «ach andern Dentalen, nach 
S nnd n ein; zur physiolo^rischen Erklärung s. Bremer 1, S. 47 A, 
S. 54 A. 3. — Die Adverbia sind TT § 456 zusammengestellt; Be- 
lege aus dem Mhd. giebt Whd. § 194. 200. Nomina, in denen die 
Schriftsprache den Gebrauch nach » anerkannt hat, sind: Äxtj mhd. 
ackes; Obst, mhd. o&cj und die Fremdwörter Pallast, mhd. ])alas; 
Papst mhd. bäbes\ Morast^ vgl. ndl. moras; auch Damast, frz. da- 
mos (aber ndl. damast, it. damasto, engl, damask zu dem Stadt- 
namen Damascus). Nach n: Jemand^ Niemand, mhd. ieman^ nie- 
mand Dechantj mhd. dh'chan; Dutzend^ spJtt-mhd. totzen, frz. dou- 
zaine. In Mond sind zwei Wörter zusammengefallen: mhd. mdne 
luna und mdnet mensis ; gewohnt^ mhd. gewon hat t unter dem Ein- 
flusö der Participia. Nach eh in Habichty mhd. habech, und in 
Wörtern wie Dickicht^ Domicht, Kehricht, denen Ableitungen auf 
ahd. -ahi zu Grunde liegen (II § 276, 2). Nach / in Hüfte, mhd. 
Huf-, Saft, mhd. saf\ Werft (ndd.), ndl. tverf (vgl. II § 257, 3 A.). 
Nach h in Sekt, ndl. sek, it. vino secco; nach l in doppelt, frz. 
double, — Anders begründet ist die Endung -scaft neben -scaf (11 
§ 293, 2) und das t in der 2. Sg., in der schon im Ahd. dem s ein 
t angehängt wird, zuerst in bist. Die häufige Inclination des Pron. 
du {bistu, gibistu), die zu falscher Auflösung {bist du, gibist duy 
führte, hat den Gebrauch befördert; dass er vor allem das Verb, 
subst. ergreift, ist wohl darin begründet, dass dieses als Hilfszeit- 
wort dem Einfluss der Präterito-Präsentia besonders ausgesetzt war» 

Anm. 1. Der Spr. At. verzeichnet Epenthese von t für eis (AfdA. 
18, 411), hoch (22, 102), hof (22, 324), äffe {aft 20, 329) ; vgl. auch 
Fischer, Geogr. S. 68. 

3. r ist unorganisch in oder\ die älteren Formen sind 
ahd. MdOy Mo, odo, mhd. ode, od\ aber daneben schon im Ahd. zu- 
weilen auch oder, öfter im Mhd.; vielleicht hat die Analogie von 
ic^der gewirkt. — düster für deste ist mhd. nicht selten, aber nicht 
durchgedrungen. 

4. n tritt bereits im Mhd. zuweilen an nu (Whd. § 216); 
die ältere Form hält sich bis ins Nhd. (Luther), ist jetzt aber auf- 
gegeben ausser im substantivischen „in einem Nu*^, albern, älter 
nhd. aWer (Luther), mhd. altvcere verdankt sein n wohl Adj. vfie^ 
hölzern, gläsern. — Über die unregelmässigen Pronominalformen 
denen, deren, dessen, wessen s. § 278. 

Anm. 2. In altern Schriften findet man öfter auch ein b nach 
m : Eigentumb, koumb u. dgl. Es ist dies der Gegenzug zu der 
Assimilation des b an vorang-ehendes m (§ 80). Die Schriftsprache 
hat den Gebrauch nicht anerkannt. — In manchen Mundarten ist 
auch n(g) für n beliebt; vgl. § 107 A. 3. 



§ 153.] Consonan tische Zwischenlallte. 199 

Consonantische Zwischenlaute. 

153. Zuweilen hat sieh zwischen zwei Consonantcn als 
Übergangslaut von der einen zur andern Articulation ein 
neuer Consonant entwickelt, dessen Articulationsstelle in erster 
Lbie von dem vorangehenden Consonantcn abhängt; mt wird 
zu mft\ mr, ml zu mbr^ mbl; nt zu nst; sr zu str-^ sl zu sei. 
Nach s also erscheint teils t, teils aber auch c, weil die alte 
Articulationsweise des s (§ 103) eine Annäherung der hinteren 
Zunge an den Gaumen begünstigte. Zur physiologischen Er- 
klärung 8. Bremer I S. 54 A. 3. 85 A. 

str für sr ist bereits im Urp^ermanischen eingetreten; anlau- 
tend: ahd. stroum Strom, Grdf. *8rau-mo (vgl. gr. piw aus ap^Fuj); 
inlautend vor r-Suffix: g. swistar Schwester, idg. **7ifc.vr; ahd. din- 
Mar finster, ai. tamisram das Dunkel, 1. tenebrae u. a. II § 219 A. 4. 
fi. Kluge, PBb. 9, 150. Grdr. § 13. Brgm. I § 527 A. 2. § 580. 
Noreen S. 167. 

mhr für mr zeigt g. timbrjan neben timrjan zimmern, ahd. 
zknbar M. Bauholz, zimbiren, und vielleicht, in die Zeit vor der 
germ. Verschiebung zurückreichend, ahd. ampfaro, ndl. amper, 
germ. '^ampra- aus '*ambra-, idg. *awrcJ-, vgl. ai. amld sauer, 1. 
amarus (vgl. Noreen S. 168 A.). — mbl für ml ahd. simbles, sim- 
blum immer neben g. simle (II § 465 A.). 

Belege für nst aus nt giebt § 37 A. 1; für mft aus wf § 96; 
für sei aus sl § 103 A. 4. 

2. Jünger ist in den folgenden Wörtern die Entwicke- 
Inng eines dentalen Verschlnsslautes /.wischen n und den 
Liquiden; nach betonter Silbe erscheint er als d, nach unbe- 
tonter, deren schwacher Stimmton leichter erlosch (§ 146, 2), 

als t. Nhd. minder, ahd. minniro, mhd. minner^ minre aber auch 
schon minder (vgl. Franck, mndl. Gr. § 115); Fähndrich, Umbildung 
von mhd. venre, ahd. fanari\ Quendel^ mhd. guUnel, quendel^ ahd. 
quSnala; Spindel, mhd. spinnel, ahd. spinnala (daneben Spille aus 
^tpinla, spinnglä). — t ist eingeschoben in eigentlich, geflissentlich, 
freventlich, gelegentlich, öffentlich, namentlich, ordentlich, wöchent- 
lich. Andere ähnliche Bildungen könnte man auf Part. Präs. be- 
suehen: flehentlich, hoffentlich, wesentlich, ivissentlich-, doch pflegt 
in der älteren Sprache das t zu fehlen; vgl. II § 365, 2. — d nach 
unbetonter Silbe hat vollends, mhd. vollen (11 § 4.56) unter dem Ein- 
floss participialer Adverbia wie eilends, durchgehends, zusehends, 
MtÜUchweigends. 



200 Consonantische Zwischenlaute. [§ 154. 

Eine besondere Stellung nimmt die Vorsilbe ent- ein. Da in 
ihr zwei Partikeln, g, and- und in- zusammengefallen sind, ist das 
t zum Teil etymologisch begründet; aber in der altern Sprache 
werden die Formen ohne t viel häufiger gebraucht als die mit t 
(§ 324). Zu unserem jetzigen Gebrauch, überall, wo nicht durch 
Assimihition eiiip entstanden ist (§ 109 A. 1), t zu setzen, haben 
zwei Kräfte zusammengewirkt, die Neigung des Sprechenden ausl. 
n zu 7it zu entwickeln, und die Neigung des Schreibenden, die voll- 
ständigere und scheinbar correctere Form vorzuziehen. — Wie die 
verbale Vorsilbe ist auch die Präp. en = i7i in entgegen (mhd. en- 
gegenej ahd. m geginl) und entzwei (mhd. emwei = in zwei) be- 
handelt, vgl. § 161 A. 

Anm. Andere Beispiele für Epenthese im Mhd., welche die 
Schriftsprache nicht aufgenommen oder festgehalten hat (nament- 
lich h oder p zwischen m und t) bei Whd. § 157; auch Luther 
schreibt: allesampt, kumpts^ zympt, berumpt^ ungereimbt, verdamp- 
fen, frembdling ; vordampten, kömpst etc. wundsch, wündschen Franke 
§ 71. 83. 

154. Einscbiebuug von Consonanten zwischen Vocalen. — 
Vocalisch auslautende Stammsilben sind nicht eben häufig nnd 
oft hat die Spraclie darnach gestrebt, durch Eiuschiebnng 
consonantischcr Zwischenlaute sie zu beseitigen. 

Im Gotischen ist von dieser Neigung erst wenig wahr- 
zunehmen. Ein unorganisches h ist von den Schreibern einige 
mal gesetzt, aber nur in fremden Eigennamen (Br. § 61 A. 3); 
j ist vielleicht in dem Verbum ftaian säen als Übcrgangslaut 
eingetreten, öfters findet es sich in der Form naijip^ also vor 
folgendem /, einmal auch vor a, in Haijands^ doch ist es frag- 
lich, ob diese Auffassung des j richtig ist; s. Flexion und 
vgl. auch oben § 129. 

Weitere Verbreitung gewinnen die Übergangslaute im 
Hochdeutsehen, und zwar sind es namentlich die Conso- 
nanten j {g), IC, h, die so gebraucht werden, also dieselben 
Laute, die, wo sie etymologisch begründet sind, schwach arti- 
culiert werden und allmählich verklingen. Schwach articuliert 
waren sie natürlich auch als Übergangslaute; daher werden 
sie in der Schrift bald bezeichnet, bald nicht, wechseln auch 
untereinander. Ihre Scheidung von den organischen Lauten 
fällt zuweilen schwer, besondere beim j, weil dieses auch ab 
organischer Laut besonders flüchtig ist. 



§ 155. 156.] j, w^ h als Überg'angslaute. 201 

155. FQr die Geschichte dieser Zwischenlaate sind am 
wichtigsten die Vcrba pura auf ä und uo und ihre nominalen 
Ableitungen; z. B. säan säen, häen bähen, Tcnäen kennen, 
Tcräen krähen, bluoan blühen, muoan mühen, gluoen glühen, 
Jcräa Krähe, säio Sämann u, a. Der Umlaut, der in der 
späteren Zeit deutlich hervortritt, zeigt, dass wir ein ableiten- 
des j voraussetzen müssen, doch sind in den älteren Denk- 
mälern die vocalisch auslautenden Formen die regelmässigen 
(Br. § 117 A.), und wenn überhaupt ein Zwischenlaut be- 
zeichnet wird, eracheint er gewöhnlich als ä. j wird erst mit 
dem 11. Jahrb. häufiger, w ist local beschränkt (ostfränkiseh) 
und namentlich bei den Verben auf uo selten (Br. § 359 A. 
3. 4). Man hat hiernach anzunehmen, dass die Sprache das 
organische j zwar fallen Hess, alsbald aber Übergangslaute 
an dessen Stelle traten. 

Der Übcrgangslaut j, der mit dem ursprünglichen j nicht 
identisch gewesen sein muss, erklärt sich aus der palatalen Natur 
der umgelauteten Vocale. Dem h möchte man am liebsten wie im 
Nhd. gar keinen consonantischen Wert beimessen, es etwa als ein 
Zeichen auffassen, dass der folgende Vocal ohne vocalischen Ein- 
satz gesprochen werden soll; denn dass schon die altdeutschen 
Schreiber mit dem Buchstaben nicht notwendig die Vorstellung 
eines Consonanten verbanden, zeigt sich darin, dass er sogar zwi- 
schen den Bestandteilen eines Diphthongen oder eines durch Doppel- 
schreibung bezeichneten Vocales vorkommt, z. B. hohubit für houbii, 
seher für ser Schmerz (Br. § 152 A. 3). Aber anderseits scheint 
die Thatsache, dass bei Notker vor dem Übergangs-Ä dieselben 
Vocal Wandlungen eintreten wie vor dem organischen A (Br.§ 152 b), 
zu beweisen, dass auch jenes ein deutlich vernehmbarer Gaumen- 
laut war. Wodurch er entstand ist mir unklar. — Als Ausgangs- 
punkt des w sieht man die Formen an, die u in der Endung hatten, 
Also in den Verben die 1. Sg. Präs. und den Plural des ursprüng- 
lich starken Präteritums, im schwachen Femininum wie kräwa neben 
krda^ krd die Gas. obliqui (Bremer, PBb. 11, 73). Vielleicht darf 
man auch die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen h und to 
in Betracht ziehen (vgl. § 115 A.). 

156. Von den Verben auf ä und uo abgesehen, finden 
wir Ä im Ahd. überhaupt selten. Vereinzelt fttr organisches 
u) z. B. in eha^ hthun; für j in herihungay werihan\ auch 
in den verlängerten Optativformen (Br. § 152 A. 2 — 4); wie 



202 j, Wy h als Übergangslaute. [§ 157^ 

weit ihm ein Lautwert zukommt ist zweifelhaft. In der mhd. 

Zeity namentlich in md. Schriften seit dem 14. Jahrh. nimmt 

der Gebrauch dieses stummen h stark zu, ein Zeichen für das^ 

Erlöschen des organischen h (Whd. § 245). 

j findet sich nach i, ei, iu, ui, z. B. fugir = fuir. 
In dem Stamm Mwa- (g. heiwa-frauja Hausherr, ahd. hitvt Ehe^ 
hfwisgt Familie) tritt, indem das organische w schwindet, J, g an 
seine Stelle: htgt, htgisgt\ ebenso sptgit neben sptwitj niugiu neben 
nivwiu (Br. § 110 A. 3. 117 A. 1) und dieser Gebrauch dauert im 
Mhd. fort (Whd. § 221. 224). 

Anm. Da auch das organische j im Hochdeutschen fast nur 
nach denselben Vocalen erscheint und in der Schrift ebenso un- 
sicher steht wie der Ubergangslaut, so ist man berechtigt, auch 
dieses als einen Laut anzusehen, der sich nicht mehr aus eigener 
Kraft erhalten hat; z. B. frl&r frlgir^ fiant ftiant Neben unver- 
wandten Vocalen finden wir j nur in den längern Optativformen 
(§ 131). 

tc ist als Übergangslaut vermutlich in büwan, truwen 
anzusehen (Br. § 110 A. 2); in md. Mundarten, wo ü für iu ein- 
tritt, begegnet es öfter. z.B. füwerzfiurj gehüwer : gehiurej tüweri 
tiure; auch in Wortern, in denen ein inl. h verstummt war, z. B, 
xlütcet : flitihity schütte : schuohe (Whd. § 181). 

157. Die nhd. Schriftsprache hat die Übergangslaute 
nicht anerkannt und ebenso wie die organischen inl. j, tr, h 
aufgegeben. Nur die Schrift bewahrt ihnen noch ein An- 
denken, indem sie in vielen Wörtern ein h setzt, nicht nur 
wo es etymologisch begründet war, sondern auch in solchen^ 
wo früher j und w galten (Orthographie § 97). In Mund- 
arten aber dauern die Übergangslaute fort und sind zum Teil 
sogar zu Verschlusslauten weiter entwickelt; Behaghel, Grdr^ 
§ 74, 4. 

Anm. 1. Für die Beurteilung der Obergangslaute kommen 
auch die Contractionen zwischen Stamm und Endung in Betracht ;^ 
8. Br. § 359 A. 3. 4. Bremer, PBb. 11, 70. Beachtenswert ist, dass 
Walther in den Verben auf d, uo stets Synkope eintreten lässtr 
blüet, blüende, miiet, tccet] dagegen nicht in schrien, schriet, gefrXetj 
gedrietj vXent-^ vgl. § 274. 

Anm. 2. Einige nhd. Wörter haben h zwischen Silben, die 
erst durch Zerdehnung eines ^ entstanden sind: gehen : mhd. geiiy 
stehen : mhd. stin, ehe : mhd. ^, ehern : mhd. ^rin. 



§ 158.] Ekthlipsis. 203^ 

Anm. 3. Einig'enial steht ahd. r als Ubergangslaut zwischen 
vocalischem Aus- und Anlaut: ivölar äbur, bistur unschuldic (Br. 
§ 120 A. 3); im Mhd. vor der Partikel d in jarajd, nurä (s. Lachm. 
zu Nib. 44ß, 3). In bairisehen Mundarten wird r allgemein zwischen 
vocalischem Aus- und Anlaut eingeschoben, ähnlich wie in andern 
Mundarten n (§ 151 A. 2); Paul, Princ. S. 97. Über r in gewissen 
Verbalforraen : «cWrwri schrieen, ^pmm spieen s. Flexion. — Über r- 
für cZ s. § 83. 

Anm. 4. In einigen Wörtern liegt es nahe, Einschub eines d 
anzunehmen (Weigand, Wb.^ 1, 338); neben mhd. slür M. das Herum- 
schlendern, Faullenzen, Faullenzer steht slüderer M. einer der über- 
eilt oder nachlässig arbeitet, nhd. schludern, schlaudern, schluderig, 
ver-schleudeim, Schleuder w aar e etc., ebenso neben mhd. slür-affe r 
slüderaffe Schlaraffe [mhd. slüder F. Schleuder, slüdern schleudern, 
schlenkern, daneben auch sliir M. das Schleudern, der Stoss trennt 
man davon]; nhd. zaudern : mhd. züwen ziehen. — Nhd. Schauder 
M. schaudern (aus ndd. schuddern, vgl. ahd. scutisön) kann nicht 
aus mhd. schür M. Unwetter entstanden sein, obwohl wir jetzt 
Schauer in derselben Bedeutung wie Schauder brauchen (T)\Vb. 8, 
2307). Hauderer, haudern, das man auf mhd. hüren mieten, mit 
Mietpferden reisen bezogen hat, erklärt Kluge aus ndl. houden = 
halten; stalhouder Stallhalter. 

Anm. 5. Der Spr. At. verzeichnet die IH^ergangslaute (ji", ff^ 
iü auch d und r) in mähen, nähen (AfdA. 22, 327 f. 332 f.). Ferner 
palatale Laute (j, g, ch) in feuer (AfdA. 22, 101); labiale und guttu- 
rale (w, h, g auch hb, gg nach verkürztem Vocal) in bauen (AfdA. 
22, 105 f.). Ahnliche Erscheinungen im Auslaut für w^ wehe (20,. 
334) und den Imp. bll, blei bleib mhd. belib (21, 282 f.). 



Ekthlipsis '). 

158. 1. Wenn mehrere Consonanten nacheinander aus- 
gesprochen werden, kommt der einzelne leicht nicht zu deut- 
licher Wahrnehmung und genauer Articulation ; Assimilationen 
oder Schwund eines Consonanten sind die F'olgen, die sich 
in allen Perioden der Sprachentwickelung geltend machen. 
Die Assimilationen und die Unterdrückung eines Consonanten 
am Wortende sind in § 135 f. 148 f. besprochen; hier handelt 
es sich um die Verluste im An- und Inlaut. — Am häufigsten 



1) Noreen S. 172 f. Streitberg § 129. S. 143 f. 



204 Ekthlipsis. [§ 158. 

sind sie im Inlaut, wenn durch die Verbindung mit conso- 
iiantischcn Suffixen mehr als zwei Consonanten aneiuander- 
traten; dentale Verschlusslaute unterliegen am öftesten. Doppel- 
formen mussten sich öfter ergeben, weil nicht in allen Formen 
eines Wortes die lästigen Verbindungen galten, sind aber 
innerhalb derselben Mundart durch Ausgleich meistens beseitigt. 

Anra. Über den Schwund schwacher Consonanten, der auch 
ohne ConsonanthUiifung eintritt, ist hier nicht zu handeln; vgl. j 
% 130 f., tv § 121 ff., Ä § 88, ö, 5r § 81, n § 107, r § 113. 

2. Vor ableitendem j ist ein labialer Laut unterdrückt in 
g. fiipjisYütter, St. nepfio-, vgl. l.nepos; ein dentaler in g.sunjiif 
Adj. wahr, sunja F. Wahrheit, hi-sunjane adverbialer Gen. PI. rings 
um, alle drei Ableitungen von einem mit ?i^Suffix gebildeten Part. 
Präs. der Wz. ea sein (Grdf. sut-io-)'^ ebenso ahd. hefianna F. ent- 
stellt zu nhd. Hebamme (Grdf. kaplonflä) Part. Präs. zu hafjan; 
ahd. Zinna F. Zinne : mhd. zint Zacke, Gipfel; ahd. niinna aus 
mlnnea : g*. (ja-minpi N. Gedächtnis; vermutlich auch iih({, Pfenning, 
ags. penning M. (neben ahd. pfenting, as. ags. pending) aus älterem 
"^pandio- zu jnmd Pfand (Kluge, Grdr. S. 333). — n ist unterdrückt 
in den mit j gebildeten Formen der ad jectivischen «-Stämme : g. 
hardja-, sufja- aus hardiji-, siiffji-; ahd. fatureo^ vefiro M. Vetter 
(Grdf. fadiunjia, ai. jyifrvyas). — Anderseits: g. sa?idja7i senden, 
ahd. sundea F. Sünde (v<^l. ags. synn)\ <?. tcaiirstwja Arbeiter, skad- 
wjan beschatten (vgl. Streitberg S. 14G). 

3. Vor einem Nasal ist ein Dental unterdrückt in g. sibun 
sieben: 1. septeni] in ahd. dband : An. apfan^ ags. ctffen und cefeii 
(s. Schmidt, Sonantentheorie S. 76 f. Brgm. IF. 5, 376 f.); öfters in 
der Verbindung n//i, so dass /?« entsteht (Beispiele § 137, 4). — 
Ein Labial in ahd. holvWj mhd. ?ialme Handhabe: gleichbed. ahd. 
mhd. halb M. und ahd. haJftra F. Halfter, vielleicht auch in g. 
<ir7yi8 Adj. arm. — «in der Verbindung rs7i in ahd. hirni N. Ge- 
hirn, vgl. ndl. hersen F.; ahd. horna^, hornä^ M. Hornisse, vgl. 
ndl. horzeL — mn ist nicht nur nach Consonanten, sondern auch 
nach langen Vocalen (§ 137, 3 Fussnote) teils zu wi, teils zu n ge- 
^'orden (Schmidt, Sonantentheorie S. 110 f. 120. 136). Daher die 
Doppelformen ahd. farni, farn Farrnkraut ; ahd. harn urina, 
mhd. hann. 

4. In einer beträchtlichen Zahl von Wörtern ist der Wurzel- 
auslaut vor ,"9, das mit einem andern suffixalen Laut verbunden 
war (IF. 6, 102), verschwunden. Vor 8^, atr ein Dental in ahd. 
Mast F. Last zu g. hlapan laden; ahd. rost M. Rost zu Wz. rüdh \\\ 
röt Adj.; ruat F. Rüstung zu ags. hreodan schmücken; ebenso iu 



§ 158.] Ekthlipsis. 205- 

g. blöstreis M. Opferer, gilstr N. Steuer, ahd. riostar N. Pflugschar 
(II §219, 3). — Ein Guttural in g.waurstw N.Werk zu waurkjan, 
ahd. lastar N. Laster zu lahan tadeln; ahd. mist M. Mist (aber g» 
maihstus)^ auch in ahd. ftlst Faust. — Ein Labial in ahd. heist 
heftig (aber g. haifsts Kampf); mhd. huste ein auf dem Felde zu- 
sammengesetzter Getreidehaufe zu ahd. hüfo Haufe. — Vor «n ein 
Dental in g. us-heisns F. Geduld, ana-büsna F. Auftrag (II § 237, 1). 
— Vor sni ein Dental (II § 233, 2) in ahd. brosmo M. brosma F. 
Brosame, rosamo Kost; ein Guttural in ahd. deismo M. Sauerteig 
(aber daneben d^hstno, dihsmo processus). — Vor ak (II § 87, 2l 
277. 355) ein Dental in ahd. tvaskan waschen zu g. tvatö Wasser^ 
mhd. krischen schreien, lüschen lauschen; ahd. horsc munter, rase 
rasch; vielleicht in mhd. bi)sch M. Knüttel, Schlag zuööjen; ein 
Guttural in ahd. It'scan erlöschen, eig. sich legen zu g. ligan, 
ahd. forscön forschen, misken mischen, mhd. phneschen schnauben 
(II, *5 87), ahd. frosc M. Frosch, Grdf. *fruh'ska-, vgl. ags. frogga^ 
nuska F. Schnalle zu 1. nectere\ mhd. mursch morsch zu gleich bed. 
murc\ ein Labial in nhd. haschen (md.), vermutlich *hafsk6n zu 
1. capere. — Vor sp ein Labial in ahd. raspön aus *rafsp6n zu- 
sammenraften zu ndd. rapen^ mhd. raffen\ ein Guttural in mhd. 
riuspenij rhtstern räuspern zu Wz. rüg (gr. ^peuTCiv, 1. e-rugere 
ausspeien) in ahd. ita-rucchen wiederkäuen. — Vor 8W ein Gut- 
tural in ahd. zesaiva = g, taihsiva die Rechte. 

5. Vor ahd. z = germ. t ist nicht selten gutturaler Aus- 
laut unterdrückt: ahd. lenzo M. Lenz neben ahd. mhd. lange^^ 
ahd. runza, runz'da F. Runzel aus *icrunktay vgl. gleichbed. mhd. 
i^unkCy ags. wrinkle; nhd. Lunte vermutlich zu Lumpe (Franck s. v. 
lont). — Besonders geben die Consonanthäufungen , die in den 
Verben auf g. -afjan, ahd. -azzen durch die Unterdrückung des 
Vocals entstehen, in der jüngeren Sprache zu mancherlei Entstel- 
lungen bald des Auslautes, bald des Suffixes Anlass, mhd. stnatzen, 
sicanzen, nhd. verhunzen ^ ranzen, hopsen, mucksen, manf sehen, 
quietschen, ru/5CÄ6/i (II § 83. 81). Einige Substantiva schliessen sich 
ihnen an: mhd. sivanz M. Schleppe, Schwanz zu mhd. swanzen aus 
*sicankezen zu swanc Adj. schwankend; mhd. blitze, blicze, blicz M. 
(= ahd. mhd. blic blickes M.) zu mhd. bliczen (Luther blixen), ahd. 
bl^.cchazzen, 

6. Jüngere Synkope, die zu Consonanthäufungen und -reduc- 
tionen führt, tritt ein in ahd. diutiscj mhd. tiutsch und tiusch-^ mhd. 
welhisch, iceisch; mhd. un-wirdisch unwürdig, verächtlich, zornige 
unwirSy nhd. ufiwirsch. (Anderer Art sind AVi^^er, Kelke^ Sense ^ Bl; 
Amt, Wayns § 80.) 

7. Auch erste Compositionsglieder haben zuweilen ihren 
auslautenden Consonanten verloren. — Im Gotischen zeigt sich dies 



20G Ekthlipsis. [§ 158. 

iinr bei den Vorsilben us^ twis-, dis\ denn dass in der Verbindung* 
dieser mit einem mit st oder sk anlautenden Wort öfters nur ein « 
geschrieben wird (Br. § 78 Anm. 5) ist wohl nicht nur Nachlässig- 
keit. Häufiger werden solche Erscheinungen im Hochdeutschen. 
Schon im Ahd. gilt sehzug neben s^'hszug, g, saihs tigjus. — mhd. 
amman ^l, = ambetma7i\ mhd. bider-marij -wtp für hiderb-Tnan, '^P 
und aus diesen Compositis nhd. bieder für biderbe (s. Kluge Wb.); 
mhd. kirmiisse für *kirch'tn'€sse (auch mhd. kii^-spil, -wthe). — nhd. 
Dienstag (Luther Dinstag) aus mndd. dings-dach, d. i. der Tag des 
Mars Thingsus; nhd. siebzig y siebzehen für sibenzig^ sibenzehn. 
[Auslautendes n nach langem Vocal verstummt in mhd. It-l^ichen 
Leilachen aus lln-lachen, ahd. Itn-lahhan; mhd. ei-lant allein liegen- 
des Land, Insel aus mhd. einlant, — nhd. an heischig für mhd. 
ant-hei^ic verpflichtet beruht auf Umdeutung.] — Über die unbe- 
tonten Vorsilben ent-, zer- s. § 153, 2. § 150, 2; über andere Ver- 
stümmlungen in der Composition § 317. 

8. Fremdwörter: ahd. muoltera F., mhd. rauolter^ miUier, 
viuolte^ mulde Mulde: 1, tnulctra ; ahd. sehtari, mhd. sUhter, sester M. der 
Sechter : mhd. sehster, ahd. sehstäri, lat. sextarius, — mhd. bunt Adj.: 
lat. punctus\ mhd. kelter, kalter F. die Kelter : ahd. kelketra, calctura^ 
lat. calcatnra\ spät mhd. pidt N. Pult : pidpt, pulpet^ lat. pulpitufn\ 
mhd. spunt (auch puncto pfunt) M. Spund : X.puncta (s. Kluge Wb.); 
mhd. tinte : tinkte^ ahd. lat. tincta, 

Anm. 1. Manche Ekthlipsis, die früher begegnet, hat die 
Schriftsprache nicht angenommen; s. Whd. § 156; über t^ das be- 
sonders oft wegfällt, § 193. 195. 

Anm. 2. Das Bestreben Consonantverbindungen zu erleich- 
tern, welches in den angeführten Beispielen zur Unterdrückung eines 
Lautes führt, äussert sich auch in anderer Weise. Es hemmt die 
Entwickelung der mit einer Spirans verbundenen Tenuis («p, st, sky 
ft, ht) zur Affricata (§ 38), es bewirkt, dass AfFrication des Aus- 
lautes aufgegeben wird (§ 50), Consonantverdoppelung nach voran- 
gehenden Consonanten nicht eintritt oder Stand hält (§ 134, 3), und 
veranlasst die in § 53 besprochene Neigung der ahd. Schreiber, in 
Consonantverbindungen für p^ t, k die Buchstaben 6, d, g zu wäh- 
len, die ihnen leichtere Laute bezeichneten. Auch an die Unter- 
drückung des Verschlusseinsatzes in mhd. Präteritis wie saste^ kraste, 
swiste für sazte^ krazte^ sivizte ist hier zu erinnern ; vielleicht auch 
an strihte^ druhte^ blihte für stricte, driicte, blicte, obwohl für diese 
auch andere Umstände in Betracht kommen; s. Flex. 

9. Auch der stark betonte Anlaut ist nieht überall 
unversehrt geblieben. Nach einem andern Consonanten hat j 
sich nirgends erhalten, w ist unter gewissen Bedingungen geschwun- 
den (§ 118). Vor einem andern Consonanten giebt das Hochdeutsche 



^ 159.] Metathesis. 207 



S 



h und w auf (§ 87, 2. 120), schon früher ist g in der Verbindun 
gw aufgegeben (§ 34), und der mittlere Consonant in der Ver- 
bindung skl\ ahd. slio^an neben 1. claudo weist auf eine Wz. skleud^ 
neben g. skcU, ahd. sccU soll stehen im Ahd. Formen ohne c, die 
möglicher Weise aus einer Stammform skl- zu erklären sind (vgl. 
^ 57 Anm.). Andere Beispiele bei Noreen S. 172. Streitberg S. 145. 
Über das Germanische hinaus reicht der Abfall des d in g, hund, 
^hd. hunt hundert, vgl. 1. centum, gr. ^kotöv aus idg. dkmtötn zu 
1. decem^ gr. ö^kq, g. taihun (Noreen S. 209). — Fremdwörter, die 
im Anlaut ungeläufige Consonantverbindungen verlieren sind ahd« 
salmo M. Psalm, salteri Psalterium; mhd. sittich M. psiÜich^ lat.- 
gT. psittacus, 

Anm. 3. Auch sonst stehen hin und wieder sinnverwandte 
Wörter mit zusammengesetztem und einfachem Anlaut nebenein- 
tinder, ohne dass lautgesetzliche Entwickelung nachweisbar ist. Be- 
sonders häufig kommt 8 so vor (§ 101 A.); aber auch andere Laute 
z. B. g. qainön weinen (daneben wainags) : ahd. weinön. ahd. quah- 
tela (ndl. kwakkel) und wahtala F. Wachtel; ahd. gnagan (as. ags. 
gnagariy an. gnaga^ as. cnagan, ndl. knagen) und ahd. nagan nagen; 
mhd. krimpfen krumm zusammenziehen : rimpken (vgl, auch randd. 
wrimpen und ags. ge-hrumpen runzelig) u. a.; vgl. J. Schmidt, So- 
•nantentheorie S. 158. — Aus Dissimilation erklärt man die Verein- 
fachung des Anlauts in Vogel und Bier^ wenn man diese Wörter 
zu fliegen und brauen zieht; s. Kluge Wb. und IF. 5, 377 f. 

Metathesis. 

159. 1. Gewöhulich besteht die sogenannte Metathesis 
in der verschiedenen Stellung des Vocales zu einer Liquida 
oder einem Nasal, denen meist noch ein anderer Consonant 
vorangeht-, am häufigsten tritt sie bei r ein. In vielen Fällen 
reicht die Verschiedenheit bis in die idg. Ursprache zurück 
und hängt mit der Entwickelung des Ablautes zusammen. 
Wie weit sie wirklich durch Umstellung eines unbetonten 
Vocales bewirkt ist, darüber sind die Ansichten geteilt; mei- 
stens beruht sie jedenfalls darauf, dass der Wurzelvocal in 
manchen Wörtern unterdrückt, in andern erhalten, resp. aus 
silbischen Consonanten neu erzeugt ist (§ 167)*). Innerhalb der 
germanischen Sprachen selbst zeigt sich die Verschiedenheit z. B. 



1) Kluge, Grdr. § 17. Noreen S. 9 Aum. 2. S. 83 f. 89. 



208 Metathesis. [§ 160. 

in g, fötu'baurd N. Fussbrett, as. bord : ahd. brH N. ; g. faur^ faiira, 
ahd. /mW, fora^ furisto u. a. : g. fruma der erste, ahd. fruma F. 
Nutzen, auch g. frauja Herr, ahd. frouvca F. Herrin u. a.; g.fraih- 
nan, ahd. frdg€n fragen (vgl. 1. precari) : ahd. f^rgön bitten, fors- 
c6n forschen. Ahd. b^ro Bär : ahd. 6?^n braun, glänzend; ahd. 
scr^ön schneiden : scarbön. — Neben l : ahd. gUo gelb (1. helvus): 
ahd. gluoen glühen (gr. x^uipöq); ahd. f^ld N. : ahd. flado M. Fladen. 
— Neben n : g. kann ich verstehe, ahd. kan etc. : ahd. knäan er- 
kennen, ^d^ F. Kenntnis; g. Ar;ini N. Geschlecht, -kunds stammend, 
ahd. kind N. : g. knöds F. Geschlecht, ahd. knuot u. a.; g. nörAf« F. 
Nacht : g. ühtwö (ans *unhtwö) F. Morgenzeit, — Im Verhältnis zu 
den verwandten Sprachen tritt sie hervor z. B. in g. haurds F. 
Thur, ahd. Äwri Hürde : 1. crate8\ g. kaum N. Korn : 1. gramem^ g. 
straujan streuen, ahd. «^r(5 Stroh : l. stemo, gr. öTop4vvu^l, öTpuj- 
vufii. Ahd. Arf?/" N. Mutterleib : 1. corpus. — Neben l: g. fulls voll: 
1. plenus; g. fvuUa F. Wolle : 1. ^awa (aus *wlana). — Neben w: ahd. 
naba F. Nabe, nabalo M. Nabel : 1. umbo, gr. öiicpaXö^. 

Wenn ein Vocal neben n schwindet, können, da w unter ge- 
wissen Bedingungen zum Vocal wird, verwandte Wörter mit und 
ohne Consonanten neben einander stehen (Noreen S. 88). Dies Ver- 
hältnis besteht vielleicht in g. sitiks^ ahd. sioh siech : mhd. sicach^ 
ahd. siodan sieden : ahd. swedan langsam verbrennen, mhd. sivadeni 
M. Dunst; ahd. swelii N. Schwelle : g. ga-suljan gründen und g. 
sauüf F., ahd. sül Säule. 

2. ÄuBserlich ganz gleich ist die Metathesis des r, die 
später das Md. und Ndd., aber auch das Elsässische oft ein- 
treten lässt, meistens in Wörtern mit kurzem Vocal und darauf 
folgendem dentalen Consonanten^ zu dem das Zungeu-r natür- 
liche Verwandtschaft hat (Franck, ndl. Gr. § 106). Daher 
stammt in der nhd. Schriftsprache Born neben Brunnen, bersten 
für bresten, Bernstein für Brennstein, Albert neben Albrecht 
u. a. Whd. § 213 f. J. Schmidt, Voc. 2, 453. 

Den älteren Vorgängen näher verwandt ist der Wechsel 
zwischen unbetonten en : ne, er : re der im Mhd. nicht selten ist, 
besonders in der Negation ne und der Vorsilbe er-; vocallose n, r 
bilden die Vermittelung: er enistj ich enkan, nu enwelle; dö restarpy 
wol rekande etc. (MSD. 2, 450. Whd. § 158. 215.) 

160. 1. Auch zwei Consonanten können ihren Platz 
vertauschen; gewöhnlieh sind sie benachbart. Die Schrift- 
sprache hat die Metathesis von ps zu sp anerkannt (§ 95); 



§ 161.] Partielle Assimilation. 209 

von der Neigung oberdeutscher Mundarten, Nasale und Liquiden 
aus der Flexion oder Ableitung in die Stammsilbe aufzunehmen, 
ist sie frei geblieben; z.B. alem. gseng got == gesegne Gott\ bair. 
8ang = sag€ny gengad= Gegend -y ehenso ndlde aus wadc/ (auch ndl. 
naalde^ me. nHd)y ingesüg aus ingesigely dornst ac aus donnerstac 
oder donrestac. (Whd. § 211—213. J. Schmidt, Voc. 1, 29 f. 102 f.). 
— Auf dieselbe Weise ist nach gemeiner Annahme schon im Idg. 
das n-Infix in den Präsensstamm starker Verba getreten (II §18,3); 
s. jedoch J. Schmidt, Sonantentheorie S. 42 f. 

2. Zuweilen erfolgt auch Metathesis von Consonanten, 
die durch einen Vocal getrennt sind. Zum Teil sind es Fremd- 
wörter, die diese Entstellung erfahren haben: ahd. ezzih Essig: 
g. akeitf 1. acetum; mhd. kokodriUe i \. crocodilus', aber auch ein- 
heimische: gevm.*alisaj ndd. nhd. Else, ahd. elira Eller : &hd. erila 
Erle\ mhd. nabe-gAr, nebe-gir : negeber Neber (Bohrer). Auch ahd. 
gei^ Geis : ziga Ziege ; mhd. kifzeln : engl, to tickle u. e. a. glaubt 
Kluge, Grdr. § 17 so erklären zu können; vgl. AfdA. 21, 309. 



Partielle Assimilation. 

161. Die vollständige Assimilation, durch welche ein 
Consonant seinen Nachbarlaut ganz in sich aufnimmt und 
dadurch sein eignes Gewicht mehrt, ist unter der Consonant- 
verdoppelung in § 135 f. behandelt. In andern Fällen nähert 
sich der Consonant nur der Natur benachbarter Laute. Dahin 
gehört der häufige Übergang stimmloser in stimmhafte, oder 
stimmhafter in stimmlose Laute, je nachdem die Umgebung 
stimmhaft oder stimmlos ist; also die Wirkungen des Vemer- 
schen Gesetzes (§ 22 f.). die Verhärtung stimmhafter Spiranten 
und Vcrschlusslaute im Wort- und Silbenauslaut (§ 145 f.), der 
Notkersche Canon (§65); ferner der Übergang von m zu n 
vor Dentalen, von n zu m vor Labialen (§ 108 f.), von f zu jp 
vor/'(§ 109 A. 1), auch der von tw znhw {q)y denn in Folge 
der Nebenarticulation sind k und w näher verwandt als t und 
w (§ 85). 

Eine dritte Art von Assimilation endlich ist es, wenn 
zwei Consonanten zu einem verwachsen, der an den Eigen- 

W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 14 



210 Partielle Assimilation. [§ IGl. 

tümlichkeiteu beider Teil nimmt. So entstehen schon in alter 
Zeit Pf b, f aus Jcy^^ g^, hu, indem das labiale Element die 
Articulationsstelle^ das gutturale die Artieulationsweise bestimmt 
(§ 35); so im mhd. nicht selten k und p aus tg und tb, z. B. 
Liut'bolt : Liu(f)polt, Liut-gart : Liu(t)Jcart, tcind-brä : icin{ty 
präj nhd. Wimper \ sent-bcere berechtigt an dem sende teil- 
zunehmen : sempcere, semper-frl'^ enJcelten, enipieten, enprennen^ 
(Whd. § 155); so auch aus 1. pituita mlat. pipita, Sihd.pfiffiZy 
pfipfiz, nhd. Pfipfs, Pips, 

Anin. Unter dem Einfluss der Vorsilbe ent- wurde auch die 
Priip. en (= in) behandelt in enkegen aus ingagini (§ 153, 2), em- 
por aus enboVj ahd. in bore und darnach wieder nhd. empören^ 
mhd. enhoßren, ahd. ana-bören. 



Geschichte der Vocale. 



Ablaut. 

162. Wörter, die aus derselben Wurzel eutsprossen sind, 
pflegen in den Consonanten der Wuraelsilbe übereinzustimmen. 
Einfluss benachbarter Laute, Assimilation, grammatischer 
Wechsel, verschiedene Behandlung des einfachen und gedehn- 
ten Consonanten in der Lautverschiebung und andere Momente 
Laben zwar mancherlei Abweichungen hervorgebracht, aber im 
ganzen behaupten sich die Consonanten, und zwar um so mehr, 
je weiter wir in der Geschichte der Sprache zurückgehen, als 
der feste allen zusammengehörigen Wörtern gemeinsame Stamm. 
Die meisten Consonanten haben Veränderungen erfahren, indem 
fiie aber dereelben Veränderung in allen verwandten Wörtern 
ZM unterliegen pflegten, blieben sie doch das einigende Band. 
Anders ist es mit den Vocalen. Die Wörter: geben, giehst, 
gab, gäbe, Gäbe\ biege, bog, böge, beugen. Bucht; kann, 
können, konnte, kenne, Kunst, Künste zeigen die gleichen 
Consonanten g — 6, b — g, k — n, aber vier, fünf, sechs ver- 
schiedene Vocale. Ursprünglich ist diese Mannigfaltigkeit nicht; 
zum Teil ist sie das Ergebnis junger Vorgänge, zum Teil aber 
reicht sie über das Leben der germanischen Sprachen bis in 
die indogermanische Vorzeit zurück. Die älteste Schicht von 
Vocalentwickelungen fasst man unter dem Namen Ablaut 
oder Vocalabstufung zusammen. 

163. Über den üreprung des Ablautes hat man ver- 
schiedene Vermutungen aufgestellt. J. Grimm fasste ihn als 
eine rein dynamische Veränderung des Wui-zelvocales, die nur 
-dazu diene, die Verschiedenheit der Bedeutung oder gramma- 



212 Ablaut. c-Reihe. [§ 164. 

tischen Function sinnlicb heiTorzuhebcn; ricbtiger Bopp als 
einen rein phonetischen Vorgang, der ursprünglich keinen logi- 
schen Wert gehabt hätte und in dem verschiedenen Gewicht 
der Endungen gegründet sei : vor leichten Endungen erscheine 
schwerer, vor schweren Endungen leichter Wuraelvocal. 
A. Holtzmann (1844) und Benfey (1845) vermuteten zuerst 
in dem Accent eine wesentlich treibende Kraft, und so weit 
sie noch davon entfernt waren, die mannigfachen Erscheinungen 
des Ablautes richtig zu erkennen, so hat sich diese Vermutung 
der späteren Forschung doch als brauchbar erwiesen. Jetzt 
ist allgemein anerkannt, dass der alte indogermanische Accent 
der wichtigste Factor für die Ausbildung des Ablautes war, 
er bewirkte zuerst, dass innerhalb derselben Wurzel sich ver- 
schiedene Vocale entwickelten*). 

Die e-Reihe. 

164. Die Hochstufe. — Das Walten des Ablautes 
lassen am deutlichsten und in der reichsten Mannigfaltigkeit 
die e/o Wurzeln erkennen, d. h. Wurzeln, deren Vocal schon, 
im Idg. bald als e, bald als o erschien. Woher dieser Wechsel 
stammt, ob er etwa mit dem musikalischen Accent, der Höhe 
und Tiefe des Tones, zusammenhängt, ist nicht sicher zu er- 
kennen^). Jedenfalls kommen beide Vocale betonten Silben 
zu. Man bezeichnet sie daher als Hochstufen, und zwar e 
als die erste Hochstufe oder auch als Normalstufe, o als die 
zweite Hochstufe. 



1) Einen historischen Überblick der Forschung giebt Col- 
litz, ZfdPh. 15, 1 (1883) und sehr eingehend Bechtel, Die Haupt- 
probleme der idg. Lautlehre, Göttingen 1892. — Unter den zahl- 
reichen Schriften mögen besonders hervorgehoben werden: F. de 
Saussure, Memoire sur le Systeme primitif des voyelles dans les 
langues indo-europeennes, Lipsick 1879. Hübschmann, Das indo- 
germanische Vocalsystem, Strassburg 1885. — Vgl. ferner Kluge^ 
Grdr. I, S. 349 f. Noreen S. 37 ff. Streitberg S. 36 f. Weitere Litte- 
raturangaben bei Hübschmann S. 1 f. Brgm. I S. 32 Fussn. 2. 

2) Brgm. I S. 251. Noreen S. 38. Streitberg S. 36 und die- 
dort angegebene Litteratur. 



^165.166.] Ablaut. c-Reihe. 213 

Das Griechische, Lateinische, Slavische haben die Laute 
in dieser Form bewahrt, z. B. gr. fx^ ' öxo?> v|/etuj : \\i6yo<;, 
^^Tui : XÖToq, 1. precor : procus, tego : toga. Im Germanischen 
ist o in a, e vielfach in i übergegangen. Am deutlichsten 
ausgeprägt finden wir den Wechsel im starken Verbum; 
-das Präs. hat i, der Sg. Prät. a; z. B. giba gaf, binda band, 
nima nam. Die arischen Sprachen haben diesen Unterschied auf- 
gegeben, sie haben tiberall ein eintöniges a. Und da diese Sprachen 
in so vieler Beziehung am altertümlichsten sind, hatte man früher 
dieses a für den ursprünglichen Laut gehalten und angenommen, 
dass er in den europäischen Sprachen sich in e und o gespalten 
habe. Aber nachdem man erkannt hat, dass im Altindischen die 
Gaumenlaute vor a, je nachdem es einem europäischen e oder o 
entspricht, verschiedene Gestalt gewinnen (§ 31 A.)} ist als sicher 
erwiesen anzusehen, dass die europäische Doppelheit älter ist, als 
die arische Einheit. 

Die Doppelheit e-o ist das älteste, was wir erreichen können; 
-welcher Vokal erklang, ehe die Sonderung von e und o vor sich 
gegangen war, oder mit andern Worten, welcher Vocal der Wurzel 
an sich zukam, ist nicht zu ergründen (§ 169 Anm.). Früher be- 
zeichnete man den Laut oft durch a, und zwar die erste Stufe 
durch aj, die zweite durch «2» ^^^r über die Natur des Lautes ist 
dadurch nichts entschieden; diese a^ und a^ sind nur Zeichen für 
eine gedachte Grösse. 

165. Wurzeln mit i und ^, In Wurzeln mit den Halb- 
Tocalen i und ^ verbinden sich diese mit dem vorhergehenden 
Vocal zu Diphthongen. So entstehen ei oi, eu ou; vgl. gr. 
XeiTTUJ, X^XoiTra; aTreubuj, aTTOubr). Im Germanischen ist auch 
in diesen Verbindungen e in i, o in a übergegangen, so dass 
die Laute i (=«, im Gotischen ei geschrieben), ai, iu, au 
entstehen: giban : gaf=steigan : staig^biugan : baug. Die 
drei Verba repräsentieren die drei ersten starken Conjugationen, 
aber dieselbe Ablautreihe, die e-Reihe. 

166. Tiefstufe. — 1. Der Vocal betonter Silbe steht 
auf der Hochstufe, der Vocal unbetonter Silbe auf der 
Tiefstufe. Hier wird er unvollkommner articuliert und 
erscheint entweder reduciert (nebentonige Tiefstufe), oder er 
verstummt ganz (tonlose Tiefstufe oder Schwundstufe). Den 
reducierten Vocal bezeichnet man durch 9. Bechtel S. 103 f. 



214 Ablaut. Liquida und Nasalis sonans. [§ 167. 

2. Die schwächste Gestalt zeigt sich sehr deutlich i» 
den Wurzeln, auf deren Vocal i und j* folgte. Während sie 
in betonter Silbe i und u mit dem vorhergehenden e und a 
zu Diphthongen verschmelzen lassen, mtlssen sie in unbetonter 
Stellung die Vocale e und o ganz entbehren, und i und j« wer- 
den zu selbständigen Vocalen i und u; so z. B. im Part, und 
im PI. Prät. der st. V. 2. 3; steiga, staig^ stigum, stigansy 
biugan, hang, hugurriy hugans. Denselben Wechsel in ursprüng- 
lich betonten und unbetonten Wurzelsilben zeigt das Griechi- 
sche: XeiTTOj, X^Xonra, fXiTrov; ireiGu), TreiroiGa, ?m9ov; qpeuTiWr 
JqpuTOV. 

Hätte sich der Vocalismus aller Wurzelsilben gleich ent- 
wickelt, so wäre nach dem Verhältnis von stei^a : stiganSj 
biiiga : bugans zu erwarten giba : gbans^ mita : mtanSy sita : 
8tans\ es heisst aber gibans, mitansy sitans. Diese Participia 
von Verben, die auf einen Verschlusslaut ausgehen, zeigen 
also den Vocal der Normalstufe; vgl. Bechtel S. 104 f. Dass^ 
an und fttr sich auch zwischen Verschlusslauten der Vocal 
schwinden konnte, zeigen Formen wie gr. d-7TT-ö|ir|v neben 
7T^T0)iai, TTOTri', aiT-^a-Gai neben ?^TO^al (d. i. aeiroiüiai); aber 
das germanische Verbum hat zwischen Anlaut und Auslaut 
der Wurzel immer einen Vocal. Nur der Schwund eine» 
anlautenden Wurzelvocales ist in einigen isolierten Formen zu 
belegen; g. sind sind neben ist, Wz. ea\ g, tunpus Zahn, 
Participialbildung zu itmi essen, Wz. ed. 

3. Dem idg. d entspricht in Silben, die das Germanische 
betont, a (§ 172), in unbetonten vielleicht u (§ 254,3). 

167. Liquida und Nasalis sonans. — 1. Ähnlich wie i 
imd y^ können auch Liquide und Nasale silbenbildend als 
Vocale gebraucht werden. Im Skr. erscheint r in dieser Func- 
tion, in slavischen Sprachen r und Z, auch im Deutschen 
kennen wir silbenbildende Liquide und Nasale in den Ablei- 
tungssilben -el, -er, -en, -em, in Wörtern wie Angel, angeln etc» 
Man kam daher auf die Vermutung, dass unter denselben Be- 
dingungen, unter denen ei und eti zu i und u wurden, aus er, 
elj eniy en silbenbildende r, /, m, n erzeugt wurden, und dass 



§ 167 ] Ablaut. — Liquida und Nasalis sonans. 215 

die Vocale, die wir in den historisehen Sprachen neben diesen 
Consonauten finden, erst später sich entwickelt haben. Die 
Hypothese, an die mehrere Forscher gedacht hatten, ist zur 
Theorie ausgebildet von Brugmann. Viele haben sie angenom- 
men, andere bestreiten sie, in neuester Zeit namentlich Bechtel 
und J. Schmidt. Diese nehmen an, dass wie vor andern 
Consonanten auch vor Liquida und Nasal in unbetonter Silbe 
entweder ein schwacher Vocal sich behauptete, oder wenn er 
ganz unterdrtlckt wurde, reine unsilbische Consonanten übrig 
blieben *). 

Aber wie es sich damit verhalten mag, jedenfalls ge- 
stattet die Natur der Liquiden und Nasale sie silbenbildend 
zu brauchen, und jedenfalls hat der Vocal unter dem Ein- 
fluss dieser Laute seine eigentümliche Form gewonnen. Vor 
den Liquiden gelten im Germanischen und Lateinischen die 
dumpfen Vocale u und o, im Slavischen i, im Griech. a; die 
Nasalbildungen ergeben im Germ, un on, um om, im Lit. in, im, 
im Lat. en, em\ im Gr. und Ai. einfach den Vocal a\ z. B. in 
den st. V. 1^*^: g. hilpa, halp : hulpans^ wairpa, warp : waur- 
pans'^ nima, nam : numans\ binda, band : bundans\ vgl. 
ferner bepKOjiai, b^bopKa : fbpaKOv; ßcXoq, ßoXr) : ?ßaXov; g. 
hundy 1. centum, skr. gatätriy gr. dKaröv, lit. szimtas, 

2. In den st. Verben steht der unbetonte Vocal im Goti- 
schen und Hochdeutschen immer an derselben Stelle, wo der 
betonte steht; z. B. g. wairpan : waurpansj bindan : bundans, 
hrikan : bruJcans, ahd. flehtan : giflohtan etc. In andern 
Wörtern geht er den Liquiden und Nasalen gewöhnlich voran; 
z. B. Bord zu Brett j forschen zu fragen u. a.; zuweilen aber 
folgt er; z. B. g. frtima der erste zu faur\ Norccn S. 9 Anm. 

3. Wenn auf Liquida oder Nasal ein Vocal folgt, kann 
der vorangehende Vocal ganz untergehen, ohne silbenbildende 



1) Brugmann, Nasalis souans in der idg. Grundsprache 
(Curtius Studien 9, 287 f.). J. Schmidt, Kritik der Sonantentheorie. 
Weimar 1895. Weitere Litteraturangabeu Br*;;m. I § 222 A. Ge- 
schichte der Forschun«:: Bechtel, Hauptprobleme S. 119—124. — 
Vgl. auch Hirt (Litt. Bl. 1896 Sp. 146), der eine neue vermittelnde 
Untersuchung verspricht. 



216 Ablaut. — Lange Vocalc. [§ 108. 

Consonanten zu hinterlasseu; z. B. Knie, g. Jc7iiu neben 1. genu, 

gr. Tovu; g. triu Baum, gr. bpu-TO|ioq neben böpv; g. gredus 

Hunger neben ahd. gerön u. a. 

Anm. Der Vocal u ergiebt sich also im Germanischen sowohl 
in Wurzeln mit ew, als in solchen mit eL er, ent^ en\ aber mit dem 
Unterschied, dass y, selbst zum Vocal wird, i, r, w, n aber neben 
dem Vocal bestehen bleiben. — Über ein drittes u s. § 254, 3. 

168. Lange Vocale. — Bislier haben wir nur kurze 
Vocale und Diphthonge kennen gelernt. Daneben aber be- 
standen schon in der idg. Zeit die Längen e, ö, f, ü (Streitberg 
S. 38 f.). — 1. In denselben Wurzeln, in denen e und o 
wechseln, können auch e und ö vorkommen; vgl. Trarrip : iraTcpa; 
^rJTUJp : ^rJTopa; 7T0i)ir|v : TTOijLieva; fiT€)iuJV : fiTCMÖva. ^ zeigt das 
Germauische in den st. V. 1 im Plural und Opt. Prät. g. aetum 
wir Sassen, nemum wir nahmen ; ebenso in Nominibus, z. B. g. 
wegn Bewegung, Woge zu wigan, a«da-«ew^« angenehm zunimanj 
anda-sets abscheulich zu and-sifan u. a. (Streitberg S. 81). — 
ö fehlt in den Verben der e-Reihe, aber nicht in Nominibus; 
z. B. ahd. luog (germ. */ö</ Wildlager) zu ligan, vgl. gr. X^xo^f 
Xöxoq; g. fötus FuhS neben 1. ped-, gr. irob-. 

2. Idg. l und ü entwickeln sich in den eijoi-j eujoif- 
Wurzeln, doch lässt das Germanische nur in den letztern die 
Dehnstufe deutlich erkennen, da in den ei-Wurzeln auch die 
Hochstufe idg. ei im Germanischen zu f geworden ist. — ü 
haben einige st. V. 3, deren Präsensstamm ursprünglich unbe- 
tont war; z. B. g. lüJcan schliessen; ahd. sügan saugen; ebenso 
ahd. hlüt laut (Wz. kleu, vgl. gr. KXu-röq, 1. clü'tu8)\ g. ana- 
büsns Befehl zu biudan. — l ist in manchen st. V. 2 anzu- 
setzen, deren Präsensstamm, wie der grammatische Wechsel 
zeigt, ursprtlnglich unbetont war, also nicht Hochstufenvocal 
haben kann; z. B. g. bi-leiban bleiben (Wz. leip, vgl. gr. Xcittui, 
1. linquo); ebenso in g. us-beisns Erwartung u. a. 

3. Die Dehnungen, die den silbischen Liquiden und Na- 
salen entsprechen, kommen für die germanische Sprachge- 
schichte nicht in Betracht (Streitberg S. 32). 

Anm. 1. Die langen Vocale als Stufen der Ablautreihen zu 
erklären, ist eine schwierige oft unternommene Aufgabe. Im AUge- 



-§ 169.] Verschiedene Ablautreihen. 217 

meinen ist zu vergleichen: Bechtel, Hauptprobleme Cap. 4 f. — S und 
öf vermutet man, entstanden aus e und o, wenn hinter diesen eine 
Silbe geschwunden war; l und ü entwickelten sich auf der Tief- 
stufe aus der Verbindung von g und ö mit i und u (also aus ^/, 
^i; i'c, io; CM, ö//; we, «ö), während aus der Verbindung der kurzen 
€ und o mit j^' und u unter denselben Bedingungen i und u wurden. 
— Und wie in den Wurzeln mit % und y, so sucht man auch in den 
reinen e/o- Wurzeln die doppelte Form der Tiefstufe zu erklären; 
den langen Vocalen c, ö entspreche der reducierte Vocal 9, den 
kurzen c, o die Schwundstufe, also ejf, ö/ : t = e^, oi: i =^ e, ö : 9 
= c, o : — . 

169. 1. Hiemach ergeben sich in der e-Reibe folgende 
Vocale: 

1. in e- Wurzeln: 

idg. e rlmn e ö 

germ. ei a ur, ul, etc. e 6 

2. in ^i- Wurzeln: 

idg. ei Ol i i 

gcrm. t ai i i 

3. in ^M- Wurzeln: 

idg. eil Oll u ü 

germ. iu {eu) au u u. 

Also im Germanischen: 

1. Kurze Vocale: a e i u 

2. Lange Vocale: e i 6 ü 

3. Diphthonge: iu{eu) ai au. 

Das sind nun, abgesehen vielleicht von einigen verein- 
zelten Erscheinungen, thatsäcblich die Vocale, welche die 
germanischen Sprachen als gemeinsamen Besitz aus älterer 
Zeit voraussetzen. Man wtlrde aber doch irren, wenn man 
daraus schliessen wollte, dass die angeführten idg. Laute die 
Grundlage des ganzen germanischen Vocalismus bildeten und 
dass alle Wurzeln sich in dem Geleise der 6-Reihe bewegt 
hätten. 

2. Spuren anderer Ablautreihen lässt das Germanische 
in der vierten Conjugation und den reduplicierendcn Verben 
wahrnehmen. Aber das Verhältnis der Laute, die sich in 



218 Verschiedene Ablautreihen. [§169. 

diesen Reihen entwickelt hatten, ist nicht so deutlich wie in 
der e-Reihe zu erkennen, da verschiedene Laute im Germani- 
schen zusammengefallen und in dem Conjugationssystem allerlei 
Formttbertragungen eingetreten sind. Auf die ursprüngliche 
Gestaltung aller Ablautreihen näher einzugehen, ist, da sie 
der vorgermanischen Zeit angehören, hier nicht der Ort ; hier 
sollte nur durch die Betrachtung einer Reihe eine Vorstellung 
von dem Ablaut überhaupt gegeben werden. Das Verhältnis 
der germanischen Vocale zu den entsprechenden indogermani- 
schen wird in § 172 f. erörtert. 

Anm. Manche Fragen sind in Betreff des Ablauts noch zu 
lösen und werden vielleicht nie gelöst werden. Die Zahl der Reihen 
bestimmte Hübsclimann auf sechs mit den Grundvocalen «, e, o, ä, 
c, ö, ebenso Brugmann I § 307 f. Bechtcl (Hauptprobleme S. 265) 
leugnet a als Grundvocal und ist der Ansicht, dass von den Kürzen 
wahrscheinlich nur e als Ausgangspunkt einer Reihe betrachtet 
werden kann (S. 236). Streitberg behandelt nur vier Reihen, die 
€-, a-, e-, ö-Reihe. 

Auffallend ist, dass die ö-Wurzeln alle übrigen an Zahl und 
Reichtum der Bildungen weit überwiegen. Dies Verhältnis legt die 
Vermutung nahe, dass die andern Ablautreihen doch nur Unter- 
arten der c-Rcihc sind, und so hat man denn auch versucht sie 
auf diese zurückzuführen; vgl. de Saussure S. 135 f., Möller, PBb. 
7, 492 f. und speziell für die e-Reihe Bremer, PBb. 11, 262 f. Für 
diese letztere, die sich in den Vocalen e, ö, ä bewegt (g. /cVa, lailöt, 
lats^ gr. f>nTvu,ui, ^(if>u)Ta, ^^()dTnv) ist die Construction einfach und 
ansprechend. In den Vocalen der Hochstufe e und ö sei mit dem 
ursprünglichen e und o irgend ein Phonem verschmolzen, grade 
wie in den Diphthongen ei, ext, ol, ou mit e und o die Halbvocale 
i und n verschmolzen sind; und wie die ejf- imd c?/-Wurzeln auf 
der Tiefstufe t und Ü als selbständige Vocale zeigen, so sei in 
den e- Wurzeln auf gleicher Stufe das unbekannte Phonem als Vocal 
ä übrig geblieben. Aber Sicherheit ist hier nicht erzielt. Vgl. die 
abweichende Auffassung Kluges, Grdr. § 23, 6 und die Einwürfe 
Bechtels S. 236 f. 

Träfe die Hypothese, dass der ganze indogermanische Voca- 
lismus auf die Grundlage einer Ablautreiho zurückzuführen sei, 
das Richtige, so würde daraus folgen, dass ursprünglich die Be- 
deutung der Rede allein auf den Consonanten beruhte. Nicht als 
ob die Rede nur aus Consonanten bestanden hätte — das ist nicht 
denkbar — ; aber der tönende Hauch, der zwischen ihnen vernehm- 
bar wurde, war form- und bedeutungslos; erst allmählich gestalteten 



§ 170.] Aufhebung des Ablauts durch Formübertragun«:. 219 

sich unter verschiedenen Einflüssen aus dem unbestimmten Urvocal 
einzelne gesonderte Laute, die dann für die Worte ebenso charak- 
teristisch und bedeutsam werden konnten, wie die Consonanten; 
vgl. die Erwägungen Benfeys bei Bechtel S. 91. 

170. Das Walten des Ablauts trat ui-sprünglich ebenso 
wohl in den Wurzel-, als in den Flexions- und Ableitungs- 
silben hervor; es konnten sich Formen desselben Wortes durch 
Ablaut unterscheiden und verschiedene, derselben Wurzel ent- 
sprossene Wörter. Aber in den Formen desselben Wortes sind 
die ursprünglichen Verhältnisse grossenteils früh gestört und 
beseitigt. In den Flexionssilben lüsst die ältere Sprache den 
Ablaut noch deutlich wahrnehmen, in den Ableitungssilben fast 
nur, wo sie zu Mitteln der Flexion geworden sind (schwache 
Declination). In den Stammsilben hat sich ein grosser Unter- 
schied zwischen den starken Verben und den übrigen Wörtern 
herausgebildet; in jenen ist der Ablaut zum Träger des ganzen 
Flexionssystems geworden und bis auf den heutigen Tag be- 
wahrt; Substantiva und Adjectiva dagegen haben ihn früh 
fallen lassen, so dass dieselbe Form der Stammsilbe durch 
das ganze Paradigma geführt ist. Zuweilen hat die Aus- 
gleichung auch Doppelformen ergeben (§171, 3). — Besser 
konnte sich der Ablaut zwischen selbständigen, derselben 
Wurzel entsprossenen Wörtern behaupten, und soweit die Ver- 
wandtschaft solcher Wörter gefühlt wurde, konnte er hier zu 
einem Mittel der Wortbildung werden, wie er in den starken 
Verben zu einem Mittel der Flexion geworden war. Am 
häufigsten und deutlichsten zeigt er sich in dieser Function 
in schwachen' Verben und Substantiven, die zu ablautenden 
Verben gebildet wurden und in der Mannigfaltigkeit ihres 
Vocalismus die natürliche Stütze fanden (zahlreiche Belege 
sind im zweiten Bande leicht zu finden); aber auch zu an- 
deni Wörtern traten Neubildungen mit ablautenden Vocalen, 
so dass, wenn auch die Formen des Ablautes in die idg. 
V^oraeit hinaufreichen, doch ihr Gebrauch im einzelnen Fall 
keineswegs alt zu sein braucht. — Einige Wortpaare, deren 
Ablaut in den Formen der starken Verba keine Stütze findet, 
mögen hier als Beispiele folgen. 



520 Ablaut in verwandten Wörtern. [§ 171. 

171. 1. Beispiele verwandter Wörter, die sich wicht 
an starke Verba lehnen, aber den Verbalformen entsprechende 
Vocalverschiedenhciten zeigen. Welche idg. Laute im einzelnen 
Fall den germanischen zu Grunde liegen, und ob die Paare, die 
als gleichartig erscheinen, wirklich gleicher Art sind, bleibt ausser 
Betracht. Geordnet sind die Wörter nach den Ablautformen, die 
in der Conjugation der starken Verba hervortreten; die jüngeren 
Lautveränderungen, die im Germanischen, Gotischen, Hochdeutschen 
eingetreten sind, werden nicht besonders erwähnt, müssen aber be- 
rücksichtigest werden. So ist Schinken und Schenkel als Beispiel für 
den Ablaut e : a angeführt, weil das i in Schinken auf älterem ?, 
das e in Schenkel auf älterem a beruht. 

a. Ablautformen der 1. Conj. — fe" : a : w. ahd. krizz&n einschnei- 
den : krazzön kratzen : g. gakrutön zermalmen ; ahd. scr^von ein- 
schneiden : mhd. schrove M. Fflsklippe : ahd. scarbön in Stücke schnei- 
den, Äcarp/" scharf : ahd. scurfen aufschneiden; g. sirhli einst, vor- 
mals : g. sama derselbe : g. sums einer; g. tunpus M. Zahn : ahd. zan(d) : 
mhd. zint Zacke, Gipfel, ahd. zinna F. Zinne. — e : u : e g. drunjus M. 
Lärm : ahd. treno M. Drohne : as. drän (i) Drohne; g. inu Präp. : ahd. 
dno ohne : g. ahd. un- : g. ahd. ni Negation. — eia, ahd. blanc glän- 
zend : nhd. blinken (ndl. megl); g. blinds blind : ahd. blenten blenden; 
ahd. (h)nac M. Nacken : ags. hnücca M. Nacken, mhd. genicke N.; g. 
kalbö F. junge Kuh, ahd. kalb N. Kalb : ahd. kilburra F. Mutterlamm; 
g. mmjz N. Fleisch : g. mammö F. Fleisch; ahd. scinko M. scinka F. 
Schenkel, Schinken : mhd. Schenkel M. (vgl. ags. sceonca^ engl, shank); 
— e : u. ahd. bircha F. Birke : nhd. (ndd.) Borke; g. baurgs F. Burg : 
ahd. berg M. Berg; g. kaum N., kaurnö N. Korn : ahd. k^mo M. 
Kern; g. -kunds stammend, kuni N. Geschlecht : ahd. kind N.; g. 
waurkjan^ ahd. tcurken wirken : ahd. u'erc N.; g. wunan sich freuen, 
ahd. won^n wohnen : ahd. wem M. Freund, a : w. ahd. hold geneigt, 
g. 'halpei F. Neigung, ahd. /irrZcfa F. Halde : g. hvXps^ ahd. ÄoW; g. 
^aZ^ N. Salz : ahd. sulza F. Salzwasser, Sülze; g. ga-staurknan ver- 
trocknen, ahd. storkanün starr, hart werden : ahd. »/arc stark, gross; 
ahd. storro M. Baumstumpf, storrin herausstehen, ragen, g. a;id- 
istaurran murren : mhd. starren starr werden, nhd. starr Adj. ; g. 
ga-tarhjan auszeichnen : ahd. zoraht deutlich ; g. pugkjan dünken : 
g. pagkjan denken. — e : e. ahd. spehön spähen : ahd. spdhi klug; 
g. swaihra M., ahd. su^hur M. Schwäher und ahd. sicigur F. Schwie- 
ger : mhd. swdger M. Schwager. — a : e. ahd. kradam M. Lärm : 
Ardc/i krähen; mhd. matey matte F. Wiese : ahd. mden mähen. 

b. Ablautformen der 2. Conjugation. — I : ai : i. g. Äei7^ 
F. Fieber : ahd. hei^ heiss : ahd. hizza F. Hitze; g. Mains M. 
Hügel, ahd. leitara Leiter : g. hleipra Zelt, ahd. Zf^a Leite, Berg- 
abhcing : ahd. hlinin, (tlen^n lehnen; g. smipa M. Schmied : ahd. 



§ 171.] Ablaut in verwandten Wörtern. 221 

smtda F., gi-srntdi N. Metall, dann Metallgerät, Geschmeide : ahd. 
smeidar M. Metallkünstler. — € : ai, ahd. Um M. Leim : ahd. lehno 
M. Lehm. — I : i. g. freidjan schonen, ahd. friten hegen, lieben, be- 
schützen, ahd. frlt'hof eingefriedigter Raum an der Kirche : g. ga- 
fripon versöhnen, ahd. fridu M. Friede. — ai :i g. faian tadeln : 
fijan hassen, fijands Feind; g. hi-laigön belecken : ahd. lecchön\ 
ahd. seil N. Seil : ahd. silo M. Riemen. — 

c. Ablautformen der 3. Conjugation. — iti : au : u. g. hliuma 
M. Gehör, ahd. liumunt M. Leumund : ahd. hlüt laut : Hlüdo-ivtgy 
Hlothari etc. ; g. Hufs lieb : galaubs wertvoll, kostbar, galaubjan 
gl&viben : gä-lubs kostbar, ahd. lob N. M. Lob; g. liuhap N., ahd. 
Höht Licht : ahd. loug M. Flamme : mhd. lohe M. F. Lohe, Flamme -y 
g. ga-riuds ehrbar : g. rauds, ahd. röt : ahd. rutihhön rötlich sein, 
rost M. aerugo, rubigo. — iu : au : Ä. ahd. grio^ M. N. Sand, Kies : 
ahd. gruzzi, mhd. grütze Grütze : mhd. grü^ Korn. — in : u. g. 
niujis neu vielleicht zu nä nun; mhd. srnielen lächeln : smollen 
schmollen. — iu : Ä. g. iup : ahd. üf; ahd. ^iwri teuer: mhd. türen 
dauern {miserH); g.triggwSj ahd. iriuun : ahd. früen (g. trauan) trauen. 

— au : Ä. g. uf-bauljaii aufblasen : ahd. bülla, mhd. 6/?^/c Beule ; g, 
haubip N Haupt : ahd. Äi?5a F. Haube; g. raus N., ahd. rör Rohr : 
ahd. rüssa^ rasa Reuse. — au : u. g. daufs(b) verstockt, ahd. toüb 
stumpfsinnig : ahd. tob^n toben; g. hauhs^ ahd. höh hoch, mhd. 
houc(g) M. Hügel : nhd. Hügel; mhd. knouf M. Knauf: ahd. knöpf 
M. — Ä : u. mhd. hüchen sich ducken : nhd. hucken^ hocken ; ahd. 
slühho M. Schlemmer, mhd. slüchen schlingen : ahd. slucko Schlemmer,, 
mhd. slucken schlucken. 

d. Ablautformon der 4. Conjugation. a : 6 ahd. adal N. edle» 
Geschlecht : ahd. wod27 N. Erbsitz, Heimat; ahd. ahsala F. Achsel r 
ahd. uohsanOj mhd. uohse, üehse Achselhöhle; g. baiiza besser : g. 
5ö<a F. Nutzen, ahd. buo^a F. Ersatz, Abhülfe; g. da^/.? M. Tag r 
fidur-dögs viertägig; g. fapa F. Zaun, ahd. fadam M. Faden : ahd. 
vuodar N. Fuder; ahd. /?arfo M. Opferkuchen : mhd. vluoder M. Flun- 
der, Plattfisch; g. ^rro.? N. Kraut : mhd. gruose F. junger Pfianzen- 
trieb ; g. hana M. Hahn, ahd. henna F. : ahd. ^uon N. ; ahd. lam 
schwach, lahm : ahd. luomi matt, schlaff (dazu nl\d. Lümmel); g. 
marei F., ahd. meri N. Meer : ahd. miior N. Sumpf, Moor; g. namo 
N., ahd. namo M. Name : mhd. benuovien, benüemen benennen; ahd. 
rahha F. Rechenschaft, Rede : ahd. ruochen sorgen, Rücksicht nehmen; 
ahd. wal M. F. N. Kampfplatz : ahd. wuol M. Niederlage, Verderben. 

— e i 6, g. skiwjan gehen (Wz. skeq) zu g. sköhs M. Schuh (?); mhd. 
sprcBwen stieben : nhd. sprühen. 

2. Olters zeigen verwandte Wörter Vocalverhältnissc, 
die in den starken Conjugationen nicht vorkommen, sei es 



222 Ablaut in verwandten Wörtern. [§ l^^- 

deshalb, weil nicht alle möglichen Formen des Ablauts in den 
Verben entwickelt oder erhalten sind, sei es, dass andere 
Momente (Wuraelvariation, Epenthese u. dgl.) die Bildung der 
Vocale bestimmt haben (vgl. Noreen S. 67 f. 211 f. 215 f.). 
So erscheint germ. ö neben fe\ tt, in ahd. fuogen passend gestalten, 
fügen : g. fagrs schön, fahips F. Freude : ahd. gi-ßho M. Freude; ahd. 
fuoleii fühlen : ahd. folma Hand; uhd. sprühen (germ. spröw-) : mhd. 
spraicen stieben (germ. sprew-) : ahd. 82)riu N. Spreu (germ. spreiV')^ 
ahd. suoha F. Egge : ahd. sP!h Pflugschar, sihhila F. Sichel : ahd. 
sahs N. Messer; ahd. stum(mm) stumm : ahd. stemmen Einhalt thun: 
ahd. un-gistuomi ungestüm; ags. swelan glühen, ndd. stcelen schwelen : 
ags. sivölj ndd. swül^ nhd. schwül. — u vor b neben a g. lubja 
Gift : ahd. lab^ N. Brühe. — Ohne Wurzelvocal steht neben g. af^ 
ahd. aba ab : ahd. fona^ fana von. Andere Beispiele in § 159, 1. 
167, 3. — [Ferner a neben i, ai. ahd. glat g:latt, glänzend neben 
ahd. glttan gleiten; ahd. glänz »:länzcnd : ahd. glt^an gleissen. — 
ai neben a. ahd. meiiien : g. man ich meine, ahd. manön mahnen. — 
ö neben iw, ü. ahd. goumOj giumo, guomo Gaumen (s. AfdA. 19, 
240). — n neben f. g. leitils klein : ahd. luzzü]. 

Selbst Wörter, die mit starken Verben verwandt sind, 
zeigen zuweilen Vocale, die in diesen nicht vorkommen; z. B. 

ahd. luog^. Wildlager zu ahd. liggen liegen; ahd. sigi-nömi victoriae 
munus : neman nehmen. — g. slauJits F. das Schlachten : slahan; ahd. 
fürt M. Furt : faran\ ahd. grubilön grübeln : graban. — ahd. m¥lo M. 
Mehl, mehti M. Staub : malan. — g. lats lässig, träge : Mtan lassen ; ahd. 
Ä^rt/* schlaff : släfan. — Mit unterdrücktem Wurzelvocal g. tunpus M., 
ahd. zan(d) Zahn : itan essen; g. sunjis wahr zu Wz. es sein; ahd. 
nest aus *ni'Zdo- zu ni nieder und sitan sitzen. — [Ferner 6 neben 
ii : mhd. buode F. Hütte, Gezelt zu büwen bauen.] Ja, auch starke 
Verba, die verschiedenen Conjugationen folgen, können aus der- 
selben Wurzel entsprossen sein : ahd. g'dlan laut schreien, tönen : 
galan singen; ahd. w'ellan wälzen : ahd. wallan wallen, sprudeln. 

3. Doppelforraige Wörter, e : a. g. ibtücs rückwärts : ahd. 
abuh umgekehrt; ahd. karaly mhd. karl M. Mann, Geliebter : nhd. 
Kerl (ndd.); ahd. kazza F. Katze : nhd. Kitze^ ndd. kitte^ mengl. 
chitte', mhd. krinc(g) Ring, Kreis : md. kranc(g)', ahd. s^'ga F. Säge: 
saga'^ ahd. -teert, g. -wairps gewandt, -wärts : ahd. -wart\ g.pamma, 
pana : ahd. dümuy den. — e :u, g. ansts F. Gunst, Gnade : ahd. 
unst\ ahd. vereh-eih F. quercus : ahd. foraha F. Kiefer; mhd. klirnse, 
klinse F. Spalt : klumse^ klunse\ ahd. kreta F. Kröte : krota\ g.pairh 
durch : ahd. diinih. — a : u. ahd. brart M. prora, margo : ahd. brort\ 
g. dwals töricht : ahd. toi-, ahd. fiincho M. Funke : mhd. vanke\ ahd. 
maro marawi mürbe : ahd. murutvi\ mhd. matte F. Motte : mrOtte 



§ 171.] Ablaut in verwandten Wörtern. 223 

"tnutte; alid. spiinni F. Brust, mhd. spünne Brust, Milch : nihd. spen 
F.; g". tunpus M. Zahn : ahd. zan(d). — « : e. g. qinö F. Weib : qen8\ 
ahd. treno M. Drohne : as. drän, — a :e. g. nadrs M. Natter : ahd. 
nätara; ahd. zadal M. Mangel, Gebrechen : zddaL — t : ei. ahd. 
gltmo M. Glühwürmclicn : gleimo, — I : i. ahd. hini N. Biene : ahd. 
blna F.; ahd. zwtfo M. Zweifel : zw^'Äo. — iu\U, ahd. mios, mhd, 
TWtCÄ M. N. Moos, Sumpf : ahd. mos N. — iuiit mhd. f//e*, t*/iu« 
N. Vlies, Schaffell : mhd. mndd. /fö«, nhd. Flaus. — «m : u. ahd. ArW^ 
M. N. Klumpen, Knolle, Kugel : mhd. kloz M. N. nhd. A7ote. — auiü. 
ahd. Äot//^ M., mhd. houf, houfe M. Haufe : ahd. hüfo^ mhd. Äö/*, 
hüfe\ g. ga-laubs kostbar : ga-lubs\ g. 5au^5 F. Säule : ahd. sül\ ahd. 
sfroum M. Strom : ahd. stiviim, — a : o. mhd. 6a«< M. Bast : bttost'y 
ahd. huorra^ huora Hure : mhd. Äcr^c (aus *harjö)\ g. W/b F. flache 
Hand : ahd. laffa-^ g. napsCd) Htatt : g. *söp8 (vgl. söpjan sättigen). 
— e : ö. ahd. ruoba, riiappa F. Rübe : ahd. rdfta; ahd. niotca F. 
Ruhe : ahd. rdica. 

Schwache Vorba, die in Ablautverhältnis stehen, tragen 
oft den Charakter willktlrlicher Umbildung oder selbständiger 
onomatopoetischer Schöpfung; z. B. ahd. flädarön, mhd. vlMem 
(vgl Fledermaus) : mhd. vladeni, nhd. flattern : nhd. fluttereriy flotteren 
(vgl. auch engl, to flitter, to flutter) -^ ahd. klopfön klopfen : nhd. (ndd.) 
klappen^ mhd. klappern, — mhd. girren girren : mhd. garren : mhd. 
gurren; mhd. knarren, gnarren : mhd. knirren : nhd. fcnurrcn; mhd. 
snarren : mhd. snurren ; mhd. zwicken (zu ztrec Nagel) : mhd. ziracXcen; 
mhd. knacken^ gnacken : nhd. (ndd.) knicken (vgl. auch engl, fo knock, 
an. knoka klopfen). — nhd. bemmeln^ bimmeln : nhd. bammeln, 
bambeln (vgl. mhd. biimbel M. timpanator, bumbeln hin und her- 
stossen); nhd. flunkern flimmern, dann in übertragener Bedeutung 
'täuschen* : älter nlid. flinken glänzen, flink Adj. glänzend, blank ; nhd. • 
knittern : knattern : knuttern, knottem-, nhd. quaken (ndd.) : quieken'j 
nhd. trippeln : nhd. trappeln (vgl. ndd. trappen treten). Die Wörter 
bewegen sich wie die jungen reduplicierten ablautenden Wortbil- 
dungen (tiktak, piffP^^ffP^^ff n § 13, 3) fast durchaus in der Ablaut- 
reihc i a u. 



Yocale in betonten Silben. 



Erstes Kapitel. 

172. Indem wir uns zur Geschichte der Vocale inner- 
halb der germanischen Sprachen wenden, sondern wir die be- 
tonten Stammsilben von den Endsilben. Denn wenn auch ur- 
sprünglich dieselben Gesetze für die Endung wie für die 
Stammsilben gegolten haben müssen, so werden die Wirkungen 
dereelben in den Endungen doch früh durch Contractionen und 
Formübertragungen getrübt, so dass die Verhältnisse schwerer 
zu durchschauen sind. Und später, als der Accent im Ger- 
manischen auf der Stammsilbe fest gelegt war, stehen die Vo- 
cale der Endungen unter ganz andern Bedingungen, nehmen 
ihre eigentümliche Entwickelung und verlangen also gesonderte 
Betrachtung. 

Die Yocale im Gotischen. 

Wir betrachten zuei-st die Vocale, in deren Gestaltimg 
das Gotische sich nicht wesentlich von dem Zustand entfernt, 
den auch das Hochdeutsche als seine Grundlage voraussetzt. 

1 . Einen Teil der idg. Vocale hat das Germanische ohne 
merkliche Veränderung bewahrt, idg. a; z. B. g. aha F., ahd. 
aha : 1. aqua; g. aggicus, ahd. amji engt : 1. angOy angiistuSy gr. 
ÖTX^ ; g- habaiij ahd. hab^/n : l. habere. — idg. ö ; z. B. g. fiödus^ 
ahd. vluot F. Flut : gr. ttXujtö^ schwimmend; g. knöps F. Geschlecht, 
ahd. knöff knuat : gr. tvujtö<; bekannt. — idg. e; z. B. g. gadepsY, 
That, ahd. tat : gr. tC-Gtiilii; g. sfps F. Saat, ahd. sät : 1. se-men. — 
idg. I; z. B. g. ahd. sivtri N. Schwein : 1. sulnus. — idg. ö; z. B. g. 
ahd. fill faul : \. pü-teo; ahd. miis F. : 1. müSj gr. ^öc. — idg. er/ (gr. 
ai, 1. rte); z. B. g. ais N. Erz, ahd. er: 1. aes; g. skaidan, ahd. scei- 
dan : 1. caedo. — idg. aij ; z. B. g. aukan st. V. vermehren, ahd. 
ouhhOn sw. V. : 1. augeo. 



§ 172.] Die Voenle im Gotisclien. 225 

2. Andere sind zwar verändert, aber die Veränderungen 
sind so früh eingetreten, dass die verschiedenen Zweige des 
germanischen Sprachstammes in der Veränderung üherein- 

Stimmen. idg. o : gcrm. a^); z. B. g. asts M. Ast : gr. tto(^ aus 
*osdos\ g. ahtau acht : 1. octo^ gr. öktuj; g. gasts M. Gast : ). hostis\ 
g. /t'a, ahd. iva^ : 1. quod; g. nahts F. Naclit : 1. nox. — idg. o/ : germ. 
ai; z. B. g. ains ein : 1. tinz/« aus oinoSj gr. oivt] Eins; g. Zaj/ü er 
lieh : gr. X^Xoiirc (aus *leloik^e)\ g. gamaiiis gemeinsam : 1. com-munis 
aus com-inoinis\ g. tfai^ weiss : gr. oiöa. — idg. on : germ. au\ z. B. 
g. raupSy ahd. ?'ö<, vgl. 1. rufus (idg. roudho-). — idg. e/ (1. f) : 
germ. f (im Got. durch ei bezeichnet) *}; z. B. g. steigan, ahd. sttgan 
steigen : gr. aTeix^u] g. ga-teihan ansagen, ahd. zlhan zeihen : gr. 
beiKvufi^ I. dlco, 

Idg. a (gr. lat. a, ai. i) : gorm. a'); z. B. g. fadar : 1. pater^ 
gr. iraii^p, ai. pitär-^ g. staPs, stadis M., ahd. «^«^ F. Stätte : gr. 
OTdaK, ai. sthitiH\ auch ahd. 6^/^ N. Blatt neben 6^to^ F. Blüte (Wz. 
hhlO\ g. ga-nah es genügt neben g. ga-nöha^ ahd. gi-miog u. a. liaben 
den tiefatufigen Vocal 9. — Entsprechend ergeben idg. <>/, 9U : 
germ. a«, ai/; z. B. g. daddjan säugen ((/(//= verschärftem J ^ 132) 
zu Wz. dhei\ g. aiz-sö N., ahd. 6ra Ohr aus tiefstufigem aw.v- neben 
hochstufigem ö{u)s-. 

Idg. ö (gr. a, n) = germ. ö^); z. B. g. bröpar^ ahd. bruoder: 
1. frater, gr. cppaTtup; g. sOkjan, ahd. suoclien : 1. «a<jrio spüre auf, 
gr. i^iT^oiuai führe; ahd. muotar : 1. viatery gr. Mn^nP- 

3. Ferner erfuhr das Germanisclic noch Veränderungen 
durch die Dehnung, die der Schwund des n vor /e ('§ 107), 
und durch die Diphthongbildung, welche der Schwund des g 
in der Verbindung gw veranlasste (§ 34, 3). — Über die 
Laute, die sieh aus den Verbindungen von a, ö, e mit ?, y, 
ergaben (Langdiphthonge) s. Streitberg S. 69 f. 

4. Einigen Anhalt fllr die Zcitbtstininuing gicbt die 
historische Cberlieferung und das Verhältnis zu den Sprachen 
benachbarter Völker. Dass der Übergang von ä zu ü zu Caesars 
Zeiten noch nicht erfolgt war, lässt die silva Jkicenis = ahd. 
Duüchunna schliessen, eine Ableitung von ahd. huohha F. Buche, 1. 
fagus, gr. (py]^6(;. — Ein paar fremde Wörter und Namen scheinen früh 
genug aufgenommen, um den f'bergang von o in a und von ä in 



1) Noreen S. VI Streit l)erg S. 44. 

2) Noreen S. 14. Streitberg S. öl f. 
ö) Noreen S. 11. Streilberg S. 48. 

W. Wihiiamis, Deut««clio Grammatik. I. 15 



226 Die Vocale im Gotischen, t, ai = idg. c, i, [§ 173. 

ö noch mitzumachen; freilich könnte in ihnen auch Lautsubstitution 
statt «gefunden haben (Bremer, IF. 4, 21 f.); vgl. 1. Bömäni : g. i?Ä- 
möneis; i. olivum : g. aUw (IF. 5, 344); den Namen der gallischen 
Volcae : ahd. Walha die Welschen; den Flussnamen Mosa : ahd. 
3/a5a, ags. Masu (Much, PBb. 20, 30 f.); den keltischen Namen der 
DonaUy 1. Dänuhius : ahd. Tuonouwa. Aber germanische Lehn- 
wörter im Finnisch-Lappischen setzen die Entwickelung voraus, 
kennen wenigstens nur a = germ. a, uo = germ, ö; ebenso bleiben 
o und ä lateinischer Lehnwörter im Hochdeutschen unverändert, 
z. B. 1. coquere : ahd. kochön; 1. porticus : ahd. pforzih] 1. sträta: 
ahd. strö^a'^ 1. ^^öZmä : ahd. pfäl, — Auch das ^gedehnte aus anh 
entstandene ä ging nicht in ö über. 

173. An dem Vocalsystem, das sich so ergeben hatte, 
hat das Gotische des Ulfilas, abgesehen von feineren Schat- 
tierungen der Aussprache (§ 185, 2. 188) im allgemeinen fest- 
gehalten. Stärkere Abweichungen sind namentlich bei idg. 
6, ij u eingetreten. 

Idg. ßy i : g. i, ai. — Idg. e und i sind im Gotischen, 
wenigstens in der Schrift der Bibel, unterschiedslos zusammen- 
gefallen, g. i gilt sowohl für idg. i^), z. B. fisks : 1. pisci8\ 
widuwö : 1. vidua; als für idg. e*), z. B. fill : 1. pellis; itan 
essen : 1. edere\ wigan bewegen : 1. vehere; Kliman nehmen : 
gr. v^^€iv. Vor r und A aber tritt fllr beide Laute ein kurzes 
offnes e ein, das wie gr. e in Fremdwörtern und Namen, durch 
ai {ai) bezeichnet wird; z. ß. für idg. e: g. airpa Erde, vgl. 
fp-aZe ; g. bairan tragen ; 1. fero, gr. q>ip\u ; g. faihu N. Vieh, Geld : 
1. pecu\ g. raihts recht : gr. öp€KTÖ(;; für idg. i : g. tt-afr Mann:l. vir 
(vgl. hd. ic^ralt Welt); g. maihstus Mist, vgl. 1. viingo^ gr. ö|aix€lv. 

Ausserdem findet sich g. «/ = idg. e in der Pcrfect-Redupli- 

cation: z. B. lal-löt Hess, und in wenigen einzelnen Wörtern: 

aippau oder, ahd. ^'c?c?o (vgl. § ir)2, 3); vermutlich auch tcaila^ ahd. 
tt-eVa, i^oZa wohl (Br. § 20). 

Dass die Sprache vor r und A, von ganz wenigen Aus- 
nahmen abgesehen, kein i zulässt, muss in der Articulation 
dieser Consonanten begründet sein; warum ai in den andern 
Fällen erscheint, ist unerklärt. 



1) Streitberg S. 55 f. 

2) Noreen S. 12 f. Streitberg S. 50 f. 



^ 174.] Die Vocale im Gotischen, m, au = germ. u (o). 227 

Das idg. e und i in der Sprache der Goten vollstän- 
dig zusammengefallen waren, folgt aus ihrer gleichen Be- 
zeichnung nicht; es ist sogar zu vermuten; dass g. i ähnlich 
wie mhd. e verschiedene Laute bezeichnet hat (Wrede, Ostgot. 
S. 162), nur lässt der Mangel der Schrift die Gebiete nicht 
erkennen, und jedenfalls muss der alte etymologische Unter- 
schied weniger stark hervorgetreten sein als der jüngere, 
specifisch gotische, durch i und ai bezeichnete. 

174. Genn. u (o) : g. u, au. — Wie in g. % zwei ety- 
mologisch verschiedene Laute zusammengefallen sind, so auch 
in g. t^; und wie g. i vor r und h zu einem offnen e wird, 
so g. u zu einem offnen o (geschrieben au). Das g. u ent- 
spricht einmal dem idg. u, dem Tiefstufenvocal der e|t-Wui-zeln^), 

z. B. g. juk N. Joch : 1. jugum^ gr. Zutöv; g. ufar über : 1. super^ 
gr. öiT^p ; ebenso im Plur. und Part. Perf. der st. V. 3, z. B. biigum, 
bugans zu biugan biegen; lukum, lukans zu lükan schliessen; 

anderseits dem tiefen Vocal, der sich im Germanischen aus 
silbischen Nasalen und Liquiden entwickelt*), w (gr. a, 1. em): 
g. U7n\ z. B. g. sums irgend einer : gr. 6mö^; g. ga-qumps F. Zu- 
sammenkunft : gr. ßdaiq (idg. g^niMs)] g. hund N. hundert : gr. ^xa- 
TÖv, 1. centiim. — |i (gr. a, 1. en) : g. wn; z. B. g. tunpus M. Zahn 
(idg. dnt-) : 1. dent-; g. snutrs klug : gr. äbpöq reif; g. un- Negativ- 
präfix : gr. a-, 1. in- (idg. y). — } (gr. a\, Xa, 1. o/, ul) : g. yl; z. B. 
g. ptäan dulden : gr. Td\a<; geduldig, 1. tuli. Ebenso im Plur. und 
Part. Perf. der st. V. 1. z. B. ntimans zu niman nehmen, bundum 
bundans zu bindan binden, hulpum hidpans zu hilpan helfen. 
Aber für r (gr. ap, pa, 1. or) gilt g. aur und für idg. uk got. 
auh] z. B. g. daur N. Thor : gr. Trp6-9upov Vorderthür; g. kaurus 
schwer : gr. ßapO(;; g. dauhtar Tochter : gr. Su^dTiip. Ebenso in 
Verben. Zu derselben Conjugation und Ablautreihe gehören einer- 
seits bdug^ bugunif bugans, anderseits tduh taühuni^ taühans; und 
einerseits band^ bundum ^ bundans^ anderseits warp^ tvaürpum^ 
waürpans. Nur ganz ausnahmsweise und nicht völlig sicher 
steht aü auch vor andern Lauten (Br. § 24 A. 1). — Ein Laut- 
unterschied zwischen den beiden etymologisch verschiedenen 
u ist weder im Gotischen noch in den andern germanischen 



1) Noreen S. 18. Streitberg S. 57. 

2) Noreen S. 7 f. 10. Streit berg S. 67 f. 



228 Die Vocale im Gotischen, iu = gerin. eu. [§ 175^ 

Sprachen nachzuweisen. Über die Frage, ob das Gotische 
eine ähnliche Spaltung des Lautes voraussetzt, wie wir sie 
unter dem Einfiuss des folgenden Yocales anderwärts finden,. 

8. § 182 Anm. 

Anm. 1. Über die wenigen Wörter, in denen g. i, u auch, 
vor r und h steht s. Br. § 20 A. 1. § 24 A. 2. 

Anm. 2. Dass g. ai und au wirklich kurze, einfache Vocale 
bezeichnen konnten, daran lässt ihr Gebrauch für gr. € und o keinen 
Zweifel; z. B. ^KKXrjola : g. aikkUsjö, BeeXZeßoOX : Baiailzaibul\ dirö- 
aTo\o<; : g. apaustaulus. Jedoch würde der Gote schwerlich auf den 
Gebrauch der diphthongischen Zeichen verfallen sein, wenn sie 
nur kurze Laute bezeichnet hätten. Sie galten aber auch für die 
entsprechenden Längen, und für eine dieser Langen fand er im. 
Griechischen, wo ai längst als einfacher ä-Laut gesprochen wurde, 
das Vorbild (daher gelegentlich auch gr. a\ = gerin. c, ZfdA. 35, 369. 
PBb. 17, 60 A ). Das Zeichen au für 6 mag dann der Gote nach- 
der Analogie des ai gebildet haben, vielleicht leitete ihn auch die 
Bedeutung des lat. au = ö (Bremer, PBb. 11, 52; vgl. jedoch Wrede^ 
Ostgot. S. 166). — Den Wert langer Vocale haben ai und au ein- 
mal in Fremdwörtern, wo ai regelmässig dem gr. ai entspricht 
(z. B. 'Eßpato^ : Haibraius^ aYpcaic; : hairaisis\ ausnahmsweise auch 
einem t\\ au zuweilen dem gr. uj (z. B. Tpijjdc; : Trauada). Sodaniir 
iu heimischen Wörtern wie saian säen, waian wehen, staua M» 
Richter, staua F. Gericht, sauil N. Sonne, trauan trauen u. e. a.,. 
d. h. überall wo ai und au vor Vocalen nicht in öJ, aiv übergehen 
(§ 121). Die oft behandelte Frage nach dem etymologischen Ur- 
sprung dieser ai und au hat noch keine befriedigende Lösung ge- 
funden (Noreen S. 33 f. Streitberg S. 73 f.). ai beruht auf äherem 
e oder ei (ahd. ä(j))\ den Wörtern mit au entsprechen zum Teil 
im Hochdeutschen und in andern germanischen Sprachen solche 
mit ü (g. trauan : ahd. trMn^ g. hauan : ahd. hiiarij g. hnauan zer- 
reiben : ahd. niian), zum Teil wechselt das au auch mit g. öj (au» 
öwj) und aw (g. toui N. That : Gen. töjis, ubil-töjis Übelthäter, tau- 
Jan taicida thun; staua Gericht, stauida richtete : stöjan\ af-mauidai 
ermüdet : *af-77i6jan, ahd. muoQJen mühen). Dass nicht jedes 6 vor 
folgendem Vocal im Got. zu au werden musste, zeigen Formen wie 
naiu'öun zu waian, lailöun zu *lauan schmähen, falls hier nicht 
Einfiuss der Singularformen uaiuö^ lailö anzunehmen ist. 

175. Germ, eu : g. iu, — Auch in dem Diphthongen. 
€{1 ist in der Schrift der Bibel das e regelmässig durch i er- 
setzt; z. B. g. hiudan bieten, gr. ireuGeaGai; g. T^iusan kiesen^ 
gr. feueaGai. Doch hat der Laut dem alten eu noch nahe 



f 176.] Hochdeutscher Vocalismus. Idg. e = hd. ¥., i. 229 

gestanden, da die Lateiner in got. Namen ihn durch eu be- 
zeichnen; z. B. Theudes, Theudicodo. — Der zweite Be- 
standteil des Diphthongen erecheint immer als m, selbst vor r 
und h ; z. B. stiur Stier, üuhan ziehen. Die Lateiner schreiben 
auch eo : Theodericus. Br. § 18 A. 1. Kluge, Grdr. § 25, 7. 
Wrede, Ostgot. S. 167. Wandalen S. 100 f. 

Zweites Kapitel. 
Die Tocale im Hochdeatschen. 

176. Die Laute, in denen das Gotische von der germa- 
nischen Grundlage abgewichen ist, sind im Hochdeutschen zum 
Teil treuer bewahrt. Aber dafür sind andere starke Ände- 
rungen eingetreten: der Übergang von e zu d, die Mono- 
phthongierung von ai und au, die Diphthongierung von e und 6 
•und der Umlaut, so dass im ganzen das Gotische auch in den 
Vocalen viel altertümlicher ist als das Hochdeutsche. 

Von allen Vocalen, die das Hochdeutsche aus dem Ger- 
manischen übernommen hat, hat das kui*ze a sein ursprüngliches 
Oebiet am besten behauptet. Zwar wird dasselbe durch den 
Umlaut schon im Ahd. geteilt, aber nach aussen bleibt die Grenze 
bis ins Mhd. hinein gewahrt. Erst dann tritt, von vereinzelten 
Störungen abgesehen, Vermischung des umgelauteten e mit e^ 
^, (e, des reinen a mit ä ein (Belege für altes a Gr. 1* 125). 
Die übrigen Vocale sind entweder schon früher teilweise mit 
andern Lauten zusammengefallen, oder wenn sie sich gesondert 
gehalten haben, doch verändert. — Wir betrachten zunächst 
■die Laute, die schon im Got. geändert waren. 

Idg. e : ahd. e, i^). 

Die Grenze zwischen idg. e und i, die im Got. unkennt- 
iich geworden ist, hat sich auch in den andern germanischen 
-Sprachen verschoben, indem sowohl e zu i, als i zu e geworden 
ist. An der Neigung e in i zu wandeln, nehmen alle ger- 
manischen Sprachen teil. 

Im Hochdeutschen hat sich das e bis auf den heutigen 



1) Noreen S. 12. Streitberg S. 50 f. Kluge, Grdr. § 25. 



230 Hochdeutscher Vocalismue. Idf^f. e = hd. ^, t. [§ 177. 178^ 

Tag erhalten, wenn die folgende Silbe ursprünglich ein e, a, o 

enthielt, Vocale denen e näher steht als i. So finden wir es 
in den a-Stämmen; z. B. g. wigs^ ahd. w^g Weg; g. siüs^ ahd. 
s^zzal Sitz; g. ligrs^ ahd. Ze^ar Lager; g. lön«, ahd. ^'&an eben; in 
(^-Stämmen: g. ^t&a, ahd. gISba Gabe; g. hairda, ahd. ^^7*^a Herde; in 
(9n-Stämmen : g. qinöf ahd. qu€na Weib; in den meisten Präsens- 
formen der st. V. 1 : g. giban, ahd. g^ban ; g. gibands, ahd. g&}anti ; 
g. gibandy ahd. gebaut; g. gibai, ahd. ^^'6e etc. 

Anni. So lange man a, £, u als die drei Ginindvocale ansah, 
nahm man an, dass ^ unter dem Einfluss eines folgenden a „durch 
Brechung" aus i entstanden sei. Die Ansicht ist aufgegeben, doch 
pflegt man den Ausdruck „gebrochenes e" noch zu gebrauchen 
und selbst von einer Authebung der Brechung zu sprechen, wo i 
für d' eingetreten ist. — Die diakritischen Pünktchen über dem S 
hat Grimm eingeführt, um das alte idg. ^ von dem jüngeren Um- 
laut-e zu unterscheiden. Über ältere Bezeichnungen s. Br. § 29 
A. 2; über den Lautwert § 180 A. 2. § 181 A. 1. 

177. Nur unter gewissen Bedingungen, vor Nasalver- 
bindungeu, vor i und vor u, ist e zu i geworden. 

Vor Nasalverbindungen (Doppelnasal oder Nasal + Cons.) 
gilt i allgemein; auch in solchen Wörtern, in denen die fol- 
gende Silbe ein a, e, o enthält oder enthielt; z,B, g.unnds: 
ahd. wintf 1. ventus; g. sinps Weg^ : ahd. sind (vgl. 1. sentire); g. 
duginnan : ahd. biginnan\ g. bindan : ahd. bintan (vgl. 1. offendi- 
mentum)] g. drigkan : ahd. trinkaw, g. flmf: ahd. flnf (vgl. gr. 
iTdvT€) u. a. Die Erscheinung ist nicht so aufzufassen, dass der 
Nasal nur die Wirkung von e, a, o paralysiert habe, vielmehr 
muss er den Lautwandel positiv befördert haben ; denn gerade 
vor Nasalverbindungen stellt sich das i am frühesten und in 
allen germanischen Sprachen ein (§ 178. A.).. Das Alter der 
Lautentwickelung verbürgt unter anderm der Übertritt einiger 
st. V. aus der zweiten in die erate Ablautreihe und umgekehrt 
aus der ersten in die zweite; s. Flexion. 

