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PURCHASED FOR THE
L/NIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
FROM THE
CANADA COUNCIL SPECIAL GRANT
FOR
HISrORI OF iiP2
J) 'h^^^~)D'zu
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DEUTSCHE KUNST
UND DEKORATION
ILLUSTRIERTE MONATSHEFTE
FÜR MODERNE MALEREI
PLASTIK • ARCHITEKTUR
WOHNUNGS-KUNST UND
KÜNSTLERISCHE FRAUEN-
ARBEITEN
DARMSTADT
VERLAGSANSTALT ALEXANDER KOCH
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DEUTSCHE KUNST
UND DEKORATION
HERAUS(iE(iEBEN UND REDKilERT
VON
HOFRAT ALEXANDER KOCH
BAND XXXI
OKTOBER 1912-AlÄRZ 1913.
^^§'RAi^ y.
ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
JOH. CONR.
HERBERT'SCHE HOFBUCHDRUCKEREI NACHF. DR, ADOLF KOCH, DARMSTADT.
PROF. FRITZ ERLER. »BERGFRÜHLING.
l-KOHiSSOR EUGEN BRj'XHT.
»EICHENGRUPPE AM MKKK- (lülü).
JUBILÄUMS-AUSSTELLUNG EUGEN BRACHT
DARMSTAUr, JUI.I- MITTK oKTuHF.R lüia.
Die „FrcieVereinigungDarmstädter Künstler"
hat den siebzigsten Geburtstag des deut-
schen Altmeisters zu einer umfassenden, rund
vierhundert Nummern zählenden Ausstellung
seiner Werke auf der Mathildenhöhe benutzt,
die zum ersten Mal einen vollen (Jberblick
über das gesamte Lebenswerk des Künstlers
gibt und den willkommenen Anlaß darbietet,
Brachts Schaffen im Rahmen der deutschen
Landschaftsmalerei näher zu umreißen. Die
Voraussetzung für diese besondere Ehrung war
die Tatsache, daß Bracht — wenn auch nicht
von Geburt Darmstädler — doch den größten
Teil seiner Jugend in der lieblich-heiteren hes-
sischen Residenz verleben konnte, und daß er
gerade hier jene wichtigen Anregungen emp-
fangen hat, die zuerst bestimmend in seine
Künstlerlaufbahn eingegriffen haben. Es ist
auch nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet.
daß es vor allem die Landschaft der Bergstraße
und der benachbarten Mainebene gewesen ist,
die schon in dem Knaben die Sehnsucht zur
Natur geweckt und seine Augen für die feinen
Reize atmosphärischer Stimmung, für die laut-
losen Lebewesen von Wald und Feld, für die
Anatomie der Bäume, die Liniensprachc der
Landschaft im Großen geöffnet hat. Und daß
es eben diese Eindrücke gewesen sind, die
neben anderen örtlich bedingten Zufälligkeiten
Bracht dauernd der Kunst zugeführt haben.
Der Entwicklungsgang im besonderen aber,
den die Kunst des Meisters durch ein mehr als
fünfzigjähriges, nur einmal für längere Zeit unter-
brochenes Schaffen aufzeichnet, läßt deutlich
auch jene Perioden erkennen, die im großen
Rahmen der deutschen Landschafismalerei die
ungleich wertvolleren genannt werden dürfen.
Denn Brachts Werk weist deutlich zwei ver-
191213. I. 1
/ubi/äuins-.lusstel/uvo Eugm Bracht.
PROFESSOK Eü<;l-:.\ BKACHT - DRESDEN.
schiedene, ja man möchte sagen, diametral ent-
gegengesetzte Tendenzen, in denen viel von
dem wiederkehrt, was bisher überhaupt das
Merkmal der deutschen Landschaftsmaler ge-
wesen ist, die vor ihm und mit ihm ihr beson-
deres Verhältnis zur Natur gesucht haben. War
es auf der einen Seite ein Verlangen nach sach-
licherEhrlichkeit, das besonders für die Arbeiten
bis etwa um 1880 charakteristisch ist, so über-
wiegt in der zweiten, mittleren Periode unzwei-
deutig ein starker Zug von Romantik, der die
Arbeiten des Meisters künstlich ins Monumental-
Dekorative steigert und den Maler bewußt
von der Natur auf Kosten der Phantasie ab-
rücken läßt. Diese von einem nicht immer
geläuterten Geschmack des großen Publikums
getragenen Schilderungen des Hochgebirges und
des Orientes, die sich von dem Verlangen un-
serer Zeit desto mehr entfernen, je deutlicher
man in ihnen ein Stück von der Seele Calames
wiederentdeckt und das Versagen des wahrhaft
Artistischen auf Kosten billiger Effektwirkungen
bemerkt, berühren sich in nichts mehr mit den
großartigen Schöpfungen der ersten Epoche,
als der junge Landschafter auf dem besten
»WEISSHORNKETlt IN DEN \V.\LLlstk Ai-l-tN (1912).
Wege war, ein deutscher Corot zu werden. Es
ist geradezu überraschend zu sehen, wie Bracht
in seinen Anfängen z. B. versucht hat, das
Wesen des Impressionismus zu ergründen, wie
Arbeiten vom Schlage der „Ahlbecker Fischer"
vom Jahre 1870 oder selbst Werke, die wie der
„Eichwald bei Schwanheim" oder die „Italie-
nische Landstraße", die rund zehn Jahre früher
entstanden sind, voll des ursprünglichsten Ein-
fühlens in die Natur erscheinen, wie sich hier
die Empfindung zu den feinsten malerischen
Akkorden verdichtet und sich selbst die zarten
Konturen der zeichnerischen Komposition
im Ton, in der harmonischen Gesamtwir-
kung auflösen. Diese Bilder könnten in un-
seren Tagen entstanden sein, und sie würden
ihren Platz auch in einer noch so modernen,
von Qualität ausgezeichneten Ausstellung be-
haupten, weil sie von Werten getragen sind,
die allen guten Schöpfungen echter malerischen
Kunst innewohnen. Denn solange Bracht von
jener naiven Sehnsucht seiner Frühzeit erfüllt
gewesen ist, die dem Romantiker noch keinen
Raum gab, der sich später erst an den bunten
Phantasmagorien fremder Länder entzündete.
l'RiiKKSSOK Klr.F.N IIKAI H T-DKKSDF.N.
i'K..vi-m; \irs( IHK im in im;, ii:iiir
rK'iir.-Sh'iR r.ii^iN i;kac iii hkimun. iu.k iii.iium n.\r i k ii-
fubilätims-Ausstellunor Engen Bracht.
PROFESSOR EUGEN BRACHT— DRESDEN.
steht er mit jenen wenigen Schöpfungen, die'
die wirkliche Entdeckung der Darmslädter
Ausstellung genannt werden dürfen, unbedingt
in einer Linie mit den großen Franzosen aus
der Schule von Barbizon, und der Historiker
wird es immer wieder bedauern, daß auch hier,'
wie bei so vielen anderen, die ähnlich dem
Ungeschmack der Menge unterlagen, jäh eine
Entwicklung unterbrochen worden ist, die in
logischer Steigerung unbedingt revolutionierend
im Sinne der Moderne hätte wirken müssen.'
Aus der Geschichte der deutschen Landschafts-
malerei sind aber diese frühen Jahrzehnte der
Brachtschen Kunst nicht mehr auszuscheiden,
und wenn man ehrlich ist, so wird man es auch
beklagen müssen, daß sich der Meister jemals
von der deutschen Heimaterde entfernt hat.
Zwei Grundzüge sind es vor allem, die diesen
frühen, auch im Format meist noch stark redu-
»RÜGENER KUSTE (191) |.
zierten Arbeiten ihr besonderes Gepräge geben :
Die fabelhafte Größe des Formgefühls im Kleinen
und die Frische, mit der im strengen Rahmen
einer sicher empfundenen Zeichnung der male-
rische Eindruck einer Minute festgehalten und
die Stimmung der Natur bis zum letzten er-
gründet ist. Hier begegnet die Tradition der
Klassizisten im Verein mit dem Verlangen eines
ausschließhch malerischen Sehens. Alles, was
selbst in den ersten Zeichnungen, wie auf den
Blättern mit der Heidelberger Schloßruine für
den Kenner als akademische Schulung erscheint,
tritt doch schon bescheiden vor der köstlich
impressionistischen Auffassung des Gesamt-
bildes zurück, und es kann immer nur wieder-
holt werden, daß Brachts Schaffen in dem Maße
an Qualität verloren hat, wie die Motive an
Anspruch gewinnen. Das soll für den Künstler
um so weniger ein Tadel sein, als sein Lebens-
PROFESSOR
E. BRACHT-
DRESDEN.
liihi/ä!i!!is-A2(!!stelhiiio Eu^en Bracht.
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l'ROl-K.SSUR El'GEN URACH 1- DRESDEN.
werk auch in der mittleren Epoche noch von
einem seltenen Temperament erfüllt geblieben
ist, während sich so viele andere seinerKollegen
längst im reinen Panorama- und Plakatstil ver-
loren haben. Dem ist Bracht dank seiner ein-
geborenen Künstlerschaft nie ganz verfallen,
so hart er auch an den Grenzen vorbeistreifte;
denn jedes dieser Bilder weist zuletzt immer
noch irgendwo das persönliche Zeichen seines
Schöpfers und den starken Mut, die Natur zu
übertrumpfen mit Hilfe einer mehr literarischen
als künstlerischen Imagination. Vielleicht ist
des Meisters Kunst in jenen Jahrzehnten der
zweiten Periode zu sehr auch reine Atelierkunst
gewesen; denn in den Skizzen und Studien
seiner Reisen lebt in der Tat viel von dem
Geiste des frühen Impressionisten fort, und man
erkennt ohne Mühe den künstlerischen Abstand,
der viele jener ausgeführten, dimensional meist
übertriebenen Bilder von der ursprünglichen
.M(1ND.\UFGANG UBERM WAU) (1901).
Frische der ersten Skizzen trennt. Im übrigen
darf man auch zur richtigen Einschätzung des
Meislers im Sinne der deutschen Kunstgeschichte
nicht vergessen, daß die schlechte Romantik —
ähnlich wie die beliebte Genremalerei — die
Kultur der neunziger Jahre auch anderswo ent-
scheidend bestimmt hat, daß es neben Bracht
auch andere Künstler von ähnlicher Qualität
gegeben hat, deren Ruhm nur durch den „mau-
vais goüt" ihrer Zeit verdunkelt wird.
Unser Meister aber hat das seltene Glück
gehabt, auch diese Epoche seines Schaffens
überwinden zu können und, getragen von den
Tendenzen jener Revolutionäre von gestern,
die längst als die Klassiker von heute erscheinen,
den Ansciiluß an die künstlerische Ehrlichkeit
der Gegenwart wiederzufinden. So seltsam
es klingen mag, so sehr besteht doch die
Tatsache zu Recht, daß Bracht mit Beginn
des letzten Jahrzehntes in seinem Schaffen
luhiläuiin-Anssldliivc' Euocn Bracht.
PRiiKEsstiK i:rt;i;N bracht- dresuen.
/.WINGENBERO AN DER UERUSTRASSE IN BAUMBLÜTE« (IKlä).
da wieder angeknüpft hat, wo er die Wege
im Anfang der siebziger Jahre endgültig ver-
lassen zu haben schien. Dresden und die Um-
gebung des Muldetales sind es vor allem
gewesen, die seinen starken malerischen Trieb
zur reinen Natur zurückgelenkt haben. Und
diese Arbeiten gehören zu dem Besten, was
wir vielleicht auf lange hinaus der deutschen
Landschaftskunst verdanken. Sie haben nichts
mehr vom künstlichen Streben nach Monumen-
talität und sind doch auch von echter Romantik
durchwebt. Sie haben oft die gleiche Sonnen-
freudigkeit wie jene bunten orientalischen Pa-
noramen, aber man empfindet dieselbe nicht
mehr als nur äußerlich, sondern als die letzte
Essenz ungeschminkterStimmung. Hier sind die
innere Triebkraft der Palette, der freie Im-
pressionismus malerischen Gefühles nur noch
Ausdruck eines Sentiments, das sich in intimer
Beziehung zur Natur wähnt, und man darf ohne
Übertreibung behaupten, daß Bracht erst auf
diesen Bildern zu dem prädestinierten Schil-
derer des deutschen lleimalbodens geworden
ist, der er längst von .lugend aus gewesen sein
könnte. Auch daß er mit dem Kinlrilt in die
Industriegebiete, in jenes Reich der Arbeit, das
wie kaum ein zweites den Geist und den Willen
unseres .lahrhundcrts verkörpert, seinem bis-
herigen Schaffen ein neues und vielveriieiOendcs
Thema zugesellte, darf nicht unerwähnt bleiben,
weil auch diese Werke der jüngsten (-".poche
den Künstler auf einer neuen Höhe zeigen. Ja,
man möchte sagen, daß eben hier jene Roman-
tik in ihm endlich zu einer dankbaren Aufgabe
gekommen ist, die sich vor den Thcalerkulissen
seiner Hochgebirge nur in äußeren Effekten ver-
irrte. Denn es sind letzten Endes immer nur
malerische Schönheiten, die den Künstler zum
[vbiläums-Aussielluvg Eugm Bmclit.
Industriebildhinjiebracht haben: Ein durch den
Qualm der Fabrikessen tonig verhangener Him-
mel über der Landschaft, das Spiel von Sonnen-
licht mit den schweren Reflexen der dunklen
Rauchwolken und der vielgHedrige Organismus
eines von Hunderten von Menschenhänden ge-
triebenen Werkes im Gegensatz zu dem stillen
Frieden der umgebenden Natur.
So ist das Fazit im ganzen, das der Sieb-
zigjährige heute aus seinem Schaffen ziehen
kann, ein großer Gewinn für die deutsche Kunst,
und es ist das besondere Verdienst der Darm-
städtcr Veranstaltung, daß sie überhaupt zum
ersten Mal die Gelegenheit darbietet, die
verschiedenen Perioden in der künstlerischen
Entwicklung des Meisters gegen einander ab-
zuschätzen. l'KOF. GEOKG liIERM.\NN.
STUDIE UND ATELIERBILD. Eine Wandlung
der Anschauung und der Betätigung liat sidi bei
mir vollzogen in den legten lahrzehnten hinsiditlidi
dei Sdiatjung der S t u d i e einerseits und des A t e li e r-
bildes andererseits. ... Ich bin audi da angelangt,
die vor der Natur gemalten Stücke mehr zu schätzen
als jeglidie Atelierarbeit, so daß idi mich nur sdiwer
davon trenne, wenn sie ausgestellt werden und ver-
kauft werden sollen !
Im ganzen vermag kein Künstler die Bedingungen,
unter denen ein Werk entstand, sowohl psydiologisdie
wie teduiische, noch einmal erstehen zu lassen: tlber-
tragung einer Skizze auf Pappe, auf eine Leinwand
zum Beispiel, ist ganz unmöglidi ohne Abschwädmng;
es zeigen sich dabei Grenzen, die unüberwindlidi sind!
Fast leiditer ist die Übertragung einer Aquarell-
Skizze auf Leinwand in Ölfarbe - wohl audi weil
es keine Wiederholung wird, sondern eine tedmisdie
Neuschöpfung! EUGEN BRACHT.
f
*
rKulESSOS. EUGEN BRACHT DRESDEN. WALDWIE.SE NACH DEM REGEN« (1900).
PROF. ALBERT MAENNCHEX-BERLIN.
»TANZENDE MÄDCHEN«. TEMPERA.
l'R4iF. HERMANN GoHLER -KARI-SRlllE.
('.EMALr)E: BEIM VENi;S-TEMI'EL'
DIE GROSSE BERLINER KUNST-AUSSTELLUNG.
L'ber die große Berliner Kunstausstellung
' schreiben, ist für den ernsten Kritiker,
handelt es sich niciit um Sonderabteilungen,
selten eine Freude, und die Mühe, einigermaßen
gewissenhaft — der Ausstellungsbesuchermacht
sich von der Arbeit kaum eine Vorstellung —
aus den 2500 Nummern das Akzeptablere
herauszunehmen und zu werten, ist ihm kaum
zu vergelten. Begnügen sich die meisten doch
mit einer Aufzählung von Namen, die durch die
stets gleichen Redensarten in Zusammenhang
gebracht werden. Ein größeres Publikum wird
nicht leicht verstehen, warum der Kunstkenner
an dem dort Gebotenen keinen Gefallen findet —
die Bilder sind doch alle so schön — und hält eine
Ablehnung für die Folge eines Parteistandpunk-
tes, von dem aus nun diesen Künstlern Unrecht
geschehe. Doch dem ist durchaus nicht so,
und wir sind nichts weniger als einseitig, denn
wir schätzen die gute Kunst jeder Richtung,
neben Cezanne z. B. unseren Oberländer. Der
Grund aber für die Ablehnung des Kenners und
den Beifall des Laien ist da zu suchen: es ist
heute nichts seltener, als die Erziehung des
Auges; daher noch weniger gute Kritiker als
gute Maler. Spielt ein Musiker einen falschen
Ton, so hört dies jeder Musikalische heraus, er
braucht sonst garnicht allzuviel von Kunst zu
verstehen; setzt aber der Maler einen „fal-
schen Ton" auf die Leinwand, — am Lehrter
Bahnhof ist dies die Regel — so sehen es die
wenigsten. Und weil sie es nicht sehen, —
was wäre auch schwieriger? — bleiben diese
Bilder für sie doch schön. In der Musik ist es
ja das gleiche: den Unmusikalischen entzückt
die Melodie, auch wenn sie noch so unrein ge-
spielt wird. Fr kennt den Unterschied nicht.
Zwischen den Bildern am Lehrter Bahnhof und
l'.TJ l.l. 1. :
'i
Die Siroße Berliner Ktinst- Ausstellung.
dem, was wir unter Kunst verstehen, klafft da-
her der gleiche Unterschied, wie etwa zwischen
der Tannhäuser-Ouvertüre, die im Sommer bei
Kroll gespielt wird, und der, die wir vom phil-
harmonischen Orchester unterMucks Leitung im
Winter im Opernhaus hören. Nun ist es ganz
selbstverständlich, daß wir nicht von jedem Or-
chester solcheMeisterleistung verlangen können
und daß es viele gibt, die sich mit derDarbietung
bei Kroll begnügen, daran erfreuen. Nur darf
man dem Kenner nicht verargen, wenn er der
Ansicht ist, die Maler am Lehrter Bahnhof zögen
aus der Natur nicht mehr heraus, verdeutlichten
ihren Eindruck nicht reiner und zwingender, wie
etwa der Dirigent und seine Leute bei Kroll es
derKompositiondes großenMusikers gegenüber
vermögen. Das Motiv ist in beiden Fällen das
gleiche, der Unterschied liegt in der Behandlung.
Daß beide Veranstaltungen in unserer Zeit nicht
zu umgehen sind, sehen wir sehr wohl ein, und
solange es Akademien gibt, die ein Gros von
Malern heranziehen, wird es Ausstellungen
wie die „Große Berliner" geben. Man geht
aber fehl, wenn man behauptet, daß wir unge-
rechte Anforderungen stellen; wir begnügen uns
im Gegenteil mit dem schlichtesten Bild, sofern
es ein reines Kunstwerk ist. In diesem Falle
liegt es aber anders, nämlich genau so wie in
der Musik: ein Volkslied von einer Bauerndirn
rein und ausdrucksvoll gesungen (oder auch ein
moderner Gassenhauer von einem Kabaretti-
sten), ist für ein empfindliches Ohr bessere Kunst
als eine schlecht gespielte Wagnerouvertüre ; in
den Bildern am Lehrter Bahnhof handelt es sich
aber zumeist um eine Kunstgattung dieser Art,
und wenn ein renegatischer Berliner Kunst-
kritiker, für den früher in einseitigster Weise
nur der Leibl-Liebermann-Kreis existierte, sich
heute auf selten der „Großen" schlägt und be-
hauptet, dort beginne die „ Ideenmalerei " wieder,
das Handwerk sei diesen nicht Selbstzweck, so
beweist er damit nur, daß seine früheren Urteile
mehr auf der Schärfe seines Ohres als der Er-
ziehung seines Auges beruhten. Dieser Art
Ideenmalerei gab es am Lehrter Bahnhof stets,
und in derKamraer der nachHunderten zählenden
Refüsierten wird sie wohl neun Zehntel aus-
machen. Wir dagegen haben am Lehrter Bahn-
hof von jeher nach den vereinzelten schlichten,
anspruchslosen Leistungen gesucht und diese
gern herausgestellt vor die Arbeiten jener, die
nicht wissen, daß sie den Aufgaben, die sie sich
wählen, gamicht gewachsen sind, daß sie diese
Themata, die nach der Kraft des Genies rufen,
mißhandeln, wie eine Dorfkapelle die 9. Sinfonie.
So ist es im Grunde nicht Sache des Kenners,
über derartige Ausstellungen zu urteilen — wie
gesagt, wer aus der Berliner Oper kommt, hört
das gleiche Stück nicht gern noch einmal in einem
Provinz -Theater, und doch erfreuen sich dort
Hunderte daran — ; es ist eine Sache des großen
Publikums, je nach dem Geschmack des ein-
zelnen, sich das Seine auszusuchen. Hier fragt
jeder: „Was stellt es dar?"; schon gut, auch
wir sind für, nicht gegen den Stoff ; nur vergesse
man nicht, daß nur die reinsten, stärksten und
oft schlichtesten Mittel dem Stoff seine eigensten
Geheimnisse entlocken, ihn zum Reden bringen.
Von diesem Standpunkt aus sind wir gerade
gegen das, was hier als Ideenmalerei auftritt, da
sie zumeist von solchen gepflegt wird, die dem
Einfachsten die Zunge nicht zu lösen vermögen,
und entscheiden uns für einen Teil der Land-
schaftsmalerei, die in diesem Jahre vornehm-
lich in den Düsseldorfer Sälen die Höhe eines
anerkennenswerten Durchschnitts erreicht. Es
kann den Düsseldorfer Künstlern gamicht hoch
genug angerechnet werden, daß gerade sie, die
so lange im Ruf der gemalten Histörchen und
Anekdötchen standen, alles derartige aus ihren
Räumen verbannten, auf die oben erwähnte
mißverstandene „Ideenmalerei" größtenteils
verzichten und sich als in einem unmittelbaren,
frischen und gesunden Verkehr mit der Natur
einführen. Ich möchte hier an erster Stelle die
beiden kleinen Landschaften von Ernst Hardt
nennen; besonders die „Im Sonnenschein", in
der mit bemerkenswerter Sicherheit und Ein-
fachheit des Striches und Klarheit und Bestimmt-
heit unaufdringUcher Töne das Motiv belebt
wird. Neben ihm könnte noch auf manches
andere Bild aus den Düsseldorfer Sälen ge-
wiesen werden. Wende ich mich nun gar zu der
„Sonder-KoUektion" von Gerhard Jansen
— der besten unter den heurigen — , so müßte
ich sagen: der Mann ist so talentvoll, daß seine
Art mir schon einen anderen Maßstab in die
Hand zwingt, einen, der sich bald gegen ihn
richten würde; doch dann wäre ich genötigt, den
Standpunkt dieses Berichtes überhaupt zu ver-
lassen: Jeder Gegenstand zwingt uns den Grad
der Beurteilung auf. So wird der Ausstellungs-
besucher bald erkennen, daß er es in diesen
Bildern, neben wenigen anderen, mit dem Aus-
gereiftesten zu tun hat, dem er hier begegnet.
Die Ausstellung am Lehrter Bahnhof ist in
diesem Jahr reizloser als sonst wohl, weil an-
regende retrospektive Veranstaltungen fehlen.
Die Abteilung „Städtebilder" vermag jene nicht
zu ersetzen. In ihr bemerkten wir einiges von
Thoma, Trübner, Schönleber, das der Er-
wähnung wert wäre. Im ersten großen Skulp-
turensaal dominieren zwei Figuren von Metz-
ner; doch nicht nur, daß sie hier das Niveau
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k
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PKi>K. A. KAMI'h-
( lIARLiiITENUlRi;.
(f Haa-^
/.KICIINUNOEN;
AKTSTUDIEN.
Dir oroße Jierliiier /\'unsf-.lt(ssfcliu»S;.
OTTO THIELE- BERLIN.
beträchtlich überragen, wir fanden auch, daß sie
im Ausformungsvermögen des Künstlers einen
entschiedenen Fortschritt bedeuten, eine Ver-
tiefung, Kräftigung. War seinem Streben nach
Größe, ja übermenschlicher Gewaltsamkeit des
Ausdrucks und der Form früher ein Zug von
Hohlheit nicht leicht abzusprechen, so ist nun
erfreulicherweise in diesen beiden Körpern das
Gegenteil zu konstatieren : ihre Kraft wirkt echt,
ihre Größe ohne Anstrengung groß, ihre Haltung
aus plastischem Denken hervorgegangen.
Ein mir bis dahin unbekannter Name ist der
des in Florenz lebenden Plontke: in seiner
„Venus" ist das Vorbild — Lorenzo di Credi —
allzu sichtbar, und das kleinliche Blümchen in
der Hand möchten wir missen, sein florenti-
nisches Fuhrwerk zeigt mehr Eigenheit. Die
eigentliche Begabung des Künstlers scheint je-
doch im Dekorativen zu liegen.
Unter den der Zahl wie Qualität nach nicht
allzu vorteilhaft vertretenen Ausländern nimmt
Brangwyn den vorderen Platz ein mit seinem
„Trödlerladen", einem Bilde, das in der alt-
■ AM .ALI-.XANDER-UI-ER«
meisternden Art des Kolorits an manche
Malereien der vorerwähnten Düsseldorfer Ger-
hard Jansen erinnert, doch gerade an die ihres
Galerietons wegen weniger selbständigen.
Von Münchner Künstlern fiel uns Hans
Tg epper mit seiner „Grünen Dame" — breiter,
sicherer Vortrag im Scholle-Charakter — und
RobertWeise, der jetzt freilich unter die Stutt-
garter zu rechnen ist, mit seinem jugendlichen
„Eselreiter" auf. Das Bild Weise's ist sympa-
thisch durch eine schlichte, anspruchslose, aber
aufrichtige Naturbeobachtung, der eine gleiche,
neuerdingsvonTrübnervielleicht ein kleinwenig,
jedoch nicht nachteilig beeinflußte Malweise
entspricht. Der Künstler hat sich eher entwickelt,
im Sehen bereichert, als daß er zurückgegangen
wäre, gegen die Zeit, da er noch zur „Scholle"
gehörte. — Dem holländischen Amerikaner
Gari Melchers scheint der Aufenthalt in
Deutschland schlecht zu bekommen. Gegen
sein altes, qualitätvolles Bild „Fechtmeister"
muß seine neue Produktion als ein bedauerlicher
Rückgang bezeichnet werden; so bunt und ton-
i6
Die sitvße Berliner Kuust-Ausstelluns;.
HEINRICH KXIRR— MUN-CHEN.
los in der Farbe, wie konventionell in Auf-
fassung und Arrangement, ein rechterAkademie-
lehrer-lmpressionismus.
Als geistig und im Vortrag verwandte, d. h.
aus dem Sinne einer volkstümlichen Denkart her-
vorgegangene Arbeiten wären die „ Bretonischen
Typen" von Jvan Thiele, die „Einholung der
Braut" von 0. H, Engel und die „Schwälmer
Jungen" von Thielmann zu nennen. Früher
begegnete man nicht ohne Vergnügen noch
ähnlichen Bildern von Bantzer und Winter, die
»FELIITMEISTER iMAGNA-M -.
diesmal fehlen. Es ist gesunde Volkskunst, sach-
lich und echt innerhalb der Grenzen solcher
Begabungen gehalten, wie in der Literatur etwa
die Dichtungen des Pastors Frenssen. Man
sieht diese Kunst jedenfalls lieber als einen ver-
logenen und hohlen Impressionismus.
Das ausgesprochene Gegenteil solcher Künst-
ler, bei denen gesundes Empfinden, sichere
Charakter-Beobachtung und ein schlichtes, aber
hinreichendes Können in schönem Gleichgewicht
einander die Balance halten, ist Arthur Kamp f.
I MAI.DF.:
I Kl MIMI-ISTKK
Die oroße Bctliner Kmist-AmstelhuK^.
PROFESSOR OTTO H. EXCI-X riERLIN.
Bei ihm steckt alles im Handwerk; aber das
eigentümliche ist, daß dieses hin und wieder
jene Grenzen erreicht — und zwar dort, wo
es mit den geringsten Mitteln arbeitet, nur mit
der wie im Fluß hingeschriebenen Kontur — ,
da das Resultat jenem der vollendeten Meister-
schaft der geistigen Schöpfung ähnelt, gleich-
kommt: ich denke hier an die Riickenlinie des
Frauenaktes in Rotstift. Je mehr Kampf gibt,
je weiter er nach dem Innern zu ausführt und
plastisch ausfüllt, je akademischer wird er, zu-
mal in den „Studienköpfen", aus denen erden
Modellcharakter nicht herausbringt. Dieser
Roistiftakt aber gehört zu dem wenigen, das
man besitzen möchte. — Die Figur eines jungen
„Fechters" steht ihm nahe.
In einem der großen vorderen Seitensäle
findet sich unter den Berliner Kollektionen ein
aus 7 Riesen -Leinwanden sich zusammen-
setzender Zyklus: „Lebensgeschichte einer
Borsig-Lokomotive" von Paul Meyerheim,
die ein klares Beispiel davon gibt, was man in
den 70 er Jahren in Berlin unter Realismus
verstand. Malerisch ist das Bild „Schmieden
'XIARIEN .\N DER ELENSIURCiER KOIIRUE'.
eines Treibrades" wohl das gelungenste. Von
unserer Ansicht aus wäre es dem Beschauer
anzuraten, derartige Arbeiten mit verwandten
Menzels zu vergleichen, um zu einem klaren
Schlüsse und Urteil über Wert und Lösung einer
solchen Aufgabe zu gelangen. Nach der anderen
Seite hin aber könnte er auch zur Taxierung
von früheren und heutigen Begabungen, näm-
lich um die heuligen nicht zu überschätzen,
was so leicht geschieht, daran denken, was diese
nur der Zeitströmung verdanken und dazu die
geistesverwandten Secessionisten Baluschek
und Brandenburg in Betracht ziehen.
Ich möchte diesen Bericht nicht schließen,
ohne auf das in einem der Hauptmittelsäle
hängende Porträt von Fritz Pfuhle, dem
Schöpfer der „Blauen Madonna", zu weisen, in
dem herb in der Farbe, sachlich inderZeichnung,
und ausdrucksvoll eine junge Dame dargestellt
ist. Es könnte natürlich noch eine Reihe von
Künstlern mit dem gleichen Recht hier ange-
führt werden, doch eingehender können wir uns
in diesem Jahre mit der Ausstellung nicht be-
fassen RUDOLF KLEIN.
THEODOR BOHNENBEGER MÜNCHEN.
• .KNABE AUF SHET^ AN D-PONY. .
N,
PROF. K. A. WÜHLE— DANZli;.
IIIE BLAI'E MADONNA«
QUELLEN DES BEHAGENS.
VOM SAMMELN.
Drei gute Genien wirken am Behagen im
Hause vor Allem, drei freundliche Ge-
schwister: Sie heißen Ordnung, Geschmack und
Sammelfreude. Die Sammelfreude sucht und
schafft herbei, der Geschmack wählt und wertet,
die Ordnung weist jedem seinenPlatz, waltet und
erhält. Vom Sammeln sei hier die Rede. Der
Sammeltrieb (oder die Sammelfreude) ist ein
wichtiger Kulturfaktor: Er verbindet Natur und
Menschenwerk mit dem Menschen, er verbin-
det die Vergangenheit mit der Gegenwart und
die Gegenwart mit der Zukunft, er schlägt
Brücken von Seele zu Geist und von Geist zu
den Seelen. Er bereichert, belehrt, er hebt die
Achtung vor göttlichen und menschlichen Schöp-
fungen, er mehrt Wissen und Erkenntnis. Seine
Wurzeln liegen tief im Gemüt, wenn er sich
auch oft als einen Sohn des Verstandes ausgibt.
Nichts erscheint ihm zu gering, er ist so recht
ein Beamter der AUiebe, die ihn bestellt hat
und besoldet, ihre vielfältigen Kinder zu ver-
einen, zu hüten und zu bewahren. Wo er nicht
zu einer sinnlosen Leidenschaft, zur törichten
Habgier, zur eigennützigen Gewinnsucht ent-
artet, da bringt er nur Segen und Anregung.
Wenn er auch nicht im eigentlichen Sinne zu
den erzeugenden Tätigkeiten gehört, so kann
man ihm doch nicht eine gewisse Fruchtbarkeit
abstreiten: Sammlungen, feinsinnig und von
hoher Warte zusammengestellt, können wie
lebende oder sagen wir künstlerische Orga-
nismen, die Generationen nicht nur entzücken,
sondern auch befruchten. Bei Bildung dessen,
was man Stil nennt, hat er einen hervorragenden
Anteil. In dieser Hinsicht ist er ein naher Ver-
wandter der Kunst, die er so gerne beschützt.
In jedem umfangreicheren Menschen ist er
hoch entwickelt, aber er lebt auch in den
schlichtesten Seelen. Alle großen Künstler sind
leidenschaftliche Sammler, von denen ange-
fangen, die die Schatzkammer ihres Gedächt-
nisses mit Hilfe ihrer scharfen Sinne mit den
24
I^om Saf/ime/n.
l.ri>\VI(. MlllKMANN DKMDEN.
Abbildern der Dinge und der Ereignisse füllen,
bis zu den großen Eroberern, die die Museen
ihres Vaterlandes mit den Schätzen der Kunst
und der Natur aus aller Welt füllen. Was
sammelte ein Goethe nicht alles? Man gehe
nach Weimar und forsche in dem behaglichen
schlichten Tempel des Genius nach: Er sam-
melte Stiche und Holzschnitte, Erinnerungen
und Naturalien, Fayencen und Statuen, er
sammelte sich selbst. Es gab für ihn, den um-
fangreichsten aller Deutschen, so viele Gründe
immer mehr'und immer aufs neue zu sammeln.
Und wie er, so taten es und tun es noch alle
die Großen, die da wissen, was es heißt; Sein
Leben und das Leben der Menschheit zu leben.
Will man den Sammeltrieb in Kategorien
einteilen, so mag man von einem ästhetischen
reden, einem, der auf das Aneignen solcher
Werte bedacht ist, die dem Empfinden Erre-
gungen und Anregungen bereiten, von einem
wissenschaftlichen, der darauf ausgeht,
wohlgeordnetes Material für geistige Arbeiten
zu beschaffen, einem praktischen , der sich
01..\1.VL1jU. I.K.MI.I.ILII
damit beschäftigt, Werkzeug und Vorbild zu
technischen Zwecken zu gewinnen, und endlich
einen zärtlichen, der seine Genüge findet,
wenn er Dinge, die für ihn mit einer lieben
Erinnerung an Orte. Zeiten und Menschen ver-
knüpft sind, um sich häuft. Endlich könnte man
auch noch von einem phantastischen Sam-
meltrieb reden, doch bei näherer Betrachtung
ist er im Grunde nur eine Spielart des ästheti-
schen oder wissenschaftlichen odei eine Per-
version eines der beiden. Vielleicht könnte
man auch von einem Sammeltrieb der Sinne,
des Verstandes, des Gemüts und der Kräfte
sprechen. Für eine häusliche Kultur ist das
Sammeln von höchster Wichtigkeit. Man ver-
gegenwärtige sich ein Haus, wo nur angeschafft
und beschafft wird und halte sich dagegen
ein Hauswesen vor Augen, wo liebevolle Samniel-
geister walten. Hier seelenlose Nüchternheit,
geschäftliche Tapeziererherrlichkeit im besten
Falle, dort reiches geordnetes Leben, geistige
Gastlichkeit und freundliche Fülle — hier kalte
Unpersönlichkeit.dortl'crsönliciikeilundMensch
25
l''oTn Sammehi.
HANS lOEPPEK— MÜNCHEN.
lichkeit. Am behaglichsten werden sich immer
die Häuslichkeiten ausnehmen, wo jeder Sam-
meltrieb ein Feld hat; Eine schöne Bücherei,
Jagdtrophäen, Waffen, Bildnisse verehrter Hel-
den. Was ist das Zimmer des Hausherrn ohne
solche Beigaben oder ähnliche? Was ist das
Zimmer der Hausfrau — und wäre es vom
raffiniertesten Raumkünstler ausgestattet, ohne
den zärtlichen Sammelgeist, der nicht müde wird.
i;EiM.\lue; -die gru.ne u.vme«-
Bildnisse von Lieben um sich zu versammeln und
kleine mysteriöse Nichtigkeiten zu verteilen?
Es würde eben das Beste, das Weiblich-Persön-
liche fehlen. Alle feineren Raumkünstler tragen
klug erwägend diesem Sammeltriebe Rechnung,
indem sie diesen Dingen liebevoll schützende
und rechtfertigende Einheiten gestalten.
DieEmpf angsräume sollen freilich frei sein vom
Allzumenschlichen und Allzupersönlichen. Hier
26
Vom Sammeln.
rKi'UvsoR .1. H. i;m;|-.I. llKKr.lN.
muß der ästhetische Sammeltrieb regieren, und
Affektionswerle sind hier nicht am I'latze. Die
Gastlichkeit verlanjit Diskretion und verbietet
es, dem ferneren Besucher mit seinen innersten
Liebhabereien zu kommen. Gute Gemälde und
schöne GesJenstände von allgemeinem Interesse
sind hier allein am Platze. Doch das sind Lehren,
die allgemein bekannt sind.
P'tne hübsche Rücherei, Vk'er schätzte sie nicht !
Wirkliche Sammlungen wissenschaftlicher oder
ästhetischer Art größeren Umfanges zu einem
kleinen Museum vereint, verleihen einem Hause
ZEU'HNrMi: »MI III K I Ml KIM)
besonderen Reiz, zumal auf dem Lande sind
sie unschätzbare Anreger, Tröster an Regen-
tagen und an langen Winterabenden.
Auch Korridore eignen sich auf das trefflich-
ste, Sammlungen irgendwelcher Art geschmack-
voll zu gruppieren. Gravüren aus fernen Län-
dern, Ethnographika, Waffen, .lagdtrophäen
sind ein weil persönlicherer Schmuck, voraus-
gesetzt eine wirkliche Sammelleidenschaft hat
sie herbeigetragen, als die schönsten Schablo-
nierungen oder rhythmischen Ornamente eines
Baumeisters. Dergleichen sind in öffentlichen
Vom Sammeln.
I'AUI. PLÖN! KE- DRESDEN.
Gebäuden, in Hotels, in Schulen vielleicht an-
gebracht, dem Geiste echten Behagens, das
aus dem Menschlichen seine Befriedigung und
Freude erzeugt, widersprechen sie.
So achten denn tüchtige Raumkünstler, ehe
sie ihr Werk in einem Hause beginnen, sorg-
fältig auf die Sammelleidenschaften der Bewoh-
ner, und wo sie solche entdecken, beginnen sie
auf diesen fußend ihr Werk, und wo sie keine
starken finden, da suchen sie nach Ansätzen
und der Möglichkeit, welche zu entwickeln:
Denn ohne sie ist und bleibt ein Hauswesen
allenfalls ein Dokument für die begabte Per-
sönlichkeit des Raumkünstlers oder Architekten,
wird aber nie ein Dokument für die Persönlich-
keit der Bewohner sein, wofern diese nicht ihren
Ehrgeiz in rauhem Puritanismus suchen — oder
in absoluter Unpersönlichkeit , was allerdings
auch ein Ausfluß von Persönlichkeit, wenn auch
kein menschlicher und sympathischer sein kann.
Am verbreitetsten ist in unseren Tagen das
Antiquitätensammeln und in manchen Städten
gibts ebensoviel Altertumshändler wie Brot-
läden. Es ist das kein gutes Symptom und deutet
darauf hin, daß man spielerisches Maskieren,
ein Sich-in-andere-Zeiten-Hineinstimmeln dem
gesunderen und frischeren Sich-in-seine-Zeit-
einleben vorzieht. Aber auch wirtschaftlich
und kulturell ist das Altertumssammeln kein
Glück! Ist es denn menschHch, ist es gerecht.
»FLORENTINISCHES FUHRWERK«
daß ein Künstler sein hundertjähriges Ver-
hungerungsjubiläum gefeiert haben muß, bis ein
Trödler oder ein schäbiger Zwischenhändler
den Lohn für sein heiliges Schaffen einstreichen
kann! — Gott sei Dank hat das Altertums-
sammeln seine Strafe in sich: Selten sind die
guten Antiquitäten, alt wie es selbst, ist das
Fälschen, und die Austin's de Bordeaux, die
im Mittelalter antiquitätenhungrige Kaiser an-
schmierten, betrügen auch noch unsere anti-
quitätenlüsternen Damen und Herren — und
betrügen sie hoffentlich noch so lange, bis sie
es endlich lernen, daß gute ehrliche Schöpfun-
gen ihrer Zeit besser sind als die besten, aber
unehrlichen Fälschungen vergangener Werte.
Und — Gott sei Dank: Unser modernes auf-
blühendes Kunstgewerbe und unsere frische
junge Kunst mit ihrem unendlichen Reichtum,
bietet den Verständigen und Einsichtigen längst
ein dankbareres ästhetisches Sammelgebiet als
die zweifelhafte Luft der Trödlerläden.
Es hat Sinn, historische Dokumente zu sam-
meln, es hat Sinn, praktische Dinge zu Nutz
und Frommen zu vereinen, es hat Sinn, Kunst-
werke aus allen Zeiten zu sammeln, wenn sie
echt und gut sind — aber seine Wohnung mit
Trödel zu bevölkern, mit altem Gerumpel elen-
dester Technik und Machart, nur weil es den
Nachteil hat, alt und schmutzig zu sein — das
hat eben keinen Sinn, kuno gr.\e Hardenberg.
28
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ARI. I.AK-si •% M \\tU ikN.
GEMÄLDE: i',\<' 'U.\ Mi Hl
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W. HAMBUCHEN— DUSSELDORF. »FRÜHER HERBSTMORGEN«
VAI.KNTIN DE /.UBIAURRE.
»HAUER AUS SEGOVIA«
RAMON UND VALENTIN DE ZUBIAURRE-MADRID.
Baskische Erde und die Meisterwerke der
spanischen Vergangenheit — das sind die
nährenden Elemente in der Kunst der Brüder
Zubiaurre. In unseren internationalen Aus-
stellungen sind sie längst gerngesehene Gäste,
in Paris und Berlin haben sie ihre Triumphe ge-
feiert, der Erfolg hat ihr Schaffen vielseitig ge-
krönt. Wohl gerade deshalb, weil ihre Kunst
von vornherein national war und blieb. Der
Ernst, die Strenge spanischen Wesens, das eher
zur Härte als zur Liebenswürdigkeit neigt,
treten stark hervor. Scharf und tief gekerbt
wie die Züge der baskischen Bauern, die den
Brüdern so oft als Modelle gedient haben, ist
auch das Antlitz diescrKunst, herb, verschlossen
und voll pompöser Repräsentation ihre Haltung.
Die spanische Kunst, die Dichtung nicht ausge-
schlossen, kennt nicht das pikante Flirren des
Lichtes, kennt nicht das gallische Lächeln und
nicht die tiefe germanische Süße eines von Grund
aus malerisch erfaßten Weltbildes. Ihr Grund-
zug ist Herbheit und Härte, düstere Pracht und
Vornehmheit der Gebärde, Armut der Abstu-
fungen und Vorherrschaft des Zeichnerischen.
In diesen Gemälden der Brüder Zubiaurre
gehen die Linien einen unbestechlich klaren und
strengen Gang; klar und großflächig sitzen die
Töne nebeneinander, für welche in der Haupt-
sache das graugelbliche Grün des Apfels cha-
rakteristisch ist. Das Momentane der Erschei-
nung aufzufassen, lehnt diese Kunst von vorn-
herein ab. Sie ist auf das Ewige, das Dauer-
bare der Objekte eingestellt, mithin in ihrem
Charakter wesentlich idealistisch angelegt. Den
Reiz der Bewegung scheint sie nicht zu kennen ;
es sind immer die Augenblicke tiefer innerer
und äußerer Ruhe, in denen sie ihre Menschen
erfaßt : Bauern beim Gebet, im beschau-
lichen Trunk, Menschen, die zu wissen scheinen,
daß man sie porträtiert und die daher alle
Sammlung der Seele aufbieten, damit in ihren
Zügen das Innere kräftig nach außen trete.
I9i-j;i:!. I. 4.
3'
Ratnön und Valentin de Zubiaurre-Madrid.
RAMiiN UE ZUlilAURRE— MADR[D.
Seltsam und in der Geschichte der Malerei
nicht oft erhört ist dieses Zusammenwachsen
zweier Künstlerpersönlichkeiten zu einem ein-
zigen, geschlossenen „CEuvre". Nur im AUer-
persönlichsten, im Strich, im Manuellen des
Ausdrucks bleiben Unterschiede bestehen ; aber
der Geist, die künstlerische Auffassung, das
Temperament, das malerische Weltbild haben
die Brüder Zubiaurre völlig miteinander ge-
meinsam. Offenbar gab es in ihrer Entwicke-
lung schon frühe einen Punkt, in dem die bei-
den, vielleicht nach längerem, redlichem Diffe-
renzierungsstreben, ihre innere Gleichartigkeit
erkannten. Und von diesem Zeitpunkte an
dürften sich die Brüder entschlossen haben, das
auf Unterscheidung gerichtete Bemühen aufzu-
geben und ihre blutsverwandten Kräfte unter
einer ideellen „Personal -Union" zu sammeln.
Ich glaube, man hat in diesem gegenseitigen
»DER CHEl- DER FAMJLIE«
Opfer nur einen Beweis für den tiefen Ernst
und die Strenge ihrer künstlerischen Auffassung
zu erblicken. Dieses Opfer der Subjektivität
konnte nur geschehen auf Grund der Überzeu-
gung, daß Kunst die Offenbarung von etwas
objektiv Gesetzmäßigem ist. Man sieht ja, wie
selbst das fingierte Subjekt, das Blut, das Genie
der Familie, in den Bildern der Brüder hinter
der ruhigen, leidenschaftslosen und doch festen
Erfassung des Objektes schlicht zurücktritt.
Mit ihrer ganzen idealistisch-konzentrierten
Art gehören die Brüder Zubiaurre zu jener
großen und im Grunde genommen zeitlosen
Gruppe von Malern, der viele der Primitiven,
der Männer wie Hodler, Karl Haider und alle
diejenigen angehören, in deren Werken weniger
das unruhige Subjekt, als das echte, wahre ob-
jektive Wesen der Welt zutage tritt. Es ist
ganz folgerichtig, daß in ihren Werken das
32
Rainön und l^alentin de Zuhiaurre Madrid.
VALENTIN l)E ZUItlAUKKE -MAÜKU).
Schwergewicht nicht auf dem malerischen Reize,
sondern auf dem kompositionellen Wohllaut
liegt. Wie allen Idealisten ist ihnen das lineare
Element das Wertvollste, bauen sie ihre Bilder
nach strengen architektonischen Grundsätzen
auf. Sehr oft bedienen sie sich der Silhouetten-
wirkung, besonders Valentin, der es liebt,
dunkle Figuren als große ruhige Flächen auf
hellen Grund zu stellen und so oft linienrhyth-
mische Wirkungen von beträchtlicher Kraft und
stiller Schönheit erreicht. —
Zum Schlüsse darf vielleicht noch ein weniges
über die Künstler selbst gesagt werden. Sie
entstammen einer alten baskischen Familie und
sind beide noch jung und im Anfange ihres
Weges. Valentin ist am 22. August 1879, Ra-
mon am 1 . September 1 882 geboren, der erstere
in Madrid, der letztere in einem kleinen Dorfe
Vircaya. Den lebhaften künstlerischen Impuls
verdanken die Brüder dem Vater, einem Musiker
von Rang und von großer Kraft der Begabung.
»RCCKKEHK vom MARKT
Ihre erste Ausbildung erhielten sie an der
Madrider Akademie; dann folgte ein mehrmo-
natlicher Studienaufenthalt in Paris. Reisen
führten die Brüder durch alle bedeutenderen
Kunstzentren Europas; hier sammelten sie, vor
den Meisterwerken alter und neuer Zeit, die
Eindrücke, die ihnen schließlich die F'reiheit
gaben, nach ihrer Heimkehr ganz national und
eigenartig zu produzieren. Die Kenntnis alles
Fremden diente lediglich dazu, ihnen ihren er-
erbten Besitz an wurzelhafter Eigenart stärker
zu fühlen zu geben; nirgends sieht man sie in
ihrem Schaffen fremdem Einflüsse erliegen. Ich
kann die Bemerkung nicht unterdrücken, daß
hierin ein nachahmenswertes Beispiel für viele
unserer jungen Künstler liegt. Jedes Studium
des Fremden, das nicht die schärfere Heraus-
bildung der eigenen nationalen Art zum Haupt-
ergebnis hat, ist ein Schade, keine Förderung.
Alles F'remde soll unsere Eigenform stärken
und festigen, nicht auflösen, wilmelm michei..
33
VALK.NTIX DE ZUIUAUKKE.
GE^L\LDE: > VVALLFAUKliK -
WEM GEHÖRT DIE STADT?
EINE GRUNDSÄTZLICHE GLOSSE VON RICHARD SCHAUKAL WIEN.
Vrorbemerkung; Der schlicht - monumen-
tale , historische „Trattnernhof" auf dem
Wiener ..Graben" ist im vorigen Jahre nieder-
gerissen worden. An seiner Stelle erhebt sich
eines der üblichen protzigen Ungeheuer , ein
Doppelbau. Die Frage, ob zwischen den Häu-
sern — das alte war ein „Durch-Haus" gewesen
— eine auf der Grabenseite überbrückte
(breite) Gasse anzulegen sei oder ob dies
ohne die (den Wandcharakter des Grabens
wahrende) Brücke zu geschehen habe, war leb-
haft öffentlich besprochen worden. Gegen
den Durchbruch hatte sich, abgesehen von
der Zentralkommission zur Erhaltung der
Kunst- und historischen Denkmäler, neben
andern Künstlerverbänden auch die Vereinigung
bildender Künstler Oesterreichs „Sezession"
ausgesprochen. In einer Sitzung der Bezirks-
vertretung war die Haltung der Künstlerschaft
erörtert und gesagt worden, zumal die „Se-
zession " hätte sich besser nicht einmischen,
vorerst ihr eigenes Gebäude bedenken sollen.
In einer Großstadt sei der Verkehr zu heben,
nicht aber durch Schrullen zu behindern. Da-
gegen hat die „Sezession" protestiert und im
Protest hervorgehoben, daß der Verkehr kei-
neswegs behindert wäre, wenn man das un-
nötige Aufreißen der Platzwand vermiede. Es
handle sich dabei übrigens gar nicht um den
Verkehr, sondern um die Steigerung des Miet-
wertes der in jener Gasse unterzubringenden
Geschäftslokale. Die Bezirks-Vertretung hat
die Zuschrift der „Sezession" zurückgewiesen,
weil es nicht Sache der Vereinigung sei, sich
darum zu kümmern, was in einer Sitzung
„freigewählter Männer" gesprochen worden
sei, und dies zu rügen. — Die Grabenwand
wird aufgerissen.
Am „ Graben " ist nicht mehr viel zu verderben.
Seit ihm die ehrwürdig-heimUche Wirkung des
34
IVefU ochört die Stadt?
RAM6n de ZUWAURRE— MADRID.
ruhigen, großen „Trattnernhofs" weggenommen
worden ist, verbleibt ihm nur noch das edle,
heitere Gebäude der Sparkasse als vereinsamtes
Zeichen einer besseren, einer vornehmerenZeit,
verbleibt ihm, der selbst nicht mehr ist. Wo
ist der Wiener „Graben"? Sieht man wirk-
lich noch die „Pestsäule", oder steht sie bereits
im Museum — dieser trübseligen Ausflucht der
ihre Grundlage, die Kultur, zerstörenden „Bil-
dung" — , sieht man noch die zwei lieben kleinen
Brunnen? Fremde finden jene nach dem Reise-
handbuch, Kinder, die im Wasser das ewige
Antlitz der Natur lockt , schenken diesen ihre
unverderbte Aufmerksamkeit; der Wiener von
heute sieht „Auslagen" und Bekannte, Stell-
»PORTRÄT MIQUEL DE TJNAMUN SALAMANCA«
wagen und „Autotaxi", je nachdem, kaum
mehr die einst hier herrschende Reihe der
Grabenfiaker, die wohl auch bald ins Museum
werden wandern müssen. Aber man beschwöre
einen alten Wiener und frage ihn nach dem
„Graben"; er würde ihn nicht finden. An sei-
ner Stelle stehen, dem Volk der Müßiggänger,
das nur in Augenhöhe Umschau hält , unsicht-
bar, die ordinären Gebäude, die viel von
falscher Prunksucht und hohem Zins, nichts aber
vom Wesen der einzigartigen Stätte aussagen,
die, wie der Stefansturm, wie die Reste der
rheresianischen und Joscphinischen Noblesse,
Wien als ein kostbares Stück lebendiger Kultur-
geschichte hatte gelten lassen. Es handelt sich
37
Wem gehört die Stadt?
KAMON DE ZUUIAUKKE -MAUKID.
also gar nicht mehr um den „Graben", dem ja
auch bereits die wundervollen Paläste seiner
melancholischen Zubringer, der melodisch ge-
wundenen Seitengassen, vom geschändeten
Leib gerissen werden , es handelt sich darum,
ob es wahr ist, daß sich, wenn Wien zerstört
wird, dieKünstler nicht einzumischen
hätten.
Es bleibt ja leider ein meist aussichls- und
ergebnisloses, ein ideales Unternehmen, wenn
sie's tun. Aber sie können's einmal nicht
lassen, und nun sollen sie's nicht einmal mehr
dürfen , die armen Narren der besseren, das
ist natürhcherweise der schwächeren Über-
zeugung? Ich meine, nicht nur diese weni-
gen Rufer in der Wüste dürften's , sondern
es müßte ihr uneigennütziges, ihr dankens-
wertes , ihr mutiges Auftreten für die Sache
Wiens ein Echo wecken , das nicht verhallte.
Ich wiederhole , es handelt sich hier garnicht
um den „Graben", dieses armselige Zerrbild
einstiger Schönheit, es handelt sich nicht darum,
was für Gründe für das Aufreißen seiner Platz-
wand „freigewählte Männer" sich nicht bereden
»EIN FESTT.'^G IN GARAY«
lassen mögen, es handelt sich darum, ob Wien
als eine zwar längst brüchige , aber doch noch
nicht verendete sinnfällige Vorstellung
den Wienern gehört oder den Hausherren.
Man sollte denken , daß darauf Wien selbst
seinen „Vertretern" die Antwort auch ohne die
Künstler nicht schuldig bleiben könnte.
Dürfen Hausherren eine Stadt auf ihre Fasson
erneuern? Es ist geschehen. Es geschieht
täglich um uns herum — man wagt es, selbst
in seine Rebengelände, dort, wo noch in alten
Gärten selige weiße und gelbe Alt -Wiener
Träume dauern , Schandgreuel baumeister-
lichen Stumpfsinns zu verpflanzen — aber
darf das wirklich sein? Nein! Erzwingen
müßte , wenn schon die Theorie versagt , die
Norm mangelt , der ungeduldige Unmut der
von diesem Unfug Betroffenen , durch ihn
schwer, an der Seele Geschädigten eine
andere, eine derTradition, der Geschichte Wiens
würdige Praxis. Glaubt dieses scheinbar teil-
nahmslose, aber sehr beteiligte Publikum, daß,
wenn es schon selbst geblendet ist vom After-
tum seiner gottverlassenen Ära, seinem Nach-
38
Wem gehört die Stadt?
KAM^'N DE /.riUAl KKE MAliRlli
wuchs nichts fehlen werde, dem es dereinst —
denn üiese „Kultur" muß ja doch auch einmal
zugrunde gehen — Rechenschaft wird ablegen
müssen über sein unsühnbares Versäumnis?
O, es gibt Erinnerungen an nie Gesehenes,
Atavismen der immer neuen und doch uralt-
ewigen Phantasie, die sich anklagend erheben
gegen schlechte Hüter des wahrhaftigen Hortes.
Es gibt eine Trauer auf Ruinen — und nicht
einmal Ruinen werden zeugen! — die ebenso
schmerzlich ist wie der erlebte Abschied. Wer-
det ihr euren Enkeln zur Rechtfertigung eurer
Sünden wider den heiligen Geist dieser Stadt
vielleicht vom „Verkehr" sprechen, dem immer
wieder mitten durch kostbarsten ererbten, von
den Vorfahren euch anvertrauten Wert öde
Gassen hätten gebrochen werden müssen?
Vom Verkehr, der sinnlos, aber alle Sinne massa-
krierend, sich selbst zum Ziel setzt und wie die
Wassersucht den Umfangeines organischen Ge-
bildes wohl ins Maßlose erweitert, aber seine
Form zerstört! Und — werden eure Enkel, die
-M.VÜCllE.N .VUS SALA.MA.NCA^
trotz Luftschiffen doch wieder am Himmel
werden gelandet sein, fragen, — und habt ihr,
Sklaven der Mittel ohne Zweck, denn eurem
Götzen nicht huldigen können, ohne ihm Heka-
tomben zu schlachten? Hat er sich nicht be-
dienen lassen , ohne daß ihr euch von allem
entblößtet, was dem armseligen menschlichen
Dasein Inhalt gibt: Sitte, Rhythmus, Harmonie?
So werden, so müssen eure Enkel sprechen,
denen ihr weismachen wollt, daß sie Wiener
wären, und die, erfüllt vom wehmütigen Zauber
alter Bilder, Wien suchen werden, das ihr euch
vor der Nase in eine Barbaren-Ansiedlung habt
verwandeln lassen! — r. sch.
Wir iiiiisscn dem uns iiinewoliiiciuk'ii Driiny luidi
sdionlic-itsvoller Gcstdltiiiui jene Ziele und Riditlinicn
yeben, die aus unserer Kultur lieivoryelicn und uns
mit dem portsdiritt des Zeitgeistes tiudi im Kunst-
leben vorwärtsbringen. Wir müssen suHien, mit der
liußersten Erfüllung der Anfijiibe liinsiclillieh Zweck,
Todniik unseren IJcuiwerken dudi die ihrer Bestinnnuriy
entsprcdiende Sdiönlieit zu geben. . . MARI>1A(I(I.
39
VALENTIN UE ZUBIAURKE-MACRID.
»BASKISCHE TYPEN«
R.\MoX DE
ZUBIAÜRRE-
MADRID. K^s
»DIE ALTEN VON ONDAkROA«
PROF. A. NIEMEYER-MÜNCHEN.
PORTAL DES HAUSES A. KRAWEHL -ESSEN.
>^DELBERT
NIEMEYERj
Niemeyers Ansprache hei der Einweihung des Hauses.
..Das Programm des Festes erfordert es, daß ich als Architekt die Übergabe
des Hauses mit einigen Worten einleite: Meinem Bauherrn zur Freude und
mir zum Stolz gereicht es, daß ein so illustrer Kreis von Gästen zu dieser
Feier erschienen ist. Zunächst muß ich meinen Geschwistern meinen Dank
aussprechen für das einzig dastehende Vertrauen, das sie mir erwiesen,
indem sie mir die ganze Herstellung des Baues vor zweieinhalb Jahren über-
trugen. Dieses Vertrauen habe ich zu rechtfertigen versucht, indem ich mich
bemüht habe, das Haus dem Wesen seiner Bewohner anzupassen. -- Ich
hoffe, es spiegelt sich in allem, was Sie innen und außen am Hause sehen, der
vornehm schlichte, großzügige Charakter des Hausherrn, dem jeder falsche
Prunk fernliegt, seine Begeisterung für alles Künstlerische und seine Vor-
liebe für das Gediegene ebenso wieder, wie das lebensfrohe, anmutige und
heitere Wesen der Hausfrau. — Vergeblich werden Sie suchen in diesem
Hause nach Teppichen des Orients, nach Palisander, Perlmutter und Elfen-
bein, vergebens nach Räumen im Stil Louis-seize oder Louis-Philippe, des
noch Moderneren. Es ist alles gut deutsch ausgefallen, hoffe ich, Stil:
Krawehl-Niemeyer. — Und das Beste, was Sie am Bau sehen, ist das, was
Sie nicht gleich sehen, es ist die Güte deutscher Handwerkskunst. — Ich
überreiche Euch nun als letzte Arbeit am Bau den Schlüssel der Tore:
Verschließt damit die Pforten den Poesielosen und Kleingläubigen, öffnet
damit Euer Heim allem Schönen, den Künsten, der Freundschaft und
Treue, und laßt ein jederzeit solche Gäste, wie Ihr sie heute geladen habt."
i;m-';i3. I.
U
I'KOt. A. KIEMEVEK— MÜNCHEN.
HAUb A. KKAUEHL EbSEN.
ADELBERT NIEMEYERS HAUS KRAWEHL.
Hervorragende künstlerische Überlegenheit
in Form und Sinn, durch Erfindung und
Anpassung, Architektur und Zier spricht aus
der kurzen, vielsagenden Ansprache Nie-
meyers, die ich mit herzHcher Freude meinen
Zeilen vorausschicke.
Diese wfoUen beschreiben und charakteri-
sieren. — Beides läßt sich hier kaum trennen:
Denn wo der Künstler mit jeder Gabe in reinen,
vollen Akkorden der Hausfrau heiteres Wesen,
des Hausherrn großzügigen, schlichten Sinn
symphonisch umschloß, da hat die ganze Anlage
und jeder Raum, da hat Größtes und Kleinstes
viel mehr als architektonischen oder zierenden
Zweck, da ist alles und jedes Schöpfung eines
unnachahmlichen künstlerischen Ingeniums.
So, als ob's nicht anders sein könnte, ist das
Äußere, sind Umriß und Aufbau des großen,
freistehenden Hauses. In der breiten Anlage
liegt gefestigtes Behagen. Die Schlichtheit, die
doch zu dominieren weiß, die hofbildende
Stellung der drei Hausteile, das vorspringende
Portal, die Symmetrie der Massen, der Fenster
und Kamine, die Meidung alles Unruhigen,
Überflüssigen , Gesuchten und Auffallenden
verleihen dem Hause zurückhaltenden Adel.
Keine unruhige Geste, kein buntes Tuch. Es
wirkt wie einer, der durch feste Einheitlichkeit
der Gedanken und Äußerungen zur Führung
begabt ist. — Die grauschwarzen Reeser Pfannen
des gebrochenen Daches über gelblich weißem
Verputz, die warm-grauen Fensterläden, die
die weißen Fensterstöcke noch lichter, noch
freundlicher rausschauen lassen, das schwarze
eiserne Gitter zwischen der rustikalen Mauer
und an den Balkons geben dem ganzen Grund-
stück behagliches Selbstbewußtsein. — Und
was an die alten heimischen Kotten, an alte
Bauart erinnert, entspringt tüchtigem Sinn, ge-
sundem Gefühl für bleibende Werte jenseits
von modern und unmodern.
Wer Niemeyers eminente künstlerische
Selbstzucht ermessen will, prüfe das schlichte
äußere Tor und den Portalvorbau genau
44
SCHMIEDEEISERNES TOR AM HAUS A. KRAWKHL.
AMOEIDEZ
D KINDER.
i
i
PROFESSOR ADELBERT NIEMEYER— MÜNCHEN.
WESTSEITE DES HAUSES A. KRAWEHL— ESSEN.
PRÜF. AllKl.lU.KT NJKMliVKK- MINCHKN.
ÜSI- LMj Ui.,-,I.S1.IIL 1J|> UACSKS A. KKAWKIll..
\ MI U > : k Ml \i III N - I K \-~l
\ I. I \\\ 1 Hl 1 -.MCN.
l'Ruh. A. MtMtiKK-MUNCHliN. VESllHÜL UND HERREN-GARDEKOllE IM HAUSE A. KkAWEHL-ESSEN.
l'KOF. A. iME.MEVER. HALLE IM HAUSE A. KRAWEHL.
AUSFÜHRUNG: DEUTSCHE WERKSTÄTTEN — MÜNCHEN.
mjii' »
Mil.
u
o
D
•<
2
U
n
u
z
o
^■lihlheti Xietuexers I/tms KraivehL
(Seite 45 und 42). Eklektiker hätten diese
exponiertesten Teile reicher, andere hätten
durch komplizierte Linienführung die Augen
bis zur Ermüdung zu reizen versucht. Ein Mo-
derner aber von der Sicherheit Niemeyers läßt
ruhig Sensationssucher und Unkünstlerische
vorübergehen; der Reiz dieser geschwungenen,
bergenden Linie über den Torstäben, das ganze
Tor wird ja doch einmal von guten Nach-
empfindern, aber schlechten Erfindern nach-
gemacht werden — zur späteren besten An-
erkennung. — Das gleiche gilt vom l^ortalbau.
Welche Noblesse, welche Gemessenheit, welche
leinheit gegenseitiger Wirkungen. Diesmal
sind reiche Mittel in Dienst gestellt. Fein ge-
schwellte, würdige, feste, monolithe Säulen aus
Ruhrkohlensandstein tragen den schützenden
Balkon. Die massive Portalwand aus Treucht-
lingcr Marmor von verhaltener Farbe um-
schließt die mitt schwarz - grünlich lackierte
Haustür. Aus ihren ungeteilten tiefen Flächen
leuchten kräftig gearbeitete Messingbeschläge.
Das ist echt Nicmeyersche Kunst : liebenswürdig
lachend, so nur um die Mundwinkel und mit
fröhlichen, schelmischen Augen. Über der Tür
eine Marmorkartuche mit dem I lauszeichen der
Krawehls — eine Karawelle, die mutig die
Wellen teilt. Könnte auch Niemeyers Zeichen
sein, seine tüchtige Kunst gewinnt reiches Neu-
land der Schönheit.
Die Umfriedung des Grundstücks folgt ge-
schickt den Essener Bauvorschritten so, daß
nur die Teile des Gartens, die dem Verweilen
der Familie dienen, den Blicken der Passanten
entzogen sind. Die Quaderung der Mauer hat
unter Kohlhart's, des verdienten Bauleiters,
künstlerischer Überwachung jene scheinbar zu-
fällig belebende Unregelmäßigkeit bekommen,
die wir in allen Flächen der Natur — allem
Terrain, allen Felswänden und Wiesen — , unbe-
l'KOtESSOR A. .\IEMEVER- MÜNCHEN. KAMINPLATZ IN DER HALLE A. KRAWIIIL.
ArsFÜHRrNG DER .\L\R.MOR-AKIIErrEN : KU^KER A.-G. KIEKERSFKI.DEN.
1912 l:i. I.
53
Adc/heti Niemevcrs Haus Krawehl.
I'KÜFESSOR A. NIEMEVER— MÜNCHEN.
wüßt oder bewußt, als reizend empfinden. —
Das Haus hat nur zwei Balkone. Genug für
das Stadthaus einer FamiHe, der für alle schönen
Tage auf naher herrlicherBerghöhe ein Landhaus
offen steht. Wohl aber ist das flaus nach Sonne
und Licht orientiert. Alle Wohn- und Schlaf-
zimmer liegen an den Sonnenseiten desLIauses.
Auch das zeigen die Grundrisse : Regelmäßig-
keit nach außen und innere Zweckmäßigkeit
widerstreben sich nicht, sie loben miteinander
das Werk des Architekten. Der folgt nicht der
Tagesmeinung von heute, alles, was regelmäßig,
sei akademisch, und deutscher Art entspräche
nur die unregelmäßige Fassade. Diese Meinung
ist falsch und bequem. Die vollendete archi-
tektonische Schöpfung geht nicht aus der Er-
füllung zweckmäßiger Forderungen allein her-
vor, — sondern immer aus einer gesetzmäßigen
Meisterung der Form. Leichter ist's „malerisch-
unregelmäßig" zu bauen, als praktisch und
ausgleichend. Die Meister der Baukunst aller
Zeiten sind Anerkenner des Problems, das auch
hier Niemeyer gelöst. Hat er doch die einzel-
nen Raumgruppen des Hauses zu je einer
HALLE IM HAUSE A. KRAWEHL ESSEN.
Einheit zusammenzuschließen gewußt. — Mit
welch farbfreudiger Liebwürdigkeit empfängt
nun dies Haus den Eintretenden. Weder
Bilder noch Worte geben dies wieder. Nie-
meyers Räume lachen und leuchten auch bei
trüben Tagen von Licht, Sonne, Farbe. Wie
armselig schaffen neben ihm so viele Architek-
ten, die von der technischen Hochschule nur
Raumrechenkunst und Eklektizismus mitge-
bracht. Über diesen steht Niemeyer, dessen
Malername die Secession ehrt, als genialer
Neuerer und Führer. Besonders in Anlage und
Gestaltung der Parterreräume des Hauses Kra-
wehl bewährt sich unser Künstler als zweifach
hochbegabter Architekt. Frei von der hemmen-
den Gedächtnisbelastung der Nachahmer, folgt
er allen Großen der Baukunst in der gegen-
seitigen Wertung aller Größen, aller Formbezie-
hungen gestaltender und zierender Teile. Aber
ein Neues gibt er in unvergleichlicher Weise.
Ich kenne keinenAlten, keinenModernen, der's
ihm hierin gleichtäte. Er macht sich auch als
Architekt die Farben Untertan ohne jede Auf-
dringlichkeit der Wirkung. Das ist das aus-
54
PROFESSOR A. NIEMKVEK MÜNCIIICN".
HAUS A. KKAWKllI.— ESSEN. AUlüANc; MIT TKül-
PEN - l'KOSTEN VON NIDDA-RÜMEI.IN MÜNCHE.N.
A'hlhcrt Xietiicvers Ilmis hrawchl.
PROF. ADELBEKT NIEMEYER— MÜNCHEN.
zeichnende ; dem rätselhaften Zauber seiner
farbeinheitlichen Räume wird sich jeder hin-
geben, nur wenige werden sich sofort darüber
klar werden. Das gemessen hohe Entree erfüllt
immer warmes wie sonniges Licht. Die orange-
gelben Vorhänge der dunklen eichenen Glas-
türen, der gelbe Marmor der glatten Wände,
die nur durch wenige schwarze Linien aufgeteilt,
geben dem würdigen Vorraum frohe Stimmung,
nehmen der Strenge das Pathos der Feierlich-
keit. Wir sind in einem Hause der Sonne
und edler Fröhlichkeit. Noch nie sah ich so
„schmucke" Garderoben wie die hier rechts
und links vom Eingang. Weiß, Braun und Silber !
Glasierte Tonplatten, entzückend gefaßt nach
dem Plafond zu, vernickeltes Metall, bearbeitet
mit der Liebe des GoJdschmieds und diese Kühle
und Frische des Vorraums wieder getaucht in
ein warmes, orangenes Licht.
Aus den niedrigen Vorräumen tritt man nun
in den höchsten Raum des Hauses, die wohn-
liche Halle, um die sich Musik-, Eß-, Damen-
zimmer, Bibliothek, Herrenzimmer so grup-
pieren, daß alle Räume gegenseitig, alle mit
diesem Hauptraum unmittelbar verbunden sind.
BIBLIOTHEK. .\USK; DEUTSCHE WERKSTÄTTEN — MÜNCHEN.
Und diese Verbindung von Behagen und Opu-
lenz hat Niemeyer durch Farbenwahl und Licht,
malerisch -architektonisch anscheinend ohne
jede Mühe aufs höchste gesteigert. Der Raum
hat kein direktes Licht, und doch meint man die
träumerisch-warme Lichtfülle zu genießen eines
Lustschlößchens unter beschattenden Bäumen
eines Parks. Von den Türen des Eingangs, von
den Fenstern oben ringsum wirkt jenes warme
goldene Licht, aus dem Niemeyer in diesem
Hause, vortrefflich rechnend mit dem jeweils
andersartigen Reflex der Wände, immer neue
Harmonien der Töne und Stimmungen zu schaf-
fen wußte. Denn hier tritt wieder die klassische
d. h. führende Mäßigung der Mittel durch den
Meister des Hauses hervor. Er sucht nicht, in
immer wieder anderen, stark kontrastierenden
Farben die einzelnen Teile des Hauses effekt-
voll zu machen. Das ist ihm zu billig, zu äußer-
lich. Der Tapezierermanier stellt er höchste
geläuterte Kunst farbiger Raumschöpfung ent-
gegen. Er arbeitet nie „mit allen Mitteln" —
ein Gedanke des Künstlers bestimmt alles.
Das sind Räume, die in der Bemessung der
Höhen, Weiten und Einteilungen jedem Archi-
56
PROF. ADELBERT NIEHEYER — MÜNCHEN
BIBLIOTHEK IM HAUSE KR AWEHL - ESSEN
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V^ r- A y, y.
a - a a -^
j- Ä ^ — w
< 3! ^ ^ 5
■Idelbert Nienieyers Haits Krawchl.
tekten, in der Wertung und Nutzung der lokalen
und der relativen Farben selbst Meistern in
absoluter Malerei wie Whistler höchsten Ge-
nuß bieten könnten. — Architektonisches und
Malerisches läßt sich nicht trennen. So kann
die Beschreibung nur trennen, was gegenseitig
gedacht ist, keine Aufzählung der Mittel das
Ganze erschöpfen. Denn nirgends und niemals
benutzt Niemeyer Mittelchen oder gar Witzchen,
nicht Gobelins, Aubussonteppiche und Empire-
lüster, die selbst recht anerkannte Architekten
unserer Zeit nicht verschmähen.
I'KLIF. A. MEMEN EK
MÜNCHEN. AUSF: DEUTSCHE WERKST.-MÜNCHEN (1904). HERRENZIMMER IM HAUSE A. KRAWEHL.
Adclbot Xtancvers //aus /\rmve/il.
Nur einige harbnotizen zu den Bildern: Der
Kamin da aus tiefem verde antico, in den be-
haglichen geblümten Sesseln grün und rot. Das
Kränzel oben, so etwa in den Farben der Wein-
ernte, fein, wie so vieles kaum Gesehenes im
Hause, vom bekannten Münchner Bildhauer
Professor Ernst Pfeiffer ausgeführt. Gegen-
über der Kaniinwand der erhöhte Bibliothek-
eingang neben der Treppe. I Her flutet ein volles
grünes Licht über den warmen Teppich zum
schwarzweißen Marmorboden und gibt dem holz-
geschnitzten molligen Putto auf dem eichenen
Treppenpfosten etwas vom lustigen Versteck.
Der kleine Treppenrutscher ist ein kostbares
Werk Nidda Rümelins. Vom Treppenaufgang
kommt helles Licht. Man sieht eine rosig ge-
blümte Tapete. In der weißen Vertäfelung der
Halle links bemerkt man nicht die Türe zum
Damenzinmier. Auch des Abends ist die Halle
ein Lichtgenuß. Da erwärmt abendgolddämm-
riger Schein, von den oberen Fenstern her,
die lichte Halle. Deckenlicht fehlt wohlweislich.
Einige kabinenartige Wandlichter, Steh- und
Tischlampen dienen jeweiligem Bedürfnis. Wie
stimmungsvoll der Kaminplatz, läßt unsere vor-
zügliche Abbildung auf Seite 53 ahnen.
Die Möbel, die Lampen, die Wandschränk-
chen sind echt Nicmeyerschc Schöpfungen, alles
liebenswürdig, wählerisch, alles leise Lustigkeit,
nichts patzig, aufdringlich. Da und dort ein altes
Hausstück verwendet, wie die alte holländische
Hausorgel, zu deren Tönen oft Kinderchöre von
der Galerie herab die Halle erfüllen.
Die sogenannte „Bibliothek" beherrscht far-
big das geräucherte grau-grüne Eichenholz der
Möbel, der Vertäfelungen, der Balustrade, der
Balkendecke. Der Podest, auf dem die Schränke
stehen, erfüllt mehr als eine architektonische
und praktische Aufgabe. Er isoliert das Zimmer
etwas von den Festräumen, lädt zur Ruhe, zur
Lektüre. Unter dem Podest haben große Mappen
Platz gefunden. Hier und im Nebenzimmer sind
an den Wänden auch einige Gemälde Adelbert
Nienieyers angebracht, die den Raum als solchen
eines hervorragenden Kunstsammlers charak-
terisieren. — Das Zimmer der Dame war alten
Empiremöbeln anzupassen. Auch diese Auf-
gabe hat Professor Niemeyer, dessen sprudeln-
l'Kül-. .\. ME.UEVEK .MU.NCHEN. .\UbK: UEUlsCHE WEKK>1. MU.NlHE.N (l'-'"*' HEKKE.V/.l.M.MEK I.\I H.\UM A. KKAUI.HI..
Ci
'\delbert Niemeyers IImis Kraivehl.
A. NIEMEVER. AUSF: DEUTSCHE WERKSTATTEN.
der Erfindergabe sonst gerade hier ein herrliches
Feld eröffnet worden wäre, geistreich erfüllt.
Eine Aufgabe, die gutes Gefühl und Klugheit
auf die Probe stellt. Nur der Teppich mit der
griechischen Kante, Stehlampe und Tischdecke
sind wohl neu. Der Architekt jeder Übergangs-
zeit muß sich auch auf Anpassung verstehen. Je
mehr er das Essentiale der alten Kulturform
erfaßt, um so besser legitimiert er sich auch in
der Anpassung als Künstler. Niemeyer ist so
ein Künstler. Er hat Kulturgefühl. Ein anderer
würdenicht bedacht haben, daß ein Raum jener
Zeit tiefe, dicke Wände haben muß. Auch den
bürgerlichen Ton des Ganzen hat er sicher
getroffen. Ist nicht pseudokaiserlich — nicht
pseudofranzösisch. So ist's nur gewiß, daß
unser Niemeyer, bei aller reichen Schöpferlaune,
auch einmal ein altes Schloß mit alten Möbeln
künstlerischer zu erneuern wüßte, als jene
Eklektiker der Form, die man richtiger schlechte
Tapezierer als Architekten nennen sollte. Nie-
meyer, der Sprößling eines alten gelehrten,
literarischen Geschlechts, besitzt als unver-
äußerlichen Vorzug Kultur der Form. Die kommt
ihm immer sehr offensichtlich zu gute.
MUSIKRAUM IM H.\USE .\. KKAWEHL— ESSEN.
Neben der Bibliothek ein Herrenzimmer.
Hier sind einige ältere Möbel Niemeyerscher
Erfindung. Ich schätze auch diese hoch — rein
historisch, denn schon damals, vor beiläufig
10 Jahren, als die Kurven des „Jugendstils"
so viel Verwirrung anrichteten , trat die Schaf-
fensart unseres Mitgründers der Secession und
der „Werkstätten" gegen unkultivierte Stürmer
und Dränger klar hervor. Zur Abbildung auf
Seite 61 nur das: Auch hier, wie in der Halle,
ist der Kamin echt, keine Attrappe. Niemeyer
haßt Scheinkamine und scheinbare Wachskerzen.
Er scheut sich aber nicht, alte Beleuchtungs-
und Heizungsmittel dort zu verwenden, wo sie
ihm geboten und künstlerisch-gemütlich uner-
setzlich erscheinen.
Der Musikraum, durch eine breite, vierflüge-
lige Schiebetür mit der Halle mehr verbunden
als von ihr getrennt, wird für alle Zeiten eine
künstlerische Auszeichnung Essens und der
Kultur seiner vornehmsten Bürger bleiben. Das
ist ein Raum von gleicher künstlerischer Be-
deutung für Niemeyer und unsere Zeit, wie die
Amalienburg fürCuvillies und das ganzeRokoko.
Das von Linien, Flächen, Formen abhängige
02
PROF. ADELBERT NIEMEYER — MÜNXHEN
MUSIKRAUM IM HAUSE KR AWEHL — ESSEN
PROF. A. NIEMEYEK. AfSK; DEUTSCHE WERKSTATTEN-
MCNCHEN. MUSIKKAUM IM HAUSK A. KRAWEHL— ESSEN.
Ial2/13. 1. 7.
> '^Ä»
PROtESSOR FRITZ ERLER MÜNCHEN.
SUPRAPORTBir.DKR IM HAUSE KKAWKIIL,
l'KOF. A. NIEMEYER. AUSF: DEUTSCHE WERKSTATTEN-
MÜiNCHEN. MUSIKRAUM IM HAUSE A. KRAWEHL— ESSEN.
lOlilU. I. 8.
PROFESSOR ADELB. NIEMEYER-MUXCHEN.
NISCHE IM SPEISEZIMMER DES HAUSES A. KKAWEHL.
AUSFÜHRUNG: DEUTSCHE WERKSTÄTTEN — MÜ^XHEN.
.1
Adelbert Niemeyers Hmis Kraivelil.