178. Die Wirkung des i zeigt sich zunächst da, w(y 
es mit e zum Diphthongen verbunden ist; idg. ei erscheint 
von Anfang an und in allen germanischen Sprachen nur als i 
(§ 172, 2); später wirkt auch ein i oder j der folgenden Silbe. 

So haben i die i-StHmme; z. B. ahd. gift Gabe : g^ban; nifl Nichte: 
Lneptis; dann zahlreiche Bildungen mit j-SuflSx; z.B. st. Masc. ahd. 
hirti Hirte, g. hairdeis : z\x ahd, h^rta Herde; coUective Neutra: 



§ 179.] Hochdeutscher Vocalismus. Idg*. e = hd. **, i. 231 

ahd. f^ld : gißdij h^g : gibirgi, kn^ht : geknihti, — Adjectiva: mittiy 
g. midjis : 1. medius. — Sw. V. 1. r^ht : rihten\ f^ll : fillen geissehi, 
Bchinden. — Ferner w^rt : wirdt Würde; ge'rsta : girsitn; ^rda : irdtn, 
irdisc'^ gr, ^xi^o^ • ahd. igiL — Auch suffixale Z, r, n hindern die 
Wirkung eines folgenden j nicht; z. B. w^'tar Wetter : ghcitiri\ 
8Mal Sitz : gisidüi'^ tMgan Held : githigini. So haben auch die 
St. V. 1 in der 2. 3. Sg. Präs. i: gibis^ gibit zu g^ban\ die ursprüng- 
lichen Endungen waren -e.«, -eti\ vor dem auslautenden i ging 
zunächst das e der Endung, dann auch das der Stammsilbe in 
i über. 

Anm. Zur Chronologie des Lautwandels s. Bremer ZfdPh. 
22, 250 f. Kluge Grdr. § 26 (S. 357). Noreen S. 13. 15. Im ersten 
nachchristlichen Jahrhundert, bei Tacitus, finden wir noch e in 
SegimertiSf Segimundus (ahd. Sigimdr, Sigimunt), Fenni Finnen, 
SemnoneHy dagegen i in Ingaevones, Also vor gutturalem Nasal 
scheint der Übergang zuerst statt gefunden zu haben. Hier muss 
er älter sein, als der Schwund des Nasals vor h\ denn das % in g. 
Peihan, ahd. dthan gedeihen und g. preihan dringen kann erst 
entstanden sein, nachdem enh zu inh geworden war. (Un ver- 
schobenes eng zeigt noch das finnische rengas Ring aus ahd. bring.) 
Vor andern Nasalen behauptet c sich länger, vielleicht sogar länger 
als vor folgendem i; s. Wrede, Ostgot. S. 162 f. 

179. Erst später erfolgt die Wirkung des u auf e. 
Über den Diphthongen idg. eu s. § 175. 183. Vor einem u der fol- 
genden Silbe erscheint i z. B. in ahd. sibun : 1. Septem, gr. ^irrd; 
dann namentlich in der 1 Sg. Präs. der st.V. 1 gibu ich gebe : g^ban 
und in den meisten u-Stämmen; z. B. situ Sitte, g. sidus : gr, £6o^; 
sign Sieg; filu viel; ferner mit Schwund des u (§ 257): seilt Schild, 
g. 8kildus\ quim Mühle, g. qaimus'^ wirt, g. wairdus*^ widar (mit 
Secundär-a), g. wiprus Widder, — Aber vor einem m, dem noch 
ein a, ö, i folgt oder folgte, vollzieht sich, wie Kögel (PBb. 
16, 501) bemerkt hat, der Lautwandel nicht; es heisst ahd. 
^bur M. Eber; ¥mtist N. F. Kampf, Ernst; n^bul M. Nebel neben 
nibulnissit Nibelunc; sn^hur Schwäher neben suigar Schwieger 
(urspr. Stamm *8ijegrü, vgl. 1. socrus). Vermutlich hatte dieses u 
einen besonderen Klang (vgl. § 184). — Auffallend ist, dass die 
schwachen Feminina e haben (ahd. quena Weib, swegala 
Pfeife), da sie doch in den meisten Endungen il haben. Doch 
fragt sich wie alt dieses ü ist; das Gotische hat 6. 

Auch w wirkt nicht wie u, während doch j dieselbe 
Wirkung übt wie i; vgl. mSlo, m&fajwes (St. melua-) Mehl; zeso, 
z^(a)iv€r recht u. a. Ebenso gilt ursprünglich fe' unmittelbar vor 



232 Hochdeutscher Vocalismus. Idg, e = hd. ^', i. [% 180. 

tt' : cn^o, cnewes, cnewon (St. knetva- Knie); auch in dem Pronomen 
der 2 Pers. erscheint noch ^'u, ^uuih für iu, iuiiih, — Nur vor dem 

gedehnten w ist schon in den ältesten Quellen i eingetreten; 
z. B. hrinua Reue, triuua Treue, bliuuan schlagen (Br. 
§ 30 A. 2. Wrede, Ostgot. S. 163). Die Entwickelung des 
i hängt jedenfalls mit der Vocalisierung des w zusammen, 
die bei dem gedehnten w früher erfolgte als bei dem ein- 
fachen; § 125. 

Anm. Auch in einigen Fremdwörtern ist ^ in i übergegangen; 
vor Nasal Verbindungen in ahd. minza : 1. 77ienta'^ ahd. zins : 1. census; 
mhd. Pfingsten (vgl. ahd. zi finfchustin N.) : gr. iat. irevTiiKoaTi^ ; mhd. 
pfinz-tac Donnerstag, der fünfte Tag : gr. ndjuiTTn; mhd. pensei, 
pinsel M. aus mint. pinseil us aus penicellus Schwänzchen; nhd. Spinde 
N. (ndd.) : mlat. spenda Speisekammer, -kästen; Ginst, Ginster M. : 
1. genista. Unter andern Bedingunoren in ahd. kirsa F. Kirsche 
nicht aus 1. cerasuni sondern aus einem *ceresia (s. Kluge Wb.); 
ahd. ti^eso od. triso M. Schatz : gr. Iat. thesaurti$^ frz. tresor; mhd. 
7nispel, onespel F., ahd. mespila \ gv. Iat. mespila; mhd. termen, 
tirmen : 1. terminare\ nhd. Pfirsich : mhd. pfersichil. persicum; 
vgl. § 223. 

180. Unregelmässigkeiten. — 1. In den w-Stämmen 
ist der Lautwandel nicht regelmässig durchgeführt, fihn Vieh 
zeigt häufig ein e im Stamm und mein ist die gewöhnliche Form 
neben mifw^ eini<ro seltnere Wörter führt Paul (PBb. 6, 80) an*). 
Der Grund wird darin lieiren, dass den w-Stämmen das i nur im 
Nom. und Acc. Sg. und in den Pluralformen zukam, nicht aber im 
G. D. S^., Otfried flectiert regelmässig : fihu^ fe'heSy f^he^ fihu. Im 
allgemeinen haben die besser geschützten Formen mit i den Sieg 
davon getragen. Zu meto darf man vielleicht neben dem u- einen 
wa- Stamm voraussetzen (vgl. g. skadus : ahd. scato^ scatewes). 

2. Andere Ausnahmen erklären sich leicht durch Sy- 
stemzwang. Zu u'¥rt gehört ivirdt^ aber zu snH wird ein Abstrac- 
tum snelll gebildet, indem das Grundwort den Vocal des abgeleiteten 
bestimmt. So braucht 0. ^bint zu eban, icesint zu iv¥san u. a. 
(Br. § 30. A. 1). Zu fedara wird ahd. kafedare (alites, volatilia) ge- 
bildet; mhd. nach dem Muster anderer Collectiva gefidere\ vgl. auch 
mhd. geswister neben ahd. gisicester. Den Abstracten auf -unga 
wie nemunga, icerfunga^ g^runga^ die erst spät zu einer kräftigen 
Sippe heranwachsen, kommt i schon deshalb nicht zu, weil auf die 
Silbe mit u noch a folgt. 



1) fridu und mist mit idg. i gehören nicht hieb er. 



§ 181.] Hochdeutscher Vocalismus. Idg. i = hd. ?. 233 

3. Umgekehrt fallt in einigen Wörtern i auf; neben ahd. 
^te'mnüj stebnaj g. stibna Stimme steht ahd. stimna (vgl. as. stemnia) ; 
neben ahd. scerno Possenreisser (zu sct'rn Spott) : ahd. scirno; neben 
hP'lfa verhältnismässig selten hilfa; vielleicht bestanden j6-, jan- 
Stämme neben den ö-, an-Stämmen. [Nhd. Hillfe geht auf ein älteres 
hülfe zurück, das im Md. Öfters, ganz vereinzelt im Ahd. begegnet; 
das u ist wohl nicht andere Ablautstufe, sondern jüngere durch l 
bewirkte mundartliche Färbung des Vocales.] 

Anm. 1. Insofern der Übergang von 6 zu i durch ein i oder 
J der folgenden Silbe bedingt ist, kann man ihn als Assimilation 
ansehen, als ersten Sehritt des i-Uralautes; (von Borries, das erste 
Stadium des t-Umlaute». Strassb. 1887). Da der Lautwandel aber 
nicht auf diesen Fall beschränkt ist, muss man für die ältere Zeit 
die Neigung, überhaupt die Aussprache des e zu erhöhen, voraus- 
setzen. Später dagegen war im Hochdeutschen e* ohne Zweifel ein 
offner Laut; § 197. Diese offene Aussprache war vielleicht eine 
Wirkung der Vocale a, o, e, vor denen allein sich ^ behauptet hat; 
vielleicht aber hängt die Änderung auch mit dem Übergang von 
^ zu d zusammen (§ 188) ; beide Vorgänge zeigen die Neigung, den 
Vocal tiefer zu stimmen. Die erhöhte Aussprache der älteren Zeit 
liesse sich umgekehrt mit dem gemeingerm. Übergang von o zu a 
vergleichen. 

Anm. 2. Über ie neben i, ^ s. § 189; über ahd. welih (Grdf, 
*}va-leiks neben g. fvileiks) und ahd. felis^ felisa (nicht mit fe) § 197 
A. 2; über fe" : i in unbetonten Silben § 254. 

Idg. i : hd. e'). 

181. Nicht so klar, wie für den Übergang von idg. ^ 
*zu i liegen die Bedingungen für den entgegengesetzten von i 
zu €. Paul hatte die Regel aufgestellt, dass im Ahd. der 
Übergang von i zu e durch ein a, e, o der folgenden Silbe 
bewirkt war, wofern diese Laute auf der überlieferten 
Sprachstufe noch erhalten sind; andere nahmen an, dass der 
Vorgang bereits im ürgermanischen begonnen habe und in 
"den Einzelsprachen auf verschiedene Weise weitergeführt sei; 
aber der Verlauf der Bewegung und die Umstände, welche 
«ie geregelt haben, sind nicht deutlich zu erkennen. Selbst 
wenn man zahlreiche und an und für sich unwahrscheinliche 



1) Heinzel, Niederfr. Geschäftssprache S. 46. Zimmer, AfdA. 
1, 99. Paul, PBb. 6, 82 f. Brgm. l § 35. Kluge, Grdr. § 25, 2. 
Noreen S. 20. Streitberg S. 56. 



234 Hochdeutscher Vocalismus. Idg. i=hd. k\ (§ 181. 

Formflbertragnngen annimmt, gelingt es nicht die Thatsachea 
befriedigend aus der Regel zu erklären. Die auffallendste 
Ausnahme bilden die Part. Prät. der st. V. 2, die stets i haben 
(gistigmii gitriban); unter der Einwirkung der übrigen Ver- 
balfornien, meint man; aber warum sollte gerade hier die ge- 
setzliche Lautentwickelung consequent durch Formübertragung 
beseitigt sein, da doch sonst die starken Verba die Vocale 
in grösster Mannigfaltigkeit bewahren? Von dem Pron. er 
sie, €8 lautet bei Otfricd der N. Sg. Masc. är (g. w), der G. 
Sg. es (g. i8)y dagegen der N. Sg. Neutr. iz (g. itä), und 
ebenso imOy inan, ira^ iro also überall i, wo man nach der 
Regel e erwartet. Bildungen, welche, soweit wir sehen können, 
ganz gleichartig sind, erscheinen teils mit e, teils mit i, nicht 
selten stehen auch Doppelformen neben einander, oder e tritt 
erst in jüngerer Überlieferung neben i (Br. § 31 A. 1 — 3). 

Substantiva mit ^ : ahd. b^a {bita) F. Bitte zu bitten (Wz. 
bheidhy gr. ircCOofiai); ahd. blSh N. Blech (an. blik) zu bltchan\ ahd. 
Mhara F. Häher (gr. xCaaa aus *K(KJa); ahd. kläb N. Klippe (ags. an. 
clif) ; ahd. llibara Leber (ags. Ufer) ; mhd, l^be-kuoche M. Lebkuchen 
zu g. hlaifs M. Laib?; ahd. nest (1. nidus aus *ni-$d-08) ] ahd. «pd'c 
jM. (zu gr. iT(ujv)f ahd. steg M. Steg und st^ga F. zu stfgan] ahd. 
zteccho M. Stecken (ags. sticcä)] ahd. w&iha Woche (an. vika, g. 
wikö) und tc^hsal M. N. Wechsel (1. vices) zu w%chan\ ahd. wk'r 
Mann (1. vir)\ ahd. ziceho M, Zweifel neben zwifo, Mhd. scMme M. 
(ind. schime) Schattenbild, Schemen. — mit i : ahd. fiftc M. {l.piscis); 
J}lina F. Lehne (gr. KXivn); J/zY N. Deckel (Augenlid) zu ags. hlidan 
schliessen; riga F. Reihe, Riege zu rihan\ bettiriso M. der Gicht- 
brüchige zu i^san\ ga-sig M. N. Sumpf zu 8tgan\ scina {sciena^ 
8cena) F. Schiene; slito M., sHte F. zu ags. sltdan gleiten; smid M. 
Schmied; snit M. (PL anita), snita F. Schnitte zu sntdan; dana-trib 
repudinm zu Mban\ wisa F. Wiese; wi^öd M. N. Gesetz; ziga F. 
Ziege; zil N. Ziel. [Auch ahd. blic M. (PI. bliccha) wäre hier anzu- 
führen, wenn es zu bltchan gehört; gehört es zu Wz. bhleg so muss 
das Wort urspr. der i-Declination gefolgt sein]. — Doppelformig mit i 
und c sind namentlich «ct/N. Schiff und scirmM, Schirm; doch ist zwei- 
felhaft, ob die Wörter, zumal seimig hierher gehören oder zu § 180, 3. 

Adjectiva und Adverbia mit ^* : ahd. qu^ck lebendig (1. vivus)'y. 
ahd. sl^ffar schlüpfrig (vgl. an. sleipr^ mhd. 8leif) zu sltfan'^ ahd. 
simt eben, schlicht zu sltchan (II § 336, 2. 311, 4); ahd. 8tecchal, 
mhd. 8te'ckel steil zu stfgan\ ahd. wesan trocken, morsch (Wz. wXSy 
vgl. 1. virus). — mit i : ahd. bittar bitter (vgl. g. baitrs) zu bt^an^y 



§ 181.] Hochdeutscher Vocalismus. Idg. e = hd. ?. 235 

missa- missi- (Tat. m^sa-^ m^sse- II § 98); ahd. wi^o wissend, 
gi'tvisfss) gewiss (Tat. gi-w^sso); ahd. nidar hinab, nidana unten; 
widar zurück (g. iciprä), — Doppeiformig lidic und IMic ledig. 

Das starke Verbum st^chan stechen ist aus einer t- Wurzel 
erwachsen (vgl. gr. ariZiui, 1. instigö)\ zu tt'e^ heisst das Prät. 
oberd. tcissa wista, frk. w^ssa w^sta. 

Sw. V. 2 mit ^ sind ahd. l^cchön lecken zu g. laigön (vgl. 1. 
lingo, gr. X€(xui); ahd. hütön beten zu bat N., &^Ya F. und bitten^ 
8t¥gön steigen zu st^g^ stäga und sttgan. — mit i : scidön unter- 
scheiden zu 8ceidan\ ziitarön zittern; andere gehören zu Substan- 
tiven; z. B. ga-fridön zu fridu, lidön cacdere zu lid, smid&n 
schmieden zu smid, spüön zu spil, zilön zu 2t7, sitön machinari zu 
sitw, aber auch giliberöt geronnen zu l^bara, — Neben ahd. sticken^ 
suchen schlemmen, sHc, stich Schlemmer (vgl. an. sleikjä) tritt mhd. 
stecken, sl'€c. 

Sw. V. 8 mit fe' : ahd. su^bin schweben (vgl. an. svifa, ahd. 
siceibön), kl^bin kleben (zu kltban kleiben); in andern dringt e» 
erst später durch. Neben lebPn steht noch libin (an. Ufa); lä'rnin 
ist im Ahd. gewöhnlich lirn^n {le'm^n 0. T.); lehnen^ mhd. Unen^ 
ahd. linin (vgl. gr. kX(vu)); gähnen, mhd. g^nen und ginen (geinen\ 
ahd. ginin (geinön); beben^ mhd. biben, ahd. &2&^ (an. bi/a). 

In Fremdwörtern ist i in der Regel beibehalten; z. B, 
tihtön : 1. dictare; tisc : 1. e?t>cti«; phister Bäcker : 1. pistor; circön, 
umbicirc u. a. Einige haben ^ angenommen, teils schon im Romani- 
schen : bk'ch Pech : 1. pix; b^hhar(i) : vulgärlat. bicarium\ pf^'ffar : 1. 
piper; ahd. m^ssa od. missa : 1. mlssa, frz. me^^e; s^gan : 1. Signum.^ 
ahd. s^mäla^ simila F. Semmol : 1. simila Weizenmehl, ital. «emo/a; 
ahd. s^naf M. Senf, it. senape : gr. lat. sinapi; ahd. minig, mhd. 
minig, menig Mennig : 1. mmtum; mhd. gu^'ntin, quintin Quentchen: 
mlat. quinttnus. Whd. § 40. PBb. 8, 84. 

Anm. 1. In seiner Qualität steht das i (=idg. i) dem aus e 
entstandenen ganz gleich, und ebenso das ^ (=:idg. e) dem aus i 
entstandenen fe*. Dies ä war, soweit wir seine Qualität verfolgen 
können, ein offner Laut und dadurch von dem Umlaut e verschieden 
(§ 197). In einer früheren Zeit aber muss es doch wohl, wenigstens 
soweit es aus i hervorgegangen ist, geschlossen gewesen sein. Die 
Änderung mag in derselben Zeit eingetreten sein, in welcher hd. 
ä für germ. i eintrat (§ 180 A. 1). Jedenfalls scheint die Annahme 
ausgeschlossen, dass, so lange die Neigung herrschte, die Aus- 
sprache des e zu erhöhen, sich auch die entgegengesetzte i in e 
zu wandeln geltend gemacht habe. Der Übertritt von i zu e müsste 
also, soweit nicht etwa äussere Einflüsse die Natur des Lautes 
änderten, früher oder später erfolgt sein. 

Anm. 2. Im Ganzen haben die Laute ^ und i bis in die mhd. 



536 Hochdeutscher Vocalismus. Genn. u = hd. w, o, [§ 182. 



Zeit ihre von andern Lauten gesonderten Gebiete inne gehalten. 
Aber früh zeigt sich in einigen Wörtern für oder neben 6', i ein o, 
bes. unter dem Einfluss eines vorangehenden w; g. wikö, ahd. 
iv^'chüj wohha, mhd. woche (ndrrh. auch w^'che) ; g. waila^ ahd. w¥la^ 
wola, mhd. wole wohl (vgl. Whd. § 44). Über das o in kommen und 
tvoUen 8. Flexionsl.; über fco, ku=qu^f qui § 119. — Durch Assi- 
milation ist o entstanden in oder^ g. aippau, ahd. ^ddo^ Mo^ odo, 
mhd. oc/c, oc?6r. — Vgl. ferner g. ntÄ = l. neque : ahd. noÄ; g. «öa, 
eftai, ahd. ibu : ahd. ofea, mhd. obe ob. — Über frühe Berührung 
mit dem Umlaut -e s. § 197 A.; über einzelne jüngere Entartungen 
s, § 223. 230, 2. — Erst in der Entwickelung der Sprache vom Mhd. 
2ura Nhd. werden durch qualitative und quantitative Änderungen 
die Grenzen starker verwischt, indem ^ mit c, ^, <b (§ 199 f.), i durch 
die nhd. Dehnung und die jüngere Monophthongierung (§ 219) mit 
ie zusammenfällt. Belege für alte ^ und i Gr. 1^ 135. 143. 

Germ, u : hd. w, o^). 

182. 1. Während im Gotischen der Übertritt von u zu o 
von dem folgenden Consonanten, hängt er im Hochdentschen 
von dem Vocal der folgenden Silbe ab. o gilt, wenn diese 
Oy Bj o enthält und die Stammsilbe nicht etwa durch Nasal- 
Verbindungen geschützt ist, m, wenn die folgende Silbe i 
oder u enthält oder der Stamm auf eine Nasalverbinduug aus- 
geht. Also unter denselben Bedingungen, unter denen germ. e 
sich zu i verändert, hat u sich gehalten, und wo germ. e sich 
gehalten hat, verändert sich u in o. Deutliche Beispiele bieten 
4l\e Perfectformen der st.V. Ic und 3. Dem got. budum wir boten, 
biidi er böte entspricht ahd. butum^ buti mit demselben Vocal, 
"dagegen dem Part. g. budans : ahd. gibotan\ ebenso g. hidpum, 
Jiulpi : ahd. hulfum^ hidfi\ aber g. hulpans : ahd. giholfan. Nur 
zufällig treffen Got. und Ahd. in dem o zusammen; z. B. g. waur- 
panSf ahd. giworfan\ g. tauhans, ahd. yizogan, — Der Regel ge- 
mäss herrscht das o auch in allen a-, an-, 6-^ ^n-Stämmen sowie in 
den sw.V. 2. 3 z. B. St. M. g. wulfs^ Wolf\ g. fugls, Vogel. — • St. 
N. g. huzd, Uort\ g. jvk^ Joch. — St. F. g. mulda Staub, ahd. molta 
<dazu mhd. moltivorf^ Luther maulivorff^ jetzt Maulwurf). — .Sw.M. 
g. guma Mann, ahd. gomo (dazu brütigomo Bräutigam); g. fula 
Xpullus), ahd. folo Fohlen. — Sw.F. g. fullö (supplementum), ahd. 
volla; g. fauhö (vulpes), mhd. vohe. — Adject. g. /wW«, voll\ g.huips^ 
hold. Sw.V. 3 g. pulariy ahd. dolen. Dass die schwachen Fem. in 



1) Noreen S. 18 f. Streitberg § 70. 



§ 182,] Hochdeutscher Vocalismus. Germ, u = w, o. 237 

den meisten Casus ü haben, hindert die Brechung nicht; ebenso 
wenig ein w; z. B. horo, horwes Kot (vgl. § 179 und § 180, 2). Da- 
gegen vor gedecktem Nasal steht in den gleichen Fällen u\ z. B. 
hunds : Hund; g. brunna : Brunnen; g. tuggö : Zunge; g. sunna 
und sunnö : ahd. sunno und sunna Sonne; g. dumbs : dumm; g. 
juggs : jung. 

2. Die Regel bedingt nicht selten einen Wechsel des 
Vocales zwischen einfachem und abgeleitetem Worte; z. B. 

hold : huldt; Wort : antwurti st. N.; horsg hurtig : hursgida; vogal: 
gifugili; foll : füllt Fülle, fulljan füllen; durri dürr : dorren verdorren. 

Doch haben Analogiebildungen zuweilen das regelrechte Ver- 
hältnis gestört oder wieder aufgehoben. So bildet 0. zu foll das 
Abstractum follt statt des sonst gebräuchlichen füllt Fülle; für 
d'bulgi N. F. Zorn braucht Notker äbolgiy vgl. das Part, ir-bolgan 
erzürnt, ir-bolgent Zorn. Im Ahd. heisst es regelrecht Äo/z, gihulzij. 
hulztn : nhd. Gehölz^ hölzern; ahd. wolla, wtdlln : nhd. wollen; gold 
guldtn : nhd. golden (daneben noch gülden und ohne Umlaut Gid- 
den); ahd. wort, antivurti : nhd. Antwort; mhd. niort, niurden: nhd. 
morden; ahd. fordorOj furdrjan : nhd. fördern u. a. Vgl. auch mhd. 
fürhten, forhte : nhd. Furcht. 

3. Auffallend ist die Form der Präterito-Präsentia ahd. 
onda ich gönnte, Jconda ich konnte, mit o vor gedecktem 
Nasal. Gewöhnlich erklärt man sie (abweichend Behaghel Germ. 
31, 382 A.) als Analogiebildungen zu mohta, scoltay torsta, tohta, 
dorfta; aber auch in diesen ist o seltsam, weil o von rechtswegen 
nur dem Sg. zukommt, nicht dem PI. und dem Opt. Dasselbe Ver- 
hältnis ursprünglich in furhten^ forhta; icurken, tvorhta; huggen, 
hugita oder hog^ta^ hogta. — Andere einzelne Wörter mit auffallen- 
dem Vocal besprechen Paul, PBb. 12, 549 f. und Kögel, IF. 3, 281 f. 
Für ahd. ubar (auch ubur^ ubir) und sumar M. Sommer setzt Paul 
'Ur als ursprüngliche Endung an; zur Erklärung von sumar (St.. 
sumra-) mag aber schon die Nasalverbindung genügen. Das u im 
Pron. .sum erklärt Kögel aus der Unselbständigkeit seines Accentes» 
nur unter dem Hochton trete der a-Umlaut ein. Für trucchan (selten 
trockan) setzt er einen w-Stamm *druc nu- voraus, wie auch für ahd. 
mhd. drum N. Endstück, Stück (dazu nhd. Trümmer) ein ii-Staram 
drumii' anzunehmen ist. Auf einen u- oder z-Stamm weist ahd. burst 
M. N., auf einen <5-Stamm mhd. börste (daneben regelmässig der 
y<)-Stamm mhd. bürste). Das u in ahd. friima F. Vorteil, frumo M. 
auctor ist vielleicht eher durch den Hinweis auf frummen sw. V. 1 
zu erklären, als durch den Vocalwechsel in den Flexionen; vgl. 
auch frumi- in Compositis. Regelmässig ist ahd. sculd F. («'), dar- 
nach ahd. (selten) sculta F., mhd. schulde ahd. wurzela F. Wurzel 



238 Hochdeutscher Vocalismus. Idg. eu = hd. iu, ioy ie. [§ 183. 

hat a)6 Compositum (II § 208) mit Recht u wie das Simplex umrz 
F. (t). Alte Fremdwörter mit u sind ahd. kupfar N., krusta F., 
kurz Adj. — Umgekehrt fällt o auf in ahd. dorn M., weil das Wort 
im Got. u-Stamm ist (paumus) ; für trohtin M. Herr neben truhtin 
(auch trahtin, trehtin) vermutet Kögel älteres *drohtan zu einem 
Stamm *drohta' N. neben druhti- F. 

Anm. 1. Der Übergang von u in o zeigt sich auch in den 
andern germanischen Sprachen ausser dem Gotischen. Ob auch 
das Gotische ihn voraussetzt ist sehr zweifelhaft (Wrede, Ostgot. 
S. 164 f.). Streitberg (S. 58 f.) vermutet es nach dem Namen des 
Gotenvolkes selbst, für den die Form mit o (Gotones, Goti auch 
mit th) die älteste ist und die herrschende bleibt. Bei Ulfilas wür- 
den sie Gutans heissen; vgl. Gut-piuda im got. Kalender; vgl. 
Wrede a. 0. S. 44 f. 

Anm. 2. Schon im Ahd. wird das Gebiet der Laute u und o 
durch den Umlaut geteilt (§ 203. 204). Die spätere Zeit lässt die 
Grenze zwischen u, ü und o, ö nicht ganz unverändert (§ 225); end- 
lich fallen durch die nhd. Dehnung und die jüngere Monophthon- 
gierung (§ 219) o, ö und <5, as, sowie u, il und uo^ üe zusammen. 
Belege für alte o und u Gr. 1^ 149. 155. — Vereinzelt mo = o, w; 
s. Br. § 32 A. 6. PBb. 11, 308. 

Idg. eu : ahd. m, io. 

183. 1. Die alte Form des Diphthongen, die in den 
gotischen Schriften nicht begegnet, ist anderwärts durch ältere 
und jüngere Zeugnisse belegt und findet sich auch im Hoch- 
deutschen*). Dann spaltet sich der Laut, indem imter ge- 
wissen Bedingungen u in o, e in i übergeht (Kluge, Grdr. 
§ 25, 7). In fränkischen Namen des 6. — 7. Jahrh. werden eu 
und eo ohne consequente Unterscheidung gebraucht; im 8. 
Jahrh. stellt sich ein geregelter Wechsel zwischen iu und eo 
ein; wo der zweite Bestandteil des Diphthongen erhalten ist, 
gilt i, wo er in o übergeht, behauptet sich e (Br. § 47 A. 1). 
Erst 100 Jahre später geht auch vor o 6 in « über. — iu 
dauert, wenigstens in der Schrift, bis ins Mhd. (§ 213), wan- 
delbarer ist io. Es herrscht noch im 10. Jahrb.; daneben 
aber erscheint, zum Teil unter dem Einfluss eines e der fol- 
genden Silbe, iß, auf beschränktem Gebiet (0.) auch ia. ie ist 



1) Gr. 13, 108. Streitberg § 62. Noreen S. 20 Anm. 



§184.] Hochdeutscher Yocalismus. Idg. eu = hd. iu, to, te. 239 

«eit dem 11. Jahrb. die gemeingültige Form, die sich bis in 

das Mbd. hält (Br. § 48 A. 1. 2. Behagbel, Grdr. §41, 3). 

2. Die Bedingungen, unter denen die Brechung des 

alten Diphthongen eintritt, sind dieselben unter denen das 

einfache w zu o wird, also vor e, o, a der folgenden Silbe. 
Das deutlichste Beispiel geben die Präsensformen der st V. 3 ; der 
S^. Prs. hat iu: hiutUy biutiSt biutit; der Fi. io: biotam, biotat, 
biotant; ebenso der Opt. biote etc.; der Inf. biotan, das Part, biofanii. 
Ebenso tritt die Brechung in den a-j an- 6-, ^n-Stäramen ein; z. B. 
g. piubSf ahd. diob Dieb, aber diuba (d. i. diubja) Diebstahl; g. 
liuhap, ahd. Höht Licht, aber g. liühtjan, ahd. liuhten leuchten; 
g. piuda, ahd. diota Volk, aber g. piudisks (paganus), ahd. diutisc 
deutsch; g. diups, ahd. tiof tief, aber g. *diupei, ahd. tiufl Tiefe 
(st. Teufe); g. siukSj ahd. sioh siech, aber g. siukei, ahd. siuhht 
Seuche. 

184. 1. Diese consequente Durchftlhrung zeigt die Regel 
jedoch zunächst nur im Fränkischen; in dem gesammten Ober- 
deutschen des 8. und 9. Jahrb. tritt die Brechung nur vor 
dentalen Consonanten und vor germ. h ein •, vor fe, p, /", m und 
g, kf hh erscheint ohne Rticksicht auf den folgenden Vocal 
immer iu (Braune, PBb. 4, 457 f.); also Zm6, diub, sliufan, 
riumOj biugan^ siiih u. a. Auch der Südfranke 0. zeigt 
Spuren dieses Gebrauches, indem er einige mal Hub und 
immer Uublich schreibt. Die Erhaltung des u vor den labialen 
und gutturalen Lauten erklärt sich leicht aus ihrem gegen- 
seitigen Verhältnisse; den Lippenlauten steht das u durch die 
Lippenarticulation, den Gaumenlauten durch die Lage der 
Zunge (vgl. § 116) nahe; die innere Verwandtschaft der 
Laute gewährte also dem zweiten Bestandteile des Diph- 
thongen Schutz; nur germ. h war schon zu schwach ihn zu 
gewähren. — Noch stärker zeigt das Anglofriesische in der 
Geschichte des Diphthongen eu den Einfluss des folgenden 
Consonanten; s. Kögel IF. 3. 288. 

2. Merkwürdig ist nun, dass seit dem 10. Jahrb. auch 
in oberdeutschen Dialekten dieselbe Sonderung des gebrochenen 
und ungebrochenen Diphthongen erscheint, die wir im Fränki- 
schen von Anfang an gewahren. Es hcisst jetzt Hut (/-Stamm, 
Volk) aber dieh (a-Stamm), und die st.V. 3 flectieren nunmehr: 



240 Hochdeutscher Vocalismus. Idg. eu = hd. im, io, ie. [§ 184. 

biuge, hingest^ htuget, biegen, bieget, biegent. Wie konnten 
die oberdeutschen Mundarten zu einer Zeit, als die Vocale^ 
der Endungen nicht mehr intact waren, eine Grenze, die doch 
auf der Verschiedenheit dieser Vocale beruht, so genau wieder- 
finden, dass nur wenige Ausnahmen nachzuweisen sind ? (PBb. 
4, 566). Den Zustand aus Analogiewirkungen und System- 
zwang zu erklären, will nicht gelingen; noch weniger ist an 
Einfluss einer fränkischen Schriftsprache zu denken; es bleibt 
nur die Annahme übrig, dass der durch iu bezeichnete Laut 
selbst die Möglichkeit der etymologisch richtigen Scheidung 
gegeben habe; das oberdeutsche iu vor Gutturalen und La- 
bialen muss verschieden gesprochen sein, je nachdem in der 
folgenden Silbe ursprünglich i und u oder e, o, a gestanden 
hatten. Wie weit aber die Unterscheidung in den Mundarten 
galt, ist noch genauer zu untersuchen; vgl. § 219 und Jelliuek, 
ZföG. 1893 S. 109L 

Anm. 1. Mit dem in = idg. eu fällt zusammen das iu in fiur 
N. Feuer aus älterem füir (Br. § 49 A. 3. Schmidt, Voc. 2, 275. 278)^ 
und in friunt M. = g^. frijönds. Ebenso das tu, das sich aus der 
Verbindung eines idg. e mit geschärftem w crgiebt, z. B. triuwa^ 
riuwa (§ 179). Beachtenswert ist, dass dieses iu nicht der Brechung 
unterlegen ist. Dasselbe gilt für ahd. giziug M. N. Ausrüstung, Gerät, 
ahd. gizhigön bezeugen, erweisen, spät-mlid. ziuge M. Zeuge, deren 
Vocalismus der Herleitung von ahd. ziohan widerstreitet (s. Franck 
Wb. Sp. 1037). Auch in dem Fremdwort ahd. tiuval, tioval Teufel 
(aus gr. lat. diabolus) siegt der Diphthong iu. — Dagegen mit dem 
gebrochenen co, io fällt der Vocal, der sich in den Mvi-Stämmen 
aus der Verbindung des ausl. o mit vorangehendem fe* ergiebt, zu- 
sammen (§ 121, 2); ebenso der Diphthong in fior=^ g. fidwör (Kluge, 
Grdr. § 30, 4), in dem Adv. io aus ^o (§ 186) und in den Praeteritis 
der ursprünglich reduplicierenden Verba, die 6 oder au im Inf. 
haben. In diesen hat das Oberdeutsche io und iu nach derselben 
Kegel, die für den echten Diphthongen gilt; also steo,^^ atio,^, 
aber Huf. 

Anm. 2. iu wird früh monophthongiert (§ 213), später zu eu 
diphthongiert, und fällt iu dieser Form im Nhd. mit dem Umlaut 
von II und ou zusammen (§ 217). Die Grenze zwischen io und dem 
aus f?- entstandenen Diphthongen wird schon im Ahd. aufgehoben 
($ 1801; ?'e, das beide Laute vereint, wird dann monophthongiert 
(§ 220) und tällt durch die nhd. Delinung mit ursprünglichem l zu- 
sammen. 



§ 185. 186.] Hochdeutscher Vocalismus. Germ, ai, au : hd. eij ou. 241 

Germ, ai, au : hd. ei, ou. 

185. 1. Da idg. o und a in germ. a zusammenfallen^ 
ist fbr die Diphthonge oi und aj, off und a^ germ. ai, au 
zu erwarten; und in der That werden die Laute im Gotischen 
und in den ältesten hochdeutschen Denkmälern so bezeichnet 
(§ 172, 2). Ob aber die gotische Aussprache dieser Bezeich- 
nung entsprach, ist zu bezweifeln. Da g. ai, au auch offne 
i, 6 ausdrücken (§ 174 A. 2), und doch kaum anzunehmen 
ist, dass man fllr ganz verschiedene Laute dieselben Zeichen 
gewählt habe, so darf man wohl vermuten, dass die gotischen 
Diphthonge den offnen g, ö sehr nahe standen, etwa wie äi, 
du klangen mit überwiegendem ersten Bestandteil. Manche 
nehmen sogar an, dass die Goten die Laute überhaupt nicht 
mehr diphthongisch gesprochen haben, doch widerspricht dem, 
dass lateinische Schriftsteller g. ai, au durch Doppelzeichcn 
wiedergeben, z. B. Dagalaiphus, Gisaleicus, Audericus und 
dass auch in der Runeninschrift des Bukarester Ringes ai 
gesehrieben ist. Sievers Grdr. 1 S. 411; Wrede, Ostgot. 
S. 166; (anders Bremer, PBb. 11, 51 f. vgl. auch ZfdA. 40, 50). 

2. Eine ähnliche Aussprache, wie wir sie für das Go- 
tische voraussetzen, Hess auch das Hochdeutsche eintreten, 
aber geraume Zeit später. Gegen Ende des 8. Jahrh. nämlich 
ei-setzte man ai durch ei (Br. § 44 A. 2), im 9. Jahrh. au 
durch ou (Br. § 46 A. 1); erst damals also war, wenn die 
Änderung der Orthographie auf eine Änderung der Aussprache 
schliessen lässt, die Annäherung des ersten Bestandteils des 
Diphthongen an den zweiten erfolgt, welche die Ausbildung 
des gotischen Schriftsystems bereits voraussetzt. In dieser 
Form halten sich beide Laute bis ins Mhd.; über die jüngere 
Entwickelung s. § 216. 

186. Zusammenziehung der Diphthonge. — Unter ge- 
wissen Bedingungen aber ging schon im Ahd. die Entwickelung 
weiter; auch der zweite Bestandteil näherte sich dem ersten, 
die einfachen langen Vocale S und ö traten an die Stelle von 
ai und au. Die vorbereitende Stufe bezeichnen ae und ao, 
die in den ältesten Denkmälern noch öfters gebraucht werden. 
Br. § 43 A. 1. § 45 A. 1. 2. 

W. Wilmanns, Deatsche Orammatik. I. 16 



242 Hochdeutscher Vocalismns. Germ, ai, au=hd, i, ö, [§186. 

ai erfährt die Zusammenziehting bereits im 7. Jahrb. 
und zwar im Auslaut und vor r, w und germ. h\ z.B. g.sai, 
ahd. 8i siehe; g. wai, ahd. wi; g. aihtSf ahd. iht Besitz; g. sair, 
ahd. 86r Schmerz; g. aiz, ahd. ir Erz; g, saiws, ahd. «^/"O;/, «^e« 
See. Vor allen andern Consonanten hält sich der Diphthong bis 
heute; z. B. g. kails heil, g. stains Stein, g. Aat'm« Dorf, vgl. /ieim; 
g. hlaifs Laib', g. at/'« J^id, g. braids breit; g. taikns ZeicTien. 
Ebenso im Auslaut, wenn der Stamm aui geschärftes j ausging, 
z. B. ei, zwei, screi (§ 132). — Da die Contraction auch im Aus- 
laut eintrat, so muss die Neigung zur Monophtbongierung, 
d. b. zu schlaffer Articulation des i in dem Laute selbst ge- 
legen haben, warum sie aber nur vor r, A, to durchdrang, 
ist dunkel. Dass r und h im Gotischen kein i vor sich dulden, 
hat keinen Zusammenhang, denn der Diphthong ai wird ja 

im Gotischen durch die Abneigung nicht berührt. 

Anm. 1. Die Ansicht, dass ausl. ei, auch wo es nicht auf ge- 
schärftem j beruht, erhalten werden konnte (AfdA. 19, 34. 208), 
ist schwerlich richtig; s. Franck ZfdA. 40, 11 f. Anm. 

Anm. 2. Unregelmässiges i für ei findet sich im Ahd. nicht 
selten, ist aber meistens als Nachlässigkeit der Schreiber anzusehen ; 
Br. § 44 A. 4. Anders muss es in zwene, bide (neben beide), w^nag 
begründet sein. In den Zahlwörtern erklärt es sich durch den Ein- 
fluss einsilbiger zu% b€, die man nach g. twai, bai auch für das Hd. 
vermuten darf, winag, g. wainags aber ist abgeleitet von der Inter- 
jection g. tvai, ahd. w^, und da die Bedeutung des Adj. noch im 
Ahd. bejammernswert, unglücklich ist, begreift man, dass der Zu- 
sammenhang im Sprachbewusstsein lebendig blieb und die Ab- 
leitung dem Grundwort folgte. Sievers PBb. 10, 495 A. Collitz, HB. 
17, 30 f. Im D. PI. d€m, g. paim erklärt sich i durch den geringen 
Ton des Wortes; s. § 262. Über das i in gin, sten s. Flex. — Die 
Ansichten, die Brenner (PBb. 19 480 f.) über Laut und Geschichte 
des ahd. ei aufgestellt hat, scheinen mir nicht hinlänglich begründet. 

Anm. 3. In den wenig betonten Partikeln io (g. aiw) immer, 
hivio wie (vgl. g. haiwa) entwickelte sich der Laut weiter, ind^m 
€ verkürzt und dann die Verbindung eo wie der alte Diphthong eo 
behandelt wurde (§ 184 A.); io, wio. Genaueres bei Br. § 48 A. 4. 
Behaghel, Grdr. § 41, 3. 

Anm. 4. i und ei behaupten ihre gesonderten Gebiete bis 
ins Mhd. wesentlich unversehrt. Dann fällt durch die jüngere 
Diphthongierung ei mit % zusammen (§ 216), und i bleibt nicht 
hinlänglich von oe, fe*, c geschieden (§ 201. 205). Belege für alte ^, et 
Gr. 18 173. 182. — Über ei aus ege §81; über mundartliche Aus- 
breitung des 6 § 187 A. 3. 



§ 187. 188.] Hochdeutscher Vocalismus. Got. i = hd. d. 243 

187. Ein weiteres Gebiet als e für ai hat ö für au 
gewoDiien, obwohl die Zusainmenziehung etwas später, im 
S. Jahrb., erfolgt (Br. § 45 A. 1). Sie gilt im Auslaut, vor 
germ. h und allen Dentalen (d, t, z, s, ?*, Z, r); z. B. g. faus, 
ahd. fö wenig; g. hauJis, ahd. höh; g. daupus, ahd. fdei^; g. 
rauds, ahd. rd^; g. hlautSy ahd. (A)Z(52; Loos; g. Äcat/« (zu Xffte- 
^an wählen), ahd. Jcös; g. rate«, ahd. rör Eohr; g. Zaun, ahd. 
lön. Die Übergangsform ao findet sich namentlich in bairischen 
Denkmälern, gar nicht in fränkischen. — Der Diphthong hält 
sich nur vor Lippen- und Gaumenlauten ausser germ. A; z. B. 
g. galaubjan : glauben'^ daupjan : taufen; augo : Auge\ auk 
(denn) : auch. Warum die Neigung, den Diphthongen zusammen- 
zuziehen vor diesen Lauten nicht durchdrang, erklärt sich aus 
ihrer oben (§ 184) näher bezeichneten BeschaflFenheit. Dass 
aber im ganzen ai seltener contrahiert ist als au, entspricht der 
Behandlung der einfachen Vocale i und u ; auch das einfache u 

ist zum Übergang in o viel mehr geneigt, als i zu dem in e, 
Anm. 1. Über das auslautende ou in tou Thau und den Prät. 
kou zu kiuwan, blou zu bliuwan s. § 125; das auf gedehntem w be- 
ruhende u widerstand der Assimilation. 

Anm. 2. Das Gebiet der Laute 6 und ou wird zunächst 
durch den Umlaut geteilt (§ 206. 209). Soweit sich die reinen Vo- 
cale behaupten, fällt ö durch die nhd. Dehnung mit öy ou durch 
die jüngere Diphthongierung mit ü zusammen (§ 216). Belege für 
alte 6, ou Gr. 1^ 178. 193. Über vereinzelte ahd. uo für ö s. Br. 45 
A. 5; über unregelmässiges ö für ou Br. § 46 A. 3. 

Anm. 3. Mundartlich greitl später die Monophthongierung 
von ei und ou weiter um sich, namentlich im Md. (Whd. § 96. 98. 
109. 112. Behaghel, Grdr. § 39. 40); vgl. § 235. ^ Der Spr. At. ver- 
zeichnet die ei'/e-Grenze in Nieder- und Mitteldeutschland für heiss 
<AfdA. 20, 96 f.), fleisch (20, 331), seife (21, 271), kleider (21, 290), 
wesentlich abweichend bei zwei (20, 101) und wieder anders bei 
nein (22, 95). 

Idg. e, g. e : hd. ä^). 

188. ä war im Germanischen ein seltner Laut; denn 
idg. ä war zu 6 ereworden und ein neues ä hatte sich nur 



1) Kluge, Grdr. § 30, 1. Norceii S. 23. Streitbero: § 77. Bremer, 
PBb.ll, 18 f. Much, PBb. 17, 126; vgl. auch Bremer, IF. 4, 20 f. und 
Mackel, ZfdA. 40, 257 f. 



244 Hochdeutscher Vocalismus. Got. i = hd. d. [§ 18&. 

durch Schwund des Nasals in der Lautverbindung anh er- 
geben (§ 107); z. B. g. pähta dachte, hähan hangen. Auf 
diesem Standpunkt steht das Gotische; in den andern geima- 
nischen Sprachen trat eine starke Vermehrung der ä ein, in- 
dem idg. e, gleichgültig, welchen Ursprung es hatte, zu ä 
wurde; z. B. g. s^ps : ahd. sät Saat; g. redan : ahd. rätan; 
g. mSna : ahd. mäno Mond. — Die ältesten deutschen Namen, 
die uns fremde Schriftsteller erhalten haben, zeigen noch e 
wie im Gotischen. Die Schwaben heissen bei Caesar und 
Tacitus Suebi; aber schon zu Anfang des 3. Jahrh. beginnen 
in Oberdeutschland die Zeugnisse fttr deutsches ä. Die Sueben,, 
die sich auf der pyrenäischen Halbinsel niederliessen, brachten 
den Laut schon aus ihrer Heimat mit. Im Fränkischen voll- 
zieht sich der Übergang seit dem 6. Jahrb.; die Weissenburger 
Urkunden zeigen vom Jahre 693 an nur ä, die Fuldischen 
seit 740, die Lorscher seit dem Ende des 8. Jahrh. und weiter 
erstreckt sich dann die Bewegung auf das Niederrheinische 
und Niederdeutschland. Im Heliand finden sich vielleicht 
noch einige Reste des e (Kögel, IF. 3, 284 f. Zweifel hegt 
Franck), dagegen in unseren ältesten hochdeutschen Denk- 
mälern ist der Lautwandel vollständig durchgedrungen. 

Was die Aussprache betrifft, so muss man aus dem 
Übergang in ä für das germ. e auf offne Aussprache schliessen, 
während got. e ein dem i nahe liegender Laut war; daran 
lassen schon Buchstabenverwechselungen in den Hss. der go- 
tischen Bibel keinen Zweifel (Br. § 6 f.), seit dem 6. Jahrb.. 
ging der Laut geradezu in i über; dem ahd. Diotmär (der 
N'olksberühmte) steht ein jüngeres got. Thiudimir gegenüber.. 
— Das hd. ä muss zunächst einen hellen Klang gehabt haben, 
ging aber später vielfach in einen dumpfen, dem 6 nahe 
stehenden Laut über; s. § 228. 

Anm. 1. Xu der erhöhten Aussprache des got. € nimmt man 
dieselbe Neigung war, welche in diesem Dialekt idg. e ganz allge-^ 
mein in i übergehen liess, nur dass sie dem langen Vocal gegen- 
über erst spMter durchdrang. Anderseits steht im Hd. dem Über- 
gang von € zu d die offne Aussprache des idg. e und der Über- 
gang von i zu e zur Seite (§ 180 A. 181 A. 1). — Die finnischen 



§ 189.] Hochdeutscher Vocalismus. Germ. i,ö = hd. ta, ie, uo. 245 

Lehnwörter zeigen je nach ihrer Herkunft bald ie bald ä (Streit- 
berg" S. 64). — Über g. reiks = 1. rex s. § 30. 

Anm. 2. Das Gebiet des d wird zunächst durch den Umlaut 
l^espalten (§ 205); so weit sich der reine Vocal behauptet (Belege 
Gr. 1 8 168), fällt er durch die nhd. Dehnung mit a zusammen. Ver- 
iiinzelte Übergänge in ^ in § 228. 

Diphthongierung von e und ö. 

189. e : ia, ie*). — 1. Neben dem idg. e besassen die 
gennanischen Sprachen noch einen jüngeren e-Laut, der zwar 
nicht im Gotischen, wohl aber in den andern Mundarten von 
jenem zu unterscheiden ist, indem er an dem Übergang in ä 
nicht Teil nimmt. Im Hd. erscheint dieser Laut zunächst 
wie im An. As. Ags. als einfacher Vocal; diphthongischer 
Wert tritt erst im 8. Jh. hervor; für e wird ea geschrieben, 
im 9. Jh. ia und ie, und so fällt der Laut schliesslich seit 
dem 10. und 11. Jh. mit dem aus idg. ey, entstandenen Diph- 
thongen eOf iOy ie zusammen (Br. § 35). 

2. Was die Frage nach dem Ursprung des Lautes be- 
trifft, so zeigen ihn vier Gruppen von Wörtern. 1. Foimen 
des Artikels, z. B. N. PI. M. g. pai : ahd. de, dea, die] D. PI. 
g. paim : ahd. dem, (alem.) diam, dien (Br. § 43. A. 3). — 
2. Die Präterita der ursprünglich reduplicierenden Verba, die 
im Praesens die Vocale er, a, ai haben; z. B. fallan, fial; 
haldan, Malt ; rätan, Hat ; hei^an, hia^, — Nach den über- 
zeugenden Darlegungen Francks beruht der Diphthong in den 
pronominalen Formen auf analogischer Wortbildung; in den 
Verben ist er zwar durch Lautentwickclung entstanden, der 
ihm zu Grunde liegende e-Laut aber war gleichfalls durch 
analogische Wortbildung gewonnen; beide Gruppen sind also 
in der Flexionslehre zu behandeln. — Nur eine kleine Zahl 



1) Noreen S. 30 f. Streitberg § 79. Kluge, Grdr. § 25, 4. 
Holz, Urgermanisches geschlossenes e und Verwandtes. Lpz. 1890. 
Holthausen, AfdA. 17, 185. Sievers, PBb. 16, 238 f. 18, 409. Franck, 
ZfdA. 40, 1-60. Mackel eb. 254—269 (M. untersucht bes. die Fremd- 
wörter, auch die aus dem Germanischen ins Romanische aufge- 
nomuienen). 



246 Hochdentscher Vocalismus. Germ, i^ ö = hd. ia, ie, io, [§ 189. 

von germanischen Wörtern bleibt noch übrig, in denen die 
Lautentwickelang durch fremde Einflüsse nicht gestört zu sein 
scheint. In ihnen begegnet neben dem e-Laut nicht selten 
ein «-Laut, und soweit die Etymologie klar ist, gehören sie 
zu i-Wurzeln, es ist also anzunehmen, dass der Laut einer 
bestimmten Ablautstufe dieser Wurzeln entspricht, und daa 
kann kaum eine andere als die Dehnstufe ei gewesen sein 

(Sievers PBb. 18, 409 f.). Hierher gehören namentlich g. h^ 
hier, ahd. A«ar, hiar (Tat. auch hlr) zu dem Pronominalstamm /ii-; 
g. f^a Seite, ahd. fiara, — ahd. Ä:€n, chien Fichte, Kienspan; ahd. 
chrig pertinacia, mhd. kriec M. Anstrengung, Widerstand, kriegen 
streben, kämpfen (vgl. ndl. krijgy krijgen, md. kHgeUj kreic)] ahd. 
m^a, miata Lohn, Miete (vgl. g. mizdö F., gr. ^löööO; ahd. 5c€rt, 
sciari scharfsinnig, schnell, nhd. schier Adv. beinahe (vgl. g. skeirs 
klar, deutlich; Franck S. 57); ahd. stiega Stufe, Treppe, stiagil 
Treppe (vgl. stigan st V., «fe'c, st^ga u. a.); ahd. wiara Oolddraht 
(vgl. ags. wir, an. virr Spirale zu Wz.tvi winden); ahd. ziari kost- 
bar, schön (vgl. ags. tir^ an. tirr M. Ruhm, Ehre). — mhd. (md.) 
schief Adj. (vgl. an. skeifr, ags. scdp). Auch der Name der Friesen 
mit seinen wechselnden Formen gehört hierher (Franck S. 55). 

3. Die vierte Gruppe bilden Fremdwörter, In ihnen ent- 
spricht der Laut teils einem kurzen offnen e, das aber vermutlich 
schon auf romanischem Boden gedehnt war (ZfdA. 40, 254): ahd. 
briaf, brief: 1. breve; ahd. fiebar : 1. febris; ahd. pristar, priestari 
gr. lat. presbyter (afrz. prestre)\ ahd. spiagäl : 1. speculum\ teils dem 
langen aei g. Kr^ks^ ahd. Kriach : 1. Graecus (vgl. § 30); ahd. Ria^t 
1. Rhaetium\ teils einem langen geschlossenen ^:g. m^ der Tisch, 
ahd. mias : 1. mmsa'^ ahd. bie^a rote Beete : 1. beta\ ahd. ziagal 
Ziegel: 1. tegula\ ahd. ziahha Zieche : gr. lat. theca. Die Schwierig- 
keit, dass dieses geschlossene d, das in den romanischen Sprachen 
eine ganz andere Entwickelung hat als das offne e, in diesen deut- 
schen Wörtern ebenso bebandelt ist, sucht Franck S. 48 zu losen; 
Mackel S. 263 f. In andern Lehnwörtern erscheint es als f : ahd. 
ftra Feier : 1. feria\ krtda Kreide : 1. creta', stda Seide : mlat. seta\ 
ptna Pein : mlat. pena, I. poena; sptsa Speise : mlat. spesa aus 
spensa; düön, ttligön tilgen : 1. deleo, 

Anm. mhd. wiege F. Wiege gehört jedenfalls zu wägan be- 
wegen, also zu einer c-Wurzel, verlangt mithin eine andere Erklä- 
rung (s. Franck S. 54). — Eine andere wichtige Frage, wie der 
Wechsel von €, ea und t zu verstehen sei, wirft Franck S. 53 A. 
auf; an alten Declinationsablaut ist im allgemeinen gewiss nicht zu 
denken. 



§ 190.] Hochdeutscher Vocalismus. Germ. €, ö, = hd. ta, /c, uo. 247 

190. ö : uo^). — 1. Eine entsprechende Diphthon- 
gierung erfährt im Ahd. das germ. ö (=idg. ä und 6). Seit 
der Mitte des 8. Jahrh. treten die diphthongischen Formen 
neben dem einfachen Laut hervor und zwar oa namentlich im 
Alemannischen und Bairisehen, nicht im Fränkischen^ ua etwas 
später auf demselben Gebiet und im Südrheinfränkischen (0.)^ 
uo ist von Anfang an die herrschende Form im übrigen 
Franken, d und oa halten sich am längsten in Baiern, um 
900 ist uo überall durchgedrungen; z. B. g. stdls, ahd. stuol'^ 

g. gödSf ahd. guot; g. bldma, ahd. hluomo, g. för, ahd. fuor. 
— Über 6 in dö und zwo (neben dvx)^ zwuo) s. § 331 ; über jüngeres 
d § 221 A. 

2. Denselben Übergang erfährt rom. offnes ö (=1. ö) 
in alten Lehnwörtern : ahd. cUmuosan : mlat. alimosina^ gr. l\tr\- 
^oaOv1l; ahd. dtiom Dom : 1. domu8\ ahd. scuola Schule : I. achola. 
Geschlossenes Ö scheint in ahd. chuofa Kufe und pfruonta Pfründe 
zu Grunde zu liegen; sonst wird dieser Laut durch ü ersetzt 
ahd. Iura Nachwein : 1. löra'^ ahd. vnür-heri Maulbeere : 1. mörum, 
Mackel S. 263. 

Anm. 1. Nur sporadisch findet sich ahd. uo auch für o, 6 
(=germ. au), w, ü. Br. § 32 A. 6. § 41 A. 2. § 45 A. 5. — AulTalleud 
neben ahd. snur (I. nurus): 8n%wra, mhd. snur und snuor. 

Anm. 2. Das Gebiet des Lautes wird schon im Ahd. durch 
den Umlaut gespalten (§ 208), später werden %to zu ü^ üe zu ü zu- 
sammengezogen (§ 221) und fallen dann durch die nhd. Dehnung mit 
u und ü zusammen. Beispiele in denen nhd. ü auf no beruht Gr. 1^ 197. 

3. Die Diphthongierungen von e und 6 treten also zu 
derselben Zeit in die Erscheinung und vollziehen sieh in ganz 
übereinstimmender Weise. Der zweite Bestandteil des Lautes 
verliert seine eigentümliche Articulation, der erste drängt zu 
den vocalischcn Extremen, e zu i, o zu u, die in späteren 
Jahrhunderten ganz die Stelle der alten Laute einnehmen. 
Es ist also zu vermuten, dass ein übereinstimmendes Moment 
in der Aussprache der Laute die Entwickelung bedingt habe. 
Aber welches dieses Moment gewesen ist, und wie die Laute 
vor ihrer Diphthongierung gesprochen wurden, darüber ist 
man nicht einig. Gewöhnlich nimmt man geschlossene ^, 6 



1. Br. § 38 f. 



248 Umlaut. [§ 191. 

an; die entgegengesetzte Ansicht, die besonders von Möller 
vertreten war, scheint mir von Franck und Mackel bewiesen 
zu sein. Richtig mag auch die Ansicht Francks sein, dass 
der Grund der Diphthongierung weder in der offnen noch in 
der geschlossenen Aussprache gesucht werden dürfe ; dass aber 
die Geschichte der beiden Vocale e und ö von einander zu 
trennen und die Diphthongierung des e durch den Ausfall 
eines folgenden Lautes zu erklären sei (Franck S. 29. 60), 
ist mir nicht wahrscheinlich. Mit Recht betont Mackel S. 255, 
dass die beiden Laute in ihrer Natur und Geschichte ganz 
tibereinstimmen. 

Drittes Kapitel. 

Umlaut. 

191. Durch die in den vorangehenden Paragraphen be- 
sprochenen Vorgänge ist im Ahd. folgendes Vocalsystem ent- 
wickelt: 

5 kurze Vocale: a, e, i, o, m; 

die entsprechenden Längen: ä, e, i, ö, ä; 

6 Diphthonge: ei, ou, iu, iOj ia (=e), uo. 

Dazu treten nun noch die Vocale, die durch den soge- 
nannten Umlaut entstehen, d. h. durch den Lautwandel, den 
ein i oder j in dem Vocal der vorangehenden betonten Silbe 
hevorruft. Die Vocale, bei denen dieser Einfluss hervortritt, 
sind namentlich ä, 6, ü, ou, uo; aber auch bei iu und e ist 
er zu bemerken, und an sich ist es nicht unwahrscheinlich, 
dass ihn auch ei erfahren habe, obschon es mir durch die 
Bemerkungen Brenners (PBb. 19, 480 f.) nicht erwiesen zu 
sein scheint. 

Die Wirkungen des Lautgesetzes waren sehr energisch. 
Während die Verschiedenheit der Stammsilbenvocale, die einst 
der Ablaut zwischen den Formen desselben Nomens hervor- 
gerufen hatte, in den germanischen Sprachen fast tiberall aus- 
geglichen sind, und die jüngeren Lautgesetze, welche die 
Sonderung von e und i, o und w, iu und io bewirkt haben, 
die zu demselben Nomen gehörigen Formen fast nie ausein- 



§ 192.] Umlaut. 249 

ander zu reissen vermocht haben, führt der Umlaut bei ge- 
wissen Stämmen zu einer Verschiedenheit der Numeri (Sg. 
gast, PI. gesti), bei manchen sogar der Casus desselben Numerus 
(N. Tcraftj G. Jcrefti). Aber zu fest umschlossenen, durch die 
Form der Worte vorgezeichneten Grenzen hat das Lautgesetz 
doch nicht geführt. Oft haben Systemzwang und Analogie 
den Eintritt des Umlauts gehemmt oder gefördert. Die Demi- 
nutiva auf -lein und -chen (urspr. -Hin, -icMn) haben ihn fast 
ausnahmslos (II § 248, 3), die Feminina auf -in dagegen, 
denen er nach ihrer Bildung ebenso gut zukäme, oft nicht 
(II § 240, 4); die Adjectiva auf -in haben ihn in der jüngeren 
Zeit aufgegeben, die auf -ern (aus -erin), die in den Plural- 
formen auf -er (ahd. -ir) eine Stütze fanden, behalten (II § 328, 1). 
Die Ausbreitung, welche der Umlaut in den einzelnen Wort- 
kategorien gefunden hat, ist daher in der Lehre von der Wort- 
bildung und Flexion weiter zu verfolgen; die einzelnen Schie- 
bungen, die stattgefunden haben, genau anzugeben wird aber 
kaum möglich sein, da die meisten Umlaute in der älteren Zeit 
nur mangelhaft bezeichnet sind. 

Anm. Die Mundarten weichen im Gebrauch der umgelauteten 
Vocale oft von der Schriftsprache ab und zeigen sie zuweilen auch 
in Bildungen, wo sie nicht leicht, weder unmittelbar noch mittelbar, 
auf den Einfluss eines i zurückgeführt werden können (vgl. § 199 
Anm. 2). So verzeichnet der Rpr. At. ä in salz (19, 102), alte (21, 
276), wachsen (21, 263); ö in dorf (20, 325), korb (21, 269), ochsen 
(21, 266); ö, ö in pfund (19, 105), hund (19, 107); ö (ndd. öu) in 
gross (19, 348 f.), tot (19, 350), hoch (22, 100 f.). 

a : e (alter Umlaut). 

192. 1. Bei weitem am frühesten, schon seit dem 8. Jh., 
ist der Umlaut von a nachweisbar. In den ältesten Urkunden 
findet sich vielfach noch a, aber bald gewinnt e die Herr- 
schaft, im 9. Jahrh. ist es auf dem ganzen oberdeutschen und 
fränkischen Gebiet durchgedrungen^). — e ist das gewöhnliche 
Zeichen für unigelautetes a, daneben ^, (ein Zeichen, das auch für 1. ae 
gebraucht wird), und diphthongische Verbindungen ai, ae und nament- 



1) Litteraturangaben bei Br. § 27 A. 1. Behaghel, Grdr. § 24; 
vgl. auch Henning ZldA. 37, 313. 



250 Umlaut, a : e, Hemmnisse. [§ 193. 

lieh ei. Letzteres ist in manchen alten Denkmälern ziemlich häufig 
(Kögel, E. Gl. S. 6 f.) und begegnet auch noch in späterer Zeit nicht 
selten, namentlich im Ripuarischen (Whd. § 29), weniger in bairi- 
schen und alemannischen Hs. (Whd. § 22). Wie weit diese Zeichen 
etwa verschiedene Bedeutung haben, bedarf noch genauerer Unter- 
suchung; vgl. § 202 A. 

2. Da a in den Stammsilben, i und j in den Flexionen 
und Ableitungen sehr häufig ist, so tritt der Umlaut in zahl- 
reichen Formen und Wörtern uns entgegen. 

Innerhalb der Flexion herrscht der Umlaut a. im Plural aller 
t-Stämme (Masc. und Fem.); g. gasteis, gasti, gastim, gastins : ahd. 
gesti, gestio, gestim, gesti. Ebenso im G. D. Sg. der Fem.; z. B. 
farty fertif ferti, fart. — b. Im Plural der alten «-Stämme, vor der 
Endung -ir (aus -is) : grab, grebir; lamb, lemhir, — c. In der 2. und 
3. P. Sg. Präs. der stV. 4 und 5: /Viru, feris, ferit; stantu, steräiSf 
stentit, 

Ableitungen, die Umlaut erleiden, sind a. die ja-, jö-, jan-, 
J^n-Stämme ; so die zahlreichen st. Neutra, z. B. endi Ende : g. an- 
deis'^ erbe : g. arbi. — St. F. gerta Gerte für *gardja. — Sw. M. erbo 
der Erbe : g. arbja. — Sw. F. auf -t: eltt Alter zu aU; lengt Länge 
zu lang. — b. Die zahlreichen sw. V. 1 ; z. B. zellen für zaljan, den- 
ken : g. pagkjan; und einige st. V. 4, die ihr Präsens mit J bilden: 
heffen : g. hafjan heben, seffen einsehen (vgl. 1. sapiö), suerren für 
suarjan, (g. sivaran). — c. Umlaut bewirken ferner Ableitungs- 
silben, die unbetontes i enthalten. So -?>, -ist im Comp, und Superl. 

z. B. be^irOy be^ist : g. batiza. in : elina Elle : g. aleina, — -il: 

ediliy ediling zu adal. — -id : f remidi fremd : g. frafnaps\ selida 
Wohnung zu sal\ beldida Kühnheit zu bald. — -is : egiso Schrecken: 
g. agis N. — -ig : kreftig : kraft, giweltig : giwalt, — 4ng : pending 
Pfenning. — isg \ frenkisg iT^ny.isch i Franko; menni^^o Mensch: 
inan. — Auch Fremdwörter, z. B. ahd. becki{n) N. Becken, 1. bac- 
cinum'y e^ih (§ 160); chevia F. Käfig, 1. cavea; kelih M. Kelch, 1. 
calix] ke^t{?i) Kessel, 1. catinus*, ketina Kette, 1. catena', metttna F. 
Mette, 1. matiäina hora; retih, rdtih M., 1. rädix\ teppid, teppich 
Teppich, 1. tapetum. Mhd. kemenäfe F. heizbares Gemach, mlat. 
caminata; lerche, larcha Lärchenbaum, 1. larix\ messinc M. Messing 
zu 1. massa'y mesnare, messencere Messner, 1. mansionarius. 

193. Gewisse Consonanten schränken die Wirkungen 
der Lautgesetzes ein. Nach den Untersuchungen Braunes 
(PBb. 4, 540 — 557) werden sie durch h, sowie durch l- und 
r-Verbindungen behindert, und zwar durch Ä-Verbindungen 
allgemein, sowohl im Fränkischen als im Oberdeutschen, durch 



§ 193.] Umlaut, a : e. UnregelmÄssigkeiten. 251 

einfaches A und durch Z- Verbindungen nur im Oberdeutschen, 
durch die r- Verbindungen auch im Oberdeutschen ohne feste 
Regel; vgl. auch Kögel, K. Gl. S. 8, und über den hemmenden 
Einfluss von Nasalen AfdA. 19, 227. — Es heisst also zunächst: 
gislahti st. N. Geschlecht, mahti N. A. PL Mächte; nahti der Nacht 
u.a.; oberdeutsch und fränkisch unterscheiden sich in aAir und 
ehir Abre; ältt und eü% Alter; giwältig und giweltig^ chalpir und 
kdhir KUlber; palgi und belgi Bälge. Dagegen vor r- Verbindungen 
erscheint auch im Oberdeutschen oft der Umlaut; so heisst es /cr^e, 
fertig, geferto Gefährte, gerta u. a., aber -wartig steht neben -wertig, 
harti neben herti u. a.; nur rw, eine Verbindung, in der sich oft 
ein schwaches a entwickelt, hält den Umlaut auch im Fränkischen 
auf; auch 0. schreibt farawen, garawen oder garwen^ garawt u. dgl. 
— Vor w fehlt der Umlaut oder tritt ein, je nachdem vorher der 
Vocal zum Diphthongen entwickelt war oder nicht (§ 124); häuui 
wird heUf hoüui hau. Behaghel, Grdr. § 24. 

Um diese Verhältnisse möglichst rein zu finden, muss 
man jedoch auf die ältesten Denkmäler zurückgehen, denn 
früh wird die eigentümliche Stellung der angeführten Gonso- 
nanten verdunkelt. So braucht 0. schon einmal im Reim auf 
krefti die Form meMi st. mahti und die 3 P. Sg. von wahsan lautet 
immer wehsit, wie stentit zu stantan, grehit zu graban. — Vor den 
^Verbindungen zeigen im Oberdeutschen namentlich die sw. V. und 
dazu gehörige Nomina Neigung zum Umlaut; sie bilden eine kräf- 
tige Bedeutungsgruppe, welche die Lautregel durchbricht. Zu hcUz 
lahm bildet N. halzty daneben aber steht gehelzit gelähmt; und so 
heisst es auch smelzen (Causativ zu sm^lzan); stellen, gestelli^ ge- 
stellida; feilen, fellida, ge feile, ge fellig] felscen, helden (neigen). 

Die Neigung zum Umlaut nimmt rasch zu; im Mhd. begegnen 
zwar noch die alten Formen geslahte, mähte, mahtic, balge, 
alter, altest u. a. aber die gewöhnlichen sind geslehte, mehte 
etc. (Paul, Gr. § 40 A. 2). Jetzt heri-scht in den angeführten 
Wörtern der Umlaut fast durchaus und nirgends halten ihn 
die Consonantverbindungen auf, selbst vor altem rw gilt jetzt 
e: färben, gerben. 

Anm. Auch vor w erkennt unsere Schriftsprache im allge- 
meinen den Umlaut an (doch vgl. § 209); Luther braucht vielfach 
abweichend von ihr aw (d. i. au) neben ew (d. i. eu): verstrauen, 
hauschrecken, dawen (verdauen), fravcen, drawen neben deiven 
(däuen), frewen, drewen; vgl. auch lawe für lewe (Löwe, Leu), grate- 
lieh für griuwelich. v. Bahder, Grundlagen, S. 221 f. Franke § 23. 



252 Umlaut, a : e, Unregelmässigkeiten. [§ 194. 

194. Unregelmässigkeiten, durch Systemzvvang und Ana- 
logie hervorgerufen, finden sich von Anfang an sowohl in der 
Flexion als in der Ableitung. 

1. a. In der Flexion der Adjectiva sollten die Formen auf 
'iu (N. Sg. Fem., N. und A. PI. Neutr.) von rechtswegen Umlaut 
haben, und so findet man oft (bei 0. regelmässig) bis ins Mhd. eUiUj 
ellUf zu all; aber nur selten entsprechende Formen zu andern Ad- 
jectiven (Paul, Gr. § 138 A. 2) ; unter dem Einfluss der andern Ad- 
jectivformen behauptet sich der reine Vocal. — b. Der Gen. und 
Dat. Sg. der sw. M. N. geht in manchen Denkmälern auf -in aus, 
und dem entsprechend finden sich auch Formen mit Umlaut: hano, 
henin\ namo, nemin u. a. (Paul, PBb. 4, 408 f. Braune eb. 55G), 
aber nur in den ältesten Quellen und ohne Lebensfähigkeit; vgl. 
§ 2G3. — c. Die st. V. 5 haben bei 0. in der 2. 3. P. Sg. Präs. regel- 
mässig Umlaut, im Oberdeutschen aber ursprünglich nicht. Br. 4, 
548 belegt faltet^ icaltif, cafigitj spannet ^ bannet und solche Formen 
begegnen oft auch im Mhd., die Mundarten halten sie noch jetzt 
fest. Das a erklärt sich daraus, dass die meisten und am häufigsten 
gebrauchten Verba dieser Klasse solche sind, welche im Oberdeut- 
schen wegen der /-Verbindungen keinen Umlaut haben können: 
haltan, faltnn, ivaltanj spaltan^ scaltan^ salzan. — d. Innerhalb 

des Flexionssvstems bilden bei weitem die auflFallendste Aus- 
nähme die üpt. Prät. der sw. V. 1 mit Rückunilaut; sie lauten 
selbst im Fränkisclien nie um. 0. braucht zaltiy dualti; 
thaJcti, githagtif rcakti, harti; hranti, nmiti, wanti, santi, 
Jca7iti\ wavgti, giangtij hangfi; sJcanJcti'^ 8cafti\ firfhuasbti; 
quatti'^ nirgends eine Spur des Umlautes. Und so ist es 
auch sonst im Ahd.; erst viel später, und zwar zunächst 
im Md., dringt der Umlaut in diese synkopierten Präterita 
(Wh. § 388). Die Formen des sw. Prät. zeigen also dem Um- 
laut gegenüber eine ähnliche Geschlossenheit wie in Betreff des 
Wechsels von u und o (§ 182 A.). Wie dorfta, tohta, scoUa etc. in 
allen Formen o haben, obwohl es nur dem Sg. Ind. zukommt, so 
bestimmt hier der Vocal des Ind. den Opt. 

2. Weniger auffallend ist, dass Ableitungen, die zn 
fruchtbaren Wortgruppen gehören, zuweilen den Vocal des 
Grundwortes zeigen. Denn Wörter, die erst gebildet werden, 
nachdem das Lautgesetz gewirkt hatte, erhielten den Umlaut 
nicht lautgesetzlich, sondern nur nach der Analogie (§ 16); 
ob der Umlaut stattfand, hing davon ab, ob der Sprechende 



§ 195 Umlaut a : e. Schranken des Umlauts. 253 

nur die Ableitungssilbe oder auch den durch sie bewirkten 
Umlaut als einen wesentlichen Bestandteil der Form empfand, 
die er nachbildete. Z. B. braucht 0. regelmässig lengt, seit, lemi, 
daneben aber ganztj argt, auch einmal baldi; er sagt beldida, her- 
midaj selida^ aber anderseits sarphida^ ganzida, wassida; so auch 
forasagin Prophetin zu forasago. 

Anm. Wo sonst bei 0. der Umlaut fehlt, obwohl ein unbe- 
tontes i auf die betonte Stammsilbe folgt, ist anzunehmen, dass das 
% selbst jünger ist und noch nicht entwickelt war, als der Umlaut 
eintrat: giwahinen erwähnen, fravüi^ gatüing der Verwandte, na- 
niiti die Namengebung, auch mannÜth Mann für Mann (= mannolih), 

195. Weitere Schranken des Umlauts. — Wesentliche 
Bedingungen für den Eintritt des alten Umlauts waren, dass 
1. die Umlaut wirkende Silbe auf die Umlaut leidende un- 
mittelbar folgte und 2. dass sie ihr im Ton entschieden unter- 
geordnet war. 

a. In unbetonter Mittelsilbe erscheint nicht selten a, auch 
wenn ein i folgt; z.B. bei 0. gikamari N. Gemach; gisamani 
N. Versammlung; zahariy zaharin Plur. zu zahar Thräne; ubari^ 
widari u. a. Freilich findet man in solchen Wörtern statt des 
a auch e und f; aber diese Yocalschw^chungen und Assimi- 
lationen scheinen von dem regelmässigen Umlaut wesentlich 
verschieden zu sein (§ 302 f.). 

b. Ebenso entzieht sich dem Umlaut ein a^ das den 
untergeordneten Hauptton hat. Wörter wie erhaftty houhethaftt, 
lusttsamt, arheitsamt, sowie Composita auf -haftig und -tagtg könnte 
man auch durch Beziehung auf das Grundwort erklären, kaum aber 
solche wie stözkabig^ fasthabig (Braune, PBb. 4, 556). 

c. Wirkungslos ist im Ahd. auch das nebentonige i in 
-niss und -lieh, 0. sagt irsiantnissi^ firstantnissi, gihäUnissiy 
iruuartnissi; baldllch, gizamltch, und auch in andern Denkmälern 
sind Ausnahmen sehr selten. Doch kommen hier vielleicht mehr 
als die Tonverhftltnisse die anlautenden Consonanten l und n in 
Betracht, welche die Endsilben kräftig gegen die Stammsilbe ab- 
schliessen und leicht die Wirkung des t hemmen konnten^). Erst 
im Mhd. wird der Umlaut vor -lieh, noch später vor -niss ge- 
wöhnlich (II § 369. § 272, 4. Paul Gr. § 40 A. 3). 



1) Sollte die Selbständigkeit der Endung auch den Umlaut 
im Opt. Prät. der sw.V. gehemnjt haben? 



254 Umlaut, a : c. Qualität der c-Laute. [§ 19«. 197 

196. Unmittelbare Wirkung eines i aus der dritten auf 
die erste Silbe ist im Ahd. nicht nachweisbar. Formen wie 
ephili zu aphul, edili zu adai, fremidi zu framadi (g. framaps) 
u. ä., sind so zn erklären, dass das i der dritten Silbe zunächst 
den Vocal der zweiten bestimmt und dieser den Vocal der 
Stammsilbe umlautet. Wo diese Vermittelung fehlt, kommt 
auch kein Umlaut vor; so namentlich nicht bei den Nom. 
Agentis, auf -äri (II § 229). Im Mhd., wo auch die Wir- 
kungen eines i der dritten Silbe hervortreten (§ 199 f.), be- 
gegnen Formen wie beckoere, jegcerej sengcere nicht selten. 
Und wie in ihnen, so wird man auch in Wörtern wie frevele, 
zehere, megedey gerwen u. a., wo das Ahd. den Umlaut gar 
nicht oder wenig kennt, ihn nicht auf ein i der Mittelsilbe 
zurückführen dürfen. 

197. Qualität des Umlaute. — Durch den Umlaut trat 
dem alten e-Laut, der teils idg. e, teils idg. i entsprach, ein 
neues e mit eigentümlicher Qualität zur Seite. Abgesehen von 
bestimmten Ausnahmen (Anm. 2.) meiden es die genau reimen- 
den ober- und mitteldeutschen Dichter des 12. und 13. Jahrh. 
die beiden e im Reime zu binden (Gr. 1 ', 138 f.) und in 
einem grossen Teil der deutschen Mundarten werden sie noch 
jetzt verschieden gesprochen^). Die Laute sind zwar in den 
Mundarten nicht unverändert geblieben ; oft sind andere Vocale, 
auch Diphthonge für sie eingetreten; aber die alte Grenze ist 
doch bald mehr bald weniger deutlich erhalten. Namentlich 
gilt dies nach Trautmanns Angaben für das alemannische 
Sprachgebiet (Schweiz, Schwaben, Elsass) und die bairisch- 
österreichischen Mundarten; dann für die Pfalz, Oberhessen 
und Mainfranken, auch für Thüringen und Obersachsen; über 
Schlesien s. Braune PBb. 13, 573 f. Auf norddeutschem 
Boden scheint eine genaue Scheidung nicht mehr vorzukommen; 
doch fehlt es nicht an Spuren, dass sie ehedem galt. Traut- 
mann bringt solche Zeugnisse bei filr die Gegend von Qued- 
linburg, Magdeburg, aus der Mark Brandenburg und west- 



1) 8. Trautmann § 937. Luick, PBb. 11, 492. Braune, PBb. 
13, 573. Behaghel, Grdr. § 26. 



§ 197.] Umlaut, a : e. Qualität der «-Laute. 255 

fälischen Mandarten; während ihm aus Niederhessen, dem 
nördlichen Teil der Rheinprovinz, dem Friesischen, Holstein 
und Mecklenburg keine Zeugnisse bekannt sind; vgl. auch 
Behaghel a. 0. 

Über den Wert der beiden Laute konnten die Dialekt- 
kenner nicht in Zweifel sein; in den grammatischen Lehr- 
büchern aber blieben die Ansichten lange unsicher, unbestimmt 
und widersprechend. Erst durch die Darlegungen Francks in 
der ZfdA. 25, 218 f. wurde der Unterschied festgestellt: das 
alte e ist offnes e, der Umlaut e geschlossenes. Es unter- 
schieden sich also mhd. gelegen situs und legen ponere (g. 
lagjan)\ mhd. bewegen st.V. und bewegen sw.V.; mhd. regen 
imber (g. rigns) und regen sw.V. movere; mhd. tcetter (vgl. 
getoitter) tempestas und wette N. Wette F. (g. wadi) etc. 
durch offnen und geschlossenen Laut. — Das Verhältnis be- 
fremdety weil mau grade für das aus a entsprungene e die offne 
Aussprache erwarten solte; denn da a nur durch allmähliche Än- 
derung zu geschlossenem e werden konnte, so sollte man meinen, 
dass es zunächst als ganz offner Laut ausgesprochen wurde und 
dass in seiner Entwickelung einmal der Zeitpunkt eingetreten sein 
müsste, wo ? und e gleich klangen. Wenn dennoch eine Vermischung 
nicht eintrat, sondern das Umlaut-e allein seinen Weg weiter fort- 
setzte und ef zurückliess, so könnte der Grund nur darin liegen, 
dass beide nicht unter den gleichen Bedingungen standen. Das 
Umlaut-e galt nur in Silben, auf welche i oder j folgte, das ge- 
brochene e' aber hatte in solchen keine Stelle, da es bereits zu i 
geworden war (§ 178). Also in dem i, welches den ersten Anstoss 
gegeben hatte, müsste auch noch die Kraft gelegen haben, den 
Umlaut bis zu der hohen geschlossenen Aussprache zu treiben, 
während das g^, dem dieser Anstoss fehlte, zurückblieb. Die Son- 
derung der beiden Laute, wie sie die lebenden Mundarten zeigen, 
müsste also in die Zeit zurückreichen, wo i noch unmittelbar oder 
mittelbar auf die vorhergehende Silbe wirken konnte. Eine Ver- 
mischung dagegen hätte da eintreten müssen, wo entweder das 
alte fe' nicht die gemein-deutsche offne Aussprache hatte, oder die 
Wirkung des i nicht kräftig genug war, die Bewegung des e bis 
zu Ende zu führen; und so wäre es denkbar, dass manche Mund- 
arten die Laute überhaupt nicht geschieden hätten. Jedoch ist die 
ganze Annahme, dass ^ und e einmal übereinstimmende Laute 
waren, sehr zweifelhaft; sie können sich auch durch andre Momente 
als durch die offne und geschlossene Aussprache unterschieden haben. 



256 Umlaut, a : e. Berührung von ^ : e. [§ 197. 

Anm. 1. Welchen etymologischen Wert das e im einzelnen 
Fall hat, ob ^ oder e anzunehmen ist, ist für alte einheimische 
Wörter im allgemeinen nicht schwer festzustellen, da das Umlaut-e 
an der Bildung der Wörter meist leicht zu erkennen ist. Doch 
sind einige Wörter hervorzuheben, deren äussere Form (Verdoppe- 
lung des Auslautes) die Annahme, dass sie mit j abgeleitet sind, 
also Umlaut haben, nahe legt, und die dennoch teils wegen ihrer 
Form in verwandten Mundarten, teils wegen ihrer Aussprache mit 
e anzusetzen sind: mhd. vätze M. Fetzen; ahd. klStto Klette; l&to 
Lehm; mezzo M. Metze; mhd. scMcke, scheckecM scheckig; ahd. 
sn^ko M. Schnecke; sn^pfo M. sn^pfa F. Schnepfe; stecko Stecken; 
mhd. f^cke M. F. Zecke, Holzbock ; ahd. hSpfo M. Hefe neben heve. 
Auch mhd. v^gen putzen ist nicht ein von einem Stamm fag- abge- 
leitetes sw. V. 1. 

Anm. 2. Obschon ^ und e im allgemeinen unterschiedene 
Laute waren, so sind sie doch unter gewissen Bedingungen früh 
zusammengefallen. Schon mhd., genau reimende Dichter binden 
heide vor st und palatalem g, vermutlich deshalb, weil vor diesen 
Consonanten das ^ geschlossene Aussprache angenommen hatte; 
z. B, w^ste wufiste : beste, geste, veste; n^te: beste; bristen : esten; 
sw^ster, g^ter : vester\ d^'gen : legen, siegen; pflSgen : legen; vgl. 
Franck, ZfdA. 25, 220. KaufTmann, PBb. 13., 393. Luick eb. 588 f. 
von Bahder, Grundlagen S. 133. [Reime, die umgekehrt den Über- 
gang von geschlossenem zu offnem e bekunden, in § 199 A.] — 
Auch lebende Mundarten, die den Unterschied im allgemeinen be- 
wahrt haben, zeigen, im einzelnen freilich nicht übereinstimmend, 
dass die Grenze nicht überall sicher war. Geschlossene Aussprache 
des ^ nimmt man besonders vor sc und st wahr; z. B. drucken, 
leschen; w¥ste, swester, wüsten occidens, gestern, d^ste [aber nicht 
oder nicht aJlgemein in brt'sten und nest; Paul, Gr. § 43 A. 3]. In 
andern Wörtern lässt sie sich auf den Einfluss eines folgenden i 
zurückführen (Paul, PBb. 12, 548 f. KaufTmann eb. 13, 392 f.; vgl. 
auch Nagel, PBb. 18, 262 f. und dagegen Brenner eb. 20, 85 f.). 
Zwar konnte im allgemeinen fe* vor folgendem i nicht vorkommen 
(§ 177), aber in Fremdwörtern (z. B. ahd. pelli^ Pelz, 1. pelli- 
dum) konnte die Lautfolge aufgenommen, in heimischen durch 
Formübertragung geschaffen werden. So erklärt Kauffmann 
sechs mit geschlossenem e neben sechzehn, sechzig mit offnem 
aus der fiectierten Form sehsi. — Ferner weist auf geschlossenes 
e die mundartliche Aussprache von fe'fc- {^te-w^'r, -wa^, -liehe etc.), 
l'€dic ledig und einiger Fremdwörter: ahd. v^nstar Fenster, mhd. 
z'edele Papier zettel (Paul a. 0.). — [Dagegen in einigen andern 
Wörtern, die mit geschlossenem e gesprochen werden, hat man 
wohl keinen ausreichenden Grund etymologisches ^ anzusetzen ; ihr 



§ 198.] Umlaut, a : ä. (junger Umlaut). 257 

e kann Umlaut von a sein: velae Fels (AfdA. 11, 18); welih welcher 
(mit andrer Ablautstufe g*. hnleiks), wellen wollen, schelme M. Pest, 
Seuche (ahd. scalmOf scelmo); unklar ist die Lautentwickelung* von 
mhd. schedel Schädel und von jener; Doppelformen nimmt man in 
Krebs an, ahd. kreba^ und krebi^.] — Ob man in solchen Wörtern, 
die etymologisches e, aber geschlossene Aussprache haben, ^ oder e 
schreiben will, hängt davon ab, ob man das e nach seinem ur- 
sprünglichen Sinne als Zeichen für einen etymologischen oder für 
einen phonetischen Wert ansieht (vgl. Paul, Gr. § 6, 1). 

Anm. 3. Wie in heimischen braucht man auch in Fremd- 
wörtern e und ^'; e, wo alter Umlaut stattgefunden hat (Beispiele 
§ 192, 2), oder auch wenn für ein ursprüngliches e geschlossene 
Aussprache nachzuweisen ist (Anm. 2); ^^ wo es auf fremdem c-Laut 
beruht (z. B. ahd. fenahhal M. Fenchel; k^llariM. Keller; kervola F 
Kerbel; prSssa F. Presse, Kelter; r^gula F. Regel; s&itari, sehstari 
M. Sechter, Bester; spHltOf sp^lza Spelt; sp^ta F. Geschenk, Spende; 
tempal N. Tempel. Mhd. ßst N. Fest; schel-krüt Schellkraut), oder 
wo es einem fremden i entspricht (Beispiele § 181), oder auch wo 
ein aus a entstandenes e die gewöhnliche Aussprache des ^ zeigt, 
wie mhd. pfert aus mlat. paraveredus oft auf wert reimt. 

a : ä (junger Umlaut). 

198. Was im Vorstehenden über die Qualität des üm- 
laut-6 gesagt ist, gilt nur für die älteste Schicht des Umlauts, 
die bereits von den ahd. Schreibern durch eigentümliche Be- 
zeichnung anerkannt ist. Aber, wie bemerkt, breitet sieh der 
Umlaut in der spätem Zeit ans, wird auch durch ein i in 
der dritten und durch i in schweren Ableitungssilben bewirkt 
und greift vor Consonantverbindungen Platz, die ihn ursprtlng- 
lich gehemmt hatten (§ 193. 195 f.). Dieser jüngere Umlaut, 
den man passend durch ä bezeichnet, war ein offner Laut, 
Franck hatte schon auf diesen Unterschied hingewiesen; gründ- 
lichere Untersuchung, die dem Gegenstand in neuerer Zeit zu 
Teil geworden ist^), hat gelehrt, dass dieser jüngere Umlaut 
der offenste e-Laut war und dem a noch näher stand als e, 
so dass die Laute zwischen i und a folgende Reihe bilden: 
i ee ä a. In manchen Mundarten, namentlich schwäbischen 
und bairisch-österreicbischen bestehen die drei Laute neben 



1) 8. von Bahder Gnindl. S. 104 f.; vgl. die in § 197 A. 2 und 

von Paul Gr. § 6, 1 angeführte Lltteratur. 

W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 17 



258 Umlaut, a : ä Quiiger Umlaut). [§ 199. 

einander, in den alemannisch-elsässischen und den mitteldeut- 
schen dagegen sind e und ä meist zusammengefallen. 

199. Das ä stellt sich zunächst in solchen Wörtern 
ein, in denen ein i der Endung den Umlaut zu e hervorzu- 
bringen nicht vermocht hatte; bald aber überschreitet es diese 
natürlichen Grenzen. Insbesondere ist wahrzunehmen, dass 
die Sprache, wo sie das Gebiet des Umlauts durch Analogie- 
bildungen erweitert, nicht das geschlossene e, sondern das 
ofFne ä braucht ; so namentlich im Plural der a-Stämme ; z. B. 
äckevy Väter, gärten, äbte; in den Wörteni, welche im Lauf 
der Zeit die Plural-Endung -er annehmen; z. B. dächer, fässer, 
häder\ in schwachen Verben, die ursprünglich nicht der ersten 
schwachen Conjugatiou folgten, in Adjectiven auf -ig (ahd. -agr), 
in Comparativen u. s. w. Aber weiter : auch das geschlossene 
e wird durch ä mehrfach verdrängt, die Form des alten Um- 
lauts weicht der Form des jungen, indem das Doppelverhältnis 
a : 6 und a : ä dazu führte, dass die Sprache in solchen Fällen, 
wo der Umlaut lebendig blieb, die dem reinen Vocal näher 
liegende Form des Lautes vorzog. Nach Trautmanns Angabe 
gilt jetzt der oflFne Laut vor ht und r-Verbindungen, sowie 
in Wörtern auf -lichy -chen, -er {Blättchen, Bäcker, kälter), 
wenn ihnen ein Stammwort mit a zur Seite steht. Ge- 
nauere Angaben bei v. Bahder, a, 0. S. 107. 134 f. Dass es 
die Beobachtung der Mundarten ennöglichen wird, die Ge- 
schichte der e-Laute genau zu verfolgen, ist kaum zu hoflFen. 

Anm. 1. Aus der Qualität des jüngeren Umlauts erklären 
sich mhd. Reime wie r^hte : geslehte (genus), hehte (lucius), ehte 
(octo); vüden (campis): weiden (silvis); nübel : frebel («ahd. fravali). 
Gr. 13. 139 f. 

Anm. 2. In manchen Wörtern finden wir ein tf, das sich 
weder mittelbar noch unmittelbar auf die Wirkung eines i zurück- 
führen lässt (vgl. § 191 Anm.). Im Alem. und Rheinfränk. scheint 
es sich vor seh zu entwickeln: äsche, däsche (Tasche), fläsche, 
Wäsche-, (s, Bahder a, 0. S. 136. AfdA. 17, 102; dagegen Fischer. 
Geogr. § 66, 7). — In Mähne beruht es auf dem PI. mene des in 
die i-Declination übergetretenen mhd. man, ahd. mana (vgl. die 
Bildung von nhd. Thräne, Zähre, Esche); ebenso mag Espe (mhd. 
asjye, ahd. aspä) entstanden sein. — In den Fremdwörtern Erker, 



§ 200.] Umlaut, a : ä Qunger Umlaut). 259 

Kerker, Ketzer mag es sich durch die Anlehnung an die Wörter 
Auf -cere erklären; auffallend sind nhd, Lärm (=Ällarm)^ Säbel, 
Schärpe (zunächst Sabely Schärpe) und bes. ahd. kelketra F. Kelter, 
1. calcatura. 

Anm. 3. Einen durch den Diphthongen ei bewirkten Umlaut 
nimmt Behaghel (PBb. 20, 344) in arebeit, ämei^e, Oheim, die mund- 
artlich und schon im Mhd. mit e, ce begegnen, an; in Erbse, ahd. 
araicei,^, arivt^, mhd. erwei% erwl^ mag in der Ableitungssilbe alte 
Stammabstufung stattfinden. 

200. Die Geschichte der Schreibweise hat von 
Bahder verfolgt. Während in der mhd. Zeit noch oft alle 
«-Laute durch e bezeichnet werden, geben manche Schreiber 
mehr oder weniger consequent das offne e^ namentlich das 
offenste des jüngeren Umlauts durch ä wieder und dieser 
doppelte Gebrauch pflanzt sich in den Drucken fort. Die 
eigentliche Heimat des Zeichens ä ist das schwäbisch-aleman- 
nische Gebiet. In den Augsburger Drucken kommt es oft, 
mehr noch in denen aus Basel, Zürich, Bern vor, dort ent- 
spricht es gewöhnlich nur dem jüngeren Umlaut von a und ä, 
hier auch dem e\ in jedem Fall aber hat es phonetischen 
Wert. In andern Gegenden, in Nürnberg, Strassburg und in 
Mitteldeutschland lässt man sich an dem einen e für die ganze 
vei-wandte Lautgruppe genügen. Aber allmählich nimmt man 
auch hier ä auf; am spätesten im östlichen Mitteldeutschland; 
noch die letzte Ausgabe der Bibel Luthers braucht kein ä 
(vgl. § 202). 

Mit der Übertragung des Zeichens nach Mitteldeutsch- 
land fand zugleich eine Umdeutung desselben statt. Da man 
«einen phonetischen Wert nicht genügend zu würdigen wusste, 
lieh man ihm etymologische Bedeutung, indem man es als 
Zeichen des Umlauts aus a erklärte. Der erste Grammatiker, 
der diesen Gesichtspunkt aufstellte, war F. Frangk; andere 
folgten ihm und brachten das neue Prinzip je länger um so 
mehr zur Anerkennung; aber die Durchführung scheiterte teils 
an dem Herkommen, teils auch an der mangelhaften Sprach- 
kenntnis der alten Grammatiker (Orth. § 46 — 5L von Bahder 

S. 129 ff.). 

Für U ist zwar e das gewöhnliche Zeichen geblieben; aber 



260 Umlaut, a : ä, Orthographie. Aussprache. [§ 201^ 

eine Reihe von Wörtern hat doch dem alemannischen Gebrauch 
gemäss ä angenommen; z. B. Bär, gehären, dämmern, gähren, jäten, 
Häher, Käfer, rächen, Bäder (Sieb), Säge, Schärflein, Schwäher^ 
Schiväre, spähen, Strähne, währen (dauern), ge-tvähren, Stärke (junge 
Kuh). Und umgekehrt ist ä als Zeichen für den Umlaut keiues- 
Mvegs allgemein geworden. Die alten Grammatiker konnten das 
Ziel, den Umlaut durch ä zu bezeichnen, ja selbstverständlich nur 
so weit verfolgen, als die lebende Sprache den Umlaut erkennen 
lioss, und je leichter dies war, um so besser ist es ihnen gelungen,, 
die Regel durchzuführen, also namentlich wo der Umlaut im Flexions- 
system eine Rolle spielt {Hand Hände, Grab Gräber, Wald Wälder; 
gab gäbe, grabe gräbst) und wo lebendige Ableitungsgruppen mit 
Umlaut neben Stammwörtern ohne Umlaut stehen (z. B. alt älter, 
kalt Kälte, glatt glätten, Hand Händchen u. a.). Für verdunkelten 
Umlaut hat ä sich nicht oft fest gesetzt, z. B. ähnlich, Ähre, Mähne, 
Mahre, Thräne, Zähre, Bei weitem in den meisten alten Ablei- 
tungen behauptet sich das altherkömmliche e, selbst in manchen, 
in denen der Umlaut nicht schwer zu erkennen war, z. B. Hahn: 
Henne, Hand : behende, Adel : edel, bass : besser, bekannt : Kennt- 
nis etc. So werden also beide Zeichen ohne bestimmte Regel ge- 
braucht. Die Grenze des Schreibgebrauchs ist mehr oder weniger 
willkürlich. 

201. Auch die Aussprache hat, wenigstens in Xord- 
deutsehland, die historische Scheidung im allgemeinen ver- 
loren. Wo der Laut kurz geblieben ist, sprechen wir ihn 
offen, mag er ursprünglich e oder e sein: Fälle wie Felle 
(mhd. vel)j EcJce wie FlecJce (mhd, vlec), erben wie sterben 
(mhd. sterben). Wo Dehnung eingetreten ist, spricht man in 
mehr oder weniger strenger Anlehnung an die Schrift offnen 
oder geschlossenen Laut: begehren (mhd. begern) wie zehren 
(mhd. 2er7i) mit geschlossenem e, gebären (mhd. bern) wie 
nähren (mhd. nern) mit offnem. Hier hat sieh also die Sprache 
dem willkürlich geregelten Schreibgebrauch gefügt; wenn auch 
nicht allgemein. Denn wie Trautmann S. 258 richtig hervor- 
hebt, neigen viele dazu, den gedehnten Laut überall geschlossen 
zu sprechen: HeJine, Medchen, Kefer und dgl. Das Ziel, 
dem die Lautentwickeliing in dieser Aussprache zustrebt, ist 
klar; sie trachtet darnach, den qualitativen Unterschied mit 
einem quantitativen zu verbinden, so dass wie bei den übrigen 
Vocalen der kurze Laut offen, der lange geschlossen ge- 



§202.] Umlaut. Orthographie. 261 

«prochen wird (Orth. § 55. Braune, PBb. 13, 579 f. Victor 
S. 113 f.). 

Andere Umlaute. 

202. Sehr viel später als der Umlaut von a lässt sich 
'der Umlaut der andern Vocale nachweisen. In der altem Zeit 
-erscheinen vor einem / oder j der folgenden Silbe dieselben 
Zeichen, die für die reinen Vocale herkömmlich sind, und wo 
-etwa Abweichungen begegnen, lässt sich kaum sicher ent- 
scheiden, ob sie den Umlaut ausdrtlcken sollen; z. B. wenn 
bei 0. zuweilen ya für ua steht. Consequente Bezeichnung 
des Umlautes treflFen wir zuerst, seit dem 10. 11. Jahrb., beim 
langen ü\ im allgemeinen aber dringt die Bezeichnung des 
Umlauts erst im 12. und 13. Jahrb. durch, also zu derselben 
Zeit, da man den jüngeren Umlaut des a zu bezeichnen anfängt. 
Die Frage, ob er auch damals erst geschaffen wurde, ist nach- 
her zu erwägen (§ 211). 

Die Versuche der Schreiber für die neuen Laute ent- 
sprechende Zeichen zu finden, sind sehr mannigfach, fast allen 
gemeinsam aber ist, dass der Grundvocal irgendwie mit i oder 
e verbunden wird, sei es dass die beiden Zeichen neben oder 
übereinander gesetzt werden. Viele Schreiber widerstrebten 
der Zeichenhäufung überhaupt. In der kaiserlichen Kanzlei 
bezeichnete man noch im 16. Jahrb. den Umlaut von a und ä 
durch e, den von ou (=mhd. ow, ü) durch eu\ die Umlaute 
von 0, u, ue (=mhd. uo) Hess man überhaupt unbezeichnet. 
Man vermied es also zwei Vocalzeichen nebeneinander zu setzen, 
wenn nicht deutliche Diphthonge gesprochen wurden, und wählte 
lieber eine unvollkommene als eine durch diakritische Zeichen 
überladene Schrift. Wie weit die unvollkommene Schrift etwa 
auf den Reimgebrauch der Dicht<*T eingewirkt hat, bleibt zu unter- 
suchen. Jedenfalls beweist die Bindung von reinem und umlaut- 
fähigem Vocal nicht ohne weiteres, dass der Umlaut noch nicht ent- 
wickelt war. 

Anm. Die Enthaltsamkeit, die viele Schreiber in der Be- 
zeichnung der Umlaute üben, erschwert die Aufgabe, ihre Ge- 
schichte zu verfolgen ; doch wird genauere Untersuchung der Über- 
lieferung vermutlich noch manchen Aufschluss gewahren. In den 
kritischen Ausgaben mhd. Texte pflegt man die Umlaute tiberall 



262 Umlaut, o : ö. [§203. 

zu bezeichnen, wo sie nach der Bildung der Wörter zu erwarten 
sind, also auch da wo sie nicht überliefert sind, und wo sie über- 
liefert sind, ohne Rücksicht auf die Mannigfaltigkeit der in den 
Hss. angewandten Zeichen. Als solche finden sich in der mhd. Zeit 
a : e, ^, i, i, (B, ^, ei (Whd. § 22). — ä : oberd. gewöhnlich ce, md. e; 
daneben ae, i, ä, i, §, ^, ai, asi, ei, md. auch i, ie (Whd. § 89. 95). 
— o : CB, oe^ 5, Ol, o, e (Whd. § 111). — m : ti, v, j?, ft ui, iu^ ij\ i 
(Whd. § 73). — uo:£, rfe, ue, uB, äS, üi^ ivy iä, oi, ^ci, ti5, ui (Whd. 
§ 138). — oui Suj öu, du, aeUf iu^ Bi (namentlich in alem. Hss.), eu 
(namentlich in bair. und md. Hs.) (Whd. § 126. 128). — Allmählich 
gelangte man zu grösserer Übereinstimmung. Die Schreiblehrer 
des 16. Jahrh. verlangen ein übergeschriebenes e, das sich nament- 
lich in den Drucken lange erhält, oder übergeschriebene Striche 
oder Pünktlein, wie wir sie jetzt brauchen (Orth. § 44). Luther 
folgt dem sparsamen Gebrauch der kaiserlichen Kanzlei. Den Um- 
laut von a bezeichnet er durch e; ö und ü finden sich anfangs in 
seinen Hss. fast gar nicht. Später ist U nicht selten (Franke § 25)^ 
doch ist zu bezweifeln, dass er damit den Umlaut ausdrücken wollte; , 
denn dieses ü steht ebenso oft da, wo dem Worte kein Umlaut zu- 
kommt: in den Diphthongen eu und ou: deütunge, bedeutet, taüg^ 
für uoi rhilm, blilme, nÄ; für u: jilgent^ hUnde, und selbst in dem 
lat. nouiim (= novum), hier offenbar als Mittel das vocalische von 
dem consonantischen ti zu unterscheiden, unserm u-Haken ent- 
sprechend. Auch in Luthers Drucken wird bis 1525 der Umlaut 
von o und u meist nicht bezeichnet; dann aber überwiegen die 
umgelauteten Formen je länger je mehr. Franke § 25. § 8. 

: ö. 

203. Da das hd. o aus u entstanden ist und zwar 
nur vor folgendem a, o oder e, so konnte es lautgesetzlich 
vor i nicht stehen; es fehlten also — abgesehen von dem 
jüngeren durch ein i der dritten Silbe bewirkten Umlaut — 
die Bedingungen, unter denen ö sich hätte entwickeln können. 
Aber Formtibertragungen und Neubildungen durchbrachen früh 
die Schranken der lautgesetzlichen Entwickelung (Gr. 1 ' 153. 
Whd. § 61), 

Wenn neben a-Stämmen alte Ableitungen mit s-haltigem 
Suffix standen, so musste sich zunächst ein Wechsel von ui 
ergeben; in den Ableitungen erhielt sich das alte u, in den 
Stammwörtern trat o ein (§ 182, 2). Aber da unter dem Ein- 
fluss der Stammwörter o bald auch in die Ableitungen drangt 



§ 204.] Umlaut, o : ö. u:ü. 263 

und fbr AbleitUDgen, die erat gebildet wurden^ nachdem die 
lantgesetzlichc Sonderung von u nnd o sich vollzogen hatte, 
überhaupt nur das Stammwort mit o die Grundlage bilden 
konnte, ergaben sich umlautf&hige Formen mit o. Die regel- 
mässigen Plurale hulir : hol, apkutir : apkotj luchir : loch werden 
durch höler (Höhlen), äbgöter, löcher ersetzt; ebenso dörfer, örter. 
Die Deminutiva ahd. luckili : lock Locke, bucchili : boc Bock, blu- 
chili : bloch Block werden durch Formen mit o, ö ersetzt lockili^ 
bockili, blochili\ ebenso mhd. knüchel oder knöchel : knocke] knödel : 
knode\ knöpfeltn, tröpfeltn u. a. Zu got gehört gtUinne, später 
götinne ; zu hof zunächst hüvisch, hübsch, dann aber auch hövisch 
höfisch : zu hol Adj. : mhd. hiüe, nhd. Höhle (vgl. schon ahd. holt). 
Fremdwort ist mhd. schöpez M. Schöps, aslov. skopici. — Durch ein 
i der dritten Silbe bewirkten Umlaut haben Wörter auf -<JW, z. B. 
ahd. soleri, mhd. solre, sölre Söller (l. 8olarium)\ md. dörper, dör- 
pcere zu dorf*^ nhd. Böttcher zu ahd. botahha F. Bottich; und 
Wörter auf -lieh wie götelich, löbelich. 

Während den bisher angeführten Wörtern der Umlaut 
nach ihrer Bildung gebührt, nehmen ihn ^andere nach dem 
Muster anderer Wortgruppen an. Nach dem Muster der t-Stämme 
dringt der Umlaut in den Plural von a-Stämmen; ahd. bocka: 
Böcke, rocka : Röcke, froska : Frösche. Auf analogisch gebildeten 
Pluralen beruhen vermutlich auch (vgl. § 199 A. 2) die Singulare nhd. 
Föhre, mhd. vorhe, ahd. forha\ nhd. Möhre, mhd. mörhe, morhe, 
ahd. moraha. Die Optative zu mohta, tohta, torsta^ dorfta können 
schon im Mhd. nach der Analogie anderer Optative umgelautet 
werden, nur wolte und solte (Z-Verbindimgen) widerstehen. Wörter 
auf -er nehmen ö nach dem Muster derer auf -äri, an : nhd. Höcker 
Buckel : mhd. hocker, hogger\ Körper, mhd. korper, körper, körpel 
aus 1. corpus. Ebenso beruht auf Analogie nhd. zögern : mhd. zogen, 
ahd. zogön. 

Anm. Zuwachs erhalten die Wörter mit ö, abgesehen von 
Fremdwörtern, durch Übergang von e (§ 230) und ü (§ 225) : ö. 

u : ü. 

204. Der Umlaut von u erscheint im Ahd. erst in 
einzelnen Spuren (Br. § 32 A. 4). In der mhd. Zeit zeigen 
Hss. und Seime ihn in Mitteldeutschland energischer durch- 
geführt als in Oberdeutschland. Hier wird er sowohl durch 
Liquida- und Nasalverbindungen, als auch namentlich durch 



264 Umlaut. u:ü. ä : cb. [§ 205. 

gg, cJc gehemmt^); vgl. die Opt. Prät. der st. V. Ic gulte, schulte, 
hülfe, wurde \ geivunne^ hrunne, begunne, funde, drunge. sungc^ 
ferner Wörter wie antwurte N. (ahd. anttvurtt) Antwort; krumbe 
(ahd. krumbi) Krümme; junger jünger (ahd. jungiro); rucke (ahd. 
Jtruggi) Rücken, stucke (ahd. stu^ki) Stück; brugge Brücke, mugge 
Mücke u. a. 

Auch die jetzige Schriftsprache hat in einigen Wörtern 
Uy wo man ü erwarten sollte; so Kur, Kurfürst (aber Will-kür), 
ahd. kuH F. Wahl; vor Consonantverbindungen dulden sw. V. 1, 
ahd. dulten, geduldig, ahd. dultig; schuldig, ahd. schuldig \ Gulden 
(daneben gülden Adj.), ahd. guldtn; Huld, ahd. huldt; Kunde, 
kundig, ahd. kundt, kundig'^ Puckel M. Rücken; purzeln (neben 
Bürzel M.); um, ahd. umbi\ Wonne (für wunne § 225), ahd. wunna, 
wunni. Besonders sind intensive Verba auf pf tz, ck, hervorzu- 
heben, die entweder als sw. V. 1 ü oder als sw. V. 2 o haben sollten, 
aber u haben; z. B. Tupfen, schupfen, zupfen, (aber schlüpfen) \ 
stutzen; schlucken, ducken, spucken, (aber bücken, schmücken); mit 
differenzierter Bedeutung drücken : drucken, zücken : zucken (von 
Bahder, Grundlagen S. 199 f.). Im ganzen aber ist der Umlaut 
im Nhd. regelmässig durchgeftlhrt und il ein häufiger Vocal, 
Bald steht er in lebendigem Verhältnis zu Formen mit u, z. B. Fluss : 
flüssig, Mund : Mündel; l)ald correspondiert er mit o, z. B. Bürste: 
Bttrste; füllen i voll; Füllen {nhd. vulin) : Fohlen (ahd. folo); für 
(ahd. furi) : vor (ahd. fora) u. a. (vgl. § 203); sehr oft steht er iso- 
liert. Belege Gr. 1^ 158 f. 221 f. Auch alte Fremdwörter haben den 
Umlaut angenommen, z. B. Büchse, Kümmel, Kürbis, Kürschner, 
Pfühl, Pfütze, Schüssel, tünchen, einige nachdem vorher ein ur- 
sprüngliches o zu u geworden war (§ 224). Nach Analogie der 
Wörter auf -äri hat ihn Küster^ ahd. kustor angenommen, vielleicht 
auch Nüster, ndd. nuster. — Über ü aus i s. § 231. 

ä : CB. 

205. Im Ahd. ist von diesem Umlaut noch keine Spur 
wahrzunehmen; erst seit dem 11. /12. Jahrh. tritt er, zuerst in 
fränkischen Denkmälern auf (Br. § 34. A. 2). Im Friedbergcr 
Christ dient er bereits zur Unterscheidung des Ind. und Opt. 
Prät. jah : jcehey was : wcei'e, und mittelfränkische Dichter des 
12. Jahrh. reimen schon unbedenklich ce : e (Whd. § 93). 
Anderwärts aber muss der Laut dem e ferner gelegen haben; 



1) Gr. 1 8, 161 f. Whd. § 61. 66. 73. 75. Paul, Gr. § 40 A. 3. 
Behaghel, Grdr. § 24. Fischer, Geogr. § 66. 



§205.] Umlaut, ä : cb. 265 

noch ira 13. Jahrh. gestatten sich manche oberdeutsche Dichter 
ä und ce im Reim zu binden, namentlich vor r und h (Whd. 
§ 89. Gr. 1^, 173). Dennoch ist schliesslich der Umlaut regel- 
mässig durchgeführt; z. B. ahd. giwäti : mhd. geivcete; ahd. gi- 
nämi : genehm^ ahd. zähl : zähe\ ahd. wän(i)u : tcähne\ alid. gibä- 
rida : Gebärde'^ ahd. gäbi : ich gäbe\ ahd. säfijan : säen, Belege 
Gr. 18,172 f. 

Bezeichnet wurde der Umlaut ganz wie der jüngere Umlaut 
von a teils durch e teils durch d. d oder ä ist in der Schriftsprache 
zur Anerkennung gekommen, und zwar nicht nur in Formen, 
in denen der Umlaut leicht zu erkennen ist, wie in den Optativen 
bräche, träte, ässe etc. und verkürzt in dächte, brächte-, den Plu- 
ralon Spähne, Drähte, Eäte etcr^ in durchsichtigen Ableitungen wie 
Nähe, Gräfin, jährig-, Hondern auch in andern; z.B. bähen, blähen, 
nähen, Gräfe, Märchen, verbrämen; und verkürzt in ansässig, 

Schacher. In verhältnismässig wenigen ist e eingetreten: 
Schere, mhd. schcere; schwer, mhd. swcere-^ leer, mhd. leere; genehm, 
mhd. genceme; selig {glück-, gott-, letä-, holdselig), mhd. scBlicu.e.a. 

(Orth. § 45). Da nun das alte aus ai zusammengezogene e in 
unserer Schrift fast durchaus als e fortbesteht (z. B. See, 
SchneSj sehr, Klee, hehr, Zehe etc., aber Bär M. Zuchteber), 
würden die beiden Lautgruppen auch aus der nhd. Schrift- 
sprache noch leidlich zu erkennen sein, hätten nicht die Ver- 
änderungen in der Quantität die Grenzen gegen die kurzen e 
und e aufgehoben. — So weit die Vocale lang geblieben sind, 
scheidet sie der Schrift entsprechend auch die Aussprache; 
ce bezeichnet den offenen, e den geschlossenen Laut, und es 
ist anzunehmen, dass hiermit der ursprüngliche Unterschied 
gewahrt ist. Der Umlaut von ä stimmte also wie in dem 
Zeichen so auch in seinem Wert mit dem jüngeren Umlaut 
von a überein. Mundartlich ist er allerdings vielfach in ge- 
schlossenes e übergegangen (vgl. PBb. 13, 574), besonders in 
Mitteldeutschland, wenn auch von Bahder, Grundlagen S. 110 
mit Recht hervorhebt, dass aus den md. Reimen von ce : e 
nicht schon auf vollen Gleichklang zu schliessen ist. 

Anm. Abneigung gegen den Umlaut zeigten früher die 2. 3. 
Sg. Präs. der st. V. 5: ratest, ratet; släfest, släfet etc. Whd. § 89; 
vgl. § 194, 1 c. 



266 Umlaut, ö : a. ü: iu, ü, nhd. eu, äu, [§ 206. 207. 

ö : ce. 

206. Für den Umlaut des ö finden sich im Ahd. erst 
spät wenige Spuren, indem oi geschrieben wird: troistest^ 
troütanne (Br. § 45. A. 4). Auch md. Schreiber halten viel- 
fach an dem ö fest und selbst oberdeutsche Dichter wie Hein- 
rich von Ttirlin und Thomasin von Zirclsere untei-scheiden in 
ihren Reimen nicht 6 und cß (Gr. 1», 179. Whd. § 116. 111). 
Im allgemeinen jedoch wird der Umlaut im Mhd. anerkannt; 

z. B. ahd. hören (g, hausjan) : hoßren'^ ahd. lösen (g. latisjan) : l(Bsen\ 
ahd. brödi : broßde; ahd. scöni : sch(Bne\ ahd. höhi : hahe; ahd. nöti: 
ncete. Zu nhd. Böschung ist das Stammwort nicht erhalten; Föhn^ 
ahd. fönnoM,fönna F. geht auf lat. favonius zurück; Böe ist ndd. 
Lehnwort; Pöbel, frz. peuple. — ö aus i § 230. 

ü : iuy u, nhd. euj äu, 

207. 1. Den Umlaut von ü bezeichnet zuerst N. conse- 
quent, und zwar durch m, während andere ahd. Schreiber sich 
mit dem einfachen ti zu behelfen pflegen (Br, § 42). Auch in 
jüngeren Hss. namentlich in md., herrscht vielfach noch u 
(Whd. § 119. 122); jedoch ist der Umlaut ziemlich regelmässig 
durchgeführt; z.B. müs^ Fl.miuse Mäuse; hüt, ^iu^e Häute; krüt, 
Ä:Wt^/cr Kräuter; ahd. Jflütjan, mhd. Ihäen läuten, zu filüt laut; ahd. 
ihUarjan, mhd. liutem läutern, zu hlüttar lauter; ahd. gibüHsCy 
mhd. gebiurisch bäurisch zu gebüre M.; mhd. kiuzeltn Käuzlein zu 
küze Kauz; mhd. fiustelinc Fäustling zu füst Faust etc. Auch 
rümen^ sümen, sümig, die im Mhd. ohne Umlaut gebraucht zu wer- 
den pflegen, haben ihn jetzt angenommen : räumen^ säumen^ säumig 
(aber saumselig)'^ vgl. von Bahder, Grundlagen S. 213. Whd. § 119. 
{trauern und traurig^ ahd. trüri^i, trürag haben keinen Anspruch 
darauf, auch nicht brauchen, ahd. bntchan; denn das Wort hat, ab- 
weichend von g. brükjan kein j im Prttsens; PBb. 8, 295). 

2. Da im Nhd. der Umlaut von ü mit dem von ou und 
dem alten Diphthongen iu in eu, äu zusammengefallen ist 
(§ 21 7), so lässt sich der Ursprung des Lautes nicht mehr 
erkennen; wenn neben der umgelauteten Bildung das Stamm- 
wort mit reinem Vocal fehlt oder Bedeutungsentwicklung das 
Verhältnis beider verdunkelt hat. Hierher gehören: fi«//c, fieu^ci 
(Säckchen), Eule, Euter, feucht, Greuel (zu grauen), heucheln (zu 
hauchen, s. Franck, Wb. Sp. 3^8), keuchen, keusch, meuchel-, Baude, 



§ 208. 209.] Umlaut, uo : üe, ü, ou : öm, äu, 26' 



Reusey Säule^ Scheuer ^ schleunig , schneuzen^ seufzen:^ ebenso das 
alte Fremdwort Kreuz, — Nach Analogie hat ihn sträuben ange- 
nommen (vgl. II § 42), vermutlich auch Schleuder^ spät mhd. slüd-er. 



uo : üe, ü. 

208. Dass der Diphthong uo durch folgendes i beein- 
flusst wurde^ lassen die altdeutschen Handschriften noch wenig 
erkennen. Einige Spuren begegnen vielleicht schon im 9. Jahrh. 
(Br. § 40 A. 2. § 39 A. 8) ; bestimmtere, aber doch nur wenige, 
seit dem 10. 11. Jahrh. (Br. § 40 A. 3), und noch im 13. Jahrh. 
lassen die Reime namentlich bairischer Dichter den Unter- 
schied zwischen uo und üe nicht immer scharf hervortreten 
(Whd. § 138. vgl. § 144). Aber schliesslich ist der Unterschied 
doch mit ziemlicher Kegelmässigkeit durchgeführt; z. B. ahd. 
hvonir : Hühner \ ahd. huohi : mhd. hilebe höbe; ahd. truogi : trüge; 
ahd. ginuogen : genügen; ahd. suonen : sühnen ; ahd. kuoni : kühn; 
ahd. gruonii grün; zu tuoh gehört tuohil, mhd. tüechel Tüchlein; 
zu kuofa : Küfer, zu guot : gütlich etc. 

Nur wenige haben sich dem Umlaut entzogen. Im Mhd. gilt 
neben üeben (ahd. uoben, as. öbian) uöben; dauernd haben sich 
suchen (ahd. suochen, as. g. sökjan) und geruhen (ahd. machen, as. 
rökian) behauptet. Aus ahd. dntos F. fil haben sich mit differen- 
zierter Bedeutung die Doppel formen nhd. Druse und Drüse ergeben. 

ou : öu, äu. 

209. Die ersten Spuren des Umlauts sind kaum jünger 
als bei andern Vocalen, doch wird er weniger regelmässig be- 
zeichnet und durchgeführt (Whd. § 126. Gr. 1 «, 196). Labiale 
Consonanten hindern den Umlaut; vgl. g, galaubjan : glauben; 
g. raupjan : raufen; g. daupjan : taufen; g. daupeins, ahd. tauft: 
Taufe; ahd. louba, louppea Schutzdach, Halle (daraus mlat. laubia, 
it. loggia etc.) : Laube (mundartl. leibe); g. haübip N. : Haupt, 
Ebenso entzieht sich ihm das vor geschärftem w entstandene aui 
Frau, mhd. frouwe aus frawja, Aue, mhd. ouwe aus awja, — 

Nur wenn die Wörter zu lebendigen Ableitungsgruppen, flir 
die der Umlaut charakteristisch ist, gehören, also die Ana- 
logie den Lautwandel fördert, vollzieht er sich allgemein; 

also in sw. V. 1 wie beugen, ersäufen, stäuben; bäumen, säumen (zu 
Saum Naht), betäuben, träumen; ferner gläubig; Säumer, mhd. 
soumcßre söumcßre (zu mhd. säum Last), Täufer; rätichem, mhd. 



268 Umlaut, iu, Ursprung und Wesen des Umlauts. [§210.211. 

rouchen, röuchen (zu riechen)*^ Gäuchlein^ mhd. göttchelin (zu g(mch\ 
Fräulein, mhd. frouwelln zu frouwe\ ebenso in dem isolierten 
leugnen, ahd. lougnen und in nhd. schleifen, streifen, sich er- 
eignen (§ 234). 

Anm. 1. In Wörtern wie dräuen, freuen, Freude, Heu, streuen, 
Streu lieg^t nicht Umlaut von ou sondern von a vor; ahd. frewen, 
frewida aus fratvjan, frawida etc. § 193. 

Anm. 2. In Luthers Mundart hindern die Labiale den Um- 
laut nicht; er sagt Heubt, gleuben, erleuhen, teufen, keufen (vgl. 
ags. cypan neben g. kaupön, ahd. choufön). Auch die Ableitungen 
zeuberer, zeubei*ey haben den Umlaut, während ihn glaubig, tauf er 
abweichend vom Nhd. und den zugehörigen Verben entbehren. 
lougnen schreibt er neben leugnen, leucken altem Brauche gemäss; 
s. Franke § 23 f. von Bahder, Grundlagen S. 216 f. 

iu. 

210. Einen Umlaut von iu lässt unsere Schriftsprache 
nicht erkennen. Aber Mundarten und alte Handschriften z. B. 
Nibelungen C zeigen, dass wenigstens auf einem Teil des Sprach- 
gebietes der Diphthong sich verschieden gestaltete, je nach- 
dem ein i in der folgenden Silbe stand oder nicht; der Sg. 
Hut klang hier also anders als der PL Hute, ahd. liuti. Wir 
sprechen jetzt denselben Diphthongen eu^). 

Umlaut von ei sucht Brenner, PBb. 19, 483 f. zu er- 
weisen (vgl. § 191). 

Ursprung und Wesen des Umlauts. 

211. Abgesehen von den consonantischen Einflüssen, die 
sich bei den verschiedenen Vocalen verschieden äussern, hält sich 
der Umlaut aller Vocale in denselben Grenzen wie der des a. 
Wie ist das zu erklären, da er doch erst zu einer Zeit in die Er- 
scheinung tritt, da die i und j, welche den Umlaut von ä be- 
wirkt hatten, längst nicht mehr intact waren ? Dieselbe Frage 
drängt uns der jüngere Umlaut von ä auf. In Bildungen, 
deren Endung das i bewahrt hatte wie die Ableitungssilben 
-iww, -wm, -Un, -lieh, könnte man annehmen, dass der spät 
erscheinende Umlaut erst spät entstanden sei; aber auf viele 



1) Behaghel, Germ. 34, 247. 370. Brenner, PBb. 20, 80 f. Sie- 
vers eb. S. 330 f. Fischer, Geogr. S. 41. 



§ 211.] Ursprung und Wesen des Umlauts. 26& 

andere ist die Erklärung nicht anwendbar. Wörter wie ge- 
slehtCj mehte, gerwen, zehere, megede, frevele, becJccere, jegcere 
u. y. a. hatten ihr i schon in der ahd. Zeit verloren und doch 
zeigen sie später den Umlaut. Aus den Wirkungen der Ana- 
logie (Whd. § 9) lässt sich die auffallende Thatsache nicht 
befriedigend erklären; denn das offene ä, die ö, ü, öu waren 
Yocale, die in der Sprache noch gar nicht vorhanden waren^ 
und wie hätten neue Laute durch Formttbertragung entstehen 
leönnen? Die Verhältnisse zwingen zu der Annahme, dass der 
Umlaut in der Sprache frtther vorhanden gewesen ist, als er 
in der Schrift bezeichnet wurde. 

Man hat sich gegen diese Annahme lange gesträubt^ 
namentlich ist ihr Grimm öfter sehr entschieden entgegen ge- 
treten (Gr. 1«, 78. 109. 361. 1», 75); und in der That erscheint 
sie zunächst auch bedenklich. In mehreren unserer ahd. Denk- 
mäler ist die Lautbezeichnung mit grosser Sorgfalt behandelt; 
so im Isidor, von Otfried und Notker; wie sollten sie einen 
so auffallenden Unterschied unausgedrückt gelassen haben? 
Aber dieser Einwand wäre nur stichhaltig, wenn der reine und 
der umgelautete Vocal sich von Anfang an so bestimmt unter- 
schieden hätten, wie jetzt. Und zu dieser Voraussetzung hat 
man keinen Grund; im Gegenteil. Zunächst kann die Wirkung 
des i nur zu einer Nuance des Vocals geführt haben, welche 
den Grundcharakter des Lautes noch deutlich hervortreten 
liess, den Schreibern es gestattete für beide dasselbe Zeichen 
zu verwenden, weniger sorgfältigen Dichtern beide im Reim 
zu binden. Die Bezeichnung des Umlautes in der Schrift be- 
kundet nicht sowohl eine Neubildung der Sprache als eine 
Verbesserung der Orthographie. Der Grund zu allen Um- 
lauten rauss gelegt sein, als i und j der Endung noch vor- 
handen waren, und für alle Vocale in derselben Zeit, also im 
8. Jahrh. Die Schreiber behalfen sich noch lange mit den 
herkömmlichen Zeichen, obschon ihnen der Unterschied der 
Laute gewiss nicht entging. Nur einen Umlaut, den von «, be- 
zeichneten sie durch e, weil die Schrift ihnen für diesen Laut 
ein Zeichen von gleichem oder annähernd gleichem Wert bot. 
Dann kam ü an die Reihe, aus keinem andern Grunde, als 



270 Ursprung und Wesen des Umlauts. [§212. 

weil der alte Diphthong iu zu einem ü-Lant zusammengezogen 
war (§ 213). Für die übrigen Umlaute, denen kein Zeichen 
von selbst erwuchs, erfand man sie schliesslich. Wie langsam 
sie recipiert wurden, ist oben § 202 bemerkt. 

Wenn diese Auffassung von dem Alter der Umlaute richtig 
ist, so wird man sich der Folgerung nicht entziehen können, 
dass auch der sogenannte jüngere Umlaut des ä nicht eigent- 
lich jünger, sondern nur schwächer ist^). Ein i in dritter 
Silbe und in schweren Ableitungssilben wirkte weniger kräftig 
als das unmittelbar auf die Stammsilbe folgende und gewisse 
Consonantverbindungen schützten den Vocal der Stammsilbe. 
In dem einen Falle ergab sich das dem i näher stehende 
geschlossene e, in dem andern das offne ä, welches dem Grund- 
laut näher stand. Für die übrigen Laute ist ein ähnlicher 
Unterschied vorauszusetzen, wenn er auch in der Sprache 
nicht zur Geltung gekommen ist. 

212. Weiter ist zu erwägen, in welcher Weise das i 
auf den Vocal der Stammsilbe wirkte. Scherer S. 71—75 
stellte die Ansicht auf, dass diese Wirkung sich zunächst auf 
den vorangehenden Consonanten erstreckt habe; dieser sei 
durch folgendes j oder i moulliert, und der mouUierte Laut 
habe weiter den vorangehenden Vocal angegriffen, so dass die 
Andenmg des Vocales noch stattfinden konnte, als das i be- 
reits verschwunden war. Andere haben die Ansicht aufge- 
nommen; selbständig glaubte Sievers daraufgekommen zu sein 
(Verh. der Leipz. Phil. Vers. 1872 S. 189 f.). Aber obwohl 
ich den Einfluss des i auf vorangehende Consonanten nicht 
leugnen will, so glaube ich doch nicht, dass die umlautwir- 
kende Kraft desselben zunächst in den Consonanten gleichsam 
aufgespeichert wurde und erst später den Vocal ergriff. Für 
den jüngeren Umlaut, der durch i in der dritten Silbe und 
den Endungen -wm, -Un, -lieh bewirkt wurde, versagt die Er- 
klärung überhaupt. Ich fasse ähnlich wie Grimm den Umlaut 
als eine Art Epenthese auf, nur nicht in der Weise, dass das 

1) Dieselbe Anschauung vertritt Paul, Gr. § 40 A. 1. 2; ab- 
lehnend von Bahder, Lit. Bl. 1894 Nr. 7. 



§ 212.] Monophthongierung. 271 

i als selbständiges Element dem Vocal der Stammsilbe zuge- 
sellt wurde. Denn wenn dafür auch geltend gemacht werden 
könnte, dass der Umlaut öfters durch ein dem Stammvocal 
hinzugefügtes i bezeichnet wird (airin, aigi, aüliu, muilleny 
jiuinta, guita, troistet, scoina), so widerstreitet ihr doch die 
Thatsache, dass die Umlaute von den Diphthongen durchaus 
gesondert geblieben sind. Vielmehr wurde das i in der Weise 
in die Stammsilbe aufgenommen, dass die Zunge, noch ehe sie 
den trennenden Consonanten articulierte, schon die Stellung, 
die das i verlangte, einzunehmen trachtete. Wie die beiden 
Elemente mit einander verschmolzen, zeigen ganz deutlich ü 
und ö, welche die Lippenarticulation von u und o mit der 
Zungenstellung des i verbinden ^). Auch dass ein i der dritten 
Silbe auf die Stammsilbe wirkte, ist bei diesem Vorgang wohl 
begreiflich; Bedingung war nur, dass im Bewusstsein des Spre- 
chenden der Charakter der Endung lebendiger war, als der 
der Mittelsilbe. 

Auf den Zusammenhang des Umlautes mit dem Verfall 
der Endungen hat man von jeher hingewiesen*). Je kräftiger 
sich die Stammsilbe im Bewusstsein und in der Erscheinung 
über die Endung erhob, um so mehr zog sie die charakteristi- 
schen Lautelemente an sich, und je mehr dieses Ziel erreicht 
wurde, um so entbehrlicher wurden sie in den Endungen. 
Danim erfahren die unbetonten Mittelsilben den Einfluss eines 
folgenden i keineswegs in derselben Weise wie die betonten 
Stammsilben, und darum wirkt ein halb betontes i weniger 
energisch als das ganz unbetonte. 

Viertes Kapitel. 

Jfingere Monophthongiernngen und Diphthongierungen. 

Der Umlaut ist die letzte grosse Bewegung, welche, ob- 
schon nicht in ganz gleicher Ausführung, das ganze Sprach- 

1) Vgl. hierzu die Betrachtungen R. Hildebrand's, ZfdU. 7, 
750-757. 

2) Gr. 18, 74 f. Th. Jacobi, Beiträge S. 127. Scherer S. 72. 
Paul, PBb. 6, 143. 



272 Monophthongierung. Ahd. iu : Ü, ü. [% 213. 

gebiet ergreift; die jtlngeren Processe bleiben mundartlich be- 
schränkt. Wir betrachten zunächst die, welche in der Schrift- 
sprache noch zur Anerkennung gekommen sind; die Mono- 
phthongierung von iu, die Diphthongierung von i, üy ü und die 
Monophthongierung von ie, uo, üe. 

Monophthongierung von iu. 

213. Der Diphthong iu wird im Mlid. gewöhnlich noch 
durch iu bezeichnet, z. B. Hure, hiugest, biuget; doch muss 
der Laut schon früh dem einfachen ü sehr nahe gestanden 
haben, da N. dasselbe Zeichen für den Umlaut von ü gebraucht 
und auch frz. u durch iu wiedergegeben wird ; z. B. aventiure, 
covertiure, fossiure (Br. § 49. Whd. § 129). Ein vollkommen 
einheitlicher Laut braucht es deshalb nicht • gewesen zu sein, 
vielleicht immer noch ein Diphthong, in dem eine Articula- 
tionsbewegung von i zu ü stattfand. 

Neben iu wird aber auch u geschrieben, namentlich im 
westlichen Mitteldeutschland. Schon auf altchristlichen Grab- 
steinen in Worms und Mainz, in Urkunden des 8. Jahrh. und 
andern Aufzeichnungen findet man dieses w^ im 11. und 12. 
Jahrh. wird es mit steigender Vorliebe neben iu und ui ge- 
braucht (Whd. § 132); bei Heinrich von Veldegge ist es durch- 
aus für iu eingetreten (Behaghel S. LVII). Aber auch in Ober- 
deutschland zeigt sich das u in bairischen Denkmälern und 
häufiger in alemannisdien^). Braune (§ 49 A. 1) sieht in 
diesem u einen Versuch den Monophthong ü zu bezeichnen, 
der allerdings nahe lag, da der Umlaut von tl, der ja auch 
wie ü klang, gewöhnlich noch durch u bezeichnet wurde. 
Aber diese Auffassung, obwohl in vielen Fällen sicher be- 
rechtigt (ZfdA. 35, 381 f.), hat keinen Anspruch auf allge- 
meine Geltung. Eine Reihe mitteldeutscher Mundarten zeigt, 
dass in gewissen Fällen sich wirklich iu zu ü entwickelt hat, 
entweder direct aus dem Diphthongen, oder indircct durch 



1) Beispiele für das Bairische bei Whd. B. Gr. § 160, für das 
Elsässische bei Whd. A. Gr. § 126, für das Schwäbische § 93, für 
das Alemannische § 47. 



§ 214.] Diphthongierung. 273 

VermitteluDg von u, und Reime lassen schliesseD, dass diese 
Entwickelung schon in mhd. Zeit stattgefunden hatte (Whd. 
§ 130. 132. Behaghel, Grdr. § 41, 2). 

Besonders zu beachten ist üw für iuio; in dieser Ver- 
bindung erkennt auch die Schriftsprache neben Formen mit 

iu (nhd. eu § 217) auch solche mit ü (nhd. au §216) an: 
mhd. bliuwen bleuen (schlagen), riumen reuen ; aber briuwen brauen, 
kiuicen kauen; neben TVewc, mhd. tHutce steht das Adv. traun; 
neben Greuel^ mhd. griuwel : gratden^ graulich ; neben Knäuel, mhd. 
kliuweltn : Knaul, neben Neuenbürg : Naumburg; neben kauen: 
wiederkäuen, (In Durch-, Erlaucht, mhd. erliuht beruht das nhd. 
au = ü auf einem (falschen) Rückumlaut : linkten lühte,) t. Bahder, 
Grundlagen S. 214 f. 

Anm. 1. Nicht überall wo ü und iu in verschiedenen Formen 
derselben Wurzel begegnen, darf ü auf iu zurückgeführt werden, 
denn die beiden Laute sind schon idg. selbständige Stufen derselben 
Ablautreihe. Aber je später die Formen mit ü zu belegen sind, um 
so misslicher ist es, ihre Erklärung auf die idg. Grundlage zurück- 
zuführen. 

Diphthongierung von ü, iy ü, 

214. Als seit dem 8. Jahrh. die langen Vocale ^ und ö 
in Diphthonge tibergingen, hielten die extremen Vocale z und 
ü Stand. Aber mehrere Jahrhunderte später unterliegen auch 
sie und ebenso der jüngere aus iu (Diphthong und Umlaut 
von ü) entstandene Vocal ü einer Diphthongierung, indem sie 
in eif ou, eu tibergehen; min : mein, wip : weib, fül : foul, hüs: 
houSj Mute : heute^ briute : breute. Die andauernde gleich- 
massige Articulation der einfachen Vocale wird also aufge- 
geben und durch eine Articulationsbewegung ersetzt, die mit 
einem dem a näher liegenden Laute einsetzt oder aufhört. 
Ob aber die beiden Vorgänge in ihrem Wesen gleich sind, 
ist zweifelhaft. Die älteren Diphthonge, die sich aus e und d 
entwickeln, beginnen zunächst mit dem ursprtinglichen Laute 
(ea, oüy dann ia ie, ua uo)\ die jtingeren, die aus «, ü, Ü ent- 
stehen, schliessen mit ihm {ei, ou, eu). 

Die Diphthongierung beginnt auf bairisch-österreichischem 
Gebiet, kommt dann aber auch in den Mundarten von Schlesien 
und Obersachsen, im Oberfränkischen und in den südlichen 

W. Wilmanns, Deutsche Orammatik. I. IS 



274 Diphthongierung; mhd. ü, t, ü : ouy ei, eu. [§ 215. 

Teilen des Mittelfränkischen, ja auch in einzelnen Bezirken 
des Alemannischen zur Geltung. Andere Mundarten lassen die 
Diphthonge nur in offener Silbe oder vor folgendem Vocal 
eintreten: der nördliche Teil des Mittelf ränkischeu, das Thü- 
ringische mit dem nördlichen Teil des Hessischen und ein Teil 
der alemannischen Mundarten. Die übrigen enthalten sich 
ihrer ganz (Behaghel, Grdr. § 35). Wann die einzelnen Mund- 
arten in die Bewegung eintreten, ist schwer zu sagen, weil 
der Einfluss der kaiserlichen Kanzlei und die Ausbildung der 
gemein-deutschen Schriftsprache nebenher gehen^ also immer 
die Frage aufzuwerfen ist, ob die Diphthonge eines Denkmals 
durch diese Factoren oder durch die Änderung der Aussprache 
in der Mundart hervorgerufen sind. Als sicher aber darf man 
ansehn, dass wo wir in Mundarten des alten deutschen Stamm- 
landes die Diphthonge finden, sie im allgemeinen nicht aus 
der Schriftsprache oder Nachbarmundarten aufgenommen, 

sondern selbständig entwickelt sind (ZfdA. 39, 262 f.). 

Anm. Der Sprachatlas verzeichnet das DiphfhongieruDgs- 
gebiet von t für eis (18, 409), wein (19, 280), bleib (21, 286) und in 
offner Silbe für drei (19, 202); — von ü für aus (20, 210), hause 
(20, 215), braune (20, 214), weniger ausgedehnt wegen der concur- 
rierenden Kürze in auf Adv. (21, 160) und auf Präp. (21, 162); in 
offner Silbe in bauen (22, 105). — Für die Diphthongierung von ü 
kommen in Betracht Hute mit umgelautetem iu (20, 219), häuser 
mit umgelautetem ü (20, 267) und von beiden stark abweichend 
feuer mit altem tti in offner Silbe (22, 102 f.). — Vgl. auch Bremer 
III, 47 ff. 

215. 1. Eine kurze Geschichte der neuen Diphthonge 
in der Schrift giebt Whd. § 105. 106. 108. Wenn wir von 
einzelnen, zum Teil unsicheren Spuren absehen, die bis in 
die ahd. Zeit hinaufreichen^), so beginnen deutliche Zeichen 
der Bewegung mit dem 12. Jahrh. Gegen Ende desselben 
finden wir sie in bairisch-österreichischen Hss. schon in ziem- 
licher Ausbreitung neben den alten Lauten; zu Ende des 13. 
Jahrh. hat die der Aussprache folgende Bezeichnung den Sieg 
über die historische Orthographie davon getragen, wenn auch 
noch im Anfang des 14. Jahrh. die alten i, Uj iu aus der 



1) Singer, PBb. 11, 295. 300. Br. § 41 A 3. § 49 A. 4. 



-§ 215.] Diphthongierung; mhd. ü, i, ü : ou, et, eu. 275 

Schrift nicht ganz verschwunden sind. Aus dem Südosten ver- 
breiten sich dann die neuen Diphthonge weiter. In Böhmen 
haben sie schon von 1310 an die Oberhand; bald nachher finden 
wir sie auch im östlichen Ostfranken, in Bamberg. In Schlesien 
fügen sich die fürstlichen Kanzleien in der zweiten Hälfte des 
14. Jahrb., während die Städte bis gegen Ende des Jahrb. 
Widerstand leisten; ähnlich im westlichen Ostfranken. In Ober- 
Sachsen erhalten ei, au, eu erst seit 1470 das Übergewicht; 
in Mainz, Worms, Frankfurt erst um die Wende des 15. 16. 
Jahrb. — Zu derselben Zeit waren die Diphthonge auch schon 
in das alemannische Gebiet vorgedrungen. Augsburger Drucker 
bedienen sich ihrer von Anfang an, schon seit den siebziger 
Jahren; bald folgen Ulm, Strassburg selbst Basel, namentlich 
in Verlagsartikeln, die fttr ein weiteres Absatzgebiet bestimmt 
waren. Obwohl man die einfachen Vocale noch lange nicht 
aufgab, manche sich streubten die der Mundart widersprechen- 
den Diphthonge anzuerkennen, war ihre Herrschaft in der 
Schriftsprache doch zu Ende des 15. Jahrb. bereits entschie- 
den. Am längsten widerstand die politisch und confessionell 
getrennte Schweiz. Während von Basel doch schon im 15. 
Jahrb. gemeindeutsche Drucke ausgegangen waren, nahm die 
Baseler Kanzlei die Diphthonge erst um 1580 an, die Züricher 
gar erst zwischen 1650 und 1675^). 

2. Eine bis zu den Ursachen vordringende Erklärang 
der Diphthongierung hat Wrede (ZfdA. 39, 257—301) ver- 
sucht. Als Vorstufe der Diphthonge darf man wie in den 
meisten Fällen, wo sich Diphthonge aus einfachen Vocalen ent- 
wickelt haben, circumflectierende Betonung ansehen, und diese 
ist, wie Wrede vermutet, in unserem Falle eine Folge der in 
mhd. Zeit eintretenden Apokope. Indem die unbetonte Silbe 
aufgegeben wurde, concentrierte sich in der Stammsilbe nicht 



1) Nähere Angaben: Wülcker, die Entstehung der kursäch- 
sischen Kanzleisprache, Z.d.V. f. Thüringische Geschichte IX, 349 f. 
Ders., Luthers Stellung zur kursächsischen Kanzleisprache, Germ. 
XXVIII, 191 f., PBb. 4, 1 f. Socin, Schriftsprache und Dialekte. 
Kluge, von Luther bis Lessing, S. 60 ff. W. Scheel, Beiträge zur 
Geschichte der nhd. Gemeinsprache in Köln. (Marburg 1892) S. 38. 



276 Diphthon^erung; mhd. ü, i, U: oUy e?', eu. [§ 216« 

nur ihre Dauer sondern auch die Exspirationsbewegung de& 
zweisilbigen Wortes. Folgte die Endung unmittelbar auf den 
betonten Voeal, so nahm dieser sofort die zweigipflige Be- 
tonung an, aus frid wurde frt] waren sie durch einen Con- 
sonanten getrennt, so übernahm zunächst dieser Consonant die- 
Vertretung der schwindenden Silbe aus tsd wurde U, weiterhin 
erst IS, eUs, äis etc.; hier also wurde die Grundlage ftlr den 
Diphthongen erst später gewonnen, und daher ist sie hier 
auch weniger weit verbreitet. Von den mehrsilbigen Formen 
wurde die Diphthongierung dann auf die einsilbigen tibertragen. 
In den bairisch-österreichischen Mundarten aber stellt sie sich 
zuerst ein, weil diese der Apokope vor allen andern geneigt 
sind; je länger die Mundarten die Endungen bewahrten, um 
so später nahmen sie die Diphthongierung vor. — Wie weit die- 
Resultate der für die Geschichte und Verbreitung der neuen Laute- 
wichtigen Arbeit im einzelnen zuverlässig und richtig sind, ist hier 
nicht zu erörtern. Die Hauptsache, dass irgend ein Zusammenhang 
zwischen unsern Diphthongen und der Apokope stattfindet, dünkt 
mich sehr wahrscheinlich. — Auch die Frage möchte man beant- 
wortet sehen, warum sich f, ü, ü zu ei, ou, eu entwickelten, nicht, 
wie man nach der Analogie der älteren Diphthongierung von i und 
ö erwarten sollte, zu ic, uOj ife; die Annahme, man habe diese For- 
men gemieden, weil die Sprache sie bereits besass, genügt schwer- 
lich; vgl. Wrede a. 0. S. 271. 

216. Verhältnis der jungen zu den alten Diphthongen. 
— 1. Die mustergültige Aussprache des Nhd. erkennt einen- 
Unterschied zwischen den älteren und jüngeren Diphthongen- 
nicht mehr an; wir sprechen mein, mhd. min wie Bein, mhd* 
6em; kaum, mhd. küme wie Baum, mhd. houm\ Häute, mhd. 
Mute, ahd. hüti wie Leute, mhd. liute, ahd. liuti und heute, mhd. 
Mute, ahd. Mutu, Durch die Entwickelung der jüngeren Diph- 
thonge war dieser Zusammenfall an und für sich nicht bedingt» 

2. Dieselbe Neigung mit einem offneren Laut einzu- 
setzen, welche i und ü zu ei und ou verschob, hatte auch 
die alten Diphthonge ei und ou ergriffen und sie zu ai und 
au gewandelt; diese hatten also, soweit die Schrift die Quali- 
tät erkennen lässt, dieselbe Gestalt wiedergewonnen, die sie 
ehedem im Ahd. gehabt hatten, und die Jüngern Diphthonge 



■§ 216.] Diphthongierung; mhd. Ä, f, Ü : ouy ei, eu, 277 

rfickten an einen frei gewordenen Platz (Schönbach, Verh. d. 
Wien. Ak. XCVIII. S. 918 f.). Durch diese Bewegung blieb 
also eine Grenze zwischen den älteren und jüngeren Lauten, 
und die Mundarten erkennen sie trotz mancher Umwandlungen, 
welche beide weiterhin erfahren haben, noch jetzt an (Be- 
haghel, Grdr. § 39. 40) ; ja selbst im Gebrauch der Schrift- 
sprache macht sich auf schwäbisch-alemannischem Gebiet der 
historische Unterschied noch geltend (Trautmann § 940) ; doch 
im allgemeinen ist er erloschen in der Schrift und in der 
Sprache. 

3. Zuerst fielen ü und ou zusammen. Schon im 13. Jahrh. 
werden von Baiern und Österreichern beide Laute oft gereimt, 
namentlich in den Verbindungen oum : um, oub : üb, auf : üf, 
also vor folgenden Labialen. Dem entsprechend wird denn 
auch schon im 12. Jahrh. au ftlr ü geschrieben; seit Ende 
des 13. Jahrh. drängt au sich stark vor und hat dann später 
die Alleinherrschaft errungen (Whd. § 118). — Besser behauptet 
sich der Unterschied von ei und ai. Zwar finden wir auch 
diese Laute bereits im 13. Jahrh. gereimt, zuerst von Hein- 
rich von Türlein; aber andere meiden diese Reime noch am 
Ende des Jahrh. und später (Whd. § 106). „Auf das Vor- 
handensein einer Schriftsprache, die das grob Dialektische mit 
bewusster Absicht von sich fernhielt" (Socin S. 137), ist daraus 
mit nichten zu schlicssen; die Reime werden gemieden, weil 
fiie nicht genau waren; beide Laute waren zwar Diphthonge, 
aber verschiedene und werden noch lange vielfach auch in der 
Schrift gesondert. Im 14. Jahrh. gehen die Zeichen ei und 
m in ziemlich correcter Scheidung neben einander her (Whd. 
-§ 106); im 16. Jahrh. werden in Drucken vom Mittelrheiu 
die beiden Laute gern als ei und ey unterschieden, ja noch 
im 17. und 18. Jahrh. werden Versuche gemacht, den histori- 
schen Unterschied in der Schrift auszudrücken und festzuhalten 
{ei : ey, ei : ai, ei : ü). So deutet auch unsere jetzige Ortho- 
graphie noch darauf hin, dass hier ein kräftigerer Unterschied 
waltete als zwischen ü und ou. Für diese beiden gilt nur das 
Zeichen au, fllr I und ei aber sind noch beide, ei und ai, im 
Gebrauch, ei schreiben wir gewöhnlich, für altes t sowohl als 



278 Diphthongierung; mhd. ü. t^ ü : ou, ei, eu, [§ 217. 

für altes ei (z. B. klein, Arbeit), ai in wenigen Wörtern, aber 

nur für altes et Der Wunsch, gleichlautende Wörter in der 

Schrift zu unterscheiden, hat es gehalten, z. B. Saite mhd» 

Seite, Seite mhd. site^). 

4. Die jetzige Aussprache von au und ei variiert in 

den verschiedenen Landesteilen. Gemeinsam ist der Zug, die 

Bestandteile der Diphthonge einander zu nähern: wo die 

Articulation von a ausgeht, endet sie in e oder o; endet sie 

in i oder u, so geht sie von e oder o aus (Trautmann § 929» 

Victor S. 93 f.). 

Anm. Belege für altes ü Gr. 1» 180; für altes f Gr. 1», 17& 
Über die alten Diphthonge et, ou § 186. 187. — Nhd. au = mhd. tu 
§ 213; = mhd. d{w) § 124. 

217. 1. Verwickelter sind die Verhältnisse beim eu^ 
Hier sind — abgesehen von Einzelheiten — drei oder vier ur- 
sprünglich verschiedene Laute zusammengefallen : der alte Diph- 
thong iu {Mute, ahd. hiutu : heute), der Umlaut von ü und iw 
{Mute, ahd. hüti : Häute ; Hute, ahd. liuti : Leute) und der Um- 
laut von ou (mhd. roubcere, röubcere : Räuber). Die drei ersten 
pflegen schon im Mhd. durch dasselbe Zeichen iu ausgedrückt 
zu werden, doch waren die Laute, wie die mundartliche Ent- 
Wickelung und handschriftliche Überlieferung zeigt, noch nicht 
identisch ; ja vielleicht war der alte Diphthong noch gar nicht 
zu einem ganz einfachen Vocal zusammengezogen (§ 213). 
Noch gegen Ende des 16. Jahrh. weiss Helber den alten 
Diphthongen und den Umlaut von ü fast ganz genau zu son- 
dern; nur umgelautetes iu fiel ihm mit dem umgelauteten ü 
zusammen (Behaghel, Germ. 34, 370). Aber jedenfalls standeu 
die Laute sich nahe, und unterlagen im Bairischen der gleichen 
Neigung wie I und ü, sie mit einem offeneren Einsatzvocal 
zu verbinden. — Kräftiger unterschieden sie sich von dem 
öu (Umlaut von ou) und selbst die bairisch-österreichischen 
Dichter reimen sie nur selten (Whd. § 129). Auch manche 
Drucke hielten sie auseinander, indem sie den Umlaut von ou 
durch eu {öu, du), das alte iu aber durch eü bezeichneten; 

1) Kluge, Von Luther bis Lessing S. 131 Anm. Jellinek» 
ZföG. 1893 S. 1091 f. 



§ 217.] Diphthongierung; mhd. ü, t, ü : ou, et, eu. 279 

also Eül, feür, heilr^ teütsch, theüer, heürlinc^ leüss^ meüss, mhd. 
iule, fiur, hiure, tiutsch^ tiure, hiurlinc, liuse, miuse ; aber freuwlein^ 
euglein, reuber, leuffer zu mhd. frouwe, ouge^ roup, lou f{Orth, § 61). 

Doch beginnt die Vermischung früh. Für den Umlaut von 
oUf namentlich wo aw zu Grunde liegt (§ 193)^ war eu ein 
gewöhnliches Zeichen, und umgekehrt drang, nachdem ü zu 
Ott, au geworden war, öw, äu flir den Umlaut von ü ein; 
z. B. hSuser, zäunen (Whd. § 126). 

2. Wir brauchen in unserer Schrift jetzt eu und äu mit 
ähnlicher Unterscheidung wie e und ä. äu schreiben wir wo 
der Umlaut von au (mhd. ü und ou) deutlich ist, sonst ew^ 
z. B. Haus, mhd. hüs : Häuser \ faul, mhd. fül : Fäule\ Raub, 
mhd. roub : Räuber \ Frau, mhd. frouwe : Fräulein] dagegen 
heute, mhd. Mute; neun, mhd. nmn. Während also im Mhd. 
dasselbe Zeichen iu für den alten Diphthongen und den Um- 
laut von ü gebraucht wird, brauchen wir jetzt äu für den 
Umlaut von altem ü und ou. Consequent ist freilich unsere 
Schreibweise nicht durchgeführt (Orth. § 61). 

3. Die Aussprache des Diphthongen variiert stark, indem 
man bei seiner Bildung teils von e oder ä, teils von o oder ö 
ausgeht; historische Unterschiede je nach dem Ursprung des 
Lautes sind im Nhd. nicht mehr zu erkennen (Trautmann § 942. 
Victor S. 78. Orth. § 58). 

Anm. Auf diphthongisches tu, mit und ohne Umlaut, geht 
eu, äu zurück in bläuen (schlagen), deuten, deutsch, euch, euer, 
freund, heuer, heulen, heute, leuchten, Leumund, Leute, neun, neu, 
räuspern, Reue, reuten, Säule (Ahle), scheuen, scheusslich, Seuche, 
Spreu, Steuer, teuer, Zeug', vgl. auch spreizen, Steiss (§ 234, 2). 
Besonderer Art sind Feuer (§ 184 A.), Scheune, Keule (§ 81); Fremd- 
wörter: Deut^ Meute, Reuter, scheuem, Schleuse, — Belege für um- 
gelautete ü und ou § 207. 209. 

4. Dass in den Diphthongen ursprünglich verschiedene 
Laute so haltlos zusammen gefallen sind, ist zum Teil jeden- 
falls eine Folge davon, dass die jüngeren Diphthonge nur auf 
einem Teil des Sprachgebietes naturwüchsig waren. Sie wurden 
durch die Schriftsprache verbreitet und schlössen sich wie 
fremde Laute den zunächst verwandten einheimischen an. 
Der erste der es ausspricht, dass die deutsche Sprache nur 



280 Diphthongierung; mhd. ü, tj il: ou, ei, eu. [% 218.219. 

drei Diphthonge au, eu, ei habe, ist wohl Fab. Frangk. Seine 
oberdeutschen Zeitgenossen standen der heimischen Mannig- 
faltigkeit ziemlich ratlos gegentlber (Orth. § 57). 

218. Unregelmässigkeiten. Das Nhd. hat in einigen 

Wörtern die einfachen Vocale statt der Diphthonge; zum Teil 

beruhen sie auf ndd. Einfluss, zum Teil auf alten Doppel- 

fonnen mit langem und kurzem Yocal, zum Teil auf ümdeutung. 
So gilt i in Biese, Beiswind (Nordostwind), mhd. bise, ahd. hisa', 
Friedhofe mhd. vrtthof, angelehnt an Friede; Niednagel (eig. Neid- 
nagelj vgl. frz. Venvie), verschieden von Niet (Nagel); schtoiemeln, 
mhd. swimelen, swimmelen (schwindeln); versiegen, rahd. stgen st.V. 2; 
nach langem Schwanken hat sich der Yocal ie und die schwache 
Flexion durchgesetzt (Weigand Wb. 2, 712, wunderlich: Osthoff, 
PBb. 8, 267); Spier (hervorragende Gras- oder Kornspitze), Spiere 
(Mast- und Segelstange), Spier schwalbe, mhd. sptre (vgl. Winteler, 
Naturlaute S. 36. 9); Wiepe (Strohwisch), ndd. wtp, — Kiebitz zeigt 
schon in der älteren Sprache mannigfach wechselnde Formen (vgl. 
Winteler a. 0. S. 18). In Striemen sind wohl ursprünglich verschie- 
dene Bildungen aus derselben Wurzel zusammengefallen: mhd. 
Strieme, streime^ strime. — Verkürzung von t zu i ist eingetreten 
in dicht, Linnen, lichten (§ 250). — u: Uhu hat schon im Ahd. man- 
nigfache Formen: hüwo, hüvo, hüf und üwo, üvo, üf; Uhu, früher 
auch Huhu ist eine freie Umbildung (vgl. auch Schuhu\ das regel- 
rechte Auf, Aufhütte fehlt nicht (vgl. § 87 Anm. und Winteler a. 0. 
S. 10); du und nu haben sich der Diphthongierung entzogen, ob- 
wohl die Nebenformen mit langem Vocal früh eintreten. — Jüngere 
Lehnwörter aus dem Ndd. sind z. B. Luke, Kruke, auch Uhr. — 
il: Hüne neben Heune, mhd. hiune, ist ndd. Form; jüngere Lehn- 
wörter aus dem Ndd. oder Ndl. sind: Düne, ndl. duin; düster, andd. 
thiustri] Küchlein (Luther); Stüber, ndl. stuiver, 

Anm. Bei Luther finden wir i für ei in Linwad neben leinen, 
dissyt, jensid, Erdrich und namentlich in der Endung 4in : pünkt- 
lin, megdlin, weiblin etc. — ü für eu in frund, fruntlich, früntlich 
neben freund, freundlich; süfftzen für seufzen, kützlin für käuz- 
lein, — u für au in uff (vgl. ndd. üf, engl, üp) u. e. a., aber so ver- 
einzelt, dass man es auf Rechnung der Setzer bringen darf (Franke 
§ 30. 54. 59). Offenbar waren es verkürzte i, ü, ü, die der Dehnung 
widerstanden. 

Monophthongierung von ie, uo, üe. 

219. Die Lücke, welche sich durch die Beseitigung der 
langen i, ü, ü im Vocalsystem ergeben hatte, wurde bald da- 



§ 219.] Monophthongierung; mhd. ie, t/o, üe : Z, ü, ü. 281 

durch wieder ausgefüllt^ das8 die Diphthonge ie, uo, üe zu f, 
üf ü zusammengezogen wurden. Die beiden Vorgänge fUgen 
sieh so gut zu einander, dass man ursächlichen Zusammen- 
hang vermuten möchte, doch hat ein solcher nicht stattgefun- 
den, wenigstens nicht ein unmittelbarer. Die Diphthongierung 
zeigt sich zuerst im sfldöstlichen, die Monophthongierung in 
Mitteldeutschland. Sie beherrscht die nördlichen Grenzge- 
biete des Elsässischen und das Rheinfränkische; sodann 
Teile von Ostfranken, Thüringen, Obersachsen, Schlesien, 
auch den nördlichsten Teil des Mittelfränkischen (Behaghel, 
Grdr. § 33). 

Es ist im wesentlichen derselbe Process, dem die drei 
Diphthonge unterliegen: der unbetonte zweite Bestandteil ver- 
klingt allmählich, so dass nur der erste übrig bleibt. Und so 
ist anzunehmen, dass die Laute gleichzeitig in die Bewegung 
eintraten, aber wann das geschah und wann dieselbe ihren 
Abschluss erreichte, ist nicht leicht zu bestimmen. Müllenhof 
(MSD. S. XXVI. XXXII) setzte das allgemeine Zurücksinken in die 
Monophthonge an das Ende des 11. und den Anfang des 12. Jahrb., 
Bechstein (Germ. 8, 355 f.) in das 13., Whd. unbestimmter in die mhd. 
Periode; von Bahder (Über ein vocalisches Problem des Mittel- 
deutschen, Lpz. 1880) und Behaghel nehmen an, dass in Thüringen 
wenigstens bis ins 15. Jahrh. Diphthong und Länge noch geson- 
dert waren. 

Die Grundlage für die eigentümliche Behandlung der 
Diphthonge ie, uo, üe war jedenfalls viel früher als sie in 
der Schrift entschieden hervortritt und nicht nur für die md. 
Mundarten geschaflfen ; sie ist deutlich schon im alemannischen 
Dialekt N/s wahrzunehmen. Er giebt nämlich den Diphthongen, 
die im Nhd. Diphthonge geblieben sind, den Accut, denen, die 
zu Monophthongen werden, den Circumflex ; er betont also einer- 
seits iu, öu, ^i und das seltnere 4u {freuta^ dr4uta u, e. a. Br. § 49 
A. 4), anderseits üo, %e und die seltneren ia (in sia^ tXä) und io (in 
lo, ntö)\ er braucht in demselben Wort je nach dem Vocal Acut 
oder Circumflex: Mutet, verliuset, chiuset, aber bietende^ verlteseriy 
£hte$en. Wir müssen also den unterschied zwischen den beiden 
Arten von Diphthongen, die sich später als Diphthonge und 
Monophthonge scheiden, für das ganze Sprachgebiet voraus- 
setzen. Den Grund, warum die Monophthonge sich doch 



282 Monophthongiemng; mhd. te, uo, ile : l, ü, ü. [§ 220. 

nur in einem Teile entwickeln, hat Wrede in der verschiedenen 
Behandlung der Endungen erkannt (ZfdA. 39, 299). In den 
Mundarten, die der Apokope der Endungen widerstanden, 
seien die Diphthonge zusammengezogen, in den süddeutschen 
Mundarten dagegen seien sie in Folge der Apokope nicht nur 
festgehalten, sondern grossenteils gradezu zweisilbig geworden 
(I«, üo, ffe), wie in denselben Mundarten aus demselben Grunde 
auch die Diphthongierung von I, ü, ü erfolgt sei. Beide Be- 
wegungen aber seien veranlasst durch das Streben der Sprache, 
Hebung und Senkung, Haupt- und Nebensilben wechseln 
zu lassen. 

Anm. 1. Die Unterordnung des zweiten Bestandteils des 
Diphthongen unter den ersten, welche N/s Circumfiex ausdrückt, 
war augenscheinlich auch das Moment, durch welches sich die 
alten oberdeutschen iu vor Labialen und Gutturalen von dem un- 
gebrochenen iu unterschieden, ehe sie als in und ie auseinander- 
traten (§ 184, 2); iu blieb iu, tu wurde te. Also derselbe Factor, 
der die sogenannte Brechung von iu veranlasste, muss auch die 
Grundlage für die Monophthongierung geschaffen haben. 

Anm. 2. Der Spr. At. verzeichnet die Monophthongierung 
von wo für binider (20, 106 f.), gut (22, 112), gute (22, 116); von Ue 
für müde (19, 352); von ie für fliegen (21, 285 f.) und mit starken 
Abweichungen für tvie (22, 94). 

220. Im einzelnen ist über die Laute folgendes zu 
bemerken. Mhd. ie (Brechung von iu und Diphthong aus e) 
= nhd. i; z. B. ahd. biotan, mhd. bieteii : nhd, biten\ ahd. 
miata, mhd. miete : nhd. Mite. Andere Belege Gr. 1^, 186 f» 
— Wir schreiben zwar noch ie, doch ist dies ie für uns nur 
Dehnungszeichen; phonetische Schreibung würde i verlangen» 
Dies einfache unserer jetzigen Aussprache gemässe Zeichen 
finden wir nun bereits im 9. Jahrb., also zu einer Zeit, da ia 
noch die gewöhnliche Form war (Br. § 48 A. 3). Häufiger 
wird es seit dem Ausgang des 11. und dem Anfang des 12. 
Jahrh. in Denkmälern, die nach Mittelfranken und Hessen 
gehören; dann gehen im 13. und 14. Jahrh. ie und i in mittel- 
deutschen Hss. ohne bestimmte Regel neben einander her, bald 
wird ie vorgezogen, bald $ (Whd. § 134). Umgekehrt wird 
auch ie für i geschrieben; im Ahd. von einem speciellen Fall 



§220.] MoDophthongieruDg; mhd. ie, uo, i<e : l, ü, ü. 28S 

der Notkerschen Mundart abgesehen^ noch ganz selten (Br. 
§31 A. 5. §37 A. 1); ziemlich oft vom 12. Jahrh. an im 
Mitteldeutschen; und zwar verhältnismässig selten für t (Whd. 
§ 107), viel öfter für l (Whd. § 48). Aber diese wechselnde 
Schreibweise beweist doch noch nicht die Identität der Laute. 
Das einfache $ wenden als ein bequemes Zeichen auch ober- 
deutsche Schreiber gar nicht selten für ie an, obwohl für sie 
der Laut doch ohne Frage diphthongisch war (Whd. § 131); 
und ie für l beweist nur, dass die Aussprache des kurzen i 
eine besondere Nuance angenommen hatte, welche die Schreiber 
durch ein hinzugefügtes e passend glaubten bezeichnen zu 
können; auch ei und e finden wir daneben in denselben Hss. 
(Whd. § 48. Gr. 1», 163. 222 f. DWb. 1, LVII). Sorgfältige 
Dichter der guten mhd. Zeit binden i und ie gar nicht oder 
nur unter gewissen Bedingungen (s. z. B. Frommann zu Her- 
bort von Fritslar v. 571, auch Behaghel, H. v. Veldegge 
S. LXI). Also in ihren Mundarten war der historische unter- 
schied jedenfalls vorhanden, und so ist es auch jetzt noch in 
den meisten Mundarten, auch in solchen, welche ie zum ein- 
fachen Laut zusammengezogen haben. Die Schriftsprache 
aber hat, indem sie einerseits die Contraction anerkannte und 
anderseits das i in seiner reinen Qualität fest hielt, ie und 
gedehntes l zusammenfallen lassen und das diphthongische 
Zeichen zum orthographischen Mittel umgebildet. Die Ortho- 
graphen des 16. Jahrh. urteilten noch verschieden, je nach 
ihrer Heimat. Der Baseler Kolross kennt ie nur als echten 
Diphthongen (31 7*. SB 6**); Ickelsamer möchte es auch auf diese 
Bedeutung beschränkt sehen, weiss aber, dass andere die 
Grenze nicht anerkennen, und ahnt, dass er vergebens gegen 
den Missbrauch ankämpfe. Der Schlesicr Frangk dagegen 
sieht in dem ie nur einen einfachen Vocal und setzt e als 
Dehnungszeichen mit dem A auf gleiche Stufe (Bl. Q 8*). 
Diese Anschauung ist durchgedrungen. Die diphthongische 
Aussprache des ie ist noch nicht erloschen, sie ist aber jetzt 
als mundartliche Eigentümlichkeit anerkannt; e gilt überall 
nur als Zeichen der Länge (Orth. § 67). 

Anm. Über je = ie s. § 128 A. 3. Bei Luther findet sich bis 



284 Monophthongierung; mhd. te, uOj iie:lf ü, Ü. [§221. 

1531 öfters ider, iglicher, ydermann^ itzt; später hält sich Uzt und 
Jglich, Franke § 34. 

221. Mhd. tio, üe = iihd. üj ü; z. B. ahd. guot, nhd. 
gut', ahd. fuoz, nhd. Fuss; ahd. gruoni, mhd. grüene, nhd. 
grün] ahd. ftiozi, mhd. füeze, nhd. Fasse. Andere Belege 
Gr. 1 *, 197 f. — Im Vergleich zu io erscheint uo zunächst 
als ein kräftiger Laut. Denn als in io der zweite Bestand- 
teil längst in e übergegangen ist^ hält er sich in uo noch 
unversehrt, indem er in dem verwandten u eine Stütze fand. 
Gleichwohl kündigt sich schon früh die Schwäche des zweiten 
Bestandteils an. Zwar einfaches u erscheint, von ganz be- 
stimmten Fällen abgesehen, im Ahd. erst selten (Br. § 40 
A. 1 ; vgl. A. 4). Aber schon bei 0. tritt durch Assimilation 
zuweilen ue für uo ein {bluetes = hluotes), und im Mhd. nimmt 
der Gebrauch dieser schwächeren Form ue {ui) zu; im Um- 
laut üe herrscht e (i) durchaus (Whd. § 137). So erlag auch 
der Laut der Monophthongierung nicht später als io, ja er war 
vielleicht eben wegen der von Anfang an näheren Verwandt- 
schaft seiner Bestandteile noch mehr dazu geeignet. Die ober- 
deutschen Grammatiker des 16. Jahrh. erkennen den einfachen 
Laut unbedenklich an. Kolross, der ie zn den eigentlichen 
Diphthongen zählt, unterscheidet von ihnen uo und üe und 
Laurentius Albertus bezeichnet die diphthongische Aussprache 
als Eigenheit der inculti et agrestes indigenae nostri (Socin 
S. 286. 275). 

Anin. In einigen Mundarten, namentlich in dem grössten 
Teil des Mittelfränkischen, sind ie und uo nicht zu f und ü sondern 
zu € und 6 zusammengezogen (Whd. § 135. 142). In wenigen Wör- 
tern hat die Schriftsprache diese Formen aufgenommen: Demant 
neben Diamant, frz. diamant ; Demut, mhd. diemuot, diemUeie, ahd. 
diomuoti (vgl. Br. § 49 A. 4) zu ahd. d^o, dio Knecht. — Almosen, 
mhd. almuosen; die Prät. hob, schwor, mhd. huop, swuor (vgl. FL); 
versöhnen auffallend neben Sühne, mhd. suone, süene. Moor, mhd. 
mtwr; höhnen, mhd. büenen sind aus dem Ndd. entlehnt (Luther 
braucht almusen und versühnen, anderseits Bosam = Busen, mhd. 
buosem, Franke § 51. 52, 8. 9. versöhnen steht in Ecks Bibel und 
oberd. Schriften. Kluge, Wb. und Luther S. 32). 



§ 222.] Einzelne Störungen des Vocalismus. i : e. 285 

Fünftes Kapitel. 
Einzelne Störungen des Yocallsnius. 

222. In der Diphthongierung von t, ü, ü und der Mo- 
nophthongierung von ie, uo, üe hat das nhd. Vocalsystem 
seinen wesentlichen Abschluss gefunden. Die durch Form- 
übertragung innerhalb des Flexionssystems herbeigeführten 
Störungen kommen hier nicht in Betracht. Die zahlreichen 
und mannigfachen Wandlungen, welche die Vocale neben und 
nach diesen Processen in den Mundarten noch erfahren, sind 
auf diese beschränkt geblieben und nur in einzelnen Wörtern 
in die Schriftsprache eingedrungen. 

Wir betrachten zunächst die Übergänge zwischen den 
benachbarten Lauten e und i, o und u, ö und ü, a und o; 
fast nur die kurzen Vocale sind aus ihrer Bahn getreten, von 
den Längen allein ä. 

i : e. — Schon im Ahd. lässt die Sprache eine feste 

Grenze zwischen e und i vielfach vermissen, indem wohl der 

Übergang von e zu i, aber nicht der von i : e genau geregelt 

ist. Später sehen wir in md. Mundarten beide Laute sich 

berühren; doch hält sie die Schriftsprache im ganzen sehr 

gut auseinander. 

Die Wörter, in denen wir e für idg. i haben, zeigen den- 
selben Laut schon in der älteren Sprache (§ 181); nur insofern macht 
sich die Neigung zum e geltend, als in mehreren, die im Ahd. vor- 
zugsweise mit i vorkommen, jetzt e unbestritten ist: lernen, lehnen. 
Lehne, beben, gähnen. Aber jüngere Übergänge von i zu e, wie 
wir sie in Luthers Schriften hier und da finden: Fermelung, fer- 
melt, wesel {= Wiesel), Franke § 38, haben keine Geltung erlangt. 

Anm. 1. Norddeutsche Aussprache giebt jetzt jedem kurzen f 
einen offnen Laut, der in seiner Qualität mit dem geschlossenen e 
wohl ziemlich zusammenfällt, daher die Kinder beim Singen ange- 
halten werden, in Wörtern wie bin, Schnitte nicht e zu articulieren. 
Unsere Schriftsprache ruht nicht auf dieser Grundlage; denn sonst 
würde in Wörtern mit t, welche im Nhd. gedehnt sind, ä erscheinen : 
FrSde st. Friede, sehen st. sieben. Aber alt ist die Aussprache; und 
als ein Zeugnis für sie darf man wohl den ungeregelten Gebrauch 
von e und i in den nd. Hss. ansehen, ein Gebrauch, dessen Be- 
dingungen und Ausbreitung noch genauer zu erforschen sind; 



286 Einzelne Störungen des Vocalismus. ^, e : i; o : u, [§223.224. 

vgl. Whd. § 46. 56. Wülcker, Vocalschwächung im Mittelbinnen- 
deutschen. S. 22 f. 

Anm. 2. Der Spr. At. verzeichnet e für i in ich (18, 308), 
sitzen (19, 356), winier (19, 109), kind (19, 112), trinken (21, 294), 
tische (22, 325). 

223. 6, e : i. 1. Auch i für e ist selten. Formen wie 
wilch, wider, hirschen, gistem, die Luther braucht (Franke § 27), 
erkennt die Schriftsprache nicht an. Aber Blutigel gilt neben Blid- 
€gel (ahd. ^gala) durch Anlehnung au Igel, ahd. igil] und neben 
Gäschf, mhd. j^'st (zu gesen, gären) steht Gischt und ein sw. V. 
gischen, Bildungen, auf deren mundartlichen Ursprung auch das 
seh für s hinweist. — Bitte, ahd. b^'ta ist nicht durch Lautwandel 
entstanden, sondern Neubildung zu bitten. Das i in nhd. ziemen, 
mhd. zürnen ist aus der 3. Sg. Präs, mhd. zimet verallgemeinert; 
für die Umgestaltung von wirren zu nhd. wirren kommt ausser- 
dem wohl das sinnverwandte irren in Betracht. 

2. i für das aus a umgelautete e ist mundartlich früh zu 

belegen (Whd. § 29. 22). Wir haben es in einigen Wörtern, 

die mehr der Sprache des Lebens als der Litteratur angehören: 
Gitter, Gatter, ahd. gataro M., mhd. gater M.N., geter, gegitter N.; 
Hippe, ahd. häppa, heppa, mhd. hdppe, heppe, hepe; Schierling^ 
ahd. sceriling, scerning (zu scarno), mhd. scheming, scherling^ 
schirling: Trichter, mlat. tractarius, ahd. trahtari, mhd. trahter, 
trehter, trihter; wichsen, eig. mit Wachs bestreichen, also wachsen, 
ahd. wahsen sw. V. 1, spät-mhd. wichsen, 

Anm. Der Spr. At. verzeichnet in beschränkten, nicht über- 
einstimmenden Gebieten i für 6" in felde (19, 28.5), schlecht (21, 164); 
für c in beUe (19, 355), zit-ö//" (21, 274). Dagegen bei s^hs (18, 403), 
rmt (21, 162) be33er (20, 330) ist 2 nicht angemerkt. 

224. ö : u. Übergang eines ursprünglichen ö in u 
konnte, da es kein germ. ö gab, zunächst nur in Fremdwörtern 
eintreten, und in ihnen findet er sich öfter, besonders vor 
Nasal ; doch bleibt zu erwägen, wie weit der Lautwandel schon 
vor der Aufnahme eingetreten war; z. B. gr. lat. nonna : ahd. nunna 
Nonne; 1. pondus : ahd. phunt; und mit Umlaut: 1. coquina : ahd. 
kuchtna, mhd. küchen Küche; spätlat. moltna : &hd, muU(n) Mühle; 
mlat. molinarius : ahd. mulinäri, mhd, mülncere Müller; gr. lat. mo- 
nachus : ahd. munich, mhd. münech Mönch; gr. lat. monasteriumi 
ahd. munistar Münster; 1. moneta : ahd. muni^a Münze. 

Später ist zuweilen ein aus germ. u entstandenes o durch 
Formübertragung zu u zurückgeführt; so namentlich in dem 



^ 225.] Einzelne Störungen des Vocalismus. uio, üiö. 287 

Prät. der Prät.-Präs. unter dem Einfluss des PJ. und Opt. Präs, und 
des Inf. ; künde, gunde sind im Mbd. allgemein üblich, turste, sculde^ 
fauchte, iuchte im Md. verbreitet, in durfte, wo wir das ü im Inf. 
bewahrt haben, erkennt auch die nhd. Schriftsprache u an. Ebenso 
ist in Furcht, mhd. vorhte das u unter Anlehnung an fürchten, 
mhd. fürhten aufgenommen. 

Anm. Spontaner Lautwandel von o in u findet in Mund- 
arten statt (Whd. § 59. 63). Der Spr. At. verzeichnet u für o be- 
sonders im md. Gebiet für dorf (20, 337), ochsen (21. 266), ge- 
brochen (22, 99). Auch bei Luther begegnen solche jüngere u, bes. 
in der älteren Zeit: hynfurt, fürt, darüb, knurbel, pucht, Must 
(Franke § 55); aber die Schriftsprache hat sie nicht anerkannt. 

225. u : 0. ü : ö. Ansehnliche Verluste haben Uj ü 
an die benachbarten o, ö erlitten. Der Übergang von w in o 
ist in den Mundarten, namentlich Mitteldeutschlands ziemlich 
weit verbreitet^) und aus ihnen oder aus dem Ndd. in nicht 
wenigen Wörtern auch in die Schriftsprache eingedrungen, be- 
sonders vor n und m, wenn diesen ein anderer Consonant 

nicht folgt. ^ 

Vor n oder nn steht o, ö fast regelmässig: Nonne, Sohn, 
Sonne, Tonne, Wonne, begonnen, gesonnen, gewonnen; gönnen, können, 
König, Mönch, ebenso nhd. dröhnen (ndd. droenen, ndl. dreunen, 
an. drynja, vgl. g. drunjus); nur wenige haben noch den alten 
Laut: Brunnen (mhd. brunne), Brünne, Bühne (mhd. büne), dünne. 
Dagegen vor n + Cons. pflegt u sich zu halten; z, B. Trunk, 
und, unter, Wunde, Wunsch etc., doch anderseits sonder, besonder, 
sonst (mhd. sunst, sust, sus). — Vor m oder mm ist o einge- 
treten in fromm,, Sommer, geglommen, geklommen; öfter erscheint 
u, freilich sind nur wenige der Wörter alt in der Schriftsprache: 
ahd. drum N. Ende, Stück, nhd. Trumm, Trümmer; ahd. stumm (mm) 
stumm; mhd. brummen, summe F.; spät mhd. slumen slumem 
schlummern, summen; nhd. Hummer, Mumme, vermummen, Num- 
mer, Bummel. Vor m + Cons. behauptet sich der alte Vocal, auch 
vor dem aus mb entstandenen 7n, z. B. dumm, Humm^el, krumm, 
Kummer, um, — Vor andern Consonanten haben öinM.böl- 
ken, Börde, Börse (mhd. burse, ahd. burissa, vgl. ndl. beurs), Döbel 
(mhd. tübel Pflock), röcheln (mhd. rücheln, rühein), Stör (mhd. stüre, 
störe, vgl. ndl. steur). 

Andere Wörter haben o, ö durch Formübertragung ange- 
nommen: fördern (ahd. furdiren, mhd. vürdem) ist umgebildet 
nach vorder Adj.; golden (mhd. gtUdtn) nach Gold; hölzern (mhd. 

1) Whd. § 63. 74; v. Bahder, Grundlagen S. 186 f. 



288 Einzelne Störungen im Nhd. ä\o, [§ 226. 

hülzln) nach Holz ; Anticort^ antworten (ahd. antivurti N., antwurten) 
nach WoH; grollen (mhd. grüllen höhnen, spotten, vgl. mhd. grellen 
St. V.) ist vielleicht Neubildung zu dem Sbst. Groll; auch in mögen, 
möglich (mhd. mügen, mügeltch) beruht ö nicht auf rein lautlicher 
Entwickelung ; mehr Belege in § 203). 

Anm. Die Wörter, die jetzt o haben, zeigen es zum Teil 
schon in der alten Kanzreisprache, aber lange hat der Gebrauch 
geschwankt, ehe er zur jetzigen Festsetzung kam. Luther braucht 
in Sonne und seinen Zusammensetzungen schon immer o, in andern 
tritt w, il erst allmählich zurück, in den verschiedeneu Wörtern zu 
verschiedener Zeit ; auch milgen, mügelich, hüUzen^ hültzem^ gülden 
pflegt er zu schreiben (Franke § 52). Anderseits finden wir bei ihm 
oft ein mundartliches o, dass die nhd. Schriftsprache nicht aner- 
kennt, bes. vor r: Orteyllj worde, worden, Worfschauffel, Hansworst, 
Frankfort j Er fort, Dorteltaube; aber auch vor andern Consonanteui 
Kopffer, schos, Botter, Moschel, Gonst, Pockeln (= Buckel). Ebenso 
o oder ö für u oder ü: Wükore (Willkür), tzomen (zürnen), sie 
dorffen, stortzen, ich forchte, geicorffelt, wörmicht, erfollet, Sondern 
(Sündern), schochter (schüchtern), kömerlich (kümmerlich), Pföle 
(mhd. pfülwe, Pfühl). Franke § 48. — Der Spr. At. verzeichnet o 
für u in pfund (19, 105), hund (19, 107), luft (19, 279). 

226. ä : 0, Die Neigung ^ in o übergehen zu lassen 
tritt seit der mhd. Zeit ziemlich stark hervor, namentlich vor 
Nasalen und Liquiden (Whd. § 25. 30). Die nhd. Schrift- 
sprache nimmt daran kaum Teil. In eine frühere Zeit gehören 
die Präp. von, mhd. vone {van namentlich md.), ahd. fona (fana), 
as. fana; die minder betonte Silbe -bold in Wörtern wie Raufbold,. 
Trunkenbold (schon ahd.-6aW,-öoW, §316. Grafflll, 112. DWb.ir,229). 
Jünger ist o in Otter F. (so Luther, bei H. Sachs Ätter, ndd. ndl. 
engl, adder), — Hagestolz ist unter Anlehnung an stolz umgebildet 
aus ahd. hagustalt, hagastolt-, auf Forraübertragung beruht auch 
das in soll, g. scal, ahd. scal und sol-, s. darüber Fl., ebenso über 
mochte, ahd. mahta, mohta, — In dort, mhd. dort, ahd. dorot ist a 
wohl durch Assimilation entstanden, obwohl ahd. darot nur in der 
Bed. 'dorthin* belegt ist. — Das o in gewohnft), wohnen, Gewohnheit^ 
ahd. giwon, gitconaheit, wonin ist nicht auf a zurückzuführen, ob- 
wohl gewöhnen, ahd. giwennen auf einen Stamm wan zurückgeht; 
es liegen hier verschiedene Ablautstufen vor. So vielleicht auch 
in holen, mhd. holn (haln), ahd. holön {halön), as. halön. — Unklar 
ist die Vocalverschiedenheit in ahd. truhtin, trohtin, mhd. auch 
trähtin, trehtin und in mhd. traz, troz, truz, 

Anm. Die Neigung, dem a eine dumpfe Aussprache zu geben 
(ä, bis zu u) tritt in den Aufzeichnungen des Spr. At. in weiten 



§ 227. 228.] Einzelne Störungen im Nhd. Ö:a, ä:o. 289 

Gebieten hervor, ist aber in den verschiedenen Wörtern, selbst in 
der Nachbarschaft derselben Consonanten, sehr ungleich ausge- 
prägt; vgl. mann (19, 202), salz (19, 99), bald(e) (19, 283), alte (21, 
276), was (19, 98), wasser (19, 282), äffe (20, 328), machen (20, 208), 
wachsen (21, 263). 

227. : a. Auch von dicBem Lautwandel hat die 
Schriftsprache sich freigehalten; (über Aberglaube neben ndl. 
overgeloof s. II § 422, 2 und Kluge Wb.). Öfters findet er sich bei 
Luther. Für doch^ noch, ob schrieb er anfangs dach, nach^ abj wie 
noch jetzt im Obersächsischen gesprochen wird; ferner adder für 
odcTj auch ausgerattet für ausgerottet (Franke § 41). — Über mund- 
artliches a für o s. Whd. § 60. 67. Behaghel, Grdr. § 28. 

Anm. Die Neigung dem o eine offene Aussprache zu geben, 
tritt namentlich vor r hervor; vgl. die Aufzeichnungen des Spr. At. 
in dorf (20, 326), korb (21, 269), aber auch ochsen (21, 266), ge- 
brochen (22, 98). 

228. ä : ö. Wichtiger ist das Verhältnis von ä zu ö. 
Die Bewegung, welche einst germ. e zu <Ä verschoben hatte, 
setzte sich fort. Während unter dem Einfluss des i ein helles 
ce entstand, wandelte sich der reine Vocal immer mehr in 
einen dumpfen Laut, geht in 6, unter Umständen in manchen 
Mundarten sogar in ü über. Reime zwischen ä und 6 be- 
gegnen schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. nament- 
lich bei bairisch-österreichischen und mitteldeutschen Dichtern 
und in den Hss. erscheint oft ö für ursprllngl. d; ganz allge- 
mein wird es im Elsässischen. Folgender Nasal und voran- 
gehendes w sind dem Laute besonders günstig (Whd. § 88. 
90. V. Bahder, Grundlagen S. 154 f ). 

In einer nicht unerheblichen Zahl von Wörtern hat die 
Schriftsprache nach langem Schwanken das ö anerkannt und zwar 
in geschlossener Aussprache gleich dem aus au entstandenen ö. 

— Vor Nasal gilt ö in Argwohn, argwöhnen, argwöhnisch, mhd. 
arcwän, arcwcenen, arcwcenec; Drohne (ndd., as. drdn, PI. drdni, 
statt dessen mit Ablaut ahd. tr^o, mhd. tr&ne); Mohn, mhd. mähen, 
man; Monat, ahd. mänöd, mhd. mänöt, mönet; Mond, ahd. mäno, 
mhd. mäne, und durch Anlehnung an das vorhergehende Wort 
münde, mdnd'^ Ohm, rohd. dme, öme, aus mlat. ama Gefäss, Wein- 
niass, gr. ä\xY\ (dazu nachahmen mit ä)\ ohne, mhd. äne; darnach 
auch Ohnmacht, umgedeutet aus mhd. dmaht, — Zweifelhaft ist 
Ohmet N. Nachschur des Grases, denn neben mhd. dmdt steht mhd. 
W. WilmaiiDS, Deutsche Grammatik. I. 19 



290 Einzelne Störungen im Nhd. e : ö, [§229. 

ömet, ilemet (II § 420). — Nach w ist 6 durchgedrungen in tco, 
mhd. wd (aus wär^ vgl. nhd. warufn)\ Woge F., mhd. wäc M.; 
woben^ wogen Prät. zu t&^en, wSgen\ Kot^ mhd. gud^, qtiöty kät^ 
köt N. — Ferner: Schlot, ahd. mhd. «2d^, Thon M. (früher nhd. 
^aAen F.), mhd. tähe, dähe; Dohle, mhd. tähele; Brodem, mhd. 5rd- 
dem. Neben Atem, mhd. d^m, ahd. dtum steht, durch Luther be- 
festigt, Odem, in teilweise modificierter Bedeutung. — Verkürzt ist 
ö in Brombeere, ahd. &rdm6eri zu brämo Domstrauch; Docht, mhd. 
ahd. täht {Tacht noch bei Haller); Troddel, Demin. zu mhd. trade, 
ahd. träda und ^rddo Franse. — (In Drohne, Dohle, Docht ent- 
spricht auch der Consonant nicht dem hd. Lautstande (§ 61 f.); über 
Odem s. S. 33.) 

Anm. Mehrere der angeführten Wörter schreibt Luther na- 
mentlich in der älteren Zeit auch noch mit ä\ an, wa, kat, tacht, 
anmechtig und onmechtig, argwan und argwon. Aber umgekehrt 
kommt auch ö für nhd. ä vor: noch, worhafftig, anfohen, gethon, 
hot, hon, sie sprochen, Woge (libra), Woffen u. a. (Franke § 44. § 50). 
— Der Spr. At. lässt die Neigung dem d eine tiefe Aussprache zu 
geben (ö, oa, ou, au) in dem Worte schlafen (21, 167) wahrnehmen ; 
'in den hd. Mundarten ist reines a kaum noch vorhanden*. 

Übergänge zwischen ö, ü, eu und e, i, ei, 

229. Die Vocale ö, ü, eu unterscheiden sich von e, i, 
ei durch das Plus einer charakteristischen Lippenartikulation, 
welche sie den Lauten verdanken, aus denen sie durch Umlaut 
und Diphthongierung entstanden sind. Die Grenze zwischen 
den beiden Lautgruppen ist in unserer Schriftsprache an 
mehreren Stellen durchbrochen; teils haben ö, ü, eu die Lippen- 
articulation verloren, teils aber e, i, ei sie angenommen, in 
vielen Wörtern offenbar unter dem Einfluss benachbarter Con- 
sonanten. In der lebendigen Rede ist die erste Neigung sehr 
viel weiter verbreitet; viele ober- und mitteldeutsche Mund- 
arten haben ö, ü, eu ganz aufgegeben und auch die Schrift- 
deutsch Redenden artikulieren die Laute oft sehr unvollkommen; 
in der geschriebenen Sprache aber kommt die andere Bewe- 
gung öfter zum Ausdruck, indem sie durch das Streben, der 
stärkeren und weiter verbreiteten Neigung zu entgehen und 
die correcte Form zu wahren unterstützt wurde. Die Ver- 
mischung beschränkt sich fast ganz auf die kurzen Vocale 
und die Diphthonge. 



^ 2a0.] Einzelne Störungen im Nhd. e : ö. 291 

Anm. Über die Entrundung von ö, il, Ihi in den Mundarten 
«. von Bahder, Grundlagen S. 169 und die Berichte über den Spr. 
At.: müde (19, 352 f.), hätiser (kisser aus hüsser, kitiser; heiser aus 
häuser 20, 216 f.), leute {lidde aus lüdde^ litUe; leite aus leute 20, 
219 f.), feuer {fUr aus fiur, feier aus feuer 22, 102 f.); vgl. auch 
Fischer, Geogr. S. VI Anm. 3. — Auch in den Kreisen der Gebil- 
•deten war diese Aussprache einst viel verbreiteter als jetzt, wenn 
auch vielleicht nicht in dem Masse, wie es nach dem anmutigen 
Aufsatz Hildebrand's in der ZfdU. 7, 153 f. 449 f. erscheint; vgl. 
^uch Heine, eb. S. 451 f. 

230. Wir betrachten zuerst ö, ü, eu fllr 6, «, ei. 

1. e : ö' (v. Bahder, Grundlagen S. 168 f.). Der Übergang 
«ines umgelauteten e m ö lässt sich bis in das 13. Jahrb. 
zurück verfolgen. Die ältesten Drucke geben dem ö einen 
weit über sein ursprüngliches Gebiet gehenden Raum. Nament- 
lich die Augsburger Drucke haben es massenhaft, aber auch 
in Basel; Strassburg und anderwärts ist es mehr oder weniger 
beliebt. Zurückhaltend zeigt sich das östliche Mitteldeutsch- 
land und besonders enthält sich Luther der jüngeren ö fast 
ganz, ein Zeichen, dass in seiner Mundart der lautliche Unter- 
schied zwischen ö und e besser bewahrt war als im südlichen, 
zumal im südwestlichen Deutschland. Andere Schriftsteller 
«chliessen sich dem Gebrauch Luthers zunächst an, aber 
schliesslich ist ö doch in einer ziemlichen Anzahl von Wörtern 
durchgedrungen. In der Regel finden wir in ihnen ein benach- 
bartes l oder 8chj in den Mundarten begünstigen seh und La- 
biale die Entwickelung des Lautes. Anerkannt ist das ö neben 
l in: Hölle, ahd. hella; wölben, Gewölbe, ahd. welben', zwölf, ahd. 
zwelif; Flötz, ahd. flezzi; locken, mit dem Fuss ausschlagen, mhd. 
lecken (so noch Lessing und Bürger); Löffel, ahd. leffil\ löschen, 
ahd. lescen sw. V. und läsean st. V. — Neben seh in schöpfen, ahd. 
scephen\ ebenso Geschöpf, Schöpfer, Schöffe; schröpfen, mhd. 
schrepfen; schwören, ahd. swerjan {schweren noch bei Liskow); 
vermutlich auch in Schnörkel, früher Schnerkel zu ahd. snarha 
Schlinge; aber nhd. stöhnen neben ndl. mnd. st^nen beruht vielleicht 
auf Ablaut, vgl. ags. stunian, an. stynja, also ö für ü § 225 (Franck 
s. V. stenen). — - Ohne Nachbarschaft von l oder seh gilt ö in WöH, 
ahd. warid, werid; pökeln, ndd. pekelen, und besonders auifallend 
in ergötzen, mhd. ergetzen, wo noch Adelung (2, 703. 694. 720) e ver- 
langt, denn ö spreche kein Hochdeutscher. — Durch Anlehnung an 



292 Einzelne Störungen im Nhd. e:ö (e : ö, w : ö), i : ü, [§ 2SU 

verwandte Wörter erklärt sich dörren^ mhd. derren, daneben mhd. 
dorren dürr werden, verdorren; gew^hnen^ mhd. gewenen^ daneben 
das Adj. gewon gewohnt. — Unsicher ist die Herkunft des Vocales 
in nörgeln, nergeln und in trödeln (s. Franck s. v. dreutel). 

2. S : ö ist selten und unsicher. Gewölle st. V. das vom 
Raubvogel wieder ausgebrochene Unverdauliche, mhd. geweUe, ge- 
hört zu st. V. wällen, kann aber geschlossenes e gehabt haben. In 
Kröte, ahd. chr&a und chrota; Köder, ahd. quärdar^ mhd. querdery. 
kerderj korder , Mder, koder geht ö wohl auf o zurück. Mhd. 
Hch¥mehart Maske, zu schöne M. Schatten, Larve ist zu Schönbart 
entstellt. 

3. S : ö kommt auch nur vereinzelt vor: Möwe (udd.,. 
ahd. mih), Löwe (vgl. § 123), röhren^ mhd. riren. Zweifelhaft ist 
der ursprüngliche Laut in Höhrauch (s. Weigand, Wb.). 

Anm. Der Spr. At. belegt ö für c in zwölf (21, 274) sehr ver- 
breitet; beschränkter, namentlich in Baiern, in bett (19, 355) und 
besser (20, 330). — ö für ä namentlich in Baiern in ßlde (19, 287),. 
in sähs auch in Teilen Niederdeutschlands {sös 18, 413). — ö, ü für 
e, i in tische (22, 325). 

23L 1 . i : ü. ' Übergang von i zu w, ü begegnet — 
abgesehen von qui : Jeu (§ 119) — im Ahd. nur ganz selten 
und ohne erkennbare Regel (Br. § 31 A. 4). Häufiger wird 
er in der mhd. Zeit, besonders in md. Mundarten (Whd. § 50. 
57. 45. 55). Aber auch in andern breitet sich der Laut unter 
der Einwirkung gewisser Consonanten, namentlich des to, au& 
und in alten Drucken, zumal Augsburgern, wird ausgiebiger 
Gebrauch von dem Zeichen gemacht (v. Bahder, Grundlagen 
S. 180). Bei Luther ist ü selten (Franke § 57) und nur in 
wenigen Wörtern ist es zur Herrschaft gekommen; in den 
meisten und wichtigsten schon in älterer Zeit. In fünf, g. fimfy 
ahd. finf stellt sich u im 12. Jahrh. ein; neben ahd. mima {hmentha)- 
gilt munza, mhd. minze, münze Pfeffermünz. Dieselbe Entwickelung 
ist wohl für Hülfe neben Hilfe (§ 180, 3) vorauszusetzen und für 
mhd. rümpfen neben rimpfen, ahd. rimphan, obwohl man hier auch 
an verschiedene Ablautstufen denken kann. Mhd. slipfer, slipferic 
und slupfer, slupferig schlüpferig gehen auf verschiedene, wenn 
auch verwandte Wurzeln zurück. 

Jünger ist das ü in Würde, würdig, alid. wirdt, mhd. wirde,. 
wirdic, mit % auch bei Luther und bis in das 16. 17. Jahrh. In 
flüstern, ahd. flistrian verlangt Adelung noch i. Büffel, rüffeln 
(einen Verweis geben) zu ahd. rifila Säge hat Lessing in dieser 



^ 232. 233.] Einzelne Stöningen im Nhd. ei : eu, ü : i. 293 

Form in die Litteratur geführt; Sündflut ist durch Umdeutung aus 
Mntvluot entstanden ; Sprüchwort unter Anlehnung an Spruch neben 
älteres sprichivort getreten aber nicht durchgedrungen; noch weniger 
hat bezüchtigen (unter Anlehnung an Zucht) das echte bezichtigen 
verdrängt. 

Anm. Beachtenswert steht fünfzig ohne Umlaut neben fünf^ 
wie sechzig neben sechs. § 197 Anm. 2. 

2. l : ü. Auch langes l (mhd. ie) ist in einigen Wörtern 
<Jurch ü verdrängt; für lügen, ahd. liogan, mhd. liegen («o auch 
Luther) gab das Subst. Lüge, mhd. lüge, lügene, ahd. lugt, lugina 
•den Anlass. An lügen schloss sich trügen, mhd. triegen, in dem 
noch Adelung ie verlangte. Hüfthom hat sich durch Anlehnung 
an Hüfte gebildet; die älteste nachweisbare Form ist hiefhorn. 
lüderlich ist durch Anlehnung an Luder, mhd. luoder neben lieder- 
lich getreten, aber nicht durchgedrungen. — nüdlich neben nied- 
lich (vgl. sp. ahd. nietsam angenehm, mhd, nietltche mit Eifer) 
■scheint nd. Form. 

232. ei : eti. Unorganisches eu hat die Schriftsprache 
nur in wenigen Wörtern. Falsche Deutung hat es veranlasst 
in Wetterleuchten für älteres w^terleich Wetterspiel, zu mhd. leich 
Gesang, Spiel, Tanz; beliebt ist auch gescheut st. gescheit, mhd. 
<feschlde (Orth. § 38). Veraltet ist es in dreist (ndd., as. thrtsti) und 
in Heirat. In diesem Worte war es etymologisch begründet {iu 
AUS Iw, vgl. ahd. httvo Gatte). (Reuter, ndl. ruiter, ein jetzt ver- 
altetes Wort, ist von Reiter etymologisch verschieden.) 

Anm. Der Spr. At. verzeichnet oi, oe für ei im Schwäbischen 
und Bairischen für eis (18, 411), heiss (20, 99), fleisch (20,332), seife 
<21, 271 f.), kleider (21, 291). — Über eu für ei in der mhd. Zeit s. 
Whd. § 124. 

233. Die Neigung, die Lippenarticulation aufzugeben, 
in den Mundarten und der Verkehrssprache weit verbreitet 
<§ 229), hat in der Schriftsprache nur dem ü und ew, aber 
nicht dem ö Verluste gebracht, abgesehen etwa von dem Fremd- 
wort Nörz, Nerz, mlat. noerza, aus altslaw. nor'z'\ s. Weigand, Wb. 

1 . Ä : i. In einigen Wörtern sind beide Vocale berechtigt. 

Neben g. waurkjan, ahd. wurken, mhd. u)ürken, steht mit anderer 
Ablautstufe schon ahd. unrken, as. wirkjan (Osthoff, Perf. S. 596 A. 
PBb. 7, 532). Ebenso behauptet i einen rechtmässigen Platz in 
kirre, g. quairrus sanft, ahd. *quirri und daraus einerseits kurri, 
Jcürre, anderseits kirri, kirre (§ 119). — Jüngeres i ist eingetreten 
in Bingelkraut, vgl. Bachbunge; Findling, Findelkind, -haus, aus- 
findig, spitzflndig, welche alle die Stammform fund- voraussetzen 



294 Einzelne Störungen im Nhd. öu, iu : ei. [% 234. 235. 

(FündXing schreiben noch Moser, Wieland, Schlegel u. a.); Gimpel^ 
mhd. gümptl zu gumpen sw. V.; -Griebs Kerngehäuse des Obstes^ 
mhd. grühig; Kitt^ mhd. küt*iy ahd. chtäi Leim {ü noch bei Clau- 
dius); Pickel M. Schwärchen zu Pocke'^ Schlingel, älter nhd. 
Schlüngel; Simmer, mhd. silmmer, ahd. sumbir', Spritze zu sprießen 
st. V., noch im 18. Jahrh. vorwiegend Sprütze, — Ebenso in einigen 
Fremdwörtern : Bimsstein, mhd. bim^, hilme^, ahd. pumi^, 1. pumex'y 
Kissen, mhd. küssen, mlat. cussimts (Adelung hält noch ü fest); 
Pilz, mhd. hüle^, aus 1. hclUtis, gr. ßiuXiriiq. Die meisten dieser 

Wörter gehören mehr der Umgangs- als der Schriftsprache an. 

2. üe : i hat Mieder^ mhd. mnoder, müeder (nocli im 

17. Jahrh. mit «). 

Anm. 1. In andern Wörtern ist t nicht durchgedrungen: GiUtey 
gültig, mhd. guUe, gülte, gultec, also auch gleichgültig; Knüttel^ 
Knüttelvers, ahd. knutil, zu Atio^o Knoten; Schuppe, nd. zu «cA2e&6ii; 
TütteZ, Tüttelchen, ahd. <w«a Brustwarze; tüfteln; Tülle; Rüpel^ 
Derain. zu Ruopreht, 

Anm. 2. Durch Umdeutung ist e für ü eingetreten in Kette 
(Kette Hühner), mhd. kütte^ ahd. chutti Herde, Schar, zu unterschei- 
den von Kette = 1. catena, 

234. Unorganisches ei für ew, äu hat die Schriftsprache 
nur in wenigen Wörtern. — 1. mhd. öu : ei. Nhd. Ereignis, sich 
ereignen beruhen auf mhd. erougen, eräugen vor Augen stellen,, 
zeigen; (andere Ableitungen von Auge: mhd. zöugen vor Augen 
bringen, bezougen, erzougen [vgl. g. ataugjan] sind durch das sinn- 
verwandte ahd. zeigön verdrängt, doch sagt man noch Mitleid be- 
zeugen). Schleife, älter nhd. Schlaufe, zu mhd. sloufen, slöufen 
ziehen, schlüpfen, sich anziehen, g. slaupjan, zu unterscheiden von 
.schleifen, glätten, mhd. sltfen; streifen abstreichen, mhd. ströufen^ 
stroufen die Haut abziehen, schinden, zu unterscheiden von mhd. 
streifen gleiten, ziehen, streif M. Streifzug. 

2. iuiei. Steiss, ahd. stiu^ (Steuss noch im 18. Jahrh.); 
Kreisel, mhd. kriusel, krüsel (angelehnt an krei^, kreiden); spreizen^ 
mhd. spriuzen stemmen, stossen zu st. V. sprießen (spreutzen im 
alt. nhd.). — ei und eu gilt in keuchen und keichen, gleichbedeu- 
tende Bildungen, in denen zwei ursprünglich verschiedene Wörter 
zusammengefallen sind: mhd. küchen hauchen, kichen schwer atmen,, 
keuchen. ~ Ungewisser Herkunft ist Kevler, Keiler Wildeber. 

Berührung zwischen Diphthongen und einfachen Vocalen. 

235. Die Grenze, innerhalb deren die Diphthonge ei 
und ou (^u) zusammengezogen sind, ist für das Hochdeutsche 



§ 236.] Einzelne Störungen im Nhd. e : ei: oi, öu:ö,o;a^ö^u : au. 295 

bereits in ahd. Zeit gezogen nnd im ganzen nnverrttckt ge- 
blieben. Die Mundarten gehen weiter (§ 187 A. 3. Whd. § 112. 
125), aber die Schriftsprache hat darunter wenig gelitten. 

e für et hat Lehm (ndd.), mhd. leime ; Feldwebel , mhd. weibel 
Gerichtsbote. In hämisch scheinen zwei Wörter zusammengefallen 
zu sein, mhd. Jumisch und heimisch (vgl. Heim-^ Hämtücke); viel- 
leicht auch in ähnlich (ahd. mhd. ane-ltch und älter nhd. einlich). 
Unklar ist das Verhältnis von heikel (häkel) zu ekel'^ s. Kluge s. v. 
hämisch. — Bei Luther begegnet das e auch in andern Wörtern, 
bes. in wegem^ zunegung, vereinzelt in schmechlem, leblin Laiblein 
(Franke § 39); auf altem Herkommen beruht bede (§ 186 A. 2). Um- 
gekehrt hat Luther abweichend vom Nhd. ei für e in dem Fremd- 
wort feilen fehlen, mhd. vcßlen, välen, veüen, frz. faillir. — Über 
kurzes e = ei s. § 251. 

ö, für oii Flöte, mhd. vloite; (drohen ^ mhd. drtmwen ist 
Neubildung zu drö Drohung). 

6 oder d für ou ist kaum nachweisbar. Etymologisch dunkel 
ist Rahm Sahne, mhd. rot/m, r&me^ räme (vgl. Osthoff, M. U. 4, 142). 

— Noch mannigfaltiger sind die Formen von Strom; ahd. stroum, 
strüm repräsentieren verschiedene Ablautstufen der Wz. srü; mhd. 
sträm, ström weisen auf eine andere Wurzel (Franck, AfdA. 17, 
101. 21, 309 A.). 

236. Die Diphthongierung von e und 6 hat im Ahd., 
die von 1, üy ä im Mhd. ihren Abschluss erreicht, ä folgt in 
manchen Mundarten (Behaghel, Grd. § 36; von Bahder, Grund- 
lagen S. 155 f.), hat aber kaum Einfluss auf die Schriftsprache. 

anberaumen ist unter Anlehnung an Baum aus mhd. rämen traclitcn, 
streben, ahd. rdmin entstanden; behaupten willkürliche Umbildung 
von mhd. behaben. — Auf 6 würde au in nhd. Flause F. beruhen, 
wenn das Wort wirklich auf ahd. giflös Geflüster, giflösida Blend- 
werk zurückzuführen ist (Kluge s. v, Flause. Franck s. v. vlies). 