I
%
l'liol-tsbuK A. ML.MKVtK. ALbt; DEUlbCllt WERKMATTliN MÜNCHEN. »l'ElbEZlMWEK IM llAL.sE KK.\.\VEHL— ESSEN.
Architektonische ist den Abbildungen nach-
zufühlen, auch zur farbigen Abbildung nur weni-
ges. Der graue Nußbaum-Parkettboden, abge-
schlossen durch einen wunderbar grauen Mar-
morsockel, der ringsum läuft. Ebenso die
Marmorfassung der gemessen profilierten Türen.
Silberne feine Stäbe lindem die dunklen Auf-
74
teilungen der gelblichenWände aus Stucco lustro.
Die altsilbernen Armwandleuchter von präch-
tiger Erfindung und Arbeit, die gleichartigen
Beschläge der ruhigen Türen und Schränke, das
tiefbraune Holz der Möbel, deren grau-grüner
Seidendamast, auf dem grüne oder gelbe Kissen
ruhen, machen allein schon den in mildes, weißes
l'Ki.l i:.vsi>k AliKl.BERT MKMKVKK MÜM IIF.N. lil.VMEN/.lMMKK IM HAVSE A. KKAWEHI.— ESSEN'.
Adelberf Niemeyers Hmis Kraivehl.
PROF. ADELBF.RT NIEMEYER -MÜNCHEN.
Licht gehüllten Raum zu einem vollen musikali-
schen Genuß. Und nun Fritz Erlers Supraporten !
Die Farbenakkorde des Raumes werden hier
frei aufgenommen und umgestaltet. Sie sind
farbig eins mit dem Ganzen. Ich schätze die
Bilder hoch, auch als monumentale Leistungen :
die Gemälde sind inhärente Teile der Archi-
tektur. Und das Herbe der Erscheinungen mil-
G^VNG IM I. STOCK ÜE.s HAI >i > A. KkAHIHI,.
dert und realisiert das Träumerische. In Fritz
Erler fand Niemeyer den richtigen Künstler.
Der Architekt hat des Malers Schöpfung,
dieser hat die des Architekten geistreich unter-
stützt. — Der Raum wird gewiß einst als In-
terieur unserer Zeit oft gemalt werden. Denn
die Stimmung des Lichts ist so entzückend, so
edel bemessen auf einen etwa silberhellen
70
[({clbert Xionexers Tfaics Kraivehl.
TKott-SSOK A. MEMliVtR MÜ.NLHEN.
Ill-Ki Hi.AM, IM ZW l,srill.;.NGESCHOS.S Dies HAr.sIiS A. KRAWKIU..
Klang, wie wirs von allzufrostigen, modernen
Repräsentalionsräumen nicht kennen. Der
Kaum ist die künstlerische Umschreibung der
jiingfröhlichen anmutigen Herrin des Hauses, —
Des Abends wird gern auf die Deckenbe-
leuchtung verzichtet, dann zittert der Wachs-
kerzen wärmeres rötliches Licht von den Schil-
dern der Wandleuchter auf gelbem Feld durch
den festlich gehobenen herrlichen Raum.
Neben Musikraum und Halle das große über-
sichtliche Speisezimmer von etwa 8 zu 10 Meter.
Hochpoliertes goldgelbes Kirschholz derDecke
und Möbel über einem Teppich mit allerlei
blau gibt die farbige Note. Die Gestaltung der
Wandvertäfelung, bald Bild, bald Schrank, ist
hervorragendes Freispiel wie alles, was Niemeyer
bildet, Anmut und Würde, Reiz und Schlicht-
heit verbindet. Die schönen Niemeyerschen
oval gefaßten Stilleben sind farbige und räum-
liche Helfer, wie die Glasschränke mit dem
farbigen Porzellan gleichzeitig belebende Licht-
quellen des Saales. Die Schränke sind innen
belichtet, die Vorhänge verteilen das Licht.
Die große Nische mit der Frühstückstafel für
die Familie am Fenster ist baulich genützt durch
eine zur Küche gehörende Kammer und eine
die zum Speisezimmer gehört und das Silber-
gerät verwahrt. Niemeyer hat auf ein Büfett
verzichtet, es wäre hier nur leere Form. Dafür
gewährt die elegante Anrichte mit den schönsten
blauenden Porzellan- und Fayencetellern, ge-
währen die Wandschränke mit so viel schönen
Geräten und Gläsern Niemeyers und anderer
Meister Anregung genug.
Neben dem Herrenzimmer liegt das Blumen-
zimmer. Weiß und braun Boden und Decke.
Die Vorhänge rosig. In den Doppelfenstern der
bunten Blumen wechselnde Fülle. Auch des
Abends spenden die Fenster rosiges künstliches
Licht, als obs für dies Haus weder Nacht noch
Winter gäbe. Korbgeflecht decken hier die
Heizkörper unter den Fenstern. Unsere Ab-
bildung zeigt vortrefflich, wie das Licht an den
gelblich -warmen Fliesen der Wände spielt.
Leider unmöglich die zurückhaltende Feinheit
der Stäbe, Pfeiler, Friese dieser keramischen
l■K"l•l■;^^'lK
ADEl.JtKKl MKMEVtK. DAMEN-ZIMMER IM HAUSE KRAWEHL.
AUSFÜHRUNG: DEUTSCHE WERKSTÄTTEX FÜR HANDWERKSKUNST— MÜNCHEN.
ADELBERT NIEMEYER-MÜXXHEN.
KINDERZIMMER IM HAUSE KRA\VEHL— ESSEN.
Adelbert AUe^neyers /Taus Krawehl.
rkOFF-SSOR A. NIEMEYER-VUNCHEN.
Verkleidunjl und des Wandbrünnleins, das alles
wieder dem hochentwickelten künstlerischen
Fühlen und Können ErnstPfeiffers zu danken ist.
Nur ganz wcnijj allgemeines zu den übrigen
Teileii des Hauses. Breit sind alle Treppen und
Gänge. Raumenge paßt nicht zu solchem Haus-
herrn, dessen Geist der Künstler immer zu
prägen gewußt. Raumlecre, Monotonie aber
kennt nicht ein so fruchtbarer Raum- und Farb-
schöpfer wie Nienieyer. In jedem Zimmer be-
grüßt uns wieder eine andere Harmonie der
Farben. Und alle die Teppiche und Gewebe,
die Möbel und Geräte, die Kissen und die Bil-
der des Hauses Krawehl könnten ein „Museum
Niemeyer" füllen, das dieses Künstlers glück-
liche und leichte Erfindung, seine liebenswür-
dige Eleganz, seine hohe Kultur glänzend offen-
barte. — Viele Räume wären noch zu erwähnen.
Das luxuriöse Ankleidezimmer der Dame zumal.
Und dann gleich ihre andere Domäne; Die er-
staunliche Flucht von Küchen, Anrichte-, Wirt-
schaftsräumen, deren Decken, Böden undWände
verkachelt sind! Hier ist Niemeyer den An-
gaben der praktischen Hausfrau mit allem Ver-
ständnis für jede bewährte technische Errungen-
KI.M)KK/.I.\1.\1KU IM IIAIM'. .\. KKAXMIII.
Schaft gefolgt. Hier wäre auch das weit ab vom
Hause erbaute Stallgebäude zu nennen. —
Natürlich wetteifern in den luxuriösen Bädern
des Hauses Form- und Farbensinn. Selbst aus
dem riesigen Kellerraum von der ganzen Länge
des Querbaus hat Niemeyer mit einfachen Mit-
teln einen Saal geschaffen mit kleiner Bühne.
Hier sind die Geister künstlerischer Fest-Im-
provisation zitiert. —
Sind die Kellerräume möglichst übersichtlich
gruppiert, sind Küche und Speisesaal ebenso
geschickt getrennt wie verbunden, so sind die
Räume im ersten Stockwerk in drei selbstän-
dige Gruppen geteilt, für die Poltern, die Kin-
der, die Gäste. Auch sonst ist gar sehr viel
praktisches hier geschaffen, was allen Archi-
tekten zur Nachahmung zu empfehlen ist. Nie-
meyer ist groß als Künstler, groß als Architekt,
weil er ein tüchtiger Praktiker ist. Weise schal-
tet er mit den materiellen Mitteln, wie mit dem
Material. Wo längstmöglichc Dauerhaftigkeit
zu erstreben ist, ist das kostbarste Material
gewählt worden. So Kupfer für alle Röhren
und Leitungen im und am Hause. Aber nie-
mals ist mit Material geprotzt worden, wo die
Adelbcrt Nicmryers Haus Krawelil.
I'KOI'KSSOK A. XIEMEVEK — MÜNCHEN.
künstlerische Wirkung unabhängig vom Mate-
rial, wo das einfachere wohl gar eine schönere
Lösung erschließt. Deshalb ist die Fassade nur
verputzt, nicht mit Hauslein umkleidet. Die
kunstaristokratische Qualität bestimmte immer
die Materialwahl Niemeyers.
Zur Ausführung der Innenausstattung hat er
sich durchaus der „Deutschen Werkstätten"
in München, die unter Bertschs berühmter
Leitung stehen, bedient.
Noch viel mehr künstlerische Werke wird
das Haus mit der Zeit einst bergen als jetzt. —
So wird des Gartens Bassin wohl bald von
einer edlen Bronze geziert werden.
Doch so wie es ist, ist das Haus eine raum-
künstlerische Symphonie. Hoch ragt dieses
Kaufherrn künstlerische Gesinnung und kunst-
wirtschaftliche Einsicht, der sich dies Heim be-
stellt. So oft auch Herr Krawehl England und
Frankreich alljährlich besucht, hat er nicht alte
oder neue fremde Möbel und Werke dort an-
gekauft. Das können auch Ungebildete. Er
wollte ein Heim von einzigartiger künstlerischer
Physiognomie und Bedeutung. Adelbert Nie-
nieyer schuf's ihm. Das ganze Werk ist erfüllt
von der frohen und sicheren Art Niemeyerscher
RAUM I,\[ KEJ.LER 11 K IMlid >VI.S. EESTE.
Kunst, der congenial ist des Hausherrn groß-
zügiger, weltmännischer Sinn. Die Wahl dieses
Künstlers war denkbar glücklich. Ein Führer
neuer deutscher Kunst, hat er nichts von der
mißfälligen Herbheit der Problematiker. Auch
jenseits deutscher Grenzen ist sein Geschmack
anerkannt. Liebenswürdige Anmut charakte-
risiert seine Kunst, unerschöpfliche Erfindung
sein Gestalten als Architekt, Kunstgewerbler,
Maler. Auf allen Gebieten der Kunst erfolg-
reich, beweisen die vielen Nachahmungen, die
Unnachahmlichkeit seiner künstlerischen Per-
sönlichkeit, die süddeutsche Volkstümlichkeit
und norddeutschen Intellekt sympathisch vereint.
Wer dies Haus Krawehl und so viele andere
große und kleine Schöpfungen Niemeyers kennt,
wie ich, ist sicher: Niemeyers Name bleibt als
der eines geschmacklichen Führers unserer Zeit,
einer unvergleichlich glücklich schaffenden Per-
sönlichkeit. So wird auch des Bauherrn Namen
mit des Künstlers Werk allzeit ruhmvoll ver-
bunden bleiben: Das Haus ist ein Monument
neuen deutschen Geschmacks.
Was könnte es beglückenderes geben für
irgend einen Bauherrn als solches Bewußt-
sein ? DR E, W. BREDT.
1»12/13. 1. lu.
PROFESSOR NIEMEYER MÜNCHEX.
AUSFÜHRUNG: VILLEROY & BOCH — MÜNCHEN.
KÜCHE U. SPÜLR.\UM IM H.\rSE A. KR.\\VEHL.
l'K"!-. A. NIEMEVF.R iMÜNCHEN. KÜCHE UNI> SPÜl.RAUM IM HAfSE A. KKAWEHI.-ESSEN.
^^mm
PROKESSOR -WJEI.BERT NIEMEVER.
AUTOGARjVdE UiN'D STALLUNG liE» ILVU^Eb KRAWEHL— ESSEN.
GARTEN-
SEITE DES
HAUSES
KRAWEHL
RICHARD ADOLF ZUTT-MARIABRUNN.
»PORTRÄT. EST STEIN GESCHNITTEN.
ENTWIKK: ROSA NKl'UIKTH.
AUSK: KKKAMIMIIK WKKKGENOSSENSCHAKT.
DIE AUSSTELLUNG IM ÖSTERREICHISCHEN MUSEUM
FÜR KUNST UND INDUSTRIE 1912.
npU FELIX AUSTRIA. Eine österreichische
Ausstellung war es. Österreichisch in ihrer
ganzen Aufmachung, österreichisch in jedem
kleinsten Gegenstand, in jeder Linie. Die Gäste
aus dem deutschen Norden, die uns im Frühjahr
zu besuchen kamen, fühlten das wohl. Sie merk-
ten, daß diese Arbeiten, die da aus allen Kron-
ländern zusammengekommen waren, aus einem
Geiste geschaffen wurden, daß diese Künstler,
mit so seltsam fremdländisch klingenden Namen :
Bazant, Czapek, Dellavilla, Galle, Gocar, Hun-
falvy, Johnovä, Kovafik, Rzivnatzovä, Strnad
und so fort in langer Reihe, mit den deutschen
Künstlern Österreichs einGemeinsames verbinde:
die österreichische Empfindung, der österreich-
ische Stil. Politiker mögen es leugnen, mögen
diesen alten Staat ein überholtes, unnatürliches
Konglomerat von Nationen nennen. Die Künst-
ler beweisen es in ihren Werken, daß es ein
Österreich gibt und ein österreichisches Fühlen.
Was uns in dieser Ausstellung gezeigt wurde,
das klang in keiner Form, in keiner Farbenhar-
monie an Münchnerisches an, an Berlinerisches,
Nord- oder Westdeutsches — aber es war alles
österreichisch, ob es nun aus der grünen
Steiermark kam oder aus dem industriereichen
Böhmerlande. . . .
QUALITÄTSARHKIT. Qualitätsarbeit sollte
gezeigt werden. Der deutsche Werkbund weilte
zu seiner fünften Tagung in Wien und es galt,
„den reichsdeutschen Vorkämpfern die Lei-
stungsfähigkeit Österreichs auf diesem Gebiete
vor Augen zuführen". Über die Früchte solchen
Bemühens gab es unter denen, die sie sehen
durften, nur eine einzige Stimme des Lobes.
Die Saat heißen Strebens, redlichen Wollens
beginnt aufzugehen, an allen Ecken und Enden
regen sich die frischen, jungen Kräfte und, zö-
gernd zwar und langsam, aber kräftiger von Tag
zu Tag wächst die Hoffnung, daß uns ein neuer
Frühling der Kunst emporblüht. Freilich, wenn
unser Hoffen in Erfüllung gehen soll, werden
diese Kunst, dieses Kunsthandwerk aufhören
müssen, so exklusiv zu sein, wie sie heule sind.
Die Künstler werden aufhören müssen, nur für die
Reichen zu schaffen, sie werden aufhören müs-
sen, von Mäzenatentum zureden und zu träumen.
Sie werden den Geist unserer Zeit begreifen,
für die Massen arbeiten lernen müssen, die mit
zäher Beharrlichkeit ihren Anteil an den Schön-
heilen dieser Welt fordern. Es soll der Dichter
mit dem Fürsten gehen — so hieß es einst. Des
Wortes Wahrheit hat sich gewandelt — es soll
der Künstler mit dem Volke gehen. Und dieses
Volk wird nicht freier, nicht froher, nicht glück-
licher, wenn die Millionäre sich mit kunstvollen
Möbeln und Geräten umgeben. Qualitäts-
arbeit für die Massen — das ist das Problem
unserer Zeit. Blumentöpfe, die hunderte von
Kronen kosten, Trinkgläser, deren jedes ein klei-
nes Vermögen repräsentiert, Stühle und Tische,
deren Preise für ein bürgerliches Einkommen un -
«9
HEr.KNi-:
JilllNOVA-
WIKN.
AISFUHRUNG:
KER,\MISCHE
WERKGEXOS-
SENSCHAKT.
Die . lussfc/hino i»i östcrreiclihchai .]fuseit
erschwinglich sind, so wundervoll, so edel sie
sein mögen: sie iielfen uns nicht weiter. Wenn
man sagt, daß diese Frühjahrsaussteliung öster-
reichischer Kunstgewerbe eine Ausstellung für
die Reichen war, so ist damit der einzige Tadel
ausgesprochen, den sie verdient.
TIIF.ORIF. UND PRAXIS. Fin Erzherzog hat
diese Ausstellung eröffnet, ein kluger Minister
hat ihr Worte bedingungsloser Anerkennung
gespendet. Ein Erzherzog und ein Minister —
in den Schlössern aber, auch in den „modernen",
herrscht noch immer kalter, überladener Prunk,
und der Kiesenbau des neuen Kriegsministeriums
am Stubenring zeugt mehr von der Wiener
Bauschande als von der Wiener Kunst. In jedem
Ministerium sitzen wohl an die tausend Beamte.
Diese tausend Beamte brauchen tausendTinten-
fässer und jedes dieser Tintenfässer ist erbärm-
lichster Schund. Sie brauchen tausend Schreib-
tische und jeder dieser Schreibtische ist billigste
Dutzendtischlerware; sie brauchen tausend
Stühle und jeder dieser Stühle ist schäbige,
kunstlose Schleuderarbeit. Exzellenz! Minister
der öffentlichen Arbeiten! Sie sprachen so
klug, so einsichtig von unseren Zielen. Geben
Sie ein Beispiel! Es gibt noch Mittel, dem
Kunstgewerbe auf die Beine zu helfen. . . .
ERZIEHUNG ZUM KUNSTGEWERBE. Es
fehlt uns nicht an Künstlern, nicht an Schöpfern
neuer Schönheit; wohl aber an denen, die sie
verwenden wollen, verwenden können. Das
wissen die Leiter des österreichischen Museums
für Kunst und Industrie sehr wohl, und seit
einiger Zeit sind sie daran gegangen, die Kon-
sumentcnkrcise planmäßig zu beeinflussen, sie
zu erziehen. Die Wiener Kunstgewerbeschule
veranstaltet jetzt .lugendkurse, an denen Kinder
im Alter von sechs bis 14 Jahren teilnehmen.
Es wird da gemalt, gezeichnet, modelliert, ge-
stickt, genäht, entworfen. Nicht Künstler sollen
diese Kurse erziehen, nicht Produzenten, son-
dern Konsumenten. Die künstlerische Emp-
findung soll geweckt, geführt, geklärt werden.
Es ist ein Versuch. Ließe er sich im Großen
durchführen, an allen Schulen des Reiches mit
gleichem Verständnis — in zehn Jahren hätte
aller Jammer ein Ende. Denn des Konsumenten
Wille geschieht. Verlangt er Schund, so wird
Schund fabriziert, fordert er edle Arbeit, so
wird sie ihm in überreicher Fülle.
SCHULE UND SCHÜLER. Diese Ausstel-
lung war ein wunderbarer Beweis für den Wert
guter Schulen. Vor fünfzehn, zwanzig Jahren
gab es in Österreich so gut wie kein Kunstge-
werbe. Als die jungen, mutigen Kräfte die
Kunstgewerbeschule in ihre Hände bekamen,
wurde es allgemach lebendig und heute sind
die Schüler den Meistern längst ebenbürtig an
die Seite getreten. Nörgler behaupten zwar,
daß der Lehrer, je besser, je bedeutender er
KM wirf: <il<;.\ .sint— wit.\.
KKK.XMIK: U'IMiMl Mli;«
91
AUS.S1ELLU.MJIS-RAU.\1 DER -WlE.NtR KERAMIK . M. l'oWiiI.NV VSU 11. I.iihKLEK. W AN I)l;EM AHM , : l'K. IK. li. LUhhLEK.
Die Ausstellung im österreichischen Miiseuni.
lllA SCHWETZ-LEHM,\NN— WIES.
ist, um SO mehr die Schüler in seinen Bann
schlägt, daß sie sich ihm zu sehr anpassen, zu
viel seiner Art annehmen. Ich glaube aber, es
ist kein Grund, sich darüber zu grämen. Denn
der hochstehende Durchschnitt scheint mir
wichtiger zu sein als die exzellente Einzel-
leistung. Österreich war schon zu lange nur
das Land hervorragender Einzelleistungen. Es
war Zeit, daß wir daran dachten, den Durch-
schnitt zu heben. An der heutigen Leistungs-
fähigkeit des österreichischen Kunstgewerbes
haben außer den großen Kunstgewerbeschulen
vor allem die Fachschulen einen erheblichen
Teil des Verdienstes. Denn gerade sie bilden
wirkliche Kunstgewerbetreibende heran, die
keinen anderen Ehrgeiz haben, als vollgültige
Handwerker zusein. Der Aufschwung der
österreichischen Fachschulen aber begann mit
dern Einzug des modernen Gedankens. Was
sie ihre Schüler lehren, ist vor allem eines; im
Material zu denken, aus dem Material
heraus zu schaffen.
GRÖSSE IM KLEINEN. Kürzlich las ich
irgendwo: Geschmack ohne schöpferische Kraft
AU.SF: KKK.\MI.SCHE WEKKdENOSSENSCHAFT.
ist Kunstgewerbe. Wie unwahr das ist, läßt
sich am besten an kleingewerblichen Erzeug-
nissen erkennen, von denen dieses Heft eine
große Zahl wiedergibt, die in Form und Farbe,
Maß und Empfindung vollendete Kunst sind.
Keramiken gab es in dieser Ausstellung, die so
großzügig komponiert waren, so bedeutend in
der Auffassung, so ebenmäßig, daß es blinde
Torheit wäre, sie geringer zu werten, als die
Werke der sogenannten „hohen" Kunst. Es
kann in einem kunstgewerblichen Werke, in
einem Bucheinband, einer Blumenvase, einem
Schmuckstück mehr künstlerischer Einfall,
künstlerische Größe stecken, als in manchen
Riesenschinken, in Öl auf Leinewand gepinselt.
Es mag wahr sein, daß der große Künstler
für die F'wigkeit schafft, der Kunstgewerbler
nur für den Tag. Wir Alltagsmenschen in un-
serer Schwäche aber empfinden die Bedürfnisse
des Tages stärker, als die Bedürfnisse der
Ewigkeit. Jene gilt es zuerst zu befriedigen.
Deshalb wird ein kraftvolles Kunstgewerbe
immer der beste Nährboden sein und bleiben
für eine große Kunst. — ikanz ii.anek.
1913:13. 1. II.
93
M. HiWOLNV ITM) II. LöhhLER-WlF.N. WIENER KERAMIK MIT SCHWARZEM IJEKi IR.
AUCH. HANS IHILF.K. AUSFUHRUNG: J. DEIMKL.
]Kr(,IllSLllALl..\' U. DOSE IN GETRIKBENEM SILHEK.
ARUH. ERNST LICHTBLAU. AUSF: J. POLLAJC. BOWLE LN SILBER MIT ELKENBEINGRIFFEN,
K. KAKlilK. AlSriHKlNG: I£. KKlliDMAN.N.
KAIIKK-SLKVICI;. SIl.l'.KK VT R(ioI.l)l.T.
ARCH. ERNST UCHTBLAU. AUSF: J. POLLAK. SILBERKASSEITE MIT EMAILEINLAGEN.
AKIH. lAKI. WIT/.MANX. AUSF : K. KREHAI".
SCHREIBGARMTrR IN PERLMUriEK.
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ARCH. J. BOLEK. AUSFUHRUNG: A. POLLAK. LEUCHTER UND TEEKANNE IX SILBER.
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PKOK. JOSEF HOFFMANN. AUSFUHRUNG: J. BOCK.
fruhstucks-servu:e in Porzellan mit golu-dekgr.
FR. FOCHLER-WIEN. AUSF: WIENER KUNSTKERAMISCHE WERKSTÄTTEN. VASE U. TINTENZEUG. F.WENCE BEMALT.
fHK.it. j. HUH-MA-N.V. AUSl- ; J. BOCK.
PORZELLAN-SERVICE.
J. » L. l.<iH.\li;VK WII .\. l'iiKAI. IM) ZIKKVASKN I.N GE.SCHI.lFI-i:.\EM KRISTALLGLAS.
m-lllJ. I. 12.
J. E. WIMMER— WIEN. AUSFÜHRUNG: WIENER WEKKSTÄTTE- WIEN. BLUSEN ITNI) KLEID IN BEDRUCKTEM SEIDENSTOFF.
iMuURh 1 \i, AI -.iihri;n<; : vvunm-: dkhk wii:.\. ki.f.ii) in i rkit. di; . hink, ci-.iiatik
GUIDO HEIGL. AUSF: THEYER & HARIJTMUTH.
KASSETTEN FÜR BRIEF-PAPIER.
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'in ' tiia k laiaaja
■ i'i'iiti tiitaa«ti
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K. K. LEHR- UND VERSUCHSANSTALT FÜR K'ÜUBFLECHTEREI-WIEN. GEFLOCHTENE KÖRBCHEN,
i»r2.i3. 1. 13.
ENTW. U. AUSK: MELITTA LÖFFLKR.
UOLLSTU'KEKEIEN AUF SEIDE.
Es gibt nichts Absolutes in der Kunst. Kunst ist nicht
Wissenschaft. Der Weg für neue Versuche, für neue
Methoden, neue Anwendungen und Ausnuijungen ist
immer offen, und gerade das macht die Ausübung der
Kunst in allen ihren Formen so anziehend, immer
frisch und begeisternd. WALTER CRANE.
Unedle Arbeit, das ist Arbeit, die den Arbei-
tenden entwertet, seinem Leibe oder seiner Seele
Schaden bringt, die bei ihm Fähigkeiten weder ent-
wickelt, nodi verlangt.
Unedle Arbeit, das ist ein treuloses Schaffen, bei
dem der Schaffende nicfit sich selbst gibt, bei dem
er sich betrügt, oder d i e betrügt, die das Werk ge-
braudien oder genießen sollen und nicht mit Künst-
lichkeit und falschem Schein getäuscht werden wollen.
Unedle Arbeit ist endlich Arbeit, die den Stoff
vergewaltigt, ihn wider seine Natur gebraudit.
Dr. ADOLF VETTER-WIEN.
Häßlich ist in der Kunst das, was keinen Charakter
hat, das heißt weder äußere nodi innere Wahrheit
besi^t, was falsch und künstlich ist, was anstatt aus-
drucksvoll zu sein, »einnehmend« sein mödite, was
ohne Grund lächelt, ohne innere Ursache, sich auf-
drängt und spreizt, alles was ohne Seele und Wahrheit
ist, was sich nur mit Anmut brüsten will, kurz: alles
was lügt. — — — — — — — RODIN.
KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.
SKi'i 1';.mi;ki< li)V2.
DIE NKUEN STUTTGARTER HOFBÜHNEN.
Am 15. September werden sich die beiden
neuen Theater auftun. Die Lag-e ist denJtbar g-ünstig ;
alte, schöne Parl<bestände liefern Hintergrund und
Rahmen; besonders die Fassade des „Qrofien Hauses"
erhält von den umgebenden Baumgruppen eine sehr
wirksame Unterstüt5ung. Max Littmann, der Er-
bauer, hat sich in dieser seiner neuesten Schöpfung
seines Rufes als erster Fachmann des Theaterbaues
würdig erwiesen. Die ganze Anlage besteht aus
3 Teilen: dem „Großen Hause" (für das große Wort-
und Tondrama), dem „Kleinen Hause" (für das Wort-
drama intimerer Gattung und für die Spieloper,
Operette und Verwandtes) und endlich dem Magazin-
und Verwaltungsgebäude. Dieses ist von Littmann
aufierordentlich geschickt zwischen die beiden Bühnen-
häuser eingefügt worden, sodag sich zwischen den
drei Bauten, die architektonisch durchaus ein Ganzes
bilden, die mannigfaltigsten und für den Betrieb
ersprießlichsten Verbindungen ergeben. Die ganze
Anlage atmet Ruhe und vornehmen Geist. Für die
Fronten kam überall Maulbronner Sandstein zur Ver-
wendung, ein köstliches Material von gelbgrauen
bis braunvioletten Tönen. Am Innenausbau ist in
erster Linie das überall hervortretende technische
Raffinement zu bemerken; diese beiden Bühnen-
häuser verfügen wohl über alle Einrichtungen, die
die moderne Technik überhaupt in den Dienst eines
großen Theaterbetriebs zu stellen vermag. Der
Unterschied in der Bestimmung der beiden Häuser
war auch maßgebend für die künstlerische Gestal-
tung des Inneren. Das Zuschauerhaus der großen
Bühne, grau, Silber und Altgold, ist durchaus auf
Repräsentation gestimmt; das Foyer, eine pompöse
Säulenhalle in gelblichem Marmor, bietet einen
herrlichen Rahmen für höfische Prachtentfaltung.
Die verschiedenen Vorzimmer vor den Logen der
Fürstlichkeiten, des Intendanten usw. sind Meister-
werke der modernen Innenausstattung. Kleiner
in den Mitteln, aber in der Wirkung womöglich
noch schlagender, wärmer und geschlossener sind
die entsprechenden Räume des Kleinen Hauses:
PROFES.SOR M.\X LITTM.^SN. DIE KÖ.VtCiLlCHEiN Hui' IHE.MtK liN .l 1 U 1 rü.\K 1 . I).\.s KLEINE HAUS
io8
Kleine Kunst- Xachrichtetu
l'Ri)KK.S.S<iK MAX I.IITMANX mCN<HKX. DIE KÜNlr.l Irlll-N IIi i| Uli: \ I I.K IN S ir 1 1( .AK l . DAS liKoSSK HAUS
das Foyer in amerikanischer Birke mit Gemälden
von Adolf Münzer; das Zusdiauerhaus, ein
wahres Schmuckkästchen, in herrlichen, warmen
Mahag-onitönen. Diese beiden Räumlichkeiten bilden
ohne Fra^re die künstlerischen Höhepunkte der
^ranzen Anlage. Die Mitarbeit der Malerei und der
Plastik verdienen alle Anerkennung; zu erwähnen
sind insbesondere die ruhigen, schönen Hermen von
Fpple im Foyer des Grofien Hauses, das grofie
Deckengemälde im Zuschauerhause daselbst vnn
.luliusMösselund die ausgezeichneten dekorativen
Malereien von Sachse & Rothmann im Theater-
restaurant; der Figurenschmuck an der Fassade
des Grofien Hauses beruht auf Bewegungsstudien
des Professors Ludwig Habich und erfüllt an
seiner Stelle recht gut seinen Zweck. Dafi der
Krbauer im übrigen seine sämtlichen wertvollen
Erfindungen auf bühnentechnischem Gebiete hier
verwertet hat, versteht sich von selbst. Die Reife,
die Klarheit und die Brauchbarkeit der ganzen An-
lage sind in jeder Hinsicht vorbildlich. u \i.
MANNHEIM. Kunsthalle. Für die Monate
August und September ist eine Ausstellung
südwestdeutscher, vorwiegend badischer
Künstler veranstaltet worden. Sie kann gewisscr-
niaf^en als Ergänzung der Baden-Badener Kunst-
au-stcllung gelten, von der sie sich durch strenge
Sichtujig und geschlossene Einheitlichkeit der Grup-
pierung auszeichnet. Der grofje Saal mit Werken
von Hofer, Wieck, Freyhold, E. R. Weif;, Caspar
und Schinnerer hat einen starken einheitlichen Klang,
der bedingt ist durch die allen Werken zugrunde-
liegende Sdiulung an Cezannes flächenhafter Far-
bigkeit. Reich bewegte Akte von Hof er klingen
mit plast sehen Figuren von Hoetger herrlidi zu-
sammen. Freyhold und Wieck zeigen wogende,
und stolz emporstrebende Blumenstücke mit starken
leurtitenden Farben. E. R. Weifi zeigt in seinen
Landschaften und Stilleben die starke, malerische
Kultur, die ihm Cezanne (und vielleicht auch Matisse)
an die Hand gegeben haben. Schinncrcrs „Lie-
bespaar" springt in den Farben noch zu sehr aus-
109
^.-^
m
PAUL POIRET— PARIS. ABENDTOILETTE. TUNIK.\ SCHWARZER .\TLAS, UNTEKKLLIU WEIS.SER .\TLAS .MIT
TÜLLSCHLEIER, DIAMANTSCHNÜRE, DIAMANTBORDÜRE UND FRANSE ALS ALLEINIGER SCHMUCK.
I'AI-|. KURF.T PARJ.S. AIIKMIK ill.KTl K l.N W 1■:IS^KM AI LAS Mll Sl HWAkZKM tC ll.f IIKKU IKl' , SCHWAKZK
FRANSE, SlHMALES PERLMIEDEK. KOPFSCHMUCK VIOLETTE SEIiil. MIT DI AMA.VTSI'ANGE UND HciHEM KI.IHF.R.
Alehie Kioist-Nachrichten.
einander. Von starker, explosiver, seelischer Schön-
heit sind die beiden visionären Werke K. Caspars,
die — obwohl sie aus Greco starke Anregung
gewonnen — doch einen persönlichen und einheit-
lichen Stil aufweisen. - Zwei weitere Kabinette führen
Künstler von leuchtender Farbigkeit zusammen:
den Mannheimer Th. Schindler, der in seinen
letjten Werken noch intensiver und reicher gewor-
den ist; den Pforzheimer Adolf Hilde nbr and,
der in weichen, fliefjenden Farbströmen in an-
spruchslosester Weise eine lyrische Naturstimmung
von nachhaltiger Wirkung erreicht. Beide haben eine
starke Empfindung für die soziale Psyche. Brasch
undS. von Leth haben in der Anwendung ihrer tech-
nischen Mittel manches verwandte, aber Leth ist
kräftiger, heiterer, sinnlicher und im Ausdruck far-
biger. Der Kubist Kanoldt, der von Geburt Karls-
ruher ist, verleiht einem Kabinett durch den sonoren
Klang seiner Farben eine stimmungsvolle Weihe. -
Emil Bizer zeigt farbig heitere Landschaften, die
sich mit der Schweizer Kunst berühren. Die
Trübnerschule (Coste, Dahlen, Gräber, Grimm,
üöbel, Segewit3, Wallischek) zeigt die technische
Meisterlichkeit, vermag aber kaum neue und eigene
Töne anzuschlagen. Nur Hans Sprung hat sich
mit einem Ruck energisch von Trübner losgemacht
und eine farbige Lebendigkeit und Leuchtkraft er-
halten, die fast von Renoir herzukommen scheint.
Besonders seine „Stilleben" und eine kleine deli-
kate Landschaft fesseln stark. Ein weiterer Saal
vereinigt Stilleben von E. R. Weiß, Helene Al-
biker, M. Lesser, Knapp, Segewitj und P.
Dahlen, und in einem letjten Kabinett fesseln
einige Arbeiten von A. Strübe, die an die Trüb-
nersche Art der 70 er Jahre erinnern, ferner Land-
schaften von Dillinger und Örtel. Unter den
graphischen Arbeiten fallen wiederum Handzeich-
nungen von Th. Schindler auf, die mit schnellen
und persönlichen Strichen eine tiefe Innerlichkeit
der Natur uns übermitteln. w. f. stcirck.
Lotte I'Kitzel— München. »vrrRiNENi'Ui-PE.N«
I.KIVI -I l\li\r -Ul IMAK.
i'.aiji;a.\stai.] <i
MÜNCHNER JAHRESAUSSTELLUNG IM GLASPALAST.
Die diesjährige Ausstellung im Münchner
Glaspalast gehört gewiß nicht zu jenen,
deren Jahr man sich einprägen müßte. Neue
Probleme werden nicht behandelt, es geschehen
keine aufregenden Dinge, ja nicht einmal eine
Sensation, von derman eine Saison lang spricht,
ist zu verzeichnen. Das wäre ja noch kein
Mangel, und das Durchschnittsniveau der Aus-
stellung ist im Grunde kein schlechtes. Aber
es fehlen die eigentlich starken Leistungen,
in denen man eine besondere Kraft lebendig
spürte. Und so wirkt die Ausstellung, obwohl
der Durchschnitt vielleicht besser ist als in
manchem früheren Jahre, durch die verhältnis-
mäßige Gleichwertigkeit vieler sich ehrlich
mühender Begabungen doch im Gesamteindruck
ziemlich gleichförmig und ermüdend. Das er-
freulichste an der Ausstellung ist, noch zu kon-
statieren, wie mannigfache Werte und Me-
thoden, die zuerst Besitz einer Richtung waren
und unter einem Etikett gingen, wie die ver-
schiedenen impressionistischen und koloristi-
schen Dinge, in gemäßigter Gestalt allmählich
durchdringen und Allgemeinbesitz werden.
Manches Bild aus dem Glaspalast könnte ge-
wiß ebensogut in der Secession hängen. Damit
soll nicht etwa ein borniertes Werturteil abge-
geben werden, es soll nur konstatiert werden,
daß die Anregungen gewirkt haben. Das All-
gemeinniveau der Produktion bei den Künstlern,
die nicht einen führenden Namen erringen und
nicht für eine Elite kundiger Sammler, son-
dern für den Geschmack des naiven Publi-
kums arbeiten, ist ganz zweifellos besser ge-
worden, ebenso wie die kunstgewerbliche Pro-
duktion im allgemeinen besser geworden ist.
Diese erfreuliche Konstatierung ist zugleich das
einzige allgemeinere Urteil, das sich zu der Aus-
stellung im Glaspalast sagen läßt. Im übrigen
liegt alles bei den Einzelnen; so wenig wie be-
sondere Persönlichkeiten treten besondere
Richtungen auf, die durch ihre Geschlossenheit
1812,13. II. 1.
Müvchiier /a//'rsa!issfe//ii>io im G/as/^a/asf.
AMON MrLLEK-«'lS( HIN -Mi:X(:HEX.
ein allgemeineres Interesse erregten. Jedes
Werk tritt für sich auf, ohne daß uns doch
eines ganz fesselte. Bei dieser Lage muß
unsere Aufgabe von vornherein zersplittern.
Wir können hier nur ein paar unzusammenhän-
gende Notizen geben, die in keiner Weise er-
schöpfen sollen ; wir müssen im einzelnen stecken
bleiben, weil eben nichts weiter da ist als
„Dies und Jenes".
Wir verweilen hier nicht bei dem in der Ein-
gangshalle aufgestellten plastischen Werke von
Ludwig Manzel „Kommet her zu mir", das
anders zu beurteilen wäre, wenn es vor Bar-
tholomes „Aux morts" entstanden wäre und
das bei allen Vorzügen im einzelnen an dem
Grundmangel leidet, daß ihm der architekto-
nische Mutterboden fehlt, aus dem heraus allein
für die ganze Anlage die überzeugende Mo-
tivierung erwachsen würde. Wir verweilen
hier ebensowenig bei Adolf Hildebrands
genügend besprochenem Bremer Bismarck-
GEMAFllE: HEKBSTTAC.«
denkmal, dessen Modell in der Empfangshalle
dominiert. Wir wollen uns auch nicht aus-
führlich über die Kollektivausstellungen ver-
breiten; sie gelten den Tolen des Vorjahres,
Ludwig V. Löfftz, an dessen Werken in-
teressant zu konstatieren ist, wie sich in späteren
Jahren die Palette zaghaft aufhellt, Otto
S e i t z , unter dessen Bildern jenseits aller großen
Formate ein paar kleinformatige Stimmungs-
landschaften überraschen, in denen er den Reiz
des wolkenlosen blauen Himmels, der inein-
anderwirrenden Baumwipfel — wenn auch mit
konventioneller Palette — aufsucht, Frank
Kirchbach, von dem uns ein gutes Porträt
seines Bruders warnt, ihn einseitig nach seinen
historischen Kompositionen zu beurteilen, und
August Holmberg. Ferner von Lebenden
F. A. V. Kaulbach, in dessen Porträts auf
jeden Fall Rassigkeit und Bravour steckt, und
Martin Feuerstein, der an eine zeitlose
christliche Monumentalkunst glaubt, welche
ii6
l.UUWlii \,.N HUFMAXN.
GEMÄLDE: I-'KI'IIIJNC.
Jifünc/iner Jahresmisstellung im Glaspalast.
M. ^U.BERT KOENIG -MÜNCHEN.
Über alle ephemeren Wandlungen durch ihren
Gegenstand erhaben ist, nur daß er dabei an
die romantische Malerei des neunzehnten Jahr-
hunderts anknüpft, welche selbst eine literarische
und abgeleitete war und zu den malerischen
Dingen nur ein sekundäres Verhältnis hatte.
Von den Bildern, die der Jury der „Münchner
Künstlergenossenschaft " unterlagen, folgt natür-
lich die überwiegende Zahl konservativen Mal-
weisen , wofür die Reproduktion von Peter
Philippis „Landwirt" einen sympathischen
Vertreter zeigen mag. An den Bildern von Gg.
Schildknecht besticht die solide Grundlage,
und die Modellierung ist mit solcher Wärme er-
faßt, daß man darüber vergißt, daß die Farbe
doch etwas sehr zurückgehalten ist. — Am
besten ist das Landschaftsbild vertreten. Neben
guten konservativen Leistungen meist bekannter
Namen folgt eine größereZahl impressionistischen
Zielen (Bolgiano, Leuteritz, Laubitz u. a.). Die
erfreulichste Erscheinung auf der Ausstellung
sind aber wohl eine Zahl von Landschaftsmalern,
die sich die koloristischen Errungenschaften un-
serer Zeit mit empfänglichem Sinn aneignen,
ohne sie nach einer technischen Richtung zu trei-
ben, sondern sie benutzen, um inhaltlicheWerte
zu kultivieren und eine schlichte Stimmungs-
wirkung zu erreichen. So nennen wir A. Müller-
Wischin, an dessen „Herbsttag " man wohl auch
BLICK AUF DEN .MUMERSEE
in der Reproduktion erkennt, wie alles ebenso
malerisch zusammengenommen wie intim emp-
funden ist, ferner O. Gampert, Peter Paul
Müller, M. Albert König, Ernst Müller-
Bernburg: alles mehr feinfühlige als überwäl-
tigende Begabungen, von denen jeder ein Gebiet
sich errungen hat, das er mit Liebe bebaut. —
Ferner wollen wir das Jahrmarktsbild des ver-
storbenen Russen Pimonenko nicht unerwähnt
lassen, in dem eine Menge Licht steckt, ohne
daß es im geringsten kreidig wird.
Von den Ausstellungen der Einzelgruppen
nimmt die derLuitpoldgruppe den größten Raum
ein. Die Ausstellung läßt schon durch den er-
sten Gesamteindruck, den die großen, lichten
Bilder machen, erkennen, daß die Mitglieder der
Gruppe durch gemeinsame Interessen geeint sind .
Sie folgen meist Lichtproblemen, sie finden an
der einfachen Kontur eine Menge farbiger Reize
und werden durch den Reichtum im einzelnen
von selbst zu großen Formaten geführt. Diese
Einstellung führt zu schönen Ergebnissen, wenn
der Blick aufs Sinnenfällige geht, so inderLand-
schaft, wenn womöglich noch ein paar belebende
Tiere verhindern, daß der Betrachter auf ideelle
Werte abgleitet, und im Porträt; sie läßt meist
im Stich, wenn eine Steigerung ins Monumentale
oder sonst ins ideell Bedeutsame versucht wird.
In der diesmaligen Ausstellung sind respektable
118
Münchner /a/naaussfe/hing im Glaspalast.
i'Koi'. (;i-:oRc;
1 llllllK.N'KCHr-
MrNl'HE.N.
liAl'KKNFKAI'
Namen mit niveaugerechten Leistungen vertre-
ten, ohne daß man jedoch etwas verspürte, was
weiter führen könnte.
In der Ausstellung der „Bayerngruppe" prä-
sentieren sich Namen wie Ernst Liebermann,
Hans v. Bartels, die Brüder Schuster-
Woldan, Geffcken, Hoch, Sieck, Bios,
Rabending. Die beigefügte Reproduktion
nach Liebermann wirkt vielleicht etwas leer, der
Reiz liegt darin, wie das durch die Vorhänge
flächig einfallende Licht von dem schokoladefar-
benen Parkett zurückstrahlt.
Recht solide, gereifte Werke bringt die Aus-
stellung des „Bundes". Hier finden wir die
Porträts von Anton Gregoritsch, Walter
Thor,Abecassis,Bohnenberger,dieLand-
schaften von Küstner, die Plastiken von Vier-
thaler. Männer, die mit Fleiß an sich selbst
gearbeitet haben und wissen, was sie an sich
haben und von sich verlangen können.
Vonden auswärtigen Künstlergruppen schnei-
den am besten die Weimarer ab, welche die
hellen Räume der „Scholle "bezogen haben (diese
hat dies Jahr bei Brakl ausgestellt). L. v. Hof-
mann hat drei wenn auch nicht überwältigende,
so doch vollgültige Repräsentanten seiner far-
benschönen Phantasiekunst geschickt. Sein
Gegenpol ist Mackense n; dessen realistische
Bilder sind wohl streng und mit Selbstkritik ge-
malt, aber doch etwas nüchtern. MaxThedy
verwaltet mit bekannter höchster Sorgfalt das
altmeisterliche Erbe. Besonderes Interesse er-
regen ein paar Bilder des vielgenannten Egger-
Lienz. Diese eckigen Gestalten sind zweifei-
Mülleimer /(i/iresaitssiclhuis; ivi Glaspalasl.
M.IIIS W.C.KR-
I.IKNZWl IM \K
OI.GEMAI.IJK :
KOPI-STI'DIl
los mit Temperament und Können hingesetzt,
aber vorläufig ist alles noch mehr Falhelik als
innere Größe, und die Gefahr der Kraftgebärde
liegt nicht fern.
Unter den badischen Künstlern möchten wir
neben Thema, Volkmann und Schönleber ins-
besondere Rudolf Hellwag nennen. Seine
„Glücklichen Stunden", die an ältere franzö-
sische Anregungen anknüpfen, sind ein gutes
Bild. Wie die Menschen unter diesen hohen
Stämmen gesehen sind, wie das ganze i5ild
durch ein saftiges Braun zusammengehalten
ist, von dem sich die Farben nur sparsam los-
lösen, um sofort Licht und Weite zu geben,
das ist wirklich malerisch erfaßt, wenn auch
nicht allzu originell vorgetragen. Die beiden
anderen Bilder desselben Künstlers bleiben
dagegen zurück; hier sind einzelne Teile de-
korativ gesteigert, ohne daß doch eine reine
Wirkung erreicht ist.
Die Ausstellung der Düsseldorfer macht,
abgesehen von älteren Werken wie den Por-
träts von Ludwig Keller, einen ziemlich jugend-
lichen Eindruck. Hier scheint alles mögliche
rege zu sein und das wäre ja erfreulich.
Von Plastiken nennen wir hier nur die
„Träumerei" von Hermann Jacobs (Berlin),
eine Brunnenfigur, gut charakterisiert in der
mädchenhaften Haltung und der Durchbildung
des Körpers, ferner von Otto Pilz (Dresden)
einen sehr lebendig komponierten „Faunjungen
mit zwei Bären" und eine kleinere Plastik.
Dann wäre aus den kleineren Bronzen noch
manches Gute zu nennen. ki n" .\utii..\z\vk\ .
G. SCHUSTER -WOLD AN - MÜNCHEN.
DOPPELBILDNIS: »DAME MIT KIND«
"^'V
PROF. RUD. HELLWAG KARLSRUHE.
GEMÄLDE: .GLUCKLICHE STUNDEN.
IHEODOR BOHNKN-
l'.l K(JKR-VC.N('HKX.
KLEINICK PASCHA
\v\-Jtl:i. 11. 2.
i i,K.\ UUSSELDORF.
1 in: 1TT/.XL\CHEK1.N NE.N
DIE ERZIEHUNG FÜR DAS KUNSTHANDWERK.
LTnsre soziale Entwicklung hat dahin geführt,
J daß die Schule einen großen Teil der Er-
ziehung übernehmen muß, die früher von der
Familie und von der Werkstatt besorgt wurde.
Damit tritt an das Gewerbe und weiterhin auch
an den Staat die Notwendigkeit heran, einen
Ersatz für das Verlorene zu schaffen. Im Kunst-
gewerbe vollzieht sich der Werdegang der
Heranwachsenden im allgemeinen so, daß sie
nach vollendeter Schulpflicht die Lehre durch-
laufen und während dieser Zeit die allgemeinen
Fortbildungsschulen besuchen. Während der
Gehilfenzeit und darüber hinaus stehen ihnen
die gewerblichen Mittelschulen, die Akademien
und Hochschulen offen, in welche Anstalten
übrigens auch solche Schüler eintreten, die aus
den humanistischen und realistischen Bildungs-
anstalten kommen und keine gewerbliche Lehr-
zeit hinter sich haben. Mit der Eignung und
Vorbereitung dieser jungen Leute zum Kunst-
gewerbe ist es nun freilich oft schlecht bestellt.
Mit einer gewissen Summe von allgemeinen
Kenntnissen sind sie wohl ausgestattet, aber
was ihnen vor allem fehlt, das ist der Geschmack
und das Gefühl für die künstlerische Gestaltung
ihrer Arbeit und für die technische Hand-
fertigkeit. Hieraus ergeben sich eine Reihe
von Forderungen reformatorischer Art an den
heutigen Schulbetrieb, die zu erfüllen man sich
jetzt allenthalben anschickt und von denen in
erster Linie zu nennen sind: ausgiebige Pflege
des Zeichenunterrichtes und Einführung des
Handfertigkeitsunterrichtes auf den verschie-
denen Stufen der Volksschule, beginnend mit
leichten Arbeiten in den ersten Schuljahren und
fortschreitend bis zu den strengeren Werkstatt-
arbeiten der obersten Klasse.
Auf einem anderen Wege sucht man in Frank-
furt diese Frage zu lösen. Jeder Lehrling in
einem gewerblichen Betriebe bekommt dort
jährlich einige praktische Aufgaben gestellt, die
er in der Werkstatt seines Meisters auszuführen
126
I'KOK KRANZ r.RASSKI. KMMKRI.NC..
KNIKN .\M IMK
*l
>- '-^
-j
PROFESSOR JULIUS BERGMANN KARLSRUHE. OEMAL13E: ; MANN MIT KUH«
iDie Erziehung für das Kunstkandiverk.
hat. Die Art der Ausführung unterliegt der
Beurteilung der Schule, und auf diese Weise
überwacht die Behörde die praktische Ausbil-
dung des Lehrlings und sucht sie zu fördern.
Besondere Maßnahmen erfordert die für die
Zukunft unserer wirtschaftlichen Produktion so
notwendige Ausbildung der künstlerischen
Begabungen. Denn es ist zweifellos richtig, daß
unsere wirtschaftliche Zukunft auf der Erzeugung
von Gütern beruht, die andere Völker nicht
so gut wie wir erzeugen können. Die Erzeu-
gung solcher Produkte hängt von der künst-
lerischen Begabung und der technischen
Geschicklichkeit der Produzierenden ab.
Der ideale Zustand würde der sein, daß eine
Person beide Eigenschaften in sich vereinigt.
In der Regel wird freilich schon hier eine Tei-
lung der Arbeit eintreten, indem die eine Per-
son der Künstler ist, der den Entwurf macht,
und eine andere derTechniker, derihn ausführt.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, beide so
auszubilden, daß sie gewissermaßen wie in einer
höheren Einheit zusammenarbeiten lernen. —
Nur wenn der Künstler sich mit allen Einzel-
heiten des technischen Betriebs vertraut gemacht
hat, und nur wenn die Arbeit des Technikers
getragen wird vom Gefühl für die Ideen des
Künstlers, nur dann wird die Erziehung zum
Kunstgewerbe die erwünschten Früchte tragen.
Nicht durch die Einführung in die kunsthisto-
rische Betrachtungsweise und auch nicht durch
liunsttheoretische Betrachtungen, sondern durch
praktische Einführung in die Technik und in
den Geist guter Kunstwerke werden die
Eigenschaften entwickelt, auf die es bei der
Erziehung hauptsächlich ankommt. Deshalb
wird die Werkstatt, in der ein tüchtiger Meister
waltet, immer noch die beste Erziehungsstätte
sein, und die Schule wird sich einer solchen um
so mehr annähern, jemehr sie von den Vor-
zügen der guten alten Meisterlehre in sich auf-
zunehmen vermag. Die gesamte Entwicklung
unseres kunstgewerblichen Erziehungswesens
drängt mehr und mehr nach der praktischen
Seite im Sinne der guten Werkstalterziehung,
und alle Erfahrungen sprechen dafür, daß haupt-
sächlich die künstlerische Qualität der Lehrkräfte
den Erfolg verbürgt, prok. ur. a. pah.st— ikip/jg.
PROFE.S.SOR
E. I.1RBERM.\NN-
MÜNCHEN.
\<IK/,IMMER I. 1).
KUI.. RESIDENZ
IN I.ANUSHVT.
(I'RIVATBESITZ)
BünBiB
MAURICE DENIS- PARIS.
GEMÄLDE: MUTTER UND KIND.
SAMMLUNG CÜRT HERRMANN.
im
Mrr.
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Xr:J;**y>i^
M. K. < KiisN-
1 K I.AVAMii IN
si i:st(i k
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DER KÜNSTLER UND SEINE WELT.
cuRi iii;krman.\ r.i:Ki,iN als malek ux'd ,sa.mmi.I';k.
\ \ '^ir wissen, daß Rembrandl ein Sammler
\ \ war. Kostbare Gewebe und edle Melalle,
Waffen, Trink)Jefäße, faltenschwere Mäntel,
Gleißendes und Glühendes hatte er um sich
versammelt. Daß seine Träume von dem einen
zum andern gingen und alle Pracht und alle
Leidenschaften des Orients erlebten, unendlich
fern der grauen, wäßrigen Kränierstadt ; eine
Welt, die ihm allein gehörte, ihm, Rembrandt.
Aus dieser Welt wuchsen seine Bilder. Er sah
einen Goldhelm an : so ward daraus ein Kleinod
der Malgeschichte. Fr nahm ein purpurnes Ge-
wand vom geschmiedeten Riegel und; Saskia
thronte für ewige Zeiten, eine Göttin der
Liebe. Als aber dann dies alles zum Teufel
ging und er, der Spott von Amsterdam, ein
Bettler durch die Straßen schlich, da war er,
malend, noch immer der gleiche; Rembrandt,
der Held, der Dämon. Die Altersbildnisse des
Verlumpten geben die eigentliche Wahrheit;
daß Rembrandts zeugungsstarke Welt nicht um
ihn, sondern in ihm war.
Mit Makart stand es anders. Man denke
sich diesen Dekorateur des Fleisches in einer
Scheune oder in einer Matrosenspelunke, denke
ihn sich mit gerauftem Haar und gedunsener
Haut. Der Zärtling, das Genie der Portiere
brauchte das Halbdunkel des Museums, die
Schmeichelung des Teppichs und die anreizende
Freundschaft eines kopierten Tizians. Makart
brauchte ein Milieu ; Rembrandt war seine eigne
Well. Das sind so Unterschiede. Michelangelo
hätte in einer Wüste leben können; vielleicht
leble er nie wo anders. Als er die Sixtina
malte, lag er rücklings auf einem Leitergerüst.
Das war alles, was ihn umgab. Die Gehilfen
hatte er vor die Tür getrieben; er war mit sich
selber allein. Als solch ein Einsamer, fern von
aller früheren und fremden Schönheit, lebte
auch van Gogh in Arles. Er wußte kaum, ob
es außer ihm je einen Künstler gegeben iialte;
er kannte keinen. In der kahlen Armut seiner
Bauernstube stapelte er, was seine fiebernde
Hand aus sterblicher Wirkliclikeit zum ewigen
Sein entriß.
Die Menschen sind verschieden. Der Schwede
Larsson weiß über seine Kinder beinahe eben-
soviel zu erzählen wie von seinen Bildern ; zu-
weilen möchte man meinen, daß er überhaupt
nur male, um das „Haus in der Sonne" zärt-
lich zu schmücken. An Ähnliches denkt man bei
Curt Herrmann. Er wohnt zwischen Möbeln
<i>
l'IKRKK I'.ONNARI) PARIS.
(lEiMALDE; AN DER SEINE«
1 1 emFJmmSBOKBBn.T^'-: ' "'-
THEO VAN RYSSELBERGHE— PARIS. OE.MÄLl-)!. ; AKl . SAMMLUNG CURT HERRMANN.
Der Künstler uud seine We/f.
von Van de Velde und malte in die Architektur
dieses Kosmopoliten gehorsame Dekorationen.
Es gibt etwas, was man das Mirakel der
gesättigten Atmosphäre nennen könnte, i^ings-
um lebt und webt Kultur; niemand kann sich
ihrer Wirkung entziehen. Sie wird zur Idee,
zum Gesetz, zum höchsten Maßstab. So will
das Verhältnis des englischen Hauses mit seiner
Tradition und seiner verwandelten Gotik zu den
Präraffaelilen verstanden sein. Es wurden diese
Maler zu jenem Milieu einfach hinzugetan. Morris
und Crane sind fast eine Einheit : der moralische
Apostel und der, der ein Künstler sein wollte,
ein Freier, ein Schweifender. Die Frage ist:
ob so etwas wahr sein kann. Es ist wohl richtig,
daß jedes Kunstwerk eine dekorative Wirkung
zu leisten vermag; ob das Schmücken des Raumes
aber die letzte Absicht der Kunst ist, das bleibt
anzuzweifeln. Das muß verneint sein. Die
Persönlichkeit ist mehr als der Raum. Der
Hersteller des Raumes bleibt immer der Diener
anderer und ist darum dem Maler gegenüber
leicht der Schwächere. Der Maler kann, wenn
er will, alles aus sich, alles für sich schaffen.
Wenn nun das Umgekehrte eintritt, daß der
Maler sich dem Raumhersteller eingliedert, so
wird die dekorierende Dienstbereitschaft maß-
gebender als das Drama der Persönlichkeit.
Es wird immer gefährlich sein, einen blut-
starken Maler in ein Haus einzulassen : er wird
es sprengen, oder er wird sich kaum darum
kümmern. Man denke sich Rembrandt unter
der Aufsicht eines Architekten; das wäre der
Ausbruch eines Vulkancs geworden. Man denke
sich Manet beauftragt, für ein bestimmtes Zim-
mer ein Stilleben zu malen. Er hätte wahn-
sinnig gelacht. Er hätte die F'orderung des
guten Geschmackes, wie sie für die Rauniein-
richtung mit Recht besteht, für ein Erdrosseln
gehalten. Die Zugehörigkeit zu irgend einer
Kultur war für ihn nur eine Blague. Als Lieber-
mann einmal gefragt wurde, ob er es nicht
logisch und kultiviert finden würde, wenn seine
Bilder in Rahmen von Van de Velde hingen, soll
er beinahe eklig geworden sein. Gewiß, er
sammelt Japan; als er sich aber ein Haus bauen
ließ, wählte er einen Schüler Messeis. Sollte
V.\l.r.\T— KVKI.N. liliM.VI.DIi; .N.\C1I Dl.K
,1 .vi; crnr hkrrm.xnn.
iJ3
Der Künstler und seine Weif.
PATL (lAUGriX.
KRETOMM'HI-: LAMiMHAl 1
es, dazu im Vergleich, nur ein Zufall sein, daß
Van de Velde über jene Maler, die (naiv ange-
schaut) den Impressionismus dekorativ nützten,
diese Worte schrieb : „Nirgends ist die intellek-
tuelle Teilnahme an der Entwicklung der neuen
Linie so weitgehend wie in den Werken der
Neo-Impressionisten." Und: „Seurat befreite
als erster die Linie von den Eigenarten des
romantischen Rhythmus und seiner Akzentu-
ierung." Sollte es nur ein Zufall sein, daß Van
de Velde in seinem eigenen Hause Seurat und
Signac hängen hat, und Curt Herrmann, der
deutsche Schüler dieser französischen Neos,
sich durch Van de Velde einrichten ließ. Man
kann getrost daran erinnern, wie Velde von
denen, die „ihre Empfindungen, das Tempo und
den Rhythmus ihres Lebens dem Pulsschlag
unserer Zeit angepaßt haben", erwartet, daß sie
neben Seurat und Signac einen Manet besitzen
und ehren ; es bleibt in dem, was er über die
Notwendigkeit sagt, die Bilder zu lieben, doch
deutlich die Tendenz zur Kulturgemeinschaft
spürbar. Eine Tendenz, die fruchtbar ist für
den Architekten; die aber dem Maler gefähr-
lich werden kann, weil sie gar leicht die dis-
krete und schwankende Grenze zwischen dem
Dekorativen und dem Kunstgewerblichen gegen
dieses hin verschiebt.
Man fühlt sich gedrängt, zu fragen: ob nach
der Art Seurats oder Signacs das Bildnis eines
versoffenen Bettlers als ein Dokument genialer
Menschlichkeit gemalt werden könnte. Und :
welchen Lebenszweck ein Stilleben des Curt
Herrmann zu erfüllen hätte, wenn es nicht einem
spiritualisierten Raum der klingende Akzent,
der destillierteste Schmuck sein würde. Sol-
cherlei fragt man; und es wird einem immer
gewisser, daß für Rembrandt, Liebermann, Gogh
der Rahmen, das Zimmer, der Saal nie mehr als
eine zufällige Herberge sein kann und stets eine
Gleichgültigkeit bleiben muß: sie werden von
dem Mirakel des gesättigten Raumes nicht be-
rührt, Sie leben jenseits der Kultur.
'34
/''(■;' Künstler und sehie Welt.
Wir sind ganz entzückt von jenen Malern,
die aus einer Palette reiner, durch nichts ge-
trübter Farben die graziösesten Lichtspiele,
Mosaiken von nervösem Reiz und artistisch
parfümierte Feuerwerke zu locken wissen. Wir
iinden, daß diese heiteren Arrangements ge-
pllegter Sinnenlust in geistreicher Verwandt-
schaft stehen zu dem irisierenden Zauber antiker
Gläser, zu der paradoxen Monumentalität
chinesischer Porzellane und zu der gleißenden
Kälte von Gefäßen, die aus Silber geschlagen
wurden. Daher kommt es, daß wir durch Bilder
von Seurat, Signac, Groß, Luce, Rysselberghe
gewissermaßen in eine moussierende Wallung
versetzt werden; wir fühlen unsere Nerven um-
schmeichelt von einer weißen Farbigkeit und
unsere Gedanken durch das Gleichmaß eines
durchsichtigen Rhythmus zur Ruhe gebracht.
Optische \'ibrationsmassage und Fata Morgana
eines aus Wollust disziplinierten Milieus. . . .
Indessen, wie das bei Künstlern oft der Fall
ist, so werden auch diesmal die um Seurat,
die Franzosen wie die Deutschen, nicht zufrieden
sein, wenn man das an ihnen liebt, was ihr
Wesentliches ist. Diese Maler meinen, daß der
eigentliche Wert ihrer Art, die sie Neo-Impres-
sionismus heißen, eine wissenschaftlich ge-
gründete Farbentheorie sei; nämlich die, daß
„jede Mischung auf der Palette den Weg zum
Schwarz bedeutet". Sie wissen, daß die che-
mische Mischung von Blau und Gelb Grün
erzeugt, die optische Mischung eines Blau, das
neben Gelb steht. Weiß ergibt. Solche Wissen-
schaft machen sie sich zum Gesetz. Etwas
Ähnliches gab es schon einmal; damals, als die
Perspektive in die Welt kam. Die italienischen
A'Valerbücher der Renaissance sind voll von
theoretischen Mitteln, durch die Perspektive
das reine Kunstwerk zu gewinnen. Wir lernten
längst, daß all solche Wissenschaft überwun-
NIN'IN) \'AN<.''i.H. t.IMXLi'l: l:\lIKMi\lslK . > \ M M I l N<., i U K I H i K K M \ .\ -N .
11)12/13. II. 3.
•35
Der Künstler utid seine Weif.
den wurde. Die Europäer nahmen die Perspek-
tive in ihre Sinnlichkeit liinein. Und erst, als
die Mathematik völlig Fleisch geworden war,
wurde sie künstlerische Form. Das ist der Weg
von PoUaiuolo zu Liebermann. Daneben aber,
beinahe könnte man sagen; darüber hinaus,
wurde entdeckt, daß ganze Rassen für die
Perspektive kein Gefühl haben, es nicht haben
können, wenn sie nicht in ihrem natürlichen
Empfinden und ihrer künstlerischen Bestimmung
tödlich gelähmt sein wollen: Asia. Wobei noch
anzumerken ist, daß dieser Widerwille gegen
die Perspektive, von der die Renaissance glaubte,
daß sie die Wissenschaft der Kunst sei, heute
selbst in Europa wieder machtvoll zunimmt:
Hodler, Pechstein und all die Jungen. Wir
müßten nun einigermaßen gewaltsam jegliche Er-
kenntnistheorie verleugnen, sollten wir glauben,
daß die neue Wissenschaft von der Farbteilung
ein höheres Recht und eine gewissere Zukunft
hätte, als jene alte Perspektive. Wir streiten
nicht, daß die Farbteilung zuweilen Vorteile
gewährt und die Kraft des einzelnen Fleckes
wie die der Zusammenklänge elastisch zu steigern
vermag. Nur: es kann solche technische Mög-
lichkeit niemals Postulat der künstlerischen Ab-
sicht sein. Der Künstler hat immer nur einen
Imperativ über sich: den seines Blutes. Einiges,
von dem, was die Chemiker lehren, wird viel-
leicht, wie damals die Perspektive, in der Künst-
ler Blut übergehen; aber auch dann wird die
Farbteilung für die andern, die nicht wollen,
nicht können, kein Sakrileg sein. Das muß ge-
sagt werden, wenn man gerade dabei ist, sich
11. vriLLARD-
PAKls.
GF.M.\LDE :
Mädchen'«
Der Künstler und seine Welt.
iBBSai
er KT HKRRMAXN— HERI.IN.
ZU freuen an einigen Individuen, die mit leiden-
scliaftlicher Heftigkeit und charaktervollem Fa-
natismus diese Farbteilung zu einer Gymnastik
ihrer Sinne und ihres Handgeschickes nutzten.
Das muß gesagt sein, wenn man vor den Möbeln
eines Architekten steht, dessen Instinkt sich
das Eigentliche der Farbteilung, die Logik der
Reinheit, beinahe in höherem Maße zunutze
machte, als dies jene Maler vermochten.
» • •
Die Möbel, die Van de Velde für Curt Herr-
mann schuf, sind in Vollkommenheit eine Er-
füllung dessen, was Karl Scheffler einmal von
diesem reifen Europäer (der zugleich Kosmo-
polit ist) sagte: „In der äslhetischenSensibilität
konzentriert sich ihm symbolisch der Sinn des
Daseins." Das weiße Speisezimmer hat das
Temperament eines kühlen Bergstromes und die
Durchsichtigkeit eines Kristalles. Man sieht
weniger die festen Körper, als die Bewegungen
des Hirnes, durch die sie entstanden. Sie sind
weniger materielle Bildungen, als Spannungen
der Intellektualität. Sie sind unarchitcktonisch
in dem Sinne, wie die Wunder der Ingenieure
es sind. Sie sind Elemente höchster Architek-
tur, wenn man solche Eigenschaft Körpern zu-
» y
GEMÄLDE: H.VUSER IM SCH.SEE«
gestehen will, die unser unbewußtes Sehnen
nach dem Raum zu einer unentrinnbaren Illusion
steigern. Es ist durchaus möglich, daß der Fach-
mann diese Möbel, obgleich sie ganz aus Zweck-
mäßigkeit und Werkzeug heraus gedacht wurden ,
für unbedeutend achtet, schon darum, weil sie
so wenig kompliziert sind. Wir andern aber
fühlen das Geistige einer schöpferisch streben-
den Sinnlichkeit , deren Bewußtsein mit der
Gleichmäßigkeit der Magnetnadel dahin weist:
daß alles Leben schon in der Regung Form
sei. Für solche Lebensart gibt es keinen besse-
ren Beweis als den, daß Velde sich nicht, wie
die meisten Architekten, damit begnügt, einige
Ornamente oder reduzierte Illustrationen über
die Räume zu verteilen; daß er vielmehr nur
die besten und selbständigsten Maler zu er-
tragen vermag. Er ist ein leidenschaftlicher
Liebhaber des Bildes, das aller Wirklichkeit ab-
gekehrt, musikalisch klingt ; er ist, was die Macht
der Vorstellung betrifft , vielleicht der einzige
wirklich vollkommene Neo-Impressionist.
« « «
Es ist ganz selbstverständlich, daß Curt I lerr-
mann, der ehrlich um den Stil kämpft,') und der
') Curt Herrmann, Der Kampf um den Stil. Berlin. \^\\. E. ReilJ.
»37
Der Künstler und seine IVelf.
CVV.I
IIIKKMANN-
I'.KKIIW
C.EMALDE:
eisenbahn-
brCcke
weiß, daß die Kunst der Sinn der Welt ist, in
seinem Milieu nichts duldet, was nicht irgend-
wie dem ersehnten Konzert entgegenschwingen
würde. So finden wir in seiner Wohnung nur
Künstler, die durch die Kunst die Erde von
sich selber befreien wollen, nur Künstler, denen
die Kunst in ungezügeltem Grad etwas Selb-
ständiges ist. VonManet und Liebermann, über
van Gogh und Gauguin zu Signac und Groß, zu
Denis und Matisse: das ist die Phalanx, die
in den Schlachten des Rhythmus gegen den
Naturalismus, der höheren, musikaUschen Wirk-
lichkeit gegen die plumpe oder effektreiche der
Satten kühn , hoffnungsfroh und selig voran-
schreitet.') Gurt Herrmann liebt diese Phalanx
') Die Sammluag umfaßt: Manet, Pfirsiche; Liebermann, Korb-
flicker (77); 2 van Gogh; 1 Gauguin; 3 Bonnard; 1 VuUlard;
2 Denis; 3 CroB; 8 Signac; 2 Ryssclberghe; 1 Lucc ; 1 Matisse;
mit der großen Glut eines zielgewissen Mannes ;
in ihrem Gefolge zu marschieren ist das Glück
seines Lebens. So wollen seine eignen Bilder
angesehen sein. Es ist Programm in ihnen, Be-
kenntnis zu einem Kulturkreis, Suchen nach
einer Welt. Das ist zugleich ihre Gefahr und
ihr Segen. Gefahr: wenn man an Rembrandt
denkt, der nicht mehr nach einer Welt suchte,
sondern selber diese Welt war. Segen: wenn
man sieht, wie der heute schon Sechzigjährige
mit beweglichem Eifer, von seinem Milieu und
seinen leidenschaftlich geliebten Genossen im-
mer wieder gespornt, nicht müde wird, für die
jungen und jüngsten Reizungen seiner Sinne eine
geschliffene Form und damit einen neuen Bau-
stein für die begehrte Welt zu finden, k breuer.
7 Valtat; 1 Manguin; 2 Derain ; 1 Serusier; 1 Guerin; 1 Sue.
Außerdem Zeichnungen von Heine, Maillol, Rodin.
'38
VINCENT VAN GOGH. »KORNFELD.
AUS DER SAMMLUNG C. HKRRMANN— BERLIN.
CLKT Hl.KKMAN.N liEKLlN.
,-.1 ll.l.l.lil.N.
DER IMPRESSIONISMUS UND DIE KULTUR DER GEGENWART.
\ii\ liK. UALIllK c.l-oKGl- Ml .NTIIEN.
IederStil ist die Folge der Auseinandersetzung
- der künstlerischen Persönlichkeit mit den
Erscheinungsformen des Daseins. Der eine
findet sich mit ihnen ab, indem er seiner Um-
gebung durch die Mittel der Metaphysik bei-
zukommen sucht, er wird dabei zum Romantiker
oder Mystiker. Der andere wiederum beobachtet
mit klarem Blick, sichtet, seziert oft mit grau-
samer Schärfe die Dinge und reflektiert seine
nur vom eigenen Temperament begrenzten Er-
fahrungen ohne besondere Zugaben aus den
Tiefen des schaffenden Ichs, er wird zum Na-
turalisten. In jede der beiden Arten künst-
lerischer Produktion wirft die Zeit ihr gewich-
tiges Wort mit einem tiefgehenden Einfluß, der
je nach dem Stande der Kultur der einen von
beiden den Vorzug gibt. Die künstlerische
Produktion lebt mit der Zeit, sie ist mit ihr
verwoben in den Teppich der Gesamlkultur als
wirkende Kraft sowohl wie als sichtbares Orna-
ment. Sie hat in diesem Sinne ihren Anteil an
allen kulturellen Revolutionen der Jahrhunderte
bis in die neueste Zeit des modernen Naturalis-
mus und der romantisch-mystischen Gegen-
141
CURT HERRMANN— BERLIN.
» SUDLICH E LANDSCHAFT <
CUKT HI;kKMA.\.\— l;l,KLI.\. uLMALIih: BKICKKNHAU IN MOAUl 1 BEI WIM ERSONNE»
Der Impressionismus und die h'u/fur der Gegenwart.
CLKT HEKRMANN BERLIN.
reaklion, die der Gegenwart auf dem Gebiete
der Malerei den Stil des Impressionismus und
seiner Weiterbildungen als Spiegelbild der geisti-
gen Bestrebungen um die letzte Jahrhundert-
wende schenkte.
Es soll nicht gesagt sein, daß der Impressio-
nismus allein neben anderen malerischen Aus-
drucksformen und erschöpfend das Leben
der Gegenwart manifestiere. Zweifellos aber
kommt er ihrem Wesen am nächsten, jenem
Wesen, das er erfaßte, als es aufzudämmern
begann, und dessen Entwicklung auch die seine
wurde. Er ist die logische Konsequenz jener
auf wissenschaftlicher und sozialer Basis be-
gründeten Umwertung fast aller Güter und
Begriffe, die das gesamte Fühlen und Denken
von dem Ballast abgegriffener Ideale und blasser
Romantik befreite und ihm natürlichere Bahnen
wies. Man hatte das vegetative Dasein im Un-
wirklichen statt, der Wille zum Leben ergriff
den einzelnen mit einer noch niemals in gleicher
Hingebung auf die Realitäten des Daseins hin-
zielenden Energie. Das war die Geburtsstunde
des Naturalismus, des wissenschaftlichen, poli-
tischen, sozialen und künstlerischen Naturalis-
mus. Hand in Hand damit ging ein Forscher-
drang auf allen Gebieten, der bis in die ver-
borgensten Winkel hinabstieg und die Ent-
deckung heraufbrachte, daß jegliche physische
bLlJLiCHE LA.\1)SCH.\FT«
Erscheinung mit dem Weltganzen zu einer
unzertrennlichen Einheit verbunden sei. Immer
tiefer fühlte sich der einzelne als ein Glied des
Ganzen, durch welches das All seine Offen-
barungen gibt. Ein naturalistischer Pantheismus
entwuchs dieser Denkungsweise, die alle Dinge
miteinander in Verbindung brachte und in ihr
die Idee des Göttlichen erkannte.
Selbstverständlich ging in dieser Zeit der
wissenschaftlichen und literarischen Hinneigung
zum Naturalismus die bildende Kunst nicht ver-
alteten Idealen nach. Die Malerei der Ver-
gangenheit hatte die Gegenstände nur als tote
Einzelheiten ohne lebendigen Zusammenhang
mit der Gesamtheit erfaßt und wiedergegeben.
Der Impressionismus empfand mit demokrati-
scher Wertung des Stoffes das Leben der Dinge,
wie es in ihren äußeren Erscheinungsformen zu-
tage tritt und die Einzelheiten miteinander ver-
bindet. Den vergangenen Generationen jede
echte Naturempfindung absprechen zu wollen,
wäre ungerecht. Sie zeigen aber meist einen aus-
gesprochenen Mangel an innerer Unberührtheit
zu naiver Naturbetrachtung; ihr Kunstwollen
stand oft allzusehr unter klassizierenden oder
gar moralisierenden Tendenzen, sodaß ihr Sinn
für das gegebene Einfache sich auf ein Minimum
reduzierte. Erst der Impressionismus trat ohne
Nebenabsichten als echtes Kind seiner Zeit an
»43
Der hnpressionismvs und die Kultur der (legenwart.
PROFESSOR HENRY VAN IJE VELDE.
die Natur heran und nahm sie, wie sie ist, und
gabsiewieder voll Farbe, Licht und einer Schön-
heit, die jeder natürlichen Gesetzmäßigkeit ent-
springt. Er ging hin mit dem gleichen Forscher-
drang wie Wissenschaft und Literatur und ent-
deckte den Wert und die Reize des Unschein-
baren, mit gleicher Liebe die Gesamtheit der
Erscheinungen umfassend. Ein Spargelbündel,
das Arrangement eines Frühstückstisches, der
moderne Straßenverkehr reizten ihn nicht
minder wie die farbenzitternde Lyrik eines Gar-
tenwinkels oder die sinnenfrohe Schönheit eines
weiblichen Körpers. In der naturalistischen Lite-
ratur war der historische Roman und die Schil-
derungen von Haupt- und Staatsaktionen zu
\V011NZI.\1.\1ER DES MALERS CURT HERKMANN. HELLES
MAHAGONI MIT GELBSCHWARZ GESTREIFTEM BEZUG.
Gunsten einer ausschließlichen Hingabe an das
Alltägliche ebenfalls in Mißkredit geraten. Über-
all suchte man die Probleme des geistigen
Lebens in der nächsten Nähe.
Ohne in die verborgenste Seele der Dinge
hinabzudringen und diese zu enthüllen, begnügt
sich der Impressionismus mit dem sichtbaren Ge-
genständlichen. Das schnelle Erfassen und die
Wiedergabe des flüchtigenEindrucks wurzeln in
dem Charakter einer Zeit, die infolge der gestei-
gerten Hast des täglichen Verkehrs fast alle ihre
Eindrücke nur noch als flüchtige Impressionen
erhält. Die Beschränkung auf das Wesentliche
„der organischen Schönheit des Lebens im
Augenblick " , im Gegensatz zu der beschaulichen
144
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Oh
Der Impressioiiismvs und die Kultur der GegetnvaH.
1-K< ■KKSSOK HENKV VAN DE VELDE.
Breite der Biedermeierzeit, wie der Impressionis-
mus sie befolgt, ist die notwendige Folge der
Raschlebigkeit der Gegenwart. Betrachtet man
Manets „Picknick" oder eine Ballettszene von
D e ga s oder ein Straßenbild von Pissarro, so
wird man dieErfüUung dieser Forderung in der auf
das Notwendigste beschränkten Detailschilde-
rung erkennen. Ein lichter Farbfleck ohne unter-
scheidende Valeurs deutet ein Gesicht an,
während ein einziger leicht gekrümmter Pin-
selstrich innerhalb seiner Grenzen den Ausdruck
aller Körperbewegung festhält.
Des gleichen Mittels, das die naturalistischen
Bestrebungen auf allen Gebieten zu ihrem Ziel
führte, bedurfte auch der Impressionismus, um
seinen Impressionen die innere und äußere Ein-
heit und somit die Vollkommenheit zu geben.
1 KKI KVoKli.M. DES SPEISEZIMMERN
Der Weg, der auf ihren Bildern jene ineinander-
fließende Einheit erreicht, führt über das Licht,
die Sonne sowohl wie die Wunder der künst-
lichen Beleuchtung. Unter seinem Einfluß wer-
den die Dinge ihrer Flinzelgegenständlichkeil
entkleidet und zu einander in jenen engen Zu-
sammenhang gebracht , der ihr pantheistisches
Dasein belegt. Auf allen Gebieten kultiviert die
moderne Zeit jene Sehnsucht nach Helle, sei es
als Symbol indem Streben nach höchster Klar-
heil auf dem Gebiete des Geistigen oder als
natürliches Bedürfnis im Rahmen der realen All-
täglichkeit. Überall weichen die dunklen Gassen
breiten Straßen, durch die das Tageslicht unge-
hindert flutet, durch große helle Fenster strömt
es in die Wohnungen, Schulzimmer und Fabrik-
räume. Dieses Licht zerbrach die die Einheit
1912,13. II. 4.
'47
PROFESSOR HENRY VAN DE VEI.DE. \ITRINE IN VORSTEHENDEM SPEISEZIMMER.
WAND-TEIL MIT EINGELASSENEM BILD VON CURT HERRMANN.
PROFESSOR HENRY VAN HE \'ELDE. BÜFETT IN VORSTEHENDEM SPEISEZIMMI.R.
MÖBEL UND WAND WEISS. EINGELASSENES BILD VON CURT IIF.RRMA.NX.
Der Impressionismus titid die Kultur der Gegenwart.
hemmenden Fesseln der ausgesprochenen Linie
auf den Bildern der Impressionisten und ermög-
lichte, frei von a 11 er K o n v en t ion , jene
Hymnen auf den Zusammenhang des Lebens, die
auch die Dichter jener Zeit mit eruptiver Gewalt
hinausschleuderten, freivonderaltgeheilig-
tcn Gebundenheit der Verse im Reim, den-
noch zusammengehalten von dem harmonischen
Rhythmus aus dem Reiche einer geschaulen
Natureinheit.