— Für ü ist au eingetreten in nhd. Schaukel F., ndd. schuckel 
(vgl. mhd. schoc M. und schocke F.); nhd. schaudern, Schauder^ 
ndd. schuddern (vgl. ahd. scutisön). — Von Fremdwörtern fallen 
auf Auster, früher nhd. und ndd. Öfteren, 1. ostrea; au beruht auf 
der tl- Aussprache des ndl. oester; Kartaune, früher auch car- 
tuna, it. quartana; Posaune, mhd. busüne, bosüne, basüne neben 
dem ursprünglicheren bustne, afrz. buisine, 1. bucina (vgl. AfdA. 
11, 13). 

Anm. Mundartlich djou, au verzeichnet der Spr. At. in schlafen 
(21, 167 f.); öjou, au in gross, tot, brot (19, 348 f.); ujou in pfundy 
hund, luft (19, 105. 107. 279). 



296 Änderungen in der Quantität. [§ 237. 



Sechstes Kapitel. 
Änderangen in der Quantität. 

237. Während die Qualität der Vocale zu allen Zeiten 
bedeutenden Wandlungen ausgesetzt ist, hält sich die Quan- 
tität, wie sie schon in urgermanischer Zeit bestand, fast un- 
verändert bis ins Mhd. Dann aber treten tief greifende Ände- 
rungen ein, Verkürzung langer, und in grösserem Umfang 
Dehnung kurzer Vocale, so dass die Verschiebung der Quan- 
tität wohl als der wichtigste Unterschied zwischen der älteren 
und der neueren Sprache angesehen werden kann. 

Die Änderungen, die bereits in der ahd. Zeit eingetreten 
waren, der Übergang von e : ij i : e, u : o, die Monophthon- 
gierung von ai, au, die Diphthongierung von e, ö hatten eine 
neue und mannigfachere Gliederung der Lautgebiete herbei- 
geführt, aber die Grenzen, die zwischen den alten Lauten be- 
standen, zunächst wenig beeinträchtigt. Nur zwischen e und i 
hatten Verschiebungen statt geftinden, germ. eti war zum Teil 
mit germ. e in dem Laut ie, zum Teil mit germ. ü in dem 
Laut ü zusammengefallen, auch die Grenze von a : e war durch 
den Umlaut schon unsicher geworden ; im übrigen blieben bis 
in die mhd. Zeit die alten Gebiete deutlich erkennbar. Auch 
die jüngere Monophthongiening von ie, uo, üe hob sie nicht 
auf; stärkere Störungen hatte die jüngere Diphthongierang 
von fy ü, ä zur Folge und neben ihr traten nun die Änderungen 
in der Quantität ein, die auf lange Strecken die historischen 
Unterschiede verwischten. Unsere Schriftsprache hat lange 
und kurze Vocale neben einander bewahrt, lässt aber nicht 
mehr erkennen, wie ursprünglich die Grenze zwischen a : d, 
e : e, S : CB, : d, i : ie, u : uo lief. 

Alle Mundarten nehmen an dieser Zerrüttung der Quanti- 
tätsverhältnisse Teil, aber in sehr verschiedener Weise. Wie 
die Bewegung im einzelnen verlaufen ist, welche Factoren sie 
veranlasst und geleitet haben, in welchem Verhältnis die 
Schriftsprache zu den Mundarten steht, ist noch nicht genügend 
erkannt. Ich beschränke mich darauf darzulegen, unter welchen 



^ 238.] Dehnung kurzer Vocale. 297 

Bedingungen die Schriftsprache Dehnung und Verkürzung an- 
erkannt hat^). 

Anm. Einige Zeugnisse für den Kampf der Schriftsprache 
gegen die Mundart führt Martin im AfdA. 14, 287 an. Buchner: 
Veteres vix geminabant litteras; itaque crassiore sono dicebant Göt, 
glük\ quod in agrestium lingua adhuc hodieque durat. J. Titz: so 
sehen wir in den andern billich auf die reine Meissnische Aus- 
sprache, und sagen nicht wie unser Pöfel Goöt, der Spoöt^ der 
Madn^ der getvien ; vgl, von Bahder S. 99 f. 

Dehnung kurzer Vocale. 

238. Ob ein kurzer Vocal erhalten oder gedehnt wird, 
hängt in der nhd. Schriftsprache offenbar mit der Natur der 
auf ihn folgenden Consonanz zusammen: je leichter dieselbe 
ist, um so grösser die Neigung zur Dehnung; je schwerer, 
um so geringer. Was aber als leichte, was als schwere Con- 
sonanz anzusehen ist, lehrt zunächst die alte Metrik. 

Schwer sind die Consonanten und Consonantverbindungen, 
welche Position bilden: alle verdoppelten Consonanten, z. B. 
füllen, sterre, sippe] die Verbindungen verschiedener Conso- 
nanten, z. B. helfen^ werben, binden^ rihten\ die hochdeut- 
schen aus Affricaten entstandenen Spiranten /*, z, cA; z. B. 
schaffe, g. 8kipa\ e^en, g. itan\ brechen, g. brikan. Wörter 
dieser Art bilden klingende Reime. 



1) Den Grund zu einer umfassenden Untersuchung hat Paul 
gelegt: Vocaldehnung und Vocalverkürzung im Nhd. PBb. 9, 101—134. 
Neu aufgenommen ist sie von v. Bahder, Grundlagen S. 85— 103, 
der namentlich auf die besondere Stellung von m und t hinweist 
Tind die mundartlichen Unterschiede, sowie die Ausbreitung der 
Consonantverdoppeluug in der früh nhd. Schreibung verfolgt. Vgl. 
ferner: Burghaus er, Die nhd. Dehnung (Prgr. der deutschen 
Staatsrealschule in Karolinenthal 1891); Behaghel, Grdr. § 22.23 
und die dort angegebene Litteratur. Auch Gr. 1^, 212—218; 
Kräuter, zur Prosodie der nhd. Mitlauter, PBb. 2, 561— 573. AfdA. 
5, 19. Über das Schwäbische: Fischer, Geogr. § 12 flf. — Für die 
Jlltere Zeit kommen namentlich die Reime in Betracht. Zusammen* 
Stellungen, aber ohne Sichtung des Materials, bei Whd. unter den 
-einzelnen Lauten : § 24. 32 (a, «), § 42. 51 (**), § 55. 57 (t), § 62. 68 (o), 
§ 74 (u). KhuU, der Kreuziger des Joh. von Frankenstein (Stutt- 
gart 1882) S. 403 A. 



298 Dehnung kurzer Vocale. [§ 239, 

Leicht sind die Gonsonanten^ welche keine Position bil- 
den: die Liquiden, z. B. Ttälen, beren; die Nasale, z. B. nemen,. 
senen] die germanischen Spiranten, z. B. hove Höfe, lesen^ 
s^hen; die Medien, z. B. geheriy laden, sagen '^ die Tennis t^ 
z. B. treten. Wörter dieser Art bilden im Mhd. stumpfe 
Keime. Inlautende p und Je können in hd. Wörtern nach 
kurzem Vocal nicht vorkommen, weil die germ. p und Je zu 
Spiranten geworden und neue Tenues in der Labial- und 
Gutturalreihe nur in der Gemination entwickelt sind (§ 143)» 
j kommt schon im Ahd., w im Mhd. nach kurzem Vocal nicht 
mehr vor; Position bildeten diese Halbvocale nicht. 

Einen Unterschied in dem Gewicht der nicht Position 
bildenden Consonanten lässt der metrische Gebrauch nicht er- 
kennen; aber aus der Lautentwickelung ist, wie wir sehen 
werden, zu schliessen, dass m und t schwerer waren als die 
andern leichten Consonanten; sie nehmen eine Mittelstellung" 
zwischen den leichten und schweren Lauten ein. 

239. 1. Wenn auch die Dehnung mit der Natur des 
folgenden Consonanten zusammenhängt, so kann doch darin 
nicht ihr eigentlicher Grund liegen; denn sonst müsste sie am 
frühesten und entschiedensten in den einsilbigen Formen ein- 
treten, in denen die Verbindung zwischen Vocal und Conso- 
nant am engsten ist. Sie hat aber ihren eigentlichen Sitz und 
Ausgangspunkt in den flectierten Formen; Tage, Lobe, Bade 
sind allgemein gültig, während Tag, Lob, Bäd mit schwanken- 
der Quantität gebraucht werden. Der regulierende Factor war 
offenbar die Silbenscheide: in offner Silbe trat die Dehnung^ 
ein, in geschlossene drang sie nur durch Sj-stenizwang und 
durch Formübertragung. Fälle wo diese Erklärung versagt^ 
sind im Nhd. im allgemeinen selten; häufiger nur vor r und 
hier jedenfalls eine Folge der schlaffen Articulation des Con- 
sonanten. § 245 f. 

2. Wenn nun vor t gewöhnlich, vor m nicht selten die 
Dehnung unterblieben ist, so ist zu schliessen, dass zu der 
Zeit, da die Dehnung eintrat, die Neigung bestand, die Silben- 
scheide in diese Consonanten zu verlegen, so dass vor ihnen 
offne Silbe mehr oder weniger aufgegeben war. Der Grund 



§ 239.] Dehnung kurzer Voeale. 29^ 

aber, dass grade bei t und m eine Verschiebung der Silben- 
grenze eingetreten war, lag vermutlich einerseits darin, dass 
die Endsilben immer mehr ihren selbständigen Ton verloren 
(§ 144), anderseits in dem verhältnismässig starken Kraftauf- 
wand, den die Erzeugung von m und t erforderte; denn das 
m kräftiger als n, t kräftiger als die andern nicht position- 
bildenden Verschlusslaute war, zeigt die Geschichte der 
Laute. Die Energie, die ihre Bildung verlangte, führte zu 
einer Steigerung des vorangehenden Accentes in der Richtung 
auf den folgenden Gonsonanten ; der Accent vor ihnen erschien 
nicht als ein Gravis, dessen Kraft schon ehe die Articulation 
des Gonsonanten begann, gemindert war, sondern als ein Acut, 
dessen Kraft erst durch den Gonsonanten gebrochen wurde, 
so dass der Gonsonant zugleich als Abschluss der ersten und 
als Anfang der folgende Silbe erschien^). 

3. Aus dem Einfluss, welchen die Lage der Silbenscheide 
auf die Dehnung hat, erklärt es sich auch, dass gewisse Nach- 
silben — es sind dieselben, die in der Lautverschiebung und 
der älteren Gonsonantverdoppelung kräftigend auf den vorher- 
gehenden Gonsonanten einwirken — also namentlich -er, weniger 
-el und -en die Erhaltung resp. Entwickelung kurzer Voeale 
begünstigen. Wenn diese Silben vocallos gesprochen werden, 
wird der vorangehende Gonsonant in die erste Silbe gedrängt 
und die Stammsilbe in eine geschlossene gewandelt; aus 
wl-demen wurde wld-men. 

Anm. 1, Man könnte versucht sein, das Verhältnis von Tä-ge» 
zu Tag, Lö'bes zu Lob u. s. w. ohne Rücksicht auf die Silbenscheide 
unmittelbar auf die Stärke des folgenden Gonsonanten zurückzu- 
führen, und annehmen, dass in Tag, Lob die Dehnung deshalb nicht 
sicher anerkannt ist, weil der auslautende Gonsonant hochbetonter 
Silbe kräftiger articuliert wird als der inlautende. Wenn aber die 
Verstärkung, welche der Gonsonant durch seine Stellung im Aus- 
laut eriähi-t, Einfluss auf die Dehnung gehabt hätte, so müsste dieser 
vor allem bei den Gonsonanten, die schon an und für sich am stärk- 
sten sind, hervortreten, also bei t und m. Sie aber zeigen in den 
unflectierten Formen stets gedehnten Vocal, wo er in den entspre- 



1) Vgl. Brücke, Physiologische Grundlagen der nhd. Vers- 
kunet (Wien 1871) S. 24 f. ^ 



300 Dehnung: kurzer Yocale in offner Silbe. [§ 240. 

chenden flectierten gilt. Die mangelhafte Durchführung der Deh- 
nung in Tag^ Lob etc. muss sich also anders erklären; § 245, 1 A. 

Anm. 2. Von Bahder S. 88 erklärt die eingeschränkte Geltung, 
welche die Dehnung vor t und m gewonnen hat, aus dem Einfluss 
südwestdeutscher Mundarten. 

Anm. 3. Die Annahme, dass die Lage der Silbenscheide im 
allgemeinen die Dehnung regelte, halte ich für sicher, und ich 
glaube daher umgekehrt aus den jetzigen Quantitätsverhältnissen 
schliessen zu dürfen, wo zu der Zeit, da die in der Schriftsprache 
anerkannte Dehnung eintrat, die Silbengrenze empfunden wurde. 
Überall, wo die Dehnung unterblieb, fiel sie in den Consonanten 
oder die Consonantengruppe, welche dem Vocal folgte. Die ver- 
schiedenen Teile des Sprachgebietes haben aber in dieser Beziehung 
früher wohl ebenso wenig gleich empfunden wie jetzt. Angaben 
über die österreichische Sprache, die für den Norddeutschen sehr 
auffallend sind, bietet Burghauser in der zu § 237 angeführten 
Schrift; sie werden von Jellinek (ZfdG. 1893. S. 1090) im grossen 
und ganzen als zutreffend bezeichnet; nur die Folgerungen, die B. 
daraus für die ältere Sprache zieht, lehnt er ab. — Übrigens bietet 
die phonetische oder physiologische Frage, worauf eigentlich das 
Gefühl der Silbengrenze beruhe, Schwierigkeiten, die wohl noch 
nicht genügend gelöst sind. Kräuter wollte die Silbengrenze über- 
haupt als eine wesenlose Fiction ansehen (ZfdA. 21, 271. AfdA. 15, 8). 

Anm. 4. Am leichtesten scheint die Dehnung in minder be- 
tonten Silben Eingang zu finden. Die zweiten Compositionsglieder 
von Slfrlde, Gunthire, GtselMre^ Liutwtn erkennen sie schon im 
Mhd. an (Bartseh, Untersuchungen zum Nibelungenliede S. 168. 
AVhd. § 42); vgl. auch Franck, ZfdA. 40, 18. 

Die Dehnung in offner Silbe. 

240. Da die Neigung den Vocal zu dehnen von der 
Schwäche der folgenden Consonanz abhängt, so muss sie sich 
zunächst da zeigen, wo gar kein Consonant folgt, also in 
Stammsilben, die auf einen Vocal auslauten. Und so gilt in 
der That in den Wörtchen ja, bi, nu, du, wenn sie überhaupt 
betont werden, schon in ahd. Zeit langer Vocal. Flectierbare 
auf einen kurzen Vocal ausgehende Stämme giebt es nur 
wenige; wo sie aber begegnen, zeigen sie, falls nicht Contrao- 
tionen eintreten, die Dehnung: g. fijands, ahd. vtant; g- Prije, 
ahd. drto, Otfried braucht in dem Verbum tuon noch einen 
kurzen Stamm du-, indem sich das u vielleicht diphthongisch 
mit dem Vocal der Endung verbindet {duis, dtient etc.); bei 
Notker gilt tu-. Br. § 40 A. 4. 



§ 241.] Dehnung kurzer Vocale in oifner Silbe. 301 

241. 1. Stämme die auf einen Consonanten ausgehen^ 
erfahren die Dehnung erst später; wann und wo zuerst, ist 

noch nicht festgestellt. Spuren der Dehnung hat man in den 
Gedichten der mhd. Zeit wahrzunehmen gemeint. Schon im 11. und 
12. Jahrh. findet man öfters Wörter der Form zx und >LX im Reim 
gebunden; z. B. fragen : sagen, Swäben : haben, [ärdeig^e, genannei 
mane, sune : kunne] etc.; ja in kunstloseren Gedichten kommt sogar 
das unbetonte e nach kurzer Stammsilbe als Träger des Reimes 
vor ; z. B. dise : sune, gezogen : scamen, varen : bringen, ntmen : junge 
etc. Aber ob man aus diesen Erscheinungen auf Dehnung de» 
Stammsilbenvocales schliessen darf, ist doch sehr unsicher; s. Vogt 
in der Festgabe für R. Hildebrand (1894) S. 157 f. Noch weniger 
ergiebt sie sich daraus, dass nach der mhd. Blütezeit seit dem Ende 
des 13. Jahrh's. Schweizer Dichter Wörter wie klagen, reden etc. 
als klingende Reime brauchen (Wilmanns Beitr. 4, 104 f.); denn da 
gerade das Südalemannische alte Kürze in der offnen Silbe noch 
heute bewahrt, kann man diesen Gebrauch nur als Änderung der 
Reimtechnik, nicht der Sprache ansehen. — Jetzt gilt die Dehnung^ 
wie in der Schriftsprache, in nieder- und mitteldeutschen Mundarten, 
zum Teil auch im Alemannischen. Behaghel, Grdr. § 22. Fischer, 
Geogr. S. 18 f. 

2. Die nhd. Schriftsprache hat vor allen schwachen Conso- 
nanten ausser m und t die Dehnung bei weitem in den meisten 

Wörtern anerkannt. Als Belege führe ich, soweit sie ausreichen. 
Formen der st.Verba an, welche die Entwickelung sehr gut hervor- 
treten lassen; mehr Material bietet Burghauser S. 13 f. und kann 
mau hucht aus den Belegen, die in Gr. 1^ für die einzelnen kurzen 
Vocale im Ahd. und Mhd. zusammengestellt sind, gewinnen. 

Die Dehnung gilt also 1. vor den germanischen Spiranten;, 
vor h: geschehen, gesehen; gediehen, geliehen, geziehen; geflohen^ 

— vor s: genesen gelesen; gewiesen; — vor v bietet das st.V. kein 
Beispiel, aber Substantiva: Hof, Hafen, Kofen, Frevel, Schwefel, 
Ungeziefer etc. — 2. vor den Medien; vor bi geben, weben; geblieben, 
geHeben, getHeben ; geschnoben, geschoben, gestöben, geschroben ; ge- 
hoben; — vor d: gemieden, geschieden; laden; — vor g\ liegen^ 
pflegen, bewegen, wägen; geschunegen, gestiegen; gebogen, geflogen^ 
gelogen, getrogen, gezogen, gesogen; schlagen, tragen. — 3. Vor 
den Liquiden; vor i: befehlen, empfehlen, hehlen, stehlen; mahlen \ 

— vor r: gebären, scheren, gären, sehwären; gefroren, gekoren, ver- 
loren; fahren, schwören. — 4. Vor n bietet das st.V. nur ein Bei- 
spiel: geschienen; zahlreiche die sw.V. und Nomina: Bahn, Hahn, 
Zahn, Schwan, Sohn; Biene, Bühne, Fahne, Lehne, Mähne, Schiene^ 
Sehne; dehnen, denen, ihnen; Honig , König etc. 



302 Dehnung kurzer Vocale in ofiPner Silbe. Ausnahmen. [§ 242. 

242. Ausnahmen sind selten; meistens sind es Stämme 
auf n und l^ denen eine Ableitungssilbe folgt, widmen, mhd. 
widemen erklärt sich durch die Unterdrückung des e in der Ab- 
leitungssilbe; ähnlich mannich-^ mhd. manec, neben manch; Mennig, 
mhd. minnig f menig neben m^enige^ minge ; Drillich, Zwillich neben 
Drilchf Zwilch, mhd. drilich drilch, zwilich zwüch. — Verhältnis- 
mässig oft ist die Dehnung vor der Ableitungssilbe -er unter- 
blieben: Banner N., mhd. haner (gewöhnlich banier, baniere, frz. 
baniire); Böller M., vgl. spät mhd. boler Wurfmaschine; Donner, 
mhd. doner, ahd. donar; EUer (ndd.) Erle, ahd. elira; Koller M. 
Pferdekrankheit, mhd. kolre, ahd. choloro; SöUer, mhd. solre, sölre, 
ahd. solar i, 1. sölaHum; Widder, mhd. wider; auch schillern neben 
schielen, mhd. schiln {schuhen, schilwen). In vielen andern aber 
hat -er die Dehnung nicht verhindert; z. B. Bader, Eber, Hader, 
Hafer, Jäger, Käfer, Köhler, liefern, Schiefer, Schwäher, Schwieger, 
Spieler, wieder, — Nur selten ist die Dehnung vor -el unterblieben; 
in dem Fremdwort Büffel, mhd. büffel, frz. bufle und in einigen 
Verben: kribbeln, mhd. kribelen; ferner wabbeln, krabbeln, knabbern, 
buddeln, Bildungen, die kein altes Gut der Schriftsprache sind. Da- 
gegen mit langem Vocal: Esel, übel, Knebel, Friedel, Igel, Kegel 
u. V. a. -— Dass -en die Dehnung nicht hindert, zeigen .schon die 
in § 241 angeführten Beispiele; ausgenommen ist Füllen, mhd. 
vültn. — [Dass die Dehnung in Wörtern, deren Auslaut verschärft 
ist {bip, d:t, g :k, h:ch § 141, 2. 3) unterbleibt, ist selbstver- 
ständlich.] 

Wörter ohne Ableitungssilben entbehren die Dehnung 
fast nie. Für das kurze ä in dem zweiten Compositionsgliede von 
Nachtigall, mhd. nahtegale kommt in Betracht, dass die Silbe gaü nur 
halbtonig ist; dasselbe Moment lässt sich für das Hilfszeitwort sollen 
geltend machen. In Zinn hat sich die Kürze behauptet, weil das 
Wort meist In der einsilbigen Form gebraucht wird ; (im 16. 17. Jh. 
auch Zien). starren mit unbewegten Augen blicken, mhd. stam, 
ahd. Staren ist mit starren rigere, mhd. starren zusammengefallen; 
neben reffen die Segel einziehen (ndd., ndl. reven) steht reffen 
hecheln, mhd. reffen zupfen, rupfen. Auffallendere Ausnahmen sind 
toll, mhd. toi (mit einfachem l, vgl. ahd. tulisc thöricht), Riff (ndd., 
ndl. rif); und besonders Chranne F., mhd. grane; Neffe, mhd. neve 
<im 17. 18 Jahrh. Gueintz, Schottel, Stieler, Steinbach noch Nefe, 
s. V. Bahder S. 103). 

Anm. 1. In md. Drucken sind dd und bb beliebt; s. von 
Bahder S. 94 f. (vgl. 87). Bei Luther herrscht dd bis 1534 in odder, 
Widder; noch später finden sich hadder, besuddeln, feddem^ leddem. 



^ 243. 244.] Dehnung kurzer Vocale in offner Silbe, vor m und L 303 

^dddstein, fodder^, und bb in lebber, gibbel^ also beide Buchstaben 
vor -el -er; Franke § 122, 3. 4. 

Anm. 2. Vor h und 8 gilt die Dehnung ausnahmslos; vgl. 
aber die mundartlichen: duseln, nüseln (zu Nase), quäsdn, alle mit 
stimmhaftem «. 

243. Auch vor m gilt die Dehnung in den meisten 
Stämmen; z. B. Oram, Scham, lahm, zahm, Name, grämen, 
schämen, lähmen, zähmen, Hamen etc. (v. Bahder S. 86 f.), 
aber nicht wenige haben doch den kurzen Vocal behalten. 
Consonanten der Flexion und Ableitung, welche auf die Stamm- 
silben mit schwächerem Consonanten nicht gewirkt haben, haben 
hier oft den Ausschlag gegeben, so dass die vor ihnen geltende 
Form zur Normalform geworden ist. kommen hat in den Formen 
des Präs. und im Partie. Prät. den kurzen Vocal bewahrt, nehmen 
nur im Part, und in der 2. 3. P. Sg. nimmst^ nimmt \ es heist ferner 
Kummet, Sammet, zusammen, mhd. zesamene, frommen, zu Nutz 
und Frommen, fromm, Schramme, schrammen. Besonders deut- 
lich tritt das stärkere Gewicht des m vor -er und -el hervor. 
Während -er nach den andern Consonanten nur ausnahms- 
weise, -el kaum je die Dehnung verhindert hat, bewirken 
sie nach m stets Erhaltung der Kürze: Ammer, dämmern, 
Hammer, Kammer, Nummer, Schimmer, Schlummer, Sommer, 
Trümmer; Hammel, Himmel, Kümmel, Semmel, sammeln; bei 
Schämel schwankt der Gebrauch, weil hier in älterer Zeit d neben 
a galt; Vogt, Festgabe für R. Hildebrand S. 154 Anm. 

244. Entschiedener als m tritt t aus der Reihe der 
alten einfachen Consonanten. Meistens ist der kurze Vocal 

erhalten; in Verben: bitten, gelitten, geglitten, geritten, geschnitten, 
gestritten; gesotten; rotten, trotten; in Nominibus: Blatt, Brett, 
Gatte, glatt, Gott, Kette, Kitt, Matte, nett, platt, Platte, Pott, Quitte, 
quitt, Hotte, satt. Schnitt, Schritt, Sitte, statt, Stadt, Tritt, Zotte 
(schon im Ahd. vereinzelt mit tt); vor Ableitungssilben: Bottich, 
Rettich; Wittib; Butter, Dottei; Gitter, Lotter-, Natter, Otter, Ritter, 
Ge-vatter, Vetter, Wetter, Ge-untter, Zwitter; schmettern, schnattern, 
schlottern, stottern; Büttel, Knüttel, Sattel, Vettel; Schatten, Schlitten 
(von Bahder S. 85 f.). 

In verhältnismässig wenigen ist Dehnung eingetreten. 
Mehrere davon sind erst spät in die Schriftsprache aufgenommen, 
namentlich aus dem Md. oder Ndd.: Beet, im älteren Nhd. auch 
noch Bett und mit diesem Worte identisch; Kot, ndd. kote, kot 



304 Dehnung in geschlossener Silbe durch Systemzwang. [§ 245w 

Bauerhütte, dazu Köter und Kotier Bauern hund und Eigentümer 
einer Äbf ; Knoten^ md. gegen oberd. knode (§ 23 S. 33); Pate Tauf- 
zeuge, zunächst md., im Oberdeutschen dafür gote^ phetter; Schote 
Tau im Segelwerk; Spate, ndd. spade und noch im 18. Juhrh. öfters 
mit d geschrieben; in Titel aus 1. tltulus stammt l aus der früher 
gewöhnlichen Aussprache des Lateinischen, nach der alle betonten 
Vocale vor einfachem Consonanten lang wurden. — Auffallender 
ist die Dehnung in mehreren anderen; in Formen starker Verbat 
treten, getreten, gebeten, geboten; dazu beten (aber betteln), Gebety 
Bote, Gebot] in den sw.V. jäten, kneten, waten; den Substantiven 
Kröte, Met, Wate F. grosses Zugnetz, Zote (im 16. 17. Jahrh. auch 
Zotte) und besonders auffallend vor -er in Vater (dagegen Vetter, 
Gevatter) und Kater. — Burghauser S. 16 glaubt diese Ausnahmen 
aus dem mundartlichen Schwanken zwischen d und t erklären 
zu können. 

Anm. 1. Zeugnisse für den Beginn der Verdoppelung von m 
und t im Mhd. führt von Bahder S. 88 f. an. In den Speirer (Jr- 
kunden wird tt nach kurzem Vocal von 13(X)— 1330 Sitte. Böhme 
S. 16. — Bei Luther findet sich abweichend vom jetzigen Gebrauch 
einfaches m ziemlich oft: komen, genomen, kumist, hgmel, kamer 
u. a.; einfaches t nur selten: keten (Franke § 123, 1. 4). Der Grund 
liegt wohl meist in Schreibergewohnheit ; die Ligatur tt war beliebt 
(§ 144 A.), mm wurde von vielen gemieden (v. Bahder S. 90). 

Anm. 2. Vor p und k sollte man wie vor t kurzen Vocal 
erwarten, und vermutlich würde die Kürze bewahrt sein, wenn die 
Wörter mit inl. p und k in der hd. Sprache alt wären. Da sie aber 
meist in späterer Zeit aus dem Ndd. oder durch Vermittelung des 
Ndd. aufgenommen sind (§ 58), zeigen sie gewöhnlich, wie die aus dem 
Ndd. aufgenommenen Wörter auf t, gedehnten Vocal: hapern, Kaper^ 
kapern, Stapel, stapeln ; Bake, blaken. Blaker Hängeleuchter, blöken y 
Höker, Laken, Makler, quaken, QiUiker, quieken, Schnake lustige 
Erzählung, Spuk, Takel; ferner aus dem Lateinischen Skrupel, 1. 
scrupulus, Makel, 1. macula und mit schwankender Quantität Artikel,. 
Matrikel, Partikel. — Andere haben kurzen Vocal und verdoppelten 
Consonanten: jappen, schleppen, Schoppen; Backbord, leck; vgl. 
auch Kruppe F. frz. Croupe; Kuppel, it. cupola, frz. coupole; Pappel^ 
mhd. papel, popel, mlat. papulus, lat. pöpxdus; Puppe, spätmhd^ 
])uppe, 1. püpa, frz. poujtde; toppl frz. tope; Truppe, frz. troupe. 

Die Dehnung in geschlossener Silbe. 

245. Dehnung durch Systemzwang. — In geschlossener 
Silbe ist die Dehnung, soweit sie die nhd. Schriftsprache 
anerkennt, in der Regel durch Systemzwang zu erklären und 



§ 245.] Dehnung in geschlossener Silbe durch Systemzwang. 305 

daher; wie es bei Formübertragungen zu geschehen pflegt, 
nicht consequent durchgeführt. Im einzelnen ist folgendes 
zu bemerken. 

1. Die Nomina nehmen in den unflectierten Formen, die- 
selbe Quantität an wie in den flectierten. Aus mhd. stges, sXge 
wird nhd. Sieges^ Siege^ und darnach bildet man auch mhd. sie zu 
nhd. Sieg um. Doch ist in den unflectierten Formen noch jetzt 
vielfach der kurze Vocal erhalten; in Wörtern wie Hof^ Glas, Grras, 
Grab, Tag, Bad etc. hört man bald langen, bald kurzen Vocal 
sprechen. In Schmied und Stadty ebenso in dem Adj. grob be- 
hauptet der kurze Vocal sogar die Herrschaft, bes. auffallend in 
Schmied, weil hier die Orthographie die Dehnung vorschreibt (PBb. 
9, 112). Auch die Adv. weg und flügs haben sich der Einwirkung 
der Subst. Weg, Flug entzogen. 

Anm. Die Einwirkung der flectierten Formen war bei den 
Stämmen, deren Consonant im Inlaut anders als im Auslaut ge- 
sprochen wird, weniger energisch als bei solchen mit unveränder- 
lichem Consonanten. Daher tritt in den Stämmen auf Liquida, 
Nasal und t die Dehnung in den unflectierten Formen regelmässig 
ein, wenn sie in den flectierten gilt, während in denen auf &, d, g, 
s und germ. f der Gebrauch schwankt. Denn die Medien und $ 
werden im Inlaut stimmhaft, im Auslaut stimmlos gesprochen, und f 
zeigt schon im Ahd. Unterschiede, je nachdem es im In- oder Aus- 
laut steht. 

2. Die schwachen Verba haben vor consonantisch aus- 
lautender Flexion dieselbe Quantität des Stammvocales wie 

vor vocalischer: legen, legt, legst, legte, gelegt: ebenso bei quälen, 
lähmen, sagen, reden etc. Ihnen kommt die Dehnung um so mehr 
zu, als ursprünglich und noch jetzt oft der Endung ein Vocal vor- 
anging {legete, redete etc.), so dass die Stammsilbe off'en war und 
schon an und für sich Anspruch auf die Dehnung hatte. Nur das 
unregelmässige habe, hast, hat, hätte, gehabt weist verschiedene 
Quantität auf, wie ja auch die Form der Stammsilbe nicht überall 
dieselbe ist. beredt hält sich als isoliertes Participium neben reden, 

3. Im St. Verbum ist die Ausgleichung nicht so weit 
durchgeführt, weil auch qualitative Verschiedenheiten im Voca- 
lismus die einzelnen Formen mehr auseinder halten. Doch ist 

sie eingetreten : a. zwischen dem Sg. und PL Prät. Im Mhd. hiess 
es gab : gäben, näm : nämen, nhd. gab, nahm. (Bei den st.V. 2 und 
3 wird sogar der qualitative Unterschied der Laute durch die Ana- 
logie aufgehoben; mhd. steic stXgen, meit mXten, baug bügen, zöh 
Zügen sind zu stieg stiegen, mied mieden, bog bögen, zog zögen ge- 
W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 20 



306 Spontane Dehnung in g'eschlossener Silbe. [§ 246. 

worden). — b. Die einsilbigen 2. und 3. Sg. Präs. haben, wenn sie 
von den zweisilbigen Formen nur durch den Urnlaut unterschieden 
sind, dieselbe Quantität wie diese: gräbe^ gräbst, gräbt; schlage, 
schlägst, schlägt; lade, lädst, lädt etc. Wenn dagegen der Imp. 
und die 2. 3. Sg. Präs. i, die übrigen Formen e haben (stV. 1), ist 
der Ausgleich nicht durchgeführt. In stehlen, befehlen, sehen, ge- 
schehen gilt die Dehnung: stiehl, stiehlst, stiehlt etc., dagegen be- 
haupten die entsprechenden Formen von nehmen, treten, toerden 
den kurzen Vocal. Auch IXst hört man nicht selten statt liest, ver- 
breiteter ist gibst, gXbt st. giebst, giebt. Die qualitative Gleichheit der 
Laute befördert die quantitative Ausgleichung, wo sie fehlt, ist die 
Analogie weniger wirksam; deshalb steht neben wSgen : mag, möchte. 

4. Auch in die geschlossenen Silben der Composita 
und abgeleiteten Wörter dringt der gedehnte Voeal vor; 
vgl. leseUy lesbar; gebeUy angeblich etc. Verschiedenheit des 
Voealismus und Consonantismus aber hemmt den Ausgleich: 

geloben, Gelübde; trägen, Tracht, trächtig; schlagen, Schlacht ; wiegen, 
Geicicht; giben, Gift, Ebenso hält sich die Kürze, wenn die 
Beziehung auf das Stammwort dem Sprachbewnsstsein ent- 
schwunden ist: Heer aber Herberge, Herzog; Meer : Merrettich, 
bar : bärfuss ; Fährt : fertig; beschälen : Schellhengst; Bohle : BÖUtcerk. 
In vielleicht aus vil lihte wird das proklitische viel mit kurzem i ge- 
sprochen. — Freilich unterbleibt die Ausgleichung auch in 
manchen Fällen, in denen weder Verschiedenheit der Form 
noch der Bedeutung oder Betonung einen Grund dazu geben: 

dieser, dXsseits; jener, jenseits; Rede, Beredsamkeit, beredt; Polen, pol- 
nisch; laben, Labsal; Name, nämlich; DämeiDämbrett, Nicht in allen 
steht die Aussprache fest; vgl. die Schlussbemerkung in § 248. 

246. Spontane Dehnung. — Vocaldehuung in geschlos- 
senen Silben, die sich nicht durch den Einfluss der offnen 
Silben erklären, ist in manchen Mundarten verbreitet; zum 
Teil ist sie offenbar in der Natur der auf den Vocal folgenden 
Consonanten begründet, zum Teil aber davon unabhängig. 
Die nhd. Schriftsprache verhält sich ablehnend; nur vor r ist 
die Dehnung in weitem Umfang zur Anerkennung gekommen, 
ausserdem findet sie sich in einzelnen Wörtern vor l und 
Nasal. Vor r und n begegnet sie oft schon im Mhd. (Whd. 
B. Gr. § 7. 36). 

Wo in der Schriftsprache Dehnung vor Z, m, n gilt, ist sie 
gewöhnlich durch besondere Umstände veranlasst. In wohl, mhd. 



^ 247.] Spontane Dehnung in geschlossener Silbe. 307 

wöle (vgl. Woüust, aber Wohlfahrt) und den Dativen wem^ dem^ 
ihm, rohd. w^me^ d^me, ime lässt sie sich aus der ursprünglichen 
Zweisilbigkeit erklären, fahnden, mhd. fanden hat sich an fdhen 
angelehnt; ahnden, mhd. anden mit ahnen, mhd. anen gemischt. 
Mhd. eilende gab unter der im Mhd. hHufigen Betonung elUnde die 
-Gemination auf und erfuhr dann regelrechte Dehnung: Elend. 
Ausserdem sind nur die Acc. den, wen, ihn anzuführen, auf welche 
die Dative eingewirkt haben mögen (PBb. 9, 121), und das Wörtchen 
in, neben dem seit der mhd. Zeit ein gedehntes in, nhd. ein auftritt. 
Ob diese Doppelform damit zusammenhängt, dass in diesem Wört- 
chen ursprünglich verschiedene Bildungen (g. in, inn) zusammen- 
gefallen sind, ist nicht zu erkennen ; vgl. II § 91 Anm. § 405. Gr. 2. 
758 f. Whd. § 333. — - In andern Wörtern wie hin, an, von, hin, ««-; 
^b, oh', es, des, wa^\ mit; doch, noch, ich lässt nur mundartlich ge- 
färbte Aussprache langen Vocal eintreten; vgl. § 239 A. 4. — Über 
DUM s. Kluge Wb. 

Dagegen vor r herrscht die Dehnung allgemein: er, rfer, 
wer, ihr, mir, dir, dar, her, für, vor, empor. Dass einige 
dieser Wörtchen, wo sie ganz unbetont bleiben, keine Dehnung 
zeigen, ist in der Ordnung, also darin, voran, vörhei, herein ; ebenso 
€r und der, wenn sie en- oder prokli tisch stehen. In betonter Stellung 
behauptet sich der kurze Vocal in Vorteil. — Über «r- s. § 247. 

247. Ja selbst Stammsilben, die auf r + Cons. aus- 
gehen, sind der Dehnung nicht entgangen. Im allgemeinen 
zwar behauptet sich der kurze Vocal; z. B. arg, belegen, herbe, 
mürbe, Ferse, Hirse, Mörser, Erker, Harke, stark, hart, warten, 
Gerte, Karte, Harfe, scharf, Schorf, Herz, Kerze, Scherz, Kirsche, 
harsch, Bursche etc. Aber vor r + Dental (d t, z 8, seh), also 
Tor r mit den nächst liegenden Consonanten, werden nament- 
lich a und e, seltener andere Vocale, oft gedehnt, obschon 
die Dehnimg nicht allgemein anerkannt ist: AH, Bart, Fahrt, 

zart, Scharte, Schwarte, Harz, Quarz, Arsch, Barsch, Gefährte ; Wert, 
Schwert, Herd, Herde, Pferd, Erde, werden; Begierde, Geburt, Börse. 
Paul (PBb. 9, 119) sucht das Schwanken durch die Annahme zu 
•erklären, dass lautgesetzlich der lange Vocal nur in den^ flectierten 
Formen eingetreten und dann durch Ausgleich bald die eine bald 
die andere Form zur Geltung gekommen sei. Ursprünglich habe 
es hart härte, zart zarte geheissen; in hart habe der Vocal der 
tmflectierten, in zart der der flectierten Form gesiegt. Doch ist die 
Annahme schwerlich richtig; denn grade wenn dem energischen 
Accent des kurzen Vocales sich noch eine Silbe unterordnet, zeigt 
die Sprache Neigung der Dehnung zu widerstehen ; vgl. Bart : 
Barte (Hellebärte), Fährt : fertig, Arzt : ärztlich, Gehurt : gebürtig, 



308 Verkürzung langer Vocale. [§ 248. 

Erde : Xrdisch, — Die Vorsilbe ur- hat langen Vocal in Urahn, Ur- 
kunde^ Urfehde u. a., kurzen in Urteil^ Urlaub^ neben denen die 
alten Formen urtel^ urlöb galten; ähnlich verhält sich bärfuss (nd. 
barfet) zu barhaupt Auch die früher (§ 245, 4) erwähnten Merretfich^ 
Herzog sind hier anzuführen. 

Anm. Dehnung in geschlossener Silbe, die nicht durch die 
schwache Articulation des folgenden Consonanten veranlasst sein 
kann, gilt namentlich in alemannischen und bairischen Mundarten 
(Paul, PBb. 9, 110. Behaghel, Grdr. § 22. Brenner IF. 3, 297. 5, 345. 
Nagl, PBb. 19, 338. Fischer, Geogr. S. 18 f.). Im Schwäbischen hat 
sie sich von Nordosten her ausgebreitet, hat zuerst die einsilbigen 
Formen ergriffen, in weiterem Umfang vor einfacher, in beschränk- 
terem vor doppelter Consonanz, und ist dann von diesen in die 
zweisilbigen Formen gedrungen, aber nur bei einfacher Consonanz 
\ind auch hier nicht im äussersten Südwesten (Fischer S. 20). Es 
heisst also gläSj gU8er\ köpf, Dat. kÖpf{e\ PL köpf[e); fisch, PI. ftache 
etc. Diese Mundarten stehen in scharfem Gegensatz zu dem in der 
Schriftsprache anerkannten Gebrauch. Neigung zur Dehnung macht 
sich in beiden geltend; aber während in dieser die lautgesetziiche 
Dehnung an der Geschlossenheit der Silbe ihre Grenze fand, unter- 
blieb sie in jenen, wenn dem Ton der Stammsilbe eine folgende 
Silbe untergeordnet war. In verschiedener Accentuationsweise liegt 
vermutlich der Grund der Divergenz. Die Ansicht Brenners, dass 
in Wörtern wie köpf, fisch die Dehnung als Gompensation für den 
Verlust des alten Themavocales eingetreten sei, also in vorahd. 
Zeit hinaufreiche, ist mir nicht glaublich (vgl. auch Bohnenberger, 
PBb. 20, 551). 

Verkürzung langer Vocale. 

248. Bereits in vorhistorischer Zeit wurden vor ge- 
wissen Consonantverbindungen lange Vocale verkürzt*); z. B. 
ö : a g. amza Schulter aus "^Ömsos^ vgl. gr. d)MO<;; g : c, i g. fairzna, 
ahd. fersana Ferse aus *persnäy vgl. 1. pema, gr. rtiipva ; g. hairt6 
Herz, vgl. gr. xf^p au8*Kflp6; g. winds Wind mit Suffix -nto- aus Wz. 
we wehen, vgl. 1. ventus; l : i g. ivindan winden aus Wz. tri; ü : u 
g. junda Jugend aus *jündö, *juuundö = h juventa; g, juggs jung 
aus *jängoSf ^juy.ungos = 1. juvencus. Wo sich aber im Germa- 
nischen lange Vocale vor Consonantverbindungen erhalten 
halten oder durch neue Entwickelungen diese Lautfolge er- 
zeugt war, blieben die langen Vocale im allgemeinen bis in 
die uihd. Zeit unversehrt. Besonders ist zu bemerken, dass, 



1) Kluge, Grdr. § 22 S. 351. Streitberg § 85 f. Noreen S, 27. 



^ 249.] Verkürzung langer Vocale. 309 

WO lange Vocale vor gedehnten Gonsonanten standen, die 
•Sprache die überlange Silbe nicht durch Verktlrznng des Vo- 
•cales sondern des Gonsonanten zu beseitigen pflegte (§ 134, 3). 

Im Mhd. macht die Verkürzung Fortschritte; so gilt kurzer 
Vocal, freilich nicht ausschliesslich und nicht überall, in herre aus 
ahd. h^rrOj hiriro (daneben hire AfdA. 14, 287) und in beschränk- 
terem Gebiet in brähte, dähtej dühte; stuont^ fi^ng^ ffi^nff^ hieng; 
friunt u. a. Der Umfang der Verkürzung ist darum nicht leicht 
festzustellen, weil die Reime, die das Beweismi^terial geben 
müssen, für viele Wörter versagen, auch nicht immer leicht 
^u entscheiden ist, ob man aus der Bindung ursprünglich 
langer und kurzer Vocale auf Dehnung des kurzen oder Kür- 
zung des langen Vocales schliessen solP). 

Im ganzen gehören die Verkürzungen erst der jüngeren 
Zeit an und treten in den verschiedenen Mundarten nach 
verschiedenen Gesetzen ein (Behaghel, Grdr. § 23). Auch 
die, w^elche Schriftdeutsch reden und sich einer reinen Aus- 
sprache befleissigen, stimmen in manchen Worten, öfter als 
ich es hervorhebe, nicht überein. Wenn ich den folgenden 
Bemerkungen zu Grunde lege, was mir selbst geläufig ist, 
will ich dadurch andere Aussprache nicht als uncorrect be- 
zeichnen. 

249. Da die Dehnung, welche das Nhd. in den oflfnen 
Silben vor den schwachen Gonsonanten eintreten lässt, aus den 
flectierten Formen in die unflectierten übertragen zu werden 
pflegt, so ist daraus schon zu schliessen, dass die Sprache eine 
Abneigung gegen langen Vocal in geschlossener Silbe über- 
haupt nicht hat. Und so ist denn in der That der lange 
Vocal nicht nur vor den schwächsten Gonsonanten sondern 
auch vor m und t, ja selbst vor den hochdeutschen Spiranten, 

also vor allen einfachen Gonsonanten meistens erhalten; z. B. 
Malf QueU, Kiel'^ Wahn, gethan, Huhn, mhd. huon\ Tod, lieb, klug^ 
Krug ; nach, hoch, Graf, Aa8\ Rahm, Ruhm ; Brot, Grat, rot ; Schaf, Ruf, 
•schuf, lief, Schoss, Kloss, bloss, Griess, süss, Buch, Fluch. Dem- 



1) Gr. 1* 461. Behaghel zu Yeldegge S. XLII. Frommann 
zu Herbort v. 571. Whd. S 102. 122 und die zu § 237 angeführten 
Steilen. 



310 Verkürzung langer Vocale. [§ 250. 251. 

gemäss ist auch die Diphthongierung vor diesen Consonanteo 
eingetreten; z. B. weit, Zeit, weiss, reich, Braut, auf u. a. 

Sogar Gonsonantverbindungen lassen zum grossen Teil 

den vorangehenden Vocal unbeeinträchtigt. Consonantisch an- 
lautende Flexionen und Ableitungssilben üben wohl in nieder- und 
mitteldeutschen Mundarten Einfluss: täte, Utst, lety seke^ sÖchte etc* 
(Behaghel Grdr. § 23), aber nicht in der Schriftsprache: suchen, 
suchst^ sucht, Süchte \ gross, grössie; süss, süsste etc. Ebenso hält 
sieh der lange Vocal vor manchen Gonsonantverbindungen, deren 
zweiter Bestandteil zum Stamme gehört oder wenigstens jetzt nicht 
mehr als ableitend empfunden wird. So besonders oft vor st : Biest, 
düster, Husten, Kloster, Ostern, Österreich, pusten, Priester, Biester^ 
Schuster, Wust, Wüste; vor seh: wusch, draschen; vor Tenuis-f^, 
.sch\ Brezel, Bätsei, piepsen, tvuchsen, Bratsche, hätscheln, grätschen, 
quietschen, tratschen, mit schwankender Quantität: Lotse, duzen. 
Wuchs, Vgl. ferner Papst, mhd. bähest, Propst, mhd. bröbest. Auch 
hier ist die regelmässige Diphthongierung eingetreten; z. B. rauschen, 
deutsch, Deichsel. 

So ist denn die Verkürzung der langen Vocale auf ein 

enges Gebiet beschränkt 5 Momente, die sie begünstigen, sind 

wahrnehmbar, ein durchgreifendes Gesetz aber nicht entwickelt» 

250. Gonsonantverbindungen, vor denen der lange 
Vocal immer oder fast immer beseitigt ist, sind: 

cht, in einer beträchtlichen Zahl von Wörtern: Acht, mhd- 
ähte; Docht, mhd. tdht; Fichte, mhäi. flehte; Licht, mhd. lieht; nüch- 
tern, mhd. nüehtem u. a.; auch in den Prät. brachte gebracht, dachte 
gedacht. Ebenso vor dem aus ft entstandenen niederdeutschen chty 
in echt, mhd. ihaft; sacht aus sdcht = hd. sanft; Gerücht, berüchtigt, 
ruch{t)bar zu ruofen (§ 98). Aber dass die Durchführung dieser 
Verkürzung nicht alt ist, zeigt die Diphthongierung in leicht, mhd* 
Ithte; Beichte, mhd. hiht, bigiht; leuchten, mhd. liuhten u. a. lichten 
in die Höhe heben (zu Ithie) ist ndd.; auf ndd. Einfluss ist auch 
wohl dicht, mhd. dthte (mundartlich deichte) zurückzuführen. — 
Vor Nasal + Cons. ist in Feind und Freund, mhd. vient, vriuni 
noch Diphthongierung eingetreten, in Mond, mhd. mänet, Dienst, 
mhd. dienest der lange Vocal erhalten; Verkürzung gilt in ging, 
fing, hing (Luther meist mit ie), stund, mhd. stuont; Winzer, ahd. 
wtmurnla; Pfründe, mhd. pfrüende (Luther mit falscher Diphthon- 
gierung pfreunde, Francke § 66). 

261. Die Verkürzung vor andern Consonantverbindungea 
beschränkt sich auf einzelne Beispiele. Vor 2 + Co üb. gilt 



§ 252.] Verkürzung langer Vocale. 311 

langer Vocal in hielt, hielten; Verkürzung in elf, mhd. eüf eilif,, 
einliff g. ainlif\ tilgen^ mhd. ttligen^ ahd. ttligän (l. delere), — Vor 
r+Cons., wo kurzer Vocal oft gedehnt wird (§247), haben doch 
einige Wörter Verkürzung erfahren: herrschen^ ahd. fiirisön, mhd. 
Mrseniv^sen (Ferse); Dirne, mhd. dieme; Lerche, ahd. lirahha; 
horchen, mhd. horchen zu hasren. Die Verkürzung ist älter als die 
Dehnung. — Vor ft, fz haben kurzen Vocal Klafter, mhd. kldfter; hef- 
tig, ahd. heiftig (s. Kluge Wb.). Diphthongierung seufzen, mhd. ttiufzen 
(Luther süffzen Francke § 54). — Vor tz, ts hat verkürzten Vocal das 
veraltete itzt, mhd. ieze; einige mit schwankender Quantität in § 249. 
— Diphthongierung Kauz, Käuzlein (Luther kiUzlin). {Grütze, ahd. 
gruzzi neben mhd. griuze, ist selbständige Bildung). — Vor st hat 
sich im allgemeinen die Länge gehalten (§ 249), schwankende Quan- 
tität haben Osten, Rost (crates). — Vor pf ist der Vocal verkürzt 
in Krapfen M., mhd. kräpfe. — Über Verkürzung vor Doppelcon- 
sonanten s. § 143 Anm. 3; über den Vogelnamen Drossel Kluge Wb. 
Elster, Nelke, Sense § 81. 

252. Auch Stammsilben, die auf einen einfachen 
CoDsonanten ausgeben, baben bin und wieder Verkürzung 
erfahren : 

1. in Zusammensetzungen, namentlicb verdunkelten: Brom- 
beere zu ahd. brämo Dornstrauch; Lorher, mhd. lörber zu 1. lauinis; 
Grummet aus gruon-mdt (vgl. auch Ummet aus uomdt)', Musteil zu 
muos, gemüese; ruchlos, mhd. ruochelös zu ruochen, geruhen; Dam,- 
uHld zu mhd. tdme; Nachbar, mhd. ndchgebüre (Gr. 1^, 218); Hoch- 
zeit (Gr. a. 0.), Ho/fahrt zu hoch; zwanzig, mhd. zweinzig, zwenzig; 
vierzig, vierzehn. Viertel mit kurzem i, trotz der Orthographie. 
Auch die Eigennamen Konrad, ahd. Kuonrdt; Ulrich, ahd. Uodal- 
rfch ; Gerbert, Gerhard, Gertrud (Zusammensetzungen mit gir-) sind 
hier anzuführen. — Nebenformen mit kurzem Vocal sind entwickelt 
in xvärlich, gehörsam.. — herrlich, Herrschaft, mhd. hMtch, hir- 
schaft haben sich an Hei^ angelehnt; durch Anlehnung sind auch 
Dickbein und Bocksbeutel entstanden. 

2. in einigen Wörtern mit ableitendem -er, -eZ-, -ew: 

Vor -er in Blatter, mhd. bldtere; Futter, mhd. vuoter; Natter, ahd. 
nätara (aber g. nadrs M.); Mutter, mhd. muoter (bes. auffallend 
neben Väter, mhd. väter); Mutter-krebs eig. 'Mauser-krebs' (Kluge 
Wb.); Jammer, mhd. jdmer; immer, nimmer, mhd. iemer, niemer, 
imer, nimer; Juchert oder Jauchert, mhd. jüchert; kollern, kullern 
(md. ndd.) aus ndd. küle Kugel. — Vor -el in Bussel, mhd. rile^el; 
bosseln Kegel schieben zu mhd. bö^en ; auch in Troddel (vgl. § 228) 
und Lümmel (Kluge Wb.) ; — Vor -en in Wappen, Waffe aus u:äpen, 



312 Verkürzung langer Vocale. [§ 252. 

wäfen\ Linnen = ltntn, nd. Form für bd. Leinen. Also fast überall 
vor schweren Consonanten. 

3. Schwache Betonung erklärt die Verkürzung in Ambossy 
mhd. anehös und in gen, mhd. gegen^ gein\ auch in den Hülfszeit- 
Wörtern hat^ hatte^ hätte*, müssen, musste; lassen (PBb. 9, 132. Gr. 
1«, 526). 

4. Ohne besondere begünstigende Umstände haben ver- 
kürzten Vocal angenommen: Genosse, mhd. genö^e; Schach, mhd. 
schäch; Rache, mhd. räcJie, vgl. rechen rächen; vielleicht auch Mttcke 
Laune, mhd. muoche (s. Kluge Wb.); vgl. auch Kruppe, Kuppel, 
Pappel, Puppe, Truppe in § 244 A. 2. — In Rettich, mhd. retich 
und rcßtich, 1. rädix war der Vocal vermutlich unter Einfluss der 
Tonlosigkeit verkürzt {rädicem wie sölärium, ahd. söläri), — Schwan- 
kende Quantität hat genüg, mhd. genuoc; Flöss, mhd. vlöz', Schlössen, 
mhd. slöz Hagelkorn; Räss, rüssig, mhd. rtioz. Ursprünglich ver- 
schiedene Bildung ist vielleicht für tummeln und taumeln (ahd. 
tümön, tümalön) anzunehmen, ebenso für nhd. brüllen neben mhd. 
brüelen (Franck Wb.). 

Anm. Sehr aufTallend werden bei N. die langen Vocale vor 
inl. h verkürzt^ auch die Diphth. ie und uo zu i und u. Br. § 154 
A. 7a. Ähnliches bei Neidhart; s. Haupt zu 54, 19. Kögels Erklä- 
rung (PBb. 9, 541 A.) befriedigt nicht. 



ie Yocale in den unbetonten Silben. 



Erstes Kapitel. 

263. So lange der Accent an keine bestimmte Stelle 
gebunden war, mussten sieb die Vocale in allen Silben des 
Wortes in gleicher Weise entwickeln. Nachdem er aber im 
Germanischen auf den Stammsilben festgelegt war, ergaben 
sich für diese einerseits und die betonten Vor- und Endsilben 
anderseits ganz verschiedene Bedingungen. Die Lautgesetze, 
nach denen in jenen die Vocale sich wandeln, gelten nicht für 
diese; die unbetonten Silben traten in den Hintergrund des 
Sprachbewusstseins, die Rede glitt schneller über sie hin, die 
unvollkommen und flüchtig articulierten Laute gewannen eine 
andere Form, wurden allmählich verkürzt, oft ganz unter- 
drückt. 

254. Wir betrachten zunächst qualitative Eigentüm- 
lichkeiten, die an und für sich auf eine Reduction der unbe- 
tonten Vocale nicht hinweisen. 

1. In weiterem Umfang und früher als in den betonten 
Silben ist idg. e in unbetonten in i übergegangen^). Nicht 
nur wo eine Silbe mit idg. i folgte, hat sich % entwickelt, 
2. B. 2. 3. P. Sg. ahd. Wm, hirit (idg. -esi, -eti), sondern 
auch sonst aus freiwilliger Neigung. Die weiteste Verbreitung 
des i in Ableitungssilben ist zum Teil dadurch veranlasst; auf idg. 
'itä beruht in vielen Substantiven die Endung ahd. -ida (II § 258), 
anf idg. -es die Endung -ia der «-Stämme (II § 251). Dieselbe En- 
dung galt auch im G. Sg. und im N. PI. der consonantischen Stämme 



1) Streitberg S. 53 f. Noreen S. 13 f. Bremer, ZfdPh. 21, 
249 f. Jellinek, Beiträge S. 42 f. van Helten, PBb. 17, 567 f. 



314 Qualität der unbetonten Vocale. [§ 254. 

und beförderte ihren Anschluss an die t-Declination, z. B. gr. 6ijp€^, 
ahd. turi (Kluge, Grdr. § 28, 5. § 24 S. 354). Freilich ist es schwer 
den Verlauf und Umfang der Bewegung festzustellen. 
Insbesondere ist zu bezweifeln, ob ein auslautendes e diesen 
Übergang mitmachte und nicht vielmehr vorher geschwunden 
war. Es liegt zwar nahe, in Formen wie mih (vgl. gr. i^^T«) und 
den Imperativen gib, niniy die ursprünglich auf e ausgingen, den 
Vocal der Stammsilbe aus einem i der Endung zu erklären, aber 
abgesehen von anderem, man sollte dann erwarten, dass diese En- 
dung wenigstens hier und da erhalten wäre, denn auslautendes i 
nach kurzer Stammsilbe fällt im Westgermanischen im allgemeinen 
nicht ab. Man erklärt also das i in mih aus dem geringen Ton 
des Wortes, das i der Imperative durch Anlehnung an den Singu- 
lar des Ind. — Auffallend ist femer die durchgehende Endung -es 
im G. Sg. der a-Stämme (idg. -eso); sodann gewisse Doppelformen, 
die im Ahd. begegnen, neben 2. P. PI. b¥ret (idg. -ete) auf be- 
schränktem Gebiete birit (Br. § 308 A. 1), neben G. D. Sgl. namen 
(idg. G. -enes oder -enoSj D. -eni) nemin (Br. § 221 A, 2); Erklä- 
rungsversuche bei Streitberg S. 54 f. 321. — Verhindert wird der 
spontane Übergang von e zu i durch ein folgendes r; im Got. 
scheint sogar unbetontes -er lautgesetzlich zu -ar zu werden 
(Paul, IF. 4, 334. Hirt, IF. 6, 75 A. 2; ablehnend Noreen 
S. 24 A. 7). 

2. Das unbetonte idg. o geht im allgemeinen wie das 
betonte in a ttber^); z. B. 3. P. PI. g. bairand, ahd. berant 
(idg. -onti)\ Part. Präs. g. bairand^, ahd. bäranti (idg. -o»f-); 
Inf. g. itan, ahd. e^^an (idg. -ono-). Aber der Übergang er- 
folgt später-, in der Compositionsfuge gilt zwar im Got. und 
Ahd. rt, aber die von den klassischen Schriftstellern tiber- 
lieferten Namen haben noch o, z. B. Chario-walduSy Lango- 
bardi (§ 318 Anm.). — Vor einem erhaltenen m scheint o 
nur im Gotischen zu a geworden zu sein; in den andern germ» 
Sprachen behauptete sich zunächst o, das dann weiter za 

hd. u wurde; D. PI. g. dagam : ahd. fagum. [In demselben 
Verhältnis stehen aber auch im A, Sg., N. A. Fl. g. hanan, ha- 
nans : ahd. hanon, hanun'^ eine sichere Erklärung fehlt. Kluge, 
Grdr. § 24. S. 354 f. § 30, 2. § 31 b. Noreen S. 17 Anm. Streitberg 
S. 254. 256.] 



1) Streitberg S. 46. Noreen S. 17. 



§ 254.] QualitAt der unbetonten Vocale. 315 

3. Idg. d scheint in nichthaupttoniger Silbe in u ttber- 

zugehen, während es in betonter zu a wurde*). So erklärt 
man namentlich ahd. -zug in Zahlwörtern wie zweimug, drizug etc. 
neben g. tigjuSy indem man u = 9 als andere Ablautstufe zu i = 
idg. e ansieht. Ebenso das u, das in einigen Suffixen neben i vor- 
kommt; z. B. g. sigis Sieg : ahd. sigu; ahd. anut Ente : enit, kra- 
nuh Kranich : kranich, 

4. Wie in betonten Silben die langen Vocale vor Sonor- 
laut + Consonant verkürzt werden (§ 248), so auch in den 
unbetonten*). Aber während e in betonter Silbe zu e wird, 
tritt in unbetonter a dafür ein. In den Formen des sw. V. 3 ist 
die regelmässige Lautentwickelung durch Formübertragung zer- 
stört; erhalten ist sie in dem participialen Substantivum g. fijandSy 
ahd. viant Feind. — Im Auslaut zeigt sich dieselbe Entwicke- 
lung vor r, |, y, nur im Gotischen; im Hochdeutschen gilt in 
den entsprechenden Formen ein e, das vor i, u zu i wird; 
g. fadar (gr. Traxfip) : ahd. fater] D. Sg. g. anstai (urspr. -ei)-. 
ahd. ensti\ g. aunau (urspr. eti) : ahd. suniu. 

5. Unter denselben Bedinguugen wie e wird gerni. ö 
verkürzt, nimmt aber in den unbetonten Silben dieselbe Form 
an wie in den betonten, also a. In den sw. V. 2 hat System- 
zwang die Entwickelung aufgehoben; ebenso in dem participialen 
Subst. g. frijönds Freund zu frijön lieben. Auffallend ist in ahd. 
friunt ö zu u verkürzt. 

Anm. Der öfters unternommene Nachweis, dass idg. ö und d, 
die in den Stammsilben zusammengefallen sind (§ 172), in den En- 
dungen zum Teil gesondert erhalten seien, hat zu keinem wahr- 
scheinlichen Resultat geführt (Noreen S. 11. Hirt, IF. 6, 51 f.). Ebenso 
nicht die Versuche, den allerdings sehr auffallenden Umstand, dass 
in Formen, die im Flexionssystem dieselbe Stelle einnehmen, dem 
got. hellen i ein ahd. dumpfes o oder u entspricht, durch lautge- 
s(*>tzliche Entwickelang zu erklären; vgl. g. dagi^ gasti, hanani^ 
Pizi :&hd. tago, gestio, hanönOy dero (§261,2); g, Pamma (aus 
*pammtj : ahd. d^mu, d^mo (§ 260, 1); g. hana (aus '^hani) : ahd. 
?iano (§ 260, 3); g. nasidis : ahd. neritös (s. Streitberg S. 336). 



1) Sievers, PBb. 16, 235 f. Streitberg S. 47; ablehnend Noreen 
S. 10. Hirt, Accent S. 50. 

2) Streitberg S. 71 f. 



^IG Die Auslaut^esetze der vorhistorischen Zeit. [§ 255. 

Flexlonsstlben. 

Die Auslautgesetze der vorhistorischen Zeit. 

255. 1. Der Verlauf der Reduction und Unterdrückung^ 
welcher die Vocale der unbetonten Silben unterliegen, hängt 
wesentlich von der Stellung ab, die sie zur betonten Stamm- 
silbe einnehmen, also davon ob sie Vorsilben oder Endsilben 
oder Mittelsilben sind. Doch wird die durch die Stellung be- 
dingte Lautentwickelung durch die Bedeutung beeinträchtigt, 
indem die Ableitungssilben, welche in den flectierten Formen 
eines Wortes als Mittel-, in den unflectierten als Endsilben 
stehen, immer derselben Form zustreben. Ich teile daher diese 
unbetonten Silben in Vorsilben, Ableitungs- und Flexionssilben 
und beginne mit den Flexionen, in denen alle germanischen 
Sprachen schon zu der Zeit, da sie in die Litteratur eintraten, 
mehr oder weniger starke Einbusse erlitten hatten. 

2. Den Anfang zu einer wissenschaftlichen Behandlung 
machte R. Westphal mit einer Abhandlung in KZ. 2, 161 f. 
Geraume Zeit später erwarb sich Seh er er, GdSpr. ^ 99 f. 
«200—210. 605) das Verdienst, den Blick llber das Gotische, 
auf das Westphal sich wesentlich beschränkt hatte, auf die 
andern Mundarten zu lenken. Nach ihm haben dann noch 
viele andere ihre Kraft an der schwierigen Aufgabe versucht: 
Sievers, Paul, Mahlow, Collitz, Jellinek, van Helten, Streit- 
berg, Hirt u. a. ^). Aber trotz der Aufschlüsse, die Fleiss und 
Scharfsinn im Laufe der Zeit gefunden haben, bleibt doch 
manches zweifelhaft und dunkel. Mag es auch gelungen sein, 
für die meisten einzelnen Formen Erklärungen zu finden, die 
wahrscheinlich genug sind: der Glaube, den man willig dem 
Einzelnen entgegenbringt, wird erschüttert, wenn man das 
Ganze betrachtet. Denn öfter als es die grosse Übereinstim- 
mung, die das Flexionssystem in allen germanischen Sprachen 



1) Eine krltiHche Übersicht der bis zum Jahre 1890 vorge- 
tragenen Meinungen giebt Jellinek, Beiträge zur Erklärung der 
germanischen Flexion (1891); vgl. die Litteraturangaben bei Braune, 
ahd. Gr. § 54 Anm.; Kluge, Grdr. § 27 f.; Streitberg S. 180. 



§ 256.] Auslautgesetze. Endsilben mit kurzem Vocal. 317 

zeigt, erwarten und glaubhaft erscheinen lässt, sieht man sich 
gezwungen, für die einzelnen Sprachen ganz verschiedene 
Formen oder lautliche Unterschiede anzuerkennen, die in die 
idg. Zeit zurückreichen müssten (vgl. IF. 6, 77). 

Endsilben mit kurzem Vocal. 

256. 1. Endsilben mit kurzen Vocalen waren der Ver- 
kümmerung am meisten ausgesetzt^). Doch sind nicht alle 
Vocale gleich schwach; i und u, die vocalischeu Extreme, er- 
weisen sich durch ihre charakteristische Articulation wider- 
standsfähiger als a und e. Ein gedeckter Vocal ferner 
schwindet weniger leicht, als einer der im absoluten Auslaut 
steht, und drittens übt die Beschaffenheit der vorangehenden 
Silbe Einfiuss. Unverkennbar neigt die Sprache mehr dazu 
nach betonter langer und nach unbetonter Silbe den Vocal zu 
unterdrücken als nach kurzer betonter Silbe; zweifeln kann 
man nur, ob diese Neigung schon bestand, als die Unter- 
drückung der Endsilben begann und ob sie das ganze Sprach- 
gebiet beherrschte. Jedenfalls hat Systemzwang die freie 
Entfaltung der Neigung stark beeinträchtigt, im Gotischen 
lässt sie sich in den Endsilben mit Sicherheit gar nicht nach- 
weisen, im Ahd. tritt sie wenig hervor, besser in andern ger- 
manischen Sprachen, besonders im Ags. 

2. Für das Gotische kann man im allgemeinen fol- 
gende Regel aufstellen: Alle kurzen Vocale ausser u, die ur- 
sprünglich im Auslaut standen oder durch das consonantische 
Auslautgesetz in den Auslaut gekommen (§ 148) oder nur 
durch 8 gedeckt waren, sind unterdrückt. — Im Auslaut haben 
z. B. germ. a (idg. o) fallen lassen: N. A. Sg. g. juk (urspr. -om): 
1. jugumy gr. Jutöv; A. Sg. g. wulf (urspr. -om) : l. lupum, gr. Xi'ikov. 

— germ. a (idg. a). 1. 2. P. Sg. Peiif. g. uait, waist : gr. oiba, olaBa. 

— Idg. e (germ. c, i) : Voc. Sg. g. wulf: gr. XOkc, 1. itfpe; g. fimf: 
1. quinque; g. mik : gr. i\iiyt\ 2. Sg. Imp. g. bair : gr. <p^p€; 3. P. Sg. 
Perf. g. wait : gr. oiöc; 2. P. PL g. bairip, birup (urspr. -<c); 1. P. PI. 
g. bairam, birum (urspr. -men), — Idg. i. A. Sg. g. gast (urspr 
-m); 2. 3. P. Sg. Präs. g. bairis, bairip (urspr. -c»i, -ert); 3. P. PI. 
Präs. g. bair and (urspr. -onti). — Auch «, das sich leiclit mit den 



1) Streitberg S. 170 f. 



318 Auslautgesetze. Endsilben mit kurzem Vocal. [§ 257. 

vorhergehenden Lauten zur Silbeneinheit verbindet, hat die Syn- 
kope nicht verhindert; idg. o ist unterdrückt im N. Sg. der a-Stämme; 
g. wnlfs : gr. XÖKoq, idg. i im N. Sg. der i- Stämme, g. gasts : 1. 
hostiSj idg. e im N. PI. g. gumans (urspr. -ones, vgl. gr. t^ktovcO. 
Dagegen andere Consonanten hindern die Synkope: A. PI. g. ivul- 
fanSf gastins ; und w behauptet sich fast stets, so im N. A. Sg. der 
M-Stämme g. suntis, sunUf faihu^ in der 3. P.* PI. Perf. g. hh^n 
(urspr. -^t). 

Anm. Erhalten ist die Endung -is in einem Teil der neutralen 
«-Stämme (II § 252) und der Comparativadverbia (II S. 606 f.). Bei 
jenen mag es sich aus dem Einfluss der flectierten Formen erklären, 
bei diesen aus dem Einfluss der adjecti vischen Comparative. Be- 
achtenswert aber ist, dass in den Adverbien die synkopierte Form 
nur bei einigen isolierten langstämmigen auftritt. — u behauptet 
sich bei den Wörtern, die der u-Declination folgen, auch nach langer 
Stammsilbe; z. B. daupus Tod, paurnus Dorn; aber einige haben 
es fallen lassen und sich in Folge dessen anderen Declinationen an- 
geschlossen ; vgl. g. tagr N. : gr. 6dKpu, g. süts süss : gr. V|60^. — 
Auch m, die Accusativendung consonantischer Stämme sollte als u 
erscheinen, ist aber in der Regel abgefallen; erhalten hat sie sich 
nur in solchen Wörtern, die sich überhaupt der M-Declination an- 
geschlossen haben ; z. B. fötiLs^ tiinpus, Streitberg S. 204 f. 

257. In allen Beispielen, die aus dem Gotischen für 
die Unterdrückung des auslautenden Vocales angeführt sind, 
fehlt er auch im Ahd.: Joä, wolf, wei^, weistf flmf, mih, bir, beret, 
bänit, bdrum, gast, biins, birif, b^rant. Aber andere weichen ab 
und lassen deutlich den Einfluss der Quantität der Stammsilbe 
erkennen. Für die w-Stämme kann man geradezu die Regel 
aufstellen, dass u nach langer Stammsilbe abgefallen, nach 
kurzer erhalten ist; vgl. g. -ßödusx^h^. fluot; g. skildusi&hd. 
scild; aber g. faihu : ahd. fihUj g. ßu : ahd. filu; nur wenige kurz- 
silbige haben schon im Ahd. den Vocal abgelegt (Flex.). In den 

i-Stämmen pflegt zwar i auch nach kurzer Stammsilbe zu 
fehlen, wie im Gotischen; jedoch in einzelnen ist es erhalten, 
z. B. 6aÄ, slag^ scrit, zug, aber kumi Ankunft (g. qums)j quiti Aus- 
spruch, wini Freund u. e. a. (Br. § 217. 220. 214 A. 1). Über die 
Unterdrückung von i und u im zweiten Compositionsgliede {Fridu- 
win : tvini, Sigi-frid : fridu) s. Kluge, Grdr. S. 365 f. — Beispiele 
für die Unterdrückung eines Vocales vor 6 müssen im Ahd. fehlen, 
da ausl. s im Westgermanischen abfällt; das gedeckte u in der 
3. P. PI. bdrun steht durchaus fest. 

Anm. 1. Auffallend ist, dass in einigen Partikeln ein Ursprung- 



§ 258.] Auslaut^esetze. Endsilben mit langem Vocal. 319 

lieh auslautender Vocal erhalten ist; g. ahd. ana : gr. dvd; ahd. aba 
(?• of):gr. dirö; ahd. oba (g. uf):gr. (iirö (vgl. II § 470, 1). Zu 
einer übereinstimmenden Erklärung ist man noch nicht gekommen; 
s. Kluge Grdr. § 28, 3. Jellinek S. 15. 39—41. Collitz BB. 17, 17 
und die dort angegebene Litteratur. 

Anm. 2. Es ist nicht anzunehmen, dass die verschiedenen 
Vocale gleichzeitig und unter allen Bedingungen beseitigt wurden. 
Die Ansicht, das u später schwand als i, suchte van Helten (PBb, 
15, 456 f.) zu begründen; ebenso Streitberg S. 177. Jellinek S. 51. 
58, 106 erklärte sich dagegen und nahm nur für Wörter der Form 
-ww eine frühere Apokope in Anspruch. Zuerst wurden vermutlich 
a und e aufgegeben, denn dieser Schwund hat die weiteste Ver- 
breitung gefunden. Doch reicht selbst das a noch in die germani- 
schen Einzelsprachen hinein. Runeninschriften zeigen es im Nom. 
und Acc. von a-Stämmen, also in Formen, wo dem Vocal ein Con- 
sonant folgte oder ursprünglich gefolgt war. Noreen S. 171. Kluge 
Grdr. § 27, 2; vgl. unten § 262, 2. — Die Frage, In welchem Ver- 
hältnis die Auslautgesetze zu der Synkope der Mittel vocale stehen 
(Sievers, Jellinek S. 27), lasse ich unerörtert; vgl. § 310 A. 

Anm. 3. Was den Einfluss der Stammsilbe auf die Apokope 
betrifrt, so hatte man zunächst für das Westgermanische als Laut- 
gesetz aufgestellt, dass die Vocale nach betonten langen und nach 
unbetonten Silben geschwunden, nach betonten kurzen erhalten 
seien; nur darüber waren die Ansichten geteilt, ob dem Gesetze 
alle Vocale unterworfen waren (Paul, PBb. 6, 144. Brgm. I § 635) 
oder nur i und u (Sievers, Kluge Grdr. I S. 366, Jellinek S, 41. 45). 
Hirt (IF. I, 215 f.) unternahm den Nachweis, dass auch im Gotischen 
das Gesetz für i und u gegolten habe (vgl. auch van Helten PBb. 
15, 455 f., Streitberg, zur Sprachgeschichte S. 27). Die verschie- 
dene Behandlung der i-und u-Stämme im Gotischen müsste also 
das Resultat eines nach verschiedenen Richtungen vollzogenen Aus- 
gleichs sein. — Dass auf a und e der Endsilben die Quantität der 
Stammsilbe Einfluss geübt habe, lässt sich nicht nachweisen (s. Streit- 
berg S. 172). Also entweder hatte der Unterschied zu der Zeit, da 
a und e schwanden, für die Sprache überhaupt keine Bedeutung, 
oder — und das ist wahrscheinlicher — er kam für a und e nicht 
in Betracht. Die Neigung die unbetonten Endsilben fallen zu lassen 
galt allgemein, nur war sie nach kurzen Stammsilben geringer und 
diese geringere Neigung reichte nur aus, die schwächsten Vocale 
zu beseitigen. 

Endsilben mit langem Vocal. 

258. 1. Lange Vocale, die ursprünglich im Auslaut 
unbetonter Endsilben standen oder durch das consonantische 



320 Aaslautgesetze. Endsilben mit langem Vocal. [§ 258. 

Äuslautgesetz in den Auslaut gekommen waren, sind im Go- 
tischen teils als Längen erhalten, teils verkürzt. In den ent- 
sprechenden hochdeutschen Formen gilt fast allgemein kurzer 
Vocal, in einigen ist der Vocal abgefallen. — Bis vor kurzem 
pflegte man die im Gotischen hervortretende Verschiedenheit 
durch die Annahme zu erklären, dass lange Vocale im abso- 
luten Auslaut verkürzt, dagegen die, welche ursprünglich durch 
einen folgenden Gonsonanten gedeckt waren, erhalten seien. 
Besonders zweifelte man nicht, dass ein Nasal diese Wirkung^ 
gehabt hätte, wie denn in der That auf die meisten langen 
Vocale ursprünglich ein Nasal gefolgt war. Jedoch blieben 
Ausnahmen, die sich nur durch sehr gewagte^ zum Teil höchst 
unwahrscheinliche Annahmen erklären Hessen, besonders auch 
durch die Annahme unerwiesener Sandhiformen, d. h. von 
Formen, die je nach ihrer Stellung schon im Idg. einen ur- 
sprünglich auslautenden Gonsonanten behielten oder ablegten 
(Streitberg S. 181 f.). 

Anm. Durch problematische Sandhiformen hat man (Collitz 
S. 33 f.) namentlich das Verhältnis von g. gibai, pizai : ahd. g¥bUy 
d^ru und von ahd. tage : g. daga zu erklären versucht (s. § 261, 4. 
§ 260, 4). 

2. Eine befriedigendere Erklärung scheint sich auf einem 
anderen Wege gewinnen zu lassen. Schon Scherer hatte, um 
gewisse Erscheinungen in der Geschichte der Endsilben zu 
erklären, die Beobachtung A. Kuhns benutzt, dass in den 
Veden manche Silben mit langem Vocal zweisilbig gebraucht 
werden. Später erkannte man den Zusammenhang dieser 
*Zerdehnung' mit der Accentuationsweise und nachdem Hausen 
(KZ. 27, 612 f.) den ersten Versuch gemacht hatte, hat Hirt 
(IF. I) in eingehender Darlegung die germanischen Auslaut- 
gesetze wesentlich auf die Verschiedenheit der Accentuations- 
weise zu gründen und gegen Zweifel und Einwände *) zu ver- 
teidigen gesucht (IF. 6, 47 f.). Die Verfolgung dieser Theorie 
hat zu der Annahme geführt, dass der gotischen Unterschei- 
dung von kurzen und langen Endsilben eine vorgermanische 
von langen und überlangen Silben, die zugleich mit einer 



1) Jellinek. ZföG. 1893 S. 1092 f. ZfdA. 39, 125 ff. 



§ 259.] Auslautgesetze. Urspr. Länge = got. Kürze. 321 

Verschiedenheit des Acceutes verbunden war, entsprach. Die 
langen Silben hatten zwei Moren nnd gestossenen Accent, die 

überlangen drei Moren und schleifenden Ton. Diese schleifend 
betonten, überlangen Silben aber hatten sich schon in vorgerma- 
nischer Zeit ergeben, teils dadurch, dass ein vocalisch auslautender 
Stamm mit einem vocalischen Suffix contrahicrt wurde, z. B. im D. 
Sg. der d-Stämme durch Contraction von ä -f ai zu -äi; teils durch 
den Schwund einer kurzen Endsilbe nach langer Pänultima, z. B. 
im G. Sg. der ä-Stämme: äs aus ä-so; teils auch durch den Schwund 
eines ausl. Consonanten, z. B. -Ö aus -ör und -ön (s. Hirt, Accent 
S. lOOf. Streitberg S. 161 f). Die verschiedene Quantität der 
gotischen Auslaute wird durch diese Theorie im Ganzen be- 
friedigend erklärt ; doch führt auch sie auf gefahrliche Klippen 
und schwierig bleibt nach wie vor das Verhältnis der ein- 
zelnen germanischen Sprachen zu einander (vgl. § 255). Ich 
gehe in der Darlegung des Stoffes von den gotischen Formen 
aus, und stelle ihnen aus dem Ahd. jedesmal die gegenüber, 
die ihnen im Flexionssystem entsprechen; mögen sie mit ihnen 
identisch sein oder nicht. 

259. Als kurze Vocale, die aus ursprünglicher Länge her- 
vorgeheU; erscheinen im Gotischen a, i und vielleicht ein offenes 
durch au bezeichnetes o. — Für g. a ist aus dem Gotischen 
selbst verschiedener Ursprung zu erkennen. In manchen Formen 
beruht es auf älterem Ä; vgl. D. Sg. fvamma : hammi-h, ainamma : 
ainumm§-hun; in andern auf älterem 6 : vgl. A. Sg. ?veila : heüöhun, 
N. A. Sg. Fem. aina : ainö-hun^ A. Sg. Masc. Neutr. harjana, fvar- 
j(Ua : harjanöh, fvarjatöh, — germ. € ist idg. g, germ. 6 idg. ö oder 
ä; eine vierte Quelle des auslautenden a ist idg. ai\ vgl. g. bairaza, 
bairada, bairanda : gr. «p^pcaat, (p^pcrat, «p^povxai. — ^, i ist idg. f 
in N. Sg. der je-Stämme g. bandi und in der 3. P. Sg. Opt. Perf. g. 
bäri\ beidemal ist f die Schwundstufe des Sufßxes i'e. — Offenes 
kurzes o aus ön (idg. öm und am) vermutet Hirt (IF. 6, 59 f.) in 
den rätselhaften gotischen Verbalformen auf au : bairau (vgl. 1. 
feram\ bairadau, bairandau^ bairaidau, bairaizau, bairaindau. 
Doch ist diese Vermutung sehr zweifelhaft; was ihr am meisten zur 
Empfehlung gereicht, ist die Verlegenheit, in der man sich diesen 
Formen gegenüber befindet. Wenn sie das Richtige trifft, müsste 
man annehmen, dass in andern Formen, in denen g. a einem idg. 
•dm entspricht (namentlich im A. Sg. giba^ vermutlich auch in der 
1 Sg. nasida) Formübertragiingen stattgefimden haben. 

Im Ahd. entbehren einige der entsprechenden Formen 

W. Wilmanns, Deutsche Grammatik I. 21 



322 Auslautgesetze. Urspr. Länge = got. Kürze. [§ 260. 

den ausl. Vocal überhaupt; in denen, welche ihn bewahrt 
haben, entspricht dem got. i ein i, dem got. a aber verschie- 
dene Lante: u, a, e, o. Diese Mannigfaltigkeit muss daher 
stammen, dass im Hochdeutschen Unterschiede der altem 
Sprache, die das Gotische nicht erkennen lässt, bewahrt sind, 
oder dass die Formen beider Sprachen, obwohl sie die gleiche 
Bedeutung haben, doch nicht identisch sind. Als gesetz- 
massiger Vertreter von g. a = germ. ö (idg. ö, a) ist ahd. u, 
als Vertreter von g. a = germ. ö**, ö, 6^ vermutlich ahd. a 
anzusehen ; ö erscheint also im Hd. als a oder u, je nachdem 
ein Nasal folgte oder nicht. Wo ahd. u einem g. a = germ. ^ 
entspricht, und wo hd. o und e einem g. a gegenüberstehen, 
scheint ein regelmässiges Verhältnis nicht stattzufinden; über- 
haupt lassen sich ahd. o, e auf einfache Länge mit gestossenem 
Accent nicht zurückführen. 

260. Es kommen namentlich folgende Formen in Be- 
tracht : 

1. g. a : ahd. u. In regelmässigem Verhältnis stehen die beiden 
Laute, wo idg. ö zu Grunde liegt, 1. Sg. g. baira : ahd. biru (vgl. 
gr. (p^puj); oder idg. ö, N. Sg. g. giba : ahd. ^g&m; N. A. PL g. 
juka: ahd. *johhu, [Im Substantivum hat das Ahd. die £ndung u 
im allgemeinen nicht bewahrt; im Fem. ist der Nom. durch den 
Acc. g^ba ersetzt, im Neutrum findet sich u nur auf beschränktem 
Gebiet bei den ja-Stämmen (z. B. kunniu), gewöhnlich ist die En- 
dung ganz abgefallen; allgemeine Geltung behauptet sie in der 
pronominalen Declination: diu, siu, blintiu, im Ags. auch bei den 
kurzsilbigen Substantiven giefu, geocu]. — Als ein regelmässiges 
Paar erscheinen auch der got. D. Sg. daga und der ahd. Instr. Sg. 
tagu'^ beide kann man als einen alten Instr. auf idg. ö ansehen. 
Doch könnte dem got. -a auch idg. -e zu Grunde liegen (vgl. die 
got. Instr. p^, ?vä)y so dass Got. und Ahd. zwar dieselbe Endung 
aber auf verschiedener Ablautstufe hätten (Streitberg S. 228). — 
Zweifelhaft ist das Verhältnis von g. Pamma : ahd. dämu, g. blin- 
damma : ahd. blintemu. Am nächsten liegt es ohne Zweifel die Bil- 
dungen für Ablative (Bremer PBb. 11, 36 u. a.) oder Dative (CoUitz 
BB. 17, 34) zu halten (vgl. ai. Abi. tdsmäd, Dat. tdsmäi), dann aber 
sollte man schleifende Betonung und im Got. langen Vocal erwarten 
(Hirt a. 0., IF. 1, 223 f. Streitberg S. 228). Die Annahme Streitbergs 
(S. 269), dass beide Formen Instrumentale auf €f/ö sind wie g. daga^ 
ahd. tagu erscheint ziemlich haltlos, und unwahrscheinlich sind die 



^ 260.] Aaslautgesetze. Urspr. Länge = got. Kürze. 3*23 

Formübertragangen, die Hirt (IF. 6, 53. A. 2) zn Hilfe nimmt. Un- 
bedenklich ist es in ahd. d^mo^ blintemo^ die In einigen Denkmälern 
begegnen, welche u nicht zu o abschwächen, alte Ablative zu sehen 
(Jelliuek Beitr. S. 62 ff. AfdA. 17, 277. Streitberg S. 270. 183), denn 
Hd ergiebt im Hd. o, 

2. g. a : ahd. a. — N. und A. Sg. g. giba : ahd. g&>a; 1. 3. Sg. 
g. nasida : ahd. nerita. Als ursprüngliche Endung der 1. P. ist 
vermutlich -ö^ anzusetzen, als die der dritten -€f(/)). [Die Annahme 
von Collitz, dass die 1. P. auf idg. -ai zurückgehe, ist nicht wahr- 
scheinlich. Streitberg S. 336.]. Der Nom. giba setzt germ. ö, idg. 
4, der Acc. giba germ. ö«*, idg. am als ursprüngliche Endung vor- 
aus; der Acc. bandja aber vermutlich germ. j^w^ idg. i^m (IF. 6, 64). 
Die gotischen Formen sind, wenn man annimmt, dass der Nasal 
weder auf die Quantität noch auf die Qualität des Vocales Einfluss 
gehabt hat, alle lautgesetzlich entwickelt; andernfalls müsste die 
Form des Nom. giba auf den Acc, die Form des 3. Pers. nasida 
auf die erste übertragen sein; unerklärt bliebe der Acc. bandja 
neben dem Nom. bandi (IF. 1, 204). Im Ahd. müssen umgekehrt 
die Formen des Acc. und der 1. P. regelmässig entwickelt sein; 
der Nom. g^ba hat jedenfalls die Form des Acc. angenommen (vgl. 
Nr. 1), die 3. P. nerita möglicherweise die der ersten; jedoch steht 
auch der Annahme, dass g zu hd. a geworden sei, nichts im Wege. — 
Dasselbe Verhältnis g. a : ahd. a zeigen die Ortsadverbia auf -ana 
und einige andere Adverbia g. waila wohl, und die Präpositionen ana^ 
faura (II § 468, 1). Die Ortsadverbia gingen ursprünglich wohl 
auf 5 aus (Suflßx -ng, vgl. 1. supeme, infemS J. Schmidt KZ. 27, 
291; II § 463 A. 3; Streitberg S. 188); Collitz (BB. 17, 17) setzt 
m als ursprüngliche Endung, eine Annahme, die Streitberg S. 189 
wenigstens für g. faura (vgl. gr. irapaC-) billigt. 

3. g. a: ahd. o. N. Sg. g. hana : ahd. hano. Das g. a ist 
unter Rücksicht der an. Endung i auf. idg. -en zurückzuführen (vgl. 
gr. iroiMif|v); im Ahd. müsste a entsprechen. Für das hd. o nimmt 
man 5, die Sandhiform von idg. ön, als ursprüngliche Endung an, 
der im Got. d entstprechen würde (Streitberg S. 183). Also Got. 
und Ahd. setzen einen doppelten, im Idg. begründeten Unterschied 
voraus: Ablaut und Sandhi (vgl. zunga § 261, 1). — In einigen Ad- 
verbien, die ahd. o : g. a zeigen (II § 468, 1), könnte o unter dem 
Einfluss der gewöhnlichen Adjectivadverbia aufgekommen sein. — 
Über g. pamma : ahd. dt'mo s. Nr. 1. 

4. g. a: ahd. e. D. Sg. g. daga : ahd. tage. Wenn g. daga 
ein Instrumental ist (Nr. 1), hat hd. tage nichts damit zu thun, denn 
dieses ist jedenfalls ein alter Dativ auf idg. öi, dem im Got. ai 
entsprechen müsste. Durch die Annahme einer Sandhiform von 
^t hat man auch g. daga als Dativ zu erklären gesucht (Collitz 



324 Auslautgesetze. Urspr. Länge = got. Länge. [§261. 

BB. 17, 16); aber dann sollte man schleifende Betonung und im: 
Got. langen Vocal erwarten (Hirt IF. 1, 223 f. Streitberg S. 228). 
Anderseits ist> wenn g. daga und ahd. tage grundverschiedene 
Formen sind, sehr auffallend, dass mehrere Ortsadverbia genau in 
demselben Verhältnis stehen (II § 468, 2). 

5. Mehrere Formen, die im Got. auf a ausgehen, entbehren 
im Ahd. den vocalischen Auslaut überhaupt: Formen des Optativs, 
wie g. bairaima^ ftatrama : ahd. Mritn, här€n; Formen der pro- 
nominalen Declination g. ßata, blindata : ahd. eZaj, hlinda^, g. 
ßana, blindana : ahd. {f^n, blintan. Gewöhnlich der N. A. PI. Neutr. 
(vgl. Nr. 1) 5 zuweilen der N. Sg. der weiblichen Ö-Stämme, besonder» 
in Wörtern auf -unga (Br. § 207 A. 2.); auch einige Adverbia 
(II § 468, 1). 

6. g. i : ahd. i. 3. P. Sg. Opt. g. b€ri (urspr. -f^; i Schwund- 
stufe des Optativsuffixes ie) : ahd. bäri^ ebenso g. wili er will : ahd. 
tvili; sehr auffallend und unerklärt ist, woher der Opt. Prät. der 
sehwachen Verba im Alemannischen und im Isidor t haben (Brg. 
§ 322). — Ebenso vertritt g. i die Schwundstufe des SufiSxes jfe, im 
N. Sg. der je-Stämme, g. bandi F. Fessel. Diese Form wird im. 
Ahd. wie bei den Ö-Stämmen in der Regel durch den Acc. vertreten;, 
manche Wörter haben die Endung ganz fallen lassen : ahd. diu 
Magd (g. piwi), die movierten Feminina auf -in und zusammenge- 
setzte Eigennamen wie Bruni-hiU, Hilti-gund (Br. § 210 A. 4. 5.). 

26L Lange auslautende Vocale sind im Gotischen häufig; 
es begegnen 6, i, ei, aiy au; ob ai und au noch Diphthonge 
waren, lässt sich nicht sicher behaupten; Hirt leugnet es 
(IF. 6, 75). Oft war den langen Vocalen ursprünglich noch 
ein Consonant gefolgt-, für die meisten lässt sich dnrch die 
Vergleichung verwandter Sprachen schleifende Betonung nach> 
weisen, ai und au ergaben sich in einigen durch die Ver- 
kürzung eines langen Vocals vor Sonorlaut (§ 254, 4). — 
Im Ahd. entsprechen den gotischen langen Vocalen kurze und 
zwar g. ö : ahd. o, g. e: ahd. a, g. ei : ahd. i, dem g. ai und au 
aber je nach dem Ursprung des Lautes ahd. e, o oder i, iu. 
Wo sich andere Paare finden, scheinen die beiden Sprachen 
verschiedene Grundformen vorauszusetzen. 

1, g. ö : ahd. o. Gen. PI. g.pizöy tuggönö : ahd. d^ro, zungöno» 
'6m war schon im Idg. allgemeine Genitivendung, nicht nur für 
die vocalischen, sondern auch für die consonantischen Stämme (vgl. 
Nr. 2). — Adjectivadverbia g. gcUeikö : ahd. gilicho^ vermutlich Ab- 
lative auf urgerm. ö(d) (II S. 599); ebenso die Ortsadverbia auf g. 



^ 261.] Auslautgesetze. Urspr. Länge = got. Länge. 325 

-pro, die im Hochdeutschen fehlen (IF. 6, 68 f.). — 2. Sg. Inip., 
3. Sg. Opt. g. sälbö : ahd. aalbo. In allen diesen Formen beruht 6 
auf Contraction. — Unregelmässig g. <9 : ahd. a. N. Sg. g. tuggöi 
Ahd. zunga. Das a in ahd. zunga beruht auf idg. -ön (vgl. gr. 
•diiöUiv, § 260, 3), das g. ö führt man auf die Sandhiform Ö zurück 
(schleifende Betonung wegen Schwund des Nasals. Streitberg S. 183). 
In demselben Verhältnis g. hairtö : ahd. härza (s. Hirt IF. 6, 71 f. 
Streitberg S. 189 f.). 

2. g. ^ : ahd. a. Adverbia auf i g. pand€ : ahd. danta^ icanta ; 
ebenso g. simli, unti und die Ortsadverbia auf -dri (II § 4()8, 1), zu 
denen entsprechende Bildungen im Hochdeutschen fehlen. Streit- 
berg S. 183 f. vermutet in diesen Adverbien alte Instrumentale und 
«rklärt den schleifenden Ton durch den idg. Verlust eines ursprüng- 
lich auslautenden -m (vgl. IF. 6, 69). — Unregelmässig G. PI. g. 
dagi, gasUy ansti^ hanarii, piz€ : ahd. tago, gesteo, ensteOj hanono, 
dero. Die gotischen Formen auf € sind rätselhaft, da keine ger- 
manische und keine verwandte Sprache im G. PI. neben dem all- 
gemein gültigen öm auf ein ableitendes im hinweist. Eine Erklärung 
versucht van Helten, PBb. 17, 570. Hirt, IF. 6, 52; anders Jellinek, 
ZfdA. 39, 136 f. 

3. g. ei : ahd. i. 2. Sg. Imp. g. nasei : ahd. neri, — Abweichend 
N. Sg. g. managei (Stamm managein-) : ahd. menigt; In ist Schwund- 
.«itufe zu iöfij der lange Vocal im Nom. erklärt sich im Got. wie in 
tuggöj im Ahd. durch den Einfluss der übrigen Casus (s. Flex.). 

4. g. ai : ahd. e, 3. Sg. Opt. Präs. g. bairai : ahd. &ere; g. -ai 
aus idg. -olt, Contractionsproduct aus Themavocal o und der Schwund- 
stufe des OptativsuflSxes l. — 2. Sg. Imp. g. habai : ahd. habe, — 
Für den N. PI. g. blintai : ahd. blinte ist altes oX nicht vorauszu- 
setzen, die Form erklärt sich durch Übertragung von der einsilbigen 
Pronominalform pai (Streitberg S. 185). — g. ai : ahd. i (§ 254, 4). 
D. Sg. g. anstai : ahd. ensti^ eine alte Locativbildung auf idg. -ejf 
(Streitberg S. 73. 242). — Unregelmässig ist g. ai : ahd. u, D. Sg. 
g. gibai^ pizai : ahd. g^bu, d^ru. Die gotischen Formen sind jeden- 
falls Dative auf igd. äi aus ä -\- ai; die hochdeutschen hat man mit 
Hülfe einer Sandhiform auf -ä auf denselben Ursprung zurückzu- 
führen versucht; aber dem stehen dieselben Schwierigkeiten wie bei 
g. daga entgegen (§ 260, 4). Vermutlich sind ahd. g^'bii, d^ru In- 
strumentale; doch ist eine genaue Lautentwickelung für sie nicht 
zu finden (vgl. Hirt, IF. 6, 77 A. 1. Streitberg S. 187. 237). — Doppel- 
formen auf ai und a zeigen einige gotische Adverbia ibai (i6a), 
(nibai) niba : ahd. ibUy nibu; vgl. CoUitz, BB. 17, 17. 

5. g. au : ahd. o, g. ahtau : ahd. ähtOf ein Nom. Dual., dessen 
Endung aus ursprünglichem öu verkürzt ist. In demselben Ver- 
hältnis g. aippau (vgl. IF. 6, 63) : ahd. Mdo. — g, au i ahd. iu. 



326 Auslautgesetze. Urspr. Länge = got. Länge. [§ 262. 

g. D. Sg. sunau : ahd. 9uniu, ein Loc. Sg., dessen Endung aus w 
verkürzt ist (§ 254, 4). 

Anm. Die ü-Stämme haben im Got. und Abd. ihre eigentüm- 
liche Form aufgegeben; germ. *qu€mü:g, quaimuSf ahd. quim^ 
germ. *sniusü : ahd. snur, snura ; germ. *8wegrü : g. swaihrö^ ahd. 
suigar. Kluge, Grdr. § 31 A. 

262. Vor einem ursprünglich auslautenden s hat sich 
im Gotischen der lange Vocal behauptet. In den meisten Fällen 
ist schleifende Betonung vorauszusetzen; auf Contraction beruht 
sie im N. PI. dagöSj im N. Sg. hairdeis, im Nom. und Acc. PL gib6s\ 
auf idg. Abfall eines unbetonten o im G. Sg. gibös, anstais, sunaus ; 
einfache Länge hat die 2. P. Sg. wüeis, — Auch im Ahd., WO 
das 8 abgefallen ist, lässt sich in einem Teil der Formen noch 
langer Vocal nachweisen. Dem N. A. PI. der ö-Stämme giebt 
Notker den Circumflex: g^bä, nur selten dem N. PI. der a-Stämme: 
tagäj gewöhnlich taga (vermutlich die Form des Accusativs, vgl. 
IF. 6, 57); für den G. Sg. der u-Stämme ist die alte Form fridoa 
belegt. Für andere ist die Länge nicht mehr zu belegen: 
für den G. Sg. g&)a (bei Notker g^bo wie im Dativ), die 2. P. wili^ 
den N. Sg. hirti^ den G. Sg. enstiy den N. PI. Fem. blinto. Ob ahd. 
hirti und g. kairdeis gleichzusetzen ist, ist zweifelhaft (Streit berg 
S. 234); ahd. ensti und g. anstais, ahd. blinto (o statt ä in g^'bä} 
und g. blindös weisen jedenfalls auf verschiedene Grundformen 
(Streitberg S. 241. 272). Vielleicht lebt in den ahd. Längen und 
Kürzen der alte Unterschied von überlangen und einfach langen 
Silben fort (Hirt, IF. 6, 72 f. Streitberg S. 186). 

Anm. 1. In der 2. P. Sg. Opt., wo das Ahd. das auslautende 
s bewahrt, hat es auch noch langen Vocal ; g. bairais : ahd. btr^y 
g. bereis : ahd. bdris^ g. nasid^s : ahd. neritös (mit abweichendem 
Vocal § 254 Anm.). — Vor r erscheint langer Vocal in ahd. blintir^ 
einer jedenfalls jungen, aber schwer erklärbaren Form; Sievers^ 
PBb. 2, 123. Kluge, Grdr. S. 392. Brgm. II S. 775. Streitberg S. 268. 
— Vor n in 3. PI. neritön (s. Flex.). 

Anm. 2. Dem g. 6s entspricht ahd. d; das o in blinto stammt 
aus dem Pronomen (Hirt, IF. 1, 224. 6, 57); die umgekehrte An- 
nahme Brgm.'s II, 663 ist unwahrscheinlich. 

2. Zu welcher Zeit und in welcher Reihenfolge die ver- 
schiedenen Redactionen der Endsilben vor sich gegangen sind, 
lässt sich nicht genau bestimmet (vgl. § 257 Anm. 3). Man 
hat angenommen^ dass die Verkürzung der langen Vocale 
jünger sei als die Unterdrückung der kurzen. Denn wenn. 



§ 263.] Auslautgesetze. Urspr. vorletzte Silben. 327 

schloss man, die Verkürzung vorher eingetreten wäre, hätten 
die Silben mit verkürztem Vocal zugleich mit den ursprüng- 
lichen Kürzen beseitigt werden müssen. Aber der Schluss ist 
nichts weniger als sicher. Die Stufen, welche die gramma- 
tische Terminologie bezeichnet: lange Vocale, kurze Vocale, 
verstummte Vocale sind durch unmerkliche Mittelglieder ver- 
bunden; die Reduction der langen Vocale kann gleichzeitig 
mit der Reduction der kurzen begonnen haben, ohne dass 
beide Arten von Lauten zusammenfielen (IF. 6, 72 f.). — Auch 
beweist die Übereinstimmung verschiedener Mundarten in den 
Resultaten der Verkürzung nicht, dass sie die Bewegung ge- 
meinsam durchgemacht haben. Denn da alle germanischen 
Sprachen in der Grundbedingung, der Lage des Accentes, 
übereinstimmten, konnten sie auch unabhängig von einander 
zu denselben oder ähnlichen Wirkungen gelangen. 

Einigen Anhalt für eine absolute Zeitbestimmung ge- 
währen Lehnwörter. Germanische Eigennamen und Appella- 
tiva der antiken Überlieferung zeigen noch Übereinstimmung 
mit den germanischen unsynkopierten Grundformen-, ebenso 
germanische Wörter, die in das Finnische aufgenommen sind, 
und umgekehrt sind einige lateinische Lehnwörter derselben 
Verkürzung verfallen wie die einheimischen (Kluge, Grdr. 
§ 27, 2. 3). Hiemach vermutet Kluge, dass die Periode der 
Auslautgesetze etwa mit dem 3. Jh. nach Chr. beginne; zu 
früheren Terminen gelangt Bremer, IF. 4, 22 flF. Anm. 

Ursprünglich vorletzte Silben. 

263. In den Silben, welche erst im Germanischen 
durch den Schwund kurzer Vocale an die letzte Stelle des 
Wortes rücken, treten die Folgen der ünbetontheit im Go- 
tischen gar nicht, in den ältesten hochdeutschen Denkmälern 
nur insofern hervor, als der Diphthong ai zu S zusammenge- 
zogen ist und 6 nicht wie in den Stammsilben zu uo wird. 

Im ganzen stimmen das Gotische und Ahd. in der Quali- 
tät und Quantität der Laute überein. Dass unter gewissen Be- 
dingungen sich idg. und e im Gotischen anders entwickeln als 
im Hochdeutschen ist in § 254, 1. 2 bemerkt. Sonst finden wir g. 



328 Auslautgesetze. Germ, ja = ahd. e. [§ 264. 

a = ahd. a. 3. PI. Präs. g. hairand : ahd. b^ant\ Inf. g. frairan: 
ahd. Mran\ Part. g. ftauraw« : ahd. giboran. — g.i (idg. i) = ahd. i. 
D. PI. g. gastim : ahd. gestim. — g. u = ahd. «. D. PI. g. sunumi 
ahd. »Mni/w; 1. 2. PL g. birum, birup : ahd. bärum, bdrut. — g. ö 
^ ahd. <5. D, PI. g. giböm^ tuggöm : ahd. g^böm^ zungöm, sw. V. 2 
g. sedbös, salböp etc. : ahd. salbös, salböt etc. — g. ai : ahd. ^. 
D. PI. g. blindaim : ahd. blint^m. PI. Opt. g. bairaim, bairaip : ahd. 
berim, berit sw. V. 3. g. habais, habaip : ahd. habis, habit, — 

Nur wenige Formen setzen verschiedene Grundlagen voraus: 

g. tuggöns, tuggön : ahd. zvngün, g. hairtöna : ahd. h^rzun. Über 
g. hanaUy hanans : ahd. hanun, hanon und über ahd. hartem 
henirij quMet : quidit s. § 254; einige andere durch Formüber- 
tragung herbeigeführte Differenzen sind in der Flexionsiehre zu 
behandeln. 

Auffallender Weise fehlt die Übereinstimmung, welche 
die beiden Sprachen in den letzten Silben zeigen, fast ganz 
in den vorletzten zweisilbiger Flexionen. Gleich gebildet sind 
g. tuggöno und ahd. zungöno; dagegen g. hanani : ahd. hanöno^ 
g. hairtan^ : alid. Mrzöno, g. blindaizös, -aizi, -aizö : ahd. blintera, 
-ei'o, g. blindamma : ahd. blintemu lassen sich durch regelmässigen 
Lautwandel nicht erklären, über die Mittelsilben der schwachen 
Präterita s. § 304. 309. 

264. ja : ahd. e. Zu den Abweichungen, die in den 
Vocalen der Endsilben von Anfang an zwischen dem Ahd. und 
Got. bestehen, kommt noch der Übergang von a zu e, den ein 
vorangehendes j veranlasst (Br. § 58 A. 1). Am bestimmtesten 
tritt dieser Unterschied im Verbum hervor; in mehreren Denk- 
mälern, z. B. bei 0., haben die sw. V. 1 und die starken, die ihr 
Präsens mit j bilden, überall ein e in der Endung, wo die starken 
Verba a haben: Inf. zellen, suochen\ Part, zellenti, suochenti; 3. PI. 
zellent, suochent etc. In der Declination finden wir die Spuren 
des Lautgesetzes nur in den ältesten Denkmälern ; später wird 
durch Formübertragung vielfach ia oder ea wieder hergestellt: 
N. PI. der ./a-Stämme: hirte für hirtia (Br. § 198); N. G. A. Sg. und 
N. A. PI. der Jö-Stämme : sunte für suntia oder suntiä (Br. § 209 
A. 3); A. Sg. Masc. des Adj. sniumen für sniumian (Br. §250 A. 2); 
N. Sg. der jönStämme : mucke für muggia (Br. § 226 A. 1). 

Anm. Die Endung im im D. PI. hirtim neben hirtum, 
kunnim neben kunnum (g. hairdjam, kunjam; Br. § 198) ist 
vermutlich nur die Folge einer jungen Formübertragung. Streit- 
berg § 173. 



§ 265. 266.] Verfall der Endungen im Ahd. und Mhd. 329 



Weiterer Verfall der Endungen im Ahd. und Mhd. 

265. Obwohl die Auslautgesetze den ahd. Flexionen 
schon starke Verluste gebracht hatten, zeigen dieselben doch 
noch schöne Mannigfaltigkeit und eine fest ausgeprägte Indi- 
vidualität. Nur darin verrät sich schon auf den ersten Blick 
und ohne Vergleichung der älteren Sprache ihre Schwäche, 
dass wir in ihnen keine Diphthonge mehr finden ausser dem 
jungen, dem Gotischen noch unbekannten iu : blintiu, alem. 
Jcindiliu. In der weitern Entwickelung der Sprache vom Ahd. 
zum Mhd. erfolgt nun aber ein schneller Verfall, der schliess- 
lich dahin führt, dass in den Flexionen alle Vocal-Unterschiede 
aufgegeben werden. Eine klare und deutliche Einsicht, wie 
dieser merkwürdige Process in den einzelnen Mundarten ver- 
lief gewähren unsere Denkmäler nicht, teils weil sie an Zahl 
zu beschränkt, teils weil die Bezeichnung der Laute zu un- 
genau ist. Dass aber der Verfall der Endungen zunächst 
ebenso wie die Entwickelung der Stammsilben-Vocale durch 
bestimmte Lautgesetze geregelt war, zeigen namentlich im An- 
fang des 11. Jahrh. die Schriften Notkers, vor allem der 
Boethius^). Die weder früher noch später geübte Sorgfalt, 
mit der N. nicht nur die Qualität sondern auch die Accen- 
tuationsweise der Laute zu bezeichnen bemüht war, giebt uns 
die wertvollsten Aufschlüsse über die Entwickelung der Sprache 
im alemannischen Gebiet. 

266. Notkers Sprache. — Die langen Vocale, welche 
die in § 261 f. besprochenen Auslautgesetze übrig gelassen 
hatten, daueiii fort, zumal wo sie durch einen Consonanten 

gedeckt waren: e im Opt. Präs. gäbist^ gkben, g^bint. — I im Opt. 
Prät. gäbist, gabln, gäblnt — 6 im Prät. der sw. V. neritöst, neri- 
töriy neritönt'j im G. und I). PI. der <5- und n-Stämme: gebön, botön, 
zungön, kerzön. — A in den Ön-Stämmen: zungün. 

Unsicherer ist die ungedeckte Länge. N. und A. PI. der 
^-Stämme tragen in der Regel den Circumflex: giibä'^ dagegen 



1) Kelle, Das Verbum und Nomen in Notkers Boethius (Wiener 
Sitzungsb. Phil. Hiat. Cl. CIX, 229 f.). 



330 Flexionen bei Notker. [§ 267. 268. 

bleiben in der Regel unaccentuiert der N. und A. PI. der a-Stämme: 
taga .(§ 262), die Subst. nach der toten Declination: blinti, hittiri, 
und der Opt. der schw. Prät.: neriti, 

267. Die kurzen Vocale haben sich merkwürdiger 
Weise besser in ungedeckter als gedeckter Stellung gehalten. 

1. Im absoluten Auslaut gelten a und o wie in der 
älteren Zeit; nur die vocalischen Extreme haben sich ver- 
ändert, indem i zu «, w zu o geworden, also beide Laute der 
IndiflFerenzIage genähert sind. — a gilt in der 1. 3. Sg. der sw. 
Prät.: neHta\ im N. und A. Sg. der ^-Stämme: g^ba\ im N. Sg. der 
öw-Stämme: zunga^ blinta; im N. und A. Sg. der neutralen n-Stämme: 
Mrza. — o im G. PI. der a- und i-Stämme: tago^ gesto^ krefto; im N Sg. 
der männlichen n-Stämme: boto, — e für i steht im Opt. Prät. der st.V. 
gdb€'^ im N. und A. Sg. der männlichen jf'a-Stämme: hirfe; im N. und 
A. Sg. und PI. der neutralen Ja-Stämme: bilede; im G. und D. Sg. 
der weiblichen i-Stämme: krefte\ im N. und A. PI. aller i-Stämme: 
geste^ krefte. — o für u in der 1. Sg. gibo\ im D. Sg. der ^-Stämme: 
g^bo und im D. Sg. der pronom. Declin. blindemo, blindero, 

2. Für alle kurzen gedeckten Vocale ist e eingetreten; 
für a: im Inf. g^ben^ gübenne; im A. Sg. Masc. und im N. und A. 
Sg. Neutr. der st. Adj. blinden, blinde^. — für i: 2. 3. Sg. Präs. 
gibest, gibet; D. PI. der ja- und i-Stänime: hirten, kreften. — für 
o: I). PI. der a-Stämme: tagen\ A. Sg. und N. und A. PI. der männ- 
lichen n-Stämrae: boten. — für u: im PI. des st. Prät.: gäben, gdbent\ 
im N. und A. PI. der neutralen n-Stämme: harzen» 

268. Störungen des Flexionssysteras durch Formüber- 
tragnngen sind wenige zu verzeichnen: im G. Sg. der ö Stämme 
ist durch Ausgleich mit dem Dativ o für a eingetreten; N.'s gebo^ 
blindero entspricht O.'s geba, gSbu, blintera, blinteru. In den Dat. 
PI. des schwachen Adj. ist die Endung -^n des st. Adj. eingetreten^ 
und der PI. Fem. hat im schwachen Adj. die Endungen des Masc. 
angenommen. (Schon bei 0. sind die Pluralformeu des sw. Adj. aus 
ihrer regelmässigen Bahn getreten, wie auch im G. und D. Sg. der 6- 
Stämme die Endungen a und u nicht selten vertauscht wurden). 
— Über Synkope und Apokope kurzer Vocale bei N. s. § 271. 277. 

Aber so reinliche Verhältnisse wie in N.'s Boethius finden 
wir in andern Schriften nicht. Manche ahd. Denkmäler schwan- 
ken ausserordentlich in den Vocalen der Endsilben und wider- 
stehen jeder rationellen Erklärung. Zum Teil mag Unsicher- 
heit und Willkür der Schreiber und Abschreiber diesen Zu- 



§269.] Flexionsendungen im Mhd.; tonloses e, i. 331 

stand verschuldet haben, zum Teil aber wird er in der Sprache 
selbst begründet sein; denn es ist klar, dass die unbetonten 
Endungen den sich kreuzenden Einflüssen des Systemzwanges, 
der Formübertragung und Assimilation vor allem ausgesetzt 
waren. Selbst der subtilsten Forschung wird es nicht gelingen 
über die Einzelheiten zuverlässige Aufschlüsse zu gewinnen^). 

269. Die mhd. Kunst- und Litteratursprache 
erkennt Unterschiede in den Vocalen der Flexionssilben nicht 
mehr an; nur der Diphthong iu hält sich noch als üy alle 
andern sind, so weit sie überhaupt erhalten sind, zu einem 
kurzen wenig charakteristischen Laut geworden ^ der ge- 
wöhnlich durch e, oft aber auch durch i bezeichnet wird. 
Wir finden dieses i neben e schon in jüngeren ahd. Denkmälern, 
bei N. mir inlautend, in manchen Schriften häufig, in andern selten, 
im Boethius, wie Kelle S. 246 annimmt, nur durch Schuld des 
Schreibers. Besonders beliebt wird es im Mitteldeutschen und 
noch Luther braucht es, abweichend von der kursächsischen Kanz- 
lei, in Mss. und Drucken bis 1525 sehr häufig; dann aber wird es 
selten und die vereinzelten f, die noch nach 1528 begegnen, sind 
wohl als Schreib- und Druckfehler aufzufassen. Luther hatte also 
den Gebrauch als mundartlich erkannt und aufgegeben (Franke § 28). 

In seiner Qualität ist dies unbetonte e mit dem betonten 
nicht gleich, auch nimmt es je nach der Mundart und den 
benachbarten Lauten verschiedene Färbung an; bald nähert 
es sich dem a, bald dem o, bald dem i. Unverkennbaren Ein- 
fluss üben die folgenden Consonanten; vor dem 8 nimmt der Laut 
hohe Aussprache an, vor m tiefe; aber auch das ungedeckte aus- 
lautende 6 klingt nicht immer gleich (Trautmann § 984—986). Be- 
merkenswert ist, dass i in der älteren Zeit besondere Verwandtschaft 
zu folgendem n zeigt (Behaghel, Grdr. § 50), während es Luther 
fast nur vor f, i^, ft, t braucht : gottis^ wortiSy sterkist, heissit, setzist 
etc., nur ausnahmsweise vor r und n. 

Nachdem die Sprache die vocalischen Unterschiede in 
den Flexionen aufgegeben hatte, war die ehedem so grosse 
Zahl verschiedener Formen auf folgende neun zusammenge- 
schrumpft: e, es, est, et, en, en(t), er, er{e), em{e). Die Sprache 



1) 8. Br. § 59; Behaghel, Grdr. § 50; bes. Whd. § 81 und die 
dort angeführten Schriften. 



332 Flexionsendungen im Mhd. — Elision. [§ 270. 

aber ging noch weiter und Hess die unbetonten Lante vielfach 
ganz fallen. 

Anm. Eine seltsame Ausnahme sind das Pronomen dero^ eine 
altertümliche Form, die der Kanzleistil festgehalten hat (DWb. 2, 
1020. Whd. § 483) und desto, mhd. deste, düster, ahd. rf&r diu, 

Unterdrückung der unbetonten Vocale. 

270. Wir unterscheiden hier die Elision, d. h. die Un- 
terdrückung eines auslautenden Vocales vor folgendem Vocal, 
und die Apokope und Synkope, d. h. die Unterdrückung 
des unbetonten Vocales vor folgendem Consonanten. 

Die Elision unbetonter Endvocale ist zu allen Zeiten in 
der Sprache wohl verbreiteter gewesen als in der Schrift, da 
die Schreiber das einzelne Wort ins Auge zu fassen und es 
in seiner vollständigsten Form darzustellen pflegen. Im Go- 
tischen ist sie wesentlich beschränkt auf die Formen des Pro- 
nomens, die vor enklitischem ei und uh das auslautende a ver- 
lieren: patei, pamnieif pammuh, immuh\ auch patist für pata 
ist begegnet, karist für kara ist, einmal hazjup-pan für hazja 
uh pan, — Im Ahd. wird bes. das Pron. pers. mit dem vor- 
hergehenden Verbum verbunden und dessen auslautender Vocal 
unterdrückt: quidih, gedeilder etc. (Braune § 61). Im ganzen 
aber drücken auch die hochdeutschen Schreiber die Elision 
nur selten aus, am häufigsten noch Otfried, der nicht nur mög- 
lichst richtig schreiben, sondern auch das Lesen der Verse er- 
leichtern wollte. Bald lässt er den Vocal einfach fort, bald 
setzt er ein Pünktchen darunter, bei weitem in den meisten 
Fällen aber überlässt auch er es dem Leser nach eigner Ein- 
sicht die Elision zu vollziehen. Die Verse O.'s, in denen eine 
Elision stattfindet, sind zahllos; kaum lässt sich beweisen, dass 
dieselbe irgendwo unterblieb, und sicherlich haben wir darin 
nicht eine poetische Freiheit, sondern das Abbild der leben- 
digen Rede zu sehen (Wilmanns, Beitr. 3, 72 f.). Auch die 
mhd. Sänger geben der Elision den weitesten Raum; ver- 
hältnismässig selten stossen wir auf Verse, die mit Hiatus 
zu lesen sind. 

Im Laufe der Zeit ist die Elision wesentlich eingeschränkt. 
In der wissenschaftlichen und geschäftsmässigen Prosa wendet 



§ 271.272.] Flexionsendungen im Mhd. — Apokope u. Synkope. 33^ 

man sie fast nie an; die normale Form des Wortes behauptet 
sich hier unter allen Umständen, diese abstracte Sprache ist 
unempfänglich geworden für jeweilige Einwirkungen. In der 
Umgangssprache stellt sich die Elision am leichtesten da ein, 
wo sie auch von den altdeutschen Schreibern am öftesten be- 
zeichnet wird, wenn sich ein unbetontes Pronomen dem Verbum 
anlehnt: Wie liebt' ich ihn! Ich Jiätt* es nicht geglaubt. Aber 
Nomina behaupten ihren Vocal : Eine angenehme Überraschung. 
Die Eiche ist gefällt. Bei adjectivischen Wörtern gestattet 
kaum noch die Poesie die Elision, wenngleich anderseits sorg- 
fältige Dichter bis in die neueste Zeit den Hiatus vermieden 
haben *). 

271. Apokope und Synkope. — In den älteren Denk- 
mälern ist von Apokope und Synkope noch wenig wahrnehmbar. 
So häufig 0. die Elision eintreten lässt, so selten lässt er einen 

Vocal fallen, dem nicht ein vocalisch anlautendes Wort folgt. 
Der Gen. Fl. der sw. Adj. geht regelmässig auf -on oder -un aus, 
während -öno die Endung der Substantiva ist; neben dem Adv. 
thara steht in unbetonter Stellung tkar und für die Pronominal- 
formen th^ra^ thäru, th^ro tritt gelegentlich einsilbiges fh^ ein, be- 
sonders im Dativ (Wilmanns, Beitr. 3, § 47). Ausserdem finden wir 
zusammengezogenes qulst^ qutt = quidist, quidit. Etwas weiter 
geht schon N. Neben chlst^ chtt von cheden = qyMan, braucht 
er auch sldt, 8ldn = 8lahitf slahan und häufig wirt für icirdit\ die 
Genitivendung -öno ist regelmässig durch 6n ersetzt (vgl. § 277). 

Aber die eigentliche Periode der Apokope und Synkope be- 
ginnt später; erst wurden die Unterschiede zwischen den unbe^ 
tonten Vocalen aufgehoben, dann kam die Zeit, wo sie ganz 
unterdrückt wurden. In der späteren mhd. Zeit schreiten 
namentlich die oberdeutschen Dialekte in dieser Bewegung 
rasch fort, als wollten sie sich der Flexion ganz entledigen 
und die Sprache in den betonten Stammsilben concentrieren. 

272. Wie der Übergang der Vocale in e ist auch dieser 

Process schwer zu verfolgen und in seinen einzelnen Stadien ! 

zu bestimmen. Es machen sich mundartliche Unterschiede i 



1) Scherer, Über den Hiatus in der neueren deutschen 
Metrik. 1877. Schröder, Der Papieme^Oif. Minor, Metrik S. 173 f. 



334 Flexionsendungen im Mhd. — Apokope nnd Synkope. [§ 273. 

geltend, die bis heute fortdauern (Behaghel, Grdr. § 52), und 
die Schrift- und Kunstsprache sträubt sich der Mundart zu 
folgen. Die Schreiber suchen, je besser gebildet sie sind um 
so mehr, die normale vollständige Wortform festzuhalten, und 
ebenso finden in dem langsamen nachdrücklichen Vortrage der 
Dichter, zumal der Sänger, in welchem das Wort in seinen 
einzelnen Teilen viel deutlicher hervortrat als in der schnellen 
Umgangssprache, die älteren Formen Schutz; selbst weit ver- 
breitete Kürzungen sind sorgfältigen Dichtern nicht genehm^). 
Die Forschung findet hier also verwickelte Verhältnisse: die 
Schrift giebt kein treues Bild der Sprache und der Gebrauch 
der Dichter kein treues Bild der Mundart. 

Apokope und Synkope nach betonter Stammsilbe. 

273. Als Factoren, welche die Bewegung regeln, kom- 
men namentlich drei Punkte in Betracht: Die Betonungsver- 
hältnisse, die Quantität der Stammsilbe, die Qualität des Stamm- 
auslautes und des Gonsonanten der Endung. 

1. Nach einer stark betonten Stammsilbe schwindet das 
schwache e weniger leicht als nach einer minder betonten Silbe; 
also leichter in den Pronominalformen und Partikeln als in 
Verben, Substantiven und Adjectiven; leichter nach schwachen 
Ableitungssilben (bes. -eZ, -er, -ew, -em) als nach Stamm- und 
schweren Ableitungssilben. £s schwindet leichter im Verbnm, 
dem sich oft unbetonte Wörtchen, bes. enclitische Pronomina 
anschliessen, als im Nomen; vgl. Jellinek, Flexion S. 36 f. 
nnd § 280, 2. 

2. Nach kurzer Stammsilbe ist die Neigung zur Apokope 
und Synkope stärker als nach langer; die Bewegung läuft 
also grade umgekehrt wie in der früheren Zeit (§ 257). Ein 
merkwürdiger Unterschied, der irgendwie in der Betonungs- 
weise begründet sein muss (§ 345 A.) und offenbar mit der 
Neigung zusammenhängt, in kurzer Stammsilbe den Vocal zu 



1) Hss. des 12. Jh. mit starken Synkopen: MSD. 2, 450. Schön- 
bach ZfdA. 20, 139; vgl. auch MSD. 2, 215. 240. 247. 358. Behaghel, 
Schriftsprache und Mundart (Giessen 1896) S. 26 Anm. 1. — Über 
die Enthaltsamkeit der Sänger: Wilmanns, Beiträge IV § 84—86. 



§ 274.] Flexionsendungen im Mhd. — Apokope und Synkope. 335 

dehnen oder die Silbengrenze in den auslautenden Consonanten 
zu verlegen (§ 237 f. § 144). 

3. Die Qualität des Stammauslauts macht sich insofern 
geltend; als das e am leichtesten nach Liquiden und Nasalen 
schwindet, also nach denjenigen leichten ConsonanteU; die in 
den Auslaut treten können, ohne ihre Natur zu verändern; 
{die Medien verlieren im Auslaut ihren Stimmton). — Endlich 
das Verhältnis zwischen dem Stammauslaut und dem Conso- 
nanten der Endung kommt für die Synkope in Betracht, die 
— im Gegensatz zur nhd. Schriftsprache — am leichtesten 
da eintritt, wo der Stammauslaut und der Consonant der En- 
dung ganz zusammenfallen {stiftete, rihtete, kleidete); leichter 
zwischen Consonanten, die sich zur Silbeneinheit verbinden 
lassen, also vor f, s, st, {gibet, hilfet, wirbet) und zwischen 
Liquiden und Nasalen (spilen, geren), als zwischen andern 
Consonanten und Nasalen, weil der Nasal nach diesen, auch 
wenn das e unterdrückt wird, Silbenwert behält (reden, gäben). 

' 274. Das möge zur allgemeinen Orientierung genügen. 
Die Grenze bis zu der die einzelnen Dichter und Schreiber 
der Neigung der Sprache folgen, ist für jeden Fall besonders 
zu untersuchen; ich beschränke mich hier auf wenige Be- 
merkungen über den Gebrauch eines der bedeutendsten Sänger 
aus dem Anfang des 13. Jahrh. , Walthers von der 
Vogelweide. 

Nach langen Stammsilben gehört das e in der Kegel 
zur Normalform des Wortes, denn es pflegt die ganze Senkung 
in Anspruch zu nehmen ; nur in minder betonten Wörtern wird 
oft der Vocal unterdrückt. Die Apokope ist dem Dichter ge- 
läufig in Partikeln wie unde^ alse, danne, dne^ umbe; er braucht sie 
oft zweisilbig, daneben aber, und ohne Bedenken auch in der 
Senkung, einsilbig. Regelmässig verstummt ferner das e in Mirre 
und froutve, wenn sie als Titel vor Namen stehen; nur hin und 
wieder in den unbetonten Wörtchen eine, mtne^ stne und in Ver- 
balformen vor enclitischen Pronomen: wcere mir, wcere ez. solte ez, 
ebenso in ich wcene, das ganz die Bedeutung eines modalen Ad- 
verbiums angenommen hat. — Synkope begegnet einigemal in 
den Wörtehen mtnez, mtneSf einez, eines; fast regelmässig in wirt, 
zvirst (= wirdety wirdest), vereinzelt auch in spricht, sticht, beswcert. 



336 Flexionsendungen im Mhd. — Apokope und Synkope. [§ 275. 

kM. Für die Unterdrückung des e nach langen Nominalstämmen 
bietet er nur spftrliche und wenig sichere Belege. — Apokope der 
Endung -en findet nach gemeinem Brauch in der 1. PI. vor incli- 
niertem Pron. statt: gedceht wir, solt wir (vgl. § 280, 2 Anm.). 

Eine besondere Stellung nehmen die Wörter mit voca- 
lisch auslautender Stammsilbe ein. Die Verba auf a, iie, ie 
(urspr. ^\ öu (ui*spr. eiv) lassen das e der Endung regelmässig mit 
der Stammsilbe verschmelzen : wcet, blüet, müety knieten, frGu, frihä ; 
ebenso die Nomina auf ä, e, ö : U, si, brä, frö, deren Stämme 
ursprünglich auf w ausgingen. Dagegen /H und dr%, die Verba 
fr\en, drten^ schrien, das Subst. vlent und die Wörter mit urspr. 
geschärftem tv wie frouwe, ouwe, iou, schouwen, niuwe, trüwen, 
auch iuwer gestatten die Zusammenziehung im allgemeinen nicht 
(§ 125. 157 A. 1). 

275. Wie weit bei Wörtern mit kurzer Stammsilbe 
das e zur Normalform des Wortes gehört, ist aus dem Metrum 
nicht mit gleicher Sicherheit zu entscheiden. Denn wenn der 
Ictus auf eine offene kurze Stammsilbe fällt; können nach 
altem Brauche drei Silben in einem Fusse Platz finden; Füsse 
wie Mage dir, lohen den etc. beweisen also nicht, dass das 
e verstummt war. Immerhin ist zu schliesseu, dass das e um 
so schwächer war, je seltener gewisse Formen den ganzen 
Tact füllen, und um so weniger sehwach, je häufiger es der 
Fall ist. 

Am kräftigsten erscheint bei Walther das e, wenn die Stamm- 
silbe auf« oder t ausgeht; wesen, gelesen, boten, verboten, dise werden 
unget"ähr ebenso behandelt wie die langsilbigen. — Ferner nehmen 
in der Regel den ganzen Tact ein Substantivformen auf -en und 
-es: gespilen, aren, namen, schaden, Juden, tagen, zagen, sunes^ 
löbes, tages; während die Formen auf e wie schade, rede, klage, 
hove sich nicht selten mit einem Teil des Tactes genügen lassen; 
fast ausnahmslos, wenn der Stamm auf Liquida oder Nasal ausgeht : 
ivar, sp^r (Dat.), tür (ahd. turi), frwm, name, schäme. — Von Ver- 
balformen nehmen die auf -en nicht selten den ganzen Tact ein: 
raren, sweren, verloren, verlüren, sulen, verholen, entwonen, erlameny 
n^men, komen, haben, g^ben. Üben etc.; nur ausnahmsweise die 
Formen auf -et wie Übet, saget, betaget, pfleget; und nie, wenn der 
Stamm auf Liquida oder Nasal ausgeht: sidt, stilt, spart, vert, erwert, 
nert, g^'rt, spürt, mant, tvont, schämt, n&mt, nimt etc. Selten ist 
auch der zweisilbige Gebrauch der Formen auf -e und der 3 PI. auf 
-ent; die nicht eben häufige 2 Sg. auf -est kommt, wohl aus Zufall, 



§ 276. 277.] Flexionsendungen im Mhd. — Apokope u. Synkope. 337 

nur vor folgender Senkung vor. — Die Pronominalformen d^r, tr, 
d^mf im stehen immer einsilbig; ebenso die Partikeln für^ ahd. furi; 
vor, ahd. fora\ h^, ahd. A^a; dar, ahd. dara', war, ahd. wara; 
gar, ahd. garo; wol, ahd. wola; vü, ahd. vüu; hin, ahd. hina; sam, 
ahd. sama; ab, ahd. aba; ob, ahd. o6a und die Präp. mit, ahd. miti. 
ane, vone und das Adv. mite nehmen in vereinzelten Fällen den 
ganzen Tact ein. Neben oder behauptet sich das ältere ode, neben 
aber, ahd. avur gilt abe. 

Für manche Wörter beweist auch der Reim Synkope 
und Apokope: ane : kan, gar (ahd. gare) : bar, hin (ahd. hinä): 
bin, tßol (ahd. wolä) : sol, dole : sol, al : val (ahd. valo), schar 
(ahd. scara) : gebar, gäret : toärt Adj., haut : gemanet, die Part. 
verlorn, erJcom : dorn, zom, der Inf. vervam : barn. Es ist 
kein Zweifel, dass in diesen Wörtern — ihre Stammsilben 
gehen alle auf Liquida oder Nasal ans — das e in Walthers 
Vortrag verstummt war; aber allgemein aufgegeben war es 
auch nach Liq. und Nasal nicht, selbst nicht in Oberdeutsch - 
land (vgl. Wilmanns, Beitr. 4, 116). 

Apokope und Synkope nach unbetonter Silbe. 

276. Wenn zwei unbetonte Silben auf einander folgen, 
wird bald der Vocal der ersten unterdrückt (§ 308 f ), bald 
der der zweiten^). Nach den Ableitungssilben -el, -er, -en 
kanü wie nach den Stammsilben auf Liquida und Nasal das 
e der Flexion fallen; so braucht Walther im G. PI. enget, ritter; 
ferner michels, tiufels, wandeln u. ä., selbst im Reim vmndert : ge- 
sundert. Nach andern Endungen fällt es nur ausnahmsweise weg, 
60 einmal im A. Sg. tvtpltche güete, 

277. Was die zweisilbigen Flexionen betriflft, so 
hat die Endung -öno im 6. PL bereits bei N. den auslauten- 
den Vocal verloren; im Mhd. gilt allgemein -en. — In den 
Adjectivendungen -eme und -ere (ahd. -era, -eru, -ero) wird 
bald der erste, bald der zweite Vocal unterdrückt. Die Formen 
-em und -er haben gesiegt, in der älteren Zeit aber waren 
-me und -re gar nicht selten. Dass der Mittelvocal schwach 
war, zeigt schon das Ahd. in der Aufgabe des mm : ahd. -emu, g. 
amma, ja schon das Gotische, indem es in dem Pron. ainshun a 



1) Über die Hebungsfähigkeit eines unbetonten c in dritter 
Silbe 8. Vogt, Festschrift für Hildebrand (1893) S. 157 ff. 
W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 22 



838 Flexionsendtmgen im Mhd. — Epithese. [§ 278. 

in u übergehen lässt: ainamma aber ainummihun, Schwund des 
Vocales tritt bei N. ein, in der Endung -emo nach unbetontem -er, 
'd : andermo^ luzelmo ; in der Endung -ero nach unbetontem -tr : 
unserro, auch dirro für direro (Br. § 66 A. 2. 288 A. 2). Das Mhd. 
setzt die Bewegung fort; hier finden wir auch Formen wie edelre, 
alre, svxBrre, minre, und vor m kann ein auslautendes n sogar 
assimiliert werden und dann ganz schwinden: eime, mtme^ «fm«, 
eigeme (Whd. § 505. 507). 

Ein ähnlicher Kampf findet zwischen den beiden unbe- 
tonten Voealen in den Endungen des sw. Prät. statt; nur ist 
er hier aus leicht erkennbaren Gründen umgekehrt entschieden. 
Die Unterdrückung des Mittelvocales ist das übliche geworden 
(s. hierüber § 309), also lebtSj spielte, klagte u. a.; im Mhd. 
aber findet man nicht selten Formen mit abgeworfenem End- 
vocal, selbst im Reim (Whd. § 382. 385). 

Epithese unbetonter Endungen. 

278. Der Apokope steht die Epithese des e gegenüber, 
die Hinzufügung eines etymologisch unbegründeten e. Während 
jene physische Ursachen hat und einen lange währenden Process 
zum Abschluss bringt, beruht diese auf Wirkungen der Ana- 
logie, welche in demselben Masse an Macht zunehmen, als durch 
den Verfall der Endungen das feste GefQge des Flexionssystems 
gelockert wird. Sie beginnt langsam im 12. Jahrb. und ge- 
winnt im spät Mhd. und früh Nhd. weite Verbreitung, indem sie 
durch das Streben der Schriftgelehrten, die Sprache gegen die die 

Mundart beherrschende Apokope zu schützen, gefördert wurde. 
Solche e finden wir im N. und A. Sg. der a- und t>Stämme; z. B. 
houme^ Itbe, friunde^ kn^'hte; järe, home-^ bürge, glüte, wMte (Whd. 
§ 448. 464. 452); im N. A. PI. der Neutra; z. B. tiere, pßrde, trföe, 
auch kindere, bladere (Whd. § 454); im Imp. und Prät. der st. V. 
z. B. bite, vermtde ; vande, schuofe, stuonde, sähe etc. (Whd. § 371. 374). 

Im Plural der Neutra ist dieses e fest geworden, im N. A. Sg. 
nur in einzelnen Wörtern (FL); im Imp. der st. Verba er- 
scheint es zulässig; dagegen im Prät., wo es lange Zeit sehr 
beliebt war, ist es wieder aufgegeben. 

Neben des, der, den kommen in betonter Stellung seit dem 
15. Jahrh. die Formen dessen, deren, denen, derer in Aufnahme und 
werden in ihrer Bedeutung allmählich differenziert; DWb. 2, i>55 f. 

Anm. Der Spr. At. verzeichnet angehängtes e im Imp. bleib 



« 279.] Flexionsendungen im Nhd. 339 

nur im Ostdeutschen (21, 283). Ferner im Plur. Häuser (20, 219); 
Nom. Sg. mann (nur vereinzelt, 19, 203); Acc. Sg. salz (öfters in 
Schlesien 19, 102). — In den prädicativen Adjectiven heiss (20, 99), 
hoch (22, 102). — In nichts (19, 208). — Ähnlich wie im Pron. 
detien ist in letUen dem D. PI. die Endung -en noch einmal ange- 
hängt (20, 223 f.). — icke, icke neben ich (18, 309) beruht auf älterer 
Eildung. 

Unterdrückung des unbetonten Vocales im Nhd. 

279. Die Unterdrückung des tonlosen e, die sich bei 
den mhd. Dichtem, namentlich den Lyrikern, noch in beschei- 
denen Grenzen hält, nimmt in der folgenden Zeit besonders 
in den bairischen Mundarten sehr zu. Die nhd. Schriftsprache 
aber setzt die Bewegung im allgemeinen nicht fort. Der seit 
dem 16. Jahrh. steigende Einflnss der mitteldeutschen Mund- 
arten und vor allem die grammatische Durchbildung der 
Sprache riefen eine Gegenströmung hervor, welche die ober- 
deutschen Verkürzungen nicht zur Anerkennung kommen Hess 
and in manchen Fällen selbst über das in Mitteldeutschland 
Übliche zurückgriff. In Luthers älteren Schriften finden wir 
vielfach noch nach oberdeutschem Brauch apokopierte Formen, 
die er später meidet (Franke § 173 f.). Das Verfahren, das 
er in der letzten Bibelausgabe beobachtet hat, ist für die 
Schriftsprache im allgemeinen zur Regel geworden. Zwar ge- 
statten sich die Dichter, auch die mittel- und niederdeutschen, 
noch lange nach Luther grosse Freiheit, aber Opitz (Poeterei 
Kap. 7) trat dem mit Erfolg entgegen, und Gottsched und 
Adelung bezeichnen im allgemeinen den Abschluss der Be- 
wegung, obschon sie in Einzelheiten sich bis in unsere Zeit 
fortsetzt^). Ich beschränke mich darauf, die Ergebnisse zu 
betrachten, welche die Sprache jetzt erreicht hat. 

Anm. Für den Kampf des Oberdeutschen gegen das md. e 
fiind einige Äusserungen Grimmelshausen's interessant. Er findet, 
dass selbst in Wörtern wie pflegen, bitter, Mangel das e der zweiten 
Silbe überflüssig sei und hat sein Galgenmännlein zum Teil so ge- 
schrieben : dein sckreihn . . in welchm du von den so gnantn gälgn- 



1) von Bahder, Die e-Abstossung bei dem nhd. Nomen. IF. 
4, 352-364. Minor, Metrik s. 173 ff. 



340 Flexionsendungen im Nhd. [§ 280. 

mänlen so ausführlichn brncht von mir bgehrst etc. Er spottet 
darüber freilich, wie über einen ungewöhnlichen neuen Stylum, 
aber doch mit verstecktem Ernst. In einer andern Schrift, dem 
Teutschen Michel, bemerkt er, dass die Meissner und ihre Nachbarn 
zu viel überflüssige Wörter und Buchstaben brauchen, und unter 
lächerlichen Sprachkünstlern schildert er auch solche, welche *alle 
wort einem jeden huchstäben nach aussprechen wollen . . vne neu-- 
lieh einer, welcher einer Jungfer mit diesen Worten eines zubrachte : 
ich wollete van hertzenn gemn meiner vielgeliebtenn jungfrauenn 
dieses kaieine galäseleinn mit weine zubringenn (s. Hildebrand im 
DWb. 4, 1, 1596 flF. J. Wiesner, Über suffixales e in Grimmeis- 
hausens Simplicissimus. Wien 1889. Prgr.). — Jüngere Zeugnisse 
für den Widerstand gegen „das lutherische c" bei Kluge, Von 
Luther bis Lessing S. 131. 137. 139. 142 f. 

280. Allgemeine Gesichtspunkte. — 1. Besonders cha- 
rakteristisch ist das Bestreben, die Flexionen, insofern sie 
Unterschiede der Person, des Numeras, Tempus, Modus, Casus 
bezeichnen, zu schützen; und zwar zeigt man sieh dabei weniger 
besorgt um die Erhaltung des unbetonten e als um die Er- 
haltung einer vernehmbaren Flexion. Daher vermeidet man 
die Apokope mehr als die Synkope, und in der Synkope recht 
zum Unterschiede der naturwüchsigen Entwickelung der älteren 
Zeit, am meisten den Fall, wo die Endung mit dem Auslaut 
des Stammes zusammenfallen würde. Hingegen das e, welches- 
am Ende der Nomina als Rest alter eigenttlmlicher Stamm- 
bildung galt {ja-y i-, M-, w-Stämme) ist in weitem Umfang dem 
Verfall preisgegeben. 

2. Für diese Unterdrückung des e kommen vor allem 
die Betonungsverhältnisse in Betracht. Hinter einem andern 
Suffix ist es regelmässig apokopiert; mhd. vischtere, hande- 
Imige^ vinsternisse, Jcüniginne, v^dercy beseme etc. sind nhd. 
Fischer, Handlung^ Finsternis, Königin, Feder, Besen etc.; 
nihd. edele, vremede, gebefide: nhd. edel, fremd, gehend etc. 
Ebenso nach unbetonten und verdunkelten Compositionsglie- 
dern, z. B. mhd. eilende : elend, herzöge : Herzog, antlitze : 
Antlitz. Nur einige Feminina und gewisse Neutra haben das 
e auch nach Ableitungssilben bewahrt (§ 294. 295). „Die 
Sprache strebt", wie Heyse bereits richtig bemerkte, „sicht- 
bar dahin, die Zweisilbigkeit und das einfache Verhältnis 



§ 280.] Flexionsendungen im Nhd. 341 

einer betonten zu einer tonlosen oder nebentonigen Silbe nicht 
zu überschreiten." 

Anm. Die Neigung Hebung und Senkung wechseln zu 
lassen wirkt auch in abgeleiteten und zusammengesetzten Wörtern 
auf den Vocal der uubetonten Mittelsilbe ; z. B. mhd. jungelinc : 
Jüngling; mhd. fridelich : friedlich (§308 f. 322); ja selbst auf die 
Endung zweisilbiger Wörter, z. B. hiute ze tage = heutzutage. Doch 
konnte sie hier nicht zu durchgreifender Geltung kommen, weil in 
anderm Zusammenhang das e ungefährdet blieb (Behaghel, Grdr. 
§ 52, 2; vgl. ob. § 273, 1. 274). 

3. Wo das e unmittelbar auf die Stammsilbe folgt, übt 
oft der Auslaut des Stammes Einfluss. Die Apokope hat wei- 
tere Verbreitung gefunden nach stimmlosen Verschluss- und 
Reibelauten, nach Nasalen, Liquiden und Vocalen, die im Aus- 
laut ebenso gesprochen werden wie im Inlaut, als nach stimm- 
haften Verschluss- und Reibelauten, die zugleich mit dem e 
ihren Stimraton verlieren, also durch die Apokope verändert 
würden; mhd. spcete, Icüele, leere, niuwe, sind nhd. spät, kühl, 
leer, neu geworden, mhd. cßde, trüebe, wise sind öde, trübe, 
weise geblieben (Behaghel, Germ. 23,265. BoiungaS. 155 — 160). 
Schon Adelung hat diesen Gesichtspunkt wahrgenommen und 
wne Jellinek (ZföG. 1893 S. 1095 f.) bemerkt, auch als Leit- 
stern für seine grammatischen Vorschriften und Ratschläge 
benutzt. 

4. Neben diesen lautlichen Momenten machen sich auch 
associative geltend, d. h. Worte, die durch ihre Function oder 
Bedeutung als zusammengehörige Gruppen empfunden werden, 
streben nach gleicher Form. In diesen Einflüssen wuraelt der 
Unterschied, den die Sprache zwischen dem flexivischen und 
stammhaften e macht; sie treten aber auch in der Behandlung 
des stammhaften e hervor; bei den Substantiven hängt die 
Erhaltung oder der Schwund desselben wesentlich von dem 
Geschlecht und von der Bedeutung ab (§ 293 f.). 

Hiernach betrachten wir die einzelnen Wortclassen und 
beginnen mit dem Verbum, bei welchem die Verhältnisse am 
einfachsten liegen. 



342 Flexionsendungen im Nhd. — Verba. [§ 281. 282. 

Verba. 

281. Apokope. — Das ungedeckte e wird im allgemeinen 
erhalten. Bei Walther heisst es var, spür, man, wir schreiben 
und sprechen fahre, spüre, mahne. Nur im Imperativ braucht 
man Formen mit und ohne e. Von alters her galten hier ver- 
schiedene Formen; die sw. Verba und von den starken diejenigen^ 
welche ihren Fräsensstamm mit j bildeten, hatten im Imp. e als 
Endung, die andern entbehrten dieses e. Aber schon im Mhd. kam 
diese Sonderung ins Schwanken, indem e auch bei den st. V. Ein- 
gang fand (§ 278), oder umgekehrt e auch bei den sw. V. apokopiert 
wurde; Whd. § 308. Im Nhd. nimmt der Imp. sowohl der starken 
als der schwachen Verba e an, ol^ aber wird es auch unterdrückt. 

Unzulässig ist es bei den st. V. 1., welche in der (2.) 3. Sg» 
Präs. notwendig Synkope erfahren: z. B. sprichst j spricht, 
sprich; giebst, giebt, gieb; liest, lies u. a.; nur siehe ist^ 

zumal im theologischen Stil, übrig geblieben (Heyse 1, 721). 
Bei diesen Verben halten sich die einsilbigen Formen offenbar unter 
dem Einfluss der 2. und 3. Sg., mit denen sie durch den gleichen 
Vocal verbunden sind. Doch lassen wir auch bei vielen andern 
sehr häufig das e fehlen, besonders bei lass, komm. Unentbehr- 
lich ist umgekehrt das e allen Verben, welche hinter der 
Stammsilbe eine Ableitung haben: heilige, verweichliche, selbst 
füttere, sammle, segne (vgl. § 291 Anm.). 

282. Synkope. — 1. Das gedeckte e wird vor n er- 
halten: geben, legen, reden, gebend etc., ausgenommen sind 
nur die Verba auf -el und -er : ändern, stammeln (§ 276. 283)» 
— Die Pura, welche früher einsilbige Infinitive bildeten, haben 
jetzt nach dem Muster der andern Verba zweisilbige Formen 
angenommen: gehen, stehen] freuen, mühen, wehen, säen\ 
nur thun und sein behaupten noch die alte Einsilbigkeit. 

2. Vor t und st ist die Synkope sehr beliebt. 

a. Besonders fest ist sie in der 2. 3. Sg. Ind. Präs. der- 
jenigen Verba, bei welchen die Formen durch den Stamm- 
vocal von den übrigen Präsensformen geschieden sind (st. V 1, 
4. 5): helfen, hilfst, hilft \ sprechen, sprichst, spricht \ graben, 
gräbst, gräbt; fallen, fällst, fällt. Selbst der Zusammenfall 
der Endung mit dem Stammauslaut, der in der 2. Pers. bei den 



§ 282.] Flexionsendungen im Nhd. — Verba. 343 

Stämmen auf 8, in der 3. Pens, bei denen auf d und t eintritt, 

vermag die Synkope nicht zurückzuhalten. In der 3. Fers. 

gilt sie durchaus: gut, schilt tritt, wird, hält, lädt, brät; 

in der 2. Fers, gebührt sie wenigstens der Umgangssprache. 
Heyse (1, 723) hat Unrecht, wenn er die Formen du liesest, issest, 
vergissest, blasest, stössest, wächsest als allein zulässig bezeichnet; 
nur in würdevoller Rede sind sie erträglich. Selbst wenn der 
Stamm auf z oder seh ausgeht, ist uns die unsynkopierte Form un- 
bequem {schmüzest, drischest, wäschest), obschon man auch Ab- 
neigung gegen die Synkope hat; vgl. Sanders, Hauptschwierig- 
keiten » S. 170. 

b. Bei denjenigen Verben, welche in der 2. 3. Sg. Ind. 
Fräs, keinen eigentümlichen Vocal haben, ist die Synkope in 
diesen Formen zwar auch das gewöhnliche, doch wird sie in 
der 3. Fers, durch den Auslaut des Stammes, in der 2. durch 
die Einwirkung der dritten eingeschränkt. Wir sagen z. B. 
schreien, schreist, schreit] spinnen, spinnst, spinnt; frieren, 
frierst, friert; schreiben, schreibst, schreibt etc., aber in der 
3. Fers, gestatten die Stämme auf d und t keine Synkope: 
findet, bittet, reitet, redet etc. Formen wie findt, redt etc., 
an denen die älteren Grammatiker keinen Anstoss nahmen, 
sind uns versagt, weil die Grammatik eine deutlich erkenn- 
bare Endung verlangt. — Wäre derselbe Gesichtspunkt für 
die 2. Fers, massgebend, so müsste in ihr die Synkope über- 
all gelten, ausser bei den Stämmen, die auf einen «-Laut aus- 
gehen; doch trifft dies nicht zu. Auch die Verba auf d und 
t verlangen die volle Endung: findest, bietest, reitest, redest; 
und umgekehrt neigt die Umgangssprache bei den Stämmen 
auf «-Laute zur Synkope, obwohl die Grammatik für die 
Schriftsprache mit Recht die vollen Formen reisest, preisest, 
löschest, tanzest, geniessest empfehlen und fordern mag (Heyse 
1, 723 f.)". Die 2. Fers, folgt augenscheinlich der dritten; wir 
vermeiden bietst, redst, weil wir bietet, redet sagen, und 
neigen zu du reist, tarnst, löschst, weil wir in der 3. Fers. 
reist, tanzt, löscht sprechen. Die 2. und 3. Fers. Fräs, 
stehen, weil sie durch Brechung und Umlaut in vielen Verben 
charakteristische Unterschiede gemein haben, in besonders 
enger Beziehung; sie folgen daher derselben Regel und die 



344 Flexionsendungen im Nhd. — Verba. [§ 283. 

3. Pers.^ als die hänfiger gebrauchte; wird massgebend für 
die zweite. 

c. In der 2. Sg. Ind. Prät. ist die Neigung zur Synkope 
geringer als im Präsens; nötig ist sie nirgends: du gabst y 
halfst, schwurst etc. sind die gewöhnlichen Formen, daneben 
aber auch gäbest, halfest, schwurest durchaus üblich. Bei den 
Stämmen auf einen «-Laut wird die Synkope mehr gemieden 
als im Präsens, weil hier der Einfluss der 3. Person fehlt: 
du assest, liessest, wuchsest, wuschest, schmolzest'^ und um- 
gekehrt ist, aus demselben Grunde, bei den Stämmen auf t 
die Neigung zur Synkope grösser als im Präsens: du fandest, 
tratest, batest, rittest, rietest, hieltest, Dass aber hier die syn- 
kopierten Formen den Vorzug verdienten, behauptet Heyse 1, 722 
mit Unrecht und nach vorgefasster Meinung. 

d. In der 2. PI. Ind. Präs. und Prät. hält sich die Nei- 
gung zur Synkope ungefähr in denselben Gränzen wie in der 
2. Sg. Ind. Prät. Wo die Endung mit dem Stammauslant zu- 
sammenfallen würde, also nach d und t, ist sie unerlaubt, sonst 
kann sie eintreten oder unterbleiben. 

e. Im Opt., namentlich im Opt. Präs. behaupten die En- 
dungen -et und -est ihren Vocal. 

Über das Prilt. und Partie, der schwachen Verba s. § 310. 

283. Verba auf -er, -el, •em, -en. — Die Verba auf 
-er und -el verlangen, die auf -ein und -en verweigern die 
Synkope des e in allen Endungen. Es heisst sammelt, sam- 
melst, sammeln, sammelte^ ändert, änderst, ändern, änderte; 
hingegen segenet, segenest, segenen, segnete*^ atmet, atmest, 
atmen, atmete. Die Umgangssprache liebt auch bei den Ver- 
ben auf -en {-em) SjTikope des Flexions-e; segent, ebent, aber 
die Schriftsprache meidet solche Formen; sie hindert durch 
die Erhaltung des e, dass der Nasal sich dem vorhergehenden 
Consonanten assimiliert, ebenet zu ebijit, regenet zu regnt wird, 
Verstümmlungen, die in der Umgangssprache oft genug ein- 
treten. — Heyses Verlangen 0, 727) in den Conjunctivformen auch 
bei den Verben auf -er und -el das e der Flexion fest zu halten 
{du saminlest^ füttrest) scheint mir in dem geltenden Gebrauch nicht 
begründet zu sein. Vgl. § 315. 



§ 284. 286.] Flexionsendungen im Nhd. — Adjectiva. 345 

Adjectiva. 

284. 1. In den flectierten Formen behauptet sich, 

abgesehen von den Ableitungen auf -er, -el, das e durchaus: 

Die zweisilbigen Endungen , ebenso der Wechsel zwischen 

-em und -me, er und -re (§277) sind aufgegeben; -er und 

-em gelten allein. 

Anm. 1. Der Spr. At. verzeichnet Apokope für den N. Sg. alte 
(21, 278), braune (20, 212), gtUe (22, 114); Acc. Sg. Fem. weisse 
(22, 110 f.), A. Sg. Neutr. kaUe (21, 281); N. PI. schlechte (21, 165). 

2. In der unflectierten Form haben schon im Ahd. 
die meisten Adjectiva keine Endung; viele andere, namentlich 
zusammengesetzte, gehen auf i aus, einige auf o {=w). Das 
wird in den meisten schon im Ahd., in andern im Mhd. 
beseitigt (§ 121 f.); das Nhd. hat auch das aus i entstandene 
e gewöhnlich fallen lassen, nur der Umlaut gestattet noch oft 
einen Schluss auf die alte Bildung*). — Der Abfall des e 
regelt sich im allgemeinen nach der Qualität des Stammaus- 
lautes. Nach stimmhaften Explosiv- und Reibelauten ist es 
erhalten, nach stimmlosen, sowie nach Nasalen, Liquiden und 
vocalisch auslautenden Stämmen abgefallen (§ 280, 3). 

a. Der Regel gemäss ist e abgefallen in mhd. spcete, stcete, 
bereite, veste^ wüeste, viuhte^ dXhte dicht; dicke, gelenke\ spitze'^ rfcAe; 
r%fe\ siieze, gemceze] kiusche. — leere, swcere, gehiure, tiure, dürre; 
veile, küele, stille; kleine, reine, gemeine, schcene, grüene, kilene, 
dünne; genceme, bequceme, — niuwe neu, getriuwe treu, rwutce genau, 
früeje früh, gashe jäh. 

b. Erhalten ist e in mhd. trüebe, gasbe (nur noch in der Ver- 
bindung gäng (mhd. genge) und gäbe); müede, cede, snoede, bUxde, 
behende; trage, veige, gevilege, flügge; mürwe mürbe; bcese, Itse, wtse. 

Anm. 2. Der Regel folgen auch einige nhd. Adjectiva, denen 
die Form des Adv. zu Grunde liegt: nhd. sanft ixaM.senfte, nhd. 
gerade : mhd. gerat, nhd. lose seit dem 17. Jahrh. in differenzierter 
Bedeutung neben los, mhd. lös. Das gerade und lose nicht altes 
c = z haben, zeigt der unumgelautete Vocal ; [fade ist Femdwort, 
frz. fade], — hart ist alte Nebenform zu herte (II § 307, 3). 

285. Ausnahmen. — Obschon die Richtigkeit der Regel 
nicht zu bezweifeln ist, werden doch oft, zumal wo die Mund- 



1) Behaghel, Germ. 23, 265. von Bahder IF. 4, 357. 



346 Flexionsendungen im Nhd. — Adjectiva. [286. 287. 

art die Apokope begflnstigt, auch Adjectiva mit veränder- 
liebem Auslaut einsilbig gebraucht. Beliebt ist die verkürzte 
Form besonders von enge, geringe^ strenge, wo sich die Apo- 
kope aus der Neigung erklärt, ng als gutturalen Nasal, also als 
unveränderlichen Auslaut zu sprechen (^ 80) ; ferner herbe (mhd. 
here, flect. Jiertver), linde, müde'^ geboten ist sie in fremd, mhd. 
vremede; schräg, mhd. schräge; wild, mhd. wilde; gescheit, mhd. 
geschtde (§ 84). — geschwind neben geschtvinde beruht auf alter 
Doppelbildung. 

Umgekehrt müssen oder können manche Adjectiva mit 
unveränderlichem Auslaut das e behalten: nütze, irre, kirre, 
dürre, stille, dünne, zähe. Die drei ersten lassen vielleicht vermuten, 
warum überhaupt die Apokope eintrat. Für die a-Stämme galt die 
Regel: attributives Adjectivum hat eine Endung, prädicatives Adj. 
nicht; der gute Mann, der Mann ist gut. Nach diesem Verhältnis 
bildete man die ^'a-Stämme um: das schöne Weih, das Weib ist 
schön{e), irre, kirre, nütze widerstanden, weil sie nur prädicativ 
gebraucht werden. 

Anm. Der Spr. At. verzeichnet die Apocope des e in dem 
prädicativen Adj. müde (19, 355). 

286. Bei den Adjectiven, welche mit Ableitungs- 
silben gebildet sind, behauptet sich die Flexion ebenso fest 
wie bei den andern; auch bei denen auf -en. Nur die auf 
-er und -el gestatten noch einige Freiheit. Heyse (1, 602) 
giebt die Regel, dass man bei ihnen wenigstens in der Elndung 
-en besser die Synkope eintreten lasse: edeln, heitern etc., 
und in der That herrschten früher diese Formen, auch noch 
bei den Classikern des vorigen Jahrh.'s. Aber im Laufe der 
Jahre ist augenscheinlich auch hier eine Wendung zu Gunsten 
der vollen Endungen eingetreten. Wir ziehen jetzt edelen, 
heiteren vor und betrachten die andern Formen als eine Con- 
cession an die Umgangssprache. Vgl. §31oc. 

287. Die Adverb ia adjectivischer Stämme wurden 
im Mhd. auf e, ahd. o gebildet. Im Nhd. haben sie alle die 
Form des prädicativen Adjectivs angenommen; nur lange hat 
in der Bedeutung 'lange Zeit' die eigentümliche Form bewahrt. 

Die Genitiv-Adverbia verlangen Synkope der Endung -es : 
stracks f längs, bereits^ links, rechts, stets, -wärts (II § 442, 4). 



§ 288. 289.] Flexionsendungen im Nhd. — Substantiva. 347 

Demgemäss unterscheidet man adjectivisches anderes von ad- 
verbialem anders. 

Anni. Der Spr. At. verzeichnet erhaltenes e für das isolierte 
Adv. balde (19, 284). 

Substantiva. 

288. Die Substantiva bieten die mannigfaltigsten Er- 
scheinungen*). Wir betrachten zunächst das flexivische e, 
d. h. die Endungen, welche zur Unterscheidung von Casus 
und Numerus dienen. 

Nach betonter Stammsilbe wird e nie im Plural, häufig 
im Dat. Sg. apokopiert. Eine rein lautliche Entwickelung 
liegt hier also nicht vor, denn das e des Plurals ist nicht mehr 
betont als das des Dativs. Die Bedeutung hat die verschiedene 
Behandlung bestimmt. Die Bezeichnung des Plurals erschien 
dem Sprechenden als etwas Wesentlicheres als die Bezeich- 
nung des Dativs; darum kann diesem die Endung fehlen, jenem 
nicht. Im Plural sagen wir durchaus Säumej Schwämme^ 
Kerne, Jdhre^ Schritte, Taue etc. Ja die st. N. (a), denen 
im N. Ä. PI. ursprünglich keine Endung zukommt, haben, 
abgesehen von gewissen abgeleiteten Stämmen (§ 291), im 

Nhd. ein e als Endung angenommen (§ 278). 

Anm. Der Spr. At. verzeichnet die Apokope für gänae 
(18, 408; vgl. Bremer III, 71 f.), leute (20, 222). 

289. Den Dativ bilden wir bald mit, bald ohne e. 
Es kommen dabei namentlich folgende Gesichtspunkte in 
Betracht. 

a. Das e fehlt gewöhnlich den Stämmen die auf einen 
Vocal auslauten: dem See, Ei, Schnee, Schuh, Stroh etc.; 
vgl. Er jagte einem Rehe nach ; er hat zwei Rehe geschossen. 

b. Besonders beliebt, zum Teil notwendig ist die Apo- 
kope, wenn ein Substantivum ohne Artikel in adverbialen Be- 
stimmungen oder formelhaften Verbindungen steht. Beispiele 



1) s. Behaghel, Germ. 23, 264—268. Boiuiiga, die Entwicke- 
lung der nhd. SubsCantivflexion. Leipzig 1890. von Bahder, IF. 
4, 358. 



348 Flexionsendungen im Nhd. — Substantiva. [§ 290. 

bei Heyse 1, 489: mit Weib und Kind, von Haus und Hof vertreiben^ 
von Ort zu Ort von Jahr zu Jahr; zu Fuss; von Glas, aus Thon, 
aus Geiz, vor Zorn, mit Dank etc. Wenn Rückertsagt: „Da lagen 
die Blätter von Glase zerbrochen in dem Grase^, so empfinden wir 
den Dativ Glase als etwas Ungewöhnliches. Wir unterscheiden: 
„Sie stürzten sich mit Mut auf die Feinde^ und „Sie kämpften mit 
unvergleichlichem Mute'^. Für die adverbialen Bestimmungen bilden 
sich also besondere Formen aus ; das Substantivum büsst hier etwas 
von seiner substantivischen Natur ein; vgl. auch II § 453. 

c. Elision des Dativ-e pflegt vor vocalisch anlautendem 
Worte einzutreten; z. B. dem, Geiz ergeben y am Hals eine 
Kette tragen. 

Anm. Der Spr. At. verzeichnet die Apokope für felde (19, 
286), hause (20, 215), fleisch (20, 332), tische (22, 326). 

290. 1. Der Synkope kann das c in der Genitivendung 
-es unterliegen. Ob sie eintreten darf oder nicht, hängt we- 
sentlich davon ab, ob sich das s bequem mit dem Stammaos- 
laut verbindet oder nicht. Am beliebtesten, aber keineswegs 
erforderlich und in der Schriftsprache eher gemieden als ge- 
sucht ist sie nach Vocalen, Nasalen und Liquiden: des Kleees, 
StrahleSf Schwammes, Hohnes etc. Durchaus vermieden wird 
sie bei Wörtern, welche auf «-Laute {s, ss, z, seh) ausgehen: 
FusseSy Glases, Geizes, Hirsches, 

Adverbiale Verbindungen begünstigen die Synkope und 
machen sie zuweilen notwendig: Tags darauf, hierorts, keines- 
falls; vgl. II § 454, 3 f. 

Auch in den Genitivcompositis ist der Gebrauch der 
vollen Endung eingeschränkter als in den selbständigen ein- 
fachen Wörtern. Wir sagen in Übereinstimmung mit dem Genitiv 
des Simplex: Todes-angst, Tages-zeit, Grabes-stille, Sturmes-tcehen, 
Gottes-haus etc., aber anderseits: Wirts-haus, Bluts-tropfen, Rats- 
herr, Amts-diener, Glücks-kind etc. und selbst nach Medien: Kriegs- 
gott, -mann, -müde, Weibs-bild, Winds-braut, obwohl Krieges, Weibes, 
Windes die gewöhnlichen Formen sind. — Eine durchgreifende 
Regel giebt es nicht; der Gebrauch verlangt bald diese bald 
jene Form. Wir sagen Windsbraut aber Windeseile, Landsknecht, 
-mann aber Landes-herr, -fürst, -vater; Manns-person, -toll aber 
Mannes-ehre, -wort. Aber das ist deutlich wahrzunehmen, dass 
die jüngere Zeit das unbetonte e begünstigt. W^ährend in alt- 



§ 291.] Flexionsendungen im Nhd. — Substantiva. 349 

hergebrachten Wörtern sich -8 behauptet, wird in den Jüngern -es 
vorgezogen, auch in ältere eingeführt. Für Oherlands-gericht sagt 
man jetzt gern Oberlandes-gericht, und wenn die Neigung fort- 
dauert, werden wir auch noch zu Wirtes-töchtem und Windes- 
brauten kommen. 

2. Die Endungen -en und -er behaupten ihren Vocal 
in der Schriftsprache durchaus. Die Umgangssprache unterdrückt 
ihn gern in der Endung -en und assimiliert dann weiter den Nasal 
dem vorhergehenden Consonanten, so dass Gaben zu GäbTrif Gedanken 
zu Gedank^ wird. 

Anm. Ihren Silbenwert verliert die Endung -en durch die 
Synkope und Assimilation im allgemeinen nicht ; den Karren : das 
Garn ist kein genauer Reim. Nur in dem proklitischen Herrn ist 
die Verbindung -m so eng wie im Stammauslaut, und deshalb lässt 
man hier auch in der Schrift das e fehlen (vgl. Heyse 1, 490). 
Manche halten selbst das schon für nachlässig. 

291. Wörter mit Ableitungssilben. — Weiteren Umfang 
hat die Unterdrückung des e nach den Ableitungssilben ge- 
wonnen. Die Bildungssilben -ely -er, -cw, -cm, -chen, -lein dulden 
durchaus kein e hinter sich. Selbst das e des Pluralis föllt 
hier fort; vgl. die Declination von Vogel, Becken, Heber, Atem, 
Bäumchen, Bäumlein. In den Wörtern auf -en, -chen, -lein 
empfängt nur noch der 6. Sg. ein Zeichen der Flexion; denn 
auch im D. PI. muss die Endung schwinden, da nach Unter- 
drückung des e das n der Flexion mit dem Auslaut des 
Stammes zusammenfällt; mhd. Jen vogellinen, nhd. den Vöglein, 

Nach den andern Ableitungssilben: -and, -at, -end, -icht, 
-ing, -ling, -rieh, -sal, -tum unterdrückt man im G. und D. Sg. 
gern den Vocal; hingegen das e des Pluralis und das e der 
Endung -en bleibt erhalten wie nach den Stammsilben. Ebenso 

bei den Femininis auf -in, -ung, -schaft, -heit, -keit. Vgl. die 
Declination von Heiland, Monat^ Abend, Dickicht, Königt Hering, 
Jüngling, Wiltrichj Labsal, Reichtum', Königin, Handlung, Freund- 
schaft, Narrheit, Freundlichkeit, — Bei -nis hindert der Auslaut 
natürlich die Synkope der Endung -es (Heyse 1, 488 f.). 

Auffallend ist, dass die Endung -en bei den Femininis auf -in 
erhalten bleibt, bei den Wörtern auf -en, -chen, -lein schwindet. 
In den Betonung» Verhältnissen kann der Grund nicht liegen, denn 
-in ist nicht schwerer als -lein; er liegt vielmehr darin, dass die 
Endung -en bei den Femininis auf -in dem ganzen Plural, bei den 



350 Flexionsendungen im Nhd. — Substantiva. [§ 292. 293. 

Wörtern auf -cn, -chen, -lein nur dem D. PI. zukommt. Das Plural- 
zeichen hielt man fest, das Casuszeichen liess mau fallen. Dass 
aber den Wörtern auf -lein das Plural-e fehlt, das doch nach allen 
andern Ableitungssilben ausser den schwächst betonten steht, ist 
eine Folge ihres Geschlechts. Den Neutris kam ursprünglich im 
N. A. PI. keine Endung zu; die Wörter auf 4ein also haben das 
e in diesen Casus nicht verloren, sondern sie haben es nach der 
minder betonten Ableitungssilbe nicht angenommen. 

Anm. 1. Es ist beachtenswert, wie verschieden das Flexions-e 
nach -e^ -er, -erij (-em) bei Substantiven, Adjectiven und Verben 
behandelt wird. Am festesten steht es bei den Adjectiven, bei den 
Substantiven ist es ganz verschwunden. Schottel bemühte sich noch, 
bei den Wörtern auf -er das Plural-e zu halten (Boiunga S. 126 f.). 

Anm. 2. Der Spr. At. verzeichnet erhaltenes e im D. Sg. von 
Winter (AfdA. 19, 110). 

292. Composita und minder betonte Stämme. — Da 
die Synkope der Flexion wesentlich von der Betonung der 
vorangehenden Silbe abhängt, ist es natürlich, dass sie bei den 
Gompositis leichter eintritt als bei den einfachen Wörtern und 
zwar um so mehr, je entschiedener sich der zweite Teil des 
Compositums dem ersten unterordnet; vgl. Tages : Montags; 
bei Tage : am Montag; des Hofes : des Kirchhofs; des Rates i 
des Hofrats. Die Simplicia lehnen die Synkope nicht ab, 
die Composita verlangen sie nicht; aber die Neigung zur 
Synkope ist bei diesen grösser als bei jenen. 

293. Apokope des stammhaften 6. 

Das e, welches die Sprache als Rest eigentümlicher 
Stammbildung überkommen hatte, ist nach Ableitungssilben, 
wie bereits bemerkt (§ 280, 2) fast immer aufgegeben; nach 
einsilbigen Stämmen ist es verschieden behandelt; der Aus- 
laut des Stammes, das Geschlecht, auch Bedeutungsgruppen 
haben nebeneinander Einfluss geübt und die ursprünglichen 
Verhältnisse erheblich umgestaltet. Ich ordne den Stoff nach 
dem Genus. 

Die Sprachentwickelung hatte dahin geführt, dass es ver- 
hältnismässig wenig Masculina und Neutra aber viele Feminina 

auf e gab. Von den Masculinis gingen auf e aus die sw. M., au.sserdem 
die wenigen ja- und fi;a-Stämme und ein paar kurzsilbige u- und 
9-Stämme ; von den Neutris die ja-Stfimme, ein einzelner u-Stamm, 



§ 2d4.] Mhd. Apokope des stammhaften e in Femin. 351 

wenige ti;a-Stämme und schwache Neutra. Von denFemininis dagegen 
entbehrten der Endung nur die t-Stämme ; die zahlreichen sw. F. und 
die St. F. der ^-Declination gingen auf e aus. Die Folge dieser Grup- 
pierung war, dass die Masculina und Neutra ibr 6 oft aufgegeben 
haben, die Feminina es aber in der Regel behalten. Einige 
Feminina, die ihr e dennoch verloren haben, sind zum männ- 
lichen Geschlecht übergetreten, öfter Masculina auf -e, eben 
wegen dieses Vocales, Feminina geworden. Diese und andere 
Änderungen kommen in der Flexionslehre zur Sprache; hier 
handelt es sich nur am Substantiva, welche ohne sonst ihre 
Form oder ihr Geschlecht zu ändern, e behalten oder abwerfen. 

294. Die Feminina haben im allgemeinen das e be- 
halten, einige Adjectivabstracta auf t sogar nach unbetonter 
Ableitungssilbe: Ebene, Genossame, Gerechtsame (II S. 254. 
256). Folgt das e auf die betonte Stammsilbe, so behauptet 
es sich nach einem veränderlichen Consonanten (stimmhaftem 
Verschluss- oder Reibelaut) regelmässig; z. B. Liehe, Haube, 
Bede, Gnade, Wiege, Klage, Nctse, Eeise; ausgenommen ist nur 
HtUd, ahd. htddt (vgl. § 204 und Boiunga S. 159). Gewöhnlich 

Steht es auch nach unveränderlichem Auslaut; nur verhältnis- 
mässig wenige haben es fallen lassen (Boiunga S. 173 f. IF. 
4, 355. 361 f.). 

a. Mehrere ursprünglich kurze Stämme auf Liquida 
oder Nasal, die im Mhd. fast regelmässig apokopiert werden : 

Wahl, Zahl] Gier (ahd. girt), Schar, Thür (ahd. turi), wahr- (in 
wahrnehmen, ahd. wara), Wehr (ahd. wert Verteidigung); Scham*, 
Bahn; und nach minder betonter Silbe NachtigäU, Die meisten 
sind zweisilbig; z. B. Schäle, Kehle, Sohle, Mühle \ Waare\ Mähne 
(mhd. m^n), Granne (mhd. gran), Bühne ; vgl. auch Schwalbe, mhd. 
8wal (swalwe), Farbe, mhd. var (varwe), 

b. Einige lange Stämme mit unveränderlichem Auslaut, 
besonders mit t, auf die wohl die zahlreichen mit ft-SufSx 
gebildeten Wörter eingewirkt haben: Hut (mhd. huote). Acht 
(in verschiedener Bedeutung mhd. ahte und ähte), Tracht, Schlacht, 
Wacht, Furcht (mhd. vorhte), Kost, Bast, Maut (mhd. mute); ferner 
Qual, Buhr (ahd. lyruora, mhd. ruxrre, ruory, Zier (ahd. ziart), Pein 
(mhd. ptne), Form, Mark, Pfalz; und nach minder betonter Silbe 
Ein-, Umkehr (ahd. kira, mhd. kire, kir), Kirmes, mhd. kirmesse, 
Stirne kann auch im Nhd. noch mit e gebraucht werden. 



352 Nhd. Apokope des stammhaften e im Fem. Neutr. [§ 295. 

c. Auch Stämme^ die auf Yocal oder gtnmmes h aus- 
lauten^ pflegen jetzt auf e auszugehen, unter ihnen manche, 
die im Mhd. die Endung mit dem Stammvocal yerschmelzen 

lassen (§ 274) : Braue (mhd. brä), Klaue (mhd. Jdd), Ehe (mhd. «), 
Krähe (mhd. krd); Buhe (mhd. ruowe); Brühe (mhd. bril^e\ Mühe 
(mhd. müejey^ Schlehe (mhd. 8Uhe\ Reihe (mhd. rVie) und die Ad- 
jectivabstracta Höhe^ Nähe. Auch zehe M. F. (mhd. zihe st. sw. F.) 
pflegt e zu behalten; aber neben Aue (mhd. ouwe) gilt Au und 
durchgedrungen ist die Verkürzung in dem oft proklitisch ge- 
brauchten Frau (vgl. Herr\ mhd. frouwe] ebenso nach dem minder- 
betonten -schau; z. B. Brautschau, Heerschau und in Kirchweih, 
ahd. kirihu^iht 

Anm. 1. Mhd. müre, vtre, schiure = Maurer, Feier, Scheuer 
entbehren, nachdem sich r zu er entwickelt hat (§ 301), ihr e nach 
der Regel. — Stärkere Umbildung zeigen einige, die zugleich das 
e (aus i, f) und den Umlaut entbehren: Kur (mhd. küre, md. kure, 
kur, ahd. churi, vgl. Willkür), Spur (mhd. spur, spür N. F. neben 
gleichbed. ahd. mhd. spor N.); Schmach (mhd. smcehe, ahd. smdht), 
Wut (mhd. wüete, wuot, ahd. wuott), Huld (mhd. hulde, ahd. TiuMC), 
und nach minder betonter Silbe (II § 201, 2): -miU in De-, Gross-, 
Lang-, Wehmut (mhd. -müete, -muot, ahd. muoU), Einfalt (ahd. cin- 
/Vz/^f), Gegenwart (ahd. gegentverti). Teils haben Consonantverbin- 
dungen den Umlaut gehemmt, teils mögen weibliche i-Stämme wie 
mhd. bluot : Gen. blüete, tat : Gen. toRte das Muster der Umbildung 
gewesen sein, teils auch Verbalsubstantiva wie Wahl : wählen, Zahl : 
zählen, Qual : quäUn, Acht : ächten, Furcht : fürchten, Hut : hüten. 

Anm. 2. Einige Feminina, die ihr e eingebüsst haben, sind 
zum Masculinum oder Neutrum übergetreten; z. B. mhd. strdle, 
mä^e\ öfter haben sw. M. weibliches Geschlecht angenommen: z.B. 
slange, wade. Auch dadurch ist im Nhd. die Zahl der Feminina auf 
e vermehrt, dass für einige Masculina und weibliche i-Stämme neue 
Singularforraen auf e gebildet sind; z. B. grät st. M. Gräte, [bluot 
St. F. Blüte; s. Flex. 

295. Unter den Neutris ist zunächst eine junge Gruppe 
verbaler Frequentativa auszuscheiden, die e als Mittel der 
Ableitung festhalten, z. B. Gethue, Gestöhne, und selbst nach 
unbetonten Ableitungssilben gestatten, z. B. Geklappere, Ge- 
Tclingele (II § 193. 195). Sonst hat die Neigung zur Apo- 
kope weit um sich gegriffen (Boiunga S. 155 f. IF. 4, 363). 
In Betracht kommen namentlich zahlreiche Ja-Stämme, feiner 
ein alter w-Stamm (ahd. vihu) und einige wa- und n-Stämme, 



§ 296.] Nhd. Apokope des stammhaften e im Neutr. und Masc. 353 

Die Wörter mit unveränderlichem Stammauslaut 
haben das e aufgegeben. So die ^*a-Stämme Gau, Gäu cahd. 
gawi), Heu (alid. Äa?i«); Heer, Meer; Öhl, Pfühl {&\id, phulun, \. ptd- 
mnus), Öhr; Hirn, Kinn, Bett (auch Bette), Heft, Kreuz, Netz, 
Flöz (mhd. vletze), Erz, Antlitz, Stück, Glück, Reich und viele mit 
ge- gebildete: Geschrei, Geschirr, Gestein, Gestirn, Gestrüpp, Ge- 
müt, Gestüt, Gerät, Geführt, Gerücht, Gerüst, Geschäft, Geschlecht, 
Gespenst, Gedicht, Genick, Gesetz, Geschütz, Geschmeiss etc. Ebenso 
der alte ti-Stamm VieJi, die t(;a-Stämme Mehl (ahd. mälo), Schmer 
(ahd. sm^o) und die ursprünglich schwachen Neutra Ohr, Herz. — 
Unter den Wörtern mit ge- sind einige, bei denen das e noch nicht 
ganz ungeläufig ist, z. B. Gefälle, Gerüste ; ziemlich fest ist es in 
Gerippe, geschützt durch das Simplex Rippe, 

2. Die Wörter mit veränderlichem Stammausiaut 
behalten e. Ausser den mit ge- gebildeten ^«-Stämme wie Gewölbe, 
Gefilde, Geschmeide. Gesinde, Gelände, Gerede, Gebirge, Getöse, 
denen sich einige andere wie Gewerbe, Gelage, Gestade angeschlossen 
haben (s. II § 194 Anm.), sind es nur wenige. Die Ja-Stämme Erbe, 
Ende und das ursprünglich sw. N. Auge, Wider die Regel ist die 
Apokope in Bild und Hemd (daneben auch Hemde) durchgedrungen ; 
vielleicht kommt dabei in Betracht, dass die Wörter ehedem drei- 
silbig waren (ahd. bilidi, hemidi), eher noch, dass Bild immer, 
Hemd mundartlich den Plural auf -er bildet, denn Neutra auf -er 
haben keinen Sing, auf c. — Wild entbehrt schon im Ahd. und 
Mhd. eines auslautenden Vocales. 

Anm. Über vereinzelte Umbildungen in Geschlecht und 
Flexion s. Fl. 

296. Masculina. Die meisten, welche das e bean- 
spruchen, sind schwache Masculina; dazu kommen einige ia-, 
u- (i)-Stämme. 

Die Zahl der schwachen Masculina ist im Nhd. stark 
reduciert; nicht wenige sind Feminina geworden (FL), noch 
viel mehr haben die Endung -en aus den Casus obl. in den 
Nominativ treten lassen; hier handelt es sich nur um die, 
welche das männliche Geschlecht und die Nominativform mit 
oder ohne e bewahrt haben. — Ob das e abfällt, hängt zum 
Teil von der Bedeutung ab (Boiunga S. 50 ff, IF. 4, 358). 

1. Die, welche lebende Wesen bezeichnen, müssen oder 
können meistens mit e gebildet werden, nicht nur nach ver- 
änderlichem, sondern auch nach unveränderlichem Stammauslaut. 

W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 23 



354 Nhd. Apokope des stammhaften e im Masc. [§ 297. 

a. Btibe, Erbe^ Knabe, Eabe^ Jude, Rüde', Bürge, Ferge, Scherge, 
Zeuge ; Hase, Biese ; Löwe ; Sklave. — b. Laie, Ahne, Huhne, Senne ; 
Buhle, Geselle, Farre; Kämpe, Knappe, Rappe; Bote, Gatte, Ge- 
fährte, Pate; Bracke, Falke, Finke, Recke, Schurke; Affe, Laffe, 
Neffe, Pfaffe; Schranze, Schulze; Drache; Ochse. 

Unterdrückt ist das e nach mhd. Brauch in fast allen ur- 
sprünglich kurzsilbig-en auf Liquida oder Nasal : Aar*, Bär, Staar*^ 
Star* (Widder), Stör* mhd. stüre; Hahn*, Schwan*, In andern 
erklärt sich die Apokope aus der geringen Betonung der Stamm- 
silbe, so namentlich in den verdunkelten Compositis; Bräutigam, 
Herzog, Steinmetz, Truchsess, Nachbar; aber auch in Herr, Fürst, 
Graf, Prinz, Schenk, die oft proklitisch oder als zweiter Teil von 
Zusammensetzungen gebraucht werden. — Anderer Art sind Geck*, 
Lump*, Narr, Schelm*, Tropf*, Thor (lauter Schimpfwörter) und 
Greif, Greis*, Kauz*, Leu, Mohr, Pfau, Salm*, Spatz, Strauss*, 
Mensch, Gemahl*; die beiden letzten waren ursprünglich dreisilbig. 
Die mit einem * bezeichneten sind zugleich in die starke oder ge- 
mischte Declination übergetreten. — In den oberdeutschen Mund- 
arten und in der älteren Schriftsprache geht die Apokope vielfach 
weiter (Boiunga S. 53 f.), in manchen Wörtern schwankt auch das 
Nhd., so bes. in Farr, Fink, Ochs, Pf äff. Schenk; Jüd steht in ver- 
ächtlichem Sinne neben Jude. 

Anm. 1. Der Spr. At. verzeichnet die Apokope des e für äffe 
(20, 329). 

2. Die Wörter, welche nicht lebende Wesen bezeichnen, 
sind, soweit sie nicht die Endung -en angenommen haben, 
regelmässig apokopiert und zur starken oder gemischten Decli- 
nation tibergetreten: April, Blitz, Brei, Golf, Keim, Kern, Lern, 
Leichnam, Mai, März, Pfühl, P.^alm, Reif, Schmerz, Stern. Wörter 
mit veränderlichem Auslaut sind nicht darunter. — Nur bei wenigen 
(z. B. Glaube, Name) ist die Form auf -e der auf -en noch nicht 
ganz unterlegen, bei einigen andern gilt neben der Form auf -en 
die apokopierte, zum Teil in differenzierter Bedeutung (z. B. Streif 
oder Streifen, Lump und Lumpen), s. Fl. 

Anm. 2. Gegenüber der Abneigung, welche die Substantiva 
sächlicher Bedeutung gegen das e und die schwache Declination 
zeigen, fallen ein Paar Umbildungen zu dieser schwachen Gruppe 
auf: Gedanke, mhd. gedanc und Buchstabe, mhd. buochstap, buoch- 
Stäbe, ahd. buohstab. 

297. Von den Ja-Stämmen haben Weck und Kitt (ahd. 
Jcutt) nach unveränderlichem Auslaut das e abgeworfen, Käse 
nach veränderlichem behalten. Hirte kann auf die eine oder 
andere Weise gebraucht werden und hat sich in Folge seitier 
Bedeutimg den sw. Masculinis angeschlossen. 



§ 298. 299.] Ableitungrssilben — Ablaut. 355 

Die M-Stärame Sieg und Met lassen schon im Mhd. oft 
ihr e fallen. 

Partikeln. 

298. Bei den Partikeln ist schon im Mhd. die Apokope 

weit verbreitet, namentlich nach kurzer Silbe auf Liquida oder 

Nasal (§ 274 f.). Im Nhd. gilt die Verkürzung fast überall. 
So ist sie eingetreten in ahd. ana^ fona^ furi^ fora^ hera., hina, dara^ 
garo^ wola, filu\ aba, oba, miti\ hinnana, dannana, hintana, obana, 
H^^anttj untari, ubiriy ingagini, zisamini; nach langer Tonsilbe in 
untij danne, denne^ umbij forna^ auch in ofto^ s^o, kümo, baldo 
und allen andern adjeetivischen Adverbien ausser lange (§ 287). 
znne hat sich nach Art der Adjectiva (§ 285 A.) erhalten in Verbin- 
dungen wie inne werden, bleibenj halten, sein auch in mitten inne; 
auffallendere Ausnahmen sind heiäe und namentlich die Präposition 
oJine (Luther: on), Behaghels Vermutung (Germ. 23, 267), dass ohne 
sich gehalten habe, weil das Wort auch adjectivisch verwendet 
werde, befriedigt nicht. Franck vermutet den Grund darin, dass 
grade diese Präposition oft betont werde. 

Anm. Der Spr. At. verzeichnet erhaltenes e für balde (19, 
284), auf {offe, uffe, oppe, uppe 21, 158). 

Zweites Kapitel. 
Ableitungssilben. 

299. Formausgleich in vor- und urgermanischer Zeit. 
— Wörter, die auf dieselbe Weise und mit demselben Suffix 
gebildet waren, konnten in ihren Ableitungssilben doch ver- 
schiedene Vocale zeigen; denn einmal konnten sich die Suffixe 
mit Stämmen verbinden, die auf verschiedene Vocale aus- 
gingen, sodann konnte sich derselbe Vocal je nach der Lage 
des Accentes und der BeschaflFenheit der benachbarten Laute, 
also durch Ablaut, vei*schieden entwickeln. Diese Mannig- 
faltigkeit hat lange bestanden, doch wurden die Grenzen 
zwischen den verschiedenen Formen früh verschoben und ver- 
dunkelt. Zahlreiche Neubildungen, die nach dem Muster vor- 
handener Ableitungsgruppen gebildet wurden, hielten sich nicht 
in den ursprünglichen Grenzen, schwächere Gruppen wurden 
von stärkeren überwuchert, besonders aber Avurde der Ab- 
laut, der sich in verschiedenen Formen desselben Wortes 
ergeben hatte, schon in vorhistorischer Zeit fast ganz beseitigt. 



356 Ableitungssilben. — Ablaut. [§ 299. 

Während sich in den Flexionen die Mannigfaltigkeit der Vocale 
als die wesentlichste Stütze grammatischer Unterscheidung bis^ 
ins Ahd. behauptete, liess man sie in den Ableitungssilben 
ebenso wie in den Stammsilben der Nomina früh als bedeu- 
tungslos fallen. Schon im Gotischen finden w^ir die Spuren 
der Lautabstufung nur noch in den Yerwandtschaftsnamen und 
besonders in der schwachen Declination. Das w-Suffix der 
schwachen Nomina unterscheidet sich eben dadurch von den 
übrigen Suffixen und wird deshalb im Gotischen und in 
den germanischen Sprachen überhaupt zu den Flexionen 
gerechnet. 

Aber ebenso wenig wie durch den Kampf verschiedener 
Ableitungsgruppen konnte durch den Verfall des Ablauts in 
den Formen desselben Wortes die alte Mannigfaltigkeit schlecht- 
hin beseitigt werden. Da nicht in allen Worten derselben Art 
der Ausgleich sich in derselben Richtung vollziehen musste, 
konnte sich für einige Worte diese, für andere jene Form 
festsetzen, sodass die ursprünglich gleich gebildeten Wörter 
als Wortgruppen mit verschiedenen Ableitungssilben neben 
einander traten. Nicht selten hat auch dasselbe Wort in der 
einen Mundart diese, in der andern jene Form angenommen^ 
ja zuweilen bestehen sogar in derselben oder in nächst ver- 
wandten Mundarten die verschiedenen Formen als gleichbe- 
deutende Doppelformen. 

Wörter, deren Ableitungssilben parallele Formen zeigen, die 
sich aus bekannten Lautgesetzen der einzelnen Sprachen nicht 
erklären lassen, sind z. B. ahd. ankal M. Fussknöchel : enkil'^ ahd. 
gibil M. Giebel : g^'bal M. Schädel, Kopf; g. aigin N. Eigentum : ahd. 
eigan Adj.; g. fulgins verborgen : fulhans Partie; g. maurgins M. : 
ahd. morgan; g. naqaps nackt : ahd. nacchvt\ ahd. homa^ M. Hor- 
nisse : humÜ3 ; ahd. anut F. : enit (§ 254, 3) ; g. ahs N. Ähre : ahd* 
e/u>; ahd. leffurM, Lippe : Ze/i'; ahd. anado M. Eifer : anto', g. Uuhap 
N. : ahd. lioht u. a. Ebenso können mehrfach abgeleitete Wörter 
in der ersten Ableitungssilbe einen andern Vocal zeigen als ihr 
Stammwort, z. B. g, piudans König : piudinassus ; g. asans F. Ernte: 
asneis M. Arbeiter i). Ob alle diese Verschiedenheiten gleich alt 
und auf dieselbe Weise entstanden sind^ ist hier nicht zu erörtern. 



1) Vgl. Noreen S. 48. 51 f. 86 f. 101. 



"§ 300. 301]. Ableitungssilben. — Entwickelang neuer Vocale. 357 

300. Die Ableitungssilben unter dem Einfluss des ger- 
manischen Aecentes. — Neue Bedingungen für eine eigentüm- 
liche Entwickelung der Vocale wurden durch die Festlegung 
des germanischen Aecentes geschaflFen. Die Wirkungen des- 
selben erstrecken sich bis weit in das Sonderleben der einzelnen 
Sprachen, ihre Anfange aber sind schwer zu bestimmen. Denn 
einmal bleibt es bei der Mannigfaltigkeit von Formen, die wir 
in der vorgermanischen Zeit voraussetzen dürfen und müssen, 
oft ungewiss, auf welche von ihnen man eine überlieferte 
Form zu beziehen hat; sodann sind auch die in jüngerer Zeit 
erzeugten Formen zum Teil mit älteren zusammengefallen, 
«0 dass sich Zweifel erheben, ob man es mit einer jüngeren 
oder älteren Bildung zu thun hat. 

Über den Einfluss, den schon in der ältesten Zeit die 
Unbetontheit auf die Qualität der Vocale geübt hat, ist in 
§ 254 gehandelt ; auch Synkopierungen, die weder mit der 
Schwundstufe des alten Ablauts, noch mit den jüngeren Syn- 
kopierungen zu identificieren sind, hatten vermutlich schon 
stattgefunden, doch sind ihre Bedingungen noch nicht erkannt 
(Kögel, AfdA. 19, 6). Im Ganzen ist der Zustand, der im 
Urgermanischen erreicht war, im Gotischen jedenfalls am 
treuesten bewahrt. Im Hochdeutschen sehen wir allerlei Än- 
derungen eintreten, von denen das Gotische noch keine Spur 
zeigt; Entwickelung neuer Vocale, Assimilation, Übergang m 
e und Synkope gestalten die Sprache schon im Ahd. um. 

Entwickelung neuer Vocale. 

301. 1. Im Gotischen können ableitende Z, r, w, m 
sich ohne Vermittelung eines Vocales unmittelbar an conso- 
nantisch auslautende Stämme schliessen; z. B. fugls Vogel, 
akrs Acker, failcns Zeichen, maipms Geschenk. Die Suffixe 
bilden mit dem Stamm keine Silbeneinheit, sie haben vermut- 
lich selbst den Wert einer Silbe, aber einer vocallosen. In 
den westgermanischen Sprachen werden diese Verbindungen 
durch die Entwickelung vocalischer Übergangslaute aufge- 
hoben und zwar im Ahd. vor I, r, n regelmässig durch a, 
vor m durch a oder u\ vogal, ackar, zeihhan^ gadum (Ge- 



358 Ableitungssilben. — Assimil. u. Schwächung der Vocale. [§ 301. 

mach). Dieser „Hülfsvocal" stellt sich zuerst in den unflec- 
tierten Formen ein und verbreitet sich von ihnen über die 
flectierten und abgeleiteten^ zunächst nach kurzer, dann auch 
nach langer Stammsilbe: vogaleSf ackres und ackares (Br. § 65). 
Schon bei 0. kommen nur noch verhältnismässig wenige For- 
men vor, welclie den Vocal entbehren, z. B. leugnen leugnen, 
bouhnen bezeichnen, finstremo zu finstar, zimbröt zimmert 
zu zimbar\ vgl. die Synkope nach langer Stammsilbe in 
§ 308 f. 

Anm. Auch andere Consonantverbindungen werden im Ahd. 
nicht selten durch vermittelnde Vocale aufgehoben, doch gewinnen 
sie nicht dieselbe Festigkeit, können stehen oder fehlen und werden 
späterhin meist wieder aufgegeben. Besonders beliebt ist die Auf- 
lösung der Verbindungen rA, Ih^ riVy ltL\ sw : bif^lqhan^ mhd. 5c- 
fe'lhen befehlen; garo bereit, garawir, garqwt; treso Schatz, G. tri- 
sowes u. ä.; ferner besmno Hesen, brosqma Brosamen u. ä.; vgl. auch 
Htarah neben starke erifio^ wurum etc. Br. § 69. Whd. § 86 f. 
Fischer, Geogr. S. 53 f. Boiunga S. 12 f. — Der Spr. At. verzeichnet 
Swarabhakti in zicölf (21, 275) und dorf (20, 325). 

2. Sehr viel später entwickelt sich nach den Diph- 
thongen au, eUf ei aus r die Endung -cr^); mhd. bür, sür^ 
schüry büre, 7tiüre, fiur, Mure, schiure, ßre, gtre, Ure lauten 
nhd. Bauer, aauer, Schauer etc. Nach einfachen Vocalen 
tritt die Entwickelung wohl in Mundarten, nicht aber in der 
Schriftsprache ein; z. B. Bär, baar, Bier, Ohr, Uhr. Augen- 
scheinlich ist der Vorgang mit der Dehnung, die grade vor 
r in weitem Umfang eintritt (§ 246 f.), nahe verwandt; er be- 
steht darin, dass der schwach articulierte Consonant anfangt, 
sich in einen Vocal aufzulösen, der nach den Diphthongen als 
selbständige Silbe erscheint. — Die Anfänge dieser Entwicke- 
lung sind schon im Mhd. wahrzunehmen, z. B. bei Neidhart 
(Whd. § 86); anderseits finden wir noch lange Formen ohne e. 
So schreibt Luther fast durchaus feiren, schleyret, baur, 
bauren, maur, sawr, fewr, steur u. a., woraus freilich nicht 
folgt, dass er auch so sprach (IF. 4, 355. Franke § 37). 
Jetzt brauchen solche Formen nur noch Dichter. 



1) Gr. 12 697 A. Kräuter, ZfdA. 21, 272. Fischer, Geogr. 
S. 53 f. 



§ 302.] Ableitungssilben. — Schwächung der Vocale im Ahd. 359 
Assimilation und Schwächung der Vocale. 

302. Manche Ableitungssilben, zumal solche, als deren 
normaler Vocal a erscheint, zeigen im Ahd. eine ausserordent- 
lich grosse Mannigfaltigkeit der Vocale. Es ist möglich, dass 
dieselbe zum Teil noch mit der alten Lautabstufung zusammen- 
hängt (Paul, PBb. 6, 209 f. Br. § 64 A. 2), aber nachweis- 
bar ist das nicht. Vielmehr erscheint sie im Ahd. als das 
Ergebnis jüngerer Vorgänge, der Assimilation und Schwächung. 
— Die Assimilation geht bei weitem in den meisten Fällen 
von der Endung aus, doch einigen Einfluss üben auch die 
Stammsilben. Die zahlreichsten Belege bietet Otfried^); das 
Wichtigste möge hier hervorgehoben werden. 

a. Besonders empfänglich zeigen sich die Ableitungs- 
silben -aZ, -ar, -an ; z. B. fdkala^ D. PI. fakolön ; zuttäl, sw. V. 
zwtV'0l6n\ ivuntar, G. Fl. tvuntoro^ sw. V. wuntor6n\ wolkan^ G. PI. 
wolkono] regan, sw. V. r^gonön^ adal^ edili\ fogal^ gifugili\ bittar, 
bittirt; nagaly nagultun\ wehsal, w'^hseles\ hungar, hungeres; bittar^ 
bitteres, bitteremo etc. Jedoch ist auch bei 0. die Gleichheit des 
Vocales der Mittel- und Endsilbe nicht consequent durchgeführt ; 
das a der unflectierten Form dringt vielfach auch in die andern, 
zumal wenn es in einem a der Stammsilbe eine Stütze findet; z.B. 
zahariy zaharo. — Wo der Vocal in den Endungen -aZ, -ar, -an erst 
jüngeren Ursprungs ist (§ 301), ist anzunehmen, dass er schon in 
seinem Entstehen durch die Qualität der benachbarten Laute be- 
stimmt wurde und nicht erst durch Assimilation aus a hervorging. 

b. Der Assimilation unterliegt auch die Adjectivendung 
-ag, während das verwandte -ig (g. -eigs) unverändert bleibt; 

z. B. manag, nianegeino, manigu (für maniglu)^ manogo, Einfluss 
der Stammsilbe erklärt es, dass heilag und einag oft mit -ig er- 
scheinen, obwohl die Endung kein i enthält: einigan, einigo, einigon, 
einigen^ heiligen. 

c. In der Endung des Comparativs ist der alte Unter- 
schied von 'irOy -dro (g. -iza, -oza) auch bei 0. noch wahr- 
nehmbar; doch findet man durch Assimilation für ir or und 
für or «?•; z. B. jungist^ jungoro; minnist, ininnaro\ liobost, lia- 
bara-^ ebenso gzwissara^ grö.^ara, scönara u. a. — Über Assim. im 
sehw. Prät. s. ^ 304. 



1) Br. § 67. P. Benrath, Vocalschw^ankungen bei Otfried 
(Aachen 1887 Diss.); vgl. auch Kögel, AfdA. 19, 240. 



860 Ableitungssilben. — Schwächung der Vocale im Ahd. [§ 303. 

303. Schwächung des Vocales. — 1 . Neigung ursprüng- 
lich lange Vocale in der Mittelsilbe zu verkürzen lassen Not- 
kers Accente wahrnehmen. Die Endungen der schwachen 
Verba auf -dt und -önt, der Comparative und Superlative 
auf 'ör und -öst, der Adjectiva auf -(g und selbst der auf -Uch 
bleiben vor einer folgenden Silbe, zumal vor einer folgenden 
langen Silbe ohne Accent; z. B. sp^ndotöst, heswäroter^ die- 
nonteuj ünsäligorün, zömelichen u. a. (ZfdPh. 14, 165 f.). 
Noch schwächer ist das e der sw. V. 3 (§ 304). 

Anm. 1. Für Lehnwörter aus dem Lateinischen oder Früh- 
romanischen stellt Möller, Zur ahd. Allitterationspoesie S. 142 f. die 
Re<iel auf, dass in ihnen (nachgotisch) mittlere lange Silbe verkürzt 
sei, wo sie nach gerrnaniRchem Accentgesetz weder den Hochton 
noch den Nebenton behalte; z. B. moneta ahd. münizza, catena ahd. 
chefina u. a., aber christiäni, Christ äni 1. christianus. Nach der- 
selben Regel sei auch in der aus dem lateinischen entlehnten En- 
dung 'dri das d bald verkürzt bald erhalten; ahd. fanäH, spehäri, 
bf^'färif snitäri, aber munizzdri, miUindri^ chelldri^ toufdri, lerdri 
u. ;i. Die Überlieferung aber fügt sich der Regel nicht; s. II 
§ 221 A. L 

2. Schon früh macht sich die Neigung geltend, den 
kurzen Vocal schwacher Mittelsilben in e übergehen zu lassen. 
— Ein altes e, das in flectierten und unflectierten Formen 
gilt, haben nur sehr wenige ahd. Wörter : die Verwandtschafts- 
namen fater etc., ander j after (Br. § 64 d). Dagegen tritt e 
in flectierten Formen ziemlich oft und schon früher als in den 
Flexionen an die Stelle anderer Laute, auch in solchen For- 
men, in denen kein flexivisches e folgt, also Assimilation nicht 
gewirkt haben kann. Besonders finden wir dies e in den 
schwächsten Ableitungssilben, deren normaler Vocal a ist. 

So schreibt O. speicheluy wurzelüriy meisfera, bittero, s^genön, thege- 
non, eigena u. a. Die Adj. auf -ag haben im Isidor immer, bei 0. 
Ott e in den flectierten Formen: heilag, manag aber Jieilegan, hei' 
lego, manegan (Br. § 64 A. 2). Ziemlich häufig schreibt O. e in den 
Coiuparativen, z. B. neben einem Superlativ auf -ist in ererun, 
jungerOj sua^eren-^ neben einem auf -ost in Mrera^ Hobera; auch 
in den Superlativ dringt der Vocal ein: heresto, hei^esta. — Weiten 
Umfang hat das unbetonte e schon bei Notker erreicht; insbeson- 
dere ist 'isc zu -esCy -inn- zu -enn- geworden: irdesc, gutenno (Br. 
§ 63 A. 1). 



§ 304.] Ableitungssilben. — Schwächung der Vocale im Mhd., Nhd. 361 

Unter diesen Umständen hat man auch keinen Grnnd ein 
e, dem eine Silbe mit i oder j folgt, als Wirkung des Um- 
lauts anzusehen (vgl. § 195). In der Endung äri tritt bei 0. 
zuweilen i, öfters e ein: scepherij scächeres, driageru, huarera. Im 
Partie. Präs. der sw. V. 1 braucht er immer, in den st. V. gewöhn- 
lich enti; in jenen ist das e durch das ursprünglich vorangehende 
j bewirkt (§ 264), in diesen eine Folge der Schwäche, die im Mhd. 
oft zu einer Unterdrückung des Vocales führt. Weder Umlaut noch 
Formübertragung darf man darin sehen; denn im fiectierten Inf. 
tritt auch kein Umlaut ein und die beiden Conjugationen bleiben 
geschieden, für die sw. V. gilt -enne, für die starken -anne, 

Anm. 2. Die Form der Stammsilbe ist für die Entwickelung 
des e nicht ganz gleichgültig, -en für -an findet sich bei 0. nur 
nach g und fast nur nach einem g^ welchem vorangehende hohe 
Vocale {ei, e) palatale Aussprache sichern. 

304. Voealschwächung im Mhd. und Nhd. — Im Spät- 
Ahd. greift die Abschwächung der Vocale weiter um sich, 
wenngleich nicht so weit wie in den Flexionen. In manchen 
Ableitungssilben hat sich der alte Vocal behauptet, in den 
meisten aber verändert, gewöhnlich in e, nicht selten in i, zu- 
weilen in a. 

e gewinnt früh allgemeine Geltung in den Xominibus 
mit l-, r-, w- Suffix; alle kurzen Vocale, die wir hier im Ahd. 
finden, sind im Mhd. zu e geworden ; z. B. in adalf sluzzil, ubil ; 
ackar, suehnTy Jceisor, bittar; zeihhan, hekin, eigan. Ebenso 
gilt e im Infinitiv und im Part. Prät. der st. V. 

Comparativ und Superlativ gehen im Mhd. regelmässig 
auf -er, -est aus; doch finden sich daneben noch, zumal in der 
unflectierten Form, -ist und -ost-^ ersteres, abgesehen von sol- 
chen Quellen, in denen i überhaupt für das reducierte e be- 
liebt ist (§ 269), namentlich bei Baiem und Österreichern, 
letzteres bei den Alemannen (Whd. § 313). In dem Subst. 
Obriste = Oberst hat sich die Endung am längsten erhalten. 

Im Prät. der sw. V. unterscheidet das Ahd. noch deut- 
lich die drei Conjugationen: -ita, -öta, -eta (g. -aida); doch 
verrät sich die Schwäche des Mittelvocales schon früh in dem 
nicht eben seltenen Übergang von ^ in a: erata^ bisorgatüy 
frägata (Br. § 368 A. Benrath S. 41 f.). Bei Notker haben 



362 Vocal« der Ableitungssilben im Mhd. und Nhd. [§ 305. 

die 8w. V. 3 schon regelmässig e, die sw. V. 2 d oder ö aber 
auch e (Kelle a. 0. S. 258—260). Im Mhd. ist i für alle die 
herrschende Form, obschon auch o nicht grade selten ist, bes. 
im unflectierten Part. (Whd. § 381). 

Im Part. Präs. gilt schon im Ahd. nicht nur für die sw.V. 1 

sondern auch für die st. V. oft die Endung -enti (§ 303) ; im 

Mhd. ist -ende die regelmässige Form auch für die sw. V. 2. 

und 3. (ahd. -Ö7iti, 'inti)\ ebenso in Substantiven yntjugunt^ 

düsunt, äbant. Doch findet sich zuweilen auch noch -ande, 

und häufiger bis in späte Zeit -unde (Whd. § 373. 401). — 
Besonders hält sich der Vocal in einigen substantivierten Parti- 
cipien, weil hier die Ableitungssilbe dem Druck einer folgenden 
Flexion weniger ausgesetzt ist: ahd. waltant^ scepfant, h^lfant, 
icUjanty heilant (Br. § 236. Whd. § 4G5). Heiland besteht noch jetzt, 
Wieyand oder Weigand als hilufiger Familienname, {flant wird im 
Mhd. zu vlent und daneben tritt von den Gas. obl. ausgehend vlnt^ 
nhd. Feind, In friunt ist schon im Ahd. der Stammvocal mit dem 
Vocal der Endung zum Diphthongen verschmolzen.) 

-äri erscheint im Mhd. wie im Ahd. in doppelter Form: 
(Bve und ere^ nhd. -er: jegere Jäger, schuolcefi*e Schüler, gar- 
tenoere Gärtner (vgl. § 303 A. 2). — in behauptet im Mhd, 
gewöhnlich sein i, daneben aber kommt auch en vor, das ver- 
mutlich eine alte Nebenform -in voraussetzt, und dies dringt 
durch; z. B. irdin iräeyi, steinhi steinen, guldin gülden 
(II § 327). — Einige andere, weniger verbreitete Endungen, 
die ihren Vocal in e tibergehen lassen, will ich nicht anfahren; 
vgl. § 309 f. 