Die naturalistische Bewegung im letzten Vier-
tel des vorigen Jahrhunderts verlangte das
höchstmögliche Maß an Naturwahrheit ohne
Wiedergabe tieferer seelischer Erlebnisse im
Kunstwerk. Man forderte strengste Objektivität
von dem schaffenden Genie. Das übervolle
Herz der Dichter war nur selten im Stande,
diesem Verlangen jederzeit gerecht zu werden.
Der Impressionismus aber kam unter allen
Künsten dem künstlerischen Programm seiner
Zeit am nächsten. Er begnügte sich in reiner
Malerei mit dem getreuen Abbild des Natür-
lichen, ohne sein Herzblut an dem Dargestellten
zu verlieren. Der ursprüngliche Impressionismus
versuchte niemals hinter die Grenzen der Er-
scheinungen zu dringen. Ob dieses Festhalten
der reinen Daseinsform in Verbindung mit der
Negation des Seelischen der Endzweck aller
Kunst ist, ist eine andere Frage. Obwohl man
darin der geistigen Forderung einer Epoche
gerecht wurde, so hat doch die Folgezeit eine
andere Antwort hierauf gefunden.
Mit dem Neoimpressionismus erlangte der
naturalistische Impressionismus die letzte er-
reichbare Stufe äußerer Vervollkommnung. Er
erinnert an manche ästhetisierende Richtung in
der modernen Literatur, die in einer raffinierten
Auswahl sprachlicher Finessen alles Heil er-
blickte. Die unausbleibliche Reaktion mußte
der Notwehr der bis dahin zurückgedrängten
seelischen Empfindung entspringen. Indem der
Naturalismus dem gesamten kulturellen Leben
zu einer gesunden Blutauffrischung verholfen
hatte, war seine Mission erfüllt. Die Seele des
Einzelindividuums verlangte nun wieder ihre
Rechte. Der einzelne sucht sich mit dem
Ganzen wieder tiefer auseinanderzusetzen und
mit seiner Empfindungswelt in die pantheistische
Einheit aller Dinge einzudringen, bis er die
subtilen Fäden, die die eigene Seele mit dem
Wesen der Gesamtheit verbinden, entdeckt.
Philosophie, Literatur, Musik und bildende
Kunst gehen hier die gleichen Wege. Als der
erste unter den Impressionisten verläßt van
Gogh jenen extremen Naturalismus und legt
die Seele der Landschaft bloß, oft mit einer
Unerbittlichkeit der forschenden Empfindung,
die hinter den Härten einer Vivisektion um
nichts zurücksteht. Cezanne findet trotz aller
Belebung der Fläche seine Seele in der lyrisch-
mystischen Stimmung der Umwelt wieder, an
deren Vergeistigung er seine Kräfte setzt.
Gauguin unddieExpressionisten schreiten
mit Erfolg in der Entdeckung des Seelischen
fort. Die Silhouette kommt wieder zu Ansehen
und wird unschätzbares Mittel und Symbol des
geistigen Ausdrucks. Das Äußere ordnet sich
einer gestaltenden inneren Dynamik unter, es
ist nicht mehr Ziel, sondern Mittel der Kunst.
Damit sind die ursprünglichen Forderungen des
Impressionismus zu Gunsten des nach Ausdruck
ringenden seelischen Gehalts verlassen, eine
Entwicklung, die die geistige Bewegung der
fortgeschrittenen Kultur mit ihrem bestimmten
Willen nach Vertiefung mit sich brachte. Der
Schritt von der reinen Form zu der Weltidee
im einzelnen sichtbaren Glied des Ganzen, von
der materiellen Natur zur durchgeistigten Natur,
ist getan. Über den Impressionismus hinweg
drängt die Kunst zu einer neuen Stiläußerung,
die die Monumentalität eines Strebens nach
hohen Zielen umfaßt, dabei aber den sichtbaren
Einfluß der Malerei des schnell erfaßten Ein-
drucks nicht abzuleugnen vermag. Diese ex-
pressionistischen Bestrebungen sind die ersten
Anzeichen einer neuen Kultur, die ihre religiös-
künstlerische Kraft dem erstarkten vergeistigten
Pantheismus der Gegenwart verdankt.
Es fehlt uns heute noch der zeitliche Ab-
stand, um über die Lebensfähigkeit dieser
neuesten Kunstrichtung ein abschließendes voll-
wertiges Urteil zu geben. Das Experiment
herrscht allenthalben noch vor. Die bereits
erzielten Erfolge berechtigen zu der Hoffnung
auf eine der Vergangenheit zum mindesten
ebenbürtige Kunst. Auswüchse sind, wie bei
jeder vorwärts drängenden Entwicklung, nicht
zu vermeiden. Das zeigt gerade in letzter Zeit
die exzentrische Erscheinung des Kubismus
nicht minder wie die des Futurismus. Dem
strebenden Genie aber sind die Fehler der
anderen der beste Lehrmeister, umsomehr als
die Erkenntnis des falschen Weges schon ein
Fortschritt zur Vervollkommnung bedeutet, r..
Ä
Die le^te höchste Aufgabe des Bildhauers bleibt
es immer, dem Steine Leben zu verleihen. Alles
andere. Form, Gruppierung, Verhältnisse usw., sind
ja nur die Mittel zu diesem Endzweck, und da sollte
man allerdings denken, daß nur der, der mit dem
feindseligen Material gerungen hat, diesen Triumph
erreichen könnte. Ich glaube, daß das Problem der
Beherrfchung des Materials noch heute ebensosehr
Aufgabe der bildenden Kunst ist wie zu allen
anderen Zeiten HANS v. MAREES.
150
CHARLES TOOBY- MÜNCHEN
Ölgemälde: »stier im stall«
CH.VRLES TOOBY— MÜNCHEN.
»IM ^L\1« (res: i'Aul sachs— München).
NEUE ARBEITEN VON CHARLES TOOBY.
Von lunz voxosTiNr mümuhn.
Dem frischen, kerngesunden Malertalent von
Charles Tooby hat der langjährige Kampf
mit der Gleichgültigkeit des Publikums ebenso-
wenig geschadet, als es der ewige Wechsel von
„Richtungen" und alleinseligmachenden Offen-
barungen irre machen konnte, der unsere Kunst
seit zwanzig Jahren im Kreise herunihetzt. Er
ist Charles Tooby geblieben und hat sich nur
auf seiner eigenen Linie vervollkommnet — zu-
frieden damit, unter seinesgleichen als ein Erster
zu gelten. Wirklich ein Erster ! Der englisch-
deutsche Tiermaler und Landschafter Tooby ge-
hört fraglos zu den Besten, die wir in Deutsch-
land haben und ist unter Kunstgenossen längst
als solcher geschätzt, so daß ihn die Münchner
Sezession vor Jahren schon durch eine Sonder-
ausstellung seiner Werke ehrte. Vielleicht hat
das Gros der Besucher damals nicht begriffen,
um welche bedeutsame Persönlichkeit es sich
handelte, nicht begriffen gerade wegen des
besonderen Vorzugs Toobyscher Malerei: daß
sie so vollkommen prätensionslos und selbst-
verständlich wirkt. Keine Zeitphrase klingt darin
wieder und sie blufft nicht mit Geschicklich-
keiten, die blenden — sie ist nur schlechthin
stark und gut, erscheint so unmittelbar und
wahrhaftig, daß ich glaube, Tooby hat sich über-
haupt über eine Theorie nie den Kopf zer-
brochen. Er besitzt die beste Art von Maler-
kultur, die angeboren, die nicht von des Ge-
dankens Blässe angekränkelt ist! Die Güte
seiner Arbeit hat mit Bravour nichts zu tun, der
Eindruck macht bei ihm auf dem Weg vom Auge
zur Hand nicht den Umweg über ein Malerrezept
und so ist er ein Impressionist im gesundesten
Sinne; nicht einer, der erst fragt, wie es die
„großen Vorbilder" gemacht haben und der sich
bemüht, zu empfinden wie jene! So hat Tooby
viel mit den ebenfalls von den vielen spät oder
nie erkannten Karl Schuch und Hagemeister
gemein, deren Impressionismus ebenfalls von
allen dogmatischen Phrasen frei ist.
In seinem Werk ist eine große Harmonie —
alles ist Guß aus dem gleichen Metall. Dies
'53
^^.
CH-UiLES TuuliV-MU.NClUi^.
j.\VEIH£K I.N WuRCEbTERblllRL (bbs ; DR. w. KANTER).
CHARLES TOOBY MÜNCHEN. »ALTES BAUERNHAUS« (BBS : PAUL SACHS— MÜNCHEN).
V. : X' :'- ■
CHARLES TuoliV MLNCHEN
»KUHF. IM FF.I.DF. !, ENCLANI).
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CHAKLES TOOBY— MÜNCHEN. »KUH UNTER HÄUMF.Na (Bus: DR w. KANTER).
Netie Arbeiten von C/ianes Toobv.
CHARLES TOOKV— MÜNCHEN.
aber ist in sehr verschiedene Formen gegossen,
was er uns in jener großen Kollektion wie in
vielen Einzelausstellungen alle die Jahre her
bewies. Wenige Tiermaler sind so wenig Spe-
zialisten, wie er : Rinder malt er wohl am öftesten,
weil sie eben sein Malerauge am öftesten zu
sehen bekommt und weil sie die zugänglichsten
und geduldigsten Modelle sind. Aber seinem
Pinsel gehört alles, was kreucht und fleucht,
Pferde, Schafe und Hunde, totes und lebendiges
Groß- und Kleinwild, die Vögel vom Königs-
adler bis zum Finken und dazu die gesamte Ein-
wohnerschaft des Tiergartens — abgesehen von
den zweibeinigen Primaten. Landschafter ist
er nicht nur gelegentlich, sondern mit ganzer
Seele; reine Landschaften von prächtiger Farbe
und wundersamer Größe des Eindrucks zählen
zu Toobys gehaltvollsten Werken und in vielen
seiner Bilder sind Tier und Landschaft gleich-
wertig betrachtete Faktoren, sind eben zu-
sammen ein Ganzes.
Charles Tooby bezeichnet es selbst als sein
Ziel, dasTier „impressionistisch" wiederzugeben
: GEFLÜGEL IM ST.\LL« (bes; Alexander kulhi.
— man darf ihn dabei aber ja nicht mißverstehen.
Es ist nicht der flüchtige, der momentane Ein-
druck, den er festhält, dazu hat er das Tier viel
zu lieb, versteht es viel zu gut, sowohl dessen
Physis als der Psyche nach ! Man muß sogar,
um ihn ganz zu würdigen, eigentlich selber Tier-
freund und Tierkenner sein — • was ja auch für
den malerisch auf ganz anderen Wegen wandeln-
den Heinrich v. Zügel gilt. Trotz aller Breite
und robusten Kraft seines malerischen Stils ist
Tooby ein fast wissenschaftlich genauer Beob-
achter der tierischen Form, unterscheidet zum
Beispiel in seinen Viehbildern Rassen und Alters-
stufen mit sachlichster Schärfe und differenziert
seine Tiere stets meisterlich nach ihrem Tem-
perament. Ebensoweit geht seineUnterscheidung
landschaftlicher Charaktere. Was er von seinem
letzten Aufenthalte in England zurückbrachte,
ist in Ton und Farbe ganz anders, als das, was
er in seiner süddeutschen, zweiten Heimat stu-
diert. Das Grün seiner englischen Landschaften
fällt sofort durch seine volle und satte Leucht-
kraft auf — wer mit sehenden Augen einmal.
156
•^ ^.sfimjk'-^ ■/
CHARLES TOOBY MÜN'CHEN.
»WEIDENLANDSCHAFT , ENCLAND (bes: dr.w. Kanter)
CHARLES TOOBY— MÜN'CHEN. »•SOMMERLv\NDSCHAFT MIT Kl' KEN , ENGLAND lims: PAur. SArHs— minchbn).
1912/13. 11. 5.
«59
CHARLES 1 1 1(111 Y - Ml XlHEN.
SCHAFE MIT LÄMMERN (BES; DR. w. KANTER),
CHARLES T(uibV-MI:NCHEN. »ALI EM . LISCHER KUHSTALL iBES: E. KAIM -HKKSLAU) .
A^eiie .[rheiteyt von Charles Toob\
entzückt und
staunend , das
wunderbare
Grün engli-
scher Wiesen
erblickt hat,
muß schon aus
der Farbe die-
ser Tooby sehen
Bilder die Hei-
mat ihrer Mo-
tive erraten.
Impressioni-
stisch ist seine
Tiermalerei,
weil sie ohne
Tüftelei und
Reflexion den
empfangenen
Findruck un-
verfälscht gibt;
Nicht impres-
sionistisch ist
sie aber in be-
zug auf das
l'ingehen aufs
Stoffliche, das
der Impressio-
nismus strenger
Observanz ja
wohl mit dem
Bann belegt.
I"s ist ebenso
bewunderns-
wert wie cha-
rakteristisch
an Tooby, wie
hervorragend
stofflich er sei-
ne Tiere be-
handelt — oft
hat man, wenn
man diese Tier-
scliilderungen
betrachtet, ein
Gefühl, als
streiche man
mit der Hand
über Vließ und
Gefieder, so
unsagbar wahr
ist es gegeben,
„minutiös nach-
gebildet"— so
möchte man
glauben, bis
man sich über-
zeugt, daß hier
ein breiter Pin-
sel kräftigste
Primamalerei
geleistet hat.
CHARLES TOOBY— MÜ.NCHE.N. »REIHER« UMJ ERLEGTER FUCHS
Neue Arbeiten von Charles Tooby.
Wie er das Gefieder eines toten Adlers,
Falken oder Reihers oder delikat gefärbter
kleiner Singvögel , den glatten , schimmern-
den Haarsammet wohlgepflegter Rinder , den
rauhweichen Pelz eines Fuchses oder Neufund-
länders, das kurze, feste Grannenhaar eines
Löwen, das glatte Prunkfell des Tigers, die Decke
eines Rehbocks malt, immer flott und zugig blei-
bend und doch fast mit „zoologischer" Sach-
Uchkeit — das setzt ein erstaunliches Maß an
malerischem Können und Schulung des Auges
voraus. Er schildert aber auch mit gleich einfach-
sicheren Mitteln das Spiel des Lichts über den
Tieren in freier Luft oder die verwickelten Be-
leuchtungsverhältnisse im dunklen oder hellen
Stall, gibt Stimmungslandschaften von nobler
Ruhe und Eindringlichkeit — immer derselbe
und immer wieder neu! Man kann Tooby ver-
stehen oder nicht verstehen, kann ihn aner-
kennen oder grundsätzlich anderer Meinung
sein, meinetwegen — nur eins kann man nicht:
an seiner Malerei irgend eineUnwahrhaftigkeit,
eine Absicht entdecken, die nicht reinkünstle-
rische Ziele verfolgt. Und ebensowenig eine
Inkongruenz zwischen Wollen und Können.
Charles Tooby ist in England geboren — 1 863
in London. Er wuchs in Surrey auf dem Lande
auf. Im Alter von sieben oder acht Jahren
stürzte er so unglücklich, daß er drei Jahre
liegen mußte, und über diese Zeit half ihm die
Lust zum Zeichnen hinweg, die von seiner
künstlerisch veranlagten Mutter verständnisvoll
gepflegt wurde. Was er zeichnete, waren Kühe
und Stiere, Pferde, Geflügel, kurz, was er an
Haustieren zu sehen bekam. Sein Vater war
kurz nach der Geburt des Knaben gestorben
und mag wohl auch kein alltäglicher Geist ge-
wesen sein. Er war Gründer des Savage-Klubs,
eines der originellsten Londoner Klubs, der
besonders von Künstlern frequentiert wird. —
Mit 18 Jahren trat Charles Tooby als Clerk
in die Bank von England ein und hatte hier
bald Aussicht auf ein glänzendes Vorwärts-
kommen gewonnen. Die Arbeit in der Bank
aber war ihm so widerwärtig, daß er auf alle
jene schönen Aussichten verzichtete und nach
zweijährigem Martyrium auf den Rat eines deut-
schen Freundes nach Dresden ging, um Maler
zu werden. Der pedantische Betrieb auf der
dortigen Akademie sagte ihm freilich wenig zu.
Das widersprach seiner künstlerischen Natur
ganz so, wie die Arbeit im Bankkontor. Statt
ein braver Akademieschüler zu werden, ar-
beitete er denn auch von früh bis spät im Zoo-
logischen Garten, und was er dort von den
mannigfachen Modellen aus aller Herren Län-
dern geschaffen hatte, verschaffte ihm dann die
Aufnahme in die Schule des Professors A. Bren-
del in Weimar. Ein Jahr später hatte er dort
die Medaille für Tiermalerei und ein eigenes
Atelier bekommen.
Von Weimar aus begab sich Tooby nach seiner
englischen Heimat, heiratete dort und übersie-
delte dann für immer nach München. Er hat frei-
lich noch mehrmals vorübergehenden Aufenthalt
in England genommen und dort u. a. das von der
Münchner Pinakothek angekaufte Bild „'Nach
dem Regen", später die prachtvolle Landschaft
„Wind und Sonne" gemalt, die von der Se-
zessionsgalerie erworben wurde. So reich be-
fruchtend die Eindrücke der Heimat aber auch
immer wieder auf ihn wirkten, als Maler dürfen
und müssen wir ihn zu den Unsrigen zählen.
Seine Malerei ist zu voUsäftig gesund, sein Tem-
perament zu wenig gebändigt durch Überliefe-
rung und Konvention, um für englisch zu gelten.
Die herbsinnliche Lebendigkeit seiner Darstel-
lung, die Wucht seines Vortrags entspricht unend-
lich viel besser dem deutschen Ideal, d. h. dem
Ideal, das die guten deutschen Maler hatten, ehe
es in Deutschland Mode wurde, französisch zu
empfinden. Zwei Namen, die hieher gehören,
wurden schon genannt, dasFreundespaarSchuch
und Hagemeister. Tooby hat den ersteren wohl,
wie wir alle, relativ spät kennen gelernt, den
letzteren — ebenfalls wie „wir alle!" — ver-
mutlich erst im letzten Jahr — aber seine Kunst
steht so ziemlich auf dem gleichen Boden wie
die der beiden. Auch sein Verhältnis zum Still-
leben, das wohl auch für ihn Übungsgebiet und
Vorstufe ist, scheint mir ähnlich wie bei Schuch.
Nur stellt Schuch sich das Problem absolut ko-
loristisch, während Tooby — wie auch Hage-
meister, wenn er Wild malt — dazu noch seine
Freude an gegenständlich treuer Wiedergabe
der Objekte, der toten Tiere, hat.
Ganz so undankbar wie gegen diese beiden
war nun freilich die Mitwelt gegen Charles Tooby
nicht. Er hat seinen Erfolg noch erlebt, ehe er
fünfzig Jahre alt geworden, und es steht zu
hoffen, daß es hiermit noch stetig aufwärts geht.
Außer den genannten Münchner Sammlungen
besitzen auch die Galerien von Weimar und
Hannover, der Prinzregent von Bayern und zahl-
reiche Privatsammler Bilder von Tooby. Ja, es
gibt deren, die ihn speziell „sammeln". So fest
begründete Qualitäten, so echte und blanke
Künstlerschaft müssen schließlich den Wider-
stand der stumpfen Welt besiegen. Nicht so weit
vielleicht, daß Tooby einmal populär wird, aber
so weit, daß für die Urteilsfähigen feststeht : was
er uns schenkte, gehört zu den wertvollsten und
echtesten Schöpfungen der Kunst seinerZeit und
muß dauern für die Zukunft ! — f. v. o.
162
MiiKlI.V HilKlX-.K & A. i;.\VV,\M>.
I.ANllll.\r.s INVKKI.ll 1 II \oK\\l( H.
ENGLISCHE LANDHÄUSER.
"\ \ ^ir können wohl Technisches, den Charak-
\ \ ter der Materalien, ihre richtige Anwen-
dung usw. lehren, aber je weniger wir „Kunst"
zu dozieren suchen, umso besser! Lehrt
rechtes Fühlen und Denken, die Kunst
kommt dann schon von selbst!" — „Wahre
Originalität ist der Ausfluß von Wahrhaftig-
keit". Solches lehrt C. F. A. Voysey und in
solchem Geiste schafft jene Gruppe von eng-
lischen Architekten, die sich an Norman Shaw,
Ernest Newton, Baillie Scott, Kdwin
Lutyens anschließen: W.F. Unsworth, Mor-
ley Horder, Maberley Smith, Geoffrey
Lucas, Halsey Ricardo, Ernest Gimson
und noch manch anderer, — Die Schaffung von
Wohnstätten, die sich wie lebendig- warme
Organismen der umgebenden Natur einfügen
und den körperlichen und seelischen Bedürf-
nissen kultivierter Menschen Erfüllung bieten,
erfordert nicht nur formgebende und rauni-
beherrschende Kraft, sondern auch Weisheit
und Einfühlungsvermögen — eine spezielle
Begabung, die das ergibt, wofür der Engländer
den treffenden Ausdruck „Domestic archi-
tecture", — zum Unterschied der Monumental-
Architektur mit ihren anders gearteten Proble-
men, — gefunden hat. Aus einem innigen
Bündnis zwischen Zweckmäßigkeit und
Schönheit, aus einem starken Empfinden für
Natur-, Material- und Formenschönheit, für
guteTradition, individuelle, lokale und nationale
F^igenart und ausgebildetem technischen und
handwerklichen Können erwächst die Natür-
lichkeit der englischen Landiiäuser, Sie wirken
pittoresk durch natürliche Mittel, niemals aber
„quaint"; artistisch, geziert. Nicht nur in Neu-
schöpfungen, auch in feinsinnigsten „Restau-
rierungen", in der Anpassung alter Wohnstätten
an die Forderungen der Neuzeit, wie in dem
abgebildeten Landhaus „By the Church" in
Steep, zeigt sich die Kraft und das Künstlertum
dieser Architekten. Ihre Arbeits-Intensität
und ihr „Patriotismus in derArchitektur"
dürfen stets als vorbildlich gelten, i.ang-ua.noli.
■63
ARlHITEKT C. F. A. VOVsEV— LUMJON.
L.\J<UHAUS LITTLEHOLME MIl 1 1-KKA.s.sI.N-A.NLAGE.
VOM SCHMUCK.
Schmuck ist uns vielleicht nicht nur wegen
seiner Materialreize so anziehend, sondern
in erster Linie wegen seiner innigen Verbindung
mit dem Menschen. Er ist der erste und der
treueste Begleiter des Menschen auf dessen
jahrtausendelanger Wanderung aus der Nacht
des Tierdaseins zu höchster Vervollkommnung.
Aus Gräbern, die das Gebein längst verzehrt
haben, holen wir kunstvolle Spangen, Armreife,
Ringe, Ketten und Diademe ans Licht. Von
großen, wichtigen Kulturstufen der Menschheit
ist uns nichts geblieben als der Schmuck, der
früher auftaucht als die Kleidung und dessen Be-
arbeitung daher auch am frühesten zur Meister-
schaft gedieh.
Noch klarer ist die innige Verbindung des
Schmuckes mit dem Menschen in seinen Formen
selbst ausgesprochen. Denn diese wiederholen
nur die Formen der wesentlichen Teile des
menschUchen Leibes, sie sind ein Nachhall
menschlicher Körperformen. Wie ein Echo der
Rundung des Armes ist die ihn umschließende
Spange, die Ringe fixieren den Querschnitt des
Fingers, der Gürtel mißt den Umfang des Leibes ;
der wogende Busen und der zarte Hals der
Frauen gestalteten die Kette und den Behang
aus Goldblättchen und edlen Steinen, und die
Krone endlich wiederholt den Umfang des
Hauptes.
So ist der Schmuck historisch und seiner
Verwendung nach des Menschen treuester Be-
gleiter geworden. Und von dieser innigen
Verbindung her hat er das Sprechende, Bedeu-
tungsvolle und Ausdrucksvolle erhalten, das
ihm anhaftet. Unter allen toten Dingen ist der
Schmuck so das lebendigste geworden. Oft er-
scheint er als Symbol, oft wird er zum Amulett,
zur Waffe, zum Verräter, zum Fluche, zum
Träger süßer und schrecklicher Geheimnisse.
Was knüpft sich nicht allein an die einfachen
Reifen, die die Finger schmücken, an wunder-
samen Bedeutungen und Ereignissen! Ringe
geb^n Macht über irdische und außerirdische
Dinge, sie dienen als Erkennungszeichen, sie
bringen Fluch und Segen und spenden oft genug
den tödlichen Saft, der von aller Not befreit.
Als Tiberius im Sterben lag, heißt es, zog er
den Ring, das Zeichen seiner Macht, vom Finger,
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1912A3. 11.6.
Vom Sck/imck.
AK( HlTliKT C. F. A. VOYSK Y- LOMJON.
als besänne er sich, wem er wohl mit dem
Kleinod die Nachfolge in der Herrschaft über-
geben könne. Aber nach einem Augenblicke
vergeblichen Nachdenkens steckte er den Ring
wieder an und starb mit festgeschlossener Faust.
Die stumme Rolle, die das Kleinod in dieser
Anekdote spielt, ist sie nicht sprechender als
viele Worte!
Die Geschichte des Schmuckes liefert fast
„ in nuce " eine Kulturgeschichte der Menschheit.
Roms luxuriöse Überfeinerung könnte kaum
besser gekennzeichnet werden als durch die
von Juvenal bezeugte Sitte, daß man im Sommer
andere und leichtere Ringe trug als im Winter.
Ähnlich aufschlußreich sind die Beobachtungen,
daß das Christentum die Gräber schmuckärmer
macht, da ja die Seele fortan alles ist und bei
ihrem Scheiden den Leib, dem die Heiden alle
Ehren des Lebenden erwiesen, als wertlose
Schlacke zurückläßt ; daß ferner eine urwüchsige
germanische Goldschmiedekunst fehlt, da unsere
Altvorderen jegliches Handwerk mißachteten;
daß Karl der Kühne, Herr des üppigen Burgund,
einen Siegelring von einem halben Pfund Ge-
wicht trug; daß schließlich in der neuesten Zeit,
HALLE l.\I LANUH.AUSE LOUGE STVLE-HATH.
der Ära einer rein materialistischen Zivilisation,
der Schmuck nur nach seinem Geldwerte, nicht
mehr nach dem Werte der Arbeit und nach dem
Geschmacke seiner Herstellung geschätzt wird.
Noch etwas anderes kommt hinzu, um den
Schmuck kulturell und kunsthistorisch bedeu-
tungsvoll und aufschlußreich erscheinen zu
lassen. Die Techniken der Edelmetallbearbei-
tung waren bei den alten Ägyptern und im frühen
Byzanz etwa genau so entwickelt wie heutigen
Tages. Fortschritte sind so gut wie nicht mehr
gemacht worden. Eben deshalb aber gibt der
Schmuck den reinsten Aufschluß über das Kunst-
wollen und die stilistischen Absichten seiner
Schöpfer. Die Formgebung wird durch keinerlei
technische Hemmnisse gestört oder abgelenkt,
oder vielmehr, durch keine größeren Hemmnisse,
als sie auch für uns noch bestehen. Was im
Schmuck erscheint, ist daher der reine Form-
geist der alten Jahrhunderte.
Vergleicht man von diesem Standpunkte aus
die heutigen Erzeugnisse mit den früheren, so
zeigt sich mit untrüglicher Deutlichkeit, daß
unser Kunstwollen beträchtlich barbarischer ist,
als das jeder vorangegangenen Epoche.
Vom ScJnniick.
Fast kann man sagen, daß die letzten zwei
Jahrhunderte an Schmuck nichts hervorgebracht
haben, was sich mit den Erzeugnissen früherer
Zeiten vergleichen Ueße. Der struktive Sinn ist
fast völlig geschwunden, die Materialbehandlung
trotz unserer „Errungenschaften" häufig viel
roher, als sie in jenen Zeiten war, die wir von
der Höhe unserer Kultur herab belächeln. Keine
Zeit ist mit den köstlichsten Materialien so um-
gegangen wie die unsere, in der man alberne,
negerhaft rohe Pflanzenformen mit zentral-
afrikanischem Geschmacke unter blitzenden
Brillanten und anderen Juwelen verschwinden
ließ, um das Ganze dann einer begüterten Dame
an den Hals zu hängen.
Auf dem Gebiete des Schmuckes hat das
19. Jahrhundert gehaust wieMummiusinKorinth.
Es hat kostbare altererbte Materialkenntnisse
und Techniken untergehen lassen. Keine Ah-
nung mehr von dem Reichtum an Erfindung und
Motiven, der noch zur Zeit der Gotik und der
Renaissance bei uns herrschte; von unseren
Ringen sind die geschnittenen Steine, die dreh-
baren Siegelplatten, die Emaillierungen, die
Zellenverglasungen fast ganz verschwunden.
Die Gesinnung der Edelmetallbearbeitung ist ins
Unglaubliche entartet; Schmuck ist vorwiegend
verwandeltes und notdürftig zum Schaustück
umgemodeltes Geld geworden. Da Geldwert
notwendig mit ihm verbunden ist, erlag das, was
Geschmack und gute Gesinnung an ihm war,
der rohen Überschätzung des Besitzes.
Es war hohe Zeit, daß moderne Künstler mit
der Roheit und Lieblosigkeit, die die letzten
Jahrzehnte in der Behandlung edler Metalle
und Steine bekundeten, aufräumten, und mit
neuer Gesinnung, voller Achtung vor Material
und Technik, an das Problem des Schmuckes
herantraten. Wir wissen, wie vieles sie erreicht
haben. Wir wissen aber auch, wie jammervoll
das Publikum vor diesem Angebot versagt hat.
Nur sehr billige Modelle haben sich durchge-
setzt, die indes ihren Erfolg wohl mehr der
Wohlfeilheit als ihrem Geschmacke zu ver-
danken haben. Das eine haben wir schon er-
reicht, daß diejenigen, die ihr Besitz dafür prä-
destiniert, sich verpflichtet fühlen, eine künst-
lerisch anständige Wohnung zu besitzen. Auf
dem Gebiete des Schmuckes sind wir noch
lange nicht so weit, wii.helm michel-münxhen.
.\RCH. GEOFl-REV LUCA.S. L.VNDHAUS .POYNDERS END« -HITCHIN. KAM1NPL.\TZ IN DER HALLE.
172
ARCHITEKT CARL WITZMANN - WIEN.
EMPFANGSRAUM. AUSFÜHRUNG: LUDWIG SCHMITT.
AKi HIIEKT I AKI. \Vll/..\l.\X.N W IF.X.
F.IM'.ANU ZIK AlSSTELLrXGSHALl.E.
RAUMKUNST AUF DER WIENER FRÜHJAHRSAUSSTELLUNG
DES ÖSTERREICH. MUSEUMS FÜR KUNST UND INDUSTRIE.
\M\- KKANZ PI.ANKK.
ie letzte Heerschau des heimischen Kunst-
jSewerbcs im „Österreichischen Museum
I )".
für Kunst und Industrie" war mit besonderer
Sorgfalt vorbereitet worden. Galt es durch die
früheren Ausstellungen zu zeigen, was die Ar-
beit und die Lrfolge eines Jahres gewesen sind,
so war diesmal das Ziel weiter gesteckt, der
Überblick umfassender. Sie sollte einen Mark-
slein bilden für die kunstgewerbliche Produk-
tion Österreichs, eine Generalprüfung und eine
Siegesfeier zugleich. Dem Beschauer sollte es
ermöglicht werden, in den besten Werken der
besten Künstler zu sehen, welche Früchte die
Jahre des Kampfes getragen haben, er sollte
erkennen, wohin der Weg führt, der durch das
heiße Ringen um die neuen Ausdrucksformen
geebnet wurde. Es galt, den wohlmeinenden
Freunden, den mißgünstigen Feinden, den kri-
tischen Indifferenten gleichzeitig die sichern
Unterlagen für ein endgültiges, abschließendes
Urteil über die gesamte moderne kunstgewerb-
liche Tätigkeit in Österreich zu liefern.
Dieser innere Charakter der Ausstellung hat
ihr äußeres Gepräge in starkem Maße beein-
flußt. Sie wollte nicht durch ihre Ausdehnung,
nicht durch die Zahl ihrer Objekte glänzen,
vielmehr war es ihr Ziel, sowohl in den Finzel-
gegenständen wie in den Interieurs, gerade
solche vorzuführen, in denen sich die Bestre-
bungen der österreichischen Kunst, des öster-
reichischen Kunstgewerbes am reinsten und
klarsten wiederspiegeln. Durch die strenge
Auslese war eine Beschränkung von Anfang an
gegeben. Doch sie gereichte der Ausstellung
nur zum Nutzen. Denn erst dadurch erhielt sie
ihre Abgeschlossenheit , ihren abgerundeten
Eindruck, die stille, überzeugende Kraft innerer
Bedeutung. Erst dieser Beschränkung war es
zu danken, daß ihre Aufmachung zu den besten,
wirkungsvollsten und anregendsten Werken
dieser Ausstellung überhaupt gezählt werden
durfte. Wenn in diesem Zusammenhange der
Name des Architekten Carl Witz mann, der
die Installation besorgt hat, erwähnt werden
'75
Raumkufist auf der Wiener FrühjaJirsausstellutig
ARCHITEKT CARL WnZMAXN— WIEN.
AUS DER AUSSTELLUNGSHALLE FÜR ALLtiEMEINES KUNSTGEWERBE.
soll, so wird damit ein Verdienst gewürdigt,
das infolge der großen Hindernisse, die sich
seiner Arbeit entgegengestellt haben, doppelt
bewertet zu werden verlangen darf. Denn auch
der neue, vor gar nicht langer Zeit errichtete
Zubau des Österreichischen Museums ist in
seiner ganzen Anlage so durchaus ungeeignet
zur Aufnahme einer modernen kunstgewerb-
lichen Ausstellung, daß es der ganzen Kraft
eines bedeutenden raunigestaltenden Talentes
bedarf, die Schwächen des Baumeisters zu ver-
decken und in den unvollkommenen Rahmen
ein immer neues, wechselvolles Bild zu zwän-
gen. Der Leser hat an einigen bildlichen Bei-
spielen Gelegenheit zu sehen, mit wie einfachen
Mitteln Witzmann der Schwierigkeiten Herr
geworden ist — allein die Bilder lassen es
leider nicht erkennen, wie hier durch ein paar
Holzbalken, durch ein paar Gipswände, im ge-
liebten Wiener Schwarz -Weiß gehalten, die
traurige Grundarchitektur der großen Ausstel-
lungsräume verändert und veredelt wurde.
Es sollte also eine Generalprüfung sein und
eine Siegesfeier zugleich. Und es war beides.
Die nörgelnde Zweifelsucht ist verstummt, und
langsam beginnen auch die ahnungslosen Ge-
müter, die aus Beruf oder Neigung allem Neuen
mit starkem Mißtrauen, wenn nicht mit Haß
begegnen, zu merken, daß hier kein Feld mehr
ist für ihre Aufregung, keine Gelegenheit, sich
zu chokieren. Der billige Witz, der den Genius
zu lähmen, die Größe durch Lächerlichkeit zu
töten versucht hat, ist in seiner ganzen, nackten
Albernheit entlarvt, und die seichten Spötter
von vorgestern haben sich in die Einsamkeit
ihrer Beschämung zurückgezogen. Wenn sie zu
den Bekehrten gehören, so soll ihr Widerstand
vergessen werden, trotzdem sie getan haben,
was in ihren Kräften stand, den Weg zu er-
schweren, das Ziel zu verwirren. Sie haben
den Sieg vielleicht ein wenig verzögert, ihn
aufzuhalten waren sie zu schwach. Und heute
schwingt sich hell und klar über all den Zank
und Zwist das fröhliche Bewußtsein ehrlich er-
kämpfter Geltung. In harten Zeiten hat sich
das Wiener Kunstgewerbe Ruf und Namen er-
worben. Nun, da es in stolzer Selbständigkeit
zu seiner heutigen Höhe emporgewachsen ist,
empfindet es auch in der Heimat kaum jemand
mehr als revolutionär. Man freut sich vielmehr
seiner stillen Größe und weiß; Die Prüfung ist
bestanden, die Siegesfeier, so ohne Über-
.76
IMW: AkcHlIKKT CAKI «ll/M ANN WIKN.
EMPFANGSZIMMKR. Afsh : 1 lUW. M HMIII .
Raumkunst au/ der Wiener Frühjakrsausstellung.
AKl HllKKl lARl. \VI I ZMA.NN — WlIiN.
schwenglichkeit , so ohne Pathos, so wenig
überhebungsvoU sie war, wird doch nachwirken
durch Jahre und Jahrzehnte.
Soll man diese letzteWiener Frühjahrsausstel-
lung besprechen, so muß man vorneweg jeden
Anspruch auf Vollständigkeit aufgeben. Es ist
schwer, aus der Fülle das Einzelne hervorzu-
heben, weil man gerade dadurch leicht denen
Unrecht tut, die man bei solcher Aufzählung
vergißt. Maßhalten aber wird hier zur Pflicht,
wenn man nicht den Katalog mit Beifügung
einiger kritischen Bemerkungen, Namen für Na-
men, Werk für Werk, wiedergeben will. Denn
die Sichtung war eine so sorgfältige, daß kaum
ein Gegenstand in der Ausstellung verblieb,
der nicht der Erwähnung wert wäre. Leichter
ist die Aufgabe schon, wenn man sich, wie es
hier geschehen soll, auf die Raumkunst be-
schränkt. Aber auch hier muß man es sich damit
genug sein lassen, bei den einzelnen Räumen
durch eine kurze Bemerkung, durch ein paar
Worte das Wichtigste anzudeuten, muß sich
178
Al.vMKLLLMj.iKAl M IM K. K. OsTEKkElCHISCHEN MUSEUM.
damit begnügen, zur liebevollen Betrachtung
der Bilder anzuregen, die in ihrer Art dem
willigen Beschauer mehr geben werden als es
die schönsten Worte vermöchten.
Dies gilt von allen Räumen. Es gilt von
Witzmanns „Empfangsraum eines Privat-
sammlers", von diesem Schmuckkästchen sub-
tilsten Geschmackes. Da ist diskretester Luxus
verbunden mit raffiniertester Eleganz. In Form
und Farbe eines zum andern abgestimmt, eigen-
artig, von der ovalen Grundform an bis ins
kleinste Detail: in kargem Räume die ganze
Stimmung hoher, künstlerischer Kultur bannend.
Es gilt im gleichen Maße von dem Speisezimmer
Prof. Josef Hoffmanns und dem Holubs,
das ich als beste Probe seines Talentes bezeich-
nen möchte, die es bisher gezeitigt hat. Eben-
bürtig gesellt sich zu ihnen das Damenzimnier
Prof. Prutschers, in hellen Farben und in
runden Formen gehalten, fein und zierlich in
allen Linien, wie sichs für ein Damenzimmer
nur immer gehört; dann ein Salon (vom Archi-
REPKASF.NTATIOXS-RAIM DF.R AUSSTF-I.UNI', 1)I:r KINST-
UEWF.RIlESCHri.K DES K K. ÖSTERREICH. MISEIMS WU N.
1912,13. 11. 1.
Raumkwist auf der Wiener Frtthjahrsausstelhmg.
ARCHITEKT ROBERT ÖRLEY— WIEN.
tekten Wimmer entworfen), der seiner selt-
samen Wandbespannung wegen viel bewundert
wurde : farbenprächtige Stickereien auf schwar-
zem Leinen, jede einzelne ein kleines Kunst-
werk, zusammen eine unerhörte Fülle von Fleiß
und Erfindung. Das Entzücken der Damen aber
war mit Recht Dr. Franks „Wohnhalle",
namentlich die gemütliche Fensterseite mit den
Holzbänken, dem Blumenbrett, dem Vogelbauer
— so rührend altmodisch und „doch so modern " .
Zwei Gartenhallen blieben noch zu erwähnen:
die eine von Örley, mit mattgrünen Stein-
platten ausgekleidet, die anscheinend aus einem
Gemenge von gefärbtem Zement und Kiesel-
steinen bestehen, vom Künstler, nach dessen
Angaben sie gegossen wurden, „Konglomerat"
i8o
GARTENHALLE. WAND BETONPLATTEN.
genannt; die andere von Strnad, welche ihrer
Möbel wegen, die an altfranzösische Originale
erinnerten, von vielen mit einiger Verwunde-
rung betrachtet wurde.
Zum ersten Male war der Ausstellung ein
Garten angegUedert, dessen Plan vom Archi-
tekten Poppovits entworfen worden war. Die
Ausführung war das Werk des städtischen
Gartendirektors Wenzel Hybler, eines Man-
nes, dessen Begabung sich in den öffentlichen
Anlagen Wiens auf das schönste betätigt. Dieser
Garten gab die Möglichkeit zu einer kleinen
Zusammenstellung von Friedhofskunst, zur An-
lage eines Cafes, zur Errichtung eines Ein-
familienhauses in allerdings sehr kleinen Dimen-
sionen, und eines von Ernst Lichtblau ent-
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Raumkunst au/ der II ioii')- Frühjahrsaicsstellumi.
worfenen Gartenpavillons, eines kunstgewerb-
lichen Gedichtes für empfindsame poetische
Traumer.
Wurde durch diese Schöpfungen gezeigt,
was die kunstgewerblichen Führer Österreichs
heute leisten, so wurde in sieben anderen
Räumen vorgeführt, wie der Nachwuchs belehrt,
unterrichtet und angewiesen wird : in den sieben
Räumen, die der Ausstellung der Wiener Kunst-
gewerbeschule gewidmet waren. Sie forderten
das sachliche Interesse vielleicht am meisten
heraus. Von diesen Schülern, diesen Lehrern
und ihren Methoden, von diesem innigen Zu-
sammenarbeiten verlohnte es sich schon, einmal
ausführlicher zu sprechen. Hier, wo der knappe
Raum das verbietet, genüge es festzustellen,
daß der Aufschwung der Wiener Kunstgewerbe-
schule den Aufschwung des österreichischen
Kunstgewerbes bedeutet hat, daß sie derwich-
tigste, lebenskräftigste Born unserer kunstge-
werblichen Produktion geworden ist und der
Sammelpunkt unserer besten Hoffnungen. w
P.
O'ic meliteii Leiito schälen einen Sloll nur, wiini
er liing, ein Objekt, wenn es sdiwer, eine pciihe,
wenn sie sdireiend ist. Sie sduiljen einen Ballen
Bduniwolk- liölici- <ik jlle Didnien, die je yesciiriehen
wurden, und Sciyen mit Miileliiciiidic: »Wiis beweist
»Atluilic« von Kdcine eigentlidi ?«
Diese Art Menschen sehen in der Kunst nur einen
Zeitvertreib nndi dem Essen, eine Zerstreuung nadi
der Arbeit, ein Spiel für große Kinder
GUSTAVE Pl.AUIlERT.
ENTW: PKnK.
J. HoKKMAXN
.sf.sFi'HKrxc:
J. SOUI.EK.
M IUI. MI 1
.■i( H.MT/.F.KEl
INI) r.OIlF.I.l.N-
IIE/.I'G.
PROF. O. PRUTSCHEK. AUSK: A. KNOiiLOCH NACHF. DAMENZIMMER. MÜBEL WEISS LACKIERT M. BL.\UEN ATLASBEZLGEN.
DAS PROBLEM DES DENKMALS.
Unter den Gründen, die an dem künstle-
rischen Zerfall der Denkmalskunst im neun-
zehnten Jahrhundert schuld sind, ist die Denk-
malssucht unserer Zeit sicherlich einer der
wichtigsten. In früheren Jahrhunderten war die
Errichtung eines öffentlichen Standbildes eine
außerordentliche Kulturaufgabe, die schon ihrer
Seltenheit wegen den Händen berufener Künst-
ler vorbehalten blieb. Heute vergeht kaum ein
Tag, an dem nicht irgendwo ein Sockel mit
einer Statue oder einer Büste enthüllt wird.
Die Kunst ist damit vor eine Art Massenpro-
duktion gestellt worden. Kein Wunder, daß
durch diese Profanierung ihrer Aufgabe auch
die künstlerische QuaHtät gesunken ist. Eine
Verjüngung der Denkmalskunst müßte deshalb
vor allem damit einsetzen, daß dem Denkmal
wieder jener Charakter des Außerordentlichen
gegeben wird. Mit andern Worten : die Trivia-
lität, die der eigentliche Grundzug unseres mo-
dernen Denkmalswesens ist, könnte nur durch
eine Beschränkung der überreichen Denk-
malsproduktion selbst bekämpft werden.
Nun läßt sich aber das Bedürfnis, dem diese
Tausende und Abertausende künstlerisch wert-
loser Standbilder in unserer Zeit das Dasein
verdanken, auch nicht ohne weiteres aus der
Welt schaffen. Auch dieser Denkmalssucht liegt
ein zwar entartetes, aber an sich berechtigtes
Kulturbedürfnis zu Grunde. Es ist nur die
Form, in der es sich betätigt, wodurch es für
die Kunst entwertet worden ist. Andere Zeiten
haben hier eine viel reichere, für das Kunst-
leben fruchtbarere Tradition der künstlerischen
Aufgaben gehabt. Daß diese Tradition abge-
storben ist, bevor sich für die Kunst eine neue
Quelle solcher Aufgaben aufschließen konnte,
ist eben die Ursache des Übels,
Das Mittelalter hat die moderne Form des
Denkmal-Standbildes überhaupt nicht gekannt.
Wie alles, was jene Zeit an öffentUcher Kunst
hervorgebracht hat, stand auch die Aufgabe,
die heute der Denkmalskunst zufällt, im un-
mittelbaren Dienst der Religion : dem Andenken
großer Taten und denkwürdiger Ereignisse er-
richtete man keine Standbilder, sondern stiftete
i86
OTTO PRUTSCHER-WIEN. ff.nsterseitf. des
NEBENST. DAMENZIMMERS. AUSF : KNOBLOCH NACHF.
ARCH. ADOLF O. HOLUB-WIEN. Speisezimmer
MIT AUSGANG ZUM GARTEN. AVSF: AUGUST UNGETHÜM.
/^as Problem des Denkmals.
M Kirchen und Kapellen,
■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■
■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■
Bedürfnis des Volks- ■
! Altäre, Heiligenbilder
lebens hervorgegan- !
gen waren. Damit ■
■ ßildnisplastik als ei-
^Sm/II
verhinderten sie eine ■
J gentliche Grabmals-
M^WWtl
unfruchtbare Einsei- 5
■ kunst mit dem Kul-
tigkeit der Kunstbetä- ■
■ tusbcdürfnis eng ver-
MM^II^^
tigung und eine unge- ■
\ wachsen. — Den mo-
N
sunde Überspannung 2
■ dernen Begriff des
der Leistungskräfte: ■
■ Denkmals — das öf-
sie entlasteten die ■
J fentliche Standbild als
hohe Kunst und gaben ^
■ Dokument des Ruhms
dem Handwerk, was ■
■ ^ hat die Renais-
des Handwerks ist. — ■
\ sance in die Kultur
'S..
In demselben Maße, ^
■ der Neuzeit einge-
wie aber die Religion ■
■ führt. Seitdem ist die
^
aufhörte, die umfas- ■
\ Denkmalsplastik für
C '
sende Grundlage der J
■ die Bildhauerei die
gesamten Volkskultur ■
■ wichtigste Monumen-
zu sein, mußten diese ■
J tal-Aufgabe gewor-
Formen absterben. "
■ den. Sie ist freie
Die Denkmalskunst ■
■ Kunst im modernen
\
verlor damit den na- ■
5 Sinn des Wortes ; blieb
lürlichen Nährboden ■
■ aber als solche den
für eine vielseitige ■
■ großen und außerge-
und formenreiche Fort- ■
! wohnlichen Aufgaben
entwicklung. Für alle J
■ vorbehalten, wie sie
ihre Bedürfnisse fort- ■
■ der monumentale
an auf das einzige ■
J Ruhmsinn kunstsinni- .
Schema der abstrak- J
■ ger Fürsten und Repu-
ten Standbildplastik ■
■ büken den größten
angewiesen, verküm- ■
J Künstlern ihrer Zeit
merte sie schließlich g
■ stellte. — Daneben
^^^sSttjHr^ V
in der ewigen Wie- ■
■ blieben, namentlichfür
derholung einer und ■
\ die eigentlich volks-
derselben Aufgabe. "
■ tümlichen I5edürfnisse
■ W ■ '^^
Die Kunstform, in der ■
■ der Denkmalskunst im
die Denkmalskunst ■
, weiteren Sinne jene
einst ihre höchsten ^
■ mittelalterlichen For-
^^^^^^^^^^B_3P^^^^^^^^^^^^^^^^^^|
Leistungen hervorge- ■
■ men fortbestehen: in
^^^^^^^^Hm ^^^^^^h
bracht hatte, verlor, ■
\ katholischen Gegen-
^^^^^^^^K ■'^^1
in Tausenden von un- ^
■ den haben sie sich ja
berufenen Händen ■
■ bis auf den heutigen
mißbraucht und abge- ■
\ Tag erhalten, wenn
^^^^^^^^H^^^^^^^^^^^^^^^^l
nutzt, immer mehr J
■ auch verkümmert und
von ihrem Kulturwert. ■
■ erstarrt und für die
— So lautet denn die ■
\ lebendige Kunstent-
Grundfrage, die fürdas §
■ Wicklung unfruchtbar
Problemdesmodernen ■
■ geworden. — So lange
Denkmals entschei- ■
g diese Formen aber
dend ist, so: machen §
J noch lebendig waren,
es die Bedingungen der ■
■ lag in ihnen für die
modernen Kultur wahr- ■
B Kunst eine der stärk-
scheinlich, daß sich die g
■ sten Wurzeln ihrer
Denkmalskunstwieder ■
■ Lebenskraft. Sie stell-
von dem einseitigen ■
■ ten ihr Aufgaben, die
\K( iiiM-ki A. u. Moi.ni wiK.s. u amiki-,i.ii-;k in s ru( k.
Bann dieser abstrak- ■
J aus dem wirklichen
^1 1 Ml. M. GF..srilKTEM PiJLSrKK U. GESCHNITZTKR LF.H.NK.
■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■
ten Kunstform befreit? ■
■■■■■■■■■■■■■■■■■■B
mi'i3. II. ».
189
ENTW: Dk. JOSEF FRANK. FRXSTERSEITE XEBEN-
STEHENDER WOHNHALLE. AUSFUHR: J. MÜLLER— WIEN.
Das Problem des Denkmals.
KNTW: AKc HiriiKI liK JuMU' l-RA.XK WIEN.
Sind die Möglichkeiten da, sie wieder auf eine
breitere und fruchtbarere Basis zu stellen, in-
dem sie, im Sinne ihrer früheren Tradition, auch
wieder an die mannigfaltigen Aufgaben des
Lebens selbst anknüpft ? Wenn nicht alle Zeichen
trügen, sind wir schon auf diesem Wege. Auf
allen Gebieten hat die moderne Kunst ange-
fangen, die Formen der modernen Kniwicklung,
denen sie anfangs ratlos und ablehnend gegen-
überstand, zu verarbeiten. Die moderne Kultur
ist „kunstreif" geworden. Es kostet nur den
Willen zur Tat, diese Formen und Aufgaben
auch in den Dienst der Denkmalskunst zu stellen :
statt nutzlose Standbilder, Gedenksteine usw.
auf verlorene Posten zu stellen, das Andenken
verdienstvoller Männer dadurch zu verewigen,
daß man öffentliche, dem Gemeinwohl dienende
Einrichtungen, die mit ihrem Wirken verbunden
sind, auf eine künstlerisch und praktisch voll-
kommene Weise ausstattet und ihrem Namen
weiht. Die geistigen wie die materiellen Be-
dürfnisse der heutigen Zeit müßten dafür heran-
gezogen werden: in diesem Sinne könnte bei-
spielsweise die EhrunggroßerStaatsmänner usw.
HEI/.UXGSl'I.ATZ l.\ DF.R WOH.NIiAl.I.r. EI.NEs I.ANUHAfSES.
der Raumkunst in der Einrichtung der Rat-
häuser, Staatsgebäude, Verkehrsanstalten eben-
soviele neue, dankbare Aufgaben stellen, wie
die Ehrung von Gelehrten und Künstlern
durch die Anlage und Ausstattung von Mu-
seen, Bibliotheken und dergleichen. Das wäre
eine Form der Denkmalskunst, die im Geist der
Zeit und im innersten Wesen der modernen
Kunst selbst liegt. Der Nachteil des Künst-
lichen, das ihr im Anfang noch anhaften mag,
würde sich von selbst überwinden, wenn sie
einmal eingebürgert und ins Volksbewußtsein
eingedrungen wäre. Das wäre nur eine Frage
der Zeit. Der eigentlichen Monumentalkunst
aber könnte diese Entlastung nur zum Heil
werden. Sie würde dadurch wieder von Le-
bensbedingungen befreit, die mit dem Wesen
des Monumentalen unvereinbar sind. Sie
könnte wieder erstarken und sich verjüngen in
einer Atmosphäre, in der sie in den Zeiten ihrer
Blüte groß geworden ist. k. widmer- Karlsruhe.
Ä
VOM DENKMAL - PROGRAMM. Genügen
nicht alle schlechten Denkmäler, um uns zu
191
PROF. Dr. OSKAR STRNAD WIEN.
G.VRTENSAAL. ZrEGEL UND TERR,\KOTTEN.
J'^om Denkmal-Progravwi.
überzeugen, daß es unmöglich ist, auf Grund
der für die Konkurrenzen festgelegten Pro-
gramme Werke zu schaffen, die wirklich künst-
lerisch sind? Vielleicht, daß man irgend ein
Pferd sehen wird, das im Rahmen der Kunst
Geltung haben kann, aber das übrige bleibt
bemitleidenswert. Ein Denkmal sollte durch
das Krhabene seiner Schönheit das Gedächtnis
desjenigen verewigen, der solcher Ehrung wür-
dig ist, aber es entspringt kaum gesundem
Menschenverstand, einen Künstler, der Schönes
schaffen muß, zu zwingen, dieses auf Grund
einer Silhouette in Hosen und Überrock oder
in Soldatenmontur zu tun. An dem Tage, wo
das Kunstgefühl weiter verbreitet sein wird,
werden diese kindischen Scherze mit Recht
verlacht werden. — giovannisegantim.
«
Es diuiert fiiiditbiir liiiific, bis eine Kcniiliiis, eine
OesdiiiicU-ksiiditiiiiy, respektive Verbesserung von der
Kunst ins Handwerk und vollends ins dllgenieine Be-
v.'ußtsein durdigedrungen ist FRIEDRICH PECHT.
RULlui.K .suM.SU.KillUtK SIEVK. UKK.N .MIT VICK 1 llitTE.N, (.Kl .M W..S.MEK I I..N K.SL II 1.I..N f. HOHKN BEINEN.
U-ER KARL KKIKA\VA-\V1EN. DIE FRUCHTBARKEIT. GARTENPLASTIK IN SA.XDSTEIX. AUSSTELLUNG-WIEN.
AKi Hl I i:ki
1 11 Hl ni.Ai'.
L>AKTEN-I'AV11,U)N.
DAS PATHOS DER GÄRTEN.
VON PAIl. XVKMHFIM.
Der Garten ist ein weithin sichtbares Zeichen
des Machtbewußtseins. Nur der gefestigte
Besitz, der sich durch keine äußere Gewalt,
keine Gesetzesmaßnahmen, keine Kurszettel-
launen bedroht fühlt, gelangt dazu, ein ausge-
dehntes Gelände nach Wunsch und Geschmack
aufzuteilen. Man legt sein Geld nicht so unan-
tastbar fest, wenn man Angst haben muß, eines
Tages ohne Bankkredit dazustehen ; man pflanzt
nicht einer Saisonmode zuliebe Blumen und
Büsche; Laubgänge und Baunialleen, die nach
Jahrzehnten erst Schatten spenden, werden
nicht abgesteckt mit dem Gedanken an den Un-
bekannten, der das Ganze einst ersteigern
könnte. Jener Geschlechterwille, der in dem
einzelnen nur ein Bindeglied zwischen Ahnen
und Enkeln sieht, manifestiert sich — bewußt
oder unbewußt — in jeder Gartenanlage großen
Stiles. Sie will heute, wo soziale Instinkte das
Patriarchenbewußtsein auszulöschen scheinen,
nur noch ausnahmsweise gelingen. Es sieht so
aus, als ob unsere Gärtner die Fähigkeit zur
großen Konzeption gänzlich eingebüßt hätten,
nachdem von ihnen tagaus, tagein gefordert
wird, Luxus zum billigsten Submissionspreis zu
liefern. Befangen in allerlei Traditionen, geben
sie sich nicht einmal die Mühe, das Entschei-
dende an den Vorbildern der Vergangenheit zu
erkennen. Die schroffsten Gegensätze: das
Prinzip des romantisch regellosen Landschafts-
gartens und der ornamentalen Gebundenheit
eines Renaissanceparterres vermengen sie ohne
Skrupel. Wie sie überhaupt mit Vorliebe alte
Begriffe aufnehmen, ihnen einen ganz anderen,
ganz falschen Sinn unterschieben und damit
natürlich jegliche Manier zu rechtfertigen im-
stande sind. Man braucht nur die Schriften
dieser Garten-Fachleute durchzublättern. So
haben zum Beispiel im 18. Jahrhundert der
Engländer Barrington, der Franzose de Lille
und andere eine „malerische Gartengestaltung"
verlangt. Darunter wollten sie eine überlegte
Zusammenstellung der Farben und Konturen
der Gewächse, ein malerisches Komponieren
«95
Das Pathos der Gärien.
ARCHITEKT OTTO LICHTBLAU— WIEN.
mit dem Grün der Rasenflächen, dem helleren
oder dunkleren Grün des Buschwerkes oder
der Bäume, den bunten Farben der Blüten usw.
verstanden wissen. Bei manchen Garten-
Arrangeuren ist nur eine Anlage malerisch kom-
poniert, wenn ein Maler Lust hat, sie zum Motiv
für seinePinseleien zu nehmen (!). Ähnlich ergeht
es dem uns so bedeutsamen Begriff der „archi-
tektonischen Gartengestaltung". Der bedeutet
selbstverständlich eine einheitliche, bewußt dis-
ponierte Anlage, in der alle Glieder: Bauten,
die Rasenflächen, das Baumwerk, Wasser und
Gesträuch, Wege und Beete, Höhen und Täler
wie die Teile eines Hauses zu einem festen Plan
zusammengeschlossen, wo alle Mittel der Natur
und der Kunst einem formenden Menschen-
willen Untertan geworden sind. Darunter ver-
AUS LIEM \''l -M III MlKN PA\ ILLON.
stehen unsere Garten-Leutchen auf einmal ein
Ausstaffieren des Gartens mit allerlei Bauereien,
mit unmotivierten Mauern, Häuschen, Stand-
bildern, während es darauf ankäme, ohne Bei-
werk, in der Hauptsache mit dem Pflanzenma-
terial räumliche Einheiten, räumliche Bewegung
zu schaffen. Diese architektonische Geschlossen-
heit, die jedem Stengelchen seinen Platz an-
weist, die der Natur gewissermaßen Verhal-
tungsmaßregeln aufzwingt, also das Herrenbe-
wußtsein am stärksten betont, wird erstrebt von
allen modernen Gartengestaltern, von Olbrich,
Läuger, Muthesius, Behrens, Migge, Gildemeister
und den Engländern, die mit gutem Beispiel
vorangegangen waren. Die Landschaftsgärt-
nerei , das verzückte Schwärmen für Willkür
und zurechtgemachte Regellosigkeit, scheint
196
ARCllllEKT OrXU LltlllBLAU \Vli;.\.
TEE-R.\UM IM PAVILLON. AUSF: LEOPOLD SIMIZEK.
191213. II. 9.
.\l<( H. dl ro I.ICHTBI.AI" -WIEN.
EINGANG ZfM PAVILLON.
ARCHITEKT
JOSEF ZOTTL
KI.UMENKUBEL
N KUNSTSTEIN.
w-^a^s'TV.'"--^ **."-*) .*»
AK< H. J.tSLK /.yni- WIEN. ClAklKMiANKK. W Kls.S l..\i KlEKl. AISICHKUNO: PKAG-KIDNICKKK KORIUVAKICNI- AHKIK.
Das Pathos der Gärten.
damit als Entartungsepisode verschwinden zu
wollen. Mit Recht, denn das Gartenideal aller
Zeiten war die architektonische, die bewußte
Disziplinierung. Im Mittelalter hatte man viel-
leicht nicht den Mut und die Mittel, um einem
schwierigen Gelände den Idealplan aufzuzwin-
gen. Man unterwarf sich der gegebenen Situa-
tion. So konnte es vorkommen, daß der Garten
durch Berge, Täler oder einen Fluß von dem
Haus getrennt war. Zwischen der Burg, die auf
der Höhe lag, und der quadratischen Garten-
ebene — eine andere Form hätte man damals
nicht für vollwertig angesehen — konnten aus
solch äußerlichen Ursachen wohl weite Entfer-
nungen liegen, was aber nichts an der Tatsache
änderte, daß man diesen abgetrennten Garten-
teil streng und klar gliederte. Die quadratische
Form wird von der Renaissance übernommen,
die in ihr lineare
Parterre - Orna-
mente zu entwik-
keln beginnt. Die
Freude an diesen
Parterre - Zeich-
nungen ist zu be-
greifen aus der
Gewohnheit, den
Garten in der
Aufsicht zu ge-
nießen. Man pro-
meniert auf einem
wallartigen Um-
gang und erfreut
sich von hier oben
aus ander kunst-
vollen Ornamen-
tik, die in jedem
Kompartiment —
im Quirinalgarten
mögen es wohl
hundert gewesen
sein! — anders
war. Erst das Ba-
rock verknüpft
dieses lose Ne-
beneinander zu
einer majestä-
tisch kühnen Ein-
heitlichkeit. Die
Felder werden
axial und sym-
metrisch auf das
Haus bezogen.
Man schafftweite
Perspektiven,
mächtige Hori-
zonte, Kaskaden,
ENTW: E. J.
WIMMER.
AUSF
Treppenanlagen; Abhänge und Gefälle schaffen
lebhafte Bewegungsrhythmen. Man bevorzugte
die ungewöhnliche Situation und war begeistert
über die mühsame und originelle Bewältigung.
Bei allem Streben nach Zusammenfassung sucht
man gleichzeitig Kontraste, Überraschungen zu
schaffen. Die Eindeutigkeit ist als Monotonie
verpönt. Die Taxusgänge, Boskette und Alleen
sollen wie die Kabinette des Hauses zugleich
intim und zeremoniös wirken. Im Gegensatz
zur Formlosigkeit der freien Natur war hier
alles einem straffen, autokratischen Willen zur
Form unterworfen. Zopf und Puderquaste
hängen im Raritätenkabinett. Dermoderne Gar-
tengestalter, der eine architektonische Diszipli-
nierung anstrebt, kann gewiß nicht zurückgreifen
auf das Pathos des Barock. Das neue Lebens-
gefühl, das auf Bürgerlichkeit eingestellt ist,
will im Garten
ganz andere Wün-
sche befriedigt
sehen. Der kleine
Rahmen, den un-
sereiner sich um
sein „Eigenheim"
legen kann, dient
ja viel weniger
der Repräsenta-
tion als der Mu-
ße , der persön-
Uchen Hygiene,
der Weltabge-
schiedenheit.
Statt des großen
Rhythmus, der
das moderne Da-
seinauf allenGas-
sen umrauscht,
sehnenwirunsim
Garten nach trau-
lichen Stimmun-
gen. Aus der
Herrschaft über
die Natur ist all-
mählich eine Lie-
be zur Natur ge-
worden. — \v.
Können Schön-
heit und Nü^lich-
keit nicht vereinigt
leben, wie sie in
Bauwerken, wie sie
im Körper des Men-
schen eng verbun-
den wohnen? —
Leonardo da Vinci.
BLUMENSTANDER AUS MESSING.
WreNER \\'ERKSTÄTTE.
Der Edclschiiiied.
DER EDELSCHMIED.
Jedesmal, wenn man
mir die Arbeiten eines mo-
dernen Edelschmiedes zeigt,
bin ich verwundert; darüber
nämlich, daß es so etwas
wieder gibt. Ich weiß natür-
lich: Hoffmann in Wien,
Lettre in Berlin, Riegel in
Darmstadt, Lalique in Paris
und vielleicht noch vier oder
fünf der gleichen Wesensart.
Aber ich weiß auch, daß zum
Exempel allein in Pforzheim,
dieser einen Zentrale der
deutschen Bijouterie - Indu-
strie , dreißigtausend Men-
schen arbeiten und dabei
täglich für 120—150 000
Mark Gold verformen. Und
schließlich: ich kenne das,
was diese Tausende tagaus,
tagein produzieren; man
kann es in allen Großstädten
der Welt zu sehen bekom-
men , in Frankfurt wie in
Paris, aber auch in Buenos-
Aires oder sonstwo bei den
Halbbarbaren. Diese Inter-
nationalität der Massenhaf-
tigkeit mit dem Troß der
Maschinen, der Händler und
derModezeichner haben den
Edelschmied verdrängt. Sie
scheinen für immer dahin,
die Zeiten, deren wenige
Zeugen sich köstlich und
gleißend in die Museen ge-
rettet haben. Ägypten, My-
kenä, Hellas, gotische Kel-
che, Becher und Geschmeide
aus den frohen Tagen der
Renaissance, die Tabatieren
desRokoko undselbst.wenn
auch schon ein wenig mager,
die Broschen und Armbän-
der der Biedermeierdamen:
das war die rassige Bele-
bung, die musikalische Be-
seelung des Goldes, des Sil-
bers und der Gesteine. Da-
mals arbeiteten die Edel-
schmiede für die Könige und
für die Götter; heute besteht
die Kundschaft aus Bar-
damen und Börsenjobbern,
Ringkämpfern und Negerin-
ALUINS l M.l-.KKK. Kl.NC, LMJ BK'.ftLlllO
IN GOLD M[T SMAKACD T'ND PERT.KN.
ALFOiNS t:\-GERER BERLIN. BROSCHE UNI)
ANHÄNGER IN GOLD UND PERLEN.
nen. An solchen klobigen
Tatsachen sind die zärt-
lichen Schönheiten der ver-
liebten Edelschmiede zu-
grunde gegangen. Die we-
nigen, die heule hier und da
neu versuchen, das Gold zu
hämmern und das Silber zu
treiben nach eigner Melodie
für leicht beschwingte Sinne,
sind uns darum liebe Gesel-
len, die wir zu uns laden,
selbst, wenn sie erst tastend
suchen, was wir ahnend be-
gehren. Uns kränkt die Kor-
rektheit der Stanze , die
Langweile der Schablone,
die Härte des mechanischen
Druckes. Wir möchten spü-
ren, wie die Hand auf dem
Metall und in es hinein ihre
Empfindungen spielte; wir
möchten sehen, wie es sich
unter den achtsamen Schlä-
gen des Meißels dehnte
und bog, wie es das Sprin-
gen und Atmen lernte. Wir
möchten aus den flimmern-
den Spuren das Antlitz des
Werkzeuges kennen lernen,
ob es spitz oder stumpf,
schmal oder breit war;
möchten den Dialog sol-
cher Werkzeuge belauschen.
Möchten dann sehen, wie
hier goldene Drähte gefloch-
ten , dort silberne Kugeln
aufgelötet wurden, wie
Steine ihre Umarmung, und
Perlen ihr Bett empfingen.
Wir sind inzwischen so be-
scheiden geworden, daß es
uns schon freut , wenn wir
auch nur ein Zipfelchen solch
wahrer Art des Edelschmie-
des zu fassen bekommen.
Diesmal ist es immerhin
mehr. Alfons Ungerer, von
dem wir hier einige Arbeiten
zeigen, ist zwar noch ein
Anfangender, doch beschert
er uns bereits etwas von
jenem Spiel der Hand und
jenem Dialog der Werk-
zeuge , davon wir sagten :
daß sie das wahre Bijou der
Bijouterie seien, r. hreuer.
KRAU EI.>iF. WISLICENUS- liKF.SI-AU. SCHMUCKKASTEN IN .->F.1[)K.\STICKEKEI MIT GLASl'EKLEN UND SUliKK.
SPIELE DER NADEL.
/.U DEN AKliEITEN VON VKAV EI-.sE WISLICENUS.
I^'s gibt nichts Langweiligeres, als natura-
^, lislisches Kunstgewerbe. Besonders zu
einer Zeit, die technisch so raffiniert ist, jede
Illusion glaubhaft zu machen. Wenn die Völker
alt werden, geht ihre Sehnsucht nach der Ab-
straktion, nach dem Musikalischen, dem Geisti-
gen. In der Jugend wollen sie die Wirklichkeit
erobern. So wahr, wie sie es sehen und wie
irgend möglich möchten sie das natürliche Leben
festhalten. Da aber zu jenen frühen Zeiten das
technische Vermögen meist ein geringes ist, so
bleibt das naturalistische Wollen gehemmt, und
was entsteht, erscheint wenigstens uns, den
spätcnMenschen, als einOrnament. Wir müssen
uns aber darüber klar sein, daß die Primitiven
nie solches Ornament erstrebten, vielmehr stets
die Wahrheit. Nur; diese Wahrheit war für sie
so kurz, so eindeutig, so epigrammatisch, daß
sie uns, den Lastträgern, unter tausend Einzel-
heiten als ein köstliches Destillat erscheint.
Wir lieben diese primitiven Ornamente. Was
geht es uns an, dsJi sie eigentlich so etwas wie
Naturgeschichte sind; wir lieben sie ja gerade
darum, weil wir von unserer eignen kompli-
zierten Naturkunde loskommen möchten. Ja,
und so schreiben wir denn zaghafte Hierogly-
phen, Bilder, die aller Wirklichkeit abgewandt
nach dem absoluten Klang, dem reinen Rhyth-
mus, der würdelosen Funktion tasten. Das
sieht dann beinahe so aus, als wäre es primitiv,
ist aber gezüchtete Blüte einer bereits skeptisch
gewordenen Kultur. Über diese Zusammenhänge
muß man Klarheit haben ; damit man nicht etwa
der Versuchung erliegt, krampfhaft Volkskunst
zu kopieren. Die Primitivität der Modernen
ist eine bewußte Verleugnung der Natur. Wir
wollen keine Blumen, nur Träume davon, keine
Sterne, nur ein Aufleuchten, ein Anflammen.
Wir könnten natürlich auch Blumen machen;
gewiß, es wäre uns ein kleines, Rosen so ähn-
lich zu sticken, daß die Falter danach flögen.
Auch Frau Wislicenus könnte das. Da sie
aber mit der Naivität des Weibes dem Instinkt
der Zeit gehorcht, liebt sie es, von jedem
203
spiele der Nadel.
FRAU ELSE WISLICENÜS— BRESLAU.
naturalistischen Zweck befreit, zu spielen.
Nicht ein Spiel des Zufalles, vielmehr eines,
das vom Takt reifer Augen und zärtlicher
Finger die Melodie und das Temperament be-
stimmt erhält. Nichts schafft dem Verächter
des Naturalismus größeres Vergnügen, als in
dem formlosen, nicht lesbaren Stoff zu schwelgen
und ihn eben nur so ein wenig aufwallen zu
lassen. Man hat Wolle vor sich ausgeschüttet,
Seide, Perlen; daraus könnte man eine ganze
Menagerie ins Leben rufen. Man begnügt
sich aber damit, in den Strähnen zu wühlen.
lAM Hl, MI I
>l,l'- IM) li KI,EN5TlCK£RiiI.
die Farben laut und glühend durch die Finger
rinnen zu lassen, das Gegleiß des Goldes leise
auffliegen zu machen. Wenn dabei dann et-
was herauskommt, was von ferne an den Himmel
im Mai, an die Wiesen des Sommers oder an
den herbstlichen Blätterfall erinnert, so läßt
man sich dadurch im Genießen des zwecklosen
Spieles nicht stören. Man dreht und wendet
das Kaleidoskop ganz wie ein Wilder, aber mit
feinster Witterung für den günstigen Augenblick,
da es gilt, einzuhalten und das flammende
Rot, das strotzende Grün und^^s jauchzende
J04
Spie/e der Nadel.
FRAU Kl.sr. WISLICE.NUS BRESLAU.
Gelb zu einem Bukelt der Harmonien zu binden.
— Es gibt noch ein besonderes Raffinement;
das Vergilbte, die zerschlissene Pracht dessen,
was einst strahlte, neu zu schmücken. Man
nimmt einen Brokat, einen Fetzen vom Mantel
eines spanischen Ritters, man atmet mit den
Fingerspilzen die Romantik des Granatapfels
und läßt über die Runen des köstlichen Ge-
webes die Farbenpracht der modernen Chemie
rieseln. Ähnliches taten die Kleriker des Mittel-
'lASCHE MIT SEn)E.\- UNI) PEKI.E.NSX1CKEREI.
alters; sie nahmen einen Mameluckensloff und
stickten quer über die Sprüche des Korans das
Kruzifix der Kasel. Zu allen reichen Zeiten
schöpfte die Leidenschaft der textilen Künste
aus der Phantastik des Nadelspieles, k. ureuer.
Ä
Um Kunst nacheinpfiiidcn zu können, brdiidit es in
cntcr Linie Herz und Pliiintasie. Der Verstand kann
nddiher koniinen und sidi die Sadie zureditlegeu.
A.NSHLM tHt'KRnACH.
191?'13. II. 10,
205
FRAU ELSE AVISUCENUS— BRESLAU. FAMILlEN'CHRi.iMK LN WELSSEM LEUER MIT PERLEN'- UND SILBERSTICKEREL
ENTW. U. AUSF: FR.VU ELsE WlSLKEXUb BRESLAU. K.VFhEEW.VK.MLR L\ FAKliluLk WuLLslIi Kl.KEl.
KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.
«iKTOBKR l'Jli.
KXABHNHANDARBRIT. Im Berliner Kuiist<re-
werbemuseum zeigte Peter Jessen eine Samm-
lung von Musterstiicken zur Anres^unpf für den Hand-
arbeitsunterrictit der Knaben und Mädchen. Was
die Mädchen betrifft, so sind diese Nadelarbeiten,
wie sie etwa im Letteverein oder in der Potsdamer
Gewerbeschule jjefertig^t werden, j^enügend bekannt,
als frei von geschmacklosen Spielereien, als kluge
Erziehung zur Sachlichkeit und zur technischen
Vernunft. .Auch von der Handarbeit der Knaben
weiR man seit einiger Zeit, daf, die Laubsägemanicr
und der Holzbrand zwar noch nicht ausgestorben
sind (die Charlottenburger Schulen, sogar die Gym-
nasien stecken nodi mitten darin), dafi aber immer-
hin ein guter Teil dieses Unterrichtes im Sinne
eines gesunden Handwerkes den schlichten Auf-
gaben des .Alltages und zugleich den elementaren
Grundsät5en aller Produktion gerecht zu werden
versucht. Das wird uns auch hier bestätigt. Wir
treffen solch solides Handwerk in den Schülerarbeiten,
in höherem Maf'^e noch in den Instituten der Lehrer-
bildung. Das Pabstsche Seminar in Leipzig, die
staatlidien Handfertigkeitskurse und nicht weniger
der Vorkursus an der Berliner Kunstschule wollen
in diesem Zusammenhang genannt sein. Wir be-
gegnen mit Vergnügen der bunten Lustigkeit, wie
sie Hamburg nutjt, die Instinkte für das dreiste
.Anschauen und das kecke Gestalten zu wecken.
Wichtiger und neu aber sind doch die Resultate,
die Lauweriks in dem Hagener Seminar erreiclite.
Hinter diesen Arbeiten lebt eine wache künst-
lerisdie Empfindsamkeit, ein gespanntes Gefühl
nicht nur für die Vernunft, auch für den ner-
vösen Rhythmus des Materials. Es rriag sein, daf,
diese charmanten Schnit3dosen und diese graziösen
Metallarbeiten schon über das hinausgehen, was
die Durchschnittsbegabung hervorbringen kann;
einerlei, was Lauweriks macht und lehrt erinnert
ENrNVURf U. AUSFÜHRUNG: EM.\I.\ M.\VER-H.\MBURG. KISSE.M'L.MTE IN BL NTIvR WOl.I-STICKEKI.I.
207
\VII.LI
IIKINEMANN
BERLIN
R0IIRMO8BL
UND ELEKTR.
rlSCHLAMl'bN,
20S
Kleine Ku7ist-Nachrichten.
\\\\.\ I HEINEMA.NX BERLIN
an die besten, an die jungfräulichen Zeiten unseres
Kunstgewerbes, da Obrist und Kndell, Van de Velde
und Pankok aus innerem Drang tektonisdie Gefühle
plastisch werden liefien und so dem Material nicht
nur gehorchten, sondern es zur Form eiitmateria-
lisierten. — — k ht.
F.I.KK I KIScHK IISCHLAMI'EN IN Ki illUi.EI' LECH I
A \ riESB,
vV Kuns
Wiesbaden. Die Oesellscliaft für bildende
ist eröffnete ihre Wintersaison mit einer
Kollektivausstellung der Werke des Grafen Kalck-
reuth, etwa 60 Gemälde und 50 Graphiken. Man ist
überrascht, zu sehen, mit welcher Energie aucli dieser
Führer aus der Reihe der älteren Sezess'onisten sicfi
WILLI HEINEMANN BERLIN. VITRINE, TISIH INI) .SESSEL IN RdHR.
Kleine Kunst-Nachrichten.
ENTWURF UND AUSFUHRUNG: G. KRiroi.K l'.KKl IX. ELEKTRISCHE ll-c III \MIEN IN BRONZE. SCHIRME IN FÄRB. SEIliK.
den koloristischen Problemen zugewandt hat. Fast
könnte man g-Jauben zwei verschiedenen Künstlern
gegenüber zu stehen, so scharf ist der Bruch
zwischen den älteren Arbeiten und denen aus den
let5ten beiden Jahren. An Stelle der Tonmalerei ist
die Komposition nach dem farbigen Kontrapunkt ge-
treten und in dem neben der ahen Köchin vielleicht
bedeutendsten Porträt dieser an hervorragenden
Bildnissen so reichen Ausstellung erinnert die Art,
wie sich die Dargestellte in ihrem dunkelblauen
Kleid von dem rein goldgelben Grund abhebt, direkt
an den koloristischen Aufbau der Arlesienne des
van Gogh, so spezifisch kalckreuthisch auch im übrigen
Komposition und Auffassung ist.
Aber wie der Künstler niemals
zur Einseitigkeit neigte, so hat
er auch den blau-gelben Kontrast-
effekt, dem manche der Jüngsten
ganz verfallen scheinen, nur ge-
legentlich angewandt, in dem
lebenssprühenden Bildnis des
Grafen York z. B. ist die farbige
Komposition auf den Qegensat}
des bläulichroten Hemdes und
des tiefgrünen Grundes aufge-
baut. Ganz besonders eigen-
artig berührt es, zu sehen, da|3
auch in den neuesten Land-
schaften des Meisters die reine
Farbe an die Stelle der Milieu-
schilderung getreten ist: sogar
in Objekten, wie „Der abendliche
Blick in ein Hamburger Fleet",
die so sehr zur Wiedergabe
atmosphärischer Erscheinungen
einladen. Endlich verdanken wir den neuen Ten-
denzen den Einzug des Früchtestillebens in das
Werk des Meisters. Hier ist die Farbe an den
glühend -goldgelben Orangen bis zur höchsten In-
tensität gesteigert, wobei freilich eine gewisse
Trockenheit in der Zeichnung die Wirkung etwas
beeinträchtigt. v. g m.
M'
KRUGER. ELEKTRISCHE TISCHL.\MPE.
ÜNCHEN. DerVerbanddeutscherArchi-
t e k t e n - u n d 1 n g e n i e u r V e r e i n e hielt seine
diesjährige Abgeordneten- und Wanderversammlung
in der Zeit vom 12.-16. September in München
ab. Die geschäftlichen Verhandlungen betrafen fast
ausschliefilich organisatorische
Fragen. Von allgemeinerem
Interesse war die Besichtigung
des Neubaues des Deutschen
Museums, zu der die Herren
Reichsrat Oskar von Miller,
Gabriel von Seidl und städt.
Bauamtmann Bosch die ein-
leitenden Vorträge hielten. Der
Neubau interessiert vor allem
dadurch, daji er fast durchweg
aus Eisenbeton hergestellt ist
(nur an einem kleinen Teil der
Fassade ist Muschelkalkstein
verwendet); selbst die Dach-
stühle sind aus Beton. Wir
haben also hier einen reinen
Eisenbetonbau von seltenen
Dimensionen vor uns, denn der
Bau wird nach seiner Fertigstel-
lung 600000 Kub'kmeter über-
dachten Raumes umfassen. Dies
Kleine ICu7ist-Nacfi ric/iieti.