305. i ist im Nhd. die herrsehende Form des unbe- 
tonten Vocales geworden vor den palatalcn Consonanten gr, ch, 
seh (vgl. § 307). — Nhd. -isch, ahd. -/äc erscheint bei N. als 
esc, z. B. irdesc; im Mhd. bald als -isch, bald s,h -esch (Whd. 
§ 278). — Die Adjectiva auf ahd. -ag, ig gehen im Mhd. 
unterschiedslos auf -ec oder -ic aus; jetzt allgemein auf -igf; 
es heisst nicht nur flüchtig, Ireftig^ selig = r\k\, fluhtig, kreftig, 
sälic, sondern auch heilig, wenig, nötig, mannich- — ahd. heilag, 
wenag, nötag, manag. — Vgl. ferner ahd. botah, mhd. hottch: 
Bottich; &hd. ratich, m\\iX. retech \ Iltttig ; ahd. fcranuA, mhd. kraneh: 



§ 30«. 307.] Vocale der Ableitungssilben im Mhd. und Nhd. 363 



KranicJi; ahd. dornahi : Dornicht] mhd. eckeht, -oht: eckig \ törehti 
thöricht. 

306. Einige Wörter haben a angenommen. — Ahd. -wm, 
-am, '(a)7no ist im Mhd. gewöhnlich zu -em^ -{ejme geworden, im 
Nhd. zu -en oder auch -em; so in Besen, BodeUy Busen, Faden, 
Atein^ Odem, Brodem (II § ^30). Einzelne Wörter aber haben -am 
angenommen: Deisam : ahd. deismo Sauerteig; Eidam, anhd. eidem, 
ahd. eiduin', Brosamen, mhd. broseme, ahd. brosma, brosama\ vgl. 
auch die Fremdwörter Balsam, ahd. balsamo, mhd. baisame, bal- 
seme-, Bisam, ahd. bisame, mhd. bisem\ Kretscham, mhd. kretscheme 
(II § 232, 2) ; Luther schreibt auch bosam für Busen. — Für die 
Ableitungssilbe -sal, die sich aus -sl entwickelt hat, bestehen die 
Doppeltormen -sei und -säl; z. B. Füllsel, Trübsal (II § 213). — 
Das Adv. tceiland ist aus einem adverbialen Dat. PI. ahd. uMöm 
(zu icXla Weile) hervorgegangen; mhd. wilent, wtlönt, ivtlunt. Über 
Heiland § 305. — Die Endung -öt, -öti behauptet ihren Vocal in 
Kleinod, armöti Armut geht schon im Ahd. unter Anlehnung au 
muot in armuoti über; nhd. Einöde (ahd. einödi) verdankt seine 
Form der Anlehnung an Öde] a gilt in Heimat, Monat, Zierat (II 
§ 262). — Über die Adjectiva auf -bar s. § 317. 

307. Erhalten hat sieh von den kurzen Vocalen 
namentlich i, das auch, wo es ursprünglich nicht berechtigt 
war, mit dem unbetonten e concurriert (§305): ahd. scilUng 
Schilling, hofeling Höfling, finstarnissi Finsternis, auch in 
der Endung 4nn-, wo N. -enn hat: Tcuninginna Königin. 
— u behauptet sich in -ung^ ahd. uobunga Übung. 

Langer Vocal hat sich, abgesehen von den Wörtern 
auf -dt (§ 306), in der Deminutivendung -Im erhalten, in der 
schliesslich dieselbe Diphthongierung wie in den Stammsilben 
zur Anerkennung gekommen ist. Luther schwankte zwischen 
'lin und -lei^i und entschied sich schliesslich für -lin (Franke 
§ 30). Dagegen in der Deminutivendung -chen (aus -kin) ist 
die Verkürzung allgemein geworden; ebenso in den Wörtern 
auf 'iHy obwohl Formen wie eisereiny Jtünegein zeigen, dass 
zur Zeit der Diphthongierung in ihnen der lange Vocal noch 
nicht ganz untergegangen war. — Alte Diphthonge haben 
sich in den unbetonten Silben von Ameise, Arbeit, Oheim ge- 
halten, Wörter deren Bildung undeutlich ist. 

In den jungen Ableitungssilben, die aus zweiten Compo- 



364 Ableitungssilben im Mhd. u. Nhd. — Synkope. [§ 308. 309. 

sitionsgliedern hervorgegangen sind, haben sich die Vocale im 
allgemeinen behauptet; nur in -lieh hat die schon im Mhd. 
weit verbreitete Verkürzung gesiegt (§ 303, 1. Whd. § 16) 
und 'tuom wird wenigstens auf einem Teil des Sprachgebietes 
mit ü gesprochen. Über -bar aus -beere s. § 317. 

Synkope. 

308. Auch der Synkope unterliegen die Ableitungs- 
silben, zunächst da, wo sie als Mittelsilben stehen. In Wör- 
tern, in denen sie je nach der Flexion bald Mittel- bald End- 
silben sind, ergaben sich also verechiedene Formen, die sich 
aber in reinlicher Sonderung nicht behaupteten. Jetzt ist ein 
Unterschied nur noch bei den Wörtern auf -«r, -eZ, -en wahr- 
zimehmen (§ 315). 

Im übrigen sind die Factoren, welche die Bewegung 
regeln, dieselben, die wir schon bei der Synkope der Flexionen 
kennen gelernt haben (§ 273). Im Ahd. beschränkt sie sich 
noch auf ursprünglich kurze Vocale in offner Silbe; im Mhd., 
als die Verkürzung weiter um sich gegriffen hatte, verfallen 
ihr auch Vocale, die ursprünglich lang waren oder durch 
eine Consonantverbindung gedeckt sind. Im Ahd. setzt die 
Synkope voraus, dass die Stammsilbe lang ist (§ 310 A.), im 
Mhd. tritt sie am leichtesten nach kurzen Stammsilben auf 
Liquida und Nasal ein. Endlich wird die Synkope fester, wo 
die umgebenden Consonanten sich zur Silbeneinheit verbinden, 
als wo dies nicht der Fall ist, also leichter vor Verschluss- 
und Reibelauten, als vor Liquiden und Nasalen. 

Die nhd. Schriftsprache in ihrem Streben nach gramma- 
tischer Correctheit ist der Synkope abhold und hat, wo die 
Bildung deutlich war, vielfach den Vocal wieder hergestellt; 
besonders meidet sie Formen, in denen durch die Synkope 
der Auslaut des Stammes mit dem Consonanten der Endung 
unterschiedslos zusammenfallen würde (§ 273, 3). 

Wir betrachten zunächst die Ableitungssilben auf Ver- 
schluss- und Reibelaut. 

309. Ableitungssilben auf Verschluss- und Reibelaut, 
die oft ohne folgende Flexion am Ende des Wortes stehen, 



§ 309.J Ableitung^ssilben im Mhd. u. Nhd. — Synkope. 365 

sind im allgemeinen der Synkope nicht erlegen. — 1. Die 
Substantiva auf -icht, ahd. -ahi (II § 276) und die Adjectiva 
auf -ichtf ahd. -oht (II § 353) behaupten ihren Vocal, z. B. 
Spülicht, thöricht Nur zum Teil die Substantiva auf -ich (ig)^ 
ahd. -uh, -ah, -ih, die keine lebendige Gruppe bilden (II § 284) ; 
z. B. Bottichy Fittich'^ nach kurzer Stammsilbe auf Liquida 
oder Nasal pflegt in ihnen der Vocal zu fehlen; Milch : ahd. 
miluh, g. miluk8\ Kelch : ahd. Tcelihy 1. calix] Mönch : ahd. 
munih'j aber Kranich : ahd. kranuh, 

2. Die Adjectivendung -ig wird in der lebendigen Rede 
vor folgender Flexion sehr häufig reduciert; an die Stelle von 
'ig tritt ein consonantisches j (§ 75), besonders nach stimm- 
haftem Stammauslaut, welcher die stimmhafte Aussprache des 
j nicht alteriert. (In Wörtern wie selige, heilige, eioige, grau- 
sige, staubige fällt die Reduction leichter als in gütige^ spitzige, 
schuppige,) Auch Dichter brauchen bekanntlich gern die ver- 
kürzte Form. Aber die Schriftsprache hat sie nur in manch 
(ahd. manag, mhd. manec) anerkannt (daneben mannig-fach, 
-faltig) und in karg^ mhd. karc, falls dieses auf karag beruht. 
Einer ähnlichen Synkope unterliegt im Mhd. besonders das oft 
proklitisch gebrauchte künec^ ahd. kuning; vgl. die Verstümm- 
lungen von herre und frotiice § 290. 294. 

3. Die Adj. auf -isch neigen im Mhd. stark zur Synkope. 
Wenn die Worte durch die Flexion dreisilbig werden, unterdrückt 
Walther stets das e: herschen, heimschenf tiuschiu (ahd. diutisviu), 
welschen', in andern Fällen tritt der Vocal hervor: rcBmesch, himel^chen» 

Die nhd. Schriftsprache hat die verkürzten Formen nur in 
einigen Wörter angenommen, deren Abstammung nicht mehr 
lebendig ist: hübsch (neben höfisch) zu Hof] deutsch, ahd. 
diutisc; welsch, ahd. welhisc\ Mensch, ahd. mennisco (PBb* 
6, 138). Ausserdem gilt Synkope in den von modernen Per- 
sonennamen gebildeten Adjcctiven: Hofmannsche, Uhlandsche 
etc., die selten unflectiert gebraucht werden, namentlich nicht 
in prädicativer Stellung (II § 359, 3). 

4. Während in den angeführten Bildungen der Vocal 
sich meist behauptet hat, ist er in den Ableitungen auf t, d, 
s, z, st fast immer erloschen; z. B. hehhit Hecht, houbit 
Haupt, nacJcot nackt, voget Vogt, helid Held, magad Magd, 



366 Ableitungssilben im Mhd. und Nhd. — Synkope. [§ 310. 

acJcus Axt, felis Fels, hiru^ Hirsch, angust Angst, dionoat 
Dienst, herhisf Herbst etc., aber frwrftij : Kttrbiss, homu^i 
Hornisse. Die Wörter bilden keine lebendigen Ableitiings- 
gruppen und die dentalen Consonanten verbinden sich beson- 
ders leicht mit der vorhergehenden Silbe. Von den flectierten 
Formen ist die Synkope ausgegangen. Bei Walther behauptet 
z. B. das unflectierte dienest sein e, dagegen in dienstes diensfe 
kommt es nicht mehr zur Geltung. 

310. In Ableitungssilben auf Verschluss- und Reibelaut, 
denen immer oder gewöhnlich eine Flexion folgt, drang die 
Synkope leichter ein. Besonders wichtige Gruppen sind die 
schwachen Präterita und die Superlative. 

Die sw.V. 1 mit langer Stammsilbe haben schon im Ahd., 
wenn auch nicht in allen Denkmälern (s. Flex.), Synkope des 
Mittelvocals ; z. B. höre^i hörta, uoben uöbfa, decken dacta, 
seilten santa etc. aber neren nerita^ legen legita. Im Mhd. dehnt 
sich die Synkope auch auf die kurzstämmigen und die sw.V. 
2. und 3. aus, die im Ahd. noch ö und e haben (§ 304, 1). 
Es heisst also jetzt nicht nur hörtey uopte, dahte, sande son- 
dern auch weinde^ ahd. weinöta\ diende, ahd. diendfa; trürtey 
ahd. trüreta\ frägete, ahd. frägeta etc., ebenso spilete, gerete, 
senete, schametey lebet e^ schadete, sagete {seite § 81) etc. 
In den Gedichten Walthers sind solche Formen stets auf einen Fuss 
beschränkt und nie oder fast nie kommt es vor, dass durch Elision 
des auslautenden e die Mittelsilbe die Senkung füllt, also Betonungen 
wie frägete in^ spilete ich. Anderseits aber ist zu bemerken, dass 
er im allgemeinen solche Präterita auch nicht als klingende Reime 
braucht. Nur Präterita mit Rückumlaut a finden sich, wie erkande: 
pfände, schankte : tränkte, also Formen über deren Zweisilbigkeit 
schon im Ahd. kein Zweifel ist, nicht solche wie läbete : Ströbele, 
schadete : ladete, frägete : lägete, nicht einmal bei kurzen Stämmen 
auf Liquida oder Nasal, wie geraten : w'erHen, in denen das unbe- 
tonte e am leichtesten verstummt. Der Mittelvocal war also gewiss 
noch nicht vollständig verklungen. 

Dem Part. Prät. kommt dieselbe Synkope zunächst nur 
in den flectierten Formen zu; doch wird sie früh auf die 
unflectierten tibertragen. Zuerst also dringt sie in die sw.V. 
1 mit langer Stammsilbe, z. B. gevalt zu vellen, erJcant zu 
kennen, verspart zu sperren^ doch bestehen daneben die alten 



§ 311.] Ableitungssilben im Mhd. und Nhd. — Synkope. 367 

unsynkopierten Fomien (Whd. § 391. 392). Im Mhd. schwindet 
das 6 dann namentlich in den kurzstämmigen anf Liquida imd 
Nasal; z. B. gedolt^ gespiltj gemantj erweit j gezelt etc., aber 
gelönet, gemachet, getrüret etc. (Whd. § 389. 390). 

Im Nhd. pflegt sowohl im Verb. fin. als im Part, der 
Vocal unterdrückt zu werden, ausser wenn der Stamm auf d 
oder t ausgeht, also liebte geliebt, reizte gereizt, mischte ge- 
mischt, aber redete geredet, betete gebetet. Jedoch mit dem 
Rtickumlaut tritt auch in den Verben auf d regelmässig Syn- 
kope ein: senden, sendete od. sandte, gesandt] ebenso in 
dem participiaien Adj. beredt. 

Anm. Das Prjlt. der sw.V. 1. und der Vocal in der Compo- 
sitionsfuge (§ 319) sind es vor allem, welche zeigen, dass wie in 
den andern westt^ermanischen Sprachen auch im Ahd. die Neigung 
bestand, nach langer Stammsilbe den unbetonten Vocal zu unter- 
drücken. Sonst ist sie im Ahd. wenig zur Geltung gekommen; v^\. 
§ 257. 314. Gewöhnlich nimmt man ein westgermanisches Syn- 
kopierungso^esetz an, durch welches nach langer Stammsilbe die 
kurzen Vocale unbetonter offner Mittelsilben überhaupt beseitigt 
seien. Sievers PBb. 5, 99 f. Paul PBb. 6, 151 f. 12. 552. Kluge, Grdr. 
§ 32. Jellinek S. 28. 

311. In den Superlativen kommt der alte Unterechied 
zwischen -ist und -ost früh ins Schwanken (vgl. § 302 c); 
Synkope tritt im Mhd. namentlich nach kurzer Stammsilbe 
auf Liquida oder Nasal ein, aber auch anderwärts. So braucht 
Walther höchste, irste, tiurste, schcenste. Besonders sind die Super- 
lative bestSj grmstßf leste hervorzuheben, in denen das stammaus- 
lautende 3 mit 8 zusammengefallen ist, indem die Consonanten- 
hHufung zur Unterdrückung des in dem z enthaltenen ^Lautes 
führte (§ 1?>8); alte Belege für beste in MSD. XXXVIII v. 300. — 
Im Nhd. wird der Vocal ählilich behandelt wie in der 2. Sg. 
Präs. Nach dentalen Lauten, wo harte Consonantverbin- 
dungen durch die Synkope entstehen oder der Stammauslaut 
verschwinden würde, meidet man sie: süsseste, leiseste, mil- 
deste, sanfteste, dreisfeste, schwärzeste, rascheste; nur beste 
ist notwendig und grösste hält sich, obwohl von ängstlichen 
Leuten gemieden, neben grosseste. Wenn der Stamm auf 
andere Consonanten ausgeht, ist Synkope die Regel: kleinste, 
jüngste, höchste etc. Nach vocalischem Auslaut schwankt 



368 Ableitungssilben im Mhd. u. Nhd. — Synkope. [§ 312—314. 

der Gebrauch: freiestej genauestSy froheste. — Abgeleitete 
Adjectiva erfahren durchaus Synkope; vgl. sachteste aber 
törichtste, blindeste aber blendendstey härteste aber verhär- 
tetste. Bedenken machen nur die Adj. auf -isch. Hier treten 
die beiden bezeichneten Richtungen in Widerstreit: die Nei- 
gung, drei auf einander folgende unbetonte . Silben zu ver- 
meiden, mit der andern, die Consonanten des Stammes und 
der Endung unversehrt zu erhalten; närrischeste ist uns un- 
geläufig, närrischste unbequem, närrischte wider das grammar 
tische Gewissen wenigstens unserer Zeit. Orth. S. 56. 

312. Regelmässige Synkope ist femer eingetreten in 
den Ableitungssilben auf d, s, Zj die ja sogar als Endsilben 
der Synkope unterliegen (§ 309, 4); z. B. ahd. hemidi Hemde, 
fremldi fremde, Tcebisa Kebse, muni^a Münze, aruzzi Erz. 
Ebenso in den Verben auf -zen, -sen, -sehen, ahd. -azzen^ 
■isön z. B. ahd. muckazen mucksen, herisön herrschen (ü § 80. 
82. 84). — In der Endung -ida braucht schon Notker syn- 
kopierte Formen, neben tiureda : sälda, urteilda, zierda (Br. 
§ 66 A. 2). Walther reimt büde (ahd. bilidi) : wilde. 

313. Vor einem Gaumenlaut ist der unbetonte Vocal 
unterdrückt in der Deminutivendung -chen ; z. B. md. hüsicheny 
beinichen : Häuschen, Beinchen. Ebenso in ahd. Jcirihha: 
Kirche-, tunicha : Tünche; lerahha : Lerche u. a. (II § 284); 
und vor einer andern Ableitungssilbe in Böttcher {Bötticher) 
zu Bottich. — Dagegen in den Verben auf -igen behauptet 
sich der Vocal, geschützt durch den Stimmton des g und die 
Adjectiva auf -ig, von denen die Verba meist abgeleitet sind 
(II § 85); Synkope ist in tilgen,^ shd. tiligön eingetreten. 

314. Synkope vor Nasalen und Liquiden. — Wo im 
Ahd. ableitende Z, r, n sich vocallos unmittelbar an consonan- 
tisch auslautende Stämme scbliessen, liegen meist alte ans 
germanischer Zeit stammende Verbindungen vor, welche durch 
die Entwickelung des Hilfsvocals noch nicht aufgelöst sind 
(§ '^00). Nur selten zeigen alte Denkmäler die jüngere Syn- 
kope, am verbreitetsten ist sie in herro und in ander, g. anpar 
(Br. § 65 A. 3. § 261 A. 3). Später greift sie weiter um 



§ 315.] Ableitungssilben im Mhd. u. Nhd. — Synkope. 369 

Sich; N. braucht schon den Compar. erro = eriro und be- 
sonders findet sich bei ihm auch schon der Schwund eines 
unbetonten Vocales nach kurzen Stämmen auf Liquida in 
Participialformen wie gehornesj erfarner, gemalnemo, auch 
forsewniu (zu sehen-, Br. § 266 A. 4. § 66 A. 2). 

Im Mhd. ist die Synkope nach kurzen Silben auf Liquida 
oder Nasal ganz geläafig, besonders in den flectierten Formen 
des Part. Prät. und des Infinitivs, ze keine, ze herne u. dgl. ; 
aber auch im Part. Präs., das sehr oft zugleich mit dem Vocal 
das folgende n verliert, z. B. spilde, werde, sende, schamde 
etc. Auch die Silbe -äri kann ihren Vocal verlieren, z. B. 
venre Fähnrich : ahd. fanari; und selbst nach langer Stamm- 
silbe findet sich Synkope, z. B. Comparative wie stocerre, 
tiurre, und Participia wie diende = dienende, hrinnde = 
brinnende; die Übereinstimmung zwischen dem Auslaut des 
Stammes und dem Consonanten der Endung begünstigt die 
Unterdrückung des Vocales (Whd. § 313. 373. 401). 

315. Die nhd. Schriftsprache hat der Synkope engere 
imd festere Schranken gezogen. Die Endung -end kann ihren 
Vocal nicht verlieren, ebensowenig wie -ing, 'Ung\ die Endungen 
-el, -er, -ew, -em werden verschieden behandelt. 

1. Vor Flexionen hängt die Unterdrückung des e da- 
von ab, ob die Flexion ihren Vocal behauptet. Hat die 
Flexionssilbe einen Vocal, so kann die Ableitung den ihrigen 
verlieren; ist der Yocal der Flexion geschwunden, so muss 
der Vocal der Ableitung erhalten bleiben (vgl. § 280, 2). 

a. Die Verba auf -en -em pflegen in allen Formen den 
Vocal der Ableitungssilbe aufzugeben: segne, segnest, segnet, 
segnen\ atme, atmest, atmet etc. Die auf -el und -er missen 
ihn nur, wenn die Flexionsendung ein einfaches -e ist: wandle, 
wandre\ in allen andern Fällen giebt die Flexion ihren Vocal 
auf: wandelt, wandelst, wandeln, wandert (vgl. § 283). 

b. Beim Substantivum behalten die Ableitungssilben ihren 
Vocal immer, denn hier hat ihn die Flexion tiberall verloren: 
Hebel, Hebels, Hebeln', Atem, Atems ', Feuer, Feuers', Busen, 
Busens etc. (vgl. § 291). 

W. Wilmamis, Deutsche Grammatik. I. 24 



370 Abschwftchung des zweiten Compositionsgliedes. [§ 316. 

c. Die Adjectiva pflegen den Vocal der Flexion zu be- 
walireu; und infolge dessen kann der Yocal der Ableitungs- 
silbe stets unterdrückt werden: dunkler y dunkleSy dunklemj 
dunkle^ entsprechend die Formen von heiter ^ eigen; er kann 
aber auch beibehalten werden, besonders vor r und n, weniger 
vielleicht vor l : eigene, heitere, dunkele. Entschiedenen Vor- 
zug finden die Formen ohne e nur bei den Adjectivis, deren 
Stamm auf einen Diphthongen ausgeht z. B. sauer, teuer, un- 
geheuer'^ hier behaupten sich alte Bildungen (§301). — Von 
den Flcxionssilben eignet sich nur noch -en zar Synkope nach 
-el und -er\ edeln, heitern gilt neben edelen, heiteren und 
edlen, heitren] aber heiterm flir heitrem oder heiterem ist 
nicht mehr üblich, noch weniger heiters für heiteres. — Diffe- 
renziert sind anders Adv. und anderes Adj. (vgl. § 286). — 
Auch das aus -in geschwächte -en verliert sein e, wenn ab- 
leitendes -er vorausgeht: ehern mhd. erin, sübern mhd. 
silhertn. 

Anm. Über die Synkope in den zweisilbigen Flexionsendungen 
-eme, -ere s. § 277. 

2. Vor vocalisch anlautender Ableitungssilbe schwindet 

der Vocal in -en, -em\ in -el, -er haftet er besser, bes. wenn 

eine einfache Ableitung auf -el, -er zur Seite steht; z. B. 

Redner, Gärtner, regnicht, Atmung, Jüngling (mhd. junge- 

linc), fStücklein (m\\d. stuckeltn), Fähnrich {emB mhd. vener e); 

aber »Sammlung od. Sammelung neben sammeln, Vöglein od. 

Vögelein neben Vogel, Verbesserer od. Verbessrer, trügerisch, 

Bürgerin etc. 

Drittes Kapitel. 

Abscbwächung des zweiten Compositionsgliedes. 

316. Stammsilben behaupten im allgemeinen ihre Laute, 
auch wo sie als zweite minder betonte Bestandteile eines Com- 
positums dienen. Selbst Wörter, die ganz den Charakter von 
Ableitungssilben angenommen haben, wie heit, schaß, tuom, 
sam, haß u. a. sind unversehrt geblieben, nur lieh ist allge- 
mein der Verkürzung unterlegen und beere in bar gewandelt 



•§317.] Abschwächung' des zweiten Compositionsgliedes. 371 

<§ 317). Zweite Compositionsglieder, die sich als selbständige 
Wörter erhalten haben, waren dem Verfall noch weniger aus- 
gesetzt, zumal in der Schriftsprache, in der man von jeher 
nicht nur auf die Aussprache, sondern auch auf 'Bedeutung 
und Signification' geachtet hat (Ickelsamer, Gramm. Bl. 
S. Illlb). Nur in verhältnismässig wenigen Wörtern ist mit 
dem Bewusstsein der Zusammensetzung auch die echte Laut- 
form aufgegeben; die Vocale haben ähnliche Schwächungen 
erlitten wie in den Ableitungssilben, und oft haben auch 
<lie Consonanten nicht Stand gehalten, b^onders to und h 
<§ 87. 117). 

Schon im Ahd. begegnen einige Beispiele; neben urloub: 

iirlubj urlob, neben folieist, f olleisten oft follust, f ollist, follisten 
(Br. § 63 A. 2). — Aus w^'ralt wird unter dem Einfluss von It iv^rolty 
neben -bald begegnet : -bold^ neben ein-falt : ein-folt, für ahd. hagu- 
sfalt : hagastolt, später hagestolz (§ 226; Kögel, IF. 3, 277 nimmt 
Ablaut an). — Ahd. ziirdel impatiens beruht auf germ. Hus-polaz 
(Kluge, Grdr. S. 342); spät ahd. hundert auf *hunda-rap ^Hundert- 
zahl'. — Neben lichamo (d. i. Itk-hamd) kommt Uhmo vor (anders 
Kr)g-el, LBl. 1887. 207); in wellh, solth (vgl. g. Mleiks, sivaleiks) tritt 
für ch = germ. k der Hauchlaut h ein: weliMi', solihir, dann mit 
Schwund des h alem. weler, solir, oder mit Unterdrückung? des 
Mittelvocals ivelh, solh (Br. § 292 A. 1). — Über Störungen, die mit 
dem Schwund eines anl. iv im zweiten Compositionsglied verbunden 

sind. s. § 117. — Stärkeren Lautverlust zeigen ahd. hiuto aus 
*hiu tagu, hiuro aus *hiu jdru (Kluge, PBb. 12, 376), kniet, 
mhd. hi7it, nhd. heint aus ahd. hi-naht] vgl. auch mhd. vert 
im vorigen Jahre (II § 467, 1). Die ärgste Verstümmelung 
erfuhrt das Adv. eckorödo, ockorödo bis zum mhd. et, ot 
(II § 441, 3). 

317. Andere Kürzungen kommen später hinzu. Manche 

Composita sind zu einsilbigen Wörtern zusammengeschrumpft: 
ahd. einlif mhd. einlif, eilif eilf\ ahd. zwelif mhd. zwelif, zwelf; 
ahd. w^rolt, mhd. tctrelt Welt\ mhd. ieze, jetzt; ahd. mhd. öheim, 
nhd. Oheim, Ohm; vgl. auch Drilch, Zwilch neben Drillich, Zwil- 
lich, mhd. drilih, zwilih, Nachbildungen von 1, trilex, bilex; echt 
= €haß (§ 98). 

Die meisten haben äusserlich die Form abgeleiteter Wörter 
angenommen. Viele gehen auf -er aus: Adler, mhd, adel-ar, adlar^ 



372 Der Vocal in der Compositionsfuge. [§ 31^. 

adler\ biede?^ mhd. hi-derhe^ ahd. bi-derhi brauchbar (s. Kluge, Wb.)r 
Eimer^ ahd. einhar^ mhd. einher^ eimber, emher^ eimer, emmer (vgl. 
Kluge, Wb.); immer , ahd. iomir, mhd. «€m«r, mer, irnmer; Jungfer,. 
mhd. juncfrouwe, jumphrouwe, ndrh, junffer^ jonffer\ Junker , mhd. 
Junch^rre\ Kiefer, vermutlich aus Kienföhre, m\id.kienforhe\ Messer, 
ahd. me^iras, me^irahs, ma^sahs, me^^isahs d. i. Speiseschwert; 
Naber, Näber, ahd. nagabir aus nabayür Bohrer; Schuster, mhd. 
schuohsiUcßre, schuchster, schuoster; Wimper^ mhd. wintbrä, winbrä,, 
u'Wibrä, tvimbraue; Zuber, ahd. zubar = zui-bar, mhd. z*M>cr, zwuber, 
zuober, zober, — Auf -el gehen aus : Urtel^ Drittel, Viertel etc., Com- 
posita mit Teil] Hampfel = hantvoll] Wispel {ndd.) scheint ndd. schepel 
Scheffel als zweiten Bestandteil zu enthalten {wich-schepel 12. Jh.); 
undeutlich ist Wimpel (§ 109); vgl. auch Kluge, Wb. EnkelK — 
Wie Ableitungen sehen ferner aus Grummet, mhd. gruonmdt; 
Krammets-vogel, mhd. kranewit-vogel; Bungert, Wingert aus boiim- 
garte, w%n-garte\ tausend, ahd. düsunt (II § 435, 4); Hexe, ahd- 
hagazussa (II § 252 A. 3). 

a als Vocal der unbetonten Silbe gilt in Nachbar, mhd. nach- 
büre; Bräutigam,, mhd. briutegome\ und namentlich in den Adjec- 
tiven auf -bar, ahd. -bäri, mhd. -beere aber auch -ber (Whd. § 296); 
z. B, dankbeere, ahtbcere, sunderbcere. — seltsam, ahd. seltsäni {säni 
aus sejuni; participiale Bildung zu s^han, Franck, AfdA. 13, 21B 
Anm ) hat sich den Adj. auf -sam angeschlossen; vgl. auch lang- 
sam n § 373, 2 A. 

Einfache Verkürzung, wie in -Itch, ist in Eigennamen auf 
-rieh eingetreten: Heinrich, Dietrich u.a. — Belege für andere Ent- 
htellun<;en in Compositis II § 408 ff. 



Der Yocal in der Compositionsfuge. 

318. In den echten Compositis, d. li. in Compositis,. 
deren erster Bestandteil ein unflectiertes Nomen ist (vgl. nhd. 
Landmann : Landsmann), zeigt das Gotische in der Compo- 
sitionsfuge in der Regel einen Vocal (Gr. 2, 412. 624). Ur- 
sprünglich war dieser Vocal nichts anderes als der Stamm- 
auslaut des ersten Bestandteils, kam also nur vocalischen 
Stämmen zu ; aber schon in vor- und urgennanischer Zeit war 
dies Verhältnis zwischen dem Compositionsvocal und der reinea 
Stammform vielfach getrübt (II § 390). Besonders ist zu be- 
merken, dass die ö- und n-Stämme dieselbe Form wie die 
^7-Stämme angenommen haben und dass diese häufigste Form. 



^ 318.] Der Vocal in der Compositionsfuge. 373 

auch auf consonantische Stämme übertragen wird. Lange 
Vocale finden wir nirgends. 

2. Nach betonter Silbe pflegt im Gotischen der Comi)o- 
«itionsvoeal zu stehen und zwar zeigen a 1. a-Stämme; z. B. 
-aifva-tundi Dornstraucb, daura-wards Thorhüter, figgra-gulps Ring. 

— 2. n-Stämme: gumakunds männlich, auga-daurö Fenster. — 
3. <$-Stämme: airpa-kunds irdisch, /y€i7a-/yai>6« der Zeit sich fügend. 

— 4. Einige consonantische Stämme: aiza-smipa Erzschmied, hrC)- 
pra-luhö Bruderliebe (daneben hröpru-luhö Brgm. II S. 70), mann- 
seps Welt, manamaurprja Mörder, nahta-mats Nachtmahl. — i die 
2-Stftmme; z.B. 9na^2&a/^« Speisetasche, awr<i-^arcfÄ Krautgarten. — 
u die ii-Stämme; z.B. fötu-haurd Fussschemel. /ViiÄM-gaims schatz- 
gierig, handu-waurhts mit der Hand gemacht. 

Auch nach einer unbetonten Ableitungssilbe eines Sub- 
stantivs erscheint der Compositionsvocal öfters; z. B. a in 
-akrana-laus fruchtlos; eisama-bandi F. Eisenbande, himina-kunds 
himmlisch, witöda-fasteis Gesetzesgelehrter u. a.; u in asilu-qairnus 
Eselsmühle. 

3. In andern Wörtern fehlt der Compositionsvocal. Nur 
für einen Teil lässt sich eine wahrscheinliche Erklärung geben. 
Alten consonantischen Stämmen kam er von rechtswegen über- 
haupt nicht ZU; also man-leika M. Bild (gegen mana-sßps u. a), 
^igiS'laun N. Siegeslohn zeigen die gesetzmässige Form. — Vor 
einem vocalisch anlautenden zweiten Compositionsgliede könnte 
er lautgesetzlich elidiert sein, z. B. hals-agga M. Nacken zu 
hälsa-^ all-andjö völlig zu alla-\ wo er dennoch erscheint, wie in 
^aliuga-apaustaulus Lügenprophet könnte er nach der Analogie 
anderer Wörter hergestellt sein (Brgm. II § 40 S. 67. Wrede, Ost- 

got. S. 185 f.; vgl. auch § 333). — Endlich wenn das erste Glied 
mehrsilbig ist, könnte der geringere Ton den Schwund ver- 
anlasst haben. So fehlt der Vocal namentlich nach Adjectiven: 
^npar-leikö anders, manag-faips mannigfach, mikil-pij^hts hochmütig, 
uhil-taujis übelthäterisch, ubü-waurds schmähsüchtig, aber auch nach 
Substantiven :/)tufi?an-^arc^t F. Königreich, midjun-gards M. Erdkreis. 

— Doch lassen ihn zuweilen auch einsilbige vocalische Stämme 

vor consonantisehem Anlaut vermissen; adjectivische a-Stämme: 
^ll-waldands Allmächtiger (neben aüa-waurstwa aus allen Kräften 
wirkend), hauh-hairts hochherzig (neben arma-hairia barmherzig), 
iaiis-qiprs mit leerem Magen (neben lausa-waurds geschwätzig), 
piup'SpiUön eOaTTcX(2^ea8at (vgl. piupi-qiss Segnung), ainfälps ein- 
fältig (neben aina-baur der Eingeborne, aina-munds einmütig); 



374 Der Vocal in der Compositionsfuge. [§ 319. 

substantivische a-Stämme: gud-hüs Tempel, gup'hWsireis Gottes- 
vere lirer (neben guda-faurhts, -laus, guda-skaunei)^ wein-drugkja 
Weintrinker (neben weina-basi, -gards, -tains, -triu), — «-Stammet 
brüp'faps Bräutigam (vgl. hunda-faps Anführer über hundert), 
put'haum Posaune. , — Besonders zu beachten sind die ja- 
Stämme, die nach kurzer Stammsilbe regelmässig auf -ja- 
ausgehen, z. B. wadja-böJcds N. PI. Unterpfand, lubja-leis gift- 
kundig; nach langer Stammsilbe auf -i- : andi-laus endlos, 
arbi-numja Erbe, aglaiti-waurdei unschickliche Rede, aber 
doch hrainja-hairts Adj. reines Herzens. 

Woher die Verschiedenheit in der Behandlung des Com- 
positionsvocales stammt, ist nicht deutlich zu erkennen. Ausser 
den erwähnten Momenten mögen auch Formübertragungen, 
Einfluss von Wortverbindungen auf die Composition (z. B. wein- 
di'ugJcja nach wein drigkan)y vielleicht auch vorgermanisehe 
Betonungsverhältnisse gewirkt haben; s. Kluge, KZ. 26, 8K 
Brgm. II § 40. S. 66. Streitberg S. 172. 174. Wrede, Ost- 
got. S. 183 ff.; vgl. auch Krenier, PBb. 8, 371—460. 

Anm. In den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung 
linden wir statt a noch das alte idg. o in der Compositionsfuge; 
z. B. Marcomannij Langobardi, Inguiomerus (§ 254. Gr. 2, 412. 
414. 417. Kluge, Grdr. § 26. Noreen S. 17 Anm.). Der Übergang 
zu a erfolgt einzelsprachlich. 

319. Während im Gotischen die Quantität und der 
Umfang der Stammsilbe nur bei den Ja-Stämmen deutlichen 
Einfluss auf den Bindevocal hat — ähnlich wie in der Flexion 
(§ 126, 2) — , so wird im Ahd. dies Moment von durch- 
schlagender Bedeutung. Der Zustand, welchem die Sprache 
zustrebt, ist: Erhaltung des unbetonten Vocales nach kurzen, 
Unterdrückung nach langen imd mehrsilbigen Stämmen (vgl. 
§ 257). Eine gründliche und zusammenfassende Behandlung des 
Materials fehlt noch. Belege aus Otfried mögen zur Erläuterung 
dienen. Bei ihm heisst es regelmässig einerseits dagafrist, gote- 
wuoto] botascaf, räbekunni Rebengewächs; b^ahüs'^ duriwart; hugu- 
lust Gesinnung u. a.; anderseits: skalkslahta, wintwanta Wurf- 
schaufel, kornhüs^ lantliut\ ^rdbiba, firndät Übelthat, sprdchhüs;. 
brütloufty nOtdurft\ fua^faUön etc.; ferner: himilrlchi, magadburt 
jungfräuliche Geburt, tMgankind, thionostman , toa^arfa^ etc. 

Nur bei den ja-Stämmen äussert die Quantität keine durch- 



§ 320.] Der Vocal in der Compositionsfnge. 375 

greifende Wirkung, also grade umgekehrt wie im Gotischen. 
Wenn das erste Compositionsglied ein Suhstantivum ist, geht es 

immer auf i aus; es heisst also nicht nur herizoho Herzog, redt- 
haß verständig, elilenti Fremde, wo die Stammsilbe kurz ist; son- 
dern auch hettiriso der Gichtbrüchige, hellipina^ ivunnisam^ wo sie 
durch Einfluss des J lang geworden ist (§ 138), und endidago jüngster 
Tag, kerzistal Leuchter, wo sie von Hause aus laug war. Aus- 
nahmen würden gundfano Kriegsfahne und suntlth sündlich sein, 
doch darf man für jenes wohl ein Subst. gunda neben gundia, für 
dieses vielleicht ein altes Adj. *sunt (vgl. 1. sons, sontis) als Grund- 
lage voraussetzen. Von Adjectivis auf i dagegen behalten nur 
die mit kurzer Stammsilbe das i; die mit langer pflegen keinen 

Vocal in der Compositionsfuge zu zeigen. Es heisst also einer- 
seits eli'lenti (Stamm alja-\ und (bei Otfried nicht belegt) mitti-gart, 
mitti-naht u. a. (Stamm midja-)\ anderseits hltd-lth : bltdif hönlih : 
höni^ suär-lth : suäri od. suär, sua^-lth : sua^i^ wls-lXhy -duam : wf.si, 
gizäm-Uh : gizämi, fast-tnuati : festig gimein-muati : gimeinij icuast- 
tvaldi : witasii u. a., aber doch auch rtchi-duam : rtchi] {heri-ditam 

2, 5, 22 ist Schreibfehler in V.). Der Grund für diese abweichende 
Behandlung der Adjeetiva auf i wird darin liegen, dass sie 

nur zum Teil alte Ja-Stämme sind (II § 307). 

Anm. 1. alja- muss durch eli- ersetzt sein, ehe j die Ver- 
doppelung des vorhergehenden Consonanten bewirkte; und ver- 
mutlich sind solche Formen auf i für alle kurzen ja-Stämme vor- 
auszusetzen. Die Verdoppelung in hetti-riso^ mitti-naht u. a. beruht 
auf Übertragung von den selbständigen Wörtern. Sievers, PBb. 
12, 4«9. 16, 2(3.3 f.; anders Streitberg, PBb. 14, 184; vgl. auch 15, 496. 
16, 276 Anm. und Osthoff, Verbum in der Nominalcomposition S. 40 f. 

Anm. 2. Wie i in den Ja-Stämmen gilt in den kurzen, cou- 
sonantisch aiislautenden tca-Stflmmen ein dem w entsprechendes 
o (a). Im Gotischen heisst es balwa-wisei Bosheit, aiha-tundi Dorn- 
strauch, im Tatian bala-rdt Bosheit, garo-tag Rüsttag, tr^so-fa^^ 
•hü8 Schatzbehftlter, -haiis, scato-selida scenopegia; bei Otfried gara- 
Ith. AnderwÄrts finden wir dieses o auch noch nach langen Vo- 
calen: eo-lthht religio, io-haftlth religiosus, sio-lth (Tat. sio-lth wie 
im Adv. io aus io) maritimus. Aber nach langer consonantisch 
auslautender Silbe fehlt es in den Compositis mit näh-. Die ur- 
sprüngliche Form -u'a- gilt nur nach kurzer vocalisch auslautender 
Silbe: frawa-lth fröhlich. 

320. Dass die Wörter auf -ja nach langer Stammsilbe 
ein i in der Compositionsfuge haben, ist eigentlich keine Aus- 
nahme von der Hauptregel; denn das i ist nicht alter Com- 



376 Der Vocal in der Compositionsfuge. [§ 321. 

positionsvocal sondern Vertreter des ableitenden j. Wirkliche 
Ausnahmen sind in den ältesten Denkmälern selten; insbe- 
sondere begegnen nur wenige Wörter, in denen nach kurzer 
Stammsilbe der Vocal fehlt. Bei Otfried: got-kundlth göttlich 
(vgl. g. gitd-j gup') neben gote-forahtal, -leido^ -wuoto (vgl. g. 
guda-) und gom-man Mensch, wofür nirgends gomaman vorkommt. 
— In man-kunni Menschengeschlecht, manslago^ -slahta Mörder, 
Mord kann man Composition mit dem Stamme mann- annehmen; 
daneben mana-houbit Leibeigner (vgl. g. man- und mana-). 

Öfter finden sich umgekehrt Wörter, die nach langer 

Stammsilbe einen Vocal haben. Es sind das Producte jüngerer 

Compositionsarten, uneigentliche und Verbal-Composita (II §390f. 

402 f.), oder Wörter, die nach ihrem Muster gebildet sind. Aus 
Otfrieds Sprachschatz gehören hierher namentlich die verallge- 
meinernden Wörtern auf -Ith: mannoUh jeder Mann, leidallh jedes 
Leid, guatilih alles Gute, /Wwn^i'ZfÄ jeder Freund, guatigillh, manno- 
gilthj leidogüthj wortogilih jedes Wort ; alles Wörter, die auf Geni- 
tivverbindungen beruhen (II § 371); als unregelmässige Bildung 
erscheint bei 0. nur armalth erbärmlich. — Ahnlich erklärt sich 
der Vocal in den Adj. auf -lös. Im Gotischen haben wir die echten 
Composita akrana-, andi-^ guda-^ witöda-laus\ aber lös konnte auch 
mit einem vorangehenden Genitiv verbunden werden; z. B. Hilde- 
brandsl. 22 arheo laosa, Heliand ferhes, llhes, Uohtes^ gisiunes, giwä- 
dieSj wammes löSf sundiono lös\ sundea^ hämo lös. Und solche 
Verbindungen bewirkten dann die Erhaltung des Bindevocales auch 
in der Composition. So braucht 0. nicht nur suntÜös zu sunilö-^ 
sondern auch goumüös achtlos, dröstolös trostlos. Andere zahl- 
reiche Beispiele aus dem Ahd. und Mhd. in Graff 2, 268 f. Mhd. 
Wb. 1, 1034. — Als Genitivverbindung kann man aucli brütigomo 
ansehen (Brgm. II § 44. S. 74) und nötigistallo Notgefährte. Auf- 
fallender ist thiamuduam Jungfrauschaft, und iragrehti Gnade, 
wofür man, wenn die geläufige Erklärung richtig ist, in O.'s Sprache 
h'-girihtl erwarten sollte. — arnogizU Ernte lehnt sich an dasVerbum 
amön ernten (vgl. Brgm. II, § 41 S. 71). — Die Vorsilbe miss-, g. 
missa- erscheint im Hd. bald als o-Stamm {m^ssa-^ missa-^ mis-)^ 
bald als ja-Stamm (missi-); der Grund dass sie ihren Vocal gewöhn- 
lich behält, mag darin liegen, dass sie in der verbalen Composition 
nicht den Hochton hat: vgl. folla-^ das bei 0. nicht vorkommt 
(II § 98). 

321. Die Qualität des Vocals in der Compositions- 
fuge, woher er auch stammen mag, steht im Ahd. lange nicht 
mehr so fest wie im Gotischen. Schon bei Otfried unterliegt 



S 322.] Der Vocal in der Compositionsfage. 377 

er vielfach der Assimilation, der Abschwächung zu e und will- 
kürliehen Entstellungen. Am wenigsten haltbar erscheint a. 
Durch Assimilation tritt gelegentlich o dafür ein: gotowehbi^ mano- 
hotibitj lohosamj dröstolös; oder i: goinilth, sumilih, armilth', u in 
thiamuduain. Durch Schwächung wird es zu c : goteforahtal, -leido, 
'U'uotOj r^bekunni, wegen^st, wegerihti. — Durch Anlehnung an 
bHöyi erklärt sich das o in bHoman\ ohne sichtlichen Grund steht 
es in dagozit (neben dagesztt), frawo-lust (neben frawa-lth, -inuati), 

— Für u erscheint einigemal o: hugolusti, fridosamo] {fh'heivart 
neben fihuidari weist auf eine andere Art der Bildung), Am besten 
hält sich 4, doch zeigt sich im Ahd. bei den j'd-Stämmen die Neigung 
sich an die selbständigen Substantiva anzulehnen und a für i anzu- 
nehmen (Brgm. II, § 40. A. 2. S. 68) z. B. hellafiur^ redaJiaft, auch 
gisellaskaf (Tatian). Auf a mag auch O.'s o in wunnosamOy sunto- 
löso zurückgehen. — Auch in den unechten Compositis auf -llh 
schwankt der Vocal: mannolth ist die regelmässige, mannilth bei 
O. die häufigste Form, daneben auch mannalth'^ ähnlich leidalth 
neben leidogilfh; guatalth neben guatigilth, friuntUth st. friuntolth, 

— Bei Notker ist e schon der häufigste Vocal, i und u fast ganz be- 
seitigt, o hingegen gefördert durch die Flexion der Ö-Stämme und 
den Genitiv PI. 

322. Je später, um so weniger treten bestimmte Laut- 
regeln hervor. Einerseits gewinnnen die uneigentlichen Coni- 
posita und mit ihnen der Vocal in der Compositionsfuge immer 
weitere Verbreitung, anderseits wird der Vocal der eigentlichen 
Composita durch Synkope unterdrückt. Schon bei Notker 
sind die Belege für diese jüngere Synkope nach Liquida und 
Nasal ganz gewöhnlich, z. B. ^rcit- ar-/fÄ, Air-ZicÄ (ÄiVe-ZtcA) vehemens, 
her-berga, ber-haft^ kar-ltch, scar-sahs; smal-fogel, wan-heil, chiin- 

hafti generatio. Andere kurzsilbige schliessen sich an, zumal 
im Oberdeutschen. Die hochdeutsche Schriftsprache hat bald 
diese bald jene Form anerkannt, stellt nicht selten auch beide 
zu Gebote. Äot-e-, das im Mhd. noch gewöhnlich ist, haben wir 
ganz aufgegeben: Hof-mann, -leute, -dienst^ -meister, -recht etc.; 
zu Bad haben wir noch Hademacher als Eigennamen, aber mhd. 
rade-banty -nagel, -schüfel geben wir durch Rad-band, -nagely -Schaufel 
wieder; grase brauchen wir etwa noch in Grase-mÜckey sonst über- 
all gras-: Gras-garieii, -griln^ 'hof -hiiter, -platz etc., Formen die 
auch schon in mhd. Zeit üblich sind. Besser hat sich das e in eini- 
gen andern gehalten; vgl. mhd. bade-gSlt^ -geicant, -hüs^ -kleit, 
'kn^ht; tage-liety -lön, -reiset -vart'^ fdage-brief, -liet, -Hute, -sanc; 



378 Die Vocale der unbetonten Vorsilben. [§ 323. 

w^ge-breite^ -g^'lt, -lägen (insidiari), -rieh, -scheide u. a., die im Nhd. 
gleichfalls mit e gebildet werden. — Auch die Ja-Stämme verlieren 
ihren Vocal; zu mhd. kinne N. gehört mhd. kinne-hacke, -bein; zu 
erbe: mhd. erbe-guof^ -lant, -Uhen^ -lös, -r^'M^zu wille: mhd. tviUe- 
kome, 'kür', zu helle: helle-brantf -geist, -gluot, -hunt etc. Wir 
brauchen in diesen Wörtern Kinn-, Erb-, Will-, statt helle- aber 
weder Hölle-, noch Höll-, sondern Höllen- (vgl. II § 397). 

Wo sich ein Vocal in der Compositionsfuge hält, ißt er 

schon im Mhd. zu e geworden; doch zeigen merkwürdiger 

Weise im Nhd. zwei Wörter, Bräutigam, Nachtigall den Vocal 

t, der ihnen im Ahd. gebührte, obwohl im Mhd. briutegome 

und gewöhnlich auch nahtegale geschrieben wird. Das i wird 

in ihnen unter dem Einfluss des folgenden g entstanden sein. 

Behaghel, Grdr. § 52, 2. 

Vorsilben. 

323. 1. Unbetonte Anfangssilben mit eigentümlicher 
Lautentwickelung entstanden, wenn man von Fremdwörtern 
und einigen jüngeren Acceutverschiebungen absieht, nur da- 
durch dass proclitische Partikeln mit einem folgenden Worte zur 
Einheit verbunden wurden. Die Wörter die solche Verbin- 
dungen eingingen, sind Pronomina, Verba, später auch Nomina, 
die im adverbialem Gebrauch mit einer Präposition ver- 
schmolzen (§331). 

Von den Partikeln, die sich mit Pronominibus verbanden, 
sind ahd. theh {thoh), sih (soft), nih {noh)f so, niy gi zu er- 
wähnen (II §431). Als selbständige Silben haben sich diese 
Partikeln nirgends erhalten, sih (sah) ist von Anfang an 
wenig verbreitet; so pflegt schon im Mhd. vor dem Pron. 
indef. seinjen Vocal zu verlieren und verschwindet dann ganz; 
ni dauert fort in nicht, nein etc., von di^h und gi stecken 
die Anfangsconsonanten in je-d-weder, en-t-weder, je-g-lich; 
über kein s. § 92, 2. 

2. Wichtiger sind die Partikeln, die sich proclitisch mit 
dem Verbum verbanden, aus Compositionsgliedern allmählich 
zu blossen Präfixen und wesentlichen Mitteln der Wortbildung 
wurden: g. and, at, bi, diSy fair, faur, fra, ga, in, tuois, us, 
lauter einsilbige, im selbständigen Gebrauch meist früh unter- 



§ 323.] Die Vocale in unbetonten Vorsilben. 379 

gegangene Wörter (II § 91). Im Gotischen zeigen die Wört- 
chen noch eine bestimmt ausgeprägte, feststehende Foim; im 
Hochdeutscheu tritt der Verfall von Anfang an deutlich hervor. 
Sie zeigen nach Ort und Zeit wechselnde Gestalt, der Vocal 
unterliegt der Assimilation (MSD. 2, 231), at, ahd. crj verliert 
ihn ganz (§ 330) ; in den andern wird bald die Neigung tiber- 
all i zu gebrauchen ziemlich allgemein, später tritt e an seine 
Stelle. Otfried setzt fast überall i, Notker pflegt es nur noch in 
der Vorsilbe in(t) zu gebrauchen, also vor Nasal, der auch sonst 
Verwandtschaft zu i zeigt (§ 269); seit dem Mhd. herrscht, wofern 
der Vocal nicht ganz unterdrückt ist (§ 330), e wie in den Flexionen. 

So ergaben sich unsere Vorsilben 6e-, ewf-, er-, ge-, rer-, zer-; 
in ver- sind g. fair^ faur, fra^ in ent- g. and und iw, in zer- 
vermutlich g. dh und twis zusammengefallen. 

Die eigentümliche Entwickelung der Vorsilben tritt am 
deutlichsten hervor, wo neben den Verben verwandte mit den- 
selben Partikeln zusammengesetzte Nomina stehen, denn in 
diesen trug die Partikel den Hauptton; doch hat die jüngere 
Sprache die meisten dieser Nominalconiposita fallen lassen oder 
umgebildet (§350). 

Anm. 1. Den Unterschied zwischen nominaler und verbaler 
Composition lässt in einer Partikel auch das Gotische wahrnehmen: 
im Verbalcompositum wird inmier and-y im Nomen anda- oder and- 
gebraucht. Es heisst andniman annehmen, aber andanims ange- 
nehm, andanumts Annahme; andsitan schelten : andcutHs verab- 
scheuenswert; andhaitan bekennen : andahait Bekenntnis; andbeitan 
schellen : andabeit Tadel ; andhafjan antworten : andahafts Antwort; 
andwanrdjan antworten : andawaurdi Antwort. Also wilhrend im 
Verbum der unbetonte Mittelvocal fehlt, haftet er in den ent- 
sprechenden Nominibus Der Unterschied mag sich daraus erklären, 
dass die Verschmelzung der Partikel mit dem Verbum erst eintrat, 
nachdem anda durch Wirkung^ des vocalischen Auslautgesetzes zu 
and geworden war (Brgm. I § f)87). Jedenfalls muss das Wort 
vorm Verbum weniger betont gewesen sein, als im Substantivum; 
vgl. Kluge, KZ. 26, 80 f. — Auch fanra und faur stehen im Got. 
nebeneinander; aber beide Formen kommen auch als selbständige 
Wörter vor und sowohl in der Nominal- als Verbalcomposition; vgl. 
AfdA. 16, 65 f. 

Anm. 2. Ob die unterschiedslose Gleichheit, welche das Go- 
tische in den Partikeln zeigt, ursprünglich ist, wird bezweifelt. Man 
nimmt an, dass die Verschiedenheit der Betonung schon in früherer 



380 Die Vocale der unbetonten Vorsilben ; eni-. [§ 324. 

Zeit Doppelfornien erzeugrt hatte, die im Got. wieder ausgeglichen 
sind (betontes ga, za^ unbetontes gi, zi für */f€, *rfc; Kögel, Litbl. 
1887. S. 109). In der Mannigfaltigkeit der ahd. Vocale könnten dann 
zum Teil alte Unterschiede fortleben (Br. § 70. A. 1. Behaghel, 
Grdr. § 55). 

Anm. 3. Spuren einer eigentümlichen Lautentwickelung in 
proklitischer Stellung sind auch bei dem Adv. äba wahrzunehmen, vgl. 
dh'lä^ : ob-lä^an (auch dure : diirh, II § 91 A. 2 und Kluge Grdr. 
§ 19, 5), aber zu charakteristischer und fester Ausbildung kommt 
sie nur bei den oben angeführten Partikeln, durch, über, um, unter, 
wider, die sich auch dem Tone des Verbums unterordnen können 
(§ 318) haben sich in ihrer gewöhnlichen Form behauptet. 

Anm. 4. Von Wörtern, die nicht Partikelcomposita sind, 
zeigen unbetonte Anfangssilben mit eigentümlicher Lautentwicke- 
lung: Schlardffe, mhd. slür-affe, älter nhd. Schlauraffe', schmarotzen, 
alter nhd. smorotzen, smorutzen\ die Fremdwörter Rdbau (Schimpf- 
wort), ndl. rabaut, frz. ribaud, mlat. ribaldus; Rakete, früher Böget ^ 
Rogget, it. rocchetta; i für e, a hat ahd. sigristo M. Sigrist, mlat. 
segrista aus sacHsta. Synkope in Anfangssilben § 330 A. 2. 

324. Über die einzelnen Partikeln ist folgendes zu be- 
merken : 

Dem unbetonten en{t)- entsprechen zwei Partikeln and 
und in, die das Gotische auch in der verbalen Composition 
genau unterscheidet; z. B. andheitan schelten, andhamön ent- 
kleiden; aber inagjan in Angst setzen, inbrannjan in Brand 
stecken. Im Ahd. wird ant- früh durch «n(f)- ersetzt (Gr. II, 
808 f. Br. § 73) und durch die Unterdrückung des t der Unter- 
schied von in- ganz aufgehoben, ant- belegt ftlr die frän- 
kische Mundart nur noch Is. In vielen Quellen hat in- das 
regelmässige int- ganz verdrängt, in andern hängt der Ge- 
brauch der einen oder andern Form von dem folgenden Laut 
ab; zuweilen erkennt man die Spur des verschwindenden 
Lantes in seinem Einiluss auf den folgenden Consonanten: 
enpf- für entf-, enk- für entg- (§ 161). Das Nhd. hat fast 
überall die vollständigste Fonn ent- wieder hergestellt, resp. 
eingeführt. — Den Wechsel von betontem ant-, in- und unbe- 
tontem en(t)' belegen z. B. a) mhd. anthei^ Gelübde (dazu Adj. ant- 
hei^e, anthei^ec verpflichtet, nhd. anheischig) : enthei^en geloben ; 
antvanc Empfang : inphähen; antw^c Maschine zum Zerstören: 
entwürken; antsage Widersage : entsagen Fehde ankünden; antsiht 



§ .^25. 326.] Die Vocale der unbetonten Vorsilben ; er-, ver-, 381 

Anblick : ents^hen; antläQ Sündenerlass : entlä^en\ antwtch Neigung"^ 
Biegung : entwichen. — b) imbi^ : enbfjen; inbot, ingebot : enbieien\ 
inyUlt : engülten. 

Anm. 1. Je weniger vernehmbar das t vor dem folgenden 
Laute war, um so leichter schwand es (vgl. § 158). So braucht 0. 
immer in- vor ^, th^ d, z, 6, k; gewöhnlich vor s, vereinzelt vor f 
{infualen)\ int- vor Vocalen, Ä, tt', r, gewöhnlich vor /*, vereinzelt 
vor 8 {intslupfen) ; sehwankend ist der Gebrauch vor n {innagelen^ 
intneinen) und g {ingangan entgehen, intgeltan). Notker hat im 
Boethius in vor ^, ä, 6, g, chy f\ int vor Vocalen, A, u% Z, r; vor « 
schwankt der Gebrauch. Kelle, Wiener Sitz.-Ber. 109 S. 238 A. — 
Ob ant' oder in- zu Grunde liegt, ist aus der Bedeutung der Worte^ 
nicht immer zu erkennen. 

Anm. 2. Neben and-, in- hat das Got. auch Composita mit 
und' und unpa-: undgreipan ergreifen, undridan besorgen, und- 
rinnan zulaufen; unpapliuhan entfliehen (vgl. II § 470, 1). 

325. er- geht auf g. tis-, ahd. ur- zurück. Die Form 
ur- findet sieh in proklitischer Stellung nur noch einzeln in 
wenigen alten oberdeutschen Quellen; die gewöhnliche Form 
ist zunächst ar-, nicht nur im Oberdeutschen sondern auch im 
Is. Daneben aber treten schon im 8. Jahrh. ir- und er- auf^ 
und im 9. gewinnen diese Formen die Herrschaft (Br. § 75). 
— Den Wechsel von betontem ur- und unbetontem er- belegen z. B. 
mhd. urbor, -bar Einkünfte von Dienstgut: erbern'^ urbHe F. die 
Steuer : erbiten\ urbot N. das Erbieten, urbietic erbietig : cr6ie<en; 
urdanc (commentum, expositio, tractatus) : erdenken; urdru^^ ur- 
drütze Verdruss, urdriltze Adj. : erdrie^en (g. uspriutan); urgift 
Einkünfte : erg'^ben\ urgiht Aussage, Bekenntnis : erjehen\ urhap 
Sauerteig, Anfang : erheben; Urkunde : erkennen; urkuole : erküelew^ 
urlöse : erlcßsen ; urloub : erlauben ; ursatz Ersatz : ersetzen ; ursprinc, 
-sprunc : erspringen; urstat Unterpfand : erstaten; urstende Auf- 
erstehung: cr^^dn; ursuoch Nachforschung, Untersuchung : erÄWocAcn ;■ 
urteil, -teile : erteilen; urvräge : ervrdgen. 

326. ver-. Wie das Gotische zeigt, sind in dieser Vorsilbe 
drei verschiedene Partikeln fra-, fair-, faur zusammengefallen 
(II § 124 f. 405), aber die mannigfachen Formen des Ahd. 
erscheinen nicht als etymologische sondern mehr als mund- 
artliche Unterschiede. In Ostfranken gilt /br-, für-, im Rhein- 
fränkischen fir-, fer-\ in den älteren oberdeutschen Quellen 
ist far- die gewöhnliche Form, doch begegnen daneben auch 
for {für) und fir, fer\ die letzteren herrschen dann am Ende 



382 Die Vocale der unbetouten Vorsilben ; zer- be-. [§ 327. 328. 

des 9. Jahrh. in allen Mundarten. (Br. § 76. Zum Teil be- 
ruht die Vocalentwickelung jedenfalls auf fr. Kluge, KZ. 
26, 73). Im Mbd. ist ver- die gemeine Form, daneben aber 
wird in md. Mundarten vor- (imr-) gebraucht, und so schreibt 
auch Luther im Gegensatz zur kursächsischen Kanzlei bis 
1521 fast ausnahmslos: vorachten, vornunft, vorlassen u. a. 
(Frauke § 43). — Während die Vergleichung mit dem Gotischen 
einen dreifachen Ursprung der Partikel enthüllt, lässt im Hochdeut- 
schen die Vergleichung von Nomen und Verbum nur noch zwei 
Formen deutlich erkennen, ahd. fra und furi (= g. faur); z. B. 
a) frawä,^ anathema : firiuä^an; framano contemptor : firtnan^n; 
fratät scelus : firfän impius. — b) furiburt (continentia) : tnrb^ran ; 
mhd, vürdranc Gev^altthsit i verdringew^ vürsatz Pfand : renvc/zc« ; 
vürslac Befestigung (vgl. nhd. Verhau) : verslahew, vürewtse ver- 
irrt : venvisen. 

327. zer-. Über das Verhältnis dieser Partikel zu g. 
dia-, twis- s. II § 134. — Im Ahd. sind die gewöhnlichen 
Formen za-, zi-, ze-\ aus dem Fränkischen ist nur zi- belegt, 
za- gilt im Alemannischen und namentlich im Bairischen, doch 
kommt im Alemannischen schon im 8. Jahrh., im Bairischen 
im 9. daneben zi- und ze- vor (Br. § 72); später stellt sich 
durch Vermischung mit der Präposition (Germ. 31, 382 A.) 
im Md. auch zu- ein. Auf r ausgehende Formen sind, obwohl 
das r etymologisch nicht unbegrtlndet ist, im Ahd. in sehr 
beschränktem Gebrauch (§ 150, 2); häufiger begegnen sie im 
Mhd., aber noch Luther braucht ze- {zebrechen, zestossen) und 
daneben nach md. VTeise zu- (Frauke § 56. 94). Also erst 
spät hat die Neigung der Schriftsprache, die vollste Form 
zur Anerkennung zu bringen, obgesiegt. — Den Verben ent- 
sprechende Nomina mit betonter Vorsilbe sind selten und, da 
sie in ihrer Form mit der nominalen Vorsilbe g. tus-, gr. bu^- 
zusamnienfallen, nicht sicher zu erkennen (II § 421, 1). 

328. be-. Hier scheiden sich die betonte und unbe- 
tonte Form erst später, weil das i, welches der betonten 
Form zukam, auch der unbetonten gerecht war. bi- gilt, 
wie im Got., so im Ahd.; be- tritt daneben im 8. und 9. 

Jahrh. erst selten auf, vom 10. an gewinnt es die Oberhand 
— Den Wechsel von betontem bi- und unbetontem 6e- belegen 



§ 329. 330] Die Vocale der unbetonten Vorsilben ; ge-, 383 

z. B. mild, higiht Beichte, Bekenntnis : bej&ien\ hileite : beleiten; 
bivüde Bestattung: bevelhen\ bispräche Verleumdung, bispr^ch, 
bisprceche : besprechen^ bischaft belehrendes Beispiel, Fabel : be- 
schaffen*^ bisorge Fürsorge : besorgen. 

Anm. Dadurch dass neben bX im Ahd. sich bt entwickelt 
{§ 240) ergeben sich drei verschiedene Formen: 1. unbetontes bX-, 
später be-; 2. betontes &f, nhd. bt; 3. &£, nhd. bei. Unbetontes bt 
kommt den verbalen Zusammensetzungen und dazu gehörigen 
Nominibus zu; betontes bX den zusammengesetzten Nominibus; bt 
tritt ein, wo die Partikel selbständig und betont steht (d. h. wo sie 
als Adverbium, oft auch da, wo sie als Präposition gebraucht war), 
gewinnt bald aber auch in der Composition weite Verbreitung. Es 
ist tiberall da anzunehmen, wo den Nominibus Verba, die trennbar 
mit bt verbunden sind, zur Seite stehen, und wo die Bedeutung 
von 'prope' in eigentlichem oder übertragenem Sinne gilt (II § 422, 5). 
Notker unterscheidet die drei Formen deutlich als be-, bi, bL bt hat 
er in bl-wurte proverbium (darnach auch bt-icurti im Tat.), bt-stello 
defensor; bi- in bi-fang ambitus, complexus, bi-numft-lth violentus, 
bi-s^'^ possessio, bi-zucche involucrum, pallium, lauter Wörter, in 
denen wir jetzt, weil sie deutlichen Zusammenhang mit Verben 
haben, be- brauchen würden. Gr. 2, 718. 

329. ge-. Die alte Form g. ga- findet sich wie im 
Gotischen so auch noch in den ältesten hochdeutschen Denk- 
mälern; daneben in einigen alemannischen ge-. Dann breitet 
sich gi- aus; im Fränkischen herrscht es schon zu Anfang des 
9. Jahrb., bald folgt das Alemannische; am längsten, bis in 
die zweite Hälfte des Jahrb. 's widerstand das Bairische. End- 
lich, seit dem 11. Jahrh. wird ge- die gemeingllltige Form 
(Br. § 71). — Wechsel von betontem ga- in Nominibus mit 
unbetontem in Verben ist höchst selten; s. § 349. 

330. Unterdrückung des Vocales^). — Da der Vocal 
in den proklitischen Vorsilben noch schwächer ist als in den 
Flexionssilben, sollte man erwarten, dass er hier auch früher 
und entschiedener unterdrückt würde als dort. Das ist im 
allgemeinen aber nicht der Fall, weil die schweren Consonant- 
verbindungen, welche durch die Synkope meist entstehen wür- 
den, die Bewegung hemmen. Jedoch ist nicht zu tibersehen, 



1) Gr. 2, 700 f. Kluge KZ. 26, 69 f. Grdr. S. 340. Norcen 
S. 28 f. 201 f. 



384 Die Vocale der unbetonten Vorsilben. Synkope. [§ 330. 

dass Schriftsprache und Mundart in diesem Punkte früh aus- 
einandergehen; kaum ein Schreiber ist der lebendigen Sprache 
so treu gefolgt, wie der, welcher im 12. Jh. die Wessobrunner 
Glaubens- und Beichtformel II aufzeichnete (MSD. 2, 450). 

1. Am deutlichsten zeigen sich Neigung und Widerstand 
gegen die Synkope bei der Vorsilbe ga-. Vor vocalisch an- 
lautendem Wort verliert sie bei Otfried, wie das Metrum zeigt, 
fast immer ihren Vocal. Während es im Gotischen durchaus 
ga-aukan, ga-ihnjaiiy ga-unledjan arm machen etc. heisst, 
schreibt 0. nicht selten gi, zuweilen auch nur g: geiscötun, 
gavaröt, gägun, gh*rity ein Zeichen, dass in solchen Verbin- 
dungen der betonte Vocal ohne Vocaleinsatz gesprochen wurde 
(Wilmanns, Beitr. 3, 78). In andern ahd. Schriften begegnet 
dieser Gebrauch verhältnismässig selten (Graflf 4, 13. Br. § 71 
Ä. 3); doch ist daraus nicht sicher zu schliessen, dass er der 
lebendigen Mundart nicht geläufiger war. Auch bei mhd. 
Dichtern wird der Vocal nicht selten unterdrückt; so braucht 
Walther: geret, guneretj girret y ungahtet. — Unterdrückung 
des Vocales vor Consonanten {to, r, w, l) wird erst seit dem 
10. 11. Jahrb. häufiger; bei N. ist er in manchen Wörtern 
regelmässig oder meist verschwunden; z.B. guiSy guon, guin- 
nen] gnöto, gnö^, gndda\ grehi; glouben; in andern nie (Br. 
§ 71 A. 4. kelle, Wiener Sitz. Ber. 109, S. 240. 242. 243 A.i. 
Walther braucht gwalficliche, gnäde, gnög, gnuogey glichet ^ 
ungliche, Unglücke, aber andere sind enthaltsamer und aucli 
Walther liefert in den Liedern fast gar keine sicheren Belege. 
Also die Kunstsprache widersteht der Synkope. — Der Gegen- 
satz pflanzt sich fort. In den Mundarten greift die Synkope 
immer weiter um sich, namentlich im Südwesten, wo die syn- 
kopierten Formen die regelrechten werden und zu völliger 
Unterdrückung des Präfixes führen (Behaghel, Grdr. § 55, 3). 
Aber im Gegensatz zu dieser Neigung, die je länger um so 
mehr auch in die Schrift eindringt, entsteht eine Gegen- 
strömung, die von Mitteldeutschland ausgeht und von Schrift- 
stellern, Schreibern und Druckern genährt wird. Im 17. Jh. 
hat die Neigung ge- möglichst zu schützen und wieder herzu- 
stellen, im Bewusstsein der Gebildeten gesiegt. Eingehend 



§ 330] Die Vocale der unbetonten Vorsilben. Synkope. 385 

handelt darüber Hildebrand, DWb. 4, 1, 1602. Unsere heutige 
Sprache erkennt die Synkope nur in wenigen Wörtern an, deren 
Bildung, weil sie ohne ge- nicht mehr vorkommen, verdunkelt ist: 
Ganerbe (ahd. g-an-arbo cohaeres), gönnen, Gnade, Glaube, gleich, 
Glieds Glimpf, Glück, Schwankenden Gebrauch haben wir in ge- 
rade, Geleise, genug, während in Vergnügen, begnügen, wo noch 
eine unbetonte Vorsilbe vorangeht, allgemein Synkope gilt. Das 
Part, ge-g-essen ist doppelt zusammengesetzt, weil das zweite ge- 
rn Folge der Synkope nicht mehr als die für das Part. Prät. cha- 
rakteristische Vorsilbe empfunden wurde. — Auch bei gar, Geifer 
(Noreen S. 46), grob, knapp, kneifen {kn aus g-hn) erwägt man 
Composition mit ga--, s. Kluge, Wb. 

2. Andere Partikeln haben seltner Synkope erfahren. 
Spuren, dass in der Vorsilbe ir- der Vocal unterdrückt wurde, be- 
gegnen im Ahd. öfters, nicht nur nach vorhergehendem Vocal, z. B. 
tho erstarb, thie irkantun, sondern auch sonst, so dass nur ein 
silbisches r übrig blieb (MSD. 2, 450). In jenem Fall setzt 0. zu- 
weilen einen Punkt unter den Vocal, den Laut f meint er wohl, 
wo er yr- schrieb. Für unsere Schriftsprache kommt diese Synkope 
nicht in Betracht. — Got. tU, ahd. a^, im Gotischen ein häufigcis 
Wort, das als Präp. und Adv. sowie in der Zusammensetzung be- 
gegnet, bleibt im Ahd. nur bis in die Mitte des 9. Jahrh. in Gebrauch 
und wird dann durch zi, zuo ersetzt (Br. § 74). Mit Verlust des anl. 
Vocales hält es sich in verbaler Composition in ahd. zougen, mhd. 
zöugen=<^. at-augjan, vielleicht auch in ahd. zag€n zagen (vgl. g. 
agis Furcht). — Synkope der Vorsilbe bi- vermutet man in g. 
bnauan zerreiben (Noreen S. 29), und vor vocalischem Anlaut in 
ahd. bouhhan N. Zeichen, vgl. ndd. Bake (Noreen S. 165); mhd. 
buchen in heisser Lauge einweichen (Osthofif PBb. 18, 258); sicherer 
ist sie in dem verdunkelten Compositum ahd. ir-b-arm^n erbarmen 
(vgl. g. arman, armahairtipa, ahd. armherzl u. a.), doch ist sie 
auch hier nicht von allen anerkannt (Kluge Wb. und dagegen Ost- 
hoff PBb. 18, 251 f.). Im allgemeinen behauptet sich der Vocal der 
Partikel sehr gut (vgl. Whd. § 79); erst in der jungem Sprache 
konmit die Synkope vor folgendem Consonanten zur Geltung in 
bleiben, ahd. bi-llban, mhd. be-liben und in Block (Tefänguis, wenn 
dieses auf ahd. bi-loh beruht (§ 135. S. 166). Nicht durch Synkope 
sondern durch Contraction wird mhd. bi-giht F. zu btht, nhd. Beichte. 
— /ra- hat vor folgendem Vocal seinen Auslaut verloren in ahd. 
vrS^an, g. fra-Uan\ ferner in mhd. vr-eischen erkunden, vielleicht 
auch in Fracht, frevel (s. Kluge Wb.). Vor folgendem l begegnet 
Schwund des Vocales, verbunden mit Assimilation des r an l, in 
ahd. vliosan, vlä^an, die zuweilen statt fir-liosan, fir-l(X^an gebraucht 

W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 25 



I 
I 



386 Lautschwächung in pro- und enklitischen Worten. [§ 331. 

werden (Br. § 76 Ä. 3. § 99 A. 1); vliesen ist auch im Mhd. geläufig*, 
jetzt sind beide aufgegeben. — Über Vocalunterdrückung in den 
Präp. in, bi, zi B. % 331 ff. 

Anm. 1. Wie at, &i, fra^ ga mögen auch andere Partikeln 
schon früh ihren Vocal eingebüsst und sich mit der folgenden 
Wurzelsilbe zur Einheit verbunden haben. Das h in ahd. ir-^-an 
missgönne, das man gemeinhin für hi nimmt, beruht vielleicht auf 
ab, vgl. ah'unst F. Missgunst. — Die Partikel in weist Kögel (PBb. 
16, 512) in ahd. neihhan libare := tVeiÄÄcin nach. — us vermutet 
Kluge (KZ. 26, 69. Grdr. S. 340) in ahd. spreiten (zu g. usbrhidjan), 
ahd. spulgen (aus *us'pulgjan zu germ. plMgan), — Die alte Partikel 
idg. pro nimmt er wahr in ahd. hrdwa Braue (= vorgerm. pro-€qä 
zu idg. iq- Auge, also eig. 'die Decke vor den Augen*). — Als 
Compositum mit idg. py (Tiefstufenform zu gr. ini, 1. ob) erklärt 
OsthoflF (PBb. 18, 248 f.) ahd. füht, fähti feucht. — Vgl. auch § 158 A. 3. 

Anm. 2. Unterdrückung einer Anfangssilbe, die nicht Partikel 
war, ist in Falter Schmetterling, mhd. vivaUer eingetreten, und 
ziemlich oft in Fremdwörtern, zum Teil wohl schon ehe sie ins 
Deutsche aufgenommen wurden (vgl. Kremer PBb. 8, 377), z. B. 
Bischof, Brille, Frettchen, Lärm, Kürbis, Mütze, Pflaster, Rasch, 
Sammt, Schalotte, Spittel. 



Lantschwächnng in pro- und enklitischen Wörtern. 

331. Verkürzung und Schwächung des Vocales. — In 
Wörtchen, die im Zusammenhang der Rede unbetont zu blei- 
ben pflegen^ entarten die Vocale ähnlich wie in den Flexions- 
und Ableitungssilben. Schon im Gotischen hat das Pron. si 
(N. Sg. Fem.) kurzes i für t wie die Substantiva bandi, piwi 
während sich in so 'die' der lange Vocal behauptet (ZföG. 
1893. S. 1097). — In hd. ih ist das i für idg. e vermutlich 
eine Folge der ünbetontheit (§ 254, 1). Der lange Vocal, 
den got. weis zeigt, ist in ahd. wir verkürzt. — Während 
einsilbige Wörter mit ausl. kurzem Vocal, wenn sie betont 
sind, im Ahd. gedehnt werden (§ 240), unterliegen umgekehrt 
manche einsilbige Wcirtchen mit ausl. langem Vocal, wenn 
sie unbetont sind, der Verkürzung, so bei Otfried das Adv. 
thö und der Optativ si. — Die ahd. Diphthongierung von ö 
zu uo dringt nicht durch in dem Adv. dö und dem Zahlwort 
zwo, obwohl die Formen duo und zwuo vorkommen; die 



§ 332.] Pro- u. enklitische Wörter. Elision u. Synalöphe. 387 

jüngere Diphthongierung nicht in nü, düj siu, thiu. Die 
Diphthonge ahd. ia, io werden in den Pronominalformen sia^ 
sio, thiüf thio leichter zn ie abgeschwächt, als in betonten 
Stammsilben, ja für sie wird schon bei Otfried oft se, für sia, 
thia zuweilen «a, tha geschrieben. Der Unterschied zwischen 
Ma, sie, sio, thia, thie, thio ist schon im Mhd. aufgehoben, bald 
fallen auch siu, thiu mit ihnen zusammen (Br. § 283. 287. 
Whd. § 477. 479. 482—484). — Die Negation ni ist schon 
bei Notker zu ne geworden und einsilbige Präpositionen, 
namentlich ur und bi, dann auch in unterliegen vor Substan- 
tiven denselben Schwächungen wie in den Verbalcompositis 
<Br. § 75. § 77 A. 2). Die nhd. Schriftsprache aber hat diese 
verstümmelten Formen, die sich in adverbialen Verbindungen 
natürlich am leichtesten einstellten und am festesten behaup- 
teten (II § 453, 4), fast überall wieder beseitigt. 

332. Elision und Synalöphe. — Oft haben solche 
Wörtchen, indem sie mit benachbarten Wörtern verschmolzen, 
schon im Ahd. den Wert einer selbständigen Silbe eingebüsst. 
Besonders neigen sie unter einander zu dieser engen Verbindung. 

Den geringsten Widerstand findet die Verschmelzung, wo 
vocalischer Auslaut und Anlaut zusammentreffen, und kein 
Denkmal bietet so zahlreiche Belege wie Otfried. Die Negation 
ni, die Präpositionen zi und 6i, die unflectierten Pronominalformen 
thi und the und unflectiertes si (Nebenform zu sin N. Sg. Fem.), die 
bei 0. immer kurzen Vocal haben, verlieren vor vocaliseh anlautendem 
Wort regelmässig ihren Vocal, wie die Flexionsendungen (§ 270); 
andere, die er lang und kurz braucht: das Pron. thüy das Adv. so, 
auch thö und nü und der Opt. st können ihn verlieren. Auch die 
Pronominalformen sia, sie, sio, siu und thiu, thia, thie, thiu können 
durch Elision mit einem vocaliseh anlautenden Wort verschmelzen. 
Oft ist die Elision bezeichnet dadurch, dass der Vocal gar nicht ge- 
schrieben oder mit einem Pünktchen versehen ist, in den meisten 
FMllen bleibt es den Lesern überlassen die Verschleifung vorzu- 
nehmen. So finden sich bira {= bi ira), bunsih, sih {=^soih), «Ä» 
(=Kia ^s), th^vangelion {=^thie e.), thiuuo ddti {=thio iuuo d.), thiuue 
kuninga {=zthie iuue k.), und immer nioman, niamir {=niio man, 
ni io mir)', ferner bi einem, thu alla^, so eigun, thq ubarlüt, si 
imo u. V. a. — [Bei andern Partikeln wie iu, io, wio, zua lässt sich 
eine Abschwächung des auslautenden Vocal es nicht erweisen]. 



388 Pro- u. enklitische Wörter. Elision u. Synnlöphe. [§ 333. 334. 

Seltner wird der vocalische Anlaut nach vocalischem Aus- 
laut unterdrückt. Belegt ist dieser Vorgang für die Präp. in, das 
Verbum istf die Pron. ihj er, i^, c's und die zweisilbigen imo, inan, 
ira, iro\ z. B. tcior {=wio ^•), nust (=nw ist), uuio3 (= uuio 13V 
tho er, sia ist, so in, siu inan u. a. — Sind der aus- und anlautende 
Vocal gleich, so ist nicht zu unterscheiden, welcher unterlegen ist; 
z. B. simo (= si imo), siu^ (= si iu i^), N. Sg. F. si^, simo, sinariy 
siru, siro', N. A. PI. M. ses, simo, siro, sinan etc. thier; thü^ar^ 
thunsih, thtins u. a. (Wilmanns, Beitr. 3, 72—92). 

Die Verschmelzung setzt voraus, dass das zweite Wort 
ohne Vocaleinsatz gesprochen wurde, und so ist es ganz na- 
türlich, dass sie öfter bei einem unbetonten als bei einem be- 
tonten Worte mit kräftiger Articulation eintrat. 

333. Ob die Elision im Ahd. überall so beliebt war 
wie in der Mundart O.'s, ist sehr fraglich; bei den mhd* 
Dichtern ist sie vor betontem Anlaut jedenfalls seltner. Ver- 
schmelzung des Artikels mit dem folgenden Nomen findet noch hier 
und da statt ; so bietet Walther d' andern, under d'ougen, in d'erde ; 
aber nichts was O.'s bi alten, so eigen, tho ubarlüt entspräche. 

Gewöhnlich verschmelzen nur einsilbige Wörter mit einander 
und im Gegensatz zu Otfried scheint die Neigung grösser 
den Anlaut des zweiten als den Auslaut des ersten fallen za 
lassen; also während bei 0. die Verschmelzung vorzugsweise 
auf Elision beruht, beruht sie hier auf Enklisis. So findet bei 
Walther Verschmelzung oder Synaloephe statt zwischen da, wä^ 
sivd, dö, so, swie, die einerseits und fej, ^s, ist, fer, ich, ir ander- 
seits. Elision tritt ein bei der Negation ne, der Präp. ze und den 
enklitischen Pronominalformen sl und du, z. B. swa^t uns hast he- 
nomen, da^t an fröiden niht verdirbest. 

Anm. Darf man daraus, dass diese Erscheinungen seltener 
werden (vgl. auch § 270) schli essen, dass der Vocaleinsatz früher 
schwächer gebildet wurde? und hängt seine Verstärkung vielleicht 
mit der Entwickelung des anlautenden h zum Hauchlaut zusammen? 
— Die Wahrnehmung, dass die Prothese des h, welche den Verlust 
des Vocaleinsatzes voraussetzt (§ 87 A. 2), im Mhd. seltener ist als- 
im Ahd. (Garke, QF. 69, 21), würde zu dieser Annahme stimmen, — 
Über den Vocaleinsatz vgl. § 9. § 101 A. 1. A. Paul, Über vocalische 
Aspiration und reinen Vocaleinsatz. Ein Beitrag zur Physiologie 
und Geschichte derselben. Hamb. 1888 (Progr.). 

334. Synkope. — Auch zwischen '^Consonanten können 
manche unbetonte Wörtchen ihren Vocal verlieren. Die Apo- 



^ 335. 336.] Pro- und enklitische Wörter. Synkope. 389 

kope des anlautenden Vocales gestatten bei Otfried die Prono- 
minalformen imo und inan; mo findet sich nur nach r, nan auch 
nach andern Consonanten (Kelle 0. II, 325 f.). — Im Mhd. verlieren 
namentlich ^j, e«, ist ihren anlautenden Vocal; bei Walther lehnt 
sich ist an c/er, fe'r, inir, mit deren Auslaut es leicht zur Silbenein- 
heit verschmilzt; e^ und es auch an andere Consonanten: wil^, 
hän^, ich^, michs, dichs, — Auslautender Vocal schwindet im 
Mhd. in so vor indefiniten Pronominalformen: siv^r^ stva^^ swenne 
etc. für ahd. so w'er^ so tfaj, so wenne etc.; in dem Prom. sii 
müe^ens beide, ich Schilfes niht\ und namentlich in der Negation 
nc, nicht nur nach ir, er, der, mit denen sich n zur Silbeneinheit 
verbindet, sondern auch nach andern: ichn vindes m€j e^n lebe 
u. dgl. (vgl. § 159, 2). — Inlautenden Vocal verliert im Mhd. 
oft das unbetonte dar vor betontem Adverbium ; z. B. dran, drinne, 
d runder, 

335. Ja selbst ein Consonant kann in solchen Ver- 
i^chmelzungen unterdrückt werden. Im Ahd. findet dies nament- 
lich in Verbindungen der Präp. zi mit dem Pron. d^r statt (Br. § 287. 
A. 2); so braucht 0. z^'n, ze'ru, z^mo, züs = zi tMn, zi th^mo, zi 
th^rUf zi th^'s. 

In Mhd. hat die Neigung das unbetonte Pron. d^ mit dem 
benachbarten Worte zu verschmelzen bedeutende Fortschritte ge- 
macht. Besonders oft lehnt es sich an Präpositionen: anme amme 
ante, ane,^ an^, btme, durh^, hinderm, ndchme, üfem^ ö/j etc., aber 
auch an ein folgendes Nomen: 's äbents, 's morgens, '$ küniges, 
oder ein vorangehendes Verbum: Philippe setze en weisen üf, 
brähte de^ me'.^, Id^e den hof u. dgl. — Unterdrückung eines an- 
lautenden w ist öfers nach der Negation eingetreten: nicht, niht = 
nietciht, niwiht; nirgend = ni wergin; nei^w^r, nei^iva^ = ne wei^ 
u'^V, wa,3; nur aus newcere (II § 469). — Unterdrückung eines h in 
ahd. ziu (0.) = zi hiu (huiu); mhd. selfiu got = so Mlfe iu got so 
wahr euch Gott helfe (Whd. § 19). — Zweifelhaft ist, ob auch in 
ahd. mhd. thei^, theist, theih, welche oft neben gleichbedeutenden 
tha.^ ?j, ist, ih gebraucht werden, und in weih, weist = iva^ ih, ist 
ein Consonant unterdrückt ist; vielleicht liegen hier unerweiterte 
Neutralformen tha, wa (g. ha) zu Grunde. 

336. Die nhd. Schriftsprache verhält sich natürlich 
gegen alle diese Verstümmelungen sehr ablehnend. Einige 
Verbindungen, die auf ihnen beruhen, führt sie als verdunkelte 
Wörter weiter. Die Präp. in steckt in neben-, bi in bis (II § 471, 3), 
bange (II § 387), binnen (II § 471, 4); ze in zwar-, die Negation ni 
in nie, nimmer, nicht, nur u. a. Wo aber noch selbständige 



390 Pro- und enklitische Wörter. [§ 336. 

Wörter gefühlt werden, pflegen sie auch in ihrer gewöhnlichen 

Form aufzutreten. Am häufigsten ist noch die Verschmelzung des 
Artikels mit einer Präposition, in manchen Fällen sogar notwendig 
(II § 453, 3); z. B. am besten, nicht im geringsten^ im, Voraus, im 
Vorüber gehen, einen zum besten haben, zum König wählen. Auch 
ausser solchen festen Verbindungen werden ans, ins, fürs, vorSy 
aufs, durchs, am, im, vom,, beim, zum, zur, vorm, ohne Anstoss ge- 
braucht; andere aber, die im Mhd. geläufig sind, gemieden. 

Enklitisches e^; verliert oft den anlautenden Vocal, z. B. Was 
giebts; prokiitisches dar den inlautenden: draussen, drüben, drinnen^ 
drauf, dran, drunter, drüber (II § 472, 1. Heyse 1, 355). 

Die lebendige Rede geht viel weiter; z. B. Wo hasten = Wo 
hast du ihn. Wo ist em = ist er denn. Was willstn = willst du 
denn, 's Morgens, Er hats {hat das) grosse Los gewonnen. Mal, 
emäl = einmal, wie weg für enweg (§ 331). — Sehr fest ist im all- 
gemeinen der vocaliscbe Einsatz betonter Wörter; ein d'ErdSy 
d' Augen, b'alledem wird nicht mehr gebildet; aber von guten Abend 
hört man oft nichts weiter als nabend, u. ä. 



Wortaccent. 



337. In jedem mehrsilbigen Worte pflegt eine Silbe 
durch ihre Betonung hervorzuragen; sie trägt den Hauptton, 
während die übrigen nur einen Nebenton haben oder unbe- 
tont bleiben. In der idg. Ursprache war dieser Accent an 
keine bestimmte Silbe des Wortes gebunden. Die Wurzelsilbe 
konnte ihn ebensowohl tragen wie die Suffixe, weder die 
Quantität noch die Silbenzahl übten entscheidenden Einfluss. 
In keiner der verwandten Sprachen ist diese alte Betonung 
unverändert geblieben, doch haben sie sich von ihr in sehr 
verschiedenem Masse entfernt. Während das Indische und 
Lituslawische das Princip des freien Accentes bewahrt haben, 
ist es in andern eingeschränkt oder ganz aufgegeben. Im 
Griechischen kann der Accent nur auf einer der drei letzten 
Silben des Wortes ruhen und ist zum Teil abhängig von der 
Quantität; im Germanischen war er wie im Keltischen und 
wahrscheinlich auch im üritalischen auf die Anfangssilbe ge- 
legt (die Betonung im Lateinischen, die den Hauptton auf die 
vorletzte oder drittletzte Silbe beschränkt, ist jünger). — In 
den germanischen Sprachen trägt hiernach die Stamm- oder 
Wurzelsilbe den Accent; nur wenige Wörter, deren Wurzelsilbe 
schon ehe die germanische Accentuations weise eintrat, ihre 
Selbständigkeit verloren hatten, tragen ihn notgedrungen auf 
einem Suffix, z. B. die 3 PI. sind zur Wurzel es; andere Bei- 
spiele in § 159. 166, 2. 167, 3. 

338. Wegen dieser Betonung der Stammsilbe hat man 
den Unterschied zwischen den germanischen und klassischen 
Sprachen so aufgefasst, dass in diesen der Accent von mecha- 
nischen Gründen, von Quantität und Silbenzahl abhänge, in 



392 Der germanische Wortaccent. [§ 338. 

jencQ von logischen. Die Silbe, welche den Bedeutiingskern 
des Wortes bilde, sei durch einen starken Exspirationsdruck 
über die andern erhoben. Von dieser Auffassung ausgehend 
hatte Scherer ^ 156 f. Wesen und Bedeutung des germanischen 
Aceentes zu ergründen gesucht. Aus dem Charakter der Ger- 
manen, denen er unter allen Nationen des modernen Europas die 
allgemeinsten, tiefsten, dauerndsten Leidenschatten glaubte zu- 
schreiben zu dürfen, leitete er ihre Betonungsweise und aus dieser 
die eigentümliche Form ihrer alten Poesie und Sprache ab. Die 
Festlegung des Aceentes setzte er in den Anfang der germanischen 
Sprachgeschichte, sie war die notwendige Bedingung der allitterieren- 
den Poesie, in ihr sah er auch die Quelle der wichtigsten Erschei- 
nungen, welche den germanischen Sprachen den verwandten gegen- 
über ihr eigentümliches Gepräge gaben. Das Accentprincip habe 
zur normalen Wortmelodie geführt, diese dem Vocalismus das Über- 
gewicht gegeben, die Neigung zu vocalischen Extremen, die Ver- 
nachlässigung der Consonanten hervorgerufen, und daraus seien 
dann die Lautverschiebung und das vocalische Auslautgesetz gefolgt. 
Aber die geistvollen Combinationen Scherers haben nur kurzen 
Bestand gehabt. Vcmere Untersuchung über die Erweichung 
der stimmlosen Spiranten ergab, dass der germanische Acceiit 
verhältnismässig jung ist, jünger als die Verschiebung der 
Tenues zu Spiranten. Noch geraume Zeit, nachdem die ger- 
manischen Spraclien sich aus der idg. Gemeinschaft gelöst 
hatten, muss der alte freie Accent in ihnen bestanden haben, 
denn von diesem Accent hing es ab, ob der aus der Tennis 
verschobene Spirant den Stimmton annahm oder nicht (§ 22). 
In den stimmhaften Spiranten tragen also die germanischen 
Sprachen die Spuren des alten freien Aceentes; sie bieten 
dadurch neben den Sprachen, die den freien Accent bewahrt 
haben, das wichtigste Mittel, den idg. Accent zu bestimmen. 

Wie die Bewegung der germanischen Accentverschicbung 
verlaufen ist, welche Factoren sie bewirkt und geregelt haben, 
entzieht sich noch unserer Kenntnis. Vermutlich haben alte 
Nebentöne, die zu Haupttönen erhoben wurden, sie wesentlich 
vorbereitet. Auf keinen Fall darf man annehmen, dass sie 
plötzlich wie mit einem Schlage ins Leben trat und durch 
weniger mechanische Gründe geleitet wurde als in andern 
Sprachen. — Zu Beginn unserer Zeitrechnung stand die Regel, 



§339.] \yortaccent. Qualität. 393 

dass die erste Silbe den Hauptton trägt, schon fest. Kluge, 
Grdr. S. 317. 338. 

Anm. Wie für die germanischen Sprachen die Wirkungen 
des Vernerschen Gesetzes auf eine ältere Betonung schliessen 
lassen, so die Erscheinungen des Ablauts für das Indogermanische. 
Sie lassen erkennen, dass schon in der idg. Urspi'ache Accentver- 
schiebungen stattgefunden haben; denn die Betonung, auf die wir 
aus dem Ablaut schliessen müssen, deckt sich keineswegs immer 
mit der, welche die Vergleichung der Accente in den verwandten 
Sprachen als g-cnieinindogermanisch ergiebt; vg-l. § 23 A. 4. 

339. Ausser der Lage kommt auch die Beschaffen- 
heit des Accentes in Betracht, die nach den Gegenden 
mannigfach wechselnde, zum Teil mit der Quantität der Vocale 
zusammenhangende unterschiede zeigt. Bald wird er kräftig 
gestossen, bald schwillt er allmählich ab, bald verbindet er 
verschiedene Grade von Tonhöhe und -stärke (vgl. Sievers, 
Phonetik* s. 200 flF.). Es ist keine Frage, dass solche Unter- 
schiede von Anfang an vorhanden gewesen sind und bedeu- 
tenden Einfluss auf die Entwickelung der Laute geübt haben. 
Aber schon in den lebenden Mundarten sind sie schwer zu 
fixieren und fassbar darzustellen, noch schwerer historisch zu 
verfolgen, da die Accente in der Schrift so selten ausgedrückt 
sind. Im Indogermanischen vermag man zwei Arten zu unter- 
scheiden, die man mit Ausdrücken, die in der litauischen 
Grammatik üblich waren, als schleifenden oder geschliffenen 
und als stossenden oder gestossenen Accent bezeichnet. Dass 
dieser Unterschied der litauischen Accente mit dem des grie- 
chischen Acuts und Circumflexes zusammengehört und bis in 
die idg. Zeit hinaufreicht, hatte Bezzenberger zuerst ausge- 
sprochen (BB. 7, 66 f. Gott. Gel. 1887. S.415); andere, nament- 
lich Hirt haben den Unterschied weiter verfolgt und den 
schleifenden Ton aus dem Schwund von Silben und Lauten 
zu erklären gesucht. Über die Spuren dieser Accentverschie- 
denheit in den Auslautgesetzen s. § 258 f. — Ähnliche Unter- 
schiede in der Accentuation haben sich auch in der späteren 
Zeit aus ähnlichen Ursachen ergeben und ihre Spuren in 
der Entwickelung der Vocale hinterlassen. Wie weit es mög- 
lich sein wird, durch genaue Beobachtung und Vergleichung 



394 Betonung einfacher Wörter. Hauptton. [§ 340. 

der lebenden Mundarten und durch die Schlüsse, die man aus 
Diphthongierung, Monophthongierung und Dehnung zieht, in 
die Geschichte dieser Accentcigentümlichkeiten einzudringen, 
muss die Zukunft lehren^). Ich beschränke mich hier darauf, 
die Lagerung der Accente zu verfolgen, für welche die Ent- 
wickelung der Sprache sowohl als der Gebrauch der Dichter 
reicheres Material bieten. Die gi-undlegende Arbeit ist Lach- 
manns Abhandlung Über ahd. Betonung und Verskunst, die 
1831 und 32 in der Akademie der Wissenschaften gelesen 
wurde*). 

Die Betonung nicht zusammengesetzter Wörter. 

340. Der Hauptton. — 1. Wie im Worte die Silben, 
so werden im Satze die Wörter mit mannigfacher Tonabstufung 
gesprochen. Das Subject wird im allgemeinen weniger betont 
als das Prädicat und im Prädicat das Verbum weniger als 
seine näheren Bestimmungen; VoUwörter (Substantiva, Adjec- 
tiva, Verba) erfordern grössere Kraft als Formwörter (Pro- 
nomina, Präpositionen, Conjunctionen, Hülfszeitwörter) etc. 
Eine genauere Darlegung dieser Tonverhältnisse sowie der 
Satzmelodie bleibt der Syntax vorbehalten, hier kommen sie 
nur insofern in Betracht, als das Mass von Energie, durch 
welches sich die betonten Silben im Worte über die unbe- 
tonten erheben, durch den Satzton bestimmt wird. 



1) § 190, 3. 215, 2. 219. 239, 2; vgl. auch Nörrenberg, PBb. 9, 
402. Heinzel, AfdA. 12, 217 f. Jellinek, Beiträge S. 53 f. Wrede, AfdA. 
20, 215 f. 219. Franck ZfdA. 40, 29. 60. Brenner IF. 5, 345. — Bohnen- 
berger PBb. 20, 551. 

2) Ein Nachtrag aus dem Jahre 1834 ist erst nach seinem 
Tode zusammen mit der Abhandlung in den kleineren Schriften 
Lachmauns 1, 358—406 gedruckt. Lachmann stützte sich vorzugs- 
weise auf den altdeutschen Vers; von der Entwickelung der Sprache 
gehen aus Sievers, Zur Accent- und Lautlehre der germanischen 
Sprachen, PBb. 4, 522, und Paul, Untersuchungen zum gcrm. 
Vocalismus. PBb. 6, l.-iO. Vgl. ferner Fleisclier, Das Accentuations- 
System Notkers in seinem Boethius, ZfdPh. 14, 129. Minor, Nhd. 
Metrik (Strassburg 1893) und andere Schriften, die Kluge und Be- 
haghel im Grdr. 1, 337. 553. 557 verzeichnen. 



§ 340.] Betonung einfacher Wörter. Hauptton. 395 

Wo der Satzaccent fehlt, kann der Hanptton so gering 
werden, dass er mit dem Nebenton auf eine Stufe rückt und 
wie dieser sogar im uachdrueksvoUen Vortrag ganz verschwindet. 
So finden wir schon bei Otfried zweisilbige Wörtchen zuweilen 
in der Senkung; im Innern des Verses nur die leichtesten, 
die zum Teil in seiner Sprache schon einsilbig gebraucht wer- 
den konnten, namentlich thera, theru, thero zuweilen auch 
themo, thara, hera] im Auftact auch andere : wara, fora, furij 
(huruhj obüf ubavj odo, selbst einige mit langer Stammsilbe: 
inti, thanne, untar (Wilmanns, Beitr. 3, § 47 f.). Der Dichter 
konnte ihnen den Ictus vorenthalten, weil ihr Hauptton im 
Satzaccent keine Stütze fand. 

Mit dieser Herabsetzung des Haupttones hängt es ver- 
nmtlich zusammen, dass Otfried die Pronomina inariy imo, irciy 
iruj unsih bald auf der ersten bald auf der zweiten Silbe betont 
und neben den beiden ersten auch einsilbiges nan, mo braucht 
(§ 332. 334). Man hat die Erscheinung aus dem idg. Accent 
erklären wollen (Scherer* 81. PBb. 4, 536); wahrscheinlicher 
aber ist, dass die enklitischen Wörtchen keinen ausgesprochenen 
Hauptton hatten. Sie ordneten sich dem Accent des benach- 
barten Wortes unter; ein schwacher Ictus konnte je nach den 
Umständen auf die erste oder zweite Silbe fallen und die Syn- 
kope des ersten Vocales bewirken. Sie bilden also nicht in- 
sofern eine Ausnahme des germanischen Accentgesetzes, dass 
eine andere als die Stammsilbe den Hauptton getragen hätte, 
sondern insofern, dass keine Silbe einen Hauptton hatte; 
PBb. 6, 125. 

2. Entschiedene Verletzungen der allgemein gültigen 
Regel sind erst in der nhd. Schriftsprache eingetreten und nur 
in wenifi^en Wörtern; in dem Adjectivum lebendig (inhd. ieöeweZic, 
auch lebmtiCf lembtig^ lentig\ den Substantiven Forelle (mhd. forle^ 
förelle, forhel^ forhen, ahd. forhana), Hermelin (mhd. hermeUn 
Wiesel, Deminutiv zu härme, ahd. hai^mo M.), Hornisse (mhd. hornig, 
hömü^ M.), Hollünder (ahd. hölunder, mhd. holnder, holder , holler, 
holre), Wachholder (mhd. wdchalter, wt'cholter, ahd. wechaltar), 
Massholder (mhd. ma^alter, ma^olter M., ahd. ma^altra, ma^oltra F.), 
und in dem Verbum schmarotzen (früher smorotzen, smorutzen); 
neben luthersch gilt, nach fremder Art gebildet, Itäherisch {liithe- 



396 Betonung einfacher Wörter. Hauptton. [§ 341. 

ricus). — Die Substantiva und das Verbum sind singulare Bil- 
dungen, mit Ableitungssilben, die in dieser Form sonst nicht vor- 
kommen; Forelle^ Hornisse, Hermelin sind oftenbar unter den Ein- 
fluss von Fremdwörtern geraten (vgl. auch die übliche Betonung 
der Namen Böcklin, Reuchlin^ Wölflin); Lawine würde sich ihnen 
anschliessen , wenn das Wort wirklich deutsch ist (Kluge Wb.). 
HoUundery Massholder, Wachholder, schmarotzen haben den Schein 
von Compositis angenommen. Am auffallendsten ist lebendig, eine 
Betonung, die im späteren 16. Jh. zuerst auftritt und die regel- 
mässige allmählich verdrängt. Die merkwürdige Accent Verschiebung 
ist wohl durch schulmeisterliches Streben den verstummenden Silben 
Geltung zu verschaffen entstcanden; vgl. Hildebrand, Zfdü. 6, 641. 7, 91. 