I-MUIKI' r.ND AIsIÜ'IIRUM;: i;. KRÜOEI— BKKLIN. ELKKTRISCHE H,^NGELAMPEN mit FAKI:|c.i,n s! i{>{ SN, iiiiiMi N.
ist konstruktiv um so interessanter, als der schwere ohne daf; irgend ein besonderer bauhfh orig'ineller
Gedanke sich regte. Die viereckigen Fenster (von
verschiedener Ausmessung in den verschiedenen
Stockwerken) ziehen sich in gleichmäfiigen Hori-
zontalreihen dahin, nur im Mittelbau oder an den
Verbindungsbauten trifft man vereinzelt auf ovale
Fensteröffnungen oder sonst barockale Formen,
wie man sie bei Gabriel v. Seidl kennt und wie
sie sich immer gut in das Münch-
ner Stadtbild einfügen. Wenn
sonst im Innern gelegentlich wie
bei den Treppenhäusern usw.
manche originelle Formen sich
ergeben haben, so war das mehr
eine konstruktive Folge der
grofidimensionierten Verwen-
dung des Betonmaterials. k m.
Bau auf einem äußerst ungünstigen Baugrund
aufzuführen war (der Kohleninsel im Isarbett),
der erst durch ein dichtes Heer von Betonpfeilern
gefestigt werden mufite. In der räumlichen Glie-
derung des Baues besticht vor allem die klare
Grundrij'igestaltung, für die ein einfaches Quadrat
zu gründe gelegt ist. Für die Anordnung der
Räume im einzelnen waren die
sehr verschiedenartigen Ausstel-
lungsbedürfnisse maf5gebend,
galt es doch Dinge, wie ein
Bergwerk und drei Sternwarten
unter ein Dach zu bringen. Die
Rolle des Architekten mufite sich
dabei, wie sich Gabriel v. Seidl
ausdrückte, mehr auf die eines
künstlerisclien Redakteurs be-
schränken. Die Raumordnung
wurde prinzipiell so gehalten,
daf; in den Geschossen zwei
nebeneinander liegende Reihen
von Sälen durchgeführt wurden.
Der äufiere Eindruck des Baues
erhält durch die gradlinig durch-
geführten Dachfirste etwas Grofi-
zügiges. Im allgmeinen ist in
der Fassadenausstattung die
größte Einfachheit befolgt wor-
den, welche wohltuend wirkt.
M
O KRUGER. ELEKIKISCHE libCHLAMPE.
[ODEBLÄTTER. Bei Fried-
mann & Weber gibt es
eine Galerie der Moden,
ein ganz amüsantes Ragout aus
den zierlichsten und unwägbar-
sten Dingen, die nötig sind, um
aus Adam den Dandy und aus
Eva die Dame zu machen. Das
Kunstgewerbe des Boudoirs,
dazu Hüte und Kostüme, wie
Künstler sie wagen; sehr heiter
und wit3ig, zuweilen beinahe
211
Kleine Kunst-Nachrichte^r.
geistreich. Das eigentlich Interessante aber bleibt
dodi die Frage: ob wir heute schon wieder Mode-
bilder machen können. Im 18. und noch mehr in
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte das
Modebild seine Klassik. Davon gibt diese „Galerie"
reizvolle Proben. Oarvani, Guys, Manet sind das
Mafi dieser Blätter. Zugleich sind es, was die Dar-
stellung betrifft, technisch vollendete Werkzeich-
nungen, nach denen Krinolinen genäht und Knicker
befranst werden konnten. Die Modernen aber
machen statt solcher Sclineiderei meist Graphik,
doppeldeutige Illustrationen, wit3iges Ornament.
Es ist und bleibt indes, wie jene allen Blätter
lächelnd beweisen, das Modebild wesentlich ver-
wandt dem Grundriß und Aufrif^ des Architekten, nr.
Ä
GARTENKUNST. Die Brandenburger Gruppe
der Gesellschaft für Gartenkunst hat
im Berliner Kunstgewerbemuseum zusammenge-
stellt, was es an Planungen neuer Parke, Plat)-
anlagen und Gärten gibt. Zum Vergleicli wurden in
Kupfern die Gartenkünste
von der Renaissance bis
zum Biedermeier gezeigt.
Das Resultat dieser ge-
schickten Ausstellung ist
etwa dieses: Der Park
als Kopie der Wildnis,
auch der Garten als Minia-
tur birkenweij^er Natur-
idylle wurden überwun-
den. Die kluge Lehre
vom Zweck hat den Gar-
ten als eine Erweiterung
des Hauses und den Park
als eine Freiluftwohnung
der Masse begriffen. So-
weit sind wir nun. Un-
sere Gärten wollen der
Hygiene und der Behag-
lichkeit des Einen dienen,
unsere Parke derGesund-
heit und der Lebenslust
des Volkes. Die grüne
Mauer, die Wand aus
blühenden Stauden, die
Spielwiese, der überschat-
tete Grünraum, das alles
wurde selbstverständlich.
Wir könnten's zufrieden
sein. Fragt sich nur: wa-
rum wir tief und selig
erst vor den graphischen
Darstellungen von Gärten
der alten Zeiten zu emp-
finden vermögen. Diese
Kupfer überwältigen uns
l'kiil'. KKN.il KIIJ.KL I I.\KMST.\L)T. SII.HEKNKR POK.VL.
DANK- l'. ERINNBRUNGS-ZEICHEN DER TEILNEHMER DER ITALIBNFAHRI
DEUTSCHER STl'DBNTEN ( 191 1 f. DER IT AL. STUDENTENSCHAFT GEWIDMET.
durch die Erkenntnis, daf^ Gärten noch etwas mehr
sein können als Helfer zur Lebenskultur. Nämlich:
rhythmische Form, sinnlicher Ausdruck für starke
Empfindung. Das aber gerade ist es, woran es
unseren Gärten und Parken noch mangelt. Denkt
man an Schönbrunn, an den Belvedere, an Ver-
sailles, St. Cloud, an Potsdam, so sieht man bei
Denen von heute noch allzu sehr die Theorie und
das Schema. Es fehlt die schöne Leidenschaft und
der grof^e Atem des Musikalisdien. k. ur.
Ä
C REFELD. Das Kaiser Wilhelm-Museum
■ ist um das Doppelte seines Rauminhaltes
erweitert worden. Der Neubau wurde durch den
Ersteller des alten Hauses geleistet, recht und
schlecht in polyteclinischer Renaissance. Das lief-;
sich nicht gut vermeiden, ändert aber wenig an
dem Ergebnis dieser fruchtbaren Museumsarbeit.
Was Deneken in Crefeld geschaffen hat, ist ein
Stück deutscher Kultur, doppelt wertvoll an einem
Einfallstor französischer Art. Das Museum, wie es
nun fertig ist, kann den
Bürgern ein liebenswür-
diger Erzieher zur schö-
nen Qualität sein. Gewif;,
unter den Bildern ist vie-
les, was an „Museums-
verein" mahnt; auch das
Kunstgewerbe ist nicht
immer erster Klasse
(wenngleich einige Stücke
des Cinquecento, beson-
ders ein Robbia, gar eine
Plastik, diederSchuledes
Lionardo gehören soll,
ganz vortrefflich sind). In-
dessen, die Absicht Dene-
kens geht auf Gesamt-
stimmung, auf den Zu-
sammenklang einer Zeit-
empfindung aus Möbel,
Bild und Kleingerät. Es
werden nidit historische
Naturalismen erstrebt,
vielmehr: Impressionen
von dem Temperament
und dem Formengeist
der Künste, wie sie einst
lebten, im Museum ver-
wahrt aber so leicht ver-
storben wirken. Deneken
scheut den Museumstod.
Die Auferstehung des
Alten zu neuem, Erzie-
hung wirkendem Leben
gibt das Thema seiner
Crefelder Arbeit, k ur.
MALER HANS BRÜHLMANN t
» GEMÄLDE: »RESIGNATION« (1905) ♦
%
^^aniattm
HANS BRLHLMAN.N t STUllGAKT.
GEMALUE: .LANDSCHAFT (laO»)
MALER HANS BRÜHLMANN f -STUTTGART.
(1878— lyil.)
In der deutschen Kunst des neunzehnten Jahr-
X hunderts kann man die eine Linie verfolgen,
die auf die monumentale Gestaltung der Er-
scheinungen ausgeht. Cornelius und die Naza-
rener, Rethel und Piloty haben sich in der Er-
reichung eines monumentalen Linienstiles ver-
sucht; auch Feuerbach und Böcklin bleiben in
ihrem besten Streben wesentlich auf die wuch-
tige Ausdruckskraft des Lineamentes und die
monumentale Geste beschränkt. Erst Hans von
Marees verband mit seinem Streben nach der
Herausarbeitung und Steigerung des Wesent-
lichen ein eminentes, malerisches Fühlen und
Können. Die reiche malerische Harmonie der
Gliederung und die ausdrucksvolle Rhythmi-
sierung der Farben kennzeichnen ihn als den
Führer einer neudeutschen monumentalen
Malerei. In Frankreich brachte Puvis de
Chavanne die Umsetzung des Impressionismus
in die monumentale Kaumkunst, ohne jedoch
den farbigen Reichtum Marees' zu erreichen.
Erst Cezanne führte der monumentalen Malerei
wieder neue, rein malerische Kräfte zu, die große
Flächigkeit und die vereinfachten, rhythmisch
gebundenen Farben. Abseits dieser malerischen
Flächenkunst fand Hodler die gewaltigsten
Ausdrucksformeln für die menschliche Erschei-
nung in der Linie. So ging der Weg des Monu-
mentalen bis zur Jahrhundertwende. Eine neue
Generation trat in die Fußstapfen und verfolgte
selbständig die Spuren und Anregungen dieser
älteren Führer.
So fand sich ein Kreis tüchtiger, junger Kräfte,
deren künstlerische Ziele sich auf diesen Bahnen
bewegten, in Stuttgart zusammen. Karl Hofer
und Hans Brühlmann waren die stärksten unter
ihnen. Sie haben hier zusammen gelernt und
sich gegenseitig angeregt; Haller, W. Laage und
E. R. Weiß waren Mitstrebende. Brühlmann
mußte sich den Weg zur Öffentlichkeit mühsam
erringen. Lange stand er selbst und mit Absicht
im Hintergrund, von seiner verständnisvollen
und aufopfernden Frau Nina begleitet und ge-
fördert. Er verschmähte äußere Erfolge. Er
kannte, wie seine Gattin einmal sagte, nur die
Arbeit ; denn seine Zeit war kurz bemessen.
In Brühlmanns Werken liegen zwei Seiten
seines Wesens zutage: Eine mehr spielerisch-
malerische, die sich in seinen farbsprühenden
Stilleben und Ländschaften der letzten Zeit
1912,13. III. 1.
2'5
ßlaler Hans Brühlman7i.
HANS BKUHLMANN t — STUTTGART
ausspricht und eine ernste, feierliche, monu-
mentale, die in seinen groß gesehenen und klar
organisierten Akten deutlich wird. — Bei Kalck-
reuth hatte er mit tiefem Ernst seine Kunst be-
gonnen und starke Proben seines Könnens ab-
gelegt, wie die beiden großen Landschaften
(Filderlandschaft 1905 und Toggenburger Land-
schaft 1904) bezeugen, die noch ganz in
den etwas herben und schwermütigen Kolo-
rismus Kalckreuths getaucht sind. Und doch
verraten auch sie schon in der weiten Ferne
groß gesehener Felder die persönliche Natur-
auffassung, die ihn, der in Paris Cezanne mit
Bewunderung und tiefem Verständnis studiert
hatte, jene eminent persönlich gemalten Land-
schaften, jene monumentale Vereinfachung des
Naturbildes sehen ließ, für das van Gogh den
ersten und stärksten Ausdruck gefunden hatte.
Ein schönes Beispiel dieser späteren Land-
schaften besitzt das Wallraf-Richartz-Museum
zu Cöln in der „Breisgau-Landschaft" (1908).
Noch im Anfange des Jahres 1910 entstanden
in Vättis Zeichnungen und Studien, die jene
eindringliche Konzentration mit sicher bestimm-
ten Strichen festlegten und ahnen ließen, daß
er auf dem Gebiete der Landschaftskunst Per-
sönliches und Bedeutendes zu schaffen berufen
war. — Groß ist die Zahl seiner Stilleben. Sie
zeigen eine Entwicklung nach dem Farbig-
Sprühenden. Die früheren sind von einer ver-
^KE^K1■,^ IN 1>1.N PHLllNGEK HALLEN llöli;
haltenen und delikaten Farbigkeit mit reichen
Toninhalten, die einen fast an Schuch denken
lassen (wie z. B. die Äpfel auf der Schale, Still-
leben mit Artischocke). Die späteren sind vita-
ler, sprudelnder, von einer intensiveren Leucht-
kraft. Was sie auszeichnet, ist das farbige
Gleichgewicht ihrer Kompositionen. Der Strudel
der Farben ergießt sich über die Fläche, und
doch wird das Ganze innerlich zusammenge-
halten und zu einer Einheit gestaltet. Auch in
ihnen steckt wahrhafte, schlichte Größe und
monumentale Kraft, die des Künstlers letzte
Absicht war. Der Weg zum Monumentalen
wird am eindringlichsten in seinen Figurenbil-
dern klar gelegt. Glückliche Umstände ermög-
lichten ihm bereits frühzeitig, sich in großen
Formen und Flächen auszusprechen. Durch
Theodor Fischer, der selbst durch ein starkes
Gefühl für das Zusammenwirken der bildenden
Künste und monumental- schöpferischen Stil
ausgezeichnet ist, hatte Brühlmann Gelegenheit
bekommen, in den PfuUinger Hallen zwei Fres-
ken (die Herabkunft der Freude und die Resig-
nation 1907) zu malen. Der Eindruck ist groß
und nachhaltig: alles ist auf die ausdrucksvolle
Geste angelegt; die Figuren sind voll von jener
klaren und ruhigen Gebärde Giottos, von dessen
erhabener Kunst Brühlmann sich auf einer
italienischen Reise vollgesogen hatte. Auch
in dem dritten Fresko, Christus in Emmaus, im
?i6
j\Ialcr Hans Btiihhna.
HANS BRUHLMAXN t STUTTGART.
Türbogen der Erlöserkirche zu Stuttgart (1908),
klingt der feierlich-gemessene Ton klassisch-
primitiver Formensprache mächtig weiter. Ein
neuer Auftrag stand dem Künstler bevor: in
der Halle des Züricher Kunsthauses sollte er
— Schweizer von Geburt — große Figuren-
darstellungen schaffen. Seine unheilbare Krank-
heit nahm ihm den Pinsel aus der Hand, und
ließ ihn nicht über einige Vorarbeiten und Vor-
studien hinauskommen. In ihnen aber offen-
bart sich des Künstlers Wesen und Eigenart
fast am reinsten und größten.
Schon in Stuttgarter Lehrjahren hatte er der
seelenvollen Durchbildung der Figuren und Akte
seine Kraft zugewandt, und seine reifsten Ar-
beiten zeigen eine Entrücklheit aus der Sphäre
des Ateliers, die ihnen eine ganz bestimmte
feierliche Note verleiht. Die Vorstudien für das
Züricher Kunsthaus sprechen die eindringlichste
Sprache : die Schlafende, das Mädchen im Profil,
der Frauenakl mit Äpfeln und ein sitzender Akt,
alle 1909 entstanden. Die Gesetzmäßigkeit des
inneren Organismus ist in einem klaren, ein-
heitlichen Aufbau gekennzeichnet; der organi-
sche Zusammenhang der Körper mit sicherer
Präzision durchgebildet. Linien und Farben
klingen harmonisch zu einem Ganzen zusammen.
Das konstruktive Gerüst ist nicht aufdring-
lich, sondern malerisch gebändigt. Lebendigste
Schöpferkraft sprüht uns entgegen. Es ist präch-
FRESKEN IN UEN 1'KUI.LINGER H.M.LEN (19U7).
tig zu sehen, wie die Körper sich über die
Fläche ausbreiten, den Raum füllen, ja fast den
Rahmen zu sprengen scheinen in ihrer inneren
und gefestigten Großheit. Eine malerische Be-
reicherung erfahren sie durch die Tücher, die
in rauschenden Wogen die Formen der Körper
umgleiten, durch die duftig gemalten Teppiche,
durch Früchte und sonstige Akzidenzien male-
rischer Art. Das letzte Werk des Künstlers,
die Wasserschöpferin, ist ganz Linie und Farbe
in harmonischem Gleichklang.
In einigen kleineren Bildern (vergl. Abb.
Seite 222), Farbskizzen und Studien werden
Bewegungsprobleme malerisch und linear gelöst.
Landschaftliche Details ordnen sich der Kompo-
sition unter und stützen sie in ihrer Gefügtheit.
Menschen und Natur sind in eine Einheit
gebunden, der Sphäre des Alltags entrückt
worden; in erhabenem Rhythmus klingen sie
zusammen. Wohl spricht der Geist Marees' und
Cezannes aus manchen dieser Figuren-Skizzen
unverkennbar, und doch schlummern in ihnen
Ahnungen zu großen Kompositionen, die noch
viel für die Zukunft versprechen ließen. Sie
atmen alle ein hohes persönliches Gefühl für
Rhythmus, Einfachheit und Größe.
Allzufrüh starb der begabte Künstler, kaum
33 Jahre alt, am 29. September 1911, von
tückischer Krankheit in den Tod getrieben. Am
25. Februar 1878 war er als Pfarrerssohn zu
217
Maler Hans Brühhiian7i.
Amriswil im Thurgau geboren und hatte seine
Jugend in der väterlichen Pfarre zu Ebnat im
Toggenburgischen verlebt. Bei dem Radierer
Hermann Gattiker zu Rüschlikon erhielt er
ersten Unterricht, kam dann 1902 nach man-
chen Kämpfen im Vaterhaus zu einem Glasmaler
nach Hamburg, von wo ihn Lichtwarks Initiative
nach Stuttgart zu Kalckreuth holte. Hier in
Stuttgart verlebte er die nächsten Jahre mit
wenigen Unterbrechungen, die ihn nach Paris,
Florenz und Rom führten. Theodor Fischer und
Adolf Hölzel waren ihm Lehrer und Freunde.
Gewiß ist manches in seinem Werke unausge-
reift und problematisch. Der Bogen zerbrach,
noch ehe die Sehne zur Höhe gespannt war.
Ähnlich wie Marees war es Brühlmann nicht
gegeben, eine seiner letzten Kompositionen zur
Vollendung zu bringen. Auch sein Leben war
ein Kampf um die Lösung des Problems einer
malerischen Monumentalkunst. Doch können
wir selbst der fragmentarischen Form seines
Werkes, das in blühendstem Wachstum unter-
brochen wurde, unsere Anerkennung nicht ver-
sagen. DR. Wir.LV F. STORCK— M.\NNHEIM.
MALER
H.\NS
ilKCHLM.\NN.
GEM-\LDE:
».SITZENDER
AKT« ll'JO'.l).
m.\ij:r
HANS
ItkCllLMANN.
liKMAI.UlC:
• MÄDCHEN
AM FENSTER«
.DOPPEL-
i'.ii.nxis«
"^flfW^
BRUm.MANN
BLUMEN-
STÜCK UND
SrtLLEIiEN P
[lt.1 BESITZ UKS VKKEINS DKR KUNSTFREUNDE IN DEN LANPHRN AM RHEIN.)
MALEK il,VN^ JiKÜIILMANN t »BLUätENSTLCK - U. ^ i- KLClUL-bl lLLEbl.^ ^ (ÜEülTZEK; bELlOMANN - KÖLN).
MALER HANS
BRÜHLMANN t
FIGÜRLICHE
KOMrOSITIONEN
SKIZZEN.
PROFESSOR SASCHA SCHNEIDER-^FLORENZ.
MARMORPLASTIK. KOPF EINES JUNGLINGS.
SASCHA SCHNEIDER-AUSSTELLUNG IN DER G/VLERIE ERNST ARNOLD IN DRESDEN. OKTOIiER- NOVEMBER 1912.
SASCHA SCHNEIDER-FLORENZ.
I^s ist eine wohl beobachtete, aber nicht ge-
^ nügend betonte Tatsache, daß, bei der
ParalleUtät aller geistigen und künstlerischen
Bewegungen, in Deutschland die Literatur den
Schrittmacher der bildenden Kunst zu spielen
pflegt. Der Deutsche bedarf der Worte als
Leiterin seines Auges.
Seit Jahren, man kann sagen, seit Jahrzehn-
ten hat die Dichtung in Selbstbesinnung unter
der Führung Stefan Georges und seines Kreises
die strenge äußere F"orm wieder belebt, und
auch in der Aligemeinheit hat das Versdrama
Eingang und neuen Beifall gefunden. Daß
George sich bei dieser Reorganisation der Dich-
tung der italienischen Form, des Sonetts, be-
diente, dürfte kein Zufall sein. Immer ist deut-
sche Kunst zu ihrer höchsten Höhe geschrit-
ten, wenn Helena mit Faust sich vermählte,
deutscher Geist in griechische Form sich band.
„Ringe, Deutscher, nach römischer Kraft,
nach griechischer Schönheit!
Beides gelang Dir, doch nie glückte der
gallische Sprung." (Schiller.)
Wenn in allen Sczessionsausstellungen seit
einigen Jahren Gemälde von Hodler, Egger-
Lienz und wenigen anderen so bedeutend auf-
fielen, wenn sie für viele eine Erholung und
innere Beruhigung wurden, war es nicht die
strengere Formung gegenüber den anderen
Bildern, die hier fesselte und die heitere Ruhe
edlerer Kunst spendete ?
Diese Kunst greift, wie die Dichtung unter
Stefan George schon lange vorher getan hat,
auf die Zeit zurück, da das Helenadrama im
Faust geschaffen wurde, sie schließt sich be-
wußt an die Epoche an, da ein Genelli sagen
konnte: „Der Fisch gehört ins Wasser, der
Künstler nach Rom".
Wer von Carstens und Genelli herkommt,
der wird den Weg zu der neuen Richtung finden,
als deren Vorkämpfer nach seinen jüngsten
Werken sich Sascha Schneider betrachten darf.
Als symbolisches Bild dieses Kunstwollens
kann Genellis Zeichnung (Tafel 16. Aus dem
Leben eines Künstlers) gelten, wo dieser nackte
Heide mit Begeisterung Verse der Ilias rezitiert
und den Besucher nicht merkt, der sein Jesuiten-
gesicht voll staunendem Schrecken zur Türe
hereinsteckt.
Diese neue Tendenz in dem Schaffen Schnei-
ders kommt für den intimeren Kenner seiner
Kunst nicht unerwartet. Wer den Künstler seit
Jahren aufmerksam beobachtete, wer seiner stets
anregenden Unterhaltung einmal folgen durfte.
1912 13. in. 2.
225
Professor Sa'^cha Schneider -Floraiz.
PROFESSOR SASCHA SCHNEIDER— KLOKENZ.
dem wurde bald klar, daß die mystisch-christ-
liche Einkleidung seiner Akte nur ein modisches
Kostüm war, dem sich diese Gestalten ungern
fügten. Weil Sascha Schneider ein überaus
feiner Beobachter und Menschenkenner ist,
tief gebildet, wie wenig bildende Meister, wußte
er genau, daß des Deutschen Kunstfreude über
Worte zum Blick schreitet, und er wählte geistig
anregende Zusammenhänge in seinen Gestalten,
um das Interesse der Menge für den schönen
menschlichen Körper über diese Brücke hinzu-
führen.
Kraft und Schönheit zu künden, war hierbei
sein Ziel. Auch dieses wird aus seiner inneren
Veranlagung verständlich. Jeder echte Künst-
ler ist Gestalter seiner Sehnsucht. Wer, wie
Schneider, seinen Blick für den Körper in Ring-
schulen geschärft hatte, wer, wie er, jede Minute
seiner Erholung der Erinnerung griechischer
Kunst weihte, der mußte jenes Körperideal,
jene Körperkultur der Alten sehnsuchtsvoll mit
seiner Seele suchen.
Was ein schöner Mensch ist, wissen wir im
Leben alle; warum fehlte er in unserer Kunst?
Ehe Sascha Schneider jedoch die Klarheit
im Ausdruck seines Kunstwollens erreichte,
die wir heute bewundern, mußte er den großen
Gegner in sich selbst bekämpfen. Eine Kraft-
natur, athletisch in Denken und Handeln, lag
seiner Veranlagung gewaltige Gebärde als Aus-
druck innerer und äußerer Fülle.
GEMÄLDE: »KNABENKIEGE« galbrie H. Arnold— DREsntN.
„Der schöne Mensch im bloßen Gefühl seiner
Existenz ohneLeidenschaft inRuhe ist dereigent-
lichste Gegenstand der Nachahmung des bilden-
den Künstlers, und seine Nummer Eins ; in dieser
Verfassung ohne alle Bekleidung liegt die reinste
Harmonie der Schönheit, und sie paßt am aller-
besten zu dem gänzlichen Mangel an Bewegung
seiner Werke. Alle Leidenschaft, alle Hand-
lung zieht, leitet unsere Betrachtung von ihren
schönen körperlichen Formen ab. Zur Schön-
heit selbst gehört der Charakter oder das, wo-
durch sich eine Person von der anderen unter-
scheidet. Schönheit mit lebendigem Charakter
ist das schwerste der Kunst."
Diese Einsicht, die Wilhelm Heinse als
Zeuge der Zeit und des Strebens eines Carstens
im Ardinghello niederlegte, findet ihren Aus-
druck in Schneiders Gestalten. Still und ruhig
stehen sie, gelassen in der Würde ihrer Schön-
heit, mit möglichster Beschränkung des Gesichts-
ausdrucks. „Nur ein tadellos schön gebauter
Mensch" sagt der Künstler in seiner Schrift
„Mein Gestalten und Bilden" (Verlag Galerie
E. Arnold — Dresden) darf es wagen, kerzen-
gerade sich zu präsentieren und eine symme-
trische Körperstellung einzunehmen. Hierbei
offenbart sich der kleinste organische Fehler.
Jede andere Stellung, gebeugt, gebückt, kauernd
oder liegend verbirgt Defekte."
Typen der Schönheit will der Künstler ge-
stalten, Vorbilder einer kommenden Mensch-
226
PKol'KSSOR SASt HA SCHNElIiEK KI.OREN/.
GEMÄLDE: »DIE IIF.HELMTEN WÄCHTER«
AUSGKSTBLLT IN DKR GAI.RKIB K. ARNOLD — DRKSDBN.
»r -«^
l^ /
\
t
AUSSTELLUNG
DER GALERIE
ERNST ARNOLD
IN DRESDEN.
PROF,
SASCHA SCHNEIDER -FLORENZ. GEMÄLDE .KNABE«
SASCHA SCHNEIDER. GEMÄLDE: »JÜNGLING IN VOLLKRAFT, ANGRIH'SIIEKEII«
PROFESSOR SASCHA SCIIXEIDEK FLORENZ.
OEMÄLDE. AUSGESTELLT IN DER GALERIE ERNST ARNOLD.
-.4««^
SASCHA SCHNEIDER FLORENZ.
/
PROFESSOR SASCHA SCHNEIDER
AUSSTELLUNG OALEKIE ARNOI.l)-l)KESr)EN.
\;
y
PROFESSOR
SASCHA
SCHNEI ÜER-
FLORENZ.
AUSGESTELLT
IN DER GALERIE
ERNST ARNOLD
IN DRESDEN.
cS.S. /
Professor Sascha Schneider— Florenz.
1 KoH.SbOR SASCHA SCHNEIDER— hLOKE.N/.
heit, „kein träumerisches Zurückschauen nach
einer 2000 Jahre hinter uns liegenden Ver-
gangenheit, sondern ein hoffnungsvolles Vor-
wärtsschauen in eine lebendige Zukunft, auf
eine neu sich gestaltende Kultur". Allein als
Vorbild bedarf eine jede Gestalt ihres Charak-
ters, darum bleibt sie in ihrer schlichten Einfalt
nicht geringer als künstlerische Vision denn alle
Verbildlichung phantastischer Einfälle. Auf
diese Art schließt sich abermals der Ring in
der Entwicklung Sascha Schneiders ; seine Phan-
tasie und seine Gestaltungskraft behalten ihre
Richtung von Anbeginn, nur ist ihnen allmäh-
lich die Verklärung zur Ruhe, zur Würde Ägyp-
tens und Hellas' geworden.
Wie Schönheit und Charakter sich im Kunst-
werk einen, sei an einzelnen Gemälden ange-
deutet, leider ist es dabei dem Schreiber nicht
möglich, mit Worten jede Linie der Körper
kosend abzutasten. Das genießende Auge
gleitet beglückt über das sanfte An- und Ab-
schwellen der Konturen, und in zartesten Rhyth-
men lösen sich tiefste Empfindungen.
„ Schachspielende Kinder. " Blond u. Schwarz,
Ausdruck zweier Temperamente, zweier Arten
einander gegenübergestellt, sollen sie nichts
anderes als durch ihre Existenz erfreuen. Ist dies
nicht der eigentliche Sinn jedes Kinderdaseins?
GEM-\LUE: »SCHACHSl'lELE.NUE Kl.NUEK«
Freude am Leben, im Gefühl des Lebens.
Allein Kinder sind nicht Herr der Gefühle und
ihrer Glieder, sie setzen der Bewegung nicht
immer das rechte Maß. Daher spreitet der
Dunkelhaarige , Rassigere seine Arme weit.
Alles wie unabsichtlich, dennoch von innen
heraus gebildet und durch die Fläche, die diese
Körper beleben und zieren, gefordert.
Anders wieder der aufrechtstehende Knabe
in der Zeit, da das Sehnen erwacht. Er hat
zum ersten Mal empfunden, was „Ich" sein
heißt. Hat mit Schaudern gefühlt , daß Worte,
die ein Schmerz entpreßt , ins Leere gehen
können. Ohne Widerhall in Vater- und Mutter-
herzen. Langsam wird aus diesen Sehnsüchten
die Gewißheit und der Wille erwachen, sich in
einem anderen Wesen zu ergänzen und eine
neue Feinheit zu schaffen. Doch jetzt nach der
ersten Erkenntnis seiner selbst, zieht er sich in
sich zurück; daher der enge Zusammenschluß
der Linien, das Stemmen der Arme in die
Seiten, daher der gesenkte Blick.
Dagegen der dunkelhaarige Jüngling in der
Vollkraft der Jahre. Nicht enggeschlossen gehen
die kräftigen Arme parallel dem Körper. An-
griffbereit schmiegen sie sich nicht an. Auch
die Beine, etwas gespreitet wie zum Sprunge,
künden kühnen Entschluß. Hier ist kein Ent-
191irt3. III. 3.
237
PROFESbOS
,S.OR -SASCHA SCHNEIUER-FLORENZ. MARMORPLASTiK : »KNAKE«
AUSGKSTELl.T IN
ni'.R OAI.KR1K
F. AKNOI.D
IN DRHSDUN.
PRÜFLS.V'K >,\M MA >CHM.iÜt:K- FLUKK.N/. MAKMOKI'I.ASTIK : vKNAlJi:.
Professor Sascha Schneider Florem
PROFESSOR SASCHA SCHNEIDER-FLORENZ.
ringen innerer Gebundenheiten, hier ist Frei-
heit, Männlichkeit und Schönheit, Kalokagathia
der Griechen. ^ , . 11
Die behelmten Wächter," Sehnig und ela-
stisch, im Bewußtsein der Stärke hüten sie
Heiliges, doch ohne Übermut, weil jeder im
andren den ebenbürtigen Partner findet und
nicht ahnt, daß Schwäche und Mutlosigkeit
leben. Als Krieger lieben sie bunten Glanz der
Waffen, lieben sie das Gold, das Sieger ziert.
MARMORPLASTIK: »KOPF EINES KNABEN.
Der mit dem Schwerte ist der Angreifende.
Dementsprechend gibt sein Umriß nicht Ge-
schlossenheit, sondern Entschlossenheit. Deri
Verteidiger des Errungenen, den Erhalter halt
ein fester Kontur zusammen, dessen Linien
variiert und verstärkt werden durch das Gefalt
seines roten Gewandes.
Frauen und Kinder sind gleicher Seele^ Itir
Dasein schon ist Wert, weil freudespendend.
Nicht mit Mühe müssen sie gleich dem Manne
240
Professor Sascha Schneider— Florenz.
l-KOKESSOR SASCHA SCHNEIDER KLOR£NZ.
wirken, um wertvoll zu sein, sondern indem sie
sind, wirken sie erfreuend. So wird ihr Dasein
Spiel, und Spiel ist ihnen Arbeit- Dabei bleibt
der Kreis ihrer Wirkung nicht eng umgrenzt.
Jeder, der sie sieht, empfängt ihren Wert, genießt
Glück. Nicht im Wollen tragen sie ihren Reich-
tum wie der Mann, den erst die Tat krönt. Ihre
Krone ist ihre Existenz. So verschwenden sie,
ohne sich wegzuwerfen, so bleiben sie stets
spendend, ohne zu zerflattern. Daher ihre
MAKMOKPLA.sTiK; vKOPF EINES KNABEN«
AUSSTKLLUNG IN DKK GALBKIB «. ARNOLD- DRKSDKN .
reicheren Bewegungen, grazil, preziös. Erst die
Schleier, ein Äußeres, geben Zusammenschluß.
Aber wer, dessen Äußeres Wert bedeutet,
könnte der Äußerlichkeit entraten?
Doch eins muß noch erwähnt werden, wo
derKünsller die Natur zu durchbrechen scheint,
wo er über den Charakter hinweg in den Mythos
schreitet. Es ist das die Gestalt des Mannes
mit den langen Haaren, sowohl in Malerei wie
Plastik dargestellt.
241
Professor Sascha Scliiieidcr— Florenz.
■ „Lange Haare sind
Eingebildete fällt zu- ■
J nicht ein Vorrecht
sammen, da ist Not- J
wendigkeit, da ist ■
■ schlechts", sagt der
i-
Gott". (Goethe.) — Z
J Künstler. „Zweifels-
■^^i^tf
So wollen diese Ge- J
■ ohne hat das männ-
JMäitf^^^^k
mälde als Gestaltung ■
■ hche stärkeren Haar-
^^^gtg^K
erfaßt sein. Wer ■
" wuchs überhaupt.
^^^^^^B
ihnen Bedeutung als 5
■ Kurz geschnittenes
^^^^^HT
Malereien abspricht, ■
■ Haar als charakteri-
F^^K^^
halte in dieser Weise ■
P stisch für Männlich-
jK^
mit ihnen Zwiespra- "
■ keit anzusehen, ist
"^^L.
che und bedenke, ■
■ Tradition; sie ist je-
i j^k
daßSaschaSchneider ■
B doch falsch. Kurzes
1
nicht wie Lovis Co- ^
■ Haar ist nur prak-
*
rinth malen darf und ■
■ tisch. Langes Haar
P%»
kann, sondern nur ■
\ beim Manne tritt fast
■
wie Sascha Schnei- J
■ stets in besonders
m
der. — Leichter zu- ■
■ kriegerischen Zeiten
Vj^
gänglich für die All- ■
" und bei besonders
^K^
gemeinheit dürfte J
■ kriegerischen Rassen
^^
des Künstlers Plastik ■
■ auf. Wir finden es
^B
sein. Auch sie sucht ■
■ beiden Assyrern, den
^Kk
aus der menschlichen ^
■ Persern, den Sparta-
^m 4,'
Erscheinung das Ty- ■
■ nern , den Japanern,
pische herauszurei- ■
2 den Mandschus, den
^^^B'
ßen. Unsere Zeit *
■ Indianern, den Ger-
^^^B
sieht diesen Bestre- ■
■ manen, den Rittern.
^^^B ^ W
bungen so fremd ■
3 Allongeperücke und
^^^^■S^^b^^hUV
gegenüber; wer aber ^
■ Zopf gehören eben-
^^^^^^^^E^^B^ «
sich erinnert, daß J
■ falls kriegerischen
^^^^^^^^«ir
Schneider bewußt ■
2 Zeiten an. Das lange
^^^^^^^1
dort anfängt, wo Car- ^
■ HaarSimsonsistganz
^^^^^^^^H
stens' müden Hän- J
■ bezeichnend. Derbe-
^^^^^^^H
denPinselundMeißel ■
P kannte Christustyp
^^^^^^H
entsunken sind, der ■
■ mit dem gescheitel-
^^^^^^H
wird an Raffael, den ■
■ ten langen Haar ent-
BHH^^^^B
Abgott jenes römi- ■
1 stand unter den krie-
TT^-W^^^
sehen Kreises, den- ^
J gerischen Normannen
i ^Hf
ken: „Per dipingere ■
■ in Sizilien". — Doch
« . Mf 7
una bella mi bisog- ■
B das Haar ist nicht
^^B_^^**y^^^^Eni.;'
nerebbe vedere piü ^
■ allein ungewöhn-
^^^^^^^r
belle, ma per essere ■
■ lieh und bedeutungs-
^^^^^V
carestia di belle don- ■
\ voll. Trotz der An-
^^^^^M
ne, io mi servo di "
■ griffstellung scheint
^^^B
una certa Idea, che ■
■ dieser Heros, dessen
^^^V
mi viene in mente" ■
P Dasein nicht von die-
■Hv
(aus Raffaels Brief an ^
■ ser Welt ist, auf sich
^^TatFy.
Conte Castiglione). ■
■ selbstgestelltzusein.
.BB.
Nur begnügt sich ■
B So ist er trotz seiner
i^ "**■"*
der Künstler nicht £
■ Kraft abgeschlossen.
.^^^^"''"' .--i» _^
allein mit der „wei- ■
■ zeitlos, ewig. Hier
'^^^BfelE^^nr^s^flHH^^^K
chen Schönheit des ■
a schwindet unter der
^^^^Il'^^^^I^^^^^^h
Weibes". Erfordert ^
■ Charakterisierung der
^ — W^^^
„dieselbe Einsicht ■
■ Größe der mensch-
und Pflege auch ge- ■
■ liehe Charakter.
PROFESSOR SASCH.V Sl:HNEIDER-I-Ll>KENZ BRONZE: .JÜNGLING
genüber dem mann- ■
■ „Alles Willkürliche,
liehen Geschlecht, J
242
Professor Sasc/ia Schneide) —Florenz.
dessen stattlichere
und (größer geartete
Schönheit, so un-
cndhch reicher an
Ausbildungsraög-
Hchkeiten, ganz in
den Hintergrund ge-
treten, um nicht zu
sagen , vergessen
ist." — Bei den
F'lastiken kommt
auch das feine Kör-
pergefühl Schnei-
ders zum Ausdruck,
das er in den Ge-
mälden bewußt un-
terdrückt, um der
Fläche zu geben,
was der Fläche ist.
Auf ihr gibt es kein
Vorn und Hinten,
nur Rechts und
Links, Oben und
Unten. Was Hodler
im Aulagemälde der
Universität Jenader
erstaunten Mitwelt
mit seinen parallel
laufenden Friesen
in nicht einwand-
freier, dennoch ge-
nialer Form bewei-
sen wollte, wird er-
füllt. Hodler schei-
terte daran, daß er
auf Li'-ht und Schat-
ten innerhalb der
Figuren, damit auf
die dritte Dimen-
sion, nicht ganz ver-
zichtete. — Sascha
Schneider vermei-
det dieses, indem
er die Parallelper-
spektive in seinen
Gestalten mit heller
F^ronlal- und Paral-
lelbeleuchtung ver-
bindet. Da schwin-
den die Gegensätze
von Licht und Schat-
ten, da ist alles
Helligkeit. — Zu
den Plastiken, deren
Form ansprechend,
gar leicht verständ-
lich sein dürfte,
I'KOKE-SSOR SASIHA SCHNKIDER— FLOREN/. liRO.N/.E: »JÜNGLIM
zumal ein Marmor
von der hohen
Schönheit des Gür-
telbinders, möchte
ich als erläuternde
Worte die folgen-
den des Künstlers
selbst setzen: „Me-
tall und Marmor
fordern ihr Mate-
rialrecht. Eine Fi-
gur in Kupfer ist
Metall, eine Gestalt
in Marmor — Stein.
Das heißt von vorn-
herein alleVersuche
aufgeben, aus dem
Metall oder Stein
eine „fleischige"
Wirkung oder eine
ähnliche Naturnach-
ahmung „heraus-
zukriegen". Weder
die Augen noch die
Fingernägel, noch
die roten Lippen
oder die Weichteile
können mehr das
sein, was sie in
Natur sind: Die
Augen sind weder
feucht, transparent
und mit weichen
Wimpern umsäumt,
noch sind die Finger-
nägel elastisch, oder
sind die Lippen rot,
und die Weichteile
dem Druck nach-
gebend — sondern
alles ist im Kunst-
werk durchweg
Stein oder Metall.
Am allermeisten
wandeln sich die
Haare, die nun eine
kompakte starre
Masse werden. Fs
heißt vollständig
und bewußt über-
setzen." — Ob
dies dem Künstler
geglückt ist? Wer
möchte es vor dem
Gürtelbinder, vor
den Bronzen be-
zweifeln ?
243
Professor Sascha Schneider— Florenz.
Hier ist das Typische so dem lebendigen
Charakter verschmolzen, daß man vor ihnen,
wie es bei den Siegerstatuen von Olympia noch
heute gelehrte Archäologen annehmen , an
Porträts glauben könnte.
Nur ein geschärftes Auge wird am Edelmaß
aller Proportionen das Ideal erkennen, und die
mythische Mannesgestalt überschreitet jede
menschliche Begrenzung der Körperbildung.
Wer diese Gestalten verstehen will, muß sich
nicht nur in bestimmter Richtung mit der Kunst,
nein auch mit dem Leben auseinandersetzen.
Er muß Gesundheit — Mannhaftigkeit — Schön-
heit fordern. Ihn erfreut die schöne Seele, die
sich den Körper schön gestaltet.
„Es ist eine Kunst für das Leben außerhalb
der vier Wände; der richtige Platz wäre die
offene Sporthalle, die Palästra, wo sie als bild-
liche Anregung und monumentales Beispiel die
übende Jugend umgibt.
Es ist ein Versuch, die Kunst wieder zu einem
unmittelbaren Ausdruck unseres pulsierenden
Lebens zu gestalten, in ihr eine Gefährtin zu
erwecken, zu neuzeitlichen Menschheits-Zielen.
Es ist eine Ansprache an ein verständiges
und aufgeklärtes Publikum", dr. r<jiii.ri cukuegh.
PROFESSOR
SASCHA
SCHNEIDER-
FLORENZ.
BRONZE-
PLASTIK.
AUSSTELLUNG
E. ARNOLD-
DRESDEN.
I'KOK. hKANZ BARWli; ^WIE.N.
ANBETENDE ENUEL-j. HOLZSCHNITZEREI.
AUSSTELLUNG FÜR KIRCHLICHE KUNST IM ÖSTERR. MUSEUM.
In einer vor just 25 Jahren unter dem Titel
„Unsere Kunslpflege!" erschienenen Bro-
schüre klagt Prof. Julius Deininger: „Künst-
lerisches Empfinden, den Sinn für das Schöne
zu wecken, sollte längst eine der ersten Auf-
gaben der Erziehung sein. Die katholische
Kirche hatte, als sie auf dem Höhepunkt ihrer
Macht stand, alle Künste um sich versammelt
und fast alleinherrschend in ihre Dienste ge-
nommen. Nicht nur, wie ihre Gegner sagen,
um die Sinne zu betören, den Verstand zu be-
täuben, sondern gewiß auch, um durch die
Macht des Schönen die Leidenschaften des
Menschen zu zähmen, seine Begierden zu ver-
edeln und auf ein reineres Ziel zu lenken. Die
Kirche erfüllt längst diese hohe Mission nicht
mehr, ihr ist das Verständnis für die Kunst und
für ihre sittliche Bedeutung mehr und mehr ver-
loren gegangen". Es ist, seitdem diese Klage
ertönte, in mancher Beziehung besser geworden,
im besonderen aber, was das Verhältnis der
Kirche zur Kunst betrifft, leider nicht. Dies
gibt gleich der erste Satz des Vorwortes zum
Katalog der Ausstellung für kirchliche Kunst
im „Osterreichischen Museum für Kunst und
Industrie" zu, in dem es unter anderem heißt,
daß „sich im Verlaufe der letzten Generationen
auch in der kirchlichen Kunst eine bedauerliche
Entfremdung zwischen den Bestellern und den
Ausführenden geltend gemacht hat". Die Schuld
an der unleugbaren Tatsache der Entfremdung
zwischen Künstler und Kunsthandwerker einer-
seits und dem Klerus andererseits wird von
dem anonymen Verfasser, für den das „geschäfts-
führende Komitee der Ausstellung" unterzeich-
net, unverblümt dem Klerus selbst beigemessen,
dem unter anderem „Mangel an verständnis-
voller Beschäftigung mit den Werken der Kunst,
— Erlahmen der inneren Teilnahme am Ent-
stehen des Werkes, — Vernachlässigung pflicht-
gemäßer Obsorge" und dergleichem mehr zum
Vorwurf gemacht wird. Soweit kann man sich
mit den Ausführungen, als zutreffenden, gern
einverstanden erklären, der daran anschließend
zum Ausdruck gebrachten Hoffnung, „die künst-
lerischen Kreise, die durch die Seltenheit der
Beschäftigung mit kirchlichen Aufgaben diesen
vielfach nicht mit genügendem Verständnisse
für die besonderen Forderungen gegenüber-
stehen, und die Kreise des Klerus, die von der
Möglichkeit einer guten kirchlichen Kunst auch
in unseren Tagen nicht immer die richtige Vor-
stellung haben, auf diesem Wege (d. h. durch
die Ausstellung) einander wieder näher zu
bringen", wird man sich jedoch wahrscheinlich
einigermaßen skeptisch gegenüber verhalten.
1912,13. i:i. +.
245
Aussteihmg für kirchliche Kunst im Österr. Museum.
GESAMTENTW, U.Mo^Alk: LLi.U'. l-uKMNEK.
FIGÜRLICHE RELIEFS: W. BORMANN -WIEN.
Weil sie auf einem Trugschluß basiert. Nicht
der Mangel an Aufträgen allein, wie in dem
von kirchlicher Seite inspirierten Texte dar-
getan wird, kann das Fehlen einer guten mo-
dernen Kunst kirchlicher Art verursacht haben,
vielmehr müssen neben diesem einen derb-
materialistischen Grund, dem gewichtige Wir-
kung allerdings zukommt, noch andere Gründe
mehr geistiger Natur mit Teil haben an der
Fruchtlosigkeit auf dem Gebiete neuer kirch-
licher Kunst. Es hieße die Künstler in verächt-
licher Weise gering schätzen, wollte man von
ihnen behaupten, daß sie in ilirer künstlerischen
Wesensart von Bestellungen abhängig seien,
daß sie, die vordem wegen mangelnder Bestel-
lungen keine Werke kirchlicher Kunst schufen,
nach erfolgter Bestellung sogleich das Ge-
wünschte in voller Güte hervorbringen würden.
So materiell-äußerlich darf man sich denn doch
nicht wahrhaftes Kunstschaffen vorstellen, zumal
dann nicht, wenn in ihm religiöses Empfinden
zum Ausdruck gelangen soll. Der echte Künstler
.'iLl.VkiMbLHt tLK DIE KIRCHE
ZU EBELSBERG in ÖSTERREICH.
schafft ja auch sonst nicht das, was man von
ihm begehrt, sondern das, was zu schaffen er
berufen ist, was er schaffen muß, aus innerer
Notwendigkeit. Die Beweise hiefür liefert die
Kunstgeschichte zu hunderten. Wenn die Künst-
ler unserer Zeit nicht mehr so wie die Künstler
früherer Zeiten auf dem Gebiete der kirchlichen
Kunst tätig sind, geschieht dies nicht einzig und
allein nur aus Mangel an entsprechenden Auf-
trägen, sondern weil auch ihre innere Stellung
zur Kirche eine wesentlich andere, als die der
Künstler früherer Zeiten ist. Denn es wäre
falsch, zu glauben, daß die Künstler der Gotik,
der Renaissance und der Barocke hauptsächlich
deshalb bedeutende Werke kirchlichen Charak-
ters hervorbrachten , weil sie mit den entsprechen-
den Aufträgen betraut wurden. Die Künstler
der Gotik und der nachfolgenden großen Stil-
epochen schufen ihre Hauptwerke nicht so sehr
im Dienste der Kirche, als vielmehr für die
Kirche aus ihrem persönlich reichen reUgiösen
Empfinden heraus. Gottsucher gibt es auch
246
ENTW: ARCHITEKT A. O. HOLUB WIEN.
AI.TAR FÜR DIE HL. GEIST-KIRCHE WIEN-OTTAKRING.
AUSFÜHRUNG : H. FAUSTNER, ORESTE BASTRERI WIEN.
ENTW: LEOPOLD tORSTNER— WIEN. KIRCHENFENSTER MIT DARSTELLUNG DER SIEBEN SAKRAMENTE.
At'SF; TIROLER GLASMALEIJEI TND MnSAIKANSTALT INNSliKUCK.
Ausstelhmcr für kirchliche Ktinst im österr. Museum.
unter den modernen Künst-
lern. Auch Vincent van Gogh
hat Gott gesucht, obgleich er
niemals ein kirchliches Bild
malte, dafür aber oft wahr-
haft religiöse. Und so wie
dieser einstige Prediger des
Evangeliums bei den Bergar-
beitern Belgiens, suchen viele
moderne Maler, Bildhauer und
Architekten Gott und schaffen
Werke religiösen Empfindens,
wenn auch nicht kirchliche.
— Da, wo es sich nicht um
höchsten Gefühlsausdruck
handelt, sondern wie in der
angewandten Kunst, im Kunst-
gewerbe, um Geschmack,
Stilgefühl, Zweckmäßigkeit,
Materialschönheit, also um
mehr oder minder auf ver-
standesmäßigem Wege er-
reichbare künstlerische Wer-
te, können „Aufträge" unge-
meine Bedeutung gewinnen,
indem sie zur wertgrädigen
Steigerung der Qualitätsarbeit
Veranlassung geben. Beweise
dafür enthält schon die gegen-
wärtige Ausstellung für kirch-
liche Kunst, zu deren Veran-
staltung der Eucharistische
Kongreß in Wien den äußeren
Anlaß gab. Vermag die Aus-
stellung auch nicht , wie es
im Katalog zu lesen steht, in
zwingender Weise zu überzeu-
gen, „daß auch Künstler un-
serer Zeit wahre religiöse
Empfindungen haben und sie
in echter Weise künstlerisch
zum Ausdruck bringen", denn
gemeint ist hier immer in
„kirchlich gültiger" künstleri-
scher Form, so gelingt es ihr
immerhin, wirkungsvoll zu ver-
anschaulichen, daß die bis-
lang insbesondere vom Klerus
verpönte Moderne, sofern ihr
Betätigungsmöglichkeiten ge-
boten werden, wenigstens
das , was kunstgewerblicher
ODEN: MONSTR.VNZ. ENTW: ARCH. KAKI. HRÄUER. AUSF : JULIUS GRÜiNFELU WIEN.
• unten: LEUCHTER IN BRONZE. MAX SAMASSA- LAIBACH.
250
KNTHURK: LEOPOLll FORSTXER WIEN.
CIBORIUM UND MESSKELCH. AUSF : FRANZ HALDEN— WIEN.
ENIW: .\RCH. JOSEF ZOTTI WIEN. IHUKIÜEL U. NAVIKEI. IN SILBER. AUSF: JULIUS ÜRÜNFELD— WIEN.
Ausstellung für kirchliche Kunst im Österr. Museum.
Art in der Kirche ist,
und das meistens künst-
lerisch völHg minderwer-
tig war, sofern es sich
nicht um vereinzelte
Stücke alter Herkunft
handelte, edel und schön
gestalten kann. —
„Heute wird der Bedarf
an kirchlichen Kunst-
werken und Geräten,
sowie an kleineren An-
dachtsgegenständen bei
uns (ich zitiere hier
nochmals aus dem Kala-
logvorwort) zum über-
wiegenden Teile durch
ausländische Agenten
besorgt, die durch an-
scheinend geringe, im
Verhältnis zur minderen
Ware aber hohe Preise
und durch Bequemlich-
keit des Ankaufes ihre
künstlerisch und hand-
werklich meist äußerst
minderwertige Ware so-
wohl der Großstadt, als
auch dem kleinsten Ge-
birgsdorfe aufzudrängen
verstehen". Kann die-
sem Übeln und kultur-
widrigen Zustand, der
sich, wie wir leider täg-
lich erfahren müssen,
auch auf alle Gebiete des
profanen Lebens er-
streckt, denn überall
werden Surrogate dar-
geboten, entgegen ge-
wirkt werden, so ist
das gut und aus Prinzip
auch in diesem speziel-
len Fall gutzuheißen.
Verwunderlich ist nur in
Anbetracht dieser klar
ausgesprochenen richti-
gen Erkenntnis und des
wiederholt mitBetonung
geltend gemachtenErf or-
dernisses der zur Durch-
führung der löblichen
Absicht unerläßlichen
Bestellungen, der Auf-
träge an Künstler, daß
die reichen Stifte und
Klöster Österreichs ,
AUM>UHK: EKSIE WIEXEK l'KuüUKTi V-GENOSSENSCHAFT.
IJ. ABSOLVENTINNEN DER K. K. KUNSTSTICKEREISCHULE.
ENTW: M. ALBER. AUSF: FELLINGER S; HASSINGER- WIEN.
K.\SEL MIT GOLDSTICKEREI AUF WEISSEM GRUND.
trotzdem gerade sie
hier mit gutem Beispiele
vorangehen sollten, mit
der einen Ausnahme
des Klosterneuburger
Stiftes, keine derartigen
Aufträge erteilten. Hät-
ten sich nicht einige
kunstsinnige und opfer-
willige Pfarrergefunden,
würde die Ausstellung
noch bescheidener aus-
gefallensein, ja, sie wäre
vielleicht überhaupt
nicht zustande gekom-
men; nur durch die vom
Ministerium für Kultus
und Unterricht, dem
Ministerium für öffent-
liche Arbeiten, dem k. k.
Hoftiteltaxfondsundder
Gemeinde Wien bewil-
ligten Geldmittel wurde
sie ermöglicht. Die —
gegenüber früheren Zei-
ten — veränderte Stel-
lung der Künstler zur
Kirche, zeigt sich augen-
fällig auch in dieser Aus-
stellung: die großen,
schöpferischen, führen-
den Künstlerösterreichs
haben sich an der nur
von österreichischen
Künstlern beschickten
Ausstellung nicht betei-
ligt. Das Komitee, des-
sen Verdienste um die
Hebung der Qualitäts-
arbeit uneingeschränkt
anerkannt werden soll,
machte deshalb aus der
Not eine Tugend und
begnügte sich mit einer
Ausstellung vonWerken
für den Gebrauch in der
Kirche und zur häus-
lichen Andacht. Monu-
mentale Gemälde und
Skulpturen religiösen
Charakters, monumen-
tale Bauentwürfe und
dergleichen fehlen; was
man zu sehen bekommt,
das sind, einige größere
Arbeiten der Künstler
Andri und Forstner
252
.liisstellung für kirchliche A'iiiisl im Osten: ]\hiseum.
ausgenommen, kunstgewerbliche Kleinarbeiten,
Ritualgeräte, Meßgewänder.
Erfreulicherweise kann man sie, ästhetisch
wertend, als fast durchwegs kunsthandwerklich
wohlgelungene Leistungen bezeichnen. Ange-
fangen von den Meßkelchen, deren schönste
nach den Entwürfen von Leopold Forstner aus-
geführt wurden, einem Künstler, dem man auch
schöne Glasmalereien zu danken hat, bis zu der
originellen Gestaltung eines Altares für die neue
Kirche im Wiener Bezirk Oltakring, nach dem
Entwürfe des Architekten A. 0. Ilolub, zeigen
sich die durch die Wiener Kunstgewerbeschule
erzogenen Künstler und Handwerker erfinde-
risch und technisch tüchtig in der Bewältigung
der ihnen gestellten — und wie zugegeben
werden muß: ungewohnten — Aufgaben.
Die von der Bacher-Schule der Akademie
beigesteuerten Allarlafeln, die vermutlich An-
spruch auf Wertung als dekorativ-monumentale
Malereien erheben, erreichen die angestrebte
Wirkung nicht, sind allzu nüchtern konstruiert,
nicht empfunden, daher slimmungslos. Wenn
auch nicht volle monumentale, so doch ihr nahe
kommende großdekorative Wirkung erzielt die
von Leopold Forstner entworfene und in Mosaik
ausgeführte Altarnische für die Pfarrkirche zu
Ebelsberg in Oberösterreich. .\ K-r.
TAUFSTEIN.
ENTW. U. .\USFChK:
K. K. It.\L'- UM)
K'SSTHAMIWERKF.R-
SCHUl-E- BOZEN.
UECKELFIGUR tJNI)
KI-.UEFS: J. GADENZ,
I>IXKr.l.C.n'TER:
MOSER, CASOITl
& AMTMANN.
101213 III 6
253
LOTTE
PRITZEL-
MÜNCHEN.
NEUE PUPPEN VON LOTTE PRITZEL-MÜNCHEN.
Masken und Kinder — dies ist es eigentlich,
was wir in unserm lauten und deutlichen
Leben vorüberziehen sehen. Die Majorität der
robust Alltäglichen, deren geheime Gedanken
dem Geld gehören, wenn auch ihre geäußerten
geistig ausgeputzt sein mögen — sie kümmert
uns nicht. Wir müssen von den Wenigen, die
in offenbarer Qual ihre Masken tragen und
irgendwie noch Kinder sind, erfahren, wie das
Lied unseres Daseins klingt. Beladen stehen
sie vor dem Schritt in die Freiheit, die ein un-
geheurer Abgrund ist. Die Geschöpfe unserer
Elternkämpfe haben sich bis an den Rand ge-
schleppt — jetzt heißt es zerschellen oder flie-
gen können. Wer wagte den Schritt ? Die vielen
Verdorbenen, Gestorbenen. Im Sturze haben
sie die erste Flugkraft gespürt. Die anderen
aber, die Zögernden, Furchtsamen, Ahnungs-
vollen, bleiben stehen. Sie verbergen, was in
ihrer Seele schreit, und starren lächelnd in den
Abgrund hinunter, der auch ein wunderbarer
Kinderhimmel ist. Sie fühlen sich endlich sicher
in ihren Masken und taumeln doch ruhelos
durch Enttäuschung und Verlangen. Sie wissen
alles und möchten so töricht sein. Sie haben
alles genossen und schreien doch nach Gottes
Brot. So haben sie in ihrer dürstenden Sehn-
sucht doch den nie verwindlichen Unglauben.
So sind sie eigenen Willens und Marionetten
der Entwicklung, die sie so weit geführt hat.
Menschen und Puppen.
Man soll auf die Künstler blicken, die es
irgendwie vermögen, in Ernst oder Spott, das
Leid der Zeitseele zu deuten. Geschöpfe zu
schaffen, die typisch zusammenfassen, was in
Myriaden Individuen verwirrt. Unsere „Kin-
der", unsere Masken, unsere Puppen. In Mün-
chen offenbart sich der alte Spieltrieb immer
wieder neu und toll. Die Faschingsgeister rau-
nen und kichern auch noch durch die „normalen"
Zeiten. Wie weit ist es vom müden Modeherrn
zum gepuderten Pierrot? Wie nahe haben es
254
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Ne^ie Puppen von Lotte Pritzel- München.
all die jungen Künsller-
seelen zum Tanze , der
sich seiner Lust nicht
schämt? Zwischen den
Münchner Masken und
Kindern schafft die
schlesische Bildhauerin
Lolte Pritzel ihre merk-
würdigen Puppen. Sie
hat in die Haife der Zeit
ge^griffen. Jetzt kann das
Gew^tige nicht kom-
men — ein zierliches
Spiel mit den Werten
besteht. Wir würden
ja von unserm Erbe er-
drückt werden, wenn
wir immer feierlich und
alt bleiben wollten.
Wir müssen auf unsere
Art jung sein. Dann
wird das allzu Schwere
leicht. So hat Lotte
Pritzel den neuen Müh-
seligen und Beladenen,
die sie mit scharfem
Blick erkennt, ein „Spiel-
zeug" gegeben. Es sind
nicht die Puppen, nach
denen Kinder greifen.
LOTTE PKIT/.EL— MtNCHEN. »VITRINEN-PUPPEN«
Auf Kinder im Kindes-
alter mag Lotte Pritzel
in fremder Scheu sehen.
Sie sucht die Grenze
des Bewußtseins. Die
Geschlechter, welche
sich bekennen wollen
und zurückschrecken,
weil iiir Erbteil sich nicht
ganz bekennen darf. Um
diese Geschöpfe über ihr
Elend fortzutäuschen ,
läßt Lolte Piitzel sie mit
sich selbst spielen. Sie
halten menschenähnliche
Lebensgedanken in der
Hand und können ihnen
die Bewegungen geben,
die das Schicksal seinen
Marionetten gibt. Blei-
che Pierrots, Tänzerin-
nen, die zu tanzen glau-
ben, Kavaliere eines ver-
gangenen Adels. Lotte
Pritzel schafft ihre Pup-
pen selbst in stillem
Spiel. Sie gibt ihnen
alles. Sie formt ihre
Körper und zieht ihnen
Kleider an. Alles, was
257
LOTTE PRITZEL— MÜNCHEN.
»PUPPEN KUK DIE VITRINE«
LOTTE-
PRITZEL
MÜNCHEN.
»PUPPEN
KÜR DIE
VITRINE.
Xeue Puppen von Lotte Pritzel- München.
£
^^^^i^—-\-^—
'2u
sie haben müssen, um
richtige Puppen zu sein,
bekommen sie von ihr.
Kopf und Glieder, die
unverhüllten Teile,
werden kunstreich in
Wachs modelliert und
getönt, wie die kleinen
Seelen es fordern. Der
Körpcruntcrdem Kleid
besteht aus Draiit und
Watte. Ganz körperlos
dürfen die Puppen nicht
sein, damit nicht un-
künstlerisch ein inter-
essanter Kopf auf einem
hübschen Kleid sitze,
Glieder ohne lebendi-
gen Zusammenhang an
Spilzcnsäumen bau-
meln. Man muß eine
Konsistenz unter dem
Kleide fühlen, die weich
genug ist, um warmes
Leben vorzutäuschen.
Andererseits haben
Kopf und Glieder
LOTTE l'KrrZF.I. MÜNCIIF.N. «PUl'l'K.N 1 LK IJlE VITKlNt«
nicht die entschiedene
Plastik einerBildiiauer-
arbeit. Der feine In-
stinkt der Künstlerin
hütet sich vor dem
„Ernst" und will seine
Spielfreude auch den
anderen großen Kin-
dern lassen. Keine
starren Bronzestatuet-
ten — wächserne Pup-
pen mit beweglichen
Gliedern deuten das
geheimste Leben an.
Sie stammen meist aus
Lotte Pritzels persön-
lichstem Phantasie-
kreis, aber auch die
Zeit des großen Men-
schenspiels, das acht-
zehnte Jahrhundert,
hat ihren Teil an ihnen,
liin kleiner Kavalier
in schwarzem Seiden-
frack, mit Spitzenbü-
scheln an den Händen
— ein bleicher Abbe,
259
Neiie Puppen von Loffe Pritzel—Münchau
aus dem ungläubigsten Barock. Dann die
vertrauten Karnevalsgestalten — zwei Do-
minos, die zu den schönsten Puppen der
Künstlerin gehören. Der eine rot, der andere
grün gewandet. Tänzerinnen wie aus ver-
blichenen Ahnentagen — ein rotbraun gelocktes
Mädel in weißem Kleidchen; seine kleinen
Schritte haben die wehe Anmut, die den wirk-
lichen Tanz nicht wagt. Dann reine Phantasie-
geschöpfe — ein gekrönter Engel, der noch an
Vorbilder der frühesten Italiener gemahnt. Er
schwebt, wenn man ihn lose emporhält. Der
Ausgleich von Plastik und Körperlosigkeit gibt
ihm etwas Überirdisches. So schwebt auch ein
weißer Pierrot, der vielleicht nur träumt. So
stehen sich der Märchenprinz und die Märchen-
braut gegenüber und heben durch ihren Kuß
das Erdenglück in Himmelstraum.
Wie zierlich ist die Puppen werkstatt von Lotte
Pritzel mit ihren schimmernden Brokatfragmen-
ten, ihren Spitzenteilchen und Glasperlen. Weiße
Watte wird zur Haarfrisur , die kleinen Arme,
Hände und Füße bekommen ihren individuellen
Schmuck. Aber dieser niedlichen Technik steht
auch immer eine sehr starke und originelle Kunst
gegenüber. Die Köpfe mit ihren abgezehrten
Sehnsuchtszügen, beschattet, ins Rätsel des
Inneren gleichsam zurückgeschoben, sie tragen
die Masken der blühend Welkenden, welche
die Kindheit hinter sich wissen und das Leben
vor sich. Sie haben das erste Glück durchrast,
um zum zweiten zu kommen — das zweite aber
findet sie nicht mehr lebensfähig. So spielen
und schweben sie am Rande der Verzweiflung.
Ihr blutroter Mund erzählt von Schätzen der
Liebe und läßt doch furchtbare Leere ahnen.
Sie schmiegen sich an und küssen sich, rein und
ergreifend, spöttisch doch und verderbt. Hält
man Lotte PritzelsPuppeneinzeln in der Hand, so
sind sie ein Spielzeug, mit dem man machen kann,
was man will. Läßt man sie frei aufeinander
wirken, so gewinnen sie dämonisches Eigen-
leben , und ihre Bewegungen geben mehr als
starre Bildwerke. georg hirschkf.ii>.
I.Ol TE
I'RIT/.EI.-
MÖNCHEN.
»l'UPPEN
KÜR DIE
VITRINE«
ARIHIIEKT
JOS. RINllS-
OFI'ENUACH
, \NI)HAUS
.\ MARIIURG
EIN LANDHAUS VON JOSEF RINGS-OFFENBACH.
Die im letzten Jahrzehnt zu so
gelangte deutsche Wohnhau
dem Architekten Josef Ring
a. M., einen vortrefflichen
Vertreter, Die beistehen-
den Abbildungen zeigen
das Projekt eines vorneh-
men Landhauses, das durch
die Klarheit und Einfach-
heit seines Stiles sich so-
fort als ein charakteristi-
sches Werk Rings vorstellt.
Das Haus steht auf einem
von der Straße stark abfal-
lenden Gelände, so daß das
Lrdgeschoß der Straßen-
front sich nach der Garten-
seile als ein Obergeschoß
darbietet. Darunter wurde
Raum für einen entzük-
kenden Gartensaal gewon-
nen , von dessen Terrasse
Stufen in den Garten hinab-
führen. Der Haupteingang
leitet von der Straße durch
den in den Baukomplex
eingezogenen und an zwei
Seiten von einer Pergola
umschlossenen Hof und von
schöner Blüte da in die gemütliche, eingeschossige Diele, in
skultur hat in die die Treppe aus dem Obergeschoß und der
Offenbach Gartenhalle mündet. Die nach der Straße vor-
springenden Anbauten sind
für die Dienerschaft und die
Autogarage bestimmt. Das
dem einen an der Hofseite
vorgelegte Türmchen birgt
die Treppe zu den hier-
durch ganzvonderWohnung
abgetrennten Dienstboten-
zimmern. Im Erdgeschoß
gruppieren sich um die
Diele Bibliothek- und Ar-
beits-, Empfangs- und Eß-
zimmer, sowie die Küche.
Im Obergeschoß liegen die
Schlafräume. Über dem in
seiner harmonischen Ge-
samtmasse trefflich wirken-
den Dach erhebt sich in der
Mitte noch ein kleiner Auf-
bau mit umlaufender Gale-
rie. Das in seiner edlen
Einfachheit überaus vor-
nehm wirkende Haus ist so
recht dazu geschaffen ein
fein geselliges Heim zu um-
schließen. .MEI.A ESCIIKKK H.
= 1-3
m^%.<^^A%
ARCHIIEKT JOSEF RINGS- (jH-LXBAi H.
LAXDHAUS IN MARBURG. GARTENSEITE.
Ein Geschäftshaus von Tfermami Muthesiv
IHI-.ol'HU. MUl.l.EK, WEKKilAI 1 i N M K h
ms iiaim; \ 1-
Kl. 1 Kill ill WdllN/lMMER-MüBEL.
I_^1N GESCHÄFTSHAUS VON HERMANN
^ MUTHESIUS. Es ist immer wohltätig, einen
Menschen mit seinen höheren Aufgaben wachsen
zu sehen. Dies Schauspiel gewährt uns Hermann
Muthesius. Bisher kannten wir ihn zumeist als
einen Architekten des Einfamilienhauses; nachdem
wir kürzlich von ihm den Neubau einer Fabrik zu
sehen bekamen, zeigte er uns jetjt ein großstäd-
tisches Geschäftshaus am Strom der Leipziger-
straffe errichtet. Die Fabrik, eine Seidenweberei,
breitgelagert, in Backsteinen ausgeführt, war in
einem gewissen Grade den Maßen und Oewichts-
verteilungen des Landhauses noch verwandt. Das
mctropole, an einer Ecke stehende Geschäfts-
haus verlangte die Proportionen jenes mehrge-
schossigen, grof;räumigen, viel Fensterfläche auf-
weisenden Hochbaues, dessen System seit Messeis
Pfeilerarchitüktur festliegt. Muthesius fand mit aus-
gezeichnetem Gefühl eine neue, persönlidi erlebte
Variante der Tradition. Der Bau in seiner Ganz-
heit und noch mehr die Details zeigen eine sehr
sympathische Kultur der Zeichnung. Die Profile
der von unten nach oben schlank strebenden Pfeiler,
die fünfseitigen (im Prinzip achtseitigen) Kapitäl-
steine, die Gesimsplatten, die Kassetten und der
Zahnschnitt dieses Gesimses, alle diese Glieder
wurden mit architektonischem Tastgefühl abgewogen
und modelliert. Nirgends blieb etwas Grobes,
Mafiloses; pflegende Sorgfalt gab dem Baukörper
eine so feinblütige Gliederung, dafi man ihn, unter-
sti)t)t durch leicht übersehbare Abmessungen, bei-
nahe als etwas Zierliches, Anmutiges, Frühlingshaftes
empfindet. Dieser Eindruck wird noch gesteigert
durch den sanften Ton des Kalksteins und die
Balance der Horizontalen und Vertikalen. Eine
Harmonie stillstehender Beweglichkeit, die aufter-
ordentlich befriedigt. Wir wollen Muthesius dank-
bar sein ; zeigt er uns dodi , wie ein verantwor-
tungsvoller Architekt das Erbe Messeis mit frucht-
barer Selbständigkeit zu verwalten vermag. m.
I
*LSE BÜRGEREITS MÄDCHEN - KLEIDER.
/ Bernhard Kellermann, einer der geistreichsten
Causeure, ist einmal durch Japan spazieren gegangen.
Er sdiwärmt von den Mädchen, er heij^t sie Feld-
blumensträuj^e und Blütenzweige; er meint, da|3 sie
alle Prinzessinnen seien und wie flatternde Vögel
zu singen vermögen. An solcherlei muft man sich
erinnern beim Anschauen der Mädchenkleider von
Else Bürgereit (S. 268). Nicht darum, weil eines
der leichten Gewänder nach dem Thema des Kimono
geschnitten wurde; vielmehr darum, weil etwas von
der Art der Feldblumen diesen stillen und in Be-
scheidenheit liebenswürdigen Kleidern gemein ist. Br.
1912,13. III. 6.
265
THEOPHII.
MÜLLER,
WERK-
STÄTTEN
FÜR
DEUTSCH.
HAUSRAT-
DRESDEN.
THEOPHII. MÜIXER, WERKSTÄTTEN FÜR llF.UTSCHEN HAUSRAT— DRESDEN. WOHN/IMMKR.
267
entw: else
bOrgereit-
düsseldokf.
MÄDCHEN-
KLEIDER.
AUSFUHRUNG :
VEREINIGTE
WESTDEUTSCHE
WERKSTÄTTEN
DÜSSELDORF.
Die Hageiier Silhcrsclniih
■de.
KNTWURK; J. 1.
M. LAUWERIKS-HAGEX. TEE-SERVICE IN SILBER.
HAGENER SII.BERSCHMIEDE.
DIE HAGENER SIL-
BER-SCHMIEDE.
Die Silberarbeit ist
eins von den Gebieten
des Kunsthandwerl<s,
die immer dem Ein-
fluf5 der Maschine ent-
zogen und der Hand-
arbeit vorbetialten blei-
ben werden, denn liier
kommt alles darauf an,
dafi nicht nur der Ent-
wurf, die Gesamtform
künstlerische Gestal-
tung empfängt, son-
dern daß auch die Aus-
arbeitung im einzelnen
durch Treiben und Bie-
gen, durch Hämmern
und Ziselieren, durch
Einfügung und sdiöne
Fassung edler Steine
dem Werk eine Ver-
lebendigung und Ver-
geistigungverleiht,wie
es nur die vom Geiste
unmittelbar gelenkte
Hand des Menschen,
nicht die Maschine ver-
mag. Die gute Silber-
arbeit wird immer et-
was Individuelles ha-
ben, wird Luxuswerk
im guten Sinne des
entwirf: 1. 1
M. lai-weriks. silberne fri-chtschalen.
Wortes sein. Damit
hängt zusammen, daf;
bei den meisten Silber-
arbeiten der Zweck des
Gegenstandes zurück-
tritt. Silberschalen, wie
die Abbildungen zei-
gen, enthalten soviel
an eigenem Formen-
reichtum, daß sie, sich
selbst genug, dem Be-
reiche der reinen Kunst
nahe kommen. Der
Sinn solcher Werke ist
nicht Zweckgestaltung,
sondern Phantasiege-
staltung. — So ist es
nicht zu verwundern,
wenn ein Künstler, wie
Joh.Lud.M.Lauweriks
sich diesem Gebiet zu-
wandte. Wer seine
Bauten in der Hage-
ner Villenkolonie kennt,
der kennt auch seine
Neigung für ein aus-
drudisvolles Spiel der
Linien und harmoni-
schen Zusammenklang
der Baumassen. Die
Formen seiner Häuser
scheinen nicht nur den
Zwed< zum Ausdrud<
zu bringen, sondern
/'/(• ffa^^ener Silberschmiede.
einen tieferen Sinn, der dem Geiste des Künstlers
entstammt. Solch eine „tiefsinnige" Phantastik
zeigen nun audi seine Kntwürfo für (icfäfse und
Sdimurkstüoke, die in der Hagcncr Silbersdimlede
zur Ausführung gebradit werden. Wir sehen da
Kannen, die an sonderbare Tierformen erinnern,
von fremdartiger, fast märdienhafter Ersdieinung,
andere Gefäße von edler Feierlidikeit, Halsketten
und Sdimuckstürke von reicher Vornehmheit. —
Hier hat Lauweriks nun das Glück gehabt, daf;
er in seinem holländischen Landsmann F. Zwollo
einen Mitarbeiter gefunden hat, der allen Feinhcileii
dieser Entwürfe mit feinstem Gefühl und Verständnis
zu folgen weifi und dessen Fähigkeit in der Be-
arbeitung dieses edlen Materials selbst schon dem
Künstlerischen nahe kommt. kuki' frever.
ENTWIRt
r.AtJWERIK.s
HAC.EN
nAr.SKr.iri-N
MIT l'EKI K.\.
WEIHRAUl H-
KASS INSII.llI.R
Neue Seraph-Fayencen.
^TEUE SERAPIS-
»^ FAYENCEN. Der
große, und soviel man
beobachten kann ein-
mütige Beifall, den die
Manufaktur Wahliß mit
ihren entzückenden Se-
rapis-Fayencen errang
und die in diesen Er-
zeugnissen erreichte
technische Vollendung
im heiklen Farbenauf-
trag und noch heikleren
Glasurbrand gab Veran-
lassung, den bisherigen
in den mannigfachsten
Variationen erzeugten
Vasen, Dosen, Jardinie-
ren, Uhrgehäusen, Tel-
lern, Aschenschalen und
sonstigen Gefäßendeko-
rativ - architektonischer
Zweckformen auch eine
Serie mehr oder minder
als selbständige Zier-
stücke gestaltete Fi-
guren folgen zu lassen.
ArchitektKarlKlaus,
von dem die meisten
Entwürfe zu den an die-
ser Stelle schon inpräch-
tigen Beispielen gezeig-
ten Serapis-Fayencege-
fäßen herrühren, ver-
stand es aufs neue, den
Intensionen des Auf-
traggebers gerecht zu
werden. Seine stets
spielbereite, ornamen-
tale Gestaltungsphanta-
sie befähigte ihn zur
Hervorbringung äußerst
reizvoller, figuraler Ge-
bilde, deren handwerk-
liche Modellierung den
geschickten Händen der
Bildhauer Staudigl und
Russ zu danken ist. k.
HrgFüTi
ENTW: ARCHITEKT KARL KLAUS,
MODELLIERT VON B.LDH. RUSS U. STAUDIGL. AUSE: WIENER SERAPIS-EAYENCE WAHLIS
272
ARIHITEKT K.\KI. KLAUS— WIKN.
FRUCHTSCHAl.K. SKRAl'IS-KAVF.XCE.
K \KI. Kl.AL^
lillllH. Rl'SS
r. STAUDIGI..
WltNER »tkAI'l>-KAYi;.NCi; WAÜI.ISS.
19ia,'l3. in. 7.
Bühnenmasken.
PROFESSOR
R. LUKSCH-
H AM BURG.
MASKEN 7.r
MARLOWES
»DOKTOR
FAUSTUS<.
MASKE »MTZIFER«
MASKE llEEI.ZEUUli»
TJÜHNENMASKEN. An-
i-^ fang Oktober gelangte
in Frankfurt a. M. und in
Darmstadt die „Tragödie
des Doktor Faustus" von
Christoplier Marlowe zur
Aufführung. Die Regie lag
in Händen von Emanuel
Sfockhausen, dem Grün-
der der „Lessing-Gesell-
scliaft" in Hamburg, die
gesamte Bühnenausstat-
tung, Kostüme und alle
Requisiten waren von der
„Lessing-Gesellschaft" zur
Verfügung gestellt wor-
den. Die Ausstattung —
nach Entwürfen von Pro-
fessor Richard Luksch -
MASKE (ZU MARLOWES »FAUSTUS«) »DER HOCHMUT«
Hamburg geschaffen —
erweckte besonderes In-
teresse, weil damit die
Probleme der Stilbühne
herzhaft angegriffen und
befriedigend gelöst er-
schienen. Prof. R. Luksch
hatte zudem für die Szene,
in der Luzifer die Todsün-
.Icn aufmarschieren läßt,
sdiarf charakterisierende
Masken modelliert, köst-
liche Typen von über-
raschend starker Bühnen-
wirkung. Die Vorführung
der Todsünden ward zum
Glanzpunkt der szenischen
Effekte. — Die Hambur-
ger „Lessing-Gesellschaft"
«74
Bühvaiviasken.
.MA.-.K1-- DU. M HLl.MMl-.KKI
M.\>KI-. IUI. l'All.ULll
.MASKE DER ZORN«
wurde im .Jahre 1910 ge-
gründet, und sie hat es
sich zur Aufgabe gemacht,
dramatische Werke auf-
zuführen, die von den
stehenden Bühnen nicht
geboten werden. Beson-
deren Reiz erhalten die
.Aufführungen durch die
von Künstlerhand geschaf-
fenen Ausstatlungen; wa-
ren doch auRer Professor
Richard Luksch auch Pro-
fessor C. O. Czeschka, A.
Klinger und Willy Tietje
für die „Lessing-üesell-
schaft" tätig. - Aufge-
führt wurden bisher:
0. Wilde „Florentinischf
Tragödie", A. Schnitjlcr
„Der Puppenspieler", .M.
Maeterlinck „Das Wunder
des hl. .Antonius", Otto
.\IA^KE -UIE H.Ml.sfClir
»OIK WOLLIST»
MASKRN ZCR AI'FI-'ÜIIKl'NO VON CHRISTOPHKR UARIX)WKS »DOKTOR
FAfSTl-S«. FNTWl'RP V. Al'SF: PROF RICHAKIi l.l'KSrH — HAMHl'RO.
.\I.\--KK lil-k Nl-ll)
Falckenberg „Deutsches
Wciliiiachtsspiel", O. En-
kiiig „Das Kind", Chr.
Marlowe „Tragödie des
Doktor Faustus", F. Leo
„Die Insel", Pergolese
„l,a scrva padrona" und
Offeiibach „Das Mädchen
von Hlizondo". Demnächst
folgen: Carl Hauptmann
„Panspicie", E. Verhaereii
„Philipp II." - Aufter in
Frankfurt (Gesellschaft für
Ästhetische Kultur) und
in Darmstadt (Freie lite-
rarische Gesellschaft) ga-
stierte die „Lessing-Ge-
sellschaff inDresden(Lite-
rarische Gesellschaft) und
in Barmen (Literarische
Vereinigung). Dort wurde
Otto Faickenbergs Weih-
nachtsspiel aufgeführt. M.