— Für die Fremdwörter gilt die Regel natürlich nicht, auch 
nicht für die fremden Ableitungssilben -ei, -ieren, -alienj wenn 
sie an deutsche Stämme treten : hofieren, glasieren, Brauerei, 
Lappalien, 

341. Nebenton. — Der Silbe, die den Hauptton trägt, 
ordnen sich alle andern Silben des Wortes unter. Sie brauchen 
nicht schlechthin unbetont zu sein; aber wenn sie einen Ton 
w^ahrnehmen lassen, so ist dieser Ton doch schwächer als der 
der Stammsilbe, ist nur ein Nebeuton. Die Kraft des Nebeu- 
toncs ist also von der Kraft des Haupttones und mittelbar 
auch von der Kraft des Satztones abhängig. — Die Lage der 
Nebentöne ist verschieden. Durch die Festlegung des Haupt- 
toncs auf der ersten Silbe hatte das germanische Wort zwar 
eine absteigende Betonung erhalten, aber gleichmässig al>- 
steigend war sie nicht. Die dritte Silbe kann sich der zweiten 
unterordnen, sie kann sich auch umgekehrt über die zweite 
erheben. Wenn neben g. ainamma : ainummehun, neben 
ainana : ainnöhun steht, so weist der Übergang von a zu u 
in dem ersten, die Unterdrückung des a in dem andern Worte 
darauf hin, dass vor dem enclitischen Wörtchen sich die dritte 
über die zweite erhob. 

Das Mass der Unterordnung ist nicht immer dasselbe; 
vielmehr sind die Tonabstufungen der minder betonten Silben 
so mannigfaltig, dass sie sich kaum gegeneinander al)grenzen 
lassen. Als selbständige Energie erscheint in der jetzigen 
Sprache der Nebenton nur, wenn ihm eine unbetontere Silbe 
vorangeht, z. B. Königin, finsterex unmittelbar nach einer 



§ 342.] Betonung einfacher Wörter. Nebenton. 397 

stärker betonten kann er sich nur als ein geringeres Mass von 
Tonherabsetzung zeigen, wie z. B. in dem Worte Gräfin die 
zweite Silbe stärker erseheint als in Grafen, Auf allgemeine 
Geltung aber hat diese Bestimmung keinen Anspruch. Wenn 
in der betonten Silbe eine merkliche Herabsetzung des Tones 
stattfindet (zweigipfelige Silben, Sievers Phonetik* § 547), 
kann auch unmittelbar nach ihr der Nebenton als neue Energie 
erscheinen. Vermutlich ist so der Nebenton aufzufassen, den 
der ahd. Vers tiberall nach langer Tonsilbe gestattet. 

Ursprung und Geschichte der Nebentöne ist schwer zu 
erkennen; in manchen mögen alte Hauptaccente der idg. Ur- 
sprache erhalten sein, andere sich erst später entwickelt haben. 
Als feste Eigentümlichkeit gewisser Ableitimgs- und Flexions- 
Silben erscheinen sie, soweit wir sie in der überlieferten Sprache 
wahrnehmen können, fast gar nicht; gewöhnlich sind sie von 
der Quantität und Betonung der benachbarten Silben abhängig. 

Mittel die Lage der Nebentöne zu bestimmen, stehen 
uns, abgesehen von der Entwickelung der Laute in den unbe- 
tonten Silben, für das Gotische gar nicht zu Gebote; für das 
Hochdeutsche kommen die Accente Notkers und die Verse in 
Betracht. 

342. L Aus den Accenten Notkers ist nicht viel zu 
ersehen. Über die Energie, mit der langvocalische Endungen 
betont wurden, lässt er uns ganz im Ungewissen. Denn der 
Circumflex, den er ihnen oft giebt, bezeichnet nicht sowohl 
den Ton als die Quantität (vgl. jedoch § 219). Den Acut aber 
finden wir in Flexionen — abgesehen von dem diphthongischen 
iu (§ 219) — nie, in Ableitungssilben sehr selten; am häufigsten 
noch in -U7iga, einmal in -ing, einigemal in -nisse (ZfdPh. 
14, 289 f.). 

2. Viel ergiebiger ist die Beobachtung des altdeutschen 
Verses. Jedoch ist zu beachten, dass nicht jeder Ictus einen 
sprachlichen Nebenton beweist. Im pathetischen Vortrag und 
in künstlerischer Declamation treten die Nebentöne der Sprache 
nicht nur stärker hervor, sondern es werden auch Silben ge- 
hoben, die in der gewöhnlichen Rede unbetont bleiben. Aus 
dem Gebrauch der Dichter erkennt man wohl, welche Silben 



398 Betonung einfacher Wörter. Nebenton. [§ 343. 

liebungsfUhig waren, aber aus der Hebungslahigkeit folgt nicht, 
dass sie für gewöhnlieh wirklich gehoben wurden. Wenn 0. 
gelegentlich fingär thinän scandiert mit einem Ictus auf 
jeder Silbe, und wenn er Wörtern der Form j.- sehr oft, im 
VersBchluss regelmässig zwei Ictus giebt, so entsprach das der 
gewöhnlichen Rede sicher nicht. 

343. 1. Nach dem Gebrauch der altdeutschen Dichter 
erscheint der Nebenton in erster Linie von der Quantität der 
vorangehenden Tonsilbe abhängig. Silben, die auf eine lange 
Silbe folgen, sind fähig einen Ictus zu tragen, Silben, die auf 
eine kurze folgen, nicht. In den Versen tragen Wörter wie 
guati, liutij dato, wollet sehr oft einen Ictus auf der zw^eiten 
Silbe, solchen wie scolo, thesa, sagen ist er versagt (vgl. auch 
§ 357). Eine neue Hebung kann erst eintreten, wenn die 
Kraft des Haupttones sich erschöpft hatte, und dafür bot die 
kurze offene Silbe nicht genügenden Kaum. Dazu stimmt der 
Gebrauch Notkers. In Wörtern wie ^inünga, scdffünga kann 
die zweite Silbe einen Acut haben, nicht in solchen wie 
nemunga, pewdrunga u. ä. Wörter wie löhöt, ener, sShen 
können auf der zweiten Silbe wohl einen Gircumflex haben, 
aber keinen Acut. 

2. Wenn mehrere Ableitungs- und Flexionssilben auf 
einander folgen, macht sich, wofern sie überhaupt einen Neben- 
ton erhalten, die Neigung geltend, die zweite zu betonen, also 
einen Wechsel von Hebung und Senkung eintreten zu lassen. 
Selbstverständlich ist diese Betonung in Worten mit kurzer 
Stammsilbe, z. B. götinnä, mänungä, sälidä, löbötä. Sie gilt 
aber auch, unabhängig von der Quantität der Stammsilbe, in 
den Wörtern mit drei Bildungssilben, z. B. göugaläri, finstar- 
nissif mürmulünga, mdrtolStun, fördoröno, wältant^mo, frin- 
Jcisgiro (Wilmanns, Beitr. 3, 113 f.). 

3. In den erwähnten Fällen erscheint der Nebenton 
nicht durch die Natur der Silbe, die ihn trägt, bedingt, son- 
dern durch die Natur der Nachbarsilben. Unabhängiger 
von diesem Einfluss ist er in Wörtern der Form j.^-. In 
ihnen fällt er auf die dritte, wenn diese eine Ableitungs- 
silbe ist; z. B. idilingy rüomisäl, zwtfaltn. Ist sie eine 



§ 343.] Betonung einfacher Wörter. Nebenton. 399 

Flexion, so ordnet sich bald die zweite der dritten, bald die 
dritte der zweiten unter, doch ist der Ton überhaupt we- 
niger fest. Unterordnung unter die Flexion gilt mehr oder 
weniger für alle kurzen Mittelsilben, besonders für die Sub- 
stantiva auf -ida, z. B. säUda, die flectierten Formen von 
nackot und ander, auch für herero, fordoro, jungoro; aber 
auch für druhttn und die Adjectiva auf -In, die man mit 
langem I anzusetzen pflegt; fQr die Superlative und die Prä- 
terita auf -öta und -eta. Ebenso ist schwache Mittelsilbe an- 
zunehmen für die Adjectiva auf -ig und -tg, die Genitivendung 
-ono, die 1. PI. auf -mes u. e. a. Dagegen widerstreben der 
Unterordnung die Ableitungssilben -inny -nissy -ötj -ing, -önt, 
-ent, -and, -önn, -inn, -ann^ in ihnen pflegt absteigende Be- 
tonung zu gelten wie in den zweisilbigen Wörtern der Form 
zcr und in den Compositis, deren Stammsilben unmittelbar auf 
einander folgen {Idntlluti, ewärto). Die Wörter auf äri sind 
der schwankenden Quantität des a entsprechend beiden Be- 
tonungsweisen gerecht (Wilmanns, Beitr. 3, 111 f.). Schwere 
Mittelsilben, d. h. Silben, die einen langen Vocal haben oder 
auf mehrfache Consonanz ausgehen, haben also im allgemeinen 
die Neigung, einen Ictus an sich zu ziehen. — Nicht selten aber 
treten Verschiebungen ein. Die gewöhnliche Betonung ist 
sctlidäy wällönti; aber 0. 1, 28, 16 ist zu scandieren: mit 
sälidon nta^än] 5, 20, 74 theih wällönti ni giangi. Vor der 
betonten Silbe nia^an weicht der Neben ton von der letzten 
auf die vorletzte, vor dem unbetonten ni rückt er von der 
vorletzten auf die letzte. 

4. Die geringe Kraft der Nebentöne, die diese Verschie- 
bungen ermöglicht, zeigt sich auch bei den festliegenden 
Nebentönen, insofern sie im Veree keineswegs immer gehoben 
werden. — Am entschiedensten treten die Nebentöne in den 
altdeutschen Gedichten hervor, wenn das Wort am Ende des 
Verses, also in Pausa steht. Wörter der Foim ^x? verlangen 
hier stets zwei Ictus, Wörter der Form ^-xj drei; z. B. fliz^, 
TcUine, füntän, zditün, th^ganä, Iddötün] vcdhahiU, erenü, 
frinkisgön, ägalHz^. Im Innern des Verses aber muss in 
der Regel eine unbetonte Silbe folgen, wenn die nebentonige 



400 Betonung einfacher Wörter. Nebenton. [§ 344. 

gehoben werden soll; sei es dass diese unbetonte Silbe dem- 
selben Worte angehört, oder dem folgenden (also eine Vorsilbe 
oder ein unbetontes einsilbiges Wort ist). Und selbst in diesem 
Fall wird der Nebentou oft nicht beachtet. Wörtern der 
Form OT-o giebt 0. im Innern des Verses nie drei Ictus, 
Wörtern der Fonn oo- oft nur einen, auch wenn noch eine 
Senkung folgt; ja selbst Wörter we frägeta^ wüntorön, mä- 
nagemOy wüntorötüy die einen Nebenton auf der vorletzten 
gestatten, können so gebraucht w^erden, dass nur die Stanmi- 
silbe betont wird. Dass eine Flexions- oder Ableitungssilbe 
gehoben wird, ohne dass eine minder betonte, ungChobene 
folgt, kommt nur selten vor (a. 0. § 78 f.). 

344. 1. Die Abhängigkeit des Nebentones von der 
Quantität der Stammsilbe lässt auch der mhd. Vers noch deut- 
lich wahrnehmen. Wie im Ahd. können, wenn eine unbe- 
tonte Silbe folgt, Wörter wie bieten, kleine, füe^e noch zw^ei 
Ictus empfangen, dagegen solche wie hote, name, sagen nur 
einen. Aber natürlich kann sich dies alte Betonungsprincip 
nur in den Dichtungen zeigen, die sich die alte Freiheit des 
deutschen Verses gewahrt haben, zwei Hebungen auf einander 
folgen zu lassen. In den Versen der Dichter, die einen regel- 
mässigen Wechsel von Hebung und Senkung suchen, wie 
namentlich die Minnesänger, kann es nicht zu Tage treten, 
und seitdem die Sprache die Quantitä,t der Stammsilben aus- 
geglichen hat, ist ihm überhaupt der Boden entzogen. 

2. In demselben Masse als für die Dichtung das alte 
Princip abstirbt, begünstigt sie das andere, welches den Wechsel 
von betonten und unbetonten Silben erstrebt. Aber unbe- 
schränkte Geltung hat es doch nie gefunden, weder im Mittel- 
alter noch in der neueren Zeit, so lange überhaupt bei der 
Bildung der Verse noch die natürliche Betonung der Sprache 
beachtet wurde. Sorgfältige Dichter haben es stets als eine 
Härte angesehen, einem unbetonten e, namentlich einem e der 
Flexion, einen Ictus zu geben, wenn auch zu keiner Zeit 
solche Betonungen gemieden sind und selbst im Keim oft 
genug vorkommen, z. B. Reisige : stMle Höh] s. die Beob- 
achtungen F. Vogts in der Festschrift für Hildebrand S. 150 f. 



§ 345.] Betonung einfacher Wörter. Nebenton. 401 

346. 1. Die dritte Quelle, aus der Belehrnng über 
den Nebenton geschöpft werden kann, ist die Entwiekelung 
der Laute in den unbetonten Silben, die in § 253 f. behandelt 
ist. Ich will hier das Material nicht noch einmal vorführen, 
um zu erörtern, was sich etwa daraus für unsere Frage ge- 
winnen lässt. So lauter und ergiebig, wie es auf den ersten 
Blick scheinen mag, fliesst die Quelle jedenfalls nicht. Wäre 
der Nebenton mit gewissen Flexionen und Ableitungssilben 
fest verbunden, von andern ebenso entschieden ausgeschlossen, 
so würden seine Wirkungen in der Lautentwickelung sehr 
deutlich hervortreten. Da er aber von der Kraft des Haupt- 
tones, der Quantität der vorangehenden, der Betonung der 
benachbarten Silben abhängt, so dass dieselbe Silbe bald be- 
tont, bald unbetont ist, und da anderseits die Sprache die 
Wirkungen der jeweiligen Betonung hemmt und ausgleicht und 
der Sonderung ursprünglich gleicher Formen widerstrebt, so 
kann die Lautentwicklung ein einfaches and reines Bild der 
Tonverhältnisse nicht geben. Dazu kommt dann noch, dass 
die Synkope der unbetonten Silben nicht durch den Ton allein 
bestimmt wurde; auch die Natur der Nachbarlaute und die 
Stelle, die sie im Flexionssystem einnehmen, kommen in Be- 
tracht. Wenn z. B. mhd. trüebe und feste im Nhd. sich als 
trübe und fest gegenüberstehen, oder wenn mhd. netze (Sg. 
und PI.) sich im Nhd. als Netz (Sg.) und Netze (PI.) geschie- 
den haben, so ist daraus offenbar nicht zu schliessen, dass 
trüebe und der PL netze sich je durch einen Nebenton vor 
den apokopierten Formen ausgezeichnet haben. — Ein Wider- 
spruch kann zwischen den Resultaten, zu denen die Prüfung 
der Sprache führt, und denen, die vorsichtige Beobachtung 
der Verse ergiebt, nicht bestehen; denn die ßetonungsverhält- 
nisse, wie sie sich in den rhythmischen Versen spiegeln, haben 
auch für die gewöhnliche Kede gegolten, nur dass in ihrem 
raschen Fluss die Nebentöne seltner hervortreten und in ihrer 
feinen Abstufung nicht wie in den Gedichten durch den Rhyth- 
mus der Verse beeinträchtigt werden. 

Anm. Nur ein Punkt, in dem Versgebrauch und Lautent- 
wickelung in auffallendem Verhfiltnis stehen, möge hervorgehoben 

W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 26 



402 Betonung einfacher Wörter. Nebenton. [§ 345. 

werden. Die westgermanischen Sprachen zeigen in alter Zeit die 
Neigung, den Vocal nach langer Stammsilbe zu unterdrücken, nach 
kurzer zu erhalten (§ 257. A. 3. § 310 A.). Germ. daußtiSy ^gastis 
haben in ahd. töd, gast ihre zweite Silbe verloren, in fihu. tcini 
hat sie sich behauptet. Umgekehrt können im ahd. Verse Wörter 
der Form s^ zwei Ictus tragen, Wörter der Form z,^ nur 
einen. Ein Widerspruch besteht jedoch zwischen den beiden Wahr- 
nehmungen nicht. Daraus das fihu und tcini im Ahd. ihren Vocal 
behielten, folgt nicht, dass die zweite Silbe durch einen Nebenton 
geschützt war, vielmehr ist anzunehmen, dass sie ebenso wie germ. 
daupuSy *ga8tis mit gfleichmfissig absteigender Betonung gesprochen 
wurden, die in der langen Stammsilbe ganz verbraucht wurde, so 
dass der folgende Vocal erlosch, die kurze dagegen überdauerte, so 
dass sie noch den folgenden Vocal stützen konnte (vgl. Jellinek, 
Flexion S. 28). Hingegen in Wörtern der Form ^C7 muss allerdings 
eine Änderung eingetreten sein. Im Ahd. und Mhd. lässt nicht 
nur der Vers in ihnen auf einen Nebenton schliessen, sondern auch 
die Entwickelung der Sprache bestätigt seine Existenz und Wirk- 
samkeit; denn nach kurzen Stammsilben auf Liquida und Nasal 
tritt leichter Synkope ein, als nach langen; der Vocal, der durch 
einen Nebenton geschützt war, erhielt sich, der welcher nur von 
dem Ton der Stammsilbe abhing, verschwand. In der früheren 
Zeit musste dieser Nebenton, wenn er überhaupt vorkam, jedenfalls 
eingeschränkter oder schwächer gewesen sein. Vielleicht ist dieser 
Unterschied auf eine Änderung in der Betonungsweise der Stamm- 
silben zurückzuführen; an Stelle der alten eingipfcligen Betonung 
war eine zweigipfelige getreten, die einen Nebeuton auf der fol- 
genden Silbe ermöglichte (§ 341). 

2. Im Ganzen hat die geringe Kraft der Nebentöne und 
ihre oft nach äusseren Einflüssen wechselnde Lage den minder 
betonten Silben nur wenig Schutz gewähren können. In den 
Flexionen ist der Vocal schon früh in unbetontes e überge- 
gangen oder ganz unterdrückt, ebenso in vielen Ableitungs- 
silben. Lange Vocale und Diphthonge haben in diesen nur 
einzelne Wörter behalten; Entwickelung eines langen Vocals 
zum Diphthongen ist nur in der Endung -Zei», Dehnung eines 
ursprünglich kurzen nur in -aal durchgedrungen, denen beiden 
ursprünglich ein unbetonter Vocal voranging. Kurze Vocale 
haben sich öfter in ihrer charakteristischen Form behauptet, 
aber nur in substantivischen Ableitungssilben vor Doppelcon- 
sonanz und Consonantvcrbindungen, die der Silbe ein schwereres 



§ 846.] Betonunif der Composita. 403 

Gewicht gaben, namentlich in den Endungen -ung^ -ing, -ling^ 
-in{n)y -ww(ä); das i vor dem palatalen g der Endung -ig kann 
man kaum als charakteristischen Yocal ansehen (§ 305). 

3. In der jetzigen Aussprache haben das geringste Ge- 
wicht die Endungen mit 6, ein stärkeres die mit charakteristi- 
schen Vocalen. Als selbständige Energie erscheint der Nebenton 
nur in Ableitungssilben, denen eine unbetonte Silbe vorangeht; 
zwischen zwei unbetonten Silben kann sogar ein e der Flexion 
sich über seine Umgebung erheben, z. B. hiiter^. Gesellschaft. 

Betonung der zusammengesetzten Wörter. 

346. Das Gesetz, welches Betonung der Anfangssilbe 
verlangte, galt auch fUr die Composita und tritt in vielen 
zusammengesetzten Nominibus noch heute deutlich hervor. 
Die erste Stammsilbe trägt den Hauptton, einen zweiten unter- 
geordneten Hauptton erhält die zweite ; z. B. Falltür , Schreib- 
ßder, Vaterland etc. — Wo mehrere Stammsilben dem Haupt- 
ton untergeordnet sind, findet zwischen ihnen eine weitere 
Abstufung statt, indem die Silben, welche in den Gliedern 
des Compositums den Hauptton tragen, auch in der Zusammen- 
setzung am kräftigsten hervortreten. Ist das erste Glied ein 
Compositum, so trägt also in der Zusammensetzung die zweite 
Stammsilbe den geringeren, die dritte den stärkeren Nebenton; 
z. B. Kirchticrmspitzey Ländrätsämt, ürtHllös; ist das zweite 
Glied ein Compositum, so hat das Wort gleichmässig fallende 
Accente : Felddiebstähl, Hauseigentümer etc. Diese Betonungs- 
weise, die die natürliche Consequenz des germanischen Be- 
tonungsgesetzes ist, hat zwar im Laufe der Zeit viele Aus- 
nahmen erfahren, erscheint aber im Nomen als die nrsprting« 
liehe und normale. Das zusammengesetzte Verbum folgt ihr 
auffallender Weise nicht; es verlangt umgekehrt Unterordnung 
des ersten Compositionsgliedes unter das zweite. Der Grund 
liegt darin, dass es zu der Zeit, als das germ. Betonungsge- 
setz ausgebildet wurde, zusammengesetzte Verba noch nicht 
gab, und dass die, welche später entstanden, auf Verbindungen 
beruhen, deren erstes Glied eine unbetonte Partikel war. Das 
Betonungsverhältnis der selbständigen Wörter wurde festge- 



404 Unbetonte Partikeln in Verben. [§ 347. 

« ^ ^ 

halten, als sie zur Einheit verschmolzen (II § 89 f.). Da nun 
mit denselben Partikeln [auch nominale Composita gebildet 
wurden, diese aber den regelmässigen Acccnt auf der ersten 
Silbe trugen, so ergab sich ein interessanter und charakteristi- 
scher Gegensatz zwischen Verbum und Nomen. 

Anm. Verba wie herb^rgen^ kundschaften bilden keine Aus- 
nahme Von der Regel; sie sind nicht zusammengesetzte Verba 
sondern Ableitungen von zusammengesetzten Nominibus, Herberge^ 
Kundschaft, Solche Ableitungen richten sich regelmAssig nach 
ihrem Grundwort (z. B. barmherzig : Barmherzigkeit^ tvahrhdftig t 
Wahrhaftigkeit; vollenden : Vollendung^ unterscheiden : Unterschei- 
dung etc.), kommen also nicht in Betracht, wo es sich um die Be- 
tonungsweise der Composita handelt. 

• 

Composita mit Partikeln, die vor dem Verbum unbetont bleiben. 

347. Partikeln, die ein Verbum näher bestimmen, sind 
diesem im Tone bald über- bald untergeordnet. Die betonte 
Partikel erscheint als selbständiges Sat/lied, wird im Parti* 
cipium durch die Vorsilbe ge-, im Infinitiv durch die Präpo- 
sition zu vom Verbum getrennt und steht wie andere nähere 
Bestimmungen des Verbums nur im Nebensatz vor dem Ver- 
bum, im Hauptsatz nach demselben (II § 94). Die unbetonte 
Partikel behauptet unter allen Umständen ihren Platz unmittel- 
bar vor dem Verbum und erscheint eben deshalb als Compo- 
sitionsglied. — In der historischen Zeit werden manche Par- 
tikeln nur unbetont gebraucht; doch ist das Verhältnis nicht 
als ursprflnglich anzusehen, vielmehr anzunehmen, dass sie 
früher auch betont gebraucht werden konnten, je nach der 
Bedeutung, die sie im Satze hatten. 

2. Im Gotischen ist die Unterscheidung betonter und 
unbetonter Partikeln, obwohl sie ohne Zweifel vorhanden ge- 
wesen ist, nicht deutlich wahrzunehmen. Das Gesetz der 
Wortstellung, das sie im Hochdeutschen sondert, erkennt das 
Gotische noch nicht an. Alle Partikeln, zumal die präpositio- 
nalen, die hier besonders in Betracht kommen, pflegen unter 
allen Umständen vor dem Verbum zu stehen, auch solche, die 
wir als betont ansehen müssen. Und umgekehrt können auch 
solche, die sicher unbetont waren, noch durch enklitische Par- 
tikeln vom Verbum getrennt werden, ein Zeichen dass auch 



§ 348.] Unbetonte Partikeln in Verben. 405 

diese VerbinduDgen noch nicht ganz als Composita empfnnden 
wurden; z. B. uz-uhhöf Jh. 11, 41; diz-uh-pan-sat Mc. 16, 8; 
ga-h-melida Lc. 1, 63; ga-u-ha-sehi Mc. 8, 23 u. a. Auch 
Entartung der Laute, die auf ünbetontheit^<|.der Partikel 
ficbliessen Hesse, ist im Got. noch nirgend wahrzunehmen, 
und ebenso wenig giebt die Schrift Auskunft über das Ver- 
hältnis zwischen Partikel und Yerbum, denn sie bezeichnet 
weder Accente noch trennt sie die Wörter. — Nur selten lassen 
die Umstände einen Schiuss auf die Betonung zu. Partikeln, die 
abweichend von der gewöhnlichen Stellung dem Verbum folgen, 
Ovaren in dieser Stellung jedenfalls betont; von präpositionalen 
Partikeln kommen so gelegentlich vor: ana, du, faur^ fram^ mip, 
von andern: iup, üt, inn^ aftra (II § 90). Und anderseits: wenn 
ein Partikelcompositum durch eine zweite Partikel bestimmt wird, 
ist in der Regel wohl anzunehmen, dass die zweite unbetont war, 
also die Partikeln at^ bi, ga, in in Verbindungen wie du-at-iädja 
Trpojf)X9€v, faur-hi-gaggands Trpoaxuuv, at-ga-hausjandam dKouövxuiv, 
aftra- ga-böteip dTroKaGiardvci ana-in-sökun iTpoaav^9€vTO (Gr. 2, 932 f.). 
Doch ist diese Annahme nicht sicher, weil auch Partikeln, die man 
als betont ansehen muss, an zweiter Stelle vorkommen. Eine sehr 
auffallende Verbindung dieser Art ist gappan-mip-sandididun 
c\}yvtii\xy^a\ivi hi 2. Kor. 8, 18; nicht auffallend dagegen Verbindungen 
^vie mip ana-kumbjan ouvavaKCiaBai, mip inn-galeipan ouvciacXOclv, 
^veil 7nip sich überhaupt durch grössere Freiheit und Selbständig- 
keit auszeichnet. [Gar nicht in Betracht kommen natürlich Wörter 
wie ga-ünUdjan^ ga-swikunpjan^ denn diese sind Ableitungen von 
zusammengesetzten Nominibus]. 

348. Deutlichere Auskunft giebt uns das Hochdeutsche, 
sowohl durch die Entwickelung der Sprache, als durch den 
Gebrauch der Dichter und die Accente Notkers. 

1. Die alten einsilbigen Partikeln erscheinen meist 
unbetont. Die den g. andy bi, disy fair, fra, ga, in, us, ticis 
entsprechenden Wörtehen empfangen weder Accent noch Ictus, 
behaupten wie im Gotischen ihren Platz fest vor dem Yerbum, 
können auch nicht mehr durch enklitische Wörtchen von ihm 
getrennt werden und verfallen in ihren Lauten früh dem Schick- 
sal der unbetonten Endsilben; sie sind die Grundlage unserer 
unbetonten Vorsilben be, ent, er, ge, ver, zer (§ 323, 2). — 
Betont werden dagegen fram, in hinein, üf, üz, zuo, wie 
im Gotischen die entsprechenden, wenn aucli nicht immer 



406 Unbetonte Partikeln in Verben. [§ 348. 

identischen Partikeln: fram^ inn, iup, üt, du selbständiger 
und freier in der Stellung sind. — Endlich sind einige, die sich 
weder der ersten noch der zweiten Gruppe einfach eingliedern. 
a^f g. at erscheint wie im Gotischen betont und unbetont; unbetont 
in den Compositis, in denen der vocalische Anlaut verschwunden 
ist (§ 330, 2), betont einigemal im Tatian {meistar ist aj = adest 135, 
17; wärun thär sume aj=aderant 102, 1), sonst nur noch selten in 
nichts beweisenden Verbindungen. — Für unbetontes ab, g. af 
spricht das vereinzelte ahd. ob-lä^an mit geschwächtem Vocal (§ 323 
A. 3); meistens aber ist in der verbalen Composition die Partikel 
durch ein zweisilbiges betontes aba ersetzt, auf dem das jüngere ab 
beruht. — Neben bi und faur, die unbetont zu öc- und ver- werden, 
treten betonte bt und furi (II § 91 A. 1); für miPf das schon im 
Got. als sehr selbständige Partikel erscheint, wird miti gebraucht. 

Zweisibige Partikeln, die sich im Ahd. dem Tone des 
Verbnms immer oder fast immer unterordneten, sind ubar und 
untar, duruh und hintar; sowohl betont, als unbetont wurden 
umbi und widar gebraucht (II § 91 A. 2). Bei andern be- 
gegnen nur einzelne Spuren der ünbetontheit; über mindcr- 
toniges furi s. Lachmann 1, 372. Gr. 2, 887. 888. 896; über einige 
Participia ohne ge- nach aba^ fora^ gagan^ ingagan Lachmann 
S. 371. 372. 

2. Die Verhältnisse, wie wir sie im Ahd. wahrnehmen, 
dauern im wesentlichen unverändert fort. Verschiebungen sind 
nur insofern eingetreten, als die Partikeln ah und vor (ahd. 
/wn), bei denen wir in ältester Zeit noch Spuren der ünbe- 
tontheit finden, jetzt nur noch betont vorkommen, und nament- 
lich dadurch, dass Verbindungen mit betontem durchs hinter, 
über, unter, die anfangs selten sind oder ganz fehlen, beträchtlich 
veiinehrt werden; die mit hinter hat die nhd. Sprache freilich 
wieder fallen lassen und durch zurück ersetzt (II § 91 A. 2). 
Das Resultat ist : die alten einsilbigen Partikeln, die sich schon 
im Ahd. dem Tone des Verbums entschieden unterordneten, 
dauern als unbetonte Vorsilben fort; betont und unbetont werden 
um, wieder, durch, über, unter gebraucht; alle übrigen, alte 
und junge Partikeln, betont. 

3. Da in der historischen Zeit der Sprachentwickelung 
keine ursprünglich betonte Partikel zu einer unbetonten wird, 
so ist anzunehmen, dass die ünbetontheit, wo wir sie in älterer 
oder jüngerer Zeit finden, alt ererbt ist, und dass alle Par- 



§ 349.] Betonte und unbetonte Partikeln im Nomen. 407 

tikeln, die im Hochdeutschen sich dem Tone des Verbums 
unterordnen, auch im Gotischen unbetont bleiben mussten oder 
konnten. 

349, Dieselben Partikeln, die vor dem Verbum den 
Ton entbehren, können ihn in zusammengesetzten Nominibus 
tragen^). Dieser Unterschied, der ohne Zweifel in die urger- 
manische Zeit hinaufreicht, ist in der älteren Sprache deut- 
licher wahrzunehmen als in der jüngeren; ob er aber je all- 
gemein galt, ist zu bezweifeln, da die Verhältnisse der histo- 
rischen Zeit sich unter dieser Voraussetzung kaum würden 
verstehen lassen. 

Keine Schwierigkeit würden die Nomina bereiten, denen 
augenscheinlich verwandte Verba mit unbetonter Partikel zur 
Seite stehen. Diese kräftigste Gruppe betrachten wir zuerst. 
— Dass die Partikeln in solchen Wörtern betont werden 
konnten, zeigt sieh besonders im Ahd. und Mhd., wo die be- 
tonten und unbetonten Vorsilben verschiedene Formen annehmen; 
sogar Verbaladjectiva und Participia lösten sich ursprünglich 
von ihren Verben und folgten der Weise der andern Nomina. 
Am deutlichsten zeigen dies die got. Composita mit anda-, 
and-, z. B. dnda-nems : and-niman, dnda-sets zu and-sitan, 
dnda-pähts : and-pdgkjan ; aber auch sonst finden sich einige 
Spuren für die Partikelbetonung in participialen Bildungen 
(Kluge a. 0.) und sehr häufig ist sie, wie die Beispiele in 
§ 324 ff. zeigen, in andern Nominibus. Es ist aber begreiflich, 
wenn jüngere von Verben abgeleitete Wörter die Betonungs- 
weise des Verbums festhielten und so die alte Regel durch- 
brachen. Ob schon im Gotischen das Verbum diesen Einfluss 
üben konnte, ist nicht zu erkennen, im Ahd. lässt die redu- 
cierte Form der Partikel es deutlich wahrnehmen. So finden 

wir bei Otfried und im Tatian unbetontes fir, für : fir-dän verworfen, 
lasterhaft, fir-stantnissi Verständnis, fir-wurt Untergang (0.); fur-lor, 
for-lust proditio, fur-wurt detrimentuxn, fordä^neasi remissio, für- 
nidarnessi damnatio, fur-stantnesai (T.). — Unbetontes fr, ar : ir- 
stantnissi Auferstehung, ir-wartnissi Beschädigung, Verletzung 
(0.); ar-lösnesst redemptio, ar-ougnesst ostensio, ar-stantnesst 

1) Kluge, KZ. 26, 73 f. Grdr. § 19, 5. Streitberg S. 168. 



408 Betonte und unbetonte Partikeln im Nomen. [§ 349. 

resurrectio, un-ar-läskenti inexting^ibilis (T.). -~ Unbetontes int: 
int'ltheri foenerator, intrigannessi revelatlo (zu int-rihan) (T.). 

— Unbetontes zi kommt bei 0. in Verbalsubstantivis nicht vor, Tat. 
belegt zi'Worphnessi (das entsprechende betonte zur- fehlt beiden). 

— Unbetontes hi ergiebt sich aus 0.*s Vers für hi-quämi ange- 
messen zu hiqu^ntan und für um-hi-ruah sorglos zu hi-ruachen\ im 
Tat. ist es nach der Bildung der Wörter zu vermuten in hi-häban' 
nessi obtentus, bi-hdltnessi observatio, bi-snitnessl circumcisio, bi- 
hdlteri custos; dagegen in bi-bot mandatum, bi-boteri praeceptor wird 
mau betontes bi annehmen müssen; zweifelhaft sind bi-gengo^ -gen- 
girif -gangere cultor (vgl. II § 141. 145. 2). — Die Vorsilbe gi- er- 
scheint immer unbetont; eine ganz vereinzelte Ausnahme bildet 
Notkers gd-scaft substantia (T, 598, 28) neben ge-acipfen, — Im 

Nhd. ist die den Unterschied zwischen Verbum und Nomen 
aufhebende Betonung allgemein geworden. Nur einzelne mehr 
oder weniger isolierte Substantiva zeigen noch betonte Partikel: 
Urlaub : erlauben, Ur-teil : erUüenj Imbiss : mhd. ejibizen. 

Weniger eng ist die Beziehung zwischen den Verben 
und Nomina, die mit den Präpositionen wider, um, durch, 
über, unter, hinter zusammengesetzt sind. Nur die Nomina, 
die mit einer Ableitungssilbe gebildet sind, folgen der Be- 
tonungsweise des Verbums; z. B. Wiederholung, Umgebung, 
Durchdringung, UberMbung, Unterhältung, wiederhölentlich, 
unterhaltsam, Hinterlassenschaft etc. In andern empfängt 
die Präp. den Hauptton. Während befinden : Befund, ent- 
guten : EntgÜt, verstehen : Verstand, zerfallen : ZerfdU mit 
gleicher Betonung gebildet werden, betont man widersprechen : 
Widerspruch^ unterhalten : Unterhalt, durchstachen : Durch- 
stich, Überschlägen : Überschlag etc. ; vgl. Paul, Princ. S. 205. 

350. Nominale Partikelcomposita, denen nicht verwandte 
Verba zur Seite stehen, sind verhältnissmässig selten. Von 
den Partikeln, die vor dem Verbum zu unbetonten Vorsilben 
geworden und als selbständige Wörter untergegangen sind, 
sind nur ur- und ga- zur Bildung starker Wortgrappen ge- 
braucht ; andere kommen gar nicht oder selten vor. In diesen 
Nominibus, die der Einwirkung der Verba entzogen sind, sollte 
also die Partikel den Hauptton tragen und so ist es in der 
That bei den Compositis mit ur- (vgl. § 354, 1 c) und den 



§ 3?>0.] Betonte und unbetonte Partikeln im Nomen. 409 

vereinzelten Bildungen mit ant- und bi die sich erhalten haben : 
Ant'litZj Ant'VDortj bieder^ ahd. bi-derbi. Wenn neben dem 
letzteren schon bei 0. einmal bi-thirbi, im Mhd. öfters bi- 
d&rbe vorkommt, so liesse sich das allenfalls aus dem Einfluss 
von üm-bi-tMrbi erklären, wo das betonte ün- die Accent- 
verschiebung veranlasst haben könnte (vgl. üm-bi-ruah § 349). 
Aber eine wichtigere Ausnahme, die sich durch solche Mittel 
nicht erklären lässt, bilden die zahllosen Composita mit ga-. 
Zwar fehlt es nicht an Anzeichen, dass auch diese Partikel 
in der Nominalcomposition betont werden konnte. Einige ver- 
dunkelte Composita setzen dies voraus: ahd. gdbissa F. quis- 
quiliae : ßsa F. Hülse: ags. geatwe Rüstung : g. tetjoa Ordnung 
und wenige andere (zum Teil sehr unsichere; s. Kluge s. v. 
Gaderrij Gatter) \ ja selbst in einem Verbalsubstantivum fanden 
wir betontes gö.- (§ 349). Aber abgesehen von diesen wenigen 
Spuren, steht die Partikel überall unbetont. Man hat die Er- 
scheinung aus der metrischen Form der Wörter zu erklären 
versucht und angenommen, dass in Partikelcompositis mit 
offner kurzer Vorsilbe (also in denen mit ga-y bi-, fra-) eine 
Accentverschiebung eingetreten sei (Kluge, Grdr. S. 341); 
aber wahrscheinlicher als diese Annahme, zu der auch die 
Betonung vieler Wörter mit bi nicht passt (§ 328), dünkt es 
mich, dass die Vorsilbe ga schon im Urgermanischen nicht 
allgemeinen Anspruch auf den Ton gehabt hat. Der Grund 
für ihre Absonderung von den übrigen Partikeln könnte darin 
liegen, dass sie früher als diese in ihrer Bedeutung verblasst 
und zum blossen Mittel der Ableitung herabgesunken war. 

Anm. 1. Auch im Gotischen ist betontes gd- nicht nachzu- 
weisen. Man hat zwar aus verbalen Conipositis wie ga-galeikötif 
ga-gatilöUf ga-gamainjan darauf geschlossen ; denn nur wenn gdleiks, 
gdtils, gd-mains gesprochen wäre, sei die Verbindung mit der unbe- 
tonten Partikel ga- wahrscheinlich (vgl. II § 99, 3). Aber da sich 
im Gotischen an die Partikel ga enklitische Wörtchen anschliessen 
können (§ 347, 2), wird man die Verbindung mit einem folgenden 
unbetonten ga- nicht bedenklich finden können; also gä-ga-Uiltön 
etc. — Wenig wahrscheinlich ist mir auch, dass in nhd. Gdstad, 
Gdsteig u. ä. sich ein altes betontes ga erhalten habe; es wird 
jüngere Accentverschiebung anzunehmen sein wie in dem Eigen- 
namen Grauer aus mhd. gebüre. 



410 Bctonang der Composita mit voll-f miss-, [% 351. 

Anm. 2. Dass Partikeln, die einerseits zwar zu unbetonten 
Vorsilben g'eworden sind, anderseits aber sich als selbständige 
Wörter behauptet haben, auch als betonte erste Coinpositionsgliedcr 
vorkommen können, ist selbstverständlich. Über bt neben bi, be 
8. § 328 Anm.; über in, tn neben en s. II § 91 A. 1. § 405. 424, 2. 

351. 1. Wie die präpositionalen Partikeln so werden 
voll- und misif' vorm Verbum unbetont, vorm Nomen betont 
gebraucht. Es heisst vollbringen, vollführen, volUnden, miss- 
raten, misslingen, missglücken, missfdllen, missgonnen, miss- 
Jc^nnen; aber Vollmacht, Vollblut, vollzählig, vollständig, 
vollgültig] Missstand, Missbrauch, Missgunst, missgünstig, 
missmutig (II, § 98. 415, 2. 7). — Aus dem Gotischen sind 
verbale Composita mit voll- und mlss- nicht zu belegen; ver- 
mutlich sind sie erst nach dem Muster nominaler Composita 
gebildet; wenigstens ist nicht abzusehen, wie sonst die No- 
minalstämme vollr und miss' zur Composition mit dem Ver- 
bum sollten gekommen sein. Die Betonung richtete sich dann 
nach den Partikelcompositis. — voUkömen steht als Participium 
des jetzt erloschenen Verburas volquSman mit der Regel in Ein- 
klang; ebenso Missbildung und Misshdndlung^ denn jenes ist eigent- 
liches Compositum, dieses Ableitung von misshändeln. Auch Wörter 
wie missgelaunt, missgestaltj missgeartet widersprechen nicht der 
Regel, denn sie sind nicht als Participien zu missldunen, missstdlen, 
missärten anzusehen, sondern durch Zusammensetzung mit den ad- 
jecti vischen Participien gelaunt, gestalt, geartet gebildet; vgl. übel 
gelaunt, wohl gestalt, wohl geartet. Es ist aber begreiflich, dass 
durch solche Bildungen, die auf Nomen und Verbum bezogen wer- 
den konnten, die Regel gelockert wurde und im Nhd. betontes 
niiss' auch vorm Verbum erscheint: misshandeln, misszuhandeln, 
miss gehandelt, gemtsshandelt u. iL, Formen, welche Lach mann 'als 
üble Bildungen des 16., höchstens 15. Jahrh.V bezeichnet (vgl. auch 
Weigand, DWb. 2, 101). Auch Wörter wie miss-behagen, miss-i^er- 
stehen, in denen betontes miss- einer unbetonten Vorsilbe voran- 
geht, wurden im Mhd. noch nicht gebildet. Ein trennbares miss, 
das die Consequenz dieser Betonungsweise sein würde (er versteht 
jniss), erkennt die Schriftsprache nicht an. 

Anm. 1. Die Vermutung, dass ahd. folgin aus fola-gdn ent- 
standen sei (II § 98), wird durch die Betonung nicht empfohlen. 

2. Ausser den Partikelcompositis und den mit voll- und 
miss- gebildeten Verben giebt es nur wenig zusammengesetzte 
Verba (II § 93). Sie lassen sich nicht immer sicher von 



§352.] Betonung" zusammengesetzter Nomina. Allgemeines. 411 

denen untersclieiden, die von zusammengesetzten Nominibus 
abgeleitet sind, und tragen wie diese in der Regel den Ton 
auf der ersten Silbe, z. B< lustwandeln^ notzüchtigen^ schweif- 
wedeln; aber einige haben wie die Partikeleomposita den Ton 
auf die zweite genommen: willfahren, lobsingen, lobpreisen, 
frohlöcJcen (Opitz: frohlocken). 

Anm. 2. Accentverschiebung in den von zusammengesetzten 
Nominibus abgeleiteten Wörtern kommt früh vor; Otfried betont 
gelegentlich fua^-fdllöntif gimuat-fägöta, aber das Regelmässige ist 
fua^fallOn, müatfagön^ hdlsslagön etc. und so auch später. 

Nomina. 

352. Die Nomina tragen in der älteren Zeit den Haupt- 
tou fast durchaus auf dem ersten Compositionsgliede; später- 
hin haben sich recht viele der Regel entzogen. Zum grossen 
Teil wird die Störung durch Composita veranlasst, die nicht 
nach dem Muster der alten eigentlichen Composita gebildet 
wurden, sondern der Sprache aus der Verschmelzung syntak- 
tisch verbundener Wörter erwuchsen und das ursprüngliche 
Tonverhältnis ihrer Bestandteile festhielten. Aber auch Com- 
posita anderer Art lassen die erste Silbe nicht selten unbe- 
tont und bekunden, dass neben dem Fortwirken der alten 
Regel sich neue Einflüsse geltend machten. 

Insbesondere ist wahrzunehmen, dass erste Compositious- 
glieder, die nur formale Bedeutung haben — der Steigerung, 
Vergleichung, Negierung dienen — leicht den Hauptton an die 
folgende Stammsilbe abgeben. — Sehr oft bewirkt ferner 
die Accentverschiebung eine übersichtlichere und wirksamere 
Verteilung der Accente; die Betonung, die von rechtswegen 
in wenig unterschiedenen Stufen gleichmässig absteigt, wird 
in eine auf- und absteigende verwandelt, indem der unterge- 
ordnete Hauptton einer Mittelsilbe über den vorhergehenden 
erhoben wird, z. B. vorzüglich statt vorzüglich. — Auch die 
Stellung des Wortes im Satze hat unverkennbar Einfluss. 
Nicht selten trägt ein Wort, namentlich Adjectiva, am Ende 
des Satzes den Hauptton auf dem zweiten CompositioDSgliede, 
dagegen in der Mitte des Satzes, wenn noch anderes folgt, 
auf der ersten, es gilt also wechselnde Betonnng; z. B. Der 



412 Betonung' zusammengesetzter Substantiva. [§ 353. 

Mensch ist blutjung ^ aber: ein blutjunger Mansch. Warum 
in 'ein blutjunger MinscV die alte Betonungsweise haftet^ 
ist wohl zu begreifen; die Aecente des Adjeetivums und Sub- 
stantivums kommen dadurch^ dass sie weiter von einander ent- 
fernt sind; besser zur Geltung; warum aber in Pausa die Ver- 
schiebung eintritt, ist mir nicht klar. — Welcher umstand 
im einzelnen Falle die Sprachentwickelung geleitet hat, ist oft 
nicht anzugeben; denn oft treffen mehrere zusammen und 
mögen gemeinsam gewirkt haben. Dennoch ist es zweck- 
mässig, in der Ordnung der Belege diese Gesichtspunkte zu 

benutzen. 

Anm. Ein Umstand, der die Erhebung eines Nebeutones über- 
haupt fördert, ist emphatische Betonung (Minor S. 64. 68. 70) ; denn 
in besonders nachdrücklicher Rede treten auch minder betonte und 
unbetonte Silben kräftiger hervor, können also leichter an die 
Stolle des Haupttones treten. Doch möchte ich diesem Gesichts- 
punkte eine weitreichende Bedeutung nicht beimessen. 

353. Die Substantiva zeigen in der älteren Sprache 
die Betonung des ersten Gliedes am consequentesten durch- 
geführt. Einige Ausnahmen bei Otfried lassen sich meist ans 
dem Einfluss des Versrhythmus erklären (Wilmanns, Beitr. 3, 
94). In der jüngeren Sprache werden die Störungen häufiger. 

1. Aus der formalen Bedeutung des ersten Gliedes 

sind vielleicht schon nhd. werolt-ünstäti , werolt-r^htwtson zu er- 
klären (Lachmann S. 378); später kommen einige Wörter mit un- 
und 67^' dazu, wenn diese Vorsilben steigernd gebraucht sind: ün- 
Tndsse, -m^nge auch Un-zdhl, aber in negativem Sinne immer ün- 
(II § 418, 3); ErZ'zänker, Erz-dümmkopf, auch Erz-trüchsess u.a., 
aber Erz-herzog, -hischof (II § 422, 4). Ferner mit steigernden Sub- 
stantiven: Höllenlärmf Heiden-gdd, Mord-spektäkelj Biesen-fUiss, 
auch Haupt- in Hauptsörge^ Haupt-kerl, aber keineswegs immer. 
Über all- s. § 354. 

2. Viele Ausnahmen entstehen dadurch, dass zwischen 
den Gliedern des Compositums das Betonungsverhältnis der 
selbständigen Wörter fortdauert. — Attributive Bestimmungen, 
Adjectiva und Substantiva, pflegen jetzt dem folgenden Sub- 
stantivum untergeordnet zu werden. Demgemäss finden wir 
in Compositis a) untergeordnete Adjectiva. Schon Otfried 
betont drütliut, drüim^nnisgon, altgiscrib (auch Verbindungen mit 
unflectiertem salb wie selb drühttnej s^lb stünönne können hier an- 



§ 353.] Betonung zusammengesetzter Substantiva. 413 

geführt werden). Im Nhd. zeigen diese Betonung besonders ad- 
verbiale Verbindungen (§ 356, 1); dann Länder- und Ortsnamen wie 
Altcastüient Neu-Br dunschweig ^ Kleinrüssland, Hochsüdan^ Ober- 
bäiernf Niederhdmim [doch nicht alle und natürlich dann nicht, 
wenn der BegriflF des ersten Gliedes hervorgehoben werden soll; 
vgl. auch Nr. 4], aber auch einige andere, wie Altweibersommer, 
Langeweile (aber auch Längweile und stets langweilig^ vgl. Kurz- 
weil)^ Geheimerdt (aber auch GeMimrat), das Hohelied, der Hohe- 
priester, die Sauregürkemeit u. ä., in denen das e der Flexion 
noch auf den Ursprung aus einer syntaktischen Verbindung hin- 
weist (II § 4(X)). [In vielen andern dagegen gilt die regelmtts- 
sige, alte Betonung des ersten Gliedes; z. B. Blindschleiche, 
Grössvater, Halbbruder, Jungfrau, Grdubart, auch in solchen, die 
augenscheinlich aus syntaktischen Verbindungen hervorgegangen 
sind wie Mittemacht {ze mitteru naht), Mittag {ze mittemo tage), 
Weihnachten {ze din wXhin nahton), Viertel {da^ fiorda teil), — 

b) Untergeordnete attributive Substantiva zeigen z. B. Hans- 

tcürst, Hansnarr, Janhagel (neben Janhagel), Fürstbischof, Kräut- 
chenruhrmichnichtan. Ferner die Namen der Himmelsrichtungen 
in geographischen Namen und in Verbindung unter sich: Nordost, 
Südost, Nordwest, Südwdst. — c) Ebenso folgen der gewöhn- 
lichen Betonung ihrer Bestandteile: Viertelstünde,Vierteljdhr (vgl. 
ein Viertel Liter), das Einmaleins (vgl. dreimal vier etc.), Mutter- 
göttes. Zeitlebens, Nimmerwiedersehen, Brautinhdaren, Auseinander- 
setzung, Instandhaltung u. ä. (II § 394, 3); auch zu Substantiven 
gewordene SUtze, wie Lebewohl, Gottlob [dagegen mit vorgerücktem. 
Accent Pdckan, Saufaus u. a. II § 304, 7]. — d) Solchen Wör- 
tern schliessen sich dann noch junge Wortverbindungen an, 
die nicht aus syntaktischen Fügungen erwachsen. In manchen^ 

wie Baseistddt, -länd, Oberstlieutenant, Königinwittwe , Richter- 
Hagen , Jachmann - Wagner kommt das logische Verhältnis der 
Glieder zum Ausdruck; denn das zweite ist dem ersten zur Unter- 
scheidung hinzugefügt. Wir brauchen dieselbe Betonung aber auch 
in der Verbindung coordinierter Glieder, wie Schlesung-Hölsteiny 
Österreich- Ungarn. 

3. Rhythmische Rücksichten veranlassen am leichtesten 
die Verschiebung des Tones auf das zweite Glied, wenn dieses 
selbst ein zusammengesetztes Wort ist, dem zweiten also ein 
dritter untergeordneter Hauptton folgt. Alte Betonung zeigen 
Feld'dXebstahl , HdusMgentümer , Unter-beinkleid etc., häufiger viel- 
leicht ist die Verschiebung, z. B. Berg-häuptmann, Feld-zeugmeister, 
Vice-feldwebel, Hof^mündschenk, I*fingst'SÖnntag, Kar-frütag, Kriegs- 



414 Betonung zusammengesetzter Substantiva. [§ 353. 

Schauplatz etc. (vgl. § 358). — Die Neigung, die untergeord- 
neten Töne um den Hauptton zu gruppieren, ergreift dann 
weiter auch solche Composita, deren erster Bestandteil ein 
zusammengesetztes Wort ist, so dass der Hauptton dritten 
Orades über die beiden andern erhoben wird, z. B. Land- 
gerichts-rat, TattsendguMen-kraut. — Ja selbst zweigliederige 
Composita unterliegen ihr; Personennamen, die häufig in Pausa 
stehen, z, B, Kunigündej Brünhttde, Mathilde; Wörter, die auch als 
Titel vor Eigennamen gebraucht werden und dort den Hauptton 
wenig hervortreten lassen, wie Burgeni^ister, Feldmdr schall \ end- 
lich auch einige junge Composita oder Wortverbindungen: Jahi'- 
hünderty -tätLsend, -zahnt, Vaterunser, In allen aber folgt auf die 
erhobene Silbe noch eine unbetonte; man sagt Gertrüde aber Ger- 
trud. [In Herzbrüder, Herzliebste findet die Betonung eine Stütze 
in der steigernden Bedeutung des ersten Gliedes (vgl. Nr. J); Wal- 
küre würden wir schwerlich sagen, wenn das Wort alt ererbt wäre; 
vgl. auch Schlardffe § 323 A. 4.] 

4. Lehrreich ist die Betonung der Ortsnamen, in denen, 

begünstigt durch den häufigen Gebrauch der Worte in Pausa, 

-die Acceutverschiebung sehr verbreitet ist. Die rhythmischen 

Rücksichten treten deutlich hervor. Composita, die mit der 

betonten Silbe des zweiten Gliedes schliessen, pflegen nach 

alter Weise den Hauptton auf der ersten zu behalten ; dagegen 

solche, in denen auf das zweite Glied noch eine minderbetonte 

folgt, pflegen den Accent zu verschieben. Beispiele der ersten 
Art sind Büchhom, Detmold, Diepholz, Dortmund, Friedland, Ldndeck^ 
Neumarkt, Rostock, Wittstock, Stralsund; Andernach, Delmenhorst, 
Eisenach, Emmerich, JiUerbok, Vigesak, Ziegenhain u. v, a. na- 
mentlich auf bach (beck), bad, berg, bürg {borg), dorf, feld, fels, 
fürt (fort), heim, hut, scheid, Stadt {städt, stet), stein, taL — Beispiele 
der andern Art: Altbreisach, Bemkästel, Holzminden, Kaufb^uem, 
Karlsruhe, Krem,smünster, Stuhlwdissenburg, Wilhelmshohe, Eckeim- 
forde, Katzenellenbogen, Kaisersldulem, König sxvinter, Langenbielau^ 
Marienwirder , Neckarst^inach , Faulinenzelle etc. und viele auf 
hafen, hagen, hausen, münde, rode. Vgl. Wittenberg : Wittenberge, 
Stadtbdrge; Innsbruck: Saarbrücken; Saal-, Mdns-, Hörs-, Frduenfeld: 
Friedrichs ßlde ; Ziegenhain : Friedrichshdgen ; F4ldkirch : Dünkirchen 
od. Dunkirchen; Gütersloh: Hohenlöhe; Grdifs-, Grindelwald : Freien- 
wdlde, Rügenwälde, Luckenwalde; ferner Altmühl, Altmark: Alt- 
breisach; Ndumarkt, Neuburg : Neufdhrwasser, Neusieland; Höhen- 
heim : Hohenschwdngau, -stdufen, -zöllem, — Jedoch bezeichnet 



§ 354 ] Betonung' zusammengesetzter Adjectiva. 415 

die Form des Wortes keine sichere Grenze. Die Neigung zur 
Verschiebung hat auch viele Wörter ergriffen, die auf ein ein- 
silbiges zweites Glied ausgehen, zumal wenn diesem eine 
minderbetonte Silbe vorangeht, die von Hause ans seinen 
Nebenton kräftiger hervortreten Hess; z,B, Heüigenkr^uz, Finster- 
munz^ Ältenähr, Neuruppin, ReichenhdUy Nordern4y\ Gravenhdag, 
Ilerzogenbmch, Paderborn^ Osnabrück', Friedrichshdü, Appenzell, 
Mariazell, Donauwörth^ Kaiserswert, Münchegraz, Königgraz, Win- 
dischgräz, Kaisers^sch, Vgl. Ldndeck : Rolandseck ; Aarau, Brdunau, 
Ldndau, Mdinau, Ndssau, Schwdngau, Wdldau : Ilmendu, Reichendu. 
In wenigen stossen die Stämme unmittelbar zusammen: Neuwied, 
Stockholm, auch wohl Heilhrönn, Schönbrünn, Warmbrunn, wo die 
Betonung aber weniger fest steht und vielleicht die alte Zweisilbig- 
keit von brenne in Betracht kommt. — Viel seltner ist die um- 
gekehrte Ausnahme, dass Namen mit zweisilbigem zweiten 
Gliede die Tonverschiebung nicht erfahren; doch vgl. Einsie- 
dein, Wünnsiedel, Ritzebüttel, Wölfenbüttel, Ellwangen, Sdlzwedel 
und alle auf -leben, z. B. Aschers-, Eis-, Ingers-, Mim-, Rössleben, 
Hier kommt augenscheinlich das Bedeutungsverhältnis der 
Glieder in Betracht. Wird der Accent verschoben, so treten die 
Glieder in das Betonungsverhältnis, das die Sprache zwischen 
einer attributiven Bestimmung und dem folgenden Substantiv 
anerkannt hat (Nr. 2), und so tritt natflrlich auch umgekehrt 
die Verechiebung am leichtesten ein, wo dies Bedeutungsver- 
hältnis zwischen den Gliedern besteht. Diese Förderung aber 
kann die Accentverschiebung nicht erfahren, wenn das zweite 
Glied wie in den meisten der zuletzt angeführten Namen keine 
lebendige Bedeutung mehr hat. 

354. 1., Unter den Adjectiven sind Composita, deren 
erstes Glied in Folge formaler Bedeutung den Hauptton ent- 
behrt, häufiger als unter den Substantiven. In Betracht 
kommen zunächst die Composita mit all-y un-, ur-, erz-. 

a. Die mit all- zeigen den Unterschied zwischen Adjcc- 
tivum und Substantivum am deutlichsten. In Substantiven 

hat allr den Hauptton, in Adjectiven ordnet es sich unter. 
Dem^emäss accentuiert Otfried ala-ßsti, -niuua^, -wdssa^, 'Wdltentan\ 
aber in dla-festi, in dla-gähi, in dla-thrdti, wo die Adjectiva sub- 
stantiviert sind (Lachmann S. 375). Doch finden sich auch Aus- 
nahmen : namentlich wird alatcäVy in alawär mit verschiedenem 



416 Betonung zußammengesetzterAdjectiva. [§ 354. 

Accent gebraucht (Wilmanns, Bcitr. 3, 96). Die jetzige Sprache 
lässt die Regel kaum noch erkennen. Der alten Weise folgen 
einerseits die Substantiva AUmacht, Allgewalt^ anderseits die Ad- 
jectiva allein^ allgemäin, allmählichy aUtv^ise, aügutig^ aUgerecht^ 
alliebend, auch allmächtig. Abweichend und durch rhythmische 
Einflüsse gefördert, betonen die Substantiva Ällgute, AUg4genwart^ 
Allwissenheit die zweite Stammsilbe, und umgekehrt das Adjectivum 
älbem, mhd. alwcere^ dessen Bildung verdunkelt ist, die erste. [In 
anderem Sinn steht all \u Alltag skleid^ allseitig^ und mit verschobenem 
Ton (Nr. 3) alltäglich.] 

b. Die negierende Partikel ttw-, die in Substantiven 
nur den Ton entbehrt^ wenn sie in dem abgeleiteten steigern- 
den Sinne gebraucht ist (§ 353, 1), ordnet sich in Adjectivcn 
oft dem Hauptton unter. Schon die Schreiber O.'s setzen 
den Accent nicht ganz selten auf die zweite Stammsilbe; thie 
ungilöubige, ungiseuDanlicho^ ungilönöt, ungiddnes etc., und 
der Dichter entzieht gelegentlich der Silbe un- selbst den 
Ictus: unlästarbärig, unmiirdig (Lachmann S. 376 f.). Häufiger 
betonen die mhd. Dichter die zweite Stammsilbe, und wenn 
auch daraus nicht zu schliessen ist, dass diese Betonungsweise 
in der gewöhnlichen Rede ebenso gewöhnlich war — denn 
das Bedürfnis des Verses begünstigt oft die Verschiebung des 
Accentes — , so zeigt doch die Entwickclung der Sprache, 
dass der Accent mindestens nicht sehr fest stand. — In unserer 
jetzigen Sprache neigen besonders die Part. Perf. und die 
zahlreichen Vcrbaladjcctiva auf -lieh und -bavy wenn sie 
passive Bedeutung haben, dazu den Hauptton auf eine 
folgende Stammsilbe abzugeben; z. B. unbekleidet, unbeschäftigt, 
ungesäuert^ ungelogen^ unverdient^ unvergölteuy umerUgt^ unentwegt^ 
unsagbar^ unberechenbar ^ unsäglich, unerför schlich, auch unzählig^ 
untadelig (mit 4g für 4ich) u. v. a. (H § 366, 4. 377, 2). Die Neigung 
zur Ton Verschiebung ist nicht bei allen Wörtern gleich stark; 
stärker bei den Adj. auf -lieh und -bar wegen dieser schweren 
Ableitungssilben (eig:. Compositionsglieder) als bei den Participien. 
Bei einigen ist sie ziemlich fest geworden, namentlich in unUugbar\ 
im allgemeinen aber unterliegen die Wörter wechselnder Betonung 
z. B. ein unberechenbarer Schaden, eine unverdiente Ehre : der Schaden 
ist unberechenbar, die Ehre unverdient; nur wenn der Begriff der 
Negation besonders hervorgehoben werden soll, hat auch das prädi- 
cative Adjectiv betontes un, Wörter mit stets betontem un- sind 



§ d54.] Betonnng zusammengesetzter A<|jectiya. 41t 

sehr selten, (nach der mir geläufigen Aussprache z. B. unerfindlich) 
und meist so zu erklären, dass die Wörter nicht als Verbaladjectiva 
unmittelbar auf das Verbum zu beziehen sind, sondern auf ein zum 
Verbum gehöriges positives Adjectivum, z. B. unbrauchbar^ ünlesbary 
undeutlich, unkenntlich, ünüblich, ünberitten, [Andere wie unver- 
ständlich, unzugänglich, unsichtbar unterscheiden sich schon durch 
ihre Form von den verbalen Ableitungen, obschon sie durch ihre 
Bedeutung diesen nahe stehen.] — Alle andern Adjectiva tragen 

regelmässig den Hauptton auf un-j sowohl solche, in denen die 
zweite Stammsilbe unmittelbar auf un- folgt, z. B. unecht^ unklug^ 
unlieb, unrecht, unschön, unwirsch, unflätig, ungnädig, unwissend, 
als solche in denen ihr eine unbetonte Silbe vorangeht, z. B. unge- 
stüm, ungeschlacht, ung estalt, tingehorsam, ungenügsam, unvermö- 
gend] auch die auf -haft und -sam: unvorteilhaft, unaufmerksam, 
unachtsam, unduldsam, unfolgsam, ün fügsam, unwirksam, ünbieg- 
sam; endlich auch die auf -dar und -lieh; diese natürlich nur, wenn 
sie nicht von Verben abgeleitet sind, wie unfreundlich, ünpässlich, 
unbillig (-ig für -lieh), oder wenn sie active Bedeutung haben, wie 
ungebührlich, unempfindlich, unerfreulich, unbehaglich, unschicklich, 
untauglich, unziemlich] unhaltbar ist, was nicht hält, unhaltbar oder 
unhaltbar was nicht gehalten werden kano, z. B. eine Behauptung. 
— Ausnahmen sind selten. Adjectiva auf -lieh, die überhaupt zu 
Acccntverschiebungen geneigt sind (Nr. 3), haben auch hier einige- 
mal den Hauptton auf der zweiten Stammsilbe, obwohl sie nicht 
passive Verbaladjectiva sind: unmöglich, unsterblich, unweigerlich, 
unendlich, unverzüglich, unentgeltlich. Ausserdem hat ungeheuer 
schwankende Betonung, und unbändig steht als steigerndes Adver- 
bium neben dem Adjectivum unbändig, ungefähr ist nicht mit un- 
zusammengesetzt (II § 387). 

Anm. In der idg. Ursprache konnte die Negativpartikel be- 
tont und unbetont gebraucht werden, in der Vorsilbe un- ist die 
unbetonte Form zur Herrschaft gekommen (Hirt, Accent S. 312). 
Dass die Verschiedenheit der Betonung im Deutschen mit der alten 
Doppelheit zusammenhange, ist kaum anzunehmen. 

c. Die mit ur- zusammengesetzten Adjectiva werden im 
allgemeinen mit wechselndem Tone gebraucht; z. B. ein uralter 
Mann, der Mann war uralt. In urkundlich, ursächlich behauptet 
die Vorsilbe ihren gesetzmässigen Accent, denn sie sind Ableitungen 
von Urkunde, Ursache; ebenso in dem verdunkelten Adj. urbar 
(11 §417, 3). In ursprünglich ist er verschoben, ebenso in urplHz- 

lieh. — Das steigernde erz- ordnet sich in Adjectiven immer 
unter: erzfdul, -dumm. 

d. Auch andere erste Compositionsglieder von wesentlich 

W. Wilmanns, Deutsche Grammatik. I. 27 



418 Betonung zusammen «gesetzter Adjectiva. [§ 354. 

formaler Bedeutung ordnen sieh dem folgenden Hanptton 
leicht unter. Wie im Ahd. ala- regelmässig unbetont bleibt, 
so betont 0. auch einmal ebanevotgan. — Im Nhd. haben die 
Adjectiva, die mit einem verstärkenden Substantivum zu- 
sammengesetzt sind, wechselnde Betonung je nach der syn- 
taktischen Stellung: haumstarky bettelarmy blutjung, bombenfest, 
eiskalt, federleicht, grundfalsch, haarscharf, himmelhoch, sonnen- 
klar, stockblind, weltbekannt, wunderschön, steinalt. Steinreich ist 
reich an Steinen, steinreich oder steinreich (mit wechselndem Accent) 
= sehr reich. Man sagt ziegelrot, purpurrot um eine bestimmte 
Nuance der Farbe zu bezeichnen, aber feuerrot, grasgrün, kohl- 
schwarz, pech-, rabenschwarz, schneeweiss mit wechselndem Accent, 
da es nur auf eine Verstärkung ankommt. 

Ebenso pflegen die Wörter, in denen ein Adjectivura 
oder Participium mit einem steigernden Adjectiv oder Adver- 
bium zur Einheit zusanimengefasst ist, wechselnden Ton zu 
haben; in diesen Verbindungen wirkt aber zugleich das ur- 
sprüngliche Ton Verhältnis der Glieder weiter; also hochfein, 
hochweise, hochwichtig, hochwohlgeboren [aber anders: höchdeutschy^ 
wohlbeleibt, wohledel [aber wöhlgeboren, denn hier ist wohl nicht 
steigernd]. Schwankend ist der Gebrauch von grossmächtig [aber 
anders: grössmütig, grösssprecherisch]. Mit wechselndem Ton 
braucht man vielbewundert, vielgenannt, vielgeschmäht, aber mit 
festem : vieldeutig, vielsagend^ wo viel nicht der Steigerung dient. — 
Dem steigernden aller- pflegen wir den Hauptton nur zu geben, 
wenn der Superlativbcgriflf besonders kritftig hervorgehoben werden 
soll. Das es früher anders sein konnte, zeigt mhd. aller^rest, dir- 
irst, dlrist, 

2. Das ursprüngliche Betonungsverhältnis kommt auch 
in andern Adjectiven in Betracht. Am deutlichsten in zu- 
frieden, vorhanden, die auf adverbialen Verbindungen be- 
ruhen (II § 387); dann in vielen, die aus zwei coordinierten 
Adjectiven oder einem adjectivischcn Adverb und Adjectivum 
verbunden sind (II § 401, 4. 5). Wir pflegen sie mit wechseln- 
dem Tone zu gebrauchen; z.B. taubstumm, wildfremd, schwarz- 
weiss, hellgelb, dunkelgelb, scharlachrot, schreiend rot, gelblich weiss, 
dicht belaubt, schlecht bevölkert, neu vermählt, eng verbunden, nahe 
befreundet, deutsch- französisch', aber mit festem Ton altklug, dumm- 
dreist, dümmgui, weitgehend, feststehend, freigelassen, freigesprochen, 

3. In der jetzigen Sprache giebt es ausser den ange- 
führten Gruppen noch ziemUch viel andere Adjectiva, die 



§ 355.] Betonung zusammeng'esetzter Zahlw., Pron. 419 

sich der regelmässigen Betonung des ersten Gliedes entziehen; 
meistens ist wohl die Verschiebung durch rhythmische Rück* 
sichten veranlasst, also in Wörtern eingetreten, in denen auf 
die zweite Stammsilbe ein drittes Compositionsglied oder eine 
Ableitungssilbe folgt. Wir sagen der Hauptregel gemäss: digen* 
händig, vierfüssig, grössmütig, leutselig, weiter wendisch etc., aber 
auf dem zweiten Bestandteil betonen wir: leibeigen, barmherzig, 
dreieinig, willkommen^ altehrwürdig \ ferner die Adj. auf -haftig: 
wahrhaftig, leibhaftig, teilhaftig {^egdn wahrhaft etc.) und viele 
auf -lieh, z. B. alltäglich, ausführlich, absonderlich, vortrefflich (vgl. 
Nr. Ib), auch solclie, denen ein rep^elmflssig betontes Substantivum 
zur Seite steht: Abscheu abscheulich, Augenblick augenblicklich, 
Eigentum, eigentümlich und eigentümlich, tjberschwang Überschwang- 
lieh, Willkür willkürlich und willkürlich, Ursprung ursprünglich, 
Vorzug vorzüglich (aber abzüglich, anzüglich, nachweislich u. a.). 
— In ausserordentlich pflegt man das erste Glied nur zu betonen, 
wenn das Wort in seinem ursprünglichen Sinne 'ausser der Ordnung 
stehend* gemeint ist; auch aussergewöhnlich unterliegt nicht selten 
der Verschiebung; ausgezeichnet mag durch emphatische Betonung 
des nach seiner eigentlichen Bedeutung nicht mehr gefühlten Wortes 
entstanden sein; ebenso vielleicht no^tc^n^/^ neben nd^u^endi^. Auf- 
fallend sind offenbar und unmittelbar (daneben mittelbar) mit ihrem 
Hauptton auf der letzten Silbe. 

Zahlwörter und Pronomina. 

356. 1. Von den Verbindungen coordinicrter Zahl- 
wörter haben nur die Zahlen von 13 — 19, also die einfachsten, 
in denen sich die Zahl 10 mit den Einern verbindet, den 
Hauptton auf dem ereten Gliede. Die übrigen betonen, wenn 
sie in Pausa stehen, das letzte Glied am stärksten; wenn sie 
attributiv gebraucht werden, neigt man dazu diesen Ton hcr- 
abzudrücken und statt dessen den Ton des vorletzten Gliedes 

zu verstärken; z.B. fünfundzwanzig, aber fünfundzwanzig Mann; 
ebenso in den Ordinalzahlen ; z. B. der fünfundzwanzig ste, aber 
der fünfundzwanzigste August, und in den Verbindungen mit halb, 
z. B. drittehälb, aber drittehalb Liter. 

2. Von den Verbindungen, in denen das Zahlwort attri- 
butiv vor einem Substantivum steht, haben die alten Coraposita 
mit 'Zig (g. tigjus) den Ton auf der ersten: dr^issigy vierzig \ 
ebenso die jüngeren mit -tel = teil : Drittel, Viertel, Hingegen 
vor hundert, tausend, millionen, vor mal und lei ordnen sie 



420 Betonung zusammengesetzter Adv. und Partikeln. [§ 356. 

sich in Pausastellung unter^ wie sicli in der jetzigen Sprache 
Zahlwörter überhaupt dem folgenden Substantiv unterzuordnen 
pflegen; im Zusammenhang neigen sie wie die coordinierten 
Zahlen dazu, das vorletzte Glied stärker hervortreten zu lassen; 

also dreihundert fünf und sechzig ^ aber dreihundert fünf und sechzig 
Tage\ dreimal aber dreimal drei; fünf erleid aber fünferlei Speise. 
— einmal hat den Ton auf dem ersten oder zweiten Gliede, je 
nachdem ein Zahlwort oder unbestimmtes Pronomen ist. — selb in 
Verbindungen wie selbdritt, selhfünft bleibt stets unbetont. 

Anm. Wo sonst Zahlw^örter als erste Glieder von Zusammen- 
setzungen erscheinen, gelten die allgemeinen Regeln. Feste Com- 
posita wie Dreieck^ Dreiruderer^ auch die Adjectiva auf -fach und 
'fäUig betonen die Zahlwörter. Accent Verschiebungen können 
durch rhythmische Rücksichten veranlasst werden: dreieinig, drei- 
fältig, Dreiherrenspitze. 

3. Pronomina. — Das alte Compositum dieser (II § 429, 
2) hat nach alter Weise den Ton auf der ersten Silbe ; ebenso 
die Verbindungen mit der Partikel io und dem zweisilbigen 
eddes : ioman, niomanj iogiwedar, iowedar^ eddesioer, eddes- 
Uh\ dagegen deh, sihy nih, so stehen proklitisch (§ 323). — 
derselbe betont das zweite Glied, das stärker demonstrative 
derjenige gewöhnlich das erste. — Die verstärkenden Adver- 
bia eben und irgend werden, je nachdem ihre Bedeutung her- 
vorgehoben werden soll, stärker oder schwächer betont. 

Adverbia und Partikeln. 

356. Sehr häufig ist die Betonung des zweiten Be- 
standteils in den Adverbien, die durch Zusammenschiebung 
selbständiger Wörter auf mannigfache Weise vermehrt werden. 

1. Adjectivische Wörter ordnen sich gewöhnlich dem 
folgenden Substantivum unter (II § 449, 2); z. B. kurzerhand, 
lichterlöhe, alleweile, mittlerweile [aber sintemal und äldieweil]\ allen- 
falls, jedes- o^^r jedenfalls, keinesfalls [aber in engerer Verbindung: 
Ebenfalls, gleichfalls IT § 453, 1] ; grossent^ils, meistenteils ; alle- oder 
allerwege, halbivegs, geradeswegs, keineswegs ', allerorten; allezeit, 
jederzeit; allenthalben und meinethalben, meinetwegen (II § 456), 
wenn nicht etwa die Person besonders hervorgehoben werden soll. 
Ebenso die Adverbia auf -weg, -massen, -dings, -weise (II § 458), 
z. B. schlankweg, einigermdssen, allerdings, glücklicherweise [aber 
kreuzweise, ausnahmsweise etc., wo das erste Glied ein Substantiv 



§ 356.] Betonung zusammengesetzter Adv. und Partikeln. 421 

ist]. -— Betonung des Attributs gilt in dem verdunkelten anderweit 
und vor -halb (II §453, 1): innerhalb, ausserhalb etc., oft auch vor 
-maZ, -mals : manchmal^ mehrmals, vielmals, einstmals (vgl. § 355, 2. 
II § 459, 2. 3). — Demonstrativa behaupten den logischen Ton: 
diesseitj j^nseit, einerseits, anderseits (auch beiderseits, meinerseits)] 
diesmal, ein andermal; ddrgestaU, solchergestalt, weniger sicher 
ddrart vAuch die verdunkelten heute, heuer, heint (§316) gehören 
hierher. 

2. Präpositionen verschmelzen mit einem abhängigen 
Nomen oder Pronomen und bleiben ihm untergeordnet (II § 450. 
452, 2. 462). Hierher gehören schon die ahd. ingdgin, ingdgini, 
ubardl, ubarlü't, umbiHng-, im Mhd. vermehren sich solche Zusammen- 
setzungen stark, namentlich die mit in, zi, bi gebildeten, und in und 
bi lassen durch die Schwächung des Vocales in c auch äusserlich 
die Verschmelzung erkennen. Im Nhd. haben sich von diesen 
charakteristisch ausgeprägten Wörtern nur wonige erhalten (§ 336. 
II § 453, 4), aber Adverbia, die aus einer Präposition und dem ab- 
hängigen Nomen oder Pronomen bestehen, besitzt es in grosser 
Zahl. Substantivverbindungen sind z. B. abhanden, anstatt, anMim, 
beiUibe, beiseite, beizeiten, bisweilen, infolge, inmitten, insonderheit, 
überhaupt, unterwegs, unterweilen, vorhanden, zufolge, zuhäuf, zumal, 
zurdcht, zurück, zuuege, zuzeiten. — Adjectivverbindungon: fürlieb, 
fürwahr, überqu&r, Überdll, zugleich, zugute, zuerst, zuletzt, zunächst, 
zuvorderst etc. —'Pronominale: andern, ausserdem, ehedem, inddm, 
indes, nachdem, ohnedies, seitdem, trotzddm, trotzdlledem oder aUeddm, 
überdies, unterdds, vordem, zudew und Verbindungen miteinander: 
durcheinander, mit, von, über, untereinander, — Auch der Artikel 
kann in solche Verbindungen aufgenommen werden: vorderhand, 
insbesondere, insgesamt, insgemdin. 

Nur wenige tragen den Hauptton auf der Präposition: 
abseits, hinterrücks, das verdunkelte sintemal (= sint dem male), auch 
vorgestern und übermorgen, in denen sich eine Präposition mit 
einem Zeitadverbium verbunden hat. Vgl. auch ides, innedes bei 
Williram ; doch sind i, inne nicht eigentlich Präpositionen. 

Anm. Aus solchen präpositionalen Verbindungen sind die 
Adjectiva zufrieden, vorhanden entstanden, die den Ton auf dem 
Subst. behalten, und die Subst. Vormittag, Nachmittag, die ver- 
schieden betont werden. 

3. Dagegen als zweite Compositionsglieder pflegen sowohl 
die Präpositionen als andere Partikeln und Adverbien den 
Hauptton zu haben, a. Untergeordnete Substantiva zeigen z. B. 
bergduf, bergab, stromauf, stromnieder, jahraus, jahrein, Zweifels- 
ohne (II § 471, 5). — b. Adjectiva: geradeaus, kurzdb, linksüm. 



422 Kraft und Verschiebung der Nebentöne in Compositis. [§ 367. 

künftighin, — e. Pronomina : demnach^ demnächst^ demgetnäss, dem- 
zufolge, deshalb, deswegen (mit Nachdruck: deshalb, deswegen), 
dessenungeachtet, weshalb. — d. Pronominale Adverbia (II § 472): 
davor, damit, darnach, darauf dr aussen, drinnen; herauf, heraus; 
hierauf hieran, hiermit; hinauf hinaus, hinfort, hinweg, hinddn; 
sondch, somit, sofort, sowohl, sobald und, durch al verstärkt: cds- 
bald, alsddnn. Nur wenn das hinweisende Moment besonders her- 
vorgehoben werden soll, können auch da, hier, wo betont werden. 
In derselben Weise unterscheidet schon Notker betontes und unbe 
tontes dar, dara (ZfdPh. 14, 148 f.). während Otfried thara und thär 
im allgemeinen nicht betont und nur in tharazua je nach Bedürfnis 
der ersten oder letzten Silbe den Ictus giebt (Wilmanns, Beitr. 3, 98). 
hiersübst, daselbst, wosübst können nur auf dem zweiten Gliede 
betont werden. — e. Andere Partikeln: voraus [aber im Voraus], 
vorbei, mitunter, untenan, obenauf hintenndch, gegenüber; nun- 
mehr; vielleicht; jawohl; tvohlän, wohlauf; beinahe, nachgerade 
(11 § 452, 2); obgleich, ob schön, obwohl, wenngleich, tciewöhl [aber 
getrennt ob er gleich]. 

Verschiedene Betonung gestatten ebenso^ ebenda, irgendwo, 
irgendwann; das veraltete fürbass (II § 473), vorher (aber nicht 
vorhin) nachher, hinterher, voran und voran unterscheiden sich 
in der Bedeutung. — Verhältnismässig wenige verlangen Be- 
tonung des ersten Gliedes. Zuerst die alte Conjunction g. aip- 
pau, ahd. ^d-do, oder; die Präpositionen ahd. unta^, unz, ötj 
(II §471, 3); ferner dennoch, iciederum, umso, d^sto (aus des diu); 
die mit verstärkendem al und gleich, mit sonst und anders gebil- 
deten also (dlse, als), allzu, gleichsam (vgl. ebenso und vielleicht); 
sonstwo, anderswo; die Adverbia auf -mräls: vormals, nächmtüs, 
ehemals, oftmals, nochmals, damals, jemals, und die auf -wärts: 
aufwärts, auswärts, einwärts etc. — Bald übergeordnet, bald unter- 
geordnet erscheint jf6. Schon Otfried betont einerseits iam^, niam^, 
aber iowdnne neben iowanne, iogiltcho; wir haben immer, nimmer^ 
jemals, aber jedoch, jeweHen, — Über enklitisches her s. II § 472, 3. 

Anm. Vor halben und wegen bleibt das Pron. unbetont 
(No. 1), aber ein abhängiges Substantivum verlangt den stärkeren 
Ton: der Ordnung halben, ordnungshalber, einer Krankheit wegen; 
bei um-willen muss auch das Pron. betont werden : um seinetwillen, 

Kraft und Verschiebung der Nebentöne. 

357. 1. Der Acccut, den die minder betonten Compo- 
sitionsgliedcr verlangen, kann am wenigsten zur Geltung 
kommen, wenn ihm der Hauptton unmittelbar folgt; daher die 



§ d57.] Kraft und Verschiebung der Nebentöne in Oompositis. 423 

frühzeitige Abschwächung der Vocale in den verbalen Vor- 
silben und die Unterdrückung proklitischer Partikeln im Pro- 
nomen (§ 323). Freier kann er sich nach dem Hauptton ent- 
falten, weil ihm dann oft minderbetonte Silben folgen. Nur 
in einem Fall ist er auch hier unmöglich: wenn die voran- 
gehende Tonsilbe auf einen kurzen Vocal ausgeht, ist eine 
folgende Stammsilbe ebenso wenig tonfähig, wie eine Ableitungs- 
oder Flexionssilbe (§ 343, 1); also Wörter wie suUche, we- 
licha^, zwelifi, zuivalta, worolti können auf der zweiten Silbe 
keinen Ictus tragen (Wilmanns, Beitr. 3, 118). 

2. Wo ein minder betontes Compositionsglied einen Neben- 
ton empfangen kann, steht er an Kraft dem Hauptton im all- 
gemeinen am nächsten. Daher wird er in den Hss. Otfrieds 
einigemal neben dem Hauptton durch einen Accent bezeichnet, 
z. B. götewüoto, ünera etc. (Wilmanns, Beitr. 3, 94), und im 
Verse erscheint er meistens als Hebung. Selbst vor einer 
folgenden Tonsilbe kann er sich behaupten; z. B. in tJiag 
sprähh^s in\ ältdüam suärä^; thH^ sin dmbäht was. — Die 
Fälle, in denen bei 0. solche Silben nicht gehoben werden, 
betreffen meist Wörter, die als Composita wenig oder gar 
nicht mehr empfunden werden; z. B. einlifj zueinzug, frammortj 
ambahtf Jcuanheit, wisduam, hörsarrij wahrhaft, suslih und 
iawiht entbehren stets den Ictus auf der zweiten Silbe, häufig 
auch iamer, niamer, iaman, niaman. Doch kommt es auch 
bei weniger abgenutzten Compositis vor, dass das zweite Glied 
in der Senkung steht, z. B. lantliut, nähwist, suei^duah, 
unmaht u. a. (Wilmanns, Beitr. 3 § 92). Nur wenn die beiden 
Stammsilben durch eine unbetonte getrennt sind, z. B. bruader- 
scafy thionostman enthält ihr 0. den zweiten Ictus nie vor. 
In der gewöhnlichen Rede aber traten diese Nebentöne jeden- 
falls viel weniger hervor als in dem Vortrage des Dichters. 
Das zeigen schon die Accente Notkers, der selbst in dem 
zuletzt erii^ähnten Fall den Nebenton unbezeicbnet lässt, zumal 
vor langer Silbe, z. B. Mewanän, sdmenthaftig, wünnesamiu, 
änawartigiu, dlainahtig, und nach den Partikeln 4-, tlw-, tir-, 
änt-, aber auch sonst, z. B. misseliches, tröUcho n. a. So 
hat denn auch der Nebenton diese minderbetonten Gompo« 



424 Verschiebung der Nebentöne in Compositis. [§ 358. 

sitiousglieder gegen lautlichen Verfall nicht zu schützen ver- 
mocht (§ 316 f.), und sie würden jedenfalls viel häufiger ver- 
kümmert sein, wenn, nicht die lebendige Beziehung zu den 
selbständigen Wörtern sie gehalten hätte. 

358. 1. Da der Accent des zweiten Compositionsgliedes 
dem Hauptton am nächsten steht, war er auch am ersten im 
Stande an die Stelle des Haupttones zu treten. In den alt- 
deutschen Versen sind die Fälle, in denen er stärker betont 
wird als dieser, nicht ganz selten (Wilmanns, Beitr. S. 94 f.), 
und in der Sprache ist, wie wir gesehen haben (§ 353 f.) diese 
Verschiebung des Accentes in vielen Wörtern eingetreten, je 
später um so öfter. 

2. Anderseits war der Ton des untergeordneten Compo- 
sitionsgliedes doch immer nur ein Nebenton, der sich leichter 
unterdrücken Hess als der Hauptton. Dieser ist im einfachen 
Worte selten (§ 340, 2), im zusammengesetzten nie einer Ab- 
leitungs- oder Flexionssilbe unterlegen; der Ton des unter- 
geordneten (yompositionsgliedes war der Minderung mehr aus- 
gesetzt. Bei Otfried begegnen öftere Verse, in denen sich 
eine Flexionssilbe über eine minderbetonte Stammsilbe erhebt 
(Wilmanns, Beitr. 3, 118). Am häufigsten tritt es bei der 
Silbe -lieh ein, die den bedeutungslosen Ableitungssilben am 
nächsten steht; z. B. nottlichdmo, süa^lichen etc.; diinn in 
solchen Wörtern, deren zweiter Bestandteil als bedeutsame 
Stammsilbe nicht mehr empfunden wird, wie frdmmortes, 
wisduam^ etc.; aber auch in ganz durchsichtigen Compositis 
kommt es vor, z. B. ünreinenio, ürdeiUs, ewartö, Dass diese 
Betonung der gewöhnlichen Sprache gemäss gewesen sei, ist 
nicht anzunehmen; Vers- und Sprachbetonung decken sich 
hier nicht; aber der Gebrauch des Dichters zeigt doch die 
Schwäche des Nebentones. 

3. Auch die neueren Dichter gestatten sich nicht selten in 
ihren jambischen und trochäischen Versen solche Tonverschie- 
bungen. Die lebendige Rede erkennt sie jedoch nicht an. 
Selbst Compositionsglieder, die zu Ableitungssilben geworden 
sind, behalten gegenüber der Flexion und schwachen Ab- 
leitungssilben ihren Ton; z. B. dankbare^ furchtsame, zwick- 



§ 358.] Verschiebung der Nebentöne in Composltis. 425 

— - — - — — — - I 1 — ■ - — - — ■ - — — I - I 

massig f zaghafter ^ Oötthüten^ Fündschäften ^ BMchtümer'^ 
nur 'lieh ordnet sieli leicht unter, um den beliebten Wechsel 
von Hebung und Senkung zu gewähren; friundlicMr^ lieth 
lichd u. dgl., auch ivohl -toend- : notwendig geworden^ neben 
notwendig oder notwendig. — Leichter erheben sich die 
schweren Ableitungssilben über untergeordnete Compositions- 
glieder, z. B. Beobachtung^ VörricJUüng^ Aufseherin, Sing- 
vögUin, Hdndarbäit; vor allem aber macht sich der mecha- 
nische Wechsel von Hebung und Senkung siegreich geltend, 
wenn minderbetonte Stanmisilben selbst um die Herrschaft 
streiten. Wie die lästige, gleichmässig absteigende Betonung 
dreier betonter Stammsilben in vielen Fällen durch die Her- 
vorhebung der mittleren beseitigt ist (§ 353 f.); so in andern 
durch ihre Unterordnung; z. B. ünmassgiiblich, unwillkürlich, 
Grössherzög neben Grösshirzog; am öftesten, wenn die zweite 
Stammsilbe eine einsilbige Partikel ist, z. B. Schwimmanstalt ^ 
Militäranwärter, Steuereinnehmer, Pfdndinhäber, Vorurteil, 
EndurtHl neben Etidürteil, besonders in Adjectiven mit un\ 
unabänderlich, unangenehm, unaufhörlich j unaufhaltsam, 
ünausbUiblich, unausstehlich, unnachahmlich, ünumstösslich. 

Anm. Die CompositionsgUeder, die allmählich zu Mitteln der 
Ableitung geworden sind, wie -heit {-keit), -Schafte -tum, -bar^ -haft^ 
-sanij -massig^ werden in betreff der Betonung doch wie Stamm- 
silben behandelt, ordnen sich also dem zweiten Gliede eines Com- 
positums, mit dem sie sich verbinden, nicht unter. Wie man zu 
Handwerk regelmässig Hdndwerksmdnn bildet (§ 346), so helsst es 
auch mit Recht: Reizbarkeit, Duldsamkeit, Zaghaftigkeit, Kauf- 
mannschaft, Herzogtum, ausführbar, vorteilhaft, mitteilsam, hdnd- 
werksmässig. Nur 4ich neigt in jungen Bildungen zur Unterord- 
nung: volkstümlich, freiherrlich, fremdsprachlich, ursächlich, und 
durch rhythmische Neigungen gefordert: altertümlich, eigentümlich. 
Dagegen in wirtschaftlich, verwandtschaftlich, ndchbarüch u. a., wo 
das zweite Compositionsglied selbst Keinen vollen Wert mehr hat, 
ist -lieh stärker betont. 



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1. An.scHN. 
11. Abschn. 

III. Abschn. 

IV. Abschn. 
V. Abschn. 



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llLBd. 



INHALT: 

BKCiRlFF UND AnF(}ABK DER GKR- 

MANISCIIRN PHILOLOGIE. 
GESCHICHTE DER GERMANISCHEN 

PHILOLOGIE. 
METHÜDENLEHRE. 
SCHRIFTKUNDE. 
SPRACHCiESCHICHTE. 
(Mit Anhang : Die Behandlung der lei)enden Mundarten.) 
VI. Abschn.: LITERATIRGESCIIICIITE. 

(Mit Anhang: Übersicht ubt-r die aus inundliclier Ober- 

lieteruDg geschöpften Sammlungen der 
Volkspoesie.) 
VIL Abschn.: METRIK. 
VIII. Abschn.: ETHNOGRAPHIE. 
IX. AB.SCHN.: WIRTSCHAFT. 
X. Abschn.: RECHT. 
XL Abschn.: KRIEGSVVESEN. 
XII. Abschn.; MYTHOLOCilE. 
XIIL AB.SCHN.: HELDENSAGP:. 
XIV. Absch.n.: SITTE. 

(Mit Anhang: Die Behandlung der voikNluiulicheii 
Sitte der Gegenwart.) 

XV. Abschn.: KUNST. 
NAMEN-. SACH- UND WORTVERZEICHNIS 

Bis jetzt erscliien 

I. Band, 1. Lieferung: 1^> Bogen. I8«i0. M. 4. - 

1 



2 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 



I. Bd. 



II. Kd 
i.Ab 

11. Bd. 
3 Abt. 



{ 



II.Hd. 
3. Abt. 



Gronfe der romaiiiselieD Piologie 

unter Mitwirkung von 

Q. Batst, Th.' Braga, H. Bresslau, T. Casini, J. Cornu, C. Dectirtins, 
W. Deecke, Th. Gärtner, M- Qaster, Q. Qerland, G. Jacobsthal, 
P. Kluge, Gust. Meyer, W. Meyer, C. Michaelis de VasconceUoa, 
A. Morel-Fatio, Fr. d'Ovidio, M. Philippaon, A. Schultx, W. Schum, 
Ch. Seybold, E. Stengel, A. Stimming, H. Suchier, H. Tiktin, A. 
Tobler, W. Windelband, E. Windisch 

herausgegeben von 

GUSTAV GRÖBER, 

o. ö. Professor der romanischen Philologie an der Universität Strassburg. 

Plan des Werkes: 

P r o p a (i e u t i s c h e r Teil: 
I. EINLEITUNG IN DIE ROMANISCHE PHILOLOGIE. 

GKSCHICHTE DER ROMANISCHEN PHILOLOGIE. 
IHRE AUFGABE UND GLIEDERUNG. 

Methodischer Teil: 
II. ANLEITUNG ZUR PHILOLOGISCHEN FORSCHUNG 

DIE QUELLEN DER ROMANISCHEN PHILOLOGIE. 
DIE BEHANDLUNG DER QUELLEN. 

Realer Teil: 

III. DARSTELLUNG DER ROMAN. PmLOLOGIE. 

ROMANISCHE SPRACHFORSCHU.NG. 

a. Die vorrom.-»iuschen Volkssprachen der romanischen Länder. 

b. Die romaui>chen Sprachen. 

METRIK DER ROMANISCHEN SPRACHEN. 

LITTER AI URGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 
Die latcia. Littcratur. — iMe fr;<nzös. Litteratur. 

Die proveng-ilische Litteratur. — Die catalanische Litteratur. — 
Die portugiesische Littcratur. — Die spanische Litteratur. 

Die it.ilienische Littcratur. — Die runi.Hnische Litteratur. — Die 
rätoromanische Litteratur. 

IV. GRENZWISSENSCHAFTEN. 

GESCHICHTE DER ROM^NlSCHEN VÖLKER. 
CULTURGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 
KUNSTGESCHICHTE DER ROMANISCHEN VÖLKER. 
DIE WISSENSCHAFTEN IN DEN ROMAN. LÄNDERN. 



Bis jetzt sind erschienen: 

I. Band, Lex.-8«. XII u. 853 S. mit 4 Tafeln u. 13 Karten. 1888. Preis 

M. 14.—, in Halbfranzband : M. id. — . 
Auch noch in einzelnen Lieferungen zu M. 4. — , M. 4. — und M. 6. — 
zu haben. 

II. Band, z. Abteilung, x. Lieferung, 16 Bogen. 1893. 



•» 



I. 
3. 
a. 
a. 

3- 



«I 



3. 




IX 


•1 


1893. 


I. 




8 


i. 


1893. 


a. 




8 


II 


X893. 


3- 




8 


,* 


1894. 


I. 




8 


*« 


1895. 



M. 4.—. 
M 3.80. 
M. a. — . 
M. a.— . 
M. a. — . 
M. a.-~. 



\ 



Verlag von KARL J. TRÜBNERin Strassbürg. 3 



I.Bd. 



II. r.<i 



Gmindriss 

der 

IRANISCHEN PHILOLOGIE 

unter Mitwirkung von 

F. K. Andreas, Chr. Bartholomae , C. H. Ethe, K. F. 

Geldner, P. Hörn, H. Habschmann, A. V. W. Jackson, 

F. Justl. Th. Nöldeke, C. Salemann, A. Socin, F. H. Weis»- 

bach, E. W. West und V. ZukovskU 

herausgegeben von 

Wilh. Geiger und Ernst Kuhn. 

Der Grundriss der iranischen Philologie wird in Lieferangen von 
durchschnittl. lo Bogen in möglichst kursen Zwischenräumen erscheinen. 

Plan des Werkes: 
KiNLKiTUNG. GKSCHICHTE DER IRANISCHEN PHILO- 
LOGIE Prof. Dr. E, Kuhn. 

I. Abschnitt. SPRACHGESCHICHTE. 

1) Vorgeschichte der Iran. Sprachen Prof. Dr. Chr. Bar- 
VwlottKu. 

2) Awestäsprache und Allpersisch Prof. Dr. Chr. Bartholomae. 

3) Mittel persisch Akademiker Dr. C. Salemann. 

4) Neupersische Schriftsprache Privatdozent Dr. P. Hom. 

5) Die übrigen modernen Sprachen und Dialekte. 

A. Afvanisch, B. BalucI Prof. Dr. W. Geiger. C. Kur- 
disch Prof. Dr. A. Socin. D. Ossetisch Prof. Dr. 
H. Hübschmann. E. Pamirdialekte, F. Mäzandaränl, 
Gllaki etc. Akademiker Dr. C. Salemann. G. Dia- 
lekte in Persien Prof. V. iukavskij. 

II. Abschnitt. LITTERATÜR. 

1) Awestälitteratur Prof. Dr. K. F. Geldfier. 

2) Die altpersischen Inschriften Dr. F. H. Weissbach. 

3) Die Pahlavllitteratur Dr. E. W. West. 

4) Das Iran. Nationalepos Prof. Dr. Th. Noldeke. 

5) Neupersische Litteratur Prof. Dr. C. H, Ethe. 
IlL Abschnitt. GESCHICHTE UND KULTUR. 

1) Grundlagen. A. Geographie von Iran Prof. Dr. W. 
Geiger. B. Ethnographie von Iran Prof. Dr. E. Kuhn. 

2) Abriss der Geschichte bis auf Yezdegerd Prof. Dr. F. Justi. 

3) Geschichte Irans in islamitischer Zeit Privatdozent Dr. 
P. Hom, 

4) Die Iranische Religion Prof. Dr. A. V. W. Jackson. 

5) Münzen, Gemmen Privatdozent Dr. P. Hom. 

6) Schriftkunde Dr. F. K. Andreas. 

Bis jetzt erschienen: L Band, 1. Lief. M. 8.>— , 2. Liefg. M. 4.50. 

11. „ 1. u. 2. Liefg. 4 M. 8.—. 

NB. Die Käufer verpflichten sich mindestens lur Abnahme eines 
Bandes. Einzelne Lieferungen werden nicht abgegeben. 



4 Verlag von KARL J. TRÜBNKR in StraSsburg. 



Grundriss 

der 



Indo -r arischen Philologie 

und 

Altertumskunde. 

Herausgegeben von 

Georg- Bühler, 

K. K. Hofrut un'I ord. Profosaor des Sanskrit an der Universität Wien. 

In diesem Werk soll zum ersten Mal der Versuch gemacht werden, 
einen Qosatntüberbliol< über «lio einzelnen Gebiete der indo-orischen Philo- 
lotn« und Aiteriumitkunde in knapper und systematischer Dar8t<>ilttitg cu 

geben. Die Mehrzahl der tiegensiande wird damit überhaupt zum ersten 
[al eine zusammenhängende abgerundete Behandlung erfahren ; deshalb 
darf Ivon dem Werk reicher Gewinn für die Wissenschafi selbst erhofft 
werden, trotzdem es in «>rst<;r Linie für Lernende bestimmt ist 

Gegen dreissig Gelehrte aus Deutschland . Österreich , England, 
Holland, Indien und Amerika haben sich mit llofrat O. Bühl er iu Wien 
vereinigt, um diese Aufgui)« zu losen, wobei ungefähr zwei Drittel der Mit- 
arl>Liter ihre iieitriige deutsch, die übrigen englisch abfassen werden. (Siehe 
nachfolgenden i'lan.) 

»OHteht schon in der räumlichen Entfernung vieler Mitarbeiter eine 
grössere Schwierigkeit als bei anderen ähnlichen Unternehmungen, so 
»chirn es iim-h •,'el)otcn, die UnzutriJglichkeit der meisten Sammelwerke, 
welche duri^li dm unberecht nbareti Ablieferungstermin der einzelnen Bei- 
trüge entsteht, dadurch zu vernuiden, dass die einzelnen Abschnitte gleich 
nach ihrer Ab ieft rung einzeln gedruckt und ausgegeben werden. Durch 
einen gerne! nsamen Titel und ein ausführliche« Namen- und Sachregister 
am ScIUuss jedes Bandes werden die einzelnen Hefte zu einem gemein- 
schuftlicheu Gauxen zusammengifasMt. 

Das Werk wird aus drei Händen Lex. -8* Im ungefähren Umfang von 
je 1100 Seiten bestehen, in der Aui^stattung des In demselben Verlag er- 
scheinenden (Grundrisses der iraniscnen t^kiiologie. Der Subskriptions- 
preis des ganzen Werkes beträgt durchschnittlich 05 Pf pro Druckbogen 
von 16 Seiten; dei Preis der einzelnen Hefte durchiJchnlttlich 80 Pf. pro 
Druckbogen Auch für die Tafeln und Karten wird den Subskribenten eine 
durchschniitliclic Krmässigiiiig von 20 <*„ auf den Einzelpreis zugesichert. 
Über die Einteilung des Werkes giebt der nachfolgende Plan Auskunft 

Band 1. Allgemeines und Sprache. 

1) Geschichte der indu-uisclien Philologie und Alteitumskunde 
von A ;•//.<■/ Kuhn. 

2) Ur^reschichte der indo arisciun Sprachen von A*. Mcringer. 

3) a. nie indischen Systeme der Grannnatik, Phonetik und 

Etymologie von /?. Lichicli. 
b. nie indischen VVörterhiicher (Koshas) von Th. Zachatiae, 

4) (irannnaiiK der vedischen Dialekte von C A*. Z^wwa«. (engl.) 
x^) Gianimalik des klas^ischen Sanskrit der Granniintiker, der 

Litteratur und der Inschiilten sowie Aitv Mischdialekte 
(epischci und i\()rdt)iiddhistisciier) von O. Frofike. 

Fortsetzung Seite 5- 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 5 



Grundrlis der Indo-arlschen Philologie und Altertumskunde (Fortsetzung) 1 

♦6) Vedische und Sanskrit-Syntax von % S. Speyer. 

Subskr.-Preis M. 4.-!~, Kinzel-Preis M. 5. — . 

7) PaligramroHtikcr, Paligrammatik von O. franke. 

8) Prakritgrammatiker, Prakritgrammatik von /^. Pischel. 

9) Grammatik und Litteratur des tertiären Prakrits von Indien 
von G. A. Grierson (englisch). 

10) Grammatik u. Litteratur des Singhalesischen v. Wilh. Geiger. 
•11) Indische Palaeographie (mit 17 Tafein) von G. Bühler. 

Subskr.-Preis M. 15 — , Einzel-Preis M. 18.50. 

Band II. Litteratur und Geschichte. 

1) Vedische Litteratur (iSruti). 

a. Die drei Veden von A'. Geldner. 

b. Atharvaveda von M. Bloomßeld (englisch). 

2) a. Epische Litteratur von H. Jacobi. 

b. Klassische Litteratur (einschliesslicli der Poetik und der 
Metrik) von H. Jacobi, 

3) Quellen der indischen Geschichte. 

a. Litterarische Werke und Inschriften von G. Bühler. 

b. Münzen (mit Tafeln) von E. J, Rapsem (englisch). 

4) Geographie von G. Bühler und xM. A. Stein, 

5) Ethnographie von A. Baines (englisch). 

6) Staatsaltertömer | von G. Bühler, J, Jolly und 

7) Privataltertömer | Sir R. West (englisch). 

♦8) Recht und Sitte (einschliessl der einheimischen Litteratur) 
von J. Jolly. Subskr.-Preis M. 6.50, Einzel-Preis M. 8. — . 
9) Politische Geschichte bis zur muhammedanischen Er- 
oberung von G. Bühler. 

Bd. III. Religion, weltL Wissenschaften u. Kunst. 