275
FR.VU EMMY ROTH-BERLI.V. DOSEN. ALABASTER, MARMOR U. HUCHS. BESCHLÄGE MESSING U. SILBER.
1-RAU J:.ilMV Kuill. BRUSCIIEX U. R1\(tE, SILBER M. PERLSCHALEX U. HALBEUELSl EINEN".
.K.U- KMMV KOTH-H.K...N. nOSKX. WASSK...CHK MH K,,H.>....N U. M.KM.K M„ .„ ,., K,., . „, AOKS.
KRAU E. R<
.TU. ANHÄNGER. SILBER M. MnNDSTEIN, PERLSCHALE, KORALLEN U. MINIATUR
KNTW: Al.Ii. SCHLOrSNlES— GIENGEN. PUPPEN »KEUERWEHKGRUl'PE« AUSF: MARQAkKTE STEIFE G M. B. H.- GIENGEN.
KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.
NOVEMBER 1912.
NEUENBURG. Am 15. September ist hier die
XI. Nationale Kunstausstellung der Schweiz
eröffnet worden, und zwar zum erstenmal in dem
eigens dafür hergestellten, zerlegbaren und trans-
portablen eidgenössischen Ausstellungsgebäude.
Über 850 Kunstwerke haben in den 20 Sälen ihre
Aufstellung gefunden. Gemälde, Graphik, deko-
rative Künste und Bildhauerei sind darunter ver-
treten. Wie vor zwei Jahren in Zürich, so dominiert
auch diesmal Hodler, der sich u. a. als eleganter
Damenporträtist entpuppt. Einen eignen Saal hat
die leuchtend-frische und urwüchsige Kunst Buris
zugewiesen erhalten, einen anderen derNeuenburger
Gustave Jeanneret. Die drei vollendeten Kartons
Albert Weltis für den Berner Ständeratssaal ge-
langen erstmalig zur Ausstellung und — enttäuschen.
Ganz Hervorragendes bietet der im Wallis tätige
Edouard Vallet. Unter der Masse der übrigen
ragen hervor die Berner Cardinaux und Bofi, der
Genfer Otto Vautier, die Basler Cezanne-Jünger
Burkhard!, Paul Altherr und Barth, die in München,
Paris und Berlin sefjhaften Lehmann, Thomann,
Martha Stettier, Blanchet und Frit) Burger. Weni-
ger günstig sind Amiet und Giacometti vertreten,
recht unbedeutend und schlecht die Schweizerische
Sezession und der Bund Schweizerischer Malerinnen
und Bildhauerinneu. In der Skulptur endlich bieten
das Beste Rodo von Niederhäusern, Vibert, Angst
und das Münchner Trio Heer-Siegwart-Mettler.
1>K. S. M.
Ä
NEUE BERLINER BAUTEN. Von den vielen
Bauten, die ohne Unterlafi in Berlin aufgestellt
werden, verdienen nur wenige die Teilnahme des
Kunstfreundes. Solch Zustand ist doppelt beklagens-
wert, wenn man jener Zeiten gedenkt, deren Bau-
kultur wir heute gerade wegen der Gleichmäf;igkeit
ihrer Leistungen schät5en : Augsburg, Nürnberg,
Lübeck. Die moderne Wirtschaft steckt, auch was
die architektonische Ausdrucksmöglichkeit betrifft,
noch im Barbarischen. So lohnt es sich selten, vor
einem dieser endlos sich reihenden, gro)3Städtisdien
Bauten stehen zu bleiben. Immerhin, es wird lang-
sam besser. Der Einfluf; von Wallot, Messet, Hoff-
mann und Behrens macht sich bemerkbar. Dag es
sich dabei aber um Ausnahmen, um wohltuende
Kleine Kunst-Nach-ichten,
KNTW: Al.B. Sl 1II.UI.-.M1..--
11 ii'i \ II ' i.KWi.iiKi.Kt rri Ai>t: maklakI-H. M i.iM' (.;.M.i;.ii. l.ii..\gi,.s.
Überraschungen handelt, das eben enthüllt die eigeiit-
lidie Niederung. Nodi immer herrsdien der Maurer-
meister, das Baugesdiäft und der Hypothekeiisdiieber.
Nodi immer lastet auf dem Künstler die Anmaßung
der Baubürokratie und der Verwaltungsjuristerei.
Diese Hemmungen drüAen das Niveau tiefer als
es zu sein braudile; denn es mangelt nidit an
jungen Begabungen. Nur, sie müssen zumeist
nodi abseits stehen. Das war audi ihr Verhängnis
bei dem Bau des Boardinghouses; womit das
Sdiicksal dieser Gründung entsdiieden wurde. Die
an sidi gesunde Idee für Leute, die keine eigene
Wohnung zu bewirtsdiaften wünsdien, aber audi
die Unruhe des Holeis meiden möditen, eine Stätte
komfortabler Wohnlidikeit zu sdiaffen, wurde, edit
berlinisdi, ins Mafilose verzerrt. Das Ergebnis ist,
dafi die Gäste all den Put) und Prunk amortisieren
müssen und also bedrohlidie Rechnungen zu zahlen
haben. Ein tosender .Aufwand und dodi nur zwei,
drei Räume, die einige Beaditung verdienen. Eine
Bar, ein Grillroom, ein Weinrestaurant durdi Fried-
mann & Weber ganz lustig und sehr farbig dekoriert.
Wesentlidi günstiger steht es um den Neubau
einer Synagoge. Wenngleidi sie kaum mehr als
wieder ein Beispiel für das metaphysisch begründete
Unvermögen ist, einem alten Kult ein neues Haus
zu bauen, wenngleich sie einen aus Elemente:! des
Romanischen, des Empire und diverser Orientalia
gemischten Eklektizismus aufweist, zeigt sie doch
Immerhin einige Baugedanken. Es war zwar ver-
fehlt, solch eine unruhige Kuppel- und Giebel-
architektur in die Wand einer sdimalen Strafte zu
stellen, zumal an eine Stelle, die durch einen Bahn-
übergang jäh durchsrjinitten wird; immerhin, in
seiner Ganzheit zeigt das Bauwerk doch, daf^ dieser
junge Ardiitekt Hessel eine Hoffnung bedeutet.
Solche Hoffnung erfüllte der Ardiitekt Liepe
(IJepe & Oerres). Er baute ein Elektrizitätswerk
und forderte damit die neue, von Behrens begründete
Tradition des modernen Fabrikbaues. Wir sehen
eine in der Masse straff gegliederte und im Detail
sorgfältig durchfühlte Backsteinarchitektur, die audi
für den farbigen Zusammenklang mit dem Tuffstein
des Sockels und der grau-violetten, die herrschenden
Linien betonenden Keramik eine sinnlidi wohl-
gefällige Lösung fand. Durch dieses Elektrizitäts-
werk wurde Berlin reicher um ein Symbol der
technischen Macht und der Rhythmik unserer Zeit. -
■=79
EXT« . 1 AI M' : KÄTHE KRUSE— BERLIN. HANDGEARBEITETE PUPPEN AUS IMPRAGN. STOFF. KÄTHE KRUSE ORIGINAL»
ENTW. U. AUSF: KÄTHE KKUSE-P.ERLIN. KLEINE Rrs>EN. . KLEIULILEN U. HÄUBCHEN IN HANDBATIK.
I»lil3. I![. 8,
l'Rt>l i;>,soK i;uARALj bUlll^R liRLLliLkL, 1. u.
HESSISCHES SPIELZEUG. WEIHNACHTSBUDEX'
PROFESSOR CONRAD SUTTER - BREUBERG I. O.
HESSISCHES SPIELZEUG. . WEIHX.VCHl SbUDEN .
J83
Ilessisc/ics S/iiekeug.
[•ROFESSOR CONRAD SUITER BREl'BF.RG I. O.
HESSISCHES SPIELZEUG. »KARTOFFELERNTE
IIKSSISCHES SPlELZHUü. Den nächstlieffen- Bestrebung-eii Professor C.Sutters. Fern von s^fcwalt-
1 den Forderungen zu genügen, ein Spielzeug samen Stilisierungen und frei von kunstgewerb-
zu sdiaffen, das den Wünsdien der Kinder entspricht liehen Prätentionen erfreuen und befriedigen die Er-
und zugleidi ein Mittel zur Erziehung des de- Zeugnisse durdi künstlerisdi lebendige Auffassung
schmad«es ist, das ist die Absidit der unermüdlichen und gediegene, handwerkliche Ausfülirung. ^i.
PROFF^SSOR COXR.\I) SUTTER— ItREUIlERG I. o. HF.SSISCHES SPIELZEUG. »ESKlMD-KLMiER-
283
ALEXANDER KOCH
EIX GEDENKBLATT ZU SEINEM 25JÄH[UGEN BERUFS- UND VERLAGSJUßlLÄUxM
AM 27. DEZEMBER 1912.
Ein fünfundzwanzigjähriges Verlagsjubiläum
gäbe an sich noch keinen Grund, die Leser
gerade dieser Zeitschrift von der Person des
Herausgebers zu unterhalten. Das Werk spricht
für sich selbst. Aber auch Dichtungen, auch
Kunstwerke sprechen für sich selbst. Da sie
jedoch mit dem Leben und der Person des
Schöpfers auf das innigste verbunden sind,
wecken sie auch Interesse am Biographischen.
Worauf ich hinaus will, ist das: Wenn je
zwischen einer Leistung und ihrem Urheber
eine restlos innige, persönliche Verbindung be-
stand, wenn je ein Werk von der temperament-
voll und entschlossen eingesetzten Persön-
lichkeit seines Schöpfers lebte, so ist dies der
Fall bei dieser Zeitschrift, beim ganzen Lebens-
werke ihres Herausgebers. Da ist alles höchst
persönliches Dokument, zugleich produktive
Kulturarbeit und geschäftliche Unternehmung;
Dinge, die sich gemeinhin gegenseitig lebhaft
beeinträchtigen und die zu verbinden eben nur
einer in sich sehr sicheren und glücklich orga-
nisierten Begabung gelingen konnte.
Diese Begabung hat Alexander Koch be-
sessen; und ihre Früchte sind, weit über den
Kreis persönlichen Wirkens hinaus, der kultu-
rellen Erneuerung Deutschlands, wie sie sich
unter dem Zeichen einer zunächst nur kunst-
gewerblichen Umwälzung jüngsthin vollzog, in
reichem Maße zugute gekommen.
Zwei Gruppen von Eigenschaften sind es, die
sich in dieser Begabung vereinigen: auf der
einen Seite die Leidenschaft für das Schöne,
ein empfindlicher und stets sicher reagierender
Geschmack; auf der anderen Seite der prak-
tische Sinn, der dem Ideal zur Verwirklichung
verhilft, zur Durchsetzung gegenüber den oft so
widerspenstigen Mächten des realen Lebens.
Die Vereinigung dieser Eigenschaften charak-
terisiert nicht nur Alexander Kochs verlegerische
Tätigkeit. Sie ist auch bestimmend für die Art,
wie er an dem großen Kampfe um das neue
Kunstgewerbe teilgenommen hat. Auch hier
galt es ja, Ideelles in Tat umzusetzen, gegen
Widerstände von außen und von innen; ich
meine mit letzteren den etwas wellfremden
Geist, der der neuen Bewegung im Anfang an-
haftete. Es muß meines Erachtens Alexander
Koch hoch angerechnet werden, daß er von
Anfang an auf die Gefahren dieser Weltfremd-
heit, dieses Hochmutes aufmerksam gemacht
und das Seinige dazu beigetragen hat, die
kunstgewerbliche Produktion in die gesunden
Bahnen zu leiten, die sie eingeschlagen hat.
Durch Wort und Bild, durch Vorführung rich-
tunggebender Leistungen, durch unablässige
Ermutigung gesunder Produktion, durch Ver-
anstaltung von Ausstellungen, Konkurrenzen,
durch tatkräftige Förderung einer so wichtigen
Sache, wie es die Darmstädter Künstlerkolonie
ist, hat Alexander Koch in jene Entwicklung
deutschen Geistes eingegriffen, die in Wahr-
heit viel mehr war als eine Erneuerung unserer
kunstgewerblichen Produktion. Zahlreichen
Künstlern war er der ermunternde, anspor-
nende Freund, der Wegebahner und Herold.
Immer in Fühlung mit den maßgebenden Ten-
denzen der Zeit, immer geleitet von einem un-
trüglich sicheren, vorbildlichen Geschmack, so
sind seine Zeitschriften Tausenden die Führer
geworden, die nie versagten.
Aber, wenn heute ein glänzender Weg hinter
ihm liegt, so ist es schließlich doch nur die im
letzten Grunde selbstlose, ja aufopfernde und
hingebende Arbeit gewesen, die diesen Weg
gebahnt hat. Alexander Koch mag heute mit
Fug von sich sagen, daß er jeden Fußbreit Weges,
den er gegangen, erkämpft und aus eigener
Kraft erkämpft hat. Arbeit, Liebe zum Schönen,
ein enger Kreis von teilnehmenden Freunden,
ein jederzeit gastliches Haus, dessen tätigkeits-
reiche Stille nicht der Lärm „gesellschaftlichen"
Lebens stören darf, Liebe und Anerkennung
für jede Art von Tüchtigkeit, Abneigung gegen
alles, was Phrase und Schablone heißt. — Aus
diesen Dingen setzt sich das Bild seines Lebens
und Wesens zusammen. „Factis — non verbis"
ist sein Wahlspruch. Und dieses Wort ist hier
wahrlich nicht eine pompöse Fanfare, sondern
buchstäbliche Wahrheit: Taten — nicht Worte!
WILHELM MICHEL.
Am 27. Dezember 1887 begründete Alexander Koch seinen
Verlag mit der Herausgabe der „Tapeten-Zeitung", einem Fach-
blatte, dessen Wert und Bedeutung schnell erkannt wurde, und
das sich zum angesehensten und verbreitetsten Organ der Tapeten-
Industrie und des -Handels entwickelt hat. Bereits im Januar
1890 erfolgte dann die Gründung der Zeitschrift „Innen-Deko-
ration", die alle auf den Ausbau des Hauses und der Wohnung
hinzielenden künstlerischen Bestrebungen zusammenfaßte und zum
anerkannten Maßstabe neuzeitlicher kunslhandwerklicher Produk-
tion geworden ist. Im Oktober 1897 erschien das erste Heft der
„Deutschen Kunst und Dekoration", 1904 folgte „Kind
und Kunst", 1906 das Spezialorgan „ Sticker ei - Zeit ung und
Spitzen-Revue". Zahlreiche Buch- und Mappenwerke auf den
Gebieten des Kunstgewerbes, des Wohnungswesens und der
Architektur ergänzen und erweitern die in den Zeitschriften nieder-
gelegten Bestrebungen zur Verbreitung einer künstlerischen Kultur.
HANNS PELLAR- DARMSTADT, dekoratives GE-
MÄLDE IM MÜSIKZIMMER DES HAUSES WALDTHAUSEN-ESSEN.
HANNS PtLLAK UAKMSTADT.
GF.MÄI.UE IM MUSIK/I.MMKK W ALDTHAl'SllN.
HANNS PELLAR-DARMSTADT.
VON FRITZ BURGF.R-MÜN'CHEN.
Die Zeiten scheinen vorbei zu sein, in denen
die von Frankreich herübergekommene
impressionistische Kunst die tonangebende
[^olle in dem Schaffen der Jungen gespielt hat.
Die Sezessionen beginnen bereits die konser-
vative Richtung der Malerei zu vertreten. Denn
die Entv^icklung der modernen Kunst ist in
ganz überraschend neue Bahnen eingelenkt,
die kainer der v^reissagenden Kunstkritiker
vorausgesehen hatte. Der Rückschlag gegen die
naturwissenschaftliche Weltanschauung macht
sich neuerdings sehr stark auch auf dem Ge-
biete der Kunst geltend, die teilweise den
Sphären der Mystik oder einer spiritistischen
Romantik zustrebt. Pellar gehört weder zu
den Impressionisten noch zu den Romantikern
der jüngsten Generationen. Er steht gewisser-
maßen zwischen den beiden Richtungen. Mit
dem Impressionisten hat er das scharfe, rasche
Erfassen des Wesentlichen der malerischen Er-
scheinung, das kecke Draufgängertum, die Ge-
wandtheit im Improvisieren, die Lust am far-
bigen Spiel des Lichtes gemeinsam. Aber weder
seine Farbe, noch sein Licht ist von dieser
Welt. Pellar gehört wie Böcklin zu jenen Na-
turen, die neben einer eminenten Beobachtungs-
gabe über ein phänomenales Gedächtnis, einen
reichen, sinnlichen Vorstellungsbesitz verfügen,
die ihm erlauben, ohne viel Mühe auf der Lein-
wand mit dem Pinsel wie auf einem Instrument
zu spielen und unabhängig von dem „Quälen-
den desKubischen", wie Hildebrand sagt, oder
der Pose des Modells die Natur dort zu er-
fassen, wo der Sonnenschein des Mittags nicht
hindringt und doch aller Jubel des Lebens wie
sein Geheimnis lächelnd grüßt und schafft.
Pellar ist kein Philosoph, der mit der Miene
des Weltweisen über den Sinn des Daseins
meditiert, kein Grübler, der die Tiefen des
Lebens zu ergründen sich müht, und kein Pro-
phet, dessen hellsehendes Auge der Kunst neue
Welten zeigt. Dazu ist er viel zu sehr Wiener
von echtem Schrot und Korn. Er hat etwas von
dem Leichtsinn und der Lustigkeit Schwinds,
etwas von seinem kindlichen Frohsinn und
seinen träumerischen Augen, seinem Hang
zum Fabulieren. Nur ist die philiströse Enge
aus seinen Bildern verbannt, und der elegante
Weltmann hat keinen Sinn für derbe Räuerlich-
keit. Pellars Kunst besitzt nichts direkt Vater-
ländisches. Was sie auszeichnet, ist eben eine
kosmopolitische Eleganz; sie besitzt etwas von
den französischen distanzgebietenden Manieren
und doch eine harmlose deutsche Kindlichkeit.
Dabei ist Pellar das Malen weniger Arbeit
als Lust. Er läßt sich von flutenden Wellen
einer starken Sinnlichkeit tragen, zeigt uns
lächelnd im Gewände des Kulturmenschen die
animalische Wildheit des Lebens und doch zu-
gleich den Adel und den Zauber seines Wesens,
1913. IV. 1.
287
Hanns Pellar- Darnisiadt.
HANNS PELLAR DARMSTADT.
läßt uns überall fühlen, wie der Sonnenschein
über geheimnisvolle Abgründe des Lebens
brütet, ohne uns ihre Schauerlichkeit zu ent-
hüllen. Der Teufel sinnlicher Lustigkeit führt
überall sein verführerisches Tänzchen auf, und
alles was Schönheit und Leben heißt, zwingt er
in seinen Bann. Deshalb lebt in Pellars Kunst
ein Stück Rokoko wieder auf, ohne daß man
sagen könnte, Pellar sei Epigone. Er hat wie
alle die heiteren, lebensbejahenden Künstler-
naturen es verstanden, in seiner Kunst eine
graziöse Formel zu finden für die Überbrückung
jenes uralten Gegensatzes von schauendem
Genießen und träumerischer Empfindsamkeit.
288
GEMÄLDE: »SINNLICHE NACHT<
Sinnlichkeit und Seele werden bei ihm so leicht
eins: Seligkeit! Beelzebub und Engel reichen
sich scherzend die Hand !
Pellars Kunst ist nicht aus dem Leben ge-
wachsen, aber doch ganz vom Leben durch-
drungen. Er kommt gewissermaßen von der
Kunst zur Natur, und in dem Urväter-Hausrat
erscheint das fröhliche Leben der Gegenwart.
Es gibt eine ganze Reihe moderner Künstler
— nomina sunt odiosa — die ähnliche Wege
zu gehen versuchen, aber dort verliert man sich
zumeist ins Kostüm und verfällt in Maskerade
oder ein anspruchsvolles Pathos des Effektes.
Es läßt sich nicht leugnen, daß es auch Pellar
I
Hanns Pellar- Dannstadl.
HANNS PELIJVR DAKMSTADT
GEMÄLDE: »WETTE« (l)F.S: MODliKNE GAl.liRIE ,mCN( HEN).
um den Effekt zu tun ist. Denn er ist keiner
von denen, die nur der Kunst wegen schaffen.
Er genießt sich selbst in der Kunst, und seine
Lust und Freude fordert ihr Echo im Beschauer.
Aber er denkt nicht daran, mit raffinierten
Kunststücken zu blenden. Mit einer naiven
Preude umschmeichelt er das Auge des Be-
schauers. Man merkt jedoch nie das Artistische,
sondern im Gegenteil: seine Bilder sind alle
von jener beglückenden Mühelosigkeit, die nie
das Schaffen, desto mehr das Geschaffene
zur Wirkung kommen läßt. Pellar stammt eben
aus dem Lande Mozarts. Dabei glaubt er
ganz die Natur zu erfassen. Mit Feuereifer
packt er sie in seinen Zeichnungen an, um sich
dann in den Gemälden desto sicherer in seine
eigene Natur zu verlieren. Man wird bei
seinen Bildern nicht viel thematische Variatio-
nen im Figürlichen finden. Es ist immer der-
selbe Grundgedanke, der aber in diesem Pan-
vitalismus unendliche Variationsmöglichkeiten
in sich zuläßt.
Pellars Figuren sind nie Staffage, sein
Raum nie Bühne für die Gestalten, sondern
alle beide sind von Leben durchdrungen und
formal und farbig nicht zu trennen. Mit einem
Minimum von Mitteln baut er seine Räume. Man
sieht nur die Figuren, und doch bestaunt man
diese fröhliche Weite seines unsichtbaren Rau-
mes. Die Welt ist ihm nur ein Spielplatz für seine
289
Ila/nis Pcllar Dar»islaiit.
HANNS PELLAR— DARMSTADT.
Männlein und Weiblein, und doch fühlt sich das
Auge umfaßt von der großen, weiten, herrlichen
Welt, Pellar kennt nur den ewigen Frühling
in ihr, der auch die Mädchen im Reifrock und
den alten Mummelgreis in der Zopfperrücke
mit seinem Lebens- und Liebesdrang erfüllt und
über die Verschrobenheit aller Zopfigkeit hinweg
den Zopf selber ins Paradies seines Daseins
lockt. Deshalb hat dieserTanz der bocksbeinigen
Waldungeheuer mit den Reifrockmädchen doch
auch eine reizende sinnbildliche Bedeutung,
die so feinsinnig, künstlerisch zum Ausdruck
kommt. Überall, wo dies Leben sich äußert,
tritt mit ihm auch der unerklärbare Rest seines
TEMPER.VGEM.VLDE : »SOMMERTAG<;
Geheimnisses mit auf den Plan, die dionysische
Freiheit des Naturlebens in der apollinischen
Strenge und stolzen Schönheit des Gesetzes.
Pellar ist Stuckschüler und ein oberfläch-
licher Betrachter könnte meinen, er imitiere
seinen großen Lehrer. Daß er ihm viel verdankt,
ist auch ganz unleugbar, und das Verdienst
wäre ja nicht gering, wenn es ihm gelungen
sein würde, etwas von der Klaue des Löwen
mit in seine Bilder herüber zu nehmen. Aber
er hat nichts von jener wilden Urwüchsigkeit
Stucks und dem stolzen Pathos seines klassi-
zistischen Wesens. Stuck hebäugelt mit der
homerischen Sonnenwelt, Pellar sieht, dichtet
290
HANNS PELLAR - DARMSTADT, dekoratives
GEMÄLDE IM UUSIKZIMMER D. HAUSES H£RZBERG- ESSEN.
I/atins Pellar Dar vis fad f.
{tä^tM*."i.tr.-'*irL^'*tttiaJil\%ß^at'M^^ " - ^^ -^^
HANNS PELLAR— D/UIMSTADT.
in der Zeit des Rokoko die Märchen der Ge-
genwart. Der Traum wird ihm zum Leben und
das Leben zum Traum. Gewiß sind diese Träume
Pellars eindeutig, und mancher liebt es nicht,
an sie erinnert zu werden. Aber bei so kind-
licher Offenherzigkeit kann niemand böse wer-
den. Pellar liebt die hellen Nächte südlän-
discher Pracht, wo die Natur zu einem einzigen
großen Liebestempel wird und aus Sternen-
fernen das buhlerische Licht einen seidigen
Teppich über Marmorstufen webt und Blumen
wie Rubinen glühen. Die Farben locken, rufen,
kreischen, drohen, und über dem allen das
»MARDSCHANAH« (DES: DR. EBERWEIN— D.UtMSTAÜT)
blauende Wunder himmlischer Majestät. Dazu,
triumphierend über alle Regel und Pedanterie,
die Laune des Lebens, die die beschnittene Natur
des Parkes in graziösen Kurven sich formen läßt.
In den Figuren personifiziert sich nur, was im
Räume schon Gestalt gewann. Durch dies sinn-
liche Zusammenwirken beider wird Pellars Kunst
im besten Sinne desWortes „dekorativ", ohne
daß sie eigentlich (sekundäre) Dekoration sein
will. Das Kunstwerk unterwirft sich hier in sei-
nem Organismus seiner natürlichen Grenze, dem
Bildrahmen, ohne doch auf seinen Eigenwert
(auch in der technischen Durchführung) zu ver-
293
ITafins Pellar- Darvistadt.
HAN'NS PELLAR- DARMSTADT.
ziehten. Auch formt Pellar keine „Linien" ;
die Silhouetten seiner Gestalten ergeben sich
zwanglos wie von ungefähr durch den Kon-
trast von dunkel und hell, und unmerklich
entstehen vereinheitlichte Farbkomplexe, die
architektonisch und farbig sich zum Bilde zu-
sammenschließen. Geradezu erstaunlich ist das
Geschick Pellars, der Farbe Licht abzugewin-
nen. Freilich ist das nicht so zu verstehen, als
ob er im Sinne des Impressionisten Licht selbst
malen wollte. Das Licht ist ihm nicht etwas selb-
ständiges im Bilde, dem die Farbe dient, sondern
die Farbe ist dem Licht vermählt, ein Individuum
im Bilde, das sein Leben, seine Sprache hat,
»LüGEi (IM BESITZ DES GROSSHJLRZOGS VON HESSEN).
und in recht musikalischem Sinne Motiv ist, das
im gesetzlichen Zusammenwirken mit seines-
gleichen die Einheit und die Schönheit erzeugt.
Es ist keine Frage, daß die Kunst Pellars des-
halb etwas kalligraphisches hat, gegenüber
der impressionistischen Kunst, dafür weiß aber
hier die Farbe sich ebenso frei zu halten von
der Stofflichkeit des Pigments wie des
Gegenstands. Der Künstler ist Virtuose auf
dem Gebiete der Temperamalerei und ge-
hört zu den geschicktesten Vertretern dieser
Technik, die wir gegenwärtig in Deutschland
besitzen. Manche der technischen Gewohn-
heiten der alten Venetianer findet man hier
294
I/cDDis Pcllar Darnntadt.
wieder; doch arbeitet Pellar nicht so sehr mit
Lasuren als mit einem rein auf einem persön-
hchen Farbengefühl sich aufbauenden Zer-
legungsprinzip der Lokalfarben, die, nach trans-
parenten und reflektierenden Deckfarben ge-
schieden, übereinander gelegt sind. Diese Zer-
legung hat aber nicht den Zweck, ein neu-
trales Licht zu erzeugen, sondern die Farbe
selbst soll einen individuellen Licht-
charakter erhalten und dazu jenes Meta-
physische, das den Zauber seiner' Bilder aus-
macht und sie von der banalen Stofflichkeit
des Gegenständlichen befreit. Hintergrund und
Vordergrund ist ihm wie bei einem orienta-
lischen Teppich ein l'arbcnkontrast, in dessen
Ausgleich für ihn die Aufgabe des Bildes be-
steht ; die Silhouetten der tonangebenden Farb-
massen gleichen sich an die Bildgrenze an und
die Bildgrenze ist wieder Folge der Bildidee. —
PellarsKunst ist ein graziöserVersuch, zwischen
der Welt und der Kunst der Vergangenheit und
einer modernen Traumwelt die Brücke zu schla-
gen — Pellar ist noch jung. Eine Kunst, die
vermittelt, ist ihres Erfolges sicherer als eine
solche, die einsam auf neuen Wegen wandelt.
Was wir dem Künstler daher wünschen müssen,
ist, daß er über den Erfolg nicht den Fortschritt
seiner Kunst aus den Augen verliert. uk. h.
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H WNS PFI I \k. CIMUDI : lAN/rmV >1 I.B AMMILU. Mil r.KVKH.MI..l y,. 1,1!R MOI.KKNKN ..AI KKII' II. ]MA\MIAI
SEH — MINCHKN.
»95
KUNSTPOLITISCHE FRAGEN.
Kunst und Künstler standen in früheren
Jahrhunderten fast durchwegs außerhalb
der sozialen und volkswirtschaftlichen Verhält-
nisse. Sie waren Blüte der Kultur, Sie waren
auch früher abhängig von materiellen Werten ;
ihre Blütezeiten wurden nur ermöglicht durch
reiche Gönner. Diese Gönner waren weltliche
und kirchliche Fürsten und allenfalls reiche Pa-
trizier. Wie die Kunst selber war das Mäzena-
tentum eine Kulturblüte.
Heute sind die Künstler zahlreicher geworden,
aus wenigen Köpfen Zehntausende. Auch die
Künstler sind ein sozialer Stand geworden.
Und die Kunstwerke sind Marktware geworden.
Außerdem ist die Kunst als ein volksbildner-
ischerFaktor erstanden, der in seiner ideellen und
materiellen Seite ökonomisch zu verwalten ist.
Nach langfristigem Notstand in Zeiten, da für
die Kunst wegen anderer Weltsorgen wenig
Interesse vorhanden war; in Zeiten, da die
Verwaltung der Länder und Städte von Fürsten
und Oligarchen überging an demokratische Ver-
treter, war die Kunst und waren die Künstler
so ziemlich vogelfrei und auftragfrei. Mit dem
neuen Wohlstand und mit der neuen Geistes-
regung auf allen Gebieten wuchs die Kunst in
ungeheuere Dimensionen. Es fehlte nicht mehr
an Aufträgen; aber hinzu kam die Konkurrenz.
Der Künstlerstand ist ein sozial bedrängter
Stand, ein volkswirtschaftlich schlechter Stand
geworden. Wir haben heute bereits ein reich-
liches Künstlerproletariat.
Während andere Stände, Arbeiter, Lehrer,
Beamte, sich beizeiten um Verbesserung ihrer
Verhältnisse kümmerten, ist die Künstlerwelt
heute noch fast sorglos ihren Sorgen gegenüber.
Sie sind zum Teil organisiert, nicht nur aus
künstlerischen Rücksichten nach Schulen und
Richtungen, sondern auch schon aus volkswirt-
schaftlicher Fürsorge, in Hinsicht auf geschäft-
lichen Umsatz, auf Hilfe für Altersschwache,
Witwen und Waisen. Doch entsprechen diese
Organisationen weder der Bedeutung derKünst-
lerwelt, noch geben sie genügend Gewähr gegen
die Verelendung des Standes.
Es gibt wohl kaum einen zweiten Beruf, der
so viel vergebliche Arbeit leistet und so große
vergebliche Opfer bringt. Wenn zu einer
großen Kunstausstellung zehntausend Bilder
eingesandt werden, wandern mindestens drei-
viertel, oft mehr, zurück, und Leinwand,
Farben, Rahmen, Transportkosten dieser Über-
zähligen sind, ganz abgesehen von der Mühe-
waltung, vergeblicher Aufwand gewesen. Der
Handwerker kann überschüssige Waren ab-
setzen, die Fabrik, der Verlag kann Restbe-
stände verramschen; die abgelehnten Künstler
drehen die Bilder gegen die Wand, und nur ein
geringerTeil findet noch irgendwie Verwendung.
So kommen wir zu kunstpolitischen Fragen.
Haben dieKunststädte ihrem Rufe entsprechende
fürsorgliche Einrichtungen, die Ausbildung, Vor-
wärtskommen, Absatz einigermaßen garantie-
ren? Sind Akademien und Schulen, Ausstellun-
gen und Kunsthandlungen, Vereine und Organi-
sationen ausreichend — oder verlangen die Ver-
hältnisse der Künstlerwelt weitere Maßnahmen?
Die Organisationen wollen sich vorläufig nicht
um die Massenproduktion, um die volkswirt-
schaftlichen Fragen des ganzen Standes küm-
mern. Aber der Staat und die Städte müssen
wieder, wie einst Fürsten und Patrizier Mäzene
waren aus freiwilliger Leistung, nun aus kul-
turpolitischem Pflichtbewußtsein die Für-
sorge für den Künstlerstand übernehmen helfen.
Die volksbildnerische und kulturelle
Sendung der Kunst ist dafür ausschlaggebend.
Der in den geschaffenen Werken niedergelegte
Reichtum menschlicher Kultur muß systematisch
in die tieferen Schichten getragen werden, da-
mit er dort verarbeitet werden kann und seiner-
seits neue Kulturarbeit leistet. Dazu müssen
die Einrichtungen der Städte und Provinzen
als Hilfsmittel dienen. Auch die Volksbildungs-
vereine sollten mit den Künstlern zusammen-
gehen und nicht bloß Reproduktionen, sondern
Originalwerke in die Provinz tragen. Und die
Künstler selber sollten genossenschaftlich ver-
eint ihre Verkaufsfiüalen bis in die Provinz
verschieben. Doch wird die Arbeit an der Ver-
besserung der Lage der Künstler so lange ver-
geblich sein, als die Kunst selber nicht den ge-
bührenden Platz im gesamten Kulturzustand
des Volkes besitzt. Wir müssen dem Künstler
allenthalben Einfluß auf das Kulturbild der
Städte einräumen und Einfluß auf das Kultur-
bild des Staates. Und müssen dem Künstler
die Achtung gebietende Stellung als Berater
und Mitschaffer geben, die er verdient. Erst
wenn die Persönlichkeiten und ihre Geschmacks-
werte, wenn so die Kulturwerte der Kunst zur
offensichtlichen Wirkung kommen und einen
ganz selbstverständlichen Einfluß gewinnen
werden, dann wird ein Aufschwung des Kunst-
marktes und der gesamten sozialen Verhält-
nisse des Standes eintreten. (;E'irg mischner.
296
PROF. SASCHA SCHNEIDER- FLORENZ.
MARMORPLASTIK: .JÜNGLING, SICH GÜRTEND«
l-koKKS.Si>K BF.RNHARII HOKTl.KR.
MAJOLIKEN. GALERIE ARNOLD— liRKSUEN.
MAJOLIKA-FIGUREN VON BERNHARD HOETGER.
Das Verlangen , sich mit schönen Dingen zu
umgeben, die dazu beitragen, das all-
gemeine Wohlbefinden zu erhöhen, ist infolge
des bedeutenden Aufschwungs, den das Kunst-
gewerbe und mit ihm die Wohnungskunst im
letzten .iahrzfhnl genommen haben, erheblicii
gewachsen. Die Diele, die den Eintretenden
empfängt und zum Verweilen einladet, die
inneren Wohn- und Gesellschaftsräume, die
Bibliotheks- und Arbeitszimmer bis zu den
Schlafgemächern bieten mit Kaminen und
Nischen, mit ausladenden Gesimsen, eingebau-
ten Schränken und freien Möbeln unzählige Ge-
legenheiten, Anlässe und Notwendigkeiten
zur Aufstellung von schmückenden Gegenstän-
den. Stärker als vordem sind darum heute in
vielen Wohnungen die ästhetischen Bedürfnisse
nach plastischen Werken der Kleinkunst gewor-
den, die einen anderen künstlerischen Zweck
zu erfüllen haben als Plastiken großen Stils
und wandschmückende Gemälde, so daß sie
nicht wohl entbehrt werden können.
Außer Werken der Kleinplastik in Bronze
und Marmor, die ihren besonderen Platz im
I lause verlangen, dienen die keramischen Werke
mit ihren ganz anders gearteten Materialstilen
den vielfältigen Erfordernissen. Sie umschlie-
ßen in Porzellandarstellungen als Menschen-
und Tierfiguren bekanntlich zugleich eine f'ülle
an malerischen Möglichkeiten und Ausdrucks-
forraen, die eine lange ununterbrochene Ent-
wicklung hinter sich haben. Neben dem fein-
erdigen Porzellan, das der Beschaffenheit seiner
Masse nach zu zarteren Gebilden führt, ist in
neuerer Zeit in der Majolika wieder ein Material
belebt worden, in dem schon im 15. und 16.
Jahrhundert die berühmte Familie der Robbia
einen volkstümlichen Kunstzweig zu ungeahn-
ter Höhe und zur anmutigsten Blüte gebracht
halte. Das gefügige Material lockt zu weicherer
Behandlung und mannigfacher plastischer Ge-
staltung, die eine Steigerung und Vertiefung
des künstlerischen Ausdrucks nach persön-
lichem Sinn in gleiclier Weise gestattet.
Diese Möglichkeiten hat Professor Bernhard
lloetger- Darmstadt in seinen Majolikafiguren
ganz eigenartig ausgenützt. Hoetger gehört zu
dem Kreise der jüngeren Künstler, die sich auf
der diesjährigen Ausstellung des Sonderbundes
in Köln zusammenfanden. Auch er erfuhr, wie
so viele Künstler der neuen Generation, Maler,
Bildhauer und Kunstgewerbler, starke Ein-
wirkungen und fruchtbare Anregungen aus ver-
gangenen Kunstabschnitten.
In diesen Majolika- Arbeiten berüiiren sich
die Ideen uralter und neuer Kunst vom alt-
attischen bis zum hohen Stil der klassischen
Antike, bis zur Renaissance und weiter hinauf,
und andererseits gewisser orientalisch-buddhi-
stischer Kunstarten. Sie alle haben unter Hoet-
gers Iland und Auffassung eine persönliche
Umformung und ein ganz eignes, selbständiges
Leben erhalten. Indem er auch die richtigen
stilistischen Folgerungen aus der Natur des
Materials zog, schuf er Werke von teils ausge-
sprochen schöner, teils charakteristisch gestei-
i»i3. IV. a.
«99
majolika-
plastiken:
hoffnum;
UND GÜTE«
AlShUHRUNG: LAUGEK KERAMIK, TÜNWERKE KANUERN. VERLAG GALERIE ARNOLD DRESDEN.
PROFESSOR
B. HOETC.ER-
ÜARMSTAIVl.
MAJOLIKA-
PLASTIKEN:
»LIEBE UND
MILDE«
AUSKCHRL-NG: LÄUtiKR KKKAMIK, TnNUKRKK K\M>F.KN. VKKLAO GAIERIE ARNOIH IIRESDEN.
PROFFS.SOK
BERNHARli
HOETGEK
DARMSTAin
majolikv-
pi.astiken:
i.icht, schatten
und wahrheit.
PROFESSOR BERNHARD HOETGER-DARMSTADT.
PRUKICSSOR BERNH. HOETGER DAKMSTADT.
ma;<ii.ikapi.a.stik: »siF.r,.. auskührung: tunwi-.kkk
KANDF.KN. VKRI.AG GAI.F.RIE ARNOLD (GUTBIER)-DRESUEN.
PROFESSOR
B. HOETf.EK
DAKMSTADT
MAJill.lKA-
i'IASTlK:
WUT«
B. HOEIOtK L>;VRMS1AL>1. MAJol.lKAIM.AM IK : HABGlKKi.. VERLAG GALERIE ARNcil.l) DRKSDKN.
Majolika-Fiotiroi von l^oiihard Iloefgej:
gerter Gestalt und starker dekorativer Wir-
kung. Er ist in seinen Figuren stets auf die
unbedingte Geschlossenheit der Formen be-
dacht. In reichen, streng geghederten Massen
legen sich Haarfrisuren und Gewandfalten um
Köpfe und Körper und schließen sie zu aus-
drucksvollen Silhouetten zusammen. Eine
leichte gelbliche Färbung der Gruppen auf
blauen, mehr oder weniger hervortretenden
Fußgestellen erhöht, unterstützt durch den
vielfältig reflektierenden Glanz der Glasuren,
den malerischen Eindruck. Diese Wirkung wird
noch verstärkt in einigen farbiger behandelten
Exemplaren, in denen die verschieden blau,
grün und schwarz abgestimmten Gewänder mit
dem gelben Haar und dem lichten Körperton
überaus schöne dekorative Wirkungen erzielen.
Noch um so weicher tritt die schmiegsame
Schönheit der weiblichen Körper, die sanfte
Herbheit der Jünglingsgestalten, um so strenger
die stilistisch gebändigte Leidenschaftlichkeit
der seltsam bewegten Männerfiguren hervor.
Über diesen äußeren Erscheinungen ruht aber
fühlbar der Hauch innerer Beseelung. Ein Aus-
druck von mannigfacher Stimmung erfüllt die
Gestalten von anmutiger Sinnigkeit und träu-
merischer Beschaulichkeit, von Gemessenheit,
von Heiterkeit und Versunkenheit und inne-
rem Aufruhr. Doch diese Werte, die uns die
Gestalten um so fesselnder machen, sind nie
zu eigenem Selbstzweck hervorgekehrt, son-
dern ganz im Wesen dieser Figuren begründet.
So erfüllen diese Majolikafiguren, die in dem
lieblichen Mädchenfigürchen und in der weib-
lichen Halbfigur von klassisch edler Gestalt
vielleicht den schönsten Ausdruck gefunden
haben, die wichtigen Forderungen einer künst-
lerischen Plastik, indem sie zugleich in hohem
Maße ihre dekorative Verwendbarkeit in Haus
und Wohnung erweisen. — rh h.\rd stiluir.
PROFESSOR
B. HOETGER-
DARMSTADT.
LEON BAKST-PARIS. * TÄNZERIN •
KOSTÜMSKIZZE FÜR DAS RUSSISCHE BALLETT.
I.EON BAKST PARIS.
FEDERZEICHNUNG.
BALLETTSKIZZEN VON L^ON BAKST-PARIS.
VmN U 11,1,1 \M KlTllR MIM HIN.
I) echt interessant wäre eine Geschichte der
V Theaterdekorationskunst, von der klassi-
schen Zeit der modernen Literatur und Musik an
bis heute. In Hintergrund und Maschinerie, so-
wie in den Kostümen offenbart sich doch der Ge-
schmack einer jeden Epoche, das Genie gewisser
Regisseure, genau so wie im gesungenen oder
gesprochenen Text, oder in der Tanzhandlung.
Und man wird kaum die Dekorationskunst von
der Geschichte des modernen Theaters trennen
können, nachdem man sich doch hüten würde,
sie auch von der oberflächlichsten Studie über
das antike Theater, die mittelalterlichen Myste-
rien oder das Shakespearesche Werk auszu-
schließen. Wahr ist es, daß die Archäologie
von vornherein alle Sympathien für sich hat,
während das einfache Aufzählen der Ästhetik-
und Geschmackswandlungen fast immer frivol
erscheinen wird. Und doch! Denken wir nur
an jene großen Übergänge in der Geschichte
der Dekoration: die französische Tragödie zur
Zeit Ludwig XIV'., die Opern von Gluck und
Piccini mit den von der Saint Huberty reformier-
ten Kostümen, die Reform Tsdmas wieder im
Sinne Davids, die Tätigkeit Goethes als Regis-
seur in Weimar, die Forderungen Wagners in
Bayreuth, diejenigen eines Maeterlincks für
seine ersten Stücke, die Neuerungen Mahlers
und Rollers in Wien, die Inszenierungen Fritz
Erlers im Künstlertheater zu München, jene
Sterns und Max Reinhardts für Ariadne auf
Naxos in Stuttgart, und andererseits die Roe-
richs und Bilibines, Baksts und Alexander
Benoists für die russische Oper und den russi-
schen Bühnentanz ! Ist das kein Kapitel von
hoher und höchster Ästhetik? Zu lange war
man der Ansicht, das Ballett sei ein tadelhaftes
Divertissement für alte Herren und das Tanz-
foyer nichts anderes als ein privilegierter, für
Diplomaten bestimmter Harem. Ich spreche
freilich hier nur von Paris. Umsonst bemühte
sich dort der schöne dionysische Schwung der
Tanzgruppe von Carpeaux mitten auf der Place
de l'Opera seineerliabene,bereitsNielzsche'sche
Lehre zu erteilen; er beleidigte das Schamge-
fühl des wie bekannt tugendreichen Mr. Prud-
homme und wurde von gutgesinnten Passanten
mit Tintenflaschen beworfen. Heutzutage tritt
IBIS IV. X
309
Ballettskizzen von Leon Bakst— Paris.
LiON BAKST- PARIS.
der Staat für Anstalten wie diejenigen Jaques-
Dalcrozes in Hellerau und Berlin ein. Die Ent-
wicklung des Tanzes von der Zucchi oder Sironi
an, bis zu Isadora Duncan oder Gertrud Leisti-
kow wird sich gerade so charakteristisch aus-
nehmen, wie jene des Kostüms und der Deko-
rationen. Die Tütütänzerin, gepriesen von den
Romantikern und von Felicien Champsaur, der-
art, daß er sich selbst und sein Buch „l'amant
des danseuses" betitelte, und Degas vorwarf,
nur immer Häßliche zu malen, wird in Bälde als
etwas Vorzeitiges erscheinen, wenn sie auch
Stephane Mallarme zu den aufklärenden Seiten
begeisterte, worin er den Tanz endlich wieder
zur alten Ehre brachte, die MögUchkeit einer
der VII. Symphonie von Beethoven würdigen
Tanz- und Mimekunst mutmaßend. Wir werden
sie bald nur mehr zu Fasching, in Meßbuden
oder im III. Akt der Verkauften Braut zu
Gesicht bekommen. Der tugendhafte, nüchterne
Degas, die Pariser Anekdotenerzähler in Bild
und Illustration, jener mit seiner ganzen Kunst,
diese mit ihrem billigen Esprit und ihrer Berufs-
treue haben uns schließlich doch bloß Doku-
mente überlassen, wodurch die Archäologie
wiederum zu ihren Rechten kommen wird.
War nun in Deutschland die Entwicklung
dieser Kunstgattung eine logische und syste-
matische, so hätte doch das gute Beispiel auf
Frankreich nicht gewirkt, wenn Aufklärung
und Lehre nicht anderswoher gekommen wären.
Das russische Ballett sollte günstig aufgenommen
DEKORATIVES PANNEAU.
werden, aus verschiedenen Gründen, von denen
zwei allein mit der Ästhetik etwas zu tun haben.
Es hatte die Tradition des alten, französischen,
klassischen Balletts beibehalten, wie es sich an
den Höfen Elisabeth und Katharinas II. ein-
gepflanzt und vervollkommnet hatte, des Klas-
sischen von der Vestris und der Camargo ge-
tanzten Balletts. Andererseits brachte es die
Kunst des orientalischen Tanzes mit der ent-
sprechenden Ausstattung mit sich. Kaukasische
Tänze, turkestanische Tänze, Tatarenrhythmen,
Lermontowsche Poesie einerseits; dann sla-
vische, auf die Bühne übernommene und durch
den Prunk kaiserlicher Feste verschönerte Volks-
elemente, dies alles mußte das größte Gefallen
hervorrufen in einem Lande, das trotz seiner
allzu seßhaften Gewohnheiten doch immer
mehr als irgend ein anderes Vorliebe für Exotis-
men zeigte, brachte man nur diese Exotismen
ihm nach Paris. England mit all seinen Kolonien
hat fast keinen exotischen Maler, während das
häusliche Frankreich fast allein dasteht — die
Eroberung Algeriens hat dazu beigetragen —
mit einer ganzen Schule von Orientalisten, von
Delacroix, Decamp, Marilhat und Fromentin
an bis zu Besnard, der aus Indien zurückge-
kehrt, zu Gauguin, der sein Werk in Tahiti
vollbracht und Octave Morillot, der ihm dort-
hin nachfolgte. Die Niederlassung des russischen
Balletts in Frankreich wird übrigens die selt-
samsten Folgen nach sich ziehen, von denen
wir nur den Anfang gewahr werden, seitdem
310
Balleüskizzen von iJon Bakst-Paris.
l-KciN HAKST- PARIS.
die besten Dekorateure sich nacheinander in
Paris ansässig machen oder regelmäßig dahin
zurückhehren, wie Bakst und Roerich. Klingt
denn die iMitarbeit voh solchen Künstlern und
von Tänzern wie Nijinski, Ida Rubinstein und
Karsavina mit Maurice Ravel nicht paradox
genug! Und ist der Heilige Sebastian
d'Annunzios nicht das tollste, verwirrendste
Theater- Ereignis gewesen! Ariadne auf
Naxos, wenn sie die Namen Molicres, Rieh.
Strauß, von Hofmannsthals und Max Rein-
hardts vereinigt, bedeutet einen viel normaleren
Kreuzweg in der Theatergeschichte — dank
des deutschen Barockstils — als der, bei dem
sich der Dichter der Nave, Leon Bakst und
Ida Rubinstein die Hände reichen, zu einer
quasi-Profanation, einer masochistischen Schän-
dung des christlichen Helden, der durch die
schönsten Werke der abendländischen Kunst
gewandert, bevor er diese asiatischen Deko-
rationen und Verkleidungen fand, die man uns
als authentische Umwelt vorhält.
Hervorragend beteiligte sich Leon Bakst an
der plötzlichen, grundsätzlich franko-russischen
Abänderung der Theaterdekorationen und der
Kostüme im Ballettkorps. In Rußland, wie er
selbst erklärte, konnte er nur ein kümmerliches
Leben fristen. Er fand nur da Verwendung, wo
seine Entwürfe nicht zu gewagt erschienen. Erst
in Frankreich, auf die volle Freiheit des Erfolges
gestützt, die ihn an die Grenzen des Erlaubten
führte, durfte er den ganzen Schwung seines
DEKOR.VTIVES BILL): »CHLEO«
eigentümlichen Genies entfalten. Da fand er
auch einen unvergleichlichen Befürworter und
Ausleger in Josephin Peladan.
Seine Aquarellentwürfe, in Hunderten von
Blättern zerstreut, die wohl prunkvolle Taumel-
spiele vorbereiten, kann man für sich schätzen,
für voUendeteKunstwerke halten, mit demselben
Recht wie ein Gemälde oder eine Radierung.
Man braucht selbstverständlich nicht einer Auf-
führung der Cleopatra, des Narziß, des St.
Sebastian beigewohnt zu haben, um das Kunst-
ideal wahrzunehmen, das da im Begriffe der Ver-
wirklichung steht. Es handelt sich nicht nur um
Kostüme, sondern um Leben und Bewegung:
die Bewegung, die sich der Künstler als typisch
für die Person und den Charakter der Rolle
wünscht, ist da ausdrücklich gezeigt, ebenso
wie auch die Art, in der der Stoff gefaltet, ge-
rafft, durchbrochen, genäht werden muß. Es
steckt darin nicht nur das Modell, wie sich der
Mime zu kleiden hat, sondern er gibt vielmehr
einen Einblick in die Gemütsart des Dar-
gestellten. An Stelle der gekleideten Puppe
ist hier, mit Bewegung und Gebärde, die un-
trennbare Übereinstimmung der Person mit der
Rolle, ihrer Individualität mit der Gesamt-
wirkung getreten. Denn außer den Kostümen
gibt es auch die Gesamtdekoration und die
Massengruppierungen. Gerade in solchen
Gruppierungen zeichnet sich Bakst vielleicht
noch mehr aus als im Entwerfen der einzelnen
Gestalten. Wer das Glück hatte, sich jenen
3"
'llö
w^^ -
LEON BAKST-PARIS. -BACCHANTIN«
KOSTÜM -SMZZE FÜR DAS RUSSISCHE BALLEIT.
K^ K <; T
•| r
LfeON BAKST PARIS. »SATYR-
KOSTÜM-SKIZZE FIR DAS RUSS. Il,\LLEn .
LE(3N BAKST-PARIS. »XEGER«
KOStCM-SKIZZE für das RUSS. BALLETT.
'^:^<6
LEON BAKSi PAK IS. KOSTÜM-SKizzE
KÜR DAS RUSSISCHE BALLETT .DIEU BLEU«
L BAKST-PARIS. »SCHEHEREZADE«
KOSTÜM-SKIZZE FÜR DAS RUSSISCHE BALLETT.
^
.ii.
LtON BAKST PARIS. -BACCHANTIN
KOSTi•M-^KlZZE KLR DAS BAI I.EIT NARCISSE«
1913. IV. 4.
1
L BAKST-PARIS. »JUNGER BÖOTIER«
KOSTÜM-SKIZZE FÜR DAS BALLETT »NARCISSE«
Balleitskizzcn von fxou Bakst— Paris.
weniger frei bewegt, wenn er eine relativ
moderne Handlung schildern will, so den
Carneval von Schumann z. B., wo wir mehr
den Eindruck bekommen, ältere Modezeitungen
des vorigen Jahrhunderts zu durchblättern.
Der hellenischen Antike steht freilich Asien
viel näher als unsere moderne Welt: an einem
Samurai hätte nötigenfalls ein Zuschauer der
der Bacchanalien teilhaftigen Stücke Aristo-
phanes oder ein Erzähler der milesischen Mär-
chen sein Gefallen finden können, nie aber ein
Stutzer aus der Zeit des Directoire, ein Dandy
von 1830 oder der „Löwe" von 1848. Man
kann sich leicht javanesische Tänzerinnen in
den berüchtigten Häusern Alexandriens oder
Rhodos vorstellen, nicht aber eine in Reifrock
steckende Soubrette oder ein Frauenzimmer-
chen mit Krinoline. Das vollkommenste was
die Welt seit der Athener Zeil als künstlerische
Übereinstimmung des Lebens und der Um-
gebung im Lichte eines frohen und normalen
Daseins je erblickte, war vielleicht Japan. Das
abendländische Mittelalter gab ebenfalls ein
schönes Beispiel der Einigkeit in Gedanken,
Beweggründen und Lebensweise, der Freude,
des Leides und der Buße, jedoch zum Besten
eines ganz und gar religiösen Ideals. Wir
sprechen hier vom Standpunkt des rein Mensch-
=^^'-
^.,
liehen, Physischen und Körperlichen aus. Spek-
takelstücke, wie sie uns Bakst vorführt, haben
selbstredend mit dem christlichen Ideal und
der aus demselben entsprungenen philosophi-
schen und ästhetischen Theorien nicht das ge-
ringste zu tun. Ich wiederhole es, sie bedeuten
eine deutliche Rückkehr zum sinnlichen Heiden-
tum. Daher auch ihre gesunde, ergötzliche
Kühnheit. Ängstliche Bedenken und Gewissens-
zweifel hemmen sie nicht. Ihre Schönheit und
Zweckdienlichkeit bilden ihr Unschuldskleid.
Sie zeigen uns keine ätherischen, sittsamen
Tänzerinnen mehr, keine im Mondschein sich
schwingende Taglioni-Sylphide, keine anständig
provokante Spanierin wie die Fanny Eisler,
wenn sie mit ihrer berühmten „Cachucha" bei
unseren Großmüttern Anstoß und Verwunde-
rung erregte. Bakst stellt rund heraus Bacchan-
ten mit allen Merkmalen des tierischen Zu-
standes, wenn es sein soll. Er läßt auf das
Podium nicht mehr Scharen von „petites Car-
dinal", sondern die Lebensfülle der Natur stür-
zen. Wir sehen die Gestalten seiner Phantasie
so an, wie wir Satyrn und Ägipane in der
primitiven Waldung anstaunen würden. Tot
war der große Pan und ist einfach wieder auf-
erstanden. Keiner von uns denkt mehr daran,
ihn als teuflisch zu beschwören. — w. r.
'^m>w,M>^
^
i'^'-JL-::^
LEON BAKST— PARIS. KOSTÜM-SKIZZE FÜR DAS RUSSISCHE HALLETT.
ARCH. ALBERT GESSNER-CHARLOTTENBURG.
WOHNHAUS LANDRAT RÖTGER-GRUNEAVALD.
Al.BEKT GE6SNER CHARLOI I E.NKUKG.
Wohnhaus i.amjkat Ktnoi.K. oaktknseite.
ARCHITEKT ALBERT GESSNER-CHARLOTTENBURG.
Wir leben im Wechsel der Stilmolive. Was
vor dem Maschinen-Zeitalter Jahrhunderte
währte, regiert jetzt kaum Jahrzehnte. Es ist
ein Symptom der Zeit — dieses Hasten, dieses
Aufnehmen neuer Ideen. Heut lebt man nicht
mehr mit den Dingen, ist sich ihres Wertes für
die Verschönerung seines Lebens nicht so be-
wußt wie in vergangenen Zeiten. Nützlichkeits-
sinn, Nüchternheit, Herzlosigkeit dominieren
allerorts — Amerikanismus.
Aber wir sind Deutsche. Die Romantik liegt
uns im Blute. Und so lenkt man bereits wieder
den Blick auf die Kunst der Vorfahren, die rein
aus idealer Freude am Dasein alle ihre Lebens-
geräte zu schmücken wußten. — Wenn nur der
Kern des Biedermeiertums beherzigt würde,
sein Wesen — und nicht das rein Äußerliche
daran, dann wäre es gut. So aber ist ein F'ußen
auf der Tradition nichts weiter, wie eben Roman-
tik; derCeist derCroQeltern spukt in denKöpfen
der Enkel herum, und damit wird die moderne
Biedermeierei zur unfruchtbaren Imitation.
Auch die gute alte Volkskunst, die natio-
nale Hausindustrie beginnt man wieder zu lie-
ben. Steckt zweifellos auch in dieser Begeiste-
rung ein Stück Romantik, so ist das Sich-Be-
wußtwerden ihres Wertes immerhin sehr er-
freulich. Denn der Sinn der Sache ist der: die
alte bäuerliche Handwerkskunst entstand —
obgleich stets Niederschlag einer entwickelten
städtischen Kunstkultur — allemal aus einem
eigenen lebhaften Formgefühl und eigener Liebe
zum Schmücken. Der Effekt dieser gesunden
Kunst war stets eine fabelhafte, innere Einheit,
war neues, eigenes Leben. In dem Sinne ist
sie stark und sollte sie uns fürwahr ein Vorbild
sein für unser kunstgewerbliches Schaffen.
Einer von den neueren norddeutschen Künst-
lern, die die Bedeutung dieser Kunst für die
Moderne voll erfassen, ist Albert Geßner.
Er ist durchdrungen von der ethischen Bedeu-
tung des Kunstgewerbes. Er will, daß es die
Menschen mit durchgeistigtem Behagen erfüllt.
Geßners Wohngerät hat starke Berührungs-
I»l3 iV 5.
327
ALBERT GESSNER-CHARLOTTENBURG.
SEITENANSICHT DES HAUSES RÖTGER.
AUSFi^HR: DAS WERKHAUS«- CHARI.OTTENBURG.
Architekt Albert Geßner— Charlottetihirg.
M.llERT GESSM.R CH.VRI.01TENBUR0.
punkte mit der guten alten Volkskunst. Diese
Möbel gewinnen erst im Rahmen des Ganzen
— der Hauses oder jedenfalls der Wohnung —
eigenes Leben. Diese Räume atmen eine Liebe
zur Sache sondergleichen und stehen so recht
zur oberflächlichen Scheinkultur unserer heuti-
gen Kunstindustrie. Und weiter: diese Freude
am Farbigen, welche mannigfache bunte Farb-
stellungen und satte Wirkungen bevorzugt!
Das prickelnde dekorative Beiwerk, dieser
Überschuß an Phantasie, die dem Künstler zur
Quelle der Kunst wird, gibt dann den Räumen
die besondere eigene Note. Fast zu eigen mit-
unter — aber der Künstler steht noch unter
dem Zeichen der Kulturarbeit. Geßner schafft
auch für den einfachen Mittelstand; er bevor-
zugt dabei das gestrichene Möbel.
Besonders hervorgehoben sei hier nur die
Diele in dem neuen Landhaus Rötger im
Grunewald. Wie stimmungsvoll ist dieserRaum,
wie wuchtig wirkt derselbe mit dem derbgefüg-
ten Treppengeländer und den Lambris der
Wände! Fein steht die dunkelgrüne Farbe ge-
gen das Weiß des Putzes. Eine kultivierte bunte
H.\i:S KuTGl.K UKI .NE\V.\I.I). HRU N NENHOF.
Farbenfröhlichkeit. Gerade diese Diele ist für
GeßnersArt charakteristisch. Ideenassoziation
läßt uns an nordfriesische Piesel und nieder-
sächsische Wohnstuben denken.
Geßner wendet so ziemlich jedem kunstge-
werblichen Gegenstande seine Liebe und Sorg-
falt zu. Auch auf Baugefügeteile wie Haus-
flurlampen, Linoleum, Treppenläufer , FUe-
sen, Kacheln, Öfen und Türbeschläge.
Sehr unterstützt wird der Künstler in der
Ausführung seiner Pläne durch die Organisation
des Werkhauses in Charloltenburg, das sich
ganz in seinen Dienst gestellt hat und seine Mö-
bel, sowie alle jene oben erwähnten Baugefüge-
teile ausführt und auf den Markt bringt. F.s ist
erfreulich, festzustellen, daß dieses Unterneh-
men die Stamm-Ausstellungsräume in der Nie-
buhrstraße um zwei weitere Ausstellungen am
Stadtpark in Schöneberg und in der Kaiser-Allee
in Wilmersdorf erweitert hat — ein Beweis für
die Werbekraft neuzeitlich schöner Gerätekunst.
Von Geßners Wohnhäusern läßt sich ähn-
liches sagen wie von seinen Möbeln. Wie volks-
tümlich muten die bekannten Charlottenburger
329
ARCHITEKT ALBERT GESSNER. TERRASSEN UND TEE-PAVILLON. WOHNHAUS KÖTGER -GRUNEWALD.
Architekt Albert Geßner- Ckarlottevbiirg.
ALIlKKT iiF>S.SEK CllAKLOT 1 F.MlUKG.
Mietshäuser an durch die wohltuende farbig-
lebendiße Bildrnäßi<skeit sowie Großzügigkeit
in der Massenverleilung, durch die wie selbst-
verständlich erscheinende Einheit von räum-
licher Gestaltung und charaktervoller Front!
Und nur soweit diese Häuser der sprechende
architektonische Ausdruck waren für das über
Nacht gekommene großstädtische Massenquar-
tier, wirkten sie „modern". Es ist klar: ohne
den Boden einer gesunden Tradition keine
Stilenlwicklung.
Gerade in unserer Zeit, der etwas eigentüm-
lich Unentschiedenes und Dissonanzreiches an-
haftet, brauchen wir Klassiker im Bauwesen,
die die ererbten Formen mit neuem Geist
erfüllen. Männer, die den Zeitwillen instinktiv
fühlen. Architektur muß aus dem Volksemp-
finden entspringen, wenn sie Ausdruck unserer
kulturellen Verhältnisse sein soll. Daher ist es
erfreulich, wenn auch das bauende, konser-
vativ gesinnte l'ublikum anfängt, ästhetisches
Wollen zu bekunden wie zur Zeit der Vorfahren.
So eigentlich ist die Konzeption des Wohn-
hauses Rölger im Grunewald zu würdigen,
WOH.NH.W.S ROTIIKK. BKU.N.NKNlldK.
das in seiner einfachen klaren Gliederung von
natürlicher Anhöhe den Beschauer grüßt. Ein
echter Herrensitz. Und aus dem von Garten-
anlage (deren Urheber Königl. Gartendirektor
Willy Lange) und Haus geschaffenen rhyth-
mischen Rahmen lugt als selbständiges Glied
das überaus liebenswürdig empfundene Tee-
häuschen ein wenig dekorativ -keck in seiner
weiß-grün-roten Buntheit hervor. —
Das suburbanc Eigenwohnhaus dient im
Grunde mehr der Repräsentation. Der Bau-
herr, der im Grunewald sich sein Heim schafft,
wünscht von Haus und Garten weniger den
Ciiarakter reiner Ländlichkeit als architekto-
nische Eleganz. Daß Geßner das Haus auf dem
Lande — fein differenzierend — entsprechend
freier behandelt, zeigt ein Landhaus in Zehlen-
dorf. Daß er anderseits, wo erforderlich, das
Haus dem Charakter der architektonischen Um-
gebung anpaßt, veranschaulicht der Umbau
des Hauses Kahle in Potsdam, welches sich der
charakleristisciien Backsteinarchiteklur des hol-
ländischen Viertels aus der Zeit Friedrich Wil-
helms \. organisch einfügt. curt p.m.iman.v.
33«
ALBERT
GKSSNEK-
CHARLOTTEN-
BURG.
TEEPAVILLON.
HAUS RÖTGER-
GRUNEWAI.li.
ZUR PSYCHOLOGIE DER MODE.
Die von der Leitung des HohenzoUern-Kunst-
gewerbehauses veranstaltete „Galerie der
Moden", dieser geschichtliche Überblick über
die Entwicklung der beweglichsten und schein-
bar oberflächlichsten unsererKulturäußerungen,
die dennoch, wie ein aufmerksamererBlick lehrt,
mit dem innersten Wesen unseres individuellen
wie gesellschaftlichen Daseins und seiner wirt-
schaftlichen Organisation im engsten Zusammen-
hange steht, sodaß sie erst in dem Augenblick,
in dem die von heute durch jene von morgen
verdrängt wird, aufhört vom Blut des Gesamt-
organismus gespeist zu werden, regt zu einigen
allgemeinen Betrachtungen an. — Allzuleicht
ist man geneigt, über die Mode zu lächeln und
über die, so ihre Geschmacks-Sym- und Anti-
pathien von ihr abhängig machen, und läßt nur
bei Frauen eine Ausnahme gelten. Mir scheint
mit Unrecht; denn die Stellung des Einzelnen
zu ihr läßt wertvolle Aufschlüsse über dessen
Wesen zu. Die Entwicklung der Mode ist gleich
der der gesamten Kultur ein Continuum, in
dessen Weben wir alle mitschwingen, dem sich
niemand entziehen kann, wofern er am geistigen
Leben jener noch Anteil hat; er sei denn ein
Anachoret, der in der Einsamkeit, abgewandt
von der Welt des Tages, ohne Mitwirkung an
ihrem Sein, sich einzig in die Betrachtung des
Ewigen versenke, um zwischen Geburt und Tod
unter Ausschaltung des Diesseits den Faden
332
ALB. GESSNER- CHARLOTTENBURG.
INNEXRAUM DES TEE -PAVILLONS.
AUSHCHR; sWF.KKH.XUS CH.ARI.OTTF.NIiURG.
ALBERT GESSXER- CHARLi fllEXBURG.
DIELE IM HAUSE LANDRAT RÖTGER.
AUSFÜHRUNG : »WERKHAUS« - CHARLOTTENBURG.
AI. BERT GKSSNER-CHARLOITENHURG.
HERRENZIMMER IN POLIERTER BIRKE.
U'1;KKHAUS< -AirsSTELI.G.— HF.RIIN-WILMKRSIJORF.
1»13. IV. 6.
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fr-
1
ALBERT GESSNER -CK,-
EINGEBAUTE BÜCHERSCHRÄNKE IN DE:-
ALBERT GESSNER— CH.\RLOj iENfcVÄij. Ei-NGLbA^Ti iCHR_\NK£ IM ^CHL.^FZIiIMER WOHNHAUS Ri.'TGER.
Zur Psvc/iolooie der Mode.
\ii>i;ri üt>>MiK. hi:kkf.n/.immek in i;i;u-Ai;ii,si um w.
zum ewijjen Leben zu knüpfen. Wir andern
aber sind ihr verpflichlel. In Nichts mit der
Mode lehen beweist daher ebensogut Unzu-
länglichkeiten, wie bis in ihre letzten Kleinlich-
keiten ihr Sklave zu sein. So haben bedeutende
Menschen sich ihr nicht entzogen, sie bevor-
zugten Kleider nach modischem Schnitt, —
mochten sie sie auch ihrer Individualität je nach
Bedürfnis anpassen — während der unfrucht-
bare Stubengelehrte sich ihr verschließt. Ein
Mensch, der mit seiner Zeit wächst — und dieses
Wachsen ist vor allem das Zeichen schöpferischer
Geister — kann in etwa die Fühlung zur herr-
schenden Mode nicht aufgeben, die wie alles
andere ein sichtbarer Ausdruck dernie ruhenden
äußeren Bewegung der Menschheit ist und an
tiefe Gesetze gebunden. Nicht mehr mit der
Mode gehen, bedeutet Stillstand, Stillstand aber
den Abschluß der inneren Entwicklung. Haß
gegen eine Mode ist das sicherste Zeichen, daß
einer unter dem Bewußtsein leidet, nicht mehr
mit zu können ; wie denn auch Frauen, deren
Entwicklungsfähigkeit und Anpassungsbedürf-
nis ein leichteres und rascheres, weil weniger
.uM. UKKKIl.
1,KK1.1N-S1 IloMJilORli
an eine tiefe und persönliche Geistesstruktur
gebunden, selten auf diesen toten Punkt kom-
men. Darin liegt kein Tadel für die Frau; allem
Geschrei moderner Entartung zum Trotz bedarf
die Frau dieses mehr unpersönlichen Zuges ihrer
Physis aufs dringendste für den einzigen und
hohen Beruf, dahin die Natur sie gestellt hat,
und in dem sie das Mittel des Sich-Schmückens
und Reizens nicht entraten kann. So ist das
Weib auch in diesem Sinne der Natur näher ge-
blieben, ja ein Stück Natur selbst ; denn während
der Mann eher ihren inneren treibenden Kräften
ähnelt, gleicht das Weib ihrem wechselnden
Selbstvollzug, der unter dem Wandel von Früh-
ling und Sommer ihr Kleid mit Blüten und
Früchten übersäet.
Was den Durchschnittsmenschen angeht, so
ist es die Regel, daß er in der Jugend die Mode
mitmacht, später verlacht oder krampfhaft an
jener festhält, darin er in jungen Tagen glänzte.
Der Wechsel der Mode in seinen letzten und
feinsten Äußerungen vollzieht sich im Grunde
nur dadurch, daß wir die Welt an jedem Tage
mit anderen Augen ansehen, weil wir das Ge-
337
ALBERT GESSNER CHARLOTTENBURG.
UMBAU DES HAUSES KAHLE-POTSDAM.
Zur Psychologie der Mode.
ARCH. Al.BKKT ÜESSNER. WOHN- U. ESSZIMMEK. KU Hl. IIKI.L GKKAUC'HEKT. AUSK: i WERKHAUS«- CHARLOTTENBURG.
wohnte nicht mehr sehen, oder aber uns leid
jjesehen haben; so ändert unser wachsender
Geist unaufhaltsam an seiner Umgebung, daß
sie mit ihm im gleichen Tempo bleibe. Und
dieser Fortgang der Mode, diese Auswicklung
unsrer Einkleidung jeder Art, ein allmähliches
Steigen und Sinken, ein Vergrößern und Ver-
kleinern der Form, ein Vereinfachen oder Be-
reichern, ist ein Werden, das engen Zusammen-
hang unterhält mit den geistigen Strömungen
aller Gebiete — (eine Persönlichkeit wie die
Napoleons tritt auf und ohne es zu wollen, allein
durch den geistigen Zuschnitt, den er der Zeit
und Weltlage vorschreibt, wird auch die Mode
der .Äußerlichkeit in gänzlich neue Bahnen ge-
lenkt, dazu die Keime dennoch schon im Boden
lagen) — und den wirtschaftlichen Zuständen
obendrein, von denen ihre Herstellung wieder
abhängt; Zustände, diesie ihrerseits dann gleich-
falls tyrannisch beherrschen, da sie an eherne
Gesetze gebunden sind und auf unrentable For-
derungen nicht eingehen können, sodaß von den
Kaprizen eines Einzelnen nur bis zu einem ge-
wissen Grade die Rede sein kann. Dies alles
macht, daß wir in dem, was der Fabrikant uns
bietet, jedesmal ein dem Einzelnen noch un-
klares, kaum erst geahntes Geschmacksbedürf-
nis befriedigten und leicht zu erkennen glauben,
daß das neue Produkt, das in der Tat logisch
aus der Form des früheren floß, so sehr eine
industrielle Spekulation und Produktionsbedin-
gungen bei der Erfindung wie Herstellung ihre
Hand mit im Spiele gehabt haben mögen, eine
Notwendigkeit erfülle. Es mag selbst ihnen ein-
leuchten, die dem Zwang des Wechsels der
Mode sich entziehen zu können glauben, wenn
sie in ihrem Kleiderschrank zufällig auf den Hut
stoßen, den sie vor zehn Jahren trugen. Be-
haupten zu wollen, man habe in der Form des
1 lulfassons einen absoluten Fortschritt gemacht,
wäre lächerlich ; der in die Augen fallende Kon-
trast, der diese Vermutung aufkommen zu lassen
versucht, entsteht allein, weil von den damals
üblichen Fassons zu den heutigen unter Aus-
schaltung der dazwischen liegenden Glieder,
ein Sprung vorliegt, den die Mode von heute
auf morgen nie macht. Dazu vergleiche man das
langsame Entstehen und ebensolche Verschwin-
den der Krinoline, deren letzter Rest mit der
Tournüre bis in die achtziger.Jahre fortlebte, um
339
.Jki^
ALBERT GESSNER-CHARLOTTENBURG.
DAMENSALON, GRAU LACKIERT U. GESCHLIFFEN M.
VERGOLD. AUSF: »WERKHAUS«-CHARL0TTENBURG.
Zur Psycfu>lo<rie der Mode.
AlllKRT GK-.>.\KK. HF.K KKN/.IMMFR. EICHE DUNKEL l.EKArcHEK 1 . »WEKKHAUS -AL'SSTELLI:M ; r.EKElN-S( UmM |IK
dann dem glatten Rock endgiltig zu weichen,
der seinerseits begann Raffinements zu entfalten,
in deren Kulmination wir vielleicht heute stehen.
Der Forlschritt ist in der Mode nur ein relativer,
und wir werden in nicht allzu ferner Zeit auf
einen der früheren uns heute grotesk schei-
nenden Punkte anlangen, wird das Produkt auch
nie in jeder Beziehung das gleiche sein können,
dagegen sich die sozialen und technischen Er-
scheinungen nicht selten wehren; so ist es mit
der Krinoline in einem Zeitalter elektrischer
Verkehrsbedingungen wohl für immer dahin.
Für das Werden der Mode, für das die Frau
heute der lebhaftere Anreger ist als der Mann,
dessen unkompliziertere Kleidung nach den
Tagen der französischen Revolution weniger
einschneidenden Schwankungen unterworfen ist,
gibt uns ferner wertvolle Aufsclilüsse das Wer-
den des Frauentypus, der nach mancher Rich-
tung ihr Entstehen mitbestimmt, zumal hinsicht-
lich ihrer sinnlichen Wirkung, und der wie die
Mode einer fortgesetzten Wandlung untersteht.
Es ist ein Unterschied, ob die große blonde
oder kleine schwarze Frau, die sentimental-
elegische oder erotisch-frivole den Ton angibt;
ihr Einfluß wird nicht zu verkennen sein. Man
nehme dazu eine Porträtsammlung, die die letz-
ten hundert Jahre umspannt, oder vergleiche die
Köpfe auf den Modebiältern der gleichen Zeit
miteinander, die Gestalten wie ihre Gesten,
deren äußere Haut das jedesmalige Kleid nur
ist. Man vergleiche den Typus auf den Bildern
der Boucher und Fragonard mit dem der Ga-
varnis und Guys und später mit Rops und
Lautrec. Dann das Auftreten des englischen Ty-
pus: dasKindliche wurde durch ihn eingeführt. Mit
Leichtigkeit wird man erkennen, wie sehr diese
Typen die Moden ihrer Zeit vorschrieben. Uns
heute ist jener auf den Modeblättern der fünf-
ziger und sechziger Jahre der sympathischste,
auf dem der neue Mensch, der nach der Revo-
lution heraufkam, nicht als Modepuppe wie häu-
fig auf denen des 18. Jahrh., vor uns steht, viel-
mehr sich förmlich in seinem Lebenselement er-
geht, so daß diese Blätter auch als Kulturdoku-
mente die weitaus wichtigeren sind. Wir treffen
auf ihnen jenen Typus an, in dem sich die Sen-
timentalität der Frauen Gavarnis, die der Ro-
34«
o
ALBKRT GESSNER- CHARLOTTENBURG.
SCHLAFZIMMER, KIRSCHBAUM POLIERT M. NUSSBAUM-
EINLAGEN. AUSF: »WERKHAUS -CHARLOTTENBURG.
Zjcr Psychologie der Mode.
\ 1.BERT GESSNER- CHARLOTTEN BURG.
mantik, langsam in jene großzügige und vornehme
Sinnlichkeit derer des Guys, die den Stil des
zweiten Kaiserreiches schufen, fortentwickeln.
Gewiß lag es von jeher im Wesen der Frauen-
kleidung, vornehmlich seit dem 18. Jahrhundert,
die Sinnlichkeit zu erregen, doch scheint es,
daß man hierin nie so unverblümt zu Wege
ging, wie in unseren Tagen: seit 1870 macht
sich ein immer unverhüUteresHerausarbeiten von
Bein und Hüfte geltend. In der reinen Krino-
line glichen die Frauen noch zarten Glocken-
blumen. Man stelle die Profile von 1850 und
1900 nebeneinander: damals die Dame, bei
unserem Künstler die Dirne. Doch wie sehr der
Geschmack der Zeit und der Gesellschaft her-
untergekommen ist, mag der Kenner in den
„Giftschränken" der Bibliophilen nachsehen;
was der Staatsanwalt als obszöne Bilder unter
den Paragraphen 1 81 rangiert, glich damals noch
Kunstwerken, heute erregt es Übelkeit. —
Die Mode ist am Gesellschaftsorganismus eine
AUS NEBENSTKllt.MJEM .Sl 11I.,\I' /.IMMER.
verwandte Erscheinungsform, wie die Kunst im
Leben einzelner, schaffender Individuen. Beide
geben sich, d. h. den Spiegel ihrer Lebens-
empfindung, und die Zeit findet und erkennt
sich darin wieder. Deshalb wird sie vornehm-
lich von solchen gepflegt und angegeben, deren
inneres Leben sich in dieser Form erschöpft
und manifestiert, die sich damit begnügen und
bemühen, die sinnliche Sphäre ihres Daseins
zum Kunstwerk zu gestalten, d. h. von Frauen
und vom Dandy, den also im Geistigen un-
schöpferischen Typen. Da der Herstellungs-
prozeß der Modeobjekle aber nicht wie in der
Kunst an Willen und Kräftevermögen eines
Einzelnen gebunden ist, vielmehr der Hilfe eines
höchst komplizierten Apparates bedarf, so hilft
— es ist in dessen Frhaltungsprinzip begrün-
det — wie schon betont aus rein praktischen
Gründen die Industrie als Erfinderin nach, um den
Wandel als Verschleißerreger zu beschleunigen :
auf diese Weise ist die Mode einmal eins der
1(18. IV. r
343
Zur Psvchologie der Mode.
ALBERT GESSNER- CHARLOTTENBURG. SCHLAFZIMMER CKEMEKARB. LACKIERT. AUSF: i\VERKH.\US< -CH.\RLOTTENBURG.
dankbarsten Ausnutzungsobjekle der Industrie,
wie ihr Wesen auf allen andern industriellen
Gebieten als Reizmittel zu schnellerem Ver-
schleiß künstlich herangezogen wird, um die
Produktion auf dem laufenden zu halten. Sinn-
liche Anregungen und Bedürfnisse, technische
Notwendigkeiten und soziale Gesetzmäßigkeiten
aller Art lassen also ihre Fäden als Kette
undEinschlag zusammenfließen, umdasGewand
dieser heiteren und sorglosen Fee zu spinnen.
So ruft die Frau, die vielgelästerten Mode-
launen diktierend, eine Wirkung von weit-
tragender sozialer Bedeutung hervor und offen-
bart gerade durch diesen anscheinend unsozialen
Zug die innerste Natur ihres Wesens, die sich
auf diese Weise, allen Emanzipationstheorien
zum Trotz, als von der Versklavung durch die
Tyrannei der Arbeit auszuschließen bezeichnet :
wäre es nicht so, längst hätte die Frau all-
gemein das schmückende Kleid, das auf der
344
Zur Psychologie der Jl/ode.
ALIlKRl i.t>SNER < II ARLOTTENBUKi..
Linie der Sozio-Biologie der Menschheit noch
auf der gleichen Höhe steht wie jenes, dessen
letzten Reste für den Mann mit dem 18. Jahr-
hundert für immer dahin sind, mit der freud-
und farblosen Arbeitshose, vertauschen müssen.
Damit wäre dann auch die Voraussetzung für
die heute so eifrig propagierte Beteiligung am
Wahlrecht erfüllt. Wie wenig aber die Natur
sich nach dieser Richtung vergewaltigen zu
lassen Neigung zeigt, ging zur Evidenz daraus
hervor, daß der Hosenrock nur ein koketter
\V.\SCHT< 11 LETTE .\US NEBE.NSl EHENUEM SCHIAl/.lMMEK.
und perverser pariser Boulevardwitz blieb. —
Die Entwicklung der Kleidung innerhalb der
Gesellschaft nahm ihren Weg in dieser Ebene,
doch ward nur der Mann als der schaffende,
organisierende, dienende von ihr betroffen,
während das Weib allein, — so sehr die sozia-
lisierenden Lügengeisfer unter ihrem mißver-
standenen Begriff der Freiheit ihm das Gegen-
teil immer wieder einreden möchten — sich
in der Kleidung wie gesellschaftlichen Stellung
jener vollständigen Unabhängigkeit und Freiheit
345
Z^ir Psychologie der Mode.
erfreut, die der Mann in den Tagen jenes
Herrentums kannte, da auch er das lange Kleid
trug und nur der Sklave die Hose, wie es bis
auf unsere Tage im Orient verblieben ist. Bei
uns hat sich das lange Kleid für den Mann
nur in symbolischer Bedeutung erhalten, um in
seinem Träger die herrschende wie Ehrfurcht
heischende Macht einer gewaltigen Institution,
sei es nun die des Gerichts oder der Kirche
sichtbar zu machen ; daneben auf dem äußersten
Punkt der Parallelentwicklung, als denkbarster
Gegensatz dieses Würdenkleides, sich, gleich-
falls als Symbol, für die Stellung des Mannes,
der innerhalb der Gesellschaft für die vollendete
soziale Sicherung seines Dienertums seine letzte
Freiheit, d. h. die einer persönlichen Meinung
hingab, die Uniform herausbildete, als Zeichen,
daß er nur das Glied einer mächtigen, ihren
Einfluß in die entlegensten Gebiete ergießenden
Organisation ist. — Zwischen beiden steht das
Weib, als soziales Signum nach wie vor im langen
Kleide als jener Typen denkbarster Gegensatz,
indem es blieb, was jene anfangs waren, immer
sich selbst gleich, im Kampf und Streit der Mei-
nungen die unwandelbare Einheit; je strenger
der Mann unter dem Zwang der Zeit sein Kleid
uniformierte, je reicher übergoß es seinen
Schleier mit Blüten. —
RUDOLF KLKI.N.
ALB G ESSNER
TOILETTEN-
TISCH AUS
VORSTEHEND
SCHLAFZIMM
HERTA KOCH — DARMSTADT
ENTWURF FÜR EINEN DRUCKSTOFF
HERTA KOCH
UAKMSTAIil
DRUCKSTOKl---
ENTWURF.
STOFFE UND STICKEREIEN VON HERTA KOCH.
I^'s liegt ein gewisses Ungestüm in der Art,
_^ wie das Kunstgewerbe nach der langen
ornamentalen Enthaltsamkeit sich des Orna-
mentes wieder bemächtigte. Das zeigt sich be-
sonders an den Dekorations-Stoffen. Nach den
glatten und einfarbigen Stoffen kommen nun
nicht etwa mäßig be-
lebte in Aufnahme,
sondern Muster von
einem wahren Über-
schwang an Formen
und Farben, Erzeug-
nisse einer üppigen
und ungehemmten
Phantasie. Blumen-
fülle ist schwelgerisch
über die Fläche aus-
gegossen ; vor Blatt-
und Blütenwerk, das
tropisch wuchert,
schwindet der Begriff
des Untergrundes völ-
lig dahin. Dazu ein
wahres Feuerwerk
starker Farben, bald
tief und glühend in
dunklen Tönen, bald
voll lichter , rosiger,
strahlender Heiterkeit.
HERTA KOCH— DARMSTAIJT. DRUCKSTOFF-ENTWIRF.
Es ist wie die holde, wirre, sinnlose Fruchtbar-
keit südlicher Pflanzenwelten. Im Innenraume
arbeiten diese verschwenderisch geschmückten
Stoffe sehr schön mit den immer noch schlichten
und ihre großen glänzenden Flächen ruhig ent-
faltenden Möbeln zusammen. Gardinen, Vor-
hänge, Bettverklei-
dung, Möbelbezüge
— in ihnen lebt sich
jubelnd der Schmuck-
trieb aus. — Die er-
sten Stoffe dieser Art
kamen von England.
Alsbald aber haben
deutsche Künstler und
Firmen die englische
Anregung aufgegriffen
und ausgebaut. —
Herta Koch, eine
der schönsten neue-
ren Begabungen auf
diesem Gebiete, ist
an dieser Stelle schon
mehrfach mit „flächen-
künstlerischen" Ar-
beiten hervorgetre-
ten. Und stets war es
ein feiner, gebildeter
Geist, der aus ihren
349
HERTA KOCH-
UARM STADT
I )RUCKSTOFI'-
ENTWÜRFE.
IIFRTA KiHl'
liAKMSl'ADI
DKUCKSTOKK-
KNTWÜRIK.
KNIWUKF: HERTA KOCH-DARMSTADT.
UKI'CKSTOFFE. AUSF: RIESLING, HIEMANX & IlIPPMANN.
HERTA KUCH. GÜBELIM STOFF.
LINKRUSTA KKuXE.N.MARKE-
AUSFÜHR: RIESLING, HIEMANN & DIPPM.\NN- LEIPZIG. AUSF: WESTD. LINRRUSTAFABRIK W. WANRELMUTH-VALLENDAR.
352
IIF.RIA KOCH— DARMSTAUT.
HERTA K^hH-
IJARMSTADT.
DRUCKSTOFF-ENTWURFE.
Oll
liRUCKSIOKK
K. VORHÄNCiK.
Af.SFl'llRI'NC. Klt>MN<;, IUI M \\N ,>. HIITMANN I.F.IFZIG.
1913. IV. S.
ENTW : HERTA KOCH— DARMSTADT.
KISSEN MIT FARBIGER STICKEREI.
ENTW. U. AUSFÜHRUNG: HERTA KOCH— ÜARMSTADT. H.\NDT.\SCHCHEN. r.\REIGE STICKEREI AVY SCHWARZEM GRUND.
So/fe und Stickereien 7<0)i He>ia Koch
ENTWURF: HEKTA KOCH— DARMSTAUT.
Schöpfungen sprach, eine außerordentlich ent-
wickelte und doch beherrschte Erfindungsgabe
und der sicherste Geschmack. Ihre Lei-
stungen können geradezu als Demon-
strationsbeispiele zur Ästhetik des
Fläch enschmuckesdienen:beimgrößten
Reichtum doch Ruhe und Vorne hmlieit
des hindrucks, wenige Überschneidungen,
keinerlei stilwidrige Tiefenwirkungen, flacher,
leppichartiger Charakter, vollkommene Wahrung
der Einheit der Ebene. Weiter: Bei Stoffen,
die voraussichtlich meist zu Vorhängen etc.,
also zu hängenden Dekorationen verwendet
werden, bewegt sich auch das Leben des Orna-
mentes deutlich in senkrechter Richtung, indem
hochstrebende Motive sich mit niederhängenden
KISSEN MIl ]• AKlllGER STICKEREI.
lieblich und melodisch begegnen. Über Stoffe,
die vorzugsweise zum Möbelbezugdienen sollen,
breiten sich die Ornamente ruhig und pflanzen-
haft behaglich ohne funktionellen Nebensinn
rein in der Fläche aus. Bei ihren Kissen ent-
wickeln sich die Ornamente sinngemäß und
einheitlich oft aus vasenartigen Gebilden; dazu
kommen Dekorationen, deren Bewegung fries-
artig von der einen Flanke zur andern gehl,
und andere, die sich über einem diagonalen
Schema lebendig aufbauen. Einige der rein
flächenhaften Muster haben Linien, die sich
spiralig ringeln mit runden Endigungen, was
dem Gesamteindruck eine volltönende harmo-
nische Ruhe verleiht. Die Motive selbst knüpfen
zwar immer an Naturvorbilder an, setzen sie
355
S^toße U7id Stickereien von Ilerla Koch
ENTWURF UND AUSFUHKUNG : HERTA KOCH— DARMSTADT. KISSEN. FARBIGE SEIDENSTICKEREI AUF SCHWARZEM RIPS.
aber feinfühlig und erfinderisch in stilistische
Gebilde um. Das Leben der Erfindung selbst
ist von echt kindlicher oder weiblicher Art,
rein, sanft, ausgeglichen und ungebunden phan-
tastisch. Diese Ornamente lesen sich ab wie
liebliche, sinnlos holde Märchen, wie bunte
Kinderträume, wie Mädchengedanken, die sich
kraus und spielerisch ineinanderranken in zärt-
licher Verwirrung. Die junge Künstlerin ver-
spricht eine schöne und ergebnisreiche Ent-
wicklung. WriHKLM MICHKL.
Ä
Weshalb ich zeichnen lernte? Aber weil ....
wdhrhtiftig, ich weiß nicht, was ich antworten soll.
Wenn ich Sie fragte, weshalb Sie das Abc gelernt
haben, was würden Sie antworten? Ihre Antwort
könnte auch die meinige sein. sii;axtini.
356
ENTW. U. AUSF. : HERTA KOCH - DARMSTADT
KISSENPLATTE. SEIDENSTICKEREI AUF ATLAS
I 1
KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.
DK/.KMBER 191J.
DIR KUNST DES ALTEN OSTASIENS. Die
Königliche Akademie hat mit ihrer Aus-
stellung von Werken der alten üstasiatischen Kunst
eine Etappe und einen Maßstab geleistet. Die
historische Durchforschung der Kunstdenkmale Chi-
nas, Japans und Koreas ist während der letzten zehn
Jahre zu der Notwendigkeit entscheidender Um-
wertungen gelangt. Der selbstverständlich genie-
fiende Ästhetizismus der Goncourts wurde abgelöst
durch einen scheidenden Kritizismus, der die etwa
2000 jährige Entwicklungszeit, wie wir sie auf Grund
des Fundmaterials heute zu übersehen vermögen,
nach dem Sdiema der europäischen Kunstgeschidite
aufzuteilen versucht. Das hat den Japanern vieles
von ihrem Ruhm gekostet; das lief; China als
das eigentliche Urland der ostasiatisclien Kunst
erkennen. Dabei ging es nun, wie zu begreifen,
nicht ganz ohne Ungerechtigkeit ab. Mit der Ein-
seitigkeit, die des Forschers Stärke sein kann,
wurde der Japonismus als eine provinzialc Dia-
lektik des Chinesischen, als eine, oft dekadente
Reflexerscheinung gestraft. Besonders schlimm fiel
das Urteil über die einstige grofie Liebe der eu-
ropäischen Sammler, über die Farbenholzsdniitte.
Auch der Katalog der Akademie-Ausstellung glaubt
das Vorhandensein von 200 dieser Moronobus,
Masanobus, Harunobus, Sharakus und Utamaros
als eine Konzession an das Zufalisinteresse der
Europäer entschuldigen zu müssen. Der Augen-
schein Ich-t, dafi Kümmel (der Direktor des künf-
tigen ostasiatischen Museums) mit solcher Vorsicht
ein wenig zu weit geht. Treffen wir doch unter
den frühesten Blättern Ausdruckskräfte, die alle
.Absichten des Futurismus vorauszunehmen schei-
nen; zwingen uns doch die Ivrischen Bildungen
des Harunobus und seiner Freunde den Geist des
Rokokos in einer besonders sublimen Art zu emp-
finden; wirken auf uns doch die Hieroglyphen der
Scfiauspielerköpfe des Sharakus mit fast freskaler
Dämonie. Es wird also nicht nötig sein, wenig-
stens was die Klassik des Holzschnittes betrifft,
eine absolute Revision unseres Empfindens vor-
zunehmen. Was freilich nicht hindert, daf; wir die
uns neugewiesene Grobheit der chinesischen Bronze-
gefäf>e, der Keramiken und vor allem der Rollbilder
des alten Chinas ehrfürchtig anerkennen. Diese
frühen bronzenen Räuchervasen, die von den Fach-
leuten bis in die Zeit vor Christus zurückdatiert
werden, überwältigen uns durch jene archaistische
Monumentalität, die uns, wo wir sie immer treffen,
ob in Mvkene, ob bei den Peruanern, noch immer
voll Grauens erschien: weil wir nictit wissen, wo-
her diese Spannungen organisierter Kraft ihren
Ursprung leiten. Wir stehen ratlos vor der Par-
thenogenesis dieser chinesischen Sakralbronzen,
und treten mit dem gleidien Erstaunen vor die
keramischen Tonvasen, die gleichfalls bis in den
Anfang unserer Zeitrechnung zurückreichen sollen,
die aber auch, wenn sie wie einige andere, korea-
nische, dem 17. Jahrhundert zugewiesen werden,
allein durch die technische Leistung unsere volle
Bewunderung erzwingen. Es haben immer nur
die .Asiaten verstanden, den keramischen Prozessen
ein Äufjerstes abzugewinnen. Das kleinste Tee-
väschen, das uns diese Ausstellung zeigt, nichts
seiend als reine, von asketisdieni Braun geschmückte
Form, macht, daj^ wir darüber alles vergessen,
was das entsinnlichte Europa einst oder heute
sich lehren liej^.
Was könnte man noch alles sagen über die
Setzschirme jener Zeiten, da Europa den Barock
erlebte, oder über die frühen Lacke und die Tsubas
der Myochin-Familie und der Gotomeister; wir
müssen uns damit begnügen: alle Kunstfreunde
nach Berlin zu bitten. Kommet und sehet, sehet
die Musik, zu der Rollbilder, Seidenbrokate, Bron-
zen und Keramiken zusammenschwingen, kki i i:k.
Ä
BERLIN. Die Unterriditsanstalt des Kgl. Kunst-
gewerbemuseums hat nach dreijähriger Pause
wieder den Versuch unternommen, in einer Aus-
stellung von Aufnahmen, Entwürfen, Modellen und
ausgeführten Arbeiten ihrer Schüler der öffentlich-
keit ein Bild ihrer Leistungen vorzuführen. Nicht
so sehr um eine systematische Darstellung des
Bildungsganges, als vielmehr um Proben der auf
jeder Stufe erreichten Resultate war es ihr also zu
tun. Das Ziel der Tagesschule ist nach den aus-
gestellten Arbeiten die sichere Beherrschung des
Handwerkszeugs und der verschiedenen Techniken.
Hat der Schüler im Vorbereitungsunterridit sein
Handwerk gelernt, ohne daf; ihm eine bestimmte
Manier aufgezwungen wäre, gilt es in den FarJi-
klassen zu entwickeln, was an eigenen künstle-
rischen Kräften in ihm schlummert. Nicht nach
irgend einer Methode wird da unterrichtet, jeder
Schüler kann treiben was er will, nur darauf wird
gehalten, daj^ es anständig in der Technik und in
der Gesinnung sei. Überall drängt sich dem Be-
schauer die Betonung handwerklicher Geschicklich-
keit und das Eingehen auf die praktischen Bedürf-
nisse der Industrie auf, werden doch auch die Lehr-
35/
FRAUEN.
BANKETT-
SZENE.
m
»DER PRINZ«
iDER SPIELM.-VNN«
PROFESSOR HEINRICH I.EFLER-WIEN. KOSTCM-ENTWCkFE FÜR DIE WIENER .WFFÜHRrXG DES MIK.\KEI
Kleine Kunst-Nachricliteii.
Werkstätten und tech-
nischen Sonderkurse
ständijj vermehrt. Niclit
ein starres System von
Klassen soll die Unter-
richtsanstalt sein, das
für sich um seiner
selbst willen besteht,
sondern ein lebendig'er
Organismus, in dem
ein Glied ins andere
greift, der auf jede
Anregung von aufien
lebhaft eingeht. So
hofft die .-Xnstalt, dem
selbständigen Hand-
werk und der Industrie
brauchbare Mitarbeiter
und Führer zu erzie-
hen. Und für die Rich-
tigkeit dieser leitenden
(irundsätjC möge neben
Leistungen besonders
begabter Schüler vor
allem die hohe Durch-
schnittsqualität der aus-
gestellten Arbeiten
sprechen. k.\ut/.sch.
\^
I'ROKESSOR HF.INKICH LEFI.ER-WIE.N. KOSTO.M-E.NTWORFE.
WIEN. Die von
Max Rein-
hardt inszenierten
Aufführungen von VoU-
moellers „Mirakel"
in der Wiener Rotunde
verwirklichten , wenn
auch mit mancher Un-
zulänglichkeit, einen
Traum derer um Rein-
hardt: das „Theater der
Zehntausend", und gab
dem vielbewunderten
Regisseur die ersehnte
Gelegenheit, durch
Massenaufzüge, durch
Verschwendung uner-
hörter Praclit, durch er-
regte Volksmengen,
durch die Buntheit
seiner szenischen Ein-
fälle zu wirken. Der
riesige Raum, die un-
geheuren Menschen-
mengen, die es zu be-
wältigen galt, bargen
aber die grof^e (iefahr,
daf; die Fabel, der poe-
359
Kleine Kunst-Nachrichten.
tisclie Inhalt der Dich-
tung im Ijunten, verwir-
renden Nebeneinander
verloren gehe. Es war
daher die Aufgabe Pro-
fessor Heinrich Lef-
lers , der die Kostüme
zu diesen Aufführungen
entworfen hat, dem Auge
zu ermöglichen, was
der Verstand in der sinn-
berückenden Verwirrung
der Vorgänge nicht all-
sogleich zu tun ver-
modite: den Gang der
Handlung ohne Stocken
zu erkennen. Es galt also
für den Künstler, durch
auffallende Form und
vornehmlich durch die
Farbe der Kostüme bei
dem Zuschauer von vorn-
herein erhöhtes Interesse
für die Hauptdarsteller
zu erregen, sie aus der
Masse der Nebenper-
sonen äufierlich hervor-
zuheben. Das muß ge-
sagt werden, um die Ent-
würfe riditig werten zu
können. Sie sind zwar
nur für den praktischen
Zweck gezeichnet, allein
sie zeigen das erstaun-
liche Erfindungstalent
ihres Autors, pl-i^nek.
Ä
ZÜRICH. Nach fünf-
jähriger Pause
wurde hier wieder eine
Gartenbau - Ausstellung
veranstaltet. Neben den
üblichen Pflanzen- u. Ge-
rätesammlungen zeigte
man auch Gärten, die
teils noch wenig die
Umwandlung erkennen
liefien, die sich in der
Gartengestaltung wäh-
rend den legten Jahren
vollzogen hat. Waren
doch noch Grotten neben
Birkenholzbrücken und
den üblichen Teppich-
beeten zu sehen. Immer-
hin war ein Fortschritt
seit der letzten Ausstel-
360
'fÄ^
^* T^
OTTO FROEBELS ERBEN— ZÜRICH. GARTENANLAGEN.
lung unverkennbar, und
einige der größeren
Firmen hatten Respek-
tables geleistet. — So
zeigte der Sondergarten
der Garten- Architekten
Otto Froebels Erben
eine Fülle der reizvoll-
sten Motive. Die rein
architektonische Gestal-
tung ergab durch vor-
handene und neu ge-
schaffene bauliche und
vegetative Abschlüsse
gute Raumwirkungen.
Dem Licht entgegen
standen vor Laubengang
und Mauer die farbigen
Kinder Floras, hier als
rosafarbener Streifen
groftdoldiger Geranien
mit blauem Ageratum,
dort ein überreicher Flor
der herrlichsten aus-
dauernden Blütenge-
wächse, die in feiner
Abstimmung oder in
schönen Farbengegen-
sät)en angeordnet wa-
ren, wobei das Gelb
der herbstlichen Kompo-
siten und das zart ab-
gestufte Blau der Astern
den Grundton bildeten.
An versdiiedenen Stellen
waren anmutige Terra-
kotten aufgestellt ; in
einem keramischen Brun-
nen an der niedrigen
Mauer spieen Masken
den silbernen Wasser-
strahl in das spiegelnde
Becken, während auf
der andern Seite im
Badebassin die Gold-
fische sich tummelten. —
Der ruhige Garten ist
manchem zum Erlebnis
geworden, und es ist
nun zu hoffen, daß da-
durch wieder ein Teil
jener konservativen Gei-
ster gewonnen wurde,
die dem modernen ar-
chitektonischen Garten
die intime Note abspre-
chen möchten, ammann.
MIT GBNBUMlüUNG DBR PHOTOGR. GESBLLSCHAFI — BERLIN.
WILH. LEIBL t BILDNIS DES CHEMIKERS JAIS.
BESITZ DER GALERIE KARL HABERSTOCK— BERLIN.
KAkL SCHLCH t
»WAUXStEi.. GALEKIF. H AIIF.KSI i )CK.
WERKE AUS DEM LEIBL-KREIS.
VON GKi>K<_; JACOB WoI.K MÜNCHKN.
„Echte Kunsl kann sich nur auf dem Boden des
Handwerksmäßigen aufbauen". Wilhelm Leibl.
Der unbändige, athletische .lünglinjj Wilhelm
Leibl ward in Köln zu einem Schmied in
die Lehre jjetan. Am Amboß , unter dem
Sprühen der Funken, beim Dröhnender 1 lämmer
(iinfj ihm das Verständnis auf für das Handwerk
und für Wert und Bedeutun)« des Handwerk-
lichen. Der junge Leibl hatte Respekt vor dem
Meister und vor den Gesellen, die ihr Hand-
werk verstunden und die auf ihre „Kunst" stolz
waren, wie es sich für einen rechten Hand-
werker geziemt.
Als Leibl ein paar Jahre später die Münch-
ner Akademie bezog, lernte er in der Piloty-
schule einen anderen Betrieb kennen. Da fand
er nicht die handwerksmäßige, solide, bildsame
Werkstättenatmosphäre, die er erwartet hatte
und die wahrhaftig auch der Kunst keine Schande
macht, sondern da war genialisches Wursteln
daheim. Da kam es viel mehr auf Ideen, auf
Sclilagworte, auf kompositionellc Mätzchen, auf
koloristische Witze, auf gemalte Anekdoten an
als auf die Malerei selber. Dem jungen Wilhelm
Leibl ging das nicht ein. Er hatte einen harten
Kopf und einen klaren, nüchternen Verstand.
Kr war ein Kölner, er war durchaus germanisch.
Der offizielle Kunstbetrieb, damals in München,
aber erschien ihm und erscheint uns heute von
romanischer und romantischer Phantasterei, von
aufgeblasener Äußerlichkeit überwuchert. Und
da mochte Leibl nicht mittun. Dazu hatte er
in seiner Kölner Schmiedewerkstätte zu viel
Hochachtung vor solider Handwerklichkeit
1913. V. 1.
363
Werke aus dem Lcibl-Kreis.
WILHELM
LEI HL t
BILDNIS DFs
MALER.S B.
BES: GALER II
HAEERSTOCK
MIT GENEHM.
DER PHOTOGR.
GESELLSIHAFT \
IN BERLIN.
gewonnen. Er wollte ganz einfach malen
lernen. Richtig und wahrhaftig malen. So wie
es der Jan van Eyck, wie es der jüngere Hol-
bein konnte. So wie es Lionardo meinte, als
er die Malerei mit einer Spiegelplatte verglich.
Der Natur allergetreuestes Abbild zu geben —
das schien Leibl die Aufgabe der Malerei. Er
scherte sich den Teufel was um Transposition
und feinspinnerische Komposition und tieferen
Sinn. Abschrift der Wirklichkeit — das war
seine Devise. Und da ihn das an der Münchner
Akademie keiner lehren konnte, stellte er sein
Sach' auf sich selbst. Leibl ist durchaus Auto-
didakt, vergessen wir das nie! Als später
Courbet in sein Leben trat, war er schon fertig.
Was beide Meister, den jungen und den alten.
364
zusammentrieb, war ja gerade die Gemeinsam-
keit oder wenigstens die Ähnlichkeit des bereits
Erreichten: daß sie, ohne von einander gewußt
zu haben, in dem für die deutsche Kunst so be-
deutungsvollen Jahr 1869 fast auf dem gleichen
Punkt standen, und daß ihre Kunst auch ferner-
hin zum gleichen Ziele zeigte.
Leibl, das kann man füglich behaupten, ist
trotz Courbet ganz aus sich selbst das geworden,
was er war und was wir ihm heute als Selbst-
verständliches vindizieren: der größte deutsche
Maler seit Hans Holbein. Maler, wohlver-
standen! Denn jene Elemente, die das Künst-
lerische im philosophischen Sinn bilden, sind
zweifellos bei anderen, bei Rethel oder Feuer-
bach, bei Marees oder Böcklin, deutlicher und
THEODOR ALT. gemälüe: »der hundert-
lÄHRIGE« BES: GALERIE K. HABERSTOCK-BEKLIN.
PROFESSOR WILHELM TRÜBNER-KARLSRUHE.
»KNABE MIT DOGGE« (1877). BES; GAL. H.\BERSTOCK-BERLIN.
KARL SCHUCH t »STILLEBEN.
BLUMEN U FRÜCHTE. GAL. HABERSTOCK.
Werke aus dem Leibl-Kreis.
ausgeprägter zu beobachten als bei ihm. In-
dessen kann dieses Fehlen des Künstlerisch-
Genialischen in philosophisclier Reinkultur un-
seren Respekt vor Leibls Tat und Lebenswerk
nicht im mindesten beeinträchtigen, und seine
Bedeutung für die deutsche Kunst ist deswegen
keine geringere. Hätte man, ohne Leibls Da-
zwischentreten, in der genialischen Art weiter-
gewirtschaflet, ohne sein Handwerk zu ver-
stehen, so wären Erscheinungen, wie sie uns
heule auf Expressionisten- und Futuristen-Aus-
stellungen begegnen, will sagen : Erscheinungen,
die alle jene, die durch Leibls Schule gingen, mit
gebührender Entschiedenheit ablehnen, selbst-
verständlich, natürlich und der allgemeinen
Kunstentwicklung gemäß. Wir danken es Wil-
helm Leibls handwerklicher Tüchtigkeit, daß
unserem in Kunstdingen so verwirrten und
schwankenden Zeitalter ein Gradmesser in die
Hand gegeben ist, dessen Untrüglichkeit sich
jeden Tag aufs neue erproben läßt und bewährt.
Leibls außerordentliche Erscheinung haben von
seinen Zeitgenossen, den zwischen 1840 und
1 850 geborenenKünsllern, die um dasJahr 1 869
in München ihren Studien oblagen, nur wenige
verstanden. Diese wenigen freilich schlössen
sich dafür umso enger an Leibl, sie bilden seinen
„Kreis", seine Schule, die seineTradition weiter-
gibt, ohne daß sich Leibl jemals bewußt als
Lehrer dieser Mitstrebenden und Kunslgenossen
aufgeworfen oder gefühlt hätte. Der Leibl-Kreis
im engeren Sinne erstreckt sich nur über ganz
wenige Namen; Trübner, Schuch, Alt, Hirth,
Haider, Sperl — dann ist es schon getan, und
auch die Zeit, da dieser Kreis zusammengehörte,
ist eine nach vlahren engumgrenzte: sie beginnt
mit dem Sommer 1870, da sich die Häupter
des Kreises in Bernried am Starnberger See
zusammenfanden, und endet mit dem Jahr 1873,
da die Furcht vor der damals in München
herrschenden Cholera die Künstlerschar in alle
Winde auseinanderfegte. Dennoch wäre es
falsch, sich bei dem Begriff „Leibl-Kreis" auf
die paar Namen und auf die drei Jahre zu
beschränken. Eine Durchsicht der Leibl-Bio-
graphie von Julius Meyer, die Lektüre der
Trübnerschen und Hans Thomaschen Erinne-
rungen lehrt uns, daß wir auch Viktor Müller,
Scholderer, Albert Lang, Louis Eysen, Sattler,
bis zu einem gewissen Grad — namentlich durch
seinen Zusammenhang mit Trübner — sogar
Hans Thoma diesem Kreise zuzählen dürfen.
Bayersdorf er, der literarisch -kritische Schild-
knappe der Schar, hat als ihr Programm „un-
verkäufliche Bilder" bezeichnet, prägnanter sagt
Hans Thoma: wäre der Name Sezes-
sion damals schon bekannt gewesen, so wäre
dies wohl die erste Münchener Sezession ge-
wesen". Die gegenseitige Beeinflussung der
Angehörigen dieses Kreises ist kunstwissen-
schaftlich noch nicht untersucht, obwohl eine
solche Untersuchung für jeden Kunstgelehrten
eine lockende und dankbare Arbeit darbieten
mußte. Was weiterhin die zeilliche Begrenzung
der Wirksamkeit des „Lcibl-Kreises" anlangt,
so darf man auch in dieser Hinsicht nicht zu
engherzig sein. Was jene entscheidenden drei
Jahre den begeisterten Adepten gaben, das ist
nicht spurlos verweht, sobald die physische Ge-
meinsamkeit aufgehoben war. Ein starkes gei-
stiges Band hielt die Glieder dieser Geniegilde
auch nach ihrer räumlichen Trennung zusammen.
« « «
Wenn daher heute im Berliner Kunsthandel
(im Besitz der Galerie Haberstock) Werke von
Leibl, Trübner, Schuch, Thoma, Eysen und Alt
auftauchen und als Entstehungszeit die Jahres-
zahlen 1876, 1877, 1878, 1879, 1885, ja selbst
1888 genannt werden, so kann gleichwohl von
vollwer tigen und vollgültigen Werken des,, Leibl-
Kreises" mit Fug und Recht gesprochen werden.
Denn mit wenigen Ausnahmen tragen diese
Bilder immer irgendwie das Charakteristikum
Leibischer Kunstanschauung und könnten da-
her zurückgehen auf das bedeutungsvolle Trien-
nium 1870—1873. Der Geist solider Hand-
werklichkeit ist in ihnen, das malerisch Tech-
nische ist bei ihnen durchaus das Primäre, ohne
freilich Selbstzweck zu werden und den ganzen
Prozeß künstlerischer Durcharbeitung über-
flüssig zu machen; vielmehr ist gerade diese
unendliche technische Meisterschaft für ein un-
befangenes, naives Auge eine Selbstverständ-
lichkeit; ihren süperben Reiz zu erfassen, bleibt
freilich dem Kenner vorbehalten.
Mehrere dieser Bilder haben wir hier einer
Betrachtung zu unterziehen, was uns an der
Hand der Reproduktionen nicht schwer fallen
dürfte. Daß die reproduzierten Bilder bei wei-
tem nicht den gesamten Haberstockschen Be-
sitz an Gemälden aus dieser speziellen Provinz
der Kunst darstellen, sei beiläufig angemerkt. . .
Das Porträt des Malers B. hat Leibl zur
nämlichen Zeit gemalt, da er die „Dorfpolitiker"
auf der Staffelei stehen hatte. Indessen ist von
der knorrigen, eckigen Art dieses Gemäldes
wenig auf das Porträt übergegangen. Das mag
nicht zuletzt in der Erscheinung des Porträ-
tierten seinen Grund haben: er ist eine jener
korrekten und appetitlichen Männerschön-
heiten, die Leibl im Grund seines Wesens
fremd sind. Leibl ist an das Porträt hauptsäch-
lich herangegegangen , weil er dringend Geld
nötig hatte. Man schrieb 1876, und Leibl war
369
Werke atcs dem Leibl-Kreis.
mittellos. Trübner
hatte den Auftrag
gebracht, als Hono-
rar — verhülle dein
Haupt, o Muse! —
waren .... 100 M.
festgesetzt worden.
Der erste Versuch,
ein Kniestück, fast
voll en face ange-
packt, befriedigte
Leibl nicht völlig
und erließ die Lein-
wand unvollendet
stehen; Schönheiten
hat der Essay trotz-
dem, namentlich in
der plastisch behan-
delten Augenpartie,
das Pathos, das in
der Haltung liegt,
gemahnt merkwür-
dig an Manet. Zur
Vollendung kam ein
Bruststück, das den
Kopf des Herrn B. in
dreiviertel - en face
nach rechts zeigt.
Ein Hauptslück in
Leibls CEUvre ist es
freilich gerade nicht, aber in unserer Zeit, wo
nur ein Zufall einen einwandfreien Leibl auf den
Markt bringt, ist man auch mit Arbeiten wie
dieser sehr zufrieden. Zudem verspürt man
überall die Pranke des Löwen. Haar und
Bartansatz lösen sich in pikanter Weise von
dem zarten Kolorit des Inkarnats, prachtvoll
\V. TKLBMCR. BILDNIS D. KOMP. GUNGL U« '**!■ G.VI.. H.\BERSTOCK,
steht das Weiß des
Hemdkragens gegen
das Gelb-Rosa der
Halspartie , unge-
mein fein model-
liert in Zeichnung
und Kolorit ist das
sehr detailliert be-
handelte Ohr. —
Unkritischerund be-
geisterter tritt man
dem in Aibling im
Jahre 1885, also
gleichzeitig mit den
„Wildschützen" der
Nationalgalerie, ent-
standenen Bildnis
des Brauereichemi-
kers J. J. Jais gegen-
über. Jais war Leibls
Freund, und dem
Künstler war daher
nicht nur seine Phy-
siognomie, sondern
auch sein Charakter
überaus vertraut.
Das Porträt trägt
daher nicht das
Stigma irgendeines
Auftragsbildnisses,
sondern in jedem Pinselstrich bekundet sich in-
nerster Anteil und eine außerordentliche Freude
an der Arbeit. Ich stehe nicht an, das Bild den
besten Leibl zu nennen, der sich gegenwärtig im
Kunsthandel befindet. Nach genauer Prüfung
der Qualität gebe ich ihm selbst den Vorzug
vor den gleichzeitigen „Wildschützen", die
WILHELM
LEIBL t
MIT GENEH-
MIGUNG DER
PHOT. GESELL-
SCHAFT— BKRLIN.
LINKK HAND
DES KEMBBANDT-
DKUTSCHEN.
GALERIE HABER-
STOCK — BERLIN.
370
Werke ajis de zu I^ibl-Kreis.
ikofessor
w.trCbner-
KAKIJjRUHE.
l.irMKN-
MILLEBE.N
ROSEN«
Überdies von Leibl durch unglückliches Be-
schneiden der Ränder um alles Format gebracht
wurden. Herrlich ist bei diesem herben Männer-
antlitz das Inkarnat gemeistert, man glaubt, das
feine, mit Blutkörperchen durchsetzte Geäder
unter der Haut wahrzunehmen, und dabei ist
die Epidermis doch von jener derben F"rische,
die zum Typus dieses robusten blauäugigen,
blondbärligen deutschen Mannes gehört. Dem
koloristisch so fein angelegten Kopf wird eine
lebendige Folie gegeben indem reich nuancierten
Weiß der Hemdbrust, dem Grau der Weste
und dem fein abschattiertenSchwarz des Rockes
und Hintergrundes. Sieht man sich einmal nur
ein Detail dieses Porträts an, etwa das Ohr
oder die Hemdbrust, so erkennt man, wie le-
bendig und rassig selbst eine solche Einzelheit
behandelt ist, wie sie als Stück Malerei Eigen-
wert hat, gerade wie ein Goldbarren, der, auch
in Partikelchen zersprengt, seinen Wert nicht
verliert. Ich gehe daher mit Hans Rosenhagen
einig, wenn er von Leibls Kunst sagt: „Ihr
Außerordentlichstes spricht sich vielleicht am
sinnfälligsten darin aus, daß jede kleinste Fläche,
jeder Ausschnitt, jedes Fragment, genau wie
der ärmste Überrest einer griechischen Skulp-
tur, eine deutliche Vorstellung von der uner
hörten Höhe der gesamten ursprünglichen Lei-
stung gibt."
Dafür sind namentlich auch die beiden
„Hände des Rembrandtdeutschen", getrennte
Segmente des 1877 enstandenen Temperabild-
nisses Langbehns, des sogenannten „Rembrandt-
deutschen", Zeugnis. In den neunziger Jahren
ließ Langbehn auf Leibls Wunsch die Tren-
nung vornehmen, da diese Hände ein wenig un-
glücklich und unorganisch im Bildganzen saßen,
und siehe!, als Einzelerscheinungen sprühten
371
Werke aus dem Jxibl-Kreis.
diese Bruchstücke einer eminenten Malerei
ungeahnte Lebenskräfte aus. Sie sind uns
dessen ein Beweis, daß es für Leibl keine
geringerwertigen und gleichgültig behandelten
Details gab. Denn ihm war — ähnlich wie
Menzel — alles, was seine schaufrohen Augen
erspähten, gleich wichtig — die Blumen im
Kopftuch einer Berblinger Bäuerin, ein Mieder-
haken, eine Nelke, eine Hand, ein strenges
Antlitz. . .
Trübner war es beschieden, Leibls Erbe zu
übernehmen und in einer gangbareren Form
dem Kunstmarkt preiszugeben. Er thronte und
thront nicht in der majestätischen Einsamkeit,
die Leibl angemessen war, die diesen Großen
zugleich zum Bauer und zum König werden
ließ. Nehmen wir bei Leibl alles ohne Aus-
wahl, so scheint uns hingegen bei Trübner diese
oder jene Periode vorzüglicher, scheint uns
seine Entwicklungslinie schwankender. Seine
Exkursionen ins Zentauern- und Nymphenreich
machen wir nur widerwillig mit, und wir freuen
uns auch nicht sonderlich darüber, daß er vor
einem Jahrzehnt anfing, berittene Fürsten zu
malen. Den besten Trübner grüßen wir in
Werken wie diesen: der kleine Neal mit Dogge
(1878), Porträt des Komponisten Gungl (voll
signiert : W. Trübner, München, 1877) und dem
BiumenstiUeben der achziger Jahre. In dem
Knabenbildnis zumal lebt der Leibl der besten
Zeit wieder auf: das starke Formgefühl, ge-
paart mit einem unendlich empfindsamen Blick
Wir.H. LEIBLt BILDNIS DES MALERS B. (UNVOLLENDET). G.\LERIE HABERSTOCK- BERLIN.
3/2
MIT GBNHHMIGING DER DEUTSCHEN VERLAGbANSTALT-STCnOART.
PROFESSOR HANS THOMA KARLSRUHE.
»GEFILDE DER SELIGEN« (IKTil). DES: K. HAHERSTOCK.
1913. V. 2.
Werke atts de))i LeibI- Kreis
l'.ESITZER :
IIF.RNHARD
HEVOK-
BERLIN.
für das koloristische Ensemble, die Plastizität,
die sich na mentlich im Absetzen der Farben
gegeneinander bekundet, — das alles ist beste
Leiblschule, und so ein Bild vermochte damals
in München außer Leibl eben auch nur Trübner
zu malen.
Von Interesse ist es, das kleine Blumenstill-
lehen Trübners gegen die Stilleben seines ver-
trauten Freundes Charles Schuch zu halten.
Um wieviel zeichnerischer und kompakter ist
Trübner, um vi^ieviel koloristischer und sensib-
ler ist Schuch! Und doch kommt Schuch selbst
auf einem so kraftgenialischen Stilleben, vkfie
dem vom Jahre 1885, das in Paris zu einer Zeit
entstand, da ihn Sisley und Manet stark be-
schäftigten, nicht auf die Abwege, auf die Jung-
Frankreich mit der Cezanne-Nachfolge geriet.
Dabei werden die bisher nur in unwesent-
lichen Bruchstücken veröffentlichtenTagebücher
Schuchs, die jetzt der Nationalgalerie in Berlin
gehören, dartun, daß auch Schuch einmal so
ähnUch „kunstphilosophierte" wie Jung-Frank-
reich! Indessen zeigt sich eben, daß der Ein-
fluß Leibls, der auch Schuch „die Morgenweihe
am Tage des Kampfes" gab, selbst diesen ner-
vösen Künstler vor dem Zerflattern in Form-
losigkeit und vor nutzlosen Phantastereien be-
wahrte. — Schuch, den Landschafter, hat erst
unsere jüngste Vergangenheit entdeckt; eines
seiner schönsten landschaftlichen Werke, einen
Wildbach, hat die Nationalgalerie erworben,
ein anderes Werk, von tiefem Slimmungsreiz
uad hohem malerischen Wert, den „Waldsee",
gibt unsere Reproduktion wieder.
Alt und Eysen folgen diesen Großen in
einiger Distanz: erwünschte Schulbeispiele, um
zu demonstrieren, wie eine schöne Begabung
in der Umgebung eines wahrhaft Großen sich
zu einer Höhe entwickelt, die ihr in weniger
anspornender Nachbarschaft sicher unerreich-
bar wäre. Damit ist gegen die Qualität der
Einzelwerke gar nichts, zur Kennzeichnung des
Persönlichkeitswertes ihrer Autoren allesgesagt.
— Thomas Gemälde „Gefilde der Seligen", ent-
374
Werke aJif: dem Leib!- Kreis.
standen 1879, hat in diesem Zusammenhang
die Aufgabe zu erfüllen, die andere Linie zu
zeigen, die von Leibl ausgeht, und an die wir
schon gelegentlich der hrwähnung von Trübners
unglücklicher Zentauern- und Nymphcnlieb-
haberei streiften. Ich meine jene an Leibl
geschulte kernliafte Handwerkssolidität, die
mit Böcklins Poesiehaftigkeit ein Kompromiß
schließen will. Obwohl ich, im Gegensatz zur
herrschenden Stimmung, in das dreimalige
Wehe über Böcklins armes Haupt nicht ein-
stimmen kann, scheint es mir eine Forderung
ästhetischer Reinlichkeit zu sein, daß sich ein
Künstler entscheide. Entweder er schlägt jene
phantastisch verschnörkelten Wege ein, auf
denen er oft genug Böcklins Fußtapfen wahr-
nehmen wird, oder er entscheidet sich für den
unerbittlichen, ein wenig nüchternen, aber durch
und durch wahrhaftigen und in seiner Wahr-
haftigkeit ewige Dauer gewährleistenden Realis-
mus Leibls. Thema will es in vielen Fällen mit
beiden Richtungen halten. Nicht immer kommt
dabei ein so gutes Bild wie die „Gefilde der
Seligen" zustande, und des einen gelungenen
Beispiels wegen möchte ich einen Zwitter-
zustand nicht loben. Meine Verehrung gilt
dem reinen „Leibltum", in dem ich, verkörpert
durch den Meister und seine Getreuen, eine
kunslgeschichtliche Epoche et kenne, eine Re-
naissance hohen deutschen Mal- Handwerker-
tums, das seit Hans Holbein verschüttet lag.
Mi'NCHIiN. DR. UKOKt; J.\K(iB WOLl'.
WILH. I.Kim. I
ZF.ICHNUNO
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SCHÜTZES.
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GEORG KOLBE-BERLIN. »BADENDE«
GEORG KOI.IIE.
»HOCKENDES
MÄDCHEN <-
CII'S.
BILDHAUER GEORG KOLBE-BERLIN.
Von DR. EWALD BENDER.
Beginnen wir mit einer jener Banalitäten, die
uns das Leben verbittern. Wird man jemals
begreifen, daß es für den Künstler kein höheres
Interesse gibt, als „Kunst zu machen?" Gesetzt
den Fall, ein Mensch habe keine andere Mög-
lichkeit, eich Tiit der Welt in Beziehung zu
ov. ircii eine Leinwand voll Arabesken
oder durcii ^.__n seltsam geformten Block, —
so ist das ein Maler oder ein Bildhauer. Ist es
unsere Absicht, teilzunehmen an seinem Wesen,
so müssen wir uns seiner ungewohnten Sprache
zu bedienen suchen. Wir alle sind Analpha-
beten gegenüber jedem neuen Werk und be-
dürfen jener rentablen Bescheidenheit, die uns
heute oder morgen auf die Schulbank verweist.
Mag sein, daß unser Intellekt nicht übel funktio-
niert, auch was wir so Empfindung nennen.
Aber unsere Augen! Es gibt Menschen unter
uns, die sehen, und die Stärke des Eindrucks will
ihnen die Eingeweide zerreißen. Georg Kolbe
hat jenen forschenden und kalten Blick, dessen
Tiefe man nicht abzuschätzen vermag. Es sind
die unersättlichen Augen, die um die Dinge
herumsehen. Fast sind ihm drei Dimensiencn
nicht genug. Daß die Körper sich runden und
zum Block werden, erschüttert ihn an jedem
Tag aufs neue. Den Kubus beredt zu machen
und ihn zu einer überall verständlichen Sprache
zu entwickeln, war von Anfang an sein Ziel. —
Es ist zunächst ein Stück Entwicklungsge-
schichte der modernen Plastik zu erörtern. Was
Hildebrand in München tat, wird unvergessen
bleiben. Fast will es uns scheinen, als sei die
persönliche Erziehung so vieler tüchtiger Bild-
hauer sein geringstes Werk. Höher steht uns
seine eigene Produktion. Aber darüber hinaus
beruht die einzigartige historische Bedeutung
dieses Kopfes auf der fruchtbarsten Theorie,
die je von einem Künstler ausging. Was Plastik
von Anfang an gewesen sei und immer sein
370
Georg Kolbe
Berlin.
GEORG KuLBE— BtRU.N.
.WEIBLICHER TORSO«. TERR.\KOTT.\.
müsse, das hämmerte er in mühsam geformten
Sätzen dem Bewußtsein der jungen Künstler-
generation ein. Man begriff. Mag sein, daß
dem einen oder anderen Hildebrands praktische
Unterweisung nicht plausibel erschien, so profi-
tierten doch alle von den gesetzlichen Kon-
statierungen eines überaus bewußten Arbeiters.
Das ist der eine Erzieher der jungen Gene-
ration. Und der andere schickte zur gleichen
Zeit Werke in die Welt, die Hildebrands Theorie
zu sprengen schienen. Rechnen wir die heroischen
Verirrungen Rodins ab, so bleibt ein höchst
bewundernswertes Oeuvre. Dieses größte Bild-
hauergenie der neueren Zeit ist seinem innersten
Wesen nach Rundplastiker, und die Sensibilität
seiner Formensprache wurde eine Offenbarung.
Was Hildebrand gelehrt hatte, das brachte Rodin
aus den Tiefen eines schöpferischen Instinktes
zur klarsten Anschauung. In demselben Ver-
hältnis, wie die künstlerischen Schwächen Hilde-
380
Georg Kolhc—Bcrli)',
brands das eigene
Werk bedrohten ,
mußte auch seine
Theorie der Einseitig-
keit verfallen. Und
wo KodinsWerk der
für die Ewigkeit fun-
damentierten Grund-
idee von Hildebrands
Lehre widerstrebt,
da ist er ein irrender
Plastiker. Im Rest
verstanden sich die
beiden. Und auf sol-
cher doppelfüßigen
Grundlage konnte in
unserem Zeitalter die
Plastik wieder zu
einer allgemeinen
Sprache für empfäng-
liche Augen werden.
— Es gibt keinen
unter den Jüngern,
der nicht wenigstens
den einen Pol dieser
Plastikerwell berührt
hätte. Sehr viele
empfingen von bei-
den. Als Kolbe in
Rom anfing, geschah
es unter der Leitung
vonTuaillon, der mit
dem Marees - Hilde-
brand-Kreis in Be-
ziehung stand. So
kamerausgutenHän-
den von Rom nach
Paris. Man begreift,
wie das eruptive Le-
ben derKunstRodins
ihn verwirren u. end-
lich beglücken mußte.
Es ist für jeden wirk-
lichen Bildhauernicht
schwer, den offenba-
ren Schwächen Ro-
dins sich zu entzie-
hen. Man grüßte
Maillol u. Minne wie
Geistesverwandte ,
deren Weg ein an-
derer war. Und als
Kolbe dann zu sagen
versuchte , wie ihm
die Dinge erschienen,
da ist er erstaunlich
frisch und selbstän-
GEORG KOI.HF.— BERLIN. SOM.M.INEGER. BRO.NZE.
dig. Es interessiert
ihn zunächst die Be-
wegung. Noch ver-
mag er nicht einfach
zu sein und an einer
einzigen Figur seine
künstlerischen Ab-
sichten zu entwik-
keln. So ballt er mit
Vorliebe zwei, drei
und mehr Körper im
Ringen zusammen,
scheut nicht bizarre
Bewegungen, harte
Umrisse, eine zer-
fetzte Komposition.
Aber was er dar-
stellt, ist gesehen;
die Leiber haben
ihre sicheren Pro-
portionen. So nimmt
man die Äußerungen
eines originalen und
kräftig sich regenden
Instinktes voll Ervi^ar-
tung hin. — Nun
sollte man meinen,
nach einiger Zeit
wäre das reife und
in gewissem Betracht
meisterliche Werk
gekommen, das ei-
nen Künstler mit ei-
nem Schlage berühmt
macht. Es ist bis heu-
te noch nicht da. Und
das ist das Beste,
was man Kolbe nach-
sagen kann. Wer es
vermag, über die
lange Reihe glück-
lichster Schöpfungen
hinweg sein eigent-
liches Werk in der
Zukunft zu suchen,
der rechnet mit sei-
ner Kraft und einem
langen Leben. Es
liegt nicht im Wesen
dieses unablässigen
Suchers, sich auf ein
einziges Werk zu
konzentrieren , es
nicht nur bildhaue-
risch zu gestalten,
sondern es auch mit
der geistigen Kultur
381
GeoviT Kolbe-Berlin.
der Mitlebenden ir-
gendwie zu verknüp-
fen. Vielleicht, daß
alles in ihm auf den
großen Auftrag war-
tet. Bis heute war
sein oberstes Ziel, den
menschlichen Körper
reinlichsten Kunst-
zwecken zu unterwer-
fen. Wie von einer
Tabelle soll man von
Form und Bewegung
plastische Inhalte ab-
lesen, und es könnte
sein, daß der mit Aus-
druck beladene Rük-
ken seines „weiblichen
Torsos" manchem
mehr zu sagen weiß
als alle Literatur un-
sererZeit. Das Auf und
Ab der Flächen von
Schenkel, Bauch, Brust
und Rücken, langge-
zogene oder jäh über-
schnittene Konturen,
eine Drehung des
Rumpfes und die in
die dritte Dimension
sich reckenden Glie-
der, ein lastender
Körper auf wider-
streijenden Schenkeln,
und dann der Aus-
gleich aller dieser
Momente zu jenem
überzeugenden Rhyth-
mus, der eine bedeu-
tende Sicherheit des
Instinktes voraussetzt,
— das ist das Letzte,
was uns Kolbe von
dem immanenten und
gesetzlichenLebender
Plastik zu sagen hat.
Gewiß, es gehören Au-
gen dazu, die sehen.
Die „Tänzerin", die
in diesem Jahre in
der Sezession alle
Welt entzückte, mag
dem Künstler den
Weg gezeigt haben,
auf dem er zu leich-
ter Popularität gelan-
gen könnte. Wir wol-
382
GEORG KOLBE -BERLIN. STEHENDES MÄDCHEN. BRONZE
len dem überaus an-
mutigen Werk nichts
Übles nachsagen, und
wem Reife alles ist,
der mag mit Recht
hier Kolbes Meister-
werk erblicken. Wir
sind uns aber mit dem
Künstler einig, der
von sich sagt, daß
Werke wie der „weib-
liche Torso", oder der
„Torso eines Negers",
oder der „hockende
Neger" die Summe
seines jetzigen Kön-
nens und das Sprung-
brett in die Zukunft
bedeuten. In diesen
eminenten Studien lie-
gen die Keime einer
größeren Kunst , auf
die wir warten wollen.
— Kolbe sieht den
Menschen heute in
seiner reinen Vitalität,
nicht als geistiges We-
sen ; wir wissen, wie
nötig es war, aus der
ungeistigen Natur her-
aus die Elemente einer
künstlerischen Spra-
che zu entwickeln.
Wir mußten erst wie-
der einmal das Abc
der Plastik erlernen,
ehe wir uns an die
Schwierigkeiten kom-
pUzierter Bildungen
wagen durften. Wir
waren Barbaren und
entbehrten der bild-
hauerischen Kultur.
Rodin sprach zu einer
Rasse von wünschens-
wertester formaler
Anlage, und hat sich
doch als Revolutionär
gebärden müssen. Es
entspricht der Eigen-
art unseres Volkes,
daß die junge deutsche
Kultur auf dem Weg
der Reformen erarbei-
tet wird. Wo Hilde-
brands Theorie die
Bresche geschlagen
GEORG KOLBE BERLIN. .ERWACHEN«
Zitm Denhnahprobleni.
hatte, da setzten mit
einer bewundernswer-
ten Konsequenz und
Zähigkeit die jungen
Bildhauer ein. Und
Kolbe ist einer der
Führenden geworden,
und auf dem Wege
eines unerbitlHchen
ReaUsmus. Überzeugt
davon, daß die Kon-
ventionen des Akade-
mismus negiert wer-
den müßten, wandte
er sich allein an die
Natur und an das Le-
ben. Wie immer, wenn
die Zeit gekommen ist,
fanden sich schnell
die guten Genossen,
und sie alle eint der
Wunsch, nur aus dem
Leben Anlaß u. Inhalt
derKunst zu schöpfen.
Die Individualitäten
haben sich bald ge-
schieden. Wenn die
einen bei den Primiti-
ven oder der klassi-
schen Antike eine
Stütze suchten, so
wandten sich andere
zur Gotik oder dem
lange verkannten Ba-
rock und verloren
doch nicht den Blick
für die Forderungen
der lebendigen Gegen-
wart. Wir blicken voll
Vertrauen auf die
Schar der Tüchtigen,
wie Albiker, Gerstel,
Engelmann, Barlach,
Haller, Hoetger und
Lehmbruck. Und mit
zu den Besten gehört
Kolbe, der sich in
35 Lebensjahren sein
Recht vielleicht am un-
abhängigsten erarbei-
tet hat. — DK. K. j..
Obschon der Künstler
mit der Hdiid arbeitet, ist
er kein Chirurg. tlii4it
in der Fingerfertigkeit
liegt seine Größe. —
EUGENE DELACROl.X.
GEORG KOLBE -BERI.I.S. STEHE.NÜES M.\ULHI;.\. IIRUNZE.
ZUM DENKMALS-
PROBLEM. Das
Denkmals - Problem
wurde an dieser Stelle
vor einiger Zeit geist-
voll behandelt, mit
der Schlußempfehlung,
die Denkmalsucht un-
serer Zeit wo möglich
in die Raumkunst zu
leiten , mit anderen
Worten, dem Persön-
lichkeitskultus eine
Lösung ins Sachliche
zu verleihen. Der Ver-
fasser wünschte, daß
man den Heroen ihrem
Wirken entsprechende
Stätten weihte. Ich
glaube nicht, daß man
auf diese Weise dem
Bedürfnisse der
Menschheit, den um
sie Verdienten ein
Standbild zu setzen,
abhelfen kann. Man
will den Helden, den
großen Gelehrten, den
berühmten Künstler
in unsrer Zeit mehr
denn je im Bilde sehen
und hat dazu ein Recht.
Wenn diese Bilder
nicht zu der Wirkung
kommen, die ein künst-
lerisch empfindendes
Herz verlangt, so liegt
das meist in der will-
kürlichen Art , wie
solche Personendenk-
mäler in das Stadtbild
eingegliedert werden.
Am wenigsten geeignet
ist z. B. in Gegensatz
zu herrschender Mei-
nung, die Wahl eines
großen freien Platzes.
Freie Plätze sind an
sich schöne Valeurs
im Stadtbilde, man
sollte sie daher nie
so verzieren, daß der
Eindruck des Freien
gestört wird. Dann
aber auch: in der
Mitte eines großen
freien Platzes kann
1913. V. 3.
385
BILDHAUER
GEORG KOLBE-BERLIN. TORSO EINES NEGERS. GIPS.
Zum Detikma/sprobleJii.
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■ ein Denkmal nie-
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nicht ermangelt, ■
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ist viel mehr ge- ■
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eignet, ein Stand- J
■ es das wuchtigste
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■ Reiter - Denkmal.
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höchste Abstand, ■
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der möglich ist, ■
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läßt das Monu- ■
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gewaltig und er- ■
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haben erscheinen. ■
2 Nähe der umsäu-
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Beispiel; Colleoni ^
■ menden Gebäude
in Venedig. Ge- ■
■ aufstellen, und zwar
womöglich gegenüber der
genbeispiel: die meisten Königsmonumente, ■
2 Mündung des Haupt
Zuflusses zu den Plätzen.
welche wir in Deutschland haben. Ferner ist ^
■ Ein enger Platz, von
stattlichen Gebäuden um-
auf einem kleinen Platze dem Denkmal der ein- ■
■ säumt, ein Platz, de
r einer gewissen Intimität
zig vorteilhafte Hintergrund gegeben, den eine ■
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387
ZiDti 1 )enkviahp7vbleni.
freie Naturform nachahmende Plastik haben
kann: architektonisch strenge Linien: Kontrast
freier Formen zu gebundenen, die Garantie für
ein künstlerisch Wirksames.
Aus dem Fehlen eben dieses Kontrastes ist
auch eine andere Art, Denkmäler aufzustellen,
die von unserer Zeit beliebt wird, nicht emp-
fehlenswert: Die Aufstellung in gärtnerischen
Anlagen. Auf der Zeichnung eines Architekten,
der sein Werk empfehlend hervorheben will,
ist die dunkelschattierte Baumgruppe der denk-
bar günstigste Hintergrund, in Wirklichkeit ist
sie es nicht. Abgesehen davon, daß sie durch
die Jahreszeiten in einem ständigen Wechsel
begriffen ist, sind ihre plastischen Naturformen
der Plastik ungünstig. Es tritt da ein Wettstreit
zwischen verwandten Formenarten ein, in dem
die menschlich begrenzten den göttlich unbe-
grenzten und ewig reichen der Natur unterlie-
gen. Dazu noch;
farblich wirken
Bronze und Marmor
auf Grün wenig er-
freulich. Ein wei-
teres: gärtnerische
Anlagen auf dem
Untergrunde von
Denkmälern, z.B. in
Form von Teppich-
beeten, sind wenig
ratsam. Abgesehen
davon, daß sie et-
was putzmacherisch-
kleinliches haben,
stören sie durch die
Kraft ihrer Viel-
farbigkeit und len-
ken das Auge ab.
Will man den Unter-
grund verzieren, so
wähle man die da-
für gegebenen Aus-
drucksmittel: Mo-
saik, Terrazzo oder
Quaderung. — Man
sollte für Denkmä-
ler-Aufstellung vor
allem den sozialen
Gesichtspunkt im
Auge haben. Sie
sind Ehrungen der
Allgemeinheit für
Geister, die sich um
die Allgemeinheit
verdient gemacht
haben. Man stelle
sie in diesem Sinne
GEORG KOLBE— BERLIN. AQUARELLSTUDIE »NEGER«
auf: nicht einzeln, nicht dorthin, wo der Verkehr
an ihnen vorüberhastet, wo die Pracht der Schau-
fenster die Augen magisch anzieht, nicht dort,
wo sich die Aufmerksamkeit um Pfennige dreht,
man gebe ihnen einen Platz, wo es möglich ist,
sie zu genießen. Man schaffe in den Städten
Ehrenplätze, wo man die Bilder aller derer,
die sich um Stadt und Volk verdient gemacht
haben, vereint: Zentralisation der Monumente
in einem großen Rahmen. Welche Vorteile
in künstlerischer und praktischer Beziehung!
Die Antike hatte ihre Fora. Wir könnten
ähnliches haben. Arbeiten wir darauf hin, die
Hauptwerke der Architektur, die öffentlichen
Gebäude um einen Platz zu gruppieren und
räumen wir diesen Platz ganz und gar der
Kunst und dem Andenken. Vereinen wir die
Statuen der Verdienten zu einer Ehrenge-
meinde auf diesem Platze, es wäre das eine
würdige Aufgabe
für den modernen
Städtebauer. Die
Denkmalsucht, von
der Widmer hier
neulich sprach, wür-
de zu einem frucht-
baren, der Schön-
heit der Städte, der
Geschichte, dem Ge-
meinsinn und in vie-
len Fällen auch der
Kunst nützlichen
Charakterzuge un-
seres Zeitalters wer-
den. Die albernen
Denkmals -Anlagen,
mit zehntausend-
stiligem Beiwerk,
würden fortfallen
zu Gunsten reiner
Plastik, die auf reine
Menschendarstel-
lung gerichtet sein
müßte. Die Bild-
hauer müßten stets
auf den Wettbe-
werb mit Besseren
auf diesem konkur-
renzreichen Platze
gefaßt sein und an-
statt einen architek-
tonischen Sockel-
dilettantismus zu
üben, sich plastisch
so hoch einstellen,
wie nur möglich. —
K. GRAF H.\RDENBERG.
3S8
ARCHITEKT E. JOS. MARGOLD DARMSTADT.
SPEISEZIMUER. WOHNUNG DR. PERLUANN— REICHEN BERO.
zu DEN ARBEITEN VON EMANUEL JOSEF MARGOLD.
VON ARTUR ROESSLER WIEN.
Der am wenigsten willkürliche Architekt
wird der jeweils beste sein, insofern er den
profanen und geistigen Bedürfnissen just seiner
Zeit, just ihres Kulturverlangens, die gemäße
Form verleiht. In seinem Werk vollzieht sich
die Synthese des lebendigen sozialen Willens.
Daher wirkt sein Werk so oft nach einiger
Zeit anonym. Von manchem bewunderten Bau-
werk aus alter Zeit wissen wir nicht, ob sein
Erbauer ein Architekt oder ein Maurermeister,
d. h. ein Konstrukteur oder Handwerker war.
Auch von manchem hochwertigen Möbel wissen
wir nicht, wer es entworfen, wer es ausgeführt
hat; ja, wir wissen von manchen Stilen im Ge-
werbe nicht, wie sie, durch wen sie entstanden,
oder doch nicht durch wen sie zu hoher Vollen-
dung gebracht wurden, weil in Epochen ent-
wickelten Stilgefühles die Grenze zwischen Ar-
chitekt und Handwerker aufgelöst erscheint.
Die durch die Maschinentechnik in unserem
Zeitalter bewirkte Abwandlung der Lebens-
formen und verschiedenfältig entwickelten Le-
bensbedürfnisse mußten gesetzmäßig Einfluß
gewinnen auf die Architektur und das Hand-
werk. Alte Werte waren bedeutungslos ge-
worden, neue mußten erkämpft werden. Man
war ungeduldig, begierig nach neuen Formen,
und betätigte zunächst das heftige Verlangen
in hemmungslos wild und beziehungslos alles
überwuchernder ornamentaler Dekoration. Die
dieser Neubildung naturgemäß vorangehende
Verneinung war so allgemein und heftig, daß sie
mit vielem leblos gewordenen auch manches
Wertvolle rücksichtslos verwarf. Eine Zeitlang
schien es, als laugte von dem durch die Über-
lieferung auf uns gekommenen auch nicht das
geringste. Es war eine Epoche der Geschmacks-
revolutionierung, aber leider nicht auch eine des
Denkens, die über eine Berufssynthese zu einer
Kultursynthese geführt hätte. Es kam zu einem
in derGeschichte bisher vereinzelt dastehenden,
geradezu ungeheuerlichen Einbruch von Dilet-
tantismus in die Kunst und in das Handwerk.
Allerlei Schwärmer tauchten auf, predigten fa-
natisch konfuse Lehren eines neuen Heils, ent-
warfen immen-emsig niedliche Nichtigkeiten und
beirrten den Architekten, den Handwerkerund
den Laien. Mancher tüchtige Architekt und
Handwerker wurde, von der agitatorischen Kraft
künstlicherReizungen berückt, in das Lager der
Schwärmer und Weltverbesserer gelockt und
zur Verachtung der fundamentalsten Gesetze
seines Schaffens angestachelt.
Auch Emanuel J. Margold war einmal Heer-
rufer im Lager der Utopisten. War einmal!
Und nur kurze Zeit, denn er erkannte bald,
daß der Haß gegen die Tradition nichts anderes
ist als eine Ausdrucksform der Unfruchtbarkeit,
wandte sich von der gesprochenen und ge-
zeichneten Phrase ab und wertschaffenden Ge-
danken zu, d. h. er wurde sozusagen revolu-
tionärer Konservativer. Dies darf nicht mißver-
standen, nicht so verstanden werden, daß sich
Margold formalistisch befangenen Handwerks-
theorien ergeben hat, unterderen Anhauch jede
lebendige Willensregung erstarrt, sondern so,
daß er im Geiste der alten Handwerkstüchtig-
keit zu schaffen bestrebt ist, daß er vor den
bloß ästhetischen Reiz die Werkvernunft setzt,
vor die — mehr oder minder fragliche — Ori-
ginalität, die Justamentoriginalität, die sachlich
schöne Gediegenheit, und daß er den Hand-
werker wieder an eine ihm spezifische Werk-
stattarbeit stellt. Wo Margold sich zur Her-
vorbringung von Dingen der Maschine bedienen
muß und will — die Maschine gänzlich unbe-
nutzt zu lassen, wäre mehr als reaktionärer
Starrsinn, wäre Intelligenzlosigkeit — tut er
dies mit soviel kluger (Jberlegung und gutem
Geschmack, daß die ihr zugemutete Leistung,
trotz fabrikationsmäßiger Herstellung, immer
noch einen Abglanz des Individuellen ausstrahlt.
So zeichnen sich all seine Arbeiten durch
Sachlichkeit, Werkvernunft und Geschmack
aus. Ja, auch durch Geschmack. Ich gebrauche
dieses mit Unrecht verrufene Wort absichtlich.
Denn sind es nicht mehr die Produkte von Ge-
schmack als von Kunst, die Emanuel J. Margold
39'
Zti den Arbeiten :'on Eiiia)iucl /ose/ Ulargold.
ARCHITEKT E. J. MARGOLD— DARMSTADT.
hervorbringt? Bewußt gewollte Dinge des Ge-
schmacks? Man sehe seine Einrichtung eines
Schlafzimmers an, mit der zum rastenden Ruhen
einladenden Bettnische, dem passend vor das
Fenster, wieder in eine sich ganz ungezwungen
aus der Gesamtanlage des Raumes ergebende
Nische eingefügten Toilettentisch; oder man
beachte die lichtüberflutete freundliche Früh-
stücksecke mit den tischlermäßig, so echt
und recht holzgerecht geschnittenen Armlehn-
sesseln, der Wandbank und dem schlichten
runden Tisch. Ist das prätentiöse „Kunst", so-
genannte „Innenarchi-
tektur", oder ist das ge-
schmackvolles und gedie-
gen gearbeitetes Hand-
werk ? Ich glaube, es ist
mehr dieses als jenes,
und es ist gut, daß dem
so ist. Guter Geschmack
ist nämlich etwas noch
Selteneres als gute Kunst,
und für das Leben des
Kulturmenschen fast noch
Wichtigeres. Geschmack
ist eine gnadenvolle Be-
gabung wie das Talent,
unerlernbar, eingeboren,
und für den Architekten
bedeutender als selbst-
herrliche Genialität. Die
Bedingtheit der dem Ar-
chitekten gebotenen Be-
tätigungs - Möglichkeiten
ARCH. E. J. .NfARGOLD. GRUNDRISS I. STOCK,
VILL.'V DR. M. B. WIEN. RÜCKSEITE.
bringt es mit sich, daß in ihm nicht das Indivi-
duum, sondern die Konvention produktiv wird,
die determinierte Empfindung vieler Geschlech-
ter, Kulturen. Was man daher vielleicht an Mar-
golds letzten Arbeiten noch bemängeln könnte,
sind hereditäre Überbleibsel, die der fortschrei-
tende Läuterungsprozeß ausmerzen wird. Noch
liebt Margold beispielsweise das Ornament zu
sehr, noch ist er nicht bis zu der Opfer heischen-
den Erkenntnis vor- u. durchgedrungen, daß die
Architektur, mag es sich um Bauwerke oder Klein-
geräte handeln, subjektlose Schmuckformen nö-
tig hat, und zwar deshalb,
weil durch sie das Ge-
setzmäßige ihres Baues,
ihrer Konstruktion am
eindruckvollsten augen-
scheinlichwird; aber man
hat guten Grund zu der
Hoffnung, daß es ihm
bald gelingen wird, zu die-
ser ungemein wichtigen
Erkenntnis zu kommen
und selbe praktisch zu
betätigen. Bisher war
er Jüngling und Schüler
und hat die Person dem
Berufe vorangestellt, nun-
mehr er zum Manne ge-
wandelt ist, darf man von
ihm erwarten, daß er ganz
zu dem logischen Organi-
sator wird , der der Archi-
tekt sein soll. a. r.-\vif.n.
392
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ARCHITEKT E. J. MARGOLD -DA.RMSTADT.
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1913. V. 4.
ARCHITEKT E. J. MARGOLD -DARMSTADT.
)1ALLI: IJER WOHNUNG DR. PERLM.\NN— REK HENKF.RG.
FICHTEN M. BUNTSTOFF. AUSF : KIRCHHOF-REICHENBG
\K. Hill KT E. ]. MAKGiilli 1 lA l;M> TAI IT.
IJAMKNZIMMKK lli:K \Vi>HM".\(', llK. l'lkIMAW.
MAHAGONI Mll DRIHKSIOI-F. AfSl-; KARL KLAL'S — VVIl-.N .
KUNST UND KUNSTWISSENSCHAFT.
\(JN DR. EMir. riTTZ KoSTOi. K.
Das dunkle, undurchsichtige, verworrene
Chaos einander widerstreitender, viel-
deulijjer Kunstbegriffe hat sich wenigstens
einigermaßen gelichtet. Nicht als ob heute be-
reits in klarer Bewußtheit das verschlungene
Gewebe des Kunstgenusses, des künstlerischen
Schaffens oder gar des individuellen Kunst-
werkes in den ganzen Reichtum der hlemente
und der zwischen ihnen obwaltenden Bezie-
hungen zerlegt werden könnte; im Gegenteil:
die ernste Forschung und das angestrengte
Mühen um diese Fragen ließen uns erst die
ganzen, gewaltigen Schwierigkeiten der hier
gestellten Aufgaben erkennen und damit den
geradezu unendlichen Abstand, der uns von
einer restlosen und völlig erschöpfenden Lösung
trennt. Nichts wäre demnach unvernünftiger
und törichter als der eilfertige Glaube, die Ge-
heimnisse der Kunst hätten sich uns entschleiert,
ihre Rätsel wären beantwortet, und es bedürfte
nur der verständnisvollen Anwendung der ge-
sicherten Ergebnisse. Nur Kurzsichtigkeit oder
Frivolität können auf dieser Bahn dahinsteuern,
die nirgends anders einmünden kann als in
dogmatische Verknöcherung, in philiströsen
Hochmut. Ein abschreckendes Beispiel bieten
uns heute die Kritiker, die alle ihre Leitbegriffe
und ihre gesamte Grundauffassung dem Im-
pressionismus entlehnt haben und nun völlig
verständnislos und verstockt allen Versuchen
gegenüberstehen, die die Überwindung des Im-
pressionismus zum Ziele haben. Also in diesem
Sinne meine ich es jedenfalls nicht, wenn ich
von einer fortschreitenden Besserung aus der
heillosen Verwirrung der Kunstbegriffe spreche,
mit deren unscharfer Abgrenzung und unklarer
Fassung man noch vor kurzer Zeit alles bewei-
sen und alles widerlegen konnte. Die Zahl
derer ist ja leider nicht gering, die heute noch
auf diesem Standpunkt stehen; aber die ernst
zu nehmenden Forscher und die gediegeneren
Kunstschriftsteller haben doch diese Niede-
io:
ARCHITEKT E. J. MARGOLD-DARMSTADT.
FENSTERPLATZ IN NEBENSTEHENDEM SPEISEZIMMER.
EICHE. BEZÜGE, WAND UND VORHÄNGE IN BUNTSTOFF.
ARCHITEKT E. J MARGOLD DARMSTADT.
SPEISEZIMMKK IN DER WOHNUNG B. BRUNN WIEN.
ARCllIIKKl I.. J. .\lAl<.(iOLD DARMSTADT.
PARTIE AUS DF.M EIGENEN ATEUER. MÖBEL SCHWARZ.
AUSF: HOF - MÖBELFABRIK JOSEF TRIER— D^VRMSTADT.
Kunst und Kunstivissensclmfl.
AKCHIJKKT E. J. MARGOLU— »AKMSTADT.
rungen verlassen und sind wenigstens so weit,
daß sie in iliren Auseinandersetzungen sich
dadurch zu verständigen vermögen, daß sie
einen greifbaren und allgemein verständlichen
Sinn mit den Begriffen verbinden, die sie in
ihren Arbeiten verwenden müssen. Od er drücken
wir uns vielleicht noch etwas bescheidener und
zurückhaltender aus; so viel scheint zweifellos
erreicht, daß wir uns alle — ungeachtet der Par-
tei- und Richtungsunterschiede — der schwie-
rigen und verantwortungsvollen Aufgabe bewußt
sind, eine strengePrägungderwichtigstenKunst-
begriffe zu gewinnen als Grundlage, auf der
wir unsere Kunstanschauung und Kunstwerlung
entwickeln dürfen. Das Verständnis dafür ist
erwacht, daß wir uns eine Sprache schaffen
müssen, die als allgemeines Verständigungs-
mittel in den beteiligten Kreisen ihre segens-
reiche Wirkung übt. Es soll dies keine Geheim-
SPEISE/.IMXIER DER WOHNUNG UR. PERI.MANN.
SCHWARZ EICHEN EINGERIEBEN, GRAU LEDER - BEZÜGE.
Sprache sein, deren Bedeutung sich nur dem
tiefer Eingeweihten oder dem gewiegten Kenner
erschließt, wohl aber dürfen wir hier — ohne
anmaßend zu sein — eine Forderung aufstellen,
die auf allen anderen Gebieten einfach selbst-
verständlich ist : gewisse Grundlagen zu schaffen,
die als Voraussetzung zu gelten haben. Nie-
mand kann sich in ernsterer Weise über Luft-
schiffe oder Automobile unterhalten ohne ein
gewisses Mindestmaß technischer Kenntnisse
und ohne sich gewisse Fachausdrücke angeeig-
net zu haben. So müssen eben auch wir ge-
wisse Voraussetzungen machen, die aber nicht
nur in lebendigem Kunstgefühl und einigem
Kunstwissen bestehen, sondern zu denen auch
Bewußtheit über die vornehmsten Kunstbegriffe
gehört. Denn einerseits ist es ja ungemein lang-
wierig und langweilig, jede Einzelerörterung
erst durch lange Betrachtungen über die Be-
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ARCHITKKT
E.J. MARGOLn-
DARMSTAÜT.
ANKLEIIIE-
U. HERREN -
ZIMMER DER
WOHNUN'C.
B. BRUNN.
ARCHITEKT E. J. MARGOLD DARMSTADT.
WOHNUNG DR. PERLMANN. SCHLAFZIMMER DER DAME.
1»13. V. 5.
AR( HITEKT E. J. MAR GOLD DARMSTADT.
SEIDEN-VüRHANCJ MIT STICKEREI. WOHNG. DR. PERL-
MANN. .\USFÜHRUNG: ATELIER FRAU ELLA MARGOLD.
ARCH. F.. .1.
MARGOLll-
I DAKMSl AUl .
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WOHNUNG
hR. PERL-
MANN.
409
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ARCHITEKT E. J. MARGOLD-DARMSTADT.
BÜCHER -SCHRANK EINES HERRENZIMMERS. EICHE
REICH GESCHNITZT. AUSFG : A. UNGETHÜM— WIEN.
EMANUEL JOSEF MARGOLD-DARMSTADT
ARCH. E. J. MARCiOLD-DARMSTADT.
LEUCHTERKRONE U. ELEKTRISCHE ZUGLAMl'EN.
AUSFÜHRUNG: BAKALOWITS & SÖHNE WIEN.
413
Kunst und Kunstwissenschaft.
ARCHITEKT E. J. MARGOLD-DARMSTAUT.
deutung mancher Namen zu belasten, und an-
dererseits ist es ganz unstatthaft, wenn nun
jeder auf eigene Faust sich schnell eine Ästhe-
tik und allgemeine Kunstwissenschaft zurecht-
zimmert und nun frisch darauflos arbeitet. So
wird nur das Chaos vergrößert, Energie unnütz
verschleudert und keinem geholfen. Diesem
undisziplinierten Treiben entgegenzuwirken ist
mit eine der Hauptaufgaben des kunsterziehe-
rischen Gedankens, der ja glücklicherweise bei
FARBIGE VERGLASUNG. At'SF: G. HEINERSDORFF BERLIN.
uns schon festen Fuß gefaßt hat und ständig
an Ausbreitung gewinnt. Er wäre ja vollständig
aussichtslos gewesen, wenn nicht vor ihm und
gerade auch durch ihn klare Bewußtheit über
gewisse Kunsttatsachen erreicht worden wäre,
und damit — Hand in Hand gehend — eine
Einigung über ihre sprachliche Festlegung. Wenn
heute von Zweckmäßigkeit, Sachlichkeit, Mate-
rialschönheit, Komposition, Kolorismus, künst-
lerischer Handschrift, Ortsstil, Zeitstil usw. usw.
414
Kunst nud Ktoishvissenscliaft.
ARCHITEKT E. J. M AÄGOLD - DARMSTAUT.
gesprochen wird, weiß jeder annähßrnd genau,
was gemeint ist. Und wer neue Ausdrücke
einführt — was aber nur dann statthaft ist,
wenn der vorhandene Wortschatz versagt —
oder alte Ausdrücke umprägen will — wobei
aber größte Vorsicht nottut, denn Verwirrung
stiftet man gar leicht, Einbürgerung sehr schwer,
— der ist sich der Aufgabe wohl bewußt, daß
er den Sinn dieser Ausdrücke umgrenzen und
seine Spannweiten aufweisen muß. Vor kurzer
I-AKBIGK VERGLASUNG. AUSl': G. HEl.NERSDl 1RH-— llERl.IN.
Zeit dünkte es noch vielen als das höchste Ideal,
Auseinandersetzungen mit Kunstwerken oder
dem Kunstschaffen einer Epoche in durchaus
subjektiver, ja individuell betonter Form zu
halten; es wurde nichts anderes verlangt, als
eine sprachlich geschmackvolle Wiedergabe der
Eindrücke, welche die betreffende Persönlich-
keit erfahren hat. Man wollte wissen: was hat
dieser oder jener bedeutende Schriftsteller vor
diesem oder jenem Kunstwerke empfunden.
415
Kiii/s/ nnd Kujishvisseusc/mff.
1
ARCHITEKT
E. MARGOLD-
DARMSTADT
STI.BERNE
j DOSE GETR.
i M. MALACHIT.
um dann nachfühlend und ein-
fühlend das gleiche zu erleben.
Die Individualität des „Kriti-
kers" wird für den Kreis sei-
ner Gemeinde der richtung-
gebende Typus. Ja, je eigen-
artiger sich diese Reaktion
des Kritikers auf Kunstwerke
äußerte , desto höher stieg er
in Ansehen und Achtung. Er
gab also eine Stimmungsskizze,
und seine Stimmung steckte
die anderen an. Ganz fern liegt
es mir, den hohen Wert der-
artiger Bekenntnisse zu leug-
nen, soweit sie von bedeuten-
denPersönlichkeiten herrühren.
Aber der solide Weg zu Kunst-
verständnis und einsichtsvoller
Kunstwertung führt nicht in ge-
rader Linie durch die Impres-
sionen hochgestimmter Seelen,
deren typische Anlage vielleicht
von der des Lesers grundver-
schieden ist und für ihn daher
gar nicht bindend sein kann,
sondern durch den Versuch, die
Gesetzmäßigkeit zu erkennen,
welche das Kunstschaffendurch-
waltet, über die Notwendigkeit
belehrt zu werden, die ein be-
stimmtes Zeitwollen beherrscht.
Wir wollen nicht jubelnde Be-
geisterung oder höhnische Ab-
lehnung, sondern eine gerechte
Wertung, welche die Tatsachen
entwickelt, auf die sie sich
stützt, so daß wir in der Lage
sind, die Gründe nachzuprüfen
und zu kontrollieren. Erst da
416
E. MARGOLU. UilRB.VNU M. ANHÄNGER.
OOLD, GHTR. AUF PERLE. AUSF: O. DIETRICH-WIEN.
beginnt die Möglichkeit für
ernste, sei es beistimmende, sei
es widersprechende Auseinan-
dersetzungen. Manchen mag
dies als ein pedantischer Rück-
fall erscheinen, als grauerNebel
trockener Schulweisheit. Ich
erblicke darin einen segensrei-
chen, nicht genug zu fördern-
den Forlschritt; denn wenn
wirklich die Kunst den Rang
einer gewaltigen Kulturmacht
einnimmt und einnehmen soll,
und dieses stolze Wort mehr
als eine hallende, tönendePhrase
ist, dann müssen wir uns doch
mit einer derartigen Großmacht
mit all der Gründlichkeit und
Vertiefung beschäftigen, mit all
der Weitschweifigkeit und Um-
ständlichkeit, die nun einmal
mit dem ernsten Getriebe der
Wissenschaft unauflöslich ver-
bundensind; einerWissenschaft,
die nicht auf den leichten, schil-
lernden Flügeln derSpekulation
denrealenTatsachen entflattert,
sondern gerade diesen Tat-
sachen mit allem Eifer nach-
geht. Aber wehe! wehe! rufen
wohl viele: überantworten wir
hier nicht die Kunst der Wis-
senschaft, liefern wir da nicht
das sonnige Kind frei schöpfe-
rischer Phantasie der gedrück-
ten Stubenluft der Gelehrsam-
keit aus? Und ist es nicht
wissenschaftlicher Dünkel, zu
wähnen, daß von hier aus erst
der wahre Weg zur Kunst
f*;^>*tW*>*>>»l^>-»
EMANUEL JOSEF MARGOLD-DARMSTADT.