1) a. Vedische Mythologie . \ fvon A. Mcudonell. 
b. Epische Mythologie . . | Karma- ) „ M. Wintemitz 

2) Ritual-Litteratür, Vedische j mätgä \ ^ A. Hillebrattdi 
Opfer und Zauber . . . J \ [im Druck] . 

3) Vedänta und MlmSmsa \ [ von G, Thibaut. 

\ Jfiänamärga ) " ^' Garbe. 



Kinzel preis M. 3. — . 
„ A. Venis (engl). 

\onR.G. Blutndarkar, 

(englisch^. 



♦4) Sänkhya und Yoga } (orthodox)^ Subskr.-Preis M.a.50, 

5) Nyaya und Valsesika J 

6) Vaisnavas, Saivas, \ 
Sauras, Gänapatas, \ Bhaktimärga 
Skändas, S.iktas . J 

7) Jaina \ u . » c * \ E.. Leumann, 

*u i u 1 II / Heterodoxc Systeme { rr j-. . , x 
*8) Bauddha/ '^ \N. Kern (engl.). 

Sul)skr.-Preis Mk 5.50, Einzel-Preis M. 7. — . 

9) Astronomie, Astrologie und Mathematik \qx\ JG. ^Thibaut. 

10) Medizin von J. Jolly. 

1 1) Bildende Kunst (mit Illustrationen) von J. Burgess^ (engl ). 

12) Musik. 

NB. Die mit • be-^ttchntten Hejtt sind bereits erschienen. 



6 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 



Gmndriss 

der 



vergleichenden Grammatik 

der 

indogermanischen Sprachen. 

Kurzgefasste Darstellung der Geschichte des Altindischen. Alt- 
iranischen (Avestischen und Altpersischen), Altarmenischen, Alt- 
griechischen, Lateinischen, Umbrisch-Saninitischen, Altirischen. 
Gotischen, Althochdeutschen, Litauischen u. Altkirchenslavischen 



von 



Karl Biuamann und Berthold DelbrOck 

ord. Professor der indogerm. ord. Professor des Sanskrit und 

Sprachwissenschaft in Leipzig der vergl. Sprachkunde in Jena. 

L Bd. : EINLEITUNG UND LAUTLEHRE von Karl Bnig- 
mann. Zweite Auflage unter der Presse. 

ILßd.: WORTBILDUNGSLEHRE (Stammbildungs- und 
Flexionslehre) von Karl Brugmann. l. Hälfte. Vor- 
bemerkungen. Nominalcomposita. Redu- 
plicierte Nominalbildungen. Nomina mit 
stammbildenden Suffixen. Wurielnomina. 
gr. 8", XIV und 462 S. 1888. M. 12. — . 

— — 2. Hälfte, 1. Lief.: Zah 1 wortbi 1 d u ng, Casus- 
bildung der Nomina (Nominaldeklination), Pro- 
nomina, gr. 8". 384 S. I8yi. M. lo.— . 

2. Hälfte (Schluss-JLief. gr. 8. XH und 592 S. 1892. 

M. 14.—. 

INDICES (Wort-, Sach- und Autorenindex) von Karl Brug- 
mann. gr. 8'. V. 236 S. 1893. M. 6 — . 

HL Bd.: SYNTAX von B. Delbrück. 1. Teil. gr. 8V. VIU, 
774 S. 1893. M. 20.—. 

Ein vierter Band, den 2. (Schluss-) Teil von Delbrücks 
vergl. Syntax enthaltend, wird im Jahre 1897 erscheinen. 



y,. . . Brug-mann'B Werk gehört fortan zu dem unentbehrllchBten Rüst- 
zeug eines Jeden Indogermanisten ; möge der zweite Band nicht allzu lange 
auf sich warten lassen.'* G. M . . . r (Literar. CentralbL iö'iij, Nr. 6.J 

,. . . Nach meinem Erachten genügt es, die Leser dieser Zeitschrift 
auf die Bedeutung dos vorliegenden Werkes aufmerksam gemacht zu haben, 
und dass diese eine ausserordentliche ist, muss Jeder unparteiisch und 
billig Denkende mit lobhafter Freude eingestehen. Dass noch gar manche 
Partie der Aufhellung bedarf, weiss ohnehin jeder Einsichtige; aber was 
nach dem gegenwärtigen Standpunkte de« Wissens geboten worden kann, 
bietet da<i Brugmanusche Buch in vollem MaaKHC. Darum bedeutet es auch 
einen Markstein in der Geschichte der indogermanischen Spraohwiasen- 
Bchaft. /r. SU/s (AV«r pkiLologiscke Rundschau 1867» Nr, 3,) 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassbürg. 7 



Indogermanische Forschungen. 

Zeitschrift für 

indogeraanisciu Spmh- und AltertiuDshnde 

herausgegeben von 

Karl Brugmann und Wilhelm Streitberg 

ord. Prof. der indogerm. Sprach. ord. Prof. der inrtogerm. Sprach- 
Wissenschaft in Leipaig Wissenschaft in Freiburg i. d. Schweis 

mit dem Beiblatt: 

Anzeiger fnr indogermanisclie Sprach- n. Altertnmskimde 

redigiert von 

Wilhelm Streitberg. 



I. Ban^, i8gi/92. X u. 546 S.. IV u. 206 S. 
II. „ 1892/93. IV u. 513 S., IV u. 223 S. 

III. , 1893/94. IV u. 527 S. mit einer Tafel, IV u. 268 S. 

IV. „ 1894 (Festschrift zum 25 jährigen Professor- 

JubilÄuni August Leskien's). VI u. 478 S. 
mit einer Tafel und einer Karte, IV u. 172 S. 
V. „ 1895. IV u. 459 S., IV u. 288 S. 
VI. , 1896. IV u. 390 S.. IV u. 232 S. 
VII. , unter der Presse. 

Preis jeden Bandes M. 16.—, in Halbfranz geb. M. 18.— , 

Die Original-Arbeiten erscheinen in den Indogerma- 
nischen Forschungen; die kritischen Besprechungen, eine 
referierende Zeitschriftenschau, eine ausführliche Bibliographie 
sowie Personalmitteilungen von allgemeinerem Interesse werden 
als „Anzeiger ffir indogermanische Sprach- und 
Altertumskunde** beigegeben. 

Die Zeitschrift erscheint in Heften von 5 Bogen 8®. 
Fünf Hefte bilden einen Band. Der Anzeiger ist besonders 
paginiert und erscheint in 3 Heften, die zusammen den Umfang 
von ungefähr 15 Bogen haben; dieses Beiblatt ist nicht einzeln 
käuflich. Zeitschrift und Anzeiger erhalten am Schluss die er- 
forderlichen Register. 

^ 



8 Verlag von KARL I. TRÜBNER in Strassburg. 



Im Erscheinen begriffen ist: 

NORDISCHE 

ALTERTUMSKUNDE 

xNACH FUNDF:N und DENKMÄLERN AUS 

DÄNEMARK UND SCHLESWIG 

G E M E I N F A S S L I C H D AR G E STE'LLT 

VON 

ÖR. SOPHUS MÜLLER 

DlkKKTOR DES NATIONAUMUSKU-MS ZU KOPENHAGEN. 



DEUTSCHE AUSGABE 
UNTER MITWIRKUNG. DEvS VERFASSERS BESORGT 

VON 

DR. OTTO LUITPOLD JIRICZEK 

PRIVATDOZENTEN DER GERMANISCHEN PHILOLOGIE 
AN DER UNIVERSITÄT BRESLAU. 




■■-■1 ' t '' - .,■, -i ■ ' J .# I -J "Jl "-1 I il l I ■ J ■ 





Mit mehreren Tafeln, 
250 Abbildungen im 
Text und einer archäo- 
logischen Karte. 
Das Werk wird in ca. 
15 Lieferungen zum 
Preise von je M. 1.— 
in möglichst kurzen 
Zwischenräumen er- 
scheinen. 

Bis jeizt erschien : 
I.— 6. Lieferung:. 



Abb. 121. Kamm aus der jiina^eren Bronzezeil. 



Inhalt: 

1. Steinzeit. 

1. Wohnplätze der 

älteren Steinzeit. 



2. Altertflmer aus der 
7,cit der Musclu-lhaiifen. 3. Zeilverhnltnisse in der älteren Stein- 
zeit. 4. Die Periode zwischen der Zeit der Musehelliaufen und 
der Steingräber. 5. Die kleineren Steingräber, Rundgräber und 

(Fortsotzuiiff folgt auf Seite 9.) 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 9 



(FortMtsani^ von Seit« 8.) 

HQnenbetteD. 6. Die grossen Steingräber oder Riesenstuben. 
7. Das Innere der SteingrÄber, Begräbnisgebräuche und Grab- 
beigaben. 8. Die jüngsten Gräber der Steinzeit. Q. Das Studium 
der Steingräber, eine historische Obersicht. 10. Altertümer aus 
der jüngeren Steinzeit. 11. Kunst und Religion. 12. Das 
Studium der Steinaltertümer, eine historische Übersicht. 13. Die 
Herstellungstechnik der Geräte und Waffen. 14. Wohnplätze, 
Lebensweise und Bevölkerung. — Literaturvei'zeichnis. 

II. Bronzezeit. 1. Das Studium der Bronzezeit, sein 
Beginn und seine Entwicklung. — Die ältere Bronzezeit: 
2. Ältere Formen aus Männergräbern, Waffen und Schmuck- 
sachen. 3. Toilettegerätschaften der Bronzezeit. 4. Männer- 
und Frauentrachten. Die ältesten Frauenfunde. Feld- und 
Moorfunde. 5. Die älteste Ornamentik im Norden und ihr 
Ursprung. 6. Die älteste Bronzezeit im Norden. Die Be- 
deutung des Bernsteinhandels. 8. Die Grabhügel. Gräber der 
ältesten Bronzezeit. 9. Der spätere Teil der Bronzezeit. 10. Die 
Leichenverbrennung, Ursprung, Verbreitung und Bedeutung des 
Brauches. — Die jüngere Bronzezeit: 11. Einteilung, 
Zeitbestimmung und Funde, Formen, Ornamentik. 12. Formen 
und Ausstattung der Gräber. 13. Feld- und Moorfunde etc. 
(Depot- und Opferfunde, Prachtstücke, Werkzeuge u. s. w.). 
14. Soziale und Kulturzustände, Handwerk und Ackerbau, Handel, 
Kunst und Religion. — Literaturverzeichnis. 

IV. Zeit der Völkerwanderung. 
V. V ikingerzeit. 



Die Darstellnng Mfillers beruht auf umfassender Kenntnis der Funde 
und auf einem Rundlichen Verständnis der Entwicklung, die sich aus ihnen 
erschliessen Iftsst ; die Übersetzung* ist gnt. Die beiden ersten Lieferungen 
f&hren den Leser zunächst sicher und behag-lich durch die uralten gr^ waltigen 
Zeugen der ^teinzeit. Sie erklären Ihm die Muschelhaufen, die ältesten erkenn- 
baren Wohnplätze Ton Menschen im Norden Deutschlands, zeigen ihm die 
Altertflmer, die sich darin gefunden haben, und weisen ihm ihre Herstellung 
und wahrscheinliche Verwendung nach , sie besprechen die Frage der 
Chronologie der altem Steinzeit, fQhren dann den Leser an der Hand der 
Altertfimer in die Übergangszeit zwischen Muschelhaufen und Stelngrftbern 
und schliesslich hin zu den zahlreichen kleinen Steingräbern, den Rnnd- 
gr&bern und Hunenbetten , und zu den gewaltigen Riesenstuben. Ein- 
gestrente Abschnitte über die Geschichte der Forschung geben wohlthätige 
Rubepunkte in der Arbeit des Aufnehmens ab, andre lösen das Auge yon 
dem gespannten Eindringen in das kleine Gebiet und lenken den Blick auf 
die Verbreitung entsprechender Funde in ausserdeutschen. Ja anssereuropä- 
ischen Landen, und überall erhöht eine grosse Anzahl guter Holzschnitte 
die Anschoulichkeit der Darstellung. Das Werk wird ausser der Steinzeit, 
der Bronzezeit und der Eisenzeit auch die Kultur in der Periode der Völker- 
wanderung und der Vikingerfahrten umfassen : kein Lehrer des Deutschen, 
der deutschen Geschichte , der deutschen Geographie darf es also unTer- 
arboitet lassen, wir denken überdies, dass es auch viele Laien zu Freunden 
bekommen wird. Grenzboten 1896 Nr 28. 



1 



lo Verlag von KARL J. TRÜBNER in Si-rassbttrg 

®tt)molo8tfdöe§ 2Sörter6ud& 

ber beutjd^cn üprad^e 

t)on 

•tb. ^Tofeffor ber beutjd^eii ®pra<b( an bcr Unberfit&t grdhira L Di. 

fünfte oerbrlirertf unb ftark ornnrl)rtr 3lnfloi)e. 

2CJ.-.8. XVI, 4918. 1894. 3)^.10.-, in ©albfr§. geb. 2W.12.-, 

Der Verfasser des Torliefirenden Werkes hat et onternommeD, auf 
Orund der zerstreuten EiDzelfor.Hchungen und seiner eigenen mehrjährigen 
Studien ein etymologisches Wörterbuch des deutsoheD 
Sprachschatzes auszuarbeiten, da« dem gegenwärtigen Stande der 
Wissenschaft entspricht. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht. Form und 
Bedeutung Jedes Wortes bis zu seiner Quelle zu verfolgen, die Beziehungen 
zu den IdnHsischon Sprachen in gleichem Manse betonend, wie das Ver« 
wandtschaftsverhältnis zu den übrigen germanischen und den romanischen 
Sprache". Selbst die Vergleich ung mit den entfernteren orientalischen 
(Sunskrit und Zend«, den keltischen und slavisohen Sprachen ist in allen 
Füllen herangezogen, wo die Forschung eine Verwandeschaft febtzustellen 
vermag und wo diese Verwandtschaft zugleich Licht auf die Urzeit defl 
germanischen Lebeos wirft. 

Eine allgemeine Einleitung behandelt die Geschichte der deutschen 
Sprache in ihren Umrissen. 

D i e Verbesserungen der neuen Auflage bestehen Inder 
Verwertung der neuesten Forsch nngsergebnisse auf 
dt^m Gebiete der germanischen Etymologie; die Ver» 
mehrungen in der Aufnahme einer grossen Anzahl solcher 
Fremdwörter, welche seit dem 16. Jahrh. aufgekommen 
sind, und seitdem einen unzweifelhaften Bestandteil 
der deutschen Sprache ausmachen. In den meisten, 
Fällen ist es dem Verfasser gelungen, genau fest- 
zustellen, wann und auf welchem Wege das einzeln« 
Fremdwort in un s e re S praohe eingedrungen unddamit 
Nachweis 11 ngen zu bieten, welche ausser dem sprach- 
liehen, ein hohes oulturgesohichtliohes Interesse 
beanspruchen. (Ankündigung des Verlegers.) 



pDas Klugesohe Wörterbuch nimmt durch seine hervorragenden 
Eigenschaften anerkanniermas^en den ertöten Platz unter allen ähnlichen 
Werken ein. Eine neue Autlatre bedürfte keiner besonderen Empfehlung, 
wenn nicht das bewährte liilfsmittel seit seinem ersten Erscheinen und 
vor allem seit der vierten Auflage in mehrfacher Beziehung ein rer&n« 
dertes Aussehen erhallen hätte. Dass die Forschungen der letxten 
zehn Jahre, an denen Kluge selber einen bedeutenden Anteil gehabt hat, 
gewissenhaft verwertet, dass zahllose Verbesserungen und Ergänzungen 
Im einzelnen >orgenommen sind, braucht nicht besonders versichert sn 
werden ; Jede Seite zeugt von dem unermüdlichen Streben, zu bessern, 
Untticheres zu stützen oder durch Neues zu ersetzen, «möglichst viele 
Einzelheiten in den Zusammenhang der grossen Sprachbewegungen ein- 
zugliedern« . . .*• Ztitickri/t d. u. d, Sprachvereins /ögj A'r. /. 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Si-rassburg. i i 

©eutfd^e Stubentenfprad^e 

boii 
^rofenoT an bet Uniberfitöt Ofreiburg i. ^t. 



SnVait: I. ttber bie @titbentenf)iraAe. ©tubenten unb 
^biliftcr. — 2:run!enlltanel — »ntife ©lemente. — fdnx* 
Wlo\t 3oolo0te. - S3iblifd)«t(eolootfd)e ÜRa^flänge. ~ 3m 
SSann bc8 S'iotiDelfdi. — granjöflfdje ©injlüffe. — ©romma« 
tif4e Eigenart. — Urfl^rung unb S^erbrettung. 

II. 9SBörterbu4 ber @tttbentenf)ira(ie. 

8«. xn, 136 @. 1895. ©ebeftet Tl. 2.50, m fieintoonb 

gebunben Tl, 3.50. 

^B«iin Lesen diese» Bache« fühlt man sich oft Ton einem Hauehe 
frischen, fröhlichen Studentenlebens bertthrt, und selbst das anscheinend 
•o trockene Wörterbuch reizt durch seinen manchmal recht humoristischen 
Inhalt zu einem herzlichen Ijachen. £« war in der That eine danlibare, 
freilich auch recht schwierij^e Aufgabe, das fSr die ältere Zeit so spärliche 
und Tielfaoh «ehr yersteckte Material zu sammeln und daraus in (prossen 
Zfifon eine Oeschichte der deutschen Studentensprache zu entwerfen, die 
um so gröiiseren Dank verdient, al« sie nicht nur der erste umfassende 
und auf wirklichem Quellenstudium beruhende Versuch der Art ist, son- 
dern auch mit grossem Geschick sich auf jenem Grenzgebiet zwischen 
populärer und streng wissenschaftlicher Darstellung bewegt, da« einzu- 
halten nicht Jedem Gelehrten gegeben ist. Gerade auf diesem Gebiet hat 
•ich Kluge durch sein musterhaftes etymologisches Wönerauch grosse 
Verdienste erworben ; denselben Weg betritt er Jetzt mit gleichem Erfolg 
auch in der Torllegenden Schrift, die ihre Entstehung zumeist den Ar- 
beiten zu Jenem enderen Werke verdankt. . . ." 

Litfr. Centraiblatt i8gj. Nr. tS. 

„Prof. Kluge hat mit vielem Flelsse, wie die rjihlreioh eingestreuten 
Belegstellen beweisen, sowie gest&tzt auf eine ausgedehnte Lektüre und 
auf eigene Beobachtung die Sprache der Studenten in alter und neuer Zeit 
nach ihrem Ursprung und Ihrer Verbreitung dargestellt und seiner Ab- 
handlung ein reichhaltige« Wörterbuch der Studentensprache beigegeben. 
Ist da« Buch als Beitrag zur deutschen Sprachgeschichte und Lexiko- 
graphie von grossem Werte, so ist e« auch für den Akademiker, der die 
eigenartige Sprache seines Stande» nach ihrer Entstehung und Geschichte 
kennen und verstehen lernen will, .ein interessantes Buch und besonders 
zu Dedikationszwecken geeignet, wofür wir es bestens empfohlen haben 
wollen.** Akad. Monaishe/tt lügs "• ^<^« -«'^«»». 



gon gutlier big %zVm%. @pra*acfd)t*tli*e 2ruffä(5( 
öon 2fricbri(b Jtluge. 2. Auflage (öergriffen). 
9^eue Sluflage in ^Vorbereitung. 



1 2 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 



Ältere 

deutsche Grammatiken 

in Neudrucken 



herausgegeben 
von 

John Meier. 



I. Das Büchlein gleichstimmender Wörter, aber ungleichs 
Verstandes des Hans Pabritius. Herausgegeben von 
John Meier. 8«. XXXXVI, 44 S. 1895. M. 2.-. 

II. Die deutsche Grammatik des Johannes Clajus. Nach 
dem ältesten Druck von 1578 mit den Varianten der 
übrigen Ausgaben herausgegeben von Friedrich Weid- 
ling. 80. LXXVI, 179 S. 1894. M. 6.~. 

HI. Die deutsche Grammatik des Laurentiua Albertus. 

Herausgegeben von Carl Muller-Fraureuth. 8". 
XXXIV, 160 S. 1895. M. 5.—. 



Die Bösa-Saga 

in zwei Fassungen 

nebst Proben aus den Bösa-Rimur 

herausgegeben 
von 

Otto Luitpold Jiriczek. 
kl. 80. LXXX, 164 S. 1893. M. 7.-. 

Die Rösa-Sa^a i8t gelt dem Jahre 1830, wo sie mit willkürlichen 
Au8luAsung:cii in den Fornaldarsögur erschien, nicht mehr gedruckt worden; 
8ie erscheint hier in vo1l>^tnndig(>r kritischer Aufgabe, Kuaammen mit einer 
bisher pan/. unbekannten jiing-ercn Fassung: aus dem 17. Jabrh. ; neu sind 
ebenfali» die im Anhuny^e raitffeteilte apokryphe Uuslubicn und Proben der 
Böüarimur. Die ausfüiirlichc Fiinleituntr behandelt nebst der Textkritik 
die Be/iehung^en beid#'r Fnssung-en und der Rfmur untereinander und su 
anderen ly{]^isü^-ur und bietet in ihren UnterHUohuntren über die innere 
QeKchichte und Oberlioforuii^'8wei{»e der .Sa^^a einen Einblick in da« stark 
Tcruuchlä»Hig^te Qebiet der ältorcMi iiilätidischcn märchenhaften lygisag'a. 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 13 



Geschichte 

der 

Deutschen Litteratur 

bis zum Ausgange des Mittelalters 

von 

Rudolf Koegel, 

ord Prof. für deutsche Sprache und Litteratur a. d. Universität Basel. 

Erster Band : Bis zur Mitte des elften Jahrhunderts. 

K r s t e r Teil: DI« stibreimeiide Dichtung und die gotische Prosa. 

8«. XXIII u. 343 S. 1894. M 10.-. 

n . . . . Koegel bat eine Arbeit unternommen, die «chou wegen ihre« 
grossen Zieles dankbar begrOsst werden mos«. Denn es kann die For- 
sclmng auf dem Gebiete der altdeutschen Litteraturgcschichte nur wirksamst 
unterstutzen, wenn Jemand den ganzen vorhandenen Bestand von That- 
sachen und Ansichten genau durchprüft und verzeichnet, dann aber auch 
an allen »ohwierigen Punkten mit eigener Untersuchung einsetzt. Beides 
hat K. in dem vorliegenden ersten Bande für die ftlteste Zeit deutschen 
Geisteslebens gethan. Er beherrscht das bekannte Material vollständig, 
er hat nichts aufgenommen oder fortgelassen, ohne sich darüber sorgf&iUg 
Rechenschaft zu geben. Kein Stein auf dem Wege ist von ihm unumge» 
wendet verblieben. K. hat aber auch den Stoff vermehrt, einmal indem er 
selbständig alle Hilfsquellen (z. U. die Sammlungen der Capltularien, 
Goncilbeschl&sse u. s. w.) durchgearbeitet, neue Zeugnisse den alten bei- 
gefügt, die alten berichtigt hat, ferner dadurch, dass er aus dem Bereiche 
der übrigen germanischen Litteraturen herangezogen hat, was irgend Aus- 
beute für die Aufhellung der ältesten deutsehen Poesie versprach. In 
allen diesen Dingen schreitet er auf den Pfaden Karl Müllenhoffis, dessen 
Grdsse kein anderes Buch als eben das seine besser würdigen lehrt . . . « 

AntoH E. SchÜnbach im Oesterreich. LHeraturbUUi iSg4 Nr, yd, 

«Koegel bietet Meistern vie Jüngern der Germanistik eine reiche, 
willkommene Gabe mit seinem Werke; vor allem aber sei es der Auf- 
merksamkeit der Lehrer des Deutschen an höheren Schulen empfohlen, 
für die es ein unentbehrliches Hilfsmittel werden wird durch seinen eigenen 
Inhalt, durch die weblausgewfthlten bibliographischen Fingerzeige und 
nirht zum wenigsten durch die Art und Weise, wie es den kleinsten Frag- 
menten ein vielseitiges Interesse abzugewinnen und sie in grossen geschicht- 
lichen Zusammenhang zu stellen versteht Wie es mit warmer Teilnahme 
für den Gegenstand gearbeitet ist, wird es gewiss auch, wie der Verfasser 
wünscht, Freude an der nationalen Wissenschaft wecken und mittelbar 
auch zur Belebung des deutschen Literatorunterrlohts in wissenschaftlich- 
nationalem Sinne beitragen.'' 

Beilage zur Mlgem. Zeitung jSQ4 AV. iüi. 



Ergänzungsheft zu Band I 

Die altsächsische Genesis. 

Ein Beitrag zur Gescliichte der altdeutschen Dicht ung^u. Verskunsi 

von Rudolf Koegel 

ord. Professor an der Univer^iitiit i^axel. 

8". X. 71 S. 1895. M.'l.8o. 

Das Werk wird aus 2 Binden bestehen, die In je 2 Teilen ausgegeben werden . 

Der 2. Teil des. 1. Bandes ist unter der Presse. 



14 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 



(Sefd|td|te 

b<r 

©nglifd^en ßUteratur 

bPit 

J&ern^arb ten JßrinF« 
erjlct »anb: m ju SBicHf« «ttftrettlL 

8^ VIII, 470 @, 1877, aw. 8.-, geb- m. 10.-. 

Sn^alt: I. ©u^. Sot her ©robcrung IL »u*. S)ic 
UcberganaSgcit. IIL S3u(^. SBon fictocS bi» 6rec^. IV. 
)öu4» Sßorfplel ber a^lcforntation unb bcr 8ilenoiffance. 

StDciter S3anb: SBiö jnr SRcformation* 

^eraui^gegeben bon Hlois ItrotiM. 

»>. XV «. 658 @. 1893, 2». 13.— geb. 3». 15.—. 

;^n^alt: IV. ©u(ft. SBorfptcI ber ^Reformation uitb bct 
9knaiffancc fjjortfcöimq). V. ©ucft. £ancafter unb gort 
VI Öu*. a)ic SRenaiffance big gu ©urre^'» Xob. 

S)arQu8 einjcln; Die 2. ^älfte. 

8«. XV u. (S. 353—658. 1893. 2». 6.50. 



«Die Fortsetzung zeig^t alle die glänzeiiden EI|rensc haften de« eratra 
Bande« nach meiner Ansicht noch in erhöhtem Masse; gründliche Oelebr- 
samkeit, weiten Blick, eindringenden Scharfsinn, feines &sUietisebes G«- 
nihl und geschuiaclcTolIe Darstellung-.*^ 

Berlin. Julius Zu/itza^ Deutsche Litteratar«eitun|r 1889 N>. 19. 

Bernhard ten Brink*s Litteraturgeschichte Ist ohne Zweifel 
da» grossartlgste Work das je einem englischen Philologen gelangen Ist. 
Mehr ntjch : es Ist eine so nicisierhafie Leistung, dass es jedem Litteraiur- 
hirttoriker zum Mu.ster dienen kann. Und die» Urtheil hat seine volle 
Kraft trotz der unvollendeten Qestalt des Werkes. Wire es dem Ver- 
fasser vergönnt gewesen, es in derselben Weise zu finde zu bringen, M 
würde es leicht die hervorragendste anter allen Oeeammtlitteratar» 
geschichten geworden sein .... Musenm, tdgj, Nr. j. 



Die Bearbeitung der zwei weiteren Bände hat Herr 
Professor Dr. Alois Brandl übernommen. 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 1 5 



($efd)id|te 



Mt 



Staltenifdöen Siteratur 

T>en 

2(&olf (5aepary, 
@rfter $anb: ^te italieuif^c Biteratur im Vltttelolter. 

80. 550 @. 1885. Wl. 9.-, geb. SW. 11.-. 

3n6alt: (Sinlcitung. — S)ic @icilianif4e 2)t(6tcrWuIe. — 
^ortfe^ung ber (k)nfc^en Xicdtung in Sl^itteHtalien. — @utbo 
©uintceQi Don SSoIogna. — ^ie frani^öf. 9tttterbtd)tuna tn 
Dberitalien. — Oteligiöfe unb moraltfc^e ^oefte in Oberitalien. 

— 2)ic rcligiöfc ßprif in Umbrien. — S)ie $rofa im 13. 
3Q^rb. — ^ie aftegorifcb-bibaftif^e Dichtung unb bie 
p^ilofop^. 2t^xit ber neuen f(orentinif4en @(bule. — ^ante. 

— S)ic Sontöbie. — ^a8 14. 3a6rbunbert. — Sßetrarca. 

— $etrarca'd (^angoniere. - Sln^ang bibllograp^if^er unb 
fritlfc^er 93emerfungen. — 9iegifter. 

Smtittx ^anb: ^te itaUenif^e Siteratnr ber 9leiiaiffanee|eit. 

8». 704 @. 1888. aJh 12.-, geb. m. 14.- . 

Sn^alt: ^Boccaccio. — ^ie ©Hgonen ber großen t$Iorentmcr. 

— S)ic ©umaniften bc8 15. 3a6tbunbert8. — S)ie SSuIgär» 
fprac^e im 15. 3a^rb. unb ibre Siteratur. — $o(iMano unb 
ßorengo b^ a^cblci. - 55ic 3titterbt*tung. — ^ulct unb ©o« 
iarbo. — SIcapel. — iJJontano unb Sannajaro. - SWaccftia* 
oefli unb ©uicciarbini. — S3embo. — ^riofto. — ^ftiglione. 

— $ictro Slrctino. - S)ie ßprif im 16. 3abrö. — ^aö gelben* 
gebidjt im 16. 3a6r6. — 2)ic Xragöbie. — 2)ie ©omöbie. 

— Sln^ang bibüograp^ifc^er unb hitifc^er 93emer!ungen. 



„Jeder der sich fortan mit der hier behandelten Periode der italie- 
nischen Litteratur besch&ftig'eu will, wird Oaspary's Arbeit zu seinem 
Ausg'ungspunkte ra machen haben. Das Werk ist aber nicht nur ein 
streng wissenschaftUches f&r Fachleate bestimmt«s, sondern gewährt neben- 
bei durch seine anziehende Darstellungsweise auch einen iathetischen 
Ocnuss ; ee wird daher auch in weiteren Kreisen Verbreitung finden.* 

Deutscht LiteraturMtituMg. 



Die Portsetzung dieses Werkes hat Dr. Richard 
Wendriner (Breslau) übernommen; ihm sind von der 
Gattin des verstorbenen Verfassers die Vorarbeiten, soweit 
sich solche im Nachlasse vorfanden, ausgehändigt worden. 



i5 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassbüro. 



©tiinblaacn 



r« 



neiiRocfiJcutfcfien £autfy^etti8. 

9f iirfigr fur ftefdiidyle t, Urutfd^rn iBdjciftfpradie im 15. u. 16. Jlalprt. 

'B.axl von 23abt)cr. 

8«. VII, 284 ©. 1890. 2^. 6.- . 

3nJo!t: Einleitung: S)ie Äangleifprac^cn. — S)lc !alfcr* 
lid)c ÄanglcüDradjc. — S)a8 ßcmeinc S)cutfc6. - ^ic 2)rucf« 
fprac^cn. — SDic bairifcfien 2)rucfc. — 2)ic Sluflgburgcr S)ru(f« 
fpracöe. — ^nbcrc fÄmäbtfdjc $)rucf)prQ(ftcn. — S)ic öoÄlcr 
S)rucffprQc6e. — Stnbcrc fcöwcijerifcfte 2)rucffpradicn. — S)ic 
©traöbutflcr 2)rucffprad)c. — JUcftart. — 2)ie ^Rürnbcracr 
S)rucffpract)e. — .^an» @a(^8. - 3)ic SRainjcr 3)rucffprad6c. 

— 2)tc Otcidi«ab|d)iebe. — SInbcrc mittclr^elnifcöc 2)rucf« 
fpracftcn. — 2)ic granffuitet 5)rucf|prac6c. — i)ic SranN 
furtcr 53lbflbrucfc. — 2)ic furfäc^fifcbc Äonälel. — Die ßcip« 
jigcr S)nicf fprad)e. — S)ic ©ntmicfelung öon Sut^erÄ ©proie. 

— 3)ic @prad)c bcr 33ibcl oon lö45. — S)ie Don ßutftcr 
abt)änfligc mittclbciitfci)c Literatur. — ^Ibmelcftungcn bcr 
nib. i'itteratitrfprac^e t>on fiutl)erS ©prodie. — äUefte Ort^o« 
grapliicbiid)cr imb ©rammatifen. - ^(tcfte aüörterbüc^er. 

— (^rammattfc^e Slb^anblungen. S^ergleic^enbe 
Tabellen. 



(ieschichte 

der 

Schwäbischen Mundart 

im Mittelalter und in der Neuzeit. 

Mit Textproben und einer Geschichte der Schriftsprache h Schwaben 

dargestellt von 

Dr. Friedrich Kauffmann 

Professor an üer Univcriiilut Halle ■« SL 

8. XXVllI. 355 S. 1890. M. 8.—. 

„Auf dem Qebleto der deutschen Dialcctfordchuu^ dQrft« seit lang^f 
Zeit kein Werk von äluilicher Bedeutsamkeit erschienen sein, wie das 
gegenwärtige. Wenn man Mreisss, was es heisst, die Gesohichto einer be- 
Ktimiu! rn Mundart eu schreiben, wie Tielcrlei da zu beobachten iit, wl« 
huikel die Ilciiut/.ung älterer Spraohquellon ist, so wird mJiu von vorn- 
herein keine g^criiige Vorstellung: von der Arbi'iuleistung eines Workee 
h'vben, das sich ci:ieD t>olchcn Titel K^bt. Diese i:lrwaiiun£: wird Al>er nicht 
irotüuscUt ; CS ht hier eine grosse Arbeit gcthun wurdou, wie »ie in difüef 
A": noch für keine deutscbo Mundart besteht, und sie ist mit Fidiffi UM' 
4tcht und äAohkountniss guthau worden.** 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg i 7 



Neuhochdeutsche Metrik. 



Ein Handbuch 

▼OB 

Dr. J. Minor, 

o. 5. Profewor an der Universität Wieiu 
Gr. 8«. XVI. 4^X> S. 1893. M. la— . 



«... Eine lyateniAtiBohe und nmfasaende Behandlung dar neahoeh- 
deaUehen Metrik so liefern hat Minor im vor liegenden Werice anter- 
nommen. Und wir dürfen sagen, dass er seiner Aaripabe in TortQglioher 
Weise gerecht geworden ist. Nicht xwar, das» wir mit seineu Resultaten 
fiberali einverstanden wären und in ihnen AbschliesHendes erblicken könnten. 
Das beansprucht er aber auch selbst nicht, sondern wunHcht, dass sein 
Buoh xtt weiteren Untersuchungen anregen möge. Und gernde in dieser 
Hinsieht erwarten wir davon die fruchtbarsten Wirkungen. Denn M. hat 
für die nhd. Metrik einen festen Boden geliefert, von dem aus sie weiter 
gebaut werden kann. Oans besonders die Oraudfragen : Rhyttimus. Quan- 
tität, Accent und Takt hat er in eingehender und vorurteilsfreier Weise 
unter Berücksichtigung ft'üherer Ansichten allseitig untersucht und er- 
wogen. Eine Fülle neuer and treffender Beobachtungen treten da au Tage. 
Die Quantität im nhd. \9rg^ d. h. die wirkliche, nicht mit dem Accent ver- 
wechselte, ist unseres Wisxens noch nirgends so objectiv untersucht worden. 
Aus dieser gründlichea Würdigung der Elemente ergeben sich denn auch 
für die Beurteilung des Vcmbaus wichtige Resultate. ... Mit dem Aus- 
druck des Dankes für reiche Belehrung wünschen wir, dass das Buch zum 
Aufblühen des wissenschaftlichen Betriebes dar neohochdeutsoben Metrik 
\eranlaasttDg geben möge* 

ky. £, im Liierar, CtHtralblatt, iSg4, Nr, iS, 

a. . . Slna rdoho Fülle des StotEsa bietet und bewältigt Minor , er 
achildart ebenso die gasclüchiliche Entwicklung aneh der auswärtigen 
FormcA in Deutschland, wie er das Originaldeutsehe der alten und neuen 
Zeit geschmackvoll würdigt. Und meine ganx besondere Freude sei nooh 
ausgesprochen über die ganz vortreffliche Darstellung des sogenannten 
Knittelverses, Jener freien Behandlung der durch den Reim verbuudeuen 
Zellen mit vier Uobungoo, die von zwei imsrcr grossten Dlcl>ter in awei 
ilurer herrlickstau Werke ao volkstümlich, wie kunstverständig verwertet 
sind, Ton Qoetlii» im nFaust**, Ton Sclitllor in «Wallenateioa Ltager". Gerade 
hier zeigt sich die Meistorschaft des VorCassers in der Darlegung, wie dor 
innere Sinn das Massgebeude bt und aus dem lebendigen Gefühl des 
Diobt«ra dar Rhythmus in seiner JCaunlchfaltigkeit »ich enlwlokalti wl.* 
Freiheit und Ordnung innigst zasamuionwirken * 

M. Carriir* in äer bdlagt £ur A/inr/u, Zdtuiig. xSg4* Sr. §04. 



2 



1 8 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 



Demnächst erscheint: 



Die Mundart von Imst (Tirol) 

LAUT- UND FLEXIONSLEHRE, 



Mit Unterstützung der Kaiserlichen Akademie der 

Wissenschaften in Wien 



von 



Dn Josef Schatz. 



8^ ca. 15 Bogen. Preis ca. M. 6.50. 



Fdsclirift zur SOjäk Ddöiifllieicr 

Karl Weinholds 



am 



14. Januar 1896. 



INHALT. Zum Versbau der Schnaderhüpfel. Von Otto 
Brenner. — H^rgr. Von Finnur Jönsson. — Deutsche 
Sulfixstudien. Von Friedrich Kluge. — Zur Geschichte des 
Volksnamens Tiriechen*. Von Gustav Kossinn a. — Die 
FVeunde der Aufklärung. Geschichte der Berliner Mittwochs- 
gesellschaft. Von Heinrich Meisner. — • Toten bretter im 
Schwarzwald. Von Elard Hugo Meyer. — Märchen aus 
Lobenfeld. Von Friedrich Pf äff. — Zur Behandlung des 
nachvokalischen -n einsilbiger Wörter in der schlesischen 
Mundart. Von Paul Pietsch. — Marktkreuz und Rolands- 
bild. V^on Richard S dir 5 der. — Die deutschen Mundarten 
in der Frankfurter National versanin)lung. Von Hermann 
Wunderlich. — Etzels Burg in den Nibelungen. Von 
Oswald V. Zingerle. 



8«'. VL 170 S. 1896. M. 4.50. 



Verlag von KAR|Lr J. TRÜBNER in Strassburo. 19 



Quellen und Forschungen 

zur 

SPRACH- UND OÜLTÜRGESCHICHTE 



I. 

II. 

in. 

IV. 

V. 
VI. 

VII. 

VIII. 

IX. 

X. 

XL 



XIL 
XIII. 
XIV. 

XV. 
XVL 

XVII. 

xvin. 

XIX. 
XX. 



der germanischen Völker. 

Herausgegeben 
von 

A. Brandl, Ernst Martin, E. Schmidt. 

1.-79. Heft. 1874 -"1896. M. 395.40. 

Qaiitlieha Poeten der deaUoben KalserMit. Stadien Ton 
Wilhelm Soherer. L Zu Oeneils and Exodos. 8. VIII, 
77 8. 1874. M. S -* 

Ungedruekte Briefe Ton und an Johann Georg Jaoobl, mit 
einem Abriss seines Lebens und seiner Diehtnng hrsg. von 
Ernst Martin. 8. 97 8. 1874. M. 8 40 

Ueber die Sanctgallischen Spraebdenkmiler bis xum Tode Karls 
des Grossen. Von R. Henning. 8. XIII, 159 8. 1875. M. 4 — 
Relnmar Ton Hagenan und Heinrich von Rugge. Eine litte- 
rarhistorlsche Untersuchung von Erich Sehmidt 8. 
122 S. 1875. M. 8 60 

Die Vorreden Friedrichs des Grossen sur Histoire de mon 
temps. Von Wilhelm Wiegend. 8. 868. 1875. M. 2 - 
Strassburgs Bifite und die voIkswirthschAftliehe Revolution 
im XIII. Jahrhundert von Gustav Schmoller. 8. 85 8. 

1875. M. 1 - 
Geistliche Poeten der deutsehen Kaiserseit. Studien von W. 
Scherer. IL Ueft Drei Sammlungen geistlicher Gedichte. 
8. 90 8. 1875. M. 4 - 
Ecbasis eaptivi, das älteste Thierepos des Mittelalters. Heraus- 
gegeben von Ernst Voigt. 8. I04 S. 1875. M. 4 — 
Ueber Ulrich von Llohtenstein. Historische und litterarische 
Untersuchungen von Karl Knorr. 8. 104 S. 1875. M. 3 40 
Ueber den Stil der altgerman. Poesie von Rieh. Heime 1. 
8. 54 S. 1875. M. 1 60 
Strassburg sur Zelt der Zunftklmpfe und die Reform seiner 
Verfassung und Vervraltung im XV. Jahrhundert von Gustav 
S h m o 1 1 e r. Mit einem Anhang : enthaltend die Reformation 
der Stadtordnung von 1405 und die Ordnung der Ffinfcehner 
von 1488. 8. IX, 164 ^. 1875. M. 8 - 
Geschichte der deutschen Dichtung im XI. und XII. Jahrb. 
von Wilhelm 9cherer. 8. X, 146 8. 1875. M. 3 50 
Die NominalsulAxe a und 4 in den germanischen Sprachen. 
Von H e 1 n r i c h Z i m m e r. 8. X, 816 8. 1876. M. 7 - 
Der Mamer. Herausg. von Philipp Strauch. 8. 186 8. 

1876. M. 4 - 
üeber den Mönch von Hellsbronn. Von Albrecht Wagner. 
8. 92 S. 1876. M. 2 - 
King Uorn. Untersuchungen sur mittelengllschen Spraoh- 
u. Litteraturgeschlchte von Theod. Wissmann. 8. 124 S. 
1876. M. 8 - 
Karl Ruefcstuhl. Ein Beitrag sur Ooethe-Lltteratur v. L. H i r • 
sei. 8 46 8. 1876. M. 1 - 
Flandrijs. Fragmente eines mittelnlederlftndlsehen Ritter- 
gediohtes. Zum ersten Male herausgegeben von Johannes 
Franck. 8. IX, 156 S. 1876. M. 4 — 
Bilhart von Oberge. Zum ersten Male hrsg. von B. Lichten- 
stein. 8. CCV, 475 8. 1878. M. 14 — 
Englische Alexiua-Ijcgenden aus dem XiV. und XV. Jahrh. 
Herausg. v. J. S c h I p p e r. 1 : Version L 8. 107 S. 1877. M. 2 50 

2* 



20 



Verlag von KARL J. TRÜBxVER in Stkasüburg. 



Quellen und Forschungen (ferner). 

XXI. Die AnfSngre des Prosaromans in Deutschland and Jörg 
Wickram von Colmar. Eine Kritik von Willi. Sehare r. 
8. 103 8. 1877. M. 8 50 

Ludwig Philipp Hahn. Ein Beitrag: zur CliArakterigtik der 
Sturm- nnd Drangzeit Ton Rieb. Ksria Werner. 8. X, 
142 S. 1877. M S - 

Leibnitz nnd Schotteliu«. Die UnTorgreifliehen Gedanken. 
Untersucht und hrsg. Ton A.U|^U8tSchinarB0ir. 8. VI, 
192 8. 1877. M. 2 — 

Die Handschriften n. Quellen WilUrams deutscher Paraphrase 
des hohen Liedes. Untersucht Ton Josef Seomfiller. 8. 
VIII, 117 8. .1877. M 2 50 

Kleinere lateinische Denkmäler der Thiersage aus dem XIL 
bis XIV. Jahrhundert. Herausgegeben Ton E. Voigt. 8. 
VII, 156 8. 1878. M. 4 50 

Die Offenbarungen der Adelheid Langnoiann hrs^. von Phil. 
Strauch. 8. XLII, 119 8. 1878. M. 4 - 

Ueber einige F&lle des ConjunctlTS Im Hittelhochdeutschen. 
Ein Beitrag zur Syntax des zusammengesetzten Satze« Von 
Ludw.Bock. 8.*YIII, 74 S. 18T8. M. 1 50 

Willirams deutsche Paraphrase des hohen Liedes. Mit Ein- 
leitung und Glossar herausgeg. von Joseph Seomfiller. 
8. XIV, 147 8. 1878. M. 3 - 

Die Quellen von Notkers Psalmen. Zusammeng^estellt Ton 
E. Henrici. 8. 358 S. 1878. M. 8 - 

Joachim Wilhelm von Brawe. der Schuler Lessings. Von 
AugustSauer. 8. VUI, 148 S. 1878. M. 8 — 

Nibclungenstudlen t. R. H e n n i n g. 8. XII, 329 9. 188S. M. 6 *- 
Beiträg^e zur Geschichte der germanischen Conjugation. Von 
Friedr. K 1 u jfe. 8. IX, lOf. 8. 18T9. M. 4 - 

Wolframs von Eschenbach Bilder und Wörter für Freude und 
L»«ld. VonLudwip Bock. 8. VIII, 74 8. 1879. M. 1 60 
Aufl Goethes Frühzeit. Bruchstucke eines Commentars zum 
J untren Goethe. Von W. Scherer. 8. VII, 130S. 1879. M. 3 - 
Wigaraur. Eine litterarhistorische Untersuchung von Greg. 
Sarrazin. 8. 33 S. 1879. M. 1 — 

Taulers Bekehrung. Kritisch untersucht t. Heinr. Sense 
Denifle. 8. VIII, 146 8. 1879. M. 8 50 

Uober den Einfluss des Rnimos auf die Sprache Otfrids. Mit 
einem Reinilexicon zu Otfrid. Von Theod. Ingenbleek. 
8. 95 S. 1880. M. 2 - 

Heinrich von Morungen und die Troubadours. Von Ferd. 
Michel. 8. XI, 272 8. 1880. M. 6 - 

Beitrage zur Kenntniss der Klopstock'schen Jng^endljrik. Von 
Erich Schmidt. 8. VIII, 92 8. 1880. M. 2 - 

Das doutsche Ritterdrama des XVIL Jahrhunderts. Studien 
über Jos. Aug. v. Törrln^, seine Vorgänger und Nachfolger. 
Von Otto Brahm. 8. X, 23.^ 8- 1880. M. 5 

Die Stellung von Subjeet und Prädicat.<»verbum im Heliand. 
Nebst einem Anhang metrischer Excurse. Ein Beitrag* zur 
german. Wortbildungtjlehre. Von JohnBies. 8. 129 8. 
l«8ü. M. 3 - 

Zur Gralsage. Untersuchungen von Ernst Martin. 8. 48 8. 
1880. M. 1 80. 

Die Kindheit Jesu Ton Konrad von Fussesbrunnen. Heraus> 
gftgeb. V. Karl Kochondör f fer. 8. VIII. 18G S. 1881. M.4 — 
Das Anegentre. Eine litter.-hist, Untersuchg. von E. Seh ro- 
der. 8. VIII, 96 S. 1881. M, 2 — 
Das Lied von King liorn. Mit Einleitung, Anmerkungen und 
Glossar V. Theod. Wissmünn. 8. XXII, 155 8. 1881. M. S 50 



XXII. 



XXIII 



xxrv. 



XXV. 



XXVI 

XX vn. 



XXVI17. 



XXIX. 

XXX. 

XXXI. 
XXXll. 

XXXIII. 

XXX IV. 



XXXV 



XXXVI. 
XXXVII. 



XXV ur. 



XXXIX. 



XL 



XLI. 



XLIL 

xijn. 

XLIV. 



XLV. 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg 2 1 



Quellen und Forschungen (ferner). 



XLVI. 

XLYII. 

XLYUl. 

XLIX. 

L. 
Lt 

LH. 
LIIL 

LIV. 

LV, 1. 

LV, 2. 

LVI. 

LVII. 

LVIII. 

LIX. 

LX. 

LXI. 

LXIJ. 

LXIII. 

LXIV. 

LXV 

LXVI. 

LXVII. 

LXVIII. 



Ueber di« Ute«t«]i hoohfr&nkUchen SpraebdenkmUer. Bin 
Beitnif nur Oraomatlk des Altbochdeatoohen. Von Oasi. 
KoBslna. 8. Xm, 99 8. 1881. X. 2 ~ 

Das deatMbe Haua In seiner hlitorbcben Entwieklnn^. Yob 
Rad. Henning. Mit 65 Holischn. 8. XL 1848. 1882. X. 5 — 
Die Aecente in Otfrledn Evangelienbaeb. Von N. SobeL 
8. 183 8. 1882. M. 8 — 

Ueber Georg Greflinger Ton Begensbarg, al« Dichter, Hiato- 
riker und Uebersetaer. Eine Utter.-hiitor. Unt«rt. Ton W. t 
Oettingen. 8. 94 8. 1882. M. 2 - 

EraolioB. DettUebe« Gedicht des XIIL J«hrhanderts. Heraus- 
geg. Ton Harald GraeL 8. 264 a 1888. 11.6 — 

Mannbardt, Mythologische Forsohnngen. Hrsg. Ton Herrn. 
Patzig. Mit Vorreden Ton Karl Mailenhoff and* 
W. Scherer. 8. XL. 882 8. 1884. IL 9 - 

Laurence Minots Lieder. Mit grammatlach-metrtscher Ein- 
leitung Ton Wilh. Scholle. 8. XLVIL45 8. 1884. M. 2 - 
Der Bttsammengesetcte Satz bei Berthold von Regensburg. 
Ein Beitrag zar mittelhochdeutschen Syntax von Hubert 
Roetteken. 8. XL 124 8. 1884. M. 2 50 

Konrads Ton WOrzburg Klage der KunsL Hrsg. von Eugen 
Joseph. 8. X. 92 S. 1885. M. 2 - 

Das fHeeische Bauernhaus in seiner Entwicklung während 
der letzten Tier Jahrhunderte. Von Otto Lasiu». Mit 38 
Holzschn. 8. 34 S. 1885. M. 3 - 

Die deutschen Haustypen Ton BadolfHenning. 8 34 8. 
1886 M. l - 

Die galante Lyrik. Von Max Freiherr ▼. Waldberg. 
8. XII, 152 8. 1885. M. 4 — 

Die altdeutsche Exodus hrsg. t. ErnstKossmann. 8. 150 8. 
1886. M. 3 — 

Grundlagen des mittelhochdeutschen Strophenbaus Ton 
Richard M. Meyer. 8. XII, 136 8. 1886. M. 3 — 

Ueber die Sprache der Vandalen. Ein Beitrug zur germa- 
nischen Namen- u. Dialectforscbung von FerdlnandWrede. 
8. VL 119 8. 1886. M. 3 — 

Die Poetik Gottscheds und der Schweizer. Litterar.-histor. 
untersucht Ton Frans Seryaes. 8. X, 178 8. 1887. M. 3 50 
Der Vers In Shaksperes Dramen TOn Goswin König. 
8. VIIL 138 S. 1888. M. 3 50 

Beowulf. Untersuchungen Ton B. ten Br in k. 8. VIII, 247 8. 
1888. M. 8 — 

(ie»chichte der Ablaute der starken Zeitwörter innerhalb des 
SüdenKlischen von K. D. Bfll bring. 8. 140 8. 1889. M. 3 50 
Zur Lautlehre der griechischen, lateinischen und romanischen 
Lehn Worte im Altenglischen Ton A. Pogatscher. 8. XII, 
220 S. 1888. M. 5 - 

Neue Fragmente des Gedichts van den vos Reinaerde und das 
Bruchstäck van bere Wlsselauwe, herausgeg. von Ernst 
Martin, 8. 78 8. 1889. M. 2 — 



Kaspar Scheidt, der 
nischen Lltteratur in 
8. 135 S. 1889. 



Lehrer FIscharts, Abriss der grobia- 
DentAchland von Adolf Ilauffen. 

M. 8 •* 



Ulrichs von Hütten deutsche Schriften, Untersuchungen mit 
einer yacble^e zu Uuttens Werken v. 8. Ssamatolski. 8. 
IX. 180 S. 1891. M. 4 — 

Über die Sprache der Ostgoten in Italien von Ferd. Wrede. 
8. 208 S. 1S9I M. 4 - 



22 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 



Quellen und Fonchnngen (femer). 

LXIX. 

LXX 

LXXI. 



LXXII. 



LXXIIL 
LXXIV. 



LXXV. 

LXXVL 

LXXVIL 

LXXVIII. 

LXX IX. 

LXXX. 

LXXXI. 



LXXXII. 



Lxxxin. 



Prothese und Aphaerese des H Im Althoehdentscben Ton 
H. Garke. 8. X, 126 S. 189L 11.3- 

Stadien s. Oesch. fL italion. NoTelle in der en^L Lltentnr 
de» XYL Jahrh. von E. Koeppel. S. 100 S. 1892. M. 2 50 
Judith. Studios in metre, langnaf:« and style with a Tlew to 
determlning the date of this old-en^lisb frafment and the home 
of its author. By T. Orogr. Fester. 8. X, 103 8. 18J«. M. 3 — 
Der althochdeutsche Isidor. Faosimileaos^abe des Pariser 
Codex nebst krlUsohem Text der Pariser und Ifonseer Bmch- 
stüclKe. Mit Einleitung, grammatischer Darstellan|r ua«! einem 
ausführlichen Glossar herausgegeben Ton Qeorg A. Henob 
8. XIX, 195 8. mit 22 Tafeln 1893. M. 20. - 

Zur EntWickelung der historischen Dichtong bei den Angel- 
sachsen Ton Daniel Abe gg. 8. XII, 126 8. 1894. M. 3 - 
Studien über das deutsche Volksbach Lucidarius nnd seine 
Bearbeitungen in fremden Sprachen. Von Karl Schor- 
bach. 8 XII, 277 S. 1894. M. 6 50 

Die Sprache der Langobarden. Ton Wilh. Brackner. 
8. XVI, 338 8. 1893. M. 8 — 

Huohown's Pistel o^ svete Susan. Kritische Ausgabe von 
HansKoster. 8. 98 S 1895. M. 3 — 

Studien über die ältesten deutschen Fastnachtsspiele. Ton 
Victor Michels. 8. XIL 248 S. 1896. 11.6 30 

Place Names in the English Bede and the Locallsation of the 
Mss. By Thomas Mi lief. 8. 80 8. 1896. M. 2 - 

Die Frühzeit des deutschen Minnesangs ron Eugen Joseph. 
I. Die Lieder des Kürenbergers. 8» VIII. 88 S. 1896. M. 2. 50 
Quellen zur Geschichte des vorshakespeareschen Dramas. Von 
Alois B r a n d 1 es. 13 Bogen (unter der Presse). 
William Browne. liis Britannias PastoraP» and the Pastoral 
Poetry of the Elizabethan age. Von Frederic "W. Moor- 
man. X. 139 S. 1897 M. 4. 50 

QuellenKtudien xu den Dramen George Chapman's, Philip 
Massäni^er'» ui>d John Ford'i». Von Emil Koeppel. IX, 
229 S. 1897. Mk. 6 — 

Lydgate's Kabuls duorum mercatorum aus dem Nachlasse des 
Herrn Professor Dr J. Zupitza, Litt. D. nach sämtlichen 
Handi^chrifren heraust^egeben ron Dr. GustaT Sohleich. 
Vlil, XCI, 154 8. 1897. M 6. 50 



Becker, Ph. Aug., |ean Lemaire. der erste humanistische 
Dichter Frankreichs. Kl. 8. XII. 3^0 S. 1893. M. 12.— 

Fischer, Rudolph, Privatdozent der engl. Philologie an der 
Universität Innsbruck, Zur Kunstentwicklung der 
englischen Tragödie von ihren ersten Anfängen bis zu 
Shakespeare. 8. XIII. 192 S. 1893. M. 5.— 

Kahle, Bernh., Die Sprache der Skalden, auf Gnind 
der Binnen- und Endreime, verbunden mit einem Rimarium. 
8. VIII, 308 S. 1892. M. 7.— 

Solmsen, Dr. Felix, Studien zur lateinischen Laut- 
geschichte. 8. VIII. 200 S. 1894. M. 550 

Tappelet, Ernst. Über die romanischen Verwandt- 
sc h a ft s n a m e n. Mit besonderer Berücksichtigung der fran- 
zösischen und italienischen Mundarten. Ein Beitrag zur ver- 
gleichenden Lexikologie. 8. Vll, 178 S, mit 2 Karten. 
1895. M. 6.—, 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 23 

Abriss 

der 

urgermanischen Lautlehre 

mit besonderer Rücksicht auf die 

nordischen Sprachen 

zum 

Gebrauch bei akademischen Vorlesungen 

von 

Adolf Noreen. 

Vom Verfasser selbst besorgte Bearbeitung nach dem schwe 

dischen Original. 

8^ X[I 278 S 1894. M 5. -. 

^Schon die schwedische Ausgabe., die Tor mehrercu Jahren «rachienen 
ist, hat in diesem Blatte wanne Anerkennung gefunden. In noch höherem 
MasFe Terdient die deutsche Bearbeitung das jener gespendete Lob. Sie 
ist eine überraschend reichhaltige, übersichtlich angeordnete und fast 
durchweg zuverlässige Dar«itellung eines der wichtigsten Kapitel der ger- 
manischen Grammatiic. Die umfangreichen und sorgfältigen Literatur- 
angaben sind besonders dankenswert; man wird kaum eine Stelle von 
einiger Bedeutung Termissen. Ausführliche Wortregister erhöhen die 
Brauchbarkeit. Schon die alt isländische Grammatik in Braune*s Sammlung 
und die Geschichte der altnordischen Sprache in Panl's Grundrlss, beides 
Musterleistungen, haben das grosse Talent Noreen's iHr die Bewältigung 
spröder Stoffmassen gezeigt. Dieselbe Begabung bewährt sich auch In dem 
neueo Werke. £s xerfällt in zwei grosse Abüchnlttc. die Sonanten und 
Konsonanten Oberschrieben sind. Jedem dieser Teile gehl ein kurter 
überblick fibef den idg. Lautstand Toraus. der mit Hllfc des Indischen, 
des Griechischen und des Lateinischen erschlossen wird. Dann folgen die 
urgermanischen Ljuitgesetze. Den Be^chluss mnoht Jedesmal ein umfäng- 
liches Kapitel, das die Spuren idg. Lautgesetze im Germanischen ver- 
folgt. 

Ref. bemerkt noch, dass die urgerm. Lautlehre ein im hohen Grade 
empfehlenswerte« Buch ist. dem ein voller Erfolg im Interesse der ger- 
manischen Grammatik lebhaft gewünscht werden muss. — — * 

Literarisches Ccntralblatt lSg4. No. JJ. 



Der indogermanische Akzent. 

Ein Handbuch 

von 

Dr. Hermann Hirt, 

Privatdorent an der Univer.sität Leipzig. 



24 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassbürg. 

Sammlung 
indogermanischer Wörterbücher. 

I. Üübiehmann, H., Etymologie und Lautlehre der 
ossetischen Sprache. 80. VIII u. 151 S. 1887. 

M 4— . 

II. Feist, S., Grundriss der gotischen Etymologie. 
80. XVI u. 167 S. 1888. M. 5.—. 

III. Meyer^ Gustav, Etymologisches Wörterbuch der 
albanesischen Sprache. 8°. 524 S. 1891. M. 12. — . 

IV. Hom, Paul, Grundriss der neupersischen Ety- 
mologie. 80. XXV. 386 S. 1893. M. 15.-. 

V. Leumann, E. vl. J., Etymologisches Sanskrit- 
Wörterbuch (unter der Presse). 

Grammatik 

der 

Oskisch - Umbrischen Dialekte 

von 

R. von Planta. 

Erster Band 8". VIII u. 600 S. 1892. M. 15 — . 

NRchdem die Sprachwissenschaft ^ie oskisoh-umbriBchen Dialekt« 
längere Zeit ziemlich abseits hat liegen lassen, herrseht jetzt auf diesem 
Forschungsgebiet wieder ein erfreulich reges Leben. Fast gleichzeitig sind 
drei grössere Arbeiten erschienen, die sich mit der Ijautgeschichte dieser 
Mundarten beschäftigen. Davon ist die umfassendste und bedeutendste das 
uns vorliegende Buch eines jungen Schweizers. Die Einleitung giebt au- 
nachst einen geschichtlichen üeberbliek über die Erforschung der oskisch- 
umbrischen Mundarten ; darauf wird die Stellung der letzteren Im Kreis 
der altitftlisch(Mj Sprachen und ihr Verhältnis unter sich behandelt ; weiter 
■werden die Denkmäler (hauptsächlich Inschriften) aufgez&hlt and charak- 
terisiert. Im ersten Kapitel der Lautlehre werden die Alphabete der In- 
schriften und die orthographischen Fragen (Uezeichnung der Consonanten- 
dehnung, der Vocallänge etc.) erörtert. Darauf folgt die Darstellabg der 
Lauterscheinunpen, die sowohl dem stntijitisch-descriptiven als auch dem 
enrwickelungsgeschichtlichen Beirachtungsstandpunkt gerecht wird. . . . 

Wir behalten uns vor, auf das Werk nach Erscheinen des zweiten 
Bandes etwas ausführlicher zurückzukommen. Für jetzt sei nur noch be- 
merkt, dass wir es mit einer auf gründlichstem Studium beruhenden, dturob» 
aus soliden und in manchen Beziehungen geradezu musterhaften Arbeit zu 
thun haben, die als ein die geflammte bisherige Forschung zasammen- 
fassende» Handbuch für jeden, der sich mit den altitalischen Sprachen 
beschäftigt, unentbehrlich sein wird. 

Literarisches Ceniralblatt iS<)3 Nr, /o. 

Der II. Band ist unter der Presse. Er wird die StaminbildniMS- und 
Flexionslehre, die Syntax, einen Anhang mit Bemerkungen zu elnzeltieii 
Inschriften, eine vollständige Sammlung der Inschriften und ein QlWfHr 
enthalten. 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 25 

Geschichte 

der ^ 

GROTESKEN SATIRE 

von 

Dr. Heinrich Schneegans, 

Privatdoccnt der romanuchen Philologie an der UniTersität Strassburg 

Mit 28 Abbildungen. 



gr. 8«. XV. 523 S. 1894. M. 18 . 

Inhalt: Einleitung. — Erster Theil: Die Zeit vor 
Rabelais. Kap. I: Die Keime der grotesken Satire im 
Mittelalter. Kap. II : Die italienische Ritterdichtung. Knp. 
III : Die roacaronische Poesie der Italiener. Kap. IV: Die 
vom Humanismus und der Reformation ausgehenden Satiren 
Deutschlands. — Zweiter Theil: Rabelais. Kap. I: Die 
Satiren der Ritterromane. Kap. II : Die Satiren der ein- 
zelnen Gesellschaftsklassen. Kap. III: Der Stil Rabelais'. 
— Dritter Theil: Die Zeit nach Rabelais. Kap. I: Die 
Ausseren Nachahmer Rabelais' unid die von ihm beeinflusste 
Kunst. Kap. II: Die französische Satire im Geiste Rabelais'. 
Kap. III: Das Groteske bei Fischart. Kap. IV: Die Aus- 
läufer der grotesken Satire und des grotesken Stils. — Schluss. 

.... Es ist ein Verdienst von Schneegans, zum ersten 
Male eine reinliche Scheidung zwischen grotesk, burlesk und 
possenhaft versucht und auf inductivem Wege vollzogen zu 
haben. Wir haben jetzt wenigstens eine zusammenfassende 
Bezeichnung fQr Rabelais' Eigenart: Rabelais ist der Meister 
der grotesken Satire. Das Groteske beginnt mit der tollen Un- 
möglichkeit, der kolossalen Uebertreibung .... 

.... Rabelais' Eigenart endlich ins richtige Licht gerQckt 
zu haben, ist das Verdienst des geistvollen und tiefgründigen 
Buches von H. Schneegans. Wesen und Physiognomie der 
grotesken Satire, sowie die Zeit, aus der sie ihre Lebenssäfte 
sog, treten mit geradezu plastischer Anschaulichkeit hervor. ' Die 
neuere Literaturwissenschaft bringt nicht alle Jahre ein Werk 
hervor, welches an das hier besprochene einigermassen hinan- 
reicht 

y. Sarrazin 
m der Beilage %ur AU^emehten Zeitung iSgj Nr. 16^ 



2 6 Verlag von KARL J. TRÜBNER in SiHassburg. 



Die 

deutsehen Runendenkmäler 

herausgegeben 

von 

Rudolf Henning. 

Mit 4 Tafeln und 20 Holzschnitten. 



Mit Unterstützung: der kgl- preuss. Akademie der Wissenschaften. 
Fol. Vlll u. 156 S. l88y. Preis kart. M. 25.—. 

Inhalt: 1. Die Speerspitze von Kovvel. — II. Die Speer- 
S))itze von Müncheberg. IIa. Die Speerspitze von Torcello. — 
III. Der Goldring von Pietroassa. — IV. Die Spange von 
Clinrncy. — V. Die Spange von Osthofen. — VI. Die Spange 
von Frei lau hersheim. — VII. Die grössere Spange von Norden- 
dorf. — Vlll. Die kk'inere Spange von Nordendorf. — IX. Die 
Etn<;et Spange. — X. Die Friedherger Spange. — XI. Der 
(ioldring des Berliner Museums. — XII. Der Bracteat von Wapno. 
XI 11. I »er zweite Bracteat des Berliner Museums. — XIV. Die 
I).\nnenherger Bracteaten. — XV. Der Bracteat aus Heide. — 
XVI. Das Tonköpfchen des Berliner Museums. — Ergebnisse. 
Anhang und Register. 



Das deutsche Haus 

in 

seiner historischen Entwickelung 

von 

Rudolf Henning. 

Mit 64 Holzschnitten. 

Ouellcn und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der 

germanischen Völker. Heft 47- 

8'». IX. 184 S. 1888. M. 5.-. 

Inhalt: Kinloiiuug-. — Die fränkisch-oberdeutscho Bauart. — Pio 
i-ärhi^ihoh«» ihiuart. - Die friesische Bauart. — Die «niflo-dänische Bauart. 

— Die nordischo Baunrf. — Die ostdeutsche Bauart, — Da» ariü^he Hau^. 

- üur ücschichttj des deutscheu llausea. 



Verlag von KARL J. TRÜßNER in Strassbürg. 27 



(S{fa;0 uttb Stttbten 

IHr 

@prad^gef(^i(l^te unb 93bIIgfunbe 

(Büiiav iXfcytt 

^rohffpr an bcr ttnivcrfltll •?«!. 

I. 9anb. 8». VIII, 412 @. 1886. 3». 7.—, geb. Tl, 8.-. 

3n6alt: S^r 8)ira4gef4td|te. I. S)a9 inbogermanififie 
UrDoK. IL ^ie etru«ftf((e ^pra^frage. IIL lieber ©pradie 
unb iiiteratttt bei Sllbanefen. FV. ^a8 heutige (Drie4if4. 
V. G^onftanttn €atbaiS unb bie 6(apenfrage in ©riedtenlanb. 

SttrtietfilrtdtenbenSIl&rAenftinbe. I.{$olf(ore. ILWlaxdttn^ 
forfdiung unb 2(Itert^um8n)inenfd|aft III. Slegl^Dtif^e Tlax^btn. 
IV. SlrabifAe SRardEien. V. $rmor unb ^f^d^e. VI. ^ie Quellen 
beS S)ecameTone« YIL^übnabtf^eST^ard^en. YIII. ^er Statten* 
fängertxm Hameln. IX. ^er$atbebeSXobe9. X.fR'vp banSBinRe. 

3nr f^rnntnit M So(!8(iebe8. I. 3nbif(fie Sier^etlen. 
II. 9^eugriett)tfcbe S3oI!«poefte. III. ©tubien über baS ^nahtv 
^übfel. 1. 3"^ Literatur bet ©(^naber^üpfel. 2. ^ierjeile unb 
me^rftrop^tldieiS i^teb. 8. lieber ben 9^atureingang bed ®(^naber* 
^flpfel». — ^tumerfungcn. 

II. ©anb. 8*. VL 380®. 189a SW. 6.— , geb. 5W. 7.-. 

gnbalt: L gfrang ©opp. — IL ®eorg (Surtiu». — 
ni. 2Bdtfpra(6e unb SQBeltfpracöen. — IV. (gtru«fif(^e8 au« 
Slcgljpten. - V. $)ie STuSfpratftc be8 SriedüWen. — VI. SSon 
ber WIefif*cn SWunbart, - VII. 3ur G;^|Qrofteriftif ber inbifdien 
Literatur. 1. SHIgemetne ©runblagen. 2. ^er SSeba. 3. Stklu 
bAfa. - VII r. 3tgeunerpbiloloate. — IX. SSoIfölieber aia 
^4)iemont. — X. 91engriec^tf(!^e |)oc63eit8braucbe. — XI. 3ur 
SSolföfunbe ber ^Ipenlanber. — XII. ^innifdie S^olföliteratur. 

— XIII. S)a« 3fläubertt)efen auf ber öaUanHbtnfel. — 
XIV. @tne ®cf*td)te ber bDgantinif*en ßiteratur. - XV. 
atöen im aWittelalter. — XVI. 5)a8 beutige ©ried&enlanb. — 
XVII. (Sried^ifAe 9letfemomente. 1. ^on Storni na« ^t^en* 

2. atben. 3. 3m ßanbe ber »elopibeu. - XVIII. 3ante. — 
XIX. »pullfc^e äieifetage. 1. 93on '3rtnbtft nadi Secce. 2. Secce. 

3. StaUmera. 4. 2:arent — XX. S3ei ben Sllbanefen StoHenl». 

— XXI. S)a« 3ubt(äum ber Untoerfttat in Bologna. — 9n« 
merfungen. 

Der wisaenschaftliche Wert eines Werkes von Gustav Meyer 
Ist stets Über allem Zweifel erhaben; das vorliegende ist aber ver- 
möfre seiner glänsenden Darstellung von Anton SchSnbaeh für 
würdig befunden worden, in seinem Buche «Über Lesen und Bildung, 
4. Auflage*' unter den Werken aufgeführt xu werden, die einen Ehren« 
pUts In dem geistigen Haushalt jedes G^bildctet) verdienen. 



28 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassbürg. 

Handbuch 

der 

neugriechischen Volkssprache, 

Grammatik, Texte und Glossar. 

Von 

Dr. A. Thumb, 

a. o. Professor an der Universität Freiburg i. Br. 

80. XXV, 240 S. mit einer Schrifttafel. 1896. Broschirt M. 6.—. 

in Leinwand gebunden M. 7.—- • 

^Endlich einmal eine brauchbare Grammatik der oeugriechischea 
VolkHfiprache, ein Buch, dati nicht jenes aus allen mö(fIiohen Formen su- 
sammengrebraute Kauderwelsch der Zeitung-en aud Büchoir, Bondem die in 
{^efietxmäHsi^er Kutwicklun^ entstandene lebendig-e Sprache der Gegen- 
wart lehrt! Th. hat es verstanden, den wiehtig^sten Sprachstoff auf sehr 
knappem Räume mitzuteilen. Indora er sich auf die Verzeichnung der That- 
üachen mit den unent))ehr1iohsten Erklärungren beschränkte ; die gram- 
matische Abteilung des Handbuches umfasbt nur 124 Seiten ; dann folffon 
gemeinneugTiechische und dialektische Texte in Poesie und Prosa (S. 127 bis 
194). endlich ein Glossar (S. 195-239). Hundertmal bin ich nach einem 
(.rnktischen Handbuch der neuf^riechischen Volks*«prache fjfefraf^ worden, 
und stets war ich in Verlegenheit, was ich den Leuten eigentlich nennen 
sollte; <iie gleiche Verlegenheit druckte mich Jedesmal, wenn ich eine Vor- 
lesung über neugriechische Grammatik hielt und den Zuhörern lur Ver- 
ciiifuehung und Krleiehterung des Unterrichts etwas Gedrucktes in die 
Hand geben >i\ollte. Wer die Xot so an eigenster Haut gefühlt hat, wird 
dem Verfasser für seine schöne Arbeit doppelt dankbar »ein und gerne 
darauf verzichten, ihm einzelne Unebenheiten aufzumutzen. Möchte nun 
auch eine historische Grammatik des Neugriechischen, die dem byzan- 
tinischen Stiidieukreise noch näher liegen würde , uns bald bescheert 
werden!" A', A'. {i^yzantimschg Zeitschrift iö<pj 6. 220). 



Berneker, Dr. Erich, Die preussische Sprache. Grammatik. 
Texte, etyinolüjjjisches Wörteibueh. 8*^. XU* u. ,335 S, 
1896. ' M. 8.— 

Luick, Karl, Untersuchungen zur englischen Lautgeschichte. 

8". XVUl, XU S. l8c>6. M. g. -> 

Viljoen, W. J., Beiträge zur Geschichte der CaphoUän- 
dischen Sprache. 8<^. 58 S. l8</). M. I.50. 

Wiedemann, Dr. Oskar, Handbuch der litauischen Sprache. 

('jiamniiitik. Texte, Würtei bucli. 8^. XVT, 350 S. I897. 

M. 9.- 

l'nter der Presse befindet sich : 

Kluge, Friedr. u. Friedr. Lutz, English Etymology. A 

bclect Glossary for the Ube of lliglischuols and Colleges. 
8<>. ca. 16 Bogen. 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 29 



Griechische Geschichte 

von 

Julius Beloch. 

Erster Band : Bis auf die sophistische Bewegung und den 

peloponnesischen Krieg. 

gr. 8<>. XII, 637 S. 1893. Broschirt M. 7.50, in Halbfranz ' 

gebunden M. 10. — . 

Der zweite Band: Vom peloponnesischen Krieg bis 
auf Aristoteles und die Eroberung Asiens unter der Presse, 
erscheint Ende 1896. 

n- . ' Das Ganze ist fliessend geschrieben, von durchsich- 
tiger Klarheit, gleich abgerundet in Form und Fassung. So tritt * 
das Buch mit dem Anspruch auf, dem deutschen Publikum zu 
bieten, was es bis jetzt noch nicht besitzt: eine von wirklich 
historischem Geist getragene und zugleich lesbare Geschichte 
Griechenlands. Ref. steht nicht an zu erklären, dass es diesen 
Anspruch in weitem Umfang erfÖllt. Durch einen freien und 
weiten Blick, durch umfassende historische Kenntnisse, durch 
gründliche Durcharbeitung des Materials war der Verf. ffir seine 
.4ufgnbe vorbereitet. Von der Selbständigkeit und der vor keiner 
Consequenz zurückschreckenden Energie seines historischen Ur- 
teils hat er schon früher vielfach Proben abgelegt ...» 

Eduard Meyer im Literarischen Centralblatt i8g4, Nr. 4. 

Der eigentliche Vorzug des Werkes liegt auf dem Ge- 
biete der Darstellung der wirtschaftlichen und 
socialen Grundlagen des Lehens, in denen B. die 
materiellen Grundlagen erkennt, auf denen sich die grossartigen 
Umwälzungen, auch der geistigen und politischen Entwickelung 
vollzogen. Da B. gerade in dieser Beziehung das Material be- 
herrscht, wie nicht leicht ein anderer Forscher, so durfte man 
hierin von seiner Darstellung Ausführliches und Vorzügliches 
erwarten .... Glanzpunkte sind der VII. Abschnitt: Die 
Umwälzung im Wirtschaftsleben (vom 7- Jtum 6. Jahrh.) und der 
XII.: Der wirtschaftliche Aufschwung nach den Perserkriegen 
.... Ueber die Bevftlkerungsverhnltnis.se, über die Getreide- 
einfuhr, über das Aufhören der Natural- und den Beginn der 
Gcldwirtschaft, die Eiträgnisse der Industrie und des Handels. 
Ober Zinsen. Arbeitslöhne etc. erhalten wir die eingehendsten 
Aufschlüsse und wundern uns, wie diese wichtigen Dinge 
bei der Darstellung der griechischen Geschichte 
bisher unberücksichtigt bleiben konnten. 

. . . Die Form der Darstellung ist eine ausseiordentlich 
gewandte und fliessende. 

B2. /. d. Gyrnnasialschulwesen, XXX. Jahrg, S. 67t u. /"• 



30 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburo. 



Geschichte 

der 



Griechischen Plastik 

von 

Maxime Collignon 

Professor an der Facultä des Lettres in Paris. 

Ins Deutsche übertragen und mit Anmerkungen begleitet 

von 

Eduard Thraemer 

a. o. Professor an der Universität Strassburg. 

Erster Band. Mit 12 Tafeln in Chromolithographie oder 
Heliogravüre und 278 Abbildungen im Text. 

Erste bis vierte Lieferung. Lex.-Octav. 480 S. 18%— 1896. 
Die 5. ($chlus8-)Lleferung erscheint Ende 1896. 

^Collignon*8 HiBtoire de la scttlpture grrecqtte, deren erster and bisher 
einziger Band 1892 erschien, hat mit Recht fiberall eine sehr ^nstge Auf- 
nahme gefunden. Der Verf. steht von vorn herein auf dem Boden, der 
durch die um walzenden Entdeckungen der letzten Jahrzehnte geschaffen 
ist, und betrachtet von diesem neu gewonnenen Standpunkte aus auch die 
älteren Thatsachen und Forschungsergehnisse. Er beherrscht die ein- 
schläg^ige Literatur, in der die deutsche Forschung einen bedeutenden Plats 
oinnimmt, und weiss die Streitfragen oder die Thatsachen In geschmack- 
voller Form und ohne ermüdende Breite darzustellen. Eine grosse Anzahl 
gut ausgeführter Textillustrationen, nach zum grossten Teil neu an- 
gnfcrtigten Zeichnungen, dient dem Texte zu anschaulicher Belebung und 
bietet eine vornehme Zierde des Buches, sehr verschieden von Jenen oft 
nichtssagenden Umrissen, welchen wir in ähnlichen Büchern so oft be- 
gegnen. So war es ein glücklicher Gedanke, CoUignon's Werk dem 
deutschen Publikum, nicht blus dem gelehrten, durch eine deutsche Ueber- 
setzung näher zu bringen. Von dieser liegt die erste Lieferung vor ; vier 
weitere von ungefähr gleichem Umfange sollen den ersten Band zu Ende 
bringen. Der Uebersctzer, Dr. Ed. Thraemer, hat seine nioht ganz eInCacho 
Aui'gabe vortrefl'lich gelöst: die Darstellung liest sich sehr gut und man 
wird nii'ht leicht dar.m erinnert, das» man eine Uebersetzung vor sich hat. 
Hier und da ist ein leichtes thatsächllches Versehen stillschwelgend be- 
richtigt, anderswo durch einen (als solcher bezeichneten) Zusatz ein Hin- 
weis auf entgegenstehende Auffassungen, auf neuerdings bekannt gewordene 
Thatsachen, auf neu erschienene Literatur gegeben ; besonders zahlreich 
treten solche Bemerkungen bei der Kypseloslade auf (S. 97 fg.). Im Ganzen 
jedoch handelt es sich um eine Uebersetzung, nicht um eine durchgehende 
Bearbeitung des Originalwerkes, so dass der Leser überall Colljgnon*s 
Autl'iiSüungen ohne fremde Acnderungen kennen lernt. Die Vorzüge de» 
Bu(!he8 werden Immer deutlicher hervortreten, je festeren Orund die Dar- 
stellung gewinnt, je reicher und bedeutender die Monumente zufliesten 
(die erste Lieferung, die nahezu das erste Buch umfasst, hat et nur noch 
mit den „Anfiiiih'en" zu thunU Die äussere Ausstattung ist in Papier und 
Druck der Ori>,'iunlftnsgHbe mindestens ebenbürtig, die Abbildungen sind 
z. T% noch schärfer als dort herausgekommen, und dabei ist der Prei« ge- 
ringer (20 Mark statt 30 Francs für den Band). Die schönen Volltafeln, in 
Farbendruck oder Heliogravüre, werden je den betreffenden Lieferungen 
beigegeben werden. Wir köimen dem Werke nur den raschen Fortgang 
wünschen, den der Prospekt des Verlegers in Aussicht stellt.** 

/f. (Liter, Ceniralblatt tügi. Nr. J^.) 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 31 
Soeben erschien : 

Holbeins Totentanz 

und 

seine Vorbilder 

Alexander Goette> 




Mit 95 Abbildungen im Texte, 3 Beilagen und 
9 Tafeln. 



Lex--8". X, 291 S. 1897. Preis M. 20.—. 



32 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburo. 



3ur 3lnalt)fi6 in ütrhltdlhett (^me Erörterung 

her (i)runb))robIeme ber ^4}f)Uofo))6te Don Otto Sieb« 
mann. Swcitc, beträc^tli* Dcrmc^rte «ufl. 8^ 680®, 
1880. 3R. 9.- 

Snl&alt: Somort gur crßen Sfuflage. — SSortoort jur stt)cttcn 
Auflage. — $ro(egomena. Crrßer MMnitt: 3ur Er* 
fenntntSfTtttf unb XrandfcenbentaI.p6t(o* 
foppte. — ßbeatidmuS unb 9leali8mu9. — Über btc 
i^bänomenalttät beS ä'^aumeS. — ^t^ana. — Staunt« 
cftarafteriftif unb SRoumbebuftioju — Über Tubjeftiüe, obs 
jefti&e unb obfolute 3^tt. — Ober relatiüe unb abfolute 
©ettegung. — 3ur Xbeorie beS 6eben«. Erfte« ÄapitcL 
3b. Stoeite« 9tat>ittL — S)ic fiopif ber Xftatfa^en ober 
^aufalitöt ber 3^ttfoIge. — £te SJtetamorp^ofeu bed 
Slprtoru Sioeiter Wf 4nitt : 3ur 9taturpbtIofopbte 
unb $ft|d)oloale. — SSorbetrac^tungen. — Erfk afie« 
bitatton. 3b. 3toeitc SWebitalton. — Über ben pbilih 
fopöifct)en Tkxt ber mat^ematiWen S^aturwiffcnfdjaft. — 
Einige SBorte über ba9 9tom. — $(atontSmu8 unb ^ar* 
miniSinuS. — ^aS Problem beiS £ebenS. — Slpborifimen 
siiT ^oSmogonie. (3J?QtboIogte unb $^tIofop^ie. Jßiftorifdbe 
vlotii. SBebenfen. ©eogonie. 5(aufaUtät unb Celeologte. 
(5-iüiflc ^alingeneRe. Sbcenorbnung Im llniöerfirai.) — 
Über ben Snftinft. — Sie Slffociation ber öorftcttungen. 
— Über bic Ejiftcng abftrafter ©egriffe. — 2Wcnfd)en= 
unb 2:icrücrftanb. — @cbtm unb @eift. — S).ie Einbeit 
ber dlatnx. 2)rttter WMniH: 3ur äftbetif unb 
Etbif. — 3bcal unb SBirfltdireit. - a)a8 äftfietifdic 
Sbcül. — S)ag etbifc^e 3beal. 

(Bebanhen itnb Shfltfadiei!» ^^iiofopibif*« sibbanb« 

hingen, 2(pborigmen unb 8tubien Pon Otto Siebmann, 
erftf« J&eft: S)ie 2(rten ber ^otbtoenbigfeit. — 2)ie 
med)anifct)c 9ktur-Erflärung. — 3bee unb Entelctftte. 
8^ 121 ©. 1881. , 3R. 2,50 

Über Pllilofophirdie graMtiom Eine olabemtWe 

^ilntrittörebe, gebaftcn in ber 2(ula ber UniOerRtät S^na 
am 9. 2)ecember 1882. Sßon Dtto ßiebmann. 8«. 
32 ©. 1883. Wl. 1.- 

^ie $lima3g ber 8lhC0neem Eine Unterfu^ung au» 

bem :iöercicb ber allflemeineu iöiffcnfd)aft8lebre bon Otto 
i^icbmann. 8^ 113 @. 1884. »♦2.- 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassbürg.33 



^iftorifd^e imb polittfd^c 

Jluffä^e unb l^ebm 



^eritunn J^aamgarten. 

anit einer btoflra))(tf(6en (Einleitung 

CIrid) IKarAs 

unb einem iBUbniS be» SBerfaffeti)« 
flr.8«. CXLI,528@. 1894. S3rof*. SR. 10, in ftlbfrj. geb. SW. 12. 

Snbalt: SBioarak)^* (Sinlettuna bon dridi Ttaxd», — I 9iebt 
gur geier be» 18. Oftober 1863, - IL 2)on ®a8par Tltld^ox 
be SobedonoS ri863). — III. ^r beutfc^e SiberoIiSmuS. 
Sine ©elbftfriti! (1866). - IV. SEBar ßeffing ein eifriger 
Patriot? (1867). V. Äarl ©rater (1869). - VI. sßie 
mir »ieber ein »o« geworben finb (1870). - VII. 3ur 
«Beurteilung her franjioflf^en »cbolution (1870). — VIII. 
i^rber unb ©eorg Sofiaer (1872). «- IX. $lr4ibe unb ^'u 
bitotbefen in gfrantrei« unb ^eutfcblanb (1875). — X. Siebe 
ouf 3afob ©türm am 1. Wlai 1876. — XI. ©troftbnrg öor 
bcr 9leformation (1879). — XII. 3gnotiu8 oon 2ot)Ol(u 
Vortrag im 9toDembet 1879. — XUI. 9idmtfcbe Xriumpbe 
(1887) ~ XIV (Scba4tni»rebe auf ftaifer fjriebri* (1888). 

» . . . Ks bleibt uns wenig Übrig, als die Leser zu dem Denk- 
mal hinzufOhren , das ihm , in Gemeinschaft und unter thätiger 
Mitwirkung Konrad Varrentrapps. von einem seiner jQngeren 
SchOler in der ansprechendsten und würdigsten Weise errichtet 
worden ist. Nachdem Erich M a r c k s schon im Herbst des vorigen 
Jahres in der Allgem. Zeitung ein Lebensbild Baumgartens ver- 
Aflfentlicht hatte, ist dasselbe jetzt in erweiterter Umgestaltung 
tintr Sammlung historischer und politischer AufsJ^tze und Reden 
vorangestellt worden, die nach dem Urteil der Herausgeber die 
Sinnesweise, vielmehr die ganze Persönlichkeit des Mannes zu 
zeichnen am geeignetsten erschienen. Es war die Absicht. „Ein^n 
von dem Geschlechte festzuhalten, dessen gesamtem Ringen wir 
das Reich verdanken*. Indem in den mitgeteilten StQcken aus den 
Jahren 1863— 1888 der Mann sich selbst darstellt, wie er zu ver- 
schiedenen Zeiten immer derselbe war, indem die biographische 
Einleitung uns das Werden des Publizisten und Historikers auf- 
zeigt und sein gesamtes schriftstellerisches Wirken zu den inneren 
und äusseren Beziehungen zurückverfolgt, aus denen dasselbe ent- 
sprang, ist diese Absicht vorzüglich erreicht worden. . . ." 

Preussische Jakrhücker, Bd, 76, Heft 3. 

3 



34 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Stkassburg. 

5t?affpere. 

giinf 3Sorlcfungcn au8 bcm 9^od^lafe 

Jbcrnl^atb ten ^ritiF. 

aRit bem a3ilbnt6 beS SSerfafferS, rabtert bon SB. ftrouSfo^if. 

%xftt «Hb 9l»eUe 9ltt|Ia(|e. 

fticin 8*. 166 6. 1893. SW* 2.—, gcbunb^n 3». 8.— ♦ 

Sn^ait: ^rfte S3oTlefunq: S)er ^id^ter unb ber a)9enf<4. — 
Stotiit SSorlefung: 2>te 3eitfoIge oon @^affpm9 Werfen. 
— 3)rittc Sl^orlcfung : ©baffpcrc d« S)romaHfer. — SBiertc 
Sl^orlcfung: ®6atfpere als fotnifc^er ^ic^ter. ~ t^ünfte 
S^odefung: 6^atfpere als Xragiier. 



•• 



Es ist ein hoher und herrlicher Geist, der aus diesen 
Vorträgen spricht. Flammende Begeisterung, philosophische 
Bildung und strenge Wissenschaftlichkeit, feinstes Verständnis« 
und Nachfühlen des Dichters, das sind die Vorzüge, die sich hier 
miteinander vereinen " 

Seemanns Litterar. Jahresbericht iSgj. 

»Bedarf es eines Beispiels för die Art von Wissenschafk. 
wie wir sie uns denken, so sei nur im Augenblick auf das 
k6.stiiche Buch Ober ^Shakespeare* verwiesen, das aus dem 
Nachlasse von ten ßrink, eines der hervorragendsten Gelehrten 
unserer Zeit, durch die Sorgfalt Edward Schröders zugänglich 
geworden ist. Was psychologische Synthese und nachftlhlendc 
Ae.sthetik zu leisten vermag, darüber belehrt dieses kleine Werk 
besser, als es der weitläufigsten Theorie gelänge •* 

AfUon E. Scfwftback in Vom Fels zum Meer i8g3\g4 ^^fi ** 

Dieses Buch ten Brinks ist bei Schönbaek (Über Lesen und 
Bildung^ 4.. Aufl.) unter den besten deutschen Prosawerken 

genannt. 



Vkrlao von KARL J. TRÜBNER in Strassbtoo. 35 

Sittlidfes Sein 

unb 

3ittIid?C5 tDcrbcTi, 

runbUnien eines @^ftem§ ber St^t! 

um 

Z^tohalb Stehler. 

StDtxtt untoerönberte 9(uflage. 

ff. 8«. VIII u. löl ©. 1890, cartonniert 2». 2.50. 

Snl^alt: 1. ä^prtrag: STufgabe unb ^i;?etbobe bei* ^tW* 
©tftorifcftcr Ubcrblid. — 2. SSortrag : 3)ic ©ntftebung b«» 
@itt«c6cn. - 3. Vortrag: S)a8 2Befen bc8 ©ittltc^cn. — 
4. Vortrag: $flt4t unb ^ugenb. — ö.JBortrag: ©üter 
unb l)WM ®ut. — @(t)lu6. 

Diese VortrSge sind ebenfalls, wie die ten Brink' sehen 
Ober Shakspere. im freien deutschen Hochstift zu Frankfurt a. M 
gehalten worden: infolge ihrer Bedeutung sind sie bereits ins 
Englische übersetzt 

Geschichte 

CHRISTLIciiEN ETHIK 

von 

Theobald Ziegler 

ord. Professor der Philosophie an der Universität Stratsbarg. 

Zweite, durch ein Namen- und Sachregister vermehrte Ausgabe. 

8. XVI, 6o7 S. 1892. M. 9.—. 



,,Prof. ZIeflsr, der dl« antike Bthlk ir««olindert und der su der neuen 
des 15. und 16. Jahrhunderts grelang^n wollte, musste sieh nothweodifr mit 
dem daswisehen liegenden Mittelalter auseinandersetzen, auf die Gefahr hin, 
viel Christenthum, noch mehr Kirehe und wenig* Ethik zu entdecken .... 
Mit einem Satze sagt uns Ziegrier, was wir Oberhaupt in seinem Buche 
zu finden berechtigt sind : Das Christenthum hat neben und über dem an- 
tiken Beg'riir der Schuld den der Sünde gestellt, und recht eigentlich in 
den Mittelpunkt dar sittlichen Betrachtung gestellt ** 

AlJgem. Ztit-Nftg 1886 No, 2S2, 



36 Verlag von KARL J. TROBNER in Strassburö. 



BtiitUf Golfer unb SKcii|(teti 



IBiarl ^\Hchranb. 

783be* n.8». ^rci«pro©b,(rtatt»!.6.-)2».4.-,gcb.SW.5.— 

®b. I. gfrunfreiit ttHb bie tSfraniofen. 3. ftarf oerme^rte 
aufläge mit etnem 92a(6nife kK)n ^einrieb $om6etger. 
8^ XX, 396 @. 1886. 

3 n ( ft ( t ! Betrcbc |ut 2. snb 3. Kuffaec — (Hnfcitmbci. — Die •«» 
feOf(»aft unb Rtterolab — «tttttf^^l Wbtn. 

83b. II. SBalf4e0 nnb 3)emtf«|e8. 2. Derbefferte unb ber^ 
metirtc 2luflaöe. »>. XIV u, 458 @. 1892. 

3 n b a 1 1 : Soneoit. — L Bur ftcnaiffance. — IL BdtgenPfflf^^ au« 
^toUni. — m. ^ranjMifd^. — lY. Kul bi^ |ftnft^ni e<^rifl* 
tum t>«titf^anbl. ~ Y. Ru« boB iin|ftiift<geii C^rifltu« t)cutf^ 
lanH. 

^b. Il[. litt« ttttb aber Snnlanb. 2. oerbefferte unb t>tf 
mcl)rtc 2luflaöc. 8«. VIII u. 408 ©. 1892. 

3 n b et 1 1 : eoTbtiiirrYuii0. — L Oriefc m< 9iig(anb. ^ IL %X9M» 
ih^^dit etuticn cngltf^ 3cit(iaicneiu — IlL j)ut Sittciatut mb 
6ittcngcf(bi6te b« a^t|cVil«i 3abtbuiibeTt4. 

i^b. IV. ??rofi(e. 2. STuftflöbc. »>. vm u. 876 ®. 1886. 
ll)b. V. 9iud btm 9(i(rliiitibfrt bet 9letMilutt0ti. 2. SfuSgabe. 

3«. VIfl, 366 @. 1886. 
»b. VI. 3cilgcno|frn unb SeitgenSfüfcieS. 2. Sudgabe. 8». 

VIII, 400 £. 1886. 

^b. VII. (lulturoef4i4t(i4r9. 8». XII, 386 @. SRit bem 

©ilbntS bcS Söcrfaffer« in ^olgfdmitt. 1885. 



3n)6[f JBciefe eines ajtfiefirdiBn äe^ecs 

ton 

(ÄarC c^ia:«>6ran6.) 

8«. IV u. 118 6. 1874. gcf). 2R. 2.-, geb. 3^. 3.-. 

Die Sehriften Karl Hillebrands gehören mit «n dem Bettenand B««t- 
g'eschri ebenen, wrh die neuere deutsch«« Litter«tur herTorgebrAcht hat. Um 
nur f'in Urteil eines n)aBt>4,'ebenden Mannes hervorzuheben, seien die Wort« 
angeführt, mit denen Anton E Schönbach in seinem hochverdienten 
Buche ,Ueber Lesen und Bildung'' 8. Aufl. Graz 18S9 unseren Schriftst«ller 
RUü/.eiohnet : Er nennt Kurl ilillebrand in der Vorrede zur S. Auflage „einen 
hochstehenden Meiit>ohen, durch Beiesenheit ausgezeichnet, einen feiB- 
fijhiicen Krit.kei ; deutsch von Geburt und Erziehung, international durch 
seine lUiduug. konservativ dem Qesohraacke seiner Ju^reudreit nachhangend; 
er beltennt von ihm gelernt zu hAi)en und fühlt sich ihm dankbar ver- 
pflichtet." Selbstverständlich führt er Hillebrands Zeiten, Völker 
und Menschen in seinen Bücherlisten unter den Werken avf, die dttf 
i;«>ii>ti>,'o Inveniarlum Jedes yebildeleu Deutschen ausmachen tollttfo. 



Verlag ton KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 37 



itlic, Ikarl ($rof. o. b. Unit). fjfoXU <l &.), toxi 9i|roti. 
S)ritie berb. Sluflafle. gt. 8». YI, 516 6. 1886. m. 7.50 

flcb. 9W. 9.— 

3nba(t: I. f^mUfe unb ftinblfteit; — n. 6({fu(e unb 
Unberfitdt — HI. Sletoftcab STbbelj. - IV. 3)ic 3Ji(«er. 
fabrt — V. ßonboru - YI. SDte (5:6c. — VIL 3)tc 
©cbtDcis unb S^nebig. — YIII. 9tabenna, $ifa, 
®tnua. -- IX. (Sricc^entanb. — X. 3ttr (If^ataU 
tcriftft — XL »ijron'» ©tcttunfl !n bcr ßitteratur. 

- XIL 9la4tr&ge nnb 8Ib Waffe. — Sln^änge: 
J. ^er $T0|e6 gegen SBiOiam ßorb IB^ron. — 
n. 5)ic Fuffitive Pieoes. — HI. aWr«. ©pencer 
©mitft, — IV. ©baraftertfar bon ber ©rofin «I. 
bng|L — Y. 2)ie JBernic^hing ber WltmoixtxL 

jeranbl,2(lote($tof.a.b.Unüi.@tra6biirg), Samuel Sttiflor 
(f ointbse tt«)i bte engltfiiie Homantiii. 8^ XII, 437 (8. 
1886» ©rof*lrt m. 7.—, geb. Tl 8.— 

3 n ^ a 1 1 : L ftap. IHnber- unb l^nabeuiaire (1772- 90). 

- II. «(U). auf bet Unioerfität (1791-94). — 
III. Aap, ^ondfofratie. »riftol (1795-96. - 
lY. S^ap. 3n 9letber ©tomet). ^orbstoort^ (9^ob. 
179« bt8 ecDtember 1798). — Y. «aj). ^ie bcutf*e 
mk. SBaaenftein (8ept 1798 bis Slpril 1800). 
» YL ftap. Sin ben ©een. ftranC unb unftöt 
(®ommer 1800 bt« ^rbft 1810). — YII. ftap. 3n 
^ammerfmttb unb @a(De. Sleft^etif^e ^aitpt« 
leiftungen (^erbft 1810 bis ^r&^ia^r 1816). 

Ibrusfovoit}, ^, fßttai 9tff(\ft ilitHtti. B^. xii,387a 

1884. 2». 6.- 

Srei englifdie JM^Uximtn. 3ot^ama ©aiffie. — 

©lifabeH ©arret ©rotoning. — ©eorge ^liot. @ffab«. 
8^. 244®. 1885. S«. 4.- 

ed^ippcr, :?. ($rof. a. b. L f. UniP. in SBien), üfilliam 
9unbar. Setn 6eben unb feine ©ebt^te in ^nalpfen 
unb auSaemöbUeu Ueberfe$ungen nebft einem ^brig ber 
altfctiotriidKn ^ocfte. ©in öeitrog jur f(6ottifcb»enfllifcben 
Siftcraiurs unb ftulturgeWIite. 8". XVIII, 412 @. 
1884. «rofcbirt 2». 7.—, geb. 9W. 8.- 

Die DiobCttn^n William Dimbart, das ^enJaUten, einein Chavoer 
ebenbfirtigen. Diebier« 4es »ebottiaehe« VoUcMf «liul bUher In J>e«Moblaa4 
•o ifitt wie «abeluuittt ^^btiebeo. 



38 Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 



ZTlireto, 

bon 

Srcberi mitral 

llrutfdi ooti %uquft f^rrtudi. 

IHil einer (Einleitung pon €buarb Böljmer, 

3tt)eite bitrdigefe^ene Sluflage. 

8". XIX, 291 8. 18%. brofd). 3». 6.-, gebunben in 

ßetnmanb Tl. 6.—. 

Einer der bedeutendsten deutschen Dichter der Neuzeit hM sieh in 
einem Briefe an den Übersetzer fol^endermassen gvluiaert: 

^Drci stille regrnerische Rasttage in Parma habe ich mir mit Vireio 
vergoldet, werthester Herr, erst hier aber das Oedieht zu Ende geleaen, 
mit einer Empfindung, wie ich sie lange keinem dichterischen Werk Ter» 
dankt. Ja eigentlich überhaupt keinem seit den frühesten Tagen, als mir 
die grossen Sch&tze alter und neuerer Yolkspoesie zuerst entgegenglänxfeen. 
Denn was dieses Werk eines Zeitgenossen so einzig macht, ist eben der 
starke, reine Hauoh eines von Bildung nicht angewelkten Naturgefuhls, 
das zugleich durch allen Reiz moderner Zartheit das Gepr&ge seiner Zeit 
erhalten hat. Schon in Nerto hatte mich diese ganz eigene Mischung an- 
gezo^'CD, die hier mit noch stärkerem Zauber herrortritt. Dazu das In- 
einanderweben heidnischer und mystisch-katholischer Vorstellungen auf 
dem Boden naiver Yolk^itradition, die süsseste, unschuldigste Sinnlichkeit 
und züchtigste Sitte, idyllische Zierlichkeit neben elementarer Rohheit (in 
der ^'HWHlti^en Kampftfcene) und das alles in streng geschlossener, kunst- 
reicher F«irm, die doch wieder, wenn man sich ihr eine Weile hingegeben 
bHt, als die naturnotwendii^e, einzig mögliche Tonart erscheint, in der 
diede wundersamen Geschichten vorgetragen werden konnten . . .* 

.,Kr (der Dichter) hat noch das seltene Olfick erfahren, einen so 
meisterhaften Dolmetscher zu finden . . . .* 



g-rü^cr erfcfiicn: 

Hcrto, 

bon 

Stcberi mifird. 

|)futfit) oon %uqufi f^rrtudy. 

S^ 182 a. 1891. brofd). Tl, 3—, fiebunben in iicinwonb 

m. 4.-. 

»Vorliegender üebersetzung der poetigchen Erzählung des berühmten 
proveiifiiliHchen Dichtern gebührt alJes I^ob. Sie ist gewandt und hält 
sich treu an dii» Original, dcs8en Tun genau getroffen ist.** 

(Deutsche Litt eratur Zeitung J 



Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg. 39 
@ocben crf^icn; 

(£ngltfd?c 5prad?fd?tii^cr. 

(Stbrauät [äc^crlidieT, anftS^iacr, oft unanFtSnbigcr ffioitt imb 
BtcbenaartEn ton Stitcn cngCifi^ fpic^tnbcr 2?eiitf<f|tr. 

(Stti gumoriftif^a ajcrtroa flc^alttn im Sonbotui beiitftfien 
ai^enäum 



Snit tfncm Ün^atiQ über bcutftdt iSmniCitnnamcti in ^iiglanb, 

^cr^altiinaerescln in cnglilt^cr ®c{(ICf igaf t , 3:itcl, Ütnttbt, 

SiicfabicfTtn , cnglif^t ai&HiTiuiiflcn. 

ajitrtVäüfiaef. 

8". X, 156 S. 1896. m. 2.-. 

kiimmonA Bel«hniD( Aneii febo(«n. die ilch mit Entland In IrgtoA elntr 
WclH bniDliIfilKiD. Hl H tprscblich, brleUoli, («lataUlifch «dar In pHian- 

d. b. auf dls kunulotaca ItuherlJelisr, mlöiilgcr. nfl iiBiintlindl«;cr