KOLI.IKR UM) BROSCHE. GOLD MIT HALBEDELSTEINEN.
1Ö13. V. e.
^^^N^S>C:^
iimiLmnM.>tJHtt»n
EM. JOS. MARGOLD-DARMSTADT.
VORSTECKNADELN , RINGE UND BROSCHEN.
GOLD UND SILBER MIT HALBEDEL-
STEINEN. AUSF: O. DIETRICH-WIEN.
ARCHITEKT E. J. MARGOLD DAKMSTADT.
KOLLIERS. SILBER VERGOLDET MIT HALBEUELSTEINEN.
ENTWURFE
ARCHITEKT
EMANUEI.
J. MARGOLD.
liRUCKSTOFFI.
ausfuhrung:
oberhessisch.
LEINEN-
INDUSTRIE
MARX S; KLEIN-
liERGER-
FRANKFURT
ARCHITEKT
KMA.VUF.I.JOS.
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Kunst und Kjmshvissenschaft.
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ARCHITEKl EM. JUS. M,.\KGc HU Il.\kMST.\DT.
sich erschließe? Scheint es denn nicht weit
naturgemäßer, wenn eine kunstfrohe, kunst-
empfängliche Persönlichkeit uns ihre Kunst-
eindrücke schildert, und wir diesem Vorbild
nacheifern, statt vielleicht kapitel- und para-
graphenreiche Bücher zu lesen, um dann vor
lauter Bäumen nicht den Wald zu sehen? Gilt
es nicht im Gegenteil, gegen Übergriffe der
Wissenschaft das Eigenrecht der Kunst zu ver-
teidigen und damit gegen das unselige Dogma
anzukämpfen, als ob alle Äußerungen unseres
Lebens wissenschaftlich geregelt sein müßten,
bis wir zu einer logischen Maschine erstarren
würden? Indem ich alle diese Einwände hier
in schärfster Form vorbringe, deute ich wohl
424
BEDRTXKTE TISCHDECKE. AUSF: MARX 81 KLEI.NBERGER.
schon an, daß ich mich über diese Forderungen
des „gesunden, unverbildeten Gefühls" durch-
aus nicht achtlos hinwegsetzen will ; denn wenn
wir von Wissenschaft sprechen, die wahrlich
dieses Ehrennamens würdig ist: so wird sie
sicherlich nicht die herrliche Sprache des Ge-
fühls vernachlässigen. Wissenschaft ist nicht
Logizismus und Intellektualismus, wie heute
leider noch vielfach gemeint wird. Aber viel-
leicht kommen wir am leichtesten ans Ziel,
wenn wir das allgemein Zugestandene und je-
dem Zweifel Entrückte zuerst ausschalten und
dann — zur Abwehr von Mißverständnissen
— Grenzen ziehen; dann dürfte wohl eine
Einigung wenigstens angebahnt werden können.
Kumt und Kuvshvissenschaß.
^.tni'i^^Mi
AKCHITEKT KM. JOS. ^LARGOLI)— UAK.MM Ahl .
Das Recht einer wissenschaftlichen Behand-
lung der Kunst kann gar nicht ernstlich bestrit-
ten werden; es wäre doch geradezu lächerlich,
ein so weites, reiches und bedeutungsvolles
Tatsachengebiet dem Kreise der Wissenschaft
entreißen zu wollen. Wenn da im vorhinein
der Ruf ertönt, hier zerbreche jede wissen-
sciiaftliche Bemühung an der schrankenlosen
Freiheit des schöpferischen Individuums, so ist
es zumindest Sache der Wissenschaft, nachzu-
prüfen, ob sie wirklich keinen Kingang in diese
Welt findet, oder ob auch hier Gesetze herr-
schen. Und selbst wenn sie an das Reich der
Individualität in ihren feinsten, zartesten Ver-
BEURUCKTK TI.SCHIJI'XKK. AUSK; MARX & KLEINBERGFR.
ästelungen herantritt, so können ihr da die
modernen Methoden der differentiellen Psycho-
logie die Wege weisen, nicht um die Individu-
alität auf eine kahle, kalte Formel einzuzwän-
gen, sondern im Gegenteil: um sie zu ver-
stehen und zu würdigen. Die ernst zu neh-
mende Meinungsverschiedenheit, welche die
Gemüter erhitzt und die Parteien spaltet, hebt
erst da an, wo es sich um die F'rage handelt, ob
die Wissenschaft dem praktischen Kunstbetrieb
förderlich sein kann, oder ob sie ihn hemmt
und stört. Eines darf man natürlich nicht von
der Wissenschaft verlangen: nämlich daß sie
unmittelbar im Kunstleben schöpferisch wird.
1913. V. 7.
4*5
H;.\l 1- 1 I A MARGOT.D - »ARMSTAIJT.
HUTPUTZ. BLUMEN AUS FARBIGEM FII.Z.
^-\1Ca
KKAU ELLA MARGuLD Li AKMs 1 .Uj 1 . HUTPUTZ. BLUME.N ALS 1AKLIGL.M HLZ.
IKAU ELIA
MARGDI.D-
DAKMSTAin.
HÜIPUTZ.
GESTICKIKS
SEIDEN-
KISSEN.
Knust lind Kunstwissenschaft.
ARCHITEKT KMAN. Jus. MARGoLD IlARMSTAUT. KAI- FEE-.SF.K\ IrE. CijEI), VIOLETT, SCHWARZ. AUSF : J. BOCK- WIE.N.
Ein Mensch vermag alle logischen und ethischen
Gesetze genau zu kennen, ohne deswegen doch
eine bedeutende wissenschaftliche Tat oder eine
heroische Handlung vollführen zu können. Und
deswegen darf man natürlich auch von Ästhetik
und allgemeiner Kunstwissenschaft nichts Un-
mögliches verlangen: sie erzeugt keine genialen
Persönlichkeiten. Aber mittelbar vermag sie
in mancher Richtung das Kunstschaffen zu be-
einflussen, und vielleicht nicht in ungünstigem
Sinne. Sie kann z. B. vor manchen Sackgassen
warnen, manche Fehler vermeiden lehren ; und
damit spart sie dem Künstler unnütze Arbeit,
manche Entmutigung und Enttäuschung. Aber
welcher Künstler schafft denn nach ästhetischen
Regeln? und wenn er dies täte, so würde auch
gleich der Fluch nachfolgen: der glatte , lang-
weilige Akademismus. Denn die Ästhetik kann
sich doch nur an der Kunst der Vergangenheit
oder der Gegenwart emporranken ; denn da
findet sie ihre Tatsachen vor; der wahre Künst-
ler aber blickt in die Zukunft und gestaltet,
prägt erst die Tatsachen , welche dann die
Ästhetik — und meist sehr spät — in ihr
System hineinverarbeitet. Will man sich eines
Bildes bedienen, so darf man sagen: der Künst-
ler eilt der Kunst der Gegenwart voran, der
Ästhetiker hinkt ihr nach. Trotzdem dieser
Vergleich für den Wissenschaftler wahrlich
428
keine Schmeichelei bedeutet, muß ich doch
ehrlich bekennen, daß ein gewisser wahrer
Kern ihm nicht abzusprechen ist. Sicherlich
„macht" die Ästhetik keinen neuen Stil, eben-
sowenig wie sie einen Künstler „macht". Aber
eine solche Zumutung an sie zu stellen, ist
falsch. In anderer Hinsicht kann sie gar wohl
auch der Kunst der Zukunft dienen. Indem sie
sichtend und sondernd ihre Gesetze entwickelt,
gibt sie damit die großen, klassischen Traditio-
nen der Kunst, gleichsam das Skelett, das Ge-
rippe der Kunst, ohne das sie nicht gedeihen,
nicht blühen, ja nicht leben kann. Und da kann
schon der Künstler, der vielleicht unter der un-
durchsichtigen Wirrnis einander bekämpfender
Richtungen leidet, einen freieren, weiteren Aus-
blick gewinnen, sich über das trübe Dunkel des
Tages erheben zu einer leuchtenderen Zukunft;
hier vermag er vielleicht eine ähnliche Be-
schwingung zu erfahren, wie sie — um einen
Vergleich heranzuziehen — mancher Künstler
schon von der großen Kunst der Vergangenheit
beseligt erlebt hat. Beispiele, nicht Worte! das
kann und muß man mir entgegenhalten. Ich
glaube , daß es an Beispielen wahrlich nicht
fehlt; wenn man bedenkt, wie viele und wie
große Künstler ernst und tief um klare Einsicht
in die notwendige Gesetzlichkeit ihrer Kunst
rangen, und mit welch primitiver, roher und
ARCHITEKT
FMASUKI
Jos. MARGOl.li-
DARMSTADl
KAFFKK-
NERVICK Mir
REICH. UF.KiiK.
ROT U. GOI.T).
AUSGEFCHRT vom porzellanhaus JOSEF BOCK, HOFLIEFERANT-WIEN.
429
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ARCHITEKT EM. JOS. MARGOI.D— D.\RMSTADT. SPEISE-SERVICE. GRÜN, GOLD, SCHWARZ. AUSK: J. BOCK -WIEN.
Kunst lind A'unshvissensckaf/.
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L.
HOFFMANN
\/iKrora
6.SZ.
1911
VI.EV
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norFt-t/xisit^j -X/IKIOIS
......M...M.....M...M.M.,.M.,.M.M...a.l.M.M.M.t.tn
ARCHITEKT EM. JOS. MARGOLD - DAKMSTADT.
ungeschliffener Ästhetik sie sich be-
gnügen mußten, so darf man ohne
Anmaßung sagen , daß die Ästhetik
der Gegenwart weit Besseres, Gedie-
generes und auch — worauf ja hier
der Schwerpunkt liegt — Lebens-
näheres zu bieten hat. Und wenn wir
die stattliche Reihe der Künstler-
schriften mustern, die nur die letzten
Jahre gezeitigt haben, da müssen wir
es immer nur mit wehmütigem Be-
dauern feststellen, wie die ringende
Unklarheit unter dem Mangel ästhe-
tischer Schulung zu keiner Erleuch-
tung sich durchkämpft, wie ausge-
zeichnete, vorzügliche Gedanken ver-
worren bleiben, nicht ausreifen, ja
widerspruchsvoll auftauchen, weil es
an den primitivsten Grundlagen und
an der nötigen Technik fehlt, diese
Gedankenketten in gerader Linie fort-
zuspinnen. Und würde es etwa besser,
wenn der Künstler eine ästhetische
Ausbildung durchmachen würde?
Darüber muß die Erfahrung entschei-
den, und ich hoffe: sie wird entschei-
den. An allen Akademien und an
allen besseren Kunstschulen wird Ana-
TITEL EINER UNGARISCHEN ZEITSCHRIFT.
tomie getrieben, und auch an kunst-
geschichtlichen Vorträgen herrscht
kein Mangel. Keiner ist so ver-
blendet, zu wähnen, daß Anatomie
und Kunstgeschichte den Künstler
machen; wohl aber ist die allgemeine
Ansicht, daß diese beiden Disziplinen
nützliche Hilfswissenschaften für den
Künstler sind; und meiner Meinung
nach wäre hier die Ästhetik als
Lehrfach einzureihen. Von einem
Ästhetikunterricht, der möglichst den
realen Tatsachen des Kunstlebens an
den Leib rückt und im Hinblick auf
die besonderenBedürfnisse desKünst-
lers eingerichtet ist, verspreche ich
mir reiche und wertvolle Erfolge und
glaube, daß jedenfalls derartige Ver-
suche in größerem und systema-
tischerem Maße betrieben werden
sollten. Ich kann mich erinnern, daß
Hermann Obrist in seiner Schule jede
Woche einmal an einem Abend im
großen Kreise seiner Schüler und
Schülerinnen allgemeine ästhetische
und künstlerische Fragen besprach,
und daß hier zahllose Anregungen
die Schüler empfingen. Auch ist es
4J2
1013. V. S.
TniiffaNiüaFJsriEiMHnF^MsnmiMiHmMCinaG?
ARCH. EMANUEL JOSEF MARGOLD.
ENTWURF FÜR EIN FAMTI.IEN-GRABM.VL. BE-
HAUENER BETON, SCHWARZE BLUMENVASEN.
Ku7ist und Kunstwissenscliaft.
ja eine bekannte Tatsache, wie viele junge
Künstler an Universitäten und anderen Hoch-
schulen ästhetische Vorlesungen hören, \i^\\
sie an ihren eigenen Bildungsanstalten dazu
keine Gelegenheit finden. Und doch scheint
mir dieser Weg verkehrt: das pädagogische
Ziel einer Kunstakademie und einer Universität
ist völlig verschieden; und ästhetische Vor-
lesungen an der Universität haben einem ganz
anderen Zweck zu dienen und sind für ein
ganz anderes Publikum berechnet, als solche,
die sich an junge Künstler wenden würden, um
ihnen für ihre Ausbildung nützliche Kenntnisse
und wertvolle Anregungen zu bieten. Es ist
ja auch die „Anatomie", die für angehende
Mediziner vorgetragen wird, eine wesentlich
verschiedene von der für Kunstakademiker.
Wenn ich also diese Erörterungen zusammen-
fassen darf, so möchte ich noch einmal dem
lebhaften Wunsche Ausdruck verleihen, daß
man den Versuch wagen sollte mit der Ein-
führung von Ästhetik -Vorlesungen an
Kunstakademien! Schaden kann diese
Reform sicher nicht, und meiner Meinung nach
vermag sie sehr zu fördern und sehr zu nützen.
Solange die Ästhetik auf den erdfremden Bah-
nen der Spekulation sich bewegte, und solange
die empirische Ästhetik in ihren Anfängei
steckte, da wäre ein derartiger Vorschlag ver
früht gewesen. Heute aber scheint uns die
Ästhetik so weit reif, um ihren Einzug in die
Kunstakademien halten zu können. Und so wie
der junge Künstler von ihr innere Förderung
erfahren kann, so wird sicherlich der Ästhe-
tiker nicht minder gefördert werden in dieser
lebendigen Wechselwirkung, in dem sich immer
innigeren Anpassen an die wahren Bedürfnisse
des Künstlers, in diesem spannenden Hinein-
hören in die gärende Werkstatt der Kunst.
Aber nicht in erster Linie für den schaffenden
Künstler ist die Ästhetik berechnet, sondern
vor allem für den Kunstfreund, der sich mit
der naiven Hingabe an das Kunstwerk nicht
begnügt, sondern nach einem Wissen strebt
über die Bedingungen seines Genusses, über
die Gesetzlichkeit der Kunst, über die Art des
künstlerischen Schaffens und über sichere Wer-
tungsgesichtspunkte. Von diesen Kenntnissen
E. J.M.\RGOLl>
DARMSTAin.
erhofft er nicht nur eine Bereicherung und Ver-
vollkommnung seiner Bildung, sondern vor
allem lockt ihn wohl ein praktischer Zweck :
Vertiefung des Kunstgenusses, richtige Einstel-
lung gegenüber der Kunst, gerechte Würdigung.
Und sicherlich ist es ja das Ideal der Ästhetik,
diesen Anforderungen in völliger Weise gerecht
zu werden, wenn sie auch von diesem Endziele
heute noch gar weit entfernt ist ; aber deswegen
darf doch kein Verzagen Platz greifen: manches
scheint gewonnen, das in die gewünschte Rich-
tung weist, das den hier geäußerten Bedürf-
nissenRechnung trägt. Insbesondere demKunst-
kritiker dürfte schon heute die Ästhetik reiches
und wertvolles Material liefern können, das ihn
in den Stand setzt, mit schärferer Klarheit und
größerer Sicherheit den Dingen entgegenzutre-
ten. Und es erfüllt sich erst das Schicksal der
Ästhetik, wenn sie aufhört bloß Wissenschaft
zu sein und ins Leben eintritt: Hier werden
auch sicherlich sofort ihre Schwächen und Lük-
ken offenbar, aber indem sie sich dem Leben
anpaßt, können die Schwächen beseitigt, die
Lücken ausgefüllt werden. Wir wollen nicht
eine wissenschaftliche Kunst oder eine künst-
lerische Wissenschaft! Jede Vermengung ge-
reicht nur beiden zum Unheil. Aber wir wollen
das Zeitwollen und den Ausdruck, den es in
der Kunst findet, wissenschaftlich verstehen,
um so nicht nach persönlichem Belieben über
die Leistungen der Kultur zu urteilen, sondern
gestützt auf sichere, wohl begründete Ergeb-
nisse. Und nur so können wir mit Erfolg gegen
das phrasenhafte, wortreiche Gerede ankämpfen,
das gleich üppigem Unkraut alles Besinnen
über Kunstfragen durchsetzt. Kunsterziehung
darf nicht nur in die Breite und Weite führen,
sondern vor allem auch in die Tiefe, damit sie
nicht schließlich in Oberflächlichkeit und Tri-
vialität versandet. Wenn heute eine Kunst
aufstrebt, die nach strenger Gesetzlichkeit, nach
der herben Notwendigkeit eines großen Stils
mit allen Mitteln ringt, so müssen Wissenschaft
und Kritik hier Hand in Hand mitgehen: nicht
vorlaut sich vordrängend; durch verfrühten
Tadel oder voreilige Begeisterung störend, son-
dern mit ihren Mitteln im Dienste der gleichen
Aufgabe kämpfend. dr. emil utitz.
UNGERRING
GOLD M. PERLEN.
435
KUine Ku7isl-Nachrichten.
BiCHOFF, DAVID & CO.— PARIS. HAUSKLEID
AUS SEIDENSTOFF MIT REICHER BUNTEN MUSTERUNG.
KLEINE KUNST-NACHRICHTEN 1913.
JANUAR.
AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS. Paul
L Cassirerwill während der nächsten Zeit einifje
jung-e Privatsammlungen zur Ausstellung bringen.
Es soll damit bewiesen werden, dafi in Deutschland
die Amateure der modernen Kunst mit Eifer und
Geschick einzukaufen wissen. Den Anfang macht
die Sammlung- Reber, der Besit} eines rheinischen
Industriellen. Was da in wenigen Jahren an Bildern
zusammenkam, überrascht durch die Gleichmäf^ig-
keit einer reifen Qualität und durch die gemeinsame
Lebensart. Cezanne ist der Maßstab dieser Samm-
lung: die Vitalität der Linie, eine nervös gespannte
Farbgebung, eine Leidenschaft, die sich im Kampf
um die Form verblutet. Keusche Sensationen der
Klassik empfangen wir vor diesen Bildern, die wie
Glieder einer gro|5en kosmischen Familie ineinander-
fassen. Es ist ergreifend, zu sehen, wie sich Linien
auftun von Cezanne bis zu den Helden des Barock.
Eine kleine Leinwand, die dem Meister von Mefikirch
gehören soll, zeigt deutlich, wie der Gefühlsdrang, der
sich in dem französischen Systematiker entlad, schon
vor Jahrhunderten naiv keimte. Solche Zusammen-
hänge überschauen, läßt die Revolutionäre der Ge-
genwart zu Erfüllern werden. Es ist ein Weg von
dem altholländischen Kalff zu van Gogh; das lägt
sicli hier nachprüfen. Und wie Manet und Goya
untereinander und beide mit Velasquez verwandt
sind, das gibt den malerischen Phänomenen der ein-
zelnen Bilder die Grobheit des Gesetjmäßigen.
Durch Manets „Knabe mit Hund" und Goyas
„Spinnerinnen", durcli die Stilleben und die Bild-
nisse des Cezanne empfängt die Sammlung Reber
den Charakter eines Dokumentes der Malgeschichte.
Die anmutigen Vibrationen des Monticelli und die
sinnlichen Spiele Renoirs, dieses Watteaus der
Impressionisten, girren wie Ranken in der Monu-
mentalität solches Museums. — Gurlitt bringt die
erste der Jubiläumsgaben im 25. Jahre der Regie-
rung Wilhelms II. Es werden typische und be-
sonders frühe Werke jener Meister gezeigt, die
seit 1888 in diesem Salon zur Ausstellung kamen.
Abermals sind es die Gemeinsamkeiten, die uns
solch Nebeneinander von Vielen interessiert ab-
wandern lassen. Von Corot ein Bildchen, das noch
den schematischen Baumschlag zeigt, und das doch
schon von einem Grün erfüllt ist, in dem das Tem-
perament aller Landschaftseroberung sich zu regen
scheint. Dann Courbet, in einigen Stellen fast kit-
schig und doch berstend vom Drang zum Propheten.
Seine Kinder und Kindeskinder sind versammelt,
Trübner, der schon 1876 mit fabelhafter Kraft
Buchenstämme malte, Hagemeister, der rückwärts
an Schuch und Leibl mahnt. Ganz zeitlos scheint
Liebermann mit seinem Selbstporträt von 1901;
436
Kleine Kuvst-Naclirkhteu.
Sicht man abervor seinem braunen „Küdienintcrieur",
das er 1876 jj^emalt hat, dann sieht man deutlich,
wie er von Munkaczy kommt und wie Uhde (v(in
dem ein eiitzürkendes Kinderbildchen zu sehen ist)
einst ganz nahe Verwandtschaft zu ihm hatte. —
Zu solcher Verwandtschaftspsydiologie verleitet uns
auch die Kollektion von Arthur Kampf, die wir bei
Schulte ansehen können. Nach den Themen und
nach dem Vortrag- werden wir an Menzel erinnert:
Eisenwalzwerk, Hofball, im Detail und nicht ohne
VVit) gesehen. Daneben bleibt Düsseldorf mit seinem
akademischen Historienbild zu spüren; Slevogts
Bravour macht sidi bemerkbar, und die dekorative
Tendenz der Münchner Scholle scheint hier und da
erstrebt. Man möchte doch lieber, statt an Menzel,
an Meyerheim denken. Von diesem alten Berliner
treffen wir im Künstler haus manch nette Schil-
derei. Idyllische Waldszenen , Zigeunerromantik
und Tierbudenhumor, so etwa in der Art von Hark-
länder, diesem Romansdireiber einer weltmännischen
Oartenlaube. hklukk.
Ä
IEIPZIO. Die Ereignisse im Leipziger Kunst-
^ leben sind in der Tat zu zählen. Es ist ein wenig
gar zu still hier. Von jenen künstlerischen Wagnissen,
die für den Berliner Kritiker tägliche Nahrung
sind, erfährt man in Leipzig so gut wie nichts.
Im vorigen Jahre brachte der „Verein Leipziger
Jahresausstellung" unter dem Vorsi^ Klingers („die
Lia") etwas Bewegung in den Brei. Es scheint,
als ob er sich auch in diesem Jahr zu regen ge-
dächte. — Man tröstet sich damit, daft Leipzig noch
heuer groj^e Ausstellungen haben werde, z. B. die
Intern. Baufachausstellung, und später(l914)die Aus-
stellung für Buchgewerbe und Graphik. Aber die
nütjen ^en Leipziger Künstlern nur wenig; sie
werden einmal da sein und nicht wiederkommen,
sie sind zu allgemein, für alle Welt berechnet, nicht
den besonderen Bedürfnissen der lokalen Produk-
tion angemessen. Und man bedürfte doch sehr
der Anregung. — Der fortschrittliche und gediegene
Kunsthandel hat es hier nicht leicht. So sind
aud] die guten Ausstellungen selten. Im Januar
wird man in der Kunsthalle P. H. Beyer&Sohn
das graphische Werk von Felicien Rops in sehr
reicher Auswahl sehen können. — Sonst kommt für
ständige .Ausstellungen nur noch der Kunstverein
in Betracht. - Er feierte im Oktober und Novem-
ber sein 75jähriges Jubiläum mit einer vornehmen
und gewählten Ausstellung. Es fehlte kaum ein
Name der zeitgenössischen deutschen Malerei, aber
man sah auch kaum ein Bild, das nicht schon an-
derswo die Kritik passiert hätte. Das Ereignis war,
dafi man aus dem Bestand dieser Kollektion glückliche
Ankäufe für das Museum machte, so ein „Selbst-
bildnis" Liebermanns mit Strohhut, aus 1911;
einen sehr sdiönen frühen Albert v. Keller, „Bildnis
BECHOFF, DAVIIJ & CO. WIN 1 EKKI.E1U, l'liL/.VERliRAMT.
.\RMF.I. BUNT GFMUSTKRTF.R SFIDKNSTOFF.
437
Kleine Kunst- Nachrichten.
der Frau von Le Suire"; einen Thoma; „Die Stein-
brecher" von Sterl; ein hübsches Bildchen „Land-
haus" von Th. Th. Heine; eine kleinere Bronze von
Tuaillon u.a. — Im Dezember beherbergte der
Kunstverein die dekorativen Gemälde und Plastiken
von SaschaSchn eider, die vordem in Dresden
bei Arnold gewesen waren; ferner ein groJ3es Bild
„Badezeit", ein paar weibliche Akte, Porträts und
Stilleben von Rysselberghe, der in Zeichnung
und Farbe immer gefälliger wird; dann neben
einigen verunglückten Arbeiten auch ungewöhnlich
gute Plastiken des Karlsruher Bildhauers Georg
Schreyögg, so das ausgezeichnete Bronzeporträt
des Malers Altherr, einige Bronzeakte aus der Nach-
folge Rodins, eine hübsche Majolika „Johannes".
Endlich war da ein weiblicher Halbakt in dunkler
Bronze von Hoetger, von bedeutenden Qualitäten.
— Interessante Bekanntschaft machte man mit dem
Leipziger Graphiker Erich Grüner, der einen
radierten Zyklus „Judas" mit den dazu gehörigen
Studien ausstellte. dr. ewald benuer.
Ä
BERLIN. Kürzlich fand in den Ausstellungs-
räumen der Wochenschrift „Der Sturm" eine
Kollektivausstellung von Gemälden einer kleinen
Malergruppe statt, deren Darbietungen einen be-
sonderen Anspruch auf das Interesse der Allge-
meinheit erheben, weil sie die Ideen und Anre-
gungen der Kubisten und Futuristen über das
philosophische Programm hinaus in künstlerischer
Weise verarbeitet und zu wertvollen Resultaten
geführt haben. Die drei Künstler dieser jungen
bedeutsamen Vereinigung treten unter dem Sammel-
namen „Die Pathetiker" vor die Öffentlichkeit. Wenn
auch diese Bezeichnung für den ersten Augenblick
unverständlich erscheint, so wird man doch bald
erkennen, dag in ihr die Betonung des Erhabenen
durch die Tiefe des Erlebnisses zu Worte kommen
soll. Erlebt und in harmonischer Anpassung an
das Erlebnis wiedergegeben sind vor allem die
auf biblische Motive zurückgehenden Gemälde
Jacob Steinhardts. „Der Tanz um das goldene
Kalb" und „Lots Flucht" sind ihm unter kompo-
sitorischer und koloristischer Anlehnung an Greco
nicht minder gelungen als seine hervorragende
expressionistische Wiedergabe des „Jeremias". Hier
klagt wahrhaft einer aus tiefster Verzweiflung und
füllt die Landschaft mit seinen Klagen, dag Felsen
und Bäume erschauern und sein Leid zu dem ihren
zu machen scheinen. Ludwig Meidner kopiert
zwar in seinem Selbstporträt noch allzusehr das
bekannte Selbstporträt van Goghs, gibt aber in
seinen übrigen Expressionen beachtenswerte Lei-
stungen künstlerischen Ringens. Der „Weltunter-
gang" und die „Landschaft mit verbranntem Haus"
sowie die grenzenlose Einsamkeit im „Hiob" kommen
den Idealen des Expressionismus am nächsten.
Seine Zeichnungen und die Graphik Steinhardts
verfolgen neben einigen Gemälden Ludwig Jan-
thurs die gleichen Wege nach der Vertiefung des
Geistigen im Kunstwerk. Hie und da dürfte man
noch etwas mehr Selbstzucht verlangen, aber das
ernste Streben dieser drei Schlesier läJ3t uns gern
über das noch Unvollkommene, das oft zu grotesken
Übertreibungen führt, hinwegsehen und gibt uns
die Hoffnung, dag aus der nüchternen Theorie der
neuesten expressionistischen Bestrebungen eine
neue Schönheit erwächst. dr. walter georgi.
Ä
DARMSTADT. Allgemeine Deutsche retro-
spektive Kunst-Ausstellung 1650—1800
Darmstadt 1914. Auf Veranlassung des Grogherzogs
wird in den Sommermonaten 1914 im Residenz-
schlosse eine groge retrospektive deutsche Kunst-
ausstellung staltfinden, die der Zeit nach dem Drei-
gigjährigen Kriege bis zur Ära Napoleons gelten soll.
Die geplante Darmstädter retrospektive Aus-
stellung, deren Organisation Herrn Prof. Dr. Georg
Biermann-Darmstadt und den Herren Kommerzien-
räten Hermann und Theobald Heinemann in München
übertragen ist, wird zum erstenmal aus der un-
geheuren Produktion dieser Zeit all das an einer
Stelle vereinigen, was einerseits im Sinne der Mo-
derne lebensstark und interessant erscheint, was
aber andererseits nicht minder auch die Kultur jener
Epoche ihrer doppelten Eigenart nach vielsagend
vertieft. So wird die Ausstellung nicht nur den
Beweis zu erbringen suchen, dag auch in jenen
anderthalb Jahrhunderten überall in Deutschland
Künstlerpersönlichkeiten gewirkt haben, die es ihrer
Qualität nach verdienen, der Kunstgeschichte zu-
rückerobert zu werden, sondern sie wird hoffentlich
auch zeigen können, dag schon in jener Epoche
zahlreiche Ansähe zu einer durchaus modernen
Kunstauffassung konstatiert werden müssen, die
erst im 19. Jahrhundert ihre Fortentwicklung ge-
habt haben. Ihr Material wird die Veranstaltung
ebenso aus dem Besit3 der deutschen fürstlichen
und privaten Sammlungen wie aus dem der öffent-
lichen Galerien schöpfen. — So darf man hoffen,
dag diesem für die Erkenntnis unserer Vergangen-
heit so ungemein wichtigen Unternehmen, für das
der Grogherzog von Hessen als Veranstalter zeich-
net, die Sympathie der weitesten Kreise und die
Mitarbeit aller Kunstgelehrten und Museumsdirek-
toren zur Seite stehen werden. — Für den Som-
mer 1914 wird sich der hier angekündigten grogen
retrospektiven deutschen Kunstausstellung die längst
in Vorbereitung befindliche Ausstellung der
Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe zuge-
sellen. Mit diesen beiden Veranstaltungen dürfte
Darmstadt im nächsten Jahre unbedingt der wich-
tigste Anziehungspunkt für alle deutschen und wohl
auch ausländischen Kunstfreunde sein. k.
«8
Kleine Kunst-Nacliricliten.
DARMSTADT. Zu seinem 25 jährigen Verlags-
und Berufsjubiläum wurde Alexander Koch
eine seltene Ehrung zu teil. Von namhaften Künst-
lern, Srhriftstellern und hochstehenden Persönlich-
keiten aus Deutschland und dem .Auslände waren
mehr als 250 Widmungsblätter eingesandt worden,
die in zwei kostbaren Pergamentbänden vereinigt
dem .lubilar überreicht wurden. Diese sinnige und
unschär)bar wertvolle Sammlung umfafit Kunstblätter,
Zeichnungen, Radierungen, .'\quarelle u. a. von Hans
Thoma, Franz von Stuck, Peter Behrens, L. von
Hofmann, Ciraf von KaKkreuth, W. Trübner, K. von
Seidl, A. von Hildebrand, Hans von Volkmann,
.Adolf Hengeler, Eugen Bracht, Julius Diez, Hugo
von Habermann, Frit-, Erler, .Adolf Münzer, Walther
Georgi, R. M. Eidiler, Ad. Niemeyer, Paul Bürck,
Hans Unger, Beriihard Hoetger, Hanns Pellar, Carl
Bant)er, O. H. Engel, Walther Püttner, Otto Ubbe-
lohde, Oskar Zwintscher, Josef Wackerle, Ehmcke,
Cissarz, Ludwig Hohlwein, Ernst Liebermann,
Schultje - Naumburg, van de Velde u. v. a. sowie
Widmungen in Prosa und Versen.
Einige der bemerkenswertesten Äußerungen
mögen hier wiedergegeben sein:
An diesem, Ihrem Ehrentage darf die städ-
tische Verwaltung nicht fehlen. Sie übermittelt
durch mich zu dem 25 jährigen Berufs- und Verlags
Jubiläum die aufrichtigsten Glückwünsche. Ihrer
Energie und Initiative ist es gelungen, die Zeit-
schriften „Deutsche Kunst und Dekoration", „Innen-
Dckoration", „Stickerei-Zeitung und Spitzen-Revue",
„Tapeten-Zeitung" zu gründen, auf ihrer Höhe zu
erhalten und zu führenden Organen für die Gegen-
wart emporzuarbeiten. Der künstlerische Inhalt
der Hefte ist im Verein mit der Sorgfalt und Klar-
heit des prächtigen Bildschmuckes als Kulturfaktor
im Inland und Ausland anerkannt. So darf ich mit
berechtigtem Stolz sagen, daß Sie durch Ihre Tätig-
keit auch den künstlerischen Ruf der Stadt Darm-
stadt in vorbildlicher Weise gefördert haben. Möge
es Ihnen vergönnt sein, in Ihrem künstlerischen
Berufe so wie seither weiter zu wirken : Ihr Lebens-
werk auf seiner Höhe zu erhalten und so national
zu arbeiten zur Förderung deutscher Art, deutschen
Kunsthandwerkes und deutscher Wohnkultur. Auf
ein weiteres Blühen, Wachsen und Gedeihen der im
Inlande und Auslande verehrten Darmstädter Kunst-
zeitschriften ! OBURBÜRGBRMKISTBR DR. GLÄSSlNO'OARMSrADT.
*
„Wäre Hofrat Koch nur der feinsinnige Ästhet
oder nur die willensstarke Persönlichkeit, sein Haus
würde heute nicht den Weltruf besitzen, auf den
auch unsere Stadt allen Grund hat stolz zu sein. Aber
ein gütiges Geschick hat ihm beide Gaben in die
Wiege gelegt und er hat verstanden, sie weise zu
gebrauchen. Der Geschmack hat der Tatkraft die
künstlerische Legitimation gegeben und die Rieh
tung gewiesen; die Tatkraft wiederum hat die aus
dem Geschmack geborenen Gedanken großzügig
verwirklicht. So beglückwünschen wir Hofrat
Alexander Koch als den Schöpfer eines Kulturwerks,
der die Schönheit gesucht und sie gefunden hat."
BÜRGBRMBISTSR HÜLLBR-DARMSTAIir.
«
Eine Baukultur ist undenkbar ohne Überlieferung,
ohne künstlerische Erziehung. Baukünstler und Bau-
herren bedürfen ihrer. Nur wenn beide dem glei-
chen Ziel zustreben, ist ein harmonisches Werk zu
erwarten. Daß heute so zahlreiche erfreuliche
Leistungen der Baukunst anzutreffen sind, danken
wir nicht nur der reiferen Einsicht und gesteigerten
Tätigkeit der Schaffenden, sondern nicht minder
der zielbewußten allgemeinen Erziehung zum Kunst-
verständnis. An der Spitze der dazu führenden
Kulturbestrebungen sehen wir Ihren Verlag. Am
25 jährigen Ehrentage wird keiner Ihrer Freunde
fehlen, Ihnen die besten Glückwünsche auf weite-
res, gleich erfolgreiches Wirken darzubringen, und
zu diesen Freunden wollen Sie auch zählen die
Fachprofessoren der Architektur -Abteilung an
der Großh. Technischen Hochschule zu
Darmstadt.
HOFMANN, \VU:K0P, WALRK. PUTZKR.
Nur wer praktisch selbst das Feld der moder-
nen Kultur bestellt hat, vermag die ungeheuren
Schwierigkeiten abzuschätzen, die einer solchen
Arbeit, wie sie Herrn Hofrat Koch gedankt wird,
entgegenstehen. Was er geleistet und durch seine
Zeitschriften für die deutsche Kunst gewirkt hat,
wird im Buche der Geschichte unseres Volkes ver
zeichnet werden. Daß es seine ureigensten Ideen
gewesen sind, denen er durch die Tat Ausdruck
verliehen hat, daß dem opferfreudigen Mute auch
der Erfolg beschieden gewesen ist, krönt seine Ar-
beit durch sich selbst.
I'KOI-. DR. l.. HIHRMANN-IIARMSTAII
Wer die Tätigkeit des Kochschen Verlages verfolgt
hat, der kennt den Grundzug seines Wirkens; der
lautet „Vorwärts". OKH. KATI'RÜF.C0RNKL.GURI.1TT-DRHSDBN.
Wenn Darmstadt eine Kunststadt von Rang und
Ansehen geworden, so dankt sie dies nicht allein
der auserlesenen und temperamentvollen Künstler-
schar, die der Großherzog stets mit besonderem
Geschick herauszugreifen und, wenn auch vorüber-
gehend, an seine Residenz zu fesseln weiß, sondern
gewiß nicht in letzter Linie der unermüdlichen Arbeit
des Verlegers Alexander Koch. Was wären die
Pappenheimer, wenn sie keinen Schiller ge-
funden hätten! PR0F.DR.GÜ!,1.H.I'AZAI'RKK-SH'TTGAR(.
Ein österreichischer Volkswirt entbietet Herrn
Hofrat Koch zur heutigen Feier herzlichen Gruß,
Dank und Glückwunsch! Denn er hat uns eine
der stärksten Kraftquellen der österreichischen
Volkswirtschaft — das Schaffen unserer besten
heutigen Künstler und Gestalter — fassen helfen.
Die Heimat muß wieder einmal der Fremde danken.
HÜPRAI r)K. ADOl F VK I l KK - W 1 KN .
Zu den starken Kräften, die mit einheitlichem
Willen das neue deutsche Kunstgewerbe vorwärts
und aufwärts geführt haben, zählt seine blühende
Fachpresse, die beste ihrer Art vor allen übrigen
Ländern. In ihr haben Sie seit Beginn der Bewe-
gung in der ersten Reihe gestanden, allem .lungen,
Frischen, Tüchtigen zugänglich, ein Förderer der
Werdenden, auf der Wacht dafür, daß die Ziele
und Maßstäbe sich weiten, daß das große Werk
nicht nur in die Breite, sondern auch in die Höhe
wachse. Die Freunde des deutschen Kunstgewerbes
schulden Ihnen dafür Dank und wünschen, daß Sie
noch lange mit gleicher Energie auf dem wichtigen
Posten wirken mögen, den Sie sich selbst geschaf-
fen haben. DIRBKTOR PUrBRJHSSKN.BKKLIN.
*
Die „Deutsche Kunst und Dekoration" ist das wert-
vollste und wichtigste Archiv der neuen deutschen
Kunst — durch die Auswahl und Schönheit der
Abbildungen, sowie durch die Freiheit der Inter-
439
KUifie Kutist-Nachficliten.
pretation unschätzbar für den Historiker und Kunst-
freund. Möge dem sehr verdienstvollen Unternehmen
des opferwilUgen Herausgebers und Verlegers auch
im nächsten Vierteljahrhundert seiner Tätigkeit
aller Kitsch und alles üble Gemäcklertum erspart
bleiben! UNIV.-PROF. DR. KARL MAVR-ML N« HKN.
.... Bautest Brücken den Künstlern, viel goldene,
rastlos .... Hast unermeßlich bereichert deutschen
Boden für Kunst, edleren Sinn für das Heim!
DR. E. W. BKEDT-Mi NCHEN.
.... Reiches Glück der Erdenkinder liegt in
schöner Häuslichkeit. Heil dem Mittler und Erfinder
einer neuen Wohnlichkeit! g. müschner-minchün.
.... Papierne Bände hast Du so geschichtet,
und doch hast Du ein Denkmal draus errichtet,
das weithin in die Welt die Strahlen warf, das keine
Zukunft übersehen darf! Denn allem, was an Kunst
um 1900 die Zeit gescholten erst — und dann be-
wundert — auch umgekehrt, der Neuzeit bestem
Leben hast du ein dauerndes Archiv gegeben ....
IIAL'RAT HANS SCHLI EP.M ANN-BERLl N .
Wir dürfen Ihnen zu unserer Freude die Versiche-
rung geben, daß wir Sie mit Stolz den Unseren
nennen, daß Ihre Schöpfungen uns mustergültig und
des höchsten Lobes würdig erscheinen. Ein gnädiges
Geschick .... schenke Ihnen in steigendem Maße
den wohlverdienten Erfolg und die Anerkennung
nicht nur einer erlesenen Gemeinde, sondern auch
der weitesten Kreise des deutschen Volkes.
DER VORSTAND DES VERBANDES DER FACHPRESSE DEUTSCHLANDS E. V.
Der Tüchtigkeit seine Hochachtung aussprechen
zu dürfen, erfüllt einen immer mit Freude.
PROF. W. TRÜBNER-KARLSRrHE.
Wer von den Schicksalen der neuen deutschen
Kunst berichten will, der kann an der Persönlich-
keit Alexander Kochs nicht stillschweigend vorüber-
gehen. Alexander Koch gehörte im letzten Jahr-
zehnt des 19. Jahrhunderts nicht nur zu den Weg-
bereitern der Darmstädter Sieben, sondern er war
selbst einer der Pioniere der neuen Zeit. Und er
ist durch 25 Jahre hindurch in der Vorhut geblieben,
THEOD. VOLMEHR-M.\GDEBt'RO.
Wer die gewaltige Entwickelung der deutschen
Kunst und des deutschen Kunstgewerbes im letzten
Vierteliahrhundert verfolgt, wird bewundernd an-
erkennen müssen, wie das durch diesen Verlag Ge-
botene nicht etwa den Entwicklungsgängen nach-
hinkt, sondern im Gegenteil vielfach erste Keime
fördernd aufgreift. Und so sind die Werke dieses
Verlages nicht nur unentbehrliche Dokumente zeit-
genössischen Kunstschaffens, sondern sie haben
dieses selbst in hervorragender Weise beeinflußt,
allem Gesunden und Kräftigen sicheren Rückhalt
bietend, durch Wärme der Begeisterung Freude
und Anhänger werbend. dk. eimil utitz-rostock.
Echter Kunst der Wegbereiter, jungem Werden
ein Geleiter; wie Du wirktest, wirke weiter!
Kl NO i.RAF HARUENBERG-DRESUEN.
Wohl dem, der eine wunderreiche Fracht, die
unbestimmt auf weitem Meere treibt, eh' sie der
Wind nach Nord und Süd zerstäubt, als guter Lotse
sorgsam eingebracht! prof. fr.schumacher-hamburg.
Wenn man einst die Namen derer nennen wird,
die an der Verwirklichung der modernen Kunst-
und Kulturideale nicht nur theoretisch, sondern
auch praktisch mitgearbeitet und dafür gesorgt
haben, daß die Ideen der Künstler Wurzel fassen
und Früchte tragen konnten, dann wird der Name
Alexander Koch nicht fehlen dürfen
Die Wohltat der Arbeit solcher Männer kommt der
Allgemeinheit ebenso wie jedem einzelnen zu gute.
Fast jeder von uns dankt den Unternehmungen
Kochs irgend eine Förderung seines Wissens und
Strebens. Und sie sich aus dem Kunstleben unse-
rer Zeit wegzudenken, ist ganz unmöglich. Sie
sind ein fester Bestandteil unserer Kultur, ein
Wahrzeichen unseres Ringens nach Kultur geworden.
RICH. BRAUNGART-.MÜNCHEN.
„Monsieur Alexander Koch, je voudrais que
vous soyez Francjais!" paul puiuet-paris.
* * *
Die Technische Hochschule-Darmstadt überreichte
Alexander Koch eine künstlerisch gestaltete Adresse,
die folgenden Wortlaut hat:
Die 25 Jahre, auf die der Verlag Alexander
Koch zurückblicken darf, haben auf dem Gebiete
der künstlerischen Kultur eine Bewegung herauf-
kommen sehen, von der für die Zukunft Deutsch-
lands Großes erwartet wird. Dies wurde möglich
durch vielerlei wirkende Kräfte, nicht nur des Er-
sinnens und Schaffens, sondern auch jenes Wirkens
und Vermitteins, wie es die Verlagsanstalt Alexander
Koch zu dem ihren gemacht hat.
Dank und Anerkennung für diese Verdienste
des Verlags um die große und gemeinsame Sache
möchte in aufrichtigem Glückwunsche für die Zu-
kunft zum Ausdruck bringen
Die Großh. Techn. Hochschule zu Darmstadt.
WTCKOP.
Zahlreiche Briefe und Telegramme lauteten in
gleichem anerkennenden Sinne:
Zum Jubiläum Ihres um die Förderung von Kunst
und Kunstgewerbe so verdienten Verlages sendet
beste Glückwünsche und hofft auf weiteres Blühen
und Gedeihen wirkl. i.eh. rat dünhoff-berlin.
.... 25 Jahre stehen Sie in dem künstlerischen
und kunstgewerblichen Leben von ganz Deutschland
und haben seine Entwickelung in Wort und Bild
nicht zum wenigsten gefördert. Eine Lebensarbeit
liegt hinter Ihnen, die dem künstlerischen Ansehen
des Reichs und noch mehr unseres Hessenlandes
Geltung in der ganzen Welt verschafft und in dieser
den Namen „Alexander Koch" bekannt gemacht
hat. . . . DR. W.\GNER, kreisrat, DIEBURG.
. . . Sie haben durch die Erzeugnisse Ihres Ver-
lages, die auf der ganzen Welt als führend und
vorbildlich anerkannt werden, dem Fache der
Kunstwissenschaft, das ich an der Landesuniversität
zu vertreten die Ehre habe, aufs höchste genützt.
Sieht doch grade die moderne Kunstwissenschaft
ein besonderes Verdienst darin, so wie Sie es durch
Ihre Werke und Zeitschriften getan haben, der
frisch aufblühenden modernen Kunst die Wege zu
bereiten. Und wenn die moderne Kunst trotz aller
Widerstände zur Geltung gekommen ist, und sich
unsere künstlerische Kultur gehoben hat, so ist
Ihrer Tätigkeit das in erster Linie mit zu verdanken.
PROF. CHRISTIAN RAULH-GIESSEN.
Se. Kgl. Hoheit Ludwig, Prinzregent von
Bayern, verlieh Alexander Koch die goldene „König
Ludwigs-Medaille für Wissenschaft und Kunst".
WILHELM LEHMBRUCK- PARIS.
.WEIBL. BÜSTEo IN STEINMASSE.
ULRICH HLBNER LlUKiK.
/r.iCHiMNG : »HAKENS/.KNE«
DAS REICH DER ZEICHNUNG.
ZUR XXV. AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION.
I
*s gal: noch keinen großen Künstler, der nicht
, das für ihn Entscheidende in der Zeichnung
geleistet hätte. Durch die Zeichnung enthüllt sich
der Künstler bis auf den Urgrund seiner Seele;
er läßt uns teilhaben an dem Kampf, den er mit
der Natur täglich führt, sie zu ergründen und
sich gefügig zu machen. Die Zeichnung ist das
treueste, das unfehlbare Dokument von dem
Verhältnis des Künstlers zur Natur: ob er ihr
dient, ob er mit ihr spielt, ob er ihr zur Selbst-
erkenntnis hilft, ob er sie begeistert, ihr höheres
Sein zu enthüllen. Nach solcher vierfachen Art
wären die Zeichner einzuteilen in: unkritische
Naturalisten, Karrikaturisten, positive Analy-
tiker, idealistische Rhythmiker. Wobei selbst-
verständlich zu bedenken bleibt, daß die Kunst
noch niemals Neigung hatte, sich auf ein Schema
zu dressieren und daß der Künstler als Einzel-
ner meist ein Vielfältiger ist.
Gibt es überhaupt Naturalismus in der Kunst?
Es kann ihn nur dem Willen nach geben, nie,
Vk'as den tatsächlichen Effekt betrifft. Heute
darf man sagen, daß nur schvifache Künstler,
und zwar mehr gezwungen als entschlossen den
grobschlächtigen Naturalismus wollen.
Die Karrikatur war das nächstliegende,
auch das am bequemsten zu handhabende
Mittel, das erwachende Ich gegen die Natur zu
distancieren. Wobei der Begriff des Karrikatu-
ristischen nicht etwa so spezialistisch gefaßt
sein will, wie das unsere Witzblätter tun.
Karrikatur war jede bewußte, nach einem be-
stimmten System vorgenommene Abwandlung
der Natur, Wobei der Ton auf System zu liegen
hat. So wären etwa die griechischen Vasen-
bilder Karrikaturen zu nennen. Auch alle tex-
tilen Verarbeitungen naturalistischer Motive.
Es gibt überhaupt keine gewerbliche Nutzung
der Natur, die nicht durch das Medium des
Karrikaturistischen geschehen wäre. Jedes Pla-
kat, jede zur Dekoration bestimmte Zeichnung,
jede mit Absicht humoristisch, grotesk, angelisch
oder satanisch gefärbte Schilderei ist so ver-
standen: Karrikatur. Die Karrikatur ist nie
1918. VI. 1.
44J
Das Reich der Zeichnunn.
HANS MEID -BERLIN.
endgültige Form, aber sie kann sehr reizvoll,
amüsant und geistreich sein. Sie kann auch
vom Pathos der Entrüstung oder der Menschen-
liebe getragen werden. Scheurich und Christophe
sind Karrikaturisten jener amoureusen Klasse;
Gulbransson und Heine gehören der sozial-
ethischen. Das diesen vier Künstlern Gemein-
same ist die Umdeutung der Natur nach einem
vorgesehenen Programm. Die karrikaturisti-
sche Handschrift wurde nicht aus der Natur
abstrahiert, sie ist ihr vielmehr auferlegt wor-
den. Die Natur wurde gestreckt, kostümiert,
parfümiert, erregt, beruhigt, je nach den Ab-
sichten des Arrangeurs. Das kann mit großem,
mit rarem und sublimem Geschmack geschehen
RjVdierung: »Landschaft mit reitern«
sein, das kann Wirkungen von ungewöhnlicher
Eindruckskraft ergeben. Das bleibt aber doch,
und sei es auch nur in einem Zipfel, mehr
etwas Gewolltes als etwas Gemußtes, mehr ein
Karneval als eine neue und höhere Schöpfung.
Freilich: es schwingen die Grenzen aller künst-
lerischen Provinzen. Es gibt Blätter von Heine,
die trotz des witzig erstrebten Japanismus
Dokumente unversehrten Menschentumes sind.
Und Daumier gehört selbst als Karrikaturist
zu den Helden des der Natur eingeborenen und
nach Erlösung schreienden Rhythmus.
Es kamen Menschen, die der Natur skeptisch
in das Antlitz sahen; sie entdeckten, daß das
Zeichnen die Kraft der Analyse habe und aus
444
Das Rcicli der Zeichmtuor.
allem Gegebenen das Entscheidende von dem
Zufälligen zu trennen vermöge. Die Zeichnung
wurde zum Werturteil, zur Kunst des Fort-
lassens. Es handele sich nun nicht mehr darum,
die Natur möglichst korrekt und addiert wieder-
zugeben, vielmehr darum, sie durch Reduzie-
rung auf ein Minimum zur Wirkung eines Maxi-
mum zu bringen. Um zu erleben, wie solch
positive Analytik gemeint ist, muß man an
Liebermann geraten. Es genügt, eine seiner
Radierungen vom Polo anzusehen: diese Pferde
sind nur noch Kurven, nur noch Schriftzüge,
und sind doch so lebendig, wie nur je ein
springendes Vollblut es war. Zeichnen ist die
Kunst der positiven Analyse. Herzlos muß der
Zeichner sein und doch ergriffen von großem
Gefühl, ein kalter Rechner und doch ein er-
regter Phantast. In Liebermanns Gefolgschaft
mühen sich nicht wenige, Zeichner dieser Art
zu werden. Einigen gelang es. Bei anderen hat
man das Gefühl, daß sie, wie Scheffler klug sagt :
„Lieber viel ausführlicher sein möchten, als sie
es sind." Sie möchten gerne schildern, genau
AnUAKKl.L: »Ulli VERTEIDIGUNG^
bis in die Einzelheiten, möchten Naturalisten
sein; zwingen sich aber zur kritisch gesehenen
und kurzgeschriebenen Impression, weil sie
wissen, daß die Tugenden des Extraktes und
der Formel den modernen Künstler bedeuten.
In der Kunst aber sind die Wissenden stets die
Geringeren ; im höheren Sinne produktiv ist nur,
wer unter einem vorbestimmten Muß sein Werk
verrichtet. Es ist nun deutlich, daß jede der
Natur abstrahierte Hieroglyphe zugleich eine
Entklärung des Ideals ist. Nicht so, als ob ein
besonders schönes Bild destilliert werden sollte,
wohl aber so, daß nach Möglichkeit das Thema
der Natur an den Tag kommt. Solch Thema
wird in der Zeichnung linear zum Vortrag ge-
bracht und als Rhythmus empfunden. Lieber-
manns Polospieler sind solch eine äußerste An-
spannung und Freilegung der im Naturkomplex
verborgenen Rhythmik. Was will es nun be-
deuten, wenn Künstler, die sich gegen Lieber-
mann und seine Art mehr oder weniger ab-
wehrend verhalten, dies damit begründen: daß
es ihnen unmöglich sei, die Natur zu kopieren.
445
ADOLF SCHINNERER-'DEISENHOFEN.
LITHOGRAPHIE ; »SCHLITTSCHUHLÄUFER«
F
•\i^r H
ERNST BISCHOPF-CULM-BERLIN. ZEICHNUNG: .KÄHNE. AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION.
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iVl'i! ; 'C.'"^
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w. i<|n
KARL WALSER -BERUN.
ZEICHNUNG: »ST. PETERSINSEL«
RI!I>OLF r.ROSSMANN BERLIN. AflOARELL: »TIERGARTEN« AUSSTELLUNG IHK I I K I I m;r SECF.SSION.
Das Reich der Zeichnwig.
MAX PECHSTEIN— BERLIN.
daß sie vielmehr den ewigen Urkräften der
vergänglichen Wirklichkeit nachspüren und die
Musik des Rhythmus von den Schlacken des
letzten Details befreien müßten. Es ist nicht
immer Unverstand noch Anmaßung, was Künst-
ler so sprechen und ihre tiefste Leidenschaft
bekennen heißt. Wie entwirrt sich solche Un-
klarheit. Da wir längst erkannten, daß in der
Kunst alle Grenzen fließen und schließlich (wie
übrigens auch in der Sittlichkeit) alle Gesetze
Reflexe von Gefühlen sind, so läßt sich schema-
tisch keine Grenze ziehen zwischen denen, die
den Rhythmus der Hieroglyphe als den Sinn
r.\uierung: »am meer«
der Kunst proklamieren und doch von den an-
deren alsNaturalisten getadelt werden, und eben
jenen anderen, die nach dem absoluten Klang
der Klänge jagen und als Wilde verschrien sind.
Impressionismus und Expressionismus durch-
dringen sich so vielverzweigt, daß man kaum
begreift, wie der Streit dieser beiden Begriffe
faktisch zu einem Kampf zweier Weltanschau-
ungen wurde. Nun ist es aber so, daß Lieber-
mann und Pechstein, ganz unbekümmert um die
Qualität, als zwei Pole gegeneinander stehen.
Die Psychologie des Expressionismus, des
Dranges auszudrücken, was das Ich auf der
448
Das Reich der Zeicinmng.
Natur an Melodien spielen möchte, ist nicht
frei von Merkwürdigkeiten. Beinahe paradox
möchte es einem scheinen, daß zum Exempel
auch Pechstein nicht von der Natui- getrennt
sein kann, ja daß er geradezu mit dramatischer
Glut das irdische Leben bejagt und nie genug
versichern kann: er sähe es so. Woran man
übrigens greifbar erkennt, was diese idealisti-
schen Rhythmiker von den Karrikaturisten
trennt. Die Karrikaturisten reckten die Natur
bewußt nach einem vorgenommenen Schema;
der idealistische Rhythmiker will sich von der
Natur beschenken lassen, er steht vor ihr keusch
und unbefangen, aber er wird nicht eher rasten,
bis ihm das Letzte und Äußerste gegeben ist.
Das Verhältnis des Rhythmikers zur Natur ist
seltsam wie das eines Kämpfers zu seinen Fein-
den: er vernichtet sie und kann doch nur und
will doch nur an ihnen gemessen sein.
An diesen Expressionisten läßt sich aber noch
etwas anderes seltsam erfinden: sie wollen die
reine Form und mühen sich doch um Aufgaben,
die literarisch umschrieben werden können.
Zuweilen wird einem beinahe die Täuschung,
als ob Böcklin noch irgendwie lebendig ist, ja
neu und gewandelt erwachen soll. Man besinne
sich auf die Radierungen des Hans Meid, auf
diese technisch raffinierten Blätter, in deren
besten das Bukett des Guys duftet; sie sind so
erhitzt durch theatralisches Gelüst, daß man
FRANZ
CHRISTOPHE-
BERLIN.
kirn \ 'M
^jA-^UVkX
.¥
(^^^c^Ji'e :£:^^ru'{x-u^£—^
ZEICHNUNG.
REPR.-RBCHT 1
VERLAG
ULLSTEIN-
BERLIN.
PROFESSOR MAX LIEBERMANN-BERLiN.
RADIERUNG: »POLOSPIEL« VERLAG PAUL CASSIRKR.
PAIX
SCHEURICH-
BERI.IN.
• DER
r ii:besbote«
/IICHNUNG.
1.. BARLACH.
I I.LUST: »HER
TOTE TAG«
i.ithüc;k.\
I'HIE. IM
VERLAG
PAULO\SSIKKK ;
AUS DER XXV. AUSSTELLUNG DER BERLLNER SECESSIÜN.
1*13. VL 3
Das Reich der Zeicliinuig
LOVIS
CORINTH-
BERLIN.
DIE REKON-
VALESZENTIN«
ZEICHNUNG.
iE. '-/ C'- t
kaum verwundert wäre, Tritonen und Centauren
auftauchen zu sehen. Und ebenso Beckmann.
Er radiert wohl Straßenszenen nach dem Vor-
bilde des Manet; immer wieder aber drängt es
ihn zu Kompositionen, die akademischen Ur-
sprunges das literarische Pathos des Dostojewski
suchen. Und ebenso Rößler; er zwingt uns,
vor seinen wehenden und dampfenden Land-
schaften an Dehmel zu denken. Auch Pascin,
wenn er Szenen aus den lustigen Häusern
von Budapest in die nervöse Grazie einer
Miniatur faßt , oder Barlach , wenn er die
Schatten des toten Tages auf geängstete Men-
schen fallen läßt und die Schreie flüchtender
Menschenseelen aus der Fläche quellen macht —
stets ist es ein literarisches Thema, das dem
rhythmischen der Natur als Kontrapunkt ge-
setzt scheint. Man mag es merkwürdig finden.
daß so die Künstler, die ihr Programm nach
dem Absoluten und nach der reinen Form
heißen, gewollt oder nicht gewollt, jedenfalls
aber getrieben vom Geiste der eingeborenen
Bestimmung: Allgemein-Menschliches zur Er-
scheinung bringen. Wiederum ohne die Qualität
zu messen, man besinnt sich vor Barlach auf
die Sklaven und Sybillen des Michelangelo und
vor Pechstein auf die Meeresseligkeit des
Botticelli. KOBERT KKEIEK.
Ä
Die Technik ist im Kunstwerk nur Mittel zum
Zweck, nie Selbstzweck. Sie ist das Handwerk in
der Kunst, und das soll der Künstler lernen, gerade
um nicht Handwerker zu sein. Eine folgsame Hand
soll man sich erwerben, das kann nur durch viele
Übimg geschehen
Nur der ernste Mensch kann wahrhaft heiter sein.
Der höcJiste Stil kommt der Natur am nächsten. Marees.
454
M. BECKMANN-
bERUN.
-^."ilJt^^SS- .^■V
LITHOGRAPHIE:
«SW' »TAUENTZIEN-
STR/VSSE«
'"'■^'".l/'
R. GROSSMANN
-BERLIN. J
RADIERUNG:
• SENUS«
HANS MEID-
BERLIN.
5'^
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'^M^w^^*^^^*^
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%
SELBSTBILDNIS
ZEICHNUNG.
KARL F.
ZÄHRINGER-
B.\DEN.B.
HOLZSCHNITT
»WALDBACH«
WILHELM LEHMBRUCK-PARIS.
.WEIBLICHER TORSO« BRONZE.
ALFRED LÖRCHER-STUTTGART.
»SITZENDE WEIBLICHE KIÜUR« GIPS.
ZWISCHEN GOTIK UND ROKOKO.
NTichts zeigt so gut, wie die neue deutsche,
N aus Frankreich kommende Plastik, daß
das Formgefühl unserer Tage um Gotik und
Rokoko seine Bahnen zieht. Die Eisenkon-
struktion ist Gotik; das Ornament der Wiener
ist Rokoko. Gotik und Rokoko haben das ge-
meinsam, daß sie durch konstruktive Logik die
Materie vernichten; der Spitzbogen überwindet
die Mauer, das Rahmen- und Rankenwerk wan-
delt die Wand in eine Illusion. Der zur Höhe
stoßende Gewölbepfeiler ist ein Äußerstes an
Tragfähigkeit bei letzter Minderung des Volu-
mens. Die bewegten Beine eines F"auteuils
ironisieren mit kokettem Mut die Grenzen der
Standfestigkeit. Und nun denke man an die
Turbinenhalle des Peter Behrens oder an Möbel
von Pankok : die Vitalität von Gotik und Rokoko
ist offenbar. Aber auch die Geistigkeit dieser
beiden germanischen Träume. Die Gotik hebt
sich zur Mystik der Seele. Auch in derPathelik
des Behrens schwingt die Sehnsucht zum Trans-
cendentalen; auch Pankok, Endell und van de
Velde wollen den erfühlten Rhythmus. Wir
stehen zwischen Gotik und Rokoko. Das deu-
tet uns Rodin mit verwirrender Gewißheit.
Was sind die „Bürger von Calais" anderes, als
wieder visionär gewordene Figuren der Heiligen
von den Kathedralen. Was ist das „kauernde
Weib" anderes, als eine erschütternde Neuge-
burt der wasserspeienden Dämonen. Was aber
wäre die neue deutsche, aus Frankreich ge-
kommene Plastik ohne Rodin, Maillol und Minne.
Wer an das Erwachen der Gotik im Schatten-
gewirk der eisernen Rippen nicht glauben will,
muß, wenn er ein Fühlender ist, durch die junge
Schar der llaller, Lehmbruck, Engelmann,
Albiker und Gerstel überzeugt werden. Wer
konnte Lehmbrucks „Kniende" ansehen, ohne
459
Zwischen Gotik und Rokoko.
RICHARD ENGELMANN- BERLIN.
an die groteske, fast hysterische Entrenkung
jener Figuren zu denken, die das Architekto-
nische in plastische Nervosität auflösen, wie
das in Chartres, in Reims, an St. Gudule und
Notre Dame zu erleben ist. Wer fühlt vor
Halicrs Even nicht die gebundene Erregung, die
jene Auferstehenden und Verdammten oder die
knospend quellenden Leiber der „Kirche" und
„Synagoge" aus dem Steinernen in das Fleisch
drängte. Es lastet über allen diesen Neuen und
Suchenden etwas von der rührenden Scheu
junger Tiere; sie wagen es noch nicht, sich laut
zu regen, als fürchteten sie, durch ein Zuviel,
vielleicht gar schon durch ein Anheben ihr
Gleichgewicht zu stören. Ein Gleichgewicht,
das aus der Harmonie eines innerlichen Tönens
zu keimen scheint. Alle diese Neuen und Su-
chenden horchen in sich hinein; die bildhaue-
rische Belebtheit der Epidermis ihrer Werke
ist wie ein Reflex eingeschlossener, nach außen
wellender Musik. Diese flächige Ziselierung
der Haut gibt den Figuren einen in Süße dis-
kreten Schauer. Es ist wie ein Spiel des Roko-
»DIE TRAUERNDE« KALKSTEIN.
kos über den Tiefen versonnener Empfindung.
— Die gotische Plastik war in die Architektur
gebunden; das Rokoko hatte (ausgenommen
die Vibrationen des Porzellans) überhaupt keine
Bildhauerei des Runden, weil es bereits in
seinem konstruktiven Gerüst und in seinem
Raumgefühl Plastik war. Die Rundplastik ge-
hört den kühlen Zeiten der Klassik. Das goti-
sche Figurengewimmel entkeimt dem Stein, hebt
sich nur zur Hälfte daraus hervor und bleibt,
auch wenn es faktisch freisteht, dem Baukörper
verschwistert. Es scheint das Dogma von der
Notwendigkeit der absoluten Rundung für die
ganze Periode der gotischen Plastik nicht da-
gewesen zu sein. Es scheint sich auch bei der
neuen deutschen Plastik keine Geltung ver-
schafft zu haben. Die meisten dieser Figuren
wollen weniger gedreht und umschrilten, als
im rahmenden Zusammenhang, wie ein Orna-
ment höchsten Grades, frontal betrachtet wer-
den. Und doch wiederum sind sie alle ein
Element des Tanzes innerhalb der Stabilität
des tatsächlichen oder des hinzuzudenkenden
460
lillDHAUIK II. HA1.I.F.K l'AKls
I'LAMIKEN IN KUN.sTMF.lN.
Zwischen Gotik und Rokoko.
Bauwerkes. Die moderne Plastik verlangt nicht
minder heftig als die moderne Malerei nach
dem innigsten Zusammenhang mit dem Räum-
lichen. Das bedeutet zugleich eine Beschrän-
kung, wie eine Erlösung. Eine Beschränkung
der letzten Reste akademischer Virtuosität und
abstrakter Formbestimmung; eine Erlösung zur
Sinnlichkeit, die nun nicht mehr fürchten muß,
im Augenblick zu zerflattern, eine Erlösung
von der erzwungenen Gefühlskalte, da jedem
Überschwang die sicheren Grenzen des Archi-
tektonischen gesetzt sind. Zwischen Gotik und
Rokoko kreist die neue deutsche, aus Frank-
reich gekommene Plastik. kobekt breuek.
Alles Iteiie in der Kunst wird als ein Ärgernis
geboren; als ein Ärgernis, das den einslctitigen
Kunstfreund meist zu einer Art von Gewissenser-
forscliung anregt, während es den Philister nur zu
einer Äuüerung des Hochmutes reizt. Denn es ist
ein Kennzeichen des Philisters, sagte Hans Thema
einmal, daß er nidit versteht, wie es Dinge geben
kann, die er nicht versteht.
Glücklich das Land und das Volk, das immer
noch Künstler gebiert, die vielen ein Ärgernis werden,
als Herolde neuer Gesetze HügelsLinge.
ADOLF
AMBERG-
BERLIN.
.N.\JADE«
BRONZE.
SÄMTL. PLASTIKEN AUS DER XXV. AUSSTELLUNG DER BERLINER SECEäSION.
PROFESSOR EMANUEL von SEIDL MÜNCHEN.
»TEEHAUS« FRAU GEHEIMRAT J. V. SIEGLE-AMMERLAND.
PROFESSOR E.M.\.NUF.L VON SEIDL- MUNXHEN.
TEEHAUS FRAU J. V. SIEGLE— AMMERLAND.
ALTE STÄDTE UND MODERNE ARCHITEKTEN.
VON I KAN/ SKRVAES.
ES ist jetzt ein sehr kritisches Stadium für
unsere alten Städte. Denn die moderne
Architektur schreitet rastlos vorwärts, kann und
will sich in ihrem Gang nicht hemmen lassen,
und es entsteht nun die Frage: wie wird sich
ein Ausgleich vollziehen zwischen diesen beiden
einander so entgegengesetzten Faktoren?
Eine allgemeine Antwort hierauf läßt sich
überhaupt nicht geben. Wenn irgendwo, so
kann gerade hier nur von Fall zu Fall entschieden
werden. Was in einer Großstadt möglich ist,
wird in einer kleineren Stadt vielleicht höchst
unstatthaft sein. Was im Norden sich zwanglos
eingliedert, wirkt in südlicher Gegend möglicher-
weise „wie ein Faustschlag". Was vom Barock
geduldig ertragen wird, wird vom Empire oder
von der Gotik jedenfalls heftig abgelehnt werden.
Und wo ein Meister eine kühne neue Kombi-
nation gewagt hat, da kann es äußerst gefährlich
werden, wenn ein Stümper sich herausnimmt,
in seine Fußstapfen zu treten. Also Dornen,
wohin wir greifen. Schematisch ist diese Frage
ganz und gar nicht zu erledigen.
Aber es werden Anforderungen laut. Und
heftige Warnungssignale ertönen. Da diese füg-
lich den alten Baudenkmälern, deren Physio-
gnomie ja im wesentlichen unveränderlich ist,
nicht gelten können, so richten sie sich natur-
gemäß an die Adresse derer, die da in unserer
eigenen Zeit an geschichtlich vornehmen Stätten
mit neuen Bauten sich hervorwagen. Da ist
denn zunächst ein besonders böser Haken:
es kann im Zentrum dichtbesiedelter Großstädte
kaum je neu gebaut werden, ohne daß vorher
4O9
A/k Sfödk iifid moderne Architekten.
PROFESSOR EMANTEL VÜN SEIUL— MÜNCHEN.
niedergerissen wird. Das Niedergerissene oder
Niederzureißende hat aber immer wenigstens
das Eine für sich, daß es ein Altgewohntes,
im Stadtbilde Feststehendes, daher gewisser-
maßen Unkritisierbares, jedenfalls längst nicht
mehr Kritisiertes ist. Jedermann weiß, was er
daran hat. Und wenn er auch im täglichen
Vorüberschreiten nicht jedesmal einen Liebes-
blick dafür übrig haben mag, so fühlt er sich
doch gewissermaßen herausgefordert, jedenfalls
beunruhigt, wenn er hört, daß die gewohnten
Linien aus dem Stadtbilde schwinden, die ver-
traute Stätte, deren Schwelle und Treppen viel-
leicht von Vielen betreten wurden, in Schutt
sinken soll. Und mit bangen Lippen fragt er
sich: was soll dafür an dessen Stelle treten?
Diese Frage ist gewiß nicht unberechtigt. Es
sind in der Hinsicht im großen wie im kleinen
oft abscheuliche Geschmackssünden begangen
worden, und es ist gut, daß allmählich die Ge-
sinnung wach wird, dergleichen zu verhindern.
Mit systematischem Eifer bemüht sich dahin,
wohl in jedem Lande und jeder Provinz, eine
AUS UKM TI':EHArs J, V, Ml GLE AMMLRLAKÜ.
behördlich geschützte Kommission zur Erhaltung
alter Baudenkmäler, die nützliches leistet, mag
sie sich auch oft mit platonischen Protesten
begnügen müssen. Denn wo das Finanzinteresse
erst reger angefacht oder gar der Spekulations-
teufel erwacht ist, da pflegen im bildungsstolzen
Deutschland Bedenken künstlerischer Art oft
mit überlegener Miene als müßige Spinnwebe-
fängereien abgefertigt zu werden.
Indes man soll sich zehnmal besinnen, ob
man das Recht hat, ein altes, charaktervolles
Gebäude, mag es auch keinen beträchtlichen
Kunst- oder Erinnerungswert darstellen, der
Vernichtung anheimzugeben. Erst wenn alle
einschlägigen Faktoren dafür sprechen — wo-
bei Verkehrs-, Hygiene- und Komfort-Rück-
sichten besonders ins Gewicht fallen — soll
man den Stab brechen, dann allerdings auch
der eigenen Zeit ihr Recht vorurteilslos zuteil
werden lassen. Damit kommen wir ins Zentrum
unserer Frage. Denn was das Recht unserer
Zeit gegenüber dem durch die Summe der Ver-
gangenheitbestimmten, überall sichtbaren archi-
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Alfe Städte und moderne Architekteyi.
PROFESSOR EMAXLEI. VON SEIUL— MÜNCHEN.
tektonischen Lokalstil einer Stadt bedeutet,
darüber gehen die Meinungen weit auseinander.
Die am häufigsten vertretene Auffassung geht
dahin, daß die Kunst des modernen Architekten
sich dem geschichthch ausgeprägten Bau-
charakter der jeweihgen Stadt oder einer be-
stimmten Stadtgegend anzupassen und einzu-
ordnen habe; daß also beispielsweise ein neues
Postgebäude in einer mit vielen Renaissance-
bauten gesegneten Stadt im Stil der deutschen
Renaissance zu errichten sei; oder daß ein in
der Nähe eines gotischen Domes zu erbauendes
großes Bankgeschäft die moralische Verpflich-
tung habe, sich, unbeschadet eines etwaigen
konfessionellen Gegensatzes, tunlichst frommer
gotischer Bauformen zu bedienen. So wünschte
man beispielsweise in Wien, daß das gegenüber
der spätbarocken Karlskirche geplante städ-
tische Museum nach einer stilistischen Harmonie
mit dieser Kirche zu streben habe, gleichviel
ob der moderne Sinn dieses Gebäudes sich mit
barocken Formen innerlich verträgt oder nicht.
Und was dergleichen Beispiele mehr sind. Die
Beispiele verraten bereits das sich ergebende
peinliche Dilemma. Moderne Bauten, zumal
öffentlichen Charakters, sind ja keine bloßen
TEEHAUS J. V. SIEGLE .\MMERI.AN1J.
Schöpfungen der Laune, bei denen der Architekt
seine Einbildungskraft beliebig spazieren führen
kann, sondern sie verfolgen im eminentesten
Sinne praktische, zielvoll umrissene Zwecke,
als deren architektonischer Ausdruck sie da-
stehen sollen. Es handelt sich da um die denk-
bar vernünftigste Raumausnützung, um die
Nutzbarmachung aller durch die neuere Zeit
geschaffenen Erleichterungen und Bequemlich-
keiten, um die beste und gesündeste Licht-
und Luftzufuhr, und um noch viele andere
solche Dinge. Am Grundriß hängt das ganze
Gelingen eines solchen Gebäudes. Und der
Grundriß, wenn er völlig organisch durchdacht
und zweckvoll erschaffen ist, schafft sich seiner-
seits die äußere Physiognomie, gleichwie der
innere Bau und Charakter eines Menschen sich
in der Formung seiner Gliedmaßen und im
Schnitt seines Gesichtes ausprägen. Je besser,
gründlicher und ehrlicher hier alles gemacht ist,
je imponierender der künstlerische Wille ist, der
hier durchgreift, umsomehr ist alle bloße Zu-
fälligkeit ausgeschlossen, um so zwingender
finden sich Inneres und Äußeres eines Gebäudes
zu einer unveränderlichen stilvollen Einheit zu-
sammen. Die Straßenfront und der gesamte
473
Alie Städte imd moderne Architekten.
PROFESSOR
EMjVNUEL
VON SEI DL
HAUS ALFI-
IN STOLBER(;
RHEINLANli.
Aufriß eines Gebäudes sind also, wo es sich
um ernsthafte künstlerische Arbeit handelt,
nicht willkürlich bestimmbar, sondern der not-
wendige Ausfluß und Ausdruck des inneren
Lebens und Zweckgefühls eines Gebäudes. Alle
fruchtbare Arbeit unseres Zeitalters in architek-
tonischen Dingen ist darauf gerichtet gewesen,
diesen unlöslichen Zusammenhang zwischen
Innerem und Äußerem künstlerisch herauszu-
holen und zu betonen.
So haben unsere modernen Architekten ge-
arbeitet, und dies ist ihrStolz. Sie haben nichts
um irgendwelcher Windbeutelei willen, sondern
alles der Sache zuliebe getan. Natürlich rede
ich hier nur von den Besten, weil man in der
Kunst nur von diesen reden darf. Und nun
frage ich: was sollen diese ganz aus sich selbst
und aus ihrer Zeit hervorgewachsenen, schaffen-
den Männer tun, wenn man an sie das Ansinnen
stellt, sie sollen alles, was sie mit dem Blut
ihres Geistes geschaffen haben, all ihr Gutes,
Eigenes, Neues und Notwendiges beiseite setzen,
sich irgendwelchen Vergangenheiten, die mit
dem Lebensgefühl unserer Zeit nichts zu schaffen
haben, unterordnen und im „Stil" irgendwelcher
für uns erledigten Bauperiode bauen? Diese
Männer können hierzu bloß lächeln und den
ehrenvollen Auftrag dankend zurückgeben ; viel-
leicht mit dem höflichen Hinweis darauf, daß
genügend tüchtige Handwerker vorhanden sind,
die einen auf einen bestimmten historischen
Stil laufenden Auftrag promptest zu erledigen
„in der Lage sind".
Die Sache steht also so, daß, je origineller
und selbständiger ein Baukünstler ist, er um-
soweniger als ausführender Architekt in einer
474
Alk Städte und moderne Archiiektai.
PROFESSOR EMANUEL VON SEIUL MÜNCHEN.
alten Stadt zu verwenden ist, wofern diese auf
die getreue Erhaltung ihres historischen Stil-
charakters, auch bei neuen Repräsentations-
bauten, entscheidenden Wert legt. Ist aber hier-
mit die ganze Bewegung, die auf stilgerechte
architektonische Wiedergabengerichtet ist, nicht
im prinzipiellen Sinne erledigt? Denn was ist
das für eine Kunst, bei der die Künstler nicht
mehr mittun können und die Handwerker vor-
schieben müssen? Es erhellt ganz von selber,
daß hier Wertvolles überhaupt nicht geschaffen
werden kann, sondern daß, was hier entsteht,
für den Schein und für den Moment und für
die Beruhigung kurzsichtiger und schwungloser
Pedanten hingestellt wurde. Es ist nun einmal
ein unumstößliches Gesetz aller Kunst, daß sie
stets nur in lebendiger Fühlung mit den impul-
siven Kräften ihrer ganzen Zeit entstehen kann.
Und darin macht die Architektur nicht nur
keine Ausnahme, sondern sie ist wohl dessen
schlagendster Beweis. Überall ist sie der
zwingendste Ausdruck der praktischen Lebens-
tendenzen einer Zeit.
So sollen also unsere alten Städte, bei dem
großen Prozeß ihrer Umwandlung in moderne
Stadtwesen, der gewichtigen Beihilfe schöpfe-
rischer Baukünstler gänzlich entraten? Aber
ganz und gar nicht! Sie sollen ihnen bloß nicht
falsche Aufgaben stellen, sollen vor allem von
HAUS ALFF IN STOLBERG. »DIE AUFFAHRT«
ihnen nicht die Opferung ihrer künstlerischen
Eigenpersönlichkeit verlangen. Männer wie
Messel und Ludwig Hoffmann in Berlin haben
ja grade dadurch ihre besten Erfolge zu erzie-
len verstanden, daß sie, ohne von ihrer Selb-
ständigkeit etwas zu opfern, das Neue mit dem
Alten in einen bestimmten Einklang brachten.
Freilich hatten sie den Vorteil, daß sie an
biedermeierliche und Empire-Formen anknüpfen
konnten, die unserem modernen architek-
tonischen Empfinden am verwandtesten sind.
Indes sie haben diese Formen nicht übernommen,
sondern weitergebildet und haben jedenfalls
ihr Hauptziel, etwas ganz aus dem Charakter
unserer eigenen Zeit Entstandenes hinzustellen,
nie aus den Augen verloren. Weit schwieriger
liegen die Verhältnisse in Wien, wo vielfach das
Barock maßgebend ist, das für die Verkörperung
moderner Baubedürfnisse so gut wie gar keine
Vorbildlichkeit darbietet; das sich auch in sich
selbervöUigausgelebthatund keinerlei neue Ent-
wicklungsmöglichkeiten enthält. Eine stilistische
Anknüpfung kann nur zu architektonischen
Phrasen führen, zu einem Widerspruch zwischen
dem lebendigen Zweck des Gebäudes und seinem
Formausdruck. Etwas Organisches jedenfalls
ist hier nicht möglich. Besonders gewitzigte
Architekten haben freilich versucht, bei sonst
durchweg modern gehaltenen Gebäuden im
477
Alk Städte und moderne Architekten.
Dekor Barockmotive nur ganz leise anklingen
zu lassen, um hierdurch gleichsam den Zu-
sammenhang mit dem Alten zu wahren und den
Kontrast gegen unsere eigene, ganz anders
fühlende Zeit minder rauh empfinden zu lassen.
Aber wozu derlei subtil abgewogene Künste-
leien, die doch nur einem pfiffigen Gehirn,
nicht phantasievoller künstlerischer Beseeltheit
entstammen können? So möge man doch lieber
ehrlich eingestehen: Mit dem Barock und dem
Rokoko können wir nicht paktieren, wir müssen
etwas von Grund aus anderes machen. Aber,
wird man einwerfen, der Charakter der alten
Stadt, die geheiligte Tradition! — Über Bord
werfen, meine Freunde, wenn derlei zu nichts
anderem dienen kann, als die lebendige Kunst
einer neuen Zeit in ihrer natürlichen Bewegungs-
freiheit zu hemmen, und zu drosseln ! Es ist
PROFESSOR EMANUEL VON SEIDL— MÜNCHEN. HAUS AXFF IN STOLBERG. »TERRASSEN-FASSADE«
47«
Alte Städte und moderne Architekten.
PROhESSOK EMANUEL VON SEIDL— MUiNXHEN.
zehnmal besser, neben eine alte Barockkirche
ein neues Gebäude in organisch aus unserer
Zeit erwachsenen Formen zu setzen, als eines
in einem falschen und erlogenen Barock. Das
Falsche neben dem Echten wird, auch bei
korrektesterStilnachäffung und unpersönlichster
Unterwürfigkeit, stets einen unreinen Klang
abgeben, wie allemal, wo das Schwächliche
neben das Starke sich stellt. Nein, neben das
Starke gehört stets nur auch wieder ein Starkes,
neben das Eigene ein Eigenes, gleichviel welchen
Stiles. Die beiden Gebäude werden sich, wenn
sie nur beide von ganzen Künstlern herrühren,
aller äußeren Stilverschiedenheit zum Trotz,
schon ganz gut vertragen und je länger sie
nebeneinanderstehen, desto besser. Denn das
ist das Eigentümliche bei guter Kunst, daß sie
sich gegenseitig immer miteinander verträgt, sie
stamme auch aus einander fremdesten Welt-
teilen und Zeiten. Eines lebt sich auf das
Andere gleichsam ein, und wenn erst einmal
beides „historisch" geworden ist, dann wird
der Kontrast, der heule vielleicht noch stark
in die Augen springt, allmählich immer gelinder
und schließlich bloß zu einer milden Pikanterie
geworden sein. Bejammern wir heute etwa
HAU.S ALFF IN S'IOLBEKG.
alte Kirchen, die romanisch begonnen, gotisch
fortgesetzt, mit einem Renaissanceportal ge-
schmückt und mit einem Barockdach gekrönt
wurden? Wir lieben sie um so mehr, weil jedes
Zeitalter in naiver, gesunder Eigensucht seine
Signatur daran gelassen hat. Damit soll nun
keineswegs gesagt sein, daß es für einen
modernen Architekten eine Großtat sei, durch
recht krasse neue Formen ein benachbartes
altes Bauwerk gleichsam zu verhöhnen. Im
Gegenteil, wir werden den Takt und die feine
Gesinnung zu schätzen wissen, die alles prot-
zige und sich brüstende Hervorkehren des
Kontrastes vermeidet, die vielmehr schlicht
und wahrhaftig, aber um so überzeugender
dasjenige hinbaut, was der Sache nach hin-
gebaut werden muß. Nicht dadurch ist man
modern, daß man provokant ist, sondern
lediglich dadurch, daß man den Zeitbedürfnissen
genügt. Aber auch das Schlichteste und Natür-
lichste, so lange es ungewohnt ist, vermag die
Zeitgenossen zu ärgern. Ein modernes Geschäfts-
haus etwa, das mit hochgestreckten Mauer-
pfeilern und vielen hohen Fenstern der bequemen
Raumeinteilung und günstigen Lichtzufuhr dient,
kann, ohne daß es irgend etwas Ungehöriges ent-
479
Alte Städte und moderne Architekten.
hielte, bloß darum ganze Batterien von Flüchen
gegen sich entfesseln, weil seine nackte Schlicht-
heit gegen den veralteten Schwulst einiger
Nachbarhäuser deutlich absticht, oder vielleicht
gar ein nahes Barockmonument, mit verwegen
über Wolken turnenden Englein und Heiligen,
durch seine bloße Existenz zu verleugnen scheint.
In solchem Falle muß man die Entrüstungs-
wogen eben ruhig dahinbrausen lassen. Ist das
neue Kaufhaus wirklich gut, so wird es mit
Sicherheit seine mittelmäßigen Nachbarn über-
leben und nach hundert Jahren mit dem jetzt
scheinbar so feindlichen Barockdenkmal engste
Freundschaft schließen. Ist es schlecht, so
wird es wieder verschwinden. Denn die Zeit
wird kommen, die gegen diesen „alten Kasten"
so respektlos sein wird, ihn niederzureißen.
Dies sind nun scheinbar sehr radikale An-
sichten, die hier vorgetragen werden. Und doch
bezwecken sie nichts anderes, als der Kunst
unserer Zeit die Lebensluft zu lassen, deren sie
zu ihrer Entfaltung dringend bedarf. Sie bauen
sich auf dem Glauben auf, daß das Echte und
Notwendige in der Kunst allemal auch das
Dauernde und darum das Harmonische ist, nicht
bloß in sich selber, sondern auch in seinem
Verhältnis zu anderem. Eine alte Großstadt,
wie etwa das so sehr an Traditionen hängende
Wien, kann ja die Umwandlung in eine moderne
„City" garnicht von sich abwehren, weil ihre
ganze Existenz und Entwickelungsmöglichkeit
davon abhängt, daß sie mit der Zeit Schritt
hält. Soll sie sich etwa selbst für ein Museum
erklären, das anzutasten Frevel sei? Damit
hätte sie sich selber lebendig begraben. Eine
kleine, in den Winkel gestellte Stadt, wie etwa
das liebliche Rothenburg ob der Tauber, kann
man mit künstlichen Mitteln in seinem alten
Geschichts- und Stilcharakter konservieren.
Hier kommt es gar nicht darauf an, daß moderner
Pulsschlag sich zur Geltung bringe, im Gegen-
teil, hier wird ein jeder gern von vergangener
Romantik träumen. Aber wo dieses Träumen
verwehrt ist, wo täglich Weltgeschichte gemacht
wird, wo die Maschinen dröhnen und die Auto-
mobile rasen, da will unsere Zeit auch in der
Baukunst sich ausgedrückt sehen, da will sie
wahrhaft lebendig sein. — i-. s.
PROFESSOR EMANUEL VON SEIDL -MÜNCHEN. HAUS ALFF IN STOLBERG.
WERKSTÄTTEN BERNARD STADLER-PADERBORN.
ENTW: M. HEIDRICH. »DAMENZIMMER« VERKAUFSSTELLE A. POUCH.
WERKSTÄTTEN U. STADLER , PADERBORN.
»DAMENZIMMER« AUG. POLICH -LEIPZIG.
DIE SEELE DES HOLZES.
ZUNEI'EX ARBEITEN DER PADERBORXER WERKSTÄTTEN.
Möbel werden aus Holz gemacht. Man kann
darum für sie kaum ein größeres Lob fin-
den, als dieses: sie erlösen die Seele des ge-
wachsenen und nun scheinbar toten und zer-
schnittenen Stammes; sie erlösen durch die
Offenbarung der Konstruktion die Energien des
Wurzeins und des sturmfesten Emporstrebens,
die das Wesen des Baumes umschlossen. Sie
erlösen durch die Offenbarungen der flächigen
Furniere das Spiel der Sonnengluten, die in
den Wachstumsringen sich speicherten. Möbel,
die zu solch metaphysischer Betrachtung an-
regen, müssen wahrhaft aus dem Holz heraus
gedacht und empfunden sein; sie müssen eine
organisierte Weiterbildung und Veredelung ihres
Rohstoffes darstellen. Sie m.üssen damit also eine
jener drei Tugenden erfüllen, die seit Anfang
des modernen Kunstgewerbes als absolut ge-
fordert und geehrt werden. Eine Trinität, so
innig, daß die beiden anderen — die Solidität
des Technischen und die Zweckmäßigkeit des
Ganzen — notwendig geleistet werden, sowie
der Seele des Materials Gerechtigkeit geschieht.
Und die wird ihr wirklich durch die Art des
Ma.\ Heidrich und der Stadlerschen Werk-
stätten. — Das macht das Anschauen dieser
Möbel so angenehm : man spürt zwingend die
Hingabe des sachlich strebenden und mit ernster
Scheu seine Aufgabe lösenden Tischlers. Man
sieht , wie aus solcher untadeligen Werkge-
sinnung eine charaktervolle und männlich
tapfere Schönheit reift. Fest und Sicherheit
verheißend stehen diese Kästen; man glaubt
sie lebend und das umfangend, was ihnen über-
geben wurde. Helläugig in fröhlicher Feierlich-
keit strahlen die großen , flammig leuchtenden
Wandungen, von dem Rahmenwerk klug und
stark gehalten. Das ist besonders interessant
zu sehen: dieses Ineinandergreifen der Teile,
dieses Fürsichbestimmtsein von Pfosten, Sockel
und Gesims, von Tragendem und Lastendem,
von Rahmen und Füllung. Und dann die Sorg-
4«3
WERKSTÄTTEN B.STADLER-PADERBORN. ENTW : M.HEIDEaCH.
»DAMENZIMMER« AUS DER VERKAUFSSTELLE AUGUST POLICH.
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WERKSTÄTTEN BERNARD STADLER - PADERBORN. ENTW: MAX HEIDRICH. VERKAUFSSTELLE A i i.i M imi h ii LEIPZIG.
Die Seele des Holzes.
WERKSTÄTTEN BERNARD STADLER.
falt, mit der das Holz geschnitten wurde.
Nur keine Willkür, keine witzige Artistik,
keinen trumpfenden Überfluß! So wenig wie
möglich von der gewachsenen Pracht zerstören;
soviel wie möglich das von der Natur Emp-
fangene bewahren und ausdrucksvoll durch Maß
und Gegensatz steigern! Das adelige Blond
der Birke , das strahlende Weiß des Ahorns,
486
AUS NEBENSTEHENDEM SPEISEZIMMER.
das festliche Brünett des Nußbaums, diese
Lichtschätze sollen ihre sinnlichen Wirkungen
in den Raum entquellen lassen und den Nerven
der Einwohnenden Wohltat erweisen.
Es läßt sich mit den Möbeln des Heidrich
gut und herzUch zusammenwohnen. Sie laden
ein und halten fest. Es spinnt um sie eine
warme Traulichkeit. Sie werden einem von
Die Seele des Holzes.
heut auf morgen zu Freunden. Sie geizen nicht
nach Problemen; sie wollen dienen. Ihre Welt-
anschauung ist die des bürgerlichen Heimes.
Man kann zwischen diesen Möbeln wohnend
ungestört, vielleicht sogar angeregt, Carlyle
und Fichte lesen, vor allem aber Dickens. Sie
möchten ihre Besitzer zufrieden machen und
möchten als Symbole solcher behaglichen, gut
bürgerlich temperierten Stimmung betrachtet
sein. Sie werden in Paderborn ersonnen und
hergestellt; etwas von der weisen Stille dieser
Residenz ist in ihnen. Sie sind Heimatkunst
im besten Sinne ; sie tragen die herzliche Frische
der Landschaft bis in die Unrast der Großstadt.
Sie wecken die Vorstellung von breitgelagerten,
weichgewellten Grünhügeln. Sie wirken eine
WERK.STATTEN B. ST.VDLER PAllERBORN. ENTW: M. HEIDRICH. »SPEISEZIMMER « VERK.\UFSSTELI-E AUGUST POUCH.
1913. VI. ■').
489
Die Seele des Holzes.
Entspannung und eine freimütige Hingabe an
erzogenes Wohlsein. Sie sind nicht geeignet,
den Dandy zu amüsieren; sie gehören einem
gepflegten Niveau deutscher Kultur. Man be-
schaue solch einen Glasschrank , einen der
vortrefflichen Schreibtische, der Stühle, Lehn-
stühle und das übrige Polsterwerk , die Näh-
tische und Bücherregale; alles ist ehrlich und
offen, was das Material angeht, klar und ent-
schieden im Technischen, würdig und liebens-
würdig im Ausdruck. Jedes einzelne Stück
wahrt sein umgrenztes Wesen, ohne indes im
Zusammenklang mit seinen Genossen zu stören.
Die Komposition der Räume zeigt erprobten
Instinkt für den Komfort arbeitsamer Menschen,
sowohl was die Gruppen als auch was die Farbe
betrifft. Es entspricht vollkommen Heidrichs
eindeutiger Natur , daß er zumeist die Farbe
WERKST.VTTEN B. STADLER. ENTW: M. HEIÜRICH. »FRISIER- U. A.NKLEIÜE-bPIEGEL« VERKAUFSSTELLE AUG. POLICH.
490
^<i<m£>7
WERKSTÄTTEN BERNARl) STADLER PADERBORN. KNTW: MAX HEIDRICH. AUS EINEM ANKI.EIDE/.IMMER. AUG. POI.ICH.
Die Seele des Holzes.
ein Schatzkästlein und eine
Herberge für stille Menschen
aufstellte. Man denkt da-
neben an jene Kajütenmöbel,
wie sie in den Kapitänshäu-
sern der Wasserkante von
Großvaters Zeiten her zu fin-
den sind. Da hätten wir also
eine historische Abkunft; und
das ist gut. Es gibt keine ge-
sunde Gegenwart, die nicht
Tradition aufzuweisen hätte.
Jene Jugendtage, da man
im Überschwang des Enthu-
siasmus glaubte, alles Moder-
ne müsse durch eine Art von
Urzeugung entstehen und
dürfe keinerlei Vorläufer ha-
ben, sind längst vergessen;
sie waren vielleicht notwen-
dig als Anstoß, um aus der
trägen Gewöhnung des Ko-
pierens heraus zu kommen;
sie konnten unmöglich das
Ziel sein. Es gab noch nie
einen Stil, der nicht irgend-
FENbltKMSCHK IN' NEB. MUSlKbAAL
der Furniere herrschen läßt,
das Blond , das Weiß, das
Brünett. Die Seele des Hol-
zes ist die Lebensachse die-
ser Räume. — Haben die
Möbel des Heidrich nun
einen bestimmten Stil? Sind
sie historisch oder modern?
Darauf ist ebenso leicht
wie schwer zu antworten.
Sie wecken mancherlei An-
klänge. Man spürt das deut-
sche Empire des Nordens ;
man möchte glauben, hier
und da eines dieser Stücke
schon einmal gesehen zu
haben, in einem der kleinen
Landschlösser, wie sie um
1800 und später von Lü-
beck bis Kopenhagen, im
Mecklenburgischen, aber
auch in der Mark gebaut
wurden. Man denkt an das
Kurhaus von Heiligendamm
oder an Pulbus, an das
Schlößchen Charlottenhof,
das Schinkel bei Potsdam als
WERKSTÄTTEN BERNAKI) STADLER. ECKbCHRANR IN NEUEN.ST. MUSIKZIM.MER.
492
Die Seele des Holzes.
wie einem vorangegangenen die prädestinierte
Weiterentwicklung, sozusagen die Erfüllung, ge-
wesen wäre. Wenn wir heute von uns wieder
sagen können, daß wir einen neuen deutschen
Stil haben, daß wir zum mindesten dabei sind,
ihn zu entklären, so ist dies nur möglich gewor-
den dadurch, daß wir an die Vergangenheit An-
schluß fanden. Freilich, mit solchem Anschluß
allein ist es nicht getan ; die Entscheidung hängt
schließlich doch an dem Eigenen und Schöpfe-
rischen, das eine Zeit aus sich heraus zu geben
hat. Es gilt auf ererbtem Boden zu bauen; aber,
was da gebaut wird, muß dem lebendigen Leben
gehören. Ein Stil ist stets konzentrierter Aus-
druck seinerzeit. Und darum, weil noch niemals
eine Zeit schon einmal dagewesen ist, ist jeder
Stil neu. Das dürfen wir bei aller Strenge und
Bescheidenheit auch für die Architektur und
die Gewerbekunst unserer Tage in Anspruch
nehmen; diese Eisenkonstruktionen, diese Land-
häuser, diese großstädtischen Magazine, diese
Möbel, waren so, wie wir sie jetzt schaffen, noch
niemals da. Sie sind neu als diktierte Konzen-
trationen erworbener Elemente. So betrachtet,
heißen wir die Möbel des Heidrich; modern.
Sie sind keine Wildlinge, sie suchen nicht zu
verblüffen; sie zeigen verwandelt und mit ela-
stischer Energie umgeformt, was wir nach den
B.STADLER I'ADKRHORN. FNTXV: .M. HKIDRICH. »BÜCHERSCHRANK« AUG. POLICH— LEIPZIG.
497
Die Seele des Holzes.
Gesetzen einer logischen Gcschichtsdialektik
aus der Vergangenheit nehmen mußten. Sie
zeigen zugleich, daß sie für Menschen bestimmt
sind, die das Weltgetriebe des 20. Jahrhunderts
zu übersehen und zu tragen wissen. Sie sind
gewiß nicht die einzige Form eines modernen
Möbels; van de Velde hat die gleiche Aufgabe
unendlich anders gelöst. Er dachte dabei an
eine völlig andere Spielart unseres Geschlechtes,
als es die ist, für die Heidrich sich berufen weiß.
Auch die moderne Menschheit ist vielfältig, wie
noch immer jede frühere es war. So wäre es
falsch von irgend jemand, und sei es der Größte,
das alleinige, das spezifische moderne Möbel zu
verlangen. Es kann sich stets nur um Variationen
des Typus handeln. Und solch eine Variation
hat uns Heidrich geschaffen.
Heidrich hätte seine Absichten nicht so schön
erfüllen können, wenn ihm nicht die Paderborner
Werkstätten stets fördernd, aufnahmefähig,
opferwillig und aus sich selbst heraus den Sinn
der Zeit begreifend zur Seite gestanden hätten.
Heidrich fand in Bernard Stadler einen Geistes-
verwandten. Sie wollen beide, der neuen Zeit
gehorsam, eine rhythmisch belebte Qualitäts-
arbeit leisten. Die Werkstätten haben als
Handwerk angefangen und sind zum Großbe-
trieb geworden. Das ist die Entwicklung, die
durchgemacht werden muß, wenn man nicht
unproduktiver Romantik verfallen möchte. Der
Haß, den Morris gegen die Maschine hegte, ist
überflüssig geworden, nachdem man erkannte,
daß das mechanische Werkzeug berufen ist,
die Form der Zeit milfinden zu helfen. Die
Maschine ist gut, wenn nur der Wille, der sie
leitet, gut und richtig ist. Das Eigentliche, was
Morris meinte, kann auch durch die Fabrik
hervorgebracht werden. Wenn man nur der
Maschine nicht zumutet, was ihr nicht gebührt,
und wenn man sie nicht einfältig als Ver-
billigungsmittel mißbraucht. Darum darf auch
ein Betrieb, der selbstverständlich und not-
wendig mit Maschinen arbeitet, sich getrost
weiterhin als Werkstätte bezeichnen. Es soll
damit gesagt sein, daß die Gesinnung des alten,
ehrlichen, unverwüstlichen Handwerks die mo-
derne Betriebsform regiert, und überdies: daß
alles Zurichten, Anlegen und Fertigmachen von
geschulten, achtsamen und werkstolzen Händen
geschieht. Es kann auch im Schrei der Dampf-
sägen die Seele des Holzes ihr Lebenbehalten und
entfalten, wenn nur eine verantwortungsvolle
Menschlichkeit und eine schöpferische Phantasie
den Mechanismus überwinden, kobekt hkeuik.
WERKSTÄTTEN B. .STADLER— PADERBORN. ENTW: M. HEIDRICH. »HERRENZIMMER« VKRK.\UKSSTELLE AUGUST POLICH.
498
WERKSTÄTTEN BERNARD STADLER PADERBORN.
ENTW; MAX HEIDRICH. DIELE IM HAUSE WINDMÜLLER- LIPPSTADT.
1918. VI. 6.
WERKSTÄTTEN BERNARU STADLER.
»SfEISEZIMMER« ENTW: M. HEIURICH.
WERKSTATT
I!. STAIJLEK
PADERBORN.
ENTWURf
M.HEIDKICH
WERKSTATT,
B. STAlllKK
l'ADF.KBOKN
M. HEINRICH
-«•V
WERKSTÄTTEN BERNARD STADLER PADERBORN. »BÜFETT« ENTWURF ; MAX HEU iklCH.
5°4
WKKKMAITE.N BERNARD STADLER- PADERBORN. EM W: M. HEIDRKH. »SCHLAEZIMMER V. I iK I 1 J EII.K.IK M IIRA.NK«
AUS DER VERKAUFSSTELIE AUCUST POLICH LEIPZIG.
WERKSTÄTTEN BERNARD STADLER— PADERBORN. ENTW; M. HEIDRICH. FREMDENZIMMER, WEISS LACKIERT.
AUSGESTELLT IN DER VERKAUFSSTELLE AUGUST POLICH IN LEIPZIG.
ERNST KINUERSPACHLK- MLNCHEN.
FElSiSTERGKUrPE MIT GLASMALEREIEN.
GLASMALEREIEN VON ERNST RINDERSPACHER.
Die Glasmalerei bewegt sich unter den jungen
gewerblichen Künsten vielleicht noch am
unsichersten: die alte Technik ist zumeist auf-
gegeben worden, die neuen Ansätze haben sich
noch nicht zu einer Einheit zusammenge-
schlossen, und dabei ist unsere Profanarchitek-
tur mit ihrem Verlangen nach Licht einer aus-
giebigen Pflege, einer Entwicklung der Glas-
malerei nicht besonders günstig. So freut man
sich, wenn man auf einen Künstler aufmerksam
machen kann, der sichere Beherrschung der
Technik mit feinfühligem stilistischen Bestreben
vereinigt und seine Produktion den architekto-
nischen Forderungen unserer Zeit anpaßt.
Ernst Rinderspacher, ein junger Schweizer
(aus Basel gebürtig), hat sich sein Können
zuerst in der Praxis erworben, ehe er zu seiner
letzten künstlerischen Ausbildung die Münchner
Akademie aufsuchte. Er hat aber von keiner
Lehrerpersönlichkeit einen bleibend richtung-
gebenden Eindruck empfangen, sondern hat
bald das Gefühl gehabt, daß er sich alles allein
erwerben müßte. Dabei hat er vielleicht das
Beste aus dem Studium griechischer Vasen-
bilder zu gewinnen gewußt. Dies wird vielleicht
manchen überraschen, ist doch bei dieser ganz
andersartigen Technik alles auf die Feinheit
der linearen Führung gestellt. Schließlich hat
Rinderspacher von den klassischen Vorbildern
nicht mehr für sich genommen, als eine sichere
Feinheit in der Stilisierung des Strichs und eine
Disziplinierung in der dekorativen planen Kom-
position. Im übrigen sorgten schon die zeitig
erworbene Technik und ein guter Teil schweize-
rische Phantasie dafür, daß aus dem Auf-
genommenen sofort etwas ganz Eigenes wurde:
daß von irgend welcher klassizistischer An-
lehnung keine Rede sein kann, zeigt ja ein Blick
auf die Reproduktionen. Dieses Eigene ist zum
guten Teil durch die persönliche Handhabung
der Technik bedingt. Die Bilder sind zumeist
aus einem Stück Überfangglas ausgeätzt, dessen
stehengebliebene Stellen die Farbe der beherr-
schenden Flächen angeben, und nun werden
zunächst die kräftigen Konturen in Schwarzloth
aufgetragen. In der Führung dieser Schwarz-
zeichnung hat Rinderspacher sein Bestes ent-
wickelt, sie gab ihm die Möglichkeit, an die
klassischen Vorbilder anzuknüpfen und dabei
doch etwas ganz Eigenes, Materialgerechtes
auszubilden. Wie die Bilder im Innenraum
wirken, vermag man aus der Reproduktion am
Kopf dieser Seite zu erkennen. Man sieht, wie
die Bilder in der Fensterfläche stehen, ohne
daß sie lichtraubend wirken. Wir fügen hinzu,
daß Rinderspacher seinem Material volle, tiefe
Töne abzugewinnen weiß, so daß die Bilder in
dem hellen Glas nicht wie ein gefärbtes Helle
wirken, sondern wie eine geschlossene farbige
Einheit. — kuno mittenzwey.
sor
ERNST RINDERSPACHER MÜNCHEN.
KLEINES GLASGEilALDE: -»EIN MÄRCHEN«
F.KNST klM'l K>PA111I-K MINCHF.X.
(;ias.mal]:kki; leda«
ERNST RINDERSPACHER— MÜNCHEN. KLEINE liLASMAI.EKKlEN. »REIIERIN«
1913. VI.
SCHNITZSCHULE-OBERAMMERGAU. »christus-
KIND MIT WELTKUGEL« ENTW: FACHLEHRER WITTMANN.
FACHSCHULE
F. POKZELI.AN-
INllUSTRlE
IN SEMI.
l'OKZEl.l.AN.
C.ABEI.WEIHE«
FNTW: PROFESS.
FKFIZ KLEE.
DIE KÖNIGL. BAYRISCHEN FACHSCHULEN.
VON DK. E. W. BRF.IJT MINCHEN.
Noch nie sind in einer in Deutschland er-
scheinenden Kunstzeitschrift so viele und
so treffliche Werke aus den kunstgewerblichen
Fachschulen, die der Oberaufsicht des Kgl. bay-
rischen Kultusministeriums unterstellt sind, in
einem Hefte veröffentlicht worden, wie in dem
vorliegenden. Unsere Publikation stellt also
einen großen Erfolg fest, den in jahrelanger
Arbeit glänzend verdient zu haben sich die be-
rufenen Vertreter des Staates mit den Leitern
und Schülern der Anstalten frohbewußt rühmen
dürfen. Denn das bisher Erreichte, wenn wir
es auch nur nach den hier abgebildeten Arbeiten
beurteilen wollten, ist umso erfreulicher, als die
Fachschulen — mit Ausnahme der Kgl. Kunst-
gewerbeschulen — nicht darauf ausgehen, freie
Künstler heranzubilden, sondern nur die Töpfer,
Glaser, Schlosser, Schnitzer, Schreiner, Korb-
flechter usw. für ihren Beruf so begaben wollen,
daß sie auch ernsten künstlerischen Anforde-
rungen an jedes Werk ihrer Hände gerecht
werden können.
Darauf kommt es an; danach sind die Er-
gebnisse der Fachschulen zu werten, nicht aber
etwa wie Objekte akademischer oder freier
Kunstausstellungen, in denen wir neue Offen-
barungen eines eigenartigen künstlerischen
Schöpfergeistes bewundernd oder überrascht
begrüßen. Die erzieherische Tendenz dieser
Schulen geht ganz und gar nicht aus auf die
Züchtung genialischer Künstler. Diese Schulen
wollen und sollen das Gewerbe heben, ihr Er-
folg wird also weniger nach der individuellen
Einzelleistung, als nach dem Gesamtresultat der
einzelnen Schulen zu bemessen sein. Deshalb
verzichte ich auf eingehende Besprechung der
einzelnen Gegenstände. Nötig aber ist auf die
Bedeutung des Gesamterfolges hinzuweisen, der
vom Kunsthistoriker als ein staatspädagogischer
und staatswirtschaftlicher von großer Trag-
weite zu charakterisieren ist. Denn je tüchtiger
die gewerblichen Fachschulen eines Landes, um-
so rascher setzt sich ihr Erfolg in wirtschaft-
liche Vorteile um. — Freilich, das was in den
Fachschulen den jungen Gcwerblern mitzugeben
gesucht wird, ist doch gerade das, was auch die
genialsten Neuerer zu epochemachenden Taten
begabt hat: Das Verständnis für das zu verar-
beitende Material, das Verlangen, aus dem ge-
gebenen Material mit den geeignetsten hand-
werklichen Mitteln das formal Bestmögliche zu
schaffen. — Wer zunächst nur daraufhin unsere
Abbildungen überschaut, wird unumwunden
zugeben, daß in diesen Schulen mit höchst
entwickeltem gewerblichen Verständnis ge-
schaffen wird, daß die Schüler zu einem formalen
Geschmack erzogen werden, der in gleicher
Weise Auge und Herz des handwerklichen
5"
Die Köni'gl. Bayrisihoi Facitschulen.
KERAMISCHE FACHSCHULE IN LANDSHUT. WANDTELLER. TEILS N.\CH ENTWÜRFEN VON PROF. JUL. DIEZ— MÜNCHEN.
Meisters wie des Künstlers befriedigen muß.
Wo immer solche Resultate erzielt werden,
kann nicht anders als von einer im vollen Sinne
des Wortes geistreichen Führung des Fachschul-
wesens gesprochen werden.
Denn was wir hier sehen, sind doch Werke
mehr der Jugend als von Männern, von Leuten,
die näher Arbeitern stehen als jenen Künstlern,
von denen sonst Kunstzeitschriften Werke zu
veröffentlichen pflegen. Danach die Arbeiten
bemessen, müssen sie geradezu überraschen,
uns beglücken, denn solche kunstgewerblichen
Leistungen wurden früher nur in den besten
Zeiten großer einheitlicher praktischer Schulung
von gleich jungen Leuten von 15, 16, 18 Jahren
geschaffen. Und wenn auch die Entwürfe der
hier gezeigten Arbeiten in der Regel von gereif-
ten Künstlern, von den Vorständen und Lehrern
der betr. Schulen herrühren, so ändert das nichts
an den Triumphen, an denen wir den ausfüh-
renden Schülern vollen Anteil lassen wollen.
Auch das war so in jeder besten Vorzeit früher
technischer gewerblicher Ausbildung der Jugend
im Dienste der Kunst. Auch damals, zumal im
Rokoko, rührten die ersten Entwürfe von
Meistern her. Aber wir bewundern noch immer
die Fähigkeiten der damals jungen Handwerker,
solche Entwurf e selbständig in die richtige Form-
sprache des richtigen Materials restlos zu über-
setzen. — So müssen wir also vor diesen Fach-
schularbeiten einen Aufstieg gewerblicher Bil-
dung feststellen, der kunsthistorisch ein Ereignis
bedeutet. Mit dem letzten Rokoko ging diese
Schulung, die so Großartiges zu schaffen ermög-
lichte, allmählich verloren. Und wenn auch
schon die Einsicht des Verlustes gut 100 Jahre
alt sein mag, mit dem Elan, der erst den Erfolg
gewährleistet, ist doch erst seit wenigen Jahren
für Bayerns Fachschulen gewirkt worden. —
Dem wirtschaftlichen Aufschwung, der moder-
nen Bewegung ist der Erfolg nicht allein zu
danken. — Erst starke kunstorganisatorische
Einsicht und Sicherheit, kluge Rücksicht auf
Bestehendes konnte den Geist dieser Schulen
mit dem formalen Geschmack befruchten. —
Von welchen Gesichtspunkten immer wir auf
das Vergangene, auf Vergessenes und Erstrebtes
zurückschauen mögen: wir haben hier endlich
wieder eine Höhe erreicht. — Die kluge Aus-
nützung aller gegebenen landeigenen, wirt-
schaftlichen, merkantilen, gewerblichen, künst-
lerischen, erzieherischen, traditionellen und
modernen Faktoren hat einen Punkt erreicht,
um den nunmehr konzentrisch weiter zu schaffen
und zu wirken sein wird. Die Richtung ist
ebenso fest wie richtig. Manche dieser Schulen
5'2
Die Kö>iigl. Bayrischen Fachschulen,
FACHSCHULE FÜR PORZELLAN-INDUSTRIE LN SELB (BAYERN). VÖGEL. NACH ENTWÜRFEN VON PROF. FRIT/ KLEE.
sind schon in anderer Verfassung recht alt und
können doch erst jetzt deutlichen ideellen und
praktischen Erfolges sich rühmen. Andere sind
als Schöpfungen des modernen Programmes
unserer Fachschulen oder auf Grund der Reor-
ganisation, die einer Neu-
gründung gleich kommt,
vorbildlich auf den Plan
getreten. — Dieses Zusam-
mentreffen des gegenwär-
tigen Erfolges fast aller
Fachschulen ist eben Be-
v/eis umsichtiger Grün-
dung und Führung. Nichts
Gutes, lebensfähiges Altes
wurde umgestoßen. Über-
all wurde angeknüpft an
traditionelle Gewerbe, die
durchBodenbeschaffenheit
oder merkantile oder wirt-
schaftliche Faktoren ein-
zelner Landesdistrikte der
Erhaltung, Pflege oder
Neubelebung bedürftig
waren. Mit den verschie-
denartigsten Mitteln, mit
jeweils geeigneten Persön-
lichkeiten wurde die groß-
artige Organisation einge-
leitet und verfolgt. Im
FACHSCHULE FÜR PORZELLAN-INDUSTRIE IN SELB
Jahre 1902 ließ Kultusminister von Landmann
eine Denkschrift über das technische Unter-
richtswesen in Bayern ausarbeiten, die gleich-
zeitig die großen Richtlinien für die inzwischen
so glänzend erblühten Fachschulen aufstellte. —
Diese Denkschrift gibt uns
Aufschlüsse, wie gewissen-
haft bewahrend und ver-
bessernd die Reorganisa-
tion eingeleitet wurde. Ge-
hört auch manches in die-
ser Denkschrift schon der
Geschichte an, so erhöht sie
uns den Genuß an den nun
aus den Schulen hervor-
gegangenen vorbildlichen
Werken. Denn sind diese
auch ohne weiteres jedem
Auge und Sinn begabten
Freund von Gewerbe und
Kunst gefällig, so erhöhen
sie doch auch den Genuß
am Werke als Resultanten
guter staatswirtsdiaftlicher
Ma.ximen, über deren im-
mer neue lebensfähige Be-
währung schwieriger zu
wachen ist , als voreilige
Kritik gelegentlicher Miß-
erfolge zugeben mag.
5'3
Die Köm'gL Bayrischen Faclf^clnilev,
FACHSCHULE FÜR PORZELLAN-INDUSTRIE IN SELB. PORZELLAN-GRUPPE. NACH ENTWURF V. PROF. FRITZ KLEE.
Von den hier mit Abbildungen vertretenen
Schulen haben die Fachschulen für Holz-
schnitzerei in Oberammergau und Berchtes-
gaden die älte-
ste Geschichte.
Das ist bezeich-
nend!. Bayerns
natürliche Pro-
duktion, fürdie
enge Verknüp-
fung der Schu-
len mit den ört-
lichen Verhält-
nissen , Sitten
und Bedürfnis-
sen. 1834 grün-
dete die Ge-
meinde eine
Zeichenschule
zur Förderung
der Holzschnit-
zerei. Das Mo-
dellieren wur-
de erst 1868,
POkZtLL.\N-lM)USTRIE-FACHSCHULE SELB. »WIESEL« ENTW: F.KLEE.
der praktische Unterricht im Holzschnitzen erst
1877 aufgenommen. Der Anstaltsbedarf wird
aber jetzt zum größten Teile aus Kreisfonds
gedeckt. Ge-
treu dem inter-
nationalen
Ruhme des Or-
tes als Stätte
volkstümlicher,
kirchlicher
Kunst wird dem
Verlangennach
geeigneten Er-
innerungen mit
kleinen Schnit-
zereien aus dem
kirchlichen Bil-
derkreise vor-
trefflich begeg-
net. Der kleine
Christus mit
der Weltkugel
(Abb. S. 510),
Entwurf von
5'4
Die Köniol. Bayrischen Pachsc/iutoi.
tAtllM hlllE 1 l R PORZELLAX-INDUSTKIK IX SEl.H.
Fachlehrer Wittmann, stellt in der Auffassung
gesunde Volksart, in der Durchbildung tech-
nische Vollkommenheit, in der Verbindung von
Figur und Sockel jenes künstlerische Gefühl
für kompositorische Geschlossenheit dar, das
NACH ENTWÜRFEN VON l'KuH. IKHZ KI.F.i;.
immer als letztes Ziel formaler gewerblicher
Bildung bestehen bleibt. Glücklicherweise
wird jedoch das Darstellungsgebiet der Fach-
schulen in keiner Weise beengt. Was immer
des Schülers Lust an der Natur aufgreift, muß
KACUsCHLLt FLR PORZELLAN-INDUSTRIE IN SELB. NACH ENTW. VON PROF. FKJIZ KLEE.
5'S
Die Kon igt. Bayri^c/ien Fachschulen.
FACHSCHULE KUR PORZELLAN-IXDUSTRIE IN SELB.
auch gutes Natursludium zeigen, muß material-
gerecht gebildet, muß Vorbild für alle Hände
sein, die in gleichem Material arbeiten. (Das
gilt von dem holzgeschnitzten Pudel und von
der Knäuelbüchse mit Katze, Abb. S. 523, die
nach einem Entwurf der Kgl. Kunstgewerbe-
schule Nürnberg in der Holzschnitzschule
Bischofsheim vorder Rhön gearbeitet wurde.) —
Während die Distrikts-Zeichen- und Schnitz-
schule in Berchtesgaden 1858 lose organisiert
wurde — die Staatsregierung war schon 20
Jahre früher den dortigen Holzschnitzern förder-
lich zur Seite ge-
treten — ist die
Holzschnitzschule
in Bischofsheim
schon 1853 in
Poppenhausen
begründet wor-
den. Diese Schule
ist kleiner und
auch anders or-
ganisiert als die
in Berchtesgaden ,
weil beide auf die
örtlich ganz ande-
ren Berufs-, bezw.
Verkaufsgelegen-
heiten der Orte
Rücksicht neh-
men. Und wie die
Berchtesgadener
schon in den sieb-
IwVri'EE-SERVICE MIT FARUIGEM DEKOR.
FACHSCHULE FÜR PORZELLAN-INDUSTRIE IN SELB,
ziger Jahren des letzten Jahrhunderts vorbild-
lich wurde für die daraufhin begründeten Schu-
len in Hallein und Hallstadt, so scheint die
Bischofsheimer Schule jetzt einem entscheiden-
den Aufschwung entgegenzugehen.
Für das Spessartgebiet wirkt die Holzschnitz-
schule auf dem Gute Neuhammer bei Winters-
bach, ursprünglich (1880) in Lohr errichtet.
Schreinerei und Drechslerei wurden in Neu-
hammer in einem Sägewerk betrieben. Die
Knaben genossen täglich einige Stunden Fach-
unterricht im Zeichnen, Modellieren und Holz-
schnitzen. — Un-
sere Abb. S. 524
zeigt einen Klei-
derschrank, der
von dem Rektor
des Pfälzischen
Gewerbe -Mu-
seums, Eduard
B rill, entworfen
und in den mit der
Kreisbauschule
zu Kaiserslautern
verbundenen
kunstgewerbli-
chen Fachschulen
hergestellt wurde.
Der vornehme
künstlerische Ent-
wurf hat die denk-
bar beste Ausfüh-
rung gefunden.
516
KACHSCHULE FÜR PORZELLAN-INDUSTRIE IN SELB. »VASEN UND DOSEN« ENTWl RFE I'ROK. KRITZ KI.KE.
1913. VI. 8.
Die Königl. Bayrischen Fachschuleti.
Ein Vorbild für den wei-
ten Umkreis und all sei-
ne jungen Kunsthand-
werker. In den kunstge-
werblichen Fachschulen
— mit Abteilungen für
Schreiner, Schlosser,
Steinbildhauer, Holz-
bildhauer, Ziseleure —
wird fast während des
ganzen Jahres prakti-
scher Unterricht betrie-
ben. — In unserer Pu-
blikation nehmen die
Arbeiten der Fach-
schule für Porzellan-
industrie in Selb großen
Raum ein. Sehr mit
Recht, obwohl diese
Fachschule in der ge-
nannten Denkschrift
von 1902 noch nicht er-
wähnt werden konnte.
Damals beschäftigte sich
die Regierung erst mit
dem Gedanken ihrer
Gründung. Diese war
ebenso notwendig wie
glücklich. Sind doch in
jener Gegend Oberfran-
kens viele Tausendc
von Arbeitern in der
Porzellanindustrie tätig,
und verlangt doch ge-
rade solche Industrie
nach künstlerischer An-
regung. Wie vortrefflich
ist nun schon das, was
aus dieser Fachschule
jetzt hervorgeht. Nalur-
studium u. Farbensinn,
Sinn für Material und
Form haben in kurzer
Zeit, dank tüchtigster
Leitung Professor Fritz
Klee's, eine solche Förderung erfahren, daß
der Erfolg in einer bereits so merkantil fühl-
baren Weise hervortritt, wie nicht zu erwarten
gewesen. Freilich sind auch hier Entwürfe von
Künstlern — von Professor Klee — zu nennen,
— aber die technische Schulung hat doch erst
solche Ausführung ermöglicht. Vieles, was in
Selb geschaffen wird, hat bei Kennern Staunen
erregt. Die Tierfiguren Klee's in feiner Unter-
glasur werden gesucht, die Scharf feuermale-
reien können mit alten, berühmten Fabriker-
zeugnissen konkurrieren. So wird hier die
5.8
SCHNITZSCHULE IN OBEKAIIMEKGAU. iCHRISTUSKINI
künstlerische Hebung
des Gewerbes vielleicht
am augenscheinlichsten
verfolgbar — ganz ge-
wiß nachzahlen der Ver-
kaufsstatistik. Und wer
sich in die Geschichte
der alten großen fürst-
lichen bezw. staatlichen
Porzellanfabriken ver-
tieft, liest deren wirt-
schaftlichen Statistiken
immer denselben Erfah-
rungssatz ab ; Nur im-
mer dann und nur so-
lange die Tendenz sol-
che Anstalten beseelte,
künstlerisch vorbild-
lich für des ganzen Lan-
des Industrie zu sein,
prosperierten sie. Ein
Erfahrungssatz, den zu
ihrer Maxime gemacht
zu haben die staatliche
Organisation unserer
Fachschulen auszeich-
net. — Kann nicht im-
mer und überall so rasch
das Resultat solcher
Grundsätze zu Tage
treten, wie in der Fach-
schule in Selb, so müs-
sen doch Zweifler an
solchen Grundsätzen
um so nachdrücklicher
darauf aufmerksam ge-
macht werden. — So
erübrigt es sich, von den
Arbeiten und Erfolgen
der Handwerker-
fachschule in Augs-
burg, von der gleich-
falls sehr erfolgreichen
F achschule fürKorb-
flechterei in Lich-
te nf eis, wo die klassische Korbflechterei
Japans Vorbilder gab, und änderen Schulen für
andere Gewerbe zu reden. Nur von Zwiesel
und Landshut mag noch kurz die Rede sein.
Die Geschichte der Fachschule für
Keramik in Landshut bestätigt überraschend,
wie Werkstättenbetrieb, der nur als Erwerbs-
quelle betrachtet wird, solchen Anstalten unbe-
dingt zur Gefahr wird. In den 70 er, ja noch
in den 80 er Jahren erfüllte nach dem über-
einstimmenden Urteile der Sachverständigen
die Schule ihren Zweck nicht, „da sie durch zu
Die König/. Bayrischen Fachschulen.
nachdrückliche Beto-
nung desWerkstätte-
betriebes in erster
Linie Erwerbsquelle
wurde und der Ver-
edelunj^s - Unterricht
ganz in den Hinter-
grund trat." Was
Landshut nun leistet,
nun bedeutet, zeigen
schon die Abbildun-
gen der Schmucktel-
ler, von denen einige
nach Entwurf keines
geringeren als Julius
1) i e z ausgeführt wur-
den. Derhier abgebil-
deteOfen aberwurde
nach einem Entwurf
der Kunstgewer-
be s c h u 1 e Mün-
chen ausgeführt.
Hier kann freilich die
schwarze Abbildung
nicht die farbkünst-
lerischen Reize wie-
dergeben, die ich vor
dem Original emp-
fand. Auch hier ge-
hen unter Wilhelm
Rudolfs Leitung
künstlerische Erwä-
gungen u. chemisch-
technische Versuche
u. Neuerungen Hand
in Hard. — Gleich-
falls zu einer führen-
den Musterschule —
ganz gewiß auch für
manche außerdeut-
sche Staaten — hat
sich die junge Fach-
schule für Glas-
industrie und
Holzschnitzerei
in Zwiesel in Nie-
derbayern entwik-
kelt. Die Gläser kön-
nen im internationa-
len Wettbewerb sich sehen lassen , und die
verständnisvoll den Glasprodukten dienenden
Schnitzereien heben wechselseitig das Ansehen.
Hier wäre gar viel zu sagen, wenn es nicht
in Each- und Liebhaberkreisen schon bekannt
wäre, wie verständnisvoll die Ornamentik, wie
entzückend zierlich und fein die Ätzung der
Gläser, wie Kunst und Handwerk vorbild-
KERAMISCHE FACHSCHULE IN
ENTWIRF DF.R K. KÜNSTGEW
lieh verbunden. Der
Leiter dieser Schule
ist Bruno Mauder.
Der aus der Kunst-
gewcrbeschule Mün-
chen hervorgegange-
ne Bildhauer Meier
ist jetzt in Zwiesel
Lehrer für Schnitzen.
— Am festesten wä-
ren diese hier nie-
dergelegten Meinun-
gen über den glän-
zenden Erfolg und
Aufschwung von Bay-
erns Fachschulen zu
begründen mit einer
Geschichte des gan-
zen Fachschulwesens
von Schinkel und
Beuth und Semper
an bis heute, und von
diesen weit zurück
zu den erfolgreich-
sten aller: den Schu-
len und Werkstätten
eines Foucquet und
Colbert und Le Brun
zur Zeit Ludwigs XIV.
von Frankreich: den
„Manufactures Ro-
yales des Gobelins"
u.a.! Wer noch zwei-
felt an der eminen-
ten Notwendigkeit
der finanziellen und
ideellen Unterstüt-
zung von gewerbli-
chen Fachschulen, die
ebenso künstle-
risch wie Wirt-
schaft 1 i c h u m s i cli-
tig geleitet wer-
den wie gegen-
wärtig die unse-
ren, dem kann nichts
Besseres geraten wer-
den, als die Geschich-
te jener erwähnten
Unternehmungen zu studieren. Denn das Resul-
tat solcher Studien würde unanfechtbar dieses
bleiben: Der wirtschaftliche Erfolg, der ideelle
und materielle Gewinn, der dem Staat aus den
Fachschulen entsteht, war noch je und ist immer
um so höher, je mehrdasAugenmerk ihrer einheit-
lichen Leitung auf Veredelung der Arbeit durch
künstlerische Gesichtspunkte gerichtet ist. i..
LANDSHUT. »KACHELOFEN«
F.RBE-.SCHULE IN MÜNCHKN.
5>9
ENTWURFE: BRUNO MAUDER— ZWIESEL.
GLA.SPOKALE MIT SCHLIFF U. GRAVIERUNG.
KACHSCHULE F.
GL.\S-INDUSTRIE
IN ZWIESEL.
2 GESCHLIFFENE
UND GRAVIERTE
GLASSCHALE.
,t«i;vi^>.:r^-,r.r:.,..rr^.«M^»..««i-^ .
KNl WiRFE; BRUNO MAIDER.
.LASruKAl.l. Mll Stlll.IH- U. <;KA\ lERUNG.
FACHSCHULE F.
GLAS-INUUSTRIE
I.N ZWIESEL.
GESCHLIFFENE
UNI) GRAVIERTE
GI..\Sl>OSE.
Klei7ie Kunst-Nachrichten.
KUNST-NACHRICHTEN
FEBRUAR lülö.
BERLIN. Im Februar veran-
staltete „Der Sturm" eine
interessante Ausstellung male-
rischer Experimente von Robert
Delaunay aus Paris. Der In-
halt dieser Ausstellung ist ein
Schulbeispiel für die Resultate
einer auf mathematisch-abstrak-
ten Regeln ruhenden Malerei.
Während eine ältere Arbeit De-
launays ein mit normalen künst-
lerischen Mitteln haushaltendes
Können verrät, wertvoll sowohl
in der Beobachtung als in der
Wiedergabe, beginnt er bereits
in der Arbeit „Les Tours" die
Neuschöpfung der von ihm emp-
fundenen Dinge. Der Gegen-
stand tritt hinter der Idee zurück,
.'^uch „La fenetre sur la ville"
wird schon überwiegend vom
Standpunkt der Raumdynamik
aus behandelt, die durch die in
geometrisch abgegrenztePlächen
verteilten Farben sowie durch
sinngemäß eingefügte Linien
FACHSCHULE
FÜR GLAS-
INDUSTRIF.
IN ZWIE.SEL.
GRAVIEKTE
KARAFFEN.
KARAFFEN. ENTW IRFE VON BR. MAUDER.
und Kurven zum Ausdruck ge-
bracht werden soll. Hier ist be-
reits der Boden des Unmittel-
bar-Verständlichen verlassen und
das Ausdrucksmittel der Kunst
zur Geheimschrift geworden,
deren Kenntnis nur wenigen
zuteil wird. Eigentümlich aber
bleibt dennoch die Tatsache, dafj
das in der Tradition mehr oder
minder wurzelnde Stilgefühl des
Beschauers den Arbeiten De-
launays eine gewisse Harmonie
nicht abstreiten kann, die wohl
in der mathematisch berechneten
Geset5mäf5igkeit sowie in der
geschickten Verwendung von
Komplementärfarben ihren Ur-
sprung hat. Der Eigenart halber
mag noch erwähnt werden, daß
Delaunay bei dem Zerlegen des
Einzelnen sich in seinen neue-
sten Arbeiten nicht mitdemRaum
und der Fläche begnügt, daß
er auch an eine Auflösung der
Farben ähnlich den Problemen
der Neoimpressionisten denkt.
Aber er bleibt auch hier dem
522
Kleine Kunst- N ach nchteti.
Prinzip treu; er re-
duziert seine Farb-
teilchen auf richtig'-
g-ehende kleine Qua-
drate. Hiermit scheint
die Entwicklung des
Kubismus auf der
letjten erreichbaren
Stufe in der ma-
thematischen Neu-
schöpfung angelangt
zu sein. — Es ist ein
weiter Sprung von
der malerischen Ma-
thematik desFranzo-
sen zu dem jungen
Wiener Maler Vic-
tor Hammer, der
im Kunstsalon Frit5
Gurlitt eine statt-
liche Anzahl fesseln-
der Porträts aus-
stellt. Zur Beurtei-
lung eines Porträts
bedarf man im all-
gemeinen derKennt-
nis der Persönlich-
keit, die die Arbeit
des Künstlers in-
spirierte. Bei Ham-
holzschnitz-schui.e ix bischofsheim vor der rhön.
»knäuei.bOchse» entw: kunstgewerbe-schui.e in Nürnberg.
mer aber interessiert
weniger die Frage
nadiderÄhnlidikcit,
als eine liebens-
würdige, an das vor.
märzliche Wien ge-
mahnende Charak-
terisierungs -Bega-
bung. Man wird
hier an die Schule
eines Waldmüller
und Danhauser er-
innert und fühlt in
jedem feinen Pinsel-
strich jene altwiener
Tradition, Zartheit
des Empfindens,
Liebe für das un-
wesentlidiste Ding
im Kaum, Ritterlich-
keit und .Aufrichtig-
keit. Darüberhinaus
legt Hammer noch
besonderenWert auf
die Betonung des
Seelischen, aus dem
das Formale als
natürlidier Kmpfin-
dungswert wächst.
DR. WALTER GEORG 1.
SCHNITZSCHULE IN 0BERAMMERU.-\U. «I'UUEl. HOLZSCHNITZEREI.
5*3
Kleine Kunst-Nachrichten.
MANNHEIM. Als 13. Ausstellung des Freien
Bundes ist in der Kunsthalle eine umfang-
reiche Darbietung „Moderner Theaterkunst"
veranstaltet worden. Die früheren Ausstellungen,
die dem Theater gewidmet waren, - in Wien 1892
und Berlin IQll — legten das Schwergewidit auf
die Theater- und Bühnengeschichte; die Mann-
heimer-Ausstellung unterstreicht die Theaterkunst
und gibt Wühl zum ersten Male einen Überblick
über die Leistungen, die die moderne Kunst dem
Theater und der Bühne geboten hat. Eine Abtei-
lung ist der Theaterarchitektur gewidmet;
die Entwürfe für das Berliner Opernhaus sind in
ihren bedeutsamsten Beispielen vertreten. Dieser
Abteilung ist eine Schau angewandter Theaterkunst
angegliedert: Plakate von J. Klinger, Bernhard,
Orlik, Starke, Theaterzettelentwürfe von Orlik,
R. Koch, Leni und anderen. Den Hauptraum füllen
die Bühnenbilderund Figurinen. Mit Aus-
nahme von Stanislawskys Schöpfungen wird hier
KREIS-
BAUSCHULE
zu KAISERS-
r.AUTERN
jSCHRANK«
ENTWURF
REKTOR El).
BRII I .
fc.. ■• ktt i -*•;' [
- -UMTM. -I f, T
»ZtERKoRBCHIiN« t.NTWl Kl-E IM) Al>tLHRUNG; l-Al-H^CHULE FÜR KORBFLECHTEREI IN LICHTENFELb.
1913. VI. 9.
K/eijie Kiaixt-N^achrichten.
wohl alles geboten, was
die Gestaltung des mo-
dernen Bühnenbildes
zu charakterisieren ge-
eignet ist. Adolphe
Appia und Gordon
Craig treten als die
feinfühligen Inaugura-
toren moderner Büh-
nenkunst wirksam in
Erscheinung; Appias
lichtdurchflutete Ent-
würfe zu Wagners
Opern und Craigs
phantasievolle, archi-
tektonisch bedeutsa-
me Radierungen. Ihr
Einflufi lä|3t sich in der
Entwicklung klar ver-
folgen. Von Ernst
Stern— Berlin werden
charakteristische Ar-
beiten gezeigt, Büh-
nenbilder und Figuri-
nen zu Shakespeares
„Viel Lärm um Nichts",
„Heinrich IV.", zu Voll-
möllers „Mirakel",
Moliferes „Georges
Dandin", Straugens
„Ariadne auf Naxos".
Was bei seinen Ent-
würfen so überzeugend
und bedeutend wirkt,
ist die Einheitlichkeit
der Empfindung, die
Menschen und Dinge,
Landschaft und .Ar-
FACHSCHULE IN ZWIESEL. »SPIEGELR.\HMEN«
chitektur durchströmt.
Dies gilt auch von
den Arbeiten Otto-
mar Starkes, dessen
großes Bühnentalent
auf dieser Ausstellung
stark hervortritt, so-
wohl in den Bühnen-
bildern zu Glucks „Or-
pheus und Eurydike",
Shakespeares „Julius
Caesar", als auch in
den charaktervollen Fi-
gurinen zu Eulenbergs
„Alles um Geld". Karl
Walsers Rokoko- und
Biedermeiergrazie duf-
tet aus den köstlichen
Blättern zu Offenbach
und Nestroy. VonOr-
lik imponieren be-
sonders die sorgsam
und höchst charakte-
ristisch durchgeführten
Studien zu Schillers
„Räubern" und Shake-
speares „Wintermär-
chen". Wunderwa Id
hat in seinen Entwürfen
ein reiches Repertoire
bearbeitet, das von
Goethe bis Strindberg
reicht und manches
prägnante Bild ge-
staltet. Von jüngeren
Kräften in Berlin tre-
ten besonders Rochus
Gl lese und Knut
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FACHSCHULE FÜR -HOLZSCHNITZEREI IN ZWIESEL. »HOLZKASSETTE« ENTW: FACHLEHRER MEIER.
KF.ICHGE-
^CHMIEDETE
JITTKR.
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N AUGSBURG.
HANDWEKKER-
KACHSCHUI.E
IN AUGSBURG.
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BLUSE liN FILET-ARBEIT MIT ANGESETZTEM SCHOSS.
Kleine Kuiist-Nachrichten.
Ström hervor in Entwürfen zum Macbeth und zu den
kleinen Dramen von Hofmannsthal. Von Max Lieber-
mann sieht man die Sl<izzen fürdie Lauchstädter Auf-
führung- von „Gabriel Schillings Flucht", von Max
Slevogt die Bilder zu Hauptmaims „Florian Geyer";
ihre impressionistisch meisterlichen Skizzen stehen
der strengen Bühnenkunst am fernsten. F. Schu-
machers Dresdner Hamlet folgt sehr strengen Stil-
tendenzen. Roller, Moser, Lefler, Wimmer und
Graf zeigen die Wiener Schule am Werke. Für
Hagemann in Hamburg arbeitete R. Voltmer
Dekorationen zu Turandot, für Martersteig in Köln
H. Wildermann Wagnersche Opern. In Freiburg
(bei Legband) sind O. Reigbert, Ed. Peter und
L. Sievert tätig, in Düsseldorf arbeitet besonders
intensiv E. Sturm. Pankok hat für das Stutt-
garter Hoftheater Figaros Hochzeit inszeniert, Qöt5
für die Vereinigten Theater in München Schillers
„Kabale und Liebe". H. Steiner- Prags Tätig-
keit wird an zahlreichen Entwürfen deutlich. In
der Abteilung der Figurinen fallen neben den
exotisch-starken Arbeiten Leon Baksts beson-
ders die linear -puristisch, fast präraffaelitisch-
sensitiven Studien von A. Rothen stein und
N. Wilkinson auf, die beide für Oranville Barker
in London tätig sind. Aufjer den Entwürfen werden
eine Reihe von Bühnenmodellen gezeigt, von
E. Stern die Drehbühnenmodelle zu „Heinrich IV.",
die Modelle zur „Ariadne auf Naxos", von E. Oppler-
Legband und E. Sievert verschiedene Modelle.
Eine Abteilung veranschaulicht das Marionetten-
theater an der Hand von Figuren und Skizzen
Ivo Puhonnys; daneben ein original-bäurischer
Kasperl eines Kehler Puppenspielers. — Vom
alten Mannheimer Theater werden Figurinen,
Risse und Bühnendekorationen gezeigt. w. f. st.
WALTER ROSSNER
U.FRL. E. RüSSNEK-
BERLIN. GESTIl K-
TES PANNEAU.
RINUERSP ACHER-MÜNCHEN. FENSTERSCHMUCK.
Inhalts-Verzeichnis.
BAND XXXI
Oktober 1912— März 1913.
TEXT-BEITR AGE :
Jubiläums-Ausstellung Eugen Bracht. Von
Prof. Dr. Georg Biermann . .
Die Große Berliner Kunst-Ausstellimg. Von
Rudolf Klein— Berlin
Quellen des Bebagens. Vom Sammeln. Von
Kuno Graf Hardenberg— Dresden .
Ramön und Valentin de Zubiaurre — Madrid.
Von Wilhelm Michel
Wem gehört die Stadt. Von Richard
Schaukai — Wien
Adelbert Niemeyers Haus Krawehl. Von
Dr. E. W. Bredt^München . . .
Die Ausstellung im Österreichischen Museum
für Kunst und Industrie 19 12. Von
Franz Planer — Wien
Die neuen Stuttgarter Hofbühnen ....
Münchner Jahres-Ausstellung im Glaspalast.
Von Dr. Kuno Mittenzwey-München
Die Erziehung für das Kunsthandwerk. Von
Prof. Dr. A. Pabst— Leipzig . .
Der Künstler und seine Welt. Curt Herr-
mann— Berlin als Maler und Sammler.
Von Robert Breuer — Berlin . .
Der Impressionismus und die Kultur der Ge-
genwart. Von Dr. Walter Georg
Neue Arbeiten von Charles Tooby. Von Fritz
von Ostini — München ....
Englische Landhäuser. Von H . L a n g-D a n o 1
Vom Schmuck. Von Wilhelm Michel
Raumkunst auf der Wiener Frühjah rsaus-
Stellung des Österr. Museums f. Kunst u,
Industrie. Von Fr. Planer — Wien
Das Problem des Denkmals. Von Prof. Karl
Widmer — Karlsruhe
Das Pathos der Gärten. Von P. Westheim
Der Edelschmied. Von Robert Breuer
Spiele der Nadel. Zu den Arbeiten von Frau
Else Wislicenus. Von Robert Breuer
Maler Hans Brühlmannj — Stuttgart. Von
Dr. W. F. Storck — Maimheim
Sascha Schneider — Florenz. Von Dr. Rob ert
Corwegh — Leipzig
Seite
3 — 10
13— io
14—28
3'— 33
34—39
44—82
89—93
108 — 109
115— 121
126—128
■31
141
138
153—162
163
166 — 172
175-185
186 — 191
195 — 200
202
203—205
215 — 218
225 — 244
Ausstellung fürKirchl. Kunst i. österr. Museum
Neue Puppen von Lotte Pritzel. Von Georg
Hirschfeld— München
Ein Landhaus von Josef Rings— Offenbach.
Von Mela Escherich
Ein Geschäftshaus von Hermann Muthesius
Else Bürgereits Mädchenkleider ....
Die Hagener Silberechmiede. Von Dr. Kurt
Freyer — Halle
Neue Serapis-Fayencen
Bühnenmasken
Alexander Koch. Ein Gedenkblatt zu seinem
25 jährigen Berufs- und Verlagsjubiläum
am 27. Dez. 191 2. Von W. Michel
Hanns Pellar — Darmstadt. Von Dr. Fritz
Burger — München
Kunstpolitische Fragen, Von G. M.uschner
Majolika-Figuren von Bernhard Hoetger. Von
Richard Stiller — Dresden ....
Ballett-Skizzen von Lion Bakst — Paris. Von
William Ritter — München
Architekt Albert Gessner — Charlottenburg.
Von Dr. Curt Pallmann — Berlin . .
Zur Psychologie der Mode. Von Rudolf
Klein — Berlin
Stoffe imd Stickereien von Herta Koch. Von
Wilhelm Michel
Die Kunst des alten Ostasiens. Von Robert
Breuer — Berlin
Werke aus dem Leibl-Kreis. Von Dr. Georg
Jac. Wolf — München
Julius Habicht
Bildhauer Georg Kolbe — Berlin. Von Dr.
Ewald Bender — Leipzig ....
Zum Denkmals-Problem. Von Kuno Graf
Hardenberg — Dresden
Zu den Arbeiten von Emanuel Josef Margold.
Von Arthur Roeßler— Wien . .
Kunst und Kunstwissenschaft. Von Dr. Emil
Utitz— Roitock
Das Reich der Zeichnung. Von Robert
Breuer — Berlin
Seite
245 — 253
254—260
*63
265
265
270 — 271
272
274—275
287—295
296
299—306
309—324
327— 33>
332—346
349-356
357
363—375
376
379—385
385-388
391—392
397—435
443—454
Zwischen Gotik und Rokoko. Von Robert Seite
Breuer — Berlin 459 — 462
Ludwig Kainer — München. Von Hermann
Esswein — München 46J — 465
Berliner Opernhaus. Von R. Breuer — Berlin 464 — 466
Alte Städte und moderne Architekten. Von
Dr. Franz Servaes — Wien . . . 469 — 480
Die Seele des Holzes. Von Robert Breuer 483 — 498
Zu den Glasmalereien von Ernst Rinderspacher.
Von Dr. Kuno Mittenzwey-München 507
Die Kötugl. BajTischen Fachschulen. Von
Dr. E. W. Bredt -München . . . . 511— 519
ABBILDUNGEN
(SACHLICH ZUSAMMENGESTELLT):
Altäre S. 246 — 247, 249; Ankleidezimmer S. 79, 404,
490 — 49:; Architektur S. 42 — 47, 86, 108 — 109, 163 —
166, 263 — 264, 326—329, 338, 392—395. 434. 468—
480; Aussteliungsgebäudeund-Räume S. 92, 95, 174 — 198;
Badezimmer S. 83; Beleuchtungskörper S. 69, 409, 413;
Bibliotheken S. 56 — 57, 167; Blumen-Behälter, -Vasen,
-Kübel S. 94, 100 — 101, .198, 200, 517; Bucheinbände und
Buchschmuck S. 206, 432 — 433; Büfetts und Anrichten
S. 149, 183, 502 — 503; Damenzimmer S. 59, 78,
186 — 187,340,397, 405, 482 — 484; Edelmetallarbeiten
S. 96 — 98, 201 — 202, 212, 250 — 251, 270—271, 276 —
277, 416 — 419; Empfangsräume S. 174, 177; Erker-
und Fensteranlagen S. 70, 147; Fremdenzimmers. 506;
Garderoben S. 48 —49; Garten- Anlagen und -Architektur
S. 261, 330 — 332, 360, 468 — 469; Garten- und Tee-
häuschen, Lauben S. 195 — 198, 332 — 333, 468 — 473;
Gartenmöbel S. 199; Gartensaal S. 180, 192; Garten-
schmuck S. 194, 261, 330 — 331; Gemälde S. 2 — 40,
66, 114— 143, 152— 161, 214—237, 286—295, 3>o—
311, 320 — 321 362 — 376, 445, 447; Gläser und Po-
kale S. 101,212, 251, 520 — 521; Glasmalereien, Kunst-
verglasungen, Mosaiken S. 248, 414 — 415, 507 — 509,
532; Glaswaren S. loi, 520 — 522; Graphik S. 444, 446,
448 — 449, 452 — 456; Hallen und Dielen S. 50 — 54,
169 — 170, 172, 190 — 191, 396, 500; Herren- und Ar-
beitszimmer S. 56 — 57, 60 — 61, 167, 335, 337, 341,
403 — 404, 495 — 498; Holzschnitte S. 456; Holzschnit-
zereien S. 245, 510, 518, 523 — 524,526; Kaffeewärmers.
106 — 107, 206; Kamine und Öfen S. 50, 61 167 — 172,
187, 191, 193, 519; Kasetten und Dosen S. 97 — 98,
104—105, 203, 276—277, 4:6, 517, 521, 523, 526;
Keramik S. 193, 512, 516 — 517,519; Keramik, figürliche
S. 89 — 95, 272 — 273, 298 — 305, 511 — 515; Kinder-
ziinmerS.80 — 8l;Kircliliche Kunst S. 245^253, 271, 510,
518; Kissen und Decken S. 106 — 107, 207, 354 —
357, 424 — 425,427; Kleider, Kostüme und Gamierungen
S. 102 — 103, HO — III, 426 — 437, 436 — 437, 528 —
529; Körbchen S. 104, 525; Küchen und Wirtschafts-
räume S. 84 — 85; Landhäuser und Villen .S. 42 — 86,
163 — 172, 263 — 264, 326 — 334, ,474 — 480; Lederwaren
S. 99; Lithographien S. 446, 453, 455; Malerei, deko-
rative S. 66, 69, 92, 95 179, 216 — 217, 287, 289, 310 —
311, 507 — 509; Masken S. 274 — 275; Metallarbeiten S.
69, 200,253,527; Musikzimmer S. 62 — 68, 492 — 495;
Papierwaren S. 104 — 105; Plastik S. 88 — 95, 194, 224,
236, 238—245, 249, 253, 272—273, 298—306, 378—
388, 442, 458 — 462, 510, 51,1 — 515, 518, 523; Por.
zeUan-Service, -Vasen, -Dosen S. 100 — 101, 428 — 431,
516 — 517; Puppen (für die Vitrine) S. 112, 254 — 260,
Puppen (Spielzeug) S. 278 — 283; Radierungen S. 444,
448 — 449, 450, 452, 455; Rohrmöbel S. 208 — 209;
Schlafzimmer S. 266, 336, 342 — 346, 405, 503 — 505;
Schmucksachen S. 201 — 202, 271, 276 — 277, 416 — 419,
435; Schmiedeeisen S. 527; Schränke S. 148, 407,
410, 504 — 505, 524; Schreibzeuge S. 98, 100; Service
S. 97, 100, 270, 428 — 431, 516; Sitzmöbel S. 185,
189; Speisezimmer S. 70 — 74, 145—149, 182 — 185,
188 — 189, 339, 390, 398—399. 402. 486 — 489,
501 — 503; Spielsaal S. 411; Spielsachen 278 — 283;
Stickereien S. 106 — 107, 181, 203 — 207, 252, 269,
354 — 357, 408, 427, 530; Stoffe, gewebte und bedruckte
S. 102, 348 — 353, 420 — 425; Tafelgeräte und Tafel-
schmuck S. 96 — 98, 100 — loi, 270, 272 — 273,428 — 431,
516, 520 — 522; Täschchen S. 99, 204 — 205; Teezimmer
S. 196 — 197, 333, 470 — 471; Theater-Dekorationen,
-Szenerien S. 320, 321, 464 — 465; Theater - Figurinen
und -Kostüme S. 308, 312—319, 322—324, 358—359;
Tischlampen (elektr.) S. 208 — 209, 210; Treppenhäuser
S- 55, 76; Veranden, Wintergärten S. 75, 501; Vestibüle,
Fluren S. 48 — 49, 55, 76 — 77, 407; Wohnzimmer und
Wohndielen S. 144, 169 — 172, 190 — 191, 265, 267,
334. 336. 339. 485. 495; Zeichnungen S. 15, 27, 114,
308—309, 312—319, 322—324, 358—359. 375. 443.
446—447, 450, 453—454, 456, 463—466.
KLEINE KUNST- NACHRICHTEN:
Seite
Berlin .... S. 357. 436. 438. 464. 522
Crefeld 212
Darmstadt 438. 439
Leipzig ... 437
Mannheim 109. 524
München 210
Neuenburg 278
Wien 359
Wiesbaden 209
Zürich 360
Die neuen Stuttgarter Hofbühnen .... 108
Knabenhandarbeit 207
Modeblätter ^ . . . 211
Gartenkunst 212
Neue Berliner Bauten 278
Hessisches Spielzeug 283
Die Kunst des alten Ostasiens 357
Aus den Berliner Kunstsalons 436
Namen-Verzeichnis.
X
Seite
Alber, M 252
Alt, Theodor 365
Ammann, Gustav — Zürich 360
Bakst, Leon — Paris 308 — 324
Barlach, E. — Güstrow ; 453
Barwig, Prof. Franz — Wien 245
Bau- u. Kunslhandwerkerschule- Bozen . . 253
Btehoff, David & Co.— Paris 436—437
Beckmann, M. — Berlin 455
Bender, Dr. Ewald — Leipzig . 379 — 385. 437—438
Bergmann, Prof. Julius — Karlsruhe ... 127
Bierraann, Prof. Dr. Georg — Darmstadt . . 3 — 10
Bischoff-Culm, Ernst — Berlin 446
Bock, J. — Wien 100. 101. 428—431
Bohnenberger, Theodor^München . . . 21. 125
Bolek, Arch. Hans — Wien 96. 98
Bonnard, Pierre — Paris 132
Bracht, Prof. Eugen — Dresden 3 — 10
Bräuer, Arch. Carl — Wien 250
Bredt, Dr. E. W.— München 44—82
Breuer.Rob. Berlin 131— 138. 202—205.436—437. 357
443—454- 459—462. 465—466. 483—498
Brick, Yvonne — Wien 103
Brühlmannf, Maler Hans— Stuttgart . . . 214 — 222
Burger, Dr. Fritz — München 287 — 295
Bürgereit, Else^Düsseldorf 268
Christophe, Franz — Berlin 450
Corinth. Lovis — Berlin 454
Corwegh, Dr. Robert — Leipzig .... 225 — 244
Croß, H. E. — Le Lavandon 131
Daumier, Honori .... .... 445
Denis, Maurice — Paris 130
Deutsche Werkstätten — München 50. 51. 68 — 79
Egger-Lienz, Albin — Weimar 121
Engel, Prof. Otto H.— Berlin 20. 27
Engelmann, Rieh. — Berlin 460
Erler, Prof. Fritz — München 2
Escherich, Mela — Wiesbaden 263
Esswein, Hermann — München 463 — 465
Eysen, Louis 37^
Fachschule für Glasindustrie in Zwiesel . 520 — 522
Fachschule für Holzschnitzerei in Zwiesel . . 526
Fachschule für Korbflechterei in Lichtenfels 525
Fachschule für Porzellan-Industrie — Selb 511. 5 13 — 5 1 7
Fischer, Otto— Dresden 449
Fochler, Fr. — Wien 100
Forstner, Leopold — Wien .... 246. 248. 251
Frank, Dr. Joseph — Wien 190. 191
Frenze!, Prof. Oscar — Berlin 17
Freyer, Dr. Kurt— Halle 270—271
Froebels Erben, Otto— Zürich .
Gauguin, Paul
Georgi, Dr. Walter — Berlin . . 141 — i
Gcßner, Arch. Albert — Charlottenburg
Gogh, Vincent van
Göhler, Prof. Hermann — Karlsnihe
Grässel, Prof. Franz — Eramering
Greve-Lindau, Georg — Weimar
Großmann, Rudolf — Berlin .
Halden, Franz — Wien
HaUer, H.— Paris
Halsey, Arch. Ricardo — London
Hambüchen, W. — Düsseldorf
Handwerker-Fachschule in Augsburg
Hardenberg, Graf Kuno — Dresden 2
Häusler, Arch. Ph. — Wien .
Heigl, Guido — Wien
Heinemann, Willi — Berlin .
Heinersdorff, Gottfried — Berlin
Hellwag, Prof. Rudolf — Karlsruhe
Herrmann, Kurt — Berlin . . 137
Hirschfeld, Georg — München
Hoetger, Prof. Bernhard — Darmstadt
Hoffmann, Prof. Joseph — Wien 100
Hofmann, Ludwig von — Weimar .
HoUib, Arch. Adolf O.— Wien 188
Holzschnitzschule in Biscbofsheim v. d
Horder, Morley
Hübner, Ulrich — Lübeck
Johnova, Helene — Wien . .
Kainer, Ludwig — München . .
Kampf, Prof. Arthur — Charlottenburg
Karger, R. — Wien
Kauljsch, Dr. Paul — Berlin . .
Keramische Fachschule in I^andshut
Keram. Werkgenossenschaft — Wien
Klaus, Arch. Karl — Wien . .
Klein, Rudolf— Berlin . . .
Knirr, Heinrich — München
Koch, Herta — Darmstadt . .
Koenig, M. Albert — München .
Kolbe, Bildhauer Georg — Berlin
Kreisbauschule zu Kaiserslautern
Krikawa, Bildhauer Karl — Wien
Krüger, G. — Berlin ....
Kruse, Käthe — Berlin
Lang-Danoli, Hugo — Darmstadt
Larsson, Karl— Sundbom
Lauweriks, J. L. M. — Hagen
Lefler, Prof. Heinrich — Wien .
50
.•?8
189
Rhön
Seite
360
■34
438
326—346
'35- 139
'3
127
"5
44"- 455
251
461
167
30
527
385-388
99
104
208 — 209
414—415
123
141-143
254 — 260
298 — 306
182-185
1 1 7
247
523
■63, 171
443
90
463 — 466
•5
97
357—359
5'2- 5>9
89. 90. 93
272—273
332—346
18
348—357
118
378-388
524
"94
210 — 21 1
280—281
163
30
270 — 271
358—359
Seite
Lehmbruck, Wilhelm — Paris 442. 458
Lehr- u. Versuchsanstalt f. Korbflechterei-Wien 1 04
Leibl, Wilhehn 362. 364'. 370. 372. 374 — 376
Lichtblau, Arch. Ernst — Wien. , 96—97. 195 — 198
Liebermann, Prof. E. — München .... 128. 452
Littmann, Prof. Max — München .... 108 — 109
Lobmeyr, J. & L. — Wien loi
Löffler, Prof. Berthold — Wien .... 92. 94 — 95
Löffler, Melitta — Wien 106 — 107
Lörcher, Alfred — Stuttgart 459
Lucas, Arch. Geof frey 172
Luksch, Prof. Rieh. — Hamburg 274 — 275
Maennchen, Prof. Albert — Berlin .... 12
Margold, Arch. E. J. — Darmstadt .... 390 — 435
Margold, Ella — Darmstadt .... 408. 426 — 427
Marx & Kleinberger — Frankfurt a. M. . . 420 — 425
Mauder, Bruno — Zwiesel 520 — 522
Mayer, Emma — Hambiug 207
Meid, Hans — Berlin 444. 456
Melchers, Gari — Weimar 19
Michel, WUhelm 31 — 33. 166 — 172. 284. 349 — 356
Mittenzwey, Dr. Kuno — München . . . 115 — 121
Muhrmann, Ludwig — Dresden 25
Müller, Theophil — Dresden 265 — 267
Müller-Wischin, Anton — München. ... 116
Muschner, Georg — München 296
Neuwirth, Rosa — Wien 89
Niemeyer, Prof. A. — München 42 — 86
Oerley, Arch. Robert — Wien 180
Ostini, Fritz von — München 153 — 162
Pabst, Prof. Dr. A.— Leipzig 126 — 128
Pallmann, Dr. Curt — Berlin 327 — 331
Pellar, Hanns — Darmstadt 286 — ig^
Pechstein, Max — Berlin • 448
Pfuhle, Prof. F. H.— Danzig 24
Philippi, Peter — Rothenburg 125
Planer, Franz — Wien 89 — 93. 175 — 185. 359 — 360
Plontke, Paul — Dresden 28 — 29
Poiret, Paul — Paris IIO — iii
Powolny, Prof. Michael — Wien .... 92. 94
Pritzel, Lotte— München 112. 254 — 260
Prutscher, Prof. O.— Wien 186—187
Rappaport, Gusti — Wien 269
Riegel, Prof. Ernst — Darmstadt ... 212
Rinderspacher, Ernst — München . . 507 — 509. 532
Rings, Arch. Josef — Offenbach .... 263^264
Ritter, William — München 309 — 324
Roeßler, Arthur — Wien 391 — 392
Rößner, Walter u. Frl. E. — Berlin ... 529
Roth, Emmy — Berlin 276 — 277
Rysselberghe, Theo van — Paris .... 132
Saltzmann, Prof. Carl — Neubabelsberg . . 119
Samassa, Max — Laibach 250
Schaukai, Dr. Rieh. — Wien 34 — 39
Scheurich, Paul — Berlin 453
SchUdknecht, Prof. Georg — München ... 120
Seite
Schinnerer, Adolf — Deisenhofen .... 446
Schlopsni«, Albert— Giengen 278 — 279
Schnackenberg, Walter — München .... 114
Schneider, Prof. Sascha— Florenz .... 224 — 244
Schnitzschule — Oberammergau . 510. 518. 523
Schuch, Karl 363. 367
Schuster- Woldan, G. — München .... 122
Schwetz-Lehmann, Ida — Wien 93
Seidl, Prof. Emanuel von — München . 261. 4^8—480
Servaes, Dr. — Wien 469 — 480
Sitte, Olga — Wien ' 91
Smith, M. Maberley— London .... 196
Sommerhuber, Rudolf — Steyr 193
Soulek, J.— Wien 182—185
Stadler, Bemard, Werkstätten — Paderborn . 482 — 506
Steiff, Marg. G. m. b. H. — Giengen . . . 278 — 279
Stern, Max — Düsseldorf 126
Stiller, Richard— Dresden 299 — 306
Storck, Dr. W. F.^Mannheim . 109 — 112. 215 — 218
Stmad, Prof. Dr. Oskar — Wien .... 192
Sutter, Prof. Conrad — Breuberg i. O. . . 282 — 283
Thiele, Otto— Berlin 16
Thiele, Ivan — Paris 23
Thoma, Prof. Hans — Karlsruhe .... 373
Toepper, Hans — München 26
Tooby, Charles — München 152 — 161
Tonwerke Kandem 299 — 305
Trübner, Prof. Wilhelm — Karlsruhe . 366. 370. 371,
Ungerer, Alfons — Berlin 201 — 202
Unsworth, Arch. W. F 164 — 165
Utitz, Dr. Emil— Rostock . 397—435
Valtat— Paris 133
Velde, Prof. Henry van de — ^Weimar . . 144 — 149
Vereinigte Westd. Werkstätten — Düsseldorf 268
Voysey, Arch. C. F. A. — London . . . 166. 170
Vuillard, E.— Paris 136
Walser, Karl — Berlin ........ 447
Werkhaus — Charlottenburg 333 — 346
Westheim, Paul — Berlin 195 — 200
Widmer, Prof. Karl^Karlsruhe . . . . 186 — 191
Wiener Kunstkeramische Werkstätten . . 100
Wiener Produktivgenossenschaft der Absol-
ventinnen der Kunststickereischule— Wien 252
Wiener Serapis-Fayence — Wien .... 272 — 273
Wiener Werkstätte — Wien 102. 200
Wimmer, Arch. E. J. — Wien . . . 102. 181. 200
Wislicenus, Else — Breslau . ^ 203 — 206
Witzmann, Prof. Carl— Wien . . . 98. 174 — 178
Wolf, Dr. Georg Jacob— München . . . 363 — 375
Wyand, A. G 163. 171
Zähringer, Karl F. — Baden B 456
Zita, Bildhauer Heinrich — Wien .... 249
Zotti, Arch. Josef — Wien .... 198 — 199. 251
Zubiaurre, Ramön de . . . 32. 35. 37 — 38. 39 — 40
Zubiaurre, Valentin de 31. 33. 34. 40
Zutt, Rieh. Adolf— Mariabrunn .... 88
K
N Deutsche Kunst und Dekoration
3
DA
3d.31
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